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Full text of "Paedagogium : Monatsschrift für Erziehung und Unterricht"

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Paedagogium 


UBRARY  OW  TBS 

GRADUAT£  SCUOOL 
OF  EDUCATION 

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Paedagogiue 

Mouatsächrift 

Ziehung  und  Unterric 

Ton 

I>r.  JE«^edrioli  IKtteau 


r7.  Jabrgang,  1893. 


L  e  i  p  z  i  j?. 
Verlag  von  Juliu»  KlinkkardU 
1893. 


HARVARD  Ur'IVtRSnT 


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Mitarbeiter  des  fbnfBelmtea  Jahrgangaa 


K.  Albert.   S.  517,  782. 

J.  Brung,  Lehrer  iu  Oldenburg.   S.  42. 

Rudolf  Dictricb,  LeliRT  in  Hottmg9ii>Züridi.  ikriobte  ^us  der  Fachpreflse'*. 

Dr.  Fii^  In  h  nittes.    S.  1  ctr. 

Itr.  A.  l<ronke,  Dir.  lies  Rcalgymna.siuui«j  in  Trier.   8.  757. 
Otto  Fiedler,  Lehrer  in  Hirschbeig.   8.  693. 

f  Dr.  J.  Frohschamrocr,  Prof.  an  der  Uni?eiRität  ia  Mftnohea.  8.  12,  621. 
A,  Gad,  Rector  in  Cassel.   S,  ö3,  657. 

A.  Guerth,  Dir.  der  b'ihereQ  MKdchensrhule  in  Listeri)iiig.   8.  81,  129,  572. 

0.  Hinte,  Rector  in  Bcrliu.   S.  llti,  167. 

L.  Hohmann,  Rector  in  Berlin.   S.  701. 

Dr.  F.  Horn  in  Altuaa.    S.  ;^<)3,  598. 

Johann  Kanlich,  Seminarlehrer  in  Brünn.   S.  4t30,  Ü40. 

Richard  Knhler,  Schnldirector  a.  D.  in  Coburg.   8.  277. 

i'r.  Hans  LeclUeitner,  Prof.  in  Linz.   S.  254. 

L.  Mittenzwey.  Schuldirector  iu  Leipzig:.    S.  447,  501. 

Dr.  Heinrich  Morf,   Seminardirector  iu  Wiuterthur.   S.  181. 

C.  G.  MAlIer,  Lehrer  in  Gersdorf,  Sachsen.   i>.  462. 

A.  Neufeld.  Leiter  der  CentralBchule  in  Chortitza,  Südruä&knd.   d.  717,  772. 
W.  Nf  iimauij,  StrafauÄtaltglehrer  in  PlOtcensee.   8.  766. 
OoJüir  Partasch,  Lehrer  in  Dresden.   8.  582. 
C.  SchOler,  Lehrer  iu  Amstetten.   8.  7U). 

Dr.  Wilh.  8ehuppe,  Prof.  un  der  l'niversität  Grei&wald.   S.  215. 

E^luard  .Siegert,  Schulinspector  iu  Wien.    S.  485. 

Geza  äouiogyi,  öcnunarduector  in  ZniöTira^ja,  Ungarn.  8.  363. 


—    IV  — 

Dr.  Adolf  Stttterlin.  Dircctor  der  höh.  Mädchenschule  in  Lahr.   8.  349.  421. 

Wilhelm  Taachek,  Oberlehrer  in  VOalau.   8.  157,  oll,  762. 

A.  Tromnau.  Seminariehrer  in  Brombcrg.   8.  29,  100. 

Theodor  Vemaleken.  Prof.  und  Seminardirector  a.  D.  in  Graz.   S.  387.  439. 

H.  F.  Walgemann,  Lehrer  in  Hamburg.   8.  146,  242. 

H.  Weigand,  Lehrer  in  Northeim.   8.  377. 

Th.  L.  Wolf.  Lehrer  in  Leiprig.   8.  631 

Fr.  WyB,  Schulinapector  in  Burgdorf,  Schweiz.   8.  316,  593. 

Hierzu  mehrere  anonyme  Mitarbeiter,  feiner  die  Correspondenten  der  „Rund' 
Bchau'^  und  die  Fachrecensenten. 


Tnlialt,. 


».  y«ch  der  Reihenfolge  TeraclehHet. 

ünngchftB.  Dütes  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  =  :  =  .  .  .  .  .  .  .  .  1 

t'bfr  Glauben  und  Wissen.    FruhrichanmuT   12 

Krdkuode  and  erdkundliche  Belehrungen  bei  den  orientnli&chen  Vi^lkern  de« 

Alterthums.    Troiiina»   29.  100 

Nicht  Lcbcn.sgpmcinscbafteu,  sondern  Lcbenabilder.    Brun«   42 

Dir  HausaufgHhen  der  Schulkinder,    üild   63 


Padagotrische  Rundschau  .  57.  190.  283.  323.  389.  472.  528.  fi04.  653.  727.  791 
Ao.s  der  Fachprcgae.    Dietrich.    .    ü9.  12^.  201.  268.  3^j4.  412.  471>.  541.  (Wi.  m) 

748  im 

Bet^nsionen   .    .    .    .  74.  13fi.  208.  272.  339.  415.  483.  646.  817.  fififi.  7fi2.  im 


Die  Erssichung  zum  Gehorsam.   Goerth  81 

'Em  denkwürdiger  Aupsprueh  Aber  die  allgomeine  (Volks-)  Schule  114 

lijKiene    und  Erziehung.    JJire  .\nwendung  zur  wirksamen  Bekämpfung  des 

Idiotismus.    Hintz  116.  167 

Das  Empfinden.    Walsemann    145.  242 

Wider  die  Sprachverwilderung.    Hin  zeitgemitßes  Rcferüt.    Tascbek      .    .    .  157 

Schulgeschichtlichcs  aus  der  Schweiz.    Mort'  181 

Staat.  Schule  und  Religion.    Schuppe  215 

Über  das  Bestimuieu  des  Stellenwertes  bei  der  Multiplication  und  Division  der 

Decimalbrüchü.   Lechleitner  254 

Ein  heikle  Capitel  aus  der  deutschen  Grammatik.   J.  N  260 

I  ber  den  Einfluss  Preußens  auf  das  deutsche  Schulwesen.    Kuhler     ....  277 

Mädchencrziehung  nnd  höhere  Töchterschule.   Horn  803 

Die  ethische  Bewegung  in  Amerika  und  Deutschland.   Wyß  315 

Locke,  Rousseau  und  die  gegenwartige  Schulreform.   Stttterlin  ....    849.  421 

Die  allgemeine  Schulpflicht.   Sumogyi  363 

Der  Zweck  des  Gcachichtsuntcrricht.i.    Weigand  377 

Die  Lebensgeschichtc  des  Georg  Ebers.    Vcnialekcn   387 

Wert  und  Methode  der  Geschichte.  Kaulich  ,  .  .  ,  .  .  .  .  ,  .  .  43Q 

Vater,  Sohn  und  Geist.    Yernaleken  41)9 

Die   Schule  als   Vermittlerin   recht.skundlichcr  und   wirt-i?(  haitliuhcr  Lehren. 

Mittenzwey   .    447.  601. 

Stadtschnlcn  in  den  Vereinigten  Staaten.   Müller  462 

Über  die  Aufmerksamkeit.    Siegert   485 

Drill  oder  Erziehung.    Tttschek  511 


—   VI  — 


Ein  paar  nothwendige  Erinnerungen   514 

Der  Pcnseiikneoht.    Albert   517 

Ein  deutscher  Kirchcnfünit  und  die  Schule.    Gild   557 

Ein  praktischer  Vorschlag  zur  Venueidung  von  Übclständen  bei  Revisionen  und 

Prüfungen.    Goerth   572 

Das  Extemporale  in  der  Volksscbnle.  Partzsch   582 

Der  MoraluDterricht  flUr  die  Schnle.   Wyß   593 

Der  intcressauto  Lehrer.  Horn   .  .  ,  .  .  ,  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  538 

über  das  Missverhältnia  ZN^ischen  deu  Rechten  (Frciheiteu)  und  der  Bildung 

des  Volkes.    Frohschanimcr   621 

Friedrich  der  Große  und  seine  Stellung  zum  Kcligtoas-  und  Moralunterrichte. 

Wölf   631 

Aufgaben  der  Geschichte  im  Leben  der  Gegenwart.  Kaulich   640 

Die  Stellung  der  Lehrer  zu  ihrer  Fachwissenschaft.    Fiedler   698 

Das  Rechnen  im  ersten  Schuljahre.    Hohmann   701 

Da.s  Turnen  in  der  ö.sterreichischpn  Volksschule.  Schüler  .  .  .  .  ^  .  .  ..  71Ü 

Die  pädagogischen  Ansichten  Dogtojewhiki's.    y^ufeid  717.  772 

Eigenart  oder  Einheitlichkeit?    Dronke   757 

Kampf  der  Volksschule  um  die  Hausaufgaben.   Taschek   762 

Die  Aufgabe  der  Strafan-staltsachulc.    Neumann   766 

Ein  Arbeits-  nnd  Frendentag.   K.  Albert   782 


b.  Logiseh  geordnet. 

I.    Zur  Grundlegung. 

Umschau   1 

Über  (ilauben  und  Wissen   12 

Das  Einptinden                                                                         .    .     145.  242 

Staitt,  Schule  und  Religion   215 

Über  deu  Kinfiuss  Preußens  anf  das  deutsche  Schulwesen   277 

Die  aUgcmeiuc  Schulptlicht    363 

Vater,  Sohn  und  Gei.st   439 

Über  die  Aufmerksamkeit   486 

Über  das  Missverhältnis  zwischen  den  Rechten  (Freiheiten)  und  der  Bildang 

des  Volkes    621 

Die  Stellung  der  Lehrer  zu  ihrer  Fachwissenschaft   693 

Die  pädagogischen  Ansichten  Dostojewski's  717.  772 

n.  Zur  historischen  Pädagogik. 

Erdkunde  und  erdkundliche  Belehrungen  bei  den  orientalischen  Völkern  des 

AltertJiums  29.  100 

Schnlgeschichtliches  aus  der  Schweiz   181 

Locke,  Rousseau  und  die  gegenwilrtige  Schulreform                                349.  421 

Die  Lebensgeschichte  von  Georg  Ebers   387 

Ein  deutscher  KirchenftLrst  und  die  Schnle   557 


Friedrich  der  Grofie  und  seine  Stellung  zum  Religions-  und  Uoralunterrichte  .  631 


"    VII  — 


m  über  Erzlehong,  Unterricht  aad  ünterricht&aiistalteu. 

Sieht  Lebensgemeinschaften,  sondern  Lebensbilder  42 

Die  Hausaufgaben  der  Sihulkinder  63 

I'ic  Erziohunff  zum  Gehorsam   81 

Ein  denkwürdiger  Ausspruch  über  die  allgemeine  (VoIkB-)  Schule   114 

Hygiene  und  Erziehung.    Ihre  Anwendung  gur  wirksamen  Bekämpfung  deg 

Idiotismus  llfi.  167 

Wider  die  S'praebverwilderung.    Ein  zeitgemäücg  Kcfcrat   l.')7 

I  ber  die  Bestimmung  des  Stellenwertes  bei  der  Multipliration  und  l>ivision  der 

Decimalhrtiche   2.^4 

Ein  heikles  Capitel  ans  der  deotachen  Grammatik   260 

iladi  benerziebung  und  höhere  Töchterschule     3U3 

Die  allgemeine  Schul]iriicht   363 

I'er  Zweck  des  Geschichtsunterrit  hta  *   377 

Wert  und  Methode  der  Geschichte   j'.^ 

Dir-  Schule  als  Vermittlerin  rcchtskundlicher  und  wirtschaftlicher  Lehren.    447.  r>(H 

f  }*er  die  Aufmerksamkeit   485 

I'rill  oder  Erziehung   öll 

Ein  paar  uothwendige  Erinnerungen   614 

Ein  praktischer  Vorschlag  zur  Vermeidung  von  ÜbeUtänden  bei  Reyisionen 

and  Prüfungen   672 

Das  Extemporale  in  der  Volksschule     .    ö82 

Der  Moralunterricht  für  die  Schule  .  .     593 

Ikr  interessante  Lehrer  .   

Aülgalicn  der  Geschichte  im  Leben  der  Gegenwart   640 

Dis  Rechaem  im  ersten  Schuljahr   .  701 

Das  Turnen  in  der  üsterrcichischen  Volksschule  ,  .  .  .  .  .  ,  Hü 

Eigenart  od(;r  Eigenbcit.lichkcit':'   .  7ö7 

Kampf  der  VolksBcbnle  um  die  Hausaufgaben   .    .       .  762 

Die  Aufgabe  der  Stratangtaltasehule   766 


IV.  Zar  Charakteristik  des  gegenwärtigen  Schulwesens.  Zeitgeschichtliches. 

Umschau   1 

Ein  denkwOrdiger  Ausspruch  über  die  allgemeine  (Volks-)  Schule  114 

Wider  die  Sprachverwilderung.  Ein  zeitgemäßes  Referat  .       .  157 

über  den  Einfluse  PreuBens  auf  das  deutsche  Schulwesen  277 

Die  ethische  Bewegung  in  Amerika  und  Deutschland  815 

Locke,  Rousseau  und  die  gegenwärtige  Schulreform   349.  421 

Die  allgcmeiue  Schulpflicht   363 

Stadtschulen  in  den  Vereinigten  Staaten  462 

Ein  paar  nothwendige  Erinnerungen   ...  514 

Der  Pensenknecht  517 

Über  das  Missverhältnis  zwischen  den  Rechten  (Freiheiten)  und  der  Bildung 

des  Volkes  621 

Die  pädagogischen  Ansichten  Dostojewski'B  .    .    :  717.  772 

Eiii  Arbeits-  und  Freudculag  782 

Aus  der  Fachpresse  .   .    69.  129.  204.  268.  334.  412.  479.  541.  613.  680.  748.  799 


—  vm  — 


Pädagogische  Rundgchaa  nni  Mittheilnngen:   Sott« 

Dffufsfhlunfi    ri7.  mi  'H^^.         3S0.         408.  472.  678.  727.  733.  791 

Preußen   323.  406.  674. 

Bayern   266.  330.  473.  534 

Sachscp   401.  680.  737 

Württemberg  727 

Baden   .190.  402.  729 

Bremen  .   .    195.  329.  393 

Hiunhurt;  -^'^7 

Elgasfl-Lot bringen   193.  329.  604.  743 

W.'stfalftn  670 

TTes.s('n  .    .    .    .  ,  ..  .  ,  ,    ..  =  :  ■  ■.  :        •    •  792 

Östcrrcich-Üügam   61.  267.  330.  Bü^.  477.  528.  611.  679.  727.  792 

Bosnien  und  Hcraegowinu  200 

lialißJi  .  .  ■  .  .  .  .  .-^  .  .  .  ..  .  .  .  '.  :  ..  !  =  .  i  1  !  536 

Schweig    64.  196.  331.  409.  606.  745 

Nordamerika   331.  537  • 


H.eceii8ii"te  Btlclier. 

AlphAbotiaehet  Vonoiohnia  der  Autoren  (bes.  TiteH  derjenigen  Werke,  weleh«  Im  Torlie^ndeo  Jahr- 
g^ng  recenairt  sind.  Die  beigeaotzto  Ziffer  beseionnet  die  Seite,  anf  der  üoh  die  Bocenuon  findet. 

Arendt  211.  Babo274.  Bnchmann  und  Breslich  211.  Baehr  276.  Becker  75.  Behl 
208.    Bertram  755.    Blanke  84(;.    Blume  805.    Bftcher  755.    Bode  686.   Bone  617. 

Boerner  .'>■')< ).  Böttchor  41H.  Hraune  2(lt>.  Burbach-ThicuemanD  213.  "  Buscmann  810. 

Dittes  803.  r)ittmar274.  EbelinyGH6.  Engelien  272, 273.  Evt-re  688.  Fickcnwirth  210. 
Foclging-Ko<:b  ■■UO.  Fraius  13tt.  Frank  483.  Franz  273.  Friodländer  80<;.  Fritscbe-Haye 
687.  Fiibror  690.  Fuß  346.  Gci^tbeck  141.  Gentz  753.  Gindcly  8(J3 .  Glinzer  345. 
Gocrib  136.  Goetbo-Blume  763.  Gräber  212.  Griibniann  140.  Guglia  139.  Güntber  212. 
Habncl  und  Paty.ig  754.  Hnminrr  141.  Hartmann  und  Kuhsani  7öfi.  Herbcrger-Döring 
342.  ilcring  141.  Herzog  415.  Hidesaburo  752.  Ilofluiann  810.  Hotz  806.  Hiizd  617. 
Hiibner-.lura:<ebek  68t).  Jänicke  274.  Jordan  752.  Kirchner  391.  Kiv  804.  KlauschSOU. 
Krebs  275.  Kriebitscli  7;").  Krüger  139.  Krumbacb  754.  Kiihl  143.  Kübn  .">50.  Lutz 
685.  Magnus  690.  Marten  807.  Matthias  551.  Mateat  807.  Mcinhold  753.  Mey  762. 
Meyer  618.  Muff  74.  Müller  und  Pilling  619.  Nadrow-^ki  617.  Xapp  419.  Netoliczka 
uud  Waclibnvski  620.  Ncumann  808.  Ncuniann-Strela  618.  Uhlert  549.  Pahner  752. 
Patttsdika  691.  Peters  549.  Pcteraen  139.  l'ieper  142.  Pilling  212.  Polack  689. 
Ptttg  806.  Bath  211.  Rebmann  141.  Beum  561.  Beyer  483.  Bichter  688.  Ricken 
339.  Kotijjmann  und  Sebmidt  .548.  Kudio  755.  SebiifTer  808.  Seheed  803.  Scbettler 
484.  Schiele  691.  Seblotke  546.  Schmid  272.  Sebrgder  136.  Schubert  547.  Sehnig  754. 
Schflrn>unu  uud  Windiniiller  548.  Seele  691.  Serrua  546.  Simon  752.  Soltuumn  551 
SpengUr  419.  Siiieker  20S.  Siiitxner  752.  Siirockboff  419,  619.  Steiger  687.  Stein 
804.  Steiner  142.  Ströae  419,  420,  618.  Temming  752.  Tromnau  6V>0.  Uibricb  550 
Ulbricht  804.  Ple  685.  Voigtländer  804.  Volker  752.  Wagn.  r-Terk^  212.  W  alter 
547.  Wcrra  74.  Wernt  und  Wueker  138.  Wessel  418.  Wilmanns  7r>4.  Wirth 
138.  Wr.lkerling  275.  ^^•a^jsidlo  809.  Wretachko  275.  Wrol>el  807.  Zdarsky  811. 
Zeche  137.   Ziegler  687.    Znrbopson  687. 


'    I 


Paedagogium 


MoTiatssphrift. 

Erziehung  und  Unterricht. 

Hcraasgegeben 

unter  Mitwirkung  hervorragender  Paedagogen 

von 

Pr.  Friedrich  Pitte«, 


17.  WiWL 
L  Heft,  October  1891 


Leipzig. 

Verlag  von  JüHps  Klinkhardt. 


Inhalt  des  I  Heftes. 


Seite 

UmBchau.    Vom  Heransgeber   1 

llber  Glauben  und  Wiasen.  Von  Professor  J.  Frohsrhamm er- München  .  .  12 

Erdkunde  und  erdkundliche  Belehrungen  bei  den  oricptalischen  Völkern  des 

Alterthnina.    Von  A.  Tromnau-Broiuberg  29 

Kicht  Lebensgemeinschaften.  Bondem  Lebensbilder.  Von  J.  Bruns- Oldenburg  42 
Die  Hausaufgaben  der  Schulkinder.  Von  Rector  A.  Gild- Kassel  .  ....  53 
P&dagogische  Rundschau.   Vom  deutschen  Ostseeatrande,  —  Aua  Österreich. 

—  Aus  der  Schweiz  bl 

Ans  der  Fachpresse  69 

Recensionen  .  .  .  .  .  .  ,  .  .  .  .  .  .  ..  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  JA 


toonBOTieiitt'Prtl»  pro  Quartal  Ii.  2.25. 

Alle  Buchhandlungen  und  Postanstaltcn  nehmen  BestellunKen  an. 

  ■  M  <  H  ■■  

I 


Umsehan. 

Vom  Uerauageba: 

Die  Pädagogik  ist  ein  Werk  der  Vernuntt,  nicht  der  Gewalt. 
Sie  arbeitet  mit  GediiiikeD,  oicbt  mit  Fäusteu,  Stimmzetteln,  Ordon- 
nanzen, Pulizeiorgauen. 

Daher  kommt  es.  dass  sie  in  unserem  Zeitalter  wenij*-  dlt  und 
wenig  vermag.  Denn  das  Idol  dieses  Zeitalters  ist  die  Macht,  seine 
Seele  die  Willkür,  ^^eine  Rechtfertigung  der  Erfolg. 

Die  deutlichste  tügnalur  des  Zt  itLreisfes  ist  der  Militarisiiius.  der 
nimmersatte  Moloch  und  die  alles  Ueheiisciiendc  Noiüialiiistitulion  der 
Geg-enwart.  Ihm  opfert  man  die  Blüte  der  Jui^end  iiud  den  Krtrag 
dei-  Arbfcii,  wälirend  ein  grolier  TLeil  des  Volkes  der  Mittel  entbehrt^ 
den  Nachwuchs  vor  physischem  Vt-rtai!  und  inoialisehem  Verderben 
zu  Sfchiitzen.  Und  nicht  zulriedtn  mit  dieser  weitreichenden  I>Hva- 
*.Tation  der  padaiiogi>chen  Pmvinz  fireift  der  Militarismns  mit  seinem 
(7ei>;*'  auch  in  diejenii^en  Gebiete  hinüber,  di«j  sein  Fußtritt  verschont. 
Mehr  und  mehr  ver&chwiudet  aus  dem  bürgerliclicn  Leben  dci-  tried- 
leiiige  Sinn  und  die  sanfte  Stimme  des  sruten  T-ines,  die  mMilvcdle 
Wertschätzung  der  eigenen  Person  und  die  bereitwillige  Iiiu  k^icht 
auf  das  Recht,  die  Ehre,  das  WiA  und  Wehe  des  Mitmenschen,  wo- 
gegen es  fast  sclion  zur  Kegel  geworden  ist.  dass  dei"  IStarke  mit 
herzlosem  (  liermuthe  Bein  selbstherrliches  Maciitgetuhl  hervoikeliren, 
der  .Schwache  in  wiirdel'>ser  Unterwiirt'igkeit  ersterben  müsse,  ein 
j^eder  aber  »ich  alles  gestatten  dürle,  was  er  durchzusetzen  vermag. 

Indem  also  die  sinneuläHit^e  Gewalt  sich  mein-  und  mehr  zum 
Re^lator  des  j^esammten  socialen  Lebens  erhebt,  werden  jene  unsicht- 
baren Mä^^hte,  aus  denen  allein  alle  höhere  Cultur  sammt  der  ihr  die- 
nenden Pädag«/gik  liervorgeht,  der  ihnen  gebiirenden  Verehrung  und 
Wiiksamkeit  beraubt,  weil  in  dem  (jetümmel  der  Leidenschaften  ilir 

Tm/HMgof.ivm.    \i>.  J&luK.   Haft  I.  1 


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leiser  Tiitt  ungchört  verhallt.  Wie  kaun  Kliifurcht  vor  einer  höheren 
Weltordnimof,  Demnth  voi*  dorn  Heiligten  und  Göttlichen,  Gehoi*sani  g-eg^n 
das  Sitten^cseiz,  Yerstüudnis  für  Menschenwürde  und  idealer  Sinn, 
wie  kann  W  ahrheit,  Gerechtigkeit  und  Liebe,  Mitleid  und  Grossmuth, 
Gewissenhaftigkeit  und  Pflichtgefnlil,  Überzeugung-streue  und  Cha- 
rakterstärke, Begeisterung  für  die  wahren  Ziele  aller  Selbstvervoll- 
kommnubg  und  aller  Jugendbildung  bei  einem  Geschlechte  gedeihen, 
für  das  nur  die  Herrlichkeit  dieser  Erde  einen  Wert,  nur  physische 
Machtfactoren  ein  Gewicht  haben?  —  Ihm  ist  der  Compass  verloren 
gegangen,  welcher  in  den  Wogen  des  Kampfes  ums  Dasein  zum  ret- 
tenden Hafen  weist,  und  damit  zugleich  die  Erkenntnis,  dass  die  ein- 
zige Bürgschaft  einer  besseren  Zukiuiit  in  der  Erziehung  eines  besseren 
Geschlechtes  zu  finden  ist.  Denn  aach  das  ßildungswesen  ist  zum 
Zankapfel  des  Parteitreibens  geworden,  nnd  nicht  das  unveräuflerliche 
Anrecht  dee  jungen  Menschen  auf  harmonische  Entwickelang  nnd 
Veredelang  der  in  ihm  üegenden  Keime  des  Wahren,  Gaten  und 
Schonen,  sondern  das  eigenmächtige  Belieben  derer,  welche  ihren 
Anhang  mehren,  ihre  Herrschaft  befestigen,  ihre  Selbstsucht  hefinedigen 
wollen,  BoU  zom  Canon  der  Pädagogik  «rhoben  werden. 

Natürlich  können  snr  DarchflUming  solcher  Gelltete  keinerlei 
Veraonftgründe  in  Anwendung  kommen  —  da  Ja  die  ersteren  das 
Widerapiel  der  letzteren  sind  — ,  sondern  nor  jene  von  aller  Moral 
losgelösten,  lediglidi  dnrch  Furcht  yor  Schaden  nnd  Hoffhnng  auf 
Gewinn  bestimmten  UmtiiebOi  deren  Qesammtheit  man  hentnitage  Po- 
litik nennt  Biese  ist  deneit  das  yerhreitetste  Geschlft  nnd  schwang* 
hafteste  Gewerbe.  Politiker  ist  jedermann,  sei  er  nun  Handwerks- 
geselle oder  Groflindostiidler,  Kanransehieber  oder  Hinister,  Kaplan 
oder  GardinaL  Denn  Jeder  hat  Interessen,  nnd  die  Eonst,  denselben 
die  Öffentlichkeit  dienstbar  m  machen,  ist  eben  die  Politik.  Da  in 
derselben  keinerlei  höhere  Nonn,  weder  das  öffentliche  Wol,  noch  die 
Wahrheit,  nocb  die  Moral,  als  allgemein  yerbindUch  gilt,  nnd  selbst 
geschriebene  Gesetie  nur  so  weit  respectirt  werden,  als  die  ihnen  nur 
VerfDgong  stehende  physische  Gewalt  reicht,  hingegen  persönliche  Be- 
gierden, Leidenschaften  und  Bftnke  die  Haaptrolle  spielen,  so  entwickelt 
Sick  unter  dem  Schutse  des  durch  Millionen  von  Streitern  bewachten 
ftoßeren  Friedens  mit  Nothwendigkeit  ein  permanenter  innerer  Krieg, 
der  sich  durch  seinen  technischen  Apparat  und  seinen  q^rachlichen  Jaigon 
dem  einigermaßen  auflnerksamen  Beobachter  sofort  als  Imitation  und 
Zerrbild  des  Soldatendienstes  zu  erirannen  gibt  Denn  wer  gegen- 
wärtig Sitzungen  politischer  Tereiiie^  WÄhler-  und  VolksfersamnloBgen, 


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—  8  — 


Katholikentage  und  ähnliche  Massenanhäufungen  besacht,  oder  Berichte 
fiber  sie  zur  Hand  nimmt,  der  kann  es  allenthalben  hören  oder  leaan, 
dnss  jede  derartige  Zusammenrottung  den  Kampf  der  Interessen  ZU 
flehfiren  bestimmt  ist,  dass  laut  und  räckhaltlos  die  Erlangung  der 
Gewalt  als  Ziel  beniehnet;  und  alles,  vom  Hausirhandel  und  noth- 
leidenden  Kleingewerbe  an  bis  zur  christUchea  Beligion  und  heiligen 
Kirche  hinauf  lediglich  als  Machtfrage  angesehen  wird.  Bern  ent- 
sprechen dean  nnch  die  hierbei  ftblichen,  vom  Militärwesen  entlehnten 
8(-hlagworte.  Man  hält  Heerschan,  ofgaoinrt  den  Generalstab,  mustert 
die  Truppen,  pactirt  mit  BundeBgenoBBen  und  signalisirt  den  Feind, 
die  Oberbefehlshaber  halten  Kriegsrath,  beschließen  den  Feldzagsplan,. 
«ortsehsiden  sich  für  die  Offensive  oder  die  DefensiTe,  adoptiren  das 
lierfllimte  Frindp  yom  getrennten  ICarsdüien  mid  weinigten  ScMagsn^ 
fcrfügen  die  Mohüismmg  eines  oder  meihrerar  Armeeooxps,  erentnell 
des  gesanunten  HeeEbannea  Hau  etnennt  die  Führer  der  Terschiedenea 
TrappenkUrper  md  Waffengattnngen,  steQt  die  Armee  in  Sehlacht- 
«rdnung  ani^  errichtet  ein  BanptciQartier  nnd  Terschiedene  Parteolager, 
belioBtigt  sdne  Stellnngen,  reeognoscirt  die  Positionen  des  Feindes, 
greift  dessen  Verschansnngen  mit  Stnrm  sa,  sohllgt  ihn  in  die  Flneht, 
oder  erleidet  selbst  eine  Niederlage,  woxinf  man  einen  geordneten. 
Bfidcsog  antritt,  einen  Frontwechsel  Tomimmt,  strenge  Mannasaeht 
hftlt,  die  Heatecer  nnd  Feiglinge  über  die  KUnge  springen  Itat»  und 
vas  dergleichen  Elirasen  mehr  sind.  Man  konnte  lachen  über  dieses 
kindische  Brsmarbasiren  anfgeblihter  Worthelden,  die  sich  Jederselt 
dfltt  Bücken  sn  decken  wissen  nnd  den  Bauch  daan,  wenn  es  mcht 
«in  Sjmpton  fortgeschrittenen  StttenverfhUs  nnd  ein  Anreis  zu  wei- 
teirer  Yerwildening  wftre*  Denn  den  Anfrnf  snr  Qewaltthftttgkeit 
versteht  doch  schBeflUch  jeder,  der  anch  sonst  nidits  Tersteht  Kommt 
«s  doch  nicht  daranf  an,  wer  Recht  hat,  sondern  darauf,  wer  H«r 
wird.  Wie  gut  dieses  EraageUnm  wirkt,  dato  geben  aahlhise  San« 
fbreSen  in  geschlossenen  Bflnmen  nnd  ÜberflÜle  anf  offenen  Straßen  ein 
beredtes  Zeugnis.  Und  wenn  man  weiter  bedenkt,  welche  Parteien 
in  gewissen  Pariamenten  die  Majorität  haben,  dann  sieht  man  nur 
allznklar,  welche  effective  ll^ht  noch  heute  der  Uncultm*  und  den 
ßiiekscliritt.sbestrebungeu  zur  Verfü^^un,^  steht. 

Leider  hat  man  den  großen  Massen  Rechte  und  Freilieiten  ge- 
geben, bevor  man  ihnen  P'rzieliuiig  nnd  Bildung  gegeben  hatte,  sie 
für  politisch  mündig  erklärt,  während  sie  noch  in  geistiger  Unmün- 
digkeit staken,  ja  systematisch  in  ihr  erlialten  wurden;  und  leider 
macht  man  noch  heute  nicht  Ernst  damit,  das  Versäumte  uachzuhuleu. 


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So  finden  denn  Jene  hinterlistigen  Anebenter  der  fifiientUchen  DnnuDheit 
immer  einen  taneendicöpfigen  Anhang,  wem  es  ihnen  beliebt,  das  YoUl 
dmch  wolberechnete  Schmeicheleien,  trügerieehe  Beden,  Drohungen 
nnd  Verheüinngen  an  bethfiren,  seine  Bechte  zur  ünterdittcknng  dese 
Rechtes,  seine  Freiheiten  aar  Yemichtnng  der  Freiheit  an  gebranchen. 

Und  so  werden  mit  dem  nmaichgreifenden  Ab&ll  yon  allen  idealen 
Bichtpnnkten  mehr  und  mehr  anch  alle  sichtbareD  Autoritftten  erschüt- 
tert, aof  denen  die  Ordnung  der  Gesellschaft  mhen  sollte.  Keine  der- 
selben st^t  mehr  auf  festem  Boden,  seitdem  sie  selbst  in  den  Partei* 
kämpf-  eingetreten  sind,  und  seitdem  augleich  das  ganze  Getriebe  dea 
Staates  Öffentlich  sedrt  wird,  alle  FunctionAre  desselben  nicht  bloa 
einer  berechtigten  Kritik,  sondern  auch  der  AnschwftrzuDg  und- 
yenmglimpftmg  ausgesetzt  sind,  seitdem  feiner  die  Terscbiedenen 
WtrdentrSger  und  Tageshdden  ebenlUls  yor  aller  Wdt  bald  ihre 
eigenen  Bloßen  zeigen,  bald  dch  gegenseitig  brandmarken,  seitdem  mit 
einem  Worte  in  Parlamenten,  Zeitungen,  Versammlungen,  Standreden 
u.  8.  w.  alles,  besonders  das  Scandalöse  coram  populo  breitgetreten 
wird.  Vormals  gab  es  in  den  leitenden  Kreisen  wol  anch  des  ün- 
löblichen  genug;  aber  der  großen  Masse  blieb  es  verborgen,  weil  ea 
mit  dem  Decorum  der  Heimlichkeit  und  äußeren  AmtswQrde  bedeckt 
war.  Und  so  meinte  das  Volk,  dass  im  ganzen  mit  der  Macht  auch 
die  Weisheit  und  Tugend  yerbunden  sei,  und  bewahrte  mit  der  Sub- 
ordination unter  jene  auch  die  Achtung  yor  diesen*  Nun  i^>er  sindt 
infolge  der  unyermittelten  Zulassung  der  Gesammtheit  zur  Betheiligung 
am  politischen  Leben  und  der  hiermit  yerbundenen  Publicit&t,  aUe 
Bande  der  Zucht  gelockert,  alle  Schranken  zwischen  Bildung  und 
Boheit  yerschoben,  und  ein  Jeder  sucht  ein  Stttck  Macht  an  sieh  za 
reißen,  gleichyiel  mit  welchen  Mitteln.  Man  hoflfte  mit  Einftbrung 
der  Autonomie  bis  zu  den  kleinsten  Gemeinwesen  hinab  allerlei  alte 
Missbrftuche  abzustellea,  ohne  zu  bedenken,  dass  die  Macht  in  den 
Hfinden  der  gefedg  Armen  und  moralisch  Verlotterten  nur  zu  neuen 
und  größeren  Missbräuchen  führen  musste.  Nachdem  dies  nun  sattsam 
zu  Tage  getreten  ist,  glaubt  ein  Jeder,  er  kOnne  so  gut  regieren  wie 
alle  anderen  und  möchte  am  listen  nur  seinen  dgenen  Instinctea 
gehorchen.  Daher  der  unbotmäßige  Geist  in  allen  Ecken  nnd  Enden, 
soweit  nicht  Klugheit  und  Fui'cht  zur  Unterwftrflgkeit  rathea  Alles 
will  antOBom  sein,  in  erster  Linie  der  Unverstand,  der  Egoismus,  das  rohe 
KraftgeÜDhl;  nur  die  Vernunft  darf  es  nicht  sein,  sondern  muss  sich  jeden 
Hohn  und  Jeden  Fußtritt  gefallen  lassen.  Man  sieht  nur  allzn  deut- 
lich, dass  dem  Volke  die  geistige  nnd  sittliche  Beife  gefehlt  bat  und 


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—  5  — 


noch  fehlt,  welche  \wansgesetzt  werden  mnss,  wenn  d'.f^  Verallge- 
meinerimg  politischer  Befugiii*sH  \\ni\  die  ( )tt'entlichkeit  der  Staats- 
geschäfte nicht  schweren  Schaden  im  Gefolf^e  haben  sollen.  Es  wäre 
gut  gewesen,  wenn  bei  Schatfung  der  modernen  Einricktuogea  Aack 
pftdagogüche  GesichtApaakte  etwas  gegolten  Mtten. 


Nan  könnten  wir,  wo  es  sieb  nm  Eraehang  und  Unterricht  der 
Jagend  handelt,  also  auch  in  diesen  Bl&ttern,  yor  allen  Gebrechen  der 
Zeit  die  Augen  schließen,  wenn  nur  unsere  eigenen  Kreise  von  ihnen 
•nbertthrt  blieben.  Dies  ist  aber  leider  nicht  der  Fall.  Vielmehr  ist  die 
geSstige  Atmosphäre,  in  welcher  hente  die  Gesellschaft  atmet,  und  die 
Jagend  anfwiehst,  so  heftig  bewegt  und  so  gründlich  yerdorben,  dass 
in  ilir  ein  pädagogischer  Sinn  und  Zog  kaam  aufkommen,  geschweige 
denn  maßgebende  Bedeutung  erlangen  kann.  Der  fortwährende  Läim 
politischer  nnd  socialer  Kämpfe  yerschencht  ans  den  Gemttthern  jene 
Bobs  nnd  Unbe&ngeiiheit,  ohne  welche  eine  Vertiefung  in  die  Ziele 
und  Probleme  der  Erziehung  unmöglich  ist  Die  ttberall  in  den  Vor- 
dergrund des  Denkens  und  Strebens  gestellten  materiellen  Interessen 
Mögen  sich  auch  in  das  Gebiet  der  Jngendbildnng  ein  nnd  geben 
ihr  eine  engherzige,  egoistische  Bichtung  auf  den  Erwerb  Jener  be* 
lodmenden  Boutine,  welche  sich  mit  den  Anforderungen  der  8chuie 
g^tkeUlch  absofinden  versteht  und  fOr  das  praktische  Leben  die  meisten 
Vorthelle  verq>richtk  wobei  die  wahren  Nonnen  menschlicher  VerroU- 
kommnnng  der  Geringschfttsung  und  Vergessenheit  anheimfallen,  also 
4er  ideale,  oljectiTe  Motor  aller  Bildnngsarbeit  erlahmt  Das  sfigel- 
lose  Spiel  der  individneUeiL  Begierden  und  Hachtmittd  im  Wettbewerb 
am  ftntere  Vortheile,  wobei  dn  jeder  rScksichtslos  nur  sich  selbst 
empQiznbringen,  jeden  andern  aber  zn  flberlisten  oder  niederzutreten 
strebt,  ertfftel  die  Gefühle  der  Gerechtigkeit  nnd  Liebe,  des  Mitleides 
snd  Erbarmens,  in  denen  allein  die  sabjectiyen  Antriebe  zn  Jeder 
aunsehenfreondlichen  Mission,  insbesondere  zur  geistigen  und  sittlichen 
Beimog  der  Gesammtheit  gelegen  sind.  „Mich  Jammert  des  Volkes'*, 
sprseh  der  größte  Pädagog  der  Menschheit  Wir  brauchen  Soldaten, 
B&rteigänger,  Anhftnger,  Werkzeuge  u.  dgl,  mfen  die  Herren  des 
^Tsges.  Jener  erkannte  in  jedem  Menschenkinde  ein  eigenberechtigtes 
Wesen,  das  von  höherer  Hand  eine  unveräußerliche  Würde  und  ein 
nnTBrrttckbares  Strebzie!  erhalten  habe;  diese  selien  im  Volke  und  be- 
ionders  in  der  Jugend  nur  rechtloses  Material,  welches  za  ihrem 
Slltieii  und  nach  ihrem  Willeu  geuiodeU  werdeu  mU;»äe.    Darum  iät 


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ihnen  auch  das  Christeniiiuiii  sehr  \erhasst,  dass  sie  in  den  heftig- 
sten Zorn  geratlien,  wenn  man  nicht  ihre  MenscheusatzuDgen,  sondeni 
(las  Evanc'f'liiim  des  neuer  Testanienles  als  Kichtechnur  an«  rk(  nnen 
will,  bie  iitnuen  das  Christenthum  Christi  Atheismus,  ihr  eigenes 
Machwerk  aber  wahres  Christenthuni. 

Der  Geist  unbändiger,  alles  Heilige  verachtender  Selbstsucht  ist 
eben  auch  in  jene  Kreise  eingezogen,  von  denen  man  die  Bewachung 
und  Pflege  der  höchsten  Güter  des  Menschengeschlechts  erwarten 
sollte.  Neben  und  oft  mit  den  Massen  der  Bedriickten  und  Unzu- 
Iriedenen  arbeiten  zahlreiche  Mitglieder  der  voniflinien  Classcn  an 
d  er  Untergrabung  der  tiefsten  Fundamente  des  (  uiturstaates  und  an 
der  Ausbreitung  des  Pöbelregimentes,  das  nicht  einmal  geschriebenes 
Recht  und  Gesetz,  geschweige  denn  ewige  Wahrheiten  achten  will. 
Der  Anarchisten  gibt  es  heutzutage  weit  mehr,  als  die  sich  so  nennen: 
es  gehören  zu  ihnen  anch  alle  jene  moralischen  Nihilisten  mit  der 
Maske  der  Ehrbarkeit,  welche  jedes  ihnen  onbeqiieine  Geseta  n  f«r* 
letzen  bereit  sind,  sobald  sie  flieh  für  listig  gienng  halten,  es  zu  um- 
gehen oder  für  stark  genug,  es  offen  ssu  verhöhnen.  Und  zweifellos 
sind  sie  unter  denen,  welche  derzeit  obenauf  schwimmen  und  das  große 
Wort  fUiren,  zahireieh  vertreten,  während  die  besseren  Elemente  im 
Aiantliehen  Leben  mehr  nnd  mehr  verstummen  nnd  sich  ans  jenen  Ver- 
flammlnngen  und  Köiperschaften  zurückziehen,  wo  die  Angelegenheiten 
des  Gemeinweeens  zum  äpielball  der  onlantersten  Kampfinittel  gemaoht 
werden. 

Lidern  nun  all  diese  Entartung  des  politischen  Lebens  mit  dar 
nackten  Gewinnsucht  nnd  Qewissenloaigkeit  in  vielen  privaten  G6- 
Bchftftekreisen,  mit  d^  zerrfttteten  YerUatninen,  nnmnrallselien  Hac 
zimen  nnd  bösen  Beispielen  in  vielen  Familien,  mit  der  dnrch  schlecht» 
Btteher,  Zeitungen,  Theater  n.  s.  w.  verlKraiteten  Demoralisation 
sanunenwirkt»  verbreitet  sich  in  der  Tbat  über  weite  QeMete  der 
Gesellsdialt  eine  Atmosphftra,  welche  den  Qlanz  aller  höheren  Leit- 
sterne verhUlleii,  den  Glanben  an  menschliche  Tagend  nnd  GrOfie 
enticken  mnss.  Bedanemswert  die  Jngend,  welche  in  diesem  Dunst- 
kreise anfwftGhstl 

Die  Schnle  allein  vennag  den  zaUreiehen  anderen  Faetoren  das 
Zeitgeistes  nicht  das  Gegengewicht  zn  halten  nnd  ein  tagmdhaftea 
Gesdileeht  heransnziehen,  wenn  ihre  Wirksamkeit  von  allen  Seiten 
nntergxaben  wird.  Gerade  diejenigen,  welche  an  ihr  am  meisten  an 
tadehi  wissen  und  sie  fBi*  jeden  ungerathenen  Menschen,  ftr  Jede  Misse- 
that,  jede  öffentliche  Calamitftt  verantw<Mrtlieh  machen  möchten,  tragen. 


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7  — 


bald  durch  leichilertige  Kritik,  bald  durch  wolberechnete  Schmähreden, 
am  meisten  dazii  bei,  den  erziehlichen  Einfluss  der  Scliuic  zu  vereiteln. 
Weder  der  Katechismus,  noch  die  priechischeu  und  römischen  Classiker, 
noch  Dichter  der  eigenem  Nation,  noch  die  patriotiscli  gefärbte 
GejschiiliLe  des  Vaterlaudeü,  noch  die  pädagogisch  präparirte  Natur- 
kunde, mch  die  auf  ethische  Ideen  destillirten  >r?hrlif^ii,  Rnbiusonadeu 
und Palnarchenge^-rliirhteTi.  noch  soTist  wt-lrln-  I  li[i[iiti:^>n[il  tt^l  k< innen  eine 
durchgreifende  und  lilt  iV)i  n  l.^  Wii  kuiii^  in  den  Gemüthern  dt  i  hiiiviid 
hervorbringen,  wenn  (iie  ausgestreuten  Saatkörner  auf  eiicti  beieits 
verhärteten  nnd  verwiklerten  Boden  fallen  oder  unter  den  demorali- 
sirenden  KinHiissen  schle<'hter  Vorbilder  nnd  Zeitsti-ömungen  zugi'unde 
gehen.  Da  mnss  die  ischule  sich  damit  bescheiden,  stricte  ihre  Pflicht 
zu  thun  und  wenigstens  ans  ilnviu  eigenen  Reviere  alle  Comiption 
zu  verweisen,  die  von  außen  her  in  sie  eindringen  möchte,  den  P'rfolg 
ihi'er  Arbeit  aber  Gott  anheimstellen.  Niemals  wird  ein  entartetes 
Geschlecht  durch  gute  Lehren  bekehrt,  immer  nur  durch  schwere,  weit- 
hm  reichende  Schicksalsschläge,  welche  ihm  fühlbar  machen,  dass 
die  Sünde  der  Leute  Verderben  ist.  Vielleicht  gewinnt  nach  einer 
solchen  Katastrophe  endlich  einmal  die  Überzeugung  Raum  und  Ge- 
italt,  d«88  als  die  wichtigste  Institiition  de»  Staates  das  Erziehongs- 
mm.  gelten  und  demgemftft  orgaauurt  und  gepflegt  werden  muss. 
Gegmwfirtig,  da  daaielbe  nur  Ton  den  BroMmen  lebt,  die  Ton  den 
Timbeo  der  bevorzugten  Ressorts  abfallen,  und  im  ganzen  weit  mehr 
Ton  HaditJiabem  als  von  Sachyerstindigen  abhängig  ist,  darf  man 
m  ibm  eine  entocheidende  Verbesserung  des  ööentlichen  Geistes  nicht 
erwarten,  darf  man  aber  auch  dem  Lebretaade  die  Gebrechen  nnserer 
sodalen  Verbältnisse  nicht  zur  Last  legen. 

Denn  dieser  Lehrstand  ist  ohnmächtig  gegenüber  den  ESlementen, 
wetehe  das  Regiment  in  der  pfidagogieclien  Provinz  f&hrea  nnd  nicht 
nr  die  ftoEere  Verfiissang  derselben  bestimmen»  sondern  siicIl  die 
Lehmig  ibres  inneren  Lebens  nsnrpiren.  Von  den  Dorfinatadoren  an 
Iiis  zn  den  patlamentarisdieii  BsrteibAnpteni  und  htSier  Mnanf  gibt 
<i  TansendOi  wekhe  sich  beftigt  glanben,  der  Sehnle  Weisungen  zn 
erUieilen  nnd  Aber  den  Iiehrerstand  zn  Gericht  zn  sitzen»  wenn  sie 
rieh  aneh  niemals  mit  den  Anfsngsgrflnden  der  PAdsgogik  befasst 
liaben.  WAhr^  allgemein  zngestsaden  ist,  dass  es  Bend^en  gibt, 
<Ue  eine  ivIsseDsehafUiche'  Vorbildnng  erfordern,  dass  aneh  dar  Hand- 
werksmann  nnd  ttberhaapt  jeder  in  seinem  Fache  eine  ordentliche 
Lehre  dnrehmachen  mflsse,  nnd  niemand  in  Dinge  reden  soll,  von  denen 
er  k^e  Kenntnis  hat:  gelten  Sehnlfragen  flkr  GemeinplAUe,  anf  denen 


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~   8  — 


auch  der  Ignorant  seinen  Unvarstand  zu  Harkta  bringen  darf.  Ist 
doch  die  gesammte  Politik  eine  ireie  Kunst,  za  deren  Betrieb  keinerlei 
BefiUiigungsnadiiffeiB  erforderlich  ist.  Warum  sollte  also  J^er  Theü 
derselben,  den  man  Coltarpolitik  nennt,  denjenigen  verschlossen  sein, 
welche  von  der  Cultur  selbst  nichts  besitzen  und  nichts  wissen  wollen? 
Und  wie  sollte  man  dies  unzulässig  finden,  da  es  mit  unserer  Staats- 
ordnung vereinbar  ist,  dass  in  Sachen  der  öffentlichen  Erziehung  die 
geschulten  und  ß:eprüfteu  Facliiuäimer  ^^chweiizeii  niitl  trt  liorclien  müsst-ii, 
während  Laien  und  Dilettanten  reden  und  befehlen!  Kann  mau  duch 
ganze  Unterrichtsgesetze  scliatVen,  ohne  dass  dvm  Lehrjjtainl  ein  Gut- 
achten zusteht  oder  auch  nur  die  freie  Meiiiungsäußerung  jjestattet 
wird,  während  sonst  jedermann  in  Versammlungen.  Zeituugeu  und 
Flugschriften  sein  Licht  leuchten  lassen  ihn  f,  sei  es  auch  nui*,  um  die 
urtheilsuntähigen  Massen  inezuleiteu  und  zu  iauatisireu!    Der  Volks- 
unterriclit  wird  da  nielit  als  eine  liilduugsfragc  nach  Yernunftgründen 
und  sach<2:em;ißen  G«  siclitspunkten,  sondern  al^i  eine  Partei-,  Interessen- 
und  ilaclitfrage  nach  deu  Maximen  eines  unlauteren  Handelsgeschältes 
btitraelitef.     Und  thatsächlich   Verfällen   hierbei  in   nnsej-en  'I'ageu 
gerade  jene  Gesellschaftseleniente.  Aveh.-he  theils  keine  Bildung  besitzen, 
theils  von  der  Verbreitnno:  der  Bildiiug  ischaden  fiir  ihre  selbstsüchtigen 
Bestrebungen  beniichten.  über  die  Majorität,  so  dass  man  noch  froh 
sein  muss,  wenn  iibeihaupt  nichts  zu  Stande  koninit.   Es  ist  ein  selt- 
sames Phänomen  unserer  7Mt,  dass  die  Culturpulilik  nicht  nur  zur 
Förderung,  sondern  auch  und  noch  mehr  zur  Unterdrückung  der 
Cultur  betrieben  wird.  Eine  Abnormität,  welche  zum  ernstesten  Nach- 
denken und  enlfcsehiedensten  Einschreiten  aulfordert!  Sollte  der  Staat 
nicht  nielir  die  Kraft  besitzen,  die  otieu  iiervortretenden  cuilurfeiud- 
lichen  Elemente  im  Zaume  zu  halten,  dann  wird  er  den  Anspruch  auf 
die  Leitung  des  Bildungswesens  verlieren  und  dasselbe  einer  stärkereu 
Macht  oder  der  Privatthätigkeit  überlassen  müssen.    Es  wäre  ein 
selbstmörderischer  Leichtsinn,  wenn  er  sich  durch  die  Vorspiegelungen 
derer  bethören  ließe,  welche  ihm  ihre  Institutionen  und  Apparate  als 
eine  „Schule  der  Unterwürfigkeit"  anpreisen  und  —  gegen  ausreichende 
Ooncessionen  —  zur  Verf&gnng  stellen  wollen.  Wiü  der  Staat  sich 
selbst  erhalten,  dann  muas  er  die  £rziehnDg  seiner  Jugend  in  ver- 
trauenswflrdige  Hünde  legen. 

Solange  die  zur  Pflege  der  Cultur  bestimmte  Berufsclasse,  das 
ist  der  Lehrstand,  nicht  die  ihm  gebürende  Achtung  genießt  und  ilim 
nicht  ein  gesetzlich  geordneter,  maßgebender  Einfluss  auf  die  Organi- 
flation  und  licitang  des  Schulwesens  zusteht»  wird  dasselbe  ein  ßpsk' 


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9  — 


ball  leidenschaftliclier  Parteikämpfe,  unlH  rechtigfter  Machtansprüche, 
fanler  CompromisRe  und  schwankender  Experimente  bleiben,  niemals 
;iber  niliiire  Sicherlieit  und  feste  Ordnung  anf  erprobten  Gruadlay-eu, 
frische  Kraft  und  freie  Be\vef,diclikeit  für  zeitiremäße  Fortscln-iTt.» 
Imdeii.  r^f-rzeil  sind  dem  lachuiannisclien  Ermessen  des  Lclirstaiides 
nur  Nebensachen,  Kleinigkeiten,  metljodisclie  und  tecliniselie  Bagatellen 
überlassen;  in  allem  einij^^ermalkiu  Principielleu  uud  Bedentsamt^n  aber 
M  er  an  autoritative  Satzungen,  Schablonen,  Vei-füjrungen  und  bevor-  . 
mandende  Winke  gebunden-,  selbst  seine  Brivatlcctinv  nnti'rlief.'-t  tür- 
sorglicher Aufsicht  und  l^Hrntung:.  Er  darf  n<Mie  l^ibein  und  sonstiges 
Handwerkszeugs  anfertigen,  über  unfehlbare  Keeepte  der  Lelirkunst 
beliebig  viele  Biiclu-r  und  Aufsiitze  schreiben,  aucli  wissenschaftliche 
Themata  akademisch  beleueliten  und  alleilei  Reb>rmprojecte  und  Lehr- 
pläne zu  Papier  bringen,  ist  abci-  in  seinem  amtlichen  Thun  und  Lassen 
stets  an  die  Genehmigung  und  das  Geheiß  seiner  Herren  gebunden, 
in  seinen  Überzeugungen  ihren  Maximen  unterworfen,  der  Lehrstand 
hat  mit  einem  Worte  das  Recht,  Mücken  zu  seihen  und  die  Pflicht, 
Kameele  zu  verschlucken.  Auch  die  aus  seiner  Mitte  entnommenen 
Organe  des  Dienstes  haben  eine  sehr  beschränkte  Selbstständigkeit, 
sind  politischen  Functionären  unterstellt  und  müssen  die  Gewähr  bieten, 
dass  sie  ihre  p&dagogifichen  und  ethischen  Grundsätze  nicht  höher  stellen 
ab  die  „Interessen  des  Dienstes".  Und  zu  schnlmännischeii  Enqueten 
werden  die  Theilnehmer  nicht  durch  freie  Wahl  der  £su}hmännischen 
Berufsgenossen,  sondern  durch  amtliche  Ernennung  von  Seiten  des 
nicht  facbmännischen,  von  sehr  yerschiedenen  Bücksichten  geleiteten 
He^fsortministers  bestimmt,  welche  von  vom  herein  die  Gesichtspmtkte 
ixirt  und  schließlieh  darüber  entscheidet,  welche  Vota  geringeres 
oder  grOderet  Gewicht  haben  sollen.  Wenn  nnn  auch  auf  beiden 
Wegen,  sowol  in  dauernde  SteUnng  als  in  zeitweiliger  Oommission,  bis- 
weOen  wirklicfaeB  Taloit  and  VerdiniBt  anr  Geltung  kommt,  so  ist  dies  doch 
kememga  die  Segel,  oft  nnr  ein  gl&ckUeber  Zn&ll  nnd  dnrcbana  keine 
ge&ttgende  Btkrgsehaft  für  den  gedeihlichen  Gang  des  Ganzen,  zumal  der 
Schidmann  leicht  hinter  den  Beamten  zurücktritt,  wenn  beide  in  einer 
Person  Teretnigt  sind.  Wo  aber  ist  eine  Institation,  in  welcher  das 
pldagogische  Wissen  nnd  Gewissen  ohne  jede  fremdartige  Beeinflnssung 
ton  mid  ganz  zum  Ansdmck  kommen  könnte? 

Und  doch  ist  eine  solche  Institation  gerade  in  unserer  Zeit  hOchst 
sothwendig,  wenn  In  Sachen  der  Erziehung  nicht  die  pftdagogische 
lUcht  dw  Fachmänner  dem  oberfiftchUehen  Gutdtinken  politisirender 
IHlettanten,  diefrischeArbeitsInst  dem  verdrossenen  Werkdienste  weichen 


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—   10  — 


solL  Za  Zeiten  der  Melanchthon,  Ti'otzendorf,  Sturm  n.  8.  w.  galt  es  als 
selbstverständlich,  dass  die  Schulmänner  von  Beruf  in  ihrem  Wirkungs- 
kreise als  Antoritftten  anzusehen  seien,  und  als  solche  wurden  sie  von 
bochsinnigeu  Ffintcaa  und  Magistraten  geehi-t  und  unterstützt  Auch 
in  den  folgenden  Jahrhunderten  bis  zu  den  Tagen  Pestalozzi's  imd  darüber 
hinaus  gingen  alle  Impulse  und  Fortschritte  im  Bildungswes^  aus  der 
freien  Imtiatire  bedeutender  pädagogischer  Denker  und  Praktiker  hervor; 
.  ansgezdchnete  Staatsmänner  und  Landesherren  aber  betrachteten  es  nicht 
als  ein  Zabehör  ihrer  HachtTollkommenheit,  jenen  Männern  Befehle  zu  er- 
theflen,  sondern  als  eine  angenehme  Ehrenpflicht,  die  B^trebungen  der- 
selben dnreh  anfiDDimtenidai  Beifkil  und  opferwillige  OOnnerschaft  za 
ArdciiL  Nun  ist  es  andrs  gewordsn.  Das  individuelle  Schaien  ist  groBen- 
ÜMito  durch  daiStattsbetrifib  terdrängt,  der  lebeamUe  Anftdnruug  doreh 
aehablonenbafte  Formen  nnd  polizeUiehe  Überwaehnng  gelAJimt,  der 
eraiehilehe  Geist  durch  politfaebe  EinilllBBe  geieliwftcfat  und  geOlseht 
Wenn  sieh  heute  grofie  und  kleine  HemiL  mn  die  Sehole  kOmmern, 
so  vollen  sie  derselben  in  der  Regel  ihre  peraOnliehen  Liebhabereien 
und  die  Progrnunmpnnkte  ihrer  Soeialreformen  als  Bicfatschnur  der 
Jugenderzielinng  aufdringen.  fiBe  tbftten  aber  besser,  wenn  sie  der 
Sehole  einen  freieren  Spiehraom  nnd  günstigere  Existenzverhältnisse 
bereiteten,  dagegen  die  innere  VerftusDSg  derselben  den  berafenen 
Fafhmftmuem  anheimstellten«  AlleBildnagsanstalten— vomEinderguten 
bis  zur  Hoehsehnle — sollten  von  politischen  Aspbrationen  jeder  Art  nn* 
berührt  bleiben  nnd,  jeder  Fremdhenschaft,  jedem  Frohndienst  Uber- 
hohen,  lediglich  als  Coltursültten  nach  autonomen  Normen  wlrkeD. 
Es  muss  einmal  unumwunden  gesagt  werden,  dass  QberaU  da,  wo  es 
Mt  nicht  um  Suiteres  Thun  und  Lassen,  sondern  um  Überzeugungen 
und  Gesinnungen  handelt,  alle  durch  Macht&etoren  unterstfttate  Ein- 
grilTe  unstatthaft  sind,  gleichviel,  von  wem  diese  -ausgehen  mOgen, 
dass  also  weder  Volkstribttnen  uochMinisterBessel,  weder  BischoibstUhle 
noch  Kdnigsthrone  als  Lebrkanzehi  der  Pädagogik  und  Schnlwissen- 
schsft  angesehen  werden  kdnnen. 

Die  Schule  bedarf  des  Friedens.  Ihr  Werk  kann  nur  gedeihen, 
wenn  aller  Tagesstreit  vor  ihren  Pforten  schweigt  Sie  bedarf  abor 
auch  der  Freiheit;  ihre  Teredehide  und  erhebende  Kraft  wurzelt  in 
der  nnbeirrten  Geistesklarheit,  der  zuversiehtlichea  Bemftfbendigkeit 
nnd  dem  unbeugsamen  Mannesmuthe  des  Lehrstandes.  Diese  Eigen- 
schaften aber  geddhen  nicht  unter  dem  beengenden  Netae  btrean- 
kratischer  Formen  und  unter  der  kalten  Gommandosprache  schneidiger 
Machthaber,  sondern  nur  unter  einer  gesetzlichen  Ordnung,  welche 


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oben  wie  unten  der  persönlichen  Willkiu:  feste  Schranken  setzt,  jedem 
redliehen  mui  lieüsitmen  Streben  aber  Anfeikeiiiuing  und  ^pjeirauin 
sichert.  Duich  persönlichen  Zwans^  kann  man  wol  dienstliche  Correct- 
heit,  berechnende  Khiglieit  und  clnueüisehe  Xiichternlitif  erzeugen, 
nicht  aber  jene  spontane,  selbsiio^t'  Begeisterunsr  für  das  Walire, 
(riite  und  Schöne,  in  weicher  alle  pädagogisch©  iirai't  ihren  unveiöieg- 
baren  Urquell  ändet. 


über  Gkaben  aud  Wifisen« 

Von  Bnfmor  cT.  FrohmiJ^amuitimr-Mibtehm. 


gehOrt  za  den  Eigenthflnilielikeiteii  der  menfleUicbeii 


Geschjchte,  und  zwar  za  doi  tragiBcliea,  diu»  zwei  Geistesftmctioiieii, 
die  im  Grande  aas  derselben  Wurzel  stammen,  dem  Intelleete  nftm- 
lieh,  und  dasselbe  Ziel  haben,  die  Wabrheit  in  Bezag  auf  die  Welt, 
die  Menschenseele  and  das  GOttliehe,  Glauben  und  Wissen  in  he- 
stftndigem  Zwiespalt  sind,  in  Gegensatz  and  Streit;  so  dass  der 
Glaube  —  wenigstens  im  Gebiete  der  Beligion  das  Wissen  (Forschang 
und  Wissenschaft)  beständig  zu  hemmen  and  zu  anteijodiea,  dienstbar 
za  machen  sacht,  das  Wissen  aber  sidi  nicht  entwickehi  nnd  fort- 
schreiten kann  ohne  den  bestehenden,  fiberlieferten  Glauben  (Glaabeas- 
inhalt  und  Glaubensact)  zu  geiährden,  zu  erschttttern  oder  als  an- 
haltbar au£niheben.  Um'  diese  Eigenthfimtichkeit  zu  verstehen,  zu 
begreifen,  warum  es  so  ist  nnd  so  kommen  mosste  and  muss,  ist 
nothwendig,  anf  den  Ursprung  des  geistigen  Lebens  der  Menschheit, 
insbesondere  auf  den  Ursprung  der  Eeligion  (um  welche  es  sich  hier 
hanptsäddich  handelt),  den  Blick  zu  richten.  Die  Beligion  begann  in 
der  Menschheit  nicht  mit  Lehre  oder  Theorie,  sondern  mit  Caltasacten 
und  Anraibng  geheimnisvoller  MSchte,  insbesondere  mit  Opfenmgen. 
Dabei  spielte  die  Phantasie,  wie  bei  dem  Beginn  des  geistigen  Lebens 
der  Menschheit  ttberhaupl^  die  erste,  wichtigste  BoUe,  da  Ja  ursprfing^ 
lieh  die  flbxigen  geistigen  Erftfte,  insbesondere  der  Intellect,  sich  nicht 
bethätigen  konnten,  da  sie  no<^  unentwickelt  waren,  wie  ja  auch 
jetzt  noch  die  erste  geistige  Bethtttigung  des  Kindes  eine  Plumtasie- 
th&tigkeit  ist  Der  Phantasie  allein  ist  es  mOglich  thAtig  zu  sein, 
ohne  erst  eine  weitere  Entwickelang  nSthig  za  haben  —  wie  dies  auch 
bei  der  Sinnesthfttigkeit  der  Fall  ist  Die  ersten  Yerehrungswesen 
sind  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  Seelen  der  Verstorbenen  ge- 
wesen, die  man  noch  als  fertexistirend  and  wirkend  dachte  (in  primitiver 


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13  - 


Zeit  wie  noch  jetzt  selbst  bei  den  A^'ikloiii  initl  danm  man  (Taben 
darbraclire.  vou  denen  man  g:lanlite,  di^ss  sie  ihnen  ir^^endwie  Geniiss 
oder  Anneiunlichkeiten  bereitt-ten ,  wie  im  Leben.  I'admch  konnte 
hauptsächlich  das  B^wnsstsein  geistiger  unsichtbarer  und  doch  wir- 
kender Wesen  t:üL>iehen  und  dadurch  auch  der  Glaube  an  o-eistitre 
überiiatürliclie  Krälte  oder  Zauberwesen,  die  man  zunächst  als  gtittlich 
verehrte.  Der  Gedanke  des  Göttlichen  entwickelte  sich  dann  selbst- 
stäodig,  d.  h.  abgesehen  von  den  Seelen  der  Verstorbenen,  weiter,  und 
zwar  wiedenim  hauptsäclilich  durch  die  äubjective  Phantasiethätinfkeit.*! 
A\ie  die  Kinder  allenthalben  die  Gegenstände  personiticiren  und  sie 
wie  Personen  reden  und  liandeln  lassen.  Da  man  die  Natur  in  ihren 
(natürlichen  Kräften,  Ursachen  und  Wirkungen  und  den  Gesetzen  noch 
nicht  kannte,  noch  alles  in  ihr  unbegriffen,  geheimnisvoll  war,  so 
hätte  bei  Mangel  an  wirklicher  natürlicher  Erkenntnis  durch  den  In- 
tfiUect  (Verstand)  die  Phanta»«  ein  großes  Gebiet  für  ihre  Thätigkeit. 
Ih'e  Naturgegenstftnde  im  kleinen  und  großen  wurden  personiticirt 
und  ihre  Wirkungen  und  Eigenschaften  wurden  nach  BUd  und  Gleichnis 
der  menschlichen  Natur  und  Thätigkeit,  also  aathropomorphisch  auf- 
gefasst  und  insbesondere  das  Bedürfuis  der  causalen  EIrklärang  da- 
durch zu  befi'iedigen  gesucht.  Geistige  Kräfte,  von  denen  man  durck 
flit^  Auffassung  des  Todes  als  Frei-  und  Unsichtbar  werden  des  Geistes 
sich  ein  Bewusstsein  gebildet  —  imrden  als  übernatürliche  oder  Zauber- 
kräfte und  bei  höherer  Geisteeentwickelung  als  göttliche  Krätte  oder 
Persönlichkeiten  in  diese  Naturgegenstände  hineingedacht  oder  imaginirt 
nnd  daran  der  reJigiöse  Oultus  o:eknüpft.  So  wurde  die  Beligion  von 
Beginn  an  naturgemäß  naturaiistisch  und  anthropomorphisch  ausgebildet. 
Die  Natur  mit  ihren  Kräften  und  Wirkungen  ward  alienthalben  ver- 
gfittüeht  —  wenigstens  in  ihren  auffallenden,  geheimnisvollen,  heil- 
auBQu  oder  scbftdliclien  Erflften,  Wirkungen  und  Erscheinungen.  Da- 
dsreh  mnsste  es  gesebehen,  dass  gerade  die  wichtigeren  und  dunkleren 
Kstoigegettstftnde,  Erilfte  und  Wirkungen  der  natOrUchen  Auffassung 
ODd  Forschung  als  geheiligt  entzogen  und  eine  natflrlidie  Erklärung 
dsrdi  mmsckliclie  Yerstandesthfttigkeit  verpOnt  als  nnreUgiOs  betracktet 
md  bestraft  wurde»  wo  die  UmstSnde  es  erianbten.  Die  natOrlieiie 
ESttoekung  und  I^kUrung  des  dureh  die  Phantasie  Fersoniflcirteu 
nd  Vergottlichten  galt  als  Angriff  auf  das  OOttliche  selbst»  sls  Gottes- 
leagnung  oder  wenigstens  als  Fkoiknirnng  desselben;  daker  allent* 


*)  Das  Nähere  hierüber  in  meinen  Werken:  „Genesis  der  Menschheit  n.  i.  w.* 
^  »ttlw  das  MjBteriua  Magimin  des  Daseb»". 


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14  — 

halben  die  BeMhnldigmig  der  FriroUtAt,  6k>ttlo8ig1raLt  o.  &  w.  von 
An&og  der  wiBsenaehaftlicbeQ  Fonchnng  an  bu  zum  heatigen  Tag. 
Bb  lag  diaa  In  der  Natur  der  Sadie,  naebdem  die  Natur  irenlgstens 
iE  ihren  irichtigsten  Eneheimmgen  und  Wirinmgea  yergöttlieht  war 
und  dies  za  emer  religiösen,  geheiligten  Tradition,  nun  religUtoen 
Glanben  nnd  Cnltns  geworden  war.  AndererseitB  kennte  die  nenach- 
liehe  Forachnng  nnd  Wisaenaehaft  (PhiloBopbie)  gar  nicht  anders  be- 
ginnen als  dadurch,  daaa  zmächat  die  Süssere  Nator  nun  Gegenstand 
der  Untersacihnng  gemacht  nnd  als  natflrKch,  nicht  als  ftbematfirUch 
betrachtet  und  erfcUbrt  ward  —  also  in  die  natOrliche  Sphäre  des 
menscUiehen  Geistes  herabgesetzt  wurde;  des  Menaehengeistes,  den 
man  bei  aller  sonstigen  YergOtterung  des  Natürlichen  nicht  TcrgOtt« 
Ucht  hat,  obwd  er  das  Wunderbarste  ist,  das  die  Natur  Uetet  Nur 
fttr  einzelne  besonders  auffoUeade  ungewöhnliche  BethMigungen  nahm 
man  auch  ObematOrliches  in  ihm  an,  aber  als  nidit  aus  ihm  selbst 
stammend,  sondern  als  zu  ihm  Hinzukommendes  —  wie  bei  TriUunen, 
hohem  Enthuaiasmns,  iii^cfaischen  Krankheiten  u.  s.  w. 

Dies  aUes  zeigte  sich  schon  z.  B.  in  der  geistigen  Eatwiekelnng 
des  alten  HeUenenthuma,  Die  Dichter  schlössen  sich  im  allgemeinen 
dem  religiösen  Glanben,  der  Mythologie,  an,  wenn  sie  aneh  manches 
weiter  ans-  oder  geradezu  umbildeten;  sie  kamen  daher  mit  dem  reli* 
giOsen  Glauben  und  Oultus  kaum  je  in  ernsten  Oonffiet  Anders  güig' 
es  mit  der  Philosophie  (Wissenschaft)  resp.  den  Philosophen.  Da  diese 
Ton  der  religiösen  resp.  mythologischen  WeltaufEusung  von  Änlhng 
an  Umgang  nahmen,  d.  h.  die  Dinge  und  Yerhiilinisse  der  Natur  oder 
des  Kosmos  nicht  ans  ttbematOrllchen  Krftften,  ZanbermSchtea  oder 
Thfttigkeit  der  (naturalistischen,  anthropomorphisch  gedachten)  GOtter 
ableiteten,  sondern  natflittch,  rationell  ans  stofflichen  oder  geistigen 
Urprindpien  erkllren  wollten  —  so  galten  sie  als  Gegner,  als  Feinde 
der  bestehenden  Beligion  und  erlitten  tfaedlweise  auch  Veriblgung.  So 
&  B.  schon  Xenophanes,  der  Gründer  der  Eleatiachen  Philosophie,  der 
den  Polytheismus  und  Anthropomorphlsmus  der  Volksreligion  bekSmpfte 
und  Einheit  und  fibermenscblichkeit  der  Gottheit  andi  in  geistiger 
Beziehung  lehrte.  Er  nrasste  darum  schon  frOh  sefaie  Vaterstadt  Oo- 
lophon  in  Kleinaaien  yerlassen  und  wanderte  sein  ganzes  sehr  langes 
M>en  Undnreh  in  Griechenland  umher,  bis  er  zuletzt  in  Elea  In 
Unteritalien  die  Mg.  EMdsche  Schule  der  Philosophie  gründete.  Aneh 
Ansxagoras,  der  doch  zuerst  entschieden  ein  geistiges  Urprinclp  für 
den  Eoemos  annahm  (Nas,  InteUeet,  Vernunft),  ward  wiegen  1x- 
reUgiosität  angeklagt  und  musste  ans  Athen  fliehen,  weil  er  behauptet 


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I 


—   16  — 

hatte,  die  8one  aä.  tme  glüb^de  Masse  (Stein),  nk^t  etwa  ApoUon, 
der  ui  den  HimBdsbogen  fiUirt  Protagons,  der  Sophkt,  musste 
Athen  redumm,  ml  er  bebaaptete,  da»  ee  nickt  nOflieh  sei,  »i  er> 
keuieB,  ob  0$tt»  seien  amral  wegfm  ds  Schwierigkeit  der  Siehe 
•k  auch  der  Klne  dee  MneUidiM  LebeM.  Yen  Sohmes 

ist  es  aUbekaimt,  daas  er  nn  Tode  TerortheOl  wurde  ans  leligitaen 
GrftndeB,  da  er  ton  der  SeHgien  and  tos  den  G<(ttem  Abstand  oabm 
bei  seineai  VemdiB,  dnreh  philonophisehe  FoBKhnng  eine  selbst* 
stindige  Mond  n.  gr&nden.  Endlidi  selbst  Aristoteles  entwich  gegen 
Ends  seines  Lebeas  ans  Athen,  weil  aach  flun  eine  Anklage  ans 
reUgiOsen  oder  Olsnbenspinden,  wegen  breligioBitit  in  Anssichit 
stand.  —  So  sehen  bei  den  alten  Hellenen,  obwol  kein  etfontliehes 
geschlossenes  ReHgionssystesi  nnd  keine  strenge  DogmaUk  bestand, 
aadi  keina  Hienidiie  In  Sachen  der  Religion  durch  eine  kurchUche 
Oiganisation  regierte. 

Mit  der  Gestsltnng  des  Christenthnns  mr  Kirehe  nnd  nnt  aD- 
iBühl^H^  Entwickehing  des  dognatisefaen  nnd  kirchenreginenfüchen 
^stei»  h5ite  innerhalb  der  Eirohe  hn  Gninde  alle  philosophische 
(wissensdulUicbe,  sslbststttidige)  Forschmig  auf  Gnmd  natarlieher 
Eikeantnisprinc^iien  f&r  lange  Zeit  aal  Das  Olanbensprincip,  d.  h. 
der  Olanbe  als  Frindp  der  geistigein  Bethätigung,  aneh  der  intellee- 
tndlen,  wurde  alleinherrsehend  und  maflgebend  anch  Ar  theoretische 
Thiti^ceiL  Philosophische  Gedanken  worden  allerdings  noch  geltend 
geouieht,  grOfttenteOs  entnommen  aas  der  griechischen  PbilosopMei 
aber  sie  wurden  nnr  im  Dienste  des  Glaobens  verwendet,  soerst  nm 
Ihn  xn  begrOnden  nnd  an  vertheidigen  den  Nicfatglaabenden  gegen- 
fiber,  dann  nur  Entwickefamg  nnd  Feetstellnng  der  Dogmen,  lllr  die 
Olinhigen  nnd  gegoi  die  sog.  Kotier.  Der  Glaube  aUehi  war  Prindp 
alles  geistigen  Lebens,  InÄesondere  anch  der  theoretischen  Welt> 
AaMkaamg  Dto  festgwtellten  Dogmen  waren  der  Maftstab  Ar  intel* 
leetofllle  Benrtheilnng,  Ar  Anerirannnng  oder  Yerwerfiing  aller  theore- 
tisehoi  (^nlosophischen)  Lehren.  Eine  besonders  Fhiloeophie  neben 
der  Theologie  gab  es  nicht  mehr  nnd  Yeraoche  dann  konnten  nicht 
anfkommen.  Yen  der  griechischen  Philosophie  ward  alles  irgend 
Bianehbare,  mehr  oder  weniger  modilkirt,  In  das  christliche  Lehr> 
Bisten  awllgenowmen,  Tom  Glanbensprindp  ^chsam  in  Fragmenten 
teraehti,  nm  selbst  zn  wachsen  —  wie  Jnnge  Pilanaen  die  Überreste 
der  alten  gieiehssm  Tsraehren  nnd  sich  selbst  damit  nnr  EntwiAelnng 
bringen.  Dies  Yeriiiltnis  dauerte  Jahrhunderte  bis  tief  in  das  Mittel- 
alter hinein;  selbststindige  philosophische  Systeme  entstanden  nicht 


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—    16  — 


neben  der  Theologie,  alles  Forschen  fand  nur  statt  auf  Grund  des 
Glaubens  und  im  Dienste  des  Glaubens.  Kirchlicher  Glaube  mit  seiner 
Auctorität  und  Glaubenssätze  waren  von  vornherein  iiber  alle  Philo- 
sophie, alle  wissenschaftliche  Forschunj?  erhaben,  durften  niclit  in 
Frage  gestellt,  sondern  niussten  als  l'riucipien,  Quellen  und  Kriterien 
alles  Wissens  anerkannt  und  geltend  gemacht  werden.  Das  Wissen 
war  nur  wie  ein  znläliig  hinzukommendes,  gleichsam  ^Yie  ein  Schmuck 
betrachtet.  Ein  Beispiel  hiefür  liefert  einer  dei-  grüßten  Theologen 
des  früheren  Mittelalters,  der  zugleich  philosophirte:  Anj>ehu  von 
lanterbiuy  (1033—1109).  Ihm  ist  das  Wissen,  die  wissenschaftliche 
Erkenntnis  nur  eine  angenehme  Zutliat  zum  Ulaubeu,  wodurdi  der 
Geist  erfreut,  ei'götzt  werde  (delectanientum  I  Eine  principielle  Be- 
deutung bat  iinn  alsu  die  ^\"issel)sclla^t  niclit.  sie  erklärt  und  begründet 
nur  rationell,  was  olinehin  schon  durch  den  Glauben  gewiss  ist.  In 
die^<•lll  >^\]\i\r  h;\t  or  also  auch  in  seineui  I*rosli)giuni  seiiieu  berühmten 
foutoi(»gischeu;  Beweis  für  das  Dasein  (Jütles  aiü'gestelU,  der  aus  deui 
l^t'critie  Gottes  in  dialectischer  Weise  das  Dasein  Gottes  als  noth- 
weudige  Wahrheit  darthun  will;  und  ebenso  in  seiner  bchrifi  „Cur 
]  )eus  homo"  den  Versuch  gemacht,  den  Beweis  zu  führen,  dass  die  Mensch- 
heit nur  dadurch  erlöst  werden  konnte,  dass  Gott  selbst  Mensch  wurde  und 
litt.  —  Krst  im  dreizehnten  Jahrhundert,  d.  h.  durch  das  Bekanntwerden 
der  gesammten  Aristotelischen  Schriften  und  den  Betrieb  des  Studiums 
derselben,  be^^onders  durch  Albertus  Magnus  und  dessen  Schüler  Thomas 
von  Aquino  trat  zur  Theologie  wieder  Philosophie.  Diese  Anstotelisehe 
Philosophie  ließ  man  neben  der  Theologie  bestehen,  obwol  man  noch  immer, 
wie  früher,  alles  Brauchbare  aus  der  alten  Philosophie,  aus  der  Plato- 
nischen, Stoischen,  Neuplatonischen,  insbesondere  aber  der  Aristotelischen 
in  das  dogmatische  Lehrsystem  verflocht  und  damit  verband,  wie  die 
große  Smnma  theologica  de-  'f'linm;*«  von  Aquino  in  hervorragender 
Weise  zeigt  Damit  aber  diese  Philosophie  —  man  verstand  darunter 
die  Aristotelische,  die  ja  überhaupt  als  Inbegriff  dessen  galt,  was  die 
menschliche  Vernunft  leisten  könne,  daher  Aristoteles  nicht  als  ein 
Philosoph,  sondern  geradezu  als  der  Philosoph  augeführt  wird  (philo- 
soplius  didt)  —  damit  also  diese  Philosophie  neben  der  Theologie 
nicht  etwa  sieh  selbstständig  bethätige^  ward  von  Albertus  die  Lehre 
aufgestellt  und  von  Thomas  weiter  ausgebildet,  dass  die  Philosophie 
der  Theologie  untergeordnet,  die  Magd  (ancilla)  der  Theologie  sei, 
demnach  von  dieser  Befehle  zu  empfangen  habe  und  nur  das  be- 
haupten dürfe  als  wahr,  was  die  Theologie  ihr  erlaube  oder  gebiete* 
—  Trotz  dieser  Lehre,  welche  von  der  Idrehlichen  Glanbensaactoritit 


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—  17 


gelbstverständlich  aufs  höchste  gut^eheidao.  und  stets  und  noch  jetzt 
als  kirchlicher  Grundsats  geltend  gemacht  wurde  und  wird  — ^  gelang  es 
doch  nicht  anf  die  Dauer,  die  Philosophie  in  Unterwerfung  sa  halton 
und  selhstst&ndige  philosophische  Forschung-  und  Systembüdung  za 
lusdern  zu  Gunsten  der  scholastifichen  Theologie  mit  ihrer  dienenden 
philosophischen  Magd.  Der  immer  mehr  um  sieh  greifende  Skeptidsmns 
und  der  sich  wieder  erhebende  Nominalismiis  wrstörten  die  scho- 
ItttiMshe  Philosophie  und  trieben  dadurch  zu  einer  anderen  als  der 
AristoteUfichen;  der  Skepticianns  inebeeondere  ftthrte  dahin,  nicht 
Mos,  nie  Albertus  und  Thomas,  die  sog.  abernatürUehen  Wahrhfliteii 
ak  nimkeiinhar  Ar  die  neostdiliQhe  (8cholia8ti8ehe)yenuuift  m  erkU^ 
nn,  flondem  SMcihdle  sog^nstilrliehen,  welche  diese  biederen  Scholasdkor 
alB(llraien8diMdkeyernimft«rkmiiharhe]iaaptet»--wodii^ 
Traunmg  tob  Philosophie  und  Theologie  eingeleitet  ward.  Der  Nonl- 
itUsiiiis  aber  trug  zur  Ersehfttterang  der  scholastischen  (kirchlich  ge- 
mdcnen)  Philosophie  bei  dadnrdi,  dass  er  das  Wesen  und  die  Wahr- 
kflit  nicht  in  den  allgemeinen  Begriffen,  londem  in  den  Einzeidingen 
aonshm  und  dadurch  anr  indnctiven  Forschnng  anregte  im  Gegensata 
ZI  dem  dednctiven  Verfiihren  der  Sdiolastik.  Ans  dem  Skeptidsmns 
ging  hai^tsSchlich  durch  Oartesiiis  spiter  die  ideaUstische  Bichtong 
der  neneran  Phüoeophie  herfor,  ans  dem  Nominalismns,  der  sich  sdion 
frth  hanptsfiehlich  in  England  geltend  machte,  entwickelte  sich  hanpt» 
ilelilich  durch  Baeon  von  Verolam  die  reaMstisdie,  die  sich  beiden  un- 
sM&ngig  von  der  Glaubensanctorit&t»  geltend  maditeiL  und  weiter  ent- . 
irickelten.  —  Unterdes  aber  hatte*  die  Naturwissenschaft  ihre  selbst- 
ttladige,  von  der  Eirofae  und  ihren  Glanbenssatzungen  unabhSiigige 
Foiscbung  begonnen  und  kam  bald  mit  der  Kirchenauctorltftt  und 
dem  Maditwerkzeugen  resp.  der  Inquisition  üi  schweran  Oonllict; 
nid  zwar  geschah  dies  zneiat  beiüglich  der  Astronomie.  Im  Jahre  1643 
wardesCopernüniB  Werk  (Beorbinm  coeketiom  reYolutionibQ8)erschieneDt 
▼dehes  das  neue  System  gegenüber  dem  Ptolemäischen  (und  Aristo- 
teUechen)  lehrte,  dass  nämlich  nicht  die  Erde  stillstehender  Mittel« 
punkt  des  Weltalls  sei,  um  den  sich  alle  übrigen  Himmelskörper 
drehten,  und  dass  nicht  die  Sonne  sidi  um  die  Erde,  sondern  diese 
ttm  jene  als  Mittelpunkt  des  Planetensystems  sich  dreliend  bewege 
An&ugä  wolltci  man  die  Sache  kaum  reclit  ernst  nehmen,  da  aber  die 
neue  Lehre  immer  melir  Auiiang,  Begründung?  und  Vertheidirrnni,'-  t  iiid, 
glaubte  mau  mit  Strenge  dagegen  vorf^elien  zu  müssen,  mn  tf.N  zu 
unterdrücken,  da  das  Ptolemäische  System  aufs  engste  mit  der  kirch- 
lichen Glaubenslehre  verbunden  war,  gleichsam  eiueu  Theü  oder  sogar 

Ped^^am.   15.  Jah.rg.   U<ft  I.  2 


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—  18  - 

das  natüriicbe  FuutiameiU  dtr>^elli'  ii  l  iliU  tf-  mi\  anrh  von  der  Bibel 
vorausgesetzt  zn  sein  pchieu,  bovvoI  im  ersten  Bii  Ii  M osis  als  aiirh  im 
Buch  Jomvd.  Selb<t  sonst  znr  Milde  ^eneij^te  Midanchthon  wollte 
strenjLTe  Maiiiegelu  dagcgeu,  vollends  in  Rom  trat  die  Inquisition  wie 
die  ludex-Congregation  dagegen  in  Wirksamkeit.  Schon  KiOU  wurde  der 
eathnsiastische  Verküuder  und  Yeriheidiger  des  neuen  Weltsystems. 
Giordauo  Bruno,  der  auch  noch  andere  uudog-matische  tlit  ..]ui;]-i  lie 
Cousequenzen  daraus  gezogen,  öflentlich  als  Ketzer  in  Korn  verbrannt, 
und  1616  ward  1,  -  Werk  des  Oop  ^inikus  nebst  allen  Werken  gleicher 
Richtung  als  ketzerisch,  der  heiligen  »Schrift  gänzlich  widersi)rechend 
und  verderblich  auf  den  Index  der  verbotenen  Bücher  gesetzt,  endlich 
mehr  als  30  Jahre  nach  Giordanu  iiruno's  Verbrennung  wurde  der 
Hauptvertheidiger  und  Begründer  dieses  Systems,  Galileo  Galilei,  ge- 
zwungen, nm  aus  tlem  luquisitionskerker  befreit  zu  werden,  als  siebzig- 
jähriger iMann  im  Aimensünderhemd  in  der  Kirche  SantA  Maria  sopra 
Minerva  auf  den  Knien  dasselbe  als  falscli  und  ketzerisch  abzu- 
schwören.*) Trotz  all  dem  kuuiite  indes  das  t  opernikanische  System 
nicht  mehr  unterdrückt  werden,  da  die  weltlichen  Regierungen  sich 
nicht  mehr  wie  früher  den  Geboten  der  püpstlicheu  Hierarchie  zu 
Diensten  stellten,  wenigstens  die  protestantischen  nicht  mehr,  so  dass 
die  wissenst  haftliche  Forsclmng  allmählich  fast  ganz  auf  den  Pro- 
testautismus überging  und  katholische  Forscher  ihre  Aufgabe  meisteii- 
theils  nur  erfüllen  kunnten,  wenn  sie  sich  nicht  scheuten  vor  der 
Opposition  gegen  die  kirchlichen  Forderungen.  So  nahm  die  moderne 
Naturwissenschaft  durch  die  Astronomie  zuerst  einen  siegreichen  An- 
fang und  entwickelte  sich  selbstständig  in  der  gruüartigen  Weise, 
wie  es  in  der  neuesten  Zeit  in  allen  Gebieten  der  Natur  geschehen 
ist.  —  Aber  auch  die  selbstständige  Philosopliie  lieü  sich  nicht  mehr 
unterdrücken.  Zwar  wurden  die  Werke  des  Cartesius  ebenfalls  als 
glaubenswidrig  auf  den  Index  der  verbotenen  Bücher  gesetzt  und  be- 
sonders von  den  .lesuiteu  in  aller  Weise  bekämpft,  aber  der  Gang  der 
selbstständj-  t  ii  i  'hilosophie  konnte  doch  nicht  mt  hr  aufgehalten  werden, 
da  nichlkatholische  Forscher  eben  au  die  päpstliche  Forderung  der 


*)  In  mciDem  Werke:  Pas  Christeutbum  und  die  moderne  ^'aturwiäeeasehaft 
(1868)  «iad  die  ActowtOttke^  alnlidi  die  Yemrtlieilinqraseiiteas  anl  die  AbeohwOreag*« 
fbmtf  im  Üb«Ei^iiiig  nitgetiieilt.  Ll  dev  Indes-AiiBgabe      1886  sind  die  Werlte 

des  Copernikus  und  seiner  Anhinger  endiieh  gestrichen ,  nachdem  sie  mehr  als  zwei 
Jahrhumlerte  darauf  gestanden.  Was  alw  früher  unter  Bestätigung  dc.s  iu  cloi^- 
inatisebc'u,  also  auch  ketzerischen  Dingen  unfehlbaren  Papstes  fflr  Ketzerei  erklärt 
WMd,  ist  es  jetzt  nicht  mehi  : 


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—  19  — 


rnterwerfunir  unter  Kirclienaucioritat  und  Do^rma  sicli  nicht  gebiindeii 
fÖhltea.  Kaiholi.sche  PliilosupLen  konnton  zwar  ^niri  dem  Druck,  der 
anf  ihnen  hir,  weni^^  selbstständig  {'Inlosophisch  leisten,  aber  vielfach 
beeinfinsst  wurden  sie  docli  von  der  freien  Philosopliie.  die  sich  in 
Biannigfacher  Form  entwickelte  in  realistis.  ben  und  idealistischen 
Systemen.  So  ging  es,  bis  gegen  die  Milte  dieses  Jahrhunderts  sich 
alhnählicb  znnächst  in  der  papstlichen  Kirche  durch  den  wieder  her« 
gestelltes  Jesuitenorden,  dann  auch  im  prote>tantischen  Gebiete  sich 
€ine  BeactioD  verbreitete,  welche  auf  Wiederherstellung  des  ahiU 
Dienstverhältnisses  der  PhilosopLi'  gegenüber  der  Theologie  und 
Kirchenanetorität  hinarbeitete.  Die  Jesuiten  gründeten  besonders  zu 
Lesern  Zwecke  zu  Anfang  der  fünfziger  Jahre  ihre  Zeitschrift  l  ivilta 
«attolica,  in  welcher  als  Programm  aufgestellt  ward,  die  moderne 
WlfeeDsdiafl,  insbesondere  die  moderne  PhiJüiophie  seit  ( 'artesius  scho- 
ksttsch  versteht  man  unt«r  Philosophie  alle  Wissenschalten  im  Unier- 
aehied  nnd  Gegensatz  zur  Theologie),  also  um  diese  ganze  moderne 
IK^senschaft  wieder  zu  vernichten  und  die  alte  Scholastik  als  3ki^i 

Theologie  wieder  herzustellen;  die  Philosophie  des  Thomas  von 
Aquino  wurde  zu  diesem  Zwecke  vom  Papste  in  einer  besonderen 
fincyclica  (1879)  speciell  empfohlen  resp.  vorgeschrieben.  Aut  katht>- 
Kichem  Gebiete  ist  damit  die  freie,  selbstständige  Philosophie  un> 
■ifiglich  und  abgethan  und  im  Grunde  genommen  alle  selbstständige 
WiBsenschaft,  insofern  sie  nur  einigermaßen  mit  Bibel  nnd  Kirchen* 
lebre  in  Beziehung  steht  oder  in  Berührung  kommt.  Aber  auch  pro- 
testantischerseits  fordert  man.  immer  dringender,  dass  die  Philosophie 
„gläubig'*  sei,  d.  h.  vom  Glauben  ausgehe,  auf  ihn  sich  als  Grund- 
TOimossetzung  stdt^  und  die  festgestellten  (positiven)  Glaubenssätze 
am  Kriterium  der  Beurtheilnng  der  philosophisdien  Besultate  uud 
m  Zid  der  {Moaophiseben  Forachnng  madie.  Zu  bemerken  ist  noch,  - 
&am  der  Glaube  (Anctorität  und  Theologie)  stets  gerne  «ich  mit  der 
physischen  Gewalt  Terbindet,  um  sich  geltend  sa  naebsn  nod  die 
G^pier  (WIsaeaMiiaft)  niedenohalten;  da  denelbe  (Glanbe)  rationale 
Gfflttde  gegen  sich  nicht  gdten  Usst,  ja  nicht  einmal  principidl  Ar  aich, 
ao  ist  difliaa  Yeildttnis  sor  physischen  Gewalt  hegreiflieh,  aber  anch 
<Be  Inkninanität,  welche  d&reh  die  Glaabenssysteme  Tsranlaset  wird. 

ünter  diesen  Umstlnden  dürfte  es  aettgemilS  sein,  Weeen,  Be> 
deatang  md  Bereehtigung  dieser  beiden  psychischen  Fnnctionen,  des 
Glanbeos  nnd  des  Wissens,  Forschens  nnd  Erkeonens,  in  nlhere  Untere 
avchmig  n  "üflifDi  nm  dainHrftw»  das  VwrWittnlt  von  Iwiden  mit  mdg* 
üdMter  ISeheriieit  und  Klarheit  bestSnunen  sn  kftmien. 

2» 


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-r     20  — 


n. 

1.  Unter  Glauben  versteht  man  im  allgemeineii  ein  Annehmen 
und  Fürwahr-  und  Gewisshalten  einer  Ansicht  oder  Behau]>tiiiJir  über 
irgend  einen  Gegenstand  der  Natur  oder  Geschichte  oder  auch  dos 
tlbernalaj  lidien,  Unsichtbaren,  uhae  dass  man  sich  durcli  eigene  Siniies- 
wahrnehmuni>"  oler  durch  eine  unmittelbare  gcisti^^^e  Evidenz  *a]so  ohne 
sinnlic)ie  Intuition  oder  gcistice  Kvidnir/  »  selbst  die.-(^  W'^Ih  Ik  it  und 
Ge\vi>>h<'it  sichert  und  zur  Ül>frztiiL'uni;  macht.  Als  Gewähr  dieser 
Wahrheit  und  Gewi«««]!eit  der  Annnhiue  und  des  Fiirwahrhaltens  inid 
als  Quelle  des  inhaltt  s  davon  pilt  liu'  Aurtoiität  dessen,  der  die  be- 
treffende Aussage  niaclit  oder  die  Behauiiiuug  aufstellt,  dein  man  eben 
Kenntnis  und  Wahrhaftigkeit  zutraut,  so  dass  man  ihm  glauben  darf. 

Dies  ist  der  Auctoritätsglaube,  der  im  geistigen  Leben  der  Mensch- 
heit eigentlich  die  größte  Rolle  spielt,  denn  weitaus  die  meisten  Kennt- 
nisse, die  wir  besitzen,  haben  wir  uns  aus  der  Tradition  und  Untei> 
Weisung  durch  diese  psychische  Function  angeeignet.  So  die  historischen 
Kenntnisse,  die  wir  ja  nur  durch  Benchterstatter  erhalten,  denen  wir 
Glauben  schenken,  so  den  gi-ößten  Theü  der  naturwissenschaftlichen 
Kenntnisse,  schon  in  Bezug  aof  das  Material  und  die  Bescbreibimg' 
der  Naturdinge,  die  wir  ja  nor  zum  geringsten  Theil  selbst  mit  maerai 
sinnlichen  Erkenntnisorganen  wahrnehmen,  ebenso  die  n&beren  'wiseeB- 
Behaftlichen  Kenntnisse,  die  nur  durch  genaue  Erfoi-schung,  dnrcli  Beob- 
achtung und  Experiment  gewonnen  werden  können  in  den  Terschie- 
denen  Gebieten  der  Natur  durch  Forsclier,  deren  Auctoritftt  für  Wahrheit 
nnd  Gewissheit  httrgt.   Seihet  sehr  Wichtiges,  uns  unmittelbar  An- 
gehendes erfahi-en  und  kennen  wir  nur  auf  Aactorität  hin  durch  die 
peyehische  Fonction  dee  Glaubens:  wer  unsere  Eltern  sind,  wann  wir 
geboren  worden  u.  s.  w.  Man  kann  sagen,  dass  durch  die  TraditioiL 
mittelst  der  geistigen  Function  des  Glanhens  der  Inhalt  des  geistigen 
Lebens  von  GeneraÜoii  m  Generation  in  der  Diensohlicheu  Gesdiichte 
gleichsam  fortflntet,  dorch  fi>rtw&hrende  Erfahrong  und  Forschnng* 
Termehrt,  verbessert,  oder  aach  dorch  hemmende  Mftchte  anr  9ta^ 
nation,  Yersompfhiig,  Degenerimng  gebracht 

Dies  gilt  non  aneh  vom  religiösen  Glanben.  Aach  diesei'  ist  im 
Laufe  der  Geschichte  in  den  Terschiedenen  Religionen  zonflchst  Ancto- 
litätsglanbe,  d.  h.  die  Lehren  Aber  die  Gottheit  oder  die  G9tter  und 
deren  YerhUtnls  snr  Natur  nnd  sa  den  Menschen,  sowie  der  besondere 
Cnltns  nnd  die  Beligionsgehrftnche  werden  von  Geschlecht  an  Ge> 
schlecht  ttberliefart,  nidit  uunittelbar  selbst  erkannt  (an  erkennen  ge- 
glaobt)  durch  die  unmittelbar  thfttigen  Eikenntniaorgane,  Sinne  und 


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31  — 


Erkenntniskraft.  Und  zwar  wird  lijerhei  stjvugti  an  der  Uberlieferung', 
an  dem  Herköinnilicheii  in  Theorie  und  Praxis  fetotgelialten,  weil  der 
religiöse  Glauben  sin  Ii  alt  und  Cultus  auf  die  Götter  oder  die  Gottlieit 
selbst,  auf  g-öttliche  Kundgebung  und  Anordnmi^^  zurtickg'efribrt  zu 
werden  pflegt,  daher  als  unbedingt  wahr  und  giltij?  betrachtet  und 
festgehalten  wird.  Ursprüng^lich  war  allerdings  der  religiöse  Glaube 
nicht  Auctoritätsglaube,  sondern  von  den  Menschen  selbst  allmählich 
für  das  geistige  Leben  errungen  und  festgestellt  in  allmählicher  Er- 
weiterung und  Vergeistigung  —  wie  dies  anderwärts  näher  erörtert 
wnrde.*)  Bei  den  wilden  Völkern  ist  diese  originelle  Art  der  Religion 
mehr  oder  weniger  noch  üblich,  dagegen  bei  Culturvölkern  haben 
sich  strenge  Traditionen  gebildet  und  ist  der  Aoctorit&tsglaabe  mög- 
lich und  gefordert. 

Bei  dem  religiösen  Glauben  ist  aber  außer  der  Annahme  und  dem 
Fflrwahrbalten  auf  Auctorität  hin  noch  ein  anderes  Moment  zu  be- 
achten, das  'wir  neben  dem  historischen  als  mystisches  Moment  be- 
zeichnen können.  Das  in  der  Tradition  durch  Anctorität  Gegebene 
"Wird  nämlich  nicht  blos  als  historische  Kunde  hingenommen  wie  iiigend 

alte  Geschichte,  sondern  findet  in  der  Menschenseele  sozusagen 
einen  Anknftpfhngspunkt,  ein  Verständnis  und  eine  Anerkennnsg  anch 
dnrch  das  Gef&hl;  durch  daa  OefiUil  der  eigenen  RelaÜvität  nnd  Ab- 
hängigkeit Ton  der  dnnklen,  geheimdaTOIlen,  ftbenuAQrHcbeii  Maebt 
und  Übermacht,  die  in  der  Welt  waltet,  weteher  gegenüber  die  posi* 
tiven  BeBtimmmigea  der  ReUgionen  in  dier  Tbat  nur  Deutongarennche 
•aiad.  Eine  Macht,  mit  der  man  nidit  Uoa  dnrch  den  geflchiehtlich«ii 
ZisMnmenhang  in  der  Menschheit  nnd  dnrch  die  Anctozit&t  in  Be- 
aiehiaig  steht,  sondern  ^ndi  nnmittelbar  dnrch  das  eigene  Wesen  nnd 
Genttth,  so  dass  das  GOttUehe  nicht  bk»  gewnsst  resp.  geglaubt,  son* 
den  noch  geOhlt  wird  in  einein  onmittelbaEen  Gottesgef&hl,  daa  mehr 
oder  mmder  nnTollkommen,  Ja  sogar  entstellt  sem  kann,  dem  aber  doch 
kein  Mensch  gans  an  entfliehen  Termag.**)  Es  gibt  nm  allenthalba 
Menschen»  bei  welchen  dieses  Geffthl  eines  unmittelbaren  YerhUtnisses 
aar  Gottheit  besonders  lebhalt  ist  nnd  deshalb  der  historisch  ver^ 
adttelfie  oder  Anetoritätsglanbe  mehr  aorttcktritt  oder  sehwindet  Solche 
Nstmmi  machen  sich  Im  reUgiOsen  Gebiete  mehr  oder  minder  seihst» 

*)  „Über  die  Genesis  der  lleaaddieit  «.a.  w."  (8.67ff.)  und  „Ober  das  Kjtteiliim 
Klgaum  des  Daseins"  uS.  8  fF.). 

**)  Bei  Schiller  ist  dies  so  ausgedrückt:  Allen  gehört,  was  da  denkst,  dein 
eigen  ist  nur,  was  du  fdblst.  Soll  ei  dem  £igentbam  sein^  lulile  den  (iott,  dca 
dt  toter. 


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—   22  — 


ständig,  driugcn  auf  Verinnerlichnnfr,  Vergeistig-uiifr  der  Ktligion  und 
kämpfen  gegen  Veräußerlichung  und  Medianisirung  des  Glaubens  nnd 
("ultus.  Fs  sind  die^i  die  pro{)lietischen  Naturen,  die  als  religiöse  Re- 
lormer  auftreten  und  von  den  \'ertretern  des  Traditionellen  und  der 
Auctorität  in  der  Regel  angefeindet  und  verfolgt  Averden.  Bei  beson- 
derer religiöser  Gotiinnigkeit  und  tliatkräftiger  Energie  wei*den  sie 
geradezu  Stifter  neuer  Religionen,  mit  denen  eine  neue  religiöse  Tra- 
dition beginnt,  aber  auch  eine  neue  religiöse  Auctorität  und  ein  nea^ 
Aactoritäts-Glaube  in  die  Geschichte  eingeführt  wird. 

Der  Begriff  das  Glaubens  wird  von  Manchen  noch  weiter  aus- 
gedehnt und  unter  denselben  auch  die  Sinneswahrnehmung  und  die 
YerstandeserkenntDis  gestellt,  denn  sie  meinen,  die  Annahme,  dass  die  • 
Sinneswahrnehmung  zuverlässig  ael  und  Wahrheit  und  Gewissheit  ge* 
währe,  beruhe  nur  auf  dem  Vertrauen  auf  die  Wahrhaftigkeit  unserer 
Natur,  also  auf  einer  Art  Glauben,  da  man  keinen  eigentlichen  Beweis- 
dafür  fuhren  könne.  Ebenso  verhalte  es  sich  mit  dem  Verstände  und 
seiner  Thfttigkeit.  Es  kOnnOi  meint  man,  nur  geglaubt,  nicht  bewieseik 
werdeiii  dass  durch  Verstandesthätigkeit  Wahrheit  gewonnen  werdie 
und  derselben  Gewissheit  zukomme.  Diese  Erweiterung  des  Begriffen 
„Glauben**  ist  aber  unberechtigt,  denn  die  Sinneswahmehmnng  (simir 
'liehe  Intuition)  und  die  Verstandeeerkenntnis  (geistige  Evidenz) 
wftbrt  eine  unmittelbare  Gewissheit  und  Wahrtieit  der  Erkenntnis,  dJe 
Ton  der  aus  Glanben  stammenden  verschieden  ist.  Wire  diese  mn- 
mittelbaie  Gewisalieit  des  durch  die  Sinne  Wahrgenommenen  oder  im 
Terstande  unmittelbar  als  evident  und  notbwendig  Erkannten  aaeb 
ein  Glauben,  dann  gftbe  es  llberhaupt  gar  kein  Wissen  und  man  rnttssfe 
diesen  Begriff  überhaupt  ans  der  Sprache  entfbrnen,  denn  auch  da» 
aus  der  SinneswahmehmuDg  oder  dem  unmittelbar  dem  Verstände  £2m- 
leachtenden  durch  logische  oder  Verstandesoperation  Abgeleitete  wftre 
dann  kein  Wissen  mehr  zu  nennen,  sondern  eben  auch  Glauben,  da  es 
nur  ans  dem  Glauben  als  seiner  Wuizel  stammen  wflrde. 

2.  Unter  Wissen  versteht  man  sulgectiv  eine  Function  des  Geistes 
Tesp.  IntellectB,  objeetiv  den  Inhalt,  der  durch  diese  Function  fttr  das 
Bewusstsein  gewonnen  wird.  Beid«  ist  vereinigt  und  wird  gewonnen 
ans  der  unmittelbaren  Sinneswahrnehmung  oder  aus  der  unmittelbaren 
Verstandeseinsicht  oder  durch  strenge  logische  Operation  in  ürthetten 
und  SchlüsBen  aus  dem  so  unmittelbar  Gewissen.  Auch  die  körperlichen 
Empfindungen,  wie  Lust  und  Schmerz,  und  die  seelischen  GefÜde,  wie 
Freude,  Trauer,  Liebe,  Hass  n.  8.  w.,  kann  man  als  unmittelbares  Wissen 
bezeichnen,  da  sie  dem  Bewusstsein  einen  Inhalt  geben,  der  unmittel* 


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—  23  - 


bir  gewiss  ist^  emes  Beweises  nidit  fiUiig  ist,  aber  auch  emes  selehen 
rar  Gewissheit  nicht  bedarf.  Aber  sie  sind  nnr  ein  onmittelbar  und 
sDbjectiiv  Gewissesi  das  daher  nicht  objeetiT  und  begrifflich  dargestellt 
und  mitgetheilt  werden  kann,  sondern  selbst  erihhren  Verden  mnss, 
ohne  diese  eigene  Er&hnuig  aber  y<ftlb'g  unbekannt  and  nnverstfindlich 
hidbt  — 

Die  nnmittelbare  Gewiasheit  der  sinnlichen  Wahmehmnng  nnd 
der  geistigen  oder  Teratandes-Einsicht  bilden  die  Qmndlage  alles 
weiteren  Wissens  oderErkennens  durch  forschende  Veratandesth&tigkeit, 
aas  velcher  die  Wissenschaft  herroigeht  Natur  und  Geschichte  bieten 
der  Forschnug  und  Wissenschaft  daa  Material,  das  dann  doreh  Ver- 
staodeethAtfgkeit  nAher  erkannt  wird.  Diese  ftber  die  bloe  nnmittel- 
bare  empirisd»  Kenntnisnahme  hinausgehende  Erforschung  nnd  Er- 
kenntnia  geschieht  unter  Ffthrung  durch  die  logischen  Gfundgesetze 
des  Denkens  nach  den  sogenannten  Kategorien,  das  beißt  nach  den 
Gesichtspunkten,  unter  welchen  die  Dinge  und  Ereignisse  betrachtet 
werden,  um  sie  zu  prüfen  und  Aussagen  von  ihnen  zu  machen  in  Ur- 
theilen  und  Schlüssen.  Die  Erkennt ni.s  selbst  oder  das  Wissen  kann 
ein  exactes  oder  rationales  oder  teletdogisclies  oder  ideales  Wissen 
oder  Erkennen  sein.  Exact  ist  die  Erkenntnis  oder  das  Wissen,  wenn 
Gesetze,  Geschehensweisen  oder  Verhältnisse  in  Folge  von  genaner 
Beobachtung  oder  gLiadezii  dnrch  Experimente  durch  bestimmte 
Zahlenformeln  lixirt  werden  können,  wie  dies  in  manchen  Zweigen  der 
Naturwissenschaft,  z.  B.  Astronomie,  Physik  u.  s.  w.,  der  Fall  ist. 
Rational  ist  die  Erkenntnis,  wenn  aus  Ursachen  oder  Gi  luiden  erklärt 
wird,  wenn  also  nicht  blos  das  Dass  und  Wie  erkaniii  wird,  sondern 
ancli  das  Woher  und  Warum  der  Dinge  oder  des  natürlichen  oder 
geistigen  Geschehens  und  >Virkeiis.  Diese  Anwendung  der  Kategorie 
der  Causalität  ist  es  hauptsächlich,  wodurch  die  Wissenschaft  fort- 
s'-lireitet.  Teleologisch  ist  jene  Erkeiiuiüi;s,  welche  die  Zwecke  oder 
Zulr  r{(^<  Sf'ins  und  Wirkens  erforscht  und  daraus  Sinn  und  Be- 
scliallenheit  erklärt.  Endlich  die  iile.ile  Erkenntnis  winl  i!>  wi>nneTi 
durch  Betrachtung  der  DinLiP  n  iri  Geschehnisse  unter  dem  Ge&icht*;- 
liunkt  der  Ideen,  der  Vollkommenheit  oder  des  Seinsollens,  der  Wahr- 
heit, Güte  und  Schönheit.  —  Man  kann  auch  noch  von  absoluter  Er- 
kenntnis sprechen,  aber  diese  bezieht  sich  nicht  auf  Sachliches  (Reales 
TOd  Ideales),  da  davon  stets  nur  »  iTie  relative  aber  Ibrschreitende 
Erkenntnis  möglich  ist,  sondern  nur  auf  Eormales,  d.h.  auf  das  un- 
mittelbar und  iiot!iwendig  zu  Denkende,  und  so  nnd  nicht  anders  zu 
D^akande,  waa  also  nicht  nkht£eln  und  nicht  anders  sein  kann.  Daa 


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—   24  - 


sind  nur  die  VDmitteibftr  sieh  dm  BetwiNstaeni  «afdringoiidett  Dcak- 
geeetie  und  Amdaineiitale  Axiome  des  Denkens,  welche  die  Yonoe- 
eetsoBg  aller  Weliilieit  ond  Erkeimtiiie  Uldeii,  aelbst  ewige,  noth-  I 
wendige  Wabrhdten  sind. 

3.  Wir  können  nun  den  Yeresek  nedien,  aaek  dieeen  Dentin- 
mnngen  toh  Glauben  und  Wissen  das  Verhältnis  von  Beiden  n 
einander  und  die  Art  der  Bereohtiguug  jedes  der  Beiden  nelM  n 
bestimmen.  —  Was  den  Urspnmg  oder  Tiehnehr  die  primitive  Veran- 
laseong  «i  beiden  psychiachoi  Fmetionea  hetrifty  so  kaiui  derselbe  als 
«fn  gleicher  oder  gleichartiger  beseichnet  werden.    Beide  werden 
nämlich  veranlasst  durch  Terwunderong.  Diese  entstdit  duin,  wenn 
l^heinangen  oder  Wirkungen  wahrgencmimen  werd^,  ohne  dass  da- 
bei zugleich  Wesen  und  Ursache  davon  wahrgenommen  oder  erkannt 
weiden.  Dadurch  wird  der  Erklärungs-  und  Forschungstrieb  angeregt 
und  in  Folge  davon  wird  eben  das  Wesen  und  insbesondere  die  noch 
verborgene  Ursache  zu  bestimmen  gestrebt.    Dies  gesciiah  uiiii  aui 
zweierlei  Weise,  entweder  durch  die  (suhjective,  freie,  bildendet  Phan- 
tasie oder  durch  den  Verstand.  Durch  jene  wurden  menschenähuüclie, 
d.  h.  nach  i^ild  luid  Gleichnis  des  Menschen  vorgestellte ,  wenn  auch 
an  sich  unsichtbare  geistige  Ursachen  für  die  auffallenden,  Verwun- 
derung erregenden  Erscheinungen  oder  Wirkungen  angenommen  und 
es  bildete  sich  laraiis  eine  Tradition,  die  geglaubt  und  gläubig  fef?t- 
gehalten  wurde,  wenn  auch  bei  verschiedenen  Menschen  und  V  Ikt  i  ii 
niiMiiricirt,  worauf  schon  oben  hingewiesen  wurde.    Die  Verstandes- 
thatii^^kcit  ward  zwar  ebenfalls  durch  W  ahrnehmung  des  Auffallenden, 
Unbekannten  angeregt,  abei       Verstandes  Streben  ging  dahin ,  du  sc  Er- 
scheinuncren  uTiil  \\  irkun'^eii  ii utiirlich.  aus  natürlichen  Ursarlittn  zu  er- 
klären, um  so  anstatt  des  (Tiaiibcn.s  ein  Wissen  zu  gewinnen.  80  ent- 
stand zuerst  Philosopliie  als  Wissenschaft,  und  Piaton  und  Aristoteles 
fuhren  übereinstimmend  den  Ursprung  der  philosupldschen  Forschung 
auf  „Verwunderung"  zurück    Daraus  lässt  sich  schon  ohne  iScinvierig- 
keit  erkenTien,  in  welchem  \  t  i  lialtnis  beide,  Glauben  und  Wissen,  zu 
eiiiaiider  kamen  und  kommen  mussten.   Die  Phantasie-Erklärung  war 
die  frühere,  der  primitiven  Menschheit  allein  mögliche  und  setzte  sich 
einigermaßen  fest  im  Glauben  der  Völker,  wurde  ehrwürdig  als  Über- 
lieferung und  allmählich  auch  immer  mehr  vergeistigt,  zum  religiösen 
Glauben  erhöht  und  dadurch  immer  mehr  als  unantastbares  Heilig- 
thum,   als  absolut  gültig  ang^ehen,   da  diese  Erkennungsweise 
etwas  Auctoritatives ,  Positives  und  sogar  auch  Mystisches  an  sich 
hatte  and  die  Göttlichkeit  des  Inhalts  mit  ihrer  Anctoiitftt  und  Gel- 


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I 


—  25 


tung  auf  die  Kirche  und  Feststellung  dui'ch  Phantasiethätigkeit  selbst 
ubertragen  wurde,  d.  h.  als  Offenbarung  des  Göttlichen  selbst  angesehen 
und  geltend  gemacht  wurde.  Die  wissenschaftliche  (philosophische) 
B'orscliung,  nur  aus  natürlichen  Ursachen  erklärend,  konnte  nicht  ohne 
wefters  diese  Pliantasie-Erklärungen  und  Phantasiegebilde,  wenn  sie 
auch  vergöttlicht  waren,  gelten  lassen  und  mnsste  allmählich  die  Natur 
nnd  Geschiclitti  entt;i  tteni,  \vel  lie  die  Phantasie  personificirt  und  ver- 
göttert und  zum  Gegen^t;nid  n  liiririsen  C'iiltus  irrmarlit  hatte.  So  kam 
Eelidon  uud  Glauben  mit  seinen  Auctoritäten  einerseits  und  Philo- 
sophie und  ^\  issenschaft  in  Gegensatz  und  Zwiespalt,  der  durch  die 
ganze  Geschichte  des  geistigen  TiCbens  der  Menschheit  geht.  Der 
Glaube  will  die  altüberlieterten  Glaubens-Aufstellungen  und  Cultus- 
Arten  festhalten  und  die  Wissenschaft  hindern,  natürlich  zu  erklären, 
daher  er  stet??  nach  Herrschaft  strebt  und  die  Wisppnsnh.ift  in  Dienst 
und  Unterordiiiuii^  halten  oder  geradezu  verpönen  und  gegen  Natur 
und  geschichtliclies  Entwirkelungs- Gesetz  und  Bedürfnis  in  alter  Un- 
wissenheit, in  Aberglauben  und  Wahngebilden  erhalten  will. 

Dieser  Widerstreit  dauert  noch  fort  und  tritt  von  Zeit  zu  Zeit 
mit  erneuter  Heftigkeit  auf,  wie  dies  gerade  in  der  Gegenwart  in  be- 
sonderem Grade  der  Fall  ist.  Man  will  von  Seite  der  Vertreter  des 
Glaubens  oder  der  religiösen  (kirchlichen)  Auctorität,  dass  die  Philo- 
sophie nnd  die  Wissenschaft  überhaupt  wieder  wie  im  Mittelalter  die 
Magd  der  Theologie  und  Kirchen-Auctorität  werde,  sich  dieser  nnter- 
<nrdne  und  die  Dogmen  als  Ziele,  ja  als  Normen  oder  Prmdpien  dee 
wissenschaftlichen  Forschens  annehme  nnd  geltend  mache,  oder  man 
fordert  wenigstena,  dass  insbesondere  die  Philosophie  „gläubig"  sei. 
Dies  aOes  ist  nun  vollständig  unzulässig  nnd  von  der  Wissenschaft 
almweisen.  Die  wissenscbaftliehe  Forschung,  die  Philosophie  wie  die 
WiBMnschaft  ftberhaapt  mnss  frei,  selbstständig  sein,  darf  nur  ihren 
eigenen  Gesetzen  folgen  nnd  hat  einzig  die  Wahrheit,  nieht  irgend 
eine  DieasUeistung  als  Ziel  ihrer  Tbätigkeit  wirken  zu  lasseji'*^; 
lOBSt  -wird  sie  bloße  Hofsophistin  und  Yertretevin  des  geistigen  StiU- 
staadflB  nnd  Eriiahmn  aller  Yorortb^,  anstatt,  wie  Bedurfiiis  and 
€toieta  der  geBdiichtUehen  Entwickelai^  es  finrdein,  FMeim  geistifen 
Fortoehrittoa  an  sein,  weranf  doch  die  Gesehidite  der  Menschheit  an- 
gdegt  ist  Waa  die  „glftnbige  Philosophie**  betrifft,  die  man  fotdert, 
as  ist  sie  ein  Ding  der  ünmögliebkeit.  Es  kann  die  Phfloso^iie  als 
Wiasenachaft  so  wenig  i,glanhig*  sein,  als  die  Matheasatik  oder  ttber- 


^  8.  m.  Belttift:  „tW  di«  TieOnftt  der  Witflanaetelt"  H«ttdmi  1861. 


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—   26  — 


haupt  die  Natorwissensehaft  gläubig  sein  kann,  wenn  sie  wirklich 
Wissenschaft  sein  und  als  Forschung  nach  Wahrheit  Fortschritte 
machen  soll.  ^Gläubige  Philosophie"  enthält  unmittelbar  einen  Wider- 
spruch in  sich,  wie  „liülzernes  Eif^on",  denn  soweit  die  Gläubig:keit 
reicht,  ist  siu  nicht  WiFsenschait,  nicht  Pliilosophie  und  soweit  sie 
Wissenschaft,  Wissen  ist,  kann  sie  nicht  mehr  Glauben  oder  gläubig 
sein.  Auf  den  (Thiuben  als  solchen  lässt  sich  nie  wirkliche  Wissen- 
schaft gründen,  denn  wa.>>  aus  der  Wurzel  des  Glaubens  liervorwächst» 
ist  wieder  Glaube,  nicht  Wissen  im  eigentlichen  Sinne  ans  unmittelbar 
Gewissem  abgeleitet,  sundeni  allenfalls  nur  durch  logische  Operation  aus 
Glaubens-Voraussetzungen  gewonnen,  die  für  alle  Religionen  gleicli  ist, 
trot«  so  verschiedener  Glaubens -Voraussetzungen.  Wird  der  Inhalt 
des  Glaubens  ( Auctoritätu-G];iuiHiis)  in  die  Wissenschaft  (Philosophie) 
aufgenommen,  so  kann  er  zunach^^t  luir  Object,  nicht  leiieudes  Princip 
der  Forschung  und  Erkenntnis  sein  und  die  Auctorität  selbst  unm 
erst  um  ihre  Glaulnvnrdi^^keiL  wissenschaftlich  geprüft  und  nn^Mkanut 
sein,  ehe  man  ihr  m  der  Wib&euächatt  Bedeutung  und  Geltung  zu- 
gestehen kann. 

Man  hatj  um  die  Forderung  der  Unterwerfung  der  Wissensdiaft 
unter  den  Glauben  im  Gebiete  der  Rel!Ln<»n  als  möglich  und  d&i^  Sacri- 
iicium  intellectus  als  Pflicht  zu  begründen,  den  Glanben  mehr  n]< 
Sache  des  sittlichen  Willens  denn  als  solchen  des  Tntellects  bezeichnet 
und  gefordert,  dass  der  Intellect  sich  der  Glaubeusptiicht  füge  und 
unterordne,  das  heißt  die  Vernunft  dem  blinden  Willen  zum  Opfer 
bringen  wollen.  Dem  intellect  gebührt  naturgemäJi  die  Führung,  nicht 
dem  Willen,  nicht  der  subjectiven  Willkür  oder  dem  so  verschiedenen, 
dem  Menschen  zutallig  beigebrachten  Glauben!  Übrigens  ist  es  gar 
nicht  richtig,  dass  der  Glaube  Sache  des  Willens  sei;  denn  nur  die 
praktische  Gesinnung  und  Bethätigung  dem  Glauben  gemäß  iat  Sache 
des  Willens,  nicht  der  Glaube  selbat.  Welchem  Glaube  ein  Mensch 
knldigt,  liängt  größtentheils  gamicht  von  ihm  ab,  sondern  von  vielerlei 
üduständen  nnd  Ursachen:  Ton  der  Beligion,  in  welcher  er  von  Jugend 
an  erzogen  ward,  oder  Ton  besonderen  Lebensschicksalen  und  äußeren 
wie  inneren  Erfahrungen,  oder  von  eing^enden  Stadien.  Hinge  der 
(positive,  bestimmte)  Glaube  des  Menschen  von  seinem  Willen  ab,  so 
müsste  es  demselben  möglich  sein,  nach  Belieben  den  Glauben  zu 
wechseln,  jetzt  christlich  zu  glauben,  katholisch  oder  ^testantiscb, 
jetzt  wieder  den  mnhamedanischen  Glauben  anzunehmen,  d.  h.  fUr 
wahr  zu  halten,  dann  wieder  den  buddhistischen  n.  s.  w^  was  alles  be- 
kanntlich  nicht  milglich  Ist.  Aber  diese  theologische  Erfindung  (^o 


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—   27  — 


übrigens  im  Keime  schon  in  der  stoischen  Philosophie,  also  lange  vor- 
der christlichen  Theologie  vorhanden  ist)  hatte  in  der  Geschichte  der 
christlichen  Relifjion  furchtbare  Folgen;  war  nämlich  Vuranlassuucr  und 
Ursache  von  all  dem  Religonshass.  dt^n  »•ransamen  Verfolgungen  und 
Kriegen  um  des  verschiedenen  <^Tl;iiil)Hii.s  willen,  der  über  Volker  und 
Menscheil  soviel  Klend  und  Li  nli  ii  gebracht  hat.  Denn  wird  der 
eigenthümliche  «il.iui  H  für  ein  Weik,  i  iiu^  Tliat  des  Willens  erklärt, 
■»0  liegt  es  nalu',  ja  i-t  fn^t  selb^tv^^T-tMudlii-li .  dass  die  Verschieden- 
heit des  Ulaubens  von  den  verscliiedeueü  ßekennern  gegenseitig  dem 
sthlechten  Willen,  der  Bosheit,  dem  hartnäckigen  Widerstand  gegen  die 
Wahrheit  zngesehrieben  wiid,  THe  Bekenn^i-  (ler  verschiedenen  Reli- 
gionen betra(dit('n  und  beiiandelu  sich  daher  gegenseitig  nicht  blos  als 
Irrende  oder  Tlnjren,  sondern  als  Verbreclier,  und  zwar  als  Verbrecher 
gegen  Gott  selber  mit  dem  si(;  ja  ihren  eigenen  Glauben  und  in- 
sofern aucli  gewissermaßen  ihre  eigene  egoistisch  werte  Person  identi- 
ficiren.  Zu  dem  Gedanken,  dass  man  auch  in  der  Religion  dem  Neben- 
menschen  dasselbe  Recht  auf  eigne  Überzeugung  zugestehen  müsse, 
das  man  selbst  in  Anspruch  nahm^  konnte  man  sich  nicht  erheben. 
Wüide  dieser  Wahn,  dass  der  religiöse  Gkube  (in  theoretischer  Be- 
ziehung) vom  Willen  des  Menschfin  abhänge,  aufgegeben,  und  würde 
im  Gefühl  der  Schwäche  des  eigenen  Willens  und  Intellects  mehr 
meDschlidie  Bescheidenheit  im  Gebiete  der  Beligion  gottbt,  dann  k((iiiitd 
dieser  gegenseitige  Haas,  diMe  lieblose  Verortheilnng  und  Verdammung 
nnd  diese  Verfolgung,  wo  sie  nur  immer  mOgUch  ist,  muiiOglich  forfe- 
danem,  wie  wir  sie  namentlich  bei  den  sog.  Orthodoxen  der  ver- 
scbiedenen  Religionen  wahrnehmen. 

Glauben  und  Wissen  sind  in  Ursprung,  Wesen  nnd  pqrchischer 
Function  verschieden,  aber  sie  haben  beide  ihxe  Berechtigung  und 
sollen  sich  aach  nicht  von  einander  ganz  trennen  und  brauchen  sieh 
auch  nieht  anzufeinden.  Der  Glaube  ist  berechtigt  and  nothwendig 
für  das  geistige  Leben  der  Menschheit,  da  ohne  ihn  die  geistige 
BÜdnsg  nnd  Erziehung  nicht  möglich  vlre,  nidit  beginnen  und  sich 
fortsetzen  könnte  von  Geschlecht  zu  Geschlecht,  denn  im  allgemdnen 
bmmt  den  Völkern  und  Menschen  ihr  Glaube  eben  ans  dem  geistigen 
Stamm  der  Geschichte  zu,  setzt  sich  fort  und  modüiclrt  sich  mannig<* 
fiuih;  und  selbst  auch  dem  wissenschaftlichen  Forscher  ist  in  dieser 
nach  Baom  und  Zeit  unendlichen  Welt  stets  noch  Anläse  zum  Glauben 
gegeben,  sobald  er  an  die  Grenze  seines  Wissens  kommt  und  sich 
<loch  eine  bestimmte  Weltanschauung  Uber  Wertv  Bedeutung  und  Ziel 
des  Dsseins  bflden  will.  Die  Wissenschalt  hat  daher  keineswegs  auf 


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—   28  — 

Z$iMnmg  des  religiögea  Olanbens  flberbanpt  uwn^sbm,  weiui  sie 
«och  die  einseliien  pontiveii  Formen  mit  ihren  dogmatiflcheQ  Feet- 
BteUimgeii  und  Satzungen  vielfiMh  belOlmpfen  mnae.   Sie  kaim  aneh 

den  Glauben  nieht  «"setzen,  schon  deswegen  nicht,  weil  die  wenigsten 
Menschen  des  eigentlichen  Wissens,  der  Wissenschaft  fiUiig-  sind  oder 
sich  derselben  im  Drange  der  Lebensnoth  widmen  können,  abgesehen 
von  dem  oben  erwähnten  mystischen  Moment  des  Glaubens,  das  als  un- 
mittelbare subje("tive  Betliätig'uno:  der  menschlichen  Natur  die  Wissen- 
schaft nicht  geben  kann.  Aber  de  soll  sich  au(  h  nicht  ganz  von  der 
Religion  trennen  uiul  dieselbe  sozusagen  ihrem  Schicksal  überlassen, 
sondern  wie  der  Gärtner  das,  was  die  Natnr  durch  ihre  Generations- 
macht hervorbringt,  zwar  nicht  selber  bilden,  sondern  vom  der  Natur 
emplangen  muss,  dann  aber  diese  Gebilde  pflegen,  erhöhen,  veredeln 
kann,  so  empfängt  die  Wissenschaft  den  religiösen  Glauben  zwar  aus 
der  geistigen  Strömung  der  Geschichte  oder  Tradiüuu,  aber  sie  muss 
bestrebt  sein,  beständig  reinio^end,  bildend,  veredelnd  darauf  einzuwirken, 
dem  Fortschritte  von  Cultur  und  Wi>seuschatt  gemäß.  Wie  im  geistigen 
.Leben  der  Mensclilieit  überhaupt  die  "N\'issensc]iaft  die  Aufgabe  Imt, 
die  gangbaren  AnsiilitRn  und  ÜherlieferunjrfM  beslandiir  neu  zu  prüfen, 
zu  verbessern  und  die  richtigen  Xenutnissi   zu  vermeliren,  wodurch 
auch  das  praktische  Leben  gefördert  und  die  gesanimte  rnltur  erliöht 
wird,  so  auch  hat  sie  dieselbe  Aufgabe  im  Gebiete  dei*  Keiigion.  Dies 
uiuss  um  so  mehr  zugegeben  werden,  je  höher  man  die  Religion  schätzt 
und  je  mehr  man  sie  für  heilsam  und  nothwendig,  ja  für  das  Wichtigste 
hält  im  menschlichen  Dasein.  Die  Geschiclite  zeigt  ja,  dass  immerhin 
auch  hierin  ein  Fortschritt  stattgefunden  hat,  dem  Gesetze  der  all- 
mfthlichen  Entwicklung  gemäß,  denn  auch  in  diesem  Gebiete  sind  die 
späteren  <^^f'nerationen  die  älteren,  die  früheren  aber  die  jiingeren ;  jene 
haben  daher  mehr  Erfahrung  und  Kenntnisse  und  können  sich  nicht 
durch  iröhere,  noch  unreifeFe  Geachleohter  geistig  binden  laaeen. 


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Erdkunde  nnd  erdkundliche  Beleliruno;en 
lei  den  orientaliäclien  Völkern  deij  Alterthang. 

Von  A,  IVwMfiatf-Aiombflr;^. 

X^ie  Gebiete  des  Morgenlandes,  die  wir  gewohnt  sind  als  Wiege 
des  Menschengeschlechts  anzusehen,  die  bereits  im  grauesten  Alterthnm 
ein  hochentwickeltes  Ciütiirleben  aufzuweisen  hatten,  als  Europ«  erst 
in  schattenhatlea  UmriBBeii  mit  seinen  südlichen  Halbinsdn  mib  ddu 
DoDkel  der  Sage  emportanchte:  diese  Lftnder  sind  für  die  Ber&Ikeniiig 
des  Abendlandee  stets  Geg:enstand  des  regsten  Interesses  gewesen,  sei 
es  in  Bezog  auf  kriegerische  Erobernngssflge,  oder  friedliche  Handels- 
QQtemehiDimgen,  oder  als  Länder  religiöser  St^hnsticht,  oder  endlich, 
^ie  in  neuester  Zeit,  hh  Geidete  wissenschaftlicher  Forschung.  Den 
eifrigen  nnd  unennftdlichen  Forschem  unserer  Zeit  ist  es  gehingen, 
unter  dem  Jahrtansende  aHen  Schutt,  den  kriegerische  Yerheenmgeii, 
Barbarismiis  nnd  Misswirtschaft  auf  jenen  alt^  Cnltui'stätten  anf- 
fSAua,  Bewedbse  ftr  die  Wahrheit  mancher  sagenhaften  Überliefening 
ZQ  erbringen  nnd  Licht  Uber  die  Formen  und  die  EntwickehmgshOhe 
jeser  alten  Oaltnnrelt  zn  Terbi<«ftten. 

Wie  die  Anttnge  mancher  anderen  Wisswehaftj  so  haben  irir 
nch  diejenige  der  Erdkunde  bei  Jenen  alten  Yfllkeni  des  Morgen* 
laides  zu  suchen.  Himmel  und  Erde  beschftftigten  beveits  im  grauesten 
AHerthum  den  denkenden  Ifenschengeist.  IMe  Frtge  nach  dem  „Woher** 
nid  »Wohin**  slles  irdischen  Seins,  nach  Gestalt  und  Ausddmung  der 
mitterlichen  Erde  und  nach  der  Natur  der  einielnen  Erdräume  mt 
lüekt  minder  Gegenstand  eifrigen  Foieehens  und  Nachdenkens,  als  die 
YmM  des  gestirnten  HimmelB  und  der  wunderbare  Lauf  des  leben^ 
«nreekenden  Tagesgestims.  Die  gegenseitigen  Beziehungen  benach» 
Wter  Volker  trugen  daxn  bei,  die  Kenntnis  von  der  Erdoberilftehe  an 
erweitem  und  zu  TeraUgemeinem.  Beiigionsstifter,  Dichter  und  Ge- 
lelnte  Heften  es  sich  angelegen  sein,  die  breiten  Schlichten  des  Volks 
wi  kosmologisehen  Lehren  zu  begucken,  und  die  Völk^  glaubten 
gen  ud  willig,  was  die  Besten  und  Edelsten  Ihrer  Nation  sie  gelehrt 


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—   30  — 


Wo  mm  M  jenen  VQDcem  tine  aliekshtliehe  nnd  geregelte  Jugend« 
bildung  vorhanden  var,  momten  derartige  ErkenntnisBe  nnd  AnBicliten 
ancli  bei  der  Ensiehnng  des  berenwaeheeiiden  GeedUecbte  mit  snr  Gel- 
tung kommen.  Von  einom  BdbststSndigen  erdkundlichen  Untezrieht 
war  freflidi  bei  jenen  alten  Cnltonrölkem  (wie  fiberhanpt  im  Alter- 
tum) keine  Bede.  Hat  doch  erst  In  der  nenesten  Zeit  sieh  die  Erd- 
kunde eine  eelbBtetftndige  Stellung  im  Lehrplan  der  Tenchjedenea 
UntenichteanBtalten  errungen!  Wol  aber  finden  w  bereite  bei  den 
alten  morgenlAndiechen  CulturvQlkern  Spuren  geographiacher  Untei^ 
Weisungen. 

Merkwilrdigerwelse  &nd  von  den  Zweigen  des  geographischen 
Lehi&ches  deijenige  die  meiste  Beachtung,  der  bei  der  modernen 
Jugendbildung  bis  in  die  neueste  Zeit  am  meisten  TeniaebUssigt 
wurde.  £b  ist  dies  die  Himmelskunde.  IXes  darf  indes  nicht  unser 
Befremden  erregen.  Bei  den  alten  Indem,  Ägyptern  und  Chaldiern 
finden  wir  beretts  im  dritten  Jahrtausend  vor  unserer  Zeitrechnung 
herrorragende  astronomische  Kenntnisse,  w&brend  das  ihnen  bekannte 
Gebiet  der  Erdoberfi&cbe  eng  begrenxt  war.  ,,In  jenen  liSndem«  wo 
die  Sterne  bei  der  Kh^heit  der  Atmosphäre  in  TorsOglicher  Fracht  er- 
glänzen,  muss  der  Blick  der  Menschen  unwillkOrlich  tou  ihnen  ge- 
fesselt worden  sein,  und  das  Schauspiel  des  grofiartigen  Sternenhimmels 
mag  an  und  IBr  sich  den  menschlichen  Geist  anr  Betrachtung  gereizt 
haben.  Daan  kam  das  natttrliehe  Bedfirftais,  Ordnung  und  Begel  in 
die  Oeschfifte  des  Lebens  zu  bringen;  auch  mag  die  Erkenntnis^  dass 
der  Himmel  regelmifiig  wiederkehrende  Erscheinungen  darbietet,  zur 
sorgCÜtigeren  Beobachtung  derselben  anijgelordert  haben." 

Sonstige  erdkundliche  Belehrungen  treffen  wir  nur  gelegentlich 
an.  Die  religiösen  Unterweisung^  boten  genttgend  Gelegenheit»  ja 
swangea  geradezu  den  Belehrenden,  auf  fVagen  koemogonischer  Natur 
einsugeben.  Vorstellungen  ttber  Entstehung  und  Wesen  von  Himmel 
und  Erde  treffiBU  wir  daher  in  allen  Beligionslehren  der  alten  Horgen- 
lAnder  an.  Ferner  trag  die  nationale  Geschichte  nnd  Sage  dazu 
bei,  den  Gedankenkreia  der  hersAwachsenden  Jngoid  zugleich  auch 
mit  einer  Menge  geogn^ihisehen  Wissens  zu  bere&diem.  Im  Geist  be- 
gleiteten die  Knaben  die  großen  Htiden  ihres  Yolkes  auf  ihren  Heer- 
fiüurten  lu  fremden  VOIkem,  an  fiame  Kttsten  und  in  fremde  Meere. 
Sie  erfiihren  dabei  in  engster  Terbindung  mit  den  Nachrichten  ftber 
die  Schicksale  und  Abenteuer  der  Helden,  dass  die  Natur  jener  fremden 
Länder  und  Meere  Ton  derjenigen  ihrer  Heimat  mehr  oder  weniger 
Yerschieden  war.  Und  wenn  die  dunkle  Sage  und  geschäftige  Pban- 


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taaie  auch  viele  dieser  Kenutnisse  fabelhaft  und  in  nebelliatren  l  iii- 
rissen  erscheineu  ließen:  die  N'tbel  lichteten  sich,  uaJ.  die  Fabeliiaiiir 
wich  allmählich  der  \\  »i  kiiciikeit,  jemekr  jene  fremdtu  Lander  iüs 
Liebt  der  Geschichte  tr^iten. 

Auch  die  Unterweisungen  in  den  Schätzen  der  Literatur  mit  ihren 
Heldenliedern  und  Heldeneptiii  trugen  dazn  bei,  geographische  Kennt- 
uiäde  zu  fordern.  Endlich  sreschah  dies  auch  dorch  gelegentliche  Be- 
lehmngen  Äber  natüi liehe  Dinge  und  Producte  des  Handels  und  Ge- 
werbedeißes  fremder  Länder.  Gewiss  lauschte  jung  und  alt  gerne 
den  Erzählungen  der  Handelsleute  und  Seefahrer,  welche  jene  fernen 
Länder  mit  eigenen  Augen  gesehen  kitten  und  flber  Lage  und  Kui- 
IcTüiißg  dersdbea  sowie  über  ihre  Xatur  und  ihie  Bewohner  berichten 
konnten.  Der  Umstand,  dass  jene  Beschreibungen  von  Erdräumen  auf 
eigener  Anschauung  beruhten,  verleiht  denselben,  soweit  sie  bis  heute 
in  Werken  alter  Schriftsteller  enthalten  sind,  auch  für  den  Leser  der 
Jetztzeit  einen  ganz  bciioudereu  l\eiz. 

Die  Menge  dieser  gelegentlichen  geographischen  Unterweisungen 
richtete  sich  nach  dem  Umfang  der  erdkundlichen  Vorstellungen  eines 
A'olkes.  Zunächst  treten  naturgemäß  die  Länder  Vorderasiens,  dann 
da>  ferne  Indien  und  die  Gebiete  des  Mittelmeeres  ins  Licht  der  geo- 
graphischen P^rkenntnis.  narliber  hinaus  reichte  die  Kenntnis  der 
Erdoberfläche  nur  bei  den  Phöniziern  und  iu  mancher  Hinsicht  auch 
bei  den  Persern.  Die  "Rieht iirkeit  der  geographischen  Erkenntnis 
hintr  von  dem  Bildunirsstandpunkt  eines  Volkes  im  allgemeinen,  sowi»» 
von  der  Anzahl.  Schärfe  und  rit'htigcn  W'iedeii^abe  der  Keisebeobach- 
tung-eu  ab.  r)ie  Quelle  derselben  war  wol  in  allerletzter  Linie  wissen- 
schaftlicher Eorschersinn;  —  abgesehen  von  den  astronomischeu  Beob- 
achtungen —  sondern  sie  waren  ganz  und  gar  von  dem  Interesse  der 
Völker  und  —  vom  Zufall  abhängig. 

Das  Interesse  der  Völker  wandte  sich  naturgemäß  zunächst 
ihrem  eigenen  Lande  zu,  namentlich  bei  denjenigen  Kulturvölkern,  die 
ein  abgeschlossenes  Leben  für  sich  fdhrten.  Sie  widmeten  der  Kenntnis 
ihres  Landes  die  lebhafteste  Sorgfalt,  nahmen  Vermessungen  desselben 
vor,  um  Größe  und  Eintheilung  zu  bestimmen,  sammelten  Aufzeich- 
nungen über  die  Natur  der  einzelnen  Bodengebiete  ihres  Vaterlandes 
und  brachten  es  nicht  selten  bis  zu  einer  abgeschlossenen  Choro- 
graphie  desselben.  Die  Hauptträger  geographischer  Foi'schung  waren 
aber  diejenige  Coltunrölker,  welche  über  die  engen  Gi-enzen  ihree 
Yaterlante  Idiuuwtrebtea  und  mit  beaaehbarten  Völkern  friedliche 
oder  ftindlidid  Beziehungen  anknüpften.  Durch  Handels unterneb* 


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—   32  — 

iriuugeii  zu  Wasser  und  zu  Laude  und  durch  Kriegsziigp 
die  Kenntnis  der  Erdoberfläche  immer  mehr  erweitert  und  VLnutdut, 
und  je  mehr  die  entferntesten  Völker  miti  iiiaiuki  in  üeruln  ung  kanieo, 
je  mehr  sie  zur  Befriedigung  vou  allerei  Bedürfnissen  aufeinantler  an- 
e:ewiesen  uaren,  desto  gr/tßer  wuidr  auch  das  ^faß  allerlei  Erkennt- 
iji>>r  von  der  Natur  der  Erdrkunie,  welche  in  dem  Interesseukreise 
dieser  Volker  lagen.  Ja  man  brachte  es  auch  zu  graphischen  Dar- 
stellungen der  einzelnen  Länder,  zu  "Wejre-  und  Laiuikarten. 

Dennfu  li  war  naturgemäß  die  Keniituis  der  Erde  in  jenen  Zeiten 
sehr  lücktMliaff  und  unsicher.  Um  uns  nun  im  oin/»  Im  n  pin  Hild  von 
dem  Staudi)unkt  erdkundlicher  Frkenntui-  und  l  nierweisuu*:  jener 
Völker  machen  zu  kimnen,  müssen  wir  jenen  Fäden  nachgehen,  die 
das  Coltarleben  derselben  nach  dieser  Kichtung  dorcbzog««. 

1.  Die  Inder. 

Die  geographischen  Ansichten  der  Inder  waren  aufs  engste  mit 
ihren  Mythologieen  und  Religiuiissystemeu  verknupit.  Des  Schöpfers 
„Indra"  erste  Schöpfung  war  das  Wasser.  Dann  formte  er  die  Erde, 
,,die  mau  alles  Saiiitiis  Uniueü  nennt, ^  und  die  „Luft,  durch  welche 
alles  L*'! M  ilde  erst  lel't  "  Er  „goss  dabin  die  Wasser  und  tluüte  auf 
den  Bergen  all  die  Flüsse''.  Er  zt  ii^ic  „Hiiimit  ],  Sonne,  Morgenröthe", 
„Mond  und  Sonne,  welche  zwei  die  Zeit  besüuunen",  «Äther,  der  den 
Schall  tr%t  und  die  Welt  durchdringt". 

...Tn.  Indra  der  beherrscht  was  fließt  und  stiikt€ht, 

Der  Dounerei,  den,  was  Hörner  trägt,  gebändigt. 

Der  igt  fflnraln  der  Kensohen  recbter  KOnig, 

Der,  wie  «hi  Kzeii  die  StraUen,  «Hos  ftuMt.*^ 

Der  Erhalter  dieser  Schöpfung  ist  Wisduiii,  und  unter  Stw&t  dem 
Zerstfirer,  yerehrte  man  das  in  steter  YerSnderang  sich  immer  neu- 
gestaltende Xjeben.  Diese  Dreieinigkeit  entströmte  Brim,  dem  ewigen 
Urgeiste.  Zaiüxeiehe  niedere  Gottheiten,  gnte  nnd  bOse,  wurden  anBear- 
dem  verehrt  oder  gefOrchtet. 

Die  Brahminen,  jene  slte  gelehrte  Priesto^uste,  die  noch  hen^ 
ssntage  im  Besitze  aller  Gelehrsamkeit  unter  den  Hindus  ist,  waren 
auch  in  Bezng  auf  das  Wissen  von  der  Erde  die  berufenen  Lehrer 
des  Volks  nnd  der  Jugend.  Die  Erdkunde  wurde  geradezu  auf  gött- 
liche Autorisation  zurückgeführt  Im  6.  Buche  der  indischen  üias, 
dem  Epos  Mahabharata,  üudet  sich  eine  geographische  Episode  von 

*)  Aug  den  nBifred»",  fibenetü  im.  Hocte,  die  vmkeigeliflBdeii  Gltata  «Iwili 
ebenda^  tbeils  «u  Sekintela,  «beiBetrt  tob  E.  Meier. 


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—  88  — 


900  Versen.  Brahma  selbst  beauftragt  seinen  Diener,  den  weisen 
Sudsdiyas,  den  Menschen  die  Kenntnis  der  Erde  zu  verkttnden: 

ih'r  Flüsse  und  dnr  RtTgi;  Namon,  o  Sandsehyn?, 

So  audi  der  Dörftt,  und  wa^  üoust  aui  Erden  wobut, 

Die  Male  iacb,  o  lUilmidiger,  iiitiflnumnit. 

Alles  benähte  du,  und  «aeh  die  Wfilder,  o  Sandeehjes! 

Und  nun  beginnt  die  Aulzahhmg  der  beiden  Ozeane,  der  sechs 
Hauptget>iige  und  alles  Übrigen."*)  Das  Epos  Ramayana  enthält 
im  4.  Bache  eine  Beschreibung  der  ganzen  Erde.  Auch  in  den 
Vedas,  den  heiligen  Büchern  der  Hindus,  kommen  wichtige  geogr»- 
phisclie  Angaben  vor. 

Der  Welt  ansieht  der  Inder  lag  die  Idee  eines  organischen 
Ganzen  zugrunde.  Ihnen  war  die  Erde  eine  gioiie,  auf  dem  Wasser 
schwimmende  Lotosblume.**)  Die  W  uizel  der>;elben  ruht  im  uuei- 
forschlichen  Ozean;  ihiv  Hlilte  entfaltet  Ii  ^rbii  Himmel  im  Glänze 
der  lebenspendenden  Smiu  Die  entfallet t  i^liitn  ist  die  gewox^dene 
Welt;  die  Knu^peü  sind  werdende  Weltschoptungen. 

Hochindien  mit  Meru  (Himalaja),  dessen  glänzende  Schneegipfel 
ihnen  Kailasa  war,  der  Versammlungsort  der  Götter,  fei-ner  Tibet 
und  die  hohe  Tatarei  machten  zusammen  die  Mitte  der  Lotosblume 
»«8.  ihren  Fruchtboden  mit  dem  Pistill.  Aus  den  Staubfäden,  welche 
das  Pistill  umstehen,  fließen  die  befruchtenden  iStröme  der  Erde  nach 
den  vier  verschied ptioti  Weltgegenden.  Auf  dem  Wasser  des  Ozeans 
breiten  sich  nach  den  vier  Weltgegenden  auch  die  vier  Hauptblätter 
der  Lotosblume  aus:  nach  Süden  das  Hauptblatt  Dwipa  (=  das  Meer- 
nmflossene,  oder  Dekan  =  das  Südliche),  das  eine  köstliche  Frucht 
trägt,  welche  die  Götterspeise  Jambu  abgiebt,  nach  Osten  Sin  oder 
Cliin  f=  China),  nach  Norden  Kuru  (Sibirien)  und  nach  Westen  das 
Land  Javan,  d.  i.  Iran  und  das  Abendland.  Den  vier  Himmelsgegen- 
den folgen  auch  die  bedeutendsten  Flüsse  in  diesen  Ländern  zwei 
indische  nach  Süden  (Ganges  und  Indus),  zwei  chinesische  nach  Osten 
(Hoang-ho  und  Jang-tse-Kiang) ,  mehrere  nordische  nach  Norden  (in 
Sibirien)  und  zwei  nach  Westen  (Sir  und  Gihon).  Zwischen  den  groften 
Hanptblättem  befinden  sich  kleinere  Blätter,  wie  Hinterindien,  und 
zahlreiche  kleinere  Blättchen  liegen  nm  die  gftnxe  Blüte  zerstreut; 
du  sind  die  zahlreichen  Inseln. 

Eioe  andere,  nicht  minder  phantastisehe  Weltanaicht  trifft  man 


*)  Ritter,  Geschichte  der  Erdkunde  und  der  EntdeckuigOiL 
**)  Di»  Lotoabliime  ist  «m  heilige  Binme  in  Hiadtts. 


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ün  bereits  genannton  Epos  Bamayana  an.**)  Darnach  sind  vier  Kokes- 
Elephanten  als  der  „  Weltregiouen  OnmdpfBüer'*  die  Trfiger  der  „welieii* 
umkritnatem**  Erde.  Sie  befinden  sidi  ja  in  einer  der  Hanpthinunels- 
gegenden  tief  in  den  Abgründen  der  Unterwelt  Auf  ihren  Hftnpteni 
mbt  die  „bebirgte,  beetrOmte  and  bewaldete"  Erde,  „mit  Bilandeo 
besftet,"  ^voll  mancherlei  Lande,  mit  mancherlei  Stftdten  geaieret*'. 

„Wenn  der  Kolosö-Elcpliam  zur  i-ricicbUrung,  müde  der  Last,  nun 
Sehttttett  du  Haupt,  dann  wird  SrdbebeB  gespurt  tob  den  HenKheii.*  — 

Abweichend  von  der  Lehre  der  Brahminen  fassteu  die  Buddhi- 
sten das  Erdganze  auf.  Ihr  l^estrelien,  alle  Begriffe  auf  mathema- 
tische Formeln  zuriickzuiüliren,  erklärt  ihre  Ansicht,  dass  die  Erde 
als  ein  großes  gleichseitiges  Dreieck  aufzufaissen  sei,  von  welchem  ihr 
Indien  die  südlichste  Dreiecksspitze  in  vullendet^ster  Form  bilde.  Der 
Triangel  ^alt  ihnen  übrigens  als  die  voUkoniineuste,  sinnreidiste  aller 
Formen.  Ihuid  nm  dieses  große  Erddreieck  sollten  wie  im  Kieise  alle 
übrigen  Inseln  und  Länder  Heften.  Die  Zahl  solcher  Insehi  wird 
späterhin  von  Ptolemäus  auf  1378  angeii:i  ben. 

Vom  Abendlande  und  namentlich  vom  europäischen  Westen  hatten 
die  alten  Inder  trotz  gegentlieiliger  Versi<  hei  ungen  und  Fabeleien  der 
Priester  gar  keine  Kenntnis.  Wol  aber  waren  die  Priester  im  Besitz 
von  Special  karten  über  die  indischen  Landschatten  und  hatten  sich 
auch  eine  Art  Erdkarten  construirt. 

Eiiikiiihle  and  erdkundliche  Belelu iiiigi u  -rundeten  sich  nach  vor- 
stehonden  Ausführuu^cii  bei  den  alten  Indern  also  vorzLi^>\veise  auf 
Phuiita>ie.  Mythos  und  Glaube.  Genauere  Kenntnis  besaßen  sie  nur 
von  ihrem  eigenen  Lande. 

2.   Die  Ägypter. 

Die  alten  Ägypter  verdankten  die  Art  und  Weise  und  die  131  nie 
ihrer  Cultnr  fast  ausschließlich  der  Natur  ihres  Landes  und  dem 
segenspendenden  Nil.  So  machte  sie  ihre  Landesnatur  auch  zu  Er- 
findern der  preometrischen  Laudveruiessung.  Alljährlich  nach 
der  Überschwei !i Iii ung  des  Nils  musste  die  Ackervertheilung  aufs  neue 
vurgeuüinnieu  oder  doch  berichtigt  werden.  Der  hohe  Culturwert  der 
Nilthalstrecken  ließ  außerdem  bei  der  dichten  Bevölkerung  eine  genaue 
Eintheilung  des  Landes  noth wendig  erscheinen.  Sie  hatten  tlas  Land 
in  44  Nomen,  diese  wiederum  in  Tempelbeziike  getheüt,  verstanden 

*}  YemL  «BMm^uift*',  DI«  HanUtiuift  der  Guga  (05ttiii  da  OaBgeistniitas)" 
L  (Iwüng.  Übenetnmg  von  A.  W.'floUegol. 


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—   S6  — 


das  Nivelliren  und  die  Canalisation.  Die  Fracht  dieber  Ciilturarhi  ii in 
war  eine  L'Piiano  k%'nTiTTiis  ihres  ]^aiides.  Auf  Grund  (l»'?'^ell)eii  bil  lt  i'' 
ach. bei  liineu  zuerst  di*  r'lioro-  und  'l'opof^raphic  iu\<,  hier  also 
eine  Länder-  and  Ortebeächieibuag  dtä  iSüthaleä  uach  iSomeD  uud 
•Tempelbezirken. 

Aber  auch  auf  die  llinimelskuüde  wurden  tiio  alten  Ä5rypter 
durcli  die  Natui'  ihres  Landes  h in pre wiesen.  Das  Wiederersclieinen 
des  Sirius  in  der  Morgendäumieruug-  zei^rte  ihnen  den  Anfang  der 
Nilübei'sc.hwemmunf^en  an.  Sie  nannten  diesen  Stern  daher  Sothis, 
d.  h.  NilsteiTi.  Die  g-enaue  Beobachtung  der  regelinälii^en  Wiederkehr 
der  befruchtenden  Überschwemmunf^en  entwickelte  hei  iimen  frühzeitig 
die  Kenntnis  des  Jahres,  das  zuerst  von  ihnen  zu  ÖOöV*  Tagen 
bestimmt  sein  soll.  Freilich  mischte  sich  den  astronomischen  Kennt- 
nissen auch  bereits  früh  der  Glaube  an  einen  Einfluss  der  Gestirne 
aof  die  Fruchtbarkeit  des  Jahies  und  die  Schicksale  der  Menschen 
bei.  Was  in  ersti  ler  Hinsicht  bei  der  Sonne  unzweiCelhaft  und  beim 
Sothis  angenBcheinlich  war,  wurde  bald,  genährt  von  religiösen  Vor- 
stellungen, nach  beiden  Richtungen  hin  allgemein  auf  alle  Gtestime 
tbertragen.  Dadurch  erschienen  diese  aber  ebenfalls  fQr  eine  genaue 
Beobachtung  von  großer  Bedeutung.  Die  Beobachtung  des  Stern- 
himmels  entwickelte  sich  zur  Sternkunde,  in  welcher  dies  alte  Volk 
bereitB  Hervorragendes  leistete. 

Der  enge  Zusammenhang  religiöser  Anschauungen  mit  der  Natur 
des  Ffaaraonenlandea  bradite  es  mit  Biob,  dass  die  Ägyptischen  Priester 
itnig  vetpffichtet  varen,  die  Chorographie  Ägyptens  nnd  des  Nü- 
stromes  zu  stndiren.  „Unter  den  42  hermetischen  wissenschaftlichen 
Abtbeilangen,  in  deren  Kenntnis  ihre  drei  yerschiedenen  Priester* 
kastfflk  eingeweiht  sein  mnssten,  werden  aach  Astrologie,  Eosmographie 
ind  Geographie,  Erd-  nnd  Weltknnde  genannt  Dieses  Stadium 
mv  bei  jedem  Tempelhezirke  Aufgabe  des  HierogrammatiknB  (Scriba 
sacromm),  eines  gelehrten  Priesters,  der  zugleich  Schreiber  der  Hiero- 
glyphen war.^*) 

Der  Umfang  geographischer  Kenntnisse  bei  den  Altftgypteru 
wilde  besondera  erweitert  dnrch  die  zahhreiehen  KiiegssQge«  der  Seso- 
Btriden.  Wenn  Herodot  erzfthlt,  dass  Barns  es  der  Grofie,  der 
Sesostris  der  Griechen,  auf  seinen  großen  HeereszQgen  südwürts  in 
du  heutige  Abessinien,  das  Land,  Kes,  nordwärts  bis  zu  dcai  Wohn- 
tttsen  der  Kolehier  am  Tanais  (Don),  ostwirts  nach  Arabien  nnd  mit 


Bittar,  Oesdiiciite  der  üidknnde  md  der  Entdeck nngcn. 

8* 


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—  8« 


einer  großen  Flotte  durch  das  ervtliräisciie  iMeer  (den  arabischen  Meer- 
busen) bis  nach  Indien  vorgedrungen  und  Städte  am  Gangesstiuiii  er- 
obert haben  soll:  so  mag-  ja  von  den  heutigen  Gelehrten  eine  derartige 
Ausdehnung  der  Eruberungszüge  des  Ramses  angezweifelt  wej  den.  Ob 
mit  Recht,  bleibt  zudem  noch  fraglich.  Thatsache  ist,  dass  dieser 
groiite  lüiogsheld  unter  deu  Pharaonen  die  Äthiopen  zinspflichtig 
machte,  mit  seinen  Heeren  und  Streitwagen  nach  Syrien,  Kieniasien 
und  Mesoi>otamien  vordrang  und  diese  Länder  der  ägyptischen  Herr- 
schall  unterwarf.*) 

Zur  Fiago  d«r  Amdeluiiiiig  ägyptuMh«r  Sroberanguflge  Kiii«rt  aich  Bitter 
inf  Gnuid  ?on  FonolniBgen  durch  WiUdiisoii,  BotelUni,  Normand,  Boger,  PMkeed^ 
Ftftliey,  Lepsius  u.  a.  m.  folgendermaßen:  „Die  Regentschaft  der  Sesoetriden  ist 
unzweifelhaft  in  den  Denkmaien  dargethan.  Der  Sesostris  der  Griechen  ist  Ramses 
oder  Kbamesses  der  Ägypter.  Seine  Greazsäalen  mit  nur  zum  Theil  erhaltenen 
Hieroglyphen  und  Keilschrift  bedeckt,  die  er  als  Eroberer  mit  seinem  Namoi 
„Bhemees*  bemidiiiete,  diul  Beint  in  fl^iiei,  in  den  FMaeknlptann  PMnkieBt 
am  Nähr  el  Kelb  wieder  as^seflinden.  Denksäulen  bei  Smjma  und  Sarde^.  .  .  Unfter 
den  Denkmälern,  welche  die  Sesostridenzoit  aus  der  Fabel  in  die  Wirkli(hk»;it  ^p- 
rettet  habeu   «ind  die  Wand.'skulptiiren  and  Wandmalewten  tiir  die  ( icsthichtc  der 

Erdkunde  bei  weitem  di«  wivbtigüten  Kunstvolle  Eelie&kuipturen  in  Luxor 

stellen  au£er  religiösen  Feiern  und  Opferfeetoi  som  Dank  fttx  ihie  GDtter  Midi 
FeitgepittBge,  Triumphe,  Pompanftttge,  aber  aneh  Bieber ungasttge  eellMit,'mit 
ihren  Schlachten,  Erstürmungen  von  Festen  oder  Städten  xu  Lande  und  zu  Wasser 
mit  Flotteu,  dar.  Sic  ^eben  g'coprraphi  -  ho  Daten  Ton  fi^rfißter  Wichtigkeit  über 
einen  großen  'I'lieil  iler  subtropischeu  Erdrinde.  Denn  die  Froducte  der  tribnt- 
bnngenden  Völkerschaften  in  Naturalis  und  die  Terschiedenartigsten  Völker  selbst, 
aiad  in  ifann  efaduiniieheaTiMliten  rai  OebiliHliett  udt  abgebildet,  und  Miiewien 
geben  ihnen  ihre  eigwtthtlniHehMi  Farben.  Die  Bawenwwehiedenheiten  «ind  rnu  Üuen 
Formen  und  Phjsiognomieen,  in  weiß,  roth,  braun,  schwarz,  genau  zu  unterscheiden. 
Die  Bilder  enthalten  l't^Rn/.en,  Thiere,  wie  Menschengestalten  in  ihren  eharakteri- 
stischeu  Furmeu.  Ellenbciu  in  Klpphantenzähuen,  indische  Uolzarteu  in  schwarzem 
Ebenholz,  fremde  Früchte  uud  iiiiere,  wie  iiirajfen  und  andere;  Festungen  uud 
Srhilfo  TetiQhiedener  BMUutt  rind  In  nhlieeew  BSldem  dargestellt  Unn  «ntandfeädet 
die  Meemwogen,  wel^  die  Flott«i  der  Seendiiffe  dudMdineiden,  denllieh  Ton 
den  FlaHwdlen  der  süßen  LandstrOme  nnd  den  FIussscbiiTen.  In  Igypten  wann 
die  Krief'er  nur  Fußvolk;  ihre  Führer.  \\'ic  in  dem  trojani.^ehen  Kn>^r<-,  imr  W!i!?<  n- 
lenkiT.  Reiterei  kannten  die  .Vfrypter  damals  nicht.  Reiter  k^unea  lialicr  uur  nei 
deu  Heeieu  twialiitcber  Völker  erscheinen,  in  deren  Läudern  die  Kroberungeu  der 
deioatriden  üwttahritteo.  Die  TMehtan  der  Fände  am  gioSen  Stiein  zeigen  in  fknn 
Fadencfanmcfc  nnd  den  btintM  Kattunen,  daei  die  Ägypter  bis  m  den  tadiiehen 
Völkern  am  Indus  und  Oanges  vordrangen,  nnd  Diodor  bestätigt  das.  In  der  Grab- 
katakomhe  eines  Kfhiigs  Totmes  Tl.  ist  ein  frany.cr  Zug'  a.«;iatiseher  Völker  mit  Pferden 
und  zwei  Eiepbauteu  abgebildet,  die  damals  weder  in  Agypttii  noch  in  ganz  Vorder- 
asien gezähmt  wurden,  also  Verkehr  mit  Indien  jenseits  des  Ganges  beweisen  .  .  . . 
Alle  dieie  AbUldnngen  eetaen  eolion  eine  genane  Kenntnia  von  den  Zeallnden  nnd 


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—  87  — 


Dnrch  diese  Eroberungen  der  s< -Dstriden  erhielten  die  Arrvptt^r 
bereits  früh  Kunde  von  dem  Vorhandensein  und  der  Natin  tiviinler 
Länder  nnd  Völker  Aue!)  kam  unstreitic:  aut  diese  \Vei^L'  die  älteste 
geographische  KeiiDtnj>  \oni  nrum.  ilt  in  Nfltlial  und  den  fithiopischen 
Landschaften  nach  dem  AluiKihiiidr.  l>i('  p]ntziherung  dei-  Hinro- 
glyphen  hat  ii  a.  anch  den  groben  Keichihuni  an  erdkundliflion  Kennt- 
nissen dargethan,  welche  sich  die  alten  Ägypter  uuaühangi^2:  von 
andern  Cnlturvölkern  bereits  im  ^anen  Alterthnm  erworben  hatten. 
WahrBcheinlich  hst  an^h  die  biblische  Völkertal'el  ((ienesis  10)  &uf 
igyptische  Quellen  zurückzuführen. 

Im  Gegensatz  zu  den  Indei-n  gründete  sich  die  geographische 
Kenntnis  der  Altägypter  auf  Autopsie  und  Erfahrung.  Die  geogra- 
phischen Belehrungen  hatten  bei  diesem  realen  Hintergrunde  auch 
mehr  praktischen  Wert,  während  die  phantastisch  philosophische  Erd- 
kunde der  alt€n  Inder  dazu  beitrug,  ihi'  Traumleben  mit  neaen  Traom- 
goet&lten  zu  bevölkern. 

In  spfttem  Zeiten  der  ägyptischen  Geschichte  wurden  die  directen 
Verbindungen  mit  der  Fremde  sehr  eingeschränkt,  so  dass  die  Ait^ 
Ägypter  mehr  denn  bisher  auf  ihr  heimisches  Grebiet  angewiesen  waren. 
Zwar  wurden  die  Eroberungszüge  nach  Palflgtina  und  nach  den  Euphrat- 
liBdem  v<m  Zeit  zu  Zeit  wieder  emenert»  —  zuletzt  unter  Necho  — 
aber  schließlich  wurde  das  reiche  Pharaonenland  selbst  eine  Beate  der 
Eophratreiche.  Seitdem  konnte  Ägypten  nichts  mehr  zum  Fortschritt 
der  Erdkonde  beitragen.  Erst  dem  Emfluss  griechiBcher  Wissenschaft 

Productionen  sehr  weit  aoii  einander  ubetohendez  Läoder  uiul  Völkeittinuae  der 
lätUicben  Breiten  der  Erde  voraus." 

Demgegenüber  behauptet  Max  Dunker  in  seiner  „Geschichte  des  Alter- 
thsm»",  daas  die  Zflge  der  Segoatriden  nidit  Ober  Beirut  und  Heiopotamieii  hinaiui- 
gvnidit  bitten.  8e  sei  dM  FebeobiM  bei  fieides  s.  B.  entaehiedeii  nnAgyptiflch. 
Auch  habe  Igjpten  nur  niit  Mühe  und  auf  knrze  Zeiten  die  Obergewalt  über  die 
nächsten  der  umlief^endfii  Lünder  behiuipteu  können.  Dafür  spreche  z.  B.  ein  Ver- 
trag Ramses  II.  mit  d(ui  syrischen  Fürsten  der  Cheta,  in  welchem  diese  b<!idcu 
fierzschex  ein  gegenseitiges  Schutz-  und  Trutzbündnis,  eine  Art  DcfcnaiTaUianz,  eiu- 
gdieiL  Die  epftteren  grieehiedieii  Sdnifteteller  seien  Aber  die  Tragweite  der  Seeo- 
itriflewllge  Mg  getittidit  worden.  nDie  OroAepreeherei  ilurer  IgyptiecheB  GewShiB« 
männer,  fie  Adiüatioiiy  die  typische  Übertreibung  der  Inschriften,  die  die  Pharaonen 
beständig  zu  Herren  der  beiden  Welten  machen,  die  sie  die  .neun  Völker.'  die 
JjiSndcT  des  Xnrdcns  nnd  des  Südens'  unermüdliVh  unterwerfen  lassen,  hatien  die 
Gneehea  au  j<-ntju  Irrthtiinom  verfi\hrt."  Oloiclier  Ansicht  ist  auch  Hauke.  Da- 
gegen muss  zugegeben  wcrüeu,  du^^  die  Ägypter  von  der  Existenz  femer  Länder 
led  Oner  Natar  durch  Himdelilente  und  KmiraBenflttiier  lienlioh  genen  nnter» 
lUHet  gevewn  lind. 


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—   38  — 

zur  Zeit  der  Ptolemiier  und  der  römischen  Herrschaft  sind  weitere 
Erruugeii8chatteii  auf  dieäem  Gebiete  zu  danken. 

3.  Die  Hebrfter. 

Die  Hebräer  erregen  znnftcfast  unser  iBteresee  durch  die  imleogbare 
Thataacfae,  da»  sie  von  aUen  Vdlkeni  dea  AltertimniB  die  yollkoinmeiuite 
Koemogonie  an&aweiseii  haben.  Während  in  den  OberUefoungeii 
der  Inder,  l^jjpter  und  Cbaldäer,  sowie  auch  8|»äter  dar  Griechen  und 
Börner  die  Mächte  der  Natur  im  Chaos  quellen  und  kämpfen,  die 
ersten  Qdtter  mehr  oder  weniger  als  Ungeheoer  oder  wenigstens  mit 
abfa&ngig  von  der  Natur  erscheinen,  tritt  nns  in  den  Ansehannngen 
der  Hebräer  das  aUmächtage  Walten  einer  sopranatoralen  göttlichen 
Macht  in  hoher  Beinheit,  emster  Tiefe  und  erhabener  Einihddkeit 
entgegen.  Qott  als  der  Eine,  nicht  der  Vater  yon  Oettern,  sondern 
der  Einzige^  der  Ehrige,  der  ünTeränderliehe,  der  allmächtige  Sch<^fer 
Himmels  und  der  Erde:  welche  erhabene  Yorstellinig  vom  Wesen  dea 
allwaltenden  Gottes!  „So  er  spricht,  so  geschiehts.^  Ihm  verdsakt 
die  ganze  Welt,  „Himmel  and  Srde"  ihr  Dasein.  Er  trägt  alle  Dinge 
mit  seinem  mächtigen  Wort;  er  lenket  die  Geschicke  der  Menschen; 
er  ordnet  den  Lauf  der  Sterne.  Und  wenn  auch  nach  der  Anschan- 
nngsweise  damaliger  Zeiten  Sonne,  Mond  nnd  Sterne  im  Schdpftmga* 
bericht  (Gen.  1.  2.)  nur  daaa  da  sind,  den  Bewohnern  der  Erde  Licht 
nnd  Wärme  za  spenden,  ihnen  „Zeichen  zn  sein  fär  Zeiten,  Tage  nnd 
Jahre",  so  hat  sich  trotz  dieser  nnd  anderer  Menschlichkeiten,  nnd 
trotzdem  die  biblische  Lehre  yon  der  SchOpfimg  der  Welt  dem  Yer- 
Btsnde  groBe  Bäthsel  darbietet,  der  biblische  SchOpArngsbericht  doch 
als  älteste  Drknnde  göttlicher  Qifenbarang  erhalten  bis  auf  unsere 
Tage.  Wenn  also  das  A  nnd  das  0  der  prophetischen  Volksbelebnnig 
bei  den  Hebräern  in  dem  Satze  gipfelte:  „HOre  Israel,  der  Herr  nnser 
Gott  ist  ein  einiger  GottP  —  wenn  die  Jugend  von  diesem  Stand- 
punkt reiner  Gottäerkenntnis  ans  über  Entstehung  der  Welt,  das 
Walten  Gottes  in  der  Nator,  Entwickelnng  der  Welt  zur  messiaaischen 
Hohe  aUgemeiner  Glflcksdigkeit  n.  s.  w.  unterrichtet  wurde,  so  stan- 
den dergleichen  kosmogonische  Belehrungen  weit  ftber  demjenigen  der 
anderen  orientalischen  Volker  des  Alterthums,  und  in  sittlicher  Hin- 
sicht auch  Aber  do^enigen  der  Griechen  und  BOmer. 

Die  Hebräer  haben  zwar  weder  in  der  Sternkunde  etwas  geleistet, 
noch  zur  Fortentwickelang  der  allgemeinen  Erdkunde  irgend  etwas 
beigetragen:  aber  ihre  Iiehre  von  der  Entstehung  der  Welt,  die  er^ 
hobene  Vorstellung,  dass  alles  irdische  Sein  nicht  nur,  sondern  alle 


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I 

I 


—  — 

Hiiiiüiel,  die  ganze  Welt,  das  jrauze  All  aaf  einen  peminlichen ,  all- 
mächtigen Urheber  zurückzutiiliren  8ei,  diese  Lehre  iai  bis  iu  die  neueste 
Zät  f&r  den  entsprechenden  Zweig  der  Wissenschaft  grundlegend  ge- 
wesen, zälilt  \mi\e  noch  unter  den  größten  Gelehrten  zahheiche  An- 
hauger imd  ist  in  allen  Le  Ii  ranstalten  fÖr  die  Jugend  hinsichtlich 
kosmogenischer  Üeiehrungen  hcriM  heiid  und  inaßgebend. 

TM«-  Nator  ihres  Landes  inaclite  cjs  den  Hebräern  schwer,  für  die 
all!:<  iiH  itip  Erdkiiude  etwas  zu  leisten.  Durch  Meer,  Gebirge  und 
Wüsten  von  den  umlieprenden  Ländern  ab^resclilossen,  waren  me  in 
ikreiu  Laude  darauf  auü* w  i*m n .  in  d»*r  Cultiuvn^l  iltuiic'  ihr^'s  Volkö- 
thnms  innerhalb  der  von  der  Natur  gesetzten  ürenzea  Bdi  ledigung  zu 
fanden,  r'nigeben  von  uiäclitigen  Culturreichen,  nuissten  ^ip  auf  eine 
geschickte  Defensivstellung  bedacht  sein,  durch  innere  Mattliteutfaltimg, 
noch  mehr  aber  durch  angemessene  Politik  den  natürlichen  Schntz 
ihrer  Landesgrenzen  zu  verstärken  sucIj^'ti  um  ihre  Selbstständigkeit 
den  großen  Reichen  iro^-piiübei-  zu  behaupten.  Nur  znr  Zfir  !rrr»liier 
Machtentfaltnng  unter  I)avid  und  Salome  reichten  iiiugei'e  Zeit  die 
Frenzen  des  Eeicbs  über  das  luUürlich  abgeschlossene  Bodeogebiet 
Juoaus. 

Ton  großen  selbststilndigen  Handelsunternehmungen,  ausgedehnten 
Handeis-  und  Karawanenzügen  konnte  unter  solchen  Umständen  auch 
nicht  die  Rede  sein.  Der  Verkehr  mit  der  Fremde  beschränkte  sich  viel- 
mebr  vorzugsweise  auf  einen  ausgedehnten,  vielverzweigten  Zwischen- 
handel, welclier  sehr  lohnenden  Gewinn  «bwarl  Namentlich  spielte 
Palistina  als  Bindeglied  zwischen  den  as^isch-babylonischen  Ländern 
und  Ägypten  in  dieser  Hinsicht  eine  wichtige  Rolle.  Afan  fand  hier 
Gcwerbtreibende  und  Handelsleute  aus  allen  damaligen  Culturländern. 
Der  Chronist  gibt  die  Anzahl  der  Fremden  in  Israel  auf  153600  an.*) 

Daher  war  der  Um&ng  geographischer  Kenntnisse  bei  den 
Hebräern  trotz  der  Abgeschlossenheit  des  Landes  dank  der  mancherlei 
fierüJurongen  des  Volkes  mit  jenen  Culturländern  ein  immerhin  nennens- 
werter. Dafür  spricht  in  erster  Linie  der  weite  Umfang  der  so- 
genannten Völkertafel,  Genesis  10,  in  welcher  die  Ausbreitung  der 
Geschlechter  der  Menscln  n  nach  den  Söhnen  Noahs,  Sem,  Ham  und 
Japhet,  dargelegt  isu  Diese  mericwürdige  althebrSische  Urkunde^ 
die  entweder  aof  Ägyptischen  ürsprong  nrftckziiflUuren  ist  oder  einer 
apiteren  Zeit  zogeschrieben  werden  mnss,  setast  fttr  Jene  Zeiten  bereits 
«nfimgreiche  geographische  Kenntnisse  voraus,  da  bei  den  einzelnen 

*)  n.  GhiDii.  8,  17. 


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Geschlechtern  und  Stammvätern  Länder,  Städte  und  Inseln  g^enannt 
werden,  welche  jene  in  Besitz  nahmen.  Sie  verbreitet  sich  über  We55t- 
asien,  den  Nordosten  Afrikas  und  das  östliche  Südeurupa,  also  über 
die  wesentlichsten  Länder  des  Centrunis  der  alten  Welt. 

„Sie  reicht  im  Norden  von  Thiras  i  Thracien)  zu  den  (Tuuier 
und  Tliotrarmn  i  Armeniern ),  zu  den  (Quellen  des  Ku])hrat  und 
Tigri;?  über  As.sui-  und  Ninive,  bis  zu  den  Madai  Mederu),  Flam 
(Susianerni  und  Paras  (Persenn  Südwärts  jr<  ht  ^-io  bis  zu  den 
Joktan  am  Sftdende  von  Arabia  telix,  dessen  Bewohuei'  sich  auch 
heute  noch  Joktaniden  nennen.  Dann  blickt  die  Tafel  über  das 
erythräische  Mt  *  i  /.n  den  Kuschiten  (Afrikanern  ,  die  sie  Mizraira 
(Ägypter"»,  Sabtha  oder  Sabota  (Sabäer),  II evila  oder  Chevila 
(ob  Aila?)  und  Nub  nennt,  d.  i.  die  hentiL'-en  Nnbier  und  Äthiopen. 
Gegen  West  reicht  sie  bis  Elisclia,  Klis  dei-  Griechen  im  Peloponues, 
nai'li  Kaphtor  (Kreta),  nach  Chittim  (Cypern'»  mit  Sidoniern,  Phö- 
niziern. Die  Raenia  und  Dedan  sind  arabische  Stämme  am  äußer- 
sten Ozean  und  am  pei-sisch- ei  yt hräischeu  Meere,  gegen  den  InduB 
hin,  also  die  östlichsten  Völkerstämme  der  Tafel."*) 

Dass  den  alten  Hebräern  die  Kunst  des  Landvermessens  und 
der  Landbeschreibung  von  Ägypten  her  bekannt  gewmn  sein 
mass,  geht  aus  den  Aufzeichnungen  in  den  Büchern  Mose  und  im 
Bache  Josoa  herror.  4.  Mose  34,  7—12  helftt  es  2.  B.:  „Dir  soUt 
messen  von  dem  großen  Heer  an  den  Berg  Hör,  und  von  dem  Berge 
Hör  messen,  bis  man  kommt  gen  Hamatli,  dass  sein  Ausgang  sei  die 
Grenze  Zedada;  und  derselben  Grenze  Ende  gen  Siphron,  und  ilir 
Ende  sei  am  Borf  Ehian;  das  sei  eure  Grenze  gegen  Mttemnclit.  Und 
sollt  auch  messen  die  Grenze  gegen  Morgen,  vom  Dorf  Eoan  gen 
Sepham.  Und  die  Grenze  gehe  herab  von  Sepfaam  gen  Bibla  zn  Ain 
von  morgen wftrts;  darnach  gehe  sie  herab  nnd  lenke  sich  auf  die 
Seiten  des  Meeres  Cinereth  gegen  Morgen,  und  komme  herab  an 
den  Jordan,  dass  ihr  Ende  sei  das  Salzmeer.  Das  sei  ener  Land 
mit  seiner  Grenze  unher.''  In  Josna  1^  4  heiftt  es:  „Scfaaifot  ans 
Jeglichem  Stamme  drei  Mflnner,  dass  ich  sie  sende,  nnd  sie  sich  auf* 
machen  und  durch  das  Land  gehen  nnd  beschreiben  es,  nach  ihrem 
Erhtheile,  nnd  kommen  zn  mir.*  Und  im  9.  Terse:  „ünd  also  gingen 
die  Mftnner  hin  nnd  durchzogeai  das  Land  und  beschriebene  auf 
einem  Brief  nach  den  Städten  in  sieben  Thailen  nnd  kamen  ins  Lager 
zn  Josna.'* 


*)  BitteTt  Gelduchte  der  EnUntnde  imd  der  Entdeekungeii. 


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—  41  — 


Tn  späteren  Zeiten  musste  mit  'h'v  F'orteutwickeluTiö'  <I<^r  all- 
gemeiueu  Weltcultnr  auch  der  Umfang  geographisdif^r  Kriiutiiisse  zu- 
nehmen. Audi  trugen  die  exilisdien  WanderungHti  It  r  Lsraeliten  dazu 
bei,  die  erdkundlichen  Anschau un^j:en  des  Volks  zu  bereichern.  Im 
exiüächen  Jesaias*)  ist  anscheinend  die  Ostgrenze  erdkundlicher  Kr- 
kenntnis  bereits  bis  Thina  vorgerückt.  (Jap.  49.  11 — 12  heißt  es: 
^Tfli  will  alle  meine  Berge  zum  Wege  machen,  und  meine  Plade  sollen 
gebahnet  sein.  Siehe,  diese  werden  von  ferne  kommen,  und  siehe, 
jene  von  Mitternacht,  und  diese  vom  Meer,  und  jene  vom  Lande 
Sinim."  Der  Name  dieses  fernen  Volkes,  welches  zu  fürchten  ist, 
wird  von  Geseiutts  und  anderen  Orientalisten  auf  China  gedeutet. 
Em  aicbere  Kunde  von  der  Existenz  dieses  großen  Oulturreichee 
scheinen  die  Hebräer  aueh  späterhin  ebensowenig  geliabt  et  haben, 
als  dies  bei  den  andern  alten  Ooltorvölkern  der  Jb  all  war.  Wenig- 
stens reicht  die  Aa£zählung  der  Völker  Ap.  Gesch.  2  östlich  nicht 
üher  die  Grenasen  von  Iran  hinaus.  Nach  Westen  dagegen  lag  bei 
den  Juden  bereits  zur  Zeit  der  Makkabfter  Born  iDnerbalb  der  Greozen 
gMgrapblselier  Erkenntnis. 

*)  Bietiem  Proithcten  wird  Jesaias  40 — ti6  zugeschrieben. 

(Schluss  folgt.) 


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Nielit  Leben^gemeinsebafleii,  WHdeni  LebensInMer. 

Ein  Beitrag  sur  Methüdik  des  nata^esdiiciitlichea  Unterrichtes. 
(Aiunng  aug  einem  auf  der  Laiidet>Lelirerkoiifinreiui  in  OUenburg  geltalteneBYortrag.) 

Von  «T«  ßun^'OldBaburg. 

Hochverehrte  Versammliifigr!  Wenn  man  übei  den  Wert  eiiie^ 
Unterrichtsfaches  entscheiden  wollte  nach  der  Zaiil  der  Vorträge,  die 
über  dasselbe  fr^^  halii  u  worden  sind  und  gehalten  werden,  oder  nach 
der  Zalil  der  Handbücher  und  Leitfäden,  die  erschienen  sind  und  nocli 
stets  ersclieinen,  so  müsste  die  Natui^eschiclite  einen  außen  i  (1  entlieh 
hohen  Wert  für  unsere  Volksschulen  besitzen  und  an  er><ter  t>telle 
stehen.  Diesen  Platz  wird  i)ir  nun  zwar  niemand  einräumen:  aber 
so  viel  ist  durch  die  vitdseitin^e  Bchandlunjr  doch  erreicht  worden,  dass 
die  Natur<i:eschichte  wenigstens  als  bereclitigt  anerkannt  wird,  m  den 
Lelirplan  aller  Schulen,  von  der  höchsten  bis  zur  medrigstea,  auf- 
genommen zu  werden. 

Die  große  Zahl  der  neuen  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der 
aatwgeschichtlichen  Literatur,  wie  auch  die  vielfachen  Debatten  über 
dieses  Thema  erklären  sich  leicht  aus  dem  Umstände,  dass  die  Natur- 
geschichte eines  der  neueren  T^nterrichtsföcher  ist,  und  es  noch  nicht 
zu  einer  von  allen  Seiten  als  richtig  anerkannten  Methode  gebracht 
hat.  Andere  Unterrichtsfächer,  wie  z.  B.  Geographie  und  Geschichte^ 
haben  seiner  Zeit  ebeofaUs  heftige  Meinungsrerschiedenheiten  hervor- 
gemfen.  Gegenwärtig  spricht  fast  keiner  von  diesen  Fächern,  weil 
ihre  Methode  einen  vorl&ofig  befriedigenden  Abschluss  gefunden  hat. 

Ganz  anders  steht  es  mit  der  Naturgeschichte;  da  will  noch  kein 
Stillstand  eintreten.  Es  gleicht  die  Bewegung  dem  wogenden  Meere: 
eine  W(lle  kommt  heran,  Torftbeigehend  scheint  sie  alles  zu  beherr* 
sehen,  doch  bald  wird  sie  von  einer  andern  abgelöst,  die  eiiie  Zeit- 
lang dasselbe  Spiel  treibt  Wann  die  Wogen  sich  glfttten  irerdeii, 
yermag  jetzt  noch  keiner  zu  sagen. 

Man  irird  nicht  umhin  kOnnen»  auf  die  wechselnden  Andchten 
einzogehen,  wenn  man  SteUang  dam  nehmen  will. 


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-  43  — 


Es  kann  das  an  diesem  Orte  übergangen  werden.  Hier  auf  Lü- 
bens Aleihude  einzugehen,  hielt  der  Referent  fiu'  uonötliig,  vielmehr 
suchte  er  in  gedrängter  Kürze  ein  möglichst  anschanliches  hi\d  der 
neueren  Methode  der  sog.  Lebensgemeinscliaften  zu  geben,  die  ver- 
treten wird  voii  Junge,  Kießling  und  Pfalz,  Vögler,  Twiehausen  n.  a. 

Meine  Herren!  Wollen  wir  hier  einni.il  Halt  niaelien  und  ein 
Urtheil  zu  e^ewinnen  suchen.  Fragen  wir  uns  zunä''li<t,  ob  man  sich 
mit  dem  aufjit -teilten  Ziel  pinvfTstaiiden  erklären  kann. 

Junge  ff  1  den  „ein  klares,  gemutUvoUes  Vei'stäDduis  des  einheit- 
lichen Lebt  US  iu  der  Natur". 

Kieüling  und  Pfalz  fordern  „ein  klares  Verständnis  der  2^atur 
uui  eine  auf  solchem  beruhende  Liebe  zu  derselben". 

Diese  Ziele,  die  si<di  im  wesentlichen  decken,  wird  jeder  gern 
unterschreiben  und  als  richtig  aneikennen. 

Unsere  zweite  Frage  wird  lauten:  Ist  die  Methode,  resp.  sind 
die  Methoden  derartig,  dass  obiges  Ziel  erreicht  werden  kann?  — 
Wiederum  muss  unsere  Antwort  lauten:  Ja.  Also  wären  wir  fertig 
nnd  könnten  die  Methode  nur  empfehlen.  Aber  leider  können  wir  das 
letzte  Ja  nicht  so  unlx^dingt  aussprechen,  müssen  vielmehr  die  Be- 
dingung anhängen:  Wenn  sie  durchführbar  ist 

Und  das  ist  es  gerade,  was  ich  bezweifle,  so  sehr  ich  aach  dank- 
bar anerkennen  nrass,  durch  die  betreffenden  Schriften  manche  An- 
TQgmig  empfangen  zu  haben. 

Hinsichtlich  der  Anordnungsweise  Junge's  sagt.  Grunzow  im  „Pae- 
dagogiam"*):  „Durch  die  Behandlung  mehrerer  Lebensgemeinschaften 
aebeneinander  dringen  zu  viel  Eindrücke  auf  den  Schüler  ein,  so  daas 
«  achwierig  wird,  ihm  klare  Anschauungen  nnd  Voratellnngen  zu 
geben.  Der  Gedanke  der  Einheit,  welcher  sich  dem  SchtUer  realisirt 
darstellen  soll,  wird  dadurch  verwischt." 

Dies  Urtheil  halte  ich  für  zntretfend. 

Kiftaiing  und  Pfalz  sagen *^):  „Wir  halten  die  Junge'ache  An- 
ordnanggweiae  ttherhanpt  fttr  alle  Stufen  des  Unterrichts  sn  schwierig. 
Sie  ist  aber  anch  in  hohem  Orade  unpraktisch,  weil  man  ..." 

Auch  dieses  Urtheil  halte  ich  tOx  zntr^end  nnd  möchte  jetst 
■ain  eigenes  folgen  lassen,  und  zwar  nkht  blos  Aber  die  Jnnge^ei 
aondem  ftber  alle  nach  dem  Princip  der  Lebeamgemesinschalten  ent- 
wDilbnen  Helhoden. 


*)  pMdagogiiim  n,  S.  798. 

*^  X.  0.  PI:  Wie  mm  der  Natug^MhichtfiiiiteRioiit  a.  «.  w.  S.  46. 


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—  44  — 


Wol  Ute  ich  die  Methode  der  Lebeiuigeiiiehuflhiftan,  wie  ieh  sie 
kurz  nennen  möchte,  Ar  eine  ideal  angelegte,  mittels  welcher  ein 
klares  Verotftndnis  der  Natnr,  wie  auch  liebe  za  derselbeii  enoelt 
werden  kann,  jedoch  halte  ich  ne  auch  für  schwer  darchfllhrbar, 
nm  niclit  xa  sagen  undarchfilhrhar,  nnd  swar  ans  folgenden  GrOnden. 

£rstens  gehört  ein  Lehrer  dazu,  der  ein  ganz  anagedfllintes 
Wissen  besitzt  und  alle  Gebiete  der  Natnr  ToUsttndig  behsiTScht,  wie 
es  nicht  viele  gibt  Wie  viele  mögen  denn  unter  uns  sein,  die  daa 
Bekenntnis  ablegen  kl^nnen:  Ich  beherrsche  alle  Gebiete  der  Natnr 
soweit,  das8  ich  mir  getrane,  mit  Erfolg  nach  dieser  Metbode  zn 
nnterrichten?  Zwar  werden  Anhänger  der  Methode  mir  erwidem,  , 
dass  das  nicht  so  schwierig  sei.  Man  brauche  nur  fleißig  hinaus- 
zugehen  und  die  Natur  zu  beobachten,  sowie  die  einschlägigen  Schriften 
zn  Studiren.  Leicht  ^psa^t,  aber  schwer  gethan* 

Wol  sage  auch  ich,  dass  das  Studium  der  Natur,  wenn  man  sich 
nur  darin  vertieft,  äußerst  interessant  ist;  aber  hat  auch  jeder  Lehrer 
Zeit  dazu?  £r  hat  doch  auch  anderes  zn  thon  nnd  sich  auf  die 
übrigen  Fächer  vorzubereiten.   Und  kann  man  femer  von  jedem  ein  j 
solches  außerordentliclies  Interesse  verlangen?  Der  eine  hat  Neigung  ' 
f!ir  dieses,  der  andere  für  jenes  Fach,  und  die  Herren,  die  sieh  geirade 
föi'  dieses  Fach  interessiren,  dürfen  doch  nicht  verlangen,  dass  alle 
andern  ihre  Vorliebe  theilen,  ebensowenig  wie  ein  Musikliebbaber  von 
allen  andern  verlangen  darf,  daas  sie  seine  Kunst  treiben  nnd  ttben 
sollen.   Man  kann  doch  auch,  ohne  gerade  ein  Naturforscher  zu  sein,  ; 
einen  befriedigenden  Unterricht  ertheilen,  wenn  man  sich  auf  leichter  | 
gangbHren  Straßen  hält.  | 

Und  wie  sieht  es  mit  den  Hülfshüchern  dieser  neuen  Methode  I 
aus?  Junge  selbst  sagt*):  „£&  ist  unmöglich,  füi*  alle  deutsch  redenden 
Schüler  eine  nach  Lebensgemeinschaften  geordnete  Naturgeschichte  za 
schreiben.''   Und  in  Bezug  auf  sein  Buch  sagt  er**):  „Es  ist  keines- 
wegs meine  Ansicht,  dass  das^selbe  ganz  oder  das  Einzelne  in  dieser  j 

Torliegenden  AusfÜhmng  durchgeai'beitet  werden  soll  Es  muss  | 

fÖi*  jede  Heimat  eine  specielle  Auswahl  getroffen  werden."   Wie  man  j 
daraus  ersieht,  bietet  dies  Buch,  bezw.  alle  deraitigen  Bücher,  nur  i 
Andeutungen  und  Anregungen,  die  Hauptarbeit  aber  verbleibt  dem 
Lehrer.  Wei'  kann  das?  I 

Mein  zweiter  Grund  betrifft  die  Zeit.  Um  nach  dieser  Älethode  ! 
etwas  Befriedigendes,  d.  h.  in  Hmsicht  auf  das  gesteckte  Ziel  Be- 

_  t 

*)  Junge:  Natwrgeichiolite  IL  Torwort  S.  IX.  j 
**)  Junge  a.    0.  8.  VII.  j 

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—  46  — 


friedigendes,  zu  erreiclien,  ist  nach  meiner  Ausicht  mehr  Zeit  erforderlich, 
als  der  Naturgeschichte  in  unsern  Volksschulen  eingeräumt  werden 
kann,  namentlich  in  den  einfacheren.  Wir  verkennen  durchaus  nicht 
die  Wichtigkeit  dieses  Faches;  aber  es  ist  doch  nicht  das  allein  wich- 
tig«, sondern  nnr  eines  von  etwa  einem  halben  oder  ganzen  Datsend, 
di«  dieselbe  Wichtigkeit  beanspruchen. 

Drittens  gehört  zur  Durchfabrang  dieser  Metbode  seitens  der 
Kmder  eine  Fülle  von  Beobachtungen  und  Erfahrungen,  die  sie  weder 
haben  noch  haben  können.  Und  gerade  in  den  städtischen  Schulen, 
iro  die  Zeit  sich  noch  am  ehesten  erühri^en  ließe,  fehlt  es  daran**} 

Abb  diesen  drei  Gründen  halte  ich  die  Methode  der  Lebens- 
gemeinscbaften  für  zu  weltgehend  und  förchte,  daee  der  Unterricht 
danach,  so  planvoll  auch  die  Methode  angelegt  sein  nag»  sehr  leicht 
eine  planlose  Unterbaltong  wird,  die  keine  nennenswerten  Besnltate 
ergibt.  Damm  ist  diese  Hethode  ftr  den  NatnrgescfakhisanteiTieht  in 
im  VolkssdudeD,  von  besonderen  FSUen  abgesehen,  nicht  sn  em- 
püBUen. 

Was  sollen  wir  nmi  an  ihre  Stelle  setsen? 

StatI  der  Lebensgemeinschailen  möchte  ich  LebenshUder  toh 
Sinielweaen  in  den  Yordergnmd  steUen.  Ich  wShle  diesen  Ansdmek 
raftdist  nnr,  im  dem  eben  Schlagwort  ein  anderes  entgegenzostellen. 
Stitt  aUgemeiner  Sduldanmgen  and  Betrachtangen  Aber  eine  Bdhe 
mn  Lebewesen  fordere  ich  allseitige  Betrachtangen  Uber  Einzel- 
wesen, also  Monographien.  Ähnlidi  wie  im  Geschichtsonteorricht 
die  biographische  Methode  schlieftUch  den  Vorrang  behanptet  hat, 
gfanbe  ich  anch  in  der  Natorgeschichte  in  den  Lebensbildern  Ton 
SiDxelweaen  die  richtigste  Methode  zn  orbU^en.  Denn  an  diese  Iftsst 
ach  m  ongesnehter  Weise  alles  anscUiefien,  was  za  behandeln  nOthig 
ist;  der  Baa,  die  zweckmlfiige  Einrichtang,  die  Lebenswelse  and  Ent- 
irieketnng,  die  Stellang  zum  Menschen  und  zn  andern  Wesen  n.  s.  w. 

Wenn  ich  ein  fremdes  Urtheil  flkr  mefaie  Ansicht  aaftthren  dari; 
m  mochte  ich  es  ans  dem  Vorwort  za  Backhaas'  Ldt&den  entnehmen, 
wo  es  heifit:  „Ihre  (der  Schale)  Aafgabe  aaf  dem  Gebiete  des  Beelen 
ist,  ansehanliehe,  lebendige  Einzelbilder  zu  geben  and  diese  darch 
nsammenfassende  Obosichten  zn  yerknüpfen.  Eine  geringere  Zahl 
lebeasfoUer  Bilder  ist  besser  als  eine  grOfiere  Zahl  matter,  sich  im 
»Allgemeinen"  haltender  Zeichnungen.** 

*)  Vergleiche  beispielsweise  die  Einleitung  zur  Lebensgemeinschaft  ^Feld". 
K.  11.  Pf.:  Natnrgescbirhto  fiir  die  einfftche  YoUuBohale,  S.  106,  oder  Twiehausen: 
Naturgeschichte  IL  Die  Heide,  ä.  131. 


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—   46  — 

Ähnlich  sagt  Baade*):  »Iis  ist  nifsht  die  Avflfabe,  dm  dia  E3iid€r 
der  Volksschale  ein  Yentiadiiis  des  Lebeiui  im  allgemeiiiea  gerwinnan, 
sondern  dass  sie  elnieliie»  dem  Kinde»-  und  VdkBintoeiBe  nahelie^^eudft 
Pflanzen  und  Thieie  keimen,  ihren  EOrp^ban  nnd  ihre  LebensweiBe 
und  ihre  Beziehnngen  zum  Natorhatuhalte  n&d  zum  Moisehenleben 
verstehen  leinien.  ünser  Volk  braneht  richtige  Andebteii  und  rer- 
atfindige  Kineiditen;  aUgemeioe  Übenichten  begehrt  und  bnncht  es 
nicht,  mOgen  diese  Ubersichten  die  Systeme  der  drei  Natnrreiclie  sein 
oder  die  allgemeinen  Organisationsgesetase*  (oder  die  Lebensgemein- 
schaften im  Sinne  Junge's  u.  a.,  setzt  der  Beferent  hinzu). 

Man  wird  bei  dem  Eiiizeluhjec  t  natürlich  auch  von  seinem  Vor- 
kommen nnd  seinen  Bezieliiingen  zu  andern  Lebewesen  sprechen  und 
so  gewisse  rniat5en  ;iuch  zu  Lebensgemeinschatteu  kommen,  doch  ohne 
sie  in  den  Vordeif^rund  zu  stellen. 

Scheinbar  mit  Rec-hi  wird  uiaii  IjU'i-  einwenden,  dass  die  neueieu 
Methodiker  auch  Einzelwesen  behandeln,  und  dass  somit  kein  wesent- 
licher Uuterscliied  zwischen  meiner  Fordeniug  und  deu  Forderungen 
jener  bestehe.    iJennocli  würde  dieser  Scbluss  trügen. 

Nach  meiner  i^'orderung  kommt  man  nämlich  nur  dann  auf  die 
Lebensgemeinschaft,  wenn  diese  auf  der  Hand  liegt,  ohne  die  Aus- 
wahl des  Stoffes  danach  zu  treffen,  während  bei  jenen  die 
Lebensgemeinschaft  Ausgangs-  und  Zielpunkt  ist  und  die 
Auswahl  der  Objecte  bedingt.  Das  ist  doch  ein  wesentlicher 
Unterschied. 

Nachdem  ich  das  Grundprincip;  „Nicht  Lebensgemeinschaften, 
sondern  Lebensbilder"  festgelegt  habe,  möchte  ich  die  nach  diesem 
Princip  anfgdiMitite  Methode  des  weitosen  darlegen,  nnd  zwar  in  fbl- 
■gender  Beihenfolge:  1.  Ziel,  2.  Auswahl,  S.  Anordnung,  4.  Lehr- 
verihbren. 

L  Ziel.    Als  Ziel  des  Unterrichte  ist  zu  bezeichnen: 

a)  Die  Kinder  sollen  beobachten,  denken  und  die  Natur  versteheu 
lernen. 

b)  Ihr  Herz  und  Gemüth  soll  dadurcii  veredelt  werden. 

c)  Sie  sollen  durch  deu  L'uterricht  üus  Leben  nützliche  Kenut- 
üiäbo  erwerben. 

Während  ich  bezüglich  der  beiden  ersten  Punkte  wol  auf  all- 
seitige Zu^linlmuug  rechneu  darf,  möchte  der  drille  auliklleu,  weuu 

*)  Baftde:  Zur  Befoim  des  NatoigsMlüditsuiiteKichto  ia  dci  YoUbb/Mb* 
Spaadaa  1887,  OiteiwitK. 


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—    47  — 


«Kk  Tielkieht  aar  deswegen,  vefl  er  biBber  bei  aDes  Mefhodikeni 
etwas  B  den  HiBtetunnid  trat  War  das  recht?  Oewiss  nieht;  den 
diBMr  ÜBtoiMI  iil  meM  aUdB  dam  da,  Sims  «ad  YentaBd  si 
ttwn  od  SB  schtofea  and  istiietisch  mid  etklsdi  die  Kinder  sn  heben» 
sondern  er  soll  ihnen  aaeh  etwas  wiridicb  inrahtiBch  Biuefabaies  ftis 
fitere  Leben  nitceben.  Und  wenn  wir  bei  jedem  anderen  Fache 
ngen:  Nicht  fllr  die  Schale,  sendera  IBis  lieben  wird  gelent,  so 
ttlsnB  wir  solches  in  dSr  Natorgaehiehte  mit  grOfttem  Naehdnek 
MsRL  Wenn  aneh  manches,  was  nach  Lftbens  Xethode  wiehtiif  waiv 
ohne  9dmden  Mden  dtrt,  so  nmas  anderseits  im  üntenicfat  doch  yot» 
kommen,  welche  Pflanaen  ms  nahrhafte  Speisen  Uefem  and  welche 
weniger  nahrhaft  sind,  yon  welchen  Speisen  man  sieh  bei  besdainkten 
IGttefai  Ycvsngsweise  sn  nihren  hat,  damit  der  KSrper  sn  ssinsm 
Baeht  kommt  wie  die  Hsnt]rflege  sn  betreiben  ist,  damit  diese  ihren 
Zweck  eiftUe,  wie  die  Wiese  sn  irflegen  ist  n.  a  w.  Idt  helfo,  dass 
€Ib  mir  xostbunsn  werden,  dass  ich  diese  Fordemnir  in  dem  Ziel 
besondcfs  sim  Asadmck  gebracht  haha 

Übrigens  schenit  man  nenerdinga  aneh  Ton  anderer  Seite  das  6e- 
fthl  sn  haben,  dass  man  diese  Fordenmg  wol  etwas  mehr  als  bisher 
in  den  Vordergnmd  stellen  mnss.  In  einem  ilnlbslE  in  der  sDg.  d. 
Lehnmitn^  rvm  9S.  Min  d.  J.  hei£t  es:  »Die  Nataigeschichte  hat 
es  nicht  mit  gelehrten  Dednctionen  oder  wissenschaftlichen  Clasoen 
nsmen,  sondern  mit  der  Vorffihmng  detjenigoi  Katorkftrper  nnd  Er- 
SBHgnisse  an  thm,  mit  wdehen  das  Kind  tiglich  m  BeriUmmg  kommt 
nad  die  mit  dem  menschlidien  Haashslt  in  mnihisBreielier  Bemehong 
steilen.  Eine  bevonngte  Stellang  nimmt  die  Pflanzenwelt  in  der  Yolks- 
sehnle  ein;  insbesondere  sind  es  die  nfttslichen  Oewichse,  welche 
das  Kind  kennen  lernen  soll.  ...  Bei  da*  Behandlnng  des  Thier-  nnd 
Minesntreiehs  tritt  der  Natsen  oder  Sehaden  in  den  Yordergrand; 
doch  darf  der  üntemcht  nicht  aasschKetlich  nach  diesem  Gedehls- 
fnakt  ertheih  weiden.  Bei  dem  naturgescbichtlichen  Unterricht  find^ 
der  Lehrer  Gelegenheit,  manchen  Iirthnm  nnd  Aberglauben  im  Volke 
n  aerstflren,  dsrUnvorsichtigfceit  entgegensntreten  (z.  B.  Giftpflanzen), 
fmfcaante  Thiere  in  Sdrata  sa  nehmen  (Manlvnirf,  Fledermaos,  Blind- 
sddeiehe),  Ar  den  Thierschatz  zu  wirken,  die  Qoacksalberei  und  an- 
dere betrugerisehe  Kflnste  in  Misseredit  zu  bringen  and  einen  wot 
thitigen  Sinfluss  auf  das  Yolksleben  auszuüben. ' 

n.  Aaswahl.   Hauptgesichtsponkt  für  die  Ans  wähl  des  Stoffes 
der  Mensch  und  alles  das  aus  der  Nator,  was  an  ihm  in  naher 
Bwriehnag  steht  Bdmndelt  werden: 


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—  — 


a)  Der  Mensch.  Bau,  Leben  und  Pflege  des  mraschlichen  Körpers ; 

b)  Wichtige,  zum  Mensehen  in  naber  Beziehung  stehende  Natur- 
körper  der  Umgebung,  und  zwar  aus  allen  drei  Reichen; 

c)  AuslÄndische  Pflanzen  und  Thiere,  insofern  sie  für  einen  großen 
Thtiil  der  Mensclilieit  von  besonderer  Wichtigkeit  sind; 

d)  Xaturkürper,  die  interessante  Vorgäntce  in  der  Natui-  veran- 
sclianlichen,  ohne  dass  sie  zum  Menschen  iii  naher  Beziehung  stehen. 

Zur  Kl  luutenin<,^  hiczii  wird  nicht  vi-  l  y.w  sagen  nöthig  sein.  Wenn 
ick  den  Menschen  obenanstelle,  so  soll  (iaiiiii  nicht  gesagt  sein,  dass 
dies  Capitel  zuei*st  behandelt  werden  soll,  sondern  nur,  dass  es  mehr, 
als  bisher  im  allgemeinen  üblich,  berücksichtigt  werde. 

Über  die  Auswahl  nach  dem  Funkle  h)  und  d)  lässt  sich  streiten; 
denn  der  eine  wird  diese  Pflanze  und  dieses  Thier  für  wichtig:  halten, 
der  andere  jene.  .\ber  das  sind  nutzlose  Streitereien.  Denn  ob  man 
z.  B.  die  Wichtigkeit  der  Hülsenfrüchte  an  der  Erbse  (ler  an  der 
Bohne  üacliweist.  wird  ziemlich  gleich  bleiben.  Nach  einPTii  l  *  stimmteii 
System  wird  nicht  ausgewälilt  und  nichts  demSysteui  ziilit  lir  Ix  lianilt^lt^ 
was  sich  aus  anderen  Gründen  nicht  rechtf^TticHn  läb.st  (z.B.  /.alniHrme 
Thiere,  lieuteltlii<  r*-  Wo  sich  beides  wr^im^en  lääst,  da  sehe  ich 
allerdings  auch  keinen  Grund  ein,  warum  man  nicht  auf  das  System 
hinweisen  sollte.  Wenn  man  Rind,  Schaf  und  Reh  behandelt  hat,  oder 
Hase,  Maus  und  Eu  iiiiörnchen,  warum  soll  man  da  nicht  die  natürliciie 
Verwandtschaft  hervorheben? 

Auch  nicht  nach  Lebensgemeinschaften  ist  ausznwälilen.  Denn  ist 
das  etwas  anderes,  als  au  die  «Stelle  des  einen  iSystems  ein  anderes  gut 
setzen? 

Die  Behandlung  ausländischer  Culturwesen  glaube  icli  fordern  zu 
müssen;  Junge  hat  .sie,  Kießling  und  Pfalz  verwerfen  sie.  Zwischen 
beiden  suche  ich  zu  vermitteln,  indem  ich  nur  die  Behandlung  der- 
jenigen fordere,  die  för  einen  großen  Theil  der  Menschheit  von  be- 
sonderer Wichtigkeit  sind.  Ich  würde  es  nämlich  für  einen  großen 
Mangel  in  der  Bildung  halten,  wenn  der  Schüler  nichts  vom  Kam^ 
und  Bennthier,  vom  Kaffee  und  Thee  u.  s.  w.  erführe*,  denn  wir  wolkn 
doch  naeb  Möglichkeit  den  geistigen  GMchtskreis  der  Schüler 
mitern.  Vielfach  werden  sich  diese  Caltarwesen  durch  heimathliche 
veranschaulichen  lassen,  wenn  auch  nicht  immer.  So  lässt  sich  z.  & 
der  Mais,  diese  wichtige  Cnlturpflanze,  auch  bei  uns  hn  Gerten  ziehea 
und  kann  dann  gleichzeitig  auch  das  Zuckerrohr  mit  veranschaBÜchen. 

Der  vierte  Punkt  wird  hofifenthch  auch  keinen  Anstofi  erregoi. 
Man  kmn  nftmlich  im  Untonieht  das  Bedfträiis  fohlen,  eine  Pflnue 


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I  —  49  — 

I  oder  ein  Tliier  zu  besprechen,  auch  ohm  i\hsh  sie  zum  M-  iix  heu  in 
I  inniger  Beziehung  stehen,  z.  B.  das  Tieinkiaui  oder  eleu  Bienensang, 
i  um  das  Verhältnis  zwischen  Blnmeu  uud  Insekten  zu  erläutern,  oder 
'      ^  i'ro^eli,  UT11  dessen  Verwandlung  voi-zufnhren  u.  s.  w. 

III.  Auorduuug;.  Der  gerammte  Lehrstoff  lässt  sich  zweckmäi^ig 
in  zwei  Curse  gliedern.  Der  ei*ste  Cursns,  fllr  das  5.  und  6.  Schul- 
jahr bestimmt,  nmfasst  heimatliche  Lebensbilder  aus  allen  di*ei  Natur- 
I  reichen.  Der  zweite  Cursus,  für  das  7.  und  8.  Schuljahr  bestimmt, 
behandelt  den  Menschen,  einige  schwierige  Objeete  derHehnat,  fremde 
CaHurobjecte  und  teclmologische  Stofi^. 

Die  Objeete  werden  dann  behandelt,  wenn  de  sieh  am  besten  in  ihren 
Labensäfifiemngen  beobachten  lassen,  alfo  Fflansen  und  niedere  Thiere 
TOizug^weise  im  Sommer,  höhere  Thiere  und  Mineralien  im  Winter. 

Ich  komme  hiemit  zu  einem  Punkte,  der  wahrscheiiilich  Anlasa 
giibOL  "wird  za  lebhaftem  Meinungsaustausch,  und  zwar  namentlich  Uber 
die  Frage,  wie  sich  diese  beiden  Onrse  in  den  Torschiedenen  Schnl- 
gattongen  zur  Ausführung  bringen  lassen. 
I  Auf  der  Hand  liegt  es,  dass  für  die  v  i  e  r  classige  8chnle  der  Plan 

ohne  Modification  passt  In  der  2.  Classe  (von  oben  gezählt)  einer 
sokheo,  die  das  5.  und  6.  Schuljahr  nmfasst,  kommt  der  I.  Cursus,  in  der 
1.  Gbwe  mit  dem  7.  nad  8.  SebnQalir  der  IL  Omm  zur  Behandtong. 

Etwas  modiflcirt  werden  mflsste  der  Plan  für  die  dreielasatge 
Schule.  Die  Uittekdasse  einer  solchen  mit  Kindern  Ton  8— II  Jahren 
Imm  ftr  Natargesefaiehte  vielleieht  nnr  eine  Stande  wOehentlich  an- 
Mtsoi.  Hier  worden  nnr  die  einfacheren  Oljecto  des  I  Oorsos  zn 
j     bduodflln  sein,  wfthrend  die  schwierigeren  Objeete  des  L  Cnrsas^nnd 
I     der  ganse  IL  Korans  der  ObereUsse  mit  ihren  12 — 14jihrlgen  SchlÜem 
!     Toihehalten  blieben. 

In  der  zwei*  nnd  eindassigeD  Scfanle  wird  bekaantlieh  die 
gerne  Oberolasse  gemeinsam  luiterriditet.  Hier  wflrde  man  Jftbrlich 
Bit  den  Stoffen  des  L  nnd  IL  Corsas  wechsehi. 

Aach  die  mehrclassigen,  speciell  die  achtclaesigen  SdraleUf 
k0anen  sehr  wol  mit  diesen  zwei  Ooreen  anskommen.  Der  I.  Carsos 
würde  das  Pensnm  der  4.  nnd  d.  Classe  nnd  der  IL  Carsns  das  Pen* 
nm  der  2.  nnd  1.  Classe  sein. 

WahrscheinUdi  wird  man  mir  hier  einwenden,  dass  dann  die 
Kinder  der  d.  nnd  8.  Classe  zwei  Jahre  nacheinander  denseLben  Stoff 
I     divehzoarbeiten  haben.  Scheinbar  ist  dieser  Einwand  berechtigt,  in- 
ioftni  nimlich,  als  es  sich  beide  Jahre  nm  die  Behandlung  helmat- 
üdier  Natnrkörper  handeln  wfirde. .  Aber  brauchen  es  denn  gerade 

PM4a«*8lni.  15.  Jitug.  Hafk  I.  4 


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50 


dieselben  Stefie  za  Bein?  Kann  man  z.  B.  von  nnfleni  heimatlieiien 
Getreidegrfisem  nicht  sehr  wol  In  dem  ein^  Jahr  Boggen  und  Oetste 
nnd  im  folgenden  Weinn  nnd  Hafer  behandeln?  Und  selbet  gesetzt, 
man  wählte  dasselbe  Object,  so  ist  man  doch  nicht  gezwungeu,  es  in 
derselben  Weise  zu  behandeln.  Kann  man,  wenn  man  S.B.  vom  Pferd 
spricht,  nicht  recht  gut  in  einem  Jahre  Körperbau  und  DiensÜeistnngen 
in  den  Vorderßrnnd  stellen  und  im  folgenden  Jahr  die  Lebensweise, 
Pflege  und  Charaktei-eigenthüinliclikeiten?  Es  braucht  nicht  noth- 
wendig  dasselbe  zu  sein,  wird  es  auch  nie  werden.  Denn  behandelt 
ein  anderer  Lehrer  dasselbe  l  litiiia,  so  wird  es  schon  von  selbst  andei's 
werden;  ist  es  derselbe  Lehrer,  so  wird  er  aus  pädagogischen  Gründen 
mit  den  Kindern,  die  doch  auch  unterdes  geistig  ein  Jahr  fortge- 
schritten sind,  eine  etwas  andere  Behaudlung^sweise  walten  lassen. 

Den  gegnerischen  Stimmen  gegenüber  möchte  ich  gerade  einen 
hohen  Wert  auf  diese  Wiederholung  legen.  Mau  wurde  dann  beson- 
dere Wieder  holungsstuudeu  um  so  leichter  entbehren  können  und  trotz- 
dem sichere  Resultate  erzielen. 

Überdies  könnte  man  das  zweite  Jahr  zweckmäßig  zu  Verglei- 
chungen  nnd  zusammentaj^sendeu  Aufstellungen  benutzen. 

Ahnlich  ist  es  mit  dem  II.  Onrsus. 


IV.  Lelirveriahrcn.  In  Bezug  auf  das  Lchrverfahreu  iöi  zu 

fordern: 

a)  Der  TTnterriclit  hat  von  Beohachtnn^reu  aii'^zui^rlieu. 

b)  Deswegeu  biud  Beschreibungen  der  Objecte  uölhig,  damit  die 
Kinder  zunächst  beobachten  lernen. 

c)  Mechanische  Beschreibungen  erfüllen  aber  nicht  »len  Zweck  des 
Unterrichts;  darum  ist  stets  durch  entsprechende  Jb'ragen  die  Denk- 
thätig:keit  anzure<r*»n. 

dj  Die  Kes(direibung  erfolge  nnch  feststehendem  Plan. 

f'^  Sie  darf  nicht  den  Hanpttlieil  der  Behandlung  Idlden;  deswp£r<^n 
le^e  man  auch  keinen  besonderen  Wei*t  auf  die  wissenschafüichan 
Kunstausdrücke. 

f )  Das  Hauj^tge wicht  lege  man  auf  die  Entwickelung  der  Objecto 
und  ihre  Beziehungen  zum  Ganzen,  speciell  zum  Menschen. 

g)  Man  s^ielie,  soviel  als  möglich,  die  Poesie  in  die  Behandlong hinein. 

h)  Das  Ergebnis  jeder  Leeden  bilde  ein  abgenindetea  Ganzes. 
Viele  ErlAntemngen  brancht  man  dieeea  einzelnen  Pnnkten 

kaam  hinznzafQgen. 

Punkte  b)  nnd  d),  die  vom  BeichrcibeA  handeln,  mOehtoi  einer 
Erliatenmg  am  ehesten  bedürfen.  Wenn  wir  ak  Ziel  hinzteUea:  die 


—   51  — 


Kiinlt-r  M  [It  !!  bef'liachtoii  lernen,  so  folgt  daraus  seibstverständlich, 
dass  es  gt  le-lirt  werden  inass;  denn  von  selbst  lernen  die  ]\iii  lpr  es 
nicht  E>  ist  nicht  damit  e-ethan,  dass  der  Lehrer  den  Kindern  aut- 
gibt, die>  Oller  jenes  zu  beoba<  li(en,  oder  dass  er  tVnirt.  was  sie  1)e- 
reits  beoljachipt  haben,  sondern  er  muss  Schritt  liii"  ^Sciiritt  die  An- 
leitiinc:  zum  irJeobachten  geben.  Bald  heißt  es:  fasst  die  Blüte  unten 
au  und  stecht  mit  der  Nadel  dort  hinein;  bald:  beißt  den  Sporn  des 
Stiefmütterchens  al)  und  schmeckt  den  Saft  u.  s.  w.  Dadurch  lernen 
die  Kinder  erst  sehen.  Daraus  erg'ibt  sich  von  selbst  die  Nothwendig- 
keit  der  Beschreibung,  die  in  der  neueren  Methode  sehr  in  den  Hinter- 
grand gedrängt  ist.  Auch  dass  die  Beschreibung  nach  einem  fest- 
stehenden Plan  erfolgen  soll,  kann  auf  keinen  ernstliclien  Widerspruch 
eUAaUf  weil  dadurch  viel  Zeit  gewonnen  wird.  Es  soll  damit  ja  nicht 
fHigt  sein,  dass  nun  jedes  Organ  beschrieben  werden  soll,  ist  z.  B. 
TOD  den  Flügeln  und  dem  Schwanz  eines  Vogels  nichts  Besonderes  und 
Anfibllendes  zu  berichten,  so  schweige  man  einfach  darüber  und  ver- 
schwende nicht  die  Zeit  mit  nichtsnntsigen  und  gleichgültigen  Sachen. 
Wollte  man  ftherhaupt  jedes  Object  ganz  bis  ins  einzelne  beschreiben, 
80  würde  kaom  Zeit  für  die  anderen  Zwecke  bleiben.  Nein,  bei  einem 
Otifject  tritt  dieser,  bei  einem  andern  jener  Tiieil  in  den  Vordergrond 
snd  wird  genau  l>eschrieben. 

Sodann  ist  es  sehr  wichtig,  hei  der  Beschreibong  stets  auf  d^ 
Grond  za  gehen,  warum  ein  Organ  so  und  nicht  anders  gebildet  ist, 
welchen  Zweck  jedes  hat  o.  s.  w.  Die  Kinder  werden  bei  zweckmäßiger 
Leitiing  leicht  einsehen,  wamm  das  Stiefintttterchen  einen  ndt  Honig- 
«aft  geflUlten  Sporn  hat»  warum  einige  Blattläuse  geflügelt  sind,  warum 
der  HOhrenaamen  Borsten  hat,  wamm  die  Blfttter  den  Boggenhahn 
gcheidig  umgeben  u.8.w.  u.s.w.  Sie  werden  die  Zweckmäßigkeit  in 
der  Natur  erkennen  und  werden  dadurch  angeregt»  auch  selbstständig 
a  beobachten  und  zwar  denkend:  Wozu  ist  das?  Was  soll  jenes? 
Und  dann  werden  sie  schlieBlidi  auch  fUUen  und  verstehen,  wie  im 
tHanshalt*  der  Natur  eines  ins  andere  greift  odcör  jedes  nur  ein  Glied 
einer  großen  Kette  oder  Gemeinschaft  ist. 

Haben  aber  die  Kinder  die  zweckmaiiigt  Einrichtung  der  Natui- 

bJrper  und  den  gesetzmäßigen  Gang  in  der  Natur  eingesehen,  sollten 

sie  dann  nicht  dem  Dichter  nachfühlen: 

„Sonn'  und  Mond  gcha  auf  und  unter 
In  deinem  Uuadeureicii, 
Und  all«  deine  Wuukit 
Sind  Bieh  «n  Oi*06e  glekb!« 

4* 


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—   62  — 


Oder  sollten  sie,  wenn  sie  z.  B.  den  großen  Nutzen  des  Kegenwurms 
erkannt  haben,  nach  wol  je  wieder  einen  \\  urm  mulwillig  zertreten? 

Das  sind  Erfolge,  die  wir  in  dem  Ziel  als  zweiten  Punkt  hin- 
gestellt liabeii  und  die  sich  ohne  besonderen  Aul'wand  erreichen  lassen. 
Viellach  findet  man  gerade  diese  r4efiihle  treffend  in  einem  Gedicht 
sum  Ausdruck  gebracht,  das  mau  dann  passend  anschließen  kann. 

M.  H.!  Was  ich  Ihnen  hier  vorgetragen  habe,  darf  in  seinen 
einzelnen  Theilen  nimmer  den  Ansprach  auf  Neuheit  machen;  ich  habe 
viehnelir  bald  hier  mich  angelehnt,  bald  dort  mich  gestützt,  g^reife 
bald  zurück  auf  Lüben,  bald  auf  Rossniäßler,  bald  auf  Junge,  bald  auf 
Kießling  und  l'ial/:  ii.  a.  Aber  das  Ganze,  das  vorzutragen  sie  mir 
gestattet  haben,  ilurfte  immerhin  Anspruch  daiaui  machen  können, 
etwas  Neues  zu  sein.  Ob  es  etwas  Brauchbares  und  Besseres  ist,  als 
was  da  war,  das  unterbreite  ich  hiermit  Ihrem  UrLheil. 

Wenn  ich  die  Methode  der  Lebensgemeinschaften  und  die  von 
mir  empfohlene  Methode  der  Lebensbilder  von  Einzelwesen  einander 
gegenüber  stelle,  so  daif  ich  beide  wol  einen  Weg  nach  demselben 
Ziele  nennen. 

Der  erste  Weg  ist  kunstvoll  angelegt,  zeigt  herrliche  Fernblicke,  fiihrt 
aber  an  AbgHinden  vorbei,  über  Seliluchten  und  Klüfte,  und  nur  wenige 
Auserwäliite  dürfen  ihn  sicher  geheu  und  auf  ihm  zum  Zitle  gelangen. 

Der  andere  Weg  ist  nicht  so  kunstvoll  antrelefrt.  bietet  weniger 
großartige  8i-liuiiiieiten,  al»er  auch  keine  neuiuiiiHwerten  Gefahren  and 
wird  alle,  die  ihm  folgen,  sicher  zum  Ziele  führen. 

Ich  habe  mich  für  den  letzteren  entschieden,  eingedenk  des  Wortes 
des  großen  Cumenius:  „Der  Untenicht  soll  nicht  mühevoll,  sondern 
möglichst  leicht  sein." 

In  Bezug  auf  die  vorstehenden  Aosfuhrangeii,  verweise  ich  auf 
folgenden  Leit^iatz: 

Zweckmäßiger  ist  es,  Lel)ensl>ildor  von  i^inzelwosen  in  den 
Vordergrund  zu  stellen;  denn  eine  nach  diesem  Princip  aufgebaute 
Methode  ist  in  allen  Art^  der  Volksschule  leicht  durchführbar  und 
führt  sicher  zum  Ziel. 

Wol  bin  ich  mir  bewusst,  dass  meine  Ansichten  Widerspruch  finden 
werden,  hofi'entlich  aber  auch  Zustimmung.  Rede  und  Gegenrede 
werden  zur  Klärung  der  Sache  beitragen  und  schließlich  der  Schule 
zum  Segen  gereichen.  Mag  man  mir  nun  zustimmen  oder  meine  Vor- 
schläge verwerfen,  eines  habe  ich  mir  doch  erworben,  das  frohe  Be- 
inisstsein  lUUnlich,  mitgewirkt  sa  haben  zur  £iitdeekang  der  Wabilieit^ 


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Die  Maiuiiiifga^A  4er  ^ttlkuder, 

  r«  Beehr  jL  Qifig  Jfawrf. 

„'Wenn  mein  illerer  Jange  aas  der  Schule  kommt,  legt  er 
seinen  Schulranzen  ab  and  madit  ^ine  Schalaa^abeu;  er  gönnt  sich 
kaam  die  Zeit,  seinen  za  toink^a,  auf  die  Straße  vräre  er  nicht 

10  bringen,  ehe  er  seine  Angaben  fertig  hat  Der  brave  Junge,  er 
erfüllt  seine  Pflicht,  wem  mek  seia  kSrperliches  Wolbefinden  darunter 
Mdet  Seine  Wang^  sisd  bleich,  die  Moskeln  schlaff,  alle  Beweg^ungen 
■eigen  an,  dais  er  seboa  ein  KerreBcaiididat  ist,  aber  er  macht  mir 
Hoihnng,  dass  er  dnmal  —  ein  ProfeaBttr  wird." 

„lieia  Zweiter  ist  gani  anders,  er  iHingt  iwar  ganz  leidliche 
Zeugnisse  mit  an»  der  Sehlde,  aber  aa  die  An^ben  kann  ich  ihn 
lickt  bringen;  kam  hat  ir  mbm  BanMB  hingelegt,  so  fordert  et-  skh 
ein  SMfik  Brot,  and  im  Handmdiehen  hat  er  sieh  amdchtbar  gemacht 
wd  Itaat  äA  flieht  eher  irMer  sehefl»  bis  es  Nadit  ist  nd  sich 
leaer  Hoger  eingestellt  hat  Der  Boraehe  wendet  aOea  an  den 
Körper,  seine  Badcen  mnd  roih  md  weHea  bald  plntea,  aber  kk 
ftrdtie,  er  wirTs  einmal  nicht  writ  hriasen.«*  — 

Sa  vtteii  der  fintr  Papa  jeirt  Uber  aeine  Jnngen,  q¥  ihn  fia 
Zaknft  nickt  einea  andern  bdehien  wird?  Man  kann  ea  wol  ato 
akhar  nnnHhmen.  Der  ehM  Sohn  ist  kOrperileh  and  geistig  matt, 
wenn  er  einmal  an  aanen  Ziele  ankommt  Wae  wird  er  dann 
flonderiidiBi  leiHttii  ktaaen?  Der  andere  koaunt»  wenn  ^rioDBieiit  anoh 
hagwamfr,  aber  doeh  laeh  am  Ziel  and  ist  dan  in  der  Lage,  noA 
Kraft  Ihr  die  nenen  Aallgaben  dee  Berafts  anfwenden  ra 
Daa  Beispiel  Linnfi^,  Aleiander  Ten  Hambeldta  a.  die  in  ihier 
Jagend  ven  ihren  Lehren  gar  nieht  geloht  wardea,  lehrt  ans,  daas 
Aan  leineB  Kinde  niditt  die  BrhelnDg  and  Fieade  la  laaben  nd  es 
ftthMitif  mit  Wiseenastolf  xa  tberiaaten  braadit»  am  einen  tftehtigea 
Mensehm  ans  ihm  an  machen.  Tüchtig  lernen  moss  ein  Jange  in  der 
heatigen  Zeit,  wenn  er  im  Leben  verwlrta  kommen  will;  dafftr  be- 
sneht  er  je  nach  die  Behtde  viele  Standen  dee  Tagee.  Wenn  aneere 


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—   54  — 

Schulen  nur  erst  einmal  diu  uüiiuUtii  Kram,  den  sie  noch  vielfach 
einpauken,  wegwerfen  wollten,  könnten  sie  in  weniger  Zeit  noch  mehr 
leisten,  vor  allem  auch  dem  Schüler  Zeit  lassen  zur  Erholunf^;  von 
Körper  und  Geist,  zum  Genuss  der  reinen  Naturfreuden,  ^  ozu  lällt 
denn  der  Schnee?  Doch  nicht  darum  allein,  dass  die  Pflaiiztükeime 
damit  zugedeckt  werden,  sondern  auch  dazu,  dass  die  Jugend  Schlitten 
fahren  kann.  Wozu  frieren  die  Teiche  zn?  Nicht  nur  deshalb,  damit 
die  Bierhrauer  und  Conditoren  Eis  beivoiiniicn,  sondern  auch  zu  dem 
Zwecke,  damit  die  kleinen  Leute  Schlittschuh  lauten  kimnen.  Sie  müssen 
tagsnher  lange  gennsr  in  verdorbener  Lnft  athmen,  danim  gebe  man 
ihnen  auch  Gelegenlieit,  ihre  Lungen  wieder  mit  Tjelnii-lult  zu  füllen, 
j^ie  wti  di  Ji  dann  in  der  Schule  um  so  irischer  sein,  der  Unteniclit 
wird  um  6u  bo^er  von  .siHllen  gehen. 

„Die  Kinder  haben  ja  Mittwoch  und  Sonnabend  nachmittag,  auch 
Sonntags  frei,  da  können  sie  sich  genug  erholen",  so  wendet  man  ein. 
Haben  sie  denn  auch  immer  fr*'i,  verlegt  mau  nicht  gerade  anf  du-se 
Nachmittage  Musik-  und  andtn n  Privatunterricht,  gibt  imm  Ii  a 
Schülern  nicht  gerade  fiir  diese  J^reizeiten  besonders  vif*]*  ll.iusaiif- 
gahen,  kann  nicht  ungünstiges  Wetter  eintreten,  das  ihnen  die  Jjjt- 
holung  im  Freien  unmöglich  macht? 

Aber  nicht  nur  die  Kinder  leiden  unter  diesen  Hausaufgaben, 
sondeni  auch  die  Familien.  Den  ganzen  Tag  über  sind  die  einzeluen 
Familienglieder  von  einander  getrennt  gewesen.  Der  Abend  soll  sie 
am  Familientische  vereinigen,  man  will  gemeinsam  ein  hübsches  Buch 
lesen,  über  die  Erlebnisse  des  Tages  plaudern,  da  kommen  die  kleinen 
Leute  und  wollen  ihre  Hausaufgaben  machen.  Mit  dem  Lesen  und 
der  Unterhaltung  ist  es  nun  nichts,  die  Kleinen  dürfen  nicht  g<>stört 
werden,  sie  verschreiben  oder  verrechnen  skk  sonst  und  —  dann  Bteht 
die  Erde  still.  Ihnen  ein  besonderes  Zimmer  anweisen,  wo  sie  unge- 
stört arbeiten  können,  das  kann  nicht  jedermann;  Heizung  und  Licht 
darum  verscbweiideD,  damit  so  ein  Knkps  eine  Seite  abschreibt,  Ad* 
verbial-  n.  a.  Sitze  bildet,  m  paar  Exempel  von  der  Sorte  rechnet, 
die  er  schon  zun  Überfluss  gerechnet  hat,  das  Terlohnt  sich  nicht 
Etwas  anders  verhält  es  sich  mit  den  Aufgaben  zum  AuswendigkiML 
Doch  mflssen  dieselben  sehr  eingeschrftnkt  und  die  Kinder  angdeitei 
-werden,  in  vernünftiger  Weise  zn  lernen.  Wenn  ein  Kind  so  meano- 
rirt:  „Zor  Arbeit,  nicht  zum  Müssiggang  —  sor  Arbeit,  nicht  snim 
Müssiggang  —  Sind  wir,  o  Hen-,  auf  £rden  —  shid  wir,  o  Herr,  auf 
Erden ^  u.  s.  w.  mit  Grame  in  inflnitnm,  oder  auch  ab  nnd  sn:  „Znr 
Arbeit  nichts  zum  Httssiggang"  a.  s.  w.,  so  steckt  darin  nicht  yisü  Die 


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—   55  — 


ScUe  mmm  Mch  im  B«^  «if  da»  Awradigienwi  so  ddwr  Toriie- 
ifim.  tee  nr  Mck  em  aoifftltig«»  tberleMn,  cn  iPMeitelcm 
■80%  MD  dnl  Die  Hiiafcahei  TenudasM  aber  Mck  aock 
aafcni  BeanUgogCft  dea  IlaiBea.  Da  and  jiagera  Geadwiatcr,  dia 
dCB  aActodM  Sehikr  atitra,  «a  koamt  Beaach.  die  Eltn  kabeii 
Wega  si  beaoifieD,  oder  ea  kaant  eia  Jaage  waA  Haan  arit  aa  elm 
paar  biipperigcft  li^abeB  aaa  der  HBfffcaigweAaapg;  «  kat  in  der 
Schale  neht  reckt  aafeepaaat,  er  kat  nckt  allea  Tenmdea,  die  Aaf* 
gakea  maä  wol  aack  gar  aickt  em  beaptockea  verden.  Xai 
8Kkt  M  aick  kl  der  Weise  an  kdte  wie  anaou  Hoekaeiiciatt, 
ako-  MB  koHBt  daut  kd  Pape  md  Muaa  acUeekt  aa.  AI»  «ie 
WMk  m  die  Sekaie  giagen,  kat  mtm  aekkea  Zeag  aiekt  gmckaet, 
daa  kberiiei  «an  da  Weiakiadieni,  Bietknoen,  KaaUealeiL  e. 
Eki  kMag  kewgegtofcaee;  «Laaa  mek  im  JUhtV  wackeaekt  den 
kieiaen  Tenacker,  oder  Fip»  and  Mmm  Uaanna  akk  anck  mk»  mSL 
iiaea  61aek  leitea 

Daa  kldne  TQcktercka  kriagt  ob  paar  Aa^akea  aaa  der  Zeit- 
lackwuig  Witt  ea  kat  aaterwaga  gani  fefgeaaen,  wie  neu  die  laiAade 
Zeil  !■  die  Tuloaaiae  aMrecknet  «ad  OMgckekrt»  oder  ea  kal  ea  gar 
aldt  TefataadeBt  waa  viel  grtlerca  Leatea  aadi  adMia  yotgtfca— ea 
iat;  aaa  aoH  Haan  kelfea.  Die  aagt:  ,Da  liekst  da  eialkick  ak  oder 
dklat  zu,  aadera  kabea  wit%  nicht  gemadit**  Daa  arme  Kind  iat  ao 
klag  wie  Turker,  Oder  aber,  ea  aoll  an  der  Hand  des  Gedichtes  »Das 
Grab  im  Baaento'  die  denlacke  *Vnm,  oder  nach  d»  Gedichte  «Der 
Skagcr'  daa  Ldien  der  WStt  im  Ißttdalter  aeküdera,  aad  wie  die 
Tkeaea  aBe  kettea;  ea  vermag  damit  aber  aickt  aaaiaade  an  koai> 
ML  Seme  geistige  Kapaaitit  rackt  anch  aickt  so  weit,  da  aokkea 
Thema,  aaek  nach  eingehender  Besprechung  in  der  Schale,  aa  bear- 
beilett.  Da  »naa  Yater,  Matter,  Bruder,  Sekwoater,  Hanahanch, 
KficUn  aad  Staboimidchai  kdfen,  and  wessen  Arbeit  aiekt  der  Lehrer 
dann  dank? 

Kack  aolchen  Beanmhignngen  kann  man  ea  dem  Hanse  nicht 
nraigea,  «ena  ca  oft  nicht  gut  aof  die  Schale  an  apreehen  ist  Und 
am  weklien  Pras  macht  eich  die  Schale  das  Hans  onfrenadUdi  ge- 
rinnt, weldiea  Kotzen  hat  aie  van  den  Hansanfisaben? 

Daa  Bespiel,  wie  ein  nkanse  angefertigter  AnAata  eitsteht; 
zeigt  ZOT  Oenige,  daas  die  Schnliwecke  nicht  gefördert  werden  durch 
häoäliche  AalQi;aben.  Aber  weiter:  Wer  kann  deim  die  vielen  Seiten 
Abschrift  genau  nachaehen,  wer  die  vielen  Adverbialsil»  aaf  ihre 
Bicfctigteit  prtfen?  — 


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I 


—   56  — 

Pa  hat  emmal  ein  altor  Börner  gesagt:  „NaUa  dies  rine  Unea,^ 
d.  h.  anf  simplefl  Deutsch:  Jeden  Tag  soll  eine  Beihe  geschrieben 
werdail  Ifan  hat  diese  Fordenmg  mit  Ünieefat  auf  die  Hausaiif- 
gahen  bezogen;  den  alten  BQmer  ist  mit  der  AjMt  in  der  Schule 
Genfige  geschehen;  wenn  er  sihe,  dass  man  nnserer  Jngend  keine  Zeit 
an  kiOrperücher  und  geistiger  Erholung  gOnnt,  so  wMe  er  nns  sehi 
Veto  aom&n  nnd  sag^:  „Mens  sana  in  corpore  sano^^  d.  h.  nor  im 
geennden  Körper  wohnt  ein  gesunder  Geist  — 

Anch  die  F6rienan%aben  sind  yom  Übel.  Wie  steht  es  denn 
mit  der  Erholung  des  Lehrers,  wenn  er  in  d«i  Ferien  aar  Eiginsang 
seines  Einkommens  »Stunden  schinden*  oder  andere  Arbeiten  machen 
muss?  Er  tritt,  anstatt  eiAischtt  matt  seinen  neuen  Aufgaben  gegen- 
ftbcr.  Wie  ganz  anders  würde  er  zugreifian,  wenn  er  in  den  Ferien 
eine  Bdse  gemacht,  Bat  dem  Lande  seine  misshandelten  Nerven  ge- 
stärkt hattet  Ist  es  mit  den  Kindern  anden?  Wie  riele  hshen  Ver- 
wandte drauBen,  wo  sie  einmal  hingehen  und  dem  Gewfihl  der  Stadt 
entrinnen  könnten;  das  Gespenst  der  Ferienan^iaben  verfolgt  sie^ 
wenn  sie  nidit  anders  die  Aufgaben  alsbald  am  ersten  Ferientage 
machen  und  also  einen  Tag  Unger  Schule  haben,  oder  sie  am  letzten 
Fetientage  anHertigen  und  daher  die  Schule  um  einen  Tag  früher 
beginnen. 

Es  liegt  klar  am  Tage,  dass  dem  Sehnlkinde  die  sehulfreie  Zeit 
nicht  durch  Hausau^aben  verkfimmert  werden  dai(  dass  das  Familien- 
leben durch  dieselben  gestört  und  beeintrichtigt  wird  und  dass  die 
Sehule  nichts  Nennensweitss  damit  gewinnt  Darum  gebet  der  Schule, 
was  der  Schule  ist  —  den  Sehfller,  dem  Hause,  was  des  Hanses  ist  — 
das  Kind,  dem  Kinde  aber,  was  des  Kindes  ist  —  seine  ungetrübte 
frohe  Jngendlust 


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P&dagogische  itundscbau. 

B.  Vom  deatsefaen  Ostseestrande.  Wenn  je  eine  pädagogische 
Forderung  zeitGrf>m?lß  berechtigt  anftrat,  so  ist  es  ohne  ZweifV'I  die,  welche 
der  Artikel:  i)ie  Waffen  nieder"  im  Pj^dap-n^ium  vom  August  d,  J.  aus- 
geiprocbea  bat.  Es  ist  in  der  erwälmten  Abiiaudiung  ül»erhaapt  das  endlich 
ü^dtthnt  wovdtt,  wai  muftUige  Lehrar  bekkomwiMii  Honetii  iSngst  fiUtaa. 

katlea  mir  nicht  die  Galegiiiheit  odor  aiMh  lidht  den  Mnftb,  ihm  Ga- 
f&Iüen  freien  Laif  sa  lassen.  Dem  „Psedagogiam"  gebtlit  das  Veidisiiit  a)Uh 
Ja  dieser  Beziehnng'  die  Initiative  ergriffen  zu  haben. 

Der  Geschichtsunterricht  und  mit  ihm  die  Geschiclit sl f^lirhücher 
„mässen'^  eine  Reform  erfaliren.  Wie  der  Theolof^e  seine  ganze  iiibel  mit 
alkn  canonischen  und  apokry^hiscben  Büoheru  behalten  mag,  so  wird  tüi*  den 
VsUhnn,  lar  dm  Hlatoitter  and  Statistiker  die  allgenslne  Weltseaohiehte 
Uve  fro6e  Bedeotonir  aiaht  Yeriienii.  Tor  die  SehnljQgeDd  gehllrt  jedeeh 
weder  die  Bibel  in  ihrer  heutigen  Ausdehnung,  noch  die  Weltifeaehfchte  mit 
allen  Gräuelu  der  Jahrhunderte.  Die  Geschichte  selbst  möchte  gerne  manche 
SciiauerscPHp  ungeschehen  machen,  aber  als  unbeugsame  Richterin  mnss  sie 
jeden  Tbaioestaud  gewissenhatt  registrirea.  Aber  —  der  gestrenge  Kichter 
iwhiaielft  vietea,  was  aicht  jm  die  ÖffBBtUehkeit,  geschweige  demi  yt»  die 
iMiaamMhaeade  Sehnijagead  gehOrt.  Verlaagt  naa  tod  eiaer  Geriohtireiiiaiid- 
lang  mehr  pädagogische  Rücksichtnahme,  als  von  eiaer  Gesehichtsstnnde?  Doch 
^ol  nicht.  Unsere  Hundstagsfreude  ist  hier  am  Ostscestrande  schon  vorläufig 
dadurch  wesentlich  erliöht  worden,  da.ss  in  dieser  Angelegenheit  der  .Stein  ins 
Rollen  gebracht  w  i  l  n  ist.  Weitere  Maßnahmen  werden  nicht  ausbleiben 
Qod  wenn  Gott  Guad  und  Segen  gibt,  erleben  wir  es  vielleicht  noch,  dass  die 
aUnlohen  Heiser affairea**  ia  gewissen  Volksschiehtea  ahDehmea»  fvaa 
MIsefaledsa  nar  daaii  etatnffsn  wird,  wenn  maa  sieht  Iber  ^Blat  and  Keale* 
W  zehnjfthriseQ  Kindern  wie  über  ^Kloßl^rühe"  spricht. 

Auf  nnsem  Artikel  im  Juniheft  des  P.edag'ogtnms'',  welcher  anch  in  d^^r 
Beilage  Nr.  176  des  „Memeler  Dampf boots"  abgedruckt  war,  hat  ferner  ' 
Dr.  Benno  Gehrmauu  in  der  Beilage  zu  Nr.  180  der  erwähnten  Zeitung 
«ise  Emideraag  als  IfitgUed  des  „Aligemeiaea,  deataehea  SpraohTorelBi'*  e^ 
IvMa,  aaf  weiche  wir  ans  aüt  der  gütigen  Erlaahaie  des  Bethstlfta  anaerea 
Himi  Redacteurs  einige  kurze  Bemerhnagen  nicht  versagen  können. 

Der  Herr  Gegner  begräbt  am  Schlüsse  seiner  .,  Ei  u  iMi^ning"  mit  be- 
Äeiden>,vt  rtem  Siegesbevvusstsein  seine  vermeintliche  ^Streitaxt**.  Wollte  er 
gefälligst  nur  noch  einmal  nachsehen,  er  selbst  würde  tlnden,  dass  er  in  Wirk- 
lUlkeit  einen  „hölzernen  Si^bel''  verscharrt  bat. 

Bsr  Bvr  Oegnsr  gehört  lüeht  aa  Jeaea  nationalen  Helfisporoeni  deren 
Vbnipnddiides  SeMhewaaUaeln  solbrt  anf  eia  NomalBai  sinkt,  aehald  es 


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—   58  — 


ihnen  gelungen  ist,  als  EreiaacitiiiliiiBpeetor  oder  alt  Batb  4.  Glane  ein  üuter- 
kommen  sa  finden,  aber  mtadlch  ist  seine  Gegnendiaft  dadnrdi,  date  er  ntcbl 

welter  sehen  MwilP,  als  ein  armes  Menschenleben  reicht. 
Wenn  der  Herr  Geg^ncr  wörtlich  schreibt: 

„Wie  Fremdwörter,  d.  h.  Wörter,  die  dem  gesuudeii  Spracli- 
bewasstseiu  als  fremd  erscheinen"  u.  s.  w.  so  haben  wir  aas  dieser  Er- 
klftmng  nicht  hing  werden  kOnnen.  Sie  soll  doch  nicht  etwa  helfien: 

»Wie  FremdwSrter,  d.  h.  WOrter,  die  dem  .nnffeannden  Spraehbewvaat- 
tein  als  einheimisch  erscheinen"  a.  s.  w.  Der  alte  Feter  Hebel  würde  sagon: 
,»Nnn  steh  doch,  wie  man  sich  irren  liaim". 

Wir  aber  wollen  hiermit  nur  den  gi'^neriscben  Artik^  lUr  nnsom  groüen 
nationalen  Leserkreis  niedrigrcr  gehilngt  haben. 

Sdioii  recht  lange  hat  sieh  ein  überwiegender  Brachtheil  anserer  Strand- 
lehrer Ar  die  „Organisation  der  Volkssehnle  als  dentsche  National* 
aehvle*  begeisCertw  (Sehweiaer  System.)  Es  sohlen  aber  znweüen,  ab  kOnne 
sieb  die  Idee  in  Bürgerkreisen  keine  rechte  Sympathie  erwerbe.  Wenn  nicht 
alle  Zeichen  trügen ,  ist  die  Imchwichtige  Angelegeuheit  in  ein  günstigeres 
Stadinra  gekommen.  Sogar  politische  Zeitungen  haben  Leitartikel  über  diesien 
pädagogischen  Gegenstand,  seitdem  in  der  letzten  Session  des  Preni^ischen  Ab- 
geofdttetenhansesftberdeoBdbenansfflhiUdiaI)eh«tteD  gepflogen  wiixdin,gaVrBidit. 

Der  Cnltasminiiter  Dr.  Bosse  Ist  der  Nation alschnle  freondlieiier  ge> 
soonen,  ab  viele  seiner  Vorgänger.  Er  erklärte  anf  Befragen  im  Ahgeordneten- 
hanse,  dass  der  Besuch  der  Volksschule  sich  vor  dem  der  höheren  Schnle  gnt 
bewährt  habr  v/äre  zu  wünschen,  dass  tii  >  h  mehr  Zöglinge  der  höheren 
Scholen  die  Volkssrlmle  beisnehen  möchten,  alt,  es  bis  jetzt  geschehen  ißt.  Am 
st&rkbteu  recrutiitii  sich  heute  im  Verhältnis  die  Berliner  höheren  Schulen 
aas  der  Yolksseboto,  webhe  letstere  selbst  von  den  SOhnen  aktiver  OMeiero 
recht  lebhaft  beancht  wird.  Bewiesen  wird  dadnreh  abo»  dass  der  Benioh  der 
allfMUdnen  Volksschule  auch  dnrdi  Kinder  hOher  stehender  gesellschaftlicher 
Clausen  nichts  bedenkli  l  ^^  hat,  wenn  nur  dem  Lehrer  ein  yoUes  Recht  ftber 
seine  Zöglinge  zngestandeniät. 

Im  Wesen  der  allgemeinen  deutschen  Nationalschule  liegt  es  aber, 
dass  sie  Ton  allea  Kindern  ohne  Ansnahme  besacht  nnd  anf  sb  erst  dto  hOhare 
Schab  anf|{esetit  wird.  Für  die  aabeflUüften  Kinder  soll  db  Nattonabokiib 
den  Schulnnterricht  abschließen,  gleicdiviel,  ans  webhem  Stande  ihre  Eltern 
sind.  Es  liegt  durchaus  niclit  in  unserer  Abficht,  nach  Giünden  für  oder 
gegen  eine  solche  Schule  zu  suchen.  Wir  !tn1ton  sie  für  nicht  ein- 
fübrbar,  ohne  uns  mit  einem  Gegner  unserer  Ansicht  BchielJen  zu  wollen. 
Wir  halten  es  eher  fdr  möglich,  dass  sich  durch  ein  Gesetz  eine  gleiche 
Kbidang  Ar  alb  Stiade  ▼orsdureiben  llsst^  ab  dass  sieh  ein  darartiger  Sebvl- 
awang  praktisch  dnrchftthren  ließe. 

Wer  will  einen  Vater,  eine  Mutter  überzeugen,  datti  der  höhere  Schul- 
unterricht fdr  ihre  Kinder  nicht  möglich  sei.  Wer  will  es  einem  Vater  übel- 
nehmen, wenn  er  reichlich  „Moses  und  die  Propheten"'  hat,  und  für  jede  Vo- 
cabei,  die  seinem  Sohne  oder  seiner  Tochter  angeklebt  wird,  einen  Dollar 
besablt?  Db  Macht  des  Geldes  Übst  sich  nicht  dareh  Oeaetaa  in  ao  enge 
Fessehi  schniedeD.  Nar  etwas  ist  geeignet  db  Macht  des  UitMaden  Metalb 
an  besohrftaken,  and  dieses  ist  —  die  Macht  der  Arbeit 


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—   Ö9  — 


Mit  jeder  Iriifcew.  CImm  Im  der  Sctale  «M  Z5fliBg«  aiM  Ukev» 
frwiliiifcilUfflir  Stella^  Im  epitonü  Leben  in  Au^sieM  gestellt  Diejenigen 

also,  welche  der  Zuknnft^-Nationaischu le  v(-rb]eiben  müsst-n.  s-ollfu  die- 
jesig-on  sein,  die  ohne  ihre  Schuld  und  ebne  einen  \'ersach  ihrer  KIt<rn  ztt 
Paritt«  der  Gt^elkdiaft  gestenipdi  werdeu.  Augeuouiiueo  diese  Idee  liei>e  sicti 
gmaM  duKhlikreB,  io  Wirde«  die  ü&aiiigea,  geistig  aad  kOiperUdi  FeUer* 
ktltaa,  4an  beUoi  olt  titiwmoti.  die  mgBmmtim  Mm  AiMten  n 
Terriditai  iMben.  Das  wäre  aber  für  fi»  AlMtten  selbst  ein  unberechenbarer 
Nachtheil.  Es  ist  nicht  wahr,  dass  znr  Verrichtung  der  meisten 
kör {'trliciien  Arbeit eu  jeder  Stumpfsinn  genüirt.  Kür  die  g:ute  Aus- 
miirang  der  meisteu  niederen  Dienste  ist  ein  gewisses  Maü  von  Aufklänmg 
od  bitelligenz  Uctel  wtMtiMMwigt  Bin  Pi«ff  tai  «in  leiir  ebiftMhM  Li> 
■hMMit.  Bi  kflut  atar  mkae  dwMf  aift  iralte  UaHidit  «r  fiAInC 
vird.  Fnge  Ma  nr  «Ims  UMlditifeK  Landwirt,  ob  er  nicht  beim  ther- 
«chreiten  ^ines  Sturzackers  ^nz  ^nan  weift,  irrlfthw  Beei  der  Fninrhkn  ud 
welches  Beet  der  Geschkf  gepflüsrt  hat 

Wir  haben  es  duuendfach  beobachtet|  dass  schwache  Kinder  durch  an- 
«dlicte  warn  Md  Xoateii  Ja  dn  hSten^  Sdndea  dodi  mo6k  BrtifgliahM 
kniea,  die  in  der  Yettn-NatiMahehnle  ektattoh  wf  gaas  niedriger  Stnfe  ge- 
Weben  sein  würden.  Der  Herr  Minister  Dr.  Boeee  ^teHt  die  heutige  Volks- 
fehnle  in  ein*^*}  Vergleich  mit  den  Vor8chn!<»n  an  den  höheren  Lehranstalten 
und  findet,  dass  die  Zöglinge  von  den  Volksschulen  später  bessere  Fortschritte 
beuü  üoiieren  Unterricht  macheu,  als  die  Zöglinge  von  den  Vurechuleu.  Diese 
TWrtieAB  ist  richtig,  aber  wie  Üaet  rie  tkk  eridlran?  —  Die  Voreokidea 
Warden  nnr  von  den  Kinden  liiHierar  Stande  basndit  nnd  dnrdi  die  bessern 
Lehrkräfte  bedient  und  doch  bleiben  ihre  Leistungen  hinter  denen  der  Volks- 
ecbale  zurück?  Die  Ursachen  liegen  klar  zu  Ta^q.  Ifan  sollte  nur  einmal 
eine  Gegenprobe  machen  und  alle  Kinder  der  \  uiksschule  dem  höheren  Unter- 
richte zufuhren,  wie  es  ja  mit  den  Kindern  der  Vorschule  geschieht,  und 
am  Wirde  n  ganx  andern  BeanHaten  kennen.  Nar  die  ftUgalen  md 
Schüler  der  VolkaMhnlen  gehen  nach  den  hahcaen  Sehnlen  iber. 

Ferner  ist  nicht  zn  unterschätzen.  dx<;s  die  Schüler  ans  den  Volksschiiloa 
fast  durchweg  in  reiferem  Aller  in  der  höheren  .Schule  Aufnahme  tmden.  wir 
meinem  in  einem  Aller  vou  10  bis  12  Jahren.  Die  Knaben  aus  den  Vor- 
tehalen  werden  ven  8  bis  10  Jahren  hinübergeschoben.  Noch  weit  »ehr  je- 
deeh  fiOt  iaa  Gewicht,  da«  in  den  VolkMehnkn  dar  ünteiridit  in  nllen 
Disciplmen  der  geringeren  Gewecktheit  der  Kinder  wcfoi  Tie!  langwna'  fiift* 
sdir'itet  und  der  verarbeitete  Stoti'  immer  wieder  und  wieder  repetirt  wird. 
Hierin  liegt  das  ganze  Geiieimnis.  Der  Namen  der  Schule  kann  doch 
nichts  zu  ihrer  Leistung  beitragen.  Laase  man  doch  die  Vollisschuie,  richte 
MM  nar  die  Yoraehilen  lir  die  ciaten  SchnUahre  naeh  den  Lefarplincn  der 
YelkaMhnle  ein,  md  Itmmn  ihrm  Canae  nicht  anf  2  Ua  3  Jahre,  aondem 
aaf  4  bis  5  Jahre.  Den  Kindern  unserer  höheren  Schulen  vttrdm  die  htn  liehen 
Jngendspiele  nicht  so  gekürzt  werden,  und  mit  größerer  Leichtigkeit 
würden  si»-  die  ihnen  zugemutheten  Pensen  bewältigen.  „Immer  langsam 
njid  deutlich,"  heißt  es  in  der  Volkb&ciiule,  „Vogel  friss  oder  i»tirb"  in  den 
hihtfm  Schnlm  aehon  vm  dm  Vorachalelaiim  m. 

Die  Freande  der  allgemeinen  Xatimakchale  tagen  iwar:  „Der  Beaaeh 


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—   6U  — 


der  VollEMohvle  dueh  alle  Kinder  ist  ▼on  der  TorthaUlitfteiteii  Wlrkniig  ia 
toeialer  Beilaliuif.  Manche  Ülierliebnng,  manelier  nngebSilge  Stcili,  naocl» 

tüchtige  Portion  Uebermnth,  die  In  ipittrai  Lebensjahren  sich  breit  machen, 
werden  durch  den  anfönglichen  gremeinsamen  Unterricht  überwunden.  Kinrler 
beobachten  sehr  ^enan.  und  ans  dem  getneinsamen  Verkehr  mit  sorgsam  lili-  r- 
^^'uchten  Altersgtiuoäseu  aller  Stände  und  Bernfskreiso  können  sie  sich  maaclie 
wichtige  Erinnerong  ftr  das  Leben  bewahren.  Das  Leben  Ahft  die  Tansende 
von  Knabsn  nnd  JQngUngen  weit»  weit  auseinander;  hoeh  hinanf  kommt  der 
eine,  tief  nnten  bleibt  der  andere.  Aber  aus  dem  gemeinsamen  Anfangs- 
unterricht bleibt  die  Erkenntnis:  „Du  bist  nicht  besser,  als  alle  anderen.  Dn 
bist  mehr  nur  dann  wert,  als  andere,  wenn  du  mehr  weißt,  als  andere." 

Ei,  eü!  —  Grau,  tlieurer  Freund,  ist  alle  Theorie,  sa^t  l'apa  Uoiije. 
Den  Hochmuthstenfel  des  Jllaiuiuous  wollt  ihr  zum  Lande  hiuaustreiben,  um 
den  Dflnkel  des  Vielwissens  groit  sn  aiehen?  Hat  nieht  der  Stifter  nnserer 
Beligien  Ober  alles  Wissen  in  dem  bdcannten  Sprache  den  Stab  gebrochen? 
Kann  nicht  der  weniger  Kln^e  ein  Hen  „voll  liieb  und  Treu**  für  seine  MJ^ 
menschen,  ein  e<bf  deutsches  Herz  und  Gemüth  haben  und  jener  ge- 
lehrt«, hochgestiefjeue  Schulkamerad  ein  erbärmliches  Schurkenherz  im  Boeen 
tragen?  —  Das  ist  es  ebeOi  was  allen  Schulen  der  Gegenwart  mangelt,  die 
Gemfithsbildnng,  für  den  Ke^  alles^  für  das  Hen  niehts. 

Die  höhe  Kluft  nwisehen  Patriciern  nnd  Plebejern  wird  dnreh  die 
Nationalschule  nicht  ausgeglichen  werden,  wol  aber  kann  dneb  diese  Schule 
Hass  und  Neid,  Genußsucht  und  Diebstalil  bedenklicli  ang"eregt  werden.  Wer 
die  Kinder  der  verschiedenen  Stände  nebeneinander  setzen  will,  muss  auch 
dafür  sorgen,  daits  sie  in  jeder  Beziehung-  möglichst  gleich  ausgerüstet  sind  und 
zwar  würden  wir  wünschen,  dass  er  sie  alle  nach  dem  Muster  des  reichsten 
nnd  iblnsten  Kindes  ausstattet.  Wir  mOohten  gerne  einen  Schwimer  ftlr  die 
Natioaatoehnle  einige  Wochen  nnr  beobachten ,  was  er  Ar  ein  Gesteht 
machen  w&rde,  wenn  er  bei  strenger  Kälte  in  geflickter  Leineqjacke  neben 
einem  täglich  laufen  muss,  der  von  Kopf  bis  zn  Fnß  in  kostbares  Pelzwerk 
gehüllt  ist.  Welche  Gefühle  würden  in  iiini  autstei^^en,  wenn  er  zum  Groß- 
friihstiick  nicht  ein  Stüdichen  Schwarzbrot  hat  und  die  Nachbarn  zur  Linken 
und  rar  Rechten  Ihr  GebSek  mit  Batter»  Honig  nnd  abgekochtem  SeUnken 
gldchneitig  belegt  verspeisen.  Es  gibt  fbr  ein  armes  Kind  slcheiüdi  Ibsiiie 
größere  Qnal,  als  wenn  ihm  seine  ganze  Schulzeit  hindnrdi  seine  traurige 
Dürftigkeit  in  so  bestialischer  Weise  tiiglich  und  stündlich  zu  Gemöth  geführt 
wird.  Doch  —  hier  gibt  es  einen  Ausweg.  Statte  mau  doch  die  reichen 
Schüler  so  wie  die  armen  aus,  danu  ist  allem  Neid,  aller  Bitterkeit  und  Scheel- 
sucht Yorgebeugt.  Diese  Beform  zu  übernehmen,  müssen  wir  dankend  ablehnen. 

Wenn  der  Herr  Cnltosminiiter  nnd  die  Verehrer  der  Nattenalsehnle  nns 
einige  Beispiele  aus  dem  Spreebabel  anftthien,  so  ist  damit  wenig  bewiesen. 
Gerade  der  Herr  Minister  wird  die  socialen  yerhtttalsse  ia  Beriin  nicht  für 
paradiesische  halten.  Wir  auch  nicht!  — 

(Wir  haben  dem  Herrn  Correspondenten  auch  besflglich  des  letzten  Punktes 
volle  Redefreiheit  gelassen,  nicht  weil  wir  seinen  Anschauungen  sustimmten,  Boudem 
weU  wir  eine  wichtige  Fiiaoipflage  allseitig  beleuchtet  sehen  mßohtea.     D.  B.) 


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—   61  — 


Ans  Österreich.  Der  vierten  Volkbversammlnni^  des  deutÄi h-t<ister- 
reicbischeu  Lelirerbundes,  welche  am  18.  und  19.  Juli  iu  Linz  tagte  (äiehe  deu 
bezügiichoi  Bericht  im  SaptentoAefle),  folgte  Taseb  der  dritte  allgemeine 
literreichitelie  EathelikeBtag,  der  am  8.  ind  9.  Aagint  in  der  vam* 
lidMn  Stadt  seine  Tribüne  anfschlng.  Und  so  gelangten  auf  gleichem  Bodttl 
kurz  hintereinander  die  schärfsten  Gegensätze  im  Knmpfe  nni  die  Scluile  znm 
Aosdrack.  Die  erste  dieser  Vereinigangeii  scharte  si*  h  um  das  Bauner  der 
liberalen  Staat^esetze  aus  den  Jahren  1868  and  18ti9,  die  andere  erhob 
unter  dem  boebMfSseriohtetaii  ZeiidMn  die  KfeiM  die  Ferderangen  der  Kirche 
•dar  riditiger  dee  ültnmoeteiiiMftfle  rar  Bfolitaelioer  ilurar  BertiebnigeD. 

„Lasset  beide  mit  einander  wachsen",  das  ist,  wie  wir  beieiti  in 
letzten  Berichte  liervorlioben,  derzeit  die  Signatur  im  Rsterreichischcn  Schnl- 
]eben.   Ihr  pnt'^prach  denn  auch  volbtiindig'  die  gastfreundliche  Haltung  des 
tJberhanptes  lier  Stadt  JAnz.    Eürg-ermeister  Winihölzel  bej^riiütf  beide  Vei'- 
säiuinluDgeu  mit  gleich  warmen  Sympathien,  selbstverständlich  mit  der  den 
TvktilalMfla  eoUpccehendeB  Qndetion  der  HoeiiMbtiBg.   Dem  Lehrertege 
mgte  er:  «Wir  erkeuea  et  ak  beeondereo  Verrag,  daee  der  dealMli4Mer- 
reicbische  Lebrerbnnd  zu  seiner  diesjährigen  Vollversammlnng  unsere  Stadt 
wählte.    Die  Kunde  hiervon  hat  in  dem  Gemeinderath  von  Linz  lebhaften 
"Wiederhali  gefunden.   Icli  bin  daher  nur  der  Dolmetsch  der  Gesinnungen  des« 
selben,  wenn  ich  iSie  hiermit  auf  das  hocbacbtongSTollste  begrüße  und  Ihnen 
m  Namen  der  aetalftewidUdMii  Laadeahaaptetidt  OberlMerreteha  die  wlnt* 
ilaa  ßyaipathieii  entgegenhiiage.   . . .  Wir  woUea  aber  aaeh.  treu  in  Iham 
batteo.  Die  deatech-fortiebiitüieh  geatantea  Ifftoner  Oberöaterreiclui  werden 
nicht  ermüden  und  ausharren,  bis  wieder  ein  ncner  Tag-  kommen  wird,  der 
neues  Liclit  und  neue  Wärme  awh  uns  bringen  soll.    Durch  215  Jalire  habeu 
wir  oiLäer  Ideal,  die  freie  Volksschule,  zu  erhalten  gesuchti  wir  wollen  auch 
hiuCort  für  dasselbe  kämpfen.  . . .  Wie  auch  die  Verhältnisse  sich  gestalten, 
flu  ilt  gewiae:  Die  Sohale  gehSrt  der  Fomhaag  nad  dem  Ferteehritte,  dem 
Fortiehritie  aber  gehSrt  die  ZohanftP  (Leider  nieht  die  Gegenwart!)  Sefaie 
gleicbfrenndliche  Begrüßung  des  Katholikentages  schloes  Herr  Wimbölsel  mit 
den  Worten:  „Ich  sehe  es  als  besondere  Auszeiehnnnp:  an,  dass  die  Versamm- 
iBDg  mir  Gelegenheit  geboten  hat,  ihr  im  Namen  der  Stadtj^eiiieinde  den  WiU- 
kuaimengruß  zu  entbieten,  was  ich  auch  hiermit  in  aller  Ehrfurcht  thue." 
Ihtftriicb,  da  ja  eine  grote  AniaU  Teil  OardinUen,  BlaehAte,  Äbteo,  Fiiatea, 
Qiaiim  and  eoaitigea  hohen  Herran  an  der  Veraannnlang  tfaeHaalun,  dieaelbe 
4th  aaeh  noth  einer  besonderen  Gaset  erfreute.  „Zum  Schlüsse  der  Versamm- 
Inng-,  sagt  der  Bericht,  spendete  der  päpstliche  Nuntius,  Erzbischof  Galimberti, 
öfn  aus  Ixom  eingelangten  päpstlichen  Segen."  —  Bemerkenswert  ist  auch  der 
li&£tand,  dass  dem  auf  dem  Boden  der  Staatsgesetze  stehenden  Lehrertag 
litin  Begieruugsorgan  beiwohnte,  der  Katholikentag  aber  durch  die  Anwesen- 
aee  Statthalteia  Ten  OberMerreiek  aoegeaeiehnet  wnrde. 
SelbstTerstfiadliah  forderte  der  Katholikentag  auch  diesmal  mit  groeeem 
^'achdruck  die  confessionelle  Schule.    Der  spedell  für  diesen  Zweck 
wirkende  Verein  ist  in  stetigem  Wachsthum  begriffen  nnd  zählt  bereits 
''•HCO  Mitglieder.    Der  Vorsitzende  desselben  sagt,  derzeit  sei  die  Kirche  die 
^^avin  des  confessionslosen  Staates,  der  sie  nur  gebunden  in  die  Schule  hiueiu- 
ka^  Amt  geaettUcbtm  Wege  eine  LOeuig  der  Sekalfrage  im  katholiaehea 


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—   62  — 


Siaue  zu  erwarten,  sei  eiostweilen  ansgescblossen^  daiiei  uiüsäteu  die  Katho- 
Uken  sieh  sa  einem  mfiGbtigen  Bande  vereinigen,  nm  den  CMoei  des  oob* 
fiBBsionsloBen  SchnlBTstems  stfldkwelie  alttatrageo.  Dne  ente  Ziel  sei,  ili  te 

einzelnen  Kronländern  kathoH  li^  Lehnr-Seminnre  zn  enidhten  (was  thell- 
weise  bereits  gesclielien  ist).  Von  einem  anderen  Kedner  wnrde  darüber  ^ 
klagt,  dass  man  (li..>  glilubigen  Katholiken  als  Feiude  der  Wissenschaft  hin- 
stelle, während  doch  zwischen  Glauben  und  „wahrem*^  Wii»äen  kein  Wider- 
spruch bestehe.  „Wir  haben  ein  Anrecht  anf  die  oonfeaeiondle  S^nle  mBä 
veriangen,  dan  mao  dieeee  Becbt  nepeellre.**  Die  Solrale  ed  eine  Pflftiiae, 
die  nicht  im  Qlashanse  des  omnipotenten  Staates,  sondern  „nnr"  nnter  dmm 
blaoea  Himmel  zwischen  der  Familie  und  Kirche  gedeihe.  Biese  Pflanze 
werde  fortwacliscn  und  eher  als  man  glaube  das  gläserne  Staat^^fbäude  be- 
drohen! —  Auch  fftr  die  Katholisinmg  der  üniversitüten  btiöleht  innerhalb 
des  Gesammtbundes  eiu  Special  verein,  und  eine  eigene  katholische  UulveraiLai 
wird  Ton  demedlten  anoli  dann  nodi  fttr  nSthlg  erUlrt,  wemi  alle  Iterelli  1^ 
stehenden  TJnlvenitftten  gans  katholiMli  gewordea  wiren,  da  ja  dodi  die 
staatlichen  Universitäten  nnter  der  Aufsicht  der  Kegierung  stehen.  Ein 
Bedner  bemerkte  hiergreg-en:  „Wir  brauchen  eine  Tnlversität,  die  von  Jeder 
staatlichen  Aufsicht  frei  ist  und  blos  der  Kirchs  untersteht  .  .  .  Jede  Wissen- 
schaft muss  yon  (iott  ausgehen,  und  da3  Gebiet  der  Lehrautorität  der  Kirche 
entreekt  sioli  anf  atte  Gebiete  des  menschlichen  Wissens."  Die  mtehnt  ge- 
plante katholieelie  Üniyenitftt  in  Salsbnig  werde  nielit  ohne  EinfloM  UelbeB 
anf  die  Geisteeriobtnng  der  anderen  Universlt&ten. 

Doch  genug  mit  diesen  Proben;  die  schul-  und  staatsfrenndlichen  Inten- 
tionen des  Katholikentagen  ^mA  ja  läng-st  a1]jr*>mein  bekannt.  Zur  Erheiterung 
sei  nur  noch  ani^efiihrt,  wie  ein  hervorragender  Redner  dieses  Bundes  die 
Weltgeschichte  interpretirt.  Indem  er  nämlich  den  Katholiken  die  Aufgabe 
BteUte  nder  Kirche  jene  Stellang  anrüderoeralMin,  die  sie  etnit  hatte  and  die 
ihr  gAttrC*,  metiYirte  er  dien  mit  der  Behaiptong,  der  Josephiniemu  habe 
die  Kirche  nnterdrttekt  nnd  dadurch  die  Revolution  von  1848  herbeigeflUirt 
und  die  Niederhig-e  von  1800  ^  cT^chuldet ,  wilhrend  doch  allgemein  bekannt 
ist,  dass  gerade  bis  1848  und  dann  wieder  bis  18G6  das  clericale  System  anf 
dem  Höhepunkt  der  Macht  stand.  Wer  hat  also  die  besagte  Revolution  und 
die  besagte  Niederlage  verschuldet?  —  Man  sieht  da,  wie  heUsam  es  sein 
wMe,  alle  Wiisensdhaft,  benoaden  aaeh  die  Weltgeschiehte,  der  „Kirehe* 
annaliefern. 

Wie  stehen  nun  gegenwärtig  in  Österreich  die  Aussichten  der  durch  den 
„Katholik PTitnf^"  reprSsentirten  ttltramontanen  Pavter''  Wir  können  mir  f=agen: 
Höchst  günstig.  Die  Ursache  liegt  darin,  dass  die  Gegenpartei,  niiinlieh  die 
liberale,  oieist  „deutfich-liberale^  Partei  genannt,  vollkommen  darniederliegt. 
Typiseh  in  dieser  Himiebt  hü  Bürgermeister  Wlinhillael  in  Lins,  auf  den  wir 
nnr  ans  diesem  Oronde  neehmals  snrBekkonunen.  Er  hat  mit  seinen  Be- 
grlflnngen  ganz  im  Sinne  seiner  (der  liberalen)  Partei  gehandelt,  und  der 
ganze  (liberale)  Gemeinderath  von  Linz  hat  s<  in  Verhalten  fivT=drückHch  und 
einstimmig  gutgeheißen  und  belobt.  Darum  treffen  auch  nicht  ihn  allein  und 
persönlich  die  Vorwurfe,  welche  ihm  aus  Anlass  seiner  BegriLBungsthätigkeit 
gemacht  worden  sind.  „Herr  W.  hat  gewiss  aueh  seine  lobeoswwleii  Blgen- 
sohaften'*,  sagt  ein  Idnzer  Correspondent,  „allein  er  liebSngelt  mehr,  als  es 


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—   63  — 


sich  mit  s^ner  Stellnug  veririigt,  mit  jenen  B«völkeruug^liiclit«ra,  weiche 
ntar  itm  BfataM  dir  datfcili  FttteiWUn^  stehoif  nt  ton  «Mai 
vir      kOTriM^  SelMMpid,  cb«  umt  Stedtoberhaiipi  belM  dntK^  gl^M" 

Vnndesfeste  sein  deutsches  Herz  entdedii,  beim  Lelirerta^  sich  als  flort- 
fesclirittenster  Sehnlfreond  anssprioht  nni  endlich  anch  dem  Katholikentage 
einige  angeneiiiBe  Wort  za  sagen  weiß."  Düs  ist  richtig',  al^r  es  ist  nicht 
tifie  htm  iodindaelle  Ciiai-ukteristik,  sondern  eben  eiü  ivpischa»  ßil«i,  welches 
M  iB  jeto  8tait  nd  jedem  Dorf»  «ieioliolt,  wo  et  «iiieo  ^liberalcB  Qe- 
Mlidval^*  gÜit.  Di»  gtamb  FlMtei  ist  tob  Stufe  zn  Stufe  niedergegangea 
ind  eineni  grandsatzlosen  Opportanismns  anheimgefollen.  _ Unsere  Lamltags- 
ffii!i'~>ritüt-.  bemerkt  der  erwähnte  Correspondent,  »ist  zaiun  geworden  bis  mr 
b^ibstverläuguaag  aod  veruieidet  einea  Zasammenstofl  mit  den  dericalea 
Gegnero ,  wo  es  nur  immer  geht,  obschon  die  letzteren,  seit  sie  zur  ID^orität 
gelangt«,  im  Laute  liemtfceB,  alt  ob  sie  p»  äDebi  d«  wlrn.  BfA  te 
Wahlen  in  den  Landgemein<3^n  haben  die  Liberalen  mhm  iSng^st  die  Segel 
gestrichen,  unl  selbst  in  den  Sf;l<iten  und  Tndastrieöi'ten  jrinar  ein  Mandat  nach 
dem  andereo  Vf-rloren.  Die  Hauptstadt  aber,  statt  dem  Lande  eia  leachteudes 
Vorbüd  politischer  Thatkraft  aa  seia,  ist  anf  dem  besten  W^e,  den  übrigen 
Bezirken  in  politiadior  Yersompfong  yorauzugeliea.'' 

AUlieh  Mm  BiM»  Mch  aailerwiflCs,  aedm  Mllwfe  die  WIoMr 
rHescFniePlresse''.  das  Haupt organ  der  .dentsch-liberalBB  Partei'^,  ärgerlich 
Tnrd  tind  h^i  Gelegenheit  des  Katholikcntaires  ihren  Zorn  ansschüttet.  Nach- 
d-m  >ie  denselben  antreffend  charakteri^iit  hat,  äußert  sie  u.  a.:  -Uro  so  ?"^lt- 
iR&mermnss  es  anmathen,  dass  diese  Yersammlang,  welche  eine  Partei rersamm- 
}aag  im  TenvegönstMi  SfauM  det  Worlei  M,  bei  ihver  EriMbang  siebt  blas  den 
flfallkhn  SegeB,  aoBdeni  aaeh  die  freBBiiüehfle  Begrtianf  leiteBa  dea 
Bt&I^erme^^ters  von  Lina  eaipfing.  Die  TbeHaebMer  an  d^  Katholikentafe 
selbst  dürften  nicht  wenig  erstaunt  rewesen  sein,  diesen  liberalen  Bürg-er- 
meister  in  iiirer  Mitte  zti  erbliekeü  Uüd  n «mittel bar  nach  e\nf">-  Rede,  welche 
alle  Übel  der  Welt  dem  liberalen  Zeitgeiste  ao^diricb,  von  lum  zu  höreo,  dass 

Sndi  den  EadMUkeDtag  auf  das  fireBodUcbate  begrüBe.  Vfi»  ist  ea  la 
die  peÜtiadia  IMbeflaflUglnil  dieaer  Liberalen  bestellt,  welche  den  Todfe  nden 
des  Liberalismus  Ovationen  bereitMi?  Niemals  würde  eine  clericale  Gemöinde- 
vertretungr  sieh  dazn  herbeilassen,  eine  liberale  politische  Versammlnng^  zn  be- 
grd^kü.  Dass  im  \"erlaufe  der  letzten  Jahre  die  cleriealc  I'artei  in  Ober- 
österrelch  so  reil^ende  Fortaciiritte  gemacht  liat,  wai  mau  bisher  geneigt,  der 
Uagaiat  einer  fjeiadUeheB  Begiennv  aaaaadneibeB.  Wcbb  bwb  aber  in  der 
l4Uide^ifl«ptatadt  wiedeiliolt  aoleben  Bewoaes  tob  Inditfierenz,  von  Wfiido* 
und  Gedankenlos! ?:keit  begegnet,  so  wird  man  allgreraach  zugeben  mil5?ien.  dass 
di*»  meiste  Sehuld  an  ihrem  Niederg'ange  die  Liberalen  in  OherHsteneich  selbst 
trag^en.  Denn  jede  ehrlich  yerfochteue  Überzeugung  übt  auf  das  Volk  größere 
Anziehung&kraft  ans,  als  die  überzengungslosigkeit,  der  zn  jedm  Compromi« 
bereHe  polltiNhe  NflilUanraa.  Ea  giibt  lieinen  gelUurlieberai  Feind  der  dentaeb' 
liberaleB  FnrCei,  als  diesen  abstoßenden  Indifferenttsnms,  der  bereits  in  daa 
Gebiet  der  morali.»>chen  Krankheiten  trehl'.rt  —  ein  krankhafter  Znstand,  dessen 
Symptome  bekanntlich  anch  in  Niederüsterreich  sich  schon  mehrfach  gezeigt 
haben.  Keine  feindiiciie  Kegierong,  keine  noch  so  geschickt  und  eifrig  be- 
triebene Ag^itation  ist  im  Stande,  der  groaten  dentaeh-liberalen  Partei  aaleh» 


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—   64  — 


SGbftd«i  BoMgeB,  alfl  üeie  SfiMhe  im  Inn«».'' —  Sehr  wahr,  mw  mm, 
beigefügt  werdcBf  dtm  „diese  Sendie  tan  Imieni^,  dicte  ÜbenwwgimgBlMlgiMtt 
dieser  Vemtb  an  der  eigenen  !^ache  solum  Unger  all  «in  Jahnehnt  daaerl^ 
uid  nidit  in  Lini|  aondetn  in  Wien  begonnen  liat  IL 


Ans  der  Schweis.  Die  Lehrerbildnngsfrage  gebSrt  immer  noch 
—  wenigstens  in  Dentschland,  Östeimch,  der  Schweiz  —  zu  den  „Zeitp  nnd 

Streitfragen".  In  nnserm  Lande  ist  sie  sowol  von  Behörden,  als  in  pädagogi> 
sehen  und  politischen  Blättern  lebhaft  erfirtert  worden,  nnd  das  im  Frühjahr 
1802  erschienene  „Jahrbnch  ilcs  Unterricht w.  seus  in  der  Schweiz"  (für  1890) 
bringt  aus  der  Feder  seines  sachlcundigen  Herausgebers  {C,  Grob)  einen  gränd* 
liehen,  kritischen,  hoffentlich  anch  aaehlieh  wiiksanen  Beridit  Iber  „die  Lehre^ 
bUdnngianatalten  in  der  Sehweln*.  Ans  der  FüUe  des  hier  Gebotenen  wSUea 
wir  ans,  was  weiteren  Kreisen  na  wissen  Ton  Wert  ist,  nnd  lOgeD  einiges  er- 
gftnsend  lanzTi. 

Zunächst  die  iiußeren  VorhÜltnisse.  —  T)ie  von   den  Lelirerbildungs- 
anstalten  benutzten  Eäuuilichkeileu  b^tiudeu  sich  iu  eheuialigen  Klüsteru,  oder 
in  noch  bestehenden  Klöstein  (3),  oder  in  alten  Herrensitzen,  oder  in  Schal- 
h&nsem,  welche  gewöhnlich  noch  anderen  Unteniehtsiwecken  dienen.  Das 
Geb&ade  des  PriTatseminars  zu  UnterstraB  bei  Zflrioh  war  frttlier  ein  Gast- 
haus.   Drei  Seminare  des   Cantons  Bern,  sowie  diejenigen  der  Cantone 
Schwyz,  FreiVnrg^,  f^t.  Gallen,  Aargau,  Thurgran  besitzen  größere  Ulndereien 
zur  Betreibune^  einer  Uutswirtschaft,  bezw.  einen  umfangreichen  Garten  fiu- 
Gemüsebau  uud  für  freie  Bewegung.    Im  ganzen  bestehen  gegenwärtig  in 
der  Schweis  87  Lehrerbildongsstätten*),  von  denen  22  der  dentaehen,  13 
der  franmWschen,  2  der  italienlsdmi  Sehweis  angehSren.   28  dienen  dem 
männlichen,  13  dem  weiblichen**)  Geschlechte,  1  beiden  schon  seit  1873, 
nämlich  das  Stiiutsseniinar  des  Cantons  Zürich  in  Küsnaeli.    Von  jenen  26  Bil- 
dungsanstalten für  Lelirer  sind  R  —  Neuenbürg,  (ienf,  Chur,  '^rhins  iGraab.X 
Zug,  Solülhuru  —  uusclbststäudig,  derart,  da&s  die  künftigen  \  ulks^btiiiullehrer 
ihre  „wissenschaftliche*'  Ausbildung  gemeinsam  mit  den  jungen  Leuten  er* 
halten,  welche  sich  ffir  den  Slntritt  in  eine  Hochschnle  oder  eine  höhere  tedh- 
nische  Schale  vorbereiten  oder  eine  IQttelschnlbildung  fürs  praktische  Leben 
suchen.  Dazu  kommt  einr  n  nc,  eigenartige  Einrichtung  in  Basel,  aacU  den 
Grundsatze:  Trennung-  der  „allirf^nipin- wissenschaftlichen"  von  der  „speciell- 
beruflichen"  Bildung,  und  zwar  sollen  die  Lehrer  der  allgemeinen  Volksschule 
„eine  den  übrigen  höheren  Berufsai'ten  ebenbürtige  wissenschaftliche  Vor- 
bildnng  haben^.   „Wir  Tcrlangen  fOr  den  Frimarlehrer  —  sagt  der  Com- 
misslonsbericht  —  so  gnt  wie  tür  die  Lehrer  an  höheren  Schnlen  die  Absolvi* 
mng  der  oberen  ^littelschule  (der  Beaisdinle  oder  des  Gymnasiums)  und  die 
Erlang-nng-  eines  Keifezeug-nisses  von  einer  dieser  Aiist;ilten."    Die  berufliche 
(pädagogische^  Ausbildung  wii*d  einem  Seminare  zugewiesen,  dns  n-ben  der 
Universität  hergeht  und  drei  Semester  oml'asst.  (Um  der  praküsuheu  Übm^ 

*)  Keine  in  den  ranton*  n  T'ri,  Obwalden,  Kidwslden,  Glan»,  Baadknd,  Schaff- 
hausen, Appeusell-A  Eh.  und  l.Eh. 

**)  Dsmnter  das  Sendnar  Mr  Eindeigftrtnerinnen  (.teole  n«rmale  AreebeUsaae'? 
in  Neeenbnig. 


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—   66  — 


JriSÜM  tuA  mm  m  villimdkh,  die  eigenttMie  LebraWUiug  gans  4er  Hodh 
idiHle  m  iberwaieeii.)  Unterm  5.  Xid  189S  Jik  der  Begtoiuigugelii  „nr  Bis* 

ricbtang  von  1^/,  bis  2Jähiigen  FachcnrBen  zur  Ausbildong  von  Primarlehrern 
ennäclitigrt"  worden  —  man  wird  die  Folgen  abzuwarten  hab<'n.  Wir  sintl 
hier  nur  noch  die  Gruppiiuii^^  ii  )  :>7  (38)  Anstalten  nach  den  itiujiiieui  oder 
Ei^^eüthäineru  BcLuldig:  es  euLlaiien  ao/  den  Staat  2b  (2ö),  die  Gemeindeu  4, 
Piifate  (Vereine)  8. 

Die  Sehüler/ahl  belief  sich  1890  enf  200d  (1294  m.,  706  w.),  mtev^ 
richtet  von  288  Lehrern,  70  Lehrerinnen,  deren  Besoldung  im  ganzen  noch 
ziemlich  niedrig  steht  (z.  B.  in  Zürich  und  St.  Gallen  *iO(K  U-n()«M>  Fr.  Wnadt 
3000—4000  Fr.,  Thnrgaa  2401)— 3800  Fr.  nebst  Alters-  und  l'ersonaizuJagen, 
Bern  2000 — 3000  Fr.).  Der  Gesammtaufwaud  für  die  LehrerbUdong  betrug 
1800  Tand  1119000  Fr.*),  eodaae  avf  den  SehUer  dunMuiittlieh  660  F^. 
Mitfielen.  Grrobrechnet  nnsbeispielsweise  auch  vor,  wievfti  elnilrfetl&ischerLehr- 
amtscandidat  während  seiner  vierjlllirig'en  Seininarzeit  anszng^eben  habe:  «Da 
das  in  den  Privathausern  von  Kösnach  zu  entrichtend»-  Kostgeld  12 — lö  Fr. 
per  Woche  (40  Öchulwochen)  beträgt,  verursacht  der  tägliche  Unterhalt  eines 
Zöglings  eine  Jahresansgsbe  von  500 — 600  Fr.  Hierzu  kommt  für  Kleider, 
Bleh«  tnd  ünterridrtnBiiterial  noeii  eis  Betng  ra  jihilidi  ea.  200—300 Fr.**)^ 
Mdass  die  AnsbÜdiUf  einM  zürcberitclien  Volksschnlleiiiett  auf 800  Fr.***)  per 
Tahr.  d.  h.  im  zrxny.fn  nnf  mindestens  30<H>  Pr.***)  zu  stehen  kommt,  woran 
der  Staat  für  <Uv  Duritigsten  im  Maximum  1800  (  2  X  400  -f  2  X  öOOj  Fr. 
^ipendienf)  gewährt. —  Die  ökonomisoben  Vortbeüe  eines  ^Onvicts"  ge- 
■isden  snr  ZeK  die  Seiilller  in  17  Lehrer-  and  7  l«elirerinnenBeiBinaiien.tt) 
,Ib  «iBBebMn  OoitfieleB  —  beriditet  nnser  OewifaiHaan  —  werden  die  Ag' 
linge  auch  n  genefnaanien  Beinigviigeerfaeiten  CKehren  der  Zünnier,  Treppen 
and  Gäng^  n.  f>.  w  Decken  nnd  Abtragen  des  Ti?  !ji  s,  I^esorgTing  der  Lampen. 
Heizen)  herbeigezogen  oder  beina  Zurüsten  der  Maiilxeiten,  beim  H'dzspalten 
aud  ähnlich  verwendet  (^z.  B.  im  bemischen  Hutwüj.  Hier  liegt  also  ein  Thcil  der 
MeaalteteBgeadilfte  den  Zöglingen  ob,  am  die  JahreMiogabon  aa  ermldigeB." 
Bat  OegensMok  sa  der  bekaantemaden  all  „UMarlieli''  Taredittaien  «Zaelit 
und  Abschließung"  der  Internate  bilden  die  frden  Vereine  d«r  Lehramte- 
Z'^glinge:  -.Wo  d^n  Seniinnnsrpti  etv/ns-  freiere  Bewegnnp  erstattet  ist.  tTihVn 
sie.  wie  andere  junge  Lf  uri  das  iiedurlias  (!).  sich  zu  e-Pi^euseitiger  Förderung 
ZQ  Vereinen  zuöammenzuüiun. Grob  notirt  0  Turn-,  7  bteuograpben-,  4  Ge- 
iMif',  3  Vereine  «Ar  aUgmnelne  Zwecke*  —  and  bemerkt  dann  Im  all- 
geaiefaiea:  «Ee  ist  auch  gut,  wenn  ate  in  dieaen  Dingen  schon  etwelche  Er- 
fahrung machen.  Den  Vereinen  kOnnen  sie  sich  als  Volksschullehrer  ohnehin 
nicht  Tollig  entziehen.  Die  jnngen  Lehrer,  welche  von  allen  Seiten  in  An- 
spruch genommen  werden,  um  dem  Gesang,  dem  Turnen,  gemeinnützigen  Be- 
strebungen, welche  in  der  Gemeinde  brach  liegen,  aufzuhelfen,  laufen  oft  Ge- 


*)  Davon  etw:i  die  Üiilfte  fOr  LebrcrbeBOldungeo.' 
♦♦)  Ist  offenbar  viel  zu  hodi  gegriffen. 

*••)  Ein  Hcscheidtin  r  ilm.^ch  reicht  sicher  inil  BöO  Fr.,  nho  in  vier  ,l;ihreu  uiit 
MüO  Fr. 

■f)  Zürich  und  W.i;u!T  zahlen  die  höchsten  StipendieBj  die  Beitiiige  aller  Saik 
U>fie  tuaehleo  l8iK>  rund  iäOOUl  Fr.  üub. 

tt)  üatar  dieeea  84  find  aUe  8  Privatnrtdlegi. 

fta^goflni.  1».  Jukiv.  Hfft  I.  ^ 


I 


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^  m  - 


fiiln  .  d»?s  Gilten  zu  viel  zn  than  und  sich  selber  iniiiMii  od  loleren  Sciutdaa 
7nznffig<Mi  Wenn  sie  aber  schon  die  ersten  Frenden  nni  Leiden  eines  Vereins- 
mit^liedes  oder  gar  eines  Vereinsvorstandeniitt^Iiedes  gekostet  haben,  nelimea 
sie  sich  etwas  mehr  vor  den  Auswüchsen  des  geseLLschatdichen  Lebens  in  Acht" 
HKgUeii  (diMt  udetit  ToclwUeDe  gunstige  Wlrknug),  aber  belaochM.  Audi 
die  glliiniidglaBeelitfertiKimv  derSaehe  wfll  fta  vmmWäSL  mnlf  bedMitMu 
Hier  spricht  das  entscheidende  Urtheil  einfach  nnd  nächtem  die  Tliatttelie: 
der  Seniinarist  hat  keine  Zeit  für  „Vereinsthätigkeit"  .'^) 

Mit  unserer  letzten  Bemerkung  haben  wir  schon  die  inuern  Anjerelegett- 
heiten  der  Lehramtaschuien  berührt,  auf  die  wir  nun  tiefer  eingehen  wuUea.  — 
launer  mAt  wird  Jetit  vwtengt  —  «mit  dnrt,  wo  das  Q«teta  ea  nieht  vor- 
iehreibt  daaa  der  AntanaluMade  elaa  SecandaTsohiile  besacht  habe.  Sr 
hat  dann  gewöhnlich  ein  Alter  von  15  Jahren  erreiditi  ind  fär  die  11  An- 
stalten**! mit  viprjithri^em  Unterricht  dürfte  das  zur  Noth  ^enüg-en,  besonders 
wenn  man  au  tler  alten  Hegel  iesthalten  will,  nach  \M'!cliec  der  jimge  Mann 
mit  20  Jahren  zu  amteu  beginnen  soll.  Nun  zählen  aber  die  meisten  Semina* 
tkm  weniger  als  vier  JalufMBiw:  3V«,  3,  sogar  hioe  2  (haupteieiilieh  in  den 
Cantonen  Tessin  nnd  WaUii),  und  nur  etiiehe  nehmen  ihre  Schuler  erst  mit 
16  Jahren  auf!  So  mnss  man  dem  Verfasser  des  Jahrbaches  nachdrucklich 
beipflicliten,  wenn  er  sagt:  „Der  Maßstab,  den  man  an  die  Bildung  eines 
Voikfischullehrers  legt,  scheint  nicht  minder  verschieden  zu  sein,  als  die 
Wertang  der  Kenntnisse  und  Fertigkeiten,  welche  die  allgemeine  Volksschule 
den  in  das  praktlaohe  Leben  eintnlendtn  Kindern  mitgibt,  oder  ab  die  Weit» 
aeUttning  des  Volksschullehrers  überhaupt."  —  An  obUpitortschen  ünterrichta- 
stunden  zählt  die  Woche  durclischnittlich  38.  „Nehmen  wir  aber  hinzu,  dass 
an  19  Seminarien  auch  facultativer  Unterricht  besteht,  und  dass  au  sümmt- 
lichea  dieser  Schulen  der  Unterricht  von  einer  größeren  Anzahl  vua  ach- 
khiem  erteilt  wird,  welche  die  Privatarbeiten  der  Schfiler  nicht  immer  aif 
ein  weieea  Haft  IwMlinnlnn,  ao  weiden  wir  geatehen  mSaaen,  dnM  die  ZaU 
der  den  künftigen  Mitgliedern  dee  Volksschnllehrerstandes  zugemutheten 
wöchentlichen  Arbeitsstunden  eine  ungewöhnlich  große,  ja  im  allgemeinen  Hw 
überniäQig-e  ist,  und  dass  bei  Keviaion  der  Lehrplftne  auch  hier  auf  Abrüstung 
gedrungen  werden  muss.'^ 

Nm  dar  Untenkht  aelhat;  lanSchit  die  aof  .  Flcliir  der  allgemeinea  Bü- 
dang.  J)er  fi^noluntsnkht  ateht  mit  5 — 10  wSchentUohcn  Standen  an  almmt- 
liehen  Seminarien  im  Vordergrund.  Die  Muttersprache  wird  in  der  welschen 
Schweiz  besser  gepflegt  als  in  der  deutschen,  wo  die  naturwissenschaftlichen 
und  nuithematisclien  Fächer  ihr  gleichgehalten,  ja  theilweise  vorgezogen  wer- 
den Dagegen  betreibt  man  an  den  deutbch-schweizerischen  Seminarien 
ikemde  Sprachen  im  allgemeinen  eifriger  ala  an  den  Irancfliiaohen.  AUe  mit 
AuniiUime  dee  Lehrerseaünars  in  Hauterive  (Freibarg)  und  der  Lehrerinnen* 
seminarien  in  Lausanne,  Sitten  und  Brieg  (Wallis)  lehren  (obligatorisch)  eine 
aweite  Sprache,  nnd  awar  die  deotachen  nnd  itnlienlBchen  die  toiniiflaiache, 

*)  Daai  daa.  »Bedftrhia"  danach  ein  natttdldua  sei,  wird  man  wbwailuli  be> 
weisen  können. 

**)  Jvüsnach,  üntcrsLraß  (Zürich),  Pruntrut  (Bern),  Hitzkirch  (Luzeru),  ßicken- 
bach  (Schwyz),  Solothurn,  Chur,  Wettingen  (Aargau),  Lausanne,  Qeaf  —  ■»«"»W**' 
flli  das  mtoniifth^  Qesohledit;  flbetdie»:  Leluerinaeaseminar  Zftridw 


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—  67  — 


die  französischen  die  deutsche  Sprache.*)  Dem  so  wichtigen  erdkandiicUeu 
Dntemcht  sind  —  wie  leider  anderwftrte  audi  —  nur  2  Stunden  gewidmet, 
flifer  mehtota  iit  dM  MUmaMt  wMm  imt  MMmnlOt  »a  der  Hator 
Wissenschaft  sagctiMÜt  wird;  in  Kttsnach  (Zttrich)  ist  6i  Mw  (hHMu  gnB\ 
in  den  Lehrerinnenaemin&rien  des  Cantons  Wallis  scheint  man  natorwisaen- 
schaftlichen  Unterricht  ftberbaiipt  nicht  7,n  treiben.  Bw^hnunei»-  nnd  Baeli- 
ffjhmng-  eilt  an  9  Anstalten  uls  sflbstständiges  Lehrfacli,  (Icst^lfirlien  ITy^ieine 
an  4,  üurgeruntemuht  ^V  erlasäuiigs,  Gesetzes*,  VolkawirtsdiattjsiLuiide^  au  dun 
8«lMn(iHiteW«lichw«lB.  Mtt  LMdwirtaehaAMr«  wia  nOtlandwiiMMift' 
Mn  AiiMitflB  Tinflnann  «kh  11  Snalnntai.  HaadartMÜnatofiiobt 
ÜB  Sehaler  Ton  HolMl|  PrantrH,  Minlitalden  (Canton  B«n)y  LoakTwt 
nnne,  Neuenbürg,  Genf,  nnd  swmt  OMllt  U  te  obmi  GbMMI  HllttMi 
2 — 4  Stunden  der  Woche.**) 

„Die  bemfliche  Ausrüstong  der  küuttigen  Volksschullebrer  • —  artheilt 
QtA  —  lumunt  ans  verachiedeom  Grttndan  ui  «Un  meosten  Lettrarsminarien 
üeKMdflr  wflanlibtraiOaltOBr.  BianftL  if(  die  BUd««iMii  flberiiMpi  n 
tarn,  um  den  Schülern  neben  einer  gewissen  Sicherheit  in  der  B(>herr8chang 
des  allgemeinen  Unterrichtsstoffes  auch  noch  einlAssliche  Einftthmng  in  die 
Praxis  bieten  r.n  können.  Im  weitern  stehon  ä'ip  Schnlranflitaten  wHlirend  der 
Seminarzfit  iidcIi  in  riiif  iu  üu  jüg-pndlicheu  Alter,  diwb  sie  die  gebuieiie  Psycho- 
logie und  MethodiiL  uicht  gehörig  zu  erfassen  and  zu  verarbeiten  vermögen, 
tat  «Kk  dfo  MirifKit  ift  mk  flr  tMk  lelbit  m  i<imto»tg,  da»  dt  aneh 
leii  LakMMdMi  ffHf*  tnur  dto  gvcIgMten  Vcvtratir  ted«l;  Bndlldi 
dad  dfe  vorhandenen  BfanMitanigVD  sor  praktischen  Anleitnng  noch  vielerorts 
lehr  mangelhaft  und  können  schon  ans  diesem  Grunde  nicht  den  gehofften  Er- 
folg haben."  Gewöhnlich  werden  „Pädagogik*^  nnd  „Methodik'*  von  ver* 
idiiedenen  Ijehrem  yertreten.  Eine  Ansnahme  macht  das  Küricherisclm  Staats« 
miMT  m  Kftsiiacbi  wo  vtr  kmMoi  inf  die  Dnrtefatiiiflr  mrttckgegangen 
mdi,  wdalie  nnprtliiglieli,  d.  Ii.  v<nr  00  Jahren***)  beataiid:  j«m  heidea  Lelir- 
gtbiete  wurden  in  cJse  Hand  gelegt,  in  die  Hand  dm  frflham  «Lehrers  der 
Methodik",  der  zuvor  einfacher  Yolkssclmllehrer  gewesen.  Da  diesem  auch  die 
Leitang  der  Übungsschnlr  obliegt,  ist  ihm  ein  tüchtis'^'i'  jnnfrrr  T  oht  pr  ah  Go- 
lifilfe  beigegeben.  Bei  der  EinfHhrnng  der  Seniitiariäiea  in  die  pi aktisrlie 
Sdiularbeit  folgt  man  hierzulande  im  ailgeanciueu  denselben  bekauuLcu  üruud- 
wie  aaderwirti. 


•)  „Eine  an^nrxhmswoifc  Stellung  in  Beziehung  auf  den  Premdsprachenunter- 
tuiht  nimmt  die  pädagogische  Abtheilung  fär  Lehrer  am  Collie  zu  Genf  ein.  Im 
Ukltei  dieser  Anstut  eiadieint  du  Deutsche  durch  die  vier  Jahraeenne  hindurch 
«lit  mehr  wöchentlichen  Unterrichtsstunden  (5)  als  das  Französische  (4).  Dies  hat 
*^  adae  Ursache  nicht  blos  darin,  dasa  durch  das  neue  Unternohtsgesetc  diesea 
HitiM  (tob  tflB6)  der  deutidwn  Sprache  auch  in  der  "MnumM»  ose  Stellung 
ttwwiesen  wurde,  sondern  man  will  ohnr  Zw  -itVl  r  mifijylichen ,  dasH  die  jungen 
lasier  im  NothÜidl  außerhalb  der  engen  Grenzen  des  Heimateantons,  in  anderen 
Cantonee  md  im  Anaiaade,  geeignete  Verwei^i^  im  (StatUidmi  oder  iiriyaten 
«knWienöt  finden  könr.rn  " 

**)  Solche  Cuise  ezhait»  merkwürdigerweise  einen  Kottenbeitrag  vom  Sohweo^ 
Wtement  tb  Indvitrie  i»d  Leadwiitadnft,  wekte  lie  in  der  Xjiite  der  ven 
i^anterstHtateaniederviOeweTbe-  (,gewerbLralMldnngf-*')«id  Handwerker* 
Mblea  fühlt 

Dm  SeniiMr  Kttneeh  wvrde  1888  eiCibet. 

6* 


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—    68  — 

B«slKlitli      AftgBBgi  Ton  der  Benfttchilft  ^adheiBt  mIm  aUgeniciB 

die  Ansicht  /.u  herrschen,  daM  die  kflnftigen  VolkaMhvU^rer  nicht  in  den 

praktischtMi  Schuldienst  eintrf*ten  sollten,  ehe  sie  das  zwanzigste*")  Alterajahr 
zurückgelegt  haben. Die  Fähigkeitsprütuug  zeigt  sich  in  sehr  verschiedenen 
Gestalten.  In  fi.ücksicht  aaf  die  große  Zahl  und  den  üuifaag  der  Fächer 
habva  mehrere  Oa&toiie  die  Frftftmg  getäeilt:  entwedw  so,  dass  schon  nach 
AUKttt  dm  TOfletiCen  UsteniolimelifM  mm  einer  Annhl  Fieher  die  Bifiri)- 
ttisse  feetgestelU  werden  (Zfirich,  Bern)  —  oder  so,  dass  im  beim  Aastritt 
ans  dem  Seminar  die  theoretische  Prüfunj^  abnimmt,  die  praktische  aber  auf 
♦•in»'!!  späten)  Zeitpunkt  verlefjt  (Luzern,  St.  Gallenj  —  oder  endlich  so,  dass 
zwar  der  gesummte  BUdungsausweiä  auf  einmal  zu  liefern  ist,  das  „Lehrer- 
patont^  dagegen  eot  aach  Bestätigung  im  BtifeatUchen  Schnldieost  ansgoBtelli 
wird  (Frcibnrsr,  Geaf)**). 

Herr  Grob  schließt  seinen  stofflich  äußerst  wertvollen  Bericht***)  mit  fol- 
genden Worten:  „Pas  Studium  der  VerhUltfn'<?f>  au  den  Lelirerbildungsanstalten 
in  der  Scliweiz  bietet  irnTseits  die  Beruhigung,  dass  überall  mit  Fleiß  und 
£jD8t  an  der  UeranbUduug  der  kÜDfU|^n  Volkssckuliehrer  gearbeitet  wird, 
mid  dsia  ma&  aUerwirti  bt«Mt  iat,  die  LduaatMaadldateA  in  einer  w> 
bUltniftmftRig  teien  üntenichlneit  mit  einem  ihrem  ^ftteran  Bendb  ent> 
^rechenden  (?)  Maß  allgemeiner  Bildung  und  bemflidieB  Witaens  and  KBnnena 
aoszuriisten.  Aber  ein  ZasammenhanK,  wi>  er  bei  einem  nach  außen  als  ge* 
schloasenes  Gau^e  dastehenden  Volke  vorausgesetzt  wird,  ist  nicht  nachzuweisen. 
Es  iiit  keine  aosgleacheode  Uand,  keine  Fürderuog  dei-  ScUwaciien  und  Zurück- 
Ucibanden  durch  die  Starken  und  VenuneUeaden,  niefat  einmal  ein  MwflUgea 
gerndnaamea  Berathen  dieser  Anstalten  nntereinniider  vorhanden.  Dfe  Lelurer 
an  den  scliweizerischen  Gymnasien  kommen  wenipi^tens  jährlich  einmal  zn- 
sammen,  um  ihre  Schulstufe  bescklageude  Fragon  zu  besprechen;  die  scliweize- 
risclien  Itehrerseminarien  dagegen  stehen  nicht  nur  in  üirem  eigenen  Gantou 


•)  Thiitsächli<  h  aber  kumaieu  sehr  viele,  wol  die  meisten  mit  19  Jahren 
iiu  Amt. 

*♦)  In  diesen  beiden  Tantonen  werden  die  jungen  l'uuditaten  tüchti/^eu  Lehrern 
übiirgebrn,  unter  deren  Aufsicht  und  Leitung  sie  sich,  im  Unterricht  üben.  Für 
den  FrcÜMirirrr  dauert  das  ein  Jahr,  für  den  Genfer  unbestimmte  Zeit.  Letstem 
erhält  als  „stagiairc"  keine  Besoldung,  oder  in  gewissen  Fällen  nnr  eine  crerincre 
Entschädigung.  —  Aus  dem  Cantou  Wjillis  wird  berichtet:  „Wird  über  den  an- 
gestellten Candidaten  nach  Ablauf  seines  fUr  ein  Jahr  gältigen  Patentes  (d.  h.  zu- 
gleich nach  Ablauf  eines  in  praktischer  Übung  verbrachten  Jahres)  von  Seiten  des 
Schulinspectors  der  betreffenden  Gemeinde  ein  zufricdcustellendiT  iierieht  an  Aan 
Departement  des  Unterrichts  abgegeben,  so  wird  er  auf  weitere  vier  Jahre  ermä(  b- 
tigt,  Schule  zu  halten.  Nach  dieser  Frist  ist  er  verpflichtet,  nochmals  an  der 
Lehrerbildungsanstalt  in  Sitten  eine  Prüfung  behufs  definitiver  Anstellung  abzulegen. 
Dieser  Autfonlerung  kommen  die  meisten  dadurch  nach,  dass  sie  im  fünften  Jahre 
uaich  dem  Austritt  aus  der  Anstalt  wieder  auf  die  Dauer  von  zwei  Monaten  dahin 
zurückkehren  und  einen  Wiederholungscurs  durchmachen,  um  die  vorwiegend  prak- 
tische Prüfung  bestehen  /u  können.^ 

♦**)  Die  Gesichtspunkte  desselben  thoilcn  wir  hier  in  seiner  Reihenfolge  mit,  um 
zu  zeigen,  inwieweit  unsere  Bearbeitung  eine  ^e  ist:  Einleitung  (Geschichtliches) 
-  Organisation  (Allgemeines;  Eintrittsalter;  Vorbildung;  Zahl,  Beginn  und  Dauer 
der  CurM|  Unterricht)  —  Convict  —  XjehierpoDsooal  —  Schüler  —  Fähigkeitsprü- 
*  fangen  "  Finanzielle  Verhiltnisse  (GebAnlbdmeiten  und  GmndbesitBi  Einnahmeai 
Ausgaben)  —  SeUussweit  —  7  TabeDan  ^  Yenetahaiai  der  indi^aelien  Lehnuttel. 


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69  — 


soztieagen  olmr  Zusammenhang  mit  den  übrigen  höberi^  Bildmifrsanst.iiten, 
sDndern  es^  nimmt  auch  jedes  Seminar  g^egenuber  den  andern  Seminarien  eine 
Miii»  Stellung  ein.  —  £b  wire  unpraktisch,  im  gegenwartigen  Augenblicke 
m  NstüMraBilgkelt  «Imt  Bbiniiwdmng  im  Bnddf  in  dte  Hcnnbadiiir 
teVoIkaadnUBlirer  zu  rtkn,  4hml  IMaraig  dar  Mtlonaka  Einheit  auf 
diesem  Wege  am  wirksamsten  geschehen  liönnte;  aber  es  erscheint  als  Pflicht, 
wenigstens  auf  di*»  Wnn«chbarkeit  eines  ilußeren  nnd  inneren  Verkehrs  der 
schweizertFclien  Lt  hivi  hiidnngsanstalten  hiiizuwaisen  und  die  Hoffnung  aus- 
zo&preclien,  dass  diejeuigen  Voi-stände,  welche  von  Seminarien  im  Osten  nach 
SeniBnieB  im  Wiarten  wmideni  «der  au  d«iii  Westen  in  den  Oeten  kommeii 
tad  irieder  doithtn  smilckkelireii,  ftleb  immer  auch  ab  Mger  eines  nationalen 
Gedankens  f&hlen  nnd  keine  Gelegenheit  vers&Dmen,  nm  alte  Berührungeh  zu 
erhalten  nnd  neue  Fäden  gemeinsamen  Fiililens  und  Schaffens  zu  knüpfen  " 

Soweit  der  Secretär  der  zörcherisf^lien  Erzieh ungsdirer.tjn!i .  i^rr  künftige 
Leiter  des  stadtisclien  Schulwesens  in  Nea- Zürich.  Eine  wülkomraene'  Er- 
gfUunmg  seiner  Darstellung;  welche  sich  ja  feiet  «usschUeMch  die  thatsädi- 
Uchen  VeffhKltniwe  nun  Oegemrtand  genommen,  kSnnte  man'Von  dei^  im  An- 
gast  d.  J.  erschienenen  Arbeit  ^InesBenierSeenndarlehret^*)  entarten.  AUetti 
es  i?t  keine  bedeutende,  kaum  eine  lesenswerte  Schrift.  Dass  sie  der  Haupt- 
sache nach  aus  Citaten  zusamraen^rp^'  t/t  ist,  wollen  wir  ihr  nicht  zUm  Vor- 
wurfe machen.  Aber  dass  lliillener.  der  aasdrücklich  aucli  „eine  instructive 
Ori^tirung  der  Schul fieunde  in  der  pädagogischen  Fachliteratur,  soweit  sie 
■Bf  dia  Lelinriiildung  Bezug  hat"^,  benrackt»  die  neneafeen  VerMfentUebnngen 
?on  Gantiier,  Beets,  nameotUdi  Ton  SaUwflrk,  aacii  RIesoiann'e  thmnriciit  (in 
der  P)ld.  Zeitung  von  1891)  nicht  kennt,  ist  ein  schwerer  iCangel.  Selbst  nicht 
alle  einheimi^rhon  BeitrSge  zur  Losung  der  Lehrnrlühlungsfrage  ?  lirint  er 
beachtet  zu  ii al  *  ti  ['ii  I  mit  den  Leistungen  der  Fachpresse  sicli  vertraut  zu 
»aehen  —  was  doch  von  jedem  Schriftsteller  unbedingt  zu  fordern  ist  —  hat 
er  ebenfalls  unterlassen.  So  zieht  deijenige,  welcher  immer  aufmerksam  vei^ 
Miri  lttt>  «was  in  Saehtn  gega^n"  (wie  »an  Uersdande  sagt),  aas  KtOleners 
Boehlein  —  das  ftfarigens  elgane-Oedank^i  eefaes  Yerftassin  nicht  oAmlMfft  — 
keinen  Gewinn,  trots  der  ▼oUtünenden  Ankflndignng. 


Ans  der  Faclipresse. 

Wir'lwginian  nnsem  Ptnsslierielite  1»  nenen  Jaiugang  mit  einer  Zn- 
MMMosteHnng  deijenigen  Ovgnns,  weldie  nns  nr  YerfBgnng  sfeeiien.**)  Diese 

Übersicht  hat  zugleich  den  Zweck,  die  betreifenden  F«dib1&tter  mit  etlkdien 

Strichen  zu  charakterisiren.  derart,  dass  wir  sie  in  nUher  umschriebene  Gruppen 
Wingen  Wir  müsseu  aber  ausdrücklich  betonen,  dass  wir  bei  der  Wahl  der 
Oruppenbezeichnung  jeweilen  1.  nur  die  selbstständigen  Aufsätze,  2.  nur  die 

*i  Ch.  Htillener^  BcÜllge  nnd  Vorschläge  zur  Reorganisation  der  Lebrerbildnag 
«•£  gdMMgischer  Grundlage.   Bern,  Scbmid,  Fi  ancke  &  Co.   1892.   Fr.  ]  .20. 

Um  einige  andere  ZcitHcbriften  haben  wir  uns  bisher  veigebiich  bemüht. 
Wir  wfi^en  uns  gelo^ontlirh  weiter  umtbun,  behlltett  uns  deshsU»  ElglnsaBgen 
^  heute  hier  verr)ffeutli(  htea  Übersicht  vor.  ki5nnen  uns  überhaupt  nicht  auf  be- 
ctimAte  Bllltter  beechr&nken.  Wiz  ootiren  das  (inte,  wo  wir  et  —  gesucht  oder 
niftndit  —  finden.  ... 


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70  — 


Twhamokflntai  BeitnlNne«»  oAbt  latwa— i  im  Aifo  tetrin.    •  1km  voll» 

•Utakügen  Titel  folgen  die  iiothigeo  AngakM  über  Redaction  (R),  Verlagr  (V), 

Jahrnpreis  (JP)  und  Preis  der  ein;:elnen  Hefte  oder  Nummern  (EP)*),  Er- 
soheinungsweise  (M  =  monatüch:  W  =  wßehentlich).  Die  fettgedruckten 
Buchstaben  endlich  bedeuten  die  itir  den  Namen  gewählte  Abkänaag,  deren 
wir  uns  kunftiglun  bedienen  werden. 

L  Fttr  elagttlMiide  Blrilrtmuig  •Ugemdn-pädagogiMh« 
vmä  IlMhwIsBeiiseliiStllfilier  Fragen. 

1.  Bhebdsebe  BUtter  fBr  Bniehong  and  Üntankht  Ofgaa  für  die  Oetant- 

Interessen  des  Erziehungsweseos.  1827  TOB  A.]}iMterwfig  cagriliidcl  — 

B:  Fr.  Bartels,  Gera,  V:  Morita  Diesterweg,  Frankflart  tu  IL  —  JP: 
8.~,  EP:  1.50  Mark  ~  JahrL  6  Hefte.  —  RhBl. 

2.  Neue  Bahnen.  Monatsschrift  für  zeitgem&fie  Gestaltung  der  Jugend- 
bildong.  —  B:  Joh.  Heyer,  Osnabrück-Eversburg.  V:  E.  Behrend,  Gotha. 

—  JP:  6.—,  BP:  —.75  Hark.  —  M.  —  OT. 

3.  Schweiz,  päd.  Zeitschrift  —  R:  Fr.  Fritschi,  Zürich.  V:  Art  Ltttitat 
Orell  Füssli,  Zürich  (Beilage:  Pestalozziblätter.  —  B:  Otto  Hmudkir),  — 
JP:  6,— ♦♦),  EP:  1.50  Fr.  —  JÄhrL  4  Hefte.  —  SekwP. 

II.  Im  Dienste  der  Volksschule. 

(„Eigentliche  Schul-  u.  Lchrerzeitungen".} 

A.  Fttr  die  Theorie  der  Erziehnnpr^kunst,  für  Scbalpolit/k, 

-Verwaltung:,  -Organisation. 

1.  Allgemeine  deutsclip  LflnerzeiUmg.  Züg^Ieieh  Organ  der  Allgemeinen 
deutschen  Ltihrerver&ammlungen.  —  B:  M.  Kleinert,  Dresden.  V:  J.  Klink- 

.   hardt,  Leipzig.  —  JP:  8.—,  EP:  —.25  Mark.  —  W.  —  ADL. 

2.  PidasagiaciM  Zeitug.  Haspfeafgaa  dit  dwttehta  LelMmnin«.  ^  B: 
0.  BBU,  V:  A.  Buchwiu,  Bcrik  (Tmiaavtriaf).  —  JP:  7.—,  VPt 

-  .20  Mark.  —  W.  —  PZ. 

Ö.  Deutsche  Schulzeitung.  Centr&lorgan  für  ganz  Deutschland.  R:  L,  Krä- 
mer, V:  L.  Öhmigke,  Berlin.  —  JP:  8.—,  EP:  —.20  Mark.  —  W.  — 
DSch. 

4.  Dantodi«  BUtler  für  «niehandai  Umerrklit  —  Bt  fr«  Xuoi,  V: 
Beyea*  dt  SNuie,  UHWiaalaa,  —  JP:  6.dO,  SP:  —JiO  ICark  ^  W.  — 
DBl. 

5.  Schweiz.  Lehrerzeitnng.  Organ  des  Schweiz.  Lelirervereins  und  dt»  Festa- 
lozzianums  in  Z&rich.  —  K:  Fr.  l<Yitachi,  V:  Art.  iusiitut  Grell  Füssli, 
Zmidi.  —  JP:  6.— i  BP:  —.15  Fr.  —  W.  —  Sckw. 

6.  BeperURrium  der  Pftdagogik.  —  B:  J.  B.  Schubs  AogaborK.  V:  J.BIiiicr, 
Ulm.  —  JP:  5.40,  EP:  —.45  Mark.  —  M.  —  B«p. 

7.  Pädag.  Reform.  R  K.  Bast,  V:  K  Kloas,  Hamburg.  —  JP:  6.—, 
KP;  —.20  Mark.  —  W.  —  Ret 

♦)  Der  BtMdpnii  ist  aieht  ibmil  maa,  da  huhIw  Blltar  ihn  akhl  mmwm. 
**)  Fttr  AbooBMitw  der  „Sehweis.  £eliiennitMag*  t.—  Fr.  ■ 


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—  71  - 


&  Schlesische  Schnizeitnncr  —  B:  H.  Topler,  V:  PrIebAtMh,  Bnäm,  — 

TP:  7.—,  2  P:  -^-.20  Mark   —  W,  ~  ScllIPS. 
9.  Bäir.  Lehrerzeituug-.  Eigeutiium  dm  baür,  VoliLUciiailehrervereiiiA.  —  E: 

€k  baft,  Nfirnberg.  TcnlntmUg  QSIhhhwgl  —  JP:  1.—  (?),  BP: 

—.10  muk.  —  w.  —  Biir. 

10,  Btd.  MnU  it  ing.  ^  B:  X  QtllwtaBlflt,  Eaiteoki.  V:  Kuttkwita,  BflU. 
JP;  4—,  £F;  --.16  JML  ~  W.  _ 

11.  Lehreraeitnn^  für  Ost-  a.  Westpreoflea.  —  E;  Weske,  V:  Ltupdd,  Kttnigt- 
kergr,  —  JP:  6.—,  EP:  —.20  Mark.  —  W.  —  OH  pr. 

18.  PftnB.  Sdnüttatt  —  B:  P.  OpiH  Fr.  Alt»  DMuif.  —  JP:  4.—,  SP: 
—.16  Mark.  —  W.  —  PrSeh. 

13.  Pommerscbe  Bl&tter  fttr  die  Scbide  und  ihre  Freunde.  —  K:  W.  Back- 
tanB.  V:  J.  BnmeiMw,  Stetdn.  —  JP:  6.—,  EP:  -~.lö  Hart.  —  W. 

—  POTTllU. 

14.  Hannoversche  Scliolzeituiig.  —  B:  H.  Waaner,  V:  Helwing,  Hannover 

—  JP:       ,  BP:  —.20  Mark.  _  W.  Wm» 

15.  Uhrmiimg  flfar  Wcvtfüen  umI  die  BbdDpfOTiiii.  —  B:  H.  Antoi,  V: 
A.  Helmicb,  BleleftiM.  —  JP:  4.—,  EP:  —.10  Malt.  —  MonatL  ardmaL 

"  WRh. 

16.  LfehrerzeitTing^  für  Thüringen  und  Mitteldeutschland.  —  H:  A.  Schenk, 
V:  Fr.  Mauke,  Jena.  —  JP:  8.—  ,  EP:  —.20  Mark.  —  W.  —  Thttr, 

17.  HeniMbe  Scbnkettung.  —  K:  A.  Baier,  Y:  A.  Baier  &  Co.,  Cassel.  — 
JP:  8.—,  EP:  —.10  Malt.  —  W.  —  HeM. 

18.  frailkftarter  Rchiilzeitang.  —  "R:  E.  "Ries,  V:  A.  Neumann,  FrankflUta.  X. 

—  JP:  5.—,  EP:  —.15  Mark.  —  Monatl.  zweimal.  —  Frankt 

15.  Pf&lziBcbf^  T  ebrerT^pitung.  —  K:  D.  Börtzler,  V:  H.  Kaiaar,  Kaiaendanteni, 

—  (Preis  nicht  angeg:el)en.)  - —  W.  —  Pfälz. 

20.  Das  Lehrei  heim-  Ii  u.  V:  K.  Lutz,  Stuttgart.  —  JP:  4.40,  EP:  —.15  Mark. 

—  W.  —  WL. 

21.  Pnie  SeindMttnng.  Orian  lea  dantaeban  Laadariabrnnraiiia  in  BQIqmd. 

—  B:  FT.  Legier,  Reichenbetg;  Yardnsverlag:  (J.  ölkng,  Balebcnbarf). 

—  TP  5      EP:  —.15  (THid.  —  w.  —  Böhm. 

22.  Berner  Schulblatt.  Organ  der  freisinnigen  Berner  Lehrerschaft.  —  R: 
J.  Griini?,  V:  Michel  &  Bttchler,  Bern.  —  JP:  5.20,  EP:  —.20  Fr.  — 
W.  —  Bern. 

88.  AarKavar  Scfaiilblatt  OngUL  ftr  die  Leltranehafk  dar  Xantana  Aargaa, 

Baselland,  Solothuru.  —  R  .  R.  Hunziker,  V:  Ö.  Edter,  Aarao.  —  JP: 
iJoO,  EP:  —,20  Fr.  —  MoeatL  sweimal.  —  AlUrg* 

B.  Ffir  die  Selml^raxla. 

I.  Deutsche  Schulpraxis.  —  R:  K.  Seyfert,  Marienthal  (Zwickau).   V:  B. 

Wnidaiüfifa,  Leipzig.  —  JP:  0.40,  EP:  —30  Itok.  —  W.  Mlf  r« 
1  Ötterr.  Schvlbote.  Zaitaebifft  für  die  Pruda  der  Ufterr.  YeOu-  md. 

Btrgerschnle.  —  R :  Fr.  Frisdi ,  Mailniry  a.  Dr.  V :  A.  Piehlera  Wwe.  A  Sobn, 

—  JP:  aeO,  BP:  —.40  ChUd.  —  M.  —  OSehb. 


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—   72  — 


IIL  Fttr  eiMielne  VnkmUMih  wii  Eni«liwigsgeM«to 

1.  Zeiticlirlft  ftr  dsn  dtsttdüii  XhAunkkL  —  R:  0.  hjmk,  DvMdaa.  Y: 

B.G.  Tenbner,  Leipzig.  —  JP:  12.—,  EP:  1,20 Mark.  —  M.  —  Beutsck 

2.  Zeitschrift  fttr  Schul^cographle.  —  R:  A.  E.  Seibert»  Bm«il  V:  A.  Höld«r, 
Wirn.  —  JP:  V,  EP:  V.  —  M.  —  Geo. 

3.  Die  FortbilduDgKJcUule.  — ^  E:  0.  l'aclie,  Lindenau-Leipzig.  V:  Ed.  Peter», 
Leipzig.  —  JP:  2.80,  EP:  —.30  Mark.  —  M.  —  F. 

4.  Zeltwhfift  flir  dm  gewerbl.  Unterridit.  Otgin  4m  VeriMades  daatsdier 
Ctow<rt>McliitittliiiMr.  —  B:  C.  Laebner,  HaonoTer.  V:  S.  A.  Bca^mn, 
Leipdg.      JP:  4.—,  EP:  ^,60  Msrk.  —  M .  —  «ew. 

IT.  Der  hinsllehen  Eroieliiing  gewidmet. 

1.  ConMUtk  DeQtMbB  Elternfeltmig.  —  R:  C  Pils»  V:  R,  Biehter,  Lefpsig. 

—  Halb).  2.25,  EP:  —.60  Mark.  -  Halbj.  5  Hefte.  —  C. 

2.  Schule  und  Hans.  —  B  nnd  V:  Ed.  Jordan,  Wi«ii  L  —  JP:  2. — ,  Et: 
—.30  Gold.  —  M.  —  SchH. 


1.  Die  Nervosität  d«r  Kinder  (Fürst,  C.  1892,  IV).  Nervoaitit  = 
Jede  psyehlMhe  und  physiiche  Veiindeiiing  des  OeUmt  and  der  Nemn  «H- 
wedtr  nadi  der  Seite  der  erlililiteii  Reisberkeit  hin,  oder  nach  der  der  tw- 
stärkten  Schwäche  and  Abspannung,  oder  nach  beiden  Seiten  in  oft  unberechen- 
barem Wechsel  schwankend."  ,,Tn  manchen  Fällen  wird  die  N.  ein  trHnnerp«' 
Erbtheil  sein;  aber  in  sicher  viel  mehr  Fällen  ist  es  die  unrichtige  Mrziehuug 
durch  Eltern  mit  abuonuem  Nervensystem,  das  geradezu  schädiiciie  Vorbild, 
du  die  Kinder  im  eigenen  Familienkreise  haben,  was  den  Onud  sa  ihrer  N, 
legt*  Eine  andere  HanptmiMlie:  Überarbeitung.  Kittel  nur  «fVerhiltnag  und 
Bebandlong  der  N.  direct  auf  psychiieiiein,  indireet  auf  physischem  Wege." 
(Medfcamente :  Bromsake,  Eisen,  Eisenmang"an ;  ..die  g:iüßten  Vorthdle  gewfthrt 
in  der  Begel  die  geschickte  Verbindung-  des  Broms  und  Eisens.") 

2.  Über  die  Beseitigung  laulsprachiichcr  Fehler  in  der  Volks- 
schule (Fr.  Kau,  ABL.  1892,  22.  23).  „Der  Sprachverbessernng  ist  keine 
Stnfb  gfinstiger  als  das  ento  SehnUahr,  ans  awel  OrOndsn:  1)  weil  auf  dies« 
Altersstofe  das  Übel  noch  nicht  so  tief  eingewnneli  und  danun  lei^ter  ans- 
znrotten  ist,  2)  weil  in  dieser  Zeit  sämmtliche  Laute  der  Sprache  zum  Zweck 
des  T,eKen-  niul  Scbrei1>enleniens  einzeln  behandelt  werden.  Nur  darf  hier 
nicht  das  l'riiici]i  i?-  lu  ii.  die  Kinder  in  niög'lichst  kurzer  Zeit  zum  Lesen  und 
Schreiben  zu  bringen.  Ausgedehntere  Übungen  der  Sprachwerkzeoge  sind  auch 
denjenigen  Abo-SehUtnen  noth,  deren  LantUldung  niekts  ausgespredtoa  FeUer^ 
haftee  aelgt.'  UnregelmSfilgkelten  (Fehler)  in  der  Lantfiffbe,  Lantstirke,  Ton- 
höhe, im  Rhythmn.s  —  Ursachen,  Eigenthümlichkeiten}  Behandlung,  Heünag. 
(Besonders  einlässliche  Erörterung  des  Stuttern.s.) 

3.  über  (i eschlechtertrennuug  in  der  \'nlks6chnlc  fAarg,  1892, 
15).  Verf.  nennt  sie  einen  Zopf,  der  seine  Existenz  u.  a.  pädagogischem  Miss- 
Terstande  verdanke.  Die  Stimmung  sei  aber  auch  in  der  Schweiz  vielAdi 
noeh  gegen  die  Vereinigung,  obwol  bereits  drei  Oantone,  deren  Sehnlwesen 
mit  am  weitesten  voigeschritten  ist  (Glarus,  Appenzell-A  jUi.,  Thnigau),  ffll 
keine  nach  QeseUeelitem  getrennte  Schulen  haben.  Der  kllrsUch  Tentorbeoe 


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—    73  — 


Sninaidinctor  Dfl]%  «In  In  der  Soliwds  hoc2i  aagesehwer  PSdagog,  nrtheUte: 
Waiar  inteUeetoelto  wich  littiid»  NadiflMile  lind  am  der  Vereinifoiig  der 

Gescblediter  zu  befürchten.  Die  grroße  Aafgabe  der  Volksschule  kt  die  Reiche 
für  alle  Menschen.  Sie  besteht  dariu,  die  Jugend  auf  dem  Wege  natnrg-emflßer 
Entwickelang  zum  echten  Meüschenthuin,  für  die  sittliche  Freiheit  zu  ensieien. 
In  der  Schule,  auf  dem  Felde  des  gemeinschaftlichen  Jugendlebeni,  sollen 
beide  Geschlediter  schon  das  thun,  was  ihnen  im  Leben  ebenso  nntBriieh  alt 
bflilna  iat:  lie  aoUeii  rieb  ergänzen,  TerbeaMn,  ifch  weehselwltir  tngw  ud 
vleniftlinn. 


Ein  Bl-^tt  für  alle  Handwerker-,  Gewerbe-,  Bildungs-  und 
Bürgerveitiue  ist  „Der  BlldWüSTs- Verein",  das  Uif^an  der  „Gesell- 
icliaft  für  Verbreitung  von  Volksbildung  ,  die  seil  21  Jakreu  iui 
gaascn  Bddie  ndt  wottreteheadMom  Brfolg«  ?olkfÜiAmlldie  Vorträge  vtnn- 
ildlety  YollttUbUotfaekfln  begrUndec  und  nnterstlltsc,  Bfldnng»-  md  8eiiqUk«fen 
aaf  ihren  Haupt-  und  Verbandsversammlnngen  bespricht,  Fortbüdongs-,  Hand- 
arbeits-  und  Haushaltuugsschuleu  fürdert  n.  s.  w.  Die  QBl  TOrikigeilde  Nr.  8 
des  „Bildungs- Verein hat  folgenden  Inhalt: 

Das  Skioptikon  in  unsereu  Vereinen.  —  Arme  Verfolgte.  Von  Dr.  R.  Heer^ 
Buum-CasseL  —  UrtheUe  deutscher  Handwerksmeister  über  den  Handfertigkeit»- 
iBteniekt,  Von  F.  O.  ^  LebeoMregsIn.  —  Die  BeriJner  Velksbibliotheken.  — 
Der  Verein  ftr  KaseenTerbreitnngr  gnter  Sditiften.  —  Verbandstage  der  Ge- 
aeUschaft  für  Verbreltosg  von  V«  1k  Vildnng.  —  Berichte  über  Bildungs-  nnd 
Bnterrichtsbestrebnngen.  —  Büeherschaii.  —  Geschäftliches.  —  Anzeig'cn. 

Die  (ieselhwihaft  verfolgt  ihi'e  Ziele  uhne  iiolitische  und  relig-iöse  Ten-  * 
de&zttu.   Meldungen  sind  zu  richten  an  die  Cauzlei  der  Gesellschaft  für  Ver- 
todtang  yon  Yolkibildnng,  Berlin  W.,  lUafleastr.  20. 


Persönliches.  Auf  Anläse  meine«  Gebartstages  sind  mir  Jfingsfc  so  zahl- 
reiche Glückwünsche  zng:e|^angen .  dass  es  mir  unmöglich  ist,  dieselben  einzeln 
zu  beantworten.  Ich  ersuche  daher  alle  die  geehrten  Herren,  welche  meiner 
i&  Liebe  gedacht  und  mich  dadurch  hocherfreut  haben,  au  dieser  Stelle  meinen 
bndidien  Dank  frenndlieh  entgegennehmen  zu  wollen.  Möge  ihnen  selbst  m- 
4bU  werden,  was  sie  mir  Gates  wfinsdMn! 

Bestlglich  der  mir  g]eIob<eltIff  sOMangenen  Anregung  zu  weiteren 
literarischen  Unternehmungen  kommen  neben  meiner  geschwächten  Gesundheit 
aucli  Umstände  in  Betracht,  die  nicht  in  meiner  Macht  gelegen  sind.  z.  ]i,  die 
trage,  ob  eine  annilhernde  .Deekung  der  Ivusten  zu  erwarten  sei.  Jedenfalls 
Verde  ich  auch  bei  sinkenden  Kräften  thuu,  was  ich  vermag,  um  deu  aua- 
(«piodieoen  WItaiMdien  n  entsprechen,  anter  nUen  Umstanden  aber  meinen 
^Miolcea  Bestrdmngen  niTeibrllehUeh  trnn  an  Uetben.  Den  staenden  Fein- 
den gegenüber  wollen  wir  nns  mit  dem  Worte  tristen:  «Sie  wissen  nifibli 
^  sie  timn,'^  Dittes. 


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Reeeasionen. 


Fnl  Br.  Chr.  Hoff,  IdetUiMDi.  Zwilto,  freMBtlMi  ttitBeliite  Aiia«^ 
Hatte  a.  S.  1892,  Mühlmaons  Verla«:.   230  S.   4  IC. 

Bereits  vor  drei  Jahren,  als  dieses  Buch  in  erster  Auflage  erschien,  haben 
wir  demtelbeii  ein  eingehendes  Beferat  gewidmet,  welches  neben  einigem 
Widcrapniche  vielseitig«  ZwÜiUBimg  bekundete.  In  seiner  neuen,  bedeotend 
er\vcitcrten  Anflafrr  hat  es  an  innerem  Werte  nnd  fesselnder  Kraft  norh  wesent- 
lich gewonnen,  indem  es  beeunders  der  in  den  letzten  Jahren  yielseitig  und 
ttvk  hormgetretenoi  amti-idealirtiMhen  Biobtnag  «ae  ansftlhrliche  Dar- 
Btellung'  und  Beleuchtung  gewidmet  hat.  Die  Anlage  und  Gliederung  des 
Buches  selbst  ist  beibehalten  worden,  indem  zunächst  der  Begriff  d^  Idealismus 
entwicAt^t,  dmui  die  Bethitigvng  Meedbeii  in  der  BeUgion,  ia  der  Wisen- 
sphftft,  im  T.rkin  und  in  der  Kunst  nachgewiesen  wird.  Überall  ist  dir  hier 
vertretene  Geisteshchtuiu;  mit  der  ihr  ent^^ogengeaetaten,  der  naturalistischea 
b«.  mUetisohea  in  Vei^Mieh  gestellt  In  o«r  erwlhnten  BegriffiwnkwiekeluBg 
kommt  Ycrfa^^-ser  zu  folgeudem  Resultate;  ..Per  Idealismu.s  ist  diejenige  Geistes- 
xldrta^  oder  WeLtuuohauung,  welche  der  frohen  Gewisaheit  lebt,  daas  es 
VIrar  dem  IrdbAea  and  Vergänglichen,  dem  QemeiMft  wtA  BBmm  tnAmdk 
reine,  göttliche  Ideen  und  Mächte  gibt,  die  des  Lebens  Ursprung  und  letztes 
Ziel  siad  und  dasselbe  tlberhaupt  erst  labenswerfc  madmi,  und  die  darum  mit 
aUer  Kiaft  der  Sede  dtliia  strebt,  da«  dfew  idealen  mdite  das  dicwdtige 
Leben  veredeln,  die  Vergänglichkeit  mit  I^v  i<^!  <  if-gehalt  erfüllen,  die  freie 
Persönlichkeit  herausbilden  und  die  Humanität  in  Dirinität,  das  Menschliche 
in  das  Göttliche  verklären.'^  Ein  reicher  SclMta  von  Werken  der  Literatar 
und  Kunst  i^t  vcr\N  ertet  zur  Veranschaulichung  und  Belebung  sowol  des  theo- 
retischen als  des  praktischen  Theiles  der  Abhandlung.  Bei  der  großen  Be- 
lesenheit des  Verfassers  föUt  es  auf,  dass  er  unter  den  Philosophen  gerade  den- 

{'eni|^en  nicht  erwähnt,  areicher  beztlglich  des  hier  behandelten  Themas  in  erster 
jinic  mit  in  Betracht  gezogen  werden  sollte,  nilmlich  Jakob  Frohscharnmcr 
(vgl.  insbesondere  defiöeu  ikluill;  „Die  l'hilosüphie  als  Idealwisseuschaft  und 
System").  Doch  —  nehmen  wir  Muffs  schönee  Baeh  fh^undlich  auf,  wie  es 
ist;  denn  auch  wenn  wir  in  demselben  dn«;  eine  gern  noch  finden,  das  andere 
gern  iiüs«en  möchten,  bietet  es  doch  im  ganzen  vermöge  seines  reichen  und 
edlen  Gehaltaa  and  eelaer  aohOoea  F<«m  eiaa  bOdtada  aad  heiaegfteaaade 
Leotttie. 

Yergils  Äneis.  Für  den  Schulgebranch  in  verkürzter  Form  heraasgegeben 
von  Dr.  Jos.  Werra,  Münster  l  W.  1892,  AMhendort  XVI  iL  192  ä. 
Preia  geb.  95  l^f. 

Über  Zweck  and  Anlage  dieses  Buches  spricht  t»ich  der  Herausgeber  selb^  ' 
dentlich  in  folgender  Weise  aas:  „Die  aeaea  pwnBischen  Ldirpliae  vetlaagea, 
dass  Vergil  nach  einen»  Canon  gelesen  werde,   der  in  sich  abgeschiedene 
Bilder  gewährt  uad  einen  Durchblick  auf  das  Ganze  ermöglicht.    In  der  vor- 
]iegeadeii  Augabe  iit  der  Venneh  gemedit,  daea  Mkliai  Camm  aafiswUllea. 


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—   75  — 


JOie  Verse  der  ganzen  Äueis  sind  aut  5457  beÄchraukt,  aui  einen  Umfang, 
div  sich  bei  dnrdisdtnittlieh.swvi  wOcbentUcben  StundM  In  den  beiden  Jalown 
der  Secunda  im  allgemeinen  wol  wird  br-w^lltigea  lassen.  Bri  der  Auswahl 
wurde  vor  aUem  darauf  Bedacht  genuniiiien,  dass  trots  der  Iksduänkang  im 
Umfang«  ioeh  eia  möglichst  klarer  Überblick  Uber  4m  g»mm  Qtmg  der 
Handlung  gewonnen  werde:  an  einzelnen,  iU>er  verhril+nisuiJlßig  nnr  wrni^'pn 
Stellen  nuiasten  allerdings  die  Lücken  duiok  einen  kurzen  veriiiBdeäden  Text 
«nagirfldlt  irardctt." 

T>ir=nii  klaren  Plan  hat  Herr  T)r.  Wcrra,  wie  wir  Tins  bei  genauer  Prüfung 
seiaer  Ausgabe  Überzeugt  haben,  in  sehr  belriedigeuder  Weise  durdigefiüurt. 
lä  der  TonnagetdtiekfcMi  Bfaileitimff  eatwifft  er  ein  «BsdiftnlielMi  Bfld  tob  dem 
Leben  und  dichterischen  Schaffen  Vergils,  das  mit  einer  priicisen  r''iaTi!;tf  ri-tik 
snd  ABaljse  der  Änete  abschließt.  Anhangsweise  gibt  er  eine  lurklärung  der 
widitigefen  Eigennamen,  die  fn  der  IMehtung  ronxmmeB.  Beide  Bd^hea 
sind  ebenso  l«jbeij8wert,  wie  dir>  ccr-hingene  Auswahl  des  Textes  »elbst.  Der 
Druck  ist  schftn  und  eosrecti  der  i^is  außerozdentlidi  billig,  und  aus  aUen 
4iMM  Ortttden  kOnaiB  wii  nur  hoäm  nd  wttuBhn,  da«  mm  aeM  Sehal- 
1»«eb  beiftUige  Anfludim  und  weite  Yeibieitiuig  ündea  nSg«.       X.  H. 

KiittUtiek,  Zun  Letebvcli.  IL  Helt  Zweite  varii.  Avfl.  henMumiib« 

▼oa  Ih*.  Paul  Kriebitech.   Gotha  1801,  ThieneraanB. 

Die  zweite  Auflage  unterscheidet  sich  von  der  ersten  zunächst  dadurch, 
dass  die  Aufsätze  ttber  „Hermann  nnd  Dorothea",  „Die  Jungfirau  von  Orleans", 
,,Minna  von  Bamhelm"  nnd  «Teil",  sowie  die  £ri&uterungen  zu  ein  paar  Lese- 
stflcken,  die  in  den  neuen  Auflagen  des  Kriehitsch-Kehr'Bchcn  Lesebuches  nicht 
mehr  auigeuummen  wurden,  fortgefallen  siud.  Vielleicht  hätte  der  Heraus- 
geber gut  gethan,  noch  ane  Arnual  Erläuterungen  zm  itnielien.  Wir  meinen 
die,  welche  nicht  wirklich  mustergiltigc  Gedichte  ocb^r  sonst  leicht  ver?«tänd- 
liehe  Stücke  conunentirui,  z.  B.  einige  von  Hagedoru,  Fröhlich,  Bube,  Krum- 
macher, Weisflog,  Flönnies  u.  s.  w.  Sei  lolchen  Hingen  soll  sich  ja  der  Unter- 
richt nicht  lange  aufhalten  und  dann  —  wir  haben  im  Lesebuch  noch  so  viel 
Proea,  die  einer  Erläuterung  bedan,  da&ä  der  gewonnene  Raum  in  der  denkbar 
bellen  Weise  ausgenutzt  werden  konnte.  —  Die  Art  der  Behandlung  ist  in  der 
ncnon  Auflage  die  alte  geblieben:  sprachliche,  sachliche,  ästhetische  Erläu- 
terungen ohne  die  bekannte  Schablone:  „Darbietung,  Vertiefung,  Yerwer- 
trag"  u.  8.  w.  Die  Notizen  sind  kurz  gefasst,  guten  aber  in  die  Tiefe. 
Parallelstelleu,  die  Angabe  von  Behandlung  desprUrn  Stoffes  durch  andere 
Dichter  verrathen  ein  reiches  literaturhistorisches  Wiii^n  des  Verfasseis  nnd 
«faid  eine  wüllwinBeBe  Bei^be.  Der  jfingeie  Lehrer  wird  ndt  Niilaen  Mcä 
die  Art  fltadifeB,  nie  KxieInMi  dea  LeseemT  Ihr  dea  devtMkea  Aufs^ntz  ver^ 
wertet.  — r. 

Becker,  Weltgeschichte  T.  nnd  II.  Band.  3.  AoiL  Stottgart,  Uotoa  der 
.    ^deatgohen  Verlagsgesellschalt. 

Wir  babea  im  ▼origea  Jahrgang  dci  FsBldagog^m  das  1.  Heft  der  oben  ge- 
nannten Wf  Ufri  S(  hichte  angezeigt,  und  was  wir  dort  Uber  das  Werk  auf  Grund 
der  1.  Lieferung  sagten,  finden  wir  nach  der  Lectttre  des  L  u.  U.  Bandes  bestätigt: 
Bi  tel  «h  Bttci  ftr  die  benuneifeiide  Jugend,  flr  dea  Stvdfrei^ea  darum  be- 
Sfmders  zu  empfehlen,  weil  es  zahlreiche  Illustrationeu  bringt  und  so  ausführ- 
Hch  erzählt,  dass  es  eine  Erweiterung  des  im  Unterxicbt  behandelten  Stoffes 
bietet  nnd  doch  wieder  nirht  so  ins  Detail  geht,  dam  ein  Maddeeen  des  in 
der  Schule  besprochenen  rensums  etwa  /u  viel  Zeit  erforderte  und  dämm  bald 
nicht  mehr  möglich  wäre.  Nur  in  einem  Punkte  rattssen  wir  unsere  Charak- 
teristik des  Werkes  berichtigen.  Während  nämlich  die  erste  Lieferung  blos 
Abbildungen  von  Denkmälern  gab,  enthalten  die  Fortsetzungen  auch  Phantasie- 
Wider.  8ie  sind  zum  (Slück  a'jcr  nur  in  der  Minderzahl  (z.  B.  Knm  unter  den 
Königen  Camillus  und  Brcnnuö,  ein  bpartauiscbes  Msihl,  die  lüntEphoren  u.s.  w.) 
and  wären  zum  Vortheil  des  BwdMS  besser  nicht  au^enommen,  ein  Wink  fOz 
die  nächsten  Bände!  Die  Stilisining  liest  sich  leicht  und  haftet  im  (ledachtnis. 
Sätze  wie  1.  b.  2^'6:  „Ägypten,  dessen  Könige  viel  Veikekr  mit  (iriecheu  m 


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—  76  — 


,  habM  tadkogm'*,  o4Mr  L  9.  SM.-  „Iiä  PytIumoiM  idMiat  liBk  di«  Uie  gvliildet 

■'11  li;i':rn  von  i  i'uem  Puüde  vou  Männern  Der  Einfliiss,  den  die  ^KTP- 

tificbtiu  Prit!fit«u:  aut  iim  ^^abt  hatten"  «ind  seltfin.  I.  S.  iehlt  swisdieii 
dem  entM  ttnd  swtittt  AMuntt  (»Diew  OokmiM  o.  0.  w.)  '  jfldtr  ZoMBmeB- 
\  bang  und  Übergang-  —  Znm  Schlüsse  deuten  yrir  noch  an,  wie  weit  die  Er- 
zählung der  gächichtlichea  Exeigaisiie  in  den  beides  Bänden  reioht.  Der 
aväte  Band  fUurt  die  grieduMbe  veMliiohte  «1  Bnto  md  diA  iftnlwlift.liii  m 
Lieinini  Stelo.  — -r. 


Nea  ersehieneiie  BMeher. 

P.  yojl  Lind,  »KauU  myBtijBchü  Weltanficbaaung'',  eiu  Wahn  der  modernen 
-  IfTatilu  Eine  WUerlegimg  der  Dr.  C.  du  TraFieboii  Bbdflltaiig  za  Kaiiti 
-•Psychologie.   XSaehen,  Handdtdnökerei  und  yerttgsaiiitalt  It  Poonü. 
144  8.  4M. 

Monatshefte  der  ComeofiiB-Oest  llschaft.  Erster  Jahtg.  Zweites  Heft.  Lelpsfir, 

R.  Voigtländer.   2\/.,  M.   Preis  des  Jahrganges  10  M, 

Mittheil nng-fu  lier  ( »r??  llschaft  für  deutsche  Erziehung^-  imd  Schulpeschichte. 
Im  Autirage  der  Geseilschiift  herausgegeben  von  Karl  Keiu  bach.  Jahrg.  II, 
Heft  1.    Ikrlin,  Crfbellbchaft  für  deutsche  etc.    64  u.  XXIV  S. 

J.  Bäliiu,  Leitfadeu  der  Geschichte  dei-  i^ädagogik  mit  besonderer  Berück- 
riehtigaog  der  VoUDnehole  in  Denttehland,  ÖBtemicli  ond  der  Schweis.  Znm 
CMbranche  in  Lehrer-  und  LdirerinnenbildiingHuiBtalten.  2.  Anfl.  Nflmbeig', 
Kom.  106  S.  1  M.  60  Pf. 

Pas  nngarische  Untemchtswesen  in  den  Stadienjahren  1889 — 1891.  Anszag 
aus  dem  XX.  Jahresbericht  des  könisr!.  nng.  Ministers  für  Coltiui  und  Unter- 
richt.  Budapest,  rniversitäts-Buclidj  uckerei.   285  S. 

M.  Scherer,  Schulinspector  in  Worms,  Wegweiser  zur  Fortbildung  denisclier 
Lehrer  in  der  wisseaschaftliehen  und  praktiachm  Yolksschulpädagogik  und 

;  xnm  Anebkn  derselben.  Anf  geschichfUcher  Gmndlage  nnd  mit  Angabe  der 
Literatur  und  Lehrmittel.  II.  Die  praktische  Ydhaschnlplldagogik.  Laiinigy 

Brand.stetter.  535  S.   8  M. 

Knr!  A.  Krüger,  ßector  in  Königsberg  i.  Pr.,  Biblische  Geschichten  fSr 
bcüulen.  Nach  dem  Text  der  „d!irr!iir*»ppliPiien*'  Lutherbibel  erzählt.  2.  Aufl. 
Ausgabe  A.  Mit  zwei  Karten  uud  einem  Auiiang:  Bilder  aus  der  Kirchen- 
geschiehte.  Daudg,  Theoder  Bertling.  132  S.  65  Pt 

Gesehiofate  der  chtistUehen  Kirche  für  eTaageüsche  Sehnleii.  5.  Avil. 
Ebenda.  48  a  90  Ff. 

Friti  JwM,  Sehüleis  Briefe.  Eritisehe  Ocsammtansgabe  mit  Anmerkungen. 

Stuttgart,  Leipzig,  Berlin,  Wien.  Dettsohe  Vcrlagsanitalt  Tiiefemwg  2|  3, 

4  u.  5  ä  3  Bogen,  je  25  Pf. 

flans  HSrtnagl,  Prof.  in  Wr.-Neustadt,  Versuch  einer  wissenscliaftlichea  Dar- 
stellung der  Gesetze  des  deutschen  StiUs  und  Verwertung  derselben  zu 
eiaer  rationellen  Con-ectur  der  deutschen  Aufs&tze.  Wr.- Neustadt,  Anton 
Fdlk.  55  8.  SO  Kieiuer. 

Dr.  K*  Dailel,  Lehrer  am  Bealprogymaasinm  in  Schffningen,  Systematisches 


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—   77  ~ 


Lehrbach  der  deutschen  Recbtschreibuog  für  höhere  Lehraii^talteu  und  sam 
SelbttDiiteRifilit,  auf  Gnmd  des  amtlichen  Begelbaebes  fdi-  prent.  Schalen 
mn—w^MiHlll.  Jkwmkmig,  Otto  8dh>  82  a  1  IL 
Bofiebel-Iibidaa't  Bechenhefte.  Nach  neueren  methodiichai  Ornndiiteen  voll- 
ständig omgearbcitet  von  F.  Lindau,  M.  Berbig  and  E.  Schmidt.  9.  Aufl. 
Ausgabe  A :  für  Stadtschulen  in  sieben  Feften  h  20—40  Pf.  Ausgabe  B: 
für  Landschalen  in  vier  Heften  dk  25 — 35  Pf.   Gotha,  Emil  Behrend. 

A.  Sattler,  SchuHnspector,  Leitfaden  der  l'liysik  und  Chemi*^  mit  Bfriirk- 
sicbtignng  der  Mineralogie.  Für  die  oberen  Cla&sen  von  Burg^Thc holen  etc. 
10.  Ä^üü,  Mit  236  Holzstichen.  Brumschweig,  Fr.  Vieweg  &  Sohu.  144  S. 
80Et 

&  Schlttdierger,  NatoigeMhichflldbe  Waadtafaln,  Dantdlnng  heiiiatUdk«r 
Cottnpflansen,  Gift|iiaiizeD,  SeUaogoi  ete.  Vtrlag  von  Theodor  FlBehor  hk 
KasMl  nnd  Berlin.  Preis  80  Pt  Mb  1  IL  pro  TM. 

P.  Klanke,  Seminarlehrer,  Oerandheitslehre  fdr  Scholen.  Leitfaden  für  te 

Unterricht  über  Bau,  Leben  nnd  Gesundheit  des  menscliliclien  Kiirpers. 
Nebst  einem  Anhang  über  die  eilte  Hiltc  bei  plötzlichen  UnglücksfiLUw. 
Mit  44  Abbildungen.  I^üsseldorf.  Sdiwann.  [H\  S.   1  M.  80  Pf. 

0.  Catterfeld,  Seminarkluer  in  Gotha,  L<>itfaden  für  den  Betrieb  des  Tum- 
Unterrichts  in  Volksscliubn.  Gotha.  Bohrend.  73  S.  IM.  20  Pf. 

Dr.  tiostav  Hersel,  gepr.  Tumlehrei-,  Die  Jagendspiele.  Prag,  H.  Dominicas 
(Ch.  OmB).  57  S. 

Scharffii  Sehnte  der  Steilachrift  lür  dsterreicbische  allgemeine  YolkuriMlfin 
cfageridiitet  ▼du  A.  Hackel,  Tollnobaldtrector.  6  Hefte  k  10  Krenaer: 
Wien  Q.  Pnigrt  Tonpil^y. 

Xnil  Franke,  Deutsche  Renaissance -Initialen  BaCh  alten  stilvollen  Mustern 
vereinfacht  und  dem  praktischen  Gebiauche  angepasst  für  Gold-,  Bant'  nnd 

Weißstickerei  etc.    Zürich,  Orell  Füßli.    24  Blatt.    '2  M.  60  Pf. 

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▼Mntnwt].  BtdMton  Dr.  PHtdrieli  Dittes.  Bacbdndt««!  Jiilio»  Xlf  »khardt,  Mfrif. 


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fft  awtilnr,  ilaBlUh  ■■■fcfrtdtrtw  Aaftaffst 


BREHMS 


Volks-  und  Schulausgabe 

von  Richard  Schmidtlein. 


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Julius  Rücker's 

Deutscher  Schul-Kalender 

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Lehrer  und  Lehrerinnen, 

Seminarien  und  Präparanden -Anstalten 

DeotscliliUKls,  Österreichs  und  der  Schweiz. 

Mit  einem  Wandkalender. 

§10'  Zureiiindzwanzigster  Jahrgang. 

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—   79  — 


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T6r  «tat*  yiwwiw  liftlmn  Sdralff&t 
imUAm  AvfUltMB  ia  VitpiMmm.  wni  Amttikgwmn, 

4.  Ao«,    M.  2.70.., 
M#  ▲■üfftbea  zur  Übung  im  deutschen  Stil.    »V)  Pf. 

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Beotoeke  Aofsite«.   Eine  Sammlaag  ifim  Mnitttltflekn,  latwtlifa  oid 

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Andcntang.    1.  Bindchen.   4.  Aufl.    31.  2.40. 
DaNselb«.   Nene  Folge.   3.  Aufl.    M.  2.40. 

Für  UnterklMsen  höherer  Schuldn: 

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Ailkatz-Ü1)ungen  fOr  VolkanhidM.    Für  die  Unter*  nni  Uttetttiiftb 

3.  Aufl.    IL  1.80. 

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Ed.  Anton  in  Halle  a.  S. 

Durch  alle  ßuchhandluofi^cu  zu  beziehen: 
Hummel,  A.,  Sennnarlebrer: 

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8.  TobcM.  Avil,  KT.  8.  IV. 

196  S.  1><02. 
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Einen  der  be.sten  Lehrbticber  ftr  den 
geogr.  Unterricht.  Treffliche  Gliederung 
des  StoftVs,  piofache,  klare,  anschauliche 
Darstellung  und  weise  Beschrinkung  in 
der  Auswahl  silid  wcMBtUohe  Yocrtge 
des  Baches. 

POr  höhere  Lehranstalten,  Semiaa- 
Tien  ete.  wird  tridi  das  Bvflk  gaiii  be- 
sonder eignen.  . 

K.  in  K.  in  der  „Deutschen  Lehrer- 
Zeitung  vom  12.  6.  1892.  Nr.  135. 

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Naturgeschichte 

für 

Uto    littlerc  Mclienscliiüeii 

von 

Dr.  Frledr.  Firber, 

in  uüuia. 

■KvIsImi  hl  tfonTsxl  fsdruektsn  AMIIdenfon. 

I.  Teil  fUntewt.)  geb.  M.  1.—. 

iL  Teil  lüberst.i  ureb.  M.  l.öO. 

Die  Uberauf!  g^üntitipe  Kritik  sagt: 

yfBesehrttukung  auf  das  in  der  Schule 
wfrklleh  s«  BehMielaAe,  nicht  Menire» 
Boodorn  iredlog-ene  Auswahl  des  Stoffes 
mit  bc!sou(i.Uiicli.sieht  auf  das  dem  weibl. 
OeseUeeht  Naheliegende;  YeriM^ 
dnnir  aller  nubtileu  Untersuch  an  gea 
und  trockenen,  das  Interesse  tStendea 
AvIklhlmngeB  gaaier  Seihen  von  Merk* 
malen  -  das  sind  die  VorzUgre  der 
^»Flliberst'hen  XatunBresehlchte**  vor 
anderen  derartigen  Erscheinungen  und 
die  Grundsatze,  die  dem  vortremieheB 
Buche  hchnell  den  We^  in  viele 
Schulen  gebahnt  haben  und  dteaend 
Vffnen  werden/ 

Probe -Exemplare  sind  durch  jede 
Buchhandlung,  anoh  diiekt  vcn  Vemger 


)Bexlag  Don  ^Hllud  ftlinflarbt  in  e  i  p  ,^  i «]. 
fbmAt,      Ii(dl»9<fdlt4l(  fftt  eoangdiid^f 
«olliHNm.*  Sic  Mc  «oA  fecc€d^ 


mm 


[•    Qröpslts  Lager  ^ 

^  Louis  Oert^<;j^ 

.HANNOVER  «4^ 
Jß9fnm»att.S»il9if0tc,ty  Engrts Piwitt»* 


Den  Herren  Seminaristen  und  Lehrern  durfte  bei  der  Vorbereitung  zu  ihren 
AmtsprUfungen  tob  Nntnen  sein: 

Übungen  im  Kartenlesen. 

Eine  Aui'gabeiisammliing  für  höhere  Schulen 


von 


Bmil  Hözel, 

ObsdiiMr  SB  Sgl.  8«mLa«r  n 
1.  Heft: 

Die  Erdteile  ausser  Europa. 

Preis  ßO  P*   * 

Durch  jede  Buchhandlung  su  beneben. 
Leipslg,  September  188S. 

VerlagebveUMadhuiiff, 


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In  meinem  Verlage  erschienen  folgende"     "  '  '  ' 

Werke  von  Otto  Ernst: 
Aus  verborgenen  Tiefea 

Korellen  nnd  Skizzen. 

244  S.  BroBch.  Mk.  2.25;  eleg.  geb.  Mk,  3.—. 
„Der  Verfasser,  offenbar  mit  ganzer  Seele  Pädagoge  in  des  Wortes  hüchBter  Bedeutung, 
1DUB8  auch  dem,  welcher  seine  Anwihauungen  nicht  teilt,  zweifelloB  durch  seine  tiefe  Seelen« 
und  Menschenkenntnis,  durch  seinen  voll  und  frisch  quellenden  Humor,  durch  die  Kraft  seiner 
Saüre  und  endlich  durch  die  fireie  Sicherheit  imponieren,  mit  welcher  er  die  Sprache  bo< 
WnBck(E.*   (MMItf  IIp  Nlltfii liebe  UntaHMritanQ«) 

^Otto  Emst  nimmt  unter  den  Vertretern  des  Jttngstcn  littenukdMB  DeatHUttid  fliM 
UkMM  \berromgende  ätelluug  ein."  (Berliner  Neueste  NacbricliteiiO 

.OttoBnrt  Iwwtlirt  ridi  als  Kflnstler  Mf      Miete,  dM  er  pflegt*  (!mmahMn§) 

Bäa  d«f  Dsotelbng  und  nnbento  Au- 


.Alle  diese  ErzftUnngen  dnd  durch 

IM  er  (OttoSrosI)  tnu  tnenthalbeB  mr  lebendigsteii  TeHmhioe  n  bewegen  Tetstoht 

und  mit  dem  scharfen  Blicke  des  Menschenkenners  die  "Wärme  des  fühlenden  Herzens  zu 
vereinen  weiss,  das  ist  sein  Verdienst,  die  Frucht  seines  tiefen  und  reichen  Gemtttes,  dargelegt 
in  musceisiitiger,  oft  schneidiger,  aber  stets  dem  Gedanken  adäquater  Sprache."  (Pidagoeium.) 

„Hier  tritt  uns  eine  Tiefe  der  Empfindung,  eine  Hoheit  der  (lesinnung,  ein  Reichtum 
an  9cb5nen  Gedanken,  feinen  Beobachtungen,  ein  Zauber  der  Stimmung  entgegen,  die  uns 
liVrcrraschen,  entsUcken  nnd  bis  za  Thränen  rühren.  Otto  Emst  ist  ein  Denker  und  ein 
I>ichtcr,^  der.  des  DiebteB  ,gefl1lgelt  Wedaeog,  das  Wort«,  iMistviidi  haadhtbt*'  (Neri 


Offenes  Visierl 


>lte  Bssays  tmn  Ltttentiury  FMa^oglk  und  WenfUeheiii  Leliea. 

280  S.  Preis  broscb,  Mk.  2.50. 
^Da  ist  wohl  ein  lebensfrischer  Denker  willkommen,  der  nicht  nur  den  Leasing,  sondern 
anfik  den  David  Friedrich  Strauss  zu  erneuern  versteht.  Er  (Otto  Emst)  streitet  gegen  die 
Dag^etik  mit  ,offßnem  Visier*,  mit  kHireiideD  WaÜn  der  Dialektik  nnd  heOen  Schlaoht' 
tonen  der  Rhetorik,  wie  sie  in  unsem  Tagen  schon  lange  nicht  mehr  gehört  worden  sind, 
mit  einer  mutigen  Konsequens,  die  unserer  charakterschwachen  Zeit  fast  abgestorben  ist.... 
Da  Mg  naa  den  Bitter  mit  -dem  jOffeaen  Visiei'  wflUcommeii  betssen,  sowoU  wegen  des 
neu  Visiers',  als  auch  weil  er  ein  Ritter  ist."    (Die  Gegenwart."! 

,Wir  gestehen  gern  ein,  dass  wir  selten  in  einem  Werke  dieses  Umfang  eine  solche 
geSatiaDer  Gedanken  und  Ibftiken,  eine  so  TidMitige  Bildong,  eine  so  melsteibafte 

_ie  gefunden  haben."   (Deutsche  Revue.) 

^SeinBnck  gehört  dar^  auch  zu  den  beetgeschriebenen  und  anregendsten  Schriften  der 
Gegenwart*  (Ha  «eeelleehaft) 

„Für  beschränkte  und  ängstliche  S'chabloucnmenschen  .  .  .  passt  das  Buch  allerdintrs 
ucht;  für  solche  ist  es  zu  aufregend,  zu  kühn,  zu  gedankenschwer,  zu  revolutionär.  Für 

FBte  Köpfe  aber  nnd  frde  Charaktere  ist  es  eine  Quelle  wahren  Gennsses  nnd  eine 
ondstätte  der  fruchtbarsten  Gedanken.  Dem  Gehalte  entspricht  in  würdigster 
Weise  die  Form:  der  Stil  des  Buches  ist  ebenso  frisdi  nnd  treffend,  wie  Iconekt  nnd  fein- 
iMig,  geradezu  musterhaff  (Pädagogium.) 

von  danüeOien  VcrtUs-iT: 

Neue  Gedichte. 

168  S.  Eleg.  geb.  Mk.  3.—. 

Gedichte. 

iweite  durchgesehene  Auflage.    Mit  dem  Bilde  des  Dichtem.   Eleg.  geb.  Mk.  4. 

i»iefcisrger  IdilWerpretos  gelEHhii« 

Verlag  von  Conrad  Kloss  in  HaoAiirg. 


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^rrloQ  oan  f.  Si^maim,  DüHrlborf. 

Soeben  ift  erfrfiiencn: 

für  Schufen. 

Critfattn  ffir  itn  Kntrrrldil  übrr  ßan,  Crbcn 
nnt  At|nnbl)tit      intnfd|lid)rn  fiörptrs. 

92ebft  einem  ^nt)ang 

nbtv  »ie  erftr  pilft  bei  Itiatjlidjrn 
UngltttföfaUfii. 

Son       ^faufic,  Seminarle^cer. 

aRU  44  «bbilbungen. 

^«  l^reid  9K.  1,80. 

35er  3Jerfoficr  l)at  quI  ben  (Gebieten 
bec  9(natomie,  ^^t)ftologie  unb  (iieiunb' 
^ett^le^re  beS  ^^enfc^en  bog  au^geroäbtt, 
roo*  et  in  feinet  metjriäbrigen  Ihdtigleit 
aii  1urnlel)tct  unb  Sekret  bcr  (5Jc)unb« 
^eitdpflege  old  bcfonberd  für  bie  (&(t)u(e 
fleetqiict  erfonnt  t)at.  ®in  befonbercr  3Sor» 
^ug  bee  ^üdjleins  liegt  barin,  baß  ei  nic^t 
in  ben  t^etjler  &^nlic^er  fieitfäben  oerfäUt, 
bie  Anatomie  auf  Äcftcn  bcr  ungleid)  wirf)' 
tigeren  (^ef unbbeit^le^rc  f^u  audfü^rlid) 
(u  be^onbeln.  '^ludf  in  ieber  anberen  ©c- 
.^iebung  roirb  baS  ^üd)Iein  Dor  allem  bnt 
43fburfnif)en  ber  llnterridjt^prafi^  gerecht, 
meS^alb  fit^  befonberd  an  6eminarien 
unb  anbertn  höheren  fic^ranftalten,  forote 
oll?  £eitfaben  in  ber  :panb  be^  ^oifdfc^ul« 
Ic^reriä  rafc^  einbilrgern  mirb. 

3u  bestellen  5ur4  oOr  ^iidiNnll' 
lunorn,  foivic  au4  ^on  Oer  i^erlag0= 
lianUtutig 


3n  meinem  SJerlage  ifi  erft^icncn: 

Uder  ilic  ptt(ti|e  Mtit 

mit  lirron6em6rrti(krt(t)tignn(;i  brr3i)ßemr 
von  dpino^a,  £cibnt^,  &ünl 

92ebft  einer 
^bfjanMung  äber  ben  ßubämonidmud. 

Jßon  Dr.  ^tiebri*  S^ittc«. 
Stveite,  neu  burc^gefetjene  nuf(age. 

Sorfteb«nbe  Sdjrift  toax  feit  13  3«^«»  wr« 
griffen  unb  e*  fonnte  fic^  ber  tJcrfoffer  bi^ljer 
jur  i)erauögab«  einer  neuen  Kufloae  nit^t  ent» 
fc^lieften.  "ütadibcm  aber  in  le^ter  ^(^t  bie  Än« 
frogen  unb  ^eftellungen  auf  baS  ©erf  [idf  be* 
ftänbig  mehrten,  lag  teine  3}eran(affung  mtt)x 
Dor,  mit  einer  neuen  91uflage  jurüdiutjalten. 
Xiefelbe  ift  grünblid)  butd)gefe^en  unb,  foipett 
nötig,  enveitert  roorben. 


Pianinos  von  S50  bis  1500  Mk. 

Uarmnniiime     deutsche    und  amerik.  Cottmge- 

narmoniums.  p^^,.,^  ^^^^^       ^  „ 

Xrlaael.    Alte  Fabrikat«.    Höchster  Baarrabatt. 

Alle  Vortheilf.    lUostr.  Katalope  gnüu. 

Wilh.  Rudolph  in  Gie>M**?n, 
f^riVsatea  Piano^Versandt-UeachiLft  Dentachlands. 


Musik 


Clai».  1.  iBodn.  2-  n.  4hd;:.  Ooirrtorta, 
lifder.  Irkq  ti<.  W«i  Ira. 

alische  Universal-Bibliothek. 

  1  Jede  Kr.  «O  Ff.  leo  rtvidtrta 

loOa«rrn.  Vonrt.fUlfh  ■.  »rack,  tUrkr»rapirr.  —  Bltfaataa»> 
pstalUU  AlbunsN  a  L&O.  rtvldlrt  loa  Ueaaaa.  Mm- 
Mbn«tc.  —  WrkBatifBf  Hn>jk  iilirr  F.ditlonri  —  laBsristka. 

Vwm«lcbiu  ST.  tufr.  Ton  Fsltx  Sieget,  te<p»ifl,  IWliriwtr.  1. 


Soelt^en  ersolielzit: 


19000 

1 16  B&nde  geb.  &  10  BL 
oder  356  Hefte  ä  50  Pf. 

160001 

1  Abbildungen. 

Brockhaus^ 

rsations-Le. 

/4.  Auflage. 

SeitenTextJ 

Konve 

xikon. 

eoOTafeln. 

SOOKartenl 

1 120  Chromotafeln  imA  480  Tafeln  1h  ScbwarxdniclL  | 

Hierzu  drei  Beilagen:  1.  von  Fr.  Brandstetter  in  Leipzig.    2.  von  W.  Rudolph  in  Glessen. 

3.  von  Dr.  Pitschke  in  Bonn. 


Bnolidraekerei  Jaliu  EUnkhardt,  Leiptip 


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Paedagogium. 


Mouatsschriit 


f(lr 


Erziehung  und  Unterricht. 


Jlmusgegeben 


unUr  Mitwirkung  hervorragender  Paedagogen 


I?.  Mmi 


1  Heft,  November  1891 


Verlag  von  Julius  Kliukhardt 


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IshAlt  dM  2.  Heftes. 


Die  Snlehiaig  mm  G«hoiMiii.  Yoii  Dizeefeor  A,  6o«rtli-]bit«ilniiy  ...  81 
Hkunde  und  eidkimdliche  Belehrungen  bei  den  orient&linhAil  TOlkeni  des 

A!t(Tthumfl.    Von  A.  Troüinnu- BroTn borg  fSchlnsa)   100 

Ein  d-  ukiiviirdiger  Aus^pnu^h  iibtr  il.e  iiiig-euieiue  (Voik8-jS<'hule   114 

Hjgieiie  und  Erziekuog.   ihre  Auweaduug  zur  wirksamen  üekämpfuug  dea 

-  IdiotUDuu.  ym  Bttotor  0.  Hintz-BerBn   116 

AvitelMfaptiaM   IM 

BeMutoDM  .136 


jUlft  BurtihOTdhifigwn  und  Postaxuttalten  n^hmea  Bectellung«a  ma» 


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Die  firiiehug  um  CfehmuL 

Ton  iNraeftr  A»  Gtnrth  ImimUuif, 

CxdunrMin  ist  die  Qnnidbfldingnng  ftr  das  Gdiogen  größerer 
oder  kkiner  gemeiiisduiftiidier  UntemehiBimgeB,  flr  das  Gedeiheii  imd 
ta  Fortodiritt  Uetnerer  sowie  größerer  GeiBefniwdiaften,  der  Familieiif 
der  TerseiiiedeiMn  Verefne,  der  KMmb,  dar  StaataiL  Alle  GenuBii- 
sohaAen  bedirfim  TetaeMedener  GeeeUe,  durch  die  der  Eigenwille  der 
MwehieB  tliefls  in  Sefaranken  gebalten,  theüa  in  die  Biditimg  gelenkt 
wird,  weldie  dem  Gänsen  Nnlnn  bringen  kann.  Dasselbe  gilt  fttr 
gwinfinnfbaflllrhe  Untemebmnngen.  Der  Segen,  den  diese  Gesefaie 
bringen  kAnnen,  bingt  von  dem  Gebofsam  ab,  der  ihnen  geaoUt  wird. 
Selbst  bei  denVerbindangen  von  YerbreciMni  wird  von  den  tfügiiedeni 
der  Bande  GMiorsam  gegen  die  Anftbrer,  gegen  die  bei  ihnen  gütigen 
Yctscivillai  wbngL  In  riefatiger  Bikamtnis  der  Wfchtigkeit,  die 
im  Qefatimm  liegt,  bedrohen  eie  bei  getthtUdien  Verbindungen  md 
Untmehmnngen  die  Ungehorsamen  sogar  mit  dem  Tode. 

Wer  in  einer  Oemonschaft  als  Hao^  an  der  Spitse  steht,  wer 
eine  gemebisame  üntemehmang  m  leiten  hat,  weiß  sehr  wol,  dass 
es  einen  erswnngenen  nnd  einen  willigen  oder  freudigen  Gehor^ 
aam  gibt  und  wird  stets  von  Henen  wttnschen,  sowel  in  der  Ge- 
sinnnag  wie  in  den  Theten  seiner  üntetgebenen  nnd  Hitsibeiter  nnr 
der  lelstem  Art  so  begegnen.  Ein  freudiger  Gehorsam  schafft  stets 
TMEÜebes,  oft  das  AnßerordenHiehe;  wenn  grßßere  Keiscbenmmigen 
dm  begefstflort  sind,  kann  Unglanbliches  geletetet,  künnen  Theten  yoU- 
bcneht  werden,  die  ans  Wnnderbsre  grenaen.  Herrorragende  Führer 
knben  ihre  GenialitSt  stets  darin  geeeigt,  dnreh  king  gewihlte  Mittel 
oder  begeisternde  Beden  große  Manen  za  sokhem  Gehorsam  m  er- 
regen; die  größten  nnd  weisesten  Ftaten  nnd  StaatsnUbmer  haben  es 
ntits  ventanden,  an  ihrem  Begierongswertce  die  richtigen  Mitarbeiter 
m  ßndoi  od  diese  Kßnnar  selbst  sehr  schweren  Pfliehten  gegenüber 
aü  i^eadigem  Gehorsam  so  erflUlea. 


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—   82  — 


Bei  dem  bisher  erwilmtai  Oefaonui  handelt  es  adi  vm  die  er- 
zwaDgene  oder  villige,  ja  Ireadige  ünterordnnng  des  EigenirilleDS 
unter  das  ^Jesets.  Denn  adbsl  in  dem  Falle,  daw  groBe  Mensehen- 
massen  sich  ImitwOlig  dem  Willen  des  Einseinen  f&gen,  liegt  dieser 
Fü^MimMt  doch  der  Qedanke  m  Grunde,  dass  diese  Forderung  ver- 
n&iiiüg,  dass  sie  recht  nnd  gut  sei  und  der  Befehl  nichts  Ungesetx- 
liito  enthalte.  Wenn  YtsSksmanea  sich  durch  schlaue  Demagogen 
oder  wüde  Verbrecher  zu  ünrecht  und  Oewaltthätigkeiten,  zu  Mord 
und  Brand  hInreiBen  lassen,  so  darf  man  nkht  yön  Gehorsam,  von 
-wahrer  findiger  Begeisterung  sprechen,  sondern  nur  von  Frevelsinn, 
Leichtsinn,  Fanatismus^  Wahnsinn,  im  günstigsten  Falle  von  ungesunder 
und  widerlicher  SdiwftrmereL 

Wer  freudigen  Gehorsam  lästet,  aeigt  hohe  Achtung  vor  dem 
Gesetz.  Er  ist  nicht  nur  flberMUgt,  dass  Gesetse  nothwendig  ^d, 
sondern  erkount  zugleich  an,  dass  sie  zu  Recht  bestehen,  und  dass 
Jeder  die  Pflicht  habe,  sich  ihren  Forderungen  zu  fftgen.  Da  er  um 
dieser  Gesetze  willoi  in  vielen  Stücken  seinen  Eigenwillen  untardrttcfcsn 
mnss,  so  zeigt  er  bei  freudigem  Gehorsam  zugleich  echte  Selbat- 
beherrschuug  und  in  seiner  Gesinnung  den  Willen  zum  Guten. 
Solch  ein  Mensch  handelt  sittlich  gut.  Wenn  er  dabei  das  Gute 
lediglich  um  des  Guten  willen  thut  und  weder  an  Belohnung,  noch 
an  etwa  drohende  Strafen  denkt,  so  darf  er  ftberaU,  wo  gesetzliche 
Zustände  herrsehen,  zu  den  besten  Menschen  gezählt  werden. 

Auch  der  erzwungene  Gehorsam  kann  gut  sebi  und  Gutes 
wirken.  Es  gibt  genug  schwache  Menschen,  die  ihr  Lebdang  un- 
mündigen Kindern  gleichen  und  eines  festen  Führers  bedürfen.  Sie 
sind  nicht  scUecfat^  verabscheuen  auch  das  Düse,  smd  nur  leichtsinnig, 
wankelmüthig,  beschränkt,  unbesonnen,  willensschwach  oder  willenlos, 
d.  h.  nicht  imstande,  um  eines  besseren  von  ihnen  selbst  als  gut  er- 
kannten Zweckes  willen  ihre  widerstrebenden  Triebe  und  Neigungen 
zu  beherrschen.  Wenn  dieser  mangelhafte  Wille  dureh  den  festen 
Willen  eines  gesetaSich  berechtigten  Herrschers  ersetzt;  wenn  die 
Begfilirlichkeit  der  Neigungen  durch  eiserne  Zucht  in  Banden  gehalten 
wird,  und  die  Gewohnheit  als  mächtig  wirkendes  Moment  zur  Er- 
ziehung hinzutritt:  so  können  sokhe  Menschen  trotz  ihres  nur  er- 
zwungenen Gehorsams  mit  der  Zeit  doch  zu  Leistungen  gebracht  werden, 
denen  man  hohe  Achtung  zoUen  muss.  Man  vergesse  nicht,  dass  der 
Mensch  hüher  begabt  ist  als  das  Thier,  dass  bei  ihm  keine  btoäe  Ab- 
richtung  stattfinden  kann.  Sobald  die  Gewohnheit  so  erstarkt  ist, 
dass  die  widerstrebenden  Neigungen  sich  mit  Leichtigkeit  fügen,  wird 


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I 


—   83  — 


die  Seele  sich  des  so  erlangten  IJbergewichtes  filtei-  das  Thieiisclie  in 
iins  gewiss  freuen  und  offen  oder  wenigstens  im  lieimen  den  Zwang 
seinen,  der  solch  einen  "Willen  zum  Outen  geschahen  liat.  Das  gr(ȧ- 
artigste  Beispiel  dafür  liefert  die  Wirkung  der  strengen  Kriegszucht 
bei  den  Römern  and  in  unseren  Zeiten  die  der  Zoeht  in  unseren 
praiftiflcheii  imd  deatschen  Kriegsheeren. 

Der  eizwnngfine  Gehorsam  ist  (in  attUiclier  Hinsiclit)  nur  dann 
irirknngslos,  wenn  er  gegen  die  bessere  Übenseogiing  die  Befalle 
einer  iTranniflcben,  ungesetzlichen  Gewalt  erfüllt,  wenn  der  edle  Mensch 
in  fltiUer  Verzweiflaiig  oder  mit  Zähneknirechen  gehorcht  £r  veiß 
4amk  sehr  ml,  dasB  er  seiiier  MeDflcheawttrde  Tergibl,  dass  er  iich 
damit  snm  etonden,  iHCenloaeiiSdareii,  ja  nun  Thier  eniedrigt  Uügfgt 
die  üoatSiide  ihn  entechaldigen;  mag  er  imaerhin  sagen  dflrfen,  du» 
er  dnrch  üngebonam  sich  nnd  die  .Seinigen  Temiehten  und  dem 
Chuuen  damit  keinen  Dienst  erweisen  wtrde:  irenn  in  seiner  Brost 
Mmnheit  nnd  £hrgefBhl  wohnen»  so  mnss  er  in  tiefem  Knnuner  sn- 
auuBenhreGben,  mnss  jeden  Lebenshalt  yeriieaen.  Edle  Mftoner  sind 
infolge  der  Unteijoehung  ihres  Vaterlandes  durch  einen  tyrannischen 
Sroberer  in  Wahnsinn  Terfalien,  oder  haben  sich  an  Theten  der  Ver* 
sweifhmg  hinreiBen  lassen,  die  einem  Selbstmorde  fast  gleichkamen. 

In  solchen  Zeiten  wuchern  zwei  Arten  von  Gehorsam,  die  aus 
der  sittlichen  Welt  ganz  verbannt  sein  sollten.  Der  leidende  Ge- 
und  die  eigennützige  efiigigkeit  gegenüber  Befelilen, 
die  als  ungerecht,  ungesetzlich  und  unsittlich  wul  erkauut  werden. 
Die  erste  Art  wird  dnrch  das  strenge  Wort  gekennzeichnet: 

Geht'8  woi  o(l<  r  iidel,  gut  oder  tiuil, 

Friss  deinen  l'iulding,  Sciav,  und  luilt  lim  Maul! 

Sie  ist  fciü  Zeich*  ri  von  ji  uer  Feigheit  und  Unterwürfigkeit,  die  von 
allen  tyrannischen  (.Tewalthabei-n  und  herrschaiichtigen  Regierern,  welcher 
Art  «qe  sPin  mr^iroii,  znoleicli  mit  der  „Ruhe  der  ersten  Bürgcrptlicht'^, 
bei  den  Untergebenen  aU  Tugend  gepriesen  und  gefordert  wird.  Die 
zweite  Art,  die  eigennützige  Gefügigkeit  gegenüber  den  Plänen  und 
Forderangen  von  Gewalthabern,  die  zum  Dank  für  solche  Unter- 
stützung Belohnungen  spenden  oder  auswirken  können,  stammt  aus 
«iner  gemeinen,  schlechten  Gesinnung  und  ist  als  unsittlich,  nichts« 
wordig  und  verwerflich  zu  bezeichnen.  Während  der  echte  freu- 
dige Gehorsam  snm  Guten  sowie  der  durch  die  gesetzlich  berechtigte 
Macht  erzwungene,  den  Ban  der  sittHehen  Welt  snsammenhalten,  wird 
durch  den  leidenden  Gehorsam  nnd  die  elende  eigennützige  Gefügigkeit 
^  feilen  Streberseelen  alles  Gate  untergraben  nnd  die  Menschheit 


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—  84  — 


mJddflir  Winwrfii.  Mhcailllt.  d6lll  ZüStindiO  OdcilBter  MiMMMhllftliliAtt.  Atm 

idealen  Ziele  religiÄwr  und  sittlicher  YolIkoiainBDheit  nAhar  za  konuneiL 
Es  kann  nach  diesen  Betrachtangen  jucht  nnkUur  sein,  tu  welcher 
Art  Ton  Gehonam  Einder  «raogen  werden  sollen.  Der  rechte  £r- 
rieher  irill  in  ihnen  den  freudigen  Gehorsam  endehan,  der  auf 
tieto  Acfatnng  vor  Gesetx  nnd  Becht  hemht,  den  Zwang  der  Sdhat- 
bebem^nng  als  nothwendlg  nnd  g«t  anetkennt  nnd  ans  einem  Wilkn 
(Charakter)  hamigeht»  der  stets  gesonnen  ist»  das  Gute  nm  des  Guten 
willen  an  thnn. 

Da  solch  ein  Gehorsam  einen  wackeren,  sittlich  guten  Charakter 
finderti  so  kflimte  jemand  sagen:  ESnieht  im  Kinde  soleh  einen  Charakter, 
so  wird  sieh  eine  besondere  Endehnng  an  solchem  Gehorsam  als  on- 
Böthig  erweisen;  denn  derselbe  wird  von  dem  gntmi  sittiieheii  Gbarskter 
anch  ohne  besondere  Anteitnng  nnd  Anregung  geteistet  werden.  Ge- 
horsam ist  glfiidi  des  Baumes  Kftte  nnd  Fmckt;  ein  guter  Banm 
kann  nnr  gnte  FMi(dite  bringen. 

Dieser  Einwurf  berfkckalchtigt  aber  nicht  den  Umstand,  dass 
Kinder  in  den  emten  Lebensjahren  Jeder  Einsicht  in  die  Befehle 
entbehren»  die  ihnen  ron  den  Eltern  oder  Lehrern  als  Ge- 
setxe  gegeben  werden,  nnd  dass  man  in  diesen  Jahren  mindestens 
des  eravnngenen  Gehoraama  bedarf,  nm  rie  an  nOthigen,  ihre 
widerstrebenden  Triebe  an  onterdrfioken  nnd  in  sich  die  aar  Sittlich- 
keit dnrchans  nofhwendige  Kraft  der  Selbstbeherrschnng,  der  mn^igiFnff 
des  Eigenwillens,  groE  sn  ziehen.  Jemehr  das  Kind  heranwächst, 
wird  des  Endeben  Anljsabe  sefai,  diesen  erawnngenen  Gehersam 
in  den  rechten  freudigen innerlich  als  heilsam  gef fthlten  zu 
verwandeln. 

Diese  Antgabe  soll  hier  nAber  erörtert  werden. 

Man  kann  den  EUuan^.  und  namentiieh  den  Muttern  nicht  ernst 
genug  einscharfan,  dass  die  frflhe  Gev5hnung  des  Kindes  an 
unbedingten  Gehorsam  die  erste  «ad  nnerUUaiehe  Bedingung 
ftr  das  GellBgen  des  Bralehnngswerkes  ist»  Diese  Gewöhnung 
soll  schon  mit  dem  zweiten  Lebemdshre  beginnen  und  darf  unter 
UmstSnden  schon  im  ersten  nicht  ftbenmhen  oder  TenmchUasigt  werden. 
Das  Kind  ist  in  diesem  Lebensalter  sum  Geborgen  nicht  sn  kWn 
nnd  an  Jung,  und  jedenfalls  groß  genug,  um  dnreh  EtgensimL  und  Un- 
gehorsam sich  bedenklioh  au  sehaden.  Auf  wekhe  Weiae  ist  bei  dem 
Wftrmchen  aber  Gehorsam  zu  erzwingen? 

Hier  ist  eine  leichte  körperliche  ZAehtignng  als  Strafe 
fttr  Eigensinn  und  Ungehorsam  von  der  wolth&tigsten  Wir- 


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! 


—  85  — 


kuug.  Da  diese  Strafe  in  den  ersten  Lebensjahren  des  Kindes  fas^t 
die  einzig:?  ist,  die  man  anwenden  kann:  soll  man  ^ie  ohne  Be- 
denken irebrauchen  und  sich  weder  durch  die  Einwürfe'  t  luer  schwäch- 
lichen, übergroßen  Zärtlichkeit  noch  durch  unvernniutige  MonscheJi 
davon  abhalten  oder  zurückschrefken  lassen.  Die  altr  Forderung,  dass 
bei  der  Erziehung  der  kleinen  Kinder  >die  Ruthe  hinter  dem 
8i»ies:el  stecken  soll**  hat  ihre  volle  Rprechtigung  und  sollte  für 
alle  Zeiten  und  alle  Oeschlechter  und  iStände  als  anumstdßlicli, 
aan  darf  wol  sagen  als  heilig  gelten. 

Es  ist  jedoch  wol  zu  beachten,  dass  man  diese  körperliche  Züchti- 
gung nur  bei  der  Erziehung  des  Kindes  in  den  ersten  vier 
Lebensjahrpn  anzuwenden  braucht,  dass  der  Zeitraum  InM  listens 
am  ein  Jahr  od*  r  bis  zum  schnli^rlh  htii^eu  Alter,  bis  7A\m  vollon  lHTt  n 
sechsten  Lebensjahre  ausgedehnt  werden  darf.  Wenn  dieRiiilie  (  die  kur[>er- 
Uche  Züchtigung)  noch  nach  dieser  Z^if  angewendet  wird,  so  bringt 
sie  mehr  Schaden  als  Nutzen,  und  wenn  ein  \  ater  oder  Erzieher 
meinen,  dass  sio  nach  dem  sechsten  Lebensjahr*  «liiu»  solch  ein  Zncht- 
mittel  das  Kind  nicht  przi^^hpn  können,  so  sidlou  sie  sich  t^iii  r  len 
bei  der  fr>«teu  Ei-zielumi^  beilieiligten  Hauptperson»  ii  da^  Zt  uiriiis  aus, 
nicht  auimerksani.  nicht  sorgsam  genug  gewesen  zu  sein  oder  aus 
ülkenntnis  gesündigt  zu  haben. 

\H  odur«d!  wird  (^ie  Anwendung  der  Küthe  in  diesem  eisten  KindCA< 
alter  zur  Noiliwendigkeit? 

Mail  darf  in  diesem  Alter  zur  Ki  zn  um  die  Macht  der  Ge- 
wohnheit*) benutzen  und  soll  deiiiiiaih  t  int  rst^its  vom  Kinde  alles 
tei  halten,  was  zur  schlechten  Uewohnheit  luhren  könnte  und 

^  Die  Gewohnheit  —  die  iwette  Natu  —  iit  der  tfwreh  GewShsang 
erworheae  anbewiisste  Willem 

Ihm  zur  Soitc  steht  der  sogenannte  freie  Will»",  d.  h.  die  Kntst^hlossenheit 
der  Seele,  bestinuiite  Handlungeu .  die  wir  gut  oder  bö.*"^  ni  nnen.  auszutuhrea  oder 
n  Tenneiden.  Beide  Arten  yon  Willen  werden  aiimaiilick  durch  Ge> 
vSlianng  im  um  nvagehildet;  der  freie  WIDe  dinh  die  OewISIttimg,  gefaxte 
lemMlMa  iriiUidi  aunflOirai.  ^  Weg  rar  BUle  iai  mit  gtttea  VeiaitBaa 
f^flastert."  Nur  die  stete  GewShaang,  gute  Eatschlasse,  deren  Ansffihrung  grote 
Ļhwierigkeit  macht,  starke  Scdh.stbeherrsohung  erfordert,  wirklich  nnsztiffihren, 
kann  diesen  „freieo  Willrn"  allmäblieh  80  stark  mif^hen,  dass  das  Sittcnifesetz 
iD  uns  zum  Natnzg^tz  wird,  duss  der  Hensch  nicht,  anders  lUti  lutüich  und  gut 
ImmMb  kasa.  Wllnciid  wir  nw  bat  te  A»JWdiiiit  diaM  »Ma  WIkmif 
{WiOeM  an  Qntsi»  Chanktar)  oaoh  ttfcawtiii  der  Gebete  edar  Veibote  aun 
Handeln  mit  Bewaaataeia  biatinBien,  eilaagea  wir  Gewohnheiten  meiaten- 
tbeib  ohne  unser  Wfspen  iinbewusst,  oft  fwgar  gegen  unseren  Willen,  gegen 
aaaere  bewere  Überseugong  bei  maagelhafler  Aufinerkaamkeit  und  Seibaterkenataia. 


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andererseits  ülle.s  wa^  ihm  in  seiner  kMri»cilichen  und  setliöchen  Eut- 
wiokelimg  lieilsam  und  ersprießlich  werden  kann,  beharrlich  wieder- 
liolen,  sodass  durch  Gewöhnung  in  ihm  gute  Gewohnheiten  ent- 
stehen. Das  Kind  ist  schon  im  ersten  Lebensjahre  sehr  leicht  zu 
verwöhnen,  d.  h.  es  kann  sehr  rasdi  Gewohuheit-  n  annehmen,  die  ihm 
nicht  zuträglich  sind  und  den  Erziehern  sowie  anderen  Personen  in 
seiner  Umgebung  überläj^tig  werden  können.  Bei  i^ehr  geringer  thörichter 
Nachgiebigkeit  von  Seiten  der  Mutter  oder  der  Amme  gewöhnt  sich 
der  kleine  Mann  oder  das  kleine  Fräulein  in  wenigen  Tagen  daran^ 
vor  dem  Einscldafeu  eingeschaukelt,  umhergetragen,  eingesungen  zu 
werden  oder  nur  mit  dem  Saugfläschchen  im  Munde  zur  Buhe  m 
l^ommen.  Eine  Kleine  aus  unsei-er  Bekanntschaft  hatte  sich  daian 
gewöhnt,  der  Mutter  oder  der  Wärterin  Ixiui  llerumtiagen  das  kleine 
Fäustchen  auf  das  eine  Auge  zu  drücken  und  erhob  ein  mörderisches 
Geschrei,  sobald  sie  dieser  Gewohnheit  nicht  fröhnen  konnte.  Eine 
andere,  sehr  weit  verbreitete  ubie  Angewohnheit  ist  das  bekannte 
Dauuieiilutschen. 

Wie  entstehen  solche  üble  Gewohnheiten? 

Schon  in  diesem  frühen  Alter  zeigt  sich  im  Kinde  die  gewal- 
lige Macht  der  Lustreize  und  mit  ihnen  verbunden  die  der  Un- 
lust- oder  Schmerzreize.  Die  Vollreize,*)  welche  die  Seele  in 
einlacher  Weise  befriedigen,  können  ihre  gute  und  wahrhaft 
segensreiche  Wirkung  und  Herrschaft  nicht  dauernd  behaupten:  wie 
bei  den  Erwachsenen  verlangt  die  Seele  des  kleinen  Kindes  nach 
aufregender  Abwechselung,  nach  den  Lustreizen,  die  es  ein- 
mal gekostet  hat,  und  müsste  es  dieselben  erst  durch  Schmerzreize 
erkaufen. 

Der  erste  Antrieb  zur  Bildung  einer  Gewclmhiit  ist  solch  ein 
Lustreiz,  kann  nur  ein  Lustreiz  sein;  deiiti  i^is  Wesen  desselben 
besteht  darin,  die  Seele  mit  dem  Bestrebeii  zu  talüllni.  sich  den  dabei 
empfundenen  Genuss  noch  einmal  und  woiuüglich  in  erhöhtem  Maße 
zu  verschaffen.  Dies  gilt  auch  für  die  sogenannten  ,.iibelu  Gewohn- 
heiten" und  die  vielen  Wunderlichkeiten,  denen  mau  bei  Menschen  so 

*)Wer  diese  Bei^^riffc  nicht  klar  versteht,  studire  die  Psychologie  Ton  Fr.  Kd. 
Beockc.  Wer  ciu  echter  LehnT  und  Kr/.ithfr  werden  will,  mmn  Mch  mit  «Icu 
Forschungen  dieses  MaDneü  gauis  vertruui  luacheu.  Ohne  dit^e  Studieo  kaxm 
mm  dw  Bemna  Fonwbvngtii,  s.  B.  die  «bei  Wilh.  Wiindt  (PhyiioIiigiMhe  Fkisf- 
«hcdogie)  nicht  klar  ventehen.  Die  von  Beulce  auf  Onoid  eeioer  Ffejdiologle  vev- 
fasstc  „Erziehungs-  und  ünterrichtslehre"  ist  in  vieler  Hinsicht  noch  jeUct 
von  großem  Wert,  cnthült,  wie  man  sagea  deif,  ewige  WahilieiteD,  und  wUte 
keinem  Lehrer  unbekannt  sein. 


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oft  begegnet.  Es  ist  nicht  nöthisr.  dass  der  bei  dem  ersten  Lustreiz 
einpfnndene  (m.iuis^  die  Sinne  besouders  befnedig:t  und  (^rre^^t  habe; 
ej-  kaiiu  auch  .seeiiacher  Art  gewesen  sein.  Der  erste  Impuls  zu 
dar  I  li^eln)  Gewohulieit  zu  rauchen  oder  Tabak  zu  kaueu,  ist  nicht  im 
Gteßcliujackj^ofenuss  zu  ^uriit  n;  er  beruht  auf  der  seelischen  Lust  am 
verböte iit'ii  Thun,  am  Nachäffen  der  Manieren  von  Erwachsenen,  oder 
auf  der  Lust  am  Prahlen  gegenüber  den  Kameraden.  Wer  sich  ang^e- 
wöhnt  hat,  beim  Denken  oder  Sprechen  mit  den  Daumen  zu  spielen 
oder  an  dnem  Rockknopfe  zu  ängenit  den  Kopf  zu  ki  atzen,  mit  den 
Aogea  la  blinzeln,  das  Gesicht  zu  verzerren,  die  NSg«l  zvl  kanen,  die 
Zunge  Tonnstrecken,  hat  in  aUlen  diesen  Handlnngen  bei  der  aller^ 
ersten  Ausföhrnng  eine  wolthiiende  Erleichterung,  bei  Verlegen- 
heit eine  gewisse  fiefreinng  Tom  Zwnog,  eine  wolthoende  Hilfe,  in 
jadieiB  Falle  eine  Art  toh  Iinst  empfunden.  Pia  Seele  lutt  diese 
Lost  treu  Im  Gedächtnis  bewahrt  ond  dämm  bei  ähnlichen  nnange- 
ndunen  Lagen  oder  Verlegenheiten  die  wolthnende  nnd  hefreiende 
Bandlniig  in  derselben  Weise  iriederholt,  bis  sie  zor  Gewohnheit  er- 
flttrkte  and  erstarrte. 

Man  wird  einsehen,  dass  sich  solche  Gewohnheiten  bei  dem  kleinen 
nach  I^utreiseB  sehr  begierigen  Kinde  sehr  leicht  bilden  kennen.  Wenn 
msB  erwägt,  dass  seihst  Singlinge  im  mten  Lebensjahre  dafür  sehr 
empftnglich  sind,  so  wird  es  klar,  dass  diese  Empfänglichkeit  mit 

viel  regeren  und  höheren  seelischen  Leben  des  Eiodes  im  zweiten, 
dritten  und  vierten  Jahre  ganz  bedeutend  zunehmen  muss.  Da  in 
dieseu  Jahren  von  dem  bewussteu  „freien"  Willen,  von  der  Wahl 
zwischen  guten i  luid  bösem,  gesetzlichem  odei*  verbotenem  Thun  kaum 
die  Rede  sein  kann;  da  es  aber,  wie  man  sieht,  dringend  noth wendig 
ist,  die  Lustreize  des  Kindes  und  den  damit  verbundenen  Willen  in 
6ciii;uikrii  YAi  \ui]\m  und  das  Kind  trotz  seines  Widerstrebens  an  be- 
stimmte gute  KiL'i  Ti^fbaften  zu  gewöhnen:  so  hat  jeder  Erzieher  die 
heiliore  Pflicht,  jene  Verhütung  schlechter  Angewöhnungen  und  diese 
Ausbildung  guter  Gewohnheiten  nach  festen  und  klaren  Grund- 
sätzen zn  leiten  und  dabei  das  Kind  an  unbedingten  Gehorsam 

gewöhnen.  Da  diese  Erziehung  nur  gelingen  kann,  wenn  das 
lünd  unbedingt  nnd  ohne  zu  prüfen  der  Autorität,  dem  Willen 
des  Erziehers  gehorcht;  da  dieser  Gehorsam  in  vielen  Fällen  nur 
mit  Gewalt»  durch  Erregung  der  gefurchteten  Schmerzreize,  oder  durch 
iiedrohung  mit  diesem  Übel  erzielt  werden  kann:  so  soll  man  sich  da, 
^0  die  Pflicht  es  erfordert,  durcbans  nicht  abhalten  lassen,  die  Küthe 
^xÜÜg  zur  Anwendung  zu  bringen. 


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Man  erwäge  noch  Fulgeodes: 

Sobftld  das  Kind  später  angehalten  wird,  seine  Pflichten  zu  durch- 
denken, am  za  begreifen,  nach  welchen  Gesetzen  es  hand^  soll, 
wird  es  nach  Ideen  erzogen,  welche  in  Bezng  anf  Religion,  Sittlich- 
keit and  Schönheit  sagen,  was  jeder  Meosdi  thnii  soU,  mid  "wM  an- 
geleitet» seine  wid^trebeaden  Triebe  und  Neigangea  im  FfahMdr  anf 
diese  höheren  Pflichten  se  lange  und  so  kftftig  n  uteiilrtlekHi,  bis 
diese  Selbsfbeherrschang  seiner  Seele  eine  höhere  Lust  gewihit,  als 
die  Hingabe  am  den  dnrch  jene  sinnUelifla  Begangen  besämmtoi  Bifen- 
willen.  Nor  bei  solch  dner  GewOhnang  kOnnen  FleiB,  OrdnangiUebe, 
FUnktlielikeit»  Wa]iilAftiglDeit,  BadliddErit,  Xraui  Aebtong  des  Heiligen 
and  andere  Eigenschaften»  die  wir  als  Tagenden  beaefehnen,  an  guten 
and  ibaten  GewoUuiten  irarden  nnd  dem  bewnasten,  dem  „Mm" 
WOlen  die  Bicbtnng  anm  Guten  geben.  Wenn  man  ndt  diesar  Er* 
ziehnng  warten  wollte,  bis  das  Kind  imstande  ist»  diese  hMieren  Ideen 
zn  begreifen,  so  würde  man  anf  eine  Menge  bereits  bedenklich 
erstarkter  ttbler  Neigungen  nnd  Gewohnheiten  stoßen,  and 
schliefilich  ehiaehen  mflssea,  dass  der  Eami^  dagegen  fhichtloa  ist  nnd 
damit  zugleich  die  Angewöhnung  Ton  jenen  Tugenden  aum 
Theil,  ja  oft  ToUstAndig  vereitelt  wird.  Ein  gewecktes  Kind 
wird  die  nenen  schOnen  Lehren  zwar  sehr  gut  begreifen  und  sieh 
Teratfiadig,  ja  oft  hOehst  gewandt  und  geistreieh  darAber  ansspreehen 
können;  aber  Begriffe  enthalten  nicht  Antriebe  anm  Handehi  und  ee 
kann  dahin  kommen,  dass  seine  Thaten  den  schonen  Worten  gaas 
widerspredien,  dass  es  zuletzt  alsErwaduener  im  Sinneagenuss  schwelgt 
und  jene  edeln  Lehren  fredi  venpottei  Es  ist  daher  durchaus  noth- 
wenÄg,  schon  die  erste  Bildung  der  rersehiedenen  Triebe  an 
überwachen  nnd  dieselben  schon  im  aarteateu  Alter  nach 
jenen  höheren  Ideen  au  lenken,  nach  denen  das  Kind  später 
als  erwachsener  Mensch  handeln  soll*)  „Daa  wirkliche  ElesMnt 
aller  geistigen  Functionen**,  sagt  Wilhelm  Wandt  (Physiologische 
Pegrchologle),  „ist  die  Thätigkeit,  bei  der  Empflndung  und  ^nOe  in 
uzaprttnglicher  Yerinndung  wirksam  smd.  Dies  ist  der  Trieb.  Die 
Triebe  bflden  daram  die  gemeinsamen  Ausgangspunkte  Air  dfe  seeUache 
Entwiokelung.''  Will  man  diese  widitigen  Triebe  so  IHUi  schon  ftber- 
wachen  und  leiten,  so  ist  mit  Worten  allein  nicht  ansaokonmien;  ama 

♦)  Daraus  crgi}»f  sich  y.nr  Govixscc,  dass  für  die  f^rziehunj?  die  cr^fcn 
üechs  Lobensjabrc  des  Kiniie.s  die  wichtigsten  sind;  denn  in  ihnen  wird 
der  unvertilgbare  Grund  211  alleu  guten  uud  zu  alleo  schlechten  Eigenschaften  ge» 
,  Iflgt  Wenn  doch  Jede  Mntter  diese  Wefailieit  eiaaehen  nad  behemigen  mBchte! 


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WKB  den  widerstrebende]!  Willen  des  kleineo  Kindes  oft  bän- 
digen, mm»  ee  swingen,  seinett  Wlllett  naeli  den  aelnei  Br- 
liehen  am  rlekten  und  dabei  ist  die  Erregung  von  kdchten  Schmemen 
mt  ffiUb  einer  Biitiie  xwar  niebt  das  einzige,  aber  ein  darohans 
gntes  und  nnentbehrliches  Hilfsmittel. 

Wir  geben  an,  daas  diee  HUftndttel  an  die  lekbtere  Dressar  von 
Tbkren  erinnert;  aber  durch  dergleichen  Bedenken  sdl  ein  yerstin- 
diger  Endeber  sieb  nidit  abeebiecken  basen.  Diese  kleinen  Kinder 
and  In  den  Ang»  der  EKtem  „Meblidie  Engel**;  aber  der  Fi^ebologe 
iraiBt  nach,  dass  sie  sammt  nnd  sonders  lieblose,  gefühllose, 
schamlose  und  selbstsüchtige  kleine  Geschöpfe  sind,  dass  sie 
zu  edeln  Menschen  erst  erzogen  werden  müssen.  Die  Liebe  zu  den 
Eltern  und  anderen  Menschen,  sowie  die  ideale  Liebe  lür  alles  Große, 
Gute  imd  Schöne  sind  im  Keim,  in  der  Disposition  in  ihnen  vorhandeni 
aber  diese  Keime  sind  sehr  zart  und  bedürfen  der  sorglaltigsten  Er- 
ziehoni^,  damit  sie  nicht  durch  die  viel  kraftigeren  Keime  der  aus 
der  Selbstliebe  staiiiiiienden  Triebe  im  Wachsthum  gelieinnit  oder 
ganz  unterdrückt  werden.  Darum  srill  man  sich  vor  weichlichem, 
falschem  Mitleid  hüten;  soll  die  Kiiider  lieben,  als  ob  sie  wirklich 
liebliche  Kngel  wären;  dabei  aber  beobachten  und  behandeln,  als 
ob  sie  kleine  Teufel  wären.  Ohne  strenge  Gewöhnung  an  unbe- 
dingten Gehorsam  kann  aus  dem  lieblichsten,  reizendsten  Piauder- 
latolcben  nnd  zärtlichen,  schmeichelnden  Koeemännchen  gar  bald  ein 
kteiner  boshafter  Teufel  werden;  können  sieb  in  diesen  Seden  Triebe 
entwickeln,  die  apiter  Mann  wie  Weib  auf  die  entsetzlichsten  Bahnen 
lenken.  Wenn  man  biDrt,  dass  eine  Mutter  aus  Gram  über  die  liieb- 
losigkeit,  den  Eigennutx  nnd  die  Freyeithaten  ihrer  Kinder  an  ge- 
iHmtaem  Henau  gestorben  ist,  so  kann  man  sieber  sein,  dass  die 
Anne  ihr  trannges  Los  selbst  Tcrscbnldet  bat  Sie  bat  die  Kinder 
hl  dm  ersten  Lebeoif  abren  nie  anm  Gdiorsam  erzogen,  bat  ihnen  ans 
admfdilidier  Liebe  jeden  Ungehofsam  nnd  Jede  Bosheit  nachgeaehen, 
tat  sie  gegen  die  Strafe  des  harten  Vateis  gescfalltst,  vieUeieht  sieb 
MUit,  ihnen  die  eihaltene  Zaehügung  dnreh  Liebkosttngttft  nnd 
KfeMbtteien  an  versttfien.  Wir  kennen  mefarare  Ufitter,  welche  solch 
fm  Sdinld  auf  dch  geladen  haben  nnd  nnn  die  entsetsliehen  Folgen 
Bdfflerzlich  beklagen  müssen.  Zn  spät!  — 

Da  diese  körperliche  Züchtigung  nur  von  der  Mutter  oder  vom 
V;iter  ausgeübt  wird,  so  kann  dabei  im  Herzen  des  kleinen 
Kindes  nie  Hass  gegen  den  Urheber  der  erlittenen  Schmerzen 
entstehen.  £s  lernt  im  Gegeutheü  gar  bald,  Hiosa  Strafe  als  gut 


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—  90  — 

und  iiotl;w(  n  lifr  auffassen.  Wenn  der  „Bock  ausj^ct rieben",  der 
Eigensinn  durch  ein  i)aar  Kuthenstreiche  gebroclien  ist,  werden  die 
vorhin  so  widerlich  kreisclienden ,  ungebärdigen  Kinder  sranz  freund- 
lich, hei-zlich,  fröhlich,  fangen  an  zu  plaudern  und  zu  singen  und 
zeigen  sich  ganz  f^lficklich.  Der  Zustand  während  der  eigeusiunigen 
Erregung  war  für  sie  —  wie  bei  Krwaclisenen  —  ein  qualvoller;  aber 
ihr  Wille  war  zu  schwach,  die  schlecliten  Triebe  zu  unterdrücken: 
darum  fühlen  sie  gegen  den,  der  ihnen  zu  Hilfe  gekommen  ist  und 
dem  Guten  den  Sieg  verschafft  hat,  durchaus  nur  Zuneigung  und  be- 
trachten die  Strafe  als  etwas  Nothwendiges  und  Gutes.  Man  kann 
nach  solch  einem  Act  die  benihigten,  wieder  fröhlich  spielenden  im  n 
philosophiren  iiuren:  „Wiliy,  Hete  unaitigi  Mama  pits  pits;  au.  an'  siehst 
du!"  und  beobachten,  wie  sie  diese  Strafe  ihren  „unartigen"  i'uppen 
austbeilen.  Solch  Reili  n  und  Tliun  zeugt  bereits  von  der  Erkenntnis, 
dass  St  llisTltrln )  iM-liuiii;  iinHi wendig  und  eine  in)ertretung  der  Gesetze 
—  hier  der  mutteiüchen  oder  väterlichen  Befehle  —  mit  Recht  m 
bestrafen  sei. 

Tu  den  <?|Ki(rit  n  LhIk  nsiahrcn  wird  man  solche;  gute  Wirkung 
der  kurpei  liehen  Züchliiiiiiii;  vergebens  suciien.  Diese  Strafe  wird 
dann  nur  als  ein  unvermeidliches  iniel.  oder  als  die  Foltre  der 
Thdi  Ueit  enipfuiiden.  sich  nicht  genügend  gcsiclin  t ,  nicht  genügend 
gegen  Entdeckung  geschützt  zu  haben,  und  übi  unter  diesen  Uni- 
stänflpn  auch  nicht  den  geringsten  erzielilichen  Kinfluss  aus. 
Sie  Wirkt  im  Kinde  nur  ärgerliche  Autir^ung,  kann  dem  Vater 
gegenülier  dns  ihm  schuldige  und  veredelnde  Gefühl  der  Ehrfurcht 
bedenklich  achw.ichen  und  da-  teinere  Ehi*getiilil  allmählich  ganz  er- 
sticken. Da  diese  Strafe  su  unheilvoll  wirkt,  selbst  wenn  sie  vom 
Vater  verhängt  und  vollzogen  wird,  liissi  sich  leicht  ermessen,  welche 
Gefahren  entstehen ,  wenn  das  Kind  sie  von  Fremden  erdulden  muss. 
Als  Fremde  gelten  deiii  Knaben  auch  seine  Lehrer,  mag  ei* 
immerhin  wisst^n  und  anerkennen,  dass  sie  zu  solcher  Züchtigung  be- 
rechtigt sind.  Sein  Gemüth  wird  durch  die  Schläge  mit  Ha.sj> 
und  Äachegedanken  erfüllt,  und  eine  wiederholte  Züchtigung  wii-d 
stets  die  Ausbildung  von  Schlauheit,  Hinterlist,  Feigheit  und  frecher 
Bosheit  befördern.'^) 

*)  Wenn  eme  Sfenilb,  wekhar  Axt  sie  Mi»  du  0«gggatlL  aitdiehei  maelMii  aoU, 
to  mu8B  ai6  dtt  Kind  nr  Eijineht  bringen,  dnidi  Min  Tbnn  eine  Sehidd  wt  eidi 

geladen  z\i  haben,  die  zu  sühnen  gerade  diese  Bestrafung  nothwendig  und  heOwm 
Bci,  Das  beding:!  eine  Einkehr  in  sich  selbst,  eine  heilsame  ReeUst  hc  Erscbfltteninsr 
und  eine  solche  kann  durch  körperliche  Züchtigung  nie  hcryorgcruten 


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'  Wenn  man  doch  alle  Eltern,  namentlicb  aUe  Hfttter  za  solcher 
Uenntms  ftlirea  kfinnte!  Dnrcli  recht  frühen  Oebranch  der  Bnthe 
vird  der  „Bock**  ohne  besondere  Hfihe  ao^getrieben  nnd  gar  bald 
Mbedingter,  freodiger  Gehorsam  eraengt  Wenn  die  Matter  dies  Er« 
flidniogsgeschsft  tOjermnunt  nnd  si^  dabei  mit  Anfopfening  ihrer 
Vergnügen  tagtäglich  mit  ihren  Eindem  beschSftigt,  so  kann  sie  schon 
sehr  bald  erkennen,  wie  ans  dem  so  erzielten  Gehorsam  aad  der  da- 
lit  cneagteo  Acittung  vor  dem  Geseti  die  Kraft  der  Selbstbeherrschnng 
nmimmt  nnd  damit  sieh  andere  gute  Eigenschaften  bilden.  So  er- 
zogene Kinder  werden  so  lieblich,  so  zutraulich,  so  reizend,  i>u  gut- 
herzif?,  su  anschmiegend  und  vertraglich,  dass  jeder  einsehen  muss, 
düt  diesem  wolbestellten  und  gut  gejäteten  Gemüthsacker  ist  eine 
krilftige,  herrliche,  frühlich  gedeihende  Pflanzung  entstanden.  Solche 
Gemfither  belohnen  der  Erzieher  Fleiß  und  redliche  Mühen;  solche 
Kinder  können  bei  einem  günstigen  Geschick  zu  wahren  Zierden  des 
Menschengeschlechtes  heranwachsen  Freili*-!»  rnlit  das  S?r-|)irks;il  unserer 
Lieblinge  in  keines  Menschen  Hand;  al)er  luniierhui  litgl  es  in  unserer 
Macht,  sie  so  zu  erziehen,  dass  sie  den  „Riesenkampt  der  Ptiicht** 
würdig  bestehen  und  sich  in  vieler  Hinsicht  ihr  eigenes  Los  bereiten. 
>^fH  wachsen  auf  zu  Menschen,  die  im  Glück  Mäßigung  und  Würde, 
im  Unglück  tapferes  Aasharreo,  Heldenmuth  and  Seelengröfie  za  zeigen 
vermögen. 

Da  es  bisher  klar  geworden  ist,  dass  alle  Erzieher  die  Pflicht 
haben,  die  verschiedenen  Triebe  der  kleinen  Kinder  sorgfältig  za  Uber- 
wachen  und  sie  mit  Hilfe  der  Gewölinang  an  mibedingten  Gehorsam 
in  die  richtigen  Bahnen  zn  lenken;  da  es  feststeht,  dass  aas  dieser 
Endehang  für  die  Zakanft  des  Kindes  Wol  oder  Wehe  erwachsen 
kann:  so  «igfbt  sich  darans  ftr  alle  EiTzieher  ~  Vater  nnd  Mfttter 
—  die  nnabwefsbare,  selir  ernste  nnd  sehr  scbwerwieigende  Fflieht, 
sich  in  sittlicher  and  religiöser  Hinsicht  die  Ziele,  nach 
denen  diese  Erziehnng  geleitet  werden  soll,  ganz  klar  za 
Hachen  and  nicht  nach  aagenblicklichen  Eingebangen,  nach 
Gatdftnken  oder  gar  nach  Lanne  zn  Terfahren  and  in  dem 
Kinde  die  eigenen  Fehler  groftznziehen.  Wir  haben  dabei  ge- 
bildete, denkende  ICenschen  im  Ange.  FQr  die  USnner  nnd  Franen 
ms  dem  Volke,  ans  den  Kreisen  der  Arbeiter,  der  kleinen  Handwerker, 

werden.  In  Schulen  sollt«  diese  Strafe  dahor  niur  angewendet  werdea,  um  dea 

bösen  Eigenwillen  Einzolnor  zu  biinJi^rc^n,  oder  die  Krerihheit  einer  zu 
bösem  Thun  erregten  Classe  rasch  und  wirksam  zu  untf^'rd rücken.  Daott 
in  sie  nicht  Erziehungsmittel«  sondern  dient  zur  Notkwciir. 


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der  Krämer  und  der  niedeten  Beamten  ist  diese  Forderung^  n  hoch. 
Dort  werden  die  Kinder  nach  Ansichten  enogon,  die  rieh  dnrch 
Tradition  von  Geschlecht  za  Geschlecht  fortpflamen.  DmanB  bildet 
ridi  die  volksthtlmliehe  Ersiehimg  mit  ihren  Vontsen  md  mit 
allen  ihren  Fehlem.  Der  Gebildete»  welcher  die  Vorthefle  dieser  Er- 
riehnngf  seinen  Kindern  nicht  geben  kann,  hat  die  Pflicht,  selbet- 
atftndig  zu  denken  und  mit  Bewnsstaein  nach  festen  Grud- 

.  Sätzen  zn  handeln.  Man  erwftge,  welch  Unheil  daraus  cntstehea 
mofls,  wenn  die  Gewöhnung  an  unbedingten  Gehorsam  benotet  wird, 
nm  in  der  Seele  des  Kindes  Stuideevomrtheile,  Hochmnth,  Hess  gngen 
AttderagUnbige  nnd  den  von  den  Eltern  gewünschten  eteden  8treta> 
sinn  zn  erziehen!  Das  lässt  sieh  mit  Hilfe  der  GewOhmmg  an  unbe- 
dingten Gehorsam  leichter  als  Edles  und  Gates  erreichen. 

Man  beachte,  was  die  tätliche  Beobachtuni?  und  Erfahrung  lehren. 
Vater  und  Mutter  ergehen  sich  ta^äglich  in  Schimpfwörtern  über 
das  „ordinäre  ßurgerpack",  die  „iniaiiuu  Juden",  die  „ubpi müthigea 
Subalternbeamten"',  die  es  wagen,  sich  in  ihre  Kreise  z\i  (hangen. 
Sie  verbieten  den  begierig  autliorchenden  Kindern,  mit  den  „lUngen** 
dieser  Leute  umxugehrii,  vorlangen  von  ihnen  zu  diesem  Zwecke  un- 
bedingten Gehorsam,  seUea  hier,  sowie  in  ähnlichen  i'iilien,  die  von 
Vorurtheiien  oder  von  bloßen  Tifinnen  beherrscht  werden,  den  Hebel 
ihrer  Auctorität  ein,  um  von  den  Kindern  ein  den  Eltern  wolgefölliges 

'  Benehmen  zu  erzwingen.  Von  der  anderen  .Seile  verlangen  sie  viel- 
leicht, dass  dieselben  Kinder  sich  (gegen  die  greulich  verzogenen^ 
widerlich  frechen  Rangen  eines  sehr  reichen  oder  sehr  vornehmen 
GOnnera  artig,  verbindlich,  dem&thig  zeigen  sollen,  weil  dies  Entgegen- 
kommen »sich  zieme'',  well  es  „großen  Vortheil  bringe"  und  so  vor- 
nehme nnd  reiehe  Leute  solche  Unterwürfigkeit  „fordern  dürfen.'' 
lat's  zu  verwundem,  dass  bei  diesen  Kindern  später  Eigennutz,  Standes- 
vomrtheile,  Hochmnth,  Launen  nnd  flbennftthige  Frechheit  eine  grOtee 
Bolle  spielen  als  Aehtong  vor  dem  Gesefse  nnd  tot  den  Beehten  ihrer 
Mitmenschen? 

Wir  sehen»  dass  die  Forderang,  die  kleinen  Kinder  an  unbedingten 
Gehorsam  in  gewOhnen  iwar  nothirendig  ist,  aber  nnr  bei  der 
rechten  sittlichen,  religi((sen  nnd  Tornrthellsfreien  Gesin- 
nung der  Brzieher  fftr  die  Kinder  heilsam  werden  kann. 

Nehmen  wur  an,  eine  edle,  verstfindige  nnd  gebildete  tf ntter  frage 
ans  nm  Bath,  woranf  sie  zn  achten  habe,  nm  in  ihren  Emdem  den 
nnbedingten  Gehorsam  zugleich  in  einen  llrendigen,  ümerlich  als  hall« 
sam  gefühlten  zu  verwandeln. 


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Die  Sache  isi  m  den  Vorschriften  ^rhr  einfach;  aber  desto  jjfrrtßere 
Schwierigkeiten  bietet  die  praktische  Durchführung.  Man  soll  im  Ivinde 
da-s  Gefühl  erresren,  dass  jeder  (Tehnrsam  um  eines  Gesetzes  wiileu 
noiuweudig  uüd  gut  ist,  und  dais  e-.  als  grüßte  sittliclie  Fordeimg 
gilt,  sich  selbst  beherrschen  zu  lernen.  Demgemäß  gilt's,  je^deii  Fall 
zu  (hirchdenken*)  und  nach  £rwägiuig  der  obigen  J^'orderungen 
n  ban  ieln. 

Man  wird  dabei  gar  bald  zu  der  Einsicht  kommen,  dass  es  thöncht 
ist^  viel  zu  verbieu  n  (xler  zu  iordeni;  dass  man  gut  thut,  bei  gering- 
fügigen VeranlassuD  gen  sich  jedes  Tadeis  zu  entlialten  und  sich  nament- 
hell  vor  jeder  klciiiliehen  Hofmeisterei  zn  hüten,  die  stets  im  Tone 
ärgerlicher  Emptindiiclikeit  vorgebracht  wird.    In  dem  Bewnsstsein» 
in  der  Gewöhnung  an  unbedingten  Gehorsam  nur  ein  Mittel  zu  sehen, 
den  höheren  Zweck,  Achtung  Yor  dem  Gesetz  und  die  Kraft 
der  Selbstbeherrschung,  den  Willen  snim  Gnten  zu  fördern, 
wird  man  nnr  da  einschreiten,  vo  es  sieh  dämm  handelt,  den  Kleinen 
äi  Gebot  oder  Verbot  klar  m  maeben,  das  bei  allen  gnten  Menschen 
als  G^tz,  als  ein  anerkannt  widitiges  nnd  sothwendiges  aittUehes 
oder  religiöses  oder  Mhetiacbes  Gebot  gilt,  und  wird  nnr  in  solch 
einan  Falle  mit  ganzer  Strenge  anf  Selbstbehemehnng,  anf  Unter- 
drtkkang  der  widerstrebenden  Ncignng  hatten.   Im  ftbrigen  wird 
iian  nach  dem  Cbnuidsalie  handeln:  LaisMi  aller,  lalssea  Ihirel  Nauent^ 
fich  wM  man  atdi  hfiten,  die  Kkloen  dnreh  alle  mOgliehen  Gebote 
oder  Verbote  yor  Schaden  oder  m  umfttaem  Thun  bewahren  zn 
wota,  weil  sie  dnndi  firfthmng  ml  besser  belehrt  werden  können^ 
Q&d  solch  ein  ühnn  mit  den  höheren  Geboten  der  Sittlich- 
keit nichts  in  schaffen  hat   Man  sorge  nnr  daftr,  dass  den 
ffindm  kein  Unfldl  widetihhre,  nicht  geOhilich  scharfe  oder  spitse 
Gegenstände  zogänglieh  gemacht,  nieht  giftige  Farben  zom  AUecken 
gegeben  werden  ;  dass  sie  zum  Spielen  nicht  leicht  zerbrechliche  Sachen, 
nicht  Stühle  odei-  rulte  eilialteii.  die  leicht  umschlagen;  dass  sie  nicht 
in  eine  lang  hci  unter liängende  Tischdecke  greifen  und  mit  derselben 
Lampen,  Gläser  und  die  Wasserkaraffe  über  sich  reißen  können.  Dar- 
nach mag  man  sich  auf  ein  bloüe.s  Beoli  ichten  beschränken  und  die 
Kleinen  thnn  und  spielen  lassen,  \^ies  ihnen  behagt.   Wenn  sie  sich 
stoßen,  sich  beschädig-en ,  so  selie  man  nur  nach,  ob  Anlass  zur  Be- 
sorgnis vorliegt.  Kanu  man  beruhigt  sein,  so  soll  man  sich  um  das 

*)  Bfli  d«r  TolkithttmlUlieii  BBtckuog  weiden  die  Elten  duzoli  das  Oeffllil 
pWiflS,  du  M  ikM  dnnh  H«Amuicb  vbA  flitt«  gdriHet  ist;  der  QebiUtte 
Mm  difli  GefUd  dank  walliiftigoi  Dflnkni  enetiOB. 


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Heulen  nnd  Welikl;i(?eii  iiit-ht  kümmern*),  und  das  Schreien,  das  für 
die  kör]>prlif]u'  Eutwickelung  so  gesund  ist.  ja  nicht  durch  einen 
argerliclien  iielebl  oder  gar  durch  die  Küthe  zu  unterdrücken  suchen. 
Wenn  die  Kinder  „Schabernak"  machen,  vielleiclif  wertvolle  Srn  In  n 
zerbrechen  oder  ar?  ^»cschädij^en;  wenn  sie  ssicii  die  neum  KK  ider 
beschmutzen  oder  zerrciüen  oder  ganz  verderben,  so  wird  em  ver- 
ständiger Erzieher  sich  selbst  oder  das  Kindermädchen  der  Unauf- 
merksamkeit oder  des  Mangels  an  Überlegung  zeihen,  aber  dem 
Kinde  nicht  den  kleinsten  Vorwurf  maeheiL  Wer  ein  Kind  im 
solch  einem  Falle  schelten  oder  schlagen  kann,  yerdient  die  Schläge 
verzehnfacht  selbst  za  erhalten,  sei  es  Mann  oder  Weil». 
Das  ist  wahrhaft  empdrend! 

Auch  soll  man  nie  zur  Ruthe  greifen,  irenn  es  gilt»  eine  schlechte 
Angewohnheit  ahaogewöhnen;  denn  der  BflckfiUi  in  dieselbe  ist  kern 
Zeiehen  Ton  Ungehorsam.  Das  Kind  kann  sieh  selbst  beim  bestoi 
Willen  nicht  hflteni  weil  der  nnbewnsste  Wille  die  Seele  wie  eine 
9  aweite  Nator^  heherrscht  Prikgel  wfirden  in  diesem  Eslle  zwar 
Fnrdit  vor  der  Wiederkehr  der  Schmeraen,  aber  nicht  Achtung 
vor  dem  Gesetz  erz engen.  Auf  solche  Welse  können  zwar  Himde 
abgerichtet,  aber  nicht  Kinder  zu  Keuschen  erzogen  werden. 

Anders  liegt  die  Sache,  wenn  der  bewusste  Wille  des  Eindee 
energisch  herrortifitt  und  sich  eigensinnig  einer  vernünftigen  ab  Ge- 
setz gegebenen  Forderung  widersetzt.  Wenn  die  Kleinen  am  Morgen 
beim  Waschen  und  Kämmen  sicli  ungebärdig  zeigen,  widerlich  kreiselien, 
wegzulaufen  suchen,  nach  dem  Dienstmädchen  schlagen,  sich  aut  die 
Erde  werfen  und  mit  den  Füßen  strampeln;  wenn  sie  mittags  die 
gute  aber  einlache  Suppe  nicht  essen  wollen,  weil  sie  nach  Leckereien 
verlangen:  so  soll  die  „gut  und  fromm  machende  Ruthe''  recht  tüchtig 
gebraucht,  soll  so  lange  angewandt  werden,  als  ihm'Ii  pine  Spur  von 
Eigensinn  sicli  zeigt;  denn  hier  handelt  ficliV  (laintii,  (iem  sittlich 
Guten  gegenüber  den  bchkuthten  Trieben  zum  Siege  zu  verlielfen  und 
Achtung  vor  dem  Gesetz,  vor  dem  heiligen  „Uu  sollst I"  der  Pflicht 
einzuschärfen. 

Mau  wird  jeduch  sorgfältig  prüfen,  ob  der  energisch  auftretende 
Wille  des  Kindes  berechtigt  ist  und  in  diesem  Falle  sein  vernünf« 
tiges  Verlimgen  bertttwiUig  onterstatzen.  Wenn  das  Kind  verlaiigt, 

*)  Bei  Bedauern  wird  das  Geschrei  immer  ärger;  wenn  luau  bieli  gar  mcbt 
dantm  m  bddbnmcni  schetnt,  li0it*f  ImU  auf.  Ein  Uainer  •Tiuige  aus  unserer  Be- 
kaoBtooliaft  pflegte  in  solohen  FSUm  pUftilidi  »tili  sn  weita  und  ganz  vergnügt 
taxt  Belbet  simnuflBa:  nAttsgeflchreitl" 


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sich  selbstständig  anziudelifiii,  beim  Mittagessen  den  Löffel  selbst 
zum  Mnnde  za  fuhren,  so  "wird  man  ihm  mit  Qeduld  und  freundlicher 
Belelirun^  zu  Hilfe  kommen.  Wenn  der  Wille  des  Kindes  uns  ent- 
gegenkommt, so  können  "wir  P^rzieher  oft  iii  kurzer  Zeit  Erstaun- 
liches leisten.  Der  Iliiiiiüel  gebe  uns  die  Macht,  bei  unseren  Zög- 
iingeu  guten  Willen,  Lust  uud  Liebe  zur  Sache  zu  erzeugen:  wir 
könnten  mit  Leichtigkeit  sogar  des  berühmten  „Nürnberger  Trichters^ 
entbeiireii! 

Es  ist  liier  nicht  unsei-e  Auff^abe,  zu  zeigen,  wie  niau  überall  zu 
handeln  habe,  um  den  unbedingten  Oeliorsam  gegen  unsere,  der  Er- 
zieher, Willen  in  einen  freudigen,  als  nothwendig  und  gut  empfun- 
(leiieD  Geliorsam  gegen  das  Gesetz  zu  verwandeln.  Die  wenigen  Fälle, 
welche  wir  erörtert  haben,  werden  genügen,  um  den  rechten  Weg  zu 
xeigen.  Um  alle  oder  auch  nur  die  wichtigsten  za  besprechen,  müssten 
wir  die  ganze  sittliche  und  religiöse  Jb^ehung  der  Kinder  bis  zum 
sechsten  Lebensjahre  belfiuchteii.  Aber  anch  das  Gesagte  wird  be- 
weisen, dasB  die  Krzieiiung  zu  unbedingtem  Gehontam  die  miaDtbehr- 
lidie  Grundlage  und  Bedingung  fttr  das  Gelingefi  dee  ganzen  £r- 
Behmigswerfces  ist  Es  vird  aber  auch  klar  geworden  sein,  daas  die 
Unwandlnng  dieses  unbedingten  Gehomma  in  den  hOheren>  itodigen 
Oehonam  gegen  das  Gesetz  die  schwerste  aller  Aufgaben  ist, 
welche  durch  die  Pflicht  der  Erziehung  uns  gestellt  werden. 

Man  machte  daitlr  gar  zu  gerne  die  Schule  Terantwortlich  machen. 
»Wflim  der  Bange**»  heiftt  es,  ^dodi  erst  zur  Schule  ginge,  um  Ge- 
honsrn  zu  lernen,  um  Yemunft  anzunehmen!"  Leider  veriangt  man 
d&bd  TOtt  der  Schule  TTnmOgllches.  Wir  Lehrer  kOnnen  Ter- 
sogene,  innerlich  nie  an  Zucht  gewdhnte  Schiller  oder  Schll- 
leriunen  nicht  mehr  hessern;  wir  kOnnoi  nur  einen  ftnBerlichen, 
«rf  Pnrcht  vor  Strafe  beruhenden  Gehorsam  erzwingen,  aber  nie 
Achtung  vor  dem  Gesetz  erziehen.  Eine  heilsame  strenge  Schul- 
zacht macht  solche  Kinder  —  Knaben  wie  Mädchen  —  zwar  klüger, 
aber  uiciit  bei>ser.  Der  reclite  freudige  Gehorsam  gegen  das  Gesetz 
kann  nur  durch  die  Erziehung  bis  zum  schulpflichtigen  Alter  eraielt 
Verden.  Lehrer  und  Erzieher,  welclie  durch  hervorragende  Kluglieit, 
durch  klares  uud  reiches  Wissen  und  durch  gesicherte  Erfahrungen 
vor  Selbsttänscliungen  uud  eitler  Pralilerei  bewahrt  sind,  werden  über- 
einstimmend erklären,  daäü  die  iiesultate,  welche  sie  durch  die  l>esten 

eindringlichsten  Lehren  und  Wamuugeu,  durch  Aufbietung  liirer 
ganzen  Kunst,  durch  ihr  musterhaftes  Beispiel  und  durch  den  Hin- 
weis  aal'  fremde  Bei8];aele,  aut'  Ideale  erreicht  haben,  gegenüber  den 


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vielen  FehlsebUgea  imd  tisurigen  IMdinuigcfi  als  »kanm  nenneiu»- 
werf*  bezeiehnrt  werden  mfinen.  Uta  beachte  dat  Leben  imd  Treibeii 
in  den  Gymneafon  and  Realadtriea.  Man  ü&dat  nnr  aebr  ircBSg 
Schüler,  die  an  ein  beaeheideneai  j^etfttfolka  Betragen  mtd  an  freu- 
digen G^Offlam  gewtHmft  diid.  Die  metoten  ateben  wibteid  der  gaioen 
Sdraladt  mit  äm  Lefarern  bia  hinanf  nun  Direetor  anf  dem  Eriegs- 
fofie,  betraebten  ihre  Enddier  ala  ihre  alchatan  Feinde  md  natftr- 
litiien  Peiniger  and  bengen  aieb  nur  ana  Furcht  dem  eiaenieii  Zwange. 
Qleldi  «itlbnelten  Sclttrai  verladien  and  Teriii^Bea  aie  offen  jeden 
Sebwlchliog,  der  aie  nicht  an  bKndigen  Tenrteht  and  aiad  bei  jeder 
QelegeDhclt  gwigt,  aicb  frech«  roh,  aamaftend,  beranafiirdenid,  j& 
faiater]iatig,fhieri8di  and  ficivelhaft  zu  gebaren.  Man  kennt  aar  Qoiüge 
die  hiateiliBtigen,  nicfatawflrdigen  Streidie,  die  miaaüebigen  Lehiam 
geapielt  werden,  den  oft  BcbeotUchen  Vaadaliamaa,  den  aölcbe  Babea 
im  Donlnl  der  Nacht  aoattben.  Nar  Anfönger  oder  Stftmper  lüSanan 
bei  dieaen  Verbiltmaaen  von  „EniehangsraBidtata*  qireehen  and  be- 
haaptflD,  Jangen,  die  aidi  ao  betragen,  jemala  sa  aittlicfaen  nad  fromama 
Jüngliagea  ersogea  aa  haben.  Der  rechte  Endeher  maas  mit  Trauer 
im  Herzen  erklirea,  daaa  da  aar  die  iatellectaelle  Aaabildang, 
die  Srnehang  zum  scharfen  and  gewandten  Denken  and  die  Beceudie- 
nmg  mit  Uarea  Begriffim  aad  mit  aoüdea  Kenntaiaaflii  ia  Frage 
koBunea  aad  BelHedlgung  gewähren  kOanen.  Die  leehte  Eratehang 
za  SittUcUrait,  FvQmmigkdt  and  Bdelaüin  wird  daroh  die  hSasüche 
Endehang,  die  ia  den  Jnngen  Uagehoraam,  Le&chiainn,  Selbataaeht» 
Eigenainn  and  Frechheit  aoagebildet  hat,  ToUatftndig  unmöglich 
gemacht  Daa  ist  „Terloreae  LiebcemUh*. 

In  den  höheren  Hldchenachalen  kana  man  Abaliche  BrfSidimngen 
maeiiea.  Schledit  erzogene  liftdchan,  die  nie  an  Geboraam  gewiShat 
Warden»  aeigea  aich  ia  Bezog  anf  ffittfiehkeit  aad  wahrea  frommea 
Sinn  viel  entarteter  ab  die  yenEogensten  Knaben.  Sie  wagen  es  nicbt, 
wie  die  «Taagea  ia  offioner  BVechheit  herroiaatretea  and  wiaBea  bei 
strenger  aad  ibater  Leitoag  der  Anstalt  sich  gar  ibia  za  mateilea; 
aber  aiaa  darf  ibaen  .aicfat  Uber  dea  W^g  traaen''  and  aie  hote, 
ihr  Gemflth  aach  nur  im  geringsten  Terfeinem  and  veredebi  za  kflanea. 
In  diesen  Schalen  anterliegen  die  Lehrer  aas  Gründen,  die  hier  iddA 
erörtert  werden  sollen,  der  Hehrzahl  nach  einer  aigmi  SdbattiaaehaBg 
aad  zeigen  ein  ftat  aabegreaztea  Verttaaen  za  dar  ZarÜheit,  Weieh- 
hdt,  Bfldsamkeit,  Willigkeit  aad  SdiOnheit  dea  weiUiehen  GemlliheB.*) 

*)  Mau  sehe  tiich  die  Frauen  aus  den  Kreisen  an,  die  ihre  Mädoheu  in  höhere 
mddWMdmilw,  fcfliien  Pitfiüiiititate  und  Pnatowte  avidtti,  dud«     dort  ftr 


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Wir  können  dioocB  Irrthnm  nar  aebteD;  demi  wir  sind  in  nueren  j 

jüi]_r»^ren  Jahren  selbst  darin  befangen  gewesen.   Aber  leider  spricht 

die  Wii  k]i<  likett  anders  als  die  liebevoll  and  milde  ausmalende  Phantasie!  ! 

Wirklich  herzerfrischende,  kdstliche  Resultate  kann  der  Lehrer  : 
und  finieher  in  dieser  Hinsclit  nur  an  den  Volksschulen  er* 
fielen,  weil  die  Knaben  nnd  Mädchen  in  diesen  Anstalten  yon 
Jngend  auf  sehr  streng,  ja  hart  behandelt  und  an  Gehorsam 
gewöhnt  Verden.  Wer  vor  diese  nicht  verwöhnten  Kinder  mit 
eineoi  Uenen  voll  Liebe  tritt,  mit  ihnen  während  der  Schulzeit  wie 
ein  rechter  Lehrer  nnd  Hjenens&eund  lebt  md  sie  mit  dem  ans 
wärmster  Übenengtmg  stammenden  Wort  verbunden  ndt  seinem  ehren- 
haften Beispiel  znm  Rechten  und  Guten  leitet,  kann  nnd  nird  Besnl» 
täte  aofweisen,  die  ihn  noch  in  seiner  letzten  Stunde  zn  erheben 
vermögen.  Kr  kann  ihnen  nicht  vie  der  Gymnasialdirector  eine  hoch 
gepriflMe  Bildung  verieihen,  kann  lie  nnr  schlicht  mit  gutem  Elementar- 
yrmtai  aoastatten;  abear  er  kann  und  irird  ihnen  den  rechten  Weg 
weisen,  ehrenhafte  Menschen  nnd  fleißige,  trene,  tUchtige  Arbeiter  tn 
werden. 

Wir  sind  am  Schluss.  Mögen  unsere  Worte  dazu  beitragen,  die 
Erkenntnis  zu  verbreiten,  dass  das  Wol  und  Wehe  eines  Men> 
sehen  znm  wesentlichen  Theile  von  der  Erziehung  abhängt, 
die  man  ihm  bis  zum  schulpflichtigen  Alter  im  Elternhaase 
ertheilt,  und  dass  dabei  zunächst  die  Gewöhnung  an  nvl  *- 
ding^ten  Gehorsam  als  nothwendige  Forderung  nie  auUer 
Acht  gelassen  werden  darf.  In  der  damit  verbundenen  Gewöh- 
nung an  den  rechten  freudigen,  innerlich  als  nothwendig  und  gut  ge- 
f&hlten  Gehorsam  ruht  das  Geheimnis  der  ganzen  Erziehung. 
Wer  diese  schwere  Aufgabe  in  der  rechten  Weise  löst,  wird  der 
Menschheit  Männer  geben,  die  stets  wissen,  was  sie  thnn  nnd  sich 

das  Leben  den  nutiiig<eu  „SriilitV  '  » rhalten.  hei  ulx  r%v  ips-pudt  ii  Meiimiiit  nach  sind 
dieie  Weiber  leicbtsiagig,  vcrgnügun^üchtig,  trüge,  übermäliig  puUsik^tig  und 
alle  Tage  anf  der  Jagd  aaeh  immer  neuen  and  recht  aafregeades  Ge- 
ntfflen.  Ihr  Obqinttnran  mit  den  Xtnnein,  ihr  Hodimuth,  ihre  Verlegenheit  nnd 
ftr  launenhaftes  We«en  werden  selbst  Nahestehenden  unerträglich.  Ist  es  denkbar» 
dn^s  dtti-o  Weilior  ii;Te  T'»chter  gut  crziohcn  können?  Im  boMtcu  F.ilk  bekiVmmrrn 
(Sie  meii  um  die  Er/ii  tnuiiä^  gar  nicht  und  überltt»RCii  (iiesLll»e  Diiii'ithöiüU,  um 
bis  10  oder  11  Uhr  im  Bette  hegen  zu  können.  Wird  mim  m  eiiiogcue  Mädchen 
dnch  die  Sohnk  heaeern  kitanen?  Man  biaadit  nioht  hodk  in  eteigen,  am  dieee  ao 
leifbflehenen  mttev  mi  Inden*  Wir  begegnen  ihnen  ttbenll  in  den  Kreii«i  der 
besser  gestellten  Kenfflente,  Banquiots  der  hOheren  Beamten,  der  FavfenllB,  der 
Kilitärg,  bei  denen  Frauenarbeit  ai«  ficbande  gilt,  und  bei  den  Adligen. 
I*iBia{{0(litB.  16,  Jakv.  Heft  IL  7 


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-  98  — 


weder  zum  leidpuden  Gehorsam  noch  zur  cif^eunützigen  Gefügigkeit 
gegenüber  oogesetzlicher  GtowAlt  je  erniedrigen  werden. 


Die  liolu'  Wichtigkeit  des  liier  behandelten  (Jegenstandes  möge  un««  zur 
Entsciiuidiguug  dienen,  wenn  wir  dem  Vorstehenden  noch  einiges  heiiugen. 
Znent  ein  Wort  yon  John  Locke,  der  aidi  Aber  du  in  Bede  ilelieBde  Thenn 
in  fblgender  Weiie  aoMprklit:  „T)m  Prindp  nnd  die  Grnndlage  aller  Tngttid 

und  aUes  Verdienstes  besteht  in  deni  Vennn^eii,  sich  selbst  s^ine  W&nadie  sn 

versagen,  seinpn  Neis'nnEroti  entsreirenzrihanflrln  und  blos  dem  zn  folgen,  was  die 
Venionft  für  diis  Beste  erkennt,  wenn  auch  die  Begierde  sioh  anderswohin  nei^. 

Der  Hauptfehki',  den  icli  an  der  Kinderzucht  vieler  Leute  bemerkt  habe, 
iat  der,  daaa  man  nicht  za  rechter  Zeit  dafür  aorgte,  die  Seele  nur  Fdgaankelt 
gegen  die  Znelit  und  som  Gehorsam  gegen  die  Vemiinft  wa  gewOhnen,  nindich 
solange  sie  noch  zart  and  biegsam  war.  Eltern,  die  sehr  weislich  von  der 
Natnr  ang^ewiesen  sind,  ihre  Kinder  zn  lieben,  verfallen  ^ar  leiclit  dahin,  wo- 
fern die  Vernunft  nicht  selir  Bor^fSltig  über  diesen  NaturLrieb  wacht,  ihn  in 
blinde  Afienliebe  ausarteu  zu  lassen.  Sie  lieben  ihre  Kleiuen,  und  darin  thun 
Bte  ihre  Pflicht;  aber  oft  liehen  aie  anch  ngleieh  ihre  Fehler.  Sie  meinen, 
man  müsse  den  Kindern  gar  nicht  zuwider  aein;  diese  müssten  in  allen  Stfloken 
ihren  Willen  haben.  Aber  dergleichen  unverständigen  Eltern,  welche  ihrem 
Kinde  einen  Schelmenstreich  nicht  verwiesen  wissen  wollen,  sondern  ihn  mit 
der  Aasrede  entÄchnldigeu:  es  sei  eine  Sache  von  keiner  Bedeutung,  antwor- 
tete einst  Selon  sehr  gut:  Das  mag  sein,  aber  die  Gewohnheit  ist  eine 
Snche  von  grofter  Bedentnng. 

Daa  liehe  Kind  mnss  angefdhrt  werden  zu  schlagen  nnd  Schimpfiiamen 
BQ  geben,  es  mass  alles  haben,  woiiacli  es  sclireit.  und  thun  was  ihm  einfUIlt. 
Anf  diese  Weise  verderben  die  Eltern  üire  Kinder,  klänge  sie  klein  •^'inr^  und 
nachher  wuudem  sie  sich,  das  Weisser  bitter  zu  finden,  welches  sie  selbst  in 
der  Qaelle  vergiftet  haben.  Denn  wenn  nun  die  Kinder  herangewachsen  sind 
nnd  die  tthlen  Gewohnheiten  mit  ihnen,  dann  beklagen  de  steh  Uber  daa  widei^ 
apenatige,  angeschlachte  GezAcht  nnd  sind  sehr  angehalten,  daaa  die  Kinder 
so  eigensinnig  sind  und  ilinen  nun  durcli  ihre  üblen  Launen  iSstig  werden, 
welche  sie  selbst  ihnen  eingepfropft  nnd  sorgfältig  geptiegt  liaben.  Das  Kind 
durfte  seinen  Eltern  gebieten,  sobald  es  anfing  zu  plaudern;  und  nun,  da  es 
herangewachsen,  attrker  and  Idüger  geworden  iat,  nnn  aoU  es  sich  mit  einem- 
male  krftmmen  and  biegen  laasen?  Warmn  aoU  der  ICeneeh  im  Alter  yon 
sieben,  vierzehn  oder  zwanzig  Jahren  das  Vorrecht  verlieren,  welches  die  Schwftdie 
der  Eltern  ihm  bis  dahin  so  reidilich  verstattete?  —  Versucht  es  doch  an 
einem  Hunde,  oder  einem  Pferde,  oder  jedem  anderen  Thiere,  ob  ihr  ihnen  dio 
bösen  Launen,  welche  sie  angenommen  haben,  da  sie  jung  waren,  so  leicht  ab- 
gewöhnen kOnnt,  wenn  aie  Siter  gewordmi  alnd.  Und  doch  iat  von  allen  Thieren 
keinea  nur  halb  so  eigenwillig  and  atoli,  oder  so  begierig,  Herr  seiner  aelbet 
nnd  anderer  m  aaln,  als  der  Mensch."  — 

Wenn  d^Mn  nun  so  ist.  dann  darf  man  nicht  wähnen,  Schnlt»  und  Unter- 
richt könnten  für  die  sittliciie  Erziehung  der  Jugend  gutstehen  und  die 
VerantwortuAg  äbemehmen.    Die  so  oft  mit  erstaanlicber  Dreistigkeit  vorge- 


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—   99  — 


brachten  Hyperbeln  vom  ,,erziehendeii  Unterrichte"  erweisen  sich  dem  wahren 
Sachverhalte  gegenüber  als  naive  Einbiltiung  oder  bewusste  Marktsrhreierei. 
Kit  Lekren  als  fiolcheo,  wären  sie  auch  aufs  feinste  raMniit  und  nach  der 
rnfthUmintwi  Metliode  aMgekillgelt,  kann  man  allenlUlft  pliarialiidie  Tilgend* 
iehwileer,  aber  keine  reehtldinifaien  Menschen  bilden :  nicht  darauf  kommt  es 
an,  dass  der  Zögling  eine  gewisse  Anzahl  von  ^Geboten"  <jder  „Ideen'*  an  den 
Fingern  herzählen  and  ihnen  gemäß  raisonniren  lerne,  sondern  dnranf.  dass  er 
sittlich  fühlen  und  handeln  lerne.  Der  Unterricht  kann  liierbei  nur 
in  secundärer  Weise  mitwirken;  die  entscheidenden  Factoren  sind 
aadmr  Alt  md  oben  UMUwdM  ToigefUurt.  Wlriraa  dlcMlben  dsr  Sdnifo 
entgegen,  wie  leider  besonders  da blnflggetohieht,  wo  die  sogenannten beimroa 
Stftnde  und  einflußreiche  Leute  sich  über  die  Auctorität  der  Schule  hinweg- 
setzen und  ihre  Söhne  und  Töchter  in  moralischer  "^Vrlotterung  unterstützen, 
dann  ist  auch  der  beste  Sittennnterricht  machtlos  und  die  Schule  darauf  be- 
schränkt, in  ihrem  eigenen  Bereich  durch  strenge  Zucht  und  redliche 
FffiefatorfUlang  «in  Belapiel  sittlicher  Lebeosordnung  an&ostelleii.  D. 


7* 


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Erdkude  ud  erdkmdlielie  BelekrnngeB 

M  den  orientalischen  VSIkern  des  Alterthnms. 


Von  A,  Trmnnau-Bromberg. 

(Schlusß.) 

4,  Die  Ohaldfter. 

ie  Clialdäer,  unter  weli  In  ui  Nauieu  bal<l  di»-  altHii  Bewohner 
^leso{)otarniei)s,  (iio  alten  Babylouier,  bald  nui'  deren  Pru-sier  veretan- 
den  werden,  \\.i]t-i)  dnn  Hebräern  stammverwandt.  Es  kann  daher 
nicht  überraschen,  wenn  in  der  Kosmoguuie  bidder  V.dker  große 
Ähnlichkeiten  vorkommen.  Nach  dem  Geschichts werke  des  iierosos, 
eines  Priesters  am  Temj)el  d»'s  Bei  zu  Babylon*),  ließen  die  Ohaldäer 
die  Welt  aus  dem  dunkeln  (  iiaos  liurch  eine  That  des  höchsten  Gottes 
Bei  entstehe»,  nach  welchem  auch  später  die  Hauptstadt  des  L-ui 
y,Babylon'*,  d.  i.  Pforte  dt*.>  i^el,  genannt  wurde.  Xa«'l)(l<^'!ri  l>ei  die 
Finsternis  getheilt,  Himmel  und  Erde  gestdiit^den  und  SuiiUe,  M«>!i.il 
und  Sterne  auff^estLdlt  hatte,  starben  die  gieulirlien  thieris(dien  Mi--- 
geütalten  des  Chaos,  die  das  Licht  nicht  mehr  ertragen  konnten.  Aiü 
nun  Bei  die  Wasser  abgeleitet  und  vertheilt,  die  Erde  geordnet, 
Thiere  und  Wild  gebildet  hatte,  erfolgte  die  Erschattung  der  Mens(dieu 
aus  EMe,  welciie  mit  gfittlichem  Bluti*  gemischt  ward.  Fisehmensidien, 
weh'lH*  aus  der  'i'iefe  erscheinen,  lehren  sie  die  Sprache,  den  Ackvi  .'.lU 
und  alle  Künste  und  Wissenschaft.  In  der  weiteren  Geschichte  des 
Menschengeschlechts  fehlt  auch  die  Flutsage  nicht. 

Wie  bereits  ei-wähnt,  hat  diese  Weltentstehungslehre  mit  dem 
biblischen  Schöpfungsberichte  auffallende  Ähnlichkeit,  und  man  hat 
versucht,  beide  auf  eine  älteste  gemeinsame  Urlehre  zurückzuführen.**) 
Thatsache  ist  indes,  dass  die  chaldäische  Kosmogonie  ^icht  die  er- 
habene Auffassung  eines  göttlichen  Wesens  zeigt,  auch  sonst  in  mancher 
Hinsicht  recht  roh-heidnisch  erscheint 

*)  ItttilieiltuigMi  daraus  in  Dnncker,  Ocflchichte  des  Alterthoius,  I.  Baud. 
**)  Für  eine  ältere  Überlieferung  spricht  auch  die  zwiefache  Form  des  bibliadwa 
Soböpfungsbeiicbtes,  der  sogenaaute  £iobun)»ericbt  und  der  Jehovabencht. 


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—    101  — 


Die  dkaldüschen  Priester  am  Tempel  des  HimmelsgotteB  Bei  iraiea 
eifrige  Beobachter  des  Stemenhimmels  und  haben  in  der  Stern- 
knude von  den  alten  Völkern  des  Morgenlandes  die  meisten 

Errungenschaften  aufzuweisen.  Der  Horizont  der  babylonisclien 
Ebene,  namentlich  vom  erhabenen  Standpunkt  des  625  Fuß  hohen 
ßelusthurmes  aus  gesehen,  reichte  sehr  weit,  und  die  klare,  durch- 
sichtige Atmosphäre  gestattete  eine  genaue  Beobachtung  der  Sterne. 
TäLrlich  konnte  man  hier  den  Lauf  der  Wandelsterne  be  i  achten,  in 
der  Morgendänimerunff  neue  St^ndsterne  erscheiaeu  und  andere  in  der 
Abenddämmerung  verschwnulcn  >clieu. 

Die  Sternkunde  der  Cliahiaer  war  vollständig  unabhängig  von  den 
HiDamelsbcobachtungen  der  Äfjypter.  Sie  waren  auch  zu  einer  ganz 
anderen  Eintheihmg  des  .Talires,  der  ^lonate  und  der  Stunden  gelangt. 
Aach  kamen  die  Cbaldäer  in  der  Astronomie  zu  weit  reineren  und 
schärferen  Resultaten.  Zwar  rechneten  sie  nach  Mondjahren,  brachten 
dieselben  aber  durch  SchaltnMMiate  und  gi'ößere  Cyklen  von  60,  600 
ud  3600  Jahren  (SoasSD,  Neren  and  Saren)  mit  dem  Sonn^üanfe 
Wieda*  in  Übereinstimmnng.  Sie  unterschieden  7  Wandelsterne  oder 
Planeten  (Sonne,  Mond,  Merkur,  Venus,  Mars,  Jupiter  and  Satam)^ 
beobachteten  den  Laaf  derselben  and  schrieben  ihnen  gute  oder  aUe 
Simri^nDgen  anf  das  Natnrleben  and  die  Schicksale  der  Uensehen 
a.  Dem  liOclisteii  Gott  Bei  war  der  fernste  nnd  hOehste  Wandelstern, 
der  Sstorttf  gewdbt.  Hier  thronte  Bei  im  siebenten  Himmel  and  be- 
iMiadite  die  Bahnen  aller  ftbrigen  Steme,  indem  er  sie  nmkreiste. 
Doch  worde  das  Wesen  des  Bei  auch  in  der  ndhshtig  wirkenden  Sonne 
crkaont.  Aach  die  ttbrigen  Waadelsteme  waren  GH^ttem  geweiht 

Die  Bahn  der  Sonne  warde  nach  den  Sternbüdon,  durch  welche 
üir  Liof  ging,  in  12  Stationen,  awölf  Hänser,  getheilt,  die  größten- 
tbob  den  Namen  nach  Thieren  f&hrten,  weldie  in  der  betreffenden 
2eit  des  Jahres  irgendwie  bedentnngsroll  waren.  So  entstand  der 
Zodiacus  oder  Thierkreis,  der  noch  heute  bei  himmelskundlichen 
Belehrungen  in  der  Scluile  von  Bedeutung  ist.  Als  das  eigentliche 
Haus  der  Sonne  galt  ihr  höchster  Stcuidpunkt  im  Sternbilde  des  Löwen, 
^ie  die  12  Monate  des  Jahres  den  12  Zeichen  des  Tlüerkreises  zu- 
geschrieben wurden,  so  gehurt*  n  die  7  Tage  der  Woche  den  7  Planeten. 
iHiT  erste  Tag  derselben,  unser  Sonnabend.  Gehörte  dem  Bei  (Saturn). 

Für  die  Genaui:-'ki  i'  der  IIinimelsbe»>l*achiungen  bei  den  Chal- 
fcii  tührt  Ideler *j  u.  a.  folgende  Thatsachen  an:  Sie  bestimmten  den 

*)  Id«ler,  Sternkonde  dei  GhaldSor. 


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—    102  — 


nitfleren  syiiodlMlieii  Monat 

nur  am  6me  Seconde  sv  groß.  Unter  den  Berechnungen  tob  10  Mond- 
finsternissen nnd  3  Zusammenkünften  von  Planeten  und  Fixsternen, 
die  uns  Ptolemäus  von  den  Chaldäeiii  aiifbewaLii  hat,  ist  die  Mond- 
finsternis des  Jahres  721  v.  Chr.  so  genau  bestimmt,  dusü  die  Rech- 
nung der  i  iialdäer  den  Anfang  derselben  nnr  1  Minute  zu  spät  und 
die  Mitte  derselben  nur  um  6  Minuten  zu  Mh  ansetzt. 

Zu  ganz  besonderer  Ansbilrlung  gelaugte  aber  boi  den  ciiRMarrn 
die  Astrologie  und  damit  eiu  cujui  Hcirtes  S^^stem  des  St ei  jid i ^^Ii;^u». 
Nach  den  Lehren  der  Priester  änderten  der  Sduiieulaut  und  die  BaliBea 
der  Planeten,  sowie  der  höhere  oder  nicflt  ir  Stand  gewisser  St^^nd- 
steni*'  J  ahi'eszeiten ,  machten  die  Erde  Iruchtbar  oder  diirr  und 
verkündeten  die  Überschwemmung  der  Flüsse.  Und  wie  die  Verände- 
rungen der  Natur,  so  hing  auch  das  Leben  des  Menschen  von  dem 
Stand  der  Sonne,  von  den  Mondwechseln,  von  dem  Kommen  und  G^ea 
der  Sterne  ah  Wegen  ihres  Einflusses  anf  das  Schicksal  der  Menschen 
Würden  die  7  Planeten  „ Geburtsgötter •*  genannt.  Jupiter  und  Venus 
waren  gl  tickbringende  St^e,  Mars  dagegen  das  kkine,  Satan  da» 
grofie  Unheil.  Die  andern  Planeten  waren  von  geringerer  oder  in- 
entscMedener  Bedeutung.  So  verstanden  es  die  Priester,  in  den  God- 
Bteilationen  des  Himmels  den  Willen  der  Gatter  zu  erkennoi,  ans  der 
Stande  der  Gebort  das  Schicksal  des  Lebens  vorhenasagesi  nnd  aas 
der  fortdanernd  wechselnden  Stellnng  der  Sternbilder  die  {lassende 
Zeit  mm  Beginn  jedes  Geschäfts,  Jedes  UntemelunenB  m  bestimmen. 
Wie  die  Sterne  dorch  die  Hohe  des  Himmels  sogen,  wie  sie  einandir 
BiOier  kamen  und  wieder  «oselnander  gingen,  wm  de  sich  ihre  Krifte 
mittiieDten  nnd  entzogen,  wie  sie  sich  das  Oleichgewicht  hielten  oder 
im  Gegensatz  standen,  —  das  alles  bestimmte  GlQck  oder  Dngiflck 
des  Beidies,  des  Königs,  des  Jahres,  des  Tages  nnd  der  Stande. 
Außerdem  kam  es  darauf  an,  zu  welcher  Tageszeit  nnd  in  welcher 
Himmelsgegend  die  Sterne  aufgingen,  wo  sie  verschwanden,  welche 
Farbe  sie  hatten  u.  s.  w.  Dlui  Osten  gehörte  die  ausdorrende  Hitze, 
dem  Süden  die  Wärme,  dem  Westen  die  befruchtende  Nässe^  dem 
Norden  die  Kälte,  und  die  Planeten  übten  größere  oder  geringere 
Kraft,  je  nachdem  sie  hoher  oder  niedriger  standen.*) 

Griechische  Schriftsteller  !  erii  hten,  dass  die  chaldäischen  Priester 
infolge  langer  Beobachtung  der  (ie^tiine  und  der  genauen  Keuntois 


4)  IhuLdkor  a.  ft.  0.  nacli  Diodor  8,  81  und  Sbaht,  Die  BdigiooM^iteBd  4«r 
yUker  des  Orienti. 


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—   103  — 


dar  BewQgmigai  und  Wirkmgw  dmaibai  66  mnochteiit  den  Staaten 
imd  EQnlgeB,  den  YOlkeni  und  dem  Einidnen  die  Znkonft  vorliena- 
sagen,  znwellan  anf  eine  so  zutreffende  Weise,  dass  dies  mensdiliche 

Xraft  zu  übersteigen  scheine.   Der  Einfluss  der  cbaldäischen 

Systeme  beherrschte  größteuteilä  noch  die  Astrologie  des 
Mittelalters. 

Die  KiHifle  von  fremden  Ländern  und  Völkern  wurde  in  Baby- 
lonieü  durcli  Iviiegszüge  und  aasgedehnte  Handelsuntta-nehmungen  ge- 
fordert. Die  Ansflelinung  und  da«  Alter  des  babyl  nuschen  Handels 
beweist  am  besten  die  Thatsache,  dass  nicht  nur  «lit  Ass>Ter,  sondern 
auch  die  Phönizier,  die  Hebräer,  die  Sabäer  in  Su  liii  abien,  die  Syrer 
und  die  Lydier  in  Kleinasien  Gewicht  und  Mali  der  Babylonier  an- 
g:enommen  hatten.  Uber  Kleinasien  und  durch  phönizische  Handels- 
leute kam  das  babylonische  System  auch  bereits  800  v.  Chr.  zu  den 
Griechen.  Nack  Osten  erstreckte  sieb  Babyloniraa  Handel  über  Iran 
bis  Dscii  Indien. 

5.  Die  P  h  ö  n  i  z  i  e  r. 
Die  alten  Phönizier  oder  Sidonier  waren  das  wichtigste  Handels- 
volk und  die  kühnsten  Seefalurer  der  alten  Welt.  Ihre  Greschichte 
lässt  sich  bis  etwa  1300  v.  Chr.  verfolgen.  Zu  dieser  Zeit  wurde  die 
liaeht  der  Chetiter  und  Cheviter  in  Syrien  durch  die  Amoriter  ge- 
brochen und  die  besiegte  Bevölkerung  gegen  die  Küste  gedrängt»*) 
Bie  Unwirtlichkeit  des  Kttstenstrichs  nöthigte  die  dichte  Bevölkerung, 
auf  dem  Meere  neue  Erwerbsquellen  und  an  Qberseeischen  Gestaden 
neue  Wolmsitie  an  suchen.  So  vnrden  die  Sidonier  frttha^tig  mit 
den  Heere  Tertnnt,  nnd  dieses  war  selbst  bald  fttr  sie  eine  uner- 
tchfipfliebe  Qoelle  des  Erwerbes  nnd  BeichtkniDs. 

Die  See&hrten  der  Phdnizier  richteten  sich  hanptsftcblich  nach 
den  Qestaden  des  Ostens  nnd  Westens»  weniger  nach  Norden  nnd  Sftden. 

Zq  den  Zeiten  Davids  nnd  Salomo's  schifften  sie  bereits  dnrch 
das  ErythrSische  nnd  das  Arabische  Meer  nach  Osten  zum  Lande 
Ophir,  tun  von  dort  Gold,  IfPIf^mM^  nnd  kostbare  Gewfirze  an  holen. 
Über  die  Lage  von  Ophir  ist  man  verschiedener  Ansicht  Man  hat 
tt  «H  der  Ostküste  von  Afrika,  im  goldreichen  Sofala,  in  Südarabien, 
Anbia  felix,  wo  es  in  Yemen  heute  noch  einen  Ophirber";  (j;iht,  endlich 
bn  "Westgestade  der  ostindischen  Halbinsel,  sogai  in  Ceylon  wieder- 
finden wollen.  Humboldt  versteht  aligemein  unter  dem  Namen  ein 
productenreicbes  Küstenland  des  Südens.**)  C.  Bitter  kommt  zu  dem 

*)  Vogt  DsBekur,  GasoliMfate  dw  AlteitlniiM.  1.  Band. 
**)KMmM  U. 


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—    104  — 


Erg^idfl,  da»  die  WoetkttBte  Toidfiiiadiais  mit  demUehdr  Stefaerheit 
als  das  Ziel  der  Ophiiftlirtea  aoMeheii  ist*)  tf ax  Duneker 
tritt  in  sdner  GeBeUcfate  des  AlterthmnB  doisetbeii  Standpunkt  Dia 
ProdactOr  welidie  die  phSniziBdien  Sehifb  aaB  Opfedr  brachten,  weisen 
nun  grolen  Thefl  —  watet  QM  —  anf  Indien  lun.  Gs  werden  ge- 
nannt Alfen»  Pfiuien,  Sandelkolz,  Elfenbein.  Keines  dieser  Frodncte 
fOlirt  in  der  Bibel  einen  bebrtiselien  Namen;  sie  waren  also  nodi  nicht 
bekannt  Zndem  ist  die  Etymologie  aller  dieser  Benennnngen  als  nr- 
sprflnglicä  nlhdisch"  nachgewiesen.  Der  Name  Opbir  seibat  wird  von 
dem  Volk  der  Abhira  in  der  Gegend  der  Ihdasmttndnng  abgeleitet 
So  waren  die  pbOnizischen  Seelente  äof  den  Schiffen  der  Sidonier  nnd 
des  Salome  wol  die  ältesten  Ostindienfiahrer. 

Noch  mehr  als  jene  0stUchen  Heere  sog  das  mildere,  weniger 
Btflnmsche  und  fttr  die  Schiffahrt  sagttngliehere  Mittelmeer  die 
Phönizier  an.  Nur  20  Meüen  Ton  ihrer  Ellste  lag  die  Insel  pypem. 
Hier  nnd  aof  den  benachbarten  Inseln,  auf  Greta  nnd  den  Inseln  des 
igftischen  Meeres,  gründeten  die  Phönizier  Nlederlassnngen.  Dann 
schifften  sie  weitet  nach  Westen,  kamen  nach  Malta,  SizlUen  nnd  Sar- 
dinien, dessen  Berge  Silber,  Eisen  nnd  Blei  bargen.  Hier  legten  sie 
anf  der  Nordk&ste  den  Ort  Karalis  (das  hentige  Gagliari)  an.  Zn 
gleicher  Zeit  :vrarde  die  Nordkfiste  Ton  AiHka  besiedelt  Hier  sollen 
die  Phönizier  bereits  im  12.  Jahrhundert  y.  Chr.  Hippo,  Ostlich 
dam  Utika  nnd  zwischen  den  beiden  Syrten  Groftleptis  erbant 
haben.  Dann  gelangten  sie  zn  den  Bergen  Kalpe  nnd  Abylyz  (Stolen 
des  Herknles),  segelten  durch  die  Meerenge  nnd  gründeten  ilven  ersten 
oceaniscfaen  Hafen  Gades,  das  hentige  Cadix,  wol  die  Slteste  Stadt 
Europas,  deren  Name  sieh  bis  auf  unsere  Tage  erhalten  hat  Hier 
Oilbete  sich  ihnen,  etwa  1100     Chr.,  der  weite  Ocean« 

Die  Seefahrt  der  Phönizier  mnss  damals,  um  solche  weite  nnd 
gefiüirTolle  Entdeckungsreisen  zn  ermöglichen,  bereits  viele  Übung 
und  eine  Geschichte  von  Jahrhunderten  hinter  sich  gehabt  haben. 
Schon  Tor  den  Zeiten  Homers  Terstanden  sie  die  Anwendung  der  Stern* 
künde  fBr  die  Nautik  und  die  NachtschiHahrt  durch  die  offi»ne  See, 
wahrend  Griechen  und  BOmer  noch  lange  KtsteDschifl^  bliebmu  Noch 
im  9.  Jahrhundert  endete  der  Horizont  griechischer  Schilfor  in  den 
Gewässern  Siziliens. 

Von  Gades  aus  richteten  die  PhOnizier  ihre  Fahrten  nOrdlich 
an  der  iberischen  Eflste  entlang  nach  Jeme  (Mand)  nnd  Britannien* 


*)  Bitter«  QaacUchte  der  Erdkande  und  Entdeckniigaii. 


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—   lOö  — 

Vou  (lieser  Insel  holten  sie  das  Ziuu  luui  trieben  auch  an  den  <VAm- 
scheii,  vielleirhT  selbst  an  den  pifnüischeii  KiisTen.  von  wo  sie  Elekuun 
holten,  loluieiiden  Handel.  Auch  iii  aiigeu  sie  bereits  iiu  iioheu  Alter- 
thum durch  den  Hellespout  iiiul  lieii  Bosporus  ins  Schwarze  Meer  vor 
und  kamen  bis  zur  Krim  und  zur  Mündung'  des  Don,  um  Tausch- 
hnndel  zu  treiben  oder  auf  Kaub  auszufischen.  Später  mussten  sie 
Yor  den  kiiegerischeu  Milesiern  und  Griechen  aus  diesen  Gewässern 
weichen.  Auch  auf  dem  Kaspischen  Meere,  zu  dessen  Ufern  ihre 
Ejfltwaaenzüge  u.  a.  sie  gefühlt,  soUan  ihre  Schitte  gekreuzt  haben. 

Etwa  in  die  Zeit  um  850  v.  Chr.  fallt  die  Gründung  Karthagos. 
Diese  Pflanzstätte  phönizischer  Colonisation  erblühte  seh]  fi  üh  zu  seltwt- 
ständiger  Macht  Die  Karthager  Beizten  im  Westen  Afrikas  und  Europas 
die  EntdeckmigBfalirteii  ihrer  phönizischen  Vor&hreii  in  großartigem  Stile 
finrt  Leider  sind  gpiter  durch  die  R5mer  dk  pmiischen  Schriften  Aber 
diese  Fahrten  ftat  durchweg  veniiditet  werden,  so  daea,  abgesehen 
Ton  «wmiJbaii  Fragmenten,  keine  derselben  in  der  einbeimlsohen 
%nche  flberliefert  ist,  wol  aber  sind  einzehie  griechische  and  latei- 
oisehe  Übenetzongen  erhalten.*)  Nach  denselben  sollen  panische  See> 
fiArer  unter  Ffthrong  des  kOhnen  Hannon  bis  in  den  Meerbusen  Yon 
Guinea  TOigedningen  sein,  eine  großartige  See-Expedition  an  gftnalich 
nbekaiinten,  von  Barbaren  bevölkerten  Ellsten  enthing,  300—400  geo- 
graphische Meilen  weit  An  diesen  Kttsten  „Libyens*'  wurden  audi 
Colonien  angelegt»  nach  denen  die  Römer  später  nach  Karthagos  Zer- 
störung noch  Nachforschungen  anstellten,  in  der  Absicht,  sie  ebenfalls 
zu  zerstören.    Strato  weiß  späterhin  zu  erzählen  (wahrscheinlich  aus 
kai'thagischen,  später  verlureu  gegangenen  Berichten  i,  dass  die  3(X>  kar- 
thagischen Ansiedelungen  an  der  Küste  Westaiiikas  vou  Pharusiern 
und  Ni^iten,  also  gewiss  negerartigen  StärnnuMi,  zersört  worden  seien. 
Zu  gleicher  Zeit  mit  Jfaiihun  machte  ein  anderer  karthagischer  See- 
fahrer. Hamilko,   eine   Knfd^fkuutrsreise   nach   den    K ii-i >  iiländem 
Nordwesteui'üpas.   Uber  die  (Treu/eü  der  pauiM-ln n  ["jitdi  rkiiiiL;rn  sind 
auch  die  Hfuner  späterliiu  nicht  wesentlich  hinausgekommen,  wenig- 
stens nicht  in  Westafrika. 

Aus  der  späteren  Zeit  der  phönizischen  .Seei  eisen  stanmit  der  sagen- 
hafte Bericht  von  der  Umschiffung  Afrikas.  Darnach  soll  der  ägyp- 
tische König  Necho  (um  600  v.  Chr.)  phönizischen  Seefahrern,  die  in 
leiiMn  Diensten  standen,  angegeben  haben,  durch  daa  Erythräische 
Heer  nadi  Sflden  zu  fahren,  Libyen  m  umschüFen  und  durch  die 


*)  8.  Bitter»  Attg«aieiae  Brdktnde. 


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—    106  — 


Sftnton  des  HeiMea  nach  den  NUmttndnngen  snrltekiiikeliraL  Naeh 
Herodot  bnuiditai  de  dasn  drei  Jahre.  ÜDirotadbendfcta  Uest 
gar  nieht  in  der  Enifthlnig.  Em  sehr  irichtiges  AigamaA  muSbeiai 
in  Herodets  eigenem  ZweiHd  an  dem  Berichte.  Desn  die  Sehüv 
hatten  ansgesagt,  bei  der  Umsohitag  Afrikns  hüten  sie  die  Sonne 
aar  rechten  Hand  bekommen.  Ihre  Fahrt  ging  aber  nach  Westen. 
Da»  scheint  Herodot  nnglanUieh.  Im  Mitteimeer  hatte  man  sie,  von 
Ägypten  nach  den  SHnlen  des  Heriralee»  oder  Ton  Tjrm  nach  Gadeira 
scUfiend,  allerdings  anr  linken  Hand,  d.  1  gegen  Süden.  Anf  der 
SQdhalbkagel  ist  dies  aber  umgekehrt  Da  steht  die  Sonne  in  der  Mit^ 
tagsstonde  dem  SchüBer  gegen  Norden.  «Ich  kann  das  nicht  glauben'*, 
sagt  Herodot  oÜBDhersig;  i,TieUeicht  gibt  es  andere,  die  dies  gUnben 
können.'*  Sebi  Unglanbe  ist  ndt  efai  entscheidender  Beweis  fllr  die 
Fahrt  Leute  die  keine  astronomisch-geographisdie  Theorie  besäten 
(ana  der  allein  sich  ergibt,  dass  dies  nur  in  der  südlichen  Halhkogel 
stattfinden  kann)  konnten  dies  nicht  ersShlen,  ohne  ea  inrhUch  ge^ 
sehen  sn  haben.*)  Anch  A.  Humboldt  u.  a.  bedeutende  Foradfaer 
und  Gelehrte  halten  die  erwihnte  Umaegelung  AIHkaa,  die  ttbrigeaa 
ftr  Jene  Zeit  au  grofiartig  ^war,  nm  erihsst  und  verwertet  au  werden, 
für  wahrscheinlich. 

Ziehen  wir  ans  allen  diesen  angellihrten  Thalaaehen  und  Berichten 
das  Ergebnis,  so  kommen  wir  au  der  Erkenntnis,  daaa  die  PhOni- 
sier  unter  den  orientalischen  Völkern  des  Alterthnms  die 
nmfaasendste  Kenntnis  von  der  Erdoberfläche  gehabt  haben* 
Ihr  Beitrag  sn  der  Verbreitnng  des  Witnena  von  der  Erde  war 
demnach  IQr  Jene  und  vieUkch  auch  ittr  apfttere  Zeiten  von  grOAter 
Bedentang  und  hat  in  mancher  Hmeicht  auch  die  apfttere  Wissen* 
Schaft  beeinihuBt  Von  ihnen  stammt  die  Dreitheilnng  der 
alten  Weit  in  Asien,  Europa  und  Libyen  (Afrika).  Denn 
da  von  ihrem  Ktlstenlande  ans  die  bekannte  Erde  sieh  nach  drei 
HanpMchtungen,  nach  Osten,  Westen  und  Sttden,  ausdehnte,  theil^ 
ten  sie  daa  Erdganze  anch  in  drei  HauptabtheOungen:  Asien  (von 
asn  s=  Aufgang),  Europa  (von  ereib  ^  Untergang)  und  Libyen.  Dieae 
Etaitheflnng  wurde  anch  von  den  Griechen  fibemommen,  und  wir 
haben  sie  und  die  Namen  (bla  anf  Libyen,  woftr  anr  Bömeiteit 
die  Benemraner  Afrika  Land  der  AM\  anfkam)  bis  heute  bei- 
behalten.   Auch  der  Name  (Okeanoa  (von  Ogon  =  der  AJlnmÜMser) 


«)  Bittnr,  GcMliidita  d«r  Efäkude. 

**)  Yerglckbtt  aaiah  Max  l>aiMik«r,  Gttehiehle  dM  Atothuw.  1.  Bd. 


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—   107  — 

sianiüit  von  den  Phöniziern,  wie  lieuE  auch  viele  ürlsiiamen,  als  Gadi  > 
(Cadix),  Massilia  fMareeillek  Karales  (Cagliari),  Malaka  (Malaga), 
Sepheia  (Sevilla)  ii.  a.,  phönizischen  Ursprungs  »iüd.  So  weist  uns  der 
geographische  I'ntejricht  noch  heute  bei  der  Gliederung  der  großen 
Ostfeste  und  bei  der  Betrachtung  der  Mitteimeerländer  zurück  auf 
jenes  alte  Seehandeisvolk,  dessen  Verdienste  auf  dem  Gebiete  der  Ent- 
deckungen sich  dea  bedeuteiMUtaa  B'orscliaiigw  nenarer  Zeit  an  die 
Seite  Btdlea  köBnen. 

6.  Die  Perser. 

Die  Perser  wai-en  bereits  im  Alterthnm  das  bedeutendste  der 
iranischea  Völker.  In  dem  Weltreich,  wdekee  Cyrm  erriditeU^  wurde 
das  groBe  asqvisehe  Beich  durch  die  medopersisohe  Kraft  ideder 
Teijttngt  Die  Erobenrngsstge  der  peraiichen  Könige  braiditen  das 
Maqgenlaiid  auf  «ine  geraume  Zeit  iii.ei^se  BeriUmmg  mit  dem  Altend- 
lande,  imd  die  jimge  enropätsche  Onltnr  der  HeUeDen  hatte  gegen  die 
andringende  Macht  der  Perser  einen  grimmen  Kampf  m  bestehen. 
Bereits  der  Erobenmgslnst  des  Qyros  Ikelen  die  griechischen  Golonieen 
in  Kleinaaien  znm  Opfer,  so  dass  sich  sein  Beich  Tom  Indns  bis  xnm 
Mittelmeer  und  Agflischea  Meer,  im  Süden  bis  zum  Persischen  Meer 
md  der  araMschen  Wllste,  im  Norden  Us  Kom  Sehwnrsen  Meer  nnd 
SB  den  toranischen  Steppengebieten  ausdehnte.  Sein  Sohn  Kambyses 
unterwarf  Ägypten  und  Äthiopien.  Der  bedeutendste  in  der  Beihe 
der  pei*sischcn  Eroberer  war  indes  König  Dar  ins.  Er  verfügte  über 
eine  bedeutende  Landmacht  und  über  eine  große  Seemacht,  zu  dei- 
auch  die  phönizische  und  die  ägyptische  Flutte  gehört4»n.  Er  über- 
schritt den  Bosporus,  sandte  eine  Expedition  auf  das  Schwarze  Meer 
aus,  mn  die  Nurdkuste  desselben  untersuchen  zu  lassen,  und  drang 
selbst  tief  in  die  Länder  der  t^kyihen  vor.  Wenn  HenHli»!  t  i  /ithlt, 
er  sei  bis  zur  Wol^a  ^ekoninit n  inid  habe  dort  feste  Platze  angelegt» 
die  er  aber  dauei-nd  mcht  zu  liaiien  vermochte,  so  wird  eine  derartige 
Ausdehnung  des  Kioberuugszuges  in  den  Ebenen  Sarmatiens  von  Max 
Duncker  und  anderen  Historikern  angezweifelt,  von  anderen  indes, 
wie  z.  B.  von  Leopold  v.  Ranke,  durchaus  nicht  in  Abrede  gestellt. 

Als  sich  nun  Darius  flberzengt  hatte,  dass  er  eine  Ausdehnung 
der  persischen  Herrschaft  weniger  nordwärts  als  vielmehr  westwärts 
m  Sachen  iiabe,  war  nadi  der  Unterwerfung  Thrakiens  und  Make* 
iawm  die  griechische  Halbinsel  sem  Ziel.  Er  sandte  deslialb  von 
^don  drei  Schiffe  ans,  nm  die  Küsten  7on  Hellas  und  Sizilien  mn- 
Mhiffen  und  «oi^ehmen  zn  lassen.  Eine  andere  Flotte  fuhr  an  der 
Hoidkasto  AIHkas  nach  Westen,  unterwarf  Kyrene,  die  Oase  Siwah 


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—   lüö  — 

und  das  Land  Barki  und  drang  bis  aar  griecbischen  Pflanirtfttte 
Hesperidea  ?or.  Srsehreckt  sandten  anch  die  Kartiiafer  an-Darins 
als  Zeichen  der  ünterwerfiing  Erde  nnd  Wasser  nnd  haUim  den  Per- 
sern später  bei  dem  Zuge  gegen  Sizilien.  So  erstreckte  aich  daa 
große  Perseneicli  Ton  den  Landein  des  Indos  bis  an  den  Syrten. 
Doch  den  Griechen  gelang  es,  ihr  Land  vor  dem  Joche  der  Perser  m 
bewahren  nnd  anch  nach  langen  Kriegen  gegen  die  Nachfolger  des 
Darios  ihre  Unabhängigkeit  zn  behaupten. 

Infolge  dieser  andanemden  und  nachhaltigen  Beaiehnngen  zwischen 
dem  Iflorgen-  und  Abendlande  wurde  das  Wissen  von  der  jßrde  in- 
sofern bereichert,  ala  nunmehr  die  geographischen  Kenntnisse 
der  CnltnrTOlker  zusammenflössen  nnd  auf  eine  Universal- 
geographie hindrftngten.  Die  Chorographie  der  einzelnoi  Ooltor- 
YOlker  entwickelte  sich  immer  mehr  zu  einer  allgemeinen  Länder- 
kunde. 

Die  Yerwaltnngseintheiittng  des  großen  Perserreichs  durch  Darins 
in  20  Satn^ien  oder  Pyovinzen  setzt  bereits  einen  bedeutenden  Um- 
lang  von  asiatischer  Länderkunde  voraus,  da  manche  Satrapien  die 
OrOfie  bedeutender  Efinigreiche  hatten.  Da  der  Tribut  nicht  in  Geld» 
sondern  in  Landesproducten  geleistet  wurde,  so  ergibt  die  Au&ählung 
derselben  die  erste  Prodnctenkunde  von  Asien.  Es  werden  Pferde, 
Eameele^  Ele&nten,  Sdiafe,  femer  Obst  nnd  allerlei  andere  Früchte,  Ge- 
treide, Gewttrze,  Wehstoffe,  Holzarten  und  —  Sdaven  genannt  Herodot 
beschreibt  nach  guten  alten  Begistem  (pendschen  Annalen)  ansfOhrlich 
die  Traditen,  Waffen  und  körperlichen  Merkmale  von  29  verschiedenen 
Völkerschaften,  aus  denen  das  Heer  des  Xerxes  zusammengesetzt  war. 
Die  EntzüEamng  von  alten  Keilinschiiften  an  den  Marmorwftnden  der 
Paläste  zu  Persepolis,  sowie  auf  den  Bninenfeldem  von  HÜleh  nnd 
Mosul  seit  dem  4.  Jahrzehnt  nnseres  Jahrhunderts  hat  die  Wahr- 
heit der  Mittheilungen  des  Herodot  bestätigt.  Wir  haben  hier  also 
die  erste  Völkerkunde  Torderasiens. 

Großes  leisteten  die  Perser  vor  allen  alten  Völkern  des  Orients 
auf  dem  Gebiete  der  Verkehrsgeographie.  Das  ganze  weite  Perser- 
reich war  von  einem  rielversweigten  Netz  kttnstlicher  Straßen  durch- 
zogen. Bereits  Cyrus  und  Kambyses  nahmen  den  Bau  solcher  Straften 
in  Angriff.  Darins  aber  war  es,  der  jenes  große  Straßensystem 
begründete,  welches  Persian  nach  allen  Sichtungen  durchzog  und  in 
Snsa  seinen  Mittelpunkt  hatte.  Ktesias  gab  am  Schlüsse  seiner  per- 
sischen Geschichte  eine  Obersieht  aUer  Straßen  von  Ephesns  bis  nach 
Indien  mit  Angabe  der  Stationen,  Tagereisen  und  Parasangen  (Strecken 


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—   109  — 


TOn  Meilen).  Diese  Übersicht  ist  indes  verloren  gegangen.  Durch 
Herodot  kenoai  int  nur  ein  Glied  dieses  Straßensystems;  das  ist  die 
Sti-aße,  welche  ym  fiphesus  tber  Sardes  naeh  Sosa  Ahrte.  Er  be- 
schreibt sie  felgendmata:  „Tom  QiierJiischim  Meer  bis  saeh  Snsa 
sfaid  14000  Stadien  (360  Meüflo);  von  Epbesos  nach  Saides  Bind  640  Sta- 
dien (18Vt  Meflen),  die  in  3  Tagen  mirftckgelegt  werden  können. 
Von  hier  sind  ftberall  kftnlgüehe  Stationen  und  die  schönsten  Einkehr- 
hioser;  der  ganse  Weg  fthrt  durch  bewohntes  Laad  und  ist  sicher. 
Er  geht  snerst  durch  das  Gebiet  der  Ljdier,  welehe  frachtbares  Land 
bewohnen  und  reich  an  Sflber  sind,  daon  durch  das  (stebiet  der  Phry* 
gier,  die  reichsten  an  Vieh  und  Feldfrflchten:  dies  sind  20  Stationen» 
94V«  Parasangen.  Danach  nross  der  Halys  fiberschrltten  werden;  hier 
Bhid  Thore,  durch  welche  man  gehen  muss,  um  über  den  Fluss  zu 
kommen,  und  eine  starke  Wache.  Jenseits  des  Flusses  ist  mati  in 
Kappadokien  und  hat  \m  zur  Grenze  Kilikiem?  28  Stationen  und 
K)4  Parai>a.ugeü  zuriickzulef^en.  An  den  Grenzen  Kappadukieus  und 
Kilikiens  befinden  sich  zwei  Thoie  imd  zwei  Wachen;  dann  hat  man 
durcli  Kilikien  Ii  Stationen  und  15  Parasangen  bis  zur  Grenze  Ar- 
meniens, die  der  Euphmt  bihleT,  zuriiekzuh'S'en.  T)pr  Enplirat  wird 
mi  der  Fälue  uberschiti't.  Dann  j^ind  iu  Annenien,  weicüeij  viel  Vieh 
hat,  15  mit  Wachen  besetzte  Stationen  und  b^^  .  Parasangen.  Da- 
nach sind  der  Tig:i*is  und  zwei  andere  FlUfjüe  gleichen  Namens  (der 
kleine  und  der  grolie  Zab),  endlich  der  Gyndes,  den  Cyrus  ableitete, 
auf  Booten  zu  überschreiten.  Von  den  Armeniern  kommt  man  zu  den 
Matinern,  den  Nachbarn  der  Armenier;  hier  sind  34  Stationen  und 
137  Parasangen  zurttckssolegen.  Von  der  Grenze  der  Matiner  und 
Kisner  bis  zum  Choaspes,  da,  wo  Snsa  an  demselben  gebaut  ist  (auch 
dieser  Floss  wird  auf  der  FAhre  übei*schritten),  sind  11  Stationen  und 
42 Vi  Parasangen;  im  ganzen  sind  es  III  Stationen  und  450  Parar 
Bangen  oder  13500  Stadien  (337  Meilen).  Wenn  demnach  die  kömg- 
liehe  Straffe  richtig  vermessen  ist,  so  kommt  man,  wenn  man  t&glich 
160  Stadien  (5  Parasangen»  3*/«  Meilen)  nrfteklogt»  in  90  Tagen  von 
Ssrdss  nach  Snsa,  nnd  wenn  man  den  Weg  von  Ephesns  nach  Sardea 
Uotnrechnet,  in  93  Tagen. 

Von  dieser  groffen  Straffe  naeh  dem  Westen  zweigten  sich  n.  a. 
Straffen  nach  Babylon  nnd  Egbatana  ah.  Die  Terschiedenen  Befesti> 
tragen,  welche  an  wichtigen  Punkten  der  Straffen  regelmäßig  an* 
gelegt  waren,  tmgen  anch  wesentlich  dazu  bei,  die  Slchening  des 
Bfliehs  zn  f5rdem.'  Durch  diese  Oastelle  konnten  die  Straffen  leicht 
gesperrt  und  vertheidigt  werden.  Eritob  sich  in  einer  Provinz  ein 


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—   110  — 


Aufstand,  so  konnte  diese  Provinz  ieiciit  abgesperrt  werden  Der 
Feind  fand  zu  Kriegszeiten  in  diesen  Straßenbefestigungen  wesentliclie 
Hindemisse  zu  überwinden,  wie  m  anderarseits  dem  Perserfaem  »■ 
liebliche  Stützpunkte  waren. 

Mit  diesem  System  kttiurtliclier  Straßen  war  eine  weltfofzwoigte 
königliche  Post  einrieb  tung  eng  verknüpft.  Den  Stationen  la^  zu- 
gleich die  Beförderung  der  königlichen  DienstsachflQ  ob.  Auf  den 
Statioiieii  aller  Hauptstraßen  des  Beiehs  in  der  Entfenumg  yon  4  Panip 
Bingen  waren  Pferde  nnd  fieiter  atationirt  (Aataaden,  Agaren),  deren 
efniigeB  OeecbSA  die  Befördenug  der  königlichen  Briefe  und  Bot- 
sdiaften  war.  Einer  dieser  Poetreiter  mnsste  stets  in  Beieitacbaft 
sein,  nm  nach  Eingang  eines  königliehen  Schreibens  dasselbe  in  der 
schnellsten  Gangart  des  Pferdes,  bei  Tage  oder  bei  Nacht,  in  der 
gröilten  Hitae  des  Sommers  oder  im  Schnee  des  Winters  znr  niehBtea 
Station  an  befördern.  AnBerdem  war  hei  jeder  Station  ein  AflÜMher, 
bestellt,  dessen  Aufgabe  es  war,  die  Briefe  in  Ehnpfang  an  nehmen, 
wieder  an  fibergeben,  die  ermfideten  Pferde  nnd  lOnner  an  behe^ 
bergen  und  frische  Heiter  abzusenden.  Bei  den  Griechen  sagte  man 
die  persischen  Postreiter  flögen  schneller  als  Kraniche,  und  Herodot 
versichert,  dass  nichts  in  dieser  Welt  geschwinder  mü,  als  diese  Reiter. 
Auf  der  grolien  Strecke  von  Sardes  nach  Susa  konnten  düich  dieselben 
die  Briefe  in  5  bis  7  'J'aj^en  befordert  werden,  während  ein  Fuß- 
gänger mindestens  9()  Tage  brauchte,  um  diese  Strecke  zuiückzu- 
le^n.  Der  Chef  des  ganzen  Postwesens  war  ein  hoher,  dem  könig- 
liehen  Hause  naiiosteliender  Beamter.  Persieiis  h  izter  Konier.  Dai'ius 
Kodomannus,  bekleidete  vor  seiner  Thronbesiejguiig  dieses  holic  Amt. 
Die  Posteinrichtung  trug  rein  staat1i<'])pn  Charakter;  nur  der  König 
bediente  sich  ihrer  zu  seinen  Regiei  ungszwecken.  Das  Volk  war  von 
der  Benutzung  der  Posten  ausgeschlossen.*) 

Endlich  ist  sicher  anzunehmen,  dass  die  Perser  bereits  Land- 
karten hatten.  So  ertheilte  Darius  der  Expedition,  irelche  die 
griechischen  Küsten  zu  erforschen  hatte,  den  Aaftrag,  diese  Kdsten 
anch  anfainehmen,  und  die  Küsten  wurden  von  der  Expedition,  die 
sich  steta  nnweit  des  Landes  hielt,  auch  wirklich  aufgezeichnet 
Dies  setzt  aber  bereits  eine  bedeutende  Fertigkeit  in  der 
kartographischen  Aufnahme  yon  L&nderstreoken  yoraas. 
Nun  kannten  zwar  anch  bereits  die  Griechen  snr  Zeit  des  Darios  dsn 
Gebianch  Ton  Landlnrten;  aber  veder  ihnen  noch  den  Penem  kann 


*)  Veigliiehe  Otirtbedk,  I)erW«ltv«ik«br,  nadDiiaekcr,  GetoUehtadca  Altertkom. 


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—  III  — 


die  erste  Erfindung  derselben  zugeschrieben  werden.  Nach  Ritter 
liaben  sich  die  Landkarten  aus  einfachen  Wegekarten  entwickelt, 
and  aach  die  ersten  Karten  der  Pener  m6gen  Wegekarten  geweiien 
aeiii.  Nim  ist  es  wol  eine  etwas  weitgehende  Behaaptang,  wenn 
Ritter  den  Hebtftem  die  erste  Wegekarte  mchreibt  und  als  soklie 
die  Marschroute  der  Israeliten  yon  Ägypten  nach  Kanaan  bezeichnet 
Wir  haben  es  hier  wol  nnr  mit  einem  VeneidndB  der  LagerplfttM 
in  dran.  Mahr  Beachtung  verdient  wol  der  ans  alten  Sehriftstellem 
gC8cfa0pfte  Nacfaweia  des  grofloi  Geographen,  dam  die  alten  Kolehier 
Tim  ihrem  Vorrfttem  es  gelernt  hatten,  anf  Tafeln  die  Wege  za  Lande 
and  zu  Wasser  ftr  ihre  Waademngen  sn  yerzeichnen.  AnfSugs  ge- 
schah dieses  anf  Stefaien,  später  auf  Hokta£Bin.  Die  Eolduer  er- 
seheinen in  filtester  Zeit  als  ein  wichtiges  VSlkerg^ied  rar  Yeikettang 
des  fbmsten  Morgenlandes  mit  dem  Westen.  Säe  waren  ein  altes 
Onltnrvolk  von  unbekannter  Herininft,  dass  seine  Wohnsitae  Ostlieh 
vom  Schwarzen  Meer  hatte,  das  westlichste  Glied  einer  Rdbe  von 
alten  Kolonieen,  welche  von  Hochindien  und  dem  alten  Baktrien  sich 
nach  Westen  Linzog.  Sie  holten  aus  den  indischen  und  mittelasia- 
tischen Fundorten  Gold,  Edelsteine,  Perlen,  Seide  und  Gewürze  und 
kamen  auf  ihren  weiten  Handelsreisen  im  Westen  bis  zu  dem  Don, 
wo  sie  mit  den  Skythen  Tauschhandel  trieben.  Es  ist  sein-  wahr- 
scheinlich, dass  nicht  nur  die  Perser,  sondern  auch  die  Griechen  KJein- 
asiens  von  di fasern  alten  Üulturvoik  den  Grebrauch  von  Wegekarten 
kennen  gelernt  haben. 

Aus  der  Art  und  Weise  der  Jugenderziehung  im  alten  Perser- 
reiche kann  mit  ziemiiclier  Sicherheit  auch  auf  s^eographische 
Pnterweisungen  geschlossen  werden.  Die  Erziehung  war  bei  den 
Perseni  durchaus  Nationalerziehung.*)  Das  Kind  wurde  für  den 
Staat  geboren  und  erzogen.  Diese  Nationalerziehung  umfasste  die 
ersten  24  Lebensjahre,  und  vom  7.  Lebensjahre  ab  begann  die  öffent- 
liche Erziehimg.  In  allen  größeren  Orten  bestanden  öffentliche  Xiohr- 
anstalten,  nnd  außerdem  gab  es  noch  besondere  Anstalten  zur 
firsiehnng  der  Söhne  aus  den  vornehmsten  Familien.  In  diesen 
instalten  wurden  die  Knaben  zur  Wahrhaftigkeit,  Gerech tigkeit» 
Selbstbehenschong,  ferner  im  Gebrsneh  der  Waffen,  in  allerlei  Leibes- 
Ihangn,  insenderhelt  aber  such  war  Ehifhieht  gegen  Etaig  nnd 
OWIgksit  mid  jn  der  Liebe  anm  Vatorlsnde  enogen.  Die  Schnle 
«ittte  in  jeder  Hlnäeht  anf  das  Leben  veibereitea.  Die  Erziehnng 


*)  Yeigl  Dr.  OidSoliiiiidt^  Cteaehidite  dior  Ptaagogik  in  d«r  vonlidvIillGiiMiZtit. 


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—    112  — 


hatte  eine  durchaus  praktische  Richtung  und  zielte  hin  auf 
rimg  der  Verhältnisse  des  Lebens  und  auf  Sichenmg  und  Maditp 
Entfaltung  des  Reichs.  Es  ist  undenkbar,  dass  bei  einer  dar- 
artigen Erziehung  der  Jugend  geographische  Unterwei- 
sungen gefehlt  haben  sollten!  In  welcher  Foim  nnd  in  wdcbem 
Gfewande  sie  immerhin  aufgetreten  sdn  mögen:  ale  mfiisen  bei  dieeem 
Volke  mit  einen  wesentlichen  Bestandtheü  des  JngendiinlenlditeB  ge- 
bildet haben.  Die  weite  Ansdehnnng  des  BieBenrelchs,  die  mannig- 
fkche  Nator  seiner  Linder,  die  Sprache,  die  Sitten,  Traebken  nnd 
Eigenschaften  der  Volker,  die  yerschiedenartifen  Landeeprodncte, 
welche  die  dnulnen  Satrapien  ah  Tribat  lieferten,  eiidli«di  das  viel- 
yeraweigte  Straßennetz  ndt  den  Posteinilehtnngen,  werden  in  den 
Lehranstalten  ebenso  Gegenstand  der  fielehmng  gewesen  sefai,  wie 
die  mhmreichen  Eriegssttge  der  Perserkönige  nach  den  Lindem  am 
Jaxaites,  femer  m  den  Skythen,  Griechen  nnd  Libyern.  Leralen  die 
jungen  Perser  im  ersten  Falle  die  Nator,  den  Wert  nnd  die  Vorzüge 
üuree  Vaterlandes  kennen,  so  wurde  bei  der  Betrachtung  der  Srobe* 
ningszüge  ihr  Blick  anf  die  Nachbarlinder  des  Beiehes  giwichtet,  wo 
ihrem  Vaterlande  neoer  Rohm  erblfihen  sollte. 


Ein  kürzer  Rückblick  auf  den  Stand  der  Erdkunde  und  der 
erdkuudlic-heii  Belehrungen  bei  den  orientali?:rhen  Völkern  des  Aiter- 
thums  fühi't  zu  folgenden  charakteristischen  Ergebnissen: 

Bei  den  Indern  erscheint  die  Erdkunde  größtentheils  in  mytho- 
logisch-philosophischem Gewände  und  hat  für  das  praktische  Leben 
geringe  Bedeutung.  Wir  haben  hier  gleichsam  eine  Vorstufe  geogra- 
phischer Erkenntnis. 

In  Ägypten  bleibt  die  Erdkunde,  abgesehen  Ton  den  Erfolgen 
der  Sesostxidenaöt,  bis  cor  Erobening  des  Landes  durch  die  Perser 
im  wesentlichen  Ghorographie  nnd  findet  nor  innerhalb  der  Priester- 
kaste  eifrige  Förderer.  Die  Hhnmelsknnde  kmunt  hier  (wie  aneh 
bei  den  Indem)  nicht  viel  Aber  den  Bahmen  einer  Vorstufe  astrono- 
mischer Kenntnisse  hinaos. 

Bei  den  Hebräern  war  die  Erkenntnis  von  der  Erde  dnrehMis 
beherrscht  Ton  der  theokratischen  Volkserziehnng.  Ihre  Kosmogonie 
bildet  heute  noch  die  Grandlage  monotheistiBcher  Weltanschanong. 
Die  Kenntnis  von  der  Natur  der  nmliegenden  Linder  nnd  ihrer  Völker- 
verdankten  sie  weniger  eigenen  Untemehmnngen,  als  vidmehr  der 
liSge  ihres  Landes  im  Centram  der  damaligen  Cnltorwelt,  „inmitten 


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—  118  — 


der  Heiden*",  die  sie  in  juaimigfache  BeriUuwigea  mit  den  damaligea 
ColtorTölkern  brachte. 

Die  Chaldäer  erscheinen  als  HaaptbegfrQnder  astronomischer 
Wissenschaft  im  Altertbnm.  Ihr  Hesugonalsystem  in  Bezng  aiif  die 
Zeiteintheilnng  hat  sich  bis  auf  imsere  Zeit  erhalten.  Noch  heute 
thdiea  wir  das  Jahr  in  12  Monate  (2x6),  denk  Tag  in  24  Standen 
(4x8)i  die  Stande  in  60  Minuten  (10x6),  nad  die  llinnte  in  60  Se- 
CQDden  (10x6).  Doch  liefen  die  Emmgiangchafleai  anf  dem  Gebiet 
dar  Himmelskiuide  (3Mbit,  Yon  astrologigchen  Beetrebongen  ttber- 
iniehflrt  nnd  in  der  Fertentwiekehing  gehemmt  m  werden. 

Die  Phönisier  beBafioi  von  «Uen  YOlkem  des  Onente  die  nm- 
iiMMbte  Cenntnis  yon  der  Erdoberflfidie,  sncliten  die  Wege  nnd 
Sole  flmr  Fahrten  aber  vor  anderen  VOlkem  möglichst  n  veriieim- 
Udien  imd  steUten  die  Erdkunde  lediglich  in  den  Dienst  ihrer  prak- 
Handelsmitemehmungen.  Trotzdem  ist  ihr  Einfloß  anf  die 
INvtentwickelung  des  Wissens  von  der  Erde  namentlich  bei  den  abend- 
ländischen Völkern  sehr  hoch  anzuschlagen. 

Den  Persern  endlich  fällt  das  Verdienst  zvi.  /lu  Vereinigung  der 
aielir  oder  weniger  abgesondert  dasteheiuieii  keiiiiLiiisi^e  von  der  Erde 
beigetragen  und  dadui'ch  den  Blick  der  Völker  auf  eine  Universal- 
geographie gerichtet  zu  haben.  Außerdem  erscheinen  sie  als  eifrigste 
Förderer  der  Verkehrsgeographie  unter  der  Gruppe  altorienta- 
lischer Völker.  Endlich  waren  sie  nicht  allein  von  der  Bedeutung 
eeos-ivijibix'lit-r  Kenntnisse  lürs  praktisclie  Leben  überzeugt,  sonilern 
erkaiiiiteu  auch  bereits  den  Wert  erdkundlicher  Unterweisungen  fui' 
eine  Mtionale  Jugenderziehung. 


>i*mltt.  16.  JdOK.   HaftIL  ^ 


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Ein  denkwürdiger  Anssprnch  iber  die  illgcmfaie 

(Vuikü-j  Schale. 

langMiD  die  MeBsehheit  vorwflrts  kmuot,  dies  ettent 
man  deatKch  daraus»  dass  gar  mandie  gnte  Idee,  wbMw  IftDpi  klar 
erkamt  und  ansgesproehan,  ja  auch  j^faktiaoh  bvwSliit  wu,  beota  aock 
den  heftigstfla  AnüMlituDgeD  anageietat  iat  Hiena  gabOrt  a«eh  die 
Idee  der  allffemeinen  Volksaehnle,  ivelehe  geiada  Im  ä&BojmAfg&a 
Staate»  wo  sie  ttereitB  ?or  100  Jahren  feate  Fnfi  geflurt  hrtte,  jetat 
uoch  weit  Yon  ihrer  Verwirkliclnnif  entfernt  ist  Daaa  hier  ^ 
wenigstens  in  den  oberen  Schichten  der  G^eUschaft  —  ein  Rück- 
schritt der  praktischen  Vernunft  vorliegt,  erpfibt  sich  aus  einem 
Vergleiche  des  iiaclifnlgenden  Ansspniche^  mit  den  gegeuwäitig 
herrschenden  Meinungen  und  EiiuichMuigen  von  selbst 

Das  denkwilrdige  \\ Ort.  welches  wir  hier  in  Erinnerung  bringen 
wollen,  rtthrt  her  von  Friedrich  (-Jedike,  geboren  1755  zu  Boberow 
in  der  Piiegnitz,  177(5  Lehrer  nm  Kiiedrichswerderschen  Gymnasium 
in  Üerlin.  1779  Director  dei'selben  An^italt,  1784  Olu  ivi>uäi^ujri;ilr;irh, 
1787  Mitglied  des  Uberschulcollegiums,  179U  Mitglieii  der  kumgl 
Akademie  der  Wissen schjiften,  1791  Director  des  Köllnischen  Gym- 
nasiums, gestorben  IHUH  in  Berlin.  Die  großen  Verdienste,  welche  er 
i^ich  in  diesen  Stellungen  und  besonders  im  Gymnasialwesen  erwarb, 
kdnnen  hier  nicht  dargelegt  werden.  Wir  erinnern  nur  daran,  das« 
Gedike  aadi  eine  hervorragende  SteUung  unter  den  Philantkro- 
pinisten  Ainnühm  und  sich  insbesondere  als  Mitarbeiter  an  der  von 
Gampe  heranagegehenen  „Allgemeinen  BeTision  des  gesammten  Schul- 
nild  Ersiehnngswesens"  auszeichnete.  Im  neunten  Bande  dieses  WerkM 
(derselbe  erschien  1787  in  Wien  nnd  Wolfenbftttel)  findet  sich  nim  anf 
S.  179  t  foigender  Anaapnich  yon  GMike: 

„Gende  die  iiiart*mig  tmi  Kindern  ans  den  verschiedengten 
StiDdeii  gibt  den  gewOhnficfaen  Schalen,  ceteris  paribaa,  den  B^ 
siehttngBanatalten,  wo  die  KJnder  ohngefthr  von  gleichem  Stande  nnd 
Vermögen  ahid,  einen  grofien  Yoizog.  Die  letateren  geben  der  Eitel* 


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—    llö  — 


keit  zu  viel  Nahrung  uud  verleiten  zugleich  zur  Verachtung  der 
niedrigeren  Stände.  Auf  den  ersteren  iiingegen  lenit  der  junge  Mensch 
Mher  und  richtiger  das  Verdienst  ohne  Rücksicht  auf  Stand  und 
Vermögen  schätzen,  und  einst  als  Mann,  wo  er  mit  Tjeuten  aus  allen 
Ständen  za  thnn  haben  soll,  wird  er  die  yortheilhaften  Folgen  davon 
mstadMf  dass  er  früh  und  praktiech  gewöhnt  ward,  mit  Menschen 
ans  den  vendiiedensten  Ständen  nmzngebeo.  Bitkerakademien,  wo 
alle  Zöglinge  Ton  Adel  sind,  können  eben  danim  eine  zu  einseitige 
BUdung  geben,  und  der  Zögling  derselben  verfällt  leicht  anf  den  Wahn, 
Bidi  nnd  seine  Hitsehfller  fttr  eine  höhere  Menschenraee  an  halten, 
loh  weiß  nicht»  ob  es  mehr  den  Berlinischen  Ofuitliehea  Schalen  oder 
dv  Denknagsart  innrer  Stadt  nr  Ehre  gereicht»  da»  seit  ihehreren 
Jsliren  anch  die  erstoa  Staatsbeamten  sich  nicht  schämen,  ihre  Söhne 
hl  die  öffentlichen  Sehnten  an  schldcen,  ohne  m  fürchten,  dass  ^ 
Uma  schfidlich  sein  dürfte,  nnter  und  neben  Kindern  yon  den 
lifldtigenk  StSnd«i  an  sitaen.  Es  ist  in  die  Angea  lalleBd,  irelehe 
grole  Yortfaeile  diese  Gemeinschaftlichkeit  der  Untoireisinig  beideiiel 
StiBden,  Bowd  den  höheren  als  den  niedrigeren,  gewShrt  Die  letzteren 
▼erden  dadurch  veredelt  nnd  yeifeinert,  die  ersteren  hingegen  früh 
ittm  richtigen  GefUhl  des  wahren  Menschenwertes  gewöhnt  Ich  kenne 
freUich  sehr  viele  angesehene  Städte,  wo  nicht  nur  der  Bürgermeister, 
sondern  auch  der  Kaufmann  sich  schämen  würde,  seinen  8ohn  zur 
öffentlichen  Schule  zu  schicken,  und  das  ist  freilieh  der  gerade  Weg, 
nicht  nur  die  Schulen  und  die  Lehrer  verächtlich  zu  machen,  sontlern 
auch  Roheit  und  l  'nsfezogenheit  auf  immer  in  den  Schulen  zu  erhalten. 
In  Berhn  hinsrec:*  u  ist  es  nichts  Uno^ewöhnliches,  den  Soim  <  inpR  Staats- 
mimsterä  und  den  Sohn  eines  armen  Handwerkers  in  einei'  ttchulstabe 
beisaiDTneTi  m  soIhmi." 

Man  beacht''  ip  lten  den  schraien  Ansfiili rangen  Gedike's  auch  seine 
Angaben  über  das  Berliner  Schulwesen  seiner  Zeit,  und  dann  frage 
man  sich,  ob  wir  in  dem  bezeichneten  Punkte  heute  einen  Fortschritt 
oder  einen  Bftcksävitt  za  verzeichnen  haben  1  D. 


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Ihre  Attwendnng  snr  wirkiamen  Bek&tnpfmi^  des  Idiotismne.*) 

Von  SeOor  O.  Wtni^'Berim* 


JLAxn-  Beki\nii>fiinp:  des  Idiotismus  kann  auch  die  Erzielinii;^  greistes- 
schwaclier  Kinder  wesentlich  beitrag-en.  In  »rster  Reihe  hat  f1  \5  elterliche 
Haus  die  Pflicht,  für  diese  Erziehung  zu  sorgen.  I'ni  aber  dust-r  Verpflich- 
tung uaclizukummeu,  miisäen  die  Eltern  recht  iVühzciug  auf  den  anurmiden 
GeisteMrosUuid  Ums  Kindes  anAnerksain  werden.  In  der  Begel  söhenkeo  sie 
deusslbea  wShiend  der  ersten  Leben^fshre  keine  besondere  Beeektnng'.  Be- 
merken sie  endlieh  dioeh,  dass  ihr  Kind  in  geistiger  Beziehung  hinter  anderen 
Kindern  gleichen  Alters  zurücksteht,  so  trösten  sie  sich  wol  mit  der  Hoff* 
nune^,  dass  dieser  Unterschied  mit  der  Zeit  verschwinden,  dass  sich  ihr  Kind 
später  um  so  sclineller  entwickeln  werde;  doch  sie  tUun  häutig:  nichts  dafür, 
sondern  überladen  alles  der  Zeit,  und  es  vergehen  oft  viele  Jahre,  ohne  dass 
den  Eltern  die  Binde  Ten  den  Augen  genonunen  wird,  nnd  sie  mr  Erkenntnis 
gelangen,  dses  sie  ein  idietisehes  Kind  yor  sieh  haben.  Htomaoh  ivird  die 
Erdehnng  des  gelstessehwachen  Kindes  in  den  meisten  Fällen  gerade  in  den 
eisten  Jahren  vernachlässigt,  statt  mit  um  so  größeii  r  Sorgfalt  geleitet  sn 
werden.  Gehören  die  Eltern  schwachsinniger  Kinder  der  armen  Bevölkemng 
an,  so  tritt  diese  Vernachlässigung' erst  recht  zutage.  Die  ungiückliehen  kleinen 
Geschöpfe  lernen  daher  häufig  sehr  spät  oder  auch  gar  nicht  gehen,  liefen  in 
unreinlichen  Wiegen,  die  in  nngelüfteten  Wohnstuben  stehen.  Sind  sie  geistig 
doeh  so  weit  entwickelt,  dass  sie  bis  nm  Beginn  des  sohnlpflidhtigen  Alten 
das  ^reehen  erlernt  haben,  so  sehlekt  man  sie  bisweilen  sor  Schale.  Hier 
dienen  sie  ihren  Mitschülern  als  Zielscheibe  für  allerhand  Neckereien  lad 
Spöttereien  und  müssen  h!lnfig  selir  bald  als  uiitrrrichtsunfiihig  entlassen 
werden.  W<Uirend  man  die  geistig  etwas  (Teförderten  zu  gröberen  Arbeiten 
iiü  Hause  verwendet,  bleiben  die  Arbeitsunfähigen  oft  ganz  sicli  selbst  über- 
lassen, wei\len  nicht  selten  verhöhnt  und  iui&&haudelt  und  versmkeu  infolge 
dieser  Temaoblftssigung  und  Verwahriosnng  Immer  mehr  in  Stumpfsinn.  So 
werden  sie  snr  Plage  für  die  mensehliehe  Gesellsehaft 

Selbst  reiehe  Eltern,  die  für  ihre  geistig  normal  gebildeten  Kinder  kein 
Opfer  scheuen,  um  sie  zu  tüchtigen  Menschen  heranzubilden,  überlassen  cias 
geistesschwache  Kind  oft  jahrelang-  sich  selbst  und  glanben  genug  gethan  zu 
haben,  wenn  sie  es  im  9.  oder  lü.  Lebensjahre  einer  Idiotenanstalt  überweisen. 
Bisweüen  werden  auch  Versuche  gemacht,  dasselbe  durcii  \\  üner  oder  auch 


*}  Siehe 


Uber  dsB  gleiehe  Thema  Jahrgang  ZIV.  8.  778ff. 


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—   117  — 


Hauslehrer  zn  erziehen.  Die  Cnj^ediiM  vieler  Elrera.  welche  in  ihrem  Vhf^r- 
eit'er  das  schwacliBinnige  Kind  so  schnell  wie  möglich  auf  die  geistige  iStufe 
fciaes  vollsinnigen  bringen  möchten,  die  große  Ziirtlichkeit  anderer,  welche  ihm 
jede  geistige  Aoätreuguüg  erspaien  wolleu  und  die  Auäbilduug  von  Jahr  zu 
Jalir  MuHnMAfobiQ,  lanwn  et  leider  oft  zu  keinen  erkennbaven  Beraltoten 
lammBf  snletat  emttdet  ml  Mch  der  Eifer.  Das  Kind  wird  etngeseUoiaeny 
TOQ  jeder  Oesellschaft,  Jedem  Umgang  mit  anderen  Menschen  Ibmgehalten. 
•Biswdlen  wird  es  auch  gegen  eine  Entschädig^g  einer  ärmeren  Familie  znv 
Pflege  übergehen.  Damit  hat  die  Ansbildung  und  Erziehung  ihren  Abscbluss 
«rtuilten,  oft  auch  bei  denen,  die  noch  bildangsfähig  waren. 

Schwach  beanlagte  Kinder,  die  nicht  direct  zu  den  Idioten  gezählt  wei-dea 
können«  bereiten  der  Familie  oft  grOflere  Sorgen  als  eigentliehe  BlOdiinnige. 
Bd  den  letnteren  halten  die  Eltern  eine  Enlehnnir  und  iLnabildwig  ▼ielleieht 
flr  lerahatloe;  die  ersteren  erwecken  in  ihnen  jedoch  noch  Hoffnungen,  und 
derinlb  schlagen  sie  oft  die  verschiedensten  Wege  ein,  die  geistige  Entwicke« 
hing  solcher  Kinder  zu  tordern.  So  wolgemeint  aber  ihre  Bemfthnngen  sind, 
80  verkehrt,  ist  oft  die  Art  der  Behandlnng.  Theils  vnrd  mit  groBer  Strenge, 
theils  mit  zu  großer  Milde  und  Nachsicht  verfahren.  Welches  sind  aber  die 
Ergebnisse  solcher  Erziehungsmethoden?  Das  übermäßig  streng  behandelte 
Kind  wird  kiekt  nntUoe.  Seine  Willenskraft  eracUafft*,  es  wird  niisstnMiiBGh 
uid  Ueblee,  well  es  die  redite  Elternliebe  nicht  YenfiBatt,  nicht  die  Einsicht 
gewinnen  kann,  dass  man  es  gnt  mit  ihm  meine,  sondern  zu  dem  Olanben  Ter- 
anlasst  wird,  dass  man  es  nnr  tyrannisiren  "vvollo,  Das  zn  nachsichtig 
kbandelte  Kind  err;Uirt  nicht  die  genügende  Anji  sruiitif.  .seine  schlummernden 
geistigen  Kräfte  zur  Entwickelung  zu  bringen.  Nocli  schlimmer  ist  das  schon 
geschilderte  Verfahren  des  Oeheula^eus,  das  zu  vollständiger  geistiger  Ver» 
Uhnuemng  f&kren  mnss.  „0  wie  viele  dieser  Blödsinnigen  dnd  es  erst  ge- 
wsrden'',  behnnivtet  M.  Jaeger^)  sehr  richtig,  «durch  VemaohUssignng  in  der 
Jngend,  durch  Verkennong  nnd  Ünkenntaii  ihres  geistigen  Znstandes  und  durch 
röcksicbtslose  Unbarmherzigkeit!  Wie  oft  wnrde  der  letzte  Geistesfunke  des 
Verstanile?  nnd  Gedächtnisses,  dor  bei  liebevoller,  vernünftiger  Beliandlung 
und  Erzieh iing  hätte  geweckt  und  ausgebildet  werden  können,  tlr  immer  aus- 
gelöscht !** 

Ffir  die  Erziehnng  eines  geistesschwachen  oder  schwachhefiüügten  Kindes 
kam  meiner  Übenengung  nach  am  zweekmSfligsten  eine  gut  organisirte  An- 
stalt S<»rge  tragen;  aber  anoh  dem  elterlichen  Hanse  bleibt,  falls  das  Kind 
akht  frühzeitig  einem  geeigneten  Kinder- Asyl  übergebei  wird,  viel  zu  thun 
fi^rlr,  es  tnr  die  Erziehung  in  der  Anstalt  sorgßltig  vorzubereiten.  Das  ge- 
»chieht  zunächst  dadurch,  dass  man.  noch  mehr  als  bei  einem  geistig  Tiormn1»^u 
Kmde,  auf  eine  kräftige  Entwickelung  des  Körpers  durch  gute  Pflege  uud  an- 
gemessene Bewegung  m  gesunder  Luft  bedacht  ist.  Um  das  schlommemde 
Mtesleben  sa  wecken,  socfae  man  frfUmeitig  die  Sdbstthfttigkeit  des  Kindes 
ttasngen.   ÜMi  bemfihe  sich,  es  dnreh  nnansgesetste  Übmigen  daran  sn  ge- 


*)  Ufotismns  und  Schwaehflinn.  Bin  Wort  an  OeisOiehe,  Lehrer  und  Eltern 

^on  M.  Taec-!  r,  I'farrer  und  K<rl.  DistrictsschuHn^^pector  in  Kirchmohr  fRhdnpfalz^; 
«■  Zeitschrift  für  die  Behandlung  Schwachsinniger  uud  Epüeptisdier,  Yll  (XL)  Jahr- 
Kttg,  Nr.  l  und  2,  ä  13  und  IB. 


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^   118  — 


-wülmeo,  sich  &«Ibststäudig  hu-  und  au^zukieideu,  üich  zu  waächeii,  seine  u&tür- 
Uoboi  BedlUitÜHa  n  befriedigen;  man  \Mn  m  frfib,  vrto  «t  fieh  beim  Bteea 
m  Teiiialten  Julie,  a.  4gL  n.   JBIn  BOnMles  Elai  lernt  j*  dJeie  Dinge  »pieleiul, 

oft  ohne  ünterweisang,  inadi  Beobachtong;  leim  geistesschwachen  ist  jedoch 
eine  fortdauenulo  riung-  nothwendig,  die  oft  erst  nacli  Jahren  zn  «^ineni  wahr- 
nehmbaren JResuitato  fülirt.  Dazu  fehlt  es  jedoch  den  Eltern  in  der  Regel  an 
der  uöthigen  Geduld  und  Autidauei*,  oder  aie  halteu  liir  Kind  noch  nicht  tiir 
Belefarongen  zugänglich  und  lauen  daiftber  ein  Jahr  der  Kindbett  naeh  4ep 
anteen  nnbenntat  Tenianen.  Beia|ile]aw^  wnrde  lair  vor  fBnf  Jahren  ein 
im  9.  Lebensjahre  stehender  Knabe  zngeHOirt,  den  man  bis  zn  jener  Zeit  mit 
der  größten  Nachsicht  behandelt  hatte.  Er  konnte  sich  weder  s*»!)»«!«;!  findig  an- 
noch  auskleiden,  verBtand  sich  nicht  zn  waschen,  schliei'  uiemais  in  einem 
dunklen  Zimmer  and  turciitete  sich  vor  dem  Ideimiteu  üunde,  der  ihm  auf  der 
StnJe  begegnete.  Auf  melBflii  Bat  wuie  üb  Naeliilaaiiie  aiuigelMit,  mi 
der  Knabe  gawOlmte  aieb  in  kiraer  Zeit,  im  Dankein  zu  Bette  zu  gehen. 
Beim  Waschen  rtdlte  er  sich  anfangs  sehr  nngeschickt  an;  doch  da  ihm  das- 
selbe Vere'Tiü^n  machte,  konnte  er  daran,  wenn  auch  lansr^am,  ohne  große 
Hübe  gewühnt  werden.  Auch  beim  An-  und  Auisklciden  mii88te  er  hilfreiche 
Hand  leisten,  wenngleich  es  anfänglich  nicht  selten  vorkam,  dass  er  a.  a.  die 
BeinkleiAv  a»f  die  Arme  m  iftnÜBa  ymcfate.  Naeh  eiw«  «faMOi  J^ahn  ha- 
4nifte  er  keiner  HiUb  mehr;  aaeh  die  Farcht  ist  ihm  dnreh  aUmKLliche  Ge* 
wöhnnng  genommen  worden.  Er  hat  nicht  unbedeutende  geistige  Fortschritte 
gemacht;  diese  würden  noch  größer  sein,  wenn  ^t?  f''»hgAit.ijiy  £är 

seine  Erziehung  Sorge  getragen  liätten. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  Oewöhnung  an  Peinlichkeit  und. 
SaaMceit.  Je  mehr  die  Matter  daranf  liMlt,  data  daa  Ehud  ateta  aanbaae 
H&^e  nnd  ein  reines  Gesicht  hat;  je  häufiger  es  angewiesen  wird,  das  Taschen- 
tuch zu  gebrauchen  und  auf  die  regelmäßige  Befriedigung  seiner  Bedürfnisse 
zu  achten;  je  mehr  Sorgfalt  auf  dir-  K'fMtinnr  des  Kindes  verwandt  wird:  desto 
mehr  wird  es  daran  gewühnt  werden,  selbst  auf  sich  achlen,  desto  ieichteir 
wird  es  anch  für  andere  Beldimngen  zugiLoglich  spemacht  werden.  Gleich-' 
gfltigkeit  ge^u  die  ümgehimgr  mi  BtnmpfUu  mUaieB  dch  MgeMiÜg  mehr 
and  mehr  Torlieren,  nnd  demgemäß  wird  daa  Bewaaetsein  von  Menschenwürde 
immer  mehr  hcrrortTeten.  Wenn  die  Matter  stets  mit  ]>iebe  und  Sorgfalt 
auf  ihr  Kind  achtet,  wird  es  auch  vor  so  manchen  üblen  Augewohnhelten  be- 
wahrt bleibeu,  zu  denen  z.  B.  das  Bekauen  der  Fingernägel  und  unruhige  Be- 
wegungen d^  Körpers  gehören,  deren  spätere  Beseitignng  oft  asäur  gro^e  MUne 
maoht  Aneh  aam  Spiel  nnd  an  rfafaehan  htnalfahm  VeiriditMiige»  wem  das  KinA 
recht  fleißig  ^i^fc^i*««  nnd  angeleitet  werden.  Nicht  immer  werden  solche  Ver- 
snrhe  leicht  gelingen ;  aber  auch  der  kleinste  Erfolg  ist  schon  für  seine  Zukunft  von 
hohem  Wert.  Man  br-nnf^e  ym  diesem  Zwecke  Bauklötze,  Bälle,  farbig»^  TiüV»!- 
chen  nnd  Steine,  also  Gegenstände,  die  durch  ihre  Form  und  Farbe  äuücilicii 
kidit  in  die  Augen  fallen  nnd  nntersdiieden  werden  können.  ICaa  gebe  dem 
Kinde  etwaa  an  tragen,,  laaae  einen  Ball  holen,  laaae  einen  Kerb  mit  KlQtamk 
füllen,  diesen  auf  oder  unter  <len  Tji^ch  oder  in  den  Schrank  stellen.  Sdebe 
und  ähnliche  Beschäftigungen  regen  die  Willenskraft  des  schwachb^abten 
Kindes  an  und  ei-hcben  es  allmiUilich  auf  eine  höhere  Geistesstufe,  namentlid» 
wenn  dieselben  mit  Sprechübungen  verbanden  werden.    £s  handelt  sich  iäex' 


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i 


—  llö  — 


bei  gar  nicht  üiii  dio  Eitlieiiung    eiues  systeinatisfhet^  Siiiachunterriclitsi, 

ftouderu  uui'  cUriua,  dm  Kind  zu  veinuliiaieu ,  die  ihm  gezeigten  und  von  ihm 

feMUtitei  IltaKO  fllt  floMi  Nmmb  n  ImMUMBf  ttMr  4nM  VfliraiBiniis  m 

apnehea,  wipfo  iIpmIm  lügMwhiftwi  dmttSbvn  wät  Worten  auagdkea.  AmIi 

•ehte  nuB  gewissenhaft  darauf,  dam  es  stets  seine  WtaMiMi  ao  weit  es  dma, 

imstande  ist,  nicht  in  G^ebSUNUn  wid  Zeichen,  ssudern  anMchlieBIich  In  Worten 

sn  erkennen  gibt  und  diese  lant  und  deutlich  ansspricht:  «lünloseB  Schwatzen 

Sache  man  aber  moglichBt  zn  niiterdni'  koii.    Der  Umgang  mit  cei-^tig  normal 

febUdeten  Altersgenoisen  niuBs  von  Erwachsenen  streng  coiitruiirt  werden, 

4nüt  «0  ym  imgebürlicfaen  Znrttcksetzongen  und  Neckereien  bewahrt  bleibai 

*  * 

W«iiB  «Mk  die  AwMläMmg  dun  fBfotMMhwMhan  KlndM  im  Sltom- 
hanse  so  soigMMg  wie  möglich  überwacht  und  gefördert  wird,  so  muss  doch, 

wietchon  hcTTore'ehobpn  ^vnrde,  der  Schwerpunkt  auf  die  Kr^ciehnng;  in  einer  fiir 
diesen  Zweck  » i^'^neten  hildnngsnnsralt  gelcjirt  werden.  Mit  der  (^nin- 
iüug  solcher  Jn^ritntti  hat  man  in  Deutschland  erst  vor  unf^etahr  50  Jahren 
begonnen.  Dr.  C.  F.  Kern  errichtete  1839  za  Eiseuach  die  ert>t«  deutgehe, 
tlßtat  WMb  VMun.  yerlegte  mi  mcIi  besteheiide  IdtotoiaBitaitw  Die  eiale 
yvnttNhe  wutt  am  30.  SaptaailMr  1846  aa  8elii«iMHUi  fai  BlaaeoiaUrg« 
eritffhet*).  Ffntar  Bftür  in  NenmünKter  behanptete  auf  der  SchweiaaiMMl 
Cuiiferenz  fSr  das  Idiotenwesen  zn  Zttrich  im  Jnni  1889**),  dass  in  Dentsch- 
land  etwa  'M)  Anstalten  vorhanden  würen.  in  denen  sich  nngeftlhr  r><MM)  Idio- 
ten in  1  ile^e  befänden.  Diese  Aii^M^H  fi  sind  jedoch  nit  ht  zutretteud;  denn 
die  Statistik  „über  dauä  gesammte  \'üiksschulwe«en  im  preußischen  Staate  im 
Jabe  1886*'*^)  (ihn  aUain  (8r  Prenlea  31  Anstalfeea  (Or Idioten  «ad EpUep- 
tüm  Sil  1521  ZS^ngen  in  aebitpffididgai  AHer  «nf.  Di  gant  DeotedUaDi 
biataadan  natii  den  imtkaUaagan  dea  Pflnrrers  Dr.  Sengelmann  anf  d<  r  VI. 
Cooferenz  für  das  Idioten weaea  zn  Brannschweig  im  September  1889t)  41 
Anstalten  mit  ÖCKH)  Zöglingen;  außerdem  sind  in  den  letzten  zwei  Jahrzehnten 
noch  viele  Anstalten  gegründet  worden,  die  nf-h  auBsdiiießlich  der  Behandlung 
EpäleptisclK-r  widmen.  Von  den  6000  Zöglingen  werden  24Ü0  nnterrichtet, 
1850  nur  beschäftigt,  and  1700  sind  nur  Gegenstand  der  Pflege.  In  Nr.  1 
te  VL  Jahrgänge  der  Setticlurift  IBr  die  Behandlimg  SetrwadHtaniger  aad 
lldiptfaeher  hal  Dr.  SoigetananB  eine  atalfatiaehe  Übeialeht  «bar  dieae  14 
tartMiien  Idiot^ianscalten  gegeben  ff).  Stamtliehe  prenBiaehaa  Institute 
lind  —  die  Idiotenanstalt  zn  Dalldorf  ansgenommen,  welche  von  der  Stadt 
Berlin  nnterhalten  wird  —  Privatrtnstnlten,  znni  Theil  Unternehmungen  einzel- 
ser  Personen,  zum  Theil  von  Vereinen  und  Oorporatioaen  gegründet,  nnd  tragen 

«)  Stalntik  des  piealiadieB  Teikanlmlweaeiis  vam  Jahre  1886,  henoMgegebea 

1889  von  Dr.  R.  Schneider,  Geh.  Ober-RcgierungSTath  und  voTtrapender:!  H;it  im 
C^^niimsterium  und  Dr.  PeteisiUe,  Professor  und  Mitglied  des  Königl.  statistiädien 

Zeitschrift  flr  die  Sebaadlnag  Sehwachsinniger  ete.    V.  (DL)  Jalng^ 
lir.  2,  8.  20. 

***)  pag.  621,  Tabelle  46. 
t)  Z^tsduift  Ittr  die  Bshaadlaiy  SskwaeliBiBaigar  ete.   T.  Jahig.,  Nr.  8 

lad  4,  S.  37. 

tt)I>ie  Idiotenaastaltw  Deutsehlanü«  im  Jahre         von  Pastor  Dr.  Sengcl- 
■SM,  Diieetar  der  Alaterdoito  Anstalten. 


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—   120  — 


eineii  ÜntSk  priTaten,  thdls  StotUdMn  Chankter.  SIb  ibid  ü»,  vi»  mnA 
die  mcisteii  anderan  deatsohsa  Iiutitiite  Uudkher  Art,  Wolthltigkeltiwntf  Iffü, 

die  meistens  von  betondersii  Caratori«!  Y«rwaltet  werden  nnd  anter  der  Aaf* 

sieht  des  Staates  Btehcn,  auch  häufig'  ans  Staiitsmitteln  unterstützt  werden. 
Eigentliche  iStaatsanstalten  sind  meines  Wissens  nur  die  Institute  zn  Hubertus- 
burg-, Darmstadt  und  Schwerin.  Zur  g:enaueren  Inforuiatio!)  verweise  ich  noch 
aut  die  Schrill:  „Das  BUudeu-,  Idioten-  uud  iauuätuuiuieii-liüduugswesen'*  von 
Keile,  Sengelmann  und  SOder,  NradBii  1887.  ElonlBA  Aaitiltai  mthui  nur 
ÜBteniditefUitge  auf,  andere  feUieBen  E|rfleptiker  am,  andere  eathalteii  >«• 
l^eb  Aqrle  ftr  Altere  Idiotea;  viele  BiUniigsanföhi^  werden  auch  ia  Laaip 
armenhänsem  nntergebracht.  Mit  Bezug  auf  die  verschiedeoiteii  Kateg-orien 
der  Zögllng^e  berichtet  Dr.  Sengelmann,  dass  sich  in  27  deatschen  Anstalten 
anter  ÖÜOO  Insassen  1171  Epileptiker  befinden ;  in  23  Austalten  waren  sie 
weder  beim  Wohneu,  uoch  htsiui  t'uterricht  von  den  anderen  Zögliugeu  ge- 
trennt. Die  Idiotenanstalt  zu  Dalldorf  enthielt  nach  dem  Berichte  vom  Jahre 
1887/88*)  anter  203  Zöglingen,  weUdie  einioUIefilieh  der  EntlMieaea  maä 
Geetorbenen  bis  alt  Hin  1888  Aafluhme  gaAmden  hatten,  40  Epileiitikary 
von  denen  26  mit  apathischer,  14  mit  exaltirter  Idiotie  hehallet  waren,  also 
Uber  20  Procent.  Die  Erziehungs-  und  Pflegcanstalt  zu  Langenlincen  bei  H:^n- 
n<»ver,  am  2.  Januar  1862  eröfFnot,  hatte  nach  ihrem  Bericht  vom  Jahre  1889 
438  Kianke,  darunter  74  Ej/ileptische,  also  17  i'rocent**).  Unter  den  239 
Zöglingen,  welche  die  Idioleuaustalt  ^u  Kiel  bis  mm  Schlüsse  des  Jahies  1888 

anfgenoamen  hatte,  hehnden  ileh  16  EpileptUcer  and  40,  die  aaeh  Aiasag« 
der  Elteni  in  frHheran  Jahrai  an  Erflmi^fte  gellttaa  hatten*^).  Arn  dem  40. 

Jahresbericht  der  Heil-,  I^ege-  and  Beschäftigangs- Anstalt  Mariaba^  er^ 
sehen  wii*,  dass  sich  anter  den  bis  zam  30.  Jani  1887  aufgenommenen  466 
Z5g"lingen  im  glänzen  49  Epileptiker,  also  ffeg-en  11  Procent  befunden  haben. 
In  dem  42.  Jahresbericht  der  Stettener  Anstalt  vom  Jahre  IBWj)  lesen 
wir,  dass  sich  anter  342  Krauken  160  Epileptiker  befanden  haben,  also  inAt 
50  Procent  Im  loteten  Bericbt^ahr  waren  48  EpileptUcer  nnd  36  Idioten 
hlnsogekommen.  Zorn  Glück  sind  dem  Berichte  snfolge  die  Sehwadwinnigao 
von  den  Epileptikern  getrennt  nnd  beiderseits  sogar  die  Knaben  tob  dan 
Mädchen,  die  Jüngeren  von  ^n  Ält»^,  die  Schüler  von  den  Arbeitern.  So 
f^etreiüit,  lässt  sich  nichts  dagegen  einwenden,  dass  die  Anstalt  Schwachsinni£re 
und  l^jüejjtiker  mit  einander  beherbergt.  Ob  dies  aber  gerade  „ualurLitni.iij - 
ist,  wie  Director  Schall,  Leiter  der  Anstalt  zn  Stetten,  behauptet  ff),  uiuciite 
idi  bezweifeln.  Er  ist  der  Ansicht,  dass  dab  Zusauimeusein  beidei  Ai  teo  von 
Kranken  in  einer  Anstalt  keine  sehidlichen  Folgen  habe.  Nan  aber  wM» 
wie  Director  Schall  selbst  anfKhrt,  mancher  Schwachsinnige  mit  der  Zeit  toa 
apfleptisohen  Er&mpliBn  belUlen,  nnd  maaehar  E|flefCiseba  wird  sehwadufnnlg-. 


*)  Zeitiebrift  fttr  die  Behsadloag  SehwaohsUtniger  etc.  V.  Jehig.  Ni:  S  «ad 

4,  8,  59. 

**)  Zeitschrift  für  die  Behandlung  Schwachsinniger  etc.  V.  Jahrg.,  Nr,  S 
and  4,  S.  58  und  59. 

Zeit.sc]irift  für  die  Behandl  cte.   IV.  (VIII.  Jahjg,,  Nr.  1,  a  12«. 

t)  Ebendaselbst.    Vi.  (X)  JaUrg.,  Nr.  5,  S.  78fL   

tt)  Zeitschrift  itlr  die  Bebaadlvag  SehwaohsiBnigsr  ele.  lY.  (VIEL)  Jahigr^ 
Nr.  6  aad  6,  a  82E 


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Die  luxiere  EncheiaB^  ist  ja  psycböiugiiäch  ieicbt  £u  «erklären.    Sollt«  aber 
4»  wtta^  MgeflhrtB  tbiK— i  akkt  Unraiem  dieM«  Zwumeakben 
wiriAM  «wis  m9mm^  PMor  Dr.  <lt>l«m  s^t  imrig^li  tf»  U«^ 

üeiikeJt  zu.*)    Er  rerscliweigt  akfct,  iMi  man  friher  tMümIi  Meinnos^ 

b^^e^ete.  die  Ejü-  jiTikt-r  k<>nnteTi  einen  nachtheili^n  Einflnss  anf  die  Idioten 
aasöben,  iheils  dadoreli.  dass  auch  bf'i  diesen  luinri?  epilei-tische  Rraiupie  her- 
TO^gemien  werden ,  theils  m  der  Weise,  dmss  üir  Nackalmi angstrieb  Sima- 
MsM  flmvgt  AaA  UMM  m  nkht»  du  tkfc  tokte  tbtMaJe,  wmm 
müA  nr  nttai,  hatamgBrtJh  M«b  kOuea;  iiotk  i^b»bt  iam  ife  M 
▼iei&ch  darcli  iiMhlrtiir  Leitung  nnd  Überwachung  verhüten  lassen.  Dmi 
dies  aber  nicht  immer  rni^elicli  ist  —  das  Zii^estnudnis  muss  Dr.  Seng-elmann 
doch  machen  —  und  das  genügt,  wenigstens  der  vollständigen  räamlichen 
Treniuing  das  Wort  zn  reden.  £ia  Gewinn  erwächst  durch  ein  solches  Za« 
■■MPalwliM  mim  im  Utabam,  matk  vkl  weniger  dm  EptfeptilnffB,  moA  ta 
ftriahiia  aa  MiolMwrtilte«;  «  M  alm  aidit  gtwiiw  Xachthcta  gtwiM 
Vortheüe  gegenfiberznstellen.  Wir  sehen  nur  unangenehme  Polgen  nsd  Ge> 
fahren  für  alle  Betheiligteo :  bisher  hat  man  abt^r  leichten  Herzens  über  diese 
tlNiistände  hinweggesehen,  und  j^elbst  r»r.  Seng'chnauu  tindet  die  Frage,  ob 
Idioten  nud  Epileptiker  gemeinsam  erzogen  werden  dorfea,  durch  die  einge- 

Zv  beMera  BelMKhtaag  diesor  VmrUOtatee  dirfta  wir  aar  einaMd  «in« 
Bück  ia  aaaere  Volka-  aad  MiMra  Sdiaka  wtttUL  Wfo  wuMgmAm  kt  «t 
da  aAon  für  Lehrer  nnd  Mller,  wenn  sich  in  einer  Classe  ein  einziges  "KSmi 

vorfindet,  das  bisweilen  von  epileptischen  Kr:impten  btfallen  wird'  Und  nnn 
vernetze  raan  sich  tit^lich  vom  ifur^en  bis  zum  Abend  in  i  ine  l'mi^ebung  von 
20  oder  40  und  noch  mehr  Epileptischen!  Hinterläßt  schon  der  zeitweilige 
AaUldc  eiaei  «a  KilaiffiBn  leidoidea  Kiad«  ciaea  kdaeswegs  erfrenlidiea 
Bataek  bei  aimaakn  AltengaiMi,  m  irt  Uar,  dan  «ia  bcMafigar  Um- 
gang mit  solchen  Epileptikern  anf  Geist  nad  G«nuth  körperlich  gesnnder  Idkh 
ten  nnr  höchst  nachtheili»'  wirken  kann:  znm  mindesten  wird  bei  ihnen  eine 
immer  gröliere  Stumpfsinnigkeit  und  Gleidig-iltigkeit  pegm  alle  das  Mite'eiühl 
erregenden  ZobQudc  im  meuäclilicheu  Leben  zutage  tieteu.  Haben  aber  die 
Uiotaa  data  geringenn  Aaipracli  danaf,  das  maa  Ihia  GeAble  sebmit,  ab 
körpolicb  and  geistig  aoraal  gebiUeto  Kiadar?  Maa  wird  doch  kätniUSI» 
behanpten  wollen,  dass  das  Mitgefahl  nnd  der  ästhetische  Sinn  in  einem  armen 
Sihwa^hsinnieen  nicht  geweckt  zn  werden  braucht.  Miig«fte  man  ihn,  den  an 
sich  schon  i»o  Unglückliehen,  nieht  nmsomehr  vor  allen  schädlichen  Einflflfj«en 
zn  bewahren  suchen,  wenn  seine  Erziehung  überhaupt  eiueu  Zweck  haben 
■ofl?  —  Wib  Mt  lidi  aber  Diieetor  Scball  la  dieier  IVag«?  Br  ngt  eia- 
fach:  „Abgesehen  davon,  dass  sehr  schwere  Epileptiker  so  viel  als  möglich 
(also  auch  nicht  immer!  —  Der  Verf.)  von  anderen  femgehalten  werden,  ist 
es  Erfahrung8that»a*^h",  dass  die  Schwachsinni^ren  sich  bald  an  die  AnfSIle  ere- 
wöhnea  and  dorcii  dieselben  nicht  alterirt  werden,  was  theiiweise  mit  der 
gröSeren  oder  geringeren  GetübLsabätumpfuug,  welche  bei  manchen  statt&idet, 


'  ZeitMhxift  ittr  die  Behsadiang  äehwaeMaaiger  etc.    V.  Jtbfg.,  Nr.  8 


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iaiaamw>|i|i*ngt.*)  Dai liabe kk  laUw  «ii«h  eriUuwi,  ind  idi  warnitair idir 
VnadHadMPydaiilolifliiBh  dlost  r  ^Qefdbl&akstumpfang*'  gef  enöber  für  machtlo» 
bekennen  mosstc,  weil  es  nicht  in  meinen  Betug^nisben  lag-,  ein  Radiculiuittol 
anzuwenden,  uijuiich  die  güuzlich«  Tienuuni^  dieser  in  vieler  liinsicht  so 
wesentlich  verschiedeneu  Isauoken.  i>irector  Schall  wuudert  üch  lüclit  ti&iüber, 
dass  solche  Anhalten,  in  d«ien  eine  Trenniuig  nicht  vorgesehen  ist,  gewiMea> 
HiB0eii  tMfaMitiBdi  4to  ftiTfftfaliiVTiirwihiiflWf  oder  »G^eflUiilNrtMMteBff" 
Atardem  hi^lteiL  £r  erkennt  darin  fir  keinen  traurigen  ÜMitaBd  und  scheint 
es  f&r  selbstverständlich  zu  h<*^Iten,  dass  das  Gefiiblsleben  der  Idioten  keiucn 
Ansprach  auf  Berttcksichti^nj?  seitens  i]m  Erziehers  machen  darf.  Daher  ist 
es  auch  erki^iich,  wanuu  ihiu  diu  von  deu  Kreisarmen- Verbunden  gupUuttitt 
Ereisanatalten  in  Württemberg,  die  als  VefMcgnngastftttea  der  mit  d«n  yer- 
fi^hliwiffiwtifn  iibyiiiMlMii  myhhtiiihiii  Mtag^lw  wd  GtlmdMA  BolnftuliCTi 
dienen  soUen,  so  sympatUich  sind.**)  Die  Bek&mpikiiig  elMi  Ml<te  pidago- 
gischen  vSt^udpanktes  will  ifh  hior  nicht  versuchen.  Bemerken  will  ich  nnr 
noch,  dass  auch  auf  gewisse  Epiieplikei*  der  Uuigaug  mit  Idioten  Ui^hUit^iiig 
wirken  muss.  »Wie  aber,  wenn  bei  d«r  Unterbringung  der  Patienten  djcr 
Sehwafibainn  nooh  weolf  IwrrortKitt»  oder  wenn  der  geisüge  Zwtead  mah  ein 
wmtltr  zQ  Min  Bchaiiit?  Dann  wafidan  im  Interaaae  daa  PntkBten  die  Uktea 
geWitihtet."***)  So  Pastor  Dr.  Sengelmaun.  Er  fährt  fort:  „Wir  wider- 
qxrechen  allerdings  dem  Znge  nicht,  der  fdr  solche  Fälle  anf  diejenige  An- 
stalten g^erichtet  ist,  die  nur  nm  der  Epilepsie  willen  atifnehmen".  In  seinen 
Worten  U»gt  also  4^  Kingeständnis,  dass  selbst  solche  Kpile|itiker,  bei  denen 
nnch  Hiebt  eiiiin«!  Sporen  Ton  Sebwadufnn  erkennbar  sind,  in  Idteteaaiiatalteii 
uitergeibndit  werden.  Uan  kiBonte  Amt  mit  demaeiben  Bedit  jedflß  Nerven* 
leidenden  einer  Xrrennnstalt  übergeben,  weil  Neorasthenie  häufig  Irratnn  bot 
Folge  hat.  W^enn  in  den  Anstalten  für  Epileptische  die  geistig  Intakten  auch 
mit  Blöden  zusammenleben  oder  mit  solchen,  die  infolge  häufiger  Krampf- 
aul^ile  aiiuiuixiich  erbliödeo,  vfi»  X>r.  Sengelm  auu  behiuiptet,  und  wie  auch  der 
Dlreotor  dar  Sdiwalnariediep  A»rt»it  <Br  EpUeptlaohe  In  Ztokfa,  F.  XSUe,  zuge- 
Bleht,t)  ao  lat  durah  dieae  BrklAning  nnr  ein  nener  Dbelalattd  noCisedeekt» 
aber  kein  Beweis  ffir  die  Unschädlichkeit  des  ZnaanunenlebeDs  von  Idioten  und 
Fpileptikern  erbracht  worden.  Es  ist  ü''rij^ens  gar  nicht  nothwendig,  daM 
die  Aiibt-alten  für  Epileptische  ilire  Zöglinge  entlassen,  sobald  sich  die  Kifolg-- 
losigkeit  der  Heüvmuche  keraaisfitellt,  weuu  in  den  Xustituttin  nur  iui  deren 
rinwlWie  Trennong,  benr.  D^iterbringuug  in  eine  Zwetganatalt  Sorge  getragen 
wird.  2n  dieaar  Analeht  bekennt  akh  auch  Direetor  KfiUe  In  aeinem  AuMx: 
„Einiges  über  Unterricht  und  Erziehung  epileptischer  Kinder."  ft)  Director 
Schall  liing^egen  aobeint  «neb  die  für  Epileptiker  benrortretendea  Nachtheüe 

♦)  Zeltadnlft  fftr  die  Behandlung  l^chwachäinniger  etc.    IV.  Jahrgr-,  Nr.  5 

und  6,  S.  82. 

**)  Siehe  dea  i2.  Jabresbexicht  der  Heil-  und  Fliege -Anstalt  für  äuhwach- 
ainnise  nnd  Epileptiaolie  zu  Stetten  und  Kr.  6  des  VI.  (X.)  Jahrganges  der  Zeit- 
aolirift  für  die  BeliuiHlIung  Schwui  hsinniger  etc.  90fr. 

^  ^*^Zeitschrilt  für  die  Beliandiung  Schwachsinniger  etc.   V.  Jahrg.,  Nr.  3  und 

*  +)*Ebrt]  1  1     in.  Jahrg..  Nr.  '   SV  'Off  und  No.  6,  S.  97ff. 
fr)  Zdischrift  für  di«  Behandlung  Sehwaobiinniger  etc.  UI.  Jahrg.,  Nr.  6, 
8.  99ff  nnd  Nr.  d,  8.  97fl. 


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-   128  — 

des  Zusammenlebens  nicht  za  kennen  oder  wen ie-etfns  nicht  zu  beaditrn-  lenner 
erwähnt  nm-,  dass  manche  von  ilmen  auf  die  g-eistige  Ent\vickelunj<  einzelner 
Idioten  einen  günstigen  Einllass  auszuüben  vermogeu.  Er  sagt  nämlich: 
,yHün?ledenim  Bind  die  in  dei*  Begel  besser  begabten  Efitiflptikflr  ein  gotei 
Fenneat  ffir  die  Sehwadudmdgai»  betonden  in  der  SehiiiB.^'^)  Ob  aleli  dae 
10  YerhBlt,  ist  aweifeihaft,  dooh  die  Sichligfcelt  der  UMteadie  aneli  nge^eben, 
läge  darin  noch  lange  kein  Orond,  das  Zusammenleben  zu  befürworten.  Ihm 
scheint  nnr  r  ine  Lichtseite  von  zweifelhaftem  Werte  beiutiuit  an  «ein,  wUuMd 
er  an  den  Schattenseiten  achtlos  vorübergeht 

Für  die  Nothwendigkeit  der  Trennung  sitricht  auch  der  Cmstand,  dass 
nele  Idioteuaustalten  von  Pädagogen  oder  Geistlichen  geleitet  werden,  in 
denen  der  Ant  der  Begel  nach  nur  bei  KraokheitaflUlen  zu  BaUie  gezogen 
wild.  Epileptiker  bedBifen  aber  einer  beetiadlgen  Mflflhen  Itehmilnnfe 
besw.  Beaoftiditigang;  daher  empfiehlt  es  sich,  dnai  eine  Epileptikeranstatt 
von  einem  Arzte  geleitet  werde.  Wenn  das  nicht  überall  der  Fall  ist,  kann 
man  das  nur  bpdriner?i,  nnd  v,pnn  sogar  der  Vorsteher  der  Kolonie  für  Epilep- 
tische „Betii'  l-  bei  iiitlffeld,  i  itstur  von  Bodelschwin^;,  in  einer  Schrift  **)  be- 
hauptet, doss  der  Besuch  des  Arztes  aufregend  wirke,  ao  ist  es  des  Medicinera 
Seche,  dieser  AaäxHtt  gegeniber  entioiiieden  SteUnn^  za  neluBen. 

Die  Idiotenanetalteo  ndunen  in  der  Begel  aneb  tanbstinnM^  eehwerliMge 
ind  Wnde  Schwachsinnige  auf.  So  hatte  beispieteweiee  die  Idlotenanstalt  in 
Balldorf  nach  dem  Jahresbericht  von  1889/90  einen  taabstnmmen  und  einen 
blinden  Zögb'np',  Tn  der  Anstalt  zu  Langenhagen  befanden  sich  unter  den  im 
Jahre  1888  aufgenommenen  70  ZR^lingen  8  Schwerhöriitrc,  3  Taubstumme  und 
eine  Blinde.  In  Mariaberg  waren  dem  40.  Jahresbericht  gemäß  während  der 
Zeit  des  Bestehens  der  Anstalt  13  Taubstumme,  also  2,79  ^/o,  und  6  Blinde, 
etwa  1,29  7o  Zöglinge,  aufgenemmen  worden.  Die  Zahl  der  Tanb- 
stummen  in  lientseUand  iit  nidit  gering,  nnd  idelie,  weielie  infolge  ilim  Tanb- 
heit  idiottodi  werden,  falls  sie  ohne  Aosbildnng  anf^adiaen,  dürften  gar  vMA 
80  selten  anzutreffen  sein.  Die  Bildung  schwachsinniger  Tanbatummer  er- 
fordert oft  ganz  besondeie  Energie,  und  die  Kenntnis  des  Taubstummenunter- 
richts ist  dazu  nnprlässlich.  T)r.  B.  Knapp  g:ibt  an,***)  dass  bei  den  von  ihm 
Vurgeuommeneu  tutersuchungeu  sich  uuter  159  Kretiueu  und  Idioten  34  als 
TeDkommen  lanbBtomm,  97  aber  ab  mit  eeUeciitein  oder  Mlir  «sUedhtein  Ge- 
bor begalkt  erwieien  bitten.  Man  iet  in  üMihnil&nieefaen  Kveiaen  bla  hente 
noch  sehr  xweifelhaft,  in  welchen  Ins^ten  ndt  solchen  Complicationen  be- 
saitete Schwachsinnige  am  vortheilhaflesten  unterzubringen  sind:  daher  ist 
diese  Sache  sch^n  mehrmals  auf  den  Conferenzpn  för  das  Idiotenwesen  erörtert 
worden.  Dr.  Kind,  der  ehemalige  Director  der  Idiotenanstalt  zu  Laugen- 
den, warf  beispielsweise  in  der  Conferenz  für  Idioten -Heilpflege  zu  Stult- 
Cttt  (1880)  die  Frage  auf:  „Ist  ee  wünschenswert,  dass  in  grQfieren  Tanb- 
ttttUBttuuntalten  eigene  Claesen  Ar  sehwaehbelKliigte  TanMunme  enrfehtet 


*)  Ebenda.   IV.  Jahrg.,  Nr.  ö  o.  6,  S.  82. 

**)  OhifatÜflhgr  Ralfageber  fttr  l^ilfl^tieehe  tob  Pastor  TOD  Bodelsebwing. 

«defeld,  Druck  von  R.  Mninz  Nachfolger,  1889. 

*^Dr.  B.  Knapp,  Beobachtuagea  tber  Idioten-  und  Jüretinen -Anstalten  und 
wea  Bcivltate.  Cme  1879.  Veileg  von  Lensehnar  Lnbeufty. 


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—    124  — 


weitet  odAT  liid  letitire  den  IdkvtMMkittlialteD  numwfiiMD?"*}  Es  wurdea 
für  beide  Arlea  dee  UnteniehtB  Ortnde  Aogeftthrt.  Aneh  in  Bemg  auf  adiwadi- 

sinnige  Blinke  wurde  diese  Frage  eingehend  besprochen.  Zuletzt  g^elangte  der 
Antrag  zar  Annahme:  „Es  ist  wünschenswert,  da»s  «sehwacbsinnige  tnubstnmme 
Kinder  in  besonderen  Anstalten  womög'lich  von  Taubstninnienlelirern  unter- 
richtet werden/  Solche  Anstalten  b^teheu  schon  in  Sachsen  und  Württem- 
berg« »neb  in  Kopenhagen.  In  Saebeen  ist  leit  1888  auch  eine  Snidiiings- 
nnetalt  für  tcbwaobsinnige  Blinde  in  Kdnigswartba  bei  BaatMn  ertübet  worden. 
Saebien  iit  meines  Wiseeai  bis  jetzt  anch  der  efaudge  deottebe  Staat,  der  für 
fiehwachsinnige  Schubswang'  eingefährt  hat. 

Auf  der  Schweizerischen  Oonferenz  für  das  Idiotenwesen,  die  im  Jahre 
1889  in  Zürich  tagt<i,  idelt  Erbart,  Director  der  Taabstummen-Anstalt  za 
St  QaUeo,  ein  Bdarat  ttber  eebwecbarige  SahwadieiDnige  and  knUpfte  bleran 
anob  te  Wunsch,  ee  mOohten  fftr  dieselben  besondere  Anatelten  gegründet 
werden,  die  als  Filialen  der  Tanbstnmmen-Anstalten  gelten  Ubmtm.  Wo  be- 
sondere Institnte  nicht  bestehen,  haben  sich  die  Taubstummen-  und  Idiotenan- 
stalten  bishtT  in  soldie  Zöglinge  tlieilen  niiis.sen.  Dr.  med.  "Wilderuinth,  der 
frühere  ärztliche  Voi*8taud  der  Heil-Fflege-AuijUiit  zu  Stetten,  zur  Zeit  Leiter 
einer  „Klinik  für  Nerrenkranlie  kindliehen  und  jogendlicben  Alten''  sn 
Stattgart»  wiU  jedoch  niebt  nur  die  lebwerbSrigen,  iondeni  auch  die  taab- 
atommen  Schwachsinnigen  den  Idiotenanstalten  übergeben  wissen.**) 

'^''^^en  die  Aufnahme  taubstniinn -  r  ^vie  blinder  Schwachsinniger  in  einer 
Idioien.instalt  hat  anch  Pastor  Seiigciuiaiin  nichts  einzuwenden,  wenn  nur  in 
dei'  Anstalt  Lehrkräfte  vorhanden  sind,  die  den  Tauhbtunimeu-,  bezw.  Blinden- 
Unterricbt  venteheo.***)  Das  ist  nun  nieht  immer,  vielleicht  sogar  b9ebst 
selten  der  Fall.  Wie  soUten  die  Idiotenanstalten  aueb  ttber  solche  Lebrkrifte 
verffigen  können,  namentlich  wenn  es  sich  nur  um  eine  geringe  Zahl  von 
Blinden  oder  Taubstummen  bandelt?  Der  Idioten lelirer  ist  kein  üniversal- 
genie;  man  kann  ihm  nicht  zunuiihen,  dass  er  jederzeit  außer  seinem  Amte 
zugleich  das  eines  Taubstuuiiueu-  oder  Blindenlehrers  verwaltet.  ist  weit 
eher  mOc^ioh,  einen  Idiotenlehrer  durch  einen  Tanbstommen-  oder  Blinden- 
*  Lehrer  zu  ersetzen,  als  dies  nmgdLchrt  der  Fall  ist  Alle  diese  Bedenken 
sind  mit  einem  Schlage  gelöst,  wenn  taubstumme,  schwerhörige  und  blinde 
Schwachsinnige  besonderen  AbtheiInngen  oder  Zweigan5?talten  von  Tanbstnmmen- 
oder  Blinden-Instituten  überwiesen  werden,  l^ei  der  großen  \'ielgestaltigkeit, 
den  unzähligen  Graden  des  Idiotismus  werden  die  Idioteuanstalteu  trotzdem 
noch  iamw  eine  gio6e  Zahl  heterogener  Formen  anfcnweisen  haben. 

Leider  hat  sich  die  Praads  beraasgebildet,  in  eine  Idiotenansult  der  Regel 
nach  alles  aufzunehmen,  was  anderweitig  nicht  unterzubringen  ist;  sie  enthält 
häufig  ein  Conglonierat  von  Missgestalten  nrifl  «Tebreclilichen  der  verschieden- 
sten Art.  Dann  ist  sie  ein  trauriger  Saniuielort  unsagbaren  menschlichen 
Mends.  Die  Gesellschaft  glaubt  ihre  Pflicht  erfüllt  zu  haben,  wenn  sie  diesen 
Unglfieldieben  ein  gemeinsames  A^yl  gewtthrt.  Dass  solche  Wesen  aicb  An- 
sprach haben,  ihrer  Ihdiiridnslitit  gemftß  behandelt  sa  werdeUt  nnd  dass  dies 

•1  I)r.  Knapp,  Besuch  vou  Idioteaansialtcn  und  der  Üoüfercuz  für  Idiotcn- 
Heilj  rl  -    in  Stuttgart  1880.  Graz  188L  Verlag  von  Leuschner  &  Lubensky,  S. -16. 
♦*)  ;'^  ir schritt  tür  die  Behandluns:  Sehwachsinnlgor  etc.  V.  Jshjy.,  Nr.  8,  S.  8S. 
♦**)  Ebenda.    V.  Jahrg.,  Nr.  6  uod  k,  6.  44. 


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—   125  - 


in  Centralstationen  nur  dann  mi)glieli  ist.  wenn  sie  so  groß  sind,  dass  g^lrich- 
art!§rP  oder  ilhnlichp  Abnormitäten  vereinijg-t  und  die  heterogento  Elemente 
voD  einander  getrennt  werden  können,  wird  heutzutage  noch  viel  zn  weni^ 
berocksichtigt.    AI.  Jaeger'  j  behauptet  ganz  richtig,  dass  viele  Eltern  ein 
Sckaader  beftllt,  wadb  aie  niir  an  eine  Anstalt  dfloken.  Er  nennt  tia  Mialb 
thQrieht;  doeh  kb  kaiin  ilin  darin  Dicht  onbedingt  befpfliditfln,  aondon  flnda 
es  auB  Ir  n  soeben  angeführten  Gründen  sebr  begreiflich ,  dass  manche  Eltera 
ihr  8ch\vachsinni|E:es  Kind  lieber  privatim  fini?zTil)ilden  suchen,  elie  sie  es  einem 
Institute  anvertrauen.    Vur  mehreren  Jahren  traf  ici»  *  inmal  mit  einer  ilrm- 
lich  gekleideten  Frau  zusammen,  die  von  einem  idi«itibclR'ii  Mitdcheu  begleitet 
worde.    Sie  erzählte  mir,  dass  sie  ihre  Tochter  soeben  aus  einer  Idioten- 
MMfialt  abgaholt)  In  dar  rieh  dieselbe  ungeflbr  14  Tsfe  aafgdialtsB  batta.  Bor 
Anbliek  der  Epileptiker,  der  Tenebledensten  Missgestaltea  ete.  hatte  anf  sie, 
die  Fran,  einen  so  schrecklichen  Eindruck  gemacht,  dass  sie  es  fUr  gerathen 
erachtete,  ihre  Tocliter  schleunigst  wieder  ans  der  Anstalt,  in  der  dieselbe 
Bogar  eine  Freistelle  erhalten  hatte,  herauszunehmen.   Die  Mutter  wollte  trotz 
ihrer  Armnfh  die  Tochter  lieber  in  ihrem  Hanse  erziehen,  als  sie  Jahre  hin- 
durch iu  solcher  Umgebung  belassen.    Ihre  Tochter  hfttte  dort  ihrer  Meinung 
Bach  nur  geistig  verkümmern  müssen.    Zwar  glaube  ich  trotzdem,  dass  das 
Kind  in  der  Anstalt  besser  aid^oben  gewesen  wire  als  im  Ettemhanse; 
aber  verargen  kann  man  es  dem  Hatterhenen  nicht,  wenn  es  das  Uteperiieh 
ganz  wol  gebildete  Kind  nicht  einem  Institute  anvertrauen  will,  das  alle  Ab- 
normitäten des  Korpers  und  Geistes  aufweist,  ohne  dieselben  rJtnmlich  zu 
treuueu.    Wie  in  iVdem  größeren  Krankenhans?e  besondrre  Abtlieihuigen  für 
bestimmte  Kranke  bestellen,  die  von  einander  riluuilich  geschiedeü  sind,  m  und 
noch  weit  mehr  müssteu  m  einer  Idiotenanstalt  die  verschiedenen  Kategorien 
TOB  Zöglingen  —  Uinde,  tanbstnmme,  epUeptisdhe  Idioten  etc.  —  wenn  sie 
efamd  in  einer  Anstalt  yereinigt  sind,  in  besonderen,  getrennten  AbtheUnngen 
ontergebracht  werdi  n:  «llerding:»  durften  auch  die  geeigneten  Lehrkrlfte  vnd 
ein  ständiger  är/tH  l.er  Eathgeber  nicht  fehlen.    Mit  RUcksiclit  anf  die  Com- 
pUcirtheit  dieses  Abteilun^syatems  dürfte  jedoeh  die  Einriebtang  getrennter 
Anstalten  vorzuziehen  sein. 

Die  Vereinigung  so  vieler  heteiogener  Formen  des  geistigen  Zustandes 
war  Uaber  ein  Übelttand,  den  man  lieh  sebon  gefallen  lassen  nnisste,  weil  man 
vnlgBtens  das  Gnte  in  Ennangelang  des  Besseren  schaAlm  wollte^  well  man 
oft  den  localen  Verhältnissen  Rechnung  tragen  mnstte,  weil  die  meisten  An- 
•taltOL  ihr  Dasein  nnd  Bestehen  humanitären  Bestrebungen  7a\  denken 
haben,  und  endlich  die  Zeit  für  die  Entwickelnng'  und  den  weiteren  Ausbau 
dieser  Wolthätigkeitslnstitnte  noch  zn  kurz  ist,  ahs  daas  man  schon  etwas 
VoUiiömmenes  hätte  schaffen  können. 

Man  darf  auch  nicht  glauben,  dass  eine  Anstalt,  wie  sie  mir  als  Ideal 
wndhwebt»  ihre  SSögUnge  geistig  viel  weiter  entwickeln  werde  als  ein  Institn^ 
iwea  Efairiehtnng  primitiTerar  Nator  ist  Das  ist  einftudi  unmöglich,  well 
die  Erziehung  mit  bestimmten  geistigen  AbnormitSten  zn  thun  hat,  die  der 
Aasbildsng  gann  bestimmte  Grenaen  setien.   So  gering*  ich  aber  ancb  die 


*)  M.  Jaeger,  Idiotiauus  und  Schwachsino«  &  Zeitschrift  flir  die  Behand- 
li^g  fldnrachaiimiger  eto.  YU,  (XL)  Jahrg.,  Ni.  1  «nd  8,  &  1& 


L 


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Differenz  der  (.leistesentwiekelung  der  Zöglinge  beider  Ao&ulteu  veraaäcUlagt, 
ma  10  bShflr  stoU»  Idi  im  üitocMUed  tar  BMtiCate.  die  in  nMmitadHr  xaü 
ItMisaher  IkMnng  g«wwMn  mtdin.   Kanimi  wir,  die  wir  aif  ait 
■MiMiBlNa  gsistesgresnnder  Kinder  so  großen  W<rt  l^^en  and  Sagstlich  betoift 

dnd,  das«  Ang^c  und  Ui'rz  des  Kindes  sich  nnr  am  Sclißnen  und  Goten  er- 
fr»*!ipn.  wf>l  gl('ichti"iltig  zusehen,  das^^  das  <T*'Tnfitli8leben  eines  armen  splMvadi« 
sinnigen  K'indes  durch  den  beständigen  Verkebr  mit  nock  onglUckiicliereB 
Wesen  guuziich  verkUiutuert? 

KieUioni  hat  reebt,  wem  er  der  Andolit  iit,  daie  'geiiyf  mrlldigeUkibeM 
mier  leme!  beioIagCeD  Kindem  ia  nurem  Qeflttdslebeii  faeehldlgt  wndn. 
Mn  macht  thatiiehlieh  die  Erfahrung,  den  aie  iiil<ilge  der  steten  Zarikk- 
setzong  seitens  ihrer  gesunden  Mitschüler  und  der  geringeren  Berücksichtignag, 
die  sie  seitens  der  Lelirer  erfahren  können,  „vollständig  mathlos,  verstinünt 
and  verbissen,  tüctcisch  und  boshaft  werden.^*)  Es  wird  dadurch  nicht  geit^, 
wie  er  meint,  der  Grand  einer  späteren  Verbrecherlanfbahn  gelegt.  Hau 
schneidet  aber  nicht  ein  krankes  Keis  von  einem  gesnnden  Bamu,  am  es  nf 
eineD  nodli  krtnkereii  Stamm  n  pfropfea.  Das  feeehielit  jedodii  weoi 
Sehwaiähbeftlilgte  einer  AnMalt  Übergebeii  werden,  in  der  rieh  geis%  tiefi^ 
Stehende  aller  Kategorien  vereinigt  vorfinden.  Was  Kielhorn  über  das  Ziel 
das  sich  die  ,.llilfsschulen"  zu  stecken  haben,  anführt,**)  kann  aach  anf 
alle  Idiotenanstaltcn  bessogen  werden  E.s  kommt  wirklich  nicht  auf  die  Än- 
eig-nun^  einer  ^^roßen  Snmme  von  Kenntnissen  und  Fertigkeiten  an,  i^ondem 
auf  die  Belebung  und  Lüuteruug  des  Gemüthä,  die  Kräftigung  und  Leitung 
dea  Willena.  Dieee  «nIeiilieiMa  Aufgaben  traten  leider  an  wenig  fa  dm 
Vcfdeiyand,  and  rfe  ktanen  ea  anch  nieht  In  einem  IhittCate,  deven  gßm 
Einrichtung  nnr  anf  Verstandes-  und  manneUe  Thätigkeit  Gewicht  legt.  Ge- 
mttthsbilduDg  lässt  sich  am  allerwenigsten  bei  Idioten  durch  den  TJnte^ 
rieht  erzielen,  und  «5<^ine  et\v;^i<r*^n  TJesultate  werden  vollständig:  paralyairt 
durch  den  nachtheiligen  Eintius»  i m- r  unpassenden  ümgebnng  des  Kindes. 

Wenn  Kielhom  ferner  die  Enahrung  gemacht  hat,  das»  der  Verkehr  vaü- 
iiaaiger  Kinder  mit  geietig  aarttokgebliebenen  während  der  Soholzeit  dm 
enteren  anm  Naobthell  gereicht,  da  „das  KiOeldgelUil,  welches  nie  genag  ge> 
lAegt  and  gdintert  werden  kaan**,***)  bei  ihnen  altgaetampft  werden  maa^  so 
wird  er  consequenter  Welse  auch  meiner  Behaq^tang  anstimmen,  dass  dis 
Geflihlsleben  schwaehsinnig'er  Kinder,  die  nicht  nnr  während  der  Sehulstnuden. 
sondern  während  deg  j^anzen  Tagen  das  £r?'?>ßte  menschliche  Elend  jahreiaog 
vor  sich  sehen,  furchtbar  geschädigt  wirii,  wie  ich  das  beti  etis  dea  Umgangs 
zwischen  Idioten  und  Epileptikern  schon  früher  angedeutet  habe.  Bass  sie, 
theflnahaMdea  gegen  jedes  Leid,  naeh  ihrer  finüassang  aas  dar  Anstalt  Yiel^ 
leicht  ebeaihlli  die  Yerteeeherlaafbahn  einschlagen,  wie  viele  vcn  denen,  die 
mit  nonaal  beanlsgten  Elndem  evnogen  werden,  ist  anm  mindesten  nicht  saa- 
geeehlossen. 

Das  Amt  eines  Erziehers  erinnert  an  die  Thätigkeit  eines  Öttrtneia.  Wie 

*)  H.  Sletbon.  Über  Sehukn  für  schwachbeffthigte  Kinder.  Siehe  Pädagogiais. 
8.  .Tahr^ning,  6.  Heft,  B,  88S. 
*♦)  Ebenda. 

H.  KieUioru.    Über  Schulen  tur  ächwaehbefähigte  Kinder.    S.  Pädagogiom, 
8.  Jahig.,  e.  Heft,  8.  868. 


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behandelt  dieser  ein  krankes  junges  B5timchcn.  das  der  schlecliten  Bodenbe- 
sdi&ffenheit  weg^en  nicht  c^dpilien  will?  Er  '/erpflanzt  efl  in  ein  besseres  Krd- 
reich,  damit  es  gesunde  und  sich  ki  llftige.  So  musa  auch  der  Elrzieher  handeln. 
Wie  der  Frühlingsfrost  das  Leben  einer  jungen  Pflanze  vernichten  kann ,  m 
nM  auch  das  Gefdblslebeii  dnee  g«iitMie]iWBcheii  EindM  in  einer  solchen, 
aDft  heterogenen  Btaente  entinltenden  Aaelalft  ncbr  wd  mehr  entoffim, 
friUiraid  ei  doeh  gende  aofgfUfelir  8*1^^  luid  gepflegt  werden  sollte.  Mit 
Uareofat  sehreibt  man  dss  geringe  Interesse,  dass  viele  solcher  Kinder  bei  aller 
Frenp»ll?cblk'eit  in  ihrem  Wp^^en  nnd  flößen  Enipfllng-lichkeit  für  liebevolle  Be- 
handlung den  Leiden  nii  i  I  reuden  ihrer  Kameraden  eutgegeübriugeu,  aus- 
schließlich ihrem  raangethaii»  u  geistigen  YeniiUjfe^en  zn.  Die  Psrchologie  lehrt 
OBB,  dass  die  Gemüthsbildaug  in  keinem  unmittelbaren  Zusammenhange  mit 

dv  GeMeMdong  steht,  und  dir  RertMtrMtt  Stnndpiinlct,  da«  der  Ond 
der  GenAChilllMhuig  ^  den  Ond  der  BMwIeMnii^  dei  VanrttUimfever- 
■igoie  mlMiiglg  sei,*)  Ilnt  langst  seine  wiCMneohnftUdhe  Widtrlegimg  ge- 
funden.   Nach  Lotze*^  z.  B.  sind  die  Vorstellungen  und  deren  gegrenseitige 

Bf^zielmtigren  nicht  als  die  znreichende  Ursache  der  Geftihle  an7:Ti'5pheTi.  «ondem 
nttr  als  die  veranlai^enden  Heize,  auf  welche  reaf^irend  die  Seele  t^ellist  erst 
die  Geffible  erzeugt,  darin  ihrer  eigenen  Qualität  einen  wesentlich  neuen 
Audrack  gebend.  Aich  die  BifUmmg  im  täglidi^  Leben  beetdtigt  dieie 
psyebolbglBche  Theerle.  Oetennnnn***)  behauptet  meiner  Mefamg  nach 
wUt  Betfat;  „Die  eigeotllebe  THebkraft  allee  Strebene  und  WoUene  liegt  nieht 
im  Qebiete  des  Intellectuellen,  sondern  allein  im  GemUth,  dnher,  wenn  dieses 
Dicht  fnr  die  Ideale  des  Lebens  erwärmt  und  g-ewonnen  f'sf,  -illf^  rfi'ieentratlon 
4er  (iedankenmassen,  alle  Festigkeit,  Klarheit  und  Einheitlichkeit  des  Wissens 
fSr  den  Charakter  gänzlich  bedeutungslos  bleibt.  Lehrt  doch  auch  die  Er- 
fahrung laut  genug  in  Tansenden  von  Exempeln,  dass  die  bestgeschnlten 
flfiimialiseheD  Köpfe,  dl»  direbgtMldetsliBnHifleeophen,  Btiilk«r,Theol<)ieii  eta 
«ft  die  efMarttUehsiMi  GhimUcre  eind,  wahrend  nmg^kehrt  das  simpelste 
Knemweib  mit  einem  ärmlichen  und  unsystematinehen  Gedankenkreise  oft 
^fc  edelsteTi  Blüten  ecliter  Frömmif^keit  nnd  Tns-end  entfaltet."  Einen  ähn- 
liclien  Gedanken  spricht  l\anl  SffäPlIlinl^t^  aus.  wenn  er  u.  a.  anführt,  ^.dass 
iß  den  unteren  ,  ungebildeten  \  oikscia.ssen,  bei  denen  nicht  eine  einseitig-e 
Verstaudescuitiu'  abstumpfend  gewirkt  hat,  eine  gemüthvoUe  Freude  au  der 
Altar  BBd  am  MMeb-Bteftwben  viel  hMger  tat,  ala  utar  den  gebüdeten 
flWadm,  o%gUiGlf  doeb  gerade  die  onterea  VolMaaaen  den  Baihalten  dea 
Lebens  viel  mehr  anageaetzt  sind  als  jene."  Hefa»  eigene  Erfkhnrag  hat  mir 
»gar  die  Überzeugung  aufgedrängt,  dass,  wenn  auch  nicht  der  ästhetische 
Sinn.  80  doch  di«^  rem  ^^rmpathisehen  Opfühle  bei  Idioterf.  die  sich  erst  kurze 
Zeit  m  der  Anstalt  aufhalten,  oft  lebendiger  berrortreten  als  bei  geistig  nor> 


HeibMts  immmlliBhe  Wocke.  Baad  V,  &  S»ff,  S.  70if)  Bsnd  Yl»  &  eStt, 

o,  106lF. 

Lotze,  Mikxokonoe,  L,  S.  mß. 
•*•)  Dr.  W.  Oßtermnnn.    Die  hauptsächlichsten  Trrthflmer  der  Herbartschon 
^aA^o^ng^S.  ^£  päds^gischen  Oonse^iuenzen.    Oldenburg,  Schulsesche  Hof- 

-  t)  Schorers  Fnirjiliml  '.a'r  1S">m  Xr  2.  Per  hctreffcnde  Anftate  trägt  die 
^bendizift:  „OemttUisl>ilduiig.  Kine  Forderung  an  die  Schule." 


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—  128 


roalen  Kiiuiorn.  Dass  aber  ihre  weitere  Gemüthsbildiine"  nicht  j^leichen  Sdiritt 
hält  mit  der  Eutwiekeluug  ihres  \'or8telIuugt>vuriuugeiiä,  ja  dem  sie  8(^ar 
Bflcfcartirttte  maeht,  sollte  um  eigentlich  sieht  befronta,  mam.  wir  um  wa 
JauDer  veigegeiiwlrtigeiip  wddi»  weUscbea  EÜBdrfldra  «ia  idiotiMhai  Kiad 
dnreh  den  tSgÜcheu  Umgancr  niit  ^rissgettalteD  der  mannigfachsten  Art  ao^ 
nehmen  mass.  Wer  diese  traarige  Thatsache  nicht  den  ftnfieren  Umst&nd^ 
nicht  der  Organisation  der  Erziehnng^anstalr.  nicht  der  Schuld  der  Erzii^her 
zuschreibt,  sondern  der  geistigen  Natur  des  iviudes,  vermag  die  in  vieler  Hin- 
sicht zwischen  Greist  und  Gemüth  bestehenden  Grenzen  nicht  zu  nnterscheiden. 
Zwar  weiß  ich  sehr  wol,  daM  die  Natnr  des  Idioten  nicht  nur  nach  der  Seite 
des  VorstellBngsTermOgens  Defeete  uigtf  touiflni  oft  «noh  in  Beeng  aof  Mb 
Gemüth,  und  das«  dieser  Mangel  mit  dem  Wesen  der  aafeborenmi  oder  dnreä 
Eraakhdten  in  der  ersten  Kindheit  entstandenen  Schwli  1«  zusammenhängt, 
also  znm  Wesen  der  Idioten  gehört.  Snllff»  Director  Schall  vielleicht  'lirana 
die  Folgerung  ziehen,  dass  die  sich  oft  einstellende  „Gcfühlsabstuiniiliuig'' 
bei  Idioten  nicht  zu  berücksichtigen  und  durch  erzit-hliche  Mittel  zu  biDt*^ 
treiben  sei,  dann  könnte  mau  aus  denselben  Griiudeu  auch  aul'  die  Ausbüüang 
des  Geistes  veniehten;  denn  ebenso  wenig  ivie  der  gemttUklie  iM 
geistige  Defeet  TSUlg  beseitigt  werden  ktanen.  Bs  mtete  hleniaeh  aihe 
liegen,  die  Erziehungs-  und  Untenlehtsanitalten  ganz  aufzuheben  und  nvr  die 
Asyle  für  Ididten  bestehen  zu  lassen  oder  neue  zu  begründen.  Das  wird  Jedoch 
billiger  Weise  niemand  erstreben  wollen.  Daher  dürfte  es  unbeilingl  iiotli- 
wendig  sein,  um  jede  Einseitigkeit  in  der  Erziehung  zu  vermeiden  uihI  die  ge- 
wonnenen Keöultate  nicht  zu  ge/ührden,  auch  auf  die  üemüthsbildung  der  Idio- 
ten mit  giOiter  Sorgiblt  Bedaeht  an  nehmen,  um  das  zu  erreichen,  wa» 
sehleehferdings  erreieht  werden  kann.  Hier  wftre  ein  laisaer  fidre  geraden 
eine  FflSohtrerletanngt  eine  Versündigung  an  dieeen  ungiaokliohen  GeeohUpfta. 
Bs  Ist  Ja  sehr  zu  beklagen,  dass  Dr.  Wildermuth  mit  seinem  Ausspruch  Recht 
hat:*)  „Das  sittHfli»'  (rPtV-hl,  das  Gewissen,  i-^t  fin  sehr  coniplicirtes  Prodiirt. 
die  höchste  1  j mihi;'  iiait  der  uns  vorhergegangenen  Culturepocheu,  dös»eu 
nur  der  ganz  normal  angelegte  Mensch  in  vollem  Maße  theilliaftig  wird.  Das 
Gefühl  der  sozialen  Yenuitwortung,  das  Gefühl  des  sittlichen:  ,Da  sollst',  ist 
bei  ebiem  defeelen  YonteUangaleben  nicht  denkbar."  Dieae  BrkenntDis  fllM^ 
hebt  ana  aber  nicht  der  PÜicht,  anf  das  moralisohe  GefUhl  des  Uiotea  »- 
aieherisch  einzuwirken,  muss  uns  vielmehr  dringende  Veranlassung  aelD,  den 
moralischen  Defect  so  weit  als  möglich  zu  mildern  und  zu  heilen,  und  die 
Hoffnung  auf  einen,  wenn  auch  sehr  verschiedenartigen  Erfolg  scheint  mir  um 
so  gerechtfertigter,  da  ja  nach  Dr.  Wildermntlis  eigenem  Zugeständnis  „auch 
hiei'  wie  beim  iulellectuellen  Defect  Abstuiungen  vum  völligen  Fehlen  bis  A 
einem  an  die  Norm  herantretenden  Verhalten"**)  vorhanden  sind. 


*}  It.  Wildermuth.    über  die  Complicationen  der  Idiotie.    Siehe  Zmtsohrift 
für  die  Behandlung  SohwachsinDiger  eto.  III.  (Vn.  Jafaig.)  Nr.  6,  S.  86. 
*•)  Ebenda. 

(SchlnsB  folgt.) 


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Aus  der  Fachpresse. 

4.  Zur  Lofik  <les  Sprarhgeiiites'*)  (R.  Hildebrand,  Dentsch.  V). 
eWie  verschiedeu  ist  z.  B-  das  Verhältnis,  das  durch  ,mein'  als  ein  Besitzen 
oder  Angehören  bezeichnet  wird,  in:  meine  Hand,  mein  Geldbeutel,  meine 
BldMr,  iii6iin  Kvttor,  OMiiie  Yatonttidt,  metA  ValirliiDd,  wosSb.  LtoblliigidiQliterr 
■ein  Gott  —  wie  yeradde)»!  lieh  der  Begriff ,  greift  vom  nlehiteB  im  wet- 
tere, weiteste  nnd  steigt  Tom  äußersten  stufenweise  immer  mtiar  ins  Innere 
Tiefe,  Hohe,  sodass  ein  g:enfinp8  \'erfolgen  des  Gedanken??  ^erade?:n  ein  ^utes, 
ein  rechtes  Stücli,  Philosophie  im  einfach  besten,  nicht  im  Faclisinne  orp^lH**. 
einen  lieferen  EinVlirk  in  das  We^en  der  Verhältnisse,  in  denen  der  Scliülei, 
tier  Mellich  luitteu  lune  steht  und  dariu  wirken  soll,  au  der  Hand  der  Sprache 
«eboteo.  Wee  kSnnte  die  Schale  TlefBrea,  H5berei,  Wiehtigeree  leisten?  So 
iltibt  immer  die  Spreehe  dae  nnenehOpfliehe  Sehntehane  der  edelstem  Bllditiig. 
Der  Lehrer  mflaete  den  SehUlem  davon  w^ilgaCens  einen  Vonehmadi  geben, 
unter  ffinfzig  wären  wenigetene  sehn,  bei  denen  et  sündete  m  weiterer  blei* 
kender  Wirkung. " 

5.  7jt\t  Umgestaltnng^  des  sprachlichen  Unterrichts  in  der 
Volkbschttle  (F.  W.  D.  Kraase,  PZ.  1892,  20.  21).  Wert  des  Unterrichts 
Ii  der  Sprachiebre:  a)  die  grammatiechen  Bezeichniuigen  aind  ein  pralrtleebea 
Abkimmga-  und  VerttiidigQngBmlttel  für  den  «hrigen  Sfiraohnnterricht; 
b)  durch  die  ZBeamtnenetelhmgen ,  Zneammenfhsinngen,  Segeln  wird  der  im 
ibrig:en  Sprachunterricht  erarbeitete  Stoff  geordnet  und  zn  Jederzeitiger  Ter* 
fipm^  bereitgestellt.  Also  nur  B^  dentiiug  als  Stiitze.  —  Kurze  DispositicHi 
[üh^r  nicht  „unverbrüchliche  Nornr  )  der  Behandlung  einer  sprachlichen  Elr- 
sclieinuQg:  1.  Einführung  des  neu  zu  Behandelnden  (Vorführung  der  sprach- 
üeb^  Erscheinung  in  etlichen  Beispielen  —  Benennung  des  neu  Gewonnenen 

ZuaaunenefeeUnng  deeielben  mit  bereits  Vorimiidenem  —  Ableitnng  der 
Spraebregel  nnd  Einprffgnng  des  Neuen).  2.  Binllbiuig  des  nen  EingelBhrten 
(übang  an  Beispielen  aus  dem  Sprachvorrath  der  Kinder  und  ans  diN*  im  Be- 
sitze* der  Kinder  befindlichen  Literatur).  3.  Anwendung:  des  neu  Gefibten 
(V^'nvf'nfinns'  in  besonderen  schnftUchen  Arbeiten  und  beim  ferneren  Gebrauche 

^spfachf  überhaupt). 

6.  Wie  gewöhnt  mau  die  Schüler  au  selbstständiges  Deukeu 
■sdSpreehen?  (Schpr.  1892, 27.)  Dargestellt  an  der  BSrdkmide  von  Dentseh- 
M  Ente  Hanplanfli^:  Ühong  im  Vorstellen.  «Eine  der  wiehtigsten  Anf* 

?8ben  der  Heimatkunde:  das  Vorstellen  geographischer  Ol^eete 'tidhtig  an 
tben,  soweit,  dass  die  HaUd,  wenigstens  in  Umrissen,  das  darstellen  kann,  was 
der  Geist  sehaat."    ,ȣhe  der  Qeographiennterricht  beginnt,  moae  erreicht 

*)  Ein  zweiter  Beitrag,  vgl.  Deutsch  1882,  IV. 
^^«osiam,  Ii.  Jshq^  Bift  TL  ^ 


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sein,  dass  die  Schüler  die  heimatliche  Gegend  im  gatizea  ebeu^wol  als  in 
einzelnen  Theilen  aich  genau  vorstellen  können  and  im  Kartenbilde  nicht  eiu 
bloMM  BUd,  londeni  etWM  Wirkliche!  «shaiieii.'  ^Bdm  Kinde  so  errelcheii, 
dass  die  Phant^e  sich  ein  Bild  erbaut,  das  der  Wirklichkeit  soweit  nar 
irgend  möglich  eiitspriclit,  darin  bestellt  die  frst»'  Aufgabe  der  piidagog-isfhen 
Kunst  im  Geographieimteri^chte.  Die  Schwierigkeitea  sind  ausserordeiitlich 
groß  und  örtlich  ganz  verschieden." 

7.  Die  Stellung  der  Topographie  im  erdkundlichea  Unterricht 
(S.  Oorge,  Geo.  1891/92,  IX).  Im  allgemeinen:  Bxtetenzhereehtlgonsr  der  „po- 
Utlsdien  Geographie "  neben  der  „physischen"  durch  Humboldt  und  Ritter. 
Die  ..Geofrraphie"  ist  durcli  ./ropographic"  zn  beleben  (Goethe),  doch  sind  von 
dieser  „zunächst  nur  die  allgemeinsten  Umrisse  zu  geben,  innerhalb  dtrer  im 
Laufe  der  Zeit  gelegenUich  und  allmählich  die  Maschen  des  Netzes  enger  ge- 
knüpft werden  sollen»*^  Im  beioadeni:  »EiM  der  wirkHUBaten  Mittel  iat  de» 
Anlehnen  an  phytiach*geogiaphieeh  herrenprlngende  Pnnkte  der  Karte.'* 
„Namentlich  der  erste  topographische  Unterricht  Milte  nur  solche  Orte  be- 
rücksichtigen, die  auf  der  Karte  dnrch  ilire  Lage  auffallen,  überliaupt  di.- 
Topographie  mit  der  Oro-  und  Hydioß-riiphie  soweit  thunlich  verweben"  ( Vei- 
kehrswege  und  -Mittel!).  Verkuüpluug  mit  historischen  and  uatariiimdlichen 
Betraehtangen  nnr  doart,  wo  aolehe  nnwiUkttrlieh  aofiribigen*'.  Ana- 
gieUge  Vorwertnog  der  Sage  und  Diebtang. 

8.  Für  und  wider  das  Kartenzeichen  in  der  Schule  (St,  Schw. 
,  1892,  19.  20\    Die  Meinungen  beider  Parteien  sorgfältig  zusammengestellt. 

Schluss:  „Das  Kartenzeichnen  des  Lehrer;?  an  der  Wandtafel  erleichtert  dem 
Schüler  die  Auflassung  des  Neuen,  indem  ihm  dasselbe  nur  alimählidi  und  in 
dem  Hafte  gebotok  wird,  wie  er  mit  seiner  Anfharanff  folgen  kann.  Daa 
Kartenaeichnen  dea  SehÜlerB  iit  unter  ZiihlllliHiahme  geeigneter  Hiilfsmittel 
der  sicherste  Weg  zur  Einpiü^ung  der  topographischen  ILauptsachcn.  Da  aber 
djp  KenntniB  der  Topographie  nur  das  Gerüste  für  die  geographischen  Kennt- 
nisse bildet,  so  ist  davor  zu  warnen,  dass  man  durch  zu  große  Betuuuug  de» 
K2u*tenzeidinen8  diejenigen  Momente,  denen  es  nur  indirect  dienen  kann,  die 
SehÜdemng  and  die  Anftteoknng  der  Oanaalbealehangen,  vemachlKtriga.  Man 
beschränke  sich  in  seinen  AaHorderongen  auf  die  Wiedergabe  des  Hauptsäch- 
lichsten und  CharakteristiBGhen  und  verlange  keine  eingehend  detaiUirten 
Kartencopien.'" 

9.  Ein  neuer  Lehrpiau  für  den  Zeichenunterricht  in  der  Volks- 
achale (P.  Stade,  NB.  1892,  VH.  VIII).  Hauptgnmds&tse:  Xlcht»  nach 
WandtaMn  (Vorlagen)       allea  „mit  Furhen  anlegen*  („in  gaoa  blaseen 

Tönen Vierten  SehniUalir.  Ziel:  Verständnis  einfacher,  gerad-  and  kromm- 
liniger  Gebildt-,  Fähigkeit,  dieselben  aus  fireier  Hand  in  richtigen  VerhiUtnis.>3en 
nachzuzeichnen.  Lehrstoff:  Oegenstände  des  Gebrauchs,  dem  täglichen  Lebfu 
und  dem  Beschätiigungitfelde  der  Kinder  entnommen  (^Körper,  „welche  sich 
mdgliehit  wenig  von  der  Flache  nntersohelden;  ein  dgentUchee  Kffrpenoeichncn 
M  aelfafltTentandlieh  nicht  heabsichti«t'').  —  FitnftM  nad  sechatai  Sohn^ahr. 
Ziel:  Verständiüss  fiir  schwierigere  Formen,  deren  Dmrisslinien  in  maoBigflush» 
ster  Weise  bewegt  sind;  Fertigkeit,  dieselben  ohne  namhafte  VerstPsse  aus 
freier  H;inil  wiedcrzngehen.  Lehrstoff:  Natürliche  Uliitter  und  Blüten;  von 
geometrischen  Formen  der  Kreis,  die  i^iiipse  und  Spirale.   Gelegentliche  Ver- 


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wcrrurig'  der  Blätter  und  Blüten  7A\  OrnameütüO.  —  Siebentr^s  nnd  acliies 
Sebuljäbr.  Ziel:  Verständuia  für  die  peiäpectivischen  Ersciieinungeu  und  für 
deren  Licht-  und  Schatten  Wirkungen ;  Fähigkeit,  nicht  za  schwierige,  geo- 
mtMaAm  WiangtgmtadA  maUtmittunt  GegeiutUde  In  ihnr  Braehafaumg 
wIflAemigebeD.  Lehntoff :  Binlhalie  geoMtfiieli»  KVrpo:  «id  Gelmuiebifigwi- 
MLnde.  („Dai  Aogenroaß,  dai  VemSgaii  dl»  VeililltnisBe  and  Formen  rasrli 
nub»  i  !.licken  nnd  sicher  absnschätzen,  mnss  nunmehr  soweit  ausgebildet  sein", 
dass  der  Sahüier  irgend  wt^lohor  HnifKinittel  zum  „ Ahmf^^cf.^«  —  eivt^  Vi- 
sireii,  (.rder  Messen  mit  vorf^^estreckt^iu  Aiuie  -  nidit  nwUi  bedarf.)  „Ibi  diu 
UuirL»&£eiolmiuig  einer  Aufgabe  beendet;  dann  erfolgt  eine  eingehende  Be- 
ainchng  der  BetondiUiBgienehiluiif ,  an  waksb«  rieh  eine  gmane  Unter- 
inbamti  IUmt  die  Art  und  Weiae  der  NachbUdnnflr  wuriiKetoii  milMte;  denn 
kein  Körper  soll  ^( /.( ichnet  werden,  ohne  dnreh  Angabe  der  Schatten  eine  ge- 
wiese  K^irperlichkeit  zu  erhalten.'' 

10,  Die  bedeut.^amen  pJldag:ogi sehen  Tyfistnnf^en  nnd  Bestre- 
bungen der  (tegt-nwart  („Zur  l'reisbewerbuüg'*,  ADL.  1S92,  ."32.  H.li. 
yDie  Lichtbilder  iiu  pädagogischen  Leben  der  Gegenwart  übemchtlich  /u- 
anuneugestellt.''  Als  solche  ^»LiohtbUder*^  werden  beseichnei  nnd  mit  etlichen 
Sbiehen  genetehDet:  die  „Novelle  nun  badiachen  VolkaachnlgeBetn  TOm  April 
1892-"  —  Beschäftigung  mit  der  LehrerbOdnngsirage  —  die  bedentenden 
Facbblätter  md  die  ßeferate  über  dieselben  —  die  Fortbildungsbestrebangen 
4er  Lehrerschaft  (pädag.  Centralbibliothekcn.  ^^chulmuseen)  —  Erziehnngs-  nnd 
^chuli^sellschaften  (wissenschaftlichen  iiiiil  niUionnh'n  Charakters'  Vrr- 
be&sening  der  Lehrmittel  —  Streben  nach  Samiuluug  und  Vertiefung,  bcHoudersi 
bi  deutschen,  erdkondlichen,  Geschichts-  und  Rechenunterricht  —  VeraUge- 
neinenuig  der  SInaicht  in  den  emlehlichen  Wert  des  HandarbeitaanteiTidite 
tb  Knaben  —  FlMerong  dee  Fortbildungs-  und  Qeweibeoehalweaene  An- 
Mnogimgen  tsot  Verwirklichung  der  allgemeinen  Volksschule      BUdong  Ton 
-Special dasspn  fiir  Scliwaclibegabte  —  Versuche,  einen  innigeren  Znsammen- 
harjE-  zwischen  Schule  und  Hans  herzustellen  —  lebhatte  Sorge  für  8chul- 
ges»uiidheitspflege  —  Fntwickehin^  der  Ferieneolonien  und  Ferfenmilchcnren; 
Anstellung  von  Schulärzten;  Einrichtung  von  Öchulkuchea  uud  Schulbädern  — 
Tennehmng  und  Ansban  der  Kinderhorte.  —  In  seinem  ScUnseworte  bemerkt 
Vert  zn  der  ÄnAerang  dee  Seminardirectors  Andren  (Kaieenlaateni),  „nnaerem 
fanposanten  Bildungskörper  fehle  die  pädagogische  Peeh    — :  „Das  ist  ein 
'strpTig-cp.  nnd  im  Grunde  wahres  —  dennoch  aber  nicht  ein  trostloses  "Wort. 
Man  blicke  auf  unsere  Cultur-  und  "Sittengeschichte.    Was  lehrt  diese?  P  iss 

Entwickelung  überall  nnd  immer  den  alten,  uns  Pädagogen  w«dbekaunteii 
gewandelt  ist:  vom  Aulieren  zum  Inneren  —  vom  Leichteren  zum  Schwere- 
Und  ao  dirfen  idr  niTeraiditlidi  hdlen,  daaa  nnaer  ,impoeanter  Bil« 
duQgskSrper'  in  BUde  aneh  seine  ,pftdagogi8che  Seele'  empCangen  werde: 
^  Hanch,  der  Ihr  Nahen  verkUndet,  spQren  wir." 

11.  Die  f^ehule  im  Kampfe  um  ihre  Ideale  'E.  v.  Sallwürk,  DBl. 
1^5^*2,  r,i)\.  (Jeiren  die  Übertreibungen  nnd  Verkelirtlieiten  der  Hygieiniker 
ttad  Physiolüjfc^en ,  der  Spielschwflrmer  und  „Sljüdmeister."  („Der  Weg  des 
Menschen  zur  Gesittung  und  Bildung  führt  über  die  Natur  und  ihren  Egois- 
■UÄ  weg  in  Gebiete,  wo  die  Physiologie  keine  B&thsel  mehr  löst.*  —  „Gebt 
un  and  unserer  Jngend  Banm  ond  Geld  nnd  Zeit  nnd  laait  nns  allein  aaohen, 

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80  soll  e8  auch  uui  da«  Spiel  oidil  schlecht  bestellt  seio."'  —  „Während  wii-  die 
Sfnne  4«  Kinder  aaftcUMtaiit  Uuren  Blick  erweiteni,  tie  !■  die  aittlicilie^ 
Welt  «iBlIOmn,  flir-Hen  ao  bedeutenden  Thalra  und  Scliirksaleo  der  ICenidieit  * 
erwärmen,  wird  auch  für  die  Ausbildung  ihrer  Hände  in  £earbeitiuif  ver^ 
sebiedener  Werkstoffe  nebenbei  gesorgt  werden  können.") 

12.  Überbürdnnp  (B.  Ofenlorh,  "Rep.  1891  '^^'i,  XI).  Die  „ÜberMir- 
dirngsfrag-e"  ist  hente  weder  in  Lehrer-  noch  in  Elternkreisen  abgethan.  O- 
bekennt:  „Meine  leateste  Überzeugung  ist:  wenn  der  Lehrer  niunentlich  das 
MaB  mid  die  Scbwierigkett  der  hüulielieB  Atfgthm  umglütig  ud  gewiaten- 
liaft  alrwl^;  wenn  die  Schüler  nur  einmal  wissen,  wie  man  lernt;  v«nii  die 
Eltern  auf  Vertheilung  iler  Arbeit  und  Einhalten  der  Arbeitszeit  streng^e  achten: 
wenn  sie  ihre  Kinder  mehr  nn  l  melir  von  ihnen  noch  nicht  zukommen  sollenden 
(detitseh !)  Vergnügungen  zurückziehen ;  wenn  absolut  faule  und  mangelhaft  be- 
gabte Schüler  vom  Studium  fem  bleiben:  daan  wird  mao  nidit  mehr  80  oft 
dae  Wort  «Überbürdiiiiir''  in  ICmde  AlireD.** 

13.  Gemath  und  Stimmnnr  (Schpr.  1892,  33).  Der  AvAats  beginnt: 
^Unter  dem  Worte  Gemüth,  soweit  wir  dieses  auf  die  Verhältnisse  des  geselligen 
Verkehrs  anwenden,  verstehen  wir  bekanntlich  (?)  ein  mehr  näor  weniger  ent^- 
wickeites  Bewtisstsein  des  Rechten  und  Gnten,  in  Verbindimg  mit  starker  Er- 
regbarkeit des  Willens  und  Gefühls,  also  so  ziemlich  dasselbe  (!),  was  man, 
und  zwar  im  guten  Sinne,  einen  Gbarakter  nennt Ein  Hnster  von  BegriiBi- 
▼«rwirmsgr,  in  welche  Verf.  Kelrter  ist,  was  er  weiterhin  des  Mieren  nodL 
beweist  Darum  hat  er  ganz  recht  gethan,  an  die  Spitze  zu  schreiben:  ,.Nacb- 
dmck*)  vom  Ver£ussr  nntenagt"  Hatte  er  sich  nor  selbst  den  Dmok 
untersagt! 

14.  Gesundheitslehre  in  der  Fortbildunt(8hc  Ii  nie  (F.  1892.  IX) 
„U1US8  sich  in  Rücksicht  auf  die  kuapp  bemessene  Zeit  und  auf  den  Umstand, 
dass  doi  betreifendeii  SchtUem  fiut  alle  anatomischen  nnd  phy.siologisehen 
Kenntnisse  abgehen,  vor  allem  an  die  Besprechung  deijenigen  Organe  anlehnen, 
die  bei  dem  Arbeiter  in  erster  Linie  einer  Erkrankung  ausgesetzt  sind.  Darum 
bar  der  Unterricht  iiehen  einer  kurzen  anatomischen  Besprechung'  des  niensch- 
lieheu  Körpers  einzugehen  auf  die  Ernährung,  die  Blutbereitang,  die  Atmung, 
die  Ausscheidung  und  den  Stoffwechsel,  und  zwar  möglichst  ausführlich;  denn 
es  ist  besser,  den  SefatUem  wird  in  dieser  kurz  bemessenen  Zeit  ein  genauer 
EinblidL  in  nnr  einzelne  für  sie  besonders  wichtige  Tliätigkeitendes  menschlichen 
Kfirpers  gestattet,  als  dass  man  ihnen  eine  überg-roßc  Fülle  von  Stofl'  bietet, 
der  «cbließlich  als  Gesundheitslehre  auf  weiter  nichts  als  ein  mechanisches 
Aut>wendiglemen  von  Oesondbeitsregeln  hinausläuft. 

15.  Logisch- rhetoriseke  Üknngen  (B.  Fritcsche,  Deutsch  1892,  IX). 
Logisdhrhetorisohe  Dbnngen  siikd  logisdke  (oder  dialeetlaelie}  fibnngen,  weUdie 
der  stilistiachen  und  rhetorischen  Ausbildung  dienen  sollen,  also  Berichtigungi 
'Clärungr,  Bereicbernnp:  des  deutschen  AusdruckeB  be^^wecken  und  zur  Anlage 
ganzer  Gedankenreihen  Anleitung  geben  sollen  —  und  rhretoriscb  -  stilistische 
Übungen,  bei  denen  als  Gmnderfordemis  logische  Klarheit  des  Inhaltes  und 

*)  Per*:el1>e  Aufnatz.  nur  im  Aufuiifr  vcründcrt  und  gekürzt,  steht  auch  im  Rep. 
1891  92.  xn.  Hier  hat  der  Vert  sich  geaanat  (er  heiüt  Fid.  Sch&ffei)  und  den 
„Nachdruck"  nicht  veiboten. 


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133  — 


Aasdrucks  verlangt  und  herbeigeführt  wird."  ,.Es  handelt  sich  bei  logischen 
Übungen  in  der  Schule  nicht  um  Vnrfiiliruuf^  und  Einfibnn^-  der  vielfach  im- 
natörlichen  und  unbrauchbaren  aribtotelisch-scholastischen  T.ogik,  sunderu  um 
«achkondige,  omskhtige  Leitung  und  £ntwickelnug  des  uaiurlicben  gesunden 
DuknrmlSgm  4er  SoUller.«'  (Dafür  biiiigt  Vect  »In  Fem  nruirkMer 
Iliutorai*  BetepMi)  »AlMingfl  wird  aber  nr  »chtaiBligwi,  vmäOätU^ 
I^itug  gehören,  daÄs  der  Lehrer  mit  dem  einfachen,  wahren  Ertrage  der 
aristotelischen  Lojsrik  bekannt  ist."  ^Rhetf)ri8che  Übnn^n:  Einkleidungen 
desselben  Gedankens  in  die  verschiedensten  Formen.  EntfaltM?!L'-  des  gesamnttf^n 
Inhalts  eines  Sprichwortes  in  einer  abg^eruüdeten  Periad.  il  «r  Zusammeii- 
ziehuug  eines  riietori^ch  ausgeführten  (redankens  zu  einer  knappen  Sentenz, 
Ülnngai  imd  Vorwaadilii  des  eigentlichen  in  den  bildlichen  Audmok  and  am* 
gekehrt  mOflsen  yorgenommen  werden,  aber  nur  eo,  da«  die  Sohftler  Bich  der 
Ifittel  die  ihnen  ihre  hochentwiekelte,  reiche  Sinraidia  bietet,  bewant  mtden 
and  mit  einiger  Freiheit  darüber  verfügen  lernen." 

16.  Quellen  im  Geschichtsunterricht  (A.  Rüde,  NB.  1892.  VI.  VIO. 
^Das  Lesen  von  Quellen  seitens  der  Schüler  schließt  mehr  alf?  jedes  ander»; 
Verfahren  den  Vorzug  epischer  Breite  und  Ansciiaulichkeit  der  Daistellung  iu 
lidi,  nimmt  die  Selbstthätigkeit  des  Schülers  in  hervorragendem  Maße  in  An- 
sprach, gewohnt  ihn  daran,  eeUMtatilodig  m  lesen  und  die  Belebmnff  an  .den 
Quellen  zu  Sachen.'*    „Der  Vortrag  aeitena  des  Lehren  tritt  der  Erarbeltang 

Stoffes  durch  Quellen  ergänzend  zur  Seite."  —  Beeooden  von  Wert  dl« 
Besprechung:  der  „Quellenbuch "-Literatur. 

17.  Bemerkunjaren  über  den  ge^enwiirtig'eu  aslronomisch-g^eo- 
graphischeu  Unterricht  (H.  Zwick,  PZ.  181)2,  31.  82).  Der  ^et^^euwiirtig 
meist  übliche  Unterricht  besteht  in  Mittheiluug  und  Aneignung  feitiger  An- 
albhton  und  Thataaohen,  welche  der  Sefafller  anf  Tren  nnd  Glaobcn  ala  wahr 
hlBBiamt  nnd  einptigf*  („So  aaehgemU  die  Daratallaat  dea  Telluiania  iat^ 
so  gut  sich  die  Birklämng  an  ihm  geben  iSsst  —  es  bleibt  TeQurinm-Sache  und 
-Darstellung-,  Tellnrium- Erklärung'*.)  „Diese  Methode  hält  von  der  Orien- 
tirau«'  am  wirklichen  Himmel  ab  und  fuhrt  eine  Entfretiidun^;:  von  dem  heimatli- 
liehen  H^'r\7.'>nt  herbei."  „Sie  fiingt  dort  an.  wo  sie  aui hören  sollte.  nUmlich 
luii  Koperuikuä.  Sie  ist  nicht  Xuduetiun,  sondern  Deductiou,  und  zwar  mit  au 
npenaador  Stelle  banntsten  LehrmittehL''  „WteeneehaMldie,  didaktieohe 
nd  pnküaeiie  Grttnde  apreelieB  dafttr,  ionB4diBt  nach  der  Sonnanbahnmathode 
^tr  Wirklichkeit  (der  einafgen  Indoetir-logischen  Methode)  die  GnmdUnien  der 
heutigen  Weltanschanung  zu  entwickeln.  Der  Elementarunterricht  braucht 
weder  Voraussetzungen  noch  Ann^hMipn  Pie  tägliche  und  jährliche  Sonnen- 
bahn liefert  alle  Tliatsachen.**  „Anschauung  der  j?cheinbareu  Bewegungen, 
&ber  die  gan^e  Dauer  des  Unterrichts  und  der  Schulzeit  vertheilt,  und  den 
Kiftften  d^  Schüler  angepasste  Beobachtung  und  Beschreibung  moss  das 
Mete  Zka  dea  aatmnomlaoh-geogra^iiachen  Untezriehta  büden,  aoUen  qAter 
^dgttmate  antreffende  VorateUangen  and  Begrlfb  and  selbetgeaogene,  Aber- 
snigeode  Schlüsse  aaf  die  wirUiehan  Bewegungen  möglich  werden.''  Am 
StUiai  Skiaae  dea.StQOa»  „welcher  etwa  in  awei  Jahren  aar  brache  konuaen 
kSute.«* 

18.  Die  Bildung  des  ästhetischen  Interesses  durch  den  natur- 
geschichtlicheu  Unterricht  (VV.  A.  Lay,  Rh.  Iii  1892,  IV),   „Die  Ketorm- 


L 


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—  134 


literatur  des  Daturg«t»chicbtlichen  UntenichU»  uusorer  Tage  uiuiiut  uicht  ent- 
iohiedttn  genug  den  peycLologisch- ethischen  Standpunkt  ein;  von  diesem  an» 
mnn  aber  der  vob  der  heutigen  Wtoentobaft  dtugeboCene  Lehratoff  ungewShlt 

und  dargeboten  werden."    ..Die  AnÜDMrkiamkeit  der  Sebfller  mnss  —  nur  mit 

einMn  kurzen  Sar^">  f  iler  einer  Finge  —  auf  die  ästlietisoheii  Wirkungen  der 
Ansf  hauuugen  liinK^e\Mesen  werden,  damit  diesellten  zur  m  tiven  Apperception 
gelangen/  ^Die  ä^thet.  Wirkungen  eine»  Naturobjectes  konimcu  im  Bi^wuäst- 
•ein  des'SciilUti«  ent  daan  cur  vollen  Geltung,  wena  die  DurebbUdung  der 
Anachaamigen  und  TonteUniigaTerkiittpAiiifeB  den  BatheUeehea  Wirkungen 
nicht  bloa  die  Vorm,  aoadam  auch  den  Inhalt  zur  Verfügung  gestellt  hat  — 
im  anderen  Falle  befirnrf?''n  ^irh  Lehrer  und  Schüler  mit  l^liraseii,"  -Der 
Schüler  muss  unter  dem  Kindiucke  der  Natui-.  niclit  unter  dem  der  Worte 
stehen.^  „Das  Bein-Sohöue  wird  namentlich  dadurch  gefördert,  dast»  mwn  im 
natmig.  Unt  ao  weit  nnd  ao  tief  aia  möglich  aaf  die  aniddiete  Vei^tniaae 
eingeht.  V<m  grofier  Bedentmur  Ar  die  iathettaabe  Anfftaanng  der  Katar 
iat  der  Umstand,  dass  Lebewesen  oft  als  bässlich  oder  komisch  erscheinen, 
■wenn  wir  den  Zweck  <.der  rlir  ['rfiache  einzelner  ihrer  Eigrenschaften  nicht 
kennen:  je  mehr  also  der  Njimler  die  ursHchliehen  Beziehungen  in  der  Natur 
kennen  lernt,  umsomehr  wird  »ie  ästhetisch  aut  ihn  einwirken."  (Die  seibst- 
atändigen  Mriften  IiaTB  über  dan  lUttQrinmdlkliCB  Ttaterriolit  aind  von  an- 
geaehenen  Sehulmlnnem  nnd  F^Mdigelebrten  gnt  empAriüen  worden.) 

19.  Den  Eltern  zur  Lehre  (E.  v.  Breidenbach,  C.  1892,  58.  Bd.  III*). 
„Der  Jugend  Sinn  für  die  Natnrschönheiten  nnd  für  die  Leliren  der  Natur  zu 
emecken,  ist  ebenso  Pflicht,  als  i1ir  das  leiV^liehe  Wol  unserei-  Kinder  zu 
sorgen.  *  Treä  lich  wird  ausgemalt,  wie  von  dei'  Natur  im  \  ort'rüliling  das 
fttr  daa  Leben  ao  nothwcndige  „Warten*  n  eriemen  aeL 

80.  Naturkunde  nnd  Zeichnen  (C.  Walther,  IHe  Kreide**)  1892,  IX). 
Gesammelte  Vergleiche,  von  denen  wir  zwei  herausgreifen:  „Das  Zeichne 
führt  wie  die  Naturkniid.-  zw  einem  schfSrferen  Sehen,  einem  feinei-en  Beob- 
achten der  Dinge  und  somit  zum  scharfen  Denken."  (Steuer.)  —  „Beim 
Unterricht  in  der  Naturkunde  ist  nicht  der  einzelne  Natnrgegenstand  Haupte 
aadiA.  Ana  der  Beaeliralbnnir  deaadben  md  «na  dem  Vergleiche  tti%  Ter* 
wandten  Arten  ergeben  sich  die  beztigliehen  Gattangs-  und  Ordnnngamarkmale. 
So  miiRsen  aneh  bei  der  Bespre<hung  eines  zum  Nachzeielinen  greg'ebenen  Oe- 
bildes  &oJc}ii  Vövnien  zum  \  ergleiche  heraugezugeu  werden,  welche  hinsichtlich 
ihrer  Entwickeiuug  mit  dem  zum  Nachzeichnen  gestellten  innig  verwandt  sind 
und  sich  ungezwungen  nüt  diesem  zu  einer  besonderen  Qruppe  varainigeA 
laaaen.«  (Wnnderlioh.) 

-,Das  Zeitalter  des  Dampfes"  ist  die  ti-efiendste  Bezeichnung  flir 
un^ierf  Zeit.  Das  zeirt  aucli  der  soeben  mit  g"CWohnter  PiinktHchkeit  er- 
schienene vierte  Band  von  Brockhaus'  Conversations-Lexikon,  14. 
Auflage.  Kiaht  weniger  ala  75  Spalten  mit  18  Tafeln,  84  TeitaWrfWingan 
nnd  einer  Karte  aind  dem  ^Dam^  nnd  den  damit  gntammanhlliymdwB  Be^ 
grUren  gefwldmet.  Dabei  aind  die  Aiükei,  wie  ateta,  mOgUehat  gediftact  nnd 


*)  Das  Heft  wird  durch  ein  anmutiiiges  Gedieht  voiii  „Stock**  trOffuet. 
**j  Boikge  zur  DSch. 


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—   13Ö  — 


doch  lesbar.  Aaf  allen  denkbaren  Gebieten  sehen  wir  den  Dampf  beniitat; 
da  fioto  wir  die  Artikel  Dampfbad,  Dampfbodeaeiiltiir,  Dampfllolwii,  Dampf« 

OTgiUy  Datiipfgcschütze,  Dampfkes.selgeset/,  ntLen  den  Hanptartikeln  Dampf- 
ke;:»«  !,  Dami^fmascLinen  nnd  '  DHiiiiirsoliit! ;  se!b?^i  die  Dampfntidel  hat  ein 
Plätzcheu  gefunden.  Eine  wertvolle  N«  ueruiij?  ist  die  Tabelle  der  Damptschift'- 
verbindangen ,  ans  welcher  Abgangszeiten  and  Fahrtdaaer  für  alle  größeren 
Seepl&toe  sofort  zu  entnehmen  sind*  Aber  neben  diesen  Artikabi  «ntliBlt  der 
mit  2  1»sateclMiiden  diromotafeln,  einen  mdbteiliaften  Knpferstidi,  11  anf  dem 
neuesten  Material  bemhenden  Karten  ond  Plänen,  32  schwarzen  Tafeln  und 
205  Textabliildung-en  ansg^f stattete  vierte  Band  unter  .'«einen  nahezu  8()<>0 
Stichwörtern  noch  eine  grotie  Menge  von  den  ersten  Autoritäten  abgefaä«ter 
ArtikeL  Wir  verweisen  z.  B.  auf  den  leider  besond^  zeitgemäßen  Artikel 
^iCaMkra"  ud  dsa  wUk  danm  annfliHnihiiiiwi  |,0eBfnfbetioft*<;  es  findflt.sieb 
darin  andi  adMn  der  Hliweii  anf  das  lieaMobtIgte  Beiite49eiielMngMetf .  Die 
Weltausstellnng^tadt  Chicago  ist  mit  der  k&nftigen  WeltanssteQinif  eingeliend 
und.  wie  nicht  anders  zu  erwarten,  zuverlässig:  behandelt;  ein  großer  Plan  und 
eine  Gesammtansicht  der  Weltaasstellang  ans  der  Vogelperspective  sind  beige- 
geben. Von  weiteren  Städten  seien  erwähnt  Ühemnitz,  Cherbourg,  Colombo 
(Ceylon),  Chnr,  Czefnowtt^  Defarecslny  Danzig  (die  meisten  mü  Flftneo)»  von 
grOftven  geogn^thischen  Artikeln  besonders  Centraiamerika,  Ghflet  Golomlda» 
Dänemark  und  namentlich  China  mit  den  anschließenden  Artikeln  Chinesen- 
frage, Chinesische  Literatur  und  Chinefsische  Kunst.  Let?:terpr  Artikel  ist  aus- 
gestattet mit  2  charakteristischen  sciiwarzen  Tafeln  und  l  iner  atißerordent- 
Uch  schönen  Chromotafel.  Im  ernsten  Gegcusau  zu  der  buuteu  grutegken 
Feraenweit  der  ehineaischen  Knst  steht  die  goldprangeade  DanteUang  dea 
berlUuntflB  Wedmelbager  OmciUxes  mit  seüier  e^t  deutschen  beriwii  QMit^ 
beit.  Ein  ilh ersichtlicher,  von  8  Tafeln  begleiteter  Artikel  über  „Dentsche 
Kunst be.schließt  den  Band.  Die  mit  dem  int»'vt>^';Mtitcn  Artikel  „Deutsch'^ 
Wgiuneude  lange  Heihe  von  Stichwrirtern  über  T)eutürhlaud  und  Deutschthum, 
deren  Fortführung  einen  Hauptschjnuck  des  nächsten  Bandes  bilden  wird,  ent« 
bUt  tt.  a.  den  yon  wertvollen  Tsliellen  begleiteten  Artikel  „Dentscbe  Eisen* 
bahnen*"  und  die  Badi  dem  aßetnensstan  Stande  geaiMtete  Uate  der  dent- 
sdica  Consuln. 

Diese  Beispiele,  denen  eine  Menge  eben.<;<>  trefflicher  au.s  andern  Gebieten 
angereiht  werden  kouneu,  mögen  genügen  für  den  Nachweis,  dass  Bruckhaus' 
CoDversations-Lexikon,  14.  Auflage,  das  beste  derartige  Kach* 
seblngewerk  und  aneb  das  nweckmältigste  Weihnaehtgesehenl[  fQr 
das  davtselie  Hans  ist. 


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I 


Recenaioneii. 

Dinotor  A.  Ooertii,  Die  Lehrknnit    -h^m  Fulirer  fiii-  Semiuaiiäten,  juuge 
Lekrer  and  LehnrioiMB.    ZwoHe  '▼«nMhrte  «ad  TflriMMrte  Auflag«. 

LeipKig  und  Berlin,  Uilins  Klinkhardt.   402  S.  gr.  8.   5  M. 

Diese?»  bedeutende  Werk  ist  bereit«  in  seiner  ersten  Auflage  in  diesen 
Blättern  gekennzeichnet  und  zu  ernstem  Studium  empfohlen  worden.  Seither 
hat  ei  BCih  in  weiten  Kreisen  lebhaften  Beifall  erworben,  besonders  von  Seiten 
hervorra^ondi T  Schulmänner,  welche  eine  jfründliche  DurchbUdunir  in  der  Lehr- 
kuut  zu  würdigen  und  von  einer  blos  schablonenhaften  Abrichtuug  zu  unter- 
tfliwidwi  wissen.  Die  infoIgedeiMn  nöthig  geworden»  nene  Auflage  iBt  nun 
einer  genauen  Revision  unterzogen  und  durch  mehrere  wertvolle  Zugaben  ver- 
mehrt worden,  von  denen  wir  besonders  die  Lehrprobeu  über  den  „Taucher" 
und  das  „Lied  von  der  Glocke  '  und  die  gehaltvolle  Abhandlung  ..über  Ideen" 
erw&hnen.  Wer  die  in  diesem  Werke  nifdrrcrf'l('<rt»in  mefliodoloi.rir<f lien  Kath- 
schiäge  und  praktischen  Lehrproben  gründiiiii  siudirt  und  selbststandig  ver- 
arbeitet, wird,  wenn  er  auch  dem  Verfasser  nicht  durchaus  zustimmen  kann, 
zweifellos  an  Siehcrheit  nnd  Gewandtheit  in  der  Unterrichtskunst  gewinnen. 
Leider  konnte  der  Preis  für  das  umfängliche  Werk  nicht  tief  genug  gestellt 
werden,  nm  den  Ankauf  desselb«  aUen  denen  m  cnnOglidien,  für  welche  ee 
geschrieben  ist.  Ihn  so  mehr  sei  «■  den  n  gWMinMnMr  Beantzung  be* 
stimmten  Bibliutheken  empfohlen.  E. 

Hermaim  Sclu^aderi  Der  Bildersokmack  der  dentschen  Sprache. 
Naae  Aoigabe.   Beilia,  LftMeoSder.  6  M. 

Ähnlich  wie  da-^  Werk  Tiorohardfs  „Die  sprichwiirtHchen  Redensarten 
im  deutschen  Yolksmund  *  «^Leipzig,  Brockhaus),  stellt  Schräder  in  dem  ,^Bilder- 
.  edunnck*  eine  gcole  Aasahl  „deutscher  Bedeaiarten*  snsammen,  erlftutert  ihre 
Bedeutung  und  sucht  ihren  Ursprung  darzulegen.  Oft  gelingt  es  ihm,  den 
geschichtlichen  Hintergrund  aufzudecken^  oft  freilich  muss  auch  er  sich  be- 
gütigen mit  dem  bloMn  Binweki  auf  die  zu  Gmide  Hegende  Beobaolitang; 
nicht  immer  kann  er  den  auji:eben,  der  die  Phrase  zuerst  gebraucht  oder  wo 
und  wann  sie  entstanden  ist.  Nicht  immer  endlich  kann  ei  das  Gebiet  der 
Termnthnng  ttbenchreiten.  Daher  denn  anch  vielfaeh  aadin  Dentongen  bei 
Borchardt  und  bei  Schräder.  All  das  liegt,  wie  der  Kenner  ohnedies  weiß,  in 
der  Natur  des  behandelten  Gegenstandes.  Sieht  man  davon  ab,  dass  jedes 
dieien  Stoff  belenditenda  Bach  an  den  genannten  Unvollkommenheiten  leiden 
m»i««.  so  bleibt  noch  genug  des  Wertvollen ,  insbesondere  ftlr  den  deutschen 
Unterricht  Wertvollen,  auf  das  unsere  Anzeige  hinweisen  möchte.  Schräder 
hat  eein  Material  in  Ginppen  nach  der  Sinnren\-andtachaft  der  Bedensartea 
odi^r  na'h  dem  Gegenstande,  der  zu  der  Phrase  Veranlassung  gegeben  hat, 
zusammengestellt  (also  nicht  wie  Borchardt  alphabetisch).  100  Seiten  be- 
epne^en  i.  B.  alle  Redensarten  und  AnadrUcke,  zu  denen  die  Thierc  An- 
lass  gegeben,  z.  B.  das  Pferd  (S.  23—45^,  der  Esel  fS.  45—55),  das  Rind 
(S.  55—71)  u.  s.  w.  In  diesem  Theile  berührt  sich  da«  Buch  Schräders  viellach 
mit  einem  anderen  ähnlichen  Werke:  „Das  Thierreich  im  VeHksmunde"  von 
Dr.  Mediens  Leipzig,  Thiel  1880).  —  Ist  es  schon  interessant,  all  die  volks- 
thttmlichen  Phrasen  nach  ihrer  Sinnverwandtschaft  geordnet  kennen  zu  lernen, 
10  aoeh  nelir,  OmaZnaamaMaliaBg  mit  der  gaaaealmk-  nad  Aaeduwaagaireiie 


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—   137  — 


iBMiMi  Yellcei  sn  erfidmn.  Alte,  längst  eatsdiwaniieiie  vdlgUtae  Gebiiache, 

Rrcht^firriindsiitzc,  Gewohnheiten  leben  in  diesen  beute  noch  Üblichen  Wendungreu 
fort.  In  Kedeweisen,  wie  aus  dem  Sattel  heben,  der  Kaufmann  fflhrt  diese 
Ware,  Stein  und  Bein  schwören  u.  a.  tukrt  unsere  Spruche  viel  altes  Lei»uu 
mit  »eh,  leider  zumeist  ohne  dass  wir  es  achten  oder  uns  dessen  bewusst 
werden.  Freilich  nicht  gar  leicht  ist  nns  oft  der  Blick  in  die  eisrcntlirhe 
Bedeutung  gemacht.  Viel&ch  steckt  in  diesen  Wundun^en  alte  üprach- 
fimBf  ucH-h  häutiger  Kntstelhmg  ToHoetymologiMto  Umdcutung,  und  das  trübt 
unseren  Blick.  Mau  denke  nur  an  Tiedensarten,  wie:  Einem  den  Hang  ab- 
lauten, l'isematenten  machen,  su  Paaren  treiben,  dag  iSchäfdbea  ins  Tic^eue 
hriagen  «.  e^  —  Sollte  die  ÄrUlnuiir  bMiu  Awok  rm  «Beeren  SefaUon  ift- 
brauchter  Phraüeu  diesen  nicht  willkommen  sein,  den  Unterricht  hclehen.  die 
Beobaohtuagsgabe  wecken  und  schilrt'en?  Uad  eolite  nicht  die  Auffindung  der 
PhiaecM,  die  aaf  ein  beettmmtes  Iie1>eii<gcbiet  oder  vat  die  Beeoh&ftigung  eines 
bestimmten  Standes  Bezug  nehmen,  nicht  auch  ihren  Wortschatz  mehren,  lose 
Vcrbuudeueä  zusammenhalten  und  innige  Frendc  tibcr  den  Reichthum  unserer 
Sprache  erregen?  Gewiss.  Der  Lehrer  wird  natürlich  uit'ht  sjitematiic  h,  etwa 
mit  Schräders  Buch  in  der  Hand,  vorgehen  dürtcn;  aber  hie  und  da,  weun 
eine  derartige  Redensart  in  einer  recht  aiitfalligen  Stelle  eines  Lesestüekes 
Tür  die  Seele  tritt,  auf  ihren  Sinn,  die  isu  (iruude  liegende  Beobachtung,  d&& 
fersteckte  Bild,  auf  verwandte  Wendungen  hinweisen,  das  wird  keiner  eidi  eat* 
gehen  lassen  dürfen.  Sehiaders  Bnch  i^t  da  ein  kundiger  Führer.  W. 

Zeehe,   Lehrbuch    der  Geschichte  des  AlterthumS.    Iiaiba«li  .1891, 
Ktoinmaver  <K-  B-unbere-    O'reis  geb.  1  Ii.  50  kr.) 

Auf  dem  üebiete  der  LehrbuohUtemtur  maeht  iioh  seit  ungefähr  aehn 
Jahren  fmotm  ein  WirtBebrltt  bemerkbar,  ab  die  geBdiiebtiiehen  Lebibtloher 

für  die  Oberdassen  höherer  S<hiilen  mehr  als  früher  auf  das  Skelet  der  Er- 
zählung, aut  die  Disposition  Wert  legen  und  sie  auch  äußerlich  durch  «die 
Hilfsmittel  des  Druckes  viel  schärfer  hervorheben,  als  einst  Wadter  und  Piltz 
gethan.  Herbst  oder  Jänicke,  noch  mehr  Ulbrieh-Kiimmd,  am  atixksten  wol 
Dahn  ftder  für  die  prenßisch-deutdcbe  (Teschichte  Stutzer  betonen  dieses  Prineip, 
Letztere  zwei  verzichten  um  dessentwillen  sogar  uut  einen  lesbaren  Text.  In 
den  Oetendcfaiaehen  LehiMdieni  blieb  man  biaher  bei  der  alten  Richtung  und 
gab  nur  ab  und  zu  der  neuen  Strömung  Raum.  Zechen  Lehrbuch,  das  im 
vorigen  Jahre  ala  er^r  Theü  einer  dreibändigen  Geschichte  für  österreichische 
Ojiuaaten  eradden,  stdit  dagegen  gana  anf  &sm  Boden  der  nenen  Aimchauung. 
Der  pragmati.^che  Ziisammeiiliang  tritt  hei  dieser  Behandlung  viel  deutlicher 
henror  als  z.  B.  in  dem  in  Österreich  viel  gehrauchieu  Gindelj^'a^en  Werk; 
ancb  das  ▼erstaodeemftßige  Lernen  wird  wwentUoh  erlefebtert.  Dabei  geht 
ab<  r  Ze«  he  nicht  ^^o  weit  wie  etwa  Dahn  oih'r  Stutzer,  in  der  richtigen  Er- 
kenntnis, dass  eine  vollständige  Formengebung  vou  ::^ite  eines  Schülers  (hei 
der  eigenartigen  sprachlichen  Vorbildung  der  Studenten  in  den  sprachlich  ge- 
mischten  Gegenden  Österreichs)  nicht  verlangt  werden  kann.  Würde  Zeehe's 
Lehrbuch  nichts  anderes  als  das  Gesagte  an  sich  tmgen,  so  bezeichnete  es 
immerhin  einen  Fortschritt  gegenüber  den  bisher  in  ()sterreich  gebrauchten 
Lehrbüchern ;  e^  hat  aber  noch  ein  paar  andere  Züge,  die  es  in  mancher  Hin- 
sicht, seihst  den  in  Deutschland  eingeführten  überlegen  erscheinen  lassen. 
Dahin  gehört  zum  Beispiel,  dass  es  bei  einzelnen  Erscheinungen  auf  das  Ty- 
piaefce  anftnaikBam'  maeht,  das  lie  an  sieb  tragen,  anf  das  Qesetamißige, 
das  sich  in  der  gesch-'^bMichen  Entwickeliing  heobaehten  lässt.  Es  geschieht 
dies  nicht  mit  aufdringlicher  Breite,  sondern  in  Form  einer  karsea  Einschaltung, 
flfaies  Sdihigwwtes  oder  ab  AbseUnse  der  Gesehidite  ein«i  Volkes,  und  so  be- 
hutsam, dass  man  ihm  nicht  den  Vorwurf  maehi  n  k:mn,  es  habe  T'nL"'Iii)i  ige- 
in  die  Thatsachen  bineingeheimnis.'^t.  Zu  einer  denkenden  Betrachtung  der 
Geschichte  die  Schüler  anzuregen,  ist  kein  geringes  Verdienst  des  vorliegenden 
LebrbaehM.  Es  zeigt  sich  auch  in  der  Behandlung  der  römischen  KaiBer^eit, 
wo  von  der  früher  flhlichrn  abgegangen  nnd  diese  folgen««chwcrc  Zeit  nach 
cul^irgeschichtUchen  Gesichtspunkten  behaudelt  ist.  Erst  su  gewiuut  sie  au 
Ibtcnae  «nt  wird  ihre  Bedentnag  für  die  Bntwiekelang  der  Kensehkeit  im 


IL 


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—   138  — 


Mittelalter  dem  Sohfller  Uar.  —  Dass  natürlich  auch  diesem  Boche  noch 
Mänfjel  anhalten,  sobald  man  den  Blick  auf  Einzelheiten  richtet,  bedarf 
wol  keiner  Erwähnung.  Ist  es  ja  doch  eine  erste  Auflage,  in  der  Schule  noch 
nicht  erprobt.  Manches  würde  sich  weniger  zerstückelt  besser  einprägen,  zum 
Heispiel  die  Darstellung  der  Zeit  des  Perikl»  -.  :uul«  res  wird  einer  Feile  be- 
dürfen, so  z.  B.  Sätze,  wie  (S.  161):  Mehreren  Jahrhunderten  prägte  Alexander 
deft  Stempel  seiner  Geistesart  ML  Voll  idaatott  Sehwugefl  nad  Begciste- 
ring  für  die  griechische  Geistesgröße,  ist  er  aasgezcicbnet  .  .  .  oder  uS.  128): 
Nach  Phidias  ist  der  grüßte  Plast iker  Polyklet.  Aus  seiner  Schule  gingen 
viele  Statuen  von  Stegem  bei  tlt  n  Nationalspielen  hervor  .  .  .  oder  (S.  IW): 
Im  l'iriius  herrschte  ein  sehr  lebhalten  Treiben,  das  der  Staat  durch  strenge 
Handhabung  der  Polizei  beförderte,  oder  ^8.  12ö):  Er  (Äschylusi  stellte 
nach  Sophokles'  Ausdruck  die  Menschen  dar,  wie  sie  nnd,  wtthrend  er  (ge- 
meint ist  hier  Sophokb^)  selbst  sie  darstellte,  wie  sie  sein  sollten.  Auch 
einige  Druckichler  in  den  Zahlen  sind  im  Druckfehlerverzeichniä  noch  nicht 
vearbMMrt.  W. 

Wem  und  Wacker,  Ans  allen  Jahrbmiderteii.  T.  Tlieil  Afterthim. 
7  Lief.  &  45  Pf.    Münster,  Schöningh. 

Ein  SeitenstUck  zu  den  im  gleichen  Verlag  ensduenenen  geographlMheii 
Charakterbildern  „aus  allen  Weltt heilen"  sind  die  vorliegenden  geschicht- 
lichen Bilder,  deren  erster  Band  ..Das  Alterthum",  219  Seiten  fgr.  8)  stark, 
31  Themen  politiflcheu  oder  culturbistoriscben  Inhalts  aus  der  orientaiischen. 
gTieehisdien  nnd  iQmischen  Geschichte  bespricht,  unterstetzt  Ameh  8  VoR- 
l»ilder  und  35  Illu-tnitioii» n  im  l'ext.  Die  reifere  Jiitrend  wird  darin  mit  den 
besten  Schilderungen  uiisi  rtr  neueren  GescluchtsBchreiberf  eines  Duucker,  Cnr- 
tias,  KomiDsen,  Schwegler,  Ihne,  Peter,  Friedländer,  Falke,  deren  Werke  un- 
seren Gymnasiasten  oder  Seuiinaristen  in  den  meisten  Fallen  schwer  zuiräug- 
lieb  sind,  bekannt  geuiaohk  i>ie  Herausgebez  bekunden  duxcb  die  Wahl  der 
Themeft  wie  dnreh  die  Attwnlil  nnter  den  sie  b^tadelnden  Sohriftstelleni  eine 
l^flokliche  Hand,  lienn  as  sind  nicht  \iV»  die  Marksteine  der  politischen  Gc- 
cehifihte,  die  beivorragendaten  (gestalten,  die  das  meiste  Interesse  erregenden 
evltuTgeiebiditUAai  Zuetiade  rof^Mai^  aondera  ftveh  beinahe  jedemnl  in 
der  Darstellung  eines  Mei>ters  der  Historiographie.  Nur  die  Literatur  scheint 
uns  nicht  genügend  vertreten.  Sophokles  und  das  griechische  Theater,  die 
Sophisten  vnd  ftlkntes,  das  sind  i.  B.  TheiMii,  ob»  denn  DanteUnag  die 
Geschichte  des  Altcrthums  eine  wawatUdie  "LMob  awfmift.  Attck  ne  habflB 
ja  Iiereits  ihre  Mei>ler  gefunden.  *  W. 

Wirth,  üliungstrageu  zum  Gescbicbtsanterricht.  1.  HeiU  Bayreuth, 
Ueusclmiaau  (1892). 

Das  Toruegeade  Heft^hea  (80  S.)  serlegt  dea  Lanfltoff  der  Gesehiehte  des 
Altt  rthnnis  von  Pütz  (Oberstufe)  in  Fragen  und  iwar  in  70  Grtipiien.  deren 
jede  den  Inhalt  einer  Lection  bilden  solL  Die  Qnqpma  67 — 70  tünd  Wieder- 
MloBgnfragen  ans  dem  GeaaBnatgelnet  der  altaa  OescUdite.  Die  Axt  der 
Fngen  dri\n<rt  weniger  auf  eine  Behcrrschnnij  des  StojTr-,  denn  sie  setzen 
aiekt  eine  neue  Gruppixung  des  LemstoflcA  nach  anderen  als  in  „Putz"  ge- 
gebean  fliiiiinhfuaiBilffin  voiaas,  aeadera  mehr  aaf  ein  leiehceree  Einprägea 


des  Stoffes.  Manche  Capitel,  die  dem  .Schüler  recht  schwer  fallen,  z.  1'.  der 
peloponnesiüche  Krieg,  sind  in  zu  wenig  Fragen  zerlegt.  —  Was  die  Gruppen 
anlangt,  so  verstolen  sie  maaohmal  gegen  daa  Geaata  der  Einheitliohktit  oea 
Unterrichtes.  So  z.  B.  wenn  an  die  Rcffiernns:  der  Pisistratiden  ganz  mecha- 
nisch und  äußerlich  die  Colonisation  der  Griechen  angereiht  wird  \^Gruppe  23) 
«dar  aa  die  ■Meaeaischen  Kri^  die  olympisehea  Spide  (Graape  81).  8a  wii^ 
tiga  Thatsaehen  und  Kinric!itnne:<'n  sollen  außerdem  nicht  als  Anhängsel,  als 
FflUsel  einer  Stuude  behandelt  werden.  Manche  Gruppe  enthält  femer  xu 
viel  Lehrstoff.  Das  gilt  a.  B.  voa  Leotioa  29:  kaaa  dflaa  wirklich  eia  Ga- 
schichtslelin  r  den  ß:anzen  pelojionnesischen  Krieg  in  einer  einzigen  .Stunde 
vortragsweiüc  erläutern?  Ist  dieses  schwere  Cajütel  nickt  als  eine  Lection  an 


laiiii^wiieh  für  daa  SektOer?  Oflt  diaa  aiekt  taak  voa  Gni|i#  22:  „Qaaahiflhla 


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—   139  — 


den  KunigthuniSj  der  Aristokratie  m  Athen,  der  Tyraimib  des  Kylon  und  der 
YerfaawiiigMcifoim  Sskas?^  W. 

Petzen,  Dr.  Julius,'  Prof.  der  I7niT«rtitftt  in  KopeolMg«!,  Lehrtach  der 

elementaren  Planimetrie.  Deutsche  Ausg.  von  Dr.  Fischer-Benson» 
Prot:  in  Kiel.  Ii.  Aufl.  106  a  Fig.  im  Text  Eopeobagen,  Hitet,  1891. 

1  Jd.  60  Pf. 

Dm  Ziel  des  Uutenichtes  in  der  Ueometrie,  gagt  der  Verfasaer,  ist  nicht 
bloB,  die  Sehttler  ein  8fvUm  der  Oeometrie  m  lehre«,  eottdem  lie  nr  Lösung 

von  Coti-striTctionBaufgabrn  !2:C8chickt  zu  machen.  Diesen  Weg  hat  ja  T>r.  Pe- 
tersoi  schon  im  seiner  bahnbrechenden  AulgabaMainmlmg  mit  groftem  Ver- 
etftndnlflie  und  Oesehielr  eingeschlagen,  «ad  der  deeladie  Bearboter  ist  ihm 
mit  Einlullt  und  Sachkenntnis  gefolgt.  —  Der  Inhalt  des  Buches  verbreitet 
sich  über  die  Lage  der  geraden  Linien,  dann  über  Congruenz  nnd  Symmetrie, 
•  ferner  über  Ähnlichkeit,  welchem  Capitel  auch  die  Anwendung  der  Algebra 
aaf  die  Geometrie  eingereiht  iet  and  etulli«  h  über  Flächenberechnung;  jedem 
ehundnen  Abschnitte  sind  sehr  zahlreiche  Übun8:6anfgab6n  t)ei£rt'fii£:^t. 

..Der  Abweichungen  vom  Hergebrachten  findet  man  ni<kt  ucnige,  aber 
gerade  darin  liegen  die  Vofsflge  des  Buches."  Dieser  Äußerung  des  Verfassers 
-riT7i:ii  Ti  wir  volL-täiMlig  zu,  indem  wir  beifögen,  das?  da«  Buch  einen  durch- 
aus modernen  Standpunkt  einninunt,  und  einen  großen  fortfichritt  der  Me- 
thodik ÜBBtetdlt.  Es  fdilt  in  denwelbea  allerdings,  was  man  aoait  aas  der 
neueren  Geometrie  nhev  harmonische  Theilung,  Polare  u.  s.  w,  in  die  Lehr- 
bücher dieser  Stufe  autzunehnran  pflegt:  aber  das  Gebotene  scheint  uns  hin- 
rrichead  fttr  alle  höheren  Schalen,  weil  ea,  was  an  Dmfsng  fefah,  reichlich 
durch  Vertiefung  ersetzt.  Es  mö|^e  daher  dieses  Bndk  der  Beachtung  aller 
Fa<'hi^enos''Tn  hest^^ns  empfohlen  «ein.  H.  E. 

Geologie  in  kurzein  Auszug  tiir  Seliuleii  uud  2ur  Selbstbrli-ltrung  zusammen- 
gestellt von  Dr.  Eberhard  Fraas.  Mit  16  AbbiLluiigen.  Stuttgart^ 
G.  J,  Gßschen'sche  Verlagshandlung.   VI  u.  104  Seiten.  Preis  80  Fl. 

In  einem  auch  schon  dnrch  seine  äußere  nette  Ausstattung  besteehendea 
kleinen  Bändchen  bietet  uns  der  Veifasy^er  die  rioalogif  in  ihr»  n  TTanptpartien. 
Die  Capitcl:  Das  Materiale  der  £rdkiu8te,  die  Entstehung  dieses  Matenaies, 
Terwendung  desselben  oder  die  Bildung  der  MebeilSohe,  metorisohe  Geologie 
'^der  FoTmationslehre  zeiq:en  einf^n  reichen  Inhalt,  der  in  iredTflnirter  Ft-mr  und 
populärer,  Jedoch  nicht  flacher  Darstellnnir  alh'  Krtahrungon  dieser  Wissenschaft 
darlegt,  m  das  Werkchen  «ach  kein  eigentlicher  Lemliehelf,  se  dock  ein 
gutes  Repetitionsbttchlein,  dsa  insbesondere  in  Sdnden  nnd  Bibliotheken 
Nntznn  stiften  winl.  C.  R.  R. 

Naturl«  hl  e  für  Volks-  und  Bürgerschulen.  Mit  Rücksicht  auf  Chemie 
nnd  Mineralogie  bearbeitet  von  Carl  A.  Krüger,  Rector  iu  ivuuigsberg 
l  Pr.  —  Dritte  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  Mit  84  Abbildungen. 
Dauig,  Emst  Ghniihna  Verlag.  60  Sefteii.  35  Pf. 

Ein  kl«  iu*-.s,  aber  reichhaltiges  Büchlein,  welches  das  wichtigste  der  Physik 
in  mcthodiiich  richtiger  Weise  behandelt.  Da.ss  bei  der  Knappheit  der  Behand- 
lung so  viele  praktische  Winke  für  das  Haus  und  das  Leben  geboten  werden, 
ist  anerkenneas^ert.  Die  beigegebenen  Abbildungen  sind  recht  gut.  Wich- 
tigcr<*«s  und  minder  Bedeutsames,  oder  auf  einer  höheren  Stufe  zu  Bespict  hendes 
ist  durch  Verschiedenheit  des  Druckes  charakterisirt.  Stets  wird  voui  Experi- 
mente oder  der  Erklärung  der  ^«^™^f^»"«g  ausgegangen  uud  da»  Gesetz  ab- 
c:cleitet..  Das  Bflchlein  liann  bestens  emj^Uen  weiden  nnd  ist  auch  sehr 


niederSsterreichischen  Volksbildungsvereins -Zweig  „Wien  und  Umgebung*' 
VsrfMst).  mt  83  Abbfldnngen,  Wien,  Prag,  Leipzig,  Tempaky-Freytag, 
1892  (Fiwis  geb.  1  fl.  25  kr.). 


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De?  TerfttMer  stellt  sich  in  der  vorliegrenden  Qeschichte  die  «eUiie  Auf* 
gäbe,  einem  weitepu  Kreis(\  der  Bürge rsr hu tt  und  deu  Arbeitern  Wien:»,  ein 
Buch  zu  bieten,  du  sie  an  langen  Winterabenden  oder  dos  Sonatay  Nach- 
mittags gern  zur  Hand  nehmen,  In  das  iie  meh  Tersenken  vnA  eitt  den  efo 
verständuisvoUc  Liebe  zur  Heiniatsstadt ,  rrcscliiclite  lernen.  Darum  war  sein 
Augenmerk  von  vornherein  nicht  auf  da«  Herbeischaften  neuen  Actenmaterials 
gerichtet,  send«»  auf  die  geftUife  Fotm,  die  populäre  üanftellung,  die  aa- 
zichende  Schreibart.  Und  weil  in  den  Kreisen,  für  die  dait  Bueh  behtimint  ist, 
nicht  archioliwiBche  Dinge  in  eister  Beihe  intereesircn,  sondern  mehr  die 
Ereigniase  mia  Zusttade  der  letften  hundert  StUm,  so  bat  raeh  GngUa  den 
Haupttheil  seines  Buches  di  -f  ii  Abschnitten  e:ewidin(  t  und  jene  Zeiten,  deren 
Naehwiikuigen  aieht  mehr  liiMbar,  kttner  hekaadelu  Überall,  wie  das  ja 
aeBbrtreniMlndlicb  ist^  aber  aueh  dn  nieht  TenAunit,  efnen  noeh  bente  erbal- 
tenen  Namen  oder  ein  erhaltenes  Denkmal  alx  Anknüpfungspunkt  zu  benutzen,  um 
daa  alte  längst  Verkian|mie  wieder  aufleben  zu  laven.  Der  Bestimmung  des 
Bnebee  ent.«pricht  m  enmiob  foUkenomn,  dan  ea  alte  Zoitlnde  und  Biwieh« 
tungen  Tolks\virt.s<  baftli'cher  oder  rechtlicher  Art  des  breitereu  iiuacinandersetzt. 
Wenn  wir  so  dem  Buche  das  ihm  gebfirendc  Lob  gespendet,  so  erfordert 
doeb  der  Zweck  dea  Badies,  daas  wir  ancb  nvf  dasjenige  anünierkiam  nnehen, 
was  es  un  l  -  !'!rr'  i  seines  Zieles  hindern  wird  uutl  eine  zweite  Auflag^c 

leicht  beseiiigeu  kann.  60  fehlt  dem  Wedie  die  rechte  Übersichtlichkeit.  Die 
OapHel  nnfiMen  zuia  Theil  m  vielerlei,  mm  Tbefl  sind  die  Titel  der  14  Oapitel 
nicht  zweekniilßi»  ffowäblt  (z.  B.  Burq;enban  und  Klostergrilndung,  Allerlei 
Kämpfe,  Ueidenkämui'e,      gibt  nur  a  Kaieeratadt  u.  äA  Man  sieht,  die  nah«-  . 

Seiegenen  Titd  sind  abriebttiek  gemieden.  Ein  groBer  Übebtead  ist  fener 
er  Manfffl  eines  Sadüegisters.  Die  Folqfc  ht.  dass  selbst  der  in  der  Ge- 
achichte  Bewanderte  gar  nicht  so  leicht  oder  mindesteuji  nicht  rasch,  ge> 
wisse  Personen  oder  Ereigniase  in  dem  Buebe  flndet.  In  formeller  Hinsiebt 
schadet  der  leichten  Leäbarktit  nnch  die  Vorliebe  des  Verfasser«  für  das 
Komma,  das  er  gegen  alles  Heikonunen  statt  des  i^emikolons,  ja  statt  des 
Punktes  gebraucht,  und  besoadcn  In  den  eBsten  Oapitebi  daa  Sbeben  nach 
einer  gewis.sen  al'- iTlulmliehen  Schreibart,  da.«  -  man  mtiss  e«  sajrcn  —  nicht 
naturgemäß  kiingi  und  die  c>ache  nicht  fördert.  Vielleicht  enütchlietit  sich  die 
VeHagsbandlung,  fllr  die  ilt^re  Zeit  eine  griUere  Anzahl  Bilder  schneiden  za 
iMscn.  Dann  wfire  es  mdglich,  die  Bilder  an  die  Stellen  des  Buches  einzn- 
fügen,  wohin  sie  kraft  des  Textes  gehören.  Jeut  niad  z.  B.  Bilder,  die  das 
16.  Jahrhundert  ▼eranschaulichen,  dert,  wo  der  Text  die  BnbenbetgeiMit  be- 
handelt. Das  8t»rt.  Nicht  mir  !  r  nm  das  auch  im  Interesse  einer  zweiten 
Auflage  zu  erwähnen  —  die  dewoliutieit  des  Verfassers ^  Jahreszahlen  mit 
Buchstaben  /.u  .schreiben  statt  mit  Ziffern.  All  das  liest  Sidl  ebne  Schwierig- 
keit bei  einer  Neuauflaj^^e  ändern,  ün.sere  Anzeige  wäre  aber  nnvollständifj. 
wenn  wir  nicht  auch  des  (ieistw»  gedachtea,  ia  dem  das»  Buch  abgefasst  ist. 
Der  Verfasser  siebt  die  TOrmärzliche  Zeit  nicht  in  den  Farben,  in  denen  sie 
die  meisten  der  Zeit!reno«9en  oder  z.  B.  daa  Jahr  1S4B  anb,  und  die  Bewegting 
des  Jahres  ist  ihm  sehier  eine  ToUe.  W. 

Crrohmaiin ,  Das  Obererzgebirge  und  seine  Hauptstadt  Anuabeig  iu 
Sage  und  Oeeclilehte.   Annnberg,  H.  Graeer,  IS^. 

Eine  erfreuliche  Erscheinung  des  dt  ut.schen  Büchermarktes,  narbabmens- 
wert  in  jeder  Hinsicht!  In  populärer  l'assung  worden  alte  tragen,  die  aich 
an  das  Obercrzgebirge,  insbesondere  an  AnnaMrg  kntipfen,  vnd  voUtsUeder 
aus  dem  Obercrzgebirge  im  Dialeet  mitgetheilt,  in  abgerundeten  Bildern  die 
wichtigsten  BaadenkmiJe  der  Stadt  bis  ins  Einzelne  geechiidert  und  frühere 
CiiltnnnstSnde  sowie  alle  BreigniMe  geecbiebtli^er  Art  quellenmäßig  vorge* 
führt.  i.  auf  Annaiierger  Boden  abgespielt.    So  ist  ein  Buch  gesohatl'en, 

daä  aus  Liebe  zur  Hmmat  erwachsen,  Anh&ncliohkeit  an  die  Ueimat  in  die  ' 
jugendUeben  Heuen  sien  wird.  Wie  wenig  deatsche  SIfdte,  Tollaeiober  nad 
auch  ge.schichtli(  b  bcdeiit.samer  als  Annaberg,  können  ihrer  Jugend  ein  solch 
lehrreiches,  historisches  Buch  in  die  Band  geben!   Wie  wenige  Schulen  in  der 
hier  geleistetea  Art  WeltgescUebte  mit  StadtgeKohicbte*  Terknttpfen  und  eo 


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jene  dnich  diese  der  Jugend  nahe  bringen!  Dies  Bach  wird  sehr  bald  kein 
Scbttlor  Aanaberffs  bloe  als  jjScfavlbvoh"  betraohten;  es  wird  iJun,  berangewacluien, 
em  «BiNih  ftn  Leben"  aeuif  em  FanuUeiip  mid  HaiulNUh.  W. 

W.  Heing,  Obrittoph  KoUmbis  und  die  EstdeekiiBr  Anerik»«. 
Humorei^Lliideii,  Utaaz  ind  Lauf,  1898  (1  IL), 

Pas  kleine  fächriftcben  iT4  Seltt-n';  cr/flhlt  der  T  ir.rixi  die  ^chicksalo  und 
Entdeckun^reisen  des  Kolumbus  in  schlichte  Form  und,  da  es  sich  dabei  an 
bewährte  FachschriftsteUer,  bmnders  Sophns  Roge  anlehnt,  frei  von  den 
vielen  entstellenden  Fabeln,  die  sich  nrn  das  Leben  des  Entdeckers  gerankt 
haben.  Etnerehend  wird  inshesonderc  all  das  g'pschüdtrt,  was  Koluntbus  m 
der  Lborzeugung  brachte,  der  Seeweg  naeli  Indien  müsse  sicli  auch  durch 
eine  Fahrt  nach  Westen  erschließen  lassen,  «md  er  sei  von  der  Voisehungr  be- 
stimmt, diesen  Weg  aufeufinden.  Stellen  ans  den  Propheten  b<^os:  in 
diesem  Olaabcn  auf  sich  and  sein  Werk.  Auch  das  ist  recht  hübsch  dargethan, 
wie  Kolumbus  durch  verscbiedeiiartige.  bei  Qmi  feststehende,  unrichtige  Meinnngen 
doch  in  seinen  Unternehmungen  geuJrdert  wurde.  Lehrreich  sind  endlich  die 
mitgetheiltcn  Notizen  Uber  die  entdeckten  Länder  und  die  Fahrt  aus  dee 
Kolnrabiie  Tagebncsh.  W. 

(kistbeck,  Geographie  fttr  Volksscbnlen.  3  Theile  (^35  Pt).  Aufl. 
Xtncbeii,  Oldenbourg. 

hl  drei  Theilen,  ausgehend  von  dem  enserea  Vaterlande  (Bajem),  fort- 
schreitend zu  Deutschland,  abschließend  mit  qen  anßerdcntccbcn  Landschaften 
und  den  Welttheiicu,  tllhrt  (ieistbeck  den  f&r  die  Volksschule  geeigneten 
Lehntoff  tot,  indem  er  ibn  dnreh  Ueine  9daa«i  ireimnaehaidiclit.  BaTem  nnd 
da,s  Pent^-che  Txcich  /erlebt  er  in  gcographiFehe  Individualitäten  und  verbindet 
in  der  lebneicbsten  Weise  die  pbysig^e  mit  der  politischen  GeogiapJiie,  über* 
an  auf  den  OawwihniMtimffenhaDg  beider  binweieend.  Sein  DiepoiinoiiaBdiena 
entspricht  der  wissenschaftlichen  Behandlung^  der  Ländcrrftume.  Was  dem 
.Buche,  wie  allen  Schriften  Geistbecks  zur  Zierde  gereicht,  ist  die  Klarheit  der 
Darstellunf^  und  die  Rücksichtnahme  auf  die  Forderungen  des  praktischem 
Lebens.  IlnvoUkompaienheiten  bemerkt  man  nur  wenige«  ao  i.  B.  einige  in 
der  Darstellung  der  politischen  Geographie  Österreichs.  — r. 

Antbropologie.    Der  mem^iche  Körper,  sein  Ban  nnd  seine  Thätigkeiten. 

«largreetellt  von  E.  Kebmann,  Professor  am  Oyninasitim  in  Karlsruhe.  Mit 

30  Abbildungen  und  1  Tafel  Stuttgarti  G«  J.  Göscheosche  Verlagsbaodlon^. 

100  Seiten.    Preis  8Ü  Pf.  ' 

Ein  kurzgefasstes  Lehrbuch,  das  auch  für  dea  Selbstunterricht  geeignet 
ist,  ^  es  das  Wichtigste  über  den  menschlichen  KSiper  und  sejne  Functionen 
in  klarer  und  bttndiger  Weise  enthalt.  Die  Abbildungen  sind  recht  gnt  nnd 
zur  Edäuterung  voUkommen  ausreichend.  I>ie  beigefügte  Tabelle  über  die 
Nahnragamittd  ist  ledit  instnietiT.  C.  B.  B. 

DeuUehlands  Tbierwelt  in  Bildern.  Fttr  di«  felfera  Jugend  sntaiuBeii- 
CWtettt  T«i  Ad.  Hammer.  Utt  168  Abbfldmigeii,  Leipdflr,  Beriin,  Wien. 
Verlag  toh  JaBuB  KUnUmrit  XTI  imd  464  Selten.  Preis  5  M. 

Aua  den  besten  Werken  thcils  wortlich  entnumuieu,  theils  gekürzt  oder 
umgearbeitet,  bringt  der  Yertasser  eine  große  Zahl  von  Thieren  aller  Gruppen 
in  sehr  interessanter  und  lehrreicher  Weise  zur  Anschauung;  sehr  g^te  Uln- 
strationen  unterstützen  in  vortrefflicher  Weise  den  Text.  Die  am  Beginne 
des  Werkes  befindlichen  Aufsätze  allgemeiner  Natur  sind  höchst  bcachtcnsr 
wert,  wie  das  Wanderleben,  die  Starke ,  die  Sprache  der  Thiere  u.  s.  w.  Dasa 
iler  bühcrcn  Thienrelt,  isabesondere  den  Säugcthieren  und  Vi*<^eln  der  gi66te 
Theil  des  Buches  znprcivies<?n  ist  (faat  zwei  Drittheile)  wird  jedermann  ?ut- 
h^n,  doch  sind  auch  Bilder  aus  der  Insectenwelt  recht  zahlreich  vorhanden. 
Die  Awakattang  des  Werkea  iet  bSobat  aoigfSltiir,  der  Pieia  rdativ,  bei 


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schönem  Einbände,  billig  zn  oenuen.  Schiller  und  Lehrer  u erden  an  dtiu 
Werke  gleich  gro6e  Freode  kabea,  «id  dnawlbe  wirt  M  in  vcrdiomter 

Weise  viele  Frcwndr»  erwerbfn.  ('.  K.  ){. 

Die  Thierwelt  iiatii  ihrer  Stellung:  in  Mytholog^ie  und  Volksglauben,  in  Sitte 
und  äagc,  in  (iescliickte  und  Lltteratar,  in  Spridiwort  und  Volksfest.  —  Bei* 
trige  nr  BMmg  im  ifttiuitiuidUcheii  TJatertiehtos  and  nr  Pflege  einer 
sinoigeii  Natorbetnditoiif  IKr  SdiBto  ittd  Hans;  genmiiMlt  and  hfirftaf> 

gpgeLen  von  Carl  J.  Steiner.    Gotha,  Verlag  von  C.  F.  Thienemanns 

Hoibuchhandlnng:.    XII  und  '^2A  Seiten.    Prei?  4  M,  20  Pf. 

Der  VerliiÄScr  wollte  kein  Lehrbuch  der  Tluerwelt  8chreil)cn,  sondern 
uunndte  nnr  mit  Eifer,  wo»  im  Tolke  der  Q<^nwart  und  Vergangenheit  an 
AnsHprflrhin  über  einzelne  Thiere  vorhanden  war.  yr^iou  es  Sprif  Hwörtcr  oder 
(U'dirht^  uiler  Erzählungen  oder  Sagen.  Es  ist  aloo  das  Buch  eine  Art  Lese- 
))U(  h  über  das  Thierreicn.  dos  aber  mitunter  in  recht  aniieheuder  Form  Wahr- 
bciton  iilxr  das  Leben  ȟiJ  den  Charakter  d*'r  Thiere  vorhrinpt,  welche  wir 
in  t'iui^r  gystemaiisehen  Züulugic  oder  iu  Si  liildcrungen  ilbcr  d.u»  Thierlebeu 
Tergebens  suchen  würden;  das  Volk  ist  •  '  i  in  tauscni^äliriger  Beobaditer 
und  fördert  dalxi  main-lK'S  KichtiL^o,  freilirli  lun  li  iimnchr.s  Falsche  ziit:i2:(\  wn« 
sich  recht  gut  beim  iiatnrhi^toniH^heu  Wiiterricht^;  ciii»ireuen  läset,  ohne  das 
Wesen  desselben  in  ntor. n.  Das  Werk  soll  nicht  bloü  ein  UnteriialtttngsbiieiL 
sein  (obgleich  nn  vii  len  Stellen  einen  solchen  Charakter  Hnnimnit),  «ondern 
auch  in  angenehmer  W^eise  belehren.  Wir  glauben  daher,  da&s  iiir-hr  bius  der 
Naturhistonker  dartn  Stoff  findet,  sondern  auch  der  Sprachunterricht  dvnli 
dasselbe  in  anjfenohmor  Weise  gefördert  werden  kann.  Vor  allem  aber  aner- 
kennen wir  das  Bestreben  des  Verfassers,  die  Liebe  tar  (<i>tt«s  schöne  Natur 
SV  erwecken.  Wir  empfeUtti  Lehrern  Jeder  Kategorie  da.^  Werk  zur  Be- 
nutzung, jeder  wird  etwaig,  mancher  Vieles  darin  fflr  aidi  su  benutzen  findoi. 
Die  Ausstattung  ist  sehr  schön.  C.  K.  K. 

Leitfaden  fllr  den  Ansehanangeanterricht  in  der  Physilc.  Von 

Dr.  Max  Pieper,  Oberlehrer  am  beraofliclien  FriedildiB>Gyouia8iQ)n  zu 

Dr^s^an.  Dnselbst,  Veriagebaohbandlong  Ton  Fa«i  Qauaanii.  YIU  n.  öö  S. 

Preis  60  Vi. 

No*li  ein  lihysikaiisches  Lehrbuch!  So  sagt  der  \'erta.'s;scr  selbst  üui  Be- 
ginne seines  Buches,  und  wir  uiöckten  den  Ausruf  wiederholen.  Kleiner  Leit- 
fäden für  diesen  Zweck  gibt  es  so  viele,  dass  kaum  mehr  etwas  Neues  ge- 
boten werden  kann.  Doch  so  denkt  der  Verfasser  nicht.  Er  nimmt  einen 
neuen  Standpunkt  ein.  Für  ihn  ist  das  Experiment  nicht  die  Grundlage  des 
physikalischen  Unterrichtes,  er  perhorrescirt  dasselbe,  weil  —  die  Apparate 
gebrochen  sein  können,  oder  der  Lehrer  nicht  die  nöthige  Zeit  hat,  sich  für 
das  Experiment  eiuxuüben.  Wir  halten  diesen  Standpunkt  für  verfehlt.  Aller- 
dings kann  man  sich  auf  manche  Erscheinungen  des  Lebens  berufen  und  sie 
gleichsam  wie  Experimente  besprechen,  aber  wie  vielen  Schülern  wird  da  die 
Anscliaiituii?  mangeln!  Bei  vielen  Partien  des  Unterrichtes  werden  die  Experi- 
mente oder  doch  das  Vorzeigen  der  betreffenden  Apparate  zum  mindesten  in 
gitten  Abbildungen  sich  nicht  umgehen  lassen.  Man  sehe  nur  das  Capitel 
•  von  der  Verwendung  des  elektristiirn  ."^troiuos  an,  wie  niag-er  sieht  das  im 
vorliegenden  Bache  an«;  wie  soll  der  Schüler  ein  Telepbon,  einen  Telegraphen 
verateiieB ,  wem  er  niehts  Derartiges  (tcschen  hat?  "Wie  sieht  es  mit  deir 
Ojitik  aus,  wenn  die  .^tliiiler  g^r  nichf.<  dav.Mi  a'esehen  haben.  I>ass  man  mit 
dem  Experiment  Maü  halten  soll,  geben  wir  zu,  dacs  schlechte  Experimente 
stt  Teirrerfen  sind,  ist  gewiss  wahr,  aber  darum  mll  man  das  Kind  nielit  mit 
dem  Bade  v»  rH'  hütten.  Der  vollsten diare  M.uitrel  an  TIlustrati<>nen  erklärt  si<  h 
ans  der  Ansicht  des  Verfassers.  Dei  bcigegebcne  Anhang:  Beobarhtoagen  am 
Himmehselte  ist  tedit  gut,  doeh  Ar  die  Stnft,  Ar  wddie  das  Bach  ga> 
silirirlien  ist,  etwas  weitgehend,  wenn  mnn  i  leh  erklären  will,  und  paMt 
eher  in  eine  phjBikaliscbe  Geographie  oder  allgemeine  Nataiioiade. 

0.  B.  B, 


i 

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—   US  — 


Kfih],  J.  H.,  Lehrer  äer  Gewerbeeclmle  zn  Hamburg;:  Grundrißs  der  Geo- 
metrie. I.  Planimetrie,  94  Seiten,  12.^  Fifriireu  im  Text,  1  M.  40  Pf. 
II.  Sterpometrie.  1H5  119  Fisr..  1  M.  80  Pf.  IIL  Trigonometrie,  U9S., 
62  Fig.,  2  M.   iJresdüU,  Kühtmuuu. 

Ks  ist  schon  früher  ein  ähnliches  Lehrbuch  desselben  Verfassers  bei  einem 
anderen  Verleger  erschienen,  und  wir  wnren  schon  dauab  im.  der  iMgt,  die 
Arbeit  tbs  Yerfiissers  mit  Aiicrkennune  und  Zustimmung;  zu  besprechen;  e-i 
waren  nur  ciuigi)  geringe  MiiugLl,  welche  wir  anmerkten,  und  auch  diese 
finden  \s  ir  im  Vorliegenden  grüßtcuthcils  behoben.  Der  luBeren  Furm  lueb 
ist  der  Verfasser  dem  hergrebrachtm  Halnürn  von  Vorans^sotrnno;,  Bebaiiptuuir. 
Beweis  treu  geblieben,  hat  aber  dabei  doch  verstanden,  die  geometrische 
Zeiehenepraehe  in  elfte  leleht  venrtftndllcbe  Wortsprache  lifsSbenulefteo.  Die 
.allgemeine  Gewerhcschule  und  die  Schale  ftbr  Bauhandwerker**  in  iramlMHir. 
deren  JLiehfer  der  Vcrfafisei  ist,  scheint  einen  hervorrefenden  Platz  unter  den 
tedmiseheii  Lehranstalten  einrandimen;  denn  dieses  Lehrbeeh  der  Plarfbnetrie, 
welches  der  Verfasser  zunSchst  wol  für  i^vlm-  Anstalt  ''tstimmt  haben  mochte, 
ist  in  Bezug  auf  ümtang  und  Stoffvertietuug  hinreichcud  weitgehend,  um  den 
Anforderungen  aller  höheren  Schulen  zu  gouügcn.  Es  ist  anch  aus  der  neueren 
Geometrie  Sber  luuanoiusche  Theilniig  nid  Giiofdflle  a.  e.  w.  die  Ar  die  Schute 
5dthigc  herangezogen. 

Der  sweite  Theü,  die  Stereometrie,  ist  womöglich  noch  griindiicher  und 
ansftllniieher  bebud^  de  der  erste  Theü»  Damanfudi  vemlieBt  bervorgehc^en 

zu  werden  die  sorgfältige  Darlegung  über  die  Bestimmung  der  Entfernung 
und  des  Winkels  von  windschiefen  Geraden,  sodann  der  Formel  von  Simpson 
und  dbieu  mannigfacher  Anwendung.  Ganz  besonders  wertvoll  ist  gerade  für 
diesen  Theil  die  sorgfältige  Entwertung  and  Ausführung  der  Figuren,  welche 
völlig  als  eine  musterhafte  zu  bezeichnen  i^t;  die  Darstelluni;  dps  Kloster- 
und  Kreuzgewölbes,  dann  der  Schnitte  des  ivegela  durch  verschiedene.  Ebenen 
smd  wmaa^kh  entworfsn  wd  nusgelllbrU 

Der  dritte  Theil  liegt  uns  zum  erstenmale  vor,  er  enthält  die  Trigono- 
metrie, bei  welcher  der  Verfasser  den  praktischen  Weg  einschlägt,  nachden* 
die  \\  inlieil'uuctiuutiu  als  Strecken verbältnirae  der  S«iten  eines  reehtwinkeligeu 
Dreieckes  erldftrt  worden,  sofurt  /or  Auflösung  rechtwinkeliger  Dreiecke  und 
derrn  .\nwendung  nnf  (rleichschenkclige  Dreierkc  wnd  regelmäßige  Polygone 
tiber/sugebcn.  Erst  nachdem  sich  der  Schüler  aut  diese  Art  mit  den  Wmkel- 
fttnetionen  des  ersten  Quadranten  vertraut  gemacht,  kommen  dieselben  auch 
als  Strcfken  zrir  Darstellnnir  und  wird  auf  die  Functionen  der  Winkd  in  - 
liebigen  (Radianten  übergegangen.  Es  lolgt  die  Goniometrie  und  die  Aui- 
ISsung  scfaiefirhikeliirer  Direiedte.  In  ehiem  Anbiiige  werden  die  wiehtigsteh 
Lchreti  der  splulri'-clien  TriiTonometri«- ,  unknüiifend  an  die  Figen.cehaften  der 
körperlichen  Ecke,  mitgetheilt,  wobei  sich  der  Vertass^  allerdings  auf  das 
Nächstliegende  besehrftnkt.  —  man  findet  ia  aUen  drei  Tlieüett  des  Werkes  ein 
B^r  reiches  Übungsmaterial,  gut  gewählt  und  zweckmäßig  eingeordnet.  Be- 
sonders in  der  'IVignnometric  wurde  mit  der  Lösung  von  Aufgaben  so  weit 
gegangen,  al^  cb  bei  dieser  Stufe  Überhaupt  möglich  ist,  wir  fanden  da  manches 
dsBiyeinsBer  Eigen  thtafiobe  oder  auch  seltener  Vorkommendes  wie  s.  B.  die 
Berechnung  der  Halbmesser  der  Ankreise,  die  Berechnung  einer  uuztigfiog^ 
liehen  Höhe  aus  Visnrcn  in  verschiedenen  Ebenen.  -  Wir  m&chtcn  dieses  Lehr- 
ndttel  recht  sehr  der  Beachtung  d<  r  l'achcoUegen  empfSehlen,  nicht  Mos,  weil 
leirht  fa.sslieh  und  mit  cfToB'-r  Klarln'it  aLm'fasst  ist.  i^OTidfrn  hanptsaclilich, 
weil  ans  der  Vertasser  besonders  glücklich  das  Maä  dessen  zu  treten  scheint, 
was  den  Sebfilem  bOherer  Scbvlen  Ten  diesem  Gegesstibide  anflnrnehmai  su- 
gemuthet  werden  kaim.  E*  «'heint  nn>  die-  (  in  TUich  zu  sein,  an  welchem 
der  Lehrer  A  erbessernngen  zu  machen  nicht  nüthig  hat,  so  daae  an  dioseru 
Bvriie  LeJuer  vaA  SchtUer  ibre  Freude  baben  kitanen.  H.  E. 


TttntwwtL  Bsiaoliar  Dr.  Frledriok  Dltt*t.  Bmliimk««!  Jallas  Kliakkardt,  Leiprii;. 


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'^bien,  »itb  eine  SRenge  fruc^tbrinaenbec  ä^ebanfen  barin  finben  unb  es(  nicbt  obne  &e' 
mm  na  %a  ^«ah  I^en.  &  fei  (ienitit  acßenl  empfohlen." 

^Btt«^  gttflft  bet  St.  »flrttemSerft.  ftnttogminiftetioi'gftteüimfl  tc.  tom  24.  Septtin» 
^1891  fl.  4s(h;  ut  t)a>3  l^ud)  idintltd)iti  >Kcftoraten  ber  &t)mrm^tn,  WeolflUmnafien  nn^ 
^lanftalten  joipie  be»  goTfielKramteni  ber  gatein  -  unb  ^Kcalfdntlcn  unb  fSinthdicn 
i§t>«nloinmiffiomtt  j^t  «nfc^offung  fflt  bie  ©d^mbibliot^eten  refp.  bie  ^e^rmittcl 


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l«lcl)t<^{n1iRdllc^.lrc  l  biilitei« 

Cla\ierschuic 

fit  in  'OK 

A.Gerstenbcrqcr 

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$c(itf(6,  Dr.  Z.,  fititrSgr  ;Dr  ifttltioiilt  litt  gto- 
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3.  von  C.  F.  Peters  in  Leipzig.  ^^^^1^ 


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Erziehung  und  Unterricht. 

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TOD 

17.  Jalirpi 
3.  Heft,  Secember  1891 


Inliftlt  des  3.  Heftes. 


Seite 

Dm  Empfinden.  Von  H.  F.  Walsemann-HMnlmig   t4b 

Wider  die  SprachverwUdenuig.   Bm  ««ItgemiBee  Befent.   Yen  Wilhelm 

Tasclick-Vnslaii   167 

Hygiene  und  Emebung.   Ihre  Anwendung  zur  wirk^^ainen  Bekämpfang  dM 

Idiotismus.   Von  Bector  0.  Hincz-Berlin  (Sciiiussj   107 

Schttlgcächichtliches  aus  dei  Scliweiz.   Von  Dr.  Morf-Winterthur   181 

PUagogiBche  BnndflehaiL  Aus  dem  OraSfieziogtbam  Baden.  —  Ans  ElsaeB- 
Lotblingcn.  —  Breinea.  —  Aus  der  Schweiz.  —  Bosnien  und  HenogO- 

wiua.  ~  Otto  Tiench  f.  —  Dr.  Hennann  Preii  f.  —  Unvergemen .  .  190 

Aus  der  Fachpxeflfid   204 

Kecensionen   208 


Momiem«tt*Ml  pro  Quartal  2.28. 

AUe  Buchhandlungen  und  Postanstalten  nehmen  Bestellungen  an. 


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D  er  Zweck  alter  Bildnag  ist  die  Scliöpfimg  und  Ausgestaltaiig 
der  Innenwelt  d«i  Menschen.  Ti*äg«r  der  letzteren  ist  die  Seele.  Die 
lil»giifih^<ik|  im  meDBehlicben  Seetoweeen  eine  Welt  innertr  Lebens- 
tnmen  «t  flKuagen,  Hegt  begrQndrt  in  dem  infieron  San  und  GeBohehen' 
«inereeitB,  in  der  S^taoeitftt  dee  Seeleoveeens  aaderawitA.  Die 
Antenwelt  Tsprtmntiit  eine  nnendliehe  MaanigfUtlgkeit  von  Sab- 
iIiaMB.  Jede  derselben  enseogt  getriaae  EiregnngBSDBtande,  dm^ 
irdehe  ato  die  Eigenart  ihres  Weaena  der  ümgebnng  gegenüber  rar 
Mtong  bringt  So  tfbt  die  ponderable  Materie  liberbaapt  Asaehnngs- 
kiaft  aas»  wekfae  in  Terachiedenein  Formen  sich  iMaam  erweist  Die 
ttaendaii  Substanzen  'vemrsachen  Lnftschwingungen.  Die  Temperatur 
der  Stoffe  yeraetet  dem  alles  durchdringenden  Äther  in  oseiUirende 
Bewegnng.  Dasselbe  imponderable  IBttel  wird  in  erhöhtem  Maße 
erregt  durch  leuchtende  und  farbige  Substanzen.  Das  Tropfbai'flüssige 
bietet  Aiilass  zum  Gescliniack.  Das  Gasförmige  verbreitet  Geruch. 
Außerdem  wolmt  den  Stoffen  das  Bestreben  inne,  unter  günstigen 
VerhältnisiieM  chemische  Veriindemnn^eii  einzugehen. 

In  Rttcksicht  darauf,  dass  die  änßer*»n  KrregungszustÄnde  ein* 
Anderes  zu  erre<^en,  es  ihrer  Natur  g'einäß  zu  bestimmen  streben, 
werden  sie  als  Heize  oder  als  wirkende  Kräfte  an<resf^ben. 

Der  Mensch,  ein  Glied  der  Außenwelt,  ist  den  äußeren  Reizen 
besiändiof  Hu>gesetzt.  Zunächst  wirken  dieselben  vielfach  auf  den 
mat er  1  eilen  Körper  ein.  Dieser  wird  in  mehrfacher  Beziehnn^ 
bestimmt  durch  meclianische  Kräfte;  ebenso  ist  er  magnetischen  und 
elektrischen  Einwirkungen  zugänglich;  auch  kann  er  von  außen  er- 
wärmt werden;  zudem  wird  er  beleuchtet  nnd  zeigt  Gestalt  und  Farbe; 
^dlich  ist  seine  Existenz  bedingt  durch  mancherlei  chemische  Processen 
welche  ohne  die  chemischen  Neignilgen  der  ihm  nigel&hrten  Stoffe 
aifibt  vor  sich  gehen  könnten. 

Aber  auch  die  immaterielle  Seele  wird  von  den  äoßeren  Beizen 
attcirt  Freilieh  kann  dieses  nicht  nuvennittelt  gesdkehen;  denn  die 

VMiffOffhM.  U.J^.  B«ftm.  10 


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—   146  — 


Seele  und  die  äußeren  Substanzen  sind  verschiedenartij^e  Wo^^en,  so- 
dass die  ErregungszustÄiide,  welche  in  diesen  ihren  Ursprung  haben 
und  deDselben  dalier  angemessen  sind,  nicht  zugleich  auch  dem  Seelen- 
iresen  an^mesaeo  sein  kdanen.  £i  bedarf  also  einer  Vernüttelung, 
einer  Umsetzung  der  äofierea  Err^ganganistande  in  Reizformen,  welche 
geeignet  und,  das  Seelenwesen  zu  erregen.  Die  dem  Seelen wesen 
angemessene  Beizform  ist  der  elektrische  Erregnngssaetand. 
ElektriMbe  StrOme  dorehfliefien  beetftadig  die  Nerven.  Letztere,  8e> 
weit  sie  bei  derlSmiigiing  einer  Innenwelt  dorcb  Aiiftere  Einwirkungen 
in  Betradit  kominen,  verbinden  die  geeammte  Peripberie  des  K0rpers 
mit  dem  Sila  der  Seelen  Dort  findet  die  Umsetinng  der  SnlteraD 
EmgugaBiutitaide  atatt;  hier  gelangen  die  Torinderten  Beiifonnca 
mm  wirksamen  Angriff  auf  das  Seelenwesen.  Jene  ümsetnong  aber 
besteht  darin,  dass  die  yerscbiedenen  äußeren  Sebse  in  besonders  em« 
gerichteten  Organen  (den  Sinneeorganen)  aar  Einwirktmg  anf  die 
Nervenenden  gelangen  nnd  non  ihrer  Natnr  gemlB  die  elektrüBehea 
Strome  erregen.  Die  äußeren  Beissnstände  gehen  mithin  ii 
elektrische  Erregungszustände  über.  Diese  erreichen  in  vnd 
mit  den  Nervenströmen  die  Seele.  Letztere  empfindet;  sie  wird  in 
elementare  Zustände  versetzt,  welche  als  unmittelbare  Wirkungen  der 
elektrischen  Erregungszustände,  als  mittelbare  Wirkungen  der  äußeren 
Reize  anzusehen  sind.  Als  seelische,  einem  immatei  iellen  Wesen  an- 
haftende Zustände  sind  die  Empfindungen  den  äußeren  Erregungs- 
zustände unvergleichbar.  Der  Zusammenhang  zwischen  beiden 
ist  eben  em  iirsÄchlicher,  kein  inhaltlicher. 

Di©  mögliche  Manniß:f'altigkeit  der  Empfindungen  ist  eine 
unendliche.  Nicht  allein,  dass  in  jedem  Augen)>1i!'ke  viele  Nerv>^n- 
stränge  arbeiten,  um  die  große  Zahl  verschiedenartiger  Reize  zu  über- 
mitteln, sondern  auch  der  einzelne  Empfindungsnerv  bringt  gleich- 
zeitig ein  Vieles,  ein  Gleiches  und  auch  ein  Entgegengesetztes  zum 
Angriff  auf  das  Seelenwesen.  Hierzu  kommt  die  mannigfaltige  Ver^ 
ändenmg  der  Außendinge,  wie  sich  dieselbe  in  der  Zeit  Tollzieht  und 
der  reiche  Wechsel  der  Umgebung.  Jene  wie  dieser  erhöhen  die 
Hannigfiütigkeit  der  Einwirkung  auf  das  Seelenwesen;  sie  bewirken, 
dass  dieses  aaeh  zu  verschiedenen  Zeiten  den  verschiedfiDSten  Ein* 
Wirkungen  an^gesetzt  ist 

In  Anbetracht  sowol  der  großen  Zahl,  als  auch  der  Yerschieden- 
artigkeit  nnd  Qegensätslichkeit  der  Sinnesreiae  kann  nicht  erwartet 
werden,  dass  der  einselne  Beia  im  Beginn  sehier  Einwirkung  sogleich 
eben  klaren  inneren  Zostand  herromtfe.  Dieses  kann  uDsowsvigflr 


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der  F9ä  sein,  als  diejenigeii  Beize,  'welche  von  entfernten  Objecten 
ausgehen,  zu  einer  Tollkommenen  Einwirkung  auf  die  NemnatrOme 
erst  dann  gelangen  können,  nachdem  die  betreffenden  Sinneaoi^Eane  auf 
die  leiaenettgenden  Objeete  eingestellt  und  eine  der  jedesmaligen  Ent- 
femnng  angepasste  Fenn  angenommen  haben.  Die  sinnliche  Ein* 
wiitmig  inrd  sJso  sonAcfast  noch  keine  Uaren  Einzelznstlnde,  sondern 
nur  erst  dnnkle  Oesammtmstinde  enseogen  kOnnoi;  nidit  eine  Ifannig- 
iUtigkeit  ohjeetivirter  Empfindongeni  sondern  eine  Gesammtheit  blos 
istenalTer  Sinneseindracke  wird  nrsprünglieh  die  Wirknag  der  je- 
weiligen BeizstrOme  sein. 

Der  Erwachsene  froQich,  besonders  wenn  er  sieh  in  det  gewohnten 
Umgebung  befindet,  merkt  nichts  Ton  oomplicirten  verwirrenden  Qe- 
aanunteindrtteken,  wie  das  Kind  znnftchst  solche  empfängt.  Für  ihn 
liegt  dfo  Anftenwelt  von  Yomherein  klar  nnd  gegenstftodlich  vor  seinen 
Sinnen  ausgebreitet,  und  ohne  besondere  Mühe  ist  er  imstande,  in 
rascher  Aufeinanderfolge  das  Einzelne  darin  an  seinem  Orte  zu  be- 
trachten nnd  sich  der  Ersclieiuung  desseUxm  bewnsst  zu  werden.  Eine 
ge^v^sse  Schwierigkeit  in  der  Auffassung  macht  sich  aber  selbst  dem 
Erwachsenen  bemerkJich,  wenn  er  in  eine  ihm  bis  dahin  noch  un- 
bekannte Umgebung  versetzt  wird.  Nehmen  wir  diesen  Fall  so  an, 
dass  die  fremde  TTmgebnn*^  eine  pri'oße  MannigfaUigkeit  von  (xestalten 
ttiid  eine  reiclie  Jj'arbenpracht  widersi)ieo'elt,  und  dass  vielleicht  dazu 
noch  Schälle  von  nngpwr>lmlicher  BeschaÜeuheit  sein  Ohr  tn  il  - so 
wird  auch  der  Erwar]i>eiip  Mühe  haben,  sieh  im  ersten  Augenblicke 
all  dieser  fremdartigen  Emdriicke  zu  bemächtiirf'n.  Sie  werden,  wie 
man  sich  auszudrücken  pflegt,  „auf  ihn  einstürmen ,  ^seine  Sinne 
gefangen  nehmen'',  „ihn  in  sprachloses  Erstaunen  versetzen".  In  einer 
ähnlichen  Situation  tiibrt  z.  B.  r^oethe  seinen  „Sänger"  vor  und  legt 
üua  dabei  die  Worte  in  den  Mond; 

»Welch  zeidur  HinmeU  Sten  hei  Stemf 

Wer  kennet  ihre  Namen?  — 
Im  Saal  voll  Pracht  und  Herrlichkeit 
schließt  Augen  euch;  hier  ist  niohi  Zeit 
sich  staanesd  su  ergötzen." 

Non  besitzt  Jeder  Erwachsene  bereits  eine  hedentende  psychologische 
BÜdiuig.  Sie  ist  es»  welche  ihm  bekannten  Dingen  und  Vorgängen 
gegoittber  ttber  Jede  Schwierigkeit  der  Anfihssnng  hinweghilft;  sie 
lerieiht  ihm  mdem  ehie  nicht  geringe  Geschicklichkeit,  anch  das 
mplidrte  Nene  sogleich  an  bestininiten  ftnßeren  Orten  wahrznnehmen 
mil  in  seinen  Einzelheiten  klar  zn  erkennen. 

10* 


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-   148  — 


W«it  sehwieiiger  ist  dagegen  die  Aaffassmig  fBr  ein 

Sedenweften,  auf  welches  die  AuBeiivelt  mit  der  Fülle  ihrer  Erregung»- 
mstlade  noch  nicht  eingewirkt  hat  Innere  Hilfen  Ar  die  P^rcsption 
der  Eindrucke  stehen  dann  nicht  sn  Gebote.  Wie  wird  es  da.  getingen, 
dudde  chaotische  Gesammteindr&cke  in  aDoi  Einzelheiten  an  klixea 
nnd  reich  gegliederte,  vidseitige  Stücke  der  AnJtenwelt  darin  zn  eiv 
hUcken? 

Die  KUruDg  eines  complicirten  Gesammteindrackes  und 
die  Ohjectivirnng  desselben  wird  in  jedem  Falle  mit  der  KUrung 
nnd  ObjecÜTirong  der  einzelnen  BestandtheOe  desselben  beginnen  mOawn. 
Der  thatsftchliche  Eintritt  und  der  natorgem&Be  Yerlanf  diesor  sneeea- 
ayen  ffimpflndnngsprecesse  liegt  objectiv  begründet  in  gewissen  Ver- 
schiedenheiten der  EmpAndnngsreize.  Diese  Yerschiedenheitea  sind: 

L  intensive, 

2.  qoalitatiTe, 

3.  extennve. 

DieEmpfindni^gsreize  besitzen  «mächst  einen  ganz  verschiedenen 
Stftrkegrad.  Iiichtstrahlen  z.  B.,  welche  von  licht^neUen  direct  ao»- 
gehen,  wirken  mit  grOfierv  Stirke,  als  die  von  nicht  leuchtenden  Sub- 
stanzen rellectirten.  Auch  ist  die  Lenchtimdt  verschiedener  licht- 
qoellen  sehr  versdiieden,  und  ^  Lichtstfirke  nimmt  überdies  ab  mit 
der  annehmenden  Entfernung.  Ahnliches  gilt  von  der  Wärmestrahlung. 
Nicht  minder  sind  Schälle,  Gerüche,  Geschmäcke,  Härten  und  Gewichte 
vieler  gntdaeller  AbstoAmgen  iähig.  Dem  Stärkegrsde  der  Ursache 
entspricht  aber  stets  die  Intensität  der  Wirkung.  Hithin  müssen  auch 
nnter  den  Theileindrflcken  eines  Gesammteindmokes  ebensoviele  und 
ebendieselben  gradnellen  Abstufhngen  statthaben.  Dadurch  wird  das 
ursprüngliche  Dunkel  des  Jeweiligen  Empfinduigscomplexes  insdBiii 
geMchtet,  als  die  stärkeren  Empihidnngamomente  sich  lebhaft  hervor^ 
drängen,  wohingegen  die  schwächeren  vorerst  zurücktreten  müssen. 
Hieraus  erklärt  es  sich  z.  B.,  dass  das  kkine  Kmd  ein  in  seiner  Um- 
gebung befindliches  Licht  vor  allen  Dingen  beachtet»  dass  ein  Beisender 
das  GroAartige  einer  Landschaft  zuerst  bemerkt,  dass  bei  der  Be- 
tracfatong  eines  Gemäldes  „etwas  in  die  Augen  fUlt**,  dass  die  Helodie 
eines  Tonwerkes,  wenn  sie  markirt  wird,  in  jeder  Stimmlage  hervor- 
tritt, dass  an  einer  versalzenen  Speise  stets  das  Salz  geschmeckt 
wird  etc.  — 

Auäer  durch  graduelle  Abstuftingen  wird  die  sinnliche  Auffassung 
wesentlich  gefördert  durch  qualitative  Verschiedenheiten  der 
Sinnesreize.  In  Bezug  hierauf  shid  folgende  Fälle  zu  unterschdden: 


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—   149  — 


1.  die  wkenden  fielze  sind  verschiedenartig;' 
8.  die  wirkenden  Beize  dnd  {gleichartig; 

a)  die  wirkenden  Beize  sind  einander  entgegengesetzt; 

b)  die  wirkenden  Beize  sind  einander  gleieL 

Die  Verschiedenartigkeit  (Disparität)  der  Sinnesreize  er- 
möglicht die  Unterscheidung  bestimmter  Reizclassen.  Licht-  nnd  Parben- 
reize  bilden  eine  solche  Keizclüsse;  die  Schallreizu  bilden  eine  andere, 
die  GerQche  eine  dritte,  die  Geschmäcke  eine  vierte,  Druck  und  Hurten 
eine  fünite.  Jede  Reizclasse  ist  der  Art  nach  von  jeder  anderen  ver- 
schieden. Die  Verschiedenartigkeit  der  Sinnesreize  bedingt  einen  ver- 
schiedenen Ran  der  Sinnesorgane.  Thatsäclilich  sind  die  letzteren  den 
verschiedenen  Reizclassen  an<repasst:  sie  sind  so  eingerichtet,  dass 
jedes  von  ihnen  im  Dienste  einer  bestimmten  Keizclasse  steht.  Infolge- 
dessen werden  die  verschiedenartigen  Reize  auch  als  verscinedenartig 
empfuiulcii.  Was  dnrch  Vermittelnng  des  Auges  das  Seelenwesen  an- 
g:i'eift,  wij-d  gesehen,  was  das  Ohr  en-egt,  wird  gehört;  Reize  anderer 
Art  werden  bezw.  gerochen,  bezw.  geschmeckt,  bezw.  „gefühlt".  So 
zahlreich  also  anch  die  Reize  sein  mögen,  welche  in  einem  Augenblicke 
anf  das  Seelenwesen  einwirken,  so  ist  eine  den  verschiedenen  Hciz- 
daasen  entsprechende  Gruppirung  der  Empflndangen  Ton  vomln  rein 
gegeben,  nnd  da  eine  Verschmelzung  der  Gruppen  ihrer  Dispantät 
halb^  ausgeschloss^  ist,  so  erfährt  der  complicirte  Gesammteindrack 
attf  diese  Weise  eine  dauernde  Gliedemng.  Das  erleichtert  nnd  tMeri 
die  Anflhssang  desselben  nmsomebr,  als  wir  nicht  nor  ohne  weiteres 
jene  disparaten  Qmppen  darin  nnterscheiden,  sondern  aach  anf  Grund 
dieeer  ünterscheidang  imstande  smd,  hehnft  KUbmng  des  Einzelnen 
(nne  emente  mid  vollkommenere  Th&tigkeit  d«ijenigen  Sinnesorganes 
n  veranlassen«  welches  bei  der  Erzeugung  einer  bestimmten  Empfin- 
dimgsgruppe  spedeE  hethefligt  ist.  So  schauen  wir  nach  dem  Gesehenen, 
iMmhen  anf  das  Gehdrte,  betasten  das  »GefAhlte**,  praflen  das  Gerochene 
oder  Geschmeckte. 

Gleichartigkeit  der  Sinnesreize  besteht  innerhalb  jeder  be- 
Bonderen  Reizclasse.  Beispielsweise  sind  alle  Schallreize  gleichai'tig, 
vie  denn  das  nämliche  Sinnesorgan  ihi  e  Empfindung  vermittelt.  Jedoch 
ffiwben  sich  unter  den  vielen  Scliiilhvizen  mehr  oder  weniger  bedeu- 
tende inhaltliche  Verschiedenheiien  geltend.  Theils  sind  es  Ge- 
räusche, tbeils  Klänge  nnd  Töne,  welche  anf  das  Ohr  einwirken.  Die 
Töne  wiederum  besitzen  di»'  verschiedenste  Höhe  nnd  Klang-farbe.  Audi 
Ättf  andi !  i-n  Sinnesgebieten  zeigt  sich  eine  oft  jr^^rin<^e.  oft  irroße  und 
«ehr  große  Verschiedenheit  der  Reize.  Auf  das  Auge  wirken  die  ver- 


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—   160  — 


Bcbiedensten  Licht^nalitäten,  auf  den  Tastsiuii  die  verschiedensten 
Härten,  auf  den  (Teschmackssinn  Süßes,  Saures,  Bitteres  etc.  Die 
qnalüative  Bestiunntiipit  der  Reizznstände  kommt  in  entsprechenden 
Müdilicationen  der  eltiktrischen  Ei  ieg:un^zustände  zur  Geltung.  Da- 
durch wird  die  Manni2;t;üiigkeit  qualitativer  Unterschiede  auch  auf 
die  Empfindungen  ubertragen.  Diese  bleiben  infolge  und  nach  Maß- 
■  gäbe  ihrer  inhaltlichen  Verschiedenheit  außer  einander  und  treten  über- 
dies in  Gegensatz  zu  einander. 

Die  Gegensätzlichkeit  der  Empfindungen  ist  ein  anderes 
wichtiges  Hilfsmittel  für  die  sinnliche  Auffassung;  denn  sie  bewirkt, 
dass  Theilzustände  desselben  Siunesgebietes,  auch  wenn  sie  gleiche 
Intensität  besitzen,  sich  mehr  oder  weniger  deutlich  voneinander  ab- 
heben und.  indem  sie  die  entgegengesetzten  TheflznstSade  herabdrücken, 
die  eigene  Klarheit  zu  erhöhen  streben.  Ohne  die  Gegensätzlichkeit 
der  Empfindungen  würde  es  z.  B.  nicht  möglich  sein,  in  einem  ßegen- 
bogen  mehrere  Farben  zn  bemerken,  auf  einer  Schriffcseite  viele  ver- 
schiedene Formen  zn  erkennen  und  zn  unterscheiden,  bd  der  Avf- 
führung  eines  Tonwerkes  die  verscbiedeosteii  TOne  und  Aeotffda  zu 
vemehmen  etc.  —  Der  Gegensati  iwiiclieii  deai  Stenifinlielit  imd  dem 
Tagesliclit,  oder  swiKshen  dem  Tone  c  und  dem  gleidueeitig  erklingen- 
doL  f  yernnadit  In  ^em  Falle  eine  Gimeoirenz  um  die  Innere  Kbuv 
heit  Der  Bchwlchero  Tbeil  nntorliegt  in  diesem  Kampfe  md  der 
stärkere  steigt  nm  so  hOher:  am  Tage  bemerken  wir  auch  an  dem 
klarsten  Himmel  keinen  Stern;  mit  abnehmendem  Tageelidit  bricht 
das  Stemenlicbt  Iterror,  nnd  in  der  dunkelsten  Nacht  erstiaUen  die 
Himmelskörper  am  hellsten.  Bei  annflliemd  glmcher  Stärke  bleibt  der 
Kampf  nm  die  innere  Klarheit  Torerst  nnentaehleden.  Die  g^ekhseitig 
und  mit  gleicher  Stärke  angestrichenen  TOne  c  nnd  f  werden  beide 
gehört,  jedoch  mit  yeningerter  Dentlichkeit  Lässt  man  hierauf  die 
Stärke  des  c  abnehmen,  so  tritt  das  f  hervor,  ohne  daaa  man  die  Stärke 
desselben  YorgrOBerL  Die  fortgesetste  Abnahme  des  c  Teridlft  dem  f 
SU  immer  gr^Berer  Dentlichkeit»  bis  es,  das  e  ftbertOnend,  aar  ToUen 
Klarheit  gelangt 

Die  Oegensätalichkeit  der  Empfindungen  eines  Sinneegebietee  Ist 
indes  hänflg  eine  geringe;  ja  bisweilen  hat  eine  völlige  G-leichheit 
derselben  statt  Dieses  ist  a.  B.  der  Fall,  wenn  mehrere  Lampen  einen 
Saal  erhellen,  oder  wenn  viele  Sänger  dieselbe  Melodie  zu  GAQr 
Mngen.  Die  annähernde  oder  völlige  Gleiehbeit  dort  der  Llchtschebie^ 
hier  der  Töne,  hat  zur  Folge,  dass  die  hesägUGhen  Beiawlricnng«a 
nicht  unterschieden  werden  können;  denn  sie  bleiben  weder  gans 


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—  161  — 


(wie  bei  verschiedenartigen),  noch  theilweise  (wie  bei  gegensätzlichen 
jSmpfindQngan)  außer  einander,  sondern  fließen  ineinander.  Sie  ver- 
schmelzen zn  einer  einsigeii  Emplindang,  deren  Intensität  der  Summe 
der  Intensitäten  der  vendunolzenen  gleiehen  Empfindungen  ^I^Jch  ist, 
Se  verbreitet  sich  in  einem  von  vielen  Lampen  erieachteton  Saale  eine 
imgBtheiUe  bedeatrade  Lichtfülle,  sowie  die  von  einem  Siagerehor 
feraDgene  Melodie  In  starken  OesanunttAnen  erklingt  — 

Doch  bleiben  in  gewissen  Fällen  auch  qoalitativ  gleiche  Empindnngen 
anler  einander  nnd  kfinnen  mit  aller  Bestimmtheit  voneinander  nnteN 
sehieden  werden.  Beupielswefse  bemerken  wir  an  mehreren  Thaler- 
stleken  mehrere  nmde  Formen,  nicht  eine  einzige,  eine  mehrfache 
SObeiftrbe,  nicht  eine  einiSMhe  verstArlrte.  Ebenso  wird  die  Einheit 
des  Gesammttimes  nurklieh  beeinträchtigt,  wenn  der  HOrer  sich  mitten 
im  8(bigerdM»r  befindet  oder  wenn  die  Singer  Tonelnander  entfernt 
stehen.  Taucht  man  einen  Finger  der  rechten  nnd  den  entspreehenden 
Finger  der  linken  Hand  in  eine  Flüssigkeit,  so  hat  man  eine  zwei- 
fache Empfindun«;  dis  Nassen.  Die  gleichen  Emphndungen  müssten 
aucli  lü  diesen  Fällen  zu  einer  einzigen  verstärkten  Eniptindiinf,^  ver- 
schmelzen, wenn  nicht  gewisse  unterscheidende  Momente  solches  ver- 
hinderten. Da  das  Trennende  weder  in  der  Intensität,  noch  in  der 
Qualität  der  Kinpfiiidiiiiiren  ji^efunden  werden  kann,  so  muss  es  in  einem 
dritten  Empliu(iiiii^Mu«>mentP  sfpsucht  weidun.  Dieses  dritte,  jeder 
Km|  tili  i hing  anliatu^iulH  Moment  ist  die  Extensität  derseiben.  Was 
ist  darunter  zu  verstehen? 

Zunächst  erinnern  ^v^^  unHf  dass  e6  viele,  Nerveustiänge  sind 
welche  dein  Seelenwesen  die  Anöriffe  der  äußeren  Kt^ize  ttbeimitteln, 
weshalb  die  veränderten  Rciztorinen  auf  den  verschiedensten  Bahnen 
das  sensorium  commune  erreichen  und  afficireu.  Das  Seelenwesen 
estpfiadet  nnn  in  jedem  einzelnen  Falle  nicht  blos  den  elektrischen 
finegnngsnistand,  soweit  dieser  durch  Einwirkung  von  anfien  erzeng:t 
JA,  sondern  anch  das  Erregtsein  des  betreffenden  Nerven.  Letzteres 
verursacht  eine  der  eigentlichen  Empfindung  sich  zugesellende  ^flt- 
empfindung)  welche  das  Wissen  um  den  inneren  Ort  bes  betreffenden 
Eopflndnngareiies  in  sich  schlieft  Nennen  wir  diese  Mitempfindnng 
das  innere  Loealseichen  der  Empfindnng.  £s  lencfatet  mnlcfast 
«in,  dsss  dasselbe  eine  sichere  Handhahe  bieten  mnssi  die  Bmpfindnngen, 
anch  wenn  sie  gleidie  Qualität  nnd  Intensität  besitsen,  auseinander 
a  halten.  Demnach  beroht  die  Leiditagkei^  mit  der  wir  die  Empfiv- 
disgm  verschiedener  Sbmesgebiete  voneinander  onterscheiden,  nicht 
der  Dlsparitftt  der  Empflndnngsinhalte  allein,  sondern  auch  mit 


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—   1Ö2  — 


auf  der  Verschiedenheit  der  inneren  Localzeiclien.  Diese  Verschieden- 
heit ist  auch  der  Grund,  weshalb  man  z.  B.  einen  Nadelstich  in  die 
Hand  von  dem  gleichen  Schmerz  an  irgend  einer  anderen  Körperstelle 
.leicht  imtencfaeidet,  oder  beim  Eintauchen  zweier  Finger  in  eine 
Fiflssigkeit  eine  zweifache  Empfindung  des  Nassen  hat.  Weiter 
erhellt  hieraus,  dass  die  Empfindungen  auf  Grund  der  ihnen  associtrtem 
inneren  Localzeichen  stets  als  an  der  Peripherie  der  Empfindungs- 
nerroii  iMdijiiUioh  erscheinen  müss^.  Man  hat  die  letztere  Thütsache 
Projeetion  der  Empflndangen  genannt  Man  kann  diese  Beseicluinng 
ftimflhmftn;  indes  darf  sie  uns  nicht  verMten,  in  dem  Beseiidmeleii 
efaie  iMBondere^  dem  Empfinden  naelifolgende  Fnaetlon  der  Seete^  niitt- 
Ucli  ein  Hinaunrenetaeii  der  Empflndangen  m  dem  Bensorinm  com- 
mme  m  obUdcen.  Ite  ist  niehta  aadaraB  unter  dieaen  Ansdntcfce  a 
Tentehen,  als  die  im  raaoriom  commune  atatthaliende  and  ndt  dam 
Empfinden  zuglei<di  erfolgende  Einformnag  dea  Empfandenen  in 
seine  ortabezeichnanden  Mitempf indangen«  So  weit  diese  Ein- 
fbrnung  auf  Orond  der  inneren  Localaeichen  gesehelten  kann,  Ter- 
sehafll  sie  den  Empfindungen  eine  bis  smr  Peripherie  dar  Empflndangs- 
nenran  reichende  Extensit&t  Alien  Empfindung^  des  Tastsinnes,  dea 
Geniclis-  and  Geschmackssinnes  ist  eine  sdeke  eigen.  Die  Bedeatnng 
derselben  ftr  die  sinnliche  Anffossung  fällt  mit  der  soeben  erörterten 
diediezflgliehen  Bedeutung  der  inneren  Loealaeicben  zasanmien. 

Di^enigen  Empfindungsraae,  weiche  auf  das  Aoga  oder  Ohr 
wirken,  nehmen  nun  von  äufieren  Orten  ihren  Aasgang.  Wir  werden 
also  Jetzt  sn  zeigen  haben,  dass  and  wie  auch  der  äußere  Ort  der 
Empflndnngsraize  zor  Kenntnis  der  Seele  gelangt.  Es  handelt  sieb 
dabei  am  die  Lage  dieses  Ortes  and  um  die  Entfernung  desselben. 
Jene  bestimmt  die  Bicbtong  des  Beines  zu  der  Peripherie  des  sensiblan 
Nerven.  Ob  die  letztere  senkrecht  oder  unter  sohielbn  Winkebi  getroAbn 
wird,  ist  f&r  die  Wirkung  des  Angrifies  nicht  gleiehgiltig.  Stellen 
wir  nna  diese  Wirkung  vor  als  eine  Irradiation  der  Beisfliche.  Die- 
selbe wird  nur  dann  eine  glsiclimftfiiga  sein  kennen,  wenn  die  Beize 
senkredit  zur  BeizflAohe  einfallen.  In  jedem  anderen  Falle  muss  dne 
nngkichmSfilge  Irradiation  der  BeizflAche  statthaben,  und  zwar  eine 
umso  ungleichmftfiigere,  Je  mehr  die  Winkd,  unter  denen  die  Beiz* 
flAehe  getroflbn  wüfd,  von  rechten  Winkeln  abweichen.  Die  Oleich- 
m&fiigkeit  oder  UngleichmAfiigkelt  der  Inradiation  der  BeizflAche  wiriLt 
modifldrend  auf  die  Erregung  des  Nervenstromes  and  kommt  dadurch 
zur  Kenntnis  der  Seele.  Letztere  kann  nun  den  elektrischen  Erregunga* 
zustand  nicht  empfinden,  ohone  die  Modification  desselben  "mit  zu  em* 


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—    153  — 


pfodoL  Soaaeh  wird  die  eigentliche  Empfiadang  um  ein  weitei^es 
Monent  beieiciMrtt  das  auch  Uber  die  Peripherie  der  betrefflsndeA 
Shmeenerren  hiiuuis  den  Ort  des  Brnpflndangsreizes  anzeigt  NenoeD 
irir  ee  das  ftnBere  Localzeiehen  der  Empfindung. 

Die  Mitempfindnng  des  ftnBeren  Ortes  ist  fflr  das  Zu- 
standekommen einer  klaren  Anfienempfindung  durchaus  noth- 
wendig.   Der  Reiz  an  sich  erzeugt  einen  bloßen  Eindnick,  der  erst 
in  eine  klare  Empfindung  übergeht,  indem  er  projicirt  wird.  AVie  jeder- 
n  aMii  weiü,  sieht  man  einen  Gegenstand  nur  dann,  wenn  man  ihn  an 
einer  bestimmten  Stelle  im  Kaume  erblickt,  d.  L  wenn  man  die  Örtlich- 
keit seint  1  Kmp;iiidün{rsreize  klar  mitempfindet.  Von  einem  Schall,  der 
ans  einer  uns  unbekainiten  Richtung  nnser  Ohr  trifft,  erhalten  wir 
einen  vielleicht  starken,  aber  zunächst  unklaren  Schallt  iiidruck.  Erst 
indem  wir  uns  über  das  W(dier  orieniiren  und  dm  8chal!eindmck 
demgemäß  projiciren,  vermögen  wir  diese?!  iinch  Qualität  und  Intensität 
m  erfassen.   Ein  Scbuss  z.  B.  verursacht  in  jedem  Falle  einen  starken 
Gehörseindruck,  eine  klare  Empfindung  aber  nur  dann,  wenn  uns  so- 
gleich, oder  doch  unmittelbar  nach  dem  stattg^ehabten  Eindrucke  der 
Ort,  wo  der  Schnss  gefalieu  ist,  bekannt  wird.  Die  ferne  Musik  oder 
4ss  Taten  eines  Dampfers  vermögen  wir  nicht  anders  deutlich  zu  ver- 
nehmen als  mit  Bezug  auf  den  betreffenden  Ort.  Ebenso  wd  ein 
körperlicher  Schmerz  stets  an  der  schmerzenden  Körperstelle  und  nicht 
eber  klar  empfunden,  als  bis  die  Pn^tion  auf  dieselbe  vollzogen  ist 
Da  es  hierzu  einer  merkliehen  Zeit  bedarf,  so  kann  der  Fall  eintreten, 
te  der  schmerzende  Angriff  zu  wirken  au^efaOrt  hat,  bevor  noch 
üe  Mmeraempftndung  ToUkommoi  projicirt  worden  ist  Man  fBUt 
abdaan  einen  minder  heftigen  Schmerz,  wie  wenn  z.  B.  der  geschickte 
Ant  einen  Schnitt  ansfthrt  oder  einen  Zahn  zieht —Wer,  wie  weiland 
Aidihnedes,  ganz  in  Gedanken  Tertieft  ist,  merkt  tou  aDedem,  was 
SA  ihn  her  yoigebt,  nichts  oder  doch  nur  sehr  wenig.  Freilich  sind 
ttine  Sfame  den  äußeren  EmwiikuDgen  nicht  mschloesen;  aber  die 
eiBdnDgendenB^ze  YermOgen  höchstens  dunkle  Eindrücke  zu  erzeugen, 
ftm  klaren  Empfinden  kommt  es  ebensowenig,  wie  zum  Mitempfinden 
ier  Localzeichen.    Solanf};e  aber  die  letzteren  nicht  zur  Klarheit  ge- 
langen, ist  eben  keine  klare  Empfindung  möglich.   Lässt  dae:egen  der 
Betreffende  von  der  Arbeit  ab  und  wendet  sich  der  AuOeuwelt  zu, 
i  h.  empfindet  er  die  äußeren  Localzeichen  der  Reize  mit  und  pro- 
Jcirt  das  Empfundene  demgemäß,  so  vernimmt  er  alles  deutlich  und 
kat  dabei  ein  klares  Wissen  um  äußere  Dinge  und  Toi-gän^e. 

Da  die  Substanzen,  in  denen  die  Bmpfindangsreize  ihren  Urspimg 


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haben,  im  Räume  zerstreot  sind,  so  erhalten  die  Empfindungoa  ver- 
Bcbiedene  äußere  Localzeichen.    Dieselben  üben  infolge  ihrer 
VerBchiedeiiheit  eine  trennende  Wirkung  mu.  Sie  aaä.  €•»  wdcke 
Bowol  die  theüweiae  Veraehmelzimg  entgegeogweMr»  als  auch  das 
v«Mlig6  iDenianderiliMaeii  gldcher  Brnpflndimgeii  whintan.  HieniGh 
beruht  z.  B.  die  Möglichkeit,  in  einem  Begenbogen  mehrefe  FMoi 
WBL  nnteracheiden,  nicht  anaidüieBalidi  anf  der  G^geoBfttslidikwt  dietor 
Farben;  sonst  mflsste  eine  ebenso  klare  ÜntefMlmdnng  denelbeii  aoA 
dann  möglich  sein,  wenn  sie  (ideU^t  gettitte  Glftaer)  flbereinttd»- 
gelegt  würden,  was  indes  keineswegs  der  FUI  ist  Vielmehr  tticl 
das  rftnmliche  Nebeneinander  der  Kegenbogenfhrben,  wekhea  in  fov 
schiedenen  Localaeidien  innerlich  svr  Geltung  kommt»  weaentUch  nak 
zur  Unterscheidung  derselben  bei  Ffir  gleiche  Empdndmigeii»  vis 
solche  z.  B.  durch  den  Anblick  mehrerer  Thalerstficke  Yenunsadift 
werden»  bilden   die  verschiedenen  Localzeichen   sogar  das  einzige  I 
trennende,  Moment.  Wären  sie  niclii  vorhanden,  so  würden  die  gleichen  i 
Empfindungen  in  jedem  Falle  ineinander  tliessen,  und  es  wäre  für  uns  , 
eine  Unningliclikeit,  eine  Mehrheit  von  gleichen  Gegenstiindeii  waLr- 
zunehmen.    'Phat sächlich  erscheint  ja  die  von  vielen  Lampen  her-  ' 
rührende  hicliUiiile  als  eine  ungetheilte,  und  die  von  vielen  Stimmen 
gesunt^ene  oder  von  vielen  Geiofen  gespielte  Mf  io  lir  <  rklinet  in  srurkeü 
Ges.nnmttönen.   Auch  das  folgende,  von  Schopeniiauer  (I  bei  die  vi^^r-  . 
{i\r]w  Wnrzel  des  Satzes  vom  znreicln  iidt  n  Gnmde  p.  63)  entleluite  ' 
Experiment  erhärtet  obige  Behauptung  auf  das  beste.    „Man  l'^ssft 
zwei  pappene  Röhren,  von  etwa  8  Zoll  Länge  und  V/^  Zoll  Durch- 
messer, vollkommen  parallel,  nach  Art  des  Binoculartelescops,  zo- 
gammenfügen.  und  befestige  vor  der  Öffnung  einer  jeden  derselben  ein 
AchtgroschenstUck.  Wenn  man  jetzt,  das  andere  End^^  an  die  Augen 
legend,  durchschaut^  wird  man  nur  ein  Ae]itgroschensta,ek,  von  einer 
Aöhre  umschlossen,  wahmehmen.  Denn,  durch  die  Böliren,  zur  gänzlich 
parallelen  Lage  gendthigt,  werden  beide  Angen  TOn  beiden  Mänses 
gerade  im  Gentro  der  Setina  und  den  dieses  umgebenden,  eiaander 
folglich  symmetrisch  entsprechenden  Stellen  ganx  g^eichmilig  ge- 
troffen** •  (also  die  iufieren  Localieichen  beider]  Empfindungen  ä»i 
ehiander  vollkommen  glddi);  „daher  der  Verstand  (?)  ein  eimdg« 
Objeet  als  Ursache  des  anrttckgeetrahlten  Lichtes  annimmt**  (dfe 
auch  in  den  ftuBeren  Localzeichen  gleichen  Empfindungen  ftiefiA 
ineinander). 

Die  Wirkung  der  iufieren  Localseichen  mOge  des  irelteren  la 
einigen  interessanten  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  Geaiiobts- 


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4 

—   165  — 


enipilndangen  gezeigt  werden.  Wir  mäaen  das  Einfacbsehen,  das 
Doppeltselbeft  imd  das  Anfreehtseheii. 

Ein  siehtbarer  Oegenstand  inxkt  Bat.  jedes  der  beide»  Augen, 
sodass  wir  eine  aweifoche  Empflndnng  des  Gegeastaades  erbalteii  imd 
daher  denseUben  eigentlieh  doppelt  sehen  mflssten.  In  WirUiehkeit 
sehen  wir  jeden  Gegenstand  aber  nnr  ein&eh.  Zweifellos  findet  dieses 
I  Ein&ebsehen  bereits  im  iNkhesteii  Klndeealter  statt  und  kann  also 
nicht  etwa  eine  durch  Obung  gewonnene  Fertigkeit  sein.  Vielmehr 
ihidet  es  sehM  ein&che  ErUftmng  in  der  Hitempfindniig  des  Ortes, 
ra  deai  ans  die  Uchtreize  das  Auge  erregen.  "Wie  oben  gezeigt 
worde^  wissen  wir  um  den  äußeren  Ort  eines  fimpfindungsreizes  auf 
6nmd  einer  Modification  des  elektrischen  Erregungszustandes,  deren 
Ursache  in  der  Richtung  des  ersteren  zur  Peripherie  des  Kiuplmduags- 
nerven  gefunden  werden  muss.  Nun  stellen  wir,  um  einen  Gegenstand 
deutlich  zu  sehen,  beide  Augen  stets  so  ein,  dass  die?  Reizfläche  eines 
jeden  rechtwinklig  getroflen  wii'd.  Folglich  muss  das  äußere  Local- 
zeichen,  welches  der  rechtsseitigen  Empfindung  associirt  ist,  dem  der 
linksseitigen  Empfindung  anhaftenden  gleich  sein.  Die  Emptiuduugen 
>clbi>t  sind  zwar  einander  sehr  ähnlich,  doch  nicht  völlig  gleich.  Sie 
decken  sich  also  nicht  ohne  weiteres;  abei-  sie  vereinigen  sich  in  der 
Projection.  Indem  für  beide  der  nämliche  äußere  Oi  t  mitempfunden 
wird,  fallen  sie  gleichsam  in  diesen  Mitemplindangen  aufeinander:  Mau 
iieht  vor  sich  einen  Körper. 

Die  beim  EinfEUÜisehen  statthabende  Vereinigung  der  beidei-seitigeu 
inrjicirten  Empfindungen  kann  leicht  dadurch  verhindert  werden,  dass 
man,  indem  man  z.  B.  sein  rechtes  Auge  mit  einem  Finger  ein  wenig 
seitwärts  oder  nach  oben  oder  unten  drückt,  die  Reizflftche  desselben 
in  eine  andere  Lage  bringt  Diese  HeisfiAche  wird  nun  nicht  mehr, 
wie  die  des  linken  Auges,  unter  rechten,  sondern  unter  sehiefen 
Wiakefai  getroffen.  Die  rechtsaeitige  Empfindung  erhSlt  mithin  ein 
tsdares  iafieres  Localzeichen  wie  die  linksseitige.  Bifolge  dieser  Ter- 
■driedenheit  kann  die  Projection  der  Empfindungen  nicht  zu  ihrer 
Vcrahiigung  führen;  vielmehr  wird  die  rechtsseitige  ihrem  ftufieren 
Locatamcfaea  gemlfi  auf  eine  andere  Baumstelle  projidrt:  Usn  sieht 
tei  Gegenstand  doppelt 

BSne  ähnliche  Erscheinung  macht  sich  bsmerklich,  wenn  man  xwei 
Uster  einander  befindliche  Gegenstände  betrachtet  Stellt  man  die 
Asgen  auf  den  yorderen  Gegenstand  ein,  so  erschehit  der  hintere 
iloppelt,  umgekehrt  der  vordere.  Beide  Erscheinungen  erklären  sich 
^iraos,  dass  die  Lage  der  lieizHächeo  zu  dem  einen  Körper  eine 


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—  156  — 


ander»  wird,  sobald  man  die  Augen  auf  den  anderen  einstellt.  Sieht 
man  auf  den  ferneren  Gegenstand,  so  erregt  der  nähere  die  Reizfläche 
des  rechten  Auges  weiter  nach  rechts,  die  des  linken  weiter  nach 
links.  Man  projicirt  demgemäß  (infolge  der  im  Aug^e  stattfindenden 
^eozang  der  Lichtstrahlen)  die  rechtsseitige  Empfindung  auf  eine 
Eaumstelle,  welche  links,  die  linksseitige  auf  eine  solche,  welche  rechts 
von  dem  fraglichen  Gegenstände  liegt:  Man  sieht  den  vorderen  Gegen- 
stand doppelt  und  zwar  zu  beiden  Seiten  seines  virklichen  Ortes. 
Das  Doppeltsehen  des  hinteren  Gegenstandes  erklärt  sich  ebenso. 

Auch  das  Aufrechtsehen  der  Gegenstände  beruht  auf  der  Mit- 
empfindung der  Richtung,  in  der  die  Reizfläche  des  Auges  getroflfen 
wird.  Nach  bekannten  optischen  Gesetzen  gelangen  die  von  einem 
Gegen st^nide  ausgehenden  Lichtstrahlen,  bevor  sie  die  Reizfläche  des 
Auges  (die  Netzhaut)  treffen,  im  Auge  zur  Kreuzung.  Infolgedessen 
entsteht  auf  der  Netzhaut  ein  umgekehrtes  Bild  des  Gegenstandes. 
Dass  wir  trotzdem  jeden  Gegenstand  aufrecht  sehen  und  zwar  ohne 
jegliche  Schwierigkeit  und  von  frühester  Kindheit  an,  ist  eine  fest- 
stehende Thatsache.  Sie  lehrt  uns,  dass  die  Gesichtsempfindung:  nicht 
gleichsam  ein  innerer  Abdruck  des  Lichtbildes  auf  der  Netzhaut  ist 
und  erklärt  sich  leicht,  wenn  man  erwägt,  dass  infolge  der  stalt- 
gehabten Kreuzung  diejenigen  Lichtreize,  welche  den  unteren  Theil 
des  Lichtbildes  erzeugt  hal)en,  von  oben  her  und  diejenigen,  welche 
den  oberen  Theil  desselben  erzeugt  haben,  von  unt^n  her  eingefallen 
sind.  Die  Richtung,  in  der  die  Lichtstrahlen  einfallen,  gelangt  aber 
zur  Mitempfliului^n'  Indem  sich  nun  die  einzelnen  Enipfindungsmomente 
ihren  Mitempfnn!ui)-en  einformen,  muss  unter  ihnen  nothwendig  die- 
selbe Anordnung  phitzfjreifen,  welche  den  Lichtreizen  außerhall)  des 
Auges  eigen  war:  Mau  sield  den  Gegenstand  in  seiner  wirklichen  Lage. 

(ächluss  folgt) 


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* 


Wider  die  Sprachverwilderung. 

Ein  zeitgemäßes  Keterat. 
Vm  WOhdm  JkuMt-V^Am, 

X 

fis  ist  eine  betrübende  Erscheiiiiiii;,  daaa  sich  die  naturgemAAe 
Vorftodenrng,  der  unsere  Mutterspnche  —  wie  «ndi  jede  andere  — 
imterworfra  ist,  nieht  im  Sinne  der  YerbeBienmg  niid  Yerodebuigy 
undem  im  Sinne  der  Verechlecliterang  vollzieht  Die  Zeit  dei 
cleBidsdien  Deatach  liegt  hinter  ans.  Wir  sehen  unsere  Spraehe  in  den 
ktsten  Jahrzehnten  nicht  anf wfirts,  Yielmehr  ahwftrts  gefikbrt)  gesmihfia 
iof  der  Leiter  der  Venrellkommnnng.  Das  herrlichste  Ont  der  deni> 
«Glien  Nation,  ihr  Stobs  nnd  Böhm  sogleich,  ist  in  Gefahr,  Ton  der 
oDgerissenen  Verderbnis  einen  nnheilbarai  Schaden  sa  erkiden,  nm- 
ao  gewisser,  da  das  Obel  ebenso  hartnackig  als  schwer  aasrottb»  ist 
Es  glucht  einem  schleichenden  Gift,  das  nnvermerkt  aber  desto  Ter« 
deiliüeher  den  Spraehorganismns  durchdringt,  sein  edles  Geftige  Uteend, 
«eine  Lebensfthigkeit  untergrabend. 

Dieser  Gefalir  entgegenzuwirken,  das  Übel  aufzuhalten,  ist  eine 
heilige  Pfliclit  aller  gebildeten  8tammesgeiiossen.  Tn  irgend  einer 
Weise  wird  es  jedem  —  sofern  er  nui  den  guten  Willen  dazu  liat  — 
möglich  sein,  ein  Scherflein  einerseits  zur  Fernhaltung,  andererseits 
zur  Ausmerzung  alles  dassen  beizutragen,  was  sich  als  Sprachfehler 
an  Stelle  des  Richtigen  festzusetzen  drolit  oder  sich  l>ereits  festgesetzt 
iiat.  Es  gilt,  einer  unverzeihlichen,  in  falschen  Won-  und  Satzformen 
sich  IdeitmacheMilcii,  mit  unglaublicher  Dreistigkeit  auftretenden  Will- 
kür die  Autorität  des  Spracligesetzes  und  Ii»;  Empfindsamkeit  des 
i>praciigelühls  entgegenzustellen;  es  gilt,  die  Sprachverdeibnis  —  wie 
ond  wo  sie  sich  auch  zeigen  mag  —  als  thatsächiich  vorbanden  nach- 
zaweisen;  es  gilt  endlich,  professionellen  Sprachverderbern  schonungs- 
los und  nachdrücklichst  aui'  die  Finger  zu  sehen,  sie  in  jene  Schranken 
zurückzuweisen,  die  ihnen  ihre  geistige  Impotenz  zieht. 

Doch  ist  Ge&hr  im  Verzage  und  Eile  thnt  noth!  Gleichgiltigkeit 
und  Lilssigkeit  von  Seite  der  durch  Bildung  nnd  Stellung  berufenen 
^hützer  und  Pdeger  der  Muttersprache  müssten  sich  unfehlbar  in 
sidt  aUsnfemai  Zeitl&nfen  als  Tdliiger  Ktckgang  der  natflrüehen 


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Sprachent Wickelung  außeru,  und  eine  schwere  Verantwortunia:  würde 
sie  treö'en.  Sie  verdienten  nicht  mehr,  Söhne  ihres  Volksstümmts  ge- 
nannt zu  werden,  ueiiu  t>if.  unempfindliclien  GremUthes  und  unthätig  mit 
anzusehen  im  Stande  sein  sollten,  wie  der  Lebensnerv  der  nationalen 
Cnltnr  unterbanden,  da^  stärkste  Bindemittel  der  Zusammengehörigkeit 
gelockert,  die  Frucht  eines  hoclientwickelten  Geisteslebens  dem  Ver- 
derben  preisgegeben  wird!  Denn  schon  hat  das  Übel  der  Sprach- 
verschlecliterung  einen  bedenklich  hohen  Grad  erreicht;  nicht  mehr 
vereinzelt  und  Schamröthe  ins  Gesicht  treibend  treten  Sprachfehlei 
m  —  für  die  Öffentlit  likcit  bestimmten  Schriften  auf:  nein  —  es  gibt 
eine  Sippe,  die  mit  empörender  Frechheit  ein  r)fut:>cli  sclireibl,  für 
das  jede  Bezeichnung  iehlt.  Es  wimmelt  darin  von  i  ehlern  der  ärgsten 
Art,  wie  sie  ein  besserer  Scliiih  r  der  5.  Volksschulclasse  nicht  mehr 
schreibt;  von  Sprachgeiuiil  und  einer  nur  halbwegs  guten  Kenntnis 
der  Sprachrc^eln  keine  Spur!  Das  elende  Zeug  ist  ein  purer  Kehricht, 
der  es  wahrlich  nicht  wert  wäre,  dass  man  ihn  mit  dem  Fuße  beiseite 
Bchiebt,  wenn  sein  massenhaftes  Vorkommen  und  die  aufdringliche 
Weise,  mit  der  er  die  Reinheit  der  Sprache  beschmutzt,  nicht  befürchten 
Hesse,  dass  er  endlich  das  Gefühl  für  das  Richtige  völlig  abstompfea 
und  das  Falsche  zur  Regel  erheben  werde. 

Das  aber  ist  bereits  geschehen!  Eine  Unzahl  von  Sprachfehlem, 
vor  deren  auch  nur  irrigem  Gebrauche  man  Mher  znrfickgeschreckt 
wäre;  Fehler,  die  man  vormato  für  ganz  unmöglich  gehalten  hätte,  und 
die  den  Schreiber  derselben  vor  der  Öffentlichkeit  an  den  Pranger  ge- 
stellt hatten:  sind  heutzutage  dnreh  deren  beharrliche  Anwendung  in 
weitall  Kreiflen  gäng  und  gftbe,  sie  haben  geradezu  das  Bfirgerrecht 
ertialteii  und  behaupten  sich  neben  dem  BIchtigeu  sdioii  dsnaaleiL  mit 
nnansrottbarer  Zähigkeit!  Schnitzer  gegen  das  Sprachgoseti  hat  es 
wol  stets  gegeben,  selbst  nur  Blflteieit  unserer  Llterator;  denn  muk 
die  Geistesheroen  der  deutschen  Natinn  haben  manches  geschrieben, 
vosu  die  Gfammatik  nicht  Ja  nnd  Amen  sagen  kann;  imd  Sprach* 
schnitser  wird  es  immer  geben,  weil  menscUiches  Wissen  nnd  Können 
nie  zur  fehlerlosen  VoUlcommenheit  gelangen  können.  Allein  diese 
Thafsachen  dflrfen  nicht  als  Deckmantel  eines  regellosen,  willkOrüchen 
Gebrauches  der  Sprache  dienen;  sie  können  nnmöglicih  die  Erschehnnig 
einer  offenbaren  Verschlechtemng  der  Sprache  entschuldigen,  umso- 
weniger  als  sich  gegenwArtig  Lente  an  die  SchriftsteUerei  heranwagen, 
denen  Stil  nnd  Grammatik  zwei  TGllig  f^de  Gebiete  sind.  Schade 
nur,  dass  das  nrtheüsfthige  Publicum  noch  kein  probates  Mittel  ge- 
funden hat,  solchen  Sciiblem  dsa  Handwerk  in  legenl  Denn  ein  Hand* 


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werk  —  aber  ein  schlechtes  —  ist  ihre  sogenannte  schriftstellerische 
Thfttigkeit.  Sie  Schmiden  mit  beneidenswerter  Selbstzufriedenheit 
(ciiie  EigiBiischaft,  die  eoneiD  guten  Schriftsteller  fremd  ist,  weil  dieser 
■It  seinen  Leistungen  nie  gaas  zufrieden  ist)  imd  hohem  Selbst- 
bewnsstsein  ihr  Pensum  nieder  und  betrachte  sodann  schmunzelnd, 
whd  sich  das  PnbUcum  daran  delectirt.  Die  sehleehte  Sprache  ent- 
qrieht  dem  niederen  Inhalt  mid  umgekehrt  —  aber  vas  ecliadet  daa? 

ÜB  wurde  einmal  in  einer  GeeeUaehaft  eine  neaersefaienene  Zeitung 
beriuiigerei<dit  Ich  machte  mir  den  Spaft,  die  FeUer  darin  roth  an» 
mMdien  md  brachte  deren  nicht  weniger  als  96  der  gr0bsten  »su- 
staBde"!  So  wertoi  hentzatage  gewiBie  Zeitvngen  geBchrieben! 

n. 

Ab  Söllliften  wider  die  eingeriaaene  bprachwderbnia  fehlt  es 
lidit  Sie  liaben  mehr  oder  minder  daa  Verdienst,  daas  sie  daa  Yor- 
tondensein  einer  Zdtkrankheit  nachweisen  und  sich  dem  Weitergreifen 
dfä^Iben  in  den  Weg  stellen. 

Zu  den  verdienstlichsten  und  interessantesten  S(  ln  üten  dieser  Art 
gehört  unstreitig  das  Buch:  ^ Allerhand  Sprachdummheiten"  von 
Dr.  G.  VVustmann.  Die  Gründlichkeit  und  die  lobenswerte  Rück- 
sichtslosigkeit, mit  der  Wustmann  der  Sache  zulcibe  gelit,  machen  das 
Buch  zu  eiuei"  wertvollen  literarischen  Erscheinung.  Kein  Wunder 
daher,  dass  es  in  verh&ltuii>iuiißig  kurzer  Zeit  eine  so  weite  Verbrei- 
ton?'  {TPfunden  hat. 

IviDiii  H  wir  nlso  auch  voraussetzen,  dass  es  vielen  bekannt  ist,  so 
iüoge  uns  (lennucii  gestattet  sein,  Wustmanns  Ansichten  über  die  Sprach- 
verscblcchterung  hier  in  möglicbstpf  Kürze  wiederzugeben,  wobei  wir 
dam  Ideengange  der  Einleitung  zu  »einem  Buche  folgen. 

Alle  Urtheilsfahigen,  sagt  Wustmann,  sind  darüber  einig,  „dass 
sich  jetzt  die  Umbildung  unserer  Sprache  nicht  nur  mit  einer  Schnellig- 
keit vollzieht,  die  in  aller  Sprachgeschichte  nicht  ihresgleichen  hat, 
sondern  sie  haben  auch  dabei  in  viel  höherem  Grade  den  Eindruck  des 
Verfalles  als  den  der  £ntwickelung.  Richtiges  wird  durch  Falsches, 
Schönes  duieh  HAAüches  verdrängt;  fast  jeder  Tag  gebiert  Neues,  was 
4eii  Freund  der  Sprache  mit  Traner,  ja  mit  Zorn  erfüllt 

Noch  in  den  dreifiiger  Jahren  scluieb  man  geradezu  classisch. 
Die  Sprache  irar  gianunatiacb  rein,  der  Stil  leicht  nnd  flüssig,  der  Sata- 
Ina  eniihch,  klar,  ftbersiehtUdi.  „Unsere  heutige  Spradie  ersdieint 
dagegen  nidit  nnr  dnrch  and  dnteh  anders,  sie  erscheint  geradesa  wie 
Tsrkommen  nnd  Terrottet** 


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Ober  die  Umdjen,  „duas  äck  in  wenigen  Jahrmhnten  solche 
MigBrtände  in  nitoerer  S^acbe  bäte  bilden  kitauieD",  sagt  Wnetnimi: 

„Alle  SprachentwickeluDg  ist  ein  Kampf  —  swiscl^eo  wmi  IfIcbteB: 
swiflchen  dem  acbOiiferiMshea  Naturtrieb  der  Spradie  eelbit  und  —  dam 
Untenichte.  In  dem  Kinde»  das  erst  reden  leint,  ist  der  Naturtrieb 
ungezügelt  th&tig.  Das  einzige  Gesetz,  das  nnbewnsst  dabei  wirksam 
ist»  ist  das  der  Analogie."  Mdet  das  Kind  Cüsehe  Analogien,  ao  greift 
die  Hntter,  besw.  die  Schale  beasenid  ein.  „Wenn,  wie  wir  annehmen, 
unsere  Geistesbildung  fortscbritte,  so  mflsste  doch  die  Kaobt  des 
Mensebengeiates  ftber  den  rohen  Naturtrieb  der  Sprache  immer 
großer  werden*  —  »die  ümbIMnng  der  Sprache  siitlsBte  sieh  ver- 
langsamen; zugleich  mflsste  die  Sprache  immermehr  verfeinert  und 
veredelt  werden."  Nun  ist  aber  das  Gegentheil  eingetreten.  Bas 
konnte  nur  geschehen,  weil  die  rohe  Naturkraft  mftobtiger  geworden 
ist  als  der  bildende  Menschengeistl  „Seit  Unger  als  einem  Ifonschmi« 
alter  ist  in  noserer  Sprache  mne  Macht  am  Werke,  die  schon  uasfig- 
Richen  Schaden  angerichtet  hat,  —  die  Tagespvesee.  Sie  ist  die  Hanpt- 
ursache  der  Verwildermig  unserer  Sprache;  der  eigentliche  Herd  und 
die  Brutstätte  dieser  Verwilderung  sind  die  Zeitungen 

Früher  —  vor  ftnfirig  Jahren  —  waren  die  Zeitungen  weniger 
zahlreich,  von  geringerem  Um&nge  und  wurden  von  Leuten  geschrieben, 
die  mit  der  Feder  umzugehen  wussten.  Hentsntage  hat  sich  dieses 
Verhältnis  ins  gerade  GegentheU  verkehrt  Ks  sind  Ttaseude  von  .neuen 
Zeitungen  entstanden,  ihr  Inhalt  hat  sich  verhandert&eht  Biesen  In- 
halt schaffen  nicht  lauter  gebildete,  sondern  nur  zu  oft  halbgebildete 
oder  wol  ungebildete  Personen  zur  Stelle  in  einer  nothdflrftlgeiL  and 
vielfach  fehlerhaften  Form.  „Die  Herstellung  einer  Zeitung,  die  früher 
eine  literarische  Leistung  war,  ist  zu  einem  Gewerbe  herabgesunken, 
und  in  keinem  Gewerbe  der  Weit  gibt  es  so  viele  Pftascher,  wie  im 
Zeitungsgewerbe."  —  j,So  fehlerhaft,  wie  unsere  Zeitungen 
Jetzt  schreiben,  ist  noch  nie  und  nirgends  in  Beutschland 
geschrieben  worden,  wird  auch  nirgends  im  Auslände  geschrieben, 
auch  von  den  auslindisidien  Zeitungen  nicht" 

»NachlihMigkeiten,  Willkflrlicfakeiten  und  Gesebmacktosigkeiten 
sitzen,  kaum  ani^setancht,  sdum  fest,  verbreiten  sich  rasch  und  gelten 
für  Verschönerungen  und  Bereicherungen  der  S^iiracbel" 

»Bie  Politik,  und  was  damit  zusammenhängt  — ,  alles  das  konnte 
seinen  Niederschlag  in  den  Zeitungen  nur  in  jenem  Fufler-  und  Acten- 
deutsch  finden,  das  von  jeher  die  Leibspracbe  derer  gewesen  ist,  die 
bei  allen  dieeen  Dingen  die  Hauptrolle  spielen:  der  Joristen.  Bas 


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hat  sich  dann  verbreiteti  bat  üch  der  Zeituugea  überhaupt  be- 
nichtigt 

.Und  noch  etwas  kommt  hinzu.    Ein  großer  Theil  unserer  Zei- 
tungen —  wird  von  Leuten  geschrieben,  die  einem  fremden  Volke  an- 
gehören, deren  Großeltern,  ja  deren  Väter  und  Mütter  vielleicbt  das 
Deutsche  noch  nicht  als  ihre  MuttenpFache  gesprochen  haben!  So 
fHak  ^ich  auch  der  Jude,  wie  in  alles,  was  mit  dem  bloßen  Verstände 
zu  eneicben  ist,  in  die  Elemente  der  deutschen  Grammatik  findet,  so 
flink  er  mh  iflinen  Gescbreibsel  den  Scbeia  einer  leidlich  richtigen 
P^ptenpmdia  m  geben  weil:  wo  es  anfo  Sf^raehgefttlil  «akomat» 
bleibt  er  doch  ewtg  der  Fremde.  Wo  iwei  BedeaBarten  miteinaader 
vwnwngt  Verden  kOonen,  da  ymmgt  er  sie,  er  ist  Ja  der  geboina 
Wippeken;  aber  anoh,  wo  swei  Cdnstamctionen  verwirrt»  Ja  awei  ein- 
ftdie  Wörter  wweebielt  werden  kennen,  verwirrt  and  verwechselt 
«r  äe.   Ist  er  doeb  viel  sn  eitel,  als  dsss  er  nlobt  mit  Vorliebe 
g«ade  an  solehan  Bfldem,  Weadnilgen  und  Wörtern  griffe,  mit  denen 
er      am  w^iigsten  nnungehen  weil.   Er  eraUdt  nicht  blos  kalt- 
ttdielnd,  dass  irgend  einem  das  Landetr^ehen  aer  aweiten  Gewohn- 
keit  geworden  aei,  er  sehreibt  anch:  die  Frage  wirft  sieh  (!)  auf 
oder:  damit  (  I)  wollen  wir  kein  Aufsehens  machen,  spricht  von  einem 
Dichter,  der  nach  (!)  dem  Lorbeer  des  Tragikers  heischt,  braucht 
vor  an  schreiten,  wo  er  fortschreiten  meint  ii.  s.  w.    Zwischen  Wörtern 
wie  sichtlich  und  sichtbar  lernt  er  nie  unterscheiden  (er  schreibt: 
mit  sichtbare I'  [!|  Freude),  noch  weniger  lernt  er  jemals  nachfühlen,  was 
heimlich  und  was  heiiuisck  bedeutet  (er  fühlte  sich  in  seiner  Um- 
?ebang  nicht  heimlich  ; —  schreibt  er);  füi*  silberne  Hochzeit  zu 
Silberhochzeit  —  daiauf  kann  zum  »^^rstenmal  nur  ein  Jude 
veriaäeu  sein.   Aber  auch  gegen  die  •  IrnM-n^;! i^ien  Kegeln  der  Gram- 
matik verstößt  er';  er  schreibt:  warnen  gegen  statt  vor)  etwas,  er- 
klären als  (statt  für;  etwas,  und  er  vor  allem  ist  es,  der,  wo  er  als 
Fr^-mder  den  reichen  Wortschatz  unserer  Sprache  nicht  behei  ischt,  so- 
im  mit  überütissigen,  falschen  und  häsalichen  Neubildungen  bei  der 
Hand  ist,  die  ibm  der  Deutsche  dann  gedankenlos  nacbbraucht  Ein 
großer  Theil  nnseres  heutigen  Sprachonraths  geht  ansschlieftlich  auf 
das  Judendeutsch  der  Berliner  nnd  der  Wiener  Tagespresse  zurüdu'* 
Dieses  Urtheil  Wustmanns  über  das  schlechte  Deutsch  vieler  von 
Jadanh^ausgegebenen  Zeitungen  ist  leider  nicht  ungerecht.  Uns  ist  unter 
uientk  aahlreichen  FftUen  insbesondere  der  eine  erinnerlich,  dass  ein 
wat  lehr  geistreicber  israelitischer  Schriftsteller  in  einem  von  ihm 
hnaisgebeaen  Fabelbnche  eonseqnent  ,fdes  Faehsen''  schreibt  Die 


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—    162  — 


energische  Bekämpfung  eines  solchen  1/eutsch,  das  zufällig  von  Juden 
stammt,  ist  nicht  Antisemitismus;  denn  Antisemitismus  ist  ein  ziem- 
lieh weites  politisches  Programm,  oder  besser  gesagt:  ein  Topf,  in 
den  verechiedene  aus  unedlen  umi  unmoralischen  Trieben  ableit- 
bare Ziele  kunterbunt  durcheinander  geworfen  werden.  Die^  zui 
Klai-Htplhin;^  uusereb  Standpunktes  und  zur  Vermeidung  eines  Miss- 
verstäuduLsseü. 

Aber  das  Übel  bleibt  nicht  bei  der  Zeitungssprache  stehen;  es 
steckt  die  Schriftsprache  an.  „Die  Zeitungssprache  hat  es  allen  an- 
getlian**  —  dem  Komanschreiber,  dem  Poeten,  dem  Doctorand.  „Ein 
spnu'hkundiger  im  l  sprachliil» lender  Mann  kann  heute  getrost  eine 
Wette  eingehen:  üiau  nehme  aus  dem  Schau er  einer  Buchhandlung 
blindlings  ein  neu  erschienenes,  in  deutscher  1  rusa  geschriebenes  Buch, 
gleichviel  welches  Inhalii,  gleichviel  von  wem  verfasst,  von  einem 
Universitätslehrer,  einem  Sclinliuann,  einem  Beamten,  einem  Baumeister, 
einem  Musiker  —  einem  uii.serer  »führenden'  Scliriftsteller,  einem  Blau- 
strumpf, man  schlage  es  auf,  wo  mau  will,  und  setze  den  Finger 
hinein:  in  einem  Umkieise  von  fünf  Centimeter  Durchmesser  um  die 
Fingerspitze,  soll  ein  grober  grammatischer  Fehler  zu  finden  sein,  die 
Geschmacklosigkeiten  ganz  ungerechnet  —  so  weit  sind  wir  jetzt!" 

Ist  dem  thatsächlich  so?  Wir  glauben,  dass  die  Wette  doch  ver- 
loren wftre;  denn  es  scheint  uns  in  dieser  ansnahmslosen  Verur- 
theUling  doch  viel  Übertreibung  zu  liegen.  Verhielte  sich  die  Sache 
wirklich  so,  dass  gar  niemand  ohne  grobe  grammatische  Fehler 
achrefben  konnte,  nicht  einmal  ein  Universitätslehrer,  ein  führ^der 
Schriftsteller,  so  wirea  wir  mit  unserer  Sprache  übethaupt  schon  fertig 
und  könnten  nicht  mehr  von  Spraehdnmmheiten  spreetei  sondeni 
nur  von  einer  in  den  letzten  ZAgen  liegenden  Spncbe.  In  diesem 
Zustande  befindet  sieh  unser  Deutsch  denn  doch  noch  nicht — Trotz  der 
eingsrisseaen  Sprachschlamperei  gibt  es  immer  noch  eine  natioiiala 
LItaratnr,  Ar  die  sich  Dentachhuid  nicht  n  sdiftmen  hnmeht!  — 

Wustnuuui  bedauert  weiter,  dass  die  Zeitungssprache  auch  bereits 
gesprochen  wirl  „Der  Padamentaiier,  der  Stadtrerordnete,  der 
VerelnsTOTBitsende,  sogar  der  Pfomr  {—  auf  der  Iiandeassynode),  wie 
reden  sie  denn?  soll  das  Deutsch  sem?"  —  Sie  sprechen  das  „un* 
natürliche  Papierdeutsch**  und  haben  keine  Ahnung  davon. 

Vor  fünfzig  Jahren  war  mit  jeder  Buchbesprechung  eine  Beur- 
theilung  des  Stils  yerbunden.  Es  wurde  streng  Uber  den  Zustand 
der  Sprache  gewacht  Heute  wird  Mos  noch  der  Inhalt  eines  Buebee 
beurtheilt;  die  Darstellung  ist  Nebensache  geworden.  »Manche 


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J 


—   163  — 


unserer  g^efeiei-tsten  Ifodwdiriftsteller  der  letzten  dreißig  Jahre  hätten 
sehon  mn  der  fSortgeBetztea  MisahAiidiimg  der  Spraehe  willen,  die  sie. 
sieh  haben  za  schnlden  kommen  lassen,  nicht  zn  der  Stelinng  gelangen 
dOrfea,  die  sie  eine  Zeitlang  eingenommen  haben.  Aber  die  meisten 
B^censentea  von  hente  sind  Ja  y611ig  nnffthig,  den  StU  eines  Buches 
n  benrtheilen.^ 

Spradüiche  Sehniteer  werden  ftr  „stilistische  Eigenheiten* 
ausgegeben,  ja,  es  gehOrt  sogar  zum  guten  Ton,  „die  Sprachfbnn  als 
etwas  TOlUg  Nebensftchlidies  zn  betrachten**.  „Wie  es  im  Leben  so  oft 
geschieht,  dass  man  den  hasst  oder  yeraehtet,  den  man  Meidigt  hat, 
80  hassen  md  verachten  aneh  gewisse  Leute  die  Spradie,  weil  ihnen 
ihr  scfaleehtes  Gewissen  sagt»  dass  sie  sie  tSglkh  verletzen  and  be- 
leidigen." 

Das  Ausland  fängt  bereits  an,  unsere  Spracliverderbnia  zu  be- 
merken und  zu  bekritteln. 

Nun  wendet  sich  Wustmann  gegen  die  Schule.  ..Wo  stammen  sie 
denn  her,  die  Spracliverderber  der  letzten  vierzig  Jahre,  wenn  nicht 
aus  der  deutschen  Scliule?  Wir  haben  ja  e^ar  keinen  deutschen  Unter- 
richtl  Wir  treiben  Latein  und  Griechis  Ii,  i< laiizösisch,  Englisch  und 
Hebräisch,  aber  wann  und  wo  in  allei"  \V  elt  lernt  der  deutsche  Knabe 
seine  eigene  Sprache?"  — 

Wiistniann  verlangt  einen  planiMaßisren  Unterricht  in  der  deut- 
sclien  (jramniatik  an  der  Hand  der  S|»iachgeschichte  (!)  und  weist 
hin  auf  die  Lückenhaftigkeit  und  Unzulänglichkeit  der  Sprachunter- 
weisung in  den  heutigen  Gymnasien.  Er  bedauert  die  naturwissen- 
schaftliche Richtung  der  Sprachwissenschaft^  ^die  jeden  Versuch,  in  die 
natürliche  Entwickelung  der  Sprache  einzugreifen,  fßr  unberechtigt, 
hälf^  und  sagt:  „Hoffentlich  sind  solche iWissenschaftliche*  Anschauungen 
noch  nicht  in  die  Schule'  gedrungen.  Bei  dem  knnen  Gedfirm,  das 
manche  Schnlmeister  haben,  ist  alles  nllg^ch.''  — 

Der  deutsche  ünterriebt  sollte  som  Mittelinuikte  des  g^&mmten 
höheren  Unterrichtes  gemadit  werden,  „so  wftre  etwa  in  einem  Menchen* 
alter  wieder  anf  eine  Bessemng  miserer  S^rachsnstlnde  sa  hoffen, 
froher  nicht*  —  »dass  blos  der  Unterricht,  Uos  die  Schale  belfea 
bnn,  —  ist  aweifellos.  Wer  soll  denn  helfen,  wenn  die  Schule 
nicht  hilft?  Dass  nodi  emmal  grolle  Schriftsteller  durch  ihre  Werke 
tildand  auf  die  Sprache  des  gaiuen  Volkes  einwirkten,  wie  zur  Zeit 
QBMrer  Classiker,  ist  vOIÜg  ausgeschlossen.  Und  wenn  ein  Engel  Tom 
Bhonel  kftme  nii^  schriebe  das  best^  Bundi  für  das  deutsche  Volk  in 
der  besten  Sprache,  —  der  erdrückenden  Obermacht  der  Tagespresse 


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—  164  — 

gegeiiubei  wurdi'  beiiie  Macht  vprsdiwindt  u  wie  eiE  Tropfea  im  Meere; 
die  Tagejjpi  f  sse  macht  alle  liudier  todt  '* 

Zum  Rrhlu>st'  seiner  in  manrljem  l'iiiikt*  stark  pcssmiisUsch  ge- 
läibien  1  >ar«telluugeii  von  <li  ni  kiaiikhaJtfcu  Zuf^lande  der  S|>ra«*lie  letrt 
Wiistinaim  die  Grnndsätze  dar.  die  ihm  beim  AblasÄen  ^»eiues  Buches, 
das  er  t  ine  Nramiiiaiik  des  Zweifelhafteu,  de8  Falschen,  des  UÄsaUehea 
iieiint,  rnaiigebciul  ij  i  wesen  sind. 

In  rein  grammatischen  Fragen,  sajrt  er  sei  der  einzig  richtige 
Standpunkt  der  conservative,  d.  h.  man  müsse  das  nichtige  zu  Ter- 
theidigen  und  zu  retten  suchen;  anch  in  anscheinend  verzweifelten. 
Fällen  dürfe  man  die  Ifdlinung  niolil  anfj^ebeD,  dui'ch  Klärung  des  ge- 
trübten Spraclibewüsstseins  oder  durch  Auistachelung  des  trägen  Sprack- 
gi  Wissens  das  Richtige  noch  zu  erhalten.  Nur  in  ganz  aussichtslosen 
allen  sei  der  Kampf  aufzugeben  und  dem  Neuen,  auch  wenn  es 
falsch  ist,  das  Feld  zu  räumen  f!?).  Wo  ursprünglich  Einheit 
waltet,  da  .sei  sie  streng  zu  wahren;  wo  Mannigfaltigkeit  herrscht, 
sei  sie  zu  schonen  und  jeder  öden  (Gleichmacherei  vorzubeugen.  Dabtsi 
sei  überall  der  Volksmund  zu  berticksichtigen.  Wo  feine  logische 
Unterichiede  verwischt  zu  werden  drohen,  da  sei  entschieden  entgegen- 
zutreten, wie  auch  da,  wo  man  sich  plötzlich  als  Durninkupi  behandeln 
und  sich  ohne  alles  Bedürfnis  Unterscheidungen  autDuthigen  lassen 
soll.  Die  Ästhetik  muge  stets  vor  der  Logik  das  entscheidende  Wort 
sprechen.  Die  vSprache  mftsse  erhalten  werden  bei  der  Schlichtheit 
und  Einfachheit,  in  der  allein  alle  wahre  Schönheit  beruht  Vor 
allem  aber  sei  überall  der  lebendigen  Sprache  zu  ihrem  Rechte  zu 
vei'helfen  gegenüber  der  Schreibsprache,  die  unser  Schriftdeutsch  so 
vielfach  entstelle.  „Eine  gute  deutsche  Grammatik  der  lebendigen 
Sprache  —  das  ist  das  nftchste  und  wichtigste  Schulbuch,  da* 
in  Deutschland  geschrieben  werden  muss." 

m. 

Das  sind  die  möglichst  treu  wiedergegebenen  Anschauungeu 
Dr.  G.  Wustmanns  über  die  Ursachen  und  das  Maß  der  Sprachver- 
wilderung, ^lag  auili  manche  seiner  Äußerungen  weit  über  das  Ziel 
schießen,  ja  manche  sogar,  weil  sie  zu  allgemein  gehaittu  ist,  nach 
vielen  Seiten  hin  als  ungerecht  und  verletzend  empfunden  werden:  im 
ganzen  muss  ihm  doch  recht  gegeben  werden.  Ein  autiiiLiksiimes 
Studium  seines  Buches  bestätigt  dies  leider  vollauf;  denn  wenn  man 
das  riesige  Material  überblickt^  das  er  da  mit  Ameisenfleiß  als  Form-, 
Wortbildungs-  und  Satzfehler  zusammengetragen  hat,  so  erschiickt 


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—   166  — 


man  vor  der  Unmasse  von  Unkraut,  das  sich  in  unserem  Deutsch  be- 
z«itB  eingenistet  hat,  und  kann  sich  des  Gefühls  von  Unbehagen  nicht 
«rwehren  bei  dem  Gedanken,  selbst  lange  Zeit  vieles  von  diefle&i  Un- 
lONuit  nicht  bemerkt  zu  haben.  Andererseits  empfindet  man  wieder 
eine  gewiss  begründete  Kilpichtenng  in  dm  Bewasstseinf  ein  ^Hand* 
Imßk  des  Fehlerbftften,  Falschen  und  Hässlieben^  gefunden  zu  habM, 
das  mit  diirctiBCbUigtiMtoa  Sotwrftmn  imd  grofter  SachkmtaiB  die 
Mftden  muwrer  Spraehe  wfdMki  wd  ui  iwnlUhaftaii  F&Ue&  siehereii 
Bttb  vOeUi 

Unter  jum  aber,  die  aidi  la  den  JeveOlgeD  ZiBtend  dar  Spraelie 
aageiegaitlichat  bekftniiiiern  aoOen,  stehen  die  Lalmr  aller  Selml- 
I  kategorieB  im  Yordergnuide.  Dvnlildle  Schule  wird  der  Jogettd  das 
I  Yeisübidnis  der  hoehdentschea  Spraohe  Terodtlelt,  dmh  die  Schule 
das  QcBBtimäßige  des  Sprachbaues  gelehrt  and  eingeprägt.  Za  dieser 
pesitiren  Thätigkeit  der  Schale  nross  eich  aaeh  eine  legatiye  ge- 
eeflen,  die  —  vornehmlich  anf  der  höheren  Stufe  des  Unterrichtes  — 
darin  besteht,  dass  auf  die  gegenwärtig:  stark  hervortretende  Neigung 
der  Sprache,  Felüerhaftes  aufzunehmen  und  Arh  zu  assimilir«'ii,  als  sei 
€s  ein  natürliches  Prodnct  ilirer  Kntwickelung,  luiiner  und  irumer  liin- 
gewiesen  und  die  Kenntnis  des  schon  eingewurzelten  Falschen 
ebenso  gut  veimittelt  werden  muss,  wie  die  Kenntnis  des 
Richtigen!  Um  aber  dies  zu  krmnen,  mnss  der  LeliitMule  in  der  Sache 
selbst  2-ut  unterrii  litet  sein.  Vahw  selit  n  wii'  als  eine  Pdicht  der 
Lehrerschaft  an.  dein  ieidij^en  (ie<:f  nstaiiile  der  Sprach vergchJechterung 
mehr  denn  je  ihre  Aufmerksamkeit  zuzuwenden,  einschlägige  Sclirift^n 
zu  lesen  und  beim  Unterrichte  zu  verwerten.  Eine  solche  Schrift  ist 
Dr.  G.  Wuätmanns  „Sprachdommheiten''.  Sie  sollte  in  keines  Lehrers 
BiUiothek  fehlen! 

Es  sei  uns  schließlich  erlaubt,  die  Frage  zu  beantworten,  ob  es 
nicht  Mittel  und  Wege  giht^  dem  Sprachverderbnis  direet  und  indireet 
mit  größerem  Nachdruck  an  den  Leib  sa  gehen.  Um  aber  den  Umfitfig 
dieser  Arbeit  nicht  noeh  sa  TergrOHeni,  stellen  wir  die  fieantwortnng^ 
<ter  FngQ  in  einigen  Ponkten  kan  zasammen,  a.  z.: 

1.  Der  bessere  Theil  der  Presse  mass  aas  seiner  der  Angelten- 
M  gegenftber  bisher  beobachteten  Passmtit  henastreten.  Er  mnss 
m  Wahrnng  sefaier  Ehre  ond  aas  Liebe  som  YoUcsthaai  enie  strenge 
Controle  in  Besag  aaf  die  Hoehhaltang  der  Spraehreinheit  üben  nnd 
M  nicht  scheoen,  Uber  dem  Hanpte  der  aehleehtschreibenden  Zei* 
hmgen  die  GeiM  einer  scharfen  Kritik  zn  schwingen,  ihre  ünfiUiig* 
keit  rftcksichtslos  aalhadecken  and  dahm  sa  arbeitenf  dass  anbero^Bne 
fleribler  die  Feder  aas  der  Hand  legen. 


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—   166  — 


2.  Scbulzeitschrift^n  emptelikii  wir,  eine  eigene  Rubrik  zu  er- 
i>fl"non.  in  wplrlier  die  Sprachreinigung'  einen  stellenden  QegensUad 
bildet.    AululiruDg  drasti^rln  i  Roispiele! 

3.  Die  Journalistoin  k  l  bände  müssen  sich  dahin  e^iiiii^  t  ii,  von  j^^nen 
Kritikern,  die  als  iieiin  ntt'n  über  literarische  Erscheinungen  lungn-en, 
mit  Nachdnick  zu  verlangen,  dass  der  sprachlichen  Darstellung 
eine  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt  wird. 

4.  Die  höchste  Unterrichtsstelle  verordne,  dass  an  Mittelschulen, 
Akademien  und  Universitäten,  vornehmlich  aber  an  Lehrersemi- 
aarien  die  Stndirenden  mit  der  GiOBe  des  Übels  möglichst  ein- 
gellend  bekannt  gemacht  werden,  wobei  ein  etwa  von  der  Akademie 
der  Wissenscbaften  vertasetes  Werk,  das  den  «^[nrachnnrath''  fiber- 
fliehtlich  zusammenstellte,  znr  Grundlage  genommen  werden  könnte. 

6.  Alle  fär  höhere  nnd  niedere  Schulen  bestimmten  Lehrtexte  sind 
einer  Eevision  zn  nnteniehen  in  der  Ridktnng,  oh  sich  nicht  sicii 
da  schon  das  Sptadiverderimis  regt,  resp,  ob  nicht  etwa  sngnnsten 
der  Sprachreinheit  manches  sn  Terhessem  nothwendig  wirel  Wir 
g^nhrä  Ja,  denn  es  wttrde  nns  nicht  schwer  fltllen,  Beweise  dallir  in 
erhringenl 

:  Damit  sind  die  Hittel  wider  die  SprachTerwilderaag  nii^t  er* 
schöpft;  es  wird  deren  gewiss  noch  bessere  geben  als  die  hier  aa- 
geführten.  Aber  wir  leben  der  Überzeugung,  dass  schon  viel  gewons» 
w8re,  wollte  man  dem  Sprachyerderbnis  anf  die  von  nns  angegebese 
m  Leibe  rOdken.  Es  gehört  dasn  nur  ein  reges  Interesse 
für  die  Sache  nnd  ein  guter  Wille  gepaart  mit  Beharrlichkeit 
und  Thatkraft 

Nftohwort  TO«  Seite  der  Bedtetion.  Wte  b»hm  dieMi  bqgfSad«*«* 
Xlagea  und  wolgemefnten  Yoischllgen  Baiun  gegebcm,  obwol  wir  nioht  ghmbeat  ^ 
die  letzteren  zur  HeUnng  de«  tJbels  gentigpu.  Die  Cur  mSsste  tiefer  gTeifen,  weil 
die  Krankheit  tiefer  lieg-t.  Tic  nrundursailie  der  gprftchlichen  Verlott cnicp' 
und  VerrriMi  ning  i»t  die  nioral  ischt-  ^'erlot^«'ruI)K  und  Vcrwililortnirr, "  und  der 
ersteren  kiimi  nur  Kinliiilt  ^retlmn  werden,  wmii  der  letzteren  Einliali  getliaa  wird. 
Allerdings  kuuimt  biei  auch  daü  iuiellectuelle  Moueut  mit  iuü  6piei:  wer  sciurift- 
•teUem  will,  lollte  ent  etwas  (hdentUebei  leraeit  (narh  Oebilt  und  Form)* 
dasn  gehört  Beadieideiilieit)  Seapeet  vor  HwUm,  FleiB,  Aaidaaer,  Geduld  ii.a.Wn  Vkfi^ 
afhsften,  die  seltener  sind  als  Eitelkeit,  ZflgcUosigkeit,  Gewinn-  und  Ehrsucht  a.  ^■ 
Dem  moralischen  Verfall  folgt  nothwendig  der  intellectaellc  und  sprachliche.  wi> 
der  politische,  sociale,  ffe.sehäftlicbc ,  ktlnstlerifsehe  und  jeder  andere.  Wenn  dea^ 
Eicht  ahzubelfen  ist,  so  wird  die  deutüciie  Sprache  und  Literatur  d>eiiso  ent«rtc* 
uud  verkommen,  wie  einst  die  griechische  uqd  rümischc.  !)• 


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Hygiene  und  Ernelmtt^. 

Ihre  Anweuduug  zur  wirksamen  Bekämpfung  des  Idiutitimus. 

Von  Bector  O.  Hintx^Beriin, 

^^^it  diesen  Ausföhnnijjen  soll  nun  keines wegB  der  Se^^eu,  der  von  den 
zur  Zeit  befiteheudeu  IdioUsoautitaiteu  troUdeiu  aojgebt,  in  Frage  gestellt 
«odaii;  doreh  fte  kt  nur  YWtaeht  wordeD»  dtn  Baweii  Ar  die  Behauptung 
n  erViingeD,  iium  4enelbe  in  keinem  Verfaftitais  m  dem  Segen  eteht»  weleben 
ile  Khelfen  kSnnteo,  wenn  ihre  Organisation  in  der  von  mir  ausgeföhrtea 
Weise  geregelt  würde.  Wol  werden  die  Erfolge  gewissenhaft  verzeiclinet 
und  sind  in  den  Jahresberichten  aller  Anstalten  angegeben :  doch  die  hervor- 
gerufenen Schäden  h:\t  man  in  der  Regel  uichl  zifferniiiüig  festzustellen  ver- 
sucht, weil  man  siiii  nicht  die  Mülie  nimmt,  sie  zu  erkeuueu  uuU  aufzudecken. 
DfliiBodi  lieto  sich  solche  Ermittelnngen  ousehwer  anstellen.  Man  mttBSte 
lidi  nur  dann  gewöhnen,  in  den  Peieonalaeten  der  SS9glinge  niekt  nnr  die 
Erfolge,  aondem  Wik  dJeVersdilimmerangen  im  Znttnnde  derselben  gewiaeen- 
haft  aufzuzeichnen .  Wenn  dann  das  Material  ans  etwa  fttnf  Jalirgftogen  von 
«illen  Anstalten  Dent^chlands  eingefordert  und  statistisch  verarbeitet  würde, 
dürfte  sich  mindestens  herausstellen,  wie  viele  Idioten  infolge  des  Umgangs 
mit  Epileptikern  zeitweise  von  Krämpfen  befallen,  wie  viele  üble  Gewuhuheiteu 
bei  einzeUien  Idioten  hervorgerufen  werden,  und  bei  wie  vielen  das  GemUths- 
loboi  in  der  Verbildnng  liegriffen,  Stempfkinn  nnd  Qleiehgiltigkeit  gegen 
Illere  Bindracke,  gegen  die  Interenen  ikxer  Knmeraden  etc.  gewacksen  sind. 
^^okhe  Beobaektnngen  mftwten  den  Blick  des  Idiotenlehrers  Ar  diese  aud 
iilinliciie  Dinge  immer  mehr  sc  härfen ;  sein  psychologisches  Interesse  dürfte 
mehr  mv\  mehr  wachsen,  und  )t;i!d  würde  sich  die  Zahl  derjenigen)  die  eine 
ÜeorgaiiisHLiun  der  Anstalten  anstreben,  merklich  vergi  üüerii. 

Fern  sei  es  von  mir,  anzunehmen ,  dass  dat»  liesireUeu  vorgelegen  habe, 
&  uugedenteten  Obelstände  absiehtlieh  venebleiem  ni  wellen;  aber  ieh  darf 
ml  behaupten,  dass  sie  bisher  keiner  genauen  und  grttndlichenPrfiftiag  nnter^ 
ngen  worden  seien.  Das  ist  eine  Unterlassongasflnde,  die  anfisndecken  za'den 
HiDptanfgaben  dieser  Arbeit  gehöit  hat. 

Um  das  Ergebnis  der  letzten  Ki-iii-t^rnn^'-en  samm;irisch  zusaniiiienznfass^^n 
and  die  Organisation  der  Anstalten  selbsi  kurz  zu  heli'Uchten,  sei  iüm  Ii  t  inmal 
erwähnt,  dass  es  sich  eiapfehleu  dürfte,  die  Geistesschwachen  mit  Rücksicht 
Mtf  ihre  geistige  Veranlagang  and  ihre  kOrperlleben  Gebreeben  entweder  be- 
MBünen  Anttfltm^  Ar  Cretinen,  SpÜeptiker  nnd  Id^iperlicb  gesunde  Scfawaeh- 
iisnige  oder  besonderen  Abtheilnngen  einer  grSfieren  Central- Anstalt  xn  Uber* 


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168  — 


weisen.  Selbstredend  bezi'  ht  gidi  diesi»  Trenünn-  nur  auf  die  JiilUuiiL  -t:Uiigeu. 
Je  nach  der  BefäliigiU)^  lur  du^  in  udar  andere  UnterridiUiiacli,  liu*  die  eise 
oder  andere  manuelle  Beechlfügiiug  könnte  die  Abtlidlangen  wMu  Ja  w> 
acUedeDeünteniUheiliuigeD  getieiintweidei^  und  et  dOrfte  mudi«  Kind  beld 
der  ^en,  bald  der  anderen  AbtbeUmif  sngewieien  werden,  je  Dadi  dem  Gude 
seiner  Leistnngsfiibigkeit 

Für  tanbstTiinfne  und  schwerhörige  Schwachsinnig^e  einerseits  nnd  blinde 
aiidt  rerseits  milssten  überall,  wn  es  noth  tlnit.  Hilfsdassen  oder  Uiltiäcbulen 
eiügericiitet  werden,  doch  so,  dass  sie  in  organischem  ZusammenbaDge  mit 
einer  Taabstommen-,  bezw.  BUndenanstalt  ständen. 

Den  Anedmek  „Idiotenanstalt*  mMte  ieh  vemiieden  wiMOB,  weQ  er  bd 
manchen  Eltern  Anstofi  erregen  konnte,  nnd  dafür  die  Bezeiebnnii^  Blldnnflri' 
anstalt  für  Schwachsinnige  oder  Schwachbefähigte  setzen.*)  Wie 
Behon  der  Name  andeutet.  ?5ollon  in  einem  solchen  Institut  aucli  die  Schwach- 
befähigten  Anfnahme  linden,  die  man  g'ewfilinlich  nicht  zu  den  Tfiioten  rechnet, 
die  aber  anch  nicht  zn  den  NornialberiUiifrten  gezShlt  werden  könneu.  Genide 
dämm  lege  ich  aber  auch  Gewiclit  darauf,  dass  alle  uicht  higher  geMtWÜtti 
Kategorien  Ten  GdeteMdiwadien  Ten  diesen  feUreBnt  und  nncii  au«  Badinga> 
nnfthigen  itreacr  ansgesafakiSMn  werdta  Die  BcMiehnnnf  „Ulatmiistall* 
Wttrde  nnr  auf  die  Asyle  anzuwenden  sein. 

Jedes  Bildnn^sin.stitut  Hir  S(;h\vachiinnige  nsp.  Schwachbefihigle,  Ott- 
tinen  oder  Epileptiker  niüsste  ^  ■>«rehen  : 

1.  aus  einer  Erzicliung-s-  und  üuterrichtsauütalt  und 

d.  in  der  Kegel  auch  aus  einem  Asyl,  der  eigentlichen  Idioten-,  Cretines* 

etc.  Anstalt 

Naeh  F.  Krats,  Diieetor  der  Taabstnunen-Anstalt  m  LlegBits^X 
die  üntetriehtsaastalt  vier  Stufen  umfassen : 

a^  die  Gängelstafe, 

b)  dit^  Spielstufe, 

c)  die  Auschauungsstuie, 

d)  die  eigentliche  Uuterrichtsstufe. 

Anf  der  höchsten  Stnib  soll  der  LehrstolF  anf  yierClassen  rertheill  Verden. 
Es  ist  ans  dem  yon  ihm  anijiesteaten  Flaa  nicht  recht  erslehtUch,  ob  sieh  dime 
Eintheilnng  nur  auf  den  Unterrichtsstoff  beziehen,  oder  ob  die  Seh&ler  alt 
Kücksicht  auf  ihre  gesammte  Durchschnittsbildnnfr  vior  verschiedenen  Claseen 
angehören  sollen.  In  der  Erziehung^sanstalt  zu  Daldorf  wie  in  \  i*^lej>  anderen 
Anstalten  besteht  dieses  Ciassensystem,  wenn  auch  mit  einigen  Ab^veichttBgeD. 
Die  Zöglinge  iu  Daldorf  beispielsweise  gehörten  mit  Rücksicht  auf  ihre  Ge- 
sammfleistnngen  nach  einem  in  Nr.  5  des  VL  Jahrgangs  der  Zeitschrift  IBr  die 


*)  X>ie8e  Arbeit  war  schon  vor  zwei  Jahren  großentheils  diudifertig.  ii° 
vorigen  Jahre  fand  idi  in  der  Zeitschrift  lllr  die  Bebandlunff  Schwadniunigcr  0t&» 

Yll.  .Tahrgang,  Nr.  1  u.  2,  S.  18  in  dem  hier  nachträglich  mehrfach  erwähnten 
Anisatz  von  M.  Jaeger:  „Idiotismii-:  und  Srlnviu  Iisinn"  eine  rollst.lndiqr  clcirhe  M* 
ßiclit  ausgesprochen,  ein  Beweis  dafür,  da^is  die  Übcr^uguug  von  der  L'nzwe«*' 
mäBigkeit  der  Anstaitsbezeichnong  allgemeiner  zu  weiden  verspricht. 

0*\  Y  Kratz,  Plan  zn  einer  einzurichtenden  Anstalt  zur  Erziehung  und  Pflög* 
bchwachsiunigcr  ^Idioten)  nach  Säger tacben  Grundü&tzeo.  Siebe  Zeitschrift  für  die 
Maadlong  Schwaehsimuger  etc.,  uL  (VH)  Jahif.,  Nr.  6,  8.88  If. 


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I 


—   109  — 


B€handlaDg  Schwachsinniger  etc.  enthaltenen  Bericht  im  März  1890  sechs 
anfstcifTpnden  Classen  an,  von  denen  die  letztere  drei,  die  vorletzte  zwei  und 
die  erste  zwei  Parallelclasseii  hatte.  Sie  werden  auch  f^enaa  so  wie  die 
Kinder  einer  Volks-  oder  höheren  Schule  von  einer  Classe  in  die  andere,  nächst 
Mitn  Tonetst.  Für  die  BUdongsanstalten  der  Schwachtinni^n  wie  ftlr  die 
tofenaimteii  HflftBchiileii  llnt  tkh  melBer  ErfUinuiir  n^h  solch  dn  Claaseii- 
fystem  nicht  mit  Erfolg  aufrecht  haiton,  ruft  ee  doch  sehen  fSr  tiel«  mniiale 
Kinder  mancherlei  Nachtheile  hervor ;  es  empfiehlt  sich  vielmehr,  wie  das  schon 
vorhin  ang"edentet  \\'urde,  die  Z5^1inge  je  nach  dem  Grad  i^^t-  I.pi-itangen  in 
den  eiuzelnpn  Leliifjepenyitänden  in  verschiedene  anfsteigenUe  Fachciassen  zu 
setzen  und  deuigemäii  auch  bei  zunehmenden  Fortschritten  zu  versetzen. 

Je  nach  dem  Alter,  der  Befähigung  und  den  Leistungen  der  aufzu- 
nehmeiideii  ZOgllDge  werden  sie  der  einen  oder  anderen  SM  sofewieeen 
weiden  mteen,  nm  Ttn  dort  ans  den  Entwtekelnamangr  m  begtaBen. 

Das  Asyl  ninss  mindestens  ans  einer  BesehlfUgnngsabtheflong  hestehen, 
kann  aber  auch  eine  Pfleg-fanstalt  enthalten.  Oh  die  letztere  in  org^anischem 
Züsammenhang'e  mit  einer  Bü'lnnc-snnstalt  für  Idioten,  (  ivtinen  oder  Epilep- 
tiker oder  außer  aller  Verbindung  steht,  ist  }?leichf,nlti^.  da  sie  nur  als  Heim 
für  die  ünglttckUchen  bestimmt  ist,  die  für  keine  Beschäftigung  brauchbar 
geniadtt  werden  kOnnen,  also  sans  bfldmgsnnfähig  sind.  ]>ass  hier  aUe 
Xategeilen  fon  Bllldsfauiigea  Tertraten  setn  weiden,  Ist  setbstTerstlndllofa  and 
verursacht  keine  Bedenken,  weil  leider  nichts  geliessert,  aber  auch  nichts  ge- 
schädigt werden  kann,  nnd  nur  die  leibliche,  mensehenwUrdige  Pflege  die 
Hauptaufgabe  bilden  niuss. 

In  die  Beschilft ignnpsapptaU  können  einerseits  diej<»nig"en  Schwachsinnigen 
aa%eoommeu  werden,  die  mau  iu  der  Uuterrichtsanstalt  nicht  soweit  fördern 
ksan,  dass  sie  sich  Im  biugerlidien  Lehen selhststladlgflQfftsnhelfenTerni^^ 
sadererseits  dlcifealgen,  welche  hei  ihrer  Anthahme  sehon  das  hUdnngsfthlge 
Atter  überschritten  hahen,  sich  aher  trotadem  zu  leichteren  Aiheiten  ver- 
enden lassen.  Es  ist  nicht  unbedingt  nothwendig,  jede  Erzielmng:sanstalt  mit 
einem  A^yl  zu  verbinden;  selbst  die  Besch ■{ fr i^ngsabtheilnng  kann  fortfallen. 

Wenn  Pa8t<»r  Sengelmann  die  Zög:linge,  welche  sich  mit  Erfolg  am 
Arbeitfiunterricht  betheiligen,  auch  bildungsfähig  neuut  und  die  Bildnngsfuhig- 
iMit  nicbt  allein  von  der  üntenlehtsfiihigkeit  ahhängig  machen  lassen  wiU,  so 
llmt  fleh  dagegen  niehts  elnwendeo}  doch  das  Beispiel,  das  er  zor  BesUltignng 
»einer  Ansicht  heranzieht,  ist  wenig  ntieffend.  Er  fhkgt*):  „Oder  wttrden 
wir  emen  Tischler,  einen  Schuhmacher,  der  sein  Handwerk  versteht,  weil  er 
nicht  lesen  und  schreiben  kann,  zu  den  Bildnng^unflihigen  zählen?"  Das  frei- 
lich nicht,  aber  nicht  nur  aus  dem  Grunde,  weil  er  sein  Handwerk  versteht, 
Kadern  weil  es  gew(}lmlicli  nicht  ansgescbiossen  ist,  dann  er  auch  iui  Maunes- 
ater  noch  lesen  and  eohreiben  lernen  kSnnte.  Die  Büdoagafhhigkeit  wird  also 
tiAt  alleitt  nach  der  LelBtnngaitthigkelt,  sondern  auch  nach  der  geistigen  Be- 
SsboBg  bestimmt  werden  mOssen. 

Die  Wichtigkeit  der  Erziehnng  cur  Arbeit  ist  schon  lange  erkannt  worden. 
Auf  der  Conferenz  fttr  Idioten-EeUpflege  za  Berlin  1874  gelangte  seitens  der 


*)  Zeitschrift  fiir  die  Behandlung  Schwachsinniger  etc.,  V.  Jahrgang,  ^'r.  3 
8L  41« 


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—    170  — 


Versammlang  die  Resolution  zur  Annahme:  „Die  OrgiBiMÜoii  der  Arbeit  ist 
flir  Idioten -Erdehnngnintaltea  ebenso  wiehtigr»  wie  die  Organisntla&  des 

Unterrichts,  und  die  EfTichtiuigr  eines  landwirtschaftlichen  Betriebes  und  yw- 
pchiedener  ArbeitsstÄtten  nnerllissliches  Bedürfnis."^  *)  Schon  Griesinger  schlä^-t 
in  seineui  Archiv  für  Psychiatrie  1868  die  Einrichtung  ländlicher  Asyle  für 
solche  geistesschwache  Erwachsene  vor,  denen  noch  nicht  ganss  die  menschen- 
wllrdige  Beetlmmimg  abgebt. 

Man  wird  eonneh  ontersefaeiden  kflnnen: 

a)  Eniehnngs-  und  Unterrichtsanstalten  (Internate)  für  Schwaciisinnige  resp. 
Schwachbel^higtp,  für  Cretinen  oder  Epileptiker,  verbunden  mit  einer 
eigentlichen  Idioten-,  Crerint  ii-  etc.  Aiurtalt,  d.  b.  einem  aus  zwei  Ab- 
tbeilongen  bestehenden  Asyl; 

b)  EriielMiiign-  und  UnteitifiliCsaiislalten,  mur  Terbuden  mit  eiiur  Peochif- 
tignngsabtiielfanig ; 

c)  Erdehnngs-  und  Unterrichtsanstalten  ohne  Asyle 

d)  Idioten-  bezw.  Cretinen-  etc.  Anstalten,  bestehend  aas  einer  Beschäf- 
tigungp-  nrd  einer  rtlegeabtheiloDg; 

e)  rtlegeanstaiten  für  Blöde. 

Die  Stadt  Berlin  beeitit  seit  Ende  des  Jabret  1681  eine  Idietonanstalt 
in  Dalldorf,  auf  die  sehen  hiogewieeea  wurde,  welche  na^  einem  in  Nr.  6  des 
VII.  (XI.)  Jahrganges  der  Zeitschrift  ftir  die  Behandlung  Schwachsinniger  etc. 
enthaltenen  Bericht  vom  Januar  <1  Ts.  230  ZSglinge  enthielt.  Es  wird  dem- 
nächst auch  eine  Anstalt  für  Ejuleplische  ins  Leben  gerufen  werden.  Dann 
aber  dürfte  inäbesoudere  noch  für  die  Erziehung  solcher  schwach  begabten 
Kinder»  die  niebt  direet  ra  den  Idioten,  deeb  anefa  nicht  an  den  Nonnal* 
belftMgten  gezählt  werden  können,  und  die  ein  nicht  in  uitersdiiteendes  Oon» 
tingent  der  Berliner  Geneindesehalen  bildeni  Sorfl;e  in  tragen  sein. 

Mit  der  Frage  der  Erziehung  schwachbe fähig! er  Kinder  hat  man 
sich  in  Deutschland  erst  seit  ungefähr  zwölf  Jahren  besetiuftigt,  namentlich 
aber,  seitdem  durch  einen  Erlass  Sr.  Excellenz  des  fräh^en  Coltusministtfs 
▼on  Geesler-  die  Binriofatang  Yen  sog.  ^HilftrlBBSwi*  Ar  SehwaehbefKUgt»  in 
allen  Städten  von  20000  Einwohnern  und  darftber  empfbblen  wwde.  An- 
fänglieh  stand  man  dieser  Frns:^  ziemlich  kühl  jrf^gentiber.  Im  Jahre  1880 
erklärte  die  Coaterenz  zu  Stuttgart  es  zwai  tür  wünschenswert,  dass  in 
größeren  Städten  besondere  Classen  errichtet  würden,  betonte  aber  gleich- 
seitig ansdrHeklieh,  „dass  diese  nie  die  Anstalten  enetien  kOnnen,  daas  sie 
eine  halbe  Maftregel  seien.'**)  Anf  diesem  Standpunkt,  den  ieh  voll  ond 
gaan  tlieile,  schien  auch  die  vierte  Conferenz  zu  Hamburg  1883  zu  stehen; 
denn  sie  brachte  anch  damals  den  Hilfsclafisen  trotz  des  eifrigen  Eintfpfens 
fUr  dieselben  seitr-i)«'  dos  Lehrers  Kielhorn-Brannschweig  wenig  Sympathien 
entg^en.  AUmuiüicii  scheint  aber  ein  Umschwung  zu  (iunaten  derselben 
in  der  Qesinnnng  der  Fftdagogen  you  Fach  eingietveten  m  seÜL  Anf  der 
fttnfken  Gonibreoa  an  Frankflirt  «.  K.  1886  begegnen  wir  in  Dr.  Bartels, 


*)  Zur  Idiotcnpficge,  von  Schwandaer.  Stuttgart  1875,  8.  11. 
**)  Dr.  Knapp,  Besuch  von  Idlotenaostalten.  Gru  1881.  Verlag  von  Leuschner 
A  Lubensky,  S.  45. 


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—   171  — 


Director  des  Rfire^eisehnlwesens  in  (iera,  einem  eifrigren  Kämpen  für  dio- 
Sache  der  Schwachb«iUhiglen.  Es  wird  hier  u.  a.  hervorgehoben,  das» 
die  Hllftclawen  Inbi«  GonmuniiBlBstltate  IQr  die  Idlotenaiietalten  weite 
teOeii,  eendeni  eine  MitteUteUnng  iwiieheD  diesen  mid  ta  Nemuüedielai  ein- 
nehmen mOMtD.  FMUeh  wird  aach  hier  wie  in  Stuttgart  constatirt,  den  auf 
diesem  Weg-e  kein  g:enerellej5.  einheitliches  Verfahren  durchführbar  sei.  nament- 
lich dureh  rlif  Anfwertong  der  Frage:  „Wer  sorgt  für  die  Schwachen  auf 
dem  Lauilt  •■  Aiu  h  anf  der  Braunschweiger  C'ontVrenz  im  Jalire  18<S'J  wunl« 
diese  Augeie^eiüieit  zur  Debatte  gestellt ;  zu  einer  Klärung  derselben  haben 

die  VeilHuidhBigai  jedecb  aneb  nidifc  geflUirt  Zwar  wer  die  ZeU  Uirer 
Freude  gewtdiBen;  deeto  nebr  trat  aber  eaek  die  üneicberbeit  ihrer  Ver- 

teeter  hervor  in  dem,  was  sie  eigentlich  wollten.  Bei  einzelnen  schien  sich 
schnn  die  Erkenntnis  Bahn  zu  brechen,  dass  mit  dem  Wachsthum  der  HüfS' 
sclulen  dip  Existenz  der  Tdiotenanstalten  in  ihrer  jetzigen  Einrichtnng'  in 
Frage  gesteilt  werde.  Darum  1p£rte  nuui  von  gewisser  Seite  Wert  daranf,  zui 
toaautireu,  dass  die  letzteren  kuptiig  ihren  Zuwachs  nur  vuu  der  ländlichen 
BertBkeniBg  ra  erwarten  battaa,  sunal  Ja  ineincebMiiStldtMi,  wie  in  Leipzig, 
sogar  kOrperlicb  Defeote  in  die  HiHtolaassn  aaCgenemmen  werden. 

B^tinimter  in  ihrem  Auftreten  und  in  ihren  Forderungen  zeigte  sich  die 
Schweizerische  Conferenz  zu  Zürich  vom  Jahre  1889.  Dort  gelangte  die  vom 
Schnlinspector  Largiadt'r  gestellte  Tliese  fast  einstimmig  zur  Annahmt^:  . 
ist  Pfllclit  des  Staates.  Veranstaltungen  zu  treffen,  dass  Schwachbegabte  Kinder 
deai  zur  Erziehung  ei forderlichen  Untemcht  in  einer  den  individuellen  An- 
lagen  nnd  Bedttrftiissen  entsprechenden  Welse  empfangen  können."*)  Ist  da- 
Bit  aoeh  die  LOeonir  der  Kenfrage  noeh  keineewege  entschieden,  so  sind  doeh 
darin  zwei  bestimmte  Fordernngen  enthalten,  nämlich  die»  dass  1.  dasBildungs- 
bedärfnis  Schwachbeffthigter  nicht  durch  Wohlthätigkeitseinrichtungen,  sondern 
durch  die  Initiative  des  Staates,  bezw.  der  Gemeinde  zu  befriedigen  sei;  2.  für 
die  zu  treffenden  Veranstaltungen  nicht  lokale  Verhältnisse  —  wie  z.  B.  be- 
sondere Berücksichtigung  von  Stadt-  und  Landbevölkerung  — ,  i^ondern  nur 
pädagogische  und  volkswirtsohaftliche  Gesichtspunkte  maßgebend  sein  sollen. 

Sobald  in  dieser  Frage  die  ünterscbeldvng  von  Stadt  nnd  Land  ani)se> 
g^Mn  und  eine  prindpielle  LSsnng  erstrebt  wird,  kann  die  Bntsebeidnng  nicht 
schwer  fallen.  Je  nach  ihrem  Ausfall  ^in  l  entw^er  überall,  in  Stadt  und 
Land,  olligatOTische  Hilfsschulen,  bezw.  llilfsdassen  für  Schwachbegabte  ina 
Leben  zu  rufen,  oder  die  ?chon  vorhandenen  sind  tlinnlichst  zu  beseitigen, 
bezw.  nur  in  dringenden  Fällen  provisorisch  zu  erhalten  oder  einzurichten. 
Im  letzteren  Falle  müssen  die  Erziebungs-  und  Unterrichtsanstalten  für  Geistes- 
Nfawaebe  (Sebwaebsianige,  Gretinen,  Epileptiker)  das  Gontlngent  der  Scbwacb- 
Mbigtan  ftbemebmen ;  im  ersteren  sind  die  Intemate  für  nnterriebtsflUiig» 
Schwachsinnige  nacli  und  nach  abrascbaflion  und  nur  das  Bestehen  Ton  Asylen 
wiit  oder  ohne  Beschäftigungsabthcilnngcn.  also  von  reinen  Idioten-  rc5»p.  Gre- 
tinen- etc.  Ansf alten  zu  fördern.  Zv^eitellos  wird  man  sich  für  den  Wegfall 
der  Hilfsschulen  entscheiden  müssen,  wenn  mau  iu  Erwilg"ung-  zieht,  dass  man 
sich  der  Schwachen  am  allermeisten  annehmen  mnss,  und  dass  selbst  die 
Sehwaebbeibbigten  leiebteren  Grades  iniblge  ihres  Aufenthaltea  in  einer  An- 

*)  Zeitscluilt  für  die  Behandluiff  SobwedisiaBigerete.,  V.  Jahrg.,  Nr.  9,  8.88* 


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stall  mit  ilireu  besoudereu  erziehlichen  Mitteln  eiueu  größeren  Gewinn  ins 
MmtUebe  Leben  mitnefamen  dbften.  „Die  enlshlidMii  und  imterrlehtliebeii 
Mittel  und  Methoden,  die  ganne,  Bpeciell  berechnete  Hanaordnimgr  einer  An- 
stalt nnd  nicht  zom  mindesten  die  diätetisch  -  hygieinischen  (medicinischen) 
Einrichtang'pn  und  Kaßnahmrn,  die  Übcrwaclmng  bei  Tag  und  Nacht  sind 
immer  noch  geeignet,  Erfulge  auch  in  der  geistigen  Eitt Wickelung  zu  eniielen, 
vio  die  Hilfsciassen,  welche  der  Nator  der  Sache  nach  ihre  Schüler  während 
46r  Naeht  nnd  einee  Thellee  des  Tages  den  ungünstigen,  vnoontrolirt»u«a, 
«ftproletariBchen  Verhältnissen  des  Hauses  zorfldkgeben  müssen,  nichts  Nennens- 
wertes erreichen."*)  Dem  Übelstande,  den  Oberlehrer  Keichelt  auf  der  Brann- 
«chweiger  Conforcnz  liervorhob,  dass  geistig  nnr  leicht  geschwächte  Individuen 
durch  Einlieferung  in  eine  Idiotenanstalt  zu  Idioten  gestempelt  werden,  be- 
gegnet man  wirksam  damit,  dass  man  in  der  schon  früher  ausgeführten  Wdse 
alle  Untenlelitsffthigen  von  ihnen  furnhait,  und  infierlich  beseitigt  man  Um 
dadurch,  dass  man  den  ominösen  Namen  ,.Tdiot",  falls  man  nicht  direct  efmi 
BIMsinnigen  damit  bezeichnen  will,  ans  der  Welt  schafft. 

Während  ich  sonacli  die  Hilfsschulen  nnr  als  einen  Xothbehelf  ansehe, 
ab  Institute,  zu  deren  Einrichtung  nnd  Unterhaltung  uns  nur  bisweilen  eine 
gewiase  Zwangslage  treiben  sollte ,  wird  ym  anderer  Seite  mit  größter  Be- 
stimmtheit ihre  Noth wendigkeit  betont.  Eielhoni-Braansehwelg  schreibt*): 
^Ich  nehme  keinen  Anstand,  zu  erklären,  dass  besondere  Schnlen  der  ednsig 
richtige  Ausweg  sind,  wenigstens  in  Städten  von  200(K)  Kinwohnem  nnd 
darüber."  Er  sieht  in  der  Einrichtung  von  Hilfsschulen  einen  N'orzug,  den 
die  Städte  vor  der  Landbevölkerung  haben.  Seiner  Ansicht  nach  müssen 
Sehnlen  für  Sehwaehbefihlgte  nnbedtngt  bestehen.  Sie  siad  fllr  ihn  wol  etaio 
nothwendlge  Institute,  wie  etwa  die  Volkesohnlen  oder  höheren  Bflduigi- 
anstalten.  Ganz  anderer  Ansicht  Ist  Director  Barthold- Gladbach.  **)  Er  Yer- 
wirft  die  Hilfsschulen  nicht  ganz,  gibt  aber  den  Idiotenanstalten  —  meiner 
Jleinnng  nach  mit  Recht  —  den  Vorzug,  weil  f^ie  durch  ihre  gesamuiten  Er- 
asiehungheinrichtungen  viel  mehr  zur  Vorbereitung  für  einen  Beruf  wirken 
kflnnen  als  HÜfMchnlen,  in  denen  der  ble6e  Unterriefat  Hauptsache  ist  Er 
behauptet,  dass  das,  was  die  Braunschweiger  Hilfeelassen  leisten***),  von  guten 
Idiotenanstalten  auch  erreicht,  ja  dass  für  die  Berufsbildung  in  den  letzteren 
noch  mehr  geleistet  werde.  Dieser  Ansicht  pflichte  ich  ohne  VnrbHi;ilt  >>f»i : 
es  ist  mir  auch  keinen  Augenblick  zweitelhatY,  dass  nicht  die  Kilisciassen, 
sondern  die  geschlossenen  Büdungsanstalten  füi-  Geiüteäschwache  eine  Zukunft 
haben,  dass  jene  nnr  ein  mangelhafter  Ereats  für  diese  bleiben  werden.  Kiel' 
horn  hingegen  stellt  sie  nicht  nnr  mit  Bezug  auf  das  Untenfehtsmaterinl  — 
die  Kinder      sondern  nach  betreilli  der  Letetnngen  Über  die  Anstalten,  nnd 


*)  Ecichelt,  Welche  Kinder  gehören  in  die  Uü&olassen  und  wek^  ia  die 
Idiotenanstalten  ?  8.  Zeitsckrift  fttr  die  Behaadlnag  Sohwsdwfnaiger  ete.,  Y.  Jiiif> 
gang,  Nt.  5,  .S.  72. 

*)  U.  Kif  lhoru,  Über  Schulen  lür  schwachbefüliigte  Kinder.  S.  Pttedagogimn, 
Monatsschrift  für  Erziehung  und  Unterricht  von  Dr.  f9iedx.  Dittea,  TBL  JMfgaag, 
«,  Heft,  P.  3«)2.    Leipzig.  Verla«:  von  .Tul.  Klinkbardl. 

**)  Zeitschrift,  für  die  BehaiidJuug  Siliwachsimiiaer  etc.,  V.  Jahrgang,  Nr.  h, 
ß.  73  u.  74.  * 

*♦*)  H.  Kielhom,  Über  Schulen  fllr  .-chwachbefälii^te  Kinder.  S.  PsBdsgOgiam 
von  Dr.  Friedr.  Dittea,  YHL  Jahrgang,  ti.  Heft,  S.  aöl  ff. 


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—   178  — 


das  ist  ein  Irrthuin ,  in  dem  noch  viele  befangen  sind ,  der  es  bisher  zu  keiner 
Klarheit  über  die  Frage  hat  kommen  lassen,  welche  Kinder  in  die  Anstalten 
ttud  welche  iit  die  Hüftjbchulen  gehören.  Director  Barliioid-Glabach  t'urchtet,^ 
6m,  Mb  die  Hilftachalan  «Im  mitten  AuMning  arfUiren  aoUtia,  die 
IdhtteoaMtalten  aidit  lebenafiUiig  bleiben  werden,  nad  i^bC»  daat  sie  die 
Aditnag  des  PiiUkmnis  verlieren  mflsaten,  wenn  sie,  was  selbstverständlich 
eintreten  würde,  nur  die  Bedentang  von  Pflegeanstalten  behielten.  So  sehr 
ich  souBt  seiner  Mcinnng-  bin,  kann  i<  h  in  dieser  Beziehnnisr  nicht  seinen  vStand- 
pnnkt  theilen.  Für  die  Entscheidung  der  Frage  dürfte  dieser  Umstand  nicht 
aosschluggdbend  sein;  icli  wiiide  mich  aus  dieiieiu  (iriuide  gar  nicht  bedenken, 
dei  HflfewdralBP  den  Verzag  zu  geben,  wenn  kk  sIa  sonst  Ar  nstkwendig,  ja 
für  besser  als  mistsrbsft  siogerichtfito  ABStalteii  Uelte,  Es  Ist  flr  midi 
zweifellos,  wie  ich  das  auch  sohon  oben  angedeutet  babe»  dass  jedeneit  rein» 
Pflegeanstalten  bestehen  können,  ohne  dass  ein  organischer  Zusanuaenbang 
mit  einer  üntem'chtpnnstalt  vorhanden  ist:  dof1i  Hegt  kein  Grund  vor,  anf 
diese,  welche  die  Elendesten  unter  den  K! fanden  beherbergen  müssen,  mit  Miss- 
achtoug  zu  biickeo.  Wer  ein  waimeti  Herz  für  nnsere  UQglücklicheo  Mit- 
measQhen  sidilagea  fdlilt,  kann  nur  die  Opferwilligkeit  und  Liebe  derer  be- 
mmdsni,  die  ibie  Eiftfte  solebflEBi  IMebuigswerk  wiSbnen. 

Ans  dem  Pndagegiom  von  Dr.  Friedr.  Dütes  —  YII.  Jabigang,  5.  Heft 
—  lernte  ich  noch  einen  anderen  Gegner  der  Hilfsschulen  kannea  in  dem 
Berichterj-tatter  „Vom  dentsdien  Ostseestrande".  Einen  Gesinnungsg-enossen 
habe  ich  jedoch  auch  in  iiim  niclit  gefunden ;  denn  wenn  ich  auch  nicht  ilir& 
Berechtigung  alb  bleibende  Iiiätitnte  anerkenne,  so  bin  icli  doch  mit  Rücksicht 
auf  die  unzoreichende  Zahl  der  Idiot^nanstalten  nnd  deren  tlieilweise  noch 
tsfar  mangelhaiten  Einrichtaugen  von  ibrer  angenbtteklicben  Kotbwendigkeit 
Bbttirngt,  weil  sie  nnsere  VolkssdinleB  vca  einem  groften,  nlcbt  in  ibien 
WirknngskrelB  gehörenden  Schülercontlngent  befreien  and  durch  diese  bodea* 
tende  Entlastnng  der  Normalschulen  nnberecheubaren  Segen  stiften  können. 
Die  Ansichten  j^^nps  Referenten,  dass  diese  Schulen  ,.ein  socialer  MissgrifT 
seien".  da«s  ^wuliiabende  Eltern  sich  eine  derartige  AbsDuderuntr  und  Herab- 
würdi^uii^  ihier  Kindel'  nie  gefaJdeu  lai>t»eu  werden kauu  ich  nicht  theilen  j 
ich  dstf  sie  aber  bier  gaaa  flbergehen,  da  sie  dnreb  Eieliioim-Brannscliweig 
m  Padagogiam  Ten  Dr.  IHttea  —  s.  YIIL  Jabigaag,  6.  Heft  —  eine  ge* 
bfireode  Znräckwelsung  erfUiren  baben.  Aach  die  Lebrersebaft  wird  die 
Entlastung  der  VolksFrl.nl nnr  mit  Freuden  begrüßen  können.  Das  hat  sie 
auf  der  .  MI i^^em einen  deatsdieii  L^erveraammliing''  im  Jahre  1887  aoA- 
dräcklich  kiiiiilgethan. 

In  den  letzten  Jahren  hat  mau  die  Eiurichtung  sokliar  Hilföächuleu  recht 
lebhaft  betrieben.  Bs  bestellen  adebe  n.  a.  in  Bramsebweig,  Leipzig,  Dresden, 
Chn^  Halbentadt,  Elberlbid,  COln,  Haanorer/Hambnrg  n.  s.  w.  In  fiiann- 
schweig  waren  im  Jalire  1889  drei  Hilsclassen  mit  je  zwt  i  AT)theilungen  vor- 
ii&nden,  die  znsammen  73  Schüler  enthielten.  In  Dresden  bestehen  die  ^og. 
«Abtheilnngen  für  Schwachsinnige"  seit  Ostern  1888  aus  drei  anfsteigendeu 
Classen  mit  je  zwei  Hauptabtheilungen,  also  in  ähnlicher  Weise  wie  in  Brann- 
icliweig,  so  dast»  bei  normalem  Gange  jedes  Kind  ein  Jahr  in  einer  Abtheilung 
ToUsibt  Am  fleUasse  des  Scbn^^A^  1888/89  zftblten  4ie  Abtheilangen 
«ttsunen  78  SehUer  nnd  SebUerinnen.  Im  Scbnljahre  1889/90  erbebte  sleii 


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—   174  — 


nach  dem  Bericht  in  Nr.  4  des  VI.  (X.)  Jahi^an^es  <!  'r  Zeitschrift  für  die 
BehandlojDg  Schwacbsinniger  etc.  der  Schülerbestand  aul  H'd.  Der  Unterricht 
wwei»  mmekof  in,  Ti«r  (Hauen  ertfaeüt  Seit  Oiteni  1889  itt  tn  ihnen  d<r 
Handftrtlgkfiitinntenrkiht  obligalorlMh  dngeflUirt  wotäm  md  bat  sieh  als  dn 

ansgezeichoetes  Bildnngsmittel  erwiesen.  Zwei  MitlJiellitii^en  ans  jenem  Be- 
richt sind  ganz  besonders  freudig  zu  begrHlßen.  Die  erste  bezielit  sich  darauf, 
das»  während  der  \\  intermonate  Iii  der  ärmsten  Kinder  au  fünf  Tagen  der 
Wodie  eine  wuime,  kräftige  Mittagskost  erhielten.  Möchte  dieses  Beispiel 
flberall,  wo  es  notb  tli«^  neht  bald  Naebabmang  ibdeD!  Bs  ist  dmtiuHis 
BOtbmiidig,  dass  auch  in  den  Hilfeaehiileii  fQr  die  Pflege  des  XSrpoa  In  an- 
nähernd ähnlicher  Weise  wie  in  den  Anstalten  Sorge  getragen  wird.  Die 
zweite  Mittheilnng  bezieht  sich  auf  eine  Verfügrimg  der  säclisischen  Staats- 
regieruiiir,  woiiaeli  jedem  }Iandwerksmei.><ler,  dem  es  gelinget .  einen  schwaeh- 
siuuigeu  Kuabeu  in  seiaem  Handwerk  auszubilden,  eine  IVäniie  in  Höhe  von 
160  H.  bewiUlgt  wirl 

In  Glera*)  war  um  dieselbe  Zeit  ein  Sdhtterbestaad  Ton  82  ZQgUngen  — 
10  Knaben  und  22  Mädchen  —  vorhanden,  wornnter  sich  5  bildangsnnfahige 
befanden.  Die  seit  dem  20.  September  IHIU  bestehende  Schule  Tür  schwach- 
begabte  Kinder  in  Elberfeld**)  hatte  bis  zum  Mai  1888  im  ganzen  148  Kinder 
(88  Knaben  und  60  Mädchen)  aufgenommen.  Davon  wurden  aus  den  drei 
Olassen  60  Kinder  entlassen,  so  dass  ein  Bestand  von  79  Sdifllem  ▼erblieb. 

In  Bremen  warde  eine  Hilfsschnle  1889  eröffnet  nnd  hatte  nach  dem 
Bericht  in  Nr.  5  des  VI.  Jalirganges  der  Zeitsflnift  tlir  die  Behandinng 
Schwachsinniger  etc.  20  Schüler,  12  Knaben  und  8  Mädchen.  Zorn  1.  April 
1891  sollte  eine  zweite  Classe  eröifnet  werden. 

einem  Jahre  sind  aocb  in  Hamborg  doreh  den  Sebnlrath  Mabraoa 
nnd  den  Ant  der  stidtiseben  Obenobnlbebdrde  Dr.  Lendersdorf  Prilftingen 
und  üntersacbongeB  Ton  Schttlern  angestellt  worden,  die  als  Ganz-  oder  Halb- 
idioten bezeichnet  waren.  Dieselben  haben  za  dem  Resultat  geführt,  dass  in 
den  meisten  Fallen  die  schwache  geistig-e  Entwickelung  eine  Folge  körper- 
licher Gebrechen  oder  ungenügender  leiblicher  Fliege  war.  £s  soll  nunmehr 
TeRsaefaawaise  in  der  Sdiale  8t.  Paall  ebie  Classe  lllr  SO  Sehwaobsinnige  ein- 
gtfiebtet  werden.***) 

In  der  Zeitschrift  für  Gesundheitspflege  wird  erwähnt,  dass  neuerdings 
auch  die  Schulbehörde  zu  London  den  Beschliiss  gcfasst  habe,  weniger  begabte 
Kinder  besonders  nnterriehten  zn  lassen.  Es  sollen  drei  Si)ecialsc]mlen  ftir 
dieselben  eingerichtet  werden.  Die  Auswahl  der  Kinder  wird  durch  die  Haupt- 
Ubier  eifbigen;  docb  dHrfian  sie  erst  dann  den  8|iecialsebnlen  ftberwieseii 
werden»  wean  ein  besondens  Gomitö  und  der  Ant  der  SeholbebOrde  Ibrs  Zn- 
stlaunung  hierzu  ertheilt  haben. 

Dass  iü  Norwegen  seh"?!  huiä'e.  in  der  Schweiz  seit  knrzem,  z.  B.  in 
St.  Gallen  uud  Basel,  ähnliche  Hiitsschuien  bestehen,  soll  hier  nur  nebensäcli- 
Uch  erwähnt  werden. 

Ober  die  anf  der  seobsfeen  Gonibrens  ffir  das  Idiolenwesen  m  Brannsebwaig 


*)  Zeitschrift  für  die  Behandlung  Schwaebsiniiiger  etc.,  T.  Jabig.,  Nr.  i,  fi.  28. 

**i  Ebenda,  IV.  Jahr^ng,  Nr.  4,  S.  61. 

Deutsche  Schulzeitung  tod  Kiämer  vom  12.  Mai  d.  Js. 


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—   175  — 


vom  Oberlelirer  Reichelt  aus  Nossen  in  J^aHispn  aufgeworfene  Fraore :  ^Welche 
Kinder  gehören  iu  die  Uilfsclasseu  und  welche  in  die  idiotea« 
angtaltea?"  war  man  selbstverständlich  verschiedener  Meinung. 

BdehAlt  will  mir  Sdumehfiinnige  leichterer  Art  is  die  HUftaeholen  auf- 
paimum  wtaeen.  Director  Siebter,  LeipEisr»  hilt  m  für  aOSmigj  aaek  minder 
BeflUdyte^  aelbst  kOiperiieh  Defeete  anfsonehmeii,  da  man  auch  den  Bltem 
entg^nkommen  müsse,  die  ihre  Kinder  absolut  nicht  ans  dem  Hause  geben 
wollen.  Director  Barthold-r^ladbach  ist  d  er  .Ansicht,  dass  namentlich  die  Kinder, 
bei  denf'ti  der  Schwachsinn  auf  psychischen  Krankheiten  basirt,  in  die  An- 
stalten und  nicht  in  die  Uill'ä&chuien  gehören.  Nacli  längerer  Debatte,  die  zn 
kainer  EUureteUnng  ffUirte,  gelangte  mit  geringer  Migorit&t  Bdchelts  Leitsatz 
SIT  Annahme;  „hk  die  HilMaeaeai  gehfinn  nur  die  Fltte  leiehtefer  geistiger 
Sdiwidimig;  geistig  tief  stehende,  kOrperlldi  eehwer  crioaolrte  IndMAnen 
geMren  in  die  Anstalten.''**)    Mit  Annahme  dieser.ltee  iet  eigcntUoii  4ä8 
Ge^ntbeil  von  dem.  was  ich  vertrete,  als  erstrebenswert  hin^^estellt  worden, 
Dimlich  dass  die  Idiotenanstalteu  in  Zukunft  nicht  als  Ui!t(  i :  k  lit:'inRtitiite, 
sondern  nur  als  Asyle  bestehen  sollen.    Man  hat  trotz  der  m  dieseni  i^iuikie 
bestehenden  Unklarheit  eine  principielle  Entscheidung  getroffen,  die,  faUs  die- 
Mibe  prektiidie  Anwendung  finden  eoUte,  «Ine  tief  einiokneidende  Bedentuig 
haboi  dürfte.    Es  itt  meikwfirdigerwelM  etwas  zum  Beschlnts  erhoben 
mrloi,  was  den  meisten  llieOnehmem  der  Conftfenz,  namentlich  den  Päda- 
gogen von  Fach,  sicher  nicht  angrenehm  sein  kann.   Der  Trat^weite  jenes  Be- 
schlusses sind  sich  viele  Conferenzmitg-lieder  damals  \\<A  nicht  recht  bewusst 
gewesen.   Darauf  deutet  wenigstens  die  Bemerkung-  des  Redacteui'S  der  ..Zeit- 
schrift für  die  Behandlung  Schwachsinniger  und  Epileptischer''  hin,  die  ah» 
flinete  dem  Beriobt  Uber  die  Conftra»  angehängt  ist  Sie  lautet :  „Die  An- 
uline  erfolgte  mit  geringer  Mehrlieitr  die  sieli  walunolieittlioli  in  die  Minder' 
heit  verwandelt  littte,  wenn  der  Leitsatz  in  seinem  Wortlante  den  Mitgliedera 
der  O.mferenz  vorher  bekannt  gewesen  wiire."***) 

Übrigens  hat  sicVi  dpr  Antragsteller  durch  seine  Ausfiihrun?<'n  mit  seiner 
These  selbst  in  Wideröpiuch  gesetzt;  denn  wenn  princij)iell  entticliieden  wird, 
dass  nur  „gei^itig  lief  stehende  etc.  Individuen''  iu  die  Anstalten  gehören,  so 
M  man  nieht  erwarten,  wie  er  ee  thnt,  dam  «die  geistig  geeeliwftcliten 
Klider  aller  Orade  den  platten  Landes*  f)  •■udi  in  Znknnft  dmi  Anstalten 
ngeführt  werden.  Ist  das,  was  für  Kinder  aus  größere  Stttdtaa  nachtheiligr 
ja  ßcliüdlich  ist,  für  Kinder  vom  Lande  vielleicht  noch  gut  genug  ?  Wird 
man  es  verantworten  können,  dass  unter  den  geistig  tief  stehenden,  körperlich 
schwer  erkrankten  Individuen  einzelne  Iciclit  geschwächte  verkümmern  V  Wie 
darf  man  diese  in  einen  Umgangskreis  bringen,  der  ihre  geistige  Entwickelang 
■idit  iOfdem,  sondern  nur  hemmen  könnte  ?  Es  wül  mir  lelieinsiif  als  ob  dalisi 
weniger  das  Wol  der  Kinder  als  dss  der  Anstalten  in  Betraoht  gesogen  wird. 
Damit  diese  nicht  beim  Poblicmn  an  Ansehen  vwlieren,  dürfen  unter  den 
BiOden  einselne  geistig  geweelctere  Kinder  des  platten  Landes  ilure  Jagend" 


*)  Zeitschrift  t^  die  Behandlung  ächwachsinuiger  etc.,  V.  Jahrg.,  Nr.  5,  ä.  71ff. 
^  **)  ZeÜflcivift  fttr  die  Behandlung  Sohwaehsimilger  eto.,  V.  Jahrgang,  Nr.  5, 
4  72  u.  73. 

***)  Zeitschrift  für  die  Behandlung  Schwachsinniger  etc.,  V.  Jahrg.,  Nr.  5,  S.  7ö. 
t)  BbsndsflellMt,  S.  71. 


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—   176  — 


jähre  verbrinetti  n&d  geittlg  und  aitClioh  verkcnuneDi  vthraml  fir  ihn  f Mdi* 
1iQga.bteE  Alteisg^enossen  in  den  Städten  besondere  Sohnleii  errlohtet  werden, 

lim  diese  für  die  monscliliche  Gesellscliaft  zn  erhalten.  Solclie  ungleklie  Be- 
haudluiig  iät  nicht  nur  vom  püdagogisclien  Standpunkt  aXa  ungerecht  zu  be- 
zeichnen, sondern  auch  vom  allgemein  meoschlicUen  zu  verwerfen.  Da  die 
Eiader  nicht  der  Anatatten  wegen,  soadem  die  letsterea  der  Kinder  baUrar 
eiiftiren,  ao  let  Uar,  daae  mea  nnter  eokhen  Umitänden  auf  eine  Aufiiabme 
von  Unterrichtsftlhigcn  wird  ganz  verzichten  m&es^.  Wo  sollen  dann  aber 
die  sehwachLetahig^ten  Kinder  der  Landbevölkerung  untergebracht  werden,  da 
man  ja  doch  nicht  in  jedem  Dorfe  eine  Hilfsclasse  errichten  kann  ?  Mau  er- 
sieht hierau«  allein  scbuu,  von  allen  »ouätigeu  lieweiägrüudeu  abgesehen,  diiss 
UM  mil  der  Annahwe  jenee  Leitaatxes  anf  nnaidierein  Wege  wandelt,  der 
oidit  nun  leohtea  Ziele  fOIut ;  dämm  moss  ich  noch  einma]l  wiederholen,  dav 
£toehnng8-und  Unterrichtsanstalten  für  Schwachsinnige  oder  Schwachbefähigte 
den  einzigen  Ausweg  aus  diesem  Dilemma  bieten.  Wir  können  sonach  nicht 
den  Hilfssdiulen.  souilern  nur  den  Anstalten  eine  Zukunft  prophezeien,  und 
wenn  auch  in  den  nächsten  Jahren  sich  behufs  Entlastung  der  Normakchuien 
in  cnttr  Reihe  jene  sehr  erheUieh  vermebren  werden,  ao  Vfmt  aich  erwarten, 
data  eie  apäter  desto  aohneller  an  Zahl  abnehmen,  mn  den  Anstalten  die  ihnen 
zakommenden  Rechte  nach  und  nach  einzuräumen. 

Der  Inspeetor  der  Idiotenanstalt  zn  Dalldorf,  Piper,  vertritt  einen  &Un- 
lidien  Standpunkt  in  seinem  Aufsatz :  „Ein  Wort,  die  ,Uilfsclassen'  oder  ,Hilf8- 
fichubn'  betreffend^',  in  Nr.  2  des  VI.  (X.)  Jahrganges  der  Zeitschrift  fiir  die 
Behaadliing  Sehwaehainniter  and  EpUeptiecber  ete.  enthalten.  Er  aagt  darin 
n.  a.  (S.  28):  „Ich  bann  nicht  umhin,  im  Intereaae  der  Schwachen  zu  be- 
haiipten,  dass  da.  ■wo  gut  organisirte  Idiotenanstalten  existlren,  Hilfsschulen 
nicht  nothwendig  sind;  ferner  schließe  ich  mich  dem  Urtheil  Kinds  an,  dass 
iiilfsclassen  resp.  Schulen  eiu  nur  unvollkommener  Ersatz  der  Anstalten  sind, 
und  dass  sie  nie  das  leisten  können,  wae  man  Ton  einer  guten  Anstalt  erwarten 
darf.'*  An  einer  aadeien  Stelle  behaaytet  er  wie  leb,  daaa  die  Hilteehale 
nichts  ist  als  eine  Schule,  welche  «helfen''  soll,  und  zwar  aus  der  Noth  helfen 
soll,  falls  Besseres  noch  nicht  vorhanden  ist.  Er  schließt  seinen  Aufsatz  mit 
den  zutreffenden  Worten  (S.  29):  „Wo  gut  organisirte  Idiotenanstalten  ^Er- 
ziehungsanstalten) sind,  sind  HilfiBScbalen  nicht  nothwendig,  und  wo  Xdioten- 
anatalten  lUileB,  da  aiai  HflÜMMsbnkn  NothbeiMlIift.'' 

Je  grOBer  ein  Oeaieinweaen  iat^  deato  langaamer  wird  der  Aneban  der 
Anstalten  vor  sich  gehen  können.  Diesen  Weg  einer  langsamen,  aber  ateten 
Eutwickeinng  wird  auch  die  Residenzstadt  Berlin  einschlagen  müssen,  wenn 
einf^stheils  die  Gemeindesohnlen  das  erreichen  sollen,  was  sie  erstreben  und 
von  ihnen  erwartet  wird,  anderntheils  auch  der  minder  begabten  Jugend  unserer 
Bürgerschaft  die  beatoUlgliGhe  Aiabüduig  latbeil  werden  aoll,  daoiit  die 
letitere  nicht  dafeinat  eine  achwere  Gemeindelaat  werde,  ddlekräder  als  die 
Senge  Ar  ihre  Erziehung.  Ffir  denjenigen,  der  dleaen  Standpunkt  einnimmt, 
bat  die  Beantwortung  der  vom  Oberlehrer  Reicbelt  gestellten  Frage  keinen 
praktischen  Wert,  da  sie  in  diesem  Falle  vollständig'  hinfiillig  ist.  Dagegen 
muss  eine  andere  aufgeworfen  werden,  nämlich  die:  „Wer  gehört  in  die 
Normalachnlen  and  wer  in  die  Bildnngaanatalten  fftr  Scbwaeh- 


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heffihigte,  lir-zw.  in  die  Hilfsf^cbuleu*?**  Diese  Frage  lumn  aber  nur 
ans  der  Praxis  heraus  boantwoitet  werden. 

Auf  der  Schweizeiischeu  Coriferenz  sprach  A.  Fisler,  Lehrer  iit  Zürich, 
in  seinem  Vortrage  über  das  Tliema  „HilfiBclaBseii  ftlr  Sohwaobbeßihigte"  *) 
Anafdit  ans,  dass  alle  Schiller,  deren  Begabung  so  gering  ist,  da«  nie  In 
Ihrer  geistigen  Entwickelnng  mit  ihren  Altersgenossen  nicht  gldehen  Sehritt 
halten,  hinderen  Hilfsclassen  zu  IlberweiaeB  seien.  Solch  ein  radicales  Ver- 
fahren einznschlagen ,  ist  jedoch  vom  päda?og:ischeii  Gesichtspunkte  ans  nicht 
zu  rechtfertigen ;  denn  die  Volksschnle  hat  die  Pflichf,  alle  Kinder  ohne  Rtick- 
sicht  auf  Stand  und  Confession  und  olme  Räckäicht  auf  iadividuetle  Begabung 
aofzunehmen,  falls  nicht  eine  große,  deutlich  wahrnehmbare  Abnormität  des 
Qeistee  Toriumden  ist,  nnd  dieser  Pflieht  wird  ond  darf  sie  steh  nicht  ent- 
aehen,  wenn  sie  der  sehen  dnndi  ihren  Namen  gekeauelehBeten  Beetiaunnng 
g'erecht  werden  will.  Fisler  beklagt  es  als  einen  t^belstand,  dass  alle  in  einem 
mA  (leinBolben  Jahre  geborenen  Kinder  olme  Berückfifhtigriin^  ihrer  g'eistfgen 
und  küi'perlichen  Entwickf*1nnir  in  eine  und  dieselbe  Ch»««»»  ;intbenoniinen  werden. 
Wie  soll  denn  seiner  Ansicht  nach  die  Einschulung  vor  sicli  ^elien  ?  Ist  cn 
pädagogisch  gerechtfertigt,  die  armen  Iiüeinen  gleich  am  ersten  Sclmliage,  da 
Sie  zum  Theil  noeh  ftugetUeh,  schQefatemy  hefhngen  sind,  naeh  ihrer  kViper- 
liehen  nnd  geistigen  Individualität  sa  prttfen  nnd  damadk  yersohiedenea 
Classen  ssa  tberweisen  ?  Wekher  Lehrer,  undwAre  er  ein  noch  so  bedeutender 
Psyeholog-p  nnd  Menschenkenner,  würde  nlierhaiipt  diese  Aufgabe  gewissenhaft 
tind  correct  lösen  kr>nne?>  "r'  Die  r.rtlicbe  Umgebung:  des  jugendlichen  Hchüh^rs, 
die  ibni  in  der  Ke^el  frt-uni»-  J  erson  des  Lehrers  rufen  auf  einmal  so  viele 
nene  Eindi  ücke  im  Gemüth  de»  Kindes  hervor,  dass  es  sich  währeud  der  ersten 
Tage,  ja  Wochen  in  d^r  Sefanle  oft  gaan  enden  neigt  als  im  mtenhanse. 
Wenn  ahear  —  den  tut  nndenkharen  Fall  einmal  Toraasgeeetat  —  der  Lehrer 
virlich  instinetiv  in  riditiger  Weise  die  Kinder  ihren  Fthlgkeiten  ganftB  in 
besondere  Abtheilun{ren  g-etn-nnt  hlitte,  und  sie  nun  eine  verschiedene  nnter- 
ricijtli'hf'  IJebaudlung  erfahren  würden,  so  könnte  diese  d(K'b  auch  nur  für 
eine  gewisse  Dnrchsehnittsbildnnf?  derCIasse  bereclniet  werden,  und  es  dürften 
iß  den  einzelnen  Abtheilungeu  bald  wieder  große  Untersdüede  in  der  Ent- 
i4skehrag  herroitreten.  Wie  oft  kSnnte  man  da  die  Erfthrung  madien,  dise 
der  iHr  minder  befUiigt  gehaltene  aUmlhlieh  dtotllehtIgereSehliler  wird!  Soll 

gleich  wieder  eine  Musternog  nnd  Trennung  der  Schüler  vorgenommen 
weriJen?  Und  wie  oft  mnsste  sich  dieses  unverantwortliche  Spiel  wiederholen? 
J»'der  unbefangen  denkende  Pädagoge  weiß,  dass  er  mit  «♦■inen  Sclnib-rn  Tiieh^ 
ein  Si«iuimetz  verfahren  kann,  der  vielbicUt  Hunderte  von  Trottoirplatten 
III  gaiiz  gleicher  Weise  zu  behauen  und  zu  poliren  hat,  und  er  wird  sich  dieser 
prolen  Vendiledenheit  fkwnen,  weil  sie  ihm  die  so  hodi  intereasante  «ad  so 
M  Areode  gewShrende  Artieit  anfsrlegt,  jedes  Kind  indiYidnell  an  behandeJn 
Vli  an  erziehen.  Wer  verlangt  denn,  wie  jeuer  Referent  behauptet,  Tom 
T-^brer,  dass  alle  Kinder  einer  Classe,  deren  Befähigung  doch  so  versdiieden 
i»t,  gleichmäßig  vorwärts  schreiten?  Wer  darnach  strebt,  kann  nur  eine 
schablonenhafte  Abrichtung  nnd  Dressur  anwendcri,  ist  aber  meiner  Über- 
teognng  nach  kein  gewisseniiafter  £rzieher  und  pflichttreuer  Lehrer.  Der 

*)  ZeÜKfarift  ftr  die  Behaadlong  SohwaehsiBnlger  ete.,  V.  Jahrg.,  Nr.  8,  S.  96  IT. 
ri4(i«gittB.  ».Jitar.  Heft  m.  IS 


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—    178  — 


Vortragende  erwtthnte  iu  jeuer  Conferens  a.  ^,  ätm  amh  «iaat  jm  ihm  tüt- 
genommeneii  statiitiselien  Eriiebimg  (in  einem  Mittel  von  adm  Jahren)  von 
600  fildilUem  der  BtädtUchm  Elementar^oluile  ^.ii  Zürich  10  ^r  nioht  und 
16  nnr  vorsnchsweige  aus  der  nntersfcii  in  die  nächstfolgende  Classe  beordert 
werden  konnten.  1888/89  wurden  von  ()00  Mädchen  der  EleinentÄi-ßchule 
21  nicht  in  die  nächste  Clsmo  versetzt;  in  einer  anderen  Gemeinde  betragen 
die  ZnitckgebUebenen  6 — 6Ve  ^  geiaiDmtaii  SohllkmhL  Ans  dJeaen  und 
andeieii  Bereehmiiigeii  ichUeftt  er,  d$m  migefiüir  3—4%  der  Sebttler  einer 
separaten  Erziehnng  bedttrlien.  Solche  Besnltate  erreichen  also  die  Lelirer  in 
der  Schweiz.  Um  dieselben  richtig  zu  bt-urtlu  ilen.  müsste  man  allerdings  die 
Ziele  des  Unterrichts  genau  kennen.  Aus  dtin  Ufiicht  tou  E.  Ewald*)  ist 
eraichtlich,  dass  der  Unterriclttsstoä  iu  den  1  riuiai schulen  beitchräukter  uud 
hloflf  Mf  ebie  längere  Unterrichteeit  verthcilt  bt»  als  in  den  aelstea  «UNi«r 
gehehenen  mehwilissigen  VolkssehnleB ;  daher  sind  sokhe  Leistuigen  erkllr- 
lich.  Die  an  den  Berliner  Gemeindescholen  arbeitenden  Lehrer  können  der- 
artige Ergebnisse  in  der  Eeg-el  nicht  aufweisen,  nnd  es  wäre  mit  Rücksicht 
darauf,  dass  sie  in  den  einzelnen  Cla.ssen  veiMItiüijmaüig  ein  t>ehr  urafang- 
reiclies  UutenichUipeuüUui  zu  erledigeu  haben,  auch  unbillig,  solche  von  ihueu 
in  erwarten.  Der  Prooentsats  der  am  Scfalmse  eines  Schn^afarea  in  die  nlehst 
höhere  dasse  versetzten  Schüler  ist  hier  sehr  verschieden.  Er  rii  htet  sich 
theüs  nach  der  örtlichen  Lage  der  Schule  und  dem  beireffenden  Schüler- 
contingent,  theils  nach  den  verschiedenen  Unterrichtsstafen,  theils  nacli  der 
individuellen  Beföhiguug  des  Lehrers.  Will  man  ein  Dnrchschnittsmali  ant- 
stellen,  so  kann  man  behaupten,  dasa  in  den  unteren  Classen  nach  Ablauf  eines 
Schnliahres  eirea  10--16%,  in  den  mittleren  16 — 20  V«»  ^  dan  eberen 
25 — 30 '^/o  bei  der  Versetamiff  nrttttkbleiben;  doch  will  ich  für  die  unbedingte 
Richtigkeit  dieser  Annahme  nicht  einstehen.  Damit  soll  nun  aber  nicht  pfwn 
gesagt  st'in.  (Uus.s  circa  Jö  -  20*",,  der  Scliüler  den  Anstalten  oder  Hilfs- 
schulen für  Schwachbef üliigte  zugewiesen  werden  müssteu ;  selbst  2 — 3  % 
wftre  für  unsere  Verhältnisse  schon  za  hoch  gegriffen. 

Anoh  Director  Biehter**),  Leipaig,  hält  es  für  unstatthaft^  dass  alle  Kinder, 
die  im  ersten  Schuljahre  niclit  fortkommcB,  sofint  den  Hilftdassen  ftberwieaen 
werden,  wie      Fisler  aus  Zürich  wünscht 

Es  erscheint  mir  von  Widitigkeit,  hervorzuheben,  dass  die  Ausschließung 
eines  Kindes  aas  der  Schule  tür  normal  Begabte  nur  dann  stattfinden  sollte, 
wem  die  unbedingte  Nethwendigkeit  dan  Torlisgt»  Darüber  mftmte  jedeeb 
oiebt  der  Bnleher  aUsin  entscheiden  dürlbn;  anoh  der  Arst  soUte  —  wie  das 
in  Brannschweig  der  Fall  ist  —  sein  Votum  darOber  abgeben,  und  nur  dann, 
wenn  beide,  Arzt  und  Erzieher,  die  Ausscheidung  empfehlen,  müsste  dieselbe 
vorff^noinmen  werden  können.  Das  bloße  Zurückbleiben  eiues  Schülers  himer 
seiucu  Altersgenossen,  seine  Nichtverscuung  iu  die  nächst  höhere  Classe  am 
Sehhiase  des  ersten  Sehn^ahres  kann  noeb  keineswegs  als  Gmnd  angesehen 
werden,  denselben  aas  der  Sohnle  Ar  normale  Kinder  sa  entfernen;  denn  die 


•)  Schweizerisch »•  VolL>-<  holen  nnd  Kindergärten.  Bericht  über  eine  Stndifln- 
Tciso  nach  den  Städten  ßem,  Zttiich  und  Basel  von  Bnsi  £wald.  Ais  MaaasBi^ 
gedruckt,  Berlin 

**)  Zdtsotailft  Ittr  die  Behandiang  flehwanhshiBiger  et«.,  V,  Jal^gauf,  Nr.  6w 


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—   170  — 


Verschio^lenlieit  der  körperlichen  und  geistigen  Entwickehing  der  Kirs  !»^r,  Ah^. 
Kisler  in  seinem  Vortrage  hervorhebt,  ist  ja  doch  selbstredend  voiiiandeii,  nnd 
%&  mü&&  auch  zugegeben  werden,  dass  die  Schüler,  abgehen  von  ihrer  nn- 
gleicheu  Begabung,  mit  sehr  ungleichen  Vorkenntnissen,  mit  einem  Vorstellongs- 
MtwM  TOB  sehr  venehiedenem  Umfimge  in  die  Sehnle  «tatreten.  Tbatiftoh- 
Ml  mita  ab»  in  ftu&m  gewisNn  Qmde  ngfaidhe  Aafbrdenmgea  an  dia 
LdrtmgsvennSgen  dor  Schfiler  gealellt;  doch  im  Laufe  der  Schnlzeit  ISsst  sieh 
ein  g-evrifisor  Ans^leicli  di*  ser  Differ^nren  crzieh'n,  nnd  es  ist  g-ar  kpine  seltene 
Erscheinnnp:,  dass  die  Zuriicko'eblieVienpn  nach  Ahlauf  des  zweiten  Schuljahres 
versetzt  werden,  und  sogar  zu  den  tüchtig-sten  unter  den  Versetzten  geh?)ren. 
Dabei  mvm  jedoch  iiuaier  wieder  betont  werden,  dass  eine  Verschiedenlieit  der 
geiBügea  BntwfokehiDf  natugemlft  immerliin  bestehen  hleiben  wiid  und  nnam 
lodaten  Leben  andh  TolUtftndig  entspricht 

Mit  Rücksicht  auf  die  Oigrini  ifion  des  Berllii6T  Gemeindeschiii» 
wesfns  dürfte  es  sich  fnipfehleu ,  in  der  Regel  ntir  Rolche  Schüler  fnr  eine 
etwaige  Unterbringung  in  »'ino  Kr/.iehungsanstalt.  resp.  Hilfsschule  in  \'or- 
»chlag  zu  bringen,  di«-  zwei  bezw.  drei  Jahre  ohne  ode?-  mit  geringem  Erfolge 
die  sechste  ülasfie  einer  Gemeindeschule  besucht  haben.  In  einzelnen,  wenn 
•Mb  adtoieii  NIen  Mtato  «s  jedocih  mUealfl:  sein,  eelbflt  Sndor  der  fVnftenf 
Ja  legar  der  ▼ierten  CSIiaiey  deren  geirtlgee  YeraiSgen  so  hesohrBnlct  toi,  dass 
sie  trete  aller  Mthe  nieht  weiter  gefordert  ^  erden  kSnnen,  für  solche  Separat- 
CTziehTiTig  vorzuschlagen.  Die  betreflFenden  Vorschläge  mfissten  dem  Rector 
der  Anstalt  seitens  der  Cla'^s^'fil^'hrer  am  l^cWusse  jedes  Semesters  zur  Zeit, 
da  die  Versetzungsprüfung^cn  stattüuden,  unterbreitet  werden,  der  hiemach 
eine  Vorschlagsliste  aufzustellen  und  dem  Stadt-hichulinspectot*  einzureichen 
bitte.  Da  die  GemeindeeefaiilenBediiis  acht,  demnftcfast  ashn  SchnI-In8pections> 
bnicfceii  angehören,  so  enehelnt  es  mir  für  die  Pnzto  an  ehifuhsten,  wenn 
jelem  8tadt>Schulinspeetor  ein  Besirinarzt  znr  Seite  gestellt  wdrde,  der  die 
geistig  zurückgebliebenen  Kinder  des  Schnlbezirks  ärztlich  zu  untersuchen 
hStte  und  außerdem  auch  alle  anderen  hyL'i*^inischen  Interessen  desselben 
fördern  könnte.  Können  die  schwachbetahigien  Kinder  nicht  >ofort  in  beson- 
deren BUdungsanstalten  anfgenommen  werden,  so  dürfte  es  rathsam  sein,  pru- 
Tisorische  Classen  fdi*  dieselben  in  einzelnen  Oemeind^cholen  einzurichten. 
Vor  allem  aber  mllsste  snyOrderst  für  die  Untcrbringnng  sammtUcher  BUdnngs* 
snflUgeB  in  Asylen  Sorge  getragen  werden. 

Endlich  sei  noch  bemerkt,  dass  der  Ausdruck  „Hilfsscbnlen*  oder  ^Hilfs- 
ckssen"  AVf^niir  zntrt^fTpn'l  ist  und  datür  lieber  die  Bezeichnnng  „Schulen  oder 
Classen  für  J^cli wachbefähigte*'  f> !  r  „Schwachbeanlagte"  treten  könnte. 

Bezüglich  des  Unterrichts veriahrens  in  den  „Classen"  für  Schwachbeftlhigte 
ist  hervorzuheben,  dass  für  sie  im  allgemeinen  dieselben  heilpädagogischen 
Qxvndsltee  naßgebend  sein  mttsseu  wie  Ar  die  „Anstalten".  Das  Haupt* 
Sswieht  wird  weniger  avf  den  Unteirieht  als  auf  die  Ersiehimg  an 

l^?cn  sein.  Der  Unteiriditsstoff  mnss  auf  ein  geringes  Maß  beschränkt  werden. 
Man  stelle  jedoch  nicht  allgemeine  Chissenziele  fest  —  wie  das  zur  Zeit  leider 
^ol  überall  der  Fall  ist  — ,  sondern  I.ehrziele  für  die  tiiizelneu  ünterrichts- 
gegeustSnde.  Um  die  Sache  verstandlieher  zu  machen,  will  ich  beispielsweise 
aar  anführen,  dass  ein  und  derselbe  Schüler  der  ersten  ReUgions*,  der  zweiten 
Un>  und  der  dritten  Beehendaaae  angehören  Mnnte,  je  naeh  dem  Grade 

19* 


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—  180 


Miner  Leistiingeii  in  dem  IwMM«  Fache.  Ntolk  Jeder  ehieiaeB  Fedi- 
stunde,  die  20,  besw.  40  MUmten  nidit  flbenolueilMi  dtrfte,  mftaste  eine 
iSngere  Pwue  lblg:en,  die  für  die  Regelung  des  Classenwechsels  der  Schüler, 

sowie  für  prymnastische  Übungen  benutzt  worden  könnte.  Auf  die  l'llege  des 
K(irp<'i's  wird  ein  «:anz besonderer  Wen  zu  le^jfen  sein,  eiug:edenk  des  bekannten 
Sutzeä:  „Meub  saua  iu  corpore  »ano''.  Daher  miüsete  das  Turnen  und  das 
Jugendspiel  täglich  geiiflegt  werden;  dooh  dttrfte  m  niemals  gettettot  eeia,  n 
lang«  dabei  m  verweilea,  nm  Jede  kArperUehe  ÜbeFanftrangnBir  m  vermeiduL 
Ver  allem  kOnute  auch  der  Handfertigkeitsnnterridit  in  den  Lehrplan  anf- 
genommpn  werden,  aowol  fOr  Knaben  wie  für  MiuM^'n.  Sicherlich  wird  dieser 
nicht  nur  die  Willensbildung,  sondern  die  g-anze  geistige  Kntwickelnug  scliwach- 
begabter  Kinder  lürdem  helfen.  Mit  det  Anfertigung  vou  Gegenständen  dürfte 
eine  concrete,  sachlidie  Bespreohmig  dereelbeB  aagenMSMi  m  TerUndaa  Mfn, 
damit  auch  dnnh  die  maauDe  BeaehllUgimg  ein  adiililMrsr  BfnfliiM  auf  die 
Verstandesbildung  ausgefibt  wfirde.  Der  Unterricht  ist  nicht  allein  so  an- 
schaulich als  möglich,  sondern  auch  so  individnell  als  möglich  zn  gestalten. 
Pie  ganze  Ansbildnn?  rau.ss  eine  quantitative  Besehrflnknng ,  aber  qualitative 
Vertiefung  hei' vortreten  laüseu,  um,  wenn. auch  nur  mit  geriugeu  Keuutuisäen 
«lUferflfltete,  ao  dedi  ftva  pfaktiaclie  Leben  braacliban  UoMlMiB  st  enlehsB. 

Diese  Ftirsoife  fBr  die  geiatiir  Sdiwadieii  und  Ennken  inrd  schließlich 
auch  dahin  führen  —  was  namentlich  in  jüngster  Zeit  sehr  angestrebt  ^\  ird  — 
die  Gesunden  zn  entlasten  und  ihren  kindlichen  Geist  während  sein  er  Ent- 
wickeiung  vor  Überbüiduug  zu  bewahren,  um  mehr  Zeit  für  die  Gemuths»- 
büdnng  zn  gewinnen  und  der  Entfaltung  der  Willenskräfte  mehr  Banm  zn 
gewabren. 


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Se]ittlgeschichtliche8  ans  der  Schweiz. 

Von  Dr.  Marf-WitUerthw, 

13is  zum  .lalirc  1798  war  das  Volk  in  Schweiz  so  viel  als  recht- 
los. Überall  hatten  sicli  unter  dem  Familienregiak;iil  der  Patricier,  den  Vor- 
recliteu  der  Städte  oligarclikclie  B,egieruugeu  fe&tgesctzt,  die  augstlkk  über 

ihn  Gewalt  waditoB  aad  jede  freihaitUolie  Bewegnog  mit  Graiaamkeit  yer- 
Uslfln  und  oiedenoUngw.  Im  Laolb  des  18.  Jahrimndttrti  wurde  der  lierr- 

flehende  Kreis  immer  enger.  In  einzelnen  Orten  concentrirte  sicli  das  Faailien- 
re^^iment  dei^estalt,  dass  die  Regierangsstellen  beinahe  als  erblick  augesehen 
und  iiacli  dem  Tode  des  Vaters  dem  kanm  erwachsenen  Sahne  übertreten 
wurden.  Das  \'olk  hatte  zu  schweiften,  zu  gehorchen  und  zu  dulden.  "Der 
Yülkäuiiterricht  wurde  mit  Absicht  und  Bewubstaeiu  veroachlässi^t.  Mau 
irtOiite,  «in  anwJMendde  Volk  sei  leichter  In  ITnterwflrfigkeit  sn  erfaeUen  als 
«In  gesdnltes. 

Und  dieses  I^and  trug  den  stolzen  Namen  Repuhlik 

Das  Fegjahr  1798  wischte  alle  diese  Herrlickkeiten  weg.  Die  Schweis 
wurde  in  einen  Einheitsstaat  umgewandelt  mit  t  iner  Centralrefrierung.  Alle 
Vorrechte  der  I'crsoueu  und  des  Ortes  wurden  abji^eschafft,  alle  Bürger  in 
Beehtea  uadPliichten  einander  gleich  gestellt;  das  Volk  war  uuu  der  Souverän. 
Die  GsBtralreg^ierun«  sah  die  Sorire  für  den  YoUsnnterrieht  als  eine  ihrer 
HMiiitM%aben  an.  Einem  ^Minister  der  Ellnste  nni  WieseDsebaflen*  wurde 
die  Organisation  dfls  Sehnlwesens  fibertrigen,  in  Jedem  Verwaltan|rBherii1ce  ein 
Erziehungsrath  als  awffthrendes  Organ  eingesetzt.  Mit  Begeisterung  ging  dw 
Minister  —  Stapfer  —  an  seine  AnfjTal)e.  Ein  ansfilhrlich« s  Schalgesetz. 
im  Wesen,  ünifüns',  Aufgabe^  innere  Einrichtung-  <ler  verschiedenen  Unter- 
hdiUiauätalteu  \o\\  der  ElementarscUulc  au  bis  zui- obersteu  Ceutralaustait  fest, 
bmcimmt  and  klar  umschrieb,  konnte  bald  der  Ceutralregierong  zorBerathung 
vvfdsgt  werden.  Aber  weiter  gedieh  die  Sache  leider  nicht  Dee  bisher  so 

nisdcfgehaltaM  Volk  war  In  der  Übang-  der  Freiheit  noch  gar  nnbehdfen 
tmd  ungeschickt.  Das  gab  viel  und  betrübende  StOtnnsren.  Die  alten  Vor- 
rechtkr,  die  sich  nach  den  Fleischti>]>fen  Ajj^yptens  zarücksehnten .  schürten 
dies^jlben  mit  I"]ifer.  Dann  kamen  die  Ivrief^swirren.  Fremde  Heere  übei- 
schwemmten  und  verheerten  die  .Schweiz.  Für  deu  inneren  geistigen  Ausbau 
der  g  einen  und  untheil  baren  helvetiscliea  Eepablik"  fand  bich  keine  geeignete 
Zcitnshr.  Die  hUMren  Wlnen  daoerten,  hie  Napoleon  der  Schweiz  1803 
noe  Qtie  VevCusoag  gab.  Vom  Off  entliehen  Unterricht  sagt  dieselbe 
Mti,  Sr  war  wieder,  wie  vor  1798,  den  Oaatonen  anheimgegeben. 


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—    182  — 


Mit  dem  Stonw  Napateona  flog  aiieh  In  d«r  Sdiwdis  der  Wetaeii  der 

Heaction  aufs  neue  an  zu  Miilien.  Es  war  erst  17  Jahre  seit  dem  üllteqrailf 
der  alten  ITenliclikeiten  und  Vorrechte.  Die  im  Genuss  derselben  g:ewe8en 
%varen,  glaubten  nun  den  Zeitpunkt  gekommen,  das  Rad  der  Zeit  wieder  rück- 
wärts drehen  zu  können.  Es  wäre  ihnen  wol  fast  ganz  gelungen,  wenn  nicht 
selbst  auswärtige  Mächte  ifur  Mäßigung  gemahnt  hAtteiL  Doch  wurde  gar 
manchee  Verlorengegaiigeiie  wieder  gerettet  Die  Verfluraiig  rm  1816  was» 
delte  die  Schweis  wieder  in  einen  Staatenbund  um.  Die  22  Cantone  ver- 
banden sich  nur  '/um  Zv  cfke.  sich  gegenseitig  ilire  Macht  und  ihr  Gebiet  zn 
garantireu  innere  L  nruhen  und  freilieitliche  Regungen  niederzuhalten.  Sie 
waren  völlig  souverän.  Jeder  Canton  konnte  CapitolaÜonen  und  .Verträge  mit 
fremden  Staaten  atecUleBen.  Im  Zoll-,  M1fau>,  Gewicht»-,  MaA-  nnd  Vev]nlire> 
weien  war  jeder  seHietstindig.  BSb  bemdite  danun  anoh  In  dienen  Dingen 
eine  den  Veikehr  mftehtig  heouiende  Verwirrung.  Die  Cantone  schlössen  sich 
geg:eneinandcr  mögliehst  ab.  Es  war  fllr  einpn  Schweizer  leichter,  sich  im 
Auslande  niederzulassen  und  anzusiedeln,  denn  in  einem  anderen  als  seinem 
Heimatscanton.  Die  Macht  lag  wieder  so  ziemlich  in  den  Händen  der  alten 
OeeehMiler  nnd  Kreiw.  Besttnunnngen  nnd  Vondirifteii  Wier  4m  Offent- 
liehen Unterricht  enthielt  diese  BnndeeverlluMing  anöh  nieht  Jeder  Onton 
konnte  darin  thun  and  laaeen,  was  ihm  beliebte.  So  blleh  es  tnvti  yenoUedener 
Anläufe  zur  Verbesserun?,  die  Ton  poUtiieh  fortgeediiitteneil  CantODsn  uul 
Personen  ausp:ing:en.  bis  1848. 

Jedes  Übel  Uägt  ein  Correctiv  in  sich.  Die  last  unbeachräukie  Selbst-* 
stBndigkelt  der  Cantone  machte  einige  derselben  ttbermtthlg.  Bs  kam  an 
GoUisiooen  nnd  führte  im  Noyember  1847  zum  sogenannten  Sonderhondshtfeg. 
Die  Überm tithigren  unterlag:en.  Im  Jahre  1848  ging  die  Schweiz  daran,  sich 
zeire-emäß  lilluslicli  einzurichten.  Von  answJtrtig-en  Einmischune'fn  blieb  sie 
vt'i  schont.  Die  Staaten  ring'sum  hatten  in  diesem  .Talire  tlir  sich  selber  ^enu^ 
zu  thun.  Die  neue  Buudesveri'a«6uug  wurde  im  Heibät  des  genannten  Jahres 
vom  Voike  mit  tbenrtQtigender  Mehrheit  nnd  mit  Jnbelnder  Begeistemng  an- 
genommen. So  kam  nnser  Vaterland  nnbeschrien  mit  seiner  wohnlichen  Eln- 
riehtung  rechtzeitig  unter  Dach. 

Diese  VdrfoMang  scbof  die  Schweis  in  eisen  einhelligen  Banden- 
Staat  um. 

Zwei  gesetzgebende  Behörden  —  Kationalrath  und  St&iderath,  die  sich 
ordentlieherwelse  JUirlioh  swelmsl  In  der  Bandesstadt  Bern  Tcrsammeln,  ha-* 
sorgen  naf  Oxnndlage  der  Bundesverfhssnng  den  inneren  Aushan  der  BepnUlk. 

Die  Nationalrflthe  werden  in  bestimmten  Kreisen  ynm  Volk  gewählt,  auf  je 
20000  Einwohner  einer.  Die  Ständeräthe  vertreten  die  Cantone;  jeder  der- 
selben ordnet  deren  zwei  ab.  Diesen  ^wei  Kammern  steht  die  Wahl  des 
Bnndesrathes,  der  sieben  Mitglieder  zählt,  zu.  Die  Amtsdaner  aller  dieser 
Behörden  betrigt  drei  Jahre.  Der  Bnndeeiath  em«nnt  ans  seiner  Mitte  den 
BnndespiSsidMiten  mit  eii|)Hhfiger  Amtsdaner.  Die  Verkahnsdinokeii  im 
Innern  zwischen  den  Cantonen,  wie  Zölle,  Weg--.  Hrückengrelder  et/*,  wurden 
keseitigt,  freier  Verkehi-  und  freie  Niederlassung  sichergestellt.  Wie  die 
frühere  helvetische  Vertassung  schafft  auch  diese  alle  persönlichen  und  ört- 
Hchen  Voitnehte  ab,  stellt  aUe.Btrger  In  Beehten  und  Pflichten  einander  gleich, 
nnd  damit  ist  aneh  das  aUgemdne  fMe  Stinimreoht,  nnabhingtg  vom  Besttn, 


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—   183  — 


featg^etst.  Das  ALiiiiar-,  Muuz-  und  TüstweseD,  Maß,  (iewlcht  etc.  werdea 
dnhoitlkli  gwtaltafe.  So  IIUI  ildi  Jedsr  Bligw  nkht  blot  all  OBatoneM, 
•oiid«ni  »Ib  Sehmiaer* 

Aler  am  den  Volksnniftrricht  Ummtrt  ikh  aoch  diese  VeiiSumg 

nicht.  Er  bleibt  den  Cantonen  überlassen.  Dagegen  ränmt  sie  dem  Bande 
die  Befugnis  ein,  elnn  polytechnische  Schule  nnd  eine  Landesanivprsitftf  auf 
Staatskosten  7M  en-icliten.  Die  polytechnische  Scliule  besteht  schon  lange 
Jahre:  die  UniversitlU  aber  lässt  immer  noch  auf  sieh  warten. 

Im  Laute  der  nächsten  Jahre  wurde  aber  die  fundamentale  Bedeutung 
einer  durchgreifenden  Volksbildung  für  das  Gedeihen  einer  Bepublik,  in 
4ar  Jeder  Bttigor  atfaimbereohtigt  ist  und  tbar  Wol  und  Wehe  dflt  Laadsf 
■itMitMiMidet,  Immer  mehr  und  immer  iHfemeiner  erk«nnt,  mmenfllcli  Im 
Mittdelandn  Die  in  den  50er  Jahren  einfefllbi^n  Recrutenprüfungen  legten 
aber  Jahr  tTirJahr  dar.  driRs  in  vielen  Gebenden  (hr  Schweiz  um  die  Volks - 
schale  klili^lich  stnn  i  Die  Nothwendigkeit,  der  Vernachlässi^nn?'  dieser  ersten 
and  wichtlfi^sten  liilduugsstStte  der  Bürger  zu  steiieru,  diiingte  sich  immer 
mehr  auf.  Den  Einsichtigen  war  et»  längbt  klar,  da^B  nur  der  Ii  und  da  helfen 
kBmke»  da»  es  aber  raeh  seine  Pfllolit  sei,  das  gesasunte  Volksselinlwesen 
ier  Seh  weis  in  die  Hand  m  ndunen  nnd  xntienell  an  orgaaisiniL  Qelegen- 
keiv  einen  Schritt  nach  dieser  Biehtong  sn  thnn,  gab  dieBevislon  der  Bandes- 
TerfuHuag  im  Jahre  1872. 

Eifrige  Schul-  und  Volksfreunde  einigten  sich  dahin,  den  prc^jctzgebendea 
Bäthen  die  Anftiahme  eines  Prim  u  schulartikels  iu  das  Grund^e^ft:'  des 
Staates  vorzuschlagen.  Um  zunächsi  He  Stimmnn?  zu  sondireu.  verlaiij^teii 
hlo6|  dass  dasselbe  das  Obligatorium  und  die  Unentgeltlichkeit  des  l'rimar- 
vlsitleiites  TOfMhrsIbe  nnd  den  BnndesbehSrden  die  VeUmaeiit  «rtiieile»  BCiniiial- 
Menng«n  an  die  leistmigen  der  VollmscIiBle  festsnsetnsn. 

Die  dnnb  diesen  Antrag  iiervergernfenen  Yeriiandlnngen  in  der  Bnndes- 

Tersamnlnng  zeigten  in  betrftbender  Weise,  wie  wenig  Gunst  und  YerstRndnis 
in  dstt  eboren  Kreisen  dieses  idchtigste  Sebnlinstitut  findet 

Dass  die  ültramontaneai  mit  Madit  gegen  solche  Vorschriften  sich  wehrten, 
lag  in  der  natürlichen  Conseqnenz  ihre«?  Standpunktes.  Sie  wurden  aber  mit 
einem  Eifer,  der  einer  besseren  8ache  wert  ^ifewesen  wäre,  unterstützt  von 
den  eintlnssreichsten  (fliedern  der  Käthe,  so  von  Laudammann  Heer  v<"n  Glarus,  . 
ÄlA^d  Eücher  von  Zürich,  Teyer-Imhof  von  Schaffhausen  a.  v.  a.  m.  Alle 
Indien  mit  nnverbehlter  GeringsehStsnng  Ten  der  Yolksscbnle  nnd  der 
toeb  sie  Tenaittelten  Yolinbüdnng. 

Heer  meint^  der  Zustand  derYolkssebnle  sei  kein  MaAstab  für  den  Intel- 
jsetneUen  Zustand  des  Landes.  Das  Niveau  des  Bildongsgrades  Isme  man 
nnr  kennen,  wenn  mnn  die  höheren  Schulen  ins  Ange  fasse,  wenn  man  wisse, 
'lie  viele  Procente  unserer  Jng-cnd  die  höheren  Schnlen  besuchen.  Es  sei  gewiss, 
dass  von  den  Hoehsdinlen  auM  ah  ..elektrischen  Sonneu"'  wulthueudes  TJrht 
üch  verbreite  in  alle  Schichten  der  Gesellschaft,  iu  alle  Jhäler  nnd  bi&  in  die 
Usfante  Hotte  binab,*)   Die  gescblebtUebeBewelsfllbzing  nnterlieB  er  jedoch, 


*}  „Über  die  Wichtigkeit  dar  Yolkmobnle  nnd  des  Volknebnllobieis  m  sprecheo, 
^  ich  IBr  flbeiitlSNg.   Da  die  Hasse  des  Yelites  ihre  Büdang  avSKbUsUicb 


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-    184  — 

and  cLooh  sollte  man  meinen,  da  ea  so  viele  Hoohsehalen  gibt,  die  jabrhnnderte- 
langr  als  „elektrisrho  Sonnen"  Licht  zu  vorbreiten  G'']»'s:enlieit  gehabt  haben, 
iiiiisste  aus  der  Cultnrg^eschichte  unseres  Volke»  für  einen  solchen  Nachweis 
reichliches  Material  beifügen  werden  künneiL  Was  man  von  dem  rüden 
Leben,  der  Ihtolanuia  nnd  VerlntaMrangiiudit,  die  auf  den  «altelirwüidlgen 
eldLtfiidien  Sonnen*^  hemciite  (leh  erinnere  aar  an  Kepler  und  Tliomasins), 
weifl  nnd  das  mit  Heers  Behauptung  aidit  stinunt,  Uastin  derXbatbedueni, 
den  der  Nachweis  nicht  geführt  warde. 

Alfred  Esch  er  ist  gleichfalls  der  Ansicht,  den  Band  gehe  die  Volks- 
schule niclits  anj  die  Obligatorifsich-Erkläning  des  Unterrichtes  wäre  schädlich. 
Von  Bundes  wegen  sei  das  Pulytechnicum  gründet  worden,  and  der  Unter- 
licht,  der  an  danedben  erthcAt  werde^  befhudite  das  ganze  Volk.*) 

Andere  ivaren  der  Helniing»  eine  Btldiing,  ide  sie  dem  Velke  zagedadbt 
werden  wolle,  wire  denuelben  nur  naebtheOig. 

Unter  viel  MUhe  und  Bedeoe  fluid  ein  Schnlartikel  eine  schwache  Hehr- 
heit. —  Das  Volk  verwarf  —  jedoch  um  anderer  Griinde  willen  —  die  revi- 

dirtp  Bnndesvprfasisung'  und  damit  auch  den  mülipum  erkämpften  Schulartikel. 
Die  KevisiüUöarbeit  wurde  1873  anf  1874  wieder  anfgenommeu.  Wieder 
war  der  Schulartikel  Gegenstand  lebhafter  Verhandlungen;  aber  kein  Hitglied 
der  Bftthe  wagte  mehr,  gegen  Anfliahnie  elnee  eoldhen  anltotreten.  Das  Streben 
der  Gegner  war  nun  darauf  gerichtet,  für  eine  solche  Bedactton  deeselben  m 
wirken,  dass  damit  sn  wenij;  als  möglich  anzTtfanfron  sei.  Der  Bundenrath 
schlng  dazu  den  Tnn  an  und  beantragftf.  sich  auf  die  ünentg:eltliphkeit  nnd 
das  Obligaturium  des  Primarunterrichts  zu  beschi'änken.  Alle  ultramoutanen 
Bedner  dankten  ihm  für  diese  weise  Mäßigung.  Doch  wollten  viele  National- 
rftthe  nieht  mit  diesem  lOnlmam  rieh  begnOgen»  Sie  Terlangten  folgende  Er- 
gänzung: „Der  Bnnd  ist  befngt,  über  die  Anforderungen  an  die 
Piiniarschulf ,  sowie  über  die  Reding-nng^en.  unter  welchen  jemand 
in  dieser  letzteren  Unterricht  ertheilen  kann.  Vorschritten  zu 
erlassen/'    In  der  ersten  Berathung  wurde  dieser  Passus  anf^enomwen. 

Damit  war  dem  Bunde  eine  klare,  bestimmte  Stellung  angewiesen,  der 


dnroh  die  VoUtSKhnle  empdängt,  m  b&ogt  nicht  tob  Wi^enschaft  nnd  liteiatnr, 

sondern  von  der  Yolkeschule  aliein  dn^^  Niveau  der  Volk^bilduDg  ab." 

L.  v.  Sacher-Mu80ch:  „Der  Lehrer  Leunmnd",  S.  155. 

„Über  die  hochehrenwerte  Stellung  des  Volksschullehrers  sind  wol  alle  ver- 
ständigen Menschen  einig,  sowie  auch  dttrflber,  dass  die  Volksschule  mehr 
bedeutet  als  die  Horhsrhulr. "  P.  K.  Rosecger,  a.  a.  0.  S.  165. 

*)  Wie  gan^  audeib  rt^det  UUer  4U  Jahre  iriibcr  der  weise  und  edle  Meoächen- 
lud  VoUufreund  Melchior  Hirzcl,  ein  AmtsTorgftnger  Alfred  fischers,  in  seiner 
Sclirift  vom  Jahre  1B2P:  ..Wttnschc  zur  Vf  rhf  s^frini!:,'  der  Landschulen",  12: 
„Soll  der  Baum  der  Bildunj?,  der  Erkenolois  und  des  Lebens  uns  trc- 
deihen,  so  mUSBen  wir  zuerst  gein<'ii  Wurzeln  (iutes  tbun;  dann  -werden  umsoolur 
in  den  Ästen  uml  Krom  ii  frische  Zweige  hervorsprießen  und  unser  Land  mit  edlen, 
reiüben  Früehteu  urquiekeu.  Die  erste  Sor^e  sei  jenen  Anstalten,  jenen  Land- 
schulen gewidmet,  ih  denen  die  große  Mehrzahl  der  Landescinwohner  ihre 
Bildung  ausschließlich  zu  -ik  h*  ii  hat;  dann  folge  die  Vorsorge  für  die  Amtsscliult  a 
und  die  den  einzelnen  Geworben  uud  Künsten  dienenden  Anstalten,  und  zum  Schluss 
werde  das  Werk  der  SchulTerbesserung  durch  die  Vorsorge  gdtrftnt,  die  dar  Stsat 
den  Pflegern  der  Wissenschaft  erweiset" 


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—   185  — 


Keim  gelegt  zu  einer  ratiouellen  Entwicklung  de«  schweizeriaclien  Voikb- 
achalwesens,  insbesondere  auch  die  Aussicht  gegeben  für  eine  tüchtige  Lelirer- 
Uläimg.  Die  Tma^e  der  Sehnlfreonde  war  groll. 

Sie  floUte  aber  nidit  lange  wfthrea.  Boudeerath  Weltl  bewirkte  in  der 
zweiten  Berathung  Streichung  dieeee  Ameademeati  und  Aufnahme  folgender 
Bestiramnns::  ..Die  Cantone  sorgen  für  "-♦»nfig-piideii  Pi  imarnnterricht. 
Gegen  Ciiii  tone,  die  ihren  Verpflichtungen  nicht  uachkommeiLi  wird 
der  Bund  die  uüthigen  Vei  t  ii^^ungen  treffen." 

Damit  war  das  beste  Kleinod  aus  der  Verfa^äung  auägebroclieu.  Waä 
«an  uter  „geofigendeni  Prtmanmteixiobt''  an  yentehen  habe,  wnide  akht 
weiter  eiQrtert.  Jedermann  konnte  sieh  danmter  denken,  wu  er  wollte.  Der 
Bttndesrath  aber  teilte  und  lebt  des  Glaubens,  es  geschdie  in  allen  fuiitonoi 
dieser  Forderunsr,  ti^pr  die  keine  Vorschriften  bestellen,  volles  Genüge;  denn 
in  den  18  .Tahreu,  da  sie  zu  Kraft  besteht,  liat  mau  noch  nichts  von  Vei- 
fügungen  des  Bundes  gegen  irgend  einen  Danton  wegen  ungenügenden  Primar- 
anterrichts  gehört. 

Wie  viel  anch  der  Schalartikel  Ton  Jahre  1874  zu  wünschen  tbrfg  Iftaat, 
ei  war  doch  eine  große  Errnngenaehaft,  daee  ea  gelungen  war,  denselben  der 
BaadflaTerfhMiiag  einzuverleiben.  Die  Volks  schale  tntt  damit  m  den  Kähmen 
des  eidgenSssischen  Staatswesens.    „Wer  den  schweizerischen  Staats- 

gedankm".  so  bozHdmet  Nafionalrath  VÖ^rlin  so  s^rliön  wie  wahr  dif^  Bo- 
deututig  deö  Schulartikels,  „über  das  Leben  tliT  Cantone  stellt,  der  ninss  dl»; 
Volksschule  in  unseren  Bundesstaat  einscliließen,  muss  diesen  Artikel  als 
Faadament  dieses  Baues  respeetireoi  ninss  mithelfen»  denselben  lebensfthig 
'tnd  gesetzgeberisch  ansangestalten." 

Es  kam  bald  die  Zeit,  im  Sinne  von  VOgelins  Mahnung  ans  AVerk  an 
gehen.  Das  Resultat  der  Recrutenprüfungen  war  stetsfort  der  Art,  dass  das- 
Belbe  bei  den  einsichtigen  Vaterlandsfrennden  onr^tp  T?«  fsr-rgTiisse  erwecken 
Tnnffst*».  Efä  war  daher  keine  Überstürzung,  dass  die  l'"örtscliritfs})artei  im 
Jabre  1882  angesichts  dieser  Nothlage  sich  einigte,  Mittel  und  Wege  zu 
nehen,  wl«  die  allgemeine  Bildung,  das  köstlichste  Gnt  Mnes  Volkes,  za 
beben  und  an  sichern  seL  Sie  entschloes  sich  daher,  eine  Ansgestaltnng  des 
Primarsclinlartikels  in  der  Bondesverfassnog  in  dem  Sinne  anznstreben, 
das»  derselbe  dem  Bunde  nicht  nur  die  BefDgnis  einräume,  sondern  ihm  auch 
4it  Pflicht  auferlege,  in  den  Ausbau  der  Volksschule  fr.idernd  rinrncrrpifen. 

Äußere  Veranlasfäinng  gab  die  Lehr.sciiwcsterntia^»^e  (il.  h.  die  Frage,  ob 
rein  staatliche  und  confetimuuslose  Volksscliuh^  mit  Auüäciiluä»  von  Mitgliedein 
nÜgiOeer  Orden  vom  Uuterricht  oder  Zulassung  solclier),  die  in  der  Januar- 
dtnmg  1882  snr  Sjiraehe  kam,  aber  nicht  entschieden,  sondern  auf  später 
zarückgelegt  Wirde  in  der  Kelnoag,  daas  sie  dann  in  Verbindung  mit  dem 
Sdudartikel  weiter  erOrtert  werden  solle. 

Im  April  versammelten  sieh  die  eidg-eniissischen  Ruthe  wiedfi  in  Rem. 
Die  zur  Vorberat  Im  nir  der  Schuifragen  niedergesetzte  Commis.sion  des  .Vational- 
nuhes  tbeilte  sich  in  eine  Mehrheit  und  eine  Minderheit.  Jene  stellte  den 
Altng: 

1.  Der  Bvodesrath  wird  beauftragt,  durch  das  Departement  des  Innern  die  mir 

VolLdehang  des  Schulartikcls  in  der  Bunda^verfas^ung  vom  Jahre  1874  und  zum 
^l^igen  ErlasB  eines  bczügliclicu  Gesetsea  nöthigeu  Erhebungen  Uber  das  Schul- 
«miB  der  Qutone  m  madien. 


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—  186  — 


2.  Zur  Ihrflllliuig  dieser  Aufj^abe  wiid  im  Departement  ein  eigowr  Seeretirr 

Kr  if  hiin;r-  rretiir,  mit  ftiner  Besoldung  bis  auf  Fns.  5000.—  beii^egeben,  dessen 
Übiie£<;ttlieiteu  üuxcli  ein  besonderes  fi^g^^^  ^  Bundcsrathcs  geordnet  werden. 

8.  Das  in  Ansridit  genoniniene  thiteniehtnmets  soll  nodi  im  Urnfb  dkMi 
.Ta!rr>'.-  vor<rolGg't  werden  und  be^^chläg:t  die  Conmriontloa^lHdt  der  Sellllle,  wmie 

die  auä£cliliel]li(i)  stiuiüiche  Leitung  derselben. 

Die  CommissioQsminderheit  beantrag,  auf  diese  Vorlage  grundsätslicli 
nieht  einmtzeten. 

Ans  der  lebliaft  sefilhrteii  IHMsanimi,  ta  il«r  «Mi  die  beeteo  Bedner 
beider  Parteien  betheili^ten,  ging  der  Antrag'  in  folgender  definitiver  Ihmmg 

hervor: 

Die  Bnndesvemiunilung  besclüicüt: 

1.  Der  Bnndesrath  wird  beauftiagt,  nnfrerzttglieh  durch  das  DejMirtement  des 
Innern  (Buudesrath  Sc1j<  nk  dir  nir  vollstrmdif^on  Vollziehung;  des  Schulartikcls 
in  der  Bundesverfaseung  Tom  Jahre  1874  und  zum  Eriass  bezüglicher  Gesetzesvorlagen 
nOtbigen  Bthebnagen  (dnroh  Kcpertoi)  «ber  das  Sdinlweaen  der  Ceatone  nn 
macbmi. 

2.  Znr  Erfüllung  dieser  Autgabe  wird  dem  Departement  ein  eigener  äecretar^ 
ein  BnaehnngsgecTctär,  mit  einer  Besoldung  bis  auf  Frcs.  6000.—  beigegeben«  desseiL 
ObUegenhetton  durch  ein  besonderes  Regulativ  des  Bundesratbcs  geoninet  werden. 

3.  Der  Bundesrath  ist  beauftragt,  auf  (Trundlage  der  Bestimmungen  des  Bundes» 
gesetzes  betreffend  die  VoUaMt»tinimnng  iibt;r  Bandeegeiefiie  und  Bnnd^beschlttase 
die  Bekanntmachung  des  gegenwärtigen  BescblaeMi  m  veiaiwtalten  nnd  den  Beginn 
der  Wirksamkeit  denselben  festzusetzen. 

Am  28.  April  wurde  dieser  Antrag  in  definitiver  Abstimmung  bei  Namens- 
anfriif  -mit  86  Ja  gegen  30  Nein  vm  BeaeUoea  erbeben.  Sedaan  tnt  der 
StSnderatli  am  14.  Juni  dieeem  BescUosa  mit  21  gegen  19  Stimmen  beL 

Groß  war  die  Freude  über  solclien  Ausgang,  groß  die  Hoffnungen,  die 

man  ans  der  Dnrchftthmnff  dieses  Bcschlns.ses  für  das  Gedeihen  der  Selnile  zu 
lassen  sich  berechtigt  glauben  durfte.  Aber  man  muss  den  Tag  nicht  vor  dem. 
Abend  loben. 

Die  yolkaabetimnrang  wurde  auf  den  26.  November  Itetgeeetat 

Die  Z\vi8chenzeit  nutzten  die  G-eirner  einer  besseren  Volk.sbUdllDg  fOr 
ihre  Zwecke  mit  glühendem  Eifer  ans.  Vu\  ein  verwerfende^:  Volksvotnm  7.u 
erzielen,  setzten  sie  alle  Hebel  in  Beweti:niig,  Kanzel  (nicht  blcs  die  katholische), 
Beichtstuhl,  offen tliclie  Ansprachen,  Hausbesuchungen ,  die  Presse  etc.,  alles 
mosste  mithelfen.  Die  Beligion  wurde  in  Gefahr  erldärt.  Noeii  am  Vorabend 
vor  der  Abetlmmvng  rief  das  Lnsemer  Vaterland^  seinen  Fartelge&oaaen  au; 
^Betet,  freie  Schweizer,  betet!" 

Die  „Ost.scliweiz"  lässt  sich  also  vernehmen: 

nChristen,  wo  wird  der  Badicalismus  halten?   Wenn  Eure  Tempel  gestürzt,. 
Eure  HeiligthUmer  gesdi9ndet,  Eure  Priester  Lügner,  Eure  85bne  Thoren,  Eure 
Tnehter  vertiihrt,  Eure  Kinder  Gotteslästerer,  Rncr  Eigenthum  geraupt,  Euer  Vater- 
land geknechtet,  Gott  und  Himmel  weggeleugnet  uml  auf  der  Erde  die  üöUe  offen 
dann  ist  der  EadieaUaniu  am  Zid  and  da  irird  der  Badicalinwa  lialten.*' 

Eine  eolohe  Eraftepraehe  konnte  ihre  Einwirkong  aif  SngetlioheGeMtttfaer 

nieht  verfehlen.   Die  Voriag«  ichien  sonst  dem  einfaeben  Maane  m  uiver- 

fänglich;  aber  ein  solcher  Commentar  rüttelte  ihn  auf  und  zeigte  Ibm,  was  aa 
tbon  sei.  nm  das  Vaterland  vor  dem  Untergang'  zu  bewahren. 

Den  Bauern,  die  zuvördeist  um  ihr  Nächstes  besorgt  sind,  machte  der 
„Sargamerlloder'*  dmreli  einen  Artilcet:  «Wdlit  Dur  den  Spion,  den  8dMltai?" 
also  Idar: 


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—   187  — 


.Wenn  Du,  mein  lieber  Lieser,  ein  Bauer  bist  und  hast  eiu  ordentliches  Tachüppli 
Vieh  Mi  «humdw  «od  es  komimt  Dir  so  em  Kerl  heifeUnfni,  der  will  Dir  Dane 

H8ttc  und  Deinen  Vichstajid  untersuchen,  gelt,  da  merkst  Du  plcirh,  -was  er  will? 
Kr  will  nntersaehen,  wie  er  vp&ter  am  b^ten  einschleichen  und  Dir  das  schönste 
^Haapl"  ms  dem  Gaden  rnffiSktm.  kOiDM.  bist  Da  doch  ken  lololier  Narr, 
das8  Du  den  SchnUffeler  untersuohCK  ItfMvt,  ««d«ra  Du  jiget  iln  liflulieb  wukbA 

Uai,  und  Du  bast  nur  recht.*' 

„Der  Schulsecretär,  von  dem  so  viel  geredet  und  geschrieben  wird  und  der 
vas  am  26.  November  soll  aufhalst  werden,  soll  wn  aber  auaforscben,  wie  man 
am  besten  in  die  SchnlverhtiltniPSP  mndriüfrfii  nnd  unsere  Freiheit  und  SflhststüTidip- 
keit  in  der  Verwaltung  der  Scliuleu  uud  i:.rziehung  unserer  Kinder  rauben  könne. 

kommt  der  Secretär,  das  ist  der  Sfnoii,  dann  kommt  das  eidgenOssisohe  Sd^- 
{Tpsctz,  (las  igt  der  Schelm  und  stiehlt  unscrcui  rantnn  dif  rompctcn?:,  eine  für  unsere 
cantonalen  Verhältnisse  passende  ächnlorganieation  einzutübren:  stiehlt  den  Gemeinden 
du  Beoht,  in  den  von  ihnen  hesaUtea  Sehvlen  ein  entaetaiedeBeB  Wert  mliniredeii; 
stiehlt  den  Kinderr  i  ti  Glauben  unserer  Vfiter.  Ein  eidgenö^isches  Schulgesetz 
limmt  endlich  Ton  den  üemcinden  das  Geld  sow  Bau  koetanieligerSohalhäuaef,  amr 
ioeehaiAiiifr  ▼ou  Soliidtiaoihen  nadi  nenestem  System  vnd  Ton  Sehnlmaterialien, 
nimmt  vr  n  nn-  endlich  das  Heid  zur  Bo.solduntr  dor  ziihlrciclicu  Scliulinnpcctorcn 
nnd  einer  Beauiteuächar  —  kurz,  wie  jedes  neue  Gesetz,  nimmt  auch  ein  eid- 
genSesisches  Schulgesetz  nns  eis  SMek  FMiMit  und  ?iel  Geld  weg.  Und  wenn  Ihr 
nun  solche  BeranbnBg  aieht  wollt»  ao  ddxft  Ihr  ««eh  die  üatannohiUK  dei  Spions 
wkt  wollen." 

Aoch  aus  Kreisen,  denen  man  eine  bessere  AnfiaMung  hätte  zutrauen 
dürfen,  ließ  sich  dieselbe  Sprache  im  nämlichen  Tenor  hören.  „Eine  Gesell- 
•ekaft  freier  8  eh  weis  er  In  Zfirieb"  erlSBBt  zur  Yerwerfuig  des  Bande«- 
Mhluaes  einen  Aufruf  ^an  alle  ebxlicben  Sebweiser,  die  noeh  nleiit 

{gewohnt  sind,  vor  Gesslers  Hut  sich  zu  beugen.^'  Es  heißt  a.  a.  darin: 
„Es  handelt  sirh  nm  26.  November  um  ein  eidgenössisches  Schulgesetz,  um 
Verletzung  der  Bundesvcrtassunc:,  um  Knebelung  der  Cantone,  um  »Schwächung  der 
dterlichen  Rechte  auf  Kr/iehung  der  Kinder,  um  schwere  finanzielle  Lasten,  um 
ewige  Regiercrci  \tm  ohan  herab,  um  EutehristlichUAg  der  Sohnle  nnd  damit 
um  freche  Terlrtzuuü  der  Gewissensfreiheit"  n.  s.  f. 

Selbstverständiich  tratanch  der  „eidgenöseische  Verein**  uiiLeiuem  Moiufe^t 

anf  des  Flau,  in  den  er  v.  a.  folgende  htiatvng  verttble: 

Was  gesdiieht,  wenn  wir  am  26.  November  Ja  sagen  oder  zu  Hauee  bleH^f 

D'^r  Seercfar  wird  srewiihlt  uach  dem  Vorschlag  und  im  f^inne  »ie«  |  gg__,j  Schenk 
bas  Gesetz  wird  verfertigt  von  und  nach  den  Wäuschen  des        l  rm^„t^^ 
Der  Bundesnuh  sehweigt  ««  den  Mafliegehi  des  |   ^  iSTe/n^ 

Die  Mehrheit  der  Bundesversammlung  stimmt  zum  Gesetz  des  J 

In  nnserm  Canton  (Zürich)  wurden  znhroiche  Versammlnngtin  veranstaltet, 
l'ie  besten  Männer  des  Volkes,  darunter  auch  G-eistliche.  tiaton  für  die  Vor- 
lage ein  und  erläuterten  deren  Hinn  und  'Jfagweite;  widersprochen  wurde  ilinen 
IV  wenig,  meist  von  Pfarrern.  Dagegen  verwendeten  manche  Volksvertrateri 
die  in  Bern  beim  Namemaofrof  ja  gesagt  hatten,  weil  iie  etneeNeine  yw  ihren 
CoUegen  deh  geecbiiiit  bitten,  in  ibren  hdiaatli<dien  Krisen  ihren  ganzen 
£inflQs8  für  Verwerfhng  des  BandeflbeeebhuM«.  Inmerbia  laiblte  man  Ufr  «neen 
ÜUtou  auf  einen  gänstig'en  Ansprang. 

Und  welches  Resnltat  brachte  nun  die  Voikaabstimmunp  am  26.  November 
1882?  —  Den  171959  Ja  standen  315929  Nein  {roirenüber.  Die 
Niederlage  der  Fortedirittspartei  war  eine  unzweideutige  und  bcUwere.  Nur 
Tiar  Otttene:  BaeeMadt,  BMlam,  Neaflnbmjir  imd  Thnrgaa  hatten,  freiUeh 
■ft  Mbwadmn  Mahr,  angenoniMn.  Anch  In  den  wnat  foftsebrtttfrenndliehsten 
OMtaea  flherwegien  die  Nein,  fl^eddl  im  Canton  Zflrieh  verwarfen  alle  Be- 


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—  188  — 


Birke,  selbst  der  sonst  so  cinuiuiliig  für  Fortsdbritt  und  Democratie  einstehende 
Besirk  Winterthor  wies  eia  Teradnendes  Vehr  Ton  ttber  000  Stimmen  auf. 
In  Winterthor  Belber  worden  Jedoch  1150  Ja  gegen  614  Ndn  in  die  Um« 
gelegt.  Der  Karnj^  f&r  die  idealen  OQter  dee  Volkes  anf  eid^nössischem 
Boden  hatte  einen  schlimmrn  Aiisg^ang  genommen.  Die  verblttfFend  große  Zahl 
der  Ni'in  Ülsst  vermutheii,  tlass  wol  anch  von  Frenmieii  (lr»s  Vorschlai,»-«  s  Fehler 
begaugeu  worden  seien.  Ein  äolcliei'  war  oiiue  Zweilei  die  Eruenuiuig  cau- 
tonaler  Ej^erten  dnreh  du  DepartomMt  des  Lmeni  mr  üntannduuiff  der 
.  SdralsuslSnde  lange  vor  der  Volksabstimmnog.  Dieae  Mafiregel,  die  dOMsh 
den  ÄQsdruck  „nnverzüglicli"  im  Beschlags  vom  14.  Jnni  veranlasst  worden 
sf^in  map.  t'rzt'n{rte  Mi^svfiständnisse  und  Misstran*^?i  und  machte  selbst  ün- 
benuigeue  tvopi'äclieu.  Item,  die  Schlacht  war  verloren  und  die  IVaaer  bei  den 
Unterlegenen  groß« 

Noch  großer  aber  war  die  Freude  bei  den  Siegern.  An  vielen  Orten 
wurden  festliche  Umzüge  unter  Glockengeläute  und  Geschfltieidonner  ver- 
anstaltet. Von  offi'iitlirlifii  IJcrichten  über  solcbe  Fei>tivitrit<^n  mas:  »liner  aos 
dem  „Vaterland"  lii<r  stehen.     l)i*'.sem  wurde  aus  <iem  'lYssin  freschrieben: 

„Die  meisten  Ueschaftc  blieben  am  Muutag  den  27.  Novi'inljfr,  Tage  nach 
der  Abstimmung,  geschlossen.  In  allen  Dörfern  verkündeten  GloekenKcIänte  und 
Gt'srhiUzes  Umner  die  frohe  Botschaft.  Vom  rastel  Sun  Miftiole  Vioi  Belinzona 
drubuten  KaQüüouüalvcu,  die  von  Locarno  uud  deu  uuiliegeudeu  Düiicrn  -.xut^  mit 
gleicher  Kraft  erwidert  wurden.  .Namentlich  glänzend  fiel  die  Jubelfeier  in  Locarno 
aus.  Hier  bewegte  sich  am  Moutaii:  Abend  ein  imposanter  Festzug  mit  Musik  und 
Bannern  durch  die  Stadt  vor  das  Haus  des  Herrn  Regierungspräsidenten  Pcdraz- 
«ini,  wo  dieser  mit  zündenden  Worten  ein  Hoch  auf  das  gläubii^c  jirotcstanti^be 
und  katliolisehf  Schwcizervnlk  ansbrachte.  Vom  Balcon  des  Hötcl«  Suissc  aus 
doaucrtu  jjlauderath  iiespini  auf  den  Sieg  des  Föderalismus  Uber  die  ausschrei- 
tende Centralisation." 

Es  ließen  sich  selbst  Stinimen  h?iren.  die  ein  kirchliches  Dankfest  ver- 
langten. So  lesen  wir  in  der  itVoiutneii  j  „Allgenieinen  SdiweizerzeitODg"  von 
Basel  folgenden  Her/.enserguss  eines  Glänbigen: 

^Nadidem  die  drohende  Gefahr  von  nnserem  Volke  genonmen  worden, 
bewecl  den  Schreib«  t  dieser  Zeilen  eine  Frage:  Wäre  es  nicht  angemessen,  durch 
einen  besonderen  Dankgottesdienst  dem  Gefühle  vieler  Tausende  unseres  Volkes 
einen  iMrechtigtea  Ausdruck  zu  verleihen?  Die  gewöhnliche  Art,  derMÜge  Siege  m 
firiem,  entspricht  rntschieden  der  BedeTitttnc;'  des  2R.  NoTemher  nicht." 

Wenn  man  t  s  nicht  schwarz  auf  weiß  hätte,  würde  man  es  nie  glauben, 
dass  ein  Bürger  eines  democratisdien  Staates  die  Verbesserung  und  Hebung 
dea  YollmmteRiehtee  all  ein  grotartigee  Laadeenaglflek  Mevtlidi  erkUrea 
dOrfte,  deeeen  Abwendung  dnreh  ein  Tedenm  an  feiern  wftre.  Einen  Bolchen 
Missbiunch  des  Namens  Gottes  als  eines  Parteiffottes  nnd  Parteihanptee 
Itann  nur  ein  „Frommer**  sidi  leisten. 

Die  Sieger  b'bten  de.s  (rlaubens,  es  falle  nunmelir  dift  Führung"  des  eid- 
geuössisdien  Staatt^schiÖes  ihi*eu  Händen  auheini.  Aber  sie  hatten  die  Ideell* 
nnng  ohne  den  Wirt,  d.  h.  ohne  du  Volk  gemadit  Anf  das  memeiitMie 
Fieber  folgte  die  Emflehterang  und  anf  diese  die  Einsieht,  dass  man  irregeldtet 
worden  sei.  Das  Staatsschiff  behielt  seinen  alten  Goars  unter  den  bislierigen 
Führern  bei.  Immerhin  felilte  die  Lnst  m  einem  neuen  Anlauf  in  der  Schul- 
frage. Aber  der  Gedanke,  der  im  BundesbeschluHs  vom  14.  Juni  1882  liegt, 
ist  nicht  todt  und  ab.  Er  glimmt  als  Funke  unter  der  Asche,  ist  ein  Wurm 
der  aioht  stirbt^  nnd  ein  Feier,  das  nleht  erUtacht  Eh«  Jetct,  naeh  leha* 


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—  189  — 


jJthricTPr  Znrnr-khaltung,  beginnt  er  neu  anfzuleben.  Die  erste  ATircg^nng,  den 
Fadoii  wieder  da  anzuknüpfen,  wo  er  gebrochen,  ging"  vom  Redacteur  des 
„Berner  Sclmiblatt'',  Herrn  (iruiiig,  aaa.  Dieselbe  fand  in  weiten  Kreisen 
iMÜUUge  Anitaalifflö.  In  ti*i>iw*iiffwinii^fc««#fcm>,  in  Qtfltli-  und  Arbeiter- 
▼«rciiieD,  in  der  PNMe  wurde  die  Saehe  dnrehweff  snitlmmend  begrUBt.  Der 
Vorstand  dee  idiweizeriscben  Lehrervereins  gelangt  mit  einer  gorgfältig  redi« 
girten  Eingabe  an  die  Bandesbehörden.  Zu  den  friilieren  Postalaten  kommt 
non  ein  nen»^p  li.'inilioh  das,  das»  der  Bund  sich  auch  t  inans^iell  und  in  wirk- 
samer Weist"  betheiligen  und  so  dem  weiteren  Außbiiu  der  Volksschule  eine 
feste  Grundlage  geben  soll.  Selbstverständlich  wird  der  Bund  nicht 
bloe  Okonomieohe  Pfliehten  äbernehmen,  sondern  auch  snr  Ans- 
geitalinng  dei  Sebnlwesent  ein  Wert  mitreden  wollen.  Und  da 
beginnt  nra  wieder  die  Sdiwierigkeit.  Wette  Kreiae:  die  UUMentenen,  die 
„Evangeliieilin''»  Oonservative,  Cantonese  erklären  heute  Mb«,  dass  sie  nicht 
gewillt  seien,  zn  dnlden,  dass  der  Bnnd  sicii  in  das  Schulwesen  mische.  Die 
ökonomische  Uaudreichiing  von  Seite  des  Bnndes  ist  ihnen  schon  recht  nnd 
wiUkoiumen,  aber  befehlen  und  vurüchmbcn,  wie  sie  ihre  Schulen  zu  orgaui- 
stfen  hätten,  därfe  derselbe  nicht.  Das  sei  ihre  Sache.  So  beginnt  wieder 
«in  Spiel,  wie  dat  nm  Jabre  1882.  Ob  man  diesmal  .n  einem  beiMven  Ziele 
«elangt?  Sie  niehete  Zeit  wird  ea  zeigen.  Eine  alMOg  befriedigende  Ltang 
ist  nicht  leicht.  Die  Weisheit  unserer  Gesetzgeber  wird  anf  Mbwere  Probe 
gestellt  werden;  denn  die  Kunst iftnoohniobt  gefiudeo»  den  Pein  8«  wnaebeni 
ohne  ihn  nass  zu  machen. 

(Vgl  hiermit  unten  S.  185  ff.  D.  B.) 


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Pidagogiselie  BundsehAa. 

Aus  dem  Großherzogthura  Badeo.  In  dem  „liberalen  MuBtcrstaat«'", 
wie  der  verflossene  preußische  Minister  von  Zedliu  so  geaclimackvoii  Baden  zn 
nennen  beliebte,  wird  aeiteas  aar  Sehalngiarang  (des  ObenebolnlliM)  fttitig 
anf  den  VeroRhiiingtwege  an  der  praktischen  Ans»  «nd  Binlllhnii;  dei  neMO 

Sebnlgeaelzes  —  in  seinen  Einzelbeziehungen  —  gearbeitet.  Es  ist  bekannti 
dass  von  allen  badischen  Behörden  ]m  <ler  Obei-schulbehörde ,  wie  in  den  be- 
kannten „(jottesmtthlen'*,  langsam  aber  am  ^genauesten"  gearbeitet  wird.  Die 
rasche  Erledigung  einer  Riesenarbeit,  die  Festsetzung  und  Ausaahlui^  der 
Lelirergehdte  nftmliGh,  wurde  dilier  im  gameii  IdUide  der  LehrerKtell 
bewundert  und  s&gleich  dukbar  empftandeD.  Da  im  groien  und  ganan  das 
nene  Geseta  bereita  zur  Eintühmng  gelangt  ist,  so  steht  zu  erwarten,  dass  bb 
zum  Schluise  dieses  Jahres  auch  die  Einzelbestimmungen  desselben  durch  Ver- 
ordnungen etc.  ihre  ErJedigung:  tiuden.  Mit  den  landlÄnfiof  bekannten,  „ge- 
mischten Oetublen'*  wurde  vou  den  Lehrern  die  Installation  der  „ersten  Lehrer'' 
aailifeiiottmcii, — wir  meinen,  mit  großem  üniedit»  antar  VerkemiQiig  der  Staodea- 
intereaaen.  Biaher  konnte  man  landauf  landab  die  permanente  und  wolberechtigte 
Klage  in  Volksschullehrerkreisen  darüber  hören,  dass  die  Schnlaufsichtsstellen 
in  Baden  gnlßtontheils  mit  Theologen  nnd  Philologen  besetzt  wurden,  während 
tüchtige  Glieder  des  zur  Mündigkeit  heran  gereiften  Lelirerstande»  am  Wege 
stehen  und  zut»eheu  küuuleu,  wie  sich  diese  Schnlbeamten  zum  Theil  in  der 
VolkaBchnlpnuda  bloaatellten,  Ihr  Hanco  aber  im  pädagogiaehen  KOnnen  nnd 
Kennen  dorch  ein  rticksichtslbflea,  bnreanloatisches  Weün  zu  verdecken  suchten. 
In  den  letzten  Jahren  hat  man  nun  diesen  Klagen  von  Seiten  der  Regiernng 
dadnrch  zn  begegnen  gesucht,  dfi^s  man  die  yi\<-:\v.t  gewordenen  Schnlaufsichts- 
stellen durch  Fach-,  sog.  Reallehrer,  welche  der  Voikäsciiulpraxis  ziemlich  (remä 
geworden,  besetzte.  Mit  vollem  ßecht  fand  dieses  Vorgehen  der  Behörde,  ob- 
gleich  man  den  guten  Willen  erkannte,  adtena  der  Lebrsr  ebenIMla  keine  frva* 
dige  Znatinunnng,  wenn  auch  eine  an  Genugthuung  streUlonde  Stimmung  platz- 
griff. Das  nene  Oesetz  hat  nun  ilurch  die  Creirnng  der  „ersten  Lehrerstellen " 
(Oberlehrer)  unverkennbar  die  Absicht  der  Regierung  festgelegt,  aus  den  Reihen 
dieser  „ersten  Lehrer*^  in  Zukunft  die  Schulauisichtsbeamten  (Ivreisschnlräte  etc.) 
xa  erwählen.  Dieeea  Vorgeben  der  Begierong  verdleiit  nauomelir  rttefchaltloaa 
Anerkeannsg,  ala  aie  die  Anwartaehaft  m  dieaen  Stellen  nieht  von  einem  be> 
acmderen  (Hittdacliul-  und  Rectoratsexamen  in  Preußen)  abhängig 

machte,  sondern  von  der  praktischen  Tüchtigkeit  und  pädagogischen  Er- 
fahrung, Forderungen,  die  entschieden  schwerwiegender  und  für  die  gedeihliche 
Entwickelung  der  Schule  förderlicher  sind,  als  ein  Examen,  das  doch  mehr  oder 
weniger  OlttekaBaehe  iat  Allerdings  liegt  anderadta  die  Gefahr  nahe^  daa»  ein 


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—   X91  — 


l^ewisses  Streberthum,  unterstützt  durch  das  im  letasteu  Deceauium  iij  pig  im 
Kraut  geschaasene  „ Vetterleawesen zu  Deutsch  „Nepotismus'',  groü  werden 
dürfte;  allein  „der  Missbrancb'^,  sagt  schon  ein  Sprichwort,  „hebt  den  rechten 
Mnieh  nidit  snf "  und  ^  lu^  not  leaii  —  vatk  die  B^Kfenmg,  wdidie  in 
ktsMr  Zeit  aa  tkkn  gvten  Willn  ffeniffti  irird  doih  Ton  feilen  Stawbem  nieht 
dsiHren  lasMil.  VOehte  der  badische  Letarorttiad,  in  richtiger  Würdigrung  der 
Standesinteressen,  nicht  uuüberlegtcrweisp,  anch  wenn  einzelne  „erste  Lehrer" 
in  ilirer  neuen  Würde  g^rößenwahmviLzige  Lächerlichkeiten  begeben  sollten, 
„das  Kind  mit  dem  Bade  aubäcliuiteu"  und  voreilig  über  eine  au  äich  zum 
Segen  des  Lekierätaudeä  getroffene  Eiurichtuug  wegwerfend  urtheilen! 

Eine  wdter»  Nmtmf  im  badiaehen  Selmlweaea  ist  mir  That  geworden: 
die  Blsrioiitnng  der  Koeheelivlen  Ter  er  et  in  den  Stftdten.  In  Gurlt- 
Tvh»t  Ifannheim  nnd  Pforzheim  wurden  die  Kochschalen  bereits  eing«fBhrt,  die 
anderen  Städte  werden  bald  nachfolgen.  Die  Einiichtnng  kostet  die  Städte 
große  Summen;  an  dem  Kochunterricht  nehmen  die  Schülerinnen  der  olter-sten 
Schulclassen  theil.  Den  Unterricht  ertheilen  Lehreriuneii,  die  zu  diesem  Zwecke 
einen  Kochcuis  in  Kailsruhe  absolviren  muästen.  Mit  der  i^^intiilirung  dieser 
KmMinleiL  ivird  ein  Ueblingswnnaeh  Ihrer  KOnlgl.  Hoheit  der  Fnn  GreS- 
heiiagiE  «rflUlt;  die  hohe  Fmn  hnidigt  nSmlieh  der  Ansiaht,  dus  dndvdi  ein 
grodee  StOoik  eodalen  Übele  beaeltigt  weiden  dirfte.  Wir  dagegen  Uhmen  uns 
rom  pädagogischen  Standpunkte  ans  —  im  wol verstandenen  Interesse  der 
Schule  —  nicht  für  die  EinfülnnDg  der  Koph-  nii<l  IlanHhaltnngsschulen  als 
Appendix  der  \'t>lksschule  begeistern.  Ergäuzead  «ei  emgetügt,  dass  in  Baden 
bereits  „Huuäbailuugbächuien"  bestehen;  unserer  Ansicht  nach  hätte  man  diese 
MS  Staatsmitteln  besser  sabventfeniren  und  als  Staats-  oder  Krefsanstalten 
Tfrtraiten  seilen.  Auch  ersehehit  ans  der  Zeitabatand  swischen  dem  Er^ 
leinen  der  Koch-  und  Haushaltungskunde  im  schnlpflioht%en  Alter  und  der 
Anwendung  derselben  im  piaktisehen  Leben  ein  m  grofter  sn  sein;  doch: 
vi'vra  Vena." 

Mehrere  städtische  Gemeinden  iiaben  von  der  ErlaulMu*;,  die  das  neuo 
bdiulgeäet^  ertheilt,  Gebrauch  gemacht  uud  das  Schulgeld  tur  die  Vulks- 
sehole  abgeschafft.  Die  Stadt  Mannheim,  welche  seit  1872  eine  allgemeine 
«rweiterte  VoUtsaehnle  hatte  und  damit  dem  angestrebten  Ideale  einer  „All- 
gnneinen  Volkssehole"  in  besehrSnktem  Sinne  nahe  kanit  hat  aefiirt  das  Schul- 
^Id  für  diese  Schule  abgeschafft,  daffir  aber  eine  sog.  ..B ürg ersehnle  für 
Knaben  und  Mädchen",  welcher  ein  erweiterter  Lehrplan  der  „erweiterten 
Scimie*'  zu  Grunde  gelegt  wird,  eingeführt.  Das  Schulgeld  für  diese  Schnle 
•oU  28  Mark  p.  a.  betragen.  Solange  neben  dieser  Schule  die  „ei  wetterte 
Vefknariinle"  ohne  irgendwelche  Einschränkung  fortbesteht,  ist  gegen  diese 
l^enenmg,  als  eine  Finanaoperatien»  niohta  einanwenden;  wir  fttithten  jedoeb, 
dam  die  Mtataug  dar  in  Bede  stehenden  „Bttrgerschide*^  eine  Bresche  zur 
Erlangung  einer  einfachen  und  erweiterten,  kurz  gesagt,  zur  Staudes- 
8f;hnle,  deren  Besuch  bekanntiicli  von  dem  gut  oder  minder  gut  geliillten  Oeld- 
b«Qtel  der  Eltern  bedingt  wird,  in  der  Jb  olge  dei*  Zeit  werden  könnte.  Möchten 
wir  uns  täuschen! 

Aus  dem  internen  Luterrichtäle triebe  äui  erwähnt,  dass  fernerhin  in  den 
iMdlsdMB  Sehnlea  ans  hygieiniaehen  nnd  nnterrichtUohen  Grttnden  eine  Steil - 
•ehrilt  von  75^  snr  EinfBhning  kommt. 


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—   192  — 


In  Bezutr  das  Verei ns wesen  der  badischon  Volksschiillelirer 
haben  wir  nur  Erfreuliches  zu  berichten.  Dasselbe  steht  unter  der  zur  Thai 
gewordenen  Devise:  „Eiuigkeit  macht  stark,**  Am  9.  October  d,  J.  lüeit  die 
„Concordia",  „Acticngeadbeliaft  für  Dmek  vnd  Verlag",  is  BBU  Um  dft» 
Hanptvenamiiiliiiiir  AetfonlM  ktan  mir  Lehrer  ftin;  efai  ekeaialigtfMnr 
stellt  als  Direetor  an  der  Spitze.  Vor  elf  Jahren  wurde  sie  gegründet;  diadi 
wetterte  man  von  stMt»'ii  fl<'r  damaligen  Leitung-  des  Lehrervereins  und  sehe« 
Orirans.  der  „Bad.  St  hul/tg",  i*(Avie  von  selten  der  Landstünde  dage^rii  mid  dl? 
Ke^ierung-  gab  mehrl'acU  zu  erkeuueii,  daß&  nie  dem  Unternehmern,  *!.  n  Hciji- 
gewiuu  uur  den  Lehrei'wulthätigsvereinen  und  Notliieidenden  im  Leiaei stände, 
üuonderheit  den  anoen  LehrerreUcten  ngrate  kmunen  eottte,  nieht  miimSM 
gogvnttbenrtand.  Die  LebreroonfereBs  Bttld,  von  weleker  der  GrlfaidwigvKeiaik» 
«eegiog,  wurde  durch  die  „Neue  Bad.  SdaÜMltg*  —  uiter  Dr.  ^Teu^ers  Leitng 
—  kräftig  unterstützt.  Die  (Jriiirlt^r  wurden  verh^ihtit,  besehinij)ft,  sogar  als 
Rpgiernngsfeinde  verdflohtii^t,  Dr.  Meuser  wurde  in  1er  Folge  g-emaßrefelt, 
Trotzdem  gedieh  das  (nllegijile  Unternehmen  so,  d;u»h  heute  als  Lebrer-Wni- 
thätigkeitsanstait  ersten  iiuuges  dasteht.  Seit  ihrem  Bestehen  hat  die  „Cm- 
GordiA*  Ar  üatertttHxaiifai  wd  Zawiienngen  ea  die  Lelirer'Woltlifttigkdt»' 
anetalteii  42000  Hark  venisgalut.  Der  BeingewiBB  im  leteten  Bedmeig» 
jabr  belief  Bich  auf  15079  Hark,  1461  Mark  mehr  als  im  Vorjahre;  nach 
Abzug  der  Unkosten  etc.  werden  4514  Mark  je  hälftig  dem  „Pestalozzi- 
verein"  mvl  .Uoln-f-rwirwcn-  und  Waifienstift"  und  3415  Mai"k  dpm  „Unter- 
stützuDgEtonds"  zugewiesen.  —  Heute  erkennt  man,  daw  die  (iründer  und 
Dr.  Menser  weiter  sahen  als  ihre  Widersacher. 

Am  10.  Ootober  tagte  alieaiblla  bi  BlU  die  Genttfalvemawwliing  d« 
ifAllgr.  Bad.  Peataleszi vereine**.  Aneh  dleeer  Verein,  ein  WabraelobeB 
treuer  CoUefialltM,  ist  sehr  gut  fnndirt.  Seit  1840  hat  er  aohon  maMbs 
Tbräne  der  Noth  getrocknet;  er  besitzt  heute  eiu  Rein  vermögen  von  nahen 
559000  Mark;  eine  bezutrsl«  rechtigte  Wittwc  erhalt  gegenwärtig  eine  eil» 
maiige  Zuweisung  von  lOiA)  Mark,  that!?nchlieh  aber  llo4  Mark.  —  AuffiUlig 
erschien;  dass  der  Versammlung  kein  Mitglied  der  Oberschulbebürde,  wie  dies 
seit  Jahren  der  Fall  war,  anwohnte.  Jedenfldls  bat,  so  sobloss  man,  die  WaU 
des  Orts,  am  Sitae  der  „Ooneordia*,  m  dem  Peimbleiben  der  gen.  fiebflrde 
den  Gmnd  abgegeben.  Angenebm  ist  ee  Ja  ancb  nicht»  etwas  LebenslKbigeB, 
Gro^ wordenes  ansehen  zn  mftMeii;  wenn  auch  nur  en  passant,  das  man  bei 
seinem  Entstehen  ungern  gesehen  ond  mite  einem  Todteoscheine  im  TorMES  W 
sehen  zu  sollen  meinte. 

Endlich  bei  noch  die  „Confraternitas,  Verein  badiseher  Lelirer  zu 
gegenseitiger  Unterstützung  bei  Feuerschaden",  erwähnt  Die  Gründung  dieses 
Vereins  ging  auch  Toa  der  rObrigen  ConibreoB  BOU  (1879)  aus;  sn  den  Widfl^ 
saehetn  gehörten  der  ehem.  Lehrerrereins vontand ,  das  LebrerrerdnsorgaB 
(„Bad.  Sobnlztg.")  und  im  stillen  die  BegiflKimg;  mit  knapper  Nolh  entging 
die  Cnnfercnz  Bühl  dem  Ausschlüsse  —  wegen  dieser  Gründung  -  aus  dem 
Lehrerverein.  Zu  den  Förderern  des  Vereins,  der  im  weitesten  Sinne  ein  Öpar- 
verein  ist,  gehörten  die  Lehrer  der  ConferenzBühl  und  die  „Neue  Bad.  Schulztg.**; 
auch  ihnen  blieb  die  gehässigste  Anfeindung  nicht  erspart.  Die  „  Confrateruitas" 
hielt  am  3. October  a^o.  ihre  OeneralTersammlnng  in  IMbnrg  ab;  hsoia  ilUt 
rie  ^3  Hitglieder  —  %  ^  ^  Ldumtaades  —  nnd  weist  eineMnia* 


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—   193  — 


wertverf-iditininp  von  naltpzn  1 1  Millionen  Mark  auf.  An  BianJljf'gcliädigt*» 
zahlte  sie  bb  £ude  1891  die  Summe  von  1 1  IIÜ  Mark  aiui.  Der  Verein  beruht 
auf  Bieberer  Crmndlage  and  erfreut  sich  des  allgemeinen  Vertranens. 

Aat  ^eien  Vereinsberiebteii  enielit  nuui,  wia  die  Einigkeit  im  Lelireiv 
Stande  ▼ermag.  Geeinigt  Bind  heute  Badens  VolkMdiallehrer  im  „Allg.  bad. 
Ldireryerein",  den  ein  thatkräftiger  Vorstand  fahrt;  nar  der  Einigkeit  haben 
Ue  badiisfhfn  Lphrer  ihre  Erfolg^e  im  Vi-reinsleben  nnd  in  Bezog-  anf  ihre  staatlich 
erworbenen  Keclite  zu  danken.  W  ir  tirlaubeu  in  Hinsicht  auf  die  in  anderen 
.Staaten  besteiieudcu  ZerwüriiiiiRhe  iui  Lehrerstande,  welche  aaf  eonfeBsionelle 
Bleksidrten  nvfickgefiihrt  werden,  —  «efür  man  in  Baden  fUteUielienreiBe 
kein  Versttadnis  mehr  hat,  —  den  Lehrern  jRirafen  na  aoOen:  |,6eli0fe  hin  nnd 
dmet  deagleiehen**,  wie  der  badiache  Lehrentand! 

Aus  Elsass-Luthringen.  Den  Übergang  vom  niederen  zum  hüiiereu 
ünterrichtfewe^n  bilden  in  unserem  Lande  gleichsam  die  hMieren  Kidchen- 
■dnka,  die,  wie  die  Leihieneminare  nun  niederen  ünteniditaweaen  fereeluwt» 

dem  Oberschalrat  he,  nicht  den  Bezirkspräsidien  unterstehen.  Dieser  Zweig  dea 
Unterrichts  ist  jt-docli  noch  in  emLi  voliaftem  Zustande.  Die  meisten  liSheren 
5IUdcJiens*  iniI»  n  des  Landes  siml  I'rivatnnterneiiniungen,  die  vom  Staate  und 
einzelnen  Städten  antersttttzt  werden,  und  an  deren  Spitze  gewoiiniich  eine 
Vorsteherin  steht,  oder  deren  Leitung  von  einem  Lelner  der  am  Ort  befind«' 
lidiea  hSkeren  Knabensdiale  im  Nelwnaat  Terwnltet  wird.  Hnr  MUlianaen 
und  Straßbarg  haben  je  eine  sdmelaaBige  höhere  Mädchenschule  mit  einem 
akademisch  geLilJeten  Director  an  der  Spitze.  Wiihrend  nun  aber  die  Mttl- 
haoser  Scimle  lilüht  und  jrt'fieiht,  16  Classen  und  drei  Seminarclassen  hat.  in 
denen  die  Mädchen  sich  aut  das  an  der  Schule  selbst  als  Abgangsprüfung  statt- 
fittdende  Lebrerfunenexamen  Torheretten,  nnd  mehr  als  5€0  Sehtlerionen  sUdt» 
■dieiBt  die  Strafbnrger  nicht  recht  snm  GedeÜwn  gelangen  an  ktanen.  Mieht 
nur  beträgt  die  Zahl  der  Schülerinnen  nur  etwa  die  Hälfte  der  Mtlhauser  An- 
ftaJt.  die  Sehiil«'  'aViorirt  auch  f-lets  an  der  Errichtung  der  Seni!narcla»^sf' n  nn-? 
hat  es  bis  jetzt  hierin  nicht  m  einer  Hinrichtung  bringen  küimen  wie  ^iuitiaubeü, 
während  sogar  eine  Stralibiuger  PrivatmädcheDschule  die  Berechtigung  besitzt, 
ünen  Zöglingen  anf  Orand  einer  bestandenen  Abgangspräfang  die  Zengniaee 
ab  Lehrerin  für  bdhere  Hldchenschalen  anisnatellen.  Nun  ist  die  Stadt  Strafi- 
burg mehr  als  doppelt  so  groB  als  Mülhausen,  die  Zahl  der  ansässigen  Alt- 
deutschen nnd  dfr  Beamten  ist  vielmal  grSßer  als  in  der  Handelsstadt  des 
Oberelsai^ses.  Aber  sonderbar!  eiue  ganze  Keihe  altdeutscher  Beamten  nnd 
Ofßciere  vertrauen  ihre  Töchter  nicht  der  städtischen  öffentlichen,  sondern  den 
privaten  kfiberen  Hldehentcbnlett  an,  die  nun  Thett  einen  eigenartlfr  dalniaeben 
(nm  nicht  za  sagen  ftansOsiaehen)  Charakter  tragen;  ja,  es  ist  vor  ehtigen 
Jahren  mit  besonderer  Unterstützung  von  Professoren  der  Univ^'rsität  und 
anderen  h'">heren  Peamten  noch  eine  b^j^ondere  höhere  Mädehensdiule  in  Straß- 
borg  im  Leben  geruteu  vsordeu.  Betrachtet  und  überlegt  man  dies  alles,  so 
wird  man  sich  des  Gedankens  nicht  erwehien  können,  dass  an  der  städtischen 
hfikeren  Midehenadinle,  die  doch  nnter  ungleich  gllnBtfgeren  Veiiilltniaeen 
arbeitet,  .irgend  etwas  nicht  in  Ordnung''  sein  rafieae.  Woran  das  UegSr  <l^B>%* 
licherweise  an  der  Leitnn^  seD  sr,  das  kann  hier  nicht  nntersucht  werden.  — 
Da  es  sich  in  Preuüeu  neuerdings  £a  regen  scheint  w^g^  einer  Reform  der 

r»iH[nii»w    16.  Jaluf .  li«ft  Ul.  1^ 


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-   194  — 


haharen  MBdchenidmleD,  so  iMkommen  ivlr  davon  vidleielii  etwas  ab,  waa  aodi 
im  IntefMM  dai  Denttehtbasu  an  ^rttnaohea  wBro. 

An  höheren  KnabenscbnleA  besitzt  das  Land  15  staatliche  Gymnasien; 
das  im  Jahre  1538  gfegrüudete  protestantische  Gymnasium  dos  Thomasstiftp^s. 
dessen  erster  Director  Johannes  Sturm  wai-;  das  uutei-  der  Regierung  v.  Man- 
teuffels  ins  Leben  gelieleue  bischülliche  (iymuasiuiu  zu  Si.  Stephan;  7  Pro* 
gymnasien,  7  B«altcliii2en,  1  OewerbeBchvle.  Die  Bealgymnaalen  alnd  nater 
Manteuffel  im  Jahre  1883  abgeschafft  werden,  eine  Ifaftregel,  die  viel  Verur- 
theilung  erfahren  hat,  namentlich  von  Seiten  der  ans  Ältdeutschland  ins  Land 
veiTsetzten  ( »fticierc  und  Beamten,  deren  Söhne  früher  diese  Anstalten  besachten. 
£s  war  dies  vereinzelic  Voi^hen  eulschiedeu  auch  nicht  zu  rechtfertigen  in 
einem  Lande  wie  Elsass-Lothringeu  und  zu  einer  Zeit,  da  noch  übeiall  in 
DeatseUaad  Realgymnasien  beatanden.  (Herr  v.  Mantenifel  soll  dabei  g«sagt 
baben:  Was  wollen  Sie?  Ick  bitte  gerade  so  gut  die  Gymnasien  abschaifen 
kfinnen!)  Als  eine  Art  Krsatz  werden  jetzt  in  Metz  und  Btraßburg  überreal- 
sehulen  errichtet.  —  Hie  meisten  hüheren  Schulen  des  Landes  besitzen  Vorsckuiea 
(Nana — Septima),  was  sich  vielleicht  durch  die  nngünstigeit  Verhältnisse  dei*  Volk»* 
sobdencrldirennndTechtliBrtigen  lllsst.  Allein  dies  Verhlttnla  ist  .relatiF.  Dean 
wenn  die  Einder  der  besser  gestellten  Eltern  die  Volkscbiile  besaiten  mfissten, 
so  würde  sicher  darauf  gedrungen  werden,  dass  auch  fSr  diese  mehr  anfgewend^ 
würde,  und  sie  sich  beispielsweise  nieht  in  so  unangemessenen  (iebäuden  und 
Bäumen  befänden,  nnd  die  Schülerzahl  eiu^luer  Cla&>eu  iticbt  so  groß  wäre, 
wie  es  vieliauh  noch  der  Fall  ist.  —  In  einer  anderen  Angelegenheit  ist  man 
hieranlaade  nichts  wie  bei  der  Anfbebnng  der  Realgymnasien  attein  Tergegangen, 
eübgleieh  das  wirklich  sehr  verdienstlich  gewesen  nnd  dankbar  anerkannt  worden 
wSre:  in  der  T!eg-ulirunif  der  Gehaltsverliiiltnisge  der  Lehrer  an  den  höheren 
Lehianstaiteu.  Ti  h  sa»e  absichtlieli  nicht:  in  der  Aufbesserung;  denn  es  ist 
entsdueden  schuu  eine  Besserstellung,  wenn  der  Lehrer  nur  weiß,  welche  Zu* 
lagin  er  in  bestimmten  Zeiten  xn  erhalten  hat.  Bis  jetat  ist  die  Sache  so^  dass 
Jfdsr  auf  das  AaMcken  oder  den  Abgang  sdnes  Vordermannes  warten  muss. 
Da  hat  denn  auch  der  Verein  akademisch  gebildeter  Lehrer,  der  seit  eHlohen 
Jnbren  besteht  und  jälirlich  eine  allgemeine  Vei-sammlung:  nl  liiilt,  ein<re<«etzt,  um 
die  Bezahlung-  nach  Dienstjahren  zu  erhalten  un<1  di  ii  i;i  -  cii\uuUgen,  anch 
moralisch  vei  werfUclien  Ziislaud  zu  beseitigen,  iu  neueätei-  Zeit  hat  ein,  aller* 
diogs  zn  sdiarfer  nnd  über  das  Süd  hinaossdiieliender  Artikel  der  Frankflutw 
Zeitung  die  Zustände  grell  bclenchtet  nnd  unter  anderem  beeonders  die  schlimme 
Lage  der  jüngeren  Lehrer  dargethan  ,  Parallelen  gezogen  mit  anderen  Bernfs- 
arten  (Assessoren,  Forstbeamten i  und  die  angebliclie  Willkür  in  der  Zuertbi  ilnny: 
von  Zulagen  au  Überlehrer  verurtheilt.  Nun  ist  luzwiäclien  die  Regnlirung  lu 
Fteoilen  erfolgt,  and  in  dem  AugenUick,  da  ich  dies  schreibe,  beschäftigt  sich 
die  reiehsltodisdie  Verwaltnag  mit  einer  Vorlage  aa  den  Landeaaosschnss, 
wel(  he  die  Gehälter  der  Lehrer  an  höheren  Knabenschulen  in  ähnlicher  Weise 
wie  in  X'reußen  regeln  soll.  Es  soll  dabei,  wie  die  Südwestdeutschen  Schul- 
blätter, das  Oi-pan  der  Vereine  der  akademisch  gebildeten  Lehrer  iti  Baden, 
Hessen  und  Elsas-s-Luthringeu  schon  vor  einiger  Zeit  ausgeführt  hal)eu,  ein  Mehr* 
aufwand  von  146000  Karfc  n5thig  sein,  eine  Snmme,  die  jedoch  an  hoch  gn- 
grüfen  sein  dürfte.  Ob  der  Landesanssehnssi  der  im  allgoneinen  anf  die  Lehrer 
nicht  sehr  rosig  an  sprechen  ist  nnd  beiipielsweise  den  an  höheren  Mädchen« 


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—   195  — 


«ekiileii  iiig«flfeeUtoii  behurlich  das  GnadenqnarUA  yerwdsert»  diek  Vorfi^  kxh 
mümmen  wird,  bleibt  abzuwarten.  Wir  ^ollen's  hoflbB.  Ylelldclit  habe  ich  diui 
iildisto  Mal  recht  viel  firfk^oliches  za  berichten.  B.  W. 

BreiiH  ii.  Zam  Scliulrath  der  Fitieii  und  Hansestadt  Bremeu  wurde 
Herr  Prof.  Dr.  Bulle,  Director  des  (jyuinaöiuras  daselbst,  erwählt.  Der  Er- 
«rtUte  Jat  alt  tiohtlger  Sehulmann  und  Geschichtsforscher  bestens,  bekannt; 
^fanBdbeix  wird  das  gesammte  Schulwesen  des  Staates  nnterstellt;  flfar  das-  staat- 
ndie  VoDuschnlwesen  wird  ein  „Schnllnspeetor''  angestellt,  der  dem  Schnlra^e 
antenteht  Die  Wahl  des  Schnlinspectoi^  fand  noch  nicht  statt;  wie  kait  hOrt, 
solleo  ca.  90  Bewerber  ans  allen  dentschcn  Staaten  nni  diese  Stelle  ein^pg'f^ben 
haben,  darunter  Herren,  dereu  Namen  im  Volks-  und  Mitteischulwesen  einen 
4ebr  guten  Klang  haben.  Möchte  der  richtige  Mann  (aus  4er  Schnlprax^^  aus 
4»  Wahl  hervorgehen! 


Ans  der  Schweif.  Durch  die  eldgenüssiselien  Lande  klingt  jetat 
laat  der  Bnf  nach  Unter sttttaung  der  VoIlcBSchnle'  dnrch  den  i^Bnnd*. 

Der  Bund,  d.  i.  genau  genommen  die  geiammte  Eidgenossenschaft,  unter  verant> 
Tvortlicher  Leitung  der  Bundesversammlung  als  ,. Legislative''  und  des  Bundes- 
raihes  als  „EJxecutive"  —  der  Bund  soll  vor  allen  Dingen  (Jeld  sppiidfn  Er 
unterhält  eine  aufs  reichste  ansg»  stattete  technisclie  Hoclischule;  er  uiilersi  ützt 
die  gewerblickeu  Fortbilduiigs-,  die  Handwerker-,  uiederen  und  höheren  Ge- 
weri»e-,  gewefUiehen  and  Benift*,  die  Franenarbeits-y  die  laadwfrt- 
sdiafaiclieiit  knixem  anch  die  Haadelsseholen  —  aber  fttr  die  Yolksscbnle 
(wie  für  die  Lehrerseminarien  und  die  wissenschaftlichen  Mittel-  und  Hoch- 
^schalen)  hat  er  „noch  keinen  Rappen  geopfert^.  Nun  ist  der  Centralausschuss 
de?  Schweiz.  Lehrervereins  schon  1  R90  v*>n  zwei  Hezirkslehivreonferenzen  (der 
l'autonc  Bern  nnd  (TraubUndeti)  erhuielit  worden,  die  Frage  zu  prüfen,  ob  nicht 
der  Band  am  iigeud  eiue  Weise  zu  Leistungen  an  die  Volksschule  bewogen 
Warden  kSimtA.  Im  lanftndea  Jabve  aber  ist  naa  »i  einem  ffirmlicbea  Stmm* 
aagiif  geschritten.  Da  rückten  cnnttchst  mehrere  demokratische  Volksvertreter 
mit  einem  Antrag  an  die  Bundesveigammlnng  vor  (der  gegenwirtig  noch  der 
Erledigung  harrt).  Dann  folgten  je  zwei  intercantonale  Berathungen  zu  Olten 
niil  zu  Zürich  (an  denen  Schulmänner  dei-  verschiedensten  Gattungen  nnd 
Irrade,  auch  „Schulfreunde  '  tiieilnalimen)  und  die  Hauptversammlungen  der  zu 
■einer  Körperschaft  vereinigten  Lelirer  in  den  romanischen  (westschweizeribchen) 
Cautonen,  ferner  der  Lehreryereine  in  den  Cantonen  Aargau,  Bern,  Zürich, 
dtdaduini,  welche  sImmtUch  —  wenn  anch  nicht  in  gleichem  ümfuige  oder  bi 
gieidier  Form  —  vom  Bnnde  namhafte  Leistongen  za  Oonsten  der  Volksschule 
forderten.  Es  ist  nicht  nötlng,  alle  die  verschiedenen  Beschlüsse  hier  mit- 
^atheilen.  Die  einen  verlangten  wenig^  (Mithilfe  des  Bundes  bei  unentgeUli'  lu^v 
Ah^be  sämmtlicher  Lehrmittel,  bei  Bekleidnns-  und  Ernährung-  armer  ^^ciiul- 
kinder),  die  anderen  viel  (zeitgemäiie  Umsehreibung  de»  Begritie«  „genügender 
IMnanmtenricht" *),  und  als  deren  noth wendige  Folge  für  verschiedene  Cantoae 
Vermehrong  der  Üntenicfatsielt;  Er1i9bnng,  bezw.Gletchsetaang  des  Bespldnngs* 

*)  Bestimmung  im  „Schul«  rtOnl'*  der  BeadssveifassiiBK:  M^ie  Cautoiie  wnin 

^  geftOgenden  PrimanuBtentoht.'' 

18* 


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—   196  — 


minüuums  für  die  Lehrer},  die  diitieu  &ehi-  viel  (eidgeuüfiäiäciie  Lelirerbilduuga- 
anstalten  oder  „Lebrpatente",  Scholinspectoren;  ein  gemein-schweizerisches 
SAnIgwete),  Aargaaer  «m  melitett.  Li  der  Bweitan  der  Toridn  erwiluiten 
Cimftrenzen  za  Zürieh  (15.  October  1892)  wurde  efne  Denkschrm  berathen, 
welche  der  Centralaasschoss  des  Schweiz.  Lehrerverein?  nn  f^ie  Bundpsvprsaram- 
lung  richteil  soll.  Das  Scliriftstiick  befindet  sich  noch  in  Arbeit  (ich  schreibe 
Ende  October),  wird  gedrucikl  und  jedeutalls  ziemlich  umfänglich  werden,  da 
n»  d«  üntentttningsgesicb  dnrdi  «fae  ^■*i»««m*i»^,  mit  itetbttaebeBi  Uatetiel 
venelMM  DMetellmigr  der  gegenwirttgen  VerUQtnitee  (LetotmigeB  der  ver- 
schiedenen Cantone,  Überfüllnng  der  Schulen  in  einzelnen  Cantonen,  Zahl  der 
VersänmnisB«,  Dane!  'h'v  Schuheit,  Beachafienlidlt  dar  ^nlloceie,  Lehrer* 
besoldungen  u,  a.  ni.j  begründen  will."*) 

Die  tbatsächlichen  Zuütäikde,  die  Ursaciieu  und  Beweggiiiude,  aus  denen 
Jene  Wfloeolie  und  Fordermgeii  mtainiiiigen,  ktanea  vir  hier  nicht  erOrtem:  es 
wiren  ee  viele  EigenthUmlichkeit^  sa  lm*fick8ichtigen,  wenn  wir  allen  Oantcmen 
gerecht  werden  wollten,  das8  der  unseren  Berichten  g-ewJlhrte  Ranm  bei  weitem 
nicht  ausreichen  würde.  Auf  eine  tiefergehende  Würdigung  der  Forderungen 
gelbst  dagegeu  dürfen  wir  nicht  verzichten.  —  Da  muss  deuu  zunächst  leuibrkt 
werden,  dass  man  eicfa  in  der  Schweiz  je  mehr  daran  gewöhnt  hat,  bei  Unter- 
soehnngen  der  ▼enehiedentten  Art  naeh  Bnndeahilfe  so  mfen  (wag  frülieh 
elier  auf  patriarchalische,  als  auf  republikanische  Zustände  schließen  iSsst).  So 
hat  sich  z.  B.  dir  ..rnnnnission  der  Schweiz.  Gemeinnützipren  Gesell.'-clnilt  für 
Pflege  des  nationalei:  Sintiefi"  soweit  verstiegen,  den  Buodesratli  zu  ersuchen: 
er  mSchte  die  Heransgabe  eines  Bilderwerks  an  die  Hand  nehmen,  welches  „iu 
kiliiadeiiMber  Avlttning  and  in  groBem  Hatetabe"  enthllt:  ,die  Haupt- 
mom«Dte  der  vaterUndiBcliea  Oeediichte,  Bflder  ana  dem  Onltnrlehen  der 
Heimat  in  verschiedenen  Zeitaltem,  die  Bildnisse  der  verdientesten  Männer,  An- 
sichten von  vaterländischen  GfdenVj^tätten.  von  Monumentalbauten,  der  Hatij  t- 
orte,  der  ihrer  Naturschöuheittu  wegen  besonders  geprieseneu  Laiidscliaften, 
Sceneu  aus  dem  heimischen  Naturlebea  etc."  (und  dieses  Bilderwerk  soU 
„■owol  in  Form  von  OenüUden  ond  WaadtabeUen»  ala  andi  von  lieeebnchliiidem 
allen  Schnlen  der  Schweiz  leicht  zugingUcJi  gemaeht  werdoi'')  —  er  m5chte 
femer  erwägen:  ^ob  nicht  an  >(  hulgenojtsenschaften,  die  ihi'e  Sclmlrliunie  dureli 
Fresken,  ftcmälde  oder  Stuckaturarbeiten ,  deren  Motive  der  schweizerischen 
Landeskunde  entnommen  sind,  in  besonderer  Weise  ausschmücken,  aus  dem 
Credite  Ar  FArdemng  der  vaterlSndisehen  Kanst  «ktapreehende  BdtiSge  nnd 
Pitoien  veralneielit  werden  IcSnnten."  Ber  Bondeerath  liat  dieses  etwas  naive 
Ansinnen  vernünftigerweise  abgewiesen.**) 

Doch  zurück  zur  Hauptsache.  Wie  kommt  pp.  dass  der  Yolks?cliiilf^  rtns 
der  großen  Buudescasse  bis  jetat  noch  nichts  zugeflossen  istV  Wir  geben  die 

•)  Der  „Verband  Sdiweix.  Zeichen-  nnd  Gewerbeschullehrer"  will  jetzt  auch 
die  Lf*hrerbi!f1iin!rsaTistaltcn  „beztlglich  (Irr  Lehrmittel  für  dpn  Zeiehenunterricht" 
vtiiu  Bunde  uater»t(ltzt  sehen,  nnd  zwar  deshalb,  weil  dezZtichciiuntcf  rieht  im  Seminar 
„mit  ffTundl^end  für  den  gewerblichen  Uuterricht"  sei.  Das  Seminar  wtide  somit 
einfach  iu  die  vom  Bunde  bci-eits  seit  1884  mit  Beiträgen  bedachten  gewerbliehen 
Bildungsaastalten  eingereiht  werden. 

**)  Dagegen  flMert  der  Bundearath  z.Z.  -  sehr  erfrealitdierweige  —  die  Aus- 
fnhmng  einer  „neuen,  croßcn  ^^chiilwandkarte  der  Rrhwrisr.  welche  nach  allen  Rich- 
tungen den  erhöhten  Aui'urderuugeu  kartographischer  Darstellung  euttiprech«}n  üoU'~. 


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—   197  — 


Antwort  im  Anschlass  an  drei  merkwürdige  Äußernngen.  —  Die  „Scliweiz, 
Lehrerzt^."  B&gt  am  ScUnne  eines  Anftatses  Uber  die  Be^oldongs Verhältnisse 
4Bt  Ltthrar  in  den  Cantonen  (1892,  Nr.  18),  dsn  die  Eidgenoaeneohaft  „für 
das  Vitttlrweeen  ^Uch  Uber  31  Unionen  Franken  atugflit,  Ar  die  Volks- 
•dude  aber  nnr  einen  Yerfassungsparagraphen  hat,  der  seiner  praktischen  Inter- 
pretation bald  20  Jahre  h\n^  ♦>nty*^iri'nsielit.*'  Dif^  Krziehungsdirection  des 
€antOQ8  Bera  schreibt  in  ihrem  Berichte  über  daß  Schuljahr  1891/92:  „Hoffen 
wir,  dass  anch  die  Schweiz.  Eidgenossenschaft,  die  soviel  far  das  h5here  (?) 
^alwesen  leistet  nnd  so  große  Summen  dafür  ansgibt,  bis  jetzt  aber  der 
'«iniige  europäische  Cnltnr Staat  ist»  der  noeh  keinen  Rappen  für 
•die  eigentliche  Volksachnle  geopfert  hat,  endlich  doch  anch  steh  für  sie 
•emiriDe  nnd  von  ihren  g-Iänzenden  Zoll-  nnd  Honupoleinnahmen  etwas  fSr  die- 
■gelbe  abfallen  lasse."  Das  Berner  Sclmlblatt  theilt  in  Nr.  41  1.  ,T.  mit,  wieviel 
Prenßen,  Sachsen,  Württemberg,  Baden,  England.  Fraiiki-  ifh  für  die  Vollcs- 
-schule  leisten,  femer.  dass  „viele  Staaten  Nordamerika»  von  der  Central- 
regiei'uug  geäpieseue  d.  E.)  Schulfuudü  besitzen,  welche  in  die  Millionen  sich 
'^QlMiltML*'  —  und  BcUielt  daran  die  Bemerkung:  „Das  Scbwelserrolk  ist  das 
<«iMige  GnltnrTolk  der  Erde,  flr  dessen  Bildung  die  oberste  BehSrdo 
kehisn  Genttme  glanbt  ausgeben  zn  soUeD."  —  Dagegen  ist  mehreres  einzu- 
wenden. Erstens:  Die  drei  Änßemngen  sind  mindestens  in  der  gewählten 
Form  unzulikisifr  F^iV  erwecken  firn  Argwohn  jedenfalls  bei  FremdeTri* ' ,  sIs 
'Ob  der  ^Bnnd'*  ein  ilim  Übertrag t^nes  Amt  vernachlässigt,  sich  einer  groben 
Pflichtverletzung  schuldig  gemacht  habe.  Das  aber  ittt  uiclit  der  Fall.  Der 
«Bund'',  d.h.  die  Eldgenossensehafl,  die  Goeamaatheit  der  stimmfihigen  Bürger 
iä  «Uen  25  Gantonen,  hat  sich  cur  Sorge  fBr  die  aUgemeine  Volkssehule  nicht 
YcrpAiehtet  Die  Mehrheit  des  Schweizervolka  war  —  als  es  sich  um  die  Ab- 
stimmung über  die  Bundesverfassung  handelte  —  und  ist  heute  noch  gegen  ein 
gemcin.'^aTn'^'s-  Volksscliulg'e^etz,  gegen  eine  von  der  gesammten  Eidcen^ssenschaft 
bestellten  obersten  Schulbeliörde,  gegen  Einmischung  derselben  namentlich  in 
die  inneren  Angelegenheiten  der  allgemeinen  Volksschule**),  und  verzichtete 
'dsram  aicib  auf  Unterstftteaog  ans  der  eidgenSasischen  Staatscasse.  Jeder 
(koton  iraUte  und  will  als  selbststtndiger  Staat»  nicht  ab  Hitglied  der  Gesammt- 
hslt  für  den  Primamnterricht  sorgen.  Zweitens:  Vergleieh,  welcher  in  den 
Worten  „die  Eidgenossenschaft  ist  der  einzige  europäische  Mtorstaat  etc.", 
Schweizervolk  ist  das  ein/i^e  Cnltnrvolk  der  Erde  *^te."  ansgedrückt  ist, 
zeugt  von  strilflicher  Obei-fliichlichkeit.  Mit  welchen  Staaten  darf  man  die 
^hweiz  vergleichen?  Frankreich  ist  ein  Einheitsstaat,  hat  keine  selbsthen*- 
liehen  Cantone  (und  „Cantonesen").  Ähnlich  steht  es  in  Italien,  Belgien,  den 
Ulsderianden,  ChroBbritannien.  Die  einsigen  Staaten,  welche  aum  Vergleiche 
tomigesogen  werden  kSnuten,  wftran  die  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika 
mi  das  Deutsche  Reich.  BezS^Idl  der  großen  Union  im  Westen  bemerkt  nun  ^ 
■wie  erwähnt  —  das  Bernor  Schulblatt:  Viele  Staaten  Nordamerikas  besitzen 
von  der  Centralregienmg  gespieeene  SchulfondB,  welche  in  die  Millionen  sich 


*)  Jener  Anftat«  der  Schweis.  Lehrergeitnng  ist  ie  derAUgr.  deutsehen  tiehier» 
SlHaog  ToUs!  findig  abgedruckt  wordeu. 

**)  Was  au&  deutlichste  daraus  erhellt,  dass  Umfang  und  Inhalt  des  „genflgen- 
dea  Pximaninterrichts  nicht  festgestellt  worden  sind.  Das  Wort  „genttgeiui^  wäre 
^WidietweiBe  sn  sfenudien  gewesea» 


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—  198 


'belaufen."  Das  kliugt  freilich  etwa»  alii^cmein  und  nub^timmti  weuu  mau 
daraaf  eingeheo  wollte,  mäsate  man  erst  Näheres  Uöreiu  Bliebe  noeh  Deatach* 
land.  Diaaea  ist  wie  die  Schweis  ein  Bnndaaataat  mit  «sonTertnen"  Gliedern.*^ 

Von  «Beichs  wegen''  Aet  fließt  in  Dc^  iitschlaad  der  Volksschnle  kein  Pfennig 
zn.    Das  VolkRscliuhvpspn  gt^hRrt  eben  nicht  zu  den  ,,Kpichsang^ele^enhoiten",. 
wie  es  in  der  Schweiz  nicht  Sache  des  Bundes  ist.     Also:  die  Schweiz  ist 
nicht  „der  einzige  europäische  Culturataat  etc.'*)   E«  gibt  in  Dentschlaud 
eelir  Tfeäa  achleeht,  nngentigend  beaahlte  Lehrer;  aber  Boch  keiner  hat  naek 
BelchdiUfe  verlangt:  man  weifi.  das  wäre  ein  an  die  felacbe  Adresse  gerichtetes- 
Begehren.    Die  Sache  liegt  also  sehr  einfach,  und  wir  brauchen  kein  Wort 
darüber  zu  verlieren.  Immerhin  m^^chtcn  wir  betonen,  dass?  Jone  Rt  lianptungeti. 
vuu  dem  „einzigen  Culturistaat''  (die  genau  genuujmeu  zweimal  talsch  sind) 
zeigen,  wie  leichtfertig  selbst  solche  Leute  urtheilen  und  schi-eiben,  von  dene» 
man  ea  doch  wahrlieh  nicht  an  gewIMigen  hrancht  Damit  hahen  wir  scboik 
den  dritten  wunden  Pnnkt  berühit.  Wir  sind  nUnilich  —  wenn  wir  Äußemngeik 
wie  die  citirten  und  iilinliclit*  liört-n  (was  ja  zienilioli  oft  voikommt)  —  ver- 
sneht  zu  fragen:  wa.s  denkt  man  sich  denn  eigentlich  unter  dem  ,. I>und"'?  Nu» 
wollen  wii-  zwar  gern  glauben,  dass  die  Urheber  jener  drei  Äußerungen  sick 
daa  Sichtige  denktti  imd  mit  aicheran  Fingef  hfaiceigen  anf  jeden  atimmfiOige» 
Schweizerhfirger,  nnd  mit  dem  Propheten  mahnend  oder  atrsflsnd  aagen:  ,Dit 
bist  der  Mann!"  Allein  -~wie  viele  werden  an  die  Brust  schlagen  und  in  aich. 
peilen  V  Tausende  werden  es  eher  dem  Könige  Ahab  gleichthun  —  nicht  ans 
Bosheit,  sondern  nnr  ans  Mangel  an  Einsicht.    Das  ist's!   Es  fehlt  allent- 
halben au  politischer  Reife.    Die  einfachste,  nächätliegeude  Furdeiungr 
Jeder  Sdiweiaerhflrger,  der  vom  „Bunde**  apricht,  soll  aich  hewniat  aein,  dan- 
der  „Bund"  nhdits  ist  als  eine  Gesaninitheit  von  Bürgern,  der  er  adhit  an- 
gehört; dass  er  ein  Glied  dieses  Bundes,  ein  Theil  dieses  Ganzen  ist  —  wir 
linden  sie  hei  der  Melirh«^it  des  \'olke8  nicht  erfüllt.  Man  muss  nur  hören  und 
lesen,  wie  die  Mehrheit  denkt,  wie  über  den  „Bund"  und  den  „Staat"  ge- 
sprochen und  geschrieben  wird!  (Geradeso,  wie  in  einem  weltv^orenen  Ki'äU' 
Winkel  dea  heOigen  Hfmiachen  Beicha  —  wo  ea  doch  nnr  „Untertbanen",  nicht 
^freie  Ifbmer"  gab!)  Nach  Erwägung  der  Thatsache,  dass  die  nach  Tan« 
eenden  zflWenden  T^tr^Mfen  fjleicliwol  dag  Recht  haben,  über  die  wichtigsten 
cantonalen  oder  ei  ib,  n  ^^fiseltrn  Anfrele^enheiten  abzustimmen,  al^^o  auch  über 
ein  schweizerisches  »SeiiulgtAetz  oder  über  eine  Änderung  des  „ScbulaitikeLs'* 
in  der  Bundearerfaesung,  gelangt  man  gans  von  adhat  so  dem  SeUiuae:  Hier 
tiint  ffilfe  am  allenneiaten  noth,  nnd  hier  wflre  anch  der  Bnndfiahebel  xnent 
anzusetzen.  Es  gilt  Einrichtungen  zu  schaffen,  welche  den  jungen  Bärgern  die- 
Einsicht  vermitteln**),  deren  sie  y.w  vfrufinftlger  Ausin  iinjr  ihrer  Rechte  bedürfen. 
Dass  diese  Aufgabe  der  X'olkßfichule  (die  doch  Kindersohule  ist)  zufalle,  wird 
ein  ernsthafter  Manu  uiciit  behaupten. 

"Wir  hehren  xn  den  anf  Hehnqg  dar  Tolkaachnle  gerichtateii  Baakrahnngifk 
mitllck.  Werden  aie  ihre  Ziele  erreichen?***)  Die  hUchaten,  di^enigen,  wel^ 


*)  Nicht  mit  diesen,  welche  ja  den  Schweiz.  C  an  tonen  entsprecheiL  nidit  mit 
Prentoi,  Saduen  etc.,  aoadera  nur  mit  dem  „Reiobe"  darf  man  den  Jland"  vei^ 
gldcben! 


^**)  Wie?  dies  gründlich  zu  erörtern  wäre  verdienstlich. 

Bs  irttt  nneetea  Lesern  gewias  wUUMmuaen,  etliche  Meiaangen  der  poli-^ 


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—    109  - 


ibnen  als  die  höchsten  ^Iten,  wol  nieht   Die  EriisUirensteii  and  KnadigBleii 

nnter  der  Lehrerschaft  sind  überzeuget,  dass  das  Volk  eine  Verfaseangesänderung:, 
ein  eidgenössisches  Schnlgcsetz,  dif  Errif  hiuno-  »  Klßrenfissisclipr  Lehrerseminarien 
verwerfen  würde.  Wai  dann  weiter  die  LnieratüUuug  armer  Kinder  (oder 
Eltern)  nnd  die  „ökonomische  Besserstellang"  der  Lehrer  betrifft,  so  stehe  ich 
nidit  ftB  ni  MMpten:  dm  bedarf  es  der  Bondcsbilll»  nicht.  Haben  die  Ge- 
meinden und  Gaatone  wirklich  nicht  das  ndthfge  Geld,  so  —  ich  scheue  mich 
niclit.  t'inp  t.sxcA  lilirlnindertc  alte  Forderune"  fdes  fliiwürtlitrtii  freilisrers 
J.  B.  Sdiuppj  aiK  h  für  unsere  Zeit  als  g-ültig-  zu  erklären  —  so  haben  unsere 
halben  nod  ganzen  und  mehrfachen  Millionäre  die  ganz  natürliche  Pflicht,  in 
die  Lttflke  tu  springen,  und  daa  ohne  Urm.  —  Endlieli  aoll  mit  ffiUb  des 
Biradn^Mes  eine  «beaMre*  Sdinlnng  der  Staatsbfirger  ernrit^llcht  weiden. 
Was  versteht  man  unter  „besserer"  Rchnlnng?  Eine  addie,  welche  die  Kinder 
in  vieltrl«  !  Wisson.«  haften  sattelfest  niadit.  ihnen  eine  raMg^Hr^h  eruiV  Zahl 
praktiHcher  Fei  tijjkeiten  übermittelt,  sie  luni  •  s  Vwtf.  nnd  bequem  zu  sagen  )  mit 
deijeoigen  Ausrüstang  versieht,  deren  sie  nothweudig  bedürfen,  um  im  Kampfe 
nna  »ateridle  Daaela  in  at^gen.  Dae  ist  daa  Hanpiriel  der  modernen  Sebole-, 
das  win  die  weit  überwiegende  Melirlieit  des  Volks.  Die  Stimmen  derjenifen« 
welche  die  Gesetze  der  reinen  Pädagogik  wissen  oder  fühlen  oder  auch  nur 
ahnen:  die  f'ttTnmen  der  frisehen,  freien,  st-lbststündi^en  Geister,  die  allezeit- die 
Wahrheit  zu  vemetimen  und  zu  sagen  geneigt  sind  —  werden  nicht  gehört. 
Das  tfaid  ungesunde  Zustande,  nnd  fttr  nnaer  Land  sind  sie  uniiat&*lieh,  doppelt 
nnutfrllefa.  Denn  einmal  stehen  in  einem  freien  Volksataate  der  KlnfUhrang 
einer  Eraiebnngskunst  von  grOBtmöglicher  Vollkommenheit  keinerlei  Hinder- 
nisse entSTf'fren  - —  iiiui  /.nm  anderen  ist  die  Schweiz  das  glückliche  Heimat- 
land derjeniiceii  beiden  Pädagogen,  die  ebenso  groü  sind  ihrer  Eigenarten,  wie 
ihrer  Zusammengehörigkeit  wegen;  sie  ergänzen  sich  in  einer  Weise,  wie  wir 
de  Tortrefllieber  nidit  wllnaeta  kOuien:  Beweean  hat  mia  aowel  die  melrten 
HuptgrmdaStn*)  einer  Im  besten  Sfame  natnrsemiBen  Eraiehnng,  als  aaeh 
eine  FIHe  besonderer  Weisungen  und  Winke  gegeben  —  und  in  Pestalozzi'» 
Person  finden  wir  das  Vorbild  eitn^s  Kr/iehers.  Was  brauchen  wir  mehr?  Und 
was  habeu  wir?  Ohne  Zweifel  v\\\r  gioCe  Zahl  berufsfreudiger  Lehrer.  Nicht 
aber  besitzen  wir  das  bei  uns,  zumindest  in  den  „ vorgeschrittenen  Cantonen^, 
mit  fntem  Willen  enreiehbare  Ideal  der  Volkssehnle.   Werden  wir  ea  liaben. 

I  T!  man  der  LSnge  der  Volksschulzeit  ein  oder  zwei  Talire  zusetzt?  Nein. 
>fan  denkt  niclit  daran!  Als  es  sich  vor  Hinf  Jahren  im  Caiiton  Zürich  um  die 
Kintührunsf  eines  neuen  Schulgesetzes  handelte,  da  retrte  es  sich  alleutiialbeu, 
da  wurden  tausend  längere  und  kürzere  Äußerungen  gethan:  aber  keine 
wwrfgHf^s  keine  Ton  Binünsa,  keine  deijenigen,  wetdie  am  aaHnerkaametett 
beaeMei  wurden  (und  werden)  —  gin^  ins  Innere»  in  die  Tiefe;  keine  beadilft^te 
»>ich  mit  der  stillen  Größe  r^er  Mensnhlichkdt,  ZU  welcher  die  Volksschule 
den  Grnnd  leg:en  hat.  nnd  forderte  mit  unnaehsiehtlicher  Entschiedenheit, 
dass  der  Schale  endlich  einmal  die  Uhiung  dieser  Aufgabe  vorgesduieben  und 

tiBchen  Presse  zu  vcroehnu  n.    Allein  da  das  Pnadagogtuui  nicht  in  jedem  Hefte 
einen  Beriebt  an»  der  Schweiz  bringen  kann,  dörfcn  wir  niiht  so  aiHfhhrlich  sein 
aU  wir  gern  möchten  —  wir  kämen  sonst  aicht  Torwän»,  blieben  all(-/(  it  hinter  deu 
^itläuften"  zurück. 

*)  Des  Fdilendea  sind  wir  uns  wol  bem'usst  —  kUnnea  es  ahto  hinznillgea. 


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—   200  — 


eniiög licht  werde  —  fa^t  ausnalimslos  jralten  dio  'ift  mit  vv^]  Aufwand  er- 
'/.mgU'.n  Tifden  und  Aufs^ätze  nur  dem  „imposanten  FUl  luugskorper",  nicht  anch 
der  „pädagogischen  Seele*'  —  aus  aUeo,  so  g^t  wie  uuä  allen  sprach  der  moderne, 
nodemokratiflclie  Oetot,  der  nach  waten  t  in  die  Weite  md  in  die  Breite  (aafib 
iu  die  Höhe,  aber  nor  bis  zu  einer  „gewiseen**)  sti-ebt  und  di-ängt,  nicht  ,Bin- 
kehr  im  eignen  Innern"  halten  ma«;,  dagegen  im  Groß-  und  Weltstadtleben  un- 
ert'bunden  nnihersch weift,  nur  das  augenfällig  Große.  UfflclitiErf^  und  Piachtisre 
achtet,  Wisseiibchaft  und  Gelehrsamkeit  über  Bildung  und  W  urde  eiupurhebu 
Und  beute  herrscht  kein  anderer  Geist.  Eben  darum  muss  um  so  lanter,  scharfer 
ond  strenger  gefordert  «erden:  die  biliare  Umwandeln ng  der  Yolks- 
scbvle  thnt  noth!  —  Es  wäre  doch  lierrlioh,  wenn  unsere  BondesbehSrden 
ihre  milde  Hand  nur  dcnjetiigen  Offnen  wollten,  welobe  jene  erste  nator-  nnd 
ssei^penittfie  Forderuug  zu  erfiUleu  versitrecheoi 

Bosnien  and  Herzegowinai  Die  Organisation  der  Vdkssdinle  dieser 
Lftnder  hat  einen  nenen  nnd  gntfen  Fortschritt  gemaehtw  Kit  dem  1.  Sep- 
tember dieses  Jahres  ist  nämlich  eine  gesetzliche  Regelung  der  Bezüge  des 
Lehrpersonales  ins  Leben  getreten  und  ghäf^hzeitig  ein  Rfgulativ  nhf^r  ^i*^ 
Pensionirung  eben  dieses  Personals,  sowie  der  Witwen  und  Waisen  desselben 
erlassen  worden.  Die  wichtigsten  Bestimmungen  dieser  beiden  legislatoriscUeu 
Acte  m8geii  hier  voigefllbrt  werden. 

Dm  Ldirpeisonal  an  den  allgemeinen  Elementaracbulen  (Voücsschulen)  in 
Bosnien  nnd  der  Herzegowina  besteht  aus  folgenden  Kategorien:  a)  Schulleiter 
(SchuUeiterinnea),  b)  Lehi'er  (Lehrerinnen),  c)  Aushilf  sichrer  (Aushilfslchrt'- 
nunen).  Die  dem  Lehrpersonale  gebürenden  Bezüge  bestehen  in:  a)  Jahres- 
gnbaUwii  b)  Decennalsulageu,  c)  Ortmlagen,  d)  NsAamlfmhnamen  oder 
Qpiaitiergeldem.  Der  Jahresgehalt  betrftgt  für  Sehalleiter  600  iL«  für  Lehrer 
500  fU  für  Anshilfslehrer  360  iL  Die  Decennalzulagen  betragen  für  SchnL 
leiter  und  Lehrer  (vSchnll eiterinnen  und  Lehrerinnen)  nach  10,  20  im  l  HO 
Dienstjahren  je  100  fl..  welclie  HetrSge  anch  bei  der  eventnellen  PensiouirQnjr 
in  Anrechnung  gebracht  werden.  —  Hinsichtlich  der  Localzulagen  sind  die 
Sehalorte  in  drei  Kategorien  eingetbeilt:  a)  mit  150  iL  für  SebnUeiter  and 
Lehrer  und  80  II.  für  Anshilfslehrer,  b)  mit  100  iL  IQr  Schulleiter  und  Lehrer 
und  60  fl.  fiir  Anshilfslehrer,  t)  mit  50  fl.  für  Lehrer  und  40  fl.  für  Aushilfs- 
lelirer.  (  Die  Orte  der  einzelnen  Kategorien  f?ind  in  der  Verordnung  namentlich 
verzeichnet,  die  der  ersten  Kategorie  mögen  hier  angeführt  werden,  es  sind: 
Sarajevo,  Foda,  Uostar,  Bilek,  Nevesii\je,  Trebiige,  Gacko,  Bai\jaluka,  Bihaiß, 
TtmSkt  D.-Tnsla,  Brfika,  EUelina.)  —  Das'Qaartlergeld,  welches  dl^fenigan 
Lehrkräfte  erhalten,  denen  keine  Naturalwohnung  angewiesen  ist,  wird  eben- 
falls nach  Ortslvatpgorieii  festgesetzt  und  beträgt  in  der  ersten  Kategorie 
180  fl.  für  Hchulleitei-  und  Lehrer,  80  fl.  für  Ansliilfslelirer;  in  der  zweiten 
Kat^orie  120  fl.  für  Öchalieiter  and  Lehrer,  60  fl.  für  Aushilf siehrer;  in  der 
dfitten  Kategorie  60  fl,  llr  Sdmlkfter  nnd  Lehrer,  40  I.  Illr  AidiiUMnr. 

Fifar  dieVenetEung  von  Lehrpersonen  in  den  Rahestand  gelten  in  Bos- 
nien nnd  der  Herzegowina  von  nun  an  im  allgemeinen  die  nämlichen  Grand- 
sfttze,  welche  in  mitteleuropäischen  Staaten  schon  längere  Zeit  üblich  sind:  wir 
heben  daher  nur  den  einen  Pnnkt  hervoi-,  dass  die  Lehrkräfte  der  Volksschulen 
in  Bosnien  und  der  Herzegowina  ihre  Pensionirung  mit  voller  Besoldung  nach 


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—   201  — 


einer  vierzigjährigen  Dienstzeit  zu  vejrlangen  berechtigt  sind.  Die  Dieost- 
zdtwird  von  dem  Tage  datirt^  von  welchem  an  4«rl«ehrer  nach  bestandener 
Beffthigangsprttfnng  an  einer  VolkMeliila  ««wirkt  hat,  gleiehvlel  ob  in 
pmimMier  oder  definitiver  AnsCeUnng.  Zur  Bemessang  des  Rahegehaltee 
koamMl  In  Anrechnung  1.  der  letzte  definitive  Jahresgehalt,  2.  die  normal- 
mäBi^en  Decennalznlag'en;  nicht  ansrerechnet  werden  Qnartier^elder,  Orts- 
und  Fersonalznlagen.  Die  Pensionsfähigkeit  tritt  in  der  Kegel  erst  nach  einer 
zehnjährigen  Dienstzeit  ein.  Die  ßahegebür  beträgt  nach  Vollendung  einer 
zehnjährigen  Dienstzeit  ein  Drittel,  nach  einer  fönfzehiyilhrigen  Dienstzeit  drei 
Achtel  des  lekiten  normahnaiMgen  EinkomoMat;  mit  jedem  wetteren  Dknut- 
Jaiffe  «leigt  die  Babegebllr  nm  2VtVo  letzten  anrecbenbarai  AottvltSta* 
beznges,  bis  sie  mit  dem  vdlMreckten  vierzigsten  Dienstjalire  diesem  Bezüge 
gleidikonimt,  worüber  hinaus  eine  weitere  Steigerung  nicht  stattfindet.  „Bei 
Bei- r-hnung  der  im  bosuisch-herzegowinischen  Landesdienstf^  zurttckgelegrteü 
Dicuäueit,  falls  dieselbe  schon  mehr  als  zehn  Jahre  erreicht  li:it,  ^ilt  dh^  Br'- 
güoüiiguug,  das»  dieselbe  zur  Bemessung  der  Ruhegebür  jedesmal  um  ein 
Aohlel  hüher,  als  eie  eibcUv  bettSgi»  InAuMbnaag  gebraoht  wlid.*  —  „Den- 
jenigen LohilDAften,  wekbe  eine  nnreehinngslUilge  eSsetive  Dienetneit  von 
mha  Jahren  nocli  nicht  vollstreckt  haben,  ist  eine  Abfertigung  ein-  für  alleauil 
TXL  prfolg^en,  welche  für  eiue  Dienstzeit  bis  znm  zurückgelegten  fünften  Jahre 
mit  dem  einjilhrigeu  Betrage,  für  eine  Dienstzeit  von  melir  als  fünf  und  weniger 
als  zehn  Jalireii  nh^r  mit  dem  ein  und  einhalbjährigen  Betrage  ihres  letzten 
anrechenbaren  Activitätsbezageä  zu  beme&sen  ist.  Wenn  eine  Lehrkraft  wegen 
Wßatang,  OeisteMtflnuig,  langwieriger  nnd  nnheUbarer  JEntokhett  oder  eonet 
iildge  einen  ÜBgldcka&lles  ohne  ihr  Versehnlden  zur  ftoneren  DleostleiBtnng 
md  m  jedem  anderen  Erwerbe  onfKUg  wird,  so  ist  dieselbe  auch  vor  Voll- 
Streckung  des  zehnten  Dienstjahi-es  so  zu  behandeln,  als  ob  sie  effectiv  bereits 
zehn  Jahre  anrechenbar  gedient  lilltte.  ht  j»'doc,h  erwiesen,  dass  ihr  dieses 
Unglück  im  Dienste  und  wegen  des  Dien-ies  zu^estossen  ist,  so  ist  sie  so  zu 
behandeln,  als  ob  sie  bereits  volle  zwanzig  Jalue  eüectiv  gedient  hätte.  Tritt 
die  Diemteeonfähigkeit  durah  einen  im  IMennto  vnd  wefen  den  lüemtee  in* 
geitMMnea  üngllekefall  erst  nach  mrfiekgelegter  nbqjlhriger  Dienetaseil  ein, 
so  sind  dem  Angwtellten  zu  seiner  effeetiven  DIenetieit  behufs  der  Bemessung 
der  Bahegebür  noch  zehn  Jahre  hinzuzurechnen,  wobei  jedoch  dieeelbe  den 
leWen  anrechenbaren  Actlvitatsbezug  nicht  übersteigen  darf." 

Über  die  Versorgnng  der  Witwen  und  Waisen  von  Lehrern  lauten  die 
wichtigsten  Be&timuiuugeu  wie  folgt:  „Witwen  von  Schulleitern  und  Lehrern, 
deren  Gatten  auf  einem  mit  der  AnwarUohaft  eines  Btthebezugea  verbundenen 
DiemtpoBten  aafestellt  wann  nnd  weder  inftIge'fteiwilUger  Dleneteereelgnition, 
noch  iaColge  itrafiveiier  Dieneteeentlaaenng  ihres  Aneprnebes  anf  eine  Boke- 
geb&r  verlustig  geworden  sind,  das  Ableben  des  Oatten  mag  in  der  Activittit 
oder  im  Ruhestande  erfolgt  sein,  haben  in  der  Hegel  Anspnuh  anf  »  itM'  fort- 
laufende Jahrespension  mit  dem  dritten  Theile  des  von  dem  verstorbenen  üatteii 
zoletzt  bezogenen  oder  ihm  bereits  giltig  verliehenen  anrechenbaren  Activitätst 
bezages,  wenn  der  verstorbene  Gatte  effectiv  eine  mehr  als  zehigälirige  au- 
ntebnre  Dieutceit  nrllekgelegt  nnd  die  VerebcUcbnng  wählend  der  actilTen 
BiMsMtmg  des  QeMen  oder  vor  dem  Eintritte  oder  Wiedereintritte  des- 
«Iben  in  die  netive  DieniUeietnog  atattgeltanden  hat^  Sind  naeh  einem  Schnl- 


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—   202  — 


leiter  oder  Lehrer  mobiuiiedaiikcher  Re%i<m  mehrere  Fraaen,  die  mit  ihn  !■ 
reehtinilUger  Kie  Terhwiden  waren,  als  Wltwea  soiilclifeblielwii,  to  kommt 
ihnen  sttammen  nur  die  fiir  eine  Witwe  festgr^setzte  WitwenpemkNi  m.  THß&t 

Pension  wird  unter  dieselben  /.u  ^^leiclifMi  Tlieilen  vertheilt  und  iV'1»^r  Witwe 
•iar  BOiiach  bemessene  Antheil  als  die  ihr  selbstständig'  g"ebtti*eii(i(>  i^eiision  7n- 
s^ewiesen.  Witwen,  deren  üatten  mehrere  Dienste  zugleicli  bekleidet  haben, 
und  dooon  am  jedem  dieier  Dienste  der  Anepmeh  auf  eine  naeh  dem  AettTttlto* 
benige  dee  Terstorbenett  Gatten  zn  bemesMnde  Pension  erwachsen  tsty  kSnneii 
mehi-ere  Pensionen  nur  insofern  gleichzeitig-  beziehen,  als  damit  im  ganzen 
nicht  drr  hf^chste  Betrag  der  naHi  dem  Gehalte  zu  brmpssenden  Witwonpeiision 
jährlicher  300  fl.  tiberschritten  wird.  Witwen,  denen  etwa  eine  i'ension  aus 
ihrer  eigenen  Staats-  oder  öffentlichen  Dienstleistung  zukommt,  kennen  neb^bei 
aneh  die  ans  der  Diensllelstnng  Ihres  Gatten  gdbirende  Pensioa  bedehen. 
Die  ^nr  Eflaogong  einer  Jahrespension  b<»^tie;ten  lIHtwen  v^n  Selonelteni 
und  Lehrern  an  nlltremeiiien  Klementarschnlrn.  wplrho  znr  Zeit  des  Ablebens 
ihres  Gatten  wenigstens  drei  von  diesem  ihreni  vei storbcnen  (tatten  her- 
stammende eheliche  oder  durch  die  nachgefolgte  Ehe  legitimirte  Kinder  in  ihrer 
Versorgung,  oder  st  swel  nnversoigten  Kändem  nedi  eineii  Poitliitmqs  tsu  ge- 
wirtigen  haben,  kUnnen  ftr  Jedes  der  noeh  xatftnargt  nnter  dem  Nermalalter 
stehenden  Kinder  einen  fortlaufenden  Endehnngsheitrag  bis  -/mt  Erreichung  de« 
Xormalalters  oder  früheren  \'ersorgung  ansprechen.  Das  Normalalter  wird 
bei  Söhnen  auf  das  zurncl<f?eleg^te  zwanzigste,  bei  TRehteru  anf  da«?  zurück- 
gelegte achtzehnte  Lebensjahr  festgesetzt.  Der  Erziehnngsbeitrag  ist  in  der 
Bogel  fir  Jedes  Elnd  mit  dem  fünften  Thelle  der  nadi  dieser  Vonohriffc*  ge- 
bttrenden  Witwenpension  in  der  Art  in  bemessen,  dass  die  Summe  der  Bbr- 
ziehniipsbeitrrig'e  für  alle  Kinder  JOTBamraengenoromen  den  Belauf  der  Witwoi- 
pension  nicht  übersclireiten  darf,  wonach,  falls  die  Witwe  mehr  als  fünf  \>e- 
theilnngsfähige  Kinder  in  ihrer  Versorgung  hat,  der  Elndehnn^beitrag  für 
jedes  Ktod  nur  in  jenem  Betrage  sn  hemessen  ist,  weleher  sieh  bei  TheUnng 
des  BelanÜ»  der  Witwenpension  durch  die  Zahl  der  Kinder  ergibt  Von  beiden 
Elteni  ▼erwaiste,  niivt  rsar^^rf  nnter  dem  Nomialalter  stehende  Kinder  eines  zum 
Bezngre  einer  fortlaufenden  BiiliegebTir  Len  "'i^iirtf^ii  ^fhnlleiters  oä'^T  T  pltn-v-^ 
liaben  auf  den  llir  jedef  Kind  zu  bemessenden  Erziehungsbeitra^''  nebst  einem 
Zuschüsse  von  fünfzig  Pereeut  des  letzteren  Anspruch."  —  Hiermit  ist  das 
WesentUehe  erschöpft. 

Wenn  nnn  die  bosniseh>henegüwinisehe  Ldnerscibalt  vielleicht  mit  ein* 
zelnen  Punkten  ihrer  neuen  Besoldungs-  und  PensionsregoIatiTe  noch  nicht 
ganz  zufnVdt-n  ist.  po  mOsBen  die  letzteren  doch  zweifellos  zu  den  rühmlicli^ten 
Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Schul  Verwaltung  gerechnet  werden;  selbst  in 
maochen  alten  Cultnrstaaten  ist  die  materielle  Stellung  der  Volkssehnllehrer 
and  ihrer  AngehSrigen  bei  weitem  noeh  nidit  so  gflnstig,  wie  nunmehr  in  den 
ei-st  seit  einem  kurzen  Zeitraum  nach  europäischen  Grundsfttnen  r^erten 
TJiudern.  Von  der  Schulfreundllchkeif  dem  Wohvollen  und  Immanen  finne. 
welche  unverkennbar  in  den  n>tigfn  Verfügungen  zum  Ausdruck  f^elangen.  lässt 
sich  zaverrachüich  auch  in  Zukunft  eine  weitere  treue  Fürsorge  für  die  h^^e- 
gowlnisch-boanische  Sefanle  nnd  Lehrerschaft  erwarten,  und  letetere  wird  dalier 
dankbar  nnd  mit  Fkenden  aUe  Xraft  aofUeten,  nm  die  Bcgiening  ihres  Vater- 
landes In  dem  hoduimigen  Bestreben  znr  geistigen,  sittliehen  nnd  materfeUen 


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—   203  — 


Hebuui^  desselben  zu  antei'8tfitz«u.  Möge  nur  diaae  Kegieiuug  auf  dem  be- 
trataneB  Wege  mit  Fettigkalt  behairen  «nd  liabcnndcM  noch  luge  niolit 
d«nyideiik«i,ibraiEliifl«H  diirdiSehafltaag  astonomerCMiorgaM  so  tehwOdieii 

und  zu  untergraben.  Eni  Volkserziehung,  dannVelkareclite!  Die  umgekeluie 
OrdnuDg  fuhrt  nur  zu  einer  lackirten  Barbarei  unter  der  Herrs(  hntt  selbst» 
göelitie-er  TV!n;»«''»?e!)  nnd  «liV-  (Ipscltirliro  des  Volksschnhveseiis  leint,  oft 
die  bt'Sten  Intentionen  erieuchleter  iiegeutcn  durch  den  Uiiveistand  und  bösen 
WlUen  localer  Machthaber  vereitelt  worden  sind.  Möge  dies  bei  Begründung 
leaer  Oiütorgebiete  snr  Warnung  dienen! 


Otto  Tiersch  f*  Am  1.  November  starb  in  Beiün  nadi  langen  ind 

schweren  Leiden  53  Jahre  alt  Otto  Tiersch,  in  den  weitesten  Kreisen  besonders 
als  einstigei' Vorsitzender  des  Deutschen  Lehrervereins  ehrenvoll  bekannt,  micI» 
als  g^ediegener  Musiker  sehr  geschützt.  Von  der  großen  Liebe  und  Arhnitiij. 
welche  sich  der  mit  reichen  Gaben  des  Geistes  und  Herzens  geschmückte  Manu 
crwoiben  hatte,  zeugte  auch  sein  feierliche  Begräbnis  auf  dem  Matthäikirch- 
Iwfey  wo  eich  aach  Dieaterweg»  BnheeWtte  befindet  Unter  den  Tlelaettigen  Ver- 
Üeneten  des  so  Mb  Vereebiodenett  wird  naaumtiieh  labie  tme  Piege  und 
geschickte  Leitung  des  Deutschen  Lehrerverefatt  etets  in  ehrender  Erinnerung 
bleiben.  Während  der  14  Tnlne,  die  Tiersch  an  der  Spit^i-  desselben  stand 
(1876—1890).  stieg  die  Mitfiriiederzahl  v<>ii  r)(H>f>  anf  liHUOJ,  und  der  noch 
immei'  im  Wachüeu  begritieue  Bund  wii'd  gewif^s  den  \Vortcu  seines  nunniehrigea 
Vorsitzenden  L.  Clausuitzer  beistimmen:  „Fest  und  unwandelbar  iu  üeiuea 
GniaMien,  milde  und  versöhnend  In  der  IVmn  ist  der  Entaoblafene  nne  allen 
ein  leaefatendee  Vorbüd  gewesen;  der  alelbewneaten  Leitmig  deeeelben  verdankt 
der  Verein  zum  grofien  Theile  seine  erfrealiche  Entwicklang.  S»  lange  ein 
dentscher  LehiTrverein  bestehen  wird,  wird  aacb  Tiemb  als  i^er  der  edelsten 
Voi-kttiapler  uuveigessen  seinl" 

Dr.  Uermauu  i'reiß  f.  Am  4.  November  verschied  uach  laugen  Leiden 
biliilge  der  Inftvenza  In  Alter  von  44*/,  Jabren  Dr.  Bmmm  Fnlli  Ober* 
khrer  am  Friedrieba-Werdenoben  Gymnaeimn  n  Berlin.  Bebele  und  Wtoen« 
Schaft  haben  hieidurch  einen  schweren  Veriust  erlitten,  indem  das  berver« 
ra^nde  Talent  und  die  ansolinlichen  T-eistunpen  des  tVüli  Verstorbenen  noch 
zu  großen  Hoffnungen  bt-rt  t-litigten.  Auf  seine  literarischen  Werke  ipt  i?i  diesen 
Blättern  iifters  aufmerksam  gemacht  worden,  und  mehrere  Jahrj^äiiKf  «1er  letz- 
teren haben  ausgezeichnete  Abhandlungen  vou  ihm  verotl'eutlicht,  so  „Nieman 
kanbebarlenklndeBrabl  Mit  gelten«*  (IV.  S.  385  it),  „DieWarael  derldeallttl» 
(V.  8. 395  H),  »Die  Bewelee  fttr  daa  Daeein  Gottea'<  (VL  &  IdS  ff.  nad  2&9  A), 
Das  Wesen  der  Bciligfen«.(m  &  169  ft),  «»Sebale  ondLeben"  ([X.aiOff. 
lad  81  ff.)  0.  m.  a.   


Unvergessen.  Am  11.  und  12.  November  wui'de  in  Bautzen  (Sachsen) 
^  75jährige  Bestehen  des  dortigen  Lehrerseminars  festlich  begangen.  Dab&i 
Wie  inabeiondere  anob  dea  ehemaligen  Seminardireetora  J.  G.  Dreasler, 
1 1867»  der  in  weiteren  EreiMn  ala  bervoiragender  lUtarbelter  Beneke*a  nnd 
niegtervega  bekannt  ist,  mit  Liebe  itnd  Verehrung  gedacbtw  Seine  noch  lebenden 
^tmttf  anter  ihnen  Geb.  Sebnlratb  Kookel  aae  Dreeden  nnd  SemiaardireeCor 


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—    204  — 

loMl  Mt  ZwhopM,  hatttn  ileh  nUreleh  nun  JataUlam  ilmr  BiMimgauBtalt 
eingefluidea  und  ttbemidiiHi  denelben  das  BQdali  ilirei  gefeierten  Lehrers, 
wobei  einer  der  ältesten  von  ihnoi,  Oberiehnr  6B«r.  0.  A«  Knrtwihmar  io 

Baatzen,  folgende  Worte  sprach: 

Liebe,  Dankbarkeit  and  Vereiiruiig  ge^en  anseren  theureu,  unvergess' 
lieben  Director  Dressler  haben  ans,  seine  noch  lebeodoi  Sehftler,  getrieben,  Ihm 
zun  ehrenden  Andeokea  an  dem  heutigen  Jabelfsate  der  Anstalt,  an  welcher 
auch  er  elnat  gewirkt  hat,  dieses  Bild  zn  stiften. 

Ja,  Liebe  ge«:en  den  thenren  Lt^hrer  hat  niis  allezeit  beseelt  und  wird 
uns  beseelen,  solange  wir  leben.  —  Und  wie  könnte  dies  anders  sein?  Ist  er 
uns  doch  stets  mit  reineui  WolwoUen,  mit  ungekünstelter  Aufrichtigkeit  and 
inniger  TbeUnabme  nahß  geMn  uid  liat  bMondoa  ancli  dadireh,  daM  er 
OBi  wNiiger  ab  Sdifiler,  ala  ridaehr  alt  sdne  Freunde  betrachtete  aad  be- 
handelte, ein  Baad  der  gegeaaeiticeii  Zmwigoiflr  tngeknUpft,  das  Uber  daaChcab 
binansreicht. 

Aber  auch  aufrichtige  L'aukbarkeit  gegen  den  tbeoreu  Todten  wird  uns 
beseelen  unser  Leben  lang.  Denn  am  unter  den  vielen  Wolthaten,  die  ans 
durch  ihn  an  theil  geworden  aind,  nur  eine  beeenders  herromihebea,  ao  tat  ea 
die,  dass  er  es  verstanden  hat,  uns  dnrch  seine  wunderbar  einfiMdie,  fHsehe  uad 
anschauliche  Lehiweise  so  in  die  pJldag^ot^isclie  Wissenscliaft  und  Praxis,  bp- 
sondei's  durch  Zuhilfenahme  der  p8ycholo2:ie.  einzuführen,  dass  wii*  dadurch  in 
den  Stand  gesetzt  wurden,  unser  Amt  mit  Verständnis  und  Befolg,  und  was  für 
den  Lebrer  eia  eo  großes  Glttok  ist,  mit  LieH,  Lint  lad  neada  vmMm. 

Bbeaae  ein&eh  aind  die  Grflade  dalllr,  da»  naaere  Vereluinff  gegen  ilm 
nie  erlOeehen  kann.  Denn  ein  Mann,  wie  unser  Drenler,  dessen  OliaralEter- 
Signatur  pdle  >fenschlichkeit,  Biederkeit  und  herzliches  WolwoUen  war;  ein 
Mauu,  dessen  Denken  und  Handeln  so  den  Stemp  •!  der  Aufrichtigkeit,  Ehrlicli- 
lieit  and  Rechtschaffenheit  au  sich  trug,  da^a  mau  dag  Wort  der  Schi-ift  mit 
Beeilt  aaf  ihn  aawendealnuai;  a8ielie,ein  rechter  InraeUt)  in  welchem  keinFalidi 
ist!"  — ;  ein  llaaa,  deecen  faaaea  Seia  aad  Wesen  ao  der  Wahrheit  nad  der 
Wissenschaft  zugewandt  war,  dass  er  nie  müde  wurde,  für  Erforschung-  und 
Vertheidt^rung  derselben  alle  seine  Krf^ft  und  Zeit  aufzuopfnru,  und  der  aus 
Liebe  zur  Wahrheit  und  auf  Grund  seiner  Überzeugangst  reue  sein  ihm  so 
tbrarea  Amt  daliiagab:  ein  solcher  Hann  masste  wie  ein  geistiger  lüagnet  alle 
Weldeskendea  aiSebtig  aasieliea.  —  üad  wenn  aeiliat  seine  Gegner  ihm  ihre 
iMthe  Achtung  nie  zn  versagen  vermocht  haben,  wie  llMten  wir,  seine  Schüler, 
die  von  dem  Zauber  sf^inr^r  lim  Persönlidikeit  isranz  unmittelbar  btM'ührf 
wurden,  andere  als  mit  Hociiachtung,  herzli^r  Zuneigang  und  Verelirang  zu 
ihm  emporblicken  köuuenV 

ünd  aa  ist  ea  denn  wd  erUlrlich,  da»  wir  alle  ea  nach  heate  aooh  llr 
ein  groflea  Olftek  anaeres  Leheaa  haltcoi  iha^  anseren  thearea  Dresder,  aam 
Lehrer  gehabt  an  haben. 


Aas  der  Fachpresae. 

21.  G-esehmaek  in  Anweadaag  «af  das  Schdae  (R.  HUdebtaadf 
Deutsch.  1892,  X.).  EntwieUaafSgeaehidita  desBegiiiliGesehroack;  in  dieser 
eine  Fülle  seltener  Anregaagea  aar  LOsnag  eiaer  weamtUehea  Braiehaags- 


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angäbe;  dämm  die  grcie  Zahl  d«r  Anssfige  gerechtfertigt  —  EntoteiiQBg  and 
crake  Entwiekliiiig  dca  Wortes  und  Begriff  im  nwumischen  Auslände,  scheint 
von  Sp-inipn  aoagepanf^en  sr-in  (',.;uii  wUmstrn  und  \veit>^'^T(  ti  r  rsrheint  der 
neue  Begrift'  schon  gefaast  bei  dem  Spanier  Oracian,  gest.  Ibö8,  in  s(  iner 
Sduift  oraculo  maunal",  über  die  Thomacivs  1687  Vorlesungen  gebalusaj. 
«Sein  Avftnfeeo  im  Dentnheit  am  1700  benklmet  eine  Stell«  von  lienrer* 
ngenier  Wichtigkeit  in  laeecer  BatwieUaag,  g«f»de  da,  wo  dieae  aoa  echlinmeo 
Irrwegea  licmw  den  Ailanf  aalun»  der  zn  der  Höbe  im  1800  fUiita.'*  „Dan 
Aafkommpn  b&ngt  eng  zasammen  mit  dem  ümschwnn^  d<^r  Stimmnne-  dem 
rhetorisclu'ii  Schwnlst  gegcniilier.  in  den  die  Dicht kiinst,  eiKentiicii  ail».-  Kunst, 
liineingeraüieu  war";  es  bedeutet  „eine  Beiuiuti^  auf  die  angeborene  Natur 
ak  Bettaag  ?er  den  AaaaeliMitangai  memebUelier  Wlilitllr  nad  Veiaftndignng 
g«gen  die  Natur."  („Die  BernAmg  auf  den  Geaduaaidc  EanitBaehea  gegeofliier 
ist  eine  Berufung  auf  eine  Art  Ur^efülil,  das  einer  weiteren  BegrQndung  oder 
Ableitung:  nicht  hediirfti«^  und  nicht  fähig  ist;  dass  es  da  ist,  das  ist  sf^m  e-anzer 
ümnd  und  Beiii  ganzes  Recht.")  „Ver  Glaube  au  den  Wert  des  gesunden  Cre- 
idiaiaekB  iet  eine  Änfterang  doi  großen  und  anbedingten  Vertrauens  aof  die 
Natar  in  ana*  („and  dieeea  YertraacD  Jat  ein  «iditiger,  weaentUeii  neaer  Zag 
der  Entwicklung  im  18.  Jalirlt.*).  —  t^Der  Geaebmaek  (Gesundheit  vorana- 
gesetzt)  ist  —  nach  seinem  tiefsten  Gmnde  —  eine  unmittelbare  OtFenbamng 
der  Natur  (  Kant  s  „Gemeinsinn",  sensus  communis,  nur  in  subjectiver  Fassung), 
die  in  uns  waltet  in  reiner  Tiefe,  zugleich  in  unmittelbarem  Verkehr  mit  dem 
HMMen,  denCHWUdMB.«  («Nnr  ao  wird  ee  ja  nBglicb,  daaa  eHraa  SrttjeetlTea 
in  den  Wert  elnea  MoUiweadigen,  AUgenelnaa,  d^deetiven  treten  kann.")  Im 
(jeschmack  erscheint  „das  Schöne  und  Gute  wie  in  der  Wurzel  zusammen- 
j^elegt,  diese  aber  in  die  ei?pn*.re  freie  Tiefe  desGemfiths  verlegt".  („In  meiner 
Jugeudfrische  war  der  Be^i  iit  drauf  und  dran,  sich  alle  Gebiete  des  Heubcheu- 
lebens  zn  erobern  und  die  verschüttete  Innerlichkeit  aofzoschlieflen,  dem  Geiste 
aelaa  cigenete  LAeaaqaaUe  frei  an  nmchen;  das  allea  —  wie  geeagt  —  ao 
raeht  ali  Mflknug  der  oenen  Zeit.**)  —  »Wie  dandi  dea  Cartesins  cogito, 
ergo  snm  der  verwirrenden  Skepsis  der  Theorien  erfjßr^'ntiber  ein  kecker  Kiick- 
schwuiifr  anf  das  eigene  Ich  als  festen  Punkt,  der  dort  verloren  ging:  so  durch 
Berufung  auf  den  Geschmack  im  Gebiet  de«  Sdiönen  and  der  Kunst  der  Aus- 
artung gegenüber,  die  aUea  In  Venrimng  waifi  ein  kecfcea  Stellen  auf  aieh 
ieifeaty  dn  Bftekaehwnng  vom  gelelirten  WiMen«  l^aaten  nad  Irren  aaf  die  na* 
Bdtteflmrc  Empfindung,  die  sich  sieber  im  dgaaeten  Innern  regt  Der  Geschmack 
nalim  nun  dieMbc  Stelle  im  Gebiet  des  Sch^^nen  ein,  wie  das  Gewissen  im  Ge- 
biet des  Guten."  („Man  mnss  sich  aber  eriiniern.  dass  in  der  neuereu  Ent- 
wicklang dem  Schönen  und  der  Kun^t  die  FührerruUe  zugewiesen  war,  um  die 
ganae  Bedeatnag  dea  Torgangs  mt  ermeMen«**) —  „Oemdunacd^  zeigt  jetxt  aodi 
die  swal  Pole  seinei  Begriffs:  einmal  als  dem  einzelnen  eigen,  unter  Umständen 
jedem  anders;  das  spricht  sieh  z.B.  aus  in  der  Redensart  „das  ist  Gesclimacks- 
Sache",  %v<»init  miui  einen  Streit  über  eine  Geschmacksfrasre  absclineiden  kann 
—  andererseits  gilt  er  als  ein  Gemeingnt,  dessen  Erwerb  wesentlich  zur  Bil- 
daag  geJidrt  and  der  ali  einer  fSr  aUe  Wbandelt  wird,  wenn  man  anek  sn> 
ttvüBode  Grttnde  nieht  anzugeben  welB  oder  kraacht*  —  (Bemerimog  an 
^geschmackvoll":  von  ähnlichem  Unwert  wie  „stilvoll".  „Geschmack  und  Stil 
lind  wie  ein  zarter  Haadi,  der  ein  Ganzes  dareh-  oder  laiwekt;  Mer  aber  aind 


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—   206  — 


de  wie  auf  elneB  Gegeatfcemd  diek  aiiliB;eatriohea;  das  Wort  ist  geedmaeks- 

wldrig.") 

22.  Vom  Wesen  der  Volkeschiile  (Rep.  1892/8,  I).  „Was  ist  die 
Volksschule?  Ein  Theil  des  Ganzen.  Es  wird  hentigestag^s  keinem  ernst- 
haften Mauue  eiui'allen,  Schule  und  Leben  treiiueu  zu  wollen.  Die  natnr-  und 
wahrheitsgemäße  Ei-saehung  (denn  die  Volksschale  ist  wesentlich  Erziehungs- 
fll&tle)  hat  ihre  Wnneln  —  aidit  In  eiaem  wlasenaekafUlchen  Syatem,  seadeHi 
—  im  Volke,  im  Leben,- iat  in  dleaea  fest  eingewachsen,  mäsrte  in  andenm 
Boden  elendigh'di  zn  ftmndo  j^ehen.  Jeder  einsichtige  Biirgpr  wird  es  steh 
demnach  ungelegen  sein  lassen,  für  der  Volksschnle  Gedeihen  zu  sorgen  — ■ 
und  der  JDaft  ihrer  Blüten  und  die  Nährkraft  ihrer  Früchte  sind  der  Lohn 
ihrer  Bedtner,  Hilter  ahd  Pflefar:  dea  aeiner  Angabe  aidi  bewnaaten  und  aie 
in  hidUebem  Benilhen  Ulaendeii  Volk«.  AlMInga  ist  das  BOd,  das  wir  hier 
mit  wenigen  Strkhen  geaeichnaty  einstweilen  noch  Ideal,  aber  ein  im  democrati- 
sehen  Staatswesen  vollkommen!  pvreichbarefj  Ideal,  und  ein  echt  pestalozzisches 
Ideal.''  (In  einer  d«  r  pädap^otri sehen  CentralsteUe  in  Zfirioh  —  dem  „Peeta- 
ioz^iauum'^  —  gewidmteu  Skizze.) 

88.  ObH^atorlBoher  oder  faenltativer  Besieh  der  Fortbildungs- 
schule? (0.  Paehe^  F.  1802,  I).  P.,  eine  Autorität  im  Gebiete  des  Fort- 
bildung-ssehul Wesens,  ist  ans  ^praktischen,  historischen,  organisatorischen  unl 
moralischen  Gesichtspunkten"  für  die  allfifemeine  Fortbildungsschult»  „mit  obli- 
gatorischem Besuche'*.  Die  Schule  „mit  freiwilligem  Besuche*'  habe  ^ftir  die 
Allgemeinheit  einen  nur  bedingten  Werf,  während  die  „allgemeine  Verpflleih- 
tanff  einen  hoehbedentaamea  nationalen  Oiiltarftortsehritt"  bedeate.  „Im  KOni^ 
reicli  Sachsen  ist  man  im  allgemeinen  mit  der  obligatorischen  Fortbildnngs> 
schule  recht  zuftieden:  die  jungen  Twente,  welche  das  Ziel  der  Volksschule  er- 
i*eicht  haben,  \prmehren  ihr  Wissen  um  ein  für  ihren  Bernf  hochbedeutsaraes 
Stück;  die  minder  begabten  Sebüler  erlangen  einen  gewissen  Absühluss  ilirer 
Bildung,  und  deii  trtgsten  Bmeben  wird  ein  MtndeatmaE  geistiger  Gftter  als 
Besita  geetehert"  Bralehlldier  Erfolg,  Binflnaa  auf  die  GhanüclaMdwig  gttnstif  . 
(Der  Stadtschnlrath  von  Beiün,  Dr.  Bertram,  ist  dem  Obilgatorinm  abganeigft* 
waa  P.  befremdlich  findet.) 

24.  Heimatkunde  (Schpr.  1892,  37—39).  Nachdem  Muster  fiir  die 
sorgfältigste  Sammlung  und  Sichtung  des  Stoffes  und  den  ausbentereichen  Be* 
trieb  der  Waademngen  gegeben  worden,  Üolgen  B«g»ln  und  Beispiele  fir  die 
„nntarriehtliehe  Behandlnng*  dea  gfiafiinnim  Ani^^  l  auten.  Diese  Arbeit  im 
Schul  Zimmer  ist  eine  /Zweifache:  I.  Feststellung  des  Tliat-'it'^'iüchpn :  a'i  _in  der 
\'orstellung'  =  stille  Geistesübuog"  (r^^*"  T-fbrer  g:ibt  besonders  an  den 
markanten  Ponkten  genug  Zeit)  dass  die  Vorstellungen  sich  ausgestalten  können 
b)  im  Wort  (BesoMbop  des  Aiugaag"  AuMh  die  Kinder;  „FadiMMdrIcka 
sind  vom  Ldirer  einanflaehtea**);  c)  im  Zeiehaen  (als  Belief,  Tom  Lehrer  im 
Sandhaufen  des  Schulgartens  hergestellt;  als  „Faus^iutenzeichnung",  die  schon 
im  Anschannngsunterricht  vorbereite  t  worden;  als  „eorrpete  Karte"  =  Heimat- 
karre U.  Yertipfnng  in  dm  Getiiudene:  Feststellung  des  Charakteristischen 
au  der  Einzelerscheinung,  ihrer  Ursachen  und  Folgen  —  Bilden  von  Gruppen 
verwandter  oder  Minlieber  firaebeinangen  —  Wiedervereinignng  der  Eünsel- 
halten  imn  QesanmtbUde,  daa  nun  «an  Klaihelt  and  Festigkeit  gaaa  bedsvtend 
angwommen  haben  wird**. 


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—   207  — 


25.  Lehrplan  liir  den  Unterricht  in  der  (Te«g:rai»hie  (Wohirabe 
DBi.  I692f  42}.  Auä  dm  Gruudäätzeu:  „Daä  UuiseUea  und  Erheben  des  geo- 
graphiioheii  Wteou  in  «ia  aidien»  KSimea  lit  nieht  Uos  dnndi  Zelebnen 
(Skine  odmr  Sehfima  dMwn»       in  dfirJEurtaiilMtnre  g^wonneii)  sn  emicheii, 

soudem  auch  durch  Nachweise  gefandenflr  physikalitdier  Walii  li«  iten  (z.  6. 
Grunde  fiir  das  Klima,  für  das  Vorkommen  mn  Pflanzen-  and  Thiertypen)  - 
fingirte  Reisen  vom  Heimatsorf^^  nn'^  zu  Fit!),  zu  Schiff,  mit  fler  Ki.s»*nbahn ' 
—  fiugirte  Aussichton  von  BerKsi'ii''-^^'ii  •  Kuxlithürmen  —  Verwertung  von 
GedichteUi  Sprichwöi'teru  und  „prosaischen"  LonestUckeu  geographischen  In- 
balti.  —  Z«tt  Zeidiiieii:  ,|Dle  Sdilller  idehnea  die  WandtaUdtti^ung  (di«* 
ato  Skisse  so  elnftoh  aber  auch  M  dtankteristladi  als  mOgUeh  n  balteii  ift) 
Mitk  and  erarbeiten  sich  auf  diese  Weise  einen  Atlas  einfrehster  Art»  der  Ins* 
besondere  der  Repetition  gute  Dienste  leisten  wird.*^ 

26.  Der  Ge^^rhichtsunterricht  auf  der  Oberstufe  der  Volks- 
schule (U.  Emst,  x  hwpZ.  1892.  IV).  Kin»*  auffallend  schwache  Leistung. 
Verf.  ist  V^treter  und  Anwalt  des  Mittel-  und  UnterroittelmäBigen.  Beides 
aber  ist  —  wenigst«!»  in  der  Tbeoiie  —  lingst  ftberwnnden  worden  durch 
4ie  Arbeiten  tidhtifer  ScholndbiBer.  ü.  K  weift  davon  nlelite  (er  kennt  eben 
die  pldagogieehe  Literator,  namentlich  die  Faebpreese  niebt  —  und  deshalb 
in  Htm  das  Recht,  pädagogisch  zu  Schriftstellern,  abzuerkennen).  So  verlangt 
er  z.  B.  noch.  <1^^;'^  im  Lt-liibncli  des  ^^cliülers  ..am  Schluss  jedes  Abschnitte;« 
Fragen  und  AutKüi^t^n**  «tehen.  Diebe  „Frühen  unrl  Aufgaben"  >?ind  beleidi- 
gend für  den  Lehrer,  weil  sie  ihn  bevormunden.  Doch  eben  das  will  ja 
Eerr  Ernst  (der  „Professor"  der  Geschichte  an  der  Cantonsschule  in  Züiich 
ist):  seine  .Fragen  und  Anfgaben"  sollen  «Lehrer  und  Schüler  xam  Nach- 
denken  and  zu  Vergleichungen  anregen";  deshalb  werden  sie  „ihm  (dem 
Lehm)  ehne  Zweifel  höchst  willkommen  sein".  Und  weiter  befiehlt  der  Herr 
Professor  und  l>i»ctor:  „In  l<einem  (!)  Falle  unterlasse  es  d<  i-  Lehrer,  in  jeder 
i^tunde  einzelne  dieser  Aufg^aben  schriftlich  losen  zu  lassen.'*  Nun  — 
solch  uuveruünftige  Forderung  habe  ich  selbst  im  geringsten  Aufsatze  des 
kleinsten  Fachblättchens  nicht  gefunden. 

27.  Kniistlehre  nnd  Zeichnen  (M.  Ludwig,  NB,  1892i  X.).  DreÜbehe 
Aafgabe  des  Zdchnens  an  derlfittelschnle:  1.  Erwecknng  nnd  Ansbildnng  des 
SiEses  für  das  Schöne  auf  dem  Gebiete  der  Kunst  nnd  des  Kunstgewerbes 
idaher  auch:  Kun.stformenl»'lirf\  Srt! lehre,  Kunstgeschichte,  Technologie);  2.  Aus- 
biiduD'j'  fb's  räumlichen  Anschauuiii!-  und  \'nr«fellnngfevernii)gens:  3.  Erwerbung 
der  zu  einer  einlachen  zeiclüitriselicu  Darstelluug  nöthigeu  Fälligkeit.  „Li 
diesem  Siune  genommen  ist  der  Zeichenunterricht  berechtigt,  an  Schulen  all- 
gMuin  bildenden  Charakters  als  obligater  nnd  den  anderen  Fttebern  fi^eich- 
mtger,  sowie  In  jedem  Pnnkte  gldeh  bereditigter  Gegenstand  gelehrt  au 
werden. Zeichnen  darum  nicht  Selbstzweck,  sondern  „Mittel  zum  Zwecke  der 
Enveckung-  des  Kunstverständnisses".  Besonder,  wenigstens  mehr  als  bisher 
fet  ZI'  pflcL^en:  das  Skizzirt-n  —  das  GedHehtniszeichnen  —  ..jene  selbstthlUig-f 
^erarbeit  uiiL: .  vs  -  ldic  sirii  innerhalb  der  für  jede  Stufe  voi-ffezelclineten  Grenzen 
bilt  und  im  wc^eutlichea  auf  Cuuibiuatiou  nur  dei'  bisher  kennen  guleinten 
P«nMn  hefvht,  da  sie  es  ermöglicht,  die  einfhehsten  Bedingungen  formaler 
^ilÄBbeit  auch  an  den  eigenen  Eneognissen  der  Schfller  m  erOrtem.* 


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* 


ReeeasieEeii. 


•;>])iekei'.  Dr.,  Prot,  iu  FotsUaui:  Lehrbacli  der  ebenen  Geometrie  mit 
übuugsaafgaben  für  höhere  Lehranstalten.  19.  Aofl.  275  Seiten. 
Fig.  im  Text.  2  H.  60  Pf.  B-Ansfikbe  Ar  mitUere  Gbrnea.  2.  Auflage. 
180  Seiten.   Fig.  im  Text   1  M.  00  Pf. 

Desselben  Leiirbaoh  der  ebenen  nndiphäri sehen  Trigonometrie.  2.AniL 
140  Seiten.   Fig.  im  Text  Potsdam,  Stein.   1.40  M. 

Es  ist  uns  kein  Lehrbuch  bekannt ,  welches  in  Bezug  auf  Reicbthum  des 
Inhaltes  das  vorliegende  übertreffen  würde.  Neben  diesem  einen  Vorzuge  steht 
als  eweifer  das  fortgesetzte  Bemühen  des  VerfiMKers,  sein  Werk  zu  Terbessem 
and  die  in  dtr  Geonittrie  neu  auftrctendi  n  Sätze  .•iystemutisch  einzuordnen. 
Trotz  der  Fülle  des  Stoffes  entbehrt  das  Bnch  nicht  einer  übexüchtlichen  An- 
ordnung, dnrch  «tsprsdieBde  Übendniften  und  mebrlhehe  OrQle  der  Typen 
wird  CS  leicht,  in  ihm  nacbzuschlai^cn  und  Nachlese  zu  halten.  Jedem  Ab- 
schnitte ist  eine  ansehnliche  Eeihe  von  Übungsan^aben  beigegeben,  so  dass 
man  vater  diesem  oder  jeaem  Titel  den  gesamrotea  Stoff  der  Tlanimetrie  in 
diesem  Lchrbuche  aufVn  Reichert  findet  ja  es  ist  für  vollständige  Completirun^ 
desselben  auch  dadurch  gesoi^  das«  bei  widHigerea  Lehrsätzen  zwei  bis  drei 
Beweise  aogeftthrt  werden.  ZarSrktchteraag  desGebravebes  ist  dieser  asaea 
Auflage  auch  ein  Sacbrceistor  beißrefroben. 

IH»  B- Ausgabe  enthält  nur  die  Lehre  von  der  Oougruenz,  Ähnlichkeit 
and  Aasmessnag  geradliniger  Figarea  und  dm  Kreist;  es  eatfUlea  soosdi 
in  dieser  die  AI  s 'hnittc  vun  der  harmonischen  Tbeilung  den  Ghordslea  und 
Polaren  und  diu  Anweuduug  der  Algebra  auf  die  Geometrie. 

Yoa  doa  Leiirbucbe  der  Trigonometrie  waren  wir  schon  zu  sagen  in 
der  Lage,  das?  es  trleicht'all.s  j^elir  reichhaltig  sei,  die  zweite  Auflage  hat 
einißre  wünschenswerte,  jedocii  uiiudcr  wichtige  Ycrbcsäeruiigcn  erfahren.  Im 
allgemeinea  kana  aian  aur  sagen,  dass  sowol  in  der  Planimetrie,  als  auch  in 
(i  r  Trigonometrie  ein  «jo  reichliches  Material  geboten  wird,  dai«s  der  Lehrer 
kaum  iu  der  vertügbareu  Ztiit  wird  aufarbeiten  können,  und  da«  die  Übungen 
hinreichenden  Stoff  für  zwei  Kurse  bieten,  während  ohnehin  die  minder  wich- 
tig» n  r.elirRätze  für  etwaiges  ÜberscLlagen  durch  ein  Sternchen  kenntlich  ge- 
macht äind.  Für  alle  Schulen,  welclic  den  Uatcrricht  in  der  Geometrie  ernst 
nehmen  wollen,  ist  das  vorliegende  eia  dorobaus  empfehlenswertes  Lehimittd; 
für  den  Lehrer  aber  erscheint  es  wegen  BSiaar  B^ichhaltig^eit  als  ein  kaum 
zu  entbehTcndes  Handbuch.  H.  E. 

B^illf  Ferdiuaud,  Seminarlehrer  in  Schlüchtern:  Methodik  des  Kechen- 
anterrichtes  in  der  Volksscbale.  3.  Aofl.  196  Seiten.  Langensalza, 
Bejer  &  S9hne.  1  11  50  Pf . 

Der  Vezftasser  sagt  vorwortlich,  er  sei  dnrdi  die  Bitte  ssiner  SdiMer  snr 

Veröffentlichung  de^  r.'brbuchcs  bestimmt  worden,  um  mit  demselben  dem 
Lehrer  als  Wegweiber  zu  dienen.  £r  ist  dabei  ü^x-r  den  Rahmen  der  Volks- 
sobale  liinaBsgegaagea,  besaadeis  in  Bezug  auf  die  bürgerlichen  Recbnaag»' 
STtea,  Toa  deaea  audi  das  XHnawssea,  Wechsel,  Creditpapiere  aad  Coatocnneat 


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) 


—   200  — 


zm  Enirterung  gelangen.  Wir  mübsea  leider  sagen,  da^s  ilie.ses  Budi  mit 
«Iktt  InidillnflgBii  Mängeln  behaftet  iit,  miid  auch  keiaai  ein^ti^en  deiMlbem 
Z'i  vf-rhcRSPTn  sacht.  Der  Verfasser  wei6  nj -ht  dam  im  Zahlenrauni  bis 
zwaaziff  die  Grabesche  Methode  mit  dem  gröliiea  Vortheil  anzuwenden  ist: 
er  wm  niehta  dcv  herromifi:eiid«i  Wiclitiglnit  4er  iweiten  Deeade,  und 
auch  nicht,  da.s8  dfi  Zahlenrautn  bi»  hundert  mit  großem  \'orth<il»'  iiuh 
Deoadea  abxastafeu  ist.  £r  unteroebeidet  nur  swei  Zahleurüume  von  loha 
«od  fcvodert,  mtd  gebt  in  jedem  denellieii  naiA  Redaimi^iteii  TOf.  Diu 
P?<teiTei(hi8('be  Divisiou.svcrfahrcn.  welches  auf  der  Suhtnictioii  durch  Ergfftnzung 
beruht,  kennt  er  nicht,  daher  sich  das  Ausziehen  von  t^uadrat-  und  Kubik- 
wurzeln von  ganz  weiug  Ziffern  zu  einer  bandwunnartigen  Länge  ausdehnt. 
—  Die  Lösungen  von  Aufgaben  der  Regeldetri  wM  auf  remMedem  AH,  ab 
SchlussbfitT: ,  Fkuchsatz  und  iiiitteKst  Proinn  fionen,  aber  in  allen  diesen  Fällen 
mit  enmicieuder  Weitläufigkeit  uud  Schvvüilälligkeit  gezeigt.  ~  Endlich  liuden 
wir  als  geschichtliche  Mittheilung  die  Um wandclungsstufcu,  welche  die  Ziffern 
im  Laufe  der  Zeit  dtirch£]:ent<ii'ht  haben  8oDeii|  in  einer  DanteUoiig,  welche 
geschichtlich  vollkommen  unrichtig  fat. 

Wenn  es  dieeee  Bach  demieiä  bis  sur  dritten  Auflage  gebracht  bat,  so 
kömi' n  wir  nur  bedauern,  da.^s  e?  PehnlbortTke  im  Deutschen  rteiche  i^Ihf, 
welche  lür  die  Fortschritte  der  Methodik  in  umtercw  Unterrichtagegenstande 
mizngänglicli  leheinen.  H.  E. 

Knume,  A.,  SeminarleUi-er  iu  Eisleben:  Der  Rechenanterricht  in  der 
VoIkMeliile,  ttetMiidM«  BmäbaA  für  Senl&aristeii  niid  Lelm.  185 
211.60  Pf. 

Desselbeo  Rechenbach  fixr  die  OberstiUe  von  Mädchenscholeu.    (>-!  Selten. 
Hatte  a.  d.  S.,  Sehioedel,  1892.  50  Pf. 

Dmt  Verfasser  tot  ein  reeht  ieiligedr  Sehriftetellir.  macht  aber  leider  in 

feiner  Tliiitigkeit  keine  Fortschritte,  --  Er  hat  iri'h  imnier  nicht  wahr- 
gcnomuien,  wie  sianetfirend  es  ist,  wenn  man  Dividend  und  Divisor  iu  ihrer 
Anftlniuideilblfie  wUlMiiidi  ▼ertaneeht,  etwa  vm  dnieh  diene  Stdlang  das 
Enthaltonsein  „in"  von  der  Theiluug  „durch"  zu  unterscheiden  eine  Unter- 
scheidung, weiche  thatsüchüch  ganz  gegenstandslos  ist.*)  —  J^r  kennt  noch 
immer  nicht  die  Vorzttge  der  Snbtraction  mittelst  Ergänzung,  durch  welche 
man  in  den  Btiuid  gesetzt  ist,  eine  beliebige  Anzahl  von  Posten  auf  einmal 
zu  subtrahiren,  und  eine  Division  durchTinfübrcn  ohne  die  Theilprodnctc  nuf- 
schreiben  zn  m&ssen.  —  £r  hat  auch  noch  nicht  ertuhreu,  diiaa  die  Verbindung 
des  Kopfrechnens  mit  dem  eeludftUehen  Bechncn  einem  sehr  anregenden  Thätig- 
keitswechsel  gleichkommt;  sonst  würde  er  nicht  auf  Seite  125  bei  einer  Iiivi- 
sion mit  eiaem  eiaaiffenff&B  Divisor,  bei  welcher  im  «Quotienten  IQnt  Zilicrn 
bestiaunt  wetden,  eteea  wndwinn  von  dvtimal  so  viel  gaas  «Mlttarigen 
Ziffern  hinn  hreibcn;  derr»  11 1  Bandwurm  kehrt  natlirlich  beim  .Vusziehen  der 
zweiten  und  dritten  Wurzel  m  vergrft&erter  Form  wieder.  6o  haben  wir  bei 
einer  dxeiBlIiBrigen  Oobikwnnei  eeehsnial  so  viele  ffifitim  gezählt ,  als  mraere 
Sdlfller  anfzuschreihen  nöthi^  haben. 

Recht  sonderbar  hat  es  uns  angemuthet,  aut  öeite  112  eine  Tafel  der  vor- 
pchudischen  Ziifem  gemischtpehodischer  Dedmalbrüchc  zu  finden.  Wir  haboi 
zwar  schon  in  verschiedenen  Rechenbüchern  derlei  T9&^  Aber  die  Am»hl  der 
Ziffern  der  Periode  gefunden,  nnd  dies  auch  immer  fiir  eine  dem  Lehrer  dien- 
liche We^rweisung  gehalten;  die  Frage  aber  nach  deu  vorperiodischen  Ziffern 
iat  uns  nie  anders  denn  als  eine  gaac  leichte  Sehttleraufgabe  vorgekommen. 

^^ehr  l)'"t(Mi*  wird  vmn  ^'erl;isger  auch  die  Vereinfachung  des  Rechcn- 
antcrrichtes:  died  geht  so  weit,  dass  bei  der  znaammengeaetoten  Beg^detri 
dar  eine  Ful  ans  lavter  Biahetten  gnkUdet  ist.  wednrdi  die  LSaunf  der  Anf- 
gabe  zum  eist  iu  t  im  einfache  Multiplication  oder  Division  ttbergeht  Wenn 
man  aas  dem  Rechenunterxiohte  alles  verbannen  will,  was  im  praktischen 


*)  Dan  meinen  wir  nicht.   D.  K. 
Mgoilam.  l».Jiliiv.  HsftXIL  14 


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—   210  — 


Lcbcu  nirlit  voiliouiiiit .  «liimi  darf  mau  außer  mit  gau/cn  Z^vhlen  nur  mit 
Hundertel,  Halben  und  Viertel  re<^en  (?  1).  &.):  wo  bleibt  »bei  dAnn  dci 
fonncUe  Bildingmreft  dai  BedMitiiitORjehteB,  und  wo  radi  nur  die  Mlglich- 
kcit  iler  EinflbuDg,  ohne  in  das  ermüdendste  Einerlei  zu  verfallen?  offcnhar 
nimmt  der  VecüAwor  weuigsteiia  die  besKeichnete  Art  der  Vereinfachung  selbst 
nicht  gam  enwt,  d«ttK  in  don  mn  ▼orliegeiidenBeeheiiheA«  ÜndeB  ivir  neben 
vor^chicdfmartigeii  Brüchen  als  Siobontcl,  N«  imtel,  Elftel,  Sechszchntol  u.  s.  w. 
eine  Mamiigfaltiffkeit  von  Aufgaben  der  bürgerlichen  BecbnonnarteD,  welche 
mä  dnrahmui  niät  wt  die  einftdurten  flUe  InMlniakai  nni  inuneiliin  ge- 
dgant  rind,  «iner  VoUnHehnto  mit  einflwliei  VcrhilinlHen  n  dienen. 


Fickenwirth,  Otto,  Semlnarlehiw  in  Hemberg:  Methodilc  des  einheit- 
liehen  Reebennnterricbtee  für  SemiDarlaten  nnd  Volkseebnl- 
lehrer.  228  Seiten.  Breslau,  Hirt,  1892.  2  M. 

In  den  einleitenden  Erörterungen  hebt  der  Verfasser  mit  Ilccbt  hervor, 
dass  dem  Schiller  in  der  späteren  Schulzeit  der  Reebenunterricht  zur  Pein 
werden  miisse,  wenn  nicht  in  den  ersten  Schuljahren  die  Elemente  de^  K(  ( Imens 
zur  mechanischen  Fertigkeit  geworden  sind;  wobei  allerdings  auch  die  Pflege 
der  Verstandestbätigkeit  nicht  außeracht  zu  lassen  sei.  —  Als  Lehrmittd 
wird  der  Tillichsihe  Recheukasten  empfohlen,  in  Bezug  auf  welrhen  wir 
achon  wiededu>it  bemerl^t  haben,  d«aa  denen  Brauchbarkeit  gegen  die  der 
ramisehen  Redmunmeliine  wdt  ntrOdcstdit.  —  Bei  der  nun  folgenden  Be* 
LaudlunK  der  Zahlräuiiie  srlioiiit  uns  der  Veifa^iser  die  Wichtigkeit  des  Zabl- 
raumes  zehn  bis  zwanzig  nicht  ganz  erfa^st  zu  haben;  Iiandelt  aioh  dabei 
lim  dieOnu^Rage  des  übergangeK  von  einer  Decade  mr  folf^fonden;  bei  dieeem 
Übergange  zn  den  b«jhereu  Decadcn  niiiss  iniinerforf  auf  den  Übergang  zur 
zweiten  Decade  zurQckgegrifren  werden:  für  diesen  aber  dienen  dä  Finger 
fl]s  BweekmftSige  Beehenmnsehine;  das  Kfnd  behilt  Htm  einen  Addenden  Im 
(?( däcbfnisse  und  markirt  den  zweiten  AM ulen  mit  den  Fiiii^ern  ^udann 
werden  nach  und  nach  die  dureh  die  i'iugcr  featgeeteUten  Einheiten  dem 
ernten  Addenden  «igeeKblt,  bis  dieeer  Vorgang  tich  dem  Gediehfenime  TiriU- 
kmnmen  eingeprägt  hat:  es  ist  niobt  zu  ^  l  wenn  die  zweite  Hllfle  des 
ersten  Schu^jahxes  ganz  der  zweiten  Decade  zugewendet  wird. 

Bei  der  Diviflon  beiBt  es:  „Der  Lehrer  bat  Entikaltensein  und  Tlieilett 
streng  auseinniKlrr  zu  halten!"  —  Wir  fr  ii:i  n:  Warum?  —  Besteht  überhaupt 
jnrifloben  beiden  ein  wesentlicher  Unterschied?*)  —  Wenn  man  auf  der 
Tosrinchen  Reehenmesohine  enf  in»  Stiboi  Je  vier  En^rdii  ahsondert,  so  wird 
jeder  J^i'bnier  gegen  Ende  des  ersten  Schuljabres  leirbt  imstai-il'  '  in  zu  sagen, 
wie  oft  drei  oder  vier  in  zwölf  enthalten  ist,  ohne  daas  juuiaud  anzugeben 
TermOebte,  ob  er  dabei  ein  Xflssen  oder  Theilen  gedadit  bat,  oder  ob  dies 
oder  jenes  gedacht  werden  mnssto.  —  Bei  einem  einzifferit-rn  T>?r=  or  erstbi  int 
das  Aufschreiben  der  Theilproducte  und  Reste  ziemlioh  uunötbig,  die  •SchQlcr 
sind  Mbr  leicht  dahin'  sn  bringen,  selbst  wenn  der  Dividend  sehr  -rMe  SRlfem 
hat,  nur  den  Quotienten  anfznsebreihen  und  aUe*;  tlbrige  im  Koiif"  7.u  voll- 
ziehen. —  Recht  ungeschickt  erscheint  ans  eine  Tabelle  tlber  mehrsurtigc 
Zahlen  auf  Seite  65,  weil  die  Einbelten  gsni  innQUittrlidi  vwwoifen  werden, 
Kilometer  kommen  als  Hunderter  vor,  Liter  als  Tausender  ii.  h.  w. 

Dem  ersten  Theilc  des  Buches,  der  Methodik  des  Rechenunterrichtes, 
folgt  als  zweiter  Tlieil  eine  Sammlung  von  Lehrproben  ans  dem  gcsammten 
Bechengebiete  der  Volksschule,  welche  in  ihrem  weiteren  Verlaufe  nin  btlrger- 
liehen  Rechnungsarten  ausführlich  behandelt,  bis  zur  WeohseUehre,  Zinsessins- 
leebnim^  «nd  EisenbabnMnphn  fiwtsebieitet  und  mit  den  Afbeiterrmslcbe' 
rongstwesen  gchlieBt. 

Wir  haben  in  diesem  Buche  einen  nennenswerten  Fortsehritt  nicht  ge- 
funden und  glauben  daher  auch  nicht,  dam  es  ttbflr  don  Wiikungskreis  les 
Verfassen  biams  Leser  finden  wird.  U.  £. 

*}  Logisch  gewiss,  wenn  m>A  die  erithmetitehe  Opentien  nur  eine  Ist. 


H.  £. 


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r  " 


—  211  — 

üatli.  F.,  Das  UecUuen  auf  der  Oberttafe.  28  Seiten.  Bielefeld, Helmich. 

6ü  Pf 

Siimminnt?  pädagogiscbor  Vorträgü,  li^rauagfc^bcu  von  Meyer- 
Mark  an,  hrinift  die  vorliegenden  Erörterangen ,  welche  mit  besonderer  Be- 
riii  ksiohtigung  der  Bedürfnisse  einclagsiger  Schule u  ;iligefii,Sf!t  sind,  zum  Abdrur  k. 
Wir  tiuden  zwar  gegen  diese  ziemlich  allgemein  gehaltenen  Auseinander- 
setzungen nichts  einzuwenden,  meinen  jedoeh,  daei  sie  tou  y,  en\g  prektischem 
Werto  sind:  tin  Lehrer,  uelcher  unter  eigenartigen  Verhältnissen  nnterrichtet. 
uiuas  seinen  Lehrror^ang  den  Umstiliiden  annassen,  welche  zumeist  von  Au^n- 
Btehenden  ni^  völlig  genav  benrtheilt  weiden  kDonen.  H.  K. 

Grands ttge  der  Cbemie.  Itotfaodfach  bearbeltetTon  Prot  Dr.  Badolf  Arendt* 
iCit  182  inden  T«zt  eingeeehaltateiiHolaNlinitton.  Dritte  Mi«ftltiv  dnieh- 

gMehene  und  vermehrte  Auflage.  Hambmg  und  Leipdg,  Yerlng  von 
Leopold  Voss.   Xir  und  289  Seiten.  2  M. 

Wir  iiabeu  an  dieser  Stelle  die  vorzüglichen  Werke  dietieti  Autors  bereit» 
gewihfdigt  ond  kSnnen  mirwiederiioleo,  dam  diese  nene  Auflage  m  deni  Tielen 

(ruten  und  Schönen  der  früheren  Ausspähen  neues  vorzügliches  Matcrinl  in 
iniiste^iUtiger  methodischer  Weise  hinzugetUgt  enthält.  Arendt  s  chemisclie 
Lehrbücher  werden  stets  zu  den  ersten  in  diesem  Fache  gezählt  werden.  Die 
Ansstattimg  ist  in  jeder  Hinsielity  besonden  in  den  aasgezeicnneten  Hoks«  inut  ten, 
kaum  7:11  Hhrrtreffpn.  C.  K.  K. 

Leitfaden  für  <\i  n  U  11t erriebt  in  der  Clieniie.  Methodisch  bearbeitet 
von  Prof.  Dr.  i^udolf  Aieudt.  Dritte  verbesserte  nnd  vernielute  Auflage. 
Mit  86  in  den  Text  eingoBchalteten  HolzHchnitteu.  üamburg  und  Leipzig, 
Yerlng  von  Leopold  Y<m.  —  VI  ond  89  Seiten.  80  PC 

Wir  haben  diesen  Leitfaden  infirflheien  Auflagen,  wie  eres rollauf  verdiente 
empfohlen  und  können  dies  bei  dieser  neuen  Aitflaj^e  wiederholen.  In  priiarnanter 
KQiie  enthält  der  Leitfaden  in  gediegener  methodischer  Anordnung;  die  wich* 
tifl^tan  Sitze  der  Cbemie  in  einer  au^eseichneten  Weiie  davgeetellt.  Die  Ane« 
Btattnng  ist  höchst  ünerkrnnenswert.  C.  R.  R. 

A norg-anische  Chemie  in  (.irnndzügen.  Metliodiscli  beiubeitet  vnn  Prof. 
Dr.  Rudolf  Ar*^ndt.  Mit  IÖ2  Fis:nren  im  Text.  Soni^  r;iii>i:;ibe  aus  des 
Verfassers  bi  üudziigen  der  Chemie.  Dritte  Auflage.  Hamburg  und  Leipzig, 
Verlag  von  Leopold  \'üds>.    XI  n.  174  Seiten.    1  Mk.  2U  Pf. 

THeees  Werk  ist  ein  Teil  des  ebenllüla  in  TerbeBserter  und  vermehrter 
dritter  Auflng:e  ers<  hieueneu  Werkes  ..rJrundzng'O  der  Chemie^'  und  verdient  u:leich 
diesem  die  vollste  Anerkennung  und  weiteste  Verbreitung.  Die  Ausstattung, 
inrteuondoro  aneli  in  den  Hekediaitleo,  fit  mnetm^tig  an  nmnon. 

Lehrbuch  der  Physik  und  Chemie,  für  höhere  Mitdclienschulen.  Lehrerinnen, 
Seminarien  and  Fortbildungsanstalten  beaH  rfrrt  von  Prof.  Dr.  F.  Bachmann, 
Oberlehrer  an  der  k.  Elisa'bcthschule  yn  Berlin,  imd  Dr.  W.  Br  esiich ,  ord.  Lehrer 
am  Louisenstüdt.  Realgymnasium  zu  Berlin.  Zweite  umgearbeitete  Auflage. 
Mit  17B  Abbildougeu  im  Texte.  Berlin,  Ernst  Siegfried  Mittler  u.  Sohiu 
166  Seiten. 

Eiue  vielnmfasäende  gute  Arbeit  liegt  uns  in  diesem  Buche  vor,  welche 
auch  höheren  Anforderungen  (abgesehen  von  nmtheniatisrher  Bcgrrflndnng) 
nfigen  wird.  Kurz  und  prttcise  ist  di(;  liictiou  des  Bucheü,  klar  und  deuthrh 
sind  die  Erklärungen.  Auf  alle  neueren  Erscheinungen  iet  Rücksicht  genommen. 
Die  praktischen  l^  i^j  i«  !  -  sind  überall  reichlieh  eingestreut.  Die  biographischen 
Notizen  sind  eine  aaukeu;:i werte  Beigabe.  Indem  wir  noch  hinzufügen,  dass  die 
Awrtattnng  eine  sehr  soxgfiütige  und  insbesondere  die  Holnehnitto  sehr  ge- 
langen lind,  fupfeblen  wir  liiiHnnit  dae  Bneb  auf  das  berta. 

C,  K.  II. 

14* 


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—   212  — 


In  di«  Natur t  Biographien  «w  dem  Natnrlebe«  lUr  die  Jiigcud  &nd  iliic 
Freande  von  Hermann  Wagner.  7.  Auflage,  bearbeitet  von  F.  Terks. 
Mit  Holadinitfeen  nach  Originakeichnungren  von  Onst  Süss.  Bielefeld^ 
Verlag  von  Ang.  Helmiefa  «  Bachhaiidlaag  (Hugo  Anden).  VUI  n.  120  S. 

Geb.  l  Mk.  20  Pf. 

Wir  befi;rüBcn  jeden  Werk  mit  Beifall,  welches  es  sidi  cor  Aufgabe  madtt, 
die  Freude  an  dn  Natur  zu  vcrffrüßcrn ,  /imi.il  wcun  es  in  solch  anziehender 
Form  geschieht,  wie  iu  diesem  Büehlciu  vuu  H-  Wagutjjr,  denen  Wert  woi  acboa 
die  notwendig;  gewordene  7.  Auflage  zeif^^t.  Tier-,  PflaDien>  und  Hinendreieh 
bieten  dem  Verf.  <lri:  StotT  zu  seinen  zwanzig  Naturbüd<Tn,  wcldii  ilurcli  eiuo 
lebendige  Dantellung  und  pädagogierbes  GeMbiok  die  Jugend  bcgeiatern,  zum 
^hachteii  der  Natur  und  einagnillea  äanundn  Ton  Katorobjeeten  aaetfern 
werden.  Das  Wcrki  lu  n  ist  eine  Jugendschrift  im  cdelsteu  Sinne  des  Wortes, 
zugleich  unteibaiteud  und  belehrend  wirkend  und  daher  ebenso  lUr  Scbüler- 
bibnotbekea  wie  fOr  den  Fhmttieakrdi  beatene  ni  empfohkiL     C.  B.  B. 

Lehrgang  des  botanischen  Unterrichtes  aaf  der  nntenten  Stnlb.  Unter 

methodifldlier  Verwendung  der  48  Pflanzenbilder  ilt-s  I.  Teiles  der  deutschen 
Schulflora"  bearbeitet  von  Dr.  F  <).  Pilling  .  i'fotessor  am  Friedrichsgjrm- 
nasinm  in  Altpnburg.    Mit  71  iu  den  Text  etdrnckteii  Abbildungen.  — 

Gera,  Verlag  vun  Theodor  Hofmann.   \  ill  und  i'62  Seiten.   1  Mk.  25  Pf. 
In  einer  cigenthttmUebeii,  aber  gaassweckenteprechenden  Weise  wird  den 

Lehri  v  in  «lii/sem  Werki'  riii  TfilMmr-h  uehntm.  mit  welchem  er  dnn  ?intn- 
ni^cn  Unterricht  zu  einem  recht  lebendigen  und  nutzbringenden  gesiniteu 
kann.  Allgemeine  Betiaehtiiagen  leiten  die  ii^rcGhung  ein,  an  wddie  rieh 

Bemerkiiiiq:i  n  iuisclilicfi' n,  und  sodann  folgt  eine  Beantwörtiiiif:if  von  18  Schema- 
tischen  Tragen,  womit  die  Beschreibung  der  Ptlauze  und  ilircr  Lebensweise 
ToUendet  erecheint.  Fragen  zur  Gestaltlehre,  Systemkundc  und  Uber  biologische 
♦  Leben^nr-rlii-inunq-f  II  crn  i  it*  rn  du-  Pflaiizrnlvild.  l)i<'s«Mi  Fragen  :iind  hSiifig 
auch  die  Antworten  beigetugi.  Hie  und  da  siutl  uucli  V'tigleichc,  wieüwisehen 
Sttß-  und  Sauerkirsche,  Apfel-  und  Birnbaum  durchgeführt,  welche  das  Verst&ndnis 
sehr  erlcichtf  rii.  In  rinnn  Anhiinefo  ■^vf  rdf n  dii  moqiliDlotjischen  Ausdrilcke 
geordnet  nebciu-iuauder  gen(<^llt,  erläutert  und  durch  HukiH'hnitte  illustrirt.  — 
Das  Buch  ist  an  und  für  sieb,  um  so  mehr  aber  als  Beifügung  zur  „deutschen 
S'^lnilrtora''  ein  wert^"^^>«  Ililf-wcrk  fiir  dir  iriitid  d»  -^  Lehrers:  ti\r  die  SchQler 
veiietprieht  der  Verf.  ein  kürzeres  tJümyeudiuui  «  rM  lieiacu  zu  liisscu.  Wir  freuen 
uns  darauf,  die  Fortietsunffea  desselben  «seinerzeit  ebenso  wdrdigen  zu  ki^naea. 
Die  AiT'^vtattung  ist  eine  senr  .sorgfältige,  der  Preis  billig.  C.  R.  R. 

Physikalische  Geographie  von  Dr.  Siegui.  Günther,  Prof.  an  der  kgl. 

1'echnischen  Hochschule  in  München.    Mit  29  AbbUduogen.  Stottgart, 

G.  J.  Gftschen'sche  Verlagshandlnng.    128  S.  80  Pf. 

In  gedrängter  Kflrze  behandelt  der  Verf.  fast  alle  Partien  der  physikalischen 
(ieographie  in  populärer  ud  !  leicht  verständlicher  Weise,  ohne  dabei  zu  verab- 
sRumen,  dort,  wo  es  der  ^toi\  und  die  Deutlichkeit  verlangt,  solhBl  mathe- 
matische Inductionen  einzuHechten  oder  aaf  physikalische  Gesetze  sich  zu 
berufen.  Die  ErklSrtin2:en  beruhen  auf  den  neuesten  KrfabniDgen  tmd  Theorien, 
und  so  ist  da»  Buchkiu  liir  den  Selbgtunteriidit  sehr  gut  geeignet.  Da  dieses 
Bfichleln  sowie  die  anderen  der  Göschen'schcn  Sammlung  trotz  des  bilügen  I'reises 
iu  einoii)  dauerhaften  T/cinwandbande  encheint,  SO  «»«wpSfMt  ee  sieb  beiiondefs 
auch  für  6chUlerbibliutLukeu.  C.  Ii.  Ii. 

Über  den  noologischen  Unterriolit  au  den  Meireichischeu  MittelseliiUen. 
Vün  Dr.  Veit  0rnher,  k.  k.  o.  8.  Profbsoor  an  d«r  UnirenititGfleniowitic. 

Wie«,  Teinpsky.   1889.  34  S. 

Ein  erfahrener  Sehulinann  legt  in  diesem  Büchlein  »icino  Erf.ilirung^en  dar. 
wie  er  den  Unterricht  in  dcrZoolorae  im  Ober-  und  UntefgyiJiuuaiuuigefuudeu, 
und  wie  er  ihn  finden  möchte,  viele  behendgsnswerte  wOnsdie  sind  hwr 


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—  213  — 

aufigem^rocliGJi,  die  gewiss  uicUt  aut  »terilcn  Üodeu  lalicn  werden.  (Übt  der 
TenlMier  4oeh  NelbKt  in  amneiii  „Loitfaden  der  ZooIoiHo'*  das  beste  Htiflter  und 
die  beute  Anleitung:  «1  /u.  Wüns»'he,  welche  er  in  Bezug  auf  Cr  tp  irin  ii  und 
Antegoii  vou  äunnüuugen  kuodgibt,  wird  jederiuatin  realkirbar  ünden,  wenn 
nur  der  gafte  Wille  daiu  obea  ind  unten  TOihuuleii  ist.  C.  K  H, 

Phjfikalisehe  Aufgaben  aar  elwnentarmathemfttisehwi  Behapding,  Für  den 
SehiiIg«teMoh  bearbeltei  Ton  Prof.  0.  Burbach,  8eBi]iaH>berlc)irer  m 
Gotha.  Ffinfte  Auflage  von  Dr.  W.  Tblenemanii,  Oberlehri  i  am  Gyrnntp 
siom  zn  Essen.  Gotha .  \  erla^  von  E.  F.  ThietMtDBmi's  Hofbnchhandlaiig. 

Vm  u.  134  Seiten.   1  Mk.  L>(J  Pf. 

Obgleich  jedes  gute  physikalisclie  Lehrbuch  zur  Einübung  und  ziunbesäereu 
Verständnigse  Aufgaben  eatiiSlt,  so  niiiss  doch  dieäe  reichhaltige  Sarnnüiiiiiirron 
phy?ikaliscln.ii  iiad  chtiiiischen  Aufgaben  mit  vielem  Danke  aufgenommna  wenlrn. 
Die  Eeicüliaitigkeit  ergibt  mh  aus  der  Zitter  1443,  welche  die  Zahl  der  Aut- 
gaben beseiobnet  Sie  unfsssen  alle  Gebiete  der  Physik,  die  Melmahl  gehdrt 
naturgemäß  der  Mci-lumik  an,  währrnd  Elt-kfricität  und  l^Tafftietisuiua  sparatm 
bedacht  sind.  Die  Auflösungen  sind  in  einem  eigenen  Hefte  enthalten. 

C.  K.  R. 


Neu  erschienene  Bücher. 

J.  Frohschammer,  S3'8tem  der  Philosophie  im  Umriss.  (PhilosopUe  al0  Ideal- 
wissenschaft und  Svsteiii.)  I.  AbtheiluDg.  Mttnclien,  A.  Ackenuaniia  Nach- 
folger.  XXXÜ  niid  234  S.    .*;  Mk. 

Br.  K.  A,  Sfliniid,  Geschichte  dw  Kizirliiiug-  vom  Auluiig  au  bis  uui  unst»re 
ZelL  Bearbeitet  in  Gemeinschaft  inii  einer  Auisaiil  von  Gelehrten  und  Schul- 
maaenL  Zweiter  Bind.  LAbCh«ilnng.  Stuttgart,  Ootta'BoheBoQhhaadliiiig 
Nachfolger.   611  S. 

M.  Zens  und  Ferd.  Frank,  Pädagogische»  JabrbQCh  1891.  (Der  Pädagogischen 
Jahrbücher  vierzehnter  Band.)  Heransgegebea  von  der  Wiener  Fädagogi- 
schen  Gesellschaft.    Wien,  Manz.    212  S. 

Hr.  Kritz  Sehultze,  Deutsche  Erziphnns.  Leipzig,  Emst  Günther.  332  S. 

Kduai  d  Manier,  Die  Inquisition  iu  dei  Leipiüger  Katlistieii^hule.  Ein  Bei- 
trag ziu'  deutschen  Schnlgeschichte.  Mit  den  Bildnissen  der  Directoren  Plato 
nd  JMi.   Leipzig,  JiO.  EUnkhsrdt.   281  S.   3  Uk. 

flösse,  Bilder  ana  der  braadenbiirg*preii8iichen  und  denteehen  Geaehiclite.  FOr 
den  Gebrauch  im  ersten  Geschichtsunteniohtw  Hannover.  Karl  Meyer.  50  Pf. 

Krüger.  Geschichte  Pivußeus  in  Einzelbilderp.  Tuntel  Hervorhebung  der  landes- 
väterlicheu  \V  oifahrtsbestrebttQgen  derHobieuzolleiu.  Mit  vielen  AbbüdangeiL 
Dauzia.  Gniihn.    80  Pf. 

Schttlie,  üiidcr  aus  der  deutsch-preubischen  Geschiclite.  h  üi  ein-  bi*  diei- 
dasB^  VolknGhalai.  Mit  Berlekeichtigung  der  kaiBerlichen  und  mini- 
MeQeii  Erlaaae.   Oitartmrg,  Danehl 

^bnmann  nnd  Heinze,  Lehrbuch  der  brandenboi^-preußischen  Geschichte. 
Ifit  Abbildungen.     2.  Aufl.    Hannover,  Karl  Meyer.    1  Mk.  80  Pf. 

Slttteei»^  Übersichten  der  preußiseli-deutschen  Geschichte.  Für  die  oberste 
Stofe  des  Geschicht.siinterric^htes.    Hannover.  Hahn. 

Ebeliiig,  Einführung  in  das  Karten  Verständnis.  Eine  methodische  Anleitung 
den  geogiuphibcheii  Aiilaiigäiuiieiiiciit;  au  dent  Beispiel  einer  Berlin«* 


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^1  Ii  nie  durch  Lehrproben  dargerteUt    Mit  Ib  Abbildttogeii.   Beilin,  Weid- 

inaiiii. 

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Anll.  Mit  70  Hoindudtten.  Kanal,  Kaatiar. 
FMmf,  Laaiinga  Fabalthaaria.  Kritiaoha  Darataliu«.   Berlla,  Itetrattv. 
Molurv  Uaaara  Methode  der     <  Iitsclireibung:.  Kritik  derselbaa  und  VaneUlia 

7.n  ihrer  T^m^pstaltuii'i.    Flensburg:.  Westphaleii.    2  Mk. 
Siehlichf  l>ie  Sprache  iu  ilirfin  Vprhältnisznr  Geschichte.  L«'iiizig-.  Kenger.  1  Mk. 
Prof.  Dr.  Karl  Stfijskal,  IhCtirbuch  filr  den  rntt-nidit  in  der  deutschen 

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Otto  TImst,  Nen»'  < i-dirlur.    Hamburg.  K"ni-ad  KkS.    158  S. 
C.  Faikeuhorst,  Am  \  icturia  Njaiiba.   Eine  ostafrikanische  Colonialge^hichte. 

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Augsburg,  Verlag  der  Schwab,  paim.  fifthnlaosatoHnng,  Ssinid'adM  Bacb* 

handlang.    1H4  S.  ^eb.  1  Mk. 
Mnsterkata  1  og'  für  Haus-.  Vereins-.  Volks«  und  Sehnlbililiotheken.    \ebsf  einer 

Anleitnng-  zur  Errichtung  und  Verwaltung  von  Bibliotheken.    Mit  Foioui- 

laren.    Herausgegeben  von  der  Gesellschaft,  für  \  erbreituug  von  Volksbii' 

doBir  Ib  Berlin.  6.  Aufl.  HamioTep>Ljndan,  Mau  &  Lange.  128  &  1  Mk. 
Otto  Biysek,  Der  «Bote  Wandar.«    Bin  LebanabUd  K.  F.  Wände».  Mh 

Beontsang  seines  handschriftlichen  Nnchla.sgeB.  seiner  Schiiften*  FiiMWiai  Ua 

md  anderer  Quellen,    Hamburg:.  K.  ^V.  XOelkner.   213  S.,  2  M. 
C.  Schettler* .sTurnsc)!!!].  für  Mädchen.    Zweiter  Th-i1     ^tufe  TV  u.  V:  Pas 

Turnen  der  Mildchen  vom  12.— 14.  15.)  Leb^iisialire.    Mit  TS  in  den 

T«xt  eing^gten  Holzschnitten.    7.  verin.  AuA.,  besorgt  von  M.  Zettier  in 

Chenmita.  Planen,  Nenpert  202  S. 


V«riintwortl.  UeUauttiiu  lir.  FrisUrivb  iiiue».   ltB«itinMki»fu  Julina  Klinkiiardt,  L(it|ici|r. 


iE 


in  meinem  Verlage  erschienen  toIi;' irle 

Werke  von  Otto  Emst: 
Aus  verborgenen  Tiefen, 

Novellen  und  SktaizeiL 

244  S'.    Brosch.  Mk.  2.25;  eleg.  geb.  Mk.  3.—. 

„Der  Verfasser,  oftenbar  mit  franzer  Sfolo  P;iflarroirn  in  des  Wortes  höchster  Bedeutung, 
mnss  auch  dem,  welcher  seine  Anschaumigcii  nicht  teilt,  zweifellos  durch  seine  tiefe  Seelen- 
und  Menschenkenntnis,  durch  seinen  voll  uud  frisch  quelimudw  Humor,  durch  die  Kraft  seiner 
>%tire  und  endlich  dnrch  die  freie  Sicherheit  impoBiereii,  mit  welcher  et  die  Sprache  bo- 
benschu"  (BtiUter  fDr  litterarische  Unterheitung.j 

rOtte  Emet  nimmt  unter  den  VertTetera  des  jflogfeten  litterariacfaen  Deutsehlend  eine 
gm  berrorrairfnde  Sunmii!:  ein      (Berliner  Neueste  Nachrichten.^ 

^OttofinisC  bewahrt  sich  als  KUustler  auf  dem  Gebiete,  das  er  pflegt."  '^Nationalzeitung.) 

^Atte  diese  EbsftUiiiigen  rind  durch  groesen  Bdss  der  DaretelluDir  und  sauberBte  Ana- 
fikrong  aBS2:fv.(^irhnot."    (Berner  „Bund".) 

al>ue  er  (Otto  Ernst)  uns  alicuthalbcn  zui  Icbendigsteu  Teilnahme  zu  bewegen  venteht 
QBd  nit  dem  scharfen  Blieke  des  Kenscfaeiikeiuiers  die  Wirme  des  fllhlendett  Hersens  su 
vt^bfn  wfiss,  das  ist  sein  Verdienst,  die  Frucht  seines  tiefen  und  reichen  (iemUtes,  dara:elet?r 
iD  mBßtergiJtiger,  oft  schneidiger,  aber  stets  dem  Gedanken  adäquater  Sprache."  'Pädagogium.) 

,Hier  tritt  uns  eine  Tiefe  der  Empfindung,  eine  Jicheit  der  Gesinnuag,  ein  Reichtum 
an  ^önen  Ocdanken,  'fdiUtti  Beobachtungen,  ein  Zauber  der  siiniinung  entgegen,  die  uns 
überrMchen,  entzücken  und  bis  r.n  Thränen  röhren.  Otto  Ernst  ist  ein  Denker  imrl  riii 
Wtfiiter,  der  dos  Dichters  .gefliigeit  Werkzeug,  das  Wort'  meisterlich  bandhal»t."  iNord 
■IIN.) 

Offenes  Visier! 

^e^Afiimeite  Essays  aus  Litteratur,  i'Udago^ik  uud  üttcutlicheui  Leben. 

280  S.   Preis  brosch.  Mk.  2.50. 

«Da  ist  wobl  efn  leboisfHseher  Denker  willkommen,  der  nicht  nvr  den  I.C8<;ing,  sosdcm 
auch  den  David  Friedrich  Strauss  zu  erneuern  versteht.  Er  (Otto  Ern-t  r-treitet  i:»  :reu  dii- 
^'Olgiiatik  mit  jOffencm  Visier',  mit  klirrenden  Waffen  der  Dialektik  und  hellen  «(  hhieht- 
tüwB  der  Rhetorik,  wie  sie  in  unscrn  Tagen  schon  lange  nicht  mehr  gehört  worden  sind, 
uit  einer  mutigen  Konsequenz.  <iie  unserer  charakterschwachen  Zeit  fast  abg  i  i'<en  ist.... 
Ifia  mag  man  den  Rittor  mit  dem  ,oiTcncn  Visier'  willkon  ui.  n  hcissen,  Sowohl  wegen  des 
Meneo  Visiers',  als  auch  weil  er  ein  Kitter  ist."    (Die  Gegenwart.) 

n^if  gest^^hen  gern  ein,  ciHs.s  wir  selten  in  einem  AVerke  dieses  llmfuigs  eittO  solche 
Villle  geistvoller  f^edanken  und  Kritiken,  eine  80  Tielseitige  Btldung,  eine  so  meisterhafte 
^pcbe  gefunden  haben.-*   (Deutsche  Revue.) 

»Sehl  Buch  gehün  darum  auch  an  den  bestgesehriebenen  und  anregendsten  Schriften  der 
^^wart"   (Die  Geseilschaf t.^ 

bFCx  beschrluikte  und  ängstliche  Schabloncumenschen  .  .  .  pu6s>t  das  Buch  allerdtogä 
für  floldie  ist  es  m  aufregend,  zu  ktUm,  zu  gedankenschwer,  zu  reTolnttonür.  Für 
T'tü  KCipfo  aLer  und  freie  Charaktere  ist  es  eine  Quelle  wahren  Gcuus.ses  und  eine 
fandstiitte  der  fruchtbar.stcn  Gedanken.  Dem  Gehalte  entspricht  in  wurdiijst^r 
^ö»?  die  Form:  der  Stil  des  Ruches  ist  ebeuso  frisch  und  tretlcnd,  wie  korrekt  und  fein- 
1»%  geradem  masterhaft**  (Pidagsgiun.) 

Demnächst  encheinen  von  demselben  Verfasser: 

Neue  Gedichte. 

158  S.  Eleg.  ffeb.  Mk.  3.—. 

Gedichte. 

Zweite  durchgesehene  Auflage.   Hit  dem  Bilde  des  Dichters.   Kl  g.  ^<  ti.  Mk.  4. 
«11 4mm  Awi^iirBM>  Sefelltorpr^ia«  ««fcHtait. 

TwlAg  Ton  Oomrail  Ktoss  in  BMlmrg. 

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(*»rrnnn*vrttibifn 


|«drt«tntü«ickiff  l  MliH 

Clavierschul 

A.Gei'sIcnborgcr 


Pianinos  tor  sao  bis  t5oo  Mk. 


Harmoniums, 


All. 


ilontsflbo   nnd  unerik.  CotU^e- 
(Jii:-  hl  (Eutej)  von  Mk.  »0  an. 
Aiio  F;ibrikat«.   H&chster  B«Arrmb«tt. 
V<.rtli.  il,;.    llln«tr.  Katalog  gnüs. 

E^udoli>h  in  OieM**en, 
•Venandt'Ueacliilft  Dt'UUchJand«. 


idjrcrlülbunflöttitftaftcn 


:Öcrnbarb  9lct(6arb. 

„Xai  tfJ  eine  rooljJflclunflcue  ?lrbeit 
tüitigcn  ^roftÜcrl,  bic.rcir  für  ben  2 

unteirtdjt  au«   Dotier  1!'   'a  rm;;i.uu 

tönncn.   Cine  öeroiiicnli.  runfl  btd 

©ejanßflübungcn  wirb      fincm  jdjönen,  biei 
jorncnlon,  pünftlidjcr  ^Beroiflunfl,  fidiercm  irrf 
feil,  beutlirfjer  ?lu5iprad)c  unb  gejdimflcfDoIlf 
Vortrag  fübren."  ipau«  unb  adjufe. 

Ta-S  löud)  jci  oflen  Srmiuorüov)Jiinben  jur 
«Inidiaffung  bcfteu^  euipfot)lcn. 

i'riltliri.  ^^odiaditnug^uoll 

3uliud  Älittf^atbt 


i 


Ünftv  lUnnbd  iß  im  gimmd! 

Jrnaöljf  für  iiiiirtliimr  mu^  ?miijfrünni  aBtrÄonfeinonrn. 

Blit  tiitM  titribillr  ii  ItriirBlnA 

S3ierle,  öcrmctjrtc  uub  Dcrbcnertc  Vluflaqc, 
OT.  8.  flcq.  in  l'einiiianb  mit  Öolbfc^nitt  gcbunbd 
%ttii  4  9Jif.  50  *4Jf.  jgi 
Xcr  iüotinl'l'cr  ronu,vtd)net  bic'  ■   ''-  •"•fnUfl 
liebte  „;ycft8cid5air"  ale  einen  - 
oegcn  afle  iJeljren  bed  9JiQtei; 
Seit,  bic  bai  itbtn  be^  ^JicnjiiKi;  :..u  ...v 
ücben  für  bie  ®rbe  unb  Don  bcr  üi'bc  bs 
[teilen  unb  bcn  SRammonöbienft  aU  bie 
i  unb  Pt^ftc  'Jlutgabe  oer^crrlic^en. 
[    Xie  roieberbolt  nötig  geioorbcnen  neuen  fli 
'  lagen  finb  l)inrftd)cub  ^Jürgen  bee  ■  'n 
'  «Intboloflie.  55a«  Serf  cmpfie^U  r.u,  ...  .utt 
pradjtuoUcn  Äusiftattung  tjaupifüc^lid)  jutn  Ok* 
I  i'c^enr  für  Ibnfirmanben,  foroie  j^u  ©eburtötagui 
I  unb  ai«  t^^ßgabe. 


Soeben,  ersctielnt : 


9000 

Abbildungen. 


16  Bände  geh.  &  10  SL 
oder  266  Hefte  ä  60  Pf. 


160001 

SeitenText. 


Brockhaus' 

Konversations  ■  Lexikon. 


eOOTafeln. 


/4.  Auflage. 


SOOKarten. 


1 120  Chrofflfltafebi  und  480  Tafeln  Ii  SciiwarzilrncL  | 

Hierzu  1  Beilage  von  Bleyl  &  Kaemmerer  in  Dresden. 


Bucbdniokerci  Jnliiu  Klfwkhardt,  Lvipu^ 


Paedagogium 


Monatsschrift 

At 

Erziehung  und  Unterricht. 

■ 

Henrosgegebea 

unter  Mitwirkung  hervorragender  Paeüagogen 

von 


5.  Heft.  Februar  189a 


Lei|»sig. 

Verlag  yon  Julius  Klinkhardl 


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I 


iBhalt  dM  5.  Heftes. 


Ml* 

Ober  den  Einfluss  Pnnteni  aAf  Am  dentHhe  Sohnlwesm.    Von  Bt«IiArd 

Ki^hlcr  <Vhurf?   277 

Mädchenerziehung  und  höhere  J'ikhterhchiilo.  Von  Dr.  F.  Horn«  Altona  .  .  303 
Die  ethische  Bowcguag  ia  Aiutrika  uod  DtuUchiaud.    Von  Schul iuspeotor 

WysB-Burgdorf,  Schweis  816 

Pldflgogiadie  BondeehM.  Aua  PieuleiL  —  B.  Vom  deatsdieii  OstMeatrande. 
—  Aus  Hamborg.  —  Aus  Bremen.  —  Aus  StraBburg  i.  E.  —  Die 
Bay(^ri«  li(>  T,<4irerzeitung.  -  Ernste  Zeit.  —  Aus  Östeixeich. —  MaieB- 

holüc-Bülow.  —  Auä  Amerika.  —  Aus  der  Schwoisü  323 

Aas  der  Fachpresse  ä34 


AlMMMKlt-Pnte  pf«  «wrW  V.  tM> 
AUe  Bnobtendluiifen  und  Piftfefiftal^w  netuneo  BesteUungon  wib 

mn9ttm\  


L^iyiii^cd  by  Google 


y   ^<f^^ 


Ober  den  Einflass  Preußens  auf  das  deatscbe  Schulwesen.*) 

Von  Sichard  K^yhler -Coburg. 


ie  die  i^i  M  hii  litr  (Irr  verschiedensten  Völker  zeigt,  stellt 
das  Erziel»uiig8WL<rii  dci-^tlbeu  mit  ihrer  irr-ainiuMi  übrigen  Cultur 
in  der  innigsten  Veibiadiinj^  uikI  We^hselw  iikiiHL ;  ^>  liebt  sich  mit 
ihr,  es  sinkt  mit  ihr.  Stylit  das  Geistesleben  ein'  i  Nation  in  reicher 
und  vielseitiger  Blüte,  si»  sjdegelt  sich  dies  lui  Ii  m  ihrer  Pädagogik 
wieder.  Schlagen  dagegen  die  Bestrebuiigeii  eines  Volkes  eine  ein- 
seitige Richtung  ein,  so  pflegt  ihr  auch  da^  Erziehungwesen  zn  folgen. 

Unverkennbar  hängt  auch  die  classische  Periode  unserer  Literatur 
mit  der  classischen  Peiiode  unserer  Pädagogik  aufs  engste  zusammen. 
Allerdings  begann  die  Blüte  der  deutschen  Literatur  bereits  vor  der 
des  deutlichen  Krzielmngswesens,  wie  andererseits  diese  die  erstere 
ftberdauerte.  Aber  auch  in  den  classischen  Werken  unserer  National- 
liit^iatiir  liegt  ein  köstliches  Stück  deutscher  PÄdaguj^äk,  ganz  abge- 
sehen diivon,  da.-^b  kaum  liiiLi  unserer  hervorragendsten  Dichter  und 
Schriftsteller  zn  nennen  wäre,  der  sich  nicht  auch  speciell  mit  päda- 
gogischen Fragen  bescliäftigt  hätte,  wie  hinwiederum  der  Geist  der 
Koryphäen  unserer  schönen  Literatur  auch  in  unseren  großen  Päda- 
gogen lebendig  war.  Viele  und  wesentliche  Ideale,  denen  die  einen 
mstrehten,  waren  auch  die  Ziele  der  anderen.  Der  Geist  der  Frei- 


^  Im  BegieHMMiMn  beneikt  der  Bat  'Vtthmer.  JBiB  weidm  g«wu«  «w 

der  Arbeit  erkennen,  dm  midi  ein  innige«  iBteresse  für  du»  Gedeihen  unseres  vatal^ 

UfndiiHrben  Erzich un^wcsens  geleitet  hat.  —  Pa  irh  der  Volksschule  mein  beson- 
deres Incer«6sc  /u gewandt  habe,  in  die  ich  mir  nicht  etwa  augüchlieällch  als  irii- 
heier  Schulinspector  in  Preußen  einen  Einblick  verschafft  iube,  und  zogleicb  das 

gSnlr  da  sioiilidi  wahmeUm  BOd  vmtm  gtmn  Sdbmtmm»  nMk  dem  Leb«» 
sa  ifBrlwi  Bi  ist  meine  enste  vnd  feste  Oboceug^ng,  dass  unser  gaiuti  dMtMhM 

Scbtilwescn  durch  kritiklose  Na«  h:ihnHin(?  preußischer  ^chnleinrichtangen  schwer 
geschädifjt  worden  ist,  und  d««;«  weit«  re  (iefuhr  in  dieser  liiosicht  besteht.  Daher 
glaube  ich  mit  meiuer  Arbeit  dem  aUgemtiuen  Interesse  einen  I'ieu&t  geleistet  tu 

l».J«kif.  BdIV.  19 


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—   278  — 


heit,  der  jene  erfüllte,  lebte  auch  in  diesen,  und  wie  Kant  nicht 
danach  fragte,  ob  die  Kosultate  seiner  Forschungen  auch  der  herr- 
schenden Kii-che  genehm  seien,  so  zeigten  ihr  gegenüber  auch  die 
Keformatoren  der  Pädagogik  den  gleichen  edlen  Mannesmuth. 

So  war  es  einst.  Wer  sich  aber  gegenwärtig  noch  bemüht  zu 
beweisen,  wie  wir  es  in  dem  von  Pestalozzi  begonnenen  Werke  ^so 
herrlich  weit  gebracht"  hätten,  leistet  der  vaterländischen  Sache  einen 
schlecliten  Dienst  damit.  Wer  behauptet,  Diesteiweg:  würde  sich 
freuen,  wenn  er  hente  noch  lebte  und  die  mächtigen  Fortschritte  der 
dmitscheu  rädagogik  verfolgen  könne,  kennt  entweder  Diesterweg 
nicht  oder  verschließt  die  Augen  geflissentlich.  Gewiss  wüi-de  Diester- 
weg freudig  anerkennen,  dass  die  gesellschaftliche  Stellung  der  Lehrer 
eine  bessere  geworden  ist,  und  dass  der  Volksschule  mehr  materielle 
Mittel  als  frühei'  zu  Gebote  stehen,  wenn  auch  in  beiderlei  Hinsicht 
noch  viel  za  wlknidien  tlbrjg  \MJbt  Aber  er  wttrde  ebeosowenigr 
keimen }  datt  te  EinfliiM  der  llAehte,  welche  der  iiatiurgemftßeii  EeI- 
widcelvag  der  Sekole  von  alten  her  entgegensteben  und  diese  fftr 
ihre  Sonderswecke  anmwitzen  sacbea,  dorehsiis  nicht  geringer  ge- 
worden ist,  sondern  sidi  in  'weeeiiüichen  Bemelumgen  veratftrkt  bat 
Mit  tiefem  Bedaam  aber  wttrde  es  ihn  erflUlen,  dass  sieb  viele 
deiteebe  Pädagogen,  die  sieb  mit  Worten  za  Pestaiozzi  nnd  za  ibm 
selbst  bekennen«  in  der  That  —  zom  grollen  TbeQ  wol,  ohne  es  selbst 
recht  zu  merken,  denn  der  Hensch  pflegt  die  feinste  Sopbistik  da  an- 
zuwenden, wo  es  gilt  sich  selbst  zn  tftoschen  —  in  den  Dienst  jener 
Mächte  gestellt  haben;  Zwar  ^ehlt  es  auch  hentzutage  nidit  an  MAn- 
nem  nnter  nnseren  Pädagoge,  die  dies  ebensowol  erkennen,  wie  es 
Diesterweg  erkannt  hätte,  und  die  es  ancb  nngeschent  aussprechen; 
aber  ihre  Zahl  ist  eme  geringe,  und  ihre  Stimme  pflegt  denen  gegen- 
ttbor,  die  sich  den  Opportnnitätsriicksiebten  fügen,  zu  Vorhallen,  wie 
die  des  Predigers  in  der  WOste. 

Wenn  ee  wahr  wäre,  dass  sich,  wie  behauptet  worden  ist,  unser 
jetziges  Yolksschnlwesen  durchaus  auf  die  Lehre  Pestalosszi*8  stützte 
und  sich  demgemäfl  weiter  entwickelt  hätte,  und  dass  auch  unser 
höheres  Schulwesen,  wie  f^eichfiedls  behauptet  wird,  einen  eneigiscben 
An&chwnng  genommen  hätte,  so  mflsste  wol  unser  ganzes  Cultuiv 
leben  Zeugnis  dafür  aMegen.  Es  vertrüge  sich  schlecht  damit,  wenn 
sich  von  vielen  Seiten  aas  laute  Klagen  darOber  erhöben,  dass  über 
der  Sorge  für  das  rein  Materielle  und  Äußerliche  der  Shin  für  die 
höheren  Interessen  bei  der  deutschen  Nation  bedenklich  geschwunden 
sei  und  demgemäS  von  einem  blühenden  und  vielseitigen  Geistesleben 


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—   279  — 


unseres  Volkes  nicht  melir  die  Hede  aeia  kOnne.  Solelie  Klagen  aber 
fiegen  tbatsächlich  in  Menge  vor. 

Ze  den  bekanntesten  Schriften,  welche  diesen  Klagen  Ausdrucjk 
geben,  gehört  das  seit  ein  paar  Jahren  vielgenannte  Buch  Uber  Bern- 
brandt  als  Erzieher,  das,  obgleich  es  verschiedene  Fragen  von  grofier 
(Idagogischer  Bedentnng  berülirt,  in  weiteren  Ereiseik  noch  ungleich 
regeres  Interesse  gefunden  hat  als  bd  der  Lehrerwelt  Was  diesem 
Werke  sdne  ungemein  rasche  Verbreitung  verschafft  hat,  beruht  Jeden* 
6Ub  nicht  zum  geringsten  Theüe  darauf,  dass  es  vide  nnlengbare 
Sebiden  unseres  heutigen  Gulturlebens  aufdeckt'  Freilich  enibält  es 
neben  vielen  entschieden  treflfenden  und  beherzigenswerten  ürtheOen 
auch  eine  ganze  Reihe  von  ebenso  verfehlten. 

Mit  welcher  Yorsicht  das  Buch  zu  benutzen  ist,  zeigt  schon  das 
einseitige  nnd  unbillige  Urtheil  des  Verfassers  fiber  Da  Bois-Reymond. 
Wer  die  Kritik  Du  Bois-Rej^monds  ülx  r  Goethes  Faust  kennt,  mit 
welcher  sich  der  verdieute  Physiologe  uiif  ein  Feld  begibt,  für  das  er 
keine  Berufung  zeigt,  dürfte  allerdings  L.*>  uiclit  unrecht  geben,  wenn 
er  sie  einen  Vortrag  des  Famulus  Wagner  über  Dr.  Faust  und  ein 
Urtheil  Nicolais  über  Goethe  nennt.  Allein  L.  selbst  ist  kaum  weniger 
subjektiv  in  der  Beurtheüinie  d^^v  nnf:'thc.^chen  Dichtuuf?.    Wenn  er 
nämlich  sag-t:  ,.Schwernuiih  ist  edler  als  (ienusssucht  und  darum  Hamlet 
edler  abs  Flaust'-,  so  zeig^t  diess.  dass  er  die  Grundidee  von  Goethes 
F&ust  yoUständig  verkennt.    Denn  die  Worte: 

Werd  ich  beruhigt  je  mich  auf  ein  Faulbett  legen, 

So  sei  es  gleich  um  mich  gethan!  * 

£Aiuiit  du  mieh  ««^cichelad  je  belüget, 

Dai6  idk  mii  Mlbtt  gefidtoA  mtig^ 

Xoiinst  du  nieli  mit  Oenuas  b^ilg«ii: 

Das  sei  ftti  micli  der  letzte  Tag! 

Q&d: 

Werd  ich  zum  Äugenblicke  sagein: 
Verweile  doch!  d«  \mt  m  schrm!  — 
Dauii  magbt  du  uüch  in  Feääeiu  »chlageu, 
DaBB  wül  ick  gem  an  QntodA  geHm  l 
Dana  mag  die  Todtengloeke  schallen, 
Bann  bist  da  deines  Dienstes  frei, 
Die  Uhr  mag  stehn,  der  Zeiger  fallen, 
Es  sei  flie  Zeit  für  midi  voiln'ü 

enthalten  genau  das  Gegentheii  von  dem,  was  L.  in  der  Tragödie 
findet,  und  stflben  vielmehr  im  Tollsten  Einklang  mit  der  Aufiorderoog 
im  Prolog: 

*)  Yerfaüüer  des  Buches  über  Kembrandt  ah  Erzieher. 

19* 


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—   280  — 


Zieb'  diesen  Geist  tou  seiBciD  Ur^vtll  ab, 

Und  §tA*  beMlilmt,  «am  d«  bekennen  mu««t:  etc. 
Wer  Übrigens  die  Hauptperson  der  großartigsten  Schöpfung  eines 
ersten  Dichter  der  Weltliteratur  zu  Gunsten  oder  Ungunsten  der  Haupt- 
person des  erhabensten  Meisterwerkes  eines  eben  solchen  Dichters 
kritisirt,  kritisirt  damit  zugleich  die  Dichter,  zumal  wenn  es  sicii  um 
dramatische  Personen  handelt,  in  denen  sich  das  innerste  Wesen  der 
Dichter  selbst  am  meisten  offenbart  *K  und  unternimmt  somit  den  be- 
denklichen Versuch,  zwei  incommensurabie  Gri^ßen  aneinander  ab- 
zumessen. 

Ganz  unberechtigt  aber  ist  es,  ilass  L.  die  Fanstkritik  Du  Bois- 
Keyraonds  dazu  zu  benutzen  sucht,  um  diesen  zum  Tyi)us  des  einsei- 
tigen Beriinerthums  zu  stemi)eln.  Gerade  Du  Bois-Keymond  gehört 
unter  diejenigen,  die  am  deutlichsten  erkannt  baben,  woran  es  dem 
jetzigen  Deatschland  am  meisten  fiehlt,  und  er  spricht  dies  ia  viel 
einfafiharcr  osd  süinigerer  Weise  aus  als  L.  „Wer  m&kelte  gern  an 
solchen  Erningeischafteu?"  sagt  er,  nachdem  er  vorher  der  mili- 
tärischen und  poUtisdieii  Erfolge  Deutschlaiids  gedacht  hat,  und  ftkrt 
fort:  „Versetieii  irir  tuit  aber  in  Oedapkeii  xorlick  in  das  lernsscM» 
olumiiditige,  aime,  kleinbfitigerUche  DentseUand  unserer  Jugend  — 
gleichsam  ans  der  kalten  Pracht  der  Kaiserstadt  zwischen  die  ge- 
drückten, tranliehen  GieM  eines  wein-  und  epbeannraakten  mittel- 
dentseben  Städtebens  —  üsblt  nns  da  nicbt  etwas  in  der  nns  glimend 
nnd  betiubend  rnnranscbenden  Gegenwart?  Iflkssen  wir  niebt,  wie  hs 
ScbwalbenUed,  aenften:  ,0  wie  liegt  so  weit,  was  mein  einst  war?^ 
Ward  nicbt  vielleicbt  bei  DentseUands  Umgeetaltmig  das  Kind  mit 
dem  Bade  yerseblittet?  Ging  mit  der  mibeetifflmten  Sehnsucht,  den 
unbefriedigten  Streben,  dem  nagenden  Zweifel  am  eigenen  Können 
dem  deutschen  Volke  nicht  auch  xitl  verloren  von  seiner  Begeisterung 
für  Id^e,  seinem  uneigeniiuUigen  Streben  nach  Wahrheit,  seinem 
stillen  und  tiefen  Gemüthsleben?  Traumähnlich  entschwunden  ist  die 
kurze  Bhite  unserer  Literatur."  Und  weiteriiiii  klagt  Du  i>ois-Reymonii 
über  die  stets  wachsende  Gleichgültigkeit  unserer  Jugend  gegen  alles, 

*)  Wer  wi%  Qerviam  vai.  BSnM  der  iüuiofat  iit,  diu  dica  wenigitcM  te* 
SttgU^  def  Hunlet  doidiaiis  nidtt  der  FtO  lei,  mOge  snr  die  Stmetta  Shakei^eani 
lait  dem  Lubalte  des  Hamlet .  nnd  besonders  das  66.  mit  dem  beHttunten  flamlet- 
monolocre  Tergleicheo,  uii«!  or  dürfte  finden,  das«  die  ^geistvollstte  und  geasitiTSte" 

Persönlichkeit  in  fsäninitliclieu  ähakeipearescheu  Dramen  eUen  diejenige  ist,  vrclebe 
der  britit>(  lie  IMchter,  wie  ja  die  Romantiker  scbon  länget  Tor  Rümeiin  bebaupteteo, 
jjiuit  bt'intui  eigenen  Heizblnte  ausgestattet  bat". 


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—   281.  — 

nichts  ein-  und  nicht  vorwärts  hrfn^",  und  bemerkt  daivoi:  „Bei 
aäom  Glanz,  in  welchem  zur  Stuii'lc  liie  deutsi  he  Wi&^eusl  luitr  noch 
strahlt,  vermissen  wir  an  dem  aui wachsenden  (ieschlechte  >ciimerzlich 
4lie  edle  Leidensehaft,  welche  allein  f&r  fortgeaetzte  geistige  Groß- 
thaten  bürgt." 

Ebenso  unbegründet  ist  es,  wenn  L.  in  seiner  Polemik  gegen  den 
Haterialisinus  der  Naturforscher  gerade  Du  Bois-Beymond  zu  einem 
Materialisten  machen  will,  dar  doch  in  seinem  Vortrage  über  die 
Cranell  des  Naturerkennens  dem  MateriaUanros  mit  schärferen  Waffen 
entgegengetreten  ist,  als  sie  dem  Verfasser  TOE  Bembrandt  als  Er- 
xieher  überhaupt  wo,  Gebote  stehen.  Auch  das  von  Du  Boia*Beymond 
MIglich  dfisaen,  was  Jenseits  der  Grenze  des  Naturerkww  Uegt> 
augeeprodifiiie  IgnonMmna,  dem  L.  kOhner  Weise  ein  myinm  ent- 
gegenaetan  wül,  ist  dnrehaiu  üielit,  wie  dieaer  meint,  im  Geiste  des 
Materiiiismns  geflptecheiii^-  dann  der  HateriaUsmus  pflegt  sidi  viel 
podtiver  nnd  weniger  beechdden  anssaditteken.  Vielmehr  richtet  L. 
\m  seinen  AngxüF  nieht  an  die  unmittelbare  Adrease:  naeh  Berlin 
itatt  nadi  SKnigsberg.  Deon  Dn  Bois-Be^ond  befindet  sidi  hier 
itantdiaiis  in  Einklang  mit  der  Kantiadien  FhikMopkie,  indem  das, 
wonuf  flieh  Jenes  ignoreliimni  hauptsIdiHeli  enrtreekt,  unter  die  An- 
tiMdeD  der  reinen  Vernunft  föllt. 

Dagegen  kann  man  dem  Verfasser  des  erwähnten  Buches  darin 
nur  vollständig  beistimmen,  wenn  er  mit  Nachdruck  hervorhebt,  dass 
die  deutsche  Wissenschaft  oticubar  (iunntitativ  zu-,  aber  qualitativ  ab- 
genommen habe,  dass  sie  nur  zu  häufig  Begeisterung  und  selbst- 
i^täudiges  De  nken  vermissen  lasse,  dass  in  der  Erziehunsr  der  einsei- 
ti|?en  Ausbildüiig-  des  Verstandes  energisch  ent^esrenzuwii  kpii  .>ei,  das^ 
nian  sich  sueug  an  die  Natur  lialtt  ii  und  allein  die  Natur  reden  lassen 
lüüsüe,  da,  wer  und  was  je  groü  geworden,  es  durch  dieses  Mittel  ge- 
worden sei,  und  dass  demgemäß  der  Individualismus  auf  das  soi*g- 
^tigst<^  zu  pflegen  sei.  Hiermit  berührt  er  das,  was  unser  heutiges 
£niehungswesen  am  schmerzlichsten  vermissen  lässt. 

Es  fragt  sich  jedoch,  ob  diejenigen,  welche  von  dem  lebhaften 
Wnnsche  nach  einer  Verbesserung  unseres  Erziehnngswesens  in  diesem 
Sinne  erflUlt  sind,  ihre  Blicke,  wie  es  viele  thnn,  erwartungsvoll  auf 
<ien  fahrenden  Staat  im  'deutschen  Reiche  richten  dürfen.  Es  läsat 
«^li  ja  mit  Becht  anführen,  dass  die  rastlose  JQnergie  Prentes,  seine 
^i^t  und  Pllnktiielikeit,  dnrdi  die  es  sieh  troti  hddist  vngflnstiger 
^atnneriilltnisse  m  einem  mielitigett  Staatswesen  entwickelt  ufed  steh 
die  adlitarigdia  nnd  poUtisehe  FUhrong  in  Dentsdiland  errungen  hkt^ 


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^   282  — 

aiLöh  fttr  die  Pftdajogik  hitdut  Mbfttaeoswttte  i!jsei)8<äiall«ii  aäm. 
Aber  damit  iat  dnrohanB  aidil  gongt,  dais  der  Voiguig  Pnnleiift 
auch  a«f  dem  Gebtote  der  Pädagogik  mr  Naefaftlge  fftr  dae  übrige 
BeatBcblaad  sa  oniMleii  aeL  Dens  lo  aegeosreidi  Jone  Sigenaohaften 
an  aich  aneb  für  die  Pftdagogik  aa  TOken  vermOgeii,  so  TttbAogoia- 
Teil  k^boieii  aie  für  daa  Sebalweaea  -werden,  sobald  aie  sieh  anf  yer- 
föhUe  pidagogische  Prindpien  stftlMn. 

Nnn  nntflriiegt  es  aber  bdnem  Zweifel,  dasa  in  «ineiB  Staate,  in 
den  entweder  der  MiUtarisaraa  oder  die  Bareaukratie  oder  die  Hierar- 
chie, welche  sammtlich  auf  anderer  Grundlage  anlbenen  als  die  Ent- 
wiokelnngspftdagogik,  einen  mächtigen  Einfluss  aasäben,  die  Prindplat 
dieser  Pidagogik  mindestens  stark  gefährdet  smd,  nnd  ebenso  nnkng- 
bar  ist  es,  dass  in  Preufien  nicht  etwa  einer  der  genannten  Faeteren, 
sondern  alle  drei  stark  wrtreten  sind.  Diese  drei  aber  laaaoD 
ganz  voilrefflich  vereinigen. 

Als  jener  Soldat  gefragt  wurde:  „Welche  Gesinnung  muss  der 
Soldat  liabcn?"  gab  er  eine  Antwort,  wie  sie  ihm  kein  Phikeoph  der 
Welt  treffender  (für  einen  Militärstaat)  li&tte  vorschlagen  kdnneOf 
nimiich:  „Eine  Torschriftsmäfijge."  Diese  vorschriftamäfiige  Gesinnung^ 
aber  wird  in  Militärstaatea  auch  mehr  oder  minder  vom  C  ivilbeamten 
yerlangt,  nnd  ebenso  reglementm&fiig  ist  die  Beligkm,  die  dort  bean* 
sipmcht  wird. 

Der  Einfluss  der  erwähnten  Trias  auf  das  Schulwesen  in  ganz 
Deutschland  ist  ohnehin  schon  unverkennbar,  und  er  dürfte  wol  noch 
weit  starker  hervortreten,  wenn  es  zu  einer  Reform  des  gesammten 
Schulwesens  der  einzelnen  deutschen  Staaten  nach  preußischem  Vor- 
gange mvl  Vorbilde  kommen  sollte.  Schon  seit  geraumei*  Zeit  wird 
auch  in  Süddeutschland  über  den  schneidigen  Luftzug  von  Nordosten 
her  überhaupt  und  speciell  über  das  KiTiflringen  des  Militarismus  in 
di<>  Schulen  lebhaft  geklagt.  Da  verlangt  wird,  dass  die  hölieren 
Schulen  in  ihi'er  Organisation  die  Einrichtungen  de«  df^utschen  Heer- 
wesens berücksicht]2-0Tu  licet  es  mhp,  dass  der  Militarismus  gerade 
auf  die^e  Schulen  einen  bedeutenden  Kinflnss  ausübt,  indem  sif  si-h 
diesem  E!nfln«se  leicht  auch  über  die  unmittt  llnui  u  J'orderungeu  dos 
Staates  hiiiiins  hiiiü»^)  *  n.  Wenn  jedoch  von  einer  Kelbrm  des  höheren 
Schulwesens  die  R-de^  ist,  so  ptiegt  man  dabei  hauptsüchlich  nnr  «  hk 
Beschränkung  de»  Stidtcs  in  manchen  Unterrichtsgeiieustaiiden  sowie 
eine  Erweiterung  de.sselben  in  andt-ren  ins  An^e  zu  frissen.  Mit 
einer  ^n]  lun  Reform  aber  kann  uns  svenig  gedit-ui  seiü,  da,  wie 
Diester  weg  hervorhebt,  unser  höheres  Schulwesen  gerade  in  seinem 


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—   383  — 


Frincip  yeifeblt  ist.  Beaeuslmend  tlir  dieses  Princip  und  die  Bemän« 
telmig  desselben  ist  es,  wenn  ein  Verfasser  vielveibreiteter  Lehrbücher 
f&r  das  Griechische*)  bemerkt,  dass  in  den  Scbiügnuiiiiiatiken  von 
Bsltmaim  der  Tam  breiter  Entwickelnng  vor  der  dogmatischen 
Kfirze,  die  man  von  einer  modernen  Schnigrammatik  fordern  mfiase, 
vorherrschend  sei.  Das  klingt  nicht  gerade  so  bedenklich,  wenn  man 
den  Nachdinick  aof  den  Gegensatz  der  Kürze  zur  Breite  legt.  Man 
fibersehe  jedoch  ja  nicht,  dass  ebenso  der  Entwickelnng  das  Dogma 
entgegengestellt,  dass,  um  es  in  unverbliimtem  Deutsch  auszudrücken, 
dem  Einpauken  das  W  ort  geredet  wird.  Wenn  also  aucli  durcli  eine 
sogenannte  Schulreform  ein  Theil  des  bisherigen  Untern f^htsstottes  be- 
seitigt wird,  so  liegt  die  C^efahr  nahe  genug,  dass  das  Einprägen  von 
dem,  was  davon  noch  übrig  bleibt,  mit  um  so  größerer,  der  militri- 
lischeu  entsprechenden  Schn^^idi^rkeit  betrieben  wird,  und  das  biekerige 
Princip  bleibt  dabei  unei-s^chüttcrt. 

Wie  es  aber  mit  der  Zuverlässigkeit  der  Regeln  bestellt  ist,  die 
Angpru<"h  auf  dogmatische  Gültigkeit  erheben,  zeigt  ein  Einblick  in 
die  II*  iie>tHn  Grammatik f^n  der  alten  Sprachen  tiir  den  Schulg^VTauch. 
Da  1'  h  rLi  -hli<'li  (4elt  l'i  iiUeit  hatte,  mich  mit  den  verbreitet.vteü  der 
neuesten  HilL-.jnittei  inr  Itti  irrammatischen  T^nteiTiclit  in  deii  alten 
Spiuchen  für  die  verse)iiedeii--it  u  Gymnasialclcts,st;u  zu  —  betreunden 
kann  ich  nicht  sagen,  aber  wenigstens  genauer  bekannt  zu  machen, 
könnte  icli  auf  Gi  und  von  Bplpirstt'llen  aus  den  mustergültigsten  Schrift- 
stellern des  Alterthuiiis  nacliweij^en,  wie  viele  von  den  grammatischen 
Regeln,  die  der  Jugend  als  Dogmen  eiugepräs-t  werden,  entweder  ent- 
schieden unrichtig  odei'  doch  zu  einseitig  in  der  vorliegenden  Fassung 
sind,  wenn  hier  der  Ort  daftti*  wäi-e. 

Übrigens  wäre  es  onrichtig,  wollte  man  den  Grundfehler  unserer 
höheren  Schulen  ausschli'  Llli  h  dem  Einflüsse  des  Militär wesens  zu- 
schreiben; er  ist  älter  ai^  das  starke  Hervortreten  des  Militarisii;u>, 
wenn  er  auch  durch  dieses  erheblich  verschlimmert  worden  ist.  Dafür 
spricht  außer  dem  Urtheile  Diest^-rwegs  auch  das  eines  anderen  be- 
deutenden Mannes,  der  zwar  nicht  pädagogischer  Fachmann  war,  dessen 
Ausführungen  aber  zeigen,  dass  er  auch  hier  deu  Nagel  auf  den  Kopf 
zu  treffen  wusste: 

„Sehr  richtig  ist,  was  ich  einmal  irgendwo  gelesen  habe,  dftss 
meere  jetzige  Schulbildung  dem  ProkusteBbette  gleiche.  Was  zn 
lang  ist,  wird  abgeeduaitten,  und  das  zu  kurz  Scheinende  ao  lang 


«)  Kail  Fnak«. 


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—  284  — 


ausgedehnt,  bis  die  jetzt  beliebte  Mittelmäßigkeit  erreicht  ist.  Die 
alte  Scholmetliode  hat  auch  ihre  Fehler  gehabt;  aber  de  war  natOr- 
üclier,  sie  machte  selbstständige  Entwkkelang  nieht  tmmöglich.  Ich 
war  achtzehn  Jahre  alt  und  konnte  so  gai  vie  gar  nichts.  Meine 
Lehrer  glanbtea  auch  nicht,  dass  viel  aus  mir  werden  würde;  aber 
es  hat  ja  noch  gut  gethan.  Wäre  ich  aber  dar  jetsigen  Schulbildung 
in  die  Uände  gefallen,  so  wslre  ich  leiblich  oad  geistig  an  Grunde 
gegangen.  Man  könnte  diese  Art  der  BiMong,  wenn  ein  unedles  Bild 
erhiubt  iet,  mit  dem  Nndetai  der  Gänse  vergleichen.  Es  setzt  blos 
Fett  an,  aber  kein  gesondee  Fleisch.  Eine  mit  sich  abgeschlossene 
Selbstzufriedoihett,  ein  naeeweiaee  Aburtheilen  ftber  alles,  das  sind  die 
Hauptzüge  unserer  Jugend*  Alle  geiatage  Frische,  die  zu  einem  eif olg- 
reichen UnlTersitätsstudinm  durchaus  erforderlich  ist,  geht  verloren; 
die  jugendlichen  Geister  sind  jetzt  wie  Knospen,  die  man  mit  heifiem 
Wasser  abgebrüht  hat;  es  fehlt  ihnen  alle  Keim-  und  Triebkraft,  in 
dem  brodelnden  Hexenkessel  modemer  Erziehung  ist  sie  verloren  ge- 
gangen. Viele  von  meinen  Freunden  unter  den  akademischen  Lehrern 
haben  bei  mir  schon  bittere  Klagen  erhoben.  Ich  habe  infolge  davon 
mehrfach  Gelegenheit  genommen,  mit  hochgestellten  Männern  zu  spre- 
chen. Alle  waren  mit  mir  einverstanden,  aber  zur  Abhilfe  ist  nichts 
geschehen.  In  Deutschland  gehören  netto  zwei  Jahrhunderte  dazu, 
eine  Dummheit  abzuscha&n,  eines,  um  sie  einzusehen,  das  zweite,  um 
sie  zu  beseitigen." 

So  lautete  das  Urtheil,  das  Alexander  von  Humboldt  bereits  im 
Jahre  1855  über  unsere  höheren  Schulen  gefällt  hat,  und  es  lässt  sich 
gewiss  nicht  behaupten,  dass  dieselben  gegenwärtig  ein  eräreulichei'es 
Angesicht  zeif^en 

Mit  dem  erwähnten  „doH-matf scheu-  (iange  des  grammatischen 
Unterrichtes  stimmt  mirh  di*'  Mehauptung  der  Vertheidiger  der  mo- 
dernen G5*mnasipn  iitiereiu,  dass  der  Gymnasialuntemcht  im  Ge^cTi- 
satze  zu  dei-  elementaren  Methode  der  Volksscbnle  voti  vornherein 
„wissenschaftlich"  verfahren,  und  dass  der  S  h  ilLr  im  glichst  früh 
lernen  müsse,  was  ein  System  In  iiie.  Allem  das  ist  der  Gang  der 
Wissenschaft  durchaus  nii  lit.  Keine  Wissenschaft  beginnt,  wenn  sie 
den  Namon  Wissenscliati  \\  irklich  verdienen  will,  wenn  sie  auf  selbst- 
stäudiger  i^orschung  iiml  nicht  auf  blindem  Nachbeten  beruht,  mit 
Systematik,  sondern  schließt  damit  ab.  sie  registrirt  blos  zuletzt  die 
Resultate  ihrer  Forschungen  in  ein  System.  Es  wird  also  mit  obiger 
Behauptung  ein  Gegensatz  zwischen  Pädagogik  und  sonstiger  Wissen- 
schaft aulgesteUt,  der  gai*  nicht  besteht.  Dei*  Weg,  den  wir  in  der 


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—   285  — 


Pidagogik  als  den  elemeoitAreti  bezeichnen,  ist  gerade  zugleicli  der 
triasenschaMiche.  Wie  sich  eine  naturgemäße  Pädagogik  bestrebt, 
dem  Schüler  einen  klaren  Einblick  in  das  Wesen  der  Gegenstände  zu 
verschaffen  und  ihn  zu  selbstständigem  Urtheilcii  zu  tLiliicii,  so  ist 
auch  jede  einzelne  Wissenschaft  auf  freie  und  selbstständige  Forschung 
gerichtet.  Wenn  also  der  Verfasser  des  Buches  über  Rembrandt  be- 
hauptet: „Alle  Wissenschaft,  oh  dentsrh  oder  nicht,  ist  ihrem  8:an7en 
Wesen  nach  un?omehm",  so  liat  ei  dabei  ein  Zerrbild  der  Wissen- 
schaft im  Auge,  nicht  die  Wissenschaft  an  sich.  Denn  die  wahre 
Wissenschaft  ist  nicht  blos  empfangend,  sondern  auch  schöpferisch. 
Bemühen  wir  uns  ;iber  vorwiegend,  dem  Schüler  die  fertigen  Systeme 
der  Wissenschaft  in  „dogmatischer  Kürze*"  fest  einzuprägen,  statt  ihn 
zum  selbstständigen  Grebrauche  seiner  Greisteakrifte  zu  ifthrea,  so  ar- 
wir  dadurch  der  Wissenschaft  geradezu  entgegen  und  dür&n 
uns  nicht  wiind«ni|  wenn  darüber  geklagt  wird,  dass  es  nnseron 
KrziehBngBwesen  an  aller  Keim-  nnd  Triebkraft,  den  dentscheii 
fielehrten  an  aelbststindigiem  Denken  nnd  nnaerer  WJflsenachaft  an 
IMoethrittt  fbhlt 

Übrigtns  ist  der  Ifilitarianns  noeh  nicht  gleidimiftig  an  onseren 
Maehen  Gymnasial  dorchgedrangoL  Einerseits  gibt  ee  eine  Anzahl 
TW  Mnsteranstalten»  die  den  Tagen,  von  denen  man,  wie  es  im  Re- 
quiem heißt,  sagen  könnte: 

Judex  ergo  cum  sedebic, 
Quidquid  hriiat  adptMUt, 
Nil  inQltttm  leiMiieMt 

Kit  großer  Seelenruhe  entgegensehen  können.    Hier  ist  alles  genau 

Bach  militärischem  Zuschnitt  eingerichtet,  auch  die  Haltung  der  Schüler 
zeugt  von  militärischer  Exactiieit.  Die  Pensa  für  die  einzelnen  Jahres- 
abschüitte  sind  den  Schülern  in  für  jeden  Tag  genau  al)gemesseneu 
Ijosen  dargereicht  und  in  dogmatischer  Küi'ze  einverleibt  worden, 
i'ürmeü  und  Reirt  lii  sind  ihnen  in  streng  systematischer  Ordnung  vor- 
gefuhi't;  aber  ist  auch  dafür  gesorgt,  dass  alles  nicht  blos  in,  run- 
dem auch  außer  der  Reihe  gehörig  iejsLsirzt.  Auch  ist  der  Eintritt 
luitischer  Tage  darcli  rechtzeitig  vorherfrelieii  le  Jiepetitionen  genügend 
vorgesehen.  l>emgeniäß  ptlegen  auch  außerordentliche  Prüfungen  an 
s<)lchen  Anstalten  einen  befriedigenden,  ja  parademäßigen  Verlaut  zu 
nehmen.  Es  bedarf  blos  des  Druckes  auf  eine  Feder,  um  den  Apparat 
spielen  zu  lassen,  nnd  der  Mechanismus  wird,  wenn  nicht  ein  ganz 
verwartetes  Hindernis  eintritt,  auch  einer  fremden  Hand  gegenüber 
Mine  IHeoste  nicht  Tersagen.  Alle  Extemporalien-  und  Exercitien-' 


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—   286  — 


hefle,  die  wälirentl  d«  r  lus^pection  in  sorgfältiger  Symmetrie  aufgebaut 
auf  den  Tischen  ließ:en,  zeigen  genau  dieselbe  Fai-be  und  Größe,  und 
ilire  Umschläge  tragen  sämmtlieh  die  vorschriftmftßigen  Etiketten. 
Obenauf  auf  den  in  strenger  Reihenfolge  nach  der  Fehlei-zahl  geord- 
neten Heften,  liegen  die  großen theils  fehlerfreien  der  Mnsterschfller; 
aber  auch  die  Arbelten  der  schwärzesten  BOeke  unter  den  Schülern, 
die  sich  unter  denen  der  Elite  und  des  Mittdschlages  verbergen,  dtifa 
sieh  noch  sehen  lassen.  Die  Kritik  Uber  das  Anbringen  des  Dttoms 
der  Abgabe  und  Btickgabe  jeder  Arbeit,  dfo  bestimmte  Breite  des 
Bandes  der  Seiten  etc.  llssi  sich  in  das  Wort  vorsdiriftniftftig  su* 
sammeofuseii.  Was  sidi  sonst  noek  in  äm  Scbnlsimmm  dem  Aage 
daibietet,  ist  genau  geordnet  aadi  MaB  md  Zahl  md  macbt  den  Ein- 
dniek  darselbeD  Symmetrie  wie  eine  modenie  StraBenreike  in  Beriin. 
Wir  lassen  die  Blicke  in  die  Hobe  sekveifen:  aber  kein  Spinngewebe' 
an  der  erhabenen  EnppeL  stfet  den  Eindruck  der  Wurde  des  Tempels 
der  Wissenschaft;  daftr  bat  der  Pedell,  ein  frttberer  ünterolldier, 
weislieh  gesoigt  Derartigen  Besnltaten  gegenftber  mnss  gerade  dem 
eingefleischtesten  Bareankraten  das  Hera  im  Leibe  lachen. 

Daneben  gibt  es  aber  no«b  eine  Ansahl  dentscher,  wenn  anch 
nicht  sowol  prenEiscber  Gymnasieii,  die  MiUtfarwesen  UiUtarweseii  nnd 
Bnreankratle  Bnreankratie  sein  lassen,  soweit  ihnen  mcht  gesetdiebe 
Bestimmungen  die  Bertteksichtigung  beider  onmitteLbar  aur  Pflicht 
machoi,  nnd  möglichst  anberilhrt  von  ihnen  ihren  Zielen  mstreben. 
Solche  Anstalten  werden  sowol  den  meisten  Laien  als  den  borean- 
knrtisdien  Sdrabnännem  nngleicfa  weniger  imponiren.  Forscht  man 
bei  den  Schlllem  derselben  nach,  ob  sie  die  lateinische  nnd  griechische 
Grammatik  ebenso  glatt  abkngeln  können  als  die  der  vererwUiBten 
Hnsteranstalten,  so  dürfte  man  sich  leicht  enttOnscht  fthlen.  Lernt 
man  diese  SchQler  aber  genaner  kennen,  so  wird  einem  besonders  anf* 
ihUen,  dass  sie  ein  entschieden  wirmeres  Interesse  ftr  die  ünterriehts- 
gegotttlnde  nnd  ein  ungleich  leibhafteres  eigenes  Streben  besitsan  als 
jene,  eh  Streben,  von  dem  sich  annehmen  Usst,  dass  es  anch  Uber 
die  Zäi  des  Schnlbesnchee  hinaus  nachhalten  wird.  Vergleldit  man 
sie  femer  in  moralischer  Hinsicht  mit  den  Sehttlem  der  Bliteanstalten, 
so  ftUt  dieser  Vergleich  ebensowenig  xu  ihren  Ungunsten  ans.  Vor 
allem  kann  man  die  Wahrnehmung  machen,  dass  sie  das  grOflem  Ver- 
trauen, das  ihnen  entgegengebmcht,  und  die  giOflere  Selbststlndigkeit, 
die  ihnen  eingeriumt  wird,  anch  an  verdienen  trachten,  und  daes  es  ' 
besonders  im  Punkte  der  Auflrtehtigkeit  weit  besser  mit  ihnen  bertellt 
ist,  und  Jeder  Erzieher  weiß  ans  Erikhrung,  wie  viel  andere  wert?dlle 


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—  287   —  i 

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Tugenden  sich  gerade  hii  diese  eine  kimpfeu.    Zu  sehr  ins  einzehio 

gebende  Vorscbritten  dagegen  und  das  Misstrauen,  das  in  einer  zu  ' 

peinlichen  Controle  der  Schiller  liegt,  üben  eine  ungiliisdge  Wirkimg 

«■f  die  Lauterkeit  des  Charakters  derselben  ans. 

L.  behauptet  allei'dings:  „Sicherlioh  ist  der  moralische  Gcwimi, 
ipelehor  dnroh  die  Militarisimng  der  heutigen  gebildeten  JugoEd  oit- 
stAt,  ireit  grOtor  als  der  YerloBt,  welcher  dabei  durch  «ine  thdl« 
ii«iae  BichtiiDg  wh  Äntoliehie  und  £itie  sush  «gibt'*;  ÜBnier:  »Das 
preoiUiclie  EmnsizraglaiiMBt  liat  din  Denlidieii  kfliperUch  wie  ntUieh 
geldirt»  irieder  «nfreehft  si  gehcD.*  Aber  er  ibenieht  dabei,  daas 
diese  BeiumptmigeiL  in  grellem  Widenpmcfa  m  eeiaen  Fordenmgen 
stehen,  daee  akk  die  Endehuig  gani  an  die  Natnr  la  halten  habe, 
nd  dass  der  LidividaallBmas  der  sergfältigsten  Pflege  bedttrfe.  Er 
bedeiM  ebeaeowenig»  daas  das  Selbatbewasslaefai  der  Deatacheii  bereita 
ervacbt  war,  ebß  sich  die  aUgeindne  Ififitarisimng  volliogai  hatte; 
dass  das  von  diesem  Selbetgefühle  e:etra^ene  Streben  nach  nationaler 
Einheit  längst  tief  in  unserem  Volke  lap:  und  niclii  auf  Commando 
entstaiiileii  ist,  dass  es  sich  vielmehr  tr(»tz  lancen  imd  M'hweren  Gef^en- 
druckes  lebendig  erhalten  hat.  Wirkliche  ]kl(>ral  lässt  sich  nicht  durch 
den  Drill  erzeugen;  die  entßfegeugesetzte  Moral  aber  lässt  im  stii  h. 
sobald  der  Corpo raistock  aufhört,  ihr  Nachdruck  zu  verleili^n.  Als 
dieser  Corporalstock  löüü  seine  Zauberkraft  eimrebüßt  hatte,  apiiel- 
lirten  hochherzig«  Patrioten,  wie  Steiu  und  Scharniiorst.  zur  Rettung 
des  Vaterlandes  an  den  Volksgeist  und  wnssten  ihn  durcii  freisinnige 
Institutionen  wieder  zu  beleben,  und  ihr  Vertrauen  auf  den  Volks- 
geist, das  ihrem  Kopf  wie  ihrem  Herzen  gleich  viel  Ehre  macht,  sollte 
sich  bald  glänzend  bewähren.    L.  verkennt  selbst  die  „theüweise 
Kichtung  aof  das  Äußerliche  und  £itle'*  aickt;  aber  er  scheint  die 
nahe  liegende  Gefahr  nicht  za  ahnen,  das  diese  Bichtnng  aus  einer 
thttüweisen  Oberans  leicht  zur  vorhemNilieDden  werden  kann.  Sachen 
M  aber  andere  deitsche  Anstalten  die  preußischen  zum  Muster  zu 
Mlimen,  so  ist  es  gerade  das  JLotoUohe,  worauf  sie  dabei  am  lelch- 
testen  TerfUIen.  PreaUsehe  Beetimmiingen  dagegen,  die  wiiklich  ernste 
Meniging  wdienen,  finden  weniger  BerQcksiclitignng.  Bamntei* 
g«to  &  B.  die,  nach  weicher  die  alten  Ctaaaiker,  anek  die  Prosaiker 
sstir  ihnen,  dudiaaa  nicht  daaa  benotst  werden  sollen,  nm  den  8ehflp 
latebisohe  nnd  griechische  Orammatik  beizubringen.  Wie  viele 
i      tasehe  GynuiaaieD  mOgen  es  wol  sehi,  die  sich  gerade  diese  Be» 
*>teQng,  die  tthrigens  wol  anch  fttr  die  meisten  Phüokgen  in  Prenfien 
W  aaf  dem  Papier  besteht,  ernstlich  aar  Bichtschnnr  nehmen?  Ver- 


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—   288  — 

g^eieht  man  aber  die  GjriBiutaleB,  wo  die  Eniehimg  noeh  niaht  ganz 
als  NebeoMdie  gilt,  Anstalten,  die  Mlioh  der  eckte  Bnreankrat  nur 
als  solehe  aweiter  GHlte  betraebtet,  nicht  biet  im  InMUehen  und  Vi^ 
wesentUcben,  sondem  besonders  in  den,  wotanf  wirUiebe  Büdnngr 
beroht,  mit  jenen,  die  dem  ndUtAriscb-bnreaakratiBcbea  Ideal  mebr 
entsprechen,  so  wird  dieser  Vergleich  die  obigen  Bebaoptungen  L/s 
keineswegs  bestätigen. 

Gia^Udierweise  bat  das  Militftrwesen  noch  nicht  den  g^dchen 
Einflnss  auf  die  Volkssohnlen  wie  anf  das  höhere  Schulwesen  geübt; 
aber  anbertthrt  sind  aneh  sie  nicht  davon  j^ebUeben,  nnd  weitere  Ge- 
ibhr  ist  im  Versnge. 

Wie  vOlUgr  nnfrnchtbar  aber  im  besten  Falle  der  Versaeh  ist,  die 
Volksschnle  mit  den  Anforderongen  des  Heerwesens  in  Einklang  ni 
setzen,  das  haben  die  von  der  Allgemeinen  dentschen  Lebreryersamm- 
long  in  UftunhAim  im  Jahre  1891  Uber  diesen  Gegenstand  angenom- 
menen Thesen  genugsam  gezeigt.  Sie  mögen  aar  bequemeren  Ter* 
gegenwirtigung  hier  folgen: 

1.  Wenn  auch  die  Sehnte  nicht  Torzogsweise  den  Zweck  hat,  ftr 
den  MÜitirdienst  vorzubereiten,  so  mnss  sie  doch  dnieh  Untenidit 
und  Ersiehnng  die  mtonlidie  Jagend  befthigen,  dass  sie  kOrperlidi 
und  geistig  den  Anforderungen  entsprechen  kann,  welche  der  Heeres- 
dienst an  sie  stellen  moss: 

2)  die  Sdnde  kann  in  diesem  Sinne  nur  dann  thfttig  sein,  wenn 

a)  ein  befiüiigter,  pfllchtgetrener  Ldirerstand  in  derselben 
wirkt; 

b)  durch  eine  grOndtidie  kftrperüche  Ausbildung  dem  Vater- 
land eine  gesunde,  thatIcrSftige,  mann-  und  wehrhafte 
Jagend  hersngebildet  wird; 

c)  der  Unteiricht  nach  Methode  und  UmlSuig  aUea  Anfor- 
derungen der  aielbewussten  Pidagogik  der  Neuzeit  ent- 
«pnßki,  Begeisterung  für  das  Yateriand  und  opferwilligen 
Sinn  Ar  dessen  Interessen  eneogt; 

d)  sie  zettgemftft  aosgeetattet  und  geleitet  wird. 

IHe  Antwort,  die  auf  die  Frage,  wie  sieh  die  YoUmscfanle  zu  den 
Forderungen  des  Heeresdienstss  zu  stellen  habe,  yQilig  genUgt  hitte^ 
wäre  gewesen:  Das  Ifilitirwesen  geht  uns  gar  nichts  an,  —  was  aber 
nur  schtlditeni  und  in  zu  bescbrtiikter  Weise  im  Vordetsaiae  von 
These  I  aosgedrHelrt  ist^  Denn  Jede  Volksschnle,  die  kefai  anderes 
Säel  als  das  reiu  pftdagogisehe  kennt,  aber  ihre  Aulisabe  gehilrig  er- 
ftllt,  wird  damit  auch  das  leisten,  was  das  Militftrwesen  MUigerweise 


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—  289  — 


beaDsprachen  kann.  Alles  aber,  was  an  den  oMg«ii  Thesen  wirklich 
unbestreitbar  ist,  stnd  so  selbstFerständliche  Vm^p,  dsss  es  gewiss 
nicht  nOthig  gewesen  wäre,  sie  erst  in  besond  iv  i'hesen  zu  fassen, 
und  enthält  durchweg  Fordenrngen,  die  ftr  jede  Volksadinle  geltest 
einerlei,  ob  sie  einem  Uilittotaate  angehOrt  oder  nicht 

WIbischt  aber  eine  Schule  dem  Heere  gegenftber  ein  Übriges  sa 
tiinn,  so  mnss  sie  sich  ernstlich  fragen,  ob  sich  das  anch  mit  ihrer 
Angabe  Tertrflgt;  von  Seite  des  IfiHtirs  aber  darf  sie  Yon  yom- 
henln  schwerlich  auf  Dank  rechnen.  Von  mtseren  Offideren  kann  man 
nlodicli  hAren,  dass  sie  alle  Becmten  erst  »endehen"  mItaBten;  Uber 
die  Volkssdiale  aber  pflegen  sie  sehr  geringschätzig  m  artheilen. 
Dieses  ürtheü  wäre  gewiss  sehr  beschämend  Ar  den  Lehrer,  wenn 
daranf  irgend  weiches  Gewicht  an  legen  wäre.  Wenn  Pestalozzi  nor 
die  Menschlichkeit  selber  als  Zid  der  Erziehung  bezeichnet,  so  wäre 
es  mehr  als  kühn,  beim  ünterofficier  das  gleiche  Erziehungsideal  vor- 
auszusetzen. Wollte  eine  Schule  gerade  das  besonders  berücksichtigen, 
worauf  ea  beim  Milil^di  hauptsäcliUch  ankommt,  so  kunnie  das  nur 
anter  Preisgebung  der  wertvollsten  Gnmdsätze  Pestalozzi's  geschehen; 
andererseits  aber  dürfte  sie  im  günstigen  Falle  nur  die  Anerkennung 
ernten,  dass  die  Schule  die  Keci'uten  gar  nicht  so  fibol  vorgebildet 
half,  lass  aber  selbstverständlich  der  Bildung  derselben  erst  durch 
deu  i?  eJdwebel  not  Ii  (Wp  höhere  Weihe  verliehen  werden  müsse. 

Ganz  ähnlich  wie  mit  dem  Hereinziehen  des  Militarismus  in  die 
Schulen  verhält  es  sich  mit  den  Ansprüchen  derjenigen,  welche  die 
Schule  in  I^arteiinteressen  zum  Tummelplatze  für  politische  Theorien 
gemacht  sehen  möchten.  Freilich  ist  auch  dies  im  Geiste  unserer 
Zeit  Qerade  daran,  dass  neben  dem  militärischen  das  politische 
Interesse  alle  anderen  Interessen  ihst  ganz  Terschlingt,  krankt  unsere 
jetzige  deutsche  Bildung  besonders.  L.,  der  dem  Deutschen  wieder- 
holt empfiehlt,  wieder  etwas  von  dem  fehoien  nnd  tiefen  Oeista  Ham- 
Iflte  in  sidL  anfanehmeii,  scheint  es  im  TgtuViimg  damit  an  ifaideDy 
wenn  er  ihm  noch  die  folgende  Beüehmng  ertheflt: 

«Wie  der  Itaech  in  erster  Linie  ein  »politüBcbes  Thier'  ist,  so 
vt  er  m  aweiter  Linie  ein  Knnstthimr,  nnd  es  ist  der  Fortsehiitt  des 
lik.  gsgoi  daa  18.  Jahihnndert,  dass  man  nicht  mehr  das  Umgekehrte 
ABunamt;  danach  güt  es  nnnmehr  an  nrtheilen,  an  haadefai  nnd  an 
leben.« 

Das  heißt  entschieden  Öl  ins  Feoer  giefien.  Der  jetaige  Dentsdie 
steh  ohnehin  in  einem  Grade  als  politisches  Wesen,  dass  es  wahr- 
1^*%  nicht  nöthig  ist,  ihm  die  Verpflichtung  hierzu  noch  besonders 


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—  290  — 


eiiiEuschärfen.  Ungleich  näher  hätte  es  gelegen,  unseren  lieben  Lwdi* 
leuten  die  Worte  zur  Beherzigung  zn  empfahlen: 

„£in  Nationalleben  ist  nur  dann  wahrhaft  im  Gedeihett,  'wenn 
flebie  Bicbtnngen  mannigfiiltig  verzweigt  dnd;  wenn  der  Lebenssaft 
niefat  all  nach  einem  Zi<t^  geht,  wann  iMt  hier  die  Fflanae  sdMt, 
während  sie  dort  TSitinunert^ 

AUerdiigB  Terdimen  diese  Worte,  die  noeh  an  das  Volk  der 
Dichter  nnd  I>enker  von  ehemsls  gerichtet  wann,  nnsere  Beachtung 
nicht  mehr  nach  der  Seite  hin,  die  Gervfnns  dabei  im  Ange  hatte, 
nmsomehr  aber  nach  der  ganz  entgegengesetiten.  Der  Dentscbe  ist 
nnn  einmal  ein  fiberaas  grUndUeher  Mensch:  seit  er  an  der  Ansieht 
gelangt  ist,  man  dfirfe  sieh  daroh  rein  geistige  Interessen  nicht  an 
sehr  Ton  den  praktischen  abdehen  lassen,  hat  er  mit  dem  Anftftuaen 
anf  dem  Gebiete  seiner  fHlheren  Ideale  schon  bedenkUch  reine  Arbeit 
gemacht  L.  behauptet  aOeRÜngs:  „Das  Volk  der  Dichter  nnd  Denker 
hat  sidi  in  ein  Volk  der  Erieger  nnd  EtDStler  ▼erwandelt*  Wenn 
er  aber  demnach  aonnuit,  dass  das  kfinstierisohe  Interesse  bei  nns 
wirfclioh  in  weitere  &eise  gedrangen  oder  gar  TidksthiDdicli  geworden 
set,  so  scheint  er  Jenseits  der  Alpen  fut  alle  Ftthlnng  mit  dem  hei- 
matlichen Leben  verknen  an  haben;  denn  in  seinem  Yateriaade  hätte 
er  diese  Entdeckung  aehwerlich  gemaeht  FOr  Tiele  Deutsohe  konunt 
die  Kunst  oder  auch  die  Wissenschaft  kaum  in  dritter  oder  rieiier 
lanie,  ja  Ittr  Tiele  eodstiren  sie  äberiianpt  nicht,  während  fttr  eine 
grolle  Ansah!  das  Interesse  Ahr  die  Tersehiedenen  Arten  des  Sportee, 
tßat  das  Skatspiel  und  dergleichen  anmittelbar  nach  oder  aach  wd  vor 
dem  flir  die  Politik  kommt  VieliSush  ist  das  Interesse  ihr  die  Ennst 
aoeh  ein  Uos  seheinbares,  indem  es  entweder  als  aom  guten  Ton  ge- 
kärig  gOt,  Sinn  für  känsflerieehe  Bestrebungen  zur  Schaa  zn  tragen, 
oder  aidi  die  Vorliebe  des  Pablicnms  gerade  dem  anwendet,  was  Uos 
Tendens  nnd  Hodesache  in  der  Kunst  ist  Auch  hier  weift  L.  wieder 
Öl  ins  Feuer  an  gieften,  indem  er  uns  emsdhäxft:  ^Man  soll  aneh 
etwaigen,  bei  ihrem  ersten  AulMen  abnorm  erseheinenden  kfinst- 
lerisdien  Perstaliehkeiten  verständigerweise  Bechnung  trugen.**  Ge- 
rade der  ihm  so  unqrmpathische  „heUängige"  Berliner  kommt  dieser 
Forderung  aelbet  bis  asm  Übermafte  entgegen,  indem  er  soldien  Pera&n- 
Uchkeitea,  die  auf  den  Turschiedensten  Gebieten  dar  Kunst  auftaudma, 
sogar  in  unverständiger  Weise  »Bedmung  trägt*'.  Denn  die  Kunst, 
die  von  der  Ansieht  anageht,  dass  Kehriehthau&n  die  geeignetsten 
Orte  seien,  um  Stoff  ÜBr  die  Poesie  zu  sammeln,  dass  sieh  das  BÜd 
der  Welt  am  vollkommensten  und  trenesten  in  ChMken  spiegele,  und 


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—  291  — 


dass  demgemäß  auch  der  Künstler  zu  veriährea  habe,  hat  gerade  in 
Berlm  ihr  dankbai*stes  Pablicum  gefandeD,  während  man  ihr  in  klei- 
neren Städten,  wo  man  noch  nicht  einsehe  gelernt  hat,  dass  Goethe 
„ein  altmodischer  Heir^  und  Schiller  „nur  noch  eine  historiflehe  Größe" 
istf  weit  kritischer  gegenüber  stobt.  Es  fragt  sich  nur,  ob  entweder 
der  biedere  Frovimiale  noch  so  weit  in  der  Oultur  hinter  dem  er- 
kttehtetflü  Bewolmer  der  BeiebBhaiiptatodt  snrOck  ist,  dass  er  die  Lei- 
itiuigen  modenistor  Kunst  nidit  in  ibror  gsiuen  Hohe  und  Tiefe  «i 
eriessen  Termag,  oder  ob  er  Tielmehr  noch  gesunden  Sinn  genug  be- 
atrt,  im  MhistteriseTie  Verfarrnngen  vnd  Aisswllchse  aJs  sokfae  zn  er- 
kennen md  naeh  Gebttr  znrllokniweisen.  Vorttnlig  scheint  das  dentsehe 
Volk  noch  keine  genügende  Yeranlaaswng  sn  finden»  um  sdnen.  Ge- 
schmack dnrsh  die  Mosen  und  Gramen  in  der  Marie  bilden  sm  lassen. 

W&hrend  der  Sänflnss  des  Militärweeeos  anf  die  Yolkssebnlen 
weniger  stark  als  bei  den  höheren  Sehnlen  h^ortritt,  ist  es  unver- 
kennbar, dass  sieh  der  der  Hierarchie  um  so  starker  bei  ihnen  geltend 
macht.    Überhaupt  sind  sich  Kriege-  und  Piiestergewalt  viel  näher 
verwandt,  als  ei>  aul  den  ersten  Blick  erscheint,  und  wie  vortretriich  sich 
beide  zu  vertragen  verstehen,  lehren  zahlreiche  Blätter  der  Geschichte. 
Jii  besonders  drastischer  Weise  haben  es  bekanntlich  einst  die  gesporn- 
ten Bekelirer  in  den  Sevennen  bewiesen,  "wo  freilich  die  blanken  Degen- 
spitzen  de!-  Drag'oner  eine  TK)ch  viel  eindnnyürliere  Beredsamkeit  enl- 
wick\dteii  als  die  feurigsten  Worte  der  von  ihii>  :i  uut^^rstützteü  .]ebiät4ön. 
Inu'ch  welche  von  beiden  Mächten  aber  die   deutsche  Pädagogik, 
die  sich  einst  im  Auslande  eines  hohen  Ansehens  erfrt'uto.  dort  am 
meisten  in  Misscredit  gebracht  worden  ist,  durfte  nicht  allzuleicht  zu 
entscheiden  sein.   Bezeichnend  filr  die  Stimmong  des  Ausländers  aber 
ist  es  jeden&Us,  dass  dieser,  sobald  er  in  einei'  deutschen  pädagogischen 
-Abhandlung  der  „Stärkung  des  religiösen  Elementes"  gedacht  findet, 
sofort  von  Misstraoen  gegen  den  Autor  erfasst  wird.   Und  doch  bietet 
jeoer  Aosdrock  an  und  für  sich  dorchans  keinen  Anlass  zu  Bedenk« 
hehkeiten.  Denn  darftber,  dass  die  religiöse  Bildung  des  ZOglings  anf 
da«  soigfUtigste  zu  pflegen  sei,  sind  ja  alle  hervorragenden  Pädagogen 
«iilg,  und  aneh  dm  Ansttnder,  der  sich  an  die  erwähnten  Worte  m 
^tßkm  pflegt,  steht  dämm  dnrchans  nicht  im  Widerspruch  mit  der 
«luiiMhen  Pädagogik.  £2r  rermathet  aber  mit  gutem  Grunde,  dass 
lieh  hinter  jenei*  „Stärkung  des  religiösen  Elementes"  in  der  Begel 
<he  Propaganda  nir  das  wbirgt,  was  w  unter  dem  Namen  «preu- 
ftlaehes  Ohristenthnm''  zur  Genüge  kennen.  Dieses  Ohristenthum,  das 
l^eswegs  ansBchUefilich  auf  preußischen  Boden  gedeiht  und  gepflegt 


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—   292  — 


wird,  ist  nicht  zum  weuigsten  die  Ursache  für  die  sehr  geringe  Ver- 
trantheit  der  meisten  deutsclien  Lelirer  mit  Pestalozzi.  Wer  bezweifelt, 
dass  diese  Vertrautheit  wirklich  eine  so  ^rering'e  sei,  mag  mir  etwas 
genauer  nachforschen,  und  er  wird  anf  ganz  iiberraschende  Resultate 
stüßeu;  ja,  er  kann  sogar  von  deutschen  Seminarlehrem  hören,  dass 
der  Standpunkt  Pe8taloz2sis  gegenwärtig  längst  überwunden  sei.  Diese 
Erscheinung  ist  entschieden  großentheils  auf  den  Einfliiss  der  lierrschen- 
den  Kirche  anf  die  Seminare  zuiückmifilhren.  Allerdings  beruht  der 
Umstand,  dius^  das  von  Pestalozzi  begonnene  und  von  Diesterwej^ 
getorderte  Werk  in  seiner  freien  Entwickelung  durch,  die  Arbeit  der- 
jenigen, welche  die  Sprache  der  Pädagogik  mit  einem  barbarischen  philo- 
sophischen Rothwelsch  durchsetzt  liabtii,  stark  gehemmt  worden  ist, 
zvan  Theil  auf  der  oben  erwähnten  weit  verbreiteten  Verwechselung 
von  Systematik  und  Wissenschaft,  obwol  es  ja  unbestreitbai'  ist,  dass 
ein  System  auch  in  hohem  Grade  unwissenschaftlich  sein  kann,  und 
dass  die  Wissenschaft  nicht  selten  gerade  da  ihre  wichtigsten  Ent- 
deckungen zu  verzeichnen  hat,  wo  sie  mit  der  hergebrachten  Systema- 
tik vollständig  gebrochen  hat  Wem  freilich  Pestalozzi  nicht  einfach 
genug  erscheint,  um  dem  Pädagogen  als  Leitstern  fUr  seine  Wissen- 
schaft gelten  za  dttafoi,  dem  ist  nicht  m  helfen.  Denn  das  Genie 
ist  seiner  Natur  nach  ein&ch,  und  seine  Änfiemngen  sind  demgenAft 
„Göttersprftche  ans  dem  Mond  eines  Kindes".*)  Andrerseits  aber  er- 
TSi^toi  jene  Heira  ihre  Erfolge  auch  dadurch,  dass  sie  ihre  Päda« 
gogik  der  enrfthnten  Specialitli  Ton  (Sirfstenthma  anzupassen  wnssten, 
wihrmd  Fettakmi  sstn  efhabenes  2M  rein  von  Sonderinieressea  Ter- 
folgte  und  sieh  demgemäß  nur  an  das  reine  Cfaristenthmn  hiett,  das 
mit  seiner  Lehre  im  innigsten  Einklang  sieht 

Allerdings  kann  sieh  die  herrschende  Kirche  der  ESngidit  iiicfat 
▼ersehUefteo,  dass  die  Lehre  einer  Persönlichkeit  wie  Pestaloul  den 
Seminaristen  vmnöglich  ganz  Torenthalten  ^werden  kann.  ABein  ein 
im  Sinne  des  reglementmäßigen  Christenthums  ertfaeilter  Seminaronter* 
rieht  iraiB  genügend  Sorge  dalllr  in  tragen,  dass  ihnen  diese  Lehre 
nicht  onwwissert  dai^boten  irird;  am  wenigsten  eher  wird  er  den 
kflnfdgeai  Lehrern  einschärfen,  dasa  man  den  gro6en  Mann  vor  allem 
ans  seinen  Werken  seihst  kennen  lernen  mflsse.  Dagegen  wird  der 
musterhafte  Seminarlchrer  nicht  wÜBhlen,  Peetaloid  iwar  eineraeitB 
als  VoihOd  inr  Nachahmung,  aber  andrerseits  sogleich  als  warnendes 
Eiempel  hinanstelleni  da  es  ihm  an  dem  geMilt  habe^  was  voniehmlieh 


•)  Sdiiller. 


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J 


den  Christea  auMiiachr.  ubwul  iler  Stifter  unserer  Religiuii  in  dcut- 
licheu  und  nachdrücididien  Warten  auisgeäpiückeu  Lat,  dass  das  Wesen 
seiner  Lehre  in  etwas  ganz  anderem  Uegt,  als  in  dem,  worin  es  viele 
Vertreter  der  Kirche  suclien,  die  seinen  Narnen  trägt,  und  ubwol 
gerade  Pestalozzi  iu  hoh/m  Grade  das  hmJi,  woi^a  der  Meietor  seuje 
Jtager  erkennt. 

„Wie  Ficketu  oimI  Fenenreric  w  der  fiooBe  blase  und  unediein- 
\n  werden,  so  wM  Oeist,  Ja  Genid  und  ebanlrils  die  SebOnheU  tbeat» 
stniih  nnd  Terdmikielt  von  d«r  GtUe  de»  Hmeaa,  Wo  dieee  in  hokttn 
Gmde  lierrertriU»  kann  sie  den  Meafel  jener  Ifiigeoechafkea  so  aehr 
eneteen,  da«  man  aoklie  TOniait  an  habea  sieh  adiiait  Sogir 
der  beeolirinkteete  Verstand  wie  «aoh  die  groteske  HiasUchkait 
wwden,  aolMld  die  ungemeine  Qlite  den  Haneoa  aieh  in  ihrer  Baglai- 
tang  kndgethaD,  gleiehaan  wkilrtt  lunatialill  jm  einer  SdtOnfaeit 
Uherer  Art,  indem  jetzt  aus  ihnen  eine  Weishat  sprüht,  vor  der  jede 
andere  verstummen  muss.  Denn  die  Güte  des  Herzens  ist  eine  trans- 
scendeale  Kigensclialt,  gehurt  einer  über  dit^ses  Leben  hiiiauöreichen- 
den  Ordnung  der  Dinge  au  und  ist  nut  jeder  anderen  Yollkomnienheit 
mcommensurabel.  Wo  sie  in  hohem  Grade  vorhanden  ist,  macht 
sie  das  Herz  so  groll,  dass  es  die  Welt  nmfasst,  so  dass  jetzt 
alles  in  ihm,  nichts  luühr  außerhalb  liegt,  da  ^^le  ja  alie  Wesen 
mit  dem  eigenen  ideutificirt  .  . »  Was  ist  dagegen  Wits  and 
Genie?  Was  Baco  von  Verulam?'**) 

Diese  Worte  Schopenhaners  weisen  lag^eich  daraaf  hin,  woraaf 
luuiptsächlich  das  innerste  Wesen  und  die  welterobemde  Macht  dea 
ObiistenthnmB  aowie  aneh  die  Größe  Peetaiosais  berafat  Wir  können 
fetrost  ym  dem  antegewOhnKelwn  Genie  Pestnleaais  TifUig  abseiheB» 
vad  er  wird  aQein  dnrdi  seine  moraUsdieB  Eigensohaften,  dareh  die 
TDOjge  Hingabe  der  eigenen  PerstaUellkeit  im  Dienste  der  Henseih 
Iwit  noch  eine  der  aafierordentUelisten  Ersdteinangen  in  der  Gesddchte 
Mtiben.  Wer  aber  das  Chiistentiinm  eines  Mannes,  der  den  betden 
Sölten  Gebeten  Christi  in  dem  Maie  nadbgelebt  hat  wie  Pestaloaai, 
n  bemängeln  sodtt»  stellt  damit  nur  sein  eigenes  Cbristentknm  in  ein 
iMSeaUiches  Lieht 

Darauf  aber,  dass  die  Lehre  Pestalozzi»  duich  Opportunitätsröck- 
«äit  üku  tiuf  Dinge,  die  dieser  Lehre  geradezu  widerstreben,  so  sehr  in 
<leii  Hintergrund  gediäugl  iöt|  und  dass  dadurch  die  Begeisterung  tUr 

*)  Axilnir  SABpateer,  Ste  WtU  als  WiUa  vA  Ywitoilng.  IL  8.  SSI.  . 


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—   294  — 

'IHe  PÜagogik  9ib  sebr  erlOMboi  tet,  benilit  sidil  mm  geringsten 
'Thefle  der  Mechaafsmos  an  iBMraii  SomliianD,  ibar  den  gegenvirtig 
'Bt>^  geklagt  wird,  sovift  «ndh  das  Mechaataehe,  was  nnnran 
Tolkasdralnntarrichte  thailwaiaa  iioeli  anhaftet*  and  TiaUieh  nooli  in 
'^mtSrkteui  Matte  luBnrortrftt 

Wer  flieh  ernstlich  za  Peataioaii  bekennen  will,  daif  aoeh  Tor 
^en  vnabweisbarai  Oonaeqaenaaa  aeiiar  Lehre  nieht  «iHMnicheiien. 
-Er  lEann  dfiainaah  mcht  annehmen»  daas  der  üntenieht  in  dar  Religion 
nA  andarea  G^rnndaitaen  vwfrhrgn  ntaBe  ab  der  in  aliaiL  Skidgea 
'^GegenetiadDD)  md  darf  sieh  dar  Erkeuntaia  nicht  vienebliefien,  daas 
'ohne  eine  Bsform  dea  BaligionsanteRififatea  eine  Geaaainrtrefbna  des 
Soholweaens  blos  Stfickirerk  Ueibea  wird»  Der  BeUgtonaantenicht 
jedoch,  den  die  HienrchiB  heanspracht«  mm  seiner  gaaaen  Natar 
oder  vielmehr  Unufttor  naek  «in  jaechaaiaehas  Oepriga  tiagen.  Wiid 
aber  dam  meehaniachen  Tefihhven  im  Baligionanntanlohte  «ine  Stfttte 
«ingectmnt»  so  ist  ea  ÜMt  nnanableihliidiv  dasa  «a  siah  nieht  Uoa  anf 
-diesen  bcBohrflakt,  sondern  «ach  in  aadene  Xjkteixiflhtages^nstftnde 
Ubeigiwft.  Dass  dem  so  ist,  bestttigt  die  Eifiihrong.'  Gans .  nnbe- 
«grMat  aber  ist  die  Befttrefatangt  daas  der  BeUg;ionsantemcht,  wenn 
er  den  ganzen  Measehen  za  berttcfcaiahtigen  aaoht,  wann  er  demnach 
iaodi'die  Beebte  «der  Yeminft  gewahrt  wiaaen  wül,  dadoreh  an  Inaig- 
vlceit  cinbttflan  misse.  Eine  p^ycholagisahe  Erihhrvng  lehrt  vielmehr, 
dass  die  Yemimft,  wenn  eie  sich  in  ihren  natOrlichen  Bechten  heeia- 
^trAchtigt  «iehti  nicht  etwa  blas  ^ergisch  flr  diese  Bechte  eintritt, 
soodesn  aaoh  leioht  Uber  die  Oreozen  ihrer  Erkenntnis  hinaosstrebt 
and  dann  jenseits  ihres  Bereiehes  sehr  positiv,  i|nd  zwar  dnrehaas 
nioht  in  religionBfteDndlicheio  Smne  artheilL    Das  bestfttigt  der 
Katerialismas  ältester  nnd  allemeaester  Zeit  Dasa  aber  die  Beligio- 
.aitat  tni  JIftnnero,  in  deren  religiöser  Anschaanng  aich  Hera  nnd  £opf 
in  sehOner  Armonie  befinden,  dadurch  nicht  -an  W&me  nnd  Tiefe 
«mb&ßt,  hat  sich  gerade  an  Pestalozzi  sowie  nach  an  Piesterweg  ge- 
.neigt  .War  doch  das  ganze  Wesen  deraelbea,  das  mit  ihrem  pfida* 
gogischea  Streben  und  Wirken  im  vollsten  BSnklaag  stand,  von  einer 
so  tiefinnerlichen  BeUgiosltät  beseelt  und  durchwfinnt,  dass  ea  auch 
anf  andere  lebenspendend  wirken  nrnsste.  Warum  sollte  also  ein  im 
Qeiste  solcher  ICftnner  ertheflter  Beligionsnntenricht  die  Innigkeit  der 
.  BeUgiositftt  der  heranwachsenden  Generation  beeinträchtigen? 

'Vollzieht  sich  im  preofilschen  Staate  irgend  eine  Yertodemng 
auf  dem  Gebiete  des  Schulwesens,  so  pflegt  man  diesem  Vorgänge 
im  ganaen  dentschen  Beiche  mit  lebhaftem  Intsrasse  an  üolgan  und 


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—  295  — 


"betrachtet  es  vielfach  fast  als  patriotische  Ptlicht,  sich  auch  auf  diesem 
Gebiete  dem  Beispiele  Preußens  äuzuscbließeQ.   Dass  man  sich  im 
übrigen  Deutachland  dem  preuAiichen  Schulwesen  g^eaUber  jueht  ge- 
flissentlich abschließt,  sondern  seiner  Entwickelung  ernste  and  sorg- 
&ltige  Beachtung  widmet^  ist  nicbt  mehr  aia  bflUg.  Verdienen  doch 
Auch  die  SchvlfliiiriQbtwigeii  imserer  kleineren  und  Iflninrtffli  Staaten 
dieae  Beaehtnag;  mipm  aolltaiiL  wir  sie  deafin  das  grOSten  verspgap? 
Dam  kommt»  daas  in  Fraolaa  ein  Lefaierstad  wkt,  dar  m  regem 
Pflifiht^^etnUU,  tranr  Hingabe  an  soinen  Berat;  raafloaer  Eaeigie,  FIM 
nad  Pünktliclikait  ganrias  pucht  lunter,  dam  andarer  Staaten  varflok- 
atabt»  Sa  «ire  aonderliarv  ireDD  daa  Untemcbtawaasii  in  JFjfßv6ieia 
difsen  ISjgenaehaften  der  dortigaa  SehnlnUbiner  nicht  manehas  Gate, 
BMadia  pxaktlsdie  JBiarlehtang  Yardaakla,  wd  ea  fAm  Be&ngen^eit, 
iraUta  man  die  Vorzüge  des  preußae^  Sdralweaeiw  nioli  temdt- 
vilUg  aaerlceDnen  and  zn  Ta*werten  soeben.  Aber  andererseits  dürfen 
wir  ebensowenig  verkennen,  dass  der  preußische  Lehrerstand  unter 
dem  Drucke  einer  Bureaukratie  und  der  Einflüsse  stellt,  denen  diese 
Bureaukratie  selbst  beständig  ausgesetzt   ist,  der  ihn  verhindert, 
seine  höchst  schätzenswerten  Eigenschaften  in   der  rechten  Weise 
zn  entfalten,  vielmehr  diese  Eijjenschaften  leicht  nach  einer  Richtung 
hinlenkt,  wodurch  sie  ihre  ^egeii&ieiche  Wirkung  verlieren  JDüaseu«  ja 
*cgar  entschieden  nachtheilig  wirken  können. 

Sehr  viele  deutsche  Schulmänner  aber  lassen  sich  einfach  dadurch 
blenden,  dass  Preußen  der  groiite  deutsche  Staat  ist,-  und  neigen  des- 
halb zu  der  Annahme,  dass  der  Staat,  in  welchem  die  stärkste  Kopf- 
zahl an  der  Arbeit  fSät  die  Schule  betheiligt  iati  fuicb  die  muster- 
luiftestai  SabnietaridttangBn  besitzen  müsse,  die  man  am  imbedenk- 
Üflhsten  aaiiehman  dürfe,  and  es  li^  ihnen  ferne,  an  die  Möglichkeit 
2u  denken^  dass  vielleicht  gerade  der  größte  j^aat  das  meiste  Qeviebt 
in  SeboWraaen  aaf  daa  KiainUffbe  and  üawaaemülaba  legen  könne. 
WcBji  gieh  im  AHiJawifi  'waniende  Stimmen  aaaaa  die  Nacbabmansr 
dBs  prealischen  «ad  auch  das  daatacben.  Sabalwesens  tUwriiaapt  er^ 
bsben,  aa  Uegt  >  der  Gedanke  niebt  Um,  dass  dabei  Neid  und  l^sa- 
«Uttt  in  S|iaL  sein  dixftai.  Aber  es  fehlt  ajioh  in  nnserem  Vater^ 
liade  nieht  an  eobt  patnotiischen  nnd  dabei  aste  ekfjiBCtaiy  arthaUendsa 
^Agogeo,  die  d^s  gleidie  fiedsqken  began,  dia  ai^  der  Obei^ugung 
iBBbt  vanwUiefieD  kfinneftf  dass  daa  prandlaefae  Sdralwesen  gerade  in 
^'Qner  Qnmdlage  verfehlt  sei,  and  die  darom  in  der  Einwirkmig 
^Wftßäns  auf  die  deutsche  Pädagogik  eine  schwere  nnd  ernste  Gefahr 
^•Wicken.  Einen  so  jjchwerwiegenden  Vorwuii  werden  ernste  und 


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—   296  — 


l>esonnene  Männer  gewiss  Dicht  leichthin  und  ohne  zwiugende  Gründe^ 
sondern  nur  aus  innigster  ÜberzengiiTig  aussprechen. 

Entspricht  aber  die  Grundlage  des  preußischen  Schulwesens  einer 
natnrgemftßen,  von  Sonderintereasen  unberührten  Pädagogik  nicht,  so 
ist  auch  den  Einzelheiten  desselben  gegenüW  eine  vorsichtige  l'iu- 
fung  dringend  geboten.  Eine  streng  objective  Beurtheilung  w  ird  aller- 
dings mancherlei  Beherzigenswertes  in  den  preußischen  Schuk  iiirich- 
tungen  finden;  aber  sie  wird  zugleich  nicht  verkennen,  dass  dies  haupt- 
sächlich auf  Einzelheiten  beruht,  die  mit  den  leitenden  Principien  in 
keinem  Zusammenhange  stehen,  ja  mm  Theil  sogar  von  diesen  Prin- 
cipien wesentlich  verschieden  sind.  Ungleich  mehr  andere  Einzel- 
heiten Mngegeu  müssen  von  voniliHicin  da^  ernsteste  Bedenken  er- 
wecken, weil  sie  eben  auf  jenen  l-rincipien  beruhen.  Bei  Verwertung 
preußischer  Schuleinrichtungen  für  andere  deutsche  Staaten  pflegt  aber 
die  erforderliche  sorgfältige  Kritik  sehr  zu  fehlen.  Findet  man  eine 
dieser  Einrichtungen  wirklicli  z^\(ckmaßig,  so  ist  mau  nui-  allzu 
geneigt,  nicht  allein  ihre  Einfulaung  „mit  Freuden  zu  begrüßen", 
sondern,  dui'ch  die  Zweckmäßigkeit  der  einen  bestochen,  mit  ihr  auch 
andere  kritiklos  in  den  Kauf  zu  nehmen,  die.  man  bald  nachher  gern 
■wieder  los  sein  möchte.  Wie  weil  die^^e  Kritiklosigkeit  gehen  kann^ 
beweist  der  l^iiistand,  dass  selbst  die  Einlegung  eines  besonderen  gram- 
niatischen  Examens  für  die  Gymnasiasten  vor  der  Versetzung  nach 
Prima,  eine  Einrichtung,  gegen  welche  sich  allerdings  die  Lehrer  an  den 
höheren  Schulen  in  Sachsen  sofort  als  eine  nicht  nur  unnütze,  sondern 
sogar  entschieden  nachtheilige  energii^ch  vei*wahrten,  dennoch  ander- 
wärts BeifaU  gefunden  hat,  obgleich  es  keinem  Einsichtigen  entgehen 
konnte,  dass  eben  dieses  Examen  eines  der  unfehlbarsten  Mitted  sei, 
um  die  Krankheit,  an  dei*  besonders  die  unteren  und  mittleren  Gym- 
nasialclassen  leiden,  noch  zu  versdüinimem. 

Übcorhaapt  liegt  in  der  Thatsache,  dass  man  in  Preufien  mit  de& 
Reformbestrebungen  auf  dm  Schnlgebiete  zunächst  bei  den  hOhfirai 
Schulen  begonnen  hat,  die  dringende  Gefahr,  dass  sich  der  didaktische 
Materialismus,  an  dem  nnser  modernes  Seihiihresen  ohnehin  stark  leidet, 
noch  veiter  verbrdte.  Wo  das  hOliere  Sdiolwesen  b»«lt6  vor  jenen 
Beftnrmbestrebang^  in  das  ^Temün  der  Velkssdinle  übergegriffen  hatte, 
öder  wo  sieh  die  Yolksschnle  dem  Vorgange  der  hOher^  Schalen  an- 
geschlossen hatte,  ist  beides  nfe^t  aOein  nun  Ntebtheüe  ftr  die  Volks- 
sdiole,  sondern  flr  die  allgemeine  Bildnng  llberiiaupt  geschehen.  Das 
erstere  zeigt  delt  dft,  wo  ebk  AnAam  der  dymnaaleii  naeh  unten  dnrdi 
GjmnasialToneliiilflgi  edhlgt  ist  und  acnnit  das  wissensehaltiiche  Prin- 


i 

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—  207  — 

dp  schon  rechtzeitig  gepflegt,  d.  b.  der  gedächtnismäüige  Drill  schon 
irüh  geübt  werden  JumsL  Auf  dem  zähen  Festhalten  an  diesem  Prin- 
zip beruht  die  enevgisdie  Verwahrung,  die  viele  Gymnasialdirectoren 
ge^en  die  Anthebung  der  Vorschulen  einlegen.  Der  letztere  Fall 
lie^t  da  vor,  wo  sich  in  Volksschulen  jene  brannten  Oompendien  de» 
flmpfjichHcitwteB  Ar  den  Unteiridit  in  den  Bealien  beindien.  and  so* 
ait  der  Lehrar  in  der  «nrcvendon  Wirknnflr,  diB  er  dnrdi  dns  jDrein 
Mendig«  Wort  «ortben  kann,  nrindoetcgto  bedenkMcft  Iteeiniaricbtigfc  ist 
Es  hat  viele  belrenidet»  daaa  M  der  ZnsamnwBsetmg  der  Com- 
aWon  ftr  eine  Befonn  des  hfllieren  Sdudwesens  in  Frenfien  die 

TiftikapiAiiiii  imii  die  Lebrer  sn  deraelben  so  aar  nicht  berDiiksiditisrt 
votden  sind.  An  md  ftr  sieb  ist  ja  dieses  Befiraaiden  voOstindisr 
begrOndet  Betnebten  vir  aber  die  YerbAltalwe,  wie  sie  in  Wirklieb- 
Jkeit  liegen,  so  müssten  wir  ans  Tidmehr  wundem,  wenn  das  Gegen- 
theil  geschehen  wäre.    Hätte  man  wirklich  die  höhereu  Schulen  iu 
oi^anische  Vei  bmdung  mit  der  Volksschule  bringen  wollen  imd  des- 
halb einsichtsvolle  Volk>scliuimäuiier  mit  zur  BeraLliuug  gezogen,  so 
würden  sich  dabei  sehr  greifbare  unabweisbare  Consequenzen  für  diese 
Verbindung  ei^^iben  haben.   Zunächst  hätte  man  sich  der  Krkfimtnis 
woi  kaum  vt  rschlielit  ii  koiiiuin.  dass  die  höheren  Scliulen.  Im  sonders 
die  Gymnasien,  nach  einem  ganz  anderen  Princip  arln  it*  n  als  die 
Volksschule,  soweit  wenigstens,  als  diese  den  Forderungen  der  Ent- 
wickelungspädagogik  enti^p rieht.    Dass  die  Principien,  nach  denen  die 
höheren  Schulen  einerseits  und  die  Volksschule  andrerseits  verfahren, 
wirklich  veiachieden  sind»  I&sst  sich  auch  dadurch  nicht  verkennen, 
dass  dieselben  weder  hier  noch  dort  —  bei  der  Volksschule  leider 
iwh^  bei  den  büberen  Schulen  glücklicherweise  nicht  —  völlig  rein 
ausgeprägt  hervortreten.  Liegt  aber  eine  veseotlkhe  Versebiedenbfiit 
der  Piind|lea  vor,  so  Wim  die  Frsge  nicbt  an  .ningnben  gewesen,  ob 
es  sieb  denn  wirkUob  yonpidagogisebemSKandpankte  ans  reebtfertigen 
Jaeee,  dass  sieb  die  biberen  Sebnlen  auf  ein  anderes  Frineip  stfltaen 
eis  die  Volbsscbnl»  Bittte  die  Antwort  yemeinend  gelautet,  so  wäre 
^  Frage  unabweisbar  gewesen,  Ukr  wdobes  von  beiden  Frinoipien 
«in  sieb  an  entscheiden  habe,  und  bei  einer  ol^ectim  Benrtbeilung 
bitte  die  Sntsebeidnng  dardians  niebt  swetÜBlbaft  sein  bOnnen.  Damit 
4d)6r  wtre  man  unmittelbar  bei  der  Erkenntnis  angebmgt  gewesen, 
dsas  von  einer  gesunden,  naturgemäßen  und  echt  nationalen  €k>8taltmig 
üseres  ganzen  Schulwesens  nur  dann  die  Hede  sein  kann ,  wenn 
elffimtliche  Schulen  durchaus  aul  gemeinsamer  üruudiage  auiTjaueu. 
-Aber  80  weit  sind  wir  leider  noch  lange  nicht. 


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—  M8  — 


^'ielmehr  bejj^ünstipt  dei-  KTitwickelungsi»iocess,  der  sicli  gegen- 
wärtig in  Preußen  vollzielit,  wo  man  nach  einer  Umgestaltung  der 
höheren  Schnlen  /u  einer  entsprechenden  der  Mittelschulen  zu  schreiten 
gedenkt,  statt  einer  Reform  des  {Schulwesens  von  unten  nach  oben, 
von  innen  hmuis  narh  außen,  eine  solche  von  oben  nach  unten,  von 
außen  nach  innen  und  sichert  rbulurch  dem  Prindp  der  geleluten 
Sclinlen  weiteren  Bestand  und  weitere  Verbreit  un^^ 

Mit  der  Ht-Lainstijrnnc!'  des  Princifts  der  iTyiiiiiamen  und  all  der 
Einflnsse.  v.eli  he  ilieses  Pi  incij)  unterstützen,  hangt  auch  die  bekannte 
Theorie  zusaiiiiin  ii .  da-s  man  das  hr»hen  Schulwesen  sich  historisch 
entwickeln  lassen  müsse,  tmd  dass  dt  -  halb  jede  Schulreform  der  reif- 
lichsten Erwägun?  bedürfe.  Dass  Schulreformen  der  sorgfältigsten 
und  reiflichsten  Erwägung  bedürten,  wissen  wir  so  gut  wie  die  weisen 
Herren,  die  un^  diese  Belehrung  ertheilcn.  Auch  wir  hHl»en  L-^ei^'eu 
eine  historische  Entwickehmg  des  Schnlwesens  nicht  das  iniiideste  ein» 
zuwenden,  insofern  dieselbe  auch  eine  organische,  eine  naturgemäße  ist, 
nicht  aber  der  Natur  sreradezu  zuwiderläuft.  Aber  es  gehört  diircliaus 
kein  besonders  eingehendes  Studium  der  Geschirbte  der  PRdai:ni:ik  dazu, 
um  zu  erkennen,  dass  historisrhe  und  iiaturgemäJie  Ent^ickelung  des 
Schulwesens  keineswegs  immer  Hand  m  Hand  {?e1ien,  und  es  gehört  ein 
äußerst  harmloses  Gemüth  dazu,  um  zu  verkennen,  was  sich  alles 
hinter  dem  zwar  nicht  gerade  alten,  aber  bereits  ziemlich  verbrauchten 
Ausdnick  „historisi  hi  Entwick*  hing  der  höheren  Schule"  versteckt. 

Wie  weit  man  aber  von  tlrni  eigentlichen  Ziele  des  Unterrichts 
vielfach  abgekommen  ist,  zeigen  nicht  blos  die  Reformen  des  höheren 
Schulwesens  in  Preußen,  sondern  unsere  jetzigen  deiit sehen  Schul* 
Reformen  überhaupt.  Man  ptlegt.  wenig  danach  zu  fragen,  ob  das.  was 
taau  bei  diesen  Ve7'ändernnL'"en  beibehalten  oder  auch  neu  hinzufügen 
will,  den  An>pi  ik  iien  der  reinen,  von  Sonderinteressen  freien  Päda- 
gogik vollkMiiiitii  II  entspricht,  und  noch  weniger  denkt  man  daran,  die 
Grnndforderuugen  Pestalozzis  von  vornherein  zum  Substrat  für  jede 
S «  iiuli  pform  zu  machen.  Genug,  man  verfährt  der  Hauptsache  nach 
genau  so.  als  sei  es  die  wichtigste  Aufgabe  der  Schule,  dem  Schüler 
ein  grtHh  ]  e^  oder  jL^eriiir^eres  (^diantum  von  Wissensstoff  einzuprägen, 
und  als  kenne  diese  kern  höheres  niid  wiirdigeres  Ziel.  Man  könnte 
nni  eutiiernien,  d.ass  eine  verzweileli  geringe  pädagogische  Einsicht 
da/a  gebort,  die-i'  Kntdeckung  zu  mai  hiMi,  dass  sich  das  tausend 
andere  auch  sagen.  Gewiss;  aber  scldinnn  «::e!nig,  dass  t'.s  bh)s 
Tansende  sind,  dass  es  sich  nicht  vielmehr  ein  jeder  sagt  und  nicht 
ailgeuiew  danach  verfahi-en  wii-d. 


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I 


Weirn  aber  die  .Sclmle  ihre  eigentliclie  Aufgabe  ao  leicht  vergisst, 
(i&rf  Ii) ein  sich  nicht  wundem,  dass  sie  der  materiellen  Stn^mung  unserer 
Zeit,  iiber  die  ireirt-ii^'-'Hrtio:  in  iiiisereni  Vaterlande  so  sehr  ^^f  kbigt 
wird,  keiübii  wirktaineu  Daiiuii  ( uigegeuzu^etzen  und  ihren  Zöglingen 
nicht  in  genügendem  MaÜe  i:eraile  das  zu  bieten  vermag,  was  ihnen 
später  iu  den  Anfechtungen  des  Lebens  einen  festen  inneien  Halt  ver- 
leihen könnte,  womit  ihnen  unendlich  mehr  gedient  wäre,  als  mit  all 
dem  Wissensstofif,  auf  dessen  Einprägnng  man  so  ängstlich  bedacht  ist. 

Dass  die  iikht  allein  durch  die  herrschende  Zeitströmung  über-, 
tauq^  sondern  auch  durch  die  moderne  Erzietumg  begünstigte  Rieh« 
Img  auf  das  Äußerliche  und  Eiüe  bereits  TurklagmsvoUe  FrUohta^ 
getragen  hat,  kann  keinem  tiefer  btickepdeB  Auge  entgehe».  UoBere 
YvMam  MÜttia  velt  ein^Mhere  und  beadieideDere  Anspmcbe  an 
dae  Daeeiii  als  das  jetzige  Ghiscbledit  und  wwton  eben  dadurch  ihr 
Lbben  znfrisdeiier  ond  glftddiclier  sa  gestelteii.  Nur  inaeÜBrn  kOiate 
BU  eie  aiMpmbffirolkr  iMonen»  als  sie  nater  die  reeOea  BedftrfinsBa 
4m  Lebens  aooli  die  hiAerea  Litemsen  reebneten,  Heatnttage  da^ 
geiben  Tide  der  BOokslebt  auf  die  Beiffieentatieii,  auf  den 
aMn,  auf  ein  leeres  Nidits  wiiUidie  Lebsnsbedfiritaisse  preis,  and 
ist  daan  Jener  Schein  Terloren  gegangen,  der  ihnen  aUes  war,  ee  hat 
für  ^e  das  Dasein  jeden  Beiz  verloren,  weil  es  ihnen  vollständig  an 
altem  gebricht,  wajs  dem  Leben  seiueü  tieferen  (iehalt  und  eigentlichen 
Wert  verleiht.   Unsere  politischen  Zeitungen  freilich,  zum  Theil  eben 
dieselben,  welche  sich  bemühen,  der  großen  Menge  des  Volkes,  die 
nicht  zu  erkennen  vermag,  dass  die  neuern  Philosophie  in  allen  Haupt- 
sachen nicht  über  Kant  hinausg*  k  nmiu  ii  ist  .  die  soprenannte  moderne 
reli^riöse  Weltnnschauiiuu^  zu  preiligen,  und  ihr,  indem  sie  diese  für 
wis^^üschaltlich  bcL^rinKkr  ausgeben,  noch  allen  inneren  Halt  rauben, 
wli^^en  oft  nicht  iu:enug  yu  i  iihmen,  wie  viel  angenehmer  und  s^lück- 
lit±er  das  Leben  gegen  irüher  sei.   Einen  fast  drolligen  Eindi'uck 
aber  macht  es,  wenn  man  verfolgt,  wie  sie  die  modernen  Lebensver- 
hältoisse  im  einzebien  Joitiairen  und  fast  kein  gutes  Haar  daran  finden 
können,  so  dass  man  sich  unwillkürlich  fragt:  Wo  steckt  denn  eigentr 
lieh      vielgerühmte  Fortschritt  in  der  filflidaeligkeit  der  Menschen, 
wenn  es  doch  mit  fast  allen  Einzelheiten  so  gar  erbftinüich  bestellt  ist? 

Tief  izmn%  dagegen  ist  der  Eindraek,  den  wir  empfiuigffi,  wenn 
^ir  gegenfther  der  Uwten  Beredsamkeit  naserer  Tags^presse  die  stonune, 
«a  wabriMft  etsehitternde  fi^raebe  an  Wort  kommen  lassen, 
^ikbe  die  Zahlen  redsn,  die  ans  eine  gewissenhafte  Statistik  über 
^  Selbstmorde  sowie  ftber  dm  Besieh  der  Irrenanstalten  in  nnserem 


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—  300  — 


Vaterlande  überliefert.  Ani^dchts  der  Thatsache.  dass  sich  nu  ht  nur 
die  absolute,  sondern  auch  die  verhältnismäfiige  Anzalil  der  Selbst- 
morde fortwährend  in  frei-dde/M  erschreckender  Weise  steigert,  und 
dass  viele  dieser  Selbstmorde  dem  Leben  mitten  in  der  Fülle  seiner 
Kraft  ein  Ziel  setzen,  nicht  wenige  Auch  in  noch  ganz  zartem  Lebens- 
alter begangen  werden,  drängt  sich  uns  die  Frage  förmlich  auf:  Ist 
das  Dasein  gegenwärtig  wirklicli  so  reizvoll,  ist  es  so  \iel  begehrens- 
werter als  früher,  wenn  so  viele  danach  trachten,  ihm  so  bald  wieder 
zu  entfliehen?  Ganz  ähnlich  wie  mit  den  Selbstmorden  verhält  es  sich 
mit  der  Frequenz  unserer  Irrenanstalten,  und  beides  tritt  besonders 
stark  in  den  Culturmittelpunkten  unseres  Vaterlandes  hervor,  denen 
das  moderne  Leben  am  meisten  zudrängt. 

Will  die  Schule  solchen  und  ähnlichen  Erscheinungen  gegenüber 
ihrer  Pfllcbt  ernstlich  gerecht  werden,  so  muss  sie  mit  der  weitver- 
breiteten einseitigen  VentMidsbilduug,  über  die  zur  Stunde  so  sehr 
geklagt  wird,  die  aber  an  den  Anstalten,  wo  die  erziehende  Aufgabe 
der  Schule  in  den  Hintergrund  tritt,  nur  im  günstigeren  Falle  vor> 
liegt,  —  denn  im  wdüinmereD  handelt  es  äch  um  vorwiegende  Oe- 
dlehtnlBcaltiir  —  entedMen  brecte.  Biii  gani  anderes  Gewicht 
als  Uflher  wird  a«f  sorgftltjge  BQiliinf  das  Henens  zu  legen  «ehi. 
Denn  oiaa  die  gehOiiga  BffldaBf  das  Hersaas  kann  aaeh  die  intdiee- 
toelle  Bfldmig  des  Manschen  nieht  nur  nomalaa  md  Tollen  Ent&ttnng 
koBHM.  Wir  ktanaii  an  aUen  MlanerD,  mMa  dia  OaUarforMnitte 
der  Mensddieit,  sei  as  auf  dJesam  oder  Jenam  Gebiete,  mächtig  g&> 
ftrdert  Man,  die  WahniaiaMng  nuehra,  dass  skli  ilira'Oaiats»- 
tiiätigkeit  anf  ein  starkes  and  tialba  ^n^Mm  atitete.  Daa  gilt 
jiieht  Uos  TOD  denen,  bei  irelelian  aa  9q$oiA  iahi  Ange  springt,  aondam 
aneh  von  solclien,  an  denen  ans  aimftdiat  die  aa6ergew(Hni]leba  8Mtf^ 
dea  Veratandee  avflUli  HIanran  lifldefc  znm  BeispM  Kant  keinas" 
Wega  eine  Ansnahaie.  Dann  war  in  dissaa  bloa  den  troekanan  Ver- 
standesmenseliaQ  siebt,  kenn  bei  nftharsr  BdEsantsehaft  mit  Onn  klebt 
Undan,  dass  die  gewaltige  GMaakeaaiMt  des  Uannea  von  «biar  Man 
Begeistening  getragen  worda,  die  obna  Eiganaehaftoi  das  Heneaa 
gar  nicht  denkbar  ist.  Noch  miglaich  wiebtlgar  als  Ar  die  narmala 
Entwiekahing  des  Tarstsadea  ist  die  Herzenabildong  selbatvenittodlieh 
IBf  die  Bildung  deaWillins,  das  Gbarakters,  and  gerade  anf  Oharaktar- 
bildong  soDte  nnaera  Zeit  daa  aUarstlikate  Gewiaht  legen. 

In  dem  nnerachfltteiüeben  Festhalten  an  den  höchsten  Zielen  der 
Pädagogik  darf  naa  aneh  die  adhmenlifihe  Bikenntnis  nicht  beirren, 
dasa  TOrlftnfig  niemand  nächtig  and  einflnssreich  genug  ist,  na  das 


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—  301  — 


dMische  EraiäiiiBgsweaeii  tob  den  Einflflawn  za  Iwfreiai,  die  seiiier 
gvdeiUioben  Entwiflkdltmg  eBlgogcnstolieii,  und  dus  hentortage  Ar 
ieB  einsetnea  Lebrer  im  deutschen  BcUe  eine  beeoadere  CSiankter* 
Mk%  erforderlieh  JM,  wenn  er  sich  m  der  aHgemehnii  Ge&hr  frei 
lata  iriU,  »ehr  oder  minder  dem 

n  hiddigen.  Sollen  wir  darum  die  Hände  muüüoe  in  den  &tko& 
UigfA  nnd  mhig  «bvnrten,  Ue  vieUeicht  die  Qeeetse  ^e  Freiatfttte 
ftr  die  deutsche  Fftdagogik .  aehaJÜni,  damit  ae  aidi  nngeetfirt  von 
aaehtheOigcn  Binwirkumen  entwickebi  kann?  Bann  wird  die  Sache 
ädier  gnte  Weile  haben.  Denn  welche»  Heil  dflrfen  wir  Ten  einer 
Boreankratie  erwarten,  die  nelbst  so  sehr  onter  den  EinÜttaeen  steht, 
welche  unser  Enoehnngaweaen  in  seiner  nntnrgemttßen  Kntfaltnng 
icrflckhalten?  Viebnehr  tritt,  je  michtiger  Jene  Einflüsse  find,  dia 
JnUcht  an  die  Pfidagogik  mn  so  ernster  nnd  gel^teiisdiMr  heran, 
ihre  Grondsfttse  rein  nnd  treu  zu  bewahren  nnd  kein  gesetzUdies 
Kittel  nnbenutzt  zu  lassen,  um  ihnen  zur  Geltung  zu  verhelfen.  Auch 
darf  uns  die  Eikeimmiss  des  Ernstes  unserer  Lage  nicht  zu  dem 
Glauben  verleiten,  dass  diese  darum  wirklich  hoflöiungslos  sei.  Denn 
es  sind  heilige,  es  sind  natürliche  Hechte,  füi*  welche  die  Entwicke- 
lungspädagiitcik  (einzustehen  hat,  und  ihr  endlicher  Sieg  kanu  darum 
trotz  aller  llimlüiiiisse  nicht  zweifelhaft  sein.  Wer  aber  dennoch 
diese  Hindernisse  für  unubei-windlich  halt,  möge  sich  die  proldenen 
Worte  zu  GemUthe  führen,  in  denen  der  ^ridche  und  freie  Ueist  des 
Reformators  weht: 

„Was  aus  Kraft  der  Nator  geschieht,  das  geht  frisch  hindurch, 
sneb  ohne  alles  Gesetz,  reißt  anch  wol  durch  alle  Gesetze;  aber 
wo  die  Nator  nicht  da  ist  nnd  soU'a  mit  Geaetaen  heranahringen,  daa 
ist  citd  Bettelei  nnd  Flickwerk.« 

Latber  war  gewisB  nicht  der  Mann,  der  mit  diesen  Werten  Anf* 
Isb&mig  gegen  Geaeta  md  Obrigkeit  predigm  wollte;  aber  sie  nelgtti 
lidit  blos  seinen  freudigen  und  muthigen  Glauben  an  den  fi£eg 

jeder  guten  Sache,  sondern  enthalten  auch  die  eniste  Mahnung  an 
Jeden  Deutschen,  seine  feste  Überzeugung  frei  und  ungescheut  zu  be- 
kennen und  zu  vertheidigen,  um  einer  solchen  Sache  zum  Siege  zu 
Terhelten. 

Wie  wahr  die  angeführten  Wolle  Luthers  sind,  hat  das  Schick- 
sal der  letzten  preu irischen  Vorlage  für  ein  Volksschulgesetz  gezeigt. 
Standen  doch  hinter  jener  Vorlage  Hierarchie,  Buieauki'atie  und  Mili- 


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tariisimis  in  festgesciüossener  Verbindung,  kein  Glied  fehlt«,  und  dea- 
noeh  vermochten  alle  diese  Gewalten  dem  Volks^eiste  gegenüber,  der 
in  den  verschiedensten  Kreisen  nicht  blus  in  l'ienßen,  sondern  in 
iiiiserem  ganzen  Vaterlande  lebendigen  und  energischen  Ausdi  uck  fand, 
nicht  durclizudringen.  Ist  auch  noch  nichts  Positivem  damit  geöchafl'eü, 
SU  ist  doch  dadurch  weni^tens  die  sclilimmüte  Gefahr  beseitigt,  die  nicht 
etwa  darin,  dass  das  beabsichtigte  Gesetz  mit  allen  Härten  und  Kantoi 
durchgegangen  wäre,  —  denn  das  hätte  wenigstens  die  noch  schlnin- 
mernden  Geister  kräftig  aufrütteln  mtlssen  —  sondern  in  einem 
schwächlichen  Comprül]u^,s  bestanden  hätte,  und  der  eine  Erfolg  muss 
uuh  als  Biii-gschaft  für  künftige  andere  Erfolge  gelten.  Wir  dürfen 
uns  nicht  durch  den  Gedanken  entmuthigen  lassen,  dass  bei  den 
jetzigen  Schuleinrichtungen  ja  doch  von  einem  ge^^uuden  Gedeihen 
unseres  Erziehniigswesens  nicht  die  Rede  sein  könne.  Ancli  iuiicihalb 
der  Schranken,  welche  uns  durch  diese  Einrichtungen  gezogen  sind, 
könnte  ungleich  mehr  geschehen,  wenn  niclit  viele  Lelirer  allzu  blind 
gegen  die  drohende  Gefahr  wären  und  Principieu,  au  denen  wir  unbe- 
dingt festhalten  müssen,  gedankenlos  preisgäben. 

Die  nächstli^ende  Bedingung  füi*  eine  kräftige  Förderung  unseies 
Schulwesens  aber  ist,  dass  wir  uns  entschließen,  eine  Menge  von 
Wissenskram  beim  Unterrichte  über  Bord  zu  wei'feu.  Der  mindestens 
zweifelhafte  Verlust  hierbei  würde  durch  einen  überreichen  Gewinn 
ausgeglichen  werden,  nicht  am-  für  die  Chm  akii  i  bildimg,  auf  die  es 
uns  am  meisten  ankommt,  sondern  für  die  BiUiuiig  überhuiipi .  auch 
für  die  Wissenschaft.  Waraiii  scheuen  also  die  meisten  Schiilnianner 
so  ängstlich  vor  diesem  Opfer  zurück,  tk  wir  doch  offenbar  an  mehr 
als  bedenklicher  Uberfracht  leiden,  \s^ährend  sie  doch  schweren  Ver- 
stößen, die  täglich  und  stündlich  gegen  den  Grundsatz  Pestalozzis 
begangen  werden,  dass  nichts  als  Erziehung  das  Ziel  der  Schule  sei, 
mit  so  leichtem  Herzen  iiüberstehen?  Und  doch  hängt  von  der 
emstlichen  Berücksichtigung  oder  der  Vernachlässigung  dieses  so 
überaus  einfachen,  aber  ebenso  inhaltschNM  len  Satzes  das  gaii^e  Wol 
oder  Wehe  nnserer  künftigen  deutscheu  i'udagogik  ab.  - 1 


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i 


I 


Mädehenerziehmig  nnd  Mliere  TMitcmhile. 

Von  Dr.  F,  Marn-AItona. 

Jt^^rauenfra^e,  Fiiuitnwürde,  Frauenemancipation!  Das  ist  dio 
Trias,  die  in  den  letzten  Jahrzehnten  den  Vordergrund  der  socialen 
Frage  mit  dem  \V  ol  des  Arbeiters  und  der  Armenpflege  theilt.  Aus  den 
Spalten  der  Zeitungen,  aus  zalüreichen  Blättern  der  Zeitschriften 
:ji)rmgt  diese  Frage  in  den  Gesichtskreis  des  Lesers;  ganze  Küinane 
habfn  ihr  Thema  auf  diesen  Punkt  tendenziös  zugespitzt;  sobald  die 
tilgliche  ünterhaltting  die  Kxistenz  des  andern,  schonen  Geschldehts  b©* 
röhrt,  ist  eine  Erörterung  des  beregten  Themas  unabweislich. 

Die  drei  am  Kopfe  genannten  Punkte  verschärten  sich  vom  All« 
gemdnen  zum  Besonderen,  vom  skizsdrenden  Entwurf  zum  aas- 
gqirägten  Detail,  vom  abstracten  Umriss  zur  eoncreten  Forderung. 

Die  Frage,  welche  Stellimg  die  Frau  den  Manne  gegenüber  ein- 
nmehmen  habe,  hat  man  aufgeworfen  nnd  erOrtert  in  dem  BewuMt» 
sefai,  dasB  ihre  jetadge  I^ge  ihrer  Bestimmniig  niolil  eatipredie.  Sie 
fthH  eich  in  mancher  Besiehnng  zmrflekgesefeEt  Wenn  sie  aneh  dar 
Ml  Im  hflOBiicliaiL  Eegiment  das  Sceptsr  ohne  erhcMlolie  filn- 
tdninkimg  sehwingt,  so  steigt  doeh  hie  nnd  da  in  ihr  das  nnabwekk 
XdieOelttlil  auf,  datt  ste  dlefenige  Stellang«  dl»  ilir  nach  ihrer  Meinmit 
SsMrt,  sieht  einnehme.  Sie  fragt  sidi,  ob  das  sogiBnannte  sttrkere 
OesflhMit  diesem  Namen  im  Walubeit  verdiene,  and  man  kann  es  ihr 
niäit  terdenken,  -wenn  snweQen  ZweiM  in  ihr  auliteigen,  znmal  da 
die  vis  major  im  Hause  nnstreitig  in  der  Regel  anf  ihrer  SoMe  ist^ 
Diese  Frage  zieht  die  Herrin  der  Schöpfung  mit  unwidmtehlli&sr 
Gewalt  zu  dem  J'unkt  hin,  der  meistens  und  vielerorts  das  Centrum 
und  den  Brennpunkt  ihrer  Beflexion  bildet.    Nimmt  sie  eine  Stellung 
ein,  die  ihrer  Würde  entspricht?   Weist  nicht  der  Gang  der  Cultiir- 
geschichte  mit  beredten  Zügen  auf  die  allmähliche  Entwickelung  des 
Weibeß  zu  größerer  Freiheit  nnd  unbeschränkterer  Selbstständigkeit 
bhi?  bo  gelangt  sie  denn  allmählich  anf  immer  abschüssigeren  Wegen 
2u  der  Mtechiedenen  Forderung,  sich  in  Keih'  und  Glied  zu  stellen 


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—  304  — 


mit  dem  Vertreter  des  Geschlechts,  das  bis  dahin  den  Namen  des 
Bt&rkei'ea,  .aber  mit  Unrecht",  geführt  hat,  zur  Frauenemancipation. 

Ob  es  Zufall  ist,  oder  ob  ein  innerer  Zusammenhang  waltet  m 
der  eigenthumlichen  Erscheinung,  daas  dia  drei  Begiüfo:  Nationalität^- 
princip,  Socialdemokratie  und  FnHi6ii«nancipation  unge&hr  gleick- 
iMg  die  BlUme  d«e  WelttbeaterB  betreten  haben,  dies  kdnnte  Qegea- 
stand  einer  mteresflanten  üntnandmng  aein,  würde  aber  hier  tob 
Tbem»  abfUiim 

Wflhxend  sonst  die  meisten  Zflge  der  Bntwickelmig  «nd  des  Fwt- 
scbritts  von  Osten  nach  Westen  sieh  bewegen,  strOmt  die  BMidng 
auch  bftnflg  zurftek  yon  den  WogenUbnmen  der  OberstArxosg.  — 
Wie  frei  man  in  Amerika  über  die  Tbeilnahme  der  Fmaen  an  dv 
^SiSuitliehen  Thfttigkeit  denkt,  gebt  snr  Genüge  dsrsns  hervor,  da» 
sie  nicht  nur  in  Kichtercollegien  sitzen  und  als  Stadtverordnete  an  dts 
Beratbnngen  über  das  öffentliche  Wol  theilnehmen,  sondern  sogar  m 
der  Lage  gewesen  sind,  für  die  Wahl  eines  Gouveriiuiirs  auf  dör 
Candidatenliste  zu  steheu.  lu  dem  schwerfalligeren  Europa  i»t  man 
noch  nicht  so  weit  ßfediehen  (wenn  nicht  etwa  die  Forderungen  der 
Socialdeiihik raten  auji  i  ikauibclie  Zusutiide  nuch  überflügeln),  sondern 
man  hat  sich  damit  bt'umii.'-t,  den  Frauen  den  Zutritt  zum  Studiuni 
der  Medicin  zu  ?f stritten,  das  Post-  und  Telegraphenwi^t-ii  iluieu 
Ii  Lr<  iiilich  einzuräumen  und  privatim  die  Buchführung  und  il«'n  Ver- 
kaut in  entsprechenden  Geschälten  zu  überuehmeu.  Auch  damit  ist 
man  schon  über  die  in  früheren  Zeiten  gezogene  Sphäre  der  Frauen- 
thätigkeit  hinausgegangen.  Besonders  das  Lehrfach  wird  jetzt  io 
Deutschland  von  ihnen  in  wachsendem  Grade  coitivirt  Denn  weiui 
«usb  früher  schon  Kiuderschulen  von  Lehrerinnen  gebalten  wurden, 
so  waren  es  doch  mehr  Warte-  als  Lernschulen  und  beschäftigt« 
sieb  mehr  mit  der  BeaoMebtigang  nnd  Ecsiebnng  als  mit  dem  Uatei^ 
rieht*)  Jetit  dagegen  bat  man  eigene  Institote  sn  dem  Zweck  » 
liebtet;  denn  die  sogenannten  JFnuiensemlnsre  beben  kein  sadm 
Ziel,  als  die  UMMtm  anf  wissenscbaflüebem  Wece  m  LehrsfimMa 
beransnbüdea  GewObnlieh  stdien  sie  in  Verbindung  mit  höherem 
TOcbterscbolen.  So  beißen  sie  nAmlieb  Jetst,  wfibrand  sie  Mut 
liüdcbensdialen  gmannt  wurden  nnd  avob  in  den  Volkssduden  nock 
diesen  Namen  tragen.  Warum  bat  man  niebt  den  alten  Namea  bat 
behalten?  Daes  aUe  Mädchen  Töchter  sind,  ist  selbstversüadliflb 
Dass  sie  aber  zu  Töchtern  herangebildet  werden  sollen,  ist  ebfllM^* 


*)  Auch  eigenthehe  ^chaUeUreriiuieu  gab  es  schou  vot  Jabihiuiderteiu    P.  & 


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~  306  — 


wenig  anzunehmen,  als  dass  die  Anstalten  cUlzu  bestimmt  sind,  die 
M&dchen  zu  unteiweisen,  wie  sie  später  ibre  oder  andere  Töchter  za 
cnleheii  liaben.  Warum  hat  jiuin  sich  denn  nicht  begnügt,  den  alten 
Namen  zum  Unterschiede  von  der  Yolksschnle  mit  dem  Prädicat 
»lUrtim^  m  versehen?  Dass  die  Wortbildung,  die  gerade  Ar  seofible 
FniamatiiTaii  toq  so  schwerwiegender  Bedentimg  Ist,  mam  feineren 
nd  eleganteren  Klang  haben  sollte,  ist  aaeh  nicht  absosehen.  Man 
sagt  doch  nie  statt  Knabensehnle  „8(tiineflehnle''l  Oder  wollte  man 
lielleieht  dadurch  andenten,  dass  anch  solche  Mfldehen,  die  beieits 
confindrt  sind,  die  Ansialt  besoohen  kilnnea  nnd  so  di^  Ansdrfieke 
«IttdehsB«^  und  »Jnngftanen*'  in  dem  Qesammtbegriff  „Tödtia^  m- 
aammenaielien?  Also  anoh  sdion  dadurch  nntenebeidet  sieh  die 
Uddien-  von  der  TMtsrsdinle,  dass  jene  den  ünterricht  mit  der 
OosArmalioa  absdiüeSt,  diese  es  den  Eltern  ftberlässt,  ob  sie  die  Er- 
weibong  der  Kenntnisse,  die  sie  mit  dem  Confirmationsalter  noch 
nicht  eireicht  haben,  einem  weiteren  Unterrichte  überlassen  wollen. 

In  den  früheren  Zeiten  (oder  dürlen  wii  i?a,gen:  in  der  guten  alt«n 
Zeit?)  waren  die  Unterrichtsgegenstände  eines  Mädchens,  das  den  so- 
genannten jrebildeten  Ständen  angehörte,  derart,  dass  die  weiblichen 
HandaibeiteTi  eine  Hauptrolle  s'pielten.    tla.  es  kam  vor,  dass  in  den 
Klemkinderschulen,  m  dentin  Knaben  und  Mädchen  im  lüulteii  und 
sechsten   Jahre   gemeinschaftlich   von   älteren  Damen  untenichtet 
wiinitn.  auch  der  Knabe  außer  dem  Buchstabiren  imd  Kopfrechneu 
mit  Strickübungen  beschältigt  wurde.    AoBerdem  waien   die  so- 
genannten wissenschaftlichen  Kenntnisse  auf  Rechnen,  Englisch,  Fran- 
zösisch, deutsche  StUübnngen  nnd  dabei  gelegentliebe  Kenntnis  der 
toschen  Literatur  beeebiflnkt  Im  Bechnen  begnügte  man  sich  nEdt 
vier  Species  in  ganaen  nnd  gebrochenen  Zahlen  und  den  Haupt- 
nchen  der  Zinsrechnong,  iviluettd  Algebra,  ebmiso  wie  Geometrie  Ittr 
tttbehilidi  galt   Im  IVanaOsiseben  nnd  Bngliscbsn  trieb  man  nar 
»  rial  Grammatik,  als  das  Tersftindnis  der  Leetllre  erforderte.  Man 
Iis  snr  leichtere  Sachen,  weder  Oiahespeare  noch  Bacine,  übte  sich 
is  der  Abfusanff  leichter  schriftlicher  Arbeiten  nnd  ^egte  besonders 
&  Oonfenatlon,  soweit  die  Lehrer  nnd  Lehrerinnen  selbst  dasn  im 
8*«ade  waren.  Im  Dentschen  wurden  die  dassiker  gelesen  nnd  leichte 
AnÜrtttae  geschrieben,  bei  deren  Auswahl  besonders  auf  den  weibUehen 
BQdangsgang  Bflcksicht  genommen  wurden  Andli  wurde  die  l^racfae 
^iKh  DecUmiren,  Wiedererzählen,  kleine  Vorträge  leichteren  Inhalt» 
pWrt  und  gebüdet.   In  der  Regel  war  der  Vorsteher  eines  solchen 
^^chaunstitntes  ein  Theologe,  der  bei  der  damaligen  Überfuilung 


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—  806  — 


des  geistlichen  Berufs  auf  diese  Weise  sein  Leben  fristete,  und  für 
den  Unteni(  lit  in  den  nenen  Sprachen  nnd  Handarbeiten  sich  mit 
einer  dazu  geeigneten  Dame  vereinigte.  Nach  der  Caiiiirniation  ver- 
ließ das  Mädclien  die  Schnle  nnd  unterstützte  die  Mutter  in  der  häus- 
lichen Tliätigkeit,  uiii  dabei  ancli  selbst  die  llau.^haltung  nnd  was 
dazu  geliört  zu  lernen.  Natürlich  wurde  dabei  vorausgesetzt,  dass  die 
Hausfrau  sich  für  ihr  Hauswesen  interessirte,  sich  z.  B.  freute,  wenn 
ihrem  Mann  tlas  Essen,  das  sie  selbei'  zubereitet  hatte,  schmeckt«  und 
er  erklärte,  dass  er  nie  größeren  Appetit  verspiü-e,  als  wenn  seine 
Frau  gekocht  habe.  Denn  wenn  die  Hausfrau  selbst  kein  Interesse 
zeigt,  woher  soll  es  die  Tochter  nehmen?  Wenn  die  Hausdame  den 
lanpren  lieben  Tag  damit  hinbringt,  auf  der  Chaiselongue  zu  liegen 
und  üomane  zu  lesen  oder  feine  Handarbeiten  anzufertigen,  Visiten  zu 
machen  oder  Einkäufe  zu  besorgen,  oder  etwa  sich  Gesellschaften  zu 
wolihaiigen  /wecken  anzuschließen,  die  Küche  aber  eine  fertige 
Köchin  besorgt,  dann  wird  die  Tochter  schwerlich  Gelegenheit  haben, 
den  Haushalt  führen  zu  lernen.  Im  besten  i  alle  wird  sie  in  einem 
Hotel  die  feine  Küche  lernen.  Dann  kann  es  vorkummen,  dass  zu- 
weilen in  Ballgesprächeu  oder  beim  Diner  Missverständnisse  laut 
werden,  wie  sie  in  den  „Fliegenden  Blättern"  nicht  iselten  den  G^en- 
stand  des  Humors  bilden. 

Ob  die  englische  und  französische  Aussprache  nun  inmer  so 
correci  und  fein  war,  wie  sie  jetzt  verlangt  wird,  mag  dahingestellt 
bleiben,  ist  aber  auch  von  keinem  Belang.  Denn  wie  viele  der  jungen 
Mädchen  erhalten  später  Gelegenheit,  sich  mit  Franzosen  oder  Eng- 
ländern zu  unterhalten?  Wie  viele  Engländer  und  Franzosen  sprechen 
so  correct,  dass  sie  nicht  einmal  einen  Verstoß  gegen  die  Grammatüv 
machen?  Man  lese  einmal  einen  Brief  einer  englischen  oder  fran- 
zösischen Dame  gebildeten  Standes,  nnd  man  wird  da  häufig  Ungläul>- 
liches  finden.  Oder  glaubt  man,  dass  der  bestgeschulte  Unterricht  es 
dahin  bringen  kann,  in  fremdem  Lande  sofort  die  fertige  Ck>nver8ation 
mit  einem  Eingebornm  vom  Stapel  zu  lassen?  —  Auch  die  Leibes^ 
fibungen  wui'doL  nicht  vernachlässigt,  sondern  das  Turnen  wurde  ge- 
pflegt, soweit  es  rar  Anslifldnng  des  weiblichen  Körpers  ntttzlich  und 
ftrderlioh  ist  Antedem  gab  es  weder  Fach-  noch  Chissenlehrer, 
mdern  der  Verstdier  des  Insütutea  nnd  seine  G^ehüfin  waren  beides 
in  einer  Person.  Er  unterrichtete  in  allen  Fidum  mit  Ausnahme 
der  neuen  Sprachen  nnd  Handarbeiten.  Da  nun  ein  Theologe  oder 
edaseltiger  Phflologe  nicht  imaiar  ftberall  so  an  &it  war,  um,  wie  es 
'Jetet  verlangt  wird,  ein  esataen  rigorosnm  bestehen  za  können»  be« 


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—  iH>7  — 


I 


sonrlers  in  divergiieiuieii  Faciiem,  wie  Natnrwissenschalteii  ii.  ä..  so 
musste  er  häufig  docendo  discere.  Das  sind  aber  nicht  die  schlechteste« 
Lehrer.  Wissen  wir  doch  ans  der  Selbstbiographie  (h-s  l^kannten 
Schulrathes  Kohlrausch,  dass  er  gerade  dieser  Methode  besondere  Vor- 
züge saischrieb:  „Weil  man  selber  noch  Umt,  wfiift  man,  was  Qad  wie- 
viel niAD  andern  bieten  kann  und  darf." 

Vergleichen  wir  damit  den  üntemebt  der  hOherai  Töchtarochole, 
via  er  je^it  getrieben  -wird. 

Zunächst  ist  hier  zum  Zweck  der  Orioitimiig  die  £*r&ge  flher 
das  Wenn  und  die  Vonflge  der  Fach-  und  X^laaeenlehrer  m  er- 
QrUtiL  Denn  der  Hasptmtterscfaied  nicht  bv  nriachen  den  höheren 
TOchtersoholsD  nnd  firftheren  mdeheMdniten,  sondern  gans  allgemein 
nnsclieii  «odeniea  md  früheren  Selraleniriafatiiiigei  ist  dir,  da«  jetst 
.dar  Faehlehnr  aa  der  Tageeordmmg  ist  . nnd  der  Claaaenlehfer  aioh 
nur  noch  in  der  Person  des  Ordinute  erhalten  hat,  der  noeh  dazu 
hAnflg  eine  ewtradioiio  in  a^Jecto  hfldet,  wenn  er  in  seiner  Olaase 
weniger  Standen  ertheüt  als  mancher  der.  andern  Lehrer.  Die  Frage, 
ob  Classen-  oder  Fachlehrer,  ist  schon  häufig  erörtert  und  bildet  einen 
•Cardinal punkt  <ler  Meinungsverschiedenheiten  hervorragen  Ur  l'ada- 
"gogen;  hier  kann  >'u-  mir  so  weit  in  Betracht  gezogen  werden,  als  sie 
•unser  Thema  berührt.  Die  Vorzüge  des  Fachlehrerthums  liegen  oöeu- 
bar  darin,  dass  der  ein?:eliie  sich  eine  gründlichere  und  tiefere  Durch- 
bildung in  seinem  Fache  aneip^nrn  kann  und  so  mit  reicherem  Material 
und  bessei'  gewafl'net  in  ilen  Kauipt  zieiit,  woIm  i  jt  ^  Kii  zn  bpsohten 
^ißt,  dass  er  sich  durch  die  aus  den  reiferen  ivtniitiiis-f]i  ciitspiiiiLii  nde 
Vorliebe  nicht  Tcrleiten  iHsse,  sein  Fach  tUr  das  HaupUadb  zu  iialteii 
imd  in  ihm  den  Hanptbildungsfactor  seiner  Schüler  zu  sehen.  Daiiu 
liegt  eben  der  pädagogische  Fehler,  und  dieser  Umstand  besondei*»  . 
-ist  die  Ursache  der  so  viel  besproebencn  und  mit  Becht  beklagten 
•ud  wworfenen  Überbürdung.  Denn  in  den  Fehler  verfällt  der  Fach- 
Wttor  nur  zu  ieiobt^  dass  er,  selbst  in  die  Tieie  des  Heiligthums  ein- 
gednmgen,  diesen  Gennas  aneh  andern,  und  zwar  in  der  besti>ii  A1>- 
«ioht,  sa  TersohafliBn  sacht  und  so  der  Überhftidnnc  Thür  «nd  Thor 
<Aiet  Dazn  kommt  fftr  die  TdchkrschBlein  noch  ein  besonderer 
Umstand  Es  Jiegt  nftmUch  aMgenwin  in  der  Natur  des  menschlichen 
'^liistes  and  hesonders  in  der  ESIgeathllmUdikMt  des  Franensinnes  nnd 
Midfthenanschawmg  hegrtndet,  dass.ftir  ihra.Torwaitende  Gefthl»- 
liehtang  der  ernte  Eindmck  einer  ItaOnlicliksit  mnfigehend  ist  Je 
.Mkr  Standen  nnn  ein  Lelmr  in  einer  dasse  denselben  ScblUerinnen 
gsbea  bat  T^.and  .darin  besfeaht  Ja  .gerade  das.  Wesen  des  Classen- 


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—  308  — 


lehren  — ,  teto  «ng«r  worden  die  Beiifilnmg«i  von  lieiden  Seite« 
mit  der  waehBendeii  gegeiieeiAigea  Beknaticheft  steigert  lioli  de« 
Veitniieii.  Die  Sdiflleriimw  gew^öbnen  aidi  «ii  eine  beetimmte  Me- 
thode, iremi  de  andi,  wie  Jede»  ihre  Fehler  hal;  eo  dase  seihet  UeiM 
Answftehee,  die  anftcnge  einen  Stein  des  Anstoles  bilden,  ihre  gemfitie 
liehe  Anztehnngskraft  aossafiben  wieeen,  ünd  wie  m*li#f*glV*  lit 
nicht  des  lOdefaenherz,  wie  treu  Ist  die  Verebinng  des  beVebten 
Lehreisl  Die  Teratandesmftltlge  Bichtnng  des  Knaben  hat  bei  ihrer 
▼orwiegenden  Nelgong  m  Spott  und  Kritik  ftr  solche  Ertamtliehkeit 
weder  Baom  noch  Sinn.  Diese  GewQhnnng  an  die  PersBalichkeit» 
dieses  ethische  Fletttsrnhlltnis  tritt  bei  dem  FacbkhrttthiM  fn 
wachsendem  Orade  lorfick  nnd  nacht  der  maschinanmAfligen  Ab- 
richtnng  und  dem  schaWonenhaften  Drill  notiigednmgen  Plate.  Der 
Fachlehrer  hat  weder  Zelt»  die  einaalnen  Indiridnen  kennen  an  lenen» 
da  er  an  aeltein  ndt  ihnen  verkehrt,  noch  fiberhaiq;»t  regeres  Ihtereve 
ftr  die  Persttnlichkeiten,  ala  ftr  den  ünteirichtegegenstand.  Ihm 
achwebt  ak  emiiges  ^el  m  Angen,  sein  ▼orgesehriebcnes  Pensam 
abzuwickeln  ind  die  Kdpfe  der  Ihm  anTertranten  Jagend  rasch  nnd 
grilndlieh  mit  dem  Wissen,  daa  ihm  das  höchste  scheint,  anaaftUen. 
Dem  dassenlebrer  ist  die  Persihdichkeit  die  Hanptsadie,  dem  Fach* 
lehrer  der  Lehntoi.  Dam  kommt  mit  dem  Wechsel  der  FeiaQaüdi- 
keit  der  Wechsel  der  lüBfefaode.  Haben  sich  die  liädchen  an  einen 
gewohnt,  so  tritt  ihnen  schon  wieder  ein  anderer  entgegen.  Eben 
dieser  Wechsel  tat  den  Mädchen  bei  ihrer  vorwi^fenden  Gefthls- 
richtong  fthlbarer  als  dra  Knaben,  da  äe  infolgedessen  den  Heb* 
gewonnenen  Halt  Teriioren,  den  sie  leichter  linden,  wenn  der  Unter- 
richt in  einer  oder  in  wenigen  Händen  liegt,  und  der  ihnen  bei  Huer 
geistigen  Constitation  stärker  Bedürfnis  ist  als  den  Knaben. 

Aber  nicht  allein  in  dieser  Beaiehnng  haben  sich  die  TOchter- 
schttlen  in  ihrer  Gestsltong  von  dem  Muster  anderer  Lehranstalt^ 
zu  sehr  hinreißen  lassen,  sondern  auch  in  der  Wahl  und  Behandlang 
des  Lehrstoffes  ist  manches  faerromheben,  was  mit  dem  echten 
Mädchen-  und  Frauensinn  in  einem  gewlasen  Widerspruch  steht 
Diesen  Bestrebungen  mag  eine  Anschauung  zu  Grande  liegen,  die 
eben  ein  Grundzug  des  deutschen  nMichd**  ist,  der,  wenn  er  auch 
national  und  poUtiseh  flkberwanden  ist,  doch  in  socialer  nnd  cnltureller 
Beziehung  immer  wieder  hervorbricht,  nämlich  die  Eigenschaften 
fremder  Nationen  hoher  zu  achitaen  als  die  eigenen.  Su  ist  man 
daaa  gekommen,  die  Bildung  und  Erziehung  der  dentschen  Frau, 
denn  Qemfttha-  und  Gefthlstiefe  bei  allen  Nationen«  seihst  bei  den 


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—  309  — 


verstandesmäfligen  Körnern  (Tacitos^  Gennania)  anerk&imt  ist,  auf 
das  Prokmtesbett  fremder,  fraoadsischer,  «Bgüscher,  aaerikAiiisetaer 
Anschauungen  und  Anfordenmgeii  wa  strecken. 

Um  mit  der  Matterspraclie  und  zwar  der  formalen  Seite  zo 
beginnen*),  so  ktoneii  "wir  dazu  auch  die  Schreitetonden  z&hien, 
die  fiwOieh  nv  in  te  unteren  CSiaseeii  ertMlt  verdeiL  Da  miue 
alwr  doch  irol  das  Streben  besondere  dsnuif  gerichtet  sein,  oioitt 
seUSne  Bnehstabefi  n  malM,  sondern  SehnelligiLelt  ndt  Deutlich* 
keit  ZB  yeremigen»  eine  Ferti^eit,  die  besonders  dnreh  das  Takt- 
Mhiefbeii  anQgebildet  wird.  Dass  es  anfierdem  sehr  sweckmiSjg^ 
wire^  statt  der  doppelten  Schrift  nnr  eine,  mid  zwar  die  iateinisehen 
Lettern  einznlBbren,  ist  eine  sdton'mehrfiM^  angeregte  Idee. 

Dentsehe  GnuDmatik  in  der  Mnttersprache  za  treiben,  verdirtyt 
dto  Schülerinnen  die  Freude  an  der  Thätigkeit.  Der  richtige  Ge- 
brauch der  Casus,  gegen  den  am  häufigsten  gefelilt  wird,  erlernt  sich 
am  sichersten  durch  Übung  im  L<  seii,  Schreiben  und  Gespräche. 
Hier  kann  die  Schule  auch  nur  da  im  ein  befriedigendes  Resultat  er- 
zielen, wenn  das  elterliche  Haus  seine  Unterstützung  gewährt,  sonst 
ist  die  Sprachlehre  eine  Sisyphusarbeit.  Grammatik  ist  im  iraiizö- 
sif5chen  Unterricht  zu  treiben,  und  zwar  mit  der  in  allen  Sprachen 
gebräuchlichen  Nomenclaiur.  Statt  de^ss»  ii  L^  braucht  man  die  un- 
glücklichen (Irutschen  Bezeichnungen,  die  nuni  sich  gern  g(  talh  ii  IiVLh % 
wenn  sie  dazu  beitrügen,  die  Begriffe  klarzumachen.  Da  sie  aber 
ebensowenig  das  Verständnis  fordern  wie  die  lateinischen,  verwirren 
sie  die  kleinen  Köpfe  nur  noch  mehr.  Besonders  zeichnet  sich  in  dieser 
Beziehung  die  in  vielen  TöchterscholeD  eingeftthrte  Gramaiatik  von 
Eo^elien  aus,  ein  Buch,  das  sehr  gesucht  sein  muss,  wenn  man  nach 
der  Zahl  seiner  Auflagen  urtheflen  darf.  Sie  begnügt  sich  nicht 
dusit,  die  latdnisohe  Bezeichnung  za  geben,  sondein  Agt  ihr  die 
dentsehe  hinzn,  z.  B.  »Tocal,  Selbstlanter,  Consonant»  lOtlanter*'  etc. 
Wumm  ist  nicht  aa6er  nDeeUnation'*  nnd  .Gei^tagation'*  die  Über- 
Htsimg  „Kdgnng''  nnd  „Bindnag**  oder  „Biegung**  gegeben?  Sehen 
wir  ans  die  guten  Stilisten  nnter  den  SchriftsteUem  mid  Sehrift- 
slelleriiinea  an  nnd  fragen  irir,  ob  sie  anch  Onunmatlk  an  der 
Muttersprache  gelernt  haben,  so  erihhren  irir,  dass  sie  dnreh  Lectfire, 
<Üfi  IDbmer  Hut  alle,  die  IVanen  häufig,  dnreh  die  Logik  der  classischen 
Spncben  ihre  Gfammatik  eilenit  nnd  dvrdi  das  Stodinm  guter 

*)  Wir  können  den  folgenden  An^ftihrnngea  nicht  durchaus  zustimmen,  woUea 
*ber  dem  ürtheile  der  Leser  uuTerkürzt  unterbreiten.   D.  E. 

fedagogiiiai.   jß.  Jährt',   i*^^^  ^- 


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Schriftfcu  ihren  Stil  gebildet  haben.  Also  zur  Erlernung  der  Mutter- 
sprache keine  Grammatik,  sondern  Leetüre,  schriftliche  und  mttmi- 
liche  Übunjj^en,  stete  Controle  de:3  Ausdrucks,  auch  wo  die  Sprache 
nur  als  Mittel  ziuii  Meinungsaustausch  gebraucht  wirdl  Wenig 
empfehlenswert  erscheinen  die  häufig  eingetührten  Lesebücher,  die 
meistens  doch  nur  voneinander  abschreiben  und,  aus  allen  möglichen 
Schriftstellern  zusammengestellt,  den  K')i»l  der  Kinder  mit  vielen  und 
manchen  andern  Dingen  anfüllen.  Außerdem  gewöhnen  sie  daran, 
von  allem  zu  nippen  und  zu  naschen,  und  erzeugen  den  Glauben, 
alles  zu  kennen,  auf  Kosten  der  Gründlichkeit.  Ks  gibt  ja  so  viele 
Bücher,  die  füi'  die  Jugend  gesckrieben  sind.  Man  lese  sie  aber 
ganz,  nicht  bruchstückweise,  um  die  der  Jugend  eigenthümliche  Zer- 
fahrenheit nicht  noch  mehr  zu  nähren.  Angemessen  für  die  oberen 
Olassen  sind  Schiller  außer  „Cabale  nnd  Liebe seine  prosaisch- 
historischen Schriften  mehr,  als  man  gewöhnlich  zu  glauben  scheint, 
Goethe  mit  Ausnahme  des  „Faust"  und  „Tasso",  Lessing  außer 
„Elmilia  Oalotta**  und  »Laokoon".  Den  letzteren  zu  verstehen  haben 
oft  Primaner  ihre  lid»  Noth.  Was  die  Übungen  im  scliiütUdi^ 
Ausdruck  angeht,  so  wird  hei  der  Wahl  des  Themas  der  weibliche 
Charakter  oft  zu  wenig  beachtet  Man  stellt  zuweilen  Angaben,  die 
für  einen  Gymnasiasten  vielleiGht  passend  sind,  den  Horizont  der 
weiblichen  Ansishaonng  aber  überschreiten.  Mau  betone  aneh-  hier 
mehr  die  Saite,  die  der  Frau  eigenthümlich  ist,  die  praktische,  and 
behalte  doch  immar  im  Auge,  dass  die  Gymnasien  eine  Torschale  ftr 
die  ünirerflitit  und  ihre  Faeolt&ten  sind,  die  Töchtersduden  melaiens 
aber  nnr  in  das  bürgerUdie  Leben  der  Hausfrau  hinfiberleiten  sollen. 
Anders  ateUt  Mi  allerdings  die  Frafo  in  den  Seodiiaren,  in  taen^ 
die  Mftdehen  m  Lehierinnen  «nagehlUet  werden.  Ob  aber  nicht 
anch  da  hi«ag  zn  hock  gegnte  wird?  Flkhlt  dch  doch  die  Eitel- 
keit manoher  Hntter  durch  nichts  mehr  gesohmekhelt,  als  wenn  sie 
beim  Ealfee  erslhlen  kann,  daas  ihre  Tochter  aJnen  Asftats  Uber  die 
Tendenz  der  Iiaokoonsgruppe  schreibt  Es  ist  allerdings  wol  ein 
richtiger  Gfesichtspnnkt,  dass  der  Lehrer  nnd  die  Lehrerin  in  ihrem 
fVush  mehr  wissen  missen,  als  sie  unmittelbar  zum  Ünteiiichte 
braochen,  wenn  auch  die  Foiderang  sich  weniger  auf  das  Eiuel- 
wisaen  als  anf  den  allgemeine»  Überbüek  erstreckt 

Der  nensprachliche  Unterricht  ist  schon  oben  in  seiner  Mheren 
Eänrichtnng  beriihrt  worden.  Dass  der  Yorzag  der  französischen 
Sprache,  die  Orthographie,  Aussprache^  Grammstifc  dnrch  die  Acadtanle 
ftan^^aise  von  oben  hei*  genau  geregelt  und  dadurch  die  Übereinstim- 


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—  311  — 

maug  der  Schreibweise  in  BuciiBm  und  Zeitungen  herbeigetiüu  t  /u 
hal)en,   aneikeanenswert  ist  und  von  den  Deutschen  in  mancher 
Beziehung  nachgeahmt  werden  konnte,  ist  vielfach  erörtert.  Anderer- 
seits lässt  sich  aber  auch  nicht  verkennen,  dass  die  schabloneuliaften, 
j     oft  rein  äußerliclien  Regeln  nichts  weniger  sind,  als  ein  logisches 
I     Büdniigsmittei,  und  dass  diejenigen  Geistesgaben,  die  bei  der  Frau 
!     heryorragend  und  charakteristisch  sind,  Urlheil,  Geschinaek,  schnelle 
Aaf&issang,  durch  das  Eintrichtern  der  französischen  Qrammatik  nicht 
M9gebildet,  sondern  durok  die  Überiastmiff  des  Gedächtnisses,  das  in 
der  Regel  bei  den  Frauen  von  geringerer  SIttrke  ist  als  bei  dm 
Männern,  ia  ihrer  Entwickelung  gelAluit  werta.*  Also  vieles  LeMOH 
Moflg»  Übmg  in  Scbraiben  and  GonTiMtioD;  dagegm  ChnMiinstik. 
Wttf  soweit  es  aOihig  ist»  ud  mflkr  durah  Obvng  eis  dueh 
«endiglenien  «ud  Einpaakeii  der  Bcgelnt 

Aaeh  der  n»tarwl8ienflchftftHehe  ünteniehl,  «ie  er  in  des  TMit«> 
schalen  getrieben  wird,  Ist  von  .den  Ensbensdnikn  m  nmmütelt 
ttemoDUBeo,  su  wenig  fir  den  weibttoben  Ohsrafcter  sngeiehidttenj 
Wenn  such  die  Fordenvig,  dsss  die  mdefasn  mnr  die  Pftun»  hmum 
Ittsen  soll^,  die  ae  spS;ter  im  HamAaU  fefaraneheo,  nm  so  Schier-» 
fing  von  Petersilie  unterscheiden  zu  können,  oder  nur  die  Thiere,  dio 
sp&ter  ihrer  Zubereitung  für  den  häuslichen  Tisch  harren,  zu  einseitig 
wäre,  so  ist  es  dock  aucli  wieder  zu  rigoros,  das  ganze  System  der 
Naturgeschichte  mit  den  lateinischen  Namen,  obgleich  die  Mädchen 
kein  Latein  verstehen,  ihnen  als  Leitfaden  in  die  zu  geben 

und,  wenn  auch  nicht  ganz,  doch  theihvei.se  duiclizuiiH Innen,  Und  nun 
gar  Antlirnpdlogie!  Schuu  hvi  Kimlioi^  hat  die  Turstelliiug,  dass  sie  die» 
Theile  det  hü  h schlichen  Körpei*s,  die  sie  sonst  mit  einer  angeborenen 
Scheu  verbergen,  unverhiillt  anzuschauen  und  zu  analysiren  haben,, 
etwas  Anstößiges.  Nun  gar  bei  Mädchen!  Wo  bleibt  da  die  Fabel 
von  dem  Storch?  Warum  nicht  lieber  gleich  am  Piumtom  Studien» 
treiben  lassen,  wie  in  der  anatomischen  Klinik! 

Der  Zsiktainnterricht  ist  anf  den  hoberen  Töchterschulen  für 
&Ue  Glassen,  auf  den  Gymnasien  nur  für  die  unteren  obligiteriselu 
Soweit  das  Zeichnen  als  Hilftwissenschaft  der  Mathematik  md  zn 
tMhniscben  Zmcken  dient,  ist  es  ohne  ZweiM  fSat  jeden  ntttnlieh 
und  Ton  jedem  za  erlenien.  Wo  es  sber  hi  den  Bereich  dar  Ennst 
UnÜNtigzeift,  ist  ob,  wie  jede  sadere  Konst,  Mslerei,  Mnsik,  Oesrngr 
«ke^  mir  der  Neigung  und  dem  Tslent  dienstibar  za  msehen.  Denn- 
tesi»wenig,  wie  msn  ohne  Stimme  singen,  ohne  GeliSr  mnsioinn 
ktts,  ivird  die  kttostlerische  Anlege  som  ZeKdhnen  snerlernt^ 

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—  319  — 

wenn  das  Talent  vkät  aageboraa  ist  und  mit  üun  sicli  die  Keigimg' 
entwickelt 

Ziehen  wir  ftiao  das  Facit  dnrch  den  Vergleich,  der  im  Anfange 
dieses  Anfsatzee  genannten  Mädchenschule  mit  der  jetzigen  köberai 
Töchterschule,  so  werden  wir  auch  hier  wieder  einen  Vorgaai^  be- 
stfttigt  finden,  der  sich  auf  aUen  Gelten  dflr  MMchUcben  Thftti^» 
keit  iriedBriiolt  Wie  das  mgMtota«  Pttdd  iia^  beMn  Soltw 
aohwingt  ud  erat  mudi  Uaifarer  Bewegnng  ach  beruhigt,  aa  schia&ea 
aach  alle  Yeraache  m  veiteaseni  und  an  retormfren  nmiobat  über 
das  Ziel  Uumi,  «n  erst  nach  liagaran  Sehwankea  and  Schwäigea 
die  ilehtige  Mitte  aa  ftita.  Wea  in  den  Anstalten  .der  galen  alten 
Zeit«  MUe,  »um  ecgiml^  iraa  Jetet  überquillt,  auf  daa  richtige  lU 
mrftdcgafKhrt  werden.  Das  FaeUehrerthnn  ist  einsuflchiiaken  und 
daa  daeeenlehrarthnm  aiaa  ebenangeftdurten  Orftnden  nehr  au  püegen, 
als  es  jetzt  geschieht  Die  Grammatik  ist  nieht  an  der  Muttersprache, 
sondern  an  den  fremden  Sprachen  zu  üben  unter  einziger  Beibehaltung 
der  in  allen  Sprachen  gebräuchlichen  Nomenclatur.    Der  Unteiricht 
der  fremden  Sprache  hat  das  Hauptgewicht  auf  Ticctüre  und  Con- 
versation  zu  legen  mit  möglichster  Be^ichränkung  alles  gramniatischei» 
Drills.    Die  Aufsätze  haben  praktische  Aufgaben  zu  beliandt^ln  *Ml<r 
sich  an  die  eben  eniptohleiie  Leclüre  anzuschließen.    Der  mundliche 
AusdiTick  ist  durch  Derlrtniiren  und  freie  Vorträge  zu  bilden.  Der 
naturwissenschaftliche  Unterricht  ist  auf  das  Nächstliegende  zu  be- 
schränken, die  Anthropologie  auszuscheiden.    Gesang  und  Zeichnen 
sind  ficultativ,  wo  Talent  und  Neigfung  sich  vereinigen.    Dass  die 
körperliche  Aasbildung  mehr  auf  Anmuth  und  Anstand  als  auf  Übuug 
der  Kraft  und  Qemidthelt  n  aehen  hat,  Hegt  in  der  welbliehen 
l^atnr  begrändet. 

Man  hat  mit  den  Tßchterscliulen  stellenweiee  Sendnare  Terbonden 
nm  auf  ihnen  Mädchen  tta  den  Lebroberof  tombflden.  Man  mag 
nnn  aonat  ttber  die  Wirkeamkeit  aolite  Anstalten  denken,  irie  maa 
irill,  80  eebeint  ihre  VerUndang  mit  der  T^efatereehnle  ebensowenig 
angemooeon>  irie  die  eoMr  Akademie  mit  dem  Gymnaeinm,  eine  ESn- 
idcfatnng,  deren  Veraneh  in  der  Forteetntnff  dea  Gj^mnaainnB  dudi 
sogenannte  Seleeten  die  Probe  nicht  bestanden  bsL  Man  kann  niae 
lieh  die  drei  SeminarGlaaaen  nicht  mit  einer  Prima  nnd  Oberseeonda 
Tergleichen,  ireil  jene  die  Yorbildong  sa  einem  bestlimnten  Bandh 
geben,  diese  aber  nnr  eine  Fortsetzung  der  allgemein  wissenschaft- 
lichen, f&r  das  Studium  erforderlichen  Ausbildung  bieten.  Zunächst 
also  wird  der  Diiector  einer  solchen  Doppelauätall  deu  von  zw^ 


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—  di3  — 

Seiten,  so  wo!  von  der  Schule  als  von  dem  SemioAr,  gosteUten  Ad- 
fbi-deruDgen  in  den  seltensten  Fällen  entsprechen.  Femer  wird,  da 
«ft  sieh  nicht  umgehen  lüsst,  dass  dieieUMn  Lehrer  an  beicien  Anstalten 
nntenichten,  in  vielen  Fällen  eine  gewisse  Ungleichmäßigkeit  der 
I     Methode  sich  bemerkbar  machen;  denn  nnr  selten  wird  ein  Lehrer 
die  Doppelnatir  besitBen,  mit  i^eidiem  SdUge  zweifln  Hmn  sa 
dienen.   Daher  entspricht  es  der  Zwectmftfijgkeit,  das  Seminar  m 
•dnem  selbststindigm  Institut  su  machen;   Diese  Rhuichtwig  wftre 
«vh  gewiss  dnrefagifllhrt,  wmm  nicht  tm^  hier  wieder  der  nervös 
iwnm  gerendaram  dife  Klippe  wftre,  an  der  so  tieie  PUae  geseheitert 
änd.  Aber  gehen  wir  einen  SdiritI  weitarl  Ist  das  Lehrerinnen- 
Seminar  ftberhanpt  ein  sweekentq^treefaeBdes  IMtat?  Signet  sieh  die 
weibUdie  Natur  für  Am  Berof,  an  dem  es  yorberdtet?  Von  d^ 
Lehrerstand  wissen  ¥dr,  dass  er  unter  den  Beamten  die  kürzeste 
Lebensdauer  aufweist,  und  nicht  minder  hat  bicii  heniusgestellt,  dass 
neben  dem  Officier  der  Lehrer  am  frühesten  in  den  Ruhestand  tritt. 
Nun  ist  doch  w  »!  durcliweg  die  Annahme  gerechtfertig-t,  dass  die 
l^eißtige  und  kiirperliche  Constitution  des  iMannes,  oder,  wenn  wir 
einen  müdernpn  Ausdruck  g'ebraiiclie]]  wnllen,  seine  Neimen  Tester,  ge- 
•stahiter,  gegen  äiiliei  e  Kioliüsse  geleit-er  sind  als  ^die  des  Weibes. 
Eine  hysterisclie  Krau  nnd  ein  hypochondi'ischer  Mann  sind  zwar 
teide  AuswÜL-hse  nervenkranker  Erscheinungen,  unterschpiden  sich 
aber  doch  noch  immer  in  der  Weise,  dass  dieser  eine  Eigenschaft  be- 
^^ahrt  hat,  die  joier  abgeht,  die  Ruhe  und  Selbstbeherrschung,  Eigen- 
schaften, die  für  eine  gedeihliche  £ntwiekelang  der  lichrth&tigkeit  nn* 
sriftsßUche  Bediogong  sind. 

Zu  den  obengenannten  Fächern  tritt  in  dem  Seminar  ein  ünt«r- 
I     richtsgegenstand,  der  besonders  anf  den  zukünftigen  Beruf  lunweist, 
die  P&dagogik.   Die  theoretische  Pftdagogik  lehrt  die  Ansichten 
giofter  PSdagogen  kennen  nnd  und  entwickelt  darans  die  Knts* 
«Kwendnng  für  die  praktische  Thfttigkeit  des  üntenichts.  Sollte 
^mküdi  die  erziehliche  Fähigkeit  nnd  Fertigkeit  dnrch  diese  Kenntnis 
gswumen?  Ist  es  nicht  vielmehr  wahrscheinlich»  dass  infolge  der 
Emprägung  der  verschiedenen,  yoneinander  abweichenden  Methoden 
<nie  UnUarhdt  nnd  ITnrieherheit  sieh  bildet^  die  im  gegebenen  Augen- 
blick den  richtigen  Weg  verfehlen  Ifisst  und  dem  Eingreifen  der 
^SWstesgegenwart ,  der  so  häufig  die  letzte  Entscheidung  anheimfiHlt, 
'       im  Wege  steht?    Die  Mutter  der  Gracchen  hat  keinen  Cursus  der 
I*iWagogik  durchgemacht   Die  meisten,  fast  alle  Mütter  erziehen  ihre 
^der,  ohne  von  der  theoretischen  Pädagogik  eine  Ahnung  zu  haben. 


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—  314  — 


•«QDderP  theils;  leitet  sie  der  von  der  Voi>e]Hing  ihnen  eiiii:H£rt^^(  ne 
Takt,  um  nicht  zu  sag-en  Tnstiünt,  theils  folgen  sie  der  Anwf  isimg 
ihrer  Mütter.  i>ie  meisten  grotieu  Männer  hab^n  die  erste  Aiirco-un^r 
zur  Entwickeiiuig  ihrer  Talente  durch  die  Aiüeitimg  ihrer  Müttei' 
erhalten. 

Wa.s  Schüler  in  seiner  (ilocke  von  der  Thatigkeit  der  Frau  ge- 

SHS't  liat.  srilt  noch  heute.    Die  Frau  ist  ihrer  ganzen  Natur  mrh 

daiÄUl  angewiesen  —  Ausnahnirii  bestätigen  auch  hier  wiederum  die 

R^el  — ,  die  nach  auUfii  L'^e-i   lii«te  Thätigkeit  des  Mannes  nach  innen 

211  unterstützeii,  zur  i?  oi  rp^^l'^Ji'^init^  de«  rTefJchlefhts.  zur  Erhaltung  des 

^^taatets  und  zum  Schutz  des  Var»  rlando  gesunde  Kimkr  zu  gebären, 

und  dem  Mann  ip  der  Krziehnn«,'^  <lei  >t  Iben  zui'  Seite  zu  stehen.  Jede 

and*  le  Thätii/keit  der  i*iau  i^i  eine  minatürliche  und  zerstört  den 

Nimlnis  dt  r  Weiblichkeit  der  ihren  eigenthümiichen  Reiz  bildet.  Wenn 

e-  leidt-r  soweit  gekommen  i«t,  dass  die  Frau  durch  die  Vxi- 

riaiiii  der  Verhältnisse  oft  gezwini-eii  wird,  einen  Beruf  zu  erL^eiten, 

der  mit  ihrer  g-eistigen  und  gemiithlichen  VeranlaLMtni:  in  Widerspruch 

git^liT.  so  fidirt  dai'äus  nicht,  dass  man  auf  kün^tliehem  \\'e,i:e  diirch 

■Treihhausi-ultur   dieseTi    Auswiedis    der   menschlichen  KritwiekeluTig 

iuidern.  sondern  dass  man  seiner  Ausbreitung  mit  allen  veriügbaren 

Mitteln  entgegentreten  soll 

Man  yerg^leiche  d&rübei'  E.  von  Hartmanns  Aufsätze  in  der 

„(jr  egenwart". 

Bezeichnend,  wenn  auch  etwas  derb  humoristisch  gehalten,  sind 
die  Verse  Schartenmayers,  die  in  vieler  Beziehung  den  Nagel  auf  den 
Kopf  treffen: 

Wm  n  viel  ist,  iit  zo  tH  Dm  ift  lang  no«h  luim  fcMoatar 

tAB  Katar  steckt  ]la6  und  2S«L  WeilwiMBd,  der  mtfdnd  denkts 

Tau^  das  Weib  wol  zu  den  Fikaen,  Höchstens  nnr  sehr  eingeschribgikt. 

Znm  Drugoner,  zura  Ülaseaf  Kann  das  Weib  wol  Pfarrer  weidc^ 

0»r  wol  zur  Artillerie?  Auch  wohl  Special  auf  Erdeii| 

Darauf  läast  sich  sagea:  aiei  Oder  etwa  gar  Prälat? 

2b      fiMlkavih  ud  auch  HH»  Ncia,  dam  ist  «e  nt  spat. 

Hift  rie  ml  m  der  JnetiM;  Iit  nim  diei^  zugegeben. 

Auch  zur  strengen  Polizei  Soll  daruiu  das  Frauenleben 

Langt  es  nicht  ich  sag*  es  fieeL  Dennoch  nicht  dem  Haus  allein, 

raugt  aie,  zu  urganisiren  Nein,  der  Welt  auch  ntttdicb  nein. 

Schur  und  Kirche  und  regiereo,  Hat  doch  maacber  plumpe  Stoffel 

ZosL  OoUaüaieteilwnf  Scboa  firUIMfffy  dssch  Featoffdi 

Adame  Bippe  l*fc  ao  krumm.  Due  die  Weib  bat  mebr  Veistaady 

Und  nun  dgienilidien  Doetev?  Ab  ihm  Toilier  war  bekannt» 


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Die  etiiisebe  Bewe^ang  in  Amerika  und  Deitoelilaud.*) 

3JJb  ist  ein  recht  tribtsBfid,  welches  im  1.  Heft  des  XV.  Jahrgraogt 
des  d fi 2'oginms"  von  nnserer  Zeit  t  ritwurfen  wird.    Der  g^eelirtf^  Vpr- 

t'aiser  klagr  dort  über  «ien  periuaneBten  inneren  Krie^,  der  ein  Am  t  iz  zu 
weiterer  Verwilderung  sei.  über  den  um  sirh  »reit'eüden  Abfall  von  alku  idealen 
Richtpuukteu,  über  deu  fortwäiireudeu  Laim  politifldier  und  socialer  KämpfCi 
der  w  Aea  OmütiMm  Jene  Bäk«  wwlwiBht,  «tee  wtldift  eise  Vortiefimg 
Ii  die  Zkle  vnd  IMiliBe  d«r  Enielmnr  n/nigtUk  kt.  Er  Uagt  darHier, 
dass  der  Qelit  viibMIgW,  aUct  HelUge  verachtender  Selbstsacht  andi  in  jcM 
Kreise  eingezo^n  sei,  TW  deaen  mm  die  Bewadrang  nnd  Pflege  der  höchsten 
Oftter  des  Menschens'eschlcohtes  erwarten  sollte,  nnd  dass  ancli  zahlreiche 
Mitglieder  der  vornehmen  Classen  an  der  UntergraboQg  der  tie&ten  Funda- 
mente des  Caltui'staateB  aibeiten. 

Offenbar  hat  der  Ver&sser  ganz  recht,  wenn  er  daiiiui  verlangt,  dass  die 
Sebtle  TOD  potttftciMttAiqpMloiien  befreit  werde,  imddMidMiLefarentalidefai 
giMenr  Bliiiltti  aif  die  Oigaaiwttai  ma  die  häUmg  dee  BMtwmm  n* 
kinnne. 

Indessen  zeigen  sich  in  Amerika  Bestrebongen,  die  znrHeilnng  der  Krank- 
heiten un''"r<^e  '"•ffentlifhen  Lehens  nor!i  weitergehen,  indem  sie  eine  Veredlung 
nnd  Verjüngung  des  geistigen  nnd  sittlichen  Strebens  durch  Grün- 
dung von  „ethischen Gesellschaften'^  bezwecken.  Vl^er hierüber geaanen 
AaftcUBn  wtaMbt,  findet  Ihn  in  Mge^dea  zwei  Schriften: 

1.  ,»Die  Beligion  d«r  Moral  ^  Toa  Balter.  Berlia,  W.  Friedikii. 

%  «Die  ethische  Bewegang*,  von.  Ooit  Leipalg,  0.  B.  Beidaad. 

Gewiis  keaunt  es  besonders  der  Eirdie  zu,  an  der  sittlichen  Veredlang 
des  Volkes  zn  firhrjtpn.  den  Geist  der  Selhstsncht  zu  beklimpfen  aad  den  der 
SeUMtverlengnnng  nnd  Menschenliebe  m  pflegen  und  zu  pflanzen. 

Allein  die  Kirche  basirt.  ihre  sittlichen  Gebote  und  Lehren  auf  duguiu- 
tische  Grundlagen,  aut  Sätze  dee  Glaubens,  die  heute  von  vielen  nicht  mehr 
swunnea  weriai,  €hv  vMa  Ummikm  hAtit  wUtvead  threeBaiwiekhiiiga- 
««BgM  dJMi  IdadUdi  bei^llokeiideD  OlaalMn  efageMBt.  Viele  stehen  saBerhalb 
dir  Efarahe  aad  ealbehran  einer  gsmehisahalükhen  «ad  regelniftSigen  Pflege 


*)  Wir  veröffentliclien  diesen  Bericht,  um  zunächst  uueierer  Pflicht  nachxu- 
V""™^!  die  Leser  Uber  piidagogisck  l)elangrei( ho  Zeiterscheinangen  sachlich  zü 
informiren;  ein  ürtheil  über  das  Voigten,  die  Leittangen  und  Frilchtc  der 
etbuchen  GeeeUschaften  behalten  wir  uns  vor,  jetzt  wire  es  noch  verfrüht.  D. 


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—   316  — 

ihr«  inneren  Lebens.  Ihnen  illen  erwlchst  die  An^lEftH  ^  Teftone  Pente 
auf  eine  andere  Weiie  sn  enohen,  die  moneh  gewordenen  SUttoen  doe  Ideelen 

Lebens  durch  haltbarere  m  «MSf^t^en 

Der  Ersatz  ist  nicht  eine  Sache  der  Unmöglichkeit.  Er  liegt  im  ethischen 
Cultas.  Diesen  wollen  die  „ethischen  Gesellschaften^  venuitteiu. 

Voteral  ist  n  benecken,  dwN  dleie  ethleeheo  Oeeelliclieften  nicht  eis  Gegner 
nnd  F^de  der  Kirche  «nftreUn.  Diese  Gesellschelten  Inlftensieh  ttüc  berufen, 
die  sittliche  Veredlnnf  des  Volkes  nnd  der  Menschheit  flberhanpt  elnfkoh  mit 
andern  Mitteln  anzustreben,  als  es  ȟp  Kirclie  thnt. 

Die  bedeutendsten  MHnner ,  welche  iu  Amerika  an  der  Spitzt:  di&*e.i  ethischen 
Bewegung  stehen  und  alt»  Führer  und  Redner  ihrer  ethischen  GefieUschafteu  oder 
Gemeinden  dienen,  sind  Dr*  Adler,  William  Salter  und  Stauten  Oelt 
Diese  Drei  lasse  ich  in  den  fblgenden  Worten  ipreeben.  — 

•  ifVor  allem  müssen  wir  uns  fragen,  auf  wdcker  Basis  wir  hauen.  Wir 
haben  bei  'ler  Bildvmgr  nn8er»»r  Gesellschaft  ein  edleres  private?  und  g-erechteres 
sociales  Leb«  a  im  Sinne.  Die  Basis  unserer  Bewe{^uüg  liegt  nicht  iu  den  alten 
Beligioueu,  uoch  iu  irgend  einer  der  mtionalisiiten  Formen  derselben.  Wir 
haben  keine  Verftalassnnirf  ^  JndenUmm  odsrdaeCliilitentiinminTeifaBhBeB; 
nie  sind  nicht  Fremde,  sonder  mser  aller  Mntter;  sie  dnd  nicht  fertig  Toa 
Himmel  gefallen,  sondern  der  ürspmng  alles  religiösen  Glanbens  ist  die  Menschheit 
seihst  5r»»\«,pspn  Jedoch  stind  wir  der  ej^rr^lichen  Unzuläneliehkeit  des  alten 
Olanbens  im  uusere  ffe!?enwärtig:e  KrkeuuLnis  niclit  weniger  g:ewakr.  Die  Men- 
schen haben  sich  voriuai»  die  uuhekaunte  Weltmacht  als  eine  Person  vorgestellt 
nnd  sie  heben  einen  so  -geringen  Begriff  Tcn  der  NaInnivdnnnK  nnd  der  ünvca^ 
ftaderlichkeit  der  Naturgesetze  gehabt,  dass  sie  gegkliht'hihen»zn  jener  Macht 
beten  nnd  dieselbe  bitten  ym  dürfen,  filr  sie  zn  thnn,  was  sie  selbst  nicht  tliun 
konnten.  Wir  dagegen  werden,  tbeils  dnrrh  den  Kinfln^s  phi!o««nyihiseher  Kritik. 
theils  durch  den  positiver  Wisaeiisciialten  dazu  gezwungen,  die  rersöniichkeit 
der  Gottheit  als  eine  offene  Frage  zn  besuchten  nnd  das  Gebet,  so  viel  wir 
erimnenit  all  etnfc  nnnlttM.Yenohwmidui^  mmiiohUrhnr  BtaergleL*' 

.Ein  Gel»el  nn  dem  nnbeknateD  Gott",  sagt  Salter,  „schUefltcine  deppelte 
Sünde  ein:  erstens  Misstrauen  geg:en  die  Wolthätigkeit  der  Natnrordnung, 
durch  welche  er  Bchon  offenbart  ist.  nnd  welche  besteht,  wir  mögen  beten  oder 
nicht;  und  zweitens  ein  Verzweifeln  an  unserer  Fähigkeit,  als  nilchste  Uissche 
xtt  liandeln  und  das  GewüjuMüite  selbst  herbeiznf&hren." 

«Für  nne  ist  aneh  die  Wissenschaft  kein  Letikes;  sie  aa|^  ans  nVi  was 
-ist,  sie  sagt  waä  nlehte>daTon,  ms  sein  mdltn.  Wns  sein  sollte»  sagt  «u  nnr 
das  Gewissen. 

„Also  nicht  die  alten  Beligionen,  nicht  die  Religion  8el^st.  im  gewöhnlichen 
Sinn  des  Wortes,  uicht  der  Agnoeticismus ,  uicht  die  Wi&seu&chaft,  obgleich 
wir  jede  üurer  Thatsaeken  anerkennen,  ist  oiisere  Basis.  Anf  etwas  Tieferem, 
anf  dem  Fels  4ee  G-ewissene  weUso  wir  bMsn,  auf  dnn  «wign  Osastisn, 
welche  in  -der  moralischen  Natnr  des  Menschen  sich  kundgeben.  Das 
Gewissen  führt  um  in  ein  ideales  Eeich.  Es  sagt  zu  jedermann:  Du  sollst  erf- 
recht sein!  Es  !sagt  zu  Jedem  Gemeinwesen:  Es  gibt  kein  uideres  Gesetz  für 
ench,  als  das  absolater  Gerechtigkeit! 

«Die  HciBl  ist  so  nmlkssend^  wie  das  VcosBhUciie;  sie  hat  Bedenftnngfllr 
das  ganne  Leben  der  Menschheit»  VaterieHe  Interessen  hahen  «ine  HeOigkeit, 


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—  817  — 


weuQ  sie  meDScbliche  lateitiSä^u  bind.  Die  Lohütmge  iiat  eine  moralische 
Bedeatong}  Erziehung  hat  eine  moraliBche  Bedentimg;  Politik  hat  eine  mora- 
liidia  BedMtnig;  Owaehtigkelt  lad  0«iMlaw€l«  die  Aiili|ftb«a  dct  Staates, 
tbd,  eise  Foiteuiy  der  Mond. 

^Die  Moralist  ein Soii verain;  sie  schreibt  dMCfeMtannd  das  Ideal fdr das 
Ganze  vor.  Sie  liat  Bedeutung:  für  den  Intellect,  denn  sie  vemrtheilt  das  g'eschickte 
Spielen  mit  Worten;  sie  hat  Ikdeutunj,'-  für  unser  hliusliches  Lieben,  indem  sie 
verhiPt^t.  da.^s  darin  irgendwer  Sclave  sei;  sie  hat  liedenttingf  für  unser  Geschäft 
Wää  lur  die  Leitaug  det»  Staaten» j  sie  ibt  ein  Zeichen,  dat»  wii-  alle  Theil  und 
flttäk  elMT  andenB  'Wetedimiw  lind,  ab  der,  weklw  wir  eehen,  «ad  deee 
wir  In  fliwei  Feetarem  wnnela,  ak  dfo  Srie  iai.  Bine  aeie  EmpfiftdaaiT 
diesei  inneren  Mahners  zi  gewinnen  und  zq  fahlen»  dMe  teile 
Forderungen  auf  alles  Gute  gerichtet  sind,  und  so  zu  gewahren, 
dass  eine  Bahn  nnanfbörlichen  Fortschrittes  vor  uns  liep-tt  das 
istZieInnd  Bedeutung  der  efchiaoheu  Bewegung/  äiehe  äalter,  Eeligion 
der  Moral,  S.  314. 

^Die  Kirchen  haben  viel  zu  re^n  von  ,bloßer  Moral'.  Ich  kann  daraaf 
andporten»  da»  die  ,Uo0e  Xenl'i  welobe  lie  kennen  nnd  (Um,  eUerdings  dee 
M— dum  Hdl  nicht  doliert,  Wir  bedfirfen  einer  voUkeniuiaeren  Itad,  einer 
Xand,  die  das  Ganze  des  Lebens  deckt  und  keinen  Winkel  desselben  außerhalb 
der  geheiligten  Herrschaft  des  Guten  liegen  lässt.  Ein  höherer  MaßsUib  der 
Rechtwliaffefilieir  i«t  es,  deren  die  Welt  bedarf,  ein  Hnlrhrr.  r  di.^  schlummernden 
Gewissen  der  Meusdieu  wachmft  und  eine  Wiedergeburt  des  Lebens,  des 
privaten  und  des  socialen,  wirkt," 

,Wir  behaupten  die  Unabbftngigkeit  der  Moral;  wir  •t&taen'une  nicht 
iif  dae  Dognn,  weil  etwa»  im  Heoeehen  iet»  dae  ihm  nSJier  nnd  weeentlieher 
iKi  ala  dae  Boput;  wir  etfttien  uns  nicht  anf  die  Oeechichte^  weil  die  Qnellen 
dv  Geschichte  in  uns  sind.  Wir  glanben  an  einen  moralischen  Fortschritt:  — 
dass  die  Begriffe  des  Rechten  einer  nnendlichen  Entwickelung  fähig  sind  nnd 
den  Menschen  künftig  Gtowiseenebedeuken  kofluoea  mdgen,  an  die  sie  jetzt  gar 
sieht  denken.'* 

„Die  Basiü  unserer  Bewegung  ist  nicht  eine  Theorie  der  Moral,  sondern 
tte  Xornl  aelbnt.  Iph  etehe  hier,  um  die  Idea  4ee  0Bten  eelbat  empor  sa 
Ulan,  enoh  eelne  Sehilnhete  in  «u«m  Handeln  nnd  Im  Segen  enrei  Lebens 

bekennen  zu  In  wen.  Die  Meinung,  dass  der  Mensch  nicht  ausikbielhillMBM» 
^ten  kdnne,  dass  er  nicht  einen  andern  gleich  sich  selbst  lieben  kdnne,  dass 
^  leines  Daseins  Zweck  nicht  in  seiner  Familie,  im  Oemeinweseti.  im  Staate 
finden  könne,  dass  er  tlir  alle  diese  nicht  leben  könne:  das  nenne  ich  den 
WälxrbQ  Ingiaubeu.  Moral  ist  das  Heraustreten  aus  sich  selbst  und  da«« 
Inbm  llr  etwas  Gröderes." 

Jb  iit  etwa»  weit  län&ohene«  all  FhOoiophie,  was  nneere  unmittelfenre 
Swge  sein  mam.  Dies  ist  es:  nP^aktiseli  der  Welt  «i  neigen,  dnmdielfoml 
eine  hmreichende  Grundlage  unseres  Lebens  ist»  dam  Selbstlosigkeit  sein  kann, 
dadorch  darzuthun,  dass  wir  sie  an  den  Tag  legen,  eine  höhere  MoralitUt  zu 
bcweiaen  durch  die  stren^rTe  T^rinlieit  unseres  Privatlebens,  durch  höhere 
-^^^^rifie  von  Ehre  in  unseren  Bciufbangelegenheiten,  durch  stärkeres  Mft^^uhi 
ftr  die  Armen  und  Verlassenen."  — 

Anf  Seite  345  der  Sclurift:  »Die  Eeligion  der  Moral''  bagt  Salter:  «Es 


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—  818 


MWt  eiae  Relic:ioa  kpumflü,  frelohe  «Oa  ttmmkn  Omam  wmitAM  im 
liiBiMrigM  BdigioM  IbcnaMtot  DeoB  4to  WahilMlt      Ding«  tat  vUkt 

ebrfftlich,  oder  jüdisch,  oder  indisift,  foodmi  Eine.  Die  BedHrfhisse  der 
>fenschheit  sind  die  ß^lfichpn  in  dt^r  ranzen  WeH;  dv  Beruf  imd  die  «Bitte 
Be8tiBimun§^  aller  Natiouen  sind  die  gleichen.*' 

Entoprecbend  dem  biBiier  Geeagteu  haben  sich  in  Amerika  einzelne  Geeell- 
Mhiften  geUMet.  Die  ^aeiellicbaft  fir  noralliehe  CvlUr"  1»  ChioagD 
iMt  folgende  Sats«&f  ea  anf^jetlent: 

1.  Wir  anerkennen  die  Wahrheit,  dass  das  Wol-Sein  des  Staates  in  dem 
Wol-Handeln  «»ein»^r  einzelnen  Glieder  hr^stf-hf^n  muss.  Daher  halten  wir  es 
tür  unsere  liöcht^to  l  'rtichf,  s<i  nnsere  Fü  iiiL':k(  iteu  auszubilden  und  unser  I. eben 
i^a  ordnen,  da£fi  wu-  andere  uui  alle  gute  Weise,  durch  Beispiel  wie  durch 
Bei^n,  betolmii  Maea. 

2.  Wir  glAQbeo,  äam  riditige  und  TeraOBflgicnille  Ansichten  ttber  unser 
Verhältnis  znm  Universum  von  offenbarer  Wichtigkeit  sind  fdr  die  rechte 
ErfasKuni?  unserer  Pflicht.  Wo  da«  £rpisti?e  Gesichtsfeld  durch  einen  Nebel 
des  Aberglaubens  verdttstert  ihi,  sind  keine  klaren  Begriffe  der  Pflicht  erreichbar. 
Speciüative  Philosophie  und  dogmatische  Theologie  sollen  dnrch  die  Lehren 
der  WliMttMduiftt  der  Teniuift  md  des  Gewistenf  feprdft  werd«  «ad  Am 
g«mAß  stehen  oder  fallen. 

H.  Die  gewöhnlichen  dogmatischen  Glaubenslehren  befriedig'en  nicht  mehr 
unsere  moralischen  Bedftrftiisge.  Eine  walire  i'hilosophie  des  Lebens  und 
ein  höheres  Ideal  der  Pflicht  zu  haden,  ist  eine  der  Aufgaben ,  die  wir  ans 
gestellt  haben. 

4.  "Wir  ludten  «  flbr  tUm  helligpe  Piidit,  wRIirMid  iitt  imeer  eigeiiet 

I>eben  in  allem,  was  diMB  «imdit  Min  mBg,  Btt  refonnina  trtefatett,  la/dk 

Kriiften  alles  zu  thun,  UTn  nnsere  Mitmeudieo  §m  der  IfMrlgea  LSfe»  1« 
welche  sie  {gesunken  sind,  emporzuheben. 

5.  Zu  unseren  Veraustaitungeu  gehören  Vorllige  Und  Discnasionen  für 
SrwBioliteM  md  Sehnlea  ffir  Kinder. 

6.  Die  ethtseke  SehBle  besteht  ms  Olaeaen  für  Kinder  und  etaMi 
Seminar.  Die  IQEder  werden  in  den  Pflichten  de»  Lebens  unterwiesen. 

7.  Die  Armenpflege  ist  soorganisirt,  fln«s  nu  li  Iii  ji  T!ifr«'Ti  nti  dm  Werken 
der  Mengciilichkeit  mitwirken  kdonen,  die  in  Fragen  der  fieiigion  nieht  mit 
uns  ubereinstjmm^. 

8.  Der  DameBvereiA  sorgt  für  geprUle  Pflegeriaaea  fttr  die  Snahei. 

Diese  hSchst  beaieilLenswerten  Vorgflnge  in  Amerika  haben  nnn  ihre  Nach- 
wirkungen bereits  in  Dentschland  tretunden,*^  TTior  hat  sich  bereit«?  ein 
Görnitz  organisirt,  in  dem  Berlin,  München,  Prag,  ijtiaUburg,  Magdeburg  und 
andere  Städte  durch  hochgestellte,  gelehrte  Männer  und  Frauen  vertreten  sind, 
üater  ihaeii  fUure  kh  aar  wenige  Mvnite  KaaMo  aa:  Qeii.  Heg.  Rath  IM 
Dr.  FBkaler,  fte£  von  GiajTkl,  Prof.  JodI,  Prot  Dr.  Th.  Ziegler,  Bitter  voa 
Gammri,  Frau  Baronin  Bertha  von  Sattner. 

.     Im  Frfilüiag  1892  erlueit  naa  Dr.  Felix  Adler  in  New  Yorii  eine  £la- 


*)  Wer  sich  hierttber  belehren  will,  lese:  Vorbereitende  Mittheiloagen  über 
die  etidiebe  Bewegung  ia  Deuticklaad.  Seiiia.  Fr.  DfliUBlIer.  Pkeb  €b  Pf. 


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ladiiD^.  nach  Beriio  zu  kommen  und  lii*  r  iloi  ipht  zu  crf»! '  ii  ul  er  die  „ethische 
Beweg^uug^'  in  Amerika.   Dieser  Mauu  hielt  uuii  am  3.  Juii  1892  in  Berlin 
Bede,  wm  der  wir  MgfMid«  Mflnken  Mer  mltMUes: 

„Die  Gründer  der  ,etlüsckea  Vereine'  sind  der  Mefaning,  dass  man  nicht 
anf  dem  Wege  natonfineiisciiafflleher  Fonciiiing,  da  dieie  so  einer  mecba- 
Büdlen  Wehaitffiusuig  flünrt»  sn  einem  nenen  WeUiifld  gelangen  kflnne,  sondern 

dass  man  die.<;eu  Erfolg  mir  anf  dem  Wege  einer  yertieAumiidTerinnerlichten 
sittlichen  Erfahrung  erzielen  könne.  Wir  sind  also  von  rornherein  nielit 
antireligi ÖS:  wir  achten  niebt  allein  jede  reli^öse  Überzeugung,  sondern  wir 
heeren  die  feste  Hotlnung,  dass  es  auf  dem  Weg-e  ethischer  Cultur  zu  einer 
ueaeu  Weltanschaanng,  zn  einer  nenen  religiösen  Überzeugung  kommen  wird. 
Wir  iMMlirBiiiken  uns  einfuih  danmf,  die  IMennig  alttlieiifir  Bfidmig  !0b 
itoOeft  als  die  wfehtlgite  mid  ertiabentte  Feidenmg.  Wir  dnd  der  Helming» 
daas  liettte  vor  aflem  nicht  ivineoadiaftilche  Bflduig,  londeni  alttiiclie  VertfeAmg 
*  betont  werden  nmss. 

Die  Wolhabenden  baben  sich  in  großer  Anzahl  einem  crassen  Katerlalis» 
Djns  ergreben.    Andere,  die  von  edlerer  Art  sind,  suchen  in  der  Wissenschaft, 
im  Forschen  nnrh  Waluheit  den  Wert  des  Lebens.    Ahn-  uns  ist  e.s  wie  ein 
Stern  in  dunkler  Nacht  anfgeg'angeu,  dass  in  dem  n»oiali sehen  Streben 
der  Wert  des  Lebens  zu  suchen  sei.   I>ie  i'iiiclit  itit  das  Rettungsboot, 
dal  heanSt  ateht,  nna  hei  dam  Schiffbnich  der  atten  GlanhenaTenteUungcn  anf- 
mnebmen.  Der  enfce  Grandgedanke  nnierer  Bewegung  belBt  nicht:  ,Thne, 
was  deine  Pflicht  nnd  Schuldigkeit  ist,'  sondern:  ,Suche  zu  ergrttnden,  waa 
deine  höchste  Pflicht  und  Schuldigkeit  ist!  Strebe  danach,  die  alten  bestehenden 
Vorschriften  mit  nenem  Geist  zn  erfüllen  nnd  zu  nenen  sittlichen  Forderungen 
heranzureifen,  die  den  neuen  Verhältnissen  und  Bedürfnissen  unserer  Zeit 
entsprechen.' 

„Der  zweite  Grundgedanke  unserer  Vereine  ist  der  von  der  Unabliilngig- 
keit  der  Alorai.  Wir  leugnen  den  Einfluss  dei*  religiösen  und  philosophischen 
Anwibaunngen  alcbti  wir  abid  aber  der  Keimmg,  daia  erst  ans  dam  Handeln, 
leibst  die  rechte  EinaiclLt  in  die  Frindpien  des  Handelna  erwicbat,  daaa  man 
auf  dea  Vftg  der  Erfahrung,  der  Induction,  in  die  Tiefen  der  Sittlichkeit 
eiudringen  mnss.  DemgemttB  aind  wir  auch  der  Ansicht,  dass  man  an  jeden 
Menschen.  p-If^iehviel  was  seine  religiösen  Ansichten  sein  mögen.  dieFordemng 
stellen  darl  und  soll:  T»u  sollst  gut  sein!  Du  kannst,  weil  du  sollst!'  Die 
Kirciie  verlangt,  dasi  lijun  auf  dem  Umweg  des  Glaubens  zum  rechten  Handeln 
Zuname.  Wir  aber  kehreu  die  Xlitibe  gerade  um ;  w  ir  sagen :  ,Krätguthaudelu! 
die  rechte  Sinaieht  in  die  Principien  des  Handeina  wird  achon  an» 
icA  Handeln  aelbat  erwachsen.'  — 

»Dir  dritte  Grandgedanke  der  etUacbcnVerebie  Ist:  Die  rechte  Lebens- 
ftbring  iat  eine  schwere  Knnst  nnd  mnss  dnrch  Übnng  erlernt 
^^rden.  Vor  allem  ist  zu  berücksichtigen,  dass  der  Kreis  der  Pflichten  je 
n  if  h  <\pvi  verschiedenen  Lebensaltern  und  Berufsarten  wecdttclk  Die  Mitglieder 
Wüä«  ethischen  Vereins  theilen  sich  daher  in  Grupjien. 

Drr  untersten  Gruppe  werdrti  die  jungen  Söhne  und  Töchter  der 
Weinginitgiieder  zugetheili.  Die  moralische  Heiehrung  der  Jugend 
bildet  das  Fundament  des  Vereins.  Auch  im  moralischen  Unterricht 


L 


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—  820  — 


te  Jagend  tii«t  eine  große  Reformbewegangr  noth.  Man  soll  im  LehifM|r 
<Vv  vf'rhte  psTcholo^nsche  Folge  walten  lassen,  soll  einen  sittlichen  A  n  >c  Ii  aunngs- 
unterricht  geben,  ehe  man  zur  Entwickelung  sittlicher  Begriffe  über- 
l^ht,  man  soll  zom  Zweck  der  Schärfuug  dm  sittlichen  AusciiauangSTermögens 
das  reiche  Material  der  Fabeln,  der  Mythologie,  der  biblischen  und  indiBcfaen 
Enihlangeii  lichten  und  ordnen,  man  soll  nicht  den  kindlichm  Geist  mitLehr- 
Sätzen  belasten,  für  die  das  Kind  noch  kein  Tenttndnis  hat,  sondern  mit  den- 
jenig-en  sittlichen  Vorstellungen  den  Anfang- machen,  die  innerhalb  des  kindlichen 
Erfahrangskreises  liegen,  man  Boll  bei  der  Entwickelang  der  sittlicliea 
Begriffe  nicht  anf  den  Abweg  geratben,  eine  aietapbysiscbe  Begrfindnng  za 
Yttiodifin,  BODdem  seil  «n  der  Band  eoncreter  FAlle  nneh  sokratlseher 
"Weise  allgemeine  Begeln  entwiekeln.  Ferner  halte  ich  ee  Ar  rathsam, 
4as8  man  die  Spruchweisheit  in  Hilfe  uehey  vm  gewisse  Cardinal punlEte 
der  Moral  dem  Gedäclitnis  einzuprägen,  und  dass  man  eine  Anzahl  von  Bio- 
graphien edler  Männer  und  Frauen  der  Jugend  vortrage,  um  ihr  sittliches 
Urtheil  zu  schärfen,  und  um  sie  durch  leuchtende  Beispiele  zur  Nach- 
ahmung  ansoftnem,  endlieh,  dass  man  geviMe  moralische  Beden,  wie  die  Beda 
des  Sokrates  ¥or  seben  Bichtezn,ansgeir8blte  .  Stilehe  ans  der  Bergpredigt, 
ans  den  Beden  des  Jesaias,  die  letzten  Worte  des  Thomas  Morus,  die 
npftysbnr^cr  Rede  des  Abraham  Lincoln  auswendig  lernen  lasse,  damit 
durch  das  gesprochene  Wort  der  Geist  jener  vortrefflichen  Reden  in  das 
jugendliche  Genmth  einziehe.  —  Ich  kann  nur  versichern,  auf  Gruud  vieijaiiriger 
Erfthnmg,  dass  ein  derartiger  Unterricht,  weit  entfernt,  den  Vor* 
warf  des  trockenen  Moralisirens  m  Terdienen  nnd  abstoAend  na 
wirken,  das  regste  Interesse  der  jungen  Menschen  erregt  nnd  sie 
an  einem  wahren  Enthusiasnins  zu  entflaranipn  vermag. 

,,b)  Die  zweite  Grupiu  sht/j  sich  zusammen  aus  den  heranwachsenden 
Jüngliugeu  und  Juugtraueu.  in  dieser  Gruppe  ist  namentlich  die  Vorbereitung 
Ar  das  spätere  Bernfslehen  an  pflegen.  Aneh  ist  in  dieser  Gruppe  das 
ethische  Verhältnis  der  Freundschaft  besonders  zn  berühren.  Femer  gehört 
die  Vorbereitung  für  den  Stand  der  Ehe  hierher.  Man  klagt  allgemein  über  die 
Zunahme  der  Ehescheidungen  in  allen  Culturlündern.  Nun  kann  diesem  Übel 
auf  keinen  Fall  dadurch  abgeholfen  werden,  dass  mau  den  Austritt  ans  einer 
nnglttcklichen  Ehe  erschwert.  Vielmehr  kann  ihm  nur  dadurch  abgeholfen 
werden,  dass  man  den  Eintritt  In  die  Bhe  sn  efnem  Aete  edlerer  Wahl 
umgestaltet,  der  von  vollem  Bewosstsein  aller  damit  verbundenen  P  fliehten 
und  Verantwortlichkeiten  begleitet  ist.  Mit  nnerh?5rter  Feigheit  hält  slch  Vnsere 
im  Innersten  angefressene  Gesellschaft  von  diesem  Problem  fem. 

c)  Der  dritten  ümppe  gehören  Männer  und  Frauen  an,  die  in  das  gereiftere 
Alter  eingetreten  sind.  Die  Pfliditen,  die  hier  Gegenstand  der  Erörterung 
werden,  sfaid  die  Pflichten  der  Eltern  gegenihre  Kinder,  also  die  ganne  grole 
Erziehmigalhnsge,  die  Pflioiiitan  des  BOrgen  gtgm  den  Staat  nnd  eidlich  die 
Pflichten  der  verschiedenen  socialen  Classen  ^r^^gfn  einander.  Hier  sind  die 
verschiedenen  socinl-rpformatorischeü  Bestrebungen  zu  prüfen.  Ein  ethischer 
Verein  mnss  alle  socialen  Classen  umspannen,  damit  das  tiefere  Bewusstsein  dei- 
gegenw&nigen  Pflichten  erweckt  wird.  Denn  es  handelt  si^  bei  der 
•ooialen  Frage  nicht  hlea  nm  die  Bettang  der  Annm,  aondeni  aneh  «a  die 
geistige  Battang  der  Beloben.  Die  geistige  Befreinag  nad  VersOhnang  der 


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Besitzenden  sowol  wie  der  Besitzlosen  ist  dM  Ziel  der  socialeo  hewegwag, 
mfge(&mt  vom  ethischen  Standpunkte  aus. 

„d)  Die  vierte  Grupi^  ist  die  Ornppe  der  Alten,  die  ihr  Tagewerk  vollendet 
hak«  nd  am  Abaad  ftna  Mna  ataftaa.  Dia  PAldrtan  danelbaa  Maben 
Banaallkii  Mb,  taiah  miaaii  B*lli,  dardi  gtaammalta  Miknageii  Amen 
zu  dienen,  die  noch  mitten  teXanpfe  stehen,  dorchdiaWtMa ihres  Benehmeaa 
die  Ehrfarcht  der  Jüng-eren  zn  erweekan  «ad  dvrQh  aagaBaaiaaaa  BetnohtaafT 
Ml  ftttf  ihr  Ende  vorznbpreitpn. 

„Aber  anch  g-CTneinsam  solleii  aiie  »Truppen  r;i<ren.  Es  Rollen  namentlich 
ta  Sonntagen  die  Pflichten  zur  Sprache  kommen,  die  aiieu  Menscben  gemein- 
sam sind." 

♦ 

JBä  aiad  noch  drei  Einwände  zn  besprechen. 

«T>er  erste  geht  dahin,  dass  der  ethische  Idealffmns  der  Neuzeit  sich  in 
den  social -reformatoriachen  Bestrebungen  verkörpert  hat,  und  da^^  rrinn  also 
seine  p-anze  Kraft  fBr  die  L^ng  der  Arbeiterfrage  einsetzen  mu^»e.  Wir 
wolleu  aber  den  Charakter  des  Menschen  in  meiner  Totalität  erfassen  und 

batat.  Dmh  AUanknng  der  Aaltearkaaiakalt  anfdleünganaltnng  dar  taten 
TartlltaiaBa  wM  dar  VarlSAailieiiang  lalahi  Abbrach  gafbaa.  Dia  Beaaennr 
des  inBMiL  MaaadiaB  wM  amh  aof      talereB  Iirtenabadfagaagaii  aarOek- 

..Der  zweite  Einwand  ist  der,  dass  die  Kirche  ja  schon  das  Werk  der 
siulii  lu  11  Erziehung  iibernehme,  und  dass  deshalb  die  Gründung  besonderer 
ethischer  \  ereine  nicht  ndthig  sei.  Vor  wenig  Wochen  erklärte  nun  aber  in 
London  eine  Yersammliing  von  Geistlichen  der  engUdien  Staatskirche:  «Wir 
ifiacbai  all  m  laeran  VKaktiä  odar,'waa  noch  addlanaar  iat,  la  taabaii 
Ohren.  Ylala,  dia  der  Eirebia  angahSran,  atnd  aar  Sahalndnlrtaa,  ibid  Kladar  dar 
Watt  and  streben  ganz  aadem  Dingeo  aach,  als  ihrem  Seelenheil.  Und  aoBar- 
dem  gibt  es  eine  unzählbare  Menge,  die  ancli  äußerlich  mit  der  Religion 
gebrochen  hat,  und  anf  die  wir  allen  Einfluss  verloren  haben.   Es  muss  also 
etwas  geschehen,  um  die  große  Masse  derer,  welche  die  Kirche  nicht  erreicht, 
vor  sittlicher  Versumpfung  zu  bewahren.^  —  Was  nützt  es  also,  wenn  man 
Manftat:  Itat  niaMn  die  Kanaebaii  i^ben,  aba  aia  gvt  aela  kdaaan.  Vlala 
MoiMbeB,  and  die  beatan  darantar,  glaaben  nan  einmal  nloht  Aber  gal  aeln 
wollen  die  meisten,  das  kSnnen  sie  auch,  vorlänfig  ohne  den  Gianbea.  Diea  an 
biaweifeln  hieße  an  der  menschlichen  Natur  selbst  irre  werden. 

„Und  der  dritte  Einwand  heißt:  Es  kann  jeder  fiir  sich  an  der  eigenen 
VenoHkommnnng  arbeiten,  sich  selbst  erziehen.  Wozn  fin  \'erein?  Darauf  ist 
sagen,  dass  es  ja  der  Zweck  der  Moral  ist,  aus  sein»  r  Vereinzelung  iieraus- 
«itreten  und  den  Gemeiugeist  zu  pflegen.  Was  uns  allen  noth  thnt,  ist  das 
aHtaaia, alMr Oaneluehalt Olaiehgarianter anzugehören.  ICftrademOleloih* 
fMbnlan  naeh  fiBham  and  Edleai  aa  üreben,  wirkt  erhebend  anf  daa  Gemfttb, 
MUt,  stützt  und  trOetet. 

nDer  innerste  Kern  unserer  Sache  liegt  darin:  Das  Heilig- Menschliche 
fi(\\]p'f)  wir  hüten  und  pflegen.  Wir  haben  in  nn«  nrd  indem  die  Üh*^r/eugnng 
•umzubauen,  dass  wir  in  dem  schöpferisch-sittliciien  Streben  einen  c^ueli  be&itzen, 
tts  dem  uns  ewig  Kraft  und  Trost  fließt,  dass,  wenn  auch  alle  Orakel  ver- 


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ttammen,  die  OottbeU^,  die  in  unserer  eigenen  Brost  wohnt,  ihre  äUuuue  aus 
nie  verngm  ydtdj* 

*    ^  * 

Die  ethischen  Gesellschaften  Amerikas  betrachten  die  Umgestaltung'  der 
ethisch  f*n  Erziehung  als  eine  Uaaptaufg-abe.  Gegen  die  hi&h@rige  theologische 
Begründung  der  sittlichen  Wahrheiten  arhebea  sie  Einsprach.  Das,  wat>  die 
yflUMhen  iteUniei»  wvllei  tiis  nkht  auf  Vorstelliugen  gründen,  weiche  die 
ICensehentnnneD.  Sie  befolgen  daher  den  Gmndsate,  die  afttUolMBiliQng  giuUeii 
4isfthiiiBilB  von  allen  theologischen  Begriffen  allein  ans  den  tidtoen  EtitteBB- 
l)edingiingen  nnd  Grundgesetzen  der  menschlichenXatur  und  ihrer  untrennbaren 
Wechselwirkung  mit  der  Gemeinschaft  zu  entwickeln.  Sie  stellen  die  Beziehung 
des  Sittlichen  zu  jedem  tiefereu  (iedeiheu  des  Ganzen  und  des  Einzelnen  hell 
no  dtt  Ueht  md  bagiMfln  die  Übcneugung,  dasi  Adel  nnd  Bedentang  dee 
Lebens  nnabhingig  Ton  den  leUgiBaM  VewMIhinfen  seien. 

Der  Ethik-Unterricht  der  Schale  tiMiit  sich  in  drei  Cnrse. 

Der  I.  Ours  nirifris^r  die  Schüler  vom  10  bis  Alrrrpinhr.  Hier  wird 
der  ethische  Anscliauungsunterricht  an  der  Hand  von  ülrziUüiiAgeA  ans  dem 
Alten  Te^«ment  gegeben. 

Dar  n.  Cnn  iMCfsit  die  SehdUer  vem  12.  Us  X&  Alte^jehi.  Er  giM 
eine  ^yslematbehe  BusUIfang  der  ivlditfgsl«  Pttshien  des  Letasi  neee 
Pflichten  werden  aber  in  sokratischer  Weise  aus  Beispielen  und  ans  der  Er- 
fahrung entwickelt.  Dabei  werden  banptaftchlieh  klare  Begriffs  angmtwjfci 
and  wird  das  Gewissen  erleuchiot. 

Die  rilichten  werden  eiugetheilt  in  Pflichtan  gegen  das  iidgenlebeo  und. 
Fflieiiten  gegen  das  GeseUsdliaftdeben.  Die  eislam  irartai  vrtanNUete  im 
soidie»  die  Mk  beiielieB  aaf  ta  KOiper,  den  InteUeot  nnd  dnn  GeftU. 

Die  zweite  Grnppe  theilt  sich  in  solche  gegen  alle  Menschen,  fSgen 
FRfnilienglieder  nnd  in  patriotiaehe  Püehten*  Donli  WstnlnitHmi Belm  md 
Poesien  werden  alle  illustrirt. 

Der  III.  Ours  ist  fiii'  die  Schüler  vom  10.  Jahr  an,  und  euihait  Biograf^hieu 
MUimtcr  Ittnner  und  Vmaen.  Unter  ihnen  flgnrinab«rlUinite  Denker,  FUka- 
thzopen,  BeforoMr  etc,  Zierden  des  KenedleDgeaQhledrtee.  Die  anserwäUte, 
die  beste  Gesellschaft,  die  der  Unsterblichen,  wird  hier  er&ffhet.  Die  Mensdi- 
heit  in  ihrer  hliehsten  Vollendung  wird  hier  TosgeAhrt»  und  das  Ideal  wird 
vorgestellt 


Am  19.  Oetober  1892  fttnd  in  Berlin  im  grsden  Sunl  der  .»Berliner. 
Beneurce"  eine  eonstitnirende  Versammlung  von  Frenndsn  der  »ethischen 
Onltar"  statt.  Dieser  Tag  war  zur  Berathung  der  Satzungen  bestimmt 

Das  Wesentliche  dieser  .SatTiangen  der  Deutschen  Geeellsehnft 
für  ethisch»'  C'ultur"  ist  folgeudes: 

1.  Zweck:  Es  ist  der  Zweck  der  Gesellschaft,  im  Kreise  ihrer  Mitglieder 
und  anieriudb  deaselben  sie  des  Oesninsaae  und  YerUndender  unabhiagigTsn 
allen  Verschiedenheiten  der  Lehens  Verhältnisse,  sowie  der  religiOsen  und  pell* 
tischen  Anschannngen,  die  Entwickelung  ethischer  Ciiltur  zn  pflegen. 

2.  Mittel:  Zur  Erreichnng  des  Zweckes  der  Gesellschaft  sollen auotehst 
folgende  Bethätigungen  dien^: 

a)  Veranstaltungen  zur  Hebung  der  ethiseiien  Jugenderziehung  in 


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allen  iln  en  Stufen  und.  zm-  I'iläge  des  Wahrbaft-Menscliliclieu  uud  -Gemein- 
saiQüu  iiu  ethischen  Unterricht,  unabhängig  von  den  trenn^den  Lehreu  der 
lyUgjgiea  Confaniftaftn  und  dar  Ptetefan. 

b)  Yemnataitaigen  ¥oa  VortrllgMi  and  Bmfnämgfi»  ftbar  efliiiclieFor^ 

demngen  und  Probleme  im  Kreise  der  Mitglieder  and  Pflege  der  weihevolleii 
Suwirkung'  von  WisBenschaft  und  Kunst  auf  die  weitesten  Kreise  des  Volkes, 

c)  Verbreitung  von  etlii.«f  h  f^h-fierliclien  JSriktonuigeni  dacehBoAber,  Zait- 
sctaiften,  Flugblätter.  Zeituugs.u ülvt  l  rtr . 

:  jd)  Beteiligung  au  der  Hebung  der  i^benslage  der  ärmeren  Volksschichten, 
wvne  M  den  S^ntae  lud  dar  Hilfe  iflv  aU»  Leidendea  und  Bedrftngten  gegen 
jfda  Art  Ton  Uai^ok  «ad  Uaiaobt. 

S.  Jeda  Perton,  die  daa  18.  Labwiyahr  ftbanelnltteii  hal,  tot  mt 
gU^chaft  berechtigt. 

4.  IMr  Höhe  des  Beitrages  betrögt  mindestens  ^'y  Pfennige  monatlich. 

Diß  7 — 28  sprechen  sich  über  die  Organisation  der  GcseUflohaft  aus,'*') 
Dtese  Gesellschaft  sticht  sich  in  ganz  Deutschland  auszubreiten. 

Das  i&t  einmal  wieder  eine  klüftige  Eeguug  des  deutschen  Idealismus, 
llüöge  er  yoa  gn$m  Ejrfolg  beglaitat  aeiat 


Pädagogische  liuiidscliaiL 

Aas  PrevBen.  Der  Hetr  Unterrichtsminlster  0r.  Bona  machte 'binsiclit- 
llch  der  Stellnag  der  Volkaschiinelirer  dem  liaadtage.  fldgeiide  etattottoche 

IBttheilnngen: 

Binschließlirb  Wohnung  und  Feuerung  hatten  anno  1891 

3üt>2  Lelirer  zwischen   BOO  und   750  M.  fiinkommea 
26117     „         ,        aOO  „   1200  „  „ 
23491     „        ,      1200  „  1800  „  ^ 
and  18505     „         »      1800  ,  darftber. 

Yen  9814  Lebieni  bto  zn  26  Jahren  aind  591  yerheiratet 
„   14038     ,  zw.  25  n.  MO    „      „   7132  „ 
uud  von  silmmtllchen  62272  sind  2(M  )77  unverheiratet.    Der  Herr  Minister 
tritt  dabei  der  weitverbreiteten  Meinung,  dass  die  Lehrer  leichtsinnig  zu  früh 
in  ^e  Ehe  einträten,  nicht  nur  entgegen,  soudern  hält  die  Verh»'iratTin<r  einer 
größeren  Zahl  von  Lehrern  fÄr  wünschenswert.  —  Aber  nicht  emmai  die  Hälfte 
LebrerateUen  tot  Ar  einen  Fanüleidiaudialt  genügend  dotirt,  und  die  Zahl 
TeibdraCeten  I/ehrer  wttrde  noeh  geringer  sein,  ab  ale  tluitsIdiUeh  tot, 
wenn  nicht  mancher  junge  Lehrer  anf  einem  wdtyerlaawnen  Dorfe  aeiner 
Fbyaiidiett  Exiatena  halber  zum  Heiraten  geswnngen  wflre. 

B.  Vom  deutschen  Ostscestrande.  In  den  .letzten  Jahren  isr  in  der 
Presse  und  in  den  preußischen  T\aiiauieDten  vielfach  die  Rede  von  der  uber- 
Ittdaehmenden  Sachsen gängerei  gewesen.  Darunter  versteht  man  die 
nUnidien  Anawanderungeu  der  Ailidter  und  Arbeiterinnen  ana.den  dentecben 

*)  Wer  die  Satzungen  beziehen  wQl,  mag  wk  wenden  an:  Prof.  Dr.  0.  von 
(%!ki,  Beriia  W.,  Nettelbeckstr.  24. 


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Ortntrimi  «nd  gam  tmondOM  «ndi  m  ooMn  teandg^geiiAeii 
•isolieB  Iii diiBtrlettftd teil.  In  WhlcUdikait  itt  ieit  Jahren  dl«  Strtanmf* 
luuih  sndifii  Gegenden,  wie  z.  6.  WcfMUen,  viel  bedeutender  geweint 
Ganz  znletst  wurde  nacli  der  ('liolera  von  1 892  die  Stadt  Hamburg  als  neues 
Eldorado  erkoren,  und  es  dürfte  dort  die  Lücke  von  ca.  1(XMX)  Arbeitern 
längst  wieder  aasgefüllt  aelo.  Aach  Chicago  hat  mit  seiner  Weltaurateiliuig 
und  dar  Hoflhnng  aof  große  Vadtante  «elae- Opfer  gtMmt 

Man  hat  der  jogmannton  „Sadumflogwel*  aogar  tob  SeMw  der 
Regierung  viel  Anftnerkgamkelt  zugewendet  und  die  Ursache  diraer  Völker- 
wanderung- im  kleinen  zu  erforschen  gesacht.  Da  ist  man  denn  auf 
allerlei  Gründe  gekommen,  welche  jedoch  meisten»  den  wahren  Grund  nicht 
treffen.  So  lautete  kürzlidi  ein  niedicinisches  Gutachten,  welches  von  autorita- 
tiver Seite  abgegeben  winde,  dahin,  daaa  die  Hanptunaehe  der  „Saeheen 
gftncerei*  in  der  Wehnnnf eflraife  m  suchen  eeL  Die  Atbeiterwohniingen 
wären  in  den  Sstlichen  Provinzen  Deutsdüands  so  menschenunwürdig,  daaa  ee 
kein  "Wunder  ppi,  wenn  dip  Menschen  solchen  Asylen  den  "Rfirken  kehrten 

Was  nun  die  Arbeiitii  wohnnngen  anbetriftt.  so  sind  dieee  in  den  Ost- 
marken  um  nicht«  schlechter,  als  bie  in  vielen  andern  I)i.stncteu  sind,  und  wo 
noeh  in  tanitSnr  Bedehon^r  viel  bb  wüniehen  ftbrig  bleibt,  da  tragen  die 
Ariieiterfrauen  oft  recht  gniAe  Sehold  davon.  Auch  Ist  die  Unzufriedenheit 
über  mangelhafte  Wohnungen  in  grOBerem  Mafistabe  aus  Arbeiterkreisen 
niemals  laut  geworrlrn.  Ja,  der  Volkswirt  hat  schon  lange  grrißf'^  Rndf^nkerj 
gegen  das  Wohnen  der  Arbeitei'  gehabt,  weil  Kinder  und  Erwachsene  hautig 
nicht  nur  in  einem  Zimmer,  sondern  auch  in  einem  Bette  schlafen!  Hierin  liegt 
allerdiBgs  ein  greller  Übetoikand,  deeeen  Tragweite  die  meisten  Arbeiter  aioht 
übeneheB.  Wie  hier  aber  der  moralischen  Verpestong  weiter  Volksschichten 
vorgebengt  werden  soll,  wird  noch  lange  ein  nngelilstes  Eäthsel  bleiben.  Will 
man  dem  Arbeiter  zwei  Zimmfr  schaffen,  so  nniss  er  auch  für  zwei  Zimmer 
Heizung  haben.  Hat  er  diese,  so  benutzt  sie  der  eine,  der  andere  verkauft 
dae  Brennmaterial,  und  mit  den  gelieferten  Betten  und '  Bettetellen  geht  ea 
genan  ebeneo^  Aof  dieaem  Wege  würde  auui  mehr  Schaden  ale  Natsea  an> 
riehten.  Das  Bedürfnis,  ein  reines  Zimmer  nnd  ein  sauberes  Bett  und  ein 
Blumentöpfchen  auf  dem  Fcnstpr  zu  haben,  mnss  n\w  der  Arbeiterfamilie  selbst 
kommen.  Solnns-p  flif>«es  Bedürfnis  nicht  vorhanden  ist.  hat  sich  die  Schule 
nnd  auch  die  Volkswirtschaft  beständig  die  Frage  vorzulegen:  „y^i9 
erweckt  man  immer  mehr  den  Sinn  fttr  Reinlichkeit?* 

Bin  greller  Übeletand  in  der  WohnBngafrace  der  ttUtiaefaen  Arbeiter 
ist  der  verhältnismäßig  hohe  Preis,  den  diese  Staatsbürger  ßtt  ein  Unter- 
kommen bezahlen  müssen,  ^fan  rechnet  bei  Beamten  10  FVocent  vom  Gehalte 
als  Wohnungsgeld,  der  Arbeiter  muss  aber  nicht  selten  20  bis  30  Pro» 
Cent  seines  Verdienstes  dafür  anheben.  Natürlich  leiden  daronter  alle  andetu 
wirtwihaftliohen  BedlzfiiiBM  nnd  beaonden  in  bedaieilieher  Welae  die  Kiader- 
ern&hrnng  nnd  somit  die  Kinder ersiehnnir*  Anf  dem  platten  Lande 
fällt  dieser  Übelstand  wenigstens  weg,  denn  hier  habcB  die  Arbeiterftunfliea 
fast  ohne  Ausnahme  eine  freie  Wohnung. 

Zur  Gründerzeit,  nnd  in  großen  Städten  auch  gegenwärtig  noch,  suchten, 
einzelne  Unternelimer  förmliche  Casemen  zu  errichten  und  posaunten  ihr  phi- 
lanthropisobM  Üntemehmen  in  alle  Welt,  In  Wirklichkeit  handelte  ea  M 


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—  326  — 


dabei  nur  um  Oapit;ilvf^rw  pming-  von  7  Proccnt.  Der  Arbeiter  wohnte  dort 
moderner,  jedoch  meistens  aueii  noch  theurer.  Andere  bauten  kleine  Arbelter- 
häuser.  Sie  sollten  durch  einen  „etwas  höheren"  Mietzins  gleich  Eigeuthum 
Ics  Arbeiters  werden.  Das  loekte!  —  Hierbei  haben  dcb  viele  Arbeiter- 
finriHen  gmdesa  tvlnirt,  weil  de  alles  apfsm  nrasstoo,  vm  ihren  Verbindlich^ 
keiten  nadikomm^  zu  kOnnen,  denn  die  LofanverhiltnfMe  verscbleelitem  tleh 
nweilen,  Krankheit  nnd  Kindersegen  sind  anch  nicht  vorher  in  Anschlag 
gebracht  worden.  Durch  diese  kleineu  Häuschen  nnd  durch  die  Ausgabe  von 
sogenannten  Uentengiitern  sollen  die  Arbeiter  an  die  Scholle  gefesselt  werdeQi 
doch  diejenigen,  welche  die  Fußangeln  merken,  gehen  nicht  hinein. 

Seit  November  1891  ist  für  Preußen  eine  Centraistelle  für  Arbeiterwol- 
ftMebridttangen  gesdiaffen,  deren  '^miina  in  gewiaaen  SreiaaD  mit  aefar 
saagviniaehett  Hoffiaongen  entgegen  geaehen  wird.  IHeee  Gentralatdle  hat 
rieh  denn  auch  aofort  anf  ihrer  ersten  GoDferenz  mit  der  ArbeitemrobnmigS- 
frage  beschäftigt,  nnd  die  Resultate  dieser  Beschäftignng  in  Bnchfbrm  der 
ÖflFentliolikeit  ftbero:eben.*)  Alle  Tlieilnehmer  der  Conferenz  sind  der  Über- 
zeagnng  gewesen,  dass  die  meist»  n  «b-r  dm  Arbeitern  zur  VerftigTtng  stpfienden 
Wohnungen  entweder  für  ihre  Veriiaitnisse  entschieden  zu  theuersind  oder,  was 
Qoch  schlimmer  ist,  qualitativ  auch  be^heideueu  Ansprüchen  nicht  genügen. 
Man  nimmt  an,  dass  in.  nicht  sn  langer  Frist  in  Bentachland  Ar  10  lOlHonen 
AiWter  gee^ete  Wohmmgen  geschaffen  werden  mflssen.  Nach  einem  Keferat 
des  Oberbergraths  TKglichsbeck  sind  bei  den  fiscalischen  Werken  in  ganz 
Preußen  für  Arbeiteransiedelangen  von  1865  bis  1891  für  Bauprämien 
S471815  Mark,  als  nnvrrzinslicht^  T?andarlehen  6050545  Mark  verwendet 
worden.  Alle  diese  Sunmicn  fallen  ahei-  immer  dem  indnRtnereichen  Westen 
m  Hier  im  Osten  herrscht  keine  Wohnungsnoth.  Im  Gegentheil!  — Der 
Bandichaaer  aah  nicht  selten  Insthftnser  leer  stehen  nnd  die  Besitz«'  mnssten 
rieh  nach  aBdani  AitieitaMften  nmaeben.  Wie  gesagt,  die  Wohnongsflrage 
ipleh  hd  d«r  S^MhaengSngavi  keine  Hanptrolle. 

Welches  sind  denn  aber  die  wahren  GrVnde  der  anflUIenden  Vttlker- 
bewegtmg?  — 

Zunächst  ist  es  der  den  deutschen  Stämmen  seit  der  Hunnenzeif  inne- 
w^jhuende  Wandertiieb.  welcher  seit  Jalirhunderten  die  Völker  nicht  nach 
Korden,  Süden,  Osten,  sondern  fort  gen  Westen  treibt.  Genährt  wird  dieser 
IMib  direh  die  soridAldhsnden  Aiheiter.  Diene  speeolireii  gans  richtig» 
iadem  sie  aagen,  jenehr  sich  das  Land  Ten  Arbeiten  ent?01kert»  nmaomehr 
Druck  können  wir  Znrflckbkibenden  in  Bezog  nnf  LohnerhShnngen  anf  die 
Iwritaenden  Classen  ausüben. 

Ein  zweiter  Gnind  ist  der,  dass  die  Arbeiterkreise  ebenso  von  dem  rea- 
listischen Zeitgi'iste  belierrscht  werden,  wie  die  höhereu  Gestllpfhaften.  Jeder 
will  wenig  thnn  und  viel  Geld  ei  werben.  nnd  Geld  ist  ja  Gluck  nach  der  Auf- 
i^Mimg  der  Zeit,    Wie  der  Reiche  an  der  Börse,  der  Börger  nnd  Bauer  in 

Lettarien  naeh  Mannnen  haacht,  so  trdbt'a  den  Arbeiter,  der  hier  nicht 


*)  ächrifteu  der  Centralstelle  für  Arbcitcrwolfahrtseiniichtungen.  Nr.  1. 
Bie  Tetbessenrng  der  Wobnongen.  Yorberichte  und  Verhaadlinigen  &t  CMsiens 

▼om  25.  und  26.  April  1892,  iu:h<\  Berieht  über  die  mit  tb  rj-clbeu  verbaadoie  AlUh 
Stellung.  Mit  208  Abbildungen.  Berlin«  Karl  Hermanns  Yerhig.  1892. 

Padagogian.  15.  Jaiug.  Oeft  V.  22 


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-   326  — 


Diit  üiiin  kann,  ans  der  Heimat  m  die  weite  Welt.  Dort  hoftt  er  zu  fiuden. 
was  seiue  Lage  verbesseru  kaun.  Der  geringe  Grad  von  Bildung  lümt  ilio 
eine  FaU  morgana  sehen,  die  den  Augenbliel»  eelnria^fll,  mim  er  alt  Jm. 
.md  Kind  dae  letite  StSek  seiner  Hebe  verrdst  und  verashrt  hat  Wer  er 
kUrt  diesen  Zwies|ialt  der  Natur  im  deatschen  Menschenherzen:  hier  der  an- 
wldentehliche  Wandertrieb,  dort  ein  peinigendes  Heimweh,  dem  dee  Osaltli. 
kellies  Sterblichen  so  leicht  zum  Fan>«p  HiDt.  als  das  des  Deutechen. 

Und  fraierpii  wir:  Wie  kommt  die  l'ädagogik  bei  der  ^Sachsengängerei" 
fort?  so  muss  mau  sagen,  herzlich  schlecht.  Die  Kinder  werden  ihres  ersten 
Gutes  eines  civilisii'teu  Menschen,  ihre»  lleimatrechtes,  beraubt,  k 
frttbester  Jugend  Teriaisen  sie  die  tränte  St&tte,  wo  Ihre  Wiege  stand,  wo 
ihnen,  um  mit  B.  M.  Arndt  m  spteehen,  Gottee  Sonne  miecBt  soUen,  am  mii 
ihren  onznfHedenen  Eltern  tmi  Ort  zn  Ort  zu  wandern.  Was  diese  ana«i 
Kinder  in  den  Eisenbabnwaggons  4.  Classe  und  in  den  Zwischendecks  der 
Auswandererschiffe  sehen  und  lir>reTi.  ist  sicherlich  nicht  hinter  den  Spiegel  sn 
stecken.  Von  Ihiterricht  der  Kinder  ist  in  Jaiireu  natürlich  k>  ine  Kede.  Wo 
suü  hier  uuu  eine  Geiüt-  und  Gemäthsbildnng  herkommen  .'  Aach  der  letzte 
Best  jener  altgermanischen  Tagenden  wird  in  betrübender  Weise  mit  Stampf 
und  Stiel  aasgerottet,  ond  als  total  verwilderte  Caricatnren  trete  ale  nacfc 
Jfonden  In  Lampen  in  dar  Heimat  ein.  Das  maeht  die  SaehsengtagereL 

Dnrch  das  Gesetz  über  die  Dotimng  der  Dirigenten  and  Lehnr  sa 
höheren  UnterrichtBunstalten  sind  die  an  höheren  Töchterschalen  an- 
gestellten, akademisch  und  seminarisch  gebildeten  Lehrer  in  eine  ri-eht  fatale 
Lage  genithen.  In  erster  Linie  stellen  sich  zwischen  den  ütiiüU^ni  der  aka- 
demisch gebildeten  Lehrer  beider  Kategorien  von  Anstalten  au  einem  Orte  m 
grotfe  Differenzen  heraos,  dass  sohlannige  Abhült  dringend  nothweBdig  M, 
Ja  dar  Übelstand  ist  noeh  gritfiar.  In  einer  Stadt  eilialten  die  akadesM 
geprüften  Lehrer  an  dar  hSheren  TSehtenohale  nvr  2970  Mark  Qelmlt  inoL 
Wohnungsgeld ,  während  ein  seminarisch  gebildeter  Lehrer  am '  Gymnasin® 
5960  Mark  erhält.  Dass  diese  Zustände  nicht  haltbar  sind,  liegt  auf  dtr 
Hand.  In  l^egierungskrfifeTt  hat  man  denn  auch  bereits  Abhilfe  znirt^sagt. 
nur  über  das  „Wann"  schvNeigtii  alle  Nachrichten.  Natürlich  wJlre  es  gewesen, 
nach  der  Begelang  der  Gehälter  an  den  höheren  Austalleu  nun  die  Kegeloag 
derselben  an  den  Kittel*  und  UUuren  TBebtenobvIen  Holgen  sa  lassen  ml 
dann  erst  an  die  Velksschwla  sa  treten.  Ifan  hat  im  pienlUsdMi  lOnistefiBB 
die  Volksschole  yergeiogen,  weil  sie  dem  Fiscus  mehr  am  Henen  liegt,  dana 
die  Töchterschalen  sind  meistens  städtischen  Patronats. 

Zwar  ist  eine  Gehaltsregulirang  an  höheren  Töcliterschalen  besonders 
schwierig,  weil  an  ihr  Lehrkräfte  mit  ganz  verechiedeneu  Qualificationen  wirk«i, 
weil  Herreu  und  Damen  angestellt,  wissenschaftliche  und  technische  Lehr- 
kräfte zu  berücksichtigen  sind«  Eine  weitere  Schwierigkeit  liegt  darin,  dass  die 
Zahl  der  dessen  and  somit  aneh  die  Lehndele  bei  diesen  Anstalten  sehr  ver- 
schieden  shid.  Einige  Schalen  haben  philffil«^;isch>  andere  theologisch  geUUeto 
DIreeteren,  einige  haben  seminarisch  gebildete  Baetoren  oder  Schnlvontebe- 
rinnen  an  ihrer  Spitze.  Die  Regierung  weiß  nun  immer  nicht  recht,  wo  m 
die  Grenze  zwischen  höheren  Töchterschulen  und  Elementarschiil*^n  ziehen  soll. 
Unterdessen  haben  einige  Communen  die  Entschlüsse  dei  Regierung  nicht  aX>- 
gewartet;  sondern  iiabeu  die  Gegeusätjse  zwischen  den  Gehältern  der  Lehrer 


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IS  daii  TOMlifodciiMi  Sehvieii  ant  ^getnut  Initiative  MBgegäxibm,  8» 
gmkAm  unter  nntoen  in  GMtB  nnd  BrealML 


Ans  Hamburg.  [Nenfs  G^haltPsresetz.]  Am  l-^ehlusse  des  alten 
Jahres,  den  HO.  December  1892,  ist  endlich  das  so  lange  ersehnte,  schon  seit 
Joii  1892  im  Entwurf  fertige,  am  28.  November  von  der  Bürgerschaft  an 
genommene  „Gesetz,  betreffend  die  Gehaltsverh&ltniase  der  an  den  VoU&sschuien 
k  der  Sladt»  der  Ventadt  und  den  Veierten,  eowie  an  den  Vonolmlen  der 
Uheren  Staatnehnton  angeeteUten  Lelirer  nnd  Ldirerinnen*  Tom  Senate 
VBserer  Stadt  angenommen  nnd  verkündigt  worden.  Vor  einigen  Jalven  eahea 
Tielp  T.olirer  diesem  Gesetze  mit  großen  Erwartungen  entgegen;  seit  langem 
aber  v,  ar  hrroits  rinc  In  rirntende  Herabstimmiing  der  Hoffmine-f^n  eingetrefeeo* 
Das  ueue  beaftz  \v.  ist  denn  auch  cesrenüber  dem  bisher  gültigen  i^^vom  17.  Juni 
1878)  keine  neminisu  erten  Erh'">liung-8ziffern  auf,  wie  folgende  ttbersicht  zeigt; 

Gesetz  vom  17.  Juni  1878.        Gesetz  vom  30,  December  18d2. 

A.  T,phrer: 

a)  nicht  fest  auges teilte,  jetzt  nUilfsiehrer"; 

M.  1200—1800  M.  1400 

lach  je  2  Jalirwi  160  H.  steigend;  ohne  Steigerung; 

b)  ftet  aageetellte  Lehrer  n.  Oehaltedaaee: 

H.  1750—2500  H,  1800—2800 

naeh  je  3  Jahren  250  M.  steigend;  ebenso  steigend; 

e)  fest  angestellte  Lehrer  X.  Ctehaltselaiso; 

M.  2250    3500  II  m  wiiX) 

nach  je  3  Jahren  250  M.  steigt  ad,  rl  rii>u  steigend;  . 

d)  erste  Lehrer  (d.  h.  Leiter)  der  beiden  Semiuaiächuleu: 

IL  8000-4400  M.  3500—4700 

aeeh  je  3  Jahren  360  U.  steigend;      naeh  je  3  Jahren  300  M.  stei^fwid; 

e)  Hauptlehrer: 

M.  3000—4400  M.  4000—5200 

Mbat  Dienstwohnnn?  oder  760  Mk.  wird  Dienstwohnung  gewährt, 

Wohnun/irsgeld,  750  3^  weniger; 

oach  je  3  Jahren  350  M.  steigend;  nach  je  3  Jahren  300  M.  steigend. 

B.  Lehrerinnen- 
a)  nicht  fest  auK-^sieilte,  jetzt  ,|Hil£Blehrerinnen'': 

M.  800—1200  M.  1000 

nach  je  2  Jahren  100  M.  steigend;  ohne  Steigerung; 

h)  fast  angestellte  Lehrerinnea: 

K  1200-2000  IL  1200—2000 

Äach  je  3  Jahren  200  M.  steigend;  ebenso  steigend. 

Während  also  das  Gehalt  der  fest  angrestellten  Lehrerinnen  gamlcht 
whBht  ist,  ist  dem  Höchstgehalt  d*»r  T.ebrer  KM)  ^[..  dem  d«^r  Hauptlehrer 
50  K.  (fünfzig  M  angefügt!  —  Die  Autlje.M.st'nmg,  die  das  iituc  irelialtsgesetz 
^unoch  mit  sich  bringt,  liegt  in  den  wesentlich  günstigeren  Anäteilungsvor- 
«inUken.  Wlbrand  nftmlidi  bisher  die  feste  Anstellnog  erst  naeh  seefas  (bei 
^  aaswirts  gekonunenen  Lehrern  oft  ent  naeh  7 — 8)  Diensljaliren  erfblgte, 
^^itfanat  §.  4  des  neuen  Geseteee,  daas  die  Hilftlehrer  nnd  HilMehrerlnnea 

82* 


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t>^T  angestellt  werden,  bald  sie  vier  Jahre  im  Sclmldieusie,  darauter  niin- 
dcsieuä  ein  Jahr  an  öffeutUdieii  Schulen  im  hambai-gischen  Staate  üi^üg 
gewesen  sind  mid  die  «weite  FrttAiDg  beetaoden  haben,  anf  den  nSduten 
h  Aprü  oder  1.  October,  aofen  die  BehSrde  nicht  im  einseliieii  F«U  wegen 
besonderer  Bedankeii  ebie.  weitere  HinMiiiflhiehnng  der  feeten  Anetellwng 
besohließt.'' 

l)i<d  Beitiiumaug  dagegen,  dass  von  der  Geaammtheit  der  fest  angestellten 
Ijebier  die  Hälfte  der  ersten,  die  üüitle  der  zweiten  Gehaltsclasse  angehCrea 
aoUi  beimd  «neli  eduMi  hlsker« 

^IHe  neuen  Gehahe  kunaien  vm  1.  Jenaer  1892  ab  in  Anwendung" 

(§.  9)  nnd  erhalten  insofern  rückwirkende  Kraft,  als  den  Lehrern  der  zweiten 
Gehalteclasse  und  den  Lehrerinnen,  welche  vor  dem  Inkrafttreten  dieses 
Gesetzes  fest  angestellt  sind  oder  innerhalb  6  Monaten  nach  dem  Inkmftireteu 
desselben  fest  augestellt  werden,  »die  in  diesem  Gesetze  bestimmten  Alters- 
nüagen  so  beredmet  werden,  als  ob  ilire  feete  Anstellnng  anf  den  nSchsteo 
1.  April  oder  1.  Oetobtf  erfolgt  wftre,  lobeld  dte  Lebrtr  nnd  Ldirerlonen  vier 
Jahre  im  Schuldienste,  darunter  mindestens  ein  Jahr  an  öffentlichen  Schulen 
im  hamburgisch^  ri  *^trt;\t'  th'Ufgf  gewesen  sind,  die  zweite  Prnftmsr  bestanden 
und  das  25.  Lebeii^jaiu  voiltudet  haben."  Diese  Bestimmung  gilt  ebenfalls 
für  die  Berechnung  der  Peusionsberechtigoug  9). 

Die  Anfbesierong  im  Gdialte,  wekbe  das  nene  Oeeetn  flbr  die  liam- 
bnrgiadien  Lelirer  bedeutet,  hftlt  leider  bei  weitem  nidit  Sdiritt  mit  der  Ver* 
ändernng  der  wirtschaftlichen  Verhältnisse  während  der  letzten  vier  Jahre. 
Seit  dem  Zollanschluss  Hamburgs  (1888)  ist.  eine  bedeutende  Vertbeuernng'  zu- 
nächst der  Colonialwaren.  dann  aber  auch  fast  aller  Lebensbedürfnisse  ein- 
getreten. Die^e  \  ertheueiung  —  die  Uii^achen  sind  wol  nicht  aubüchliefiUch 
Folgen  dea  ZoQansciifauMS  —  tat  eo  bedeutend,  daM  man  nieht  folilgeht  in 
der  Annahme,  daa  der  Lebensnnteriialt  rieh  nm  ein  Drittel  hoher  stellt  ala 
vor  1888.*)  Von  diesem  Gesichtspunkte  ans  kann  man  nicht  von  einer  Anf- 
bessemng:  der  Gehälter  reden,  sondern  nnr  von  einer  Uerabmindemag,  wie  die 
oben  aui'gefiilüteu  Zahlen  darthun. 

Aofiallend  war  schon  bei  dem  bisher  geltenden  Gehaltegesetz,  dass  das 
Gehalt  der  Hanptl^rer  daajenige  der  Lehrer  ao  nnverhMtnlwnäBfg  hoch  Uber» 
ragte.  Bas  neue  Gesetz  hat  dieses  Missverhältnis  nicht  gemildert.  Das 
Höchstgehalt  der  Lehrer,  H6(M)  M..  bleibt  noch  um  400  M.  hinter  dem  Anfangs- 
gehalt  der  Hauptlehrer  zurück.  Nun  bekommen  die  Hanptlehrer  eher  zu 
wenig  als  zu  viel.  Herr  Überlehrer  Jobs.  Halben,  Mitglied  der  Rürgerschalt, 
wies  bei  der  Berathung  des  £lntwm*fs  des  nunmehrigen  Gesetzes  darauf  hin, 
da»  daa  Gehalt  der  Hanptlehrer  dem  der  BnreanTonteher  gleichgeeetst  ad; 
dies  sei  aber  eine  üngereclitigkeit  gegen  die  Hauptlehrer,  da  letattt«  ndirere 
Prnfnnprn  zn  bestehen  haben,  ihnen  eine  un^^leich  größere  Verantwortlichkeit 
oblilge  als  den  Bureauvorsteliern  und  von  ihnen  sicherlich  größere  Leistungen 
,  erwartet  würden  als  von  jenen  (man  denke  uui-  an  die  großen  löclassigen 
Schulen,  die  großen  Lehrkörper  derselben  etc.).  Demnach  wird  gewiss  kein 
Lehm,  der  die  hiedgen  Verhiltnine  kernt,  das  Gehalt  der  Hanptlehier  Ar 


*)  Schreiber  urtheilt  außer  nach  dem  Preisaufschlag  vieler  Yerbrauchsgegen* 
etiade  aameatlich  nach  der  Höbe  des  aBaowtaadagehlee''  venchiedenec  Famiueit. 


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—  S29  — 


tu  'hödi  beausaen  halten.  Um  so  eher  aber  wird  er  ia  Versaoliaüg  kommen^ 
nd  gewfw  niebt  oluM  GtOKl,  dai  sobiige  flir  m  iperlog  aasMdwii.  flo 
auUwr  iHr  saeb  shid,  dMt  MÜkk  eine  Nenregelm;  der  Gebataitee  iMvetk- 

stdügt  ist,  80  bedanein  wir  doeli,  dass  Senat  imd  BQlgenchaft  den  berech- 

tisrten  Wütisrlien  der  r.ehrrrschaft,  denen  in  verschiedenen  l'etitioncn  Aus- 
dmck  geg-eben  wnrde.  so  wenig;  entsprochen  haben.  —  Die  Lelirer  Haniburgrs 
Verden  aber,  nnbt-irrt  dnrch  die  (runst  oder  Ungunst  Uußertr  Verhältnisse, 
nach  wie  vor,  getreu  ila-en  Idealen,  au  dem  groflen  Werke  der  Jugend-  und 
TdlnMNIiiiig  mit  «Uer  Kraft  md  Etogfitmg  uMtea.  ,,Der  MeaMli  lebt 
BMbl  Tom  Brot  «Dein.* 

In  Bremen  wurde  Seminnrlehrer  KOppe  a«  Ertet  zam  BobaUnepeetor 
sewfthlt. 


Ans  Straßburg'  i.  E.  eiluiltea  wir  folgendes  Schreiben: 
Im  Decemberhefi  Ihier  gesdiätzten  Zeitschrifi  lindet  sich  eine  Zuschrift 
au  ElB.-Lotlir.,  die  dcb  mit  den  hSheren  Hftdeheasofanlea  dee  Beichalandee  W 
Bdiiftigt  and  dabei  einen  Ven^eb  swiMbea  denen  yoo  KtUuunea  and  Sliaft* 
bnig  alebt,  in  welchem  die  letztere  ziemlich  nngunstig  beurtheflt  und  die  Lei- 
tan^  selbst  als  mSi^liche  Ursache  des  Nichtgedeihens  hingestellt  wird.  Als 
(rriinJer  und  <eit  17  Jahren  Leiter  der  Schule  tröste  ich  mich  mit  dem  Spruch, 
dim  es  unniuji^'^iich  ist,  allen  zu  gelaUeo.  Ich  beschränke  mich  demnach  darauf,  . 
einige  IrrihUroer  zu  berichtigen. 

Data  die  HfllhaaBer  Schale  eine  neanclassige,  nicht  eine  zelinclassige  ist, 
adl  aar  nebenbei  bemerkt  werden.  Daae  aber  die  Straftbarger  Scbale  „nicbt  recbt 
zum  Gedeiban  konmien  kOnne",  ateUe  lob  in  Abrede.  Wir  habea  gegeawttrtig 
über  300  Schülerinnen,  wodnreb  nnsere  Bäame  ann&hemd  gefüllt  sind.  Mehr 
als  30-  40  Mädchen  könnten  wir  nicht  unterbringen  und  diese  Zahl  wird  bei 
dem  stprisren  Steigen  der  letzten  drei  Jahre  wol  bald  ei-reicht  sein.  Wir 
haben  bii  jt  T/t  nur  /wej  .,  Seminarciasseu",  werden  aber  nach  einer  Verfugang 
4m  Oberscliuii aüis  m  Zukunft  deren  drei  haben.  In  den  beiden  Frülungeu,  in 
die  wir  leit  WiederbeasteUang  uaaerar  Lebrarianenadhiiie  09eminar)  aneeie  Zög* 
ttBga  feeebickt  babeut  bat,  bei  sweijftbrigrer  Vorbereltang,  von  18 
SdiQlerianen  nnr  eine  eimdffe  daa  Ziel  nicht  erreicht.  Wenn  nnserer  Sohnle 
die  Berechtigung  aar  Abhaltung  eigner  Prüfungen  noch  vorenthalten  iat,  so 
scbeint  Ihr  Correspondent  nicht  zn  wissen,  dass  hierfür  erst  eine  Reihe  von 
Jaiiren  nöthig  ist,  um  die  BetUhiguug  zu  derselben  nachsaweieea.  Unsere 
Schale  besteht  aber  erst  seit  Michaelis  18R9. 

In  Bezug  aof  die  Schiüeriuueuzahl  Ubersieht  Herr  „R.  W.",  dass  Mülhansen 
^  gar  keine  Mitbewerber  bat.  Die  reidma  Fabrikanten  baben  aUerdings 
^  eigne  Sobale»  aber  eonat  gibt  es  keine  Anstalten  von  nennenswerter  Bedea- 
^^Q^.  Also  müssen  die  Kindor  der  EinwohnerBchaft,  woaa  natürlich  die  ver- 
häitaisinäßio;  wenigen  Officiere  und  Beamten  auch  gehören,  in  die  städtische 
höhere  MädchenselmU»  gehen.  Djigeg-en  hat  die  Schule  in  Straßburg  in  den  Pensio- 
laten,  der  sehr  bedeutenden  Schule  des  Bon  Pasteur,  sowie  iu  einer  Reihe  xm 
■Ar  lider  weniger  besnchten  Privatschulen,  die  meistens  ein  geringerem  iSciiui- 
Odilen,  eine  Nebenbuhlerschaft,  die  schwer  ins  Gewicht  fäUt.  Alle 
diese  Sebalen  aber  bestanden  aebon  ror  Grttndnng  der  stAdtiseben 


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—  33a  — 


8«1inle,  Bind  also  nicht  ins  Leben  getreten,  weil  diese  nicht«  tangte.  Wenn 
dageg>en  die  Liirinersclie  Schule  erst  später  errichtet  worden  ist  (ehen«io  wie 
die  kleine  Köbig'ßche),  so  li<^gt  der  Grund  dazu  nicht  in  speciell  Straßburger 
YerhlUtnissen^Bondem  wir  ünden  dei^lelcben  wol  so  wiemlich  flberall,  wo  städtische 
Sflhvlen  lind.  Ktomaad  vriM  iMgneni  dav  die  Berliner  h.  K.  B.  Tmrzttglich« 
Amtf#tf*  iind.  Und  dodi,  tri»  wenif  TOditar  der  «veviieiiiBeA*  Sttnde  mum 
dort  ein!  Die  letzteren  wollen  ^l>en  stets  etwas  Besonderes  haben.  Ich  kenne 
eine  Keihe  anderer  Stfldte,  wo  neben  der  vortreflfli*  lim  (iffentlidu  u  Schule  eine 
Privatsdiule  von  weit  geringerem  Werte  sich  aufthut,  weü  die  vornehmen 
Mütter  ihre  Kinder  nicht  mit  „Eisenbahusecretärskindem*'  zusammeubriu^en 
wollten.  Soleiw  VeiUatnlne  wird  «ndi  Herr  «B.  Vf*  nieht  indem  Unnen, 
wenn  er  vieDeidit  dmnnl  an  die  Stelle  getreten  iat 

Ihres  ergebensten  Dr.  Fischer, 
Director  der  st&dtischea  hölioren  Madchenachnle. 

Die  «Ba^eiMie  l^ebreneitang"  hat  Ihren  neuen  (27.)  Jahrgang  mit 

einem  „RäckbUck"  begonnen,  in  welchem  ele  n.  a.  anf  die  Energielosigkeit  der 
liberalen  Partf^i  e-psr^nüber  der  hJSehst  regsamen  11  sieghaften  'Rcactinn  hin- 
weist und  die  Ansicht  ausspricht:  Wenn  sich  die  liberale  Partei  nicht  endlich 
aulraüi,  „dann  wird  es  bald  zu  spät  sein".  Haben  auch  die  vereinigten 
Elemente  dee  Bttekechiittea  hiahcr  noch  nicht  allee  erreicht,  was  ele  hegehreut 
10  weirden  ele  doch  tSglkh  kühner  nnd  „ihre  Reihen  stehen  voUanf  gerüstet 
da,  nnr  des  Angenblickes  gewärtig,  der  sie  wieder  auf  den  Damm  ruft.  Sind 
sie  ja  äoch  der  Zahl  mich  riie  meisten  nnd  heutzutage  die  Einflnssreichsten ; 
und  dass  sie  nicht  blMe  bind,  ihren  Einflnss  geltend  zu  machen  und  damit  zu 
wuchern,  das  lässt  sich  iu  jedem  Pailamente  beobachten." 

Ana  ehMm  dentechen  Staate,  der  zu  den  fortgeMhrittenen  geiShIt  za 

werden  pflegt,  schreibt  man  uns:  „Wir  leben  in  einer  sehr  ernsten  Zeit. 
Ich  sehe  das  hier  jeden  Tag  mehr  an  den  bekannten  schwarzen  Schlangen,  die 
gar  behende  ringeln  und  kriechen  und  den  Tag  des  Gerichtes  für  den  „Atheis- 
mus", wie  sie  die  vernünftige  Pädagogik  nennen,  gekommen  glauben.  Wir 
jetct  Lebenden  stehen  In  einem  bedeutungsToHen  Kampfe  —  leider  um  den 
Preis  eigenen  Glückes,  ohne  FMeden,  ohne  rechte  HoAinng  auf  den  Sieg  der 
Wahrlieit;  denn  in  den  maßgebenden  Kreisen  weicht  man  fort  und  fort  mehr 
vor  den  Finsterlingen  zurück,  bewilligt  ihnen  selbst  die  Mittel  zum' Kampfe 
gegen  den  Staat  und  lässt  sich  von  Loyolas  allergetreuesteu  ächttlem  zum 
Danke  verlachen. " 


Gan«  so  edilecht  steht  ea  in  Österreich  noch  nicht;  doch  wirkt  auch 
hier  der  allgemeine  Zeitgeist  nnd  la^  Tleispiel  des  verbündeten  Nachbarreiches 
je  länger  je  stärker.  Nur  die  ungarische  Hälfte  des  Donanreiches  scheint 
noch  die  Kraft  zu  besitzen,  die  Geistesfreiheit  siegreich  zu  vertheidigen, 
hoffentlich  fSr  das  Ganse. 

Ana  Gras  vM  gemeldet:  Der  hekannte  Schulmann  Theodor  Ver- 
na! eken,  pensionirter  Director  der  Lehrarbfldongsanstalt  in  Wien,  hat  bei 
dem  hiesigen  Magistrat  seinen  Austritt  ans  der  kktholi^-rhon  Kirche 
angemeldet  —  Wir  künutu  lünzufügen,  dass  Yeroaleken  der  evangelischen 
Kirche  A.  C.  beigetreten  ist. 


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—  381  — 


Tn  Drthdeii  starb  am  9.  Januar,  fast  82  Jahre  alt,  Bertha  if'reifraii 
von  Marenholtz-Bülow,  hochverdient  um  die  Fopalarisirang:  der  Lehre 
PrQbelt  md  die  Verbreitimir  Kindergartens. 


An«  Amerika.  Dm  Direetoiiam  te  Ooliiaibiii*Welt-AiiaBtelln]iiBr  btt 

die  Veranstaltang  einer  Reilie  Yon  inr>  niationileii  CongreMen  beschlossen,  die 
in  Chicago  wfthr^^nd  des  Sommers  tag-en  sollen.    Darunter  wird  «ich 

aoch  ein  ^Woi  i  rs  I'dncational  ConiE^rf'««'*  befinden.  Letzterer  soll  das  Rrhul- 
wesen  aller  Kategorien  zum  Gegenstaiidti  seiner  Berathuugen  mucheu,  die  fttr 
die  Zeit  vom  25.  bis  inclusive  28.  Juli  angesetzt  sind.  Die  vorbereitenden 
Arbeiten  (mit  AnmahiM  des  «rAnMSdMn  loaJeii  Amngements»  das  dem 
Committee  of  fbe  Woild'e  Gengrees  Anzflluy  softUt)  leitet  die  National 
Edncationat  Aaiodatlon  of  the  ünited  States,  vnd  bat  dieae  berefts  die  Ofgaai- 
sation  des  Congresses  in  15  Sectionen  Torgcaommen  nnd  ete  Programm  ttbsr 
die  fBr  die  Üiscnssion  in  Aussicht  ^nommenen  Themata  zusammengestellt 
Thesen  (Abhandlangen)  im  Umfange  von  höchstens  2500  Worten  sind  bis 
10.  April  an  Mr.  W.  T.  Harris,  Commissioner  of  Kdueation  of  the  Tniied 
States  einzusenden.  Die  Sectionsutznngen  werden  an  den  Vor-  uud  }isLß,h- 
■Ittafeii  dea  28.,  27.  and  28.  JaU,  die  bdden  HaaptTersaaualuugen  Dienstag 
isa  25.  and  Fieltag  den  28.  Jali  abends  stattfladen. 

Aus  der  Schweiz.   Der  geneigte  Leser  findet  in  meinem  letzten  Bericht 
'D'^<*emberheft  S.  195 — 20Ö)  u.  a.  (\\p  Rng-e  pfwisser  Wikf^hrtheiten,  welche 
jiiügst  im  Streite  nm  die  „UnterBiuiiiung  der  Volkssciiaie  durch  den  Bund" 
begangen  worden  (deren  eine  dem  „BernerScbnlblatt''  zur  Last  f<Ult),  nnd 
elae  kiitieehe  Beleuchtung  des  sebweizerischen  Volksendebongswesens  vom 
bBdislea  Staadpankte  aaa.  Darfiber  —  über  die  BfigeyennatbUch  aametst — 
ist  ein  Getreaer  dsa  gnaantea  Blattes  ergrimmt,  nnd  er  bat  alebt  gecOgert^ 
•uf  zwei  Selten  der  Nnmmer  53  seinen  Groll  der  Wdt  kQndznthan.  Ein 
elementarer  Zornesansbruch  ist  menschlich  nnd  tlamm  verzeihlich,  insonderheit 
wenn  er  von  einem  kommt,  der  noch  seine  Sturm-  und  Dran^rperiode  zu  über- 
winden hat.  und  wenn  mau  seinen  Zorn  nicht  dmcken  lässt.    Der  Mann  im 
Bemer  Schulblatt  jedoch  hat  beides  hinter  sich  (auch  das  erste:  er  nennt  sicii 
niniicil  einen  «alten  Sehalnelster*)  — nnd  so  kann  ieb  nieht  an  ibm  nnd 
»einer  Letatnng  Torftbergeben;  icb  mnss  ihn  nnd  sie  naeh  Geblr  wflrdigen. 
bimtt  geschieht 

Der  ,,alte  Schnlmeister"  behandelt  meinen  Bericht  nach  dem  bekannten 
Kecepte  d^s  .literari^dirn  Klopffcchterthums" :  man  liest  oberffilr-hli'  h  — > 
bebatiptet.  ohne  zu  It  v  eis  n  -  reißt  einzolne  Stücke  aus  dem  Zusammenhange 
Waas  und  setzt  sie  düiiii  in  die  „Kritik '  wirksam  ein  —  nimmt  hier  „eine 
Kleinigkeit"  weg,  fügt  dort  eine  andere  hinzu  —  legt  tapfer  aus  uud  noch 
tapfarer  intar  —  and  wenn  man  dem  Augefoditeaen  sachlich  nichts  anbabea 
sacht  man  ihn  penOnUch  berabmaetceo.  —  Soviel,  nm  die  kritische 
Kuut  des  „alten  SehnlmelstflKa^  im  aUgemclaen  an  kennaelebnen.  Zar  Sache 
,be»erke  ich  kurz: 

1.  Deijenige  Hanptthcil  meines  Berichts,  welcher  von  den  wirklichen 
oder  scheinbareu  Entstellungen  der  staatsrechtlichen  \'erhältui88e  und  von  der 
^^AQgelnden  politischen  Reife  handelt  (S.  197/8;,  wai-  in  seiner  ursprünglichen 


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—   332  — 

Faammg  (er  Wirde  im  Sommer  1892  geacbrieben,  konnte  aber  damals  die  auf 
eine  Herbstnummer  des  Bemer  SchalbL  bezüglichen  Zeilt'ii  »och  nicht  ent- 
halten) für  eine  ang-f'sehene  inländigcbe  Tageszeitong  bestimmt.  Da  ick  auf 
Ablehnnnp  iTcUnete*!,  hielt  ich  den  Aufsatz  zurück.  Umgearbeitet  und  ergänzt 
uaiiiu  ich  ihn  da^ui  in  den  Ende  October  geschriebenen  Psedagogiam-Beiiclit  auf. 
Oleldueitig  a«adte  feb  ihn,  geringfügig  ▼«ftadflrt^  nm  Mi  nMh  «a  die  tl|r* 
lidi  xweimal  erscheinende  ^Nene  Züricher  Zeitung^  (webhe  ein  Otgm  der 
„großen  freisinnii^en  Partei"  sein  will)  —  um  einen  Versnch.  zu  dem  ich 
mich  aus  BilliffkeitÄrttcksichtfn  verpflichtet  hielt,  gewagt  zu  haben.  Wider 
Erwarten  kam  schon  am  zweiten  Tag^  die  Erklknmg  der  Anns^une:  schriftr 
lieh  und  mündlich  wurde  meinen  Ausführungen  voller  Beifail  ffWiSlt  —  in 
Nr.  317  yon  13.  Not.  1892  aind  sie  (unter  der  yon  nrir  gewlkten  über- 
aehrilY  ^Eidgenoswwnehnft  nnd  Volksschale TerOifeiitUcht**) 

2.  Au<h  das  andere  Hauptstück.  welches  der  bernische  „Kritiker"  nicht 
gelten  lassen  will  —  es  bildet  den  let/.t«n  Absciinitt  des  December-Berichteii 
(S.  199/200)  —  hat  der  Redactiun  der  „N.  Z.  Z.  vorgelegen,  freilich  nw  im 
bescheidenen  Umiang  eines  „Schlosses".  —  Ich  wurde  enneht»  dSeeen  Sehliaa 
dnxoh  Aaregnngen  nnderer  Art  m  ersetsen.  Wnnun?  Et  seien  da,  meinte 
der  zuständige  Redaetor,  lein  „pädagogische"  Tone  angeschlagen,  die  eignen 
sich  nicht  tlir  ein  politisches  Blatt.***)  Hatte  der  Mann  recht?  Nein.  Die 
Selmle  ist  ein  Politicuni,  auch  der  Erziehuugszwpck  ist  es  -  wenn  nirg-ends 
aon&i,  so  sicher  im  Volksslaate.  Damit  aber,  dass  die  N.  Z.  Z.  die  ixagliciieu 
Gedanken  in  ihrenSpaiten  nicht  an  Wortekomsmi  laMen  mllte,  hat  nie  aiehto 
anderes  als  eloM  Beweüi  geliefert  f8r  die  Biehtigkeit  meiner  Behanp|i|ng,  der 
Behauptung:  man  will  nicht  wissen  nnd  einsehen  and  leisten,  was  auf 
politischem,  socialem,  moralisohem  Gebiete  das  Nttchate  ist  nnd  in  erster  Linie 
noth  thut. 

3.  Den  gleichen  Beweis  erbringt  in  jugendlicher  Unbesonnenheit  der 
„alte  Schalmdster»  adibet;  was  ich  (vgl.  S.  199/200)  anf  dem  sicheren  Staad- 
ponkte  gasander  Staats-,  Volks-  nnd  adinlwirtschaft  verweilt  nnd  fordere^ 
gilt  ihm  als  eine  Summe  von  ^Phrasen".  —  So  das  freiwillige  (mit  dn  wenig 
Qjmismus  vorgetragene)  Bekenntnis  eines  „alten  Schulmeisters"  ! 

4.  Sprüche  dieser  im  Namen  vieler,  tkinu  liätte  ich  ja  fast  recht.  ..die  pilda- 
gügische  Bildung  und  Einsicht  der  Lehrer"  (_wie  , unsere  geaaiuiute  \  oikbächuie-; 
„gar  gering  zn  taxlzan".  Aber  wirklieh  ntailre'*  ieh  flberhanpt  nicht;,  Ton  der 
nPftdagogischen  Büdun^r  nnd  Einsicht  der  Lehrer*'  spreche  ich  nicht  einmal, 
and  die  Schule  zeichne  ich  (soweit  ich  sie  zeichne)  einfach  nach  der  Natur: 
so  wie  sie  is^t,  wie  die  Mehilieit  sie  wilL  Weiterhin  habe  ich  —  um  es  noch 
enunal  zu  sagen  —  den  Weist  veranschaulicht,  der  das  Volk,  die  öffentliche 
Meinung  beherrscht  und  der  Schule  und  Erziehung  die  Ziele  und  Wege  vor* 

*)  JBin  ihnlielier  «Artikel"  ist  vor  seofas  Jshien  thataiehlich  aurttckgewieflea 

worden. 

^  IKe  Nunraer  icheiitt  der  R«dacHoit  der  AOg.  deotiehai  Ldnremltmig 
aageschiokt  worden  zn  sein  fvcrl.  ADL.  1R02.  S.  491/2). 

***)  Wenn  der  Herr  ganz  ehrlich  hatte  sein  aoUen,  hätte  er  etwa  sagea 
mUBsen:  1^  haben  ja  wol  recht;  aber  sehan  Sie,  so  was  dfliran  wir  deigenigen,  die 

iinsore  Zeitung  hultm  und  •  rhiiltcn  —  <h  r  Arlj^tokrntie  des  Geldes  und  des  Geirrtes 
und  dem  behäbigen  Mittelstände  —  nicht  sagen;  das  mögen  unsere  Leute  nicht 
hflaea. 


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-   333  — 


sclireibt.  —  T)er  Ton  üei  Darstellung  mag  hart  und  sciiiuli  ktingren  —  er  ist 
zeitgemäß.  Die  Dinge  &ind  bei  üiiem  rechten  Namen  geuauut  —  dm  Uiut 
jfldtt  «Ivliehe  Mun.   (»GctMaMf  fladBfe  dw  d«r  bttnMe  »Kittlkar*'.) 

6.   an  SflUnscf  ■  Waa  dar  ^alta  BtMmtkkr'^  im  IMaminm  rar* 
I    nonunean,  aiad  meder  Anabrüche  eines  „verkannten  pädagogrischen  Genies 
I    (wie  er  zn  hSren  geg^lanbt),  noch  Khigemfe  einer  einsamen  Seele.    Es  sind 
Äußerungen  eines  selbstständigen  Mannes,  der  mit  andere  n  am  gleichen  Werke 
I     nach  gleicheti  (frimdsätzen  arbeitet.   Letzteres  habe  ich  angedentet,  indem  ich 
i     mich  des  Bildes  vom    imposanten  Bilduugskürper ",  dem  die  ,,pädagagischü 
I     Seele felile,  bediente.    Das  sind  entlehnte  Worte,  entlehnt  dem  Aufsätze  des 
nwiiaaifiiijww>»fii  Aadneft  is  EalaerlaafcBfB  über  f,Cnamiim  nid  aaiiie  pftd»- 
«agiaidia  Badaatnuf  ittr  imere  ZaiL«*)    A.  hat  dia  gfimtift  Mcgoohait 
ixt  OoBMBins  -  Feier  beontst,  nm  ^ansere  pttdagogische  Lage  kfltiaeh  m 
belenchten**,    die   zeitgenössische  Gesellsc-haft,  ihre  Lebensauffassung',  ihre 
ächiüen  zu  kennzeichnen.    Seine  Kritik  erstreckt  sich  im  wosentlichen  auf 
deutsche,  meine  im  weaeuliicheu  auf  Rchweizerischü  Zuhlände.    Er  hat  mit 
der  Monarchie,  ich  habe  mit  der  Republik  gerechtet  und  abgerechnet.  Das 
Ergebnis  ist  hl«r  irla  dort  daa  gkiaha:  ein  grofles  Defidt.  Auoh  die  Ursachen 
dN  BeAeita  aiad  hier  nad  dort  dieaaBMB,  weil  dIa  hemehiBda  and  tnflMode 
Knft  die  i^elahe  M.  Es  aollba  al)er  aioht  ao  seia:  maa  darf  tob  Volkaitaat« 
mlai^n,  daaB  er  den  Kastenstaat  in  Sachen  dar  sittlichen  Erziehnng  über' 
treffe.  —  Das  habe  ich  mit  Nachdruck  betont  —  nnd  da  „ist  von  hührif'rc 
i>taDdptmkte  keine  Hede*",  meint  der  „alte  Sekahaeiater",  den  ioh  hiemüt  liir 
imner  vei nKischiede. 

Zusatz  von  Seiten  der  Kedaclion.    Da  der  Beiuei'  Kritiker  unseres 
hMok  Bariahtes  „Ana  der  Sehnvis^  o.  K  haaieri^t:  dieser  Befiehlt  Mm  dem 
Magofl^  ^«bel  aa-Geaieht",  wd  foaer:  au»  SMehe  sieh  hai  dam  Paeda- 
m'inm  aoaat  „auf  Beaaerea  gefiMat",  so  sieht  stdi  «ach  die  Kedaction  zu  eiiwr 
Aaßerong  an^e&fdert.  —  Die  zarte  Sorge  unseres  unbekannten  Freundes  fttr 
'     die  T>pntation  unserer  Zeitschrift  m&ssen  wir  für  überflüssig  erklfirrn,  da  wir 
oimehin  stets  darauf  bedacht  sind,  den  literarischen  Anstand  zu  waliren  und 
dikbei  den  Lesern  möglichst  zutreffende  Inturmationen  zu  bieten.  Dans  wir  auch 
in  Twliegenden  Falle  imsere  Pflicht  ernst  genommen  haben,  wSrde  dem  Ki  itikei' 
■Uli  aiibatterfct  geblieben  saiD,  weoA  er  nneer  Deeemberiielt  mit  ol^jeetlw 
Bshe,  Umsieht  and  UnparteiUehlttJt  getwOrdigK  bitte,  st^ 
f^mente  einer  gehisaifeft  Bemängelung  zu  unterwerfen.  Diesem  Verfahren 
gegenüber  sei  vor  allem  constatirt.  dass  das  erwähnte  Heft  SRWei  Artikel  über 
4eii  gegenwärtigen  Stand  des  schweizn  iRrhen  Srlml  Wasens  entliiUt :  einen  längeren 
TOB  Dr.  Morf  (S.  181—189)  nud  emen  kürzeren  aus  anderer  Feder  fS.  195 
^  200).  Diese  beiden  Artikel  sollten  sich  gegenseitig  ergänzen,  wab  durch 
aatv  dem  ersten  angebrachte  Bemeiknng:  „Vgl  hiermit  unten  S.  195 ffL** 
«•Ueküeh  aa«edentet  wMde.   Die  Bedaallen  I6]«ta  bei  dieaem  Veigehen 
emfach  der  Maxime:  Andiator  et  altera  pars,  nnd  der  aaflaarinama  Leear  wird 
&Qeh  gefanden  haben,  dass  dies  der  aUaeitigen  Beleuchtung  der  Verhiltnisse 
liSchst  dienlich  gewesen  i-^t,  indem  von  verschiedenen  Stnn  lpnnkten  aus  sich 
Tetiohiedene  Ansichten  ergeben.   Man  kann  die  gegenwärtige  ^ituatioa  aas 

*)  Vgl  Pädagogium  m^,  8.  dld,  und  ^'eue  Bahnen  1892,  III. 


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—   334  — 


to  VergangMikdt  (hittarinh)  eridiren,  de  aller  aii«ii  ia'  ilnrai  tfllidkB  Eiv 
MiMimagw  wddldin  md  parMn;  ibab  kaan  aa  lie  den  entnUitiMbMr  thtst 

anch  den  fgderaHitiachep  (antonomistischeii)  Mafittab  anlegen;  man  kann  nach- 
wa?  dnrrli  nPTif  l^ir!««!«! ivp  Aotp  unznstreben,  aber  mrh.  was  nach  den 
besteliemieü  itesetzen  ange/j  i^i  und  inuj^licb  sei;  man  kimn  die  Auööichttn  anf 
das  Gelingen  eines  groBen  ßefoimver&acbes  für  überwiegend  günstig,  aber 
aieh  für  tbarwiaftiMl  nnglnatif  Italtan  ito.  BIm  allaeitige  MrtMVf  tob 
•0  wmäiMtmm  Oedektipuikua  aaa  trilft  fowlaa  rar  Klinng  der  Sachlage 
■lA  mat  BUdsBg  eines  besonnenen  ürtheila  mehr  bei,  ala  efa  rtineittges 
BalaOQMatient  naoh  ()^rr)  Parteiprogramm. 

Was  uns  selbst  betrifft,  80  stebeu  wir  bezii|?lich  der  sciiweizerischeu 
Schoireform  mil  unserem  alten  ifreonde  Morf  principiell  aof  gleicliem  Boden, 
indeai  wir  «Iii  BtaadbreiteB  dea  Budea  ala  ataa  Uare  OonaeqiUBa  berciti 
bestehender  staatarecfatUdiw  Institutionen  nnd  ala  eine  an  sich  sehr  heilsame 
Maßregel  betrachten  würden.  Es  fragt  sich  nnr,  mit  welcher  Aussicht  auf 
Erfolg:  derzeit  ein  nener  Anlauf  in  diesem  Sinn«  unternommen  werden  könnte; 
nnd  man  daif  sich  nicht  verhehlen,  dass  eine  neue  Niederlage  ein  gröfieres 
Unglttck  sein  würde,  als  dne  Yertagong  auf  gelegenere  Zeit 

PSr  jeden  iWl  aber  glaabten  wir  imeeraB  Leaem  tot  aUeni  eise  mög- 
lichst genaue  Darstellung  der  jetzigen  Sachlage  in  einem  so  interessanten 
nnd  wichtigen  Schulgebiete,  wie  es  die  Schweiz  ist,  schuldig  zn  sein:  auch 
sind  wir  der  Ansicht,  dass  wir  dieser  Pflicht  durch  VeröffentHchnng  der  Ans- 
ffihmngen  unseres  ausgezeichneten  Mitarbeiters  Morf  und  der  Correspondenz 
eines  andei'en  wolnnterrichteten,  bedachtsamen  nnd  ehrenhaften  Mannn  bestens 
BaehgeitonmeB  aiad,  and  kOaBcn  aiebt  Men,  waa  dabei  daai  „Ftodagogliim* 
ibttl  aa  Geaiebl  ilBhe,  oder  Beaaeres  von  ihm  zu  erwarten  gewesen  wlüra. 
Wir  können  nur  vermuthen.  dags  unser  Berner  Kritiker  einfach  von  der  Maxime 
ausgebt:  Wer  nicht  denkt,  wie  ich  denke,  und  nicht  will,  was  ich  will,  dei* 
ist  ein  verächtlicher  Kerl  und  hat  nicht  da«  Recht  m  reden.  Wir  wüssten 
aonat  aicht,  warum  der  Kritiker  den  einen  (größeren)  der  Ten  mia  gebraehten 
Artikel  glulkai  fgnorirt  nd  am  den  anderen  aar  elaige  Scdlen  wiUUMieb 
heran rissen  hatte,  «ad  wai  Um  venudanea  konnte,  gleich  in  der  Über* 
Fcln  iti  s-  iner  AnslaHPnne'  unseren  Berichterstatter  als  p'wpu  Jlnerulanten"  zn 
stigmatisiren,  um  ihn  dann  mit  einer  Ladung  grundloser  Invectiven  zo  über- 
schatten, ja  überdies  noch  auf  eine  Person,  die  an  der  Sache  gar  nicht 
belJieiligt  fat,  bicbat  beleidigende  AoaflUle  aa  oMchen.  Wenn  ontor  aolekea 
Avapiden  eine  «Mrceebrittliehe  Aetlon  ia  Sachen  dea  eobweiaerliebeB  Sehnl- 
weaeiii  vataneBBen  werden  sollte,  dann  kannte  man  flir  nicht  viel  Olfick  ver- 
heißpTi.  Wir  niicprseits  halten  eine  hiiprischaftslose,  sachgemäße  und  in  dm 
Formen  guter  8itte  gefühi-te  Discassion  tur  ein  besseres  Mittel,  der  Aufklftmng 
und  dem  Fortschritt  zu  dienen  nnd  können  uns  die  Methode  des  Beraer 
Kritflnra  in  kein«  Weiaa  mm  Knaler  ncbnen,  weil  wir  aSa  wate*  flr  s«ra^ 
woA  fbt  amtlndic  halten.  Dittea. 


Ave  der  Fachpresse. 

35.  Über  Frauen  nnd  Mütter  (A.  Öönh,  C.  58,  V).  Am  Schlass 
dnea  «Briefta  an  eine  junge  Matter^  —  ein  Wart  ina  Gfewimn  vnaner  Zeit: 


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—  33Ö  — 


«VaTi  macht  soviel  Aufhebens  \  on  irommeü  Fran^'n.  verehrt  manche  als  Heilige, 
preist  ihre  Aafopteruug  tur  den  Glaaben;  man  bewundert  so  hoch  edle  Fraaen, 
kibt  ihr»  Fdnluit»  ibre  mte  SlcfcitAt  uiA  nackt  de  tu  Vorbüdem  imd  za 
BifibfeeriBM  fOrnr  ^aUes,  wai  aleb  stal*:  auui  vMfMBc  doeb  ja  oioht,  da» 
«Mb  die  höchste  ITritanüglDeit  nd  der  feinste  SdAibeiti-  and  Edeljrina  aar 
daan  Wert  haben,  wenn  sie  sich  aaf  sittliche  Kraft  and  Liebesfälle  grfinden. 
P<^i  jSToßer  Frömmis^keit  ist  man  nif*  siclier.  ob  nicht  dnbei  SchwMrfiiorf^i  orler 
Sinnlichkeit  im  Spiel  sind;  bei  feineu,  aumuths vollen  >iauen  können  in  Bezug- 
aaf  Liebe  zu  schönen,  genialen,  bestechend  liebenswiiKüt^f  n  Männern  bedenk- 
liche Schw&chen  za  tinden  sein.    Gegenüber  einer  AIulLer,  die  sich  mit  so 

maer  Hta^abe  and  Avtagtmm  der  Pflege  and  JBrdelntav  Ibnr  Sinder 
gafridmet  bat,  ntimD  aOe  Mdebe  Bedenken  TovaliuBBieB,  dMan  trir  aae  dem 

Hochgefühl  echter  Hocbieblsng,  Bewonderang  und  dankbarer  Verehrong 
biogebcn.  Solchen  Mattem  gebärt  im  Leben  der  Preis;  sie  stehen  hoch 
Über  allen  Heiligen.  Märtyrern,  über  allen  Schönheitsmnstem  des  weiblichen 
Ge^hlechts.  In  diesen  echten  treuen  Müttern  ruht  das  Heil  der  Welt,  ruht 
onsere  üoiSaang  auf  die  Erhaltung  des  sittlich  Goten,  auf  den  wahren  sitt- 
Heben  Fortaebtitt  dee  Menschengeschlechts.'* 

38.  Über  das  Verhftltnie  dea  ladiTidaaliattia  xam  Soeialitmaa 
in  der  Pidagogik  (ADL.  1892,  48—50).  Verll  inBert  aiabeebUeffiick  «bar 
Wesen  and  Ziel  der  Erziehung  folgendcnaalaa:  „Die  Braiehang  mass  den 
werdenden  Menschen  dahin  bringen,  dass  er  aus  eigener  Kraft  und  eigener 
Vemtntt  unter  strenirer  Beobnrhriing  der  nationalen  Sitfeii  nnd  Gf^sptze  und 
de«  sonstigen  anerkannten  Ethos  die  Fürsorge  für  sein  Leben,  beziehentlich 
lur  das  seiner  Familie  vollkommen  selbstständig  za  übernehmen  vermag.  Xu 
diaaer  Femel  alni  die  Dtoaaaamwn  iwiaeben  Indtvidaal-  and  Sodalaaffbssong 
ia  ebMB  banneeiaeban  Aeoord  aaijselilal,  Jat  der  medaa  vivendi  gaftmdcn  and 
das  statische  Moment  zwiscben  beiden  Princii^en  gegeben  werden.  Die 
Psdagogik  bildet  keinen  Kreis,  sondern  eine  ElUpae  mit  awel  Brann|ninkten^ 
den  Individaal-  nrifl  So(-iRlprn>ripe." 

^^7.  Lehrerbiidner  über  Lehrerbiidnng  (PZ.  1892,  49).  Antworten 
auf  ein  Rnndschreiben  des  Deutschen  Lehrervereins.  —  13  (rutRclit^n 
wünschen ,  dass  das  Volksschuilehrerseminar  „im  wesentlichen  der  pada» 
saglaeben  Facbbildang"  diene      beaQg^di  dar  „Yorteaitnngaaaetalt'*  aind 
b  fttr  eine  beaandere  nin  erganiaeber  Verbindang  adt  der  F^Mbeehale**,  6  Ar 
die  lateinloee  Bealachole  (höhere  Bürgeraehale,  „als  die  zor  Zeit  geeigaetate 
Anstalt"  I  —  die  Melirzahl  (10)  hält  „paritätische"  Seminare  (im  Gegensatz 
ZQ  den  ,, rmi ff  Fsion fallen**)  für  die  besten  —  7  erklären  sich  „gegen  das  Internat 
als  Zwanp    (  }  iisoviplp  aber  „mit  mehr  Entschiedenheit**)  f&r  das  Extemat  — 
lU  zidien  als  beminarorie  größere  Städte  vor  —  „die  zur  Zeit  darch  den  Seminar- 
Daterieht  vermittelte  FacbbildnBg"  haben  alle,  „die  Anforderungen,  welche 
jttak  bn  allgenulnen  an  die  Verbildnng  der  Sendaarieiirer  gestellt  ar«rden", 
12  ab  nnaarelebenil  beaeiehaet  —  „der  Erweia  der  i^Fi^i*a<*«tiaift  mn  golial- 
anfidchtsbeamten"  durch  die  Absolvimag  eines  bsonderen  Examens  wird  Inden 
ineisten  ditspr  Zuschriften  für  nothwendig  gehalten,  damit,  wie  in  der  einen 
bemerkt  wird,  aller  Willkür  und  Streberwirtschaft  der  I?  u|rrj  nntzr  er-  ri  werde." 
i^ie  Reihenfolge  unserer  Angaben  ist  di^enige  der  Fragen  in  dem  erwähnten 
Ibttdschrciben-) 


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—   336  — 

S8.  Zur  Logik  d«t  SprachgeisteB  (R.  HUdsiifMid,  DmtNh  1802, 

XTL),  7.-10.  Stilflk.  Weiterer  kottterer  StoffimnüiriialUBDenkäbangeii*) 

Kern^danke:  ^wie  die  Denkformen,  welche  die  Spracüe  auf  das  Ich  im  Ver* 
hältniä  znr  Welt,  zn  seiner  Welt  verwendet,  von  der  g-ewShnlichfn  Tjogik  völlig 
abweichen,  ja  damit  iu  geradem  Widerspräche  stehen.-  Beispieie:  „sich  eiii 
Hauä  bauen"  (der  Knabe,  ans  dem  JBankasten  - —  der  Maun,  als  wirklicher  Banheir, 
oder  ate  BMn«ister)  ^  dar  Fddbair  alt  Havpk  dei  Tmppenkörpers  („Hanpt- 
mann"),  früher  der  Anführer  und  Vorkämpfer  im  eigentlichen  Sinne,  jetzt  nie 
beim  Hausbau  der  Baumeister  gestellt :  die  Sprache  schreibt  „nach  ihrer  höheren 
Logik'-  alles,  was  ein  Hefr  als  '^nnzf  s  tlmt,  dem  Feldherra  zn  •  teraer.  bei 
gemeiu8auien  Untei-nehmuuge»,  iii  iiememsc hatten  aller  Art:  einer  ist  „die  Seele 
des  Ganzen^  („die  von  der  Logik  des  Sprachgeistes  gebotene  VorsteUong:  daa 
Gaaia  wie  ein  KOrper,  der  m  eaiiieB  Leben  nd  Oedaiken  eine  Seele  Imndit^ 
die  ihn  eben  erst  n  einem  lebendigien  Gauen  maebt;  und  ganz  dentlich  wirkt 
dieselUe  Vorstellung  weiter,  wenn  der  trene  nächste  Helfer  des  geistigen  Führers 
seine  rechte  Hand  heißt-' i  —  „Erw^iterunpr  des  Ichbej^rifts:  indem  der  Spi-ach- 
geist  das  Ich  und  seinen  äaäei  eu  besitz,  namentlich  den  Grundbesitz  mit  seinem 
Bedtaer  vOUig  als  eins  behandelt",  z.  B.  einer  ist  verhagelt,  abgebrannt;  (aoch 
wFnnkieißh*  Or  «KOnlff  von  Frankreidi«  —  so  aedi  In  der  Selbetbiegtapliie 
des  Hemofs  von  Coburg)  —  umgekehrt;  das  Bigentham  erscheint  als  das 
Höhere  nnd  ordnet  sich  die  wechselnden  Eigner  nnter  (so  im  kleinen  wie  im 
großen:  der  Krug  geht  zu  Wasser,  die  Siehfd  zu  Felde:  bp^nndf  rp  Form  die 
GescbAftstiiuia:  „große  Finnen  sind  im  grollen  Geschäftslebea  wirkiich  fast  wie 
Weeoi  mit  eigenen  nnd  eigenartigem  Leben,  in  dem  die  «lofaMlBdenBeBitner 
anilsehea.«) 

39.  Ein  Wort  für  den  Uniarrieht  in  Wortbil dungs-  and  Wort- 
bedentungslehre,  und  «-in  Wort  gegen  die  Sprachschnleu  (Schpr.  1892, 
50.  51)  —  und  gegen  die  L esebuo hraengen.  „Innerhalb  größerer  Schal- 
körper ist  es  last  zu  einer  längst  verkiungeaen  Sage  geworden,  dass  es  einmal 
Zeiten  gegeben  hat,  in  denen  ein  Scbttter  sein  iM^bwk  mit  in  e&ia  andflM 
Claas«  nehmen  daifte.  Jetct  wird  alljfthiüali  ein  anderer  Baad  eines  seehs- 
nnd  mekrtlieiligen  Leseba^sdemSchfilerzagemuthet;  dieser  lenit  denselben  nie 
recht  kennen,  fühlt  darum  auch  nicht,  dass  sein  Sinnen  nnd  Sag^  ans  dems^elben 
entsj)rosste.  ist  in  seinen  Schulbiicliern  ein  heimatloser  und  flüchtiger  \'agant.- 
gesellt  sich  zu  der  LesebucUmenge  noch  eine  vielgliedrige  Sprachschale. 
Li  deiselben  liegen  lein  artig  die  büdUohen  AasdrHekie  and  Bedensarten,  die 
Übertreibiingen  und  PersonifleatloiMn»  die  Wort-  nnd  Beimpaare  a.  d^  in 
gesonderten  Fächern  bei  einander.  Der  Schüler  hat  es  gar  nicht  nOthig,  A 
beobachten  nnd  zu  bedenken;  er  fühlt  g?ir  iifrbt,  dis^  nlles,  was  ihn  schwan? 
auf  weiü  kalt  anstarrt,  lebt,  nnd  zwar  in  Ko}.i  und  Mund  seines  Volke"  nnd 
seinei*  Umgebung;  er  hält  es  für  ein  Stück  papierener  Weisheit  mehr,  ihm  zum 
Einprägen  nd  Henagen  an^odrangen.*  —  Im  ttbtigen  bietet  der  Anftats  fir 
den  Beirieb  der  Worttafldanga-  und  Bedeatongslehre  eine  FttUe  von  Beispielen 
nnd  Ausgängen. 

*)  „Denkflbangen  vom  hBehsten  Werte,  von  der  Art,  die  teoht  etgeotlieb  in  die 

Schule  gehört:  denn  der  Mann  hat  d;izu  nicht  iiuhr  Züit :  dt'ui -^oll  das  Grundlegende 
abgettaan  oder  als  sicherer  £rwerb  in  ihm  ai<^rgelegt  sein,  damit  er  am  einzelnen 
mfUMsm  aibeits.* 


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8S7  — 


40.  Dir  Unmethode  fl*^«  t'bersetzons  in  zxv^i  sprachigr*» n  Schulen 
(Odelga,  Schles.  1892,  44).  Die  polnischen  Kiuder  (beispielsweise j  sollen  das 
Deutsche  nicht  uiii  Hilfe  ihrer  Uattersprache  erlernen,  sondern  unmittelbar:  im 
iülgemeinen  überschätze  die  ^Übersetzun^methode'*  die  geistige  Leistungsfähig* 
kelt  dir  Kinder;  im  iMaomtarai,  itnMä»  äi«  nehtoefcte  Aassprache,  &lMhe 
Bttanngf  Ülertawtimir  dir  Geietw  Ar  4fo  W«rtfoi«e  (te  Üb  Kinder  wMlab 
IberMtnn);  namentlich  verhindere  sie  dift.AJieigimflr  4er  dentBchea  ÜniSMgi- 
Mft&the  nnd  eines  reichen  Sprachschatzes. 

41.  P*Mntheiluu^  der  neuesten  K e f ormbestrebungen  auf  dem 
(iebiete  des  üeschichtsiinterrichts  (Fr.  Viergutz,  Ponun.  1892,  46). 
Eine  gute  Zusammeulab^un^  und  Würdigong,  die  sich  uameutüch  auch  auf  die 
flMersauMi  Beiträge  der  IMpreaw  grflndet  imd  die  nuJtloee  Fabrication  gleich- 
eeUeefatar  UtOdui  gelittrend  TeramMOk  „Sehen  wir  ms  die  BQolMr  nn, 
welche  die  neaen  Refbrmvonehlige  nach  der  stofflieben  Seite  Ar  die  Volks- 
schule  pmktieeli  n  gestalten  snchen.  5;o  finden  wir,  dass  wol  die  mtuisterialen 
BestinimnTis*en  bf^achtet  f^ind.  nicht  aber  die  praktischen  Vorschläs^e  der  pädago- 
gischen Fresse.''  ,.ln  keinem  der  Bücher  ist  der  Antheil  des  \'olkes^  an  der 
Geschichte  in  j^enüpender  Weise  {^-ev  aijrt.  gescliweige  denn  der  V  ersnch  gemacht^ 
die  Geschichte  zu  einer  Voikage&chichte  umzugestalten.*' 

42.  Worin  sind  die  nngenttgenden  Erfolge  im  Eecbennnterrieht 
tn  snehenf  (Iftttenewegri  Ith.  BL  1892,  V.  VI.),  a)  „Beehenliefte  fttr  VoUds- 
•dndea  gehen  qmUlntly  nnd  quantitativ  zn  weif*  („beecheldeD«  Pensa,  aber 
sicherste  Aneignung  bis  zur  Schlagfertigkeit"!)  —  „sind  zu  systematiseh  an- 
geleg:t"  die  Aufprahensammlungen  nehmen  zn  wenig  Rücksicht  anf  die  öbrig^en 
rnterriohtstacher  und  den  kindlichen  Gedankenkreis  —  die  „positiven  Auf- 
gaben" in  den  Aufgaben  eusprechen  viell'ach  nicht  der  W  irklichkeit  —  dat> 
Bechenheft  spielt  überhanpt  eine  zn  große  Bolle.  —  b)  Es  wird  „ein  zu 
augqnAgter  Begelenltos  getrieben,'*  —  e)  Man  nfll  den  Kinde  das  Eeebnen 
so  Ideht  als  mS^cfa  maehen ;  daber :  „übergroßes  Strebennaeh  Veransebanliebnng" 
(dies  gih  aber  nnr  Ar  die  Unterstufe;  auf  der  Mittd-  nnd  Oberstufe  dagegen 
v.ird  zu  wenig  veranschaulicht).  —  d)  Besonders  zn  wünschen,  dass  _nn- 
gezwnn^en  si'^h  ertrebende  volkswirtschaftliche  Gninrlsiit'/p  nehrnViri  mir  r  nt- 
v»ickelt  und  ausgesprochen"  werden  —  dms  mau  „diu  sittlich  bildenden  Momente'* 
nicht  vernachlässige  (so  lehrt  z.  B.  die  „Mischnngsrechnung*'  unterscheiden 
mMhen  erlaubten  und  oaerlaabten  [betrügerischen,  gesandheitaschttdlichen] 
»WawanBwignwgen'*). 

43.  Katnrformen  und  Kunstformen  im  Zeiehennnterrioht  (EV. 
Brdmannt  Kreide  1892,  XI).  Wir  entnehmen  dem  Aufsatze,  der  im  ein- 
zelnen vom  „Scheniatisiren.  Stilisiren.  Idealisiren  Natviralisiren"  handelt, 
zwti  allc-emeine  Kegeln:  ,.Es  ist  unbedingt  Tiötliiir  lür  den  kindlichen  V^erstand, 
Tür  das  noch  ungeübte  Auge  und  die  noch  auaichere  Hand,  die  so  unnennbar 
irielgestaltigen  Naturt'ormeu  zu  vereiufacheu,  aller  Nebeiibaciilichkeiteu  und  Zu- 

ftOigfcriten  n  entbMMen  nnd  ans  dm  Katnrfimnea  Knnstftmnen  nn  gestalten, 
wdche  niebt  aUefai  kflnstHeb  an  sieh  sind,  in  der  Knnse  Verwendnng  linden, 
n>iidsn  welche  geeignet  sind,  vom  kindlichen  Können  erfasst.  verstanden  nnd 

geübt  zu  werden. „Der  Volksschullehrer  hat  sich  (beim  Zeichnen  von  Eunat- 
fonuen'^  einzig  und  allein  zn  fragen:  hat  die  zu  verwendende  Form  alle  Eigen- 
ichaften  des  künstlensch  Scheinen  an  sich,  ist  es  möglich,  an  derselben  dem 


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—  338  — 

bchiUer  Gesetze  dea  Schäuen  klar  zu  macbeo,  diircU  die  VorfiiUraog  derselben 
«fB«  WertMhItnBf  der  Nitor-  und  Knuttan  beiinbfüigen,  and  gan beMüdan: 
iit  M  m9gUob,  Ton  den  SdEUtim  dB»  Tmttbidilg?oQe  und  tMgBnuäm  an* 
BfllimlMure  Wiederg:abe  durch  ZdchnnDg  zn  verlang?*' 

44.  Die  FortbildungsschTilt»  in  K:^rlsrTilie  rSchmi^t  F.  1892,  II). 
Die  etwa  9(X)  Schüler  der  Karlsruher  i  urLbilduiigböchule  »iml  in  27  Classeu 
eingetheilt  und  drei  Lebrero  auvertmut,  van  welchen  einer  in  9  Clasaeo  blos 
Enalbai,  d«r  aoden  in  10  GUmmb  nur  IflMan,  der  dritte  tn  8  Olniwilüttbin 
nttd  Mädchen  (getrennt)  nnterrichtet.  Unterrichtszeit:  8 — 11  Uhr  Vonn.  nnd 
1 — 4  ühr  Nachm.  (für  jede  Classe  3  Std.  wöchentlich).  „Gleichartige  Ele- 
mente" ehemaliefe  Sehtiler  gleicher  Anstalten  kommen  in  die  gleichen  ("llanRen: 
„neuerdings  ist  auch  die  Gleichartigkeit  dei-  Gewerbe  (Berufe)  fBr  die  Gruppi- 
roug  maßgebend  geworden".  —  StnüdenzaUl  des  Fortbildangschallehrers  kleiner 
alt  dii^fenige  d«t  ElnneBtarlelnrerB,  „mit  Sllokilefat  anf  den  ÜMflmf  der  hlna- 
li^en  Arbeit:  «anßer  den  vielen  Oorrectoren  nnd der hänslichen  Vorbereitung 
hat  der  Lehrer  ^anz  besonders  sein  Augenmerk  darauf  zu  richten,  dass  er  mit 
den  Gewerben,  deren  Vertreter  ihm  ihre  Lehrlinge  schicken,  in  Berttiining 
bleibt  (Bücher  allein  nutzen  ihm  dazu  wenig;  der  unmittelbare  Verkehr  mit 
den  verschiedenen  Handwerkern  and  Geschäftsbetrieben  fördert  weit  mehr;  diese 
Art  der  Vorbereitang  Btasait  de«  Lehrer  sot»r;  mm  ^eil  Beine  Ferien)." 
Damm:  wr>chentliche  Stundenzahl  (nach  dem  SfliinlgeBetB)  ftr  den  Eknuntar* 
lehrer  32,  für  den  Fortbildnugsschullehrer  nnr  24;  dan  empfHngt  iHowr  TOB 
der  OrtSBcbolbehörde  eine  Gehaltszulage  (400  Mark). 


VoB  der  volksüiämlichen  Monatsschrift  „Freie  Büdongsblättttr",  henMis* 
fegebeB  tob  Frans  VBd  Stefioi  GrnmbBch  In  Dnhowltt-Kariabad,  Freii 
1  fl.  50  kr.  pro  Jabigaag,  liegt  BaBmabr  der  ▼olMladfga  ente  Jahrgang 
BBd  daa  ente  Heft  dea  iweiten  Jahxganffea  vw» 

Von  einer  neuen  iUustrirten,  wöchentlich  einmal  erscheinenden  Zeitschrift 
für  die  Jagend  tob  10 — 16  Jahren  nnter  deai  Titel  „Jageadfrannd,  herana- 
gegehen  von  Max  Htlnier,  Verlag  tob  Fnnn  Qoerildi  In  BreaUw,  iainna  daa 
ente  KenntahAft  (Pnda  30  Ff«)  SBgegnngen. 

i'ie  „Blätter  zur  Fördening  dt  r  IviialMMiljrinlu In  n  m  Österreich",  heraus- 
gegeben von  dem  Verein  zur  Errichtuug  und  ii^i  liaitung  unentgeltlicher  Knaben* 
heaehllligangs-Aaatalteai  In  Wies,  BedaelWMf  Bid.  Petiel  In  Wien,  V/2EiB- 
atodkigaase  26,  Freie  ftr  Mitglieder  80»  Ar  Nlehtmitglieder  60  kr.,  hAm 
ihren  4.  Jahrgang  h^goonen,  jlhriieh  mindeaten»  4  Hefte, 

Herr  Kud.  Dietrich,  ArcMv-Recretär  des  Pestalozzianums  in  Zürich,  hat 
eine  Broschüre  (Ö8  Seiten)  unter  folgendem  Titel  veröffentlicht:  Die  schweize- 
riaeheB  Scholen  und  Com  Ar  aBgemeine,  hangwirtathaftHche  und  benifiiche 
Fort-  oder  AnAildnng  dea  weihlieiieB  OeadUeehta  Baieh  Sriiebangen  In  den 
Jahren  1891  und  1892.  Mit  Anhang:  Gesetzliche  BeattWBBBgen  ttber  die 
ataatUohea  Arbettasohotoi  der  Cantone.  Zfirieh,  Ed.  Tieeaiann. 


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Recensioaeii. 


Neue«  Eleweutarbuck  der  französischen  Sprache  für  Gymnasien  und 
BMlgymiiMiMi  von  Dr.  Wilbelni  Bldun.  BaUii,  Wilhelm  Gtoiumi  1893. 
VI  n.  14S  Saiten.   firoaeUkt  1  Hk.  80  Pt,  c«b.  2  Uk. 

Vorliegendes,  durchaas  nach  der  analytuMsh-inductiven  Methode  bearlii  itettti 
Lehrbuch  für  den  ersten  Unterricht  im  Fransösischen  ist  die  Fracht  jahrelanger 
ernster  und  vcnitäudnisvoller  Arbeit,  und  wir  sind  überzeugt,  dass  es  in  der 
Hand  «Ines  tüchtigen  Lehrers  die  schönsten  £rfolge  weiUg&i  worde.  Dm 
neuen  preußischen  Lehrpl3nen  in  vollem  MaKe  Rechnungf  tragend,  stellt  es  in 
die  Mitte  des  Unterrichts  38  durch  inhaltliche  und  formelle  Einfachheit,  An- 
«■KMMJihgit  an  das  kindliche  Denken  und  Empflsdea,  SekknklMit  nnd  F^riache 
des  Ausdrucks  auagezeicbncte  Iranzr  jiHrhe  Mustorstückc,  aus  welchen  das  in 
der  „Grammatik"  (pag.  26 — 6S)  kuns  und  logisch  zusammeugesteilte  und  in 
den  „Übungen  in  nomittelbarem  Ansrhlniw  an  die  französischen  Sprachstoife*' 
(pag.  69—88)  in  mannigfachster  Weise  yerarbeitete  sprachliche  Material  ^ 
schöpft  wird.  Die  die  Seiten  89—106  ausfallende  „Schule  des  Übersetjsens  ins 
Französische"  besteht  durch wt^H  au^  ^usammenhängendou,  mit  grüßtcxdo]^;£alt 
auagearbeitetett  nnd  lediglich  dem  Schiller  bereits  vertraute  Wendungen  ud 
Ausdrücke  TOTHiis«et7f'n(Vn  Htrif^kcn ,  die  sich  natürlich  aiifh  inhaltlich  eng  an 
die  trau2üi>iscbeu  äpraciiälollu  anschließen.  Es  folgt  dann  pag.  107 — 121  ein 
„ubetrbliek  Aber  die  gesammte  Oonjugatioa",  wnavl  dia  sa  den  MwleiBttlGkeB 
gehnrigen  VocabelTerzeichnissc  und  ein  deotHii<'flraaallaaelua  alphal»atiachfle 
WOrteiyeneioluu«  den  Schluss  bilden. 

▼ob  der  plu»etiM3ien  Tnumeriptioa  ist  in  dem  Bacbe  kein  Oehianch  ge- 
macht, wol  mit  Rücksicht  auf  den  Wortlaut  der  „Lehrpläne  und  Lehrauf- 
gaben". Desgleichen  hat  der  Herr  Verfasser  unter  Hinweis  auf  seine  f!lr  sich 
crschieaeueu  „Untcrhaltungsfrageu  im  Aaschluas  an  die  Iranzüsischcu  Sprach- 
stoffe  doa  ersten  Theils  des  Elementarbuches,  Berlin,  Gronau  1890'*  von  der 
Beigabc  von  Questionnaires  ahf^csehen  und  sich  hesinilgt,  pag.  II  und  TTT  des 
Vorworts  seine  Ansichten  in  Betreff  der  Sprechtlbungen  damdegen.  im  gram- 
nado^en  Theil  wurde,  da  das  Buoh  fUr  die  Quarta  wid  Tertia  der  Gymmuden 
nnd  RcnlLTyninasien  he.stimmt  ist,  das  fitr  letisterc  besonders  Geforderte  Ton 
dem  beiden  Anstalten  gemeinsamen  Lehrnensum  durch  kleineren  Druck  ge- 
MtlnedeB.  Fttr  die  Tertm  ateUt  Ben  Dr.  Hieken  nodi  «ia  bawmdem  Leiebaeh 
in  Aussicht,  welches  er  neben  deoi  M^ienieiitarlmdk''  and  ein  Eqjiiiinng  dea- 
selben  verwendet  sehen  möchte. 

Im  Einzelnen  hätten  wir  etwa  Folgendes  zu  bemerken:  pag.  22,  23  u.  133 
ilt  „Peppin'*  in  P6pin  zu  verbef^m.  —  pag.  61  wäre  die  Aussprache  der 
GrunH/ihlen  5-10  genauer,  bezw.  correcter zu  beschreiben;  nach  der  gegebenen 
Begol  würde  der  Scbüler  in  Verbindungen  wie  le  cinq  mai,  ie  üix  juiu  u.s.  w. 
forade  das  Falsche  treffen.  —  pag.  6ö  wäre  die  Begti  Aber  die  PersonalptO' 
nomina  beim  positiven  Imperativ  präciser  zu  fassen.  —  Unbegreiflich  ist  uns, 
wie  der  Herr  Verfasser  aof  eine  Ausdrucksweise  wie  die  folgende  verfallen 
koaate:  .Die  NanlDoaeonanten  n  vad  m  haben  den  voiliaiigehendea  mit  ibaen 
in  derselben  Silbe  stehenden  reinen  Vocallaut  verdorben  und  sind  dann  ge- 
storbwi'*  (1)  (pag.  öd).  Ebenso  pag.  70.;  „Warum  hat  das  n  in  poossin,  jar^n. 


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HB  dea  TorfaerfifebeBden  Vorallftiit  <renlorben?   fit  tes  «  gettwthmy^  IkB- 

gleichen  pa^?.  51  f.,  Fußnote  :    <la  lilM.rall,  wo  die  Eiulung  mit  einem Cod- 

Bonanteii  b^^ijuit,  das  a  des  Stammes.  b€vcir  es  gestoxben  ist,  dra  Toran- 

gehendei  leiaen  Voadbnit  Terdorbeii,  n&Iidi  nasalirt,  hal"  Wir 

hoffen,  das8  diese  Geschmacklosigkeiten  in  der  nächsten  Auflage-  v<  rnchwundoi], 
basw.  die  Worte  „Tenknrben"  und  „gestorbeB"  dorch  ,imalirt"  und  ^Ter- 
•tinaiBt*  enetBfc  wen  wevieH  nnd  iddialeM,  iadem  wir  nodi  hemifcelwii,  dm 
Amrtattniig  «ul  Dnick  d«  Buehee  gemlen  maftetgUtig  sImL      D.  B. 

Elenentarbneh  der  englitchen  Sprache  von  Dr.  J.  Foeleing,  weOaad 

Professor  am  französischeu  Gymnasium  zu  Berlin.    25.,  verbesserte  und 

theihveisf?  v^rlinckrte  Auflage,  bearbeitet  von  Dr.  John  Koch,  ordentl. 
Lehrer  aiii  Dorotheeutetädtischeu  Keiilgyniiiu.sium  zu  Heriin.  BerÜA  1893, 
Kiiiil  Gultläcliutidt.    X  u.  216  Seiten.    Preis  2  Uk.  10  Pt 

Bei  der  grofen  AuaU  der  vevaagegangeneii  Avflagea  diesee,  im  Oaaum. 

trffriirben  L- hrl  >  Ijclfs  können  wir  den  allLrenR-iueü  Plan  desselben  als  bekannt 
Toraussetsen.  Dia  /taderungen  in  der  voiUegenden  Aallage,  durch  wekbe  das 
«BementMrbTCh*'  den  Vtaderaagm  der  eeeca  ^Lelnrpllae  «ad  Lebnwf^mbeB'' 
gerc'  ht  wird,  eind  durchaus  mI<  Verbesserungen  zu  bezeichnen  und  machen 
üich  uameatliek  bemerkbar  in  1.  der  VenrendaBg  der  ipboBetieobeB  Transscrip- 
tioB,  die  weeaB^tdi  Burüdc^t,  und  in  grammatiwmeB  TtieQ  mit  geringea, 
berechficrteu  AusnaLnien  nur  in  Form  von  Fußnoten  erscheint,  2.  der  f.aut- 
lebre,  3.  der  Beigabe  von  Beheliien  zu  iJpieehäbnBgeo  aad  4.  der  ftaüeren  Au£- 
Btattung  des  Budbee.  NatfhrUeh  wurden  avob  sottet  stellen  webe  kleiM  Besse- 
rungen vorgenommen,  doch  hat  saVh  der  Herr  Bearheit«  r  möglichste  Beeecre 
aofulegt.  um  die  Verwendung  älterer  Aoigaben  aeben  der  jetiigen  beim  ÜBter- 
neht  Bieht  «ttatScUdi  tu  naehen.  Das  Msberige  8eidiiMtliek  „The  awereigBs 
nf  England"  wurde  ausgeschieden  nnd  der  Mittelstufe  zugewiesen,  dorh  ist  die 
VcrlagahaBdlung  bereit,  dasselbe  nebst  Vocabelveizeichnis  deg^enigen  ächulea, 
dte  ee  beibehaHot  weBea,  auf  WisMk  wtelnaUeftni. 

Pass  die  Laut-  hrfft  nicht  völlig  beseitijrt  wurde,  wird  frewiss  Zustim- 
mung finden;  denn  weuu  dieselbe  auch  in  der  Schule  selbst  entbehrt  werdea 
kttamte,  to  ist  eie  doch  die  txMige  BathgeberiB  desSebiliets  bei  der  hMielMn 
Arheit,  und  besonders  dem  —  etwa  infolge?  von  Krankheit  -  zurfirktreMicbcnen 
und  auf  selbstständiges  Nachholen  grünerer  Partien  Angewiesenen  geradezu 
BBentbeiiiüch.  Zudem  ist  die  TnuseriptiOB  fbst  d«v&nu  wel  gelungeB. 
Im  Finzelnen  ist  uns  einicres  aufgefallen,  wh  uu  1  .v  in-  Fmlatit  sind  einander 
gleichgesetzt  (wbat  wöt,  where  wae',  why  wü«  wkiätlt-  wisi  etc.  wie  was  wöz, 
will  wll  tt.t.w.).  Nbb  nadit  Je  alMings  der  Tvlftre  LoimIob«  Dialeet 
z.  B.  zwischen  witoh  'Hexe'  und  which  (Rclativxir.l  keinen  üntergehied.  Die 
gute  äprache  aber  hält  die  beiden  Laute  noch  heute  entschieden  auseinander, 
und  wäre  delier  «ucli  ie  der  LatttBoluift  wb  =:  hw  oder  etwa  *w  vob  w  g« 
scheiden.  \i:\q:.7  ist  "  xerri^e  fai?(  hlieh  mit  stininihaftem  x  angegehrn  fe' £rzj''8Jii2). 
pag.20  wäre  bei  been  die  Aussprache  bin  als  ungewöhnlich  entweder  ganz  zu 
stnichen  oder  in  Klammen  ra  setven,  und  dagegen  bin  voranzisteDeBu  pag.  64 
vermiFBen  wir  heim  Präteritum  hmk  die  in  der  (.'mgang?;sprache  fast  allein 
übliche  Aussprache  bäd;  die  angegebene,  beid,  ^ehOrt  der  Poesie  nnd  der 
Bmphase  an.  pag.  184  (Ift.  ff)  igt  ^gäBlbeffs"  tn  güsfbdi^  an  »ertniBeiB, 
pag.  142  (XrV,  A,  \9)  lei  hra''  in  lei'h.tro''  'dreisilhi.":  t'nrichtig  ist  atich  das 
protofiisohe  o  in  Wbrtem  wie  obliged,  ^oveml>er,  proj>oi>tid,  piotect,  obey,  obe- 
diaat  IL  a.  dureb  6u  (stau;  durch  9)  becelduiet  („5sbllidM|,  BdaTem|bo',  prOn- 
pdUBd',  pröiitökt',  <"iiht"i'.  «"ahldjant"}. 

Ir'ür  die  Lautlehre  setzt  Verfasser  voraus,  „dass  der  Lehrer  den  ck^filer 
genauer  aaftnerksam  madit,  wie  die  Lage  der  ipradiwerkzeuge  sieh  bei  der 
Bildung  der  einzelnen  Laute  ändert,  was  jetzt  im  Lehrbuche  nur  kut^  ann;e- 
deutet  ist.  Bei  der  Darstellung  der  Vocaie  ist  mit  dem  vordersten,  i,  zu  be- 
ginnen  und  dann  zu  leigrsB,  wie  bei  dem  weiteren  ZurilcladebeB  der  Znage 
nach  dem  Schlünde  tind  der  entsprechenden  Stellung  der  T^ippen  die  anderen 
Vocaie  (e,  a,  o,  u)  entstehen  u.  s.  f.*    (Vorwort  pag.  Vli.j    Wir  unsersmts 


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—   341  — 


ßflanbcn,  dfiss  derartige  phy8ioloe;i3chc  Erf5rteninq:<»n  fkm  kindlichen  Verstände 
wexii^  ongmessea  sei^  uad  veiBfürechen  uns  nur  vom  wiederholten  zichtigen 
Vor-  und  nMhspfeehen  Bifolg«.  Hst  «at  diM«  Weite  der  SeUler  mit  je^m 
phonetischen  Zeichen  die  ricTitii^r!  A i ri-ulation  —  wenn  iiuch  luibcwiisst  — 
verbunden,  so  wird  ihm  die  Lauttchhlt  die  oonecte  Ausspracho  neuer  Wörter 
unschwer  vermitteln. 

Im  riamiuatiächen  Thcil  könnte  pag.  37  die  Exklftmnfr  der  cora- 
plexiven  Natur  des  RelativuiiiK  what  logischer  f^efasst,  pac:.  41,  3  nach  den 
Worten:  n^i'd  jedoch  die  Präposition  betout/'  etwa:  „\v;u»  dauu  ^Schicht, 
wenn  eine  räumliche  Beziehung  zum  Aiudruck  kommt,"  ciugeaehaltet  mideB. 
Absolut  iinzul^issig  i.H  die  pag.  88  angegebene  Zuainmeiudelioag  rtm  doee  not 
in  don't.  Sie  ist  in  doeea't  au  oorhgiren. 

WlbMohemwert  wlie  ee,  dne  in  der  nieheten  Anfinge  ftt  du  Über- 
set zen  ins  Enjflischr;  die  eiuzelnen  deutschen  ühiintrssiltze  durch  leichte 
zusammenhängende  8ttlcke  ersetzt  würden,  und  in  denselben  die  Andeutung 
der  englischen  Ansdrucksweise  durch  in  runde  Klammem  eingeschlossaie  Zn- 
ifLtze  [z.  B.  pag.  19:  „Würdest  du  keinen  (nicht  einen)  Zweifel  haben?"  p.  28: 
.,Der  Kranke  (kranke  Mann)",  pat;:.  40:  ..beute  cdiesen)  Morpren",  pac;.  ävh  „ieh 
befinde  mich  schlechter  ak  gestern  Abend  (letzte  Nacht)"  u.  s.  w.J  wegfiele,  da 
mnii  durch  derartige  Hilfen  den  Schiller  eher  zu  geistlosem  wörtlichen  Bv* 
setzen  der  deut.schen  Ausdrücke  durch  die  zunächst  stehenden  englisehen 
als  SU  sinngemäßer  Wiedergabe  d&s  Textinhaits  in  dem  fremden  Idiom  anleitet. 

Une  onnkennwert«  Bereieherang  bnt  dne  „Blenentubnoh*  dueh  die  Bei- 
gabe von  Behelfen  ffir  8p rechflbungen  erfahren.  Zunächst  sind  unter 
jedes  Capitel  „Questions"  tlber  den  Inhalt  der  in  demselben  verarbeiteten  Lese- 
etttcke  eingefügt,  und  dum  sind  pag.  172—184  zusammenhängeude  „Materitls 
l^r  Conven-ation"  hinzugekommen.  Besouders  letztere  werden  gewiss  allge- 
meine Anerkennung  finden,  da  sie  in  der  That  vortrefflich  gecicrnet  sind,  eine 
einfache  Conversation  über  die  dem  Schüler  zunächst  liegenden  Thcuiatu  (Eiu- 
richtung  deeScAnlzimnien^,  Schulrequisiten,  Schulleben,  Sprachunterricht, Rechnen, 
neofrraphie  u.  s.  v.  "^'l  ii i  '\lahlzeiten.  Wohnunjr,  Garten,  Weltü^eijeDden,  Jahres- 
zeiten, Hinunekköruer  u.  s.  w.,  ftbr  Madchen  auch  weibliche  Haudarbeiteu  u.  a.j 
^ronnbereitMi  Si^iellieh  Teraient  die  Entere  Aneetafetang  der  neuen  Auflage 
alles  I-oh  und  ist  namentlich  fiVr  die  Übersichtlichkeit  des  Inhalts  durch  An- 
wendung verschiedener  Schriftsätze  u. s.w.  nUee  mödüiche  gethan.  Auch  der 
Druck  sdohnet  sieli  dnrob  gvo6e  Oorreethefe  «n.  von  Drnekfelileni  wtren 
allmfalli  zu  nennen:  pag.  10,  Z.  22  von  oben  „im  Plural  auf  's",  die  Trans- 
scription Ton  uTicle«  auf  derselben  Seite,  dann  pag.  48,  Z.  1  von  oben  „set  n 
Uberty",  und  p.ur.  182,  Z.  2  von  oticn  ..Whc".  D.  R. 

Englische  (Tedichte,  stnfenmäßig  geordnet,  mit  erlftutemden  Anmerkungen 
Oüd  biographischen  Notizen  vergehen  von  Lic.  Dr.  Friedrich  Kirchner, 
Oberlehrer  aui  Kgl.Keaigyiiuia^ium  iu  Berlm.  Leipzig  1892,  B.  G.Teubner. 
Vm  und  97  Sdteii.   F^is  geb.  1  Ifk.  30  Pt 

Diese  in  erster  Linie  für  die  Tier  ObereluMn  des  Benlgymnteinnis  be- 
stimmte Sammlung  enthält  in  stufenmäßiger  Anordnung  (50  Stücke  von  Th.  H. 
Baylv  fl).  Bums  (1),  Byron  (7),  Campbpll  (2\  Hartlev  Coleridge  (Ij,  Barry 
•Comwall  (2),  W.  Cowper  (1),  J.  Gay  (1),  üoldsmith  Bret  Harte  (1), 
Feücia  Hemans(3),  ThemMHood  (2i,  LongfeUow  (5),  Ch.  Mackay  (3),  MUton(3), 
D.  "Sl.  Moir  (1).  Mont^mcry  f3\  Tb.  Moi.re  (3),  Pope  rii,  Scott  '1),  Shake- 
gware  (4),  W.  Smyth  (1),  Soiithey  (Ij,  Uh.Swain  (2),  TeQuyöon  (2),  Thomson  (2), 
JBeöj  ^ike  White  (1),  J.  G.  Wbitti«r  (1),  Ch.  Wolfe  (1),  Wordsworth  (8) 
und  einem  Anonymus  (1.  „Pfod  save  the  king").  Sie  sollen  „sowol  den  Schüler 
Bkit  den  besten  englischen  Dichtern  bekannt  machen,  als  auch  Stoft'  zum  Aus- 
wendiglernen darmeten.  Bs  nad  daher  nnr  solche  Oediolite  ani^«noinnieD 
forden,  die  poetischen  und  pädagogischen  Wert  und  dabei  solchen  Utufang 
^AWn.  dass  nie  ohne  gioie  SeJiwieric^eit  gelernt  werden  können."  (Vorwort 
I>ag.  UI.j 

Die  Awwnhl  tat  mit  GeeoUok  nnd  Geeehmnok  getroffNi,  die  £itenteningen 
'^Hui.  ».Jak«.  BAY.  38 


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—  3^  — 


(psg.  (>8— 85),  die  dem  Sehttler  bei  der  l'raparaiiua  dienen  sollen,  vortrcfilich, 
wm  auch  8tellenwri.se  etwas  karg  bemessen,  die  biographischen  Notizen 
fpag.  86 — 97)  für  Sehulswcckc  völlia:  ansreichend.  Das  Buch  kann  daher 
beoteob  emplolüeu  werden,  docb  wdrt'u  in  einer  neuen  Autlagc  ctliciie  (Druck-) 
V<mfcMi  sa  corrigiren,  deren  wir  einige  beispielsweise  namhaft  machen  wollen, 
pag.  3H,  V.  ;V1  ^thrcat"  f-tatt  thread),  pag.  43.  Z.  4  von  oben  „those"  (statt 
w^we),  pag.  ü3,  Z.  7  von  oben  „Mfe"  (statt  live;,  pag.  54  in  dem  aus  Hamlet 
MtBommenen  StQck  v.  2  „Nor  many  unproportioned  thougliA**  (statt  Nor 
any  etc.)  und  v.  11  Jiut  bewarc  thy  jud^mcnf  (statt  but  reservc  tby  j.i. 
pag.  56.  Z.  1  von  üben  fehlt  zwiw'hcn  ^t'roni"  und  „bosom"  daä  Wort  tby, 
wTtBO  desselben  Stück«  ill  „Thy  waters  wasted  tbem'  statt  „Thy  w»ten 
washed  them"  zu  lesen,  patr.  Bö  ist  in  „Solitiirtf^"  v  7  ^stop-'"  stceps  n 
verbeflsem.  Auf  pag.  78  kt  die  Erläuterung  zu  v.  24  de«  „Viliagc  Hlacksmith* 
unrichtig  tm  trashing  floor"  liegt  gar  nicht  vor  und  edltirt  Oberhaupt 
nicht:  der  Text  hat  richtiff  .,thra.^hin(;  fl."l.  (IcKsrleicben  pag.  81  die  Be- 
nierkuuK  £U  v.  45  ~ä2  von  Cliilde  Hurold  s  Aüschicd&lied,  da  der  .,yeoraau"' 
uud  der  „little  pa^e"  durchaus  nicht  eine  und  dieselbe  PoMB  lind.  Auch  in 
den  Biographien  sind  ein/eine  Druckfehler  stehen  f^fiebn,  wu  ttbrigens  in 
«tiner  ersten  Aut  lagc  uicht««  Au^'allendes  ii$t.  D.  R. 

UerWrger  a.  DSring,  Theorie  and  Praxis  der  Aafeatnfibungen.  Nach 
Angaben  des  EgL  sicfas.  BeEirkasehnlinipeeten  Sehnlrath  WaBgemnnn. 

1.  Theil:  Theorie  u.  Praxis  der  ersten  Au&ala^angea.   76  Seiten.  Preis 

1  Mk.  60  Pf.  Dazu :  240  irausaufgaben.  29  Seiten.  PreU  60  Pf.  2.  Theil : 
5  und  B.  Schnljuhr.  \'26  Seiten.  Pi-eis  2  Mk.  3.  Theil:  OberclasBe  der 
Vnlksschule  uud  Unterciassen  höherer  Lehranstalten.    197  Seiten.  Preis 

2  ILk.  50  Pf. 

Dom  vorliegenden  Werke  gebUrt  unter  der  Aufsatzliteratar 
ein  I'laf  z  in  erster  Reihe.  Wie  der  Titel  bcsaift.  gründet  es  sich  auf  An- 
gabvQ  Waugeiiiiiuns,  der  als  treflüchür  Schulmann  in  weiten  pädagogischen 
Kieieen  Ruf  be.-itzt.  Dies  inuKste  dem  Bnche  nattrii«  h  zum  Vortheile  gereichen. 
Per  enge  .Ai)schlus.>-  an  den  Wan^mannschen  und  den  Kockelschcn  Lehrplan 
füi  ^iaehieu,  noch  nicht  aber  der  an  WangcmannB  Lcüebuch  vermag  der  Ver- 
breitung des  Werkes  an  anderen  als  liehsischen  Schulen  allerdings  Schwierig- 
keiten zu  bereiten.  AI«  Grun^llasfe  zu  den  Auftätzen  des  4.  SchiiljahrM  sind 
IG  Erzählungen  aus  Waagcnianns  2.  Lesebucbe  gewählt,  von  denen  einige 
nicht  zum  eisernen Deetande  der  guten  deutschen  Lesebttcher  gdaten.  Immer- 
hin wird  der  Lehrer  nach  grtlndlicbcm  Studium  der  Ausführungen  dar  Vä^ 
fasser  auch  leicht  audere  Lesestäcke  in  ihrem  Sime  behandeln  künncn. 

Als  einen  giolen  Vorxitg  des  Werkes  betrachten  wir  es,  dass  dasselbe 
keine  Sammlung  von  „MnsteraufeätMn"  darstellt ,  Bondem  in  Theorie  nnd 
Praxis  eine  .Vnh  itung  /u  einem  ersprießlichen  Aul'saLzunterriehtc  bietet. 

In  dem  allmählichen  Bneheinen  des  Werkes  in  seinen  dreiTheilen  ist  der 
Umstand  begründet ,  dii.-*s  f9  in  seiner  jetzigen  Gestalt  der  festgetägten  Ein- 
heitlichkeit  entbehrt,  iuine  neue  Bearbeitung  wird  hier  leicht  Abhilfe  schaffen 
können.  Die  allgemeinen  theoietiaAfln  KrOrterungen  dürften  dann  am  zweck- 
mäßigsten ihren  Platz  am  Anfange  des  ersten  Bande«  erhalten.  Die  anderen 
Theile  müasten,  wie-  auch  der  erste,  eine  besondere  theoretische  und  eine  prak- 
tische Behandlung  der  AaAttMlbiagen  der  bemAnden  flnbn^fnbm  bieten,  ^e 

sie  s^'bön  jetzt  vorliejrcn. 

Her  theoretische  Theil  de^  3.  Bandes  bringt  zunächst  das  Piuuiümm  der 
Verfasser.  Dieses  markirt  kurz  das  Wesen  der  Au&atzübungen  aut  den  ein- 
zelnen ünterrichtsstufen  und  stellt  dabei  die  ünterechiedc  sowie  die  ^va^^h 
senden  Schwierigkeiten  vergleichend  gegenüber.  Die  AufsaLzübungen 
werden,  was  schon  die  äoBere  (iliedernng  des  Werkes  bezeichnet,  nach  diet 
Stufen  presehicdcn.  Die  rntcrstute  fällt  mit  dem  4.,  die  Hittelfitnfo  mit  dem 
6.  uud  6.,  die  Oberstufe  mit  dem  7.  und  8.  .Schuljahre  zusammen.  Nach  der 
Art  des  Aufbauens  der  Aufsätze  uird  die  Unterstufe  als  die  Stufe  des  Naeb- 
«OMadec,  die  Mittelstufe  als  die  des  NebMeiaaate,  die  Obiiifcn&  als  die  des 


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—  343 


AuMinander  betwhtrt.  Dein  entsprirlif  für  dio  TJntei^lufe  die  ErT-'tl  litnr-,  fttr 
die  Mittelstufe  die  Beschreib uug,  für  die  Überj»tui'e  die  Darleguug  (Aohanciiuag). 

Wir  stimmen  den  Verfassern  der  Hauptsache  nach  zu.  Doch  können  ms 
die  Benn  rI:i:r.L'  rti  !if  iDit.  i  dnu  k-  r;.  diu«*«  die  Art  der  Bei?rüadunjf  dieser  St ufen- 
lolge  der  äoofiügen  (irüadlichkeit  des  Werkes  nicht  entspricht.  Das  Büd  tob 
4et  AatKkm^  Ton  BaateB  Ttrdewilielit  ja  AvIfiMsung  dar  TcrAuBw 
immerhiu  zur  (u'niis:e.  Doch  schadet  die  Beschräukuui?  auf  eiu  liild  allein  bei 
einer  Angelegenheit  von  lo  gruadiegeiidaT  Wichtigkeit  dar  wiaeemchaftUohea 
Bedeutung  des  Werkes. 

Unser  Standpunkt  iat  folgender:  Der  AuÜsatsiiBterioldi  muas  wie  in  dem 
Stoffe  80  in  der  Form  in  cl^rakteri.sti.scher  Weise  ron  der  jodesniaIiß:ün  Ent- 
wickelungsstufe  der  Schttlor  bestimmt  weideu.  Nun  laüseu  die  Verlasser  dio^eu 
Gesichtspunkt  iBNneswega  voMSilart.  Im  2.  Theile  S.  12  werdM  vielmehr 
recht  dankenswerte  Erörterunircn  anijcstellt;  Auf  allen  Stufen  sollen  nur  solche 
StoSü  behandelt  weiden,  die  im  Enahrungskreise  des  Kindes  Uegen.  in 
Ugiseliey  Hinriekt  im  Ton  Sehdlear  d«r  Üntamtoft  geMert,  dMt  tr  auf 
Grund  des  MttsterstQckes  wenige  Siitze  auf  bestimmte,  unter  Mithilfe  de> 
LefazexB  von  ihm  selbst  gefundene  Fragen  als  Antwort  gebe.  Der  iSchtÜer  der 
lOttelBtvfe  9oU  Tor  allem  nach  MafigaSe  seiner  Kraft  disponiren,  und  zwar  in 
allen  Untenrichts^beru,  wo  sich  Gelegenheit  da«i  bi^t.  Vom  SchUler  der 
Oberstufe  wird  gefordert,  dass  der  Ausdruck  edler  werde,  dass  die  Disposition 
mehr  aui  den  inneren  Zusammeuhaug  gehe  uud  da^s^i  der  6toä  mehr  durch 
Nachdenken  herbeigeschiüfft,  die  Arbeit  also  eine  freiere  werde.  In  syntak- 
tischer Hinsicht  soll  auf  der  ünteri^tufe  der  einfache  Satz  vorherrschen;  auf 
der  Mittelstule  stehen  der  ansa mmengeaogene  Sata.  ^  Satzgettigc  aad  die 
ftitiirefbiiidaBg  im  VoadeffraiiAe.  Aa?  der  Obentnw  leHe«  keiae  besMidlefeB 
flataartCQ  berUcksichti<>:t  werden. 

Doch  ist  damit  das  eigentüche  pejrchologiscbe  Elemeat  in  der  Entwickelung 
dar  Kindesnatur  nur  gestreift  Soliea  wir,  entspneheod  den  drei  Uatendchte- 
stufen  der  Schule,  drei  psychische  Entwickelungsstufen  des  Schülers  festsetzen, 
so  werden  wir  sie  als  die  Stufe  der  voTherrsehend  phantasieniäßigcn  Anffas^uncr 
der  realen  W^elt,  die  Stufe  der  vorherrseheud  den  Tbatsat  ben  eutsprecheudeu 
Auffanan^  uid  die  StufSe  der  Beftectiou  bezeichnen,  lusolern  d^  Anfeatz- 
forincn  anf  den  drei  üntcrrichtsstnfcn  diesen  rivi-tigen  Entwickeluotr^^^tadien 
entsniechen,  beruhen  sie  auf  unumstöüiicber  Uruudiage.  Vi^eicht  betrachten 
•a  m»  TflsAtfMr  als  ikm  Aafgabe,  n  oatenneken,  inwieflna  ikve  dtmtu:  Bi^ 
Zählung,  Beschreibung:,  Darleirun^  i'Abhanrlluni^)  damit  zu  vereinbaren  sind. 
Wir  beabsichtigea,  ein  andermal  eine  Theorie  dea  Autsataee  anf  psychologischer 
Gniadkge  su  g«b«L 

Das  Programm  der  Verfasser  spricht  sich  femer  auK  über  den  Inhalt  des 
Aufeatzes  und  die  Anfordcningren.  die  in  grammatischer,  orthojrraphischer  und 
ägtheiischer  lliuhicht  an  dcnaelbeu      stellen  biud.    Weua  auch  erklärt  wird, 
daas  die  Verfasser  denen  nicht  beistinamn,  4ie  aiok  ninit  allzu  grofier  Ängi^ 
lichkeit"  an  das  Lesebuch  ani^«  blicQen .  m  gehen  sie  uns  doch  auf  der  Ober- 
stufe in  der  Anlehnung  an  daä  jjesebuch  zu  weit   Einer  ausgiebigen  Ver- 
wutng  der  beetea  Schätro  niuerer  NationaUiterainr,  toweit  lie  metrarSehnle 
zugänglich  sind,  auch  im  Aufsatze  ist  von  vornherein  zuzustimmen.  Indes 
nieieii  dabei  die  Sachgebiete  des  Uoteiriohtes  (GescbichtC)  Geograyllie,  Natur- 
wimuduftea  ete.)  zu  Qam  Beobte  kommen.  Bs  ist  aidit  aaauaweiftln,  daas 
der  Sachunterricht  gerade  ;iuf  der  Oberstufe  dem  Aufsätze  wertvolle  StulTe  dar- 
zubieten vermag.    Zudem  sind  aul  der  Oberstufe  neue  Unterriehtstächer  auf- 
getreten, die  auch  im  Aufsatze  zu  berttcksiehtigen  nind.    Die  Verfasser  be- 
iMrkn,  dasB  man  beim  Ani^chlusse  der  Aufsatzttlwagea  an  ein  gutes  Lesebuch 
der  Gefnhr  entgeli'v  s+offe  zur  RearVieitmur  heranzuziciien,  die  über  dem  Ge- 
daaken-  uud  Ertüuruugäkreise  der  öciiuler  liegen.    Cianz  recht  —  wenn  die 
ItMertfieke  dam  GedaahM-  aad  Srfahrungskreisc  der  eigenen  Schüler  ent- 
!*prcchen.    Aber  ein  verständiger  Lehrer  wählt  als  I  nt»  riichtsstoffe  in  den 
anderen  Lehrföoheni  anoh  nur  solche  aus,  die  mit  dem  Auperceptieaaetaad- 
pnakta  iei  Schulet  llkereiiiitiaiiieii.  Soiüiett  lidi  der  Auftau  an  die  Snch- 
giibiete  an,  daon  exiatirt  die  QefUii,  ai»  dem  ErlUinmgbkreise  der  Sekfller 

23* 


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—  344 


heKausüuUetcn,  ebenfalls  nicht.  HetoMgeue  Stoffe  khacn  wir  gleichfalls  eut- 
aehiedMl  ab.  Wir  wünschen  also  ancli  auf  der  Oberstufe  eine  ausgiebige 
Verwertiing  eler  Schätzt'  des  S;ichiiulerrichts.  Nnmentlii-h  dein  GesL-hichtsptoffe 
ist  ja  uach  diis  Jüterciiisc  d«jr  iicliüici  in  hohem  Miiße  zugewandt.  Bezüglich 
ihres  ethisch  bildenden  Gehaltes  stellen  wir  die  Geschichte  noch  Uber  die 
Nationalliteratur.  Im  Olingen  gestehen  wir  für  die-  Oherstufc  den  Schätzen 
des  Lesebuches  vor  den  Stullen  aus  Ucotrrajthie.  den  Naturwi->sen>ehafteu  u.8.w. 
•  in  ihrer  Bedeutung  fdr  den  Aofsatzunterrieht  gern  den  \  errang  zu. 

Ferner  spricht  der  theoretische  Theil  des  3.  Bandes  über  die  Aws\valü, 
Anürduung  und  Behandlung  der  der  Oberstufe  zugcwieücucu  Mustenttücke. 
Unter  den  berücksichtigten  Gattungen  derPoeiiie  möchten  wir  dasWnMtliMl 
(a.  B.  Schillers  „Von  Perlen  baut  .«^irh  .  .  ."'i  noch  vertreten  sehen. 

Der  jinikiiäche  Theil  bietet  Aufsütis«  über  i'ahcln,  Parabeln  und  Allegorien, 
poeliwiw  Erzählungen,  Balladen  und  BoBMzen,  Sagen  und  Legenden,  das 
Drama  ^Wilhelm  Teil";  bietet  weiter  gw>graphisrhe  Charakterbilder,  Charak- 
teristiken von  Tbieren  und  riiaüzeu.  I<io>;raphieii  und  Charakterzeichauugcn, 
Sehilderungen,  ferner  AuMtze  Uber  Spri«  invürter  und  8prichwi)rtli(hä  Redensarten. 

Ji  der  in  u  iiuftrt'tendeu  riatfung  der  l'oesie  sind  einige  Bemerkungen  über 
das  Weien  und  die  Bedeutung  derselben  vurauagestellt.  Die  Verfasse r  horten, 
4iM6  Andentungen  wflrden  „besonders  dem  Lehrer  willkommen  sein,  welchem 
es  an  Zeit  gebricht,  seine  5?ehriler  durch  besonderen  Unterricht  in  der  Literatur- 
geschichte zu  erfreuen".  Trotzdem  xuüs«;u  wir  diese  Bemerkungt  n  als  nicdit 
hierher  g^tOrig  btteicbueu.  Der  Auftttemtuiicht  kann  nur  dann  Balladen, 
Allegorien.  Dramen  etc.  btrüeksiehtigcn,  wenn  sie  in  der  Lectflre  li''hanf!f»1t 
worden  sind.  Belehrungen  über  die  poetischen  Gattungen  sind  dort  uinl'laue. 
Fehlt  bei  der  Loetllie  die  Zeit,  dann  fehlt  sie  erst  recht  beim  Auftatzunteiv 
riehte,  der  zudem  ganz  andere  Sorgen  hat.  Mit  ungefShr  demselben  Rechte 
würden  hier  autdi  Biugraphieu  der  Dichter  gegeben  werden  für  den  i<aU,  dass 
'  bei  der  Lectflre  keiae  Salt  dam  vorhanden  wäre.  WolT«iiteadeii:  et  kum 
keineswegs  sehadcu,  wenn  hie  und  da  einmal  im  Anschlüsse  an  den  Anfsatz 
etwas  über  die  Gattungen  der  Puesie  gesagt  wird;  aber  es  darf  nicht  syste- 
matisch geschehen. 

Von  den  Grundsätzen  für  eine  gedeihliche  Führung  de«:  A  insitzuuterrieht^'! 
wollen  wir  nameiitlioh  den  folgenden  herausstelle u :  Die  Aui-satze  mUsäun 
wiederholt  werden:  Dieser  Forderung  wild  gerade  im  Au^tzunterrichte 
wenig  nachgekommen.  Mit  Kinsehränkung  muss  der  nachstehende  Grundsatz 
uufgetasst werden.  Die  Autsatzübuugen  mflssen  von  den  Leseübungen, 
wie  TOB  den  oTthogTftphifehen  und  grammatischen  Arbeiten  ge> 
trennt  werden.  Diese  Forderung  scheint  dem  Coactutrationsgedanken  zu 
widuriiprechen.  Indes  ist  ue  nicht  so  schroff  au£euiasäeu,  wie  sie  hier  aus- 
gedrückt ist.  Sie  Möll  Bvr  iMiagen,  dass  die  f&x  den  Aufsatz  angeselste  Zeit 
nicht  durch  anderweitige  sprachliche  Übungen  verkfirzt  werden  soll. 

Die  praktische  Ausführung  der  Aufsätze  bezw.  die  Anleitungen  und  Auf- 
gaben imd  fan  allgemeima  ganz  vorzU^ch.  Wegen  Baummangels  mflssea 
wir  uns  di^mal  versagen,  näher  darauf  einzugehen.  Auch  die  Verwendung 
der  logischen  Frage  auf  der  Unterstufe  hat  unseren  besonderen  Beifall.  Die 
Verfasser  wenden  sich  gegen  die  Stichwortmaaier.  Sie  verlangen,  dass  der 
Schttler  durch  selbstgefundene  und  dann  4rh  selbst  gestellte  Fragen  den  Plan 
zum  Aufsatze  entwerfe  und  diesem  genial}  arbeite.  Die  Gründe  sind  loigcnde: 
1.  Die  Frage  weint  aut  die  Form  lun,  in  welche  der  Schüler  seine  Gedanken 
einzuklfidcii  iiat.  und  erleichtert  somit  die  Construction  des  Satzes;  2)  sie 
ikhüui  vor  i^cdaukenlo^era 'Arbeiten,  regt  zur  Selbstthätigkeit  an  uvA  ver- 
spricht souiit  (  inen  praktisolMD  Gewiaa;  8.  durch  die  Frage  lernt  der  Schtin 
das  We-,t  ni liehe  vom  Unwesentlichen  unterscheiden;  infoli:  it^sen  gewöhnt 
sie  au  uiu  logisches  Arbeiten;  4.  nie.  i^t  das  Mittel,  den  i  u  ]  l^n  logisch  zu 
erweitern;  5.  sie  bietet  den  Anhalt  zu  jeder  Art  von  stilot  iM  iien  Übungen; 
T).  sir  ist  fflr  den  Lehrer  d<  r  Prüfstein,  der  ihm  sagt,  ob  sich  der  ScbQler 
Klarheit  über  den  Zusammenhang  der  einzelnen  Theik  verschafft  hat,  weil  sie 


ja  den  Gang  der  SnUünng  n.  f.  w.  sUmrfrt  md  dtnit  die  Diefmitioa  dee 
Stflekfli  gibt 


846  — 

Aach  das  besondere  Heft  iilnr  ii  HallaaufJ2'a^  n  i-f  recht  wertvoll, 
F&r  eine  neue  Auüaffe  des  Walkes  empfeäleu  wir  die  Beseitigung  tolgender 
BraekfiUer  ete.:  8.Bd^  &18,  Z.6  'voa  oben  iet  im  syntliaktieelier  das  „h" 
zu  streichen.  18,  Z.  5  von  unten  fehlt  in  Zeitverhilltni.sses  das  „f", 
2u  1  TOn  unten  in  Disponieren  das  ^i".  Im  H.  Thcile  8.  1^,  Z.  6  von  oben 
IL  f.  lud  di»  einseinen  Glieder  der  Satsverbindung  durch  ein  Semikolon  statt 
'  «iaes  Kommas  zu  trennen.   Z.  14  von  oben  und  an  uudürcti  Stellen:  Goethe 

(nicht  Göthc).    Z.  5  von  nuten:  Matthisson  (nickt  M&tthison).  &  27,  Z.  18 
j  Ton  nnten:  Oberstufe  (nicht  Oberstube). 

Unsere  AnateUnngcn  an  dem  Wake  möchten  wir  niclit  ^1^  Tadel,  ■ondem 
als  Vor8ch!:t!?<'  -mr  Vi  1  \  iillkfumnunj^  aufgefasst  Wäre  es  wenicrer 

weartYoil,  dauu  hatten  w;r  uns  nicht  so  eingehend  mit  ihm  beschäftigt.  Indem 
wir  nof  wunr  m  Anfutg  ausgespfocbenee  UiOmü  Tecweleen,  eni|»nlilan  wir 
;  Ecrbergera  nad  DOdage  Theorie  md  Fnzli  in  gfeidher  Wein  dem  Stadium 

j  SehvliU  (Posen).  Adolf  findet 

!    QfiiMr,  Dr.  E.,  LeMieh  dw  Slementar-Oeometrle.  I.  Theü:  Plaiti- 
I     .  metrie  mit  207  Figuren  im  Text  and  300  Aui^Erftlien.   4.  Terbeaaerte  and 
ymeüirte  Aaflaga.  122  Seiten.  Ih«idea,  KtUitamaii.  Praii  1  Itk.  80  Pf. 

Wir  hatten  schon  Gelegenheit,  die  2.  Auflage  dieses  Werkes  mit  vollster 
Anerkennunj?  seiner  Yorzt}«?o  %u  besprechen.  In  den  beiden  seither  erfoI{xten 
Auflagen  wurden  mehrfache  Verbesserangen  und  V^ernichruugbu  aogebracht, 
gaaa  aesondcr»  in  Beeng  auf  das  Aaljgaben-Matcrial  und  im  Gebiete  der  har- 
monischen Theilunc:.  —  Die  Verhei?sening  des  Lehrganges  liegt  ganz  befjouders 
darin,  dass  die  Unbeholicuheiten  der  euklidischen  Axiome  vermieden  werden; 
der  Veffeaaer  definirt  die  Gerade  als  jene  Linie,  welche  In  sich  eeltot  gedi^t 
Nv.-rdrn  kann,  Winkel  int  Versrhiedt-nheit  der  'Richtunir  naeh  Maßgabe  der 
Drehung,  die  Gleichheit  der  Winkel  an  rarallcien  ergibt  sich  vermbge  cen- 
trisclieT  Symmetrie.    Wenn  auf  diese  Art  die  einleitenden  Schwierigkeiten 

flflcklich  tiberwunden  sind,  so  wird  im  weiteren  Verlaufe  sinvol  durch  die 
larheit  einer  soi^ßltigen  Tcxtirune:.  nl?  durch  lehrreiche  Anordnung  schön 
ansgefükrter  Figuren,  als  auch  durch  den  Gebrauch  von  nach  der  Größe  mehr- 
fach abgestuften  Typen,  um  das  mehr  oder  weniger  Wiehtige  hervorzuheben, 
dem  Schüler  die  Aneignung  des  schwierigen  Lehrstoffes  wesentlich  erleichtert. 
Der  Verfasser  ist  Lehrer  an  der  allgemeinen  Gewerbeschule  in  Hamburg ,  und 
sein  Buch,  lierrorgegangen  ans  dem  TOn  ihm  sdt  vielen  Jahren  befolgten  Lehr- 
^Uige,  war  zunächst  nir  die  Schfller  dieser  Schule  bestimmt.  Der  Inhalt  des 
Buches  ist  jedoch  nach  Umtaug  und  Vertiefung  hinreichend  weit  geführt,  und 
hat  dvfdi  den  ersten  Anhang  über  harmonische  TheUnng  und  dnreh  den 
xweiten  Anhang  von  Constructions-  und  Berech  im  nfjsaufj^aheu  eine  derartige 
VervolIständig:un{ü:  erhalten ,  dass  dessen  Verwendung  auch  an  höheren  I^hr- 
anstalten  bestens  empfohlen  werden  kann. 

—  Lehrbuch  der  Trigonometrie  für  Baugewerkschulett.    72  S,    46  Fig. 
im  Text  Dresden,  KBIitmaan.  Preis  1  Hk. 

Das  Lchrhnch  der  Trigonometrie  fUr  Baugewerkschulcn  ist  ein  Auszug 
aus  dein  III.  Theilc  von  des  Verfasser«!  lichrbuch  der  Elementar-Geometrie. 
Dasselbe  i.=t  uns  <c\iO\\  vor  drei  lahnju  durch  eine  Verlagshundluuj,Mu  Hamburg 
sogcgangen.  wührend  nunmehr  das  Bfichlein,  anscheinend  unverändert,  von 
ob%er  Dresdner  Firma  in  Vertrieb  gesetzt  wird.  Der  Inhalt  entspricht  vfillig 
dem  Titel;  nach  einer  bündigen  Gut  Wickelung  der  vriasenschaft  liehen  Grund- 
lehren wird  alsbald  au  ^aer  mannigfaltigen  AnwNidung  derselben  auf  prak- 
tischem Geb;  tr  ii^rrrrro-anj^en.  D;ibei  wurde  nicht  üherseln^n,  d;H^  dem  Prak- 
:  tiker  das  Bechneu  suwol  mit  den  Functionen,  als  auch  mit  deren  Logarithmen 

fleleh  geläufig  sein  muss.  Aneh  dieses  Büchlein  verdient  für  seine  Stafe  beste 
KntpfthlaBC.  H.  B. 

FU8,  Kraradf  Lehrbach  der  Duehstabenrechnnng  und  Algebra.  Dritte 

Terbess.  i.  Teno.  Anflafe.  L  TheU.  216  Seiten.  Nürnberg,  Korn.  3  Kk. 


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—  846  — 

Der  Torliegende  erste  Theü  enthält  die  sechs  ersten  Bechnuagsarten«  dam 
die  Gldchungren  ersten  und  zweiten  Ondas  adt  €!■  «od  nalswen  Unbekanat«. 

Wir  hatten  schon  Gelei^cnheit ,  die  früheren  AnflaMI  dieses  Buches  mit  an- 
erkennender Zustimmung  zu  besprechen  und  müsMAMrTOrbeben,  dass  der Ver- 
fuscr  benikt  war,  in  Zeitschriften  und  Lehrbfickfln  «rthalfae  AnsfOhrungea 
zur  Verbesserung  seines  Werkes  sich  zu  Nutze  zu  machen.  Ganz  besonders 
tritt  dies  hervor  bei  den  ersten  Kechnunfisarten,  deren  Behandlung  eine  buchst 
wolth&tige  Vereinfachung  erflltet  Du  OoHnntiliouigawti  der  Multiplicatioa 
wird  durch  eine  Einser-Tabelle  begründet,  welche  flWgens  noch  vort heilhafter 
bezüglich  der  nefi;ativen  Einheit  zar  BegrüAdnnii^  dar  Voneichenregel  der  Mul- 
tipUcation  n  gebranchen  wSre. 

Nur  weniges  ist  stehen  ijeblieben,  das  noch  zu  beheben  wiire:  namentlich 
die  Stellung  des  Divisors  beim  Wuizeiausziehen  ist  ein  sehr  stüreuder  Übel- 
stand; auch  bat  bei  der  Zioaiaeluinig  die  Zeit  stets  die  Benennung  Jahre  und 
ist  daher  durch  J  nicht  durch  T  abzukürzen.  Per  Verfasser  nimmt  in  seinem 
Buche  gleich  sehr  auf  Theorie,  wie  auf  Praxis  Bedacht,  wodurch  sich  dasselbe 
aaeh  yollstäadiir  >1>  Lehnidttel  aam  Seibitunterrichte  eignet.  Jedem  wich- 
tigeren Lehrsätze  wird  eine  entsprechende  Anzahl  von  Beispielen  beierefflgt, 
deren  Lteung  h&uüg  auf  mehrfache  Art  angegeben  wird.  Ka  ist  dies  also  ein 
Bloh,  üdflhei  beata  fjwyfcfc'wg  wdieat.  H.  & 

IHaike,  W.,  Beeheallbel.   48  Seitan.   40  Pt  —  DmObm  Baekan- 
iehule  in  5  Heften  je  f)4— 104  S.  zn  65  Pf.  bis  1  Mk.    Bremen,  Kaiser. 

Die  Kechenfibel  umfasst  den  Zahlenraum  bis  100.  Es  wird  die  Anordnung 
nach  Bechnungsartcn  befolgt,  welche  wir  auf  dieser  Stufe  für  verfehlt  lialtea 
Allerdings  zeigt  der  Verfasser,  dass  er  die  Wichtigkeit  des  Überganges  von 
der  ersten  zur  zweiten  Dekade  richtig  erkannt  hat,  indem  er  wenigstens  die 
Addition  und  Subtraction  bei  20  abstuft. 

Das  erste  Heft  der  Rechenscbule  führt  schon  die  Cbcrschrift :  „Die  vier 
Speeles  im  unbegrenzten  Zahlenraum  e."  Allerdings  gelangt  man  zum  unbe- 
grenzten Zahlenraume  erst  am  Schluss  des  Heftes  und  zwar  mittelst  einer 
recht  ungeschickt  angeordneten Übersichtstabelle.  Das  zweite  Heft  behandelt 
das  Beebnen  mit  mehmamigen  Zahlen;  ganz  richtig  findet  der  Yecfiuaer,  dass 
das  Rechnen  mit  dekadisch  gctbeilteu  Sorten  einen  zweckmgfiigen  Übergang 
zur  Dccimalrechnung  bildet.  Das  dritte  Heft  enthält  die  Bnu  brci  bming. 
welche  au  getheilten  Strecken  eingeleitet  wird.  Femer  finden  wir  noch  unter 
den  Vorbereitungen  Theilbarkeit,  grOBtes  IbJ  und  kleinstes  ^elfacbes.  Dae 
vierte  und  fünfte  Heft  enthalten  bürgerliche  Bechnnngsarten  in  zwei  Stufen: 
die  erste  Stufe  natürlich  EinfachOTCS,  die  zweite  im  Bereich  des  Schwieiu^erea 
gelangt  bis  zur  Betrachtung  des  Curszettels,  der  Zinsessinstabellen  uafl  der 
sogenannten  algebraischen  .\ufgaben  nebst  Flächen-  und  Tnhaltsberecbnungen. 

Einzelne  Hefte  des  Vorliegenden  haben  es  schon  bis  zur  dritten  Auflage 
gebracht,  und  es  muss  unbedingt  zugegeben  werden,  dass  diese  Rechensokiue 
ein  filr  Volks-  und  Bürgers<;buleu  recht  brauchbares  Lehrmittel  ist.  Wir  finden 
den  vom  Verfasser  wiederholt  betonten  Grundsatz  des  lückenlosen  Fortschreitens 
vom  Leichteren  zum  Schwereren  in  der  Weise  festgehalten,  dass  dvrdi  die 
große  Menge  der  Beispiele  Sprünge  sorgfältig  vermieden  und  ein  sanftes  Fort- 
gleiten dem  Schüler  gewahrt  bleibt.  Nur  im  Gebiete  der  Geometrie  sind  wir 
gewöhnt,  dem  Schüler  mehr  geboten  zu  sehen  als  die  allereinfochsten  FlÄchen- 
und  Banmberecbnungen.  Wenn  aber  die  Verlag.shandlung  bemerkt,  das  Vor- 
liegende werde  auch  an  höheren  Schulen  verwendet,  so  müssen  wir  doch  bei- 
fügen, dass  diese  sogenannten  höheron  Scbvlea  einen  sehr  niedrigen  Standpunkt 
einnehmen,  welcher  sich  durchaus  nicht  mit  dem  Standpunkte  eines  Rcalgym- 
^pmym«  yergleichcn  lässt.*)  Das  Beiwort  „höhere"  bei  Schule  kann  doch  wol 
nur  auf  die  Stufe  des  Unterrichtes,  nicht  aber  auf  die  Lebensstellung  der 
Rltem  bezogen  werden.  Es  freut  uns  aber,  mit  gntaai  GawiMB  dieses  Rechen- 
budi  der  Bflxgenchole  empfehlen  zu  lütanea.  H.  £. 

*)  Es  dOiftaii  rnt  dk  uataieii  Ctoaseu  genaht  lain.    D.  R. 


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—   347  — 


Neu  erscbieneAe  Bücher. 

Friekey  Wltteikiiid,  isu  Saduenlitmflr»  flin«  goehlditllishe  EnUilimg.  BUIh' 

ftU,  A.  Helmich.   59  S. 
Ffirsorgfe  der  HohenzoUera  far  ihr  Land  und  Volk.  2.  Anfl.  DÜMeldorf, 

Sehwaun.    ^^  S. 

Jlniekf ,  Die  Geschichte  der  Griechen  and  liömer  für  die  Quarta  höherer 
Lehranstalten.    2.  Aufl.    Berlin,  Heidmann.    97  S.    1  Mk.  20  Pf. 

Jmige,  Der  Qeeehichtsnnterricht  tMt  den  höheren  Schulen  nach  den  Lehrplänen 
TOB  6.  Ja&iar  1892.  Berlin,  VahleB.  28  8.   50  F£ 

—  GwQhiditeepedtloiMii.  2.  v«b.  Auflag».  Berlin,  Vahlen.  128  8.  1  Mk. 
20  Pf. 

?.n<lp,  QtirHen  im  Geschichtsunterricht.  Gotha,  Emil  Behren!  24  S.  60  Pf. 
Seliillmann,  Die  Entdeckung  Amerikaa.   Eine  JabelaohrifL   Berlin,  lÜcolai 

(btntker).    87  S.    2  Mk. 
Stendini;,  Griechiache  und  römische  Mythologie  (^bammlun^  (iöschen).  144  S. 

geb.  80  PI 

Alb.  Bieliter,  Gaaehiditaliilder.  HUAibadi  Ar  den  enten  üntenridift  in  der 
dentaehen  Geecliielite.   2.  AvA.   Ldioig,  Bkli.  Biehter.    116  8.   80  Fl 
Cfldier,  Schilderungon  znr  Heimatkunde  Bayerns.    Im  Anschlnss  an  die  geo- 

errtpbischen  Anschatinng^bilder  v.  Engleder.    München,  Oldenbonro;.    80  S. 

Jarz,  Karteuzeichnen  und  Kartenskizzen  im  ersten  geographiachenUiiterrichi. 
Znaim,  Fournier  ^  Haberier.    16  S.    40  Pf. 

Krebs,  Landeskunde  der  Provinz  Sachsen.    Halle,  SchroedeL  39  S.   36  Ff. 

Adl«r,  Orthographie  und  Grammatik  in  ihrer  methodiaohen  BAiwidlnng  nadi 
den  Gmndaitien  Herbart-Zfflera.   Bietefi»ld,  Hehnieh.   30  S.   75  VI 

Frisch,  Der  Antutz  in  der  Volka-  und  BttrgeraciiQle.  I.  TheÜ:  Beiträge  zur 
Methodik  des  Aufsatzunterrichte«.  Wien,  Pichler.  40  S.  30  kr.  IL  Thett: 
Das  dritt«,  vierte  und  fünfte  Schuljahr.    89  S.    60  kr. 

ThoBas,  Das  Lesebuch  in  der  Bürgei'schule.  Ein  Commentar  /.u  dem  Lese- 
buch von  UUrich,  Emst  und  Branky.  II.  TheiL  Wien,  Piehier.  228  S. 
1  fl.  60  kr. 

flteeckebier,  Akriaa  der  dentaohen  Vendelire  nnd  der  Leine  ven  den  Dieh- 

tangnorten.  8.  Ani.  Berlin,  Weidmann.  82  &  40  Fl 
Miadie-Handfke,  Dietfieloff  nach  den  Begehi  der  neuen  RechlnchrelbBng. 

3.  Aufl.   Breslau,  Kern  (Müller).   88  S.   90  Pf 
Tsehacke.  Drischel  und  Handtke,  Stoff  zu  deutschen  Auftatzübung-en  für 
Volks-  und  Mittelscholeo.    3.  AoiL   Breslau,  Kern  (Ii.  Müller}.    240  S. 
3  Kk. 

Wei^nfels,  Cicero  als  Schulschrütstelier.  Leipzig,  Teubuer.  319  Seiten. 
SXk.  60  Fl 

GeKUebte  der  dentaehen  Literator  ftr  UOdchenachnleo  und  die  wefl>- 
Jngeod.  2.  AniL  Le^MCf  Tealmer.   146  8. 


^«mmd.  Biisitwi  Dr.  rfl«4tUk  Bittot.  BMMiMdBiNi  J«li«a  Kltiitekstdt,  Uipiig. 


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Landeshuter  Leinen-  und  Gebildweberei. 

LandMhnt  Berlin  W« 

in  Sf-hle^ren,  Kgl.  u.  GpossherzogL        Ldp^entnsse  26, 

fiir  brietlichc  Aulftrage.  Hoflieferant         tttr  penönliche  EiaMafe. 


.Be»onilw  prelswertfae  Angehoiei 

1  Stuck  baumwollen  Stubl-Creas,  ÄfiJSJÄ.,'^ 

Länge  20  Motfr  mtot  M*  0»*JU 

1  Stück  bestes  GrünfiliU  RubIurm,  I^STioo!^'  07*!; 

Länge  B3V'„  Meter  nur  M.  • 

I  ralnlBinenes  Tbeegedsclc,  nSnJ^JSSSÄ^  tITI 

tuch  130  Cm.,  Mundtücher  28  (  ui.  nur  M. 

1  üiilz.  Hausniaclier  Jacquard-Haadtither,  ■^Ä.^rrn 

Marko  L.I.    Grosse  \hX.\tb  Cm.  Alir  JH.    •  •^^'^ 

IQlHpIr  l/arrirf  RaHho7iin  Httka  ^  enthaltend  8  Meter,  aiineieliend  (Hr 
OIUCK  KdllHl  DCllUBZUy,  2  Oberbetten  und  4  Kopfkissen:  7  9A 
biauweiss,  rothwerss,  rothblauweiss  etc.  Br.  83Cm.,  d.Stflck  nurll.  • 


ßc'  grösserem  Bedarf  dürfte  eine  Reise  nacli  Landeshut  bezw.  Berlin 
in  meine  Maarenhäuser  lehnend  sein.   PreiülibU;  auf  Wunsch  kostenfrei. 


<y>  V            <W  jfly 

Xtiifabctt  für  Bnfanift  unb  500100« 

in  4  i^iirfeii  uon 

Ofrtrleftrcr  an  bcr  höheren  Schute  ftit  ilÄäÄ(^eu  IVip^iq. 

1.  Äuriu»,  6.  oerb.  äufloge  forton-  60  %\.  2.  «urfui,  6.  Oec6.  '^ujlage  tünon.  80  ^f. 
S>  Xucfiiif  0.  tinft'  Siifl(i0c  lattei*  1  SR.  4,  ftncfii^  4.  Mift.  Vnfli^  Sutan.  1  0t. 

fettfi»»  fir  »Ol  Nitterridit  ither       unti  'Jctm  ic#  «aH#m<«  ticfCfi. 

3)iete  ;^eit|abeii  finb  {pcAielt  ben  Se^rAtneden  bex  Sfttgeci^tilen,  ber  I^d^eccn 
ftnebcn«  mb  Rab^enf^ttlf  n  vab  bct  9aa<f4tt{fit  n.  Ofbiuiig  angepolt* 

%vA  bec  Tycbcr  eiiied  erprobten  @4ttlniaitacl  ^rrboiget^angen,  ftnb  bie  ^eftt 
rbenfo  empfefilcnerocrt  c\i  Scitraben  für  ben  Sehrr r  mit  oI«  Setanid)aulid)una§mtttel  für 
bie  ^anb  bcr  3d)üUi.  Xa  2Scifa{fa-  gc^t  iwc^  :cm  betannten  ^JJeftalPjii'fi^en  ®runb- 
lo^  bei  lädenlofen  «^ortfc^reitend  Dotn  idefannten  ^um  äRmbcrbelanntm  aud.  ^  iviS 
im  Sinn  ^^töbelS  ei(inf>3  9ehfn,  cißneg  25a!}rnt'^tncn,  eigtteö  ielbftt^ätiacS  Denfen  be- 
»weden  uub  tritt  ttücatljalbcu  beut  natuiiüiiienidjajtUdjcu  Slbcrgiaubeii  unb  bcii  unroiffen» 
fll^ftlidKn  Hnfä^auungen  entget^cn. 

Slnf  bie  Sudftattung  bee  SBecfeiS  ift  aQe  nur  crbcnfltrf^f  ^nrgfalt  bertvenbet  irwbw. 


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pj  j  von  440  Mk.,  Harmoniuma 
naninOS  ^on  W  Mt  an,  und  Flügel, 

lOjäbr.  (iarantic.  Abzahlung  geauttei. 
Bei  Barzahl un ET  Rabatt  und  Freisendung. 
WILH.EMMER,  Berlin  ( Seydel- 
8trasüe2ü.  Allerhöchste  Auszeichnungen: 
Orden,  Staats-Mcdaillen  etc. 


Pianinos  von  350  ys  i^oo  hic. 

Uarmnniiime  »l^-utiicbp  und  amerik.  Uottage- 

narmoniums.  ^^^^^^^  (E»uy ,  von  Mk.  m  an. 

innJstTAUr^b'abrikate.  Hörkwler  Burrabatt. 
Alle  Vttrtbiile.    lUtutr  Kataloge  ßrati«, 

VVilh.  Rudolph  in  Gie«Ht»n, 

f^ös.it  K  l'iiino  VcrBJiii<lt-<rescbiift  L)eatschl:ind*. 


MM- 


«er 
Art 


[m,    Gröpstes  La^cr  !" 

Louis  Ocrtcl^j 

.HANNOVER  'i'^ 

ff!ifti'sf'  '»  litt  *t»*n»m) 

Jitstrumtatt,  S§iten  afc.  ly  £ngros  Preisen. 


üeber  den  gcit  Jahren  bei  den  p.  t. 
Herren  Pädagogen  etc.  etc. 

wohlbekannten 

Holländischen  Tabak 

von  B.  Becker  in  Seesen  a.  Harz  hat 

der  Fabrikant  tausendfaches  Lob  erhalten 
und  sich  den  Besitz  der  Zuschritten  schon 
1885  und  dann  1H92  notariell  bestätigen 
lassen.  Das  not.  Dokument  hat  die  Expo* 
ditlon  eingesehen.  (10  ptd.  Ueä  Tabaks 
lose  in  einem  Beutel  frco.  8  Mark.) 


Soeben  erschienen  in  neuer  Ausgabe: 

Beel  hoven.  ff^.  v..  Studien  im  (wene- 
ralbass.i  ontrapunkt  u.in  derCompo- 
sltlon,herausg.r.  L.KShIer.  Pr.  M.2. — . 

i^rtiubertli,  J.,  Muslkfllisclier  Kate- 
chismus fUr  Siiuirer.  Zum  (iehrauch 
für  J>chulen  u.  Gesangvereine,  herau.sg. 
von  Dr.  F.  Stade.  I'r.  M.  — ..öO. 

Edition-Ver/elchnis<s  irrutls  u.  franko. 

Verlag  v.  J.  Schuberth  «St  Co.  in  Leipzig. 


„Hiob-Fibel 


X).  Brafilir  Ofrftfffrir  UormoiBÖtltrmttboif. 


3n  meinem  fiommijfion5DcrlQi]e  ift  er» 
fd)iencn  unt>  ^urd)  jebr  $u(bt)anMung 
bcjietjeu : 


fcljrtjttitg 


bet 


Pfutfilifii  ^urifilinft. 

L  Icif. 


H.  ti^n  iluitotoMi, 

Dr.  med.  piafl.  Slril 


Don 


9.  non  ftunottdfi, 

Scr.-Sttuf.  i.  4.i!6ürbe« 
«cg.  j. 
%xt\i  80  $fg. 
5Jaö  Stiftern,  Qufwilfcnidjof  flicken  Oirunb- 
jä^ifu  bcruljenb,  ift  oon  erftounlidier  JHegel- 
nmjiiiifcit  unb  ücrmöflc  feiner  ßinfodibcit  ju- 
glctd)'  ein  rootjrboft  oolfdtünili(^eö.  nee« 
einiflt  lcirt)teftc  (Srlernbarfeit,  flröftte  $»anb- 
lic^fcit  unb  uncrreid)te  .Uür.^e.  Äein  ©cbüdjt« 
niöfrani!  feine  5djriflpeinlirt)feiffn!  tein 
Tnirf!  feine  Heile! 
Hrgrii  l^tnfrtidiitH  De«  iB(lraf|C0 
rrfolflt  ^ronro:3nfrtiIitinn. 
t'eipjig. 

Julius  Rlinfbarbt. 


IVür  "äbitarientPii,  3tfiulamt#',^nnb  baten 
unb  ^(iptrantcn  ber  SNittrlfc^iillctivcr: 
unb  *Nef torat^prnfunii  (mpfel)lc  bie  burd) 
bic  pQbartogifdjc  ^j^reffe  tieljcitig  bfftcn^ 
empfohlenen: 

taeit^äateiiiainen. 

für 

3ü|tiigr  liöt  üntrrriiiiteanltaltes 
IIb  Afpirantrn  itx  iliittrUdiudrlirrr'' 
beiio.  iirbtiratsprnfnng. 

non 

Dr.  Äcrmann  Äoffmeiltcr. 

^eft  1:  I'oä'poiiriocaöilieni.b.  Sieligion. 

2.  Dcrb.  inuilage    .    .  liüi.2.40 

„  2;  5)euti(tje3prad3eu.£ittcrotur  «  3.öO 

„  3:  'ilJäbagogif.  2.  »erb.  x'ditlnfle 

„  4:  ^lügenieine  4i*fltncj(tiid)t^ . 

„  5:  Xeüljrf;c  Jii'ulturgefdiidite  . 

„  6:  Söranbiub.'prcuf].  (ye{ditct;le 

„  7:  Geographie  

^Ilfli  ergiin^ung^beft      .t>eft  '^: 

(er  ^olfofdiiilc.  :iiM){enjd)aftlid)  bat' 
gefteUt  2».  l.öü. 

tetttfdilatidd  «iiUurncfdiidite    „  3.— 

bejic^en  biirdi  aQe  "öndilianblungcn, 
bod)  ift  bie  unterjeicbnete  i^crlag^L-udibanb- 
lung  gern  bereit,  bei  oorlKrigcr  (^iHVitjünig 
ober  ©injenbung  Don  iPriefmarfen  laud) 
rin,;dlie  $anbd)en!,i  bireft  unb  franfo 
überienben. 

üeipjig  unb  Serlin  W.  35. 


2.  — 

3.  " 
3.— 
2.25 
3.60 


Kürzestes  Gesamt-Repetitorium 

über  .ill>' 

Prüfungsfächer 

der  allgemeinen  Bildung. 


Von 

K.  a.  JTarobl. 


1.  Bdchn.:  Denl>irhe  (irimmatik.  —  EvaarelUclie 

Dov'matik.    Kibrlknodr.   W  Pf. 

».      „       KiiTliein;<'<*rlii«'htf.    «0  Pf. 

a.  „  (irM-liirlit«*  drrdruUrhen.^pnichP.Noti- 
trn  u.  Vriiket  zur  l.ittrrttor-,  Kaltnr- 
■.I  niversHlcrfxrliifble.flroRraphir.  I  M. 

4.      ,       (iesthirhlrdrrPhiloiispbie.  I.Abt.  1 M. 

6.  ,  ,  .  ,  2.  ^  IM. 
0.      ,      Gpsrhii-litpn.ThPvrled.Piidafiojrik.  1 M. 

7.  H       L«f(ik  nnd  iNyrhulo^if.    1  Mark. 

Jedes  auch  einxeln  su  beuehen.  ^Bi 
Verliic:>handlung 

vun  Wilhelm  Violet  in  Leipzig. 

%ll(f(*ni*  '^^<^<^^1^^"^  taufen  unfere  (grauen 
^UUl  Iii  if^i  öiVf  f  t  bei  ber  Stridgarnfobrif 
Pon<t(forAM  Od)  inlvrfiirt:(Ot(ruvbiUt0er 
wie  in  Setaügrfdiäftrn.  ^{ufter  umfonft. 

3n  meinem  !Cerloge  tft  crfc^ienen: 

pat^rmatifdif  ^urinril. 

300  5fufivUnMi,  iV'i.llaiirfi]cnl)i'  Spiffe, 
ütuii|l|lüdif,  ?(lHTriifc()uiiiifii,  Ufr  Inn  gliche 
SdiliiHf,  SifjiT^c  u.  öfrgl. 

aiiö  der  johlen*  iittD  ^oriiteiUe^re. 

~$ür  jung  unb  alt  ,Mir  Unterbaltung 

unb  Scle^rnng 
Don  ^ouis  SlitienjtDey,  3d)ulbireftor. 

2.  "Jlnfl.   8.    fart.   i^rci«  1  m.  50  $f. 
l'eipjig  unb  'öerliu  W.  35. 


Soeben  ersclieliüt 


19000 

16  Bände  geb.  ä  10  M. 
oder  256  Hefte  a  60  Pf. 

160001 

lAbbildungen. 

Brockhaus^ 

rsationS'Le. 

14-.  Auflage. 

SeitenText. 

Konve 

xikon. 

leoOTafeln. 

SOOKartenJ 

1 120  Chromotafelo  ddü  480  Tafelo  in  SchwarzdrocL  | 

Hierzu  1  Beilage  von  Bleyl  &  Kaemmerer  in  Dresden. 


Bucbdnickcrui  Julius  KlinklJurJt,  Leipzig 


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APS   4  1893 


GIUM. 


Monatsschrift 

Erziehung  und  Unterricht. 

Herauügegeb«!! 

unter  Mitwirkung  hervorragender  Paedagogen 


I>r.  JEnriedrieU  X>itte«. 


IT.  Jalmi 

ü.  Heft,  März  1893. 


Verlag  von  Julius  Kiiulchardt. 


Inhalt  des  6.  fieftea 


LofSn,  RoiUBeaii  vad  die  gegenwärtige  ädiidiefiifiii.  Eine  pXdagogiaehe  Studie 

TOB  Dr.  Ad.  SAtterlin^Stmilniif  i.E   8A9 

Die  allgemeine  Schulpflicht.  Von  Seminatdinetor  Oöza  Soiuogyi-Zol6?&nQa  363 

Der  Zweck  d"«  «Tt-schichtsimterrichts.   Von  H.  Weigand-Northeiin  ....  377 

Die  Leben8gef>c);ucbte  von  Georg  Ebers.  Von  Theodor  Veriiulekeu-üraz  .  387 
Pädagogische  RandBchaa.   Österreich.  —  Die  ethische  Bewegung  in  Mi^de- 

Imig,  -~  BraneB.  —  Ana  Saeluwii.  —  Am  dem  QxoBhennglium  Baden. 

—  Ans  Fiett£eit.  ~  Tldenut  conenlei!  —  Ans  der  Schweis    ....  389 

AoB  der  Fachpime   412 

lUftAnaiftiian   415 


Abonnemaiits*  Preis  pro  Quartal  M.  2.25. 
Alle  Buchhandlungen  und  Postanstalten  nehmen  Bestellungen  an. 

^iieif  


« 


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Locke,  Roiissean  und  die  gegenwärtige  Schulreform. 

Mne  jpädaffo^nn:h<  Studie  von  Dr.  Ad,  Sütterlin-titnipüurt/  i.  E. 

Es  dürfte  scliwer  sein  zu  sagen,  wann  die  SchulrefonnbeAvegung 
begonnen;  denn  seit  den  Tagen  des  Humanismus  hat  jedes  Jahr- 
hundert seine  Bestrebungen  gegen  die  bestehende  Ei/iehungs-  und 
TJnterrichisfonn.  Im  siebzehnten  Jahrhundert  war  es  neben  dem 
großen,  in  vielen  Dingen  noch  heute  unerreichten  Comenius  vornehm- 
Ii<-'  Locke,  im  achtzehnten  Kt'U>seau,  die  mit  der  Bildung  und  Kr- 
zieliung  dcü  Geschlechtes  ihrer  /» ir  wenig  einverstanden  waren;  unser 
Jahrhundert,  das  die  Bildung  der  weiten  Schichten  des  Volkes,  die 
Aoi^gestaltnng  der  Volksschule  geregelt  hat,  kennzeichnet  sich  ander- 
seits durch  den  Anlauf  gegen  die  höheren  Bildungsanstalten,  der  im 
letzten  Jahrzehnt  besonders  stllrmisch  geworden  ist  und  alle  Gebil- 
deten der  Nation  mehr  oder  weniger  in  Mitleidenschaft  gezogen  hat. 

Eine  gewisse  Bedeutung  hat  schon  im  Jahre  1835  der  Arzt 
Lorinaer  gewonnea  mit  seiner  Schrift:  „Zum  Schutze  der  Gesundheit 
in  den  Scholen'',  einem  Bnf,  der  seitdem  immer  nnd  immer  wieder, 
so  namentlich  in  den  letzten  Jahrzehnten  erhoben  wurde.  Damals  hat 
er  die  Elnfthnmg  des  nach  den  Befrenmgskriegen  anrttcbig  gewor- 
denen Tonens  in  die  Schulen,  zum  Theil  wenigstensr  zur  Folge  gehabt. 
Üm  das  «tolle  Jahr  1848*  sodann  ertönten  wol  zuerst  die  Bufe  nach 
einer  einheitliehen  Schule  fBr  die  höhere  Büdung  in  Deutschland,  imd 
diese  Bestrebungen  sind  namentlich  seit  der  Einigung  des  deutschen 
Volkes  nadt  den  Kriegen  der  Jahre  1890  nnd  1871  mit  TerBtib>kter 
Kraft  hervorgetreten.  Es  kann  daher  in  der  That  scheinen,  als  ob 
diese  Reformgedanken  mit  den  ]iaiionalen  Einheitsgedanken  verbunden 
seien. 

Etwas  später  stellte  sich  ein  besonderes  Gebrechen  unserer  höheren 
>i  huleu  heraus:  die  Überbürdung,  und  es  ist  der  Überbürdungsschrei, 
wenn  ich  mich  recht  eriniure,  in  ausgesprocliener  Deutlichkeit  zuerst 
iiD  Jahre  1872  vom  Rlieine  her  erhoben  worden  in  einer  Schrill: 

Padi^piipva.  15.  Jahrg.    Utft  VI.  24  . 


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—   360  — 

„Wohin  treiben  wir?"  von  dem  inzwischen  ver:*torbeiien  Amtarichter 
Hartwich  in  Düsseldorf,  der  8pät«r  durcli  seine  zweite  Schrift:  „Woran 
wir  leiden'^  zur  grcißeren  Pflej^e  dei"  körperlichen  Sjjiele  in  der  Schnle 
Anstoß  gegeben  und  mittelbar  die  Spielvertüguiig  des  Ministers 
V.  Gossler  vom  27.  Üctober  1882  heiTorgenifen  hat.  Diese  Spiel- 
bewegung hat  inzwischen  giuüe  Wellen  geschlagen  und  ist  an  einigen 
Orten  gelegentlich  so  überschätzt  worden,  als  ob  nun  alle  Gebrechen 
der  Welt  auf  einmal  mit  dem  Spiel  in  den  Schulen  könnten  geheilt 
werden.*} 

Die  verschiedenartigen  Bestrebungen,  Bescli  werden,  ,  Auklagen 
haben  sich  mm  allmählich  verdichtet  zu  einem  Ruf  nach  Reform  des 
höheren  Schulwesens  und  finden  ihren  Ausdruck  in  Vereinigungen  zum 
Zweck  der  Herbeiführung  einer  Verbesserung  oder  Umgestaltung 
unseres  Schulwesens,  wie  dem  Realschulmännerverein,  dem  Einheits- 
schulverein, dem  Schulreformverein  „Neue  deutsche  Schule"  (H.  Goriug), 
deni  liberaitu  8clml verein  Rheinlands  und  Westfalens,  dem  Neuphilo- 
logenvereiu  und  manch  anderem,  und  so  stehen  wir  denn  gegenwärtig 
mitteu  m  der  Schulrelurmbewegung.  Nicht  weniger  als  844  Ver- 
besserungsvorschläge sollen  schon  1889  dem  preußischen  Cultusminister 
vorgelegeu  haben,  und  was  an  Schriften  und  Aufsätzen  ähnlichen  In- 
haltes selbstständig  und  in  pädagogischen  und  anderen  Zeitschriften 
und  in  Tagesblättem  seitdem  erscliienen  ist,  ist  unübersehbar.  Eine 
gewisse  Zusammenfassung  haben  die  Bestrebungen  gefunden  in  der 
Berliner  Schulconferenz,  deren  V^erhandlungeu  in  einem  dicken  Bande 
vorli^en.**) 

Vielem  in  diesen  vielen  Bestrebungen  ist  ja  sicher  gut;  manches 
ist  —  nicht  neu.  Denn  geht  man  in  der  Geschichte  der  Pädagogik 
etwas  rückwärts,  so  findet  man,  wie  gleich  zu  Anfang  erwähnt,  außer 
bei  dem  größten  pädagogischen  Reformator,  dessen  300.  Geburtstag 
die  pädagogische  Welt  eben  gefeiert  hat,  schon  bei  Locke  und  Rousseau 
manches,  was  nur  eben  wieder  ausgegraben  erscheint  j  manches  freüick 
auch,  das  leider  vergraben  geblieben. 

Allerdings,  über  Einrichtung  von  Scholen  und  über  das  „Berech- 
tigungswesen"  wird  man  da  nichts  finden;  Locke  und  Rousseau  eiv 
ziehen  einzelBe  Kinder,  schreiben  daher  über  Einzel-,  aber  Hofineister- 


*)  „Ich  wllide  inidb  gar  sieht  WIl]ldem^  Im  iek  vor  einigw  Zeit  Ja  eiaor 
ractuMÜurift,  „wenn  demnädist  dner  auf  den  Oedaakio  lOaie,  andi  die  SodaldMae* 

kntie  mit  dem  Turnspiel  austreiben  zu  wollen." 

**)  Verhandliingen  fiberFzageo  des  Mlieroii  UnteniiAts  (fiexliiierSohnleoBta««!)« 
BexUn  1881. 


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—  861  — 


enielHiDg.  Weudet  man  aber  seinen  Blick  von  der  Organisation  oder 
Beorganifliiktion  der  Scholen  einen  Augenblick  auf  das,  was  im  ein«elneii 
hentzatage  mlangt  and  bestritten  wird,  etwa  anf  das,  was  am  Lehrer 
m  refonuiren  sei,  anf  den  Sturm  gegen  die  dasafsehen  Sprachen,  die 
Methode  des  neiuprachUeheii  ünteirichta,  den  üntefrichl;  in  der  Mntter- 
«iraefae,  die  ganz  nenerdings  angetretene  ITordmng  naidi  anderer 
üestattnng  des  Geschichtaonteniehts,  dem  Jetxt  noch  besondets  did 
Bektmpftmg  der  Söcialdemokratie  zufallen  soll,  die  körperliche  Er- 
sdrang:  so  findet  män  bei  diesen  beiden  Pädagogen  und  Philosophen 
anndifia  ausgesprochen,  was  zur  Lehre  dienen  Icaut  Bonsseen  stellt 
auf  Locke's  Sehnltem;  er  hat  die  Locke^schen  G^edanken  mit  dem 
Feuer  seines  Temperamentes  durcliglübt  und  sie  so  zum  Gemeingut 
der  Mejüsckheit  gemacht.  '  ' 

Einer  der  wichtigsten  Punkte,  dei*  in  der  Reformbewegung  fi*eilich 
erst  spät  besonders  betont  worden,  ist  die  Bildung  des  Lehrers 
selber.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  über  die  methodische  Ausbildung 
der  Lehrer  zu  lian  leln  die  hier  etwa  einschlägigen  Bemerkungen 
Locke  s  Ull  i  Ivousseau'.s  {iudeii  sich  nur  vereinzelt;  auch  sind  verschie- 
dene mef linilisclie  Winke,  die  sie  geben,  der  ein^  z.  B.  übers  Lesen- 
lernen,  der  andere  für  Naturlehre,  beim  geg^enwärtigen  Stand  der 
Methodik  unbrauchbar.  Aber  es  ist  meine  innerste,  dui'ch  Erfahrung 
gewonnene  Überzeugung,  dass  der  bei  weitem  größte  Theü  der  Über- 
bördnngaklage  an  den  höheren  Schulen  dem  Umstände  zur  Last  fäUt, 
dass  gar  viele  Lehrer,  deren  wissenschaftliche  Bildung  nichts  zu 
wOnschen  übrig  Iftsst,  in  Beziehung  auf  die  Behandlung  des  Stoffes 

Schule  sehr  vngewandt  sind,  und  die  Kinder  deehalb  das  Straf- 
geld fftr  dieee  methodischen  SOnden  bezahlen  mftssen.  Die  methodische 
Behandlung  einzehier  Untenichtsfilcher  wird,  so  weit  wie  auf  Lodte 
oder  Boossean  Bezug  hat»  am  entsprechenden  Orte  bdenchtet  werden* 
Aber  einen  Punkt»  der  si«^  anf  den  Lehrer  bezieht»  haben  schon 
Locke  nnd  Bonssean  besprochen.  In  der  Bede  bei  der  Eröibnng  der 
Boilhmr  Oonfetens  wies  Seine  M^jwtftt  der  Kaiser  anf  die  Bildung 
des  Lehrenttaiidfls  hin  und  sagte  u,  a.:  „Wer  erziehen  will,'  mnss  selbst 
mögen  seint*  Das  ist  natürlich  selbstyerständlich;  der  Satz  findet 
sieh  aber  thatsächlich  so  bei  Locke  (§  93*):   „Um  einen  Knaben  zu 


*)  loh  cttiie  Locke*«  ttbawichtiiche»  inPwnkgi»ph«nemgethQÜteSoliiift:  „Eioige 
Gedanken  über  Eiziehoag"  nur  nach  den  ParH<!:raplien;  bei  Rousseau^s  Emil,  dem 
inabenichtlichen  Buche,  zuerst  uach  der  Reimer  .scheu  deutschen  ül^erset/ung  (Rich- 
tett  päd.  fiiUiothek)  mit  dex  Seitenzahl,  dann  sugleich  nach  der  tranzüs.  Ausgabe 


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biideü,  wie  es  der  Fall  sein  sollte,  ziemt  es  sich,  dass  sein  Erzieher 
selbst  wolerzogen  sei:  it  is  fitliib  goveraor  should himself  be well-bred*', 
und  bei  Rousseau  CS.  29;  I.  425):  „comment  se  peut-ü  qu'uii  enfant 
seit  bien  elev«  pai  qai  ii'a  pas  ete  bien  eleve  lui-meme."  Locke  denkt 
dabei  allerdings  zunächst  au  das  Äußere,  den  feinen  Anstand,  an  feines, 
elegantes  Benehmen,  wie  es  seine  Stellung  als  Erzieher  eines  eng- 
lischen Lords  mit  sich  bringt;  jedoch  führt  er  im  Folgenden  aus,  was 
alles  er  vom  Erzieher  verlangt,  und  wie  er  erzogen  sein  soll  (§  94). 
Diese  Locke'sche  Forderung  hinsichtlich  des  Benehmens  des  jungen 
Lehrers  ist  neuerdings  besonders  hervorgehoben  worden,  so  von 
Ziegler*)  (8.  25);  nachdem  von  den  Pflichten  des  Lehrers  im  all- 
gemeinen gesprochen  worden,  heißt  es:  „er  muss  selbst  auch  höflich 
sein  —  ja  wol",  und  bei  Oskar  Jäger  heißt  es,  wo  von  der  Schul- 
ordnung für  die  Lehrer  die  Eede  ist,  am  Schluss:  „Bescheidenheit 
verlangt  ihr  vom  Schüler!  —  Kraft  welches  Rechtes  denn?  Ihr  dürft 
sie  vei'langen,  wenn  ihr  gegen  ihn  höflich  seid,  diejenige  Höflichkeit 
übt,  auf  die  der  Schüler  ein  Becht  hat''  (Aus  der  Praxis,  S.  82 
Nr.  135,  137.) 

Derartige  Gedanken  sind  ja  schon  immer  unter  der  Überschrift: 
„Das  Beispiel  des  Lehrers"  zu  finden  gewesen;  aber  es  ist  jedenfalls 
bezeichnend,  dass  sie  jetzt  gerade  aufs  neue  betont  werden.  So  aaoh 
von  Dr.  Schiller  im  Handbuch  der  praktischen  Pädagogik  S.  64.  Und 
das  fuhrt  m  einem  anderen.  Man  empjßlngt  gegenwärtig  öfters  den 
Eindruck,  als  ob  die  Lehrer  der  höheren  Schulen  die  Schüler  als  ihre 
geborenen  Feinde  betrachteten,  die  sie  mit  Feuer  und  Schwert  bekämpfen 
müssten;  ein  yertrantes  Verbältnis  ist  sehr  selten;  der  Lehrer  irt 
fiust  nor  jutdk  der  GMrchtete  oder,  was  schlimmer  ist,  der  Gehaastet 
Woher  das  kommt?  Es  gebricht  dem  Lehrerstand  unserer  Zeit  in 
seinem  berechtigten  Eampt  im  seine  Stellung  häufig  an  dem  Wich- 
tigsten für  den  Lehrerbeni(  der  Liebe  zn  den  Kindern.  .Liebe 
die  Jugend,  die  dn  «ntohsa  sollst;  auch  den  ^dderbaarigen,  nnsn* 
genehmen  Jnngen  dort»  der  dir  das  Leben  so  saner  macht*'  (O.  JAger« 
A.  d.  Pr.  S.  U  Nr.  60.)  Das  ist  das  yomebniste:  m  die  EJnder 
nicht  lieb  haben  kann,  der  lasse  die  Hand  vom  Pflng  der  Pädagogik! 
—  Dies  ist  Ton  Locke  und  Bonssean  nvar  in  dieser  We^  nicht  ans* 
gesprochen  worden;  aber  das  Verhältnis  des  Erziehers  zum  ZOgUng 

in  (Ion  Oeuvres  fomplötes,  tonie  ler  et  11'  "  ,  Edition  Lahure,  Puia  1SÖ6^  Httchetle. 
mit  Baud  und  „pagina",  z.  B.  8.  34,  I.  pag.  429. 

*)  Ziegler,  Dr.  TL,  Professor  der  Philu&uphie  und  Pädagogik  au  der  UaiTeibitäi 
StnAbnig,  0ie  Fitgen  der  Scbuliefarm.  Stattgart  1891. 


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—  853  — 


ffit  bei  beiden  väterlich,  und  Locke  schreibt:  „Wenn  nun  Familiarität 
im  Gespräch  einem  Vater  seinem  Sohne  gegenftber  wol  ansteht,  so 
■  mag  sich  ein  Erzieher  seinem  Zögling-  gegenüber  noch  vieiroehi'  dazn 
verstehen.^  Locke  führt  den  Gedanken  der  Erziehung  zum  Vertraaen 
I  in  §  99  noch  näher  ans,  indem  er  die  Ifischnng  des  Ernstes  nnd  der 
I  Starenge  mit  vernttnftiger  Liebe  als  die  Gnindlage  der  Efarfnrcht  nnd 
I  Zmieignng  Ton  Seiten  des  Sdifllers  gegen'  den  Lehrer  erklärt»  — 
I  Ropssean,  deesen  ZOgHng  nnr  den  Erzieher,  nicht  die  Eitern  kennt  — 
irBDigstens  ist  Ton  ihnen  nicht  die  Bede;  der  Hofineister  begleitet 
Mfaien  Zögling  yon  der  Geburt  an  — ,  verlangt  zunächst,  dass  man 
die  beiden  ohne  ihre  Znstimmnng  flberhanpt  nicht  trenne,  *weQ  schon 
bei  der  Anssicht  anf  eine  Trauinng  jeder  seme  eigenen  Pläne  machen 
werde;  im  andern  Falle  aber  „ist  Jedem  daran  gelegen,  sich  die  Liebe 
des  andern  zu  erwerben,  und  schon  dadurch  werden  sie  einander  wert. 
Der  Zögling  lässt  sich  in  der  Kindheit  ohne  Widerstreben  von  dem 
Freunde  leiten,  den  er  zum  Freund  behalten  soll,  wenn  er  erwachsen 
ist;  der  Erzieher  widmet  sich  mit  Tbeilnahuie  den  Sorgen,  deren 
Früchte  er  ptiueken  soll;  alle  die  Verdienste,  die  er  sich  um  seinen 
Zögling  erwirbt,  bilden  ja  ein  Capital,  das  er  f\\r  s»  iji  Alter  zurück- 
legt."' iS  ?A.  1.  pag.  429.1  Di^^se  Ansichten  sind  ebt  ii><>  liflitig  für 
da«?  Verhältnis  zwischen  Schüler  und  Lehrer  überhaupt,  und  wenn 
auch  andere  dahin  gehörende  Gedanken  für  unsere  Verhältnisse  mit 
öffentlichem  Unterricht  und  ötlentlicher  Erziehung  nur  mutatis  mutandis 
Oiltigkeit  haben  können,  so  jßnden  sich  eben  die  Grundgedanken  schon 
bei  diesen  beiden  P&dagogen  des  17.  nnd  dea  18.  Jahrhunderts.  Darauf 
kam  68  hier  an. 

Wenn  nun  die  Stimmung  der  liChrer  den  Schülern  gegenüber 
neaerdings  beeonders  betont  werden  mnss,  so  darf  doch  auch  nicht 
fibersehen  werden»  dass  anderseits  die  gesammte  Lehrerschaft  in  einem 
Kunpfe  stellt  nm  ihre  eigene  Stellnng,  namentlich  auch  in  Beziehung 
«nf  die  Oeeellscfaaft.  Dass  es  vielik«^  den  Eltern  an  der  Achtung 
gebreche  dem  Hanne  gegenüber,  dem  sie  ihr  Liebstes  anvertrauen, 
ist  namentlieh  in  letzter  Zeit  immer  und  immer  betont  worden«  und 
die  Bestrehnngen  des  Lehrerstandes  nm  eine  Besserstellnng 
nicht  nur  in  pecuniftrer,  sondern  auch  in  gesellschaftlicher  Be- 
siehung  sind  daher  nidit  verwunderlicb.  Lockens  Ansichten  fiber  die 
Stdhmg  des  Erziehers  den  Eltern  gegenüber  kommen  diesen  Bestre- 
I  bimgen  entgegen:  „Um  das  Ansehen  des  Erziehers  dem  Zr»gling  gegen- 
über aufrecht  zu  erhalten,  muss  man  unbedingt  selbst  ihn  mit  großer 
Achtung  behandeln  und  alle  Familienmitglieder  anhalten  dasselbe  zu 

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tIliBL  Denn  vir  ktoMQ  nicht  enrartm,  äem  anaerSohn  jenutad  boefa* 
adite»  den  «r  m  der  Matter  oder  tob  eaderai  Potioima  geriog^ 
Mliittig  behandelt  aieht  Eilt  man  den  Eraieher  ftr  yenohtnngewertv 
dann  hat  man  llbel  geiwihlt;  und  legt  man  die  Yeraohtiing  an  den 
Tag,  dann  wird  er  derMlben  ancfa  eehwerlieh  von  Seiten  den  Sohaea 
entfehen;  irenn  aber  ja  aieh  dieaee  ereignet,  dann  ist  aein  ganier 
Werti  den  er  in  lieh  tragen  mag,  und  alle  aeme  FlUgketoi  aar  Aai- 
lUlung  seiner  SteUnng  ftr  das  Kind  Terloren  and  kfinnen  demeelbea 
in  der  Folge  ainnarmehr  nnlsbar  gemacht  werden.**  (§  8&)  Bei 
Bouaean  frellieh  iat  von  einam  Yerhiltnia  der  Eltern  nm  Bnieher 
nicht  die  Bede;  die  Eatem  treten  gar  niehi  in  die  Eneheiming;  der 
HolMater  txitt  vollstBndig  an  ihre  Stella  ind  beg^tet  seinen  Zllg> 
fing  Us  aar  Belfe.  Doeh  hOA  Boaaaean  S.  28«  39  (L  pag.  424)  die 
hohe  Bedentnng  des  Eniehen  beBondera  henror. 

An  die  Bemflhangen  nm  peamüre  BeaeerateOnng  dea  Lehrer- 
Standes  klingt  es  an,  wenn  Locke  meint,  man  aoUe  keine  Kosten 
schonen,  um  einen  guten  Erzieher  zu  bekommen.  .In  Besag  auf  die 
Kosten,  meine  ich,  daaa  diea  Geld  von  allem,  was  auf  die  Kinder  yer- 
wendat  werden  kann,  am  beaten  angeJegt  eel;  daher  kann  die  Befrie- 
dignng  dieser  Fordemng,  obgleich  sie  anfiergewOhnlich  kostspielig 
aein  mag,  deanoch  nicht  thener  genannt  werden*  Wer  seinem  Kinde 
nm  irgend  einen  Preis  zn  einem  edeln  Gemlltho  yerhfilly  za  einem  von 
guten  Gmadsätam  erflUUen,  zn  Tagend  and  allem  NtttaUchen  geW- 
deten  and  mit  Höflichkeit  and  feinem  Anstände  gesohmltelcten  Geiste, 
der  bringt  ftr  dasselbe  einen  besseren  Kauf  za  Stande,  ala  wenn  er 
das  Geld  hingäbe,  nm  seinen  Landbesitz  zu  vermehren.  Man  mOge 
ea  sparen  an  Spielea  and  Spielaeng  nnd  anderen  nntzhisen  Aosgahen, 
soviel  man  will;  aber  man  sei  nicht  sparsam  in  einer  ao  wich- 
tigen Sache  wie  die  vorliegende.  Ea  ist  keine  gnte  Haashaltong» 
wenn  man  seinen  BeichÜram  vermehrt  nnd  seinen  Geist  verannen  Iftsst 
Ich  habe  oA  mit  großer  y^rwanderang  gesehen,  wie  Leote  ihr  Geld 
reichlich  damit  veraehwendeten,  dass  sie  ihre  Kioder  mit  Ihinan  Klei- 
dem  heranspatztea  and  Ar  ihre  Wohnnng  and  Nahrang  mit  groftem 

Aufwände  sorgten,  wehrend  Herz  und  Geist  verkamen.  Was 

immer  wir  aaf  die  Bildang  des  Geistes  onseres  Sohnes  verwenden» 
wird  nnsere  wahre  läebe  seilten,  obgleich  es  zor  Yermindenmg  semes 

Vermögens  beitrigt  Ich  kann  nor  ratbea,  weder  Hfthe  noch 

Kosten  za  scheaen,  einen  solchen  Enieher,  wie  ich  ihn  wftnaebe,  zu 
erlangen,  nnd  ich  kannvendchem,  dass,  wenn  man  einen  gaten  erlangt, 
man  die  Ausgaben  niemals  bereuen,  aonden  die  Befriedigung  haben 


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wird,  dass  das  dafüi*  ausgegebene  Geld  vor  allem  andern  am  besten 
verwendet  wurde."  (§  92.)  —  Da  nun  gegen  wältig  für  das  öffentliche 
ÜDterricht^wesen  die  Regierung  an  Stelle  der  Eltern  die  Auswahl 
unii  Ausielluüg  der  Lehrer  besorgt,  so  kommen  diese  Fordt  i  uiigen 
Locke's,  die  ja  jedenfalls  als  richtig  anerkannt  werden,  für  sie  in  An- 
wendung, und  der  Lehrerstand  fordert  somit  nichts  Nones. 

Housseau  geht  noch  weiter:  nach  seiner  Ansicht  ist,  was  ja  auch 
sonst  schon,  nur  in  anderer  Bedeutung  dem  Löhrerstand  vorgehalten 
worden,  das  Amt  des  Lehrers  überhaupt  nicki  mit  Geld  zu  bezahlen. 
„Es  gibt  Berufsarten,  die  so  edü  sind,  dass  man  sie  nicht  für  Geld 
übernehmen  kann,  ohne  sieh  ihrer  unwttrdig  zu  zeigen;  ein  solcher 
ist  der  Berof  des  Kriegers  und  ebenso  dw  des  Lehren.**  (8* 
I  ]Nig.  4S5).  Ifon  hat  die  Bichtigkeit  dieses  Saties  oft  genng  hefcont» 
ud  der  dentsebe  Lehrerstand  —  dies  Zeugnis  darf  man  ihm  nicht 'Vor- 
enthalten —  hat  trots  seiner  kfimmerliehen  Lage,  in  der  er  sich 
beftmden,  sieh  stets  an  seinem  idealen  Bemf  erfreut  und,  abgesehen 
Ton  den  Beetrebnngen  sein  hOrgerUehes  Aodtommea'  zn  erhatten,  sich 
die  SVeudigkelt  im  Bemf  dadurch  nicht  nehmen  lassen.  Und  die  es 
thun,  die  aufgehen  im  materieUen  fittreben,  die  etwa  nur  Lehrw  wflren, 
weil  das  Amt  seinen  Mann  reichlich  ernährte,  die,  denen  der  Dank 
aus  zwei  treuen  Kinderau^en  nicht  das  meiste  wert  ist,  die  taugen 
nicht  zum  Lehrerberuf.  So  etwa  verstelle  ich  das  Loblied  Rousseau 's 
aui  den  Beruf  des  Erziehers. 

Hier  sei  auch  die  Bemerkung  angefügt,  dass  es  des  Feldgesclireis 
dei'  Herbart-Zillerschen  Schule  nicht  bedurft  hätte,  nm  klar  zu  macheTi, 
dass  (lei-  L*'lirer  zugleich  Erzit  lier  >i'U\  solle.  Das  wusste  mau 
hIioii  lange,  lange  vorher;  zum  Übeiriiiss  steht  es  auch  noch  deutlich 
bei  Küussean:  „Ihr  macht  einen  Liuterschied  /.wi*;rhen  Lehrer  und 
Erzieher!  Welche  Thorheit!  Unterscheidet  ihr  auch  zwischen  ÖchUler 
and  ZögUng?"  (S.  32,  L  pag.  427  ai.  4.) 

Diese,  bisher  behandelten  Punkte  spielen  nun  in  der  Reform- 
bewegung im  eigentlichen  Sinne  eine  nntergeordnete  Bolle.  Jedoch 
ist  einleuchtend,  dass  mit  einer  sicheren,  geachteten,  den  anderen 
Ständen  mit  ähnlieher  Bildung  gleichen  Stellung  Tiides  Ton  selbst 
wegfiele^  was  man  am  Lehrerstand  oder  an  einzetaien  eehier  Glieder 
«Mwetom  hat;  man  hranehte  dann  eben  nnr  die  besten  ihrer  Art 
sosniwahtoD.  Wenden  wir  nns  nnii  aher  m  anderen  Pmikten,  welche 
^  Sehnla  seihst  betreffen. 

Da  ist  mmfichst  der  Baf»  der  schon  vor  dem  neuesten  Austum 
gegen  des  humanistisehe  Gymnasium  erhoben  worden,  der  Bof  nach 


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—   3Ö6  — 


einer  Um^taltang,  einer Verbessemng  des  neitsprachlichen  Unter- 
richtes. Ich  kann  es  mir  wol  ersparen  Aber  die  Zustände  und  die 
Methode  im  fremdsprachllohen,  etwa  im  französischen  Unterricht  Tor 
und  bis  zu  Ploetz  mich  zu  verbreiten.  Es  ist  jedenfalls  nicht  zu  leug- 
nen, daw  diese  „Ploetzsche  Ifathorle  '  viel  Gutes  brachte,  und  es  hieße 
völlig  ungerecht  sein,  wollte  man  die  Verdienate  Ploetzens  und  seiner 
Nachfolger  in  Abrede  stellen;  viele  unserer  deutschen  Kenner  des 
Französischen  sind  nach  dieser  Methode  gebildet  worden.  Aber  ea 
wird  doch  damit  nicht  aUgemelii  eireicht,  was  Tom  Unterricht  in  einer 
lebenden  Sprache  erwartet  werden  darf:  eine  gewisse  Sicherheit  im 
Gebrauche  der  Sprache  selber.  Darum  erhob  sich  im  letzten  Jahr^ 
zehnt  die  Forderung  nach  einer  naturgemäßen  Methode  tlir  den  fremd- 
sprachlichen Unterricht;  es  sollte  die  Sprache  ans  dar  Sprache  selber 
erlernt  werden,  das  Übersetzen,  namentlich  der  manclnnal  höchst 
wunderbaren  Übungssätze  (.Papa  hat  eine  Seele;  der  Gärtner  hat  das 
Geheimnis  entdeckf^),  die  Ploetz  allerdings  „nach  Möglichkdt**  ver- 
meidet, aufs  aUernöthigste  beechrftakt  werden.  Die^«^  Ppweg-tinp:  ist 
ja  bekannt  genug  imd  hat  ganz  besonders  auch  auf  dem  Gebiet  des 
höheren  Mädchenschulwesens  seine  Wellen  geschlagen,  so  noch  jüngst 
in  Heidelberg.  Es  hat  sich  gegen  das  Neue  und  für  die  Ploetz^sche 
Methode,  wie  der  gegenwärtige  Betrieb  zusammenfassend  genannt 
wird,  viel  Sturm  und  Streit  erhoben,  zum  großen  Theil,  glaube  ich, 
weil  die  neue  Ai-t  an  den  Lehrer  viel  bedeutendere  Anforderung^ 
stellt,  und  die  Lehrer  in  vielen  Fällen  ihrer  Sache  sdber  nicht  sicher 
sind.  Hat  doch  ein  junger  Neuphilologe  mir  gegenüber  ausgesprochen, 
er  halte  es  auch  in  Secuuda  nicht  für  möglich,  die  Schüler  dahin  zu 
bringen,  dass  sie  den  Inhalt  eines  durchgenommenen  sechs-  bis  zehn- 
zeiligen  französischen  Lesestückes  in  französischer  Sprache  wieder» 
erzählten!  Es  ist  freilich  leichter  und  bequemer  für  den  Lehrer,  auf 
dem  Katheder  sitzend  die  Regeln  aus  Lection  so  und  soviel  zu  über- 
hören, dann  die  Übungssätze  tibersetzen  zu  lassen,  ab  und  zu  auf  einen 
Fehler  aufmerksam  zu  machen  und  dann  die  Sätze  zur  schriftlichen 
IHjei'setzung  aufzugehen,  als  in  der  fremden  Sprache  einige  Fiacen 
zu  stellen,  um  das  Verständnis  eines  licsestückcs  herbeizufiiluen,  kurz: 
sich  selber  tüchtig  vorzubereiten  und  mit  einem  fremdsprachlichen 
Lesestück  ungefähr  ebenso  zu  verfaliren  wie  mit  einem  deutschen. 

Neu  ist  diese  Forderung  der  „naturgemäßen  Methode"  doch  wieder 
nicht,  die  Forderung,  anffinglich  möL^li  list  wenig  Grammatik,  sondern 
zunächst  die  Sprache  an  der  Sprache  zu  treiben  und  grammatische  Ver- 
tiefung erst  ^äter  eintreten  an  lassen.  Bei  Locke  hei^t  es  üim  das 


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—  857  ~ 


Erlerneu  des  Französischen:  „Beim  Lehren  der  fremden  Sprache  sind 
die  Menschen  gewohnt,  die  rechte  Methode  zu  verfolgen,  nämUch  durch 
Sprechen  zu  den  Kindern  in  beständiger  Unterhaltung  mit  ihnen  and 
nicht  durch  gTMnnifttisclie  Begeln;  da  das  Französische  aber  eine 
iebende  Spiaebe  ist  und  mehr  gesprochen  wird  (als  das  Lateinische 
meint  er,  wovon  8||lter  m  handeln  ist),  so  sollte  sie  zuerst  gelernt 
▼eiden*),  damit  die  noch  schmiegsamen  Sprechorgane  zn  einer  rieh* 
tigen  Eneflgnng  jener  Lante  gewohnt  weiden  nnd  der  Knahe  die 
nhii^eit  erlange,  das  FransOsisehe  schOn  auszusprechen,  was  um  so 
sdiwieriger  ist»  Je  wdter  es  hinausgeschoben  wird.  Wenn  wir  oft 
gesehen  haben,  wie  eine  FransOsitt  ein  engUsches  Mftdchen  in  ein  oder 
zwei  Jahren  ToUkommen  französisch  sprechen  lehrt»  ohde  figend  eine 
BegcA  der  Chrammatik  m  Hüfe  zn  nehmen,  so  mnss  ich  mich  wundern, 
i  wie  gebildete  Mftnner  sich  haben  kOnnen  tftnsclien  lassen  in  Bflcksicht 
ihrer  SOhne,  und  wie  sie  diese  für  schwächer  und  nntaliiger  gehalten 
haben  als  ihre  Töchter.  Denn  da  Sprachen  durch  Übung,  GewöhnuD^ 
uad  Gedächtnis  gelernt  werden  müssen,  so  werden  sie  erst  dann  mit 
der  größten  Vollkommenheit  gesprochen,  wenn  alle  Regeln  der  Gram- 
matik gänzlicli  vergessen  sind.  Ich  gehe  zu,  dass  die  Grammatik  einer 
Spraclie  zuweilen  sehr  studirt  werden  iiiu-^,  aber  sie  ist  nur  von  einem 
Erwachtjenen  zu  studiren,  wenn  er  sicli  dem  kritischen  Verständnis 
einer  Sprache  widmet.  Ich  möchte  wol  wissen,  welcTics  die  Sprach« 
wäre,  die  irgend  jemand  durch  die  Regeln  der  Grammatik,  so  wie 
es  sich  gehörte,  lernen  oder  sprechen  könnte.  Es  wird  hierbei  gefragt 
werden,  ob  denn  die  Grammatik  von  keinem  Nutzen  sei,  und  ob  die, 
welche  sich  soviel  Mühe  geben,  verschiedene  Sprachen  auf  ihre  Regeln 
«nd  Gebräuche  (observations)  zurttckzofähreo,  die  soviel  Aber  Decli- 
aatioD,  über  Conjugation,  über  Construction  und  Syntsx  geschrieben, 
vergebliche  Arbeit  geliefert  und  nutzlose  Studien  getrieben  haben. 
Dies  sage  ich  nicht;  aach  die  Grammatik  hat  ihren  Platz;  aber  das 
glaube  ich  sagen  in  kdnnen:  es  wird  mit  ihr  in  einem  solchen  Grade 
mehr  Lftrm  gemacht,  als  nOthig  ist,  nnd  es  werden  mit  ihr  die  gequ&lt, 
ftr  die  sie  gans  nnd  gar  nicht  ist«  ich  meine  die  Kinder  yon  dem 
AHer,  in  welchem  sie  gewöhnlich  in  den  Gelehrtenschnlen  Torwirrt 
gemseht  werden.  Soll  Grammatik  gelehrt  werden,  so  mnss  es  dnem 
eokhen  gegenüber  geschehen,  der  die  Sprache  bereits  (sprechen)  kann.** 


*)  Anch  das  ist  in  der  Schulreformbeweirun??  verlangt  wordoii.  \\\v;\.  Vulcker, 
Dr.  G..  Die  Beform  dei  höheren  Schulwesena  auf  Qnmd  der  Ustendorfaclien  Tliese. 
Berlin  1807. 


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—   3Ö8  — 

(§§  167,  168.)  Die  hentige  Fordenmg  geht  ja  iltordiDgi  nidit  ao 
miti  dM  Mpttrluren**  in  dar  firaiDdcii  Sprache  ids  einziges  «id  MitM 
l^el  lunnisfedkiL  Iii  der  Tkal  moSi  der  frendepnclnge  Unterrieht 
«nf  eneerai  hoheroii  UmuislalteD  in  das  Ventfladiile  der  Sprache 
und  der  Literatur  einfthreiL  DaM  aber  eoUte  deeh  piafctiecb  eneh 
so  viel  heianelLommen^  daas  die  Sdhfller  tehtteUiefa  Gedaaken  des 
gewöhnUchen  Lebens  sohnMch  md  rnftndüch  in  der  fremden  Spnehe 
ansdrftcken  können  (wgL  Beschlais  der  Berliner  Sehnleanfeieni 
Nr.  XI,  6),  nnd  das  ist  eben  nnr  darch  Obong  und  ivieder  t)boBgr 
dureh  Granuaatik  aUein  nie  an  erreiehen.  Wem  Locke's  AnakbtBB 
in  dieeeai  Sinne  Terstaaden  werden,  so  haben  wir  gerade  das,  was 
hente  wieder  gefordert  wird. 

fiOQssean  ist  etwas  radioaler  in  seäien  Ansichten  Iber  dieaen 
Punkt.  Er  behanpteti  dass  das  Spraeheneilenen  ftr  Kinder  tberfaanpt 
▼erwerflich,  weil  mmAgUdL  sei,  wenn  es  nicht  em  biete  Würterknun 
sein  seile.  (8. 23, 1  pag.  485);  hingegen  erkennt  er  flr  einen  reiftrai 
Verstand  den  Wert  des  Sprachstadlnau  flr  die  formale  Bildnng  voU- 
konunen  an;  ich  komme  daranf  bei  den  dassischen  Sprachen  larilefc. 
Da  die  Ansichten  RonaBean's  beiilglich  der  nenerai  Sptaehen  Ar  die 
Beformbewegong  keinen  Wert  haben,  Terweile  ich  nicht  welter  dabei 

DerHanptangriApnnkt  nnn  der  ganaen  Bewegnng  shid  die  alten 
Sprachen,  Lateinisch  nnd  Griechisch.  Die  Ansichten  gelien  hier 
weit  auseinander,  nnd  es  wttre  unmöglich,  aach  nnr  annähernd  dfe 
Stfaamen  anfoazlhlen,  die  sich  flr  und  gegen  die  Besehriiikung  des 
Unterrichts  der  dassischen  Sprachen  .erhoben  haben.  Die  einen 
erachten  das  Bealgymnasinm  ohne  Griechisch  flr  die  normale  Anstalt, 
die  andent  wollen  die  Stnndenaahl  und  die  Grammatik  beschrinfct 
haben  und  dann  eine  Einheitsschule  bilden;  wieder  andere  Teriaagen 
einen  gemeinsamen  Unterbau  ohne  classisehe  Sprachen  flr  die  sieh 
etwa  bei  Tertia  trennenden  Terschledmien  Schulen;  noch  andere  wollen 
mehr  lateinlose  Scholen  fiberhanp^  nnd  was  derartige  Andenmgsm^ 
schlige  mehr  sind.  Gemeinsam  aber  ist  den  BefonuTorschlAgen  das 
Verlangen  nach  Beschrftnknng  des  clasdschen  Unteirichts.  Es  Ist  hier 
nidit  der  Ort  an  untersuchen,  wer  redit  hat'  Der  Streit  bfter&ber, 
in  welchem  auch  das  Bestehende  hervorragende  Vertreter  bat,  der 
BteUenweise  redit  heltig  geworden,  und  in  dem  die  Ansdmckswelse 
gelegentlidi  an  Deutlichkdt  nichts  su  wünschen  flbrig  ließ,  ist  hier 
Yon  keiner  Bedeutung.  Das  Biehtige  Hegt  ridleidit  auch  hier  in  der 
Mitte;  mOglidierweise  könnte  durch  eine  verbesserte  Methode  des  dt- 
sprachlichen  Unterrichts  das  Zidmit  geringerer  MfUieund  Anstrenguag 


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—  aö9  — 


erreicht  werden.  Denn  wenn  es  wahr  ist,  dass  die  meisten  Abiturienten 
(las  Gymnasium  verlassen,  ohne  an  der  Lecttire  eines  lateinischen 
Ckijsikers  »  ine  Frc iidt^  mit  hiiiwegzimehmen  und  auch  später  noch 
(klassische  Schriltsteüer  mit  demselben  Interesse  zu  lesen,  wie  man 
etwa  einen  französischen  liest*),  so  scheint  mir  auch  der  Ansspnich 
eiiMS  bekajonten,  tüchtigen  Arztes  einige  Beachtung  zu  verdienen,  der 
da  meinte,  es  mOsse  entweder  das  Latein  so  schwer  sein,  dass  m«a 
es  in  dea  Sehideii  lieber  nicht  khren  aoUte,  oder  die  Methode  mfiflae 
luehts  taagen. 

FreiUcfaf  das  Lateinisdie  in  der  Weise  eriemen  m  lassen,  vie 
Loekie  es  durch  Sjpreelien  nnd  OonTenatioii  (§  103),  nad  so  wie 
oben  beim  nensprachlichen  Untailcht  aagefUhrt  (die  dort  anilpefUirten 
Stallen  Ober  Grammatik  beiielien  sich  aaefei  auf  das  Lateiaisdie),  wAre 
in  miseren  Zeiten  ein  Unding,  da  wir  lateinisch  nicht  mehr  lernen, 
im  68  wie  eine  lebende  Sprache  so  ^redien**),  md  anch  die  Wissen- 
sehaft sich  ja  nur  noch  in  vereinzelten  Fällen  des  Lateinischen  bedient^ 
was  sie  bis  auf  Thomasius,  der  1687  die  erste  deutsche  Vorlesung 
gtli alten,  ausschließlich  gethan  hatte.  So  wird  wo!  anch  Perthes***) 
mit  süLuer  Reform  des  lateinischen  Unterrichte  kaum  viel  Glück 
iiaben.  t) 

Gegen  ein  Zuviel  des  Lateinischen  aber  und  dai^t  rrpD.  dass  Leute 
lateinisch  lernen,  die  es  ihr  Leben  lanqr  niemals  hrau*  hen,  eitert  schon 
Locke  f§§  164,  195),  und  man  meint,  iStreitschntten  aus  unserer  Zeit 
vur  Augen  zu  haben,  wenn  man  bei  dem  englischen  Philosophen,  der 
das  Ijatein  für  einen  Gebildeten  &üc  unbedingt  n0tbig  hälttt)«  liest: 
«Man  suche  mit  allen  Mitteln  das  zu  erlasgeo,  dass  der  Knabe  nicht 
hUeinische  Auäfttae  nnd  Beden,  nnd  am  atterwenigsten  irgend  welche 
Art  Ton  Velsen  an  machen  aufbekomme.  Ibn  stutse  sich  hierbei 
dsmiif,  dass  man  nicht  beshsichtige,  seinen  Sohn  an  einem  lateinischen 
Bedner  oder  Diditer  zn  madien,  sondern  lediglich  wünsche^  dass  er 
aneQ  lateinischen  Schriftsteller  Tollkommen  verstehen  kOnne.  (§  170.) 
Die  Sprache^  in  «welcher  die  AnMtae  an  schreibeii  sind  (§  172),  ist 
«me  ÜD  Lande  der  SehtUer  fremde  nnd  seit  langer  Zeit  Oherall  todte 

*)  Veml  Paulscn,  Das  Eealg:yninaäium  und  die  Jliiauuiistiachie  Blldmiig.  &  64. 
—  Preyer,  Biologische  Zeittragen,  8.  23  ff. 

*♦)  Vergl.  Zieglex,  Dr.  Th.,  Die  Fragea  der  SchulrefMfm;  Stuttgart  1891. 
&  83,  34.  —  Beschlags  der  Berliner  Confeiens  Nr.  III.  ~  Oikar  JIger,  Dm 
fcWMBiitMche  GTAMnoB,  WieilMdea  1S89.  8.  88. 
***)  PertftM,  EenB^  Zar  BflAmn  dflt  latleiiiiMhai  üateniehts.  Bediii  1885. 
t)  Ziefl^er  a.  a.  0.  a  81. 

ti)  JMm  I  bok  «poa  as  absoltttely  neoeamy  to  »  gentleiMii.''  (§  164.) 


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—  aöü  — 


Sprache,  eine  Sprache,  in  welcher  unser  Sohn,  tausend  gegen  eins, 
niemals  so  lange  er  lebt,  eine  Rede  zu  halten  haben  wird,  nachdem 
er  Mann  geworden  ist;  eine  Sprache,  deren  Ausdi-ncksweise  von  der 
nnsrigen  so  weit  yerschieden  ist,  dass  eine  YoUkommeiiheit  in  ihr  die 
fi«iiili0H  nnd  Leiehtigkeit  des  Stiles  in  der  Mutt^^rache  sehr  wenig 
fttrdern  wird.**  Dkm  Gedanken  werden  dann  im  §  173  noch  weiter 
aoflgefthil  Locke's  Eifer  gegen  die  Anfertigung  toteluiflelier  Tene 
und  gegen  du  Avsweiidiglenieii  größerer  Stallen  ans  htelnittliea 
ScbriftstAUieni  (§  175,  176),  das  sdion  erwftlmt  ist»  sind  für  niMre 
Zeit  Ton  geringer  Bedeutung  (oder  nieht?),  weshalb  ich  du  nur  e^ 
wfthne,  ohne  weiter  daM  sn  verweilen.  Wnt  er  tlher  den  Betrieb 
der  Grammatik  sagt,  ist  schon  beim  nen^pracUidien  ünteiricht  an* 
geführt  worden;  das  gilt  andi  für  daa  Latdnisdie. 

Hinsichtlieh  der  Leetllre  im  Lateinischen  aber  erscheint  Locke 
sosQsagen  als  Kampfgenosse  der  BeHtrwwter  der  classisehen  Spradie. 
Denn  er  will  sie  nicht  nur  fOr  den  GeschichtsanteRicht  dienstbar 
machen  nnd  dem  8chfiler  eine  lateinische  Geschichte  in  die  Hand 
geben,  „bei  deren  Wahl  die  Lmchtigkeit  des  Stils  leiten  soll,  so  dass 
er,  wihrend  ihn  das  Unterhaltende  des  Gegenstandes  zum  Lesen  t&a- 
Ifldt»  sich  unvermerict  dieSprache  aneignet  (vergl.  Perthes  a.  a.  0.)  ohne  Jene 
schrecklichen  Quälereiennndfieschwerden,  unter  denen  dieSindcrdaleident 
wo  sie,  lediglich  um  die  lateinische  Sprache  sn  lernen,  mit  Bachem  sn 
thun  haben,  die  fiber  ihre  Fassungskraft  hinausgehen"  (J  184);  nach 
.  Justin,  Eutropios,  A.  Gnrtius  wird  der  Schüler  auch  schwierigere 
Schriftsteller  bemeistem  und  die  erhabensten  lesen  können,  wie  Cicero^ 
Virgil  und  Horaz,  —  sondern  Locke  will  auch  juristische  SchriflstsUer 
spiterer  Zeiti  wie  Pufmidorf  und  Giotius,  lesen  lassen. 

Was  das  Griechische  anlangt,  so  stdit  Locke  auf  dem  Standpunkt, 
den  heutzutage  eine  grolle  Anzahl  Gebildeter  theilt  Er  sagt  §  195: 
„Vielleicht  erregt  es  Verwunderung,  dass  ich  das  Griechtoche  Uber- 
gangen  habe,  wfthrend  doch  bei  den  Griechen  der  Anfing  nnd  gleich- 
sam die  Qudle  all  des  Wissens  zu  finden  ist,  das  wir  in  diesem  Erd- 
thefl  besitzen  (vergl.  Ziegler  8.  84  u.  35;  0.  Jlger,  hum.  Gymn.  S. 
Ich  rftume  dies  ehi  und  will  hinzufügen,  dass  niemand  fhr  einen  Ge» 
lehrten  gelten  kann,  welcher  der  griechisehen  Sprache  unkundig  ist**) 


*)  Dazu  auch  au?;  §  ir>8.  „Ich  möchte  nicht  so  verstanden  werden,  als  unter 
schätzte  ich  Gricchläc-b  uud  Latein;  ich  ^be  zu,  das.s  Sprachen  sind  von  grotem 
Nutzen  und  von  großer  Vollkommenheit,  und  es  kann  du  Mann,  der  in  ihnen  fremd 
ist,  uater  Qelehrten  in  diesem  Erdthdie  keinen  Platz  einnehmen.  Pie Kennt- 
niffe  abtt,  die  da  gebildeter  Mann  der  Wdt  flr  miimb  Gebraeeh  ane  dem 


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—  361  — 

Aber  ich  habe  hier  lucht  die  Erziehung  eines  Gelehrten  von  Profession 
sa  betraclitcn,  sondern  die  eines  Mannes  des  Lebens  und  der  Welt, 
fttr  wetehea  LstoiiL  mid  FFanzdsisch  beim  jetzigea  Laufe  der  Zeit  Ton 
jedarmaiiii  fti  nothwendig  gehalten  wd.  Beift  er  snm  Kaniie  benm 
and  hat  er  Lnsl,  eelne  Studien  weiter  sn  treiben,  .dann  wird  er  leiebt 
diese  Sprache  sieh  salbet  aneigAen;  und  hat  er  diese  Neigung  nicht» 
80  wird  sein  Qxiechisehleinen  nnter  Leitung  eines  Lehrers  yerlorene 
Arbeit  sein.  Hat  er  anch  nodi  so  viel  Zeit  und  Mühe  anf  diese 
Sprache  Terwendet»  so  wird  sie  doch  Temachlftssigt  and  betedte  ge- 
WMfen  werden,  sobald  er  seine  Freiheit  erlangt.  Denn  wie  viele  von 
Hundert,  sogar  unter  den  Gelehrten  selbst,  gibt  es,  die  ilir  Griechiscli, 
das  sie  von  der  Schule  mitbringen,  behalten  oder  je  so  weit  vervoU- 
küiiiiniit-n,  dass  sie  die  griechischen  Schriftsteller  geläuHg  lesen  und 
voiikoinnit  n  m  isuhen  hönnen?"  —  Genau  dieses  wird  gegenwärtig 
Wiedel  behauptet  und  ist  unter  andeien  von  Preyei*  and  Paolsen  aas- 
gesprochen worden. 

Von  der  in  unserer  Zeit  vorgeschlagenen  Art,  die  griechische, 
unter  Umständen  auch  die  römische  Welt  durch  Übersetzungen  kennen 
zu  lernen,  wofür  gelegentlich  Schiller,  der  das  Griechenthum  ohne 
Griechisch  verstanden  habe  wie  niemand  sonst,  als  Beispiel  angeführt 
wird,  spricht  Locke  nicht;  vielmehr  steht  er  hier,  bezüglich  des  Ge- 
lehrten alierding%  wie  er  vorsichtig  beiftkgt»  aof  dem  Standpunkt 
LabrayMs,  ans  dessen  moeors  de  ce  sitele  er  die  Stelle  wOrtUidi  an- 
Ahr(|  wo  dieser  sagt:  «Daa  Studium  des  Urtextes  kann  nicht  genng 
enpfbhlen  werden.  Schöpfe  ans  der  Haiqilqnelle  nnd  nimm  nichts 
ans  zweiter  Hand;  mache  dick  vollkommen  bekannt  mit  den  Gedanken 
der  Origmalschrift;  begnüge  dich  nicht  mit  erborgten  Lichtem  nnd 
hw  dich  nicht  dnrck  ihren  Schein  leiten  ander  da,  wo  das  eigene 
du*  fehlt  und  dich  im  Dunkeln  lässt."  —  Man  sieht  es  finden  Freund 
und  Feind  bei  Locke  ihre  Rechnung.  Auch  in  Beziehung  auf  den 
Amaog  des  Krlerneus  der  Sprachen  spricht  Locke,  im  Gegensatz  zu 
Rousseau,  wie  wir  gesehen  liaben,  mit  Lala  uvere  dal'iu-,  dass  man  das 
Sprachst utliuiji  mit  den  Kindern  früh  beginnen  solle.  Es  sind  bei  die- 
sem „ermüdeuden  biudiuux"  eine  Menge  Dinge  auswendig  zu  lernen 
und  zu  treiben,  für  die  ein  vorgcnickteres  Alter  nicht  m^lir  so  leicht 
zu  gewinnen  ist.  —  Ans  diesem  Grunde  haaptsächlieh  wird  auch  die 

Lateinischeu  uod  Griechischea  gewöhnhcU  zu  ziehen  pütsgt,  in<ag  er,  dunke  ich,  er- 
liogen,  oluw  die  Qnunmtik  joier  Spnushen  so  studiren,  indem  er  dvich  Uoflee 
l4Nft  dahhi  znbmunen  Temag,  deftr  alle  «eine  Zwecke  Umaeliend  tnTeiiteheD.'' 


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Fordemog  der  BeibnBer,  da«  Lfttem  enfc  spAter,  etwa  mil  Tertia 
begfamen  zu  Iwmn,  von  der  anderen  Seite  abgewiesen. 

Boneseaii  naii  iil»  wie  Bchon  hervergehobeii,  gegen  das  Erienm 
der  SinadieiL  im  Klndeflalter.  Dagegen  konmt  er  in  Emil'SB  spifeem 
Jehren  (4.  Baeb:  Emil  vom  15.  Jabre  bis  snr  Yerbeiratimg)  auf  dse 
Sprachstadium  sorück,  and  da  deckt  sieb  denn  manches  mit  dem 
gegenwärtigen  Für  und  Wider  des  Studiums  der  classischen  Sprachen. 
Dies  ist  die  Zeit,  in  welcher  die  Leetüre  am  Platze  ist  (S.  497,  II. 
pag.  135,  136),  wo  der  Zögling  eine  Rede  analysiren  und  beialiigt 
werden  muss,  alle  S(  hoiiliPitH)  der  Beredsamkeit  zu  ffiblen.  „Die 
Sprachen  um  liu'er  >v\]m<i  wiUen  iemen,  liat  wenig  zu  bedeuten;  ihr 
Nutzen  ist  nicht  so  bid flutend  als  man  glaubt;  aber  das  Studium  der 
Sprachen  fiUirt  zum  Studium  der  allgemeinen  Gesetze  dei*  Sprache. 
Man  mnss  das  Latein  lernen,  am  das  Franzdsiscb  richtig  zn  verstehen  (?  !V, 
man  muss  beide  Sprachen  studiren  und  miteinaader  TOfgleiciiett,  an 
sich  die  Regeln  der  Redekunst  anzueignen.  Es  gibt  eine  gewine 
Einfalt  des  Geacbmackea,  die  zum  Herzen  spricht  nnd  die  sich  nur 
in  den  Schriften  der  Alten  fbidet  Emü  wird  mdir  Gesefameok  finden 
an  den  Schriften  der  Alten  als  an  denen  unserer  Zeit»  einzig  deshsBi, 
weil  Jene^  als  die  ersten,  der  Natur  am  nftchsten  steben  nnd  ibr  Genie 
mebr  ihnen  selbst  angebOrt'  —  FQr  Bonssean  ist  das  Stndinm  der 
alten  Sprachen  wesentlich  llittel,  Begeisternng  Ar  Edles  nnd  BcbOnes 
m  wecken,  wie  aneb  bei  den  bedeutenden  Vertretern  der  bnaiap 
nistischen  Richtung  unserer  Zeit  (Ziegler  8.  30).  „Hingeriss«!^,  sagt 
Rousseau,  „von  der  männliclien  Beredsamkeit  des  Demosthenes,  wird 
Emü  sagen:  das  ist  ein  Kedner!  wenn  er  aber  den  Cicero  liest,  wiid 
er  sagen:  das  ist  ein  Advocat!  Hat  er  nur  einen  Funken  Geschmack 
für  die  Poesie,  mit  welchem  Verpmftoren  wird  er  dann  die  Sprachen 
der  Dichter,  giiechi^h,  latt misrh.  italienisch  lernen.  Diese  Studien 
werden  ihm  in  dem  Alter  inul  untpr  üniständeii,  wo  das  Herz  sifh 
mit  gi'oßer  Wärme  jeder  Art  von  f>chönheit  hingibt,  die  nur  das  Herz 
zu  rühren  vermag,  die  köstlichsten  Genüsse  bereiten."  (S.  499,  H. 
pag.  1S7.  4.  Buch.)  Nur  von  diesem  Gesichtspunkt  aus  betrachtet 
Rousseau  die  Kenntnis  der  alten  Sprachen;  denn  er  fügt  im  selben 
Atbemsttge  hinzu:  „Ob  Emil  übrigens  in  den  alten  Sprachen  weit 
kommt  oder  niebt,  daraaf  kommt  wenig  an;  sein  Wert  wird  kein 
geringerer  sein,  wenn  er  von  aUedem  nichts  weiß;  um  all  diesen  Tasd 
bandelt  es  sich  bei  seiner  EnJebung  niebt.^  (SeUoM  Mgt) 


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f 


Die  «llgmeiM  Sckalpfliclit 

Ich  habe  dieses  Thema  bereits  in  einer  ungarischen  Schulzeitnn? 
belenchtet.  Da  es  sich  al»t-r  um  eine  höchst  wichtige  Sache,  um  ein 
ProbUMn  handelt,  von  dessen  glücklicher  Lösung  nach  meiner  Ansicht 
die  Zukunft  des  ganzen  Volksschulwesens,  ja  auch  die  gesunde  Ver- 
fasstmg  der  höheren  Bildungsanstalten  abhängt:  so  ist  mir  viel  daran 
gelegen,  meine  Gedanken  auch  in  einem  solchen  Organ  der  Pädagogik 
Tocitttragen,  welches  ftber  die  Landesgrenzen  hinweg  internationalen 
Ideen  und  Bestrebungen  Ausdrnek  verleiht.  Wol  werde  ich  den 
VeMltnissen  meines  Vaterlandes  ausgehen,  allein  es  wird  xngegeben 
wirieii  mtflsen,  da»  dieselben  mit  denen  anderer  Ctdtorstaaten  dem- 
liA  ftbereinstiiiuBen* 

Bei  nag,  wie  wol  aneh  in  manchen  anderen  Lftndeni,  erwartet 
hmu  die  Ltang  der  großen  Cnltnrprobleme  ftst  anwehliellieh  Ten 
äer  Begienuig  vnd  der  Legislative.  Diese  Faetoren  a])er  vermögen 
nur  dann  Greftes  an  sehaffen,  wenn  ihnen  die  (UfentUehe  If^ung,  der 
Mit  der  Gesellschaft,,  die  BereitwiUigkeit  der  kriUtigsten  VoIkselasM» 
Ä  Hilfe  kommt.  Wenn  nicht,  so  können  Gesetzgebung  und  Ver- 
^Itung  ihre  Ideale  nur  kümmerlich  realisiren:  uUn  Kifer  und  selbst 
künstliche  Mittel  werden  eü  nicht  verhindern,  dass  die  in  bester  Ab- 
sicht getrofifenen  Veranstaltungen  wie  exotische  Pflanzen  daliinsiechen, 
wenn  sie  nicht  im  Herzen  der  Nation  einen  gedeihlichen  Boden  und 
in  der  wirtschaftlichen  Kraft  des  Volkes  hinreichende  Nahning 
finden.  Zu  diesen  Institutionen  gehört  die  allgemeine  Schulpflicht. 

Es  wäre  von  mir  eine  große  Selbst iilterhebung  zu  glauben, 
^ass  meine  schwache  Stimme  die  öffentliche  Meinung  unseres  Vater- 
landes f&r  das  Volkss(hulwesen  zu  begeistern  vermöchte:  die  Gleich- 
?ihigkeit  ist  an  groß.  Vergebens  sagt  man  mir:  „Unterstützt  denn 
nicht  das  gmiae  Parlament  die  Begierong  mir  Genüge,  überbietet 
laicht  sogar  die  Opposition  den  liberaUsmos  der  Begiernngspartei, 
es  sieh  am  eine  Frtge  der  Volksbildung  handelt?''  —  Ich 


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—   364  — 

bedaaere,  nmd  heraoB  erklären  zn  m&sseD,  dass  die  bezüglichen  Yer- 
handlangen  im  BeichBrathe  auf  mich  den  Eindruck  gemacht  haben, 
als  wenn  dabd  die  geehrten  Landesväter  wie  mit  einem  unliebsamen 
Gaste  verfahren,  den  man  aus  gewissen  Rücksichten  willkommen 
heißen  muss.  Die  Familienglieder  überbieten  sich  in  ZnyorkonimeBheit 
und  Betheuernngen  der  Frsimdschaft;  wenn  eich  aber  der  Gast  Te^ 
abechiedet  hat,  athmen  alle  erieichtert  anf  und  Btinunen  in  dem  Ge- 
danken überein:  „G^ott  wi  Dank,  dass  er  fort  istt^ 

Wäre  bei  ans  das  Intereiee  ftr  die  Volksbildong  allgemein  und 
wahrhaft  innerlich,  so  liltte  ein  Georg  SsaUimiry  nicht  sagen  kGnnen: 
„Es  geschieht  .  .  .  was  ich  mit  der  größten  Bestimmtheit  fUr  eis 
nationales  üngÜdk  halte,  dass  es  Tdksthflmliche  stalle  SMmangen 
gibt,  welehe  die  VoftsMMung  fumigiren,  sie  gering  sehttaen,  ak  toi 
nntergeordneter  Bedeutung  erachten;  aber  es  gibt  keine,  oder  doch 
keine  genügend  starke  Gegenströmung,  welche  jener  mit  Erfolg  tvita^ 
stehen  ktonteL**  —  Ab  ich  aelbat  w  etwa  iwii  Jahren  in  der 

* 

Oeneralrersammlung  des  Obernngarischen  Caltormias  den  Antrag 
stellte,  man  möge  den  Vbikseniehem  den  Emtritt  in  den  Verein 
möglichst  erleichtem  —  denn  wenn  diese  beseheldeBeii  VelkMdner 
mit  dem  Bewnsstsein  wirken  können,  dass  hinter  ihnen  ein  mftcbtiger 
Verein  steht,  werden  sie  mit  mehr  Mnth  nnd  Erfolg  arbeiten,  als  wenn 
sie  anf  sich  allein  angewiesen  den  feindlichen  Strömungen  Widerstand 
leisten  müssen  — ■.  da  hat  man  zwar  meinen  Antrag  angehört,  aber 
es  war  leicht  von  den  Gesichtszügen  abznlesen,  dass  ich  Saiten  be- 
rührte, welche  Ar  die  sehr  geehrten  Hitgkieder  keinen  angenehmen 
Klang  hatten.  Der  Aiitrag  wurde  zwar  nicht  abgelehnt,  aber  dem 
Anaschnss  überwiesen,  nnd  dieser  hielt  es  nicht  einmal  der  Mühe 
wert,  ihn  in  seinen  Bericht  anftonehmen.  Solohe  und  zahlreiche 
ähnliche  Erscheinungen  rechtfertigen  die  fiehaiqitung,  dass  in  üngan 
die  öffentliche  Meinung  für  die  Volksbildung  nicht  besonders  begeistert 
ist  Letitere  ist  weit  davon  entfernt,  als  eine  gemeinsame  Angelegen- 
heit der  ganzen  Nation,  der  Reichen  und  Armen,  der  IntelJigeni  und 
des  Banemstandes,  der  Mächtigen  und  Hilflosen  betrachtet  m  werden. 

Wenn  ich  unter  diesen  Umständen  das  Wort  ergreife,  so  thne 
ich  es  nicht  deshalb,  weil  ich  mir  die  Kraft  antrane,  fhistige  Oläcb- 
giltigkeit  in  glühende  Begeisterung  zu  verwanden,  sondern  weil  eine 
heilige  Sache  gerade  dann  am  meisten  der  Vertheidigung  bedarf  vemi 
sie  am  wenigsten  Aussicht  anf  nnmittelbaren  Erfolg  hat  Und  wemi 
sich  zn  meiner  schwachen  Stimme  die  starke  Stimme  anderer  gesellt, 
bridit  doch  vieDeicht  endlidi  der  Tag  an,  wo  die  Idee  der  allgemein» 
Volksschnlpflicht  zur  Wirklichkeit  wird. 


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—  ae5  — 


Die  In>uiution,  welche  heule  Volksschule  freimnTiT  wird,  ist  keine 
Viilk-<('lmle  Meiner  Ansicht  na(;h  soilie  dies^e  ^iiie  Anstalt  sein,  in 
welcher  alle  Kinder  der  Nation,  ob  arm  oder  reich,  vornehm  oder 
sfering,  gemeinschaftlich  ilire  GrunderziehUDg  erhalten.  Die  heutige 
Volksschule  ist  überwiegend  eine  Armenscliule.  Sie  wird  nur  dann 
werden,  was  sie  sein  soll,  wenn  das  Frinelp  der  allgemeinen 
Volkssch  ulpflicht  gesetzlich  aasgesprochen  und  thats&clilicJi 
verwirkliclit  wird.  Das  will  sagen:  es  daif  kein  nodnal  veran- 
Uigtes  Kind,  t<»i  welchen  Eltern  es  aoeh  stammen  nrilge»  in  irgend 
äner  andierea  Lehranstalt  anilgenommea  werden,  bevor  es. die  seehs 
dassen  der  Volksschale  mit  £cf<^  absolvirt  hat 

Bier  sei  bemerkt,  dass  die  nngarische  YolkBsebale  lant  Gcseta 
seehs  Jahrgänge  mit  sechs  Glassen  hat.  Deraeit  werden  nan  von 
dieser  Yolkssehnle  Kinder  ans  der  vierten  (ahsolvirten)  Classe  in  die 
Ifittelsdinle  (Gymnasimn  und  Realschule),  femer  in  die  „Bürgerschule" 
und  in  die  höhere  Mädclienschule  (eine  Art  Alittelschule  lüi-  das  weib- 
liche Geschlecht)  aiiigt  iioaimen;  nach  Abschluss  der  sechsten  Classe 
aber  können  sie  in  die  höhere  Volksschule,  welche  für  Knaben  drei, 
ftr  Mädchen  zwei  Classen  hat,  übergrehen. 

Ich  will  nun  erstens  die  Mögli(  likeii ,  zweitens  die  Noth- 
wendigkeit  der  Verwirklichung  der  oben  dehuiiteu  Schulpflicht 
Q&ch  weisen. 

L 

Die  ungarische  Gesetagebung  spricht  die  Sehnlpflicht  nicht  für 
die  Volksschule,  sondern  nur  im  allgemeinen  aus,  was  praktisch  daliin 
gedeutet  wird,  dass  ein  Vater,  welcher  sein  Kind  auch  über  das  Ziel 
der  Volksschnle  hinaus  unterrichten  lassen  will,  dasselbe  schon  im 
Aher  von  9  Jahren,  also  drei  Jshre  vor  dem  Termin  der  Schvlpilicht» 
Ton  der  Volksschnle  wegnehmen  kann.  Hietaos  folgern  dann  solche 
touindBnf  in  denen  höhere  Lehranstalten  bestehen,  dass  die 
Qdituig  der  oberen  Volksschnlclassen,  also  der  voUstfiadige  Ans- 
W  dar  secfasclaasigen  Volksschnle,  gar  nicht  nothwendig  sei.  Wer 
seia  Kind,  mehmi  äe,  Ober  die  Elementarclassen  hinaas  unterrichten 
IWBen  will  —  nnd  hierzu  ist  jedermann  verpflichtet  — ,  der  möge 
die  TJnterclassen  der  Mittelschule  oder  Bürgerschule  benutzen.  Dass 
•Jwr  die  Unterclassen  der  Mittelschulen  nicht  als  Ersatz  der  Ober- 
dtesen  der  Volksschule  gelten  können,  bedarf  für  den  Pädagogen 
keines  Beweises:  und  doch  muss  sicli  die  Volksschule  gewöhnlich  eine 
äolclie  Beschränkung  ihres  Au<bau(^^  ß-cfjillcn  lassen,  weil  di*^j*^nigen, 
welche  das  Schicksal  der  Gemeindeu  lenken,  näuiüch  die  emflnss- 

'•'■•«SiiM.  ».Jahif,  B«ftVI.  2ö 


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1 


jnUkm,  ■■■ehilifimi  Berber,  oMiur  lataneM  llr  die  lillierftii  Sckiht 
hthmt  in  die  rie  ftre  KMr  adiklni.  Wohin  mOm  9bBt  die  EMer 
imeittr  Leste  giehai«  inen  He  Ihrai  BedirMwm  flrtqmtedfi 
VoUDHchilB  die  Ahiirhliwwi  «BtMri? 

Nim  wild  Hl  abor  fragen,  ob  die  oberen  Cliooen  der  Voö»- 
adnde  ein  Enatz  ftr  die  anteren  CbsMi  der  IGttelechale  eon 
kAutten.  lek  b^fehe  dlaee  Frage  nit  BeetimBtlieit 

Idi  käme  mIut  wol  die  Ei|MHHiong-Neigaiigen  der  Hittebelnte, 
weldie  eidi  bald  in  der  Ferdenmg  einer  YottodUuigaeiaaie,  bald  ia  j 
dem  Verlangen  einer  nennten  Claaee  knndgnben.  Se  iat  noeii 
lange  her,  daas  die  EnqnMe  ftr  die  ilnliaiflidm  IfittdicinlB  die  Be- 
aekwerde  Torbraclite,  daia  mandie  Zöglinge,  die  ana  der  T^kaMholB 
Iromaen,  ftnl  im  Denken  seien.  leli  aber  tage,  daae  nnter  den  ZQg- 
üngan  im  Alter  nm  nenn  bis  »du  Jahren  sieh  Iberkanpt  nur  weeige 
mit  rascher  Anffusong  nnd  lebhafter  Übsrlegvog  inden.  Im  AK« 
von  sechs  bis  awOlf  Jahren  sind  Gedächtnis  nnd  Phantasie  iw- 
herrschend,  nfebt  aber  die  Denidanft.  Hienma  gegen  dk  TdOssdiile  ■ 
ein  Sehwert  an  achnileden,  ist  ungerecht  Der  Eatwickdnngsgaag 
dee  Kindes  mnss  sich  nldit  naeh  der  Bchnhart  richten,  senden  der 
Sehnle  liegt  ea  ob,  sieh  naeh  dem  Enfewickelnngsgang  des  Kindes  sn 
richten.  Sonst  ersrielt  die  Sehnie  hUehstoia  Scheinerfbige  md  atreat  I 
Eibeen  an  die  Wand.  Vergleichen  wir  doch  die  hier  in  Betrsebt 
kommenden  Lehrstolfe  miteinander.  (Als  Bej^rSsentantin  der  hSherrn 
Schalen  mOge  hier  torEngsweiae  diB  BeaMmle  dienen,  weil  die 
ttbrigen  in  ihren  ünterdassen  im  allgmneinen  denselben  L^hrpisa 
haben.)  ' 

1.  Religion.  In  allsn  MmImi  awsh  inm  LefarpÜain  der  fWfüifliifiir 

2.  Uagariscbe  (Ifntter-)  Sprache,   a)  Id  der  Realschule  (nnd  ähnlich  in 
den  übrigen  höheren  Schulen).    Erstf  •)  Olassß:  Der  einfache  Satz,  die  ganze  Formen- 
lehre, Lesestückc,  schriltlicbe  Aufgaben.   Zweite  Claiäöe:  Ki-Mk  eiterte  Sätxe.  Wort- 
hildung  u.  B.  w.,  Les^ttlcke,  schriftliche  Arbeiten  (Volk&crzählungen,  Sagen),   b)  In  i 
der  Vellnflehnle.  Diftte  nad  vivte  GbMe:  Der  8ete«  Ürwettemng  dei  Setne»  fletS'  ! 
Teihe,  Wortbildang.  Fflnfte  und  Bechste  dasBe:  SünObung  im  ermriieeea  BgnAr  \ 
kenntniase,  Lesest&cke  (naturgeschichtlichen  und  gewerblichen  Inhalte),  femer  Tolks- 
thUmlichc  Erzählungen,  äagen  n.  8.  w.;  »chriftüche  Ari>eiteD:  Beachreihnngen,  Bi^ 
bürgei'liclie  Urkunden. 

Hieraus  ist  ersichtlich,  dass  die  LelirstolFe  der  unteren  Mittelschul« 

classen  und  der  oberen  Volksschulclasseu  sich  nicht  wesentlich  unte^ 

scheiden.   Betrachtet  man  abei  das  nietliodische  Verfahren,  so  gebürt 

der  Instruciiüu  fiu*  die  Vuikääschule  der  Vorzug.  Zwar  betont  auch  die 

'*)  Die  GLaflien  weiden  hi«r,  wie  Im  gnunn  AnfMls,  yen  imten  aadi  oboi  geritttt. 


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filr  clie  Jfitteiednüe  das  indnctive  Verfahren,  gestattet  aber,  dass  der 
Professor  ^^nach  eemer  wissensehafOichea  Übenengng^  vmk  einen 
anderen  Wegr  eineelilageii  kOnne.  Nach  meiner  Ansidit  aber  gibt  es 
hier  nur  eine  riehtige  Üethode,  und  dies  ist  die  indactiye.  Weil  aber 
die  dednctire  ftr  den  Firofnesor  leichter  ist,  so  kann  man  bei  der 
peniiaBiYeal  Fasming  der  Instniction  annehmen,  dass  wenigstens  in  . 
der  Hftlfte  der  FiUe  das  dedncti?e  YeriUiren  gewBUl  wird.  Die 
Instmetimi  ftr  die  Volksselrale  schreibt  ndt  Beeht  ansdrUddidi  das 
indnctive  Verfahren  vor;  anch  hat  sie  noch  den  Voi'zug,  dass  sie  in 
der  fünften  und  sechsten  ('hisse  das  Hauptgewicht  auf  die  fCmabuiig 
legt.  Denn  die  graramatiische  Regel  ohne  gehörige  Übung  ist  eine 
Zither  olme  SchaU.  Zwar  wird  auch  tür  die  Realschule  die  TTbnng 
betont,  aher  was  nützt  dies,  wenn  es  an  der  nöthigeu  Zeit  leldt. 
Der  Unti  ri  i  ht  in  der  Mattersprache  erfordert  also  durchaus  nicht, 
dass  die  Zöglinge  schon  aus  der  vierte  Volkssehnlolasse  in  die 
Mittelaehole  aufgenommen  werden. 

8.  Geographie,  a)  In  der  Beriiehile  il  i.  w.  Sntt  dMie:  Bekannt- 
machung mit  der  Erdkugel,  die  geographischen  Gnindhegriffe,  die  Staaten  Europas, 
"von  Ungarn  anstehend.  Zweite  Hasse:  Die  iihriiEjen  Wclttheilc.  h)  Tu  der  Volks- 
schule. I'ritte  rias.se:  Der  Wrifmort  und  die  Heimat  ^'fprte  ('lasse:  Der  uufra- 
riBche  Staat,  Europa.  GrundzUgc  der  physikalischen  (aeot^iaphie  der  übrigeu  Wek- 
tlieile.  if'uiute  Liatii>e:  Wiederholung  uud  Ergiüiza&g  du«  Lekrätufies  der  Tieirteu 
Cbfle  nelMt  der  politiBeh^  Geographie.  Sechate  dease:  Das  Winenawerteete  der 
natttemstiedien  Qeographie. 

Man  sieht,  dass  ^wrh  hier  in  den  zwei  Lehrplänen  im  ganzen 
kein  wpst  iitlicher  üniersciiicd  besteht,  nur  dass  der  Realschniplau  am 
AiUaiiLTt  hictet,  was  die  Volksschule  am  Schlüsse  bietet:  abermals  ein 
Vorzug  der  letzteren,  wozu  noch  kommt,  dass  sich  ihi*  Flau  als  eiu 
abgerundetes  Ganzes  zeigt. 

4.  Hntkemntik*   »)  Li  der  Beelnhttle  n.  e.  w.   Ente  daeie:  Die  vier 

tSvendoperationea  mit  ganzen  und  gebrochenen  Zahlen,  die  Zeitrechnung.  Zweit«:; 
Classe:  Die  (geometrischen  Verhältnisse  und  Proportionen,  deren  Anwendiiug.  1»)  In 
4er  Yolk^sclnile.  Fttnfte  Classe:  Das  DecimnlsTstem ,  die  Operationen  Jiiit  o:«- 
l>rochenen  Zahlen.  Sechste  Classe:  Die  Beprel  de  tri,  Lösung  von  Aut'gaben  durch 
Folgtruügeu  (Zweisatz),  Zinses rechniing,  Gei^ellschaftsrechnung  u.  s.  w. 

In  der  Volksschule  fehlen  also  die  geometrischen  Verhältnisse 
und  Proportionen,  in  der  Bealschule  die  Zinsrechnung,  die  AUigations- 
und  Gesell  Schaftsrechnung,  wo  diese  erst  in  der  dritten  Classe  vor- 
bjmmen.  £s  fragt  och  ann,  iiBlches  Yer&hren  richtiger  sei  Zweifel- 
los das  der  Volkssehnle,  weil  es  sieh  der  Fassungskraft  der  SchfUer 
^^mt  snschliett.   Em  vemttnftiger  Gnmd,  die  Kinder  schon  im 

26* 


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—   368  — 


Alter  Ton  iwim  Jabiea  ans  der  VolkBadiide  in  die  Mittduliiile  m 
vcTMtMik,  l0(;  aieh  liier  nieU  cricemibMr. 

6.  üatnrgefchiehte.  %)  Im  Am  BwJiolMÜg.  ISnle  Gbaie:  In  den  VIHh- 
iKNiftten  Bekanntmachung  mit  einzelnen  Thieren,  in  den  FriUijahTs-  und  HeriMtp 

monaten  mit  oinzeluen  Pflanzen.  Zweite  naö>t;  Fortöotzung  der  Betprechon^ 
einzelner  Tliiere,  daon  Behandlun;^  der  l'hiere  und  Päan/oii  nac  h  den  Ordnungen, 
b)  In  der  Yolksschule.  Fünfte  (.lasse:  In  den  Wintermonateu  Mineralien  nnd 
itartttve,  wekte  flr  dm  VoUc  praktMdi  «iahlig  tHad,  Ib  dm  FM^jdnnMMte 
«ü^onolslw  Fflanm.  Se«iita  Gbae:  Li  äm  WtetomMHUrtM  Thien,  ii  dn  Fitt' 
jahimoiuiteii  FartMteag  d«  BaiiRchung  von  PfluHon,  dam  ^itenatiMbe  Zt- 
•AlBIDen^'tel^nn«r  de«  ganzen  natur^eschlcbtlichen  Stoffes. 

Beide  LehrplÄne  stimmeu  also  wesentlich  iibereiu,  nur  kommt  in 
den  Unterclassen  der  Mittelschule  die  Mineralogie  noch  gar  nicht  vor. 

6.  G  eorae  irisch  es  Zeichnen,  a)  lu  der  Realschule.  Erate  Ciasse:  IMani- 
metrische  ForinenlehTC ,  geometrische  1 'ecorationen,  Tongfruenz  u.  s.  w.  Zweite 
(lasse:  Stereometrische  Formenlehre,  geometrische  Körper  und  deren  Darstellung, 
b)  In  dar  VoHmbTmU.  FOnfte  GImm:  Dm  Hhmk,  XMmm  dar  fmdUnig« 
Yigmm  und  BtiMimuf  dtndlMn.  ^ffcMfa^  CSmm:  Awfbthwift  imd  ^!f^^ß''ntn  giBOtwt 
Fttohen,  stereometrische  Berechnungen,  einfache  Pläne  von  Gcbiiudeu. 

Der  Hanptimterschied  ist  hier,  dass  die  Mittelscliule  das  perspeCr 
tivische  Zeichnen  schon  füür  die  erste  Olasse,  also  fär  die  Kinder  von 
nenn  bis  jEehn  Jahren  vorschreibt  und  vielleicht  die  theoretische 
Richtung  zn  stark  liarvorkehrt,  wfthrend  die  praktische  Richtung  im 
VolksBchiillehrplan  augensdieinlidi  ist  Das  sicherste  Mittel,  in  den 
Z^lingen  Widerwillen  gegen  ein  Unternchtsfadi  sa  erregen,  ist» 
dassdbe  Toneitlg  anzufangen. 

7.  Schönschreiben.  Hier  be-tcht  nur  der  Untcnoliied,  dsM  IB  der  VoUo- 
BChole  die  deutsche  Schrift  fclilt.  was  natürlich  ist. 

8.  Das  Turnen,  a)  In  der  fiealschule.  Erste  und  zweite  Classe:  OrUnuags- 
übun^,  FreUUmiigen,  GerttheOlmBgeü,  Spiele,  b)  In  der  Volksschule.  Vierte, 
fttfllte  luid  aedulft  CImw:  (hdnii]igi&1niig«ii,  Fidttbnnges,  Sjaingen,  Xlettea, 
SdiwiBgai,  Spiele. 

In  der  Volksschule  fehlen  also  die  Gerätheühongen,  worflber  man 
verschiedene!*  Meinung  seiii  kann;  jedenfalls  Ifisst  sich  kein  päda- 
gogischer Grund  anfUhi  en,  warum  die  Leibesühongen  in  beiden  Schul* 
kategorien  versehiedea  sein  solltea,  da  es  sich  dock  nm  Kinder  gleichen 
Alters  handelt 

Betnckten  inr  nnn  noch  diejenigen  Unterrichtsfächer,  wekhs 
entweder  nur  in  der  ersten  und  zw  eiten  MittcilflchnlrlaBno  oder  nur  ia 
der  fünften  und  sechsten  Volksschuldaase  vorkommen.  Zur  ersten 
Gn^pe  gehören:  eine  fremde  moderne,  nindicb  die  deutsche  Sprache, 
in  gewisser  HinsiGht  auch  das  geometrische  Zeichnen,  femer  im 
Gymnasinm  die  lateinische  Sprache;  snr  zweiten  Gruppe:  die  Ge- 


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—   369  — 


gehichte  des  Vaterlandes,  die  Lehre  von  den  bürgerlichen  Hechten 
mid  Pflichten,  die  Gmndzüge  der  Physik,  der  Gesaiig.  Es  iit  ein 
«nvianeililklifir  Fehler  im  Lehrpkn  der  Bealichnle,  dMS  m  den 
ünterelassen  aowol  die  Gesehiehte  des  Taterlandes  als  der  Gesang 
gänslich  ftUen.  Denn  die  Endebang  zum  Patriot»miis  masB  frflh- 
sei1%  heg^nen,  «nd  ohne  Gesang  kian  das  GetthMebea  ddit  gehörig 
«atwiekeli  werden,  mius  also  die  BOdug  einseitig  bleiben. 

Es  fragt  sieh  nnn,  ob  nicht  der  Lehrplan  der  llittebehnle  derart 
fOBgestaltet  werden  konnte,  dass  er  dem  der  Volksschale  entspräche 
imd  zugleich  der  weiteren  Bildung  der  Mittelschüler  zweckmäßig 
vorarbeitete.  Ich  beliaupte,  dass  dies  nicht  nur  uiuglicli,  sondern  auch 
sehr  heilsam  sein  wüide.  Wenn  nämlich  in  der  Mittelschnle  die 
moderne  Frem  (1^1 1  räche ,  die  lateinische  Spraclie  und  das  perspec- 
'  tivische  Zeic  lnu  ii  \s'P2:fielen  und  durch  die  vaterländische  Geschichte, 
die  bürgerlichen  fieciite  und  Ptiiciiteü,  die  Gmndzüge  der  Pliysik  und 
I  den  Gesang  ersetzt  würden,  so  kämen  beiderlei  Lehrpiäne  in  völlig:« 
I  Ubereinstimmang,  was  zugleich  den  Yortheil  hätte,  dass  die  Untei- 
classen  der  Mittelschulen  eine  gewisse  Abnmdnng  erhielten.  Der 
emstweilige  Wegfall  der  fremden  Sprachen  wftre  durchaus  kein  Nach- 
theil; denn  Comenins  hat  ganz  Becht,  wenn  er  behauptet:  ^Fremde 
Sprachen  an  lehren  und  na  lernen  in  einer  Zeitr  wo  die  Matterspradie 
noch  nicht  gehfiilg  befestigt  ist,  heiftt  so  -vid,  als  reiten  wollen,  ehe 
nian  gehen  kann."  Und  wer  kann  behaiqpten,  dass  ein  Eind  mit  nenn 
bis  lehn  Jahren  in  der  Hnttersprache  gehOtig  üBSt  sei?  Wenn  nnn 
aber  ans  pidagogischen  nnd  methodischen  Gründen  sn  wünschen  ist» 
der  Lehrplan  ftr  die  erste  und  swelte  dasse  der  Mfttelsohvle 
nach  dem  Lehrplane  ftr  die  ftnfte  mid  sechste  Classe  der  Volksschnle 
ungestaltet  werde,  so  ist  der  erstere  überhaupt  nicht  gerechtfertigt. 
Sachliche  Schwierigkeiten  stehen  einer  solchen  Umgestaltung  nicht 
entge^n. 

Abt^r  vielleicht  prN^  .u  hsen  solche  Schwierij^keiten  aus  dem  ireeren- 
^ärtigeu  Zustande  unserer  Volksschulen?  Und  in  der  That  miiw  \iier 
in  Betracht  gezogen  werden,  dass  78 7o  unserer  Vctlkssrlmlen  uu- 
?etheilt  sind,  dass  aber  der  in  der  ungeth eilten  Volksschule  wirkende 
l'ehrer  die  Arbeit  von  sechs  Lehrkräften  in  der  sechsclassigen  Schule 
Qiebt  vollständig  zu  leisten  vermag.  Doch  verlange  ich  zunächst  auch 
dass  die  vollkommen  gegliederte  Volksschnle  Grundlage  der 
Hittelschule  sei,  obwol  ich  es  keines&lls  ftr  ausgeschlossen  halte, 
^  aneh  ein&ehere  Volksschnlett  nnter  günstigen  Verhältnissen  eine 
«mkdieBde  Vorbereitong  ftr  die  Mittelaohnle  gewihrai  kOnnea 


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—  370  — 

Einer  Regelung  des  Verhältnisses  der  angeheilten  Volkssehulen  zu 
den  mehr  oder  weniger  getheflten  bedaif  es  allerdings,  wmcfüm  ich 
mich  bereits  Mh&r  in  diesen  BUtttm  ansgesprodien  halM.  (YergL 
Jahrgang  XIV,  Seite  523  ff.) 

Es  fragt  sich  noch,  ob  die  VolkaschnUehreor  beflhigt  sein,  in 
ihrer  fünften  nnd  sechsten  Classe  dasselbe  zu  leisten,  was  die  eiste 
ttnd  zweite  Mittelscholdaflse  l«steii  sollea,  wobei  wir,  wie  gesagt, 
von  fremden  Sprachen  abMben.  Nin  w«tfi  ieh  rseht  wol,  daas  gegen- 
wärtig noch  nkkt  alle  Vottaachnllehrer  ihrer  Atdipibe  gaan  gtnntimt 
sind;  aber  es  wir»  doch  sehr  traarig  und  fttr  unseren  Staat  nicht 
ehrenvoll,  wenn  dies  von  dem  Qroa  nnaerer  Lehrer  gesagt  weiden 
konnte.  In  die  Lehrerbildungaanataiten  weiden  ja  die  Zdglinge  ans 
der  vierten  Claaoo  der  lüttelsehnle  imiiitttonanen:  de  mftssen  also 
docb  wenigstena  den  Iiduntoff  der  awei  ersten  Claion  voUkommen 
inne  baben,  vnd  in  der  Lehrerbüdungsanstait  knwn  sie  denn  doch 
auch  noeh  etwas  binzo.  In  methodischer  Hinrieht  aber  erhalten  sie 
ohne  Zwdfel  dne  bessere  Yoibfldung  als  die  llitteliehulpro&aaoM. 
Es  liegt  mir  fem,  meine  CoUegen  von  der  Mittetochnle  beteidigen  n 
wollen;  aber  die  Thatoandie  steht  fest,  dass  im.  ihrem  Stndiengange 
die  Metbode  des  Etementanmteniehts  keine  RoUe  spielt,  und  dock  ist 
der  Untenieht  in  den  Unftecdaisen  der  MitMsehnle  nur  Eleinentar- 
Unterricht,  wie  dies  auch  die  offidellen  Verordnungen  ^Sfiters  betonen. 
Während  nmx  die  Froihasom  der  JCttdschuIe  bei  ihrem  über- 
wiegenden Intereese  fttr  die  Wissenschaft  sich  nat«rg«ni&B  nichts 
gern  lange  in  den  ünterdaasen  aufhalten,  sondern  möglichst  bald  in 
die  Obercilassen  an  kommen  soeben  —  ein  Umstand,  dem  icb  es 
hanptsäcblich  anschreibe,  wanim  so  viele  Schiller  in  den  Ünterdaasen 
sehlechte  Eilblge  erdiden  nnd  dnrchfirilen,  und  der  auch  entschieden 
gegen  eine  wdtere  Ausdehnung  der  Mittdachnten  nach  unten  spiicht 
—  würden  die  Volksscknilehrer  die  Krone  ihrer  Bero^^bdt  in  der 
fttnfken  und  sechsten  CSasse  ertdidran,  daher  mit  eriiOhter  Freudigkeit 
wiriLen  und  Ar  ihre  stete  Fortbildung  besorgt  sdn.  Hiemadi  steht 
fttr  midi  Hast,  dsas  die  Volksschule  völlig  geeignet  ist,  als  Grundlage 
der  Mittelschule  zu  dienen,  dass  ferner  diesem  Plane  unbesiegbare 
B^emlsse^  sd  es  djeetiver  oder  sdbfectiver  Natur,  nicht  entgegen- 
stehen, dass  also  die  Verwirklichung  der  allgemeinen  Sdmlpllidit 
mQglieb  ist 

JL 

'  Fttr  die  Nothwendigkeit  der  Einilihmng  der  dlgendnen 
VolkssohulpAidit  sprechen  in  erster  Linie  die  atalistisdien  Daten  der 


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—  371  — 


Mktetechul- Zöglinge.   Im  SchnUahre  1890/91  betrag  die  Zahl  der- 
860^  42116.   Hiervon  bab«ii  ims  der  erstMi  dane  10118  (wieviel 
eingetreten  sind,  ist  nidit  angegeben),  aus  der  aeblea  Classe  2466 
Prifimg  abgelagt.  Etf  entstellt  nnn  die  Frage,  was  ana  denen  vird, 
dfe  Im  aar  acbten  CSaaie  eesbleiben,  alao  in  dem  gegenwfiitigen 
¥Ule  ane  7663  {a,  d.  Bericht  dea  kdn.  nng.  Münatarinnie  wm  Sdnil« 
jafafe  1890/91  IL  Bd.).  Antwort:  Itte  meiaten  veiiottem.  Diaae  Zahl 
veigrGflert  aicli  noch,  wenn  man  die  ZaM  dojenlgen  vergieieht,  die 
die  Halmitftte-Mfiing  abgelegt  haben  ond  doch  aUein  ala  wiridieh 
AbaoMrte  der  Ifitteteehide  betraditet  werden  kennen.   Im  Jahre 
1890/91  waren  es  1885.   Man  erwidert  mir  umsonst,  dass  diejenigen, 
die  bis  zur  acliten  Classe  allmählich  ausbleiben,  noch  immer  nützliche 
Mitglieder  der  menschlichen  Gesellsciiatt.  werden  können:   in  den 
Äugen  der  reell  Denkenden  gelten  für  verlottert  alle  diejenicren.  die 
eine  T.autKtalm  betreten,  ohne  dieselbe  zu  vollenden  r,  dieiriiiLMMi  aber, 
die  Hl  eme  Mittelschule  emueLeu,  haben  die  Absicht,  mm  mteilec- 
tueile  Laufbahn  zu  wählen.   Wenn  jene  Ausgebliebenen  selbst  keinen 
anderen  Schaden  erleiden  sollten,  als  den,  dass  in  ihnen  höhere  An- 
sprüche wachgerufen  werden,  infolge  der^  sie  mit  der  Lage^  in 
die  sie  durch  das  ^Schickaal  versetzt  werden,  nie  zufrieden  sein  werd^: 
adum  diee  allein  ist  in  socialer  Hinacht  ein  onbereehenbaier  Sehaden. 
I>och  wir  weUen  nicht  ao  streng  sein,  sondern  annehmen,  das»  die- 
jenigen, welche  die  zwei  eisten  Claasen  beendet  haben,  nooh  inuner 
cnsn  Betnf  wflUen  können,  bei  wekhem  der  Umstand,  dass  sie  in 
I  dar  Mittelsehnto  insm,  ohne  Naditfaeil  ist,  —  die  Zahl  der  Ver- 
Istterten  bleiht  immer  neeh  beMditliciL  im  citirten  Jahre  legten 
7601  ZCgUnge  m  der  sweiten  daaee  FiHfung  ab;  sieht  man  Ton 
teer  Zahl  die  der  Matnrirtm  ab  (1385),  so  stellt  lieh  die  Zahl  dmr 
Zsrtekgebliebenen  noch  immer  auf  6716,  also  auf  das  Dreifache  der- 
jenigen, die  ihr  Ziel  erreicht  haben.    Gehen  wir  sop^ar  noch  weiter: 
Debmen  wir  an,  dass  diejenigen,  die  die  vierte  Classe  der  Mittelschule 
beendet  haben,  noch  immer  einen  intellectuellen  Beruf  wählen  können 
—  als  Lehrer,  Eisenbalin-,  Postbeamte  u.  s.  w.    (Es  sei  nebenbei 
?«sagt,  dass  ich  persönlich  zw  diesen  sogenannten  nieiirigereu  intel- 
lectuellen  Berufsarten   die  Zr»glinge   der  höheren  Volksschule  fftr 
bedeutend  geeigneter  finden  würde,  weil  in  dieser  Schule  nichts 
g^hrt  wird,  was  im  Leben  nicht  verwertet  werden  kann.  Jedoch 
^te  vir  jetzt  davon  ab.)  In  dem  genannten  Jahre  legten  ans  der 

Dm  dftifte  etwas  t«  mkut  gonrtJwat  Bein.  D,  B. 

I 


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1 


—   372  — 

fünften  Mittelsdnikltne  8866  Zöglinge  Pi-üfnng  ab;  bis  sar  achten 
ClMse  können  also  3856—1886  =  1971  als  yerlottert  beCncktot  ! 
werden.  Was  wird  ans  dtesen?  Sie  werden  IndiTidnen,  die  weder 
zur  gelehrten  noch  nur  imgeldirtra  Classe  gezSblt  werden,  mit  deaen 
weder  die  mensehlidie  GeeeUacbaft  noch  de  aettiet  zofriedea  sein 
können,  die  Uthere  Ansprllehe  machen,  aber  snr  Befriedigung  der- 
selben weder  die  Fflbigkeit  nodi  den  WiOen  baiben:  kurz  gesagt 
intelligente  Proletarier.  Diese  Praletarieidttse  wird  noch  dorch 
die  BttrgenelnUea  —  in  ihrer  gegenwArtigin  Qestelt  —  erMUdi 
Termehrt;  denn  onnere  Biiferschnlen  eniehen  nieht  flkr  den  mitlkreD 
Bttrgaretand.  Idi  vent^  ninliGli  wb^  «»aittlerani  B&rgerstaDd"  ! 
Kanflente,  QemrlieMbeiide  und  Landwirte.  Aber  die  BQfgersdnden 
orneben  nnr  »an  knoflniaBiielien  Beruf,  natürlich  in  VerUnding  ndt 
der  kanflnSonischen  üfttelechBle;  die  geweiWehen  und  Undwirt- 
sntoftWrJten  Beniftarten  haben  kaam  eiidge  SdnleD.  Ünd  hier  'moM 
ich  nebenbei  einen  Vorwnrf  zorfiekweisent  ond  zwar  den,  aJe  wiie 
die  Spitne  dieser  ZeQen  gegen  diejenigen  meiner  Genessen  gvriehtet, 
die  in  BOrgerBchnlen  wirken.  Idi  beuge  mich  mit  der  grOften 
Achtung  ebenso  Tor  ihrer  IViehkenntnis»  wie  Tor  ihrer  methodisdiea 
Gewandtheit;  ieli  wtrde  sie  gern  in  4er  bOberen  Ytikssebnle,  sogar 
ancb  in  Gymnasien  seben,  in  der  Zuversieht,  dass  sie  in  dienselbeD 
der  dort  meist  fthlenden  Methodik  Eingang  verscbaffsn  worden.  Aber 
eben  deswegen  bedanere  icb,  dass  diese  Eiifte  im  IMenste  eines 
InstitBtB,  welches  meiner  Üben^gmig  nacb  —  den  Handelscows 
amgenommen     gar  keinen  Zweck  bat,  veigeadet  werden. 

Betracbten  wir  die  statistiscben  Daten  der  Barger8cbii]&  Im 
SchnVabre  1890/91  sind  in  den  79  Bürgersdinten  flr  Knaben  ns 
ganzen  10576  Zöglinge  gewesen,  yoa  weksfaen  in  der  ersten  ChMse 
4032,  in  der  ftnften  nor  226,  in  der  seefasten  sogar  nvr  162  waren. 
Was  wird  ans  denen,  die  Ton  Classe  sn  dasBO  ansgebüeben  sind? 
Ein  Thett  ron  ihnen  tritt  in  die  Mittelsehnle  Aber  nnd  waeiilimmert 
ihr  den  VerhiltnisezponeDt;  ein  andeteor  TbeQ  tritt  in  sokbe  Gouse 
ein,  welche  kflizere  Vorbenitang  beansptneben.  Aber  Oewet^ 
treibende,  Landwirte  werden  gewiss  sehr  wenige.  Die  hinsjchiiidi 
der  in  den  Mittel-  nnd  BOrgerschnlen  Ansgebliebeoon  oftmals  ange- 
wandte Ausrede:  „Dies  ikAegt  ancb  in  anderen  Lindeni  so  an  sem*, 
gibt  einen  sehr  sdiwacben  Trost;  denn  was  nützt  es  mir,  wenn  bei 
dem  Brande  meines  Hanses  zngkicb  ancb  das  meinea  Naebbsn  brennt?  i 
Ebensowenig  kann  sie  als  moralisdies  FHndp  gelten.  Sl  omnes  | 
Iieccant»  nemo  peceat?   Oder  ist  es  so  gnt?  Ent«rbied«n  nicht  ! 

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—  37a-  — 


Denn  soldie  Zustilnde  ei-zeugen,  oder  reifeu  wenigstens  den  SodaUsnitis. 
Noch  ¥or  komm  rfihmten  wir  ims,  dM8  im  Blute  Ungfuns  kein 
Bote  für  imwSlMiide  Tendenzen  T<niianden  sei.  Jet^t  kennen  wir 
indi  dies  nieht  mehr  8egai;  denn  es  ist  nicht  lange  her,  seitdem  nm 
dieser  Saehe  wflien  BOrgeEblnt  llieSen  miuste  (Bök^e-OBaba).  Wäre 
kein  anderer  Grund  vofliaaden,  als  der  sociale,  se  würde  dieser  allein 
genügen,  die  allgemeine  Yolkasehnlpflfa^  an  fordern. 

Bs  gibt  aber  ancih  andere  Grftnde.  Unter  diesen  ist  nieht  der 
leiste  der,  dass  es  sehr  schwierig  ist,  f^r  einen  9— lOJfthrigen  Knaben 
einen  Beraf  m  wählen;  es  ist  noch  nicht  mOglich  zn  entscheiden,  ob 
er  körpei  lich  und  geistig-  für  einen  gewissen  Lebenslauf  geeignet  sei. 
Ganz  anders  verhält  sich  die  Sache  mit  einem  12 — 13  jährigen  Zög- 
Unge.  Mehr  als  2() jährige  Praxis  hat  mir  bewiesen,  dass,  wie  sich 
der  12jälirige  Knabe  zei^rte.  sich  der  20 jährige  liinfrling  entwickelte. 
Ich  i&üd  nur  selten  Ausnahmen.  Den  Grund,  da^s^  diesen  Thatbestand 
die  statistischen  Daten  nicht  zu  bestätigen  scheinen,  finde  ich  in  dem 
rmstande.  dass  die  Professoren  der  Mittelschule  in  sehr  vielen  Fällen 
Dicht  zugleich  Erzieher  sind.  Sie  sehen  nur,  dass  ihre  Zöglinge 
etwas  wissen  oder  nicht  wissen,  aber  meistens  forschen  sie  nicht 
lieh,  ob  dip  I  i-sarlie  von  Fehlern  in  der  mangelhaften  Begabung 
oder  im  kindlichen  Mutltwillen  liegt.  In  anderen  Fällen  sehen  sie 
sehr  gut,  dass  dieser  eder  jener  Zdgling  nm  Stndiren  nieht  geeignet 
iit,  lassen  ihn  aber  mitlanfen;  Tielleieht  dbnken  sie  dabei  nichts,  oder 
te  derselbe  sich  später  bessern  werde. 

Fener  kann  ich  einen  anderen  wiehtigen  Umstand  nicht  an- 
«rwihnt  lassen.  Die  Gegensätae  «wischen  Nationen,  Conftesionen 
nd  gesellschaftlichen  dessen  verschUmmeni  sich  in  dem  Maße,  in 
welchem  man  ihnen  die  Gelegenheit  entdeht,  einander  gegenseitig 
kennen  zu  lernen.  Ich  will  hier  nur  von  den  letzteren  sprechen- 
Wenn  wir  schon  das  Kind  von  V)  - 10  Jahren  wissen  lassen,  daiis  wir 
die  Absicht  haben,  aus  ihm  einen  H(?rrn  zu  bilden,  so  werden  in  ihm 
iie  Gefühle  der  Verachtung  und  des  Hoclmiuths  gegen  andere  Kinder 
frühzeitig  entwickelt  werden,  hinsre^en  in  den  ainien  Kindern  gegen- 
über den  reichen  die  des  Neides,  später  des  Hasses.  Mau  k()nnte 
erwidern:  das  ist  ja  dasselbe,  als  wenn  man  unbemittelte  Kinder  in 
die  Mittelschule  schickt.  Keinesfalls;  denn  in  der  Mittelschule  sind 
(h('  wolhabenderen  Kinder  in  der  Meiirheit,  und  wenn  es  auch  ärmere 
darunter  gibt,  so  sind  diese  nach  meinem  Plane  nur  hervorragend 
heßlhigte,  und  das  Talent  imponirt  jedem.  Hingegen  sind  in  der 
Volksflehale  die  inneren  oder  wenig  Bemittelten  in  der  Mehrheit» 


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—   374  — 


Hier  inuss  sk\i  der  Keidie  dem  Armen  aucomodiren,  nnd  nicht  um- 
gekehrt. Außerdem  fühlt  der  aus  der  Mittelscliule  Ausgeschlossene, 
wenn  er  noch  dazu  arm  ist,  sein  Missgescliick  doppelt,  während  der 
aus  der  VoIkssL-hule  zu  einem  j)raktiiicheü  Beruf  Übei^ehende  keine 
Ursache  zur  Unzufriedenheit  hat. 

Nach  alle  dem  könnte  mii'  jemand  sagen:  ..Das  alles  ist  schön, 
alter  wie  soll  der  Jüngling  in  sechs  Jahren  (vom  12. — 18. t  sich  liu 
die  Hochüchulc  vorbereiten?"*  Ich  würde  ihm  cinlacli  erwidern:  In- 
folge der  hier  vertretenen  Organisationen  wird  die  Zeit  der  Vor- 
bereitung nicht  abgekürzt,  sondern  nur  theilweise  auf  ein  anderes 
Terrain  verlegt;  sollte  jedoch  die  Mittelschule  einer  Grenzregulirung 
bedürfen,  so  geschehe  dieselbe  nicht  nach  abwärts,  sondern  nach  auf- 
wäits.  Übrigens  ist  meiner  Meinung  nach  eine  solche  Ändei  ung  gar  nicht 
noth wendig.  Ich  will  mich  nicht  auf  Comenius  stützen,  der  sich  für 
die  Hochschule  in  vier  Jahren  vorbereitet  hat;  ich  selbst  habe  einen 
Mitschüler  gehabt  —  es  ist  wahr,  er  war  16  Jahre  alt  — -,  der  in 
(oner  Ferie  die  erste  Olasse  des  Gymnasiums  absolvirt  hat,  mit  mü* 
dann  die  zweite  Classe,  in  der  darauffolgenden  Ferie  die  dritte  Classe; 
und  nach  vier  Jahren  im  ganzen  hat  er  die  Maturitäts-Prüfnng  „cum 
lande**  abgelegt  Es  muss  noch  bemerkt  werden,  dass  derselbe  nicht 
einmal  eine  große  Capacität  war.  Jedenfalls  genügen  für  einen  gut 
begabten  und  vorberdteten  Knaben  sechs  Jahre  zur  Absolvinmg  der 
Mittelschule  voUkommen. 

Betrachten  wir  auch  noch  die  materielle  Seite  der  Sache.  Da 
eine  Mittelsehale  wenigstens  zwW  Lehrhrifte  bedarf,  entfallen  anf  die 
swei  ersten  dessen  drei  Die  Be9%e  dieear  drei  Lehrkrftfte  mit  je 
zwei  Qnbiqneiinal- Zulagen  (denn  eben  hier  braucht  man  erfahrene 
Erflfte)  betragen  &  1600  fl.  ^  4800  fl.  Wenn  man  hingegen  Ar 
die  Elementarlehrer  das  gröfite  Gehalt»  welehea  sie  mir  in  grOÜeren 
Stftdtan  beziehen,  prSlimmirti  so  benehea  die  zwei  Lehrer  der  fünften 
und  sechiten  Caasae  &  600  iL  =  1900  H;  dMhe  Uateng  wird 
also  im  ersten  Falle  om  3600  fl.  höher  henhlt  MuMplieirt  man 
dissen  Betrag  mt  der  respectaUen  Zahl  der  Mittdadralen,  188  — , 
80  erhAlt  man  die  bedentende  Summe  von  668800  fl.  Wo  sind 
dann  noch  die  tUvigen  Auslagen?  Wo  die  Erhaltongakoetw  der 
BUrgerNhulen?  Kann  unser  Untemchta^Budget  diese  InzBriOsoi  Au^ 
lagen  ertrag«!?  Kann  man  dieselbea  reohtlSnrtigen,  wo  man  die 
Bezüge  der  Ta^^hner  der  Nation,  die  der  Volfcssehultohrer,  niefat 
so  weit  erhohen  kann,  daaa  sie  den  Bezügen  der  Binnlsten  gleich- 
kommen? 


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—  376  — 


Die  Vollstreckung  der  VolkssolHilikflidit  nach  unten  ist  in  enter 
Reihe  eine  volkswirtscliaftliche  Frage.  Denn  vergebens  einrichtet  man 
Sehnlent  yeigebene  ordnet  man  an,  dass  die  Kinder  in  die  fielmle 
gehen  mfiam,  irann  ein  amer  Mann  keinen  Biaaen  Brot  liat,  wenn 
er  nidtt  ao  viel  Iwntst,  dasa  er  aeinem  Kinde  Kleider  Tmdiaffen 
kaan»  irenn  er  niemand  liat,  dem  er  tm  fimd  auf  der  Weide  an- 
Terizinen  Icfinnte.  In  solcher  Lage  hdrt  alle  Begeisterung  ftr  die 
Schale  auf»  der  anne  Manach  mnas  eist  leben.  Die  ürsache  dea  Ana- 
Ueibena  von  der  Schnle  ist  heutsntage  in  den  vranigsten  Fftllen  die, 

:  diiB  die  Ettm  die  Nothwendigkeit  der  Büdnng  niefai  empfänden, 

I  Madem  ihre  materielle  Nothlage.  — 

'  Die  Vollstreckung  der  Volksschnlpflicht  nach  obeu  ist  eiue 
culturelle,  politische,  gesellbchai'üiche  und  zugleich  ökonomische  Noth- 
'  wendigkeit.  Wenn  in  der  Armee  der  Arme  und  der  Reiche,  der 
Herr  und  der  Bauer  genieiM-aiii  m  Reihe  und  Glied  stehtn.  (lLii:>elben 
Dienst  venirliun:  so  liinle  icli  durchaus  keinen  einzi^^en  «Trund, 
warum  sie  in  der  8cluüe  nicht  aul'  derselben  Bank  nebeneinander 
sitzen  könnten.  Yiehnehr  sollte  die  Schule  auch  in  dieser  Beziehung 
f&rs  Leben  erziehen,  diejenigen,  welehe  im  Militärdienste  znsammen- 
i   treffen,  achon  als  Kinder  aneinander  gewöhnen. 

Znr  Rechtfertigimg  meines  Standpunktes  darf  ich  noch  ein  letztes 
Moment^  vieUeieht  daa  irichtigstei  anfuhren,  nftmlich  das  erziehliche. 
£nieht  die  UittelBchnle?  Ist  sie  ftheriianpt  in  der  Lage,  erziehen 
m  kQnnen?  Nnr  in  geringem  Grade.  Ich  veiß,  dass  in  jeder  Mittel* 
Khide  sogenannte  dassenvorstftnde  sind,  welche  sich  aber  mit  Huer 
daese  wlkdientlidi  höchstens  5-— 6  Stunden  beschäftigen.  Dieee  Zelt 
geallgt  vielleicht,  dass  der  ClassaivoiBtand  sich  in  einem  halben 
Jihie  die  Namen  der  Zöglinge  seiner  Classe  merkt,  aber  nicht  dam, 
ikren  Seelenzustand  zu  erforschen,  ohne  welche  Voraussetzung  keine 
Erziehung  denkbar  ist.    Sollte  auch  der  Classenvorstand  ein  noch  so 
tüchtiger  Pädagoge  sein,  Avas  nicht  immer  der  Fall  ist,  —  auch  dann 
kommt  er  noch  zu  spät;  denu  ehe  er  den  Zögline:  nur  halbwegs 
kennen  lenit,  kann  schon  viel  verdorben  sein.    Wie  \\i(  htit^  dieses 
Moment  ebeu  im  WendeaiLei  de»  Kmdes       mit  9 — 12  Jaiu'cn  —  ist, 
^^rauche  ich  vor  Pädagogen  nicht  weiter  zu  erörtern.    Wenn  die  un- 
getheilte  Volksschule  einen  Vorzug  gegenüber  der  getheüten  hat,  so 
^^ebt  dieser  Vorzug  dann,  dass  der  Lelurer  die  Kinder  sechs  volle 
^ahre  leitet.  Eben  deswegen  halte  ich  anch  in  der  getheüten  Volks- 
^ole  das  stricte  Classensystem  für  verwerflich. 

üad  nnn  noch  ein  Wort  an  meine  Erzieher«  Genossen.  Solange 


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—  376  — 

die  j^'tzig'e  Volkssrhule  nicht  wirkliche  Volksschule,  nicht  allofemeine 
(inindlage  des  {ganzen  Unterrichtswesens  wird,  so  lange  mögen  unsere 
Volkserzieher  auf  nichts  Besseres,  als  auf  die  Abfälle  vom  Tische  des 
Schulbudgets  rechnen.  Die  Großen,  Mächtigen  und  Reichen  bilden 
zwar  nur  einen  kleinen  Bruchtheil  des  Volkskörpers;  aber  trotzdem 
sind  sie  es,  die  nicht  nur  bei  uns,  sondern  auch  anderswo  das  Schick- 
sal der  Nation  lenken.  Ich  will  nicht  bestreiten  (es  wäre  «ich  sehr 
traurig,  wenn  man  dies  könnte),  dass  es  unter  ihnen  eine  Anzahl 
uneigennütziger  Männer  gibt;  aber  der  größte  Theil  von  ihnen  unter- 
Bttttzt  nur  solche  Institotionen,  welche  ihren  Interessen  dienen,  und 
za  diesen  Institutionen  gehören  die  höheren  Schulen.  Wir  müssen 
also  mit  Ldb  und  Seele  dahin  wirken,  dass  die  Volks  schale  in  den 
Dienst  der  gaasen  Nation  trete. 


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Der  Zweck  des  Geschiehtsanterricbte. 

  Von  H,  Weigand-'Northdm. 

kein  Untenichtefach  ist  in  Deutschland  in  den  letzten 
Jahrzehnten  aal  Lehi-erconfereiizeu,  in  Broscliüren  und  Büchern  iiitihi 
behandelt  worden  als  der  GescbichtsunUäiiicht,  und  trotzdem  sind  in 
keinem  Fache  weniger  merkliche  Fortschritte  gemacht  wordtii  aJs 
?pr8de  in  diesem.  Eine  eigenthimiliche  Erscheinnnir!  —  Worin  Imt  sie 
liireii  üruüd?  —  \>\  (ItTOesrhiflitsimterricht  nicht  niehi*  verbesserimgs- 
ßlii?,  er,  der  eines  der  jiingsieu  ächer  auf  dem  Lehrplane  der  Volks- 
ächuie  iBt?  Dann  müssten  die  Pädagogen  unserer  Tage  sehr  im  Dnn- 
keb  tappen  und  es  ÜMt  wunderlich  erscheinen,  dasi  sie  gerade  dieses 
Thema  immer  und  immer  wieder  auf  die  Tagesordnung  ihrer  Verhand- 
langen  setzen.  Wir  meinen,  gerade  die  Thatsache,  dass  dem  Gegen- 
stände soviel  Anfinerksamkfiit  gewidmet  wird,  ist  der  sicherste  Beweis 
diflr,  dass  die  Ertcentnis  PJats  gegxfta  liat:  Ss  fehlt  an  etwas;  wir 
and  aaf  Teikebrtem  Wege  md  harren  nnr  des  rediten  Momentes,  der 
ms  die  Avaaielit  anf  Itessere  Wege  erOftiet 

Und  wir  sind  wahrUdi  auf  yerkehrtem  Wege,  auf  einem  Wege, 
der  nns  niemate  zmn  Ziele  ffthren  ^vird.  —  SoU  ein  Unterriehtsgegen» 
staiid  wirktteh  fraehtbiingend  Ar  die  Enislimig  wirken,  se  ist  vor 
iflflB  not  big,  dass  man  sich  über  den  Zweck  dieses  Gegenstandes  für 
die  Erziehung  vollkommeu  klar  ist  und  ihn  dann  dementsprechend  im 
Unterrichte  behandelt.  Und  das  ist  bisher  beim  Geschichtsunterrichte 
im  allgemeinen  nicht  geschehen;  wol  sind  diesem  Gegenstände  die 
inannigfacksien  Zwecke  untergcsrlKttien  worden,  aber  nur  selten  hat 
man  erfahren,  dass  er  um  seiner  selbst  willen  L'  lirtach  sei  Und  das 
Ut  vom  Übel  gewesen.  Zweck,  StoÖauswahl.  Stottanordnung,  Behand- 
lung sind  die  vier  Stücke,  um  die  es  si<-h  im  Unterrichte  immer  und 
imnifcr  wieder  drehen  muss,  und  zwar  dergestalt,  dass  der  Zweck  als 
das  oberste  erscheint,  aus  dem  die  anderen  Stücke  hergeleitet  sind.  — 
Wenn  inan  bedenkt,  wie  mancherlei  Zwecke  mit  einem  und  demselben 
Üntarnehtsfache  verbanden  werden  können,  wie  z.  K  durch  den  BeU* 


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—   878  — 


giüiiöunterriclit  sanfte,  friedterlige,  opferiieudige,  aber  auch  fanatische. 
imduldBamo.  hartlierzi<rp  Mf^nschen,  dnrrh  flm  C^eschiVlitMuitemchi 
miithige,  tr^ut',  h'iirst  uini  \';iterland  lirliciuie  liürger,  al>*  r  aurh  en^- 
herzi^e.  feige.  .-flli^isiK  hl  i;jt^  PnrtirnlanHteii  \m<\  durcli  den  Unterricht 
überhaupt  liescheidt  iK  .  hltrcue,  gewissenhatte,  aber  auch  anmaßende, 
^leicligültiofe,  gewi^stTiN  s*  Menschnn  orzoo'en  werden  können,  so  ist 
es  wol  (  lue  angemessene  Jb  orderuug,  da^^s  man  sich  bei  jedem  einzehien 
Unterrichislache  über  Wesen,  Zweck  und  Bedeutung  desselben  für  die 
Erziehung  im  ganzen  und  besonderen  vollstÄndig  klar  sei,  damit  man 
dementsprechend  handeln  könne  und  nicht  nutzlos  oder  unbewiisst  im 
Dienste  eines  anderen  Avirke.  Dass  zielbewusste  Parteileiter  still- 
schweigend annehmen,  die  Schule  handele  nicht  immer  zielbewnsst, 
können  wir  s{:hon  daraus  ersehen,  dass  jede  kirchliche  und  politische 
Partei  —  und  das  mit  Recht  —  glaubt  durch  die  Schule  am  ehesteu 
ihren  Int^^ressen  Vorschub  leisten  zu  können.  Gerade  dies  sollte  uns 
aber  am  meisten  veranlassen,  auf  unserer  Hut  zu  sein,  dass  wir  nicht 
Parteidiener,  sondei-n  Menschenbfldner  sind  und  Menschen  erziehen, 
4ie  möglichst  vollkommen  und  zu  allem  guten  Werke  geschickt  sind. 

Dieses  hohe  Ziel  zu  erreichen,  muss  die  gesammte  Th&tigkeit  der 
Schule  harmoaifloh  in  dnander  greifen  und  ein  Fach  dem  andern 
dienen,  doch  so.  dass  jedee  seine  SdbstBtiadigkeit  bebäH  Kern  F%ßh 
darf  in  den  Lehrbereich  der  Schule  aufgenommen  werden,  das  nicbt 
bemmgende  Elemente  zur  Erreichung  dieses  Zieles  bietet,  und  fBr 
kein  gewähltes  f aoh  darf  ein  Zweck  -wiUkfirUcJi  conatiniit  werdeo, 
aondern  derselbe  muss  sich  natürlich  ans  demselben  ergeben  und  sich 
m  dem  allgemeinen  Erziehungszwecke  wie  der  Theil  zum  Gkotzen,  die 
Art  zur  Qatinng  verhalten.  —  Das  Ziel  der  EMebnng  li^  in  der 
Bestimmnug  des  Menschen.  Gans  ail^^emein  ausgedrückt  hat  der 
Meaaoh  eine  zweifache  Beetinunnng:  eine  irdische  und  eine  Ununlischer 
eine  zeitlidie  ond  eine  ewige.  In  lebendiger  DnrehdrjBgnng  fMav 
sie  sich  gegenseitig  zum  Heil  des  Menschen.  Jede  gesonde  Msmiämr 
erziehmig  wird  daher  giekhzettig  ftr  die  Erde  mid  den  Mmmel  e^ 
ziehen  und  bilden;  ein  Eniehnngeqrgtem,  das  dieeee  GrondTeriilltois 
verkehrt,  ist  BdhsX  verk^rt  Danach  kenn  die  Enielmng  amgeectai 
•werden  als  eine  plaamättige  Sinwirkong  des  Bndclteis  auf  den  Z5g- 
ling  ZOT  Bntwiokehing  seiner  Anlagen  und  Erifke,  damit  denelbe 
seine  irdische  nnd  himmÜBChe  Beetneiiang  erftUe  md  erretehei  Jedes 
einneble  Fach  des  Wissens  nnd  Könnens  hat  dabei  seine  besondere 
Avi^be,  nnd  in  lebendiger  Dnrehdringong  aller  fordern  sie  eidh  gegen* 
seitig.  —  Wie  nnn  der  BeHgiensontenieht  in  erster  Linie  dam  enge- 


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—  379  — 


thm  ist,  dem  Schäler  zu  zeigen,  wie  er  seine  himmlische  Bestimmüng 
erreiche,  so  ums  es  eine  wesentUobe  Aufgabe  des  GescUdttsunter- 
ricfato  sein,  ikn  zu  belehren,  -wie  er  seine  irdische  Bestünmong  erfülle 
imd  erreiche. 

Zfl%t  also  der  ReUgionsimtenneht  den  Kensohen  yometamlieh  in 
MiBein  YertiKMB  ni  Qoü,  wo  der  Geschichtmntcnldit  ilm  Im  Ver- 
bihiiis  m  8cnB«n  MitmaMdifin,  der  MMMddMit  —  Die  HcoMUieit 
gliedert  nch  aber  behnfe  eines  glftekliohen  Zonnimenlebens  in  nstHr- 
IKehe  Gruppen:  Staaten,  Oemmden,  Familien,  die  sieh  gegenseitig 
niobt  aiMMlilMen,  sondetn  bedingen.  Jede  engere  Gmppe  Ist  die 
Voraossetzung  und  nattoi^e  Grundlage  der  Aber  ihr  stehenden  wei- 
teren, ebenso  wie  sich  das  Leben  der  weiteren  Gruppe  als  Miniatur- 
büd  in  der  engeren  darstellt.    Keine  Gruppe  kann  demnach,  ohne  sich 
selbst  zn  schÄdij^n.  anf  die  Dauer  die  andere  iiuüer  acht  lassen  oder 
ilir  s:ar  Abbrucli  rliuu.      Dies  ist  ein  YingeryMrr  für  die  Schule,  dass 
sf(  ila.s  Nächste  auch  zunächst  beachte;  denn  sie  gerätli  auf  Tn-weire. 
wenn  sie  das  wirldiche  Leben  außer  acht  Itot  and  ihre  eigenen 
Wege  geht. 

Der  Geschichtsunterricht  ist,  wie  gesagt,  eins  der  jüngsten  Fächer 
ant  dem  Lehrplane  der  VoUtssehale,  yon  den  Beallen  ist  er  sogar  das 
j&ngste.   Dies  sollte  zu  der  Keinung  Anlass  geben,  ihm  wären  mailolie 
Verirmngen,  die  die  älteren  Fächer  haben  dorcfamachen  müssen,  er- 
spart geblieben.  Doch  dem  ist  nidit  so;  er  mnss  auch  erst  alle  Wandel- 
^oge,  die  ans  der  Weite  in  die  Nilie  führen,  dniebmadien.  Die 
CMhielitsbllelker  von  Bredow  nnd  Kobbanseh»  die  in  DentscUand  sn 
den  ilteaten  Ihrer  Art  gehören,  neigen,  -wie  man  Ton  Weltgesehiehte 
ismi^liiiiNl  elhnAhlleh  anf  yaterUndlscbe  GksschlGhta  zuecidnuD;  andere 
VttsQche  Jener  Zeit  aeigen,  trie  man  neben  der  politisefaen  nnd  Eriegs- 
giBcfalehte  aneh  die  sogenannte  Galtargesehiohte  seihon  frtth  als  be- 
tatsames  endehUohee  Moment  erkannte,  wie  man  also  vom  Allgemeinen 
nad  unpädagogischen  zum  besonderen  und  mehr  pädai?ogischen  kam. 
Die  nähere  Begründung  dieses  Umschwungs  ist  wol  in  dem  napo- 
leonischen  Zeitalter  zu  buclien,  wo  man  erkannt«,  dass  ein  Kosmo- 
politismus, der  den  Patriotismus  zerstört,  ebenso  vomfn>ei  ist,  wie  ein 
Sta  tt  eine  (Gemeinde,  in  denen  das  Familienleben  gelockert  oder  zer- 
t>tori  \<t 

h\  ili^ser  Zeit,  dei-  (Tcburtszeit  des  Oonstitntinualismus,  gedachte 
man  jtiihtischer  Seits  wol  zum  ersten  Male  ernstlich  der  Volksschule; 
^euu  der  Constitntionalismus  bedai-f  der  Volksbildung,  und  diese  hat 
^  (^ntadlage  in  der  VoUttsohuie,  Mit  der  Volksschule  steigt  und 


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—   380  — 


giokt  dis  VolkriWMinig.  Zn  der  Zeit  der  Lehenshemchaft  luid  des 
AbeoliatiBiims  war  solche,  war  besonders  historische  Bildung  ni^t  so  nöthig. 
Klöster,  Ritter  nnd  Fürsten,  die  Herren,  sorgten  wol  dafür,  dass  ihre 
Angehörigen  genügend  über  die  Bedeutung  ilirer  Macht,  ihrer  wirk- 
lichen nnd  vermeintlichen  Rechte  unterwiesen  wurden,  und  der  Leib- 
eigene,  der  Hörige  hatte  ja  nur  ein  Recht:  zu  gehorchen,  und  dazu 
bedurfte  es  keiner  (iesjchiclitskeuntius,  ja  sie  konnte  sogar  geföhrlioh 
werden;  denn  sie  konnte  ihn  veranlassen,  auch  einmal  über  seiue 
Menschenrechte  und  die  Ursache  der  \  ui  zugs^rechte  seiner  Herren 
nachzudenken.  Mit  dem  Auftreten  des  (  onstitutionalismus  musste  dies 
aber  anders  wei*den;  da  musste  die  Volksbildung  in  jeder  Beziehung 
einen  breiteren  Raum  gewmiii  u.  Wie  sollte  sie  aber  beschaffen  sein? 
Da»  iüt  eine  Frage,  auf  die  man  heute  noch  die  rechte  Antwort  sucht 
Es  ist  lange  ein  verderblichei  \\  alui  gewesen,  und  die  Volks- 
schule hat  in  getreuer  Nachahmung  der  Gelehrtenschulen  von  jeher 
ganz  besonders  darunter  zu  leiden  grehabt:  Bildung  und  Wiü&eu  sei 
gleich.  „Da  aber  ein  geringes  Mali  von  Iveuiitiussen  sich  auf  ver- 
schiedene Art  geistig  combiniren  lässt,  so  kann  man  es  mit  wenigen 
Kenntnissen  zu  großer  Bildung  bringen,  und  das  ist  die  Haux)taufgabe 
de,s  Unterrichts."  „Den  Menschen  recht  fest  zu  machen  in  der  Hei- 
mat, nicht  blos  sie  ihn  kennen  zu  lehren,  sondern  sein  Gemuiii  für 
sie,  ihre  Wesenheit  und  Ei<renthiimlichkeit  beleben,  heißt  ilit  Wurzeln 
seiner  Kraft  begießen  und  starken",  heißt  den  Mann  d*  s  \'oikes  recht 
bilden.  —  Die  Vaterlandsliebe  rauss  aus  der  TJebe  zui-  Heimat  hervor- 
wachsen, anders  ist  sie  eine  Treibhauspflanze,  die  <iei  i'i>ic  r;uilie 
Wind  des  l^ebens  knickt.  Has  frkannte  man  ;hic!i  zur  Zeil  dti  Aus- 
bildung der  nationalen  Idee  bald.  Sollte  dei-  (iedanke  einer  W  i.  1  i  - 
vereinigung  aller  deutsehen  StÄmme,  wie  er  von  großen  Geistern  und 
warmen  Vaterlandsfreunden  kühn  und  gewaltig-  erfnsst,  in  Lied  und 
Hailade,  Kornau  und  Drama  verherrlicht  wurde,  auch  im  Volke  i*eclit 
zünden,  so  musste  demselben  seine  engste  Heimat  erst  wieder  recht 
lieb  und  t heuer  werden.  Die  Leheusherrschaft  und  Beamten willkür  des 
Absolutismus  hatten  nach  Kräften  das  Ihrige  gethan,  dem  Volke  die- 
selbe recht  gleichgültig  zu  machen  und  seine  Blicke  in  begehrens- 
wertere Fernen  zu  lenkeu.  Wer  nie  mit  rathen  soll,  mag  auch  nicht 
mit  thaten,  und  wer  immer  nur  gehorchen  soll,  dem  ist's  schließlich 
aui-h  einerlei,  wem  er  gehorcht.  Dies  zu  ändern,  führten  Dichter, 
wie  Berthold  Auerbach,  Karl  Stöber,  Otto  Glaubrecht,  Jeremias  Gott- 
helf  u.  a.  m.  die  Dorfgeschichte  in  die  Literatur  ein  und  machten 
darin  das  Yolkald^en  der  engsten  Heimat  zum  Gegeastaade  ihrer 


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—   8Ö1  — 


Dichtung.  Wie  Ludwig  Uhland,  Willibald  Alexis,  Gustav  Scheffel, 
GnstAv  Freytag-  n.  a.  m.  durch  ilire  hi&t  i-ischen  HoiDane  und  Dramen 
I  den  vaterländischen  Sinn  zn  wecken  sucUteii,  woilteii  j^  iie  mit 
'  ihren  Werken  der  Heimatsliebe  rechte  Anregung  gewähren.  Das 
hätte  der  Schule  ein  Wink  werden  müssen,  dass  sie  nicht  Kosmopoli- 
I  ÜEmm  und  l'atriotismus  püegen  wolle  ohne  Kenntnisnahme  des  Lebens 
der  dDgsten  Heimat  „Wer  die  Heimat  nicht  versteht,  die  er  sieht, 
wie  will  der  die  Fremde  verstohen,  die  er  nicht  sieht?''  Auch  die 
schichte  kann  der  Anschauung  nicht  entbehren.  Pestalüzii'a  Wart: 
»Die  AnsohMuig  ist  die  Gfundibge  ftUer  Erkfuinteifl'*,  avss  aidi  auf 
to  Qetcfaiehtgniiterrielit  tibertxagaii  Verden,  imd  Itöeaterwega  Wert: 
«Jeder  Leihrer  sei  ein  Natoxlbndier*  auch  von  der  Oeedufilite  gelten. 
Aller  realirtaiche  üntemdity  der  äeh  nicht  anf  Anaebanang  grOndet^ 
ist  in  die  Loft  gebant  and  geht  Uber  die  Köpfe  der  Kinder  hinweg. 
Die  Heimatflgesebiehte  und  die  heimatlichen  YwhAltnijSBe  der  Gegeup 
mrt  nftBeen  die  Avsgangspinkte  m  FeFneriiegendeni  bilden,  und  anf 
de  muss  ziu*  Erläuterung  und  Belebung  des  Femerliegenden  immer 
wieder  zurUckgegritien  werden,  wenn  der  Geschichtsunterricht  wahr- 
haft bildenden  Wert  eiiungeii  6o\\.  —  Diese  Wüite  mögen  nicht  miss- 
verstanden werden.  Die  Heimatspfeschichte  soll  keine  besondere  Dis- 
cipliu  werden,  sondern,  dem  Princip  der  An-rhainn)?  dienend,  sich 
durch  den  g^anzen  (Te>cliichtsuntm*iclit  ziehen.  „Die  \\  i -litiL^keit  der 
heimischen  Stufte  soll  nicht  zur  Ptlege  patriotisclier  Kn;xherziL''keit, 
zum  Particulansmus  und  zu  spießbürgerlicher  Gesinnung  ttibren;  nicht 
die  zusammenhängende  Geschichte  einer  Stadt ^  eines  Dorfes,  einer 
Burg  liegt  uns  für  die  Schule  als  Selbstzweck  am  Herzen,  sondern  nur 
die  methodische  Verwendung  heimatlicher  Farben  bei  der  DareteUnng 
fremder  Qeeehichtsbilder.*' 

Haben  eonach  die  Fandlie  nnd  Qemebde  aoa  pidagegiechen  nnd 
nelhodieehen  Gründen  auf  alle  FSUe  die  Anagangspnnkte  fttr  die  ge> 
KUehtUoheUntenrefleong  am  bilden,  ee  bleiben  Ton  den  oben  gedachten 
Hat  Kieiaen  nnr  noch  die  beiden  weitesten,  Staat  nnd  Menechheit^ 
äor  weiteren  Beaefatnng  Torbehalten.  Da  der  moderne  Staat  in  alle 
YtAaltitine  des  Familien-  nnd  Gemeindelebens  ordnend  nnd  lenkend 
ongrdft,  so  sind  wir  förmlich  gezwungen,  uns  in  allen  Lebenslagen, 
■elbst  in  den  enp:sten  Verhältnissen,  als  Staatjjbtirger  zu  fühlen. 
Staatsbürger  nnd  Weltbürger,  Patriot  und  Kosmopolit  sind  deshalb 
die  beiden  Beziehnnsren,  um  die  es  sich  bei  Beurtheiluni^  öftent lieber 
Angelegenheiten  imtutr  handelt.  Für  die  Schule  heiüt  dies;  Volks- 
geöcUichte  oder  \\  eltgeschichte Da  wir  hier  keine  besondere  Schulart, 


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1 


—   382  — 

MBdern  die  Schule  im  allgemeiiieii  im  Sinne  beben,  so  segen  irfr:  Ob 
d«e  eine  oder  des  endere  gegeben  idrd,  nnd  wie  weit  ee  eoegedetot 
wird,  hingt  nieht  Ton  der  WiUkOr  des  Lebren,  aendem  ledig^  von 
der  Schnleinrichtung  ab;  je  unyoUkommener  dieselbe  ist,  desto  enger 
wird  der  Kreis  gezogen,  nnd  nmgekehrt  «Bi  ftnie  Weitsn  welkt 
die  irrende  Menschheit^  Die  •  extensive  Ansdehnung  dee  Stofies 
allein  weitet  den  Blick  noch  nicht,  erhebt  den  Staatsbürger  noch  nidkt 
zum  Weltbürger,  das  thut  erst  die  intensivere  Behandlung  nnd  das 
gereiftere  Verständnis.  Im  allgemeinen  darf  wol  als  Regel  gelten, 
dass  in  allen  Volks-,  Bürger-  und  deutschen  Mittelschulen,  wo  die 
Schüler  liiit  dem  14.  bis  15.  Lebensjahre  entlassen  werden,  die  vater- 
ländische Geschichte  den  8toft"  für  den  eigentlichen  Geschichtsunter- 
richt bietet,  l'ur  die  ausgebildetsten  dieser  Schulsysteme  wird  das 
Bemerkenswerteste  aus  der  Geschichte  der  älteren  und  anderen  Cul- 
turvftlker  am  besten  an  die  biblische  Geschichte,  die  Geographie  und 
den  Sprachunterricht  angeschlossen,  wahrend  in  den  einfachsten  Schul- 
verhältnissen selbst  die  Meitcre  vatiirländische  Geschichte  nur  den 
Hintergrund  zui  JleiiiiaLsgeschichte  V)ietet.  Erst  in  Schulen,  die  mit 
ihrer  Schulzeit  über  die  gedaciiie  iiiuausgehen,  können  auch  die  Ziele 
weiter  gesteckt  und  mit  Erfolg  Weltgeschichtei  GeschicJite  der  Mensch- 
heit, gegeben  werden. 

Damit  sind  wir  der  Beantwortung  der  Frage:  Welches  ist  der 
Zweck  des  Geschichtsunterrichts?  um  ein  bedeutendes  näher  gerückt. 
Volk  und  Menschheit  sind  die  zwei  Beziehungen,  um  die  es  sicli  im 
öffentlichen  Leben  handelt.  Es  gibt  darum  ftir  die  Schule  nur  \'(ilk-- 
geschichte  und  Weltgeschichte.  Bisher  liaben  wir  nur  KritL^s-  und 
Fürstenirescliichte  yeliabt,  wenn's  gut  ein?  al-  Anhangsei  etwas  C^ul- 
turgeschn  lite.  Eiuzi  liiP  P«M'soiien,  selbst  1^  iirsten,  auch  ei?17f1r^^^  Stände 
und  Kre^lrlll^^e  macheu  al>' r  w^der  ein  Volk  noch  die  Mt  iiM  hheit  ans, 
nocii  ihre  ( i^^schichte,  Fürsten  und  Kriege  sind  nur  einzelne  Factoren 
des  V'dkerlclM'iih  und  verdienen  nur  dann  historische  Re^ohTung,  wenn 
sie  in  bedeutsamer  Weise  fördernd  oder  hemmend  in  die  Kntwickelun? 
f^iiu  s  Volkes  oder  der  Menschlu  it  eiijgegrifteu  haben;  dt  tiii  oben  darm 
besteht  das  Wesen  der  Geschichte,  dass  sie  solche  Frsflieiimngen  zum 
Gregenstande  ihrer  Betrachtung  macht.  —  Wir  gehen  dabei  nicht  so 
weit,  dass  wii-  den  Ivi  it'^  ganz  ans  der  Geschichtsbetrachtung  ver- 
weisen wollen,  so  sehr  wir  auch  gegen  die  bisher  geübte  Weise  sind; 
denn  er  ist  und  wird  auch  nocIi  lange  ein  Factor  des  Menschenlebens 
bleiben.  —  Nicht  Einzelersclieinungen,  sondern  die  Gesammtheit  aller 
Eracheinungen,  weiche  das  Leben  einer  Zeitepoche  ausmache  nnd 


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—   383  — 


dazu  beitraurn.  uns  ein  Bild  jener  Zeit  zu  lietern,  nach  dem  Grade 
ihrer  Wiriiugkeit  geordnet,  müssen  den  Stoff  zu  den  Geschichts- 
betrachturigen  in  der  Schnle  liefern;  denn  nur  so  gewinnt  der  Schüler 
Verständnis  einer  Zeit  und  lernt  dieselbe  iu  ihi'dm  eigeathiimUcbea 
Lkäte  betrachten  und  verstehen. 

Die  Zeiten  sind  aber  verschieden  auf  der  Welt,  sagt  schon  der 
YoDcsBnmd,  mid  jede  Zeit  hat  ihr  eigenthOmlichee  Geprftge,  ihre  beaen- 
dare  Idee,  von  der  sie  beherreeht  wird.  Am  natnrfemitoiiieii  gdit 
darum  der  Üaterrieht  yor,  der  dieeeii  Wechsel  beachtend  die  jedes- 
mal^e  Idee  som  Mitkelpiiiifcte  sdiier  Bantettoiig  macht,  etwa  so  wie 
es  Gustav  IVeiytag  i&  seinem  Beman^Uns  «I^e  Ahnen*  gethan  hat, 
lud  so  eine  Beihe  Zeitbflder  gibt  Bisher  richteten  sich  dfe  einsebien 
Abschnitte  der  Qeschichte  nach  den  Regierungsjahren  der  I>yna8tett 
«nd  D3rna8tien.  Wie  groft  die  Zahl  der  Bilder  ist,  nnd  wie  genau 
sie  ausgeführt  sind,  hängt  lediglich  von  der  Reife  der  Kinder  und  der 
Vollkommenheit  der  Schuleinrichtnng  ab;  absolute  Vollkommenheit  und 
Genaniprkeit  erstrebt  die  Schule,  vor  allen  die  Vi)lksschule,  überhaupt 
nie;  denn  nicht  die  Sache  an  und  itir  sich,  sondern  der  Bildnns:swert 
derselben  h\  ihr  die  Hauptsache.  Jedenfalls  muss  dber  die  Ausiulüiing 
^0  voUsUiiidig  sein,  da^s  es  dem  Schüler  nach  Maßgabe  seiner  Kräfte 
uiiiglich  wii'd,  sich  ein  einigermaßen  richtiges  Bild  der  betreffenden 
Zeit  zu  entwerfen.    Das  erste  Bild  stellt  den  Urzustand  des  Volkes 
oder  der  Menschheit,  soweit  er  sich  historisch  zurückvert'olgen  lässt, 
dar,  und  die  folgenden  zdgen,  wie  man  sich  von  da  aus,  bald  mehr, 
bald  weniger  schnell,  zu  der  gegenwärtigen  Culturhöhe  erhoben  hat 
Das  letzte  als  das  wichtigste  Bild  von  allen  zeigt,  wie  der  gegenwär- 
tige Zustand  beschaffen,  wie  er  das  Prodnct  aller  yor  ihm  geweeenen 
iitk  md  wie  ans  ihm  sidi  ein  anderer  entwickeln  wird  nnd  mnss.  Und 
das  ist  der  Hauptzweck  des  Geechichtsnntenidits.  Bisher  haben  wir 
diesen  Hanpftzweck  anter  acht  gelassen,  haben,  wenn's  gnt  ging, 
Alterthnrnskonde  getrieben ,  nnd  sind  Tor  der  Gegenwart  stehen  ge- 
Uieben,  nnd  so  ist  ee  gekommen,  dass  selbst  tftchtige  nnd  andi  histo> 
liKh  gebildete  Lente  Ihre  eigene  Zeit  weder  kennen  noch  teantehen. 
Die  heute  so  vielfach  erhobene  Forderung  nach  Volkswirtschaftslehre 
ond  Gesetzeskunde  würde  bei  richtiger  Handhabung  des  Geschichts- 
ünterrichts  ganz  von  selbst  und  aul  die  natürlichste  Wmse  ihre  Er- 
ledignng  finden 

Soll  der  kuiittiire  Staats-  uii  i  Weltbürß-er  das  Erbe  seiner  Väter 
rwht  achten  und  lieben  und  in  organischer  Weise  weiter  entwickeln, 
m  ist  nöthig,  dass  er  es  kennt  and  wdß,  wie  es  geworden  ist,  und  das 

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—  a84  — 


kaoik.Biir  d«r  E^ndzweek  des  GeacUehtMiiiteniditeB  sein,  Am  aur  so 
wird  der  Geschichte  das  Becht»  was  jedem  anderaa  ünteiriehtsbdie 
froher  oder  spftter  auch  geworden  Ist:  dass  sie  Selbsteweek  ist  Die 
Geographie  hat  lange  dasselbe  Schicksal  gehabt,  allen  mOglicheii  sup 
deren,  ihr  selbst  fremden  Zwecken  dienen  n  mflasen,  bis  sie  endlich 
an  Karl  Bitter  ihren  Interpreten  frod,  der  ihr  auf  die  redtte  Bahn 
halfl  tfOge  der  Geschichte  anch  bald  solch  ein  Better  erscheinen. 
Nur  wenn  Jedem  Fach  das  Seine  wird,  leistet  es  auch  das  Seine;  nur 
wenn  die  Geschichte  in  ihrem  yoUen  ümüuige  Selbstsweck  wird,  wer- 
den alle  die  seh^teen  Worte,  die  Ton  Plate,  Cicero  etc.  bis  anf  Berbsit 
nnd  Beneke  über  ihren  Wert  nnd  ihre  Wirkung  gesagt  sind,  Wahr» 
heit  werden,  anders  nimmermehr.  Begeisterung,  Math,  Aufopferung 
kommen,  wenn  es  nOtiilg  ist,  gaas  von  selbst,  wenn  nor  Liebe  da  ist 
Man  kann  aber  nnr  lieben,  was  man  kennt,  was  einem  ans  Herz  g^ 
legt  ist,  dass  man'S  schAtsen  gelernt  hat  Der  Gedanke:  was  wir  be- 
sitzen, haben  unsere  Tftlar  erworben,  unsere  Angabe  ist  es,  diesee 
Erbe  den  Enkeln  besser  und  ToUkommener  zu  ttberlielQ^  —  bat  mehr 
treibende  Kraft  als  alle  weit  hergeholten  Ideale. 

Mjui  hat  den  Unterricht  in  der  Weltgeschichte  oft  mit  dem  Untei^ 
richte  in  der  biblischen  Geschichte  verglichen  und  >agt,  diese  Fächer 
seien  am  nächsten  verwandt.  Diese  Ansiclit  entspriclit  der  Wirklich- 
keit nur  tbeüweise.  Was  den  Zweck  anbetritit,  so  stehen  sich  beide 
Filcher  geradezu  diametial  gegenüber.  Der  oberste  Zweck  des  welt- 
geschichtlichen Unterrichts  ist  und  muss  KenninLs  der  Geschidite  sein; 
der  oberste  Zweck  des  biblischen  Geschichtsnnterrichtis  dagegen  ist 
Kenntnis  der  in  den  Geschichten  enthaltenen  (ilaubens-  und  Sitten- 
lehren, Die  ^^'eltgeschichte  ist  also  überall  Selbstzweck,  die  biblische 
Gcscliiclite  nur  Mittel  zum  Zweck.  Sobald  die  in  den  biblischen  Ge- 
schichten enthaltenen  Glaubens-  und  Sittenlehren  abstrahirt  und  von 
den  Kindeni  erfasst  worden  sind,  haben  die  Geschichten  selbst  niu' 
noch  uuterp:eordnete  Bedeutun^r:  denn  es  gilt  uns  ja  nicht  um  eine 
Geschichte  des  judisclitn  Volkes,  sondei'n  um  concrete  lieisjaele  tür 
die  Glaubens-  nnd  Sittenlehren,  nnd  es  bleiben  deshalb  bei  zielbewußter 
Auswalil  auch  alle  Geschichten,  die  ^ul(  hf  Lehren  nicht  enfliHlfen,  un- 
berückMchtigt.  wenn  sie  auch  für  eine  Volkstj-esrliii  Iii--  nuthwendig 
wären.  Ganz  anders  i-t  dies  beim  Studium  der  W  eil^je- -Itirlit«'.  da 
Wüllen  wir  gerade  in  erster  Linie  Kenntnis  des  Völkeriebens.  des 
Wachsthums  und  der  Wachsthumsbedingungeu  dieses  Lebens  erlangen; 
alles  andere  folgt  erst  in  zweiter  Linie. 

K&  ist  ferner  ein  Yerkeimea  der  ThaUsadieUi  wenn  man  glaubt 


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und  geglaubt  bat,  der  Haaptzweck  deB  OescbiehtsiinteiTiekts  Iftge  in 
4er  DarMetimg  der  in  der  Gesehichte  entiialteiMii  GSiarakterbllder,  und 
der  Zveek  sei  erreielit,  frenn  der  Schiller  die  dargeboteneB  Bilder 

sich  so  zu  eigen  gemacht  habe,  dass  er  gegebenen  Falls  sein  Thun 
imd  Lassen  darnach  richte.  In  der  Heroenzeit  des  Alterthums,  in  der 
Kitterzeit  des  Mittelalters  und  zur  Zeit  der  Cliristenverfolguugeu  hätte 
solches  Streben,  wenn  es  überhaupt  Erfolg  hat,  wol  Sinn  gehabt;  in 
den  constitutionellen  Staaten  der  Gegtnwart  ist  es,  g-anz  abiif  ^i  tien 
davon,  dass  das  Thun  und  Lassen  der  meisten  dieser  Helden  uuserm 
modernen  Denken  und  Handeln  und  der  Masse  des  Volkes  vollständig 
fremd  ist,  durchaus  nicht  angebracht.  Von  der  großen  Masse,  und 
darum  bandelt  es  sich  hier  immer,  wird  in  der  Gegenwart  nie  weder 
«ia  außerordentliches  Maß  you  Handeln,  noch  von  Dulden  verlangtf 
sondern  nnr,  dass  jeder  an  seinem  Theüe  und  in  seinem  Kreise  seine 
Pflicht  nnd  Schuldigkeit  thne,  vdl  es  nnr  so  in  der  engen  Heimat» 
im  weiteren  Vaterland  nnd  in  der  weiten  Welt  gnt  gehen  kann.  Der 
Cteflchichtennterricht  der  Gfegenwart  soll  dämm  zeigen,  wie  der  heu- 
tige Coltoigrad  dnrch  das  fortwährende  Bingen  und  Yorwfirtsstreben 
«Des  ganzen  Volkes,  der  ganzen  Hensdiheit  erreicht  worden  ist, 
imd  wie  große  Heldenthaten  einzelner  gar  oft  znm  Schaden  eines 
ganzen  Volkes,  ja  wol  der  ganzen  Menschheit  geschehen  sind,  nnd 
endlieh  wie  bei  Feigheit  und  falscher  Duldsamkeit  schließlich  die 
Bosheit  und  rohe  Gewalt  die  Oberhand  auf  Erden  gewinne u  imd  einen 
Zustand  herbeiführen,  der  weder  Gott  noch  den  Menschen  gefallL. 

Dies  schließt  nicht  ans,  sondern  im  Gegentheil  ein,  dass,  soweit 
Verständnis  und  Fähigktii  dazu  vorhanden  sind,  mit  der  Kenntnis  der 
äußeren  CTescliidite  auch  die  tiefei-en  und  tiefsten  Bewecgründe  zu 
derselben,  die  sittlichen  und  religiösen  Ideen  von  den  Kindern  er- 
kannt und  in  veiedelnder  Weise  aufgenommen  werden.  „Viele  histo- 
rische Specialitäten  mögen  vergessen  werden,  die  Ideen,  richtig  ein- 
gepüanzt,  sind  unverlierbar."  „Je  mehr  es  dem  Geschichtsunterricht 
gelingt,  aherall  den  ideellen  Kern,  an  welchen  Thatsachen  sich  wie 
Krystalle  ansetze,  erkennen  zu  lassen,  desto  weniger  wird  die  Zeit 
dem  Schüler  Ton  seinem  geistigen  Besitzthnm  rauben;  je  mehr  dagegen 
der  Geschichtsunterricht  steh  in  unbedeutende  Einzelheiten  zersplittert 
und  auf  dflrre  Ohersichten  beschrftnkt,  desto  sicherer  wird  das  Ge- 
lo&te  trotz  aller  Wiederholung  verloren  gehen.**  Aber  dies  ist  auch 
diB  Höchste,  was  der  Oeschichtsuntenicht  leisten  kann,  und  damit  darf 
flua  Dieht  anfangen.  „Unmöglich  kann  man  beim  Zöglinge,  der  in 
Weltverlomer  Gegend,  abseits  vom  Verkehre  im  einsamen  Dorft  auf- 


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—  38d  — 


wächst,  dem  öffentliche  Einrichtungen  und  Behörden  kirchlicher  nnd 
staatlicher  Art  nnhekannte  Dinge  sind,  erwarten,  er  werde  es  vei- 
niöi^en,  sich  hineinzuversetzen  in  die  politischen  Verhaltnisse  der  alten 
Vfilker  (Trieebenlands  und  Italiens,  er  werde  verstäudnisvo)!  (\cn  Be- 
richten über  Lykurgs  und  Solons  Gesetzgebung  lolgen  können.  E* 
lässt  den  Knaben  kalt,  wenn  ihm  von  olympischen  Spielen  oder  mittel- 
alterlichen Turnieren  eraählt  wird,  sofern  nicht  ans  seiner  Anschauung 
von  Volksfesten  der  Heimat  ihm  Apperceptionshilfen  entgegenkommen. 
Auch  die  Verhältnisse  des  mittelalterlichen  Städtewesens,  das  Ver- 
ständnis für  das  einstige  Bürgerthnm  bedarf  geschichtlicher  Vorkennt- 
nisse in  Form  heimatlicher,  anschaulicher  Gedankenmassen.  Die  höchste 
Schilderungskunst  würde  zu  tauben  Ohren  reden,  wenn  der  Schüler 
nicht  die  Lebensvei'hältnisse  seiner  Heimat  ans  eigener  Anschauimg 
kennen  leinte.'*  Und  der  gewiegteste  Katechet  wird  nicht  zur  Er- 
kenntnis der  abstracten  Ideen  hinleiten,  wenn  er  sie  nicht  aus  sinn- 
lichen Eindrücken  ableiten  kann.  Deshalb  gehe  es  auch  hier  nach  dea 
bewährten  p&dagogischen  Ginindsätxen:  Vom  Nahen  zum  Femen;  Tom 
Concreten  zum  Abstracten,  d.  h.  von  der  Heunat  nun  Vaterland  und 
zur  weiten  Welt,  von  den  äußeren  Erscheiniiagen  zu  den  treibendeB 
Ideen,  you  den  Thataachen  za  den  Uiaachen. 


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Die  Lebeusgeschiehte  von  Georg  Ebers* 

mit  Bücksieht  auf  die  Fröbei'scbe  Anstalt  in  £eilhaiL 
Foii  Ifteotf^  r#rtMiielMai»6rar. 

iese  Selbstbiographie  (Deutsche  VerlagMBlUkU  la  Stuttgart  oto.  1898. 
512  S  ^  hat  auch  fiw  den  Scliiiliiianii  ein  hervorragendes  Interesse.  Der 
Dichtt^T-tielehrte  ist  geboren  1SH7  7a\  Rerlin  und  stammt  aus  vornehmer 
Familie.  Diuxih  die  Erzählungen  aus  heiiier  Kiuderzeit  luit  sich  der  Verlasstir 
zwar  selbst  ein  Genüge  gethau,  alleiu  die  Zustände  nnd  ürtlichkeiten  werden 
sieht  fOr  alle  Leser  ein  Interesse  haben.  £twas  anderes  ist  es,  wenn  BImh 
ia  sefnar  Biographie  tob  HUmem  berichtet:  wie  Heitel,  Cornelios,  Hamholdt 
ved  Friedrieh  Wilheliii  IV.  Vem  Hefj^rediger  Steaaft  eralhlt  er,  daas  er  dem 
KSnige  sehr  nahe  gestanden  nnd  Einfluss  anf  eeiae  pdlttichen  Ehitscheidungea 
gehabt  habe.  „Dennoch  konnte  sich  der  seltsam  geartete  Fürst  nicht  enthalten, 
andi  ihm  gegenüber  der  Neigung  zu  billigen  Witzen  nachzugeben.  Als  er  ihn 
zum  Dompredisrer  ernannt  hatte,  rief  er  Alexander  v.  Huu;bnldt  zu:  „Ein 
naiurhistonsciies  KunstütUok,  das  du  mir  doch  »ieht  nachuiachen  kannst!  Ich 
habe  einen  Strauß  zum  Dompfaffen  gemacht.''  Mit  großer  Verehrung  spricht 
Eben  yon  dea  Brfidem  GrimuL  ^Uoter  den  GOttlnger  Sieben,  flohieibt  er, 
»waren  ale  als  Opfer  der  WflIklirdeeESnJgi  E.  Aagast  Tcn  Hannover  von  ihren 
Lehrstllhlefi  verdiiingt  worden.  Bure  würdigen  Gestalt«!  gehören  für  mich  zu 
den  edelsten  Eriunerungsbildem.  Sie  wdmten  mit  uns  (d.  h,  meiner  Mutter 
tind  mir)  im  nämlichen  Hause.  Beide  waren  gleichsam  Eins,  und  man  sah  ub 
selten  allein;  dennocii  hatte  jeder  die  ihm  eigrne  Individualität  völlig  bewahrt. 
Ob  sie  Gelehrte  seien  «der  L'ichter.  hütte  auch  der  g-eübte  1«  obachter  schwer 
zu  eutächeideu  vermocht.  Wüiiehu  s  mildere  Züge  waicü  die  eines  Poeten, 
Jaeeb's  alrengae  and  der  dnrcbdringende  Blieh  eeiner  Augen  liaHen  lelefater 
den  großen  ForMfaer  In  Ihm  erkennen.  Welche  bennbemde,  kindliehe  Uebena- 
Würdigkeit  paarte  aich  mit  der  Hannhalt  In  dIeMn  beiden." 

Sehr  ansprechend  sind  die  CharakteraehUdeningen  Ton  Personen,  die  auf 
Ebers'  Leben  und  Streben  bestimmend  einprewirkt  haben,  nnd  dabei  steht  seine 
Motter.  deren  Bild  von  Sflmf^iw  das  Buch  /.iert,  in  erster  Reihe.  Eingehend 
sind  die  Berliner  Revolutiunstage  beliandelt,  dann  t'o\gt  eine  lebendia-e  Dar- 
stellung vom  Leben  und  Treiben  iu  der  I  rübel'scheu  Erziehungsanstalt  Keilhau 
bd  Bodolstadt,  in  die  Ebers  nach  den  MiUrztagen  1848  aafgenommu  wnrde. 
Der  Stifter  der  Anstalt,  Friedrich  FrObd,  hatte  den  Grandaata:  „Unsere  Br> 
dehug  knflpft  den  ünterrieht  an  die  den  ZQgUng  nmgebende  Anflenwelt'^ 
ÜDsem  Lehrern  wäre  dieser  Abschnitt  besonders  an  empfehlen.   Eben  dUilt 
die  Jahre,  die  er  in  dieser  Anstalt  verlebte,  zu  den  eiuflnpfsrcichsten  nnd 
schönsten  seines  Lebens.    Die  granze  Einrichtung  war  noch  nicht  der  Natur 
abj^kehrt;  das  Vielerlei,  die  überfüllten  Classen  und  das  Schablonenhaft e  bestand 
nicht.  Selbst  unsere  Privatanstalten  werden  genöthigt,  den  ängstlich  vorge- 
Kdiriebenen  Schreibereien  und  der  Uniformirung  zu  dienen.  Die  begabte  Indi> 
vüiiilitit  geht  dabei  an  Grande. 


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—   388  — 


Der  Abschnitt  von  Fr.  Fröbel's  Erziehuntrsidealon  '9.  193  ff.)  kann  unsern 
Lesern  uicht  gcuu^  em(ifuhleu  werden.  £r  ist  eine  hei  vurrageade  Leiätung- 
dflsYeiftnen,  der  hier  zeigt,  dass  er,  abgesehen  von  aelnen  Bomandlehtiingen, 
mehr  Ist  als  ein  AgypMsgt.  Als  Mitklmpftar  Patakai's  stellte  sich  Fi«bel 
noch  um  eine  Stufe  höher  (S.  200  ff.).  Seine  Gehilfen  Langrethal  und  Mldta- 
dorf  übten  auf  Eber.«;  ciin-n  trroßfn  Kinflnss.  Ihre  Theiliuiiime  an  den  Be- 
freiungskrieppn  wird  hervorgehoben,  und  so  wird  diese  Hiog^raphie  zn  einem 
Stttck  ZeitgeschichUi,  die  damals  so  reich  w  ar  an  deutscheu  Charalcteren. 

Dann  folgen  Berichte  fiber  das  Jugeudkben  in  der  Anstalt,  über  seinea 
Besnch  der  Oymiuuien  m  Cottfaos  und  Qnedlinbnfg^,  um  das  Beiftmngnis  fltar 
die  Hochschnle  sn  eilaiigen.  Diese  Berichte  sind  zn  breit  aasgdhUeni  so  dass 
das  Bnch  ebenso  angeschwollen  ist,  wie  einzelne  seiner  Romane.  Über  stoli 
selbst  vere^-ww^^i,  manche  Schriftsteller  die  Mehrzahl  der  Leser. 

Uhue  bej^undero  Neiscium  wollte  Eber.s  Jurist  werden,  ohne  diese  Lelieus- 
bahnzu  kennen.  Er  ^»eibstsclireibt:  „In  der  obersten  Ulasse  sollte  den  Schiilern 
in  ktucerZiisaamenfiMsaDg  das  votgvflibtt  vvarden,  was  jeder  derHanptbemfb 
bietet  nnd  .tob  denen  ferder^  die  steh  ihm  hinsngeben  wflnsehen.  Audi  m&sste 
der  Leiter  der  Anstalt  Je  iiaoh  den  Gaben  der  JüogUnge  ihnen  mit  Rath 
bebitehen." 

Ebers  ^ing  Tiach  Göttiügeu,  wo  er  in  frohem  Übermnthe  sich  den  Stiidonten 
anschloBS.  lu  Vorlesangeu  Uber  Kunstgeschichte  gewann  er  die  eräieu  An- 
r^^ungen  1^  die  Kunst  der  Ägypter,  ohne  dem  tollen  Jngendleben  zu  entsagen. 
Dies  aber  mnsste  er  sehwer  bflfleo,  indem  er  als  Kranker  schon  nach  dem 
l.  Semester  nach  Berlin  sich  rettete.  Dies  alles  enAhlt  der  YerAwser  eMails 
offenherzig  und  widmet  das  Buch  seinen  3  Söhnen,  um  sie  vor  Irrwegen  zu 
bewahren.  Während  seiner  Krankheit  w  ar  die  Mutter  sein  Trcet.  nnd  in  tV'  ien 
Stunden  beschäftigte  er  sich  mit  Hg^yptulogen  Werken.  ..Tch  tuhlte  —  .srlireibt 
er  —  da«8  diese  Studien  das  lihoduB  seien,  auf  dem  ich  zu  tanzen  habe,  dass 
sie  meiner  Begabung  entsprachen  nnd  mich  befriedigen  wfiiden.*  Die  Beehts- 
wissenschaft  gab  er  anf.  Durch  YennittelQng  der  Gattin  Wilhelm  Grimm's 
erschien  eines  Tages  Jacob  Grimm  and  sagte  zu  ihm:  „Du  hast  das  Pferd  beim 
Schwänze  aufgezäumt;  die  speeiellp  Diseiplin  wird  erst  etwas  wert  durch  den 
Zusammenhang"  mit  dem  verwandten  Gebiete,  darum  nin.'^.st  du  erst  <lie  spraeli- 
licbe  Grundlage  legen."  Mit  Beiliilfe  des  Altmeisters  Lepsius  lernte  Ebers 
dann  eine  semitische  Sprache  and  betrieb  aeben  den  antiken  Sprachen  anch 
Eagliseh  nnd  Italienlsdi,  Alterthamsicnnde  nnd  Geschichte.  Das  war  am  Ende 
der  öOer  Jahre.  Zum  Glück  war  w  von  Hans  ans  wolhabend,  und  in  Berlin 
standen  ihm  viele  Sammlungen  ägyptischer  Alterthfimer  offen,  bei  denen  ihm 
auch  Briigsch  zur  Seite  stand.  Berlin  war  eben  eine  geistige  Hanptstadt, 
bevor  es  die  i>olitiische  de.s  Dentschen  Heiehes  wurde.  Seine  Pietflt  für  Lepsiiis 
hat  den  Schüler  Ebers  auch  veraulastit,  ihm  ein  biographisches  Denkuiai  setzen. 

Im  Bade  Wlldbad  im  Sehwabealaiide  begann  Eben  1861  seinen  enteil 
fiemaa:  „Eine  Igjrptisehe  Kflnigstoehter.'' 

Damit  schließt  der  DichttT-Gdehrte  seine  aar  etwas  zu  umfangreich  ans- 
ccfallene  Jugendert'schielite.  Der  2.  Theil  wird  die  Zeit  seiner  weiten  "Wan- 
derungen enthalten,  und  dabei  möge  der  Verfasser  bedenken,  dass  wir  aaok 
nocii  anderes  zu  lesen  haben. 


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Padago^^isehe  liundschau. 

Österreich.   Wie  in  diesen  Blättern  bereite  vor  längerer  Zeit  conatatirt 
wurde,  zeigen  sich  in  Österreich  die  heilsamen  Wirkungen  der  seit  1869  in 
Krdft  stehenden  Nenschnle  u.  a.  auch  in  der  Abnahme  strafbarer  Hand- 
I    Ungen,   besonders  von  Seiten  jüns'erer  Personen.    Diese  Tliatsache  kam 
;    neulich  auch  im  österreichischen  Keichsrathe  zur  Sprache,  iudeiu  gelegentlich 
'  d«r  Budgetdebatte  liel  den  CapttelA  SdudTerwaltiuig  und  Beditsptiege  statistisch 
'   ftftiseeteUt  wurde,  data  seit  1882,  In  wetehem  Jahre  die  Zahl  der  gerichtlich 
,   yenirthellteniioeh82098  betmg,  bis  zom  Jahre  1891,  aas  welchem  die  letaten 
Erhebungen  Torliegen,  ein  stetiges  Sinken  dieser  Zahl  bis  auf  28435  statt- 
gefunden hat.  ob^Ieicli  in  diesem  Zeitranme  die  Gesammtbevölkerung  um  1*8 
Millionen  zugenommen  iiat.    Da  nun  im  letzten  Jahrzehnt  die  Antriebe  y.n 
übftlthaten  im  all{j:emeinen  sich  eher  gesteigert  als  vermindert  haben  —  man 
denke  z.  B.  an  den  immer  weiter  um  sich  greifenden  Pauperismus  —  so  darf 
der  erwähnte  gflnitlge  Brfidg  nitBeeht  der  sitUgenden  Kraft  der  Volksschule 
mgesohrieben  werden.   Allen  Feinden  derselben,  besonders  der  clericalen 
Partei,  hat  aber  jenes  zUEsmilBige  Beenltat  grofie  Verlegenheit  bereitet»  da  es 
mit  ibren  tftgUchen  Lästerungen  gegen  die  „g^ottlose"  Xeusebole  nicht  stimmen 
will;  und  nun  mf^chten  sie  *ern  „andere"  Ursachen  desselben  entdecken.  Bis 
jetzt  hat  ihnen  dies  nicht  ^j:liioken  wollen;  mit  ihrer  notorischen  Virtuositflt  in 
der  Coiififructiou  von  Ausreden  und  Geschichts.  orrecturfn  werden  sie  jedoch 
—  wenn  auch  unter  saurem  Schweiü  —  hoffentlich  schließlich  noch  reussiien, 
um  die  Welt  mit  neuen  Proben  ihres  Scharfsinnes  zu  bereichern.  Jedenfalls 
slier  iribre  ihnen  eine  Zunahme  der  Verbrechen  gelegener  gekommen. 


Die  ethische  Bewegung  in  Magdeburg.*)  Nachdem  im  Torigen  Jahre 
•^ie  ethische  Bewegung  in  Berlin  festen  Fuß  gefasst  hatte,  fand  sie  gegen  Ende 
desselben  Jahres  auch  in  der  Provinzialstadt  Magdeburg  Eingang.  Um  diese 
Zeit  traten  hier  die  Männer,  die  an  den  l^erliner  Yerhandlnn^en  lebendigen 
Äntheil  genommen  hatten,  zur  Gründung  einer  üesellschalL  zusaiumen  und 
beraumten  zum  Zwecke  der  Verbreitung  ihrer  Grundsätze  auf  den  29.  Januar  d.  J. 
ehieSflbntUcheVersammlnngan.  Herr  Oeheimrath  Professor  Dr.  FOrster, 
der  in  Berlin  diese  Bewegung  hanptsftohiich  Ins  Leben  gemfen  hat,  zeigte  In 
einem  Vortrage  „Über  die  Nothwendigkeit  freier  Vereinigungen  znr 

j  tänterung  der  Erziehung  und  des  Lebens",  inwiefern  sich  im  Laufe 
der  Cultnrf'ntwickluiic:  Missstflnde  auf  dem  Gebiete  der  Erzielinn?  und  des 

■     Löbens  c;ebildet  haben,  und  in  wiefern  das  Zusammenwirken  freier  Vereinigungen 

j     mt  Beseitigung  derselben  nothwendig  seL 

I 

:  •)  V^  das  Tscige  Heft  dieser  BiAtter  a  816  ft  D.  B. 

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—   390  — 


Der  Vorsitzende  Herr  Dr.  Winter  betonte  in  seiner  B.^fn Ußnngsrede, 
das»  ein  Zag  tiefer  Verstimmung  durch  unsere  Zeit  gehe.  Die  zaiilreidie  Za- 
bOrerBchafi  liefere  den  Beweis,  dan  jedear  den  Diuek  der  Zeifcverhiltoine 
empfinde  nndAnfUSmsg  IHier  die  Uttel  snr  AbbiliiB  melie.  Behnlli  Darlegung 
den  Programms  ertheilte  er  dem  Festredner  Herrn  Geheimratb  ProC  Dr.  VMUst  . 
das  Wort,  w«»l(her  im  wesentlichen  folgende  Gedanken  angftihrte. 

Noch  zu  Anfaiifr  iinsors  Jahrhunderts  lagen  VerkeJirsmittel  und  Wissen- 
scliai'ten  in  iliren  Kinderächuhen.  Die  nächsten  Jalirzehnte  brachten  einen 
schnellen  und  gewaltigen  Aufechwung  auf  allen  GeUeten  des  Wissens  and 
KSnnena.  So  eeitigten  s.  B.  dieNatorwisseoseliaften  In  den  lotsten  dnüiandert 
Jahren  «mte  Besnltate»  nachdem  das  Knechtsverliiltnis  zwischen  ihr  und  der 
Theologie  gelSst  war,  und  ihr  durch  die  Forschungen  selbstständiger  Männer 
eigene  Bahnen  gewiesen  wnrd»M!  Kin  Anfsfbwntis-  besonders  auf  techno- 
logischrni  Gebiete  nalmi  zu  ilerMeibj-n  Zeit  seinen  Lauf  von  England  üher 
Frankreich  nach  Nordamerika;  die  von  dort  aus  auf  Deutschland  übertragene 
Eftckwirknng  fand  Uer  einen  yttnstigeD  Boden  «nr  Fortentwicklung.  Günstige 
ZeltverhMtnisae  im  verjflngtenDenteelilnnd  beachlennlgten  dienen  Lelienspiooesi, 
der  eine  Urogestaltnng  des  wirtschaftlichen  Lebens  zur  Folge  hatte.  Durch 
eine  intensive  Steigerung-  des  Handels  und  Verkehrs  nalinien  diese  das  Gepräge 
einer  Weltwirtschaft  an.  Werner  von  Siemens  nennt  das  ganze  Zeitalter,  in- 
dem er  es  ursächlich  be/eiclmet,  das  uaturwisseuschaflliche.  Die  Mehrung 
der  Güter  und  die  Erfolge  anf  den  Gebieten  der  Wissenschaft  nnd  Tedudk 
liftben  jedoch  der  MenscUieit  nloht  das  gesnebte  Glück  gebradit;  sie  wurden 
vielmehr  die  Motive  eines  sittlichen  Niederganges.  Namentlich  bei  den  Gebil- 
deten, den  Denkenden  im  Volke,  ist  der  alte  Bibelglaube  immer  mehr  abge- 
blasst.  Di''  in  England  von  Thomas  Carlyle  angeregte  Bestrebung  sittlicher 
Besserung,  die  auch  bei  uns  Naciuihmong  fand,  ging  leider  gleichzeitig  mit  den 
letzten  großen  Kiiegen  verloren. 

Zwar  schien  eine  Vetbrüdening  der  Ifenachhelt  durch  die  Entwicklung 
der  Eisenbahn,  Tdegraphle  und  anderer  grofien  Erfiitdungen  der  Gegenwart 
gesichert,  weil  die  dadurch  geschaffene  räumliche  Verbindung  der  Völker  auch 
auf  eine  sittliclu^  Besserung  schließen  ließ.  Allein  der  Welthandel  brachte 
Übelstände  mit  sich,  welche  die  Solidarität  der  Menschheit  zum  Stehen  und 
die  sittliche  Basis  der  Völker  ins  Schwanken  brachte.  Der  Welthandel,  wie 
er  durdi  Fortentwicklung  der  Schiffahrt  and  des  Maschinenbaaes  die  VSlkar 
nfther  aneinander  rückte,  brachte  diesen  mehr  als  je  ihre  nnüoonle  Zugehörig* 
keit  znm  Bewnsstsein  und  fährte  auf  wirtschaftlichem  Gebiete  za  einer  starren 
Form  eines  ökonomischen  Nationalismus,  wodurch  sich  der  Blick  für  das  Ganze 
verschleierte.  Die  Verfolgung  von  Sonderinteressen  steigt^rte  sich  bis  sunt 
Egoismus,  welcher  das  chaiakteristieche  Merkmal  der  Zeit  wurde. 

Uuäer  Zeitalter  gleicht  einer  Tragödie.  Wie  dort  kleine  Ursachen  darch 
die  Wucht  der  Yerbültnlsse  gewaltige  nnd  nnheilYolle  Wirkungen  snr  Folge 
haben,  so  sind  die  bestehenden  ÜbdstSnde  anf  den  Gebieten  der  Erziehnng 
und  des  Lebens  weniger  darch  die  Schuld  der  Menschen,  als  durch  die  treibende 
Kraft  der  großen  Forschnngen  nnd  Erfindungen  der  letzten  Zeit  herbeigetubi  t. 
Darum  kann  der  gewaltige  Cuiturkampf  keineswegs  gegen  Personen,  moss 
vielmehr  gegen  die  Ursachen  der  socialen  Übel  gerichtet  werden. 

Nordamerika  wurde  seiner  günstigen  Lage  nnd  reichen  Bodeneraengnlsss 


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—   891  — 


wegen  der  Herd  des  rittiicben  Niederganges.   Da  doi-t  das  Eisenbahnwesen  in 
den  Händen  weniger  Krösnsise  rulit,  ^vnr(le  dort  eine  Preisbewepmng  geschaffen, 
(Y\e  Willkur,  Wncher  und  Betrug^  im  Cielbl^e  hatte.    Pnrch  den  Welthandel 
lüusste  uiiBer  Vaterland  in  Mitleidenschaft  ^ezof^en  werden. 
I  Ans  dieser  Schilderung  der  s(»eialeu  Übelätände  kianite  mau  den  Sclilui»ä 

liehen,  da«  die  gaaee  Mamchheii  in  irfttlieher  Beiiahung  rückwSrts  gegangen 
Mi  Die  M^pilUgen  SanmliiDgak  Iftr  Vcnnglttekte  and  NefeUeideode  der 
I  IfliEten  Zeit  aber  bewflieen  im  Gegentheü,  daai  die  Mensehen  im  allgemeinen 
j  bereitwilliger  in  der  Erstattung  von  Liebesgaben  geworden  sind.  Gleichwol 
j  lässt  sich  dennoch  ein  Znrückhleiben  des  sittlichen  Aufschwang» 
I  im  Volke  hinter  seiner  socialen  Fortentwicklung  fon statiren. 
j  In  früheren  patriarchaliselien  Znst-Ünden .   wo  die  AI  tauschen   auf  einer 

lieferen  cuitorstafe  standen,  fehUeu  die  Bediugtaigen,  welche  die  bestehenden 
tW  Im  ge§eBachaftHcton  Leben  In  dam  ünfiange  der  Jetataelt  eraolielnen 
lassen  konnten.  In  dieeenZnstinden  war  eine  gegenaeHigeHarmoniairang  der 
lenachen  leiobter  mSgUdi  ala  jetet.  lalblge  dea  penBnlieli  niederen  Biltoga* 
grades  blieben  außerdem  die  meisten  Fehler  der  ^Menschen  unbemerkt.  Das 
AhhXn^^igkeitsverhältnis  der  Menschen  voneinander  aber,  wie  es  in  der  Jetzt- 
zeit ansgreprä^t  ist,  lässt  die  persönli*  hrn  Sünden  sch-lrfer  liervortreten  and 
Uüteizieht  sie  einer  bitt^rn  Kritik.  Das  gesciiielit  besonders  durch  die  Presse. 
Manche  Thorheit  der  Mensche,  in  crasser  Form  dargestellt,  liudet  durch  die 
fegen wftrtige  Fteaae  eine  admelle  Verbreitung,  überreiat  dadurch  den  gerade 
lir  daa  AnllUIende  empflagUeken  Oiganiamna  dea  Menaeben  nnd  erweekt  m> 
h  Uun  dieNeigongi  aneh  die  Brietniine  deaTftgea  in  verSnderterFona  weiter* 
ZDverbreiten.  Dodk  in  der  Menschen  Brust  lebt  das  Mitleid.  Wie  die  Kirchen 
durch  Anknüpfung  an  diese  edelste  Regung  der  Seele  ihre  Siege  feierten,  so 
erkennt  auch  die  ethigche  Gesellschaft  in  ihm  ein  Hanptmittel,  das  zur  Ver- 
wirklichung ihrer  Ideen  liihren  soll.  In  gewissen  Kjeisen  hat  sich  eine  ganz 
lal&che  Meinung  über  den  Zweck  der  Vereinigung  gebildet.  Wenn 
man  sie  z.  B.  als  „Ang8t|>roduct''  bezeichnet  hat,  so  ist  das  nor  auf  eine  Ver- 
kaananiT  dar  beben  Ideale,  die  de  verfolgt,  aurlleksaffUiraa.  Damm  aetit  aie 
lieber  die  Inaebrift  »Bond  der  Helfenden**  anf  ihre  Fabne,  «m  damit  ibre 
ergänzende  Wirteakeity  die  aie  neben  andern  EniebnngaftMstoren  anaftben 
will,  zu  bezeichnen. 

Für  die  sittliche  Besserung  des  mnteB  Volkes  nimmt  die  ^ethische  Ge- 
sellschaft" die  Hauptaufgabe  für  sich  in  Anspruch,  wiihrend  sie  dabei  auf  »  ine 
kräftige  ünterstütznns^  seitens  der  Begierung,  der  Kirrlip  und  Schule  hofft. 
Za  die»«iu  Zwecke  will  sie  alle  Altersclasseu  der  Bevölkerung  in  den  Bereich 
ftier  WtxkmaMIk  lieheo.  Die  motnUiehe  Beeeemng  der  Jugend  bildet  daa 
^nAmmt  derVereinignng.  Letatere  lat  beatrebt,  dieGmndaltM  der  neneren 
P&dagogik,  die  anf  allen  Gebieten  bereite  aeblagende  Erfolge  erzielt  haben, 
auch  auf  diesen  Unterrichtszweig  anzuwenden.    Eine  rechte  pflyebologische 
!      Folge  im  Lehrj^ang  soll  in  der  Weise  beobachtet  werden ,  dasts  man  zunächst 
sinen  sittlichen  Anschauunt^sunterricht  ertheilt,  ehe  man  viir  Kntwi^klung:  sitt- 
licher Begiiffe  überf'eht.  dass  man  behufs  der  sittliclie«  Ajischauun^'  i  ns  reiche 
Haterial  der  Fabeln,  der  Mythologie,  der  biblischen,  dei'  indischen  Lrza.iiluugeu 
Mei  liebte  nnd  ordne,  daea  man  niebt  den  kindlieben  Gelat  ndt  Lebrefttaen 
Warte,  fttr  die  daa  Kind  neeb  keta  Yeratlndnia  bat,  aoodem  mit  deqjeaigen 


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—  392  — 


sittlich PTi  Vorstellungen  den  Anfang;  mache,  die  innerhalb  des  kindlichen  Er- 
fahrnngBkreises  liegten;  ditös  man  bei  der  Entwicklung^  der  sittlichen  Begrififo 
nicht  auf  den  Abweg  gerathe,  eine  metl^lll7■f•6he  Begründong  zu  Tmuta, 
foodeni  an  der  HaaA  «mereter  Fülle  nadi  aokntlnlier  Weise  gewIisB  all- 
gemeine Kegeln  entwickele,  Ja  dmen  die  mennliliolM  BrUihrmg  hinsichtlich 
sittlicher  Dinge  sich  soznsagen  verdichtet  hat.    Ferner  hJllt  es  die  Gesell« 
schaff  für  rathsam.    'la««   nmTi    di^   '~^i>r(Khwe(chpit   zn    ITilfe    nehme,  um 
gewisse  Cardinalpuiikie  der  Mural  dem  üedächtnifisf  em/.upnlgen,  dass  raau 
eine  Auswahl  von  Bi(^rapbien  edler  Männer  and  Frauen  der  Jugeud  vorti-age, 
am  ihr  littliclies  Urthell  so  tdilifinif  nn  ite  ducdi  leodttoide  Beiqifele  snr 
Naehahmniiir  MEOftveni,  endUdi  den  man  gewtae  menliiehe  Beden«  wie  dl« 
Bede  dea  Sokniaa  vor  aelnen  Richtern,  aaagewählte  Stücke  ans  der  Berg- 
predigt, aus  den  Reden  des  Tesaias  n.  :l.  answendi^f  lernen  lasse ,  damit  dnreh 
das  ausgesprorhene  Wort  der  (ieist  jener  vortrell liehen  Reden  in  die  Jugend- 
lieben Gemüther  einziehe.  So  soll  durch  diesen  Unterricht  neben  der  Pflege 
der  TaterlandsHebe  Einticht  in  die  Pflichten  verschaflt  werden,  die  dna  Kind 
gegen  elnaelneMenaehen  vnd  die  geaammteMenacbheit  m  Uta  hat  Tu  Beriin 
soll  dies^  Winter  nech  eine  Sehlde  ina  lieben  gerufen  werden,  die  nach  dleaen 
ethischen  Fordernngren  einen  Jugendunterricht  praktisch  durchznfülirpn  ver- 
sucht.   Da  ein  Veretllndnis  ethischer  Wahrheiten  nn  die  Form  der  Mutter- 
sprache gebunden  ist,  so  hat  sich  die  Gesellschaft  ferner  die  AiifK'abe  gestellt, 
ethische  Schriften  fremder  Völker  in  die  deutsche  Muttersprache  zu  äbertrageu 
nnd  »  eine  ethiache  Onltnrapraebe  m,  aehaifen.  Ala  Hanptmittel  aoUea 
Vortrag  nnd  Diaenaaton  unmittelbar  anf  die  Glieder  der  GeseUsehaft  ein* 
wirken,  während  ethische  Schriften  neues  Leben  in  ganze  Volksschichten  tragen 
sollen.   Als  neues  Lehrfach  soll  an  h?5heren  Schulen  neben  Philosophie  nnd 
Logik  die  Ethik  betrieben  werden.    Ferner  sncht  die  Gesellschaft  Schule 
und  Haus  näher  aneinander  zu  rücken,  um  dadui-ch  ein  haimonisches  Znsammes- 
wirken dieser  Endehnngaanatalten  sn  ermSgUcheiL  Dnroh  Befitnflnwwiwg  aettsna 
der  eüiiacben  Vereinignmr  soll  Mck  die  Preaae  an  ibrem  Theile  nir  Vep> 
•  dt  liing  der  .Alenschheit  beitragen,  indem  ale  Ihre  LeserkreiM  mit  den  Zielen, 
Mitteln  nnd  Erfolg'en  derselben  bekannt  macht  nnd  sich  selbst  der  ffr5ßten 
Wahrheitstreue  betleißio^t.    Auf  'ltf>«f»m  f;:ekennzeichneten  Wege  hofft  die  Gte- 
sellschaft  auch  au  der  Lösung  der  socialen  Fragte  mitzuwirken. 

Die  Ansfühmngen  des  Redners  wurden  mit  großem  Beifalle  aufgenommen, 
woranf  der  VoraHoende  dk  Debatte  einleitete.  In  dondben  -wnrde  naebebi- 
ander  die  Stellung  der  ethischen  Gesellscbaft  gegenüber  den  aoelali- 
stischenBestrebnngen  der  Neuzeit  nnd  den  bestehenden  Erziehungs- 
anstalten der  Menschheit  als  Kirche  und  Schule  des  näheren  belenchtet. 
Keinesweg-s  wolle  die  Gesellschaft  ethischer  Cultur  sich  derl.ösunjc  der  socialen 
Frage  verschließen:  sie  sei  bem&ht,  nach  dieser  Seite  hin  sowol  eiue  ergäuzende 
ala  berichtigende  .Thätigkeit  ananttben.  Dnreh  ebe  gidchmftfiige  eUUache 
Bildnng  der  gannen  HeoaeUielt  hofft  ale  die  einaktigen  Beatrebongen  der  nie* 
deren  Volkadaaaen  sn  beseitigen  und  durch  eine  sittliche  Erneuerung  aller 
MenRchen  auch  einen  friedlichen  Ausgleich  der  T'arteicn  herbeizuführen.  HeiT 
Dr.  Habrowsky,  der  Hauptvertreter  des  Muttervereines  zu  l^erlin.  prab  darauf 
praktische  Gesichtspunkte  für  die  Einrichtung  ethischer  Vereini- 
gungen, indem  er  die  Institution  der  Berliner  AbtheUnng  darlegte.  Dieselbe 


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—   393  — 


zählt  bereits  eiue  Mitgliederschaft  vou  über  8(X)  Personell,  die  zweckmäßig  in 
vier  Gruppen  gebracht  sind:  1.  für  Jugenderziehung,  2.  für  sittliche 
BiiUuug,  o.  die  literarisch^,  4.  die  sociale  Gruppe.  Die  Abtheilung  für 
littliebe  BOdang  hat  fOrVerlir^taBg  litllioli  büdander  Sehiifken  zu  sorgen,  in- 
dem aie  ileli  bemftbt,  die  etbieohfiii  Werke  aller  VSIker  n  aanineliL,  zu  llbca^ 
Mtaen  und  nü  erkUniidenSrliiitariingen  jsn  vereelieii.  Die  Uterailecbe  Gruppe 
irird  sich  am  die  Sch&lEe  ftr  Kunst  und  Wisseiiaehaft  m  kUmaierE  bata,  nn 
diese  dnrch  Beschreibung  und  geeignete  Apparate  den  ärmeren  Volksclassen  zu- 
gänglich zu  machen.  Die  sociale  Gruppe  wird  sich  eines  Rechtsuiitenichtes 
der  Laieu  und  der  Aufstellung  von  statistischem  Material  annehmen.  Daraul* 
kenuzeichuele  Uerr  Dr.  Felsch  den  Ötaudpunkt  dci»  Vereins  zurRchnle. 
Zwar  sei  eine  im  Sinne  der  Gesellscbaft  sich  vollziehende  Umgestaltung  der 
Schale  ein  Waik  der  Zukniift.  Gleiehwol  hUt  er  in  jetaigcn  VerhUtniasen 
daa  atirkare  BeCenang  atbiaehar  H eaieDta  in  den  bestterUehen  Fftehem  daa 
Schulunterrichts  für  i^Miuo  nothwendig  als  mOglich.  Der  Verein  ethischer 
Cnltur  stehe  ir.it  der  neueren  Psychologie  darin  auf  gleichem  Fuße,  das^  beide 
den  Gipfelpunkt  aller  Erziehung  in  der  Erzeugung  sittlicher  Charakterstärke 
erkennen.  Der  Religionsunterricht,  der  in  erster  Linie  zur  Erreichung  dieses 
Zieles  beitrilgt,  kauue  sich  darum  keineswegs  mit  der  Erfassung  des  AV«rt- 
lautes  von  Sprüchen,  Liedern,  biblischen  Geschichten  und  Dogmen  zufrieden 
^ben,  niaee  vlebaahr  aain  Abaehan  dan«f  ziehten,  reUgiöee  Stalb  svr  Elar- 
ttailnnir  attfeUchar  Verhältnlnaa  za  benatzen«  So  kfianen  die  Ideen  dar  inneren 
Freiheit,  der  Vollkommenheiti  dea  Hechtes,  des  WolwoUens  und  der  Billigkeit 
den  Maßstab  zur  Gewinnung  sittlieher  Werturtheile  abgeben.  Derselbe  Redner 
«entwickelte  darauf  in  wissenschaftlicher  Weise  das  Verhnltnis  des  Vereins 
y.irv  Kirche.  Die  Welttendenz  suche  in  der  Jetztzeit  die  Grundfesten  des 
^jiaubens  zu  erselüittem.  Einem  Menschen,  dem  der  Glaube  v*^rloren  gegangen, 
drohe  die  Geiahr,  iu  Gottlosigkeit  zu  geraUieu.  Wenn  mau  uun  fortfahre,  in 
gewähnter  Weiae  die  aittlieban  Hameate  an  den  Olaaban  aniaknfipfeii,  wenn 
dieser  Terlarai  gegangen  iat,  ao  mHasen  aneh  die  dttUehea  Komeate  verloren 
leben,  nadsreh  eine  sittUch-religiöee  CharakterbildoDg  in  Frage  geatellt  werde. 
Vielmehr  hoffe  die  ethiaebe  Gesellschaft  durch  eine  edle  Sittlichkeit  einen  edlen 
Glauben  zu  erzeugen.  Auch  philosophische  Etliiker  lassen  den  Glauben  an 
Gott  keineswegs  außer  aclit:  so  Ivant:  Die  Vernunft  tülirt  zu  Gott,  und  Her- 
Wt;  Alle  Moraliehre  weist  auf  einen  festen  Punkt  hin,  auf  den  wir  unsere 
Aufmerksamkeit  lenken  müssen.  Je  reiner  die  Ideen  gelehrt  werden,  je  reli- 
giOeer  werde  dämm  das  Volk  sein. 

Von  Hain  Br.  Bahmer  werden  die  anwesenden  Viter  and  Hlltter  anf- 
gdudart,  dam  Vereine  belsaintent  nm  die  Lehren  der  Ethik  in  sieh  aaikn> 
uehmen  und  die  Sehne  derselben  in  die  Helsen  Üirer  Kinder  an  yezpflanaen» 
Mit  dem  Wunsche  des  Vorsitzenden,  dass  es  dem  neogegrfindeten  Vereine  ge- 
liutren  möge,  die  EiziehungsanstaUen ,  Familie.  »Schule,  Staat  und  Kirche  in 
sciüeii  Bund  zu  ziehen,  um  in  dejen  Vereine  das  große  Werk  der  sittlichen 
Meuschenbiidnng  zu  vollenden^  nahmen  die  Verhandlungen  ihren  Abschluss. 


Bre  man.  Der  Breoiiaehe  Freistaat  wird  in  nftdiater  Zeit  eine  Aosnahme* 
stsUaag  einblliteB,  die  fteilleh  wd  nicht  an  den  vielgerfthmten  „berechtigten 
BgenÜiilBiliBhkeltan'*  etnialner  dentseher  Lande  gealhlt  werden  darfte.  Unsere 


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—  394  — 


gMltfCM  LcMT  mögen  abor  im  HlaUSek  anf  Ham  pditiache  Schlagwort  mir 
nicht  furchten,  da«  wir  aa  diaser  fitalle  Ton  wol-  od«  WuShtnUnm  polS- 
tiieheD  Zaständon  reden  wollen;  ea  ist  vlelni^  eine  rein  pldagogische  An- 

geleg-enheit,  die  unsere  Berichterstattniiff  veranlasst;.  Was  Bremen  mit  dem 
1.  April  d.  J.  aufgibt,  ist  die  Sonderbarkeit.  Inss  »eine Kegierung  bislaug  das 
gesanimte  ScLulweseii,  sowol  der  Freien  und  Hausestadt  Bremen  als  der  übrigen 
Hafenstädte  nnd  des  Landgebiets,  ohne  die  Unterstützung  einer  facbmäunisciien 
BefaSrda  Tarwaltete:  sa  Begian  dei  nenen  Schuljahres  irerdan  ainSehalrath 
und  ein  Volkaeehttlinspector  in  Thftttfkilt  tntaa.  Daa  öffentliche  Ana- 
schreiben  dieser  neugeschaffenen  Stellen  hat  es  zuwege  gebracht,  „dranikn  im 
Petehe"  die  Aufmerk?iamkeit  auf  unsere  gute  Stadt  zu  lenken  und  für  ihre 
.Scliulverhältnisse  zu  iuteressiren,  indem  nicht  weniger  als  hundert  mehr  oder 
minder  hervorragende  Schulmanner  aus  allen  Theilen  des  lieben  V^erlandes 
als  Bewerber  anftrateo.  Bei  dieaerGelasenlieit  iat  ana  ia  ]iii?ataa  Zaaolirif^ 
and  Fachbitttein  eine  Bebr  'vanehiedeae  and  vielfiwli  aaf  Ualcemtaia  oder 
iUscher  Anschauung  beruhende  Beurtheüanff  dea  biabevigen  Schulregiments 
und  des  hiesigen  Schnhvesens  überhaupt  entge  gengetreten,  wie  denn  auch  früher 
vom  hiesigen  Lehrerverein  als  Eedner  berufene  auswärtige  Collegen  manchmal 
bedenklich  den  Kupf  geschättelt  habeu,  wenn  sie  hier  von  dem  Mangel  einer 
technischen  Oberleitung  hörten.  Dass  ohne  eine  fachmännieehe  Spitze  in  unseren 
Schulen  das  Höchste  nnd  Beste  geleistet  worden  and  die  Lehrerschaft  in  jeder 
BesiehnDf  aa  Uireni  voHen  Bechte  gelaiigt  sei,  kmnte  man  freiliah  nicht 
gut  glauben  maciien,  aber  es  wäre  anderseits  ebenso  verfehlt,  wollte  man  auf 
Omnd  der  bestehenden  Einrichtungen  auf  t müh  Misere  in  der  hicBi/pn  Schul- 
und  Lehrerwelt  schließen.  Der  zu  Guiisiea  des  Neuen  entschi»  Kampf 
iiat  iiier  am  ürt^  lange  Zeit  die  Gemüther  erregt.  Die  Anhänger  de&  Altea 
■laditMi  fsitand,  dass  nnr  ia  der  ^Fkeiheit'  daa  ScbAne  gadeüte,  nnd  wann 
geneigt,  den  alten  ScbUüDrspmch:  «Nord,  Sttd,  Ost^  West  — Bremen  aOeibeat* 
auch  auf  das  Schulwesen  anzuwenden,  während  im  gegnerischen  Lager  Stimmen 
laut  wurden,  w'elche  die  vermeintliche  Freiheit  in  manchen  Fällen  als  Willk'ir 
der  maßgebenden  Kreise  erfahren  habt  n  wollten.  Eine  persönliche  Stellung- 
nahme in  dem  Streite  der  Meinungen  hier  zum  Austrag  zu  bringen,  liegt  uns 
fbm.  Wir  folgen  vidmehr  der  Aufforderung  des  geschfttisten  Herausgebers 
dieser  Zeitscbfift,  dea  Lesern  an  der  Hand  einer  darebaas  objeetiTea  Dar^ 
steUang  einen  nSheran  Einblick  in  die  Geschichte  der  Entwicklung  oaserea 
Schulwesens  zu  gewähren,  der  ohne  weiteres  zur  Erkenntnis  seiner  Licht-  und 
Schattenseiten  fnliren  wird.  Geschieht  dies  in  der  erwllhnten  besonderen  Ver- 
anlassung, so  koiijiiit  noch  hinzu,  dasB  Bremen,  abseits  von  der  gi-oiU-n  Heer- 
strai^  au  der  Nordwebtecke  des  Vaterlandes  gelegen,  auüer  in  kauimunnischeu 
Kreisen  recht  wenig  belrannt  ist.  Das  gilt  iasbesoadare  aacfa  von  aeiaea 
SdialTeriiiltaissen;  gar  selten  gelangt  dayon  etwas  andieöifaatlicfalceit  Wenn 
deshalb  eine  ausführlichere  Darlegung  am  Platze  sein  dürfte,  so  mag  dieselbe 
zugleich  eine  Grundlage  bieten,  anf  weh}be  wir  ans  bei  weiterer  Beiicfal* 
Erstattung  beziehen  kennen. 

Die  bedeuteudäte  bremische  Scliulanstalt  führt  den  eigensu-tigen  Namen 
Hanptschnle  nnd  besteht  z.  Z.  ans  einem  Gymnasiam  nnd  einer  Handels- 
aohale,  d.  b.  einem  BealgjrnisaaiaDi.  Bis  in  ibier  gegeowSitigan  Gealaltnag 
bat  sie  viele  Wandinngen  erftbreii,  deren  histarisabe  EntwicUaag  ans  aa  den 


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—  3ÖÖ  — 


AnsgaoG^imnkt  der  bremischen  (Teschidite  zuriickflilirt.    Es  uiiterlif^  keinem 
Zweifel,  dattö  mit  der  Gründung  des  Biethuuiä  lirenieu  darcli  Karl  deu  Großeu 
die  Entchtinf  der  Bnaer  DoniicilHilo  tmümmenhangt,  welche  ikh  denk  dem 
BUer  Uirer  Leiter  ball  m  einer  Cnltustttt»  enlen  Banfe«  eatwlekelte  md 
I    aorfiiebe  FlbretenaUuie,  aowle  ^fttin  BMOfe  als  SehUer  «ni  Lehnr  iMrbei- 
aog;   Vf«  weltgeschiekliielien  Namen,  die  mit  dem  Böhme  der  Domschnle 
j     enge  verknüpft  sind,  nennen  wir  Willeliadiis,   den  ersten  bremischen  Bisschof, 
'     Ansgurius.  defi  Apostel  drs  XortlniH,  AdaMaL",  den  g^eistreichen  Berather  Ottos 
j     deä  Großen,  Adam  vnm  Tii  rm.  n,  dm  bertiiimten  nordiischen  Gescliichtsclireiber. 
I     Unter  der  späteren  Leitung  duri  ii  die  Domherren  beguin  ein  Niedergang  der 
!    Sehnle,  der  eich  fortietate,  als  vom  13.  Jahrhundert  an  Bettelmönche,  Dominl- 
mmtf  dert  Ihren  dflmn  SehelaeÜdimiB  tmetirteD,  eo  da«  sor  Zelt  derBelbr- 
!    rnatinn  die  Sehale  gaam  varihUan  war.  Oonfterienelle  Streitigkeiten  traten 
jetat  in  den  Vordergrund  deelniflreMcs.    Neben  dar  Inthcrischen  Lehre  gewann 
in  Bremen,  das  mit  Holland  rege  commercielle  nnd  wissenschaftlirlie  Beziehungen 
nnterhielt,  der  Cah'inismus  inmier  mehr  Boden.    Die  Rcformirten  gründeten 
im  Jahre  1528  eine  öffeutliche  ! uti  inische  Schule,  die  1584  in  ein  (rvranasinm 
1     illustre  verwandelt  und  mit  einem  Tiedagogrium  verbünden  wnrde.    Das  Gym- 
nasium eifreute  sich  eiuM  weiten  Eufes  und  wurde  ein  ZuÜuchtsort  für  ver- 
tMene  mftwirta  SAdnren  aoa  den  Bheiugegenden,  den  Nledeilanden  und 
der  SehwaiK.   Ton  Seiton  deaDooMa  aber,  der  anter  der  beeonderan  ProteotieD 
der  schwedischen  nnd  qpitar  der  hannoverschen  Herrschaft  stand,  wurde  Im 
Jahre  1681  das  Athenäum  errichtet,  nachdem  schon  seit  Wiederbeginn  des 
Intherischen  Gottesdienstes  im  Dom  (1088)  eine  neue  Domschule  bestanden 
hatfp.  die  auch  fernerhin  als  deutscht'  Domschule  neben  dem  At1ieti;nnn  tort- 
btstitüd.    Nachdem  en<llifli  zu  Anfang'  des  19.  Jahrhanderts  der  ])oiii  und  die 
Douischttle  au  den  Siaai  db^rgegaugeo  wiyen,  >vurdeu  im  Jahie  1817  daä 
Qjranaalnm  illustre  und  daa  Athenftnm  mit  ihren  Nebenachiüea  en  einer  ein- 
rigen  «roten  Sdralaaatalt,  der  Haapteehnle^  Terelnigt.  Dieaelbe  gliederte  «ich 
in  eme  Gelehrtemchnle  (lelt  1857  Gymnasium  genannt),  eine  Handelsschule 
(seit  1B78  naok  dem  Muster  der  preußischen  Realgymnasien  eingerichtet)  und 
eine  gemeinsame  Vorschule,  dir  erst  vor  einigen  Jahren  aufgehoben  wurde. 
Aus  iliT  »^r  Entstflinn?  erklärt  sich,  dass  die  Haujitschult-  ein  bedeutendes  eigrenes 
Vermögen  an  liegenden  (xründen  und  Gefällen  licsitzt.    Aus  dem  ofticiellen 
Berichte  über  das  Schuljahr  1891/Ü2  erfahieu  wir  übei'  den  gegenwärtigen 
Vermögensbestand,  daas  derselbe  an  belegten  Capitalien,  Kenten  etc.  fiber 
IVs  XfiliMMB  Maik,  uk  famerom  Blgenthnm  (Sehvlgebftadei,  Mobiliar,  Biblio- 
thek etc.]  ea.  1^/«  Iffllionan  lEark,  ansammen  ca.  3  Millionen  Mark  aufweist 
Der  StaatSEUsehuBs  betrug  im  letzten  Bedbnungsjaliio  fiir  das  Oymnasiim  mit 
()98  Schülern  und  die  Handelsschule  mit  829  Scbülem,  also  zusammen  ftr 
reichlieh  UKK)  Schüler  ca.  2:')5  0(K)  Mark. 

Die  älteste  Volksschule  ]'>remens  war  ein  Anhäug^sel  der  vorgenannten 
BoQischale,  also  gewissermaüeu  auch  eine  Schöpfung  des  Carolas  magnns.  Da- 
hel  ist  aber  zu  bemerken,  dass  sie  wol  kaum  den  Namen  einer  eigentlichen 
Tolkmbnle,  deren  Begriff  Ja  dem  gannen  Mittelalter  fremd  war,  rerdiente  nnd 
von  der  Doiaacbn]«  dermafien  in  den  Sebatten  gestellt  wnrde,  dass  Jede  weitere 
i^otiz  von  ihr  fehlt.  Wie  fibcnll,  so  warm  aucli  hier  alle  vorreformatorischen 
Sdialan  geistUebeStiftangen,  entweder  dnrch  Klöster  und  bei  einzelnen  Kirchen 


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—   396  — 


erriditet  und  in  beideo  FäUen  vom  Qeriu  T^waltet  Erat  die  Bekmaiim- 
Mlt  sebvf  Wndel;  «i  Stelle  der  CapÜeliclivUD  entetante  Kirehipieli« 
schulen»  Aber  'velobe  (rieb  der  Staat  awar  die  Otoanftidit  TOfbehiilti  Im 
übrigen  aber  das  AniUehtsrecht  dea  einzelnen  Eiiclien,  am  dena  Fiadi  ndi 

die  meisten  SchnlkoBten  beetritten  wurden^  filtei  ti  u?,  ßo  dass  von  einer  ein- 
heitlichen Organisation  keine  Rede  war.  Gogenüber  den  Kirchspiplfjschtileii 
wurde  einer  Menge  Privat-  nnd  Nebeuschiilen  'Kliyip-,  Heckschulen  freier 
Spielraum  gewfihrt,  bis  die  Klagen  der  Gemeindete  hu üehrer,  besonders  iiba 
die  „Frauenfidmlen",  eine  Beschränkung  der  Unterricbtsfreiheit  h^beiföhrten. 
In  AnAuige  des  IS.  Jabrlnnderteeeliritt  maii  mrOrOodungvoiiFreiaeliaUtt, 
d.  h.  iuientseltlielM&  YelkaMholeii  (AnDeoacliiilai)  vad  gegen  Ende  du  1& 
und  im  Anlage  dee  19.  JaloliBBderte  trat  eadUeb  auf  Omd  geietzll<  hei 
Bestimmungen  eine  allgemeine  Hebung  der  sogenannten  niederen  Schulen 
nachdem  eine  Def^titation  die  Revision  der  damals  bestehenden  75  Schulen  mit 
41<X)  Kindern  untt^r  24  Lehrern  und  51  Lehrerinnen  vorgenommen  hatk, 
Benierkeob wert  ist,  d:iss  der  Schnlzwan^.  in  Treulien  schon  1741  eingeföhri, 
liier  erst  seit  1844  belluug  erhielt,  weil  man  bis  dahin  einen  unleidlidus 
EingiüT  in  die  DisposltioBsreehte  der  Eltern  datin  criiUekte.  Eine  •treageDuck- 
llllurang  dettelbea  aeitene  der  „SchnlpAeger"  lieft  aber  ancli  Jetat  neeh,  da  ciM 
einheitliche  Leitung  fehlte,  auf  sich  warten.  Ber  P^talozzianer  Ewald  klagt 
im  Jahre  1800:  „Die  meieteB  Schulen  stehen  unter  keiner  Aufsieht,  oder  es 
ist  so  gut  wie  keine  Aufsicht;  ja  d*»r  Manp-el  einer  fr(.')wr\v  orjranisirten  and 
autorisirten  Schnlinspection  imd  Selm] Visitation  ist  ein  einer  gründlichen  Schul- 
reform eiitireg-eFist<')K Muiei»  iluidtriiis."  Die  niederen  Schulen  wurden  dami 
dreierlei  Behörden  uiaa-btelli:  dem  Scliolarchat,  der  Gemeinde  und  deu  geist- 
Uehea  laepeetoieD.  Zn  einer  Einheit  aber  waren  ale  nielit  veitanden,  weAelb 
gemelnwaney  daa  geeainvte  Sebalweeen  betieAande  Qeaetae  eder  AnerdnaBgai 
fiuit  gar  nidit  Toriianden  waren  and  seilet  die  gleidiaitigen  Sefanlen  keiaerki 
ConformitUt  aufwiesen.  Das  Scholarchat  beatand  ana  neon  Senatoren:  aiebai 
Juristen  und  zwei  Kauflenten;  ein  Pöd;»2:o2:e  war  nicht  unter  ihnen.  Pif 
Revolutionsstürme  des  Jalires  1848/49  tiihn^n  zu  weiteren  Reorganisationt- 
plllnen,  die  einen  merklichen  Anfsrhwunp  des  Volksschuhvesens.  n.  a.  auch  1853 
die  obligatorische  Einführung  von  Lcbrei  pi  ütungeu,  zur  Folge  hatten.  Vom 
Jahre  1848  datirt  anch  die  Gründung  der  „Cooferenz  Bremischer  VoUoMhe^ 
lehrer".  Nachden  aehon  1846  die  Fordentng  aailiieatellt  worden  war,  im 
die  SeholbehOrde  zum  Theil  am  pidagogiach  gehUdeten  MlBneni  beitekea 
mOne,  wurde  184S  40  die  Sehnlyerwaltung  einer  Deputation  überwiesen,  ik 
einem  ständi^M  ii  Ausschusse  aus  Senat  und  Bürgerschaft  (d.  h.  den  aus  Classen- 
wahlen  hervorg-eganfsfenen  Vertretern  des  Stadt-  und  Landpebicts)  -  -  eiiu  Eiü- 
richtung,  welche  bi.s  heute  /.u  ]<vv\it  be«t<.'ht  und  auch  tür  die  Zukuuli  bei- 
behalten werden  soll.  Nacli  dcu  jetzigen  Bestimiauiigeu  setzt  sich  üit 
Schuldepntation  zusammen  aus  4  Senatoren  (Juristen),  welche  die  «Cooh 
minien  fir  das  TJnterrichtsweien'*  bilden,  fener  aoa  10  BurgeraehaflNiil^ 
gliedern  nnd  4  von  der  Unterriehtaooainiiflaiim  gewIUtea  Lehrern  (danultf 
der  Seminardireetor)  als  berathende,  nidit  stimmbereditigte.  :Mitglieder.  Im 
Deputationsgesetz  heiBt  es:  „Der  Schnldeputation  liegt  im  allgemeinen  di' 
Sorge  für  das  Sclmlwepen  dahin  ob.  dnfjs  sie  auf  alle«,  was  demselben  tV-ider- 
lieh  sein  kann,  ihre  Aufmerksamkeit  zu  richten,  darüber  zu  berathen,  aowie  äit 


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jlir  zur  Förderung  des  Schal wesens  oder  zur  Beseitigung^  etwaiger  Mängel 
aogemesaen  erscheinenden  Maßregeln  zu  beantragen  haf 

BIb  Seniaar  war  1810,  a.  Z.  der  franzMicfaeu  Hemehaft  (wfthraid 
iraldier  dar  Minister  Cavier  hier  aiuih  die  Eirdispielisohaleii  iospidrte)  ans 

FliTatmitteln  errichtet  worden.  Die  Schüler  mnssten  zugleich  als  Hil&lehrer 
an  städtischen  Schulen  thätig  sein.  Obwol  im  Jahre  1819  der  Staat  dieses 
Privatunternehmen  übernommen  hatte,  instc  es  sich  1846  we^en  Manj^^els  an 
Zöglingen  auf.  Zur  Nengrnndiii'ir  eines  .^ominars  kaih  es.  nach  erfolglosen 
Bemühungen,  gemcin-sain  mit  Hamburg-  und  J.iibeck  ein  Seminar  zu  errichten, 
iiu  Jahre  1858,  und  mit  der  iJeruiuug  Lübens  als  Directur  desselbeu  begann 
dae  iwae  Ära  in  BremeDS  Sdralgeeoliiehte. 

Zur  Hebons  VoltaneitBle,  imabeeondere  im  Laadgebiet,  hat  nnbeBtrittea 
A^gnit  Lüben  am  meisten  beigetragen,  wiefBrds^  Eealschnlweflen,  überweldieB 
vir  weiterhin  mehr  hören  werden,  Professor  Dr.  Gräfe. 

Das  Landschulwesen  war  bis  daliin  recht  stiefmütterlich  behandelt 
worden  und  liatte  sich  deshalb  nur  langsam  und  schwer  entwickeln  können. 
Noch  bis  IH-il  bestand  liier,  in  der  Nähe  der  Groüsiadt,  der  „lieihetisch". 
Die  Inspection  übten  zwei  Senatoren  im  Auftrage  dei-  Commission  für  kirch- 
liche and  Scholangeiegenheiten  aus;  die  Prediger  aber  waren  als  „geborene 
Locatechtolinspeetoren*'  die  efgeatUcben  Sehnboioiiardien.  Lüben  wurde  mit 
einer  BeTifllon  des  LaadschnlweseDs  beaaftragt,  and  eine  grllndUebe  Anfbessenuiff 
desselben  ist  sein  Verdienst.  Sein  Bestreben  aber,  in  die  AufsichtFbehörde 
einen  Fachmann  einzufuhrpn,  scheiterte  an  dem  Widerspruche  der  pHiir^j:er- 
schaft",  doch  erfolj^e  schon  im  Anfange  der  60er  Jahre  ein^  IRrböhun^  der 
Lfclirer§^eh?llt€r  und  die  Einsetzung  einer  Deputation  für  die  Landschulun.  Aus 
deoLehiercunterenzeu,  die  Lüben  berief,  um  an  dem  Entwürfe  eines  Lehrplanes 
mltzaarbeiten,  ist  1866  die  noch  jetzt  bestehende  „Conferenz  Bremischer  Land- 
nhoUehrer'*  benrergegangen. 

Lüben  regte  ein  nenes,  frisdiei  Leben  in  der  bremisehen  Lehrenehaft 
an.  Er  yerschaffte  unserem  Schulwesen  Ruf,  so  dass  selbst  FidagOgen  aus 
fernen  LBndem,  Bossland  nnd  Schweden,  liierher  .haoien,  am  es  kennen  au 
lernen. 

Von  den  weiteren  Fortschritten  im  Vulks««luilwesen  bis  zu  den  70er 
Jahren  heben  wir  noch  Folgendes  hervor:  1)S()4  wurde  behnfs  Anstellung  als 
ordentlicher  Lehier  eine  zweite  Prüfung  verlangt,  die  sich  derzeit  durch  hohe 
Aafiiidemngen  besonders  in  Literatur  und  Natoigeschiehto  ausieichnete.  Hit 
Gehaltsaufbesserung  ging  das  Bestreben  Hand  in  Hand,  das  Ayanoement 
der  Lehrer  zu  beschleunigen.  Nachdem  in  den  60«r  Jahren  bestimmt  worden 
war,  dass  möglichst  die  Hftlfte  der  Lehrer  fest  anzustellen  sei,  wurde  1871 
die  Anstellang  als  ordentUefaer  Lehrer  6  Jahre  nach  dem  Abgange  vom  Seminar 
angeordnet. 

Lüben  starb  1873.  Al^  seinen  Nachfolger  wählte  Bremen  den  Snper- 
intendenten  und  Uberpfaiier  in  Eisfeld  Dr.  Credner,  früher  Lchrei*  uud  Con- 
reetor  sn  der  Stoy'schen  Erziehungsanstalt  bk  Jena.  Wfthrend  Mher  das 
SsBiinar  mit  seinen  3  Classen  den  Bedarf  an  Lebrkriften  für  Bremen  eft  nur 
nr  HSlfte  deckte^  sind  jetzt,  nachdem  es  1877  um  swei  Pr&paraadendassen 
erweitert  ist,  Zöglinge  im  ÜbeHtusse  da,  und  es  ist  die  Aufnahme  auf  ntag<'n 
baren  Bremer'*  beschrttnltt  worden.   Bine  Fremdsprache  wird  im  Bremer  Seminar 

PM^soslaB.  lS.J«Iws.  B»H7l,  S7 


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—    398  — 


nicht  gelehrt,  wiewoi  schon  vor  vielen  Jaliren  auf  Bremer  Lehrertagen  die 
Einftbrung  einer  loleheD  beantragt  wurde. 

Die  Mheren  Kirchepidnohnlen.  «Ind  in  den  letzten  Jahrzehnten  üut 

sämmtlich  in  die  Hände  des  Staates  übergegangen,  and  es  besteht  neben  den 
^Froisohnlf  n''  jf  tzt  eiiio  Beibe  entgeitlicher  staatUeher  VolkBeehnleD»  lo- 
genannter  pGeldschulen". 

Die  Staat.sausgabeu  füi'  das  ütädtischc  \'ulksscLulweseu  (ind.  Volksschiü- 
lehrerbibliotliek,  Hilfsschule  fär  schwachsinnige  Kinder,  Franenerwerbsschale, 
eeneeasionirte  MKdeiieiiacliiile,  WaiieiiiiSQeer)  betrogen  1891/92  reicUiek 
758  700 Mark(l 7— 18.000 Schfiler),  für  das  Seminar  (67  Schüler)  ca. 36 000  Ul, 
für  gewerbliche  Schulen  reichlich  20500  Mk.,  tiii  das  Landschulwesen 
ca.  232500  Mk.,  fttr  die  Schalen  in  Bremerh«Ten  20000  Mk^  fttr  VegeMMk 
24000  Mk. 

Der  Begründer  des  Bremer  Realschul weseue  ist,  wie  wir  bereits  er- 
sühnten,  der  gleieb  LBbeo  als  pHdagogiaeber  SofariftefeeUerirolbekaiiBte  Br.  Grillt 
Wol  war  hier  scboii  sn  Anfang  des  Jahriinnderts  eine  Privat-Bttrgerschole 

vorhanden,  aber  sie  hatte  nur  wenige  Jahre  Bestand.  Or<'lf('  setzte  1855  die 
(tründung-  der  altstädtischen  RealBchnlp  ins  Werk,  IHiiM.  V;t!d  nach  dem 
Tode  Gräte's,  einer  preußischen  Kealscliule  2.  Ordnung  gleich  organisirt  wuide. 
Dieselbe  Einrichtung  bei»itzt  eine  1876  gegründete  zw  eite  städtische  Kealschole 
beim  Doventhor,  sowie  die  von  Resrn  C.  W.  Debbe,  einem  Schwiegenohne 
Lftbens,  nett  1864  geleitete  FriTnt-BealMshnle. 

Die  Kosten  der  Staatscasse  für  die  beiden  erstgenannten  Realschulen  nnt 
786  Schülern  beliefen  sich  1891/92  auf  108  275  Mark.  Die  Gesammt- 
gtnjitsnus^aben  fnr  Schulen  erreichten  somit,  die  Hf^he  von  fast  V'„  Millionen 
Mark,  eine  Summe,  für  welche  der  Leiter  einen  iMaßstab  gewinnt,  wenn  wir 
bemerken,  dass  sich  die  Einkommensteuer  iu  Bremeu  auf  pl.  m.  4  MiUioDen 
tiellt. 

Die  bSheren  H&debenecbmlen  koflu&eii  nidit  In  Eedmug,  wdl  de 

sich  sftmmtlich  in  Händen  von  Privaten  befinden.   Zwei  derselben,  die  von 

Janson  nnd  Tvij^penherg,  sind  mit  Tichrerinnensemlnaren  verbunden.  Auch 
die  Vorbereitungsschttlen  für  die  höheren  Knabenschalen  eind  Privat- 
austalten. 

Vor  kniun  4  Jahren  trat  ein  neues  Gesetz  fürdas  Landaehulweaen  In  Kraft, 
daa  beaondera  insofiBni  eine  Verbeeaemng  bedeutet,  all  es  anf  d«r  BOdug 
gittSerer  Oemeindeverbände  bernlit.    Im  ersten  Gesetsentwnrfe  batte  der  Senat 

beantragt,  dass,  wie  bisher,  ein  Prediger  der  gegebene  Vorsitzer  des  Sclinl- 
vorstandes  und  nls  solcher  anch  Tjonalschnlinspectnr  sein  solle.  Thatsilcliiicli 
hatten  aber  die  GeistliLlien  im  letüteu  Jalirzehnt  die  ihnen  überwiesene  Schnl- 
aufsicht  nur  noch  iu  »elu-  mäßigem  Umfange  ausgeübt  und  bei  der  geplanten 
Nenordnnng  auch  wenig  Gelflxte  gezeigt,  yersehSrfte  Pflichten  dieser  Art  n 
üb^ebmen.  Senat  und  BQigenehaft  einigten  sieh  endlich  dabin»  daas  der 
Schulvorstand  seineu  Vorsitzer  zu  Vehlen  liabe.  —  Bei  der  im  vorigen  Jahre 
erfolgten  Neuregulirnng  der  BeamtengehMter  sind  die  LandscbnUehrer  ihren 
stödtisehen  Collegen  tast  gleich  gestellt  worden. 

Iu  der  Stadt  beträgt  jetzt  das  Maximum  der  ordentlichen  Lehrer  au 
Volkssofaiilen  8000  Mark,  das  Gehalt  der  Yorsteher  3500~- 4500  Mark.  WA 
1874  hatten  die  Bremer  Lebrer  keine  Anfbessenuig  eiMireii.  Wenn  die 


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nunmehr  erfolge  Erliöhung-  der  Geli-üter  nicht  alle  En^'artTing"en  orfnllt  hat, 
insofern  gie  thatsäcklicii  hinter  derjenigen  der  übrigen  ntudtischen  Beamten- 
kateg^orien  zurückj^.blieben  ist,  so  mag  das  seinen  Grund,  Vk  enigstens  zum  Theil, 
dazin  gehabt  haben,  dattö  den  Lehrern  eine  ihre  Rechte  verti  etende  fachmäuüiäche 
OlMrimteiu  fehlte»  die  ■tellagMttmuUgemelaettlatereeee  toSdiqle  wOaeeUeiL 
Im  Obrigea  Ist  «unwikeiiiMii,  dai»  in  den  letetea  Jabnehntai  bedenteEde 
Opfer  ftr  die  Hebang  des  Scholwes^My  nldit  «m  wenigsten  des  Volksachnl» 
Wesens,  gebracht  worden  sind.  Viele  neue  stattliche  Schalgebäude  sind  er- 
standen tin  l  duTPhweg  mustergültig  eingerichtet.  Der  Neubau  eines  Seminars 
und  die  Griiudimg  einer  Gfnvprbeschole  "wird  geplant.  — •  Erv.'ii.hnen  wollen  wir 
aach,  dass  steis-erte  Aiiloiderunjren  an  die  T,eiRtniii^>t;i'nmkeit  der  Lelirer 
in  einem  neuen  i'ruiungsgetietz  zum  Auädruciii.  kamen.  steht  jetzt  eine 

In  mi  Seettonen  (für  habere  Sohnlen  nnd  f3r  Volk»-  nnd  Kieüientarschulen) 
getheilte  Prftfaageeommlsston,  in  welohor  ein  Mitglied  der  Senatscommisiion 
flr  dne  Ui&teniebteweeen  den  Vonite  HOirt;  die  eriterdsilidiA  AnEahl  von 
Sualnatorea  ernennt  der  Senat  auf  gutachtlichen  Bericht  der  Schuldepatation 
vorzugsweise  ans  Vorstehern  und  ordentlichen  Lehrern  der  bremischen  ünter- 
rifht<5anstalten  auf  sechs  Jahre.  W-ihrcnrl  früher  ein  zum  Vorsteher  ernaniitrr 
\  yiküschnllehrer  nur  ein  sogeuamites  Cuüoquium  zu  bestehen  hatte,  gelten 
Jetzt  weitgehende  Vorschriften  für  die  Vorsteherprüfung.  Das  ordentliche 
Lehnrexamen  kann  zwei  Jahre  und  muss  fünf  Jahrenach  der  Entlassung  aus 
im  Sevinnr  abgelegt  werden. 

Bndlieh  mSehteo  wir  noeh  nef  eine  Seite  nneerer  UnteE^iebtSTerfiMning 
hinweisen,  die  uns  der  besonderen  Beachtung  wert  erscheint.  Sie  betriflib  die 
Aaseinandersetzung  von  Kirche  und  Schule  in  Sachen  des  Religionsunterrichts. 
VoraT»  sei  FolgpTid*^«  bemerkt:  Die  evangelischen  stadtbremischen  Kirchen- 
geuieinden  besitzen  Prcsbytenal Verfassungen;  adle  wichtigeren  üerueinde- 
beschlüsse  abei"  unterliegen  der  Bestätigung  des  Senats.  Nach  einer  Ver- 
cidnong  von  1860  steht  es  jeder  städtischen  Ffarrgemeiude  frei,  auch  Bewohner 
«inet  anderen  EircbqilelB  ab  lütflieder  anihinehBen,  weshalb  sieh  die  Bürger 
in  grolen  and  gansen  an  der  Gemeinde,  besw.  dem  Geistlichen  halten,  dessen 
Richtung  der  ihrigen  entspricht.  Hervorzuheben  ist  nun,  dass  der  breniiaclie 
Rttiat  in  den  von  ihm  abhängigen  Lehranstalten  keinen  Religionsunter- 
richt verlangt.  Der  Katechismusunterricht.  die  Erklärung  und  Unterweisung 
in  allgemeinen  oder  die  Confessionen  scheidenden  Glaubenslehren,  mithin  aller 
iiogmatische  UnteiriLht  bleibt  den  Predigern  überlassen,  denen  die  Eltern  ihre 
Kkder  zwei  Jahre  vor  der  Coudnoatiun  nach  treier  Wahl  zufuhren.  \'uu 
dtr  Schale  lordert  dar  Staat  nnr  Untenieht  in  der  bihUiehen  Geaehichto  nnd 
Kiidwngeeehiehtai 

Die  mitgetheilten  Ai^rismen  ans  der  GFescUohte  des  bremischen  Schul- 
wesens, für  welche  uns  das  betreffende  Werk  von  Dr.  Bits  .?ieUach  Anhalts- 
punkte bot,  mögen  ihrem  eingangs  erwähnten  Zwecke  genügen.  Allerdings 
lÄt  der  EntwicklnngsgaTiü  f^in  lan^r^'nmrr  [rrwe.sen.  auch  b.nt  c^i  ;\n  l'^rifMl^n  des 
Stillstandes  nicht  gefehlt;  luiiaerlim  im»l  »icli  nicht  verkenut-n,  diinti  der  Wert 
^^tter  tüelitigen  Schulbildung  hier  ächou  frühzeitig  gewürdigt  worden  iät.  Wie 
^^■Bls  es  andi  anders  sein  in  einem  republikanisdien  Staatswesen,  das  seinen 
Blifem  anagedehntere  Freiheiten  nnd  wiohtigere  politische  Beohte  gewahrte 
^  Manhiadie  Staaten,  wie  ktante  eine  grolle  Handehwtadt  ea  anfieraeht 


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1 


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lassen,  dass  die  Pflege  der  geistigen  luteieftbeu  mit  derj^gen  der  materieUea 
Haad  in  Hand  g«lieii  mnnl 

Ab  heDfladrteiide  NaBm  in  anaanr  flclra]g«fdiidite  ImImii  nir  Lta 

und  Gräfe  herTOTgeliobe&.  Die  Gerechtigkeit gebklet,  nachträglich  auch  nod 
»1er  Betty  Gleim  gedenken,  hier  seß:ensTeich  für  Fiauenhildtinp 
und  Mädchenerziehung  gewirkt  hat.  Ferner  wJire  zu  erwähueu,  dass  llerliart 
während  seines  hiesigen  Aufenthalten  bei  dem  Bärgermeister  Smidt  doich  Vor- 
lesungen in  gebildeten  Kreisen  das  pädagogische  Interesse  anregte,  sowie  dass 
in  neuerer  Zeit  die  verstorbenen  brandachen  Sehnlaritaner  Fkotaor  Dr.  H«ta- 
beug,  Professor  Schäfer,  Direolor  Kippenberg  n.  a.  älch  weiteren  finf  enmben. 

Zum  Schlüsse  erübrigt  uns,  ausführlicher  auf  die  Schulinspectionsfrage 
zurückzukommen,  ^^'ir  wiederholen,  dass  die  Verwaltung  der  öffentlichen 
Schulen  von  den  bt  ii  t-lfenden  conimnnalen  Behörden  (in  der  Stadt  vorzugs- 
weise von  der  Schuldeputatiun)  gt-iuiirt  wird,  wälirend  die  Leitung  des  Schnl- 
wesens  nnd  die  BeasMditignng  der  venebiedenen  Sehilanttalten  einer  «u 
Tier  jariatiecli  gebildeten  Senaftoren  beiteiMBden  Goniniinion  obliat;t  Die  B^ 
nennang  der  Lehrer  g-eschieht  vom  Senate,  von  der  ünterricbtaeomnuseion  odff 
▼on  den  betreftenden  Genieindebfirden  unter  Bestäti^nng  jener  Oommission. 

Als  1873  der  Erste  Bremische  Lehrertag  stattfaiid.  war  der  erste  Gegen- 
stand, welcher  zur  Verhandlung  kam:  „Die  Beaufsichtigung  der  bremischen 
Volkaschule^'.  Die  aus  ca.  200  Lehrern  bestehende  Versammlung  erhob  fast 
einvtinimlg  dleFordemng,  daee  das  geeanunte  breuiBelie  Volknduüweflen  eineai 
fachmänniaehen  Inspecter  zu  unterstellen  sei.  Die  Angelefedieit  wurde  andi 
in  der  Bürgerschaft  verhandelt;  i.  J.  1876  ersuchte  diese  den  Senat,  eine  Prü- 
fung der  Frage  hinsichtlieh  df»r  Anstellung  eines  Inspectors  für  das  gesammte 
Schulwesen  m  veranlassen.  Die  Schuldeputation  aber  heantragrte  in  ihreio 
Berichte,  bis  auf  weiteres  von  der  Anstellung  eines  solchen  Beamten  abzusehen, 
da  aidi  udeidHclie  IfiUigel  nnavea  Sehniweeena  nidit  heranngeiteUt  hStti^ 
nnd  wiea  darauf  bin,  dass  in  onBem  kleinen  Gemeinwesen  nnd  engen  Zoaaaunea- 
lebm  die  Inapeetoren  entweder  nachsichtige  Collegen  oder  rücksichtslose  Ver* 
folper  kleinlichf^r  Missstände  werden  könnten.  1884  wtirde  auf  dem  10.  Nord- 
westdeutschen  Lelirertage  von  den  ca.  HtK)  anwesenden  bremischen  Lehieru 
aufs  neue  die  Einsetzung  einer  fachmännischen  Behörde  befürwortei.  Trotzdem 
blieb  es  beim  alten.  Ende  1890  aber  überraschte  der  Senat  die  Bürgerschaft 
dnrch  die  lOttlieilnng,  die  Senateeommislon  für  daa  Unteniditnreaen  bäte 
erkUrt,  das  bremische  Schulw^en  aei  so  nnrfluigreldi  geworden,  daea  die  Lei- 
tung von  den  dieser  Commission  angdiörigen  Senatoren  ohne  die  Hilfe  eines 
ständi^pn  fachmännischen  Beiraths  nicht  mehr  wahrgenommen  werden  könne. 
An  höheren  Lehranstalten  waren  am  1.  April  vorlianden  2i)  mit  24ti 

Classen,  6302  Schülern  und  811  ordentlich  angestellten,  sowie  51  im  Nebeu- 
amt  nnd  an  PrlTatsdialen  th&tigm  Lehrern,  wUmad  die  Zahl  darVolkmetalen 
im  bramiachen  Staate  damals  61  betrag  mit  511  Classen,  26740  Sehilmi 
nnd  581  Lehrern.  Die  Bürgerschaft  lehnte  den  betreffenden  Senatsantrag 
ab,  auch  als  derselbe  sich  zuuiichst  anf  einen  Beamten  tiir  die  Volksschulen 
beschränkte;  als  der. Antrag  aber  im  voiipcn  Jahre  erneuert  wurde,  bewilligte 
sie  die  Anstellaug  zweier  Beamten:  eines  Schulraths  mit  einem  Gelialte  von 
7000  Mark,  steigend  in  drei  Alterszulagen  von  fünf  zu  fünf  Jahren  um  je 
1000  Hark  bis  zu  10000  Hark,  nnd  einet  Seholinspeetecv  mit  einem  Gehalte 


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—  401  — 

ron  5500  Mark,  steinend  in  drei  Alterssulagen  von  je  500  Mark  in  denselben 
ZeitabBchnitten  bis  zu  7000  ^laik,  nebst  ßuhegehaltsberechtig^nnff  für  beide. 
Der  Hanptwortfuhrer  für  die  Bewillifriing  war  Kealschnldirector  C.  W.  Dehbe. 
Eine  Mißdeiheit  glaübte  die  Frage  nach  der  Noth wendigkeit  der  Anstelluog 
fon  Sckalaafiucbtsbeainten  vemeinea  zu  müssen,  da  keinerlei  weneutiiclie 
Mängel  der  bisherigen  Einricbtoog  h«nr<»getretes  leien,  und  dft  dte  Q«fiAr 
Yttriiege,  dass  die  amerem  ganzen  Sdmlwesea  TOtmaetemdea  Beamten  nach 
«BMftigen  Onudilteatt  atfirond  in  die  Sohnlen  elngr^en,  ihre  seUwtitlJidige 
BnUricklnD^  beaimen  and  die  Vorstebsr  (welche  sich  mit  einer  eimdgen  Aae> 
nähme  als  Gegner  der  Neueinrit^litung  erwiesen)  hindern  rauchten,  mit  dem 
bi«heri£^en  Erfol2fe  ihres  Amtes  äu  warten.  Xa<^h  der  W'rfassung  können 
übrigens  dietie  Aufsichtsbeamten  nicht  Vori^esetzte  der  Vorsleher  sein:  f^ie  sind 
eine  Zwi^cheninstaiiz  ohne  obrigkeitliche  Autorität.  Gewählt  sind:  als  Schul- 
rath  der  hiesige  Gymaaöialdirector  Professor  Dr.  Balle,  als  Schalinspector 
SMnarldirar  EOppe  ans  Erftot.  Fftr  den  letstareii  Poeten  hatten  lieli 
W  Bewerber  —  daranter  vier  hiesige  Voreteher  —  geftinden.  Der  k&nftige 
Schalinspector  ist  in  hiesigen  Lehrerkreisrn  unbekannt,  die  Wahl  dea  Sebnl- 
raths  aber  bietet  die  Gewähr,  dass  dem  freiheitlichen  Geiste,  der  im  gniea 
und  g^anzen  unser  Schulwesen  beherrscht,  kein  Abbruch  g^eschehen  wird.  Was 
die  Vulksschallehrer  besonders  erhoffen,  hat  jüngst  der  IJrcnnsche  Lehren^erein 
augznsprechen  Gelegenheit  genommen;  vor  allem  erwarten  sie,  da£S  in  deu 
wenigen  Füllen,  wo  den  breiui^hen  Lehrern  ein  Avaucemeut  geboten  werden 
kann,  er  seinen  ganien  EintDaadahin  geltend  machen  wird,  daaadannin  enter 
Linie  die  pSdagtjgiaehe  Oapadtü  anaachlagyebend  iat  Ob  alle  Wilnaehe  ond 
Hofihangen,  welche  die  atrebaame  bremische  Lehrerschaft  an  die  Smeimang 
der  beiden  Anfsichtsbeamten  knflpft,  In  ErfOUnng  gehen  werden,  ob  die  Neu- 
«inrichtang  dem  bremisiAen  Sehalweaen  nur  wahren  Fttrdening  gereichen  wird? 
Thaten  m%en  reden!     


Aos  Sachsen.  Bertha  von  Mahrenholtz-Bülow  f.  Am  ^.  Januar 
diaaea  Jahree  starb  in  Dreaden  im  Alter  Yon  81  Jahren  10  Monaten  Frau 
Baronin  verw.  Ten  Hahrenholtz,  geb.  toa  BQloWi  die  bekannte  eUHge  Förderin 

Pädagogik  Friedrich  FrSbela.  Sie  war  ^  Shnlich  wie  Bertha  von 

Sattner  and  Bertha  v.  d.  Lage  es  sind  —  eine  Aristokratin,  die  aber  ihr  Leben 
nicht  in  der  „üblichen*'  Weise  verbrachte,  sondern  in  den  Dienst  einer  großen 
Idee,  einer  Sache  des  Volkes  gestellt  hatte;  ohne  "Rertha  von  Mahrenholtz- 
Biüow  wäre  das  Werk  Fixibel»  in  Deutschland  und  anderen  J^taatcn  heute 
gewiss  noch  nicht  so  weit  gediehen,  aU  dies  erfrealicherweise  der  Fall  ist.  . 
Birdi  Wort  and  Schrift,  darch  Bath  und  That  hat  sie  die  von  ihr  als  heilsam 
*>kanate  Sache  gefSrdert;  von  ihren  Sehiiften  aeleii  nar  genannt  die  „Biinne- 
^a?en  an  Friedr.  FrSbel"  (Gaaael  1876),  „Die  Arbeit  nnd  die  nene  Eniehnng' 
(ebd.  1806  u.  sp.),  es  sind  ihrer  aber  eine  stattliche  Reihe.  Speciell  in  Dresden 
h^Ii  lie  Baronin  zu  Anfang  der  70  er  Jahre  den  „Allgemelnui  Erziehungs- 
"«^rfin-  un'l  ='>dann  die  „Frübelstiftung^  befunden,  von  welchen  ein  viel- 
W&ucbtes  Kiüderj^iirtnerinnen-Seniinar  unleriiiilteii  wird,  das  durch  die 
Heranbildung  geeigneter  Lelirk rillte  vi<  I  dazu  beigelraj^en  hat,  dass  Kinder- 
(flrten,  Kleinkinder-ßewahraustalten  (Kinderhorte  oder -Heime  etc.)  in 
giete  Anabreitnng  geflinden  nnd  ganz  nennaaBwerla  Fortsehrltte 


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gemaclit  liaben.  Mit  }iertha  von  Malirenlioliz  wirkte  ani  fleichen  Orte  im 
gleicbeu  Siuue  der  durch  die  ^Aii^emeine  DeuUclie  Lelirerzeitung**  rühmlidk 
Inkaimte  Dir.  Bnmo  Maiqnart*^)  (t  10.  April  1891);  Anregang  di«Mr 
Mdöi  iit  «B  KU  dankoi,  da»  v.  a.  Widuid  Lan^e  iittd  Pftoiw  B.  Baak' 
ring  aus  Minfeld  L  d.  PiUs,  ebenfalls  noch  ein  unmittelbarer  Schüler  FfMa^ 
in  "nn  Prien  über  Und  ftir  die  Gedanken  des  thüringischen  Psdagfogren  ge- 
sprochen haben.  Der  Th  iri-k -it  der  Baronin  von  Mahrenholtz-Bülow.  dieser 
begeisterten  Auhängerin  und  i-  örderin  der  pädagogischen  Ideen  Frübels,  ist  in 
d.  Bl  von  dem  hochgeehrten  Heranigeber  bereits  vor  11  Jabren  (IV.  Jabig. 
I)ee.-Heft  1881,  8. 196)  ehrend  Erwihnuif  getiuui  Kvorden.  Der  Naoie  di«ter 
wahrhaft  „edlen Fran  wird  von  allen  Verehrern  FrObels  allezeit  in  hohen 
Ehren  gehalten  werden  und  kttnfUg  in  keinem  Ledken  der  Pftdagogik  fehlen 
dMenl  F.  A.  St 


Aus  dem  Großherzogthum  Bjaden.  [Knde  Jannar.)  Da»  neue  Schul- 
gesetz fibt  nach  allen  Seiten  lüu  seinen  s^ensreichen  Einfluss  aus.  Et»  ver- 
geht flMt  kiise  Woche,  ohne  daae  nieht  Sehol*  and  polideche  Zeitongen  die 
Naehileht  bringen,  dieee  oder  jene  Gemeinde  habe  in  WOrdigang  dea  Satm, 

wonach  der  Schnizwang  die  Unentgeltlichkeit  des  ünterrichta  bedinge,  das 
Schulgeld  aufgehoben.  Eine  weitere,  sehr  erfrr nlif'lie  Folge  des  neuen  Gesetzes 
ist  das  Entsrepenkomraen  vieler  ländlichen  und  stüdtischen  Gemeinden  bezüglich 
der  AufbeshLiung  der  Einkommensbezttg«  der  Lehrer;  unter  den  Städten, 
weldie  in  letzter  Zeit  die  Begelnng  der  Lehrergehalte  in  anarkennenswerter 
Weiie  TemahmeD,  ist  tot  allen  die  Ouetadt  Baden  m  nennen.  Der  Anlhnge^ 
gehalt  definitiver  („etatmäßiger")  Lehrer  betrtigt  —  bis  zum  12.  Dienstjahre 
einschließlich  —  2000  Mark,  steigend  von  Jahr  zu  Jalii-  um  100  Mark,  so  das« 
mit  dem  35  TMenstjahre  der  Höchstgehalt  ron  32(X)  Mark  erreicht  ■wird.*') 
Der  Gehalt  detinitiver  Lelirerinnen  beginnt  (bis  einschließlich  des  12.  Dienst- 
jakres)  mit  1500  Mark  und  steigt  bis  zum  19.  uud  den  folgenden  Dienst- 
jahxen  aom  HScMgehaLt  yon  1800  Hark.  Dngllnatiger  geatalten  aieh  die 
EinkonunenaTerhlltniaae  der  proviaoriscbea  Jjehrer  und  Letateilnnen;  das  Min- 
deatelnlnaunen  derselben  beträgt  1060  Mark.  FUr  ^/^  der  dem  Dienstalter 
nach  ältesten  „'^ehiilgehilfen"  wurde  das  Einkommen  auf  12(X)  und  für  '  .j 
der  näehstältesten  auf  1150  erhöht.  Merkwürdigerweise  Avurde  als  miaugenehnie 
Zugabe  deu  curstädtischen  Lehrern  bei  der  Gehaltsregiilirung  eröffnet,  dass  sie 
die  ^gesetzliche  Wochenstundenzahl"  von  32  Lebrstnndcn  —  exeL  der  Gorreo* 
tnren  —  an  ertheilen  hätten.  Dleae  BrlMbvng  let  mn  deawülen  aitflkUwid, 
weil  selbst  die  meisten  lindlichen  Gemeinden  ▼an  dieaer  „geantfUiphen*'  Be- 
stimmung im  Interesse  ihrer  Schulen  absehen. 

Das  Gesetz  hat  die  Pflichtstondf'n/ahl  als  Maxiitnim  angesetzt;  es  stellt 
jedoch  den  einsichtigen  Schulbehörden  anheim,  je  naciidein  ein  Lehrplan  för 
einlache  oder  erweiterte  Schulen  ihrem  Schulwesen  zu  Grunde  liegt,  bezv^. 
anderweitige  Örtliche  Verhiltniaae  maßgebend  aind,  Modiflcationen  eintreten  an 
laann.  Ein  Deputat  yon  S2  Lehratondeni  exd.  Correctoren,  reibt  bd  den 
eminenten  Anaprlldien,  die  der  „Normallehiplaa^  fBr  die  badiadien  VolkaachnleB 


^  a  „Paedagogiam"  IV.  Jahig.  &  684  (Jaliheft  ISSS^ 


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—  403  — 


stellt,  vor  der  Zeit  die  Kraft  der  g-ewissenliafton  Lehrer  auf  und  beeinträchtigt 
die  Geenndlieit  der  Schüler;  eia  LebrermietÜDg  dagegen  hält,  wie  uiau  sagt, 
„die  Stnndeaa  ib*'  wid  idAdigt  dadurch  die  moiallidie  BOdtmir  der  JwgtuL 
Dte  ist  unsere  Anrieht.  —  Bei  dieser  Oeltguiheit  lei  noch  eine  wunde  Stelle  im 
bftdiidien  Sclialwesen  erwähnt.  £ki  ist  anf&Uend,  dass  in  einem  Staate,  den  nun 
mit  allem  Recht  „Schalstaat"  nennen  kann,  in  welchem  Volk  und  Regiernngr  so 
^üßes  Verständnis  für  die  Fordernng:en  der  modernen  Pädag-ogik  zeigt,  noch  so 
mancher  Zopf  abgelebter  Zeiten  zu  tiuden  ist.  Einer  der  schlimiusten  ist  die 
ftberuiäßige  Verwendung  der  „Schulgehilfen"  im  5ffent!irhen  Schnldieuite.  In 
kmeui  deutschen  Staate  ündet  luau  tk^lch  eine  grolle  Zahl  von  „nichtetat- 
mlügen  Lehrern**  wie  in  Baden.  Wir  hranchen  den  NaehtheU  dleeer  nn* 
erfrraliehen  Eneheininig,  die  kd^irllch  auf  übel  angehraehAer  Spenankeit 
bemht,  In  einer  pädageglsdieB  Zeltsehiift  nieht  niher  nadbsaweiien  wd 
wollen  hloB  die  Hoffinong  aassprechen,  dass  diesei*  Übelstand,  za  dessen  Be- 
»eitignng  die  Gesetzgebnng  der  lefesten  Jahre  eebon  einiget  Wenige  gethan 
hat,  gründlich  behoben  wpHe. 

Das  neue  Schulgebelz  überiaüSL  den  g:ruiieren  Städten  die  Kegelung  der 
Lehrergehalte;  der  Staat  hat  nur  darübu*  zu  wachen,  dass  die  staatlich 
gewährleisteten  Bezüge  den  betr.  Lehrern  der  Städte  bezahlt  werden.  £8  ist 
daher  lehr  anerkenneniwert»  dan  die  SlAdte  die  Lehreigebtiter  nltgemii  er* 
hSlen.  Bei  Peneteoirmigen  eiiialten  jedoch  die  Stadtlebrer  nnr  die  Penden 
von  dem  ihrem  Alter  zukommenden  staatliehen  Gehalt  (Maximalgebalt 
2200  Mark),  während  die  übrigen  Staatsbeamten  die  Pension  nach  dem 
znletztbezogenen  Einkommen  berechnet  erhalten.  Dieses  Missverhältnis  brachte 
der  wackere  Obmann  des  Lehrervereins,  der  über  die  Schul-  und  Lehrerinter- 
essen treue  Wacht  hält,  bei  einer  Audienz,  die  der  Lehrervereinsvorstand  bei 
8.  K.  H.  dem  Groflherzoge  hatte,  zur  Sprache.  Der  lehrerfi-enndliche  Monarch 
Tosprach,  auch  ditie  Hiaeathmnung  unter  etaeai  TheUe  der  tttdlaeheD  Iiebrer- 
«haft  beeelligen  m  heUen.  Wir  awelfela  nieht,  daee  der  edle  Sinn  der 
ttidtiaehen  Bürgerschaften  auch  in  der  gedachten  Hlaiicht  m  Onnstan  der 
Ldirer  Wandel  schaffen  wird. 

Um  nach  dieser  Abschweifnng  wieder  zn  den  erfreulichen  Erecheinnngen 
im  badischen  Schulleben  zurückzukehren,  sei  noch  erwähnt,  dass  —  außer 
Baden  —  auch  andere  Städte,  wie  beispielsweise  Offenburg,  infolge  des  neuen 
Schulgesetzes  die  Gehaltsreguiii  ung  ilirer  Lelirer  vorgenommen  haben. 

Bai  Interesse  an  der  Schnle  ist  dnrch  dae  nene  Schnlgeaeta  nDSweifIdhaft 
fm  Volke  anfii  nene  belebt  worden.  Hiervon  lengt  rot  allem  die  politiache 
^^e,  welche  —  namentlich  die  freisinnige  —  mit  erfrenlicfaer  Entschieden- 
heit gegen  alles  auftritt,  was  mit  der  modernen  Pädagogik  und  deren  Forde- 
nttipn  im  Widerspmch  steht.    In  nenester  Zeit  bot  zn  einem  energischen 
Proteste  die  Besetzung  einer  varant  gewordenen  Krei^s'hulrathsßtelle  durch 
*iDen  Theolügeu  ungesuchten  und  wnll  t  t;ründeten  Anla^is.     Dass  der  neu- 
Wttsumte  Kreisschulrath,  ehe  er  die  betredende  Stelle  erhielt,  Lehrer  (Professor) 
fäma  Gymnasium  war,  ändert  nichts  ao  der  Sache  nnd  nichts  an  seiner 
ItsolageBeigenachaft»  somal  duaelbe  ander  dem  theologiscboi  kein  weiteres 
^ttften  sligelegt  hat;  ebenso  ist  nicht  bekannt,  dass  er  llterariioh  oder  auf 
eme  andere  Weise  sich  die  Forderung  der  Pädagogik,  spedell  der  Volksschul- 
^*^^dagogik  h&tte  angelegeii  sein  iassen.   Ein  Blatt  behauptet  ^  und  bis  jetat 


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—   404  — 


ist  dieser  Behaaptang  noch  kein  oCficielles  Dementi  gefolgt  — ,  dass  die  Ober* 
MbdbeliQfde  mit  batr.  KrelncboInthBitene  haoiiren  gegangen  ml  An  flsm 
tftdttigvn  nnd  flrü&hrenen  Lehrer  habe  die  ObertehnlbehOrde,  wie  dies  in 

Bayern,  Sachsen  nnd  anderen  Staaten  seit  Jahren  geschehe,  nicht  gedacht.  — 
Durch  die  Besetzuner  der  in  Rede  stehenden  Stelle  durch  einen  Thcolonrcn  ist  die 
badisch^'  Volksf?fhiiIl»>lirer8chaft  sehr  enttäuscht  worden.  Man  hatte,  ^'(stützt 
auf  ein  Miuisit<:i wuri,  gehofft,  daa  neue  Schulgesetz  werde  auch  in  gedachter 
Bedebung  erlösen,  nlleln  „ee  hnt  nicht  aoUen  Mtn".  Ob  mit  Becht  oder  üi- 
recht  —  wollen  wir  nieht  nntemiehen  nnd  die  Benrtheilnng  den  geehrloi 
Leoem  überlasten  —  wurde  in  politischen  Zeitungen  beli  uj  tet,  dass  dierOber* 
schnlrath  in  betr.  Sache  noch  d'-n  iil>*Tl»4)ton  Staiulpimkt  ciiiniUimp,  wonach 
die  Tlieologie  zu  all*  ii  Dinc-en  ,.die  \  erheil]nng"  habe  iiiul  die  Snpciiorität  eo 
ipso  über  die  Schule,  d.  h.  die  Lehrer,  besitze.  Aiiffalleud  ist  es,  dass  za 
gleicher  Zeit,  als  der  Oberschulratli  mit  beti*.  Krelsschulrathsstelle  „hausiren" 
gingr,  von  eineni  hoehattsebnUefaen  mtgliede  dea  Oberaehnlmthea,  dem  allgemebi 
boobfeaehftüBten  Obenchnlrath  Dr.  yon  SallwQrk,  eine  den  Nagel  auf  des 
Kopf  treffende,  ausgezeichnete  Abhandlung  erschien,  in  welcher  n.  a.  der  Fach- 
anfsicht  das  Wort  in  überzeugendster  und  nnwidorlofrbarster  Weise  prerctlet 
wird.  Am  Srhlusse  derselben  sagt  er:  .  .  .  „Es  ist  jetzt  eine  weitere  Au- 
strengung  erforderlich  (seitens  des  Lehrers  —  D.  E,),  welche  eine  Vertiefung 
und  Brwelteninf  seiner  (des  Lehren  —  D.  £.)  püdagogischen  Einsicht  sn- 
streben  mnss.  Ist  diese  erreicht  nnd  bis  n  einem  gewissen  Grade  whrksan 
geworden,  dann  wird  der  Staat  nicht  mehr  im  Zweifel  sein,  wem  er  die  Scbnl- 
aufsiilit  in  die  Hflnde  legen  soll,  und  auf  diesem  Weg-e  wird  man  endlirh  zn 
dem  geiaiigeu,  was  die  Nation  spl>)St  mit  allen  Mitteln  eistieben  nuis.'::  dass 
die  Erziehung  des  künftigen  Geschlechts  im  ganzen  Umfange  von  den  bemfenen 
Erziehern  geleitet  wird." 

Nach  diesen  Worten  nnd  in  Hinsicht  anf  die  Beaetsnng  der  betr  Kreil* 
schnlrathsetelle  durch  einen  Theologen  scheint  der  circa  3500  Lehrer  sfthlende 
badische  Volksschullehrerstand  noch  nicht  die  „Vertiefung  und  Erweiterung" 
seiner  jiäday:og^is(  lien  Einsicht"  7.n  Im  sitzen,  nicht  ein  Einziger  unter  3500; 
dies  ist  kein  hdu  ndes  Zeugnis  für  di  ii  badischen  Lehrer«ftand,  vielmehr  ein 
Armutszeugnis  sondergleichen,  das  allerdings  diametral  den  Lobeserhebungen 
des  üntenichtamlnlsters  Aber  denselben  in  den  jüngsten  EaaunerTerhaxidlnngen 
gegenfiberstebt.  Woher  aber  ein  Theologe  die  „Vertiefhng  nnd  Eiweltenuff 
seiner  pädagogischen  Einsicht"  gewonnen  hat»  etwa  aus  d^  Apokalypse, 
den  5  Büeliern  Mösls,  dem  hohen  Lied  Salomonis  n.  a.,  das  ist  ein  Geheim- 
nis des  badischen  überschulrathes,  in  dem,  nach  Vorstehendem  zu  urtlieilen, 
die  bekannte  zwei  Seelentheorie  in  Beznj^  auf  „Fachauf sieht"  zu  herrschen 
scheint.  Wir  lesen  hie  und  da  in  nichtbadischen  Blättern,  dass  in  Baden  die 
Faehanftncht  bestehe.  Dies  Isl^  mit  Yerlanb  zn  sagen,  nicht  wahr;  kein  ein- 
ziges  Volhsschnl-Anftlclrtsamt  in  Baden  ist  mit  einem  Volksschonehrer,  direct 
der  Volksschnlpraxis  entnöinmeii,  besetzt;  der  Oberschulrath  besteht  aus  Phile- 
logen, Theologen  und  Juristen,  die  Kreisschulvisitaturstellen  fnnd  mit  Thenlosrn. 
Plnlolopren  nnd  Reallehrern  besetzt;  die  Volksschnllehrer  und  mit  ihnen  die 
wahrhalt  liberalen  Vertreter  des  Volkes  verlangen  aber  namentlich  für  die 
Besetanng  der  Kretsschnlrathsstellen  tOditige  nnd  erffthrene  Tolkascbnl- 
lehrer.  Wie  whr  h9ren,  wird  die  erwftbnte  Beeetaeonr  der  Sieissohahiths- 


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—  406  — 


gfelle  (lun;h  tineu  Theologen  zn  riner  Intpriiollation  in  d»r  Knuirin  i  fiüirtnT, 
da,  wie  in  der  Tagespreese  ausf^t-UUirt  wurde,  es  den  A'olksvertreteru  nicht 
einerlei  sein  könne,  in  welchen  Händen  die  Volkabildung  ruhe.  — 

9dt  1.  Januar  hat  lieh  den  swei  bisher  in  Baden  bestandenen  „Schnl- 
laitngeii'*  (der  „Badisdien  SehnlseitaDg'*  [VereinwrgFan]  mid  der  ,,Nenen 
BidieolieB  Sclinlzeftnng:'*)  noch  ein  «Badiaoher  Sebolbote**  gesellt»  redigirt  von 
dem  seitberig^en  Kedacteur  der  ,,Neuen  Badisehen  Sohnlseitung**,  Herrn  Haupt- 
lehrcr  Erhardt  in  Handschulislu iiu-Hoidelberfr.  während  die  „Neue  Badieche 
Schttizeituii^;"  H  rr  Haiiptlehrer  Hödel  in  Mannheim  leitet.  Da  difse  drei 
i  Scholzeituugen  im  treisle  der  modernen  «Schuhe  redij^iit  werden .  so  zweifeln 
I  wir  nicht,  dass  sie  ein  gutes  Theil  dazu  beitragen  werden,  den  badiBchen 
Ldirem  „eine  Vertiefung  and  Erweiterung  in  der  pädagogischen  Kinsichf^ 
befambringen.  ^ 

Wie  im  „Psddagegiam"  wiedertielt  enfShnt  wurde,  «taid  die  badisehen 
Volkasdinllehrer  in  ihrer  Oesaaimtheit  im  ,»AI]gemeineii  badischen  Volkaeehnl- 

!  lebrerverein"  fest  geeint,  zum  Ärger  der  ültramontanen  und  Conservativen. 
Frstere  versuchten  mit  „groß'  Macht  und  viel  List"  diese  Kinij?:kcit,  durch 
weiche  die  badisclu^  Lehrerschaft  hauptsächlich  ihre  Erfolge  erzielte,  durch 
Empfehlnng  der  Grundimg  „katholischer  T/ehrer  vereine"  zu  st5ren,  wobei  sie 
in  taktbser  Weise  den  thatkräftigeu ,  allgemein  hochverehrten  Obmann  de« 
„ÄUgemsinsii  badisehen  Volkasefanlldirerveveins''  wanglimpften.  Es  Ist  eine 
erhebende  Ertehefakimg,  wie  die  badlsehe  Lehntschaft  treu  nnd  unentwegt 
diewn  Unkenrufen  widersteht  und  fest  zusammeniillt 

Schließlich  wollen  wir  noch  berichten,  dass  am  21.  Januar  der  Verein 
unständig-cr  Lehrer  zn  g-ey^tMiseitiger  Unterstützung  in  KrankheitsfilHen"  in 
Mannheim  seine  neunte  Jahresversammlung"  abhielt.  Nach  den  Berichten  über 
dieselbe  erlangte  im  Jahre  1888  genannter  ^'erein  von  8.  K.  H.  dem  Groß- 
herzoge die  „Körperschaf tsrechte"  nnd  besteht  aus  740  oi*dentlichen  Mitgliedern. 
In  Tergangenen  Vereiniuahre  sahlte  der  Verein  an  erkrankte  Mitglieder  die 
Banhafte  'OnterstOteniigssaBaM  m  1927  Mark  —  damnter  einieltte  ünter^ 
stttzongen  von  280  md  400  Mark  —  die  gittMe  bis  date  geleistete  BeihUfe. 
Der  Monatsnnterstützungsbetrao-  belief  sich  seither  auf  40  Mark,  der  pro  1893 
auf  50  ifark  erhöht  wurde.  Das  reine  Vermögen  des  Vereins  helilnft  sich  auf 
ark,  inclusive  eines  Reservefonds  von  l^^on  ^tark.  Der  Jahresbeitrag 
beträgt  pro  1898  drei  Mai'k.  Seit  dem  Bestehen  (ies  Vereins  hat  er  au  er- 
lu^kte  Mitglieder  9^8  Mark  ansbezalilt  und  daduich  manche  Nothjgelindert. 

i  Rsflh  den  bisherigen  gesetzUdien  Bestimmnngen  wurde  ein  „unständiger 
Lehwff*  außer  Gehalt  gesetst,  wenn  er  Iftoger  als  sechs  (dann  acht  und  zuletzt 
wieder  sechs)  Wochen  krank  war.  Das  neue  Oesets  enthalt  auch  in  dieser 
Bedekung  ebie  humanere  Bestimmung,  indem  es  die  betreffende  Frist  auf  13 
^Aiihen  festsetzt,  die  aber  unter  „besonderen  Billigkeitsgrfinden"  auf  sechs 
Monate  verlänc^ert  werden  kann.  Durch  die?'"'  Bestimmun?  ist  dem  in  Rede 
blühenden  Verein  eine  außerordentliche  Erleichterung  und  Unteistütisung  ge- 
worden; die  Hilfe  desselben  tritt  nämlich  nur  dann  ein.  wenn  die  g-eaetzlich 
^•rthsmte  Frist  verstrichen  ist.  Der  Verein  wurde  1883  auf  Anregung  und 
^^Mmng  von  Dr:  Meoser  in  Mannheim  nnd  des  ehemaligen  Lehrats  Malsch 
^<Atwlbst  g^grtndet;  infolge  seines  humanen  und  segensreichen  Wirkens  bedtst 
«  &  ToUe  Sympathie  des  ganzen  Lehrerstandea  nnd  sdner  Freunde.  Mi^a 


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—   4U6  — 


er  ÜeniefUB  MientroU  w«lterwirk«D,  wto  IiUmt»  alt  Waiinwieh«n  llr  dci 
SpEMichs  «Elitl(k«it  madit  itark." 


Ans  Preußen.  Seit  dorn  G.  December  vor.  Jahres  beschäftigt  die  poli- 
tischen Kreiae  und  die  Volkäschullehrei-sthaft  nnseres  Landes  ein  „Gesetzen^ 
warf,  betr.  die  Verbesserung  der  Yolksschuien  and  des  Dieasteiukommens  der 
TolkMehnUehrer".  Hit  dteMr  Vorlage  beahdehtigt  der  lOiiiiler  Boete,  wie 
die  «Fsdag.  Zeitung*  aleli  anedrSekt,  „die  prenßiaehe  Volkaaelmle  am 
den  Bahnen  einer  lekal-  und  bildungsfeindlielienPelitlk  keranasa« 
sieben.''    Damit  hat  es  folgende  Bewandtnis. 

Am  2fi,  Mai  1887  trat  ein  Gesetz  in  Kratl,  dtsseu  Hauptgedanke  darin 
bestand,  dats«  nicht  mehr  —  wie  bis  dahin  — die  Schulaut'sichtsbehördeu, 
sondern  füi*  Laudscholen  die  nuter  dem  Einflnss  des  Großgrandbesitzes 
Btehenden  Erelsaaaaekllaae  besw.  Previiisialr&the,  Ar  SCadteehnkn  lie 
Betirkaanaaekfiaae  m  entscheideB  kakea,  ob  die  ven  den  Scholaafsichte* 
behörden  geforderten  Leistungen  f8r  Volksschulen  za  gew&hren  sind  oder  nicht 
fvt^vst^'br  H\rh-  nur  in  Ermangelung  des  EinverstllndniBses  der  in  Ansprach  ge- 
u  »mmeuen  Gemeinden  i.  Jenes  Gesetz,  gewöhnlich  in  abgekürzter  Form  da» 
„Scholleistangsgesetz*',  von  bösen  Zungen  aber  das  .^GeAets  gegen  die  gemeiu- 
gefftkrliefaeii  BeetnbuDgeii  der  SchnlrftUie**  genamity  kalte  aar  Folge,  daaa  ia 
den  mdeten  deijenigea  Fllle,  in  denen  die  Gemeinden  aleb  für  onfUiig  oder 
abgeneigt  erklärtea,  deo  anf  Befürwortaiig  der  Departemente -Scknlräthe 
▼on  den  Regieruni^en  gestellten  Anforderungen  zu  ent5>prechen ,  eben  eijifach 
—  nichts  geleistet  wurde,  wofür  es  nianclimal  auch  das  Schul -N ich t- 
leistungsgesetz  genannt  wurde.  DerMinii>ter  Buüse  folgt  nicht  den  Sparen 
seines  Vorgängers  von  Gossler,  in  dessen  Amtszeit  der  Erlass  jenes  Gesetiei 
fillt  und  der  nachher,  ab  er  die  traurigen  Wiriamgen  deeeelben  erkannte,  den 
Yeirgebliehen  Yersnch  nntemahm,  den  Oeselnden  .daa  Gewissen  an  aoiilrfen*; 
er  denkt  deshalb  an  die  Beseitigung  des  fomosen  Nichtleistungsgesetzes. 
Natürlich  wollen  die  Mehrheiteparteien  davon  nichts  wissen;  der  vorgelegte 
Entwurf  dürfte  also  kaum  als  Oesetir  das  T.icht  der  Welt  erblicken.  "Welche 
Folgen  daä  aber  haben  müsste,  kann  uian  ungefähr  daiaus  entnehmen,  dass  die 
Begierung  in  den  Motiven  der  Vorlage  sieb  an  dem  AiMpnieh.eciifflihigt  ge* 
aeben  hat,  aie  aei  niebt  Im  Stande,  «in  den  armen,  einer  Hebung  dea  Sebnl* 
weaena  am  meiaten  bedürft  »  n  Gegenden  ueueSchnlen  oder Lehrersteilea 
gegen  de;i  Widerspmch  der  Gemeinden  zu  gründen,  selbst  wo  sie  mit  ihren 
Zuschüssen  die  Kosten  decken  will".  Unter  solchen  Umstünden  glaubt 
die  königliche  Staatsregiernng  sich  zu  der  Erklärung  verpüichtet,  dass  es  ihr 
bei  der  Fortdauer  derartiger  Verhältnisse  unmöglich  sei,  „den  jetzigen 
Bildung aatand  dea  Yolkea  an  erkalten".  Ba  mua  weit  gekommen  sein, 
wenn  tob  ao  koher  amtlieher  Stelle  aelcke  BekenntniMe  fOr  nnrnngUnglicU 
gehalten  werden.  Welch  düstere  Anschauungen  müssen  in  jenen  Kreisen 
herrsch»^!!,  von  den^'n  die  llotiv»^  des  Gesetzentwurfes  beliaupt*^n,  dass  sie  „viel- 
fach bestrebt  belli  würden,  ,,jede  andere  communale  Autgabe  eher  zu  er- 
füllen, als  irgend  etwas  für  die  Schule  zu  thuu.'^  Weiche  wuchtige  An* 
klage  liegt  in  der  anf  Grund  biaberiger  Erf abrangen  aaBgesproobenen 
Befttrohtong,  daes  die  Sreiaaaaacbllaae  und  Provlnaialrfttbe  die  Oe- 
meittden  in  aolcbem  Beatreben  aebtttzen  würden! 


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—  407  — 


Etwas  <TTitPs  ma?  ja  ntiür!!  auch  haben,  wenn  die  bildiiugsteiüdliciieu 
Elemente  in  Geintiiiden,  Ki  tihausbchkussen  und  Provinzialrätlien  der  Begrftndang 
neuer  Clausen  und  Lebrerstelleu  widerstreben  —  der  Lehrermaugel  wird 

taut  Biflht  aOm  fBUbarl  Sohoii  iat  er  ila,  and  er  oimit  aieher  Ton  Jalur  m 
Jdur  aa  ümfangr  zu.  Min  hat  liereebnet,  daas,  veAn  jade  zat  Zeit  eriadigte 
Lchnntelle  in  Preiita  b^etzt  mid  alle  Sdnüdasaeii  mit  sor  Zeit  melir  ala 
70  beaw.  80  Schalem  auf  eine  normale  BcBacliszifer  harabgeaelst  werden 

loUten,  über  20000  Lehrer  mehr  vorliandeu  sein  müssten. 

Diesem  achwprrn  Übelstau'Ir  «^fcrfnü^ier  fehlt  es  freilich  keineswegs  an 
Vorschlagen  znr  Abiiiife.  Die  Lehrer  meinen,  man  solle  das  Lehramt  bcgehrens- 
v^ert  macheu,  iudem  ihre  amtliche,  finanzielle  und  gesellsdiaftliche  Stellang 
verbessert  werde.  Aber  diejenigen«  welche  das  Geld  für  eine  aoldia  Radlealcttr 
hngeben  aoUeii,  laehea  dariber  und  drOeken  die  Hand  anf  den  BenteL  Die 
Beglenng  tiint  daa  KenaehenniSfiielie  diurah  Qewtthnng  tob  UntentStaugen 
beiw.  Prämien  an  Präparanden  und  Präparandenbüdner;  allein  es  nützt  wenig. 
Das  „Militär-Wochenblatt"  —  kindlich-unbefangen,  wie  in  solchni  Dingen 
immer  —  wärmt  den  schon  i.  J  vom  Prinzen  Hoheril  ih«'.Tri«!;c  ltiimi  ii  und 

eiü  Jahr  später  von  dem  beriihmten  „Historiker"  von  Treitschke  gemacliten 
Vorschlag,  die  T^hreistellen  mit  anf?gedienten  Unterofficieren  zn  besetzen, 
wieder  anf ;  doch  das  ist  so  dumm,  dasti  es  niemand  ernst  nimmt.  Und  so  bleibt 
es  dmn  «Inatweilen  beim  Lelmmangell 

I>amn  werden  aneb  die  fronmen  Bemilninceii  de»  Blattea  ndt  den 
falschen  Kamen  ans  der  Schönhauser  Allee  in  Beriin*)  niebts  ändern.  Dieses 
Pastorenblättlein  will  bekanntlich  die  Lehrer  zn  seinem  „Christenthnm"  be- 
kehren, wird  zn  diesem  Zweck  Ton  den  Fr^^unden  der  .iuiiPi-Pii  Misfiion"  nntor- 
«ätützt,  hat  üich  neuerdings  auch  einen  tüchtigen  Helfersh*  lt.  r  in  dem  i  anior 
vüü  BodelbcLvviijgli  verschrieben.  Unter  des  letzteren  Mitw  irkung  veranstaltete 
&ein Hei'ausgeher  kluziicix  wieder  t^nit-  der  bekannten  GoUecten,  um  dieKleinig- 
kiit  Ten  24000 Mark  niMvingen,  damit  das  Blatt  adn  elendea  Leben  weiter 
Mrtea  md  die  beidniMhen  Lelirer  an  dem  peUtiselhreaetionMnn  „Gbrlrten* 
^nm"  bekehren  mOeltte,  dessen  Hanptkennzeichtn  in  phariaMMher  Selbat- 
gerechtigkeit  nnd  fanatischer  Verketzerong  anderer  beatdit. 

Inzwischen  schickt  sich  die  freisinnige  Lehrerschaft  an,  einen  engeren 
Zafiammensc!iln?p  der  innerlich  vrnvan<Ucn  iiußerlich  aber  noch  in  zwei  Heer- 
baafeu  getrenuLeu  Elemente  heibeizuiuiirtJii.  Der  Leipziger  Lchrerverein  hat 
den  Vorschlag  gemacht  —  unter  Zugrundelegung  bestimmter  Bedingungen  — 
dam  die  allgemeine  dentsche  Lebrerversammlang  und  der  dentaehe 
Lebrertag  aieii  yereinigen  mSeiiten.  Sehen  haben  die  belderaettigen 
Amiehllsie  den  Vonehlag  geprfift  md  ileh  entachlosBen,  an  Oatern  eine  Zn- 
sunmenknnft  einzelner  Beauftragter  zur  Vorbesprechung  zu  veranstalten. 
Hoffentlich  ist  auf  beiden  Seiten  soviel  Weitblick  und  liocliherzige  Gesinnung 
vorhanden,  dass  eine  Einigung  erzielt  wird.  Die  Lehrerschaft  l*reuüeus  würde 
es  sicherlich  mit  Freuden  begrüßen;  denn  sie  bat  liln^^st  erkannt,  dass  das 
^Nebeneinanderbestehen  der  genannten  Vereinigungen  nicht  mehr  zu  recht- 
'Bi^en  ist.  Den  Verhandlungen  über  diese  Angelegenheit  wird  anaehefnrad 


*}  Der  Veifasser  meint  die  sogenannte  „Deutsche  LehienBeitang"  des  firObeiea 
Psston,  jetaigen  GeschiflBmannes  zulessen. 


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—   408  — 


in  den  Lehrerkreisen  dei'gaoflen  Deotaehen  Beickee  mit  groBem  Intereeie 
«ntgregensTM^h^n.  Und  dM  mit  Bedrtl  Es  wftrde  eine  tiefe  Verstim- 
mung erzeugen,  wenn  diesmal  der  Einignngs- Versuch  wieder 
scheiterte,  wie  es  in  den  siebiiger  Jahren  selion  einmal  der  Fall 
gewesen  ist.  — 9 — 


Viiieaut  cou^ulesl  Es  ist  ein  erfreuliches  Zeidien,  dass  endlich  die 
ÜberfBUnog  der  Univenittten  abnimmt.  Eine  veiig^eheDde  Meile  der  Mden 
leteten  SeoMSter  —  Sommer  und  Winter  1692  —  eiftbt  fblgeades  Resultat: 
DieGesanniitzahl  aller  Studirenden  in  Deutschland  betrng  im  Sommer  27565, 
im  ^^'iTlt  r  41)2  weniger,  nämlidi  27 107.  Die  kath.-theologische  Facnltät  ging  von 
1U8U  auf  1(120  hernnter.  diö  evang,-theolo<?ische  von  3840  auf  3601;  jene 
hatte  also  öü,  diese  2'M}  woniger.  Auch  die  medidttische  Facultät  hatte  318 
weniger,  nimlioh  7988  gegen  8306  im  Sommer.  Nnr  die  jatisfeische  mid  die 
philooophisdhe  FaeuitSt  hatten  Zuwachs,  diese  80|  nImUdi  7525  gefl:en  7455  im 
Sommer,  jene  74,  nnmlich  6969  gegen  6895.  Diese  ZUtem  reden  eine  hoffent- 
lich reclit  weithin  g-cliörte  Sjirachö:  Sat.  satis,  snpprqnp  noch  immer! 

Und  betrachten  wir  die  einzelnen  Universitäten,  so  linden  wir.  dass  Frei- 
bnrg  im  Sommer  viel  mehr  als  im  Winter  besucht  wurde:  13ür>  zu  998, 
dass  dagegen  Berlin  (nher  500),  Halle,  Leipzig  und  Wurzburg  im  Winter 
meiir  Zospmch  hatten.  Anch  HOnchen  mid  Kiel  worden  im  Sommer  etwts 
mehr  aufgesucht.  Wenn  man  non  gleichzeitig  durch  den  prenfiischen 
Justiz-Kalender  erfahrt,  dass  am  1.  October  1891  im  ganzen  prenfiischen 
Staate  vorhanden  waren;  3702  Land- und  Amtsrichter  nnd  Staat.san\v;5U*^,  183'i 
Assessoren  und  2960  Referendare  —  und  am  1.  October  18*.<2:  37a^'  Lands- 
nnd  Amtsrichter  and  Staatsanwälte,  1827  Assessoren  und  2949  Beferendare,  so 
ergibt  sich,  dase  nach  abgelegter  Stnata-PMIfluig  der  Jniist  noch  ea.  10  Jahie 
bis  aar  Anstellnng  warten  mvai.*)  Schon  Jetzt  kommen  von  den  genanntea 
1827  Assessoren  zwei  ans  dem  Jahre  1883!,  adit  aus  84,  23  ans  85,  87 
ans  SR,  237  ans  87,  2H2  ans  88,  2^9  aus  89,  310  aus  90  und  343  aus  91. 
Da  nun  im  ganzen  nur  H527  etatmilßige  Land-  und  Amtsrichferstellcn  vor- 
haudeu  sind,  so  kann  man  sich  kein  erfreulicheä  Bild  von  der  Zukunft  dieser 
Herren  machen.  Thatsächlich  sind  anch  aus  dem  Jahre  88  nur  19,  aus  89 
nnr  1,  aas  90  nnr  3  ans  91  noch  gar  keiner  mm  Bichter  beftrdot.  Und 
wenn  man  die  Zahl  der  Ärzte  in  Beriin  llbenisfa^  welche  na(ih  dem  Medidftal* 
Kalender  1615  Ärzte  und  1.32  Zahnärzte  beträgt,  von  denen  855  noch  nicht 
ein  Einkommen  von  30(K)  Mark  liaben  —  bei  genauer  Betrachtnng-  der  Ver- 
hältnisse sind  es  noch  ca.  150  mehr  —  so  kann  man  nnr  dringend  wünschen, 
dass  von  Semester  zu  Semester  die  Abnahme  der  Studlrendeu  sich  vergrOBera 
mOge.  Hans  nnd  Sehnte  haben  dafür  an  sorgen,  dass  alle  Elemente,  die  nioht 
hinaiohtlioh  ihres  geistigen  nnd  materiellen  Vermögens  Ar  eine  lange  Beihe 
von  .T.ihren  sicher  gestellt  sind,  Ton  dieser  Laufbahn  abgehalten  wvden.  Denn 
das  eilbrdert  das  Interesse  des  Staates  nnd  der  Geselischalt. 
  C.  Venediger. 


Vergleiche  Xonstasehnft  für  dentiohe  Beamte.  Mcaatasehiift  8.  99.  It* 
2.  S.  3S. 


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—  409  — 


Aus  der  Schweiz.    Heute  ein  weiterer  —  und  vorlautij?  abschließender 
—  IMtmg  zur  Gescliidite  (ier  iJeniühun^^en  um  „Bnnclesunter.stiitzunjf "  für 
diti  \  ulksbchaie.  In  Sachen  derselben  äind  nicht  \\eiuger  als  drei  ausführliche 
Eingaben  an  Bofttorath  wid  Bimdesveraamnilang  gelangt  —  die  ente  voa 
SflitttB  der  aarganisoheB  j^OantonalleJirerooiifereiia*^  bereitB  im  Sep* 
tember  vor.  J.  Oieee  yerlaagt  gwaderai  »Erlaas  eines  eidgenüniselien  Sdial« 
gtsefeMB"  und  bekennt  sich  auch  zu  den  unvermeidlichen  Folgen  eines  solchen, 
Indem  sie  sagt:  „Als  lof,n'sehe  Xothwendig^keit  ergibt  sicli  ans  der Bundesunter- 
gtützuiig-  der  Volksscluile  auch  die  Bundesaufsielit  über  sie.   Und  da  die  Com- 
petenzen  des  Bundes,  in  das  Volksfchnlwesen  iiineinzuregieren,  oline  klare  ge- 
setzliche Bestimmungen,  die  eine  irgendwie  geartete  Inspection  nähur  präcisireu, 
bestritten  werden  dürften,  so  liegt  die  Nothwendigkeit  legislatoriBchen  Xot- 
gabens  klar  antage.  Wir  Utonen  nos  nicbt  denken,  dass  eine  bloBe  jUirliebe 
Beriebtemattmig  derCaatoasregivfUigen  darüber,  wie  sie  die  Bnndessabsidien 
an  ihre  V<:llxs>  hule  verwendet  iiaboi,  den  Bondesbeb^rdeii  genügen  könnte.** 
Das  dürfte  den  Bundesbehörden  nldbt  genügen  —  erlaube  ich  mir  dazu  zu 
bemerken*) — ,  und  sie  haben  es  bereits  bewiesen,  dass  es  ihnen  nicht  g^enügt: 
IS  gibt  hente  schon  eine  Art  eidgenössischer  Schulinspectoren ,  nämiieh  die 
aEiperteü"*  für  die  gewerblichen  Bildungsstätten,  die  (nach  einem  Bundes- 
bflschluss  V.  J.  1884)  mit  Beitiägen  aus  der  eidgenössischen  Staatscasse  untei- 
itfitot  werden.  Man  wird  ytelMebt  «ateitnoken,  ob  «ad  wie  Siek  diese  Ein- 
liehtinig  anf  dasVoIkssdralwesen  übertragen  liefie.  —  Die  Aai^^er  wfiuecken 
Aber  iiiclit  blos  ein  Gesetz  für  die  Yolkeschiile  im  engeren  Sinne,  n^odi  das 
Oblij^atorium  der  bürgerlichen  Fortbildungsschule"  —  sagen  sie  —  „drängt 
sich  deid  SVliulmann,  dem  Patrioten,  dem  T'olitiker  als  fast  unabweisbare  For- 
derung der  nächsten  Zukunft  auf.    In  einem  eidgenössischen  iScluilgesetz  wäre 
die  Mög-lichkeit  gelioteu,  auch  dieser  Seite  einer  vernünftif^en,  zeitgemäßen 
Forderung  unseres  Volksschulwesens  gerecht  zu  werden,  und  eine  finanzielle 
HstsEBtütaung  der  OiTÜsehiile**},  die  den  sohweiserieehea  Beferendnmsbfogw  vn* 
mittelbar  fBr  die  Anfgabsn,  die  seiner  karren,  Torbereitet,  znregallren.'****)  loh 
>Mte  nsn  aber  statt  des  ^anok'*  (mit  don  diese  HeimogsHderong  beginnt) 
ein  „znnnehst''  setzen.  Bs  ist  Ja  so:  die  Kinderschule  bietet  die  regebeekte 
•^inmdlage  tür  alle  Eildung,  und  für  die  Grandlage  sollte  man  immer  zuerst 
üwgen.  Allein  eben  diese  Sorge,  die  Entsr  liei'lung  über  das,  was  gethan  oder 
gelassen  werden  soll,  steht  dem  stimmtalugen  Bürger  zu;  wenn  dieser  nicht 
^  gehörige  iiinsicht  besitzt,  so  kann  die  beste,  die  gerechteste  Sache  ver- 
yN**fco  werden  (nnd  ist  schon  —  wie  oft!  —  verworfen  worden).  Also  wünsche 
(wss  ich  ebeniblls  in  der  IHUier  erwfthnten  sohweiseriseben  Zeitung  ge- 
stiert) eine  B&ryersebnle,  die  —  wenn*s  nnn  ebuaal  Gesieinden  und  Can* 
tone  nicht  kSnnen  —  der  ^Bond**  nuteikalten  solL  Diese  Hür^^erschnle  müsste 
ihrem  Charakter  nach  freilich  etwas  anderes  sein  als  eine  „Fortbildungsschule" 
ioi  gewöhnlichen  Sinne,  oder  als  der  you  13  Ckatonea  betriebene,  in  mehr- 


*)  In  der  Neuen  Zttricher  Zeitung  v.  12.  Nov.  1893. 
.  **)  Der  Nsme  ist  dem  fnuuQsisehMi  „isstmotion  dTique"  entlehnt;  man  meint 

Bürgerschule  im  eigentlichen  Sinne. 

*)  Die  Fn!»«?nn£!:  dieses  Satzes  lägst  es  äußerst  drinixlieh  erscheinen,  dass  nicht 
WOi  ia  dea  gewtinschten  Bürgerschulen,  sondern  gauz  beboudtrti  aueu  m  den  Lchr- 
*»MvIea  waoker  Peatsck  gelemt  weide. 


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—  410  — 


£aeher  Beziehung  unwürdige  Di'bfifiircuib*)  für  die  Eecratenprüfuug.  Uad  die 
Hanplflditt  der  FortliiMiuifHeliiito  —  VateilMids-,  Vaiteungs-,  Getetn»-, 
Volktwirtsohaftakimde  —  «dltOL  uoh  an  den  fctwerblleliea  (berainidieB)Bfl- 

dnngsanstalten  jeder  Art  felelirt  werden,  sowie  an  allen  hOhern  Mittelschnlen 
nnd  Lehrerseminarien.  Mr>?)r  r<i<>o]\:  an  den  liocbscholen  sind  besondere  Staats- 
wissen gchaftlich-volkswirtschaftliche  „SeminanVn"  einzurichten  und  von  den 
Landesbüi'^ern  sämmtlicber  Facaltäten  pflichtgemäß  zu  besachen.  Denn  — 
^e  man  genugsam  weiß  —  die  wmfaaMiiidlte  QelehrBamkeft  btrgt  nicht  Ar 
poUttiehe  Belfe,  und  der  DoeloiliQt  hat  Im  Weaen  aiofali  gemein  mit  der 
Bfirgerkrone. 

Die  zweite  der  erwähnten  Eing-abcn  ist  eine  im  November  bekannt  ge^ 
wordene  „Denkscbrift"  des  ^Schwf  i zi  rischen  Lebrervereins" ,  der 
y,Boci»''t •'•  jit'dagro^iqne  de  la  Sui.ssie  lomande'*  und  der  ^(>onferen/5 
bch weizeristiher  Sehulmäuner  in  Zürich^.  In  dieser  umfangreichen 
Sohrifb  werden  ab  die  Ziele,  welche  man  mitBiuideahilfe  tn  enefadMn  gedenkt, 
bezeiohnet:  genigende  Aniahl  von  Schulen  in  allen  Cantonen  —  allenthalbeit 
gesund  genährte  nnd  gekleidete  Kind^  —  Vermeidung  überfüllter  Classen  — 
die  besten  r.rhrriMttel  nnd  Werkzeuge  auch  für  *las  ilrni«tp  Kind  —  Aus- 
stattung aller  ^ehulon  mit  den  nöthig^n  (wirklich  nnv  itiit  den  nöthigen?)  Lehr- 
und  VeranBchauüchuugsmitteln  —  J;^ürsorge  für  sciiwachsiunige  und  verwabr- 
loate  Kinder  —  wolaingerichtete  Fortbildnngssohalea  (welche  die  Bfnelehft  In 
die  socialen  nnd  bttigerüeheo  Rechte  and  Pflichten  vennitteln  edlen)  —  beeeere 
berufliche  AaahUdnng  der  lUdeben  —  AnaUldnng  der  Lehrer  richtiger 
Weise"  —  „ökonomische  Besserstellung"  dpr  Lehrer  ("der  Lehrer  soll  in  eine 
Lage  kommen,  die  ihn  „von  drückenden  Sorgen  befreit**  und  es  ihm  gut  mög- 
lich macht,  „seinem  Amte  ganz  zu  leben"*,  „für  seine  Fortbildung  zu  sorgen", 
„mit  Lust  und  Liebe  zu  arbeiten'').  Man  sieht:  das  sind  weitgeliende  und 
venchiedtnartige  Ziele  —  wie  man  aie  mit  Bondediillb  n  errelfilien  gedaikt, 
davon  spricfat  die  Ml>en1anhrift''  nicht  Anf  «BnndeBiohnUDfpeetoren'*  jeder 
Art  yeniehten  die  Absender  derselben.  Sie  wünschen  —  erklären  sie  am 
Schlnsse  —  ..die  Hilfe  des  Bundes  in  Anspruch  zu  nehmen  ohne  die  Znthat 
lästiger  (!),  die  Eraptindlichkeit  (!)  und  das  Misstraueu  weckender  Bedingungen. 
Wir  möchten  darum  nicht  vorschreiben,  für  welche  einzelne  Zwecke  dieBundee- 
nntenttttzung  za  dfenen  liat;  wir  wollen  uns  «frieden  gehen,  wenn  lie  aar 
Behang  der  etaatttehen  Volkwchule  verwendet,  wenn  den  BnndeebdiOrden 
iiierüber  der  Ausweis  geleistet  wird",  (ünd  wie  denkt  man  etoh  diesen  „Aus- 
weis"?) —  Die  dritte,  ,,kurz  motivirte  Eingabe'"*  der  Berner  Lehrerschaft 
erklärt.  ..fhis  Gesuch  des  schweizer.  Lebrervereins  untei-stiitzen"  zu  wollen. 
DemenLsprei  in  jid  arbeitet  sie  denn  auch  mit  ähnlichen  Mitteln  wie  die  „Denk- 
schrift^ ;  neue  Gründe  oder  Anträge  entwickelt  sie  nicht  —  außer  dass  sie  im 
einaelaea  heetimmt  veiiangt,  der  Band  lolle  dort,  wo  ea  Gemeinden  nnd  Gen- 
toae  nieht  kUnnea,  a.  a.  aaeh  lllr  „Einderldippen,  KleinkindereehaleD,  Jngead- 
harte,  Schulgärten,  Feriencolonien"  sorgen,  ünd  charakteristisch  sind  ohne 
Zweifel  die  beiden  Sätze:  «Das  auf  seine  Freiheit  und  seine  Institutionen  so 
stolxe  Schweüservolk  besoldet  seine  Volksschollelirer,  wie  es  seiner  unwürdig 


*)  Dauer  in  den  13  Cantouen  venohieden:  30  bis  76  Standen:  in  7:  40  bis 
48  Stunden. 


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—   411  — 


ißt."  Die  „Vermittiung  der  allgemeinen  Volksbildung"  hat  bisiier  „einzig  den 
vielfach  unvermögenden  üemeiuden  und  Can tonen  obgelegeu,  und  der  Band 
bat  dabei  den  reichen*)  und  theilnahmslosen  Zoschaner  gespielt".  — 

Wie  es  mit  den  Auslichten  der  ledUfihea  Btnger  nmlTiitentiltBnBir  ^ 
Tfllkssehiile  dsreh  die  EidgenoMenseliaft  als  soldie  steht,  habe  ich  bereits  im 
December-Heft  theihveisfi  angedeutet.  Heute  seiner  noch  auf  zwei  argeFdnde 
der  Sache  hingewiesen;  eigentlich  zwar  ist  es  nur  einer:  der Ultramontanismns 
in  V).  i  L  n  Kirclien.  Hören  wir  zuerst  Rom.  —  Ein  Mann  nicht  ohne  wissen- 
»chatilkhe  Bildung,  Redacteur  Winigcr  vom  „Vaterland",  hat  vor  etlichen 
Monaten  im  „Pins- Verein"  des  Cautüus  Lnzern  über  die  ..Sclnilfrae'e"  referirt 
und  sich  der  Hauptsache  nach  folgendenuaiieu  ausgelassen:  Div.  irrage  stellt 

sieb  so  —  eonüMsieftsUe  oder  confeMtonslOBe  Sebnle?  Für  uns  ist  der  Stsad- 
puakt  ein  gegebener;  wir  wollen  die  eonlMonelle^  die  cbristUche  Schule.  Das 
8ebalwesea  ist  allerdings  Sache  derCantoue;  aber  dtoBundesrerfusung  fordert, 
daes  der  Unterricht  genügend,  obligatorisch  und  unentgeltlich  sei,  sowie  das 

er  unter  ausschließlich  staatliclior  Leitnng  stehe  und  die  religiöse  Freiheit  nicht 
verletzt  werde.   Mit  ^bo  weif  herzigen  Bestimmungen"  ist  man  neuerlich  nicht 
mehr  zufrieden  in  gewissen  Kreisen.   Der  ^heutige  Zug  der  Zeit"  geht  auf 
die  voliäUtndig  contessiou&loäe  Schule.  „Neuesteus"  haben  eine  Anzahl  „Lehrer 
uid  FSdagogen**  die  Frage  bezüglich  BmidesunterstlltKung  an  Primarechuien 
«ad  „Centralisatioa*'  des  Schulwesens  erOrtert  Wir  aber  mtfeMn  entschieden 
fline  Einmischung  des  Bundes  in  unser  Schulwesen  ablehnen,  .als4nhttnger  der 
eantonalen  Selbstbestimmung  (als  ,.raiitonesen"  und  Bundesfeinde,  meint  der 
Herr)  und  als  Gegner  der  Entchristlichung  der  Volksschule  (als  IJünilinge, 
meint  der  Mann  «les  „Vaterlands''  ),  die  mit  den  Bnndesschulmeistern  einziehen 
würde."      Hundesgeschenke  und  -Unterstützungen  sind  zu  fürchten.  Mögen 
wir  auf  der  Hut  sein  hei  einer  allfäliigen  Gesetzesvorlage."  —  So  der  Antrag 
der  päpstlichen  Schweizergarde.    Und  —  „unterstutzt!"  rufen  die  „Evan- 
geUscben''.   Mit  himiseher  Schadenfreude  meldete  das  christlich  Zitter'sche 
»Bvang.  Schalbl.«**)  (in  No.  44  d.y.  J.),  dass  dieBttigerediaft  derStadt  Bern 
üe  Einsetzung  eines  städtischen  Schuldirectors  yerw<nfen,  ihn  (den  Direetor) 
„mit  dem  stattlichen  Mehr  von  1283  Stimmen  erschlagen"  habe.   „M5ge  — 
heißt  es  dann  weiter  —  der  eidgenössische  SchnlTOgt  eine  kräftige  Lehre 
daraus  eutuehmen!" 

Aber  —  er  wird  dereinst  da  sein,  der  „eidgenössische  Schnlvogt",  und 
dann  dreinfahren  wie  Christas  bei  der  Tempelreiuigung,  und  „Römische"  wie 
»ByangeUsehe''  fleichenna0en  hinausfegen. — Heute  allerdings  irt  seine  Stunde 
Boeh  nidkt  gehcmmen.  Harren  wir  seiner,  aber  nicht  unthfttig  —  bereiten 
vir  ihm  den  Weg! 


*)  Wie  wenig  reich  der  ^Bimd  i^^t,  konnte  man  aus  den  jüngsten  Yerhand- 
langen  in  der  Bundesversammlung  ersehen. 

**)  Die  „Schweiz.  Blätter  für  erziehenden  Unterricht",  die  mit  den  „Blättern 
f&r  die  christliche  Schule"  (jetzt  „Evnnfr.  Schulbl/'l  in  ^^Icichcin  Srhritt  marschirten, 
b^(5B  sich  seit  1892  merkwürdigere  eise  mit  der  „Schweiz.  Lehrerzeitung"  verbunden. 
Ob  das  „Eraag.  Sch."  hingehen  und  d^gleitdien  thnn  wird?  (B.)  Das  wird  von  der 
l^altiiTifr  der  ^Schweiz.  Lehrerz."  abhängen,  nämlich  davon,  uh  diese  es  mit  den 
UltramoQtanen  und  „E?angeliächen"  hiüt|  wie  s.  B.  die  deutsche  Lehre|jzeitung  von 
oillesflcn,  dem  alten  Fimnde  und  Ooflinaangagenoeaen  ZSSkit's.  (R.) 


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—   412  — 


Aitt  der  F«ehpret89. 
45.  Pädagogik  und  Politik  (ADL.  1892,  41).   Etliche  beMshtem- 
werte  KernsStze:  Die  beiden  WisseDscbaften  finden  -in  der  Ethik  eines,  Yer* 

einlgungspunkt.  —  Die  Olindcr  der  Gesellschafl  sind  den  Vorstellungen  des 
Einzelnen  vergleiühbar.  —  riulividualp^yfhologfif  nnd  Socialpsycholo^io  greifen 
ineinander,  undi  aus  dem  Studium  beuler  erwaclisen  dem  l'iidagogeii  und 
Politiker  die  Hegeln  fUr  eine  naturgemäße  Förderung  individueller  uud  gesell- 
sohAftUeher  Entwickeliiag.  —  Sehlde  und  Staat,  EnrichugskiiDSt  und  Staate* 
kirnst  können  nicht  betiehig  Eitfte  eehafllen;  es  ist  deshalb  in  beidea  Fillen 
falsch,  Kräfte  niederzabalten,  die  man  besser  untereinander,  oder  mit  denen 
man  sich  verbinden  sollte.  —  PÄdagoer  nnd  Politiker  müssen  wissen,  dass  die 
Empfänglichkeit  der  Menschen  sich  abbtumpft,  dass  man  d -«lirtlb  von  öfteis 
augewaudten  Formen  und  Mitteln  nicht  dauernd  dieselben  W  ukuugen  ei'wartea 
darf.  —  Li  einem  entviekelten  Qeseüadiafta»  und  StaaMeben  ivird  eich  der 
Einfliua  der  Gesanuntheit,  der  EfaifloBs  der  Bcatrebnogen  der  hohen  Politik 
anf  die  gesammte  Pädagogik  immer  geltend  machen. 

4f).  Die  iiatnrgemäße  Lebensweise  und  die  heutige  Erziehung 
(R.  Frank,  Kef.  1892,  49).  Die  Überscliritt  .stinmit  nicht  ganz  zu  dem,  was 
folgt.  Das  soll  uns  jedoch  nicht  hindern,  die  guleu  Gedanken  des  \'erfasst  is 
anzuerkennen,  so  z.  B.  wenn  er  die  als  herrschende  Kaste  sich  geberdeiidc»a 
WiBienMhafter  (TOinchmlieh  die  „dßmStiäm.*  Philologen)  „Geiateabnreaii- 
luateii"  nennt  —  oder  als  einzig  sicheren  Orand  der  elniiff  mSgUohen  »Welt- 
verbesserung"  die  „Selbstreform"  bezeichnet 

47.  Scheie  und  Pädagogik  im  Jahre  1892  (E.  v.  Saihviirk,  ADL. 
189B,  1).  Von  der  Moral  des  Jahres  1892.  Dieses  hat  das  „unglaubliche 
Gesetz**  des  Grafen  von  Zedlitz  gebracht  nnd  d^uuit  einerseits  gelehrt,  was 
„man*^  mit  derSehnle  ^rUl  (sie  soll  „einNutzgaiien  aeln,  in  dem  die  eonftnio* 
nelle  Elrohe  sich  behaglich  ansiedelt")  —  andererMits  gemahnt  snr  Besinnang 
auf  das,  was  noththnt:  Wir  müssen  ..eine  pädagogjseha  Instanz  schaffen". 
Diese  wird  geVdldct  von  ..den  'J'riigern  der  pädag'ogischen  Wissenschaft,  und 
solche  müssen  alle  diejenigen  sein,  welche  mit  der  üffentliclien  Ei  Ziehung  üu 
thnn  haben.  Sie  müssen  einen  lückenloä  gegliederten  Stand  büdeu,  den  der 
Staat  für  diese  Zwecke  erziehen  muss,  wie  er  sein  Heer  heranzieht,  das  seine 
änßeren  Gilt»  schützt  Vor  diese  Instanz  mnss  jede  Frage  der  Sibntliefaen 
Ersiehnng  gebracht  w^den.*  Diese  Instanz  aber  Usst  sieh  nicht  schaffen 
„ohne  die  kräftigste  Regung  von  Seiten  der  Lehrer  selbst.'*  Und  »dieae 
Kegnng  darf  nicht  in  Thesen  oder  Besolntionen  bestehen,  sondern  in  eifriger 
Arbeit  an  uns  selbst"  ( \'eniel'uug  und  Erweiterung  der  päda^rogischen  Ein- 
sicht). „Die  Pädagogik  soll  uns  nicht  blos  eine  Anweisung  dazu  sein,  wie 
man  die  Jugend  ohne  an  grollen  Dmck  zum  Lernen  bringen  kann;  sie  soll 
uns  auch  lehren,  was  von  menadiliohem  Wissen  Ar  die  Bndehnng  der  Nation 
wertToU  Ist,  wie  es  im  Geiste  der  Jugend  an  einer  geschlossenen  Anarfiy^^y 
zusammengearbeitet  werden  muss,  nnd  wie  ans  der  Lehre  Überzeugung,  KOS 
der  Gewöhnung  Charakter,  ans  der  Einsicht  Entschließung  erwächst," 

48.  Zum  Jahreswechsel  (W.  Weidemaun.  IFauu.  1893,  1).  Verf. 
„will  die  HOhenponkte  in  den  Erlebnissen  des  vergangenen  Jahres  in  drei 
BOdem  andeuten,  die  sieh  als  Schlachtfeld,  als  Friedhof  vnd  als  Aekerftld 
beaeichnen  lieBen*.  Er  meint  die  .Zedlitziade'*,  die  Gomenins-Fder  nnd  den 


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—   413  - 


Ldmrtaflr  n  Halle,  und  wdB  dkm  »drei  BfUtar«  att  «raigm  Warton  ttefitod 

n  kennzeichnen. 

49.  Streifzüge  (F.  Sciiäflfer,  Rep.  1892/3,  IV).  Unter  den  „Beut*- 
Stöcken"  sind  etliche  anflTeb»Mi«w^rt»^  T>}ii!:r<v  .Wer  ist  im  Grunde  der  wahre 
Bnrsrer  der  idj'lliBclien  Welt?  Ein  cdlta*  und  liildotf^r  ^k-ist,  welcher,  mit 
reiner  Kuii>läugiiciikeiL  begabt,  die  Reize  der  Nutui  hui  hoin  Gemfifli  \Mrken 
iässf  —  „Jeder  Zwiespalt  zwischen  Veruimtt  und  Uerz  ist  oliue  weitere« 
virwflrflieh.'  —  ^Die  anfkUrenden  BeobaohlaiigMi  vad  Wakrtnilai,  wakka 
die  eindringeade  Natarforaohang  und  Vemnnft  aataga  fordert,  vanaOgan  es 
am  wenijgpBten,  den  denkendea  Maaaehen  nnglöcklich  zn  machen.  Der  Natur 
Ist  ilurch  die  Natarkaade  von  ihrer  IwaaUgaDdaa  SahBabait  aiciita  gaiaatit 
werden.'* 

50.  Über  Aulgabe  und  Umgestaltung  der  Fortbildnügsgchule 
(KüekljH,  F.  1892.  Fa).  „Der  Fortbildangsuiitünicbt  wird  wol  die  in  der 
VullLSächule  erworbenen  Keuntuitutie  und  Fertigkeiten  zur  Yoraussctzuug  iiaben*^; 
aber  Quelle  aelaea  Stoü»:  berafllcliaa  Labaa,  ataatliebe  and  geseUMhaftüeiia 
VartUtniaaa,  ia  die  der  ScbUer  lieh  aialehen  aoli.  „ÄifMitnalt  and  üater- 
riditaseit  werden  von  einer  höheren  sachkundigeD  Antotiiät  zwischen  OeachSft 
Qod  Schule  billig  zn  vertheilen  sein.'^  Der  Unterrichtsplan  hat  „Eicht  Idee  die 
technische  LeistnngstähigkeJt  des  künftigen  Arbeiters,  sondern  die  q-esammte 
Welt-  und  LebrnBanscliauung  des  kiinfti^'^'n  .^tiuitsbürfrcrs  ins  Ange  zu  tassi  n" 
«Zu  diesem  Zwecke  wird  der  Fortbilduü^>mirt  nicht  zu  einrni  eieeneu  (tt  biet 
der  ünterrichtswissenschaft  erhoben  und  als  solches  erl'oi-huhl  und  au.sgä8tHltet 
werden  müssen.**  Das  erfordert  »Ldirer,  welche  dea  Uotenicht  der  Fort- 
lildnngschlUer  ala  eiaa  Baiqteiifjsahe  ihrea  berafliehen  Leheaa  betrachtea.  Nar 
vea  aalahaiB  kaaa  aina  ToUaadata  Neagaelaltaag  aaaarea  FortbiJdaagaNfaal- 
naNBS  verwirkli<dit  werden'^. 

51.  Einige   ketzerisfhe  Gedanken   über  den  geographischen 
Unterricht  (Ä.  Biumentritt ,  Goo.  1892/3,  III.  IV.j.    Die  „Ketzereien' 
Bind  nicht  schlimm,  denn  slv  betrefien  zum  grölUen  Theüe  nur  nebensächliche 
Dinge,  meistens  sogar  nur  \V  orte  —  nnd  sie  8ind  sehlimiu,  denn  sie  verlangen 
dtt  Eiiiprägung  bedenklich  vieler  Nsonen  —  und  sie  sind  sehr  schlimm,  denn 
ria  Man  (flr  dia  Kartea)  hftnilga  Varwaadnng  der  „Haanahtifl**  aad  „punk- 
tirten  Haaraebrift**  an  der  auui  flieh  Uind  gackt  —  Sa  atehaa  aber  asok 
ctildie  „rechtgläubige"  Satze  da:  1.  Alle  geogr.  Namen,  die  in  der  Sohala 
genannt  werden,  sollen  sich  nicht  nur  auf  den  Schulkarten  vorfinden,  sondern 
anrh  auf  allen  eine  gleichwertige  Bedcntinsg  besitzen.  (Herstellrmg  der  Ein- 
heitlichkeit wäi*e  S-Avhv  I  ines  geographischen  ('riiigresses  oder  einer  Znsammen- 
kuQrt  von  Mittelschuiicbieru;  Geograidien  und  Natmhifit^rikem.   „Da  müssten 
Nornuükarten  approbirt  werden,  deren  Nomendatur  dann  den  Verfassern  voq 
LduUdiem  and  Atianten  als  Bichtsehnvr  gelten  sollte.'*  Beaondars  dringlich 
n  wiiwhua  NomalkarteB  vm  das  Alpan,  von  Aalen,  Afrika,  Aaierika, 
dastnUsa).  —  3.  „Der  Kailogiaph  varllgt  iia  Saharagebiete  über  genügenden 
^um,  um  die  vorzüglichsten  Karawanenstraßen,  welche  das  Mittelmeergebiet 
»nit  dem  Sudan  verbinden,  anzudeuten."  —  H.  Die  „^'^»lkerkn^de"  soll  fleißiger 
S«tri^ben  w»>r(1f  n.  in  höheren  iSchulen  mittels  eines  „geograpiiisch-etlinogra- 
pluKhen  Lesebuches'',  welches,  von  einem  Kundigen  vei'£mt|  Länder  und 
lieote  „aller  Zonen"  in  ihrer  Eigenait  vorführt. 


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—  4U  — 


Herr  Dr.  Felix  Stoerk.  ordeiitl.  Professor  der  Rechto  an  An'  rniv«^rsitäl 
Greifswald,  hat  K«in«'  am  27.  Januar  in  der  Aula  der  geaaunlen  Ii(»ch8diule 
gehaltene  Festrede  zum  (jebuitetag  de«  deuibcUei)  Kaisers  im  Druck  erscheinen 
\mm,  DiaMlbe  fUrt  InibeMndere  4ie  Nothw«ndl|^rail  eiMr  polititehei  «nd 
«Uaiibftrf  erliohei  SriiehnBg  dentoehen  N*tloii  tm.  Es  frevt  ma, 
dan  diese  widitigt  ud  dringliche  Angelegenheit,  die  wir  bereits  vor  vielen 
Jahren  in  diesen  BlHttern  na<1u!rür  kUcb  betont  liaibeiif  eodUdi  in  den  htHierai 
ftfinftllitffhftftikrftii^n  Anklang  üüdet. 


Die  „MonnmentA  GernanlM  Pnodagogica'',  heraasgegcta  van 
Karl  KehilMob,  Verlag  tob  A*  Hoteaan  &  Comp.  In  BerUBi  hata  ihm 
XIV.  Band  vollendet.  Dei-selbe  entbilt  die  nOeeciiiclite  dar  £rsieliang  der 
Bajwiadifla  WittelMtacher«'. 


Die  ,. Mittbeiluugeu  der  Gebellschaft  für  deutsche  Erziehungs- 
nud  Schulgeschichte, "  herausgegeben  von  Kail  Kehrbach,  Verlag  von  A. 
Heteann  A  Cmjf.  in  BerUn,  sind  svm  Abioiiliai  des  H.  Jahrganges  gelangt. 

Die  „Monatshefte  der  Comenins-Gesellschaft haben  mit  ihrem 
4.  Hefte  den  L  Band  voUendet.  In  Oninwissimi  bei  B.  Voigtltader  in  Le^^. 


Als  nener  Bciuag  ^lu-  Coitieuius- Literatur  ist  kürzlich  in  A.  Uelnüch's 
Bndihaadlang  (BleleliBid)  ein  Heft  ven  4A  Seitu  (Prela  76  Pteiige)  ernUeneB, 
welches  eine  Featnds  Ulier  das  VerhUtnis  des  gnflen  Ftdagegen  an  dsB 

wichtigsten  Sohnl-  und  BnlehimgBfragen  der  Gegenwart  von  Dr.  Wilhela 

Rohmeder  in  München  Tind  eine  Abhandlung  über  das  pildagog-ische  System 
des  Comenius  von  dem  Berliner  Kedor  \\.  Rlssmann  eath&lt.  Die  Nanea 
beider  Verfasser  bürgen  für  gediegene  Arbeit. 


Unser  au^eselduieter  lUtarbeiter  Dr.  H.  Horf  bat  im  XXXL  Keiyahn* 
blatt  der  HilfsgeseUsehaft  von  Wintertfear  eine  grSßere  Abfaaadiang  nnler  dem 

Titel  ,.  Volksbildung  nnd  Volksschule  in  geschichtlicher  Bdenchtung"  (87  Seitea, 
Winterthur  bei  Ziegler)  verOfEentUeht»  welche  jedem  Bildongsfireiuide  ruchsa 
Oeooss  bieten  wird,   

■ 

Bie  »Bilder  aas  der  Oesehlehte  fir  Kaabenbftrgersohalea*  tob 
Tn^  (Verlag  tob  F.  Tenpsky  in  Wien  and  Vng)  haben  die  Anuralwtiea 
dsa  k.  k.  österr.  Unteniebts-ldnisteriums  wlaagt.  und  die  VeriiagriiaaiflQng 
erklärt  8ich  bereit  ,  den  Herren  FaeUehiem  aof  VefisageB  Probeexeaiplan 
gratis  und  fraoGc  su  übersenden. 


Die  Jngendzeitung:  „Für  die  Jagend  des  Volkes'',  monatlich  ein 
Hefl^  Preis  jIhrUeh  80  kr^  Hennugeber  aad  Bedactenre  Fnoa  Xariaar  aad 

Adalbert  Martin  in  Mödlieg  bei  Wiea,  bat  Ihren  II.  Jahtgaag  begeaaMi.  Laat 

den  höchst  beifälligen  Beurtheilungen  der  österr..  Sdiulbl&tter  hat  sich  das 
Blatt  bereits  \iele  Freunde  erwnrTien.  imd  der  »ehr  billige  Preis  deßselben 
wird  hoffentlich  seiner  weiteren  \  rbreituu^  Vorschnb  leisteUf  amsomehTf  als 
die  Herausgeber  mit  jeder  Nummer  Beaseres  Meten. 


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—  415  — 


Seit  Neujahr  ersclipiiif  itiitr-r  ilem  Titel  „ Sf cnog^rapliische  Corre- 
spondenz*'  eine  ^lonatssclirirt  zur  Frirdening-  der  Gabel.sberg'er'sühen  Steno- 
graphie iu  der  gesühäftliclieu  Praxis,  iusbesondere  iin  Handel  und  Verkehr; 
verantwortlicher  Bedactenr  Josef  Jahne  iu  Wien,  VI.  Miiierga^äe  3,  Ver- 
mülaag  ud  Biyedltli»  Vino.  Zwiensina  in  Wien,  I.  Nibelnngengasse  13. 
Mbt  jährileh  It.  1.50. 


Receii8ioiieu. 

Joh.  Adolf  Herzo":,  Die  Schule  und  ihr  neuer  Aufbau  auf  natürlicher 

enmdlage.  Zürich  1892,  Caesar  Schmidt.  153  Seiten.  Preis  1  Mk.  60Pf. 

Neben  yieleu  unbedeutenden  und  wertlosen  Erzeug^nissen  der  pädagogischen 
Presse  unserer  Zeit  kann  diei>e  ScUrift  als  eine  beachtenswerte  Erscheinung 
beieictuiet  werdcu,  da  in  ilur  ein  vielseitig  gebildeter  nnd  selbutatftndig  denken- 
der Schulmann  das  g-csammte  riffeutliche  Uiiterrit'htsTi^'cseü  i'iru  r  Lrründlichen 
iCritik  unterzieht  uui  eingehende  Vorschläge  zu  einer  durcbgreilenden  Ver* 
bewenmg  dewdben  entwittdt.  Riemiit  ist  sagleich  gesagt,  das»  du  Tor> 
liegende  Buch  zur  Gattnu«;  der  Reformschriftcn  ufehort,  für  welche  zwar 
durch  ihre  große  Menge  das  Interesse  bedeutend  abgestampit  ist.  immerhin 
aber  noch  Empfäuglicb^eit  erwartet  werden  darf,  solange  von  einem  „neuen 
Üan"  im  Sehnlwesen  tiots  vielen  Bedens  noeh  wenig  EitanHelMs  sn  be- 
merken ist. 

Was  will  nun  Herr  Herzog  ?  Ais  Postulat  stellt  er  zunächst  iolgenden 
Satz  auf:  „Wir  branelLea  wieder  fOr  die  gesammte  Jugend  efaie  gemeinsone 
Schule  von  deren  Anfang  an  bis  zum  Ab.sehluss  der  ob-  r-tni  Stufe,  mit  ein- 
heitlichem L^ustoff  nnd  mit  Auaschiuss  aller  Bifuicatioaen  und  Üeru^Bachulen." 
Diese  gemeinsave  Sdknle  soH  in  üuem  unteren  Theile,  der  die  Primär*  oder 
allgemeine  Volksschule  ausmacht,  die  einzige  Öffentliche  Bildungsanstalt  fUr 
die  sresammte  Jugend  einer  Nation  sein.  Dann  aber  in  den  mittl'^r»'n 
und  oberen  Abtbeiiungen  soll  sie  nur  einen  Tbeil  der  weitereu  Bihiuug, 
nämlich  die  der  gesammten  Jagend  auch  noch  ÜDmer  nöthige  allgemein 
gleiche  Erziehung  zum  Menschen  und  Bütf^er  besorgen,  während  der  andere 
Theil,  die  Fachbildung,  von  den  daneben  herlaufenden  Berufsschulen  ge- 
pflegt werden  soO.  „Solange  jemand  eine  FediBehnle  besnoht,  ist  für  ihn 
auch  die  gemeinsame  obligatorisch."  Dies  gilt  ^flr  die  gesammte  Studienzeit 
v(mi  12.  oder  14.  Lebenuahre  an  bis  zur  Absolvirung  der  Mittel-,  Hoch-  und 
Feehsehulen  aller  Art  Auf  der  Mittelstufe  werde  etwa  der  Studienarbdt 
fUr  bisherige  Lehrgegenstände,  hinzukommende,  bisher  nicht  ge- 

^  bürend  beachtete  Fächer  von  allgemeinem  Wo-tp  und  -  fiir  das  Fach- 
studium in  dci  Berulsschule  zu  verwenden  sein;  aai  der  obersten  Stute  würde 
etwa  noeh  ^4  oder  der  Zvix  der  graneinsamen  Schule,  dagegen  »/4  oder  % 
der  Berufsschule  gehören.  „Das  Gesammtmaß  der  Studienarheit  darf  auf  keinen 
Fall  grö^  werden^  als  es  bis  jetzt  war,  und  es  dürfen  auch  die  Berutsstudien 
keine  Yeikttanmerang  erieiden.'^ 

Die  Motive  zu  diesen  Vorschlägen  ergeben  sich  aus  den  Missständen  der 
g^enwärtigen  Schuleinrichtnng  und  den  iiieraus  entstehenden  Conflicten.  An 
nie  Primarschule  stellt  man  nicht  selten  die  Anforderung,  dass  sie  auf 
eine  Fach-  oder  Mittelschule  vorbenite;  die  erweiterte  Volkisehnle  oder  auch 
die  Unterabtheilnng  der  Mittelschule  »oll  dem  Harn!  vf  rKr .  der  Landwirtschaft, 
der  EiBcubahu,  der  Post,  dem  Handel  u.  s.  w.  bruucubare  Leute  liefern;  das 
Gymnasium  soll  allen  FaenltAten  der  UniTeraität  nadi  Wunsch  vorarbeiten, 
wobei  die  alIer^'er-  hi^^Ir rufen  Anfordemngen  erhoben  werden.  Und  die  Uni- 
versitäten selbst  verniOgeu  kaum  noch  die  fortwährend  steigenden  Anforde- 
nagen  an  die  Fachstndiea  mit  den  Anijtaben  der  rein  wiiwiMhsftlidien  Arbeit 
and  faien  Qeiatesentwiftkelnng  in  Einklang  an  bringen.  Dan  Biotstadinm  gewinnt 


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-    416  — 


immer  mehr  die  AUemherreciialt  uud  iülirt  docli  uiciit  zu  einer  guuügcuden 
BeraMfldniig.  „Das  bestehende  EsAmenwesen  bewirkt,  dass  sich  die  Grofi* 
zajil  der  TluHiIo^t'u,  .Tinistcii,  Lehrer  uiclit  ti'uniiil  auf  ihrru  Beruf,  sondern 
aul  das  £xamen  vorbereiten.  Nachher  arbeiten  sie  mit  dem  Wenigen,  was 
tuudi  dm  Hinkomufiii  flbr  Aulbang  ihni  Deinftfl  difbuiliuliek  itb  nnd  wm 
sie  oft  erst  in  der  Praxis  selbst  lernt  n/'  Im  ganzen  geht  Vcrfa«-«  r  u  tf  eine 
vereinfachte,  aber  gründlichere  (icistesbUdung  und  eine  tiel'eie  tieiuüüit»-  und 
GuKnkterbfldung,  zugleich  aber  auch  anf  eine  pfaktischare  and  aweckmiBigeTe 
Berufsbildunp:  ;iu8,  ein  Ziel,  das  ohne  gründliche  Reform  nicht  erreichbar  ?;f>i 
„Anders  geht  es  nicht,  als  dass  ein  Xheil  des  Unterrichtsstoffes  ganz  aus- 
gMtiidien  oder  in  die  Beroftschulen  hintUierrerlegt  wird.*  Oleidiwol  wül 
Verfasser  nicht  i»l"ttzlich  das  Bestehende  umhtiirzeii.  sondern  es  nur  allmlihlich 
umgestalten  und  TeijUngen.  Zuerst  soll  die  Lehrerhildttsg  und  die  Volk^«- 
Bdhule  dea  Fotdeningen  der  Pidagogik  gerall  feCotniirt  w«ii«B:  iat  dies  g*> 
ächehen,  dann  ..ist  die  Zeit  gekommen  zur  Umgestaltung:  der  Mittel-  und 
Hochschulen.  l>ann  soll  es  für  die  künftigen  Lehrer  wie  für  die  Theoloffea, 
Kedloinar,  Juristen,  Techniker  und  Künstler  nur  eine  einzige  gemefatame 
Bildungsstätte  geben,  neben  welcher  die  besonderen  Berufiaschnleu  Ix  rluufeii." 

Man  wird  nicht  in  Abrede  stellen  können,  dass  hier  ein  echt  pädagogischer 
Oeist  das  Wort  führt.  Die  entschiedene  Betonung  der  eigentlich  erziehlichen 
Elemente  im  Bildungswesen  gegenüber  der  bloßen  Abrichtnng  ad  hoc,  dus  uu- 
bedinirfc  Eintreten  für  die  allj^empine  VolksselmJe.  die  weise  Beachtung  der 
Oreuzeu  der  Leistungsfähigkeit  de*  werdenden  Meuschcn,  die  Fortführung  der 
allgemeinen  Bildung  bis  zur  hOahaten  Stnfe  des  gerammten  Studium»,  die 
Vorsicht  in  der  DurchfQlirnnir  des  entworfenen  Planes,  der  stets  festgehaltene 
Bück  auf  das  Ii  »uze  der  BildungHarbeit  und  der  bürgerlichen  G^Uschaft, 
das  alles  sind  deutliche  Anzeigen,  datiis  wir  es  hier  nicht  mit  einem  unreifen, 
einseitigen  und  voreiligen  Proiectmacher  zu  thiin  haben,  wie  e«!  deren  in 
unseren  Tagen  recht  viele  eribt.  Besonderen  Wert  legt  Referent  auf  die 
vom  Verfasser  vertretene  Idee  der  ununterbrochen  bis  zur  hflduten  Stufe  fett- 
laufenden  Allere  in  eiubildung  nel)«  n  Ir  r  Fladtbildung,  während  man  fson<»t  nur 
albi5uott  die  oberHachiiche  Phra.se  vernimmt,  jene  müsse  abgeschlosson  sein, 
wenn  diest  beginne,  und  insbesondere  müsse  das  Lehrerseminar  sich  nur  der 
Faelibilihinp:  widmen.  Als  ob  nicht  er^rnde  die  Blüte  der  Allgemeinbildung: 
das  tiefere  Eindringen  in  die  claäüiäcbeu  Werke  der  Nationalliteratur  (der  poe- 
tiiohmi  wia  prosaischen)  und  in  die  bed«  utendsten  Systeme  der  Philosophie, 
femer  die  pragmatische  Erfassung  der  Weltgeschichte  und  des  socialen  Lebens, 
ein  verständnisvolleT  Kunstgennss,  selbst  eine  rationelle  Ojninastik  und  so 
nmnches  andere  eine  irT5l  er«  Bieife  dm  Indlviduiiins  votaMaetate,  all  die 
Fachbildung! 

Was  freilich  die  äußere  Durchführung  des  hier  entworfenen  Planes  be- 
trifft, naeh  wddmi  jeder,  der  (Iber  die  TfimaiMlrale  binaua  nach  weither 

Bildnnp:  strebt,  ununterbrochen  zum  Abschluss  seiner  Studien  gleichzeitig 
an  zwei  von  einander  vOlUg  getrennte  Schulen  gewiesen  wird,  so  dflrtten  sid 
oirilberwiAdlidie  Schwleriglidten  geltend  nadieii.  Wol  Hast  afeh  denken,  daai 
die  beiden  einander  gegenüber  selbstständigen  Bildungsaiistiilten  durch  eine 
hühen  Instana  reranlasst  werden  kannten,  i^  Arbeitszeit  derart  testsusteUen 
da«  den  Schüleni  dw  Beeuch  beider  ermöglicht  irod  Vbmrlunrpt  ein  fliedlielieB 
Xebeneinaiiiler  ge.sicii  rt  '.vüre.  .\lltMn  offenbar  würde  diese«!  Nebeneinander 
ttb^haupt  nur  in  einigen  UroSst&dten  sto^tfiaden  können,  in  solchen  n&mlich, 
tvo  Sehwen  jeder  Art,  alao  allgemeine  Mittel-  und  HocSüdnden,  polytedniadie 
Institute,  Ackerbau-,  Fon^t-,  Berc:-,  Seeniannsscbulen,  Lehrerseiniuare.  Gi'werbe- 
»chulen  u.  s.  w.  factisch  vorhanden  sind  oder  doch  errichtet  werden  kOnnen. 
Sa'fnUflite  mit  einem  Worte  das  gcsammte  Bildungswesen,  von  der  ünterstnfe 
al)t»:e8ebeu,  an  wenigen  funkten  centralisirt  werden,  so  dass  außer  einigen 
Sohulstftdten  das  ganze  Land  von  mittleren  und  höheren  Bildungsanstalten 
entblSfit  wttrde.  WIre  eine  miobe  Binrlefatung  au(;h  möglich,  wünschenswert 
wäre  sie  schwerlieh,  da  sie  einer  allseitigen  Circulation  des  Bildungsstromes 
hinderlich  werden  mttsste.  Es  wird  also  doch  inimerhin  die  Verbindung  der 
allgemeinen  mit  der  beruflichen  Bildung  festzuhalten,  beziehentlich  anzustreben 


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—  417  — 


«ein,  wobei  »lie  im  vorliegenden  Buche  enthaltenen  Ideen  und  Rathschläge 
keineswegs  ihren  inneren  Wert  verlieren,  wenn  ihnen  auch  nicht  der  äußere 
Avtdruck  gegeben  werden  kann«  den  der  Verfasser  befürwortet. 

Jedenfalls  wird  os  kt  in  ilcnkender  Schulmann  oder  Schulbeaniter  unnütz 
finden,  diesem  Buche  ein  ernstes  Studium  zu  widmen.  Es  enthält  im  Kahmeu 
einer  lunfSuaenden  Schoheme  ngleieh  eine  Reihe  sehr  seh&lseiswerter 
specieller  Ausführungen  über  besonders  wichtige  Punkte,  z.  B.  über  Lehrer- 
bildung, Uber  Schulbücher,  über  das  staatliche  Schulregiment  u.  s.  w.  (Wenn 
miiglich,  werden  wir  an  einer  anderen  Stelle  dieser  Blätter  ein  paar  Frohen 
solcher  Ausführungen  bringen,  weil  sie  Missstände  beleuchten,  die  wir  zwar 
schon  längst  und  wiederholt  charukterisirt  und  bekämpft  haben,  die  a>>er  nodi 
immer  fortbestehen  und  daher  nach  wie  vor  zum  Widerspru<.h  reizt- u.) 

'  Dass  das  B«eh  im  Einzelnen  auch  sdiwaehe  Stellen  enthält,  möge  eben- 
falls durch  ein  paar  Beispiele  daiir<'les^t  werden.  „Die  Kelii^ion  ist  Kdiglich 
ein  Prodact  des  (iemUtbes.  und  weder  der  Verstand  noch  die  Phantasie  habeu 
eineii  Theil  sn  {hr"  66).  Diese  Ansieht  ist  hei  einer  grtndlichefen  Analyse 
des  Woens  der  Religion  unhaltbar.  „Also  theileu  wir  der  Volksschule  lieu 
Gesang,  der  Mittel-  und  Hochschule  den  musikalischen  (Instrumental-)  Unterricht 
zu"  (S.  119).  Soll  in  der  ](ittel-  und  Hochschule  der  üesang  nicht  gepHegt 
werden?  —  Dass  ferner  auf  der  ÜBtentnüB  der  Veftssrlmle,  d.  i.  volle  zwei 
•Fahre  lan^,  nicht  geschrieben,  sondern  nur  gesprochen  werden  soll,  und  zwar 
ausschließlieh  im  heiuiatlichen  l^ialekt,  auch  nicht  mit  Ziffern  gerechnet 
weiden  soll  (S.  121 V.  123),  ist  eiae  Übertreibung  u  stdi  liehtiger  Forderungen. 

Dorh  nun  nur  noch  ein  paar  allgemeine  Bemerk  untren.  Was  ist  der 
eigentliche  Urund  der  immerwährenden  Keform versuche  aut  dem  Gebiete  der 
Sebnle?  Wir  iBtirarte&x  dU  Xitiaohtung  der  Pidagogik,  welehe  Iüib- 
achtung  thflflt  dtt  maeiiii  TedUIy  tbo  die  Reformbedürftigkeit  der  Schulen 
verschuldet  hat,  theils  einer  wildlfll  und  wüsten  Projectmacherei  freie  Hand 
gibt.  Weil  die  Ideen  uml  i'läne  der  Meititer  des  Schulwesens  noch  immer 
akdit  dudigediiuigen  und  verwirklicht,  ja,  wo  sie  schon  Boden  gefasst  hatten, 
wieder  verdrängt  worden  sind,  und  weil  das  heuti»;e  Geschlecht ,  ein  großer 
Theil  der  jüngeren  Lehiei^eueration  eingeschlossen,  so  gut  wie  nichts  weiß 
Ton  den  bahnnfedieBdeB  Lotungen  der  YergangMiheit:  so  meiit  man,  es 
inüsste  ein  neuer  Ours  gesucht  und  eiui^eschlagen  werden,  und  Hunderte  von 
Schal-  und  anderen  Männern  treten  mit  unreifen  Keformprojecten  hervor, 
wiluMBd  sie  bester  thftten,  erst  ein  Jahnsehnt  lang  su  den  yfttem  der  Päda- 
goi^k  in  die  Lehre  zu  gehen.  Diese  Väter  sind  noch  lange  nicht  veraltet, 
sondern  nur  zurilcktredräni^t  von  ideeulo-eu  Strebern  und  oberflächlichen  Prak- 
tikauten, Wir  würden  sicherlich  viel  weniger  Itel'ormgeschrei  hören,  wenn 
si^  niebft  ein  großer  Abfall  von  den  Altmeistern  der  Pidagogik  vollzogen 
hätte,  wenn  nicht  die  rnwissenheit  zur  Gewohnheit  geworden  wftn\  und  sich 
nicht  die  Bünden  als  Wegweiser  aufspielen  dürften,  sobald  es  ihnen  gelingt, ' 
mf  SoUefflkwegen  eta  Stttätehen  Vaekt-  vad  Biitfass  la  eilaagen.  Dm  eigent- 
liche Facbelement  spielt  ja  in  unserem  Schniwesen  die  allerbescheidenste  Rolle. 
Es  gibt  keine  Corporation,  in  der  dasselbe  frei  discutireu  und  maßgebende 
Beschlüsse  fassen  könnte;  und  dass  die  Stimme  einzelner  hervorragender  Päda- 
gogen noch  etwa.H  vermochte,  wie  es  vordem  der  Fall  war.  ist  bei  der  nase- 
weisen Oberflächlichkeit  der  heutigen  Kraftgenies  und  der  .Alleinherrschaft  der 
patentirten  Schulherren  ausgeschlossen.  Da  ist  es  freilich  kein  Wunder  dass 
das  Bidtrfliis  einer  Reform  immer  grOBer,  die  Moglickkeit  deweihea  immer 
geringer  wird.  Nur  soll  man  nicht  raeinen,  dass  etwas  atiszurichten  sri,  so- 
lange der  ünveratand  in  der  Macht  sitzt  und  die  Einiücht  ohnmächtig  ist^ 
nwii  floll  aber  aaek  iiiekt  melBent  dtsi  die  Befeimea  aaf  ein  iMvesLi«dit  warten 
müssteiK  alte  Weisheit  aber  entbehrt  worden  könne.  W^enn  man  den  Comenius, 
Locke,  Rousseau,  Pestalozzi,  Diesferweg  nnd  ähnlichen  bahnbrechenden  (teistem 
folgen  wollte,  dann  hätte  mau  aut  lange  Zeit  Retünnideeu  genug  und  man 
kiMekta  niekt  aaf  nene  Propheten  z\i  warten  und  den  superklugen  Einfällen 
•naseliger  Epigonen  zu  lauschen.  Während  wir  als*»  von  allem  Reform geschrei, 
das  die  Namen  der  Heroen  übertönt,  eher  Schaden  als  Nutzen  erwarten,  gebrä 
Vir  g«n  n»  da«  Sekriftea  wie  dio  mUegende  tritgaim  da»  OMa  iMbai 


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kflBBen,  snr  WiedtriMlebaag  9ttm  «natMi  Stndiami  der  PUagogik  l)ei< 
iiitNgaiL  D. 


WmmI,  Lehilnich  der  Geschichte  für  die  Prima  höherer  Lehr- 
anstalten, i  Th.  il:  Mittelalter.  IL  TheU:  Nenseit^  G<»thAl892,  Pertbaa. 
Preis  4  Mk.  «0  Vf. 

Wessels  Lehibuch  enthält  oijie  Neuerujig,  die  Nachahmung  Tordientc,  £s 
enihlt  im  Anhange  unter  dem  Titel  ^Zeittwel'*  das  in  aller  Kltree,  im  Anan^, 

was  das  Werk  ausführHch  hicttt.  TAno  Wio<h'rholuii^  j^rößerer  Partien  ist 
dem  Schüler  so  in  höchst  bequemer  AVeise  ermöglicht.  Auch  sonst  sorgt  der 
Yerfasaer,  dass  die  Geschichte  festhafte.  Er  gliedert  den  Stoff  naeh  inneren 
Beziehungen,  die  Überschriften  der  ciiizplnen  Theile  sind  w  ie  Thrinata  ^tilisirt, 
inhaltreich,  z.  B.  ist  die  Regierung  Lothar»  von  Sachsen  und  Koniads  III. 
zusammengefasst  unter  dem  Titel:  ^Die  Cbermacht  der  kirchlichen  Ideen  rar 
Zeit  Bernhards  von  Clairvaux",  die  Regierung  Jakobs  I.  und  Karls  1.  unter 
dem  Titel:  .,Der  politisch-kirchliche  Absolutismus  der  ersten  Stuarts"  und  ge- 
gliedert in  die  drei  AbBohnitte:  1.  Die  erstarkende  Macht  des  englischen  Par- 
laments. 2.  Die  Erhebui^  der  schottischen  Presbjterianer.  3.  Die  Niederlage 
des  ahsoliiten  Kihügfthnmcf!.  Solehp  lehrrpii'hf  Winke  ffir  dif  Erfassung'  des 
iuücreu  Zusaimneuhauges  enthulteu  auch  die  „Überblicke"  uud  ^ Ii ück blicke '. 
Hervorgebobeu  imiss  endlich  werden,  dass  dtt  Bnch  Wessels  kleine  Kärtchen 
enthält,  z.  B.  Oheritaliens  zur  Zeit  Barbarossas,  so  gezeichnet,  diiss  sie  der 
Schtller  leieht  au  die  Tafel  entwerfen  kann.  Sie  sind  also  kein  Ersatz  eiue» 
historischen  Schulatlasses,  sondern  verfolgen  andere  Zwecke.  Ma  da.s  Buch  f&r 
die  Prima  eines  Gymnasiums  ^)tstimI^lt  ist,  so  sind  Sa^en,  Anekdoten  etc. 
ausgeschlossen;  auch  die  forut  der  Darstellung  entspricht  dem  ^ereifteren 
Alter  der  SdiOkr.  Manchem  freilich  wird  sie  doch  große  Schwiengkeit  be- 
reiten, denn  {»■ar  leicht  wird  sich  der  Satzhan  nicht  einprS^en,  umsomehr  als 
auch  die  Zeilen  ziemlich  eng  gedruckt  sind,  der  Druck  also  das  Lernen  kaum 
nntenttttsen  vizd.  W. 

Böttcher,  Geschichtlich-geographischer  Wegweiser  iür  das  Mittel- 
alter and  die  nettere  Zeit   Leipzig,  Tealmer.   Preis  geb.  4  Hk. 

Dw  voriiegeiide  Nnduehhugebncli  orientirt  über  die  Lage  von  ca.  4000 

geschichtlich  merkwürdigen  Orten  in  eigenarti^rfr  Weise.  Ein  Beispiel  wird 
sie  veranschauUohen.  „Alten bürg  shdlich  von  Leipzig,  fast  westlidi  von 
Dieeden,  welebee  an  der  Elbe,  oetelldQs£lieh  ron  Lefpng  liefirt.  Müoli  von 

Weimar,  welches  an  der  Tim,  we?ts(ldwcstlich  von  f.ri|izii;^  lii-^t.  l'''r  1"  ."Ufe 
des  geeachten  Ortes  wird  also  durch  drei  Funkte  bezeichnet,  deren  Lage  wieder 
mit  Bflekeleht  anf  «nen  Ausgangspunkt  bestimmt  wird.  Der  VerfluKT  nennt 
diese  Methode  die  „beschreibende".  Für  im  ullir  meineu  schwer  (wegen  nicht 
chaiakterietiacher  Lage  an  einem  flossknie  oder  an  derMflndung  eines  Stromes  etc.) 
beirtimmbaTe  Orte  bat  diese  Methode  dw  OrtibeBtlnuttnng  ila  Gutes;  f&r  viete 
Orte  kaum .  für  alle  im  Buche  trenannten  gewiss  nicht.  Wozu  einen  Schüler 
in  Böttchers  Art  Uber  die  Lage  so  bekannter  Orte  wie  z.  B.  Wien  ao  auf- 
klären: „Wien  an  der  Donau  ob^halb  der  Mündung  der  March,  nnd  fbet 
westlich  von  derselben,  nicht  weit  vom  48"  n.  Br.  und  nordlich  von  dem- 
selben; südöstlich  von  Prag;  östlich  von  Linz,  welches  an  der  Donau,  südlich 
von  Prag  liegt;  südwestlich  von  Krakau,  welches  an  der  Weichsel,  Östlich  toq 
Prag  liegt;  westnordwestlich  von  Budapest,  welches  an  der  Donau,  südsüd- 
wesüieb  von  Krakau  liegt;  sUdsUdöstlich  von  Dresden  und  von  Berlin,  östlich 
von  Müachen,  welches  südKÜdwesflich  von  Dresden  und  von  Berlin  liegt. 
Dresden  liegt  sfldsüdOetlioh ,  fast  südlich  von  Berlin"  (S.  359).  Der  Leser 
merkt  aus  diesem  Beispiele  zugleich,  dass  der  Verfasser  manchmal  auch  mehr 
als  zwei  oder  drei  Orieutirungsimnktc  au  ililfe  nimmt;  freilich  warum  so  viele, 
warum  nicht  noch  mehr,  warum  gerade  diesem  ist  dem  Referenten  nicht  klar 
geworden.  Ebensogut  könnte  ja  die  Lage  Wiens  mit  BUcksicht  auf  südlich 
von  Wien  gelesene  Orte  bestimmt  werden  (z.  B.  ^raz,  Triest,  die  dem  Schüler 
kann  weniger  bekamit  eeia  wvden  als  a.  B.  liu  ed«r  Kzakan).  W, 


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—  419 


Kapp,  Über  Ziel,  Methode  «ad  HUftmittel  des  geographiichen  Un- 
terrichts an  Gymnasien  nnd  Bealschalen.  2.  Anflage.  Brealaa, 
mn.    XXIV  Q.  144  Betten.   Freie  1  Mk.  50  Pf. 

^?p5?nnde  Ansichten  ilbor  flif  Ziole  tnid  ilie  ^fcthoden  des  cjcographischcn 
Unterhcbtes  an  Gymnasien  und  BeaLscbuien,  wenn  aucli  nichts  bleues.  So  UeJBe 
«ich  des  den  Anfänger  nsob  erientnende  Bttddem  ohandcterisiTeD.  Et  will 
selbst  iii«bt  mehr  sein.  Die  behandelten  Themen  sind:  Die  Geographie  als 
Wissenschaft  und  in  der  Schule,  die  Auswahl  tmd  Ycrtheilung  des  Lehrstoffes 
auf  die  einzelnen  Uulcrrahtsstuten,  dif  Mt  thodcu,  insbesondere  die  dea  Karten- 
leichneos,  endlich  die  Hilfsmittel  di(s*^s  I  nterrichtazweigea.  Bei  der  EMtvte- 
Tong  des  letzteren  filllt  auf,  dass  der  Verfasser,  der  doch  die  Literatur  -r- 
scäöpfend  anftthrt,  über  ganz  bekannte  I^ehrbil«^,  s.B.  Uber  Voigt,  Jaemckc, 
Buge  lUoht  ans  Autopsie  orUieüt,  flondeni  gestellt,  sie  usht  iv  kamen.  W. 

Spengler,  Der  deutsche  Aufsatz.  Wien,  K«megen.  48  Seiten.  i'reislMk. 

Die  BfOsflUre,  gcsohtieben  ron  einem  jüngeren  österreichischen  Gynmasiel- 
U'hrer.  der  sich  durch  eine  literargeschichtlicfae  Mtmographie  bereits  «  inen  ge- 
achteten Namen  rrworb»  n  hat  und  dem  es  mit  seinem  Berufe  ernst  ist,  ent- 
wirft al8  Einleitung  ein  }->il(l  der  Schüleraufsätzc.  l)m  Bild  ist  grau  m  grau 
gemalt  und  nichts  weniger  nl;^  erfreulich.  Die  Ursachen,  warum  der  Lenrer 
trotz  besten  Wissens  und  Wollens  keine  irfinstigeren  Kesultate  erziele,  lindet 
der  Vertasser  zuerst  in  den  sogenannten  Instructionen,  die  ein  Soheinunter- 
lieirten  bedingen.  MathematiBch  wefet  Spengler  nach,  dus  der  Lectttie,  dem 
Hauptfactor  bei  der  Stilbilduucr.  eine  geradezu  lächeriich  kleine  Anzahl  Stunden 
nur  Verftigung  stehe;  darum  sein  Kuf  nach  Sirhttinpr  und  Heschr&nkung  des 
Lehrstoffes.  Die  zweite  Ursache  findet  er  in  iler  Art  linderer  LesebQcher,  die, 
auf  der  Unterstufe  encyklopädisch,  auf  der  Oberstufe  reiu  literarisch,  auf  keiner 
aber  Stilmuster  fOr  SdiUeiarbeiten  bieten,  äneogler  betont  bier  einen  wunden 
Punkt.  W. 

Sprocklioll,  Eiuzelbilder  aus  der  f'hysik.  Die  wichtigsten  physi- 
kaiisclien  Erscheinungen  des  tilgliclieu  Lebens  und  die  gewöhnlichRten 
Gegenstände  des  täglichen  Gebrauches  in  Wurt  und  Bild.  2.  vollstäudig 
umgearbeitete  Auflage.  Hit  Uber  100  AbbOdungcu.  Uannover,  Verlag 
von  Carl  Meyer  (Ghutav  Frier).   96  Seiten.  Pteia  70  PI 

In  kursen  Absebnitlen  bespricht  der  Verfbner  die  in  der  Natur  und  im 

Hause  vorkommenden  wichtif?stcn  Erschein unsren  physikalischer  Art  und  ei^ 
kl&rfc  di^elben  in  der  bei  ihm  bekannten  und  pr&cisen  und  klaren  Weise. 
IN»  BfiahMn  wird  ttbenll  dort,  wo  ein  eingehenoer  pb^sikalisolier  Ünteriiebt 

nicht  möglich  i  t.  L^nte  Dienste  lei.'«fen.  Die  zahlreichen  guten  Abbildungen 
helfen  dem  Verstäudniüse  in  ausreichender  Weise  nadu  Bftchlein  ist  in 
jeder  Hinsiflbt  empfehlenswert,  der  Preis  billig.  C.  R.  R. 

Carl  StrSse,  Oberlehrer  am  herzogl.  Friedriehs-Kcalgymnasium  iu  Dessau, 
Leitfaden  für  den  Unterricht  iu  der  Zoologie  in  höheren  Lehr- 
aoataltea.  ünterstnfe.  lüt  20  in  deo  Text  eingedmekten  HelMdmitten. 
Beaan,  Yarlagabaddiaadliiiig  von  Faul  Baumaun.  IV  u,  49  Seiteo.  FrelB 
60  Pt 

In  einer  vom  gewöhnlichen  Gange  abweichenden  Weise  ist  dieser  Leit- 
faden geschrieben;  im  cranzen  macht  er  den  Eindruck,  als  ob  der  Verfasser 
ein  Repetirbuch  anlegen  wollte,  «»ehematisch  sind  manche  Parti*  n  abgcftisst, 
und  insbesondere  fiUlt  der  Mangel  eigentlicher  Beschreibungen  auf.  Hie  und 
da  ist  der  Ven^uch  gemacht,  durch  die  Schiller  die  Merkmal  1  r  objecte 
herausfinden  zu  lassen.  Nur  einaelne  typisobe  Formen  sind  etwa<>  genauer  be- 
qnochen.  Dem  Lelnrer,  der  mit  diesem  Lsitfiülett  arbeiten  soll,  flOn  Menlblls 
ein  großes  Feld  der  Selbstthittigkcit  zu,  was  nur  ancrkennen.swert  genannt  werden 
kann,  und  ebenso  kann  er  ohne  gute  Olyecte  nichts  ausrichten,  weil  er  die 


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^    420  — 


Schüler  Ronst  auf  dag  im  Leitfaden  nur  Angedeutete  nicht  aufuicrksam  machen 
kann.  Eigcnthüiulicbcrweise  sind  bei  einigen  Vogelgruppcn  Bei«timmuug.stabeUen 
eingefügt.  Warum  nur  bei  diesen?  Recht  zu  loben  ist  der  Vorgang,  die  Bc- 
Hprechung  der  einzelnen  Thierabthpilunq'en  mit  dem  den  Schttlern  bekanntesten 
Thiere  einzuleiten.  Die  niederen  Tbierkrei.se  sind  auch  für  die  Unterstufe  gar 
zu  kurz  abgethaii;  so  ist  der  Maikäfer  der  einzige  Repräsentant  der  die  Jugend 
so  sehr  intcrewircnden  Tnsecteu,  von  einer  Spinne,  einem  Krebse  ist  keine  Spur 
zu  finden,  und  diese  wären  wichtiger  als  die  Seestcrnc  und  die  Seeanemone. 
Recht  gut  ist  der  Überblick  nnd  die  Zusammenfassung.  .  Die  Ausstattung  ist 
gut  und  80  auch  die  Abbildungen.  Doch  welchen  Zweck  erfüllen  manche 
Bilder  von  Thieron,  die  mit  Zahlen  oder  Buchstaben  an  den  einzelnen  Körper- 
theilen  bezeichnet  sind,  wenn  im  Texte  keine  Erklärung  für  die  Schüler  vor- 
handen ist?  C.  R  R. 

Derselbe,  Leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  Zoologie  an  höheren 

Lehranstalten.    Oberstufe.    Mit  128  in  den  Text  eingednickten  Hole- 

schnitten.   Dessau,  Verlagsbuchhandlung  von  Paul  Bauniann.    IV.  und  180 

Seiten.    Preis  1  Mk.  80  Pf. 

Sowie  desselben  Verf.  Unterstufe  weicht  auch  diese«  Buch  von  der  land- 
läufigen Behandlung  ab.  Eine  Fülle  von  Material  ist  in  demselben  aufge- 
speichert, indem  eine  Menge  von  Arten  bei  den  einzelnen  Tili»  rahtheilungen 
aufgezählt  .sind;  aber  nur  sehr  sparsam  sind  dabei  Notizen,  welche  auf  die 
Gestalt  oder  die  Lebensweise  u.  dgl.  Bezug  nehmen.  Soll  der  Lehrer  all 
dieses  Material  auch  nur  annähernd  bewältigen,  so  reicht  er  mit  Zeit  und 
Kraft  in  einem  Jahre  nicht  aus,  und  die  Schüler  können  nicht  all  das  auf- 
nehmen. In  den  Vergleichungen  und  Zusammenfassungen  ist  eine  Fülle  von 
beachtenswerten  Thatsachen  zusammengetragen,  und  sind  diese  Partien  der 
(ilanzpunkt  des  Werkes.  Überall  ist  auf  die  neuesten  Forschungen  und  Ent- 
deckungen gebürende  Rücksicht  genommen.  In  einem  Anhange  wird  die 
Verbreitung  der  Thiere  und  eine  vergleichende  Übersicht  der  wichtigsten  Kiir- 
perwerkzeuge  durchgenommen.  Den  Schluss  bildet  eine  in  anatomischer  und 
physiologischer  Hinsicht  sehr  gründlich  ausgearbeitete  Somatolugie  des  Menschen, 
in  welcher  auch  hygienische  W^inke  hei  den  einzelnen  Organen  beigefügt  er- 
scheinen.   Die  Ausstattung  des  Werkes  ist  sehr  anerkennenswert,  der  Druck 


Venntwortl.  Redactuur  Dr.  Friedrich  Dittoa.    Bnchdmckeri'i  Jnlins  Klinkhardt,  Loipcig. 


und  die  Holzschnitte  rein. 


C.  R,  R. 


fv 


w 


liM^nidistkin.kinRlab« 

tcLhtytntiMBchMltMten 

€Uncffscliale 

•kill  r» 

A.Ger8feiiberaer 

i^iH.  rNisZitsiff. 

yhiiindHM*,  nfwdrtlMKk  Wiei 
luaii  läickjtlt  MuiiktliiR  Ulli  l«cli> 


Pianinos ' 


voii44üMk.,  Harmoniums 
,()n  ;»0  Mk.  au.  und  Flügelf 
lOjähr.  Garautie.  Abzahlung  gestatte«. 
Bei  Barzahlung  BftVott  «nd  Freiteadimg. 
WILH.  EMMLER,  B«rliB  C,Se7d«d- 
ibaaseSOi.  AUeihttcSiBte  AuszeichnimgeB: 
Ofden,  StutB-MedaUlen  etc. 


Pianinos  toh  sm  irf>  uoo  xk. 


mmm  ilrätiofai-  tind  Aini^rik.  Cottnge- 
——^—Jl!l^  Orpeln  (K»t«  y,  von  Mk.  «0  an. 
I?'nis*^l^A7fcF;tbri kille.  HrtVh«ter  Baarrabatt. 
Alle  VortbeUo.   lUuatr.  Katalok'e  Kiatis. 
vViUk.  XEndolph  in  Oie»*Hcn, 


Her 
Art 


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Louis  Ocrtclc*> 

HANNOVER  . 


lieber  den  seit  Jahren  bei  den  p.  t. 
Herren  Pädagogen  eti .  etc. 

woblbekannten 

Holländischen  Tabak 

Ton  B.  Becker  in  Seesen  a.  Harz  hat 

der  Fabrikant  t.uiseudfachos  Lob  erbalten 
mdeich  den  Besitz  (l.  r  Zuscliiiften  srhon 
1885  und  dann  IH92  notariell  bestätigen 
lassen.  Das  not.  Dokument  bat  die  Expe- 
dition eingesehen.  (10  Pfd.  (b^s  Tabaks 
lose  in  einem  Beutel  frco.  ti  Mark.) 


3 


..Hiob-Fibel" 


k  ttimfikr  ötrbefltrl^lBtmalBörtfrmfiiJOOe. 
«MI      50  ff.,  «»nt  63.  «««n(*,  VsMtM. 


■elmlch'0  Bnchh.  in  BleleMA 
liefert  Ar  65  Pt  firanoo 

•T7s7"id.ex  die 

Öffentlich.  SchulprätuHflen 

Ton  H.  B«ck«r. 

Soeben  erschienen  in  nener  Anagabe: 

BeetksTen,  Studien  im  Gene- 
ralbass,C'ontrapunkt  n.in  derCompo- 
sit Ion. hcraiHir.  v.  I.. Köhler. Pr.  M. 2.—. 

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©erlaß  von  JluliuÄ  IRlitiri^ardt  in  Ceipiifl  lln^  ^Berlin  W.  35. 


(Ein  J'üFjm*  füc  ^eminarißen,  junge  Hefjrcr  unb  llEfjrErinnEn. 

^on  'H.  (»octtfi, 

Sirrftor  b«  fiöhrren  unb  mtltlcrtu  iKä:(t)fn(tf)uIe  in  ^iifltrburfl. 

2.,  otriiif^rte  «lufiane.  fretö  5  'Silüxt,  den.  geb.  6  ÜKarf  35  fif. 

„Xitefer  rrueutc  'Jlbbrucf  cnt{)ält  neben  roefcntlidjen  ißcrbcfferunqcn  aud)  eine  erfren« 
lic^c  33creid)orunfl  be^  3"')«lt5>-  Unter  bon  neuen  fate(t)etiid)ni  ^Ibjdinitlen  ^eben  roic 
als  befonberS  geiftDoO  unb  lebenbig  bie  !6e^anb(ung  Don  8d)iIIer«$  „^aud)eT''  unb 
„®focfe"  t)erüor.  5)a#  finb  3JZfi|terQrbciten,  bie  nid)t  bloft  bem  2e^rcr  fßrbernbe  'üKuftfr 
bieten,  fonbern  aud)  ben  ^oeiiejreunb  in  bie  Sd)önl)eiten  bicfer  '4^erleu  ber  3itiIIi'r{d)cn 
3Ru|e  in  böd)ft  bilbeuber  ^Jä^eife  einfüt)rcn.  Siefe*  p^ilofopl)iid}c^  Stubium  bcfunbet  ber 
größere  ^luffa^  «Über  Jbeen".  $!te}e  gebonfenreidje  9lbl)anblunii  ücrbreitft  über  ba§ 
ganje  SSerf  unb  feine  ^ilnlage,  ^oioic  über  bie  übrigen  Sdjriften  Wüertt)^  »^Sinfüt^rung 
in  bie  Xic^tfunfi  unb  üeitfaben  ber  fiitteraturgejdjidite)  er^  tai  richtige  2id)t.  2?ie 
®(^u('  unb  Unterriditsjfroge  tönt  immer  Doller  unb  breiter  burd)  aDe  3d)iditen  hei 
^ublifutng.  ^^itcr  tjat  jebfr  ö)elegenl)cit,  fid)  von  ben  2d)roicriiifcitcn  bei»  UnterridjtcnS 
unb  ben  monnigfadjen  (frforbcmiiien  ber  lio^rfunft  ju  übcrjeugen  unb  einen  flarcn  Sin» 
blicf  in  bie  3d)ule  unb  iljrc  '^lufgaben  ju  gett)inuen.  J^ür  bie  entjd)icbencn  i^or^üge  be? 
SSerfei^  fprid)t  aud)  ber  Umftaiib,  baß  boeielbc  von  ben  l'et)rern  Cfterrcic^d  unb  Sieben« 
bürgen«!  mit  «^reuben  bcgrnfU,  ja  fogar  Don  Dr.  ^ul.  J^^aoa^,  einem  t)erDorragenben 
üßöbogogen  Ungarn^,  iniS  9Ragt)arijd)e  überfe^t  »urbe."  ^iedarjeitung. 

2Jom  öcutf'c^ett  S^jrac^ttttterrit^t  in  5cr  Schüfe 

unb  Don  bcutfdirr  iVilbung  unb  (fr;irl)uuci  überhaupt, 
mit  rtntm  ^n^ang  filier  tiir  £rf  niDiuörtf  r  und  rinr  m  nmtn  ^ntiang  üüer  i)aä^ltDfut|'d]e  in  Iirr  ^diiilf 

Dicrte  uüc^gebciierte,  tueniii  Dcrmebrte  "Jluflage 
Don  Pv0f,  Dr.      ^.  0ilb«liran>. 

8".  broi'd).  3  SK.,  clcg.  geb.  «i.  3.60. 

„Gin  langer  Xitel  furniat)r,  ober  einer,  hinter  bem  aud)  mai  2üd)tige5  ftedt!  3)a^ 
Sßuä)  in  interefi'ant,  reo  man  auf)d)lägt;  auf  jeber  Seite  lieft  man  eine  (^Qe  brr 
toiditigften  unb  onregenbften  ÖJebnnFcn.  Selbft  iDcnn  mon  in  biefem  ober  jenem  ^ißunfte 
mit  bem  ^Bcrfaffer  nidit  eiiiDerftanben  roärc  —  unb  aufbrongen  roiU  berfelbc  feine  ?tn* 
fidjten  feinem  —  fo  müßte  man  feinen  onjic^enben  ^Darlegungen  unb  flaren  3iiegrün- 
bnngen  bod)  mit  DoIIcr  'Jlufinerfiamfcit  folgen.  3)aäi  t^nö)  fonn  allen,  njcld)c  fid)  für  bie 
im  iitel  angegebcuen  ^4>unlte  iutercjiieren,  nur  auf^  loärmfte  cmpfol)lcn  werben. " 

_  Üitteraturblatt  für  fotl)olifche®rjic^er. 

2)tefe  ^^üd)er  finb  burd)  jebe  9ud)t)anbliing  j^u  bejie^cn. 

Soeben  ersclieliit: 


19000 

1 16  Bände  greb.  <k  10  BL  1 
oder  256  Hefte  ä  50  Pf. 

160001 

1  Abbildungen. 

Brock haus' 

rsationS'Le. 

/4-.  Auflage. 

SeitenTextJ 

Konve 

xikon. 

reoOTafeln. 

SOOKarten] 

1 120  CbroiDOtafelD  DDd  480  TaTelo  iB  ScbwmiiniclL  | 

Hierzu  4Beilagen:  1. von  Julius  Klinkhardt,  Leipzig.  2.  von  Grübel&  Sommerlatte.  Leipzig. 
3.  von  Rosenbaum  &  Hart  in  Berlin.    4.  betr.  Unterrichtskurse  für  Lehrer  zur 

Ausbildung  im  Handfertigkeitsunterrichte. 


BucbilruckcTGi  Jalioa  Klinkhardt,  Leipti^ 


Paedagogium. 


Monatä8chi'ift 


Erziehung  und  Unterricht. 

üerauBgegeben 

inner  Mitwirkimg  luervomigwuler  Paedagog«!! 

Ton 

I>r.  JE«Viedrioh  I>itte«. 


IT.  Mmi 

7.  Heft,  April  1893. 


Verlag  you  Julius  Kliukbardt 


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Inluat  dM  1.  Hsfteei 

Seite 

IiOflke»  BovneMi  ud  die  gegenwärtige  Sdiiilraform.  Eine  pädagogiMhe  Stodn 

▼OA  Dr.  Ad.  8fttteTli]i*atnStaig  i.  £.  ißiMam)   4SI 

Wvt  und  Metliode  dar  Getchiehte.  Von  Johann  Knnlicli-lllhr.>SiiliOnib«ii[r  ^ 

Vater,  Sohn  und  Geiat.   Von  Theodor  Vernalekeu-Graz   489 

Die  Schul        Yermittlerin  rochtakuadliehw  und  wirtBchaftliehor  JLebnm. 

Von  L.  Mittenzwey   447 

Stadtschulen  in  den  Vereiiiiß-ten  Statiteu.    Von  C.  (i.  Mtlller-ciersdort'.  Sactu^en  462 

FfUiagogische  Rundschau.    Einladung.  —  Aut»  Bauern.  —  Aus  Ungarn  .    .    .  472 

Aus  d«r  fnohpraM     479 


AfeMUMMMitt-Pralt  pro  Quirlal  tt.  tJS. 

Alle  BiiohherMlUingen  und  Postanstaiten  aelimeo  BeeteUuogen  an. 

  ■ 


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  'C  : 

:    .  V    5   ■.'.M  \ 

\    ' 

Loeke,  Btiismm  db^-iffif  ^^kBj^rtlg«  SeMrefdniu 

Eine  pädaffOffiscXe  iSNiJje  ton  Dr.  Ad.  SiUterlin^Straßburff  i.  K. 

CxogeBttber  der  ablehofliidesi  Haltimg  gegea  die  alton  Spracbea 
tritt  in  der  Beformbevegnng  das  Veriansen  naeb  einer  eingehenderen 
Behandlung  der  ICntteri^p  räche,  des  Denteehen,  au£  Dies  kann 
«nf&llend  erscheinen,  aber  es  mtlssen  doch  irgendwo  dch  bedeutende 
llingel  gezeigt  haben  beim  Unterricht  im  Dentscbea,  sonst  hAtte  man 
gar  nicht  darauf  kommen  kdnnen,  mehr  Ünterricbtsstunden  für  die 
eigene  Sprache  <n  va'langen.  Der  Zweck  des  ünterrichts  ist  überaÜ 
klar,  mag  er  nnn  so  oder  so  ansgedrft«^  werden*):  Beherrschnng  d^r 
Sprache  in  Wort  and  Schrift,  Kenntnis  unserer  Literatur.  Die  Mittel 
daza  sind  des  öfteren,  u.  a.  von  0.  Jäger  (hum.  Gymn.  S,  47)  genauer 
aufgeführt  vom  Lesenlenien  bis  zur  Leetüre  der  Iphigenie.  In  dieser 
Beziehung  fordert  die  Reformbewegung  nichts  Neues.  Woran  liegt  es 
denn,  dass  der  l'iiterriclit  in  der  Muttersprache  neuerdings  so  stark 
betont  wird  iin  l  dies  selbst  in  einem  Beschluss  der  Berliner  Conferenz 
zum  Aiisdrui.k  gelangt?  „Auf  den  Unterriclit  im  Deutsdien  ist  unter 
allen  Umstfinden  der  größte  Nachdruck  zu  legen,  die  Stundenzahl,  so- 
weit tliunlicli,  zu  vermehren,  vor  allem  aber  die  Vervollkommnung  des 
deutscheu  Ausdrucks  in  allen  Lehrstunden  und  insbesondere  bei  den 
Übersetznnr^en  aus  den  fremden  Sprachen  zu  ersti-eben."  Wenn  man 
das  alles  schon  längst  getrieben  und  gehabt  hat,  so  kann  e.s  nur  an 
den  AuÄfuhrunuren  der  auf  dem  Papier  stehenden  Aufgaben  gefehlt 
haben. '^'^)   An  sich  ist  es  ja  gewiss  ein  erfreulich  Zeichen,  dass  dem 

*)  YosL  dm:  flthiUv,  Hminwirii  &  266  IT.,  wo  mAa  «1»  «ia«  gtoMt 

Cedruckte  Seite  Literatur  über  den  Unterricht  im  D.  aagcAUiit  wird. 

„Das  Ziel  ist  überall  erreicht  worden,  wo  der  Unterricht  ein  ^tcr  war",  heißt  es 
hei  Zietrler,  undO.  .Tätrer  46:  „wenn  jf*der  Lehrer  nachKräiteu  ein  rLiiie>  Deutsch 
^ricbt" ;  iemer  6chiiler  a..  a.  0.  S,  2ö<:  „wenn  jeder  Lehrer  jede  Stunde  mittelbar 
wk  «iMT  AMtHben  Kicfat,  and  wenn  er  aelbst  vcv  allem  flbendl  ein  gntet  Beispiel 
gll»t  wdA  Mti  dnee  dimlitas  muteilinfken  S^nedienB  befleiiigt"  >-  Aller  aa  wie 
Vifliett  Orten  ist  das  alles  wirklich  der  Fall?  Wie  fiel  gute  Lehrer  des  Deut>r]ien 
gibt  CS?  So  darf  iiinn  'y.\  wol  fragen,  wenn  mnn'?  selbst  erlebt  h:it,  daf*«  ein  Lc-hrir 
sich  beklaert»;,  er  wisise  nicht,  was  <!r  mit  den  dcut-rh^n  Stnnd»  n  in  (,»uiata  anlang^tii 
solle,  uud  dann  gelegentlich  noch  eine  für  lateinische  Grammatik  verwendete.  Wie 
Tiele  Iielirer  femer  befleißigen  doh,  fan  Üntenidit  ein  mnsteiltailee  Dentadi  nt 


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—  422  - 


Unterricht  in  der  Muttersprache  mehr  Gewicht  beigelegt  wird,  und 
der  Wert  dieses  Unterrichtes  wird  auch  nirgends  unterschätzt.  „Die 
deutsche  Stunde  muss  die  schönste  sein",  so  klingt  es  gleichmäßig 
aus  beiden  Ladern.  Und  so  hat  auch  scbon  Locke  gemeinl,  der 
§  167  sagt:  „Das,  denke  ich,  wird  mir  zugestanden  werden,  dass, 
wenn  ein  Qebildeter  irgend  eine  Sprache  studiren  soll,  es  die  seines 
eigenen  Landes  sein  sollte,  damit  er  die  Sprache  mit  äußerster  Ge- 
nauigkeit yerstebe,  die  er  beständig  gebraucht  (g  168:)  £s  erweckt 
VerwunderuDg,  dass  die  jungen  Menschen  gezwungen  werden,  die 
Grammatik  fremder  und  todter  Sprachen  zu  lernen  und  niemals  aus 
der  Grammatik  ihrer  eigenen  etwas  hören-,  sie  wissen  nicht  einmal, 
dass  etwas  dergleichen  vorhanden  ist^  geschweige  denn  dass  sie  darin 
wirklich  Unteiricht  empfingen.  Ebensowenig  wird  ihnen  ihre  Mutter- 
sprache jemals  als  eine  Sache  hingestellt,  die  ihrer  Sorgfalt  und 
Pflege  würdig  wäre,  obwol  sie  dieselbe  tätlich  gebrauchen,  and 
obwol  sie  in  ihrem  kfinftigeiL  Leben  nicht  selten  nach  der  ge- 
fiUUgen  oder  nngeschickten  Weise  (by  their  bandsome  or  auk- 
ward  way)  benrtheilt  werden,  in  welcher  sie  sich  in  derselben  ans- 
drucken.  Dagegen  sind  die  Sprachen,  ndt  deren  Grammatiken  de  so- 
TicA  besdiSftigt  werden,  solche,  die  sie  kaom  Jemals  sprechen  oder 
sdireiben  werden.  (Locke  spricht  Yon  den  alten.)  Wfirde  ein  Chinese, 
der  diese  Weise  unserer  Erziehung  beobachtete,  nicht  geneigt  sein  an 
meinen,  dass  alle  unsere  Knaben  aus  den  besseren  Ständen  bestimmt 
seien,  Lehrer  und  Professoren  der  todten  Sprachen  fremder  Länder  zu 
werden  und  nicht  Qeschfiftsleute  in  ihrem  eigenen?"  —  Der  Öber- 
setier  der  Locke'schen  ^Oedanken',  Dr.  Schuster,  macht  hier  folgende 
Anmerkung:  „Der  hier  von  Locke  erhobenen  Forderung  ehiea  tAdb- 
tigen  Studiums  der  Muttorsprache  als  nothwendigen  BestandtheÜs  wahr- 
hafte: Bildung  wird  bei  uns  leider  noch  heutigentags  nidit  hin- 
reichend entsprochen.  Noch  heute  gibt  es  bei  uns  Philologen,  die 
einen  Verstoß  gegen  die  Muttersprache  geringer  achten  als  einen 


sprechen?  Wie  viele  deokea  beispteläweiäc  daran  —  um  nur  eine  ^'^cuiigkeit'^ 
herTOBabribeB  — ,  da»  «  bMier  iit,  luek  «sem  Oompantiv  „als"  nt  ngen  staftt 
„wie*',  und  nadi  „wenn"  den  Coi^iinetiy  nicht  mit  „wflide'*  ni  mmchz^bea;  dav 

du  Untersohied  ist,  ob  ich  sage:  „der  Apfel  ist  gelb''  oder:  ,Avt  ApM  ist  elm 
gelber?"  Ja,  es  macht  öfter  den  Eindruck,  als  ob  manche  Lebrcr  die  Ansicht  hlittcn. 
atif  so  etwas  wie  Schönheit  und  Oorrt  cthcit  des  Ausdrucks  713  tcUten,  sei  eitel  über- 
flüssige Mühe;  es  genüge,  wenn  mau  nur  eben  nach  vcrö landen  werde.  Schreibt 
doch  seUttt  0.  Jäger:  „Wir  sind  nicht  gemeint,  die  Bedeutung  dieser  Petition  zu 
natMBohatMii*',  wo  er  sagen  «iU:  „irir  haben  nicht  die  AMefat". 


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—  42$  — 


gegen  die  latemische.  Und  Hunderttansende  von  ^^ichtplulologeii 
wSrden  ihre  Muttersprache  besser  kennen  nnd  handhaben,  wenn,  äe 
auf  das  Stadinm  derselben  und  ihre  Literatur  die  vielen  kostbara 
Standen  liftttea  Terwoiden  können,  die  sie  in  dem  mühseligen  Ringen 
BMb  einer  mitzloeen  und  oberflachMehen  Kenntnis  der  lateiniaehen 
fi^indiB  Torgendem  Hnnten.^ 

Locke  gibt  ancb  über  die  Methode  des  MntteErapndimitenichtes 
elBfge  Boefa  heute  yerwendbaie  Regeln»  wenn  er  §  189  nnafthrt,  daas 
man  die  Kinder  erst  Gesehiehten,  die  sie  kennen,  ersSblen,  dann 
idfidersdireiben  lassen,  dann  gute  Beispiele  ans  den  alten  dassikem 
ftlmsetKen  lassen  solle.  „Wenn  sie  so  im  Zusammenhang  mit  An- 
gemessenheit nnd  Ordnnngr  die  Muttersprache  schreiben,  so  sind  sie 
Meister  eines  leidlichen  ei  zaiileiiden  Stiles  ;  dann  mögen  sie  zur  Abfassung 
von  Briefen  fortschreiten."  Ferner  heißt  es:  „Richtiges  Schreiben 
und  Sprechen  ffibt  Anmnth  nnd  q:e\»r  i!mt  dem,  Avas  man  zu  sagen  hat, 
eine  sreneigie  ÄuiiM^rksainki  it;  luui  da  es  das  Englische  ist,  was  ein 
gebildeter  Engländer  st(  ts  im  Gebrauch  haben  wird,  so  ist  es  die 
Sprache,  die  er  hauptsächlich  püegen  iin<i  in  der  er  seinen  Stil  mit 
fW5ßter  Sorgfalt  glätten  und  vervollkommnen  sollte.**  —  Der  ganze 
Abfichnitt  bis  zum  Schluss  des  Paragraphen  mit  einer  begeisterten 
Betonung  des  StodiamSy  des  Erwerbs,  des  „Ganz-zu-eigen-Seins"  der 
Knttersprache  gegentlber  der  alten,  nnd  dem  acfaließlichen  Hinweis 
anf  das  Nadibairolk,  welches^  die  Yerfeinemng  nnd  Bereichemng 
vom  S^raebe  der  OffentUehen  'Fttrsorge  nicht  nnwert  erachte,  Iftast 
M  leeht  Uar  werden,  dass  man  nnr  hei  Locke  nachndesen  hraocht 
—  BoQssean  kommt  in  diesem  Pnnkt  weniger  in  Betracht  nm 
das  n  linden,  was  man  heatantage,  zam  Theil  als  neo,  wieder  h<toen 
nnd  lesen  kann. 

Wir  kommen  zum  Unterricht  in  der  Geschichte.  „Im  allge- 
Jii(iDen%  sagt  0.  Jäger*),  „gibt  der  Betrieb  des  Geschiehtsunterrichts 

<l«n  Radicalismus  nicht  so  viel  Stoff  zu  Klagen,  als  man  denken 
sollte:  höchstens  dass  man  auch  hier  über  die  Bevorzugung  des  Alter- 
thuiDs  klagt/  Dies  ist  ja  u.  a.  aucli  von  8.  M.  dem  Kaiser  selbst 
geschehen,  der  namentlich  mehr  deutsche  Geschieht«  wünschte.  Den 
Forderuu^^eTi .  dir  neuere  (ieschichte  mehr  zu  pflegen,  hat  denn  auch 
^lie  Berliner  Konferenz  Rechnung  geti-agen  mit  ihrem  ßeschluss:  ..Eine 
eingehendere  Behandlung  der  neueren  vatei'ländischen  Geschichte  ist 
bei  richtiger  Begrenzung  des  sonstigen  Geschicbtsstofes  ohne  Yer« 

*)  Das  huDMi.  Gymnaflian  S.  ö8. 

29* 


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1 


—  424  — 

mehiTing  der  bisher  dem  Gescbichtsimterriclit  zugewiesenen  Stiinden- 
zahl  zn  eiTeichen."  Diese  Forderung  ist  nun  besonders,  wi«  auch  ans 
den  in  der  Berliner  Conferenz  «gehaltenen  Reden  hervur;^elit,  aus  dem 
Grunde  naclidiucklich  betont  worden,  um  vermittelst  dieser  neuen 
vaterländischen  Geschichte  die  Vaterlandsliebe  besser  zu  pflegen  und  ^die 
Vorziig-e  der  uionarcliisclieu  StaAUsfonn  klar  zu  machen".  (Frey er  S. 56.) 

über  (Hf  ( i (  schichte  als  Erzirlunius-  und  Bildungsmittel  haben 
Locke  und  Kuu^»eau  goldene  Wui  ie  gespros  licti .  m>  der  Englinder, 
wenn  er  C§  sagt:  ,.Alle  Unteriialtung  der  Geschichte  dreht  sich 
fortwährend  um  nichts  anderes  als  um  Fechten  und  TfVfUen,  und  die 
Ehre  und  der  Rulmi,  womit  biroberer  tiberschüttet  werden,  verfuhren 
die  Ii t'j  anwachsende  Jugend  zu  meinen.  Niedermetzeln  sei  das  Ißblichste 
Geschäft  der  Menschen  und  die  heldeiiiiMl.ugste  der  TuL^ondon-.  und 
der  Fi-anzose  (S.  :^38,  II.  pag.  28)  mit  seiner  Ausführung:  „Da  die 
Gevschichte  nui-  durcli  Revolutionen  und  Katastrophen  interessant  wird, 
so  berichtet  sie  nichts,  solange  ein  Volk  unter  einer  friedlichen  Re- 
gierung in  Ruhe  wächst  und  glücklich  lebt;  sie  beginnt  erst  von  ihm 
zu  erzählen,  wenn  es  nicht  mehr  im  Stande  ist,  sich  selbst  zu  genügeu, 
sich  an  den  Angelegenheiten  seiner  Nachbarn  betheiligt  oder  letztere 
Antheil  an  den  seinen  nehmen  lässt  Wir  besitzen  sehr  genaue  Dar- 
stellungen deijenigen  Völker,  die  sich  aufreiben;  dagegen  fehlt  es  uns 
in  Beziehung  auf  diejenigen,  die  sich  friedlich  entwickeln;  diese  sind 
00  glttcklich,  dass  die  G^chichte  nichts  von  ihnen  zu  berichten  hat." 

Dieser  Punkt,  man  solle  weniger  Königs-  und  Kriegsgeschichte 
treiben  als  Oulturgeschichte  ist  in  der  Reformbewegung  ebenfalls,  viel- 
Idekt  nicht  stark  genug,  hervorgetreten,  und  dies  hat  zur  Ablaaiiing 
vmi  O«B0bkhtsbucbem  nach  dieser  Bkhtang  geführt  (Löhlein  und 
HoldermaiuLi  Ohristensen);  doch  ist  in  allernenester  Zeit  wek  das 
Qegentbeü  vorgekommen. 

BoDiseaus  Ansicht  in  Beziehung  auf  die  neue  Geschichte  ist  jedoch 
dem  gegenwärtigen  Standpunkte  entgegengesetzt;  er  sagt:  „Die  neuere 
Geschichte  lasse  ich  ganz  beiseite,  nicht  allein  deshalb,  weil  sie 
keine  FhjaiognoiDie  mehr  hat  mi  gegenwärtig  die  Menschen  sich  alle 
gleichen,  sondern  auch,  veil  muere  Schriftsteller  einzig  und  alleiD 
bestrebt  sind  zu  glänzen.''  —  Abgesehen  davon,  dass  Bousaean  hier, 
wie  es  ja  gelegentüch  seine  Art  ist,  übertreibt,  werden  wir  auch  sonst 
seine  Begründung  nicht  anerkennen.  —  Wanim  die  Behwidliing  der 
Geschichte  nicht  weiter  a]s  bis  zu  den  Jahren  1870  und  71  Tordringeii 
darf^  hat  Ziegler  (S.  89)  sehr  schOn  dargelegt.  Das  ist  eben  noch  kerne 
Qesehichte,  nnd  der  Kampf  der  Psrteien  gehört  nicht  in  die  Sehnla 


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—  426  — 


Die  üntenveisuDg-  in  den  Gesetzen  4ps  IjjmdeB,  wenigj^tens  den 
wichtigsteu,  die  ebenfalls  von  der  neuen  bchulbewe^in^  verlangt  wird, 
ist  yon  Locke  ganz  besonders  betont  worden.  0.  Jäger  will  den 
Geographieimterricht  namentlich  dem  politischen  Bedüi*fiais  dienstbar 
mdifiD;  der  Übersetzer  nnd  Herausgeber  Locke's,  ein  Vertreter  der 
aeaea  Biditiuig,  verlangt:  „Sollen  die  deatschen  Knaben  zu  Männern 
bonumeliwiii»  die  üire  Beobte  und  Pftiehim  «]s  8ta«tBbftrg«r  lebendig 
flldeii,  daim  ist  es  imbedingt  nOthig,  dass  (de  schon  ftlUi  (I)  mit  des 
aflgsrnsiiiflii  Gesetaeii  des  Landes  bekannt  gemaelit  irerdeo.  Der  Oe- 
'  addelitsniiterriebt  missto  geraden  in  die  QeselM*  md  Veribssnags- 
knnde  der  Gegenwart  des  Vaterlandes  aaelaiifea  nnd  dadireii  vollendet 
worden.**  Locket  Yerlangem  Ist  anch  f&r  jene  Zeit  ganx  begreUUeb 
ia  einem  Lande,  wo  sebon  sehr  viel  frOber  als  bei  nns  sieb  ein  poli- 
tisches Verfassungsleben  entwickelt  hat;  er  sagt  (§  187):  „Es  wäre 
unerhört  anzunehmen,  dass  ein  gebildeter  Engländer  der  (jesetzc  seines 
Landes  unkundig  sei.  Diese  Ji.enutiiis  ist  ihm,  welche  Stellung  er 
aach  einnf^hme,  so  uothwendig,  dass  ich,  vom  Friedensrichter  an  bis 
znm  öt-aausnunister  hinauf  keinen  Platz  kenne,  den  er  ohne  dieselbe 
gehörig  ansznfiillen  vermöchte."  Locke  meint  dabei  aber  allerdings 
auch  ni'iit  den  spitzfin  lig^cii ,  strittigen  Tlieil  der  Gesetze,  sondern  es 
scheint  ilim  nöthig,  dass  ein  junger  Maan  sißk  einen  ijünbiick  in  die 
Vertassung  und  Verwaltnng  verschatfe. 

Bonsseaa,  der  der  Gesellschaft  den  Krieg  erklärt,  will  seinen 
I  Zfli^ing  znm  Il^DDgang  und  Verkehr  mit  ihr  ausrüsten;  seine  Aus- 
i  fühmngen  darüber  dnd>  obwol  wie  bftufig  theilweise  übertrieben, 
I  Ml  vielar  Beaebtnag  wert  (Veri^  aneb  Qebrig,  J.  X  Bonsseans 
Leben  nnd  i^ldag.  Bedentnng.  Neuwied  1879,  a  138  n.  148.) 

Die  aittUdi  wirkende  Kraft  des  Beligionsnnterricbts  ist  wd 
kann  von  ennem  FHdagogen  verkannt  worden.  Ob  nua  die  Art  des 
beotigen  BeÜgionsantcviifiktea,  dem  sa  viel  Dogmatismus  und  zn  wenig 
Anregung  fOr  das  Gemttth  vorgeworfen  wird,  daran  die  Sebald  trägt, 
«b  wirfclieh  ein  Zag  der  Irrelig^osit&t  doreb  die  Zeit  geht,  oder  woran 
6B  ifliner  liegen  mag:  es  wird  gerade  in  unseren  Tagen  die  Bedeutung 
des  Religionsunterrichtes  ganz  besonders  betont.  Die  Berliner  Con- 
fwenz  sagt  in  einem  ihrer  Beschlüsse:  „Die  höheren  Lehranstalteu 
vtirmögen  auf  die  sittliclu^  Bildung  ihrer  Zöglinge  einzuwu-ken  durch 
Pflege  Ull  i  i^ötürderung  der  religiösen  »Tesinnung,  sowol  mittels  des 
Rehgioüsunterrichts  als  auch  mitteis  angemessener  Schulandachten!" 
—  Aich  Locke  hat  dem  Religionsunterricht  seine  Aufmerksamkeit 
2Ugew«adt,  ibm  mehrere  Paragraphen  seiner  »GedsAkea''  gewidmet 


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I 

—   426  — 

(j§  134^189),  und  trifft  im  wesentlichen  mit  dem  zusammen,  was 
immer  Ar  giltig  erachtet  worden.  Boufiseaus  ablehnende  Haltnng 
gegen  Btiigionsantemclit  im  Kindesalter  nnd  das  Verlangen  der 
natOriichen  Beligion  ist  bekannt  genug.  —  Ich  gehe  auf  diesen  Funkt 
nicht  niher  ein. 

Es  ist  dann  auch  der  Wert  des  Zeichenunterrichts  in  der 
neuesten  Zeit  besonders  betont  worden,  und  auch  die  Berliner  Con- 
terenz  liat  diesem  Zug  nachgegeben,  indem  sie  beschlossen  hat:  „Es 
empfiehlt  sich,  das  Zeichnen  in  den  Gymnasien  über  (^uai  Ut  hinaus,  bis 
Uutersecunda  einsrhlicLilich  obligatorisch  zu  machen."  . —  Auch  Locke 
und  Rousseau  liabeii  das  Zeichnen  ui(  ht  vergessen.  Der  letztere,  der 
überhaupt  großes  Gewicht  auf  die  St  härfung  der  Sinne  und  da* 
Beobachtung  legt,  ein  Zug,  der  üi  der  neuen  Bewegung  besonders  voo 
hervorragenden  Vertretern  der  Medicin  und  der  Naturwissenschaft 
vertrct«Mi  ist,  sagt  u.  a.  (S.  180,  T.  pag.  522):  „Die  Kinder,  tlie  große 
Nachahuter  sind,  vei-suchen  alles  zu  zeichnen;  ich  wünsche,  dass  mein 
7A)srVn\{r  diese  Kunst  fleißig  übe,  aiciit  crerade  um  der  K\m>i  selbst 
willeo,  sondern  um  sich  einen  sicheren  Blick  und  eine  gewandte  Hand 
anzueignen.  ^Vergl.  dazu  Pieyer,  S.  57,  wo  nTisret^hr  dasselbe  steht 
wie  bei  RMUssf  ;iu.)  Tiherhaiii  r  kdiniiii  es  sehr  wenig  dai'auf  an,  ob 
er  dipse  oder  i^iu^  l  Ihiiiü:  m  lfi  iit  haljc,  wenn  er  nur  die  Schärfe  seiner 
Sinne  und  dit  icnlge  körperliche  i^ertigkeit  erlangt,  die  man  dm-ch 
Übung  gewinnt.'"  Freilich  können  wir  dem  Apostel  dei*  naturgeniaiien 
ErzieliuTi2'  ni«^hf  weiter  folgen,  wenn  er  nun  £ranz  ohne  Lebrer  den 
Zögling  gleicii  nach  der  Natur  ilair^i  r,  Bäume,  Menschen  will  zeichnen 
lassen,  und  es  ihm  dabei  eineiiei  ist,  ob  der  Zögling  erst  lange 
schmieren  Averde,  ohne  etwas  Erkennb?u*es  zu  wege  zu  bringen,  und 
was  derartiges  melir  ist.  Locke  hatte  gesagt  (t;  161):  „Wenn  da< 
Kind  gut  sclireiben  kann,  dann  mag  es  passend  sein,  die  Übung  seiner 
Hand  duicli  Zeichnen  fortzusetzen,  eine  Sache,  die  einem  Manne  bei 
verschiedenen  Gelegenheiten  sehr  nützlich  sein  kann  als  ein  Mittel, 
welches  oft  durch  ein  paar  geschickte  Linien  ausdiücken  hilft,  was 
ein  ganzer  Bogen  G-escbriebenes  nicht  würde  darzustellen  und  deutlich 

zu  machen  vermögen.  Ich  meine  nicht,  dass  unser  Sohn  ein 

vollkommener  Maler  werden  soll;  um  dies  in  ein^  leidlichen  Grade 
zu  werden,  wäre  mehr  Zeit  erforderlich,  als  ein  junger  Mann  den 
anderen  wichtigeren  Theilen  seiner  Ansbildnng  abbrechen  kann.  So 
viel  fiinaclit  in  die  Perspective  aber  und  so  viel  Geschiick  als  nöthig 
ist,  Ilm  ZB  befthigen,  irgend  einen  Gegenstand,  den  er  sieht,  Ge- 
aiditer  aiugmMKmmen,  ertriglieh  auf  dem  Paioere  danRUteUen,  mag, 


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—  427  — 

denke  ich,  in  kurzer  Zait  erlangt  werden,  besonders  wenn  er  Anlage 
dazu  hat.  Wo  diese  freilich  fehlt,  da  ist  es,  von  unbedingt  nothwen- 
digen  Dingen  abj^seheü,  besser,  den  Knaben  in  Euhe  zu  lassen,  als 
ihn  nutzlos  abzu(inälen;  es  ^^ilt  daher  ftir  das  Zeichnen,  wie  für  alle 
nicht  unbedingt  nothwendigen  Gegenstände  die  Regel:  „Nihil  invita 
Minerva."  —  Also,  auf  unsere  Verhältnisse  übertragen,  auch  die 
nöthigen  Dispensationen  von  einzelnen  Unterrichtsgegeiiständen  sind 
hier  schon  vorgesehen.  Im  übrigen,  diese  Bemerkung  sei  mir  hier 
gestattet,  wie  viel  wolthnender  berührt  doch  X^oeke's  ruhige,  gemBSsene 
Aft  M  der  Behandlung  einzelner  Fragen,  ak  die  fltttrmiscfae,  ewig 
drSagende»  m  oft  ttbertreibendfi  Bonaaeans* 

An  das  Zeiefanen  seUiefit  am  natllriichstett  eine  andere  For- 
darang  der  beiden  FSdagogen.  Beide  lassen  ihren  Zögling  ein  Hand- 
werk eriernen  (Loeke  §§  201,  dOS.  Boosseaa  8L  864,  I  pag.  57ö). 
Da  beide  einen  einaalnen  jungen  Muin  eniehen,  so  ist  dies  ohne 
Sehwierigkeit  dnrcUlIhrbar,  mid  es  ist  Ja  in  der  Folgezeit  nidit 
sehen  gewesen,  dass  sich  Minister  und  Fftrsten  mit  Handwerks- 
»rbeit  abgaben.  Für  die  Schulerziehung  ist  das  in  dem  Maße 
liielii  durchfühi'bari  ^och  ist  eine  Bewegimg  entstaniicii  m 

Gunsten  der  Pflege  der  Geschicklichkeit  in  Handarbeiten,  und  so 
ist  schon  vielfach  der  Versuch  gemacht  \v<ii*len,  den  Handfertig- 
AeiiMiuter rieht,  wenn  nirht  gerade  in  die  höheren  Schulen,  so  doch 
in  die  Volksschulen  einzuführen.  Ja,  der  Verein  für  Schulreform 
-Neue  deutsche  Schule*'  liat  in  seinen  Schulplänen  lür  die  Unterstufe, 
die  etwa  der  Volksschule  entspricht,  in  den  Lehrplan  aufgenommen: 
r  Besonders  Beschäftigung  im  Garten  und  in  der  Schul werkstätte." 
Die  Frage  der  Binffthning  des  Handarbeitsunterrichts  ist  gegenwärtig 
noch  umstritten  und  es  mnss  sich  im  Laufe  der  Zeit  erst  noch  heraas* 
Stellen,  ob  die  Schale  davon  VortheOe  oder  Nachtheiie  erlebt.  Sollten 

I    aber  nieht  die  Anflöge  an  diesen  Bestrebongen  schon  anf  Locke  nnd 

I    Boanean  zaraekzofUhien  sein? 

Zorn  Sehfans:  die  körperliche  üreiehnng.  Wie  bereits  in  der 
ttleitong  erwihnt,  bat  die  Anaieht,  daas  neben  der  inteUectaellen 
fiÜdnBg  die  des  Körpers  nicht  Temachlfissigt  werden  dttife,  schon 

I  liflnfioh  lange  auch  bei  uns  Geitang  gehabt^  nnd  die  Bemfthnngen, 
Tonen  nnd  Spiel  in  die  Schulen  einzuführen  ^  sind  seit  den  Tagen 
Ö'te  Muths'  und  Jahns  verschiedentlicli  wiederholt  und  an  den  ver- 
Khiedenen  Orten  von  mehi*  oder  weniger  Erfolg  gewesen.  Weniger 
äIs  bei  anderen  Bestrebungfen  auf  dem  Gebiete  der  Erziehung  hat 
n^äu  bei  diesen  die  Ansichten  Locke  s  vergessen,  und  es  ist  immer  von 


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-   428  —  ' 


Zeit  zu  Zeit  in  Turofleluifkai  mid  Bolchen  ähnlicher  Tendenz  auf  den 
BkiglAnder  hingewiesen  worden,  der  seine  Schrift  über  Erziehung  mit 
dem  nun  allgemeinai  Schlagwort  iMginnt:  Ein  gesunder  Geist  in  einem 
gesonden  £(trper.  In  der  neneeten  Zeit  nun  ist  die  Nothwendi|^eit 
der  KdEpeiiiflege,  der  k^rpcriidien  SMehong  durch  Tumfibungen  imd 
Spiel  ganz  besonden  Moat  worden,  nnd  die  Beriiaer  Conftmi  hat 
dieaer  Farderuig  Anadrack  Terliehen,  indam  de  ab  nOÜiig  baaaieliBetet 
«BegQnatigang  der  Pflege  dea  KOipeis;  die-  Pflege  der  Stiele  und 
lUtiperüehen  Übungen,  welche  letztere  ala  tägliche  Anilsahe  m  be- 
aeiebnen  aind;  jnabeaondere  alao  Ventfikiuig  and  Hebong  dea  Tun- 
nnterridita.'' 

Lodtt  apriofat  dazQlter  mehr  ala  Arat  und  verbreitet  nioh  dedudb 
banptafteUicb  Uber  die  Eilialtiuig  der  Geanndheit,  wibrend  jetet  die 
Pflege  dar  Leibaaflbangen  ala  Gegengewicht  gegen  die  geialige  Adp 
atrengnng  nnd  «daa  viele  Sitien  anf  der  Scbnlbaak''»  vieUeieht  aaoh 
wegen  der  Weiirbaftmaebmig  dea  Yolkes  betont  wird;  aber  die  That- 
Sache»  daaa  er  seine  Ekadebnngaacbrift  mit  der  Pflege  dea  Leibes 
beginnt  (§§  3—30),  ist  wol  za  beaehten.  Schwimmen,  Bewegung  und 
Spielen  m  ftiaeher  Loft  (g  10),  neben  dem  Spiel  der  Kinder  ttberhaopt» 
ndaa  in  keinem  pädagogischen  SehriftateUer  einen  winaeren  Vertreter 
findet  ab  in  Locke,  der  immor  mit  grofler  Sympathie  nnd  Liebe  von 
dem  kindliciheB  Lebensalfeer  nnd  der  ihm  eigenen  Qlftckseligkeit  spricht''*), 
aowie  die  Abhfirtnng  dea  EQrpers  nadi  versebiedenen  Seiten  bin,  hat 
er  sdion,  ^nnd  wol  anerat  mit  dieser  Eindringlichkeit  empfohlen,  oad 
ab  weitere  körperliche  Übung,  die  in  einer  Sdinle  wol  niebt  gaas 
darcbfthrbar  ist,  Beiten  und  Tanaen  aaiiseflihrt 

Wae  den  Prediger  dea  Natnrevaagettama  der  Erziehnng  anlangt» 
so  setat  aicb  Boasseaa  nut  einigen,  ancb  bente  ab  nniiditig  geltenden 
Analebten  Locke's  aasdnaader  (S.  150,  L  pag.  503),  iadem  er  aagt» 
ea  sei  die  Terailnftjgste  Torsdiiift,  die  versddedene,  aonat  voneiaaader 
abweicbende  Sdiriftsteller  gegeben  hatten,  dass  die  Kinder  -neUhetaea 
Leibes&bungen  unterworfen  werden  mussten,  „die  yemünftigste,  aber 
auch  diejenige,  die  man  am  meisten  veimchlässigt  und  stets  yenuushr 
lässigen  wird.  Da  man  keine  besseren  Gründe  über  die  Wichdj^ceit 
und  keine  besseren  Regeln  darüber  Treben  kann,  als  die  in  Locket 
Bncli  enthalten  sind,  so  begnüge  ich  mich  auf  dieses  zu  Terwefaen 
imd  nehme  mir  uui-  noch  die  Freilieit,  dessen  Beobachtungen  noch 

*)  Gavancf^rui,  Vei^ucli  oiuer  zusanune&lasseiiden  Daiatellong  der  pädag.  Aa* 
sichten  Locke  s.   Beriiii  1887.   S.  67. 


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einige  hinziizuftigen.*  (S.  151,  I.  j  ag.  503.)  Dann  verbreitet  er  sich 
in  beredter  Weise  über  das,  was  zur  Pilege  und  Kräftij^Ti!?  des 
Kurpers  nötJüg,  des  näheren  ^■;ellri^r  ''a.  a.  O.  S.  122)  fasst  dies 
ftwa  so  zusanimeii:  T^t  bestäiidij,^  den  Körper,  macht  ihn  kräftig  und 
gesund,  damit  ihr  ihn  weise  und  vernünftig  machen  könnt;  der  Zo^liug 
arbeite,  laufe,  schreie,  sei  inuner  in  ßewct^ng;  er  sei  der  Kraft  nach 
ein  Mann,  bald  wird  er  es  anck  der  Vernunft  nach  sein.  Lasst  den 
Zögling  frei  sich  entfalten,  bevonnimdet  ihn  nicht  auf  Schritt  und 
Tritt,  so  wird  er  Leib  und  Seele  zugleich  ausbilden  und  auf  diese 
Weise  die  Vennmft  eines  Wdaaii  und  die  Starke  eines  Athleten  ge- 
mnen.  Damm  tot  allon  gymnastisobe  Übnugoi;  indem  sie  denK9iper 
sttaken  nad  die  Stame  üben,  vermitteln  sie  die  Bfldnng  des  Geistes 
nd  leilir«n  uns  den  Oebnuteh  imsenr  KrSfta  Um  die  Eimst  des 
Dankom  erlernen  an  k5nnen,  mflssen  nir  nnsero  Glieder,  nnsm  Stame, 
die  Werkzeage  nnseree  Geistes  üben.  Dasn  ist  aber  nOthig,  das 
unser  Körper,  der  sie  ims  darbietet,  kräftig  und  gesund  sd.  Alle 
diejenigen,  -welche  über  die  Lebensweise  der  Alten  nachgedacht  haben,  * 
schreiben  jene  Kiaitigkeit  des  Kürijers  und  jene  Eneririe  des  Geistes, 
wodurch  sicli  dieselben  vor  den  Menschen  der  Gregenw  i  t  anszeichnen, 
den  gyninastischcn  t Übungen  zu:  indem  man  das  Kind  ;tii  tue  Arbeit 
gewöhnt,  gewohnt  man  es  an  den  S.  Iimerz;  man  muss  es  die  Be- 
schwerden der  Leibesübungen  scliraecken  lassen.  Die  köi'perlichen 
und  geistigen  Gebrechen  der  Kinder  entspringen  beinahe  sämmtlich 
aas  der  gleichen  Quelle:  man  will  sie  vor  der  Zeit  zu  Erwachsenen 
machen!"  —  Ein  Vorwurf^  der  gerade  jetzt  wieder  »ehr  lant  erhoben 
wird  —  nicht  mit  Unrecht  —  and  der  nicht  smn  venigsten  die  Spiel- 
bevQgnng  hat  veranlassen  helfen.  „Nor  nicht  sn  große  Sorge  um  die 
toimdbeit«',  heiftt  es  sehlieftlieb,  ^lieber  anraten  krank  sein,  als  sich 
fiurtwUireiid  Sorge  machen,  keine  Krankheit  an  bekommen.  — *  Scbvimmen 
ist  nMUger  als  Balten;  der  ZOgling  mnss  im  Wasser  ebenso  gewandt 
ttd  aieher  asm  wie  anf  den  Lande." 

So  lehrt  denn  anoh  dieser  Blick  in  die  G^esohichte  der  PAdagogik 
Aohtmg  vor  dmn  bewihrten  Alten  vnd  mahnt,  wie  Sefanmaan  sagt, 
dnvBh  BinwMS  anf  den  nie  rastenden  Fortschritt  des  geistigen  Lebens 
9ä  die  stets  neuen  Wandlungen,  welchen  das  äußere  Leben  unter- 
den  Sinn  offen  zu  halten  lüi  dib  iti-uen  Aufgaben,  welche  durch 
veränderte  Verhältnisse  der  Erziehung  gestellt  werden,  und  warnt 
vor  dem  blinden  Vertrauen  aul  neue  oder  überhaupt  bestimmte  päda* 
gogische  Theorien,  welche  sich  als  allein  seligmachend  anpreisen. 


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Von  tfohann  Kaulich-Mähr.-SchittUMirg. 

D  ie  praktische  Lebenskunst  veraclitct  die  Methode  der  Ge??chicbt^. 
Ihr  eigeütlirlist»\s  Gebiet  ist  das  \  orhaiidtJie,  dessen  klug'e  lit  niiuung 
sie  uns  leim,  wie  IiImm iiiiupt  geschicktes  AuiKis^en  an  ein  (Tr^flf^Ties 
ihr  Erangelium  ausniarht.  Damit  geräth  sie  notiiwcndig  iueiue  leind- 
selio-p  Stelhmg  zu  dem  Entschwundeuen,  das  den  Blick  für  die  Re- 
gung* ii  ies  Gegenwärtigeil  trübt  und  dem  Lebenskünstler  unter 
Umstan  irii  (üp  ^'ahierkeit  nehmen  kann,  jenes  Gef^enwärtige,  recht  in 
vollen  Zügrii  miiiieüend,  auszunutzen,  l^as  gelaurigste  Recept  dei' 
Lebenskunst  schrieb  uns  jüngst  ein  Weiser  der  Gegenwart  ins  Stamm- 
buch: „Willst  Du  nir  ein  hübscli  Leben  zimmern,  musst  Dich  ums 
Vergangne  nicht  bekümmern!"  iSo  wij"d  die  Lebenskunst  nicht  selten 
zu  einer  besonderen  i^'urm  menachlicher  Öeihstsuditi  ia  gewisBem  ^aa» 
zum  historischen  Egoismus. 

Auf  diesem  Punkte  ist  sie  einer  großen  Ausbildung  tähig. 

Denn  der  Staatsmann,  der  mitten  in  der  Gegenwart  steht,  gehl 
einen  Schritt  weiter;  weil  er  selbst  Geschichte  macht,  leugnet  er  gern, 
dass  die  Geschichte  ihn  gemacht  hat  Und  wie  die  Anhänger  prak- 
tischer Lebenskunst  der  Geschichte  gar  keui  Gewicht  beilegen,  wird 
sie  fitr  ihn  zur  gefälligen  Dienstmagd,  die  bahi  im  Sonntagsstaate  an 
der  Treppe  steht,  bald  in  die  Kfkche  yerwiesen  wird,  je  nach  dem 
Augenblicksbedürfnis,  das  in  dem  vornehmen  Hanse  des  Staates  herrscht. 
Dean  den  Staatsmftnnem  Jedar  Art  and  Größe  ist  die  Nothwendigkeit 
der  Enreekiing  eines  Vergangenan  bedingt  von  dem  sofiUligen  Stande 
der  Dinge,  die  sie  in  der  Gegenwart  wahnanebiiiea  neiiiML  Der 
Parlamentsredner  sagt  in  seiner  Wähleryersammlung,  wenn  es  flick 
om  Gesehtditeimterrioht  im  Gymnasialstreite  liandelt:  „Wir  braachen 
die  Erümenmg  an  Jene  glorreichen  Tage  ntr  Befrachtuig  und  Er- 
wedmng  unseres  eigenen  Geistest**  Aber  am  nAcbsten  Abend,  in 


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nächst-en  Städtchen  warnt  er  vor  „unfruchtbarem  Gräber-Culto»"  und 
lordert  Männer  der  That,  die  sich  an  das  Geg^ebeue  halten. 

Der  Ideale  Gleh&lt  der  Geschichte  droht  dem  GnmdBatze  g^meiiier 
Mtatüchkeit  —  der  Zweckmäßigkeit  schlechthin  —  zn  erliegen. 

Eine  Gruppe  nenerer,  politischer  Geschichtschreiber  hat  üin  be- 
reits getötet  Durch  den  Subjectivismua  historiaeher  Aaüumaag  ist 
die  kflaatkriMke  DazstoUimg  der  Gesctaiciite  zu  einer  TöUig  hend- 
wefkaiiftßJgeii  Geeobiebts-Klittemiig  herabgeniiikeiL  Nicht  der  Mftftmalick 
mws,  nichi  ^YttM^^MMomlmhsa 

Ikres  idealen  lalialteBlMnuilit;  —  eher  mtate  man  sagen,  sie  hfttten  eine 
Bsae  Seite  jeam  Inhattee  nacbgewiesen  —  ea  Jat  nur  eme  kleine  Zahl 
politiacher  ond  ofBdeller  Hiatoriographen,  weldie  die  Wdt  dnftr  ver- 
aatiroiilieh  zu  machen  hat.   Unsere  großen  elassischen  Geachieht- 

ichreiber  salien  das  Gebiet,  das  sie  ihrer  Darstellung  wert  hielten, 
gleichsam  aus  der  Vogelperspective  an  die  politische  und  offtcielle 
Historiographie  zeichnet  dagegen  ;ius  der  Froschperspective.  Da  ist 
es  denn  kein  Wunder,  wenn  der  nächste  MaulwuHshiis^el  der  Gegen- 
wart sich  in  die  Wolken  zu  thürmen  scheint,  und  die  üleseu  dei- 
ferneren  Vergangenheit  zwergenhaft  einschrumpfen. 

Klio  flüchtet  immer  mehr  in  die  Sc-hulstuben;  und  endlich  wird 
<js  sich  ein  Vertreter  jener  aus  der  Froschperspective  zeichnenden 
ofticiellen  Historiographie  gefallen  lassen  müssen,  dass  der  von  ihm 
aus  dei-selben  Perspective  misshandelte  dentaehe  Sehnlmeister  die  anne 
Verbannte  wieder  zu  Ehren  bringt. 

Und  dieae  Verhannte  hedarf  noch  einer  andenm  Bettnng. 
Wenn  man  der  claaBiaehen  GeaädehtaehreÜmng  den  Vorwurf 
«cht  gaas  enpaiem  kann,  daas  sie  —  nnch  antikem  YerhQde  —  in 
^hnn  Danrtellnngen  die  Lebenaäafieningen  der  Hidit  allaadur  in  den 
Voideignmd  atoUt,  ohne  dea  Umatandea  gah^Srig  m  erwähnen,  daaa 
jwe  llaeht  aDein  denkbar  ist  anf  der  Grundlage  Okonomiaeher  Beg- ' 
MnMt  und  Tllditigkeit  der  Nation,  ja  allein  ans  dieser  Grundlage 
wdit  verstanden  werden  kann;  ....  so  muss  man  über  die  politische 
Wd  offlcielle  Historiographie  unserer  Tage,  die  dem  Schranzenthume 
^Od  den  politischen  Eintagsfliegen  eine  weltgeschichtliche  Bedeutung 
^egt  und  jene  ok  komischen  Grundlagen  als  eine  gut  decorirte  Bühne 
**i8ieht,  auf  der  sich  die  Marionetten  des  Augenblickes  bewegen,  — 
gänzlich  den  Stab  brechen.    Die  Darstellung  einer  Epoche  branden- 
^ürgiiicher  (beschichte  aus  der  i?'eder  Leopolds  von  Kanke  ist  noch 
iiDiÄerhin  eine  wissenschaftliche  Leistung,  die  des  großen  Hintergrundes 
nicht  entbehrt;  —  ein  CSapitel  historiaeh-politiachen  Gegenwartakrames 


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aus  den  Büchern  des  Herrn  von  Treitschke  bietet  wenig  mehr  als 
subjective  Kauuegit^ßerei  mit  eioem  Übemaiie  von  Selbstächätzimg  im 
Vortrage. 

Man  schreibt  noch  nicht  die  Geschichte  der  Gegenwart,  wenn 
man  ttber  die  Gegenwart  schreibt,  unii  die  vomehme  Zurückhaltung 
gi-oßer  Historiker  in  Fragen  des  Augenblickes  ist  eine  Besclieidenheit, 
die  nicht  hoch  genug  angeschlagen  werden  kann;  denn  sie  allein  be- 
seitigt die  Gefahr,  dass  der  Geschichtschreiber  unter  dem  Einflüsse 
des  Augenblickes  urtheilt.  I^eicht  wird  der  Selbstzweck  der  Geschichte 
zur  Parteisache,  und  es  hat  w(!nig  zu  bedeuten,  ob  die  Darsteliiuig 
erhaltenden  oder  zerstörenden  Interessen  dient:  sie  hat  keinerlei 
Interessen  zu  dienen.  iSo  verstanden  die  großen  Kenner  der  Geschichte, 
die  Boliugbruke,  Buckle,  Herder,  die  Aufgabe  des  Geschieht*.  In*  ilu  is. 

Weit  mehr  als  d*  r  Geschieht  Schreiber  hat  der  Geschichts- 
ieh rcr  den  idealen  Gehalt  der  (Jesciiichte  zu  beachten,  wie  er  ja 
ülierhaupt  —  entgegen  dem  Historikei-  —  ttt  0  werivulien  Eechtes 
genießt,  den  geschichtlichen  Stntt"  im  steten  Hinblick  auf  den  Zweck, 
der  Erziehung  frei  darzustellen.  Da  ihm  zu  forschen  verwehrt  ist^ 
wird  i)im  freieste  Auswahl  zugestanden.  In  dieser  besondereu  Stei- 
iüug  des  Geschichtslehreis  liegt  zugleich  di<"  Nnthignng,  die  Ver- 
gangenheit vor  die  Gegenwart  zu  stellen.  Denn  die  Sclnile  bedarf 
der  iTP'^f'liichtlichen  Vorbilder  in  klarer,  plastischer  Erscheinung,  sie 
bedai:!  eines  abgeschlossenen,  leicht  zu  Überschauenden  Zeitraumes. 

  Motive,  die  im  MarktgewIUüe  der  Gegenwart  auißerordaiitUdi 

selten  anzutreffen  sind. 

Darnach  sind  Auswahl  und  Darstellung  die  zwei  Künste  des 
Geschichtslehrers.  Die  letzte,  durchaus  subjectiv  und  durch  den 
tausendfachen  Eintiuss  stets  wechselnder  Verhältnisse  noch  besonders 
bedingt,  ist,  sofern  es  sich  nicht  um  eine  schablonenhafte  Dressar 
handelt,  der  Discussion  schwer  zugänglich.  Die  erste  nmfasst  ein 
weites  Gebiet  bestimmter  Vorschläge  vei-schiedfiiister  Qualität,  die  sich 
neuestens  zu  einem  Kampfe  iwischen  Gegeowait  und  YergnngeBhwt 
ftborhaapt  entwickeln. 

Aber  die  Geschichte  hat  auf  jede  Frage  eine  Antwort,  und  s» 
liegen  alle  Grundsätze  ihrer  Methode  in  ihr  selbst  md  in  dem  Werten 
der  ihrem  Einflüsse  jeweilig  beigaucieii  wird. 

Das  Bedürfnis  der  Darstellmig  eines  Vergangenen  ist  sota 
bei  den  ilteeten  Völkern  TOrhanden.  Je  reisroUer  jenes  Vergangene 
gewwen  oder  Je  mehr  Anregung  aioiidie  Gegenwart  yon  seiner  Wieder- 
erwecknng  Tsraprieht»  deeto  mehr  vird  die  Sehnsneht  nach  einer 


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—  4Ö8  — 


solchen  Dtntellimg  erwachen.  Denn  diese  Daritellaog  hftBckt  dem 
Todten  mm»  Leben  ein  «iid  Metat  den  Lebenden  aiideraieita  die 
Gewfthr,  dasB  anch  ihre  Thatei  nieht  vOUigr  der  Yei^gmeidiat  aakefan- 
USm  werden.  Diee  hingt  eher  wwentBch  Ton  der  QoaKttl  jener 
Thalen  ab,  nnd  whon  in  dieeen  enrtan  AmBtageoi  einer  g:eeehiclitiMlien 
Bantdlflaiig  «igt  die  riditende  Xlio  ihr  etrengee  Anttits. 

Indem  die  Gegenwart  das  Vergangene  an  seinen  noch 
walirnehmbaren  Folgen  miest,  erfftllt  eich  der  Sprneh:  »Die 
Zeit  ist  die  gerechte  Richterin  aller  Verdienste.'' 

Der  Anfanof  aller  Geschichte  liegt  in  den  Stamm-  und  Familien- 
traditionen jener  uralten  Heldeng-esänge,  welche  dem  ältesten  Zustande 
dei'  Gesittung  bei  aileu  Völkern  eigenthümlicli  sind.  ,,Tn  sehr  frühen 
Cnitnrperioden"'  —  sacrt  Buckle  in  seiner  Geschichte  dpi-  Zivilisation 
(Uber  den  Ursprung  der  Geschichte  und  den  Znstand  der  hi^lorischen 
Literatur  im  Mittelalter)  —  ^und  ehtj  ein  Volk  mit  dem  Gebrauche 
der  Buchstaben  bekannt  ist,  fühlt  es  das  Bedürfnis  nach  etwas,  wo- 
luit  es  im  Frieden  seine  MaÜe  erheitern  nnd  im  Kriege  seinen  Math 
anspornen  könne.  Dies  Bedürfnis  wird  durch  die  Erfindung  von 
Balladen  befriedigt.  Sie  bilden  die  Grundlage  aller  historischen  Kennt- 
nis, nnd  in  einer  oder  der  anderen  Form  finden  aie  aioh  selbst  bei 
manchem  d^  rohesten  VolkBStäBmi&*' 

Hier  erfUlt  die  Geaoliicbte  ihren  Zweck,  indem  sie  die  Tradition 
IberhüBpt  aofrecht  erhAU  nnd  das  Vorhandene  dnreh  die  Kraft 
«ad  den  Inhalt  eines  Entscbwnndenen  befenert 

Oesebichtliehe  DaitteOnngen  dieser  Ali  «igen  beroits  den  pidar 
gogisdMB  Gnadton,  dar  aneh  den  Gesehiebtsehrdbexn  desAlterthnms 
eigenthinlidi  ist  In  Fintarcb  nnd  Tadtns  entsteht  ans  diesem  Gnmd- 
tone  eme  besondere  Form  der  Darstellung;  die  Absicht  überlegter 
fiaflussnahme  kann  deutlich  wahrgenoiunicii  werden;  das  Zusamüieii- 
stellen  historischer  individualitaten  zu  Analogien  bei  Plutarch  vcrräth 
den  auüken  Schulmeister,  den  Vertreter  einer  öffentLicheii  Eizibhun<!:. 
Wie  er  zu  Menschen  spricht,  spricht  er  Ii*  l  er  von  den  Menschefi  n!s 
von  den  Thaten.    „In  den  gl;mzfr*ndsrt  n  Thaten",   —  heißt  es  im 
Alexander  Uap.  1.  —  „liegt  niclit  aiiemai  eine  Anzeige  von  Tugend 
ttnd  Laster;  im  Gegen theil  verräth  ott  eine  unbedeutende  Handlung, 
6ine  Rede  oder  ein  Scherz  den  Charakter  des  Menschen  \iel  deutlicher 
^  die  blutigsten  Gefechte,  als  die  größten  Schlachten  und  Belage- 
rangen.«   Hier  tritt  lehrhaftes  Streben,  die  Gruppirung  und  Behand- 
lung geschichUkbcr  Ereignisse  anm  Zwecke  beabsichtigter  Wir- 
kang  dentlkh  herfor. 


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—  4S4  — 


«So  wird  die  Geschiclitf  nach  dem  Ausspruche  eines  ihrer  größten 
Kt'iiiif  r  zu  einer  ^ßroßcn  I  u  ispielschiile"  der  Menschheit.  (Boliugfafok^ 
Brieie  uln;r  das  StUilimii  der  CTesdiichte.) 

In  dem  Augeubiicke,  da  f^roße  Cultiirbewegungeu  auftreten,  istellt 
sich  bei  Völkern  und  Individuen  ein  Streben  ein,  das  sich  nicht  mehr 
abweisen  lässt,  das  Streben  nach  dem  Besitze  einer  Weltanschauung, 
an  der  sich  die  Qualität  jener  Bewe^ungfen  messen  lässt.  Diese  Welt- 
anschaaung  vermag  nur  die  Geschichte  zu  gewähren.  Allerdings  mehr 
noch  die  Philosophie:  aber  die  (iescliichte  ist  in  gewissem  Sinne  die 
Mutter  der  Philosophie.  Denn  nach  Hegels  berüliratei*  Definition  ist 
„Philosophie  nichts  anderes,  als  ihre  Zeit  in  (^danken  erfasst".  Die 
Zeit  jedoch  setzt  sich  nach  ihrem  Inhalte  aus  den  geschictatüdMU 
Ereign^issen  zasammen.  Auch  die  Naturwissenschaften  können  zu  einer 
Weltanschauung  fUhren;  dennoch  steht  eine  aus  dem  Studium  der 
Geschichte  hemigehende  WeLtanschaoung  höher.  Die  Naturwissen- 
schaften stehen  sur  Zeit  in  einer  Phase,  die  dnrch  eine  blofie  An- 
häufung des  Wissens  gekouueichnet  ist,  und  die  grofiartigen  Ansätze 
der  Entwickelungstheorie  ermangetai  eines  volksthümUoben  ZngeSr  ^ 
für  eine  allgemeine  Weltanschauung  unerlässlich  ist 

„Nur  langsam  bricht  sich  wieder  die  bessere  Einsicht  Hahn*  — 
sagt  B\  Jodl  in  seiner  „Qesebichte  der  Ethik*"  (Cotta  1889)  —  „da» 
eine  Fülle  von  aufeinander  geschichtetem  Wissen  noch  nicht  Bildung 
ist,  und  dass  weder  die  Wunderthnten  der  Elektricität  noch  die  Qe> 
heimnisse  der  chemischen  ^yntheee  mis  vor  der  kliglichrten  Befangen- 
heit nnd  dem  kindieeheBten  ObeenraatiarnnB  n  BchfttM  im  Stand» 
sind,  wenn  es  an  dner  geemiden  nnd  Im  gewteen  Sinne  iranigst«» 
Tolksthltanfichen  Phttomphle  gebricH  welche  die  moderne  WlMeneehaft 
znr  Totalität  einer  Weltnneehannng  erweitert 

Die  Geeehiehte  zeigt,  daas  die  einneble  Wlasenachaft,  wie  da« 
einneble  Volk,  nmr  als  em  TheÜ  emes  sieh  stets  wvoOkomnmenden 
Gaoien  Bedeutung  bat;  dämm  lehrt  sie  VOUrani  md  Lidividnen  Ter 
allem  —  Bescheidenheit 

Eme  Wdtansebannng  ist  flr  den  £fainehieiL  nieht  gegeben:  sie 
mnss  in  mühsamem  Streben  errungen  werden,  und  sie  kann  nnr  an 
der  Hand  der  Gesehiebte  enrungen  weiden.  Das  Stnben  nndi  ihr 
ist  den  edelsten  Geistern  eigen;  doch  gelangt  nur  ein  sehr  reiite 
Geist  auf  eigenem  Wege  ans  Ziel:  dem  Durchschnlttsmenaeben  hiäbt 
nur  die  Anlehnung  an  das  Lehrreiche  der  Vergangeobelt  »MÜlimMi 
von  Gemftthem'*,  —  sagt  0.  t.  Leisner  (Unser  Jahihundert)  —  »nn 
Innern  viel  xn  schwach,  um  klare  Überaeagungen  fltar  ihr  aitllidies 


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—  486  — 


Dttaein  aich  sdhrt  m  erobern,  flachten  aus  dem  Gewim  driogendfir 
Meen  in  dm  aieheren  Hata  geschichtlicher  Überiiefianrng.'* 

Ans  diesem  QesichtqNUikte  betrachtet»  eneheint  die  Gesehiclite 
ndii  eigeniUdi  ale  die  Ftthittin  imd  Tritaterin  der  Kensebheit,  und 
ihre  Bieiher  können  —  nach  Feneibachi  Wert  —  efaunine  d^Mllen 
werden,  die  der  Menschengeist  gern  ainteobt»  am  Bich  m  sammebi. 

In  all'  dieien  Fällen  ist  es  ein  Gegenwartsbedflrfnis, 
I  dem  die  G^esehfehte  an  entspreehen  hat  la  dem  Maße,  als  dieses 
Gegenwartabedärfhis  nicht  erkannt  wird,  nicht  beachtet  wird,  in  dem 
Maße,  als  geschichtliche  Darstellung  an  diesem  Bedurinisse  vorbeigeht 
oder  über  dieses  Bedüi'fuis  hluausstrebt,  —  siniten  Geschichtsunterricht 
und  Gescbichtschreibong  auf  das  Niveau  eines  blos  akademischen 
Wertes. 

In  der  Fülle  der  Ju  loi  mvorsclilfjfrt'.  welche  dem  Schöße  der 
Gegenwart  entspringeTi,  scheint  ein  lli  v.cis  dafür  zu  lieg-en,  dass  der 
moderne  öeschichtsuuterricht  sich  diesem  Niveau  genähert  hat. 

Neben  jenem  Gegenwartsbedürt'nisse  hat  g^chiGhtlicbe  Darstellung 
einem  allgemeinen  Bedürfnisse  za  entsprechen,  das  ans  den  Gnmd* 
sitzen  einer  rationellen  Erziehmig  entspringt  und  von  der  Gegenwatt 
DBT  theUwedae  abhängig  ist 

Indem  die  Qesddehte  den  Umgang  mit  historischen  Personen 
vmitteltt  enaOgUcht  sie  in  der  Schale  den  eigentlicfaen  Qesiwamg» 
Unterricht  Ob  ihr  eigentlicher  Blldtmgswert  ansschUeßlich  auf  ihrer 
cnlturiiiBtoriBchen  Sdte  liegt»  oder  ob  das  VorbildUohe  der  historischen 
BofifinHchkeit  mehr  Beaebtong  verdient,  kann  sehverüeb  absolnt  enir 
schieden  werden  und  hAngt  jedenfeUs  von  dem  Gedankenkreise  der 
Altersstufe  ab,  för  welche  der  Unterricht  berechnet  ist.   Eines  aber 
wird  geschichtlicher  Unterricht  vor  allem  betonen  müssen:  dass  der 
Mensch  selbst  etwas  bedeute.    Auf  den  Flui'cn  der  Geschichte  weiden 
anch  Menschbiilierden,  eine  gr  ille,  nrtbeilslose,  von  einem  einzigen 
Willen  bewegte  31a— e.    Aber  dir  ;tut  -iCli  r^elbst  ruhende  PerMinlich- 
keit  ist  das  Erstrebenswerte.    Aus  dem  Hegi'iife  der  Persönlichkeit 
erw&cbst  allein  diis  ..Recht  des  Daseins",  das  die  ..Pflicliten  des  Da- 
seins* erzeugt:  es  entsteht  die  historische  Form  der  Selbstverleuprnuug, 
das  entsagungsvolle  Aufgehen  in  einer  Gesammtheit.   Aus  dei*  Be- 
trachtung  der  Geschichte  quillt  für  den  Einzelnen  die  rechte  Lehre: 
sich  zu  bescheiden  mit  dem  Antheile,  den  die  Einzelleistang  an  der 
Sntwickdniig  des  Ganzen  nimmt,  diese  Leistung  hingegen  in  ihrs 
innen  Motfawendigkeit  nnd  Wichtigkeit  verstindig  zn  erfusen.  „Dem 
Hidden  gehOrt  die  Welt,  doch  mit  den  DarchschnittsmensGhmi  bebaut 


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—  486  — 

man  sie."  In  dieser  Aul'fassuiig  der  Geschieht«  scblummern  die  Keime 
echter  Freiheit  und  echtei"  IVfeiischfM) winde;  aus  ihr  f^ntspransr  das 
Stoügt^btt  i[i  s  englischen  DiclHeis  ürownin^:  „Mach'  keine  Kiesen 
fürder.  (Tii  rl  Doeh  mach' recht  bald  uns  alle  groß!"  Aber  die  Ge- 
schichte zeigt  nicht  nur,  wie  der  Einzelne  die  Pflicht  des  Daseins  zu 
erfüllen  hat,  sie  lehrt  nnrh,  dass  der  Wert  der  Einzelleistung  nicht 
an  dem  Krfo1o:e  aüpiii  messen  werden  darf.  „Jch  gl h übe"  —  sagt 
ivaii  Turgenjeii  —  „dass  die  Aumchtigkeit  intd  Kraft  im^t  rer  Uber- 
zeiiLMüigen  die  Hauptsache  ist;  das  Resultat  liegt  in  der  Hand  des 
Schicksales.  D&a  Schicksal  cntsclif  iflet,  wie  wii*  gekämpft  haben  und 
mit  welchen  Waffen  wir  unser  Haupt  geschützt:  wir  haben  zu  den 
Waffen  zn  greifen  und  zu  kämpfen!"    (Hainiet  und  Don  Qoixote.) 

In  diesem  Sinne  ist  die  Geschichte  die  beste  Pfiichtenlehre, 

Hierbei  verfährt  sie  nach  bewährter  Methode:  sie  hütet  sich,  die 
Pflicht  zu  predigen,  und  findet  darum  gespannt  lauschende  Hörer.  Ihr 
Wesen  ist  das  Wesen  der  Fabel  im  großen.  Nach  Lessing  besteht 
dies  Wesen  darin,  dass  der  Dichter  einen  allgemeinen  Satz  auf  einen 
speciellen  Fall  anwendet  und  dadurch  anschaulich  macht.  Darin  liegt 
zngleiofa,  der  Wert  der  Fabel;  denn  sie  führt  Handinngen  zur  Beur- 
theilung  vor  und  lehrt  so  „Moral  auf  inductivem  Wege".  In  weit 
lifiheraB  Gtrade  befolgt  die  Geschichte  diese  Methode.  In  den  Hand- 
lii]|g<eil  der  großen  Personen  aller  Zeiten  liegt  eine  Fülle  von  Motiven, 
\relche  der  Jugend  zur  Betrachtung  Torgestellt  wwdmL  Darma  ist 
die  Tendenz  der  Geschichte  echt  pädagogisch. 

^fis  ist  viel  darüber  gestrüfcen  worden"  —  sagt  £d.  v.  Hait- 
maoii  —  „ob  die  Tugend  lehrbar  sei,  und  theoretisch  i&BSl  sieh  heute 
noch  so  darüber  streiten,  wie  zu  Piatos  Zeiten.  Aber  der  praktiacfae 
P^chologe  ist  zu  keiner  Zeit  darüber  im  Zweifel  gewesen,  dass  — 
abgeBflheiL  von  der  Glewohnheit,  welche  eine  Dressur  im  eigeatlidiBD 
Qktm  ist,  "wml  nur  dorch  Furcht  Gewöhnung  bewirkt  werden  ksnn 
—  dass  also  außer  der  Gewohnheit  keine  Lehre  im  Stande  sei, 
HoraUtät  zu  erzeugen,  sondern  nor  die  vothandene  Monilitit  zu  er- 
wecken durch  Vorhalten  der  geeigneten  Hotl? e,  wehdie  sonst  vielleicht 
nicht  in  dieser  Art  und  StArke  so  den  ZfigUng  herangetreten  wImd." 

Li  dieser  Rjchtnng  smd  die  EumrfcnBgen  der  Geschichte  natfiiv 
Ikh  sehr  manniggMh,  FBr  den  Enieher  gilt  jedoeh  als  Ornndsati^ 
dass  er  die  moderne  Persthiliehkeit  an  bilden  hat,  die  Pegsönliehkeaf, 
die  aus  dem  idealen»  geseUsdutltUohen  und  dkonoaisehen  Inhalte 
der  Gegenwart  hemrarwiehst  Da  aber  gersicle  in  diesem  Inhalte  nidit 
ndnder  wert?olle  und  nicht  minder  kriftige  BüdangaslemeBte  endutltoi 


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—  487  — 


sind,  so  wird  es  veiiitinftisrpi  wciö«  tiai  aut  aukümiTifn,  inwieweit 
liistoriäcliH  Motive  ztir  Belebung,  Stäi'kimg  und  Veredlung  dieses  In- 
haltes tau^^^un  oder  inwieweit  sie  ein  Verständnis  desselbea  erschließen. 
iJie  orderung  nach  diesem  Verständnisse  wird  ohnehin  immer  drin- 
gender, und  ein  Theil  derselben  ist  in  Schillers  berühmter  Antritts- 
rede bereits  formulirt  Aber  seit  des  Dictaten  Wirksamkeit  als  Lehrer 
der  Geschichte  hat  die  Welt  einen  weiten  iScliritt  nach  yorwftrts 
gettum,  und  die  Gegenwert  piegt  sieh  um  ein  abevkommeDei  Bü- 
daagBYerfafaren  wenig  zu  kflmmem. 

Für  die  Entwickehing  und  Festigung  einer  WeUaiucheiimg  bietet 
die  Gesebielito  noch  «ine  andere  Seite.  Naeh  Hegel  lat  Forteehiitt 
aad  Gang  der  Weltgesehiolite  in  der  Begd  an  ein  herracbendeB  Volk 
gebanden,  das  Trftger  des  Weltgeistes  in  seiner  gegenwärtigen  ISatr 
Tiekdnngsstofe  ist  Das  Ktepfen,  Siegen  ind  Unterliegen  dieser 
Völker  und  Volksgeister  macht  den  Inhalt  der  Weltgeschichte  ai^ 
(Schwegler,  Gesch.  d-  Philosophie).    Nun  äuüert  sich  aber  der  Unter- 
gang eines  Volkes  als  geschichtliche  Erscheinung  in  der  Zertrümmerung 
s^t^iner  staatlichen  Foriii  und  in  dem  Aufgehen  im  staatlichen  Verbände 
dtjö  Siegers.    Der  Bestand  des  geistigen  Inhaltes  einer  Epoche  ist  von 
;  dieser  Wandlung  bis  zu  einem  gt. wiesen  (Trad*-  unabhängig.  Darum 
I  i^^t  so  häutig  die  Ei"scheinung  wahr/unt^hijiei],  dass  der  Sieger  die 
(lütur  des  Besiegten  aufiiinjint,  die  den  neuen  Staat  bis  in  seine  Tiefen 
durchdringt,  Gewohnheit  imd  Sitte  desselben  modiücirt  und  so  in 
Wahrheit  an  einer  Herrschaft  äber  die  Macht  gelangt,  von  der  jene 
Zenitöning  der  staatlichen  Form  ausging.   Auf  diese  Weise  kann  sich 
der  geistige  Inhalt  verschiedener  Epochen  an  einem  Bleibenden  ge- 
staitai,  das  aieh  atetig  fortentwickelt  n^as,  waa  wir  sind",  —  be- 
merkt ein  ftiner  Keaner  Jenes  sidi  stets  emenemden  Weltgeistes  — 
»und  wir  nicht  dnrch  uns  selbst^  sondern  dnrch  die,  die  tot  uns 
.  kttaen,  and  der  geistige  Untergnmd,  anf  dem  wir  stehen,  besteht  aoa 
GerOtt  von  Gedanken,  welche  nicht  in  Enropa,  sondern  an  den 
^üttn  des  Qzas,  des  NO  nnd  des  Enphnt  gedacht  wurden.**  (Max 
^«r,  «Über  indiTidneOe  iVeiheit'*.)  Darans  hitte  der  Enddlier  noch 
,   ilKlit  SQ  schließen,  dass  der  Unterricht  jenem  GeröUe  nachgehen  mfisse, 
'    Md  dass  abgestorbene  Cultuiformcn  des  laugen  und  breiten  zu  einem 
Wob  in  der  Vorsteliung  bestehenden  Leben  zu  ei  wecken  seien. 

Das  Büdungselement  liegt  in  der  einfachen  Erkenntnis,  dass  die 
Kraft  des  Geistes  und  die  Macht  der  Arbeit  stets  größer  ist  als  die 
pliysisclie  Gewalt;  dass  der  Gedanke  unsterblich  wird,  indem  er  die 
^liluiiige  Form  der  Macht  dberdauert  and  den  Öiegei^  selbst  wiedei* 

t^adigojioÄ.  l&.J«blK.  ÄeftVUL  80 


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—   438  — 


ZU  einem  Übemmdenea  macht  naeb  dem  achOnen  Worte  von  B^ied- 
rich  Heblwl:  »Die  Wolken  wollen  den  Hond  yerdnnkeln;  er  riebt 
gich,  indem  er  lie  vei'ailberi'' 

Der  Anhänger  der  praktischen  Lebenaknnet  mag  sidi  also  an  die 
Gegenwart  halten,  die  er  ananntity  ohne  sie  n  Tenitehen.  Ihn  kann 
das  Vergangene  wenig  kflmmern»  wie  ihm  ja  tiberfaanpt  nur  elneB  am 
Herrn  Hegt:  das  rationelle  Verwerten  dee  Augenbliekea. 

Der  ISrzieber  kann  der  Vergangenheit  nicht  entbehren;  das  Wort 
des  rt^mischen  Weisen:  ,,In  der  Vergangenheit  sind  alle  Erdendinge 
am  siebersten  verwahrt",  hat  fikr  ihn  noch  eine  tielere  Bedenttmg; 
seine  Sch&tse  liegen  in  der  Vergangenheit  Er  selbst  steht 
in  dem  blflhenden,  grünenden  Leben  der  Qegenwart,  das  zn  seiner 
Entwickelang  eines  TheOes  jener  Schitie  bedarl 

Da  mnss  er  m  graben  Terstdienl 


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Tatar,  8#kB  u4  Ctoist. 

ancbesim  ktrchUchen  Cnltas  nnd  im  Religionsunterrichte  wird 
gedankenlos  nachgesprochen  von  einer  Generation  zur  anderen,  obgleich 
schon  vor  Imndert  Jahren  Goethe  gesagt  hat:  „Es  ist  nichtä  schreck- 
licher als  ein  Lehrer,  der  nicht  mehr  weiß,  als  die  Schüler  alientalls 
wissen  sollen.  Wer  andere  lehren  will,  kann  \vi>\  oft  das  Beste  ver- 
schweigen, was  er  weili,  aber  er  darf  nicht  hiUbwissend  bein."  (Wan- 
derjahre. Cap.  4.) 

Die  theologische  Seite  der  obigen  I^reiheit  kann  hier  um  so 
weniger  in  Betracht  kommen,  als  ich  schon  im  Psedagogiuni  fl880,  12 
md  18^2,  6)  darüber  einiges  gesprochen  habe.  Folgende  Stelle  sei 
hier  iio-h  erwähnt: 

A.  Bei  Matthäns  28,  19  heifit  es:  „Lehret  alle  Völker  nnd  tanfet 
m  im  (auf  den)  Nanen  des  Vaters  nnd  des  Sobnes  nnd  des  baiUgen 
Oosles.**  Als  Tatttfonsel  irarden  diese  Worts  erat  in  spftteren  Jabr« 
hinderten  angewendet  Meine  Anffusnng,  ohne  Bidosiebt  anf  die 
sMastlsobfin  Dentnigen  des  Mittelalters,  ist  folgoide: 

Der  Name  der  böehsten  Gottheit  der  Inder  (Dyaus),  der  Griechen 
(ZsBs)  nnd  der  BOmer  (Jupiter,  d.  L  Zeu-pater,  Vater  des  Liehts) 
bedeutet  Himmelvater,  nnd  das  klingt  noch  Avt  im  „Vater  nnser, 
dar  dn  bist  in  den  Himmeln"  *)  Der  Vatername,  welcher  dem  Ver- 
hältnis zwischen  Gott  nnd  den  Menschen  am  besten  entspricht  nnd 
in  Alten  Testament  nur  ausnalimsweise  voj  kommt,  ist  bei  Jebus  die 
das  Wesen  Gattes  am  vollkoinnit  n>ten  aussprechende  Bezeichnung 
irewf.rfien.  Das  allen  deutsclieii  Ziiw^m  gemeinsame  Wort  „Golf*  ist 
mmtv  Bedeutung  nach  achwei'  zn  erkiaren.**; 

*)  Kicbti&:ei-  iu  der  >leiii~i:tihl,  dcuD  tin  Urtexte  heißt  tu  bei  MatLbäuü  6,  9: 
]       ^  J<"V  ovQ(a'ofy\  Auch  in  der  Vulfjiita:  in  ooeli«. 

**)  Übeieiabtimittend  mit  dea  obigeu  iot  uur  der  Name  des  altdeatBchen  Gottes 
^  ten  1!^  noch  Ib  8flhwa^  vod  der  Sollweis  der  Zlotag  ut,  d.  der 
I      ^^bMif.  Oeundei  bei  Gtbnm,  MythoL  Cap.  9. 

I  ao» 

I 

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—   440  — 


Über  den  Wohnort  der  Gottheit  geben  die  Sprachen  dei-  Volker 
am  besten  Auskunft. 

Die  Griechen  ii;ninten  das  hohe  Gewölbe  Über  der  Erde  Uranos 
und  gkiubien,  dui  t  st  i  d^-.i  Wuhusitz  der  Götter,  die  aber  auch  auf 
hohen  Bergen  wohnen,  besonders  auf  dem  Olymp.  Als  Person  war 
Uranos  dei*  Gatte  der  Erde  und  durch  ihn  wurden  die  .Niliojtferischen 
Kräfte  der  Erde  erre^;  als  Cultusgott  alles  ^Segens  und  aller  hiiom- 
lischen  Herrschaft  ward  i  r  Zeus  (im  Altdeutschen  Zio)  benannt  Im 
Römischen  hieß  das  G»  \vuibe  und  der  Sitz  der  Götter  Coelum,  ver- 
wandt mit  dem  ?rie<  lusi  hen  Eoilos,  d.  h.  ht»ld. 

Unser  (IpiiLsches  Wort  Himmel  bedeutet  Decke  über  der  Erde. 
In  NiederdeuisehlaiKl  -  AltsHchspn)  und  in  En^'^kiini  hört  njan  aber  auch 
das  Wort  Heven  «enirlih.ch  heaven d,  b.  UmschlioLn  r,  llalior  der  Erde. 
Die  jüdische  Vorstellung  von  mekrereu  lümmeln  1*  I  tn  U  M  h  im  deut- 
schen Mittelalter  fort;  man  sprach  von  10  übereinander  liegeudeu 
Himmeln,  von  denen  der  oberste  (äer  Feuerhimmel)  die  eigentliche 
Wolinuiiir  t^ittes  st'i  Das  Volk  denkt  sich  den  Iliiiiinel  als  einen 
Autenihalt  der  8tdiü:e]i,  als  Wohnung  ih:i  Heiligen  und  1^ romiiK  ii  narli 
dem  Tode,  im  Gegensatze  zur  Hölle  als  den  Ort  der  Verdanuiiteii. 
Der  Himmel  \^ird  auch  als  Reich  gedacht»  tda  Himmelreidi  (nur  bei 
.Matthäus)  und  als  Keich  Gottes. 

Über  die  Gottesidee  überhaupt  halben  die  Naturforschei*  und 
Ethiker*)  ein  Wort  mitzusprechen.  In  neuerer  Zeit  wird  das  Wort 
Atheismus  oft  gebraucht,  man  nennt  Menschen  Atheisten,  d.  h.  gott- 
los, ohne  Gott,  wenn  sie  sich  diesen  nicht  als  Person  denken  oder 
wenn  sie  nicht  gewisse  Glaubenssätze  der  herrschenden  Kirche  an- 
erkennen. Man  hat  noch  kein  Volk  gehinden,  auch  wenn  man  es  zu 
den  Wilden  zählen  könnte,  das  nicht  eine  Ahnung  oder  Vorstellung 
von  einem  höheren  Wesen  gehabt  hätte;  nur  hat  es  ein  Volk  so,  das 
andere  anders  benannt.  Unterrichtete  nennen  es  anch  Weltseele  oder 
anders.  Der  Name  thut  nichts  zur  Sache,  der  Glaube  aber  ist  vor- 
handen, auch  wenn  er  nicht  als  eine  Person  gedacht  wird,  wie  dies 
bei  Kindern  und  einem  kindlichen  Volke  der  Fall  ist  Diese  haben 
kerne  andere  Vorstellung  von  Himmelvater  oder  Herrgott  Ein  gi-ofter 
Mann  wie  Goethe  war  weit  entfernt  in  glauben,  dass  er  das  höchste 
We06ik  erkenne^  wie  ee  ist-,  alle  aeine  Äaßemiigen  gehen  darauf  hin, 

*)  Vergleiche  die  Werke  von  Carueri,  aauieutlich  die  neueste  iiclihft;  „Der 
rnodsne  Keueli'^  (Bomi  1881).  Vmst  die  wugmManA»  Sdiiift  tob  flmg»: 

BeUgion  im  liokte  da  Damiaiirk«!  artwiVlwJmigiiiihrfr**  ^>eipdg  IM 
0.  WIgsadX 


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j 


—  441  — 


^asB  es  ein  UnaribischlicJiis  wi,  voTon  der  Mensch  mir  asnllienide 
Spuren  und  Ahnungen  habe. 

Wir  ivenden  nns  nnn  zn  der  Beoeidmong  «Sohn'*,  nm  vom 
niehttheoiogisehen  Staadpindcte  ans  durch  anßerbibÜBcihe  Yergletchnngen 
einige  Kiarnng  za  hringen  in  das  TeihAltnis  eines  Sohnes  mm  Tater. 
Dabei  ist  "wol  sn  heaehten,  dasB  die  Sprachen  der  Ydlker  yoU  jm 
Personificationen  sind. 

B.  Das  indische  (vedische)  Byaus  ist  gleich  Himmel,  Beleuchter. 
Die  arischen  Völker  blickten  im  großen  Tempel  der  Natiu-  zum  Hirn- 

j    mel,  mIs  ub  sie  dort  das  finden  mttssten,  was  sie  sachten:  einen  Vater 

j     nnd  einen  Gott. 

Eine  llauj  unlh'  in  den  Religionen  der  Völker  spielt  der  Sonnen- 
cultns.  Die  KSünu^^.  m  ilen  meisten  Sprachen  männliciien  Gescblt  i  lit.s 
ist  gleichsam  der  Vermittler  zwischen  einem  Uimmelvater  und  einem 
Sohne.*)    Die  Bezeichnung  Sohn  kann  nnr  verstanden  werden,  wenn 

I     vir  die  religiösen  Anschannngen  verschiedener  V^Hker  vergleichen. 

Es  gab  Sounenyerehrer  und  andere,  denen  ein  Himmelvater  noch 
höher  stand.  Sparen  von  hdher  stehenden  Gottheiten  finden  wii*in  antiken 
Mythen  (Zens,  Jupiter),  sogar  bei  den  wilden  YOlkem  im  alten  Fem. 
ffier  richtete  einst  hei  dnem  Feste  Ghtayna  Gapac  an  den  Oberpriester 
eine  mericwttrdige  Frage.  Dieser  hatte  lange  die  Sonne  beobachtet 
mid  sprach  dann:  »Ich  wiU  dich  swtt  Dinge  fragen.  Ich  bin  euer 
Kenig  nnd  Heir;  -wttrde  einer  ym  ench  sich  evfcOhnen  ndr  sn  gebieten, 
dass  ich  Ton  meinem  Sita  mich  erhebe  nnd  einen  weiten  Weg  mache? 
Und  würde  der  reichste  nnd  mächtigste  meiner  Tasallen  mir  den  Ge- 
horsam zu  weigern  wagen,  wenn  ich  ihm  befehle,  sogleich  nach  Chile 
zu  laufen?  Nein.  Ich  sage  dii ;  Es  muss  über  diesem  unsern  Vater, 
<ier  Sonne,  einen  größeren  und  mächtigeren  Herren  geben  als  sie, 

'      der  ihr  gebietet,  diesen  Weg  zu  maclien,  den  sie  taglich  beschreibt 
ohne  Aufenthalt;  denn  wäre  sie  selb.st  der  huchste  Herr,  so  würde 

'     sie  nicht  ewig  denselben  Weg  darchiaufen,  sondern  nach  Gefallen 
ausmhen.'* 

Im  Lande  des  Sonnencaitos  muss  dieser  Zweifler  gewiss  als 
Ketzer  gegolten  haben. 

Die  Idee  von  einem  „mächtigeren  Herrn"  geht  (nach  Paul  Schell- 
faas**)  in  Amerika  sogar  in  einen  Meeaasglauben  über,  namentlich  hei 
d«n  Indianern,  welche  glanhen,  es  werde  ein  Messias  kommen,  der 


^  Dm  nnAzititehe  iflniis  bedeatat  usprüng^oh:  Qeboiener. 
**)  TogifliolM  Tiglidie  BviulsdUHi,  BeiL  Nr.  6  vom  Jalne  1601. 


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~  442  — 


sie  von  <lein  Joche  der  WdBea  befreien  könnte,  und  dieser  ersehnte 
Messias  würde  sich  dann  an  die  Spitze  der  eiügeborenen  vStämine 
steUen,  um  sie  zum  siegreichen  Kample  gegen  die  weiiien  Eindring- 
linge zu  föhren.  Der  Kern  fast  aller  dieser  messianischen  Zukuofts- 
hoflhungen  beruht  auf  dem  Glauben  au  die  VViederkehi'  alter  Cultur- 
heroeu.  Zu  diesen  gehört  auch  einer  Namens  Quet^alcoatl,  der  von 
einer  Jungfrau  geboren  als  ein  Gottmensch  erscheint  und  zw:ir 
als  Vermitler  zwischen  Mens«*hheit  und  Gottheit.*)  An  dies»? 
s>on  knüpft  sich  die  Idee  eines  allgemeinen  Friedens,  eines  g-<Htlifhfu 
Reiches  auf  Erden.  Die  auffallende  Ähnlichkeit  mit  den  me.>isia:iiM  lu  o 
Vorstellungen  der  Völker  der  alten  Welt,  uamenüich  dei'  Hebräer, 
liegt  liahe. 

Die  Sonne  bietet  iiuuiche  Beziehungen  zu  dem  Worte  Sohn,  iudtm 
sie  den  i  ix  i  Lang  bildet  von  natürlichen  zu  ubernaturlicheu  und 
schließlich  güttiichen  (4  egenständen  des  religiösen  Bewusstseins.  In 
den  Veden  der  indei-  nennt  man  die  Sonne  den  Sohn  des  Himmels 
(des  Dyaus);  sie  heißt  auch  Mitra,  d.  i.  Mittler.  In  ähnlichem  Sinne 
spricht  Piaton  (Gastmahl  5)  von  Eros  als  einem  Vermittler  zwischen 
Gott  und  den  Menschen.  Kud.  Seydel  sagt:  „Vornehmlich  zwei 
Elemente  der  alr-arischen  Religion  mussten  als  Ausflüsse  einer  Mittler- 
Vorstellung  zu  Keimen  einer  Ausprägung  menschlicher  Gottsotmscliaften 
werden:  die  Sonnenverehrung  und  der  Feuercuitus.  Die  Sonne  war 
für  die  ilichterische  Phantasie  des  Ariers  der  beliebteste  Anknüpfungs- 
punkt für  personißciiende  Vermannigfaltigung  nnd  für  Hineindichtung 
menschenartiger  Verhältnisse.  Schon  für  sich  selbst  ist  die  Sonne  aU 
Licht-  und  Lebenspenderin  das  himmlische  Mittlerwesen,  das  die  EIrde 
durchdringt,  Menschencultur  vennittelt  und  zu  Klarheit  und  Schönheit 
vollendet. "  Der  indische  Beiname  der  Somie,  Mitra,  d.  i  Mittler, 
bezeichnet  eine  mit  dem  Himmelsgotte  Vanma  in  Eins  yerschmotait 
Gottheit,  die  jedoch  auch  selbständig  war.  Endlich  im  Eömerreiche 
und  in  Ägypten  wurde  der  Mitrasdienst  durch  Mysterien  mit  Brot 
und  Wein  und  durch  die  Gteburtsfeier  am  25.  Deoember  zun  Ab* 
knttplbngBpunkte  der  Chiistianisining.^ 

Diese  religiösen  Vor.stellnngen  der  morgenlftndisdien  Völker  konnten 
nicht  ohne  £infliiss  bleiben  auf  die  Meinungen  über  den  Stifter  des 
ChristentluuDs,  den  Paulus  als  das  yolleodete  Menschenebenbüd  Gott» 
bezeichnete  (2.  Kor.  4^  4).  Diese  Benennung  sUwv^  d.  ta.  Biidmi» 

*)  AutfBhrlidies  ttber  Oottmensohheit  Hnd  Verwandtes  siehe  Sejdei,  Svtt- 
gdiuB  lud  Bnddhalebie.  (Läffng  1888,  Bzwtkopl  a  190  ft). 
**)  Man  TergL  auch  L,  Baoke,  WeltgMoh.  4.  Bd.  81. 


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—  443  — 


(hnago)  Gottes  hat  man  dann  spftter  geBteigert»  imd  dies  hat  n  vieleii 
«miMaEen  SMtiglultai  Yeraiüiiasaxig  g^gebeiL*)  Christus  selbst 
sprieiit  immer  yon  Gott  als  dem  Täter»  der  ihn  gesandt  habe  (Joh.  12,49), 
und  der  grttfter  sei  (JdL  14,  28).  Wenn  Christus  Sohn  Gottes  genannt 
wird,  80  kann  das  doch  nur  bildlich  aolisefiust  werden.  So  sagt 
man  a.  B.  anch:  Der  Wonach  ist  manduaal  der  Tater  des  Gedankens; 
die  Wahrheit  ist  die  Tochter  Gottes  n.  a. 

Der  Tom  Geiste  Gottes  beseelte  HeiUmd  hat  allerdings  auch  eiir 
Mittleramt  ausgeübt,  und  dies  bestand  darin,  dass  er  die  bisherige 
Religion  seines  Volkes  erneuerte  und  eine  Religion  der  Liebe  für 
alle  Volker  ot'tenbaiie.  iJadurch  ward  er  der  Heilbringer 
und  Erlöser,  und  durch  sein  Leben  und  sein  Leiden  hat  er 
ütoineTi  Lehren  die  höchste  Weibe  göttlichen  Ursprungs 
gegeben. 

Die  bildeii'eiche  Sprachweise  des  Morgenlandes  und  das  nach  dem 
Tode  Christi  verfasste  Neue  Testament  will  richtig  veretanden  sein. 
Aach  hier  isf  s  der  Geist,  der  lebendig  macht.  Das  bloBe  Wort  bat 
▼iele  irre  geftkhrt,  und  selbst  bei  der  deatschen  Beformation  konnte 
man  sich  nicht  ganz  frei  machen  Tom  Buchstaben.  Das  beweist  die^ 
»Angabnrgische  Confeasion*.  Luthers  klefaier  Kateehismns  dtirt  blos^ 
die  Stellen  Bflm.  9,  6  and  Joh.  4,  9  ohne  ISrUhiterang.  Der  neue 
„Grandiisa  der  chrÜBrtJiehen  Lehre^  yon  K.  Schwarz  fügt  die  messia^ 
idsehen  Stellen  des  Alten  Testamentes  wenigstens  hinza:  „Gottes- 
sohn h«i0t  hier  so  viel  als  der  yon  Gott  besonders  Begnadigte  nnd 
GeUebte.*  Er  nennt  sieh  so,  weil  er  ans  dem  Geiste  Gottes  geboren 
und  dnreh  Gesinnung  und  Liebe  mit  ihm  eins  ist,  wie  der  Sohn  mit 
dem  Vater.  Zwischen  dem  Sohne  Gottes  und  den  Kindern  Gottes 
ist  kein  Unterschied,  nur  gilt  Jesus  als  der  ein-  oder  erstgeborene. 
In  der  Pei-sönlichkeit  (^risti  hat  sicli  die  höchste  geschiditlichc  Uften- 
barung  der  Gottheit  vollzogen. 

Übrigens  naunie  >w]\  Jesus  voi-zugs weist  ii  -  „.\ienscln  ii  >ijlnr'. 
Rr  stellt  sich  somit  selbst  meinen  Brftdem  in  all« m -leich,  ausgenommen 
Sünde.  Kr  dachte  bei  der  Wahl  dieses  Ausdruckes  an  Dan.  7,  IH. 
Der  Mensch  war  nach  seiner  Anpassung  göttlichen  Gesciüechts;  da- 
gegen war  ,,Sohn  Gottes**  der  eigenthümliche  Majestätstitel  des  Messias, 
den  die  Jnden  erwarteten  als  weltlichen  Fürsten  mit  sinnlichem  Glänze. 
Bei  Jesos  leachtet  gerade  in  der  Unscheinbarkeit  des  flatteren  Aut- 


*)  Über  dio  KiietoiMm,  dm  Jmm  aacb  eis  Oott  lei,  Im  man  die  Ideiiie 
von  Bgidy  JbMbb  Getfinken**.  (Leipiig,  Otto  Wigeadt  60  PTenaige:) 


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—  444  — 


tieteiib  um  m>  heiler  die  geistige  Hoheit  mif  Snlches  Vorbild  gab 
t^r  aucli  s^äinen  Aposteln  Wor  von  ihnen  dien»  ,  der  solle  der  größte 
sein.  Wer  denkt  hierbei  nicht  au  die  Yerweitlichmig  und  HerrscJi- 
sucht  der  späteren  „Kii'che"? 

Die  Bezeichnung  ^Sohn  Gottas"  geht  auf  Tfsns  als  den  von  Gott 
erwählten  Boten,  den  Gottgesandten.  Für  die  judische  Gemeinde  der 
apostolischen  Zeit  ist  er  der  Sohn  des  Josef  und  durch  denf?elben  der 
Nachkomme  Davids.  Über  die  Stelle  bei  Matth.  1,  18  rt.  ist  zu  be- 
merken, dass  bei  diesem  Berichte  die  wuuderb&re  Geburt  Taa^if<f^  Sim« 
80ns  und  Daniels  als  Vorbild  diente. 

Das  Leben  und  die  Lehre  des  menschlichen  Sohnes  ist  zurftck- 
zulübren  auf  den  Geist  Gottes,  der  in  ihm  lebte.  Und  dies  geleitet 
uns  zum  belebenden  Pzindp  der  ?on  ihm  gertifteten  reÜgidM 
Gemeinde. 

C.  Die  kirchliche  Lehre  yon  diesem  heiligen  Geist,  dei-  do;r- 
matisch  sogar  als  Person  aufgestellt  wurde,  köimen  wir  hier  nicht 
Teifolgen.  Nur  als  christlicher  Gemeingeist  ist  er  unserem  Zeitalter 
verständlich.  Was  bedeotet  da^  deateche  Wort  Geist?  Es  entspriidit 
dem  lateinischen  Spiritus,  genius,  anima;  dem  griechischen  paema 
(d.  h.  Hauch,  Athem,  belebende  Kraft).  Geist  wird  auch  als  ein  Wesen 
gedacht  und  als  Gottes  Geist  (Joh.  4,  24),  als  göttlicher,  und  Christa 
Geist,  daher  die  dogmatische  Personification  des  „hflitigen  Geistes**. 
Biblisch  wird  der  Geist  der  Weisheit  als  Gabe  des  heiligen  Geistes 
gedacht,  und  somit  tritt  dsDu  der  göttiiehe  Geist  in  den  Menseiieiigeist 
selbst  ftber  (bei  Piropheten  n.  a.).  Ansurtong  nnd  Missbranch,  besoD^ 
ders  im  Mittelalter,  konnte  dabei  niclit  aasbleiben  (bd  H^rattkem  n.  a.). 
Auier  dem  viet&chen  Gebraacfae  des  Wortes  Geist  spricht  man  anch 
von  emem  allgemeinen  Geist»  Yom  Geiste  eines  Zettsltersi  nnd  dieser 
Geist  ist  in  jedem  Jaiurlimidert  einanderer;  so  andi  bei  dar  Anfihssng 
der  kirehliehen  Dreiheit:  Vater,  Sohn  nnd  heiliger  Geist  XMeaer 
Wechsel  liegt  im  Eniehmigsplane  des  Gotteegeisftes.  Eiiien  iümlifiien 
Plan  erkennen  wir  in  dem  Stnfengange  vom  Alten  snm  Neuen  Tester 
ment.  Und  als  Gfafistns  Ton  seinen  Jfingem  seUed,  Terspradi  er  ihnen 
die  Enffc  des  heiligen  Geistes  (Apostelgesch.  1,  8),  und  er  wolle  bei 
ihnen  bleiben  Ins  an  der  Weit  Sode  (Matttu  SS,  20). 

Im  keiligen  Geiste  also  ist  der  Heiland  gleiehsam  wieder 
auferstanden,  und  lebt  nun  geistig  Ihrt  und  wüdrt  anf  Erden  and 
erh&lt  die  Ton  ihm  gestiftete  christliche  Kirche,  deren  Stiftungsfest 
das  Ffingstfest  ist,  die  AusgieSung  des  helligen  Geistes  über  «He 
Volker. 


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I 


—  446  — 

Weder  das  Jadentbum  mit  seinem  Gesetz,  noch  das  Heidenthun) 
mit  seiner  Plulofiophie  md  Kunst  «ad  samer  StaatsK)rdniing  haben  der 
MflDSchheit  neaes  Leben  geg^eben,  sondern  d^  Q«i8t  einer  nen^  Gfe- 
sinunng,  wie  er  dnrch  Jesns  in  die  Welt  gekommen  ist.  Dieser  GMst 
hat  sieh  unter  Brausen  and  Stftrmen  seine  Balm  gebtedhen,  wie  es 
rinnvell  in  der  heiligen  Schrift  heiAt»  nnd  bnnssDd  nnd  stQnnend 
wirkt  er  aneh  heute  noch  foort  nnd  Ändert  nnhaltbare  Znstlnde.  Solche 
treten  da  ein,  wo  man  ahweicht  vom  Geiste  dee  Stiften. 

Und  das  geschah  schon  in  den  ersten  Jahrhnnderten  des  Christen- 
thiBs,  Tor  nüem  in  Born,  wo  eine  weltiiehe  Hemchall  üitstand»  die 
dneh  die  demtsehe  Beforroation  nnr  zum  Theil  gebrochen  wurde. 

Ckristus  versprach  denen,  die  in  seinem  Namen  sich  versammeln, 
gegenwärtig  zu  sein  als  heiliger  Geist.    Die  Versamniiung  brauchte 
aber  nicht  ausschließlich  von  Kuia  auszugeben,  desseu  Kii'che  ja  noch 
nichT  bestand.  Nun  wurdt  n  aber  auch  Kirchens^emeinden  in  Jerusalem, 
Auiiochia  und  anderwärt.^      <:i  iimlet.    L.  v.  iuiiike  sagt  rw^eligesch. 
V.  295):  „Dass  das  Fapstthuui  eine  göttliche  Institution  sei,  ist  eine 
lüerarchische  Ansicht,  zu  der  sich  der  Historiker  niclit  bekennen  kann.** 
Auch  andere  Gescbichtskundige  wissen,  auf  welche  Weise  die  Bischöfe 
?0Q  Eom  das  Ansehen  erlangt  haben.   Im  Lanfe  der  Zeit  erhielten 
ae  ihre  Macht  durch  zwei  Mittel:  durch  strengen  Glaubeuszwang  und 
die  hierarchische  Ver&ssong.  Dazu  kam  in  neuester  Zeit  die  Erklfi- 
ning,  das8  der  Papst  ein  nnfefalbaxer  Mann  seL  Die  Bechte  der 
christlichen  Qememde  sind  allmählich  anf  die  Versteher  (die  Geist- 
Mea)  flbergegangtti,  so  dass  sie  allein  die  Kirche  (eocMa)  sbd. 
IMe  MÜ^Ueder  der  Gfemelnden  haben  in  allem  an  gehorchen  and  das 
SB  glaoben,  was  diese  „Kirche''  Torschreiht  Die  evangelische  (pro* 
testsntische)  Kirche  dagegen  hat  keine  einheitliche  Verihssmig  ange- 
Bonmen,  sie  wäre  sonst  anf  hierarchische  Wege  gerathen.  Der  Idee 
des  Christenthums  entsi)richt  am  meisten  die  presbyterianische  oder 
die  Synodalverfassimg,  wie  sie  lu  der  reformirten  und  schottischen 
Kirche  besteht.   Diese  Kirclien  gewähren  mit  Recht  die  Glaubens- 
freiheit und  die  Selbständigkeit  der  Gemeinden.    Es  gibt  innerhalb 
der  evangelischen  Kirchen  eine  Meinnnofsv»  i  scliiodenheit.  und  das  ist 
?^t,  denn  wir  können  uns  kein  T^p^  rn  denken  ohne  eine  Möglichkiüt 
der  Kntwickelung,  und  zu  dieser  geiiürt  eine  freie  Forschung.  Da- 
'Uiich  wird  der  hohe  Inhalt  des  Christenthums  imi^wv  tiefer  und  reiner 
^it'asst  Die  nöthige  Einheit  wird  hergestellt  durch  die  religiöse 
<^  sinnnng  und  die  thätige  Nächstenliebe»  wie  der  Stifter  im  £vang. 
Lukas  10,  25  ff.  es  gefordert  hat 


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—  446  — 


Das  Walten  imd  die  Einwirkung  des  göttlichen  Geistes  im  Men- 
schen ist  nicht  abgeschlossen,  sondern  er  erzieht  die  Menschheit  alle 
Stadien  der  Cnltur  hindorcb,  wie  dies  schon  Lessing  in  seiner  „Ei*- 
Ziehung  des  Menschengeschlechts"  dargelegt  hat*)  Von  Zeit  zu  Zeit 
geschehfln  Anrogongen  zur  religiösen  Eneaeniiig  und  Klärung.  Icli 
erinnere  z.  B.  an  die  Ergebnisse  der  Denam  Katarforschung  (die 
Entwickelungslehre))  an  die  ^scliichtlichen  ÜBtanmcbungen  der  bib- 
lischen Urkunden,  an  die  dUuschen  Bestrebungen  verschiedener  V^eine^ 
die  eine  Wiederherstellung  des  reineai  Ghriftenthums  bezwecken  ohne 
die  trennenden  Glaubensmeinungen.  Eine  bedeutende  Erscheinung 
sind  M.  V.  Egidj's:  „Ernste  Gedanken"  (Leipzig,  Wigand);  „Ernstes 
„Wollen  (Beri  bibliographisches  Bnreon);  nEiiiiges  Ctaristenliiani**  Ton 
Lehmann  (Kiel,  Falckstr.  9). 

Dies  Alles  sind  Zeichen  der  ZeÜ,  die  aber  in  den  Hintergiund 
gedrängt  irarden  durch  die  politisclieii,  nationaJen  nnd  wirtsdiafUidieD 
Bichtnngen  der  Gegenwart 

*)  Vergl.  M.  M.iiller,  Geschichte  der  Menöchheit  mit  BesiehuBg  aut  Lcaäing 
(Leipzig  bei  Köseling).  Albert  Wittstock  hat  Lessings  Schrift  als  pädagog.  System 
bdüBd^t  (Leipzig  bei  Namnaiu.) 


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Die  Sebide  als  VeniUlerim  reelitslauidlieker  und  wirtoeliAft- 

lieber  Lehm. 

I 

I3ie  ^?Lhule  ist  eine  Einrichtung,  eine  Anstalt,  d.  h.  etwas  von 
Menschen  zu  einem  bestimmten  Zweck  Gemachtes.  Wollen  wir  nun 
wissen,  was  der  Zweck  einer  Ani^ialr  ist,  so  haben  wir  den,  der  sie 
ge^^niinlet  hat^  oddT  —  insofern  alle  menschlichen  Dinge  im  Laute  der 
Zeil  sich  ändern  —  den,  der  sie  zur  Zeit  erhält,  zur  Zeit  in  ihrem 
Besitze  ist,  zu  iragen,  was  seine  Absicht  bei  der  Grröndttng  oder  der 
Erhaltnng  der  Anstalt  ist. 

Den  Zweck  deijeoigen  Schulen  also,  die  vom  Staate  oder  der 
bürgerlichen  Gemeinde  gegründet  oder  erhalten  werden,  bestimmt  die 
Absiebt,  die  der  Staat  oder  die  bürgerliche  Gemeinde  bei  ihrer  Grün- 
dmg  oder  Erhaltung  hat  £in  SiuBelner  kann  bei  Gründung  einer 
AaatalA  Absichten  haben,  die  Ihn,  seuie  Person  nicht  heirilhraD,  mit 
aeinfln  eigenen  Interessen  niohtB  m  tlran  haben,  der  Staat  aber  kann 
Staatemittel  nnr  an  Staatszwecken  verwenden,  kann  bei  seinen  Ein- 
riehtmigen  nnr  Staatsinteressen  verfolgen;  zur  Verfolgung  anderer 
Zwecke  fehlt  ihm  jede  Veranlaasung,  wie  jede  Berechtigung.  Die 
StaatsBcholen  sollen  also  dem  Staate  dienen,  ihr  Zweek  kann  nur  der 
sein,  dass  sie  dem  Staate  helfen,  seinen  Zweck  zu  erreichen.  Die 
Aufgabe  der  Staatsschule  ist,  die  Bürger  des  Staates  zui'  Leistung 
ihrer  staatsbürgerlichen  Ptlichten  tahig  und  willig  zu  machen. 

Zum  Bestehen  und  Gedeihen  des  St^iates  ist  es  theils  wünscheus- 
wert,  theils  nothwendiL'*.  dass  die  Bürger  mi  Besitze  gewisser  Kennt- 
nisse und  FertigkeiLeii  sind.  Der  Staat  nuiss  zu  seiner  Erhaltung" 
von  seinen  Bürgern  Geld  odor  Geldeswert  fordern;  es  liegt  daher  dem 
Staate  daran,  dass  seine  Bürger  möglichst  erwerbsfähig  seien  (Wol- 
standspflege).  Der  Staat  bedarf  zu  seiner  Verwirklichung  eine  An- 
zahl von  Personen,  die  befähigt  sind,  die  staatlichen  Zwecke  zu  ver- 
trto  und  die  Staatsgeeetze  in  Ausläiimng  zn  bringen,  d.  h.  er  bedarf 


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feiner  Anzahl  von  Beamten;  es  liegt  daher  dem  Süiat«  daran,  dass 
liiiiner  eine  genugeml'^  Anzahl  von  Bürgern  vorhanden  sri,  die  zur 
Führung:  seiner  Ämter  befähigt  sind.    Der  Staat  niiiss  it  iiur  von 
seinen  lUuirern  Vertheidigimg  gegm  seine  Feinde  fordern,  es  iie^t 
daher  dem  Staate  daran,  dass  seine  Bürger  iiniglirhst  wehrfähig 
seien  (Sicherheitspflege).    Aber  dem  Staate  liegt  nichT   blos  daran» 
dasü  tieine  Bürger  zur  Leistung  ilirer  staatlichen  Ptiichten  fähig,  son- 
dern auch  daran,  dass  sie  dazu  willig  sind.   Denn  wenn  auch  der 
Staat  die  Macht  hat,  Vereinzelte,  die  sich  widersetzen,  zur  Leistung 
ihrer  Biirgerptiiehten  zu  zwingen,  so  ist  doch  seine  Macht  eine  be- 
schränkte und  nünmt  in  dem  Maße  ab,  als  die  Zahl  der  sirh  Wi/ler- 
setzenden  zunimmt.    Eine  gewisse  Anzahl  Bürger,  die  wülig  ihre 
Staatsi»fli<'hten  erfiillen,  ist  also  zum  Bestehen  des  Staates  unbedingt 
nothwendig;  zum  Gedeihen  des  Staates  ist  es  aber  wünschenswert, 
dass  alle  oder  möglichst  viele  Bürger  zur  Leistung  ihrer  Staatspflicht eu 
willig  sind.    Der  8r  lat  sa?t  daher:  Es  ist  mir  gleichgültig,  ob  meine 
Unterthanen  Christen  oder  Juden,  Katholiken  oder  Protestant^  sind, 
aber  ich  bedarf  zu  meiner  Erhaltung,  zur  Aufi-echterhaltung  meiner 
Einrichtungen  sittlicher  UnterthamBn,  ich  bedarf  solcher  üntertbaaen, 
die  das  eigene  Ich  der  Allgemeinheit  onterordnen;  ich  muss  daher 
darauf  sehen  und  dafür  sorgen,  dass  meine  Unterthanen  im  Besiti 
gewisser  sittlicher  Eigenschaften  sind  (Culturpflege).  Der  Staatszweck 
ist  ein  sittlicher,  ond  schon  Herbart  sagt:  Der  Staat  kann  nicht  blind- 
lings zns^en,  dass  ein  Kind  wie  ein  wildes  Thier  heramrachae  mid 
sich  später  wie  ein  wildes  Thier  geberde.  Die  Staatsschule  hat 
endlich  somit  auch  die  Anfj^pabe»  auf  den  Sehfller  ao  einzuwirken,  das» 
er  Hei'schaft  fiher  seine  Neigiuigen  erlange,  nnd  dass  er  seine  Begierden 
der  religiös  ausgebildeten  Yenmnft  unterordne.  Als  Ziel  dieaer  Er- 
ziehung gilt  ein  freiee  ErwiUen  des  Guten,  ^  Verabseheaen  des 
BOaen;  die  Schule  muss  dies  einlehren,  einleben,  bis  es  endlich  aar 
Gewohnheit,  zum  Niehtandensklhinai,  bis  es  in  Fteiseh  und  Blut  ttber- 
gegangen  ist. 

Die  Staaten  sind  aber  yersdueden;  die  Geschichte  Idirt  eine 
Staatsentwickelung;  sie  lehrt,  dass  die  Staatsverflnderungen,  wie 
alle  geaellsehaftlichen  Einrichtungen  in  einer  bestimmten  ZeitTorwirts» 
schreitai«  nach  einem  bestimmten  Ziele  hin  streben.  Diese  Staats- 
entwickdung  vollzieht  sich  in  dem  Obergehen  aus  dem  Gewaltataate 
zum  Bechtsstaate,  aus  dem  FOrstenstaate  zum  VoDcsstaate,  aus  dem 
Beamtenstaate  zum  Bürgerstaate  und  wahrscheinUch  auch  Tom  kirch- 
Höh -politischen  zu  dem  religiös-sodalen  und  vom  nationalen  zum 


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^   449  — 


humanen  Staate.  Es  ist,  um  nur  ein  Beispiel  anzuti ihren,  ein  unend- 
licher UnteiM'hiod  zwischen  dem  Staate  der  NibeiunLen-Zeit,  wo 
KüdlyeT-  Mujsruit;  Müiiiientreue  vor  Freuudebüeue,  und  dem  Staate  dei* 
Gegenwart,  wo  jeder  fühlt,  dass  Freundestroue  vor  Mannentreue  geht. 

Aus   der  Verschiedenheit  der  Staaten  und  des  Staats- 
zweckes  folgt  aber  auch  nothwendig  eine  Yerscliiedenheit  jener 
Anstalten,  die  dem  Staate  zur  Erreichung  seines  Zweckes  dienen 
sollen.  Wie  der  Staat,  so  seine  Schule;  ein  anderer  Staat,  eine  andere 
Schale.  Fasst  man  %,  B.  die  Oeechichte  dea  fraiuOeischen  üntcniehtB- 
wMeos  ins  Ange,  so  erkennt  man  sofort,  daas  hei  jeder  staatUehen 
Vertndfinmg  ancb  der  Sehnte  eise  Umgestaltung  sntheü  worde;  die 
Ref^nblik  snehtB  B^nhlikaner,  die  Monardiie  Monarehisten  m  er* 
zishen;  die  Monarchie  vieder  gab  je  nach  ihrer  eigenen  Färinii^  der 
Sehnte  einen  reaetiooftren  oder  liberalen,  eben  dericalen  oder  welt- 
Uehen  Charakter.  Und  was  wir  hier  am  franzDsisohen  Unterrichts* 
wesen  sehen,  ist  diesem  keineswegs  eigenthümlich,  sondern  in  jedem 
Lande  wiederzufinden.    Da  ist  keine  herrschende  Regierungsform, 
ktiine  die  Zeit  bewegende  religiöse  t'berzeugung,  keine  die  gesell- 
schaftlichen Kreise  berührende  Umgestaltung,   kein  Fortschritt  in 
Wissenschaft  und  Kiiiisi,  wodurch  nicht  die  Schule  in  Mitlpidon^chaft 
gezogen  würde.    Jede  Zeit  liat  ein  bestimmtes,  ihrem  üesammtlort- 
schritte  entsprechendes  Culturideal,  das  sie  in  den  verschiedenen 
Lebenskreisen  zu  verwirklichen  strebt  und  aus  dem  sich  auch  die 
Äuforderungen  an  den  jungen  Nachwuchs  ableiten,  der  das  bisher 
Erreichte  fortsetzen  und  welterbUden  soll  Jede  Änderung  des  Cnltor- 
ileals  stellt  daher  auch  andere  Ansprache  an  die  Jugendemehnng 
und  hat  eine  Änderung  des  Erziehnngsideals  im  Gefolge.  Am 
Mttehsten  tritt  das  in  der  Verfindemng  der  Lehraeie,  in  der  Auf« 
»ahme  neuer  als  weeentliehe  BÜdnngsetemente  geltender  Lehigegen* 
rtMe,  in  der  Ungestaltiing  der  Lehti^e  dnich  Anzahl,  Art  nnd 
Anoidnnag  der  UnterriehtastoffiB,  in  der  Beseitigung  der  bia  dahin 
WiOnit  gewesenen  Lehibflefaer  und  EinfBhrung  neuer,  in  der  Ver- 
b«aNrung  nnd  Ausgestaltang  der  tfethoden  m  BewSltignng  nnd 
Echteren  Aneignung  des  vermehrten  Unterrichtsstoflfes  etc. 

Wir  sind  nun  nicht  der  Meinung,  dass  die  Sclmle  sofort  allen 
sie  herantretenden  Forderungen  genügen  und  mit  jedem  W  inde 
^  Tagtsin einungen  segeln  müsse;  sie  hat  sich  vielmehr  gegen  vieles, 
was  von  ihr  \orlangt  wird.  lehnend  zu  verhalten,  unberechtigte  und 
nur  vorübergehende  Ansprüche,  die  wol  gar  nur  von  einzelnen  aus- 
geheui  and  düe  noch  lange  nicht  den  Zeitgeist  ausmachen,  zurUckzu- 


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weisen,  ri  un* ntiu  li  in  dpin  Falle,  wo  man  die  Schule  zu  einer  lieim- 
lichen  Münze  umgestalten  möchte,  in  welcher  die  Pfennige  fiir  das 
tügliche  Brot  geprägt  werden.  Darauf  aber  laufen  nur  zu  oft  die 
von  der  Schule  gestellten  Ansprliche  hinaus,  „und  die  öffentUcbe 
Meinung  lässt  sich  durch  sie  um  so  eher  gefangen  nehmen,  je  markt- 
schreierischer sie  als  unfehlbai^e  Heilmittel  für  gesellschaftliche  Schäden 
aagepriesen  werden.  Hier  bleibt  nichts  übrig)  als  auf  das  Zeitbewnsst- 
sein  durch  Belehrung  und  Aufklärung  unverdrossra  und  wiederholt 
einzuwirken,  die  Überschätzung  der  Schule,  von  der  man  nicht  weniger 
als  alles  erwartet^  zu  mäßigen  und  daran  festzuhalten,  dass  auch  dem 
Niedrigsten  und  Ärmsten  im  Volke  diejenigen  idealen  Güter  eriialten 
bleiben,  die  ihm  seine  Menschenwürde  TerieflMA  und  bewahren,  die 
ihn  später  im  Berufsleben  geistig  emporheben  und  aufrecht  erhalten, 
damit  er  nicht  ein  Sclave  der  irdischen  Welt,  ihres  Druckes  und 
Dranges,  nicht  eine  lebendige  Arbeitsmaschine  werde.  £s  wird  eiolier* 
lieh  ftlr  die  physische  Welt  schlecht  gesorgt,  wenn  die  sittlielien 
<^ellen  dee  Glückes  verschüttet  werden".*) 

Aber  in  gleicher  Weise  verkehrt  würde  es  Min,  wenn  man  sich 
in  selbetgeikUiger  Consequenz  aUen  Bewegongeii  verschließen,  allen 
fVrdeningen  gegenüber  ablehnend  verhalten  wollte.  In  der  lütte  des 
vorigen  Jalirliiuiderts  bildeten  Katechismus,  Lesen  und  etwas  Rechnen 
die  dmdgen  ünterrichtegegenstftnde  in  der  YoUanchnle.  Und  als  die 
Fordemng  aoftanehte,  auch  den  Sohreibanterricht  als  obUgatonselies 
ünteniditflfiMsh  einsoreflien,  so  erftdir  selbige  vietoiiliigeii  Widenfpnidi, 
selbst  der  grölte  Philosoph  von  Sanasond,  Friedzidi  d.  Gr.,  meiiEte^  ftr 
die  Knabenscbnlen  wolle  er  sicli  den  Scfarelbmitsnldil  aodi  ge&IIeD 
lassen,  doch  ftr  die  Madchen  sei  derselbe  vODig  ttbsrflllsrig,  aeUdge 
würden  ihre  Kunst  doch  nnr  bnmehen,  um  Lielwsliriflfe  m  sehieiben. 
Die  Vertreter  des  SehrefimnteRichtB  siegten;  splter  traten  die  ,ge- 
meinnlttadgen  EenntdaBe*^  hinso,  die  heute,  als  „Bealtoi*  in  ilire  ein- 
zelnen Zweige  gespalten,  einen  breiten  Banm  In  der  Schale  elmeluMB. 
Und  wer  machte  wol  heute  den  ünterrieht  in  den  Realien  oder  gar 
den  Sehreibmiterrieht  missen! 

n. 

Non,  mandie  Fotdening  ist  Ja  bereltB  lorflekgewfeBea  worden, 
es  sei  nur  an  die  Sehnlapareaswa  erinnert,  and  so  manche  wird 
voranssiditlieh  miHckgewiesen  werden,  so  die  Eiwftbning  des  Hand- 

*)  Vcrgl.  K.  Kichter:  t^r  die  Verbindung  der  K.och-  und  Haushaltung»" 
schulen  mit  der  M&dcbenToIkfischule.  Preisschrift.  1892. 


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—   451  — 


fertigkeitsimtenidite,  äm  Kodi-,  Wasdi-  vnd  F]ittiuit«Ridits,  der 

litu  htüliruDj?  imd  des  kaufmännischen  Rechnens,  der  Stenographie,  die 
Einöbung  in  die  Kiaiikenpflege  und  Samariterthätigkeit.  Des  Näheren 
darauf  einzugehen,  kann  jedoch  hier  nicht  unsere  AiügaV)t?  sein. 

Wie  steht  es  nun  mit  der  Gesetzeskunde  und  Volkswirt- 
schaftslehre oder  wie  man  neuerdings  kürzer  sagt:  Verfaäsnus:s- 
11  nd  Wirtschaftslehre?*)  Verdient  sie  von  leiten  der  Schule  Be- 
rücksichtigung oder  Zurückweisung? 

Unstreitig  hat  unser  gesaramtcs  öffentliches  L*eben  sowol  im  Staate 
als  m  der  GeseUsohaf't  in  den  letzten  drei  bis  vier  Jahi'zehnten  eine 
tiefe  Umgestaltung  erfahren.  Schon  dnrch  die  Emführung  des  all- 
gemeinen  Stimmreclits  ist  die  ansacblaggebende  Entscheidung  über 
die  Bagnngen  des  nsHomtea  Lebens  auf  dem  Gebiete  der  Geeets- 
gebiDg  fttr  vaum  staatlichen  und  wirtschafüichen  Znstftnde  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  in  die  Hftnde  der  groBen  Ifasse  gelegt  Viele 
Hsaderttassende  von  Ifiümeni,  die  Tag  flkr  Tag  ehriich  und  «ren  ihrer 
Albeft  warten,  niemals  aber  Qelegeaheit  gehabt»  sudi  ttber  das  Wesen 
mid  die  Qrganiaation  das  Staates  oder  ttber  die  Vorbedingungen  eines 
gesonden  wirtsehafUieben  Lebens  efaigehend  sn  nnterriditen,  sind  jetzt 
verpflichtet,  die  Vertreter  der  Nation  zu  wählen  und  damit  gleich- 
seitig über  die  schwierigsten  Fragen  unserer  politischen  und  wirt- 
schaftlichen Gesetzgebung  zu  entscheiden.  Es  leuchtet  eio,  dass  dieses 
Hecht  um  <lHiin  in  der  gebürenden  Art  und  Weise  zu  einer  glück- 
lichen \\eiterent Wickelung  unseres  Volkes  führen  kann,  unsere 
^timniberech^gten  Mitbüi'ger  aiier  Classeii  den  aöihigen  Einblick  in 
dnü  Leben  des  Staates  und  einen  gi'tindliclit  ii  t Überblick  über  das 
G'^bier  der  wirtscliattliciien  Gesellschaft  gewonnen  haben.  Die  Regie- 
rung des  Kaiserthunis  Österreichs  hat  dies  bereits  anerkannt,  indem 
m  dem  Entwürfe  der  GnmdzSge  des  öffantlichen  Unterrichts  sagte: 
^Wo  das  Volk  zur  Theilnahme  an  der  G^eeetagebong  berechtigt  ist, 
^  darf  keine  Anstr«igung  und  kein  Opfer  gescheut  werdeoi  nm  allen 
den  Untenieht  au  geben»  ohne  welche  dieses  Becht  ein  Wider- 

HieEzn  kommt  ein  Zweites:  In  der  ganz  richtigen  Voranasetsnng, 
d«s  man  ein  Volk  nicht  besser  znr  Gesetdichkelt  nnd  zu  einem  ge- 
wirtschaftUehen  Leben  heranziehen  kann,  als  wenn  man  das- 
«Ibe  bei  dar  Yerwattong  seuMr  Gemehide-,  Schal-,  Kirehen-,  Kreis- 

Staatsangelegenheiten  sich  aetiv  betbeUigen  lässt,  hat  man  you 

*)  DSipi;^  nennt  beides  vereinigt  nOeselischaftskunde". 


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—   452  — 


Jahr  zu  Jahr  mehr  und  iDfihr  dem Gnmdaatie  der  Selbstverwaltung 
Bechnung  getragen.  Der  Laie  sieht  sich  daher  trotz  des  Widersprucit:$ 
so  mancher  Berufsjoristen  in  stets  ausgedehnterem  Maiit  xu  dtu  Ge- 
schäften des  öffentlichen  Lebens  herangezogen;  und  an  dtu  8cliütFen- 
und  Sehwui'gerichten,  den  Handels-  und  Schiedsgerichten  ist  die  Thätig- 
keit  des  Laien  sogar  ein  I  liüilnehmen  an  der  eigentlichen  richterlichen 
Thätigkeit.  Da  mithin  die  Gesetzgebung  unserer  Zeit  die  Mitwirkung 
des  StütiL^burgers  in  der  Rechtispflege,  in  der  Landesvertretnng  nnd 
G-emeindeverwaltung  \  ( raussetzt^  um  so  di'ingender  tritt  an  jedeiiimuii 
die  Alaiinung  heran,  sich  mit  der  Getetzgebung  vertraut  zu  machen, 
denn  wo  immer  die  große  Masse  zur  MitMitkun^  am  Regiraente 
berufen  ist,  kann  dies  nur  zu  einem  guten  Knde  tuhien,  wenn  sich 
die  betheiligten  Kreise  auch  yoU  und  ganz  der  Verantwortlichkeit 
bewusst  sind,  welche  sie  mit  AosUbong  der  ihnen  geword^en  Rechte 
übernehmen. 

Hierzu  koaunt  ein  Drittes:  Ein  aH^viueiner  Recht**gruiid  lautet: 
..Niemand  kann  sich  mit  Unkenntnis  der  Gesetze  entschuidic:' u."  T'nd 
hieraus  ergibt  sich  die  Noth wendigkeit,  sich  mit  den  Pfli  Ilten ,  lie 
ihm  al«  Staatsbürirer,  als  Glied  eim  r  iiif  ii>i  h[i(  1)(  ii  Getieüschatt  gegeu- 
iiber  obliegen,  bekannt  zu  in;icljeii.  Fls  suchen  zwar  viele  ihr  Ver- 
halten so  einzurichten,  dass  sie  den  Staatsanwalt  nui*  vom  Höreu.sagen 
kennen  lei-ncn,  sie  sind  sich  in  ihrem  „dunklen  Drange"  des  recliteu 
Weges  a  Heu  falls  bewusst,  aber  man  merke  andererseits  nur  mit 
beobachtendem  Blick  auf  die  so  mancherlei  Verstöße  gegen  die  Gesetze, 
besonders  bei  demjenigen  Theile  der  Bevölkerung,  weicher  nicht  ge- 
wöhnt worden  ist,  jedes  Wort  abzuwägen;  man  verfolge  die  Berichte 
über  die  Thätigkeit  der  Stratkammern  und  Schöffengerichte,  und  man 
wird  finden,  dass  in  außerordentlich  viel  Fällen  nnr  Gesetzesunkenntuis 
den  Verstoß  gegen  die  Strafgesetze  hervorgerufen.  Wie  viele  Vei- 
drießlichkeiten,  wie  viele  unsinnige  Processe  und  Kosten,  wie  viele 
Zeitverschwendung  würden  vermieden  werden,  wenn  eo  viele  nicht 
aller  Rechtskenntnis  bar  wären! 

Und  hierzu  kommt  ein  Viertes:  Für  viele  ist  allerdings  das 
Strafgesetz  unnöthig,  sie  halten  sich  von  Ausschreitungen,  die  das 
Gesetz  bestraft,  möglichst  fem,  doch  die  Gleichgültigkeit,  die  sie 
dem  Staatsleben  —  bewusst  oder  imbewusst  —  gegenfiber  «a  den  Tag 
legen,  ist  demselben  nicht  nur  nicht  ft^rderlieh,  sondern  geraden  nacli- 
theilig.  Tausende  genießen  die  Segnnngeii  dar  staatlichen  Bechts- 
ordnung,  ohne  sich  derselben  hewusst  zu  werden  oder  ohne  dieselbe 
zu  Bchätsen.  Taneende  glMben,  weil  sie  ihren  Wirt»  ihre«  Scfaneider 


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—  468  — 


redlich  tasaUen,  mai  sde  iii€iiuuideiD  etwas  admldjg.  Sie  mstehan 
mid  wtMig^  ivediir  Staat  noch  Oesetse;  jede  neue  Yerordiiiiiiir  ^ 
tradrteu  sie  nur  mit  If  iBstranea,  und  das  richterUclie  BeamteBthmn 
efMihelDt  Ibneii  als  OeiM»  welches  ammfeindeii  bu  folgerichtig  seiii 
kann.  Hferans  erUirai  sieh  naturgenifllA  ameh  die  vielen  nnieiftii  vnd 
seMelhii  Urlhelle  Iber  die  Begienwg,  tther  die  Art  nnd  Wdse  der 
Vertretung  von  Volksinteressen  und  über  die  gesetzgebenden  Körper- 
schaften.   Nur  durch  die  politische  Unmündigkeit  dtii  Massen  ist  es 
auch  so  manchem  Freibeuter  aul'  social-politischem  Gebiete  mßgUch, 
^anze  \'it]ksschichten  in  ^eine  Netze  zu  locken  und  durch  leere  Ver- 
<T»recbuiigeii  zu  gewinnen.    Die  Unkenntnis  ist  es.  welche  die  Hdken 
liefert,  an  welche  die  demagogischen  Aj^itatoreu  ihre  falschen  Lehren 
hangen;  beseitigen  wir  dieselben  durch  irülizeitige  und  streng  sachliche 
Anfkläning,  so  schaffen  wir  nach  und  nach  ein  Geschlecht,  welches 
wai  Grund  eigener  Überzeugong  und  selbststandigen  Nachdenkens 
hmdelt  und  nicht  mehr  blindlinp  demjenigen  fo^^t.  loi  am  meisten 
verspricht,  sondern  welches  sich  seine  eigenen  Wege  bahnen  wird. 
Niemals  aber  werden  diese  dahin  fahren,  wo  der  Kampf  aller  gegen 
alle  geiiredift  wird,  wol  aber  an  die  Stätten,  wo  man  weifl,  dass 
das  GMeihen  des  Qanien  das  Wolbeflnden  des  ESnaelnen  voraussetzt, 
WD  maa  an  der  Erkenntnis  gekommen,  dass  nicht  Hass  nnd  Neid, 
sondern  yiefanehr  opfiaihereiter  Gemehisinn  mm  Ziele  ftthren  kann. 

Mius  es  daher  nicht  helligste  Pflicht  des  Staates  sein,  seinen 
Unterthanen  Aber  die  Bechtsordnung,  Aber  das  Gtef&ge  eines  geord- 
neten Staatslebens  etc.  Aufkl&rung  zu  verschaffen?  —  Sie  müssen 
verstehen  lernen,  welche  Wolthateu  das  Tjeben  in  einem  t'ulturstaate 
iiu  Gefolo^e  hat,  es  mnss  in  ihnt^u  liie  Überzeuj^un^  geweckt  werden, 
;   öass  die  Betheiligun^  an  den  öffentlichen  Angelegenheiten  keineswegs 
'   ein  anregender  Sport,  sondern  eine  (  i  iiste,  bedeutungsscliwere  Arbeit 
My  dass  die  erlangten  Rechte  ihre  innere  Begründung  und  dauernde 
Erhaltung  nur  durch  f^ernahme  von  einer  Reihe  von  Pttichten  er- 
langen.  Sie  müssen  eingehen  lernen,  dass  der  Laie  durchaus  nicht 
mehr  der  Wilikikr  der  'Beamten  überlassen  ist,  wie  im  Polizeistaate, 
dass  vielmehr  das  Bestreben  der  gesetzgebenden  Factoren  dahin  geht 
I   —  vnd  das  neue  GerichtsyerihssnngBgesetz  ist  der  qiirechendste  Beweis 
^  ~  diese  Willkttr  Tdllig  ansnschlieBen. 

Und  was  hinsichtlieh  des  staatlichen  Lebens  gilt,  das  gilt  in 
gieicker  Weise  anch  in  Hinsicht  auf  das  wirtschaftliche  Leben. 

leben  entschieden  in  einer  nenen  Zeit  verglichen  mit  der  Zeit 
VMerer  V&ter  nnd  GroBTater.  Die  Entwickelnng  der  whrtechaftlichen 

'•^cglw.  lS.J»htg,  HflftVIL  31 


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—  4Ö4  — 


Zustände  unserer  Zelt  mit  Hilfe  der  Dampfkraft,  mit  Hilfe  der  Ver- 
kehrseimichtunfiren  des  19.  Jahrhunderts,  wie  namentlich  mit  Hilfe 
der  strenjr^n  I  hn  chiührunfj^  des  Gnnulsatzes  der  Arbeit«theilung  ist 
eine  so  vielgestaltige  geworden,  i[a>s  es  dem  Einzelnen  nicht  mehr 
möfi-lii  h  ist,  die  gesammte  Prodm  iion  in  allen  ihren  Gliedern  ul  r- 
blicken  zu  können.  Durch  dw  Wrwendung  des  Dampfes  und  der 
Elektricitüt  sind  ganz  neue  Bedingungen  für  die  i'roduci i  ii.  den  Ans- 
tauhck  und  den  Verbrau(;h  der  Ü-üter  geschaffen  worden,  und  mit  dem 
patriarchalischen  Wirt^icliaftsbetriebe,  wie  ihn  unsere  Eltern  und  Groß- 
eltern iKirli  ;.'^rkaiint  linben,  ist  e.s  ein  füu'  alle  Mal  vorbei.  So  haben 
z.  B.  dii  lM>t3nbahneu  in  entlegene  Gegenden  eine  gesteigerte  Industrie 
getragen,  und  politische  nnd  Fachzeitschriften  haben  industrielle  Ge- 
danken selbst  in  solchen  Kreisen  erweckt,  die  sich  in  ihren  Ein-  und 
Verkäufen  früher  auf  die  einfachen  Verhaltnisse  des  primitivsten 
Markt verkelirs  beschränkten.  Der  Landmann,  der  kleine  Kaufmann 
und  der  einigermaßen  gutsituirte  Handwerker  werden  heutzutage  von 
Geschäftsreisenden  besucht.  Man  kauft  nicht  mehr  wie  „in  den  guten, 
alten  Zeiten"  „des  Naclibars  Eind**,  sondern  sucht  seinen  Vortheil  bei 
auswärts  gemachten  Einkäufen,  man  kauft  und  verkauft,  man  zahlt 
und  lässt  sich  zahlen  nach  kaufmännischer  Manier  und  ist  genöthigt, 
nach  kaufmännischer  Manier  zu  rechnen.  So  manche  mit  den  besten 
Hol&iiuigeii  begründete  Existenz  leidet  in  dem  harten  Kampfe  trotz 
eifrigen  Strebens  Schifthrucb,  oft  nur,  weil  der  Inhaber  keine  Kenntnis 
Yon  dem  Fortschritte  in  den  Gesetaen  der  Production  beeaü  und  ii 
idthergebrachter  Weise  sich  weder  um  Arbeitstheilung,  noeh  um  rweck* 
mäßigeren  f^inkauf  dee  Rohmaterials,  noch  um  Spesenvermindenm; 
kümmerte.  Und  was  von  der  Produetioo  gilt,  daa  gilt  in  mindestaBS 
löchern  Maße  von  der  Consumtion. 

Wir  beobachten  ferner  nicht  selten  StOitingen  in  dem  Verhältnil 
SwisGhen  Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer  durch  Masse&arbeitsein- 
Stellungen  und  AnaetAndei  weil  der  Arbeiter  nicht  eelten  räcksiehtak» 
nach  Vermehrung  seiner  Einnahmen  ohne  £rli<Uiiuig  seiner  Leistu^jeB 
trachtet,  nicht  selten  am  falschen  Platte  und.  zu  einem  nngeagneldl 
Zeit^pnnkte,  lediglich  deshalb,  weil  er  sich  nie  um  die  Gesetee  gekflmmerti 
denen  mit  der  Production  je  aneh  die  Arbeit  immer  noter  werfm 
ist  etc*  So  wird  beispielswmse  tber  keinen  Gegmtand  wol  km 
mehr  gesprochen  als  Uber  die  Preise.  Der  Landwirt  klagt  ibar 
niedrige  Preise  des  Getreidee,  der  BScker  Aber  bebe  Preise  desaelbo. 
Der  HandwerksmeiBter  Uagt  Uber  hoben  Arbeitslobn,  nnd  der  Oeselle 
Aber  niedrigen.  Die  Hansbesitxer  wOnacheo  ein  Steigen  der  Hsa»- 


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—  465  — 


mkte,  und  die  Abmieter  wünschen  ein  Fallen  etc.  In  diesen  Beden, 
Klagen  und  Wünschen  dieser  Art  herrscht  oft  große  Verwirrung  der 
B^griiii;  die  WirtBehaftslehiie  hat  nm  die  Ansähe,  lAckt  in  dieses 
Dunkel  za  bringen  und  Ordnung  in  solcher  Yerwimmg  ansnstreben 
und  mehr  und  mehr  sa  Teihreiten. 

Doch  noch  eine  höhere»  eine  ideelle  Aidjsabe  hst*  die  WlrtsefasIliB- 
klie,  denn  sie  xeigt,  daas  daa  grofle  Ganse  nnr  gedeihen  kann,  venn 
an  jeder  Stelle  tren  und  zielbewnsst  gearMtet  wird;  sie  saigt  ftrmrt 
!   dssB  es  in  dem  ganzen  großen  Arbeitsgebiete  keine  Leistung  gibt,  die 
!    uberflüssig  ist  oder  entbehrt  werden  kann;  sie  zeigt  weiter,  dass  selbst 
1    derjenige  Mann  iiu  wiitschaftlichen  Leihen,  der  den  höchsten  Posten 
j    innehat,  nicht  berechtigt  ist,  von  sich  zu  sa^en,  dass  er  unabhängig 
i    <la.stelie.  und  diese  wii  iscliaftliche  Abhänfj'ie'kpit  mahnt  dringend  zur 
Bes(  lu  Kifniieit,  deun  keiner  kann  den  anderen  LiiTl  i  liren  und  wäre  er 
reicli  wie  Crösus.    Andererseits  hat  sie  etwas  Eriiebendes,  indem  sie 
!    endlich  zeigt,  das«?  eine  jede  Arbeit  ehrt  und  <2:eschätzt  zu  werden 
verdient.    Durch  eine  solche  Überzeugung  gewinnt  naturgemäß  auch 
die  ein£schs(e  Arbeit  einen  tiefen  sittlichen  Wert.  Und  wie  viel  wäre 
erreicht,  wenn  wir  in  der  Brust  des  Mannes  „mit  der  schwieligen 
Hand'^  wieder  die  Lust  und  Freude  an  der  Arbeit  wecken  könnten, 
die  so  vielen  leider  abhanden  gekommen  ist,  wenn  wir  die  Über- 
sengong  heibeisoffthren  vermochten,  daas  die  Arbeit  nicht  als  eine 
Lest,  als  Mittel  zun  Unterhatte  and  zum  Genosse,  sondern  als  Beruf 
sdt  Sehlem  vdlen  sittttchen  Inhalte  anta&ssen  ist 

Es  ist  also  besonders  auch  die  wirtschaftliche  Seite  unserer  Staat* 
hehen  Yeihalteisse  zn  betonen  oder  mit  anderen  Worten:  Oesetaes- 
kinde  nnd  Volkswirtschaftslehre  haben  in  Yerbindnng  auf- 
zutreten.  Es  lässt  sich  behaupten,  dass  ein  Unterricht  in  der  Ge- 
setzeskundc  ohne  Kiicksicht  zugleich  aui  die  riulachsten  Gesetze  der 
.  Volkswirtschaft  und  des  Verkehrs  das*  btaatfeburgerliche  Denkfii  nur 
einseitig  erfasst  In  den  modernen  Staaten  ist  die  politische  ( »kuiioniie 
mit  der  wirtschaftlichen  Hufs  innijrste  verflochten,  die  eine  ist  Träfrerin 
fler  autieren.  Mau  denke  beiiipielbweise  uur  an  TTandel  und  Verkehr, 
an  Gewerbefreiheit,  FreizttjT:igkeit  und  ünterstützungswohnsitz;  isst  die 
<ieijetzgebung  über  diese  Angelegenheiten  politischer  oder  wii*tschatt- 
licher  Natur?  Sicher  ist  sie  beides.  Deshalb  ist  auch  gleichzeitig 
ueben  der  Fordeiung  nach  vermetirter  Kenntnis  der  staatsbftrger- 
Uehen  Pflichten  nnd  Rechte  die  Fordernng  nach  vermehrter 
Kernt tnis  das  wirtschaftlichen  Lebens  unseres  Volkes  mit  voll- 
•tem  Bechte  aosgesprochoi  worden. 

31* 


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—  406  — 


m. 

In  welclier  Weise  soU  nuu  dem  Volk&  Uie&e  Iveuuiuis  übenuittelt 
weiden? 

Gegenwärtig  gesclmht  dies,  wtiiigstens  in  Hinsiclit  aui  (re- 
setzeskenntni^  daihirrh,  tlass  der  Staat  (oder  »Ih.s  Keich  jedes  neue 
Ö^etz  in  sniniii  amüiclun  (hirama  pnblicirt.  Dass  aber  liii-rfhirfh 
niemand  ^^^o^'tzcskimdi«^  w'wd,  liegt  auf  <lor  Hand;  denn  t^liieibri^^ 
miiss  bei  der  meist  kuaji[M  U  Forni  ditscr  Publicationen.  woniöffli'^li 
mit  Hinweis  anf  'I'hoüp  andt k  i  ,  triitier  erlassener,  und  oft  in  sch\sei- 
tailliges  iJeutscli  gekleidet t  r  Gesetze  znm  Verständnis  schon  Rechts- 
kenntniä  vorausgesetzt  werden,  nnd  anderentheils  felilt,  namentlich  deo 
unteren  Volksscliichten,  nebAi  dem  Verständnis  aiudi  die  Zeit  zttr 
EinsichiiKiliine.  Ist  es  dorh  schon  für  den  Fachmann  äußerst  schwierig, 
die  ut'saiiiuite  Rechtsmaterie  zu  bewältigen;  d<^r  Laie  vollends  steht 
derselben  vollständig  hiltlos  gegenüber.  Dazu  kommt,  (^;iss  unser 
liecbt  äußerst  unpopulär  ist.  Es  ist  ein  harter  Vorwind  und  dafi- 
iiaib  nüthig,  diese  Behauptung  etwas  eingehender  zu  beweisen. 

Das  Keclit  ist  ein  Product  der  culturellen  Entwickelung  eines 
Volkes,  es  ruht  mit  tausend  Wurzeln  im  Leben  der  Nation;  es  i-<t 
selbst  ein  Stück  nationales  „Leben  und  Werden",  es  sollte  es  wenig- 
stens sein;  und  wenn  dies  der  Fall  ist,  wenn  das  Recht  in  der  That 
dem  Erfordernis  entspricht,  ein  lebendiger  Ausdruck  des  .Volksbewusst- 
seins  zu  sein,  so  muss  sich  dies  darin  äußern,  dass  es  populär  ist 
Die  Popularität  des  Rechts  ist  der  MaßsUt)  dafür,  inwieweit  seine 
geltenden  und  üxirteu  Grundsätze  und  Formen  im  Kechtsbewusstsein 
der  Nation  wui-zeln  und  inwieweit  jene  fruchtbare  Wechselwirkung 
swischen  Rechtsschafiiing  und  Bechtspfiege  auf  der  einen  Seite  und 
den  sittlichen  Anadunuiigeii  und  den  cultnrgeschichtlichen  Fert> 
acbritten  des  Volkes  auf  der  anderen  Seite  stattfindet,  ohne  welcbe 
ein  ^'-esiiTider  Keobtszustand  nicht  bestehen  kann. 

Bei  Völkern,  die  sich  noch  in  jenen  Anfängen  der  Entwickelung 
befinden,  oder  bei  denen  das  Recht  auch  später  noch  nicht  aufgehört 
liat,  eine  unmittelbare  Schöpfting  des  Volki^ieiBtee  zu  sein,  ist  es  denn 
anch  in  Wahrheit  nnd  im  besten  Sinne  popolftr.  Man  brancht  nur  aa 
das  cLassische  nnd  gans  besonders  das  rOmisohe  Alterthnm  zu  denken, 
man  brancht  nur  irgend  «inen  der  römischen  SchiUtsteller  in  die 
Hand  zu  nehmen,  nm  sieb  an  flbeneogen,  welche  Volksthflmlichkeit 
das  Becht  unter  sokhen  gfknstigen  Veihältnissen  geoieikt  Übenfi 
finden  wir  in  den  Eraeognissen  der  römischen  literatur,  ob  sie  nss 


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—   467  — 


Mrtoriftcher,  phüosophiBcher  oder  salbst  poetischer  Art  sind,  reditliehe 
Smriclitangen  and  Förmlichkeiten  erwähnt,  als  Dinge,  die  jedenrann 
kennt  nnd  die  jedem  g^nflg  sind.  Juristische  termini  tedudd  verden 
80  häufig  und  ohne  jeden  Anschein  des  Gesnehten  oder  Fremdartigen 
gebrancbt,  dass  man  an  ihrer  allgemeinen  Verständlichkeit  nicht  im 
irerinj^ten  zweifeln  kann.  Ja  selbst  das  wählerische  Sprachgefühl  und 
tler  feiuere  Schönheitssinn  der  Dichtkunst  widerstrebte  bei  den 
RömeiTi,  wie  auch  bei  den  Griechen  dem  Gel)iauche  solcher  jnristisch- 
lechnischer  Ausdrücke  und  der  Erwähnung  rechtlicher  Institute  nicht: 
es  waren  das  eben  Dinp^e.  die  dem  Volk»'  in  K Irisch  nnd  Blut  über- 
gegangen, oder  noch  richtiger,  die  ans  seinem  1^  leische  und  Blute  iier- 
vorgegangen  waren.  Dass  auch  bei  unseren  Voreltern  vor  Reception 
der  fremden  Jurisprudenz  sieh  das  Becht  allgemeiner  Bekanntschaft 
nad  Popularität  erfreute,  zeigen  uns,  um  nur  das  eine  anzufahren, 
niisere  deutschen  Fechtssprichwörter,  in  denen  sich  in  prächtiger  Weise 
jene  erfreulidie  Wechselwirkang  von  Beoht  nnd  Sitte,  Volksansohan- 
«Dg  nnd  Bechtererwirklichnng  äoltort. 

Hentzntage  ist  es  ganz  anders;  nnser  Becht  ist  dem  Yolkshewnsst- 
''■  sein  ftnfierst  fremd,  es  ist  bei  weitem  nodi  nidit  hinreichend  ins 
lieben  eingednmgen,  nnd  die  groAe  Masse  —  nicht  nnr  der  Ungehil- 
deten  —  steht  ihm  gegenfiher  wie  einem  «nrerstibidlk^en,  schwierigen 
System  einer  Bertlifewissenschaft,  die  dem  Laien  so  fem  liegt  wie  z.  B. 
die  Sprachforschung  dem  Niclitphilologen.   Ja,  selbst  die  Äußerlich- 
'  keiten  unserer  liechtspüege  sind  in  weiteren  Kreisen  des  Volkes 
mangelhaft  bekannt.    Um  sich  tlavon  zu  iiberzeufren,  <>-enügt  ein  Blick 
in  diejenige  Tiiteratur,  deren  Leserkreis  das  große  i'iil  licum  ist,  iH  jiu- 
iare  Bücher,  Zeitschrüten,  Journale  u.  dgl.  Da  üuden  sicl»  nicht  seilen 
die  merkwürdigsten  Trrthüraer  sowol  in  Bezug  auf  die  illustrative 
Darstellung  von  gerichtlichen  Acten,  Processhandiungen ,  als  auch  in 
der  textlichen  Beschreibung  solcher  Vorgftnga  Dass  endlich  auch  be» 
sonders  diejenigen,  die  das  meiste  Interesse  am  Becht  haben,  die 
Hechtsuchenden,  dem  gelehrten  Recht  TöUig  fremd  gegenüber  stehen, 
ist  kein  Wunder.  Die  Sprache  des  gemeinen  Mannes  hat  Ar  diesen 
Zustand  heaseiehnende  Ansdrdcke.  Fragt  man  einen  Bauer,  wie  es 
mit  seinem  FhKsesse  stehe»  so  ist  die  Antwort:  «er  schwebt  noch%  ein 
vwMliches  Wort  Ar  den  sehldchenden  Fortgang  der  Sache,  die 
^'^e  ünTmtftndlicfakeit  desselben  ftr  die  Partei  Hat  der  Baner 
des  Ftocess  yerlor^,  so  sagt  er  nicht«  ich  liabe  Unrecht  gehabt«  son- 
^  ich  habe  „verspielt".    Gewiss  sehr  bezeichnend.   Es  ist  und 
dem  gemeinen  Manne  unverständlich  sein,  dass  der  Sachse  ein 


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—  468  — 


anderes  Recht  hat  als  der  Preuße,  und  dass  dasjenige,  was  in  der 
Mai'k  Brandenbiirer  „Recht"  ist,  in  flnr  ltheini»roviiiz  „Unreclit"  sein 
kann.  Die  zahlreichen  Gesetzgebuiigsfactoren  in  Deutschland,  die 
vielen  Particularrechte,  zu  denen  schließlich  nocli  ein  besonderes 
Reichsrecht  gekommen  ist,  alle  diese  Dinge  sind  nicht  geeignet,  dem 
Volke  die  Verstflndliclikeit  des  Eechts  zu  erleichtern.  Hierzu  kommt 
das  Bestreben  seitens  mancher  Vertretei*  des  Juristenstandes,  das  Recht 
hinter  dem  mystischen  Schleier  einer  exclusiven  Beni£swissenschaft  zu 
verstecken,  von  der  das  „profanum  vulgus''  der  Laien  möglichst  fern- 
zuhalten ist.  So  viele  der  Berufsjuristen  blicken  mit  wenig  Wol- 
wollen  herab  auf  den  Laien,  der  ihm  als  Schöffe  oder  Handelsrichter 
beigesellt  ist.  und  er  mag  wol  geneigt  sein,  bei  jenem  das  durchbohrende 
Gefähl  der  ..ignora&tia  juris"  voraussetzend,  ihn  als  eine  recht  über- 
flllange  Kinrichtung  zu  betrachten.  Schon  manche  Universitätsprofei- 
soren  erwecken  bd  dem  angehenden  Jnristen  dergleiehen  GkNUmken, 
wie  wir  ans  eigener  Erfahi-ung  wissen. 

Kurzum:  unser  Recht  ist  änderst  onpepiüAr,  und  es  besteht  keine 
Einrichtung,  dasselbe  volksthUmlich  zn  machen,  die  Pnblication  neuer 
Gesetze  in  den  amtlichen  Organen  ist,  wie  bereits  oben  bonerkt,  on- 
inÜDgUch,  Belehrungen  dnrdi  die  Tagespresse,  m  den  Berichten  der 
Beichstaga^  and  Landtagsrerhandlnngen  u,  8.  w.  ist  ebeoMls  nnzn- 
reichend,  weÜ  die  Zeitungen  in  dem  Dienste  der  Parteien  stehen  und 
das  gegebene  Bild  infolge  dessen  ein  geftrbtee  ist,  anch  etnschligige 
literarische  Darstellnngen  selten  yolksthfimlich  sind. 

Der  berfthmte  Bechtslehrer  Prefessor  Ihering  spridit  sich  in 
seinem  Bnche:  „Der  Zweck  im  Becht**  hierttber  folgendermaBen  aas: 
^Alles  wird  in  unserer  heutigen  Zeit  dem  Terstftndnisse  dea  Tolkee 
nahe  gebracht:  die  Natnr,  die  Geschichte,  die  Kunst,  die  Technik,  es 
gibt  kaum  einen  Gegenstand,  ftber  den  der  Laie  sich  nicht  ans  einer 
allgemein  fesslichen  Darstellung  belehren  konnte.  Nnr  der  Staat  und 
das^Beclit,  die  ihn  so  nahe  berühren»  machen  davon  eme  Ausunhmer 
•und  doch  sollte  billigerweise  nicht  blos  der  Gebfldete,  sondern  aoeh 
der  Mann  des  Volkes  die  Gelegenheit  haben,  sich  darüber  an  belehren^ 
was  sie  ftr  Ihn  thnn  und  warum  sie  nicht  ande»  besdiaifim  sein 
können  als  sie  es  sind.  Ich  habe  frOher  daran  gedacht,  diesem  Maogd 
durch  einen  auf  den  Blirger  und  Baner  barecfaneten  Bechtskate- 
ehismns  für  das  Volk  abzuhelfen.  Das  Ziel,  das  mir  vorschwebte, 
wir  eine  Vers^Mung  d^  unbefangnen  Urtheils  mit  den  Einrichtungen^ 
an  denen  es  vielfach  Anstoß  nimmt,  eine  Apologetik  des  Rechts  und 
des  Staates  vor  dem  Forum  des  einfachen  gesunden  Menschenvei'stan« 


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—   409  — 


des;  Ich  habe  mich  tiberzeugt,  dass  die  Aufgabe  meine  Kräfte  über- 
steigt;; möge  ein  anderer  sie  auluehmen!  Wer  sie  richtig  ausführt, 
kann  sich  ein  großes  Verdienst  erwerben,  aber  er  mnss  denken  als 
Philosoph  und  sprechen  als  Bauer.  Fls  wäre  ein  widitiffes  1  hema 
zur  Stellung  einer  PreisaiUgabe  —  iUOUOü  Mark  wäien  kein  zu  hoher 
Preis  flnfür.'' 

Auf  welche  Weise  soll  nun  die  Übermittlung  der  Staat- 
lieheB  und  wirtschaftlichen  Lehren  erfolgen? 

Wir  denken  hierbei  an  ein  Dreifaches.  Sie  hat  zn  <}:f^schelien 
l.  durch  öffentliche  Vorträge  in  allgemein  yentändlicher  Dar- 
legung tbesr  diB  VerfasBong,  Verwaltmig  und  QesetsgelNiiig  und  des 
wirteebaftlieheii  Lebens,  2.  diircli  popalftr  gesehriebene  Btleher 
und  Zeitschriften,  in  denen  diese  Frsgen  behandelt  werden,  and 
du  dureh  die  Schnle^  Hier  kann  ans  nnr  der  letzte  Punkt  besehSftigen. 

Ohne  bestimmte  Kenntnisse  geht  es  non  einmal  in  nnseren  Tiel- 
seitigen  YerliftltniBsen  nicht  mehr,  anch  nach  dieser  Biefatang  nicht» 
und  wenn  anch  diese  selbst  zum  Thell  nach  und  nach  beiläufig  so 
durch  vereinzelte  Vorträge  und  durch  das  gelegentliche  Studium  ein- 
schlägiger Schriften  gewonnen  werden,  so  ist  doch  dieser  Weg  ein 
sehr  langsamer  und  selbst  unzuverlässiger,  denn  unser  Geist  behält  in 
den  Mannesinlii  pn  nicht  so  leicht  als  in  der  Jugend.    Alle  gießen 
Männer,  di»'  »hk!  Verbes.>erung  der  gesellschaftlichen  Zustände  ihrer 
Zeit  anstrebten,  wie  z.  B.  Moses,  Lykurg,  Selon,  Luther  u.  a.  setzten 
wolweislich  den  Hebel  bei  der  Jugend  ein,  und  wir  meinen  auch,  dass 
der  Unterricht  in  Verfassungs-  und  Wirtschaltskunde  als  ttnerläss- 
lieber  Bestandtheil  neozeitücher  Schalbildung  nicht  länger  zu  ent- 
behren sei,  anmud  anch  die  allgemeinen  Gesetse  der  Pädagogik  dem 
nicht  widenpreeben. 

Der  Staat  fordert  im  Interesse  der  Kirche,  dass  der  Katechismus 
bis  auf  das  Komma  in  den  Scholen  gelenit  werde.  Wo  ist  aber  der 
Xateddsmns,  der  im  Interesse  des  Staates  die  Hechte  nnd  Pflich- 
ten des  Staatsbfligers  lehrt  nnd  Uber  die  BelbgniBse  des  Staates  unter- 
fiehtet?  Die  Kirche  nimmt  keinen  als  sdbststttndiges  Glied  anf,  der 
hs  Conflrmandenunterricht  nicht  zu  beweisen  yerrooebt  hat,  dass  er  die 
wichtigsten  Lehren  und  Vorschriften  der  Kirche  kennt.   Die  Kirche 
bandelt  hierin  offenbar  klug  und  weise.    Was  thut  aber  der  Staat  im 
Interesse  seiner  eigenen  Erhaltung,  seiner  eigenen  OKhiung?  Sehr 
Wenig  und  das  Wenige  nur  mittelbar.  Da  die  Schuir  las  Ii  eranwach- 
sende Geschlecht  auch  zu  guten  Staatsbürgern  zu  erziehen  hat,  und 
^  Staat  Ton  den  Staatsangehörigen  Gehorsam  gegen  die  Gesetze 


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—  460  — 


verlangt,  so  folgt  daiau»  die  \>rpt1ichtuug,  dafür  -Sorge  zu  tme^en, 
dass  dio  in  die  große  L(^ben.sgeiii<'in>(  haft  des  Staates  Eintretend -n  aucii 
die  Veiiassung,  die  Einrichtungeu  und  Gesetz*^  dieses  Geuiuinwtöenh 
kennen  lernen.  W  » r  (n  Uorsam  gegen  die  Gesetze  fordert,  muss  auch 
fär  Kenntnis  derselben  sorgen.  Ein  Staat,  der  Bauern  und  Hand- 
werker als  Vollbürger  auerkennt;  ein  Staat,  der  den  Schutz  darsulli 
für  unser  ganzes  Cultnr-  und  Gesailscliattsiebeii,  ler  für  Millionen,  die 
durch  Abkunft,  Stand,  gesellschaftliche  Stellung,  religiöse  Anschau- 
ungen voneinander  getrennt  sind,  gleichmäßige  Ordnung  schaÖ'ti  ein 
Staat,  der  die  Selbstverwaltung  alte  politisches  Stii  bwort  «nsgibt;  der 
die  Henstellung  das  activen  Verhältnisses  seiner  hturger  zu  der  Regie- 
rung sanctionirt  und  damit  auch  den  Geringsten  im  Volke  für  politisch 
reit  erklärt,  ein  solcher  Staat  gehorcht  nur  einer  i)olitischen  Nothwendig- 
keit.  wenn  er  die  PopolArisinuig  des  Beobts  sum  j^ädugogisobea  Dogma 
erhebt. 

Von  80  vielem  hört  die  deutsche  Jugend  in  den  Schulen,  aber 
nie  hört  sie  etwas  vom  Rechte  und  der  einfachsten  Benutzung  da- 
Rechtsordnung.  Ja  die  Gesetzgebung  der  Athener  und  Spartaner,  die 
Staatfientwickelung  bei  den  Römern,  die  Handelsbeziehungen  der  Phöni- 
zier u.  s.  w.,  die  kennt  sie  genau,  aber  von  den  Omndsätaen  unseres 
Staats-  und  Verwaltnngsrechts,  von  dem  Behördenwesen  unseres  Vater- 
landes geht  ihr  alles  Verständnis  ab.  In  Sachen  der  Rechtskennt- 
nis  ist  unser  Volk  ein  Kaspar  Häuser.  Es  l)leibt  lediglich  den 
Zufeille  überlassen,  ob  die  große  Masse  des  Volkes  mit  den  be- 
stehenden Gesetzen,  deren  Verletzung  der  Staat  so  unnachsichtig  be- 
straft, yertraut  werde  oder  nicht  Soll  daher  namentlich  nach  unten 
eine  culturelle  Maßnahme  getnAlNi  weHeilf  die  einem  politisch-wiit- 
sc haftlichen  Nothstande  steuert^  so  müssen  ohne  Zweifel  die  Schulen  die 
Einführung  der  Jngend  in  die  gnmdlegende  Kenntnis  des  gtaatliehen 
und  wirtschaftliehen  Lebens  nieh  einem  pMegffgiftfth^  Plane  als 
nationale  Pflicht  llbemefamen.  Torbüd  nnd  Muster  konnten  Iteln  die 
alten  BSmer  sein;  diese  wann  ein  Rechtsvolk,  wie  je  die  Welt  eiis 
gesehen.  Auf  dem  Forum  sprach  der  Frfttor  Otatlich  Reekt,  und 
die  Knaben  schon  mnasten  das  ZwOlftafelgeseti  auswendig  lernen. 
Die  Rechts-  und  Staatsbildung  ist  die  ganse  weltliistorische  Au4^ 
dieses  Volkes  gewesen.  Das  war  audi  der  Gedanke,  aus  dem  seine 
großartige  Leistung  henrorging,  die  nicht  nur  den  BAmerataat 
selbst  tkberlebte,  sondern  noch  bente  fortwirkt,  nachdem  aDe  gewalt^ 
samen  Eroberungen  des  alten  Roma  längst  wAbetgegangen  und  ler- 
fdlen  sind.  Es  gilt  keutmtage  als  unbestritten,  dass  auch  der  soge- 


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—   461  — 

nannte  ^gemeine  Mann-  neben  dem  Lesen,  Schreiben  aud  Keclinen 
noch  so  manches  anden'  lei'nen  müsse,  keineswegs  darf  ihm  aber  die 
Kenntnis  der  Hechtsordnung:,  da  letztere  sein  ganzes  wirkliches  Leben 
beheri'scht,  vorenthalten  bleiben.  Kurz,  es  muss  dieser  Unterridit  ein 
iiitegrirender  Bestandüieil  unseres  Schulunterriclits  werden. 

Die  Forderung,  Gesetzeskunde  und  Volköwirtschaftslehre  in  den 
^cliuien  zu  treiben  ist  nicht  neu,  vornebmlich  gilt  dies  in  Hinsicht  auf 
die  letztere;  sie  ist  besonders  seit  den  EnttÄnschungen,  welche  auf 
das  .lahr  1H48  lolgten,  aul  die  Tagesordnung  getreten.    So  inauche 
iiieraui  bezügliche  literarische  Erschemungen  sind  ziiiHge  gefördert 
worden,  so  z.  B.  Schober,  KatH-liismus  der  \  olkawirtschaftslehre 
(1859)  und  KtMje^ncli,  Die  Volk&wii isciiaft  in  Lehn'  und  Leben,  ein 
Leitfaden  im  d(  ii  Unterricht  (1807),  und  aucli  du'  Allgemeine  deutsche 
LehrerversaiiiuiluBfir  hat  sich  mit  dieser  Frage  beschäftigt,  indem  sie 
n868  in  r'assel)  di*-  lu  iden  Tlienien  auf  die  Tagesordniuii;  setzte: 
.Die  pädagogische  Bedeutung  der  Volks wirtsjchaitslelire''  und  „Die 
Leljiv  \  (Hl  Arbeit  und  ('apital".    Weiter  ist  hinzuweisen  auf  die  Be- 
strebungen aus  dem  ei'sten  Drittel  dieses  Jahrhunderts,  die  sich  krystal- 
lisurten  in  den  Lesebüchern,  welche  um  diese  Zeit  ihren  Weg  dmch 
die  Welt  genommen  haben,  wie  die  von  Henipel,  Wilmsen,  Otto  u.  a. 
So  enthält  der  sächsische  Kinderfreund  von  Otto  einen  40  Seiten  lantren 
Abschnitt,  der  lediglich  Belehrungen  über  staatliche  und  wirtschaft- 
liche Verhältnisse  darbietet;  diese  26  Paragraphen  sprechen  eingehend 
von  Sachsens  Verfassung,  von  der  Constitution,  vom  Könige,  von  den 
Rechten  und  Pflichten  der  Unterthaueu,  von  den  Ständen,  vom  Eigen- 
thum,  von  der  Feuerordnung,  von  der  Ehe  u,  s,  w.    Ja,  schon  im 
Torigen  Jahrhundert  begegnen  wir  derartigen  Anschauungen.   Zu  er- 
wähnen sind  hier  die  Bestrebungen  des  geistvollen  Königs  Friedrichs 
Großen,  die  darauf  gerichtet  waren,  spedell  das  Leben  in  der 
staatlichen  Qm/anaehntt  den  Scbnlkinde  nahezubringen  und  ihm  die 
Ansrüstong  zu  geben  für  ein  gedeihliches  Wirken  innerhalb  der 
■Moaehliclien  GeaeUachaft.  Und  der  preußische  Minister  von  Ladenberg 
hat  erklärt,  dass  unter  Volksschule  diejenige  Schule  zu  verstehen  sei, 
wetobe  dem  StMtebtirger  denjenigen  Grad  politischer  Keife  gewähre^ 
der  ihn  fähig  mache,  in  poUtjsehen  Dingen  seine  Stimme  abzugeben 
imd  seine  fiechte  wahrzanehmen.  Uns  scheint  dies  Ar  die  Volks- 
aeiuile  etwas  zu  viel  verhmgt,  doch  dies  Iningt  uns  überhaupt  auf 
«ine  neue  Frage,  n&mlich  auf  die  Frage:  In  welchen  Schulen  die 
in  Bede  stehenden  Dieciplinen  gelehrt  werden  sollen. 

OSeUut  folgt.) 


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ätadtschuien  in  den  Vereinigten  äUtttea. 

Von  C.  G.  Mmimr-Qtndorf,  Sackten, 

liervorrageüder  Gelelirtei'  niid  Pädagog  Frankreichs,  Michel 
Br^al,  tin<iet  den  Grund  für  die  bedeutenden  Leistungen  Dentschlands 
aul'  dem  Gebiete  der  Erziehung-  und  des  T^nterrichts  in  der  Zersplit- 
terung der  dentschen  Nation  in  so  viele  unabhängige  Staaten.  Auf 
diese  AV^i'^H  ward  eine  Art  Wetteifer  auf  dem  Grebiete  d*  r  J^rziehung 
zwischen  ihnen  geschatfen,  und  die  Verbesserungen,  die  gefunden,  und 
die  Fortscliritte,  die  gemacht  worden  waren,  wurden  nach  und  nach 
von  der  geaammten  Nation  angenommen.  In  gleicher  A\'eise  ist  der 
Wetteifer  unter  den  Städten  Nordamerikas  den  Schulen  des  ganzen 
Landes  zugute  gekommen.  Eüi  Blick  auf  das  aufblühende  Schulleben 
Nordamerikas  kann  unter  Umständen  auch  auf  unsere  Schulverhält- 
nisse  nicht  gau  ohne  £infla88  bleiben.  Wer  dagegen  sagen  wollte, 
6as8  Erfahrungen  und  Meinnngen  auf  diesem  Gebiete,  soweit  sie  in 
fremden  Ländern  ihren  Ursprung  haben,  für  uns  wertlos  seien,  da  der 
Unterschied  zwischen  jener  und  m><t-ret  OinlisatiOD  zn  groß  sei,  der 
verräth  seine  Unkenntnis  und  otfeubart  seine  Incompetenz  in  Hinsicht 
auf  T'iidagogik.  Die  moderne  Civilisation  strebt  fiberbanpt  rascb  nach 
Einiieit  und  Gleichheit. 

Die  folgenden  Angaben  über  die  Stadtschulen  der  Vereinigten 
Staaten  entnehmen  yrir  einem  „Gircalar  <rf  Infbrmation  of  tbe  Bnreaa 
<tf  Edncation",  das  nns  von  genanntem  Boreen  mit  großer  Bereitwilllgw 
keit  ZOT  Terftgnng  gestellt  woite  ist  (Ober  die  TUltigkeit  des 
Barean  vergl.  meinen  Artikel:  Ftedagogiom  XHI.  S.  601  f.) 

Zn  wekber  Bedentang  im  Gegensats  gegen  Mber  die  Bewohner 
dar  Stftdte  im  Verhflltnisse  mr  ganaen  BevOtkerong  der  Vereinigtai 
Staaten  gekommen  sind,  erhellt  aas  dem  Umstände^  dass  Im  Jahre  1790 
die  Bewohner  der  Städte  nnr  3,8%  GesaomitbevSlkemng  Mts- 
machten»  während  bis  zum  Jahre  1880  der  Ptocenfsats  anf  113,5  ge- 
stieigen  war,  so  dass  bis  mr  Jetstaeit  das  Verhältnis  siisher  wie  4:1 
geworden  ist 


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—  463  — 


GmBz  badeatend  sind  nim  auch  die  SmnmeD,  volche  die  Stidte 
ftr  das  Schnlwesoi  «dkiebradit  habeo.  In  250  Ton  den  810  SUdten, 
die  eine  fiiiiwolmerzahl  toh  7600  md  daiHiter  liatten,  wurde  im 
Mm  1882  ftr  Scbulzwecke  die  Summe  Ton  278M427  Denan  aoa- 
gegeben.  Dabei  betrag  in  239  Städten  die  eehalpfliebtige  Jagend 
2859287,  wfibrend  der  Gnmdbesits  ftr  Scbnlzwe^  In  240  StldtMi 
einen  reellen  Wert  von  94294153  Dollars  hatte. 

Die  Schulen  der  Städte  stehen  unter  der  Leitunp^  und  Obei'auf- 
sicht  von  örtlichen  Schulbehurden,  unsern  Schuh  oi-ständen  bez.  Schal- 
ausschüssen entsprechend,  die  in  den  verschiedenen  Städten  verschie- 
dene Namen  fuhTen.    Ih'e  größte  Mannig^taltiiiki  ir  luriscli!.  daiik  ilt-r 
vollkuiimieiuMi  Autonomie  der  Städte,  4Ut  diesem  bebieie,  auüeidem 
noch  in  Bezug  auf  Zahl,  Wahlmodns,  Amtsdanrr.  Pflichten  und  Rechte 
der  Mitglieder.  JJaher  ist  auch  der  Erfolg  der  Schulen  in  den  Städten 
der  Vereinigten  Staaten  meist  von  dem  Scliulausschnss  abhän^^.  Sagt 
man  bei  tma:  Wie  der  Lehrer,  so  die  Schale,  und  in  Holland:  Wie 
die  Schalinspection,  so  die  Schale,  so  könnte  man  hier  sagen:  Wie 
der  Sehidanaacbnsa,  bo  die  Schale.  —  Die  Sehnlaassehfltte  sind  in  den 
Tersehiedenen  Stftdten  der  Zabi  nach  sebr  yerscbied^,  ebne  dasa  aber 
diese  Zahl  in  ein  entsprechendes  VerbÜtaia  aar  £inwobnerzabl  trftte. 
So  bat  a.  B.  der  Scbnlansschiiss  von  Denyer  nur  6  Mitglieder,  der 
TOQ  Fittabarg  (160000 Einirobner)  33,  von  Cincinnati  60,  Ton  Chicago 
15  and  ?on  New  York  21.  Meist  gliedeni  sich  die  SobnlaaBSChfisse 
wieder  in  verschiedene  Commissionen,  denen  die  einzeinen  Zweige  der 
Schulverwaltuuf^  zug:etheilt  sind.    Im  Schulausschuss  zu  Cincinnati 
betrug  die  Zahl  dieser  verschiedenen  ('onimissioüeü  gar  25,  während 
sie  jetzt  auf  18  herabgemindert  worden  ist.  —  Die  Amtsdaaer  der 
ScliulHnsschussmitL'-lieder  ist  ebenfalls  verschieden.    Sie  beträgt  min- 
dt  btv-ns  ein,  höchsieus  drei  Jalire.    -    Bei  der  Walü  <ter  Schulaus- 
schussmitglinder  macht  sich  oft  derselbe  (Jbelstand  geltend,  der  sich 
auch  auf  anderem  Gebiete  als  auf  dem  der  Schule  in  den  Städten  der 
Vereinig^ten  Staaten  zeigt:  es  drängen  sich  oft  Personen  in  den  Schul- 
ao&schasB  aas  andern  Gründen,  als  um  der  Schule  zu  dienen*  Gar  oft 
sodit  eine  politische  Partei  die  l\Iajorität  im  Schalauaschosae  an  erlangen, 
um  die  Schale  den  Zwecken  ihrei*  Partei  dienstbar  an  machen.  Obwol 
(üeser  Umstand,  der  dem  Aufblähen  der  Schule  am  hinderlichsten  ist, 
bisveOen  eintritt,  mnsa  man  doch  sagen,  dasa  im  großen  und  ganaen 
^  Zasammensetanng  der  Schnknaschfisse  eine  zweckentaprechende  ist, 
aber  doch  dem  beregten  Obelstande  möglichst  entgegenantreten, 
Ittt  num  in  einigen  Staaten  die  Wahl  des  Schulansschusses  nicht  den 


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—   464  — 


Bürgern,  sondern  wir  in  New  Y  n  k  dt  in  >favor.  in  Pittsluii  ltIi  den 
Scbuldirecturen  ubn-tratri'n  während  m  wenigcii  aiidi  l^'rauMii  d.i^ 
Wahlrecht  zugeötauden  worcien  i-t.  bisher  freilich  ohne  nenneus werten 
Erl'olg.  —  Was  nun  die  Prtichtea  und  T?echte  der  Schnlaussehüsse 
anlanj^,  so  vn  walten  alle  mit  Ausnahme  des  Stadtschnlinspectoi-s 
(siiiterintf  n(]ent  1,  der  diircli  den  Schulausschiiss  beruten  \mh1,  ihr  Amt 
unentgeltlich.  Der  Schulausschuss  leitet  in  den  meisten  FüUeii  alles, 
was  sich  sowol  auf  äußere,  als  anch  innere  Angelegenheiten  des  Schul- 
wesens bezieht.  Die  SchulausscbUsse  haben  das  Recht,  Lehrer  anzu- 
stellen und  zu  entlassen,  sowie  ihren  Gehalt  zu  bestimmen.  Sie  ent- 
werfen die  Lehrpläne,  schreiben  die  Ziele  der  Schulen  vor  und  be- 
stimmen die  zu  gebrauchenden  Lehrbttcher.  Sie  treffen  Bestimmungen 
über  die  Aufnahme  der  Schfiler  in  die  verschiedenen  Arten  der  Schulen, 
fiber  das  Aufrücken  aus  einer  CSlasse  in  die  andere,  haben  aber  vid- 
fach  nicht  das  Becht,  Schulen  zu  errichten  oder  neue  Lehrfächer  ein- 
anf&lireii,  soweit  sie  nicht  durch  das  Gesetz  des  betreffenden  Staates 
Torgesehen  sind;  auch  steht  ihnen  häufig  weder  die  Verwaltung  des 
Sebulvermögens,  noch  die  freie  Verf&gong  über  dasselbe  zu. 

JÜit  verschwindend  wenig  Ausnahmen  werden  die  Schulausschusse 
von  einem  Stadtschulinspector  (Superintendent)  bei  Ausübung  der  Schul- 
asfisicbt  unterstütEt,  bez.  vertreten.  Die  Stadt  Providence  war  die 
erste,  die  im  Jabre  1840  einen  Superintendenten  an  die  Spitze  ihres 
Schulwesens  stellte.  Nadi  nng^ähr  zehn  Jahren  folgte  Boston  diesem 
Beispiele.  Trots  der  gaten  Brfoige»  die  diese  Einrichtiuig  xeitigter 
mnsste  in  vielen  StSdten  der  Stadtschnlinspector  sein  Angenmerk  oft 
mehr  anf  die  Yertiieidiginig  seiner  Stellnng  liehten  als  auf  die  ihm 
anTertranten Schulen;  dies  warmnsomehrnothwendig,  als  noch  heutigen- 
tags die  Stadtsdinlinspeetoren  wie  ja  andi  die  Lehrer  vom  Schnl* 
anseehnsse  nnr  auf  ein,  höchstens  anf  xwei  Jahre  gewfihlt  werden,  so 
dass  sich  nach  Abhmf  dieser  Zeit  stets  wieder  eine  Neuwahl  durch 
den  SchulausschuflB  nOthig  macht  In  den  Stidten,  die  noch  keinen 
Stadtschnlinspector  haben  —  dazu  gehfiren  auch  drei  grOfieire  Siidte 
in  Sssnx  Counly,  Kaasachusetts,  mit  13—27000  Sfaiwohnem  —  wird 
die  Schulaufricht  und  Leitung  von  den  liitgliedem  des  Scbulans- 
Schusses  selbst  auageftbt  In  den  ttberaiis  meisten  Städten  ist  nnr  ein 
Stadtschnlinspector  angestellt,  wfthrend  alle  Stidte  ersten  Ranges 
demselben  einen  oder  mehrere  Aasistenten  anr  Seite  geben.  In  New 
York  a.  B.  ist  die  Zahl  dieeer  Assistenten  auf  sieben  ethOht  worden.  — 
Der  Stadtschnlinspector  ist  in  der  Begel  ein  Pädagog  nrft  hOtoer 
Bildung,  der  bereits  mit  Erfolg  an  Schulen  gewnkt  und  die  verschie- 


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—  466  — 


denen  Methoden  der  Erziehung  und  des  Unterrichts,  sowie  die  8chiil- 
iikonomie  zu  seinem  besonderen  Stadium  gemacht  bat  Er  steht  unter 
dem  Schulausschusse  und  folgt  den  Anordnongai  desselben.  Naich 
dem  Umfange  des  ihnen  anvertrauten  Schnlweflens  ist  der  Umfluig 
ihrer  Pflichten  anch  ein  TencMedener;  dodi  inrd  in  allen  Städten 
persönliche  BeaidUehtigiing  dee  Unteniehts  nnd  der  DiadpUn  in  den 
Scholen  aowie  der  inneren  VerteBong  and  Leitnng  denelben  von 
ihnen  gefordert  In  den  klaiiMten  St&dten  bat  er  sein  Augenmerk 
auch  auf  viele,  dem  eigenHiehen  Sohniweeen  ihm  liegende  Dinge  m 
richten;  hier  bat  er  an^  die  materiellen  Bedllrflii«e  der  Sdrale,  z.  B. 
die  Beschaffung  des  Feuerungsmaterials  u.  ä.  in  den  Bereich  seiner 
Thätigkeit  zu  zielien.    In  größeren  Städten  beschränkt  sich  dieselbe 
auf  die  eigentliche  vSchiikufsicht  und  Leitung,  ja,  wo  ihm  Assistenten 
zur  Seit«  stehen,  wird  die  Arbeit  insofern  noch  getheilt,  als  jeder  be- 
^  |^^if-re  Fächer  zur  luispectiuii    ilu  i  wiesiM  liekommt.    Da  man  von 
einem  btadischulinspector  erwartet,  dass  er  fortgesetzt  Erzieliuno-  und 
Unterricht  zu  seinem  Studium  macht  inul  besonders  den  Fortschritten 
auf  diesem  Gebiete  sein  Augenmerk  zuwendet,  uin  die  zweckent- 
sprechendsten Mittel  zur  Hebung  der  ihm  anvertrauten  Schulen  an- 
wenden zu  können,  so  erhellt  daraus  zum  Theii  die  Wahrheit  des 
obenangeffthrten  Satzes:  Wie  der  Schulinspeetor,  bo  die  Schule.  Um 
nun  geeigneten  PeraftitlicJikeiten  die  für  einen  wichen  Beruf  n6thige 
Bildung  zn  geben,  ist  man  darangegangen,  an  der  John  Hopkins  und 
Michigan-üniTeisität  sowie  an  anderen  Instituten  Lehrstühle  ftr  Päda- 
fSio&k  ta  erriehteu. 

Die  Stadtsdinlen  nun,  die  der  Leitung  der  Sehnlansstdillase  nnd 
Stadtachnlinspectoren  unterstehen,  gliedern  sich  in  primaiy-schools 
(unsttn  Elementarschulen  entsprechend),  grammar-schools  (etwa  geho- 
bene Bürgerschule)  und  high-schools  'Hochschulen).     Während  die 
primary-  und  grammar-schools  f^ewisseriiiaiicu  zuteaiiiiiiengehören  und 
die  jedem  Staatsbürger  nöthige  Bildung  jre währen,  erschlielien  die 
hifjh-schools  schon  die  höhere  Bi!dun<,^    i-  u.  ,   lio  Elementarl^ihlung, 
mit  dem  14.  Lebensjahre  abgeschlossen  sein,  wahrend  der  Abschiuss 
üta-  BiidüDg,  die  die  high-schools  gewähren,  nicht  überall  so  gleich- 
mäßig festgesetzt  ist.    Ebenso  schwankt  das  Alter,  das  den  Beginn 
^l^T  Schulpflicht  normirt;  in  einer  großen  Anaahl  von  Städten  werden 
^e  Kinder  mit  sechs  Jahren  schulpflichtig,  in  nahezu  ebensoviel 
Städten  aber  bereits  mit  fünf  Jahren.  In  vielen  Städten  wird  der 
ganze  Cursus  von  der  Elementar-  bis  zur  Hochschule  in  12  Jahrai 
^cblanlen,  sodass  also  auf  jede  Schule  4  Jahre  kommen.  In  einigen 


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—   46ö  — 

StäUteii  ist,  wie  in  Oincinnati,  der  Kiemen  tan  ursus  auf  5  Jahre  erhöht, 
dagegen  der  Cursus  der  gramniar-scliool  um  eiu  Jalir  abgekürzt  In 
den  StÄdten  Neu-Englands  finden  wir  gerade  die  entgegengesetzte 
l^raxiä  geübt,  da  hiei*  der  Elementarcursus  nur  drei  Jahre  uniia^st, 
vom  5.  bis  8.  Lebensjaln*©,  der  Cursus  der  gi'ammar-schooi  aV>er  hk 
auf  6  Jahre  erhölit  worden  ist.  Docli  ist  hiermit  die  Verschiedenheit 
in  der  Eintheilung  der  Ourse  bei  weiiem  noch  nicht  erschöpft. 

Während  fast  allenthalben  für  die  high-sc.h'Hi]s  bei«ondere  Gehnude 
enichtet  sind,  findet  man  häufig  die  primarv-  uii'l  grainmar-8ch('"N  in 
einem  G-ebäude  vereint,  so  dass  t  it  am  Ii  die  gleichen  Lehrer  an  beideu 
wirken.  In  New  \ork  sind  die  primary-schools  ganz  bedeutende 
Etablissements,  da  manche  bis  zu  15(X)  Schülern  umfassen.  In  Boston 
da^(2>'n  enthalten  die  Schulhäuser  nur  acht  Schulzimmer.  In  dpn 
meisttii  St  ullen  rinden  wir  eine  Theilnnq;  in  Bezirke  durchgeführt; 
jeder  Schule  oder  jeder  Gruppe  von  Sdnilni,  die  unter  einem  gemein- 
samen Leiter  stehen,  ist  ein  bestimmtei*  Stadttheü  zugewiesen,  so  daisS 
den  Schülern  die  Wahl  einer  besondem  Schule  gleichen  Grades  nicht 
zusteht  Dieses  System  macht  natürlich  eine  strenge  Gleichheit  der 
eingeführten  Lehr-  und  Lembücher  nöthig. 

Was  nun  die  Organisation  der  bigh-schools  anlangt,  deren  Grün- 
dung Infi  in  die  Zeit  der  ersten  Ansiedelung  Amerikas  zurückreicht» 
so  ist  zu  sagen,  dass  sie  je  nach  den  Zielen,  die  ihnen  gesteckt  sind, 
bald  mehr  nnacorn  fiealscbulen  —  soweit  sie  bauptsftohiioh  Air  da» 
prakÜsehe  Leben  vorbereiten  wollen  —  bald  mehr  unsem  Gymnasien 
ähneln  —  soweit  sie  den  Schülern  die  zum  Besuche  einer  Universität 
nöthigen  Kenntnisse  yeimitteln  wollen.  Häuäg  finden  wii ,  besonders 
in  grOfieren  Städten,  nicht  nnr  diese  beiden  Curse  wie  Zweige  eines 
Baumes  nebeneinander,  sondern  die  higb-school  trägt,  wie  z.  B.  die  in 
Pittsburgh,  auch  noch  den  Charakter  einer  HandeliaBchale  sowie  einer 
Normalschnle  (Seminar).  Solche  high-schools  gibt  es  nicht  aUein  flr 
Knaben,  sondern  anch  Ar  Ifilddiea;  oft  sind  auch  bdde  Qeeehleciiter 
in  dner  Schale  vereinigt,  besonders  in  kleineren  Stftdien. 

Wo  die  getroitoien  Sehnklnrichtangen  nicht  hinreichen,  um  allen 
Scbnliriliehtigen  die  nOthige  Büdang  m  Termitleln,  da  Uetmi  an  Tielet 
Orten  den  Tageaschnlen  die  Abendschnien  ergänzend  nr  Seite.  Die 
Ahendelementarschnlen  wollen  denen,  die  hi  ilirer  Jagend  keine  Ge> 
legenhelt  gehabt  haben,  Schalen  sa  bomdhen,  oder  denen,  die  tags» 
Uber  dnrch  ihre  Beeehiftigong  whindert  shid,  sieh  die  Btaentar- 
kenntniaee  ansaeignen,  die  Erlenmng  des  Lesens,  Sclireibens  and 
Bechnens  ermöglichen,  freilich  Usst  ans  naheliegenden  Grflndea  die 


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—  467  — 


fiegeluiäßigkeit  des  Schulbesuches  an  solchen  Anstalteft  viel  zu  wfln- 
scheii  ftbrig.  Die  liifehiiiaBe  sind  fibiigeDs  besser  geworden,  aett  maii 
ra  der  frflher  geftbten  Flwds  thffog  imd  mir  die  beeten  Lehrer  Uer 
anrtellte.  Viele  Perraen  in  herroiiegBiideii  SteUnngen  yerdentei 
ihre  BUdang  einzig  und  allein  den  Abendeelinlen.  Ei  erftbrigt  noeh 
1dBMii0|gen,  deee  der  üntenicbt  wahrend  etwa  20  Wochen,  yom 
Novenibar  bis  Mitz,  an  wdGlienflieh  drei  oder  yktt  Abenden  meiat  von 
7  bis  9  Uhr  ertheüt  wird. 

In  einer  größeren  Anzalil  der  bedeutenderen  Städte  der  Republik 
sind  auch  Abendhochschulen  eine  Einrichtung  von  nicht  geringer  Be- 
deutung geworden.  Ja,  es  ist  sogar  zu  erwarten,  dass  ihnen  in  Zu- 
kunft eine  ganz  bedeutende  Entwickelunc:  Ijevorsteht,  da  sie  eben 
nicht,  wie  die  Abendeiementarschulen  nur  eiu  Notlibehelf,  s  nidem  ein 
lit  (liirfnis  sind.  —  Einem  ebenfalls  lebhaft  gefühlten  Bedürtnisse  wollen 
die  Abendzeiciienschulen  ablielfen,  die  in  den  verschiedensten  Städten 
des  Landes  mit  großem  Segen  wirken.  —  In  gleicher  Weiae  hat  sich  die 
Errichtung  von  technischen  Abendschulen  nothwendig  gemacht  Die 
technische  Abendschule  zu  Philadelphia  ward  z.  B.  im  Jahre  1882 
von  228  Schfliem  besooht  Davon  standen  220  im  Alter  Ton  18  bis 
40  Jahren,  wihrend  8  sogar  noch  älter  waren.  —  Endlich  tat  noch 
n  erw&hnen,  daaa  Kindergärten  in  allen  Stftdten  in  größerer  oder 
geringerer  Ansahl  anaatrete  aindt  idie  thefla  ans  atadtiacfaen  Mitteln 
ottterfaalteii  werden,  theüa  aber  anch  ihren  Unterhalt  der  Fimtwol- 
thätigkeit  Terdanken. 

FQr  diese  mannigfiMdien  Arten  von  Sehulen  werden  aber  s^r 
iriel  Lehrkräfte  gebraucht,  so  dass  der  Bedarf  oft  nicht  gedeckt  werden 
kann.  Die  nordanierikauischen  Städte  sind  auch  hierin  selbstständig 
vorgegangen,  indem  sie  Lehrerbildungsanstalten  (normal -schools)  in?* 
Leben  riefen;  und  zwar  ward  die  erste  städtische  Normalschule  etwa 
2M;inzi^  Jahre  früher  geo-iiindet ,  als  die  ei>le  .siaailiclie.  Freilich 
^iri  i  (üeäe  stMtischen  LeiueibikLungsanstalten  durchaus  nicht  gleich- 
wenig. 

Der  Lehrplan  der  Elementaischulen,  der  sich  an£eu[igs  nur  auf 
Lesen,  Schreiben  und  Rechnen  erstreckte,  ward  später  am  Grammatik, 
Geographie  und  Geschichte  der  Vereinigten  Staaten  erweitert.  Seit 
|uigefähr  einem  halben  Jahrhnndert  sind  nun  bedeutend  mehr  Fftcher 
in  den  Lehrplan  ao^gfenommen  worden,  als  Anschaanngaonterricht, 
^«sang,  Zeichnen,  Tnmen,  Englische  Üteiator,  Natorgeechiebte,  Phy- 
8ik,  Gesehichte  von  England,  Algebra,  Geometrie,  phyeiaefae  Geographie, 
Anatomie  nnd  Hygiene,  Astronomie,  Bnchhaltang,  Deutsche  l^iraehe, 


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—   468  — 


Coiihliiutiun  der  Vereinigit^u  Staaten,  weibliche  Handarbeiten  u.  a.  m. 
Selbstverstciiitllich  sind  nicht  alle  diese  Fächer  in  die  Lehrpläne  aller 
Rlementai-schulen  au%euommen  worden,  sondern  sie  findtn  sich  nur 
überhaui)t.  Es  lie^t  auf  der  Hand,  dasä  diese  neuen  Lehi  gegenstände 
nicht  ohne  Schwierigkeiten  dem  Lehrplane  habeii  einnretiigt  werden 
können;  mm  mnsste  entweder  die  frir  den  Klementarunterricht  be- 
.stimmte  Schulzeit  verlängern  oder  musste  sich  bei  diesen  Fächern  auf 
das  Gerste  Minimum  beschränken.  Trotz  alledem  hat  diese  Über- 
häulung  mit  Stott'  zu  schweren  Übelständen  geführt,  entweder  zu 
Obertlächlichkeit  oder  Überbttrdtmg  der  Schüler.  —  Der  Lehipbui  der 
high-schools  deckt  sich  im  großen  und  ganzen  mit  dem  unserer  Keal« 
schalen  oder  OyrnoMtkaa,  je  nach  dem  Zwecke,  daa  dia  Sehnte  im 
Ange  haben.  — 

Der  Handfertigkeitsonterricht,  der  sich  auch  bei  nns  Bahn  za 
brechen  beginnt,  ist  in  den  Städten  Noi-damerikas  schon  zu  bedeutendor 
Ansbrettong  gelangt  und  wird  nicht  allein  f&i  Elementarschfiler,  Mft- 
'    dem  auch  filr  die  Schüler  der  high-schools  facoltatiy  ertheilt 

Eine  hervorstechende  EigenlhttmUehkeit  der  städtischen  Schulen 
in  den  Vereinigten  Staaten  ist^  dasB  der  gesammte  Unterricht,  gleich- 
viel welcher  Art  von  Schule,  unentgeltlich  ist  Öffanlliche  Schulen 
sind  freie  Sehnten.  Mit  Becht  hebt  der  Berichterstatter  hiarvor,  da» 
die  Ammkaner  alten  Gmad  haben,  btenof  gtols  ni  Min.  Dodi 
dtes  Princip  keuuewegs  yon  AnfSug  an  aUgemeiii.  Es  hatte  bedei- 
tande  Wlderatinde  za  überwinden.  Doch  sein  Bilblg  ist  eine  hin- 
reidiende  Beehtfertigong  de»  GmndsatMB  geworden.  All  die  faden- 
aoheinigen  Gründe  sind  hinÜOÜg  geworden,  dte  dte  Oppoaltion  anillhrte: 
daes  die  elterliche  Verantwortliebkeit  geschwtefat,  das  elterücheSelbBlr 
gefllhl  herabgesetat  werde,  dass  der  frete  ünterrleht  in  den  Augen 
der  filtern  an  Wert  yerliere,  dass  die  Stenerzahler  ftberlastet  würden, 
nnd  wte  dte  Griknde  alle  heifien,  die  noch  bei  nns  ins  Trelfen  gMtsii 
werden.  Die  natnriiche  nnd  nnvenneidlidie  Folge  des  freien  Unter- 
richts ist  die  freie  Lieferung  der  Schnlbftcher  nnd  sonstigen  SehnK 
bedflzfliisse,  Aach  diese  ist  in  New  York,  Philadelphia^  den  StSdten  Toa 
Massachnsetts  nnd  einer  ganaen  Beihe  anderer  dnrohgeflOirt,  nnd 
nirgends  denkt  man  daran,  diese  Mafiregel  wieder  anfiraheben.  Denn 
nicht  nnr  dieselben  Gründe,  die  gegen  den  nnentgeltliehen  Unterriefat 
ao^eftthrt  worden,  sind  hinfällig  geworden,  sondern  aneh  alle  aaden. 
Die  Schalen  Dentschtends  mögen  den  Sdinlen  Amerikas  in  yieten 
StQeken  Yoranstehen,  doch  in  diesem  Pnnkte  stehen  sie  ihnen  unbe- 
dingt nach. 


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—  46»  — 

Was  nun  die  Ko^trii  anlangt,  die  auf  die  Weise  verursacht  wer- 
den, so  sind  sie  natürlich  in  den  verschiedenen  StÄdten  verschieden. 
In  Xew  York  verursacliten  die  Schüler  der  grammar-schools  im  Jahre  1 882 
eine  Aasgabe  von  32  Doli,  auf  den  Kopf.  Der  Gehalt  dar  Lehrer 
betrog  im  Darolisehmtte  1000  Doli.,  während  die  Lehrer  an  den 
ptimarj-schools  mr  660  Doli.  dnreluttbiiitUich  heeogen.  Die  Scbttler" 
nbl  in  einer  daaee  der  grammu^aehoolB  soll  nieht  mebr  als  60  l>e- 
trig«,  m  fifner  Gheee  der  primaiyHMihNMilB  nicht  mehr  als  75. 

Über  die  Stelbmg  der  Lehrer  theitt  ins  der  Bericht  aH,  dass  sie 
danhana  kehe  aidbere  ist  Sie  werden  nidit  allein  nm*  fOr  efai  Jahr 
aagaatallt,  ao  daas  aioh  aQjähriidi  eine  Wiederwalü  nothwendig  macht, 
saadem  aie  kennen  jedendt  doroh  den  Schnlanndnua  entlaflaen  werden 
oime  vorherige  BenachrichtiganiB:,  ohne  dass  sie  ein  Recht  haben^  f^ich 
I  za  rechtfertigen  und  ohne  das  Bei iiiungsrecht  an  eine  höliere  Instanz; 
und  eine  solche  Entlassung  ist  endgültig  und  unbedingt  Die  Zahl  der 
Städte,  die  von  dieser  Reg^el  eine  Ausnahme  machen,  ist  yersch win- 
dend klein.  Der  BerichtBi'statter  verschweigt  niclit,  dass  dieser  Motius 
höchst  unplncklich  gewählt  ist  und  keineswegs  dazu  dient,  die  Schulen 
zn  heben.  Er  sagt,  dass  der  I'nterricht  nur  dann  die  besten  Ergeb- 
nisse liefern  kann,  wenn  der  Lehrer  das  Lehrfach  als  alleiniges  Ziel 
i^nes  Stadiums  wählt,  und  dass  er  das  nur  thun  wird,  wenn  ihm  das 
Lehrfach  eine  sichere  Lebensstelluig  Terheifit  £iue  Reform  in  dieser 
Hinsicht  ist  dringend  nötfaigv  ond  es  ist  aneh  zu  hoffen,  dass  &i  nicht 
za  iiffner  Zeit  dieaes  System  eine  Ändenmg  erftihren  wird. 

£lne  weitere  EigenthtbDÜoihkeit  besftgÜeh  der  Lehrer  an  nord- 
ameiikaniachen  Scholen  ist  der  Umstand,  dass  die  eif<dgreiche  Abaol- 
Titang  einer  NermalBohnlfi  noch  aieht  genügt,  nm  dem  Lehrer  eine 
AnateHmig  an  irgend  einer  Schnle  za  sichent  Er  moss  an  diesem 
Zwecke  erst  ein  Zengma  von  einer  dazu  eingesetzten  Prttftmgseam- 
viiBoa  erwerben.  Diese  ist  sehr  verschiedenartig  znsammengesetEt. 
In  Caliiurnien  besteht  z.  B.  in  jeder  Stadt  eine  solche  Prüfungscom- 
raission,  die  aus  dem  Suulusclmliuspector,  dem  Vorsitzenden  des  Schul- 
ausschosses, dem  Connt\ -Sduiliuspector  und  drei  Lehrern  an  öffent- 
lichen Scjinlen  zusainiiiengesetzt  ist  Diesb  letzteren  werden  vom 
^cliiiliüi^schusse  auf  ein  .Talir  gewühlt.  Diese  Prnfungscoromissionen 
I  KunEen  vier  verschiedene  Zeugnisse  ausstellen;  1.  Unterrichtsdiplomc, 
eilti?  fiir  6  Jahre,  2.  Zeugnisse  ersten  Grades,  giltig  fUi-  4  Jahre, 
Zeugnisse  zweiten  Grades,  giltig  für  2  Jahre,  und  4.  Zeugnisse 
•  <iritten  Grades,  giltig  für  ein  Jahr.  Diese  Zeugnisse  haben  aber  mir 
^  die  Stftdte  GeLtong,  in  den^  sie  erworben  wurden.  Nicht  alle 

VMd^ail«».  l^Jatef.  BallVU.  32 


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—  470  — 


Pruiungbcommiasionen  >u\d  so  $runsti^  zusamuiengesetzt  wie  die  ange- 
führteTi    Oft  wird  nicht  ein  einziger  Lelu-er  zugezop:eii.    In  Ohio  hat  \ 
jeder  StHi^tbezirk  spine  Prüfiinerscommissioii,  die  Zeugnisse  für  ein, 
zwei,  drei,  tiinf  und  zehn  Jaiire  ausstellen  k^nn,  die  für  den  betn  ftVn- 
deu  Bezirk  ^^iltig  sind.    Den  Prütungscommissionen  steht  das  Ii  echt 
zu,  die  Zeugnisse  für  fünf  oder  zehn  Jalire  ohne  wiederholte  Priilimg 
zu  erneuern.  Nach  der  Prüfungsordnung  filr  Ciuciimati  sind  die  iregen- 
stände,  in  denen  geprüft  wird,  folgende:  1.  Pädagogik  und  Lehrpraxis, 
2. Orthographie  und  Worterklärungen,  S.Lesen,  4.  Grammatik,  ö.Schön- 
admibeDD,  6.  Kopfrechnen,  7.  Tafelrechnen,  8.  Geographie,  9.  G^chichta 
Amerikas,  10.  Alte  und  Neuere  Geschichte,  11.  Naturlehre,  12.  Elemente 
der  Anatomie  und  Physiologie,  13.  EngÜache  oder  Deutsche  Literatoi^  - 
geschichte,  14.  Musik  oder  Zeichnen,  15.  Chemie,  16.  Algebra,  17.  Geo- 
metrie, 18.  Astronomie,  19.  Constitution  der  Vereinigten  Staaten, 
20.  Vergleichende  Anatomie.  —  Candidaten  für  das  I^ehramt  an  higb* 
schools  worden  in  den  ersten  19  Fächern  geprüft,  Schulleiter  an^in 
dem  letotoi.  Lehrer  für  Spedalftcher  müssen  sich  wenigstens  in  nenn  j 
Fädiern  einer  Prüfung  imtflrweEte.  Die  Zeugnisse  werden  nach  dem 
Procentsatz  der  beantworteten  Fragen  ausgestellt:  70  ^/o  richtige  Ant- 
wortea  gebea  Anwartschaft  anf  ein  Be&higungsaeQgniB  fikr  2  Jahre, 
B0%  Ür  5  Jahre,  907,»  ftr  10  Jahre.   Der  Beriehteratatter  sagt 
am  SdUnsse  seiner  Erw&gnngeii  über  die  Prflfting  der  Lehrer:  Wir 
haben  in  dieser  Hinsicht  Ton  jenen  Ländern  noch  yUü  m  lernen,  wo 
die  Prflfbngea  für  den  Staatsdienst  und  Schuldienst  weit  wiasenscfasflr 
licher  behandelt  werden  als  bei  uns.  LehnrprOtogen  sollten  in  der  | 
Hand  des  Staates  liegen. 

Bei  einer  Betrachtung  der  Stadtsehnlen  Nordamerikas  fUlt  oas 
das  Überwiegen,  der  Lehrerinnen  ganz  besonders  auC  Dies  ist  so  be^ 
deatend,  dass  num  nicht  tm  yon  der  Wahrheit  ist,  wenn  man  sagt, 
dass  in  den  SUementaiseholen  XiShrer,  wenn  nicht  als  Schulleiter  oder 
Fachlehrer,  nnr  ausnahmsweise  Anstellnng  finden.  Man  kann  sagen, 
dass  die  Lehrer  zn  den  Lehrerinnen  in  emean  Verhältnis  wie  1 : 10 
stehen.  Dies  eigenthtbnliche  Verhältnis  hat  seinen  Qnmd  einmal  ia 
der  grOfleren  Billigkeit  der  Lehrerinnen  Yor  den  Lehrern,  das  anden 
Hai  in  dem  Glaaben  an  die  besondere  Befthfgong  des  weihliehen  Otr  j 
seUeehts  fltar  den  Unterricht  Dies  Oberwiegen  der  Lehrerimien  ist  1 
aber  keineswegs  von  Vortheil  für  die  Schale,  da  die  meisten  wa  so 
huige  ihre  Krftfte  dem  Untenichte  widmen,  als  sie  sidit  anteweit^ 
versorgt  werden.  Das  Anwachsen  der  wablichen  Lehrkrilfte  scheiit 
aber  seinen  Ht^ponkt  emidit  an  habeo.  Man  geht  wieder  daran, 


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—  471  — 


mehr  lieiuer  anzuätellen,  die  sich  deo  Unterricht  'zur  Lebensaufgabe 
geauMät  haben  und  demgemäß  ganz  anders  ihre  Kiftfte  ihrem  Fache 
iridmen  und  weit  höhere  Ziele  erreichen  können. 

Etwas  ganz  Eigenartiges  in  den  städtischen  Schulen  sind  die 
^SdnüptHfimgen,  soweit  sie  sieh  nicht«  wie  Ja  anch  bei  uns»  anf  Prilfimg 
der  ediizelnen  Glassen  beziehen,  am  ihre  Fortschritte  festzustellen,  oder 
anf  einsobie  SchtQer  nun  Zwecke  besonderer  Ansaeeiehnnng,  sondern 
auf  ganze  Schulen  und  dassen,  um  die  Leistungen  und  YerdiBDste  der 
Lehrar  .ÜBstsustsUeit  In  diesem  Falle  treten  die  Schulprflfungen  der 
Inapection  d«r  Sdinle  ergänzend  zur  SeÜe.  Der  Zweck  derselben  ist 
nicht  etwa  blos  die  nöthigen  Informationen  über  den  Stand  der 
Sckiileu  und  Classen  eines  Systems  zu  erlangen,  sondern  auch  die 
Lehrer  zur  Anspannung  ihrer  Kräfte  anzuregen  und  ihre  Leistungs- 
fähigkeit zo  erhöhen;  man  will  sehen,  ob  die  einzelnen  Lehrgegen- 
stände des  huliiplitns  im  richtigen  Verbältnisse  zu  einander  stehen. 
In  die  rechte  Hand  gelegt,  werden  diese  Schuij^riUungen  gewiss  von 
hohem  Werte  lür  Schule  und  Lehrer  sein. 

Der  Bericht  verbreitet  sich  des  weitem  noch  über  die  Freistunden 
während  der  Schulzeit;  es  werden  gewöhnlich  nach  je  zwei  Stunden 
den  Schülern  fünfzehn  Minuten  zur  Erholung  gewährt.  —  Die  schätz- 
bsnii  Auslassungen  des  Berichtes  über  die  Schnlgebäode  auch  nur 
«UBttienid  hier  zn  berflhren,  wftrde  zn  weit  fttkran. 

Den  einselnen  Schulen  sind  Schnhoonseen  beigegeben,  die  im  ganzen 
das  «Afhalten,  was  wir  in  nnsem  LehrmitteMmmeni  flnd^  Freilich 
sind  besondere  Mittel  tOct  die  Einrichtung  'derselben  wie  bei  uns  m 
dw  Begel  noch  nicht  ansgewohGsn.  Die  Ausstattung  derselben  ist 
lieeonders  in  den  Elementarschulen  dem  Sammeleifer  der  Lehrer  und  ihrer 
Skihfller  ftberiaseen.  Eng  verioiftpft  mit  der  Idee  eines  Schuhnnseums  ist 
die  Ausstattung  der  Schulräume  mit  Pflanzen  und  Bildern,  mit  Büsten 
snd  Ornamenten,  die,  soweit  möglich,  \uiziiglicli  an  der  AuÜenseite 
der  SchuUiäuser  zu  bewirken  iüt.  Hierfür  ist  freilich  bis  jetzt  noch 
wenig  gethan.  Ebensowenig  hat  man  au  vielen  Orten  bisher  Mittel 
gefamlea,  eine' pädafrosrische  Bibliothek  tur  dt  n  «^Librauch  der  Lehier 
nnd  des  Schulau&schusses  zu  gründen.  Auf  diesen  Gebieten  bleibt 
*lso  auch  in  Amerika  wie  bei  uns  noch  viel  zu  thuu. 

Ein  letzter  Bück  auf  das  ausfühi'liche  Werk  des  Dr.  Philbrick 
zeigt  uns  den  Bienentleili  des  Mannes,  der  nuf  h  langjährigem  Wirken 
lör  das  Schulwesen  des  Landes  trotz  drohender  Blindheit  ün  Auftrage 
^  Bureau  of  Educatipn  diese  schätzenswerte  Arbeit  geliefert  hat 


88* 


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Einladang.  Die  30.  Allgemeiiir  D  ;n  he  Lehrerversammlungf  soll  in 
der  Pfingstwoche  dieses  Jalires,  in  der  Zeit  vom  22.  bis  25.  Mai,  in 
Leipzipr  abgehalten  werden.  Wir  laden  zn  dieser  Versammlung  alle  deutschen 
Lehrer  und  Lehrerinnen  des  In-  and  Aualaudes  luui  aUel*'rea&de  and  Förderer 
des  ScUulwesens  ergebeust  ein. 

Wichtige  and  neltibewegende  Fragen*)  stehen  znr  Berathnng; 

Der  nnteneidinele  A^mäam  hnt  die  weiten  und  edUinen  Blnme  dek 
Krystallpalastes  für  die  Versanunlnng  gewonnen  und  wird  bemüht  sein,  der«  . 
selben  ein  festliches  Geprllge  zu  geben.  Anfler  anderen  Veranstaltungen  haben 
wir  einen  Bep-rüHnngs-  und  einen  .Abpchiedscommei's  geplant,  werden  unseren 
Güsten  ein  toncert  des  Gewandhausorchesters  im  neuen  Concerihaii^,  ein 
solches  des  Leipziger  Lehrergesangyereins  in  der  AlberUialle  des  Erjstall- 
pelastesy  eowie  eine  Fest¥oriteUan|r  im  «ItenTlieaAa*  Ueten  und  batailir  eine 
soldie  im  neaen  Theater  eimldigte  IMie  erwirkt 

Die  Anmeldnng  znr  Versammliuig  wolle  man  möglichst  fräh,  spätestens 
aber  bis  zum  1.  Mai  durch  Postanw»'isnnjr  nnter Beifügung  des  ii>>lichen Fest- 
beitrags von  H  M.  und  mit  deutlicher  Angabe  v< n  Vor-  und  Zunamen,  Stand, 
Woliuort  (PosttiteUe)  bei  Herrn  Lehrer  Dr.  Hummel,  Leipzig,  Sebastiau* 
BadutraBe  Nr.  19,  bewirken. 

Diejenigen  Thdlnehmer,  wdehe  eieh  am  FeetmaUe  betheüigeii  well«n, 
werderi  gebeten,  ihrer  Anmeldung  den  Betrag  von  3  M.  für  die  Tafelkarte 
beizufügen.  Nur  bei  rechtzeitiger  Anmeldung  können  Wünsche  in  Bezu^  auf 
Art  der  Wuhuung  (Preis  1,50  M.  bis  '6  Mark  inel.  I'i'ülistück)  erfTüIt  werden. 
An  diejenigen  Besucher,  welche  bestimmt  bei  beiVeundeten  oder  verwandten 
Personen  Wohnung  nehmen  wollen,  richten  wir  die  Bitte,  dies  in  der  Anmel- 
dung  anter  Angabe  der  Adreese  derselben  zn  bemerken.  Bei  Verhindernng 
am  Besuche  ist  der  AnmeldongBausschass  rechtzeitig  in'Eenntato  m  setML 
Die  Lelurerrefeine  werden  ersacht,  die  Anmeldung  ihrer  Mitglieder,  die  sich 
an  der  V»^rsaninilnng  betheiliir^^Ti  wollen,  gemeinsam  auf  einer  Li^c  zu  bewirken. 

Die  Zusendunir  der  1  heilnehmerkarte  und  eines  Führers  von  Leipzig  und 
Umgegend  erfolgt  durch  die  Post 


*)  1.  Staat  und  Schule  in  Deutschland  am  Attifange  dM  XIX.  Jahriiiuidesrt& 

(Dr.  Paul  SchratniD-Mitiuhen.)  2.  Die  Ausfüllung  der  großen  Lftcke  zwischen 
Jiihulentlasäung  und  Militär- F. instelluug  mit  besonderer  Berflcksicbfieimi:  der  Fort- 
bildon^BBehnls  in  ihrer  Stellung  ^ur  Schnlo  und  zum  späteren  Leben.  Dir.  Pache 
in  Leipzicr-Lindcnaii.)  3.  Die  Frage  der  Fachaufsii bt.  (Dir.  Dr.  Bartels-Gera.) 
4.  Die  Siuxult4iü6cliule  —  warum  muss  tüe  die  Schule  der  Zukunft  sein?  (Schulinsp. 
Solieier-Wotmi.}  6.  Die  Bedeutnng  der  Volkaschttle.  (Dir.  Dr.  SaoltBe-Ii^^pmg;) 


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—  473 


Der  unterzeichnete  Ansschnss  ist  überzeugt,  dass  die  Stadt  Leipzig  den 

Theilnplmioru  an  der  30.  Allgemeinen  Deutsrlipn  Lplirerversamralung  eine 
gagtirenndiiche  Aufiuülime  bereiten  wird,  und  ruft  ümensdioa  jetzt  ein  herzUckei 

Willkommen!  zu. 

Die  pädagogische  und  Tagespresse  wird  um  Verbreitiuig  dieser  Eiuladuug 
fnunUkibst  gebet«». 

MpsigTr  den  6.  Febraar  1608* 

^Der  OrtmiBsehiiis  zur  Vorbenttoair 
der  30.  Allgemeinoii  Detrtacben  Lehrermnmiiiliiiig. 
Obcrbfir?rpnneister  Dr.  Georgi,  Elirenvorsitattidar, 
iStadtrath  Walter,  1.  Vorsitzender. 


Aus  Bayeru.   Messglocke  und  Ti*ommelfeU!  wie  sie  doch  so  hanitunisch 
zonaunenküngen  im  deutschen  Lande,  „dem  Lande  der  Denker  und  Dichter''  (!), 
nie  ile  dodi  lokr&ftig  die  Tonart  der  „auf  einai  gionrdelMBBcitthBMedtti'*  (!) 
bereduietoA  BegieiniBgapolitIk  beetlaaenl  üngefUir  20  Jahre  tfaid  ins  Laad 
gegangen,  seit  unser  Volk  in  den  Wettkampf  um  die  Güter  des  Friedens  ein* 
trat,  und  heute  liegt  es,  wie  in  Fesseln  geschlagen,  fast  hilflos  vor  den  (rötzen 
des  Militru-ismns  und  ripriralismws.   Wie  es  ^-ekommen  ist,  dass  ein  unter  d>^r 
Führung  einer  protestantischen  (Großmacht  stehendes,  politisch  kräftiges  Reich 
der  'rnmmelplatz  kirclilichei-  Parteien  und  insbesondere   eine«?  übemillehtiir 
gewordenen  katholischen  Clerus  wurde,  wer  kann  6ä  kuiz  erzähieul   £iu  immer 
wflder  mtdcnder  InteresMnkampf»  den  oiaer  an  aeinen  Ideaton  iire  imtdoidea 
Volk  in  ni^MckUcW  UUitSr-»  Siielien>  Agrar-  md  SodalpoUtik  fUut,  hat 
das  kräftig  pnMrande  Bnipfinden  für  die  politische  wie  intePectneUe  und  aftt- 
lidie  Größe  unserer  Nation  erstickt,  und  im  Kampfe  mit  der  um  die  Herrschaft 
rineenflen  Kirche  und  den  nach  Antheil  an  den  Gütern  der  Vermöf^enden  .stre- 
benden besitzlosen  Classen  lilsst  der  Liberalismus  g-leich  einem  zu  'J'ode  gehetzten 
Kriejsrer  die  AVaffeu  sinken.  .  Wol  reg^t  er  noch  hie  und  da  die  ehedem  g-efürcli- 
tete  Hand,  aber  nur  nm  den  Todeüstreich  von  sich  abzuwehren.  Der  Gleriealis- 
VIS  aber,  den  eine  einst  als  reichsfeindlieh  uid  TateriandsTenlU^riBch 
«MdwUene  Partei  hegt  and  nibrt,  ist  die  Stttn  nnaena  Belebee  geworden, 
beginnt  efaidentaehee  Helok  rMaeher  Heiligkeit  ni  werden.  Nim  ernehtet 
aach  das  Ceotram  die  Zeil  fiir  gekommen,  den  auf  Katholikenvenanunlongea 
proclamirten  Kampf  wider  die  moderne  Schule  als  einer  häretisch  gewordenen 
Tochter  der  Kirclie  m  beginnen.    Die  Pelmle  zurückzng-ewinnen,  um  sie  als 
Kampfniiti^l  für  die  absolute  Göttlichkeit  eines  kirchlicdien  Bekenntnisses  und 
<iie  Obergewalt  des  Papstes  grpg-enüber  der  Freiheit  der  eigenen  Überzeugung 
lad  der  Souveränität  des  Staates  gebrauchen  zu.  können:  das  ist  das  Ziel  des 
<i>tlu3iten  Schidkampfes,  der  ein  wichtiges,  wenn  nicht  daa  wkfatigate  Stfiek 
dem  GeaaBuntkampf  zwiwdMtt  ndttelaltarlieher  Finsterais  ind  Ctowalthenv 
*M  Vit  moderner  Bildung  und  Staataordnung  ist 

In  unserem  lieben  Bajemland,  für  das  als  Laadesfiirbe  „a  guats  Stückla 
[  ^b^rz  und  a  kloans  Fleckla  Blan*^  weit  pa.^sendcr  würe.  hat  der  Schulkaini*f 
I  '^t  einem  wolorganisirten  Ani'-rifi'  der  gesaminten  l"entr'iTusi)resÄe  gegen  den 
i  ß&yrischen  Lehrerverein  bri^unnen.  Nach  dem  so  iil  l  ui^  maßrollen.  bis  an 
I  Gi'eüae  des  Zulässigen  gehenden  Verhalten  des  aLchi  i abgeordneten"  und 

^1*^  VereittSTorstandes  Schubert  gelegentlieb  der  Torjährigen  Bemthug  dea 

i  « 

I 

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Caltnaeuis^  nach  der  so  überaus  «^limpflidiea  and  zarten  Beliandlaug  der  ultra- 
montan«!  „Bnfbr  im  Streit"  Mitans  der  Uber&len,  nach  der  oflbn  wa  Tagb 
getretenen ChanktenoIiwtoiM  naiifflhcrlUli^Uedflrf  die  aieh  mYmAA  tot  den 
gewaltig:  zamenden  Cnltusreferenten  gegen  Vereiniileitaag  und  Verftineprindpiwi 

wandten,  hatte  man  sich  in  iiltramontanen  Kreisen  äe.r  Hoffnnng:  hinppg-ebpn, 
der  Lelirervprpin  werde  die  ihm  durch  seine  Geschichtef  wie  durch  seine  ehe- 
maligen, nua  verstorbenen  Führer  Urand,  Stranß  ond  Pfeiffer  vorgezeichnete 
Bahn  verlassen  and  sich  als  Uuterstützungs-  und  Geselligkeitsverein  etabliren. 
So  boeh  aber  auch  die  bijiiaalien  Iiehrer  in  iWem  geeonden,  woirirtbitlgea 
Chrietendunn  die  Scvge  flr  Witwen  nnd  Waiaen  ateflen,  blHier  stellen  sie 
doeit  die  Aufgabe:  durch  ErwHgung  großer  allgemein  pädagogischer  Fragen» 
insbesondere  Zeitfragen,  dnirli  Abwelir  liehlospr  Ang:riffe  und  Richtigstellung 
falscbpr  .AnRchuldiguugen,  liurcii  Einwirkung  auf  Behörden  und  Gemeinden  als 
Corporation  Zeugnis  davon  abzulegen,  was  der  Verein  zur  Hebung  und  Förderung 
des  Taterlladiscben  Volksschnlweeeiig  aoatrebt.  Das  beweiat  denn  wmk  der 
in  der  Fdiniannnimer  dea  „PBedagogiama*'  angenogene  NeqJaiirBartifcel  dea 
Kedact^urs  der  Bajiiachen  Lehrerzdtoag,  in  welchem  derselbe  seinen  nnd  des 
Vereins  Gegnern  offen  und  freimüthig  gegenübertritt;  das  beweist  ein  Anschreibt  n 
des  wackeren  1.  Vereinsvorstandep  Schnbert,  der  <!nrnn  erinnert,  dass  der 
Lehrervercin  im  Dienste  eines  zeii^emaßen  Schulweseim  Htehe  und  Principien 
verfechte,  die  sich  vom  beengenden  Confessiunalismus  befreit  haben,  dagegen 
anf  der  Gnmdlage  wabrer  Hmaaaitil,  eebterToierana  nnd  inniger  Beligioaittt 
aalisebant  lind.  Darum  die  ainnleae  Wntb,  dan«  die  Verieomdingai  i&d 
Beeohimpfungen,  mit  denen  Verem  und  Vereinsleitnng  seitens  der  Centnuns- 
presse  überhJluft  werden,  darum  die  Denunciation,  der  Lehrerverein  sei  ein 
„liberaler",  staatsgel^hrlicher  und  atheistischer  Verein.  Mit  pfäfäsclier  Lügen- 
haftigkeit und  jesuitischer  Eetzerrichterei  beschimpft  man  die  Besten  nnseres 
Standes  als  rohe,  pietätlose  Menschen,  deren  Ideen  wie  Würmer  an  Herz  nnd 
Blnt  der  Jngend  ind  des  Volkes  aebren,  als  MImter,  welehe  die  Fldagogik  te 
den  Strom  der  niediigiten  LeidenaeiiaA  gezent  und  trots  aller  Mabnung  auf 
der  Continuität  ihres  cynischen  Geschmacks  beharrt  haben.  Man  stellt  die 
unwahre  und  von  einem  mafilosen  Hass  gegen  den  Protestantismus  zeTiJr'"n<le 
Behauptung  auf,  dass  im  bayrischen  Lehrerverein  die  katholiselien  Mitgiitder 
ins  Schlepptau  des  ungläubigen  protestantischen  Kationaiismus  genommen 
wfirden,  und  behauptet  weiter,  dass  für  kfttbeüaehe  Lebrer,  welcbe  anf  dan 
Wert  ibrer  Oberbirten  noeb  iigend  etwas  gtben,  dea  Bleibens  im  Verein  niciig 
mehr  sein  fcSnne. 

Der  Bayrische  Lehrerverein  befasst  sich  aber  nach  seiner  vorhin  gekenn- 
zeichneten Aufgabe  weder  mit  politischeii  noch  mit  theologjschea  Streitsachen 
und  Zänkereien! 

Freilich  kann  und  soll  nicht  geleugnet  werden,  dass  viele  principieUe,  der 
modernen  Fldagogik  entsprecbende  Fordenmgen  dea  Vereine  mit  den  aebvl> 
politischen  Zielen  des  Liberalismas  ttberelnatinimen*  Wie  das  koguit?  Dan 
Wesen  der  modernen  Pädagogik  kennzeichnen  am  präcisesten  die  zwei  Dieser- 
weichen  Sätze:  Freie,  naturgemäße  Entwickelung  der  menschlichen  An- 
higen,  suwül  der  allg:emein-menschlichen,  als  der  individuellen^,  dann:  ,,Erst 
der  Mensch,  dann  der  Bürger,  dann  der  Berufsmensch!*'  Demnach:  Entwicke* 
lung  von  innen  berans  darcbSelbattbfttigkeit,  nicht  Aneignung  eines  fon  aitai 


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—  47Ö 


hfrantretenden  autoritativ  Gegebenen;  Activität,  nicht  Passivität:  Erziehung, 
mciii  Dressur;  Selbstbcstimintmg,  nicht  willenlose  Hingabe;  Erzieliung  zur 
Lebensgemeinschaft  aller,  nicht  Eecmtirung  für  Stände  und  kirchliche  Gemeiu- 
jehaften!  Wohbbiui  das  Wesen  desLibenttniiii,  ao  Tidgeetaltlgimdieblllenid 
denelbe  aneh  eteeheinen  mag,  in  der  Entrebimg  geenndm  FortMiurUti  imd 
Entwickelnng  aller  Institutionen  und  Formen  der  Caltnr  durch  Oew^imBg 
mOgUohiter  wirtschaftlicher  und  geistiger  freüieit  jeglichen  IndividTWUiis  besteht, 
so  mnss  anch  der  Liberalismus  die  alltremf^ine  Volksbildung  nicht  vom  Stand- 
punkt der  Dressur,  sondern  von  dem  der  nature-emäßen  Erzielmne-  und  diese 
wieder  vom  Standpunkt  der  Culturaufgaben  der  Menschheit  un  l  ni  tit  von  dem 
ein^  theologischen  Systems  erfassen.    Darum  ist  denn  aucli  nicht  aus  der 
b<wi^rftnkt4ffl(»nfe8si<mellenLeb«mnschairapg|8<»dflrnaM 
die  iB  kfibnemGeisteikanipfe  des  18.  Jabrlnniderts  gegen  mittelalteilifllie  Staat- 
Hebe         ipfyBMMm  Sneeblsdhaft  ■wtgfcMi^ij  der  Gedanks  einer  allgenuteen 
weltlichen  Volksbildung  geboren  worden.   Der  „lilienile  Staat"  hat  deshalb 
weiterhin  die  Dotation  für  die  Schulen  geschaffen,  vornehmlich  die  Gemeinden 
gezwungen,  Beiträge  zum  Bau  der  Schulen  und  zur  Besoldung  der  Lehrer  zu 
schaffen;  er  hat  die  Pers5nüchkeiteu  herangebildet,  welche  den  Namen  „Lehrer 
verdienen,  er  und  nicht  die  Kirche  hat  die  intellectuelle  und  sittliche  Bildung 
des  Volkes  in  die  Hände  genommen.    Andererseits  abei  haben  die  Hüter  der 
tndittoMllen  Pädagogik  nad  insbesonden  die  etodtealsa  Pirtelen  an  aUen 
Zeiten  Aber  YolksMIditag  Andclitett  geihabtr  die  ihnen  mit  Becfat  den  Vcnrarf 
der  IMIdnngsfeindlidikeit  eingetragen  haben.  St^  war  der  Staate  selbst  bei 
den  besten  Absichten  betrogen,  wenn  er  in  Schulfi-agen  Rath  und  Segen  der 
Knrche  erholte:  nie  hat  Orthodoxie  und  Clericalismns  etwas  für  die  geistige 
Hebnne:  df'^  Volkes,  für  Befreiung  von  Wahn-  und  Aberglauben  gethan.  Der 
^iitnialige  iurchenstaaty  Belgioi,  Irland  und  Spanien  sind  traurige  Belege  für 
diese  Behauptung. 

Da  es  nun  oioht  im  Interesse  des  Staates  liegt,  „durch  fortdanemde  Anf* 
redrterhahang  eenftssIoneUer  GegeniAtae  oder  gar  dnieh  BeirQnstigttng  der 
BtkMuig  derselben  nnd  ihre«  Hadeis  die  Sinheit,  Hannonie  im  Staate  n 
sehwichen",  so  dttrfen  die  Scholen  des  Staates  auch  keinen  eonteionellea 

Ohan^ter  tragen.  Ans  diesem  Grunde,  dann  aber  auch  ans  pädagogischen 
Erwilgungen  sympathisirt  der  Lehrerverein  trotz  aller  Verlcuradungen  der 
gegnerischen  Presse  mit  simultanen  Unterrieh ts-  und  Erziehungsanstalten 

Im  „Predagogium"  die  Gründe  für  die  Simultanschnle  erörtern  zn  v^olkn, 
hieße  Eulen  nach  Athen  tragen.    Vielleicht  schadet  es  aber  nichts,  wenn  wir 
an  dieser  Stelle  dar  weitverbreiteten  Iteürang,  dieSisinltansehnle  sei  die  Schale 
der  Zikanft»  kon  entgegentreten.  -  So  sehr  ^  es  au  würdigen  wissen,  was 
die  Sünultansdudsn  aar  Befördemng  reUgiOser  Tolerans  nnd  zur  BeMnng 
des  Lehrerstandes  von  der  Geistlichkrft  gethan  haben;  wir  vermögen  in  ihnen 
dwh  nur  eine  rlrr  vielen  Halbheiten  rn  erblicken,  mit  denen  sich  die  Gegen- 
wart  behilft,  um  einer  principiellen  Entscheidung  am  dem  Wei^e  zu  gehen, 
;      Sollen  Schulen  wirklich  zur  religiösen  Toleranz  erziehen,  dann  niuss  vor  allem 
'      Sa  eine  durchgreifende  Reform  des  Religionsmitenichts  gedacht  werden.  Der 
^tUgioiiBunterricht  der  Simnltanschulen  unterscheidet  sich  aber  nicht  im  min- 
i      ^'■^  Ton  dem  der  CkmfessionsaehnleQ,  ja  er  hat  den  Naehtbeil,  doss  er  nicht 
TCBi  Lehrer,  sondern  ausnahmslos  von  «dem  Geistlichen  ertheilt  und  damit 

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—   476  — 

|j€khmn  Mf  im  MlmAimtl  gestellt  wird.  Im  ICfttelpunkt  dei  gege»> 
wirtigmBeUgtotuitaificlit^  ieriMeb  uMUirtTOodMiGfiiftocIiMsObiiMniw 

and  Peatalozzi  ist,  stsbi  der  Katechismus,  tind  nlbit  jw  F&dagtog^ik,  die  mit 
viel  Lilrni  unrl  Gof^rhrei  ihre  ..wissenscliaftlicheii"  Waffen  gegen  den  didaktischen 
Materialismus  wrudi  sieht  in  der  Herausarbeitunj?  des  Katechismus  das  7Af\ 
dei"  religiösen  Unterweisnnfr.* )  Unserer  Meinung-  nach  sollte  aber  der  Kelierions- 
unterriclit  das  Herz  des  Kiudes  mit  lebendigem,  zu  Tkateu  treibendem  Gottes- 
•giAU  tdnin  «Dd  n  mf  die  aittUohe  LebentflUmng  dnwiriMii.  Wirftita 
wm  hlwlNt  in  völliger  ÜbaraiMtlBiaiimg  mit  dem  OhrirtwthiBM  aalbtl,  dMM 
aittUd»  Tendenz  alläberall  in  die  Angen  springt;  wir  sind  nns  hierbei  einer 
rr..trenfn  Nachfolge  desgöttliclifn  Mpi«tri  s  l,i  v>  nsst,  der  nicht  wie  die  Pharisäer 
uud »Scliriti jjrl'hrten  mit dog-matisciieu  Eri»rteritng-en,  sondern dorch Geschi'-'htfu. 
Gieiclmiäse  und  edle  TUateu  lehrte.  So  tinden  wir  denn  auch  den  hauptsäcii- 
Üdwtea  ^ff  des  Beligioosimterriolito  in  der  Geschichte  des  einen  Hensobea, 
die  niedergelegt  iet  in  dem  Bnehe,  „das  alles  in  Oott  soluuit,  alles  VergingUdie 
Bir  als  Gleidmis  des  Ewigen  betnieiitet  und  dem  BudlfaliiBi  seinen  Wert  nur 
nach  der  Beziehung  desselben  zum  Unendlichen  ausspricht".  Auf  Grundlage 
der  Bibel  i'^t  denn  auch  ein  alleenieiner,  simultaner  Eeli^'onsiniterricht  möo^liVh 
Nur  Nver  vergisst.  dass  fj:egenuber  den  in  der  Bibel  aiedergr  le^'n  ii  reliKiKsen 
Wahrheiteu  die  ganze  Weisheit  der  symbolischmi  Bücher  nur  uutorgeordnete 
Bedeatnng  hat,  nur  ner  Yergisst,  dasi  der  Heister  dM  Mewlsche  Ctoiete  som 
ewigw  Geeete  ftr  die  ganae  MeuseliMt  erhetwn  halb,  indea  er  dai  Snlevi 
Thun  auf  die  innere  Gesinnung  nrfickführte ,  kann  die  Möglichkeit  eiaei 
allgemein  christlichen  ReligionsTintcrrichtB  bestreiten.  Dass  wir  an  einem 
Religionsunterricht  auf  christlicher  Grundlage  festlialten,  hat  darin  seinen  (rrund, 
dass  wii-  die  höchste  sittliche  Vollkommenheit,  das  reinste  Menscheutiiom  in 
^r  Lehre  Christi  finden.  So  sagt  auch  Dksterweg:  ^^as  Christenthnm,  diese 
Bellgion  der  Uebe^  der  aUgemelnen  MenacheBUebe^  stellt  nna  daa  VeHaadetete 
und  Eriiabenate  an  Weisheit  aaf,  was  erdaeht  nad  anfjBertallt  werden  kann. 
Die  Christen  verehre  in  dem  Stifter  ihres  Oluibens  das  erhabenste  Muster 
aUer  Vollendung,  von  welcher  die  Geschichte  spricht;  die  christliche  Religion 
trägt  den  Keim  in  sich,  allgemeine  Menscheiii  -  liirifm  zu  werden."  Wir  wissen 
recht  wol,  das»  diese  Ansicht,  wie  auch  die  Sympaüue  für  die  schon  bestehenden 
fiteroHanadfaitaT«!  dem  flaariiillilrrfiiiikiamaa  derOgptmmpPOBao,  der  Kete«- 
xiehterel  katiMUadier  HetacapUae  oadortliedoiiarEiliner  ateAHieiiBnabeBaidi- 
Bei  wird.  Das  fleht  naa  wenig  an;  wir  wiaaea  ana  der  fleaehiefate  und  selbst 
ans  unseren  Tagen  nur  zu  gut,  welch  ungeheuere  Frevel  die  stolze  kirchliche 
Rechtglilubigkeit  zu  verantworten  hat;  wir  wissen  nnrh  writpr,  dass  die  Kirche 
der  Simultanisirung  der  Schule  nur  deshalb  wider. strebt,  weil  sie  mit  Grund 
befürchtet,  der  der  Schale  noch  heute  auklebeude  Charakter  einer  Weibeanstalt 
Ar  UnUlehe  fl  opoiMiiB'"**fl!fff  werde  deneHm  genommen  vad  die  Tramung 
der  Sdinle  ven  der  Xireka  etaa  endgültige  Thateadie  werden. 

Der  bayrische  Lehrerverein  hat  stets  in  matveller,  denFrlBfliidflnBtodemer 
PUdagogik  entsprechender  WeiSe  seine  Forderungen  erhoben:  er  wird  sich  darin 
nicht  beirren  lassen,  anoh  wenn  das  Centram  mit  dem  JiUnschreiten  eins» 


*)  Natürlich,  weil  ja  orthodoxer  (jonfessiunaiismus  ein  FuadamentalstUck  der 
aogenanntvi  wisMaaehaftliclien  FIdaMik  ist  (D.  B.) 


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—  471  — 


IjischSflieiieü  Ordinariats  drolit.  So  weit  sind  wir  doch  noch  nicht  ^^ekonimen, 
-diäkSA  man  einem  Stande  die  auch  ilmi  gai'autirte  Gewisseustreilieit  verküiuiuei'U 
künte.  ¥Mg  raek  te  CMttäSmm  ftstfcslttn  an  jener  iMViektigteB  Bncy* 
«iiitt,  «dehe  Mb  QtmimtauiMtäk  ftr  Wafanwlte  erklarte,  vag  er  aveh  am 

den  neserdings  hervorgeholten  Heinongen  und  Sätzen  eines  Tkomie  von  Aqidno 

Waffen  ftir  den  Kampf  gegen  die  moderne  Schnle  und  AMsHenschaft  sdiaieAan; 

die  bayrische  Lehrerschaft  wird  sich  keines  ihrer  Rechte  rauben  b'-s^n  Ttnd, 
getragen  von  der  I  berzeug^ung:.  dass  die  Zeit  trotz  allei-  Reaction  aut  eine  freie, 
lue nschbeitfiwürdige  Volksbildung  hinarbeitet,  iiir  die  Ideale  humaner  Pädagogik 
jederzeit  eintreten. 


A«i  ü  agara.  Umer  Sckobraeen  tot  noek  lange  nUkt  feUkonuinn»  befolgt 
aber  im  gtaam  eine  forteehiittUcke  Btoktangt  und  der  Venrettnig  deaeelben 

unter  unserem  aust^ezeichneten  ünteniebtnaintottr  Grafon  AlUn  Osaky  kann 
kfin  Unparteiischer  die  Anerkennung  versagen,  dass  sie  mit  Verständnis  und 
KitV-r  auf  stot*»  \'erbes;sernnfi'f  n  in  ihrem  Ressort  bedacht  ist,  ^?obei  die  ver- 
schiedenen bluicu  und  Kategorien  Gfieaüieker  BüdongsaDstalteu  mögliehst 
gleichmäßig  gefbrdeii;  werden. 

Für  das  Klein kinder-Bewahrwesen  war  besonders  wichtig  und  er- 
-fkealieh  dae  Znftandekonukoi  einee  daaneEben  eigene  geirldnietea  Oeeetiee, 
wkhee  naek  laagwierigen  Verkandiongen  im  Kai  1892  pronralgirt  wnde. 
Saaelbe  ist  bereits  im  13»  Jakrgange  8. 713  £  des  „Pesdagogiami''  ausfBkriiek 

!  dargestellt  und  beleuchtet  worden.  Seither  eind  demselben  die  erfSnrderlidben 
Dnp'hfülirnug's-Verordnnng'en  gefolg-t.  nnd  die  peplante  Institution  ist  in  der 
Yer-'.  u  klichung  begriti'en.  Zwar  hat  man  hie  und  da  bcliau}it'»T.  das  Unter- 
nehiikit  sei  verfrüht,  solange  die  Volksschule  noch  nicht  geniigend  entwickelt 
und  dorchgeiuiirt  uti  -,  mau  wird  aber  nicht  in  Abrede  stellen  können,  dass  hier 
gerade  der  Volkaeckak  ein  guter  Unterteil  geboten  werden  aoll  and  wird. 
Am  dem  mit  greier  TTmaiekt  bearbeiteten  Statut  für  die  Einderbewnhi^Sami* 
narien  beben  wir  ndt  beeenderer  Anerkennnag  berror,  daae  das  AftMgeMIde 

I    eurs  uns  Laien  bestehenden  Directionsratha»  denen  driickende  Lait  in 

I    <1eQ  L  e  h  r  e  r semmarien  schwer  gefühlt  wird,  ¥on  den  nenen  Annfjfctten  gftnnli  cb 

'    ausgesclil Mssen  ist. 

I  Wie  Liust  die  Regierung  ihre  Aufgabe  erfasst  hat,  ergibt  sich  auch  dar- 

I  ans,  datö  sie  bereits  zwei  Seminare  zur  Heranbildung  von  Kindergärtnerinnen 
i  ttuL  Wärterinnen  errichtet  und  außerdem  ein  bereits  bestehendes  Lehrerinnen- 
talnar,  daa  n  Preesbaig,  derart  ei'weitart  bat,  daae  ee  anglekh  Elndeigtrt- 
aocianen  kevansaatekea  im  Stande  nnd  berafm  iat.  Daa  «rate  eigens  der 
\  Kkiakindemrziehnng  gewidmete  Seminar  wurde  am  5.  Decemb  :  isnj  2U 
H6dme2ö-yäs4rhely  mit  80  Zöglingen,  5  Lehrern  und  1  Wärterin  im  Beisein 
des  Min.-Rathef»  (Tforg  SzathniAry.  der  de?i  ^fini.ster  vertrat,  eröffnet.  Die 
Stadt  hat  zur  Krrichtung  des  Institutes  70  (HA)  (uilden  beigesteuert,  und  in 
"Weiten  Kreisen  liat  die  Inauguration  dieser  neuen  Kategorie  von  Bildungs- 
^B^teu  große  Begeisterung  hervorgerufen. 

Die  Volksschullehrer  kielten  ihre  letste  HaaptvenammliagamST.nnd 
28.  Angnt  In  Szegedin  ab.  Ana  den  Verbaadlmigen  sei  kerrorgekoben,  daea 
die  tJbenMngoBff  mm  Anadmek  kam,  andi  dia  beate  Begienng  Teralige  ebne 
die  DntmtOtnng  dnrek  die  (MBntUcke  Hefaraag  keinen  darekadhlagenden  Er- 


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ll%  zu  erzideo,  Wflilialb  den  allgemeinen  Cultarvereiiiea  eine  wiehtige  Aifipibe 
miSdle  «Bd  der  Lehrer  aMUt  «nf  die  BBdUff  der  BrwaeheaieiiEiiiilniBeluMa 
mflese.  BezfigUcli  dee  Schnlnnterrichts  wurde  insbesondere  v&t  Überhänfting 
mit  Lehrstoff  g^ewamt  und  die  Pflege  der  Selbetth&ti^keit  betont.  —  Bezüglich 

der  materiellen  Stellung  bleibt  auch  hpi  flen  nngarischen  Volksschullehrern  noch 
viel  zu  wünschen  iibriff;  bis  jctirt  komiitu  sie  nur  das  erreichen,  dass  die  Ke- 
gieruug  dei^jenigen,  weiche  von  den  Gemeinden  nicht  einmal  das  Minimum  von 
300 1.  erlntteii,  die  entepreebeBde  B^ginmif  Icirtet 

Auf  der  Veweinnilmg  der  Hltteleobnl^ProliHHorai  Ea  Preeebnig  im 
Juli  1892  kamen  u.  a.  die  Ju^endspiele  und  Scliülerausflüge,  die  Leitfi^dea  fir 
den  TJnterriclit  sowie  die  Bücher  für  Ju^endbibliotlieken  zur  S'prnche.  In  dem 
Verein  der  Mitteischulprofessoren  ist  femer  für  Frage  der  Einheitaschnle  eifrig 
behandelt  worden.  Im  allg-enieinen  st^Wte  man  sich  dabei  auf  denselben  Stand- 
punkt, der  in  der  £n<^uete,  über  welche  wir  im  vorigen  Jahrgang  dieser  BlMter 
8.  618 fllberielitel haben,  am  meisten  Fremde  halte,  nirdaae  eineErweiteniiiff 
der  Mitteliehvle^  sei  ee  naeh  unten  oder  oaeh  oben»  abo  entweder  durch  eine 
Yorbereitungs-  oder  eine  Ergänzungsdasse,  nur  noch  nachdrücklicher  gefordert 
wurde.  Mit  Befriedigung  haben  wir  dem  gegenüber  eine  Fliig;schrift  von 
Franz  Xaver  Kem^ny  gelesen,  das  eiste  objective  "Würt.  welches  seit  Jahren 
ein  Mittelsclml-College  in  dieser  Streitsache  gesprochen  hat.  Kemeny  würde 
eine  eeehadaaiige  Hifttelecfanto  anf  der  Qmndlage  einer  aeehadassigen  Vdk» 
aefanle  Ar  die  beate  Sefaolorganieation  hatten,  da  der  Untenicbt  in  den  awai 
elften  (nnteren)  Glaasen  der  ^littelschule  ohnehin  nur  propideutischer  Natur 
sei.  Doch  stünden,  meint  K.,  dieser  Einrichtung  derzeit  zwei  ümstrinde  im 
Wegre:  Erstens  sei  unsere  Volksschule  noch  nicht  hinlilnglich  entwirkelt,  und 
zweitens  wiire  es  nicht  lalhsain,  die  künftige  Intellig^enz  der  Nation  einem 
Eiuüusse  auszusetzen,  welcher  die  Ausbildung  des  staatlichen  Gemeingerühls 
aeli&digen  kSunte.  ffiergegen  ist  m  hemerkeo:  wenn  die  Yoihaechnle  nnvoO» 
kommen  iat,  mnas  man  sie  yerbemeni,  nnd  wenn  in  derYelkMeiuiltt  eiehadkld- 
liehe  Kinfltleee  geltend  machen,  eo  ist  dies  ffir  die  Erstehnng  des  Volkes  nUdit 
minder  nachtheilig,  und  ninss  daher  nnrh  hh-r  Abhilfe  geschafft  werden. 

In  Sachen  der  Lehrerbildung,  nämlich  der  Bildung  der  Volksschnl- 
lehrer,  stehen  derzeit  zwei  Fragen  im  Vordergründe.  i>ie  erste  betrifft  den 
Lehrplan  der  Seminare.  Im  Jahre  1868  erhielten  dieee  Anstalten  einen 
Bildnngiennas  ra  3  Jahrgiagen,  im  Jahre  1880  worde  biem  noch  ein 
4,  Jabigaag  geffigt.  Der  Lehrplan  mit  3  Jahrgängen  war  einmal  Terbessert 
worden,  und  auch  der  mit  4  Jalirgängen  hat  bereits  eine  Änderung  erlebt. 
Daf:s  di»^Kelbo  nielit  befriedigt,  geht  daraus  bervnr,  dass  d^r  Seminarlebrer-Vfr- 
fciu  eine  aberui:üiL>  Revision  des  Lehrplanes  berath^n  nnd  einen  hieraul  bezüg- 
lichen Vorschlag  dem  Landeaschnlrath  übei-eicht  hat.  Wie  die  Entscheidiing 
ansMen  wird,  steht  dabin;  sollte  sie  aber  den  Pian  des  Sendnarlehrer-Yereina 
nnT«rändert  gntiieüSen,  so  würden  die  Seminaiisten  noch  mehr  &berbttrdet 
werden  als  Usbcr.  &  sind  in  diesem  Plane  den  Fofderongen  der  einneineB 
Faclil'^'ltrf^rgruppen  zu  große  Zugestiindnisse  gemacht  worden.  Zwar  kann  man 
es  nur  rühmen,  wenn  jeder  Fachlehrer  für  seinen  (iegenst^d  bee-f^^i^tert  ist  und 
daher  mehr  Zeit  beansprucht  Allein  es  mussauch  mit  gegebenen  \  erhältni&seiL 
gerechnet  werden,  und  demgemäß  muss  die  Oberleitung  den  Eifer  der  verschie- 
denen Fachmtoaer  ins  Oleicbgewieht  na  hrfaigen  soehen.  ^  Dia  swcifalTrag^ 


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1 


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tctilHl  die  Mdnog  der  Seminarlehrer.  Hier  stehen  sich  zwei  Mrinniifeii 
schroff  gegenüber.  Die  einen  wollen  das  Bodapester  Pädagoginm,  die  anderen 
die  Universitnt  Bildungrsanstalt  der  künftigen  Seminarlehrer  anerkannt 
wissen.  Jeiit  inr  iuen,  diegesammte  Senimai  i'iliIiiniT  miipse  aus  der  Volksbildung 
heranswachfien  und  legen  das  Hauptg^e wicht  aut  «lie  praktische  TftcbtigkeiL 
Diese  betonen  hauptsächlich  die  wissenschaftliche  Durchbildung  and  meinen^ 
dMi»  mam  die  SenfauurkliTOr  den  Mittelidiiil'Pniftitoreii  gkidigoslellt  sein 
woUen«  sie  aodi  ^e  dfate  du  TJalTenititefeiidiviii  tSbmÜitkm  m%mtL  Biiw 
vermittebide  Andelit  geht  dahin,  die  Candidatea  dm  SemlaarleiHreramteB  sollen 
d«r  Hauptsache  nach  im  Budapester  Pädagogium  amgebildet  weidai,  daneben 
aber  aoch  etlicbe  GoUegiea  an  der  UniYenitiU  bfiren. 


Ans  der  Fachpresse. 

65«  Morlts  Heger  (M.  Ekinert»  A.  D.  L.  1898»  7).  Oedftehtalsnde 
aaf  den  bekaimten  Dresdner  Sehnldireetor  (f  1892),  der  die  Eotwickelnng 
des  stchsischen  Lehrerstandes  wesentlich  gef5rdert.    EL  nennt  ihn  „den  Hann 

zugleich  der  Initiative  und  Executive"  und  schildert  hau])tsilchlich  sein  ungre- 
wöhnliches  ^Organisationstalent-*  und  seine  Tb-ifiirkpit  für  den  siSchpischen 
Pestalozzi- Verein.  Er  war  „der  Thätigptt n  tmei  .  einf  t  1 1er  Führer  und  Küfer 
im  Streit",  ein  Mann,  „welcher  in  Hede  und  Schrift,  diu  cii  Sorgen  und  Schaffen 
fttr  die  Hebosg  des  Lehrerstandes  und  für  die  Förderung  seiner  Literessea 
xsiOot  seine  eigene  Kraft  einsetate". 

66.  Nenjahrsbetrachtnng  (Sehpr.  1893,  1).  Von  HeravsgstMr  der 
Schpr.  (fi.  Sejftit).  n^elt  langem  beschäftigt  mich  der  Gedanke,  dass  der 
Lehrerstand,  wenn  er  nur  wollte,  sich  vieles  leichter  machen  könnte.  Die 
erste  Bedingung  wäre  die,  dass  alle  olfenbar  unnütze  Arbeit  überhaupt  weg- 
fiele —  <itf»  '/Ayf^lte  und  wichtigste,  dass  das  Princip  der  A rbeitstheilnng  mehr 
Macht  gewönne  —  die  dritte,  dass  die  Erziehnngs-  und  besonders  die  Unttjr- 
riditaarbeit  psychologisch  richtig  urganisirt  würde  —  und  die  vierte,  dass 
jeder  jede  Axtieifc  so  yeirlehte,  dass  eine  Wiederbolong  derselben  Arbeit  mit 
donseUieii  Eraftanfvand»  nnnOthig  wJIre.''  IMe  „Dentnng  dieser  dnnUen  Worte* 
toD  „demnädist  zum  best^  gegeben  werden  ~. 

57.  Über  die  sittliche  Freiheit  (H.  Schwarz,  N.  B.  1893,  L  H). 
Ein  Besprechung  der  1892  in  zweiter  Auflage  erschienenen  Schrift  von  Dittes. 
Hecensent  tindet,  dass  „D.  einem  System  Ausdruck  e\hf.  d;i-:  den  unbedingten 
Charakter  des  Sittlichen  ohne  Voraussetzung  der  \S  illensü'eilieit  festhält:  es 
ist  der  Plan  und  die  Absicht  Gottes  zu  einer  sittlichen  Weltordnuug,  die  Bich 
in  jener  Stimme  unbedingter  Giltigkeit  dem  znm  Guten  oder  Bösen  bereits 
prtdetennlnirten  menschlichen  fiewossMn  ankfl&digt^    „Die  siltUehe  Frei- 
^leit,  weldie  D«  sehUdert»  nnd  sn  der  er  In  fdgetlcfatlger  Oonseqnens  seiner 
I^f&missen  gelangt,  ist  nichts  anderes  als  sittUche  Gebnndenheit/'  ^Sofern 
aber  solche  sittliche  Gebundenheit  als  ein  Freihleiben  von  verwerflicher  Leiden- 
scliaft  sicli  'Inßerlich  manife^tirt.  kniin  sie  mit  einer  relativen  Ausdmcksweise 
als  «itiliche  i'reiJieit  bpzpi^linet  werden."  —  Schließlich  verweist  Schw,  dar- 
wie  vortheilhait  dti  von  D.  entwickelte  Begriff  der  „sittlidien  Freibeif* 
^agogißch  zu  verwerten  bei. 


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58.  I>iti  K iiHitii  beobachtllüg  iu  Haus  und  Scliule  fK.  Tenpser. 
C  UX  [1893J,  1.  2).  „ich  wUnschte,  das^  m  zur  Fanuüeubitte  würde, 
für  JeiM  Kind  da.  Lebeuilbni  «t  ftthm,  tat  ta  Täter  nd  Hvttar  Um 
Beobadktmigai  rinwridaf .   Ich  Utanrte  tnit  kaiM  sehSnan  Ifitg»!»  ilr  ta 

 iinIwilMll  Jfin^ilir»  feein  wertvolleres  Brautgeschenk  für  die  dA8  Eltern- 

hans  verlassende  Jnnfffran  denken,  als  eine  solche  Darstellung^  ihrer  eij^enen 
Entwickelung.  recht  geeigrnet,  manches  Kiiths«'!  ilirr??  eigenen  Ichs  ihnen  zu 
lösen."  —  Auch  der  ^Emeitemng  der  CeJDSttrtJubucher  za  Indivi^iaUtäteB- 
büchem"  redet  T.  das  Wort. 

69.  Bin  ABC  der  BritehiiBflrifeiiBst  (f.  BaniU,  Sek  H.  1809, 
DaM  dlsMt  einihehe  ABC  ntnobci  «iviiMiMliallUdin**  Baoept  an  Wdshait 
übertrifft,  indgen  folgende  Sritze  bezeugen:  „Unterscheide  genau!  Die  Lieb- 
losigkeit, die  Bosheit,  ist  unbe<iinprt  verdammenswerter  als  die  Ungeschicklichkeit, 
die  Unvorsichtigkeit.  Jliito  dich  zu  Iciireu:  Dass  es  gefährlicher  sei.  ein^ 
Dummheit  zu  begehen,  ak  eine  Sclilechtigkeif  »Sage  nicht  ohne  Überlegung 
■ja  oder  naiat"  |,Oali«  nicht  fiber  die  aiatan  Anatdian  TOn  UhgabDuam  liiii- 
weg\  OdrarMon  iat  die  Onndtigand  efnaa  adlan  Ohainktara.*  «Dnldanialit^ 
dass  sidh  das  Kind  über  die  widitigsten  Formen  des  Umgangs  Unwagaat»!** 
„Achte  auf  die  körperliche  Schönheit  des  Kindes I"" 

60.  Allen  55olI  alles  e-elehrt  werden  (K.  Weiß,  Ref  1893,  2—7). 
Die  Idee  der  allgemeinen  Volksbildung  in  ihrer  gt\scliichtlichen  Knt\nckelnng 
seit  Comenius.  Die  Stellung  unserer  Zeit  zu  der  Forderung:  Gleiches  Bü- 
dnngsredlit  Ar  aUa.  Dia  Gagnar  dar  „allgemaiaan  Volkawliiile*;  dann 
„grOfttar":  Dia  GonfifiaBionnelinla.  (Der  Äritik  das  ^ rtinfwlniialtamii"  and 
der  Rechtfertigung  des  „confessionslosen"  [doek  „etariaÜklian']  „Baiiglon§> 
Unterrichts"  ist  das  Haüpt.«:tilek  des  Aufsatzes  gewidmet.)  Die  Padagt>gik 
wll  ,.sich  bewußt  werden,  das  sie  es  beim  Jugendunterripht  nur  mit  dem  All- 
gemein-Menschlichen und  dem  Allgemein- Jieligiösen  zu  thuu  hat".  (W.  theilt 
«na  einer  Urkunde,  die  1784  dem  Turmknopf  einer  Öotbaer  Kirche  eiugeiugt 
irordan,  folgende  Sfttae  mit:  ,,U»nre  Tage  fOllen  den  gMeUiahatoi  Zeitraam 
des  18.  Jahrhunderts.  Kai^,  Ktalge,  Fttrsten  steigen  von  fhnrgefttrchtetci 
Höhe  menschenfreundlich  herab,  verachten  Pracht  und  Schimmer,  werden  Vftter, 
Freunde  und  Vertraute  ihres  Volkes.  Die  Religion  zerreißt  das  Pfaffen ge wand 
und  tritt  in  ihrer  Göttlichkeit  hervor.  Aufklärung  geht  mit  Eieseuschritteu 
•vorwärts.  Glaubeusha^s,  üewissenszwiuig  sinken  dahin,  MenschenUebe  und 
Freihalt  im  Danken  gewinaan  diaObatlMiid;  Kanata  nad  WlawnaohafteB  feaUmn» 
nnd  tief  dringon  unsere  BUeke  In  die  Waifcstett  dar  Matar.  HmduoriBar 
TKihem  sich  gleich  den  Künallani  ihm  YellkoniHianheit;  nitdiaha  ^*mityiifTf 
ItetBien  in  allen  Ständen.") 

Hl.  Erzieht  zur  Arbeit  (Hess.  1893,  1).  Ein  trefflich  geschriebener 
kleiner  Aufsatz:  Verf.  entwickelt  seine  Gedanken  streng  folgerichtig  und 
kleidet  sie  in  erfreulich  knajipe  Form.  Seine  Kems&tze:  Als  Stätte  der  £r- 
dehmg  earAiMt  masa  die  VoUnaohola  daaVoUkonuaenste  anlelatea  haatniit 
aein,  falls  sie  den  Namen  einer  Sageosanrtalt  fSr  die  M^Mdüielt  baaaspnnkt. 
—  Die  Schularbeit  liegt  im  Unterricht.  In  demselben  Maße,  wie  dessen  Oränd- 
lichkcit  zunimmt,  wächst  die  Arbeit  nnd  damit  -^elne  Redeutung  fBr  die  Er- 
ziehung zur  Arbeit.  —  Der  Gründlichkeit  des  Schulunterrichts  aber  .ntehen  in 
der  Unterrichisjiraxis  der  Gegenwart  mehr  oder  minder  hinderlich  im 


I 


—  481 

eine  unzwecknülßi^e  Lehn^^eise  und  ebensolche  Lelirpläne.  \  erui  tin  ihmg 
der  ^KatechesirkunBl*^ :  Allein  in  der  Vertiefung  uud  iü  der  fortwährenden 
NMugong  BV  ammmcBhäugeudm  DanteUmiT  der  twdite  Ansporn  zur 
AML  Verwarfeng  dir  l«aidavllg«ii  «WleMiolnsen":  IQiQhl  in  einer 
Aflttdadnui^  luJib  vwrgMMMMir  TfHftmufipwi,  iwnflfin  i&  dar  Boftiftigiiiiflf  mdl 
VerioMriiehiing  eines  rechten  Wissens  liegt  der  Zweck  der  Wiederholmif,  — 
Zu  fordern  ist  durchweg-  eine,  bedeutende  Verminderung  des  Stoffes.  Biete 
ledeutet  keineswegs  ein  HerimtordrädLeii  der  VoUulNUdBiig,  aondom  ein  Streben 
nach  gesimder  Volksbildung:. 

62.  Anfsatznoth  und  A  nfsatzfrende  (C.  Knimba<^h,  "Dontsrh  I\ 
Verf.  will  zeigen,  „wie  man  olm*  die  bis  ins  einzelnste  geli*  ti  1<  methodische 
Zarichtnng  Atifkat^Tiotli  bannt  niid  Aufeatzfrende  schafft."  Kiiiik  und  gutes 
Beispiel;  doch  nichts,  was  nicht  schon  von  andern  gedacht,  gesagt,  geübt 
woideft  irtn.  Immcriiiii  Bdifttasenawert,  da  mit  dem  Anlbats  noch  viel  ünfeg 
getrieben  wird.  viele  ftUen  <•  B.  noch  gegen  das  Gmndgeeets:  ,yWie 
der  Bede,  so  gebftrt  auch  dem  Anibats  die  freies te  Bewegung." 

68.  Die  0eograpbie  in  der  modernen  Sehnle  (R  Zollinger,  Sdiw.P. 
1893,  I).  i^Geographie"  sollte  man  (sacbgenAfl)  nicht  mit  „Erdknnde'S' 
rnndenimit  „Erdoberflächenknnde"  verdentschen.  Angemessene  „Betraehtongi* 

weise  unseres  Faches":  die  naturwissenschaftliche.  Der  Geograph  mnss  Geo- 
logie, BoUinik,  Znoloerie  m\<\  Antbrupologie  studirt  haben.  Daher:  „kann  die 
Geographie  nicht  einein  behondtien  Verti'eter  übertragen  werden,  su  ist  ihr 
einzig  gedient,  wenn  sie  mit  den  Natui-wissenschaften  in  eine  Haud  gelegt 
vird.'*  „Eine  solche  Combination  hebt  das  Fach  nicht  nur  materiell,  sondern 
aodi  fomell"  (entwiGkelnde  und  Teransdianlichende  Lelirweise  der  indneti?en 
WisBeaschaftent).  —  „Wenn  ein  Gebiet  des  GeograpliieanterriQlits  dnrch  die 
Mtarwissenschaftllche  BehandlnogBWeise  gewinnt,  so  ist  es  das  Karten  zeichnen.** 
Man  beschreibt  ein  Land  wie  einen  Natorkdrper,  nnd  zeichnet  jenes  wie  diesen: 
1  h.  „man  entwirft  blos  diejenigen  Theile,  welche  dem  Geist  des  »Schülers 
l^iesonders  nahezufnhren  sind,  weil  sie  vom  bloßen  Auge  nicht  gesehen  werden 
können,  oder  weil  sie  besonders  inter«;sante  Beziehungen  darstellen."  , .Nament- 
lich soll  durch  besondere  Ökiiizeu  auch  die  dritte  Dimension  zur  Eatvvickelnng 
kommen.'*  Gnte  (mit  Anwendnng  TerscUedener  Farben  geaeiehnete)  Skizzen 
Lehrers  n^erdienen  es,  von  den  Schttlem  abgezeidmet  za  werden". 

64.  Das  Zeichneu  im  geographischen  Unterrichte  (Bad.  5). 
iM  sebe  das  Zeichnea  nicht  alr  die  Hanptsaelie  aa  nnd  mOdite  es  nleht  an 
4ie  Stelle  der  Ansehammg  anf  dsr  Karte  geeetit  wissen;  sondern  ieh  benfttse 
^8  nur,  um  die  rSnmlldien  Merkmale  besser  herronoheben,  aaf  wekfae  sidi  die 

Aufmerksamkeit  der  Schlllsr  an  richten  hat,  oder  um  Eigenschaften  zur  An- 
sciiauanof  zu  briniren,  die  man  anf  d^r  Kart*-  nicht  unniittolbar  walirnFhmcn 
kann;  kurz,  icli  benutzt^  es,  um  d^n  Unterricht  anschaulicher  und  intensiver 
zu  gestalten.  Ich  greife  zu  diesem  Hilfsmittel,  je  nachdem  ieh  es  für  noth* 
*ö^g  halte  nnd  je  nachdem  die  Verhältnisse  es  erlauben.  Ich  habe  dabei 
^  Beobachtung  gemacht,  dass  darch  das  Zeichnen  das  Interesse  geweckt  und 
gehslten  wird,  ein  Umstand,  der  sehr  in  die  Wagschale  AUt  Da  die 
Aafmerkaamkeit  der  Schwer  immer  nor  avf  das  gelenkt  wird,  was  sie  in  der 
^■^Mimden  Stunde  lernen  sollen,  so  wird  die  Ansehanong  krSftiger,  die  Anf- 


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—  482  — 


lussnns^  schärfer;  die  Begriäe  werden  deutlicher,  und  der  Uoterrieht  wird 
lebendiger  miA  naehheiltiger.'' 

66.  Die  CorreetnreB  beln  Zeichnen  (Die  Kreide  1892,  XU).  Die 
beiden  Hanptnrsachen  der  gewöhnlichen  Zeichenfehler:  mangelhafte  Anfifassonif 

önd  handliche  üngeschicklichkeit  der  Darstellung.  Die  entsprechenden 
n Heilmittel^' :  beiersterem  das  erklärende  Wort,  bei  letzterem  die  verbessernde 
Yorzeichnnng.  In  beiden  Fällen  Massen-  oder  Einzelcorrector  möglich.  — 
In  seiner  eigenen  Zeichnong  mache  der  SditUer  die  Carrectnr  selbst,  „und  Mit 
de  launer  wieder  ungenügend  au,  hat  der  SchUer  niebfe  Venafigen,  den 
Fehler  m  beieltigen,  m  bleibt  dieier  einfach  in  der  Zeichnongefttta.'*  JBmI 
der  Lehrer  einmal  anfdem  Blatte  des  Schülers  (am  Rande)  etwas  vorgezeichne^ 
80  bleibe  auch  dies  stehen,  wie  es  ist.  Man  sehe  dui«  va  nicht  als  eine  Yer- 
schimpflrang  des  Blattes  an.**  Freilich  gilt  die  Forderung;  Jegliche  Vor* 
Zeichnung  des  Lehrers  sei  eine  mdglichst  peinliche,  zugleich  schöne. 

Seit  etUehen  IConaten  eiaeheint  in  Kiel,  FalchatnUe  9:  ^libii«««  Chrieten- 
thnm.   Volksschrift  zur  Förderung  der  Bestrebungen  M.  von  Egidy's,  unter 

dessen  Mitwirkung  vierteljährlich  herausgegeben  von  Lehmann-Hohenberg, 
Professor  an  der  Universität  Kiel."  Preis  des  Einzelheftes  50  Pfennigre,  des 
Jahrj^anges  2  Mark.  Diese  Volksüchnft  ist  bestimmt,  alle  zu  einer  wahihaft 
christlichen  üemeiu&amkeit  zu  sammeln  und  dem  deutschen  Volke  zum  Bewusst- 
aein  sn  bringen,  dees  ee  in  seiner  Hncht  liegt»  in  Bilde  sn  Zustanden  n  ge- 
langen, welche  einer  höheren  Culturstnfe  in  der  Sntwlckelung  der  Menidiheit 
entsprechen.  In  dieser  werden  keine  Kriege  zwischen  den  großen  Cnlturstaaten, 
keine  Revolution  und  keine  geistige  Knechtung  mehr  möglich  sein;  yielmehr 
werden  die  Meuischen  in  Erkennung  ihrer  wahren  sittlichen  Pllichten  durch 
opferfreudige  Hingabe  au  die  Gemeinimmkeit  zu  eiuem  glücklicheren  und  für 
die  Znkonfl  hoflkinngsfreadigeren  Dasein  auf  Srden  gelangen,'*  —  DieseB 
Unternehmen  gehSrt  ohne  Zweifial  an  den  erfreulichen  Zeichen  der  Zett»  da 
es  bezeugt,  dass  die  cnltnrellen  Bestrebongen  wieder  mehr  Boden  gewinnen, 
nnd  die  löbliche  Tendenz  verfolg"t,  den  Dosrmenzwang  und  die  Priestt-rheiTschaft 
ZU  beseitigen  und  an  ihre  Stelle  eine  vernünftige  Selbstbestimmung  zu  setzen. 


Von  den  „Mittheiluugeu  des  Vereins  zur  Pflege  des  Jugendspiels",  nd. 
Yen  Dr.  Leo  Bnrgersteln  in  Wien,  ist  das  zweite  Heft  eFBcfaienen.  Vergl. 
hienn  nnser  Jsnnar-Heft  S.  268.  . 


Herr  Johann  Weixl,  Oberlehrei-  in  Ganis  bei  Marburg  in  Steiermark, 
hat  eine  neue  Schulbank  ronsti-uirt,  der  viele  Vorzüge  in  untern<^htUclier 
Uiusicht  uachgertthmt  und  auch  vou  ärztlicher  Seite  alle  hygienischen  \  oriiieile 
zuerkannt  werden.  Es  dürfte  sich  empfehlen,  im  BedarftfUle  dieser  neuen 
Schulbank  Beaehtnng  angedeihen  sn  lassen. 


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KecensioueD. 


Pftdagosisebes  Jahrbiieli  1892.  (Der  pidagrogiachen  JahAfidiar  flbif* 

zehnter  Band.)  Heraasgegeben  von  der  Wiener  Pädagogischen  Gesellschaft. 
Redi^t  von  Ferdinand  f'rank.  Wien  1893,  Ma&z.  X  und  228  S. 
X  fl.  50  kr. 

Die  Wiener  Pädagogische  Gesellschaft,  zu  den  angesehensten  Vereinen 
ihrer  Art  gehörend,  vridmet  sich  voizugsweise,  ja  fast  ausschließlich  der  Pflege 
der  pädagogischen  Wissenschaft  und  Kunst,  was  um  so  mehr  AnerkennuDf 
■verdient,  als  derzeit  die  äußeren  Angelegenheiten  der  Schule  und  desLehrer- 
standes  da«  Interesse  und  den  gegenseitigen  Oedankenaustausch  der  Standes- 
genoaien  flbenn&8tg  bMinftttSMO.  Da  ist  ^  in  der  That  ein  Verdienst,  den 
(•12-'" ntlicben  Lcliensnorr  und  Ehrenpiinkt  des  pädagot?ischen  Berufy,  die  fach- 
männische Tüchtigkeit,  hochzuhalten,  weil  sonst  der  Lehrezataud  die 
Fihigkeit  und  mit  iSr  das  Anreoht  TCilieren  ^vttrde,  in  der  Anflstoht  und 
Leitung  des  Schulwesens  die  Stellung  einzunehmen,  welche  er  verlaugt. 

DaB  neue  .TfthT^n^h  der  Wiener  Pädrifrocfischcn  Gesellschaft  gibt  abermals 
2f6a^i8  von  dem  regen  und  fnuhtl^aren  Strebeu,  da»  seit  ihrem  Bestehen 
ununterbrochen  in  ihr  gehemcht  hat.  I>ie  im  letzten  Jahre  in  ihrer  Mitte 
gehaltenen  drei  Festreden  von  ]\I.Zen-  V.  Haunak  und  Ed.  Sicc^ert,  welche 
an  der  Spitze  dieses  Bandes  stehen,  bind  der  K^e  nach  der  Jilrinnerung 
an  den  tot  86  Jaltren  abgehaltenen  ersten  Qsteneidiiflohen  Lehrertag^  der 
Feier  des  300.  Geburtstages  Cunienius'  ur.  l  d  r  im  Vereine  alljilhrlir.h  wieder- 
kehrenden Peatalozziteier  gewidmet.  1  »araui  tolgen  fünf  fachmännische  Vor- 
trSg-e:  1)  über  experimentelle  Psychologie  von  Dr.  Hannak,  2)  über  Geist  und 
%arache  in  ihrer  Wechselwirkung  von  Ferd.  Frank,  3)  Über  Charakterbildung 
von  V.  Zwilling,  4)  Ober  die  Pflege  des  Rechtsgefühls  von  J.  Dichler,  ö)  über 
das  Freihandzeichnen  au  Lehrerseminaren  von  F.  Steigl.  Von  den  lebhaften 
Debatten,  welche  sich  an  diese  Vortrtge  anseUoesen,  nnd  Skizzai  beigeftlgt. 
Hieran  reihen  sicli  drei  eingthendc  Referate  von  F.  Frank,  E.  Eybiczka  und 
F.  Buchn^er  über  beachtenswerte  schuimännische  ^Jchhltwerke  der  Gegenwart. 
Ben  SehhiBB  bilden  1)  eine  Schnldunmik  von  1891—1899  (nieht  anf  österreieh 
besehränkt),  2)  eine  Sammlung  pädagogischer  Themata  und  Thesen,  3)  eine 
Darstellung  dps  pftdaj'nfri'^ehen  Vcreinsweeens  in  <*>«!terreich ^  alle  drei  Artikel 
vcrfasst  von  Ferd.  iiauk.  —  Wir  halten  es  für  übcrtlilssig,  dieser  Inhalts- 
angabe ein  Lob  der  einzelnen  Arbeiten  beizufügen,  da  es  in  der  Schulwelt 
längst  bekannt  ist,  dass  die  Jahrbücher  der  Wi(  ner  Pädagogischen  Gesellschaft 
nur  Gates  bringen.  Hervorheben  müssen  wir  jedoch,  dais  der  nunmehrige 
fiedactenr  des  Weites,  Herr  Ferd.  Frank,  seinem  Terdienstvollen  Yorgäuger 
und  Vorsitzenden  des  Vrreins,  Herrn  M.  Zens,  würdig  zur  Seite  steht.  IT  irr 
Frank  hat  einerseits,  wie  aus  obigen  Anführungen  ersichtlich  ist,  eine  ganze 
Reihe  wertvoller  und  umfangreicher  Beiträge  für  den  vorliegenden  Band  ge- 
liefert, anderseits  die  Siebtang  nnd  Dineklegung  des  Gauen  in  nrasteiliafter 
Weise  besoigt. 

Ii  lUyer,  Prof.  Dr.»  Entwicklung  und  OrganiBation  der  Volkshiblio* 
theken.  116  S.  Leipzig  1893,  Wüh.  Engelmaiin. 

Eine  vorzügliche  Arbeit,  die  unbedingt  zu  den  besten  ihrer  Art  trerechnet 
werden  muss.  Besser  al3  hier  kann  die  culturelle  Bedeutung  der  Vuiksbiblio- 
theken  nicht  dargelegt  werden,  und  da  diese  Anstalten  zweif^los  zu  den  besten 


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Stfitsen  der  Volksschule  gehören,  so  sollte  besonders  der  Lehrerstand  die 
schöne  Schrift  von  Prof.  Reyer  verbreiten  helfen,  damit  immer  mehr  Gemeinde- 
verwaltungen und  bildungsfreundliehc  Vereine  zur  Errichtung  vrtlkHfbflinlifhpr 
Büchereien  angeregt  werden  und  zugleich  ijraktiscbe  Anleitung  hier/u  erhalten. 
Denn  gerade  dies  vermittelt  die  Schrift,  welche  die  bezüglichen  Loistun^ea  aller 
Culturländer  darstellt  und  alle  erwünschten  Rüthsohläge  über  Grüniiunsr  nod 
Organisation  von  \'oIki>bibliothekcn  erthciltj  in  der  befriedigendsten  Weise. 
Gegenüber  den  vielfachen  sch&dlichen  Einwukungcu  auf  Geist  und  Sitte  dar 
mittleren  und  niederen  Volksschichten  sollte  dem  hier  empfohlenen  Hegen- 
mittel  eine  ganz  besondere  Beachtung  gcmdmet  werden,  und  daher  kommt 
Beyen  Schrift  in  der  Hut  einem  wiebtigen  Bedflifine  entgegen. 

0.  SehetÜers  T umschule  für  iklädehen.    Zweiter  Tbeil,  Stafe  IV  u.  V: 

Das  Tonen  der  Midelmi  vmd  12.'»14.  (13.— 15.)  Lebefi^jalflra.  (im  7S 

in  den  Text  eingiefligtoa  HohKbnitte&.)  Siebente,  Tennelit»  Anfli«»»  be^ 

sorgt  von  M.  Zottler  in  Chemnite.   FlMen  i.  V.  1888»  F.  E.  "S&ipalL 

202  S.  2  M.  80  Pf. 

Dieses  vorztlgHche  Buch  hat  zu  Lebseiten  seines  Verfassers,  des  Se'ninsr- 
(»berlehrers  0.  Scheitkx,  in  6  Auflagen  weite  Verbreitung  gefunden  uua  ist 
nun  nach  dessen  Hinsdieiden  von  seinem  Freunde  nad  FeehgeBOMMB,  den 
Obertumlehrer  M.  Zottler  in  Chemnitz,  in  7.  Auflage  neu  herausgesehen  wor- 
den. Dabei  i^t  einerseits  die  Pietät  vor  der  verdienstlichen  Arbeit  dcä  Xai- 
Btorbenen,  andrerseita  die  Soice  fti  die  Erhaltung  des  Ansehens  dieser  Turn- 
schule  maiii:«  fi  Tirl  gewesen,  und  so  ist  dieselbe  zwar  der  Hauptsache  dikIi  in 
ihrer  bisherigen  Gestalt  erhalten,  aber  auch  mit  etlichen  schätzenswerten  Zu- 
s&txen  verschen  worden.  £s  Bind  entens  Erläuterungen  eimelaer  Übungen, 
ZA"  f  it'  IIS  24  in  das  Buch  eingeschaltete  Lehrbeispiele,  drittens  grundlegende 
Bemcikungen  unter  dem  Titel  „Methodisehes",  dem  eigeatUcheu  Texte  voraus- 
geeddokt.  Dieser  eialeiteade  AnÜHtts  iifc  Kw«r,  damit  wr  olindiin  am  3  Bogen 
erweitert»  rrnfang  des  Buches  nicht  übermäßig  anwachse,  auf  8  Seiten  rii- 
sammencedräugt  worden,  bietet  aber  auch  in  dieser  knai^pen  l'assung  eine 
TCcht  sel^wiMe  Orientirang,  die  m  dem  lärgebaia  ftlbxt,  dan  dM  Tnmantef» 
rieht  ohne  eine  rationelle,  fachmiuiiii.sehe  Gestaltunir  und  Dtirrh- 
ftthrnng  deseelben  nicht  recht  gedeihen  und  keine  erzieherische  Wizkung 
anHÖra  kum.  Zettler  erklSrfc  ,,jeden  TennntanielEt,  bei  welebem  dieeei 
Vri-f;ihren  nicht  zur  Ausübung  gelangt,  bei  wi'lcheiu  vielmehr  die  verscbiedec- 
aitigsten  Übungen  in  bunter  Weise  einander  folgen,  als  einen  faltck«, 
aanweekmftfiigen,  unwissenschaftlichen".  Diese  Auffassung  dee  Tvittweaeee  ivt 
S^'ar  hrTfit.s  vor  eiuem  halben  Jahrhundert  von  Adolf  Spif  ß  aosführlicb  dar- 
gelegt und  begründet  worden;  da  es  aber  seit  ein  paar  Jahrzehnten  Mode  §^ 
worden  ist,  die  Wcgwoiäung  der  Altmeister  wie  in  der  allgemeinen  so  auch  iii 
der  speciellen  Pädagogik  liochmtithig  zu  verschmähen  und  ohne  genttgende 
Sachkenntnis  dirlftlctisehe  Reformplünc  zu  schmieden:  so  thnt  es  noth,  wieder 
einmal  die  Klcuientc  der  Methodik  nttchdrücklich  zu  betonen,  damit  die  vom 
Bimoiel  gefallenen  Kraftgenies  uicbt  allJEu  keck  werden.  So  wenig  wie  andere 
sogenannte  Fertigkeiten:  der  Gesang,  das  Zeichnen,  die  Kalligraphie,  Ortho- 
graphie u.  s.  w.,  darl  da<^  Turnen  aJbi  Nebensache  uliuc  aystematiiiche  Urdnong 
und  gründliche  Fachkenntnie  betrieben  werden.  Wahrhaft  bildender  Unte^ 
rieht  kann  ebensowenig  von  einem  selbstJierrlichcn  Dilettantismus,  als  von 
einem  einseitigen  Facbjneisterthum  erwartet  werden.  Die  richtige  Methode 
liegt  zwischen  naturaliatiecfaer  Plnnloeigkeit  and  peinlicher  Pedanterie  in  der 
Mitte.  Fnd  weil  die  hier  angesreigte  TnxBBChale  dieae  Methode  an  £hiM 
bringt,  sei  das  Buch  bestens  emptbhlen. 


Vctsntwartl,  Bwtoe(m  Dr.  Frie4fieh  Dittet.  BsfilidnwlKrei  Jnli«i  Kliakkard^ 


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-    GrSCstes  Laßcr  ^-  ^^^ 

Louis  OcrtcK« 

HANNOVER  '4'^ 
Jnth'um§»te.  Stifen  efc.  tu  Engtos  Preisen. 


üeber  den  seit  Jahren  bei  den  p.  t. 
Henen  Pädagogen  etc.  etc. 

wohlbekannten 

Holländischen  Tabak 

von  B.  Becker  in  Seesen  a.  Harz  hat 

<ler  Fabrikant  tausendfaches  Lob  erhalten 
und  sich  den  Besitz  der  Zuschriften  schon 
lB8ö  und  dann  1892  notariell  bestätigen 
lassen.  Das  not.  Dokument  hat  die  Expe* 
dltlon  eingesehen.  (10  Pfd.  des  Tabaks 
lose  in  einem  Beutel  frco.  8  Mark.) 

"orjügl.  Stridgame  a.  SauntrooUe,  S^igogne 
unl>SBone.  SWufter  umfonft.  "#6 


Verlag  von  Friedrieh  VIeweg  Ä:  8ohn 
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rulbasSfContrapankt  u.in  derCoinpo- 
sition, herausg.  v. L.  Köhler.  Pr.  M. 2. — . 

Sehuberth,  J.,  Musikallselier  Kate- 
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machcr  in  Klingeuthal  i;8.*  Dühlerwald 


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3«  meinem  i^ertage  tft  erjdiirnfn: 


für  I 


3n  meinem  ftommiifion«öctlofle  ift  er» 
Tt^ieiten  iinb  burd)  jebe  $u(^t)anblung 


herausgegeben  bon 
ed)ulrat  f^rnft  (»dütht, 

kfil.  6cMcI«f(t)ultnfixtiot. 
8\',  «ogen.   8.   ^reid  «i.  1,H0. 
Xiefe  Sammlung  Don  Sieben  nnb  ?(n' 
f^rad^en  einei^  tüdjtigen,  altbrmätjrten  3(l)u(' 
mannet  werben  man&t  jüngerem  i'ebrer  ali 
."Oilfiiniittel  oortrefflidie  Xienfte  leiften. 
Xad  ^ud)  enthält  : 
I.  Sieben  jur  Sdjulentlaffung.  (12.) 
Ii.  Sieben  bei  Gl)riftbej(fy'rungeti.  (2.) 
^ßatriotifd)c  ^Heben. 
SRcben  beim  '^mWmed)fel.  (4.) 
Ü^eihcreben  bei  bcr  ßrridjtung  neuer 
Sc^ulflcbäube.  (H.) 
ftonferen.^reben.  (2.) 
®egen  (Jinfenbung  be»?  ©ctroi^c*  erfolgt 
5ranco«3uKnbung. 

inlitt«  ^ItttklyarM. 

Verlag  Don  ^uliuö  Rlinfliardtin  VeMiütg. 


ber 


III. 

rv. 

V. 
VI. 


irntfdirn  ^nrjfilittf!. 

I.  ■geir. 

it^t'-  Ii)  $(rfc^r9)i|rift 

Don 

fi.  Ii0n  HutiitPöti,     9.  tfün  Slun«t»6ri, 

Dr.  ineil.  ptatt  Vxit.         Sd.'Sirut.  t.  4. 9aTt>r • 

MrB. »  S- 

X^xtii  80  ^fg. 
Ia#  Si)ftem,  auf  n)iffcnid)aftlidicn®ninb- 
jä^ien  beru^eub,  ift  oon  erftaunltct)cr  Siegel« 
mägigteit  unb  bermöge  fetner  Sinfac^^eit 
jugletd)  ein  iDa^r()aft  Dotft^tfimlic^e^.  (^i 
Dereinigt   leidjtefte  (frlenibarfeit,  grööte 
•tKinbli^feit  unb  nnerreid)te  kürje.  ftein 
®cbä(^tni^fram !  feine  Sdjriftpeinlic^feiten! 
fein  Trud!  feine  ^^clle! 
Htgtn  ^^tdicn&uitR  Dre  t^r(rafle# 

tT^ol§t  (^anco:3ufeitdung. 
XJeipjig. 

Pft  |liitfrri(öt  im  ^rntfilirti^  i  s^rfag oon ^unudSHinf^ittr« in Mtmn. 

mb  bcn  ^c^rfiüfffi'Uiilt'rrit^t  umfalTenb 

Don  Dr.  ^üfHtiA. 

(Hr.  H.  ^tciü'  gelu-jtct  SJi.  3,G(). 
2)iefe  '^rkit  be^s  bcfannteu  ^^äbagogcn 
ift  bie  reife  f^rndit  jabrclanger  ßrfabrung 
unb  cingctjenber  ätubicn.  ^immt  fic  aud) 
Dielfat^  ^e^ug  auf  be«i  Serfafferd  ^tlid 
unb  weiter  auf  bie  '^^■'^'^'"1'^?" 
üficbud}or,  io  roirb  boi»  Serf  bocb  jebeni 
Se^rer,  gleidiDiel  nac^  roeldjcn  üelirbüt^ern 
er  unterriditi't,  ein  U'iUfommenesJ  .'öonb» 
unb  9ia(^id)lagebu(4  fein. 


ober 

unb  b\e  ^aiioimrrilteralnr. 

^ugleid)  ein  Siatgebec  ,^ur  (^rtbilbunjgburd) 
ficftüre.  t^ür  ^öbere  39ürgerfd)ulcn,  Wittel- 
fd^ulen,  3;öditerfd)ulcn  unb  Dcrroanbte  Än« 
ftaltiMi  IC.  herausgegeben  unb  mit  ^e^^ie^ung 
auf  bie  3"ttinfl''^53c&f''f'^i«n  2fbrb"d)<r  bar- 
geftcQt  Don  Oito«  Sfbev. 
8.  Auflage.    '^reiS  öO 


Soel^eii  eraclielzi-t : 


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Brockhaus' 

Konversations  Lexikon. 


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Buohdruckcni  Julioa  Klinkhardt,  Leipzig 


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Monatsschrift 

tat 

Erziehung  und  Unterricht. 

Hsnuug'egdicii 

unter  Mitwirkung  hervorragender  Paedagogen 
]>x*.  Jb^riedrich.  J>ittes. 


IT.  JdDIttl. 

8.  Heft,  m  189a 


Leipitig. 

Verlag  von  Julius  Klinkhardt 


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Inhalt  des  8.  Heftoa 


Übet  dfo  AiifiiiOTlriwmlwtt.  Vom  SdudlBipeetor  Sdnard  Siegrert-Wkii  .  .  486 
Dit  Sdrale  all  VenutÜ^  zeolitakiiiidlidlNr  und  wirteohaftlicher  Lelnon. 

Von  Schaldirector  L.  Hittenzwey-Lelpzig--LindeiiM  (SekliUB)  .  .  .  601 


Drill  oder  Emehung.  Von  Wilhelm  Xaaeliek-Vfifll&ii   611 

Ein  paar  nothwendijfe  Erinueruugeu   514 

Der  PenBonknecht.   Von  K.  Albert   517 

Magogiselie  Bnndiriian.  Oitemieli.  —  Yom  dmtioiMii  OsCMMlnade.  — 
XXX.  AU^nMiM  DentMbe  Lelmmnanmliaf  in  Leipiif  .  —  Aus 

Bayern.  —  Am  Italltt.  —  Au  Ameiika   618 

Aug  der  FachpiaHe   641 

BecieiM»»en   Ö46 


AbftimMiMU-Prtit  pr«  Quartal  M.  2^5. 
AU«  BnoliliaiMltuiigan  nnd  PortanaUlfn  naihinm  BaMlungm  «n. 


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Ober  die  Aafmerksamkeit. 

Von  ßdmUMpeetor  JBdmard  SUgert-Wim. 

Wm6ii  der  Aufiaifliksaiiikeit  festnisteUeii,  ist  einM  der 
sdiwierigsten  psychologischen  Probleme.  Schon  die  Definition  dee 
Begiiffes  ^Anfioierkflanikeit''  fällt  schwer,  da  «ich  dieses  psychische 

Phänomen  in  der  verschiedensten  Weise  offenbart.  Bald  ist  es  eiii 
eng  begrenzter  Kreis  von  Vorstellungeu,  der  das  Bewusstsein  in  Actidu 
setzt,  wie  wenn  das  kleine  Mädchen  sich  stundenlang  mit  seiner  i'uppe 
unterhält,  bald  ist  es  eine  rasch  wechselnde  Reihe  ^  i  u  Vorstellungen, 
wie  wenn  das  i\iiid  (lern  langen  Verlaule  eiuer  Erzählung  folgt. 
Aber  jedenfalls  luihtu  alle  die  verschiedenen  Bewnsstseins- Erschei- 
nungen, die  wir  unter  dem  Worte  „Aufmerksamkeit''  verstehen,  das 
miteinander  gemein,  dass  die  Seele  dabei  einen  höheren  Grad  von 
Activit&t»  eine  Art  von  Spannung  annimmt,  die  auch  in  dem  Äußeren 
des  Menschen  dnreh  geviaee  Moskelerscheiuungen  im  Antlitz,  durch 
die  Körperhaltung  n,  s.  w.  hervortritt.  Auf  die  physiologischen  Vor* 
gftngB^  die  der  AnfimerlcsaiDkfiit  zngnmde  liegen,  -will  ich  hier  nicht 
niüier  eingehen;  treffliehe  Hinweise  finden  aich  bei  Wnndt»  ICflnster- 
becg  mid  vor  ^em  in  dem  Werke  dee  Fraiuosen  Bibot:  Psychobgie 
de  Tattention,  in  dem  die  Forschungen  nnd  Anwehten  ilhcv  diesen 
Gegeofltaiid  in  ebenso  gi  midlieher  als  vegrstftndUcber  Weise  dargelegt 
sind.  Hier  handelt  ee  sich  vor  allem  nm  die  Erforsehnng  des  Wesens 
der  Aufinerksamkeit  von  der  rein  psychologischen  Seite  und  am  die 
pädagogische  Verweriuug  der  gewonnenen  Resultate. 

T. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unteiiiegen,  dass  ein  fiir  die  geistige 
Entwickelung  des  Menschen  so  wichtiges  Phänomen,  wie  die  Aufmerk- 
samkeit eß  ist,  mit  dem  affectiven  Leben,  mit  gewissen  angeborenen 
Trieben  in  Zosammenhang  steht,  durch  deren  elementare  Macht  es  zur 
Erregong  und  Ausbildung  gebracht  wird.  In  der  That  UbMt  ein  ein- 
gehendes Stttdiom  der  Tersohiedenen.  AuMerksamkeitserscheinnngen 


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—   486  — 


zwei  Triebe  als  die  eigentlichen  Quellen  der  Aufmerksamkeit  erkennen, 
näuilith.  den  Selbsterhaltungstrieb  mit  seinen  Unterarten:  dem 
Nitliiiingstriebe,  Gattungstriebe  u,  s.  w.,  und  den  Selbstvervoll- 
kommauugstrieb. 

Der  Selbsterhaltungstrieb,  der  impulsivste  unseres  ganzen  Lebens, 
bringt  schon  frnhzeiti*^  im  Kinde  jene  Bew  usütseinsspannnng  hervor, 
die  wii-  Aulmerksaiukeit  nennen.  Die  leckere  8i)eise  und  der  fJüße 
Trank,  dem  Nahnmgstriehe  schineiclielnd.  fesselu  das  Kind  bald  und 
'/iVhf>n  spi'jie  Sinne  an.  Knrclit  mv\  Sc1ii>-cken,  die  m;i<  htigen  Aflfecte 
dt>  L-^r.-i  m  l ,  Ii  s.  lli>it  t  li;iliuiigsiriebet>,  vermügeu  d^^  noch  im  ei-sten 
Lebensjahre  stellende  Kind  bereits  zu  Aufnierksamkeitsbethätigungen 
zu  reizen,  nicht  minder  zieht  das  die  belbsterhaltuug  so  Fordernde 
Walten  der  Mutter  schon  auf  dieser  Altersstufe  die  Aufmerksamkeit 
des  Kindes  an  sich.  Kaum  ist  das  geistige  Leben  des  ]\ indes  etwas 
fester  und  selbststündiger  geworden,  so  regt  sich  sein  Interesse  für 
alles  sein  Leben  wirklich  oder  vermeintlich  Bedrohende  oder  fördernde. 
Wilde  reißende  Thiere,  Riesen,  Gespenster  und  andere  Unliolde  spannen 
seine  Aufmerksamkeit,  und  es  wird  nicht  müde,  Geschicliten  und  Er- 
zählungen, Märchen  und  Sagen  seine  Theilnahme  zu  schenken.  Wie 
sehr  dann  im  Pubertätsalter  der  Geschlechtstrieb  den  Intellect  ge- 
fangen nimmt  und  in  den  Dienst  der  Aufmerksamkeit  zwingt,  ist 
ja  zur  Genüge  schon  bekannt.  „Da  fasst  ein  namenloses  Sehnen  des 
Junglings  Herz,  er  irrt  allein."  Welch  große  psychische  Umwälzongen 
ia  dem  Menschen  vorgehen,  der  im  Banne  der  Liebe  ist,  wie  der 
Gefifenstand  seiner  Neigung  seine  Aufmerksamkeit  fast  ausschließlich 
in  Anspruch  nimmt  und  ilm  blind  macht  gegen  vieles  andere,  ist  Ja 
ebenfalls  eine  bekannte  Erscheinung.  Kui*z,  es  gibt  in  keinem  Lebens- 
alter einen  Heiz,  der  unsere  Aufmerksamkeit  sicherer  und  nachhaltiger 
zu  eiTegen  im  Stande  wäre  als  eine  unser  Wol  und  Wehe,  unsere 
Selbsterhaltnng  in  hohem  Grade  fördernde  nnd  gefiUirdende  Einwiiv 
knng.  In  einem  solchen  Falle  yennag  kein  anderer  Beia  danerad 
unsere  Sinne  nnd  unser  Denken  anamaehen;  stets  wird  der  SeUwter- 
haltongstrieb  den  Intellect  för  sich  in  Ansprach  nehmen,  ihn  in  Fesseln 
zn  schlagen  wissen.  Daher  ist  nichts  ehi  grOBerer  Feind  der  Anf- 
meiksamkeit  ÜBr  ebien  bestimmten  Beiz  als  gleidiseitige  Beise,  die 
den  Selbsterhaltungstrieb  intensiver  treffen.  Der  Gelehrte,  der  in 
seiner  Wissenschaft  aofgeht,  whrd  gewiss  anBer  Stande  sein,  seine 
Stndien  mit  Anfinerksaakeit  zn  verfolgen,  wenn  KaaiOiienkageln  des 
die  Stadt  belagernden  Feindes  in  seiner  Nilhe  ehisehlagen,  oder  wenn 
sein  Kind  anf  dem  Sterbebette  liegt^  oder  auch«  wenn  er  soeben  den 


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—  487  — 


Hau  1 1 1 T 1  f'ftVr  gemacht  hat.  Anderseits  wkd  die  begründete  Ilottnuug, 
ein  wisseiischaftliclies  Problem  zu  lösen,  ein  üm.stand.  ib  i  mit  seiner 
f.üre,  also  mit  dem  pei-äOnluljen  Wolr  dt's  Gelehrten  zusammenhangt, 
einen  fördernden  und  anspornenden  KinünifR  aul'  sdiae  Attünorksamkeit 
and  seine  Forschbegierde  ausüben. 

Die  Thatsache  nun,  dass  die  £rregnng  der  Aufmerksamkeit  mit 
unserem  Selbsterhaltungstriebe  zusammenhängt»  daw  akso  die  Quelle 
der  AnMerksamkeit  affectiTer  Natur  istt  gibt  uiui  einen  sehr  wichtigen 
Fingerzeig.  Sie  zeigt  nns  nSnlich  den  Urapning  nnd  das  Weeen  der 
willkürlichen  Avfmerksamkeit  Wfthrend  bei  der  onwillk&rlidiQn 
Anfinerksamkeit  des  Okgect  deieetben  ngleieh  als  QaeUe  der  Aof- 
merkaankeU  erkannt  wird,  liege  non  der  SeltsterhaltnngB*  oder  der 
SclbatyervDlIkonnHttnDgstrieb  zngronde,  ist  bei  der  willkttrlichen  Auf-* 
nerinamkeit  ein  solcher  Zusammenhang  nicht  zu  erkennen.   Und  da 
vir  überall  dort,  wo  uns  für  irgend  eine  angespanntere  Bethätigung 
unserer  Seele  kein  veranlasst, ndes  Motiv  vorliegt,  zu  der  mehr  ver- 
liiUl^nden  als  erklärenden  Aushilfe  des  Willensinijtulses  greifen,  so 
Nvird  auch  diese  Art  Autiiin k^amkcitsbethätigun?  hIs  vom  Willen  ab- 
liängig,  ah  eine  wilikiu'iiclir  ix  zeichnet.   In  Wii'kiichkeit  liudet  aber 
jede  Bethätigung  der  sogenannten  willkürlichen  Aufmerksamkeit  in 
dem  Selbsterhaltungstriebe  ebenso  ihre  QueUe  wie  die  unwillkürliche. 
Wenn  der  Schüler  sich  zur  Aufmerksamkeit  zwingt  aus  Furcht  vor 
der  Strafe,  oder  wenn  der  Student  wenige  Wochen  vor  der  Prüfung 
mit  Inbrunst  an  den  Brüsten  der  Wiaaenschaft  hängt,  die  vorher  und 
vielldeht  auch  nachher  der  Qegenatand  seiner  lebhaftesten  Abneigung 
ist^  80  liegt  die  ürsache  dieser  nachhaltigen  Aafmerksamkeitabetii&ti* 
gong  'anaachlieflüch  im  Selbsterhaltongstrlebe;  man  denke  denselben 
Unweg,  nnd  die  Anfinerksamkeit  bleibt  nngeweckt  Em,  es  Usst 
sieh  bei  reillieher  nnd  tieQs^ender  Erwägung  kein  Fall  wUlkttrlicher 
Asflnerksamkeit  denken,  der  nicht  einem  mit  der  physisehen,  geistigen 
oder  moraüschen  Selbsterfaaltong  snaammenhängenden  Impulse  seine 
IiDtstehung  verdankte.  Man  bedenke  nur,  welch  riesige  Aufmerksam- 
keitsanspannungen, die  nicht  in  dem  Objecte  der  Autmerksamkeit 
wurzeln,  die  Nüth,  die  Sorge,  der  Hunger,  die  Furcht  einerseits,  die 
Oenusssncht,  die  Eitelkeit,  der  Ehrgeiz,  die  Ehrsucht  anderseits  her-, 
vorbringen. 

Al^  die  zweite  Quelle  der  Aulinerksamkeit  habe  ich  den  Selbst- 
vervollkommnungstrieb  bezeichnet.  Er  ottenbart  sich  zunächst  in  dem 
^^t^eben,  die  Sinne  zu  bethätigen.  Während  die  niederen  Sinne  vor- 
henschend  für  den  Selbsterhaltungstrieb  thätig  änd,  sind  die  höheren 

83* 


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—  488  — 


Sänne,  das  Gesicht  and  das  Gehör,  vorwiegend  Organe  des  Selbstver- 

voUkoinnimingstriebes.  Frühzeitig  beginnt  das  Kind  diese  Sinne  zu 
regen.  Zahllose  Gesiclits-  und  Gehörseindrücke  trelfen  seine  Seele, 
anfangs  in  ilnd  IveizlUlle  das  Bewusstsein  erdrückend,  bis  die  Seele 
kraft  des  in  ihr  liegenden  Triebes  einerseits  und  lulblge  der  diucii 
wiederholt«  Thätigkeit  gesteigerten  Fähigkeit  anderseits  eine  Auswahl 
ans  den  auf  sie  einwirkenden  Reizen  trifft,  indem  sie  gewissen  Beizen 
besonders  sich  hingibt  und  anderen  ausweicht.  Dies  ist  die  erste 
Offenbarung  der  kindlichen  Aufmerksamkeit:  nämlich  die  Hingabe  der 
Seele  an  eine  specifische  Reizqnalität  und  Verschließ uug  vor  anderen 
gleichzeitig  die  Sinne  treffenden  Erregungen.  Erst  mit  Hilfe  dieser 
Concentratiun  entwickelt  sich  im  Kinde  ein  BewubStsein,  anfangs  noch 
vei'schAViiiiiiiien  und  v^rwoi-j » n,  aber  in  dem  Maße  an  Klarheit  und 
Deutliclik^nf  ^--('winneTKl,  als  du-  AiitimM'ks;iiiikeit  des  Kindes  qnalit;aiv 
und  (iuariiit;iti\-  zunimmt.  TMe  lliiiLrabt^  dt/s  Kindes  an  gewisse  Krize 
hat  zumichsi  iu  der  Stärke  derselbe])  ihi^n  Ursprung.  Je  kralliger 
eine  Sinneseinwirkunjr  von  den  simultanen  Heizen  sich  abhebt,  desto 
sicherer  erlangt  sie  iiintiitt  in  das  Bewusstsein,  erregt  sie  die  Er- 
scheinung der  Aufmerksamkeit.  So  sind  es  anfangs  nur  grelle  Licht- 
effecte,  glänzende  Dinge,  die  den  kindlichen!  Sinn  frefanf^en  nehmen, 
und  auch  bei  den  Gehörreizen  vermögen  nur  starke  Kim  [rücke  auf 
das  kindliche  Bewusstsein  zu  wirken.  Auf  dem  Wege  starker  Reiz- 
effecte  gewinnt  das  Kind  infolge  Bethätigung  der  Aufmerksamkeit 
die  ersten  psychisch  brauchbaren  Wahrnehmungen.  Damit  ist  aber 
eine  wichtige  Phase  seelischer  Entwickelung  erreicht  Das  dem  ge- 
sammten  Seelenleben  des  Menschen  zugrunde  liegende  Gesetz,  wonack 
jede  psychische  Function  durch  wiederholte  Bethätigung  an  Sicherheit 
und  LeistongsüLhigkeit  zunimmt,  äußert  auch  hier  seiiie  Wirkn]^. 
IHe  aafiuigs  nur  durch  grelle  Reizeffecte  m  Bewegung  zu  setzende 
SpannungsfunctiiMi,  die  wir  Aufmerkaamkeit  nennen,  stellt  sich  infolge 
der  durch  Übung  erkmgten  Kraft  nun  auch  minder  kräftigen  Reizen 
zur  Yerfhgung  und  vermehrt  so  den  geutagen  Besitz.  Damit  gewinnt 
die  Seele  Krdi\  und  Inhalt  genug,  um  nunmehr  die  Aufmeriasamkeit 
auch  in  den  Dieost  des  Selbsterhaltungstriebes  und  seiner  weitver- 
zweigten Interanen  n  stellen  nnd  von  dieser  Seite  ans  ihre  weitere 
Entwickelnng  zn  suchen.  Nun  wirken  Selbsterhaltongs-  und  Selkst- 
TeryoUkommnongstrieb  nnanflifirlioli  xosanimen,  Anflnerimamkeitabetliäp 
tigungen  Ins  Leben  zn  mfen.  Während  ersterer  durch  grOtee  und 
gewaltigere  Antriebe  sich  mlditig  erweist,  wirkt  lelaterer  dnrck  die 
Permanenz  und  Fftlle  seiner  Erregungen.  Wenn  das  Biteresse  der 


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—   489  — 


Seltetarbaltoag  nur  bei  gewiiaen  Anltaen      Armee  der  Auflnerk- 
«mkelt  bedarf,  aetsen  die  umaterbrocbea  "idederkehrendeii  Reiie  des 
OehönsimieB  dieealbe  IMig  in  Aetion«  wobei  die  mit  Hiebt  identiedie 
Neuheit  der  ßnidrlleke  eine  nicbt  geringe  Bolle  spielt  Aber  der 
SelbetFerroUkemmnnngstrieb  bringt  das  PbAaomeii  der  Anfinerksamkeit 
Hiebt  blos  durch  die  Erai%,  die  Mftehtigkeit,  die  Neuheit  des  Ein- 
dmckes  zur  Erscheinung,  sondern  es  wohnt  ihm  noch  eine  andere 
Triebkraft  inne,  die  sich  nicht  auf  die  i'orin,  die  Kräftigkeit^  sondern 
üuf  den  Inhalt  des  Eindruckes  bezieht  In  den  Ausdrücken  Neugierde 
und  Wissbes'ierde  sind  diese  beiden  Hichtnnsfcn  des  Selbstvervoll- 
kommnuiigsLriebes  ti'efilich  chai  ;ikt(  risirt.  Wiihi'end  die  eine  iiichtuüg 
4e«!  Triebes  auf  die  Anhäufung  und  Samniluna"  von  Sitineseindriicken 
gerichtet  ist  und,  wie  schon  erwähnt,  in  der  Stärke  des  Reizes  den 
Tomehmüchsten  Auspom  findet,  zielt  die  aadare  Kichtong  dahin,  das 
aufgespeicherte  Anschauungsmaterial  durch  angemessene  Assimilirnngen» 
dnrch  Bei-,  Uater-  und  Neboiordnungen  in  ein  übersichtliches  geord- 
netes System  m  bringen.  Diese  logische  BethAtigong  des  Selbstver- 
ToUkommnnDgstriebes  findet  ihre  kriftigste  FOrdemng  dnrch  die  Sprache. 
Im  Wernntliehen  vollzieht  sich  der  erwftlmte  logische  Prooess»  das 
Denken,  anf  zweifiiohem  Wege:  anf  dem  der  Indnction  nnd  der  De- 
dnctiott.  Der  menschliche  Gkist  hat  den  Drang,  aas  der  Vielheit  von 
Torstellnngen  eine  Einheit  sn  machen,  indem  er  ein  gemeinsames 
Merional  heranshebt  nnd  es  dnrch  einen  Namen,  dnreh  die  Sprache 
txirt  und  so  wenn  auch  zu  keiner  realen,  so  doch  zu  einer  psycholo- 
gischen, gedanklichen  Existenz  erhebt.    Auf  diese  Weise  entstehen 
die  CoUectivvorste Hungen,  die  Begriti'e,  denen  s|)rachlicli  die  Begi'ifts- 
wörtcr  mit  Aussc  hluss  der  KigenuRmen  HTU-]ti'f'rhcn.    Wie  sehr  der 
Neel'   •  iii^MvHits  das  J-Jestreben,  ainleiseits  die  i^'ähigkeit  innewohnt, 
das  tliaos  tl*  r  erworbenen  Vorstelhingen  dnrc])  Collectivirung,  durch 
Verschmelzung  uud  Vereinigung  zu  klären  und  zu  vereinfachen,  lehrt 
die  Beobachtung  am  Kinde.   Es  genügt  beispielsweise  die  durch  das 
Wort  „Hund"  fixirte  Assimilirung  ganz  weniger  Hnndevorstellungen, 
nm  das  Kind  in  den  Stand  zu  setzen,  jede  neue  HundeYorsteUnng  mit 
^smseiben  Namen  zn  bezdcbnen.  Und  wie  mächtig  die  Tendenz  nach 
nächst  großen  B^grüBrnmAngen  ist, '  geht  darans  hervor,  dass  das 
auf  dieser  Stufe  gewiss  anch  den  Wolf,  den  Fachs,  vielleicht 
^nuh  andere  Thiere  mit  demselben  Namen  belegen  würde,  wie  es  Ja 
^UMianpt  Thntsache  ist,  dass  der  nnentwickelte,  nneilSUirene  Mensch 
^  mehr  mit  großen,  weitnmlhssendea  BegrüEiBn  arbeitet,  als  der  ge- 
Wste  nnd  er£ahrene  Mensch.  Welch  eine  Bidle  spielt  in  der  Sprache 


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—   490  — 

des  ei"st ereil  das  Wort  „Din^r'^  das  an  Allgemeinheit  wol  nichts  ztt 
wünschen  übrig-  iässt;  und  wie  selten  verwendet  es  der  letztere,  der 
auf  dem  Wege  der  vielföltif^ston  Induction  sich  einen  wol  abgestuften 
Begriffsvorrath  erworben  liat,  dem  ein  umfangreicher  Wortvorrath  znr 
Seite  steht.    Besteht  demnach  die  eine  Bedingung  des  Denkens  in 
der  Induction,  so  besteht  die  andere  in  der  Deduction,  in  der  Unter- 
ordnung des  logisch  weniger  Umfassenden  unter  das  Umfassendere. 
Jedes  ürtheil,  jeder  syllogistische  S<?hlu8s  ist  ein  Unterordnen  und  zwar 
hei  jenem  ein  Unterordnen  des  Subjectes  unter  das  Prädicat,  bei  diesem 
ein  Unterordnen  des  Hchlnnsatzes  unter  eine  der  beiden  Prämissen. 
Wenn  ich  sage:  der  Schnee  ist  weiß,  so  bedeutet  das  ürtheil  nichts 
aadeMBi  als  dass  ich  den  Begriffsumfang  d^s  Schnees  dem  des  Weißen 
unterordne.  Alles  Denken  besteht  demnacii  in  einem  steten  Indocuen 
und  Deduciren,  in  Erhebung  des  Besonderen,  des  Sinnenfölligen  nun 
Allgemeinen,  Logischen  und  in  steter  Vergleichung  dieser  Allgeraein- 
hetten,  dieser  logischen  Gebihle  zum  Zwecke  ihrer  Bei-  oder  l'nter- 
ordnmg.  In  diesem  Triebe  der  Seele,  von  der  sinnlieben  Einzelwahr- 
nehnumiT  ^sam  logisch  Allgemeinen  sich  m  erheben  nnd  jede  nene 
Wahtnefamnng  einer  Torhandenen  Allgemeinvorstellnng  nnterznordaeo, 
besteht  der  großartige  Fortschritt,  den  das  Seelenleben  in  der  Function 
den  Denkens  erflthrt,  besteht  aber  auch  die  Qualle  der  zshUosen  Irr* 
thflmer,  in  die  der  menschlidie  Geist  verftUt  Der  Trieb  nach  Yer- 
allgemeinerung  flhrt  an  oberflächlichen,  ungründliehen  Inductionen.  Zu- 
lUlige  gemeinsame  Herionale  werden  zu  wesentlichen  erhoben,  und 
80  entstehen  iklsdie  Begrilfe;  ein  post  hoc  wird  nur  su  leicht  som 
propter  hoc  gemacht,  und  so  bildeipsich  falsche  Lehr-  und  Erihhmngs» 
sfttae.  Die  Qeschiehte  des  menschlichen  Fortschrittes  wie  die  sdner 
'  unzihligen  Irrtiiflnier  beruhen  auf  dem  VeraPgemeinernngstrieb  und  dem 
dandt  Terbnndenen  Tergleichungstrieb.  Bs  wire  nun  auifollend,  wenn 
die  eben  dargelegte  Seite  des  menschlichen  Yervollkommnnngatriebes: 
die  in  der  Lidnction  und  Deduction  bestehende,  nicht  mit  dem  Phi> 
nomen  d»  Aufinerksamkeit  in  inniger  Verbindung  stünde.  In  der 
That  ist  diese  Verbindung  vorhanden,  nnd  in  manchen  Leliib&chem 
wird  die  ans  dieser  Quelle  stammende  Aufinerksamkeit  mit  dem  Kamen 
der  apperceptiven  Aufinerksamkeit  beseichnet    Wir  wollen  diesen 
Ausdruck  auch  hier  beibehalten,  weil  das,  was  gemehiigllch  unter 
Apperoeption  und  Appercipiren  verstanden  wird,  darauf  hinauslinftt  * 
dass  eine  neue  Vorstellung  und  Associatktn  auf  CoDectlTvorstelliiiigeii 
in  der  Seele  triflt,  denen  sich  die  ersteren  bei-  oder  unterordnen  laasen. 
Ohne  Bei-  oder  üntKOrdnung  gibt  es  keine  Apperceptioo.  Die  p^r- 


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—  491  — 


chologische  Beobachtung  lehrt  uns  nun,  dass  die  apperceptive  Auf- 
merksamkeit uiiiso  lebhafter  und  erfol^eicher  sich  bethätigt,  je  rascher 
und  UM  behinderter  die  Bei-  oder  Unterordnung:  der  Vorstelhinpron  sich 
vollzieht  und  je  neuer  und  origineller  die  auf  dem  Wege  dieser  Ein- 
ordnung erlangten  Associationen  sind.  Während  also  für  die  Percep- 
tion  der  Vorstellungen  Lebhaftigkeit,  Kraft  und  Starke  der  Eindrücke 
die  Bedingnngea  der  Aufmerksamkeit  sind,  sind  es  bei  der  Appercep- 
tion  die  Energie,  die  Leichtigk^t  der  9kä  bildenden  As80ciatioiL 
Wenn  die  Auftnerksamkeit  einem  Vortrage»  einer  Rede  u.  s.  w.  ge- 
aidiert  seia  soll,  müasen  VorsteUnBgen  in  der  Seele  Torbai^eii  sein, 
denen  ach  die  neuen  «1b  identiseh  beiordnen,  oder  rasch  und  aieher 
nnterordnen,  oder  die  Bich  omgekdirt  ebenBo  rasch  nnd  aicher  den  neu 
hinzatretenden  VorsteUmigen  bei-  oder  nnterordnen,  kurz,  es  mnaB  die  . 
Urtheilaibildnng  eine  leichte  und  Biehere  sein.  Ist  dies  nicht  der  Pall, 
«0  erlahmt  die  Anfinerksamkeit  ebeoBosehr,  irie  wenn  lauter  bekannte 
und  schon  wiederholt  gebildete  Associatumen  die  Seele  in  nahezu 
latentem  Zustande  belassen. 

Fassen  wir  das  Entwickelte  znsamnibii,  so  ergibt  sich,  dass  die 
Aufmerksamkeit  zwei  Hauptquellen  hat:  den  Selbst^rhaltungi«-  und 
den  Selbstvervollkuinmnnngstrieb.  Erstercr  errecrt  din  AntniHT-k^anikcit, 
entweder  direct  für  das  fb>  Selbsterhaltunu'  i  oeiuthi^x  inji-  übject  oder 
dient  als  Mittel,  die  Autmerksanikeit  eiium  mit  der  iSelbsterhaltung 
nicht  in  Verbindung  stehenden  Objecte  zuzuwenden,  in  welchem  Falle 
wir  es  mit  der  sogenannten  wiilküi'lichen  Aufmerksamkeit  zu  thun 
haben.  Die  aus  dem  Selbstvervollkommnungstriebe  entstehende  Auf- 
merksamkeit wird  einerseits  bedingt  durch  die  Kraft  und  Mächtigkeit 
der  Beiae^  wodurch  sie  der  Seele  zu  zahllosen  Perceptionen  verhilfir, 
die  ihrmeits  wiedw  die  Tendenz  haben,  zu  logischen  Collectilygebilden 
au&nsteigen;  anderaeitB  hftngt  sie  ab  von  der  Sicherheit  und  Prompt- 
höh  der  in  der  Qedanken-  und  ürtheilsibildnng  sich  manifestirenden 
ünterordnnng  der  nenen  Vorstellungen  unter  die  alten  und  umgekehrt 
und  von  dem  Grade  der  Neuheit  der  dadurch  entstandenen  Asso- 
ciationen. 

Es  entsteht  nun  die  wichtige  Frage:  Wie  hat  sich  die  Pädagogik 

dieser  psycholugischen  Thatsachen  zu  beiuächtif^eii,  uui  daraus  für  die 
intellectuelle  Bildung  der  Zöglinge  den  grcißtmügliihen  Nutzen  zu 
ziehen  oder  mit  anderen  Worten:  dm  i  li  \\  eh-he  Mittel  kaun  die  Auf- 
merksamkeit des  Zollings  am  siciiersieii  gt^wecki  und  eriialten  werden? 
Bevor  wir  jedoch  diese  Frage  beantw(jrten,  wollen  wir  noch  eine  tVir 
<üe  Aufmerksamkeit  sehr  wichtige  Thatsache  in  Betracht  ziehen,  üit 


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—   492  — 

betrifft  die  angeborenen  •  individnellen  Aafmerkflamkeitsdispositioim 
Wenn  der  jnnge  Mozart  durch  nichts  in  so  hohem  Grade  gefesselt 
wurde  als  durch  musikalische  Klänge  und  alles,  was  sich  auf  Musik 
bezog,  während  don  jung-en  l^inne  vor  allem  Pflanzeng-ebilde  aLzogeii. 
so  beruht  dies  auf  psychologisclien  Dispositionen,  deieu  Xalur  uns 
unerklärlich  ist,  und  die  hei  jedem  Menschen  cuuiers  sind.  In 
dieser  Thatsache  findet  die  F'.i  zitilmng',  der  Unterrioiit  eine  gewisse 
nicht  überwindbare  Schranke,  uud  es  muss  constatii-t  werden,  dass 
kein  Untenichtsmittel  existirt,  welches  geeignet  wäre,  alle  Schüler 
einer  Olasse  zu  gleichem  Grade  und  zu  gleicher  Dauer  der  Aufinerk- 
.samkcit  zu  betalügen.  Wenn  die  Zerstreutheit  vielfach  ein  Er- 
zielmno^fehler  ist,  so  erscheint  sie  iJiiderseits  doch  auch  häufig  als 
Produti  natürlichci-  Angelegthoit  und  .oportet  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  aller  erzieliliclien  Eiiiwii  kmig'.  i'bri<rens  sind  Beisi  iele  nicht 
selten,  dass  aus  zerüticuteu  Kni'b'm  vn'c>\\t'.  b^dentende  MHiiiiri  wurden. 
Hinterher  Ifisst  sich  ihre  Zeisü-euUieii  deuten.  Si»^  l  enilifp  in  der 
übermächtigen  Aufuierksamkeitödisposition  für  eine  LM  stiinintr  Iteizart, 
welche  sie  gegen  andere  Reizarten  ebenso  unemplängiich  machte, 
als  sie  die  Ursache  ihrer  späteren  hervon'ageuden  GeistesleistoDgea 
ward. 

II. 

G^ben  wir  nun  zu,  dass  in  der  indivifluelien  Anlage  der  Schüler 
eine  Bedingung  gegeben  ist,  die  der  auf  Weekung  der  Aufmerksam- 
keit gerichteten  Tliätigkeit  des  Lehrers  ein  Ziel  zu  setzen  vermag, 
so  muss  es  nach  den  obigen  Auseinandersetzungen  über  die  Quellen 
der  Aufmerksamkeit  doch  Unterrichtselemente  und  Unterrichtsmittel 
geben,  die  wol  geeignet  sind,  die  Aufmerksamkeit  ^mmtlicher  Schüler, 
mögen  sie  nach  ihren  Anlagen  noch  so  diflferiren,  wachznmfen  und 
rege  zu  erhalten.  Wenn  der  Lehrer  eine  Geschichte  erzählt»  eum 
neuen  Naturgegenstand  vorzeigt  und  bespricht,  wird  er  über  mangelnde 
Aufmerksamkeit  nicht  zn  klagen  haben.  Worin  liegt  die  anziehende 
Macht  dieser  Einwirkungen?  Offenbar  darin,  dass  sie  den  Gesetzen, 
den  Bedingungen  entsprechen,  die  wir  als  Aufmerksamkeitsquellen  be- 
sprochen haben.  Der  Unterricht  wird  deshalb  bestxebt  sein  mfisseii, 
diese  Aufmerksamkeitsquellen  sorgsam  in  seine  Dienste  zn  nehmen. 

Als  die  erste  Quelle  der  Aufmerksamkeit  haben  wir  den  Selbst- 
erhaltungstrieb kennen  gelernt  Dieeer  Trieb  ist  demnach  beim  Unte^ 
richte  fleißig  zn  rerwerten.  Dies  geschieht  innächst  dadorch,  dass 
man  den  Unterrichtsstoff  wo  es  nnr  immer  angeht,  in  Beslehmig  sms 
Erfahmngslehen  des  ZOgUngs  bringt  Alles,  was  sieb  auf  das  eigsne 


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—  4Ö3  — 


körperliche  oder  geistige  Leben  bezieht,  findet  lateoressef  fesselt  die 
Anfmerksarnkttt  Hierin  liegt  auch  die  Berechtigung  des  Unterrichts- 
grundsatzes:  „Vom  Nahen  zum  Entfernten^.  Das  Nahe  verschmilzt 
mit  dem  individuellen  Leben,  regt  dnrch  seine  sinntiche  Macht  Ge- 
ftbie  und  8tlniiiingen  an,  hat  einen  wifküdien  oder  idealen  Einfloes 
auf  unser  Wol  nnd  Wehe.  Jeder  gute  üntenieht  irird  deshalb  ein 
hciauilkniidlieher  eein.  Gleiehieitlg  werden  vsob  ans  den  früheren 
Darlegungen  aber  anch  die  Grenzen  des  genannten  Unterrichtsgmnd- 
sataes  Idar.  Sobald  dnreh  ein  taierliegendes  der  Selbeterhaltongsfarieb 
stftrker  getreffwt  vM  als  dudi  ein  naheliegendes,  wendet  sich  die 
Aufmerksamkeit  dem  ersteren  zu.  So  nahe  und  an  sich  interessevoll 
dem  Kinde  lAmm  auf  der  Weide  ist,  so  wendet  es  sein  Bewiisst- 
seiu  doch  lieber  dem  Löwen  zu,  der  das  kindliche  \\  ol  und  Wehe, 
wenn  auch  nur  in  der  Eiubüduugskrafti  viel  heftiger  trifft  als  das 
Lamm. 

Die  Wirkung  der  Kiiiliililmi|j> kraft  ist  überhaupt  von  jrroßem  Ein- 
flnsfse  auf  die  Entwickelun*?  der  Aufmerksamkeit.    Die  Einbildungs- 
kraft identilicirt  das  fremde  Wol  und  Wehe  mit  dem  eigenen  und 
begrOndet  das  Interesse  für  fremdes  G^eecheben.  So  erklärt  sich  der 
Zauber  der  bekannten  Worte:  „Es  war  einmal."    Je  reicher  und 
mannigfaltiger  eine  Begebenheit,  je  stiUrker  das  Wol  nnd  Webe  der 
:  B^gebenheitstrSger  in  Frage  kommt»  desto  gespannter  Ist  die  Anfinerk* 
Bsakeit  des  die  Begebenheit  anf  sieh  inr^idieiidett  Kindes.  Dass  diese 
psyehologiadie  Tfaatwehe  aneh  bei  Erwachsenen  antrifft»  beweisen  die 
gmta  Erfolge  nnserer  Schnndliterator  mit  ihren  Mord-  und  Sdianer- 
seKhichten.  Ja,  so  weit  geht  der  anziehende  Beiz  der  Darstellung 
von  gemfttherregenden  Begebenheiten,  dass  die  bloSe  Form  der  E«r* 
zttlung,  die  Darstellung  in  der  Form  des  Nacheinander  statt  in  der 
Gestalt  des  Nebeneinander  einen  g-rößeren  Anreizungseft'ect  ausübt 
oliue  Rücksicht  auf  den  Inhalt  des  Dargestellten.    Wenn  Homer  den 
Schild  des  Achilleii  dem  Interesse  der  Hörer  und  Tjeser  dadurch  zu- 
gängliclier  macht,  'b^s<  er,  der  Beschreibnnjr  ausweichend,  die  allihäli- 
licbe  Herstellung         Iben  durch  He])hastus  erzälüt  uud  ^«<<  aus  dem 
^in  ein  Geschelien  macht,  und  wenn  Lessinj?,  dies  verall^^emeinenul 
^ie  Autgabe  der  Poesie  in  der  Darstellung  des  Nacheiuander  sucht, 
im  Gegensatze  zur  Malerei,  welche  die  Darstellung  des  Nebeneinander 
zum  Zwecke  hat,  so  geben  diese  pi^chologisch-ästhetischeu  Thatsachen 
»ocli  der  Pädagogik  emen  wichtigen  Fingerzeig.   Er  beruht  in  der 
Aoffofderang,  das  Interesse  der  Schaler  dadoreh  zu  steigern,  dass  der 
tinterridrtsstoff  statt  in  der  besehreibenden,  möglichst  in  der  enfih- 


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—  49i  — 

lenden  Form  dargeboten  verde.  Es  Jet  da  grofier  üntendiied,  ob 
der  Lehrer  den  naturgesdiichtliehea  Untenridit  also  beginnt:  „Hier 
ist  ein  VeDchen.  Das  ist  eine  httbsche  Blnme.  Es  bat  blaoe  Blumea* 

blfttter"  Q.  8.  w.,  oder  ob  er  anhebt:  „Als  ich  heute  in  der  Richtog 
nach  N.  spazieren  ging,  fiel  mir  ein  kleines,  bescheidenes  Blümchen 
auf.  Ich  bückte  mich,  um  es  zu  pflücken,  und  wurde  durch  den  köst- 
lichen Duft  übeii'iusclit,  den  es  verbreitete.  Ich  sali  es  nälier  an  und 
gewalirte,  da^s  es  blaue  iiiiiujciiLil.itu  r  hat"  ii.  s.  w.  Es  ist  ein  Er- 
ik hrungssatz,  dasö  (las  ei-zälilende  Moment  beim  I'üterrichte  unisomehr 
vorherrschen  muss,  je  niediigtr  die  Altersstule  der  Schüler  ist.  Des- 
lialb  wii'd  sicii  uameutlich  der  Anscliauungsunterricht  in  der  Elementai- 
classe  vorwiegend  in  erzählendei'  Form  bewegen  und  au  Erzählstofie 
sich  anschließen  inii>?sen. 

Der  Selbstorbaltinitrstrieb  kann  und  mnss  als  wiohtisre  Anfmeik- 
samkeitsqnelle  ab*ji  iiuoh  zur  Weckung  der  sogenannten  „vv  illkurliclien 
AiUmerksamkeit"  lierangezogpn  werden.  Es  gibt  Lelirstorte  und  Lthr- 
liaiiien,  die  weder  durch  unuiiLtelbare  Berührnno:  des  Sell'sterhaltuns's- 
triebes  norli  durch  die  Kraft  und  Mfichtigkeit  ihres  Üeizes  die  Kr- 
mnin*^  und  Erhaltung'  dor  Aiitnu  i  ksamkeit  zu  sichern  im  Staiitic 
sind,  die  aber,  wie  beispielsweise  die  mechanisclip  Si  ite  des  Rechen- 
und  des  LesennteiTichtes,  von  großer  praktiscliHi  Ht deutiing  sind.  In 
solchen  Fallen  muss  die  anfmerksamkeiterregeucie  Kraft  des  Selbster- 
haltungstriebes durch  andere  Mittel  in  da^  Interesse  des  üuteniclilti 
gezoir^^n  wpr<V]i  lüerlifr  gehören:  Aufmunterung,  Lob,  Mahnnn?, 
Warnung,  kSlratandruhung  u.  s.  w.  Wenn  die  Wirkung  solcher  Sti- 
mulantien  auch  nicht  von  langer  Dauer  ist,  so  lassen  sich  doch  kleine 
Autmerksamkeitserfolge  damit  erreichen,  die  für  gewisse  minderwertige 
Unterrichtszwecke  schätzenswerte  Dienste  leisten.  Sehr  wiehlig  i^^ 
hierbei,  dass  der  Selbsterhaltungstrieb  in  der  Fom  des  Ehrtnebes  znr 
Ausgestaltung  gelange.  Kinder,  die  für  Elire  nnd  was  damit  zusammen- 
hängt, Sinn  und  Empfänglichkeit  haben,  irerden  in  ihren  Aufmerk- 
Biudkeitaleistongen  den  Kindern  weit  überlegen  sein,  denen  der  Ebr- 
trieb  mangelt.  Welch  bewundernswerte  Aafinerk8ankeitelei8tnog«a 
der  Motor  der  Ebie  bei  Erwachsenen  hervorznbnngen  vermag,  ^ 
bekannt;  und  wenn  dieser  Siofor  auch  bei  Kindern,  insbesondo« 
kleinen  Kindern,  nicht  so  krMtig  wirkt,  so  kann  er  filr  den  üntW' 
rieht  doch  sehr  wertvoll  werden.  \\  ir  ersehen  daraus,  dass  sogar 
die  sittliche  Erziehung  des  Kindes  auf  die  Entwickelnng  der  Aufmerk- 
samkeit und  indirect  auf  den  Untenichtslbrtscliritt  Ton  Elnflüss  ist, 
nnd  der  Gedanke  klingt  keineswegs  paradox,  dass  die  Intetteetaslfo 


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495  — 


P>ziehung  durch  die  sittliche  in  liülierem  Grade  gefordert  wird  als 
umgekehrt.*)  Doch  bleiben  wir  bei  der  Sache.  Wir  haben  eben  ent- 
wickelt, dass  auch  die  willkürliche  Aafinerksamkeit  in  der  Schule 
ihre  Berechtigimg  hat,  allerdings  eine  nm  so  geringere,  je  jüngere 
Zöglinge  dabei  in  Betmht  kommen.  Doch  ist  die  Bedentong  dieser 
Anfinerkaamkeitsart  nkht  za  ttberBehätaen;  der  tlkcbtige  Lelirer  irird 
Ten  ihr  80  spanam  als  mdgtidi  Gelvancii  naehen,  veil  sie  an  Kraft 
und  NachkaUagkeit  weit  unter  der  nnwillkflrlichen  Anfknerksamkeit 
steht  Wer  znr  Erhaltung  der  Anflnerksamkeit  beetftndig  auf  Auf 
mantemngca,  Drohungen,  Strafte  angewieaen  ist,  wird  im  Unteniehte 
nie  etwas  leisten,  er  ist  eben  kein  Lehrer.  Ans  dem  Dargd^en 
ergeben  sich  für  die  Wockung  der  Aufmerksamkeit,  soweit  sie  dem 
Selbsterhaltungstriebe  entsj/iingt,  folgende  Forderungen: 

1.  Der  Unterricht  knüpfe  wo  immer  möglich  an  du-  luimittel- 
bare  Lebenserlahnmc^  des  Zöf^ling-s  an  und  trachte,  dem  Unter- 
ricbtsstütf  einf»  auf  das  Wul  und  Wehe  des  Zöglings  sich  be- 
ziehende Deutung  zu  geben. 

2.  Der  Unterricht  mache  von  der  erzählenden  Darstellung 
ai]fögiebigen  Gebrauch  und  gebe  derselben  namentlich  auf  den 
anteren  Stufen  den  Vonrag  vor  der  beschreibenden. 

3.  Der  Lehrer  trachte  bei  Unterrichtspartien,  denen  der 
Eea  m  nnwillkfirlieher  Anfinerkaamkeit  nicht  an  verleihen  ist« 
dntdi  anspornende  Mittel  die  wiUkttrliche  Anflnerksamkeit  za 
erregen  nnd  dehe  ganz  besonders  den  Eärtrieb  in  dieses  In* 
teresse. 

Wir  wenden  ans  nnn  der  pidagogischen  Verwertung  der  zweiten 
Anfineitonikeitsqnelle  zn,  die  in  dem  SelbstvenroDkonunnongstziebe 
beraht  Wir  haben  gehört,  dass  die  Wurzel  der  Anfmerksamkeit  zu- 
nächst in  der  Kraft  und  Mächtigkeit  des  lieizes  gelegen  ist.  Diese 
Mächtigkeit  ist  indessen  ein  sehr  rehitiver  Factor;  denn  die  psy- 
cholojnsche  Erfahrung  lehrt,  dass  ein  an  sie  Ii  starker  Reiz  durch  die 
ilautigkeit  seiner  Einwirkung  seine  Kraft  einl  iUSt  und  dt^shulb  unter 
Umstanden  der  Concujxen/.  an  sich  schwächerer,  aber  noch  nicht  ab- 
genützter Heize  unterliegen  muss.  Hiernach  wird  der  Lehrer  zuvör- 
derst bedacht  sein  müssen,  den  durch  den  Unterricht  aut  die  lündes- 
Seele  wirkenden  Reizen  die  größtmögliche  Kräftigkeit  zu  verleihen. 
Hierauf  beruht  alles  das,  was  mit  dem  UnteiTichtsgrundsatze  der  An- 
schaulichkeit znsammenhftngt  Je  mehr  die  Sinne  durch  den  Unter- 

*i  Sehr  riobtig!  Sia  hSdiit  wichtiger  Sats]  D. 


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—  496 


rieht  znr  Thäti^keit  lieran^ezopren  werden,  desto  machti^r  ist  der 
psychische  Eindruck,  desto  intensiver  ist  die  Aufmerksamkeit.  Wo  der 
Gehörreiz  allein  nnvennögend  ist»  das  Interesse  zu  fessehi,  wird  der 
Hilmtritt  des  Gesichtsreizes  die  gewünscht«  Wirkung  habeoi  UbI 
unter  den  Gesiehtfirasen  md  das  wirkliche  Object  eine  gtepmkxt 
AnfinerksMDkeit  enielen  als  das  Bild,  das  indrridiMU«,  concrele 
Beispiel  ein  grOAeres  Interesae  ivadunfiMi  ate  die  abrtraete  Lefcre. 

Dea  weiteren  wird  der  Lehrer  trachten  müssen,  unter  der  PBBe 
der  gleiehasitig  auf  den  Schfllar  einwiitoden  Beize  dem  ym  Ms» 
riebte  aiugehenden  die  gröftte  Hatteaait&t  m  Terkiben.  Hnber  gthflni 
die  sogenaanten  ftnfieren  Bedingongen  der  AvfiBMrkaanikeit:  Stffle. 
Abwesenlieift  jedes  lerstrenenden  ioBeran  Anlasses.  Nor  wem  luk 
anderer  Gehörreiz  das  Kinderohr  trifft,  sichert  sich  das  Lehrerwwt 
den  Kiüiiiii  in  die  kiinlliche  Psyche;  daher  die  große  Wichtigkeit  i 
einer  guten  Schuldisciplin  für  den  Aufmerksamkeitserfolg.  Neben  dü  , 
Hintanhaltnnp:  störender  CTehrtLseiiiili  licke  inüssen  auch  störende  Ge- 
sichtsreize ferngelialteii  werden.  Ein  neues  Einrichtungsstück  oder 
Lelinnittel  im  Zimmer,  eine  VerMndenmg  in  der  äußeren  Pers'^nlich- 
keit  des  Lehrers,  eine  nngewöliniiche  Erscheinung  in  der  Natur  ije 
witter,  erster  Schneefall)  können  bewirken,  dass  diesen  Bcaaen  die 
Anfoierksamkeit  williger  folgt  als  den  Worten  des  Lehrers. 

Weiter  sei  der  Lehrer  bestrebt,  einem  schon  gewohnten  tmd 
seiner  Wirkong  yerlustig  gegangenen  Beize  den  Eindmek  möglichster 
Neuheit  zv  verleiben.  Manches  dem  Schiklar  schon  Bekannte  leaaeit 
seine  Aofinerksamkeit,  wenn  es  in  neuer  Gestalt,  in  verMerUr  Fbm 
Tor  die  Seele  tritt  Die  Bicfatigkeit  dieser  Thatsadie  sieUt  insboos-  ! 
dere  an  den  Elementarlebror  hohe  FordemngeiL  Welche  nene  ffitt* 
mittels  mnss  er  oft  heranziehen,  nm  der  Eintttning  der  BeebeoreiheB, 
der  Vorfllbning  von  Lanten  und  Bnchstaben  die  nOthige  Anfineik* 
samkeit  zu  sichera.  Wechsel  in  der  Lehrform,  im  Lehrton,  im  Lefcr 
Teifahren,  reiche  Abwechshing  in  den  VnaiiM:lmulichungsmitteln,  fa 
den  Beispielen,  alles  dns  wiid  zusammenwirken  müssen,  um  abge- 
srhwärliten  üntenich*sreizen  neue  Kraft  und  Wirk^anikeit  m  ver- 
leilien.  um  für  (hl?-  Alte  und  Bekannte  ein  neues  (iewand,  einen  neuea  ; 
Begleiter,  eine  neue  Situation  zu  finden. 

80  hätten  wir  (Inin  hinsichtlich  der  in  der  Mächtigkeit  und  Leb- 
haftigkeit der  Beize  beruhenden  Aoänerksamkeitseffecte  folgende  Sit» 
aofzostellen: 

4.  Der  Lehrer  trachte  den  durch  den  Unterriebt  einwirkeDdea  | 
Beizen  die  gr06tm6glicbe  Krftftigkeit  zn  geben. 


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—  497  — 


5.  Er  l)emtihe  sieb,  andere  neben  dem  Unterrichte  hergehende 
Beize  hintanznhaltea  oder  so  ykü  als  möglich  abzaschwächen. 

6,  Er  suche  einem  schon  abgenützten  Reize  durch  Veriii- 
dormig  dar  Be9ioitoneh6inmige&  den  £indnick  der  NeoMt  m 
.Tttieilien« 

Nim  bandelt  es  skh  noch  darmn,  die  Bedingungen  kennen  zn 
lernen,  nnter  denen  die  sweite  Seite  dee  YeiTollkainnuningatriebee: 
der  VeraDgemeinflnmge-  und  Contdnationetrieb,  die  Anflnerioamkeit 
m  ihren  Dienet  n  eteUen  Tenneg.  Die  gewtdmiiche  S^üttomg  lehrt 
m»  dass  nichta  der  Anflnerioamkeit  angflnstiger  ist,  als  wem  ent- 
weder schon  oft  dnreh  unser  Bewnsstsein  gelaufene  Vorstellungsreihen 
längere  Zeit  hintereinander  auf  uns  einwirken,  oder  wenn  wir  Vor- 
stellungsreihen vor  uns  haben,  die  uns  ganz  fremd  sind,  d.  h.  mit  den 
schon  in  unserer  Seele  vorhandenen  Vorstelluns'en  keinen  Vergleich 
zulassen,  so  dass  keinerlei  BezifOien,  kein  Bei-  und  Unterordnen  mög- 
lieh ist.  Im  erbten  Falle  entsteht  Unaiituit-rksamkeit,  weil  die  Vor- 
stellungen,  die  in  uns  erregt  werden,  zu  gewöhnlich  sind  und  die 
Seele  in  zu  geringe  Activität  versetzen;  im  zweiten  Jj'alle,  weil  sie 
2a  firemdartig,  weil  keine  Apperceptionshilfen  in  der  Seele  vorhanden 
sind.  Soll  demnach  eine  Voratellungsreihe  längere  Zeit  unsere  Auf- 
merksamkeit feeseln,  so  müssen  ihre  Glieder  mit  VoratellmigeD,  die 
wir  nns  bereits  erworben  haben»  eine  iogisehe  Veri>indnng  eingdien, 
Bksh  vergleichen,  sich  ihnan  bei-,  über-  oder  unterordnen  lassen.  Jede 
\  laue  YorstalliiDg  nrass  so  beschaffen  sein,  dass  sieh  ans  der  Beihe 
j  der  schon  erworbenen  VetsteUnngak  efaae  als  Sstjeet  oder  Pr&dfieat 
mit  ersterer  verbinden  und  so  eine  Ober-  oder  ünterordnnng  der 
'  Mtan  Vorstellungen  herstellen  lisst  Bbi  Beispiel  mag  das  Gesagte 
maMchanHdwD.  Ersfthle  ich  den  Kindern  die  Geschichte  von  Hm* 
tius  Codes,  so  wird  ihre  Aufmerksamkeit  keinen  Augenblick  schwin- 
den;  denn  abgesehen  von  dem  Selbsterhaltungstrieb,  der  liier  fordernd 
mitwirkt,  kommen  in  dieser  Erzählung  nur  Vorstellungen  vor,  die 
sich  leicht  mit  st  hon  rr^^ bildeten  Vorstellnngen  der  Kinder  zu  ür- 
theilen  verschiiif'l/.i  n  lassen;  das  Kitid  l  lcibt  in  bestÄnili<-'>^i ,  regei" 
Th&tigkeit,  die  neuen  Vorstellungen  mit  den  alten  zu  vergleichen,  sie 
entsprechend  einzureihen,  ihnen  den  gehörigen  Platz  in  der  Eeihe  der 
verwandten  Vorstellungen  zu  geben.  Spreche  ich  aber  mit  den  Kin- 
dern längere  Zeit  von  der  römischen  Verfassung,  von  den  Ourial-, 
Oeotuhal-  und  Tributcomitien,  so  wird  bald  die  allgemeine  Aufmerk- 
Mkeit  dahin  sein,  weil  den  Kindern  die  VorsteUung^  fehlen,  die 
es  odt  den  neuen  sn  vargleiehen  nnd  zn  logischen  Qehüdea  an  fnmien 


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—  4d8  — 


im  Stande  wäre.  Je  unerlalirener,  geistig  uuentwickeiter  der  üensck 
ist,  desto  weniger  ist  er  der  atü'  der  Verschmelzung  und  Vergleichung 
von  Vorstellungen  beriilienden  Aufmerksamkeit,  der  sogenannten  apper- 
ceptiven  Aufinerksainkeit  laUig.  Sie  wird  in  der  Schule  selten  iu  den 
unteren  (lassen,  dagei^en  mehr  in  den  oberen  Classen  sich  äußern, 
und  sie  ist  um  so  inten^sivf^r.  je  sicherer  und  rascher  der  Verscluuel- 
znngs-  und  Vergleieiiiuigspiui .  ss  >i''h  vollzieht  Dio  aj^perceptive  Auf- 
merksamkeit liat  zur  Voraussetzung,  dass  die  amieieii  Autnu  rk-am- 
keitsquellen  fleißii^  Ij^mitzt  worden  sind,  dass  auf  diesem  Wege  der 
Seele  ein  reirlies  Vürsteilunjarsmaterial  zug-eführt  worden  ist,  welches 
durch  deu  Inductionstrieb  der  Seele  zu  wolgefrlit  *1<  rten  Begriffen 
sich  gestaltet  hat  Der  Umstand,  dass  die  appf  r rrj^tive  AutnicrksHui- 
keit  err>ßtpntheils  durch  das  Medium  des  Wortes,  durch  spia*  Ii  liehe 
Keproductionen  in  Beweg-un;^  geräth,  und  dass  die  Sprache  zumeist 
in  Begriffsbezeichnuuf^en  besteht,  lässt  erkennen,  dass  die  Kraft  der 
apperceptiven  Aufmerksamkeit  von  der  Klarheit  der  Begrifte  und  der 
Festigkeit  der  zwischen  dem  Worte  und  der  Vorstelhmg  gebildeten 
Association  abhängt.  Apperceptive  Aufmerksamkeit  wird  demnaeh 
beim  Unterrichte  dann  hervortreten,  wenn  der  Lehrer  auf  inductivem 
Wege  fiir  Bildung  klarer  und  deutlicher  Begriffe  sorgt  und  mit  den 
gebildeten  Begriffen  die  zugehörigen  Wortzeichen  innig  verknüpft. 
Gründlicher  Sach-  in  Verbindung  mit  einem  gründlichen  Sprachunter- 
richte auf  aUea  UnterriclitSBtufen  sind  daher  die  sichersten  Mittel  fUr 
di6  Wecknng  apperceptiver  Aufmerksamkeit  Gründlicher,  auf  An* 
aduunmg  und  fleifiiger  Wiederholung  beruhender  Sachunterricht  er- 
zengt  deutliche^  aasodationsföhige  Begriffe;  ein  gediegener  Sprach- 
unterricht sorgt  fttr  parompte  Beproduction  der  durch  das  gehörte 
Wort  bezeichneten  Vorstellungen,  ohne  welche  die  das  Veratäiidnis 
nnd  die  Anfinerksamkeitabethfttigang  bedingende  Aaaodationsiihitigksit 
der  Seele  nicht  ni  nnbehinderter  Wirksamkeit  kommt  Beim  Unter- 
richte vird  es  demnach  sehr  viel  von  der  Wahl  der  Worte  abhängen, 
ob  er  den  Kindern  Interesse  obdKMIt  oder  nicht;  arbeitet  er  mit 
Worten,  die  in  der  Seele  des  Kindes  keine  sogehörige  VcttsteUimg 
oder  nicht  die  richtige  aoslOeen,  so  wird  die  Seele  vnfthig  sehi,  ent- 
sprediend  zn  aasocüren,  nnd  die  Anfinerksamkeit  wird  schwinden. 
Nnr  warn  das  nnterrichtende  Wort  stets  die  beabsichtigte  VorsteUnng 
im  kindlichen  Bewnsstsein  herroiMigt,  wird  sich  Anfoerksamkeit 
erzielen  lassen.  Dabei  ist  aneh  das  Tempo  im  Sprechen  beim  Unter- 
richte Ton  Einflnss,  denn  wfthrend  das  noch  langsam  nnd  schweiflllig 
reprodndrende  kleine  Kind  eines  langsam  dahinschieiteBden  Unter- 


—   499  — 


richtstempos  bedaii,  mnss  dieses  beim  reifereE  Knaben  oder  Mädchen 
beschleunigt  werden,  soll  nicht  das  unangenehme  Gefühl  der  Ent- 
täaschung,  das  in  der .  nicht  rasch  genug  befriedigten  Erwartong  be- 
steht» HQssbehagen  und  Unanfmerksunkeift  hervonmftn.  Danach  ist 
aseh  klar,  dass  der  üntenieht  an  Bindiinglichkeit  in  dem  Mafie  ge- 
winnt, als  das  Wort  durch  begleitende  und  nnterstOtaende  lüenen, 
Oeberden,  Bewegungen  an  Deutlichkeit  und  BeiproduetionBlIhigkeit 
gewinnt  Anschauliches  und  der  Zeit  nach  wolabgemeesenes  Sprechen 
sind  also  vichtige  Eifordemisse  zur  Enielung  der  Anflnerksamkeit 
Danach  leuchtet  auch  ein,  dass  für  die  Weckung  der  Aafinerksamkelt 
eine  gewisse  Einleitung,  die  Stufe  der  Vorbereitung  bei  den  Herbart- 
ianem,  unter  gewissen  Umständen  sehr  am  Platze  ist,  uud  zwar 
immer  da,  wo  sich  der  Unterricht  auf  Vorstellungsgruppen  bezieht, 
zu  deren  Auffassung  »Vn  ixindern  entweder  die  nnthisren  Wortbezeich- 
nnn^en  oder  die  emspreclieuden  verwandten  i^appercipii'endeü)  Vor- 
stellungeu  fehlen.  Die  Architektonik  des  Unterriclites  verbietet  es, 
durch  breite  Erläuterungen  uud  Erklärun<^en  das  schöne  Gebäude 
einer  leichten,  übersichtlichen  Disposition  zu  stören,  und  es  erscheint 
deshalb  gerathener,  durch  das  soUde  Fundament  einer  Einleitung  die 
Auffassung  des  Neuen  zu  sichern  und  zu  festigen.  Ob  die  fragende 
oder  die  akroamaUsche  Lehrform  der  Sache  dei*  Aufmerksamkeit 
günstiger  sei,  Iflsst  sich  nicht  unbedingt  beantworten.  Im  allgemeinen 
kann  man  sagen»  dass  der  Fragennterricht  dort  den  Vorzug  hat»  wo 
den  Kindern  Angaben  gesteilt  w^en,  die  mit  dem  Beize  des  Selbst- 
ibdens  die  Wahrscheinlichkeit  der  L(isttng  bieten,  so  dass  der  Schfller 
für  sein  Denken  belohnt  erscheint  Wegen  Sdbstyerstftndlichkeiten 
mid  Bagatellen  zu  fingen,  stOftt  die  Kinder  auf  die  Dauer  ebenso  ab, 
ab  die  Znmnthung  zur  Beantwortung  zu  schwieriger  Fragen  sie  er- 
müdet und  gk;i(/liL:^i!tig  luacht. 

In  Consequeuz  lies  Daigelegteu  ergeben  sich  vom  Standpunkte 
dei*  appereeptiven  Aufmerksamkeit  folgende  Forderungen: 

7.  Der  Unterricht  vermittle  dem  Kinde  nur  solche  Vor- 
sielluii-i  II,  die  eine  nicht  zu  üchwerläüige  Association  mit  schon 
erworbeneu  \'orstelIuni^cn  gestatten. 

8.  Zu  diesem  Zwecke  sei  jeder  Unterricht  ein  ebenso  gründ- 
heher  Sach-  als  Sprachunterricht. 

9.  Der  Unterricht  berücksichtige  in  der  Auswahl  und  im 
Tempo  des  unten-ichtenden  Wortes  dessen  reproductive  Kraft 

10.  Er  währe  die  Architektonik  des  Unterrichtes  durch  ent- 
sprechende Einleitungen  und  Vorbereitungen. 


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—   600  — 


Nach  dam  nuunehr  Entwiekelleii  kami  m  lidit  mahr  im  Zweifel 
sein,  dM  dis  AnfliMrkstiiikfllt  aioh  am  siefaentai  and  naddutlUgsten 
dann  einstelle  wird,  wenn  aUe  AnfinerksamkeitBqaeD^  geöffnet 
werden,  wenn  der  Selbsterhaltungätxieb  direct  oder  indirect  ins  Spiel 
kommt,  und  wenn  der  Selbstvervollkommnnngstrieb  sowol  durch  die 
Macht  und  Kräftigkeit  des  Reizes  wie  durch  apperceptive  Thatigkeit 
in  Kiuic-tion  tritt.  Reiche  und  wolgeleitete  Sinnesentwicklung  der 
Kinder  im  Verein  mit  einer  gehörigen  sprachlichen  l^iUwickluüg  und 
ein  gut  gepflegtes  Geraiithsleben,  das  gegen  i>nle  Buriiiirung  des  Ich 
kräftig  reagiii,  werden  aui  ^>eite  des  Schülers  günstige  Aufmerksam- 
keitsdispositionen schaffen.  Strenge  Erhaltung  seiner  AutoiiUii,  au- 
schaulicber,  das  Leben  und  die  GuiuUili&bediiiiüisse  der  Kinder  be- 
rücksichtigende!*, des  stets  treffend  gewählten  Wortes  nicht  ermangelnder 
Unterricht  werden  die  \'oraas8etzungen  sein,  unter  denen  der  Lehiör 
die  Aufmerksamkeitsdispofiitionen  der  Kinder  gehung  anszonützen  and 
za  verwerten  vermag. 


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i^ie  iScliiile  als  VerjuiUlerin  reclitäkuadliclier  uud  wüt^liaft- 

üeker  LelmiL 

Von  AlMitrM^  X»  JfiilfeflMtii^-X««fii^£iMdeNaif. 

(SeUui.) 

IV. 

Für  die  Yolkssehule  mOditen  inr  von  dnem  selbstliidigai 
^ygtanatiMlifiiL  Untemcbt  in  der  Gesetiefllniiide  und  Wirtsebaftdfllire 
abgeselien  haben,  denn  der  GedaakoikreiB  dee  Kinte  Ist  mbattni»- 
nüig  noch  in  klein,  die  Erfahrung  noeh  zu  gering,  der  ganze  Lebens- 

kreis,  der  das  Kind  umgibt,  noch  zu  eng,  als  dass  hier  das  nütbige 
Verständnis  vorausgesetzt  werden  könnte.  Doch  wenn  auch  von 
einer  lehrplanmaüigen  Einfuiaung  dieser  DiscipUnen  in  der  Volks- 
ik^^buh'  Abstand  genommen  werden  mnss,  so  sind  docli  gleichwol 
<iie  naturgemäßen  Anknii |it ungspuniite  auszunützen,  um  Ein- 
zelnes aus  diesen  (-rtlti^ti  ii  an  passender  Stelle  und  in  ge- 
»^i^neter  Form  nutzbar  vürzuluhren.  Die  Unterrichtsgegenstände, 
mit  welchen  derartige  Belehrungen  unter  Hinweis  auf  die  Vorkomm- 
uisse  und  Erfahrungen  des  praktischen  Lebens  und  der  Geschichte 
verknüpft  werden  können,  sind  hauptsächlich  Religion  (4.,  7.  u.  8  Ge* 
bot,  4.  Bitte  n.  a»),  Gesebiehte,  Ge<^^hie»  Beehnen,  andi  Natozw 
kimde  nnd  deotscke  Spvaehe  (Leeebnehi  Anfiatz).  Manckss  kann  in 
diflBtt  Beaiehnng  goaekehen,  al)er  es  kommt  ganz  anf  die  Art  nnd 
Weüe  an;  es  rnnss  elien  in  der  ikktigen  Weite  geaekeben,  nnd  dann 
Teifttgt  der  Lehrer  aber  eine  Fülle  yon  SM,  der  ganz  nnachftlzbar 
ist  für  die  geistige  nnd  atttliebe  Entwidcelnng  des  Kindes.  Ick  bin 
ftvA  flberzeagt,  dass  von  vieloi  Lebreni  bente  schon  dieser  Stoff  mehr 
oder  weniger  eine  Ausnutzung  ei-fährt  wenn  auch  unsere  Lesebücher 
un  großeu  und  gaiizen  uul'  die  in  Kede  stehenden  Gegenstände  zu 
^venig  Rücksicht  nehmen.  Des  öfteren  sind  liier  die  Belehrungen  an 
Beispielen  aus  dem   Leben,  au  Lebensbeschreibungen  von 

Mgosiiuiu  1&.  Jthrg.  Heft  YUI.  34 


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—   502  — 


wirtschaftlieb  Itfirvomgendoi  lOimeni  anzuknttpfen,  es  seien  hier  ge- 
nannt: Krupp,  Harkort,  Biehard  Hartmann,  Benjamin  Franldiii,  der 

alte  und  der  jnngfe  Borsig,  Stephenson,  anch  bedeutende  einheimische, 
nocli  lebende  Männer  dürfen  nicht  unerwähnt  bleiben.  Femer  ist  auf 
einen  geeigneten  Lesestoff  Bedacht  zu  nehmen.  Ein  Buch  von 
wirtschaftlicher  Weisheit  (lurrJidrunfj^en  ist  unser  alter  Freund  "Robinson 
Crusoe,  eins  der  trettUcksteu  liiiclier,  die  überhaupt  für  die  Kinder 
geschrieben  worden  sind.  Das  Kntzücken  der  Kinder  aller  (  ultur- 
Y(Uker  äeit  anderthalb  hundert  Jahren,  und  ein  Werk,  welches  nach 
allen  Seiten  hin  dem  Lehrer  den  reichsten  Stoff  darbietet  zu  Beleh- 
rungen wirtschaftlicher  Natur,  ein  Stoff,  v^n  dem  gewL^s  nieniand 
sagen  wird,  dass  er  über  das  Anschauuntrsverniögen  der  Kinder  hinaus- 
gehe. Es  kann  manches  auch  in  der  \  ulksschule  für  unserii  Zweck 
geschehen,  und  jedenfalls  muss  man  zustimmen,  dass  wir  in  der  Schule 
80  manchen  Gegeustaud  behandeln  müssen,  der  viel  siuoder  ist  in  der 
Behandlun<r  als  manche  Frage  der  Gesetzeskuude  und  Volkswirt- 
schaftslehre. 

In  den  hunlani^ll^clleü  uud  Keal -Gymnasien,  in  Keaischulen,  in 
kaufmännischen  und  gewerblichen  F<utbildungsschulen  und  nicht  zum 
mindrsti-n  in  Seminar»^,  überhaupt  in  allen  Anstalten,  die  all- 
gemeine l^ildung  übermitteln,  ist  dieser  üntorricht  in  die  Lec- 
tionspläne  aufzunehmen,  so  dass  einst  keiner  in  die  Keiiien  der  Staats- 
bürger tritt,  ohne  mit  den  Grundzügen  der  hauptsächhVh'^ten  wirt- 
schaftlichen Lehren,  sowie  mit  den  Grundzüf^en  der  Verfassung:,  Gesetz- 
rrebunc^  und  Vcrwaltun"^  sowol  des  Beiches  als  seines  engeren  Yatei^ 
landes  vertraut  zu  sein. 

Tn  den  höheren  Schulen,  in  welchen  die  Richter,  Ärzte,  Geist- 
lichen, Lehrer,  Kaut  ieute  vorbereitet  werden,  die  später  vor  allem  mit 
berufen  sind,  eine  tüchtige  Grundlage  für  gesunde  staatliche  und  wirt- 
schaftliche Grundsätze  zu  erhalten,  ist  diese  Rücksichtnahme  gani 
besonders  geboten.  Man  wird  vielleicht  einwenden,  dass  die  Schüler 
der  Gymnasien  später  auf  der  Universität,  auf  polytechnischen  Schulen, 
auf  Berg-  und  Forstakademien  hinlänglich  mit  dieser  Materie  bekannt 
würden.  Dem  ist  entges'enzuhalten,  dass  Gymnasien  und  Bealschulen 
für  gar  viele  die  höchste  Büdimgsan^talt  sind.  Dazu  kommt»  dass  die 
Universit&tslehw  zu  rasch  an  den  Blementen  Yorttbeigehen  und  m 
viel  vorauflsetKn,  daher  kommt  es,  dass  nur  dar  Jurist  oder  Oamera- 
list  nach  dieser  Richtung  hin  arbeitet,  während  die  Stadirenden  anderer 
FacoHAten  sich  fem  halten.  Wire  aber  yorher  anf  den  Gjmnasifla 
etwas  geschrien,  so  würden  anch  Theologm,  Hedicbrar  n.  s.  iSasm 


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Thdle  der  Philosophie  mehr  Interesse  abg^ewinnen  nnd  zam  Zwecke 
der  Vervollkoiniiinunof  ihrer  allgemein  meiiseliUchen  Bildung  sich  da- 
mit belassen.  Eduard  Eysen,  ein  Gyiiiua^iallelirer,  schreibt:  „Es  darf 
nicht  die  Aufgabe  unserer  höheren  Schuleu  sein,  dass  ein  Abiturient 
nur  einen  mügliclhst  conecten  lateiuis*  hen  oder  p^riechi-^litn  Stil  oder 
eiue  erträgliche  hiteinische  iSchhissactsreile  zu  Stande  bringt.  Eben- 
sowenig darf  eine  polizeiuiäßij^e  Öchuldi*essur  herrsche,  wo  nur  ge- 
ieiTit  werden  soll  um  m  lernen  und  zu  wissen  .  .  .  Sittlich  fi*eie 
Charaktere  sollen  sich  herausbilden,  die  auch  im  späteren  Leben  dea 
Muth  haben»  mit  ihrem  Wissen  für  das  Walurerkannte  einzutreten. 
Daliin  wurde  nicht  gewirkt,  sonst  w&ren  gewiss  nicht  so  yiele  nach 
dea  üniyersitätsfireudsn  nnd  der  Staatsezamennoth  reüie  Schemen  ge* 
worden,  eO£fisante  Bnreankratea,  gmsgrftmige  Aetenlante,  denen  aller 
fiisdie  Sinn  entschwunden  ist  ...  .  Es  ist  nndenkbar,  dass  die  Ih- 
stitnte,  die  der  alte  Staat  gesehaffien,  nnd  die  sieb  ihm  als  Beamten- 
Eraieher  bewährt  haben,  geeignet  «den,  die  Iftr  den  nenen  Staat  ge- 
eigneten Beamten  za  büden.  Soll  die  neuere  Oeeetzgebung  wirklich 
froehtbar  werden,  so  ist  es  hohe  Zeit,  auf  eine  gründliche  Umbildung 
der  Beamtenscliulen,  d.  i.  der  Gymnasien,  bedacht  zu  sein/' 

Insbesondere  ist  auch  in  den  L ehr erbildunofsan stalten  (Semi- 
naren) ein  systematischer  Unterricht  in  Gesetzeskunde  nnd  W  irtschafts- 
iehre  zu  erthcilen.  damit  der  spätere  Lehrer  den  Aufbau  des  Staates, 
dessen  dienendevS  Glied  er  ist,  versteht  und  den  weltbewegenden 
Fraj^en  fj^e^enüber,  welche  g:ebieterisch  das  Urtheil  herausfordern, 
uicht  völlig  Laie  ist.  Anderntheils  soll  der  Lehrer  im  Stande  sein» 
die  Grnndsätze  dieser  Wissenschaft  im  Verlaufe  des  ganzen  Unter- 
richts auf  die  ihm  anvertraate  Jugend  mit  Auswahl  übertragen  zu 
kutmen.  Der  Lehrer  muss  ans  dem  Tollen  schöpfen  könneni  um  das 
Wenige,  was  den  Sehflilem  ^mmt,  geben  zu  können. 

Nicht  Tergeawn  sei  die  Fortbildnngaachnle,  die  bereits  In  den 
Tersduedensten  Staaten  obligatorisch  eingeltthrt.ist  Die  jnngen.Lente 
der  Forlbildungaschule  steh^  schon  im  praktischen  Leben,  sie  haben 
schon  ihren  Beruf  gewählt;  wie  sollten  aie  nicht  das  Bedfirbi»  haben, 
sich  in  den  nenen  Verhältnissen,  in  die  sie  eingetreten,  znrecht  zu 
Ündenl  Was  könnte  sie  mehr  interessiren  als  Aufklärung  zu  erhalten 
fllier  die  scheinbar  willkürlich  waltenden  Kräfte  im  wii-tschaft- 
hchen  Leben?  Oder  soll  der  Ltialing,  der  ^U'ljeitsbnrsche,  der  be- 
reits seinen  Monatsbeitra^  an  die  Krankencasse  abzufühieu  hat,  für 
den  jiein  Meister  oder  ArbMitoreber  die  Untal]\ersichernn£r  bestreitet, 

soll  der  jagendliche  Aibeitei*,  welcher  Mitglied  dei-  Altersversorgung 

84* 


—   504  — 

lind  IiiT&lideiieBBw  »i  werden  hat,  in  der  FortbiMnngaeehnk  nidits 
tilwr  die  Sodalgesetzgebung  «riSdireii»  eoU  er  mit  dem  aUen  ent  in 
Arbeitenrereinen  n.  s.  wo  eine  reeht  einieitige  Anffiusoig  bmeht» 
bekannt  werden?  Geeehiefat.  das  aber  nidit,  dann  ftbemelinMoi  eben 
andere  diese  Unterweisong,  nnd  «war  in  der  Hegel  die  Unriditigen, 
die  sehr  wenig  dam  beftigt  sind,  nnd  die  belen  dann  in  fidaeblBr  oto 
verderblicher  Welse  'nach,  was  die  Schale  veraftunt  hat  Und  neck 
eins.  Der  Forfbildungssohftler  steht  in  dem  Alter,  in  weldiem  ethbehe 
EiniMsBe  nodi  sehr  sn  winsehen  irtm.  Für  den  eigentlichen  Rdi- 
gionsnntenricht  hat  die  Fortbfldongsschule  frdlich  keinen  Ranm;  aber 
in  dem  Unterrichte  für  Qesetzeskunde  nnd  Yolkswirtschaftslehre  liegen 
so  viele  sittliche  Momente,  dass  er  eigentlich  anch  als  eine  Art  Moral- 
unterricht gelten  könnte,  er  ist  eine  Sittenlehre  ohne  Dogmatik. 

V. 

Es  sei  nicht  unerwähnt,  dass  diese  beiden  Disciplinen  auch  ihre 
Gegner  haben,  und  wir  düilen  deren  Einwände  hier  nicht  ignoriren. 
Es  sind  deren  fünf.  1.  Die  P opularisii  uiig  dieser  .Materie  ist 
eine  Herabwürdigung  derselben;  besonders  ist  diese  Ansicht  in 
gelehrten  Kreisen  zu  finden.  Hieraus  spricht  ind^  nur  der  Hoch- 
muth  des  Olassenurtheils.  Bei  der  Popularisirung  eines  wissenschaft- 
lichen Gegenstandes  bandelt  es  sich  niemals  nm  ein  Herabziehen  der 
Wissenschaft  auf  das  Niveau  der  Alltäglichkeit,  sondern  im  Gegen- 
theil  um  ein  Einporiühren  des  gemeinen  Verständnisses  zur  M  -he  der 
AvissHii>  hattlichen  Einsicht.  Verwickelte  Dinge  mit  einfacht  ii.  klaren 
Worten  ächüdem,  könnte  das  eine  Herabwürdigung  der  Wissenschaft 
sein? 

2.  Viele  1  rafrrii  sind  nicht  abgeschhtssrn.  l's  wird  aller- 
dings immer  Fragen  jjeben,  die  von  verschielcnen  ^standen  und  Par- 
teien verschieden  aui:2:rfasst  werden,  wie  z.  Ii.  Goldwälumg  oder 
Doppelwätirung,  i?Yeihandel  oder  Schutzzoll  etc.  Der  Prodneent  wird 
immer  füi-  Schutzzoll,  der  Kaulmann  und  der  Consument  iiniicr  für 
Freihandf^l  sein.  Der  Volkswirtschafti«lehre  geht  es  freili  Ii  dabei  wie 
allen  aiKlrrcii  Wissenschaften,  von  denen  sich  keine  rühmen  kann, 
dass  sie  bereits  am  Ziele  angelangt  sei;  sie  alle  sind  in  fortwährender 
Aus-  und  Fortbildung  begriffen.  Doch  an  P'eststehendeni  und  Abge- 
schlossenem ist  wahrhaftig  kein  Mangel;  und  Systemmacherei  und 
Vortrag  streitiger  Parteidoctrinen  ist  nicht  für  die  Schule,  ebenso 
hat  ein  Bekanntmachen  mit  den  Systemen  anderer  Parteien  (Katheder- 
socialisten)  oder  berfthmter  Theoretiker  (Adam  Smith)  entschieden  u 
nnterbleiben* 


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—  606  — 

3.  Die  Materie  ist  zu  hoch.  Manche  Partien  mögen  allerdings 
sn  hoch  sein;  doch  kommt  68  hierbei  wich  auf  die  Schfllergattim^ 
an.  Der  Oherprimaner  eines  hunanistlBchen  oder  eines  Bealgymnanums, 
der  Abiturient  einer  Handelriehrsastalt  ist  recht  wol  im  Stande^  anch 
diaeer  Materie  das  nOthige  VerstSndnis  entgegenanbruigen.  Nor  immer 
ncht  ein&eh,  Uar,  Toiksthttmlich,  immer»  vo  es  geht,  an  Beispielen 
eritatert  nnd  an  Yothandenes  angeknttpft  nnd  Bekanntes  beigezogen, 
dami  kann  es  niemals  Mlen.  Die  Hauptsache  ist,  dass  man  den 
Unterrichtsstoff  allgemein  fasslich  zn  machen  versteht.  Viele  Lehrer 
haben  sicher  nui'  deshalb  eine  Abueiguüg,  weil  liiUtü  die  gaiize  Sache 
zu  Ireind  ist 

4.  Die  Schule  hat  keinen  Raum  lür  anderweite  Unter- 
richtsgegenstände. Wir  wollen  es  der  Schule  durchaus  nicht  übel- 
nrliiiu'ii.  wenn  sie  zögert  in  der  Aufnahme  neuen  Unterrichtsstoffe«, 
(las  Material  ist  zu  kostbar,  mit  dem  die  Schule  experimentii't;  wir 
wollen  um  auch  nicht  verhehlen,  dass  in  mancher  Beziehnng  in  den 
beiden  letzten  Jahrsehnten  die  Lehrpläne  eine  Erweitemng  und  Be- 
relehemng  er&hren  haben,  die  zu  denken  geben.  Der  Fünfmilliarden- 
segnen  veranlasste  in  Dentschland  einen  fieberhaften  Pnlsschlag  im 
wirtschaftiiehea  Leben;  der  »Fortechritt^  bewegte  sich  in  einem 
Tempo,  welcher  einer  Übersttaimg  gleich  kam.  Die  Schule  —  ist 
aie  doch  noch  eb  Kind  ihrer  Zeit  —  blieb  nicht  onberilhrt,  snd 
w«m  auch  der  Efaiflnss  anf  sie  lange  nidit  so  mächtig  war,  als  anf 
die  Geschäftswelt,  geltend  machte  er  sich  doch.  Man  hat  dies  anch 
ImitB  eingesehen,  nnd  das  neueste  pädagogische  Stichwort  heiftt 
„Vereinfachnng".  Die  Stoffanhäufung  liegt  nun  in  einer  zu  ausge- 
dehnten Svstematisirung  des  UnterrichtsstoÖes;  durch  eine  umfassen- 
dere Bethätigung  des  Loiicentrationsgedankeus  wimie  aber  entschieden 
viel  genützt  werden.  Wenn  überdies  die  Wichtigkeit  eines  Gebietes 
vor  anderen  nachgewiesen  wür<le,  dann  wäre  es  auch  l'flicht,  iiaum 
Mscliaitvii.  T)r.  Jannasch  seil i  t  ibt  in  vorliegender  Angelt  i^vnln  it:  „Wenn 
lüau  einwendet,  dass  alle  iSchuianstalten  schon  jetzt  an  einer  l^ber- 
füllung  mit  Stunden  leiden,  so  ist  zu  entgegnen,  dass  es  sich  hit^r  um 
einen  nothw^digen  Bestandtheil  der  allgemeinen  Bildung  handelt,  und 
dass  ein  etwa  vorhandenes  ÜbmnaB  von  Stunden  keine  Abweisung 
der  gegenwärtigen  Forderung  rechtfertigt."  Und  wir  meinen,  wo 
laaa  etwas  will,  da  flndet  sich  auch  der  Weg  sur  Anafährang  (Wbere 
18  a  will,  there  is  a  way);  der  nOthige  Baum  wäre  auch  zn  schalfen. 
Kaa  renchone  nur  die  Schäler  mit  allem  Ballast,  der  nur  su  oft  im 
^ttae  veralteter  Gewohnheiten  mitgefthrt  wird;  noch  mehr,  man 


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—  Ö06  — 


bringe  nicht  schon  Dinge  in  höhere  Schulen,  die  den  Universitäten 
oder  tiberliaui>t  dem  Fachstudium  zu  überlassen  sind.  Der  Oberter- 
tianer  des  iryiimiisiiinis  mms  die  leg-t^s  Liciuiae  \  nm  Jahre  H7ü  v.  Chr. 
im  Geschichtsiiiiterriclitc  auswendig  lernen,  aber  von  den  heimischen 
Rechten,  von  den  Griindz1ij>:en  nnseres  Staats-  und  Verwaltini<r«t- 
rechts,  von  dem  Behördenwesen  unseres  N'aterlandes  ertährt  er  vor- 
sorglich nichts.  Deslialb  klagt  auch  der  große  StaatJsrechtslehrer 
Bluntschli,  er  habe,  wie  auch  andere  Universitätslehrer,  immer 
wieder  die  Erfahrung  gemacht^  dass  Studirende  aus  anderen  Nationen 
gewöhnlich  besser  vorbereitet  seien,  um  den  modernen  Staat  zu  1^- 
greifen,  und  meist  ein  lebhafteres  Interesse  an  Staats wissenachafUicheii 
Stadien  hätten,  als  die  Mehrzahl  der  deutschen  Studenten. 

Endlich  wendet  man  5.  ein:  Die  wirtschaftlichen  Lehren 
sind  zu  materialistisch.   Ein  schwerer  Vorwurf.   Wir  geben  zu,-  : 
dasS  es  sich  bei  Betracht  img  des  national-praktischen  Lebens  in  erster 
Linie  nm  die  Güter  dieser  Welt  handelt  ,  aber  solange  wir  der  Erde  • 
angehdren,  haben  wir  anch  mit  irdischen  YerhftltiysBen  zu  rechnen, 
und  es  Iftsst  sich  sdileeht  filr  die  Seele  sorgen,  wenn  der  Leih 
hnngert,  und  unser  Heiland  lehrt  uns  ja  selbst  nm  das  tägliche  Bret- 
bitten.  Noth  lehrt  beten,  aber  Noth  khrt  auch  stehlen.  Nichta  ist 
verderblicher,  als  wenn  die  Schale  Begrifie  Tennittelt,  die  sicli  iin 
praktischen  Leben  nicht  als  zutreffend  erweisen;  man  albidigt  ent* 
schieden,  wenn  man  z,  B.  Terachtnng  des  irdischen  Gutes  Idirt  und 
das  wahre  Glttck  nur  im  Bettlergewande  findet  und  einen  Oultoa  der 
Armut  anlbaut,  der  wunderschön  klingt,  im  wnUicben  Leben  sieh 
aber  als  eine  liwrhelt  erweist 

Überhaupt  Obt  auf  das  sittUche  und  auf  das  geistige  Leben  des 
Einzdnen  und  sebier  Familie  die  -materielle  Lage  und  die  Erwerbs-- 
fUiigkeit,  das  YennOgen,  das  er  sich  erwirbt,  den  tiefeten  Kfailfaiss  | 
ans;  und  was  yan  den  Einaelnai  gilt,  das  gilt  auch  fttr  die  Gesell-  | 
«dmft  und  fttr  den  Staat  Erst  wenn  ein  Tolk  wolhaboid  wird,  warn 
es  sich  wirtschaftlieh  emporgearbeitet  hat,  erst  dann  kommt  die 
Neigung  und  Möglichkeit,  auch  sitttich  und  geistig  weiter  zu  streben.* 
Zu  Jeder  Zelt  waren  in  Jedem  Staate  gute  Finanzrerhftltnisse  die 
Hauptmacht,  und  die  Politik  war  ein  von  ihr  abhängiger  Factor.  Dem 
finaazieUen  TerfaU  nach  dem  peloponnesisdien  Erlege  fc^gte  unmittel- 
bar der  politische^  und  es  war  eine  materiell  sehr  kräftige  Zeit,  welche 
die  Bildsäulen  des  Phidias,  das  Theater  des  Sophokles  und  die  Demo- 
kratie des  Perikles  schuf»  Audi  der  -schsrfdenkende  Cicero  stellt  die 
Erwerbang  des  Betehthums,  welchen  er  „belDl  sibeidiA  ^  pncifi  ona- 


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j 


—   507  — 


menta"  ueiini,  aiü  eine  Furcleruug  der  .sa])ienüa  bin.  Also  wol  Grund 
trtiiuf^,  um  (las  rechte  Mali  des  Wolstaudes  als  Ziel  des  wirtschaft- 
iictien  Lebens,  und  die  Uesetze,  auf  denen  er  ruljt,  ernster  Würdigung 
w«rt  erscheinen  zu  lassen.  Überdies  beschränkt  sich  die  Angabe  des 
neneii  Staates  nicht  mehr  allein  darauf,  seine  Bürger  p^egen  Angritie 
von  außen  zn  wahren  und  Ordnung  nnd  Frieden  im  Innern  oder  ndt 
anderen  Worten  NachtwAchterdienste  zu,  verrichten.  Unser  8taat  hat 
neh  sn  einem  eittlieliaL  OrgamsmiiB  entwickelt,  der  den  ideateten- 
Aoijgiaben  der  Henflchlieit  gerecht  xa  werdan  henttht  ist  (?  D.  B.) 
Zur  Sieherfaeätspfl^  mnss  die  Cnltiir-  md  Wolstaadspikge  kommen. 

Eins  teäioh  voUen  wir  uns  nidtt  Tefliefalen:  es  will  uns  n&SK 
lieh  scheinen»  als  ob  man  in  der  V^ükswirtsehaftslefare  das  Git  sn 
sehr  in  den  Mittelpnnkt  stellte.  Die  Werke  fiber  Yolkswirtsohafts- 
lehre  zerfallen  gewöhnlich  in  vier  TheUe:  Der  erste  handelt  von  der 
l'roductiuu  der  Güter,  der  zweite  von  der  Verbreitiuif,^  (  Umlauf;  der 
Güter,  der  dritte  von  dem  Einkommen  und  der  vierte  endlich  von 
dem  Verbrauch  der  (lüter,  und  so  gleichen  sich  die  meisten  dieser 
Schritten,  man  müclite  sag-en,  wie  ein  Ei  deuj  anderen.  Wir  meinen 
vielmehr,  dass  nicht  der  Begrift'  Gut,  sondern  der  Begrift'  Mensch, 
inshesondere  der  g^eistige  Mensch  als  Mittilpunkt  und  Subject  anzu- 
sehen ist  und  zum  Ausgangspunkte  der  ganzen  Wissenschaft  genom- 
men werden  muss.  Wenn  aber  Geist  nnd  Seele  als  die  treibenden 
Kräfte  im  Wirtschaftsleben  angesehen  werden,  dann  bekommt  daa 
Ganze  eine  ethische  Unterlage,  nnd  das  ist  nöthig«  sobald  wir  diese 
Bisdplinen  den  UnteniebtsstoffiBn  einmleibea  wollen. 

Wir  betrachten  den  Menschen  snafidist  als  Sinaelwesen,  dann 
als  FsnuliengUed,  als  Glied  dtf  Gemeinde,  als  BQrgiar  des  Staates 
als  Unterthan  des  Beidiee.  Wir  sehen  ihn  in  seiner  Thitigkeit  im 
Nilir-,  Lidu>  nnd  Wehntande.  Wir  sehen  ihn  in  seinem  Benife  aJs 
Qttwerbtreibender,  IndnstrieUer,  Arbeiter,  ganflnaim,  femor  im  Oifent- 
üchen  Leben  als  Kirchen-  und  Schulvorstandsmitglied,  als  Vertreter  in 
^  Gemeinde,  im  Bezirk,  im  Kreise,  im  Stallt  nnd  Keich,  als  Richter 
(Schiedsrichter,  Friedensrichter,  Schöffe,  Gesell worener),  als  Beweis- 
lielfer  in  Streitierkeiten  (Zeuge,  Sachverständiger'!  etc.) 

Doch  dauiit  sind  wir  bereits  eingetreten  in  die  wichtige  Fiage 
ftber  Auswahl,  Anordnung  und  Behandlung  des  Unterrichts- 
stoffes. 

VI. 

Die  Frage  über  das  Was?  und  Wie?  ist  sehr  wichtig,  denn 
w&reii  hierftber  die  Ansichten  geklärt,  so  wttrde  man  entschieden 

•  i 

! 


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weiter  sein.  Verfasser  erlaubt  sich  nun,  in  dieser  Angelegenheit  auf  j 
sein  Buch*)  hinzuweisen,  in  welchem  diese  Fragen  eingehend  erörtert 
werdeu.  Der  Lelirgang  ist  folgender:  Der  Mensch  in  der  Einzel- 
stellung —  Vom  Zusammenleben  der  Menschen;  die  i^amilie  —  Ge- 
meinde —  Staat,  Verfassung  und  Verwaltung  —  Kechte  und  Pflich- 
ten der  Unterthanen  —  SicherheitspÜege  —  Culturpflege  —  Wol- 
i^tandspflege. 

Die  deutsche  Reichsveifasäung.  Die  Arbeit  —  Schutz  der  Arbeit 
und  des  Arbeiters  —  Versicherungswesen  —  Gewerbe  —  Industrie  —  , 
Cai)ital  —  Wirtschaftliche  Gesellschalten  —  Handel  —  Verkelir  — 
Geld  —  Credit  —  Finanzen  —  MilitÄr-  nnd  Manuewesen  —  Das 
Recht  und  seiue  EiilwiokelnnG:.  Gerichtsveifassung  —  <  it  i  ii^  htvs- 
beamte  —  Der  Laie  im  (3rericlits\  t  rialiien  —  Grerichtsyeriahreu  im  i 
Ci?ilproceäs  —  Verfuhren  im  Straiprocess.**)  ! 

Zum  Schlüsse  noch  eiiiigre  M'orte  über  die  Methode,  Im  weiteren 
Sinne  des  Wortes  ist  als  Methode  häufig  die  historische  <  rnptbhlen  ; 
worden  und  damit  die  Aufnahme  des  gesetzesknndlirlKm  und  volks-  ! 
wirtschaftlichen  Lplustotts  in  flen  Geschichtsuntemcht.   Nun,  es  ist 
ja  richtig,  dass  die  Geschichte  ungemein  viel  Anknüpfiinffspunkte 
bietet;  so  sind  beispielsweise  der  Unabliiiu^nfrkeitskrieg  der  VereinifTten  i 
Staaten,  die  Continentalsperre,  Gründung  des  deutschen  Zollvereins, 
die  Ausbildung  des  gewerblichen  Lebens  der  Völker,  die  Erfindung 
der  Dampfmaschinen,  der  Eisenbahn,  die  damit  zusammenhängende 
Entwickeiung  der  Eisen-  und  Baumwollenindustrie,  deren  Krisen  und 
Folgen  etc.  Vorgänge  von  weittragendster  culturpolitischer  Bedeutung, 
die  zum  Theil  ebenso  tief  als  selbst  die  EreignisBe  der  Jahre  1517, 
1789,  1813  in  die  EntwickeluDg  der  Völker  wie  der  gesammten 
Meoschliait  eingegriffen  haben  und  mit  der  gleichen  Berechtigung  als 
AofligaiigBipiuikte  neuer  lüstorischer  Epochen  zu  betrachten  sind.  Trotz-  i 
dem  kOimeD  wir  uns  nicht  für  die  historische  Methode  entscheidea»  ' 
schon  weil  der  QesdiiGhtsunterricht  für  die  geforderte  Ausdehnung  j 
kfiuieii  Raum  hat,  und  weil  dem  Schüler  damit  trotzdem  keine  Volks-  i 
wtediaftelfthre  oder  Geeetzeskoiide  gebeten  wird,  sowie  es  beispiels- 
weiM  aneh  keine  Geographie  jet»  wenn  dei^  SehlUer  ia  der  Qeachkkte- 


*)  Viersig  LeetiQn«ii  Uber  die  yereinlgte  Gesetzeskunde  und  Volkswirt- 
srhaftslchre.  Zum  Gebrauche  in  FortbildiuigMchulen  nnd  höheren  I/ehranstalten. 
Bearbeitet  von  L.  Mittenzwey  178  u.  XX  S.    Preis  l.bÜMk.  Gotha,  E.  Bohrend. 

**)  Über  die  gelegentliche  Behandlung  in  der  Yolkssschule  und  läudücheji 
FortliUdiiiigasGlnilA  siehe  dee  VerftMieit  Atboit:  Geaetiedcinide  ia  TeiUadu«  ml 
YolknrlftM3ialMlebm  ela  üatanidiAsdiMipliiL   9«  8.  1  Ift.  0«th»,  S.  Balmii. 


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—  609  — 

^tuüde  jeden  bchauplatz  wichtiger  Begebenheiten  mit  Hilfe  der  Karte 
sich  einprägt  Wir  werden  beispielsweise  im  historischen  Unterrichte 
einer  höheren  Schale  gern  Perikleischeii ,  Aagusteischen ,  Medi- 
eeischen  Zeiteiter  verweilen;  wir  werden  yon  Phidias  and  Sophokles, 
?on  Horas  and  dem  Pantheon,  von  Sinhard  and  Ekkehard,  von 
Watter  toh  der  Vogelweide  uid  Dante,  von  der  Alhambfa  und  der 
Felerakirdie,  toh  der  IfarienlNiig  und  dem  Heidelberger  SchlMBe^  tob 
Shakeepeare  und  iroUtee^  yqb  dem  deotaehen  Kmistgewertie  yor  dem 
drelMglihrigett  Kriege,  Ton  Babena  und  Bemfanuidt,  laus  yon  Dichr 
toDgen,  Bauten  nnd  Büdeni  an  reden  ans  veranlaast  aehen,  yermeinen 
wir  aber  damit  den  Sebfllem  eine  OeaeUidite  der  Ennat  sn  geben 
oder  ihnen  die  Idtermtorgescblfllite  an  eraeteen?  filcberUch  nicht  Und 
liier  gilt  ein  Gleiches. 

Die  deductive  Methode  bietet  mancherlei  Schwieriffkeiten.  Be- 
sonders bind  die  wirtschaftlichen  Gesetze  nicht  so  bündig  und  klar, 
dass  man  sie  „scliwarz  aul  ^vt  iß  getrost  nach  Hanse  tragen  kann". 
Auch  Ingramm  meint  in  seinem  Werke  ».Nothwendirre  l'eiform  der 
Volkswirtschaftslphre'* :  ..Die  fälschliche  Zuröckliiiu-ung  der  Mannig- 
faltigkeiten des  wirtschal tlichen  Lebens  anf  angeblieh  einfache  Ge- 
setze muBs  beseitigt  werden"*,  und  Scheel,  der  Übersetzer  der  obigen 
Schrift,  bemerkt  einleitend  in  scharfen  Werten:  ȣa  ist  ein  falscher 
Ansehein,  den  man  der  jugen  Disciplin  gegeben  hat,  als  ob  sie  wiik- 
lidi  schon  dne  Wissenschaft  sei, and  noch  dazn  eine,  die  aaf  so  klaren 
ud  einfiuhen  Groadafttoen  benihn,  dasa  jeder  in  der  Apatheketprftfimg 
darehgelUlene  Pharmaeeat  binnen  visrandz  wanzig  Stunden  ein  per- 
fteter  Vdlkawirt  werden  kdonte.**  Ein  Jeder  mnaa  angeatdiai,  daas 
fißk  die  YerbfiltniaBe  dea  affentliehen  Lebena  in  nnaerer  Zeit  nicht 
gerade  im  Sinne  der  YereinHuliang  entwu^t  liabea.  Dia  SdndB 
Tersehone  ihre  Schftler  mit  nnfrachtharen  Dednotkoen  nnd  Theorien 
nd  führe  statt  dess^  sofort  in  die  giofie  weite  Wdt  der  Erschei- 
BBngen  ein. 

Mit  der  descriptiven  Methode  könnten  wir  uns  am  ehesten 
befreunden,  dabei  kann  mehrfach  vergleiclii:iid  vorgegangen  weiden, 
z-  B.  Bimdesrath,  Erste  i^auiuier,  Magisti'at  —  Reichstag.  Zweite 
Kaiiimer,  Stadtverordnete  —  Rpifb^;steuem,  Staatssteuern,  Oememde- 
steuern  —  die  verschiedenen  Arten  der  Arbeiten  et<v  Wo  Historisches 
in  Frage  kommt,  wie  z.  B.  beim  Gewerbe,  beim  Militär wesen,  bei  der 
(Gerichtsbarkeit  u.  s.  w.  lässt  sich  auch  manches  voraussetzen.  „In 
der  Zukunft  wird  flir  die  Nationalökonomie  eine  neue  Epoche  kommen, 
aber  nur  dnrcb  Verwertung  dea  ganasen  historisch-deseriptiyen  und 


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—  ölO  — 


isUilistischen  Materials,  das  jetzt  "^eschafteu  wird,  nicht  durch  weitere 
Destillatiuueü  der  hundertmal  Uestillirteu  abstracten  Sätze  des  alten 
Dogmatismus/  *) 

Unsere  Ansicht  geht  überhaupt  dahin,  dass  bei  einer  BelunHllnng 
in  der  Srlmle  das  Ganze  auf  eine  ethische  Grundlage  gestellt  werden 
nius8  und  niclit  der  BegriÜ  Gut,  :iondem  der  Be^ff  Mensch  als  Ans- 
gangö-  und  Krvstalli^iationspuiikt  zu  dienen  hat.  Wir  möchten  diese 
Methode  die  ethisch- an thropologi^iche  uenneu.  — 

Es  bedarf  wul  kaum  noch  der  Krwähnuni?,  dass  eine  jede  Schule 
die  Gesetzeskunde  und  Aulk^wn  t>clialfslehre  praktisch  dadurch  zu 
unterstützen  hat,  dass  si**  dcii  Schiller  zur  Aufnierkisauikeit,  zum  aus- 
dauernden Flfciße  und  zur  zieioewubsleu  Thätigkeit.  zur  Pünktlichkeit, 
Ordnung  und  Sauberkeit,  zur  Wahrheitsliebe.  Ehrlichkeit  und  Pflicht- 
treue, zur  Genügsamkeit,  Mäßigkeit  und  Spürsauikeit,  mwio.  zum  Ge- 
meinsinn, zur  Ehrerbietnntr  gegen  den  Landesherrn,  zum  Gehorsam 
gegen  die  Obriprkeit  und  zui-  Achtung?  gegen  die  Gesetze,  zur  Vater- 
landsliebe und  Frömmigkeit  erzieht.  Es -ist  auch  die  deutsche  Schule 
sich  dieser  Aufgabe  immer  bewusst  gewesen .  sie  hat  zu  allen  Zeiten 
daftir  Sorge  getragen,  dass  durcli  die  sittliche  Erziehung  in  unserer 
Jugend  der  Sinn  für  das  Kecht  entwickelt  wurde,  dass  im  Menschen 
die  sogenannten  bürgerlichen  Tugenden  großgezogen  wurden,  welche 
ihn  womöglich  in  den  Stand  setzen  helfen,  seine  Hechte  zu  ergreifen 
und  seine  Pflichten  zu  erfüllen  und  ein  guter,  brauchbarer  Bürger  des 
Staates  zu  sein.  Aber  wenn  sicli  das  auch  im  Laufe  der  Zeiten  wol 
bewährt  hat,  so  hat  doch  die  fintwiekdimgsgeschichte  unseres  Volkes 
einen  derartig  großen  Fortgang  genommen,  dass  es  nicht  mehr  möglich 
ist,  mit  jenen  einfachen,  in  ihrem  Inhalte  zwar  bedeutenden,  aber  doch 
zu  allgemeinen  Sätzen  die  Sache,  um  die  es  sich  wirklich  dreht,  voll- 
ständig zu  behandeln,  so  da»  es  nothwendig  geworden  ist,  dem  alten 
Grundsatze,  den  wir  alle  in  noserem  Emok  nnd  in  der  Praxis  befolgt 
haben,  einen  weiteren  Ausbau  zu  geben. 

So  mOge  dCEon  im  Hinblick  anf  die  nationalen  und  wirtschaft- 
lichen Gesammtzwecke  des  deutschen  Volkes  recht  bald  Bechtslnft  in 
nnseren  Schnkn  wehen  und  Gesetseskiuide  mit  entspreciieiidier  Berück- 
sicfatignng  der  whrtschafUichen  Ldven  nicht  ferner  Tom  Ünteniefat 
ansgeschieden  bleiben. 


**)  Jdiib.  t  G«eetsgebiiag,Verwaltiiiig  «adVoUoiwirlMhaftimDmtMdiMBtlck 
N.  F.  Vn.  8.  fleft 


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« 


Drill  oder  Erdekiiiig« 

Xu  der  ungarischen  Delegation  ist  die  Idee  ausgeheckt  worden, 
die  Jagend  schon  in  der  VoIkBschale  für  den  Militärdienst  am 
emehml'^}  Die  arme  Volkssdrale!  Selbstverständlich  rnftsste  auch 
die  Lehreorschaft  in  dieser  Bichtnng  Torgebildet^  und  in  den  Lebrplan 
der  Lehrerhüdnngsanatalten  ein  ganx  nenes  FcMsh  aofgenoiunen  werden; 
denn  wer  andere  in  efaier  Sache  ndt  Erfolg  unterweisen  wiU,  mnss 
dodbi  erst  selbst  darin  Mittelfest  sein.  Die  GKMiter  mögen  uns  davor  be- 
Vahren,  dass  auch  Cisleithanien  von  dieser  schönen  Idee  Infldrt  wirdt 
Ist  sie  ungarischem  Boden  entsprossen,  so  nuige  sie  (hüben  wachsen 
und  gedeihen  —  zum  Wole  des  Vaterlandes  uiui  zum  Gaudium  der 
Jugend.  Wenn  aber  einer  wäre,  der  den  Unsinn  anch  bei  uns  zu 
culüviren  voi-schlüge.  so  müsste  man  ihm  folgende  Fragen  vorlegeu: 
l.  Haben  die  Lehrpiaue  der  Vcdksjickule  noch  Kaum  für  neue  Dis- 
ciplinen?  2.  Wie  soll  der  Uuterricht  für  den  Milit;lrdienst  beschaffen 
sein?  Soll  er  theoretisch  oder  praktisch  oder  beides  zugleich 
sein?  3.  Wer  soll  diesen  Unterricht  ertheilen?  4.  Wer  soU  den  sich 
als  nnaosweichUch  ergebenden  Aufwand  bestreiten? 

Die  erste  Frage  muss  mit  einem  entschiedenen  Nein  beantwortet 
Denn  die  Sache  steht  bo,  dass  bei  dem  ansgedehnten  Material, 
das  die  Volksschule  zu,  bewUtigen  hat,  alle  verfttgbaren  Standen  der- 
art besetzt  sind,  dias  selbst  dem  ans  Lehrerkreisen  herroigehenden 
Wnnsche,  hie  und  da  einer  El anptdisdidk  noch  eine  Stande  zaaiweisen, 
nicht  wül&hrt  werden  kann,  ohne  die  Jagend  an  ftberlasten  — ,  was 
sie  jetzt  schon  fhatsficUkh  ist,  wofttr  die  Erlasse  der  obersten  Unter- 
nchtsverwaltong  beafiglich  der  Herstellung  von  Einderspielplätzen, 
der  Einschränkung  der  Hausaufgaben  u.  s.  w.  den  besten  Beweis 
liefern.  Es  ist  dalier  gänzlich  ausgeschlossen,  der  Volksschule  die 
Auiiiahme  eines  neuen  Lehrgegenstandes  zuzuumthen. 

Bei  Beantwortung  der  zweiten  Fraere  tritt  die  Unausftihrbarkeit 
üer  Von  uns  bekämptten  Idee  noch  deutlicher  zutage.  Ueim  i^t  der 

*)  £iu  gru^cr  Veräucli  lu  dit^er  iiichtjmg  ist  zwar  bereits  klägUch  gescheitert 
^  Fnoknich  — ,  da  aber  ia  muerer  Zeit  eine  Eneueiaiig  desselben  immerhin 
'■'Vicfc  irire,  dttifle  dieser  kleine  AnÜMta  niebt  IlbefflMg  sein.  D.  E. 


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—  512  — 


militärische  Unterriclii  nur  i heoieti:ieh  oder  nur  praktis^cli,  so  ist 
er  einseitig  und  demgemäß  ungenügend;  wird  er  aber  so  eingerichtet, 
dass  er  beiden  Momenten,  dem  theoretischen  und  dem  praktischen,  gerecht 
wii'd,  so  bea IIS}  1  nicht  er  nicht  nur  mehr  Zeit,  sondern  auch  gruiiere 
Kosten.  Ein  aktischer  Unterricht  ohne  Wafifen,  ohne  Eeitübungen 
ist  ein  Schemen.  Aber  zugegeben,  dass  alle  durch  Herbeischaflfung 
von  Waffen,  Munition  und  Pferden  verursachte  Kosten  \  r  n  einer  Seite 
bestritten  werden,  die  wir  vorläufig  mit  X  bezeichnen  \v(illf»n,  weil 
wir  sie  nicht  kennen:  so  bleibt  trotzdem  der  ganze  linterricht  ein 
Drill,  eine  mechanische  Abrichtimg,  weil  die  Volk-.«  hule  außer  Stande 
ist,  anf  dasjenisre  e!iTs(  liiedenen  Einflnss  zu  nelmu  n,  was  den  mili- 
tärischen Unterricht  erst  zu  einem  wahrhaft  erziehenden  zu  ge- 
st.ilh  ii  vermag  u.  z.  auf  den  widerspruchslosen  Gehorsam  auch  außer- 
lialb  der  Sdnile,  auf  die  Pönktlichkeit  in  der  Lebensordnniig,  speciell 
auf  die  8;iubt  rkeit  in  der  äußeren  Ersrlieinung,  und  endlich  auf  die 
hervorragi  nd^te  Tnpind  dw  Siddatcn:  den  Math,  die  Tajirerkeit.  All 
doni  steht  der  Einiiuss  des  Elternhauses,  die  socialen  Verhältnisse  der 
J'amilien,  das  Elend,  die  Noth  des  Lebens,  das  schlechte  Beispiel  u.  a. 
im  Wege,  und  leider  sind  diese  Umstände  von  so  zäher  Natur,  dass 
sie  sich  auf  Commando  nicht  abändern  lassen!  Sie  würden  sich  den 
besten  Maßnahmen  des  militärischen  Unterrichtes  wie  Bleigewicht  aa 
die  Fersen  hängen  und  seine  erziehlichen  Absichten  vereiteln. 

Wer  aber  soll  den  Unterricht  ertheilen?  „Die  Lehrer!"  höre  ich 
antworten.  Das  ist  freilich  leichter  gesagt,  als  anagefiUurt.  Der  mili- 
t&rische  Unterricht  müsste  doch  ein  allgemeiner  sein,  und  er  w&ie 
gerade  in  den  abgelegensten,  kleinsten  Ortoi  eigentlich  am  nothwen- 
digsten,  weil  von  dort  das  minder  intelligente  „Menschenmaterial"  (!) 
dem  Heere  zugeführt  wird.  Wo  nun  größere  Schulen  bestehen,  dftifte 
sich  unter  den  Lehrpersonen  in  der  Kegel  eine  oder  auch  mehrere 
finden,  die  aus  „Selbsterfahmng"  den  militärischen  Dienst  kennen  ge- 
gellt haben,  und  die  Unterweianng  der  Jugend  flkr  den  Militärstand 
übernehmen  konnten,  wobei  immer  noch  die  Frage  offen  bleibt,  ob  sie 
ihn  aodi  flbemehmen  mflssten.  Wie  stände  es  aber  an  eindaasigen 
Sehnlan,  wo  nur  ein  Lebrer  wirkt,  dem  vielleieht  daa  nMiUtSiladie*  so 
fremd  ist  wie  ein  spanisches  Dorf?  Da  dürfte  doch  wol  ein  ausgedienter 
Soldat  an  finden  sein,  der  die  Sache  Ubemebmen  konnte?  M<tglieh  — 
aber  dann  Adien  Braiehnng!  der  eehOnate  »Drill*  stinde  in  BUNe! 

Der  vierten  Frage  bexQgüch  deijenigen  moralÜMshen  Feiaon,  dsr 
die  Bestreitung  der  Kosten  des  müitfii^chen  TTnterriditea  anflde^  haben 
wir  oben  schon  mit  der  Bemerkiing  etwas  yorgegriifen,  dass  wir  sie 


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—  513  — 


nicht  kennen.  Aber  eigentlich  kennen  wir  sie  doch;  sie  führt  l.  » 
holden  Namen:  „Steuerschraube'*  —  und  ist  eine  Inichst  populäre 
Stantsdame.  Wenn  die  Sache  einmal  im  Gang  wäre;  wenn  die  8rhnl- 
jungen  mit  den  Säbeln  rasseln  und  die  Schulreitpferde  wiehern  würden: 
dann  fände  sich  schon  die  Quelle,  aus  der  der  nervus  rerum,  wenn  auch 
murmelnd**  und  in  gewohnter  Weise  etwas  spärlich,  hervorflösse. 

Besehen  wir  aber  die  Angelegenheit  vom  Standpunkte  der  Men- 
schenerziehung, so  ergeben  sich  gewichtige  Bedenken  dagegen.  Bas 
Bedfirfiiis  einer  aUgemeinen  Volksbildung  hat  die  Volksschale  goschaffen. 
Das  Ziel  ihrer  Thfttigkeit  ist  die  Vermittliuig  von  Bfldnngselementen 
des  Verstandes  nnd  B^grOndang  einer  sttOiehen  Wdtaoachanmig»  also 
Heransentwiekloag  des  rein  Menschlichen  im  Kinde  ohne  BAeksieht 
auf  seinen  kflnftigen  Stand.  Das  kann  selhstverstindlicfa  bd  dem 
allgemeinen  Charakter  der  (HfentUdien  Scihnle  mit  Schnlswang  aneh 
niclit  anders  sein,  und  jedermann  wfirde  es  sonderbar  und  geradezu 
anmaßend  linden,  wenn  irgend  ein  Stand  verlangte,  es  möge  die 
Volksschule  so  eingerichtet  werden,  dass  dii;  ivinder  gerade  für  ihn 
vorgebildet  würden.  Es  \viirde  jedermann  sofort  herauslinden,  dass 
darin  ein  oroßes  Siin  k  ljngerechtiL':kf^it .  einn  Reeinträrhti£rnne:  der 
ideakn  Wirksamkeit  d«  r  Schule  liegt,  die  uline  kScliadea  tur  die  Ge- 
sammibildung  nicht  L^d »iiiigt  werden  könnte.  Die  Ansicht  der  auf- 
geklärten Partei,  die  unter  Kämpfen  die  Volksschule  ins  Leben  rief, 
geht  doch  dahin:  je  reiner  der  Charakter  der  öffentlichen  Schule  als 
solcher  erhalten  wird,  desto  besser  nnd  leichter  kann  sie  das  Ziel 
der  Menschenbildung  erreichenl  — 

Aof  eines  erlauben  wir  uns  hier  noch  hinzaweiseo.  Es  ist  nftm- 
lieh  eine  höchst  anffilHge  £racheiniing,  dass  in  senester  Zeit  swei 
Gegenefttase  so  sehroif  nebeneinaader  herscfareiteii  wie  nie  snTor. 
Auf  der  einen  Seite  erschallt  der  Baf :  «Die  Walfon  mederf*  imd  edle  , 
Mmeebenfrennde  yereinigen  sich  zn  IViedeosoongressen  nnd  sind 
thitig  in  Schrift  md  Wort  fOr  die  Idee  des  allgemehien  WeHiriedens, 
vditbem,  wie  jeder  Sehende  merken  mnss,  der  ganae  Zag  der  Zeit 
entgegenstrebt;  auf  der  andern  Seite  wird  die  Ausbildung  der  Jugend 
ftr  den  Krieg,  als  im  allgemtineu  Wol  gelegen,  gefordert!  Auf 
"Welche  Seite  sich  der  Menschenfreund  stellen  soll,  ist  unschwer  zu 
entscheiden!  -  Man  bilde  die  Jugend  weniger  darin  aus,  wie  sich 
Mensch  und  .Mansch  bekämpft,  sondern  vielmehr  darin,  wie  sich 
Mensch  und  Meurich  liebt!  Das  scheint  uns  das  richtige  Eyangelium, 


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Elin  paar  iiotliwendige  ErmueriiiigeiL 


Stellungr  des  Staates  zur  Schale.  Der  Staat  steOt  die  Lefar- 
pläoe  auf;  er  beseicbnet  die  za  lehrenden  F&cher,  die  auf  den  Schal- 
besach  fiberhanpt  nnd  jede«  Fach  im  besonderen  an  verwendende  Zeit; 
er  bestimmt  das  sogeuannte  Lehraiel,  welehes  erreicht  werden  mnss; 
w  sdirdbt  Tor,  welche  Lshrbficher  nnd  Lehxmittei  an  gdttaadien 
sind;  er  Teranstaltet  die  SchnlprOfimgen  nnd  gibt  damit  der  Arbeit 
jedes  Jahr^  eine  Richtung,  von  der  nicht  abgewichen  werden  kann.  In 
den  Lehrerbildongsanstalten  erhält  der  >verdende  Jngenderzieher  An- 
weisungen über  die  von  ihm  innezuhaltende  ünterrichtsmethoch». 
So  ist  der  Lehrer  selbst  wie  die  Schule  von  allen  Seiten  an  gegebene 
Bestimm ungeii  p^ebundeu. 

Die  strallc  Gebundenheit  der  Schule  und  der  Lehrer  bringt 
schweren  Nachtheil.  Die  Staatsbeliürden  treften  ilire  Bestimmungen 
nicht  selten  ohne  hiiireicliende  Sachkenutuis.  Aus  dem  Wunsch,  eine 
leichte  Controle  zu  haben,  entspringt  eine  starke  Neigung  zur  Gleich- 
macherei. 

Der  Lehrer  müsste  eigentlich  in  der  Schule  viel  selbständiger  sein. 
Er  sieht  allezeit  und  bei  jedem  einzelnen  Kinde,  was  noth  thut  und 
wie  jeder  Schüler  nach  seinen  Anlag:en  nnd  seinen»  g:anzen  Naturell 
zu  behandeln  ist  Da  hilft  nicht  der  Paragraph,  sondeni  das  Gefühl 
des  Lelirers.  Er  weüj,  wo  etwas  zu  holen  ist  und  wo  die  Schüler 
einen  Gewinn  machen  können.  Aber  die  geltende  Schablone  gestattet 
derlei  treiheilen  nicht. 

Wie  in  allen  Gebiet ni,  hat  sich  die  Controle  auch  in  der  Schule 
auf  das  Hii Berste  ausgebildet,  und  das  ist  eine  weni^  erfreuliche  Er- 
scheiüuug.  Man  s^laiibt  nicht  an  den  Pflichteifer  der  Menschen,  und 
dieser  kann  nllHKimgs  dabei  nur  veiiiereu,  er  wird  sich  in  demselben 
Grade  verringern,  als  die  Controle  sich  entfaltet,  denn  er  l»at  jrar 
keinen  Spielraum  mehi*,  um  sich  frei  zu  bethätigen.  Mit  grölierer 
Freiheit  würde  der  Lehrer  auch  größere  Freude  an  der  eigenen 


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—   515  — 

Arbeit  und  eia  Gefühl  größerer  Yüraiitwuitliclikeit  haben.  Dem  Eitri- 
gen bh^ibt  lieute  nichts  auderes  iibrip;,  als  in  der  officiell  öanctiuüirten 
Kichtung  noch  weiter  vorwärts  und  damit  seine  Schule  noch  weitei* 
ÄUf  den  Abweg  zu  treiben. 

Lehrbüclier  und  Unterriclilsuietliode.  iJie  i^  rl w  ihreude 
Production  von  Lehrbüclierii  legt  Zeugnis  ab  für  einen  uugewoimlichen 
Fleiß  dei'  Lebrerschait.  Denn  wer  ein  Lehrbuch  schreibt,  denkt  damit 
etwas  zur  VeiTollkommnjmg  des  Unterrichts  beizutragen.  Aber  diese 
Broduction  hat  auch  einen  eminenten  Nachtheil  für  die  Schule.  Ein- 
mal ist  mm  die  Annahme  siemlich  allgemein,  ein  Läkrbndi  mftsse  die 
Grundlage  jedes  Untecriciits  bilden.  Dem  SdiOler,  aagt  nuui«  mOwe 
etwas  Festes  nnd  YerUlSBlidtes  in  die  Hand  gegeben  werden.  80  bewegt 
sieh  dann  alles  Lebren  nnd  Lernen  in  dem  Gfeleise  des  gesduiebenen 
Wortes,  nnd  an  die  Stelle  der  lebendigen  Wir^lidikeit  tritt  für  den 
Scbmer  eine  gescbriebene  Welt  Jedes  Lehrbuch,  ancb  das  beste, 
sieht  den  l^na  des  Kindes  vom  Lebendigen  ab.  Jm  Bnehe  ^nbt  der 
Schüler  alles  schwarz  auf  weiß  beisammen  zu  haben,  was  in  einem 
Gebiete  wissenswert  ist;  was  nicht  im  Buche  steht,  existirt  nicht. 

Das  Lehrbuch  gefährdet  ferner  in  hohem  Grade  das  lebendige 
Verständnis.    Schon  über  den  Weg,  welcher  durch  eine  Wissenschaft 
einzuschlafe  n  ist,  brauclit  der  Schüler  nicht  nachzudenken,  sicli  nicht  im 
voraus  selbst  zu  fragen,  welche  Kintheilung  vorzunehmen  sei.  wozu 
man  logischerweise  von  irgend  einem  Punkte  ans  überzugelien  liabe. 
J^odann  läuft  gar  manches  als  verstanden  mit,  was  durchaus  nicht  be- 
griäen  wurde.    Das  eigene  Aufsuchen  der  Wahrheit,  das  heißt  die 
Übung  der  geistigen  Kräfte  wird  überflüssig,  da  ja  die  Resultate 
schon  vorliegen.    Und  in  gar  vielen  Fällen  beschränkt  tkk  alles 
Lernen  darauf,  den  Inhalt  des  Bnches  (wir  denken  nicht  etwa  an  die 
knediträehe  Beibehaltong  der  AosdmckiBform)  ins  Gedfiditnis  hinttber- 
zstragen.  Der  Schiller  wagt  es  vielleicht  nidit,  nach  einor  ErklSrong 
sn  fragen,  weQ  er  ja  die  Sache  selbst  in  der  Hand  hai,  oder  weil 
überhaupt  eine  gegenseitig  Terhandelnde  Lehrweise  nicht  Hblich  ist, 
oder  weil  man  keine  Zeit  nimmt,  sich  bei  einzelnem  an&nhalten.  Er 
begnügt  sich  mit  dem  Wort,  und  bedient  sich  wieder  des  Wortes,  wo 
*r  bei  der  Kepetition  über  einen  Gegenstand  zu  reden  hat.  Endlich 
erzeugt  der  Lehi-buchfanatismus  den  Wahn,  als  ob  es  nur  eine  (in  der 
Regel  die  eigene!)  richtige  Lehrmethode  gebe.  Und  durch  abschätziges 
Urtheilen  thnt  gar  manchmal  ein  Lehrer  dem  andern  unj*echt.  Die 
Absurdität,  d  tss  man  etwa  einem  Lehrer  zumuthet,  er  müsse,  um  sieh 
<ds  guten  Facbniann  auszuweisen,  die  ganze  Lehrbnchliterator  kennen, 
^  nur  beiläoiig  erwähnt  sein. 


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Dar  beste  ünterridit  bnwdit  kein  LehrNieiL  Ymi  eiB«  Lehnr 
dajff  Terlaagt  werden,  dass  er  seinen  ünterrichtestoff  beherrsche;  der 
Schüler  selbst  mag,  wenn  er  Lust  hat  fund  an  dieser  wird  es  nn- 
bedingt  bei  so  freier  anregender  Lehr  weise  uitht  iehlenl)  nebenbei 
noch  Bücher  nach  Belieben  zn  Rathe  ziehen.  Nur  wo  er  ?anz  selbst- 
ständis^  sL'iii  kann,  verniag  ein  Lelirer  seiTic  ganze  Persönüclikeit  au.s- 
zugebi  ii.  Und  dann  wird  auch,  ^vah  er  lehrt,  lebendi^r  sein,  und  er 
kann  die  Schüler  lindend  mitarbeiten  lassen.  Ks  kann  so  allerdings 
nicht  dieselbe  Masse  des  Lehrstoffes  bewältigt  werden,  aber  was  man 
erarbeitet,  ist  auch  errangen  und  bildet  einen  Gewinn.  Die  Mait«ir 
braucht  kein  Buch,  indem  »e  ihr  Kind  ovrAeht  der  VatCT  keins,  der 
den  Jungen  mil  den  fiSnelieimuigeii  in  Feld  und  Wald  bekannt  macht 
AJm  fiehten  wir  aacb  in  der  Schale  wieder  den  Blick  des  Kmdes 
auf  die  Sachen  mßmt  Die  Yortheüe,  ivddie  eine  solehe  Ijelrato 
hat,  sind  nickt  gering  m  ackten.  Ging  und  Stoff  des  ÜBtemta 
passen  siefa  der  Faseungskraft  des  Sckttlen  an,  es  werden  Mm, 
positive  Besnltate  erreicht,  eine  bedentende  Enüsstong  indet  ftitt 
nnd  spedell  eine  solche  des  Gedftditalnes,  dieses  wird  das  Yerslaata 
besser  hehalten,  und  so  mnss  auch  das  Gesammtnafl  des  Wisseno  das 
bisherigen  mindestens  gleich  sein;  für  das  Leben  wird  eine  soMe 
Methode  des  Arbeitens  gewonnen.  Dazu  kommt  noch,  dass  der  Unter- 
richt für  die  Schüler  viel  mehr  Reiz  und  luteresse  hat.  (Herzog,  l>i<j 
Schule  und  ihr  neuer  Aulüau.j*) 

*)  Wir  haben  uhb  hmits  liogst  vnd  wiederholt  ia  gldchem  Sinne  aufeipiiiMlMi; 
da  aber  der  Unrentand  immer  hsrtnliddger  wiid,  mnm  er  audi  immer  wA  aew 
bektmpit  weiden. 


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Der  Pensenknecht, 


Von  K.  Albert, 

war  Sonnabend  Mittag;  die  Räume  der  Schnle  hatten  sich  entleert, 
ich  schritt  meineni  tränten  Heim  zn.  Ein  wunderbares  Gefühl  erfüllte  mein 

H*-rz.  halb  Freude  über  die  g-lficklich  Toll^nflete  saure  Wochenarbeit,  halb 
Hoüüuiig  auf  das  iilüt;k  der  eniuickenden  iiulapanse,  die  vor  mir  lasr  und  die 
auch  über  die  Gesichter  der  Amtsgenuäbeu  eiueu  vt^rkläi-eudeu  V'oiäcixiiuiüt-r 
tiriiiiiioQ  hatte. 

me  Luft  w<hte  so  klltüldi  rein  von  d«n  Beigen  hernieder,  dnnten  ftber 
4en  Feidenk  idnrebten  zahllose  £i«rchen  tiütenid  nnd  jauchzend  in  der  LnAf 
m  den  Bäumen  und  Sträuchem  der  Gärten  antworteten  Fink  und  Ifeise,  Stiege 

litz  und  Rothschwänzehen  in  heller  Frühlingslust,  D'ay.u  «chien  die  liebe  Sonne 
so  liell,  als  wollte  sie  den  ietisten  Eest  ¥on  Soige  and  Miuunoth  aus  den 
Herzen  der  Menschen  wegzaubern. 

Mir  klangen  die  Worte  des  innig  empfimdeueu  Höltyscheii  Liedes,  das 
ieh  am  Morgen  in  der  Schule  bebandelt  hatte,  wonnig  im  Herzen  nneh: 

-0  wunderschön  ist  Gottes  Erde 
Und  wert,  darauf  vergnfigt  zu  sein; 

Drum  will  ich,  l)is  ii  b  Asche  werde, 
Mich  dieser  schuQtia  Erde  Ireun!" 

Ja,  die  Freude  ist  der  große,  treibenil«'  Pnls  alles  Lebens,  auch  des 
Lehrerda  sein  a.  Wo  sie  lehlt,  da  erlahmt  die  Ki  ift.  da  sinkt  der  Mntta,  da 
sieht  das  Aug-e  des  Geiites  zuletzt  nur  noch  alles  (fütii  in  Grau. 

„Saure  Wochen,  tVohe  Feste"  preist  Altmeister  Goethe  als  des  Erden- 
Mdtrare  h5cliste  Weliheit  An  den  enteren  ftUi  ee  den  Lehrer  mdahaftig 
>ie^;  aber  aneh  die  letnteren  lind  üm  nicht  Temgt,  er  nrais  döh  sokfaee 
Crllick  nur  selber  zu  bereitet  verstehen.  Ein  Spaziergang  mit  lieben  Freunden, 
mit  Weib  and  Kind  in  Gottes  Wunder  weit  ist  zuverlässig  ein  nicht  geringeres 
und  zudem  unschuldigeres  Verg^iügen  als  die  Schwelg-ereien  der  Nabobs  und 
Gniöinogule  bei  Austern  und  Champa^^ner  ini  irMld^^esclunückten  Festsaale. 
),i>a  liegt  die  schöne  Welt,  eine  Fiiile  der  \\  ouuen  bietend  —  genießt  sie 
mir!'  —  so  ruft  der  Herrgott  seinen  Menschenkindern  ireuudiich  mahnend  zu. 

Von  solehen  Gedanhen  erflllt  ind  In  aoJeher  frob«i  SÜBinrang  aelizitt 
ieh  weiter. 

Vor  mir  gins  langeam»  eetdeppend  ein  Kann,  den  ich  sofort  erlcannte; 
?s  war  mein  guter  College  Sorge,  der  niit  mir  In  einer  StraCe  der  Vorstadt 
^olinte.  Hätte  er  eine  Briefträgemniform  aageliabty  eo  wftrde  ich  ihn  aicber, 


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—   618  — 


von  hinten  gesehen,  ftr  den  alt«n  Laadbriefträger  Tappert  gehalten  habflB. 
Der  ^in^  nun  viele  Jahre  mit  seinen  gichtbrttchigen  ünterthanen  durch  ansere 
StraOo  auf  die  Nachbardörfer,  meist  schwer  bepackt  mit  Schiffchen"  für  Sol- 
i  it>'!i.  iSchüler  mid  df're:leichen  Leutchen.  Das  hatte  den  biederen  Alten  nach 
uud  uacli  ganz  ki  unini  gezogen,  just  so  krumm  wie  unser  guter  Sorge  da  von 
a&doren  Ltiten  gebeugt  war. 

Der  «me  College  eehien  gar  ketaen  kUrperUcben  Hall  mbr  in  iMi  n 
haben;  er  ging  schwankend,  nach  vorn  geneigt,  in  tiefe  Gedanken  verlorai, 
den  Blick  fest  auf  den  Boden  geheftet,  statt  ihn  in  die  schrmp  Welt  zn  er- 
liphen  Sein  „Pedal'*  war  nnverkennbar  nicht  mehr  in  Or  lintiij,  so  knifike- 
bemig,  so  watschelnd  und  unsicher  bewegte  er  sich  daiaut  vorwärts. 

Ich  mow  ehrlieh  gestehen,  dass  ich  eben,  in  meiner  sonnigen  Stimmaog, 
am  liebsten  sieht  mit  ihm  snsammeB  getrata  wSre;  aeine  eigene  m/Aen, 
henhafle  Fraft  hatte  ihn  einst  in  meiner  Gegenwart  erregt  etne  nTrauerunke'- 
genannt  nnd  damit  das  Wesen  des  Mannes  scharf  gekennzeichnet  Ein  Blick 
in  sein  ewig  ernstes,  fast  8chwermiUhig:es  Gesicht,  in  seine  müden  Angen.  ein 
kurzes  GesprUcli  mit  ihm  fiel  auf  die  heitei'ste  Laune  wie  ein  Keif  in  der 
1;  ruliiingsnacht  auf  die  ebeu  erbt  ei'schlossenen  Blüten. 

Aber  der  Arme  war  nun  etanal  so,  anm  Thell  wol  durah  eine  elgentiii» 
Hohe  Anlage  nnd  dnreh  eigene  Soimld,  nun  Thell  aiete  nber  aneh  dveh  diB 
Verhalten  anderer,  die  Einflnss  anf  sein  bescheidenes  Dasein  gehabt  hattea. 
Vnd  da  er  überdies  zu  den  gutherzigsten  Menschen  gehörte,  die  ich  jf'Hials  ge- 
kannt habe,  so  konnte  ich's  nicht  über  mich  gewinnen,  mich  xdgerad  zarfiek- 
xohalten,  um  das  Zusammeutreffeu  mit  ihm  zu  vermeiden. 

„Nehmen  Sie  mich  mit,  Herr  College  1"*  rief  ich. 

Er  wandte  sieh  langaam,  wie  antonuttisdi  naeh  mir  nm,  md  iMfar  deaa 
jemala  befremdete  mioh%  wie  aohweffiUlig  er  dabei  die  FttBe  regte. 

Als  ich  bei  ihm  angdangt  war  nnd  ihm  die  Hand  znm  Gruße  reicbte, 
sciiäute  ich  ia  ein  aorgendflaterea  AntUta»  in  Angm,  ana  denen  eine  atamiae 
Klage  sprach. 

„Wie  geht's,  lieber  College r  frug  ich,  indem  wir  ans  die  Hftnde 
kehnttelten. 

„Wie^a  geht?  aehleebt,  wie*a  eineoi  armen  Sehnlraelater  ianner  geht!* 

antwortete  er  gedrückt. 

Ich  schüttelte  unnmthig  den  Kopf  und  sagte  nicht  ohne  Schärfe:  ^.Aber 
Mann,  um  des  Himmels  winen.  geberdeu  Sie  sich  doch  nicht  so  kläglich! 
Schauen  Sie  sich  um.  betradutu  Sie  die  Gottespracbt  rings  umher  und  freuen 
Sie  sich,  dass  Gott  Ihnen  uud  den  Ilirigeu  Gesundheit  gegeben  hat,  solchl 
Herrliehkeit  zn  genieBenl  Wer  adehte  nicht  an^nehien  in  all  d«  FitUligi' 
giaek?  Weifhn  fiHe  ah,  was  Ihr  Gcnttth  bedrilektl  SVeoen  Sie  aleh  weair 
steus  einmal  so  recht  van  Henen.  Vrenda  ist  die  heita  Aisnel  lir  die  Oa- 
breaten  des  Lebens!'' 

„Ich  weiß  wol,  da«?  Sie  recht  haben",  entgegnete  er  imide.  ^.Schon  gar 
lange  wünsche  ich  mir,  noch  einmal  so  fröhlich  sein  zu  kuuneu,  wie  ich's  iu 
meiner  Jagend  war.  Damals  war  ich  auch  ein  lästiges  Blat;  wo  ein«  Hellt 
klangt  konnten  Sie  mich  itaiden.  Aber  man  wird  alt  nnd  stuqif;  €a  will  nrit 
dem  Prohwerden  gar  nicht  mehr  gehen.'' 

„0nd  wamm  nicht?«*  frag  ich  eindringüch.  „Oewlis  acUagnn  £He  M 


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-  519 


wieder  einmal  mit  Uirem  alten  Herzeleid  Lerum:  Sie  haben  Uir  Woclieüpensum 
aielit  liflniiitergearbeitet,  wie  dar  PUa  yonchraibt!" 

^Sie  hata'B  emthw^y  antwortete  Sorge  mit  daen  tiefea  Seata*,  der 
tcrM,  wie  sehr  Qtn  die  eateetdiobe  Thatiaelie  drftekte.  „0  dieaer  Stoffveiw 

theilangsplaii!''  fahr  er  mit  klägliober  Stimme  fbrt.  „Er  bringt  mich  noch 
üm,  ich  weiß  esl  Niemand  wird  lengrnen,  dass  ich  mir  alle  Mühe  gebe,  und 
doch  itann  ich  seinen  Fordt-ningi  n  nicht  gerecht  werden!"    Er  «töJinte  tief. 

«Sie  geben  sich  all  rüti^s  Mühe,  fast  mehr,  als  Ihre  Kiirperlirät'te  er- 
laaben*',  sagte  ich  mit  Nachdruck.  „Das  ganze  Lehrercollegium  weili  das  und 
«riwant  es  tmamwanden  an  —  aac^  dem  sehr  gestrengen  Herrn  Stadtschnl- 
iospeetor  gegeaftber.^ 

Sarg«  UM  Bteben  and  nli  ailoh  fragend  an,  ailn  Geaiöhi  lali  nicht  mehr 
w  gar  dHafeer  ans  wie  vorher. 

„Ist  das  wirklich  wahr?" 

»Gewi»,  werter  College.  Erat  geetern  haben  wir*«  ihm  ganz  enteehieden 

gesagt*/ 

pWarum  gesagt?  Weil  er  unzufrieden  mit  mir  war?"  Das  klane  so 
bang,  m  besorgt,  dass  ich  fast  bereute,  ein  Wort  davon  gesagt  zu  habeu,  was 
ckh  gestern  xwlidian  naa  and  d«n  anmngfiidflBi  harten,  patzigen  Vorgeaeirten 
«bgeqielt  hatte. 

»la  der  That»  well  er  AatsteUnagcn  an  Ihrer  Thitigkelt  a«  maehen 

hatte**,  antwortete  ich  zögernd.  „Aber  wir  haben  mit  nnierer  entgegengeaetstai 
MeiDang  nicht  hinter  dem  Berge  gehalten." 

..Sehen  Sie,  was  für  ein  beklag^ens werter  ^fnnn  irli  bin?"  rirf  rr,  vieder 
ftehenbleibeud.  „Ich  kann  mich  zu  Tode  rackern —  wenn  dieser  iSchrecUiche 
kouiint,  hat  er  doch  nur  zu  tadeln!" 

«Sie  sind  selber  daran  schnld!"  entgegnete  ich.  „Warum  lassen  Sie  sich 
allei  geAOlen!  Wehren  Sie  aieh  doch  einmal  herahaftl  So  wie  Sie*a  traiben, 
«ind  Sie  doeh  thataiehlidi  der  relnate  Penaenkneeht  —  ein  Selave  der 
Stoffmasse,  die  in  die  Kinder  hineingeaibcitet  werden  aoU,  kein  Lehrer,  der 
ftete  geistige  Thätigkeit  übt." 

„Pensenknecht!"  wiederholte  Sorge  naohdrttcklioh,  „Penaenkneeht  — 
haben  Sie  das  Wart  erfunden?" 

„Nein,  ein  wackerer  College!" 

»Ee  passt  ausgezeiclinet,  es  ti-iÜ't  den  Nagel  auf  den  Kopf!"  rief  er. 
«Peaieakneebte  —  ja,  daa  aind  wir  alle,  w»  iat'a  Jetat  Mode  gawordeni  and 
wer  etwa«  in  der  Welt  gaiten,  wer  aieh  die  Qnnat  der  Vorgeaetaten  erwerben 
^  der  mnaa  aieh  aolcher  Kneehteehaft  mit  Bäfer  antcrwerfen,  maaa  allea 

bUad  aasrichten,  waa  aie  fordert." 

„Sie  irren !^  unterbrach  ich  den  Collegen.  ^Wir  sollen  Pensenknechte 
«ein,  ah^r  wii  sind's  nicht  alle!  Ein  Thor,  ein  Feigling  ist,  wer  sich  solchem 
Sclaveuj  M  he  olme  Widerstand  beugt,  (iott  sei  Dank!  noch  sind  die  Ober- 
Widrdeü  vernünftiger  als  diese  —  Fabrikdirectoren,  die  sich  als  Schulmänner 
CViren  and  aller  gesunden  Pädagogik  ins  Gesicht  schlagen!  Ein  fester  Lehr' 

aiit  Peasenverthailang  mnss  ja  vorhanden  aein,  aonat  würde  niahti  fertig 
werden,  keine  Ordanng,  kein  Ineinandergreifen  der  KrUte  herraehen*  Ünd 
^  iit  letBterea  ae  nothwendlg.  Mit  yollem  Beohte  mit  der  Dichter: 

36« 


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—  620  — 


.Nor  wf  4«r  Siifto  mHb  rwmUm  8tnbea 
mMbt  rieh  wirkend  exi(  4«t  mhie  Lebml* 

„Sehen  Sie,**  rief        jetzt  fitft  trinmplüreBd,  «Sie  ftanen  mit  dfem 

Wwlen  doch  selber  als  richtig:  ein,  was  mich  bisher  zum  unbedingten  gedul- 
digen Stillhalten  brachte!  Es  nniss  alles  bis  ins  kleiner*»  hinefn  durchdacht, 
vertheilt  und  vorgeschriebeii  sein,  wenn  eins  rif  hti;^  iiih  andere  greifen,  eine 
Classe  der  anderen  zweckmäßig  und  grundiicii  vurarbeiten  soll!  Alle  Willkür 
dei  «imebieii  Uran  murilgilldi  edn,  tremi  nui  den  Fordflnuigeii  te  Fldagogik 
sereebt  werden  iriU.  Geetehen  l^e  äu  nt?** 

»Nein,  ich  verstehe  anter  „der  Kräfte  schön  vereintem  Streben"  etwas 
ganz  anderes!"  erklärte  ich  sehr  entschieden.  ..Sie  werden  doch  nnscren 
höchstpn  Behörden  so  viel  Einsicht  zutrauen,  dass  sie  ein  deraitiges  Pensen- 
kneehtäthuni,  wies  uu&er  gestrenger  Tnspector  liebt,  selbst  eingeführt  hätten, 
falls  die  pädagogische  Wissenächaii  dies  unbedingt  erheischte.  Oder  wollen 
Sie  etwa  belianpten,  Inspeeter  Frey  sei  klfiger,  etehe  geistig  hSher  als  dl» 
Herren  im  Minieterinm?'' 

Freund  Hasenherz  ei-schrak  tödlich  bei  dem  bloßen  Gedanken  danui,  man 
kiSnne  ihm  solche  hochverrätherische  (bedanken  im  Ernst  zutrauen. 

„Bewahre,  Herr  College!''  rief  er  t  if?-ig.  „Noch  niemals  habe  ich  so  eine 
Termessene  Annahme  in  den  Sinn  bekommen,  ich  denke  in  dieser  Beziehung 
immer,  wie  die  Schrift  sagt:  ,Wo  aber  Obrigkeit  ist,  die  ist  von  Gott  ge- 
erdnet*  Dnna  hat's  nach  meiner  Heinnng  der  Hetr  da  droben  aneh  so  ein- 
gerichtet, daSB  in  die  Mlieien  Stellen  aneh  immer  die  Leute  mit  der  höheren 
Einsicht  kommen.  Wäre  er  denn  sonst  der  Allgerechte  und  Allweise?  Eben 
weil  ich  so  denke,  füge  icli  mich  auch  dem  Herrn  SrlmHnspector  in  allen 
Dingen  ohne  Widerrede.  Unser  Herrgott  wird  schon  wissen,  warum  er  mir 
gerade  einen  so  strengen  Vorgesetzten  gegeben  liat.'' 

Wir  waren  an  dem  Eingang  n  dem  Garten  gekommeiii  wo  das  Toa 
meinem  CJoUesen  bewoiinte,  freundliche  Hinselien  lag.  Ein  tranliehea  Heim, 
ym'  ^  man  sIch'B  trots  seiner  Besdieldenlieit  nicht  anmnthender  hfttte  denken 
können. 

Ich  sah  in  Sorge's  Gesicht,  ee  war  ebenso  rliistpr  innl  tiabselig  wie  vor- 
her. Statt  mit  dem  Gefühle  herzlichen  Frohseins  an  die  Heimkehr  zu  Frau 
nnd  Kindern  zu  denken,  quälte  sich  der  Bedauernswerte  augenscheinlich  ünmer 
noch  mit  dem  Gedanken  an  das  nicfaterledigte  Wochenpensmn  —  ein  echter, 
armseUger  Penaenkneeht. 

„Guten  Appetit  zu  Mittag wünschte  er,  indem  er  mir  fluchtig  die  Hand 
reichte,  und  L'-i'ns'  niir  j'iVtiiIiVIi  anffallender  Hast  in  sein  V"rr-irt<'bf»i.  Es 
wollte  mir  fast  vorkommen,  als  sei  er  froh,  mich  loszuwerden,  so  ungewöhnlich 
eitrig  rührte  er  das  sonst  so  schwerfällige  „l'edal". 

Mit  einem  Geflihle  klsen  Zotnes  im  Heuen  ging  ich  wetter,  daheim  jbÜ 
hellen,  frendigen  Gedchtem  empfangen,  vor  deren  sonnigem  Schein  die  Ver- 
stimmung so  schnell  verschwand  wie  die  Horgennebel  vor  dem  BUck  der  deg^ 
reich  durchdringenden  Tageskönigin. 

Das  Mittagessen  war  unter  frfUiliclieni  (ieplan  Irr  vorübergegangen;  meine 
Frau  halte  ihre  Ops-chüfte  in  der  Küche  erledigt,  mein  frischer  Knabe  war 
mit  Kameraden  zu  einem  lustigeu  SUeiizug  in  den  Wald  ausgerückt.  Ich 
hatte  mich  in  die  dichte  Lanhe  hinter  dem  Hanse  gesetzt,  nnd  bald  geseUte 


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—  521  — 

Bieh  die  treue  Lebensgefährtin  zu  mir.  Aach  jetjst  giJnnte  sie  den  fleißigen 
Händen  keine  Ruhe;  emsig  luussten  sie  die  Nadeln  des  Strickstnimpfes  riihren, 
isa  ein  Spottvogel  nidü;  ganz  mit  Unreciit  „die  Fraaencigarre"  genannt  imt. 

D«  Uanii;«!!  Tritte  auf  d«n  Kiw  te  FiiSwegeg;  dnxdi  die  Blfttter  adurn* 
Oll,  aalMii  wir  die  €tottiii  des  Ooüegeii  Sorge  nalieD.  Idi  erhob  mieh  eilig 
lad  bat  sie,  in  unsere  lanscbige  Hütte  su  komnieii. 

Sie  folgte  meiner  Aafforderuig  und  begrüßte  nns  herzlich,  denn  wir 
hielten  gute  Nr^ftibarschaft.  Doch  auf  den  ersten  Blick  g-ewahrte  ich,  dass  ein 
schwerer  Schatun  auf  dem  offenen,  einst  gewiss  selir  schönen  Gesichte  der 
charaktervollen  Frau  lag. 

„Kommen  äie  doch  ein  wenig  zu  uuä  liinüber  in  den  Garten!''  bat  sie. 
,Sie  Btoea  danal  ernstlich  mit  meinem  amen,  elnfftltigen  Uaime  reden,  Herr 
AlbertI  Ich  weill^  er  hSlt  gxoAe  Stilche  auf  Sie»  mid  danun  hoffe  ich,  CMe 
«erden  Ihm  den  Sopf  snreohtietM  IcBmieiL'' 

^Was  ist  denn  los?*^  fing  idi,  ahnend,  was  koaunen  werde. 

..Er  hat  kaum  ein  paar  Bissen  zu  Mittag  gegessen,  seine  Pfeife,  die  er 
sonst  immer  nach  Tisch  hervorholt,  nicht  angesehen^,  erzählte  die  Frau  mit 
düsterer  Stirn  und  in  ihren  Angen  quollen  Thränen.  ,,Wie  gebrochen  hockt 
er  im  Lehnstuhl,  starrt  unbeweglich  vorsieh  hin,  todt  für  mich  und  die  Kinder. 
Auf  alle  Fragen,  alle  Bitten,  alles  Zureden  immer  wieder  dieselbe  klilgliche 
Litanai:  er  habe  tnli  allen  Fleidei  sein  Woehenpensom  nicht  bewältigen 
kffinaetty  nnd  der  Sehnlinspector  habe  aieh  sehr  nnnfHeden  über  ihn  und  seine 
Leiatiuigen  ge&ußert.  Ganz  besonders  wnimt  es  ihn,  dass  der  ittcksiehtslofle 
Mann  ihn  dnrch  solche  AusstelloBgen  den  anderen  Ck>llegen  gegenflber  so 
herontergesetzt  hat.    Darüber  kann  er  nicht  hinwegkommen." 

„Es  war  nicht  so  schlimm,  wie  mein  j^iifer  College  die  Sache  aufgefasst 
liÄi!-'  entgegnete  ich  beruhigend.  „Der  kluge  Herr  Inspector  meinte  nur, 
Freund  Sorge  könne  nie  ein  Pensum  bewältigen  und  sei  nicht  fähig,  eine  Classe 
völlig  doichniarbeiten.   Das  sind  so  Bedensarten  — ^ 

«Unter  vier  Avgen,  ins  Gedeht  kann  er  meinem  Hanne  9S\m  sagen," 
^  die  gnte  Fran  erregt,  „hinter  seinem  Bücken  soll  er  ihn  nidit  hemnter- 
'^^tzen.  wie  er's  auch  mit  anderen  üntetgebenen  schon  an  seinem  Stammtische 
e:^thau  hat.  Ich  finde  es  geradezu  roh.  wenn  ein  Vorgesetzter  solche  Amts- 
e'^b^^imnisse  im  Wirtshanse  auspackt,  bios  um  zu  zeigen,  wie  hoch  er  über  den 
armseligen  Creaturen  steht,  die  ihm  gehorchen  müssen!  —  Ist  das  ein  Elend, 
<eit  dieser  ueumodische  Windmacher  da  iat  und  diese  aUerneueste  unfehlbare 
l*dagogi8che  Weisheit  die  Herrschaft  errungen  hat!  Wie  lebten  wir  früher 
^  cMtoklichl  Hein  goter  Aller  war  heiter  nnd  anfrieden  in  seinem  Bemfe 
ond  leistete  Qenfigendes.  Seit  diese  miserable  Treiberei  hi  die  Welt  gekonunen 
Ht,  die  den  Menschen  TaCT  Air  Tag  mit  der  Peitsche  in  der  Hand  zwingen 
«lachte,  sein  Arbeitsquantum  wie  der  arme  Gaul  in  der  Kalkmühle  herunter- 
zahaspeln  —  seitdem  ist  aoch  ans  nnserem  Hanse  Frieden  nnd  Glttck  ge- 
schwunden!" 

Mich  dauerte  die  Arme.  ,. Kommen  Sie",  sagte  ich  ablenkend.  „Wir 
tAtti  mit  Ihnen !  Meine  Frau  mag  sii  Ii  mit  Ihneu  aus  irgend  einem  Grunde 
beiseite  halten,  damit  hdi  dem  Collegen  hi  aUer  Bnhe  zusprechen  kann.  So 
iUetdiags  nieht  fortgehenP 

«Aber  unser  Jnnge?**  frag  meine  Fran. 


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—   522  — 


^Wcoii  «r  die  Thüle  geidiloiMii  ludet,  «eli  er  eolKni,  wo  er  u»  a 

aeelien  hat." 

"Wir  ^ing'en,  und  bald  paß  ich  mit  dem  diisterschatienden,  Bchweigsamen 
Collegeu  aileifl.  Vorsicltii:  hvirr-nd  kam  ich,  nachdem  sich  die  Frauen  ent- 
fernt hatten  —  angeblich,  um  eine  Eiurichtang  im  Keller  anzusehen  —  am' 
den  Gegenstand  zu  sprechen,  dtf  meinea  Amtsgenossen  lo  viel  Sorge  madite. 

ÜBd  }etEt  kan'e  wie  eise  Axt  Vuiajmm  ttber  Um,  due  iehtet  endindc. 
Die  Werte  strSmten  nnr  so  Über  die  Lippen  des  fardkttar  aiiigenifteD  Mannes, 
dessen  l^nilte  Seele  eich  jetit  avf  eimMl  eil'  Ihne  engeeennelten  ZflndaiaAe 
entlad. 

„Teil  iiHits  liiich  einmal  aii^sjin  <  Ii -n,  ^^nnf^f  ersticke  ich  noch  an  diesem 
Elend,  das  ich  uuii  schon  jahrelang  trage,  und  das  andere  mit  mir  schleppen, 
diBB  ee  aber  te  tief  m  fthieii  wie  idi!''  rief  er.  ^Idi  wdA,  ieii  Un  eil  tlwr- 
trieben  lagelliclier  Meneeh,  ein  HaeoiAiß,  ein  Wehmekr,  der  ttber  jede  Ung»- 
rechtigkeit,  die  ihm  widerAhrt»  ntir  Jaonmem  kann.  Wenn  mich  College  Grell 
einmal  deswegen  vor  den  anderen  Collegen  hart  angelassen  hat,  war  er  nicht 
im  Unrechte.  Aber  ich  bin  nun  einmn!  fo  Jleine  Jneend  war  hait  rrnfl  völlitr 
freudlos;  die  Semiiiarzeit  hat  auch  nur  wenig  freundliche  Erinnerungta  in  mir 
hinterlassen,  und  im  Bernfsleben  hat's  nicht  an  einer  Menge  großen  und  kleinen 
VerdroMee  gelUilt  Tielbr  ab  viele  andere  habe  ieh'e  empflnnden,  daae  der 
VolkMchidldiier  oft  kein  Becht  finden  kann,  wo  sein  Bedht  doeh  aonaenfcler 
am  l^tge  Hegt  Aber  trotzdem  war  ich  zufrieden,  ja  glttefcUeh  in  mdaem 
<f  lioTif^n  Berufe,  und  mein  alter  Snperinrendont  hat  mich  oft  wegen  der  errielten 
Krrolge  gelobt.  Da  kamen  neue  Ueaetze,  neue  Lebensordnnniren  für  die  Schule; 
au  die  Spitze  unseres  städtischen  Schulwesens  ward  der  iduge  Mann  g^^tellt, 
der  uns  allen  mit  seiner  ewigen  BesserwliMrei,  Nörgelei  and  HenmterreiSerei 
das  Leben  vetgttDt,  die  Frende  am  Berof  vergiftet  IK  denn  der  Lelnrer  jetzt 
wirklich  nur  noch  ein  Fabrikarbeiter,  der  an  seine  Maschme  gestellt  wird  und 
Stückchen  für  Stückchen  seines  Tagewerks  zugetheilt  bekommt?  Fast  will's 
80  gcheinen!  Ich  möchte  über  mich  selber  laplo-n,  wenn  ich  daran  denke,  was 
für  ein  iramigcr  Automat,  was  für  ein  Han  ]  rlmann  ich  geworden  bin!  Der 
Herr  luBpeclor  geruhen  allergnädlget  am  t  ädchen  zu  zucken  —  und  sotori 
hebe  ich  den  Ann,  renke  leb  daa  Bein,  neige  ich  den  Sumpf,  beuge  ich  daa 
Hanpt  geaan  naeh  Vonehrift.  Ja,  wenn  er'a  Teriaagt»  drehe  ieh  den  Sepf 
nAehetens  wahrhaftig  auf  den  Httcken!  Wir  haben  das  Schuljahr  kaum  be- 
iTf^nnen,  da  denke  ich  Tag  und  Nacht  bereits  nur  an  die  Schhisprevision.  das 
.^ciireckgegpenst  derselben  verfolgt  midi  noch  in  meine  Träume,  in  denen  :fb 
den  luspector  sciion  oft,  genau  wie  in  der  Wirklichkeit,  mit  harter,  veracht- 
lidier  Stimme  sagen  hörte:  ,Wieder  einmal  nirgends  das  Pensum  bew&ltigtl* 
Beim  Begtam  dea  efaiselnen  Tagee,  der  eteaelnen  Stande  denke  ieh  iiuner  icboft 
mit  eehwerer  Sorge  daran,  ob  ich  am  Schluaee  denelben  aneh  eo  weit  seta 
werde,  wie  ich  sein  soll.  Ich  zapple  mich  ab,  ich  haste,  ich  jage,  ich  werde 
ungeduldig,  Rcliimpfe  und  strafe  die  Kindpr.  und  mwhte  dann  wieder  mich 
selber  an  den  obren  ziehen.  Aber  immer  wieder  sehe  ich  die  kah^n  cranen 
Augen  unseres  Quälgeistes  vor  mir,  und  dann  geht  dieser  alte  Lusmn  von 
neiem  loa.  Da  Utaigeii  dieie  grraliflhen  Stoijpline  in  im  Lehnlameni,  die 
er  mit  10  viel  Mühe  and  Spitäfindigkeit  cttBamvengeatofpelt  hat  Sttr  jede 
einadne  Stande  iit  bia  aniii  TttpiUeben  ttber  dem  1  vorgeaehriebea,  waa  mam 


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darchzuha^l'i  Iii  IkU,  und  damit  nicht  genug  —  auch  wie  mfm's  durchnehmen 
toll,  iüt  ganz  genau  vorgeechriebeD,  das  VoibereitangBniaterial  ibt  bis  im  eiii- 
Mtaw  festgesetzt,  wni  ndw  dtn,  te  etwM  9aikn  an  machen  wagt!  Wo 
iidet  lieh  nooli  ein  Gebiet  geistifer  Thitigkeit,  Mf  4cb.  Mleiie  «nweUg»  Pe- 
daitcrie  wiobiert?  JJwA  mm  kam  aiohfti^  gtr  niidite  digegoi  thim,  ifcoli  hSdi» 
stens  durch  Widerstreben  große  UnannehmlichkcitaB  zuziehen.  Dem  IMi* 
gchulinspector  hat  seine  Weisheit  mit  den  klug  ansgedüftelten  Plänen  unge- 
heuer impfinirt,  wie  ihm  ja  überhaupt  alle  äußerlichen  Neaernngen  imponiren. 
Der  Regierungs-Schulrath  ist  nicht  weniger  von  dem  Wnndermanne  entzückt, 
der  alles  auf  dem  l'räseatii-brett  üx  und  fertig  bringt  wie  der  Conditor  seine 
Schanmware.  Amtsrichter  Wahl,  mit  dem  der  Sehnlrath  ueulich  iu  der  Eiseii- 
bibft  Mar,  enaUte  mir  gwfesra  ent,  wie  adir  der  Linpector  in  4eii  nujgeben- 
dee  KreiieD  tkä  —  mgeielieii  xa  nwcliea  gewont  habe.  laiiier  veiet  mkh 
der  Gestrenge,  w  eim  ieh  behaopte,  die  Maeie  dfle  Toegeaefariebenen  Stoffes  lasse 
sich  nicht  bewältigen,  auf  diesen  Speichellecker,  den  ....  hin.  Ja,  der  wird 
fertig  damit:  aber  fragt  mich  nur  nicht,  wie?  Eingepankte  Wort«  ohne  In- 
halt, aber  allezeit  zum  Paradiren  fertie-  —  daw  ist  seine  Kunst.  Ich  halte 
mich  immer  wieder  auf.  räume  Missverstandnisse  weg,  »uche  zü  verdeuLlichen, 
zu  vertiefeai  darüber  vergt^lii  die  Stunde,  Wenn  der  Gestrenge  dann  kommt 
«ad  tadelt  ud  Seh  wiiie  aiaf  dk  NetfawewUgkeit  der  Bareharbeitaog  hin,  dann 
keiftk'e:  ,Mivindelaiii)rer  —  woUto  eagan  fWadeimeyar  —  bilagt  die  Daroh- 
arbaitaag  fbrtig,  der  hat  eaiae  Caaaae  im  Blei!*  Uad  der  Blick  daan  —  es 
friert  mioh  in  der  Erianemng  daran  noch!  Ja,  ja,  Schwindelmeyer's  Lob  wird 
überall  gesungen  und  er,  der  hohle,  eitle  Tropf,  bringts  gewiss  noch  zu  etwas. 
Ünserpinpr,  der  Ptill  nnd  rhrh'rh  arbeitet  und  d»  n  Forderuagen  der  }uTidpr<n;ünr 
and  einer  gesunden  Pädagogik  gerecht  zu  werden  sucht,  wird  verkleinert  und 
hämisch  behandelt.  Das  ist  nun  einmal  so  in  der  Welt,  in  der  wir  leben. 
Aber  lange  ertrage  ich's  nicht  mehr  so !  Ewig  diese  Sorge,  diese  Unruhe,  diese 
Hast  —  es  biiafft  mieh  aml  Waren  aieiae  Kinder  versorgt,  llefie  leb  nUk 
Uebar  heaie  als  mengen  in  den  Bobestaad  ▼eraetaan.* 

lob  hatte  den  fbrcbtbar  erregten  Mann  aooradan  laaaen»  ohne  dan  ni»- 
daaten  Yersnch  zur  üntarbreohnng  seines  Bedestroms  zn  machen. 

Recht  "  dachte  ich,  „Heraus  mit  den  Explosivstoffen,  da*;«  T>ir  diV 
^eele  einmal  trei*  i  wird*  Biut  Du  zu  Ende  and  hASt  Dich  rahiger  geredet, 
so  kommen  wir  woi  auch  tinmal  zum  Reden." 

Als  er  jetzt  wirklich  ruhiger  geworden,  schwieg  und  mich  irageud  ansah, 
spfach  Jah:  «Sie  dnd  eine  ängstliebe  Natar^  and  daa  werden  Sie  nan  kaam 
aaab  andern  kOanent  Aber  bleiben  Sie  ebi  Hannl  Jeder  ?an  ans  Lehrern 
weiß,  daas  Sie  Ih»  SehaMigifcelt  than  aad  daas  Sie  tichtise,  bleibende  Srfolge 
erzielen.  Aber  selbst  wenn  dem  nicht  so  wäre  —  schon  Ihr  eigenes  Bewn»t» 
sein,  das  Ihnen  doch  gewiss  sagt:  du  thust  deine  Pflicht  nach  bestem  Wissen 
und  Gewi«spn  nnd  mit  Einsetzung  der  ganzen  Kraft  —  schon  dieses  Bewusst- 
sein  mÜHsie  iiiuen  voiir  llnh^^  sfehen.  F.twa«  mehr  Mannesstolz,  Freund!  Nicht 
immer  gu  gai-  demüthig  und  bescUeidt-n!  Nicht  dm  L'rthüü  der  Vorgesetzten 
gibt  dem  Manne  den  wahren  Wert  —  er  selber  gibt  ihn  sich !  Und  Sie  aind 
cia  Haan  tcu  eehtem  Wert,  aaeh  wenn  Sie  Dum  War  anapnuhaloi 
geben.  Was  ans  an  Ihnen  mlsalUlt,  ist  eban»  daaa  Sie  sich  über  da%  waa  Sie 
ilad»  oifeahar  aelbat  noeh  keine  Klarheit  lanöbaHt  haben 


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524 


Seivo  bUokte  «Mmieht  auf;  Min  CMIil  wud  heiler,  ia  eafaMn  Aagw 

wdiiinmerte  es  feucht. 

„Gelte  ich  wirklich  etwas  bei  den  GoUegen?^  fng  er  mit  einem  ÜMt 
komiBcb  erwartungsvollen  Antlitz. 

„Gewiss,  auf  Ehrenwort!"  versicherte  ich.  „bie  gelten  sogar  aehi-  viel, 
weil  Sie  ein  guter  Kamerad  sind.  Wenn  Sie  wollen,  bringe  ich's  Ihnen  morgen 
Mbriftiieh!  Iba  Mgt  iMh  unter  Mtanem  etwae  Derartiges  ge^rUhalloli  vMit 
watAMäkk  —  man  liest  et  mehr  dareb  lein  gaasee  Beoebneii  Bieikeo.  Und 
das  spricht  doch  wol  dealiUeh  genug.  Oder  haben  Sie  wirklich  nodi  nicht 
f^mpfniiden,  daee  wir  Ihnen  bis  aaf  wenige,  wie  s.  B.  Sehtaidebnegrer,  heixUeh 
gut  sind?"^ 

^Doch,  doch,  und  ich  bin  den  liehen  CoUegen  ja  so  herzlich  dankbar 
dafür!**  rief  er  heiterer.  „Und  wirklich,  ich  will  auch  versuchen,  fester,  härter, 
kttUer  an  werden!  Wenn  doeh  sar  diese  grenlicfae  DavehheHerel  aUaagroter 
Pensen  nicht  wäre!" 

„Finden  Sie  sich  damit  ab,  wie  wir  andern  unter  den  nun  einmal  von 
unserer  Seite  aus  nicht  zu  ämlern'icn  Verhältni^en  anchl"  mnhnte  jf^li.  „Das 
unbedingt  Nothwendige  fest  gepaukt,  in  Gegenwart  des  Inspectors  auch  so  ge- 
arbeitet, wie  er's  verlangt,  sonst  aber  verhalten,  wie  es  Pflicht  und  Gewissen 
gebieten,  und  nicht  wie  ea  ein  wahnwitziger  SteiArertbeÜBngaplan  bdaeht 
Wissen  Sie,  was  CoUege  Grell  hente  wa  anssnn  Hemi  und  Hanpte  aagtSi  als 
er  wegen  nicht  erreichten  WooheoaielB  geladelt  ward?* 

^Nein.   Was  sagte  er?" 

„Ich  kann'«  inVht  anders  und  nifht  besser,  als  ich's  treibe.  Wenn  ich 
Ihnen  so  nicht  leeiii  bin,  so  tras-en  Sie  auf  meine  Versetzung  oderPcnsionimng 
an.  Ich  werde  die  Zustande  au  unseren  Schulen  dauu  lu  der  Öffentlichkeit  zu 
belencbten  genöthigt  sein.'* 

„Das  hat  Greil  gewagt?  Es  aieht  ihm  Ihnlieb.  ünd  was  erhielt  er  aar 
Antwort?'' 

„Oar  nichts.  Der  Inspector  warf  ihm  nur  cinon  wüthenden  Blick  zu 
und  ging,  l  ns  lOn  r  machte  er  hinterdrein  heftige  Vorwürfe,  dass  wir  ihm 
nicht  ,gegen  den  anmaßenden,  unbotmftBigen  Menschen"  beigestanden  hätten.'' 

„Herrgott,  ich  verginge  vor  Angst,  wenn  ich  in  OreUs  Haut  steckte!" 
rief  Sorge.  „Das  kiim  an  einer  Disoiplfearantersaehnngi  aa  ZalagaeBtalehnng, 
Strafrersetzung,  ja,  Dienstentlasaang  führen,  Je  naehdem  die  BehMs  aein  Be- 
nehmen auffasst!"" 

Jetzt  musste  ich  laut  anflaclien.  „0  8ie  Taj^ferster  aller  Tapfern'-  rief 
ich.  „Was  malt  Ihnen  Thie  schreckhafte  Phantasie  da  sclion  wieder  vor! 
Dem  Grell  wird  gar  nichts  geschehen!  Dei'  Inspector  knurrt  ein  paai*  Wochen 
mit  Ihm,  dann  ISsst  er  ihn  für  immer  In  Rahe.  Sr  weift  reeht  wel,  daas  die 
öffentlidbheit  manehea  in  seiner  AmtsflUmug  anders  benrthdlen  wQrde,  als  es 
von  Seiten  der  Behörde  gesehieht^ 

Sorg©  schien  sich  etwas  zn  schllmen.  er  lenkte  ab. 

„Ich  V.^vn  mir  gar  niciit  denken,  dass  die  Behörden  S'i]rhr  cfisttirp  Be- 
vormundung, wie  wir  sie  uns  hier  gefallen  lassen  müssen,  wii  klichgui  lieiben/ 
meinte  er.  „Die  Geschichte  ist  doch  zu  unsinnig.  Ich  habe  z.  B.  gegenwärtig 
einen  Jahrgang,  der  sich  dnreb  nngewQhnlieb  aehwaohe  Veranlagung  aasaeiehnet; 
mit  soldien  Kindern  bringe  ieh  deeh  nieht  ferttg»  was  ieh  mit  gat  begabte» 


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—  Ö25  — 


leisten  kann;  fnin-liVh  kitm  icü-  aueh  mit  ih&ui  iu  gkicber  Zeit  aicht  das 
gleiche  J^ensum  durcharbeiten," 

„Und  auch  die  Lehrer  sind  ja  verschieden/  bemerkte  ich.  „Der  eiae 
arbeitet  rasch,  der  andere  luigsam;  einer  hat  eine  starke  Brost  and  kann 
vieL  ndeii,  ohne  m  «nnlldMi,  dem  aadwn  dagegen  ist  das  «mOglidi. 
UBgewShBliidie  Hemudisei  wodardi  die  gaue  Sobnlaritelt  geitOrt  wird,  bleiben 
in  keinem  Jialre  Mi  —  daan  kann  eben  der  berUiinte  Pensenplan  doch  atebt 
eingehalten  werden,  Enmal  wenn  der  Lehrstoff  so  nmftmgreich  ist,  wie  man  ihn 
jetzt  fast  allg-enif^in  zuschneidet." 

Mein  College  nickte.  Ja  ja.  damit  die  Speisekarte  recht  reich  besetzt 
an.<sielit.  betrügt  man  bicii  iselbtr.  Alle  Welt  ist  nberzenj;:t,  dass  die  Bunt- 
bcUeckigkeit  deä  Lehiplans  vom  Übel  ist^  aber  niemaud  bat  deu  Muth,  eine 
daMrtqnraofaeDda  Bedodtton  TonaaebsieB,  weO  aiaa  flbahtet,  fBr  einea  Beao* 
tioDftr,  Pbr  eiaea  Fsted  des  FoiMirittes  sa  geltea.** 

Ich  freute  mieh,  Um  Mann  so  TerstSndig  tedea  la  bSrea.  „Za  Ibrem 
Tröste  will  ich  Sie  daran  Erinnern,  dass  Herr  von  Gossler  kurz  vor  seinem 
Rficktritte  noch  den  Schnlbehörden  eindring-lich  anempfohlen  hat,  die  Lehrer 
nicht  in  spanische  Scbniirstiefel  zu  stecken.  Hauptsache  bleibe  die  froi^ 
Entwicklung  der  Individualität  im  Lehrer,  sonst  kttnne  er  nie  etwas  Uuteü 
wirken." 

„Sie  haben  recht!"  rief  Sorge  mit  glänzenden  Augen.  „Aber  man  ver^ 
giart  das,  weaa  man  vaaera  UnlUdbarai  reden  bftrt  Er  bat  eine  wabrbaft 
ftrebfbare  Bedegabe,  der  Herr  Inapedorl  Wenn  die  Spraebe  niebt  will,  fbat 
ler  Ibr  Gewalt  an,  wenn  die  Gedanken  aosUeiben,  zerrt  er  sie  an  den  Haaren 

herbei ;  stecken  bleiben  will  er  unter  keinen  Umständen.  So  beweist  er  einem, 
dass  der  «^?>6te  ünsinn  Sinn  sei,  z.  B.  Schiadelmeyen  Spiegeifecbterdui,  mit 
denen  man  keinen  Hund  vom  of^n  lockt." 

„Kümmern  Sie  sich  dodi  uichi  nm  diesen  Patron !"  sagte  ich.  ^Wir  aii  lern 
thun's  ja  auch  iiicht.   Lassen  Sie  ihn  Üuukern  —  die  wirklich  eiusichtsvolicu 

Lette  wlnea  doeb,  da«  aMiti  biater  ibm  ateckt.'* 

vSto  beben  reebt!"  riefSocge  freadig.  »Weg  mit  den  Gedanken  an  dieae 
feile  Seele!  —  Fraa,  eine  Flaiehe  Weint"  Die  Angeredete  kam  mit  meiner 
eigenen  Eheliebsten  heran  und  atannte  nicht  wenig  über  die  vollständige 
Wandlung-  im  Wesen  ilires  Griesejams;  doch  sie  sagte  kein  Wort  and  beeilte 
sich  nur,  di  ni  Wunscii*^  ilires  Mannes  rasch  zu  willfahren. 

Später  kamen  die  Kinder;  auch  unser  Knabe  fand  sicli  riditig  ein,  und 
wir  alle  mussten  zum  Nachtessen  bei  den  Freunden  bleiben.  So  schloB«  der  Tag 

angenehmer,  als  man  hätte  erwarten  können. 

Am  folgenden  Tage  tibeilte  ich  den  xaTerttaalgen  GHiedem  dea  Lebrer^ 
tolleglama  mit,  was  Torgegangen  war.  ^e  aelgten  aieb  von  da  ab  gana  be- 

Miders  entgegenkommend  gegen  Sorge,  was  diesen  angenscheinllch  bob.  Grell, 
der  Muthige,  ermahnte  Um  einmal  ganz  offen,  ja  kein  ,weichlicher  Jammer- 
lappen* mehr  zu  sein,  sondern  mhip:.  aber  fe^t  seinen  Weg  zu  gehen,  ohne 
Bich  beirren  zu  lassen    Er  versprach's  mit  ei^enrliiimlichem  (resichtsansdrucke. 

Bald  sollte  ich  Ursache  liaben,  um  ihn  zu  sorgen.  Kr  änderte  sich  dem 
^pector  gegenüber  völlig,  war  kuiz  angebunden  gegen  ihn  und  zeigte  iu 
isiaaB  gaacenVeriialten,  data  ea  mit  ibm  ging,  wie  mit  den  meiaten  lebwaebea 
^  äogatiicbeB  Leotea:  wenn  äi»  ebuaal  Mntb  CMssn,  eebnappt  ihre  Stbamang 


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—  686  — 


leicht  TitlUg  vm.   Song«  fdileB  Mk  Jetat  flr  «ine  Art  H«mm  wbl  htkbm, 
atimiDt»  die  Oewatthemdwft  anseres  Tyrannen  zu  brechen. 

So  kam  ^eriTi  rasch,  was  ich  gefürchtet  hatte,  ohwol  der  eigenthiimlicbe, 
sonst  so  gatmuthige  nnd  j^ap-liaftr  ^fa^^  virlraa!  von  nur  vor  jeder  Uerwu* 
fordeniug,  jeder  Unbesonneüheit  gewarnt  worden  war. 

Oer  Inspector  hatte  ihn  eioes  Tages  wieder  wegen  nicht  erreichten 
WtdmaM»  war  Bede  geHeUt  Gereist  bette  Sorge  entgegnet:  „Uk  kann'« 
nicht  bewÜtigeD!  VerUAgm  Sie  mieh,  ween  Sie  darUMr  vamttMm  ehidl'' 
„Das  kano  geschehen**,  wer  die  eiskidte  Entgegnwf  geweeen.'  ,Ieli  liebe 
Mittel,  Sie  zur  Ki  frillnng  Ihrer  Pflicht  zn  zwingen." 

Das  letzte  Wort  war  dem  treuen  Lehrer  wie  ein  Faustschla«-  ins  Gesicht 
vorgekonuBen,  hiitte  ihn  nnaagbar  gereizt.  Als  der  Vorgebetzie  am  uädistea 
Tag  in  lelBe  Chüe  kan  waä  fiirtwilurend  in  eeinen  Uaterrioht  bMuedete, 
hatte  Soige  tnitilg  gefragt:  „Wer  hiH  Jetit  Schale  Uer  —  ich  eder  Sie? 
Wean  Sie  oiir  noch  einmal  ins  Wort  fallen,  am  aicii  tot  den  Kindern  blosaii- 
etellen,  lasse  ich  den  Kairen  stehen  und  Sie  können  ihn  weiterschieben !" 

Offenbar  hatte  Snrg-e  den  festen,  mnthigen  Hrell  nachahmen  wollen,  aber 
es  war  ihm  völlig:  m issluiigcri.  I>er  Inspector  kiiiuite  seine  Leote;  vor  diesem 
weichen,  ängstlichen  ALaauc  fürchtete  er  hich  nicht,  nahm  ihn  vielmehr  sofort 
ftst  am  Kragen. 

«An  dieae  Stnde  eellni  Sie  denkeaP  eegte  er  alt  Elakttte. 

«Sie  aach,  Verehrtester !"  schrie  Sorge  aoßer  sieh.  ^lofa  wiirs  der  Welt 
erzählen,  wer  nnd  wa^i  SiV  «sind!  ^'erklagen  Sie  mich  nnr  —  ich  fürchtt^  mich 
nicht  mehr!  Die  Beiiorde  soll  dann  anch  einmal  erfahren,  dass  Sie  die  Classe 
Ihrer  Creatnr,  dieses  Kriechers  Schwindelmeyer,  in  den  zehn  Jahren  Ihr^ 
Hiertdnt  nodi  nidit  ein  einzigesmal  gründlich  inspidrt  habeoi  wie  Sie's  dock 
alle  Jahre  thu  mMeii.  Sie  Uleken  «iamal  hiaelDy  laeeea  rieh  etwae  Ter- 
innkern  nnd  geboi  dann  befriedigt  int* 

Ohne  weiter  ein  Wort  zn  sagen,  war  der  Inspector  gegmgeD.  loh  erftliur 
▼on  dem  unliebsamen  Vorerang^*'  ersr,  hIp  es  m  h^M  war. 

Und  nnn  kam  Sorge's  \\  aln  c  Natur  wieder  zum  Vorsclinn :  rr  kannte  sich 
vor  Angst  nicht  mehr.  Wu'  konnten  uns  sein  verstörtes,  unruhiges,  scheues 
WeMa  gar  nicht  etUaren;  er  wieh  nae  ans,  ja,  er  zeigte  «aa  ein  IhMtem 
Geeicht,  wie  wem  er  nna  llr  adne  ünbeaeanenhelt  TerantwertUeh  maAtn. 
woBte. 

Ünd  nun  kam,  was  der  gntc  College  hätte  voraussehen  können:  er  war 
verklagt  worden  und  erhielt  vor  dem  Schulvorslande  einen  ganz  ungeheuren 
Wischer  mit  der  erusteu  Andi*ohung,  mau  werde  noch  schärfer  gegen  ihn  vor- 
gehe wenn  er  sich  wieder  die  leiseste  Insubordination  zn  Sebalden  kommen 
laaae.  Ale  er  eich  Tertheldigen  wollte^  ward  ihm  daa  Wert  hin  abgeaehaitlen; 
er  habe  nichts  zu  sagen,  hSchatena  eich  an  entechaldigen  and  am  Veneihaag 
zu  bitten,  fuhr  ihn  der  Vorsitzende  an.  Damit  ward  er  eotlaiMO  und  eoUiA 
wie  ein  dem  Schaffot  entwischter  Verbrecher  heim. 

Seitdem  war  er  ein  gebrochener,  willenloser  Mann,  ünsern  Umgang  mied 
er,  um  ja  nicht  wieder  zur  „Empörung"  gegen  seinen  Qu&lgeist  aufgereizt  zn 
werden,  der  aeit  eelnem  „gloneiehen*'  Siege  ISmlleh  aaf  Soige  heromiitt  «nd 
ihn  mit  anverkennbarer  Vetachtni«  behandelte.  Wer  den  aimcn  CoHaKen, 
aein  ftberane  weldiea  QemMh,  teine  ijigidiclieit  in  aHem  nickt  banale^  der 


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—  627  — 

musste  ihn  fast  verarhtpn.  ro  nrtrTnvnrtig  und  sehen  benahm  er  sicli  gieren  den 
Inspector,  nur  noch  bemüht,  sich  dessen  Zufriedenheit  zn  erwerben.  Er  ward 
ein  noch  viel  LlriBrerer  PenBenknecht .  als  er'a  je  vorher  gewesen  war,  ewig 
sorgend,  ob  er  das  Ziel  auch  erreichen  werde,  ängstUcb,  anstftt,  verdrossen, 
MgeiiieflbT  fbr  Freonde  wid  Familie.  So  Tid  Mfihe  ldk  mir  aodi  gab,  ioli 
▼ennociite  iha  nidit  au  seinem  Wahn,  aeinem  elenden  Datein  herananireita. 
Er  knickte  körpetttck  nnd  geistig  t&glich  mehr  zusammen,  der  Gang  ward 
immer  unbeholfener  nnd  sdüepp^der,  und  ein^  dnnkle  Ai^gst,  die  ich  noch 
niclit  fin?«7nsprechpn  wagte,  ward  in  mir  wach.  Die  wackere  Frau  verging 
fast  vor  Kummer,  denn  drei  der  Kinder  waren  noch  unversorgt;  sie  l>ot  alles 
auf,  ihren  beklagenswerten  Gatten  aufzuheitern,  seinen  düsteren  Oemöths- 
znstand  zu  vertreiben-,  mit  einer  Art  schmerzlicher  Wollust  vergrub  er  sich 
immer  tiefer  ük  eeiae  knmkkaften  Ideen,  aich  namentlich  immer  wieder  ver* 
gegeawlr(ifi;end,  wie  aelir  er  darok  den  erballeaes  atreni^  Verweil  vcr  de» 
Aagen  der  Welt  bkisgeäteilt  aet 

Und  das  Ende?  Es  spielte  sich  an  einem  kalten,  regnerischen  Spätherbst* 
nachmittage  auf  dem  Friedhofe  ab.  Dort  haben  wir  den  armen  Mann  zwischen 
rauschenden  Cvpressen  eingesenkt,  dort  hat  er  endlich  gefunden,  ^v;^8  ihn  sein 
Schreckgespenst,  der  Fensenplan,  jahrelang  nicht  mehr  hatte  hnden  lassen: 
Ruhe,  tiefe,  ewige  Ruhe.  Er  war  zuletzt  in  vullstÄndige  Nervenzerrüttung 
verfallen,  die  beständige  Unruhe  und  Angst  hatte  ihn  gelälimt,  und  in  diesem 
janaMTYdlai  Zaatanda  hatte  er  ftat  noeh  ein  Jahr  gelekt.  0a  war  denn  der 
Tod  ala  fHandUdier  ErlüMr  gekommen. 

Daa  ist  die  aehlicbte  Oesoiilekte  von  dem  armen  Pensenknechte.  Seine 
Gemfithsanlage,  sein  ganzes  Wesen  war  nieht  g^emacht,  sich  ioldies  geistigen 
Druckes  zn  erwehren;  deswegen  erlag  er  nach  efn.m  T.'-lif^n  vnll  ewige r  T"'^n rast 
und  Sorge.  Andere  nehmen  solche  Sclaverei  leichter,  si'  rimlcn  sich  mit  ihrem 
Lose  ab,  so  gut  es  trehen  will;  aber  gar  manchem  charaktervollen  Lehrer  wird 
die  Freude  am  lierole  durch  die  üerabwürdiguug  zum  geistigen  Fabniiarbeiter 
dodi  völlig  vergftUti  nnd  manchen  drftckt  solches  Joch  innerUdi  wtnd,  ebne 
data  es  die  Welt  merkt»  gewias  aber  nlebt  nam  Hell  der  Sehlde. 


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Pädagogische  Rundschau. 

Österreich.  \n  Wien  liat  sich  ein  nener  Wolthätig^keitsverein  unter 
dem  Namen  „Samariterbund"  gebildet.  An  der  Spitze  stehen  der  berühmte 
Chirurg  Prof.  Dr.  Billroth,  Bürgermeister  Dr.  Prix  und  Dr.  Anton  Loew. 
In  den  Tagen  vom  8. — 10.  September  d.  J.  soll  in  Wien  der  L  laternationale 
SamaTiter-CoBgress  itattflnden,  woni  d«r  genaonte  Veieia  alle  Verblade 
und  Freude  der  guten  Sache  einladet.  Neben  ernsten  Vewawinlttngen  wird 
der  Congress  auch  eine  Reihe  von  Festlichkeiten,  Ausflfigen  u.  s.  w.  bieten. 
Auf  Wnnsch  des  Prlsidiaias  dea  „Saoiariterbiuidea**  geben  wir  folgendem  Aaf' 
nutze  Raum. 

Der  Samariter buud  und  die  Lehrer.  Au  alle  Menschenüeunde,  an 
alle  hmnaidtlrea  Yenlne  iat  ein  Aufruf  ergaugeu,  sieh  an  einer  mlditigen  Oe- 
sammtorganisattoiL  anaanunenmiehlletoi.  Der  Srete  internationale  Sava- 

riter-Congress,  der  am  8.,  9.  und  10.  September  in  Wien  nsammentritt,  be- 
reitet die  Entstehung  dieses  Vereines  vor.  welcher  den  Namen  .,  mariter- 
bund"  führen  will.  Wekhes  weite  Feld  der  Thäti^keit  sich  der  Samariterbund 
gesteckt  hat,  durch  welche  Mittel  er  seiue  Ziele  zu  erreichen  gedenkt,  das  hat 
in  großen  Zügen  jener  Aufruf  ausgef&hrt,  welcher  durch  die  Veröffentlichung 
in  den  Tageeblftttem  des  In-  nnd  Anslandes»  doreh  die  Yefsendnng  an  einielne 
Personen  und  Vereine  die  weitere  Verbreitung  gefiuiden  hat.  Ein  stets  bereiter 
Helfer  wird  der  Samariterbund  sein,  dessen  Kräfte  nie  hinter  dem  Wfllen 
zurfickbleibf n .  der  nie  auf  sich  warten  l^sst.  wo  die  von  o'mf^m  Unj^luck,  von 
Feuer,  Wasser  oder  Krankheit,  von  dem  Zürn  der  Elemente  Heimgesuchten  nur 
auf  seinen  Trost  und  Beistand  rechnen  können;  ein  Verein,  der  jeder  Samariter- 
thfttigkeit,  die  von  einer  bereits  bestehenden  CorpefiHon  in  seinem  Kamen  ge- 
flbt  wird,  jedwede  Untentfttsnng  angedeihen  iSsst  nnd  sieh  nnr  das  Bedit  ver- 
behUlt.  die  Bicbtong  anzugeben,  nach  welcher  sich  die  Bemähnngtti  derBetter 
nnd  Helfer  zn  poneentriren  haben,  damit  nicht  durch  die  ZersplittemngderKrifte 
das  wolthätige  Werk  beeintrtchtig-t  oder  ^anz  verfehlt  werde. 

Der  Samariterb und  proclamirt  das  Prineip  der  Coalition  anf  dem  Oe- 
biete  humanitären  Wirkens  in  jeuer  geordneten  Durchführung,  welche  bisher 
lebhaft  entbebrti  von  Tansenden  oft  schmeislMist  ▼smisst  wnde.  Aüe,  wilehe 
dem  Samariterbnnd  angehSren,  einielne  Personen  nnd  Vereine,  wetdeii  stets 
im  Sinne  der  Coalition  der  VerwirkUehnng  des  großen  Bandeszweckes  nach- 
streben.  Es  kann  aber  nicht  die  Absicht  des  Samariterbundes  sein,  Mascbin^^n 
der  Wolthätijirkeit  zu  erziehen,  die  alle  auf  einen  Wink  der  Centralleitung 
dasselbe  thnn,  gleich  Marionetten,  die  au  demselben  Drahte  hängen. 

Dieser  Weg  wftre  der  einzige,  welchor  die  vom  Samariter  band  vor- 
folgten Ziele  eompromittiren  konnte.  Dem  modernen  wirtsehaftUehtn  Ldien 


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529  — 


ist  das  Princii)  der  Vereinigusf  entlehnt,  aber  das  Erwerbsleben  uüherer  Zeit 
verkändet  noch  eine  andere  Lehre,  die  Lehre  von  der  Arbeitstlieilaug. 

In  dem  großon  Kafle  ymi  SeltntetlndSgkeit,  wMm  der  SamftriterlritBd 
dflii  VwäsMy  dl«  dem  Bunde  beitreten,  tnf  dem  Felde  Uirer  etatatMetoelMii 
Wiikeankeit  gewihrieiitetf  ^sgt  die  Anerkennung  der  ArbeftetheUimg  al» 
eines  Grandsatzes,  der  anch  anf  dem  Gebiete  des  hnmairitiIrBn  Wirkens  der 
Gesell^^liift  einen  Erfolg  verbürgt,  der  sich  aus  einer  ganzen  Reihe  von  ein- 
zelnen Erfolirrn  zusammensetzt,  welche  dann  die  Gesammtheit  mir  T?eeht  als 
ihr  Verdienst  in  Ansprach  nehmen  kann.  Der  Samariterbund  wild  seine 
Mitglieder  nicht  uniformireu,  andern  individualisiren,  und  wie  kein  Verein,  der 
lieh  dem  Bosde  amehlieit,  ans  sdner  biaberigcu  Thfttigkeit  heraosgeriaßen 
irarden  ^vird,  io  werden  aneii  Mvatperaonen  ala  Mitglieder  dee  Samariter- 
bandea  atota  jene  BerHekalcbtignng  ihrer  Ftthigkeitwn  und  Krftlle  dnden, 
welchn  ihrer  individuellen  Leistungsfähigkeit  entspricht.  Eine  freiwillige  Fenef^ 
wehr  oder  ein  Turnverein  konnte  nicht  ohne  Schaden  far  die  Zwecke  des 
Samariterbundes  zu  Diensten  herangezop-en  w^rdon.  wie  sie  naturgemäß 
nur  ein  KraukenpÜegerverein  oder  »'in  sr  hiihrs  I  ilts^epersonul  zu  leisten 
vermag,  und  der  Arzt  wird  im  Samariter  band  einen  anderen  Kaum  für  sein 
Wirken  linden  als  ein  Lehrer. 

Die  Lehrer  aind  die  Vorposten  der  GiviHntlen.  Sie  ilnd  ea  in  den  Grol- 
tttdten,  noeh  mehr  aber  anf  dem  üaehen  Lande,  nnd  weil  aie  dieee  Slellnng 
einnehmen,  mussder  Samariterbund  hoffen  nndwünsehmi,  daas  Cr  die  Lehrer 
in  gH}Bter  Vollzähligkeit  in  den  Reihen  seiner  Mitglieder  vereint 

Die  Gesellschaft  erweist  sich  leider  auch  heute  noch  den  Erziehern  nnd 
Bildnern  der  .h^5^end  in  mancher  Hinsicht  nicht  so  erkenntlich,  als  sie  es  nach 
dei  Ik'dtutsamiieit  ihrer  Lehensarbeit  verdienten;  doch  es  ist  eine  nicht  zu  bestrei- 
tende Errungenschaft  der  neueren  Zeil,  dass  die  Lehrer  wenigstens  jene  Höhe 
der  mnralieehen  Stellung  einnehmen,  die  ihnen  gd>1M.  Von  dieaer  SfeeUnng 
ana  hOnnan  aie  dem  Samariter bund  dtreh  daa  Beispiel  ihrer  Mitgliedsebaft 
BieaaCe  «rweiaea,  aaf  welche  ein  Verein  nicht  Teraiehtea  darf,  welcher  die 
weiteten  Schichten  der  Bevölkerung  fdr  aeine  Anilpaben  gewinnen  will.  In 
den  Städten  mit  ihrem  regen  Vereinsleben,  an  welchem  die  Lehrer  hervor- 
ragenden Antheil  nehmen,  würde  die  Propaganda  d<  f    i  m  ■,\  r  ?  t  f  r  b  ii  n  d  p  s  durch 
die  Mitwirkung  der  Lehrerschaft  die  kräftigste  und  \\irkungsvoiläte  Stütze 
finden.  Die  Schule  ist  berufen,  die  leitenden  Gedanken  höherer  Gesittung  zu 
verbreiten,  und  das  Woii  des  Lehrers  nimmt  aus  der  Schule  seinen  Weg  in  die 
Hefanatttten  Tauender  von  Familien.  Man  hat  nna  aehen  hi  der  Litenrtar 
Zenbilder  nnaerer  Zeit  geneigt,  in  welcher  die  SOhne  ihre  Viter  „eraiehen'^t 
indem  sie  ihnen  die  Ideale  lunben,  die  sie  aus  den  Jngejidjahren  ina  Alter  liinttber- 
gerettet;  doch  Kinder,  zur  Barmherzigkeit  und  Nächstenliebe  eraogen,  werden 
auch  auf  eine  ältere  Generation  znriuk wirken,  wenn  sie  die  unter  des  Lebens 
Schlacken  !nn«r5am  verglimmenden  iMink^n  wieder  anfachen.    Zu  weh-^u  v  Tiefe 
der  Venvurieuheit  miisste  ein  Mensch  gesunken  seiü.  der  sein  Kind  wifebciitlich 
abhalten  wüi'de,  die  Wege  des  Guten  zu  wandeln.-'  in  welcher  Elternbrust  ist 
eicht  der  Wonedi  rege,  dem  Kinde  die  eigenen  Enttiaaehungen  an  yeibeigen 
—  vielleicht  mitsammt  den  schwer  empAmdenen  Sdiftden  der  Qesinnang  — 
Ihm  für  dea  Lebena  eigenattaigen  Kampf  jenen  Schatz  von  Staadhaltigkelty 
Von  büigerUehem  Hnth  mitaageben,  der  eich  nnr  ans  demBom  nnversiegbaren 


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I 


—  Ö30  — 

madto»  vwig  emcntr  Pas  Bdipkl,  du  tat  Aangat§  Am  Lehmn  41* 

Elten  iltren  Kindern  gp^wo,  virl  eine  hohe  moralische  Eräftig^ong  flir  ta 

Samariterbnnd  bedt^uten.  Gransam  ist  im  Grunde  ihres  Wesens  die  mcnsch- 
licbo  Natnr,  di^  Lehrer  haben  aber  die  Aufgabe,  sie  auf  den  wahrhaft  nif^nf^^^'h- 
lidjtii  SLaudpuiikt  zu  erheben.  Der  Samariterband  mosa  auf  die  iütwirliuug 
der  Jugeadbildnar  rechueu,  denn  er  sieht  iu  ihnen  die  Erzieher  eines  neuen 
G«wU6G]itM  TOB  Staaritwn. 

Noch  in  einer  swdton  Hinsicht  ist  flir  dm  Samariterband  die  Thefl- 
nahme  dar  Iiilumehaft  von  hOebst^  Bedeutung.  Neben  dem  Arst  grehört  der 
Lehrer  zu  jenen  wenig-en  Personen,  welche  den  Bezirk  ihrer  Thätigkelt  auf  das 
genaueste  kenueo.  Der  Lehrer,  welcher  dem  Samariterbunde  anj^ehört, 
kaun  demselben  durch  seine  \  ertruutheit  mit  den  Verhältnissen,  durcii  seine 
nMhe  Bekanntschaft  mit  aUen  wichtigen  GMiduüiMB  dar  Uag^buf  «aeliite- 
bara  Dlentta  erweiaan.  0ar  Ldurer  wird  fawttnlkh  aMiat  in  der  Lag«  aato, 
den  Samariterbund  von  einem  VorAJla  n  verständigen,  der  dessen  luter» 
vention  erheischt,  er  ist  am  ehesten  in  der  Lag^e,  die  Ti  agweite  eines  Ungltickea 
zu  erme^P'^n,  die  nrifhig-cn  Fingerzeige  für  den  Umfang  der  einzuleitenden  Hilfe- 
action  zu  geben,  genau  uiiizutheüeu,  aufweiche  UnterstüUuug  der  Samariter- 
bund von  Seite  localer  Vereine  und  einzeluei*  Personen  zu  rechueu  hat  Beim 
Aialmahe  alner  B|^denifi^  beaondara  afaur  aoldMiii,  wekbe  daa  Laben  der  aeiner 
Leltong  aniwtmnien  Kinder  Mroht,  iat  der  Lehrer  jetai  adu»  benifen,  die 
Weiterverbreitnng  der  Seuobe  durch  entsprechende  Mafiregeln  zu  liindem. 
Er  wird,  wo  seine  eigene  MaHitfiille  nicht  ausreicht,  die  Hilfe  des  Samariter- 
bundes anrufen  können  zur  Isolirong  und  zur  Pflege  des  von  der  Krankheit 
ergriflfenen  Kindes. 

Erfüllt  ein  Lehrer  solche  Erwartungen,  dann  kann  er  l>emhigt  aage«, 
data  er  aeiaer  Saaarlterpiioht  reiebUeb  gereebt  gawordan  Iat;  er  bat  lülehaleor 
Uebe  geübt,  wenn  er  die  Hand  des  Samariters  dorthin  gelenkt,  wo  Wunden  in 
verbinden  sind.  Dies  hauptsächlich  fordert  der  Samariterbnnd  von  den 
Lehrern,  weil  er  sich  zum  Grundsätze  g'emacht  hat,  dass  jeder  helfen  soll,  nach 
seinen  KrHfren  und  nach  seinei'  Üetahigung.  Bei  wem  aber  der  Wille,  die 
Kiaft  und  die  i^äiu^keit  vorbanden  sind,  über  das  jilaß  dieser  Forderungen 
binanangebeB,  den  wird  dar  Samariterbimd  nit  i'readan  begrüBen.  In  den 
Oeeammtofganfama  des  Sasiariterbnndea  «oUen  die  Lebrer  eines  dar  edtiaten 
Organe  sein.  Die  Art  und  Weise,  in  welcher  die  gesammte  Lehrerschaft  iliren 
hohen  Beruf  auffasst  und  bethHtigt.  berechtigt  zu  der  Erwartung,  d^^s  sv-h  die 
Lehrer  an  dem  Ersten  internationalen  Samariter-Congresse  und  an 
dem  Samariterbuude  voll  betheiligen  werden.  Dr.  Anton  Loew. 

Beitrittsanmeldungen  sind  zu  richten  an  das  Bureau  des  Ersten  inter- 
nationalen Samariter-Congreaa,  1  Klmtbnenring  1,  Wien. 


Vom  deutschen  Ostseeptr^rtde.  Vor  80  Jahren,  nämlich  am  3.  Fe- 
bruar lölhi.  war  es.  als  der  König  iriedrich  Wilhelm  IIL  von  Preußen  den 
Aufruf:  „Au  mein  Volk erließ.  Die  gewaltige  Wirkung  dieses  Aufrufes 
mf  die  Jugend  der  damaligen  Zeit  a^ldttt  der  Gymnarial-Slraefeor  BeUenaann 
yfim  greien  Kloater  in  Berlin  dorcb  folgende  atatiatiicbe  Angaben  in  bcaedler 
Weiaa:  «An  den  Uorgan,  an  welehaai  der  Anfrnf  in  den  Zeitongan  eneUoiatt 


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—  6S1  — 

KK,  wurde  ich  vöü  deu  ScUtilern  der  1  xiiua  teierlicher  denn  je  empfangen. 
D«r  Prinnw  oimim^  MmÜbs,  Baku  das  Wort  und  erUirto»  da»  lie  doh  iiu> 
gMMimt  yefpfliGlitfll  hMten»  d«B  Aifriili»  Folg«  n  letoton.  134  SdiUer  der 
Anstalt  tnrtw  Ar^wUUg  in  das  Heer  ein;  39  PrimaiMr,  38  Seeimdaaer, 

18  Obertertianer,  13  Untertertianer  und  11  Sdlfiler  ans  den  nnteM  CImmb. 
Noch  andere  fülg:ten  später,  sobald  sie  das  vorgrescliriebene  Alter  erreichten. 
Neun  von  den  ins  Feld  Gezogenen  tielen:  Ideler  bei  Großtifnrsrhen,  v.  Arnim 
bei  üroßbeeren,  Hnmbert  an  der  Katzbach,  Zeukttr  bei  derGoiirde,  v.  Kalte 
bei  Enlin,  Fuchs  bei  Leipzig,  Beese  vor  Banzig,  Fröhlich  bei  Frankfurt 
nd  V.  Caprivi  auf  dem  Montmartre.  Sieben  erhielten  das  eiserne  Krenz, 
3  dea  St.  eeorgsorden  «ad  88  das OMmpaleut,  ITkebrten  nach  dea Kriege 
aal  die  SehnllMak  larlek.  Im  Frttjalae  1816  eUieii  daaa  aaeb  64  debiler 
dieses  Gymnasiums  zu  den  Fabom,  VOB  deoea  84  naeli  geaehlfliaeBam  Friedea 
ia  die  Anstalt  zarflcktednteo.'' 

Bravp  .Tnngren  das!  -—  Ehre  ihrem  Angedenken.  Doch  hatten  sie  weder 
eine  einjährige,  noch  zweijährisre.  noch  drcyährige  Dienstzeit  im  stehenden 
Heere  hinter  sich,  als  sie  mit  luiti.  naler  Begeisterung  ihre  Kraft  dem  Vater- 
Iftude  weihten.  Dies  iäl  bekaiuiLiiuii  in  i:reuüeu  geit  Schai'uiiorst^k  Zeiten  ein 
MKitiger  Paakft»  aladich,  iria  viele  Jatare  aar  AaeUUanf  eiaeapttchtigea  Bot 
dakea  gtbOvee.  Der  Qegeaetaod  beeelAftigt  anaatgeaetst  die  Begianniff  aad 
die  BevQlkeniBg,  er  greift  tief  ia  dia  Otgaalaaitiini  der  ÜpterrlchteaattalteB 
aad  Ia  daa  SQhaUaben  der  Gegenwart  ein. 

Unsere  Leser  dürfte  die  Entwicklung  des  Sclmlwesens  wilhrend  der 
If'tzten  50  Tnlire  in  einer  Mittelstadt,  wi«^  z  H,  Elbing  in  Westpreußen,  intf  r- 
essiren,  denn  sie  zeigt  nicht  nur  eine  rapide  Steig;ung  in  der  Zahl  der  (  lassen 
und  der  angestellten  Lehrer,  sondern  sie  liefert  ein  Ciilturbild  über  die 
Biehtong,  nach  welober  eieh  die  Unterrichtsanstalten  ausbildeten,  resp.  neu  ge- 
Maltetea.  £fai  aabeaMtbaree  Yardieiiat,  daa  üatenicbt  der  ia  dlenr  Sudt 
aad  üaigeeead  aafaraebaeadea  Jagend  aaf  der  HQbe  der  Zeit  atialtea  aa  babea, 
gebart  den  Ia  Halle  a.  S.  verstorbenen  Gymnasial -Direetor  Dr.  Beaeeke  aad 
dem  in  vStettin  Yentorbenen  Oberbürgermeister  Burscher. 

Die  Stadt  Elbing  hatte  1843  21000  Einwohner  Sie  besaß  von  höheren 
Schalen  ein  humanistisches  Gymnasium.  Von  Volksschulen  bestanden  damals 
für  Knaben  4  mit  5  ('lassen,  für  Madchen  2  mit  3  Classen.  für  Knaben 
and  Mädchen  10  mit  I-l  tiaübeu,  iu  6uuima  16  Schulen  und  20  Classen  mit 
SOLebMta. 

Jetit,  in  Jabre  1893,  bat  die  Stadt  48000  Eiawobaer  aad  beeitat  tqd 
bnherea  Scbalea  1  humanistiidkee  Oyamadam,  1  Beal-Oyamasium,  1  höhere 

Töchterschule  mit  9  aufsteigenden  Classen;  femer  1  Mittelschule  fllr  Knaben 
ttud  1  fllr  Mädchen  mit  je  8  aufsteigenden  Clasf^en.  Von  Volksschulen  bestehen 
gegenwärtig  5  für  Knaben  mit  je  7  CUi^isen  und  o  für  ]\I{ldclien  mit  je  7  Classen. 
ferner  1  Taubsiummeuschule,  4  Kl» mkifidersclittieu,  1  Gewerbeschule  für  Mad- 
ien und  1  Fortbildungsschule  t  ia  dm  männliche  Jugend  mit  30  Gla^sen.  Alle 
dieee  Aaetalteii  liad  in  schönen,  Inftigea  aad  lichtea  Bttomea,  aiit  WaaMrleitang 
Md  GhMHobt»  letetere  aefar  adt  etokdMieia  liebta  Teraebea,  aatergabraobt 
Nicht  nur,  daaa  die  ZaU  der  Ijebrer  ^aibMtalMaifllg  geetiegen  iat,  eeadeni 
^  sind  auch  36  Lehrerinnen  im  Schuldienst  beschäftigt.  Alle  Classen  und  alle 
Untenkbteade  werden  jftbrlicb  einmal  dnrch  ein  technisches  Mitglied  der 


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—   532  — 


liMtiMheA  Sebildepataüan  revMirt  Die  Revisionsprotocolle  werden  der  Re- 
l^emng:  eingesandt.  Die  hölieren  nnd  die  Fortbildnngs-Schulen  stehen  unmittel- 
bar unter  dor  Reg-ierting:  und  werdeu  dnrrli  deren  Conimis^arins  hranfsichtigt. 
Allen  Lebrendeji  an  den  Volksschulen  isL  im  Jahre  einmal  GeUgeaheit  ge- 
boten, ihre  CoUegen  im  Unterrichte  kenneu  zü  lernen.  Die  öffentlichen  Oster- 
prfifVDgea  liad  doi  Mcm  Awitelteii  abgoidnfl,  an  te  ttttBl-  mA 
VolkMchBiai  iMtMbcn  de  in  raetngMdirlnktar  Wdie  wdlir.  ZmkM 
Kwht?!  — 

Mit  dem  1.  Apri!  ist  im  Lande  der  Schalen  und  Casemen  eine  neue 
Schule  in  Berechtigung  getreten.  Es  i'-t  die  lateinlose  Oberreal i«eh n  1 1», 
Liese  Anstalten  bind  die  Errungenst  liattea  der  gewaltigen  Mromung,  weiciie 
sich  vor  etwas  mehr  als  3  Jahren  gegen  die  „todten''  Sprachen  geltend  machteu 
Letifeere  bdumpten  naeh  wie  vor  ihnn  Plnti  aif  dMi  Stnadenplane  4« 
hnnuuiirtisclien  Gymnasien,  dagig^»  tagte  man,  woDen  wir  sie  im  Bedftribi^ 
falle  von  dem  Stundenpläne  der  Realgymnasien  in  gewissen  Städten  verschwin» 
den  lassen.  Das  ist  tr^'schehen,  nnd  die  TKuh  diesen  Gf^^iichtspunkten  neuor^ani- 
sirten  An8talt<»n  ftthren  nun  auch  den  m»  uen  Namen  im  j  i  »  ußischen  rnterrichts- 
wesen.  Eine  suiche  bedeutungsvolle  Kel'urui  lässl  sich  iu  grö^cu  Am>talteu 
leiten  mit  tbißm  Schlage  dnreblUiren,  ohne  nach  der  einen  oder  andern  Seite 
erheblkfae  Naehtheile  an  enEengen.  Man  hat  daher  snnichet  daa  Latein  anf 
der  Sexta  fortfallen  lassen,  reüormirt  im  n&chsten  Jahre  die  Quinta  und  s(  r  >  . 
bis  im  Jahre  l<SiH)  der  glänze  Unterbau  der  Oberre^lschule  fertig  gestellt  sein 
wird.  Das  Schulgeld  ist  tranz  dasselbe  geblieben,  und  hierin  dürfte  h;m|  r.-ächlicli 
die  Ursache  liegen,  wenn  die  Frequenz  dieser  Schulen  bedeutend  heruutergeben 
sollte.  Es  liisst  sich  kaum  auuehuieu,  dafis  die  Eltern  nicht  erst  versuchen 
werden,  Ar  daaielbe  CMd  mehr  Ware  etnankanfm,  ond  ent,  wenn  lie  eehen, 
dass  ihre  S9hne  mit  den  alten  B|«*dien  nicht  gnt  fintkommea,  werden  aie  mit 
denselben  die  Oberrealadinle  anfirochen;  diese  wird  sich  zweifellos  ans  weniger 
begabten  Schülern  recrntiren.  Weniger  begabt  werden  »'v'  in  den  meisten 
Fällen  wenigstens  ffir  das  Erlemen  von  Sprachen  sein.  I>ie  Berechtigungen, 
welche  die  Oberrealschule  nach  Ujähiigem  Corsas  durch  die  Keifepriifang 
erlheHt^  aiad  folgende: 

1.  FBr  dae  Stndlnm  der  Ifathematik  und  Natarwineneohaften  anf  der 
Universität  und  Zulaanag  zur  Prüfung  für  das  Lehramt  an  höheren  Schulen. 

2.  Für  die  Zulassung  zu  den  Staatsprüfungen  im  Hochbau-,  Bau- Ingenieur-, 
llaschineubuufach,  zum  SchiflT-  und  Maschinenbanthrh  der  Kaiflerlichoa  Marin^i 

3.  Für  den  h?^heren  INist-  und  Teleirnipli'  ii  üenat, 

4.  Für  dait  Studium  auf  den  Forütakidemieu. 

5.  FSr  daa  Stndlnm  dee  BergfMhea. 

Eb  erhalten  wnaeh  die  Oherrealaehnlen  im  gannen  dieeelhenfiereditigangen 

wie  die  Bealgjmnaaien.  Es  fehlt  ihnen  nur  die  Berechtignng  mm  Stodinm  der 

neueren  Sprachen  und  tur  den  Augenblick  noch  die  zum  Militärdienst;  doch 
sind  die  Verhandlungen  über  die  letistere  dem  Abschluss  nahe,  und  es  ist 
erwarten,  dass  in  kürzestei-  Zeit  das  Abiturienten -Examen  der  Oberreal&cUuien 
beim  Eintritt  in  die  militärische  Laufbahn  vom  Fähnrichexamen  befreien  wird, 
wie  ea  hei  den  Bealgymsaeiea  der  Fall  ist. 


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^  633 


Lehrf  Un  der  OberrealtohuleD. 


1  VT 
1  VI. 

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V. 

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und  Krdkuude 

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BeduieiL  | 
und  Mathematik 

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Natur- 
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Chemie 
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Zeichnen  — 

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2 

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26 

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28 

30  .  30 
1 

30 

1 

30 

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258 

Zu  diesen  Stiiiiden  treten  ferner  als  allgemein  verbindlich  hinsn  je 
3  Standen  Tameii  von  VI  bis  la  and  je  2  Stunden  SUngen  in  VI  und  V. 


In  der  diesjährigen  Versammlimg  der  Delegirten  des  „Allgemeinen 

Deutschen  Realschulmännervereiiif;"  sind  folgende  Thesen  des  BetUner 
;    üniveisitilt»i>rafessürs  Dr.  Paiitiieu  einstimmig  augeuoiumen  woi'den. 

1.  Die  neuen  LelirplLlue*)  sind  in  ihrer  allg^emeinen  Tendenz,  da^  liuliere 
Sehnlweseu  den  Bedürfnissen  dei-  Gegeuwaii  auzuj>aäi»eu,  aiü  erli-euUcher  Fort- 
lehritt  Munwhen. 

2.  Im  beeonderen  liegt  die  FMamag  der  lateinlom  BeelüdiiileB  im 

Interesse  sowol  der  BeTölkernng,  ab  anch  der  beiden  Formen  des  Gynuiasfiiiiu. 
Doch  ist  die  iriBkürlielie  Umwandtamg  lateintreibender  Anstalten  in  lateinlose 

oicbt  zu  billigen. 

H  Dns  Kealgymnasium.  d.  h  »^itie  Schule,  die  Latein,  aber  niclit  Griechiseh 
üfibu  sürideru  dafiir  den  modernen  .^pracheu  und  den  Wissenschaften  f^rößeren 
Haum  gewährt,  bleibt  ein  uueuthehrliches  Mittelglied  zwi^ciieu  dem  cia^äischeu 
Oyanasium  und  der  lateinlosen  Oberrealsehole. 

4.  NoOnvendig  bleibt  eine  Neuregelung  des  BereehtigangswesenSr 
^votoeh  4ie  gvaodsMalidie  QkfehsteUmig  der  nenncIasBigeA  Anstaltsn,  be- 
andi  für  die  weltenn  wiwenschaMehea  Stndien  an  aUen  Heehselnkii 
*"SK«sproefaeB  wird. 

*)  Vom  1.  Ayrii  1893. 
PttdAgoeinm.  15.  Jiüirg.  Heft  VIIl.  86 


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—  534  — 


5.  Die  rechtliche  (Tleicbsf^'llnnEr  df^r  realktißchen  Anstalten  ist  dieVoraoa- 
8ft/un^,  unter  der  allein  die  claäsischen  GymiiMieii  for  ihre  Eigenart  ßanu 
nud  Freiheit  wieder  gewiunea  künnea, 

6.  Wie  Inder  SobnkxigttiiinlioB  nidit  Einfteinigkeit,  madtta  Kaiuilgftitie- 
keit  wflinelMiiiwert  M,  m  M  bmoarluilb  d«  BahmeM  der  Lebroidninf  lUn 
Sdivlen  isSgUohst  Frelbeit  der  Bewegnog  ni  gcnvilim. 


XXX.  Allgemeine  Deiif^die  Lehrerversaminlung:  in  Leipjsir 
vom  22.-25.  Mai  1893.  Programm:  1.  Tag,  Montag,  22-  Mai:  Aukuiifi 
and  Empfang  der  Festgftsto.  Abends  8  Ubr  VonrerHuaunlung  im  XrystaU* 
palait  Im  AoaeUiiB  Üeraa  BeKrilfiimgwlMiid  Ja  der  aeiiea  Hafle  denelbn. 

—  Concert. 

2.  Tag,  Dienstag,  23.  Mai:  1.  Hauptversamralang  in  der  Alberthalle  des 
Xrystallpalastes  von  9  Uhr  raorgr^n*;  bis  etwa  2  Uhr  nachmittags,  ^'ß  Uhr 
Festmahl  im  Krystallpalast.  Abeuds  7  Uhr  Gewandhausconcert  im  Saale  de* 
„Neuen  Gexsaiidliauses*',  Grassistraße  9  (Büntritt  frei)  uud  Festvoitttelluiig 
(Sdiaiiipiel)  im  „Alten  Theater'*,  Tlieaterplali  8  (Eiatritt  M).  Hieraif  ge- 
eeOige  SSoaammeolnnift  der  SemlnaireraiiiJgiiBgea. 

3.  Tag.  ^fittwoch,  24.  Hai:  Von  7 — 9  ühr  Nebenversammlnngen.  Von 
\  ülir  ab  2.  Hauptversammlung  bis  etwa  ^j^2  Chr.    Nachmittags  Bem^h 

der  Lebrniittehui^stt'llung-,  7.  Bürgerschule,  Täubchenwep^  2  und  Besichtiguiig 
der  Seheüüwiiräigkeiten  der  Stadt.  Abends  7  Uhr  Concert  des  Leipziger 
Lehrergesangvereins  in  dei*  Alberthalle  d^  Krystallpalastes  (Eintritt  frei)  und 
Feet?ontellang  (Oper)  im  „Neneii  Theater**  (iüntritt  an  emafilgteii  Fretaa). 
Gesellige  Zueiyaimeiikniift  der  Seminarvereinignngen. 

4.  Tag,  Donnerstag,  25.  Mai:  Von  7 — Uhr  Nebenversaimnlungen. 
7  Uhr  Schantnmen  ftir  Knaben  und  Mädchen  in  der  „St&dtischen  Tamballe^, 
Tnrnerstraße  2.  Von  10—1  Uhr  3.  Hanptversammlang:.  Nachmittags  3  Uhr 
Besueh  des  Schulgartens,  des  Eosenthals  und  des  Zoologischen  Gartens,  Aus- 
flug naeh  dem  Sohlaefatftlde  Ton  1813,  Bedehtignng  henrerragender  g&tuA- 
lieber  Anitalten.  Abends  8  Uhr  Absohiedseemmers  im  Krystallpalast. 

Der  Empfiuig  der  FeetgUäte  findet  statt  im  Parfsnenal  des  Kryatill« 
palastes,  Wintergarteastraie  17  nad  19»  nahe  dem  Dresdner  und  Jlagdebaiga 
Bahnhof. 

Leipzig,  den  28.  März  1893. 

Der  Ortsausschttss. 
Stadtrath  Walter,  L  YotiitMder. 

Aus  Bayern.  Die  Lehrerbildungsfragre,  dasdi  NormntiT  festgelegt, 
hat  in  den  letzten  Jahrzehnten  fast  alle  Lehrei-versammlnngen  beschäftigt: 
die  Fachpresse  griff  energisch  in  die  Käder.  aber  der  Wagen  stand  und  war 
mehi*  als  25  Jahre  nicht  einen  Schritt  vorwärts  m  bringen.  Ais  nun  iu  dei 
letalen  Laadtagtsesrion  Galtasmhiister  Dr.T.  HUkr  «lidirte,  die  beabelehtigte 
Beferm  werde  aaf  weitere  25  Jahre  aUa  bereehtiKten  WIInMhe  beflrieilgM, 
da  beseelte  wieder  die  Hoffnun^r  Lehrer  und  Lehresbttdner  snfli  fk«ndigrte. 
Die  Commiesion  trat  unter  dem  \'orsit/e  des  ColtluministerS  nsauUMBI  und  dnr 
kreisende  Berg  gebar  —  ein  Maus] i  in. 

Der  Haaptansachoss  des  bayrischen  Lehrervereins  hatte  iu  eineir  Denli- 


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I 


—   535  ' 

sehrif»  die  altai,  ewig  mmeti  twianuiftm  der  Lahrendiaft  erlu>bflii;  der 
L  Vontaiid  d«  Ywwob,  LaadtagiabgMidDetar  Oberlekrer  Schubert,  wmr  m 
Commission  einbenfeii  worden  and  vertrat  dort  die  ForderaDg:en  der  Denk- 
schrift mit  aller  Wärme.  Aber  schon  die  Grundfürderunor.  Vürbereitung:  anf 
allgemeinen  Bildan^sanstalten ,  konnte  er  nicht  durchdrücken,  nnd  aueh  er 
mnsste  sich  beschränken,  für  den  Auisbau  der  rräparandenschnlen  als 
Vorbereit  II  n^Ban  stalten  für  das  Seminar  einzutreten.  Aach  biei*  war  wenig  zu 
erreiclieu.    Die  „Lernzeit''  —  „Studienzeit*'  kennen  nur  die  Latein-  und  Beal» 
t^Uerl  —  worde  ven  5  enf  6  Jahre  In  der  Art  erweitert,  daiw  der  Fyi> 
penHideiieobale  ein  4.  Com  «ngehUft  wird.  Man  hltte  aieh  mit  dieeer  Ab- 
eeUagezahhuif  znfrieden  fliehen  können,  wenn  nur  eine  Fremdsprache 
als  obligater  Lehrg:e^enstand  Aufnahme  gefunden  hätte.  Zwar  hatte  die 
Commission  einstimmig  die  P'iuffthrung  des  Lateinnnterrichts  als  UaterrichtS' 
fach  der  T.fhrerbildung-sanBiaiten  beschlossen,   aber  der  Herr  Minister  ver- 
wandelte sofort  den  AVein  der  Freude  ftber  dif  st  ii  Erfolg  in  scliales  Wasser. 
„Uaübersteigbaro    Uiuderuisse"   machen  die   £iuiuhruug  z.  Z.  unmöglich^ 
«ad  nnr  an  jenen  PHiparandenaehilen,  die  in  Orten  mit  Gymnasien  sind, 
wird  der  üntenieht  facnltativ  eingelUirt,  der  aber  dam  Ar  die  Sobfller 
oblignt  let.  So  bitten  wir  in  Bayern  denn  gltteUieh  Mparandenadnden 
I.  nnd  n.  Classe^  and  ea  gehlirt  ein  schönes  Stück  bureankratischer  Weisheit 
dazu,  die  Lehrordnung  so  zn  gestalten,  dass  sie  für  Prftparanden  höherer  und 
nieder^^r  Ordnung  anwendbar  ist.    Allgemein  und  zwar  nicht  blos  in  Lehrer- 
kreiseu  i&t  man  dei'  Anschauung,  dass  die  ganze  Haltung  des  Cultusministei s 
in  dieser  Angelegenheit  beeiullu&st  i&t  von  einer  ängstlichen  Rücksichtnahme 
auf  die  künftige,  im  Juni  1893  neuzuwählende  Abgeordnetenkammer.  Wenn 
ee  gelingt,  die  Kaeht  der  DaUer  nnd  Orterer,  die  deb  berdta  als  Mitregenten 
Bayerns  AldeB,  sn  tareeben,  dann  wird  der  Uinister  aieberlieb  etwaigen  ans  der 
Ifftwitia^  heraus  an  das  Ministerium  erfolgenden  Anregungen  gegenüber  die 
nUnUbertteigbnren  Hindernisse'*  leiebt  beseitigen  nnd  tbnn,  was  aieb  sehen 
jetzt  liflttp  geschehen  können. 

Kleine  Geschenke  erhalten  die  Freundschaft  —  daclite  der  Herr  Minister, 
nachdem  die  Fremdsprache  in  den  \\  inkel  gestellt  war,  und  erklärte  sich  ein- 
verstanden, da&b  Luudwirtscuaii,  ivircheudieuät  und  Schönschreiben 
als  besondere  IJnterfiflbtsgegeastknde  Ten  dem  Lshrplane  der  Seminare  g&- 
strieben  werden.  Ktntge  endete  kleinere  iLndeningen  etngereebnet,  wnr  die 
Ari>eit  beendet  nnd  die  Lebrerbildnogsfrage  im  Sinae  des  bayiiseben  Gnltns- 
uißisteis  auf  2')  Jahre  hinaus  anft  beste  geregelt! 

Das  J'rüfungswesen  dagegen  wurde  ganz  nach  den  Forderungen  der 
Denkschrift  des  Lelirerv-  rs  ins  umgeJlndert.  Die  Themen  für  den  Sfuiinar- 
aostritt  und  die  Anßleliuugjiprüfuug,  die  Jetzt  :{  -  seitlier  4  —  Jahre  nach 
Senunaranstritt  abzulegen  ist,  werden  vom  Cultusuiinisterium  fürü  ganze  Land 
einheitlich  gegeben,  nnd  auch  das  Fortbildungsprogramm  wird  Hir  alle 
baytiieben  Ezspectanten  kfinftig  ein  gleiehes  sein,  Kopfrechnen,  SebOn- 
sebreiben,  Beebtschreiben,  Landwirteebaft,  Kirobendienst  und 
Cr  e  m  e  i  n  deseb  r  e  i  b  e  r  e  i ,  seitherPrUbngsgegenstände  für  das  A  nstellingsex  amen, 
fallen  hinweg;  das  Turnen,  dem  man  bis  jetzt  gleichen  Wert  wie  der  Er- 
ziehungslehre elngernnmt  hatte,  wird  seinem  Werte  entspreebend  taiirt  nnd  so 
^  alter  Wonscli  bayrischer  Lehrer  erfiUlU 

36» 


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Eine  besondere  T.t^hramtBprOfnng  fQr  das  Lehrpersonftl  an  den 
Lehrertiildnnpsanstalton  wtirdo  abp-elehnt.  nn<1  so  werden  auch  kttnftjg  an 
der  Real-  ut»d  Lateinschule  den  9-  und  lOjähiigea  Knaben  nnr  Lehrer  für  im 
höhere  Schnltach  Unt^richt  ertbeileu  k(iniien,  während  als  Lehrer  fOr  19  und 
20jährige  Samiaiiliteii  «b  punnd  gilt,  wer  dbm  ikfc  lai  liMle  Lielit  m  «MDmi 
wef6.  Bb  ni  4«!  ]>ki«rtiOdii«ni  Uomlt  kete  Vorwwf  gMMdrt.  Wir  berfteon 
ganz  Yorzflgliche  Lehrer  an  den  LehrerbildnngBantlalten,  aber  wir  kennen  aMh 
solche,  die  iincli  ?H<"ht  einmal  an  »«inp  liolioro  Biirpfersrhnle,  grscliwei^ro  an  ihren 
jetzfj2ren  l'latz  jrt^hf>r*'ri.  ^VJlre  eine  I'rüfnnfr  ein^etlilirt.  so  könnte  aueli  nicht 
der  Vordaclit  aui kommen,  dass  maDClunal  nnr  aosgibige  Protection  zu  einem 
ei-vs  üubchteu  Posten  verhilft. 

Bi«  Xn.  HanptTertsnmlvng  dos  bayrisehm  Lebrerveni»  flndetTW» 
8— 10.  Angoit  IJ.  In  dar  «nterfrlokiMlieB  Main*  und  W«tiiitodl  Wlrsburg 
statt.  Ansschnsse,  ans  ullea  Schichten  der  Bev^komag  g«MId0t,  rind  dort  in 
lebhaftester  Thätigkeit,  nm  den  hayrisehen  Lehrern  einen  angenehmen  Auf- 
enthalt zubereiten.  „Überraschnng-enganz  eigener  Art"  sollen  den  Festtheilnehraertt 
geboten  werden.  3 — 4U00  bayrische  Lehrer  werden  in  "Würzburg  zu  ernster 
Arbeit  und  i«  fMmr  CteieUigkeit  xBaMnoeakonuneB.  In  bayrisohen  Lehrei^ 
TarsumlQiigMi  amhlaneii  Imnier  mudi  vu  anderB  dettMben  StaatMi  Goltogeo» 
welche  als  Gäste  stets  ftmudlicliste  Auftialime  fandeOi  und  so  werden  wol  die 
Badenser,  Wfirttemberger  nnd  Hessen,  die  Thfiringer  nnd  Südpreußen  einen 
AbstPfber  m  den  Bayern  nach  Wiirj^birrg-  macli^'n-  sie  sollen  nns  Bayern  dort 
willkommen  sein.  8  Tage  nach  der  bayrisclieii  i^ehrerverssammlnng"  finilel  in 
Würzburg  die  deutsche  EathoUkenversamnilaug  statt,  so  dass  die  Specialisteo 
ftrliefaranmiAltag,  die  Herran  Sehidler,  Lieber  and  Comp.,  die  aehOnsla 
Gelefeabeit  haben,  ihr  edlea  Hetler  annatbc«.  Aaf  ein  MMheit  frohea  Jagen 
darf  man  umsomehr  gefasst  sein,  ala  dieser  Tage  die  bösen  Unterfranken  dureb 
eine  öffentliche  ErklSrnn^  den  innren  Znrn  rter  ultramontanen  StiUDlB- 
föbrer  sich  zutrezogren  haben.    Die  Erklärung  hat  folgenden  Woi-tlaut: 

„Erklärung.  Veranlasst  durch  die  Angriffe  verschiedener  BlHtter  auf 
die  Leiter  des  bayrischen  VolkaaekiiUekrer-Vereins,  insbesondere  auf  dessen 
I.  Vontand  Herrn  Schibert»  crUlrea  die  niileraelehneleB  BeifrkaiAbrerveietaer 
da«  aia  alch  voll  md  gaai  n  den  von  dem  deraeitifen  Yorrtande  Ter^etenea 
Grundsätzen  bekennen;  Grnndsätze,  die  der  bayrische  Lehrerverefai  seit  seiner 
Gründnng,  also  seit  '^1  Jrihren  verfolgte,  nnd  welche  ihn  groß  nnd  stark 
macliten.  Die  nntenci  u^t»  ii  Hezirkslehrei  vereine  würden  die  P'.xist»'iiz  eine» 
Lehrervereins  für  zwecklos  halten,  wenn  die  bewährten  Grandsätze  veriassea 
nnd  dalir  dcnra  den  Gegnern  deaVtreiaa  geaMlten,  nnf  Spalfang  and  Latan- 
legODg  der  LehraachAft  hinaielenden  Fardeningna  BMhnvng  fetragen  wMe.* 

Dieaermbinlich  entschiedenen  Erklärung  wollen  sich  nnnmehr  die  anderen 
Krei<;vereine  nnscliließen.  damit  endlicli  den  paar  Hetsem  im  Vereine  gegeoftber 
klare  Tahrt  gemacht  werde.  Glück  auf! 

Aus  Italien.  In  Brescia  wollten  die  Jesuiten  ein  Gymuasinm  errich- 
ten, als  dassm  Sita  sie  das  ehemalige  Ftiaii  Hartteeogo  beaciaimt  hattoL 
Der  Gemeinderatli  Ifgla  aber  hiergegen  mit  greier  KehaMt  nnd  unter  dem 
lebhaftesten  Beif»ll  des  Pnblicums  ^e  sehr  entschiedene  Verwahmag  ein.  Kr 
berief  Bieh  darauf,  daas  die  Jesaiten,  obwol  ofßdell  angewiesen,  steti  anter 


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—  587  — 


MMiGoiteltcn  Kampf  gegen  das  bestehende  Staatsrecht  nod  die  politische 
£iolMtt  HaliflM  tetBetse»,  .und  tie  nch  das  projectirte  Qjrmaatlnin  be« 
BalM  worden,  die  QaeUoi  das  aationalMi  Lebens  in  der  JnceoderzItlHair  m 

verg^iften,  was  alles  in  offenem  Widerqiraobe  zu  den  patriotischen  Gefühlen 
nnd  Traditionen  der  Bärgerschaft  von  Bresda  stehe.  Daher  fordete  der 
Oemeinderath  der  ^^taät.  die  politischen  Behörden  auf,  energisch  dahin  zn 
wirken,  dass  die  iiiröttaung  des  g-eplanton  Jesniten-GjranasininB  veriiiudert  werde. 

Der  italienische  Unterrichtsminister  hat  denn  aucli  dies^T  Eiuspraclie 
Folge  gegt^hca  und  daü  Uuteruehiueu  der  fioiumeu  Väter  verboten,  eine  Aia^- 
regeU  weklM  In  Bretflia  nnd  in  fass  ItaUon  mit  groAen  BdlUl  begriUt  wor- 
den ift 

Vielleicht  nehmen  sich  diaiaa  BxMipal  inaachaOavctadaferMiQgen  nnd 
Miairtar  in  andaian  Ltedam  wm  Koslar. 

Ans  Amerika.*)    rbi^ayo,  den  \).  M;irz  180.'3.  Der  nene  l'räsidfiit  An- 
Union  hm  seinen  Inauguraüuudta^  hinter  sich.    Was  da«  heißt,  ^veili  iirover 
Ckvelaud  am  bebten       sageu.    An  beiueiu  erBten  htnpiaugslage  uiusBte  er 
afewa  8000  Penonea  die  Hand  rekhen;  es  kamen  ungefähr  40  auf  die  Minute. 
Dia  nana  iba  kaa  dnndi  daa  Gewicht  dea  DeotwlitknmB  anr  Qeltniig,  daa 
Imanden  in  der  WeltaaetteUangaetadt  nelur  «ad  mehr  an  Elninaa  gairinnk 
Chicago  zählt  400000  Deutsche  und  verausgabt  für  sein  Sohidweean  jSlirlieh 
<)000000|.    Davon  entfallen  150000 1  auf  den  deutschen  Unterricht,  und 
diese  im  A  erlnUtnis  geringfügige  Summe  bildet  den  Xas'el .  an  welchen  die 
nativißtischi  M  Mitglieder  des  Schnlratbes  ihre  deutsch fciudlicheu  Schmerzen 
biugeu.     \oi  allem  soll  die  deutsche  Sprache  aus  den  öffentlichen  Schulen 
verbannt  werden j  dann  das  Turnen,  der  (iesaug  und  der  Handfertigkeit.Kunter. 
rieht.   Warum  9olX  gavade  „deatsch*'  gelehrt  werden?  ivanim  nioht  „iriaeh^? 
üngan  4ia  IiUadar,  daren  oa.  220000  Iiier  wohnen.  Ala  ob  dleee  Lenta  nieht 
an  fltaif  Sadistaln  enfUeeh  aobrieben  und  sprächen  und  ihre  Muttersprache 
ganz  vergeeeen  hfttten.    Carl  Blind,  der  die  Findigkeit  der  Iren  im  Erraffen 
von  Amt  nnd  Stellnng-  auf  eng:liscliem  Boden  sicher  kennt  und  weiß,  dass  selbst 
idealere  Iriänder  auf  jede  Fra^^e  in  ihrer  Muttersprache  verständnisinnig  ant- 
worten:  ,.1  dun't  understaud  yuu"  (Ich  verstehe  Sie  nicht  i  sa^t.  daüs  selbst 
unter  den  wenigen,  welche  Keltisch  uck^Ii  als  ihre  Stamm&pracbe  gebrauchen, 
die  »eisten  englisdi  reden  oder  vielmehr  radebrechen.   Bald  wird  die  letote 
Spar  dea  Eeltentirama  anf  dam  iztseben  EOande  getilgt  sehi,  wenn  die  Mehr- 
■ald  der  Iven  dam  Blota  naoh  ll)erlian]it  dieaem  fttamma  saaareehnen  Ist  Auf 

*)  Wir  glauben  den  Wünschen  unserer  Lcsci  ent^cgeogekommen  zu  sein,  indem 
wir  um  red^tse^g  eines  ttlehtlgen  Berichterstatters  Ar  diepftdagogisohe  Abtheiliug 

der  Weltausstellung  in  Chicago  versichert  haben.  Indem  wn  hier  d*  n  (  rsieu,  (  in- 
leitenden Brief  desselben  veröffentlichen,  ffl^enwir  aus  dem  Jieylf'if  schreiben  toJijeiulc 
-Stelle  bei;  „Es  ist  den  Lcseru  dta  ruMlagogiuiiii!  jcdent'alb  ein  (i*  fallen,  wenn  sie 
vernehmen,  dass  deutsche  Besucher  der  Weltausstellung  in  deuts«  hon  Familien  preis- 
werte und  gute  Unterkunft  finden  durdi  das  .,Pei]t>f'he  Wohnungsbure  au 
'^16  Oät-North-Ave.  Fiat  2.  DasLcben  iu  den  amenk.  Hotels  ist  bei  den  grollen 
latfamungen  aidKm  dnfdi  setaeB  Koetswang  sehr  mbeqnem  und  Wohning  in  einer 
gntcn  deutscheu  Faniilie  dag  bet^tf  Cegen  Einsenduug  von  50  cts.  weist  obige 
luma  eine  solche  nach.  Meine  Eifabrungcn  als  Wolmungsuchender  lassen  mich 
^nniten,  dass  Bcflectirende  mir  und  Ihnen  für  diese  Mittheüuog  herzlich  dankher 
mia  weiden.** 


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—  638  — 


■IHMllUcliMi  Gebiete  ist  das  Irenvolk  vom  englischen  Geiste  so  dnrchsetEt» 
diss  nicht  einmal  die  Fenier-  nnd  Parnellitenblätter  in  irischer  Sprache  er^- 
Schrieben  sind,  weil  schon  die  Schriftzeichen  <\fn  T  pFern  so  fipmd  vorkommen 
Wörden  wie  Sanskrit  und  die  Laute  so  lu  k iunt  wie  etwa  ciiim  ^i^ch.  Was 
iiUD  der  IrishjDaa  daheim  in  seinem  Laude  zu  pflegen  nicht  für  iiotkig  h&lt, 
irefl  die  Pfleg»  dar  haHwrenyMMim  M vttanptwha  ihni  kdaen  NntM  Migfc 
vBd  MliiFoitkiMttea  «ter  hiBMa,  ab  flkdenirlida^  daftTtrlaBg*  «r  diuiaa 
in  der  Welt  g«|ifleg:t.  Im  Ernste  Ewar  nicht;  dflBB  «igeiitlich  handelt  es  sich 
doch  nnr  d;inim.  anch  das  Dentsche  nicht  pflegen  tn  lassen,  obwol  mit  Absehaf- 
fnng  des  dentsclien  Unterrichtg,  de»  Tnrn»>ns.  (Vsangrs,  Zeichnens  und  der 
Handarbeitea  die  Schuie  zur  DortVclmle  herabsinken  wilide  und  nur  noch  eine 
Generation  von  besohriakten  und  gemüthsarmen  Schablonenm^isebeii  henunbtt- 
den  konnte.  Die  Deataeken  protaitinii  geg«»  die  ■üib  SdnkwAagit  gen 
eneigiiek  und  Terweisen  daranf,  daaa  die  HochschnleB  ebenftüls  von  den  Stener- 
zahlern,  anter  denen  die  Deatschen  niciit  die  letzten  sind,  nnterhalten  würd«?ii. 
Pnivh  die  Verbannung  der  denfprlipn  Sprache  rSnmt  der  Schulrath  aipo  deo 
Kei  1)1  ti  ('in  Vorrecht  gegen  dii*  Annen  ein;  denn  die  Reichen  biauchea  ihre 
Kinder,  wenn  dieselben  die  niederen  Schulgrade  hinter  sich  haben,  nicht  in  die 
AiMt  m  ichieken,  aondera  kOnnen  ihntii  den  Btniek  der  Htdwshvle  nnd 
damit  des  Stndiun  der  detteeken  Spiule  «tanen,  dcrai  Kenntaii  ftr  Handel 
und  Verkehr  in  Amerika  Ton  großem  Vortheil  ist.  Der  vidgepriesene  Onnd« 
satz  der  Gleichheit  zwischen  Arm  und  Reich  wäre  damit,  wenn  auch  nicht  Tor 
dem  Gesetze  überhaupt,  so  dor!i  v^r  dem  Schulgesetze  ans  der  Welt  geschafir. 

Angresichts  dieser  Bedrohung  kehren  die  Deutsch-Amerikaner  erfreolicher* 
weise  nicht  das  hervor,  was  sie  trennt,  sondern  sie  betonen  das,  was  sie  emt^ 
und  getan  kierla  ihren  Mdem  jenaetta  dea  Oeeana  ein  ebcoao  behetaigen»» 
ala  naebakmenawertes  BetapleL  JEs  herrscht  hier  zwisehen  Katheliken  and 
Protestanten  keinerlei  Streit,  sondern  jed^  dieser  Bevölkeran^theile  ^Llt 
den  überlieferten  Schatz  christlicher  Glaubenswahrheit  hoch,  ohr*^  den  des 
anderen  verkleinem  zu  wollen,  und  dieses  fiiedJiciie  Einvernelimen  bei  geiren- 
seitiger  Acbtnng  gegentheiliger  Überzeugung  wird  den  Deutschen  zum  S^f» 
and  Siege  gereidhaii.  „Vfit  ~~  sagt  der  Henwegeber  eiaea  kaÜioiiMiMai 
Blatlea  —  widleu  ab  TBmAnfkige  Minner,  ala  fiShne  der  aladiQheii  Kntter 
Gormania  nnd  ala  Bttrger  des  nämlichen  Landes  Amerika  hiidaliflk  mitein- 
ander leben,  nnd  wenn  die  Wölfe  wieder  zu  heulen  beg-innen,  auch  zu  gremein- 
sampr  Abwehr  periistet  sein."*  Das  ist  ein  kprnhaft  W^orf:  mns  )  kernhat'ter, 
als  lit  Karlii'liken  in  Amerika  nicht  nur  «egen  das  amfrikauiscbe  Know- 
notliiiigthum  zu  kämpfen  haben,  wie  die  Protestanten  auch,  sondern  muerhalb 
ihrer  eigenen  Kirche  grimmige  Deotaekfeinde  bergen;  denn  ein  Tbeil  dea  eng- 
liaeh-  and  irisch-  amerikaniadien  Clerna  ist  gegen  dentaehe  Katheliken  hier 
ebflnae  geklssig,  wie  der  magyarische  es  in  üi^iani  ist  Die  deutschen  Eatba> 
liken  der  Ver.  Staaten  werden  den  Kampf  um  ihre  Muttersprache  und  um  ihr 
gutes  Recht  brüderlich  mit  den  Protestanten  auskämpfen  und  die  Machtstellurg' 
des  Deutschthnms  in  Amerika  wird  von  ihrer  Eintracht  abhUngen.  Wie  m 
der  alten,  so  wendet  ridi  aach  in  der  nenen  Welt  die  Uncoltar  zn  allererst 
fegen  die  Sehal^  im  dieZaknnft  etwaa  za  verdnnkelii;  ea  lat  Okeraill  deiaelte 
Krieg,  ttbenül  die  gleiche  Kampitewelae,  wenn  die  Fahaenforben  anch  ver- 
schieden aind.  Sehen  im  yerigen  Semmcr  werde  die  Anzahl  der  Antragatelier» 


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wekhe  nUthig  iit,  d»  deataehen  Untenieht  in  duir  «tatiichaii  SduilB  ftbeiv 

haapt  zur  Einführimg  zu  bringen,  von  fünfzig:  auf  fUnfondsiebsIg  erhöht,  und 
doch  lernten  51  "/q  aller  Schüler,  denen  die  M5gli«iikeit  gegeben  war,  deutsch» 
nhwol  die  englischen  Oberlehrer  nicht  jrerade  dazu  ermuntern.  Dieselben  sind 
vielmehr  dem  Deutst  hthinn  ziijrethaii  wie  etwa  eine  Berliner  Schildwacbe 
einem  Civilisten  aas  dem  Katzei  jammertiial  dieser  Welt,  uud  das  Deutsch thuin 
ist  vor  ihnen  ebensowenig  hüitaliig,  als  es  bis  iu  die  letzte  Zeit  irgend  eine 
Mhlitz&agige  Dame  ans  dem  Seich  der  Kitte  yor  der  Königin  Vletoria  war. 
Für  die  Chfafrinien  Uegt  der  Gmid  Iderflr  in  der  Kleinheit  der  Terkr&ppellen 
Fllfie^  diB  das  langB  Stehen  nnmOgUeh  maohen;  IBr  die  Deatschen  eentra  Ober- 
lehrer kann  dies  nidit  gelten;  man  mfleete  ihnen' hSchileoi  naebsagen»  daea  sie 
es  nicht  verständen,  auf  groSem  Fuße  zu  leben. 

Ihre  Stellnnw-nahiiip  ereffen  th-n  versuchten  Ansturm  ist  eine  sehr  ent» 
Bchiedene  uod  Jf  >U';  sie  beratlien  nicht  so  langre,  wie  die  Katsiierren  von  W., 
die  über  die  Zweckmäßigkeit  geheizter  Pferdelaliuwageu  erst  dann  ächlüssig 
worden,  als  die  ersten  ädireckeusnachrichteu  von  erfrorenen  Nasen  und  Froet- 
beolen  tranwayliite  Heihnnft  einUafen.  Nein,  hier  werden  die  Dinge  von 
kimer  Hand  erledigt  and  dabei  in  e(gemtft|ger  Weite.  In  der  betr.  Sitgnns 
des  Schulrathes  theilte  Fräulein  Bnrt  den  Versammelten  mit^  daea  ein  CemitA 
dea  Oewerksehaftarathes  im  Saale  anwesend  sei  und  zu  der  vorliegenden  Frage 
ejn*^  Krinnernng  zu  machen  beabsichtigte.  Der  Führer  dieser  Depntnrion  wurde 
daiaiti  vom  Voi'sitzeoden  eingeladen,  seine  Wünsche  vurj^ubrinireii.  und  führte 
liavaüttiiü  aus,  dass  die  arl»eitenden  Classen  an  dem  Votkssciiuluüierricht  das 
griiiite  Interesse  nähmen  und  gerade  deshalb  eine  Delegation  entsandt  hatten, 
um  den  Schulrath  za  bitten»  die  Beschlnss&ssung  zn  vertagen.  Die  Yortieter 
der  Arbeiter  wflrden  iniwiMben  die  Enge  ÜeiBig  atadiren  nnd  der  Venanun- 
Inng  dann  Tonehllge  nnterbreiten.  Dieeea  Geanch  wnrde  bewilligt,  obwol 
Fnüi  Flower  gegen  die  Vertagung  tprach  und  Schulrath  Beaenthal  die  Würfel 
m  Ungunsten  der  deutschen  Sache  am  liebsten  gleich  geworfen  hiltte.  Nun 
rührt  und  regt  es  sich  allerorten  im  deutschen  Lager,  und  die  Frauenvereine 
erinnern  durch  ihr  Auftreten  an  die  Kämpfe  der  Alten,  Ihäi  denen  die  Za^;;- 
haften  durch  Frauen  in  den  Streit  getrieben  wurden.    Hunderttausende  von 
Unterschriften  verlangen  die  Beibehaltung  des  deutscheu  Unterrichts;  ein 
Agitattonaoomiti  lendet  an  alle  EBipenehafteni  Verebiey  Logen  und  Gesell* 
•chaften,  Ton  denen  Untentfilsanir  xn  erwarten  ist»  einen  AxtSnt,  um  demZer- 
störangswerk  am  Ban  der  fcrtacbrittlichen  Erziehung  gleich  von  vornherein 
Einhalt  zu  gebieten  und  denjenigen  Mitgliedern  des  Schulratlies,  welche  das 
1  Putsche  nicht  verkümmern  helfen  wollen,  Gewähr  dafür  zu  geben,  dass  eine 
starke  Macht  hinter  ihnen  steht.   Ks  ist  nicht  übertriebene  Besorgnis,  sondern 
ein  Act  ti^uer  Wacht,  der  alle  zur  Fahuo  ruft;  denn  der  Kampf  ist  auf  der 
ganzen  Linie  entbrannt.  Es  ist  kein  Parteikampf  im  gewöhnlichen,  poiitibcheu 
Sinae  Am  Woites,  sondern  ein  Kampf  zwischen  zwei  Welten.   Der  Kiiow* 
aothhig  (amerifc.  Koeename  Ar  DickacbAdel)  behauptet,  «eine  dBrftigen  Volka» 
^(  hiüen  aeien  genigend,  well  aoa  ihnen  Tmchiedine  bedenlende  HKaner  der 
WisBCDschaft  und  Teehnik  hervorgegangen  seien,  nnd  der  Amerikaner  es  trotz 
seiner  bescheidenen  Kenntnisse  im  Leben  doch  zu  etwas  gebracht  habe.  Dabei 
'^'ird  nur  verpessen,  dass  unter  Blinden  der  Einitugige  König"  ist,  und  dass  dem 
Affieiikaner  trotz  seiner  geringen  iiemi Luisse  angetichta  der  reichen  Uilfsqaellen 


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540  — 


der  Kampf  ums  Dasein  leicbt  wurde,  weil  er  am  v  Iii  r  Mildttopf  saß  und  Dir 
den  Rahm  al»S(  hnpfen  durfte.  Jetzt  wird  auch  hier  der  Frwer1>  immer 
Sf'lnvierifrer  und  »^ino  frnto  Volksbildung:  deshalb  ininier  nolhwendiirer.  Piosp 
Anscliauunp:  wird  vuni  Dputschthnm  vertreten,  und  deshalb  ist  ihre  BekJinipfnng 
zugleich  eiu  ^turmlaul  gegen  dieses  t»elb8t.  Mit  äbel  verhaltener  Wuth  führt 
die  eBgüMhe  jPiease,  ob  demekntiidi  oder  tepiibUlcaiiltdi,  Sinich  mii  Streich 
nnd  «idit  den  netMstiseheD  Kampf  wog»  tnf  das  Lo^weMO  «nendelmeii, 
du8  in  Amerika  im  vollsten  Flore  blQht.  So  soll  beispielsweise  künftighin  In 
keiner  Pytliiaslopc  der  Vereiiiifrten  Staaten  die  deutsche  Sprache  mehr  geduldet 
werden.  Bestellt  eine  Loge  doch  darnnf.  das  deutsche  Ritual  beizubehalten, 
80  wird  sie  duich  die  hetreffende  Staatsgroßloge  gezwungen  werden,  ihren 
Cliarter  (Freibrief)  au£äugeben.  Der  Kampf  der  beiden  NationaUtftten  ist  von 
coltareller  Bedentong  nnd  dies  «momebrf  elf  der  derat  ileh  eUHgr  liemüht, 
die  Inteveiseii  Roms  dabei  vor  eUem  zn  wahren.  Die  Kirche  wurde  mit  An- 
erkennung verschiedener  NationalltlUen  in  ein  nnd  demselben  Lande  einer Zer- 
splitterunjT  Raum  creben ,  we  lche  die  Solidarität  der  Katholiken  empfindlich 
beeinträchtigen  müssle.  Die  Berücksichtisrunp  dentacher  und  irischer  Ansprüclie 
bei  Ernennung  eines  Bischofs  würde  bald  auch  die  polnischen,  italienischen, 
bOhmiaehen,  franaMsdieii  nad  anderen  NatioDalitltMi  ansprDdulttBteni  naoben 
nnd  einen  onlOeUehen  Wirrwarr  berverrnfho.  Diese  vom  kirehllehen  Stand- 
punkte zutreffende  Annahme  veranlasst  den  EntscUosSf  das  Aufstreben  jeder 
Nationalität,  i^^.^"  nudi  des  DeutsdithuniR  zn  nnterdrfieken.  Ob  es  irelin^r^n 
wird,  deutsclieii  mihi  niid  deutschen  Geist  so  7.u  verwischen,  dass  in  derKIrehe 
nichts  mehr  duvun  zu  spüren  ist,  niuss  dahin  gestellt  bleiben;  vorderhand  ist 
das  iiische  Element  das  maßgebende  nnter  den  Katholiken  der  Vereinigten 
Staateoi  nnd  dieses  Element  kühlt  sein  H flthehea  an  der  dentseben  Sdinle  mit 
dem  Bafe:  ^Rfickwarts,  Don  Bedrlgo!*'  —  Der  Schnbvfh  wird  sidi  kdner 
Insubordination  schuldig  maeheDi  sondern  hier  wie  anderwärts  nach  Krämer- 
manier ^iiit  Sil  'i  redfTi  lap«en.  Einigen  seiner  Mitjrlieder  ist  es  ja  ehrlicli 
darum  zu  thun,  die  Schulen  der  Weltstadt  Chicago  zeitp^emilß  an<5?:ug:p?ftalten: 
viele  aber  lassen  sich  daran  genügen,  einen  hübschen  und  einträglichen  Titel 
in  beritM  nnd  Utten  sie  s«ibst  efaimal  die  Anwandlong,  tbatkttftig  in 
Bad  der  pidagogisoben  Bewegong  einaagreiftn,  so  mttnte  ja  jeder  vor  allem 
etwas  vom  Erziehung» wesen  verstehen,  und  das  kann  man  doch  billigerweise 
nirht  von  jedem  Schulrath  verlangen.  Wer  da  glaubt,  dass  der  Schulrath  ans 
lauter  iSacliverstHndi^en  g-ebildf-r  ist.  der  tflnseht  Pich:  auch  in  der  neuen  Welt 
gilt  die  alte  Annahme,  dass  dl»  .llU  i^terei  die  Krone  alles  AN'issens  sei,  und  dass 
die  Welt  mit  »ehr  wenig  \  eratoud  zu  regieren  ist.  Man  glaubte  »einerzeit^ 
dass  der  Scbnlratb  nnr  ans  SacfavetstKndigen  besteben  würde,  wm  seine  Zn- 
sammensetasnng  den  Parteien  entzogen  nnd  dafür  dem  Bürgermeister  übertragen 
w  äre;  anf  Grund  gcfentbefUger  Erfahmngen  ist  der  Legislatur  nnnmehr  eine 
Vorlajre  unterbreitet,  wonach  die  Ernennunp  nicht  mehr  vom  Biirp'ermeister 
auseelit  ii,  sondern  von  der  Wahl  des  \  olkes  abhänjren  soll.  Der  tapfere  Vor- 
kämpfer für  das  Deutsche  in  den  öfientlichen  A  olksi^chulen,  Herr  Halle,  hat  in 
s^er  Eigenschaft  als  Vorsitzender  des  Schulraths-Ausschusses  tür  den  deutschen 
Untenriebty  In  Gemeinsehaft  mit  Herrn  Dr.Zimmennann,  dem  Leiter  des  deoC« 
sehen  Unterrichts,  einen  Bericht  ausgearbeitet,  der  die  knieschwachen  Mit- 
glieder des  Schnlrathes  in  Ihrem  Eintreten  (Ür  die  dentsohe  Baehe  hetatlieb 


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—  641 


betttokoD  wird.  —  Ans  (!eni  Bericht  des  Unterrichtamliditen  Baab  geht  her- 
vor, dass  von  den  1 1  ÖO^  Schulbezirken  des  Staates  nnrlOlR  mit  Bibliotheken 
verseilen  sind  und  in  sehr  vif'Vn  Ulndlichen  Schnlpit  die  notliiiT'  ti  Ij^^hrmittel 
fehlen,  weshalb  die  Schnlvorstände  angewiesen  werden.  h«i  der  b  e»lselznng'  der 
jährliclieu  SclmlBteaer  am  ersten  Dienstag  des  Augast  jeden  Jahres  eine  ge- 
Bfigende  Summe  fBr  di^  Zwecke  aaszosetzen.  Als  onumgäDglich  nothwendiiT 
Ar  jede  Sdiiile  beieldiiiet  der  üittoiTieliimiBitter  ein  großes  WttrterbQch  für 
dm  Lefarer,  mebrere  Uelae  Ar  die  SdbQler,  ein  geoffspliiseliM  Lexikon  md 
\^enn  mOgUoli  ein  OoBTersationslaxUn»;  dann  anLefannitteln  eineLeeoiaaeditBe, 
einen  Abacns,  geon^toische  Figuren,  einen  Olobns  und  verschiedene  Karten.  Die 
(mten  Worte  werden  wol  theils  nnf  Felsen,  theil«  nnter  die  Domen  fallen; 
d^tiii  wenn  sich  um  die  Schule  dreht,  so  ist  es  im  Laude  dee  Dollars  wie 
überall,  sie  kommt  za  allererst,  wenn  man  hinten  antäugt. 


Ans  der  Faebpresse. 

52.*)  Die  Behandlung  der  Kealien  in  der  Fortbildungsschule 
(Arnold»  F.  189S»  IV.),  wie  ale  das  Königreich  Sadiseii  bat:  dnyftbrig; 
wSdientlieb  mindeBtens  zwei  Standen  (fOr  Dentseb  md  Beobnen).  Davon  will 
Arnold  eine  halbe  Stunde  den  „Realien''  zuwenden,  so  dass  bei  rand  40  Wochen 
des  Schuljahres  im  g-anzen  60  Stunden  gewonnen  würden  und  nun  20  der 
„Naturkunde",  20  der  „Technik"  und  ..Volkswirtschaftslehre",  je  10  der 
.Geschichte"  und  der  „Erdbeschreibung*^  irewidmet  werden  könnten.  Be- 
zös-lich  der  letzteren  bcantrdsrt  Arnold:  keine  physikalische  und  astronomische, 
soiiile]  n  nur  politische  und  Haudelsgeographie  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Yertrebrs-  resp.  Einzelstoflb:  Belsen  (vom  Wohnorte  ans)  nach  Berlin  — 
theils  znr  Bahn,  tiiells  so  FnS  in  die  Alpen  —  naeh  Paris  —  von  Hamborg 
Uber  Helgoland  und  London  naeh  NewYork  —  durch  Rnssland  nach  China 
nnd  Japan  -  dni  clt  Italien  nnd  die  Sahara  nach  Kamerun  —  Schiffahrt  auf 
der  Elbe  von  Tetschen  bis  Hamburg  —  Kheinfahrt  von  Basel  bis  Amsterdam 
—  die  hauptsächlichsten  Bahnen  Deutschlands  f alles  unterstützt  durch  SjtÜcke 
des  Lesebuchs  —  aber  in  den  angesetzten  zehn  Stunden  lÄsst  sich  der  Stoff 
bei  weitem  nicht  bewältigen!)  —  Vorzüglich  Reisen  nach  euifemteren  Gegenden, 
„weil  das  der  eigentliche  praktische  Zweck  der  Erdkunde  ist"('?).  Und  „wenn 
man  bedenkt,  dass  im  inraktlsefaen  Verkehndeben  der  Gegenwart  die  Elsen- 
bshnen  als  Verkehrswege  die  grSBte  Bolle  spielen,  so  weist  nns  dies  sehon 
^^if  den  rechten  Weg  zur  ErtheUung  des  geographischen  Unterrichts'^.  (»^^ 
Eisenbahnen  gehören  eher  auf  die  Karte  als  die  unbedentenden  Nebenflflsse.*) 
Form:  Erzählen  —  „kleine  Erlebnisse  in  die  Sehilderungen  einstreuen"  — 
.durch  interej?sante  Streiflichter  den  erdkundlichen  Unterricht  beleben".  (Der 
Vtrgach.  Inhalt  und  ümfauf^  des  so  ungemein  wichtiiren  erdkundlichen  Unter- 
richts für  die  Fortbildungsschule  im  allgemeinen  und  einzelnen  scharf  zu  be- 
tttnunen,  ist  sehr  dankenswert) 

63.  Nenernngen  in  der  methodischen  Behandlung  der  Natnr- 
lehre  (Heid,  FZ  1892,  46).  a)  Der  Veisnch,  alle  physikalischen  VorgSnge, 
»weit  sie  in  die  Vdkaachnle  gehltren,  dem  natvrgescSiichtlichen  Unterricht  ein- 

*)  Die  Nummern  52—54  waren  aus  Verschen  IrUhcr  weggeblieben.  D. 


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—  542  — 


znreihen,  sei  nicht  gelungen,  darum  vorianfig  noch  an  emer  Trennung  beider 
UnterricbtsgegeuiitäQde  fe£tzuhalten;  doch  fiioUeo,  soweit  dies  zom  Verständnis 
des  behanddten  Gegenständes  erforderlich  Stoffe  ans  dem  einen  Gebiete  ins 
andere  berilboisaMNUMB  irerden.  Avdi  Mle  es  nkdit  tehwer,  den  Lebrplan 
für  Physik  so  zo  gestalten,  dass  in  der  Naturgeschichte  sieh  darbietende 
physikalische  Fragen  schon  vorher  in  der  Naturlehre  ihre  Erledigung  gefunden 
haben.  So  mfisKen  jedenfalls  die  eliPmiRf  hen  Hrundbegriffe  der  B^^fpr^rhung 
über  die  Emahnitit:  I  r  Organismen  voruiii-'  );<  n,  —  h)  Statt  vom  Vei-such, 
von  Beobachtungen  auszugehen,  die  der  Schüler  „aiigehiich"  gemacht  hat,  und 
da»  ExfoImM  ent  da  dniikwi  m  Umm,  wo  die  angebUehe  ftHkere  Be> 
obaditDDiP  sieht  tsmMAf  eei  Teriblilt.  Diee  Vtrtakna  aetae  eine  FdiiglRit 
n  beobtcbten  iwm,  die  bei  den  meist»  SdiSleni  nidit  vorbandoi  Ist»  aonden 
erst  entwickelt  werden  soll;  anch  haben  nicht  Kinder  gegeben,  wajs  vorauB- 
gesetzt  wird.  Seien  aber  die  Kind»T  eine  Z«'il]ang  in  der  Weise  Crüfrrr?  nutt-r- 
richtet  worden,  dann  lernen  sie  alJmäblich  beubachteu;  die  Bifobachtung^  könne 
dann  in  den  Vordergnind  treten,  und  dem  Cnrsns  nach  der  Crügersdien 
Methode  kBue  ein  aweiter  Conna  nach  den  neneren  VoitcUlgen  ftilgaL 

54.  Zum  Kopfrechnen  (Bad.  1893,  1.  2).  Die  Schule  soll  —  naeh 
dem  Vorbild  der  Gescbftftslente  —  auch  das  mündlich-schriftliche  Rechne 
pflegen,  auf  der  Mittel-,  namentlich  aber  auf  der  Oberstufe:  bei  Aufgaben,  die 
wesentlich  ,,Ko|)frechniingen**  sind  und  sein  sollen,  durch  kurze,  schriftliche 
Festhaltung  solcher  Kinzelresultate,  welche  bei  der  Ausdehnung  der  Aufgabe 
den  GediehtniSBo  leidit  entgehen  kttnnten  —  bei  größeren  und  sasainmeii- 
geaetzten  schriftlicheo  Bereebnnngen  doreh  AnsfOhrong  der  Nebenopwatione& 
fiana  dem  Ki)jife". 

66.  DasZeichnen  im  Unterricht  (Schw.  L.  1893,  1).  „Der  55eichen- 
unterricht  hat  auf  allen  Schnlstufen  in  den  letzten  Jahrzehnten  Inden ten  l^' 
Fortschritte  gemacht;  an  den  Seminarien  aber  wird  auch  heute  iiuth  tm 
wichtiger  Zweig  desselben  zu  stiefmütterlich  behandelt:  es  ist  dies  das  Skizziren, 
daa  den  Lehrer  beOhigen  soll,  einfbehe  Gegenatlnde  und  Vorgänge  w  den 
Sehfilem  raaeh  hÜdUch  darEoateUen.  Baram  wire  ea  eine  ▼erdienstUche 
Anfga*be  für  bernftne  Männer  —  seien  es  nun  Zeichenlehrer»  Künstler  od^r 
andere  Leute  — ,  specielle  Skizzlrcurse  für  Lehrer  einzurichten:  dadurch  würde 
woi  mancher  College  ermuntert,  sich  auf  diesem  ungewohnten  Gebiete  zu  ver- 
suchen,  und  er  brächte  es  schließlich  dahin,  ein  Tannenbäumcheu  oder  ein 
HMein  tu  zeichnen,  ohne  dabei  sich  selbst  und  den  Schülern  läcberlidi  za 
eneheinen."  (Den  meisten  Lebreni  fohlt  die  nlfthiga  GeacUeUidikeit^  obwnl 
«ie  „ausgerllatet  nit  einer  mächtigen,  schweren  Mappe  voll  Freihand-,  linear-, 
technischen  und  perspektivischen  Zeichnungen,  Projectionen  und  Scbattencoo:- 
structionen  da«  Seminar  verlassen  haben."  Sogar  solelip.  die  einen  „besonderen 
Curs  für  Zeiciieiiitkrer  '  durchgemacht  und  den  Rut  tiues  fleißigen  nnd  tüch- 
tigen Zeichners  gemeinen,  müssen  gestehen  —  wie  der  ungenaimte  Verl  dea 
▼orliegeaden  Anftataea  aneehaolich  aiberiehlen  weiB  — ^  daae  ein  deaeinibcben 
freien  Skiaairena  nieht  mSehtig  abid.) 

67.  Die  BedeutattflT  der  Philosophie  der  Gegenwart  für  die 
PHgagogik  (K.  Hocliegper,  XB.  1893,  T  III).  Verfasser  behandelt  „als  Ver- 
treter der  historisch-idealistischen  Hichtung  Jacob  Frohscbammer  und  Ednani 


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von  Hartniann;  als  Vertreter  Afv  naturalistisch-positiven  Riclituit^  Herbert 
Spencer}  als  Vertreter  der  veruiitielnden  iiichtung  Friedrich  Paulsen,  Willu  Im 
Wandt  und  Willi.  Dilthey".  „Für  die  Wahl  obiger  (!)  Pliilosopheu  war  luii' 
die  BedentBOg  ihrer  phiioaopliiMheii  Anscbatmofen  ffir  die  Theorie  der  Pida- 
gogik  and  gerad«  hiorbd  die  bei  ibnen  beMntden  hervortwteade  dwrak* 
terietiMhie  AwprilgiiBir  ilfw  Lehren  naltgebeiid.''  Die  Lebien  der  vier  EnU 
geUHOntea  liegen  nunnebr  auszugsweise  vor,  w<naiif  wir  Ucr  eiolkch  aufmerk- 
sam machen  woUen.  (Die  mähevolle  Arbeit  soll  erst  nach  Verlauf  meh- 
rerer Monate  fortgeietst  und  mit  »Bückhlidi  and  ErgehniMen"  ehgeeohloMen 
werden.) 

68.  Das  FundamentalstUck  der  Schul  Verfassung  (E.  v.  .Sallwürk, 
NB.  1893  III).  Gegen  das  im  wesentlichen  kirdiliche  „Schulgemeindesysteni*' 
dee  iMkannten  Beeten  F,  W.  DHrpftia.'^)  »Wir  Heden  aeittea  (dea  Sjnrteme) 
Grand  nicht  tragAhlg:  er  nmes  vcn  der  Kircfae  sieh  ethlaehen  Inhalt  geben 
laeseni  von  der  Oenaiade  den  materieUen  ünterbalt,  Tom  Staate  die  barean- 
kiatische  Leitung  orwarten.  Wir  halten  ferner  die  ganze  Organisation  für  zu 
eng:  sie  trennt  sog-ar  die  Kinder  der  nämlichen  Gemeinde  nach  einem  die  ein- 
heitliclie  Bütlunp:  der  Nation  geföhrdenden  Grundsatz  (Confessionalität).  Wir 
glanhen  endlich  nicht  einmal,  dass  diese  Sehn) Verfassung  geeignet  wäi-e,  die 
WirruisHe  unserer  derzeitigen  Verhäituisse  zu  glätten,  wie  sie  es  verspricht. 
Wer  mfieBte  sie  sehUeinieli  durchfuhren?  der  Staat?  die  VoUuvertretnng? 
Aber  diese  bddMi  haben  ja  bet  Dürpleld  keinen  Bemf,  anf  die  Endeliuig  dea 
Volkea  im  gansen  Umfang  an  wirken.  So  bleibt  nna  mir  eine  Avl|;abe:  dem 
Staate  die  dttUche  Wftrde  anriekzogeben,  welche  üin  an  dleior  Einwirkani^ 
berechtigt  und  befähigt.'^ 

69.  Was  sollen  und  was  können  die  Schulärzte?  (0.  Janke,  PZ. 
189B,  1).  Die  Untersuchung  dieser  Frage  führt  den  Verfasser  zu  dem  Er- 
gebnis: ^Die  Aufgaben,  welche  den  Schulärzten  gestellt  werden,  sind  theil- 
weise  zu  weilgebend  (genaue  ärztliche  Untersuchung  der  Schüler),  weil  die 
Sdnde  kein  Intareme  (7)  an  deren  ErfUlai^  hat,  tbeilweise  aber  nnbenehtigt 
(BinmiBchnng  in  den  Unterricht),  weil  die  Ante  biesn  niekt  die  aoareickenden 
KenntDisse  haben.  Ein  weiterer  Theil  jener  Anl^ben  (Begntachtnng  der 
BauplBne»  Überwachung  der  Neubauten)  wird  zur  Zeit  schon  von  anderen  In- 
stitutionen erfüllt;  ein  anderer  Theil  (Beleuchtung,  Liiftnng-,  Temperatur,  Ar- 
beitsraatcn'nl!  kann  in  besserer  \Vei«<'  von  den  Lehrern  oder  von  Central- 
fcieUen  ^SuIjsi  llien,  Bücher!  ausgeführt  wtiden.  Somit  bleiben  nur  ganz  ver- 
einzelte und  unwesentliciie  Forderungen  als  specielie  Aufgaben  der  Schularzie 

mg« 

70.  Über  die  FSrdernng  des  gegenständlichen  Denkens  darch 
den  Spracknnter riebt  (ADL.  1893»  9).  Ansdhrnngen  der  bekannten,  aber 

durchaus  noch  nicht  genügend  geachteten  HUdebrand*schen  Gesetze.  Über 
das  Wesen  der  Sprache  und  die  Aufgabe  des  mnttersprachlichen  Unterrichtes 
bemerkt  Verfasser  tretend:  „Die  Sprache  ist  etwas  Thtranivcbes,  sie  ist  f.eben 
und  Entwickelung,  also  etwas,  mit  dem  schonend  umgegangen  werden  mus», 
wenn  es  nicht  verletzt  werden  8oü.    Diese  Anschauung  muss  im  Unterrichte 

*)  Vgl.  Dörpfcld,  Das  FundamentalstQck  einer  fferechtea,  gesnsdea,  iceieB  and 
fiisdliebea  SebnlTerfSaMviig.  Hilgenbacfa,  Wiegend  1883. 


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—   544  — 

dnrchdriiigeu.  Der  in  seiner  und  durcli  beine  Mutterspracbe  Gebildete  mus^s 
bei  jedem  iniitliwilligeii  Verstoße  gegen  sie  etwas  von  dem  empfinden  lernen, 
was  Um  dnroliMM)  wenn  «r  qih  sich  her  in  der  Natur  etwM  Mswillisr  verwtst 
aieht.  Daram  sprachlicher  Antehamuigsiiiiterrielit:  Anflchaamig  des  fHichen, 
flilinliclien  Inhalts  der  Sprache,  prüfendes  Anschauen  der  Formen  der  Umgangs- 
spv;!' lie,  besonders  des  Zweifelhaften  und  Halbrichtigen,  und  noch  festere,  an- 
Jialttiidere  schriftliche  und  mündliche  Übnng  im  richtiiren  Gebrauche.  Die 
Schule  steht  aber  audi  im  Dienste  der  Wahrheit  und  Kuiuriicbkeit,  wmn  sie 
ihre  Zöglinge  immer  wieder  Ten  der  Ferm  auf  den  Inhalt»  vom  8|iradi]ichea 
AnednNk  anf  die  Sache  hinweist** 

71.  Ein  Seitenblick  auf  das  Englische  beim  dentochen  Unter- 
richt i'E.  Eeg-*'l,  Deiitsoli.  Tl.  \'erfnssr'j'  wüiisrht.  da?s  man  (zum  Zwecke 
der  Erläuteriiiig  und  f«^ster*'n  Kiiiprliffunp-|  ..beim  denf.schcn  Untei-riclit  auf  das 
Eniflis«  lie  mehr  achte,  alt;  bislier  ß:escUehen  ist'*  i^VerwaDdlschafiliches,  deutsche 
Entlehnungen  ans  dem  Englischen  nachweise).  Wie  sich  das  ausfuhren  l&sst 
(mid  snglekh:  wo  eich  hioflgr  Gelegenheit  dam  bietet,  zeigt  er  ans  einer  Reibe 
von  Citaten  ans  dem  Nibelungenlied,  ans  Goethe  und  Schiller. 

72.  Die  Lateinfrage  (A.  Socin,  Schw.  P  1893,  I).  Etliche  von  den 
Gründen  Socins  (der  ein  getreuer  I?r)mer  ist)  für  die  ..Beibehaltung"  des  La- 
teinischen: a)  „Unser  deutscher  Stil  ist  durchspickt  mit  lateinischen  Wörtern 
und  Redensarten  wie  privatim,  eo  ipso,  a  priori,  noli  me  taugere  etc."  (Also 
der  Halbbildung  nnd  Chnntkterioelglreit  sn  (HiUlenl)  b)  Sie  rtmisebeLitemfinr 
ist  „ein  gesfinderee  Ersiehnngsmlttel"  nie  die  frniutOsische  oder  dentsebe 
(»denn  der  Charakter  der  französischen  Lit«ratar  ist  zn  rhetorisch,  der  der 
deutschen  zn  sentimental"!!,  c)  Weil  die  vonRömem  und  Rf?merinnen  ge- 
meldeten „großarti{:;eii  Beispiele  von  Hingabe  an  Ideen  und  \An  Todesver- 
achtung" (die  einzig  dastehen,  denen  ln'iclistens  ,,£rtnvis3e  l'aitien  ans  der 
Schweizergeschichte  an  die  Seite  atu  stellen**  wILrenl)  auf  die  „Nichtlateinw 
nicht  in  gleichem  Xafie  wirken  wie  anf  die  Hnmanisten"  (Jene  „haben  eine 
instinctmftAige  Abneigung  gegen  alles,  was  mit  der  Aman  vorenthaltenen 
Sprache  zusammenhSngt"  —  oh  Hr.  S.  diese  Behanptnng  wiiUich  mit  Hut* 
saehen  belegen  kann?). 

73.  Die  Darfteilung  der  Heimat  (U.  Heuipel,  Schpr.  1893,  4 — 0). 
Verfasser  unterscheidet  im  heimatkundlichen  Unterricht  die  drei  Stufen :  I.  Be- 
trachtung and  Besprechung  der  Qnmdformen  von  Thälem  nnd  Bergen  der 
Heimat  von  versehiedenen  Anhöhen  aus  (Stufe  der  Anfllbssnng;  Anscliannng: 
Natur).  II.  Vei^b  icltung  der  angeschaiiten  Natnr  und  ihrer  plastischen  Nach- 
bildung (Stufe  der  Vergleichung;  Anschauungsmittel:  Relief).  ITT.  Symboli- 
flirung  der  gewonnenen  Hf^hen-  und  TipfenvDrstellTiniß:  (Stufe  drr  Anwendunir: 
Anfehnnnngrsmittel:  RehVf.  bildliche  Darstellun^r.  Karte).  Er  bebandelt  im  eiti- 
zeiuen  „Relief  und  riunKurte"  —  „die  bildliche  Diustellung  (Landscbafts- 
bild),  —  »was  der  Vollasefaalnnteirieht  von  der  reliefartigen  Darstellnng 
ibrdert"  In  allem  neigt  sich  der  gründlich  gebildete»  mK  der  Litaratar  ver- 
traute Fadnuann. 

74.  Was  fehlt  unserm  Geo^raphieunterricht?  (M.  Tschamler, 
Böhm.  1892/3.  20}.  ..E.s  fehlt  ihm  der  Anschauungsunterricht  in  Bezn^  auf 
die  Entstehung  der  Karten."  Der  Lehrer  „muss  die  Kartenwerke  vor  den 
Augen  der  Schüler  möglichst  anschaulich  entstehen  lassen".  —  ^.Beleachten 


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—   545  — 


v  ir  die  Gebirge  der  zu  zeichnenden  Karte  einseitig  und  luiueu  wir  die  i^^cliiaf- 
iiruug  aul  der  Lichtseite  gelbgrün,  aal'  den  Scbatt^iaeiteji  in  Grau  durch,  so 
enmiguk  wir  eine  Karte,  wekhe  «lAerBetta  der  BeUeflcarte  luigemeiii  fihnllch 
tan  iMf  andeneitB  tlber  in  Besag  auf  die  SefaralfeB  mit  der  Flaokarte  iden- 
tiieh  sein  muss.  Durch  die  Zeichnung  der  Karte  In  dieser  Wei|p  erreichen 
wir  nun  nicht  nur  das  Hauptmittel  des  Interesses,  den  statiui  nascendi,  sondern 
wir  schaffen  zugleich  eine  Karte,  die  in  Wechselbeziehnng-  znr  Natnr.  <ler  Re- 
liefkarte und  der  l'lankarte  steht."  „Um  dieses  Ziel  zu  erreiciien,  müssten 
uus  Karten  zur  Verfii^un»^  stehen,  welche  für  das  Auge  des  Schülers  weiß 
(leer)  erscheinen,  l'iii'  den  Lehrer  aber  die  ganze  Kai  te  lioch  geprä^^t  enthalten. 
Die  Pift^ung  wird  mit  den  entapreohenden  trockenen  (etaalrfOrmigen)  Farben 
mittelst  Tampons  ans  Banmwollenzeog  elngeiiebeD,  die  Flnsalftnfe  mit  Blaustift, 
die  Schrift  mit  Sehwarzstift  fiberfahren.  Dieses  Verfahren  liefert  bei  einiger 
Übiog  ein  sauberhaft  rasches  und  selir  schönes  EIrgebais.  Bei  der  Hervor- 
nifnng:  dieses  KartenbiUies  ist  der  Lehrer  in  der  Lae-e,  sowol  die  einzelnen 
Terraiufunnen,  wie  Hang,  Rücken,  Kuppe,  Mulde  u.  s.  \v.  in  vollendeter  Weise 
tiüzeln  zur  Anschauung  zu  bringen,  als  auch  die  Karte  i^anz  nach  Belieben  zu 
generalisiieu,  indem  er  nur  die  Hauptthäler,  oder  die  Haupt-  und  Nebenthäler 
auf  diese  Weise  entwickelt^.  (Verfasser  hofft,  das  „mil.-geogr.  Institut in 
Wien  werde  aicli  bewegen  lassen,  solche  „Blankettkarten''  hersasteUen.) 

75.  Unsere  begabten  [Zeichen-]SehÜler  (H.  Gran,  Zeitschrift  für 
Zeichen-  und  Ennstnnterricht*)  1893,  H).    „Zn  unseren  begabten  Schülern 
zShle  ich  diejenigen,  welche  geistig  normal  ausgestattet  sind  und  dabei  Sinn 
für  das  Praktisdie  haben.    Jung-en,  die  sich  selbst  Flöten  schneiden,  Spazier- 
slöcke  schnitzen  und  in  ihrer  tVeise  verzieren,  die  das  Innere  ihres  Spielzeugs 
untersuchen  und  es  dann  wieder  zusammensetzen:  das  sind  in  der  Rege!  ^meine 
Leute"  gewesen.    Ausnaiimen  gab  es  ja  da  auch.''  —  (n^it'  g^hiUg  einseitig 
begabten  Sehfilem  war  meittens  im  Zeidmen  nichts  ansaftmgen.  Am  aller« 
wenigsten  leisteten  die  fGr  alte  Sprachen  einseitfff  aosgestatteten  Knaben,  wie 
sie  es  anch  im  Dentschen,  In  Geographie  nnd  Natnrkande  nnr  an  geiiiigen 
I  i  Ot  lingen  brachten.    Dagegen  waren  jene  geistig  normal  aosgestatteten 
Knaben  mit  ])raktischeni  Sinne  stets  auch  in  der  Mathematik  hervorragend.") 
—  „In  ^ünsti^en  Jahren  —  berichtet  Orau  weiter  —  zählte  ich  nacli  meiner 
Schätzune-  uol  ein  Drittel  aller  Schüler  einer  Classe  zu  diesen  Befähigten; 
liielüL  \sur  aut-r  nur  em  knappes  Viertel  vurlianden.    Wahrscheinlich  wird  die 
Zahl  dieser  zdehaerisch  beanlagten  Schüler  im  Süden  bedeutend  größer  sein; 
wir  im  Norden**)  mllssen  beseheidenere  Ansprüche  madiea.*  — Wie  sind  nnn 
die  „Begahten*^  zn  beschftftfgen?  KeineslUla  durch  Einaebmterricht.  Ein 
fOr  Äemal  gilt  als  erster  Grundsatz:  „Qemelnsamer  Unterricht  in  der  einen 
Classe  wie  in  der  andern,  im  freien  Zeichnen  wie  im  geometrischen  —  gemein- 
samer rnterricht  mit  verschiedener,  den  Knlften  der  Schüler  entspr^  '-lit  rider 
Ausführung  der  Arbeit  (nur  in  Contur  —  mit  dem  Wischer  —  iiiii  zwei 
Kreiden  —  in  schwarzer  Tusche  —  in  FurbenY"   „So  erziehen  wir  uns  nicht 
blos  in  uusern  begabten  Schülern  iei  tige  Zeieiiuer,  sondern  It^en  auch  iu  den 
««üger  belUiigten  den  Grand  so  kanstverstSndigen  Meoseheo«  Belm  Einsei- 
Unterricht  kann  das  nicht  geschehen.* 


*i  TTerausgegebcn  vom  Verein  österreichii^chor  Zcichenlehierf  Wien.  —  Einxel- 
uummcr  iU  ki.  —       ürau  wirkt  in  Stade  (Hannover). 


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f 


Recensionen. 


Servus,  Dr.  H.,  Lehrer  und  Pnvaidocent  zu  Berlin:  Ausführliches  Lehr- 
1>«eli  der  Stereometrie  und  sphftriBchen  Trigonometrie,  fBr  bVliere 
LebrtnstalteD  und  mm  Selbstetodiiim.  In  zwei  TlieUeD.  Zus.  193  S.,  fk* 

im  Text.  Leipzig,  Teubner.   2  M.  80  Pf. 

Der  Verfasser  nennt  seine  Arbeit  ein  nnsfflhrlichcs  Lehrbuch  und  hebt 
auch  iü  der  V  orrede  diese  Eigenachaft  «eiueä  liuehes  bervor.  Im  ersten  Ab- 
Hchnittc,  welcher  von  der  Lage  dar  I/iniea  vad  Ebenen  im  Buune  himdclt, 
tritt  diese  Eigenschaft  des  Buches  nur  in  geringerem  Grade  hervor:  es  werden 
die  emschlÄcriiSfen  Lehrsätze  in  dem  Umfange  wiedergegeben,  iu  welchem  man 
sie  auch  in  vielen  anderen  lAbrttiicbern  findet;  ja.  wir  haben  sogar  die  sehr 
wichtige  Feststellung  über  den  Winkel  windschiefer  (Jerader  vcrniisät.  Da- 
gegen werden  im  zweiten  Abschnitte  allerdingg  die  Eigenächaftca  der  körpcr^ 
Echen  Ecke  mit  Ausftlhrlichkeit  erOrtert.  Der  Verfasser  unterscheidet  w» 
Bowol  beziltrlich  der  Congrueuzfälle,  als  auch  bezüglich  der  Größe  von  pregen- 
überlicgcoden  Stücken  die  Möglichkeit,  dass  an  einer  körperlicbea  K^ke  wol 
drei  spitze,  aber  auch  ein  drei  rechte  oder  stumpfe  Kanten-  und  anck 
Fläehenwinkcl  vorkommen  kfinnen.  Diese  ünteTseheidung-  wurde  allerdings  in 
Zeitschriften  schon  mehriach  erörtert,  hat  nber  bisher  in  den  Lehrbücltcro 
noch  lüdit  Anftiehme  geAraden. 

Der  zweite  Theil  des  Buches  behandelt  die  EIlttis  haf'eu  und  die  Tnhalts- 
berechnung  der  Kürper  nebst  der  sphärischen  Trigouometrie,  und  in  diesesi 
Thdle  tritt  Allerdings  die  Eigenti^ft  der  AurfUiriiclÜDBit  oitMiiiedeii  hervor: 
wir  finden  die  Lehrsätze  von  Ciiviiliere,  Simpson  und  Guldin  in  ausfäbr- 


Bestimmiiog  det  Kauminbaites  von  Pyramide  und  PyramidalftotB,  und  et  wird 

bei  deren  A])leitunp  die  Sumination  von  Keiheu  ijebraucht,  was  allerdings  ftti 
die  Stute  des  ersten  Unterrichtes  in  der  Stereometrie  zu  schwierig  erscheint, 
da  sich  doch  die  iM^Üglichen  Formeln  riet  etnfocher  gewinnen  laraen.  —  A 
folfrt  die  Berechnung  der  Oberflächen  und  Volumina  der  regelmäßigen  Kürptr 
aus  den  Halbmessern  der  ein-  und  uniKesebriebenen  Kuppeln  gleichfalls  unter 
Voransschickung  einer  allgemeineu  uubtührlichen  Ableitung.  Weiter  fiedet 
wir  dia  Elemente  der  TbMfie  filier  Maxime  und  M*"^"»*^  noter  Hemutlbiig 
üer  Taylor 'sehen  Reihe. 

Der  letzte  Abscbuilt  des  Büchels  catkillt  die  siihürisebe  Trigonometrie. 
Wir  tiadcn  hier  wieder  eine  sehr  ausführliche  Behandlung  der  Sinusformel  und 
der  drei  TTauptfornieln  zwischen  je  vier  Stücken,  ferner  der  fiauU'.-ehen  und 
iNapier  ächen  Fonnelu,  endlich  diu  Berechnuog  des  Flächeniulialteä  aus  dea 
drei  Seiten.  —  Zu  luben  ist  anch  die  schöne  Ausstattung,  sowol  was  Papier 
und  Druck  betrifft,  als  auch  die  Anschaulichkeit  und  Correctheit  der  Fig-uren. 
Wir  glauben  das  Buch  der  Beachtung  der  Fachgenosäcu  bcsteud  empfahlen  2u 
sollen:  wenn  auch  eieeelne  Partien  für  einen  ersten  Unterricht  etwas  za  aus* 
fübrlich  eweheiien,  w  wiid  ee  doah  eis  Haadbvdi  gewim  eekr  gute  Dienste 
leisten.  H.  £. 

ScldotkOf  J.,  Lehrer  der  allgeni.  Gewerbesehale  in  Hamburg^,  Analytische 


Geometrie  der  Ebene.  217  S.  97  Fig.  im  Text.  Dreeden,  Kühtmn». 


7  Mark. 


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547 


Der  VofuMr  beseioiiBet  mIb  Bmk  tSa  eine  Stiiimlv]i|'  tob  Lebnfttsen 

und  Aufgaben  nebst  Erläutenin^n  und  Resultaten ;  das  heict,  man  findet  im 
Buche  wol  auch  die  nothwendig'cn  LelirsRtze  Rhr-r  d»is  meiste  wird  in  der 
Form  von  Aufgaben  geboten,  xu  deren  Lösung  luau  durch  cutsprechende  An- 
weisung gebracht  wird.  Der  StaUBdMoritt  dee  LOsers  der  Aufgaben  muss  schon 
ein  ziei  ilif'h  vorgeschrittener  sein.  Es  werden  r::  Anfang  alJerdings  die  £igeD- 
thttmüchJ^eiten  Ton  Pimklooordinaten  und  Lüueucoordinaten  erläutert,  alsbald 
aber  wird  von  dem  weoMwdier  Anwendong  assgiebig  Gebnaoh  jeinafliit, 
nicht  minder  von  der  Verwendung  der  Determinanden.  Der  |frö6te  Theil  de3 
Buches  ist  der  eingehenden  Betrachtung  der  Kegelschnittshnien  gewidmet; 
das  letzte  Viertel  desselben  jedoch  befasst  sich  mit  den  CuxTen  höherer  Ord- 
nung. Gleich  zu  Beginn  dieses  Abschnittes  wird  von  dct  geometrischen  Be- 
deutung des  ersten  und  zweiten  DifFerentialquotientcn  geredet,  wobei  die 
atuUytitiche  Kntstehung  dessdben  als  belumnt  vorauBgCaetzt  wird.  Den  ächluss 
des  Bncheo  bilden  Afaeehnitte  Uber  reoipioke  Bedien,  wel^  ra  Polaifigoren, 
Cyklidf^n  n.  s.  w.,  führen  und  endlich  über  Dreicrlc«;  ''oordinaten.  Da,  wir  ge- 
segt,  die  Beeohäftagong  mit  dem  Buche  schon  eine  hühere  Stuie  des  Studiums 
TomuMtet,  so  dflBfee  dnieelb«  «onoiit  fitr  Hbobochdler  ni  empftUes  sein. 
Ganz  besonders  dienlieh  dtürfte  es  sich  erweisen  auf  dem  Gebiete  der  höheren 
Curven,  für  welche  uns  wenigstens  eingehendere  nnd  ausffthrlichcre  Bearbei- 
tungen nicliL  hckannt  hiod.  Wir  können  nicht  umhin  zü  bemerken,  dasü  wir 
das  Buch  mit  groSem  Vergsflgcn  über  die  didaktischen  Fortschritte,  wdoiie 
es  bekundet,  gclct^en  haben,  wir  Inlren  es  für  eine  meisterhafte  Zusammen- 
fMeeng  der  Ergebnisse  der  Thätigkeit  vieler  Forscher  zu  einem  Gesammtbaue, 
deooen  BanneiBter  in  seiner  Leiitnng  beg^ckwtiieiit  n  wcfdni  veidieBt, 

H.  E. 

Walter,  Dr.  Theodor,  Director  der  Eealschule  zu  Bingen,  Algebraische 
AufgaLoa,  IL  Baad.  27B  S.  Leipzig,  Union  Dentfiche  Verlagsgeaellschaft. 
2  Hark. 

Der  erste  Band  kam  schon  zur  Besprechung,  nnd  wir  haben  nit^ht  er- 
mangelt den  Fortschritt  der  Didaktik,  welchen  dieses  Werk  beknndet,  gehfirig 
hervorzuheben.  Der  nun  TOfUegende  Band  enthält  quadratische  Bewegung»- 
aufgaben,  Bewegungfaufirahen  mit  mehrnren  Unbekannten,  Kreisbewegung, 
Aufgaben  über  speeihäc-be«  Gewicht,  Ausduss  und  Arbeitdeistung.  Die  Au- 
oidnung  finden  wir  so  wie  im  asten  Bande,  ee  weiden  die  adiwierigsten 
An^gaben  der  ver>*chiedencn  Sanmihingcn  gruppenweise  :':ii=;nm mengestellt. 
Von  jeder  einzelnen  Gruppe  wird  ein  Muster  auf  manaiglaiüge  Axt  gelltot, 
todaoB  ee  bei  maneben  Mvstein  bis  sehn,  ja  bei  einem  sogar  m  an  16  Arten 
von  Losungen  kommt,  je  nach  der  verschiedenen  Wahl  der  Unbekannten  und 
der  Weise,  vda  «ie  mit  den  gestellten  TVdingungcn  in  Znsammenhang  gel>racht 
wird.  Im  ersten  Bande  naunle  der  \  erlasser  sein  Verfahren  ein  tabelluriischos, 
(las  heißt  es  soll  eine  Tabelle  angelegt  werden,  in  weiche  in  Bezng  auf  jedes 
Bewegte  Gesoliwindigkeif ,  Zeit  und  Weg  einzutragen  sind;  aueh  in  diesem 
Bande  wird  wiederholt  auf  das  tabellarische  Verfahren  Bezug  genommen, 
anBefdem  bedient  rieb  der  VerAMser  aneh  noch  der  grafblsdien  Darstellnng, 
um  die  Aufgabt-n  dem  Verständni.'rHe  vollkommen  zugänglich  zu  machen.  Wenn 
man  auch  bisher  die  vorgeführten  Aufgaben  zu  lösen  vermochte,  so  worde 
doch  nirgend  ein  gleich  übersichtliches,  klares  nnd  einheitliches  Verfahren  fttr 
deren  Lösung  veröffentlicht.  Wir  betonen  daher  nochmals,  dass  dies  Werk 
einen  didaktischen  Fortschritt  enthält  nnd  wert  ist^  von  den  Faohgenosscn  zur 
Kenntnis  genommen  zu  werden.  H.  E. 

8ehuh;iri,  Dr.  Hcmauii,  Prof.  in  Hamburg:  Sammlung  Ton  arithme- 
tischen nnd  algcbraisclien  Fragen  und  Aufgaben  verbunden  mit 
einem  systematischcu  Autl)au  der  Arithmetik  für  höhere  Schulen.  3.  Aufl. 
t  Heft  flr  wMSkn  Gbynen.  224  S.  Potsdan,  Stein«  1  IL  80  Fl 

Wir  kalten  sohon  iMher  Qelegenhdt  die  «nta  nnd  aweite  Anfli^  dieses 
Bncfaos  an  bsspieeben;  nnd  da  der  Ysribwer  im  Yorwotte  eildiit^  aafer  der 


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548 


Verdt'utfiohunß'  rinitjer  Kunstaiisdrückc  keine  Veränderung:  ;itu  Buche  vor- 
geDumjDcn  zu  haben,  so  dürfen  auch  wir  uns  wol  auf  das  frtther  Ausgespio- 
chetie  beziehen.  Wir  luibea  da  hervorgehoben,  das«  en  wesentlich  didaktii»che 
Kttcksichtcn  wan  n  von  welchen  der  Verfasser  sich  bei  Abfassung  seines  Wer- 
kes leiten  ließ.  Und  diese  Vorsorgre  ft\r  die  Fi irtsfli ritte  der  Methodik  hat 
nun  in  den  wiederholten  Auflageu  ihren  ver<li<  nt«  n  Lohn  gefunden.  Allerdings 
ist  einiges  stehen  geblieben,  das  als  veraltet  und  unbrauchbar  beseiduuft 
werden  muffs.  Da  die  Null  din  V.rrifinunff  der  Ztilil,  also  keiiif  /ihl  ist.  no 
führt  das  Kecluuu  mit  der  Null  m  aiischcincuden  Widerspualica,  Uetea 
Lrt)6ung  die  Kr&fte  des  Anfängers  mitunter  Ubersteigt;  am  allerwenigsten  aber 
kiiiiu  dem  Reehnen  mit  der  Xuil  irtread  eine  Beweiskraft  zukommen.  Da;rp£rpu 
wäre  von  gruütim  prakti&cLcu  Nutütju  gewesen,  wenn  der  Verfasser  Weiauug 
gegdbMl  hUt»,  wie  unniltxc  ZifTeruverschwendung  zu  ve  rmeiden  sei,  n&mlieh 
vor  MU'  m,  indem  man  liei  iler  Division  die  abzuziehenden  Theilprodiieto  .iuf- 
zuüchreibea  uuit^rlaü^i,  dauu  aber  auch  durch  Vermeidung  güuz  ubeidüi>eig6r 
WMdwfaolungen,  wie  man  solche  auf  Seite  144  findet.  Im  Übrigen  haben  wir 
schon  wiederholt  anerkannt,  da>8  das  Vorliii,"  r  'i  fUjin  Bedarf  der  Gymnat^ien 
vollkommen  genügt,  welchen  Anstalten  der  Veilabbu*  auch  durch  die  12  Glei- 
chungen  «08  4«r  gmohiaelien  Anthologie  Mine  bfleoadcm  Zoweadang  ge- 
aaigt  hat.  H.  E, 

Sehttnuyui,      und  F.  Win  dm  51 1er,  Lehrer  za  Essen:  Rechenbuch  f&r 

FortbildungsschTilen.   I.  Theil.   lOH  S.  Essen,  Rldeker.   1  M. 

Der  Inlialt  des  Buches  verbreitet  üdk  üim  die  vier  GrundredumugaartaB 
in  gwuMB  2tthlen,  geneisM  md  DedmiillirfifllMMi,  miMm  mt  giOBter  Auftthr* 

lichkeit  über  die  bürgerlichen  Hechnungsarten.  Wir  sind  vullliommea  einver- 
standen mit  dea  Oximdafttaen  der  Vexfasser,  welche  sie  im  Vorworte  darlegen, 
ebenso  mit  der  Welse,  wie  sie  dieselben  snr  proktisdien  Dnrebfllbraii^  biuigei. 

Es  wird  namentlich  betont,  daä<  diu  Decimalbrüehe  ein  Hilf^^mittel  bilden,  das 
Kechnen  mit  gemeinen  Brüchen  zu  erleichtern,  wenn  nicht  völlig  zu  ersetzen. 
Bbenao  richtig  ist  es,  dass  die  Einkleidung  aer  bürgerlichen  Bichnnngsarten 
den  verschiedeBeii  Gewerben  entnommen  sein  muss,  theils  um  das  Interesse 
der  Schüler  anznrepfn,  theils  auch  um  üiren  ("?e.si('lit!<kreis  zu  erweitern.  Wir 
begrüßen  die  vorliegend«  Arbeit  nicht  nur  al.s  einen  vorziiglicheu  Lehrbehelf 
für  die  Fortbildungs^cliiileii,  sondern  können  nicht  umbiu,  die  Darätelluugsweise 
der  Ycrfii5ser.  besonders  im  ^lobiete  der  £rttoiirecliiiiiiig,  ais  muktcriiaft  avob 
iui  die  VulkÄaciiule  hiuzusLulien.  ii.  E. 

Dr.  RMauan,  Fh. ,  ordeiitUdier  Lebrtr  an  der  BMlMhnle  sa  WiedwdeB. 
und  Dr.  F.  Schmidt,  Direetor  der  Beatoohale  za  Haoan,  Lehrbuch  der 
französischen  Sprache  anf  Grundlage  der  Anschanong.  VII  u.  2G2  8. 
Bieleield  n.  Leipzig,  1S\^2,  Velhagen  &  Klasing.    I'rcis  brosch.  2  Mk. 

Die  in  dem  vorliegenden  Buche  beiolgte  Methode  schließt  sich  eng  au  die 
natürliche  Spracheriemong  an  «ad  geht  deshalb  voa  dem  Quell  und  Ursprung 
idler  Erkenntnis,  der  Anschauung,  aus.  Als  Anschauungsmittel  nu!1<  u  dir  be- 
kannten Hölzelsohea  Bilder  für  den  AnselmuuJii^  und  Spxacbuntczricht  dienen. 
Um  den  Sohfiler  bei  selaea  hladiehen  Arbeiten  die  groim,  im  Unterrichte 
angeschauten  l^iM«  r  ersetzen,  bringt  das  Lehrbuch  verkleinerte,  nicht  la-Icv- 
zirte  Maobbildungeu  dtsiaeiben;  Überdies  noch  eine  Anzahl  kleiner  Bildchen,  oie 
aar  fieMmng  des  ünterriohtB  dieaea  soüea. 

Entsprechend  di  r  eingeschlagenen  Uuforrichtsweiso  fiilirt  der  L«hrtext  /u- 
näolist  nur  einfache  tarnen  der  dem  i>chüier  uatieliegettden  Dinge  vor,  an  dje 
sidi  Fragea  Aber  die  manBigAushea  Begehungen  denelbea  sn  eiumder  aasdilieieB. 
Anfangs  sind  alle  rbuntren  nur  8prechübuns:en.  Lesen  und  »ehrifiliche  übnupeu 
treten  erst  dann  auf,  wenn  der  Schüler  einige  Vertrautheit  mit  der  fremden 
Sprache  erworben  hat.  Da  die  Verfasser  der  mehr  und  mehr  Boden  gewimMatdea 
Ansicht  biud,  dass  das  Übersetzen  aus  der  Muttersprache  in  die  fremde  die 
ras  he  Aneignung  der  letzteren  hemmt,  so  haben  sie  von  dieser  Übung  Uui- 
gaug  genommen.  Aufier  dem  Übungsbuche  enthält  das  Werk  lü  Lieder,  kleine, 
a«m  Thea  weaig  bekaaata  PioMsttehe,  Oediohte  ia  Laatsohiillk  äae  sieh 


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m  — 


aal  dHti  ASotkvveudigist«)  büsdturäjikende  Grammuiik,  cudlich  ein  Wurtttibucb  mit 
TtanaenptiOB.  Die  Anntattung  ist  dM  geradezu  splendid«.  Vergleicht 
man  diesen  Lehrgang^  mit  den  anderen  auf  l-^r  Anschauung  bnsirenden 
(I^hmaBn^  Alge  Duootteid,  Berlite),  dann  erst  trettiu  die  vielen  Voisttge  dem- 
selben ins  rechte  Lieht  Daa  Buch  kat  fibrigeos  ao  vielieiiigeu ,  wnioiten 
BeifHil  gefunden,  dass  unsere  etwas  TanfifttdtO  AOMig«  ttad  Rii^ifehlung  vidm 
Lesern  nur  R'  kjnmtes  sag:en  winl.  E.  R, 

Ohlert,  Arnold,  olit^rleluer,  1.  Lese-  und  T.elirbiich  dei-  fiiui?..  Sprache  fiir 
die  Unterstufe.  78  S.  Hannover,  16^2,  Oail  Meyer  ^(iustav  Prior). 
Preis  60  Pt  —  2.  Fnuis.  Loseboeh  fir  die  Mittel-  tud  Obentift  bSherer 
LehraoBtalten.  VI  n.  215  S.  Ebend.  Pr«li  1  Mk.  60Pf.— 3.  Seh^lgmn- 
matik  der  franz.  Sprache.  Vn  o.  16S  S.  Ebend.  Prefs  1  Hk.  20  Pf.  ~ 
4.  Der  Unterricht  im  Franzöalaebail.  Biiie  PaiSteUniiir  des  I«hiiMifei. 
22  S.    Ebend.  l'n  is  40  Pf. 

Herr  übezleiim  Uhlert  stellt  sich  auf  S.  47  seiner  au^geseiehueten  und 
im  sysMkHctaBiiDniikaiapfehiaflgdtiiteiiiSe^  „Die  fremdipraehHche 
Beformbcwegung"  die  Frage:  „Wie  ist  die  Grammatik  an  der  Hand  der 
Lectflie  zn  behandeln?"  und  antwortet  nnf  dieselbe  pranz  treffend:  „Soll 
die  gewUn^ichte  Methode^  urumiuatik  iiu  Uec  Ii  and  der  Lectürc  zu  treiben, 
durehzuführen  sein,  so  mas  ein  Lenbiieh  gesehnft'en  werden,  welches  der  metho- 
dischen Behandlnn'j  ^rrammatischen  Stoffes  als  Cnterlat^e  dienen  kann."  — 
Zu  unserem  nidit  genügen  Krstaun^  ünden  wir  aber  in  dem  unter  1.  bezeich- 
neten Bflehlebi  nieht  die  leiMBte  Spiir  der  vom  Verfuaer  Mlbat  an^eatellten 
conditio  sine  qua  non.  Wenn  der  Verfasser  meint:  „Schon  zwei  oder  drei 
Formen,  zu  einem  Tempus  gehörig,  genügen,  nm  die  zu  fester  Aneignung  er- 
forderliche AüSüciatiou  der  Vonstcilungcü  herzustellen,  die  fehlenden  Formen 
mOge  der  Lehrer  an  der  Tafel  hinzufügen"  so  ist  das,  nach  nuKrcm  Er- 
messen, keiuf  Grundliigt'  fiir  die  Behandlung  der  Grammatik,  ebensowenig  keine 
mcthodiadie ,  da  ja  die  einzelnen  Leseatttcke  in  keinem  Zusammenhange  mit 
der  angehängten  Gnuninatik  ■tehen.  Man  wird  doeh  oieht  bebanplMi  woUeo, 
dass  ein  solcher  Vorgang,  der  dem  Scbülcr  die  Aneignung  und  dem  Lehrer  die 
Beibringung  des  grammatisc  hen  Wissens  ungeheuer  erschwert,  vor  demjenigen 
den  Vorzug  verdient,  den  bereite»  viele  und  treffliche  Unterrichtsbttcher  ein- 
nblafi^n,  indem  sie  einfl  möglichat  reichliche  Anschauung  des  zu  lernenden 
prammatischen  Elementes  vorftlhrcn.  Der  Lesestoff  ist  für  deutsche  Schulen 
woi  grotftentheiUi  neu,  worauf  der  Verlasser  besonderes  Gewicht  zu  legen  ^heint. 
Nen,  angegeben;  aber  deihalb  doeii  nieht  den  Ferdenngea  dm  Elementnr- 
Unterrichts  entsprechender  als  derjenige  so  vieler  anderer  Lehrtexte,  die  mehr 
das  Interesse  der  lernenden  Jugend  als  Neuheit  im  Auge  haben.  Bei  der 
verhftltnismäßigen  Armut  der  französischen  Literatur  an  kuUlUehen  Stoffen, 
die  unserem  Gcsehmaeke  entsprechen,  bleibt  ee  immer  gewagt,  den  alten  lieben 
Bdcannten  aus  dem  Wege  zn  gehen. 

Ganz  anders  lautet  unser  Urtheil  Uber  das  Lesebuch  Nr.  2.  Da  sind  wir 
dem  VerfiMeer  fttr  lein  Beetreben,  Neues  zu  bieten,  dankbar.  So  besonders  Ar 
die  .\bschnittc  Tontes.  Ht-ographie,  nistx)ire  und  3I(i'nrs.  --  Die  ^Schulgram- 
nutik**  zeichnet  sich  durch  eine  klare,  systematitsche  Anordnung  aus.  Die 
Regeln  rind  möglichst  kv»  nnd  elementar  gefasst,  obzwar  eie  die  ErgebniMe 
der  wissenschafllir  II  11  Forschung  berücksichtigen.  —  Die  unter  4,  im: ^1  ündigtc. 
bereits  in  2.  Auflage  erschienene  Begleiteohrift  gibt  eine  Daisteliong  deä  Lehr- 
ganges, namentlich  auf  der  Unterstufe.  ^'  ^ 
Min,  J,  B.,  Elementarbaoli  der  ftwusMidieii  Spraehe.  Tin  u.  197  S. 

Leipadg,  1893^  Nenmanii.   Fteie  2  Mk. 

In  der  V«  rr<  rln  Agt  der  Verfasser,  dass  an  der  Oberrcalschule,  an  der  er 
\%irkt,  seit  der  i:^iutülirung  seiner  fxanaöaiachea  Grammatik  in  den  mittleren 
und  oberen  Classen  der  f ranzödeohe  Unteirioht  nach  der  neuen  HelMe  ertheilt 

wird,  dass  in  den  unteren  hingegen  bislang  die  Elementargrammatik  von  PIcKtz 
in  Verwendung  steht,  und  dass  ein  solches  Verhältnis  auch  noch  an  anderen  An- 
stalten obwalten  dürfte,    Deu  Wunsch  nun,  die  nuthwendige  Einheitlichkeit 


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—   550  ~ 


zu  cnnügliclieo  ,  liezoichnet  der  Autor  als  die  veranlassende  rr>a(.-hc  der  H'  '^ 
ausgäbe  de«  in  Kcde  stehenden  MementarbucheR.  Bescheiden  wie  ihr  £nt- 
BtebungsgTund  ist  auch  die  Arbeit  —  eigentlich  ein  gewOlmIfdMS  LeKlwHi 
mit  einer  praniuiati-scheu  Beitrsibo.  Goi^chirkt  pomacht  siiul  die  deutj«fhcn 
Übungen,  die  gleich  dem  französischen  Leaettoffe,  an  den  sie  sich  anlehnen, 
WMumnenhttngende  Ganze  bilden.  E.  B. 

KttBf  Kttri,  FranzasiselieB  Leteboeh  Ar  AnCtager.  (EV  a.  70  S.).  Biekftld 

Vid  Leipzig,  1892,  Yelhagen  &  Elasing. 

Das  ftußcrst  geschmackvoll  ausgestattete  Büchlein  kann  z^  ar  für  sich  allein 
als  Lesebuch  dem  ersten  Unterrichte  im  Französischen  zu  Grunde  gelegt  werden, 
Mdl  aber  hauptsächlich,  nach  des  Verfassers  Wunsch,  als  Einleitung  und  Er- 
gänzung  zu  dessen  französischem  Lesebuche  für  die  Unterstufe  —  d^^s  geradezu 
bahobreeheud  geworden  ist  —  dienen.  Der  Verfasser  will  besonders  an  den 
Schulen,  wo  das  Französische  als  erste  fremde  Sprache  ohne  planmäßige  gram- 
niiitibchc  Bcltlirunc:  gelehrt  wird,  dem  Schüler  in  mHplieh.st  einfacher  franz6- 
sibchei  Form  geiue  UiuKebuug  uud  die  Vorkommnisse  des  titglicheu  Lebens 
•ovie  einig«  Qegoistinde  des  Sdivlnnterrichts  (Rechnen  und  Geographie)  vor- 
führen.  —  Kfthn  yerstcht  es,  wie  wenige,  dem  Kinde  das  Lernen  zu  dnem 
angeuuhmea  ücacliäfte  zu  machen.  Der  hier  gebotene  Stoff  bietet  die  niög- 
lie&ts  Mnuiigfaltigkeit  und  ist  durchweg  dem  Ge^ii  lit^kreise  jener  Attenstofe 
entnomro>^n,  tar  <\v-  er  bestimmt  ist.  Das  mit  der  dem  Verfasser  eigenen 
Vorsicht  uud  jeüt-ia  Ernste  bearbeitete  Werkchen,  die  seine  übrigen  Publiea- 
tionon  kennzeichnen,  rciltt  sich  wtidlg  Minia  Toigiageai  fttt.  Der  Name  des 
Verfassers  ist  die  beste  Empfehlnng.  E.  1^ 

Boerner,  Otto,  Oberlehrer  am  G>niDasmm  zum  heiligen  Kretiü  ünDrt&dcD, 

Lehrbach  der  französischen  Sprache.    Uit  besouderei-  Berücksichtigung  dar 

Übungen  im  mttndliehen  and  eehriftliciien  IMen  Gebranch  der  Spraebe. 

VIU  ».  332  S.    Leipzig,  1893,  Teubner.    Preis  2  Mk.  50  Pf. 

Der  Verfasser  findet,  dass  die  alten  Lehrbücher  zu  wenig  Gelegenheit  zur 
Erlangung  einer  geaUgenden  Sprachfertigkeit  bieten,  die  meisten  der  in  der 
neven  Methode  fnßenden  hinwieder  die  Grammatik  za  wenig  lietonen.  Dies 
Teranlaspte  ihn  zur  Ausarbeitung  des  vorliegenden  Lehrganges,  dessen  beträcht- 
liche Corpulenz  alle  modernen  sciimächtigereu  CoUegan  gewissermaBen  ii 
Schatten  stellen  will.  Dass  die  zweite  der  angeführten  Behauptungen  des 
Verfassers  der  Thats;iohtichl;<  [f  nicht  entqnielit)  bnMcbea  wit  weder  ihm,  noeh 
dem  kundigen  Leser  zu  beweu>en.  £.  B. 

Dr.  IJlbricli,  O.y  FroftMor  der  Friedrieh-Werdeneliea  Ober-Bentoolinle  1b 

BecUn»  Elementartneii  der  ihmzSsischen  Sprache  für  bOhere  Lehnnetalto. 

8.  Anfl.    V  11.  209  S.    Berlin,  1892,  Gärtner. 

Ulbrichs  Elementarbuch  ist  bei  seinem  ersten  Erscheinen  (1886)  von  der 
fachwissenschaftlichen,  die  maßvolle  Reform  vertretenden  Presse  als  ein  iirai» 
diges  Ereignis  begrüßt  worden. 

Jede  der  ersten  50  Lectionen  beginnt  mit  einem  fran/ 1  i  eben  zusammea* 
hängenden  Texte,  der  die  zu  erlernenden  grammatischen  Formt u  und  (Jtaetze  — 
freilich  in  einer  nicht  genügenden  Anzahl  —  zur  Anschauung  bringt.  Hierauf 
folgen  —  nnd  das  ist  der  Kernpunkt  des  Lehrbuchs  —  deutsche  Übung«Bätie, 
die  den  fra.nzöi>ijjchcn  Text  möglichst  vielseitig  vcrarbeitea,  die  aber  nicht  et«* 
von  dem  Schüler  der  Reihe  nach  ins  Französische  übersetzt  werden  sollen,  sonders 
dem  T-ehrer  nnr  das  Material  bieten  wollen  für  die  verschiedenen  Ubungeo. 
durch  welche  er  die  llegeln  der  Grammatik  und  das  au»  dem  Lesestück  ge- 
wonnene Sprachmaterial  seinen  Schülern  einzuprägen  wünsdit.  '  Zu  diesem 
Zwecke  empfiehlt  der  Verfasser,  da  in  einer  lebenden  Sprache  zuerst  das  Ver- 
ständnis der  gesprochenen  fremden  Laute  anzustreben  ist,  den  Inhalt  der 
dentedien  Sätze  den  Schlllwn  in  französischer  Sprache  vorzusagen,  ihn  wieder- 
holen und  übersetzen  %n  lassen.  Die  Fortsetzung  bilden  50  Wiederholungen, 
deutsche  Umwandlungen  der  correspondirenden  französischen  Nummern. 
Anhang  bringt  einige  Stoffe,  entnommen  dem  jugendlichen  Anschauungskreise, 
urlhrend  der  Inhalt  der  TOiigen  Leetionen  nneiefc  dem  hietoxiaeben  Geliirte 


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—  651 


aufhört.  T>as  Nothwcmligstc  ans  der  Grammatik  uud  ein  Wörterverzeichnis 
bilden  den  8diluss.  Das  Ganase.  ist  eine  treuliche  Arbeit.  Hc.Hunders  die 
ÜbuDgssätze  und  die  Wiederholungen  zcug^  von  einem  nicht  gewöhnlichea 
pädagogiMkn  Geaohiek  vad  joMr  G«d«M,  die  oir  die  Liehe  rar  Sache  vei* 

leiht.  E.  K. 

Dr.  SoltDiann.  Hermaim  Das  propädeatiscbe  Halbjahr  des  frunzü^^ichen 
Unterrichts  iu  der  höheren  Mädchenschale.  92  S.  Bremen,  1893,  Kuhinianu 
(G.  Winter).    Preis  1  Mk.  50  Pf. 

Genannte  Schrift,  die  den  AnfangemteKricht  im  Französischen  «a  der 
höheren  >Iädt  hcns!  hnlr>  ^i?  ins  Einz'  lue  ^n.io  darstellt  —  freilich  nnr  n  i '  h 
der  Methode  des  Verlabbem  —  will  eine  Lücke  in  der  pädagogischen  Literatur 
ansfttUen,  die  naneBfJidi  die  Lebrezfauiai  dieeei  Faches  empfind  mfissen.  Die 
Forderungen  des  vom  Verfasser  eingeschlagenen  und  den  Fachcolleginnen  em- 
pfohlenen Untcrrichtsp;anj^es  sind:  ,,Es  goU  vom  Laute  ausgegangen,  das.ortho- 
graiihifiche  Wortbild  nicht  gleich  mit  eingeprägt,  das  phonetische  aber  auch 
aieht  benutzt  werden.  Somit  ist  den  SchülerioDea  ftr  den  Anfangsunterricht 
gar  kein  Buch  in  die  Hand  zu  geben.''  Wie  sich  nun  ein  diesen  Principien 
entsprechender  Unterricht  zu  sestalten  hat,  das  zu  zeigen,  ist  dw  Hauptzweck 
▼erliegeader  Sduift,  die  aas  Hemi  Doetor  Soltmaaa  eb  eiaea  ttcbtigea  oad 
filr  sein  Fach  hegei^terteu  Lehrer  kennen  lehrte.  Referent  wünscht  vom 
Her/.eti,  dass  alle  Lehrerinnen  und  Lehrer!  des  Französischen  al!  den 
Bedingungen  entsprechen,  von  denen  der  Verfa.>5ser  bei  Befolgung  seiner  Methode 
den  Unterrichtserfolg  abhängig  macht,  und  die  da  sind:  vid  pädagogische! 
Geschick,  Freundlichkeit  verbunden  mit  strammer  Zucht,  sichere  Behenachaag 
des  Unterrichtsstoffes,  tadellose  Aussprache,  häusliche  Vorbereitung. 

Aas  dfeeem  Bdclileia  kaaa  aaeh  der  ia  Saeliaa  der  Xethodea  bewaaderta 
Lehrtr  vir]es  lernen.   Dies  hat  der  Referent  an  sich  selbst  erfahren.   E.  B. 

Dr.  Rettin,  Albreclit  ,  Lehrer  der  fraiiznsischen  Sprache  und  Literatur  am 
Vitztlmmschen  Gymnasiam  m  Dyp^dm.  Französisches  Übuoi^baeli  fllr  die 
Unterstufe.    VIII  u.  155  S.    Bamberg,  1892,  Büchner. 

Beum*B  Übnngabadi  macht  sioii  lar  Aufgabe,  voa  aOon,  wie  die  Terscide* 
denen  Bichtungen  auf  dem  Gebiete  des  methodischen  Unterrichts  im  Franzö- 
sischen während  der  letzten  Jahre  Neues  und  TrefFliches  hervorgebracht,  da« 
zu  verarbeiten,  was  mit  Aussicht  auf  £rfolg  angewendet  werden  kann.  Jedes 
der  26  C^pitel  zerfällt  in  folgende  6  Haa^tiielle:  1.  Dictee,  welche  glttcklieh 
gewählte,  nnf  inglich  naheliegende  und  concreto,  später  ferncrliegcnde  undabs- 
tiacte  ätoil'e  vorführt  und  stets  eine  grammatische  Thatsache  in  vlUüg  .hin- 
r^eheadem  Male  ülastriiea.  S.  die  lüaangehOieade  PreparatioB.  8.  Biereiee, 
bestimmt  vor  allem,  dem  Schüler  die  Zunge  zu  lösen.  4.  Questionnaire.  5.  Theme, 
deiitsrhe  Übungssätze  zum  Uberectzen  ins  Französische,  don  Inhalt  der  letzteren 
variirend.  Hierauf  folgen  2ü  Morceaux  choisis,  dann  b  irunzüsisrhe  Lieder, 
schließlich  ein  WörtttTeneMhait.  Eia  Anliang  stellt  die  im  Buche  vorkom- 
menden Gallicismen  zusammen.  Die  in  den  Dict6es  veranschaulichten  gram- 
matischen Erscheinungen  erklärt  der  erste  Tl^  der  französischen  Grammatik 
▼m  Br.  Qtorg  Stern^  cnehieaea  ia  demseibeB  Vellage.  Selbe  heSeiligt  sieh 
der  möglichsten  Kür/e  uud  Klarheit,  scheidet  die  Ilauittregel  von  deu  Einzcl- 
flÜlea  und  Ausnahmen  uud  vereinigt  unter  dem  Strich  alleti  das,  was  einer 
Wiederholung  de»  gramuiatischen  Pensums  vorhehalten  bleiben  kann.  E.  R. 

latfUtt,  Sprachleb en  and  Sprachsch&den.  Leipzig  1B9S|  BIcfater, 
466  S.  5  M,  50  Pf. 

Ähnlich  wie  Wuätmanns  „Sprachdummheitcn"  oder  Kpüer?  ..Antfhar- 
barus"  oder  Andresons  «Spraohgebrauch  und  äprachrichtigkeit"  ist  das  vor- 
liegende Werk  ein  FBhier  darob  die  Sdiwaakuafea  nad  SdiwierigiMitea  des 
deutschen  Sprachgebrauches.  Es  ordnet  das  gesammelte  Material  nach  Art 
der  deutschen  Schulgrammatik,  indem  es  zuerst  das  Wort  als  vereinzelten 
Satztheil  (Wortbildung,  Wortarten)  uud  dann  als  im  Gefiige  des  Satzes  stehend, 
also  als  Snti^^et,  Prädicat,  Object,  .\dverbiale  und  Attribut  betrachtet,  ferner 
die  Satiartea,  ihre  Yeriuittpftugi  Modnafoim  aad  WortsteUaag  auf  die  YerstOla 

»7* 


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~   65Ä  — 


gegen  die  Spiftciirichtigkeit  untenudit,  die  dem  Zeitungs-  und  Kuulei-Deutioh 
flaf  dM  KoUioIb  n  w!linibcn  nad.  .  Neben  Vdüora,  die  nur  ▼erefaBirft  f«r> 

kommen  und  sich  widor  allos  Si»ra(  he:cfilhl  versündigen,  stehen  andere ,  die 
lelbst  aoi  den  Werken  unserer  betten  ächziflnteUer  geholt  dnd,  and  die  wir 
IpKfidelit  mdir  ah  Fleeken  nm  Gewtade  innerer  Sprache  gewakr  werden.  Wemi 

Matthiits  iin.s  aiioh  mir  »ün  wonig  aus  iiii«-t  rt  r  S^hreibsorglosigkeit  aufrfltteUie^ 
er  hätte  genug  erreicht^  denn  die  Erkenutnia  der  Fehler  ist  ja  die  erste  SMfe 
zur  Besseranf?.  TrdBdi  ntanelunal  ist  Matthias,  der  Führer,  selbst  ni<^t  ftei 

von  Fehlern.  Seine  eigenen  Sätze  sind  nicht  immer  mustcrgQltig  gebaut. 
Man  hOre  z.  B.  folgende  ^S.  118K  „Es  ist  die  Aufgabe  des  transitiven  Verbs, 
sn  bezeichnen,  dass  durch  die  Thätigkcit  des  Subjeets  ein  Object  durch  die 
von  ji  iicin  ausgeübte  Handlung  in  den  durch  diese  bezweckten  Zustand  ver- 
setzt wird,  d.  h.  das  object,  mit  dem  neben  der  activen  Form:  .ich  habe  ihn 
erkamit',  ursprünglich  das  Particip  wirklich  in  voUstindigc  Formeugleichheit 
gebracht  worden  ist  (,habem  inan  irchantan  ),  befindet  sich  in  einem  solchen 
Verhältnis  stets  in  leidendem  Zustande,  und  ein  solcher  Satz  .Der  Vater  liebt 
sein  Kind*  (—  Snbj.  -f-  trans.  Verb  4-  Obü  lost  sich  auf  in  Subj.  -j-  1.  Par- 
ticip: Der  liebende  Vater  und  Obj.  4-  S.  Particip:  das  geliebte  Kind.  Oder 
S.  141:  „Zuletzt,  ehe  wir  die  Rection  der  Verhältniswörter  gerecht  ge- 
worden zu  sein  glauben  dürfen,  thut  noch  ein  warnender  Hinweis  auf 
die  gänzliche  Rectionslosigkelt  noth,  in  der  sie  selbst  ScbriftsteUer,  und  zwar 
berufene  wie  unberufene,  in  Zeitungen  zumal,  auch  Gelehrte,  dazu  Buch- 
händler und  ihre  Pactotcn,  wie  schon  einmal  bemerkt,  erscheinen  lassen,  niiui- 
lich  mit  undeclinirten  Formen  daneben,  in  der  Mehrzahl  zumal,  die  eben- 
sogut Nominative  als  Accusativc  sein  können,  aber  schließlich  nicht*  sind,  als, 
schwarz  auf  weiß  bcstÄtigt,  die  Folge  davon,  dass  das  Ciclühl  lür  den  Wert 
und  die  Schönheit  unserer  dxswi  mmihn  kommt.''  Oder  S.  355:  »ABier 
der  durch  die  beiden  HHuptvcrha  ancegebencn  Zeitstufe  werden  nicht  weniger 
als  acht  andere  in  l'articipicn  angedeutet,  die  zu  sieben  jener  voraugehoi 
und  eine  ihr  nachfblgeB.''  Doch  geaag  dftTOttt  Wir  wollen  es  den  Verfasser 


deutschen  am  Zeuge  Ilickt  und  ihnen  einmal  sogar  eine  Form  auimutzt,  die 
sie  wol  nicht  gebrauchen.  Wir  wenigstena  luwen  eine  Form  „imrwbtig* 
statt  „vordem"  noch  nie  in  «'»stcrreich  gelesen,  geschweige  gehört. 

Trotz  alledem  bleibt  das  Buch  ein  gutes,  ja  ein  wertvollem  Buih.  Ist 
seine  Leetllie  auch  nicht  ao  leiobt»  ao  bequem ,  so  unterhaltend  wie  die 
Wustmanns ,  so  ist  «•  nmso  nidier  an  Beii^pielen  and  auch  wiastfuduftüch 
beääer  tuudirt. 


Katalog  der  l'äd;ig(igi.schpn  Centraibibliothek  (Cnmenius-Sti ftiine-) 
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Josef  Czeruy,  Führer  dnvrh  dm  i«Uemeutarauterricht.  Wiener-Neustadt,  Carl 

Blumrich. '  239  S.   1  iL  8l)  kr. 
Frflhwirth,  Fellner  uud  Ernst,  Praktischer  Wegweiser  für  den  Unterricht 

in  der  Mementarclaaee.  Wien,  A.  Piehlers  Witwe  &  Sohn.  Vi»^,  nm- 

geaibeitete  Auflage.  217  S.  1  fl.  60  kr. 
Brick  nnd  Kandel»  Das  erste  Schn^ahr.  Eine  methodische  Behandlnng 

sSaamtlicher  UnteniehtsflUsher  der  Elementardasse  ffir  katholische  Lehrer 

und  Lehrerinnen.  Gera,  Tlieodor  Hofmann.   196  8. 
J«  Lntwitzi,  Handbttchlein  für  den  Anschauungsunterricht  in  der  T.  und  Tl. 

Classe.  Dritte  verbesserte  Aull,  KaiaersiaBtern,  J.  J.  Tascher  (A.  Uerle). 

88  S.   1  Mk.  20  Pf. 

AnouyiU;    Praktische  Heimatkunde.    Mit  vier  Earteuskizzeu.  Düsseldoif, 

L.  8ehwaan.  84  S.  1  Mk.  eO  Fl 

Vligt,  Ans  der  ürkande  der  Ofianbamug.   EvangeUsehea  Beliglonsbnch, 
Band  I.  Schönebeck  a.  d.  Elbe,  B.  Neumeister.  400  8.  6  Mk.  60  Pf. 
I>r,  Emst  Baesser  und  Dr.  Franz  Lindner,  Vaterländisches  Lesebuch  für 
untere  und  mittlere  Classen  höherer  Lehranstalten,  Berlin,  Emst  SieglHed 
Mittler  &  Sohn.  506  8.  3  Mk.  50  Pf. 


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554 


Karl  Haehnel,  Übersicht  der  deatachen  Literaturgesclucbte.  Wien,  ilauü'selie 

k.  v.  iL  Hof-Veriags-  und  17iii¥enittl»<6aeli]uuid]iii«  (Joliai  KUnUnrdt  Ck».). 

Zweite  iiin^carbeitele  Anflige.  90  S. 
Martin  Schödel,  Lateinische  Elementargnunmatik  fUr  die  drei  unteren  Gymna- 

sialdassen  und  die  entsprechenden  Clanen  anderer  höherer  Lehnnstattm. 

Leipzij?,  B.  G.  Tenbner.   170  S. 
Dr.  MuriU  S^i«£  uud  Professor  Beriet,  Weltgeschichte  m  biugraphien. 

Bnfeor  Kazm.  Tianaluite  Terbeiaerte  AnflagQ.  344  8,  3  Karten.  3  Hk. 

Zweiter  Knmia.  Kennte  verbeaserte  Anflage.  356  S.  3  Hk.  htiptSg  nnd 

Frankfort  a.  M.,  Kesselring'sche  Hofbnchhandlnng  (E.  v.  Mayer). 
Prani  Weihrich,  Stammtafel  zur  Geschichte  des  Hauses  Ilabsbnrg:.   Prag  und 

Wien.  F.  1  enipsky.   Leipzig,  G.  Freyta»-.    Preis  1  fl.  20  kr.  —  2  Uk. 
Albert  Hg,  KunMtgeachichtliche  Charakterbilder  aut»  (>8terreich-üngam.  L  Lie- 
ferung. 32  S.  Verlag  von  F.  Tempskj  In  Wien  nnd  Prag.  VoUallndig  in 

12  Llefemngen  4  50  kr. 
Dr.  F.  Imhoof-Blamer,  Porträtköpfe  auf  i9nilMhen  Münzen  der  Repablik  nnd 

der  Kaiserzeit.    Zweite  verbesserte  Ausgabe.   Leipzig,  B.  Q.  Tenlmer.  Wt 

122  Bildnissen  in  Lichtdruck.    16  S.  Text  und  4  Tafeln. 
Pr.  J.  EngelDiauD,  Leitfaden  bei  dem  Unterricht  in  der  Handelsgeschiehte 

ffir  Handelslehranstalten  and  kaufmännische  FortbUdnagBichalen.  Erlangen, 

Palm  A  Enke  (Carl  Enke).  261  S. 
Dr.  Th.  Cicalek,  J.  6.  Bttkaig  nnd  Dr.  Karl  Zekl«,  Atlas  fOr  commer- 

deUe  Lebranstaitnn  gezelelinAt  von  Dr. Karl  Pencker.  Wien,  Artaria  dbCo. 

12  Karten.   1  fl,  20  kr. 
Oskar  Fach«»  und  H.  Walther,  Gesetzeskuude  und  Volkswiiischaftslebre. 

l.  Teil:  Die  Lehre  vom  Staate.   3.  vermehrte  und  umgearbeitete  Auflage. 

Leipzig,  Feodor  Belnboth.  170  S. 
A.  Sattler,  Leit&den  der  Qeometrie  für  Volke-,  Borger-  nnd  Fotbfldnngn- 

schalen  in  drei  Stufen.  Erste  Stufe:  Geometrischer  Anschaunngsnnterricht 

3.  Anfl.  Hit  65  Figaien.  Brannioliweig,  ApiieUiaiui  &  Ffenningetocil  56  a 

40  Pf. 

Franz  Schindler,  Physik  und  Chemie  für  Büi-gerschulen.  Dritte  Stufe.  6.  Auf- 
lage. Prag  und  Wien,  F.  Tempel^.  Leipzig,  G.  Frey  tag.  120  8.  72  Ab- 
bildungen. Geh.  45  kr.p  geb.  60  kr. 

A.  Sattler,  Kleine  Naturlebre  und  Chemie  mit  Berücksichtigung  der  Hlnef»- 
logie  und  der  Lehre  vom  Menschen.  Braonsoliweig,  Fiiedtick  ViewogT  iui4 
Sohn.   72  S.   127  Holzschnitte.  50  Pf. 

Josef  Babenicek,  Lehrbacb  der  Pflauzenkunde  für  Lehrer-  und  Lelirerinnen- 
bi]dnngsaaatalte&  Prag  nnd  Wien,  F.Tempskyi  Leipzig,  G.Frey  tag.  195  S. 
195  Abbildungen.  GeK  1  fl.,  geb.  1  iL  26  kr. 

Jm.  Nieten,  Naturgescbichtliche  Lebens-  und  Charakterbilder  für  die  Volks- 
acbnle.  !>n  m  Idorf,  L.  Schwann.  L  Theü:  50  a  60  Pf.  II,  Theü:  91  a 
1  M.  4Ü  Pf.  UI.  Theü:  184  S.   2  Mk,  50  Pf. 

U.  Niepel,  Wandbilder  des  niederen  Thierreiches.  Breslan,  £.  Morgenstern. 
14  Blätter.  14  Mk. 

Dr.  Frtm  Ki«flliug  und  Egmoit  Pfiüs,  Hetbodiachea  Handbneh  lir  den 
geaammten  naturwissenschaftlichen  Unterricht  in  Volks-  nnd  bSbemMllddMi^ 
acbnlen  in  aedta  Gnraen.  CorBna  VL  Der  Henacb  in  Beaielrang  nur  oiga- 


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—   Ö66  — 


n igelten  nnd  nnorgaiikchen  Natur.    586  ä.   ö.  u.  6.  Corsas  zus.  7  Hk, 

BrauiiBchweig,  AppelhaoB  &  PfenningstorfT. 
HeiMfieM  Togel,  Antluropologie  nnd  Gesimdlieitalehi«.   8.  Aufl.  Leipsigv 

E«L  FMer^  Vflriagr.  32  a  18  AbbUdnngea.  20  Pf. 
IHto  Janke,  Die  Literatur  der  Sohidhjgiciiie.  KiitUcher  Bericht  Gotha, 

Fniil  f^iirend.   54  S.    60  Pf. 
Dr.  Carl  Eulor.  KTiryklopädischcs  Hanrlbnch  des  pesanrmten  Tumwesens  nnd 

der  verwauditsü  irebiete.    J.  und  IL  Heft  ä  60  Pf.    Wien  und  Leipzig, 

A.  Piciilers  Witwe  &  Sohn. 
Or.  wuA,  Iteorg  MttUcr,  Die  Wid«ntaaM3jiiiiiaitIk  fBr  Schule  und  Haut. 

Leipzig,  a  L.  HlnehflBld.  6B  S.  60  AbbildimgeD.  1  Utk.  60  Pf. 
Profi  U.  Schoop,  DerZeicli  imitenielit  'u  Knde  des  neunzehnten  Jahriiiuiderts. 

Zürich,  Alb  rt  Müller.    143  S    TU  Figuren.   4  Mk. 
Paol  Stade^  Ein  neuer  Lehrplau  für  den  Zeicbenonterricht  in  der  Volksechale. 

Gotha,  Emil  Behrend.  23  S.  60  Pf 
£nül  Franke ;  Das  neue  Universal-Monogramm.  Zürich,  Orell  FfiBli.  Heft  L 

4]fk. 

Jtsef  Hiebseli,  Methodik  des  Gesan^terfichts.  Wien,  A.  Pichlers  Witwe 

&  Sohn.  Zweite  umgearbeitete  Auflage.    143  S.  80  kr. 
A.  Oräßner  und  R.  Kropf,  Sammlung  geistlicher  und  weltlicher  Gcsängre  fiir 

Mäimerchor.  Halle  a.  S.,  Hermann  Schroedel.  1  Mk.  80  Pf,  geb.  2  Mk. 
Friedrich  Hesse  und  Adalbert  SchSolein,  Sclmlliederbuch.  Heft  II  förMittel- 

daflMn,  Heft  ni  fSr  Oberclasaen.  Dessau,  Paul  Banmann. 
Man  Hein,  die  FormoD  der  mnsikaliBcheii  Oomposltion.  Erlangen  nnd 

Leipzig,  Andr.  Deichert  (G.  Böhme).  3.  Aufl.  128  S.   1  Mk.  80  Pf. 
L.  A.  Zellner,  Vorträge  über  Orgelbau.   Wien,  Pest,  Leipzig,  Hai  tlebens  Ver- 
lag.  148  S    65  Abbild.  3  Beilagen.  Geh.  2  fl.  20  kr.,  geb.  3  11. 
Joseph  Claybauj;h  Gordon.  W.A..  Ph.  D.,  Notes  and  Observations  upon  the 

educatiou  of  tlie  deaf,  witli  a  revised  indeiL  to  educatiun  of  deaf  children. 

Volta  bwean,  Washington,  D.  C.  CX  and  88  pg. 


▼eimlWMtt.  UMtiu  Dr.  Pti«dri«li  Dlt(«i.  Bi«hira^«i«f  Jallmi  Kll«kk«fdt,  Leipzig. 


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I«  II  l(  1 1 1 1 )  ■  1 1 1 1  i  <  • 


ANZEIQBM. 


«erlag  oon  ^uUu»  SMiwfHUftt  fa  fleipjifl  uib  tBeiti«  W.86. 


ItUtliMfil  irorUnett  Jliflilri 

Mufoiäiuiifilien  pdiM 

mit  aufgeführten  lBei{)nc(dt 

Surgerfc^ulcn  Oon 

ObcrIfJ)rer  an  bcr  8ieolf(^uIc  in  ficipjiß. 
I.       9.  «ufi.  n.  teil,  7.«ufl.  fle^.  i  80^f. 

m.  Xett,  6.  «ufl.  8.  fle^.  ^rei«  1  9R. 
«tfiiltettattinl,    H  lMoil.  H.  sich.  ^Brciel 

M  L  »finbcben  Dc^  Vdtvef^cti  MtAtu- 
lM|e#  fciumft  Vie^nfü^rung  in  We  9of 
tcttl  tinb  abfüräungiMi  bci^  faufmönnifc^en 
Stec^neni;  an  bkfcn  einUUcnben  Xeti  ret^n 
ftd)  bie  gemö^nlic^«  BÄrgfrlie^en  Äec^- 
niing^nrten,  njabrenbbü^  TT.  unb  III.  "i^iinb= 
äien  liauptjäc^Iid^  bad  U)ebiet  t>t^  fauf« 
mfinnifd)cu  9*c(^nfn3  bc^onbeln,  nämlic^ 
im  II.  bie  ^rojent»,  3'"=*'»  ?i-^tont»,  Xer* 
ntin<  unb  Sffehenrcc^nung  unb  im  III.  bie 
SEBfC^fel"  unb  ffiorenret^nung.  9ai  Äuf« 
flobenmoteriül  tft  fo  5ali(reidi,  boß  jebcr 

fBt 

i^etaiiiBCflC^n  Don 

|tt«  ^mt  unb  f.  ifttger. 

.<Scft  A.:  für  Si'jrta.  4.  9IufI.  2)ie  4  Spejic« 
mit  Bonien  3a^lcB-  f"'^  Cuinta. 

4.  IlHfl.  9)it  4  6)Ksie«  mit  Srä^n. 
8.  ge^.  $rrtS  ä  ^eft  60  tßf. 
«rfnltütf  ^teriu  60  «ßf. 

«otftc^eiibe«  Söerf  tft  (Srgönjung 
»U  „Sd»e^  WufflOben  für  ba8  foufmQnr.iid)c 
^f(!)nen",  troldic^  nur  ©toff  für  bie  ÜHittcl« 
unb  Dfacrllajien  bietet,  bearbeitet  worben. 

be^anbelt  ben  an  9lealfd>ulen  für  ^c^ta 
unb  Ouinta  gcfc^Iidi  tiorflfiÄricticnen  8toff 
unb  jwot  in  ber  ticiii,  baß  ouc^  bie  fiit 
^öf)ere  ^ulen  unerläßlich  Xi|eorie  br« 
»et^ncn«  genügenbc  'öeriicffic^tigung  finbet. 

83flbe  9led)cnu>crfc  )inb  bereite  in  jalj!« 
trieben  höt)«en  8t^ulen  6a(t)fen8  unb 
^reufeonö  int  («cbroud)c  unb  [teilt  bie  5Ser« 
lag^ljanblung  bei  beabfic^tigtet  äinfü^rung 
getn  ein  l(nfiri(tfcKenq»1ar  »nt  eecffigmg. 


fit  MIN  ml  9tittiDn|ifi|tl(i  nl 
iilmllIifeBMIem&|ffi|Mlci 

in  8  fi^  etiDeiUttbcB  tvtfea. 

gearbeitet  tmt 

g,  Plttrnimrii, 

S(^ulbircllor. 
fln^üht  A,  OonDliu«^  für  li^n  Vcbrci. 

Hiidgafie  B,  für  die  Oan»  bed  ZdtiM 
in  S  heften  ^  SK.  -,$0. 

1.  ^t  8.  «nf(.  2.  ^eft  6.  «ufL 
3.  ^ft  4.  «uft.  . 

Die  Sdjfllerbeftc  finb  bereit«  on  wer» 
jrbicbfnen  Spulen  3ad)ien^  unb  ^reufeen* 
jur  (ftnfü^ning  gelongt  unb  ^at  fidj  auc^ 
ein  Teil  ber  pSboiioiiifctii'n  "i^rrm-  in  bcr 
anecfenneubflen  SSeije  über  t>ai  ^ud)  au^ 
gefpiwlcn.  ®o  ft^mbt  n.  a.  We  Xt)u« 
riugijcf)e  Sdiul^eitung:  „5)et  «erfoffer 
ftet)t  auf  eigenem  ^oben,  ganA  »ie  @rubc 
bie  3aMenWlbet,  f»  («Imibett  ec^ierer  bic 
iieonii'trti'cficn  Jtörttcr.  ?(nfdioucn,  Äon» 
ftiuiercn  unb  löece^inen,  t>a§  ftub  bic 
^rnnbfä^e,  na4  bcnftt  jelcr  tfcpn 
I  anbclt  ift  unb  bnbur(^  gerolnnt  ba«  ®anje 
bebeutenb  an  äKanmgfaltigtrit  unb  Sniec» 
effe,  UM»  bei  bem  nurtlemotlffte«  1nta> 
richte  um  fo  roicfttigcr  ift.  ^^ic  flanke  tÄn» 
läge  nnb  2)urdnüt)rung  oerrät  ein  fo 
einge^enbe«  pöbaflogift^  nnb  befonbccA 
niiithrniatihlici-'  'iHTÜiiubtu^ ,  fliegt  bc 
berjigen^roerte  bibafttl'dje  SBitute,  ba|  »ic 
ba«  betreffcnbe  fkd  gn  ben  toorjüglii^lle« 
üä^Ien  müffen,  welche  biefc^  ?^ad)  betjan« 
beln,  unb  bemfelben  bie  rDeitefte  anb 
oQjeitigfte  S^rbreitung  unb  tfiWMIlbiB| 
nrfbifi^ett.''  

fSr  cittfadje  «^»«fdlitlci* 

^tn  Icitfabcn  für  £ei|rfr 
«Iii  tHntfihn^  für  !Mfikf, 


8.  SnRagc.  52  Seiten  mit  bieten 
gel).    i^nMoi  ^,40. 
9irfultate  bictju  3».  -,20. 
Ifatfic^t^'t^emptare  fmb  bun^  icbf  lta#» 
^mbtong  gn  begieß. 


Oigitized  by  GaL)gIe 


UM  priktisdiin,  kuruft  dtWi 
liidrtWTtüa^liilitrt  V  kitliun 


Clavierschu 

■ti  dl«  'an 

•Gerstenbei 


le 


er 


tf.m.  rnis2Mk.S0Ff 


)il(»IW,  M«M*  I*  nitnir  miMr 


IlMMWjälbäikM 


Mtl. 


M-Bmer 


Piaitinnc  von  440  Mk.,  Harmoniums 
riOJimUO  von  iK)  Mk.  an.  und  FlOgel, 

lOjäbr.  Garantie.  Abzahlung  geatattet. 
Bei  Barzahlung  Rabatt  und  Frcisondung. 
W 1  LH.  EM MER.  Berlin  0.,  Seydel- 
8t fasse  20.  Allerlukhste  Auszeichnungen: 
Orden,  Staats-Medaillen  etc. 


Pianinos  Ton  350  bis  1500  Mk. 


Hartnnnium«  dpot^che  und  amerik.  Cottape- 

namioniumg,  ^-^^^^j^^  ^ 

FTutteTTAlTe  Fabrikate.  Hbchiitor  B«*rrabatt. 
Alle  Vorthfilp.    Illuatr.  Katalope  grstis. 

VVilh.  Rudolph  in  Oie»*>*«»n, 
prSaate»  Piano- VerKaiid  •  Geftchüft  DfaUoblanda. 


•    QröfstQs  Lager 

Louis  Ocrtcl(t> 

HANNOVER 
jMSfrumeth,  5§ittn  e/c.iu  Engns  Traisen. 

Über  den  seit  Jahren  bei  den  p.  t. 
Herren  Pädagogen  eto,  etc. 

wohlbekannten 

Holländischen  Tabak 

von  B.  Becker  in  Seesen  a.  Harz  hat 

der  Fabrikant  tausendfache«  Lob  erhalten 
und  sieb  den  Besitz  der  Zuschriften  schon 
1885  und  dann  1892  notariell  bestätigen 
langen.  Das  not.  Dokument  hat  die  Expe- 
dition eingesehen.  (10  Pfd.  des  Tabaks 
loKe  in  einem  Bentel  frco.  8  Mark.) 


öorjiiQl.  Sttndflarne  a.  SaumwoQe,  il^l(}ügnc 
nnd  äBoIIr  mfter  umfonft. 


«erloQ  Don  ^uliuö  9\\nX%ax^t  in  6f  iHgig. 

für 

^KMrrfniit  in))  SminarifH 

öon  Dr.  (iJeorg  C^reJmcr. 

8.  '^itxi  brofc^.  3  3)iar!,  clffl.  fleb.  in 
©anj^Ieincn  3,60  S^arf. 
3n  bem  ©crfe  finb  bic  Grgcbniffe  bcr 
SBill'cnfdjaft  überall  bfrüdfidjtiqt  unb  in 
furjcr  prämiier  Jonu  jur  Xarfiellunn  gc» 
hxa&it.  %'\t  einjelncn  biblifc^en  ^^üc^r 
werben  nat^  allen  löej^tebitnflpn  befproc^cn, 
unb  ift  bie  Sdjrtft  baburc^  ebenfoiuo^l 
für  gebilbete  Säten  ein  bequeme«  9?ot^' 
fc^taciebud),  aU  auc^  für  Stubierenbr  unb 
Scmiiiariften  ein  ^nbltct)c5  SÄittel  für 
^epetition  unb  (5fament)orbereitu«g.  ©enn 
Scrfaffer  aut^  bcr  liberalen  ?lnf(bauun9 
^ulbtgt  unb  Don  brr  gemöbnlic^eu  Xrabi* 
tion  (uroeilen  abroeic^enbe  Urteile  auSfpric^t, 
fo  gcfdjtcbt  bieäi_  bod),  obne  »erleben 
ober  bie  eigene  Überzeugung  anbeten  auj< 
brängen  noOen. 

für 

IrlirrrMliinngaanllaltrn 

öcrfafet  öon  !6crtit)av2)  ^cid^arH. 

„Tai3  ift  eine  wo^lgelungene  Arbeit 
eine«  tüdjtigen  'iJraftiferd,  bie  wir  für  ben 
Scminaruntcrric^t  au«  ooQcr  flbcrjougiing 
empfehlen  fi^nnen.  ßiite  qewiffen^afte  lUuö» 
fübrung  biefer  @efang«übungen  wirb  ju 
einem  fdiönen,  biogiamcn  Ion,  pünftlidicr 
©ewegung,  fidjereni  ircffen,  beutlid)cr  Äu^« 
fprad^e  unb  geidjmadooQem  Vortrag  füf^reu." 

^au«  unb  €d)ule. 

Ta^  Su(^  fei  aüen  Scntinaroorftanbeu 
jur  "Jlnfäiaffung  beften«  empfohlen. 


Serlag  Don  ^uliud  ftlinf^ardt  in  lVi|igtg  unb  9frlin  W.  35. 


Sofbfn  crfd)icn: 
für 

BöangBliftfjE  BoIhsfcfiulEn. 

Scrcinfaditc  fludnabcfB)  ftr^^erd^mti 
9lrli0i0nöbu4rd  für  mittlere  Spulen 
Don  förtttt^ig, 

Äfftor  ber  TOiltfl'  u.  bcr  i.  vin'trflct 'i'^a^d)fn|d)uIe  ic. 
in  (Arfurt. 

(tftnfül)n>ng  gcntbtntgt  bnrd)  prrug.  ^iniß.- 

tttfkr.  Htm  S4.  VII.  84  Itr.  Illa  16897). 
$rci3  unflebunbfn  Bö  ^f.,  gcbiinben  HO  ^f. 

5)ic  bfifdlliqe  ^'lufiiabnic,  bic  bc^  iBcr« 
faffer^  «trd^crei»  einlieitltf^cö  ^eiU 
gt#ndtll4l  (Kfunbcn,  legte  ben  (^cbanren 
na^e,  ein  nnd)  bcnielben  (yrunbiu^rn  bc 
arbeitetet  i'ebrbuc^  für  etnfa^nre  S<4iil= 
tttxUäUni^t  tirraiii5,vigeben.  Ta^fclbe  liegt 
nun  Oür  unb  «mar  einem  |o  überaus 
niebrigen  $reifc,  ta%  oud)  Schulen  in 
ärmeren  ÖJegenbcn  bic  öinfübrung  er- 
müglid)t  ift.  !im  Äönigr.  ^^rcnfefn  ift  baö 
©u(b  bereit!?  jur  ©infü^rung  genetjmigt. 

!Öei  beabfirtitigter  Einführung  wolle  mon 
\id)  bireft  an  bie  %crlag^t)anblung  toenben. 


?ür  b\t  Sommerszeit  Brjlens  cmpfofjren: 

Sfirlr  für  ^lt  lPolk$f(|nlr. 

herausgegeben  oon 

^o^anttcd  8tangctttier(|(r. 

Srünfte,  Dielfac^  uerbeijertc  unb  oerme^rte 
9Iufloge. 

8»  eleg.  gel).  ^reisSO^f.,  eleg.  fort.  1 1». 

%ai  SBerMien  bringt  tn  georbneter 
3ufommenftcnung  3ü  Sing»  unb  fiieber« 
fpicle  für  ba^  Äinbergortenalter,  21  Spiele 
für  Änaben  unb  9Räbd)en  im  Hilter  hii  ju 
9  fahren,  39  lurn^»  unb  anbere  Spiele 
für  ftnabcn  unb  10  Spiele  für  SRäbc^cn 
über  9  ^abrc,  ferner  44  ÖJefenfc^aftSfpielc; 
au&erbeni  44  ^^fanbou^Slöfungen,  50  SScfier* 
unb  Siätfclfragen ,  eine  IHnja^I  Vbjä^I« 
Sporte,  foraie  Einleitung  j^u  ^audmufeen 
unb  C^artenfreuben  ber  l^ugenb;  enblic^ 
einen  DoIIftänbigen  Se^rplan  für  ben  Xucn« 
unterriebt  in  ber  SSolISfc^uIc  für  Änaben 
unb  aJJübdjen. 

^egen  (^nfenbung  bed  entfallenben 
?3('tTag«'  in  SBricfmarfen  ift  bie  $erlag#< 
Ijanblung  ju  birefter  3ttfenbung  bereit 


ttnb  tion  bcutfdier  {tilbung  unb  (Erue^ung  übertiaupt, 

mit  rtnfmSinlianfl  überötr  JrfmöroörtEr  unö  einem  neuen ^mlianBütifr  Das llllienlfrijftnlrfrSdjnlf» 
Oicrte  nacl)gf bcfferte,  njcnig  Dermctjrtc  '^luflagc 
Don  |lri»f.  Dr.      ^.  ^iibrliranb. 
80.   «ßreid  brofd).  3  3».,  eleg.  geb.  SR.  3.60. 
„(Sin  langer  Xitel  fürroabr,  aber  einer,  hinter  bem  aud)  toaS  Xüt^tigei  ftedt! 
53u(^  ift  intereffont,  no  man      auffrfjlägt;  auf  jcber  Seite  lieft  mon  eine  Srüfle  bet 
micbtigften  unb  anregenbften  @ebanfen.   Selbft  wenn  man  in  biefem  ober  jenem  $nnfte 
mit  bem  SSerfoffcr  nicl)t  einocrftanben  roäte  —  unb  oufbrängen  miü  berfelbc  feine  Än- 
fic^ten  feinem  —  fo  müfete  mon  feinen  onj^ielienben  Vorlegungen  unb  flaren  Segrün- 
bungen  boct)  mit  Dotier  2lufmerffomfcit  folgen.   Xai  ^uc^  fann  ollen,  welche  fi(^  für^bie 
int  Xitel  angegebenen  ^4^unfte  iutereffiercn,  nur  ouft  roörmfte  empfoblen  loerben." 

Sitteroturblott  für  fotboliftbc  Gr^ieber. 

SoelDezi  eraclielzit: 


19000 

1 16  Bände  geb.  ä  10  M. 
oder  266  Hefte  ä  50  Pf. 

160001 

1  Abbildungen. 

Brockhaus^ 

rsationS'Le. 

/4.  Auflage. 

SeitenTextJ 

Konve 

xikon. 

leoOTafeln. 

SOOKarten] 

1 120  ChroiDotafeüi  nnd  480  Tafeln  in  SchwarzdraclL  | 

fiachdrackeioi  Juliaa  Klinkhardt,  Ltipü^ 


j  Google 


Paedagogium. 


Monatssclii'ift 


Erziehung  und  Unterricht. 

Heransflpegeben 

unter  MitwlrkuBg  hervorragender  Paedagogen 

TOtt 

I>i'.  A^^'i'iedricli.  X>itteie». 


IT.  Jalirifiiii. 

a  Heft,  Juni  1893. 


Leipzig. 

Verlag  vou  Julius  Kliukhardt. 


Ji 


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Inhalt  d6B  9.  Hefte 


SeU« 

Sia  deqtsctier  Xövdioiifllnt  und  die  Schule.  Von  Beetof  A.  Oüd-Kaint  .  .  Wt 
Su  pnktiicher  Yonchlag  sur  Venoeidung  tos  ÜbeUt&ndea  bei  Befirfonen 


und  Prüfungen.   Von  Director  A.  Qoerth-Insterbarg   579 

Pas  Extemporale  in  der  Volksachule.  Von  Oskar  PartzBch-Drosdcn  .  .  .  588 
Der  Moral -ünterricht  für  die  Schule.    Übersetzt  von  Schuliaspeetor  Wyss- 

Burgdurf,  Schweiz   ö93 

Der  intecwMULte  Lehrer.  Yen  Dr.  F.  Horm^Altoi»   606 

Pldagogiedie  ItamUdieii,  Aue  Blseii'LothilBgeiL      Au  der  Sohweb.  — 

Au='  Croetiei   m 

Au8  der  FacbpieeBe  •   613 

Reoeniionen   617 


AI>e4UiMi«ntt*Pr«ti  pro  Quartal  M.  2.28. 
Alle  Bn^hhuw^^y^gffi        PftiliiiTiietBHTi  nehmen  Besleillunsien  luou 


Eil  deHtseker  Kireheiflirst  nd  die  Seliiile. 

Tu  einer  Zeit,  wo  die  Geistliclikeit  die  Schule  wieder  völlig 
untei-  ihre  Herrschaft  bringen  möchte,  um  sie  einseitig  den  kirchlichen 
Zvsecken  dienstbar  zu  machen,  ruft  man  sich  gern  die  Bestrebangen 
jener  Männer  des  geistlichen  Standes  ins  Bewusstsein  zni'ück,  die,  be- 
seelt vom  wahren  Geiste  des  Christenthums,  sich  der  damiederliegenden 
Schale  annahmen,  damit  die  Jugend  zum  Wole  der  Menschheit  und 
zur  eigenen  Glückseligkeit  erzogen  und  gebildet  wei'de.  In  der  zweltea 
Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  waren  es  besonders  die  Männer, 
die  auf  den  erzMschöflichen  und  bischöflichen  Stühlen  saßen,  die  in 
die  Finsternis,  die  über  den  Schulen  katholischer  Länder  lag,  ein 
kräftiges  „Es  werde  Licht I*'  riefen.  Liebe  zum  Volke,  Verständnis 
ftlr  die  BedQi*fnisse  des  'wirklichen  Lebens,  Duldsamkeit  gegen  Anders- 
gläubii^e  beseelte  jene  wahren  Priester  nnd  eiAUlte  sie  mit  dem  emst- 
lichen Willen,  die  yerabsäumte  Volkseniehung  zu  bessern.  Nach  dem 
Vorbilde  des  Abtes  von  Sagau,  Ignaz  von  Felbiger,  der  im  Jahre  1761 
fftr  den  Saganschen  Kreis  eine  neue  Schulordnung  aufstellte,  reforrairt« 
in  Deutschland  zunächst  der  Prälat  Benedict  Karin  im  Jahre  1769  das 
Schulwesen  des  jetzt  zu  Württemberg  gehörigen  Reichsstifts  Neres- 
heim.  Ihm  fioJgte  im  Jahre  1773  das  Eui-fürstentham  Mainz  onter 
der  Regierung  des  KurfUrsteii  mid  Erzhischofs  Emmerich  Jo^  von 
Brcidbach-Bürresheim.  Fast  zu  gleicher  Zelt  begann  in  dem  Hoch- 
stiit  Fulda  der  Ffirstbischof  Heinrich  yon  Bibra  (regierte  Ton  1759 
bis  1788)  seine  reüormatorische  Th&tigkeit  auf  dem  Gebiete  dea  Schul- 
wesens. Mit  der  grOBten  Umsieht  begann  er  sein  Werk.  Im  Jahre 
1771  setzte  er  da»  Behdrde  ein,  die  sich  einzig  mit  der  VerbeBsening 
des  Schulwesens  beschSftigeu  sollte,  die  „hocfaArstüdie  Schnlcom- 
mission«'.  Derselben  gehörten  an:  Ermenald  yon  BesiKort,  Dom- 
dechant»  Weihbischof  imd  Beetor  magnificiis  der  Unimsitftt;  Damian 
Ton  Bitter,  Domcapitnlar,  vicariiis  generalis,  Kanzler  der  Universit&t; 
Karl  Ton  Piesport,  Domeapitidar,  B^mngspräsident  nnd  Snperior 
des  ConTonts;  Hof-  nnd  Begierimgsrath  Job.  Eberh.  Kayser,  der  Ver- 

MgofhuiL  lB.J«k4:  MDL  38 


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—  ÖÖ8  — 


fasser  der  ,. Bauernphysik".  In  i  hervorragends^te  von  ihnen  war  Kiiil 
ynn  Piesport,  Minem  Einfluss  uiui  seiner  Thätigkeit  i<t  das  meiste 
zu  venianken.  Die  eröte  Verfügung  der  Scliulcommi^Muu  iix  luen  am 
13.  ApvW  1771.  Durch  dieselbe  wurde  ein  neues  A  BC.  J>uchstabir- 
imd  L*  -rlüichleiu  zum  Gebrauebe  der  iuldiaclieu  i^*  liul(  u  na<i)  der  für 
die  katiiulischen  Sehleöier  eiügelü]n  i  tu  Tjelirart  alltrt  mein  geboten  und 
das  Feilhalten  und  der  Gebrauch  der  bi>iiengeu  ABC-Biu'her  unter- 
sagt. Im  Jahre  1773  wurde  Felb{fr<*r>  Schrift-  .  >"i->nschaften, 
Wissenschaften  und  Bezeigen  rechtschalicuer  t>chuUeute"  au  sämmt- 
liehe  Lehrer  und  Geistliche  vertheilt,  um  diesft  thunlichst  fiir  die  be- 
vorstehenden Reformen  und  über  das,  was  demnächst  von  ihnen  ver- 
langt werden  sollte,  zu  unterrichten,  ..denn  die  natürliche  Ordnung 
einer  standhaften  Schulenverbesserung  erfordert  vor  allem  die  um- 
schatlende  Hand  an  den  Lehrern  selbsf.  Nachdem  im  Jahre  1774 
die  neue  Lehrart  auch  in  die  mittlere  und  hohe  Schule  der  Residenz 
eingeführt  worden  war.  wurde  zu  Beginn  des  Jahres  1775  die  neu  ein- 
gerichtete niedere  Schule  für  Knaben  mit  3  Classen  und  3  Lehrern  er- 
öffnet. In  der  Einleitung  zu  der  am  H.  Januar  1 775  erlassenen  Verord- 
nung in  Betreff  der  niederen  Schulen  in  der  Residenzstadt  FuIdA  wendet 
sich  der  Fürstbischof  an  die  Einwohner,  Bürger  und  Insassen,  um  sie 
willig  fui'  die  neue  Einrichtung  zu  machen:  Der  Fürstbischof  bat 
seine  Sorgfiüt  auf  die  Erziehung  der  Jagend  und  eine  bessere  Schul- 
einrichtung gewandt,  „weil  nur  hierin  der  Same  eines  blühenden 
Staates  liegt,  dessen  Früchte  eifrige  Glieder  der  christlichen  Kirche^ 
brauchbare  und  emsige  Bürger  des  Staates,  gesittete  und  arbeitsame 
Unterthanen  ihres  Regenten  nnd  endlieh  Erben  der  nnTergiagüchea 
Glückseligkeit  shid". 

Die  Classen  der  Knabenschule  wurden  wegen  der  Menge  der 
Schüler  in  Abtheilnngen  geschieden.  Der  Unterricht  in  den  niederen 
und  mittleren  Schulen  war  nnentrnltlich,  damit  niemand  Grund  habe, 
seine  Kinder  der  Schule  zu  entziehen.  Die  Knaben  sollen  die  nie* 
dere  Schule  vom  6< — 13.  Jahre  besuchen.  Eltern  und  Lehrer  werden 
angewiesen I  darauf  zu  achten,  dass  die  Kinder  stets  reinlich^  sauber 
und  ordentlieh  snr  Schule  kommen.  Insbesondere  werden  die  Eltern, 
Vonnünder  etc.  ermahnt,  die  Schul^i  den  Kindern  mcht  veiiditlich 
zu  machen,  sich  dagegen  mit  den  Schnleinriehtnngen  und  Schulh&cfaeim 
bekannt  zu  machen,  um  sidi  In  genauer  ÜbereinatimmuBg  mit  der 
Schule  »zum  glacklkhen  Endzwedc  der  besten  Zucht  zu  bestrelien*. 
Durch  gutes  Vorbild,  durch  Ermahnung  der  Kinder  zur  Auftnerk* 
samkeit  in  der  Schule,  durch  Befragen  derselben  Aber  das  Gelernte, 


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-  659  — 


^arch  Besuch  der  öffentlichen  Prüfunr^en,  daiiuich,  dass  die  Eätem 
den  Kindern  Ehrfurcht  gegen  ihre  Lehrer  einflößen  nnd  deren  An* 
Ordnungen  „als  mit  Liebe  erfüllte  Wolthaten  zum  wahren  Besten 
ihrer  Kinder  aufnehmen",  erfüllen  sie  an  ihrem  Tbeile  ihre  Pflicht 
Auch  auf  die  häusliche  Zucht  und  das  Verhalten  der  Kinder  auf  der 
Strafie  etc.  erstreckt  sich  die  Verordnung,  nnd  es  wird  ein  stilles 
qnd  anstAndiges  Betraj^en  empfohlen,  jedoch  dürfen  die  Kinder  sich 
anßer  der  Stadt  auf  offenen  Platzen  mit  erlaubten  und  dem  Körper 
zuträglichen  Spielen  an  den  Erholungstagen  belustigen.  In  Bezug  auf 
die  häusliche  Nachhilfe  mid  Privatunterricht  werden  die  Eltern  darauf 
anfhierlcBam  gemacht,  dass  es  in  ihrem  und  ihrer  Kinder  Interesse 
liege,  irann  sie  daf&r  nach  vorheriger  Besprechung  mit  den  Schui- 
«ofidchtspersonen  geprüfte  LehriDrifte  annShmen.  Die  Sehnlbficher 
liaben  die  Eltern  zu  kaufen,  arme  Kinder  erhalten  solche  aus  öffentp 
liehen  Mitteln. 

Die  erste  (unterste)  Oasse  der  Stadtaehule  ist  in  drei  AbtheÜnngen 
geschieden.  Die  dritte  (obere)  Abtheflung  hat  täglich  von  V«  8  bis 
V«  10  Uhr  Untmicht  nnd  zwar  im  Lesen,  im  Schreiben,  in  der  Zahlen- 
kemiliiis,  in  der  Glanbenslehre  und  der  Betrachtung  der  Erdkugel; 
4ie  erste  (unterste)  Abtfaeilung  hat  tägfidi  von  10—11  Uhr  Unterrieht 
und  zwar  im  klonen  Katechismus  und  in  der  Bachstabenkenntnis; 
die  zweite  (mittlere)  Abtheilung  hat  an  vier  Tagen  (Mittwoch  und 
donnabend  Nachmittag  ist  frei)  von  2—4  Uhr  Unterricht  und  zwar 
In  der  Glaubenslehre  nnd  biblischen  Geschichte^  im  Les^  nnd  in  der 
Betrachtung  der  Erdkugel 

Die  zweite  (mittlere)  Classe  wird  in  2  AbtheÜnngen  getrennt 
vnterrichtel^  nnd  zwar  die  untere  AbtheQnig  in  wOdientUch  14  Stunden 
in  der  Glanbenslehre  und  biblischen  Geschichte  (3  Stunden),  in  der 
deutschen  Sprachkunst  (3),  im  Rechnen  (3),  im  Schreiben  (3)  nnd  In 
der  Eidbeeehreibttng  und  Tiandkari^nkenntnis  (2);  die  obere  Ab* 
theilnng  eriiSlt  14  Stunden  Untefriekt^  und  zwar  in  der  Glanbenslehre 
und  biblischen  Geschichte  (2),  in  der  deutschen  Sprachkunst  (3),  ün 
Bechnen  (4),  im  Schreiben  (3)  und  in  der  Erdbeschreibung:  und  Land- 
kartenkenntnis  (2). 

Die  dritte  (oberste)  Classe  ist  in  zwei  Abtheilungen  geschieden, 
wovon  die  erste  (untere)  w(k;hentUch  16  Stunden  erhält,  und  zwar  in 
der  Glanbens*  und  Sittenlehre,  auch  biblischen  Geschichte  (2),  in 
deutschen  Anfifttzen  (3),  im  Schönschreiben  (3),  in  der  Weltgeschichte 
(1),  in  der  Naturgeschichte  (2),  in  der  Körperlehre  (1),  in  der  Anwen- 
dung der  Körperlehre  auf  vei'schiedene  Künste  (1),  iu  dei-  Köri^erlehrö 

88» 

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600  — 


und  deren  Anwendime:  auf  !^taflt-  und  Landwinscbaft  iTi,  in  dei-  Mess- 
kunst, im  Zeichiii  ii  imd  lu  anderen  mathema!i«/'heri  K('nntiii>>.en  (1), 
im  Zeichnen  und  in  Mcdianik  tlj.  Die  zweit«  -li  f  iei  Abtlu  iluni'  ha^ 
wöchentlich  V2  stunden,  und  zwar  in  (\cr  <41aubens-  und  Sittenlehre, 
auch  geistlichen  Geschichte  (  2),  in  deutschten  Aufsätzen  (2),  im  Schön- 
schreiben (21,  in  der  Welt-  und  Vaterlandsiroschichte  (2),  in  der 
Naturgescliichte  (2),  in  den  matkematificheji  Kenntnisäen  and  deren 
Anwendung  (2). 

Tn  t  iiier  beiioudeien  „Instruction  an  die  ehrer  in  den  niederen 
Schulen  der  Residenzstadt"  wei'den  diese  eindringlich  zum  Studium  (iejj 
ihnen  übers-ebt^nen  Buches  „Eigenschaften,  Wissenschaften  und  Be- 
zeigen rechtschaöener  Schulleute"  ermahnt  und  auf  die  hohe  Ver- 
antwortlichkeit ihres  Berufes  hingewiesen.  „Um  den  großen  Endzweck 
des  Unterrichtes,  die  Aufklärung  des  Verstandes,  bei  der  verbesserten 
Sciiuleinrichtiing  desto  sicherer  zu  erreichen,  muss  eine  gute,  den 
8eelenkräl[en  der  Kinder  angemessene  Methode  beobachtet  werden. 
Wir  beifnügen  uns  hier,  diesen  einzigen  und  bei  der  Erziebnn«!;  höchst 
wichtigen  Gnindsatz  anzuführen:  Man  gehe  bei  dem  Unterrichte  immer 
vom  Leichten  zum  Schwereren,  vom  Einfachen  zum  Zusammengesetzten 
fort,  dies  ist  die  Ordnung  der  Natur  selbst,  deren  Gesetze  man  nicht 
vernachlässigen  kann,  ohne  auf  Abwege  zu  gerathen.  Die  Kenntnis 
der  Kräfte  des  menschlichen  Geistes,  die  durch  den  Lehrer  entwickelt 
werden  sollen,  ist  hier  unentbehrlich.  Die  gute  Mt  thode  erfordert 
Deutlichkeit,  Ordnung,  Gründlichkeit  und  Anmuth.  Ks  sind  Anstaltea 
getroffen,  nach  welchen  künftig  ausführliche  Yorlesun^pn  über  die 
Pädagogik  und  andere  Wissenschaften  werden  gehalten  werden,  denen 
die  Lehre!'  in  den  niederen  Schalen  noch  eine  ZeitUmg  beiznwohnea 
verpflichtet  sind. 

In  Bezug  auf  die  Disciplin  fordert  die  Instruction,  dass  die  Schule 
mit  einem  schicklichen  Gebete  begonnen,  die  Unterrichtsstunden  und 
der  ytundi  niihiii  L't  tiiiu  eiugrlialten  werden,  „Wenn  ein  Lehrer  Liebe 
zu  seinen  Kindera  und  überhaupt  Beruf  zu  seinem  Stan  le  hat,  so 
wird  er  die  Augenblicke,  die  zur  Bildung  derselben  bestimmt  sind, 
nicht  ungenutzt  vorbeigehen  lassen."  „Die  Straten,  im  Falle  Aus- 
gelassenheit oder  nifrkliche  Trägheit  dieselben  erfordern,  müssen  die 
Besserung  der  Schuldigen  zur  Absicht  haben.  Ein  Lehrer  hüte  sich 
sorgfaltig  vor  den  so  unanständigen  Ausbrüchen  des  Zornes;  er  lasse 
sich  m\v  nicht  merken,  dass  Rache  oder  di*^  Befriedigung  seines  auf- 
gebracliten  Gemütlies  die  Ursache  der  Strate  sei.  Grobe  Scheitworte 
sind  gar  nicht  an  einem  Iiehrer  zu  ertragen.''    „Eine  anvermeidliche 


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—  561  — 


Conection  mit  Schlägen  soll  niemals  ab  nach  geendigtor  Seliiile  ror* 
genommen  'werden.**  Die  Lehier  eoUen  den  SehUern  ein  aittsamee 
Betragen  auf  den  Straßen  und  eine  luut&ndige  AnflUimng  zu  Hanse 
einechAite,  ibien  auch  öfters  die  Regeln  der  H(tf]lcUceit  nnd  eber 
feinen  Lebensart  erkiftren,  nto  durdi  Lobeprttohe  dam  ermuntern  nnd 
fllwrhanpt  den  Trieb  einer  wahren  Ehre  in  ihnen  erregen.  Was  die 
Ldirer  selbsl  betrifft,  so  werden  ihnen  friedfertige  G^eeinnong  gegen- 
einander, Übereinstimmung,  gegenseitige  Untersttttzung  ihres  Ansehens 
empfohlen;  sie  sollen  nicht  Verachtang  gegen  andere,  Benrtheilung 
ihres  Beti^agens  oder  andere  dergleichen  ,,kleingeistlge  Unarten''  an 
sich  blicken  lassen.  Jeder  Lehrer  soll  eine  Liste  führen,  in  der  Be- 
merkungen über  die  Sitten,  den  Schul-  uud  Kii-chenbesuch,  die  Fort- 
sclaitte  der  Schüler  eingetragen  werden. 

^Dic  besten  KutwUrfe  werden  entweder  nicht  ausgeführt  oder 
IciUen  nach  und  nach  wieder  zusammen,  wenn  sie  nicht  auf  allen 
Seiten  untei-stutzt  werden.  Man  liat  dnn  Erziehungswerk,  einen  Ent- 
wurf, an  dessen  Ausführung  dem  tTemeiuwesen  alles  liegt,  in  den 
Gaug  gebracht.  Aber  die  l^mriclitung  wird  weder  dauerhaft,  noch  die  Aus- 
übung fruchtbai"  sein,  wenn  es  die  Gemeinden  niclit  unterstützen.  Werden 
wol  die  Kinder  das  lerueü;  was  man  von  ihnen  fordert,  wenn  sie  nicht 
täglich  in  der  Schule  erscheinen?  Mau  kennt  die  Nachsicht  der  Elt«rn 
in  diesem  .Stucke.  Und  werden  die  Lehrer  mit  anhaltendem  Eifer  in 
den  Scliulen  arbeiten,  wenn  sie  das  wenige,  was  ihre  Unterhaltung 
ausmacht,  nur  kreuzerweise  und  nicht  selten  mit  Unwillen  bekommen? 
All i  Ii  (Iii  st  s  Uli  l,iiik)»arp  BptraErfn  kennt  man.  Hindernisse,  bei  welchen 
eine  l-^ui Hingerichtete  6chuie  ni '  lit  lif>tt  li^'n  kjinn.''  Die  hochfürstliche 
Schülc'üiiiuission  will  alle  HiulenüsM  ,  die  der  Krziehun?  entireypu- 
stehen,  auf  die  Seite  schaffen  uud  beslimmi  deshalb,  dass  iTemeinde- 
glieder  als  Schuldeputii'te  herangezoo^en  werden,  die  den  Geistlichen 
bei  Lberwachnni^  des  Lehrers,  des  Schulbesuchs  unterstützen,  viertel- 
jährlich das  Scliu!-idd  einziehen  und  an  das  Amt  einliefern,  wo  es 
der  Lehrer  empfängt.  Durch  eine  Vei^fÜgung  der  .Sclmlcommission 
vom  11.  Mai  1778  wurde  noch  ein  vierter  Lehrer  für  Latein  an  der 
Kntibeuschule  bestellt,  damit  auch  die  Kinder,  welche  später  in  die 
mittleren  Schulen  eintreten  sollen,  zum  Besuch  der  niederen  öckule 
angehalten  werden  können. 

Den  Unterricht  der  Mädchen  vom  5.— 10.  Lebensjahre  überließ 
man  der  Genossenschaft  der  „Englischen  Fräulein".  Aus  den  für  die 
Lehrer  der  Stadt  Fulda  eingerichteten  Vorlesungen  entwickelte  sich 
eine  sog.  Moster-  oder  Norm&lschuie  fttr  Lehrerbildung.  Nach  und 


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—  602  — 


nMh  worden  alle  im  Amt  befiodttcheii  Lehrer  aus  kleinen  Städtaiv 
ilecken,  KirchdOifem  und  NebongemeiAdea  nach  Fulda  berafn,  jm 
die  nOtiiige  Anleitung  za  emp&iigen.  Gleichzeitig  mit  diesen  warden 
auch  die  Jungen  Lente  aiuigeblldeti  die  sich  dem  Lefarerberofe  widmen 
iroUtOB.  Die  ersteren  worden  auf  Staatdcosten  nnteriialteni  dl» 
letzteren  mnssten  flr  ihren  Unterhalt  selbst  anftooimen. 

Die  achon  im  Amte  stehenden  Lehrer  warai  zmn  Besuch  der 
Lehrcurse  so  lange  yerpfliehtet»  big  aie  in  allen  Lehrftchem  das  Zeug- 
nis der  BeAhigung  erlangt  hatten.  Die  Pr&ftmg  der  SchnUonts- 
candidaten  wurde  so  lange  ausgesetzt^  bis  Stellen  fikr  sie  frei  worden^ 
damit  sie  sich  nicht  in  der  Hoffiinng  eines  sicheren  Scholamtes  dem 
HflAiggang  tlberlieden.  In  der  Hosterschnle  wnrde  auch  Mnsiknnter^ 
rieht  ertbeilt  Die  Lehrart  war  die  in  dem  Boche  Felbigers  dai^ 
gesteUte. 

Nacb  diesen  sorgftltigen  Verbereitnngen  erschien  im  Jahre  1781 
weiter  eine  „Allgemeine  Qrdnnng  Itlr  die  niederen  Scholen  des  Bis* 
thnms  und  FOrstenthnms  Fulda.'  Wir  k(}nnen  es  uns  nicht  Tersagen» 
nnseren  Lesern  die  Einleitong  zn  derselben  vdlstSndig  mitzntheikii: 
„Die  Temflnftige  Erziehung  der  Jagend  ist  der  wichtigste  Dienst»  den 
man  dem  menschlichen  Qeschleehte  erweisen  kann.  Die  Erzidinng 
gibt  dem  Menschen  den  Wert  Durch  sie  werden  dto  FfthigkeiteD» 
die  in  dem  Kinde  onthatig  Hegen,  entwickelt,  dorch  sie  wird  es  sn 
einem  Heoschen  ond  zo  ferneren  Temtknftlgen  Handlangen  vorbereitet 
und  geschickt  gemacht,  ohne  sie  bleibt  as  dem  Thiere  fihnlich  ond 
bringt  seine  Kenntnisse  nicht  weiter  als  ein  Hottentot  Sie  gibt  nnd 
nimmt  Tagend,  Laster,  Yororthefle,  Je  nachdem  sie  beschaffen  ist 
Dieses  GescbSft  legt  die  Natur  des  Ehestandes  den  Kltem  zur  ersten 
Pfticht  auf;  ihnen  kommt  so,  sowol  ftr  das  Wachsthnm  nnd  die  Krift» 
des  zur  Arbeit  bestimmten  K^ijiers,  als  f&r  die  Ausbildung  der  zur 
Ewigkeit  geschaffenen  SMe  zn  sorgen.  Aber  viele  kennen  diese 
Pflicht  nicht,  die  meisten  verstehen  es  nicht,  sie  aossufiben,  andere 
werden  hieran  dordi  häoilge  Nahrangs-  und  AmtsgeschAfte  gehindert» 
noch  andere  wollen  gar  nichts  Doch  ist  die  Jagend  für  die  Kivdie 
und  den  Stant  ein  viel  zn  kostbsrer  Schatz,  als  dass  sie  so  verwahr^ 
lost  werden  dürfte.  Dem  Staate  mosste  dsher  allezeit  daran  geJegen 
sein,  dass  sie  ordentlich  erzogen  werde.  Die  Bfldnng  der  Leibeskrifte 
flberlftsst  er  zwar  den  Eltern  und  bekttmmert  sieh  nicht  weiter  dorom, 
aber  für  die  Bildong  des  Geistes  sorgt  er  in  Offenüichen  Scbnles. 
Schon  in  den  ersten  Zeiten  haben  vrir  Sporen  davon.  Die  weisestoi 
Gesetzgeber  des  Alterthoms  fingen  mit  der  Erziehung  an  nnd  er* 


—   563  — 


richteten  MTentiieke  Sdmleii,  wenn  ne  «an.  Volk  glflckfidL  machen 
wollten.  Doreh  dieses  Jfittel  haben  sie  die  Finsternisse  Tertrieben, 
die  Wildheit  wschencht,  die  Sitten  yerüBinert  md  ans  Haufen  loher 
Heoscben  Temflnftige  Volker  geliUdet  Im  Qegentheile  sind  aofgeUfirte 
Völkeradiaften  in  den  ehemaligen  Zustand  ibrer  Hoheit  zniflckgesunken, 
da  man  die  firziehnng  Temaehlflasigt  hat  IMe  Morgenländer  liefern 
den  traurigen  Beweis*  HOren  wol  diese  Eltempflichten  xu  unseren 
Zdten  auf?  Sfaid  die  Eltern  sorgftltiger  fbr  die  Endehnng?  Oder  ist 
die  Olftckseligkmt  des  Staates  schon  so  gegrflndet  und  befestigt,  dass 
wir  die  öffentlichen  Schulen  nicht  nöthig  haben?  Keines  von  betden. 
Öffentliche  Schulen  sind  ein  Bedflrftiis,  das  immer  dauern  wird,  so- 
lange Menschen  als  Kinder  gebore  werden,  die  keine  entwickelten 
Ffthigkeiten,  sondern  nur  die  Anlage  dazu  mitbringen.  Diese  Anstalten 
sind  inuner  nOtMg,  wenn  die  Beligion  bestehen,  wenn  die  Kfinste  und 
Wissenschaften  blflhen,  wenn  der  Staat  durch  nfttsliche  Bürger  er- 
halten und  der  Himmel  mit  würdigen  Ekwohnem  soll  bevölkert 
werden.  Dieses  hat  unser  guAdigster  Bischof  und  Landesl&rat  schon 
yorlftngst  eingesehen,  er,  der  seine  ünterthanen  als  seine  Kinder  be- 
trachtet und  liebt,  der  nur  für  sie  lebt  und  arbeitet,  dass  er  sie  alle 
glücklich  mache,  hat  die  Erziehung  der  Jugend  sieh  zu  ehiem  be- 
sonderen Geschfifte  gemacht,  er  hat  diesee  Gkechift  zu  einer  öffent- 
lidien  Landeaangelegenheit  erhoben  und  arbeitet  schon  acht  Jahre  mit 
vereinigten  Erlften  der  gnädigst  angeordneten  Commission,  mit 
Mfinneni,  die  Muth  und  Geschicklichkeit  haben,  an  der  Verbesserung 
und  HersteUang  der  öffentlichen  Schulen,  dem  Grunde,  worauf  die 
Landesglückseligkeit  ruhet  Die  aus  dieser  achtjährigen  Bemühung 
und  einer  zweimaligen  allgemeinen  Schulvisitation  erfolgte  Erfahrung 
lässt  einsehen,  wie  Schulen  müssen  eingerichtet  sein,  wenn  sie  den 
höchsten  Absichten  des  Landesfürsten  entsprechen  sollen.  Diese  Er- 
fahrung lässt  die  Gegenstände,  die  man  lehren,  und  die  Art  und  Weise, 
wie  maü  sie  lehren  soll,  und  die  Zeit  beurtlieilen,  die  man  hierzu  ver- 
wenden müsse,  dass  das  allgemeine  Wol  nach  der  heutigen  BeschalFen- 
heit  jeder  besonderen  'Gattung  von  Bürgern  betordert  werde;  diese 
Erfahrung  hat  auch  alle  Fehler,  Übel  und  Krankheiten  entdeckt,  die 
sich  über  das  ganze  Schulwesen  verbreitet  hatten;  eben  diese  Wahr- 
nehmungen geben  endlich  die  Heilungsart  selbst  an,  wie  man  diesem 
Verderbnis  entgegen  arbeiten  soll.  Doch  dajss  man  die  daher  ent- 
standenen Mittel  nicht  verkenne,  für  übel  gewählt  oder  allenfalls  für 
unkräftig  halte,  weil  man  die  Ursachen  iiichl  einsieht,  so  nimmt  mau 
keinen  Anstand,  zuvor  die  Übel  selbst  bekannt  zu  machen,  dass  mau 


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—  564 


auf  ihre  Wirloiiig  vm  so  sieberer  BeUifiBen  ktane.  Der  Bodzwocik  der 
njfldereiL  Scbiden  war  za  nnbestunrnt.  Durch  die  fthewidigen  Lehr- 
g^geostAnde  vnrde  dieser  Endxweck  nicht  eriaagt  Die  Lehrer  irareii 
in  den  Gegeastftnden  eatweder  gar  nicht  oder  doch  nicht  geniig  nnter- 
richtet  Die  Lehrart  wer  nicht  hinUnglich.  Die  Schalen  waren 
schlecht  eingerichtet  in  Bttdcricht  der  SchnlmftCigkeit  der  Kinder,  der 
Eintheilang  der  dassen,  der  Schakeit,  der  Lehrstonden,  der  Lehr» 
gegenatfinde,  der  Fortschreitang.  Verschiedene  Hindemisse  henunten 
die  AnsfUhning  aller  EntwUife;  die  Lehrer  hatten  nicht  Beistand 
genag.  Es  fthlte  ihnen  am  Ansehen,  an  hinliagücher  Beaoldnng,  an 
gutehigeiichteten  Schnlr  nnd  Wohnhftnsen,  an  Aufsehen  (sie  waren 
sich  seihet  ftherlassenX  an  Belohnung  nnd  Anftranternng.  Diese  Lasten 
von  &nfierlichen  nnd  innerüdien  Häugeio  nnd  Ersnkheilen  drflcktea 
nnsere  Sehnten  nnd  hielten  sie  in  Unth&tigfceit  geÜBSselt  GrOAten- 
theils  sind  sie  schon  hinweggenommen.  Die  gegenwttrtige  aUgemeine 
Ordnnng  soll  diesen  siechen  Körper  von  den  thiJgen  Schwachheiten 
hefreien,  ihm  neues  Leben  elnflOBen  und  dauerhafte  Krifte  Tersebatfen. 
Sie  wird  es  auch  bewirken,  wenn  nnr  die  Verordnungen  als  0^;ea* 
miUel  nach  der  Vorschrift  angewendet  werden." 

Über  die  Bestimmung  der  niederen  Schulen  ^^^j rieht  sich  die  „AU- 
gemeine Schulordnung"  folgendermaßen  aus:  ».Gesunder  Menschen- 
verstand, gründliche  Krkenntiii.s  Gottes  und  der  Religion,  nützliche 
Kenntnisse  und  Wissenscliaften,  riclitige  Begriti'e  der  StandespHichten 
und  gute  SitUu  sind  die  Dinge,  zu  denen  die  Jugend  niuss  angeführt 
werden."  Die  gröliere  oder  geringere  Ausdelinung  dessen,  was  iu  der 
bcliule  getrieben  wird,  hängt  vun  der  kunlügeu  Lebens-stellung-  ab, 
wodurch  auch  die  Gliederung  der  Schule  iü  niedere,  mittlere  und 
liöhere  bestimmt  wird.  Alle  Kinder,  auch  diejenigen,  welche  später 
die  mittleren  Schulen  besuchen  sollen .  müssen  die  niederen  Scliuku 
besuchen.  Die  Lehi-gegenstÄnde  der  niederen  Schulen  werden  von  dem 
künftigen  Bedürfnis  abhängig  gemacht.  In  den  Tiandschulen  soll  ge- 
lehrt werden:  Glaubenslehre,  biblische  Oesclnchte,  ckiistliche  Sitten- 
lehi-e,  Tipsen,  deutsche  Sprachlehre,  Brielsciiieiben,  Schön-  und  Fertig- 
sclireiben,  l^echuen,  und  zwar  die  vier  Rechnungsarten,  Dreisatz  und 
wenigstens  die  Gesellschaft srechnung,  Anleitung  zur  Landwin^ckaft. 
Erdbeschreibung,  Vaterlandsgeschichte.  Alle  die.<e  Dinge  sollen  sowol 
die  Knaben  als  die  Mädchen  (dtne  I'ntorscliied  !ern»'n.  Jn  den  Schulen 
der  Landstädte  sollm  alle  Gegen>iaij(ie  wie  ui  den  Landschulen  ire- 
lebrt  werden.  Doch  sind  die  Kinder  im  Rechnen  bis  zur  (^iialnii- 
wui'zei  und  Cabikwuizel  zu  bringen  und  sollen  das  Nöthigste  und 


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665  — 


Nützlichste  aus  der  Naturgescliiclite  und  Nahirlelire,  das  Flächen-  und 
Körperausraessen  iiel'>t  lien  leiclitesteu  Beweisen  aus  de!-  Mathnmaiik 
lernen.  In  den  Scliuien  der  Eesideuz  soll,  außer  der  Lan  dwirtschaft, 
dasselbe,  aber  ausführlicher  sr^lehrt  werden  und  zwar  bei  der  Erd- 
beschreibung die  Staateuffescliiclirt ,  li^i  dvi  Naturgeschichte  das  Thier-, 
Mineral-  und  Pflanzenreich  ahgesunden,  l!»d  der  Naturlehre  die  Ver- 
nunftlehre,  Grundlehre,  Ki^rper-,  Sitten-  uud  Arzneilehre,  das  Recht 
der  Natur,  bei  der  Mathematik  die  Kechenkunst  und  zwar  alle  Gat- 
tuniren,  die  Buchstabenrechnung  ausgenommen,  die  Messkunst  und  Be- 
wegungsknnst  mit  allen  nutliigen  Beweisen,  die  bürgerliche  und  Wasser- 
baukunst, die  Zeichenkunst.  Die  Mädchen  in  den  Städten  werden 
nach  dem  Plane  der  Landschulen  unterrichtet,  an  Stelle  der  Land- 
wiitächaft  werden  sie  in  Haushaltungakaada,  im  Nähen,  Stricken  uud 
im  Lesen  guter  Bücher  unterwiesen. 

Die  Aufnahme  der  Kinder  findet  zweimal  im  Jahre,  zu  Ostern 
und  Michaelis  statt.  Für  die  Kinder  in  den  Städten  dauert  die  Ver- 
pflichtung zum  Besuch  der  Schule  vom  5. — 14.,  für  die  auf  dem  Lande 
vom  6.— 14.  Lebensjahre.  Haben  sie  das  14.  Jahr  erreicht  und  sind 
noch  nicht  fähig  genug,  so  bleiben  sie  nocli  schulpffichtig.  Die  Zahl 
der  SchulclasseOi  entepricUt  der  Zahl  der  Lehrer.  Die  Clauen  werden 
in  Abtbeilungen  geschieden,  die  Tonemander  getrennt  unterrichtet 
werden.  Damit  die  Kinder,  die  an  einen  anderen  Ort  zur  Schule 
gehen,  bei  stürmischer  nnd  kalter  Witterung  einen  Beistand  haben» 
„auch  sonst  gegen  AossehweiAinfen  gesichert  werden",  soU  de  täg- 
lich einer  unter  den  Yfltem  abwechselnd  znr  Schule  bringen  und 
abends  abholen. 

Täglich  wird  fünf  Standen  unterrichtet,  Mittwoch  Nachmittag  ist 
frei,  in  den  Landschulen  ist  iin  Sommer  nur  von  11 — 1  Uhr  Schule. 
Schulfrei  ist  in  Städten  der  Monat  Oetober,  auf  dem  Iiande  14  Tage 
in  der  Heuernte,  20  Tage  in  der  Kornernte  und  an  Orten,  wa  Wein 
gebaut  wird,  wibrend  der  Bauer  der  Weinlese. 

In  den  Sdiulen  ndt  melireren  Ldirem  wechseln  die  Lehrer  alle 
Stunden  in  den  Cflassen.  Die  Landachnlen  haben  wddientlich  27  Stnn* 
den,  jeder  Lehrer  in  den  Landstädten  hat  ebenüdls  wöchentlich 
27  Stunden  zu  ertheaen.  Die  Lectionsplftne  sind  genau  Torgesehrieben 
und  Abwedohungen  von  denselben  untersagt. 

In  einer  besonderen  Instruction  fftr  die  Lehrer  wird  die  Schul- 
zucbt  aiiä  eingehendste  abgehandelt  „Die  Schulzacht,  eine  geschickte 
Anwendung  der  Mittel,  wodurch  junge  Leute  zu  dem  Anftconi  Verhalten 
gewöhnt  werden,  das  ihren  jetdgen  ümstfinden  und  ihrer  kttnfkigen 


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—  566  — 


BestimmuDj^  gem&ü  ist,  bleibt  mit  der  Lehrart,  wenn  sie  frachtbar 
sein  soll  unzertrennlich."    Jeder  Schüler  ist  nach  ^seiner  Gremüthsart 

zu  behandeln.  Nicht  die  Furcht  vor  Strafe,  sondern  die  Erkenntnis 
der  Vortheile,  die  mit  einem  guten  Betragt u,  und  des  Scliadens,  der 
mit  dem  Gegentheile  verknüi>ti  ist,  eine  gereinigte  Ehrbegierde  und 
die  KlnJinclit  vor  Gott  und  seinen  Geboten  soll  die  Handlungen  be- 
stimiiicii.  Der  Lehrer  muss  sich  die  Liebe  und  Hochachtung  seiner 
Schüler  veischaffen,  wachsam  sein,  auf  gute  Ordnung  halten  und  ein 
gutes  Beispiel  geben.  Er  muss  die  folgsamen  Schuler  anderen  vor- 
ziehen und  die  ungehorsamen  bestrafen.  „Er  vertritt  die  Stelle  der 
Eltern,  er  liebe  die  Kinder  auch  also,  wie  es  zärtliche  Väter  thun, 
und  lasse  sie  es  empfinden,  dass  er  sie  väterlich  liebe.  Jemehr  sie 
bei  der  ersten  elterlichen  Erzieliang  jsiiul  \  ernachlä^sigt  worden,  desto 
t'ifriger  sei  er,  die  Luckcu  auszufüllen  und  den  Abean?  zu  ei-setzen. 
Er  sehe  auf  <las  Alter;  was  bei  den  Krwacliseuen  Ausschweiiung,  Bos- 
heit und  Laster  sein  kann,  ist  bei  den  Kleinen  oft  Unwissenheit  oder 
Leichtsi!Mi."  Er  mache  keinen  T'nterschied  zwischen  Kindern  armer 
und  rnii  lif^r  Leute,  reize  das  jugendliche  Herz  mehr  durch  Ermuntt-riing 
und  l'.t  Iniiiiuiig,  als  dass  er  es  durch  Bestrafung  zwinge.  I  n  i  lu-  Straf- 
iustrumeute,  gefährliche  und  ..knechtische"  SchlSge,  Haarreißen,  Ohren- 
zwicken sind  untersagt.  ..Nicht  zu  bestrafen  sind  die  Fehler  des 
Verstandes  und  Gedächtnisses,  Unachtsamkeit,  Flüchtigkeit  und 
fc>chlillrigkeit,  wenn  sie  in  der  Xatiiranlage  des  Kindes  liegen  und  aus 
i'bereilung  und  Tinbesonnenheit,  nicht  aber  aus  Vorsatz  und  Muth- 
willcn  liegangen  werden."  Auch  soll  der  Lehrer  stets  übf>rlp«rpn,  ob 
er  odt^r  die  Eltern  nicht  Veranlai^sung  zu  den  Untiertigkeiten  der  Kinder 
gegeben  haben. 

Besondere  Schulgesetze,  die  monatlich  den  Kindern  einzuschärfen 
sind,  regeln  deren  Verhalten  in  der  Kirche,  in  der  Schule  und  auiier 
derselben.  Einige  derselben  sollen  hier  angefUhrt  werden:  „Beim  Ein- 
tritt in  die  Schulstube  nehmen  die  Knaben  den  Hut  ab  und  grüß^ 
den  Lehrer  freundlich.  Die  Mädchen  machen  nebst  dem  Gruße  eine 
anst&ndige  Verbeugung."  „Die  Schüler  müssen  den  Lehrp!-  lieben, 
ihm  aUes  Gute  wünschen,  von  ihm  alles  Onte  reden  und  denken, 
Fehler,  die  sie  allenialls  von  ihm  sdien,  anderen  nicht  offBBikMureo.^ 
»Keiner  darf  Straten  oder  andere  in  der  Schale  begangene  FeUer  in 
Hanse  anderen  odei*  öfifentlich  erzählen." 

Für  jede  unentschuldigte  oder  nicht  genügend  entsehnldlgte 
Schulversäumnis  haben  Eltern  in  der  Stadt  6  kr.,  anf  d«n  Lande 
3  kr.  am  zahlen.  Die  Strafgelder  werden  znr  Anscbafi^  ▼on  Bft^en 


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Ö67  — 


und  Heften  für  arme  Schüler  verwendet.  Nach  jeder  Schuipriifung' 
sollen  sowol  in  b^idien  wie  auf  dem  Lande  Preise  und  Geschenke  aa 
Schüler  aiisgetheiJt  werden,  die  sich  durch  Frömmigkeit,  Feinheit  der 
Sitten,  Fleiß,  Folgsamkeit  und  au  Kenntnissen  und  Wissen  ausge- 
zeichnet haben.  Der  Fürstbischof  hat  fiii*  diejenij^e  Landsrhuli' .  die 
sich  al«^  die  beste  erweist,  einen  Preis  voti  2  T^ouisd'or  ;iiisL:e8etzt, 
piiKM-  bekcnjiiit  der  Leliier,  den  amlereii  dir  Si  Iiüler.  Ei*  stellt  auch 
eine  Vervieiiaclmiig  und  Erhöhung  der  Preise  m  Aussicht. 

Um  die  Resultate  des  Schüinnternchts  zn  sichern  und  die  aus 
der  Schule  entlassene  männliche  TnL'^end  vor  Ausschweifungen  zu  be- 
wahre, wird  bestimmt,  dass  die  Jugend  männlichen  Geschlechts  vom 
14. — 20.  Lebensjahre  auf  allen  Pfarreien,  besonders  die  Lehrjnngen 
und  einheimischen  Handwerksburschen  in  den  Landstädten  alle  Sonn- 
taorp  -sogleich  nach  der  Christenlehre  in  der  gewöhnlichen  Schule  zn- 
samiüeukommen  und  sich  vom  Lehrer  1  '  o  Stunde  lang  unterrichten 
lassen,  wo  sie  das  Schönschreiben,  Briefsclireiben,  Rechnen,  Geschichte 
und  Land  Wirtschaftskunde  üben,  aufirischen,  im  Gedächtnisse  erhalten, 
zur  Fertigkeit  und  Vollkommenheit  bringen. 

Die  Lehrmittel  sind  von  den  Gemeinden  zu  beschaffen.  Es  werden 
gefordert:  Naturaliencabinete,  die  wenigstens  die  Naturgaben  des 
Foldifichen  Landes  enthalteni  Globus,  Landkarten,  mathematische  In- 
stnmieiite,  Modelle,  2  Tafeln,  worauf  die  Buchstaben,  Buchstabir-  und 
Leseregeln  gemalt  sind,  weni^tens  eine  schwarze  Tafel,  an  welcher 
vorgeschrieben  und  gerechnet  wird,  die  heilige  Schrift  etc.  Die 
Lehrer  sollen  diese  Stücke  in  gutem  Stande  erhalten  und  bei  der 
jährlichen  Visitation  nach  emem  Verzeichnisse  vorlegen. 

Die  Schul^'ii  hf  r  werden  von  der  Schulcommission  herausgegeben. 
Es  erschien  1771  eine  Fibel,  1773  ein  Katechisnm»,  eine  biblische 
Geschichte  nnd  :eine  Sittenlehre,  1778  ein  Eirchengesangbuch.  Beim 
Leseunterricht  wurden  gebraucht:  Bochows  „Eindei-freund"  und  „All- 
gemeines Lesebuch  für  katholische  Bürger  und  Landleute",  eingei  ichtet 
von  einem  katholischen  Geistlichen  in  Franken.  An  der  Hand  des 
Lesebuches  scheint  anch  der  Unterricht  in  Naturgeschichte  und  Natur- 
lehre erthettt  vorden  zu  sem,  denn  ftr  diese  Gegenstände  werden  be- 
sondere Lehrbftcher  nicht  genannt 

Die  Schulordnung  sucht  auch  den  Lehrerstaad  in  seinem  Ansehen, 
in  der  Besoldung  etc.  zu  erhöhen.  Es  heiftt  darin:  »Keine  Gemeinde 
kann,  sei  es  unter  welchem  Verwand  es  wolle,  einen  Lehrer  annehmen 
noch  weniger  abschaifen.  Der  Bang  oder  die  Ehrenstnfe,  deren  sich 
die  SchuUehrer  bei  Öffentlichen  Feierlichkeiten  bedienen  können  und 


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sollen,  ist  in  den  Landstädten  nnniittelbar  nach  den  Ma^istratsj)er.>ouen. 
auf  dem  Lande  nach  den  Amtsschreibern.  Die  .Pfarrer  sollen  die 
Lehrer  nicht  zu  niederträchtigen  Diensten  gebrauchen.  Die  Lehrer 
sind  nicht  anzuhalten,  den  Messwein  von  anderen  Orten  abzuholen, 
dieses  müssen  die  Kirchen  Vorsteher,  Heiligeumeister  besorgen,  auch 
sollen  sie  in  dem  Orte  den  ^lesswein  nicht  aus  dem  Wirtshanse,  und 
während  der  S(diulzeit  nicht  aus  dem  Pfarrhause  abholen;  dieseij  kann 
ein  erwaclisener  Schuiknabe  lUun.  Wedör  sollen  sich  die  Lehrer,  sei 
es  in  ilireu  eigenen  oder  anderen  Pfarreien  in  \\lrtshäuserü  sehen 
lassen,  noch  bei  ofientlichen  Zechen  erscheinen,  am  allerwenijersten  aber 
mit  dem  Hute  unter  dem  Arme  die  Zeche  ausbieten  oder  ansagen, 
das  Geld  einsammeln  und  die  DauksMS'nnfr  ab.^taiten.  K>in  Lehrer 
darf  bei  ötientliclien  Tänzen  Musik  machen.  Alle,  von  denen  man 
weiß,  dass  ihre  mit  den  Gemeiuden  bis  zur  Gleichg-ütis-keit  oder  gar 
zur  Verachtung  gekommen i  1  irk-rnntschaft  dem  Ans*  Ii  hu  und  folglich 
dt'Hi  Lp]»ramtft  schädlich  ist,  sollen  an  aii  l»  it  Dätze  gesetzt  werden- 
Keiner  soll  iu  Zukunft  ohne  wichtige  und  tl:  iii-i n  ie  Ursache  an  dem 
Orte  wo  er  geboren  ist  oder  seine  Anverwandn  ii  hat.  als  Lelirer  an- 
ge.Nielit  werden.  Jene,  die  sich  wirklich  an  solchen  Orten  befinden, 
sollen  versetzt  werden.  Alle  «ollrn  sich  besser  als  der  gemeine  Land- 
mann und  zwar  gleiehf?5nni^  in  braunem  oder  grauem  Tuche,  schwarzt-n 
BeinkleiflF!-n  und  Strümpfen  kleiden.  Kfin  Lehrer  soll  sich  ohne  von 
der  hoclilürstlichen  geistlichen  Regierung  erhaltenen  Erlaubnis  ver- 
heiraten. Von  der  Besoldung  sagt  die  Schulordnung:  ,,Täglich  unter 
einem  Hauten  unerzogener  Kinder  mit  Anstrengung  der  Sinne  arbeiten, 
in  einem  steten  Kampfe  wider  sich  entgegenstellende  Neigungen  und 
Leidenschaften  streiten  und  bei  häufigen  Anlässen  zur  Ungeduld  Gegen- 
wart und  Heiterkeit  des  Geistes  blicken  lassen,  macht  den  Lehrer 
stumpf  und  schier  zu  jedem  anderen  Gfschäfte  anfällig.  Er  sehnt 
mch  nach  Buhe,  da  er  die  Tageslast  getragen  hat.  Wer  wird  sie 
ihm  missgönnen?  Abt  jetzt  sieht  er  eine  schmachtende  FamUie  um 
sich  her,  die  Brat  fordert;  er  selbst  kann  seine  geschwächten  Kräfte 
nicht  ersetzen.  Dieses  dringt  in  seine  Seele  und  durchfrisst  eein 
mattes  Uerz.  Seine  Arbelt  oder  Tlelmehr  seine  Starter  fängt  aufs 
neue  an,  und  weil  er  das,  was  zu  seiner  Iieibesnahnag  nnd  Xothdurft 
gehört,  sich  nicht  yerschaffian  kaniL  verwendet  er  einen  Theil  der 
Sehnlzeit  hierzu,  hält  sich  an  seine  Mitbürgei-,  die  ihn  für  sein  Ver- 
dienst darben  lassen,  schadlos  und  macht  das  Schalgeschäft  xa  einer 
Nebensache.  So  betrügt  der  Lehrer  den  Vater  nnd  der  Vater  seine 
Kinder.  Dieser  ist  nwar  sorgfiütig  genug,  seinen  Nachkommen  SefailM 


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—  5ß9  — 


zu  sammeln,  aber  anch  geizig  geuiti:,  nichts  aul  die  Bildung  ihres 
Verstandes  und  Herzens  zu  verwenden.  Weit  gefehlt,  dass  hierdurch 
(las  bleibende  Glück  der  Kinder  gegründet  werde.  Es  wird  zerstört, 
da  sie  weiter  nichts  lernen,  als  das  väterliche  Gut  zu  verzehren. 
Man  hat  schon  alle  Quellen  geöt^net,  aus  denen  man  der  Dürftigkeit 
der  Lehrer  etwas  zufließen  lassen  kann,  dass  sie  in  den  Stand  gesetzt 
werden,  ohne  diese  Hindemisse  ihr  Amt  gehörig  zu  besorgen.  Wo 
diese  Quellen  nicht  ergiebig  genug  sind,  bleibt  die  KigSmag  des 
Gehaltes  allemal  eine  Schuldigkeit  der  Gemeinde." 

„Die  SchollehrerbesoIdBiig  ist  sehr  verschieden;  es  ist  aseh  nieht 
die  Abeifikt  zu  bestimmen,  was  Jeder  bedürfe  oder  haben  soll;  nur 
das  geringste  Gehalt,  unter  welchem  Ansatz  keine  Schulbedienung 
sein  soll,  wird  hier  festgesetzt.  Demnach  sollen  die  Lehrer  der  Re- 
sidenzstadt Fulda  nicht  unter  250  Gulden,  in  den  Landstädten  nicht 
unter  200  Gulden,  auf  den  Landpfarreien  nicht  unter  150  Guides, 
auf  den  eigentlichen  Filialen  nicht  unter  100  Gulden  ind  auf  den 
Nebeneebulen  nicht  unter  75  Gulden  an  barem  Gelde  oder  Geldeswert 
hahem."  Anfierdem  wordm  den  Lehrern  noch  die  erheblkbaten  Emo- 
lomente  anderer  Art  zugesichert.  Wer  die  anderwSrtigeii  traarigea 
Gebaltsrerhältnisae  der  Lehrer  in  Beferaeht  zieht,  wird  das  anter* 
Qfdentliche  Intereaser  welches  Heinridi  im  Bibra  am  YoUuacbiilwesea 
nahm,  aneli  Uerans  erkennen.  Anch  Iftr  besaere  Wehn-  und  Sdiol- 
itinne  sorgte  die  Sdmlordnmig.  Sie  bestimmte:  „Wo  eine  Schule  ist, 
soll  auch  ein  Schnlhaos  sein.  Bei  jedem  Sebnlhanse  soUea  wenigstens 
eine  abgeeonderte  Schnlstnbe»  efaie  Stnbe  mt  Wohnong  des  Lehrers^ 
äne  Kammer  iRlr  die  Elnder,  Eflche»  Eelleri  StaU  i&r  einige  Stücke 
Yieh,  ni^thiges  Beblltnis  lllr  Fntter  nnd  Stroh  und  ein  Abtritt  mit 
einer  Thflre  in  oder  an  dem  Hanse  sein.  So  Tide  Lehrer  bei  einer 
Schnle  shtd,  so  viele  abgesonderte  Schnlstaben  sollen  andi  sein.  Die 
Sehnlstnben  sollen  nnbewohnt,  yon  Betten,  WebstOUent  Hobelb&nken 
und  anderem  flaosger&tbe  firei,  hingegen  mit  Blnken,  die  zogleiGh  zom 
Schreiben  eingerichtet  sind,  mit  ehiem  etwas  erbebten  Usch  flr  die 
Lehrer,  dass  er  die  Kinder  in  der  ganzen  Schule  ftberseben  kflnnei 
mit  den  nOthigen  Tafieln,  einem  zu  yerschlieBenden  Schranke  za  dm 
Schulbüchern  und  anderen  Erfordernissen  versehen  sein.  Die  Schul* 
und  Wobnstnbe,  obschon  sie  ein  Ofen  heizt,  sollen  li;eine  gemeinschalt- 
liehe  Thfire,  sondern  jede  ihre  eigene  haben,  dass  weder  die  Sdifller 
durch  das  Wohnzimmer,  noch  der  Lehrer  und  die  Seinigen  durch  die 
Schulstabe  geiien  dürfen.** 

Neu-  und  Verbessemngsbanten  mussteu  ungesäumt  vorgenommen 


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—  670  — 


werden,  das  nuthige  Bauholz  wurde  erforderlichen  Falle»  aas  den 
hochfUrstlichen  Waldungen  abgegeben. 

Die  technische  Aufsicht  über  die  Land-  und  Stadtschulen  war 
den  Geistlichen  übertragen,  diejenige  über  die  Schulen  der  Residenz 
dem  Director  der  Normalschule.  Letzterer  sollte  jährlich,  wenigstens 
alle  zwei  Jahre  sämmtliche  übrigen  Schulen  besuchen.  Den  öffent- 
lichen Priitiingen  sollen  in  der  Residenz  die  Mitglieder  der  Schul- 
commissiim.  andere  obrigkeitliche,  hohe  und  niedere  Standespersoneii. 
auf  dem  Laude  die  Pfarrer,  die  lieauiten,  Schuldeputirte,  Schultheiüea 
u.  a.  Gemeindevorsteher  und  von  den  Eltern,  wer  will,  beiwohnen. 
Die  Lehrer  prüfen  ihre  Schüler  selbst,  doch  ist  es  jedem  erlaubt,  und 
mau  sieht  es  gerne,  Fragen  au  sie  zu  thun,  wenn  sie  uui-  uarb  ihren 
Lehrbüchern  eingerichtet  sind  und  ihren  Fassuugs-  und  Erfabrungö- 
kreis  nicht  ül  <  im  (  reiten.  Der  Director  soll  wenigstens  den  Tag 
zuvor  seine  Aukuutt  bekaunt  machen. 

Nicht  nur  auf  das  chi'iüiliche  Schulwesen  erstreckte  sich  die  Für- 
sorge des  Fürstbischofs,  sondern  in  gleicher  Weise  lag  ihm  daj»  Wol 
seiner  Untertbaueu  ohne  Unierachied  des  Glaubens  am  Herzen.  So 
war  er  aiub  bestrebt,  das  sehr  im  Ai'gen  liegende  Stliulwesen  der 
Israelit  11  zu  beben  und  zu  fördern.  Er  erließ  zu  diesem  Zwecke  am 
20.  Deceniber  1784  auch  eine  Verordnung  für  die  „jüdische  Lehr- 
schule" seiner  Kesidenz.  Es  heißt  darin:  „Bei  der  Einrichtung  der 
christlichen  Schulen  hat  auch  tür  den  Unterricht  der  jüdischen  Kiaaer 
gesorgt  werden  müssen.  Der  Jude  soll  nicht  mehr  wie  zuvor  vuu 
Hauslehrern  mit  so  f^^rußem  Kostenaufwaude,  nicht  mehr  von  heruro- 
zieheuden,  unbekannten,  oft  für  den  Staat  s-efäbrlichen  Frenidliugen. 
nicht  mehr  ohne  Aufsicht,  nicht  mehr  blos  al^  Jude  im  hebräisch 
Lesen  und  Schreiben,  sondeiii  in  einer  öflfentJichen  Schule,  von  ge- 
ijrüftcn  Lehrern  und  nach  der  verbesserten  Lehi'art  seiner  Bestim- 
mung gemäß  >  *  unterrichtet  werden,  dass  er  dereinst  sich  und  dem 
Staate,  in  wtkkem  er  geschützt  wii*d,  nützlich  sein  kann."  Es  wurde 
verfügt,  dass  die  Judenscliaft  der  Residenz  eine  öffentliche  Schule 
unterhalte,  die  alle  Judeukindei-  zu  besuchen  haben,  Hauslehrer  werden 
nicht  mehr  geduldet.  An  der  Schule  sollen  zwei  Lehrer  wirken.  (Ui 
Gehalt  wird  auf  2öU  üiilden  nebst  zwei  Klafter  Bucheuscheith<dz  iest- 
gejietzt.  Uber  das  Ansehen  der  Lehrer  sagt  die  Verordnung  ^Die 
Juden  sind  kraft  ihres  Gesetzes  schuldig,  die  Gelehrten  besonders  zu 
ehien,  wa^s  für  besondere  Ein  ti  al>'»  immer  den  Gelehrten  nach  den 
jüdischen  Gesetzen  oder  Geuohniieiten  gebüren,  diese  sollen  den 
Lehrern  erwiesen,  was  für  Ehrenstufen  jene  zu  einsteigen  berechtigt 


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—  571  — 


sind,  sollen  ihnen  vun  allen  an  allen  Orten  ein<^eiaunu  werden."  Das 
ist  der  Geist  eines  L^ssing,  der  in  seinem  ..Natlian  den  Weisen'-  dem 
Bekenner  jeder  Eeligion  und  Coufession  zuruft-  ..Ks  ei£re  jeder  seiner 
onbestoclienen ,  von  Vururtlieileii  freien  Liebe  nacii!  Es  sti'ebe  jeder 
von  ench  nm  die  Wette,  die  Krult  rl*  s  Steines  in  Reinem  Ring  an 
den  lag  zu  legen,  komme  dieser  Krati  mit  Sanflmutb,  mit  herzlicher 
Verträgliclikeit .  mit  Wolthun,  mit  ininVsfer  Kro-ebrnheit  in  Gott  zu 
Hilfe."  W  ie  muthen  jeden  die  Bestimmungen  aus  den  vorstehenden 
Verordnungen  übnr  fiie  niederen  Schulen  an,  aus  einem  wie  warm 
und  edel  fühlenden  Herzen  sind  sie  hervorgegangen!  „In  ihnen  sprach 
sich  im  Gegensatz  zu  der  bis  dahin  im  Katliolid<?mu8  gepflc^en 
mönchisch-  und  jesniti.sch-liierarchischen  Cultur,  wenn  auch  vielleicht 
auf  eine  einf^eitij^e  \S  eise,  jenpr  echte  Gr^t  des  Ohristenthunis  aus, 
der  anstatt  an  die  Verherrli*  Iiuhlt  der  Autorität  des  Papsttbums  und 
der  Hierarchie  dei-  äußeren  Kircheninstitute  zu  denken,  sich  auf  das 
zu  richten  suclue.  was  dem  christlichen  Volke  noth  that,  damit  es 
christlich  und  gottselig  erzogen  werde"  (HeppeV  Am  21.  Juli  1773 
hatte  Papst  Clemens  XIV.  den  Jesuitenorden  aulgeii  l  n,  und  alsbald 
kam  dieser  Geist  in  der  katholischen  Welt  zur  Geltung.  Die  Ver- 
treter diesei-  Kichtimg,  aufgeklärt,  duldsam,  wolwolleud,  richteten  natur- 
gemäß ihren  Blick  auf  den  Volksnnterricht,  den  sie  im  Sinne  der 
o>»irekennzpichneten  Verordnungen  gestalteten.  Al)er  über  die  kaum 
«uigegangene  Saat  ging  der  Drasch  wagen  der  Napoleouischen  Kriege 
und  hinderte  ihre  Eutwickelnirj:  die  hochgespannte  Begeisterung  der 
Schöpfer  der  Schul  Verbesserung  -(  heiterte  au  der  hartnäckigen  Gleich- 
gütigkeit  und  Stumpfheit,  und  mit  der  Bestitution  des  Jesuitenordens 
im  Jahre  1814  erhielt  in  der  katholischen  Welt  wieder  die  einer 
Volksbildung  nach  df^iu  Sinne  des  BeuedicUuers  Heinncli  von  Bibra 
feindiicke  Bichtuug  die  Ob^rliAiid. 


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£iii  praktischer  Y^rseklag  zir  Yermeidang  von  L  beiständen 

bei  Refifiiraen  und  Prifu^i. 


1  /i  r  AiikilndigUDg  einer  RevKsiuu  pflegt  all*  ,  selbst  <Lli*i  pilicht- 
1]^ll•-^Iell  Lehrer  und  Tjelirerinnfn.  in  Aufreguitir  zu  versetzen;  die 
KriüU«eriing  an  stattet tiiu'lt-ii-'  K'^vi>i'MiPn  und  Priliiiiii:t-n  i^ewährt  sehr 
selten  Befriwlisrunir,  i  flegt  im  Uegeiiili'Ml  sic)i  in  irii  meisten  Fällen 
mit  unanf(  iK'liiiKMi  d*  iiihlcn,  gar  oft  mit  peinigeudeii  l'hantasiebildern 
zu  verbinden.  80  weit  meine  Erfahrung  reicht,  gelangen  tüclitige  und 
charakterfeste  Lehrer  infolge  der  mit  solchen  Revisionen  und  Priifimoren 
verbuntiiiuii  Übelstände  allmählich  zu  der  Lebensweisheit,  sich  Len 
alle  ürtheile  über  ihre  Amtsthlitigkeit,  mögen  dieselben  von  auulieh 
angestellten  Revisoren  oder  aus  dem  Publicum  stammen,  durchaus 
gleichgiltig  zu  verhalten  und  dabei  zu  sprechen:  ..,LaS8  (Üd  Ij&OLtib 
sciiwatzeni   Ich  weiß,  wer  ich  bin  und  was  ich  leiste!** 

Abel*  solcher  Lebensweisheit  sind  nur  Männer  fjihig,  und  wieNiel 
bittere  Erfahrungen  müssen  überwunden  werden,  ehe  man  zu  derselben 
gelangt!  Solch  ein  Mann  muss  ja  lernen,  auf  jede  Anerkennung 
zu  verzichten  und  sein  Gluck  lediglich  in  sich  selbst  zu 
finden.  Vielleicht  gibt  es  ein  Mittel,  auch  schwächeren  Seelen  zu 
helfen,  die  Übelstftnde  bei  Revisionen  und  Prüfungen  auf  ein  möglichst 
geringes  Hafi  «1  beschränken,  flUr  tüchtiges  Arbeiten  die  nöthige  An- 
erkennung zu  verschaffen  und  manch  einen  Lehrer,  der  nie  mit  einer 
Revision  zufrieden  und  stets  geneigt  ist,  sich  mit  wirklich  beeinträch- 
tigten und  ungerecht  behandelten  Männern  auf  gleiche  Stufe  zn  stellen, 
vor  eitler  und  hochrotttbiger  SelbstÜberBclifttsnng  zu  bewahren.  Die 
Sache  ist  gewiss  wichtig  und  unseres  ernsten  Nachdenkens  wert; 
denn  wir  wissen  sehr  gut,  dass  unsere  gerechte  Forderung,  jeder 
Revisor  solle  ein  t&chtiger  Fachmann,  solle  in  unserer  Kunst^  der 
Lehrkunst,  selbst  ein  Meister  sein,  gegenwärtig  nicht  erfüllt  werden 
kann.  Die  amtlichen  Revisionen  werden  zum  großen  Theil  von  Männern 
▼oUsogen,  die  sich  in  unserer  praktischen  Lehrknnst  nicht  genOgeod 


Von  ZHtector  A,  Go9rth*lktterhm§. 


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und  sorgsam  auijgebiklet  haben,  so  dass  sie  nur  als  Dilettanten  be- 
zeichnet werden  ditrfen.*)  Da  sie  selbst  bei  der  wtdwoUeiitlsteu 
Absicht  nur  zu  leicht  in  den  Fehler  fallen  können,  ihr  Urtheil  falscli 
oder  einseitig  abzugeben,  so  müssen  ^vir  auf  Mittel  sinnen,  ilmeu  die 
Revisionen  zu  erleichtern,  und  den  Weg  zu  einem  richtio'en  Urtheil  zu 
ebnen.  Solch  ein  Mittel  kann  für  beide  Parteien  h<M-]ist  •  i -]  ]  iri  üch 
sein.  Mit  dem  bloßen  Solielten,  Raisouniren,  kraiikis-jin  und  Hüffen 
auf  eine  Besserung  der  Verhältni>^>^e  von  oben  iieiab  kommen  wir 
keinen  Schritt  weitei":  ^v^r  irms^uu  selbst  Hand  ans  Werk  legen. 

Versetzen  wir  nns  in        Lag-e  eines  Kevisors. 

Fa-  soll  in  der  ihm  frenulen  Scliule  las  Wissen  und  Können  der 
Schüler,  ihre  Kenntnisse  und  Fertigkeiten  prüfen  und  zugleich  be- 
urtheilen,  in  welcher  Weise  der  Lehrer  resp.  die  Lehrerin  gearbeitet 
hat.  Je  nach  dem  Ausfall  diese)-  Prüfung  soll  er  über  die  einzelnen 
Lehrkräfte,  sowie  aber  die  ganze  Anstalt  höiierea  Orts  sein  Urtheil 
abgeben. 

Den  zweiten  Thcil  dieser  Aufgabe  vermag  ein  nur  dilettantisch 
gebildeter  Revisor  nicht  zu  lösen.  Wenn  er  beurtheilen  soll,  in  welcher 
Weise  ein  Lehrer  seine  Hauptkunst,  die  Fragekunst,  handhabt,  muss 
er  selbst  sich  in  derselben  tüchtig  ausgebildet,  muss  jahrelang  als  ein 
tüchtiger  Fachmann  gearbeitet  haben.  Mit  der  Theorie  allein  ist  da 
nichts  anznfangen.  Außerdem  genügt  es  dazu  wahrlich  nicht,  den 
Lehrer  eine  oder  wenige  kui'ze  Probelectionen  halten  zu  lassen.  Man 
kann  daraus  höchstens  erkennen»  ob  man  einen  noch  ganz  ungelenken 
AniAoger  oder  einen  Mann  vor  sich  hat,  dem  in  dieser  Hinsicht  Ver- 
nachlässigung, Unbehoifenheit  und  Unklarheit  im  Denken  nnd  %>rechen, 
Unbranchbarkeit  vorgewoiÜBn  werden  darf.  Selbst  ein  JPaohmann  wird 
darum  häufige  Beviskmen,  verbunden  mit  Ho^itiren  in  verschiedenen 
Standen  brauchen,  um  einen  tüchtigen  Lehrer  nach  dieser  einen  Seite 
hin  richtig  absch&tsen  zu  lernen.  Der  Lehrer  darf  femer  verlangen, 
dass  der  Revisor  genau  kennen  lerne,  wie  er  bei  seinem  Unterrichte 
neue  Begriffe  beibringt,  unklare,  die  ihm  von  den  Kindern  entgegen- 
gebracht werden,  ric^htig  klärt,  hohle,  die  HOT  als  Worte  im  Gredächt> 
niaee  liegen,  mit  Inhalt  füllt,  nnd  wie  er  versteht,  in  allen  Stunden, 
selbst  beim  Betigionsimterrichte,  anschaulich  za  unterrichten.  Er 
darf  ferner  verlangen,  dass  der  Revisor  kennen  lerne,  wie  er  in  den 
Stünden  die  geistige  Zucht  za  handhaben,  die  Xinder  je  nach  ihzer 


4)  In  maadiai  udenii  dentaclieii  Staaten,  s.  B.  in  Sadumi,  ebeaao  in  öiter^ 
wtkSh,  steht  «  ia  dem  ]MiiflI»t«a  Paukte  benex.  D.  R. 

PadifgilnB.  Aiif .  BMI  IX.  89 


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Individnalit&t  sm  belianddn,  interessant,  gdstroU  nnd  geisUnldend  m 
lehren  meteht  Alle  diese  Fordemngen  kann  ein  Dilettant  im  Sdral> 
&die  gaznicht  eifttllen,  ein  Fachmann  nur  naeh  längerer»  sorgiUtiger 
Prttfluig  nnd  Beabachtnng.  Ein  richtigee  ürtfaeü  wird  danun  in  Beng 
anf  aUe  die  hier  genannton  Fordernngen  nur  ein  tSchtiger  Schal« 
dirigent  shgeben  kOnnen,  der  mit  adnen  CoUegen  jahrelang  n- 
sammen  gelebt  nnd  gewirkt  nnd  mit  ihnen  tlgUch  in  lebendigoa 
Tericehr  gestanden  hat;  nftchst  ihm  ein  tftchtiger  fiidigemSfi  vorge- 
bildeter Berisor,  wenn  er  sich  eines  Mmlichen  lebendigen  Yeikehn 
mit  den  einzelwen  Lehrern  befleifljgt 

Man  sieht:  in  Bemg  anf  die  Beartheüong  unseres  wahren  WertsB 
als  Lehrer  sind  wir  grOßteatheüs  nnf  uns  selbst  angewieeen,  dn  den- 
selben nnr  wenige  Personen  nnserer  nächsten  Umgebung  nnd  dahd 
nnr  tllchtige  Fachmänner  richtig  absosehätcen  TennOgen.  Es  dSifke 
kein  Mittel  geben,  fremden  Berisoren,  die  nns  nnr  selten  besodieB, 
darfiber  yolle  Klarheit  su  yerscbaffsn. 

Anders  liegt  die  Sache,  wenn  es  sich  darum  bandelt^  die  posi- 
tiven Kenntnisse  nnd  die  Fertigkeiten  sn  prftfen,  welche 
die  Scbftler  dnrch  nnsern  Unterricht  erlangt  baben. 

Ancb  hierbei  haben  fremde  Bevisoren  einen  BcJilimmen  Stand.  In 
Beeng  anf  Lesen,  Schreiben,  Zeicbnen,  Singen,  Tomen  mid  auch 
Bechnen  ist  es  nicht  sebwer,  ein  richtiges  Urtheil  nt  ftüen.  Im 
Bechnen  entscheidet  die  Sicheriielt,  mit  der  An^abok  anf  der  TsAl 
nnd  im  Kopi^  gelOst  werden.  Über  die  Forderangen,  welche  an  die 
einseinen  Olassen  gestellt  werden  dürfen,  gibt  der  Lebrplan  resp.  das 
Stcfvenseichnis  genflgende  Auskunft  Es  pflegt  anch  hierbei  selten 
eine  Klage  über  fidsche  Benrtbeüong  laut  zn  werdio. 

Anch  in  Besng  anf  dentsche  Grammatik  nnd  fremde  SpradMn 
können  Bevisoren  leicht  nur  rechten  Einsicht  gelangen,  selbst  wesa 
sie  nicht  Fachlento  sind.  Fftr  den  Sprachontenicht  sind  im  Lehrplane 
ans  den  sorgsam  ansgearfoeiteten  Schulbddiem  eine  bestimmte  Asaahl 
von  LecÜonen  mit  Begefai  und  Vocabeln  vorgeschrieben.  Wenn  der 
Bevuor  mit  dem  Lehrbuche  in  der  Hand  prOft  und  Extemporalien 
dictirt,  durdi  welche  sieb  die  Fertigkeit  in  Anwendnng  der  Begebt, 
Vocabeln  und  der  Formenlehre  ergibt,  so  kann  er  nicht  leicht  irren. 
Durch  einige  Übung  wird  jeder  unschwer  an  der  rechten  iänsieht 
gelangen,  um  seine  Anforderungen  ftr  das  Wissen  und  Können  in  den 
verschiedenen  Altersstufen  nicht  zu  hoch  sn  schrauben. 

Aber  einen  schweren  Stand  haben  die  Bevisoren  bei  den  Pr&fhngen 
in  Geschichte,  Geographie,  Naturgeschichte  (Botanik  und 


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Zooloerie)  Physik,  Literatur-  und  Kirchengeschichte,  wol 
au<:h  in  Rclif^ion.  Der  Lehrplan,  sowie  das  Stoflfverzeichnis  geben 
für  alle  diese  Fächer  das  Material,  welches  durchgearbeitet  werden 
soll,  nur  iii  grüßen  Umrissen.  Die  Auswahl  des  Lehrstoffes  aus  diesen 
großen  (Gebieten  muss  dem  Ermessen  des  Lehrers  überlassen  werden. 
Selbst  ein  Fachmann  kommt  darum  aut  diesen  (lebieten  bei  seinen 
Prüfungen  mit  den  Lehrern  leicht  in  Conflict.  Er  tragt  nach  Dingen 
und  Thatsaclien,  die  seiner  Ansicht  nach  durchaus  gewusst  werden 
sollten:  der  Lehrer  behauptet  dagegen,  ei-  lege  Hauptgewicht  auf 
andere  Kenntnisse  und  klagt  über  ungerechte  Aniurderungen. 

Ich  meine,  es  gibt  ein  einfaches  Mittel  solchen  Conflicten  vorzu- 
beugen und  dem  Keviäor  zugleich  sein  Amt  zu  erleicbterü.  Man 
prüfe  Folgendes: 

Gewöhnlich  pflegt  der  Lehrer  in  den  genauuien  Disciplmcii  in 
folgender  Weise  zu  um  errichten.  Er  dictirt  Anhaltspunkte,  kurze 
Iü)mlts;Higabeu  (it-.^sen.  was  er  in  einer  Stunde  neu  dui'chai'beiten  will 
(am  Aautnge  oder  am  Schlu.sse  der  Lehrstunde)  und  schreibt  Namen 
und  Jahreszahlen  etc.  dabei  an  die  Wandtafel.  Durch  diese  kurzen 
Vernierke  haben  die  fc>chüler  ofh^r  Schülerinnen  die  nöthigen  Mittel 
erhall  »  II,  -irli  /mv  WipderholiniL'-  für  die  nächste  Stunde  zu  präiuiriren. 
Nach  einer  bestimmleii  /fit,  iniinli  -if  iis  am  Ende  jedes  Vierteljahres 
wird  eine  General  Wiederholung  angestellt.  Gewöhnlich  pÜegt  man 
dabei  auf  jene  iruher  dictirten  Anlialtspunkte  und  Inhaltsangaben 
zurtickzn greifen.  Ich  meine,  hierbei  könnte  man  sorgfältiger  zu  Werke 
gehen.  Man  dictire  eine  bestimmte  Anzahl  von  Fragen  oder 
Aufgäben  zur  Beantwortung  und  fordere  (hilm  nur  das,  was 
gute  und  mittelmäßige  Schüler  und  Schülerinnen  unserer  eignen 
Ansicht  nach  durchaus  sicht'r  wissen  müssen,  falls  der  Unter- 
richt sich  wirklich  fruchtbringend  erweisen  und  uns  selbst 
för  unsere  Arbeit  die  rechte  Befriedigung  gewähren  soU. 
Möglich,  dass  viele  Lehrer  bereits  so  verfahren.  Aber  gewöhnlich 
pflegt  man  bei  solchen  Wiederholungen  die  Zöglinge  auf  die  Hilfs- 
böcher  oder  ihre  Hefte  zu  verweisen  und  die  Aufgaben  zur  Wieder- 
holung und  Präparation  für  eine  bestimmte  Stunde  zu  allgemein  za 
stellen.  Dies  ist  ein  Übelstaiul;  denn  die  Schüler  kennen  in  diesem 
Falle  ihre  Aufgabe  nicht  genau;  die  besseren  qnSlen  sich  mit  Arbeiten 
ab,  ohne  die  Befriedigung  zu  haben,  gut  präparirt  zur  Stunde  za 
kommen;  die  schlechteren  thun  nichts  und  überlassen  den  Erfolg  dem 
Schicksal  Bei  solchen  bestimmt  und  in  genügender  Anzahl  gestellten 
Fragen  imd  Angaben  kann  ein  guter  Erfolg  nicht  ausbleiben.  Fallen 

89» 


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—   576  — 


die  Antworten  1t1>erhanpt  nangelbaft  ans»  so  mnse  der  Lehrer  ttftU 
SU  wiederholen  aafs  neue  lehren  und  ersieht  daraus,  dasi  er 
zu  schnell  Vorwärts  gegangen  ist 

Hau  lasse  diese  Wiederholuügsiragen  und  Anllsaben  das  Jahr 
hindnreh  in  ein  besonderes  Heft  eintragen  und  Terpfliebte  die 
Schillert  das  Heft  während  ihrer  gansen  Sehnlseit  beim  Auf* 
steigen  von  Classe  zu  Glasse  zn  behalten  und  in  Jeder  neuen 
Olasse  durch  die  in  derselben  gestellten  Wiederholangs- 
fragen  und  Aufgaben  zu  Ter  mehren*  Sokh  ein  Heft  ersetzt  fast 
alle  Hilfibttdier  und  erweist  s^  in  jeder  Binsidit  als  sekt  nüti^ch. 

Gewöhnlich  hört  man  die  Lehrer  oder  Lehrerinn«! ,  welche  in 
einer  der  höheren  Classen  den  Unterricht  in  einer  von  diesen  Discipli- 
nen  übernehmen,  darüber  klagen,  dass  sie  bei  der  Wiederholimi:,  die 
am  Anfange  des  neuen  Cursus  angestellt  werden  soll,  zu  mangelhaftes 
Wissen  vorgefnnden  haben  und  deshalb  statt  zu  Wiederholungeu ,  zu 
neuen  Vorträgen  gezwungen  seien.  Diesem  ('beistände  kann  duicli 
solche  Hefte,  die  mau  von  Clause  zu  Classe  behaii  und  vergrößeit, 
vorgebeugt  werden. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  sich  jeder  Lehrer  durch  das  Vor- 
zeigen solcher  Hefte  jedeia  Revisor  gegenüber  vollständig 
sichern  kann  und  demselben  seine  Prüfung  wesentlich  er- 
leichtert. Jeder  dieser  Hei  ren  ist  .^ebr  froh,  wenn  ihm  die  Mülie 
erspart  wird,  in  dem  Stott'  lierumzusuchen  und  Fragen  zu  stellen.  So- 
bald dei-  Lehrer  auf  ein  derartiges  Helt  hinweisen  und  sagen  kann: 
„Hier  ist  die  (Quintessenz  meines  Unterrichtes  verzeichnet;  diese  Fragen 
müssen  die  Kinder  be*int  werten,  über  diese  Angaben  müssen  sie  Ans^ 
kuuii  geben  können":  so  wird  der  Revisor  mit  Freude  solch  ein  Heft 
in  die  Hand  nehmen  und  seine  Prüfung  zunächst  an  das  dort  Gebouiie 
anlehnen.  Es  bleibt  ihm  daltei  ja  die  volle  Freiheit,  sich  durch  Neben- 
fragen  zu  ülierzeugen,  in  welcher  Weise  der  .Stoü'  verarbeitet  und  wie 
ders»^ll<e  vnn  den  Kindern  aiit>efasst  worden  ist 

Hier  mögen  zur  Probe  1  ragen  und  Aufgaben  folgen,  wie  sie  fn 
den  Heften  der  Schüler  nach  Beendigung  des  Unterrichts  in  Zoologie 
stehen  können. 

Hauptunterschiede  im  Bau  der  Rückgrat-  oder  Wirbelthiere»  der 
Schleim-  oder  Weichthiere. 

Dit*  Affen  haben  Arme  und  Beine;  warum  heißen  sie  Vierhan  der? 

Warum  muss  die  Fledermaus  ihre  Beute,  die  Nachtschmetterlinge^ 
mit  dem  Maule  fangen?  Wie  verfährt  sie,  tim  die  geisDgene  Beate 
xa  verzehren?  In  welcher  Stellung  schiiUt  sie? 


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—  677  — 

Wie  ist  zu  erklären»  da^s  der  Igel  und  andere  Thiere  4  Monate 
und  darüber  ohue  jNalirang  zu  sich  m  nehmen,  im  Wiuterscliiaf 
zubriugen  können? 

Woran  erkennt  man,  dass  Maulwurf  und  Spitzmans  nicht  Pflanzen- 
fresser, sondern  Fleisohfi'esser  sind?  Beschreibung  eines  Maulworfis-» 
Dachs-,  Fuchsbaus. 

Woher  kommt's,  dass  alle  Katzeii  stets  sehr  spitze»  alle  Hunde 
stampfe  Krallen  an  den  Zehen  haben? 

Welche  Wieselarten  liefern  uns  Pelz^verk?  \\'oher  stammen  die 
schwarzen  Flecken  im  Herrn elinkmi^en  der  alten  Fürsten? 

Besclircibimg  eines  Kuti^  der  JbUnhatier.  Der  Magen  der  Wieder- 
käuer; das  Wiederkäuen. 

In  welclier  Weise  (und  in  welcher  Zeit)  wächst  aus  dem  Kopfe 
des  Hirsches  das  Geweih  nach  dem  Abwerfen  der  Stangen?  Die 
Kümmerer.   Was  heißt:  Hirsch  und  Äeh  fegen  die  Geweihe? 

Diese  Probe  wird  genügen.  Noch  eine  andere  ans  dem  geo* 
graphischen  Unterricht. 

Gestalt,  Größe,  Lage  von  Afrika.  Die  voi^eführten  Afrikaforscher. 
Die  Meereseinschnitte,  die  Kais.  Die  Gebirge,  Seen,  Flüsse.  Die 
Städte  an  den  Flüssen,  die  Hochländer.  Die  Wüsten  und  großen  Oasen, 
pie  Namen  der  Kfistenstriohe,  Städte,  Ortschaften  an  der  Nord>  Ost-, 
fifid-,  Westküste. 

Die  Ihuizdsisclien,  spanischen,  portugiesischen,  englisdieii,  deutschen 
Besitzungen. 

Bassen  und  Völker. 

Erklärung  der  Ausdrücke:  Halfa<]:ras,  Teil,  Schotts,  Pyramiden, 
Samum,  Chamsin,  Sudan,  Nubien,  Fellahs,  Kopten,  Mauren,  Beduinen, 
Suaheli,  Booers,  Karoo,  Negus-Negesti 

Anch  diese  Probe  wird  genügen. 

Diese  Idee,  die  wir  hier  ffir  unsere  Anstalt  als  praktisch  sehr 
br&uchlMur  erprobt  bähen,  ließe  sieh  meiner  Ansicht  nach  auch  bei 
den  Staatsprüfungen  fttr  Lehrerinnen  trefflieb  verwenden. 
Die  ObebtSnde,  welche  solch  ein  Examen  ndt  bringt,  bei  dem 
80  bis  40  Junge  M Iddien  —  früher  sogar  70  ^  geprüft  und  mit 
amtlicb  gestempelten,  fllr  alle  Zeit  gültigen  Zeugnissen  yersehen  werden 
sollen,  in  denoi  filr  die  einzelnen  Wissenschaften  das  Maß  ihres  Wissens 
und  Künnens  ÜBsf^geetellt  wird,  sind  von  mir  schon  vor  Jahren  im 
„Psedagoginm"  eingäiend  beleuchtet  worden.*)  Es  bandet  sich  hier- 

üoüte  mm^s  glauben,  dase  dleia  wahrbeitsgetzeue  DanteHmig,  die  atoiMiid 
bwtieitea  konnte,  mir  EtM  and  Veifolgaag  «ngehzacht  hat? 


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—  578  — 


bei  iiiclit  \\m  die  Prttftinfreii.  welche  vom  Dirigenten  und  deii  Lelu-ern 
der  Aii.^talt  unter  Vorsüz  des  Kgl.  Provinzial-Scliiib-atlis  vollzogen 
"Werden,  s' iidni!  um  .solche,  bei  denen  Schuieriüueu  verschiedener 
Hiilsjseiiiinare  g-enieinsam  vor  den  ihnen  jyanss  fremden  Exami- 
natoren solch  eine  lür  ihre  Zukunft  entscheidende  Prulung 
ablegen  müssen.  Solcli  ein  Examen  findet  hiei*  in  OstpreuÜen  jahr- 
aus jahrein  in  Königsberg  i.  Pr.  statt. 

Um  zu  beweisen,  dass  die  folgenden  Vorscliläge  lediglich  ans 
dem  Bestreben  hervorgehen,  den  jungen  Mädchen,  die  sieh  zu  solch 
einem  P^xamen  mt;iden,  die  Vi  rinreitung  und  die  Prüfung  zu  erleich- 
tern, sei  hier  ein  Wort  von  dem  berühmten  Gelehrten,  dein  Oxforder 
Pi  »tesM  1  Max  Müller,  angeführt  Derselbe  sagt  wörtlich:  ,.I)ie  Prii- 
fun;:ni  L^anz  in  die  iiande  von  Fremden  geben,  iieißt,  dieselben  in 
Lotterien  verwandeln,  und  erzieht  eine  Art  von  Schlau];t 'i,  Ge- 
witztheit  bei  Lehrern  und  Schülern,  welche  der  Unr^dlirlikeit  naiie 
verwandt  ist.  Ein  Examinator  kann  ausfindig  maclieii,  \v;is  An  Schüler 
nicht  Aveiß:  aber  es  wird  ihm  scliwer  fallen,  alles  In  i .iusziifiuden, 
was  er  wirklich  weiß."")  Und  sollte  es  ihm  auch  gelinir»'n  zu  >-r- 
gründen,  wieviel  der  Schüler  w-cili,  so  wird  ^^r  doch  nieuials  eriahicii. 
wie  er  es  wei(>  Über  diesen  letzten  Punkt  ist  die  Ansicht  des 
Lehrers,  welciier  den  Schüler  jahrelang  beobachtet  hat,  unnmcräng- 
lich  noth wendig  im  Tiireio.se  des  Examinators,  im  Interesse  der 
Schüler  und  im  Interesse  ihrer  Pelirer." 

Diese  BtMut  i  knnc^en  sind  su  rn  litiL^!.  ila^s  kein  verständiger  1. einer 
auch  nur  im  mindesten  daran  i  lütt  In  wird.  Aber  --'ie  riiri--t  n.  so- 
lange solche  Stn;U^]>rüfiingen  bestelieii,  uubeachtet  bleiben,  weil  die 
vom  Staate  beruleiieii  fremden  Examinatoren  ihre  Thätigkeit  doch 
nicht  selbst  in  den  Schafft  n  stellen  werden  und  bei  Beachtung  des 
ürtheils  von  diesem  oder  jt-iinii  Lehrer,  der  il  Prüflinge  vorberei- 
tet hat,  leiciit  in  den  Verdacht  kommen  könnleu,  dats  -ie  einzelne 
ihnen  vielleicht  v  ,  kannte  Persönlichkeiten  bevorzugen  und  andere  da* 
gegen  zurttcksetztu. 

Da  die  Verhältnisse  einnntl  liegen,  durtte  ein  Mittel,  diesen 
Herren  das  Prüfen  und  Feststellen  des  Wissens  und  K  inneus  ihrer 
Prüflinge  zu  erleichtern  und  zugleich  die  letzteren  gegen  Fehlgiiffd 
aoriel  wie  n>r»glich  zu  sichern,  doch  allseitig  willkommen  sein. 

Vergessen  wir  nicht:   solch  ein  Examinator  hat  einen  sehr 

^  Namentlich  in  der  kturzen  Zeit  von  10»15  Minuten,  die  bei  solchen  Lehn* 
rinnenpiofttngen  Ulf  jedes  juige  MMcheii  Ar  jede  eisaetaw  WiaieaMduit  gwCkgcA 
mxm. 


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—  679  — 


scliwoi  eii  Sraiid  und  ist  walirlich  nicht  zu  benei^Wii  Xeltnuni  wir  an, 
es  liabeu  sich  ztim  Examen  nur  30  junge  M^1dcheu  gmieidt-i  —  eine 
verhältnismäßi«^  nur  geringe  Zahl  —  so  brauclit  er  selbst  bei  lU  Minuten 
Prüfung  pro  Pei-son  immerhin  5  Stunden,  um  für  y-de  das  Maß  ihres 
Wissens  und  Könnens  als  Lehrerin  nur  in  einem  Fach,  z.  B.  in 
Gescliichte  amtlich  festzustellen.  Da  er  selbst  in  diesem  Fache 
tüchtii;-  bewandert  sein  muss  und  seine  Studien  darin  von  höheren 
Gesichtspunkten  geleitet  sein  müssen,  su  gilt  es  für  ihn,  an  die  Kennt- 
nisse und  das  Urtheil  der  Prüflinge  einen  geringeren  Maßstab  anzu- 
legen und  seine  Fragen  darnach  einzuriciiten.  Das  ist  eine  sehr 
schwere  Aufgabe,  und  sicherlich  muss  in  den  letzten  Stunden  auch 
die  rüstigste  Kraft  erlahmen,  so  dass  bei  dieser  Erschöpfung  die 
Fragen  nicht  mehr  in  der  noth wendigen  soi^^tigen  Auswahl  gestellt 
werden  können.  Man  pflegt  darum  eine  genügende  Menge  von  Fragen 
auf  Zettel  zu  schreiben  und  diese  Zettel  unter  die  Pi*üflinge  zu  ver- 
theilen. Der  Examinator  fordert  dann  zunächst  kurze  Antworten, 
lesp.  kurze  Vorträge  und  sucht  darauf  durch  Nebenfragen  das  Wisaen 
und  Können  der  jungeo  Mädchen  auch  für  Gebiete  zu  erforschen,  auf 
welche  jene  Zetteliragen  nur  hinweisen.  Das  ist  für  den  Examinator 
eine  wesentliche  Erleich teiung;  aber  den  Prüflingen  ist  damit  nnr 
wenig  geholfen*  Hein  Vorschlag  ist  der  folgende:  Man  lasse  von  amt- 
licher Seite  ans  jeder  Wissenschaft  die  Kenntnisse,  welche  im 
PrUfungsreglement  verlangt  werden,  in  Form  von  Fragen 
und  kurzen  Inhaltsangaben  (kleinen  Aufgaben  zu  kurzen  Vor- 
trägen) ausarbeiten,  znsammenstellen  und  durch  den  7» ruck 
verbreiten.  Durch  solch  ein  Büchelchen  erfthrt  jedes  junge  Mädchen 
genau,  wie  sie  geprüft  werden  wird,  und  vermag  sich  in  Ruhe  vorzn* 
bereiten.  Zugleich  ist  dies  BQchelchen  für  den  Ldirei*  in  einem 
Seminar  ohne  Bereditigimg  znr  Staatsprüfung  ein  nothwendiges  Hil&* 
mittel,  um  seinen  Unterricht  nicht  allein  fruchtbringend,  sondern  2a- 
gleidi  dem  Zwecke  entsprechend-  einzmickten.  Dies  ist  ftst  für 
jedes  Fach  ein  dringendes  Bedürfnis,  weJl  die  Ansichten  der 
Lehrer  nnd  der  Examinatoren  hinsichtlich  dessen,  was  gelehrt,  ge- 
wnsst  nnd  gekonnt  werden  soll,  selten  ttbereinstimmen,  meistens  weit 
auseinander  gehen.  Die  amtlichen  Bestimmungen  im  Prttfbngsreglement 
sind  zu  aUgemeiii  gehalten  und  gestatten  einer  vorschiedenartigen  Aus- 
legung einen  xu  weiten  Spiekanm.  Während  der  Zeit,  als  die  von 
mir  vorbereiteten  jungen  Mädchen  zur  Prttfinng  nach  Kdnigsberg  i.  Fr. 
gesdiickt  werden  mnssten,  verlangte  ein  Examinator  bei  Frttfiing  in  Geo- 
gnq[»hie  von  der  Provinz  Preußen  Angabe  aUer  Bahnstationen  zwischen 


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I 


680  — 


lnsterl)urp:  und  Thoru  und  die  Kenntnis  ganz  winziger  Bäche,  die  im 
kSuiiiiner  fa^st  austrocknen.    Ein  anderer  Herr  forderte  eine  meiner 
Schülerinnen  auf,  aus  Kants  ,,Kritik  der  reinen  Vernunft"  über  dessen 
Kategorientafel  zu  sprechen  und  die  bekannten  12  Stammbe<niffe  des 
Verstandes  aufzuzahlen.   Der  gaiiz  merkwürdigen  Fragen  und  An- 
sprüche, die  Ott  in  Literaturgeschiclite  gestellt  wurden,  will  ich 
gar  nicht  g-edenkenl  Man  fürchte  nicht,  dass  die  juniren  Mädchen  bei 
Verötfentlichuiig  eines  solchen  Büchelchens  mit  der  iuliahsaiigabe  des 
l*rüfungsstoffes  in  die  Gefahr  kommen  könnten,  sich  wie  so  viele 
Studenten  zum  Examen  ,,einpaukeu  /m  lassen".    Ich  möchte  wissen, 
wie  z.  B.  bei  einer  Inhalt «langabe  wie  die  vorhin  für  Schulen  geschil- 
derte ein  bloßes  „Einpauken-  möglich  sein  sollte!  Die  Lehrer  müssen 
zur  rechten  Vorbereitung  für  die  gute  und  umlassende  Beantwortung 
solcher  Fragen  und  Anhaltspunkte  einen  dni'chaus  guten  Unterricht 
ertbeilen.    Sie  werden  dadurch  nur  gen(>thigt,,  viel  Überflüssiges  und 
Nebensächliches  wegzulassen  undHauptgewii-ht  auf  ein  wirklich  nöthiges 
und  ersprießliches  Wissen  und  Ivonnen  zu  legen.    Ich  bin  überzeugt, 
dass  man  solch  eine  Einrichtung  von  allen  Seiten  mit  wahrhafter 
Freude  und  Genugthuung  begrüßen  würde.    Es  könnt«  dadurch  viel 
unnütze  (^ual,  Sorge  und  Angst,  viel  unnützes  ijt  ruen,  viel  Ärger  und 
Kuiauici  aus  der  Welt  geschafft,  das  bloße  Glücksspiel,  bei  dem  der 
Zufall  oder  sogar  menschliche  Schwachen  und  Wunderlichkeiten  eine 
gar  merkwürdige,  oft  sehr  traurige  Rolle  spielen,  in  eine  sichere  und 
allseitig  ersprießliche  und  befriedigende  Prüfung  verwandelt  werden. 
Es  ist  unter  Studenten  jetzt  gäng  und  gäbe,  über  ihre  abgelegten 
Staat spriiiungen  ein  sorgfältig  ausgearbeitetes  Protokoll  zu  führen  und 
dies  Schriftstück  ihren  J^'reunden  zur  Verfügung  zu  stellen.   Aus  der 
Zusannnenstellung  vieler  solcher  Piotokolle  ergibt  sich,  auf  welche 
Kenntnisse   die  alten  wolbekannten  Prüfungsherren  jahraus  jalu-- 
ein  das  meiste  Gtswicht  legen,  auf  welchen  Gebieten  resp.  Fragen  sie 
mit  Vorliebe  verweilen,  welche  Aussprüche  oder  Ansichten  —  z.  B. 
solche,  die  von  einem  literarischen  Gegner  stammen  —  man  ja  nicht 
vorbringen  darf,  durch  welche  Worte  man  ihr  WolwoUen  ciTingen 
kann,  so  dass  sie  „liebenswürdig"  examiniren.   Mag  man  die  Sache 
tadeln  —  es  ist  unter  den  gegenwärtigen  Prüfuugsverhältnissen 
fremden  Examina loren  gegenüber  ein  Act  der  Nothwehr,  und  man 
braucht  sich  nicht  zu  wundern,  dass  solch  ein  Verfahren  auch  schon 
bei  jungen  Mädchen  in  Hilfsseminai'en  ohne  Berechtigung  zur  Abgangs- 
prüfung im  Schwange  sein  soll. 

Em  Voi-schlag  wie  der  oben  geschilderte  ist  selbstverständüch 


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581  — 

fnr  Universitäten  nicht  geei^et.  Derselbe  ist  anch  fiir  Seminarien, 
in  denen  junge  Leute  beiderlei  Geschlechts  unter  Vorsitz  eines 
Regierungsvertreters  von  den  eigenen  Lehrern  gepnüi  werden,  nicht 
nothwendig;  alter  Hir  die  Tausende,  die  jahraus  jahrein  sich  einer  Prü- 
fung duich  trenide  Examinatoren  unterziehen  müs>sen,  ist  die  geforderte 
Anweisung  und  Einrichtung  dmchaus  nöthig  und  wird  sich  als  hüchüt 
segensreich  erweisen.*) 

*)  Der  Ausarbeiter  einer  solchen  Schrift  wttrde  cB.  unLiteraturtreschicbte 
die  genaue  Inhal tFanjjahe  bmiciitcnilcr  Kunnt werke  (Draiiicn,  E\>(-n,  lyriHclier 
^Tediuhte),  wichtiger  ästhetischer  Abhandlungen  (wie  J'hcr  uaive  and  senti- 
mentidische  Dichtkunsf  von  Schiller,  „Uber  die  Fabel"  von  Lessing),  wichtiger,  des 
StodioiDs  noch  jetst  werter  Bflcher  (wie  Goethei  „Wahrheit  lud  Dichumg") 
fofdeni,  und  nicht  Teitangen,  dam  die  Jongen  Kidehen  Namtn  und  Weriw  tob 
Di(-htem  und  Schriftstellern  frtlhorcr  Jahrhunderte  auiStfUen  eoUent  vm  die  iidh 
eelbft  LitezKrhistoriker  tob  Peeb  gur  nicht  mehr  bekflnunern. 


4 


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Has  Extemporale  in  der  Yolksschiile. 

Von  Ogkar  JParUtaehrDreaden, 

In  den  höheren  Schulen  et^Tiießt  das  Kxteniporale  voti  altersher  das 
Bürgerrocht.  Die  Schüler  bi  inL«  n  ihm  freilich  zu  einem  nicht  geringea 
Theile  tiefe  Abneigung  entgegen,  weil  sie  nm  Erfahrung  wissen,  dass 
es  di(  Jxliiff  zwischen  dem  vSoll  und  dein  Jhils-m  oft  in  ihrer  ganzen 
Breite  und  Tiefe  enthüllt,  ja  zuweilen  sogai*  größer  ersclieinen  lässt, 
als  sie  in  Wahrheit  ist.  Die  Lehrer  dagegen  schätzen  es  als  ihr  zii- 
verhissig-stps  f'!-iifunf:?smittel,  das  sie  p:ar  niclit  missen  kr>nnen,  weil  die 
hüheien  .Seliuleu  stets  mit  der  Unredlichkeit  einiger  Schüler  zu  rechnen 
haben  und  heute  noch  wie  fi'äher  fast  dur<*hgängig  an  dem  Fach- 
System,  an  der  dogmatischen  Methode,  an  dem  Ubermaü  des  Stoöes 
und  in  gewissen  Fächern  auch  an  der  Uberwucherung  der  mündlichen 
Übung  durch  die  schriftliche  kranken.  Diese  Missstäude  verhindern 
die  Entstehung  eines  sicheren  und  einhelligen  Urtheils  über  den  Schüler 
und  lassen  den  Lehrern  das  Extemporale  als  ein  unentbehrlicheß 
Prüfungsmittel  erscheinen.  In  der  Volksschule  kanu  es  diese  Be- 
deutUDg  niemals  erlangen,  weil  die  VoraaBsetzmigen,  jene  Übel,  fast 
gfinzHclL  fehlen.  Ea  kann  daher  nur  dann  einen  Flatz  in  ihr  be- 
anspracbeii,  wenn  es  anderen  Zwecken  dienstbar  zn  machen  ist.  Das 
ist  auf  zweierlei  Weise  möglich.  Ks  kann  ihm  eatweder  die  Be- 
stimmimg gegeben  werden,  nicht  allein  für  die  Leistungen  der  Schüler, 
sondern  auch  fftr  den  Stand  der  OlasaeD  und  für  die  Wirksamkeit  der 
Lehrer  eine  zuverlässige  Statistik  zu  schaffen,  oder  es  kann  ihm  der 
Charakter  eines  Prüfungsmittels  yOlli^i:  abgestreift  und  der  eines 
Bildangsm Ittels  aufgeprägt  werden.  Beide  Gestaltungen  des  Ex- 
temporales sind  f&r  die  Volksschale  wichtig  und  einer  allseitigen 
Beleuchtung  wert. 

L 

Soll  das  Extemporale  in  dem  angefthrten  üm&nge  als  Prflfiuigs- 
mittel  dienen,  so  darf  das  Verikhren  der  höheren  Sehnlen  naliiüeh 
nicht  einfRcb  copirt  werden.  Es  machen  sich  vielmehr  folgende  Mafl- 
legehi  nötbig:  die  Aufgaben  stellt  ein  Mitglied  der  Schulbehfirde  — 


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\ 


—   683  — 

nicht  der  Classenlehrer  —  für  alle  Classen  einer  Stufe  gleichlautend; 
die  Überwachung  der  Kinder  und  die  Correctur  dei'  Aibeiten  besorgt 
ebenfalls  nicht  der  Vorsteher  der  Classe,  sondern  ein  anderer  Lehrer 
unter  Controle  des  Vorgesetzten;  jede  Classe  wird  dergestalt  in  mehreret 
verschiedene  Aufgaben  beai'beitende  Gruppen  getheilt,  dass  kein  Schüler 
sich  bei  seinem  Nachbar  Baths  erholen  kann;  allen  Classen  wird  das 
gleiche  Zeitmaß  gewährt;  die  Arbeiten  werden  nicht  censirti  sondem 
die  Fehler  werden  in  Gruppen  gesondert,  gezählt  and  dann  mit  den 
Ergebnissen  der  Parallelclasm  zusammengestellt. 

Man  sollte  meinen,  dass  unter  der  Herrschaft  dieser  Bestimmungen 
ein  absolut  treues  nnd  zutreffendes  Bild  der  Leistungsfähigkeit  der 
Schüler,  der  Classen  und  der  Lehrer  erzielt  werden  müsste.  Dem  ist 
jedoch  nicht  sol  Versoche  ^eveisen  vielmehr  das  Gegentheil.  Sie 
fördern  Ergebnisse  zu  Tage,  die  den  berechtigten  Erwartungen  nicht 
entsprechen  und  der  Tfa&tigkeit  des  Lehrers  das  ungünstigste  Zeugnis 
ausstellen.  Das  lässt  vermuten,  dass  die  Glieder  der  Bechnnng  fiilsch 
sind.   Und  so  ist  es  in  der  That 

Einen  sehr  erheblichen  Antheü  an  den  schlechten  Besnltaten  hat 
in  erster  Linie  die  Bestirnnmog,  dass  die  Themen  Ton  einer  anfierhalb 
der  Classe  stehendni  Persönlichkeit  gegeben  werden;  denn  sie  be» 
gOnstigt  die  Wahl  soldier  Aufgaben,  denen  der  Schiller  nicht  gewachsen 
ist,  weil  sie  entweder  sein  Wissen  nnd  Können,  oder  seine  Geistes- 
kraft, oder  aach  beides  ttbersteigen. 

Der  Erwachsene  mit  seinem  reichen,  klaren,  geordneten  nnd  stetig 
-wachsenden  Wissen  hegeht  gar  leicht  den  Fehler,  hei  dem  Ehude  zn 
viel  Toranssnsetsen,  nnd  zwar  wird  er  am  so  eher  eine  Beate  dieses 
Jrrthnms,  je  weiter  ihn  Alter  nnd  Büdnng  Ton  der  SphSre  des  Kindes 
entfernt  hahen,  und  je  weniger  er  Gelegenheit  hat«  den  Geist  der 
Schüler  in  Besag  auf  die  Aufgabe  zu  sondiren.  Zudem  tSnscht  sich 
der  Erwachsene  in  der  Bogel  gar  sehr  ftber  die  GröHe  seines  geistigen 
Besitzes  in  üHlheren  Jahren.  Er  Temnthet  daher  bei  dem  Kinde 
Kenntnisse  nnd  Fertigkeiten,  die  er  seihst  erst  in  sp&teren  Jahren 
mit  gereifterem  Geiste  erworben  hat;  er  meint,  dass  das  Kind  ebenso 
wie  er  alles  das,  was  es  mit  seinen  Sinnen  mehrmals  wahrgenommen 
hat,  auch  denkend  aufgefasst  und  den  Beihen  seiner  Vorstellungen 
und  BegriffiB  eingeordnet  haben  müsse,  und  dass  es  von  dem,  was  ihm 
Schule  und  Leben  zum  Bewnsstseln  gebracht  haben,  wenigstens  das 
Wichtigste  (nAmlich  das,  was  gerade  ihm  wichtig  nnd  interessant  er- 
seheint) immer,  selbst  nach  Jahren  noch,  prflsent  im  Geiste  liegen 
haben  müsse.  —  Insbesondere  bleibt  bei  der  Wahl  der  Aufgaben  sehr 


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—  Ö84  — 

oft  der  Umstand  außer  aclit,  da:?s  das  Kind  die  scliiiftliclie  Darstellung 
(Orthographie  u.  dergl.)  bei  weitem  nit-ht  mit  der  J^icherheit  vollzieht 
\vie  der  j^ereifte  Älann,  dessen  Wis^scn  und  Können  auf  diesem  Gebiete 
feo  gefestet  ist,  dass  es  fast  unbewusst  in  die  Erscheinung  tritt.  Anders 
bei  dem  i\inde.  Ks  darf  sein  Xaclideuken  nicht  allein  auf  den  Ge- 
dankengeiialL  richten,  sondern  es  muss  auch  der  äußeren  Dar.stellunjr 
bestuuiig  volle  Aufmerksamkeit  zuwenden.  Zwei  so  verschiedeneu 
Herren  gleichzeitig  zu  dienen,  das  geht  jedoch  meist  über  sein  Wissen 
und  Können  und  immer  über  seine  Kraft. 

Der  Unterschied  zwischen  der  Geisteskraft  eines  gereiften  und 
geschulten  iMannes  und  der  eines  Kindes,  das  noch  in  der  P^ntwicklung 
begritfeu  ist.  wird  sehr  oft  zu  genug  veranschlagt.  Allein,  was  dem 
Unmündigen  unübersteigliche  Hiudernis.se  bietet,  das  überwindet  der 
Erwachsene  vennr»ge  der  Sicherheit,  mit  der  er  über  seine  Vorstellunijen 
und  Begritie  verfügt,  vei  inöge  der  Fertigkeit,  die  er  im  l'i  ulcii,  u Ue- 
dem uud  t)i'dnen.  in  der  sprachlichen  und  scliriftlicheu  Gestaltung 
seiner  Gedanken  be.sitzt,  mit  Leichtigkeit.  Infolgedessen  entsteht  in 
ihm  der  Wahn,  dass  das,  was  für  ihn  so  leicht  ist,  für  die  Kinder 
Uüiiiüglich  zu  schwer  seiu  könne,  und  er  glaubt,  von  dem  t-ignen 
Können  unbedenklich  auf  das  der  Kinder  schließen  zu  dürfen.  Aber 
nichts  lüi  lalscher  als  diese  .Meinung!  Sie  verkennt  die  Entwicklung 
des  Geistes  und  verstößt  gegen  Gesetze,  die  mit  der  Strenge  der 
Naturgesetze  walten  und  nicht  hinwegdecretirt  oder  durch  vornehuJe? 
Ignorirt  11  ;iußer  Kraft  gesetzt  werden  können.  -Nur  Beobachtung  kann 
über  den  ZuisLaiid  des  (ieistes  unterrichten;  niemals  abei-  können  sub- 
jectives  Meinen  oder  l)loöes  Vermuthen  darüber  entscheiden.  Daher 
sind  angemessene,  der  Deistuns-sfahigkeit  eutsi)rechende  Aufgaben  iuv 
die  Extemporalien  einzig  und  allein  bei  genauer  Kenntnis  des  positiven 
Wissens  und  Krmnens  wie  der  Geisteskraft  der  Prütlinge  zu  stellen« 
Idacht  doch  selbst  der  mitten  in  dei'  Schularbeit  stellende  Lehrer  sehr 
oft  die  Erfahrung,  dass  er  mit  Stoflf  oder  Behandlungsweise  über  die 
Capacität  seiner  Schuler  hinausgegangen  ist.  Wenn  diese  übei-schatzt 
wild  uiul  die  Aufgaben  zu  schwielig  gestaltet  werden,  dann  gibt  das 
Extemporale  nicht  das  wahre,  sondern  ein  entstelltes  Bild  \on  den 
Leistungen  des  Kindes,  Ton  dem  Stande  der  Classe  und  von  der 
Thätigkeit  des  Lehrers.  Der  Zweck  der  Prüfungsai'beit  wird  also 
durch  einen  derartigen  Irrthum  geradezu  vereitelt,  und  es  ist  umsomehr 
schade  um  die  Zeit  und  die  Mühe,  die  auf  die  Niederschiift  uud  die 
CoiTectur  verwendet  werden  mussten,  als  der  sachliche  Wert  der 
Arbeit  nur  gering  und  der  SchUlei*  uidit  gefördert  worden  ist  In 


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—  Ö8Ö  — 


der  Schule  ist  aber  jede  Stunde  verloreo»  die  ohne  Nutzen  für  die 
BÜdoBg  der  Zöglinge  geblieben  ist 

Die  andere  Maßnahme,  die  ganz  falsche  flrgebnisse  zeitigt,  ist  die 
Zählung  der  Fehler  und  die  Correctur  durcli  fremde  Lehrer.  Sie 
gi'iindet  sich  auf  den  Glauben,  dass  so  der  AV'ert  der  Arbeit  in  der 
objectivsten  Weise  gekennzeichnet  und  gleichzeitig  allem  subjectiven 
Belieben  der  stärkste  Kiegel  vorgeschoben  werde.  Das  ist  jedoch  nur 
Schein!  Die  Güte  der  Arbeit  und  die  Zahl  der  Fehler  entsprechen 
sich  durchaus  uu:lii,  denn  die  Zahlung  der  Fehler  ermittelt  nur  die 
Menge  der  Verstöße,  gibt  aber  kein  Urtheil  über  den  Wert  der 
Arbeit.  Bei  diesem  Verfahren  mnss  eine  inhaltbreiche  und  gewandte, 
jedoch  mit  Form-  und  Schreibfehlern  behaftete  Arbeit  einem  dürftigen 
und  gewöhnlichen,  aber  fehlerlosen  Machwerk  den  Vorrang  lassen. 
Zählang  der  Fehler  kann  nur  bei  Arbeiten  gleichen  Inhalts  und  Um- 
fangs,  wie  bei  Dictaten,  Rechenaufgaben  und  Übersetzungen,  als  aus- 
reichend erachtet  werden,  und  auch  da  nur,  wenn  zweifellos  festgestellt 
ist,  was  als  Fehler  zu  zählen  ist,  und  wenn  sich  alle  Correcr* n  n 
streng  an  diese  Abmachung  binden  Die  Fehler  sind  ja  doch  von  sehr 
veröchiedeaer  Art.  Kin  Flüchtigkeiist'ehler  dai"f  den  übrigen  nicht 
gleichwertig  zugezählt  werden,  sonst  würde  nimmermehr  eine  gorefhte 
Bezifierung  der  Leistungstahigkeii  der  Schüler  und  der  Wirksamkeit  t 
der  T.elirrr  zu  stände  kommen  k«inneii.  Ult  ist  es  aber  schon  für  'len 
Classeiiiehrir  hi  l!\\>r.  zu  eutscheulen,  ob  ein  Fehler  aus  Flüchtigkeit, 
oder  ans  Inkenntnis  entsprungen  ist,  wie  viel  größer  ist  diese 
Schvat  riiikcit  lür  den  Lehre)-,  der  die  Kimln-  nicht  kennt!  In  den 
meisten  i^'cillen  wird  er  den  b  «  hier  zählen  müssen  und  dadurch  das 
Urtheil  zu  Ungunsten  des  Schulers  wie  des  Lehrers  verschieben.  Das 
beliebte  Verfahren  führt  nach  alledem  nicht  zu  einer  objectiven  Wer- 
tung der  Leistungen. 

Dazu  kommt  noch,  dass  es  das  Verhältnis,  das  zwischen  der 
liänge  einer  Arlieit  und  der  Zahl  ihrer  Fehler  besteht,  ganz  nnbeachtet 
lässt.  Der  unerfahrene  Schüler  bemüht  sich,  in  der  gegeb<^nen  Zeit 
in  aller  Eile  seine  ganze  Weisheit  darzulegen,  ohne  in  seiner  Emsig- 
keit zu  fragen,  ob  alles  richtig  ist.  Der  durch  schlimme  Erfahrungen 
gewitzigte  hat  dagegen  die  Vorsicht  als  das  bessere  Theil  erkannt 
und  bestrebt  sich,  jedweden  Fehler  durch  Kürze  und  reifliche  TT>er- 
legnng  zu  vermeiden.  Die  Zahlen,  die  bei  der  Correctnr  der  so  ent- 
standenen Arbeiten  erscheinen,  geben  natürlich  keine  zutretende  Aus- 
kunft über  das  Wissen  und  Können  der  betreffenden  Schüler. 

Von  nicht  geringem  läinfloss  auf  den  AnsfoU  des  Extemporales 


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sind  drittel»  die  ftniSeren  ümstftnde,  unter  denen  ee  za  fertigen  Ist 
Erzeugt  schon  der  Gedanke,  dass  eine  Prüfinig  beTorstekt,  in  dem 
Einde  eine  gewisse  ünnihe,  so  steigert  sieb  diese  in  der  ganx  an» 
gewOlnUebeii  Lage,  die  das  Extempmle  schaiFtt  an  Befongenheit  und 
Verwirmng.  Eine  sokhe  Geisteem&ssQng  ist  gewiss  die  nngünstigte 
In  die  ein  Examinand  gerathen  kann:  er  fördert  Fehler  za  Tage,  die 
ihm  bei  mliigem  Blnte  niemsls  entsddflpte  vQrden.  Diese  Wirkung 
ist  bei  dem  einen  Schfiler  großer  als  bei  dem  andern;  dean  «e 
von  der  Katar  des  Geistes  abhängig.  Sie  bleibt  sich  jedoch  auch  bei 
dem  einen  nicht  gleich,  sondern  ist  bald  st&rker,  bald  schwächer, 
welche  Schwankungen  theils  durch  die  jeweilige  Stimmung  des  Geistes, 
theils  durch  die  hemmenden  oder  fordernden  Einflüsse  der  betheiligteii 
Personen,  der  Zeit  und  der  übrigen  äußeren  Umstände  hervortreriifcn 
werden.  Die  großen  Unterschiede,  die  sich  zuweilen  zwischen  luchreren, 
III  -aiiz  kurzen  Zwisclienriiunien  gefertigten  Ülausurarbeitcn  tindeii, 
und  die  sich  am  aultalligsten  bei  Rechenaufgaben  und  Dictateu  zeigen, 
erklären  sich  ganz  uiigtzwuugen  aus  jenen  Ursachen. 

Der  Jugend  gelit  fast  allgemein  die  rulüg  wägende  Bedächtigkeit 
ab,  die  allein  ein  fehlerloses  Extemporale  sichert;  ein  leichter  Sinn 
beherrscht  sie  und  verleiht  ilii-  neben  den  Eigenschaften  der  Heiterkeit 
und  \VidersraHil>iahigkeit  leider  auch  die  der  Flüchtigkeit,  die  wir 
Lehrer  so  oft  beklagen,  die  wir  aber  um  jen^tr  wijii  n  mit  in  den  Kauf 
nehmen  müssen.  Wird  der  Knabe  durch  Zurufe,  i^^m würfe  und  Fragen 
zu  reiflicher  Überlegung  uud  besonnener  Thätigkeit  genöthigt,  und 
werden  so  seiner  Flüchtigkeit  Zügel  angelegt,  so  umschiftt  er  sicher 
die  Klippen,  an  denen  er  sonst  regelmjißig  strandet.  Glausurarbeiteu 
zeigen  den  Schüler  daher  nie  —  Aufnahmen  sfotien  die  Regel  nicht 
um  —  auf  seinem  wirklichen,  sondern  st^ts  auf  einem  niedrigeren 
Standpunkte.  Bei  mechanischer  Zähhincr  der  F^'hler  bleibt  diese  Tliai- 
sache  unberücksichtigt.  Daraus  geht  i  Im  ntall-  l)t>rvor,  dass  das  Ur- 
theil  üVier  den  iSchüler,  welches  hioa  aul  lif  Ergebnisse  der  Extern- 
puraiieu  gegrüiulet  wird,  unrichtig  sein  muss.  Am  größten  wird  die 
Differenz  zwischen  dem  Schein  und  der  \\  irklichkeit,  wenn  es  nicht 
gelungen  war,  für  alle  Abtheilungen  der  Ciasse  gleich  schwierige  Auf- 
gaben zu  finden,  und  wenn  das  Unglück  gerade  den  schwächeren 
Schülern  die  schwierigeren  TheuKn  aufgebürdet  hatte. 

XiH-h  T.age  der  Sache  ist  es  ganz  unmöglich,  die  Mängel,  welche 
das  rrüfuugs-Kxtemporale  begleiten,  abzustellen.  Sie  können  nur  ab- 
geschwächt werden,  so  dass  sich  die  Resultate  nicht  zu  weit  von  der 
Wahrheit  entfemea.  Ui  es  nach  alledem  den  Ji^temporalieft  Dicht 


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—  687  — 


Eiöglich,  die  Leist uüg^sfäliigkeit  der  Schüler  in  zuverlässiger  Weise  zu 
beziffern,  so  können  aucli  die  Suuiuien  der  jafefnndenen  Zahlen  keine 
sicheren  Grundlagen  lui  eine  Verj^leichung  der  Parallelclassen 
untereinander  abgehen.  Es  machen  sich  zwai-  die  ^Mängel  dos  Ver- 
tiüirens  in  allen  Classen  geltend,  aber  in  jeder  in  einem  besonderen 
Grade,  wie  aui?  den  vorstehenden  Darlegungen  ohne  weiteres  hervor- 
geht. Noch  weniger  treilich  k  niien  jene  Zahlen  die  Tluitigkeit  des 
Lehrers  werten,  da  sie  —  und  dadurch  wird  ihre  Uiizuverlässigkeit 
gesteigert  —  keine  ßücksicht  auf  die  Vorbildung  der  Zöglinge,  auf 
die  Proceutsätze  der  Nachzügler,  der  Schwachen  und  der  Begabten 
nehmen,  obschon  diese  Momente  von  dem  erheblichsten  Einfluss  auf 
das  Bild  einer  Classe  sind.  Das  Prüfungs-Ex temporale  erfüllt  dem- 
nach seine  Aufgaben  nicht  und  hat  deswegen  keinen  Platz  in  der 
Schule  zu  beanspnichen.  Zu  dieä>er  Überaeugung  führt  noch  zwingen- 
der eine  Betrachtung  der  Übel,  die  in  seinem  Gefolge  in  die  Schule 
fiinzielieu. 

Der  aufmerksame  Beobachter  macht  bei  Clan«urarbeiten,  die  zum 
Zwecke  der  Prüfung  gec-ebon  werden,  solir  häutig  folgende  Beobachtungen. 
Das  Kind  sieht  sich  uri»!  »(zlich  vor  einem  Thema,  das  ihm  mr  nicht 
geläufig  ist,  ja  das  ilim  vielleicht  noch  niemals  in  den  Ömu  gekommen 
ist.  Rathlos  starrt  es  in  die  Ecken;  zwar  tauchen  alsbald  einige  Ge- 
danken auf,  aber  sie  schwiiren  wirr  durcheinander,  ohne  sich  zu  ge- 
stalten und  zu  einem  schönen  Bau  zu  gliedern.  Befangenheit  und 
Aufregung  lasten  schwer  auf  dem  Gemüthe;  unter  ihrem  Drucke  ver- 
mögen von  den  in  den  Tiefen  des  (leistes  schliiiiinit  rnden  (Tedauken 
nur  wenige  zum  Fliehte  emporzusteigen,  und  der  ruhende  Pol  in  der 
Erscheinungen  iucht  verhüllt  sich  dem  Auge.  Allein  die  Zeit  drangt, 
endlich  wird  die  Jloßtmng  aufgegeben  und  zur  Feder  gegriifeii.  Der 
Erfolg  spiegelt  dann  ganz  getreu  den  Zustand  des  Geistes  wieder.  In 
solchen  Zwangslagen  wird  jene  schlatfe  und  oberflächliche  Art  zu 
denken,  die  nach  Diesterwegg  treüenden  Worten  „Gedanken  zu  Papier 
fördert,  ohne  eigentlich  dabei  zu  denken geradezu  befruchtet.  Nach- 
dem die  Schüler  den  geschilderten  Vorgang  mehrmals  durchgemacht 
haben,  lassen  zwar  Angst  und  Befangenheit  nach,  aber  das  Ergebnis 
wird  nicht  besser,  weil  jenes  Plus  durch  die  nimmehr  eintretende 
Gleichgiltigkeit  reichlich  aufgewogen  wird. 

Es  gibt  jedoch  fast  in  jeder  Classe  mige  Schttler,  die  dem  Ex- 
temporale mit  £>euden  entgegensehen,  da  es  ihnen  in  der  Begei 
bessere  Oensnren  einträgt  als  den  Genossen.  Das  sind  diejenigen  ge- 
weckten und  lebhaften  Geister,  die  gern  an  Tisleai  naschen,  aber  zu 


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—  588  — 


aasdaaernder,  ernster  und  strenger  Arbeit  nicht  gestinat  sind,  nun 
erscheint  ein  Extemporale  als  eine  kurzweilige  AbwecMitiig;  legt  es 
doch  ibi-em  Denken  tmd  Thon  gar  keine  Fesseln  «a.  Die  leifibt  er* 
rungenen  Erfolge  Menden  aber,  erzeugen  Ol)erhebiing  über  die  bog* 
sanieren  Naturen,  verdunkeln  deo  Wert  emster,  anbtltendsr  Aibflit 
und  erwecken  wd  gar  Animosität  gegen  den  strengen  Bicktar  der 
übrigen  Leistungen.  So  erregen  die  Extemporalieii  bei  den  efaMB 
Missmuth,  Unlust  und  Gkichgiitigkeit,  hü  äm  anderen  DQnkel  md 
Trotz. 

Die  Volksschule  hat  die  Aufgabe,  durch  den  Unteiridit  den  Geilt 
zu  bilden.  Mancherlei  ist  ihr  dabei  hinderiich,  auch  das  IBsütmpank, 
das  wie  ein  Hemmschuh  wirkt,,  sobald  es  als  Prfilüngsmittel  gestaltet 
und  zur  entscheidenden  Instanz  bei  der  Frage  nach  der  Fflitemg 
der  Schüler  erhoben  wird.  Sehirache  und  ehrgeizige  Natoren,  die  es 
überall  gibt  und  immer  geben  wird,  lassen  sich  alsdann  verleiten,  das 
Hauptgewicht  je  länger  je  mehr  auf  Wissen  und  Können  2U  legen 
und  über  dem  Steffis  den  Z()gling,  über  dem  »Was''  das  »Wie"  n 
vernachlässigen.  Sie  widmen  ihre  ganze  Kraft  dem  Einpanken  des 
Stoffes  und  dem  Abriebt«!  des  Schülers  und  suchen  die  Entwickhng 
der  Geisteskräfte,  die  natuigemäß  imm^  nnr  langsam  W  sich  gebt, 
zu  beschleunigen.  Ihre  Losung  heißt:  Präsentes  Wissen!  Der  H«mAIi^ 
materialismus  hält  seinen  Einzug  in  die  Schule,  und  die  Überbtrdng 
fulgt  ihm.  So  verliert  aber  die  Schule  d^  Charakter  einer  Bildungs- 
stätte; sie  wird  ein  Ort  der  Verbildung  und  der  QnaL  Um  alF  dem 
vorzubeugen,  hat  die  Schulconferenz  in  Berlin  seinerzdt  festgesetzt,  dass 
in  den  höheren  Schulen  sowol  bei  den  Jahr^-  wie  aneh  bei  den  Abgangs- 
prüfungen nnr  auf  die  Stoffe  Bezug  genommen  werden  ditlis^  die  ii 
dem  verflossenen  Jahre  eingehend  behandelt  werden  sind.  Und  was 
d^  Gymnasiasten  recht  ist,  ist  dem  YolksschfUer  geiwisa  billig. 

Da  die  Correctur  der  Extemporaü^  weder  dnrek  den  Glassefr 
lehrer,  noch  durch  einen  Vorgesetzten  erfolgen  kann,  aooten  dorch 
einen  anderen  Lehrer,  der  noch  dazu  oft  Vertreter  einer  ParsUeldasse 
ist,  vorgenommen  werden  muss,  so  wird  die  EntsQheidnng  Uber  die 
Leistungen  des  Lehrers  trotz  aller  Cautelen  dooh  bis  an- einem  ge- 
wissen Grade  in  Hände  gelegt,  die  an  dem  Ergebnis  iataresitrt  M. 
Daher  kann  gerade  derjenige,  wekher  recht  gewissenhaft  cenigirt 
und  zählt,  in  den  Verdacht  kommen,  dass  er  das  BesHltal  n  üih 
gunsten  seines  Collegeu  herunterdrücken  wolle,  während  dnr,  welebir 
nicht  so  rigoros  vertährt,  sich  d^  Vorwurf  zuziehen  kann,  dais  er  es» 
in  günstigem  Sinnß  beeinflussen  wolI&   Die  Einrichtung  sieit  abs 


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-  689  — 


^Misstraiien  und  Unfiieden,  ja  sie  kann  8^ar  zu  alifiiehtUcher  Ver* 
(liinkelmi<i:  der  Waliiheit  vertuhren. 

Bei  dem  beschriebenen  VerfaUi'en  wird  die  Leistungsfähigkeit  der 
Schüler  oft  mit  Maßstäben  gemessen,  die  der  Lelirei*  nicht  als  die 
riclitigen  anerkennen  kann.  Wenn  die  gefundenen  Zahlen  aber  trotz- 
dem als  die  absolut  riclitige  Weitung  seiner  Wirksamkeit  hingestellt 
werden,  so  muss  eine  solche  Erfahrung  auf  die  Berufsfreudigkeit 
wirken  wie  ein  Frost  in  der  Frühlingsnacht  auf  das  junge  Grün. 
Niemand  wird  behaupten  wollen,  dass  die  vagen  firgebniase  der  £x- 
temiKniilien  diesen  Schaden  aufwiegen. 

Sonach  steht  folgendes  fest:  das  Extemporale,  daa  zu  Prüfungs- 
zwecken gestaltet  wird,  verfehlt  seine  BeBtinunung;  es  bef5rdert  in 
den  Schülern  oberflächliches  Wesen  und  erzeugt  Gleichgiltigkeit  oder 
Unzufriedenheit;  es  lenkt  die  Arbeit  des  Lehrers  in  falsche  Bahnen, 
saet  Misstranen  und  Zwietracht,  untergräbt  die  Collegialität  und  ge- 
fährdet die  BemUBfrendigkeit  Deshalb  mflnen  sich  P&dagogik  irie 
Moral  gegen  die  ganze  £inrichtang  erklAren. 

n. 

Als  Prüfungsmittel  gehört  das  Extemporale  nicht  in  die  VoUcs- 
sckole,  wol  aber  Terdient  es  einen  Platz  in  ibr  als  Bildungsmittel. 
Ein  solcbes  ist  es,  wann  alle  die  Maßregeln  unterbleiben,  die  es  nur 
Gewimrang  statistisdier  GnnuUagem  geschickt  machen  sollen,  wenn 
sejn  Stoff  dem  SchUer  innerhalb  der  einem  nnreilen  Heaschin  ge- 
aog«ien  ^enaen  hinreichend  yertrant  ist,  and  wenn  es  seinen  Kräften 
angemessen  ist  Es  ist  Jedoeh  nicht  Jede  beUeUge  An^^abe,  die  diesen 
Bedingungen  genügt,  zor  FOrderang  der  Büdung  geeignet  Verlangt 
sie  nftmlieh  Ton  dem  Schiller  blos  den  Nadmds,  dass  er  das  vor- 
geschxielMne  Pensum  erfust  hat,  dann  ist  sie  wol  an  PrOlongBawecken 
redit  passend,  aber  dem  Büdnngsaweck  der  Schnle  ledstet  sie  nur 
ganz  bescheidene  Dienste.  Site  mnss  anders  bescbaffisn  sehi.  Sie  mnss 
versehiedeae  Wege  olftn  halten,  neue  Beziehnngen  herstellen  and  nene 
Foiinen  finrdern;  sie  mnss  zn  einer  in  Anfban  nnd  Ansdnick  selbstp 
ständigen  Beprodnction  dessen  anregen,  was  finsch  nnd  nnverdnnkelt 
im  Geiste  haftet  und  zn  festem  Eigeathnme  geworden  ist  Sie  mnss 
auch  dem  schwächsten  SchOler  die  Mäglichkeit  gewähren,  eine  ver- 
hältnism&ßig  gute  Leistong  zn  stände  zn  bringen,  während  sie  anch 
dem  begabtesten  Anstrengung  Terorsachen  mnss,  wenn  anders  er 
seinen  Ehrenplatz  uaA  seinen  Bnf  behaupten  will   Aufgaben,  die 


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—   Ö90  — 


diesen  Wmömaigak  entspnclm,  bietea  sieh  diem  ClaniMiilflluor  im 
Gange  des  ünterriehto  io  genügender  Meng«.  Indem  er  sie  in  den 
Formen  des  Extemporales  bearbeiten  ÜBst,  gewinnt  er  ein  wertroUes 
IQttel,  den  Bildnngasweck  der  Schale  m  fOrdem. 

Der  Schaler  wird  dnreh  die  AniiKabe  in  eine  FfiDe  von  Stoff  ge- 
steUt  nnd  genothigt,  ein  Gfanaes,  das  ihm  Jedoch  in  allen  TbeAeD  ver- 
traat  ist,  sn  iUberschaaen»  nnd  snerst,  ehe  er  aeuMsa  Blidc  auf  die 
Einadbeiten  lenkt,  einen  Plan  Aber  das  Ganse  im  Geiste  anfirastellen. 
So  lernt  er  besser  als  anf  andere  Weise  das  Wesentiiehe  von  dem 
Unwesentlichen  scheiden  nnd  den  Inhalt  Ton  der  Form  treanen.  Die 
Begaamkeit  nnd  Selbstthätigkeit  des  Geistes  wird  in  der  wirimamaten 
Weise  geflirdert  Er  wird  von  dem  Gängelbande  des  Goaeepts  nnd 
von  der  Heimmg  anderer  befreit  nnd  geswungen,  anf  fremde  HlUSe 
und  fremden  Bath  an  verrichten  nnd  sich  anf  die  eigenen  FOfie  an 
stellen.  Dabei  erwirbt  der  Schlier  die  Erkenntnis,  dass  vorschneUes 
und  vnftbedegtes  Handeln  sich  bald  nnd  empfindlieh  rftdit.^  Diese  Ep- 
frkhmng  wird  ihm  heilsam:  sie  mahnt  ihn  sn  reiflicher  Übedegung, 
nnd  sie  gewohnt  ihn,  die  Feder  erst  dann  anxnsetaen,  wenn  der  Ge- 
danke klar  vor  dem  geistigen  Auge  steht  So  ist  das  Eztempomle 
ein  wirksames  llittei,  der  leichtfertigen  Art  an  begegnen,  die  den 
Gedanken  an  Pa^er  bringt,  bevor  er  ansgeieift  ist  Ebenaosehr  wie 
die  Voreiligkeit  bekSmpft  es  daa  Ängstliche,  zaghafte  WiUen  nnd 
Probiren,  das  nnentBeUosseae  nnd  HerwAwanken  awischen  zwei 
Wegen  nnd  vmiaagt  nnd  Ordert  entschlossenes,  thatkrifligeB  Zu* 
greifiBn  und  selineUeB  läitscheldeB.  FreOidi  Unft  dabei  mancher  Ver 
atoß  geg^  die  Logik,  mancher  Mangel  des  Ansdmcka,  mancher 
SdneibfiBhler  mit  nnter,  aber  daa  mindert  den  Wert  der  Übung  nidtt; 
denn  sie  befördert  das  Wachsthnm  des  Geistes^  Sie  gewflhrt  dem 
Schüler  die  Befriedigung,  in  selbststftDdigei  Weise  thitig  sein  mid 
aus  eigener  Kraft  ein  brauchbaiee  Werk  aehafitan  au  können.  Sie 
weckt  nnd  nihrt  daa  Gefllhl  der  VerantwortUidfteit  für  Jeden  Strich 
nnd  jeden  Satz  in  hSherem  Grade  als  jegliche  andere  Arbeit  Sm 
stlikt  das  Woigefallen  nnd  die  F^de  am  Schallbn  nnd  krüftigt  den 
Math  zn  selbststandigmr  Thätigkeit  Von  soldmn  fireien  Arbeiten  gilt 
in  ganz  beaonderem  llafie,  was  Heider  vom  Schreiben  ttberim^t  sagt: 
»Der  Griffel  schärft  den  Verstand,  berichtigt  die  Sprache,  entwickelt 
Ideen  nnd  nuicht  die  Seele  in  wnnderiMrer  Weise  thAtig." 

Manche  Schfller  der  Obendassen  ,>  besondors  MIddien,  find^  in 
ihrem  noch  ongelänterten  Geechmacke  WolgefiiUen  an  sdiw&lstigem 
Sat^an,  am  Häuf^  von  Bildern  nnd  an  gesuchtea  Wendungen.  Das 


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—   ööl  — 


Exteniptiiale  Iiiudert  sie,  diesen  Abwegen  nachzugehen  und  nöthigt 
•jsie,  ihre  Gedanke?!  einfüL'h  auszudrücken. 

So  ist  das  hxieijiporale  nach  -fielen  Riclitimg-eu  hin  von  dem 
heilsams!  11  Einfluss  auf  das  LeV>eTi  des  (Teistes.  Nicht  gleichwertig-, 
aber  iiumerliin  "wichtiir  mii:  ist  seine  Wirkung  auf  die  äußere  Ord- 
nung und  die  S(üiüuheit  der  schriftliclien  Arbeiten.  Ks  ist  selbst- 
verständlicli,  dass  das  Extemporale  wol  schnell,  aber  dennoch  möglichst 
sauber  und  sorgsam  auszuführen  ist,  und  dass  Verbesserungen  nur  iu 
demselben  Maße  gestattet  sind  wie  in  den  ttbrioren  l\(!inschriften.  Da- 
durch wird  es  ein  wirksames  Mittel  ^e'^m  die  leidige  Schmiererei  in 
den  Concepten,  die  die  Handschritt  verdirbt  und  das  Auge  unempfind- 
üeh  macht  gegen  Unsauberkeit  und  Unschrmheit,  und  trägt  so  dazu 
bei,  dass  das,  was  in  den  Ünterclassen  mit  unsäglicher  Mühe  und  Ge- 
duld erzielt  word(m  ist,  nicht  schon  in  den  Oberclassen  verfallt. 

I>em  Lehrer  erweist  das  Extemporale  noch  insofern  wertvolle 
Dienste,  als  es  ihm  Gelegenheit  gibt,  tiefe  Blicke  in  das  Geistesleben 
und  in  die  Individualität  des  Zöglings  zu  thun.  Kein  fremder  Einfluss 
färbt  sein  Werk:  er  ist,  ganz  allein  auf  sich  selbst  gestellt,  seinem 
£mpfinden  und  Denken  überlassen  und  gezwungen,  die  Erscheinung  so 
zu  malen,  wie  sie  sich  ihm  dargestellt  hat.  Die  natürliche  Folge  davon 
ist,  dass  die  BeurtheUung  des  Schülers  zutmöender,  gründlicher  und 
umfassender  wird.  Gewiss  ist  auch  dieser  Nutzen  des  Extemporales 
nicht  nebensächlich,  doch  bedeatongsvoUer  ist  sein  Einflnss  auf  die 
OeisteBbUdimg.  Was  miuBg  min  gescbehen,  um  diesen  za  voller  Geltung 
zu  bringen? 

Das  Extemporale  kann  seine  woltiiAtigen  Wirkungen  augenschein- 
Hell  nnr  dann  vollständig  ansftben,  wenn  es  keine  seltene,  schnell  vor- 
ftbeigehende  Erscheinung,  sondern  eine  ständige  Einrichtong  ist.  Es 
muss  so  regelmäßig  auftreten  wie  das  Dictat,  dessen  Stelle  es  in  den 
Oberclassen  einnehmen  könnte.  Die  ei'sten  Anfänge  sind  in  die  Ele- 
*  mentarcJasBe  m  verlegen,  in  der  es  allerdings  nur  in  der  bescheidensten 
Form  erscheint:  als  selbststSndiga  Niedtoschriffc  korzer  Sfttze  nnd  ein- 
ftcheor  SSxempel.  Aber  es  ist  von  der  höchsten  Wichtigkeit,  dass  das 
Sind  so  zeitig  wie  möglich  gewGhnt  wird,  erst  das  Ganze  zu  flber^ 
blieken  nnd  sich  za  eigen  zn  machen,  ehe  es  an  die  Niederschrift  der 
Thfiile  gäit  Damm  ist  schon  anf  der  Unterstufe  darauf  zu  halteni 
dass  das  Wogwischen,  Durchstreichen  und  Ehiklammem  zum  Zwecke 
einer  Berichtigung  oder  einer  besseren  Ausführung  auf  Ausnahmen 
besehrSiikt  bleibt  und  nicht  zur  Gewohnheit  wird.  Was  geleistet  wird, 
muss  sof^eich  möglichst  gut  gemacht  werden.  Dieses  Ziel  ist  recht 

40» 


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—   592  — 


wol  emklibar,  muß  Endehnng  es  nur  yon  An&ng  an  fest  ins 
Auge  funt  und  das  Euid  unter  einliaitlicher,  strenger  Leitung  erhält 

Nach  «nd  naoh  stedgen,  dem  Wachsen  der  Kraft  entsprechend, 
die  AnfordemngeD,  bis  der  Zögling  auf  der  Oberstafe  Aufgaben  wie 
die  folgende  MlbsfailSiidig  zu  lOeen  imstande  ist  Gesetzt  die  Schüler 
kttloi  in  natoriaindlieluni  Unterrichte  eine  klare  Kenntois  d^  Organe 
der  Verdauung  und  des  Blutkreislaufes  erlangt,  und  sie  hätten  im 
deutschen  Unterrkhte  das  Wesen  der  Vergleichung  erfasst,  so  wür^ 
sich  ein  Vergleich  des  Herz^  mit  dem  Magen  als  passende  Aufgabe 
für  ein  Extemporale  darbieten.  Das  Thema  würde  dem  Schüler  vei> 
traut  sein  und  auch  seiner  Gestaltungskraft  entsprechen.  Es  wären 
sonach  die  Voraussetzung^  für  eine  inhaltlich  und  formell  gute  Leistung 
gegeben.  Bei  der  Correctur  wären  Anlage  und  Ausfuhrung  nicht  blos 
an  sich,  sondern  Tor  allem  auch  nach  dem  Grade  der  dabei  entfalteten 
Selbstständigkeit  zu  beuitheikn  und  eine  verständnisvolle,  nutzbringende 
Verbesserung  der  gemachten  Fehler  anzubahnen. 

Es  empfiehlt  sich  schon  in  den  Mittelclassen,  namentlich  aber  in 
den  Oberelassen,  die  freien  Arbeiten,  gleichviel  aus  welchem  Gebiete 
sie  stammen,  sämmtlich  in  einem  Hefte  zu  vereinigen.  Eine  solche 
Sammlung  bekundet  den  Fleiß  des  Schülers  und  seine  Leistungsfähige- 
keit  in  den  verschiedenen  Fächern,  sowie  die  Fortschritte,  die  er  unter 
der  Leitung  seines  Lehrers  gemacht  hat,  viel  zuverlässiger,  als  es  die 
Prüfungs- Extemporalien  bei  der  peinlichsten  Auswahl  der  Aufgaben 
und  bei  dem  größten  Aufwand  von  Vorsichtsmaßregeln  jemals  ver- 
mögen würden. 


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Der  M^ral-Unlerrielit  für  4ie  iSeJuito. 

ObszBeM  ftiu  dem  MEthioal  BMoid*,  Ni.  8  toh  1880,  toh  St^nBaspeetor  ITifJt- 

TT  *^ 

1-  XeiT  Dr.  F.  Adler  in  New  York  theilt  in  der  angeftUu'ten 
Kurnmerdes  „Eth.  Record"  mit,  dass  die  Gesellschaft  lur  ^Ethische 
Cultur"  in  New  ^'ork  auch  eine  „ethische  Schule"  gegründet 
habe,  und  er  entwirtt  dann  ein  Bild  des  Moral-Ünterriehtes  in  diesei* 
Schule.   Er  sagt  in  Beziehung  auf  die  Stolle: 

1.  Für  l\iiifl<»r  vom  10.  bis  12.  Jahre  wei^den  ausgewälüte  Ge- 
schichten aus  dem  Alten  Testament  beliandelt. 

2.  Für  Kinder  vom  12.  Iiis  16.  Jahre  rindet  ein  systematischer 
Luterricht  über  die  principieiien  Pflichten  statt.  Dabei  wf*T-den  Sprich- 
wörter und  weise  Sprüche  besprochen  nnd  auswendig  geleint,  auch 
Wörden  moralische  Reden  von  den  Schülern  vorgetragen. 

3.  Für  Knaben  und  Mädclien  über  16  Jahren  werdea  aoflgewäblte 
Biographien  sorgfältig  behandelt  und  studii  t 

Zu  1 :  Es  ist  unnöthig ,  sich  weitläurig  zu  verbreiten  über  den 
Wert,  den  manche  (beschichten  des  Alten  Testaments  als  Einleitung 
zum  Moral-Unterricht  haben.  Die  Ei'zählujigeu  von  Joseph  und  seinen 
Brüdern,  von  Kain  und  Abel,  von  Jakob  und  Esau,  von  der  Versuch- 
ung im  Paradies  etc.  zeichnen  sich  durch  ihre  Klarheit  und  Frische 
aus  und  erwecken  allezeit  das  Interesse  der  Kinder. 

Zu  2.:  In  diesem  Alter  kann  den  Kindern  die  Kenntnis  der 
wichtigsten  Pflichten  des  Lebens  mitgetheilt  werden.  Man  mag 
einwenden,  dass  Schüler  für  abstractes  Moralisiren  wenig  Interesse 
haben.  Aber  es  ist  gar  nicht  noth wendig,  dass  die  Methode  dieses 
Unterrichtes  abstract  sei.  Man  kann  auch  bei  diesem  Untemcht 
die  inductivc,  sokratische  Methode  anwenden.  Wir  geben  unsern 
Schülern  nicht  abstracto  Segeln  des  Betragens,  sondern  wii-  fangen 
nüt  coneieten  Fällen  oder  anschaulichen  Beispielen  an  und  leiten  die 
Schttler  an,  darin  die  Geeetse  des  Betragens  zn  entdecken. 

•)  Dei  tiberaetaer  hat  bedeutend  abgekürzt.  W. 


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—  694 


Nach  der  iuductiveu  Meiliude  verfahren  wir  auf  tolgrende  Weise: 

Wir  setzen  z.  II  den  Fall,  ^^s  hnmlW  sich  um  die  Pflicht  der 
Wahrhaft icrk ei t,  Wir  belä.vlijit^n  dt^n  >  Iml^-r  nich^  mit  t'eierlicheij 
Ermahnnnp^eii,  (iie  W.dnheit  zu  sagen.  Wir  hiniur  ii  nicht  daran, 
den  Kindern  zu  sairen:  „Kmdcr,  es  ist  br»»^  zu  l'wjrir.  •  <  i<t  Inster- 
haft,  eine  Lü«re  m  sagen!"  Wir  führen  dem  Kinde  einen  bestmimien, 
cducreten  Fall  vor,  z.  B.t  „Voi-  einijrer  Zeit  las  ich  in  ein^r  Zeitung, 
dass  eine  sorf^dose  Person  eine  brennend»'  Tuinte  auf  riiu n  Haiifen 
Stroh  in  einer  Scheune  fallen  iieü;  die  Nciieune  j^inp;  im  Feuer  auf 
und  ererifF  nocii  versdiiedene  andere  Häuser.  Vor  (iericlit  leui^neie 
diese  Person,  den  Brand  verursacht  zu  haben.  Wie  nennet  Ihr  eine 
solche  Angabe?"  —  „Eine  Unwahrheit  *.  -  ..Warum  nennt  Ihr  das 
eine  Unwahrheit?"  —  „Weil  die  .\ng:abe  den  Tliatsarhen  widersprach.* 
—  Seid  ihr  mit  einer  solchen  Erklärung  zufrieden?  Ist  jede  Ang-abe, 
Avelche  den  Thatsachen  widerspricht,  eine  Lüge?  Nennt  mir  andere 
Beispiele  von  Unwahrheiten."  Viele  Beispiele  wei*den  raitgetheilt,  und 
es  zeigt  sich,  dass  die  moralischen  Wahrnehmungen  der  Kinder 
recht  scharf  sind;  über  die  feinen  T^ntei-scheidungen,  welche  sie  machen, 
bin  ich  beständig  verwundert.  Voa  den  angeführten  Beispielea  wähle 
ich  einige  aus,  oder  ich  füge  selber  neue  liinzu,  wie  z.  B.: 

„Die  alten  Astronomen  sagten,  dass  die  Sonne  sich  am  die  Ekde 
Ipwege  und  dass  die  Erde  ein  flacher  Körper  sei;  dürfen  wir  sag«ll, 
dass  sie  logen^?  Die  Kinder  antworten  nach  einer  kleinen  Zögerung: 
„Nein,  sie  logen  nicht!"  „Aber  ihre  Angabe  war  auch  im  Widerspruch 
mit  den  Thatsachen!"  „Doch  sie  kannten  die  Thatsachen  nicht 
gttt;  sie  sagten  nicht  absichtlich  eine  Unrichtigkeit."  —  Also  nmr 
eine  Unwahrheit,  die  man  absichtlich  ond  der  Unwahrheit  bewnsst 
aussagt,  ist  eine  Lüge." 

«Aber,  meine  Kinder,  habt  Ihr  noch  nie  von  Angaben  geliört, 
welche  bis  anf  einen  gewissen  Punkt  mit  den  Thatsachen  überein- 
stimmen und  doch  eine  Lflge  sind?  Nennt  mir  ein  solches  Beispiel?* 

Die  Kinder  nennen  als  Beispiel  den  Knaben,  der  den  ganzen 
Nachmittag  sich  dem  Spiel  hingegeben  nnd  erst  fttnf  Uinnten  vor  dem 
Schlnss  der  Schale  noch  das  Vorzimmer  der  Schnle  betreten  hat,  nm 
zn  Hanse  seiner  Matter  anf  ihre  Befragung  sagen  zn  können,  er  habe 
die  Schale  besacht 

„Warum  nennt  Ihr  nun  das  eine  Lttge?  Die  Angabe  stünmt  Ja 
in  einem  gewissen  Grad  mit  den  Thataaehenl^  »Aber  die  Banpt- 
Sache,  das  Fembleibeii  vom  Unterricht,  ist  weggelassen*^  „Also  muss 
eine  Angabe  in  ihrer  Hauptsache  mit  den  Thatsachen  fibemhistimmeB, 


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—   595  — 


wenn  flie  als  wahr  angesehen  werden  sqU.**  „Aach  «af  andere  Arten 
wird  hie  und  da  gelogen,  nflmlich  dareh  Anweadnng  von  düijpdsm- 
lügen  WOrtsm."  Beis[^ele  werden  aach  hier  angegeben  und  behandelt 
EndHeh  gelangen  wir  an  folgendei-  Erklärung  oder  Definition  Ton 
einer  wahrhaften  Angabe:  „Eine  watirfaafte  Angabe  ist  eine  solche 
welche  mit  Absicht  in  dem  Hörer  den  Eiiidnick  hervorbringen  will, 
der  im  wesentlich eii  mit  den  Thatsachen  übereiustininit." 

,,Kann  man  aber  eine  Unwahrheit  nur  durch  Worte  verbleiten? 
Kann  man  nicht  auch  im  bh)ßen  Benehmen  und  Handeln  eine  Liig-e 
be^^ehen?  Kanu  man  nicht  aucli  Ceremonien  mitmaclien,  an  deren 
Bedeutung  man  doch  nicht  glaubt?  Kann  man  nicht  in  der  Unter- 
haltung mit  anderen  durch  eine  bloße  Miene  einen  tulächen  Eindruck 
hervorbrinjren?" 

Der  Begriff  einer  bestimmten  Tugend  oder  Untugend  and  die 
verschiedenen  Formen  ihrer  Erscheinnnj^  sind  zu  erkennen. 

Im  weiteren  betrachten  wir  dann  die  Ursaciien.  Welche  Ursachen 
leiten  zur  Falschheit?  Ohne  die  Ursachen  zu  kennen,  sind  wir  schwer- 
lich im  Stande,  die  Fehler  zu  heilen.  Als  Urj^acheu  werden  angeführt: 
Gewjuuisucht,  Furcht  voi  .Strafe.  Eitelkeit,  erregte  Phantasie.  Alles 
di^s  wird  in  iieispielen  verausciiaulicht. 

Zuletzt  betrachten  wir  die  Gründe  gegen  die  Falschheit  uud  tür 
die  Wahrhaftigkeit.  Darunter  werden  ;uijreführt:  Die  Schädigung 
anderer;  die  Schwächung  unseres  Selb-f\ n  1 1  .niens;  die  Schwächung 
des  gegenseitigen  Vertrauens  in  der  GesellschaU,  die  schlimme  Noth- 
wendig^keit,  immer  weiter  zu  lügen,  und  endlich  dei'  Verlust  dei* 
Seibbtachtung. 

Durch  solche  Unterreduugen  und  Zergliederungen  wird 
das  Grcwissen  erleuchtet;  was  unklar  war,  wird  besiimmt, 
und  was  chaotisch  und  dunkel  w^ar,  wird  fr»^ordnet  und 
^^rhcllt.  In  solcher  Weise  wird  die  Abneigung  gegen  die 
Lüge  gestärkt,  der  Geist  der  \\  ;i  h rheitsliebe  vertieft  und 
die  Fähigkeit,  zwischen  recht  und  unrecht  zu,  unterscheiden, 
ausgebildet. 

Wer  will  behaupten,  dass  ein  solcher  Sauerteig  für  das  moralische 
Bewusstsein  des  Kindes  in  Betreff  der  Wahrhaftigkeit  nicht  mehr 
ntttae,  als  die  bloße  Ermahnung:  „Du  sollst  nicht  lügen?''  — 

Auf  die  gleiche  Weise  wird  das  ganze  Gebiet  der  Pflichten,  so 
weit  diese  im  Bereich  der  Jfirf&hmng  des  Kindes  liegen,  bebaut.  Wir 
untemheiden  Pflichten  gegen  das  Eigenleben  und  Pflichten  gegeib 
das  Gesell sehafteleben. 

f 

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! 


—   596  — 

Zu  der  enrteD  Gruppe  gehfirea:  die  Pflicht  der  SäteMialtiiiig^ 
die  Pflicht  der  M&fiigung,  der  lelUkha  lud  aeeliBchen  Beinhait;  die 
Pflichten  der  Büdong  der  EtkeDirtaiB  und  dee  Gemfltha.  Bei  den 
letsteren  werden  die  Qefthle  der  Angst,  der  Ekktrflstong,  dee  Neida, 
der  Schadenfreude,  der  Eäftrsncht»  des  HMsee,  der  Boeheiti  der  Eitel- 
keit nnd  die  Beberraehong  der  LeideDachaft  genau  heaprochen. 

Zn  der  zweiten  Gnqipe  gehören  die  Pfliehten,  die  wir  aUen 
Menachen  gegcnttber  haben,  wie:  Achtimg  vor  dem  Leben  nnd  dam 
Eigenthnm  anderer,  nnd  wie  Gerechtigkeit  nnd  Wolwellen  —  nnd 
ebenlGdJa  gehören  hierher  die  Famflienpfliehten:  die  Pflichten  der 
Eltern  gegen  die  Kinder  and  der  Kinder  gegen  die  Eltem,  nnd  die 
Pflichten  der  Geaehwiater.  Aach  die  Pflicht  der  Frenndaehaft  und  die 
Elemente  der  politlaehen  Pflichten  werden  behandelt  Und  ala  Krone 
dea  Ganaen  gilt  die  Pflicht,  die  eich  auf  daa  Ideal  der  Menachhidt 
besieht  ^ 

Eine  swOlQahrige  Erfihmng  beatSikt  mich  in  dem  Glanben,  daaB 
durch  einen  aolchen  Unterricht  dem  Schiller  die  Gewohnheit,  Uber  die 
Begehl  dea  Betragene  nachandenken,  eingeacharft  wir!  Viele  Lente 
fohlen  ihre  Pflichten  mehr,  ala  daaa  aie  dieaelben  eikennen;  aie  han- 
deln dann  mehr  nach  dem  alttliehen  Takt  Aber  dieaer  Takt  rekfat 
in  neuen  Situationen  nicht  umner  aus.  Gerade  in  unserem  Zeltalter 
der  Umwandlungen  genügt  er  nicht  Nur  eine  Befolgung  der  Prin* 
cipien  dee  Betragene  kann  una  hetfen.  Unter  diesen  Teratehe  Ich 
nicht  metapb^Fsiache  Principien,  sondern  aolche  piaktiache  Piinciplen 
der  Moral,  in  denen  alle  guten  Menachen  fibereinatimmen. 

Die  Aufgabe  dea  MeraUebrere  besteht  darin,  den  Ldialt  dea  kind- 
lichen Gewiaeens  au  bereichern,  zu  kUren  nnd  zu  ordnen. 

Im  weiteren  habe  ich  den  Gebrauch  der  Sprichwörter  au  er- 
wähnen. Die  Sprichworter  enthalten  die  Weisheit  des  Volkea.  Sfaie 
gute  ErkUnmg  ausgewählter  Sprichwörter  Ist  Ar  die  moralische  £^ 
Ziehung  Ton  Nutzen.  Auch  das  Tortragen  menKMirter  Beden  nird 
auf  dieser  Stufe  gepüegt.  Einsdne  Reden  des  Jesaias,  in  denen  daa 
sittliche  Gefühl  einen  mächtigen  Ausdruck  gefbnden  hat,  werden  be- 
handelt und  gelernt  Ebenso  die  „Bergpredigt"  und  die  Bede  des 
Sokrates  vor  seinen  Bichtem,  wie  Plate  sie  uns  mitgetheilt  hat 

Zu  3):  Auf  dieser  (der  oberen  Stufe  madien  wir  einen  ausgiebigen 
Gebrauch  Ton  Biographien.  Hier  ist  die  genaue  Erforschung  der 
Motive  ein  Hauptziel  des  Lehrers.  Solche  Studien  gewähren  dsa 
Kindern  eine  Toralgliehe  Gelegenhdt,  ihr  aittUches  Gefthl  zu  verfduen 
und  bieten  ihnen  andi  begeisternde  VoibAder.    Unsere  Kinder 


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—   Ö97  — 

Böllen  mit  den  groften  Ifftmierii  und  Frauen,  mit  den  großen 
Denkern,  Menschenfreunden  und  Beformatoren  bekannt 
werden.  Dies  ist  unsere  beste  Gesellschaft,  und  sie  nimmt 
uns  willig  auf.  Ja,  wir  kennen  unsere  großen  Männer  zu 
wenig.  Lasst  uns  die  Erinnerung  an  menschliche  Vortreff- 
lichkeit  und  Größe  neu  auffrischen.  Geben  wir  unsern 
Kindern  auf  ihren  Lebensweg  eine  ideale  Gesellschaft  mit, 
deren  Beispiel  das  Leben  der  Kinder  erhöht!  Benutzen  wir 
mehr  als  bisher  das  Studium  der  Biographienl 

I 


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Der  interessante  Lehrer. 

Vw  Dr.  Mom^^Altona, 

Die  %noiiymik  in  der  Praxis,  d.  h.  die  ünterscliei(iii]|g  imd 
richtig"e  Anwendunjx  älmlicher  (»der  gleicliiuMloutcnder  Wörter  in  der 
Uü]gaügö8i»ra<_'lie  des  tiiglichen  Lebens,  wächst  mit  der  zuneliüieiKien 
Bildung,  "Während  sie  im  eotgegeugesetzten  Fall  aT)nimi)it.  wpü  r-l^en 
der  Ungebildete  mit  weniger  Nachdenken,  ninlir  ilf  iii  (irtulil  iieraus 
redet,  als  der  (lobiidete,  und  somit  utK  i  mueii  bescliränkieren  Wort- 
schatz verfügt.  Wenig»'?'  tritt  di<  I  j lu  iuinig  in  der  Scliriftsprache 
auf.  wenn  sie  auch  naturlicii  bei  der  gioi'nii  Verschiedenheit  der 
Leistungen  nicht  ganz  fehlt,  denn  hier  wird  iu  der  "Reirel  schon  durch 
die  langsamere  Thäiigkcii  der  ( 'oncfpiiuu  Zeit  und  Gek  ijeiiln  it  gt-g»  li- n, 
die  Gedankeil  feiner  auszn-]  iniiueü  und  den  Aosdruck  genauer  abzu- 
fassen und  scliärfer  zuzu^julzen. 

Hierlier  gehür^^n  zwei  Wörter,  die  im  täglichen  Leben  sehr  häufig 
Vorkommen:  ..Tnteret^sant''  und  ,,geistreich".  Wir  *  it  werden  nicht 
oiese  beiden  Ausdrücke,  je  nacli  dem  Standi)unkit;  (b-s  ludt  iidrn,  ver- 
tauscht oder  in  eiiKin  schielen  iSmnv  gebraucht'  Eine  Hauptuisache 
dn  1  Kr-  tieiiiinig  linden  wir  in  der  Thatsache,  dass  wir  aus  dem 
Munde  der  Diunt  n  das  W<«rt  .inu  ro>sant"  häufiger  hören,  wahrend 
die  Herren  sich  mehr  de-  au  b  rn  Ausdi-ucks  bedienen.  Damit  hängt 
auch  der  L^nterschied  dci  M.ideutiing  zusammen,  der  darin  l)esreht, 
dass  mau  interessant  mehr  eine  anl  egende  I^nterhaltuug  nennt,  während 
daä  andere  Wort  eine  Eigenschaft  bezeichnet,  deren  Äußerung  eme 
angespanntere  Aufmerksamkeit  und  deren  Anerkennung  ein  reiferes 
ürtheil  verlangt.  Heide  Ausdrücke  finden  natürlich  nur  bei  einem 
iutellectuellen  Contacte  zwei<^r  Sui  jtete  ihre  Anwendung,  von  denen 
das  eine  jedenfalls  ein  leben  li  >  » in  muss,  während  das  andere  auch 
dnrcli  eine  Schrift  vertreten  \\  c!  ib  n  kann;  denn  man  nennt  mit  dem- 
selben Kecht  Titicher  geisti'eich  odei-  interessant  wie  Menschen.  In 
beiden  Fällen  trilft  aber  die  Bemerkung  zu,  dass  derjenige,  der  einen 
MeiLschen  oder  ein  Bucli  gii.streicli  oder  interessant  findet,  sich  eben 
durch  diese  Bezeichnung  ihm  iu  gewisser  Weise  unterordnet^  d.  h.  zu- 


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—   699  — 


gibt,  dass  pv  von  ihm  Anregungen  erhalten  habe,  die  er  sonst  nicht 
kannte,  dass  ein  Bedilrhiis  in  ilmi  gestillt  sei,  das  er  vorher  nicht  ge- 
fühlt hat  So  erklärt  es  sich,  dass  jene  Ausdrücke  da  ihren  Platz 
fiiHlcQ,  wo  außer  der  Unterhaltung  eine  Belehrung  statt  hat,  sei  es 
auf  schriftlichem,  sei  es  auf  mündlichein  Wege.  Dieser  wird  ein- 
gesdJagen  durch  den  Vortrag  oder  die  belehrende  Einwirkung  einer 
in  diesem  Punkt  überlegenen  Persönlichkeit  Im  allgemeinen  kann 
man  solche  Individuen  Lehrer  neunen,  mögen  sie  nun  auf  akroa- 
matisdiem  oder  examinirendem  Wege,  oder  indem  sie  beides  miteinander 
vereinigen,  das  Interesse  ihrer  Zuhörer  oder  Schüler  zu  fesseln  wissen. 

Nun  gibt  es  viele  interessante  Lehrer,  die  nicht  geistreich  sind, 
aber  kanm  einen  geistreichen  Lehrer,  der  nicht  interessant  ist,  voraus- 
gesetzt, dass  der  Hörer  oder  Schüler  derart  veranlagt  ist,  dass  er  den 
Geist  des  Lehrers  zu  yerstehen  und  xa  wftrdigen  weiß.  Dass  ein 
gelstniebes  Wesen  edn  Yonog  eines  Lehrers  ist,  sobald  er  sich  anf 
den  Vortrag  besebr&ikt  und  nur  die  Absicht  hat,  anregend  zn  wirken, 
ohne  sich  darom  wbl  kOmmem  und  sieb  davon  ro  ftbersengeii,  ob  der 
Hörer  ihn  verstanden  hat,  ist  nnzweifSsUiait  Diese  Behanptnng  be- 
sieht Bich  anf  die  Thfttigkeit  der  UntversStätsprofessoren,  mit  Ans- 
nähme  der  F&Ue,  wo  die  Leitang  eines  Sendnan  oder  Examinatorinms 
oder  Dispntatorinms  den  akroamatisehen  Weg  nnmögUch  macht  Anf 
Sehnten  nnd  Gymnasien  dagegen  ist  das  Verbfiltnis  ein  anderes.  Hier 
kommt  ee  nicht  selten  vor,  dass  der  Sehfiler  einen  Ldirer  geistreich 
oder  interessant  nennt,  ohne  dass  der  Unterschied  immer  festgehalten 
wird,  wenn  anch  jener  Ansdmck  sich  mehr  in  den  oberen,  dieeer  mehr 
in  den  nstem  Classen  ihidet  Oft  aber  wiU  der  SchlUer  mit  dieser 
Aaßernng  sich  nur  den  Ansehein  gehen,  als  ob  seine  eigene  Persön* 
Ucfakeit  dnreh  die  geistreiche  nnd  geistvolle  Behandlung  eines  Themas 
in  den  Angen  des  Lehrers  gehoben  werde,  als  ob  die  Reife  sebes 
Urthflihi  und  seber  Veranlagung  übeihanpt  ihn  bef&hige,  die  g^t- 
reiehe  Behandlang  sn  würdigen  nnd  in  Ansprach  zn  nehmen. 

Daran  wfirde  sich  ohne  sondeitichen  Gedankensprang  die  Frage 
knlkpfen,  ob  ein  geistreicher  oder  interessanter  Lehrer  einem  sogenann- 
ten langweiligen  oder  pedantbchen  vomudehen  sei  Wenn  wir  nns 
an  diesem  Zweck  daa  Abbfld  des  Schnlmeisters  in  Sofcrates  vor  Angen 
führen  nnd  seine  Redeweise  in  den  Dialogen  des  Plate  nns  ins  G^ 
dllchtnis  zurückrufen,  so  können  wir  nicht  nmhin  sn  gestehen,  dass 
wir  dort  gerade  nichts  Brillantes  gefimden  haben,  nichts  derart,  was 
man  heutzutage  geistreich  oder  interessant  nennt  Im  Gegentheil,  wie 
mancher  Schülei*,  und  in  der  Regel  nicht  der  geistloseste,  wird  sich 


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I 


—  «00  — 

bei  dieser  Leotiiie  über  die  pedantische  SilbeuBteclu  i  i  i  des  Sokrates  | 
geärgert  oder  jrelaTij^weilt  haben!  ^^'erden  doch  die  selbstverständ- 
lichsten (iedauken  und  Aussprüche  mit  dem  8eeimiesser  haarspalten- 
der Analyse  in  die  kleinsten  Fasern  ilnei-  Bestandtheiie  zerlegt! 
Werden  docli,  um  die  Definition  eines  Hej^^i-ifles  einzuleiten,  Fragen 
vorgelegt,  die  an  ein  iraf^e-  und  Ant Wortspiel  erinnern!  Diese  soge- 
nannte mäeutiselie  Metliude,  die  8okrates  selbst  die  Hebammenkimst 
des  Gei'^tps  nennt,  ist  das  Ideal  eines  echten  Schulmeisters  und  wird 
ab  solches  \  on  allen  PäilH<jofren  und  .Tünp:ern  des  Sokrates  angeseheu. 

Bevor  der  kundige  l.amlm.nm  die  Aus-^nnt  dem  Acker  anvertraut, 
muss  der  Hoden  von  alieiii  Lukitiut  gereiuigi  wercien,  weil  sonst 
dieses,  das  seiner  Natur  nach  geiler  und  üppiger  anfschießt  als  das 
gute  Korn,  ihm  Grund  und  Boden,  .Satt  und  Nahrung  entzieht.  In 
älndiclier  Weise  behandelt  Sokrates  die  Seele  und  ihre  Lebensftuße- 
ruugen;  iu  ähnlicher  Weise  sucht  der  wahre  Schulmeister  durch  Aus- 
rodung falsche]-  Scheiuvorstellun?*'!!  den  (reist  für  die  Aufnahme  des 
Wahren,  Guten  und  Schönen  empläufjflich  zu  machen.  Solcher  Lehrer 
wird  nicht  leicht  von  seinem  Schüler  interessant  genannt  werden, 
weil  er  ihm  die  Leckerbissen  nicht  mundgerecht  verabreicht,  ja  weil 
er  feogar  ilin  aus  seiner  lieben  Bequemlichkeit  zu  reißen  sucht.  Be- 
kanntlich ist  der  incTischliche  Geist  von  Haus  aus  trag^e  und  bedarf 
der  steten  Anrep:ung",  uiii  rm^  seiner  T'^nthätigkeit  herauszutreten  und 
seine  Ki^enschaften  zur  (teltung  zu  bringen.  Weiß  der  Leliiei  aber 
durch  einen  schön  stilisirten  Vortrag,  durch  gei.streiche  Autitiieseu, 
durch  eine  interessante  Darstellung  die  l'hantasie  und  das  Auffassungs- 
vermögen des  Schülers  zu  reizen  und  seine  Autmerksamkeit  zu  fesseln. 
80  wird  dieser  ohne  Frage  das  lA»b  seines  verehrten  Lehrers  seinen 
Mitschülern  singen  und  seinen  Eltern  sein  Entzücken  nicht  verhehlen. 
Und  iu  gewisser  W'eise  hat  er  Recht,  wenn  er  nur  kein  Schüler 
wäre,  sondern  blos  der  Auregung  bedürfte,  um  selbstständig  seineu 
Studien  obzuliegen.  Aber  dazu  ist  er  mit  wenigen  Ausnahmen,  die 
si(;h  bei  solchen  finden,  die  erst  in  späteren  Jahren  sich  entschlossen 
haben,  das  Gymnasium  zu  besuchen,  nicht  im  Staude,  sondern  er  soll 
erst  lernen  zu  arbeiten.  Das  Ziel  seiner  gymnasialen  Thätigkeit 
besteht  wesentlich  darin  zu  lernen,  wie  er  sj)ater  auf  der  Univer- 
sität sein  Studium  einzurichten  hat,  wie  er  mit  seiner  Zeit  und  seinei* 
geistigen  Kraft  haushalten  muss.  Dies  Ziel  kann  er  nur  durch  eine 
(Tvmnastik  des  Geistes  erreichen,  die  anfangs  fast  an  eiue  Tortur  ei- 
inuert,  ebenso  aber  wie  das  Turnen  zuerst  freilich  Sclimerzen  verur- 
sacht, durch  die  öewöhnaiig  jedoch  und  die  Übung  zum  hohen  Be- 

1 


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—  601  — 


wusstsein  der  wachsenden  Kraft  und  zur  freudigen  Ei  neiieiung  der 
schließ licli  liebgewonnenen  Thätigkeit  ftihrt.  Daraus  wurde  alsu 
folgen,  dass  die  Eigenschaft,  die  im  gewöhnlichen  Leben  interessant 
genannt  wird,  mit  dem  Wesen  des  Lehrers  nicht  übereinstimmt.  Aller- 
dings ist  es  vSache  des  Lehrers.  Interesse  zu  erregen,  aber  nicht  auf 
jenem  Wege  der  geistigen  Guuiiuundise,  sondern  durch  nalirhatte 
Hausmauusküst .  durch  kräftige,  freilich  nicht  immer  dem  GeschiiiHi'k 
des  Schuler  l»tiiagende,  aber  mit  zunehmendem  Alter  und  wachsender 
F&higkeit  steigende  Aiii-^irn!)? 

Bei  Hipser  Iti  geuheit  kommen  wii*  aui'  die  Bedeutung  des  Wor- 
tes iiiieressant"  ziulick.  die  oben  bespi*ochen  ist.  Es  ist  nämlich 
eine  eigenthttmliche  Erscheinung,  dass  das  Adjectiv  einen  weiteren  Um- 
fang hat  als  das  ^Substantiv  „Interesse",  weil  ein  ii  ienes  mehr  in  den 
Conversationston  eingediiingeu  ist  als  diesem,  und  infolge  dessen 
mehr  abgeschliffen  und  verallgemeinert  ist.  Ln  gewöhnlichen  Leben 
wird  ein  verstandesraÄßig  klai-  denkender  und  redender  M»'nsch  nicht 
leiclit  interessant  genannt  werden,  während  oft  jemand  für  interessant 
gilt ,  der  das  fadeste  und  verwon'enste  Zeug  in  ansprechender  und 
pikanter  Kede  vorzubringen  weiLJ.  Ähnlich  stellt  sich  auch  der  Lehrer 
zum  Interesse.  Ein  sogenannter  interessanter  Lehrer  wird  oft  nur 
das  äußere  Interesse  fördern,  nicht  das  innere,  sachliche,  pädagogische. 
Das  wahre  Interesse  entsteht  bekanntlich  durch  die  Anknüpfung  der 
Belehrung  an  Punkte,  die  dem  Schüler  bekannt  sind,  und  in  der  Ver- 
meidung Ton  Objecten,  für  die  der  Schüler  in  seinen  Voi*stellungen 
noch  keine  BerlUinuigspiiiikte  hat.  Hüten  muss  sich  aber  der  Lehrer, 
die  Intervalle  zu  eng  zn  ziehen,  die  Anknüpfungspunkte  zu  bequem 
zu  machen,  damit  dem  Schüler  auch  zu  einer  selbstständigen  Operation 
fleiner  Combinationsgabe  u.  s.  w.  Gelegenheit  gegeben  werde.  Interes- 
sant ist  ein  solcher  Lehrer  für  den  Schüler  insofern,  als  er  ihn  dordi 
den  Zusammenhang  seiner  Methode  fesselt,  während  dieser  Vorgang 
iläa  jeden  zufällig  Anwesenden  langweilig  und  pedantisch  zu  sein 
scheint.  Eän  Lehrer,  der  das  Interesse  des  Schülers  im  wahren  Sinne 
des  Wortes  erregt,  ^d  in  der  Begel  von  ihm  nicht  interessant  ge- 
nannt werden,  aber  dafür  das  unzweideutige  Lob  erhalten,  dass  er 
etwas  bei  ihm  gelernt  habe.  Der  SchtUer  merkt  nftmlieh  nicht,  wie 
der  Lehrer  flm  von  einer  Stufe  zur  andern  ftihrt  und  so  in  ihm  den 
Olanben  erweckt,  daas  er  die  Vennehrong  seiner  Kenntnisse  seiner 
eigenen  Tfafttigkeit  zu  verdanken  habe.  In  diesem  Sinne  dfirlen  w 
auch  Solxatea'  Lehrmethode  and  die  Dialektik  des  Plato  interessant 
finden,  aber  nnr  in  dem  Fall,  wo  der  Znaammenhang  festgehalten  and 


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—  Ö02  — 

keinen  Augenblick  unterbrochen  wird,  ebenso  irie  die  HnibeMalik  die 
troekoute  und  langweiligste  «Her  Wiaacpfldiaftai  genaimt  md  ven 
denen,  die  das  Interesse  nur  in  dem  Buuek  oder  Stittilns  der  Mgea- 
blicklichen  Amegung,  nicht  aber  in  der  metfaodlaefaen,  wnehnendoi 
Anspannung  des  menschliche  Geistes  seheiL  ünter  dieean  Geriekte- 
punkt  ist  es  zu  erklären,  dass  Schfller  ihren  Lehrer  nnr  intepeasant 
nennen,  wenn  er  sie  für  den  Augenblick  durch  anxtefaende,  taittrrilende 
Darstellung  unterhält,  während  sie  das  sachliche  Interewo,  das  sie 
bei  dem  methodischen,  fttr  UnbetheiHgte  langweiligen  ünterridit  fta* 
seit,  als  solches  nicht  kennen  lernen,  also  mit  jenem  Epitheton  auch 
nicht  in  Verbindung  bringen  können.  Daraus  wftrde  also  folgen,  dass 
ein  interessanter  Lehrer  als  solcher  nicht  immer  ein  guter  ist,  d.  h. 
einer,  bei  dem  die  Schüler  etwas  lernen,  und  uin^rekehrt  zum  Wesen 
eines  erfolgreichen  Lehrers  nicht  mit  Nothwendigkeit  das  Prädicat 
„interessant"  zu  rechnen  ist  Wenn  also  ein  Schüler  sich  gegen  seine 
Eltern  daliiu  ausspricht,  dass  die  Stunde  sehr  interessant  gewesen 
sei,  so  liegt  darin  eigentlich  mehr  ein  Tadel  als  ein  Lob  des  Lehrers. 
Enthüllt  doch  der  Schüler  mit  dieser  Äußerung  einen  guten  Theil 
Selbstgefühl;  denn  er  sagt  mit  jenem  Lobe  doch  nichts  anderes,  als 
dass  sein  Ui  theil  im  Stande  gewesen  sei,  den  Erörterungen  des  Lehrers 
überall  zu  tulgen,  während  jenes  Prädicat  j^erade  das  Gegentheil  be- 
weist: sonst  würde  er  es  ja  nicht  gebraucht  haben!  Für  den  Lehrer 
aber  liefet  darin  der  Vorwurf,  dass  er  manches  vorgetragen  hat,  was 
nicht  verstanden  ist.  denn  sonst  wäre  es  nicht  interessant  gewesen. 
Außerdem  ist  in  der  Kegel  anzunehmen,  dass  der  sogenannte  interes- 
sante Lehrer  besonders  seiner  persönlichen  Eitelkeit  fröhnt,  sich  bei 
seinen  Schülern  ein  Ansehen  zu  geben  und  durch  geistreiche  Antithesen 
zu  glänzen  sucht,  statt,  wie  es  docli  seine  Aul'gabe  ist,  die  scheinbar 
laugweilige  und  pedantische  Hebammenkuust  des  Sokrates  anzuwenden 
und  so  au  dem  Gei^t  des  Schülers  eiue  heilsame  Wiedergeburt  zu  voll- 
ziehen. 

Andels  stellt  sich  in  diesem  Fall  die  Bedeutung  und  Anwendung 
deis  Attributes  „geistreich''.  Dass  Studenten  einen  Professor,  gebildete 
Zuhörer  einen  Redner  geistreich  nennen,  ist  eben  deswegen  maügebeiid, 
weil  sie  mehr  oder  wenigei-  die  Reife  des  Urtheils  besitzen,  den  Geist 
des  Eedners  zu  verstehen  und  zu  würdigen.  Nennt  aber  ein  Schülei- 
einen  Lehrer  geistreich,  so  verwechselt  und  identificirt  er  entweder 
jenen  Ausdruck  mit  dem  andern,  und  dann  gilt  das  oben  Gesagte, 
oder  er  hai  den  Lehrer  nicht  vollständig  verstanden.  Empfiehlt 
jemand  einem  andern  eine  Leetüre,  und  dieser  ist  nicht  zum  vülügeu 


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—   603  — 


Yerständnis  der  Schrift  darchgedrungen,  schätzt  aber  dä^  Ui-theil 
seines  Freundes  höher  als  sein  eififenes^  oline  dass  er  den  Alaitgel 
seiner  Auffassungsgabe  eingestehen  will,  su  wiid  er  in  der  Regel  das 
Buch  geistreich  nennen.  Gibt  es  doch  manche  Redner  und  Sclirift- 
steller,  die  sich  darin  gefallen  und  etwas  daiiu  suchen,  iiul  ICosten 
der  Klarheit  und  Durchsichtigkeit  geistieich  zu  erscheinen,  und  denen 
es  als  ein  größerer  Vorzug  gilt,  durch  geistreiche  und  ünklare  Phrasen 
zu  imponiren,  als  durch  einfache  aber  klare  Darstellung  das  Verständ- 
nis des  Hörers  oder  Lesers  zu  erlangen! 

Daraus  folgt,  ila..^.-  mau  einem  Lehrer  kein  größeres  Unrecht  thut, 
als  wenn  üiaii  ihn  langweilig  nennt,  aich  selbst  aber  durch  dieses 
Geständnis  unbewusst  eine  Blöße  gibt,  indem  man  sich  ein  Urtheil 
über  einen  Gegenstand  erlaubt,  den  man  nicht  zu  würdigen  wciü. 
Nennt  also  ein  Schiller  einen  Lehrer  interessant,  so  kann  man  gewöhn- 
lich daraus  den  Schluss  ziehen,  dass  er  nichts  Gediegenes  lernt; 
nennt  er  ihn  langweilig,  so  geht  daraus  hervor,  dass  er  geistig  zu 
bequem  ist,  sich  anzustrengen  und  die  Arbeit  des  Lehrers  zu  theilen, 
oder  auch  zu  Lrcnusssüchtig,  wenn  nicht  gar  blasirt  ist,  als  äa^s  er 
an  der  iiausniaunskost  der  Wissenschaft  (üeschmack  fände;  nennt  er 
ihn  endlich  geistreich,  so  prahlt  er  mit  etwa^,  das  er  nicht  verstan- 
den hat. 

Ein  Schüler  lernt  einen  tüchtigen  Lehrer  erst  post  festuiu  kennen. 
Das  beste  Lob  für  einen  Lehrer  ist,  dass  sein  früherer  Schüler  spätei' 
von  ihm  sagt:  „Bei  dem  habe  ich  etwas  Ordentliches  gelernt.'' 


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Pidagoglselie  Bnndseliaii. 

A««  EliaAt-LothriBgren.   On»6e  IVettde  lienMlit  antw  den  Lducn 

der  höheren  Schulen  unBeres  Landes:  Das  Besoldangsgesetz,  von  dem  kk  dfti 
letzte  M;il  ;ils  in  Aussicht  stehend  berichtete,  ist  V"iii  L.uidesiausschnss  nudi 
df  n  Vorschliii^en  der  Regiemng  genehmigt,  sofort  vnin  Bundesrath  bestätigt 
und  vuui  Kaiser  vollzogen  worden.  Die  neue  Gehaltsurdnung  ist  gleich  am 
1.  April  in  KitSt  getreten»  «ul  aaa  darf  Aer  ObendiiilbeliOrde  fir  die  raettoee 
Arlidty  dndi  dto  al»  ea  aSgUeh  maehtey  aehoD  in  den  OaterMMi  die  Briaaw 
an  die  einzelnen  Lehrer  ergehen  sn  laaeen,  anfrichtig  Dank  aagea.  Die  An- 
gelegenheit ist  nnn  f<ilg"endenuiißen  srere^j-elt:  Bei  der  df^finin'ven  Anstellung, 
die  3 — 5  J:»hre  nach  dem  abg^elegten  Examen  pro  fac.  stattza^den  pflegt,  so 
weit  das  nämlich  hinsichtlich  der  Zahl  der  definitiven  Stellen  möglich  ist, 
erhilt  der  neae  „Oh^ehrer*^  ein  An&ugsgehalt  Ton  2600  IL,  welches  alle 
3  Jalire  mn  900  H.  Mgt  Ida  som  HVoiialgahalt  von  6000  M.  Dan  kenmt 
für  ein  Drittel  der  Oberlflloar  eine  beacHidare  Zolage  von  900  M.  Diea  in 
gfi-oßen  Zügen  die  BestimmnnETPn  des  nrncn  Gehaltsgesetzes,  und  die  reichs- 
ländische  Lehrerschaft  der  höheren  Knabenschulen  hatte  offenbar  allen  Ii  rund 
mit  den  die^ährigeu  Ostern  zutriedeu  zu  öeiu.  Aber  leider  —  nicht  alle! 
Denn  man  hat  die  80  seminarisch  gebildeten  Lehrer  an  di^en  Scholen  gänzlich 
▼eigeaaen,  nnd  hier  haRaebt  alao  nach  wie  vor  Unordanig  nd  WlUkIr.  Dlea 
ist  sogar  den  Ab»:eordnetea  aufgefallen,  nnd  ea  aowel  in  der  Commissioitt» 
berathun^  als  in  der  Sitzung  selbst  die  Eej?iernng  dämm  ang^esprochen  wordea. 
Vielleicht  kommt  diese  Sache  zum  nächsten  Osterfest,  wer  wriß*?*  Die  Re- 
gierung hat  gesagt,  sie  habe  die  Absicht,  auch  hier  Ordnung  zu  schaffen;  „die 
Botschaft  hör  ich  wol,  allein  mir  fehlt  der  Glaube!" 

Doch  darf  eine  einen  Blemeatarlehrer  an  einer  hfiherea  Lehranatatt 
widerfohrene  Freode  nicht  unerwähnt  bleiben.  Der  zu  Ostern  aus  dem  Dienst 
geschiedene  Elementarlehrer  Krey  von  der  Realschule  St.  Johann  in  StraJSbnrg 
hat  den  Kronennrden  erhalten.  Das  ist  gegenüber  der  sonst  üblichen  Ver- 
leihung de»  Allgemeinen  Ehrenzeichens  an  Lehrer  sehr  erfrenlich.  Lesen  wir 
doch  in  der  letzten  liste  wieder,  du6S  die^e  Auszeichnung  in  Elsat>s*Li>thringen 
zu  gleicher  Zeit  Terliehen  worden  ist  an  Straßen-  nnd  ScUeuanulrter, 
Weichensteller,  einen  Naehtwiehter  n.  a.,  nnd  an  4  Lehrer,  wonmter  eüi 
Hanptlehrerü  Doch  darf  man  sich  darüber  anch  wieder  nicht  so  sehr  wun- 
dem: knramt  es  rl<irh  immer  wieder  Vf»r,  dass  die  Lehrer  des  betr.  Bezirkes 
bt'i  Verieiliuniy:  dieses  Khrenzt  ichens  an  einen  ihrei-  Amt.si?en«'Ssen  eine  Fest- 
lichkeit verauütalLeu,  der  Behörde  uuterthäuigst  iiir  die  Ehi  e  dauken,  die  einem 
der  Ihrigen  ividerihhran  iat«  nnd  in  den  2ieitangen  iMhlldi  darBber  berichten. 
Solange  aich  aber  der  Lehrörstand  nleht  aelber  b^Mr  ehrt,  darf  er  aieh  nidii 
wundern,  wenn  er  nicht  anders  behandelt  wird  als  die  Naditwichter,  GeatSta- 
wärter,  FaUaetdiener,  GefilngnlaanfiMher  n.  dergL  — 


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—  eo5  — 


Vor  koizer  Zeit  ist  eine  dei-  preuiiisciieu  nacligebildete  Pruluugäurdnaiig 
Ar  Turnlehrer  und  TomlehrerinBett  erachiemn.  Bs  kann  dies  gewlMennato 
all  «itt  ForkadifitI  gelten,  ein  Beetreben  auch  dlcee  Miete  anarabamn. 

Gleichwol  weiß  man  eigentlich  nicht  recht,  was  eine  solche  Prüfungsordnung 
soll.  Der  Zudrang-  der  Lehrer  landauf  und  -ab  zur  Ertheilnng  des  Turnunter- 
richts ist  durchaus  nicht  stark,  und  mau  nuiss  schon  froh  sein,  wenn  sich  über- 
haupt Leute  finden,  die  den  Unterricht  übernehmen,  da  für  ben  Lehrer,  auch 
Ar  den  „geprüften"  Tnnilehrer,  keinerlei  Vcrthette  damit  Terhuidea  sind.  Man 
bat  neaerdings  dem  Xang^  dadnich  abavhelftn  geancht^  daas  man  Tonenne 
Tosn  kürzerer  oder  längerer  Dauer,  ndetzt  auch  einen  für  akademisch  gebildete 
Lehrer  abli alten  ließ;  wenn  nun  aber  aus  dem  Bestehen  der Turnlelirerprüfung 
nicht  irgend  welche  Rechte  ervsc  hpen,  so  ist  nicht  wul  denkbaj'.  dass  die 
Leute,  denen  auch  ohne  Prüfung  der  Unterricht  übertragen  wird,  sicli  einer 
Solchen  zu  unterziehen  geneigt  sein  sollten.  Anders  steht  es  auf  dem  Gebiet 
dea  MSdcbeDtomena:  da  dttrfte  die  Prttftngaordnmig  Anlaas  mir  AaabUdmig 
?on  TarslehTCrinnen  geben. 

Nun  muss  ich  mich  leider  noch  mit  dem  Herrn  Birector  Dr.  Fischer  von 
der  höheren  Mädchensclni!^  in  Straßburg  auseinandersetzen.  Es  ist  mir  das 
im  h5ch8ten  Grade  unangenehm,  weil  ich  vemuthe,  es  werde  dem  größten  Theil 
des  Le^erpublicams  unserer  Zeitschrift  gleichgiltig  sein,  ob  in  der  Hauptstadt 
dea  Beldialandea  eine  gute  oder  eine  schlechte  öffentliche  höhere  K&dohensdinle 
besteht,  and  iek  thne  ea  nar,  well  ea  aonat  nach  der  Erwiderang  dea  Herrn 
DirecUtra  aeheinen  könnte,  als  hAtte  ieh  etwas  anderes  heabaiehtigt»  ak  eine 
Barstellnng  des  Sachverhaltes,  nm  wo  möglich  etwas  zur  Bessernng  beizu- 
tragen. Ich  halte  alles  in  meiner  Darstellung  aufrecht,  außer  den  Umstand, 
dass  ich  die  Mülhanser  Schule  zu  den  voll  ausgestalteten.  lÜciassigeu  ge- 
rechnet habe.  Ob  es  aber  klug  war  vom  Ilerrn  Direct^ii*,  gerade  daran  zn 
eiümem,  scheint  mir  sehr  EweiMhaft;  denn  die  Mttlhansener  emieht  mit 
9  Schal-  und  3  Seminaijahraa  Ihr  letitea  Ziel»  an  dem  StraBbai^  nnnmchr 
10-j~3  braucht;  und  wenn  der  Herr  Director  ?;rh  darüber  erfreut  zeig^  daaa 
nach  der  letzten  Piüfnng  (oder  infolge  derselben'/)  der  Obei-schnlrath  seiner 
Lehreriimeuschuie  noch  ein  ,Jahr  zudictirt  hat,  so  zeugt  das  v<m  einer  so 
kindlichen  Naivetät,  dass  man  darüber  kaum  ernsthaft  reden  kann.  —  Der 
Herr  Director  wirft  mir  sodann  vor,  ich  wisse  nicht,  dass  aar  Bilangnng  der 
Bereebtigang  für  eigene  Abgangsprttftmgen  erst  das  Bestehen  der  Lehrerinnen- 
sehnle  während  einer  Belhe  von  Jahren  nOthig  sei.  Mag  sein,  dass  ich  daa 
nicht  weiß;  habe  ich  doch  auch  nicht  gewiisst,  dass  die  Schule  nur  etwa 
300  Schülerinnen  zu  haben  wünf^cht;  aber  ich  halte  dieses  für  gut  so;  denn  es 
scheint,  da&s  mau  hinsichtlich  der  Zucht  und  Ordnung  und  der  Leitstuugen  in 
den  oberen  Classen  mit  diesen  '600  nicht  fertig  wird.  Übrigens  könnte  der 
Herr  Directcr  gelegentlich  seine  alten  Jahresberiehte  befragen;  im  Jahre  1876 
£.  B.  hatte  die  Schale  348  Schülerinnen,  1887:  245.  Dagegen  weiB  Ich, 
daes  die  Lehrerinnenschide  in  den  70er  Jahren  schon  einmal  bestund,  dass  sie 
dann  aufflog  und  dass  sie  jetzt,  um  die  Schule  und  den  SchnH'osnch  zu  heben, 
mit  Mühe  und  Noth  wieder  eingerichtet  worden  ist:  ich  weiß  auch,  was  der 
Herr  Director  nicht  zu  wissen  scheint,  dass  die  Ansicht  weit  verbreitet  ist, 
die  Ezamenabereehtigung  würde  unter  der  Direction  Jischer  wafaracheinlleh 
nie  angestanden  werden.  Hat  es  doch  des  Daawisehentretens  des  Oberaehnl* 


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—   606  — 


rathes  bedurft,  um  dbu  die  Uuterriditsleljre  ertlieilendea  Semiuüidiiectoren  die 
pädagogiBcfa  leUNtTeritftndUdiatca  Aiordnangen  Ar  £itlMiliuif  te  üntcr- 
rlohtdeetioiieii  beim  Diieetor  IMmt  n  realklren.  SolelM  aad  IhBUflhA  Dfine 

wiaME  nuch  audere  Leute  als  ich.  —  Weil  die  deutsi  lieii  Beamten  nnd  Ot&- 
eiere,  meint  der  Heu  Director  feriior.  ihre  Kinder  in  die  Privatinstitnt*« 
schicken  —  denn  das  ist  doch  wol  der  »Sinn  seiner  Ansfnbmngreti  —  jrehen 
sie  nicht  in  seine  Schule,  und  weil  diese  Institute  stark  besucht  i^ieu,  t»ei  es 
adne  Sefaole  weniger.  Oewiai,  «im  nieht?  Man  kann '  dk  Stehe  amdi  m 
danteUen.  Aber  der  Herr  Dlreetor  Int  gribidlieh,  man  er  fiaibt,  ea  aei 
mir  daa  Yeriiiltnis  der  hSheren  Stände  zn  den  Privatinstituten  unbekannt 
Das  ist  eine  ziemlich  bekannt»»  Sa<he  und  in  jeder  größei-en  Stailt  so,  wie  der 
Herr  Director  f?:»ii7.  richtisr  austuhrt.  Ifler  ist  nur  das  merkwürdig,  dass  äw 
Straßburgei  stä-liisclu^  Scliule  eben  um  dieser  StÄnde  willen  g-ejarriindt^t.  ut- 
Spräuglich  vou  deieu  Kiudi^ni  besucht  und  dnuu  von  dieseu  veriaä&eu  wardeu 

iai  Darf  ich  dann  erinsem,  daai  d«r  Herr  Director  m  Avhng  der  80«  Jakra 
einmal  elaCD  Vortn«  geiialten  hat,  in  weleheai  er  nngctthr  ABtfihtta,  daaa  die 

Anstalt  eine  Schule  für  die  höheren  Stände  sein  solle?  Welch  seltsame  Iroaie: 
gerade  diese  Stände,  für  die  jspjnr  Schule  sein  Eollte,  lialten  ihn  veil;i«!<«en! 
Hat  er  sich  denn  wirklich  einmal  emstlich  damra  gekümmert,  warum  das 
alles  so  gekommen?  —  Der  Herr  Direct<»r  meint  sich  damit  trösten  zu  können, 
daai  Bau  nicht  alten  gefidlen  lüSnne.  Leider  liat  er  vergeoaon,  die  wenigen 
ansofllhrea,  down  er  ea  recht  macht.  Wciui  der  Herr  Dfradar  eraater  mit 
sich  n  BftÜM  gegangen  wäre,  so  wäre  der  g.uuc  Streit  an  dieser  Stellt*  un- 
n()tliig  gewesen.  P^ch  semip:!  Tch  kann  hier  die  Sache  durli  nicht  zu  Ende 
führen.  Der  Heir  Diifctur  möge,  statt  «ich  mit  dem  schreekliclien  Ot-^danken 
abzuplagen,  >>h  ich  einmal  sein  Nachfolger  A\eni»'n  küiuite,  allezeit  und  aller- 
wegen nur  das  Wol  und  Gedeihen  der  Schule  im  Auge  halten  und  daruacit 
fwachflii,  ob  ich  recht  oder  nnreeht  haha»  «nd  ob  nicht  TvirUiefa  die  Anaicht 
verhemcht,  ea  aei  liohe  Zelt,  daaa  aa  der  Schile  etaie  Atdenuf  etetreta. 
Dann  ItSnnen  wir  wieder  miteinander  reden.  Er  allein  scheint  das  nicht  n 
ifviaaen,  waa  die  Spatzen  schon  iange  von  den  Dichem  pfeifen.        H.  W. 


Aus  der  Schweiz.  Aui^er  der  Soi^e  um  Unterstützung  der  cantonalen 
VolkcachttlBn  dnreh  den  Bund  (vgl  DeeembaT'  nnd  ICinheft)  baaohiftigt  die 
Lelirerachnfl  —  hie  nnd  da  anch  die  Biiyerachaffc,  oder  die  eantoanle  Obe^ 
bahSrde  —  lebhaft  die  Regelung  des  gr^anrnrnten  Fortbildungaachnl* 

Wesens.  Zu  dessen  Gunsten  ist  üljiigens  wip  wir  früher  berichtet  — 
f-clioii  in  jtner  iutercantonaU'u  „  Denkseiirift"  und  in  der  be.«f.n  !f?en  Eingabe 
der  Aarsrauer  Lehrer  an  die  Buudesversammluug  ein  Wort  pe.spi  ochen  worden, 
luimeihiii  steht  im  \'ordergrund  des  Interesses  —  uatiiiiicherweise  —  die 
Siehernng  derVolkaadinle;  die  Angelegenheiten  der  Fortbüdnngnehnle  koaunea 
erat  in  sweiter  Linie.  Andi  Tcrlnnten  bezflglich  dieser  Sehnigattanir  wcneai- 
lieh  verschiedene  Ansichten,  Hdnnngen  oder  Wünsche,  der  Hauptsache  nach 
duieh  drei  {irnppen  vertreten,  die  sieh  kurz  als  a)  Radicale,  b)  Compromiss- 
und  Upportunitätti-l'olitiker,  c)  Gleichgiltige  oder  Passive  bezeichnen  lassen. 
Sehr  deutlich  trat  diese  Spaltung  im  vorigen  Jiüire  auf  der  (ersten)  Basler 
Sehnlsjttode  su  Tage.  Da  lauteten  die  wichtigsten  Thesen  des  entan  Bsib- 
renten  (Sdünp  heiftt  der  Wackere):   «Um  den  Fordenngcn  dca  pmktiachfln 


—   Ö07  - 


Lebens  und  dei^jemgen  der  Pädagogik  in  gleidiem  Maße  gerecht  2u  weideM, 
«i&d  aUgcmeiiie  obligatoiisehe  ForthUdimgaBehiilflii  la  «nrieliteo.  DitM  ichlitJwi 
«ifih  nnmiUelbar  an  die  TolksMliiilo  an  lud  dauern  (mit  zmtkwiBaäBr  B«* 
«shränknng  auf  einige  Vormittagsstanden  der  Woebe)  für  Jünglinge  bis  sau 

zwanzigsten,  för  Mädchen  bis  zum  achtzehnten  Altersjalii  e.  Die  Fortbildungs« 
i^rliule  entlastet  zunächst  die  Volksschule  durch  L'beniiilnne  der  schwierigeren 
Partien  des  bisher  der  letzteren  überüagtmeu  Unterrichtt^toffes.  Daun  folgea: 
fir  dl«  Jiiugliuge  VerfiMsangs-,  GtMliM^  YerwiltiUiCt-  «ad  V«ilkiwffttthallti- 
Jcende^  ftr  die  Midelieii  DDtanlelit  in  HaulialtiiiiffBfcuide  nadKindomstolMBir» 
Oesundheitslehre  nsd  Krankenpflege."  Der  zweite  Beferent  dagegen  wünschte 
-das  ..Obligatorium"  nnr  für  die  18-  und  19jährige  männliche  Jugend*);  für 
Mädchen  sei  es  „znr  Zeit  unmöglich**.  Und  das  bescheidene  Schlussergebnis 
<iei-  Verhandlungen  war:  „Die  Synode  spricht  den  Wunsch  aus,  die  Er- 
■sdehnngsbehörde  möge,  ihren  bisherigen  Bestrebungen  getreu,  foruahren,  for 
die  weitere  Fortbildniiir  der  sieht  mehr  eehelipAichtigeii  Jogeod  wbl  surgen. 
Sie  würde  das  Obligatorinm  für  die  FortbUdugiichiileB  der  mfanlieheii  Jefend 
begrüßen,  falls  sich  in  Zukunft  die  Verbältnisse  einem  solchen  günstig  ge- 
stalten sollten."  —  Ein  ähnliches  Schicksal  erfuhr  das  Solothnrner  Hanpt- 
referat:  die  vorgeschlagene  Verlängerung  dei-  obligatorischen  Fortbildungs- 
stihul^eit  um  ein  Jahr  wurde  tUHfelehutj  was  Befureut  den  iicmksscbal-  ^und 
anderen  eentnd  gelugenen  Orten*^  eis  PiUeht  ttberblnden  wollte  —  die  Br* 
riehtong  je  einer  gewerblichen  und  einer  leadwirtedieftlichen  FertUUnngs- 
«chnle  (Zweck:  „allgemeine  bürgerliche"  und  ^berufliche"  Aubilduag)  — , 
soll  der  „FreiwüliLl^rit"  überlassen  bleiben,  und  der  Anti'ag,  „zu  Gunsten  des 
gesamiuten  Furtbilduugsschulwesens  eine  wirksame  finanzielle  ünterstützung  von 
Seiten  des  Bundes  anzustreben tiel  mit  Kücksicht  aut  die  bekaiiuten  Schritte, 
Wtlelie  hehofii  Hebung  des  VolknohalweMos  gethan  worden  sind.  —  Die 
Anrganer  heben  eioh  in  mehreren  Verhendliingen  des  Jshree  enf  die 
einfache  „bürgerliche  Fertbildvngssehnle"  (Devtech,  Hechnen,  Vaterlandskunde) 
beschränkt.  Eine  8(dche  zu  errichten,  und  zugleich  ihren  Besuch  für  alle  nicht 
„höheren"  >i<  hülfr  verbindlich  zu  erklären,  steht  jet-At  n^<ch  jeder  Gemeinde 
frei;  man  wuuschL  nun  aber  das  „Obligatorium^  für  den  gesammten  Cantoa, 
und  zwai'  vorzugsweise  um  der  uRecrtttenprüfangen"  willen.  ,,Es  kann  — 
sagt  ein  angesehener  Sdbnlnena  —  der  Lehiendwft  nnmüglich  glcichgiltig 
sein,  welehen  Bang  unser  Danton  in  der  BeemtanprttAug  einnimmt  Naoh 
diesem  Rang  werden  in  den  weitasten  Kreisen,  gleiehTifl  ob  mit  Recht  oder 
Unrecht**),  die  Leistungen  unserer  Volksschule  bemessen.  Nach  diesen  Lei- 
stungen richtet  sich  auch,  zu  gutem  Theil,  die  Willfährigkeit  der  (Temeinden 
der  Schule  gegenüber.^  Das  Ergebnis  der  Recrntenprüfnngeu  aber  sei  „stets 
■anrBckaaftthren  auf  die  Eepetitiensottrse  und  bürgerlichen  FortbiMungtachnlen''. 
Die  eantonalen  „Cnltorgesellseheften''  haben  denn  anoh  an  die  Begierang  das 
Oesadi  gerichtet:  «sie  mSolite  befiMerileh  den  Gesetsesentwnrf  beaüglioh  der 


Aber  nicht  für  diir  gcsammtc;  auch  bezüglich  der  ,.Eiuftihrimg  in  dais  Ver- 
ständnis der  Rechte  und  rflichteu  ciues  Bürgers"  (im  zweiteu  Jahre)  beantragte  er 
die  bekannt»  Ausnahmen  —  obwol  der  Bürgerunterri«  ht  an  den  „höheren"  Schulen, 
Oymuasien  etc.,  nicht  eiugefühn  ist.  —  l  uterriclitsztit .  die  von  allen  üinstchtigen 
▼eiwerfonen  Abendstunden  (zweimal  wöchentlich  von  5—7  Uhr). 
**)  Hit  Uaieohtl  —  „Qleiehviel''? 


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—  ao«  — 


'  obligatoriflcheo  bürgerlichen  Fortbildungsschule  für  Koabeu  dem  Großen  Käthe 
(CaatMMriläe)  ▼orlsgui''*'*) 

SlBai  Umliehen  Ventol  bat  die  xtreheriBoke  8eh«liyBode  geflkrt, 
Baehdem  de  Ewei  gründlich  darchgenrb>  itete  Vorträge  —  über  die  „allge- 
Tii<^iiip"  nhf^r  di>  .>*f rnfliche"  FortbiIdun£r«'srhnlp  —  ^n^ehSrt.  Der  er?t« 
Peiereiii,  Hrir  W  eber,  wünscht  eine  allgemeine  I  nrt'i  Udnngsschule,  ;U?r))!>h 
wie  sie  in  Baden,  Hessen,  Sachsen  besteht:  für  die  15-  bis  ITjabii^en 
wMienÜidi  3  Studea  dai  gtnse  Jalir  UndiiiTli;  dis  18jährigen  toito  Im 
Wfaiter  aodi  dao  Bttrgenuiterrfdit  mpbagm*j  der  Staat  bwaUl  dte  Lflimr; 
daa  tbrige  leisten  die  Gemeinden,  die  für  die  bemflichen  Fortbildnngsscbnlen 

'(nach  dem  Vorschlage  des  Herrn  Hng)  iMir  die  RUnniliclikeiten  zii  beschaffen 
hätten,  wogegen  dem  Staate  die  gesamniten  Unterhaitäkosten  und  auch  die  Aus- 
bildnng  der  Fachlehrer  zutiele.  Das  von  der  Synode  dem  Erziehuugarath  ein» 
gereielite  Qmath  «ntrecfet  wUk  auf  „a)  BinfUmniff  dar  oUismtociaahaii  For*- 
bildiiiifiNlnde  für  die  laiimiteta  Jugend;  b)  wafliawada  ataaUiobe  üfttonllUanaf 
der  bernflidieB  Sehvlea  unter  Berttekdditlpntr  ^  landwirtschaftlichen,  ge* 
werblieben  und  ceiMerdeUea  VerbUtoiflM  MfHe  der  berafUobea  Anabildrag 
der  MUdchen". 

Weniger  durch  dieses  (iesacb  veranlasst,  als  vielmehr  infolge  zw^er  Aa- 
träge  (die  In  CaitOMralik  geafeellt  irofdea)  Ten  Begiernngnalli  beanflitgt^  bei 
der  Briiehinigiraftb  an  die  Beslriai',  Prinar-  nad  SeemidaradiilpfleceB  eia 

-  Kreisschreiben erlmea,  in  welchen  <  r  den  genannten  Mittel-  und  Unter» 
behiird'^n  folgende  Fragen  vorles-t**  :  „1.  Wie  stellen  Sie  sich  zur  Frage  der 
Eeorgauisatiou  des  Fortbilduugsschalweeens ,  insbesondere  des  ObhVatoriQms 
oder  Facoltativoms?  2.  Denken  Sie  sich  die  Fortbildnngsschnle  im  unmittel* 
baren  AnuhTii—  an  die  Primanehale,  oder  halten  Sie  einen  Unterbncb  nad 
ToUendeter  Primanehale  ala  aiif«nigt?  8.  Sollten  die  Fertbadngaeefaoln 
naeb  Um  Erniesaea  eher  noeh  die  aUgemelne  Büdiing  Tennittela  oder  mehr 
das  bemfliche  Moment  berücksichtigen?  4.  Genügen  für  Ihre  Zwecke  f?) 
Fortbildungsschnlen,  welche  die  allgemeine  nder  speciell  bürfTf^rlii^fK'  Bildung 
vermitteln,  oder  ist  ein  besonderes  Bedürtnis  für  die  Organisation  der  beruf* 
Udien  Avibüdnng  veiilianden,  und  5.  wean  ja,  kann  demaelben  genfigt  1le^ 
den  dvroh  AilpaMing  dee  LefarplaiiB  deiadben  (I)  aa  die  wlrteehaftHeheo  (Indi^ 
striellen,  gewerblichen,  landwirtschaftlichen)  Verhältnisse?  6.  ^Vie  stellen  81» 
sich  znm  Obligatorium  oder  Facultativum,  überhaupt  zur  Errichtong  von 
Mädchenfortbildungsschulen,  und  wie  denken  Sie  8ich  den  Ausbau  derselben.'' 
7.  Empfinden  Sie  es  als  Bedürfnis,  dass  für  gewisse  Berufszweige  eigentliche 
Fachschoien  für  die  theoretische  and  praktische  Bem&erlmiang  gerundet 
werden  soUtea?  8.  Welches  wiren  in  dieaea  Fälle  in  Ifareni  LandeatbeÜi 
diejenigen  Berufsgebiete,  für  welche  Sie  die  Nothwendigfcelt  einer  eig^tltebiM 
Schule  für  Beruf-  und  Faclierlemung  in  erster  Linie  constatiren  k5nntan?*' 

—  l>ie  Antworten  sollten  bis  Mitte  Jannar  eincellefert  sein  nnd  werden  wel 
gegenwärtig  von  der  Kanzlei  der  Erzieüungsdirection  verarbeitet.  — 


*)  Db&b  das  Gesuch  von  Hiehtlehzein  amveht^  kann  Ittr  die  Seohe  aar  w  e» 

günstiger  sein. 

**)  Ich  führe  wörUich  an;  nun  iPoUe  eleo  fSr  das  wieeheofale  Kaadei-DeKtHh 
aicht  midi  Tenatwoithoh  jnacbea. 


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-  eo9  — 


Wie  tuau  auä  den  eben  mitgetiieiltcQ  Jcragea  ersieht,  wird  im  Üauton 
Zllrieh  —  wie  ft1irig«Dt  aad«rwirta  aneh  —  ein  Haaptgewicht  auf  41«  aof  . 
ir6W6rbli€)i6iL  und  bernfliohen  FortbfldnngnehnleD  gelegt.    DIm  bnt 

«einen  Grand  zunächst  darin,  das«  solche  Anstalten  seit  1884  vom  Bande  be- 
deutend unterstützt''')  und  noch  anderweit  kräftig:  gefördert  werden.  So  hat 
das  schweizerische  Indui^triedepartement  1890  iu  Zürich  eiue  Ausstelliiug  der 
«gewerblichen  Fortbildaugsschulen ,  Handwerl^erschuleu  und  ^werblichen 
ZeieheneOTse",  1892  in  Basel  eine  Ansstellong  der  „kunstgewerbltehen  und. 
techniacb'gewerbliehen  Fachschnlen,  Cime  nnd  Lehrwerkttttken**  veranstaltet''^ 
Die  Kataloge  dieser  beiden  Ausstellungen,  ausgestattet  mit  geschichUiehen 
Eiulcitun^en,  hMtn  im  Verein  mit  den  Protokollen  der  Schlussconferenzea 
uud  einer  ^esrliiclitliph-statistischen  Schrift  des  bekannten  Prof.  n.  Honziker 
in  Zürirh  ( veroiieiiiiicht  1892  die  neuere  Literatur  über  die  niederen  und 
höhereu  Geweihe-  uud  Fachächuieü.***^ 

ünter  den  ycm  Bunde  imlintlltiteii  BfldnngMtttteii  flndeii  sieh  »neii 
solche  Ar  das  weibliche  Gesebleebt,  dessen  haaswirtsehaftliehe  und  benif- 

licbe  Ansrüstong  ebenfoUs  Gegenstand  hervorragender  Bestrebungen  geworden 
ist  —  wovon  u.  a.  die  mehrfach  erwähnte  ^Dpnksfjhriff*  und  der  lieute  tnit- 
getheiite  Beschluss  der  letzten  zürcherischen  Schulsynode  zeugt.  Ferner 
sind  Beschlüsse  zu  Gunsten  der  „Mädchenfortbildnngsschulen'*  —  deren  Er- 
riehtnng  als  Pflicht  des  Staates  and  der  Gemeinden  erachtet  wird  —  von  den 
vorhin  genaaBten  aargamlsehen  Cnltargesellsehaften  gefhsst  wmdeo  — 
■h^t  an  vergessen  der  Solothurner  Lehrer,  die  ganz  besonders  rährig  ge- 
wesen. Sie  wÜBSehen  —  nach  den  Beschlüssen  ihrer  letztjährigen  iluupt- 
verbaninihui^'  —  .durch  Griindiing  von  freiwilligen  Müdchenfortbildungs- 
schülen  diiü  übligatuimin  vorzuljereiten~,  und  zwar  wilren  diese  Fortbildanjrs- 
schuleu  uumitteibar  au  die  Priuiarächule  auzuschliel>eu,  iu  2  oder  3  Wintern 
irthrend  wenigstens  4  Standen  (wOchentUeh)  absabalten  and  ▼onehndieh  der 
haoswirtsehaMehen  Ansblldang  an  widawn;  ftr  die  Lehrarinnen  hfttte  der 
Staat  za  soi^en. 

Er  haTultlr  sich  dabei  vorzugsweise  um  Angehörig'e  g^v]nv^-  oder  unbe- 
mittelter 1^'amilien,  nm  Mädchen,  die  frühzeitig  ihren  Lebensunterhalt  durch 
selbstständige  Arbeit  sich  erwerben  müssen  und  nur  Aussicht  auf  eine  be- 
sdieiden«  eigene  Hänslichkeit  haben.  Was  nun  in  der  gesaaunten  Schweiz 
geschieht»  mn  Micha  Midchen  und  Frauen  in  ihrem  Wissen  nnd  Ktanen  an 
fördern,  ist  kfllzUch  ansanuaenzastellen  versucht  worden:  in  einem  anfangs 
dieses  Jahres  erschienenen  Schrifichen  von  Bud.  Dietrich  über  ..Die  schweize- 
rischen Schnlen  und  (,'urse  für  all^emeinf^  hauswirtschaftliche  und  berufliche 
Fort-  oder  Ausbildung  des  weiblichen  Geschlechts". ii  Die  Arbeit  umfasst: 
L  Yorbemerkuugen  —  II.  Staiistitiche  Beschreibuug  der  emzelnen  Anstalten 


*)  Der  Buudeäbeitra^;  kann  die  Höhe  der  halben  Gesamuttkosten  erreichen. 
**)  Das  Departement  bat  euch  im  vorigra  Jaiire  —  durch  den  verdienten  „Bs» 
perten'*  TT.  Bendel  in  Srhaffhanscn  —  eine  „Tnstnirtion  für  die  ei<iü:cn.  Expt^rten, 
Vorstände  und  Lehrer  der  gewerbhchen  Fortbüduugsscholen'^  ausarbeiten  und  dea 
im  Titel  Genannten  anentgeltlich  zostdlen  lasiea. 

***)  Eine  >>:loi<  h  wertvolle  Literatur  ftber  die  aUgemeiaea  Fortbildaags-  aad 
BOigerschulen  der  Schweiz  gibt  es  nicht. 

t)  88  Seiten  8^.  PxeiB  60  Cts.  Zu  beaiehea  dvxch  das  PestaioMianitt  in  Zürich. 


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—   610  — 


(HaupttheU)  —  Ul.  Überfcicliten*)  (A.  Vertheilung  der  bescLriebeuen  Schulen 
und  Oane  tuf  Caato&ef  nach  den  GiQatott  oder  Unternehmern,  nnck  dv 
Zeit  der  Grftidvnir  oder  enten  Veranetnltiinff.  B.  FOrderang  der  genMln' 
nlltiigen  Anstalten  durch  Gem^nden,  Caatone,  Bund.  Sehnlen  and  Cnrse  att 
C.  unentgeltlichem  Unterricht,  P.  vorwiegend  nnbemlttelten  Schülerinnen)  — 
IV.  Ergebnisse.  —  Nach  dieser  Statistik  —  die  keinen  Anspruch  anf  Voll- 
ständigkeit machen  will  and  kann  d.  b.  nach  deren  Erhebungen  (die  sich 
anf  die  Jahre  1890  md  1801  entreckeo)  besitit  die  Schweiz  124  AnalnltMi^ 
-welche  die  hn.eigtnlliehen  (engeres)  Sinne  welhlkhen  BÜdnnf^hedlrfliiwe  he> 
ft-iedigen,  theflwelae  eine  Eigftnztmg  oder  Erweitemng  des  Volksschnl Unter- 
richts bietf^n  wollen  und  (lamm  nicht  panz  ohne  Grund  und  Rt^cht  mit  df-m 
bpqncmen  und  beliebten  allgemeinen  Namen  „weibliche  Fortbildung-sschuh  n- 
belegt  werden  dürfen.  —  An  15  dieser  Anstalten  wiegen  die  Hauptfächer  der 
I  rimariüchule  vur,  au  33  die  eiiii'acheu  Handarbeiten ;  8  (Franenarbeits-,  In- 
diutriesehnlen)  sind  hauptsächlich  Bndongestlttea  für  Sdineideilnneii  mid 
„Arheitdehrerinnen* ;  17  pflegen  anDi  grUndlichtte  die  Hanshaltangikinet  In 
der  Praxis  and  Theorie  (3  daTon  nennen  sich  „Dienstbotenschalen Unter 
den  42  bloßen  „Cursen"  der  veischiedenstoTi  Art  finden  sich  auch  5  Sama- 
riteriniiencurse.  —  Am  besten  versdien  sind  die  Kantone  Baaelstadt  und 
Zürich;  ferner  St.  Gallen,  Bern,  Aargau,  Thurgau;  weiterhin  Glarus,  Solothum, 
Appeniell  A.  Bh.,  Luem.  Dagegen  acheinien  liah  die  Oantene  Vif|  Sehwyz, 
Oh-  ond  Mldwalden,  Tetatn,  Wallis  nicht  einnial  heeeheidenflr  Nih-  oder  Flick- 
sehnten  zn  erfreuen;  sie  sind  in  der  Statistik  nicht  Tertreten,  Die  Mehrzahl 
der  aufpefiihrfen  Anstalten  ist  von  eremeinnützig^n  Vereinen  (die  Hälftei  und 
von  (Tf-meinden  (ein  Vierteil  gegründet  worden;  die  liai  en  Staat-^^beitrilge  tlielien 
meistens  den  Lehrkräften  zu.  ChaiakteristiBch  ist  es.  dass  die  ^roße  Mehrzahl 
der  Schulen  und  Curse  ("'y^)  erst  seit  1885,  mehr  als  gar  erst  seit  1890 
hesteht. 

Die  Aitett,  von  der  Ich  hier  eiidgee  Weseatliohe  mitgetheflt,  ist  wus«> 

führt  worden  im  Auftrage  der  Fortbildungsschulcommission  der 
Schweizerischen  Gemeinnützifr^n  Gesellschaft.  Diese  Commission 
wirkt  seit  20  Jahren,  und  da  sie  um  die  Entwickeluüg  des  schweizerischen 
Fortblldungsschulwesens  sich  außerordentliche  Verdienste  erworben,  duriie  ein 
Ansmir  ans  ihrer  GeseUebte**)  wol  gereofatfertigt  sein.  Br  hflde  sngMok  den 
Schlnse  unseres  Berichts.  —  Anftogs  (1872)  hatte  die  Gomniisilon  anr  den 
Beruf,  „Material  zu  sammeln'',  und  ihre  Lelatu^en  warai  Us  1880  In  der 
That  recht  besclieiden:  eine  kurze  Beschrefbung-  der  wichtigsten  gewerblichen 
Schulen  des  Inlandes  zwei  Studienreisen  nach  Deutschland  1875  und 

1877,  eine  Zusamnieiiätelluug  der  geseiaslicheu  lieütimraungen  über  die  obliga- 
torischen Fortbildungsschulen  in  Deutschland.  Das  Jahr  1880  brachte  größere 
Antjgraben:  die  Oommission  sollte  im  Anfing  der  Gesellschaft  »die  ElnfBhnaf 
der  Fcrtbildnngsschiüen  fOrdera",  die  geeignetsten  Lehrmittel  aosfindiff  nuutea^ 
einen  „Normallehrplan"  entwerfen  helfen;  sie  sollte  femor  b^iachbarte  Oaa- 
toae  aar  Veraastaltong  gemeinsamer  landwirtschaftUeher  nad  gewerUidwr 

*)  II  und  ril  in  Tabellen  form. 
**)  Sie  ist  beäduieben  von  ihrem  Actuar,  Prof.  0.  Uuaaiker,  in  der  Üchweii. 
Zeitschrift  t  Gemehmhtsfglnit,  Jahrg.  1898. 


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—  611  — 

Cime  UmtgOLt  die  Avibfldiuif  von  „Wanderlelmni'*  aaregeft  und  tod  den 

T^ninlesbehürden  Unterstützung  jmev  Cnrse  nnd  ^Bedachtnahine'*  »nf  diese 
LehrertiMung  (an  der  polytechnischen  Schule,  Zürich)  hesrt'hren.  Die  I.ei- 
ßtnnj^eu  der  (  ommission  wurden  jedoch  zauächst  nicht  wesentlich  andere,  oui* 
dass  sie  noch  eine  Ausstellung  von  Lehrmitteln  für  gewerbliche  Fortbüdangs- 
lefaBlen  yennluete  und  eine  bereits  vorhandene  Sammlung  solcher  Lehrmittel 
(im  PeiUlosiiaaiim  bq  Zttrieh)  intenttttite.  Kan  efcsnd  eben  nodi  immer  in 
der  Periode  des  Tastens  nnd  Veimdiene,  war  noch  unentschieden  hinsichtUcli 
des  Zieles  sowol  wie  des  Weges.  Das  Jahr  1883  machte  diesem  Zustande 
ein  Ende:  die  roniniission  ward  nnnuielir  beanftrae-r.  ..in  erster  TJnie  die 
Förderung  des  bernflicheu  ((gewerblichen)  Fortbildungsschiihvesens  ins  Aiig-e 
zu  fassen"*.  Dementsprechend  gründete  sie  zauucliBt  (1884)  ein  eigenes  Organ, 
die  »Btttter  Ar  die  gewerbl.  FortbUdongsscliiile"  (mit  1892  in  den  MBiSttem 
f.  d.  Zeichen«  nnd  gewerbl.  BemÜronteRiclit*'  anl|gegangen)>  md  1886  beweg 
lie  den  Secretär  des  Sdiweiz.  Gewerberereins  und  einen  der  „eidgenössischen 
Experten"  für  das  gewerbliche  Bildnng^wesen  in  der  Schweiz  ihr  beizutrptpn. 
Im  gleichen  Jahre  nahm  die  Commission  auch  die  Förderung  der  „weiblichen 
Fortbildung"  in  ihr  Arbeitsprogramm  auf.  Sie  bewies  dies  zunächst  durch 
AUbMung  und  Verbreitung  einer  bezüglichen  Flugschrift  (von  Pfbrrer  Brenner 
in  mUUieim»  Tbirgan);  eplter  ging  rie  weiter:  mit  BundeMibvention  UeS  eie 
im  Herbst  und  Winter  1888/9  (in  den  Frauenarbeiteieiinlen  in  Zürich  und 
Basel)  eine  Anzahl  Müdchen  aus  verschiedenen  Tantonen  zu  Lehrerinn  n  für 
„weibliche  Fortbildungsschulen"  ausbilden.  In  den  Jaliren  1S01  mi  l  1^'.*2 
sodann  veranstaltete  sie  die  vorhin  besjirochene  Statistik.  Zu  Uuns^ten  der 
„männlichen  Fortbildungsschulen"  veraulasi^te  die  Commisäiuu  1891  die  Heraus* 
gäbe  zweier  Leltftden:  Ar  GeaeHsehafke-,  Staate-  nnd  VerfbfisnngBknnde  (von 
Prof.  O.  HnnsUcer  in  Zfiricfa)  und  für  Volkiwirtoebaftdebre  (von  Begiemnge* 
ratll  Affolter  in  Solothurn).  Lebhaft  beschäftigte  sie  sich  .auch  mit  der  Frage 
des  „Lehrlingsschutzes**  fKeferent:  GewerbesecretUr  Krebs\  Paneben  ii*^ß 
man  übriprens  die  früheren  literarischen  nnd  praktischen  ( »ricntirungsarbeiteii 
nicht  auüer  Acht;  so  wurden  Zeichen-  und  Gewerbeschnllehrer  mit  Stipendien 
n  Stadieareiaen  nadi  Genf,  Lyon,  Hfnehen,  Stnttgart  amgerUtlet. 


AusCroatien.  Das  A  gram  er  Lyceuni  für  ^lad  clien.  Die  Lehr- 
an«4talten  Cioalicns  sind  Dank  der  Fürsorge  des  Cultuscbets  Di-.  Krsnjavi 
abermals  um  ein  wichtiges  Uiied  vermehrt  worden.  Am  10.  October  1892 
wurde  ein  auf  acht  Clausen  berechnetes  Lyceum  für  Mädchen  eröffnet,  desaen 
Tier  Unterdaaten  ans  der  hVherea  TQeiitereehale  gebildet  wnrden. 

Damit  ist  dem  weiblichen  TheUe  nnserer  heranwachsenden  Jugend  eine 
&zlehnngfstitte  eröffnet,  in  welcher  die  MMcben  sich  eine  umfassende  Bildung 
aneipien  können,  die  sie  beföhi^.  den  ihnen  ang-cwiesenen  Platz  in  derOesell- 
schntt  würdig  auszufiilb  n.  ebenbürtige  Genossinnen  ilirer  Eliegatten  isu  werden, 
ihren  i'tUchten  als  Mütter  und  Hausfranen  in  jedem  Sinne  zu  genügen,  und 
Im  NotUUle  aneb  die  Eignung  cur  aelbatetliidieen  Oeetaltnng  ihrer  Znknnft 
■ich  SQ  erwerben. 

Der  Zweck  des  Madchen-Lyoeoms  ist  also,  der  weiblicben  Jngend  Gelegen- 
heit zu  bieten,  eich  eine  hOheie  allgemeine  Bildang  anzneignen  nnd  sich  da- 


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—   612  — 


dnrcb  nnch  ztir  eventaeUen  Ableganir      Fachprfifluigaii  vad  ArXJtiViniliti- 

Stadien  vorzubereiten, 

In  der  ersten  Classe  des  Lycenm  find»M!  Miidclieu  Aufnahme,  welche  bti 
der  strengeu  Aufüahuittprüt'uug  die  Keuutiätifitj  det>  iu  der  unteren  Voiksscliule 
gewouMaen  Wiateai  oMliWeiaen.  Fllr  den  Eintritt  in  die  «rate  dMW  ist 
das  zurückgelegte  zehnte  LelMB^j«hr  erforderilob.  Bei  der  entaudigeii  Eii- 
Bchreibung  in  das  Lyc^nm  hat  jede  Schülerin  eine  Aafnahmstaxe  von  4  fl., 
dann  einen  Beitruir  vm  1  fl.  zur  Schin"rinnen-Bib!ir)tliek  za  entrichten.  T):\^ 
8chnlgeM  beträgt  monatlieh  5fl.  Arme,  jedoch  Behl*  begabte  ächftlerinnen 
köuueu  davon  befreit  werden. 

Aile  Vonoliilften  betrelBi  der  linerai  und  loBeren  Sdinlverwaltong,  wie 
•ie  für  erontiseho  llitteliehiilen  In  Wirktiaikeit  itehen,  gelten  anoli  flr  dai 
Mädchen-Lyoeam:  namentlich  sind  in  analoger  Weise  der  Unterrichtieifolg 
der  Schülerinnen  h  den  einzelnen  Lehrgegenst&nden  festzustellen,  die  Classi- 
fication YorznnehineD  uud  die  Zeugnisse  zn  ertheilen  iedueh  mit  dem  I  nter- 
schiede,  d&sa  die  Wiederholung  einer  Clatibe  grundsätzlich  aus« 
feseliloBten  ist,  damit  niebt  dnidi  VenchnldelgtVDg  flr  sdiwielier  an- 
gelegte  Schilerinnen  ein  geistige«  Pieletariat  kflaitUdi  gexOcbtet  werde. 

Der  üntflfricht  im  Lyceum  nmfasst  folgende  dhUgate  Gegenstände: 
Keligionslehre,  croatische,  deotsche.  ft  nizr.sische  Spraclie,  alliremeine  Literatur 
in  croatischen  Übertragrnnpen.  Weltgeschiclite,  üeogi-aphie.  Mathematik,  Physik, 
Aaturgeschichte,  plülosuphische  I'ropädeutiJ^  Zeichnen,  weibliche  Handarbeiten, 
Oeaang,  Gymiaalft  und  Kalligraphie;  ftnar  ali  ralatir-oUigate  FKehar:  cng- 
üache  nnd  lateinlBehe  Spradie  nnd  Pidagogik.  Keine  SdiBlerin  iat  Tci]»fl«!iitet, 
einen  der  relativ-oblig^at€n  Geg:en.st5lnde  zu  betreiben.  Will  de  diea  aber,  so 
i^t  f!ir  die  Wahl  des  (te^enstaudes  freig-estellf,  doch  wird  derselbe  nach  erfolg- 
ter Eut«cheidnn?  flir  sie  ein  oblig^ater.  und  die  Prüfung  über  denselben  ebenso 
vorgenommen,  und  übt  der  Fortschritt  in  demselben  bei  Bestini nmng  der  schlief- 
lieiien  Fortgangadaaie  den  gleidiea  Eiaflnas  aas,  wie  die  allgemein  obligaten 
GegenatSade.  Die  Scbfllerinnen  der  Anstalt  sind  nicht  Oberbirdet  Sie  haben 
wöchentlich  nur  27  Stnndea.  Die  Anstalt  hat  den  Charakter  einer  Midcte* 
schule  beibehalten,  da  auch  ITandarbeit  in  den  Lehrplan  anfg'enoTnmen  "vrurde. 

Mit  der  Gründling  dieser  Schule  hat  der  strebsame  Cnltuschef  Dr.  Krsnjavi. 
der  sich  zum  Ziele  gesetzt  hat,  den  Frauen  Croatieus  durch  die  Eröiinuug 
neoer  BUdungsbaimen  weitere  Beru&gebiete  ^u  erschließen,  eine  wichtige  Station 
in  seinen  Bestrebungen  erreieht 

Das  croatische  Schulwesen  kann  sich  glücklich  preisen,  dnen  aoldMn 
Cultuschef  m  Iiaben.  Wir  wOn.schen  dem  vortrefflicheB  Ifanne,  dase  er  noch 
viele  Jah!f  wirken  müge  zum  Wole  seiner  Nation. 

Volkäschulen  iu  Croatien  und  Slavouien.  Iiu  vorigen  Schuljahre 
waren  in  Croatien  und  Slavonien  1259  Volksschulen.  Durchschnittlich  kwnmt 
eine  Vblkasohnle  anf  38,78  qkm  nnd  anf  1736  Einwehner.  KaabcnaidnleB?^ 
mdebenschnlen  80,  Gemischte  Schulen  1105;  mit  einer  Lehrkraft  824,  mit 
zwei  T>ehrlvr:lften  278.  mit  drei  56,  mit  vier  101.  Mit  croatischer  Unten  ichts- 
Sprache  gab  es  1158,  mit  deutscher  27,  mit  ungarischer  8,  rn«=i-i^her  2  und 
slowakischer  2  Schulen.  Die  Gesammtausgabe  tiir  sämmtliche  \  oiksschnlen  be- 
lief sich  anf  1520533  fl.  79  kr.  Bibliotheken  für  Lehrer  gab  es  1142 
mit  181  954  Bladen,  fBr  Soktter  914  ndt  49883  Binden.   MMttt  te 


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—   613  — 


Scholgiebiadaii  warcii  992  Scbslnftrtoiu  Did  Ztlil  sftniinfUofacr  Lfthror  ww 
2024  — ,  also  kommt  ein  Lehrer  auf  1142  Einwohner.  Schulpflichtige  gab  es 
241 305.  davon  beracbtoa  die  VoikMchole  146101,  d.  h.  63*01%  oder  8*02% 
der  Einwohner. 


Aus  dti  Fachpresse. 

76.  Fritz  Harkort  (H  Kim|>el.  Hebs.  1893,  7 --10).  Wie  Harkort 
ein  halbes  Jahrhundert  als  „  inbuii"  der  Volksschule  und  ihrer  Lehrer,  der 
VoUmbttdoog  ttberlutiipt  (theUweiBe  im  Verein  mit  Dieeterweg)  gewirkt,  wie 
Aber  sein  „VolknehnlideBl*  Immer  noch  nicht  cor  Wirklichkeit  geworden,  wird 
ausführlich  und  anschaulich  nachgewiesen.  Beoonders  dankenswert  die  Aus- 
züge aus  Harkorts  Schriften  und  T.  an  dt  ausreden.  —  Am  Schlüsse  versrleicht 
K.  „Preußen.s  Lehrer  zu  neun  Zehnteln  mit  einem  Walde  jnnqrer,  klüftiger 
£i<:hbäume,  und  diese  gelten  in  der  Gesundheit  mehr  als  ein  Bestand,  in 
welchem  hie  nnd  da  eine  gewaltige  Eiche  mit  ihren  knorrigen  Ästen  dem  Sturm- 
wind TrotB  beut,  die  tbergrofle  Mehrzahl  der  Gewaebee  aber  Bnecbwetk  ist 
Die  Jnngen  Lelirereichcn  aber,  angefüllt  mit  dem  Geiste  Harkorts,  geben  Hoff- 
nung, dass  das  Volksschul-  und  Volksschullehrerideal  einst,  in  nicht  zu  ferner 
Zeit.  Wirklichkeit  werde.''  —  Sind  jener  Vergleich  nnd  diese  Hoffnnng  be- 
rechtigt ?*) 

77.  Ein  Beitrag  zur  Begriindimg  der  Moral  (J.  C.  M.,  Kef.  1893, 
15).  Belehnug  Uber  die  Entstehung  und  Entwlcklnngsgescblebte  der  Moral 
nidit  in  der  Phflosopliie,  sondern  in  der  ^verglelehenden  VSlkerknnde  nnd  in 

der  Cultnrgeschichte"  zu  finden.  „Die  Hauptsache  war  mir,  nachzuweisen, 
wie  wahrscheinlich  die  Hyi>otliese  erscheint,  dass  die  Moral  entstanden  ist  auf 
dem  Wege  fortschieitender  Lebensf iirsorge ,  und  dass  das  moralische  Bewusst- 
sein,  d.  i.  die  Stimme  des  Gewissens,  abhängig  ist  von  dem  jeweiligen  Cultur- 
itadlwn.  Die  Conseqnenz  aber  ist  die,  dass  mit  der  weiteren  Entwicklung  der 
MeoBchbeit  eine  EntwIoUnng  der  Moral  Schritt  halten,  dass  anf  eine  Ändemncr 
der  Ottltnrverhflltnisse  eine  Umwertung  aller  (aller?l)  moralischen  Werte 
folgen  mnss." 

78.  Moral  und  Religion  (J.  C.  M.,  Ref.  1893,  17).  Hier  kommt  es 
dem  Verf.  weniger  darauf  an,  das  Verhältnis  von  „Religion"  und  ..Moral" 
gründlich  zu  erörtern,  als  vielmehr  bezüglich  der  letzteren  einfach  festzustellen: 
1.  n^^^  ^  Moral  in  venchledenen  Zeiten  TCHMhledea  war,  aber  einen  Fort- 
schritt anfWeist,  erklSrt  sich  ans  der  dnreh  die  fortschreitende  Lebensfilrsorge 
bedingten  Culturentwicklnng.  2.  Weü  die  verschiedenen  Völker  zu  verschie- 
denen Zeiten  auf  den  Schauplatz  der  Geschichte  getreten  sind  und  eine  indivi- 
duelle Oulturentwickluns:  durchmachten,  so  mussten  auch  verschiedene  inoralische 
Vorortheile  bei  ihnen  gelten.  3.  Die  Lehren  der  Geschichte  und  Völkerkunde 
widerstreiten  der  Behauptung,  dass  es  ein  ew^esMoralgesetz  gebe.**)  4.  Weil 

*)  H.  Wanner  (Hann.  1893.  7  -9'-  schließt  seinen  Aufsatz  ilher  Tfarkort  mit 
deu  Worten:  „Baiig  tragea  wir  heute  mehi  denn  je:  Wann  wird  uns  ein  zweiter 
Hukoit  entdien?*'  —  Berichte  Über  zwei  Feiem  (am  Grabe  Harkorts  und  in  Hagen) 
hictea  die  PZ.  und  die  ADL.;  letztefe  bringt  auJIerdem  eine  Sammlung  Ton  Aus- 
sprüchen des  Gefeierten  (in  Nr.  14). 

**)  Womit  eher  noch  nicht  bewiesen  ist,  dais  es  ein  Ar  alle  Zetten  gültiges 
»Moialgesets«  witklidi  nicht  gibt 


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—   614  — 


Jod«  Zdt  Auf  taSebttlteni  dar  yomt^pegaiigeiien  stebt*),  Ton  ihr  Institationea 
lud  Ideen  Uberninmt,  so  erU  «ie  aieb  moralische  Anschauungen.**)    Da  aber 

unsere  Zeit  Vertreter  verschiedener  Culturstufen  fder  feudalen,  der  biir^erlicben 
und  der  proletarischem  nebeneinander  sieht,  so  trifft  sie  auch  aut  verscliiedene 
Moraltheorien,  und  keine  von  diesen  wird  auf  allgemeiue  Anerkennung  rechnen 

79.  (BsyriKhe)  Seh«  Urkunden  snt  alter  Zelt  (IL  Datienberger, 

Rep.  1892/3,  V).  Nach  der  Urschrift  gedruckt  -  1.  Bestellung  des  Sdat 
meisters  am  St.  Magnus-Stifte  zu  Füssen,  1461.  i  ..Item  wir  peben  aiaem 
Schulmaister  ain  truckne  ptründ,  und  nit  ain  lierren  pfi  ünd.*  !  2.  Be- 
stellnngsbrief  des  Martin  Kttiier,  Schulmeisters  in  Mcmmiageii,  1469. 
3.  Extract  der  Seholordnnng  in  NQrdlingen,  1522.  —  4.  Besll(e  des  „Sebnl- 
•mtes*  Osterbergr  1611. 

80.  Faehnnterricht  in  der  Primarschule  (E.  Balsiger,  Schw.  1893, 
7.  8  »  ttipfiehlt  sich  deshalb,  weil  die  Mehrzahl  der  Lehrer  nicht  für  alle 
Filcher  gut  beaulagt,  folglich  nicht  für  alle  recht  tauirlieli  ist.  „Jede  Leiir- 
krafi  t>olI  vor  allem  da  verwendet  werden,  wo  sie  dais  Üeste,  Tnditigst«  zu 
leisten  yennag.''  (ünd  darauf  ist  sdun  In  SenlnamBtsniclit  Btckslelit  la 
neluneD.)  Olelehwol  «kann  es  sieh  nicht  um  da  leiaes  Faefasysten  handeibi; 
in  jeder  Claese  behält  eine  bestimmte  Lehrpersönlichkeit  die  überwiegende 
Mehrzalil  der  Ünterrichts^stnnden  und  damit  den  maJ3gebenden  und  verantwort- 
lichen erzieherischen  EiuÜuss^.  —  „Ein  stichhaltiger  (irund  gegen  die  Eiu- 
fiihrung  des  theilweisen  Fachunterrichts  iu  der  Primarscbnle  —  sagt  der 
(bemiiebe)  Hldeheneebnl-,  frttbere  (sanetgaUlsche]  Seaünardlrsetor  amScUnsee — 
besteht  nkbt.  Dagegen  kOnnen  sieb  aas  der  Anwendung  dieses  PrinelpB  viele 
Vorthelle  ergeben:  Vortheile  in  der  HeraabUdnng,  Stellnag  und  Wttrdigiog 
der  Lehrerschaft,  und  Vortheile  in  ( inem  gründlichen,  überall  von  znverläs- 
sijsrer  Sachkenntnis  getragenen  Schulunterricht  —  Vortheile,  die  zusammen- 
genommen einen  eminenten  Fortschritt  der  gesauimteu  Jugenderziehung  bedeuten." 
(Ist  die  letiste  Behauptung  nicht  ein  wenig  fibertrieben?) 

81.  Beobacbtangen  an  Neulingen  (Sehpr.  1693,  11).  ssikhe 
Untersuchungen  wissenschaftlieh  etaet  ausgeführt  werden,  ist  bei  den  jeüdgea 
Standjainktc  der  psycliolngisclien  Erkenntnis,  bei  dem  gänzlichen  Mangel  an 
Übung  ieitens  der  Lehrer,  hn  (\r-v  im  ^>rhältnis  zur  Schwierigkeit  der  Arbeit 
geradezu  ungeheuren  Zahl  derer,  (iie  beobachtet  werden  solleya,  ganz  and  gar 
nnmfiglleh.  Ob  fiberhaupt  je  die  Zeit  kommen  wird,  we  derartige  Beobach* 
tnngen  und  Venuehe  yoUstindlg  einwandfrei  sind,  nuias  beiweiftlt  werden.' 
^Als  Kittel,  über  die  Vorstellungen,  die  vorbanden  Bind,  Klsrheit  zu  erlangen, 
benutzen  wir  nicht  die  Mittheilung  durch  die  Kinder,  sondern  die  wirkliche 
Bt-obachtuiig.  Und  zwar  so:  wir  geben  dem  Kinde,  indem  wir  ihm  die 
Wirklichkeit  oder  ein  Bild  zeigen,  Veranlassung  wahrzunehmen  und  dann  dat» 
Wahrgentmmene  m  benennen."  Stoffe  der  Beobaditang:  eine  wirfcUeba 
Wohnung  —  Wiese  und  Baeh  —  drei  Bilder  (HlbaeribnlUe  —  Frfihling  — 
Wald)  —  FsnillenTerbttltoisse  der  IDeinen.  —  Autfittmag  der  Arbeit:  ten 


*)  Nicht  jede  Zeit  —  oder  nicht  mit  beiden  Beinen  —  oder  ni(^t  ihstf 
**)  Und  nun  kommt  es  darauf  an,  was  sie  damit  nacht! 
♦**)  Verdient  es  aucl»  nicht. 


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8ftmmtlieh«n  Lehrern  der  Sdiole,  and  swar  mit  AbtheüB&gen  von  je 
4SoMUeni  In  4x  ^  4  Stimdeii  (ani  bee<nid«n  d«Ar  VestÜMMteaNMlmittagen}. 

Dabei :  Aofreichnang  der  Ergebnisse  in  pfttktitic}!  angelegten  FomnlareD.  — 
Endlich:  statistische  Verarbeitung  des  gesammelten  Stoffes,  erst  durch  die 
Elementarlebrer,  dann  dnrch  eine  Commission.  —  (Mit  klaren  Erläntrinn^en.) 

82.  Sprache  und  Sprachznclit  (NeutV'ld.  Poinni  189:5.  4).  Treflliche, 
kirz  und  klar  gefa&ste  Hatbscbläge  —  nicht  nur  lur  unkundige  Anfänger  im 
JAümmt.  Um  du  Spreefavi  «nd  Baden  iit  et  ja  noch  in  gir  vielen— hohem 
wie  niederen  —  Sdratfin  ftbel  beeteilt;  gewtaee  HahBOffai  Idlmien  nleht  oft 
genug  wiederholt  werden,  z.  B.:  „Vor  allen  Dingen  aasreden  lassen,  nidit 
fortwährend  unterbrechen!  Fehler  dtJrfen  nicht  'hir^lii-^^lu  n :  ahpv  die  Schtilcr 
selbst  sollen  sie  verbessern,  nnd  nur  im  Nothfalle  tritt  der  Lelirer  ein.  Ei« 
gibt  nichts,  was  die  Anfuierksamkeit  der  Classe  mehr  anregt  und  das  Sprach- 
Temögen  mehr  fördert  Schreifee  Ablehnen  and  DaswischenfAhren  eehttchtert 
ein  nd  macht  mvthloe.  Daher  kimimen  die  vielen,  die  nieht  antworten  mdgen, 
aaeh  wenn  sie  es  könnten,  nnd  mancher  verdirbt  es,  weil  er  es  ganz  gut  machen 

aber  zaghaft  nnd  unsicher  darangeht."  „Jede  Gegend  hat  ihre  land- 
liintigr^n  Fehler.  Diese  müssen  verb»'ftvprt  werden.  Inurif^r  wieder  znr  Sprache 
pebraclit  uihI  l»«'richtigt,  iDüesen  ei»-  euUiich  vertehwinden.  Hier  U^t  auch  die 
eigentliche  Aui^^abe  der  Grammatik. ^ 

89.  Ane  der  Praxie  (E.  Bemer,  Bad.  1893,  10).  Gegen  „Naehbtt- 
dangen"  im  allgemeinen  nnd  gegen  eiMe  x«  moreligtrenden  Tabetn  im  beeen- 
dern.  (Beleirfel:  ein  unnatQrlicher  „ Master knabr-^  in  einer  Nachbildung  an 
„Grille  nnd  Ameise«,  vgl.  Bad.  1893,  8).  '1  refteiiri  V.en'rrkt  B.  am  Schlüsse: 
„Nf  limen  wir  an.  die  NachbfMnng  werde  zu  Hause  getertifct.  Ein  verständiger 
Vater  wirft  vielleicht  einen  Blick  hinein.  Er  wird  lächeln.  £fi  ist  dasselbe 
lAehefai,  dae  am  die  Lippen  des  feingebildeten  Menachen  spielt,  wenn  in  einem 
TheatentOfik  der  nHerr  Lehrer",  mit  dem  Fluch  der  LieherUefakeit  belaetet, 
den  Olymp  zu  dröhnendem  Laehen  zwingt." 

84.  Zur  Reform  des  französischen  Sprachunterrichts  fPr.  Bühler. 
Schw.  1893.  6 — 9\  „Hauptpunkte":  „1.  Austcehen  vom  Laute,  statt  von  der 
Schrift;  ^:^chuiung  des  Ohres  und  der  Spraeliwerkzeug-e.  um  das  Kind  verstehen 
und  sprechen  zu  lehren.    2.  AnschHUungäobject  für  den  Sprachuntt^rricht  sei 

entweder  ein  epraehliehee  Ganze  oder  irgend  ein  Gegenitend,  an  denen  das 
Denken  in  der  fremden  Sprache  eelbet  nnd  ohne  das  hemmende  Zwisehenglied 

dee  Dentechen  erzielt  werden  kann.  3.  Indnctive  Ableitung  der  SpraehgMetze. 
4.  Abschaffen  des  dentscln'n  t  bersetzens  oder  Einschränken  desselben  auf  blnße 
Anwendung  des  durch  Indaction  Gewonnenen.**  —  Verf,  ist  ein  Bekenner 
Uildebrandischer  Lehren, 

85.  Zan  Zeichen anterrieht  in  der  Volkeschnle  (J.  M.,  Aarg. 
1898,  2).  Verf.  nrtheilt  über  den  heutigen  Stand  dee  Zeieheannterrieliti: 
„Der  Zeichenunterricht  ist  der  zweitjilngste  unter  seinen  vielen  Brüdern,  den 
Lehrfächern  der  Volksschule.  Während  sich  sein  jüngerer  Bruder,  der  Turn- 
unterricht —  von  der  Lehrerschaft  liebend  gepflfg-t*\  da  tmd  dort  sogar  ge- 
hätschelt —  allbereits  zum  lebensfrohen,  kecken  Junjreu  entwickelt  hat,  der 
sich  reckt  und  streckt  und  jeden  Herbst  seine  muntern  Künste  und  Luftsprünge 


Aber  doch  noch  lange  nieht  ttbenU! 


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ittm  bMton  giM,  ittderZddMiiiuitaTlchtlBnnir  Meh  tla  8iMiiliohiiii,beiiaUMi6ry 
•dUg«r  BondM  geblieben,  von  dem  die  Herfen  Pädagogen  noch  niciht  recht 

wissen,  was  ans  ihm  werden  Tind  wie  er  an  <\fr  Seite  seiner  lieben  Brüder 
«•henialls  beitnig^eu  soll,  das  geplagte  Meoschejikiud  ebrlioh  und  rechtadiaffen 
durclis  Leben  zu  bringen." 


Ein  ünleoi  deoticher  Kontt  eatbllt  der  aoeben  pttnktlieb  enebieBene 

6.  Band  von  BrockhauB'Konver8ations-Lexikott,14»Allfl.,  in  der  prächtigea 
Liclitdrucktafel  ,  (^t-ntf^r  Altar",  weiche  den  Artikel  van  Ejck  bf-p-lHtet.  Das 
für  die  Entwick'  Iuhl'^  I  i  Kunst  wichtige  Bild  ist  in  seinen  einzelnen  Tlieüen 
an  weit  voneinander  eutleiuteu  Orten  verstreut,  m  dass  es  erbebliche  Schwie- 
rigkeiten machte,  das  monomentale  Werk  snin  erttenmal  in  aeiner  vrtpriing- 
lieben  Cl  iwamMtflninheiiniBg  getren  wiedeisngeben  (wie  bei  den  Original  nit 
auf-  und  aoUappenden  Flügeln).  —  Der  6.  Band  iat  llberiiaiipti  gleidi  seinen 
Yor^iin^em,  mit  einer  Fülle  illustrativen  Schmuckes  anspeetattet  nnd  reich  an 
vorzütrlicheü  Artikeln.  Neben  den  von  12  Karten  und  Plänen  begleiteten 
geagrapbischen  Artikeln  (es  beieu  nur  Elsass  -  Lothringen,  England,  Erde, 
Europa,  Fioland,  Essen,  Erfurt,  Fiiime,  Floreai  erwähnt),  sind  es  vor  allem  die 
natorwlasenaehaltliehen  and  teobnelegtooben  Artikel,  «elebe  den  6.  Baad  aiw- 
zeichnen.  Unter  den  ersteren  ragen  die  allein  mit  20  Tafeln,  darunter 
3  Kcliöneu  Chromoblättem  (Enten,  Fasanen,  bnntfarbigre  Fische)  illu.strirten 
zoologisclini  Artikel  hervor.  Unter  den  technologischen,  durch  7  ^eitarattafeln 
und  zahlreiche  Textabbildungen  erl&uterteu  Artikeln  mögen  genannt  werden 
Elektrotechnik,  Feuerlöschwesen,  FlachsspinnereL  Besonders  anregend  ist  auch 
der  von  einer  inatmotiven  Tabelle  begleitete  Artikel  ErÜndnngea.  ünter  den 
hio^raphischen  Artikeln  lei  nur  als  wiederholtes  Beispiel,  mit  welcher  Präcisioa 
die  Bedaction  den  Tage8e^cigni.s^^cn  folgt.  Jules  Ferrv  s  Tod  erw  ähnt.  der  eben 
erst  erfolgt»^.  Einen  besonderen  Vorzug  vor  allen  ahnlichen  Werken  besitzt 
der  neue  „Brockiiuus'  aber  dadurch,  dass  er  dafür  soigt.  dass  jeder,  der  als 
Abgeordneter,  Stadtverordneter,  Stadtrath,  Geschworeuei,  ^chOffe  an  der  Ge- 
eetagebong  oder  OeeetsanafUinuig  betheiligt  ist,  Uber  alle  Gebiete  des  Eeebta 
ind  dttr  Volkswirtschaft  ausfttlirliche,  zuverlässige  Bdehrung  aus  ilun  sehS^fBn 
kann.  Artikel  wie  Eltern,  Familie,  Erbschaft  und  was  damit  zusammenhängt 
V'  rden  davon  überzeugen,  wie  nothwendig:  die  im  „Brockhaus"  gebotene 
juristische  Belehrung  ist.  l>ass  auch  die  volkswirtschaftlichen  Artikel  (z.  B. 
Erwerbsgeuosseuschaften,  Fabrikgesetzgebung,  Fabrikordnung  u.  a.  m,),  deren 
Gebiet  bidier  einer  grollen  Aniabl  der  Gebildeten  naheca  eine  terra  incognita 
war,  nnentbehriieh  aind,  venteht  aicb  von  selbst  in  unserer  Zeit,  welebe  mit 
der  „Selbstverwaltung''  die  weitesten  Schichten  des  Volkes  betraut  hat. 

Der  nene  „Br-ickhans",  der  keinen  der  Vorzüofe  der  früheren  Auf'l:«?»"!! 
preisgegeben  hat,  ist  somit  wieder  in  einer  neuen  zeitgemäßen  fiichtong  bahik- 
brecheud. 


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Recensioneii. 

>'adrow»ki.  AlrisB  der  Wortbildnn«  im  Dentsclieii.  Wiesbaden, 

Bechtohl.    40  Pf. 

I>er  genannte  Abriss  behandelt  auf  40  Seiten  die  deutsche  Wortbildungs- 
lehre mit  Hinweisen  ftttf  die  ItSeinische  Wortbildung,  und  zwar  nicht  auf 
hi-ätoristh« T  (irundlage,  sondern  nach  der  log^iscben  Seite.  Er  geht  nicht  vob 
der  Wurzel  aus  und  erörtert  auch  nicht  die  sogenannte  innere  Ableitung. 
Ave  dieeem  Grunde  kann  er  auch  auf  die  Dantellung  der  deutsciien  Laut- 
gesetze vereichten.  Was  Nadrowski  bei  einer  Neuaiiflaj^e  seinp-^  S'-Jiriftchens 
jedenfalls  wird  verbessern  müssen,  ist  die  Seite  40,  wo  er  Frcindworte  und 
Lehnworte  unteitschieddoe  in  einen  Topf  wirft;  ferner  gar  manche  Bemerkviig, 
die  sich  auf  den  l'rspTTinp  der  ..Ableitungssilben'  bezieht.  So  stellt  er  z.  B. 
— bold  mit  Bild  zusammen  (in  Weibsbild);  er  meint  {6.  5):  Tischler  scheint 
Ton  einem  yerlorenea  elten  verbom  „tischeln'^  abgeleitet;  UmiMt  erUfift  er 
8.  31  als  Veränderung«  weldie  die  Voeele  n,  e,  m  ducb  Hinmtiitt  eines 
e-Lautes  erleiden.  W. 

Bone^  Grammstieche  Grundlage  für  den  deutschen  Unterriclit. 
5.  Aufl.   Köhl  1802,  DiHen^Manberg. 

Das  Bflchlein  onthiilt  in  ansprechender  Form  die  tiblichen  grammatischen 
Definitionen  und  £egein;  hie  und  da  beittcksichtigt  es  die  Volks-  und  Um- 
gangssprache vnd  weut  mif  Sditdeorfelder  liin.  Eine  neue  Auflage  wird  manoiies 
Unrichtige  (vielleicht  auch  die  Paragraphen  1—0)  ausscheiden  müssen:  z.  B, 
SL  4  (tt.  sehen  —  siehst  (Ablautr),  S.  ö  lange  und  kurze  Silben  je  nach 
den  vocaien,  S.  7  Be^bnis  (Bohwankendes  Gesdilecht),  S.  11  (u.  ö.):  Die 
Conjunction  gibt  das  Verhältnis  der  Sätze  iTilosT^i  zu  in;uider  an,  wie  die 
Plrapofiitioa  dias  Verhältnis  der  Wörter  zu  einander  angibt.  S.  16:  Wozu  die 
(yereinzelt  stehende)  Bemerkung:  Held  im  Altdeutschen  stuk:  des  Beides. 

Gl);  Vor  und  '»der  oder  iiflegt  man  nur  dann  ein  Komma  zu  setzen,  wenn 
ein  neues  Subjectswort  i^i)  folgt  (doch  wol  ein  neuer  Satz).  S.  71:  Durch 
„Fehlerhaftigkeit"  ist  kein  Bu^«tabe  in  ein  Wert  gekommen.  S.  81:  Ist  der 
Plural  „Hemder''  Schriftdeutsch?  S.  86:  das  Masculinum  der  Zeh  (statt  die 
Zehe),  S.  87  die  Form  dreschen  —  dre.schfe  erlaubt,  S.  88  gedeihen  —  ge- 
deihte,  S.  88  kaufen  —  käufst,  S.  89,  preisen  —  preiste,  rennen  —  rennte. 

W. 

HJ^zel,  Übungen  im  Kaitenlesen,  Eine  Aufgabensaminlnng  tür  höhere 
Schulen.  1.  Heft.  Die  Erdtheile  auAer  Jüiiropa.  Leipzig  1892,  Wagner  & 
Debes.   60  Pf. 

Es  bleibt  eine  adtsame  ErsMnnng,  da«  eine  geographiselie  Anijgaben- 

Sammlung  bislang  noch  nicht  erschienen,  während  mathematische  und  physi- 
kalische Übungsbücher  in  fülle  voibaDden  sind,  von  AuÜBatzbttchem  und 
Tbemettsaarailungen  gar  nlelkt  sn  reden.  Bin  paar  Hetiiodiken,  ein  paar  Lehr- 

bib  her  habeu  mehr  beispielsweise  einige  Fragen  mitgetheilt,  zumeist  die  Lage- 
Bestimmung  betreöend.  Eine  systematische  Öammiung,  alle  geographischen 
Yerhältnisee  (Lage,  Uiuriss,  AufhM,  BewftHerung,  Klima,  Pflanzen-  und  Thiers 
weit ,  Beyölkerung  und  Staatsverhältnisse)  umfassend  und  in  gleicher  Welse 
berücksichtigend  ist  erst  die  im  Titel  genannte.  Sie  darf  somit  schon  deshalb 
als  eine  erfreuliche  Erscheinung  auf  dem  Büchermarkte  bezeichnet  werden.  Sie 


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—   618  — 

ist  es  aber  auch  vermög:e  Une»  initemi  Wertes.  Die  Vtngta,  wMerholeu  äicfe 

nicht  jsrbaMoncnhiift,  sie  genHpcn  tnm  anfmorksamcn  Betrachten  der  Karte 
and  ndtbigeQ  zu  einer  vergleichenden  Betrachtung,  also  zum  selbstständigea 
Urtheil;  wo  immer  es  tbunlicb,  drängen  sie  auf  eine  wklftnuig  der  gcogmphiseheB 
Thatsache  nach  ihrer  Ursache  und  ihrer  Stellung  zu  anderen,  die  ii!  ihrem  Ge- 
folge auftreten.  Am  ScUuase  jedes  üapitels  kaufen  lie  an  bereits  Besprochenes 
in  nmnunraeteQeadeB  Au^aM»  an.  Der  Ftamren  liiid  nieht  venige«  belqiiels- 
weise  über  Arm  ril  i:  4nn.  Der  Y  rfasscr  kann  versiicbert  sein,  rfas?  ihm  rlic 
Lehreiwelt  für  öeme  mtth»ame  Arbeit  ab  einem  wichtigen  Beitrag  zur  Methodik 
dankbar  sein  wird.  An  Uieonllichea  Ameinandeneteiuigeo  fdut  et  ins  Iw- 
kanutlicb  nicht,  an  Parstellungcn  aber,  wie  ein  denkender,  erfahrener  Ltlirer 
ui  der  äeltiile  praktisch  arbeitet,  sind  wir  nicht  reiok,  aofar  am.  JUge  das 
n.  Heft,  Earopa  tietreffend,  recht  bald  ersdMlien.  Eb  wird  dem  gaBsen  Steff 
nach  und  clit^l)re(■helld  der  grllndlichereu  Bchaudliiny:  dos  Tbcmas  itii  T'nt'  r- 
richt  gewiss  zu  noch  tieferer  £rfaMung,  zu  noch  lehrreicheren  Zinammen-  und 
Oegenttbentdlm^en  aaldten.  W. 

Keuuuui-StnK  DentteblandB  Helden  im  Krieg  und  Frieden.  LBftnd. 
HaiiDOT«r  1892,  K.  Meyer  (Gastav  Prior).   Preis  des  Bandes  4  VL 

Nicht  im  Lehrbucbstil  fsondern  etwa  so  wie  die  Gartenlauhei  er/zühlt  das 
auf  drei  Baude  berechnete  Werk  die  Geschichte  Deutachiauda,  schwungroll, 
mit  Obergehung  des  NebarafteUifdi^  nad  all  demen,  wofür  sich  k«m 
Interesse  mehr  wachrufen  iHsst.  Das  Buch  will  ein  F  iniili'  n'  ui  h  werden,  au« 
dem  man  zur  Unterhaltung  ieaend,  nicht  mtthsaui  ätuUixend  ilm  Leben  der 
Ven^  keaaea  lernen  kann,  nieht  bU»  die  Kriegsgeeebiehte,  eendcm  haupt- 
sächlich die  Cultiirgeschichte.  Per  Verfasser  schrril  t  Ü -rt-  er  weiß  zur  Techten 
Zeit  ein  Uitat,  ein  (iedicht  einzuschalten  und  bu  die  Dantdlung  za  beieben. 
Mandimal  frpüidi  wflnsehte  man  eine  giVBere  Akribie,  eine  sorgfältigere 
rflck  :  li'igung  der  neueren  Forschungen.  Der  Vcrfasgei  lehApft  oft  aas 
Schritten  zweiten  Kanijcs,  d.  h.  popnlarisir»?nden  Werken.  W. 

M6yer,  Edm.,  Leitfaden  der  (Teschiclite  in  Tabellenforiu  für  iireiißische 

höhere  LehraiiäUlteu.    Iii.  iiieii.    Neue  Zeit.    BerUu  1892,  Weidmauu. 

2  H.  20  Pf. 

Den  Tiihi  lK  n  wird  mau  nachsagen  müssen,  dass  sie  in  lesbarer  Form 
geschrieben  sind,  und  das  ist  ein  großer  \'ür/.ug.  Dem  8tolie  nach  ist  da« 
Buch  fast  zu  umfangreich,  es  ist  aber  gut  <;(.'gliedcrt  und  fordert  geradezu  zu 
einer  denkenden  Behandlung  der  Geschichte  heraus.  Der  Verfosser  thut  »ein 
m&i^lichstus,  den  Schüler  auf  den  Kern  der  Ereignisse  aufoierksam  zu  machen. 
In  dieser  Hinsicht  müssen  die  Einleitung  und  die  jedem  Regentenleben  voran* 
gestellten  Ubeniehten  beiondem  berroigdeben  werden.  Sie  sind  cbaiakteri8ti.idi 
mr  daö  Buch.  W. 

•  L6itfaden  für  den  Unterricht  iu  der  Botanik  an  höheren  Lehranstalten 
von  Karl  Ströse.  Oberlehrer  am  Herzogl.  Friedrichs-Reaigyujuaaiuui  in 
Dessau.  Uuterüture.  Dessau,  Verlagsbuchhandlung  von  Paul  Baumann. 
V  IL  61  Selten.  60  Pf. 

Einer  „Einführung",  weicht  pliysikalis.  he  "Winke  enthalt,  fol^'t  eine  Mor> 
phologie  der  Blüten,  Blätter  und  Zweige  der  Pdanzen  an  der  Mand  t<hi  Ob> 
jecien,  weldbie  bierfttr  besonders  typisch  sind:  sodann  folgen  Besehreibengen 
ganzer  Pflanzen,  um  auch  die  Verschiedenheiten  in  anderen  »'»rtrancn  zu  zeiireu 
hierauf  Früchte  und  Samen  und  endlich  Lebenseracbemungen.  Eine  Art 
Zusammenfassung  des  bisher  Ciebotcnen  ist  im  Capitel:  ,.Die  allgemeiae  Gestalt 
der  Pflanze''  in  der  Beschreibung  einzelner  Pflanzen  gegeben,  welche  in  ver- 
gleichcndtii  B*  -iclircibungen  rerwandter  Pflanzen  yerrollständigt  wird  und  mit 
i:iaei  Zu.-ainmeiifoääuug  der  morphologischen  Grundbegriffe  und  Lebeas- 
erscheinun^'en  abschließt.  Die  Beschreibung  von  Vertretern  monokotyler  und 
dikntyli  r  Familien  zeigt  uns  ila>  System  der  blühenden  Pflanzen,  worauf  wieder 
-Lebtuäeraclieiauttgcn"  folgen.  Mit  ein^  Bestimmuuestabeile  der  wichtigsten 
Bftame  nnd  Stzineber  (Dentaohlaads)  wird  das  BOeUain  geeefaloeswi.  —  Die 


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—  619  — 


MeUiodc,  welche  der  Vcrtas5er  hier  emsililagt,  isi  tiue  vou  der  gebräuclüielica 
abweichende,  abor  jedenfalls  praktisch  zu  nennen,  wenn  niir  aoeh  dmn  Lebzw 
zur  entsprechenden  Zeit  «lio  nöthigcn  Objcete  zur  Verfügunß:  stehen,  und  zwar 
in  solcher  Zahl,  du£ä  er  alle  Schüler  damit  bctheilen  kauu,  damit  der  Unter- 
noht  frvohtbringend  werde.  Die  Ausstattung;  des  Bilcbleins  ist  sehr  nett,  doeh 
mangcla  vollständig  AbbildangeB,  die  in  Botanik  so  notliwendig  sind  wie 
in  der  Zoologie.  C.  R.  R. 

Dasselbe.    Oberstufe.  Mit  U4  indeuText  gediuckteuHoIzscliiiitteu.  EUiuda. 

m  imd  158  Seiten.  1  U.  60  Pf. 

Im  ersten  Abschnitte  behandelt:  der  \'erfas>er  dlkotyle  Arten,  Gattiinseu. 
Familien  und  Ordnungen;  die  Beschreibungen  sind  schematisirend  gehalten, 
und  dadurch  geht  die  Lebhaftigkeit  etwas  verloren;  bei  einzelnen  Gattungen 
sind  6e>timniung3tabellen  eingestreut.  Gcmcinsauie  Merkmale  der  Arten  sind 
als  Fauiilieuoharakter  am  Schlüsse  jeder  Abtheiiung  zusammeugefasst.  Der 
zweite  Abächuitt  ist  morphologischer  Natur,  indem  unter  Anlehnung  an  das 
vorher  Besprochene  die  Werkzeuge  der  Pflanzen  und  ihre  Verrichtungen  be> 
schrieben  werden.  Das  dritte  Ciipitel  bcliandclt  die  nacktsamigen  Pflanzen, 
das  vierte  die  Monokotylen,  das  tünfte  ist  eine  re petitorische  und  ergiiniieude 
Übersii  ht  der  Dikotylen.  In  alleii  diesen  Capiteln  int  auf  ausländische  Pflanzen 
gcbilrende  Küeksicht  p;enommen.  Im  seehstea  Abschnitte  ist  die  geographische 
VerhreituuK  der  Plianzen  in  sehr  übcrBichtlichor  und  interessanter  Weise  be- 
epnMlien.  Im  eiebenten  Abschnitte  folgt  «  ine  BeaefaieibDiig  vos  Vertretern  der 
Sporenpflanzen  und  hierdurch  auch  der  Übergang  zum  achten  (^a]»itel:  der 
innere  liau  und  die  Lehenscrscheinnngen  der  Samenpflanzen  angebahat.  womit 
das  reichhaltige  V>uch  absehließt.  Ist  nun  auch  Mer,  wie  in  den  anderen 
naturhistorischen  Werken  «ler  Verfasser  seinen  e!^:cnen,  vom  gewßhulicLeu  ab- 
weich^dcn  Weg  gegangen,  so  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  derPiau  dci>  Buches 
wol  dofebdlaeht  und  unschwer  durehführbar  iit.  Der  Verfasser  verfugt  tlber 
eine  sehr  klare  T'iction  und  beherrscht  den  Gegenstand  in  vortn^fflirlior  Weise. 
WUnschaoswert  wäre  gewesen,  dass  das  schem&tische  Wc»tiu  &ith  nicht  zu  sehr 
vordri^BI^  Die  Auietattung  des  Werkes  ist  lehr  zu  loben,  und  die  zahlreichen 
Holzschnitte  dienen  doin  Buche  nicht  nur  zur  Zierde,  sondern  bilden  einen 
wesentlichen  Theit  der  auzuerkennenden  Vorzüge.  C.  R.  R. 

M&ller  und  Pilling,  Deutsche  Schnlflora  zum  Gebrauche  für  die  Schule 
und  zum  Selbstouterricht.  Gera,  Verlag  von  TheodiOr  Hofinann.  240  Pflanzen- 
bilder  in  Farbendniclc.   Das  Werk  «nehelnt  sonSeliBt  in  SO  Li6fenuig«n 

.  A  70  Pf.,  in  4  Theilen,  v-m  denen  der  l.Tlieil  in  ^^fappe  1  M.  60  Pf.  k<.stet. 
die  drei  übrigtti  Theile  Je  6  M.;  der  erste  Theil  eotli&Lt  48,  die  übrigen  je 
64  Bilder. 

Unter  den  bisher  erschienenen  Pflanzenabbildungeu  nimmt  di(»Q,  Ton 
welcher  uns  die  zwei  ersten  ThcUe  vorliegen,  einen  der  ersten  Plätze  du.  Die 
Pflanzen  sind  ein/.-  ln  auf  (JtiarrMättcm  ab»?(  bildet,  das  Bild  der  Pflanzen  ist 
lebhaft  und  im  hi^chsteu  Grade  naturgetreu,  die  Detaiidarstelluugeu  von  Blüte, 
Fraeht  und  Same  nnd  anderen  für  die  Charakterisirung  der  Pflanze  wichtigen 
Bestandtheilen  sind  sehr  (rclunfrcn  tmd  eine  bRchst  dankenswerte  Bei^rabe.  Die 
Abbildungen  erscheinen  nicht  in  systematischer  Auleiuanderiolge,  aber  es  ist 
durcii  aoi  die  Tafeln  beigedmekte  Bezeichnung  der  natttrlichea  Familie  und 
der  I.innfe'schen  Classe  und  OTdniiuir,  in  weli  Le  die  Pflanze  gehört,  sehr  leicht, 
die  Bilder  systematisch  zu  ordnen,  im  Anschluss  an  das  Buderwerk  sind  bis- 
ber  zwei  l%dle  des  „Lehrganges  des  botanischen  Unteniehtes"  von  Prof. 
Dr.  T.  D.  Pillini;  er-cliienen,  welcher  jetzt  schon  den  n?^thigen  Text  liefert  und 
wird  überdies  gleichzeitig  mit  dem  Erscheinen  der  letzten  Lieferung  der  nScbul- 
flora*'  Ton  demselben  Terfiisser  eine  popuUie  Botanik  im  g^eicheD  Formate  er- 
scheinen. Wir  eni]>fe]ilcn  das  <iedit  gene  Werk  allen  Freunden  unserer  Fbca 
und  insbesondere  allen  Lehrerkreisen.  C.  R.  R. 

A.  Sprockhoff  s  Kleine  BotaniL  Die  wichtigsten  Culturpflanzen  und  deren 
Feinde.  Die  verbreltetsten  wildwachsenden  Pflaazen  nnch  ihren  Standorten 


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—  620 


in  Oroppen  und  EisEelbildern  sowie  Gliedenmgr,  Bau,  Leben  ind  Übentfifat^ 

nebst  einer  nmfan^ei-  Iipii  AnleitUDg  und  Übnnj?  im  Bestimmen  der  Pflanzen 
in  übersichtlicher  Form.  Mit  176  Abbildungen  auf  67  Stöcken.  IV  und. 
151  Seiten,   Hannover  1892,  Verlag  vuu  Karl  Meyer  (Gustav  Prior). 

In  einer  eigeuthiinilirhen  Reihenfolge  führt  der  bekannte  Verfasser  die 
'  PfltBMn  TOT.  In  erste  Lini*  Ktcllr  er  die  Culturpflanzen,  weil  sie  am  leichtesten 
za  beobachten  sind  und  für  den  Menschen  die  größte  Wichtigkeit  haben.  Obst^ 
bäume  und  Sträucher,  Gemflsepflanzen ,  aage^ute  Feld{^flanzen,  Waldbäume^ 
anKl&ndische  Cnltnipflaszen,  Zierpflanzen,  Axneipfliuazen  and  Giftpflanzen 
%T(rdea  in  sehr  guten,  prüc-isen  Beschreibungen  angeführt,  bei  vielen  wird  die 
praktii^cbe  Yerwcndunp;  ungegeben,  die  Gewiimong  und  Benutzung  ihrer  Stoffe 
nicht  übergangen.  Bei  den  Bäumen  und  dem  QetNide  werdm  andi  die  Feind» 
eingehend  besprochen,  doch  leider  nicht  bei  den  anderen  Pflnniren;  zumal  der 
Schädlinge  aus  dem  Pflanzenreiche  ist  nur  beiut  Getreide  und  der  Kartoffel  Er- 
wähnung gethan,  warum  nicht  andi  hei  den  anderen  Pflanzen,  wo  sie  dodt 
ebenfjaUs  für  die  Landwirtschaft  von  grofier  Bedeutung  sind?  Die  wildwAt-bt^en- 
den  PllflDzen  werden  nach  den  Standorten  in  einigen  typisebeu  Arten  recht 
gQt  dviehgeiioiBmea.  XcHrpliolegle  und  Anatomie  r-ind  wul  sobr  kurz,  aber  aus- 
reichend bespTochen.  Einen  rrrofien  Theil  des  kb  im  n  Werkes  f37  Seiten) 
nimmt  eine  analytische  Bestmimungstabelle  ein,  \n  eiche  aukitet,  zuerst  die 
Hanptgnippen,  dann  die  Familien  und  endlich  die  Gattungen  und  Arten  anf- 
ziifinden,  so  dass  ein  ziemlich  unifn  -pndes  Bild  der  deutschen  Flora  gegeben 
wird.  Die  Auastattuag  iit  lobenswert,  die  zahlreichen  Holnchnitte  sind  redit 
gelnacM.  a  Bw  B. 

Bilder  «m  der  Geschiehte  der  Physik.  Für  Fronde  der  NfttnrwisMii- 
sehaften  und  ftr  Stndirende  an  liffhereii  Schoko.  Von  Dr.  EngeB  Netoliedia«. 

Nach  des  Vf  i  fiissersTodefor^eertat  und  durchgesehen  von  Dr.  A.  Wacblowskl, 

k.  k.  Gymnasialprofegsor.  IV  und  263  S  itf  t^.  Wien  nnd  Leipzig?,  Verlag 
von  I'ii-hler's  Wittwe  nnd  Sohn,  Bnchbaudiuitg  für  pädagogisdie  Literatur. 
1  ÖuiUen  80  Kreuzer  =  3  M.  6Ü  PI. 

Es  war  ein  glücklicher  Gedanke  Netoiiczka'b,  den  Lehrern  der  rhjtük 
dnieli  eine  Geschichte  der  Phjsik  die  mannigfachen  Wege  nnd  Irrtbümer  tos^- 
zuführen,  auf  wt  b  b«  n  und  durch  welche  oft  nach  schwerem  Kumpfe  die  Wahr- 
heiten erstritten  wurden,  in  deren  ruhigem  Besitze  wir  uns  heute  befinden. 
Wir  werden  dudunh  dieselben  nicht  nur  hUier  schätzen,  sondern  anch  miU 
unter  hinter  Einzelheiten  kommen,  die  uns  sonst  unbekannt  geblieben  wären. 
Nicht  in  systematischer  Gruppirung  uud  auch  nicht  iu  historischer  Aufeinander* 
folge  werden  in  Einzelbildern,  bei  denen  das  biographisdie  Ifokient  eine  be^ 
deutende  Rolle  spielt,  alle  Gebiete  der  Physik  durchgenommen.  Allpreraeinen 
Überbli(kea  über  den  Zustand  der  Naturlehre  in  verschiedeneu  Zeiträumen 
ftilgen  Darstdhuigen  Uber  die  Batwiciklnn^  einzelner  Disciplinen  von  ittrao 
ersten  Anfansre  an  bi--  -/.n  ihrem  gegenwftrticren  Standpunkte.  Was  der  erste 
Veriasscr  glücklich  begomien,  setzte  der  zweite  mit  kundiger  Hand  nicht 
minder  glücklich  fort,  so  dees  Werk  «utande  gekommen  ist,  das  aiebt  war 
unserer  heimischen  Literatur  zur  Ehre  gereicht,  sondern  in  s?ehr  anregender 
Form  reiche  Belehrung  verbreiten  wird.  Der  Inhalt  des  Buches  ist  ein  so  reieh- 
haltiger,  dass  das  bloße  Namensverzeichnis  der  im  Werke  angeführten  Gklefeartaa 
2Vi  Seite  umfatst.  Die  Sprache  ist  sehr  schOn  und  klar,  und  nirtrends  st56t 
man  auf  eine  zweifelhafte  Wendung.  Allen  Lehrern  der  Physik  und  auch  den 
Volk^schnllebTem ,  die  mittels  des  ududtee  des  Buches  den  Vortrag  ungemein 
beleben  kf^nnen,  sei  dieses  Werk,  da«  auch  im  Preige  sehr  niedrig  gesitefit  und 
sehr  hübsch  ausgestattet  ist,  aufs  wärmste  enplohlen.  C.  B.  E. 


Vermntwortl.  Redscteur  Dr.  Fri«dricii  Dittet.    Bocbdreokerei  Jniivs  Klinkhtrdt,  Leipsig  ^ 


litcJitvtntMdliihtn  l  küiiim 

Clarierschuie 

ait  di(  vm 

A.Gerstenberger 
iflO*.  tmZtkSiff. 

k/f^t  Ruh>nn 

Irtsden.  Äd.Br;^" 


P^aninos;;™«»^^.^•~•Ä 

IQi&hr.  Garantie.  Abzahlnnj?  gestattet. 
Btt  Barzahlung  Rabatt  und  J-reisendung. 
WILH.  EMMER,  BerUs  O,  Sejdel- 
■*^"Te20.  Allerhöchste  AuszeichnungBii: 
Offfon,  Staat«-MedaiUea  etc. 


Pianinos 


von  8ä0  bU  läW)  Mk. 


Harmoniums,  ^•■*r*SJS*f"«"*' 

*•  Jiust^i.  Alle  Fabrikste.  BSchitorE 


Alle  Vnrfh-i!- .  IHu.vr 
Willi.  i;Tirl,,Ip}, 


gitetea  1 


Burrabfttt. 

•e  cratis. 


mm 


imRUMEIITE -i-: 

—    Gröfsles  i.agcr  •  ! 

Louis  Ocrtclc») 

HANNOVER  ;i 

Ütar  dflB  seit  Jahren  bei  den  p.  t. 

Wdagogen  etc.  etc. 

wohlbek«iui|«n 

Holländischen  Tabak 

▼OB  B,  B6«k«r  in  SMs«n  a.  Harz  hat 
der  Fabrikant  tausendfaches  Lob  erhalten 
uad  sich  den  Besitz  der  Zuschriften  schon 
188B  nad  dnn  1892  notariell  bestätigen 
lassen.  Das  not.  Dokument  hat  die  Expe« 
«MOB  BiBfesahan.  (10  Pfd.  des  Tabaks 
MNja  BiBBm  Bentel  frco.  8  Mark.) 

lllfM  3f  flltra         btoa?arnfflf^r!f  i^on 

iii|wa  grHurii  iicBra  «öd,  n  \»x\uxt 

»oraflgl.  Stridgarne  a.  SnumDoOe,  iBiaoane 


Soeben  erschien: 

Die  Simultanschule. 

Warnm  maas  «ie  die  l^eluile 
der  Znknft  sein? 

Von  Scherer,  Schuliaspektor 
Preis  MJi.  1,-. 
A>  TOmleh*g  Vertag,  Bielefeld. 

Sir  )t(  Äomwfrs'.cit  ßfUcns^jjfo^ffa: 

3|ul(  flir  Dir  ilgU»^i|il(. 

3rünftf,  üicfjoc^  üorbcncrtc  uub  oermcbrte 
«uffogc. 

8«  deg.  geb.  «prci-:?  so  1^'-,  clrg.  fort.  1  3K. 

S)o§  ät^erfcben  bringt  in  aeorbaetst 
^itiamnirnfteaung  30  6ing'  nnh  Sfebes» 
fpiclc  für  bo^  fitnbergartenaltfr,  21  ©picle 
für  Änoben  unb  «Kübc^fn  im  Älter  m  ui 
9  3obreii,  39  turn-  unb  anbere  6|rfd^ 
für  ftnobfn  unb  10  gpicle  für  3)?äbcficn 
über  y  3abrc,  ferner  44  OJefeai'ebaftdtoiele: 
augerbent  44  9fimbaii<I0fttngeB,  60  «^ier^ 
unb  9tdlfclfragen ,  eine  ?lnja^r  «bjä^I- 
Worte,  joroie  Slnlcitung  j^u  ^audmufeen 
unb  ©ortenfreuben  ber  5ugeub;  enMii^ 
einen  boöftonbigen  ficbrt)tan  für  bfii  Turn- 
unterridjt  in  ber  ^oXmAvAt  für  knobeu 
unb  äTIäbdien. 

(i?cqfii  (finfrnbniui  bi'^^  fnJffltfcnben 
Setragx-  in  iöru'fmarffn  ift  bic  'SktUkoA' 
^onblung      birefter  Sufenbuno  (mit 

lelimlrittinpanltaltrn 

$rei^  G()  ^45f. 

.  geip^ffl-          aulhi«  »linr^arbt. 

Für  30  Pf.  franco  liefert  Ueljulch'» 
Verlaß  in  Bielefel«:  „Ratgeber  f.  Leiter 
▼oa  Yelkt-  nad  SdiattlbUetkekea.«« 


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Iiu  Verlag  von  Julius  KHukhurdt  in  Leipzig  orsfhion  soeben: 

Lehrgang  der  Steilschrift 

von 

I^rajaz  Taegrer. 

In  drei  Theilrn  (Current-,  Latein-  und  Rondscbrift). 

Preis  complet  in  Mappe  M.  3. — . 

Zweclc  diesos  Sohriibwtrkeö  ist,  einerseits  die  Steilschrift,  deren  Vorzüe^e 
bereits  von  hervorragenden  pädagogistiien  und  medii  inisrhcn  Autoritäten  anerkannt 
wurden,  zur  deutlidicn  Ansritauuug  zu  bringen,  andererseits  eine  umfaiisende 
methodische  Darstellung  des  Schönschreibens  zu  versuchen,  und  endlich  das  Schreiben 
der  Steilschrift  na<hhaltig  anzuregen  und  zu  l'irdern.  In  detn  hier  gebotenen 
Lehrgange  wird  der  Vcrsurh  gemacht,  in  den  Schreib-  und  Schönsclireibunterricht 
der  Volks-  und  Bürgerschulen  eine  umfassendere  Entwicklung  und  vielleicht  auch 
eine  entschiedenere  und  zweckmässigere  methodische  Behandlung  zu  bringen, 
als  dies  in  den  bisherigen  Schreibwerken  geschah.  Die  musterhafte 
Ausführung  und  Ausstattung  des  Werkes,  sowie  dessen  niedriger 
Preis  werden  sicherlich  über.iU,  wo  man  sich  für  die  Steilschrift  interessirt,  die 
wärmste  Anerkennung  finden. 

3in  meinem  'i^crlogc  ift  foebcu  crjd)ienfn: 

eines  tnetQobt|'d)  tieriünbenben  ^(nferricQfd 

in 

StHcrilfuRiir,  unorpnijdier  Ebenie  unl  d|(ini)il)(r  ^edioolaiie 

S>ci6cL*, 

ii-minatobiTlff)Tt'r. 

Sroei  Ii'ilf  in  einem  :^anl>c.  preie  broftt».  Ül.  3.—. 

^.^prftfhenbfi*  S5?frf  i[t  namentlich  für  3omimuc  bcüimmt.  9?a(^  ben  (^runbfä^fn 
ber  llfrbin^»en^»•n  lUettjobe  erteilt  bcr  i8erfanor  feit  einer  longen  Stetige  t)on  3at)ren  ben 
nnturjicfdiirtnltdien  Unterridit  mit  beftom  (Erfolg  unb  Ijat  feine  Crfalirungen  in  obigem 
Si^erff  ntetierrtolcflt.  S'ir  beu  llntcrrirfjt  in  ber  9?aturgcf(^i(^te  wirb  ba^ifelbe  Don 
gröjjtcm  ^JJuiu'n  fein. 

Ücipjtg  unb  »erlin  W.  35.  5ultu6  Älinfbartt. 

SooToen  eraolieizit: 


19000 

1 16  Bände  geb.  ä  10  BL 
[  oder  256  Hefte  ä  SO  Pf. 

160001 

1  Abbildungen. 

Brockhaus^ 

rsations-Le: 

/4.  Auflage. 

SeitenTextl 

Konve 

xikon. 

eoOTafeln. 

SOOKartenJ 

1 120  Cbromotarelo  DDd  480  TafelD  Ifi  ScbwarzdrocL  | 

Buchdmckmi  Julius  Klinkh.inlt,  Leipzig 

t 

Hierzu  eine  Beilage  von  Franz  Vahlen  in  Berlin. 

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l 


Paedagogium. 

Monatssclirifi; 
Iii 

Erziehung  und  Unterricht. 

IIerausgeg^>en 

unter  Mitwirkung  hervorragender  Paedagogen 

Ton 


ir.  Jainai 

10.  Heft,  JoU  1893. 


Leipzig. 

Verlag  von  JiiUus  Klinkbardt 


•KL 


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Ldialt  to  10.  Hiftes. 


über  das  Migsverbältois  Kwiscben  den  Bechtea  (Freiheiten)  und  der  Bildung 

des  Volkes.  Von  f  P>i>t  J.  FvohsehAiiiiiier-XtbMlMii  681 

FiieUoh  der  Oiofte  und  seine  SteUnsg  mm  BeUgions-  imd  Morahmtemekte. 

Von  Th.  Ludw.  Wolf- Leipzig  631 

Angaben  der  Geschichte  im  Leben  der  Gegenwart.  Vob  Joliftim  JC«iilioli- 

Mähr.- Schönberg  &40 

PAdagogfische  Bandschaa.    Die  SO.  Allgemeine  deutsche  Lührerversammlung. 
\2  Berichte.)  —  Aus  Westfalen.  —  C.  Westprenßen.  —  B.  Vom  dentachcn 

Ostseostnoid«.  —  Ans  Croatieii.     Henmnn  Ifailiu  ^  .  6öS 

.  660 


-Pnit  m  Qnitel  2^ 


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\ 


i%T  Bilto^  des  Volke«. 


Notirwoidigkeit  sclhrereii  Brngens  und  Klmpfeiui  der  Meoi- 
sohen  der  Uneft,  um  sieh  im  Dasein  2a  erhalten  imd  m  fördern, 
hrsehte  ee  nit  odi,  dass  sich  bald  betrikditliehe  XTnterBeliiede  in  Beng 
anf  die  tallerlicheii  Verliäitiuflse  derselben  büdeten  dnreh  grOtee  oder 
geringere  kOiperiiefae  und  gdetige  Begabung,  GeeddeUichkelt  nnd 
Klugheit,  Fleü,  Vorbedacht,  IDUNgkeit,  BegttuBtignng  dnreh  die  Vm- 
Stande  u.  &  w.  Die  begonnenen  ünteraehiede  begünstigten  dann  eine 
tnmer  stärkere  Vergrößerung  derselben  bei  emadnen  Ifenschen,  ^e 
bei  Familien,  Stammen  n.  s.  w.  Dazn  kam,  dass  die  primltiyen  Men* 
sehen  nnd  Stamme,  "wie  noch  jetzt  die  wilden  Horden,  am  die  Be- 
dingangen  der  Erhaltang  des  Daaehis  in  bestandigem  Streit  nnd  Krieg 
skh  befimden  nnd  dnreh  Tenäehtnng  fremden  Lebeas  das  eigene  an 
erhalten  snehten.  Bessere  Einsicht  mochte  wol  bald  bewirkt  haben, 
dasa  man  die  besiegten  Feinde,  anstatt  sie  erbarmnngsios  an  tOdten, 
Heber  am  Leben  lieft  nnd  sie  als  Sdaven  an  dienen  awang,  da  dies 
fOr  den  VortheÜ  des  eigenen  Stammes  nnd  der  Einzelnen  weit  förder- 
licher erscheinen  mnsste,  als  die  gänzliche  Vernichtung  der  Feinde. 
Insofern  war  die  Einführung  der  Sclaverei  einigermaßen  ein  Fort- 
schritt Uber  den  früheren  noch  schlimmeren  Zustand  der  Menschheit 
hinaus,  insofeni  wenigstens  eines  der  Grundrechte  des  Mensclien,  das 
Kecht  auf  das  Leben,  eine  gewisse  Anerkennung  fand,  wenn  auch  die 
iibriLieu  ]>ersönlichen  Rechte  noch  gänzlich  uiissachtet  wurden,  ja  kaum 
recht  zum  Bewusstsein  kamen.  Aristoteles  selbst  suchte  die  ThatSiiche 
und  Berechtigung  der  Sclaverei  noch  dadui'ch  zu  begründen,  dass  er 
annahm,  ein  ordentlicher  Haushalt  und  ein  gedeihendes  Oemeinwesen 

*)  DMsar  aiiBgflienhiiito  Mmi  iit  am  14.  Juni  im  Bade  Efenth  (Obexbajen) 

Teraohiedeii.   In  ihm  verlor  das  Ptedagogium  und  deeeea  Herausgeber  einen  der 
treneaten  Frctindc  und  eine  der  stärksten  Stützen.    Geheuert  von  der  Schwere  des 
VcTlnstcs,  bin  ich  für  jetzt  außer  Stande,  die  VoT7:<igc  und  Verdienste  des  Hcim- 
gegangeuea  gebQreud  zu  würdigen.  —  Vielleicht  »püter.  I>. 
F«A«gogiain.   16,  Jdirg.  Heft  Z.  42 


Von  y  Prof.  J.  Frolufctiamtner-Müncheti.*) 


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622  — 


sei  ohne  lebendige  Werkzeuge  rSrhivenj  kaum  möjaflicli,  und  dnss  er 
auRnrdpm  die  oinen  Menschen  gegeiiiiiipr  anderen  für  frehorene  8claven 
hielt  ilnt  1  «geringeren  Begabnng  und  niederen  Ge^iDuung  wegen.  Ohne 
Zweifel  ^v;lr  die  Sclaverei  tiir  das  Gedeihen  Gesellschaft  und 
Staat t'ii  <elir  förderlich,  da  diirrh  s^Hnzliehe  I  iiteidrückuno:'  der  Rechte 
der  ( ineii  Kechte  und  Kreilii  iteii  der  anderen  um  so  mehr  /nr  (rel- 
tung  kommen  nnd  selbst  das  geistige  Leben  sieh  freier  cnttalten 
konnte  bei  dem  einen  Theil  des  Volkes  —  allerdings  aiil  Kosten 
des  anderen.  Um  dit^sei-  Vortheile  willen  ward  und  wiid  die 
Sclaverei  bei  den  Völkern  solange  aufreeht  ci  halb']i.  denn  mau 
wnsste  (lit  Freiheit  und  Gleichheit  .nller  inii  der  ihuiiiouie  d^  Ganzen 
und  dem  Wole  der  «TemeinsfliMti  nicht  zu  vereiniL^rn.  Selbst  das 
Christenthum  hat  daher  pnncipiell  und  wesentlich  gegen  dieselbe 
nichts  unternommen,  wenn  auch  das  Sclavenlos  durch  dasselbe  viel- 
fach gemildert  werden  mochte.  Es  bedurfte  erst  der  Wissenschatt, 
der  Aufklärung  und  Ciiltnr  der  neueren  Zeit,  um  ein  klares  Bewusst- 
sein  des  Unrechts  zu  erzeugen,  das  darin  liegt,  dass  ein  Mensch  den 
anderen  als  Sache  erwirbt  und  für  seine  Zwecke  gebraucht,  ihn  seiner 
persönlichen  Rechte  mid  insbesondore  seiner  Fieihpit.  ^eines  Selbst- 
bestimmungsrechtes verlustig  macht  und  wie  eine  bewusst-  und  recht- 
lose Sache  behandelt.  Infolge  dieser  Wissen sclmt^  und  Aufklärung 
kam  der  Humanitätsgedanke  auf  die  Bahn  und  ward  Humanität  nicht 
mehr  als  Gnade,  sondern  als  Frücht  dem  Rechte  geg^enüber  angesehen. 
Die  allgemeinen  Menschenrechte  wurden  verkündet,  die  als  unver- 
äußerlich betrachtet  und  geachtet  werden  sollten.  Die  französische 
Revolution  am  ?]nde  des  vorigen  Jahrhunderts  wai*  bestrebt,  den 
Oedanken  praktisch  durchzuführen  nach  den  Schlagworten:  Freiheit, 
Gleichheit,  Brüderlichkeit.  Der  Versuch  führte  zu  <*rausamen,  in- 
humanen Maßregeln  und  scheiterte  schließlich  in  seiner  reinen  Durch- 
führung, immerhin  aber  blieb  die  Sache  nicht  so,  wie  sie  zuvor  ge- 
wesen war,  sondern  der  Absolutismus  der  Herrscher  und  ihrer  <i  imstliuge 
musste  allmählicli  dem  constitutionellen  Systeme  weichen,  m  welchem 
dem  Volke  auch  wieder  Rechte  oder  Freiheiten  bezüglich  des  Gemein- 
wesens und  Privatwirkens  zugestanden  wurden  neben  der  eigentlichen 
Regierungsgewalt  und  deren  Organisation.  Ein  eigentlich  befriedigen- 
dei-  und  normaler  Zustand  konnte  indes  dadurch  doch  nicht  en-eicht 
werden.  Das  Schlagwort,  das  in  der  Revolution  ausgegeben  worden 
wai';  Freiheit,  Gleichheit,  Brüderlichkeit,  schloss,  vom  politischen 
Standpunkt  aus  betrachtet,  für  die  praktische  Durchführung  unvei^ein- 
i>are  Forderangen  in  mkf  die  sich  nicht  zugleich  diirch£&hrea  lioita, 


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-  623  — 


da.  die  DurchfUhnuig  des  emen  die  der  aaderen  munOglieh  machte 
oder  geradem  als  Gegenaate  aoasehloss.  Denn  wo  volle  Freiheit  des 
Wirkens  und  Handelns  gewahrt  ist,  da  kann  die  Gleichheit  nicht 
entstehen  oder  aufrecht  erhalten  werden  bei  der  natSilichen  Ver- 
schiedenheit menschlicher  Begabung,  Thätigkeit,  Strebnngen  nnd 
Leidenschaften.  Wo  man  dagegen  Gleichheit  aller  Staatsbürger  in 
nnbedingter  Weise  (der  natürlichen  Verschiedenheft  zum  Trots)  her- 
steOen  nnd  aufrecht  erhalten  will,  da  nmss  die  Freiheit  anij|;ehol»en 
werden  nnd  müssen  alle  Bürger  trots  all  ihrer  Yerschiedeiiheit  ah 
Tal^t,  Geschicklichkeit,  Neignhg  n.  s.  w.  nnter  das  gemeinsame  Joch  der 
Gleichftmiigkdlt  in  Besdiüftigmig  nnd  Lebensweise  gebracht  werden. 
Was  endlieh  die  Brüderlichkeit  betrült,  so  kann  dnrch  sie  allerdings 
IVeiheit  gewihrt  und  Gleichheit  der  Ifitmensefaen  hergestellt  nnd 
geachtet  werden,  aber  sie  ist  keine  politische,  sondeni  etaie  moraUsdie 
Fordernng  für  das  sociale  Leben  des  Volkes. 

Der  Hanptgnmd  aber,  wamm  die  dnrch  die  pofitische  Berolntion  dem 
Volke  errungenen  Bechte  und  Freiheiten  keine  gründliche  Verbesserung 
der  Lage  und  keuie  befriedigenden  Zustande  brachten,  lag  und  liegt 
darin,  dass  dasselbe  die  erlangten  Bechte  wegen  Mang^  an  Bildung, 
wegen  Ibrtdauemder  geistiger  Unmündigkeit  nicht  sdbststSndig  und 
richtig  zu  gebrauchen  vermochte  und  Termag,  sondern  aus  der  ehien 
Berormundung  immor  wieder  in  eine  andere  gerieth.  Bechte  und 
Freiheiten  wurden  von  den  Begierungen  den  Vdlkm  wol  mehr  oder 
minte  zugestanden,  aber  es  wurde  wenig  oder  gar  nicht  dalUr  ge- 
sorg:t,  dass  dieselben  durch  entsprechende  Bildung,  durch  Unterricht 
uud  Erziehung  befähigt  würden,  dieselben  für  sich  und  zum  Besten 
des  Ganzen  zu  gebranchen.  So  wmden  diese  politischen  Bechte  nicht 
zum  Besten  des  Volkes,  sondern  derer  ausgeübt,  die  es  verstanden, 
das  Volk  zu  leiten  und  zn  beherrschen  bei  der  Ausübung  derselben 
oder  dieselben  sreradezu  für  sich  und  ihre  Zwecke  auszubeuten.  Am 
meisten  gescliah  untl  jj^eschielit  dies  von  Seite  des  Kirchenregimentes 
im  Namen  der  Religion  oder  Gottes.  Ganz  besonders  ist  dies 
möglich  dem  festgeschlossenen  Systeme  der  römischen  Hierarchie,  der 
päpstlichen  Kirche,  die  infolge  der  constitutionellen  Vertassungen 
das  ganze  poliiische  Leben  da  V)elierrscht,  wo  das  ungebildete  gläubig 
unterwoifene  Volk  in  den  Abgeurdnetenkammem  die  Majorität  oder 
wenigstens  eine  bedeutende  Minorität  bildet.  Man  kann  beliaupten, 
dass  so  viel  an  Rechten  oder  Fmheiten  von  der  Staatsgewalt  an  das 
Volk  selbst  abgegeben  ward,  ebenso  viel  diese  Kirche  an  Herrschaft 

über  den  Staat  und  seine  Souveränität  gewonnen  hat,  da  jene  Volks- 

42* 

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—  624  — 


rechte  nicht  an  das  Volk,  sondern  an  die  Kirciiengewalt,  den  Clerus 
übergingen,  gleichsam  von  diesem  conüscirt  wurden  und  nur  in  ihrem 
Sinne,  zu  ihrem  Yorllieil  ausgeübt  werden  dürfen.  Auf  den  Trümmern 
sozusagen  der  gewährten  Hechte  und  Freiheiten  soll  das  obengenannte 
dritte  Schlagwort,  die  „Bridcorlidikait''  unter  den.Menicken  ali  Beiiitit 
hergestellt  werden. 

Das  Nämliche  will  aber  auch  von  einer  audei-eu ,  und  zwar  ganz 
entjrejreiigesetzten  Seite  geschehen,  nämlich  von  Seite  der  Social- 
demokiatie,  die  ebenfalls  durch  die  modernen  Rechte  und  Freiheiten 
der  Völker  freien  Spielraum  gewonnen  hat,  und  die  ebenfalls  die  Un- 
bildang  und  Unmtlndigkeit  des  Volkes  für  ihre  Zwecke  zu  benutzen 
eifrig  bestrebt  ist  Die  sog.  Gleichheit  und  Brüderlichkeit  soll  ebenfSälls 
dnrcli  Macht  hergestellt  werden,  ohne  dass  das  Volk  gebildAund  urtheils> 
fähig  gemacht  zu  werden  braucht.  Die  Freiheit  soll  darüber  in  beiden 
Fällen  geopfert  wei*den,  der  Kirche  gegenüber  durch  urtheilslose 
Unterwerfung  durch  den  Gehorsam,  mit  Verzicht  auf  alles  selbststän- 
dige  Urtheil  und  freies  Sti-eben  des  Geistes  im  Gebiete  der  Wissen- 
schaft und  der  Forschung;  dem  socialistischen  Staate  gegenüber 
dorck  YenlctLt  auf  jedes  freie  Streben  und  Wirken  zunächst  im 
eigenen  Interesse  und  dadareb  auch  zur  Förderung  des  Gemeinwesens. 
Der  Staat  soll  hier  eiae  große  Zwangsanstalt  und  Arbeitshans  werden, 
wie  dort  die  Kirche  eine  geistliche  Zuchtanst^lt  für  die  in  geistiger 
Unm&ndigkeit  Geludtenen  durch  Hemmung  alier  freien  Bethätigung 
der  eigenthümlichen  natürlichen  Kräfte  und  Anlagen.  Beide  Mächte 
sind  also  darauf  gerichtet,  den  Fortsehiitt  der  Erkenntnis  zu  hemmen  und 
die  modenie  Geistasentwickelnng  zum  Stillstand  sa  bringen  oder 
geradezu  Reactüm  herbeizuführen.  Beide  brauchen  in  der  That  auch 
geistiges  Streben  und  höhere  Geistesbildung  und  Wisaenschaft  nicht» 
da  es  sich  darum  bandelt»  die  Massen  in  gleichej*  Weise  in  Unmündig- 
keit zu  erhalten  und  möglichst  auf  die  gewöhnlichen  Arbeiten  des 
Daseins  zu  besebrftnken  im  Interesse  der  Gleichlieit  and  der  gettgigea 
Unterordnung. 

Dass  beide  Richtungen  große  Gefahren  mit  sich  bringen  für 
Staat  und  Gesellaclmfl;»  ist  unschwer  eimawehf«.  Sie  führen  zurück 
zur  Barbarei,  führen  zum  Untergang  von  Wissenschaft,  Kunst  und 
aller  edleren  Bildung,  sowie  iheüa  sor  Verachtung  und  Vernach- 
lässigung der  Religion  oder  wenigstens  zur  Verrohung  derselben  in 
Anfieriichkeiten  und  in  Aberglauben.  Denn  wenn  die  ungehildetea 
Massen  durch  ihre  politischen  Rechte  und  Freiheiten  in  der  Lage 
sind,  unter  Leitang  herrochsltohtiger  FiUirer  über  alle  Angeisgenheit« 


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—  626  — 


des  öffentlichen  Lebens  zu  entscheiden,  auch  über  das  ideale  Gebiet, 
über  Wissenschaft  und  Kunst,  über  religiösen  Glauben  und  Jugend- 
bildunj?,  da  kann  naturgemäß  nur  Rückgang  in  all  diesen  Gebieten 
eintreten,  und  da  nuiss  das  Volk  selbst  in  geistigen  Verfall  gemthen 
und  auch  irdisch  verkommen,  trotz  aller  großen  Vereprechnngen,  die 
ihm  gemacht  werden,  —  von  den  einen  för  das  Diesseits,  von  den 
anderen  für  das  Jenseits,  —  wobei  diese  den  Vortheil  voraushaben, 
dass  die  Erfüllung  ihrer  Verheißangea  nicht  controlirt  werden  und 
Bis  ülosorisch  erkannt  werden  kana,  —  wie  dies  allerdings  bei  den 
ftoderen,  den  Sodaldemokraten»  mOglieh  ist  und  za  einem  Ende  mit 
Sehrecken  führen  mnsB. 

DasB  das  Volk  wegen  Unbildung  noch  nicht  lUdg  Ist,  seine 
poUtüchen  Hechte  selbslstAndig  und  mnttnftig  zn  gebranelie»,  zeigen 
allenthalben  Thatsachen  zur  Geniige,  wenn  man  nnr  die  Art  und 
Weiae  betrachtet,  wie  die  Wahlen  der  VolksvCTtreter  m  Stande 
kommen,  und  wie  diese  Vertreter  des  YollLes  selbst  sich  verhalten. 
Während  allenthalben  eifrig  darttber  gewachf^  wird,  dass  der  Staat 
keinen  besthnmenden  Etnflnss  anf  die  Wahlen  dieser  Volksrertreter 
doreh  Beamte  oder  sonst  ii'gendwie  ausftbe,  sucht  der  dems  privatim 
vnd  In  seiner  öffentlichen  sedaorglichen  Thätigkeit  in  aller  Wefise 
dahin  zn  -witken,  dass  nnr  Minner  seiner  Biehtang  nnd  Partei  ge* 
wlhlt  -werden,  nnd  wehe  denn  GemdndA'liitgliede-,  das  etwa  in  einer 
kathoUsehen  Gemeinde  oppositionea  sieh  verhalten  wollte!  Anch  die 
Weiber  spielen  dabei,  wie  bekannt,  eine  bedeutende  Rette  dnreh  ihren 
EinllBflB  anf  die  Männer  nnter  der  Lettnng  ihrer  Seelsorger  nnd 
Beichtväter,  nnd  können  dadurch  nicht  wenig  zum  geistigen  nnd 
plqrsischen  Bnin  der  YOUcer  beitragen!  Da  dieser  so  wirksame  dems 
unter  der  unbedingten  Herrschalt  der  BischOfb,  diese  wieder  unbedingt 
unter  dem  abeoluten,  mit  göttlicher  Antorität  ausgestatteten  Papst 
stehen,  so  ist  dieser  es,  der  die  eigentfichen  Sooreränitätsrechte  in 
letster  Instanz  ausübt;  denn  ihm  darf  die  Staateregierang  nicht  das 
Mfaideste  in  seiner  geistlichen  Herrschalt  einwenden^  er  aber  kann  alles 
f|r  geMüche  Angelegenheit  erklären  oder  damit  in  Verbindung 
bringen,  und  ihm  ist  die  Masse  des  Volkes  weit  mehr,  weit  unbedfaigter 
unterworfen  als  der  weltlidien  Regierung,  da  demselben  die  Über- 
zeugung beigebracht  ist»  dass  er  (das  Xirchenobeifaai^t  mit  gOtÜicho* 
Vollmaoht)  mit  sehier  Hieraichie  Uber  das  ew%e  Los  des  Keuschen 
entscheiden  kann,  tber  die  ganze  selige  Swigkelt  oder  V^dammiing 
durch  seine  Volfanaeht  und  Zaubeigewalt,  während  der  Staat  nnr 
zeüüche^  äuBere  physische  Macht  besitst  und  alknftUs  nur  ein  kurzes 


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—  636  — 


irdisclies  Glück  vermitteln  kann,  dab  (i*>ch  nur  nehr  beschränkt,  un- 
sicher nnd  rasch  verp'äns:lich  ist.  So  wird  der  8clilui>y  gezogen,  diiss 
in  (jonllictsfällen  sicherer,  vernünitiger  sei,  sich  lieber  der  K liehe 
zu  unterwerfen  alä  dum  vStaate.  Damit  besteht  der  Kirchenautontäi 
gegenüber  die  eigrentliche  Souveränität  des  Suaies  nicJit  mehr  oder 
nur  so  weit,  als  es  dem  kirdiilclicn  Gewalthabj^r  gefällt,  sie  be&telieu 
zu  lassen  —  im?ner  mit  dtiü  Vorbehnlt.  sie  dun  li  -eine  ubernatt\rliche, 
unmittelbar  goUlich  gegebene  VoUjnat  ht  aiitV.nlit  lH  ii  und  diu  i  Ii  >vnw, 
mystische  Zaubergcwnlt  andere  zu  besUmiueu  oder  die  (xlaubigeu  ia 
geiistiichtii  Fesseln  zu  halten. 

Kaum  Uiiiider  bedndilich  für  Stnid  w\i\  (Test  Usrli  iti  isi  *la>  iiult 
hixUem.  dit^  SociHldemokratic.  durrh  ihie  viilklMTurkcii'le.  tau>''hiin::-- 
volle  Agitation,  ihr«-  \  ni'>[iif^m'luiiL:t'ii  und  ihrt-ii  'i\M  i  Mrisitiu> .  wi»  -  > 
sich  nni  Walil  der  Vulk^^■^l■tl'HIt'l■  handelt.  Die  (ilrii'hheit  soll  li^i - 
i^t^tt  11t  wrriitii.  wie  schon  lemtikt,  durch  vollstuiidi;:»  TTmwälzuu^^ 
«IlfM'  \'Hiliiiliuis.>e,  dui*ch  volle  (Tlt'irli>ieihuig  aller  Mitgijeäci  de**  Ge- 
nn'iüw .  >riLs  und  Vernichtung  .illei  Clabüen-  und  RanguiH erschiede, 
so\vi(^  (Ini  ch  ünmöjflichkeit  alh  s  ireieu  persönlichen  Strebt  n>  und 
Versei/iiiit;:  aller  in  den  Zustand  roJü  i  Uucultur.  da  keinem  iiichr 
srestattet  sein  soll,  für  sich  zu  streben  und  zu  riii^^en,  um  in  ii-gend 
einer  Tüchtigkf^it  sich  auszuzeichnen.  Talent-Kiiif  iltung  und  freies 
persönliches  Streben  der  Kinzrhu  n  ist  hier  so  uumöglich,  wie  innerhalb 
der  Herrschaft  der  absoliueii  ilicraichie  • —  ja  noch  uninri^li«  her,  da 
hier  die  Beschränkung  allgemeiner  ist.  wahrend  sie  in  der  Kirche 
sich  wenigstens  nur  auf  (bis  eigentlich  geii^Uge  oder  noch  hähec 
reJigiöse  und  kiichliche  Gebiet  beschränkt. 

Unter  diesen  Umständen  ist  es  fiir  den  modernen  Staat  von  der 
höchsten  Wichtigkeit,  daran  zu  denken,  wie  »-r  seine  Souveränität 
und  gesetzliche  Ordnung  erhalten  und  retirii  künue,  diesen  beiden 
gefahrlichen  Mächten  gegenüber,  wie  er  insbesondere  sich  als  Cultui  - 
staat  geltend  zu  machen  vermöge  durch  Schutz  der  Wissenschaft  und 
Civilisation  und  dui-ch  Vorsoi  go  da^s  insbesondere  alle  geistigen  Kräfte 
in  ihm  zui*  voli«  n  Kntialtung  k(Mnin<m  und  nach  ihrer  Eigenthumlich- 
keit  frei  streben  und  Schäften  k  imen  in  Wissenschaft  und  Kunst  unä 
sonst  allenthalben.  Die  beiden  ihn  bedrohenden  Mächte  wollen  keinen 
Culturstaat,  ja  nicht  einmal  einen  Rechtsstaat,  sondern  nur  einen 
Polizeistaat  für  äußerliche  Ordnung  und  DurcliiiUn  ung  von  Zwangs- 
uiaiiregeln  zu  Gunsten  ihrer  eigenen  ihrrschati.  Dw  Kirrhe  soll  der 
Staat  wieder  als  weltlidier  Arm  dir  u  hium  saeculare)  dienen  zur 
Aafreohthaltiing,  sun  ächutxe  ihrer  GlaubeoasäUe  und  w  äußerea 


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Aufzwingung  derselben,  der  Socialdemokratie  zur  Durchtühnin?  der 
Zwangsarbeitsordnung,  die  sie  für  das  Ideal  menschlicher  Daseiiu»- 
and  Wirkensformen  hält. 

Das  einzig  sachgemäße,  zweckentsprechende  Mittel  für  den  moderneu 
Rechts-  und  Culturstaat,  sich  in  dieser  von  zwei  Seiten  drohenden 
Oefahr  zu  behaupten  und  seine  Aufgabe  zu  erfüllen,  besteht,  wie  wir 
adum  anderswo  hervorzuheben  Gelegenheit  hatten*),  darin,  dass  der 
Stand  der  Lehrer  der  Volksschule  an  Bildung  und  Stellung  gehoben 
und  als  Organ  der  forlBelireitenden,  ia  das  Leben  «imofilhrenden 
Wissenschaft  und  Cultur  verwendet  wird  —  gegenüber  dem  reactionäreE 
Ctoricalismns  und  der  verwildernden  Socialdemokratie.  Kein  anderer 
Stand  ist  im  Staate  so  in  der  Lage,  diese  Aufgabe  zu  erfüllen,  wie 
der  lidirerstand,  der  ebenso  wie  der  Glems  besttaidig  mitten  im  Yoike 
lebt,  mit  dem  Volke  verkehrt  und  bei  jeder  nenen  Generation  die 
Fundamente  der  Bildong  und  Gesittimg  zu  legen  hat,  —  nicht  blos 
mflUlig  und  ausnahmsweise  den  Lenten  ans  dem  Volke  nahe  tzitti 
sonst  aber  fremd  Ueibt  nnd  zudem  großentlieflB  in  unangenehmen 
Veriiftltaiaeai  ndi  ihnen  zu  vericehren  hat  Der  Stand  der  YoUn- 
eeknlkhrer  mnsB  n]«>  der  Triger  der  Gnltnr  Ar  das  Volk  werden, 
wenn  da»,  mm  die  WisBensdiaft  dnreh  anstrengende  Foredtiing  er^ 
ringt,  nicht  nntdoe  bleiben  oder  ab  todtee  Gnt  nur  theoretlBch  anf- 
beiwaM  und  wieder  flberUafert  werden  soll 

Es  ist  eine  seltsame  Encheinong,  dass  die  Begienmgen  so  schwer 
tadk  entsehließen  und  so  zOgemd  daran  gehen,  gerade  den  Stand 
der  Tolksschnllehrer  in  Beeng  auf  Bildung  and  sodale  Stellung 
SU  heben  und  sein  Ansehen  dem  ToUro  gegenüber  dadurch  zn  erbOhen 
und  an  stftrken,  also  gerade  das  Mittel  anzuwenden  zur  Selbetbehaup- 
tnng  des  Staates  und  seiner  Aufgabe,  das  am  sichersten,  ja  allein 
zum  Ziele  führen  kann.  Es  scheint,  dass  ein  gewisses  Hisstranen 
bei  den  Staatseiganen  obwalte  gegen  den  Stand  nnd  Beruf,  der 
hauptsächlich  den  Staat  zn  einem  Cnltorstaat  bezüglich  des  ganzen 
Volkes  zu  bilden  geeignet  und  börote  ist,  während  man  die  Stände 
und  Berufe,  welche  den  Staat  zum  Polizei-  undBechtsstaat  zu  gestalten 
bestimmt  sind,  in  aller  Beiiehnng  in  fMem  sneht  nnd  yellends  als 
Organe  des  Militirstaatea  die  hMste,  günstigste  SteDong  «rhalten. 
Aoeh  gegen  d0n  den»,  der  ebenftills  das  geistige  Leben  des  Volkes 
an  entwickeln  nnd  m.  bestimmen  hat,  veibfilt  sieh  der  moderne  Staat 


*)  8.  m.  W.:  Ober  die  OrgaDieation  uud  Coltur  der  GesellsoJiaft.  MUucheu 
1S86.  Vorrede. 


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gffOitntiMai  Mbr  mmlaniBiHiiI,  wo  nicht  gmdM  iiAlg%  inlMit- 
samar  Nachgiebigkeii,  obwol  der  Ctoraa,  iosbesoiden  te  |ia|iitllriie, 
stets  offen  und  besliiniiit  eiUirt,  eigentlich  in  ktrter  Bmekuug  nir 
dem  Papste,  der  Kirche  nnterthui  za  sein  und  ihm  m  dienen»  se  dass 
in  CenflictrfMlen  die  Staatsgesetce  ab  nicht  gfiUtIg  betrachtet  nad 
missachtet  werden  —  wie  in  der  neneren  Zeil  geangsim  sich*  geiagt 
hat  Da  nnn  der  achtsigste  Sati  des  pipsliichen  Sjllahis  (Sncydica 
niit  Syllahos  von  1864)*)  auf  das  entseMedsnste  jede  VenOhnuig  der 
rQAiischen  Kirche  mit  der  modenwn  Civüisation  aorftckweist,  so  ist 
damit  das  Ziel  gessigt,  dem  diese  Kirche  and  im  Grande  Jede  Mhcr 
ftstgesetxte  kirchUche  Orthodeiie  nstrebi  Es  sollen  die  Bedite  nnd 
Freiheiten,  welche  der  Liberalismos  mter  schweren  Kempten  dem 
Volke  errangen  hat»  inIbJge  der  ünfthi^eit  der  nngebüdeten  Maoson, 
diese  Bechte  selbststindig  nnd  Tcmflnftig  an  gebraachen,  dasn  benitit 
werden  von  der  kirchlichen  Antoritftt,  dieselben  wieder  in  wniditeni 
resp.  im  Dienste  und  nadi  Befehl  dieser  Antoritftt  gegen  den  Staa^ 
gegen  die  Wissenschaft  nnd  moderne  Ctvüisatiim  sn  Tcrwenden,  wo- 
durch nicht  blos  Fortschritt  nnd  Wissenschaft  gehemmt  nnd  d«r  altes 
Barbarei  mit  ihrer  Ihtolerana  nnd  Oransamkdt  ia  reUgütaen  Dmgea 
wieder  die  Bahn  geDlfiiet»  sondern  die  SonverSnitftt  des  Staate»  seihst 
gerade  in  den  wichtigsten  Angelegenheiten  an^^ehoben  wirl 

Dies  lilsst  sich  nicht  indem,  solange  das  Volk  dneraeits  na* 
bedingt  der  idrcUlchen  Anctoritftt  (dem  Papste  nnd  seiner  sog. 
direct  gdttlidien  Lehre  oder  der  kirchfiehoa  [theologischeil]  Ans* 
legüBg  des  irieldentigen  Bibelwortes)  sich  glftnbig  (selbst  yon  Stsats 
wegen)  unterwerfen  mnss,  andererseits  nnfUiig  ist,  ?on  senken  poiiti* 
sehen  Rechten  einen  selbetstftndigen  Gebranch  an  machen,  sondern 
dieselben  dies«  geistiicfaen  Gewalt  preisgibt,  d.  h.  in  deren  Sinn  nnd 
Interesse  sie  ansinftben  dnith  cMcslen  Einflnss  oder  dnreh  kirch* 
liches  ICachtgebot  sich  bestimmen  Übet  Eine  indernng,  Siehemng 
des  Staates  nnd  seiner  Angabe  ist  nnr  dadurch  uOißidk,  dam  ent* 
weder  dem  Volke  seine  constitutione]!  gewfthrten  Bechte  nnd  "Mr 
hdten,  die  es  nicht  zu  gebraachen  Torsteht,  ?ielmehr  viellhch  ndes- 
brauchen  mnss,  wieder  entsagen  werden,  oder  dass  es  fthig  gesmdit 
wird,  dieselben  frei  Ton  den  kirchlichen  Banden  aif  poUtinchem 
Gebiete  vernünftig  zu  gebranchen.  Da  das  Erste  doch  als  nn> 
m(}fl^ch  erachtet  werden  mnss,  die  kirchliche  Gewalt  wol  auch  wieder 
wie  ehemals  auf  andere  Weise  politischen  Einfluss  sn  orlangen  fer- 


*)  8.  m.  Beietuhtang  der  yftpftUcIiiii  Encjdic«  (BioekliMiB,  Letgeig  18S6). 


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—   629  — 


müdite  bei  schwachen  absolutistischen  Herrscliern .  durch  Frauen. 
Beieilt  Väter  u.  s.  w.,  so  bleibt  nui  dus  Zweite  übrig,  der  Weg- 
der  Bildung  und  besser'  ii  FA-nvimii^  des  \  olkes,  um  es  zur  politischen 
Miindifxkeit  zu  t  ilu  beu  und  dabei  zuofleich  von  da.i  kirchlichen  Bevor- 
iianidiüig  zu  belieien.  Dazu  ist  nun,  wie  schon  oben  ausgeluhrt,  die 
Schule  und  der  Lehrei'stand  nothwendigr,  und  zui  Kiiulluno;  dieses 
Berufa^i  müssen  die  Lehrer  gebildet  und  betaliigt  werden.  Sie  ludmi 
das  Recht  des  Staates,  so  weit  er  Cnlturstaat  ist  und  sein  will,  zu 
vei-treten,  das  politische  Gebiet  der  Kirche  gegenüber  in  geistiger 
Beziehung  zu  wahi*en  und  das  Volk  selbst  vor  übertriebenen,  übei- 
greifenden  kii'chlichen  Ansprüch*  ii,  vor  dem  kirchlichen  Absolntismus, 
der  sich  bei  dem  Volke  gleichi^am  als  Gott  selbst  geltend  niachen 
will,  zn  schfttzen.  Die  Vertreter  der  Begierungen,  abo  des  Staates, 
wagen  dies  kaum  mehr  de?-  kirchlichen  Reaction  gei::r:iiitM'!  mit  ihren 
für  absolut  und  f^  oniu  li  i^i  Itt  inl  L^t  inachten  Anspruclien.  Beliaui>tet 
«in  yertret(br  der  kii  chlii  iK  n  iierj  srluifi  irtrend  einen  Anspruch  dpr 
Kirchs  f\]<  einen  direct  vou  Gott  stammenden,  oder  von  Christus  der 
Kirche  ubei'ti'ageuen ,  ho  wairt  kaum  mehr  ein  solcher  Kegierungs- 
vertreter  eine  solche  Behauptung,  wenn  sie  auch  nocli  so  falsch  und 
nichtig  ist,  entschieden  zurilrkzuweisen,  sondern  man  pflegt  sich  — 
da  auf  die  Defensive  zurückzuziehen  und  zu  versichern,  dass  man 
nichts  sagen  und  thmi  wolle.  Und  wird  eine  Regierung  von  den 
Vertretern  dei*  Kirche  und  ihrer  Herrschaft  als  unchristlich  oder 
gottlos  dem  Volke  denuncirt,  verdächtigt  und  in  ihrem  Ansehen  unter- 
graben oder  geschwächt,  so  wird  aucli  dagegen  kaum  je  entschieden 
aufgetreten,  sondern  nur  zu  beschwichtigen  gesucht  in  i?'urcht  und 
Nachgiebigkeit.  Mit  dem  sog.  Liberalismus  der  neuesten  Zeit  verhält 
es  sich  kaum  anders.  So  muss  die  kirchliche  Reaction,  die  beständig 
vorwärts  geht  und  Compromisse  nicht  als  Befriedigungs-,  sondern  nur 
als  neue  Angriflsmittel  betrachtet  und  verwendet,  während  die  Ver- 
tretung des  modernen  Staates  mit  seiner  Cultnraufgabe  beständig 
zurttckweiclit  scliließlich  den  Sieg  auf  allen  Punkten  erringen,  be- 
günstigt noch  durch  den  herrschenden  religiOeen  Indüferentismus  der 
gebildeten  Classen.  Nur  das  Volk  selbst  kann  dem  Staate  gegen  die  , 
wieder  aufstrebende,  den  Staat  der  Unterjochung  znftthrende  Reaction 
Schutz  gewähren,  wenn  es  so  gebildet  wird,  da^  es  seine  politischen 
Rechte  selbstständig  zn  gebrauchen  versteht  Dazu  aber  wird  das 
Volk  erst  dann  fähig,  wenn  es  von  einem  pädagogisch  dnrchgebildeten 
Lehrerstand  nnterrichtet  und  erzogen  wird»  —  vas  zugleich  zur  Folge 
hat,  dass  es  von  der  unbedingten  Unterwerfling  unter  die  Lehren, 


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—   «30  — 


Satznng-en  and  Zauberkraite  des  Clerus  bis  zu  ^mem  gewissen  Grade 
wenigstens  einancipirt  ^ird  in  der  Weise,  tlass  ihm  die  Hierarchie 
nicht  mehr  als  absolute,  geradezu  göttliche  Auclorität  gelten  solle. 
Diese  hierarchische  Auctorität  wurde  gerade  in  der  neuesten  Zeit  auf 
das  Hridi.stt  gesteigert  und  concentrirt.  ja  vprgöttlirht.  wie  ehedem 
die  riiinische  Kirchengewalt  ilirtT  Apdtlicnsi'.  und  hat  dadurch  das 
Volk  <:anz  in  der  Hand  ceircnüher  dem  Staate,  dei'  im  t-irpeentheil 
den  Alisitluti.sams  aufgegt^bcn  und  fiadurcli  (U  i  absolutistischen  kirch- 
lichen i'iwalt  die  Erringung  unbediii^T(  i  lleri'scbaft  nnd  die  Ver- 
nichtung der  staatlichen  Souveränität  erlt  icliteii  iiat.  Die  Staats- 
männer glauben  bfinfi?.  der  Religion  */iiif  n  bienst  zu  ei weisen  durch 
Begflnstigung  (l^^s  kirdi liehen  l>M(2iiiiHnL.s,  walii-ciid  sie  im  Gnunie  nur 
den  politisch('!i  .Misslnaut  Ii  der  Keiigiou  durch  ilm  rierns  fönii  i  n  und 
das  waliiv  ( 'hi istenlhuni  selbst  dadurch  schctdi^^t  ii.  sowie  dein  lieblosen 
Fanatismus  lui  Gebiete  der  Religion  ü'eieu  Sjüeiraum  gewahren.  Ein 
Fanatismus,  dem  ebenfalls  nur  der  Lehreretand  im  V^^lke  mit  Erfolsr 
von  Jugend  an  entii^rgcn  wirken  kann,  wodurch  die  Eiulieit  iM>l>esi)ii- 
dere  It  s  1>  ut^<  Ueu  Vü!k(  V  gerettet  und  dem  Ausbruch  wilder Keügionj»- 
kami^ie  vorgebeugt  werden  kann. 


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Friedrich  der  Or^ße  und  seine  Stellnng  mm  ReUgitas-  und 

Moral  unterrichte. 

In  einer  Zeit,  in  der  mau  den  Ruf  der  modemen  Schule  nach 
dogmenfreiem  Religionsunterrichte  möglichst  zu  unieidrücken  f>ucht, 
gilt  es  aus  allen  Stauden  Streiter  für  eine  Idee  zu  Sachen,  von  der 
die  Schale  nicht  ahweichen  darf  und  kann. 

Das  Dogma,  so  wie  es  jetzt  von  der  Orthodoxie  vertreten  wird, 
ist  für  die  Dauer  unhaltbar,  wenn  sich  nicht  ein  großer  Theil  der 
Bevölkerung  feindlich  fregeri  alles,  was  Kirche  heißt,  auflehnen,  ein 
größerer  gäuzlich  theilnahmli  s  vorhalt'  n  soll.  Der  Bankerott  des 
dogmatischen  Unterrichtes  i^t  unausbleiblich  An.  wo  dieser  emstlich 
mit  der  Hindern pti  Weltanschauung  zusamuieiigeräth.  Und  dies  ist 
nicht  uur  etwa  eine  Schuld  der  Form,  in  der  das  Döging  <lem  Geiste 
nahe  gebracht  wird.  Es  mnss  daher  an  Stelle  des  VeraUendeu  eiu 
Neues  treten,  an  Stelle  des  dogmatischen  Religionsunterrichte*?  ein 
ethischer,  wie  beispielsweise  an  Stelle  des  systematischen  Natnr- 
gescliichtsuntemchtes  der  biologische  getreten  ist.  Diese  Forderung 
ist  ebenso  otl  erhoben  worden,  um  ebenso  ott  zurückgewiesen  zu 
werden.  Eine  ge\^^chtige  Stimme  zu  ihrem  Gunsten  gab  kein  Ge- 
ringere]- ab,  als  Preußens  grüßter  König  —  Friedrich  d.  Gr.  Auf 
ihn  zurückgehen  heißt  hier,  wie  in  vielem  anderem,  vorwärts  schreiten. 

Sein  religiöser,  deistischer  Standpunkt  ist  bekannt;  wir  wissen, 
dass  er  die  Toleranz  zum  Grundprincipe  seiner  Regierung  machte; 
das  Wort,  dass  in  seinem  Staate  jeder  nach  seiner  Fa^on  seli?  ^verden 
könne,  ist  bis  zum  Überdrusse  citirt  worden.  Weniger  bekannt  zu 
sein  scheint  seine  entschiedene  Stellungnahme  zum  Religions-  und 
Moralunterrichte,  wiewol  J.  B.  Meyers  Ausgabe  der  pädagogischen 
Schriften  Friedrichs  d.  Gr.*)  fast  alles  geeignete  Material  enthält. 

Zwei  Quellen  bieten  sich  uns  dar,  aus  welchen  wir  schöpfen 
können;  das  sind  die  Schul-Reglements  des  Königs  nnd  dessen  päda- 
gogische Aofsfttxe  Qud  Briefe. 

*)  Langeosalza,  Beyer  &  S. 


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—  e82  — 


Die  zahireiclieii  iieglements,  Rescripte  und  Müiisterial  -  Krla?>se. 
sirh  mit  der  Schule  beschäftif^en ,  tragen  wol  alle  semen  Nameu, 
wenige  aber,  was  insonderheit  ih'vi  Kf»li?n  snntemrht  anlangt,  seinen 
Geist.  Da  sie  aber  die  Billigung  des  Königs  landen,  sind  sie  bei 
dieser  Rf^tnH'htung  nicht  ganz  aiißeraclit  zu  lassen.  Die  beiden 
großen  Scliuiordnnn^?'en,  die  Minden -liaveusberger  vom  Jahre  1754 
und  das  mit  «lieser  tlieilweise  wfirtlich  übereinätimmende  Gerti;i'- 
Land  -  Schuh  ( Clement  vom  Jahre  17«*M  zpicren  einen  entschieden 
pietistischen  Zug,  der  aiit  ilie  Zeit  I  ]  it  ilri!  h  Wilhelms  I.  zurückweist. 
Sie  entstanden  zum  Theii  in  srliw.  ien  ivriegsjahren.  und  der  iv<>ni? 
hat  sie  wol  kaum  ernstlich  geprütt.  Es  ist  vornehmlich  die  erste, 
welche  ganz  ausführliche  Bestimmungen  über  den  Keligionsuntcrricht 
enthält  Die  Kinder  sollen  nicht  eher  aus  der  Schule  entlassen  werden, 
bevor  sie  nicht  in  den  Principien  des  Christenthiims  einen  gnten 
Grund  gelegt.  Jeder  Tag  beginnt  den  Untenicht  mit  Gesang.  Gebet 
des  Schulmeisters,  Tjesen  eines  Psalmen  seitens  der  Kinder  und  dem 
Vaterunser;  er  wird  ebenso  mit  G<*bet  geschlossen.  Nach  dem 
Anfangsgebet  wird  ein  Stück  aus  dem  Katechismus  behandelt  und 
zwar  so  kurz,  dass  a1)^»  Wochen  der  ganze  Stoit  desselben  zu  Knde 
gebracht  wird.  Antängiich  werdon  nur  Worte  erklärt,  dnim  dci- 
Inlialt,  dei-  durch  Bibelsprüche  illustrirt  wird.  Am  Montag  i&t  außer- 
dem die  sonntägliche  Predigt  zu  wiederholen.  Der  X;u  hmittag  ver- 
läuft ähnlich,  nur  werden  Jetzt  die  Kinder  mit  dem  liili;ilte  der  bibli- 
schen Bücher  vertraut  gemacht,  und  der  Wochensi)ruch  oder  ein  Stück 
aus  dem  Katecliismiis  wird  auswendig  gelernt.  Nicht  genug  ist  in 
den  Herzen  der  Kindel-  aus  den  bibl.  Historien  der  Gedanke  an  die 
Allgegenwart  Gottes  und  eine  heilige  Ehrfurcht  vor  seiner  Majestät 
zu  erwecken.  Gänzlich  dem  Geiste  Friedrichs  widerspricht  die  For- 
derung, den  Kindei*n  die  Eigenliebe  als  die  Quelle  aller  Sünden  zu 
entdeckf'n,  ilire  Abscheulichkeit  nachzuweisen  and  RigftPüinn  oad 
Eigenwillen  mit  allem  Fleiße  zu  brechen.'") 

Weit  näher  kommt  seinen  Intentionen  das  im  Sinne  der  l^hilau- 
thropen  abgefasste  Tveglement  für  die  deutsch-reformirten  Schulen  des 
Herzogtbumes  Cleve  und  der  (Grafschaft  Mark  (d.  d.  Cleve,  10.  Mai 
1782).  Hierin  wird  vor  allem  gefordert,  die  sittlichen  und  religiösen 
Pflichten  zu  leliren,  sich  aller  Anzüglichkeiten  gegen  Andersglfiubige 
zu  enthalten.  Die  Religion  soll  nicht  ffir  den  Kopf,  sondern  für  das 
HerZf  wofui'  sie  oigenüick  gehöre,  behandelt  und  gezeigt  werden,  wie 

♦)  Vgl  S.  037. 


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—   88S  — 


jade  BeligioDswahrheit  einen  Einfiass  auf  die  danenide  GlikkseUgkeit 
de»  IfenMben  habe;  dabei  richte  sich  der  dehnidieiier  nach  dem  Muster 
dee  „weisesten  Lehrers**« 

Das»  der  K6me  ^^^^  vemünftigeii  Beligionmmterricht  duichaoe 
vflnschte,  geht  aus  einem  Catanetssch reiben  an  den  Minister 
y.  Zedlitz  henror,  in  welchem  er  sich  wie  folgt  ausspricht:  ^Dass 
die  Schulmeister  auf  dem  Lande  die  Religion  und  die  Moral  den 
jungen  Leuten  lehren,  ist  recht  gut  und  müssen  sie  davon  nicht  ab- 
gehen, damit  die  Leute  bei  ihrer  Religion  httbsch  bleiben  and  Attache- 
ment  zur  Religion  behalten  und  sie  soweit  bringen,  dass  sie  nicht 
stehlen  und  nich^  morden.**  Eingehender  befasst  er  sich  mit  dem 
Religionsunterrichte  in  seinen  pAdagogischen  Schrifken  nnd  in  seinen 
Briefen.  Zahlreich  sind  die  darauf  beaOglichen  Bemerkungen,  die, 
den  int  ein  chankterislisch^  Zeichen,  stets  ans  einem  pnktisdiea 
BedOnbiase  entipringen*  Es  ist  nichts  Nenes,  was  er  davfoietet^  nicht 
immer  bleibt  er  shdi  censeqnent,  nicht  immer  frei  von  Irrthnm.  Stets 
aber  yertritt  er  seine  Ideen  mit  Wirme  nnd  handelt  im  Glaaben  an 
ihzen  laraktisohen  Wert 

Im  allgemeinen  swelfBlt  er,  dass  mit  jener  „schdnen  nweibeinigen 
fBderloBen  Basse**  viel  snznfimgen  sei;  rie  verde  vennnthlich  immer 
der  Spielball  der  Scfamken  sein,  die  sie  belrQgen  wollen.  Niemand 
werde  es  dämm  dem  Arate  vorwerfen,  wenn  er  seine  Heihnittel  aal 
die  mir  anwendet»  die  heilbar  sind.  Er  denkt  mit  F(mteaelle:  Wenn 
ich  die  Hand  voll  Wahrheiten  hAtte,  so  wttrde  ich  sie  nicht  itlben, 
am  sie  dem  PnbUcnm  mitsiilheilmi,  weil  es  nicht  der  Mflhe  wert 
wftre.  »Die  UnvoUkommeDheit*',  sehreiht  er  1770  an  D^Alembert, 
amoralisdie  wie  körperliche,  ist  der  Charakter  dieses  Erdballs;  es  ist 
verlorene  Mtthe,  wenn  man  versncht  ihn  sn  erleuchten.  Man  mnas 
sieh  begnügen,  für  sich  selbst  weise  an  sein,  wenn  man  kami,  nnd  den 
gemeinen  Mann  dem  Irrthmne  flbeilassen,  wfthrend  man  versachti  ihn 
von  Verbrechen  abanhalten.*'  Um  das  Volk  aber  in  Schranken  in 
hatten,  dasn  branche  es  den  ZQgel  der  Beligion  nicht  Eine  Gesell- 
schalt  kflnnte  nicht  ohne  Gesetse  bestehen,  wol  aber  ohne  Beligion, 
voransgeeetst,  dass  eine  Macht  vorhanden  sei,  die  durch  Ahlbare 
Strafen  die  Menge  zum  Geihorsam  zwinge.  Überall  seien  die  Beligiu- 
nen  ndt  Aberglauben  und  absurden  Fabeln  verquickt;  die  Frage,  ob 
das  Volk  diese  in  einem  religiösen  Systeme  entbehren  kOnne,  muss  er 
verneinen,  weil  Jene  Thiere,  welche  die  Schule  vernünftig  zu  nennen 
Seruht  hat,  wenig  Vernunft  haben.**  Ein  von  allem  Aberglauben  be* 
freitei*  Staat  würde  seine  Reinheit  nicht  lange  bewahren,  neue  Abge- 


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—  6S4  — 


scliroacktheiten  würden  la  kurzer  Zeit  an  Stelle  der  alten  treten. 
Glekhwol  erkennt  er  an,  dass  das  Volk  von  dem  schlimmsten  Aber- 
nnd  Irrglauben  befreit  ist;  gleichwol  erblickt  der  große  König  darin 
seine  fiauptbeschäftignn^,  die  Unwissenheit,  die  Vorartheile  sn  be- 
kftmi^en,  die  Kröpfe  aufzuklären  und  die  Sittel  zn  bilden.  „Ich 
wünsche  mir  nidits  mehr",  schrieb  er  als  Kronprinz,  »als  ein  edles 
und  freidenkendes  Volk  zn  behemehen.**  Aber  es  genügt  nieht,  die 
Mensche  anfmklftren,  man  muss  ihnen  den  Muth  des  Geistes  ein- 
flößen können;  sonst  werden  Empfindsamkeit  nnd  Todesangst  Aber  die 
stftrkpten  und  methodischsten  Schlussfolgerungen  tiinmphlnn. 

Um  diese  Forderang  zn  erfüllen,  bednilla  es  eines  religiösen 
Unterrichtes,  dem  der  bestehende  nicht  entsprach.  Der  Bsüd^ioiis- 
unterricht  krankte,  wie  hente  noch,  am  Dogma.  Des  Königs  prak- 
üsofaM*  Sinn  erkannte  den  erzieherischen  Unwert  der  Dogmen.  Die 
wichtigste  Aufgabe  des  Beligionannterrichtes  mnss  ^e  gM»  aadwe 
sein,  als  die  Überlieferung  nnverstandener  Glanbenssfttae.  „Jesus 
lehrte  Sittlichkeit",  heißt  es  in  einem  Briefe  an  D'Alembert^  „und  gab 
keine  Dogmen,  die  Concilien  machten  dergleicheD.  Seine  Religion  war 
reiner  Deismus.  Die  Sittenlehre  rnnss  erhalten  bleiben  nnd  wo  es 
nOthig  ist,  reformirt  werden;  man  kläre  die  Leute  im  Amte,  welche 
auf  Kegierung  Einfloss  haben,  auf;  mache  den  Abarglanben  durchaus 
Iftcherlich,  lache  ftber  die  Dogmen,  erdrücke  den  falschen  Eifer  nnd 
gewöhne  die  Lente  an  Duldimg.  Was  liegt  dann,  welcher  BeligioB 
ein  Volk  sngethan  sei?"  Und  an  Voltaire  schrieb  er:  «Die  Philo- 
sophen konnten  bei  den  Griechen  nnd  BAman  gedeihen,  weil  die 
Religion  der  Heiden  keine  Dogmen  hatte;  aber  die  Dogmen  verderben 
alles.  Die  Schriftsteller  sind  gezwängt  mit  einer  Vorsldit  sn 
schreiben,  die  der  Wahrheit  hinderlich  ist.  Die  Priesterschaft  rädit 
die  kleinste  Schramme,  die  def  Orthodoxie  wfdetflhrt;  man  wagt  nicht 
die  Wahrheit  oifen  zu  zeigen,  nnd  die  Tyrannen  der  Seele  weilen, 
dass  die  Gedanken  der  Bilrger  aUe  anf  denselben  lieisten  geschlagen 
sind.''  Von  den  Theologen  fordert  er  daher,  dass  sie  sieh  wen^ 
mit  der  Erklftrong  nnverstladlieher  Dogmen  befiusen,  dass  sie  nieht 
Dinge  zu  beweisen  suchen,  die  außerhalb  der  Erkenntnis  Uegnn,  dass 
sie  vielmehr  praktische  Moral  predigen.  Hierin  ist  auch  eine  Stelle 
ans  der  Instruction  fOr  d^  Major  Boreke,  den  Enieher  seines  Neffen, 
des  nachmaligen  Königs  Friedrich  Wilhelm  II.,  anznllhieD,  in  der  es 
lieißt:  „Er  (der  Neffb)  darf  nicht  m  viel  Bespect  vor  dem  Geist- 
lichen haben,  der  ihn  nnterriehtet,  md  er  mnss  die  Sachen  erst 
glanben,  nachdem  er  sie  geprflit  hat.'' 


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—  686  — 


Friedrichs  Bcstimmimgen  gingen  überhaupt  darauf  hfaunut,  te 
Einflnss  der  Theologen  auf  die  Schnlthätigkeit  zu  brechen,  was  sich 
freitieh  Didit  durchweg  enreidieii  ließ.  Auf  di«  Lehrstühle  der  Theo- 
logie werden  deshalb  Theelogen  Mer  fikktong  berufen,  wie  in  Helle 
Banmgirten,  Senler,  Ntaelt,  Äug.  Herm.  Nleneiyer;  und  Teller,  der 
einee  tJieologiscben  Lehrbnchee  wegen  von  Helmsifidt  gehen  minie, 
tnüä.  Anfaehme  In  Beriin;  wfthiend  andererMite  der  Beetor  Hftfan  in 
KloeteivBergen  entlMien  wurde,  »weil  der  Ecri  ein  ftbotriebener 
pietietiecher  Nanr**  war.  Im  Sinne  des  Könige  xefonnlrte  sein  Mbileter 
T.  Zedlitz  amfiefast  die  bSberen  Sdinfam,  aelbstferatindlkli  nkbt  elme 
anf  heftigen  Wid«nrta&d  sn  stoßen;  wie  denn  dee  Bredaner  Stndt- 
coneietorinm  dem  KOmgeworte  zum  Trotse,  daes  die  beete  Seete  - 
immer  die  sein  werde,  welche  am  meisten  anf  die  Sitten  wiikt  nnd 
die  bOigerliebe  GeaeUsehaft  aieheier,  müder  und  tngendhafler  macht, 
decMlIrte:  Der  Ünterlhan  ist  der  beste,  der  am  mästen  t^ubt,  und 
der  seUedkteste  der,  welcher  am  meisten  risonnirt.  Ein  Wort,  das 
man  sich  heute  als  Schlagwort  gegen  Jede  freie  Begung  nicht  entgehen 
lassen  sollte» 

Aus  der  Gleiehgiltigkeit  gegen  das  Dogma  geht  die  Tolerans 
gegen  Ander9gÜnbige  hervor;  denn  diejenigen,  die  an%eldftrt  und 
menschlich  sind,  mflssen  duldsam  sehi.  Damm  soll  des  EQnigs  Neffe, 
der  aehon  erwfthnte  Friedrich  Wilhäm,  kein  ihnatischer  Gahrinist 
werden,  wefl  sonst  aDes  verleren  wtbre*  Seine  Tolerans  Heft  es  ihm 
auch  SU,  die  Jesuiten  als  Lehrer  an  der  Breslaner  (kath.)  üniveralt&t 
beimbehalten,  obwol  er  von  allen  Seitan  wiederholt  gedrftngt  wurde, 
ihnen  diese  ZnflucfatstlUite  nach  der  Aufhebung  des  Ordens  durch 
Clemens  XIV.  an  untersagen;  frefHeh  spielt»  hier  auch  nodi  andere 
Grftnde  mit  Diese  Toleranz  hindert 'Ihn  aueh,  In  seinen  AufkUrungs- 
bestrebungen  zu  schnell  nnd  zu  weit  vorzngehen;  ein  gefiUirlicfaer 
Fehler  für  Befonnatox^.  Er  wendet  sich  gegen  Holbach  und  Ge- 
noBsen,  die  rücksichtslos  die  Zertrümmerung  jeder  kirchlichen  Antoritftt 
fordern.  „Eün  Weiser",  sagt  er  in  der  Prüfunjc  der  Abhandlung  über 
die  Vorurtheile,  die  aus  den  Händen  der  P^nc}  klopädisten  hervorging, 
„der  über  die  Leiden  nachgedacht  liat,  welche  die  Kirche  seinem 
Tateilande  verursaclit ,  würde  ohne  Zweifel  Anstreng iinj?en  machen, 
um  ^  davon  zu  belVeien;  aber  er  würde  mit  Vorsiebt  zu  Werke 
gehen.  Anstatt  einen  alten  gotliisclien  Hau  unizustüriien,  wiirde  er 
sich  bemülien.  dessen  entstellende  Fehler  zu  beseitigen".  Und  ferner: 
^Die  Toleranz  niu?»«  einem  jeden  in  der  Gesellschaft  die  Freiheit 
sichern  zu  glauben,  was  er  will;  aber  diese  Tolernuz  darf  nicht  soweit 


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686  — 


flehen,  die  Freelilieiten  und  Aua^scureituurren  iinii'^r  I  »rausekople  u^iit 
m  beißen,  die  '1a>  irech  beleidigen,  was  da*  Volk  wr.  lirt.  Um  die 
Jugend  vor  reli^iu^en  Vorurtljeilen  zu  liewahien,  würde  es  gut  sein, 
den  GJeistliclien  die  Erziehnng"  der  Jugend  zu  nelHTi^ii  und  damit 
Philosophen  zu  betrauen ,  er  gibt  aber  zu  bedenk«  n .  dass  es 
eine  Vergewaltigung  ist,  wenn  man  deii  Vätern  die  Freiheit 
]iiijinu  ,  ihre  Kinder  nach  ihrem  Willen  /.ii  erziehen,  dass 
♦'iTif  i:e\valtii:iHi,L'-  ist,  wenn  ninn  die  Kinder  in  die  Schule  der 
liatui'liclitsn  Jveli^'ion  schickt,  waiireud  die  Vater  wrilleii,  dass  die 
Kinder  Katlndiken  oder  Pro1es(aiiieii  werden,  v.ie  sie  seibor.  Wi»zu 
auch  schliwiilich  alle-J  Kt  eilci  n  i^viij-'n  diese  oder  jene  Riclitung?  tragt 
der  greise  8kej)tiki'i';  iiimiiils  wird  uns  freliiiüeii .  die  Wahrheit  zu 
erkennen.  Irrthum  ist  unser  Erbe,  in  einem  iiirieis  nn  Voltaire  säet 
er  v«m  sich:  ,Was  macht  es  mir.  ob  mau  vor  einem  Sim-k  miiiv- 
sänertt^ii  Biote^t  kniet,  vor  dem  Oi  hsen  Apis,  vor  der  Bnndeslade  oder 
vor  einer  Bildsäule;  es  i^st  nicht  der  MiWm  wert,  darunter  zu  wählen.^ 
Wichtiger  ist.  dass  man  das  Tirliei]  l  üde,  dass  man  die  Menschen 
tucrendhaft  ina«  h»  ,  In  dem  berühmien  Briete  über  die  Erziehuiii;  wird 
geradezu  als  /irl  L'^t  l  i  dt  1 1 ,  nützli^'he  und  tugendhalle  Bürger  zu 
bildeu.  Darum  ist  beim  Keligiuusuulerrichte  der  Tl-mptwert  anf  Aus- 
bildung des  Herzens  zu  lee-en  und  die  Lehrsätze  des  Christ enthiuns 
sind  stets  in  Beziehung  zu  bringen  mit  den  Pflichten  des  dttentiichea 
und  privaten  Lebens  fSrhnl-ReLH  tlir  die  Univ.  in  Bre>laui. 

Allein,  so  urtheüt  der  K  nng,  die  christliehe  Religion,  wie  di« 
philosophischen  Systeme  haben  <icli  nnffiluV  erwie-en.  den  Menschen 
tugendhaft  zu  machen;  der  lu  li^iniisuntt  rricht  erweist  sich  außer 
iStairie,  die  Sittlichkeit  zu  beL^niiideii  Daher  muss  neben  dem  Rf^li- 
giousunterricht  ein  selbstständiger  Moralunterriclit  einhergehen.  Die 
Wichtigkeit  der  Moral  ist  sein  Lieblingsgedanke;  es  izibt  keine  seiner 
Schriften,  in  der  er  nicht  mit  Liebe  von  ihr  redet.  Zwei  davon  sind 
hiei"  v  »!  allen  zu  erwähnen:  sein  Versuch  über  die  Kigenli«  Ije  als 
Moralprincip  und  als  Ausfuhrung  und  Erläuterung  zu  diesem  der 
Moralische  Idalug  zum  Gebranch  des  jungen  Adels. 

In  dem  ersterwähnten  K^say  schreibt  er:  ,.Man  raiisste  heiue 
anfangen  das  Beispiel  der  Alten  nachzuo Innen  und  alle  Ermuthigungen 
anzuwenden,  die  das  Menschengeschlecht  besser  machen  können,  in 
den  Schulen  dem  Studium  der  Moral  den  Torzus-  geben  vor  allen? 
anderen  Wissen  und  eine  leichte  Methode  1  HirL-^M)!,  sie  zu  leinen."* 
Kr  wünscht  daher  einen  Moralkatechismns,  den  er  später  selbst  aih 
£M8te  in  dem  oben  erwähnten  MoraUächen  i>ialug. 


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—  da?  — 


Vor  alleiu  uiüssten  die  Lehrer  selbst  luoralisclie  V'orbilder  sein, 
dann  würdeu  sie  mit  Hecht  den  Tit  l  Lehrer  der  Menschheit  ver- 
dienen; so  wie  etwa  heute  Fr  oh  sc  ha  in  Hier  fordert,  dass  der  Lelu*er- 
stünd  der  Vertreter  des  sittlichen  Gewissens  werde.  Nach  antikem 
Vorgange,  anlehnend  an  Aristoteles,  die  Stoiker,  E[»ikur,  baut  i  i  iedrich 
d.  Gr.  seine  Ethik  aiit  den  Be^iff  der  Tiij^end  auf.  Ohne  Tugend, 
darauf  kommt  er  stets  zurück,  kann  die  menschliche  Gesellschaft  nicht 
bestehen.  Die  Tugend  wird  definirt  als  „die  glückliche  Anlage  des 
Geistes,  die  uns  antreibt,  die  Pflichten  des  Gesetzes  zu  unseiera 
eigenen  Besten  zu  erfüllen".  Der  Menstli  soll  moralisch  handeln,  weil 
das  zur  Glückseligkeit,  zum  Seelenfrieden  fiilirt.  Seinen  Versuch  über 
die  Eigenliebe  ab  Morfil|>riT)fip  beorinnt  er  mit  einer  Kritik  der  Motive 
zur  Tugend.  Eine  metapii} >i;sche  licgiandung,  wie  si<'  das  ("hrisLeu- 
thuTTi  darl)iHtet.  ist  nuwirksaiii  und  unnöthiir.  Au.s  Liebe  zu  Gott 
kann  niemand  (Vntes  thun,  weil  diese  Liebe  nicht  im  Bf  reich»^  der 
Möglichkeit  liegt,  da  unser  engbegrenzter  Verstand  die  Uneudiiclikeit 
Gottes  nicht  begreif<Mi  -ich  Liebe  nur  anf  gleichstehende  Wesen 
erstrecken  kann.  Aubetun«:.  Dankbarkeit  ist  alles,  worauf  man  sich 
dem  höchsten  \\V<en  gegenüber  beschranken  muss;.  Alle  bisher  auf- 
ge.«tellten  M(ti  al principe  sind  zu  abstract  abgefasst,  zu  wenig  fasslich 
dem  Verstände  des  g^emeinen  Mannes;  es  bedarf  eines  allgemeüiei*en, 
einfacheren,  und  das  kann  kein  anderes  sein  als  die  Eitrenliebe,  „die 
Eigenliebe,  diese  Hüterin  unseres  Daseins,  diese  Erbauerin  unseres 
Glückes,  diese  unversiegliche  Quelle  unserer  Laster  und  unserer 
Tugenden,  das  verboi-gene  Princip  aUer  Handlungen  der  Menschen." 
Aber,  fragt  er,  hat  man  nicht  bisher  die  Uneigennützigkeit  als  die 
höchste  Tugend  gepriesen?  Wie  kann  der  Egoismus  zur  üneigen- 
nCttsigkeit  HUiren?  Dieser  Einwurf  wird  hinfällig,  wenn  man  erwägt» 
wie  sehr  yerschiedene  Triebe  die  Eigenliebe  in  Bewegung  setzen;  ist 
66  nicht  so,  dass  selbst  die  Beispiele  scheinbar  größter  Selbstlosigkeit 
sich  auf  Kegungen  des  Egoismus  zurückführen  lassen?  Die  beiden 
Decius,  Vater  und  Sohn,  die  im  Kampfe  ihr  Leben  opüerten,  thaten 
das  keineswegs  aus  Liebe  zum  Vaterlande,  sondeni  weil  sie  ihr 
lieben  geringer  achteten  als  den  Ruhm,  der  sie  zur  Unsterblichkeit 
iBhrte.  Dei-  indiTidualistische  Standpunkt,  auf  dem  Friedrich  d.  Gr. 
steht,  ist  sonaeh  dnrdians  kein  Hindernis  der  socialen  Tugenden. 
Man  soll  sich  nur  einmal  klar  werden  über  die  MoÜTe  seines  Han- 
delns nnd  bis  in  die  innersten  Falten  seines  Heraens  sehen,  ohne  sich 
durch  von  der  Gewohnheit  geheiligte  Tagesmeinnngen  irre  machen  zu 
laBsen.  Der  Mitleidige  gibt,  weil  ihm  das  Geben  selbst  Freade  macht, 

Pvdatnfiui.  1».  Jahif .  Heft  X.  43 


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—  688  — 

man  ist  dankbar,  weil  man  andere  dadurch  verpflichtet;  wie  denn 
überhaupt  jede  'i'ugend  ihren  Lohn  —  die  innere  Beli  iedigung  —  in 
sich  träg^,  jedes  Laster  seine  Strafe.  Ausschweifung,  ünmäßigkeit. 
Mtißigg^ang,  Unwissenheit,  Feigheit.  Und mkUarkeit  machen  den  Men- 
schen verächtlich,  sowie  ihn  (iehorsani.  Trene,  Kindesliebe,  Nächsten- 
liebe, Humanität,  vor  allem  aber  Vaterlaudslielie  und  Dankbarkeil 
edel  erscheinen  lassen.  Freilich  muss  man  dazu  sagen,  dass,  sobald 
man  die  Ei^enlie^>p  als  Moralprincip  atiprkennt.  jede  angeniemf 
sittliche  Weitschat zung  aufhört.  Es  sril  t  k*  im  ii  liu  hter  über  Hand- 
lungen oder  T^nterlassuneren  als  da^  I ndi\ iduuiu  selbst.  Aus  Eigenliebe 
kann  icii  den  Sieibenden  verscbmachien  kts>eii,  aus  f^igHuli*  l  e  kann 
ich  ihn  retten:  das  Motiv  meiner  HaudlnnL^m  ist  dasselbe.  1 'ie  land- 
läutigen  Begritte  (iut  und  Böse  hören  aut  irgend  welche  andere  al- 
differenzirende  Bedeutung  zu  haben.  Nicht  besser-  zu  macheu  irilt 
die  Mensclien.  sondern  weiser,  einsichtsvoller,  damit  sie  ihr  eigene* 
Wol  und  dfnnit  zugleich  das  Gemeinwol  erkennen  und  dementsprechend 
handeln.  Darum  fordert  Fripfirich  d.  Gr.  immer  und  immer  wieder: 
Man  übe  das  Urtheü.  Einem  sogenaimten  crassen  Egoismus  redet  er 
nie  das  Wort. 

Noch  ein  Wort  über  den  Moralkatechismus.  Er  war  für  da> 
Cadettencorps  zu  Berlin  bestimmt.  Wir  würden  ihn  gewiss  nicht  tür 
die  Jugend,  selbst  nicht  für  die  reifere  empfehlen-,  schon  deswegen 
nicht,  weil  er  sich  sehr  frei  über  den  geschlechtlichen  Verkehr  aus- 
lässt.  Die  Fragen  scheinen  gestellt  zu  sein,  um  dem  Antwortenden 
Gelegenheit  zu  geben,  sein  Licht  leuchten  zu  lassen;  im  Monde  einet 
Jünglings  würde  die  Antwort  wie  Phrase  klingen.  Diese  geriogei 
Ausstellungen  mindern  natürlich  den  Wei*t  der  Arbeit  für  uns  dnrcJi- 
aus  nicht,  da  gerade  dnrch  diese  Schrift  die  Wichti^^t,  die  dw 
greife  König  dem  Moralunterrichte  beilegte,  evident  bewiesen  wird. 

„Ich  reformire  die  Gymnasien,  die  Univeraitäten  und  selbst  dk 
DorÜBChulen.  Aber  dreißig  Jahre  gehören  dazu,  nm  Früchte  sn  sehn. 
Ich  werde  sie  nicht  genießen,  aber  ich  werde  mich  damit  trösten, 
indem  ich  meinem  Lande  eineji  bisher  mangelndMi  Yonog  yerschaia*, 
schrieb  der  K((nigsweise  1772  an  D'Alembert.  nnd  sdne  BemühmigSB 
wurden  aneh  auf  diesem  Gebiete  mit  Erfolg  gekrönt  Dies  bezeugt 
unter  anderen  auch  Hecker«  der  in  seiner  Predigt  snm  Gedächtnisse 
Friedrichs  II.  seinen  Hörem  sramft:  „Denket  besonders  daran «  wie 
sehr  er  eine  allgemeine  Beligionsfreiheit  in  seinen  Staaten  gescldtst 
und  dadurch  Dnldnng  nnd  Menschenliebe,  dieses  königliche  Gsseti 
des  Ohristenthmns,  beordert  hatt"  Damit  war  Tiel  erreicht»  nnd  die 


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—  689 


<iegenwaii  kann  Sick  iü  dieser  Hinsicht  durchaus  nicht  vor  der  Zeit 
Friedrichs  eines  Vorzugs  rühmen.  Ks  wai  last  im&usbleiblich ,  dass 
4as  Pendel  der  geistigen  Entwickeiung  im  Volksleben,  dem  er  einen 
430  kräftigen  Schwnng  verliehen,  einen  starken  Rückschwung  machte. 
Auf  einen  so  freisinnigen  Coltosminister  wie  Zedlitz  folgte  ein 
Wöllner,  aui  einen  Friedricli  d.  Gr.  ein  F'riedrich  Wilhelm  II. 

Unser  Zeitalter,  in  deni  man  nicht  nur  inj  Geschichtsunterrichte 
<\ai  legressiven  Methode  huldigt,  gleicht  in  der  That  sehr  wenig  dem 
friedericiani.sf  iien.  Da  aber  der  Lauf  der  Weltgesi^hichte  sich  in  der 
jb'orni  von  Wellt  nbewegungen  vollzieht,  so  ist  zu  hoffen,  dass  wir 
einem  solcbea  entgegenstehen.  Anzeichen  d&f&r  sind  vorhanden. 


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Aufgaben  der  tieschickte  im  iiebei  der  tiegenwart. 

Von  JMoim  XmOM^UäktMdmberg. 

JSs  unterliegt  für  jeden  Unbefangenen  gar  keinem  Zweifel, 
dass  in  den  Hallen  der  Geschiebte  eine  h(k:h8t  gemischte  Gesellschaft 
wandelt,  und  wenn  sich  auch  in  manchen  Zeitläuften  historische 
Gestalten  mit  wärmerem  Tone  abheben,  so  stellt  das  von  ihnen  aus- 
gehende Licht  die  trübe  Flut  vorausgegangener  oder  nachfolgender 
Ereignisse  in  eine  um  so  grellere  Beleuchtung. 

Vielleieht  übeitriflFt  die  Geschichte  des  römischen  Beicht  aa 
solchen  Lichtetfecten  alles  andere,  was  uns  sonst,  die  strenge  Klio 
in  dassischen  Quellen  aufgezeichnet  hat.  Denn  j^e  Geschichte  ist 
nieht  nur  eine  G^hichte  der  Brutalität  im  allgemein  Völkerrecht 
Uchen  und  im  aligemein  ethischen  Sinne,  sondern  sie  wird  auch  über- 
aus häufig  geradezu  zu  einer  Geschichte  des  menschlichen  Bestiahs- 
mus.  Von  den  ländläufigen  und  selbst  wissenschaftlichen  Darstellungen 
der  rörnisclien  Kaiserzeit  mösste  sogar  nach  einem  Worte  Macanlay's 
(Friedricli  der  Grote)  behanptet  werden,  dass  sie  Handlungen  und 
Gestalten  aberliefera,  wie  sie  Usber  außerhalb  eines  Tollhauses  nicht 
beobachtet  wurden.  Wenn  nun  in  der  Gegenwart  selbst  auf  den 
mittleren  ünterriclitsstafen  das  Gemälde  jener  verfaulendea  Cnltor, 
ans  dem  sich  die  kindisdi-dämonischen  Gestalten  wahnwitziger  Cäsaren 
wahrhaft  abscheulich  vor  das  Auge  drSngen,  noch  immer  aufgerollt 
wird,  dann  nimmt  die  Lehrerin,  Ftthrerin  und  Trösterin  der  Mensch- 
heit all  mall  lieh  das  Aussehen  jener  wandernden  Museen  an,  welehe 
anßerordeutiiche  Misseth&ter  und  deren  blutende  Opfer  mit  dem  Mittel 
des  zahmen  und  biegsamen  Wachses  der  neugierigen  Nachwelt  1lbe^ 
liefern. 

„Die  jungfräulich  reine  Natur  hat  das  Schreckensbild  verwehtS 
die  flacht  zweier  Jahrtausende  verbalf  der  Welt  m  menschenwür- 
digeren Anschauungen;  und  doch  formen  es  Männer  von  Ein.sicht  und 
Verstand  „in  Erz  und  Stein,  und  stellen's  in  des  Tempels  Düster  und 
in  die  Uchte  Flor  hinein!"    Gewichtige  Weisheit,  gewaltige  Kunst 


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—   641  — 


vei'hilft  dem  todten  Verbreclieii  im  Banne  der  deutseben  Wälder  zu 
neuem  Leben.  Robert  Hamerling  hat  in  seiner  bedeutendsten  Dicli- 
tuxig,  dem  gliitgeü'änkten  ..Ahasver",  mit  snliarfem  Meißel  jener  Welt 
sogar  ein  ehernes  Denkiüal  gesetzt;  derselbe  Dichter,  der  im  „Küuig 
von  Sion"  einer  andern  großen  Bewegung  nur  den  Schaum  abzu- 
schö])ten  wusste.  Modernere  Dichter  widmen  ihr  groteske  Huizkmuze 
mit  bunifarbiprer  Decorations -Tünche,  und  die  grüßte  deutsche  Schau- 
spielerin entzLickL  sittsame  deutsche  Hausfrauen  in  der  R(dle  einer  alt- 
rümischen  Cäsarendirne.  Da  lolmt  es  sicli  ^chon  der  Mühe,  auch 
noch  den  Schluss  des  angezogeueu  Gediclitrs  niederzuschreiben,  und 
mit  dem  gemüthvolien  Theodor  Storm  zu  klagen: 

_So,  Jedem  reinen  Aug'  ein  Schauder, 
Kagt  eä  herein  in  onsre  Zeit, 
^    VerevigeDd  den  alten  Ftml, 
Ein  BUd  der  UnyeraSlinUcbkeltl'' 

Die  Bomantak  des  Hbngoleathnms,  soirie  die  Grettelscenen  rna- 
siecher  Temtorial*Ge8Gliiehte  wurden  der  ünsterbliclikeit  in  viel 
geringerem  0rade  theÜhnftlg;  vielleieht  ans  dem  Gronde,  -weß.  ihnen 
die  beiden  Dinge  fehlten,  welche  die  alt<r0miBche  Welt  so  wertToIl 
gemacht  haben:  die  ansgeprobte  Eigenthnmsmaeehme  des  römischen 
Bedites  nnd  der  Tomehme  Farlamentsten  des  eUu»i9chen  Latein  in 
den  bezflglichen  Quellen. 

Der  waste  Blgenthnmsbegriff  radbender  IfongolensehwSrme  gibt 
dem  Juristen  kein  System,  nnd  die  tobenden  FMche  Ivans  des 
Schrecklichen  sind  dem  Philologen  nicht  gesprochene  Musik.*) 

Fitr  den  dentschen  Erzieher  der  Gegenwart  aber  shid  Mongolen, 
Römer  nnd  Kleinrossen  gleich  wertlos.  Denn  Handlungen,  deren 
Hauptmotive  Wollost  oder  Grausamkeit  sind,  schlieBen  sieh  selbst  von 
der  Schnlstnbe  aas.  „Welcher  vernünftige  Mensch"  —  sagt  Alezander 
Büchner  von  einigen  Gestalten  der  französischen  Literatur  —  „kann 
sich  iür  das  nichtswürdige  Treiben  von  Eintagsfliegen  interessireu, 
"welche  die  nngesunde  Wärme  einer  verfehlten  rultiir  ansbrütet? 
Ohne  Nutzen  für  die  menschliche  Gesellschaft,  von  keinem  höheren 
Gefühl,  namentlich  nicht  der  Liebe,  sondern  nur  von  Habsucht,  Neid, 
Stolz  und  Eitelkeit  bewegt,  flattern  diese  Geschöpfe  und  ihre  Anbeter 
eine  Weile  über  dem  Sumpfe  dahin,  der  sie  erzeugt  hat,  um  dann 
abzulalleu." 

*)  „Vielleicht  würde  auch  die  Geschichte  von  Rom"  —  sagt  Jacobs  —  ..^vie 
die  von  Pcrsicii  nur  in  den  Conipenlien  der  Weltgeschichte  leben,  wonn  nicht  der 
starke  Geist  der  röm.  l'oesie  uud  Beredsamkeit,  ihre  Oefietzffpbiing:  und  praktische 
Woithcit  die  Sprache  der  Weltbchenschcrin  bis  aut  uusere  Zeit  euipioUleu  Latteu." 


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—  642  — 


Hier  liättc  mau  eine  recht  j^assende  Vignette  etwa  für  die  claa> 
dischen  Kaiser. 

Ein  gleich  tiiibes  Bild  bietet  das  Volk  der  römischen  Kaiserzeit. 
Es  mag  in  gewissem  Sinne  reizvoll,  f&r  die  Vertiefung  historischer 
Erkenntnisse  sogar  nützlich  sein,  dem  Zersetznngs-Processe  zu  folgen, 
dem  jene  Welt  zum  Opfer  fällt.'  Eine  Beobachtung  in  der  Richtung, 
welche  Cnlturformen  und  -Elemente  ins  germanische  Mittelalter  über- 
nommen wurden,  ist  auch  noch  deshalb  sehr  lehrreich,  weil  sie  den 
maßlosen  Schaden  aufdeckt,  den  deutache  Art  und  deutsche  Eni- 
wickelung  durch  jene  Ronigängerei  genommen  haben.  Für  den 
Zweck  eines  erziehenden  Unterrichtes  jedoch  hat  ein  Volk,  welche» 
nicht  im  Stande  ist,  der  „brutalen  Autorität**  die  Macht  ^einer  öffent^ 
liehen,  nnwiderstehliehen  InteUigenz^  entgegenzusteUeD,  keine  Bede«- 
tling  anzusprechen. 

Allerdings  sind  die  Ei*eignisse  zumal  der  ersten  Zeit  der  Kaisei^ 
Terlockend  Ar  jede  Ai-t  der  Darstellung:  leicht  fassliche,  znm  Theü 
sogar  überraschende  Begebenheiten;  ZnftUe  nnd  Erscheinungen  fm 
reichsten  Wechsel;  anfregende»  mehr  oder  weniger  pikante  Sitoationen; 
lebende  Fackeln»  Lffwenzwinger,  nntkige  Sehiven;  FlanuneBmeae 
flher  BieMnstidten;  Massenmorde  In  den  Strafien;  Schiffe  mit  Fall- 
thOren;  schreiendes  Volk  mtd  blonde  germaiilsGlie  Wachen  vor  dem 
Palaste  des  Cüsars.  Dazn  :die  gierige  Fliantasie  balbwllchaiger 
Knaben,  deren  liebste  Leetttre  eine  aufregende  Lidianergescbiclite  mt» 
im  ZnschaaeiTanm. 

Das  ist  die  rechte  Art,  Jugendliche  GemlUher  fikr  eine  ¥eminfl%» 
Würdigung  geschichtlicher  Vorginge  heranzubilden.  Wie  wird  das  die 
klugen  Naschen  rflhopfen,  wenn  nun  die  unscheinbare  Gestalt  Frank* 
lins  im  schlichten  Qnfikerrock  in  der  Tbfire  erscheint;  wenn  der  gOtt» 
licfa-einiSuhe  Washington,  den  granen  Miantel'  über  dem  Arme,  Tor  den 
(Mngress  tritt,  seinen  MitbOrgem  su  ssgen:  »Da  ich  das  grofte  Werk^ 
das  meinen  Händen  anTertrant  war,  an  Ende  geführt  habe,  aielM  ich 
mich  von  der  groüen  ThatenbOhne  zurück  und  spreche  dem  erhabenen 
Congress,  unter  dessen  Befehlen  ich  gehaaddt  habe,  ein  beiiliefaea 
liObewol  aus.  Ich  lege  mein  Amt  in  die  Hünde  desaelbea  sortis  und 
nehme  Abschied  Ton  den  Geschäften  meines  Üffentlicben  LebensL'' 
(Hirz  1784.) 

Es  kann  nicht  oft  genug  gesagt  werden,  dass  beim  Gesdückts- 
unterrichte  alles  Tennieden  werden  müsse,  was  dem  Sinn  ftr  sehiiditft 
GrOBe  znwiderUlnft.  .  Man  darf  nidit  nur  yon  einem  üstketisdien 
Geschmack  reden,  es  gibt  auch  einen  histtHriscben  Geschmack,  wekher 


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—  643  — 


einer  Verbildung  in  gleichem  Grade  fällig  ist.  Bühnengestalten  vom 
Schlage  der  Wübrandf sehen  Messalina  können  unter  Umständen  dazu 
führen,  dass  die  herbe  Schönheit  der  Shakespeare'schen  —  übrigens 
urgermanischen  —  Portia  nicht  mehr  verstanden  wird ,  und  eine 
beständige  Beschäftigung  mit  den  groß  und  breitspurig  sich  gebenden 
Helden  des  römischen  Theaters  mnss  endlich  die  warmblütigen,  echt 
volksthümlichem ,  dabei  durchaus  deutschen  Träger  der  großen 
deutschen  Baaembewegong  als  eine  Bande  wüster  Schnapphähne 
erscheinen  lassen.  In  der  That  sind  sie  ja  den  Juristen,  Homanisten, 
Chronisten  und  Hofkanzlem  des  16.  Jahrhunderts  als  solche  erachienen. 
Vielleicht  wird  die  zünftige  GeschichtsclireUm&g  nnserer  Tage  Jener 
bertUunten  und  lehneicben  Volksbewegung  aus  den  gleichen  Gründen 
aaöh  BOT  theilweiee  gerecht:  das  bekannte  Werk  von  Wilhelm  Zimmer- 
mum  wurde  von  einem  wissenschaftlichen^  Historiker  einst  im 
dfenen  Hörsal  eine  Kalendeigeichiehte  genannt  £uDlBche,  von  der 
großen  G^ehrsamkeit  quellenmäßiger  Forschung  noch  unberührte 
Gemttther  dürften  gleichwol  wflnschen,  dass  wir  noch  mehr  dergleichen 
hfttten. 

Anfierdem  liegt  Saßere  MachtentfUtong»  Krieg  und  Erohemng, 
erbumungslose  Gransamkeit  zu  Gunsten  der  auf  die  Spita»  geftiiebenen 
Staataidee  im  Wesen  des  römischen  Staates.  Die  großen  socialen 
Functionen  des  modernen  OroBstaates  treten  an  ihm  nkht  oder  m 
geEing  in  die  Eracheimmg.  Aber  eben  diese  socialen  FancÜonen,  die 
Wolfthrtapolitik,  bilden  die  Vorausaetsong  flr  ehie  swangloee  oder 
auch  begetsterte  Betfaätiguiig  staatsbfligerlicher  Pflichten.  Die  Sehn- 
sucht der  Gegenwart  ist  Ja  der  Übergang  des  anf  mflitSrlacher  Kaeht- 
estMtuDg  ruhenden  Eriegsstaates  in  äm  auf  freier  Association  und 
Yolkstfaflmlicher  Verlbssung  ruhenden  FHedensstaat,  der  seinen  Stola 
alleui  in  der  bfligerUdien  Arbelt  sucht  Der  Ton  Mdurtea,  Politikem, 
Dichtem  und  Arbeitern  erhobeiie  Bnf  „Die  Waffen  niedert^  die  aus 
mtem&tienalen  Kreisen  henrorgdienden  Abrflstnnggvorschlfige  sind 
locale  oder  temperire  Zeichen  daftr. 

Ea  dürfte  aber  Jedem  Einsichtigen  klar^sein,  dass  die  «mseitige 
Betradktnng  der  Macht,  ihrer  Fonnen  und  Äußerungen,  das  denkbar 
schlechteste  Mittel  ist,  jenen  Übergang  anbahnen  an  helfea.  Lange 
Tor  der  Zeit^  d»  der  Staat  sehie  Truppen  in  die  heimatlichen  Thfiler 
aiehen  Itet,  werden  die  Schulen  abrüsten  müssen.  Eine  Zelt,  welche 
sich  anschickt,  den  modernen  Großataat  auf  seine  natürlichen  Grund- 
lagen surückmiflUireD,  wird  ea  nicht  dulden  kOnnra,  dass  die  stadirende 
mterllndische  Jugend  ihren  historischen  Sinn  an  einem  Werke  schürft, 


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—   644  — 


(iah  —  wie  räsar^  ..(lallischer  Krieg"  —  menschliche  Selbstsncht 
uud  istaatliche  Brutalität  mit  einer  Kälte  des  Gefühles  schiMeit .  die 
nur  von  der  überlegten  Schlauhtii  iii  der  Grappirung  oder  Dai- 
steUuug  de.s  rhatsächlichen  übertroöeu  wird. 

Der  g:aiize  Gegensatz  des  deutschen  und  des  römischen  \\  e.-eiis 
•wird  betüut  und  verschärft  werden  müssen,  und  die  Berecht iguiitr 
histurischer  Stoflfe  für  den  Unten'icht  wird  an  dem  Bedürfnisse  der 
Gejrenwart  zu  prüfen  sein.  Dies  Bedürfnis  aber  o:iidelt  in  dem 
Gedanken,  dasi  der  Wert  und  die  Wüide  der  bür<rerlicheii  \rl»eit 
die  ethische  Unterlage  aller  socialen  Gebilde  sein  imis&e.  rouii»ejus 
unfl  Napoleon  werden  Peter  Vischer  und  Georg  Stephenson  die  Schul- 
bühne  räumen  müssen,  uud  das  ^Streben  zu  füriimU'r  Bildung  wird  sich 
nach  schlichten,  volksthümlichen  Vorbildern  umzusehen  haben.  In  der 
Geschii  hte  des  römischen  Weltreiches  gibt  es  nicht  eine  Figur,  die 
sicli  au  verstiLndlicheu,  unmittelbar  wirkenden  BilduuL^selementen  mit 
—  Johann  Gottfried  Seume  messen  könnte,  und  N\eiin  Gregorovius  in 
pietätvoller  Meisterschaft  die  rastlos  wandernde  Gestalt  Harhians  in 
ehh-r  Weise  gezeichnet  hat,  die  sein  Buch  nicht  nur  tür  den  Gelehrt^n- 
hiniiiK-l  der  wissenschaftlichen  Gescliichtschreibung  wertvoll  ersclieiueii 
lässt.  so  kann  uuu  vielleicht  bedauern,  il.iss  unser  firoüer  deutscher 
Spaziergänger  als  ein  Hadrian  der  bürgerlichen  Wdi  bisher  nicht  die 
gleiche  Beachtung  gefunden  hat. 

In  unserer  vaterländischen  Baukunst  hat  der  hehuatliclie  Gi  aait^ 
der  bürgerliche  Sandstein  vielfach  dem  vornehmeren  romanischen 
Marmor  weichen  müssen.  Aber  die  rauhere  Natur  der  nordischen 
Bmten  steht  gegen  den  fremden  Gast  in  uuerniii(ilicher  ( )])|M)sition:  — 
die  Pracht  des  neuen  Burgtheaters  in  Wien  weiß  davon  zu  reden. 
Jenes  Natürliche,  Heimatliche  der  Baukunst  gleicht  in  allen  Dingen 
dem  Zweckmäßigen,  Volksthümlichen  im  Reiche  der  Bildung  und 
Erziehung:  darum  steht  das  Innerste  unserer  Volksseele  zu  dem 
fremden,  importirten  Bildungsverfahren  in  derselben  Oppositiun.  Soll 
sich  der  deutsche  Bürger,  der  deutsche  Volksmann  an  den  l  ugenden 
der  Cicero  und  Cat^  bilden? 

Man  kennt  das  schaife  ürtheil,  da^  Buckle  über  die  deutsche 
Literatur  und  ihr  ^'erhältnis  zum  deutschen  Volksthume  geftJlt  hat 
„Der  deutsche  Geist  hat  sich  unregeiniaiiio^  entwickelt  uud  in  emö 
Thätigkeit  gestürzt,  welche  grüßer  ist,  als  du-  durchschnittliche  Civili- 
sation  des  Landes  es  erfordert.  Die  Folge  davon  ist,  dass  wir  in 
keiner  Nation  iu  Eiircipa  eine  so  tiefe  Kluft  zwischen  den  hödisten 
und  niedersten  Geistern  vortinden."    Mit  einigen  Einschmnkungen  und 


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—  645  — 


mit  einem  Zuj»aUe  ini  das  Urtheil  noch  heule  gütig.  hat  einen 
Kern  vm  Wahrheit,  wenn  man  dem  I  »fntsc]i*'n  sag:t,  sie  hätten  eine 
sc hüng einstige  Jjiteratiir  ej-sten  Hanget.,  be^sälieu  aber  keiüe  National- 
Literatur.  In  der  Tliat  hauten  —  und  bauen?  unsere  Pieliter 
mehr,  als  viplU'icht  ersprießlich  ist,  mit  altclassiöchem  Mannor;  dass 
Goethe  sich  mit  seinem  Hexameter  an  der  altdeutschen  Thiersage 
ein  wenig  versündigt  liat,  wurde  von  einem  unserer  grüßten  ^'ers- 
küiiätler  hervorgehoben.  Denselben  Standpunkt  vertritt  die  Behauptung 
eines  neueren  Schriftstellers,  dass  wir  erst  seit  Heinrich  Heine  einen 
selbststHndigen  deutschen  Vers  besäßen.  Nicht  mit  Unrecht  kann  vou 
dem  bekannten  Sehnsuchtsseufzer  Schillers  als  von  einer  geistigen  Ver- 
irrung  gesprochen  werden.  Erfreulicherweise  war  griechisches 
Wesen  das  Ziel  jener  Sehnsucht,  wie  denn  überhaupt  griechischer 
£mflass  eher  veredelnd  als  zerstörend  auf  deutsches  Wesen  gewirkt  hat. 

Da«  jeaes  Urtheil  des  scharf  beobachtenden,  sorgfältig  sammeln- 
den und  vor  allem  maßlos  fleißigen  Engländers  auch  in  Hinsicht 
uiserer  wisseBSChaftlichen  Geschichtschreibung  zutrifl't,  dürfte  kaum 
eine  nennenswerte  Anfechtung  erfahren.  Wenn  Voltaire  bemerkt  hat: 
„Ich  will  so  durchmchtig  sein,  wie  ein  klarer  Bach,  und  würfe  meine 
Werke  ina  Feuer,  wenn  sie  nicht  so  fasabar  wären  wie  Lafontaine's 
Fabeln"  —  oder  fortfährt:  „Die  Franaosen  wissen  nicht,  wie  viel 
M&he  ich  mir  gebe,  um  ihnen  keine  Mühe  zu  machen!"  —  so  kann 
man  vielleicht  wünschen,  daas  dies  ein  deutscher  Historiker  gesagt 
haben  möchte.  Litte  der  gerühmte  Vortrag  Leopolds  von  Bänke  nicht 
an  der  gekünstelten,  akademischen  Beaerre,  so  kftme  er  vielieicht 
beeondm  hei  Zeichnung  histoiiseher  Figuren  jeoMi  Ideale  ziemlich 
nah.  (VergL  Adrian  VL  nnd  Sixtus  V.  in  den  Päpsten.)  Aber  welchen 
Wert  kann  es  haben,  wielchen  Einflusa  auf  die  historische  BiUung  des 
Yolkes,  wenn  unsere  „großen^  Gesehichtschreiber  historische  Mücken- 
flngctei  treiben?  Lohnt  es  der  Mühe  au  untersuchen,  ob  Monunsen 
Unrecht  hat,  wenn  er  yon  der  Vertreibung  der  Tarqninier  dies  nnd 
das  behauptet;  ob  die  Willebriefe  Budolfs  Ton  Habsburg  eine  Ver» 
fasBungsftnderung  bedeuten  oder  ein  rein  persönliches  Zugeständnis 
darstellen;  ob  Thausings  Untersnehnngen  Aber  die  sogenannte  Neumark 
die  Bedeutung  einer  Hypothese  oder  eines  beglaubigten  Factnms 
beben;  ob  der  persische  Darias  bei  seinem  Zage  gegen  die  Skythen 
wirklich  die  Wolga  eneiehte;  und  endlieh,  ob  der  alte,  possenhafte 
Schweppermann  nach  dem  Treffen  bei  JfOhldorf  thatsächlidt  des 
Oenusses  xweier  Hühnereier  sieh  erfrenen  durfte?  (Vergl.  auch  die 
neuesten  Untersuchungen  ttber  den  Infiuiten  Don  Garlos  von  Max 


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Bfidinffer.  nachdem  Hanke  die  ganze  Angelegenheit  mit  dem  Gewichte, 
das  sie  veiiiieut,  erledigt  hat.)  In  seiner  Schrift  Uber  MacchiaveUi 
hat  Macaulay  hcreits  \(n  solchen  Zielen  gewai'nt.  „In  welcher  Art 
Philipp  bei  Cb  iiuoea  »eine  Tnippen  aufstellte"  —  sap-t  der  grolie 
Geschichtschreiber  —  ..wo  Hannihal  Uber  die  Alpen  zog,  ob  Maria 
Stuart  Darnley  in  die  Luft  sprengen  oh  Siquier  Karl  XTT. 

erschoss.  das  sind  Fragen,  welche  wie  tausend  andere  derselben  Ait 
an  und  für  sich  gar  keine  tJedeutung  haben.  Nui"  der,  welcher 
darauf  a  litei,  wie  mächtig  Verhältnisse  und  Umstände  auf  (jefuhle 
und  Aüsicliten  der  Menschen  einwirken,  wie  oft  Lauster  sich  in 
Tugenden  verwandeln  und  Paradoxe  in  ewige  Wahrheiten,  liest  die 
Geschichte  in  der  rechten  Art.-' 

Was  dem  Leser  recht,  .Millte  dem  Darsteller  billig  sein,  und  die 
daraus  hervorjrehendp  Krirl;i>tiing  des  Weitijiai ktes  an  historischer 
Literatur  böte  den  .Nutzen  ^^rößerer  Übersicht  bei  würdigerer  Auf- 
fassung^ ^?eschichtli(•h^^r  Vorgänge. 

Fiei  der  Alnu  i^une',  welche  die  wissenschaftliche  Geschicht- 
lorschiHi«'  der  \  dkstliumlichen  Gps<-hichtschreibnng  entgegenbringt; 
eine  Abneigim;:::',  die  sich  auch  gegen  den  ,.Subjecfi^  isnius"  Schillers 
gerichtet  hat,  dessen  historische  Schriften  dadurcli  au  Wert  iibngeus 
nicht  verlieren;  —  bei  dieser  Abneigung  kann  es  Wunder  nehmen 
dass  die  iient'ie  und  üfueste  Arbeit  ilt^r  Geschiclitsldrsrher  sich  der  — 
Memoiren- i^iteratur  zuwendet.  Nicht  nur  haben  iiandi.iüe  Hic-toiiker 
einschlä^ifre  Schriften  zu  ihren  Dnrsfplluiiui  n  benutzt,  solche  Scliviften 
sogar  selbststaiidi?  mit  Beirb  it\\  'rt*  n  vri m  hpn  und  edirt,  .Njiideru  es 
scheint  sich  in  jt-neii  neueren  und  neuesten  Arbeiten  sogar  die  den 
Memoiren-A\'<Ml'eii  t  i<rentbnnilichfi  |>sycholooiscli-biographische  Methode 
einzufinden,  eine  analyii>(  ^^(  Tll■Ml^  der  Vennuthung  und  Voraus- 
setzung, wie  etwa  in  den  riHiir>rcn  I  t  sviiiq--Sc]ir!ften  von  Erich  Schmidt 
auf  literar-historis(  lit  Iii  Gebiete  walii^'*  nonuiicu  werden  kann  Wenn 
man  sich  an  die  Saclie  hält  und  von  dem  ätzenden  wi&senschatt liehen 
StiU'  ;it)sieht.  deri  jed<^«  iil  .  i  lit  terie  Sätzehen  in  das  Probirglas  wirft. 
Ulli  e.-?  (diemisch  zu  iiiiltii,  dabei  aber  an  die  kleinste  '„'-Hwonuene 
ldialsfif*he  sogleich  eine  Behauptunn:  ohne  Probii^das  Miikiuipft,  — 
so  kann  man  die  ^tunvisst'iisrliattlirdi.''  iMetJiode  in  lier  .,Geschichie 
des  Ablalles  iler  Nif^derlande-  \-ielltdi  lit  noch  —  kiiristlprisch  finden. 
Und  was  den  Leser  betritit,  ifti  volksthumlicli  em]*tir!denden ,  wenn 
auch  wi.<j,enschaftlich  ung'e.schultt'ii  Leser,  so  wird  man  e<  ilim  oüen- 
^  bar  nit:ht  immer  verdenken  dürfen,  wenn  er  seine  geistige  Kost  auÄer- 
halb  historischer  Apotheken  sucht  und  findet 


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—  647  — 


Die  Geschichte  der  Familie  Bonaparte^  derselben,  die  Grillparzer 
mit  der  Grobheit  eines  einfach  freien  Bärgers  eine  „corsische  Ban- 
ditenfamilie" genannt  hat,  eine  Bezeichnung,  mit  der  die  weltgeschicht» 
liehe.  Bedeutung  ihrer  Mitglieder  durchaus  erschöpft  ist,  hat  eine 
Flut  yon  wissenschaftlichen  und  volksthftmlichen  Darstellungen  erfahren, 
die  80  ziemlich  alles  berücksichtigt,  was  von  Wert  ist  Der  Strom 
von  Blut,  Unrecht  und  Graiuuunkeit,  der  aus  dem  ersten  Napoleon 
für  Deutschland  entsprang,  ist  oach  Ansdehnnng,  Entwickelung  und 
Mündung  für  die  Unterhaltung  der  gebildeten  Welt  vom  Jahre  2rKJ0 
mit  genügender  Klarheit  fixirt  Der  alte  Clausewitz  (Vom  Kriege) 
Kest  tich  besonders  gut,  In  den  Lehrbüchem  ftUt  das  Kriegsgerassel 
Jener  Tage  einen  Raum  yon  solchem  Umfange,  dass  die  Watt's,  Ful- 
ton's,  Stephenson^s,  RessePs,  Grillparzer's,  Beetboren's  u.  8.  w.  sich 
glttekUch  schfttzen  dOr^m,  anf  einem  Holsbftnkehen  Ton  sechs  Zeilen 
yor  dem  großen  Portal  der  Geschichte  Platz  nehmen  za  kennen. 
Wftren  nkht  die  fMheitihdden  des  Jeweiligen  Kriegsscbanphities 
woldifttige  und  abUQilende  Gegensätze,  die  Schar  der  vaterUn- 
dischen  Jngend  betete  yor  einem  Altar,  dessen  GMHie  NapolefNi  hiefie. 

Die  ersten  Geister  des  Jahrhonderts  sollten  der  dämodschein 
Figur  des  Gorsen  Jenen  Tribut^  der  dem  Ungewöhnlichen  natnrgemäft 
mtheü  wird.  Nun  schleicht  die  »wissensehaftUehe'*  Forschimg  heran. 
Der  Heros  des  Jahrhnnderts  wird  der  hewnssten  Ffilschnng  seuies 
Gebnrtsdatnms  geziehen,  sefai  Eriegsrnhm  erscheint  in  dem  Gegensätze 
yon  Beqnisitions-^ystem  und  Magaonsyerpflegmig,  yon  Volksheer  nnd 
Soldheer,  weit  mehr  als  ein  Besoltat  ökonomischer  vnd  administratiyer 
YerhaltiüsBe,  denn  als  Leistong  eines  yom  Himmel  geihUenen  Genies. 
Und  nnn  kommen  die  Memoiren  der  Frau  yon  Btarasat  und  yemthen 
uns  —  sehie  Toilette-  und  Speisegeheimnisse. 

Gleichwol  gelangt  das  Werk  noch  in  heryorragenden  BlAttern 
ZOT  Anzeige;  denn  Über  all  den  tiefernsten  Wirtschafts*  nnd  BUdongs- 
fragen  der  Gegenwart  hatte  das  gebfldete  Enropa  immer  noch  ein 
^times  Stflndlein  ftr  den  „großen'  Mann,  yon  dem  Fran  y.  B^nsat 
mit  sehr  gltcklichem  Einlialle  sagt:  „Es  scheint  fiut,  als  sei  er  nn- 
wldermflich  dazu  bestimmt  gewesen,  entweder  unter  einem  Zelte, 
wo  alles  gleichgültig,  oder  anf  einem  Thront,  wo  alles  erlaubt 
ist>  zn  leben.' 

Dabei  mnss  jedes  tinbefangene  Gemtlth  allerdings  das  Glück  des 
Mannes  preisen,  dem  seine  Mitwelt  erlaubte,  so  zn  sein. 

Das  Beispiel  Napoleons  ist  ein  classischer  Zeuge  fttr  die  Thatsaehe^ 
wie  leicht  die  Welt  vor  dem  Erfolge  im  Staube  liegt;  nnd  darin  Ist 


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—   64d  — 


er  zugleich  eine  echt  römische  Gestalt:  sein  historischer  Euiiui  iiai  mit 
dem  Oäsars  die  gleiche  Quelle.*) 

Aber  er  wird  zu  gleiclier  Zeit  mit  jenem  Jiömer  aus  dem  (Gedächt- 
nisse der  Menschen  schwinden  müssen.  Unfehlbar  schlä0  die  Stunde, 
da  man  liistorisrhe  Gestalten  nach  ihrer  Bedeutung  lur  menschliche 
"W  üUalirt  und  tür  menschliches  (.Tliick  .«schätzen  wird. 

Inzwischen  aboi-  wird  die  ,.wisseus<haliliclie'*  Forschun«:  in  der 
Studii*8tube  und  aut  dem  Katheder  seinen  Abfällen  noch  lange  sorg- 
föltig  nachschleichen,  denn  jeder  Goethe  hat  noch  seinen  Eekermaon 
und  seinen  DQntzer  gefunden. 

Das  Streben  nach  einer  unserer  Gesittung  würdi^n  Auffassung 
der  Beziehungen  im  geschichtlichen  Leben  der  Völker  beginnt  sich 
nun  in  den  weitesten  Kreisen  zu  zeigen  und  hat  unter  andern  in  den 
bekannten  Verträgen  zur  Milderung  der  Kriegführung  einen  sehr 
bezeichiieiuien  Ausdruck  gefunden.  Wie  es  Moynier,  der  Präsident 
des  internationalen  Instituts  für  V.dkerrecht  ausdrückt:  „Der  Krieg, 
der  in  der  Geschichte  einen  so  g-roLien  Platz  einnimmt,  dass  man  ihn 
gewissermalien  als  einen  beständigen  t'actor  der  Geschicke  der  Mensch- 
heit betrachten  kann,  ist  der  Kiiuk  des  modernen  Denkens  nicht  ent- 
gangen, das  die  Hinterlassensehaft  der  Vergangenheit  nur 
wolßeitrüft  Annehmen  m:i^  und  dahin  strebt,  die  gesellschafüichen 
Zustande  von  Grund  aus  umzugestalten.**  So  ward  durch  den  Pariser 
Vertrag  vom  16.  A]>ril  IH.jf)  das  Verbot  der  Kaperei  fiir  den  Krie?^- 
laii  ausgespi-ocheu.  Das  ist  im  (Tiuude  noch  kein  Act  dei-  Humamiät, 
denn  es  versteht  sich,  dass  die  kriegführenden  Mächte  dem  vaterlän- 
dischen Capital  die  Möglichkeit  gewähieu,  auch  in  Zeiten  des  Kampfes 
nützlichen  Protit  einzustreichen. 

Einen  Schritt  weiter  macht  schon  die  berühmte  Genfer  (.-onvention 
vom  22.  Aug:ust  18()4.  welche  die  ersten  Anfordening(^n  der  Mensch- 
lichkeit für  den  Vi\\\  dei-  Kriegführung  zu  retten  sucht.  Seither  hat 
sich  die  Zahl  der  Friedensfreunde  vermehrt,  in  viel  höherem  Maße 
aber  noch  die  Zahl  der  Umstände,  welche  selbst  den  Kriegsparteien 
die  Thatsache  klar  machen,  dass  auch  ein  siegreicher  Krieg  zu  einem 
nationalen  Unglücke  werden  kann. 

Diesei*  ganzen  Friedensbeweguug  ging  jedoch  ein  geistigei'  Kampt 

*)  Aueh  MommaeB  spricht  einmal  fib«r  Um  im  Stile  der  Frau  t.  Bimuat: 
«Noch  ia  apftt4»«n  Jahren  blieb  ihm  eine  gewine  StutierhafUgkeit  im  Iniertti  Auf 

treteD  oder  richtiger  das  erfreuliche  Bewasätsein  der  eigenen  mSnsHoh  sohOnea 
Er*' hcinuner.  S  irq-fältip:  «Icrkte  er  mit  dem  Lorbeerkranz,  mit  dem  er  in  ipIUgsn 
Jahren  öffentlich  erschien,  die  schmeraiich  empfundeoe  Giatae.  .  . 


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—   640  — 


v<«?-MU'^,  Lange  voi-  den  l'ariber  u«'l  <t-ii1(  i  V.-tirageii,  vur  dem  IN  trrs- 
burger  uud  Brüsseler  Congress  hatten  «jiclehrie,  Staatsmänner,  Mensclien- 
h'ennde  alier  Art  durch  ihre  Stimme  den  Druck  eimr  öffentlichen 
Meinung  erzeugt,  wie  es  denn  einige  miithige  Bürger  \<m.  Genf 
waren,  deren  Initiative  jt'iie  Convention  zustande  brachte. 

Unter  den  geistigen  Bewegungen  der  Gegenwart  ist  die  Friedens- 
bewegung eine  der  volksthihnlichsten,  edelsten  und  verstÄndüchst^n, 
und  sie  sollte  nicht  nur  in  Thronreden,  Delegations- Sitzungen  und 
Parlamenten,  sondern  auch  in  den  fili'  den  Geschichtsunterricht 
bestimmten  Lehrbuchern  ihren  geschickten,  wirkungsvollen  Ausdruck 
finden.  jB)8  ist  nothig,  dass  der  innige  Wunsch  der  österreichischen 
Volkshymne:  „Gottes  Sonne,  strahl'  in  Frieden  auf  ein  glucklich  Östei^ 
reich!''  in  den  Hensen  der  Jugend  emen  mächtigen  Wiederhall  erwecke. 
Dies  ^rde  nicht  nur  ta  einer  vODig  veränderten  Auffassung  und 
Würdigung  historisch  ei-  Vorgänge  und  Personen  überhaupt  flUiren, 
es  würde  vor  allem  auch  dem  Wehrstande  die  bioe  relative  Bedeutung 
geben,  die  ihm  gebfirt;  nnd  vielleieht  erwürben  deh  dann  die  Mit- 
gtteder  nnserer  modernen  Jugend  die  ftr  die  Werteehätiung  der 
bitargerlicben  Ail>eit  so  überaus  nothwendige  EtkenntniB,  dass  dem 
armen  Erdenpilger  noch  grOBeres  Unglück  widerfidnren  kOnne  als  das 
HissgeBchicfc,  seine  Visitenkarte  mit  dem  Titel  eines  Besenre- Lieute- 
nants nicht  sehmflcken  zu  dfirfien. 

Glddiwol  kann  der  Krieg  und  seine  Fennen  unter  Umständeii 
eine  ganz  ntttdiche  Materie  ftr  den  Unterriteht  sein.  Aber  seine 
Betrachtung  mnss  nach  den  Grundsätzen  der  Friedensbewegung 
erfolgen,  und  neben  den  Momenten  patriotischer  Begeteterung,  wetehe 
die  Eriegsflirie  zu  Zeiten  entzünden  mag,  mnss  das  bleiche  Gespenst 
des  Massenunglüdcs  erscheinen,  das  auf  den  Spuren  des  Kampfes 
daberseUeicht  Die  Tendenz,  aus  den  guten  Kriegsläuften  irgend 
einer  Vergangenheit  einen  Patriotfomus  erzeugen  zu  wollen,  ist  keine 
erzieliende,  weil  de  barbarisch  ist  Der  Patriotismus;  der  sich  seine 
Nahrung  nur  aus  dem  Kanonendonner  holt,  führt  zur  VerwUdemng, 
zn  einem  auf  die  8pitze  getriebenen  Chauvinismus^  Der  beste  Patriotis- 
mus ist  doch  nur  der,  der  seine  Quelle  in  dem  sichtbaren  nnd 
fühlbaren  Glücke  der  Gegenwart  findet.  Der  beste  der  yater* 
ländisrlien  Dichter  unseres  Österreich,  Grillparzer,  fand  bei  Ver- 
herrliclmiig  seiner  Heimat  nur  wenig  kriegei-isehe  Klänge,  und  in 
seinem  Kriegs-  und  L.igerdrania  vom  Kuiiig  Ottokar  schießt  seine 
Friedenshyniue  zu  einem  Lobe  des  wirtschaftlichen  Glanzes  seiner 
Heimat  empor.  'Vergl.  die  Rede  Ottokars  von  Horneck  in  dem 
genauutcu  Drauja.; 


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—   6Ö0  — 


Denn  nicht  immer  bilden  Kriege  einen  CulturmaSstab.  Der  Sie^ 
auf  dem  Schlachtfelde  fällt  nicht  selten  auch  den  Barbaren  zu.  Gleich- 
wol  ist  die  Auffassung  selbst  in  der    wissenschaftlichen"  Geschieht- 

schreibung^  niclit  unbeliebt,  den  Primat  der  Watten  Uber  die  Herrschaft 
der  geistigen  uud  ökonomischen  Kraft  eines  Volkes  zu  stellen.  Allein 
dies  i&t  eine  Vertauscfmn^'^  v  n  Folge  und  Gi*und.  die  nur  dann  ent- 
schuldigt werden  kann,  weuii  die  bezüglichen  Staatswesen  nach  ihrea 
wiitschaftlichen  Verhältnissen  nicht  genttg-end  erforscht  sind. 

Eine  vernünftige  Auffassung  des  Krieges  als  geschichtliche 
Erscheinung  kann  endlich  auch  dazu  füiireii,  den  Überwundenen 
gerecht  zu  wtiden.  Tn  der  Kegel  räumt  geschichtliche  Darstellung 
nach  farbenreicher  Sciiil  ierun?  des  Kampfes  s-elassen  das  Schlachtfeld 
ab  und  überlUsst  die  irostiose  ^  dcv  iie>it!gieu  ihrem  Schicksale 
wenn  nicht  (\i-m  Lächeln  der  Ziili  iiei.  In  dieser  Hiii>irl]i  könnte 
mau  last  behaupten,  der  Verzwrii  limtrsschrei  der  edlen  iTatnii  Has- 
dnibals  töne  vom  Tempel  des  ivMjmu  bis  in  unsere  Tage  hertin. 
Merkwürdigerweise  liegt  es  in  der  Teudtii/^  der  Geschichte,  dass 
der  Siejrer  zum  Historiker  seines  glficklichen  Krieges  wird:  unter 
dieser  Jagge  u'i  It  die  Geschichtschreibung  des  alten  Rom  durch 
das  Meer  der  Jahrhunderte  bis  in  die  Häten  der  Gegenwart.  Strh»  !", 
die  Quellen  über  den  E3dsteuzkami»f  der  punischen  Kriege  besonder.«« 
auf  römischem  Boden,  so  fließen  die  Berichte  über  Catilina  und  die 
Scla?enbewegung  fast  ausschließlich  aus  dem  Schöße  einer  großbfirger- 
lieben  Partei,  die  jenen  Erscheinungen  ebensowenig';  gerecht  wurde, 
wie  die  Berichte  des  Hofkanzlen  £ck  über  die  Bauernbewegug 
grundsätzlich  dem  Kerne  der  Sache  aus  dem  Wege  gehen.  AlUaMliap 
hat  besonders  denteehe  Oeeehiclitsclireibiing  mit  diesem  UaireMa  «sf- 
geräumt*). 

Aber  man  sollte  immerhin  meinen,  dass  der  berttobtigten  punischen 
Treue  die  römische  Brutalität  mit  einigem  Nutzen  gegenüber  gestellt 
werden  kOnnte.  Das  Imperium  Romanum  igt  niemals  ein  System  der 
Ethik  gewesen.  Auch  leuchtet  nicht  ein,  warum  in  den  landlftnfign 
Lebrbtcbem  pnmsches  Wesen  allein  naeli  dem  Gbaiakier  der  reichen, 
weichliohea  ksrtfaagischen  StidtbeTOlkermig  genidmet  wird.  Die 
prftehtige  Qestalt  Hamflkare  [foidert  am^  ihr  Becht;  Xemmsea,  der 
nicht  gerade  Heroen-Cnltiu  treibt,  bebt  ihn  auf  den  schwereD  Wogea 
semes  Stiles  sn  nichtiger  Hohe  empor.  „Qrotortfger  als  Tum  Ihm' 

*i  über  Uannib&l  sagt  Moiniiiscu;  ^ludes,  weua  iiuch  Zorn.  Neid  und  Gtiiitin- 
heit  seiae  Geschichte  geschrieben  haben,  sie  haben  das  reme  und  grolle  Bild  nicht 
iB  trObM  ▼enDocht*' 


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—    6Ö1  — 


—  sagte  er  —  ^üt  vielleicht  nieinab  der  groteiÜg«  Kampf  des 
Menschen  gegen  das  Schicksal  geführt  worden."  Und  am  Schiasse 
der  bezüglichen  Schildernng  zieht  er  —  bei  Mommsen  nicht  gewöhn- 
lich —  Schamhorst  zum  Vergleiche  heran.  Freilich  gehört  der  alte 
Kriegsheld  der  Partei  der  Überwundenen  an;  die  Römer  sorgten 
dafür,  dass  von  dem,  was  er  geleistet,  kein  Stein  auf  dem  andern 
blieb,  und  doch  war  es  Cato,  der  brutalste  aller  Kömer,  welcher  den 
Ausruf  that,  dass  kein  König  wert  sei,  neben  Hamilkai*  Barkas 
genannt  zu  werden. 

Wenn  der  Krieg  schon  für  den  Sieger  ein  Unglück  sein  kann, 
dann  bedeutet  er  für  den  Besiegten  das  Elend.  Gescliichtliclier 
Unterricht  aber  wiid  sich  hüten  müssen,  zu  diesem  Elende  noch  das 
Unrecht  zu  fügen.  Zu  keiner  Zeit  ist  für  diesen  Zweck  maßvollere 
Schilderung:  nöthig,  als  bei  Darstellung  jener  Kriege,  die  als  Existenz- 
kämpfe zur  Aufrollung  irgend  eines  Weltbildes  leider  Material  bieten 
müssen.  Der  Unterricht  bat  keinen  Anlass,  den  Sieger  tönend  zu 
preisen,  wol  aber  die  Pflicht,  des  Besi^ten  mit  Gerechtigkeit  und 
Theilnahnie  zu  gedenken. 

Denn  eine  vernünftige  Reform  wird  auch  hier  iu  die  huiimueu 
Bahnen  der  Friedensbewegung  eiiizuleükeü  haben. 

Auch  den  Allen  galt  Betrachtung  des  Kampfes  als  Bil  hiu-'-s- 
mitt^l.  Aber  selbst  abgesehen  von  dem  durchaus  veränderten  Inhalt 
der  Gegenwart  und  der  Gemeinsauikeit  dieses  Inhaltes  bei  allen 
Culturvülkeni  unserer  Tage,  war  es  der  Kampf  im  dichterischen 
Gewände  der  alten  Heldengesänge,  dem  man  Kinfluss  auf  die  Jugend 
zuschrieb.  Und  wie  J.  v.  Kalke  hervorhebt,  „verkannte  man  bei  den 
Hellenen  nicht,  dass  auch  in  den  Gedichten  Homers  mancherlei  ent- 
halten sei.  was  dem  jugendlichen  Gemüthe  nicht  entspreche". 

Wir  wünschen  aufrichtig,  dass  auch  dif  Geerenwart  von  gleicher 
Erkenntnis  in  Hinsicht  historischer  Stoffe  erfüllt  wäre.  Eine  Schlachten- 
schilderung von  Theodor  Kömer,  das  Gemälde  eines  Kampfes  aus  d^ 
Nibelungen,  ein  warm  empfundenes  Gedicht  Gnllparzers  an  die  Helden- 
gestalt Radetzky's  kann  in  geschickt  gewählten  Augenblicken  und  bei 
spärlicher  Henuizung  des  bezüglichen  Motivs  einen  patriotischen 
Funken  entzünden;  die  düire  Leichengeschichte  eines  Lehrbuches 
kann  dneefi^en  mit  dem  Tode  Cyrus',  Crassus',  I^egulus",  mit  der  Ein- 
äscherung von  C^apua,  Sagunt  und  Karthago  nur  Schauder  erregen. 
Was  5K)11  es  frommen,  die  Leiden  und  das  Elend  einer  blutrünstigen 
\  <  1  gangenheit  immer  auls  neue  wieder  vor  das  Auge  und  das 
Gemüth  der  modernen  Jugend  zu  stellen? 


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—   6Ö2  — 

Der  Bildlingswert  jeder  geschichtlichen  Epoche  liegt  nur  iu  dem 
geistigen  niid  wiitsclrnftlichen  Inhalte  derselben.  Was  die  Gegen- 
wart aus  den  classisclien  Triimniera  von  Hellas  und  Rom  mit  NuUtu 
aufnehmen  kaüii.  das  tlielH  allein  hu.>  dtm  VerstJiidnis  der  greo- 
graidiibcken,  ökonomischen  und  socialen  Verhältnisse  der  alten  Staats- 
wesen. 

Mag  man  diese  (iebieie  immerhin  mit  der  t  t\va>  de- 1  adireuden 
Bezeichnung  „Oulturgeschichte"  abthim,für  Menschen,  die  ohne  politische 
Brille  zu  sehen  gewohnt  sind,  bilden  sie  allein  die  . .  .  (ieschichte. 


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« 


PSdagogisehe  Bandschau. 

Die  30.  Allgemeine  deutsche  Lehrer versammlnag.  Die  Allgemeine 
deutsche  Lehrerversaiuiiilaiig  ist  eine  Schöpfting  des  Jahres  1848.  Einem  Anf- 
rttt  Iblgeod,  d«r  neben  aadem  bekennten  Nemen  eneh  dicijenigen  elnee 
Berthelt,  Dreeeler,  Wender  eie  ünteiechriften  tng,  hatten  steh  ineliierB 
Hundert  dentseber  Ldirer  im  September  des  genannten  Jahres  in  Eisenach 
znsammengrefnnden.  Unter  stürm ischera  Beifall  der  Versammelten  werde  dort 
der  „Allgemeine  deutsche  Lelirerverein"  ins  Leben  gernfea. 

Sein  Bestehen  währte  nicht  lange.  Dem  Ansturm  der  Reaction  kounte 
er  niebt  Staad  halten.  Bereite  auf  der  Tierlen  eeiner  Mitgliederversammlungen, 
1852  in  Gotha,  wurde  er  an  Grabe  getragen.  Dfe  ^Allgemeine  dentaebe 
Lehrer  Versammlung"  trat  an  seine  Stelle. 

Was  diese  den  deutschen  Lehrern  prewesen  ist,  hat  die  Geschichte  ver- 
zeichnet. Tn  der  dunklen  Naclit  der  f'infzig-er  Jahre  war  sie  der  Hoffnungs- 
stern.  der  alljährlich  zur  Pting:8tzeit  aulÜHiumte  und  die  vertagte,  eingeschüchterte 
Lehrerwelt  aufs  neue  mit  Zuversicht  und  Vertrauen  erfüllte.  Die  Allgemeine 
denteche  Lebierrenamailnng  war  dee  Buiier,  nm  das  eile  die  eich  sobatten, 
diei  nnberllbrt  Afteegeiete  der  Zelt,  an  dem  Sebnlldeale  elnee  Pestelezei, 
einee  Dieeterweg  festhielten. 

Am  Anfange  der  siehziger  Jahre,  als.  beeinflnsst  durch  den  Hochflng  der 
Zeit,  die  Ftingstzusammenktintte  der  deutschen  Lehrer  zu  ungeheuren  Masseii- 
versammluugen  anschwollen,  erhob  sich  der  Ruf  nach  Umgestaltung  der  Ver- 
sammlung. Die  Anregung  ging  von  Berlin  ans,  wo  jüngere,  thatkräftige 
Standeegeneeeen  1871  den  Dentieben  Lebreryereln  begillndet  hatten. 
Man  wiee  von  dieeer  Seite  daranf  hin,  daie.  jene  loeen  Vereammlungen  in  ifann 
ErwBgangen  und  B^hlüseen  mehr  oder  minder  von  Ertlichen  Einflüssen  ab- 
hängig seien,  die  Gesammtanschauung  der  deutschen  Lehrerwelt  in  ihnen  also 
kaum  zum  Ausdruck  kommen  könne,  und  man  forderte  demgemäß  die  Um- 
wandlung der  freien  Versammlung  in  eine  solche  von  Delegirten  der  deutschen 
Lehrerrereine.  Ee  wnrde  Uber  dleeen  Yoreefalag'  viel  bin  nnd  her  gesprochen, 
eine  Binigong  kam  jedoch  niebt  metande.  Die  Folge  war,  daae  1876  eine 
Del^fjrtenvereammlnng  deutscher  Lehrervereine,  der  „Deutsche  Lehrertag", 
ins  Leben  gerufen  wurde,  der  seitdem  neben  der  Versammlang,  abweehaelnd 
mit  ihr.  zn^nmmentrat. 

Ks  iHi  das  Verdienst  des  Leipziger  T.phrervereins,  eine  Einigung  er^^ielt 
zu  haben.  Als  die  Allgemeine  deutsche  Lehrerversammluug  zu  Mannheim 
1891  Leipzig  zum  niehaten  Venammlungsorte  wlUte,  erUftrte  der  dortig» 
Lefarerterein,  eine  der  Slteeten  Glieder  dee  Dentsdien  Lebrenrerelna,  daae  er 
gern  bereit  eei,  die  Versammlnng  ▼ORDbereiten,  dass  er  aber  anch  die  in  den 
sieh/itrt^v  Jahren  erfolglos  gebliebenen  Kiuii^nngsverliandlnngen  wieder  anf- 
zouchmen  gedenke.  Muse  doch,  heißt  es  in  dem  Aufrufe,  mit  dem  der  Leip« 
P»d^(«giniiii.  Ii.  Jahix.  Haft  X.  44 


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-  654  - 


ziger  Lehromrein  rieh  im  Deoember  im  Torigen  Jalmi  an  ile  dMlMkflii 
Vardne  wandte,  das  NebwwjaaadertwrtalMn  Ton  Ldowryqnianniihiwg  vnd 
Lehreirtaflr  »sn  der  inifea  Heiaiiiiff  lUnttt       die  deutsche  Lehranoliaft  ia 

Kwei  sT^indsatzlirh  geschiedene  Lasrer  gespalten  sei.  wodnieli  unsere  Stimme 
der  ÜflE^entlichkeit  gegenüber  bedeutend  an  Gewicht  verlieren  niiiss.  Und  doch 
werden  in  beiden  Versammlaogeü  »eit  Jahren  nahezu  dieselben  Fragen  be- 
sprochen. Derselbe  Geist  beseelt  die  Verhandlungen.  SeUwt  die  AniMMiin 
beider  VenMamnlaiigen  beatehen  cm  Tbell  ana  deoaelbeii  PenoneB.  Der  Z«- 
aammenschloss  erscheint  gerade  iB  der  Gegenwart  um  so  nothwendiger,  als  die 
Feinde  der  Lehrerschaft,  besonders  die  Geprner  jeder  Srlb<;tstiindigkeit  der 
Schale,  aUe  Kräfte  daran  setzen.  Deutschlands  Lehrer  durch  Spaltung-  unil 
Zwietracht  in  verschiedene  Lager  zu  trennen  and  dadurch  zur  Ohnmacht  ku 
verdammen'^. 

Infolge  der  Anregung  dee  Lelpalger  Lehrervereins  find  Ostern  d.  J.  eine 

gemeinsame  Conferenz  von  Avaieliiissmitgliedem  der  Versammlung  und  solchen 
des  Lehrertages  statt,  in  welcher  die  Grundzüge  der  Einigung  festg:e5>t«llt  nnd 
schließlich  von  allen  Anwesenden  genehmig  worden.  Aof  der  Pfingstveraiuam' 
long  wurde  die  Einigung  bestätigt. 

Et  war  ein  erhebender  Aogenblick,  aüs  am  «weiten  Tage  dar  Yerhaiid- 
litngea  der  langlllirige  GeeebaftellUirer  dar  Ytnamaüwig,  Oberlehrer  MOrle 
ans  Gera,  mit  vor  innerer  Bewegung  bebender  Stimme  den  Vereammelten  an- 
rief:  .,Das  Streben  der  deutschen  Lehrerschaft  nach  Vereinigung 
ist  erfüllt!"  und  als  tausendstimmiger,  jubelnder  Beifall  ihm  antwortete. 

Die  80.  Allgemeine  deutsche  Lehrerversamuüuug  war  also  die  letzte  in 
der  bisherigen  Form.  Darin,  dass  sie  die  Einigung  der  deatsehen  Lahnr 
herbeigeführt  hat»  liegt  ihre  HsnptbedentQiig. 

Die  von  Sealschuldirector  Debbe  an  BremeD,  dem  S^wiegersohne 
Lühens,  geleiteten  Verhandlungen,  an  denen  gegen  5000  Lehrer  und  Leh- 
rerinnen theilnahraen,  begannen  Dienstag  den  2?>.  Mai.  Die  gerÄnmige  Albert^ 
halle  des  ivrysiallpalastes  war  bis  auf  den  letzten  Stehplatz  gefiillt.  Mächtig 
rauschten  die  Töne  des  Pfingstgesanges:  „0  heü'ger  Geist,  kehr'  bei  nna  ein*' 
dnroh  die  weiten  Riome.  Naeh  einem  Hoeh  aof  Saefaaene  König  bagMUMB  die 
BegrSßnvgsreden.  Zanftchst  sprach  der  sächsische  Cnltnsminister  Y,  Sayde- 
witz.  Er  rühmte  den  ^besonnenen  Fnrt.^chritt-  der  sächsischen  Schnlgesetz- 
gebuug,  der  '^irh  Vdr  allen  gewagten  und  weitgehenden  Experimenten  gehütet 
habe,  nnd  hob  dann  uamentlicli  die  Stellung  die^^er  ächulgesetzgebung  zu  den 
beiden  wichtigsten  Verhandlnngsgegenständen,  der  Schulaufsichtsfirage  nnd  der- 
jenigen  der  ^maltaaschnle,  hervor.  In  ersterer  Beaehang  habe  man  n 
Sachsen  dafür  gesorgt,  dass  der  oi^anisclie  Zasammenhang  zwischen  der  durch 
Einfühlung  der  Faclianfsicht  auf  eigene  Füße  gestellten  Schule  und  den  übrigen 
Factoren  des  socialen  Lebens,  Familie,  Kirche  und  Staat,  nicht  zerrissen  werde. 
\'ielmehr  seien  die  Verhältnisse  so  geordnet,  dass  auch  diese  letzteren  Factoren 
innerhalb  dei  durch  die  Gesetzgebung  festgestellten  Grenzen  lebendigen  An- 
thefl  au  der  Entwickelung  der  YoUuschnle  nehmen  konnten  imd  mlteteo.  Be- 
treib der  Simaltanschulfrage  betonte  der  Minister,  da^s  seiner  t)baraaBgaBg 
nach  eine  Schule,  welclie  ihre  Hauptaufgabe  in  der  Erziehung  zu  sittlicher 
Tüchtigkeit  erblicke,  nur  möglich  aui'  religiöser  Grundlage,  diese  jedoch 
lediglich  annehmbar  sei  in  confehsioneller  Form.    Darob  die  oonfessioneils 


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a   


—  8W  — 


VolkRSfhule  sei  es  in  .Sachsen  möglich  g^ewesen,  die  Jugendbildiuig'  s<>  zu  or- 
ganisireu,  da&i  bei  voller  Wahrung  der  Gewisseusfreiheit  der  Gedanke  der 
üttUch-religiSflen  Erziehong  den  g^ammten  Unterricht  durchdringe  und  er- 
wirae.  In  den  Belftdl,  der  diesen  Worten  des  Uniften  folgte,  nMitm  sieh 
t«nittsdte  Qachlante.*) 

Die  folgenden  Begrtißnng:8reden  des  Oberbürgermdst^  Georgi  ttad  dM 
Stadtrathes  Walter,  Vorsitzenden  des  st;idtischen  Schnlausschnasea,  bewegten 
sich  in  den  conventioneUeu  Formen.  Kinen  frischen  Ton  schlug^  Germer,  der 
Vorsitzende  des  Leipziger  Lehrervereins,  an.  Im  Gegemtatice  zu  dt$r  Be- 
ftiedigong,  410  dnreh  die  vorangegangenen  Beden  hindorchgeid  ringen  hatte, 
M  «r  bemror,  daas  der  Ffbreofge  4m  Stante«  für  die  Sobole  («in  mnneben 
deutschen  Ländern",  sagte  Herr  Germer;  in  allen  wSre  richtiger  gewesen) 
noch  ein  weites  Feld  oflfen  gehalten  sei.  Mit  Keclit  erstrebe  die  deutsche 
Lehrerschaft  eine  bessere  Vorbildung  für  iiu-en  Beruf,  inti  Iii  f  tiiPÜM  und  sitt- 
liche Hebung  der  \  oiksma^en  durch  wirksameren  ünterridii  und  vollkominenere 
Ki'ziehung.  Sie  fordere,  dass  treue  Lehrerarbeit  gebürend  gewürdigt  und  die 
Fidagogik  ala  eine  Wteenaoliaft  und  KuiBt  geachtet  werde,  zn  denn  Ana* 
fübmg  war  der  geaehnlte  Enteher  berechtigt  aei. 

Den  ersten  Vortrag  hielt  Direetor  Dr.  Sachse  aus  Leipzig  Uber  ,|Die 
Bedeutung  der  Volksschule".   Er  führte  Folgendes  aus: 

Die  Volksschule  wird  erst  in  neuerer  Zeit  als  ein  Factor  de»  öffentlichen 
Lebens  betrachtet.  Da  sie  ein  Kiud  der  neuereu  und  neuesten  Zeit  ist  und 
sich  rapid  entwickelt  hat,  so  findet  sie  noch  nicht  die  redite  Würdignugj  ihre 
WertaehitEiittf  im  affentUeben  Leben  wird  noeh  von  Ansohannngen  Mherer 
Zfltten  beefaifluat.' 

Gegenwärtig  erwartet  man  von  der  Volksschule  große  Wirkungen  in 
B^'-^n?  auf  die  Aufgaben  des  üttenflifhpn  Lebens;  ihre  Arbeit  ilns^egen  achtet 
niun  i^t  ring,  weil  sie  es  nur  mit  elementaren  Kenntnissen  und  W  ertigkeiten  zu 
thuu  iiabe.  Beides  ist  falsch.  Sie  kann  zui*  Bekämpfung  der  Socialdemokratie, 
zur  Hebung  kiiehliehen  Sinnes,  znr  Stärkung  der  Qimtlidiett  SlttUdikeit  dlreet 
liiat  niebta  bettragen;  denn yeratandeareUb,  aelbBtatlDdige  Übemeogmirf  Lebeiia> 
erfalirungen  kommen  erat  nach  den  Jahren  der  BlenieiltailiDdnng,  und  erst  in 
der  Zeit  vom  15.  bis  i«m  24.  Lebeoqabre  reift  md  gedeiht  die  efgentUcbe 
Bildung  fürs  Lebeh. 

Aber  wenn  sie  auch  nicht  die  Schäden  unserer  Zeit  bebtiligen  kann,  s<> 
ist  doch  die  Arbeit  in  ihr  keine  so  genugidgige  uod  meclianisclie,  wie  man 
beute  bOren  bann;  denn  sie  beatebt  niebt  nnr  darin,  den  Xindsni  die  Fertig- 


*)  Beehl  iBteressaat  ist  die  Ueüie  Rede,  mit  wdcher  Herr  Debbe  ans  Bremen, 

der  T'rn  ir^  nt  der  VoTsammlung,  die  Ansprache  Seiner  Excellenz  zu  beantworten  für 
gut  befunden  hat  fjach  dem  stenogiaphisoheiL  Berichte  (a.  .Allgem,  Deutsche  Lehrei- 
settaag"  Nr.  83.  S.  S88)  sagte  Herr  Debbe  wOrtHeb:  „lek  bitte  Bw.  Bzcellenz,  mir 
gestatten  zu  wollen,  dass  ich  Ihmi  nir  di«-  bf.rrliclieu,  tief  bedeutsamen  Worte  den 
herzlichsten  Dank  der  Versamuiiuug  ausspreche  und  den  Wunsch  lUnzufuge,  daas 
der  aihniebtige  Gott  Unten  Kraft  ireben  möge,  das  Scepter  des  Ooltesdiensfees  in 
Sachsen  noch  recht  lautre  »o  zu  fühn  n  wie  bisher."  Die  Worte  „wie  bisher"  schließen 
nach  dem  Zusammenhange  ohne  Zweifel  eine  Zustimmung  siu  streitf  conlessionelieu 
Richtung  in  sich,  welche  jedenfalls  nicht  im  Sinne  der  Mehrheit  der  Yenammlnng 
lag.  HöfUcbkeit  ist  eine  sdhOno  Saebe,  abw  es  gibt  aa6er  ihr  aveh  noch  andeie 
sehOne  Sachen.  D. 

44* 


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kflittti  dw  Leiens,  Keehnas  uod  Scbreibens  beisahiiigMi  (n  welcher  Arbeit 
ja  aiMh  «in  ÜBterottdMr  ffMfgMt  wire),  wndmi  sie  hat  es  nit  dsm  wotedsi 

Menschen,  mit  diB  Oilsle,  der  das  Ebenbild  des  göttlichen  ist,  zu  than.  B[tar 
sind  Geheimnisse  za  ersrründen  und  RSlliscl  zu  lösen,  wie  sie  keiner  Wissen- 
schaft gewichtig:er  gestellt  sind.  Daher  die  \'orliebe  unserer  (reistesheroen  für 
das  Gebiet  der  Erziehung.  Vt  aa  sie  erkaunt  und  erl'un>cht,  ist  die  Erkenntnis 
eines  gaastti  Standes  geworden,  dei'  die  Ao^gabe  hat,  unterrichtend  zu  erziahen. 

In  dar  nssmi  Zeit  sind  aaf  alloi  GaUaten  so  nngeheoaN  Fartsohritte 
aa  VMselchnen ,  dass  der  Begriff  allgemeiaar  fiüdang:  eine  andere  Badeatnag 
erhalten  hat  als  früher.  Die  Schill«-  hat  diesem  rapiden  Fortschritt  gegenüber 
die  größte  Schonung  der  jugendlichen  Geisteskräfte  m  beaditfii;  -  s  sind  ihr 
Grenzen  in  der  V'erarbeituug  ueuer  Erkenntnisse  gesetzt.  Das  \\  is&eu  ist 
nicht  Selbstzweck.  Durch  die  Beschaffenheit  des  kindlichen  Geistes  iat  die 
Bsgreannff  dsa  Stolfes  nad  die  Hathoda  des  Uhtanielites  bestimmt.  Dsber 
wird  die  fortschreitende  PidafOgik  den  Unterrichtstoff  auf  seinen  Bildnngswert 
prüfen,  besondan  in  Besar  daiaaf,  ab  er  dia  algana  Tiiftt%keit  das  KIndea 
anregt. 

Das  Wilsen  der  Gegenwart  ist  in  dieser  Form  noch  nicht  veraibeitet  und 
die  Methode  für  solck  geistbildenden  Unterricht  noch  nicht  gefunden.  Hier 
mnss  der  IieJirer  nadi  eigener  EMekt  bandeln;  denn  es  lassen  sieh  «al 

Gnndsätze  für  EIrziehnng  und  Unterridit  aufstellen,  aber  diese  wirken  nur, 
wenn  sie  der  Lehrer  selbst thiltig  zu  den  seinigen  macht.  Der  Erfolg  des 
Unterrichts  liegt  in  der  Persönlichkeit  des  Lehrers  begründet,  in  sittlicher  und 
Intellectneller  Beziehimg.  Da«  ist  die  hohe  Bedeutung  des  Lehrerbemfs,  dass 
ar  eine  Persönlichkeit  voraussetzt  und  die  große  Verantwortlichkeit  desselben, 
dass  dar  I^ehrer  das  elgana  fsistiga  Sein  aof  nnftrtiffs  Gaistsr  ttbertrsgea 
mala  and  smlt  eins  Menge  naeh  sich  bildet.  Daher  kann  kein  Beruf  so  viel 
Safsn  stiften,  aber  auch  keiner  so  viel  Unheil  anrichten  wie  der  Lehrerberuf. 

Diese  Erwägungen  stellen  die  Bedeutung  der  Volksschule  in  das  rechte 
lAokt  und  rechtfertigen  die  Ford«  i  uugen  des  Lehrerstandes  nach  iiiiiierer  Vor- 
bildang,  eine  Forderung,  die  nicht  aas  ehrgeizigem  Streben,  tionderu  aus  einer 
tanemn  Nothweadigkait  harvarg egangan  ist  Obfl^cb  fttr  die  LehrerbUdaag 
in  den  letzten  Jahnehnten  viel  gethan  worden  ist,  so  aass  doch  noelt  anfai^ 
ordentlich  viel  geschehen;  denn  das  Wissen,  das  in  der  Seminarzeit  erworben 
wird,  ist  zumeist  nur  encyklopädiBtiwh .  es  belebt  und  befruchtet  nicht.  Und 
doch  bedarf  der  Lehrer  der  V'olkssciiule  der  Durchbildung,  eines  sicheren 
Blickes,  eines  klaren  L'rtheilü,  um  die  Kesultate  der  Wissenücliail,  die  Er- 
fabrnngen  des  Lebeas  sieh  ansneigaen  and  amioselien  Uct  KIndar  und  Velk. 
Jeder  Portechritt  in  dar  Pidagi^  ist  von  dar  ValkssebaiiiidiagQgik  ina- 
gegangen,  und  das  Fortschreiten  in  derselben  wird  mit  der  Ausgestaltung  der 
Lehrerbildnng  continuirlieiier  werden.  Der  Einwand,  dass  es  sich  bei  der  Lehrer- 
arbeit zumeist  um  kleinliehe  trnd  merhanische  Dinge  liamlt  le,  ist  nicht  zu- 
treffend, weil  die  Vulkäschule  die  Groiidluge  zu  jeglicher  Üildimg  g^ewährt  und 
die  ersten  BlndrBcka  aaf  den  Geist  die  wichtigsten  and  bastlmmandstwi  sind. 
Jeder  nrtheilt  Uber  die  Valkssehala  naeh  salaen  elgenaa  Erflüinuigenp  mi 
daher  <>ft  die  geringe  Wertschätzung  derselben.  Andere  Berufsarten  geldlnter 
Richtung  haben  e-  TÜcht  selten  auch  mit  recht  kleinlichen,  mechanischen,  ja 
widerwärtigen  Dingen  zu  thun,  die  dennoch  ilirem  Ansehen  nicht  schaden. 


—  aw  — 


Änrh  betrert's  der  ethisfbpn  Bildnng:  stellt  unsere  Zeit  andere  Forderaug'en. 
Da«  Fabrikwesen,  die  Lockertin^^  der  Familienbande  nnd  Familienzücht,  der 
gesteigerte  £ampf  ums  Dasein,  die  Richtuug  auf  daa  Siiuüicke  liaben  den  Be- 
griff llr  BeQht  «nd  Wahrlult  gwdiwldrt»  das  MUd  IQr  dai  BSdIa  abgestumpft. 
Dm  «eigen  in  enehnekender  Wefn  die  statktiMheii  SrlulnugfB»  bwantora 
die  über  die  jogesdlichen  Verbrecher  nnd  Selbstmörder.  Energidosigkeit,  ÜB- 
^«friedenheit,  Znchtloßig-keit  und  Gottlosigkeit  zietien  in  unser  von  Natur  kem- 
gesuudes  Volk  ein.  Jeder  beklagt  diesen  Zustand  und  will  ihn  verbessern. 
Alter  es  gibt  nur  ein  heilendes  Mittel,  es  heißt  psychologische  Benrtheilnng  und 
fftdagogischA  Bckandlimg  der  fehlerhaftea  Bichtoiigea  und  tocialeii  Verimingen. 
Vm  ^dm  Utm  Efaid  tdion  nlt  ErMg  m  tinm,  ana»  der  Lelnw  winen,  wie  die 
Mensclieii  fiidi  111111«  eatvi^elten,  was  treibend  nnd  hemmend  witfeite,  was  sie 
gedacht  nnd  erstrebt,  er  mnss  die  Bedeutung  jeder  Culturerrungenschaft,  die 
TTrKRcliPM  jedes  CuUnrrü^'ks'ans'e« .  die  Weltansobaunns'pn  d^r  Diefiter  nnd 
ih  üker  kenueu.  Ans  dierft^m  (imnde  braucht  der  Lehrer  eine  ebenno  gediegene 
wibscD schaftliche  Vorbildung,  wie  sie  z.  B.  der  Arzt  besitzt.  Hätte  unsere  Ei*« 
xiehnng  udt  dtt  VorMrittan  d«  Neaaeit  i^eiehen  Schritt  gabalten,  der  Shh 
stand  der  Unralie  dnd  Bathloaigkeit,  in  dm  wir  ans  Jetat  bednden,  wlre  nidit 
mö^Hch  gewaaea;  denn  das  Wort  Sclileiermacben:  „Alle«  Bevolatiinilre  liegt 
in  dei-  nnrichtififen  Org-anisation  der  öffentlichen  P^rziehnn»:",  gilt  noch  heute. 
Früher  wii'kteu  Farnilien.sinn.  FamilirTisirte,  die  .Aufsicht  und  Zucht  kleinerer 
Gemeinwesen  erziehend;  dieser  Einrluss  ist  geschwuudeu,  und  Strafg:esetz- 
bnch  and  polizeiliche  Verordnungen  können  ihn  nicht  ersetzen.  Nur  durch 
VelkabUdang  und  VoUunraiehvng  kaoB  geiioUbD  wwdan. 

Der  Lehrer  der  Volkaaolrale  darf  diMer  Aai^iabe  nicht  fem  stehen',  aber 
die  Schale  verliert  den  Zögling  in  einem  Alter,  in  dem  die  eigentliche  BUdang 
fürs  Leben  erst  \hv<>rt  Anfani?  nehmen  kann.  Der  f<enng-e  Einflnss  der  Fort- 
bildungsschule reu  iit  nicht  aus.  Der  junge  Mensch  ist  sich  nun  selbst  über- 
lassen, denn  es  ist  den  gebildeten  Kreisen  noch  nicht  zum  liewusstsein  ge- 
koBBien,  daea  alle  Erscheinungsformeo  des  öffentUohea  Lebens  psyehologiBoh 
betmeiitet  and  psdagogfaeh  behandelt  werden  mflaaen.  Aber  dieeea  BawaMtaein 
maaa  komaiea,  Staat,  Kirche,  Presse,  Literatur,  Ifilitär.  Innnngsvorsteher 
müssen  in  diesem  Sinne  erziehend  thätig  sein.  Der  Unmündige  soll  zur  ein- 
sichtsvollen  \\'ürdi2'nn!x  der  Xothwcndi^keit  des  GesetTies  und  des  freien  Ge- 
horsams gef,'-en  da.-.aelbe  gebracht  werden.  Die  Heilmittel  für  unsere  Schäden 
liegen  nicht  in  der  Wiedereinführung  von  i.nirichtungen  der  Vergangenheit;  es 
iat  anmogUch,  eine  frUiere  Periode  nnaerer  geschiditliebea  Bntwickalan^  anrftck- 
aarnfMi;  jede  Zeit  braacht  nene  Ideen  und  neue  Fllbrer. 

Nur  die  Pädagogik  kann  die  FfUiniDg  fibernehmen.  Werden  die  Erschd- 
nnng:en  des  nffeutlichen  Lebens  nicht  nnr  nncli  der  politischen,  socialen  und 
kirchlichen,  sondern  auch  nach  der  pädagogischen  Freite  henrtheiU,  dann 
wird  eine  neue  Periode  onserer  Entwickelang  and  geistigen  Antschwungs  ge- 
koBimen  sein. 

IHeaa  groAe  Aviipibe  lunm  aar  danli  einen  toib  Staate  eingeaetoten  Er- 
aiekersund  geUiet  werden.  Da  die  Methode  der  erweiterten  YolkablldlBg  nicht 
verHcbicden  von  derjenigen  der  Vcrikieehale  sein  kann,  so  kann  dieser  Stand 

nur  der  der  VolksschuUehrcr  sf^in.  Was  eine  Zeit  an  Tdeen  nnd  Bestrebungen 
bewegt,  mass  der  großen  Menge  zum  Veittaadflis  gebracht  werdea.  Übang 


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—  m  — 


in  soleber  Darbietnnir  htt  d«r  VdkMeliiiUelmr.  fitmi  «U  er  dM  organivhe 
Mitteilt  swiaehen  den  GclahrteBtlnui  und  der  breitea  ScUekt  der  Bov«!- 

k«nmg  bilden. 

Ehe  aber  die  Pädagogik  zu  diesem  EinflusB  g^elan^t,  werden  noch  viek 
Jahre  vergehen.  Ist  sie  doch  norli  nicht  einmal  an  der  Stelle  f^ewürdigrt ,  an 
der  alle  Richtungen  g'eistig:er  Hethätiguug  and  Forschuni?  ihr  Asyl  g:efnndf!n 
haben,  an  der  Universität.  Dort  ist  sie  nor  ein  Anbäugsel  der  Theologie  and 
PhOoMpIdB. 

Die  Pidacogik  wm  tn  ZnknaA  aooh  in  vteloi  Diag«ii  ihie  SUbm  «i^ 

heben,  in  denen  sie  bisher  noch  nicht  znm  Worte  gekommen  ist.  Bei  der 
Rechtsprechung  darf  es  sich  ni'  ht  alh^in  um  die  Sühne  für  das  Vei^ehen  oder 
Verbrechen  handeln,  sondern  es  müssen  zugleich  Mittel  zur  Besserung  d^"«  An- 
geklagten in  Betracht  gezogen  \Nerd6n.  Dnrch  ein  liebevolles  erziehendes  i^an- 
gehen  aaf  dem  Volksgeist  wird  auch  unser  deutsches  Volk,  das  von  Jeh«r  die 
nUgUtoen  WaMeitea  Mit  gntar  Bii«talenDiir  eitat  hit,  für  die  eiwftriwn 
und  doob  so  erhebenden  christUoliei  Ideen  nieder  zu  gewiiMn  mIb.  Endlich 
muss  sich  die  Presse  ihrer  erzieherischen  Th&tigkeit  bewnsst  werden.  Der 
Verbrecher  darf  in  ihr  nicht  dnrch  eine  pikante  Darstellung  gloriti-  i!  t  er- 
scheinen. Die  ForHchunpeii  T'arwins  und  Hftckels,  die  ja  nur  Hypothesen  sind, 
dfirl'eu  nicht  als  absolute  VV  aürueiten  uutei'  das  Volk  getragen  werden,  denn 
die  ▼erwirren  nur.  ündUUelie  Sdnlften  werden  von  der  PoUnel  verbeten; 
wer  behütet  aber  nneer  Yolk  vor  dem  Leeeecbend,  der  ibm  eo  bOliir  »ve* 
tngen  wird? 

Also:  wenn  die  Pftdag^o^ik  wirklich  iieilsani  wirken  soll,  dann  darf  sie 
nicht  nur  bei  sechs-  ^is  vierzelini;llir?LZt'Ti  Kindern  in  Anwendung^  k(mim<^ii: 
sondern  sie  muss  Einflu.ss  auf  unser  ^esauiiales  T/eben  {gewinnen.  Das  Xßt  unser 
Ziel.   Lassen  Sie  uns  ihm  hofiiuiugsfreudig  ent^ereg'enstrehen!  — 

Leider  wurde  die  Wirkung  des  gedankenreichen  und  anregenden  Vor- 
trages dadurch  gemindert»  daas  der  Bednar  aeiner  adiwadwn  Stimme  wegen 
nieht  im  Stande  war,  aidi  einem  grSBeren  ZnhOreifcrefoe  ventBndlidi  nn  maehen. 
Eine  Diaeoaaion  Ibnd  nieht  statt. 

Der  f-i]{i:en(le  Vortrag  des  Herrn  Dr.  Bartels  (Gera)  über  „Die  Frage 
der  Fachaufsicht"  stand  nicht  auf  der  Hölie.  die  ein  der  All^-emelnen 
deutschen  LehrerTersammlun}^  ji^ebotener  Vortrag  einnehmen  soll.  r>nr  H>^dner 
erging  sich  einleitend  iu  längereu,  zur  Sache  nicht  gehörenden  Austuiiningen 
über  die  Schäden  der  Zeit  und  begründete  dann  in  ziemlich  flüchtiger,  ua* 
grttndUeber  Weise  die  folgenden  Thesen: 

1.  Die  gesetsliebe  Begelnng  nnd  die  Beanfrichtigung  des  gesanimten 
VoIlESsehnlweeena  gebUrt  allein  dem  Staate. 

2.  Znr  inneren  Leitnng  nnd  BeanMehtignng  des  VeUnsehnlweseas 
sind  im  Interesse  des  Staates,  der  Kirche  und  der  Schule  nnr  theecetiMih 

nnd  praktisch  erfahrene  Schulmänner  zu  berufen. 

Die  Schulaufsichtsbeamten  müssen  in  erster  Linie  ans  den  Reihen 
tiiclitiirpr  und  bewilhrter  Volksschullehrer  genommen  werden.  —  Aber  andi 
.  Iheologen  und  l'hilologen,  die  durch  jahrelan^^e  Arbeit  in  der  Volksschule 
sich  die  nöthige  Sach-  und  Fachkenntnis  erworben  haben,  können  als  Schal- 
inspectoren  bemfen  werde». 


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—  609  — 


4.  Die  Localscljulautsicht  in  meLhotiiscb-technischer  Hinaicht  ist  im 
Interesse  des  Staates,  der  Kirche  und  der  Schale  aufzuheben. 

5.  Der  Kindie  sollAn  ASban  Ganatien  gegebe»  werdeB,  da« 
kinddlelifln  ünteranm  andi  bei  der  Anfhebuif  der  LoGalaelnilaiifrieht  dnreh 

die  Geistlichen  gewahrt  bleiben. 

I)ie  T>fprnssion  schlug  zunäclist  Nebenweg'e  ein.  Heinrich  (Prag)  warf 
die  bekaniiiiieh  in  Österreich  viel  besprochene,  für  die  reichsdeutschen  Lehrer 
aber  zanächst  völlig  bedentnngslose  Frage  auf,  ob  die  Schnlinspectoren  definitiv 
oder  provisoriBcb  angestellte  Beamte  sein  sollten,  and  Tenpser  (Leipzig) 
ging  auf  DSrpAlda  Mannte  Theorie  der  Sehnlverwaltnng  dnreli  die  Sehnl- 
gemeinde  ein.  Tews  (Berlin)  erwarb  sich  daa  Verdienat,  den  Hanptgesiohta- 
pnnkt  wieder  hervorznheben,  indem  er  als  den  Eempnnkt  die  Frage  anstellte: 
"Wer  soll  Sehnlanftichtsbeamter  sein?  Nach  längerer  Er^rtemn^  wurde  die 
1.  These  in  der  Fassung  des  Redners,  die  2.  mit  folgendem  Zusätze: 

„  .  .  .  welche  sich  ausschließlich  der  pädagogischen  Wirksamkeit  widmen, 

ad  es,  dasB  aie  als  nnmitteilbare  Staatsbeamte,  aei  es,  dass  ale  als  Organe  der 

Selbstyerwaltang  in  grt^Beren  Schalgemeinden  dienen*; 
die  S.  in  folgender  Fassung: 

-Jeder  tüchtige  Volksschullehrer.  gleichviel  nb  er  Seminar-  oder  üni- 

vprsitätsbildung  genossen  hat,  kann  8chttlin?pprtor  werde.«**; 
die  4.  mit  dem  Zusätze:  „(Die  Localsclmlaufsichtj  durch  Nichtfachmänner  . 
angenommen,  die  5.  dagegen  auf  den  Autrag  Stolle js,  der  hervorhob,  dasä 
die  Kirefae  sdion  sellnt  ilirs  Interessen  waluren  werde,  abgelehnt.  — 

HMi^nnkt  der  Lelpadger Versammlnng  Uldete  der  Yortnig  Seherers 
(Worms)  über  „Die  Simnltanselinle  —  warum  muss  sie  die  Schule 
der  Zukunft  sein?"  am  zweiten  Tage.  Die  folgende  dürftige  Skizze  möge 
wenigstens  die  Hauptgedanken  des  beinahe  zweistündigen  Vortrages  angeben  : 
Der  Zedlitz'sche  Schnl^^etzentwurf  machte  die  Schule  zur  Domäne  der 
Kirche  im  Sinne  der  Anträge  Windthorst's.  Dieser  Entwurf  war  in  seinen 
Hanptbestinamnngen  denVoUn-  und  Zeitgeist  vflllig  entgegengesetst  Er  erregte 
tiefen  ünwülen  nnd  musste  deshalb  znrttckgezogen  werden.  Genützt  hat  er 
dadurch,  dass  er  das  Interesse  des  Volkes  für  die  Schule  neu  belebte.  Aller- 
dings but  sich  dabei  gezeigt,  dass  politische  Parteien  niemals  pädagogische 
Fragen  gründlich  erörtern  können.  Denn  die  prineipielleu  Fragen,  auf  welche 
sich  die  Urheber  des  Entwurfes  stützten,  sind  von  der  Opposition  weder  grüud- 
üdi  exQrtert  noch  wideriegt  worden.  Darans  entspringt  die  Forderung  an  die 
deotsche  Lebrersehaft,  aich  mit  diesen  Fragen  grOndUeh  wbl  besehiftigen,  sie 
auf  Versammlnngen  sacUieh  sn  erörtern  nnd  sich  das  Kecht  zu  erkämpfen,  in 
soldien  Fragen  gehört  zu  werden.  Nur  volk-  Klarlieit  über  die  principiellen 
Fragen  bringt  dem  Ziele  niüier.  Bei  der  Simultanscliulfrage  handelt  es  bich 
einerseits  um  das  Verliältnis  der  Einzelnen  zu  Staat  und  Kirche  und  ander- 
seits um  daä  Verhältnis  der  Confession  zu  Religion  und  Sittlichkeit  Darans  ergibt 
sich  d«nn  die  Stellnng  der  Sohnle  mm  Staate  nnd  rar  Kiiebe  bea.  rar  GoniMon. 

Unsere  Zeit  gihrt.  Anf  den  Gebieten  der  Wissenscfaalt  nnd  Knnst,  Philo* 
Sophie  und  Religion  entwickeln  sich  die  Ideen  noch;  nirgends  ist  etwas  Voll- 
endetes. Noch  iiat  sich  keine  befriedigende  religiös-sittliche  Weltanschannng 
gebildet,  die  den  Massen  des  Volkes  zugänglich  gemacht  werden  und  im 
schweren  Kampfe  nms  Dasein  dieses  zu  seinen  höheren  Zielen  hinführen  kann. 


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—   660  — 


Aber  ila  wird  allen  AaMidieB  nach  bald  ewaheiawi,  and  da  die  fonade ' 

Weiterentwickelong  deB  nationalen  Lebens  nur  auf  der  Basis  einer  reli^ids- 
sittlichen  Weltanschauung'  mSgli*  Ii  i«!,  so  ist  es  unsere  Aufgabe,  das  heran- 
wuclisende  Geschlecht  für  eine  s<»lciie  Weltanschauung-  reif  zn  inachen.  Bisher 
iiat  man  dies  veruacUläääigt.  Man  ruft  Halt,  wenn  man  die  Ergebnis  wisdeii* 
aeiiaffUflfa«  Tomkmgm  aaf  dia  VoltoMMang  amawMulaa  vannflhit  Und 
doch  ist  m  «im  Pflicht  des  Staates  der  OenUeehaft  gegenllber,  als  deren  Ver- 
treter und  Leiter  dafür  zu  surgen,  dass  der  Jugend  eine  volksthümliche  und 
vernünftige  relig-iös-sittliche  Weltanschituimg'  übemittelt  werde.  Penn  das 
Kind,  olivvul  es  zunächst  ein  CHied  der  Familie  ist,  ist  in  dieser  mit  dem  >St;iats- 
grgauijiüuuü  verbuodeu,  dessen  gedeihliche  Fortentwickeluug  mit  dei'  des  Eiuzel- 
TWUOOB  iWTftmTititiiliyiTigt  Pjuhalb  ntOM  der  Staat  andi  Uta  dte  geistige  wp^«^ 
aelner  Glieder,  ala  eiiiiin  Mittel  znr  Eriialtang  wad  cmate  Wcitaroatwieka* 
Inng  des  Ganzen,  sorgen  und  die  für  diese  Culturarbeit  beetehenden  Gemein- 
schaften, wie  Familie,  Kirche  nrid  '~^rhule,  jede  ihren  Zielen  entsprefiliend, 
unterstützen.  Insbesondere  muss  der  Maat  als  die  obei-ste  Bilduug»gemeiii- 
i>chaft  datui'  suigeu,  dasä  die  ihm  untergeurdneten  Biidungsgeuieinschaften  sich 
gegenseitig  oateiatlltMii  and  daie  tieli  Jede  wieder  ibreni  Wceen  aad  Zueehe 
femftA  frei  entwleketai  kann.  Indem  d«  Staat  jedrai  eelnor  Bürger  s«  einer 
nationalen  und  sittlich-religiösen  Weltanschauung  verhilft,  sorgt  er  für  das 
Gedeihen  des  Ganzen,  denn  dndureh  führt  er  eine  Besserun?  d^^r  L'-esellschaft- 
liehen  Verhiiltnisse  und  eine  l>e&öere  VerstÄndigrnnf^  der  Confessiuaea  und  StHndc 
herbei.  Daher  muss  er  tür  die  religiös-sittliche  und  biirgeiliche  Bildung  durcii 
ein  eigenen  BUdnngtweeen  sorgen.  Kor  dann  kann  er  einhattHfA  geeinite 
«id  «insiditlge  B^ger  enriehen.  PriTata  UaterrieiitHUUtaltea  kaoa  er  nsr 
zulassen,  wenn  sie  seinea  l^en  aasteeb^  öffuatlMe  Unterricht  büdet 
zugleich  ein  heilsames  Gej^enraittel  gegen  die  sich  naturg^emflß  abschließende 
Einwirknnir  von  Familie  und  Kirche.  Nur  der  Staat  kann  den  nüthigeii 
Zwang  uiu  die  SchulpÜichtigen  ausübeu.  Die  Gemeinde  kuiia  .  wo  ee  nöUüg 
ist^  den  Staat  nntentfttaen,  die  Kirche  dagegen  nidit»  denn  sie  pflegt  lüelit  die 
nligiflee  Bildang  aa  aioh,  sendara  nor  eine  bestimmte  Form  deteelbea.  Beligka 
und  Confession  sind  aber  nicht  idcaitiedM»  Begriffe.  Alle  die  verschiedenen 
Confessionen  haben  die  Religion  y\\v  Grundlage.  Die  Heligion  aber  wurzelt 
im  (lemüthe.  die  v<>m  Verstände  geschaffenen  Glaubenssätze  dagegen  sind  Je 
nach  den  Bildungsstufen  veränderlich.  Sie  sind  nicht  der  Kern  der  Beligiuu. 
Anf  den  Willen,  alM»  anoh  auf  dia  SittlichlEeit,  kann  maa  nnr  vem  Qe&ttlis 
ans  einwirken,  Dan  raUfiasa  GefBhl  ninss  ent  gaweekt  werden.  Es  wird  aber 
nicht  durch  philosophische  Speculationen  reifer  ICänner,  durch  dogmatische 
Bekenntnisse  belebt,  sondern  durch  religiöse  Empfindungen,  welche  durch 
Natureindrücke.  Erzählungen  <>dor  Betrachtungen  veranlasst  worden  sind- 
Erst  auf  dieser  Grundlage  entwickelt  sich  das  religiöse  Vorstdlnngaleben  und 
wird  zn  aoaMonanflr  AasbUdnag  fthig.  Die  Qeatttlisbedllr&isBe  waren  n 
allen  Zeiten  im  weeenfliehen  diendkaa,  ab»  die  Glaahenssitia  and  Cnitns* 
formen  haben,  als  von  der  Jeweiligen  WeltaniduHUing  abhängig,  nur  zeitliche 
Geltung.  Dass  nie  sich  verändern  und  veralten,  lehrt  uns  die  christliche 
Kirchengesehichte.  Hieraus  ergibt  sich,  dass  es  bei  der  religiösen  Bilduug 
nicht  auf  dos  FUi'wahr halten  von  Glaubenssätzen,  sondern  auf  das  religiÖM 
GellUil  ankonunt  Baligion  flUut  nur  GoniBHiDn,  nidtt  amgekekit.  Wel  ist 


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—   661  — 


der  Eüifluss  der  Kirche  auf  das  Gemeiudelebeu  keiueswegü  zu  uiitei-ächätzeDf 
aber  ita  BfUnngsgeiMlBaQlnft  loHin  ito  den  Staat  im  Mbwr  EnWumgaaufgrabe 
■Iflfa»  vwtmoi.  F6r  die  aUganeltte  nUgfflie  BOte«  mam  dit  atentoelmte 
BOKgmf  Ohio  Auüt  die  Pflicht  zu  ftbemelnwii,       Kind  schon  zum  Mitgliede 

e!)i<^r  besonderen  Oliinhensgemeinschaft  ansznbilden.  Der  Kirche  kann  di»» 
Hchule  besonders  dann  nicht  überlassen  werden,  wenn  die  Staatsbürger  ver- 
schiedenen Religionsgemeinschaften  angehören.  Deun  sie  w  iurde  dann  die  Er- 
xi«hiiBg  naeb  einseitig  kircblieben  Oesichtspnnkten  trennen,  wie  es  die  Ge- 
«oklohto  das  Vw^mk^tKunmnB  gMdgt  hat.  Sdfllie  Tranmig  bedMtei  aber 
eine  Spaltung  der  Nation.  Diese  zu  verhttten  ist  Pflicht  det  Steatea.  £r  bat 
daher  auf  allen  Stufen  Angehörige  verschiedener  Lebenskreise  and  Glaobens- 
gern  ein  Bchaften  zn  vereinigen.  Die  deutsche  Nationalselmle  kann  also  nnr 
einen  simnltanen  Charakter  haben.  Der  Staat  hat  (  wie  die  jüngsten  Schn!- 
gesetzeutwürl'e  bewiesen)  über  seine  Aufgabe  alä  oberste  Biidongsgemeinschaft 
Boeb  kain»  TaQ»  KLaibait  criangt:  er  «beiilait  dar  JQiaba  Doab  haute  di* 
attüUeh-nUgitae  JafeadUldnig.  Zum  Yaratiiidnia  diaaar  Tbataaeba  «ad  aar 
Würdigung  des  Rechtes,  auf  weh^aa  rieh  die  Kirche  stützt,  ist  ein  Blieb  In 
die  Entwickelnng-  de.s  X'olksbildung^wesens  erforderlieli.  ^fit  dem  Christenthume 
Zftjr  die  Schule  als  eine  Anstalt  der  römisehen  Kirche  ein.  die  finrin  nur  für 
sicii  selbst  erzog.  Mit  ileni  Aufblühen  der  Stildte  erwachte  wi»l  das  Bedürf- 
nis einer  büxgerUcben  Bilduug,  aber  die  Stadtbchuleu  wurden  IruUdeui  keine 
natloaalea,  aosdeni  Beroibaehaien  and  aaletat  XirehaBaabakB.  Ent  toeb  die 
Tareisten  ElnwlrkaiigaB  das  HnManiainna,  dar  Bafonastfon  lad  dar  SehSpflu« 
der  neuhochdeutschen  Sprache  entstanden  die  Anfiln^e  der  nationalen  Schule. 
Allein  der  Staat  ilberließ  die  von  ilim  errichteten  Schulen  w  ieder  an  die  Kirche, 
die  eie  naturgemäß  confessioneli  gestaltete.  Aus  die^r  Thatsaehc  aber  ein 
Recht  auf  die  Schule  abzuleiten,  ist  falsch.  Erst  im  17.  und  18.  Jahrhundert 
wnrde  sich  der  Staat  seiner  Angabe  mehr  bewowt.  Er  gründete  Massenhaft 
Sehilan,  die  «r  aiadrttabUeh  ab  aelne  SInriebtaiigaa  beaaiabiiata.  Das  Aradiet 
Ifftr  die  Schöpfung  der  deutschen  Nationalschule.  Leider  wurde  in  FranEea 
zur  Zeit  der  Reaction  die  Confessionsschule  wieder  die  staatliche.  Erst  mit 
dem  Wiedererwachen  des  nationalen  Lebens  kam  die  Sünultiinpebiile  wieder 
in  die  Höhe.  Es  erhoben  sich  aber  schwere  Anschuldigungen  gegen  sie.  Sie 
sollte  dai»  religiöse  Leben  schwächen,  den  Glauben  im  Gemüthe  der  Kindel'  zer* 
Stilraa,  madanie  Heidaii  and  SoeialAamokrateii  aniebaa  and  den  eaoftaalendlen 
FHeden  stfliaiL  Abar  Bewelae  jMr  bat  nan  nie  arbraabt  Das  Balapiel  der 
Sudt  Worms,  wo  seit  1834  eine  Sisialtaasehule  besteht,  hat  die  Grim  H  ,  ii^. 
keit  dieser  Verdächtig'nng-en  dar^ethan.  Noch  nie  hat  in  Wnrms  tnn  Social- 
demokrat  eine  Stimme  bei  der  Reiclistagswahl  erhalten.  Gleiches  ist  vor  den 
Simultanschulen  Massaus  stu  berichten.  1840  petitiDuirte  der  ProvinzLaÜandtag 
der  Provüiz  Preußen  gegen  die  Aufhebung  der  Siuiulianschnlen  als  einen  der 
Previna  Tavierblicfaen  Bflebaebritt  Die  CoDlIaaaleMBabQle  dagegen  bat  die 
Soeialdemokratle  and  die  religiöse  Gleiehgflltigkeit  nieht  verhaten  kAnaen. 
Durch  sie  trat  in  Preußen  seit  1848  eine  Schärfnng  der  confeesioneUen  Gegen- 
sätze hervor.  Diese  h»t7teren  mildert  die  Simultanschule,  wenn  ^i^  au'h  nicht 
im  Stande  ist,  sie  zu  entfernen,  da  auch  sie  den  confessionelleu  Keiiginnsunter- 
richtr  hat.  Endlich  ist  nicht  m  nnter8chätr.en,  dass  eine  gegliederte  Simoituu- 
adlnle  sicher  mehr  leistet,  als  mehrere  ungegliederte  Confesf^onasdiQlaD. 


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—  6Ö2 


Noch  sind  zwei  Einwände  zu  beachten.  Es  heißt:  Der  EeligionBiuitemcht 
mU  dsa  OMMntntlmiBftyeh  ieln,  beMMiien  «mh  «toii  CMMtMmUntekt  to> 
alnthmaB»  der  llb«fliaii|ii  afeht  eoataiaaBlM  ss  «rtlMlleii  iei  Hi«  iii  wiete 

die  Verwecbslnng:  von  Religion  und  Oonfession.  Religiöser  Geirt  soll  den 
Unterricht  darchdringeo,  aber  nicht  der  coiifessiondle,  weil  die  Gegensätze 
niclit  Yprscliiirft  werden  sollen.  Das  wftre  gegen  die  Anfg-abe  der  Sclnile. 
Wer  glaubt,  daas  der  (ieschichtsunterricht  nicht  confessionslos  2tt  ertheilen  i&i, 
der  miiM  dann  Mch  zageben,  dass  er  anch  nicht  partaitoi  nd  UliiMal  ge- 
geben weite  ktaft.  Und  et  wtoe  dock  «boiio  n  wlmMBign,  mam  ü&m 
Fach  von  einem  Parteistaodpmikte  Mi  gen^eben  werden  sollte,  als  wenn  es 
einseitig  katholisch  oder  protestantisch  ertheilt  würde.  Hier  hat  das  Princip 
der  qnellenmStßig'en  Wahrheit  zn  herrschen.  Der  (TeeclnehtKnnn^rricht  soll 
nationale  Erziehung,  nicht  eonfessionellen  Hadei-  ptiepen.  Ebenso  verhält  es 
sich  bei  der  ?ateriaudii>chen  Literatur.  Der  schlinunste  Vorwarf  jedoch  iüi 
dflTi  da«  die  Slniiilt«iBckiile  religloadM  mL  Tkitnehe  «bar  lit,  das  in  fkt 
confeBsioneller  BeUgioBSonterriefat  unter  geistlich«  AvfUeht  «rtkeUt  witd. 
Die  Kirche  hat  also  keinen  Grund  znr  Unzufriedenheit,  sie  hat  noch  clnan 
sehr  großen  Einfluss.  ATicr  auch  manche  nnabhängl?*'  Pä(la«rogen  sind  Geafner 
der  Sininltanscliule  in  ihrer  heutigen  Ostalt.  Trotzall «^rlrni  iFt  sif  besser  als 
die  Coulessiousöchule.  Wenn  sieh  (iie  erstere  weiter  enr\uckelu  kann,  wird  sie 
volle  Wirkung  erzielen.  Es  iäi  daher  die  Aufgabe  des  Staates,  die  Simultan- 
eoknle,  wie  aie  Jetni  Boden  fewonaen  bat,  01  erkalten  nnd  nene  sn  Mhaibn. 
Beeieres  werden  vAr  im  19.  Jehriiiindeit  nidit  erreieben. 

Wenn  man  die  schlimmste  Krankheit  unserer  Zeit,  die  Sochüdemokntlei 
die  anch  ih-v  i^rüütc  Feind  des  liberalen  Lelirerstandc»  ist,  dnrch  Confessions- 
schulen  bekämpfen  will ,  so  verkennt  man  die  Ursache  dieses  Übels.  Dies  hat 
Panl  Göhre  in  seiner  bekannten  iSchrift  klaigelegt.  Er  sagt  etwa:  Durch 
den  dogmatiscken  Beligionsanterricht  erhftit  der  junge  Mann  eine  Welttn- 
sebaonng,  die  ▼oll  TonWidenprildben  ist  Dleee  werden  demScktksr  ao  lange 
niobt  bewuset.  soLmge  er  in  elterlieben  nnd  kirchlichen  Kreisen  bkAbt.  Tritt 
aber  der  Jttngling  in  eine  sociale  Gruppe,  z.  B.  eine  Fabrik,  so  snrsren 
Führer  der  {^ncialdemokratie  dafür,  seinen  gei'-'tio-'^n  Hmv^'  r  nfich  einer  festen 
Weltanschauung-  zu  ihrem  Vortheil  zn  bcTri*  di-t  n.  l>ie  oberlliiehliche,  aber 
volkBthüiuliclie  Literatur  der  Socialdeuiokraüe  wirft  die  dogmatische  W^elt» 
aowhannngr  ftber  den  Hänfen  und  bringt  die  aeheinbnr  widersprachakiae,  alae 
mehr  befriedigende,  atbeiatiaebe  an  deren  Stelle.  Daaa  darin  die  LebKn  der 
Wissenschaft  gefUlscbt  nnd  ftir  Part  ei/ wecke  prftparirt  afud,  kOnnen  die  jungen 
Arbeiter  nicht  beurtheilen.  Mit  dci-  alten  Weltanschannn??'  werfen  sie  aber 
auch  zu^'-lcich  die  ewif;;-en  sittlichen  und  religiösen  Wahl heiten  wep-.  und  davor 
schätzen  die  besten  Jün^rlin^'^svcieine  ni<  ht.  Da  dann  uothwendig  die  innere 
Ruhe  weicht,  werden  sie  unzufrieden  zugleich  mit  den  wirtschaftlichen  Ver* 
bUtnlMen,  mid  der  Sodaldenokrat  tat  fertig,  den  Binnednat  nnd  daaronbaii 
bebemebea. 

Daraus  erhellt,  dass  die  Confessionsschule  nicht  das  Ideal  der  Pädagogik 
f-(  in  kann,  da  sie  die  .socialdemokratischcn  Lehren  indirect  fordert.  Es  bedarf 
drr  Reliprionsunterricht  einer  pründlichen  Keform,  Eine  Bolche  haben  die  be- 
deutendsten Pädagogen  von  je  angestiebu  In  neuerer  Zeit  ist  der  Theologe 
Pfleiderer  in  Berlin  auf  dieaen  Gegenstand  eingegangen.  Er  fordert,  dass  dü 


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—   603  — 


:!)citule  sich  au!  deu  bibiiecUeu  (iebdiiclitBUuterricht  beechiäukeu  6oUe.  Kaum 
üfi  obeivte  SUafb  habe  Yearstibidnifl  für  die  Begiilb  dw  KateeUamu»  dar  noch 
dun  «ine  altartlilliBUeli«  S^adM  ndet  Den  Uaag«!  an  religlBiwm  Simia  im 
VolkA  lehiebt  er  auf  den  dognmatisireBden  Unterricht,  dw  die  Herzen  nicht 

erwärmen  kann.  Wolle  man  die  Eeli^on  erhalten,  dürfe  man  nnr  den  bibli» 
Frhr-n  rnteiTicht  beibehalten.  Eine  solche  Schule  aber  ist  danii  waüirhaft 
isimuituu.  In  ihr  könnten  dann  Kinder  aller  Uontessioneu  den  alten  gemein- 
B^en  Schatz  sittlich-religiöser  Überzeugung  empfangen.  Kirche  und  Schule 
kOanten»  der  ZwangrrerUndimg  ledig,  friedlich  xnaanmienwlrken  Ar  gemein« 
«ohaftliche  Zwecke,  iüinlieb  Infart  lieh  dw  Fftdagoge  DSrpfeld. 

Diesen  Erörterungen  entgegengesetzt,  wurde  bei  der  Debatte  ttber  den 
Zedlitz'schen  Schulgesetzentwnrf  von  den  Vertretern  dcHs^^lhen,  ♦^benso  grestem 
an  dieser  Stelle,  behauptet,  dass  es  keine  allgemein  nlt^I]^  lie  Moral  ohne 
BeligiuQ  im  Sinne  der  Coniession  gäbe.  Die  Wissenschaft  isi  nicht  im  Zweifel, 
daea  Eeligion  imd  SitUieUiAit  ihre  eelhetetändigen  WunelB  heibeiL  Deaiioeh 
besteht  swftMhen  beiden  Oebleteo  ein  inniger  Zoflammenhang.  Aach  in  der 
Schule  muss  die  Moral  dem  Kinde  in  religiösem  Gewände  en^pegeatreten. 
Zwieehen  Confession  und  Sittlichkeit  besteht  jedoch  ein  solcher  Zusammenhang 
nicht.  Ja,  bringet  man  die  f^ittlichkr-it  mit  den  dogmatischen  Sätzen  in  A'or- 
bindung,  so  würde  mit  dem  Schwanken  der  letzteren  auch  die  erstere  öUiik 
gefähi'det  sein.  Wir  suchen  den  Schwerpunkt  im  (iemüthe,  nicht  im  \er- 
Btaade.  Denn  die  nur  Sifttliehkeit  fülirende  Frömmigkeit  bedarf  kelnee  großen 
Apparates  von  GlaabenuAtaen,  am  wenigsten  solcher  religioBa-philoM>iäü8ehe& 
Charakters.  Wir  mHaiea  also  im  Interef^se  eioes  einheitliefaep  Unterrichtes 
eine  einheitliche  Oestaltun»-  des  Religionsunterrichtes,  der  nur  die  allgemein 
giltigen  religiösen  Grundans(  h;unuigen  des  Christenthnms  aufzunehmen  hat, 
fordern.  Alle  christlichen  Contt  Bsluucu  erblicken  in  Leben  und  Lehre  Jesu 
die  allgemeine  Grundlage  des  Eeligionsunterrichtes.  Aus  diesem  Stoffe  ist  das, 
was  religitMttUGh  wertToU  ist  nnd  ndt  der  gegenwftrtigen  WeltaDsebaaing 
niekt  in  Widerspruch  stdit,  aosznwfthlen.  An  diesen  Kern  schUeta  sich  dann« 
um  die  Entwiokelnng  einer  deutsch-christlichen  Weltanschauung  zu  fordern, 
die  Schätze  unserer  volksthümliclien  religiös-sittlichen  Nationalliteratur  an. 
Ein  linch,  dus  diese  beiden  Stoffe  vereinigt,  müsete  eine  Nationalbibel  füi* 
unser  Volk  werden.  Wer  in  den  herrlichen  Lehren  unserer  Geistesheroen 
keine  BeUgiositftt  xn  erkennen  yennag,  dem  ist  deatsch^natlenale  Bfldnng  and 
Denkweise  ttberbenpt  fremd. 

„Vorwärts  ist  das  Losungswort 

Das  uns  Gott  gegeben; 

Yorwftrts  tOnt's  im  Sphärenklang, 

Vorwärts  hier  im  Leben, 

Und  seilMt  aus  da  Sterne  Licht» 

Ans  der  &de  Tkifm 

Ist's,  al>  oh  im  Donuerton, 

G^'ister  Vorwärt«  rieten." 
Mit  diesen  Worten  schloss  der  Kedner.  Stürmischer  Beifall  folgte  liuieii. 
Was  Ihn  herrergeroien,  war  nicbt  sam  mindesten  der  Ton  elirlicber  Über- 
zeagnngstreaet  der  dnrda  den  ganaen  Vortrag  hindaniikleiig.  Man  wnsite, 
das  war  kein  rednerisches  Schaospiel,  das  war  das  Bekenntnis  eines  Mannes, 
den  sein  Gewissen  trieb,  und  der,  allen  Gegnern  soni  Trots,  das  furchtlos  aas- 
spradi,  was  er  als  Wahrheit  erkannt  liatte* 


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—   ÖÖ4  — 


Den  Yortn^ft  lUsl»  «Im  taifBdetato  Dlmwloii»  Framie  frto  GtofMr 
4«r  StealtioMlnae  trmtM  aal  BaM  die  letzteren  beidate«  QMek  gehabt 
hätten,  kann  nicht  behauptet  werden.  Einigen  von  ihnen  war  es  angenschein- 
lich  anch  nicht  dann»!  y.n  thnn.  Scherer  mit  Gründen  m  bekämpfen.  Sie  be- 
traten die  Tribüne  itdighcli  um.  wie  es  im  Jargon  der  Oonveiitikel  heißt. 
„ZeugniiEi  abzulegeu".  Was  dabei  iusbesoudeie  eiuer  diesei*  Redner  an  Coufoäiou 
MrtatOy  •bsnctef  alte  Bagiift.  Im  Übrigen  wtrOe  gegen  SdMnr  aag«likit, 
dan  leise  Behaaptnng,  die  eonlMoiialla  Sdinle  schädige  üb  nattoaale  BialMit, 
oi^t  zutreffe;  man  kOnne  vielmehr  ein  guter  Katholik  und  Prote.stant  und 
doch  <1:!>MM  fin  p;Titer  Deutscher  sein;  auch  hätten  die  Jahre  IBIH,  1848,  1870 
bewitbtu,  das8  trotz  der  CMiitVs.sionellen  J^hnle  die  Idee  der  deutschen  Einiieit 
nicht  erstuibeu  aei.  Feruei'  wuide  bemerkt,  dHä8  es  für  einen  Lehrer  uumo^« 
Udi  Mi,  der  i&  der  2.  Umm  Sehann  auBgeBpnnheM  YmeiMSImig  im  bla- 
hciigai  BeUsionraBtORtehta  zusoatiiiuBaii,  da  maa  dandt  «Idln,  hUbat 
StftBip€a^beit  verrichtet  zu  haben;  auch  der  confes.«donelle  Religionsunterricht 
werde  wenig-stens  In  evantrelis-hen  Schnlen  nrirli  i  'iilagKgischen  Grundsätzen 
ertlieilt.  Die  Simultanscluüf  einführen,  iiieije  s'»d<tiai,  namentlich  in  pr<>te- 
atan tischen  Qeg^den,  uicUu  anderes,  als  das  kirchliche  Gefühl  überhaupt  ab- 
aehwtebflB.  Ferner  koBum  daaKiiid  berdti  mit  «nIbmi—aMer  GtiDditiBUBia^ 
in  die  Schule,  denn  die  üim  dsieli  die  II  atter  ibennhteltMi  Bemente  reUgiSitr 
Bildung  trftgen  bereits  confessionellen  Ch^tikter  an  sich;  eine  katholische 
Mutter  b^'te  nnders  mit  ihrem  Kinrtp  nl?  »»inf  pr'>tpftantis5che,  Fiidlieh  irre 
Jacherer.  \%mn  er  das  Weseü  der  i  uniession  lediglich  als  eiüti  Suiiiiii-  von 
Dogmen  auffasse;  es  sei  vielmehr  eine  bestimmte  Art  der  Weitanschauuu^. 

FttrSdiever  apmehen  Heyd  (Dlll-WeiBenitein  in  Baden),  Bsner 
(Amgebnrg)  nnd  Specht  (Earlarnhe).  Alle  drei  wieaen  darmf  Idn,  nie 
in  den  Ländern  oder  Städten,  denen  sie  angeUht^,  die  SimuItanschsOe  sidi 
bewährt  habe  und  keine  df  ?•  Befürchtungen  eing-etroffen  sei,  die  man  aufh 
hier  wieder  ausspreche.  Sciiulrath  Bauer  schloss  seine  kurze,  ab<»r  äußerst 
wirkungsvolle  Rede  mit  der  Aufforderung  „Nicht  locker  lassen^,  bis  das  Ziel 
eneieht  aei  Koplbohfittete  erregte  Heinrieh  (Prag),  der  erkürte,  d«M  in 
ÖBtetreidi,  wo  die  SimnltiDachnle  aeit  20  Jahren  beatehe^  noeh  TÜeUiMh  Uia- 
Uarheit  darüber  bestehe,  wie  sie  einzurichten  sei;  er  wisse  nicht,  ob  er  äe 
empHehlen  k(5nne  oder  nicht.  Dennoch  stimmte  er  der  ersten  Tlie.se  Scherers  zu. 

Die  Tsnui  Theil  sehr  bewegte  Dehatte  schloss  Scherer  mit  einem  glänzen- 
den Schlusswort,  in  dem  er  in  äußerst  wirkungsvoller  Weise  seine  Gegner  ab* 
Ahrle.  Bd  der  aehiefiliehciiAhettniniinif  wurden  eelaeTbeeeninterjubdndflm 
BflUklle  der  Venammlnng  angenommen.  Dia  Sfttce  lauteten: 

1.  Die  einheitliche  und  gesunde  Entwidbllnng  der  deutschen  Nation 
verlangt  eine  einheitliche  und  nationale  Bildung,  welche  durcli  einp  nationale 
Schule  vermittelt  werden  nmss.  Diese  darf  keine  Trennung  nach  Gonfes- 
sioueu  keuneu,  sondern  muss  einen  simultanen  Charakter  tragen. 

2.  Wenn  «ich  im  BeUgionannteiricht  der  Stannltanadude  die  Kind« 
nedi  naeh  der  OonÜmeion  getrennt  nnteiriohtet  werden,  ae  mUeen  deeh 
AnawaUf  An<n  InTnig-  und  Bearbeitung  des  Lehrstoffs  nach  einheitlichen  und 
gleichen  plidajjfogischen  Grundsützen  stattfinden,  damit  der  einheitliche 
Charakter  dtT  Schule  gewahrt  bleibt.  An  die  Stelle  des  jetzigen  dograa- 
tisch-klrchlichen  KeligionsuuiciTichts,  der  im  dogmatisch-abstracten  Kate- 


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chiBmQs  giptelt,  iuusb  ein  päda^ugisclier  Religionsunterricht  treten,  der  die 
biblische  (ieschichte  and  die  volksthilmliche  religiüs-sittlidie  I^ationallitaratur 
BW  MBdttttMdwn  Qvnndlage  bat  lud  daiaos  die  religüli-iitlilidten  Lehren 
aUittet  Dieier  BellgloiinuiteRielit  wird  von  LelirBr  «rtheilt  oad  fteht  nur 
unter  Leitung  nnd  Anfsicht  des  SchnlverwaltangebeMDten.  Der  eonlMo- 
nelle  ünterriolit  ist  SmIm  der  Kirebe  und  steht  uiter  Urehlkher  Leitnogr 
und  Aufsicht.  — 

Am  dritten  Versuuimhuigslage  sprachen  der  Eeichs-  und  Landtagsabge- 
ordnete  Kickert,  Vomtsender  der  IreseHschati  iar  Vulksbilduug,  und  Lehrer 
TewB  (Berlin),  GeBflnlaettwttr  denclbeii,1lherdieFrege:  „Welche Stellung 
»oll  die  Lehreraehaft  sq  den  freiwilligen  Blldiiiffebeetrebiiiiffen 

«nd  -VeranstaltiiBir^n  einnehaen?''  Rickert  wies  hin  auf  das  Bildungs* 
streben  der  Yolksmassen.  Dieses  rnftsse  befriedigt  weyden.  Audi  das  allg-e- 
meine  Wahlrecht  lege  der  Gesaumjtheit  die  l'Hicht  auf,  die  Masse  in  den 
Stand  zu  setzen,  dieses  Recht  zum  Wole  der  Nation  auszuüben.  In  der  Volks- 
scbnle  werde  der  Grand  zar  i^emeinen  VulksbÜdong  gelegt.  Es  sei  noth- 
wendlg,  iam  in  ihr  dte  gnwnmare  Jugend  ebne  üntereohied  der  Stinds 
einigt  werde.  Aber  mit  dem  Yen  der  Schrie  BiTeichten  sei  dai  Ziel  noch  nieht 
erreicht.  Das  Bildangswerk  mfisse  nach  der  SehidJBett  fortsetzt  werden. 
An  diesem  Werke  mnssten  alle  Parteien  theilnehmen.  Mittelpunkt  dieser  Be- 
fetrebnniren  zu  werden,  habe  sich  die  „Gesellschaft  für  Verbreitung  von  Volks- 
bildung" zum  Ziel  gesetzt.  Dieselbe  umfasse  gegenwärtig  11  Verbände  mit 
etwa  000  Verehien.  Dnrob  Anasendung  von  Wanderlehrern,  Eiarioihtnnp  von  . 
Forfbildimgaehiilen,  Tdksbibliotheken,  Leeehalleo,  Volkannterhaltoogiabenden 
etc.  Sache  sie  ihre  Zweike  sa  erreicbes.  Hochwichtig  eel  es,  dass  aooh  die 
Lehrer  diese  Bestrebungen  unterstützten.  Sie  seien  am  besten  gcrljCfnot.  das 
Verbindungsglied  zwi^flien  d»'n  verschiedenen  Ständen  zu  bilden.  ..Nehmen 
Sie  sich,  das  isi  meine  iierziiche  Bitte  namentlich  an  die  Herren  auf  dem 
Laude,  dieser  Sache,  die  eine  Sache  de«  Vaterlandes  ist,  augelegeutlichst  an. 

£a  iet  ein  0|jfer,  dee  reiche  FHtakte  tncen  wird.  Denn  Sie  werden  nlcJit 
hk»  febeoy  eondon  euch  eapftuigta  in  dna  Verkehr  mit  aUea  BevVlkenmgs* 

ediichten.  Sie  können  dae  Volk  überzeugen,  dass  es  sich  selbst  eine  Wolthat 
erzeigt,  wenn  die  Fordernng-en  der  Lehrerschaft  bald  erfüllt  werden.  Nehmen 
Sie  unsere  Hand,  die  wir  Ihnen  bieten,  au,  um  dem  Volke  die  Bildung:  zu  ver- 
mitteln, die  es  betHhigt,  das  allgemeine  Wahlreoht  «un  Segen  des  Vaterlandes 
aoszaöben." 

Der  sweite  Bedatr,  Tews  (Berlin),  wiee  n.  a.  daraaf  bis,  da»  die  Be- 
deatong  der  gekennaeiolHntQn  Beetrebangen  anob  darin  bestehe,  dau  durch 
sie  der  Blldongserfolg  der  VoUttSOhile  erhfiht  werde.  Nor  da  könne  die  Bil- 
dung:, welche  die  Volksschule  gewahre,  von  Erfolg  sein,  wo  diese  hinein^ebant 
werde  in  eine  allgemeine  Volkscultur.  Was  wörde  z.  B.  dem  russischen  Keiche 
zur  Zeit  das  allerbeste  Schulgesetz  nützen?  In  seinen  weiteren  Aosfährongen 
richtete  der  Redner  einen  wannen  Appell  an  die  Lehrenehait,  thflflnDehmea 
an  den  VolhtbUdanfBbestrebnBgen.  Aach  die  Lehrerverefaie  eoUten  nach  dieeer 
BichtBBg  hin  ihre  Ziele  erweitem.  Jeder  eiuzebie  Lehrer,  aameatlich  jeder 
Landschullehrer  mtisste  sich  der  Bildongssache  als  \  olksredner  znr  Verfiij^nrnR- 
stellen.  Er  würde  dadnreh  indireet  anch  der  VolkMchoIe  und  seinem  Stande 
ntttficea. 


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Nach  einer  anbedeutenden  DiscusBioQ  gelangten  die  beidea  Theten  der 
Redaer  m  Annahme.  Sie  lanteten: 

1.  VolInliildiDif  imd  Vdkigettttiiiff  klHUMii  dnreh  die  Ju$gmiimUbiuig 
und  den  Jogendanterricht  (einseUIeSlich  der  FortbUdiingHefaala)  allefa  niobt 

dw<'m(l  siphercrest(»llt  wt^fli^i 

2.  Die  Fortsptziui?  <ler  (.nlturarb(>it  im  reiferen  Alter  miies  gröftteu- 
theils  der  freiwilligen  Thätigkeit  überlaeeen  bleiben  and  erfordert  ent- 
•predieade  Etariditiiiigen.  Ali  Mldw  ilid  ni  boMldiiieB:  BüdimgsTereine, 
VoIkibibliotlielEeD,  VolkmrleiDBteii,  (MBuitUdie  Vortrlge  betolirenden  ÜBhalto, 
ünterricfatBcarse  für  Erwachsene,  VolksanterhaltsiignlMiMlA  ato. 

3.  Die  XXX.  Allirf^meine  denteche  Lelircrversammlnng  empfiehlt  der 
dentschen  L(*hn'rschait.  insbesondf re  auch  den  Lehrervereinen,  die  that- 
krSitige  Uuterstät^utiR  der  freiwilligen  Hildongsb^trebongen  und  Verau- 
ttaltnngen,  sowie  dei-jeuigen  Vierel&iguugen,  wddie  die  Hebung  «ad  Ver- 
Ußtaag  der  VolkabUdnng  nun  ZIde  haben.  — 

Neben  den  Hauptvereaaunlnngen  wnrden  noch  eine  schier  flbergruße  Zahl 
von  Nebensitsiingen  abgehalten,  die  aber  gleieh£aUs  £ut  aammtUoh  gut  be- 
sacht waren. 

Wir  enden  unsern  Bericht  mit  den  Hchlussworten  des  VorsitKenden: 
„Wenn  wir  nnn  wieder  sseanunenkommeii,  dann  sind  einig  Lefarerrereanunlnag 
nnd  Lehrertag.  Stimmen  Sie  daher  mit  mir  ein  in  ein  ftwdigee  Hodi  anf 
diese  Vereinigung !" 

MOge  der  Erlbig  das  gnte  Weik  krteea!  — b. 

Von  der  30.  Allgemein.  Dentschen  Lehrerversammlnng.  (Von 
einem  andena  CorrespondenteiL)  Znr  30.  AUgem.  Deateehen  Lehrerveraamm- 
lang  waren  aofier  den  im  Afirilhelte  d.  J.  (S.  472)  geoanaten  5  Themea  Ar 
die  HanptTenammtimgen  noch  17  Torträge  für  Neben versammloagea  an- 

gremnlflet.  damntrr  rlie  Vorführung'  von  ö  Rechenmaschinen  und  einer  Lese- 
maschioe.  Da  in  t  u  i  inf^  Nobenversammlnng  angemeldffpr  Vortra^r  über 
^die  freiwiliigen  Üilduu^sbestrebangen  und  -Vereinigungen  und  die  Steilung 
der  Letirerschaft  zn  denselben**  in  die  3.  Haapt versammlang  verlegt  warde, 
80  verblieben  (abgesehen  von  der  VorfUiniag  aener  Lehnnittel)  10  Betonte 
für  die  Sectionssitznngen.  Es  WQlde  gesprochen:  „über  den  Handfertig- 
keitsnnterricht "  (Rector  I!  i^^niann-Herlin  nnd  Director  des  Handfertig:- 
keirsscniinais  Dr.  \V.  G^i^tr.c-l.ciyzig),  „über  das  bewnsste  »Sehen,  ein  noch 
tuigehubene»  Vermächtnis  Pestalozzis''  (Zeicheninspector  Flinzer-Leipzigj, 
„über  die  wirtschaftliche  Selbsthilfe  der  Lehrer",  über  das  Spiel  and 
seine  Bedentnng,  Aber  den  Unterrieht  Schwaeh sinniger  (Vorllhmng  der 
Leipz.  Schwai  hsirinigenschnle  dardi  Dir.  Karl  KichterK  sowie  ttber  dea 
heimatkundlichen  und  den  Gesan^unterrielit.  Ein  9.  Referat  pab  Herr 
Seh'ilr!»>li  Fr.  Polack- Worbis  nluv  das  l'lienia;  Was  hemmt  die  ilnßere 
und  innere  Entwicklung  der  Fortbildungsschulen?"  Der  Redner  ist 
der  deutschen  Lehrerschaft  wolbekannt  als  pädagogischer  Schriftsteller,  am 
bekanntesten  and  sngleieh  beliebt  dnreh  seine  „Brosamen.  Erinneningen  aas 
dem  Leben  ehies  Sehahnannes" ;  er  wtregewisBVon  allen  gern  gehftrtwecien. 
T>a  Kt'in  Vortrag  Rnßerst  bedeutungsvoll  war  (und  recht  wol,  znsammen- 
geaommen  mit  dem  angemeldeten  Referate  des  vortheilhaft  bekannten  IHr. 


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—  e67  — 

Paclje.  da«  Thema  für  eine  Haujit versuiuiulung  hätte  bilden  k*'tinieii),  so 
geben  wir  deu  Hauptinhalt  dieses  Vortf-ages  iiach  der  „Fest^ituug"  kui-z  hier 

Baferant  ▼eiMtete  dch  snnllAliBe  über  den  Zweek  d«r  ForfUUUiiig»- 
Mdmle,  den  er  ym*  allem  in  der  AasfüUang  der  „verhängnisvollen  Lücke  in 

der  Erziehuiiffskottc  zwisclien  Volksschule  und  Het  rosdienst"  erblickte,  wozu 
die  Fort>iilduiigS}^flnrn  iseVirn  andfn-ei!  Wolfahrtaeinrichtungen  des  Staritfs  und 
dei"  üemeiudeu  am  lueialeu  beitragen  kann.  Um  die  anliere  Kiitwickluag  der 
Fortbildungsschule  diesem  Ziele  entsprechend  zu  röidcrn,  inuss  diet>e  überall 
eingeführt,  neeh  denTenNUedenartifenBedMitoMn  gegliedert  nnd  UurBenick 
Tom  14  Ui  enm  18.  Jnhre  flli'  die  mUnnlfohe  Jugend  nUgemein  vetUndlidi 
gemaebt  werden.  Soll  die  innere  Entwicklung  der  Fortbildungsschule  in 
gedeihlicher  Weise  stattfinden,  so  mnss  in  ihr  s;ichg-emäß  nnd  zweckbewnsst 
darauf  hiug:earlK  itet  werden,  dass  die  Jnsrend  i^eistig  und  sittlich  gehalten  und 
gehoben  und  dadurch  ein  bestimmeoder  EinÜuss  auf  Bildung  und  Wol£abrt 
dee  Volkes  gewonnen  wird. 

Welche  Hemmnisse  stehen  nnn  einer  gedeihlielien  Entwioklnng  der 
Fortbildungsschule  entgegen?  In  manchen  deutschen  Ländern  ist  der  Besneh 
der  Fortbildungsfichnlen  leider  noch  dem  freien  Willen  der  Schüler  überlassen. 
Nur  im  KöniprrMche  Sachsen,  .^üwic  in  den  GroBherzotrthiiniem  Weimar,  Baden 
und  Hessen  ist  die  Fortbildunirsscliiüe  obligatorisch  eingeführt. 

Oft  sind  es  iimng:elhafte  Kiurichtnn^en,  unzulängliche  Mittel  oder 
unzureichende  Lehrkräfte,  die  den  Erfolg  der  Arbeit  des  Lehrers  in  der 
Forlhlldnngsschiile  aehi'  in  Fkige  itellen.  Kidit  selten  vobb  noch  der  Wider- 
stand vUier  Eltern,  Heistar  nnd  Arbeitgeber  ttberwimden  werden.  Anek  die 
SeMUer  geben  noch  oft  genug  ihre  Unlust  nnd  Abneigung  irnuenüber  deui 
T^nterrichte  in  der  Fortbildungsschule  /u  eikennen.  Mat^  auch  daran  oft  die 
nnef  f  i^'-n»»te  rnterrichtszeit  die  Schuld  trap:en,  da  der  Unterricht  fast  tiberall 
zu  tiner  'I'a^'szeit  ertheilt  wird,  in  der  die  Rchfiler  bereits  abgespannt  und 
ermüdet  sind,  au  int  doch  jedeufallb  an  maacheu  Ort^^n  neben  der  Ärnilichkeit 
der  Lebnaittel  aoeb  eine  reUese  UnterriehtS"  und  BndelningBweise  dafür  tw- 
aatwerilich  an  maeben.  Daan  kommt,  dass  die  FertkUdongssehnle  meistens 
den  Sehfllem  keinen  Ersats  sa  bieten  vermag  Ar  die  eingesdirinkte  Freikeit 
nnd  vermehrte  Arbeit 

Durch  weicht'  Heilmittel  kann  den  erwähnten  Miini?-eln  abfi^eholfen 
werden?  Eine  umfassende  und  einheitliche  I'r-i::*  Inni^  und  Eino:liederuug'  des 
Fortbildungsächulweseus  mus^  durch  die  Presse,  sowie  durch  Vereine  und 
sachgemäße  Vorstellungen  an  maßgebender  Stelle  erstrebt  werden. 

Folgende  gesetzliche  Bestimmuugeu  wäieu  zu  tretieu: 

a)  Alle  Jünglinge  sind  vom  14.  bis  18.  Leben^ahre  zum  Besiehe  der  Fort- 
bildmgssckole  Terpfliehtet.  Für  die  U &dchen  sind  freiwillige  Sonntags- 
nnd  Wirtsehaflascbnien  etniorickteD. 

b)  IMe  Schulen  gliedern  sich  nach  den  örtlidn  i  TicdürfoisHen  in  Iftudliehey 
gewerbliche  und  kaufmännische  Fortbildungsschulen. 

c)  Die  wöchentliche  Unterrichtszeit  hetriigft  3 — 6  Stunden.  Besonderes  Ge- 
wicht  niuss  auf  dofi  Unterricht  iu  der  Weltkunde  gelej^t  werden,  dt-r 
durchaus  den  Charakter  des  Gesi noungwinterrichts  zu  tragen  bat.  £s 


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^  668 


sind  hier  vor  allem  Helden  den  GedaukeDB,  der  Arbeil,  der  Liebe  und 
dar  Knrt  tli  lanohtflode  VoiWlder  dm  SeMOfln  ymmMum, 
a)  Der  Uitmiclit  mii»  In  der  Bcgd  in  die  AfMnett  der  SchUer,  afait 

aber  in  ihre  Freizeit  verlegt  werden. 

c)  Es  i'^t  eine  tArlmiünnisclie  LfM'tnng:  und  Beanfsiclitie'iinjr  fin?'nricbtf'n 
f)  I>ie  Schulverwaitung  mass  ausreichend  mitZuohLiiaLtelii  aii'-br«  stail^iL  j^eiii, 
um  eineu  geordneten  Schall^Qch  udthigrat'allg  zu  erzwin^eu,  Stöfuogeu 
de»  UitanidiU  m  veriiftten  ud  den  Lehier  geg«  IMeft  nad  BeeMl 

f )  Bei  der  AosbildaDg  der  Lehrer  ist  anf  die  AnsrttBtiing  f&r  den  Uatanleht 
Tirul  die  Erziehung  in  der  Fortbildmii^Rschnle  Räckaiekt  m  nAnen. 

h)  Die  Grandzöge  eines  Lehrplanes  sind  zn  peben. 

i)  ZweckmAflige  Lehr>  und  Lernmittel,  die  in  Beruf  und  Leben  eijiluhreu, 
dnd  -vonmahreibeiL 

k)  Die  rtaatlichen  ZnehAMe  niMeii  Meatend  eriiakt,  die  KoileimllMae 

der  Gemeinden  g^enaa  festgestellt  werden. 

Der  Widerstand  von  Eltern,  Meistern  nnd  Arbeitgebern  mnss  durcli 
peßet/.liche  Maßregrein,  die  Presse,  Vereinsvorträge,  frenndliche  Verständigrun^ 
nud  ai^^enfäUige  Leistungen  der  Schule  besiegt  werden.  Die  Unlust  und  Ab- 
neigung der  Scbiler  iit  m  bekimpftn  dandi  die  Verleguug  dee  ÜBteRiekti  in 
Ilm  Arbeltenit,  dnreh  wtedigeBehendlonp»  dmeh  aoiielMBdeii  tnd  praktieoiMn 
UnteRiofat,  dnrch  fe^lnde  Lehrmittel,  doreh  merkbare  Fortschritte  und  aller- 
lei frenndliche  Ersatzmittel  für  die  entzogene  Frt^üieit  nnd  r?ip  vf^rraeUrte 
Arbeit.  Solche  Ersatzmittel  können  z.  B.  Mg^ndi-.  sein:  a)  «  nu  <rur<  \  olk5*- 
bäcberei,  b)  Zeitschrifteu  für  FurtbilduugsschUler,  c)  Tuinen.  luiulahrteu, 
Tte-  nnd  Volk^plele,  d)  Beenok  von  geweiUiohen  Anlagen  und  demL, 
e)  Lehrlingalieinie  alt  nnloelriinder  Auaattnng,  f)  üntarhahmcMlwidw, 
g)  PreisvertlieilliBgen,  h)  Veranstaltung  znr  reUgiSeen  Weiterbildang  dnrch 
die  Geistlichen.  —  Jm  Scliliigsworte  seines  Vortra^fs  nviVs  fler  Herr  Referent 
auf  die  betrübende  Erscheinung  hin,  diiss  in  Preußen  gegenwärtig  10**^,,  d<>r 
^AaÜichen  Zuschüsse  iiir  die  FortbilduugäscholeB  den  Giämeinden  entzogen 
werden  eind.  CHeidhwol  wnmt  er  rtae  Itittlorigkeit  md  iprldit  die  Heffinuf 
aof  den  endlidien  Sieir  der  cnten  ftwhe  ans.   rStünniBcihcr  BelUl*) 

Dir.  Pache* Leipzig  ertheilte  für  die  Debatte  znnftekitBiBEni  Wiesener, 
Lehrer  an  eiüt  r  preußischen  Strafanstalt,  das  Wort.  Dieser  machte  die  noch 
vielfach  stattnndende  YeniacijUissigung-  der  Erziehung  und  Bildung"  der  aus 
der  Schule  entlassenen  Jugend  vor  allem  für  die  Füllung  dei  ÖtrafaustAlteu 
Terantwortlieb,  hob  dieNothwendlgkeltetawrSeiilllerUbltotiMII^ 
achnlen  hervor  nnd  wiee  anf  die  fiut  nnglanUiclie  Unwlaseoheit  der  Strlflinge 
in  der  Eeligionskenntnis  hin.  Er  befOrwortet  eine  von  Zeit  zn  Zeit  statt- 
findende Unterweisung  der  Fortbildnngsschöler  in  der  Religion,  wobei  besonders 
die  Bergpredigt  und  Gleichnisse  Jesu  zu  berückßiclitigen  seien. 

Dir.  Dr.  Ötorl-Leipzig  bekundet  sein  Einverständnis  mit  den  Aus- 
flUimngen  dee  Beferenten  nnd  ladet  au  Beeiehtiguug  der  Leipziger  Ferf> 
bUdangaeehnlen  ein. 

Ott-Earlendie  skizzirt  die  din-tigen  sehr  gfinstigen  Verhältnisse  des  Fort- 
bildnng^«;chnhvesen8  nnd  hebt  vor  allem  hervor,  dait  dort  eeit  12  JaionD  der 
Unterricht  in  den  Tagesstimdeo  stattfindet. 


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—  660 


i7leickzeitig  mit  dem  Vvruage  Polacks  wurde  ein  10.  VoiUa^  über 
»Diesterweg  and  Frohschammer''  gehalten,  zu  weldiMm  die  Anregung 
jedniiUlt  Tooi  „Ftodaffogtam'*  amgegingen  itt  D!€wr  Vortng  giplblte  In 

folgenden  LeitiÜzen: 

1.  Es  erscheint  geboten  in  unserer  Zeit,  dass  möglichst  oft  auf  das  pld»- 
gogisch-refVinnii^^orisrln*  f^ohaffp?)  Diesterwegs  hingewiesen  werde. 

Dasselbe  tiudet  ein  Correlat  in  dem  Wirken  des  zeitgenikssischea  PhUo< 
üopheu  Frohschammer. 

2.  Dl€iterw«g  imd  Fmhsdiaanner  leigai  eine  große  Überciiiftiiiiaiiiiif 

a)  in  itna  pbUMOphiidirpMngQcbaliMi  Onmdanieluuiiuifea 

b)  in  der  Erstretay  praktisehfif  Zfole  flr  Sduile  nnd  Leben; 

c)  in  ihren  Lebensschicksjilen. 

3.  Frohschammer  pr?rhf>int  daher  ganz  be?^onders  als  der  Pliilosop}»  im  Sinne 
und  Geiste Dieslerwegb.  —  Es  ist  wini^i  lu  iis\m  ii,  d.iäö  »ich  m  Anlehnung 
an  die  AUgem.  Deutsche  Lehrerv  uibaiiiiiiUiiig;  ^ais  ständige  Nebenversamm- 
long!)  ein  freie  Vereinigung  bUde,  welche  dw  WJiken  Dieiterwegs, 
Frohaehjumne»  and  Ihnen  gclitemrwandler  lÜLnner  mdur  und  mehr  zu 
verfolgen  und  filr  die  Gegenwart  ftnditbringend  zu  machen  sucht. 
Diese  Leitsatze  fanden  Annahme,  nnd  damit  bildete  sich  als  ständige 

Nebenversammlung  der  Allgem.  Deutsehen  LehrerverBammliuig  e'mf  z^^'anglose 
Vereinigrnng,  welche  den  Namen:  „Freie  Vereinigung  für  philobuphische 
P&dagugik"  fuhren  will.  Der  Name  ist  zwar  der  Suche  nicht  ganz  adäquat* 
aaoh  die  Velkeeelinlp&dagogik*)  eoU  berttekaichtigt  weitel  Doch  die 
Saeba  seltat  wird,  naeh  der  d.Theae  beortheUt,  ohne  Zweifel  Bflllgangtoden. 
Als  geistiger  Mittelpunkt  sollen  der  „freien  Vereinigung  für  philoi» 
Pädagogik"  z.  Z.  4  Zeitschriften  dienen,  welche  zn  den  trefflichsten  ge- 
hören, schon  bisher  der  l'ädafi-* «irik  und  Pliilosophie  zugleicli  ihre  Aatnierksam- 
keit  zugewendet  (und  sowie  über  i)i<  »terweg  aach  über  Frohschammer  bereits 
mehrfach  geschrieben)  haboi:  die  „Allgem.  Deutsche  Lehrerzeitung'*, 
die  »PflBdagoginm",  die  ^heini«cben  BlKtter**  (Frankftart  a.  If.)  and 
die  sich  neuerdings  gut  einfahrenden  „Nenen  Bahnen'*  (Gotha).  Diese 
n freie  Vereinigung  f.  ph.  F.",  welche  keineswegs  exdusiv  sein  will  (These  3!), 
rählt  ztt  ihren  Mitgliedern  bis  jetzt  folgende  hervorragende  Personen :  a)  Pastor 
B.  Ii  a  ehr  in  g- Minfeld  L  d.  Pfalz,  welci;er  den  Pfälzer  Lehrern  vortheilhaft 
bekannt  ist,  auch  der  deutschen  Lehrerschaii  lu  guter  Erinnerung  steht  durch 
aetea  SchiifteD  nnd  VorMge  (Dieaterwega  Wegweiser,  6.  AxA,  IL  Bd.,  &  49 
n.  60;  nAllgeai.  BeatMbe  Lebreraeitong'*  1887,  Nr.  19  n.  27;  1889,  Nr.  37 
u.  38;  1891,  Nr.  19;  „Psedafogimn«,  Jan.  1888  n.  Marz  1803,  Rundschau); 
^b)  Dr.  Franz  Kießling- Leipzig,  den  Lesern  d.  Z.  durch  seine  ThUtigkeit  auf 
dem  Qebiete  dei-  Methodik  des  naturgeschichtlichen  Unterrichts  empfohlen; 
c)  Prof.  Dr.  Rud.  Hochegger-Ozemowitz.  welcher  sich  in  neuester  Zeit  einen 
geachteten  Nameu  in  pädagogischeu  Kreisen  erworben  hat  durch  uiehr&che 
PiUicatknan.  („Nene  Bahnen'*  1893,  1^,  6—71)  Diefler  iatatera  Herr 
gadenkt  mit  Bttebrioiit  asf  die  „freie  Verelnigong  f.  pbfioi»  PÜ"  von  Zeit  aa 

^  VergL  Dr.  Hummel:  „über  du  Verhältnis  zwischen  philimphisoher  und 

Volk?s?chul-P;idagogik".  „Ptcdagogiuni"  X,  Tieft  3  fPec  1887),  Rundschau!  „Allgem. 
Dentgclie  Lehrcraeitung''  1887,  S.  4(M— 4Ü&.   „ÜSßha.  2:kJiulzeitttng'*  Jahrg.  1887. 

VtodtLgvgium.  15.  Jfthrs.  Heft  X.  -^5 


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—   670  — 


Ml  in  ta  4  gtoBaalbUk  SetlidiriAMi,  «nd  swtr  nOgfiditt  glflkMtft,  «inea 
BBsay  Aber  die  jewdlen  OMUcMiie  pftdftf  oyUeh-philoaopliiiehe  IjU«- 
ratiir  n  vertitaUielMii. 


Ans  Wettf«l«ft.  (XVU.  wtllUMlMr  Pn>?iiiiial-LahTCrtei;.)  Die 
FÜQgsttage  fUirtCB  die  westiäUaduii  Ldirer  dieses  Mal  im  änfienten  Osten 
der  Provinz  zusammen.  In  dem  am  "Weserstrande  schön  gelegenen  Minden 
hinten  ^v^  ihre  17.  Proviüssialvei'saminlnng  ab.  Erschien  es  aach  anfängflieh 
als  ein  gewagter  Veroucli,  den  Lebrertag  su  weit  eatfemt  von  dem  eigeutlicb^ 
Gentnmi  w«ftlUii6heii  LahrartretiiiwaMM,  dat  bawodaw  in  d«  Mark,  in 
Wettall  WeilAtei,  In  bete  BUIte  ataht,  abbaltan  nn  wottoi,  —  nnA  Xindeii 
zu  gehen,  obwel  dl»  lÜBdai-EftTesiberf'nheB  Lande  in  dem  nicht  nnverdienten 
Rufe  orthodox-congerN'ativ'er  Parteianschaonng  stehen,  nnd  ohwol  den  Lehrer- 
vereinen dort  in  weiten  Kreisen.  nan>«»ntHch  soweit  sie  unter  dem  Eiuttusse  der 
Geistlichen  leben,  nicht  nur  keine  Sympathie,  sondern  oftene  Faiadflcbaft  ent- 
gegengebnebt  wird;  —  heute,  ubA  im  mMm  Tagen  vaa  Minden  kann  man 
nit  GenngtliaBnir  ns^i:  Alle  BeArdttangen  mtfen  ebne  Gnnid;  dia  weii- 
fUlischa  Librerschaft.  die  sich  seit  nunmelir  20  Jahren  immer  fester  nnd  ein- 
iTTÜtisrer  nm  die  Fahne  des  Provinzialvereins  schart.  Ii  t  i'irer  Geschichte,  aufs 
ticuoste  unteretötzt  \  on  der  t'reidenkenden  Bürgerscliart  der  allen  festen  Stadt 
Minden,  ein  neues  ehrenvolles  Blatt  hinzugefügt.  Ungefähr  600  Lehrer  be- 
telUgten  M  an  dem  17.  weetfUinhen  Lehrextage,  and  teln  Veriaaf  war  so, 
dan  dia  Fiaonda  nit  Oenagthaang  aaf  Ihn  larikskblieken  Idtonan;  aiBgen  sieh 
die  Feinde  mit  ihm  abdaden,  so  gut  sie  es  kOnnen  —  das  ist  ihre  Sache. 

Am  2.  Pfingsttage,  nachmittags  4  Uhr,  eifsffiiPte  der  langjährisr  Vor- 
sitzende und  Mitbegrüoder  des  westfäli.schen  I'rovmzial Vereins,  Eectcr  Kulilo- 
Bielefeld,  die  Belegirten Versammlung,  zu  der  47  Vereine  98  Vertreter 
entsandt  batten,  mit  einem  kurzen  RickbUdli  aof  daa  abgelaufene  Jahr.  Er 
wies  daraof  hin,  dait  das  letata  Jahr  im  Veif  kleb  aa  dam  "mhorgaheBdea  hi 
t:  ;lie  verlaufen  sei.  Lotetoteo  lel  dinh  die  ZedUta'sche  Schulgesetzvorlage  in 
eijie  beispiello.se  Erregnng  reraetzt  worden.  Rinn  erfreuliche  Erscheinung  da- 
bei sei  die  Einmütigkeit  gewesen,  mit  der  das  deutsche  freie  Bürgerthnrn  Hand 
in  Hand  mit  den  Lehrern  auf  dem  Plaue  gestanden  und  den  Sieg  erningen 
habe.  Die  Verhandlungen  des  preufiiscben  Landtages  in  den  letzten  Wochen 
hatten  ^MledaniD  dai  laten—e  der  Lehrar  in  hoham  Made  heaaepraeht.  M 
deaaelben  sei  allerdings  leoht  waaig  berausgekommen.  Das  Gute  aber  bättea 
sie  gehabt,  dass  wir  Tinsero  »STiten  Frennde'^  einmal  wieder  in  ihrer  wahren» 
(iestÄll  kennen  gelernt  hätten.  Wer  sie  jetzt  noch  immer  nicht  kenne,  der 
wolle  sie  nicht  kennen  lernen.  —  Nun,  die  im  Herbste  dieses  Jahres  fälligen 
Landtagsw^en  werden  den  preußischen  Lehrern  Gelegenheit  geben,  mit  ihren 
„guten  Fraanden*  abeandmaa.  Werdea  rfe  ca  thnn?  —  Man  geha  aleh  ia 
dieser  Hinsicht  doch  keiner  Täuschung  hin.  Bei  vielen  Lehrern  ist  hefah> 
lassender,  freundlicher  Blick  des  Landraths,  ein  gnädiger  Händedruck  des  Pfarrers 
der  Tod  der  Selbstachtnnqr.  "W'lre  es  ftnders,  —  mancher  der  frJinlf^n^Ht^tlm» 
Heiflsporae  würde  bei  den  Wahlen  ulti  ili»^  Klinge  s];ringen. 

Zur  Vereiuseutwickeluug  theüle  dei'  Vorsitzende  mit,  dass  dei  deutsdie 


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—   671  — 


Lekrerverein  53023  Mitglieder  zähle,  also  um  8887  gewachsen  sei ;  der  preußische 
Lehrerverein  habe  405Ü8  Mitglieder,  1098  mehr  als  im.  Vorjahre,  und  der 
ip«8tA]liolw  FroTiMiallehrerTgreto  Mi  dtrch  ZswBfliw  Ton  86  iMm  IDtglie- 
dem  auf  1689  gtlmdit  TSm»  AnMUtee  stohm  bevor.  Dtote  etfimUcho 
Erstarknng  des  Vereiosweseii«  haben  wir  in  erster  Linie  unsem  Feinden  tt 
verdanken;  wi^  di«  Kräfte  des  Einzelnen  im  Kampfe  nms  Dasein  gestählt  wer- 
den, m  püegeu  auch  die  Vereinis^aogeii  am  besten  zu  gedeihen,  lolaage  sie 
der  Verfolgang  ausgesetzt  sind. 

Von  den  Anträgen,  die  d&e  BensUusfiaasnng  unterbreitet  wurden,  sei  der 
Tm  dem  Vereine  Altenbeken-Paderbora  gestellte  erwähnt;  derselbe  h»MellMg8s>* 
d«n  WortlaiK: 

„Die  Provinzial-Lehrerversammlangen  finden  nur  alle  zwei  Jahre 
statt.  —  Motive:  Rntlai^ttins'  dps  \'orstande8;  geriagere  Beltstang  der  Pro- 
Tinzialcasse  nnd  dn-  i'iri/.einen  MiLi^iii^der." 

Von  der  Nuiiiweadi^ikeit,  bezw.  Zweckmäßigkeit  dieser  Maüregel,  die  be- 
kuntlidi  aofik  vmi  den  VonitMiidaA  deeDevliidiea  Lehrenrereiiu  belBrwortet 
wird,  konaton  liob  die  Yertretor  der  BionlTflvaiM  nicht  Übawogen.  Naehdeil 
4er  Vonitaende  des  ProvinzfalvereiBs  sich  Im  Namen  des  Vorstandes  gegen- 
den  Antrag  crklJlrt  hatte,  wnrde  er  mit  überwältigender  Mehrheit  abgelehnt; 
^twa  8  Mitglieder  stimmten  dafür.  —  Wir  persönlich  stehen  ganz  auf  dem 
lioden  dieses  Beschlusses.  Ob  dt^r  Voi-stand  des  westfjilischen  Prövinzialvereins 
mit  Arbeiten  üUerlagtet  ist,  kami  luglicli  uuerürtert  bleiben,  solange  er  sich 
niciit  ealbet  lllwr  dUeee  Frage  laBert  Was  die  geringen  Bekstnng  der  Fro- 
TiasialeiaM  anbelangt,  eo  wMe  die  dnreh  die  empfbUene  Mafregel  bewirkte^ 
repartirt  aaf  die  1800  Mitglieder,  denn  doch  eine  gaas  minimale  sein.  Ctagea* 
über  der  Fordernng  aber,  di^^  einzelnen  Mitglieder  zn  entlasten,  kann  man  mit 
Recht  das  Bedürfnis  hierfdr  so  lange  verneinen,  als  die  T/ehnTtage  einen  sidchen 
starken  Besach  aufzuweisen  haben,  wie  iu  den  letzten  Jahren;  waren  doch  vor 
2  Jahren  in  Bochum  ca.  1000  nnd  im  vorigen  Jiüire  in  Dortmund  weit  Uber 
1000  Lehrer  aon  Lefarertage  endiieaen.  Ei  UeBe  ia  der  That  die  Zeichen 
der  Zeh  Khleeht  verrtehen,  wana  ma  trets  elaea  solehea  Berachei  nnd  den 
dadurch  bekundeten  Interesses  fdr  diese  Veraaaimlangen  eine  Verminderung  der- 
selben durchführen  wollte.  Wenn  aber  sogar  gesagt  worden  ist,  der  Nutzen 
solcher  Lehrerversammlun^Hn  stehe  in  keinem  Verhältnisse  zw  den  durch  sie 
Terorsachten  Kosten,  so  duritcn  die  Lehrer  alle  Veraulassaug  haben,  gegen  ein 
denrtigea  Urtheil  aaehdrtteUiei»t  Verwahmng  einzulegen.  Das  ist  eine  zwei- 
aehneUige  WaÄfe,  nnbewnaat  entlehnt  an  de»  Areenale  nnserer  sehUmmeten 
Feinde.  Es  ist  jedenfalls  eine  eigene  Sache,  den  Segen  der  Lehrer  Versamm- 
lungen in  Mark  und  Pfennigen  auszudrücken.  Ihr  Wert  ist  ohne  Frage  ein 
großer:  würden  sie  sonst  von  unseren  Gegnern  mit  sa  beispielloser  Erbitterung, 
mit  allen  WafTor  »b-r  Verleumdung  und  Niedertracht  bekämpft  werden?  Die 
(iauversammluugeu ,  die  man  au  die  Stelle  der  alle  zwei  Jahre  auäfalleadeu 
PreyinaialveHiamnilnngen  aetnen  will,  haben  nieht  die  werbende,  agitatoriBohe 
Kraft  and  naehhaltige  Wirinug;  dleee  Erftthmag  dürfte  aas  jeder,  der  ndtten 
im  Venindeben  unsers  Westens  steht,  beetttigen  müssen.  Bei  der  Beurthd* 
Inng  der  Lehrertage  und  ihres  Segens  kommen  so  viele  Imponderabilien  in  Be- 
tracht, dass  f  s  zTTin  mindesten  geratheu  erscheint,  an  dem  historisch  Gewordenen 
und  alt  Bewahrten  nicht  ohne  zwingende  Nolh  zn  rühren  „zu  einer  Zeit,  da 

45* 


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-    672  — 


Vdiie  riMgttm  (rtehai,  «ad  VM  »liiiigi  AattrenguDgeii  nackl,  umh» 
BdlMB  ra  iptfBfMi."  (GbwBitMr.) 

Knrzerband  abgetbu  Wirte  Mdi  db  AagSt       ^  lucht  suMknäßig 

sei.  anch  für  die  westlich<»n  Provinzen  ein  ^L€hrerhpin!-  zu  gründen.  Die 
Versaramlnnp  war  der  M(im^llt,^  das«  man  vordfsrhaod  die  Beiträge  nach 
Schreiberkaa  ieudeu  solle,  bis  das  dcolage  «Lelirerlieim''  gesichert  tei,  in 
•Mfn  mOge  naa  lieh  m  AtaeUaM  glaifeigar  VcfMce  aft  Coz^  ud 
Büdflgewlbidiiiftaii  benUi«.  Die  ttWgcn  BodOlM  dtf  VartMtamtim- 
tangoi  UnoMi  hkr,  te  de  dait  mitcffehiiiiMi  latarant  eaUMlivni» 
gaag«n  werden. 

Nach  der  Delegirtenverbauiinlung  tand  eine  ältsong  der  „>Vilhe!!>i- 
Augti8ta>Stiftiing*^  statL  Die  (Jasae  hatte  im  letzten  Jahre  eine  iumiabmc 
von  1291  Haik  uA  cte»  Auffabe  m  939  MmA.  Du  CtemmUaBgea 
MÜBTt  tiflh  Mif  29416  Maik.  UatenMUt  woita  26  WHmmk  ud  Walan 
Mit  930  Mark,  und  iwar  15  mit  Je  40  Marie  aad  11  ait  je  30  Mark. 

Die  Arbeit  des  zweiten  Tages,  des  Dienstag,  begann  mit  den  im  vorigen 
Jahre  neueingefülirten  AbteiluDgsverj^nmmlnn^pn,  die  einen  gutpn  Het»uch 
erzielten,  trotzdem  sie  mit  Rückaicitt  aut  die  nachtolgende  Hanptver&amnilang 
auf  mKurgena  8  Uhr  angesetat  iraren.  Waasermaan-Mindea  sprach  ftber  «Die 
naderae  OtgA*,  Bilow>Boeham  ttbir  «Beoliaaiiatin  dea  aataEfeabklelitliokaB 
üaterrichta*  «ad  Scihapp>Beriin  Uber  die  .Nothwendigkeit  der  allgemeinen 
Valks-ünd  obligatorischen  Fortbildüngsschule  mit  Rücksicht  auf  die  sociale  Frage. 

Um  10' Uhr  eröftnete  Kuhlo-Bielefeld  die  Haupt vt  rsanMnlnng.  Im 
Namen  der  Üegieniug  begrüßte  Oberregienmgsrath  von  Lüpice  dieselbe.  Er 
erblkkt  die  Bedentimg  aoldier  Versammlongen  in  der  nahen  persdnUcheo  Be- 
itehaagi  fai  wekiie  die  Tlwihtaliiner  aa  elaaadcr  liateBt  ia  der  gegeaieMgea 
Anregaag  durch  den  Anstaasch  der  Erfahrungen,  die  ale  in  der  Praxis  und  im 
Leben  gemacht  liabeti  und  wünscht,  da  alles  Arbeiten  nichts  hilft  ohne  die 
Kraft  de£  iTPi^fpc  (Rottes,  daes  dio  \'.?rsaTnmlnng  getragen  sein  möge  v  ni  ilem 
Geiste  der  ersten  Ftingsten.  eniger  angenehm  als  der  erste  Gruß  wirkte  die 
BegrüBnng  des  Kreisschnlinspectors  Eindermann- Minden,  eines  Geistlichea 
■aMiUflk.  OflSnlwr  aalor  dem  Bfaflaaee  eiaea  danh  aidhla  gweehlftfUgtea 
VcvartheOs,  wie  da^elbe  von  gewisser  Seite  geflissentlioli  goallirtwifd,  winschte 
er.  anknüpfend  m  die  Worte  des  Vorredners,  die  Versammlung  möge  dtirch- 
vphT  sein  von  dem  Pfingstgeiste,  damit  die  Reden,  di*'  hior  e-eführt",  die 
Beschlüsse,  die  gefasst  würden,  von  dem  Ireiötu  der  .Uäiiigung  getragen 
seien.  Nur  was  maßToll  sei,  verdiene  Beachtung;  was  das  Maß  überschreiCe, 
aei  wirimagskw,  aei  tehldlkh.  Daram  hoBd  er,  da»  die  Lehter  maftTolI 
wünschen,  maßvoll  denkea,  mal^oll  reden,  malToU  beeohließen  mSohten. 
Die  Versammlung  besaB  den  rechten  Takt  and  ging  mit  Schweigen  Aber  diese 
Maßlosigkeit  zur  Tagesordnung  über.  Die  Grüße  des  Landeslehrew^rf^ins  über- 
brachte Strelitj-ilagdebnrg.  Den  ersten  Vortrag  hielt  Merten-Dortmund  über 
„Die  Pflege  des  idealen  Sinnes  durch  die  Schule Geistreich  in  seineu 
AnafUmagen,  voUeadel  in  der  Fem  aad  in  Mar  Bede  gilialtea,  ma^te 
dieser  Vortrag  eiaea  sichtUohea  ländraok  auf  die  Hünr.  Aaegeheod  voa  der 
allgemein  anerkannte  Wahriieit,  dass  zwischen  den  BedttrÜBincm  des  Gem&ths 
und  den  Ergebnissen  menschlicher  Wissenschaft  ein  alter,  »li*»  gosohlicht<'ter 
2wi£t  besteht,  zeigte  der  Vortrageade  aaaftohst,  dass  auch  in  der  Geschichte 


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—  673  — 


der  Pädagogik  sich  beide  Richtungen  immer  g^pltf  ik!  ir»'ma''lit  liabeu:  Ver-^tand 
und  Gemüth,  Utilität  und  Idealität  sind  die  iieieise  der  erzieherisehpn  CuUur- 
ent wickelang  bis  zum  beutigen  Tage.  Die  so  ausschliefiUche  Betouuag  des 
«inttn  oder  udfiKii  Wogei  liewiilct«  Im!  d«r  takenden  Mitwdt  mteerkmn« 
Ftfiftiiig  der  «z  eatMnt  ▼ongetrageneii  Lehrai,  imd  das  Ergeitaii  dar  rat- 
urtheilsfreien  Untersncbung  war:  Wahrheit  und  Dichtung  reichen  sich  aach 
hier  brüderlich  die  Hnnd  Die  nnansbleibliche  Klärung:  der  Ansichten  hatte 
fole-endp  Parteigruppirungen  im  Gefolge:  Harmonische  Entwicklung  der  ge- 
sammteu  Kräfte  und  Anlagen  unter  Berttcksichti^unjj  der  Individualität  und 
^Nationalität  —  Vorbereitung  für  das  praktische  Leben  im  engsten  Rahmen, 
also  gettolitiijaBUige  Amlgmuiff  der  aoUiwwdigen  QlsalNBtlehreii  und  Dmair 
mamiAUer  FertigkelleiL  Dte  pSda^ogiieh«  Fnne  blU  etaA  enutUche  Bd* 
kimpflmg  letztgenannter  mittelalteriieher  Ansichten  für  nutzlos,  weil  Päda< 
gegen,  wie  MiHtÄrwochen>»latt  nn<\  Jesuitenpater  in  Maria-Laach,  mrht  Be-, 
sondern  Verachtung  verdienen.  Bedenklicher  siud  gewisse  Strömuiig^en  im 
Kreise  zeitgenössischer  Pädagogen,  nämlich  das  Bestreben,  an  die  Stelle  allge- 
meiner BUdong  gewissermaBen  Fachbildaog  treten  zu  lassen:  Handarbeit, 
HaadfiBrtIgieeitr  Oarten*  vnd  ObetüMmkande^  Btenen-  nnd  Seideoiaapensnelitt 
Qeeetaeakiinde  etc.  Aufgabe  der  Schule  ist  aber  nieht  Beraftfertreter,  sondern 
Menschen  auszubilden.  Die  allen  Deutschen  gemeinsame  Geistesbildung,  daa 
flt^nientare  Wissen  und  Können  sind  Gegenstand  des  TTuterrichtsbetriebes  in 
dem  Umfange,  dass  auch  mitteimilßig  beaulagte  Schuler  eine  relativ  abge- 
schlossene Bildung  mit  ius  Leben  nehmen.  Nicht  der  Stoff  au  sich,  sondern 
die  mit  demielben  «arbeitete  Gdstesbüdang  sind  PrSminen  der  Bearthettung. 
Die  OeringflIgiglEeit  des  Brreiehten  tallgUek  dea  poeftiven  Steffel  ist  per  ae 
ein  Vaagel,  der  aber  gemildert  wird,  falls  wenige  Samenkömlein  gepflanzt, 
bezw.  zur  Entwicklung  g-cbracht  sind,  durch  die  Hervorrnfung  des  idealen 
Strebens,  jenes  thatkrftftigen  Verlaagens  in  uns,  nach  einem  Zostaade  der  Voll* 
kommenheit. 

Nachdem  der  Vortragende  die  verschiedenen  Auffassungen  des  Begrifb 
«ideal**  Iran  reeomirt  hat,  keount  er  an  derDeAaition:  »Ideal  iat  daa  der  Idee 
fintepreohende;  Ideale  ilnd  die  indiTidseiQen  Geataltiuigea  denelben;  Idealitil 

lat  die  Liebe  zur  Welt  der  Ideen  oder  das  Vermögen  des  Idealen  überhaopt; 
die  Idee  ist  die  bleibende,  gemeinf?ame  Vorstellung  des  schlechthin  Vollkom- 
menen oder  die  Kichtung  unsers  Geistes  auf  die  Urbilder  des  Wahren,  Guten 
und  Schönen."  Gegensätze  sind:  1.  Die  Richtung  auf  das  Hässliche,  die  Lttge, 
das  Böse,  2.  die  sogenannten  persönlichen  Ideale  (Ehre,  Sorglosigkeit  etc.), 
3.  daa  HaterieUe^  sobald  ea  nicht  all  das  Wlrkliehe,  Gegebene,  als  Mittel  asf- 
gefasst  wird,  an  dem  die  Idee  in  Erscheinung  tritt.  Weil  zur  VerkörperaniT 
des  Idealen  praktische  Fähigkeit  und  Geschicklichkeit  gehört  (die  Kttnste),  kann 
das  Praktische  uns  unter  rtn-t'lndea  Gegensat/  d^^s  Idealen  sein,  Traumhafte 
Vorstellungen,  die  auf  der  Linie  einer  von  der  Sittlichkeit  losgeJij.sf'^n  ange- 
nehmen Zukunft  liegen,  wie  manche  soüialistisGhe  Schwärmereien,  siud  krank- 
hafte Überreiaangen;  die  Sehole  darf  der  Jagend  nnr  die  Tirtoeliea  Ideale, 
welehe  die  treibende  Kraft  büden,  nnd  den  emporstrebenden  Oelat  aar  Aoa- 
rfctong  fiirs  Leben  mitgeben. 

Der  Keim  für  Idealitnt  lie^t  im  Kinde,  zur  naturgemäßen  Entwicklung 
ist  die  Beife  des  Denkens  und  Empfiadeas,  der  inneren  Aoffassong  and  An- 


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«igniiV  nodiweiidig,  ebcmo  efae  gewtaM  gdbiiiHiiil^ett  des  DwkeM  ni 
SniiBdiiii.  WflDB  aieh  dai  Kind  noboi  Ootes  Bltoe  iMit»  Pendn- 
ifflMt^^ft^  in  Heils-  und  WeltgeMfakbte  ete.  keoMB  lernt,  die  keineswegs  ideale 
Kaster  sind,  so  lernt  ^Wh  «1!*^  schlimmen  M?l<^lifp  no**h  nicht  in  der  Wirk- 
lichkeit keßueo  and  hält  sicli  mit  Vorliebe  an  tiiejeiiiKtu  geschichtlichen  Ge- 
tt*Ueo,  die  sich  ihm  als  Vertreter  des  Guten  dai^teilao.  —  Der  Cultus  der 
I'mmMiift  erUliC  tidi  ans  ta  Mmü  mteh  dnem  toi  mt  lioeligcMihltitflB 
Yorkade.  DarBlarirte  laAt  ib»  toUikb  idada  SahwteMWfaii,  wett  Iba  jeder 
Siini  für  das  Höhere,  die  Begeisteralf,  die  yornrtheilsfreie  AnfTaasnng,  abhanden 
gekommen  ij't.  Ebensowenig:  ist  er  im  Stande,  das  Oroße  nnd  SehRne  riebt i? 
anfznfttfseu.  Mit  einem  bewundernswerten  Seliarfsinn  leq-t  sich  der  Blasirse 
auf  die  Entdici^uug  Ideiner  Schwächen;  empfängliche  Auliiabme  des  Total- 
«toifnto  lit  ikn  umSgiieb.  OMoh  d»  Diohtar  mvm  aber  aadi  UMHcr 
Jagend  die  niiUidie  Grille  nr  IdealgeitalC  werden,  wie  angekdiit  die  ge- 
admÜMMli  Personen  unserer  Dichter  ihr  als  wirkliche  Wesen  erscheinen.  Die 
persönliche  Erhebung  zu  den  den  Schüler  interessirenilpn  Gestalten  in  Greschichte 
und  Dichtung  etc.  hat  hohen  Wert  für  die  sittliche  Lebensführunigr.  trügt  iiin 
hinweg  tibtrr  Niedrigkeit  und  Gemeinheit  des  Lebens  und  lehrt  ihn,  alles  Ua- 
skoraliscbe  ▼eraehten  and  baaMB.  Die  ilttlidi  MUendeWirkaBf  Ten  Dkblaaf 
nd  Kamt  Ikgi  darin,  daae  beide  ins  TeiUrpcrle  Ideen  dee  Schgnw  vnd 
Anten  vor  Augen  führen.  Darum  muss  man  aadi  dem  guten  Leaebaobe  den 
ersten  Platz  als  Schulbuch  zuerkennen.  Der  jrtf  aramtp  Inhalt  mnas  Zeugnis 
ablegen  vom  Ringen  nach  Klarheit  nnd  Wahrheit  und  den  Geist  aus  der  ge- 
meinen Wirklichkeit  in  die  Region  des  idealen  erheben.  Zeit  dazu  findet  auch 
der  fleißigste  Arbeiter  in  jedeai  B«rafe,  wcna  der  eaHeWUle  nnr  nieht  ftUt^ 
mekBeb,  wem  die  Ideale  Aaffbaning  Welt  «nd  Henaehea  BedlrCaie  iafc; 
er  wird  den  aDea  snetzenden  'Vnikangen  des  Egoismns  und  Materialismus 
nicht  erliegren.  sondern  ein  Hüter  nnserer  sittlichen,  nationalen  und  wirtschaft- 
lichen Güter,  ein  Ehrer  und  Mehrer  jeder  menschlichen  Tagend  and  deatedMn 
Tbatkraft  sein. 

Den  zweiten  Vortrag  hi^t  W.  GrftTfr^Haaua  über  daa  Tbeaa:  »Unsere 
Seit  and  die  gewerbliebe  Jagend."  Wegen  BaannaBgcla  miaaen  wir  aaf  einen 

eingehenden  Bericht  über  diesen  Gegenstand  verziebtcaif  weiaen  aber  dartaf 
hin,  dass  der  Vortrag  abgedruckt  ist  in  Kr.  3  der  „Conferenzblätter"  von 
Schreck,  Menileb  und  Lehrmann.  Nach  einer  lebhaften  Debatte  atinunte  die 
Versammlung  den  Thesen  des  Referenten  im  allgemeinen  zu. 

Den  Schlnss  des  Lehrertages  bildeten  ein  Festesaea,  ein  Conoert  and  eine 
DampMUirt  naeb  der  Weeersebarte  (poita  westpbaUea). 


C.  Westprenßen.  Die  XI.  Westpreußiprho  Provinzial-Lehrer- 
versammlung  fand  in  den  Tagen  vom  22.-24  Mai  in  Klbing  statt.  Schon 
einige  Male  hatte  Klbing  die  Ehre,  diese  Versammlung  aufnehmen  zu  künnen 
nnd  zwar  zum  letzten  Male  im  Jahre  188H.  Im  Laafe  dieser  aehn  Jkbre  bat 
daa  freie  LebrerreieinsweBen  ciDen  nageabnten  AnMwang  geaemmen,  den 
dem  Provinzial-LebrerveKln,  welcber  im  Jahre  1883  in  16  ZweifvaniBMi 
392  Mitglieder  umfasste,  geboren  gegenwärtig  in  102  Zweigvereinen  rund 
19(X)  Mit^lif'dcr  an.  —  Tn  der  Versammlung,  welche  durch  Hauptlehrer 
Florian-ElbjDg  eröffiuet  wurde,  begrüßte  der  Senior  der  westpreuÄiscben  Lehrer- 


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—  676  — 


scliaft,  der  durch  sein  maaoliaftefi  Kmtreten  fttr  die  Staiid«8iiiier6i»6üu  der 
gamai  iptnBlMhm  Lelirenelitfl  bekaiuite  »Vater  Ddtier*  dJe  OSit«.  Der 
SOjttxige  GMi  fordo-te  in  begeittertor  Aupraobe  die  Lelner  aif»  die  Ideale 

hochzuhalten,  nnd  schloss  mit  den  Worten:  „Lehrer  lind  wir,  Brüder, 
Lehrf^r'"  In  den  Vorstand  fiir  Hi*-  IlauptversaramlüTiis:  wurden  provisorisch 
g-ewiüilt  die  Herren  Hauptlphrer  J:  ioriau-Elbiug  {1.  Vorsitsseuder j,  Hauptlehrer 
Kaudukki-Briesen  (2.  Vurbitzender),  Lehrer  Adler-Nenfabrwasser  {'i.  Vor- 
■ÜMDder),  SemiBarlehrer  WiU>MarieBhiurg  (1.  Sehriftllihrer)  und  Mittelschnl- 
letnt  Xrtlhii-OiMdeBB  (2.  SehriflfUra).  Vater  Deltcer  irarde  eiaetinunig 
wmm  EhNBTenitieBden  ernannt  Auf  die  TageHvdnnog  des  Hanptvenama- 
Inngstages  worden  folgende  zwei  Vorträge  gesetzt:  „Inwiefern  und  inwieweit 
feird  flie  ^:<»<'ialpoliti8chen  Ge*«»^!/^'  in  der  Vnlk««<)inlp  -/n  l^erücksichti^en ?" 
(Keierent  Adler-Neufahrwaj:serJ  und  „Die  Beiiandiuiig  der  verwahrlosten  nnd 
aittUch  gefährdeten  Jugend^  (Befereut  Dreist,  Director  der  Zwangserziehuu^- 
•artalt  CouadibanBer,  und  CttiwfcfeBt  Hiiiptlehrer  Floiiaa-ElbiQg). 

Iii  der  HaaptTeraammUng  (23.  Mai)  begrüflCe  annietet  Herr  Ober- 
bÜrgennelMer  Elditt  die  TbeOnehnier  880  an  der  Zahl  —  naBeni  der 
Stadt.  Badner  wies  darauf  hin,  dass  den  Lehrern  das  größte  Gnt  dea  deutschen 

Volkes  anrertrant  sei  und  dass  sich  die  Wolfahrt  des  Volkes  nur  gründen 
kdnne  mif  eine  gute  Volkserziehung:  und  Bchließt  mit  dem  Wunsche,  die 
Verhaüdiung'en  im  Geiste  eines  Conienius  und  PestalosEzi  geführt  werden  and 
zum  Segen  der  Schule  gereichen  mögen.  Herr  Bector  Lacks-Magdeburg  be- 
gfllila  die  Yenaminliinir  namcBt  dea  AnMchnieee  dea  pfenftteeben  Laadea- 
Leboramninar  nnd  erUirt  sieb  daianf  die  Venanunlnag  nft  der  Wahl  des 
VoiafeMides  nnd  der  Vortrüge  tinTerstanden.  Daiauf  hielt  Hr.  Adler-Neufahr- 
wasRcr  seinen  Vnrtra»"  Aber  (laÄ  Thema:  Inwiefern  nnd  inwieweit  sind  die 
socialpolitisch en  (Tesptze  in  der  Volksschule  zu  berücksichtigen? 
Den  interessanten  Austührungen,  durch  welche  namentlich  die  sociale  und 
natjonale  Bedeutung  mehrerer  zum  Wole  der  arbeitenden  Bevölkerung  er- 
laaaenen  Oesetae  betont  wnrde,  lagen  folgende  Leltsttne  mgnnde^  welebe  naeh 
labhafter  Debatte  aadi  angenemniett  irnrden: 

1.  IMe  VoHnsebnle  bat  die  Pflleht,  die  soeialpoHtisehen  Qesetse 
(Kranken-,  ünftU',  Invaliditftts-  und  Altersversieberung)  zu  herücksiditlgeni 
nnd  zwar  ans  praktischen,  ethischen  nnd  nationalen  Gründen. 

2.  Bei  der  Auswahl  des  Stoffes  ist  Rücksicht  zu  nehmen  nidit  nnr  auf 
die  Art  der  Schule,  sondern  aucli  auf  die  (»rtlichen  VcrhiUtnisse. 

3.  Man  ^iehe  in  den  In  rrirli  der  N'olksschule  nur  dasjenige,  was  bei 
der  Durchfülü Uii^  der  Vtr.sici»eiung  Arbeiter  und  Arbeitsgeber  unmittelbar 
berührt,  bescluäuke  sich  aku  auf  den  Gegenstand  uud  den  Umfang  der 
Veiaieherqng,  sebUeda  dagegen  aas  dte  Stiafbeatiininnngea,  die  Beatim- 
nmncen  Ober  die  BUdnng  von  Venlebemngsanstaltea,  Bemftgenossensehalten, 
Schiedsgerichte. 

4.  Weil  der  Lehrplao  der  Volksschule  keinen  besonderen  Platz  der 

Gesetzeskunde  anweist,  darum  BchlieÜen  sich  die  Belehrungen  Uber  jene 
<T»'«i  tze  an  hierzu  geeignete  üuterrichtiJgegenstUnde  an.  Dieser  Anschluss 
Wird  am  erfülgreicbsten  geschehen  beim  Rechen-  und  Geschichtsunter- 
richt; aber  aodi  der  Unterricht  iiu  Deutschen  bietet  Gelegenheit  zur 


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—  676  — 


huMglbt 

5.  Die  eigentliche  Behandlang  des  aasgewählten  Stoffes  bleibt  der 
Oberstufe  der  Volksschule  vorbehalten;  aber  auch  schon  auf  der  Mittel- 
stnfe  kann  das  Veratändnis  iiir  denselben  angebahnt  werden. 

Herr  Oberlehrer  Eat«ch,  der  Vonitzende  des  neuen  westpreußiachen 
PetUloiti-  (Beehtt-)  Vereint,  muht  aMum  Aber  den  Staad  dietee  V«r- 
eins  einige  Ißttliejlnnffen,  weidien  wir  entaebn«,  dav  daa  Statat  jetat  enOkih 
die  behördliche  Genehmigung  erhalten  hat.  Dem  Vereine,  welcher  am  1.  Oc- 
toher  18*.K)  auf  (riund  der  Vereinig'nng  der  beiden  nlten  Pestalozzivereine 
unserer  Provinz  in  das  Leben  gerufen  wurde,  gehören  zur  Zeit  in  77  zirk»  ri 
bereits  8Ö0  Mitglieder  an.  In  den  ersten  2^/,  Jahren  des  Bestehens  wurdeu 
nrainnahaDt  an  Kitgliederbeitrftgen  13  019  M.  und  an  Nachzahlungen  1806  M. 
0aB  GeaaantvMrmQgen,  einaoMeBUeh  dea  Beaervelbnda,  betritt  benifea 
48966  Mark.  —  Alsdann  hielt  Herr  Dreist,  Dircctor  der  Zwangserziebnng»- 
anstalt  zu  Crmradsharamer.  seinen  Vortrag  über  die  Beiiandlnng  der  Ter- 
wahrlosten  und  sittlich  gefährdeten  Jugend. 

Folgende  dem  Vortrage  xagruade  gelegte  Tkeaen  gelaugten  zur  An- 
nabne: 

1.  Die  Grenie  der  StraMndigkalt  lit  aof  daa  TeDendele  14.  JAktm- 

jnkr  hinaufzurücken. 

2.  Bei  Kindern,  welolie  das  14.  Leben^ahr  noch  nicht  vollendet  haben 
niid  in  der  Erziehun?  sn  sehr  vernachlässigt  sind,  dass  sittliche  Verwahr- 
h«uiig  eingetreten  oder  zu  befürchten  iät,  hat  staatlich  überwachte  £Ir- 
Ziehung  auch  ohne  das  Vorliegen  einer  strafbaren  Handlung  einzutreten. 

3.  Gegen  Persenen,  wekhe  bei  Begehang  einer  straf  baren  Hmdiing 
daa  14.,  aber  nicht  daa  18.  Leben^hr  voUendel  haben,  kann  anf  atantlloh 
fiberwachte  Erziehung  oder  auf  Strafe  erkannt  werden. 

4  Die  staatlicli  überwachte  £niehang  ist  in  der  Begel  in  beaendersa 
Anstalttii  wahrzunehmen. 

Herr  Uauptlehrer  Floriau-Elhing  (Correfereut)  vertrat  folgende  Thesen: 

1.  Die  in  emehredMndent  Made  nnehmende  Varwnhrtoanng  der  Jagend 
hat  ihren  Gmnd  in  unseren  wirtachaftlichen  nnd  geaeUaehalÜIahen  Yctiilll- 
niaaen  sowie  in  der  Gesetzgebung. 

2.  Alle  bis  Jetzt  getroffenen  Veranstaltangen  aar  Bekftmpftang  der  Ver- 
wahrlosung unserer  .lugend  sind  unzureichend. 

3.  Wüiischeuhwert  wäre  eü,  wenn  der  Beginn  des  stiafmuudigeu  Alters 
auf  die  VeDendong  dea  14.  Lebenqfahrea  feetgeaetat  würde. 

4.  Es  ist  vor  allem  Soige  zu  tragen,  daae  di^enigen  Kinder,  wdche 
auf  dem  Wege  der  sittlichen  Verwahrlosung  sich  befinden,  durch  besonderen 
Besclilnss  von  ErziehnngsJlmteni  in  staatliche  Zwangserziehung  s-egeben 
werden,  auch  wenn  sie  keine  strafbare  Handlung  im  Sinne  des  üesetze.s  be- 
gangen haben,  sofern  Eltein,  Pileger  u.  s.  w.  ihrer  Pflicht  nicht  nach> 
kommen. 

5.  Die  Brdehnngaftmter  aetna  aieh  naaninwa  noa  Lehrem,  BMitsn 

nnd  Verwaltungsbeamten. 

6.  Bei  der  Erziehung  verwahrloster  Kinder  ist  Anstaltserriebfing  di*» 
K^^,  da  die  Familienerziebong  schwerer  zu  überwachen  ist,  weniger  Oe- 


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—   677  — 


währ  für  die  Heranbildung  eines  sittlich  featen  Ciiarakters  bietet,  ja  wol 
gar  eiue  Gefahr  für  noch  unverdorbene  Kinder  in  Schule  und  H&m  ist. 

7.  Auh  fILr  jagendUohYtmmfariwto  mikikm  14  «ad  18  Jalireii  ivtra 
in  enter  Lfaiie  auf  SwaiigvetildiiDig  ab  «ntes  Mittel  sor  Brnmag  sn  er^ 

kennen.  Wird  aoBerdem  noch  als  Verschftrfang:  der  Strafe  auf  Gefängnis- 
strafe erkannt,  so  kann  der  Vollzn^  d**r  ]ct7t*^ren  bei  Wolverlialten  in  der 
Zwangserziehottgsaogtalt  ans  erziehliclien  Grimden  ganz  oder  theilweise  er- 
lassen werden. 

8.  In  den  Gefängnissen  ist  dafür  Sorge  zn  tragen,  dass  die  jugeud- 
liehen  Gefimgieiiea  vor  llbebi  ElnlliMii  mQglielist  bewahrt  blefbeD. 

9.  Die  BSniflhwig  der  sittiUteh  gefUirdeten  oder  schoB  yerwahrleetan 

Jogend  mnss  doreh  ein  Reichsgesetz  geregelt  werden. 

Am  dritten  Versamralung-stage  fand  zunächst  die  Delej»-irtenver8amm- 
lun^  des  I^rovinzia  1- Lehrervereins  Statt,  zu  welcher  58  Vereine  der 
Provinü  110  Vertreter  geschickt  hatten.  Der  1.  Vorsiuende  des  Provinzial- 
Lehrervereins  constatirte,  daes  alle  Zweigvereine  eine  recht  r«ge  Thfttigkeit 
entftJtet  haben,  da  suaauaca  über  500  Yoiirtge  und  60  Lectionen  gehalten 
worden  sind.  Die  Bestrebnngen»  die  Lelirerschaft  in  zwei  confessionelle 
Lager  zu  spalten,  haben  in  unserer  Provinz  wol  einigen  Erfolg  gehabt  (dem 
katholischen  Provinzialvpr>>:in<]e  gehören  zur  Zeit  etwa  70<)  Mitglieder  an), 
auf  die  Mit|?licderzahl  de.s  iVeien  Provin^ial-Lehrerverein«  ist  hierdurch  jedoch 
ein  nennenswerter  EinÜuss  nicht  ausgeübt  worden,  welcher  Umstand  wol  auf 
die  ThatMMhe  snritaiksnfttiren  iit^  daas  den  dvndi  die  k^th^fliw^  Geistlichkeit 
und  das  Oentnun  groigesof  enen  katholitehen  Lehiervereinen  ISut  atuBchUeBUch 
solche  katholische  Lehrer  beigetreten  sind,  welche  dem  Lehrervereinswesen  bla 
daliin  fem  gestanden  haben.  Im  Anschlnss  an  eine  Mittheilung  über  die  dem 
Oberpräsidenten  Gossler  (frülierem  prenßischeii  Unterrichtsminister)  eingereichte 
Petition  weist  \'ater  Deltzer  darauf  hin,  dass  die  Lehrer  gut  thäten,  bei  iliren 
Petitioueu  um  Aufbesserung  der  Gehälter  die  Magen  frage  anBeracht  zn  lassen. 
Die  Beetrebnngen  dea  Lehrentandea  iollten  in  enttt  Unle  daraif  gerichtet 
aala,  die  Binreihnng  in  eine  beatinmte  Beamtenatnfe  m  erzielen;  die 
materielle  Besserstellung  wQrde  die  natfllüehe  Folge  hiervon  sein.  Der  Vor- 
schlag- des  Herrn  Tlectors  Ambrassat-Freystadt,  dahin  zn  wirken,  dass  die 
Voiksschullehrer  zu  Staatsbeamten  erhoben  werden  möchten,  schien 
wenig  Beifall  zu  hnden.  —  Mit  einem  Hoch  anf  den  Kaiser  wnrde  die  Ver« 
Sammlung  geschlossen,  nachdem  die  Einladung  fdr  die  nächstjährige  Provinzial* 
Lehrervevaamailiuig  nach  Xaileiiwevder  mit  BelfaU  aviis?enoniniett  werden. 

In  Daaalg  tagten  gleichzeitig  mit  der  Provinzial-Lehrerversammlong  die 
Generalversammlnng  des  katholischen  Lehrerverbandes  fflr  Deutsch- 
land und  die  Generalversammlung^  des  preußischen  Vereins  der  Lehrer 
und  Lehrerinnen  an  Miuelsciiulen.  Anf  der  ersteren  \'ersammltingr  »teilte 
der  Vertreter  des  Bischofs  von  Pelplin,  Dr.  Lüdtke,  folgende  Sätze  auf:  „Die 
GrUndnag  des  katholiaehen  Lehrerverbandea  iat  eine  rettende 
That  f Br  die  katheliaehen  Lehrer  Dentaehlanda*  und  „Die  Gründung 
des  katheliaehen  Lehrerverbandes  gereicht  der  gesellschaftlichen 
Ordnung  zum  grr^ßten  Heil  und  Segen.^  (Aof  den  Inhalt  dieaea  ürtheila 
näher  »mti zugehen,  ist  wol  überfliissifj;.) 

In  der  vierten  Generalversammlung  des  Vereins  der  Lehrer  nnd  Leh- 


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4eii  JahredwrtAht,  welchem  wir  mtnthnii,  Ami  im  verfloisenen  Jahre  die  Mitp 

l^edarMbl  von  222  auf  427  gewachsen  ist,  welche  günstigfe  EntwickelDnß: 
znm  pTÖßten  Theile  anf  den  .Ans<'hlnss  der  Proviozialvereine  von  Sadisten  und 
Hesseu-Nassan  zorfickzuffibreu  itst.  Herr  Mitlelschullelirer  Tronmau  hielt  darauf 
einen  Vurlrag  aber  das  Tiiema:  „Unser  Frogramiu.''  Da  auf  dem  Gebiete 
aw  lüttsItdivLraeBi  Ua  Jetat  aadi  iniMr  akbla  gMeMaa  iat,  aa  aiine 
viedanun  foigeaAm  Ftagitaua  aiifg«ataUt  irardaa:  1.  Einheitliche  OrganisatioB 
aller  mittleren  Schalen,  eiosehUeAUdi  dar  höheren  Mädchenschalen.  2.  Wahrnngr 
drr  durch  die  Mittelfchnnehver- ,  bezw.  Rectoratßpiiifnne'  erworbenen  Kechte. 
3.  i  iiitu  tLüche  ausreichende  Dotation.  4.  Begdong  der  Pensions-  and  Eeiicteii« 
verhaituisse. 

B.  Vom  daataebaa  Oataaaatraada^  Da  im  UMm  JiOinahiitaii  wirdan 
garada  dia  PflBfatfarlan  Tan  nnserea  Strandpftdagogen  benutzt ,  nm  die 
.7ali?pfvf>rsanimlnngen  kleinerer  and  größerer  Berufsverbände  abzuhalten,  die 
Eecbnungen  zu  legen  und  die  Decfaaigw  ei&znlMka.  Das  war  denn  auch  in 
dies^  Jahre  wieder  der  Fall. 

Li  Marianbarg  tagten  am  23.  Hai  dia  Lahnr  h5b««r  Lakraaataltaa 
in  dar  Aala  daa  Gymaaaiwaia.  lia  waraa  itbor  70  Mitglieder  aas  Ost-  und 
Waatpnata  aradüaaan,  welche  darch  Herrn  Bfirgermeister  Dr.  Sandfachs  be- 
grüßt wnrden,  and  welche  den  Vorsitz  dem  Herrn  Dirertor  Dr.  Kahle-Danzig 
übertrngen.  Dieser  Verein  besteht  19  Jahre  und  veriugi  über  ansehn- 
liche Mittel,  so  dass  für  jede  lünterbleibe&de  Waise  von  Veieiiisuiiigliederu 
200  Mark  pro  Jahr  VatwaMtinig  gezahlt  werdw  kftiM,  Qrolta  Yerdianala 
am  dia  gnla  Sadia  bat  ddk  Hair  Dtraatar  Dr.  Eicbhoni  aaa  Wddaa  arwatbtt» 

In  Danzig  tagte  an  demselben  Tage  zam  ar^ten  Male  seit  Erschaflfang 
des  Ostseestrandes  ein  „katholischer  Lehrerverein".  Durch  einen  harten 
Druck  des  Cleras  auf  die  Lehrer  wurden  letztere  in  Stadt  und  Land  g^ezwnnpen. 
aas  den  allgemeinen  freka  Lciirejrvereinen  aaszutreten.  Sie  sollten  specieli 
bathoUMh«  Vereise  gtindaa.  Anigeiretan  sind  aie,  aavial  dar  BmMiteratattar 
bat  erihbraa  könacB,  mit  laicbterta  und  aabwarerca  Haraaa  all«»  ahar  ein- 
getreten in  den  neuen  Goof^onsvrrein  Mnd  sie  lange  nicht  aUe.  Mit  einer 
Thriüie  im  Auge  und  einem  Faustschlag  anf  den  Tisch  erkl;\rte  mir  ein  ?o 
geistig  Gefes.'-elter:  ..Ausgetreten  bin  ich  aus  dem  mir  lieb  gewordenen  all- 
gemeinea  Lehrervereiu,  aber  keine  Macht  der  Erde  soll  mich  zwii^en,  dem 
CiolMonafarelM  baiantreteB."  Man  ftraeht  ganz  vergakeaa  Mcb  dam  Gnnda 
aa  anerwartaler  aid  wdtrakheader  peraOiiliaher  VarganaltigaBg.  Daa  Wart 
unseres  Hem  und  Meisters:  „Es  wird  eine  Herde  mtf  ein  Hirte  werdea*i 
wird  unter  solchen  Umständen  noch  lange  auf  Erfsillnn^  warten  müssen.  Wenn 
das  am  grünen  Holze  geschieht,  was  soll  am  dürren  werden!  —  Haben  die 
katholischen  Lelirer  denn  eine  andere  Mission  in  ilirem  £rdeu^^aIlell  zu  er* 
füllen,  ais  die  evangeUscben?  —  „Die  Labrar  mdaii  koibten",  sagt  dar 
Prophat  Er  aagt  aiabt,  daia  die  katiiaUachoi,  oder  dia  jfidiiQlMO»  oder  dia 
meiaoaitischen  Lehrer  es  sein  w*  t  .len.  Kanu  man  kaHboUsch  lesen,  schreiben, 
rechnen  lehren?  —  Hungern  Weiber  und  Kinder  evangelisch?  —  Solche 
Käuze  bat  es  imnit-r  in  alli-Ti  Tonfessionen  gegeben,  die  noch  lieber,  als  mit 
£oBinea  nnd  Korinthen,  mit  iroinmen  Sprüchen,  Liederversen,  Heiligenbildern 


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„recbneo*^,  welche  die  geographischen  Eenntjusse  nnr  so  weit  ausdehnen 
mischten,  als  die  Lande  vom  Stuhle  Petri  zu  tlb«nehaii  sind;  doch  die  Ziktnft 
baben  ^km  nis  ud  ninaier,  wcnngleiGh  te  »alta  Uln  der  Zett**  noch  mmnliM 

Säcnlam  hindurch  bei  jedem  Jahreswechsel  seinem  Unbehagen  nlter  nnchrist- 
liche  Undnldsamkeit,  Henchelei  ii.t.w.  dveh  sein  welterschllUendes  »Hnbahn** 
wird  Ausdruck  peV'on  müssen. 

Sehr  schwere  Zeiten  hat  die  Provinz  Westpreußen  an  den  Gestaden 
des  baltischen  Meeres  durchmaclien  müssen,  weil  ^ie  Jahrhunderte  hindurch 
der  Zankapftl  swiwben  dem  Ord«  «id  Polen  und  qiäter  awisehen  ta  Knr- 
bnadenbnrfetii  nnd  Polen  war,  Bnt  1772  beginn  für  diesen  Landeethefl 
ein  nenes  Leben i  denn  Friedrich  der  Große  vereinig^te  ihn  mit  Bsinem  Staate 
nnd  TTinrlite  der  „polnischen  Wirtschaft"  nach  allen  Iiichtung^en  ein  Ende.  Zur 
völligen  provinziVIlfn  Selbstptündifrkeit  kam  Westpreiißen  erst  unter  Wilhelm  L, 
welcher  die  i'ioviiiz  vun  Ubipienßen  losloste.  Jetzt  erhielt  die  neue  Provinz 
ihre  eigene  Verwaltung  und  als  geiätigeu  OberhiiVn  l'iir  die  evangelischen 
Bewohner  einen  QeBgra^SnpeiinlcBdenten. 


%  Aus  Oroatlen.  Dr.  Isidor  KISnjaYi,  Cultniei^ef  in  Croatien. 
Dieser  für  nnser  Schulwesen  wichtige  Mann  ist  geboren  am  21.  April  1845 
in  Nasice-vSlavonipn.  Nachdem  er  das  Gjrmnasitim  absolvirt  liatte,  widmete  er 
sich  dem  Lehrtache  und  diente  vom  Jahre  186Ö  bis  1866  als  Supplent  am 
Eiseger  GynrnaBinm.  Dann  ging  er  an  die  Wiener  Universität  and  wurde 
daeelbel  mm  Doetor  der  Philosophie  promovirt  Naehher  begab  eor  sieh  nach 
München  und  stodirte  dort  an  der  Akademie  der  Künste;  von  da  ging  er  nach 
Italien,  wo  er  sich  volle  fünf  Jahre  mit  archSologischen  und  historischen  Kunst- 
stndien  befasste.  In  die  Heimat  zurückgekehrt,  wurde  er  znm  anßerordentlir  bpn 
Professor  der  Kunstgeschichte  und  classischeu  Archäologie  an  der  Agramer 
Universität  ernannt.  Auf  dem  Gebiete  der  Kunst  ist  das  SchaÜen  des 
Dr.  Eifajavi  geradexn  großartig.  £r  gründete  in  Agram  den  Verein  Ittr 
Knast  nnd  Kumtgewcrbe,  der  im  Jahre  1801  eine  intematioaale  AnssteUani: 
veranstaltete,  Aldi  eine  vorzüglich  eingerichtete  Gewerbeschule  fBr  Knaben, 
die  sich  eines  gnten  Rnfes  erfreut,  ist  sein  Werk.  Für  seine  nnemnidliche 
Thi^tigkeit  wurdf  ihm  von  Sr.  Mi^tttt  der  £'ranB-Joee&-Ordea  nebst  aUer» 
böchäter  Anerkeiiiiuiig  erthellt. 

1890  wurde  Dr.  iuBui^^vi  in  Wien  zum  Boctur  juris  promovirt.  Kr 
erhielt  dann  Ten  der  eroalMien  Landesregierung  ein  Bafseatiiiendinm  nnd 
begab  sieh  naeh  Skandinavien,  nm  das  dortige  Sehnlweaan  kennen  sa  lernen. 
Im  December  des  Jahlta  1891  wurde  Dr.  KiSnjavi  Cultuschef.  Mit  Jubel 
wurde  seine  Emennnrg-  von  allen  Schulmännern  begrüßt  und  mit  Recht,  denn 
mit  ihm  kam  Licht  und  Wärme  über  das  croatische  Schulwesen.  Dr.  Kiönjavi 
ist  „Reformator"  im  vollsten  Sinne  des  Wortes.  Was  besonders  betont 
werden  muss,  ist,  dass  er  als  Cultuschef  alle  wichUg^^  Fragen  mit  den  besten 
P&dagogen  des  Landes  bespricht  ind  Eta^nfiten  etnbemft,  nm  die  Amriditen 
der  Lehrer  «ad  Lehrerinnen  über  die  Schulfragen  sa  hdreo.  Bevor  Dr.  Kisn- 
javi  das  Mädchen-Lycemn  ins  Leben  rief  (siehe  das  vorige  Heft  d.  Bl.), 
stellte  er  eine  Enquete  von  40  Müttern  zusammen,  um  ihre  Meinung  darüber 
zu  hören.  Mütter  und  Frauen  sollen  das  erste  Wort  bei  der  Erziehung  der 
Mädchen  sprechen.    In  Croatien  werden  also  unter  Dr.  Kiäi\}avi  wichtige 


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Schulirageu  nicbt  am  g:ruDeu  TiscU  ohne  die  Lehrersckaft  enu^iedea  — 
gewiii  ein  groSer  Fortsdiritt  der  Zelt  Wir  wflnsehen,  daM  Dr.  SS^Jefi 
recht  Yiele  Jahre  alt  Coltnsoher  wirke  mm  Wele  dee  ereattNhen  flehalwew 
«nd  dadoreb  lun  Wole  der  fniMii  Nation.  X 

Am  22.  Mai  starb  zu  Leipzig  Hci  in ;nin  Marius,  seit  1862  daseibsi 
ord.  Professor  and  Director  des  Pädagogii^cheti  Seminars  au  der  UniversitAL 
Geboren  1818  zn  Trebnitz  bei  Bmiborg,  erwarb  er  sich  seine  höhere  Schal- 
bildmg  in  den  Fnucke'acfaen  Stiftoagen  an  Halle^  ivoranf  er  die  dortige  Uai- 
veiaitlt  beaog.  Selm  yielaeitige  und  erfUgreidlie  Thfttii^eit  im  prakUadHa 
Sefaaldienst  heechloss  er  als  Director  der  Neii»tilUlter  Realschule  an  Dreedn, 
Wf»rnnf  er  an  der  Universität  za  Leipzii,''  raft  großer  Treue,  anerkannter 
Tüchtigkeit  und  aasgezeichnet4»m  Erfolge  an  der  Heraubildung  von  Lehteni 
Ittr  das  höhere  Schalwesen  wirkte.   Als  Schriftsteller  zeichnete  er  sicli  durcii 
eleganten  Stil  tmd  im  pädagogischen  Faehe  namentiüeh  dnreh  gr&odliche  oad 
wertvolle  Arbeiten  lüatorlachen  Inhalte!  ans,  wofBr  namenflleh  die  „Kema 
Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik",  ferner  seine  ^Biiiiteu  Blatter*, 
endlich  die  von  K.  A.  Schmid  rediglrte  Geschichte  der  Erziehung,  der« 
MitarVM'itfT  Ma8ius  war.  rühmliche  Z^'n-^iMs«»'  ablcg-en.  Die  persönlichen  Eferen- 
schalten  des  Verstorbeueu  waren  die  tiuea  stillen,  friedsamen,  fleißigpen  anl 
gewissenhaften  Gelehrten,  eines  reinen  uod  zuverlässigen  Charakters.  Klirv 
seinem  Andenken! 


Aus  der  Fachpresse. 

R6.  Der  Allg-eraeiuen  deutschen  Lelirervprsammlung  bisherige 
Erfolg:e  uud  gegenwärtipf"  !^»^ileutung  (Chr.  Weiulein,  .\DL  1893.  2t\  ,,Sie 
ist  ein  Kind  des  großen  V  oikerfrühlings  von  184S  •  —  „s^ab  den  kraftisTsten 
Anstoß  zu  den  Landeslehrervereinen,  ist  bahnbrechend  für  die  Lehrerversamui- 
Inngen  überhaupt,  dann  ftar  dne  Me  Lehrerprusse  Inabeaondere  geweaea*  — > 
war  wShrend  der  Fdafklger  and  Seeludger  Jahre  «der  in  die  reaettonlrttck* 
liehe  Sturmflut  vorgeschobene  Lenohtthnrm  einer  vernfinfUg  gebliebenen  Yelki- 
schale"  —  hat  „die  Großmarht  Presse  für  die  Bestrebnng'en  der  Lehrer  ^ 
Wonnen  und  dur<;h  dieselbe  das  große  I'nblicum,  die  llegieran^en,  staatliciie 
und  städtische  Körperschaften  auf  die  Ideen  der  Lehrer  aufmerksam  geoiachf^ 
—  „die  Wertech&tzuug  der  Scholen  und  den  Einfluss  der  dentaohen  Pidagogik 
nicht  nar  in  DenteehlaBd,  sendem  aoeh  im  Aadand  geeteigerf*  —  „der  Sehde 
die  branchbarsten  Bausteine  und  den  gesetzgebenden  K5rpersohafteii  und  o- 
abhängigen  Verwaltungsbehörden  reiches  Material  geliefert"  —  „in  Zeitea 
deutscher  Z^rriss^iheit  das  Gefühl  der  Zueammengchflrig-keit  aller  Dcatschea 
geweckt  und  belebt  und  j^enährt.  somit  auch  politisch  gestaltend  in  Dentsdi- 
land  mitgewirkt,  ein  Verdienst,  dm  sowol  Kaiser  Wilhelm  L  in  dem  Groi 
an  die  Allgemeine  deatMshe  Lebrerrereammlang  in  Hamburg  1872,  all 
aneh  First  Bismarck  in  sehmekhelhaftea  Worten  anerkannte.* 

ß7.  Art  und  B-  lonnni?  einer  culturgemiBen  Schulaufsicht 
(E.  V.  Sallwürk,  NB  1893,  IV.  Y).  Vorbemerkung.  1.  Der  Träger  der  Schul- 
aufsicht 2.  Die  Org-anisation  des  Schulwesen'?  Die  Befugnis  der  Schul- 
aufsichtsbeamten. —  Der  erste  Tlauitiabschnitt  steht  leider  nicht  auf  der 
HShe  der  Leistungen,  die  mau  von  Sallwürk  gewohnt  iät  (es  handelt  sich  um 

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die  Bechtfertigang  des  Grundgesetzes:  alleia  dem  Staate  gebürt  die  Anfticht 
-  Qber  dms  getammte  BUdnB^wesen);  die  Geschichte  der  Gesellschaft  (des  Staates) 
und  d«r  Kindie  «od  die  friherai  nid  gegeiwftrtlfMi  Weeheelbeiiehiingen 
zwischeo  beiden  werden  vehrftick  mtrlehtig  daijgeeteUt.*)  —  Im  dritten 

Capitel  wiederholt  S.,  was  er  schon  anderswo,  oder  was  andere  schon  gesagt; 
fneu  und  *^!£rPTiarTifr  precliit-n  mir  nnr  der  Wunsch:  ^nuvrc  Lehrer  mßchtm  anf 
kurze  Zeit  wifnier  lUh  .Stuiiiuir  zarUckgerufen  werden  iiiacL  Antrag  des  „Kieiß- 
sclmlaofsehers*'],  und  „wüs  dem  jungen  Lehrer  ein«  L'tiicht  wäre,  das  m&ute 
für  den  alten  ebiBedit  lein" :  «ee  wSre  damit  abi  Gauel  geeehata,  dmeli  den 
pldagogitclMa  Leben  befrnebtand  bin  nnd  bedlntan  kUnnte").  —  Der  s weite 
Theil  dagegen  verdient  ToUe  Beachtung.  Er  handelt  im  weientUchen  1.  vom 
UntriTichtsministei •;  2.  von  den  üniversitätcn ;  3.  von  seinem  (Sallwürks) 
.,System"  einer  .  iiltnrgeraäßen**  Schulaufsicht.  Zu  1:  „Wir  verlang:en  »^ippn 
eigenen  Unten khis.iainister  (einen ,  der  sich  nicht  auch  zugleich  mit  den 
geistlichen'',  „JHedicinal-'  oder  anderen  „Angelegenheiten''  zu  befttsseu  hat), 
ud  Hir  einen  solelien  wird  deb  Arbeit  genug  finden.  Umer»  CSoltaaminialer 
lind  pelltiiefae  OaMditen;  aie  bewegen  aksb  in  nnanflilirliebcii  Com]ireiilBMn 
nnd  Concordaten:  diplomatische  Berechnung  leitet  alle  ibre  Schritte.  Dan  iit 
nicht  die  rechte  Stimmung^  des  obersten  Vertreters  unserer  Bildungsintcresscn. 
Für  diesen  gibt  es  nur  eine  Bewegung:  aufwärts  und  vorwärts.  Für  ihn  muss 
es  feststehen,  dai>s  er  sein  Amt  auf  Grund  der  unveriiuUtii  liehen  und  unhe- 
•cbrftnkten  i^ziebongspflicht  des  Staates  zu  fuhren  hat.  Ei-  darf  nicht  in  die 
Lage  kemmeo,  nit  anderen  Initaasen  anf  dem  Gebiete  der  BUdnng  zu  pactiren.*" 
Zn  3 :  För  Jede  »Sefaieht"  (?)  swd  Instanzen.  „Die  eine  (a)  eoU  eine  Vtr> 
tretung  der  interessirten  Kreise  darstellen;  sie  hat  ihren  Anftrag  ans  dem 
Volke.  Die  andere  (b)  vertritt  die  Verwaltung-  des  als  Culturgr^tiossensciiaft 
aufge fasston  Staates;  ilir  Auftrag  kommt  von  der  Staatsregieninp:."  —  Für 
die  Volkssciiuien:  a)  Ortsschuiiath  (Mitglieder:  gleichviel  Vertieter  der  Ge- 
meindebehOrden,  der  ,Viter",  der  L^eracbalt;  Vorsitz:  Gemeindevoratand. 
~  b)  SebnlTnataad  (ein  Ldnrer;  die  Lelmr  aind  StaatwUener)  nnd  Knie- 
aolmlanfiBeher  (ans  dem  Lehrerstand;  BefiUiignncr  durchs  „Staataienlnar  Ar 
Pädagogik").  Für  die  höheren  (  Mittel-)  Schulen:  a)  Kreissehultag  (so  viele  Ab- 
geordnete des  Kreises,  als  dieser  hf^here  Schulen  zählt;  „ihnen  g-ocfllt  fipr 
Staat  eine  Anzahl  von  Scliulmännern  bei,  welche  er  aus  der  Schulverwallungb- 
behorde  des  Kreises,  den  \  urstäuden  der  Uüheren  Scholen,  den  die  Volksschule 
beaaUditigenden  Beamten  and  den  Voiatlnden  oder  Lehrern  der  Lehier- 
hüdungianalalten  entnimmt" ;  ein  weiteree  Drittel:  Vertretung  der  Lebienebaft 
der  höhereu  Schulen,  von  jeder  ein  Mitglied,  jedoch  nicht  der  Sehniverstand; 
Vorsitz:  Beamter  der  Kreisregierung),  hl  Beamte,  ans  der  Lehrerschaft  erwUlilt. 
Für  die  Hochschulen  „und  diepnigen  Angelegenheiten  der  niederen  Schulkreise, 
welche  im  Rahmen  der  örtlichen  uder  der  Kreisverwaltung  uiciit  erledigt 
werden  können":  a)  Landesschal  tag  („Abgeordnete  der  landständischen  Ver- 
tretung" ;  Vertreter  der  Hocbaolinlen  nnd  Efeiaeoindtage;  von  der  obwrten 
Untenlohtf7erwaltnnir  «rwlblte  Hitglieder  der  geiammtcn  Schnlbeamteaaebaft; 

*)  Man  Vingleiche  mit  Sallwürks  Skizze  etwa  die  entsprechenden  Capitel  bei 
^ilh.  Roscher,  Politik:  Geschiclitlii  ht-  Naturlehre  der  Monarchie,  Aristoloatie 
und  Demokiatie.  2.  Anfl.  Stuttgart  1803»  Cotta,   vm  a.  782  Seiten. 


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—   082  — 


Voraitz:  Mitglied  der  obeiüten  Schiilbeli&r4ft)  —  Miuisterium  de«  Uiit«r- 
fiolitf  (»der  affentUobea  BUdoDg"). 

88.  Parallellsttiift  oder  Sneceiiian  der  ÜBtArriebtifleher? 

(W.  IClUffr,  Ref.  1893,  13.  14).  Verf.  ist  für  die  „Sncceasion^  Warum? 
IMe  „sttccessive  Behandlongr  der  Lehrfächer"  g^ewfthre  die  nöthige  Zeit  für 
t'bnii^'^  nnd  Finnbnng:  (mache  «"mit  die  viel  aiosUitteneii  Hausaufg-abea  über- 
tiüssig)  und  mehr  Zeit  „als  bisher"  (d.  h.  unter  der  Herrschaft  des  >ParaI- 
lelismoii'^)  für  die  Pflege  der  Muttersprache  und  für  das  Toraeu  „uad  andere 
Leibeellbiingen**)  ^  «rlaabe  des  Übergang  m  claea  gmaäm  ^Wm^Mrm- 
wjmm'  (den  Geliiduraii  des  FMbintenlehtee  lei  ▼<«s«l»eQgt»  wilveBd  „«Ik 
Vortheile  nach  allen  Biehtangea  lün  sich  ottfalten"  könnten).  VamMetanga: 
vom  IV.  Schaljahre  an  zweistündige  Datier  der  Lectionen  —  nur  zwei  FSrher 
~  wöchentlich  höchstens  24  Stunden.  (Dazu:  Relig-ion.  Sing^en,  Turnen:  he- 
zUglich  dieser  bleibe  es  g^nz  beim  Alteu  —  Summa  32  Stunden).  Vor^ekki^ 
fär  die  Vertheilang  der  Lehrgegenstände  auf  die  acht  Schi^jahre:  L  und  IL*; 
S|ifeehear  Lteen  und  SeMbea.  —  Ht  1.  Sifeeheü,  Leieii  ud  SehnllMi; 
Bedmeo.  2.  Heimatakiuide;  Bedmen.  —  IV.  1.  Ghnammatik  nnd  OrtiMgrapU»; 
Naturgeschichte.  2.  Grammatik  and  Orthographie;  —  V.  1.  Rechnen  (Bräche): 
Pliysik  2  Zeichnen;  Geschichte.  —  Vi,  1.  Grammatik;  Nat^^ot^sch{chte. 
2.  Kechnen  (^bürgerliches);  Geographie.  —  VIL  1.  Geometrie:  eine  fremd« 
Sprache.  2.  Algebra;  eine  fremde  Sprache.  —  VIU.  1.  Ptgrsik  nnd  Cbraüe: 
eine  fremd«  SJpnMdie.  2.  Literatur;  Oeeohichte. 

89.  Vor-  ttttd  Chor  lesen  (C.  Ermabaeh,  Deateoh  1898,  IV).  L  „Hit 
es  nicht  Toa  jeher  ale  elae  liohe  aad  lolnrer  sa  erittlende  Aal^pibe  gegeHei, 
jemand  etwas  gut  vorzulesen?**  „Darum  sollten  vorzugsweise  unsere  Seoi- 
narit^Ti  da!'?^Mf  luHl-v-ht  «»'in,  <1hu  Sinn  für  musterhaftes  Vorlesen  zn  wecken  nnd 
zu  ptie^eii.  ui(;ht  durcii  Kecepte,  sondern  durch  gute  Vorbilder.  K«  -vv'lre  jro 
hoffen^  daüs  auf  diesem  Wege  auch  in  die  Tiefen  der  Bevölkerung  aiimaklidi 
der  Stea  fftr  edkrei  Sprechea  aad  die  Liebe  la  aaicni  DteMen  elasBgai  Den 
gerade  der  Volkeaeballehrer  Ist  la  dieier  Besfehaair  <de  obur  der  Udeiaiaa 
Vorposten  aa  betrachten,  der  die  schwierigste,  schließlich  aber  auch  dia  ^mk' 
barste  Stelle  hierbei  einnimmt.''  —  „Auch  durch  das  Vorlesenlasspn  der 
Schüler  läset  sich  nuuulies  g-ewinnen,  wenn  .sich  der  Ijchrer  einen  Stamm  voa 
Vorlesern  heranzuziehen  weiß.  Da  aber  in  höheren  Schulen  bei  den  wenigen 
deutschen  Stunden  keine  Zeit  übrig  bleibt,  Vorleser  in  der  Classe  heranzubüdeQ, 
so  man  ee  Sitte  werdea»  den  betrefftaden  SehUeni  beotimmte  Aii^abea  n 
fftelleD,  die  sie  daheim  sa  Useo  babea.  Beeoaden  elgaea  M  aaeb  4Sib  FMa 
dazu.*"  („Wer  mit  seiner  Classe  gat  EU  lesen  versieb^  der  ist  ein  Keister  io 
der  Kunst  des  deut.^chen  Unterrichts  und  dor  Kr7Tf^hnn)a:  zujrViHi."  -  Goetbe. 
in  den  Gesprächen  mit  Eckermann,  am  25.  Januar  1836:  ^Die  guten  Deutschea 
wissen  nicht,  was  es  einen  für  Zeit  und  MOhe  gekostet,  um  lesen  zu  lemeo. 
Ich  hi^  achtzig  Jahre  dazu  gebraucht  nnd  kann  noch  jetzt  nicht  sagen,  das 

am  Ziele  wlre.*  üad  Ooetbe  war  „wegea  ehiee  gUeUlehea,  freioB,  be- 
deateadea  Vorleeens  berflbmf )  —  II.  Dae  Gboriesen  „ist  la  der  Praxis  d« 
höheren  Schulen  noch  lange  nicht  helnüsch  genug.''  (,,Wenn  sich  die  hSheren 
Sobalea  im  allgemeinea  etwas  melir  voa  der  fialschea  Vorstellang  betoeiea 


Die  römisehen  Zifiem  bedeuten  die  Jahre,  die  aiabimihoii  die  äemestff. 


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Ö83  — 


kiiiinteii,  däflfl  ihre  9 — ^12jährig^en  Schüler  durcliatliuiitlich  ffanz  anders  gie- 
artete  Wesen  seien,  als  die  gleichalterigeu  der  liüigerscliulen,  gelangten  sie 
gvwto  twU  ni  daer  gMam  Weitadiitnniff  dtr  eleMentwren  KfllMeii  und 
fl»  MMh  dtt  Chartetem.**)  Die  Yl«len,  dem  ToIkaKhvllfllifer  genogMuu  Ve- 
ktunten  Vorz&ge  des  ClwrlMaii  werden  trefflich  erläutert.  Mit  dem  Leeeii 
l<nr/er  Verse  solle  man  anfimgen.  „Von  schöner  Wirkung"  seien  unter  anderen 
irulilinpseiiizug-  v<m  W.  MftUer,  Waldconcert  von  Dieffenbach .  Li(>d  der 
Ueutsdien  von  Hoiimann  (v.  Fallersleben),  Siegfrieds  Schwert  von  Uhlaud,  Das 
Grab  im  Baaento  von  Platen;  ferner  alle  gebetai-tigeu  Gedichte,  wie:  Das 
mlle  Gfott  TOii  SCcmi,  OrM  Gott  toh  Gerok,  Gebet  wSlue&d  der  Sehlaelit 
▼OB  Körner;  auch  Meneh-  und  Wanderlieder. 

90.  Ein  Dutsead  Aufgabensammlungen  (R.  Sch.,  Pädag.  Fährer 
1808,  4  [Beila^re  z.  Scbpr.^).  Verf.  betont,  was  jedermann  weiß:  dass  gich 
„das  Missliclie  der  pftdagojri.schen  Überproductioii  nirgends  mehr  als  in  den 
Erzeugni^en,  welche  der  Methodik  des  deatschsprachlidien  Unterrichts  zugute 
Inrnmeii  wUeB*,  zeige  —  daee  xwer  hiaefdifUdi  dee  Anftatasimtenlehti  eine 
gate  Tlieofie  anerkmiiit,  nklrttdeffkowoiiiger  aber  die  FMndff  meiit  miiembel 
eei.  Beachtenswert  findet  Sch.  in  dem  mit  erfreulicher  Schärfe  kritielrteii 
Dataend  die  Sammluniren  von  Krämer,  Herberger  und  Dciring,  Göhl. 

91.  Die  ziikünflio;-e  Sehnl  wandkart  e  <\pr  Schweiz  f5?chw.  189?^, 
12.  15.  18).  Als  Fiimdesgeschenk  für  alle  V<ukbhi.iiuien  in  Aussicht  jreiwmiueii. 
Leider  scheint  aber  die  „vorberateude  Fachconimiäsion"  die  Meinungen  und 
WtlDBehe  der  LehrerBchaft  nieht  hOren  aa  woUen;  jedenfalle  weiß  diese  aar 
Stande  neoh  niolit,  was  sie  an  erwarten  hat  —  Wir  dtlrea  zwei  Sdmmea  aas 
Lehrerkreisen.  I.  Nach  Fr.  Beust,  der  „einige  40  Jahre  lang  nnunterbtoehea 
den  Unterricht  in  Heimatskunle  und  Geographie  in  allen  I'rimar-  und 
Seenndarclassen  derselben  Schule''  (^nämlich  in  seiner  ei^-^enen  Privalschule) 
ertheUt,  bedarf  die  Trimarschule  „einer  richtig  gezeichneten  Karte  mit  be- 
sdutnloer  Genauigkeit;  d.  h.  die  Formen  müssen  so  vereinfacht  sein,  dass  das 
Chaiakterietisohe  deraelbea»  wie  ihr  gegeaseitiges  Veriiftltois  dentlich  ins 
Auge  IKUt,  ohne  dnrdi  aa  viel  DetsU  das  Büd  aaUar  aa  naehea**.  Dabei  denliea 
wir  uns  die  AasfUumng  so  kräftig,  dass  jenes  von  dem  entferntesten  Schüler 
nncli  \Mlik'tmmpn  dentlich  erkennbar  ist.  Diese  Forderung  der  unbedingten 
Klarheit  ist  nur  durch  Gli<-drrung  und  Trennung"  des  bisherig-en  Tnlialts  zu 
erreichen.  Ein  dreifaches  Kartenbild  t^chemt  uns  das  zweci^mabigste:  « 
1.  eine  orographisch-hydrograpbiscbe,  2.  eine  politische  (mit  Flftchencolorit), 
S.  eine  GnrTsnkarte  mit  Verkehrswegen  („die  wichtigsten  Laadstraßen,  Beig^ 
p&sse  und  Eisenbahnen,  also  die  intematloitalen  Bahnen,  wie  die  von  und  nach 
den  Verkehrs-.  Cantons-  und  Bundeshauptorten").  Das  dritte  Blatt  ist  für  die 
h«>heren  Schulstufen  bestimmt  (also  würden  die  Volks-  und  Fortbildmigrsschulen 
von  dfii  \'erkchrswegen  nichts  erfahren;  doch  erklUrt  sich  Verf.  in  einem 
Nachtrag  auch  daiiiit  einverstanden,  dass  die  Eisenbahnen  ins  zweite  Blatt 
elageaeiehaet  weiden).  Die  Karte  soll  «Tellstftadig  ebne  Schrift  sein* ,  der 
Hafistah  der  bisherige  bldben  (1:200000).  —  II.  Ein  Dr.  Wd.  (?)  Ündei 
diesen  Xalistab  (sicher  mit  Recht)  zu  klein;  er  fordert  narhdnicklich  einen 
größeren  (1:150  000  oder  lieber  1:125  000),  nur  eine  Karte,  und  weiter, 
dass  eine  Angelegenheit  von  solcher  Wichtigkeit  «vor  das  Forum  des  Schweiz. 
Lehrert^^es"  gebracht  werde. 


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—   684  — 


92,  EtwAt  Aber  don  ZateheninterrMt.  (Btd.  1803^  12.  Wk 
€■  ÜB  den  ZeicheavDtiiTiclit  in  den  VolkOMSblilen  Badens  itabt»  «fAren  wir 

&U8  folgenden  Änßemng'en:  ^Eb  ist  genugsam  bekannt,  an  fl^n  meisten 
Volksschalen  wenig  oder  gar  nicht  gezeichnet  wird.  Cii  l  v  t  im  iii m  auch  da 
nnd  dort  den  Zeichenstift  handiiabt,  &o  geacliieht  das  in  den  meisten  Fällen  in 
keineswegs  zweckentsprechender  Weise.''  „Darin  sind  idle  einig,  dass  for  das 
FrcIluuldMidiiifin  iut  gir  ntditi  gmiMt  ud  da»  «•  aa  d«r  VoUnnIwl» 
yoUstftndig  br&oh  UbgL*  üiiMlMa:  „L  Intcn^MoloHlgtrit  der  meisten  L«h- 
reoden;  2.  Mangel  an  einem  guten,  praktischen  LeknpuBge"  (der  die  Interesse- 
losigkeit theilweise  verschuldet),  —  'Inm  sniflimn  wird  nun  den  Lehrern  das 
von  Zeichenlehrer  A.  Kurnhas  iu  i'rüibui-g  li-  rder  s  V  eilayr)  heraasgi^g^t  bene 
äcbriftchen  „Das  Zeichaeu  nach  der  Natur  am  Uymiuisium  zu  Freiburg  i.  Br., 
BUttor  aas  äm  SUntttecb  der  ObortertlA  im  GymnaiiBitt'',  Mäk  wiraM» 
emplblileii.  Di«  Ztlehiiiiiif«i  der  Fraßtorger  QjuMtiaiaak  (VÖrf.  hat  wUk  aa 
Ort  und  Stelle  nberzeugt)  seien  im  der  Tbat  ^gniartige  Leistungen —  aber 
auch  die  \'olksschalclassen  derselben  Stadt  (die  ebenfalls  nach  dem  Kom- 
hasischen  Lehrplan  arbfitea)  weisen  „ungewohnte,  glHnz^^nde,  stauneoerregende 
Resultate"  auf.  Und  zwar  —  bemerkt  unser  bepeistei  ler  (iewährsmann  — 
„stellte  sich  Herr  Eomiiaü  bei  Aufstellung  des  (noch  nicht  gedruckten;  Lehr» 
l^laoa  IBr  die  Fnlbaiger  VelkaMdmla  aaf  dea  Staadpankt  eiaea  Leknta,  der 
den  Zeieheaantenidit  erfelieQeii  ioU,  oline  beaoadeie  Fertifkelt  im  Zeidmca 
IQ  bedUeD*.  ^  ^ 

Der  Grazer  Lehrerven^n  bat  einen  Bericht  über  seine  Thätigkeit  wahrönd 
der  25  Jahre  seines  Bestehens  [iSiiS — 1893jl  herausgegeben,  verfasst  von 
Alois  Taucher  (Selbstverlag  des  Grazer  Lehrervereins).  Ein  schätzens' 
werter  Beibag  aar  OeaeUebte  der  Neaacbale  in  OiterreielL 

Dai  Bibliographische  Inetitat  in  Leipalg  oad  Wiea  bat  nunmehr  auch 
den  zweiten  Band  von  Brehms  Thierleben  versendet,  welcher  die  Welt  der 
Vögel  darstellt  und  sich  dem  ersten  würditr  anschließt.  Der  vortreffliche  Text 
ist  durcli  eine  Fülle  ausgezeichneter  Abbüdongen  veranscbaulichti  der  Preis 
▼OD  10  Mark  (6  11.)  fSr  den  ich^n  Band  ist  lehr  mftfiig. 


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I>i(  Kl  U'  und  die  Erscheinungen  ihrer  Oberfläche  nach  E.  Ucclus 
vt>u  Dr.  Ottü  lile.  2.  Timg-carboitete  Auflag-e  v<m  Dr.  Willi  Ule.  Privat- 
docent  an  der  Universität  Halle.  Mit  zahlreichen  Buntdruck kaiten.  Voll- 
bildern uud  lextabbüdmigen.  XII  und  554  Seiten.  Braunfichweig,  Verlag 
▼on  Otto  Mle.  15  LIefernngeu  (=  1  Band)  &  60  Pf. 

Sch(  II  Ii  '  rr!te  Aos^be  üle's  war  ein  epochemachendes  Werk,  eine  sehr 
praktisch  aagelegte  physikalist^hc  Erdbeschroihuuff,  die  rcichlichns  Material  aus 
allen  Gebieten  di^er  Disciplin  zusaiuinenp:ctra^en  hatte,  so  dass  es  in  gleichem 
Maiv.  för  den  OeogispliMi  wie  für  de»  praktischen  Naturhistoriker,  speciell  fttr 
den  Geologen  ein  fast  unentb»  !irli  hvs  Handbuch  wurde  und  hhrr  m\rh  aller 
Orten  benutzt  und  auiwentttzt  wurde;  deuu  iu  sehr  klarer  Sehr«  ib^t i. sc  war  in 
demselben  eine  Fülle  <Mt  StofliM  enthalten,  welchen  man  souBt  erst  aug  vieleB 
Einzelwerkt  n  sii  h  sammeln  musste.  Doch  die  Zeit  und  mit  ihr  die  Wissen- 
schaft war  unaufhaltsam  fortgeschritten,  so  dass  manche  l'artieii  veraltet  er- 
MUflnen,  die  in  deoMÜbeD  magfMj^wÄaam  Theoüfea  mul  Folgeruigen  nicht 
mehr  mit  den  Ansichten  der  Gegenwart  ilbereinstimniten.  Es  war  daher  ein 
ebenso  nothwendiges  als  dankbares  Unternehmen  de^  Sohnes  des  ersten  V^- 
Hmm,  du  Weric  des  tetetenn  wnmarbeiteii  naä  dem  gegenwftitigea  Staad- 
l'iinkte  der  Wissenschaft  entsprechend  umzuirestalten,  Dasß  die  Pietät  den 
äohn  des  VeacGRseeie  beweg,  „den  Geist,  welcher  der  ersten  Autlage  innewohntef 
thuididist  m  eriultra",  Charakter  der  Sprache  mid  Gedankengang  naeh  Thun» 
liehkeit  zn  schonea,  ist  gewiss  nur  cum  Vortheile  der  Xeuauflatre.  Ist  dieselbe 
auch  gekürzt,  um  sie  wolfeiler  und  dadurch  zugänglicher  zn  machen,  so  ist 
der  Inh^l  doeh  gleich  reichhaltig  geblieben,  wie  aus  dem  Inhaltsverseichnisse 
sieh  ergibt.  Das  feste  Land  umfasst  die  (^apitel:  die  Erde  iüs  Planet,  die 
Oontinente,  die  Gewässer  der  Continente,  die  Gewalten  des  Erdinnem.  Im 
zweiten  Hauptabschnitte:  der  üccan  uud  die  Atmosphäre,  finden  sich  als  Ab- 
schnitte: der  Ocean  und  seine  Erscheinungen,  die  Atmosph&re  und  ihre  Er- 
Bchcinun^n.  Als  dritter  Hauptabschnitt  folgt:  das  Leben  auf  der  Krde, 
welcher  iu  die  zwei  Theile:  du  Pdauzen-  und  Thieriebea  der  Krde  und  der 
Mieiisch  zerfällt.  Die  Hohcschoitte  sind,  wol  der  billigen  Herstellung  wegen, 
zumeist  dieselben  geblieben,  doch  die  Karten  sind  bedentend  verbessert  neu 
hergestellt  worden.  Überhaupt  ist  das  ganxe  Werk  in  einer  mustergütigen 
Anwtattung  herausgegeben  und  wird  wie  die  erste  Anagnbe  in  vollkommen 
ffcrechtfertiijter  Weise-  viele  Freunde  und  Benutzer  finden.  C  R.  E. 
Der  Schmetterlingszüchter.  Lebens-  und  Entwicklnngsweise  unserer  ein- 
heimischen Schmetterlinge,  nebst  einer  Anleitung  zur  Schmetterlingszncht. 
Von  K.  a.  Lutz.  Mit  262  Abbildongeu  auf  15  Tafeln  in  feinem  Farben- 
draeke  imd  106  Tortffinvmtioiieii.  188  Seiten.  Stattgart,  Sfiddevtsohei 
Verlags-Institnt.  Preis  elegant  gebunden  5  IL 

Unter  den  Schniettcrliuffsbüchem  der  neueren  Zeit  steht  das  vorliegende 
in  erster  Linie,  deim  uiubt  uur  sind  die  Abbildungen  sehr  gelungen,  frisch  und 
naturgetreu  in  den  Farben  und  zart  in  den  ZeushauBgeo,  sondern  auch  der 
Text  ist  vollständig  ersehi'ipfend.  die  Besrhieibunifen  klar  und  deutlieh.  Vor 
all^  aber  ist  es  au  loben,  daas  der  VerfiBiSBer,  der  eben  ein  Freund  der  Natur 
nd  ihm  OeaohBpfe  ist,  nieht  sn  rinnleeei  Tftdten  der  SehmetlarUiige  aitf- 

PiBdvgqfiuib  M.  Jshif .  Heft  X.  46 


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—   686  — 


fordert,  sondem  in  der  Einleitung:  die  bocbbehersigeitKwerten  Worte  gebr&uciit: 
„Wer  gegen  Thiere  grausam  ist,  kann  kein  ^ter  Manch  sein.  Wer  wird 
auch  seine  Lieblinge  tödten!  Die  Schmetterlinj^e  exi.stiren  doch  nicht  blos  m 
unserem  Vergnügen.  Kennen  lernen  sollen  wir  sie,  theilnehmen  sollen  wir  an 
ihrem  Leid,  an  ihren  Freuden  —  avdi  dn  Thier  nreut  sich.  Darum  fort  mit 
dem  Schiiietterlingsnetz!  fort  mit  dem  Schmettorlinpfsfung!  Wir  treiben  Schmctter» 
lingszucbt!"  Allerdings  wird  auf  diese  Weise  die  Anschauung  am  besten  ge- 
fordert und  das  Herz  der  Jugend  nicht  Tcrh&rtet.  Und  muss,  um  eine  Samm- 
lung dieser  schönen  Thiere  zu  erhalten,  dennoch  auch  der  Tod  in  ihren  Reihen 
seine  Opfer  suchen,  fio  verrichte  er  sein  vernichtendes,  für  den  Sammler  aber 
conservircndcH  Handwerk  in  der  wenigst  schmerzhaften  Weise.  Es  streiten 
eben  diesbezüglich  zwei  Naturen  im  Menschen,  möge  die  menschlichere  den 
Sieg  daTontragen.  Entsprechend  der  Tendenz  die  Sehmetterlingszuoht  vor  d»-ni 
Fange  zu  empfehluu,  ist  überall  auf  die  Nuliningspftanzeii  der  Ilaupcu  iim- 
gmlMMu  Sdutde^  da^^s  nicht  auch  in  den  Abbildungen  dieser  Tendenz  Rech- 
nung getragen  ist.  und  nicht  die  Nahnmsrspflanzen  bei  allen  Eaup*'n  abs^ebildet 
erscheinen.  Allen  Lehrern  sei  dieses  vorzügliche  Buch  bestens  anempfohlen, 
welches  auSer  durch  den  gediegenen  Inhalt  durch  die  splendide  Ausstattoagf 
r«fbr  hübscher  Einband)  und  billigen  Preis  sich  auszeichnet.        C.  R.  R. 

Conra«!  Hi^de,  Die  Naturgeschichte  in  der  Volksschale.  Kritische 
Würdigung  der  Jange'schen  Methode.  Leipzig,  Verlag  von  Siegismimd  & 
Volkening.    32  S.    Preis  60  P£ 

In  der  periodischen  Zeitschrift  „Pädagogische  Sammelmappe"  veröffentlicht 
der  Verfasser  eine  Klarleffunp:  der  Principien  der  Jnnge'schen  Methode  und  tritt  in 
sehr  gediegener  und  überzeugender  Weise  flir  dieselbe  ein.  Wir  haben  seiner- 
zeit  an  dieser  Stelle  den  „Dorfteich"  gewürdigt,  die  Vorzfige  dieser  Methode 
gebärend  hervort^ehoben  und  nur  "Bedenken  ge&uBert,  ob  dieselbe  auch  in 
großen  Städten,  wo  mau  dio  Kinder  uicht  so  leicht  zur  unmittelbarea  An> 
schauung  der  Natur  und  der  Veränderungen  in  dnedlMB  bfingen  kann,  praktiMli 
durchfahrbar  sein  werde.  Der  Verfasser  geht  nun  sehr  energisch  ins  Zcng, 
führt  alle  Vorzüge  der  Methode  gegenüber  den  alten  Lehrweisen  der  Natur- 
geschichte an  und  kommt  zu  dem  Resultate,  da.ss  diese  LehrmetJiode  die  baite, 
Gemflth  und  Verstand  in  gleicher  Weise  bildende  sei,  was  wir  gern  unter- 
schreiben. Das  6chriftchen  ist  in  folsrende  Abschnitte  getheilt:  L  die  allgemeine 
geschichtliche  Bedeutung  der  Methode;  2.  das  Princip  und  aeiie  Bedeutung; 
3.  die  Durchführung  des  Principes;  4.  die  allgemeine  Ausgestaltung  der  Methode, 
und  5.  die  Zukunft  der  Methode.  —  Die  Vergliche,  welche  er  in  den  einzelnoi 
Abschnitten  mit  den  bisherigen  Lehrweisen ,  insbesondere  mit  der  LttbnMckea 
anführt,  sprechen  für  das  Princij»  .Tunf^e's,  und  um  die  Zukunft  darf  den  Ver- 
ehrern desselben  nicht  bange  sein,  nachdem  jetzt  schon  viele  Lehrbücher  nach 
den  Lebensgemeinsdiellea  abgefasst  sind  und  das  rein  Sjrstematimhe  mehr  «ad 
mehr  in  den  Hintergrund  tritt.  Es  wird  wol  noch  manchen  Kampf  kosten, 
bis  Junge  allgemein  als  Reformator  im  naturhistoriscbeB  Unterrichte  anerkannt 
vad  gewfljdigt  sein  wild,  eber  der  Ver&saer  hofft  dm  meh  dieier  Zeitpukt 
kommen  wird.  Er  kann  sich  jedenfalls  dag  Yadienst  audhnlben,  da5  Seine 
zum  Gelingen  beigetragen  zu  haben.  C.  R.  R. 

pr.  Max  Ebeliug,  Oberlehrer  an  der  4.  BealBchnle  in  Berlin^  Leitfaden 
der  Chemie  fttr  BealselialeiL  MH  225  Abbüdongen.  Berlin  1892, 
Weidmauiieto  Boidüiaiidliing.  Ym  und  167  B.   lYeii  2  X.  20  Fl 

In  einer  gedrängten  Form  sucht  dir  Verfasser  den  Lehrstoff  der  Chemie 
duzuBtellen,  um  mit  demselben  in  einem  Jahre  fertig  zu  werden.  Es  ati^ 
ana  dteaem  Gnade  maacbe  Blemente  ganz  ausgelassen,  aaden  aar  kam  er^ 
Hihnt,  dagegen  :-t  irnrn  i  in  «  ausführlichere  Behandlung  gewidmet,  welche 
fttn  praktische  Leben  eine  grüäere  Bedeutung  haben.  I^e  sonst  gewöhnlich 
am  Beginne  der  «ImBiMlieB  LeftfUn  atelnade  EfaMtung,  w^che  gewiae 
chemische  Begriffe  zus m  nifUHtellt ,  ist  hier  an  p  i-^  uden  Stellen  eingefügt, 
was  wir  nur  billigen  können.  In  der  Methode  üolgt  der  YfirfiMMtr  den  bewihi» 
testen  Faohmftnnen.  Übenül,  wo  es  passt,  aiad  £e  ttÜMvalogie  and  auk  die 


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—   687  — 


La^,^erungsverhiil' nisM  der  Erze  beriicksichtii^t  und  ist  den  praktischen  Ver- 
wendungen gebüxende  Aulmerkaamkeit  gewidmet.  Mit  einem  Worte,  das 
Werk  ist  als  Schulbuch  sehr  ^ut  angelegt  und  gewinnt  außerdem  duich  eine 

•  splendide  Ausstattung.    Die  delen,  anderen  gediegenen  Werken  entnommenen 
Abbttdagaa  antentatMiL  den  klar  gesdiziebeMn  Text  in  ansohanlichster  Weise. 

C.  IL  K. 

Diobter  im  dentteJieii  Sehvlliftiite.  Henugegeben  Ton  ZiegUr.  Biele- 
feld 1892,  Helmioli  (Anders).    382  a 

Stolz  kann  uns  Lehrer  erfüllen,  wenn  wir  sehen,  welche  stattliche  Zahl 
Poeten  aus  unserem  Berufe  hervorgegangen.  Lud  es  sind  nicht  einmal  alle 
saui^eskundigen  unter  den  lebenden  Lehrern,  die  ihr  Scherflein  zu  d  u  im 
Titel  ^f^nanntcn  Buche  lieijrr-f'^ncrt.  Bas  ist  nicht  der  alte  Kflstcr  aus  Urgroß- 
vaters Zeiten,  ein  ganz  auderer  Geist  ist*»,  der  aua  diesen  Blättern  spricht. 
Und  wie  formgewandt  ist  die  Spiache,  m  meiBteriich  die  Technik!  Bald 
crn^t  bnM  ht  i^nr  -  Hclialkhaft,  sinnig  und  humoristisch,  aber  auch  herbbitter 
klingen  die  Weisen  der  zumeist  jogeudliehen  Diohtez»obar,  die  ihr  Leid  und 
ihie  Freude,  Liebe  rar  Hebimt,  Stols  «nf  die  nationale  OiOBe,  Sdonudit 
nadi  der  Natur  verkünden.  Heute  noch  unbekannte,  aber  auch  schon  aller- 
iritats  genannte  Sänger  sind  unter  den  ÖO,  keiner,  der  nieht  in  eigenartiger 
Weite  sänge,  so  ibm  m  walnfidi  sdiwer  fiele,  dem  einen  tot  dem  «ndem  om 
Kranz  zu  reichen.  Was  eine  echte  Lehrerseele  besonders  erfreuen  mag,  das 
verschafft  ein  Blick  auf  die  Biographie  fast  jedes  eimselnen.  Durch  ^acht  zum 
Licht!  konnte  man  als  Motto  ihnen  voranstellen.  So  möge  denn  das  Büchlein 
seinen  Einivg  halten  in  unsere  Seminare,  in  das  Haus  des  Lehrers,  selbst  in 
dem  abgelegensten  Gebirgsdorfe.   Das  ist  der  Wunsch  des  Referenten.  W. 

Steiger,  Die  lyrische  Poesie  in  der  Schale.  Bern  1893,  Schmid,  Franke 
&  Comp.    233  S.    Preis  2  M.  50  Pf. 

Das  Buch  Steigers  erläutert  4()  lyrische  Gedichte  (darunter  8  Gedloiite 
H«'1>elsV  Die  weitaus  gn^ßere  Zahl  ist  in  jedes  Lesebuch  aufgenommen.  Die 
Erläuterung  gibt  die  Biographie  des  Dichters,  unter  dem  Titel  „Vorbereitung" 
eine  (mit  Absicht  etwas  breit  gehtütene)  Binfthruncr  in  die  Situation,  aus  der 
das  Gedicht  entstanden  iat,  eine  Gliederung  des  Inhalte,  wobei  sie  den  Ge- 
dankengang und  den  ILittelpunkt  heraushebt,  endlich  Verwandtes  und  hie  und 
da  eine  Ai^sabe  sor  eehriltlichen  Lösung.  Die  Oloeke  ist  beeonders  eingehend 
besprochen,  der  Vorgang  des  Glockengi'  l'i  illustrirt  ?n,f1  das  Gedicht  nach 
seinem  Qwige  durch  eine  schematieohe  Skizze  recht  lehrreich  dargestellt.  Fast 
noeh  wiehtiger  ab  die  Erlintenrag  dtnlct  uns  die  Binleltung  des  Bndies,  die 
sich  in  populärer  Weise  über  die  T^yrik  in  ilir> m  T^nterschicd  von  der  Epik, 
Uber  die  Tecbnik  derselben  n.  8.  w.  belehrend  und  klärend  auaspnoht.  Da 

*  ig|  wiildidi  in  der  Sohale  YffweadbaieB  gelwleii.  W. 
Fritsehe-AllM,  Lelir-  und  Latebieli  fUr  den  deutsclien  Geschieh ts-' 

Unterricht.    Ausgabe  B  für  Börger-  und  Mittekebnlen,   Halle  1892, 

Sehroedel.    248  S.    Preis  1  M.  50  Pf. 

Bis  zu  einer  gewissen  Grenze  hin  kann  sich  auch  die  Bürger-  und  Mittel- 
adiiile  der  Qiudlenleetttxe  im  QesebifllitnuiterdfllA  bedieMS.  Sie  ist  gezogen 
dureh  die  zur  Verfügung  stehende  Zeit  und  durch  die  Art  der  Quellen,  d.  h. 
ihre  größere  oder  genngeie  Anschaoliobkeit.  Ein  zu  viel  könnte  wirklich 
mehr  eohadea  als  lAtaen.  Sehroedels  Leeebneh  dflifte  das  Bedhte  getrolfett 
haben.  Es  sucht  den  Geschichtauutrnii  lit  .luüerdem  dadurch  zu  beleben,  das» 
es  neben  den  Quellen  im  eigentlichen  Öinue  ^stets  in  Obeiaetanng)  aaob  Dar- 
stellungen aus  der  Feder  eines  neueren  Sduilatellen  oder  Gediehte  histofisdieD 
Inhalts  bringt.  Das  Büchlein  sähe  der  Referent  am  liebsten,  wenn  auch  nicht 
gerade  als  Schulbuch  in  jeder  Schule,  SO  doeh  als  liesebucb  in  jeder  SchUler- 
bibliothek  des  Deutscheu  E^icbes.  W. 

ZuloiWi,  Oeieliiehtlielie  Sepetiiiensf ragen  und  Ansfüliriiniren. 

4  Tbeile.  2.  nmgearbdtete  Auflage.  Berlin  1892,  Nicolai  (R.  Stricker). 

Die  Repetitionsfragen  Zurbonsens,  die  T<ehib(icher  Widmnnns  und  Dahn.s 
sind  bis  jetzt  die  einzigen  Bücher,  die  im  Sinne  Jagers  mit  dem  geächiehUichen 

46* 


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—  688  — 


Lehrstoff  „operiren".  ihn  also  nacli  ncnm  Gesichtspunkten  abfmsren,  neue 
Ideenreihen  büdeu.   Küa  Wunder,  das^  Zurboaseos  i?' ragen  txmh  kuix^  Fxüi 
fohon  ehw     Auflage  erlebten.   Die  Auflage  ist  eine  Terbeeserte  nd  asfc- 
arbeitete.    Namentlich  Hind  die  vielen  Druckfehler  in  den  Zahlenan^sfaben  ge- 
tilgt. Manohe«  liefie  sich  noch  ▼erbeif«m.  So  koBBtea  eine  Anzahl  mnannf 
gehöriger  Fragen  radt  iaieilioh  dudi  eiMS  gen^HMiHn  Titel  ab  OoMi 
hozi;ichnet  werden      IV  13—21  odtt  ^—^o  im  T.  Thfil  .  Tn  der  Fraeo  I,  70 
fehlt  der  Hinwds  auf  den  asweiten  «ttischea  äedbund.  Ifzage  76  aoiUe  chroB»- 
loglMsli  georiset  Mte.  (Frage  1 ,  109  DnickftUer,  to  lidi  in  Frag«  IH,  61 
wiederholt.)  Frage  T.  lOH  fehlt  licr  Hennes  <lf  s  Praxiteles,  ein»  s  der  \vt  iiigen 
auf  uns  gekommenen  gnechiachen  Uriginalwcrke.  I,  162  fehlen  einige  Zahkn. 
Der  Raum  auf  Seite  99  lietfe  rieb  verwertea,  s.  B.  die  Binrichtung  des  griedd- 
sehen  Theaters,  di  s  irriechischen  Tempels  u,  .i.    In  Fnige  II,  .^4  ist  Hermann 
Ton  Salm  nicht  genannt,  IT,  54  wurde  Albrecht  abgesetzt    11,  75  Heinrich  VI. 
ein  Miuncäjänger?  II,  114  sind  Bupreeht  und  Ludwig  der  Bayer  nicht  Wittel»- 
bacher?  II,  136  ist  die-  einzige  Frage,  die  si(  h  mit  der  Lage  des  mittelalter- 
lichen Bauern  hcschättifrt.  IT,  149  Drix-kfuhier.  II,  290  fehlt  ..\Vien^  III.  54 
ist  der  Unlenicüicd  zwirfclien  Kubcu.s  und  Rembrandt  sehr  untenan  gegeben. 
Maiia  Theresia  ist  kaum  genannt.   III,  156  ist  die  Frage  mit  Bezug  auf 
Österreich  imri  -htig  beantwortet,  eh*  nso  HI,  207.    III,  210  ist  nicht  in  chn 
nologisclier  « iniuung  beantwortet  und  t:t>  fehlt  -   Sedan.   III,  224  ist  wieder 
einseitig  preufiisch  beantwortet.  Da  der  IV.  ThcU  amaschließlich  der  brandeo- 
bnrgiscb  pri  i;His( bell  (ie»rhiihte  irtwidinef  ist,  kannten  im  Tl.  und  III.  Theil 
eine  Anzahl  Fragen  aus  der  preuüitscbcu  Geschichte  durch  Fragen  aus  der 
deutschen  Territorialgeeoinelite,  alio  z.  B.  Bayern  betreffend,  oder  aut  d«r  aüa^ 
reichischen  rirschichte  ersetzt  werden.   Es  könnten  ja  solche  sein,  die  die 
prettßiscbe  oder  deutsche  Geechiehte  berühren.   Und  nun  zum  Schloss:  itöchte 
der  Ytatmu,  d«r  j»  eine  ledtt  hfllMeiie  LiteMtniMMlüdite  getehtMen  hat, 
niifct  anek  liternUrseaobielitUefae  Ba^tioaBnagtn  maaineaBMlanf 

W. 

Otto  Kiehter,  Üraudenburg-Preußens  Vorzeit.    HaimoTer  uod  Leipzig 
1892,  Oit  352  a  Prds  3  M. 

Auf  Grund  gediegener  Tlilt'sx  luiften  erzählt  Otto  Richter  in  leht  ndiger 
Weise  die  Geschichte  der  Mark  Brandenburg  bi>  zu  ihrem  Übergang  an  dss 
Haus  der  Hohenzollem  und  die  des  Herzogthum»  Preußen  bis  zu  dessen  Ver- 
einigung mit  der  Hurk.  Dort  steht  im  Mittelpunkt  Albrecht  der  Bär,  hier 
der  deutsche  Hrden  znr  Zeit  seiner  Rltlt' .  Die  Bilder  sollen  in  erster  Linie 
der  Belebung  de*  Gejichiebtaiiuterricbtes  und  der  rrivatlcctüro  der  SohiUer 
dienen.  Anerkennenswert  ist  es,  duss  Richter  die  ( 'ulturverhältnisse  i  ingijhind 
sehildert,  so  z.  T^.  den  Zuftnnd  der  Wenden  und  Preußen  vor  dem  Eindringen 
der  DeuLischeu,  die  Art  der  c^ilonisation,  da*  Leiten  iu  den  Colonien,  seien  es 
nun  Städte  oder  Dürfer,  die  Mis^ionsthätigkeit  der  Cistercienser,  die  inneren 
Zustände  des  deiit<cb(n  Ordens,  das  Leben  der  I^itter,  iasbeaODdero  det  Heclh 
meisters  auf  der  Marienbuxg  in  Friedenszeiten  u.  dgL  W. 
Evers,  Braiid6nbargiaeli''pr«iiJli8clie  Oeacbiohte  bin  tof  die  neveite 
Zeit.   Berlin  1892,  Winekeknaan  A  SOhae.  688  8.   Preis  7  V. 

Evers  Ic^t  dns  SchwcrcrrwHrhf  nuf  die  Darstellnnj?  der  neueren  preußischen 
Geschichte.  Die  sogenannte  Vorgeschichto  behandelt  er  kurz.  Sein  Bach,  frisek 
ge!4cimeben,  dflrfte  sldi  bald  etaen  Plate  in  den  SdriUeibiWetiMkai  enben; 
auch  dem  Lehrer  kann  di-'  einireheiid  und  doi  h  f!her<iehtlieh  und  populär  ge- 
haltene Darstellung  bei  »cinom  Vortrag  nützlich  sein.  Portiflts,  ScUaohtea- 
pläne  und  drei  Karten,  die  Preußens  territoriale  Entwi<^nBg  ledit  kicr  ▼aaa> 
achaulichen,  schmUcken  das  auch  sonst  gut  ausgestattete  Werk.  Wie  schon 
die  eingeschalteten  Schlachtenpläne  verrathen,  le^t  der  Verfasser  großen  Wert 
darauf,  nicht  blos  Ursache  und  Ergebnis  eines  Krieges  eingehend  zu  besprechen, 
aondem  auch  den  Verlauf  jeder  Schlacht  bis  in  die  Ywxhhimm  Phasen  liinein 
zu  verfolgen.  Auch  urkundliches  Materini  xicht  er  crem  heran.  Einzelne 
Armeebefehle,  z.  B.  bicgesdepescheu  u.  n.  w.,  »lud  mitgeüieiit,  ja  auch  ^Lropli«u 
Ton  Qadiebtan,  die  die  KriagB"  oder  8icg«atinimang  jnun  Anadnek  bringen» 


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I 


—   689  — 


sind  in  deu  Text  verwoben.  Die  Culturrerbältnisse  (j^eistige.  religiöse  Ent- 
wicklung, materielle  Cultur)  sind  gemeinsam  mit  denen  Deutschlands,  von 
denen  sie  sich  füglich  nidit  leieht  trennen  ließen,  als  gesonderte  Capitei  be- 
handelt, also  z.  B.  „Literatur,  Kunst  und  Wissenschaft,  Religion,  Kinhc  imd 
Volkshiidung  in  Deutschland  und  Preußen  während  der  Rcp:icninn:  Friedrich 
Wilhelms  III.,  während  der  Kegieruüg  Friediicli  Wilhclmü  IV.  '  u.  s.  vv.  Was 
an  dem  Buche,  abgesehen  Tom  MiBflm  frischen  Ton,  gefällt,  ist,  dass  Ober 
die  Könige  nirht  die  Männer  aus  dem  Volke  ?erß:iB.st,  die  jenen  als  Rather  im 
Frieden  uüU  im  Streit  zur  Seite  gestanden.  Austührliche  Biog^niphien  (auch 
mit  Porträts)  erzählen  von  deren  Schirksalcn.  und  Au^  I,^lhln  ,  Anekdoten 
cbarnkterisireii  sie  nach  ihrer  Eigenart.  Eine  wilikommeiie  Hei^abe  ist  endlich 
der  Aubaug.  In  lebensvollen  Bildern  treten  uns  einzelne  Soeueu,  die  sich  iu 
Berlin  in  fUnf  wichtigeD  Phasen  seiner  Entwicklung  abgespielt,  entgegen.  So 
schildert  z.  B.  das  zweite  Bild  den  Einzog  blMldenbvigiMte  Tiappw  m  BeiÜB 
7A\T  Zeit  Joachims  1.  lim  Jahre  läHS).  W. 

i^olaek,  Das  erste  üeschiclitabaclL   Mit  54  AbbildungaiL   0eta  1892, 
Hofiuannn.    Prein  75  Pf. 

Ein  eiiahrener  Scboimanii  stellt  hier  im  Sinne  der  kaiiseilichen  Wüuäctie 
«len  Oeschicbtaldmtoff  du  im  Aimdhlniw  u  die  Hetnurtvlnoido  ud  an^hend 

von  der  Gcprenwart.  rilckwärts  schreitend  zur  Verpaugenbeit.  Fflr  eine  prag- 
matische Behandlung  ist  dieser  Weg  (trots  einem  Mennaun  ürimm)  nicht 
der  geeignete,  d«r  tum  Ziel«  fUtrt,  wie  die  imtenioiiiineBeii  Venmehe  m  Oe* 
nüge  es  bereit«  dem  bewiesen  haben,  der  nicht  von  vornherein  an  du»  Mis» 
lij^en  eine«  aolchen  Pkoes  glauben  wollte.  Audent  stellt  «ich  die  Sache,  wenn 
ttuui  den  erste»  TTnterridit,  die  biographisebe  Methode  im  Auge  hat.  Dft  let 
eine  .sulcbe  Belnuidluag  der  (icsc'liiihte  nicht  geradewegs  zu  verwerfen,  beson- 
ders wenn  der  Erzähler  des  Vergangenen  an  Denkmäler,  Namen  u.  s.  w.,  die 
in  die  Gegenwart  herein  reichen,  anzuknüpfen  versteht  oder  anknüpfen  kann. 
Denn  letzteres  ist  in  manehcn  (Jrten  leichter  möglich,  an  anderen  schwerer, 
an  gar  vielen  ganz  unmöglich.  Man  denke  nnr  an  Dorfschnli-n!  Abbildungen 
thun  es  uickt.  rolark  geht  bei  der  Erzählung  der  preußij'chen  König.sges<diichte 
zumeist,  wenn  aueb  nicht  ausschließlich,  von  dem  aus,  was  ncn^h  heute  in 
Berlin  an  die  Könige  und  deren  Thaten  erinnert.  Dieser  Thcil  verdient  l)e- 
sondere«  Lob.  Der  .lugend  wird  die  preußische  Geschichte  erziiUIt,  greifbar 
entgegentreten.  Die  .^tilisirung  de.*^  Stoffes  ist  recht  einfach  und  kindUch  (bis 
auf  die  Eiidcitung.  die  zu  WilbeSm  TI  binüberleiten  soll).  Hie  und  da  ist  das 
Lob  etwas  übentcbwengiich,  die  LiebLor  sind  zu  grell  angetragen.  Gegenüber 
oianchem  gerade  in  jAngster  Zeit  erseUeneiun  LiritÜMlem  dar  Oeadudite  lässt 
Polaeks  Büchlein  weniir-t'  Tadel  erkennen,  wenn  es  ihn  aoch  nur  flftchtig 
streift j  einige  andere  Leiiiäden  glauben  erst  dann  patriotisch  2u  sein,  wenn 
sie  dii  WeibAvehfbai  recht  tttobtig  schwingen.  Dir.  Dr.  Jtnge  hat  In  aeiiiem 
Büchlein  „Der  Geschieh tsunt erriebt  auf  den  höheren  Schulen  nach  den  Lehr- 

Slftnen  vom  6.  Januar  1892"  (Berlin,  Yahlen)  mit  lobenswertem  Freimuth  die 
teile  beseieimet,  wo  dM  geflchehMi  wird  nm  —  schon  geschehen  ist  W. 

Hiibner-Juraschek,  Geographiseh-statistische  Tabellen  aller  Läuder 
der  Erde.   Ausgabe  1892|  FraakAirt,  Keller. 

Httbaeit  TsUbIb,  beraits  01  nil  aufgelegt,  sind  sn  betamit,  als  dasi  sie 

nocb  einer  eingebenden  Bespretduiug  im  „l'afdugogiuiu''  bedürften.  Erwähnt 
sei  blos,  dass  die  Ausgabe  1892  in  einem  bandlichen  Taschenformat  erschienen 
ist,  das  den  Gebrauch  dieses  Nachschlagewerkes,  weil  größere,  für  jedermann 
leicht  lesbare  Lettern  für  den  Druck  verwendet  und  einige  andere  typographisebe 
Neuerungen  xnm  Zwecke  einer  größeren  Übersichtlichkeit  eingefiihrt  wurden, 
ganz  bedeutend  ciieichtert.  Möchten  doch  die  Herren  Verfasser  der  geogra- 
phischen Leitfäden  neben  dem  Bichem,  die  ilinen  als  ^.Quellen"  dienen,  auch 
diesen  Tabellen  endlieh  ein  wenig  mehr  AufuiL-rksauikeit  ßcbeukeu.  So  sonderbar 
gerade  dieser  Wunsch  klingen  oiag,  nmu  kann  es  uus  glauben,  er  iät  nicht 
eluie  Omnd  gestallt.  -^t. 


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—  890  — 


TMMnan,  Schulgeographie  für  Mittelschalen  und  höhere  Mädcheii- 
lehnlen.  II.  Thoil.  Oberstufe.  Halle  1892,  Sohm.  d.  i.  Pr.'is  1  M.  4()Pf. 
Txonmau's  i>chuigeographie  fttr  die  Oberstufe  ist  ein  koismiu  gwrbeitetM 
BlAMii,  dai  dw  uibmm  tkkt  veditaiMli  behudett.  Bs  beraeksidti|t 
UlMWlie  und  Wirkung  und  gliedert  don  Stoff  na<h  i^ro^^^ruphisrhen  Indivi- 
dnalHlten  üiehe  z.  B.  die  Dantelliing  des  Deutsdieu  Keicbesj.  Was  uns  be- 
Müiden  gMkDeB,  ifnd  die  ttotea  Hiiw«iie  auf  41«  DevtMhen  und  Um  Ltge 
in  den  außerdoutschcn  Ländern,  ferner  die  Vcrg-Ieichungen  des  Areals  außer- 
deutftclier  L&nüer  mit  dem  deutscher  Provinzen  oder  des  Deutschen  Beiches. 
Wie  aiwriiMtidi  wild  dadmek  die  Oittle  s.  B.  Idnide,  wen  et  (&  125)  heilt: 
80  groß  als  Bayern,  WOrttembcrg  und  Ho-;.si'n  znsamniengenommen.  Der  ver- 
gleichenden Betnushtung  wird  Oberhaupt  in  Tromnau's  Buche  ein  großer  äjpid- 
mm  gttwihrt  Ihr  ten    «aeh  di«  nUnieheA  OheariehtHallda  nad  SUmi. 

W. 

Carl  Führer,  Lehret-  iu  Herisaa,  Praktische  Eupf-  und  Zifferrechnangs- 
attfgaben  fllr  FortbildingtichAlen.  2  Hefte  je  50  S.  40  PI  8t  GaOei, 
Tfawnlhrti^ 

Der  erste  Theil  enthält  die  Wiederholung  des  Rechnens  mit  ganzen  Zahka, 
Decimal-  und  gemeinen  Hrüchen,  der  zweite  Theil  die  einfacheren  der  bürger- 
lichen Bechnungäarben  nebst  Flächen-  und  Kaumberechnung.  Der  Verfasser 
lieft  noh  dabei  tob  dm  richtigen  Grundsatc  leiten,  daas  für  gewerbliclie  Fort« 
bildungsschulen  nur  ganz  einfache  Aufgaben  zweckmäßig  sind,  weil  von  deren 
ächiilem  alles  einigermaßen  theoretisch  verwickelte  entweder  gar  nicht  aufge- 
■ommen  oder  zum  mindesten  nicht  behalten  winL  Sbeaao  lintfg  ist  der  auf- 
gestellte  Grundsatz,  das  Kopfrechnen  zumeist  an  gemeinen,  das  schriftliche 
Bedinen  an  Decimfdbrttchen  zu  üben.  Wer  au  derlei  Schulen  unterrichtet  hat, 
weiB,  daai  dai  Istexean  der  SchlUer  eine  ihren  BernlUeben  eataenuaeM  Bia- 
kleiduug  der  Aufgaben  erheisrht ,  diese  lässt  sich  aber  nicht  mit  wünschens- 
werter Baschheit  wilhrend  der  Unterrichtsstunde  dem  (iedächtuisse  entnehmo. 
Da  idMr  dar  VeiAuBer  in  liehtiger  Würdigung  dea  BedarfSos  mit  MlUie  aad 
SoigiUt  auf  eine  handucrksmäßige  Einkleiduiier  seiner  Aufgaben  bedacht  war, 
ao  mdaian  wir  seine  Arbeit  als  eine  dankenswerte  bezeichnen  und  sie  für  die 
genaBBta  Stelb  auf  daa  beate  empUBhlen.  H.  & 

H.  L.  Mapins,  Seminar-Lehrer  zu  Wuiistoii.  Rechenaufgaben  über 
Arbeiter- Versicherungsgesetze.   Hanuüver,  Carl  Meyer.  24  S.  20  Pf. 

Der  Verfasser,  schon  längst  vortheilhaft  bekannt  als  Herausgeber  der 
Baeheid»IIAer  toh  Hever  and  anderer  LdubeheUbt  hat  dnieh  die  nodene 

Qaaetzgebung  in  socialer  Richtung  ein  neues  Feld  der  Th&tigkeit  gefunden. 
TVia  admn  Mber  der  Österreicher  Kopetskv,  so  find  dann  lUgnus  aich  ver- 
aalaait,  die  Paragraphe  dea  Rraakeacaaien-',  iMtllareiaiehennigB''  imd  Altaia- 
versorg^ngs-Gesetzes,  natürlich  jeder  d;is  seiner  Ilcinmt.  durch  Beispiele  zu  er- 
ULotern.  Der  Yerfasaer  nennt  seine  Arbeit  ein  Ergänsungsheft  zu  den 
Beehambtteharn  dar  Vdka*,  Uttel-  and  FortbüdungssdialeB,  «od  awar  mit 
Recht,  deiA  wenn  man  schon  vom  Rechenunterrichte  materielle  Bilduuc:  ver- 
langt, ao  iit  gewias  daa  Veraicherujmisweaen,  welches  ja  in  seiner  höheren 
BotwieUnng  niter  dem  Titel  der  polttlaoiiea  AiithmaCik  ▼oritoauat,  nnlehat 
geeignet,  in  den  Kreis  der  Betrachtung  gezogen  zu  werden.  Der  Verfasser 
behandelt  seinen  Stoff  in  Fragen  und  Antworten,  an  welche  sich  Terschiedeae 
Beohnnngsaufgaben  knflpfBn.  IMe  AntwoTtttB  Bind  aatfliHdi  dea  bezüglicbaa 
Gesetzen  unter  Anfiihrung  der  Paragraphe  entnommen:  an  manchen  Stellen 
lohien  uns  wol  eine  größere  Ausführlichkeit  wünschenswert,  welche  ohae 
Zweifel  mit  Bflcksicht  auf  den  Kostenpunkt  unterbU^.  iBUMahia  mftneB  wir 
daa  Vorliegende  al>  einen  hOchst  dankenswerten  Anfang  bezeichnen,  um  dia 
Wolthat  &g  socialen  Qesetm  dem  Vezständaiaie  der  grollen  Meage  nAher  aa 
bringea.  H.  BL 


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—   691  ^ 


A.  Patuschka,  Lehrer  in  Schmölln,  175  social-politische  Reehenani- 
^aben  über  Kraukeii-,  Uufalli-  und  AUeraTersioberniig.  Gdba, 

Behrend.    40  S,  50  Pf. 

Aut'GruDd  der  ffesetzUchco  Beätiinniuiii<on  und  mit  Zuküluu&iune  gzößexer 
Werke  statistiBchen  Inhalts  gelingt  es  dem  Verfasser,  ein  ebenso  umiaagfciciiea, 
als  in  den  Einzelheiten  gut  ausgeführtes  Bild  des  Versichemn^wesens  tn  ent- 
werfen. Er  Terkenut  auch  nicht  die  Noth wendigkeit,  mit  dieser  wolthätigcn 
Seite  der  G^aeCmelNiBg  die  8chttler  sehen  in  der  Volkssehule  vertraut  zu  machen. 
Seine  Erklärungrcn  sintl  rrrht  klar  un  l  fasslich,  die  durchzuführenden  Rech- 
UBogen  hinreichend  eini'acii,  6o  daäb  daei  Vorli^ende  als  ein  empfehleBSwerter 
LümMf  beseidunt  wcsdea  duub.  H.  B. 

F.  Seele,  Lehrer  In  Barliiiy  Aufgabensammlung  fiu  das  Beebnen  In 

Fortbildungssrhnlcn.  Berlin,  Ciunbacb.   1 16  S.   !:>  Vf. 

Im  Vorworte  wird  bemerkt,  daas  das  yorliegende  Buch  ein  Auszug  aus 
des  YerftMers  „poputtiem  Beobeulniohe**  ad.  Der  Ibhalt  umfinit  nebst  der 
Wicderholuny  des  Rechnens  mit  ^'emeinen  und  Decimalbrüchen:  die  'I)ürgor- 
lichen  Bechnungsarten,  Inhal tsberechnungen,  Quadrat-  UAd  Cnbikwnrzel  und 
sogenannte  algebraische  Anfigaben.  Zn  bemängeln  finden  wir  die  Angabe  Uber 
die  Berechnung  des  Inhaltes  eines  Fasses,  weU  dieselbe  nur  dann  richtig  Hein 
MTürdc,  wenn  der  Spnnd-  und  der  Eodcndurchmes^er  pinander  {gleich  wären, 
waa  doch  bekanntlich  gar  nie  btatthudct.  Es  gibt  dm  praktisch  hinreichend 
genaue  Formel,  welche  fettattet,  den  Inhalt  des  Fasses  als  eiaca  QfUnder  zu 
berechnen,  dessen  Purrhmesser  dem  arit  Inno  tischen  Mittel  von  jrwci  Spntid-  und 
einem  Bodendurcbmesser  gleichkommt.  Im  übrigen  erscheint  der  voiliogeude 
Lebfbebdf  lllr  Fortbilduncfsschnlen  recht  brauehbar  md  Tadieat  insbesonden 
wcgt'n  -f^infr  L-rn('.  n  Iteirlihaltiijkeit  beste  Empfehlung.  H.  E. 

K.  Schiele,  Ubeileiirt^r  in  Augsburg,  Praktische  Aufgaben  für  die  ein- 
fache Buchführung  für  Fortbildungsschulen,  ü.  Auflage.  Augsburg, 
Sehmld.  108  S.  1  K. 

Als  Inhalt  finden  wir  die  GeschäftsrotflUe  eines  Schreiner-,  Spengler-  und 
GlaspT-Oeschäftes  utif  je  zwei  Monate,  eines  Spilerp;esclniftes  auf  vier  Monate 
und  eines  Buelibinder-  und  Posamentier-GeHchäftes  auf  je  sechs  Monate;  es 
folgen  Erklärungen  und  Bemerkungen  11b«r  die  Führung  der  Bttcher,  dann 
über  den  Wechselvcrkehr  und  RrlÄuterunisfcn  von  Kunstausdrücken  der  Gewerbe. 
£s  ist  nicht  zu  verkennen,  das^  die  Erlernung  der  Buchführung  eine  größere 
Ansdehnnng  der  T^uchführnngsbeispiele  erforderlich  machen.  Wir  halten  daher 
das  vorliegende  Huch  nicht  nur  für  einen  braurhbaren,  sondf-rn  mn  h  für  einen 
höchst  erwünschten  Lehrbeheif  dieses  ünterricht«zweiges,  weiche  Ansicht  ja 
aveb  daiob  die  anwebidicbe  AnntU  der  Neoavflagea  blnmidiend  bestätigt  ninL 

H.  B. 


Nen  eraohienene  Bftoher. 

Proü  R.  Heidriüh|  Hilfsbucli  lur  den  Keligiousunterhcht  in  den  oberen 

Claaen.   BnUn,  Hdnee  Verlag.   248  S.   3  M. 
Prtt  Dr.  Felix  Stoerk,  Der  ataatabflrgeiliche  üntenriebt  Bede,  gehalten  a. 

d«  ünirersität  Greifswald.  Freiburg  in  Br.  nnd  Leipzig,  Mohr.  32  S.  1  H. 

dement  Nohl,  Wider  die  Uhlig'sche  Schrift:  Die  Einheitsschule  mit  latein- 
losem Unterbau.  Neuwied  und  Leipzig,  Heusers  Verlag.  iK)S.  1  M.  50  Pf. 

€.  nentze,  Anleitung  zur  Vorbereitung  auf  Homers  Odyssee.  Iii.  Bändchen. 
liCipzig,  B.  G.  Teubner.     III  S.  geb.  80  Pf. 

CnrI  Baapt,  LiTios-Cemmentar.  Leipzig,  B.  Q.  Tenbnar.  82  8.  eait,  40Ff 

Ernst  Sehlferi  Nepea-Tocabnlar.  Leipsigi  B.  GF.  Tenbner.  40  S.  eart 
40  Pf. 


L 


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602  — 


Wilb.  Karffiülomäns,  Dit  sohiiftliche  Ypikolir  des  Lehrerp  mit  seinen  Vor- 

geaetjcteii.  Bi'  lctVM.  Hi  lmirlts  H?;chhaiidiuiig,  150  S.  j^eb.  1  M.  7Ö  Pf, 
Dr.  M.  JftJui,  Hannciien  nmi       kuchlein  von  Eberbaid.    Für  dea  Sokol- 

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Franz  Jaeger,  Lehrgang  dei-  Steilschrift.    Leipzig  nnd  Berlin,  Julius  Klink- 

hardt.  Wien,  Manz'sche  k.  a.  k.  Hof- Verlags-  nnd  üiiiversit&tsbachhandlong. 
F.  Pelti,  D«r  Zelflbeiuiiiteitiiilit  in  dar  Vdki-  und  FortbadmigiKhiae.  Breda«, 

Franz  Goerlich.  4d  8.  60  Pf. 
A.  Sattler,  Schulinspector,  Leitfaden  der  Geometrie.    Für  Volks-,  Bürger- 
und Fortbildungsschnlcn  etc.  in  drei  Stnfen.  Zweite  und  dritte  Stnfe.  3.  Anfl. 

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und  Leipzig,  Leopold  Voss.    105  S.   1  M.  80  Pf. 
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Volksspieie,  Jalirbucli  des  Centraiausschusses  zur  F'"'rderuug  der  Jugrnd- 
und  Volksspiele  in  Deutschland.  IL  Jahrgang.  Kannuver-Linden,  Verlag 
von  liHv  db  IJange.   19S  S. 

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Louis  OcrtcK^i 

HANNOVER  i'^ 
Jß*tram9§f».  StiftH  tic    £ngros  Prtista. 


Über  den  seit  Jahren  bei  den  p.  t. 
Herren  Pädagogen  etc.  etc. 

wohlbekannten 

Holländischen  Tabak 

von  B.  Becker  in  Seesen  a.  Harz  hat 

der  Fabrikant  tausendfaches  Lob  erhalten 
und  sich  den  Besitz  der  Zuschriften  schon 
1885  und  dann  1892  notariell  bestätigen 
lassen.  Das  not.  Dokument  hat  die  Expe> 
ditlon  •ingeiehen.  (10  Pfd.  des  Tabaks 
lose  in  einem  Beutel  free.  8  Mark.) 

Ffir  30  Pf.  franco  liefert  Helmleh*« 
Verlag  in  Bielefeld :  „Ratfreber  f.  Leiter 
von  Volks-  und  Schalbibllotheken.*« 


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1.  138  ein»  unb  meljrftimmffle  SoIfSlieber. 
IL  48  ein«  u.  breiftimmige  Göoröle.  III.  Die 
Siturgie-  u.  IV.SRotertal  ^ur  9JotenI«nntnt*. 

herausgegeben  öon 

a,t\fctx  in  S^arlottenburg. 

2.  öetb.  unb  t)erm.  91ufl.  148  Seiten  8". 
wm-  19rrid  nr^.  50  ^f.,  geb.  60  Vf.  *«■ 

Die  Süllelieber  finb  auf  bie  3  Stufen 
berteilt  unb  jtoar  für  bie  Untet^ufe  ein- 
ftimmig:  für  bie  SÄittelftufe  finb  einftimmige 
Sieber  ju  totebec^olen  unb  na(^  ^ebürfnid 
bie  2.  Stimme  ^inju^ufügen,  toogegen  bie 
Cberftufe  öor;^ugön)eiie  ben  breiftimmigen 
(9efang  ju  pflegen  ^at. 

Der  augerorbentlic^  billtge^reiS 
bedSQd)Ieind,  lO^ogen 9{otetttl||iens 
ftf^  für  50  $f.,  toicb  beffen  (Einführung 
fielet  üielfac^  erleichtern! 

Wß^  @egen  (Sinfenbung  bed  ^traget 
in  SPriffmorfen  bin  id)  ju  franfiertcr  Übet» 
fenbung  bici'c^  neuen  Üii'berbud}C£S  gern  bereit 

©frlin,  W.  35. 

Julittd  Itlint^avM 

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tie\tS  ©uc^  fonn  für  ben  d)cmifd)'intnfrflloflii(^en  Unterricht  ol^  bo^nbrec^cnb  Be- 
zeichnet n>erben,  ba  in  i^ni,  idqi?  ''J^voj.  Dr.  ^renbt  ali  bad  einzig  9ti(h|j9^  tüc  biefrn 
Unterrid)t  empfiet)(t,  bie  il^erbinbung  jmifdjcn  (I()emie  unb  Mineralogie 
met^oOtfch  durdincfüdrt  tft,  n>&t)renb  bri  anberen  berartigen  SBerfen  birje  ^erbinbung 
jaft  nur  auf  bcm  Xttelblatte  fte^t.  (£s  btent  fomit  einer  Dernünftigen  i^on' 
Acntration  be«  Unterrichte  unb  fte^t  bat)er  ganj  auf  bcm  ^oben  ber  neueren  9)e« 
formbejlrebungen  im  naturfunblicben  Unterrichte.  Xaö  3Serf  ift  burchaud  an9  ber  '^raji* 
hert^orgegangen.  Cbgleich  bem  Inhalte  nach  roif  fenf chaf tlich,  ift  fein  Unterricht«* 
gang  elementar,  bie  Unterrid)tdf orm,  bie  ber  ^nbuftion.  Tie  aufgeführten, 
äufeerft  jatjircichfn  ^Jerfuche  finb  fämtlich  oon  bem  löerfaffer  burchprobiert 
roorben;  fie  finb  mcift  leicht  autä^führbar.  ber  Sinteitung  ift  nicht  nur  ber  Unter' 
richt^ang  fur^  bargriegt,  fc^nbem  ei  finb  i^\xq\exdj  eine  9(njal)l  praftijcher  fBinfe  für  bir 
^rfteQung  unb  Senu^^ung  Derfchiebener  ^Ipparatc  gegeben.  Xa^^  %BerT  ift  junächü  für 
Seminare  gefdirieben,  bod^  mirb  [id)  auch  anberen  h^h^^en  Schulen  mit  iBorteil 
t>emenben  loffcn,  ebenfo  bürfte  eS  manchem  t^olf^fchullehrer  eine  fchr  enoänfchte  ^pilfr 
bei  ber  Vorbereitung  für  feinen  Unterricht  fein. 

£eipM8  unb  Säerlin  W.  35.  guliu*  ÄHnf^atbt 


aSerlag  Don  ^uHttd  fllinffiarllt  in  l'cMisig. 

pic  etenxentaven  (^>run5fagen 

ber 

ÖJcmcinDcrftänblich  bargeftcüt  üon  Dr.  ilboff  ^of.  ^iÄ. 
^it  2  ^tcmftarlon  unb  mclir  ufo  80  ^ÄoCaftfinittm. 
Sortte,  forgföltig  hirdiirrrhtnt  nnb  Drnnrtirtr  ^nllagr. 
Pvti*  tirpfd}.  |H.  ^.40. 

Xai  'Sätxl  eignet  fich  foiuot)!  jum  3rlbftftnbium,  ali  auch  jum  (Gebrauch  in 
Schulen.   Xlie  erfte  Vluflage  bat  aQfeitiq  eine  fehr  günftige  üHufnahme  gefunben. 

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Paedagogium. 


Mouatsschrift 

für 

Erziehung  und  Unterricht. 

Herausgegeben 

unter  Mitwirkung  hervorragender  Paedagogen 

Ton 


IT,  iüSBUß 
IL  Heft,  Aug'dst  1893. 


'  Leipzig. 

Verlag  von  .Julius  KHukhartit 


Ji 


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Inhalt  des  11.  Heftes. 


Sott* 

Die  Stellung  der  Lehrer  m  ibxei  fachwissenscbalt.   Von  Otto  Fiedler- 

Hirechberg  i.  öchL  G93 

Bm  BMhnen  un  «ntak  Sehi4jahr.  Von  Bector  L,  Holimsaii-Bflilia  ...  701 
Dm  Tanai  ia  der  tistflneieliiachen  ToDnMoliiiK  Yen  C.  SobSler-Amstettm  710 
Die  pUagogüNlieB  Aosiditeii  DostcQ'emdd's,  Oogleieimortna:  von  A.  Nen- 

feld-Chortitza   717 

Pidagogische  Euudschau.  I.  luteruationaler  Samariter-Cougress. —  Geselläciiaft 
für  Verbreitung  von  Volkäbiidung.  —  Aus  Wilrttemberg.  —  Aus  dem 
Giofiheizogtiiiim  Baden.  —  Aus  Sachten.  —  Ans  Dresden.  —  Ans 

Stiatbiiig  L  B.  —  Am  der  Sobweis  721 

 748 

 188 


AbeiuieiiiMti- Preis  pro  Quartal  M.  126, 


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Ale  SteUnig  4er  Lehrer  Jin  ihrer  Faekwieeeuehafl. 

Von  Otto  IPiedter-Rir^ihag  i.  Schi. 

ISaebfolge&de  Br&rtenmgfln  lesen  keine  akedemisehe  Preia&ege, 
sondem  Mandeln  einen  Gegenstand  von  weitveiehender  pnktladier 
Bedevtang'.  Welche  SteUnngr  zer  WiMueliaft  der  Fftdagogik  mese 
der  Lehrer  eumebmen,  der  berufen  ist,  rmüsc  den  bestehenden  Schnl- 
emrichtongen  die  Jugend  zu  bilden? 

Das  Verbftltois  des  Lehrers  zu  seiner  Jachwissensdtaft  ist  nicht 
gern  so,  wie  etwa  das  des  Mathematikers  anr  Katheoatik  oder  des 
Astronomen  siir  Astronomie^  Es  gleicht  mehr  dem  des  BSehters  znr 
BeehtswissQASdiaft;  denn  wie  dieseri  übt  auch  der  Lehrer  seine  Thl^ 
tigkeit  im  Auftrage  des  Staates  ans  and  hat  sie  so  ansmftben»  wie 
der  Staat  es  vorschreibt  Lehrer  und  Bichter  sind  nicht  freie' Diener 
ihrer  l^^Hssensehaft^  Der  Staat  bestimmt  die  Anwendmig  der  Besaitete 
pSdagogiseher  Forschang  aach  Hafigahe  des  Zweckee,  den  an  erreichen 
ihm  gerade  nothwendig  erscheint,  und  der  Lehrer  wird  mit  der  Ans- 
fuhrung  dieser  Bestimmungen  betrant  Unterrichtszeit  und  Unterriehts- 
ziel,  im  allgemeinen  sowol  wie  im  besonderen  der  einzelnen  Unterrichts- 
fächer, ündet  er  in  grundlegenden  Bestimmungen  vorgeschrieben.  Dazu 
erlassen  die  einzehien  Zweige  der  Unterrichtsverwahung  noch  Aus- 
lülii  ungsan Weisungen,  lu  all  diesen  Gesetzen  und  Verordnungen  steckt 
eine  Siunme  pädagogischer  Ideen,  mit  denen  der  Lehrer  praktisch  sich 
nicht  mehr  auseinander  zu  setzen  liai.  Inwieweit  aber  eine  theore- 
tische Beschäftigung  mit  diesen  Fragen  wünschenswert,  ja  sogar  noth- 
wendig ist,  wird  sich  weiterhin  vou  selbst  ergeben. 

In  seiner  eigentlichen  Berufethätigkeit  ist  der  Lehier  ausführen- 
der Ikainter.  Dazu  wird  er  vom  Staate  vorbereitet,  und  zwar  ge- 
scliielit  diese  Vorbereitung  durch  Einführung  in  seine  Fachwissenschaft, 
dif  Pädagogik.  Mit  dieser  Stellnng  des  Tyclirers  als  ausführenden 
BeamLeu  ist  es  nun  eine  eigenthiiniliclie  Saciie.  Vergleichen  wir  jseine 
Thätigkeit  mit  der  mancher  andern  ausführenden  Beamten,  so  linden 
wii*  wesentlich  Unterschiedliches.  Der  Postbeamte  handelt  nach  seiner 
Instruction,  der  Zollbeamte  befragt  den  Tarif,  and  der  Eisenbahu- 

PaNbcoginm.  16.  J«hzg.  Heft  ZI.  47 


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—  694  — 

beamte  richtet  sich  nach  dem  Reglement.  Ihre  ausfülirlichen  Dieast- 
vorschi'iften  lassen  keinen  vorauszuberechnenden  Kinzelfall  der  Praxis 
a^ßer  acht.  In  der  Berufsthätigkeit  der  Lehi'er  ist  das  andei-s.  Hier 
findet  eine  Einwirkung  auf  lebendige  Wesen  statt,  deren  jedes  eine 
Einzelerscheinung  ist  mit  selbstständigem  Willen  und  nur  ihm  eignen- 
den Eigenthümlichkeiten.  Jedes  Kind  ist  gewissermaßen  eine  neue 
Welt,  und  vollkommen  unberechenbar  sind  die  Verhältnisse,  mit  denen 
ein  Lehrer  es  zu  thun  haben  kann.  Bei  solcher  Verschiedenheit  nun, 
UQter  solch  wechselnden  Erscheinungen  soll  den  Bestimmungen  des 
Staates  über  Jugendbildung  nachgekommen  werden.  Es  liegt  auf  der 
Hand,  dass  das  Studium  von  Instructionen,  der  ausführlichste  Erlass 
von  Vorschriften  den  Lehrer  nimmermehr  in  Stand  setzen  kann,  das 
vollkommen  zu  leisten,  uras  von  ihm  verlangt  wird.  Des  Lehrei's 
Thätigkeit  ist  eben  keine  subalterne,  und  obwohl  Beamter,  passt  er 
doch  nicht  in  die  Rangordnung  anderer  Beamtenclassen,  weil  seine 
Arbeit  eine  ganz  eigenartige  ist.  Äußerlich  können  wir  wol  eine 
Gleichstellung  mit  den  Subaltembeamten  erstreben,  im  innem  Dienst- 
verhältnis darf  sie  nicht  Platz  greifen,  wenn  die  Jngandbüdiuig  in 
der  Schule  nicht  schwer  geschädigt  werden  soll. 

Ursprttnglich  hat  man  sich  die  Thätigkeit  eines  Lehrers  freilich 
nicht  anders  gedacht,  als  dass  sie  eine  bloße  Mittheilung  von  Wissens- 
stoff sei  und  eine  Nöthigung,  diesen  Stoff  durch  das  Gedächtnis  dem 
Geiste  einzuverleiben.  Der  Wert  des  Schulunterrichts  wurde  damals 
im  Wissen  gesehen,  nicht  im  KOiuien.  Dem  bloßen  Wissen  wurde  die 
Kraft  zugeschrieben,  den  Menschen  zu  veredeln  und  sein  Geistesleben 
auf  eine  höhere  Stufe  zu  stellen.  Ein  Stofi^ebiet  sollte  in  möglichster 
Vollständigkeit  zur  Aneignung  gelangen.  Weniger  aus  dem  Wesen 
der  Kindesseele  heraus  wurde  das  Was  des  UnteiTichts  bestimmt,  als 
aus  den  Forderungen,  welche  Kirche  und  bürgerliche  Geaellftchaft  an 
ihre  Glieder  richteten.  Wenn  es  auch  nicht  ausgesprochen  wurde,  so 
verlangte  man  damit,  dass  der  kindliche  Geist  sich  einem  bestimmten 
Wissensgebiete  anpasse,  von  dessen  Beherrschung  man  sich  einen 
greifbaren  Nutzen  versprach  und  nicht,  ine  es  doch  naturgemäß  ist, 
dass  der  Unterrichtsstoff  auf  die  seelische  Yer£M»nng  des  Kindes 
Bftcksicht  nehme. 

Die  Maßnahmen,  den  Unterrichtsstoff  dem  Geiste  des  Schülers  m 
eigen  zu  machen,  gründeten  sich  ebenfalls  nicht  auf  eine  rationelle 
Kenntnis  der  Kindesnatur.  Durch  die  Praxis  hatte  sich  eine  Menge 
Handgi-iffe  herausgebildet,  die  Ton  Geschlecht  zu  Geschlecht  erbte. 
Viele  derselben  ruhten  gewiss  auf  tiefgründiger  Beobachtnng.  Das 


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—  695  — 


Genie  irittt  überall  instinctiv  das  Richtige.  Ebenso  häufige  wird  aber 
aucli  Halbwalires  oder  gfur  Falsches  in  die  Methodik  übergegangen 
sein,  das  nicht  leicht  als  solches  erkannt  werden  konnte,  weil  einer- 
seits die  Wissenschaft  der  Psychologie  noch  tief  in  den  Windeln  lag, 
andererseits  ihre  bereits  feststehenden  Resultate  noch  keine  allgemeine 
Anwendimg  auf  die  Schnlpraxis  gefunden  hatten.  Mdgen  anch  einzelne 
henrcmgende  Pädagogen  hierin  mne  Ausnahme  gemacht  haben,  die 
groAe  Mehrzahl  der  Lehrer  —  und  davon  ist  hier  nur  die  Rede  — 
mur  handwerksmäßig  auf  ihren  Beruf  vorbereitet  worden  und  übte 
ihn  auch  handwerksmäßig  aus.  Es  liegt  mir  natürlich  fem,  ihnen 
Begeistemng  für  ihre  Thätigkeit  «bmprechen  md  ein  ideales  Streben 
nach  YervoUkonmnung  bei  ihnen  sn  Terneinen.  Handwerksm&ftig 
bedeutet  hier  nicht  gleichgiltig,  interesselos,  sondern  will  sagen:  das 
specieU  Technische  der  Lebrerthätigkeit  £uid  nicht  seine  Zurückfüh- 
mng  anf  die  wissensohafUiche  Qnmdlage.  Bs  trat  eben  als  Handgriff 
auf»  bei  dessen  Anwendung  die  Frage  UxiriMissig  ist:  „Wanun  wird 
es  so  gemacht?«  Für  die  Zweckmftftiglceit  des  Haadgriffea  btttgte  dte 
Antoiität  eines  angesehenen  Pftdagogen.  Antoiitätsglänbe  wohnt  aber 
nie  mit  kiitiscliea  Bigenschaftea  aosammen.  Wo  er  aosseUiefilidi 
herrscht,  ist  ans  den  ansgefahrenen  Oekisen  nicht  heranssakommen. 
Der  Zweifel  ist  noch  stets  die  Hntter  des  Fortschritts  gewesen. 
Selbst  Ms  in  die  Gegenwart  Unem  whrft  diese  Auffassung  Tom  Ver- 
hiltnis  des  Lehrers  xn  seiner  Fachwiwenschalt  ihre  Schatten.  Wir 
haben  noch  Schnlkanden,  die  kaum  etwas  anderes  sind,  als  unwissen- 
MhaftUebe  Anweisungen  zu  unterrichten,  yerbunden  mit  Lehrproben- 
Sammlungen.  Was  von  den  pftdagogisehen  HüfiBwissenschafteUt  wie 
Psychologie,  Physiologie,  Ethik  in  ihnen  Plata  geflmden  hat,  sind 
mehr  oder  minder  fragwürdige  Bmchstttcke,  die  den  Terschiedensten 
Autoren  entstammen.  JBüu  einheitliches  System  fehlt  ihnen.  Dazu 
wird  selten  die  Brttcke  von  der  Theorie  sur  Praxis  geschlagen.  Die 
theoretischen  Brttrterungen  stdien  fttr  sich,  und  der  Teil,  welcher  von 
der  praktischen  Pädagogik  handdt,  ist  eben  eme  Instruction,  ein 
Reglement,  eine  AusfÜhrungsanweisung,  oder  wie  man  es  sonst  nennen 
will  Trotz  seiner  Dickldbigkeit  wird  er  nie  umfassend,  nie  durch- 
greifend sein,  weil  das  bei  den  nie  voraussasehenden  Angelegenheiten, 
die  er  regeln  will,  und  zwar  bis  ins  Kleinste,  eine  absolute  Unmöglich- 
keit ist.  Von  dem  stark  scJioiastiscbeu  Heigeschmack  mancher  noch 
heute  im  Gebraiicli  l>efindlichen  piidagfos^schen  Lehrbiicher  will  ich  erst 
gar  niclit  reden.  Auf  demselben  uuii  uchtbareu  Grunde,  dem  derartige 

Schulkuudeu  entätauaueu,  wachsen  auch  viele  Leitfäden,  methodische 

47* 


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—   696  — 


Anweisungen,  Entwürfe  zu  Lehrproben  und  Lehrprobensammlungen. 
Statt  die  Selbstthätigkeit  des  Lehrers  zu  wecken,  ihn  zur  Selbst- 
forscbung^  anzuregen,  verleiten  sie  zu  bequemer,  gedHiikenioser  Nach- 
tretei*ei  und  vernichten  das  Wertvollste  im  Unterricht:  die  Personlich- 
keil des  Lehrers.  Nui'  so  ist  es  deiikbai',  dass  noch  ein  jrelehrter 
dogmatischer,  spitzfindiger  Katechismnsunterricht  getrieben  wird,  dass 
man  den  Volksschüler  noch  mit  {grammatischer  Gelehrsamkeit  und  auf 
einer  Stnfe  mit  Anfsatztibuugeu  quält,  wo  seiu  Sprachschatz  nocli  ^iel 
zu  klein  und  die  Fähigkeit^  seelische  Vorgänge  durch  die  Sprache 
klar  auszudrücken,  noch  gar  zu  wenig  entwickelt  ist.  Erst  die  letzten 
.lahre  haben  uns  Vereinfachungen  im  Rechenunterricht  gebracht,  wäh- 
rend früher  nur  auf  eine  gewisse  Vollständigkeit  des  Stoffes  in  diesem 
Unterrichtsgegenstande  gesehen  wurde,  liud  Junge  mit  sdner  Schrüt 
„der  Dorfteich",  welche  aut  klare  Einsicht  in  das  Wesen  der  Lebens- 
gemeinschaften der  Naturobjecte  und  psychologischen  Tiefblick  sich 
gründet,  ist  in  der  That  eine  „jun!;^e''  Erscheinung. 

Was  auf  dem  Eelde  der  Pädagogik  heutzutage  geleistet  wird,  ist 
wesentlich  kntisch.  Gestüt/.i  aui  die  Forschungen  der  Psyc^iologie, 
die  immer  allgemeinere  Verbreitung  linden,  beginnt  man,  sich  mit  den 
bisher  giltigen  Überlieterungen  auseinanderzusetzen.  Vieles  schon 
immer  Geübte  erweist  sich  auch  bei  genauer  wissenschaftlicher  Prü- 
fung als  richtig.  Anderes  besteht  diese  Probe  nicht  unii  mi]<>  voll- 
ständig laileii  gelassen  oder  abgeändert  werden.  Die  Herrscliau  des 
bloßen  HandgriÖes  aber  ist  vorüber.  Die  Kenntnis  des  Verfahrens 
genügt  für  den  Lehrer  nicht  mehr,  es  muss  die  Einsicht  in  das  Ver- 
fahren dazukommen.  Denn  bei  der  unendlich  vielseitigen  Thätigkeii, 
welche  das  Geschäft  der  MenschenbiJdung  ausmacht,  kann  der  Lehrer 
sich  keineswegs  mit  einer  nur  einigermaßen  genügenden  Anzahl  von 
Recepten  und  Vorschriften  versehen,  und  an  einem  lebendigen  Orga- 
nismus verliert  der  mechanische  Handgrift'  überhaupt  leicht  seine  Kraft 
Die  Schule  ist  eben  im  Laufe  der  Zeit  eine  andere  geworden,  AulJer 
Übeimittelung  einer  bestimmten  Menge  von  Wissensstoff  verlangt  man 
von  ihr  vor  allem  naturgemäße  Fürdei'ung  der  Entwickelnng  des 
Menschen.  Es  ist  das  große  Verdienst  Pestalozzis,  dieses  Bilduugs- 
princip  aufgestellt  zu  haben:  „Aller  Unterricht  des  Menschen  ist 
nichts  anderes,  als  die  Kunst,  dem  Haschen  der  Xaiui  uacli  ihrer 
eigenen  Entwickelnng  Handbietnng  zu  thun."  Damit  setzt  er  den 
Zweck  der  Bildung  in  den  Menschen  selbst  und  uberholt  so  alle  seine 
Vorgänger,  welche  dui'chweg  in  planer  Nützlichkeit  den  Zweck  er- 
zieherischer Thätigkeit  sahen.  Ein  höheres  Princip  als  das  Pestalozzi'^ 


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—  697  — 


ist  nicht  zu  denken,  veil  es  das  einzig  natiu'gemäße  ist.  Förderung 
der  KntwickeluDg  des  Mensclieu,  K?-afrbiklung  wird  es  lauten  für  alle 
Zeit.  Freilich  findet  eine  Entwickelung  d^s  ^^ensplle^  aueli  obue  Ein- 
wirkung der  »Scliule  statt;  aber  sie  ist  dnnu  dem  blolJen  Zufall  aniieim- 
gegebau-  Planmäßige  B^irderung  der  Kutwickeliin?  ist  UTiclf^irb  wert- 
voller. Diese  aber  darf  sich  unmüglich  auf  bloße  ErfalirungstUatsaciien 
gründen  und  auf  ein  dunkles  Gefühl  für  das  gerade  Passende,  Ihre 
Hichere  Grundlage  lindet  sie  nur  in  durchgreifender  Kenntnis  der 
menschlichen  Seele  und  ihrer  Lebensäußemngen.  Verharrt  die  Lehrer- 
büdang  auf  der  Mittheilnng  des  Handgriffes,  zeigt  sie  blos,  wie  etwas 
gemacht  wird  ud  nicht  auch  überall  warum,  dann  stimmt  sie  nicht 
mit  den  Ford^nngen  überein,  welche  an  die  Thätigkeit  eines  Jugend- 
bildners gwtellt  werden,  und  dieser  Zwiespalt  wird  in  der  Praxis  zur 
Lelurerbildiingsfrage.  £s  ist  also  keineswegs  Hochmath  d^  Lehrer, 
wenn  sie  eine  Umgestaltung  ihrer  Ausbildung  TeitaDgeil,  nicht  die 
Hoffnung,  eine  bessere  sociale  Stellung  dadurch  ZU  erringen»  sondern 
lediglkb  die  Empfindung  des  Nichtübereinstlmmens  der  Bernftbildttag 
mit  der  geforderten  Beru&thätigkeit,  und  diese  Fardermg  einer  Mit- 
gemftfien  Umfonniing  dar  Bem&bildong  wurselt  in  einem  IdeaUsmos 
über  den  sich  zu  fienen  man  alle  Ursache  haben  sollte.  ICan  glaube 
doch  Ja  nieht^  dass  eine  tiefere  wiswBaoluiftliohe  Bildoag»  Tor  allem  in 
P»yehologie  und  Ethik,  den  Lelurer  seiner  eigentUchen  Angabe  ent- 
fremden und  ihn  an  einem  grObelnden,  nnfimchtbaren  G^elehrten  maehen 
Wirde.  Das  Gespenst  des  Dor^dulosophen,  der  in  den  Schnlstuiden 
seoikend  der  aciiweren  Arbeit  der  Jigendbildnng  nachgebt  nnd  sich 
intigeheim  schon  anf  die  fihrige  Zeit  des  Tiiges  ftent,  wo  er  in  dicken 
Folianten  »Jagd  auf  Motten"  machen  wird,  schreckt  einsiehtsvolle 
Männer  nicht  mehr.  Je  scharfBicfatiger  der  Lehrer  ftr  seinen  Beruf 
gemaeht  wird,  desto  mehr  Interesse  wird  er  an  ihm  haben.  Von  der 
Ttetmtthle  ewig  gleicher,  einf5rmiger  Arbeit  spricht  nor  der,  der  im 
Handgrilfo  seine  Kraft  mMptt  Wer  grOndlich  in  das  Stodinm  der 
Menscbennatttr  dngeftthrt  ist  nnd  dnroh  dasselbe  den  Schlfissel  zur 
Kindesaeele  besitati  findet  immer  Nenes  und  Intereesantes.  Katar 
ist  nirgends  einförmig.  Ihr  Farben*  nnd  Oestaltweichthnm  neigt 
sieh  nkht  nur  in  der  malerischm  Bergwelt,  sondern  aneh  anf  der 
scheinbar  5den  Hdde^  hier  fireUieh  nor  dem  Auge,  das  sehen  gelernt 
hat  Sehend  in  der  Welt  des  Geistes  aber  werden  wir  dnreh  mög- 
lichst grttndUches  theoretisobes  Stndinm  der  Faychologie  nnd  dnrch 
sorgfältiges  Beobachten  eigener  nnd  fiwmder  Sedenregungen.  Wieso 
das  aber  dnen  Pidagogen  von  seiner  mühsamen  Kleinarbeit  abziehen 


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—   608  — 


soU,  begreife  ich  nicht.  Eher  meine  ick,  nun  müsste  ei*  erst  eine 
rechte  Freude  an  seiner  praktischen  Thätigkeit  gewinnen.  Soll  dann 
aber  noch  etwas  Vorbeugendes  geschehen,  so  weise  man  doch  den 
angehenden  Lehrer  darauf  hin,  dass  Wissenschaft  ohne  Anweiuian- 
auf  das  Leben  todt  ist  Soviel  gesunder  Sinn  wird  gewiss  in  eiuein 
jungen  Manne  stecken,  dass  er  das  einsieht,  und  dann  muss  ja  die 
Unterweisung,  welche  er  in  Vorbereitung  auf  sein  Amt  empfangt, 
sowieso  Theorie  und  Praxis  auf  das  engste  verbinden.  Denn  man 
verstehe  mich  nur  nicht  falsch.  Ich  rede  keinen  einseitigen  theore- 
tisclien  Studien  das  Wort  Die  praktische  Übung  soll  voUkoinineu 
und  redit  ausgiebig  zu  ihrem  Rechte  gelangen;  aber  Geist,  Seele  kann 
sie  nur  durch  ei-stere  empfangen.  Pädagogik  i.st  kein  Handwerk, 
sondern  eiue  Wissenschaft  und  ihre  Ausübung:  Kunst.  Dem  Lehrer 
als  ausführendem  Organ  darf  man  darum  ihre  Geheimnisse  nicht 
vorentiialten  und  ihn  nicht  blos  auf  den  Handgrift'  verwei.^eu.  Es  igt 
auch  wirklich  nicht  gefährlich,  wenn  der  Lehrer  rechten  Einblick  iu 
das  System  der  Erziehimg  und  klaren  Ubei*blick  über  die  zu  treileu- 
den  ^laßnahmen  zur  l^  örderung  der  Jugendbiidung  besitzt.  Er  wird 
dadurch  kein  Krittler  und  Nörgler  wei-den,  der  an  jeder  Verfßguiig 
der  vorgesetzten  Behörden  mäkelt  Im  Gegentheil.  Die  Starrköpfigsten 
und  Unfehlbaren  sind  die,  welche  auf  eine  bestimmte  Formel  geaicht 
sind.  Der  Einsichtigste  und  Weitblickendste  ist  immer  der  I)uid^amste. 
Und  gestehen  wir's  nur:  ein  wenig  mehr  Toleranz  in  Fragen  der 
Jugendbiidung  thut  uns  noth.  Ein  so  exactes  Studium  wie  Malheuktak 
iiit  das  Studium  der  Menschenseele  ja  doch  nicht.  Jeder  beobachtet 
ein  wenig  anders  als  die  andern;  aber  Syste-ni  muss  in  der  i'iidagogik 
eines  jeden  liegen.  Sie  darf  keine  Alusterkaite  ailei*  müglicheu  An- 
schauungen sein. 

Pädagogik  ist  angewandte  Psychologie  oder  besser  Menschenkunde; 
denn  die  Kenntnis  des  Leibes  und  seiner  Lebeusäußn  iiii;;tJii  ist  fÖr 
den  Lehrer  ebenso  noth  wendig,  wie  Einsicht  in  die  seelische  Thätig- 
keit. Jeder  Lehrer  muss  diese  Anwendung  erlangter  Menschenkunde 
Felbstihätig  für  sich  schallen.  Die  Schüler  sind  nicht  alle  gleich  zu 
behandeln,  sondern  als  Individualitäten,  die  sie  sind,  individuell.  Jeder 
Mensch  hat  seinen  iliui  eigenthümlichen  Seeleninhuii,  dt  i  /ti  dem.  was 
neu  an  ihn  herangebracht  wird,  sich  auch  ebenso  eigenihiiinlitii  ver- 
hält, was  wieder  naturgemäß  einen  besonderen  iiaudgiili  u<»iliig  machi', 
wenn  der  Lehrer  die  Verbindung  des  Neuen  mit  dem  bereits  Vor- 
handenen fordern  oder  —  manchmal  —  gar  erst  möglich  machen  will. 
Der  rechte  HaudgriH  ergibt  sich  aus  klaier  Erkeuntuis  der  Sachlage 


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von  selbst,  womit  jedoch  keineswegs  gesagt  sein  soll,  dass  eine  Ge- 
wöhnung in  ihm  etwas  zu  Verachtendes  wfire.  Eine  ge'ÄÜsse  Routine 
muss  der  Lehrer  haben,  und  erwii'bt  er  sich  durch  längere  Praxis  aucli. 
Aber  —  und  darauf  kommt  es  an  —  er  darf  in  der  Routine  nicht 
yerknöcbem,  sondern  moss.  jederzeit  die  Verbindung  mit  der  been- 
denden Wissenschaft  herstellen  können,  die  wieder  ihre  Kritik  in  d6ii 
ans  unmittelbarer  Beobachtung  sich  ergebenden  Thatsachen  findet. 

Es  ist  ein  hohes  Ziel,  das  der  Lehrerbildung  geetedct  ist,  die 
durchaus  nicht  mit  den  staatlich  angeordneten  Prüfungen  AteeUieftt. 
In  der  Natur  der  Sache  liegt  es  vielmehr,  dass  die  Sorge  tun  eine 
möglichst  vollkommene  Fackbüdung  den  Lelirer  während  seiner  ganzen 
AmtsthAtigkeit  nicht  verlassen  darf.  Die  Welt  der  Erscheinungen  ist 
immer  neu  und  fordert  fttr  sich  stetige  Aufmerksamkeit  und  klares 
Verständnis.  Immer  sei  der  Lehrer  daher  auch  ein  Lemer,  und  wenn 
er  der  Fachschule  entwachsen  ist,  sorge  er  auf  andere  Weise  fdr  seine 
theoretische  Fortbildung.  Die  WM  daan  findet  er  in  der  L^rer- 
presse ,  in  der  Lebrerbibliothek  nnd  in  den  Lehrerrerssmmlnngen. 
Freilich  werden  diese  Einriehtangen  auch  immer  auf  der  H5he  der 
Zeit  KD  erhalten  sein.  Und  da  smd  es  yor  allem  die  Lehrerbiblio* 
theken,  die  noch  einen  gewaltigen  Schritt  nach  vorwärts  m  thnn 
haben.  Es  ist  yiel  Geringfügiges  und  yieL  specielle  Etemarbeit  in 
ihnen  anijsiespeiehert  Eine  XJnaahl  methodischer  Anweisangen  besetzt 
den  Plate,  nnd  die  Könige  der  Wissenschaft  finden  erst  Eingang, 
wenn  das  Grab  sich  über  ihrer  irdischen  HfiUe  geschlossen  hat.  Nem, 
die  LehrerhildiDtheken  mflssen  stets  ein  Spiegelbild  des  gegenwärtigen 
Standes  miserer  Wissenschaft  sein,  indem  sie  die  grondlegenden  Werke 
bedeutender  Forscher  enthalten  und  nicht  nur  ihre  Ansmttnsnng  durch 
mehr  oder  wenige^  dazn  herofene  Geister  vierten  oder  fOnften  Banges. 
Bis  zn  den  QneUen  sehier  Wissenschaft  mnss  der  Lehrer  steigen. 
Darbietnngen  ans  zweiter  nnd  dritter  Hand  dflifen  ihn  nicht  be- 
friedigen. Wasser  hintndnander  in  viele  Sdüflnche  ge&sst,  wird 
schal  Am  frischesten  schmeckt  es,  am  erquickendsten  ist  es  da,  wo 
es  der  Matter  Erde  entquillt.  Lehre  uns  dieses  Bild  das  rechte  Ver^ 
h&ltnis  zur  Pädagogik  gewinnen!  Außerhalb  des  Entwickelungsganges 
dieser  Wissenschaft  stellen  wir»  uns  auf  diesem  Standpunkte  nicht; 
vielmehr  weist  der  ganze  Verlauf  der  Fortbildung  der  Pädagogik  uns 
geradeswegs  aui  ditbts  Ziel  liiu.  Und  wann  wird  es  erreicht  sein? 
Ich  ß-laube  in  allernächster  Zukunft  noch  nicht.  L»aa  hängt  doch  noch 
von  ganz  andern,  viel  mächtiger  wirkenden  Factoren  ab,  als  von  der 
Einsicht  und  dem  Wollen  der  Lehrer.   Was  wir  aber  in  den  engen 


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—   700  — 


(ireazeu,  die  uns  als  Diener  des  StaAtes  gezogen  sind,  für  die  Herbei- 
führung eines  zeitgemäßen  Verhältnisses  zwischen  Lehrer  und  Päda- 
gogik wirken  können,  müssen  wir  aurh  mit  allen  Kräften  thun.  Die 
Arbeit  wird  nicht  irana  umsonst  sein.  Lassen  wir  nur  erst  die  Er- 
kenntnis allgemein  platzgreifen,  dass  der  Lehrer  keineswegs  ein  bloßer 
Handwerker  ist,  sondern  der  praktisch  sich  bethätigende  Diener  einer 
Wissenschaft,  und  es  wird  die  Frage  der  FachauMcht  sehr  schnell 
ihre  Erledigung  gefunden  haben,  und  V^m  Lehrer  wird  mehr  seine 
Befähigung  zur  Übernahme  höherer  Stellen  durch  besondere  Prüfungen 
nadiweiaeii  müssen,  wie  das  ia  andern  BeamtenclasMO  —  smk  aoJdiai, 
die  unter  gleiohea  Verh&ltmasdn  wie  wir  arbeiten  —  schon  immer  der 
Fall  gewesen  ist 


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Das  Rechnen  im  ersten  Schn^jahr. 

  Von  Bector  X«  Mohm€UinrBerlin. 

eise  anf  psychologische  Gesetze  gegründete,  den  Lehrstoff 
in  angemeeeener  Welse  berücksichtigende  Methode  ist  sehr  viel  ge< 
schehen.  AU  die  Meister  auf  unserem  Gebiete,  denen  wir  die  Durch- 
fuhrung der  rationellen  Bechenmethode  verdanken,  wandten  der  Ele- 
mentarstufe ihre  besondere  Aufmerksamkeit  zu;  alle  waren  bestrebt, 
den  Stoft'  in  eine  Eeihe  organisch  zusammenhänß:eiidei'  L  bun^^eu  zu 
zerlegen  und  ihn  in  l)il(lendster  Weise  an  die  Scliuler  zu  bringen. 

Seitdem  Grube  dem  Princip  der  individutillen  oder  münographischen 
BehandUuig  der  Zahlen  eine  lebensvolle  Ausgestaltung  verliehen  hat, 
stehen  sich  auf  dem  Gebiete  des  elementaren  Rechnens  besondere  zwei 
Richtungen  gegenüber:  die  eine  lässt  auf  der  unteren  Stufe,  etwa  im 
Zahlenranm  von  1 — 20,  die  Einreibet racli lang  der  Zahlen  gelten,  die 
andere  folgt  auch  hier  dem  Grundsatze  der  Vei-binduug  der  entgegen- 
gesetzten Rechnungsarten  oder  beliRudelt  auch  diese  getrennt.  Beide 
Kichtungen  haben  namhafte  Vertirtii  uml  sowiii  sie  si<"h  auf 

die  Anschauung  gründen,  trotz  gegenseitiger  Befelidung,  beide  berech- 
tigt. Für  den  Zahlenraum  von  1  —  10,  aber  nur  für  dieseu,  erweist 
sich  die  monographische  Behandlung  dei*  Zahlan  als  durchaus  prak- 
tisch und  zweckentsprechend. 

Die  nächste  zu  entscheidende  Frage  ist  die  nach  den  Ver'anschan- 
lichuiigsmitteln.  Am  meisten  entspricht  allen  Anforderungen  die  rus- 
sische Rechenmaschine  mit  Verdeckbrett.  Es  lässt  sich  zwar  nicht 
leugnen,  dass  sie  sich  zur  Herstellung  stereotyper  Zahlenbilder  weniger 
eignet  als  der  Berliner  Knopfapparat  oder  das  Löcherbrett;  indes  wird 
dieser  Mangel  bei  weitem  aufgewogen  durch  die  Schnelligkeit,  mit 
welcher  sich  die  Veranschaulichung  vollziehen  lässt.  Im  übrigen  ver- 
einigt sie  in  sich  alle  Vortheiie  anderer  Apparate,  ohne  m  ihren  Nach- 
theilen  zn  participiren.  Der  größte  Mangel,  der  unseren  neueren 
Apparaten  anhaftet,  ist  ihre  Künstlichkeit  Die  Bom'sche  Pnnkt- 
masehine  z.  B,  erweist  aicli  fär  einen  Bechnngnng,       welchem  es 


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—  702  — 

Bich  um  Vori&]iTOiig  der  1lbenlditlidi«ii  Zahlenbflder  bandelt^  ak  dnidi» 
ans  uDgaeigBet  Der  dmige  Vortheü,  den  dies  Lehrmittdi  beeitEt,  ist, 
daas  ea  wenig  Baum  beanapniebt 

Wie  bei  mir,  ao  macht  aioh  woi  bei  den  meiatea  Amtagfooeaen 
die  Empfindimg  geltend,  dasa  die  maaiaehe  Becheamawciiine  ala  Ver- 
anachaalicboDgaiiiittel  nicht  anardclit,  ireil  die  Kinder  an  aalten  in  die 
Lage  kommen,  an  deraelbeii  wirklich  die  Operationen  anasofllhren.  Daa 
Nftchstüegeiide  wgre,  die  Obmigen  von  allen  Kindern  mit  der  ange> 
borenen  Bechenmaachine^  den  Fingern,  anafllhren  an  laaaeo.  Allein  bei 
starker  ^randehnng  der  Finger  gew(ttinen  sieh  die  Kinder  an  den 
Gebranoh  derselben.  Immer  wiedier  aenkt  aich  auch  i^terhin  inwill- 
kttrUeh  daa  Ange,  mm  die  Ltang  der  geatettten  Angabe  aa  den 
Fingern  abaaleaen.  Mar  durch  grole  Strenge  gelingt  es  dem  Lehrer 
bei  einaeinen  Kindern,  aie  dahin  zo  bringen,  die  Operation  ohne  daa 
80  aaheliegeiide,  Terfllhreriache  Hilferaittel  in  TtdlaieheD*  Gewiss  nnr 
die  Sehwierigkeit,  von  einer  einmal  angenommen  Gewohnheit  an 
lassen,  hat  die  Pädagogen  veranlasst,  auf  ein  Hilfsmittel  aa  summ,  daa, 
nachdem  ea  aelne  Dienste  geleistet  hat,  efailhch  beiseite  gelegt  werden 
kaim.  So  kam  es  aar  Anitaahme  des  Stibchenrechnens  in  den 
ersten  Beehemmtenicht.  Es  ist  bekannt,  dass  dasselbe  in  Kehr  einen 
warmen  Fürsprecher  geflmden  bat  HÜ  der  Stellung,  weleha  er  md 
andere  Antoren  dem  St&bchenrechnen  snweiaen,  kann  ich  mich  Jedock 
auch  nicht  beitnandsn.  Wie  daaadbe  betrieben  wurde,  war  ea  zugleick 
Veranschanliflhunga-  und  Übongsmittel  beim  eigentliohen  Bechenunt»> 
richte:  Jeder  Schftler  sollte  seine  Bedienmaschine  in  Gestalt  kleiner 
StAbchen  in  der  Hand  haben.  Die  Behauptung,  daaa  sich  daa  StSb» 
chenrechnen  nur  ftr  achwachbesetste  Chmsen  dgne,  war  bei  solcher 
Geetaitang  desselben  durchaus  berechtigt  Der  grOfite  Feind  intensiver 
Aufmerksamkeit  ist  die  Zersplitterang.  Wenn  der  Lehrer  neben  der 
Oontrole',  ob  die  Operation  T<ni  allen  Schftlera  richtig  ausgefllhrt  und 
demnach  Terstaaden  wurde,  sein  Augenmerk  aoglekdi  anf  den  klaren 
sprachlichen  Ausdnick  und  die  Befestigung  durch  Oben  und  Anwea- 
dsn  richten  muss,  so  kann  er  schwerlich  des  reckten  Erfolges  seiner 
Wirksamkeit  sidier  sein. 

Ist  unter  solchen  Umständen  das  Stibcheareehnen  nun  ftberhanpi 
aus  dem  Untenichte  an  verbannen?  Gewiss  nicht,  nmn  muss  Ihm 
nur  eine  andere  SteUnng  anweiaen. 

Eine  solche  fimd  ich,  indem  ich  dem  eigentlichen  Rechnen  einen 
Voroursns  Torausgehen  lieA.  In  den  ersten  beiden  Wochen  wurdegi 
die  Kinder  mit  dem  ibhalt  der  Zahlen  bekannt  gemacht  und  aum  bo» 


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I 

wuäÄien  Zahlen  getUhrt.  Beides  kann  nur  vermittplt  Nveid«  u  durch  : 
Anschauung  wirklicher  Pin'i'e,  sowie  durch  Vr  jluhruug  und  Ein-  i 
prägung  der  Zahlenbüder,  die  den  besten  Totalemdruck  bieten.  Alle 
zi^ängliehen  Anschauungsobjecte  müssen  herbeigezogen  werden.  Je 
vielseitiger  die  Gegenstände  sind,  an  denen  der  Zahlenbegritt  gewon- 
nen wird,  desto  sicherer  und  klarer  wird  er.  Auch  die  Gruppirung 
der  Gegenstände  an  vorhandenen  Bildern  kann  xor  Fettigiiag  und  Ver- 
tiefung dei*  Zahlenvorstellnng  benutzt  werden. 

In  der  3.  und  4.  Woche  ließ  ich  die  Kinder  mit  Hilfe  von  Stäb- 
chen mit  den  Zahlen  wirklich  operirea  imd  sieh  in  kindlicher  Weise 
über  die  selbst  vollzogenen  Operationen  aussprechen.  Von  Stunde  sa 
Stunde  hatte  aioh  Jedes  Kind  s^bet  nsoh  Torgezeigter  Probe  mit  «ton 
Stftbehen  zu  versehen.  Nur  ausnahmsweise  half  ich  «ob.  Die  Übungen 
begannen  mit  3  St&hehen.  Die  Opei*atiouen  wurden  ausgef&hrt  durch 
Abrttcken  und  Zusammenschieben,  durch  Ver-  und  AnlÜecken,  durch 
Wegnehmen  und  Hinleg<^t  sowie  durch  Bildung  yon  gleichartigen 
HÄofohen.  Das  an  den  vorliegenden  StAbehen  unndttflilhar  Erkannte 
wurde  auf  andere  Gegenstände  übertragen  nnd  klar  ansgesprodien. 
Im  Eop&  erfblgte  das  Znafthlen  nnd  Wegnehmen,  die  Vecgleichnng 
und  das  Messen  mr  dann,  wenn  nmnittelbar  snvor  die  Opevatton  an 
den  Sttthchen  wirklich  ToUsogan  wmda 

In  diaaer  Fonn  hUdet  das  8t&bchearachnen  den  Mittelpnnkt  eines 
rein  anf  die  Attschammg  gegribdeten  nnd  nicht  von  derselben  los* 
gelösten  Bechencorsos.  Weniger  die  VeranscbanliebDng  nnd  Übnng  t«i^ 
anlaset  aber  rar  Heranziehong  dieses  Hittels,  als  vidmebr  der  Wunsch, 
unter  Selbstbeth&tigung  den  SchfUer  in  die  nficbsHiegenden  Bechen* 
Operationen  einxultthren.  Die  ganze  Lehrthfttigkeit  geht  in  der  Über- 
wadrnng  der  einzelnen  Übungen  auf,  der  Lehrer  ist  daher  sehr  wd 
im  Stande,  auch  bei  starkbeaetater  Classe  Ihr  die  esaote  Ausitthrung 
der  Übungen  zu  soigen. 

Man  könnte  mir  entgegenhalten,  der  Betrieb  des  ersten  Beohen- 
untenichts  in  dieser  Form  hemme  die  Kinder  in  ihren  Fortacsbritteo. 
Hieiaaf  antworte  ich:  Es  ist  eine  mflhselige,  Obetaas  ermfldende  Ar- 
beit, nach  dem  Yerstandesmääigen  Zihlffli,  mit  der  Eins  beginnend, 
das  Kind  sofort  zum  wirklichen  Bedmen  zu  führen.  Wochenlang  wird 
ea  bei  den  Zahlen  bis  5  festgehalten.  Diesdben  Anljsaben  mtlasen, 
wenn  auch  mit  aufinnnternden  Abänderungen,  immer  wiedm^ehreu. 
Indem  wir  aber  dem  Kinde  die  anschaubai-en  Dinge  fürs  erste  ftbei*^ 
liau])t  nicht  entziehen,  halten  wir  es  keineswegs  auf,  weil  wir  nach 
dieätiu  vorbereitendeu  Übuugeu  schneller  von  Zahl  zu  Zahl  fortschreiten 


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-  704  — 

kfimeü.  Iffti  rooliftfMgt  Bmeh  des  E&idergarteui  o.  «.  mit 
dem  Hinweis,  dsss  der  tWgttg  ans  dem  Fsiailleih  in  das  Seiini- 
leben  ein  sn  sehneiBr  ssL  Der  yorbereitende  Cnrena  flr  den  Beoibeo* 
■ntemeht  UeCei  nnn  den  Lehrer  ungesoelil  «bi  lUttel«  denselbcB  sn 
müdem.  Wird  j»  doek  a«eh  der  Getaneh  des  Grübb  von  Dimbaf- 
ten  SebnlmlBBm  ftr  die  erste  Zeit  nieht  gern  geseben. 

Welcbes  ist  soa  der  geistige  Besitz,  den  die  SdMUer  dnreb  den 
vorbereitenden  Cnrsns  erwwbeB  linben?  8ie  heben  die  ri/Mgß  Zebkn- 
verstellBog  gewonnen  nnd  Ubmeii  dieeelbe  mit  Hilflb  dar  ZsUenbÜder 
sieber  nnd  schnell  reprodneiren*  Sie  kennen  die  Fol^e  «nd  die  Stel- 
ling der  Znblen  nnd  kdnnen  dieselben  nnob  ihrer  QMb  vergleichen, 
wenn  sie  nnoh  den  Untecsdded  nooli  nkbt  ohne  HilAmitttl  anzugeben 
veimSgen.  Sie  heben  ndt  den  Zahlen  «iridieh  operirt,  unter  Selbst- 
bethätifiuig  sind  ihnen  aneh  die  Aaedrtteke  hinnthnn,  Unwegnehmen 
n.  a.  geUtaflg  geworden*  Das  aaechaalicbe  Erkeanmi  stand  Jedoeh 
bisher  bestimsMiid  im  Vordergrunde,  von  nnn  an  liegt  der  Hai^tnacb- 
dnick  anf  dem  nnverlierbaren  Festhalten,  dem  sicheren  KOonen.  Bis- 
her war  ein  ansftthrUches  Aoseprechen  g^tatt^;  von  jetst  ab  hsadeit 
ei  akA  nm  prägnante  Xflrse.  Die  hergebrachten  Operationabeaeicj^ 
nnngen  —  and,  weniger,  enthalten  in,  getheilt  durch  —  liegen  dem 
kindlieben  Denken  dorchans  nicht  so  na^,  wie  viel&ch  angenommen 
whrd;  man  darf  diesdb^  sonach  nicht  ohne  Erkl&rang  la^en,  moss 
viehnehr  dorch  elementares  Verfahren  in  diese  abgekilrste  Sprechw^se 
einfuhren. 

Nehmen  wir  jetzt  an,  dass  des  weiteren  Zahl  für  Zahl  eine  ein- 
gehende Behandlnng  erfilhrt,  wobei  die  Species  von  Anfang  an  ber&ck- 
siehtigt,  die  abgekürzten  Sprechweisen  verdeutlicht  und  angewandte 
An^Saben  lur  Anregung  und  Übung  eingeflochten  werden.  Neben  der 
ftrtgeeetzten  Übnng  des  Zählens  und  Messens  muss  auch  das  Zerlegen 
der  Zahlen  in  Anbetracht  der  Wichtigkeit  für  die  Folgezeit  gepflegt 
werden.  Hierbei  hat  sich  der  Lehrer  für  oder  gegen  den  Gebrauch 
der  Zahlenbilder  zu  entscheiden.  Auch  in  diesem  Punkte  gehen  die 
Meinungen  weit  auseinander.  Die  einen  führen  zwar  Zahlenbilder  vor, 
nntsen  sie  aber  nur  wenig  aus  oder  lassen  sie  für  die  Zerlegung  und 
Übung  ganz  unbenutzt  Die  anderen  halten  sie  für  wertlos,  ja  einzelne 
Kenerer  haben  sie  sogar  als  schädlich  hingestellt.  Mich  dünkt,  dass 
ein  sehr  einfacher  Grund  für  die  Herbeiziehung  der  Zahlenbilder 
Bpiiobt  Ob  das  Kind  oder  gar  der  Erwachsene  später  nocii  au  das 
Bild  denkt,  ist  dabei  sehr  gleichgiltig.  Für  die  Zerlegung  und  Übung 
ist  es  aber  wichtig  und  weeentlich,  die  Aufmerksamkeit  des  Kindes 


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—   708  — 


aus  der  Vielheit  der  Anscbanungen  auf  ein  Bild  der  Zahl  zu  concen* 
triren.  Hierzu  am  vorzüglichsten  ^eeijniet  ist  das  Zahlen bild,  an 
welches  deshalb  das  Zerlegen  der  Zahlen  mit  den  sich  darauf  grün- 
denden Übungen  am  besten  anknüpft;  Die  Zerlegung  wird  an  der 
i-ussischen  Rechenmaschine  mittels  dnes  Stabes,  aaf  dar  Talai  aber 
mit  Hilfe  von  Theilung^trichen  dargestellt. 

Den  besten  Totaleindruck  bieten  die  Zahlcnbilder  in  der  Fora, 
wie  sie  auf  Würfeln  und  Dominosteinen  dargestellt  sind.  Die  Zerlegung 
dieser  Zalilen  macht  sich  jedoch  nkht  so  einfach,  dUB  sie  das  Kind 
mit  Leichtigkeit  ausführen  kOimte,  was  ich  fttr  unbedingt  nothweodig 
halte.  Das  ist  aber  der  Fall,  wenn  die  Bilder  in  Gestalt  der  Geraden 
und  Ungeraden  erschänen.  Ich  kann  keinen  stiehhattlgeD  Giund 
finden,  der  uns  abhalten  sollte,  die  ZahlentfOder  wegen  des  besserai 
TotaldndniekB  snerst  in  der  übenichtllehsten  Gestalt  vamiillhren  nnd 
dann  hehnfii  Zerlegong  derselben  in  die  Geraden  nnd  Ungeraden  nm- 
zaUIden«  Sehen  eine  kleine  UmgestslUmg  hei  einaeinen  Büdem  führt 
znm  ^ele.  Nachdem  b«i  der  5  die  1  ans  der  Mitte  heransgenonmeo 
und  an  die  Seite  reehts  oben  gestellt  worden  ist,  ftfart  das  Sind 
selbst  die  Umgestaltang  bei  der  7  nnd  10  ans;  ebenso  rflekt  es  die  3 
bei  der  9  an  die  Seite^  wenn  ihm  gesagt  wird,  dass  man,  wie  bei  den 
Übrigen  Zahlen,  nnr  2  Bethen  haben  wolle.  ESnen  weiteren  Tortheil 
gewfthren  diese  Bilder  nnd  die  Art  der  Zeriegnng  ans  dem  Grunde, 
weO  die  Kinder  an  ihnen  die  Operationen  Ähnlich  wie  an  den  Stftb* 
chen  durch  Ter-  nnd  Abdecken,  durch  AoslOs^en  und  Hinzufügen 
leicht  ausführen  können.  Dabei  hlelhen  die  Zahlenbilder  in  aUen  Zer- 
legungen dieselben,  es  hraw^en  kdne  Ymshiebiingen  mehr  stattsn* 
flndeit  Selbst  in  den  TheOen  kehrt  das  Bild  der  Zahl  mdstens  wieder. 
Etee  klefaie  ünznträglichkelt  ist  Aieitich  nkkl  m  umgehen:  bei  den 
geraden  Zahlen  mflssen  die  ungeraden  Theile  durch  einen  schrägen 
Thellungistrieh  abgetrennt  werden. 

Gegen  die  verfrühte  Einführung  der  Ziffer  werden  verschie- 
dene Gründe  angeführt  Es  genügt  jedoch  schon  ein  einziger,  durch- 
schlagender. Die  Ziffer  darf  ei-st  dann  eingeführt  werden,  wenn  das  Kind 
so  weit  in  das  Wesen  der  Zalilen  eingedrungen  ist,  dass  man  eine 
Verwechslung  von  Zalil  und  Ziüer  uicht  melir  zu  betiirchten  hat  Dies 
wird  auf  dem  Punkte  der  Fall  sein,  wo  die  6  oder  die  7  behandelt  wei  den 
kann.  Um  die  Verknüpfung  im  Geiste  auts  innigste  zu  gestalten  und 
die  leichte  Reproductioii  zu  fürdern,  ^vird  die  Zitier  neben  dem  Zahlen- 
bilde geübt  Schriftliche  Übungsaufgaben  schließen  sich  unmittelbai* 
an.  —  Bis  zur  Einführung  der  Ziffer  steht  für  die  häusliche  Beschäf- 


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—    706  — 

tignng  Im  Yordergniiide  die  NadiUldnng  der  ZeUenbilder,  die  Zav 
legung:  der  Zahlen  an  dnedben  durch  TbeÜnngeetriche,  sowie  die  Aes- 
ftthrung  der  Opemtionen  aa  diesen  BUdenu  Ob  mit  Bttttner  v.  a.  die 
Aufgaben  vertheUhaft  snerst  dnreli  Pukte»  Striebe  elo.,  dann  dneb 
die  ZahlenbOder  aehrUyiek  daigeetellt  werden«  IK  eine  Frage,  über 
die  die  Meinungen  gleichiUla  anaelnander  gehen.  Bie  Bntgegenhal* 
tung,  daM  nicht  aneh  die  Operatienca  dnieh  die  fiblichen  Operations« 
leiehen  YeranachanUcht  werden  kffianea,  llaat  sieh  jeden&lle  nicht  hin- 
wegriomen.  Allenfiüla  geht  ea  beim  Sabtrahiien,  da  man  die  gemalten 
Kngeln  oder  Punkte  durehatrelohen  laaaea  kann. 

Daa  Grandprincip  beim  ernten  Beohenunterrichto  ael  nnanageeetste 
Anregung  anr  Selbetbethatignng.  Nirgenda  paimTea  Annehmen,  Aber- 
all  aelbetthitige  Aneignung«  Dlee  iat  der  leitende  Gedanke: 

1.  bei  der  Festigung  derZahleaToratellung  durch  vielaeitige  Naeh- 
bfldong  der  Zahkabilder, 

2.  bei  derEinfthrung  in  dieBeehenoperationen  durch  daa  Stftbchen- 
wwihneni 

S.  bei  der  Zerlegung  der  Zahlen  dnrdi  Theünngaitridie^ 

4.  bei  der  Aneftfarang  der  Operationen  an  denZahlenbüdem  durch 
Ver>  und  Abdeeken,  reep.  dnieh  AnaUteohen  nnd  HinsoAgen. 

Wie  ungemein  der  Erfolg  durch  dieae  unanageaetato  Selbattiiätjgkeit 
der  ScfatUer  gehoben  wird,  erlKhrt  jeder,  der  nach  Shnliehen  Grand- 
sfttcen  yerfthit.  Viele  Thitnen  werden  dem  Kinde  dadurch  erspart, 
aein  Frohsinn  und  seine  Lemfrendlgkeit  gehoben. 

In  Beang  auf  den  erweiterten  Zahlenranm  fragt  es  aich  zu- 
nflchat,  ob  der  Krela  Begleich  bis  100  anagedehnt  werden  aoU  oder 
ob  ea  nicht  Torauziehen  iat,  erat  bia  aom  nlchaten  Zehner  an  gehen. 
Da  es  dem  Kinde  leichter  flllft,  aleh  die  kleineren  Zahlen  vorsusteUen 
als  die  gr5teen,  so  iat  der  letstere  We^r  einzuschlagen.  Daa  Princip 
der  Anschaulichkeit  ist  Ja  daa  alle  übrigen  beherrschende. 

Ea  handelt  sich  weiterhin  darum,  die  Gründe  darzulegen,  die  da» 
zn  dringen,  den  Ar  den  engeren  Zahlemranm  gewühlten  Gang  zu  tot- 
lassen.  Die  monographische  Behandlung  der  Zahlen  bietet  zn  grofie 
Schwieri([^ten.  Die  Anzahl  der  Zerlegungen  mehrt  sich  so,  dasa  ea 
dem  Kinde  aehr  schwer  wii^  sich  jederzeit  eine  klare  YorskeUnng  tou 
den  vielen  Theüen  so  vider  Zahlen  zn  machen.  Dazu  bietet  die  Zer- 
legung keine  Torthelle  mehr  ftr  den  weiteren  Gang,  und  daa  im  frttheran 
Zahlenknnse  mühsam  Erreichte  und  f&r  die  Folge  stela  Nothwendige 
wird  ^ler  verdankelt  als  geklürt  Denn  wfthrend  die  Zerlegung  der 
Grundzahlen  die  Omdbedingung  ftr  die  Ausführung  der  Addition 


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—  707  — 


und  SubCraction  auch  im  erweiterten  Zahlenraiixne  ist,  erweist  sich  die 
Zerlegung^  der  Zahlen  von  10 — 20  als  eine  ftr  sich  bestehende  Übung 
nur  für  die  bezQgliehe  Zahl  tob  Bedentang,  deren  Inhalt  dem  kind* 
«  Udien  QeiBte  dadurch  näher  garfickt  wird.  Derselbe  Zweck  wird  er- 
reicht, wenn  diese  Bechenftboog  den  Absehlnds  hildat  oder  der  Zer» 
legnig  In  gleiche  Theile  yoranageht 

Sollen  wm  die  entgegengeeetcten  Beohnnagsarten  getrennt  oder 
in  Yeibindnng  behandelt  werden? 

Die  YorbediBgongen  der  Anaftthnuig  der  Addition  sind: 
«)  der  Schüler  siiiss  die  Zahlen  rasch  an  10  ergftnaen  kennen, 
Vollmachen  der  10; 

b)  er  mnas  die  Gfnindaahlen  schnell  an  10  addiren  kennen; 

c)  die  ZerlegiiBg  der  ZaU^  mtms  sdmell  7on  statten  gehen. 
Gans  fthnlich  TsrhSH  es  sich  mit  der  Sabtraction.  Yoransgesetat 

resp.  wiederholnngsweise  geftbt  wird 

a)  das  Abaiehen  der  bezilgl.  Eänerzahlen  Ton  11-^19, 

b)  das  Abriehea  der  Gnmdsahlen  Ton  10, 

c)  die  Zerlegung  der  GrondiahlaL 

Die  Analogie  der  Übugen  spricht  entschieden  für  die  Neben- 
einaoderbehandlnng  beider  Operationen,  abgesehen  davon,  dass  dnrch 
die  größere  Abwechslnng  erhi^htes  Interesse  eneogt  wird.  Ähnlieh  ist 
es  bei  der  MaltipUeation  nnd  Division.  Man  behandle  demnach  die 
eotgegengeeetsten  Operationen  in  Yerbindang  nnd  lege  Gewldit  daranf 
dafls  ihre  Wechselwirkung  erkannt  wird.  D^  Stufengang  der  Übungen 
ist  dann  der  folgende: 

1.  Yersdiiebung  der  Operationen  aus  dem  1.  in  den  2.  Zehner. 

2,  Die  Grundzahlen  werden  auf  die  natüiiicliste  Art  —  durch 
Ergänzung  zum  Zehner  —  addirt  und  auf  entsprechende  Weise  sub- 
trahijt. 

1.  i'bung:  Zuzahlen  der  Grundzahlen  zu  9,  Abziehen  vun  11. 

2.  Übung:  Addition  zu  8,  ^ubtraction  von  12  etc. 

Bei  der  Subtraction  wird  wegen  der  2:leichen  Zerlegung  der  Zah- 
len stets  von  der  entsprechenden  Addiiiunsübuug  ausgegangen.  Je 
weiter  hinunter  resp.  hinauf,  desto  mehr  verringert  sich  die  Anzahl 
der  besonders  zu  lösenden  Aufgaben;  bei  der  1  resp.  19  treten  alle 
Aufgaben  repetitions weise  auf. 

Mit  Zähigkeit  ist  an  diesem  geordneten  Gange  lestzulialten;  denn 
der  Weg  durch  abgestufte  Übuntren  i>\  kein  Umweg,  sondern  fülirt, 
wenn  auch  langsam,  so  doch  sieliei  zum  Ziele.  Die  Hauptsache,  nach- 
dem die  Einsicht  gewonnen  wurde,  ist  unausgesetzte,  nachhaltige 


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—   706  — 


Übung.    7a\  -  Vi  i  ^^ehen  rächt  sich  8ie!>    Man  btttielte  sich 

dah^r  jederzeit.        den  schwächeren  Schülern  P  iihlnng:  zu  beiialten. 

Neben  der  km/^^n  Lösnnjü:  oder  di^m  Xoniinlvei  lehren  ist  bei  tier 
Einführung  in  dM>^ollie'  »Miie  ausi'ührliclu'  Au^cinandpr.-t^tzun!?  am  Platz^^ 
Die  für  das  llt^rlmt^n  al'^'*Iut  notJiw r]i[[iL:-e  Kiii-/e  -rblitdlt  iui  Anlange 
solche  dem  kinuln  heu  Denken  Hngepaij.-tc  Ki r,rt(ninL''t^!i  niiht  ans.  — 
Vielfach  wird  es  nuthija:  und  praktisch  sein,  lei  der  Zerlegung  der 
Grundzahlen  auf  die  Zalih^nhilder  znruckzugrrilt  n,  Alsdanu  eiuptiehit 
es  sich,  nicht  Kugeln,  sondern  Punkte  zu  wählen,  die  sich  im  Finge 
au  der  Wandtafel  ausfuhren  lassen.  Bei  der  Addition  der  Grnii  izalih'n 
zu  'I,  sowie  bei  dt  i  cn  Subtractiun  von  11  kann  z.  B.  die  Keine  <!•  r 
iiii -Ik  11  Zerit iruiiu'f'n  in  1  und  die  andere  Zahl  an  der  Wandtaiel 
entstehen,  die  Schüiei'  können  dieselbe  auch  nachbilden  uml  in  Zittern 
ausdrückeo.  —  Ein  wiehtiger  Facti»:  der  Übung  ist  überall  dieKeihen- 
büdung. 

Andere  Zahlenbüder  als  die  Zt  hnpr  mit  den  ani^f  tVigien  Einern 
gebe  man  dem  Kinde  nicht,  denn  diese  gerade  sind  die  einlachsteii 
und  übersichtliclisten.  iSolaufre  kein  tHtersan?  stattfindet,  können 
die  Einer  als  Uerade  und  l  ngerade  angKicjin  weiden-,  doch  ist  das 
Auge  des  Kindes  selion  hier  an  den  Uberblick  einer  Keihe  zu  L'ewrdinen- 

Schließlich  uorii  ein  Wort  über  das  Vervielfachen.  Eiuhalf  i  ^i-L*in 
und  Tkeilen.  Auch  diese  Operationen  werden  am  besten  in  \  erlnn- 
dung  beliandelt.  Ob  man  dab(  i  m  »u  der  Eininaleinsreihe  ausgeht  oder 
an  die  zu  messende  Zahl  ankuüplt,  ist  unwesentlich.  Nehmen  wir  den 
letzteren  Kall  an.  Wie  gestaltet  sich  dann  die  Behandlung  der  Zahl  12? 

Einleitend  wird  man  Ad<iitions-  und  Subtractionsühnngen  berttck- 
sichtigcu.  Man  kann  alsdann  die  möglichen  Zerlepim-t  n  in  zwei  un- 
gleiche Theile  vornehmen  lassen,  womit  die  Erkenntnis  des  Inhalts  der 
Zahl  und  damit  das  schnelle  Addiren  und  Subtrahiren  gefördert  wird. 
Es  kann  sich  anschließc^n  das  Ergänzen  der  Grundzahlen  zu  15,  das 
Vergleichen  derselben  mit  12  und  umgekehrt,  das  Verp-lei'-ln  n  d.n-  12 
mit  den  Zahlen  bis  20  und  an^^ewandte  Autgabeii.  ti^xuiders  Zuz  ihlea 
zum  Dutzend  und  Abziehen  von  demselben.  Schließen  sich  weiteriiia 
die  Multiplications-  und  Divisionstibnngen  an,  so  wird  die  Behand- 
lung der  Zalilen  in  diesem  Kreise  eine  relativ  monographische.  — 
Letztere  t'hungen  gründen  sich  auf  das  Messen  der  12  mit  den  Zahlen, 
die  ohne  liest  darin  aufgeben,  z.  B.  1)  Die  12  hat  12  Km  *  u,  12  — 
12  X  1,  12  X  1  =  12.  2}  Von  12  kann  ich  1  12  X  wegnehmen,  1  in 
12  =  12x.  3)  Ans  der  12  kann  ich  12  gleiche  Theüe  machen.  Der 
12.  Theü  von  12=1  etc.  Eür  das  Enthalteosein  lautet  die  i;  iage: 


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—   709  — 


Wieviel  Musen,  Zweien  etc.  hat  die  Zahl?  Wievfelmal  kann  ich  1  ete. 
wegnehmen?  Für  das  Tbeilen  ist  die  Frage  so  zu  steilen:  Was  hat 
die  Zahl  12  X?  Wieviel  kommt  auf  jeden  Theil,  wenn  ich  12  TheUe 
bilde?  Beim  Theilen  knüpft  man  am  besten  an  angewandte  Aufgaben  an 

Diircli  die  i'bunfreii  iin  Zahlenkreise  von  1 — 20  werden  die  Haupt- 
scliwierigkeitf II  lui  den  erweiterten  Zuhlenraum  im  Keime  gehoben. 
Die  Übertragung  der  Gruudautgabeii  des  Addirens  aud  Subtralurens 
auf  den  Zahlenkreis  bis  KX)  geht  mi  allgemeinen  leirht  von  statten. 
Der  vielfach  vertreteneu  Aleiuuug,  dass  diese  Übung*  u  am  besten  für 
die  folgende  Stufe  zurückgestellt  weiden,  stimme  auch  ich  zu,  weil 
die  Grundlage  des  ganzen  Bauet»  nicht  genug  befestigt  werden  kann. 


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Da«  Tmei  ii  46r  MemiehiMkei  Y^lkasekile. 

X^tt  TDni«D  ist  noch  ein  Stiafkind  der  Schule,  wie  schon  ein 
jj^lek  enf  den  Lehrplan  seigt  Von  27  oder  29  üntenidttutandea 
entiSdlen  s.  B.  2  mf  das  Timen,  und  diese  stehen  oft  nur  snf  dem 
Papiere.  Die  meisten  Scholen  hesitien  noch  keine  TomheUe,  der 
Tnnranterricht  beschrankt  sich  dann  auf  einige  regenfreie  Tage  im 
Sommer.  Die  Tomj^tse  im  Freien  sind  oft  ganz  nnzweekmflttg  nnd 
nicht  selten  fehlt  es  auch  an  Tomgeräthen.  Ffir  die  Hftdchen  endlich 
ist  das  Tomen  kefai  Pflichtgegenstand  mehr. 

Diese  Missachtong  der  körperlichen  Pflege  kann  nor  von  den 
nacfatheiligsten  Folgen  hegleitet  sein.  Die  Klagen  ftber  sanehmende 
Konaiehtig^eit,  Bftckeomarksrerkrflmmongen  o.  dgL  mehren  ddL 
Wollte  man  die  Sache  geoaoer  ontersochea,  so  wOrde  man  noch  eine 
Menge  anderer  Gebrechen  kennen  lernen,  die  in  der  Schule  eiieogt 
oder  doch  weiter  entwickelt  werden.  EHnen  grofien  TheQ  der  Sehold 
tiigt  allerdings  aoch  das  Haos;  allein  die  Eltern  Terstehen  es  ge* 
wOhnUch  nicht  heeser.  Sie  sehen  z.  B.,  dass  sich  das  Kind  über  seine 
Zeichnong  oder  seine  Schrift  stark  beogt  ond  das  Aoge  seiner  Arbeit 
immer  niher  bringt;  allein  sie  glaoben,  das  kOnne  nicht  enden  sein, 
ond  das  Eind  folgt  der  Gewohnheit 

Ich  war  einst  Zeuge,  wie  ein  Vater  seinen  Sohn  Ton  der  schiefen 
Schrift  ond  der  ftblen  Haltung,  welche  dieser  damit  Terbaod,  dnrch 
zutreffende  Gründe  abzubringeu  suchte;  allein  es  blieb  vergebens,  weil 
es  der  Knabe  nicht  anders  konnte,  ond  weil  er  auBerdem  der  Meinong 
war,  was  er  in  der  Schole  lerne,  müsse  aoch  das  Beste  seku  Oft 
kommt  das  Kind  Tom  langen  Sitzen  ermüdet  nach  Hanse.  Es  machte 
sich  jetzt  am  liebsten  einige  Stonden  ün  Freien  heromtommeln;  allein 
die  Eltern  sind  der  Ansicht,  das  Kind  verwildere  nor  dabei  Das- 
selbe moss,  nachdem  es  viele  Standen  lang  in  der  Schole  geseaBoi 
ist,  noch  den  Best  des  Tages  su  Hause  bei  einer  wertlosen  Arbeit, 
z.  B.  einer  Stickerei,  sitzen.  Das  ist  oienbar  unvorstftndig  von  den 
Eltern,  aber  diese  folgen  nur  dem  Beispiele  der  Schule  in  der  Gering* 


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—  711  — 

schätzuQg  körperlicher  Übungen.  Jjiese  triift  der  Vorwurf,  dass  sie 
schlechte  Gewohnheiten  erzeugt  oder  doch  weiter  ausbildet,  dass  sie 
die  Ausbildung  des  Körpers  vernachlässigt  ttud  durch  alles  dieses  dem 
Mternhausc  ein  schlechtes  Beispiel  gibt. 

Ich  will  die  Afangelhaitigkeit  der  gegeaw&rügeii  Schttleionchtimg 
einem  Beispiele  zeigen. 

Verfolgen  wir  einmal  einen  Schultag.  Die  erste  Stunde  verfließt 
den  Schülern  leicht,  weil  sie  körperlich  und  geistig  noch  frisch  sind; 
in  der  zweiten  beginnen  sie  bereits  zu  ermüden.  Die  Schüler  weordeoi 
zerstreut,  und  der  gehemmte  Thätigkeitetrieb  macht  sich  in  Störungen 
Xioft  Endlich  kommt  die  Pause.  Sie  ist  aber  nur  eine  Unterbrechmig 
im  Untemchte»  Der  Schüler  darf  aeinen  Platz  nur  zur  Befriedi^Ti^ 
eines  nothwendigen  Bedürfnisses  ycorUssen.  Langsam  verfließt  die 
dritte  Stunde.  Die  geistige  Ermüdung  wächst,  der  Körper  wird  durch 
das  ewige  Sitzen  abgespannt.  Die  vierte  Stunde  bringt  endlich  etwas 
Abwechslung;  denn  es  ist  eine  Sehreibetnnde.  Nnn  aber  ertönt  der 
Befehl  ^Geradsitzen!"  Die  Schüler  folgen  gehorsam  der  Anordnung 
—  aber  nnr  anf  Augenblicke.  Die  durch  das  lange  SltM  ennddetea 
Muskeln  versagen  den  Dienst  Der  Körper  sinkt  zosammen,  die  Brost 
nähert  sich  der  Bankkante,  das  ermüdete  Auge  der  Sdirift.  Wieder 
ertönt  der  Bnf  »Geradsitzenl*  Wieder  dieselbe  Ersefaeramig.  deUM- 
lieh  geben  sich  die  Scfatter  keine  Mühe  mdir,  die  Worte  des  Ijehrers 
ernst  nt  nehmen.  SoU  der  Lehrer  sn  der  Tortur,  die  er  ftben  moss, 
noch  StiallBitt  hinnifllgen? 

Unsere  SehieliMshrift  fordert  für  sieh  schon  ehie  mmatdriiehe 
Haltung;  mandnnal  haben  auch  die  Schiller  nicht  einmal  Bamn  gmng 
2ttm  Schreiben,  weil  die  Gkuuen  flberflillt  sind;  oft  gleichen  die  Schnl- 
hftnke  wahren  Marterbinken.  Sind  die  Schfller  dasn  noch  vom  Sitien 
ermUdet,  so  TerfUlen  sie  leicht  in  die  onnattlrlichste  Haltung.  Aber 
man  lasse  das  Kind  steil  schreiben,  gebe  ihm  genügend  Banm  und 
setze  es  in  die  zweckmABigste  Bank,  immer  wird  man  eine  ähnliche 
Erscheinung  beobachten;  der  Ton  dem  langen  Sitzen  ermüdete  Köiper 
sinkt  zusammen,  Nnr  wird  hier  die  Ennftdung  nicht  so  frflh  ein- 
treten. Der  Schmer  kann  allerdings  mit  dem  Anlehnen  rftckwtrtB  ab> 
wechseln;  das  ist  aber  doch  eine  dürftige  Abwechslung  für  ein  Kind, 
dessen  bewegliche  Natur  immer  nach  Thätigkeit  strebt;  denn  dasselbe 
hat  vielleicht  schon  mehrere  Stunden  in  dieser  Haltung  verbracht, 

Kndlicli  schlägt  das  erlösende  Glockenzeichen.  Die  Mittagspause 
währt  aber  nur  eine  Stunde.  Die  Scliiile]-  eilen  nach  Hause  und  essen 
rasch  i  die  Verdauuug  müääeu  äie  erst  in  der  Schule  besorgen.  Der 

4B* 


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—  712  — 

Lehrer,  welcli^^r  jetzt  geistanreg"ende  Geefenstände  vorzuneiimen  hat, 
ist  zu  beklagen  \\y  wird  trotz  der  grfißten  Mühe  nur  wenig  erzielen, 
•weil  die  Schüler  zu  geistiger  Thätigkeit  nicht  aufgelegt  sind.  Sobald 
sich  das  YprdfiüiiüL'-swf^rk  yollzogen  hat.  wächst  die  Unrnhe.  Die 
zweite  (mU  i  dritte  stunde  ist  eine  Zeich*  ii^^tunde  Die  Erscheinungen, 
welche  wir  beim  Schreibpii  beobachtet  haben,  treten  anch  hier  auf 
und  noch  bpdentend  starker,  weil  die  Erschöpfung  der  Muskeln  noch 
größere  Foi  is(  liritte  gemacht  hat.  Der  Lehrer  wiii'de  sich  einer  recTit 
anfreibendfi)  und  doch  erfolglosen  Mühe  unterziehen,  wenn  er  eine 
gute  Haltung  durchsetzen  wollte.    Die  Isatur  tritt  in  ihr  Recht. 

Das  einzige  Mittel  zur  Abhilfe  besteht  darin,  dass  man  die  Stun- 
den, in  welchen  das  Kind  zum  Ruhigsitzen  gezwungen  ist,  mit  Turn- 
und  Spielstundon  abwechseln  lässt.  Der  Geist  erhält  dann  Zeit  zur 
Erholung  und  der  Körper  bleibt  stets  frisch.  Dann  brain  lit  der  Lehrer 
auch  keine  sdüafie  Haltung  2U  dulden,  weil  sie  nur  auf  Nachlässig- 
keit beruht. 

Verfolfren  wir  die  Schüler  ndcli  weiter.  Der  letzte  Glockenschlag 
eiiidnt,  und  die  Schüler  treten  nun  den  Hoimwe?  an.  Solange  sie 
dem  Ange  des  Lehrers  ausgesetzt  sind,  gelien  sie  vielleicht  ruhig 
ihres  Weges.  Dann  löst  sich  alle  Ordnung  auf,  und  es  beginnt  ge- 
wöhnlich eine  wilde  Jagd.  Aus  dem  Scherz  wird  rasch  Emst,  und 
es  kommt  zu  wüsten  Balgereien.  Nichts  ist  vor  dem  Mnthwillen 
sicher,  weder  das  Bäuinchen  am  Wege  noch  der  Vorübersrehende. 
Wie  ein  Quell,  welcher  lange  Zeit  verstopft  war,  stürmisch  losbricht, 
so  macht  sich  der  gehemmte  Thätigkeitstrieb  in  allerlei  Tollheiten 
Luft.  Die  Einsicht  kommt  immer  erst  nach  vollbrachter  That.  Diese 
Zfigellosigkeit  zeigt  sich  nicht  blos  auf  dem  Schulwege.  Ansbrüche 
milderer  Art  kann  man  liäutig  beobachten.  Das  Volk  legt  dieselben 
dem  Lehrer  zur  Last,  freilich  mit  Unrecht.  Die  Einrichtungen  der 
Schule  sind  die  Ursache,  das  Wirken  des  Lehrers  ist  ein  eng» 
begrenztes. 

Geregelte  und  ausreichende  körperliche  t^bimgen  würden  der 
Zügellosigkeit  sicher  einen  Damm  bieten.  L)em  nattlrlichen  Bewegtin gs- 
triebe  der  Kinder  wird  eine  gefahrlose  Ableitung  geboten;  sie  lernen 
es,  sich  selbst  zu  beherrschen  und  auf  eine  gute  Haltung  zu  achten. 
Ein  Kind,  welches  seinen  Körper  nicht  geübt  hat,  schrickt  leicht  vor 
dem  kleinsten  Wagnis  zuräck  oder  stürzt  sich  blindlings  in  die  größte 
Gefahr.  Das  Turnen  gewöhnt  es  an  TTberlegung.  Es  lernt  seine 
Kräfte  kennen  und  wagt  sich  daher  an  nichts  Unmögliches.  Was  es 
aber  ausführt»  das  that  es  mit  Kraft  und  Sicherheit 


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—   7JL3  — 


Kebren  wii-  zu  der  lieimkehrendeii  Sclmlju^end  zurück,  die  wir 
bei  den  AusbrticluMi  juii;*  n  llicher  TolUieiteii  YerJieüen  Dm'h  wir  irrten 
nns.  Nicht  alle  beikeiiigeu  sich  an  diesem  Treiben.  Hiir  i^-eht  ein 
Idasser,  »iiller  Knabe,  der  beinahe  ängstlich  seinen  wüst  i  n  KaMipraden 
ausweiclit.  Die  andern  Mit  eine  gewisse  Achtung  von  ihm  tern,  und 
sie  versrlioiu'ii  ihn  mit  ihrem  Spotte,  der  sonst  keine  G-renzen  zu 
haben  scheint.  Es  ist  ein  braver  Schüler,  vielleicht  der  bravste  der 
Olasse.  Derselbe  wendet  seine  Schritte  rasch  heimwärts,  während 
seine  ^litschüler  unter  Ge{>liiakei  aller  Art  nicht  weiter  kommen 
können.  £r  tritt  in  die  elterliche  Wohnung.  Seine  Züge  sind  ab- 
gespannt, er  wäre  der  Erholung  offenbar  recht  bedürftig;  aber  er 
gönnt  sich  keine  Ruhe.  Eine  schriftliche  Aufgabe  ist  anzofertigen 
und  eine  Zeichnung  zu  vollenden.  Schließlich  bereitet  er  sich,  tm 
einem  Lebrbnche  noch  fUr  Unterrichtsstunden  des  nächsten  Tages  vor. 
Mit  Stolz  blicken  die  £ltam  auf  ihren  Knaben.  Auch  der  Lehrer  iak 
ja  so  stolz  auf  ihn;  denn  auf  seinen  Fleiß  und  auf  seine  Gewissen- 
luilüg^it  kann  er  sich  verlassen.  Manchmal  streift  alletdingB  eul 
besorgter  Bliok  der  Mtarn  das  blaise  Kind;  aber  m  ginabttn,  ea 
müsse  so  sein. 

Nnn  ffit  er  fertig  und  geht  hinaus.  Hier  belnaligeii  ndi  Kinder 
aelies  Altera»  aller  er  bleibt  als  Znaohaiier  dabei  stebsA;  ihn  beftigvfeigt 
aohen  die  nngeswinigiie  FrSUiehkeit  Geistig  den  andeni  flberlegea, 
stdht  er  an  Kraft  und  Gewandtheit  dooh  Unter  attn  seinen  Atters* 
genoaseii  ziirftdL  Der  Geist  entwiekall  deh  raaeh,  der  KQrper  Ter- 
kümmert.  Ein  großes  Opfer,  daa  er  seiner  Pflidittraoe  taiingt!  Wäh- 
rend bei  vielen  andenn  die  kOiferlicbeo.  Übangen  als  ZigeL  diesMii 
würden,  «n  Waghalsigikeit  nnd  Hoheit  an  Teiliiten,  an  wMen  sin 
bei  diesem  Kinde  als  ein  Spon  enebeinen,  seinen  KSiper  niobt  n 
vemaddässlgen* 

Ist  das  amsh  die  redite  BUdnng?  Der  Beruf  fordert  nkdit  nnr 
einen  entwiolEelten  Geist,  sondern  auch  einen  iQstigen  KOrper,  der 
ein  tflcbtiges  Werkzeug  fttr  den  Geist  abgibt  Wie  Tielen  wird  der 
Knabe  qiMer  naefastehen  mttseen,  weldM  diesen  Vorzug  eigentlieli 
aiebt  verdienen;  denn  ihr  ganaea  Yerdieast  beatokt  nur  in  einem 
nistIgeD  Köi'per,  weleker  eine  grOBere  Arbeitskraft  zn  entwiekeln 
vermag. 

Aber  aneh  der  ünterrieht  leidet  unter  der  Vernachlässigung 
der  körperlidien  Erziehung,  wie  ieh  bereits  bei  dem  angeführten  Bei- 
spiele angedeutet  habe.  Derselbe  wird  von  Stunde  zu  Stunde  schwie- 
riger.  Die  Zei'sti'eutheit  wächst,  das  GedaciiUuä  vei'sagt  den  Dienst. 


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—   714  — 


Die  Schüler  wissen  im  nächsten  Augenblicke  nicLt  mehr,  wovon  kui/s 
zuvor  gesprochen  wurde.  Ein  leichtes  Urtheil  kostet  ihnen  bereits 
grojje  Alülie;  selbst  tüchtige  Schüler  erscheinen  beinahe  begriffsstutzig. 
Diese  Erschlaffung  macht  sich  namentlich  in  den  letzten  Naclimittags- 
stunden  geltend,  besonders  wenn  die  Mittagspause  recht  kurz  war. 
Dazu  gesellen  sich  noch  die  Störnnpren,  durch  welche  sich  der  Schüler 
ftr  den  erlittenen  geistigen  und  körperlichen  Zwang:  zu  entschädigen 
sncht.  Der  Lehrer  muss  aber  ^»ttinen  Stoff  an  Mann  bringen,  sonst 
kann  er  dem  Lehrplane  nicht  gerecht  werden.  Er  sucht  den  Unter- 
richt also  ilen  Schüleni  recht  leicht  zu  machen.  Dem  Gedächtnisse 
WH  dt- 11  iiljf.raii  Krticken  und  Stützen  geschaffen,  die  Einbildungs- 
kraft wild  durch  drastische  Büder  autgerftttelt,  dem  einfachsten  Ur- 
tliHile  des  Schülers  kuoimt  der  Lehrer  durch  eine  Anzahl  hilfi*eicher 
jb  i  i^ren  entgegen.  Der  Lehrer  entledigt  sich  anf  diese  Weise  seiner 
Auigabe;  allem  welchen  Gt  Nvinn  haben  die  Schüler  davon? 

Der  Geist  des  Kindes  gleicht  einem  Magen.  Solange  er  hungrig 
ißt.  empfanget  er  die  ^Speisen  mit  Lnst  Auch  festere,  schwer  verdau- 
liche werden  leicht  bewältigt.  Ist  er  aber  gesättigt,  so  erzeugt  alles 
folgende  nur  Widerwillen.  Will  man  diese  Abneigimo'  überwinden,  so 
muss  man  Speisen  anwenden,  welche  den  Gaumen  &taik  reizen.  Da- 
durch überreizt  man  aber  den  Magen,  so  dass  er  schließlich  keine  ein- 
fache Kost  liiehr  verträgt  und  nur  jfür  künstliche,  wol  zubereitete 
Reizmittel  empfanfflich  ist.  So  ergeht  es  auch  dem  Lehrei'  bei  dem 
Versuche,  den  öcluiiern  alles  recht  zu  erleichtern.  Die  Schüler  höi'en 
schließlich  ganz  auf,  ihr  Gedächtnis  gründlich  zu  prüfen  oder  ihr 
Denkvermögen  wirklich  anzustrengen.  Die  Selbstthätigkeit  des  Schü- 
lers geht  verloren  und  damit  die  Freude  an  dem  Unterrichtt.  Wi^m 
die  Schüler  einei-  Classe  der  Mehrzahl  nach  z.  B.  nicht  im  Stande 
sind,  eine  Aufgabe  selbstständig  zu  l<»sen,  nachdem  bereits  ähnliche 
Beispiele  unter  Anleitung  des  Lehrers  gdlo&t  worden  sind,  so  ist  das 
ein  Zeichen,  dass  die  Sclniler  geistig  erschöpft  sind  und  der  Rnhe 
bedürfen.  Alles  lo]«:*  inli  iil  eiiadet  nur  den  geistigen  Magen,  verwöhnt 
denselben  viml  lit  daw  Schüler  zu  jeder  ernsten  Gei^^tcsarbeit  für 
die  Zukunft  untauglich.  Wie  ein  iund,  das  man  steis  gängelt,  bedarf 
er  immer  einer  Stütze.  Nur  beim  selbststimtlippn  Schaffen  ^taält  er 
«OS  Gefühl  seiner  Tüchtigkeit  und  Fre^ido  an  (1(  r  '[  liätigkeit. 

Auf  die  Vernadilässigung  körperiicher  Übungen  im  Schulunter- 
richte und  die  istige  Überbürdunjr,  welche  damit  in  Verbindung 
steht,  lassen  sie  Ii  ^iele  sittliche  Mängel  mix  r*  i-  Zeit  wenigstens  theil- 
weiBe  zurücklühren:  der  Mangel  an  SelbstgetüM,  der  im  Schmarotzer- 


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—   716  — 


md  Krieckertiiam  znm  Aasdrucke  kommt;  der  Mangel  an  Selbst- 
beherrschimg,  weldier  den  Menschen  der  Leidenschaft  rückhaltlos 
«irtgegeitfthrt;  das  mangelnde  Verständnis  für  eine  gute  Haltung,  das 
entweder  zu  langweiliger  Schwerfälligkeit  oder  noch  dfter  zii  ge- 
schmackloser Ziererei  tlihrt;  der  Widerwille  gegen  ernste  Geistes- 
arbeit nnd  die  Sncht  nach  Beuern  und  Seltsamen-,  znletzt  auch  die 
Geringschätzung  unserer  großen  Meister  in  Kunst  und  Wissenschaft. 

Die  Einrichtungen  der  Schule  waren  in  früherer  Zeit  allerdings 
nodi  viel  eleader  als  heute;  Ton  einer  körperlichen  AnshUdnng  war 
keine  Bede.  Die  Folgen  dieser  nngflnstigen  Einrichtongen  trafen  aber 
nnr  wenige»  weil  der  grGBte  Theil  der  Jngeod  sieh  entweder  ganc 
oder  doch  beinahe  der  Schnle  entsog.  Hente  hat  abor  anch  das  Ge- 
ringste groBe  Bedentang,  weil  es  die  ganne  Jngend  trifft  nnd  awar 
in  einem  UmHuige  wie  niemals  vorher.  Gebrechen  der  Schnle  werden 
zn  Yolksgebrechen.  Bedenken  wir  femer,  dass  in  den  Gnkiirstaaten 
die  Landwirtschaft  immer  mehr  zorllcktritt  nnd  dem  Gewerbe  den 
Platz  rftofflt,  nnd  dass  die  Fabrikaindnstrie  immer  mebr  das  Handweik 
yerdrSngt  Der  menschliche  Geist  schreitet  yon  Triumph  zn  Triumph; 
allein  dem  Gesondheltsziistande  des  Tolkes  drohen  dadurch  mancherlei 
G«&hren.  Zonflchst  wichst  die  Zahl  derjenigen,  welche  nur  geistig 
thät^  sfaid  und  itren  £Orper  in  einor  durchaus  nicht  zutrSglldien 
Unthitigkeit  erhalten  mflssen*  An  die  Arbeiter  in  den  Fabriken  treten 
allerlei  Gefehren  heran,  welche  von  dem  handwerksmftfligen  Betriebe 
leicht  ausgeschlossen  werden  kOnnen.  Banch,  Staub  und  schAdliche 
Dämpfe  greübn  die  hmeren  Organe  oft  hart  an. 

Auf  welche  Wlderstandstthigkeit  dllribn  wir  dann  rechnen,  wenn 
die  Jugend  schon  geschwächt  der  Arbeit  zugeführt  wirdl,  die  an  ihre 
körperliche  Rüstigkeit  die  größten  Ansprüche  stellt? 

Unsere  Zeit  wird  der  Forderung,  die  auf  eine  ausgedehntere  Be- 
rücksiclitigung  des  Turnens  hindjäugi,  nicht  entgehen  können. 

Meine  Ansicliten  darüber  sind  in  Kürze  folgende: 

Die  Stundenzalil  iar  das  Turnen  muss  bedeutend  vermehrt  werden. 
Es  sollte  kein  Tag  verstreiclien,  an  welchem  nicht  getni-nt  wird.  Für 
Turnen  und  Spiel  sollten  täglich  mindestens  2  Stunden  festgesetzt 
werden;  eine  davon  entfalle  aut  den  Vormitt^.  Tum-  und  Spiel- 
stunden sollten  in  geeigneter  Weise  in  den  Stundenplan  eingeschaltet 
"vsenien,  dass  den  Schülern  ihre  geistige  und  köriierliche  Frische  be- 
wahrt bliebe.  Das  Turiipn  darf  auch  während  der  schlecliten  Jahres- 
zeit nicht  ausgesetzt  werden.  Jede  Schule  sollte  mii  den  nothwendigen 
Tumräomen  sowie  mit  den  erforderlichen  l  uinpiätzen  im  Freien  ver- 


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sehen  sein.  Keine  Schale,  welche  eine  Turnhalle  besitzt,  sollte  von 
der  Pflicht  befreit  werden,  einen  geeigneten  Turnplatz  für  das  Sommer- 
tumen  zu  erwerben.  Die  Turnhalle  soll  nur  einen  Nothbehelf  for  die 
kältere  Jahreszeit  oder  für  Regentage  bilden.  Zu  Turnplätzen  wähle 
man  schattige  GraspUttae.  Die  Schüler  sollen  möglichat  frti  Ton  alter 
henunenden  Bekleidung,  barhauitt  und  barfuß  die  Übungen  ansf&hrea 
(die  alten  Griechen  führten  sie  ja  nackt  ans).  ¥ia  die  ünteraUtfB 
aoU  das  Spiel  in  den  Vonlergrund  treten. 

Das  Kind  wird  in  diesem  Alter  leicht  ermüdet,  wen  ee  längere 
Zelt  bei  einer  Beschäftigung  bleiben  muss.  Wie  beim  üntenfehte  in 
den  anderen  Gegenständen  itir  eine  reiche  Abwechsluni^  gesorgt  wer- 
den mnss^  nm  sich  der  Anfinerksamkeit  and  Mitwlrknng  des  Schiiten 
«I  venichern,  ae  moss  aneh  der  Tannntenrieht  ftr  efnen  angeneaas- 
nen  Wechsel  Sorge  tragen.  Diesem  Zwecke  entqnicht  am  besten  das 
Spiel.  Dasselhe  bietet  einen  bestindigeii  Wechsel  awiadien  Buhe  and 
Bewegung,  md  die  körperlichen  nnd  geiatigeD  Krftfte  werden  gteich^ 
miftig  in  Ani^mch  genommen.  Anf  den  QedMken  felgt  rasch  dte 
That,  auf  den  Fehlgriff  die  Waninng,  anf  den  aasgefthrten  BtxM 
da*  verdiente  BeifaD.  Das  Spiel  gibt  salbst  ftr  Sehers  nnd  M vth- 
willen  Baom.  Alles  ist  hier  harmlos;  denn  selbst  der  Mnthwille  ent- 
behrt der  bOsen  Absicht,  weil  er  nnr  daranf  gerichtet  iat^  den  anden 
ans  seiner  körperlichen  oder  geistigen  SchwerflUiglrait  henuunntten. 
Im  Spiele  ertangt  das  Kind  die  Selbstständigkeit,  dte  es  bei  den 
ftbrigen  ünterricbtsgegenstiaden  Termisst  Altes,  was  es  sonst  tfant, 
geschiebt  aof  Befehl  des  Lehrers;  beim  Spide  kaam  ea  ToUstlDdig 
frei  handehi,  wenn  es  sieh  nnr  im  Kähmen  der  Spielordsuug  hilt 
Wann  nnd  wie  es  in  den  Geist  des  Spieles  eingreift,  ist  meist  ihm 
selbst  ftberlassen.  Hlor  kann  es  selbstMftndig  seine  kfiiperlidie  Kraft 
nnd  Behendigkeit,  seine  Geistesgegenwart  und  seine  Elngheit  zeigen. 
Das  Spiel  bietrt  somit  dne  awangslose  ffinllberleitimg  an  den  enstm 
Tnmttbnngen.  Diese  sollten  anfaugs  ebenlUIs  dem  Charakter  des  Spiels 
tragen. 

Anf  der  Mittelstufe  sollten  Spiel  und  Turnen  einander  das  Gleich- 
gewicht halten.  Das  Spiel  soll  bereits  größere  Anforderungen  an  die 
geistige  und  körperliche  Kraft  und  Bewegliclikeit  des  Scliiilers  stellen, 
das  Turnen  soll  si-lion  einen  emsten  Charakter  auuehmen. 

Bei  den  Knaben  der  Oberstule  zeigt  sicli  besonders  das  Bestreben 
nach  solchen  kOi-perlichen  Übungen,  bei  welchen  sie  die  entwickelte 
Kraft  zu  zeij*-en  vermügen.  Dius  Spiel  trete  hier  gegen  die  ernsten 
Turnübungen  zurück.    Dem  Verlangen  nach  Selbststftadigkeit  entr 


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sprechen  hier  die  Geräthübungen;  denn  die  Art,  wie  der  Schüler  diese 
Ülningen  ausführt,  hängt  viel&ch  von  seiner  Kraft  und  Behendigkeit, 
seiner  Klugheit  und  Qeistesg^egenwart  ab.  Die  Spiele,  weldie  man 
hier  verwendet,  mfissen  der  entwickelten  Kraft  und  der  geistigen 
Stufe  des  Sohülerg  aag^Mit  Verden.  Spiele  der  unteren  Stufen  arten 
Mer  leickt  in  Verzemuigen  ans. 


Die  pMigtgMiei  imsieiitai  DeflWj^wski*«.*) 

(kmfermtvorttag  von  A,  Ifeufeld,  Ldkr  det  OtiUrakK^MU  tu  CKoi^m, 


J_/ie  Kunst  ist  der  Ausdruck  der  in  uneiKllich  raannigrfaltigor  Form  sich 
äußernden  Weltidee.  Die  Schrine  Litoratnr  hat  Jen  ^lenachen  zu  ihrem  Gegen- 
stand. Ilire  Bedeutung'  für  den  is^rzieher  und  die  Erziehung  ist  größer  als 
die  aller  übrigen  Künste. 

Die  aehOne  Literatur  leidinet  ttni  den  Ueaichen  in  seinen  Teracbiedenen 
LelMnBaltem,  Lebenslagen  und  -Bedingnugeii.  Der  Schriftsteller  stfitzt  sich 
bei  der  Darsiellnng  dea  Lebens  auf  seine  Erfahrung,  Lebenskenntnie;  besäße 
er  solche  nicht,  so  kfinnte  sein  Bild  nicht  wahr  sein.  Aber  das  Knnstproduct 
ist  keine  bloße  Copie,  auch  nicht  eine  einfache  Abstraction:  der  Schriftsteller 
ist  kein  Chroniker,  kein  Protokoll  ist,  der  uns  mit  photographischer  Genauigkeit 
und  in  chronologischer  Reihenfolge  eine  Galerie  von  Gemälden  vorflihrt.  Der 
KVnstler  ist  meiir  als  ein  btoBer  Oopist;  die  Walirlieit  und  Treue  des  Kunst* 
pioduetes  besteht  darin,  dass  der  Künstler  die  Idee  der  Erscheinungen 
begreift  und  anschaulich  zum  Ausdruck  bringt.  Deshalb  muss  der  Schriftsteller 
mit  ung-ewiilinlich  tit  f-Mn  Verständnis  des  menschlichen  Seelenlebens  begrabt 
sein.  Nur  in  diesem  Fall  wird  er  sich  von  der  äuiieren  Wahrhaftigkeit  des 
Abschreibers  erheben  zur  inneren  Wahrhaftigkeit  des  schöpferisch  producirea- 
den  Genies. 

Wol  keinem  der  neueren  russischen  Schriftsteller  ist  es  gelungen,  tiefer 

in  die  Twboi^gensten  ^eelenwinkel  der  verschiedensten  und  verschiedenartigsten 
Individuen  einzudringen,  als  Dostojewski.  Es  sind  allerdings  mehr  die  krank- 
haften,  von  der  Norm  abweichenden  Erscheinungen  d'^s  jt'^vschischen  Lebens  der 
Gesellschaft  und  des  Individuums,  bei  denen  er  ma  btt-uaderer.  manchmal  fast 
unb^reiflicher  Vorliebe  ven^eilt.  Deswegen  aber  iat  da^  Resultat,  daa  uns 
dm  Studium  seiner  Werke  geben  kann,  nlehts  destoweniger  ein  poBitives. 

Die  PSdagogik  ist  Lehre  von  der  Brsiehung.  Diese  hat  es  mit  dem  In- 
tellecte,  dem  OellUll  und  dem  Willen  zu  thun.  In  diese  Gebiete  fallen  auch 
die  Erscheinungen,  'welche  dem  Künstler  als  Material  zun»  Aufbau  eines  Lebens- 
bildes dienon.  ITieiaus  schon  ist  klar,  wrlfhe  Bedeutung  das  Studium  der 
schönen  Literatur  auch  fär  den  Pädagogen  alä  solchen  hat.  Dostojewski  ist  in 

«)  Vgl.  Poläinaki.  Über  Dostojewski'»  Kindcrtypen  (Zeitschrift  „Gyunuoinm''  1891), 
und  Ofwt  Mttller,  Die  xussisehea  SehiiftsteUer  aaeh  0«gol  — '  beide  rmtiadk, 


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718  — 


dieMT  Hliiielit  doppelt  wichtig,  einmal  —  weil  er  als  feiner  Ps^cliolc^e  fast 
nldit  Mi&ei^dMii  luvt,  md  sweiteni  —  wtfl  «  ii  täam  Wcriuft  da» 
ganse  Beihe  ?oii  Kinder^ypen  goeiclmet  hat.   Diat  aoeh  dieee  niiit  so  den 

ungewöhnlichen,  anormalen,  krankhaften  gehören,  that  nichts  znr  Sache. 
Werk«^.  wip  Striimp^ls  „ Pildagogische  Pathologie"  oiier  Sf^holr;  „Charakter- 
män^el  des  Kindes*'  zeigen,  daia  sich  auch  die  wiaseoschaftliche Pädagogik  für 
diese  Typen  iuteretssirt 

L 

fanlheit,  Vmite«rkMiiik€it  vnd  andere  derartige  ISgeiiaehafleB,  dflM 

es  jeder  Lehrer  zn  thnn  hat,  sind  krankhafte,  nicht  normale  Erscheinsagea; 
des  Kind«  s  Natur  ist  beweglicli,  seine  Natur  ist  erfüllt  von  lebendigem  Interesse. 

Ks  is-^T  Ii"' 'list  interessant,  wie  ein  Künstler  and  Psychologe  von  dem  Kaage 
Dostojewski  b  solche  Erscheinungen  darciiellt,  wie  or  ihre  Entstehung  erklärt, 
welche  Mitttil  uud  HandUaben  zu  ihrer  Beseiuguug  er  dem  Erzieher  angibt, 
Aldi  diieeten,  praktiielieii  Nitaeii  yennögen  ipfr  bleniia  n  lieheo. 

DoBtojewiki'i  SympatUen  waren  ateta  mid  gans  auf  Setlen  der  SdiWMlie>, 
—  wie  sehr  mnsste  er  die  Kinder  lieben!  Er  wollte  sogar  ein«  qwdflUai 
"Roman  über  die  russischen  Kinder  schreiben;  leider  ist  dieser  Plan  nnans- 
geliüirt  geblieben.  Aber  auch  in  seinen  vollendeten  Rouuineu  sind  yerachiedene 
Kindertypen  dargestellt;  sehen  wir  ans  dieselben  etwas  näher  an. 

Znineitt  aind  es  Kinder,  die  anter  dem  Drnck  der  Koth  nnd  tittUdiei 
Elendes  heranwadiMO,  nnter  denn  Efnflnes  ddi  eeliarf  diarakterbirende  (%a* 
ntkteinnerkmale  entwickeln.  So  NeUy  in  .Uniahenn^  i  oakorblennije",  m 
Netta  in  „Nettotidika  Neewanowa**  nnd  I^jaaehn  In  den  Bonan:  «Die  BvMer 
Karamasow**. 

Alle  diese  Kinder  haben,  bei  sonstiger  Verschiedenheit  nach  Charakter- 
auiage,  Teniperauieut  etc.,  doch  ei'Stanuiieh  viel  und  bedeatende  Ähnlichkeit. 
Sie  lind  yor  allem  nenschenachen;  denn  Noth,  ICangd  an  ftenndlldien  Ein- 
dritoken,  Boheit  der  Umgetang  lauen  nidit  Neigung  sn  TertranUehem  An- 
aduniegen  an  die  Vensdien  ddi  entwickeln.  Diese  Kinder  erscheinen  ans  Iddit 
stumpf,  unentwickelt,  und  doch  ist  ihr  Seelenleben  oft  selir  inhaltsreich,  ihr 
Ueist  sehr  entwickelungsfühig.  Sie  sind  gewöhnlich  außeronli  n*lich  feinfühlig, 
aber  eben  deswegen  andererseits  auch  wieder  sehr  misstrauiscii ,  eigensüchtig, 
emplüidlich.  Gern  vereinigen  sich  in  ihueu  die  größten  sittlichen  Gegeusilt^ 
wie  greocenloie  Liebe  mm  Beleidigten  mit  eben  eddiem  Hass  gegen  den  Ba» 
Iddiger.  Sie  lieben  die  Einiamkdt  nnd  denken  Tid  nndi,  aber  da  ea  den 
Oedanken  an  Material  ans  der  Wirklichkeit  mangelt,  so  bekommt  Ihre  PliMla* 
^iie  zn  viel  Spielraum,  unter  deren  Einwirkung  die  erwähnten  negattveo  Slgenr 
Schäften  sich  rasch  bis  ins  Kiankhafte  entwickeln 

Nelly  lebt  unter  beisouders  schweren  Umstunden.  Deshalb  entspricht  ihr 
Bild  vorzüglich  dem  eben  Gesagten:  schon  ihr  klager,  aber  nusstranisdierBUdk 
ist  ipreehend;  ihre  Lippen  zeigen  atolnea  SdbetbewnMiaeln,  nnd  dodidttartda 
beim  Anblick  dnei  lÜrcmdeii  Heoadien.  Sie  tränt  nicht  einmal  ihrem  Bettir, 
deiwegen  sucht  sie  sogar  das  erwachte  gute  Gefühl  der  Dankbarkeit  gewalt» 
pam  zn  unterdrücken.  Sie  t^laubt  niclit  an  uneigenniitzige  Güte  und  kann  des- 
halb auch  nicht  einmal  ge^en  ihren  Wolthilter  ofl'en  sein.  Und  doch  war  ihr 
Herz  gut  uud  zart,  für  Freuudlichkeit  und  Herzeusgute  sehr  empfänglich;  nur 
das8  ihre  starke  Eigenliebe  diese  Eigenschaften  nidit  M  m  Teiiehdn 


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kommen  lässt.  Sie  verbirgt  ihren  tauten  Kein  am  liebsten  auch  vor  flieh  seibtit 
und  schafft  sich  selber  Leiden,  denn  au  diesen  findet  sie  Gefallen.*) 

An  aIlg:emeiBer  Eatwlckeliuig  und  Henteheikeimtaii  ftalit  Hdi^  lilflier 
al»  «Bdera  Kinder  ttnvt  Alten;  aber  lie  iat  bestlndiir  in  geditekter Stf mmimg' 

ind  deshalb  mt^Wg  in  anhaltender  abetracter  Gedankenarbeit. 

Ihre  Stimmung  ist  infolge  ihrer  leichten  Erre)?barkeit  sehr  wechselhaft; 
vorheri'schcncl  aber  sin»!  f^ie  ('^ffüblf  tiefster  Trau*T  nnd  größten  Herzeleides, 
sogar  als  sie  zuerst  das?  wonnige  iTefiihi  der  Liebe  kennen  lernt.  Nelly  phan- 
tasirt  weniger  als  die  meisten  Kinder  in  ihrer  Lage:  sie  lebt  nicht  iu  der 
Gegenwart,  flire  ktetike  Seele  laeht  in  den  Bfldeni  i«r  Vergaugenlieit  Bub» 
«nd  Frieden. 

Bei  Xetta  Neswanowa  nnd  Iljnscha  ist  das  anders. 

Netta  lebte  doch  unter  glinstigeren  ümständen  und  deshalb  entwickelte 
sie  sich  auch  etwas  regelmäßiger.  Schon  physiscii  war  sie  kräftiger,  was 
gewiss  nicht  zu  unterschätzen  ist.  Ihre  Umgebung  stand  et^\aä  höher  iu  sitt- 
licher Hinsicht,  deshalb  entwickelte  sich  in  Netta  auch  nicht  eine  so  gewaltige 
Ürbittenng.  Sie  iit  mebr  nnterwürfig  imd  mhig,  gaten  —  freUidi  aber  auch 
•chlechten  —  EiiilHfcwen  sngftnglioher.  Im  übrigen  erinnert  sie  ganz  an  Kelly: 
dasselbe  furchtsame  und  misstranische  Verhältnis  zu  Fremden,  dieselbe  Neigung 
zum  Grübeln  in  fl^r  EUnsamkeit.  Auch  sie  mncht  fl*^n  Kindruck  eines  fast 
stumpfsinnigen  Kindes,  und  doch  war  ihr  Gemüth  hoch  entwickelt,  ihr  Ge- 
wissen geschärft,  ihr  geistiger  Horizont  ausgedehnt.  Jedeufallä  hatte  die  Ent- 
Wickelung  ibrei  Oemftthes  bei  ihr  aof  die  inteUecteelle  Entwickelnsg  zorttok* 
gewirkt  Befreinng  Ten  dem  Braek  Ikrer  travrigen  Lebeuniittitftnde  eneht  sie 
In  dem  freien  Spiel  der  Phantasie,  welche  ihr  Bilder  Torgankelt,  die  Ja 
weiter,  desto  stärker  —  mit.  der  Wirklichkeit  in  Widerspruch  stehen,  und  von 
denen  mit  der  Zeit  ihr  Wille  ebenso,  wie  ihre  Gedankenwelt,  vollständig  be- 
herrscht wird,  80  dasB  Wiiklichkeit  nnd  Dichtung  sich  ihr  unzertrennbar  yer- 
schmelzen. 

Im  GegenaaU  mt  Nelly  und  Netta  ereeholnt  Iljuscha  anf  den  eiiten  Blick 
■ienUeh  entwlekelt;  aber  bei  nfthcfer  Betraehtnng  bemerkto  wir»  dam  rta^ 

schiedene  seiner  Seeleneigenschaften  nnterdrflckt  sind,  seine  ganze  Entwlckelungr 
nicht  voll  ist.  Iljnscha  ist  stolz,  verbittert,  rnrhsüchtig,  obg'leich  er  von  Natur 
eher  zartfühlend  und  gut  war.  Seine  eigenf  W  irde  wird  stets  beleidigt  f^cs- 
halb  wird  er  so  sehr  empfindlich.  Kr  sieht  nun  überall  nur  Beleidigungen,  und 
alle  Seelenkräfte  erheben  sicli  gegen  dieselben,  —  daher  sein  Stolz  und  die 
Unaehtong  jeder  Aatotitftt  Er  unterwirft  deh  der  Seknlordnnng  niebt»  be- 
freundet lieh  mit  keinem  Sehttler»  iteht  nit  im  Kampfe  gegen  die  gaose  Claeae. 
Das  Leben  unterdrückte  die  in  seiner  Seele  lebenden  sympathischen  Regungen, 
ließ  die  guten  Anlagen  sich  nicht  entwickeln.  Deshalb  ist  seine  Innenwelt, 
die  anfänglich  viel  vei-sprechen  mochte,  nun  thatsHchlich  so  enge.  Er  befindet 
sich  i^ts  iu  dem  Zustande  hoher  psychischer  Erregtiieit;  seine  Seele  ist  erregt 
Tem  GeflOde  gekränkter  Eigenliebe  und  Eadumcht  Er  ist  physiseh  nnd  altt- 
lleb  aeirllttet  ind  Ündet  deakalb  andi  in  Phaataslebildeni  keinen  Treet,  denn 
adbat  dieee  aind  kraakbaft:  er  siebt  In  aleh  ateta  nnr  ebicn  Vertheidiger  ge- 


*  Wi.  ^ehr  liebt  es  DostejewaU  ttberhanpt,  da«  seine  Helden  in  ihren 

Wunden  wühlen! 


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kräaktar  Untohnld  v.  d«!.  Und  «ub  In  dkie»  knaken  Kinde  k«UMft  immer 
wieder  gerande»  goto  Besmifen  mi  VonelHiii. 

Die  Grttnde  dlütr  knnkhaften  Emheinimg^eu?  Wir  haben  als  ersten 
nnd  bodeutendsten  Gmud.  als  den  am  stärksteu  einwirkenden  Umstand  die 
schweren,  ungesunden  Lebensumstände  bezeichnt  t  ,  und  es  wäre  nicht  besondei's 
schwer  zn  zeigen  —  wie  wir  dies  anch  oben  in  der  Form  von  Beispielen 
gethaa  haben  —  in  wel(^er  Weise  gerade  dieser  oder  jener  Umstoikd  det 
bftudichen  und  loelalen  Lebeni  enttoheldend  auf  ta  Inhalt  nnd  die  Richtung 
der  VonkdllBgtwelt,  des  Gemüthes  und  des  Willens  eir  wirkt.  Nicht  zo  be- 
streiten ist  aber,  dasB  das  Leben  besonders  da  stark  einwirkt,  wo  das  Kind 
für  verschiedene  psychische  Krankheiten  ])rUdisponirt  ist.  Vnd  das  war  bei 
den  geuanuteu  Kindern  allerdings  der  Fall.  Hier  spielt  vor  allem  die  Ver- 
erbnng  kiirperUcher  und  geistiger  Mingel  eine  Bolle;  aher  auch  organiBcIie 
FeUfir  md  XMngd  nd  KnnkheitflD,  die  lidi  «nt  spitar  —  mm  Ttwil  ab 
Folge  derselben  schweren  LebWMUiisttlide,  zum  Tbeil  tdion  als  ResnltaA 
fiilscher  Erziehnng  oder  aucli  ans  anderen  Grimdcn  —  entwickelt  haben,  üben 
mit  f>ntsclieidenden  Ktntluss  aus.  Nun  sehen  wir  uns  darauf  hin  diese  drei 
Kinder  au:  Nelly  leidet  au  Epilepsie,  Netta  au  audereu  nervösen  AnßUlen, 
Xynscha  starb  an  Lungenschwindsucht.  Alle  diese  Krankheiten  flndea  in  dfirf- 
tigen  Lehel— mrtfaden  guten  «ad  glüHllgeB  Bodtti,  all»  kiOfeinen  bervorgorofen 
werden  ebensowol  durch  psychische,  all  wath  pl^JvlIldM  Ursachen.  Das  körper- 
liche Leben  dieser  Kinder  wird  zn  wenig:  nnterstützt,  das  Geistesleben  findet 
zu  viel,  wenn  auch  höchst  einseitige,  Anrf^yang;  deshalb  entwickelt  es  sich 
znm  Schaden  des  Kürpers;  und  die  urganisciien  Mängel  wirkten  dann  wieder 
auf  das  Geisteslehen  zuräck.  Eine  geschlossene  Kette  ineinander  greifender, 
dok  gegonmirtg  Mlngander  «id  beeteflonender  Faetonnl  IHr  nas  liilden 
doch  den  widitigaten  die  schweren  Lebensumstände.  Die  Theorie  der  Ver- 
erbung" ist  außerordentlich  wichtig  im  Sinne  der  Klärung  unserer  Ansichten 
iibpr  Erziehun^saufgaben  und  -Glitte! ;  aber  s^ie  verdammt  nns  zu  fast  vollstän- 
diger Pasfiivität.  Dagegen  kann  die  Bekanntscliaft  mit  der  socialen  Lage  der 
Kinder  und  ihrer  Eitern,  sowie  mit  iliren  Lebensumstäudeu  im  allgemeinen 
vu  stets  Impids  sein  n  eifrigw  Arbeit  an  din  gnAen  Weik  der  Eksieluing^ 
wä  «•  non  dudiüntSRidift  and  BUdnag,  sei  es  diinh  Vwlmsiwiiiit  der  socialen 
Lage  oder  sonst  wie. 

Den  genannten  Kindern  am  nächsten  stehen  bei  Dostojewski  zwei  Jünglinge 
(Arkadij  Dolg^rukij  im  „Podi-ostok''  und  AleschaKaraniasow),  —  beide  geneigt  zu 
Speculatiou,  zu  grübelnder  Vertiefung  iu  die  eigeue  Innenwelt  und  zu  vollstän- 
diger AUflsnng  von  der  Avtsnwelty  wenn  aaeb  TenelijMaa  In  jeder  snderea 
Hinsicht.  Arkadij  DolgorakQ  pbantasirt  anAnglieh  tet  aanMiMinlHtsb  6ber 
seinen  Vater,  der  ihm  in  einem  besonderen  Glanz  erscheint;  in  der  Schnle  theilt 
er  sich  von  den  Collegen  ab,  um  in  'b-r  Einsamkeit  über  seinen  Vater  f^r*  zu 
phantasiren:  dann  föugt  er  an,  in  seiner  Phantasie  das  Leben  nmzugeöUihen. 
Endlich  ruft  das  Ilewusstseiu  seiner  Verlaäseuheil  und  seiner  schweren  socialen 
Steihmg  das  Bedflrfbis  aach  Protest  hervor.  —  In  Aleseha  Kanunasow  Ist  es 
der  Gedanke  an  seine  Hntter,  der  seine  ganze  Seele  behcmcht.  In  iittUober 
Hinsicht  besteht  zwischen  den  beiden  Jünglingen  ein  großer  Unterschied.  Die 
Eaupteigenschaften Polsrorukij's  sind  Srlbtitlipbe,  Neid,  Machtliebe;  Karamasow 
dagegen  war  wenig  daraut  bedacht,  sich  hervortreten  zu  lassen j  hatte  aber 


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dafür  eine  besondere  Grabe.  Liebe  zti  sich  zu  erwecken.  Xucli  (b  in  Temi^ra- 
ment  ist  jener  hewe^^lich.  tliiitipr,  s(!hroff,  dicsfr  -  still  und  ruhig.  Beide  sind 
sie  infolge  iiirer  Abgeschlossenheit  von  der  Außenwelt  sittlich  rein.  In  ihnen 
haben  wir  ein  Beispiel  datör,  welch  entiobeidenden  Einfluss  ein  starker  £ia- 
dfuek,  ein  domüiiniidefl  Gefllhl,  ein  voiliemclieiideB  Seelealiild  a»fU»ii  ktmi. 
Bei  jenen  zneret  genannten  Kindern  iit  der  unmittelbare  Einltaui  der  Lflibeaa- 
bediDgrnngen,  hier  sind  rein  psychische  Motive  entscheidend. 

Znr  dritten  Gruppe  der  von  Dostojewski  dargestellten  Kindprt^'pen  ge- 
hören: die  Fürstin  Katja  i  in  „Nettotschka  Neswanqwa")  und  Lisa  Chodilakowa 
(in  den  „l^rüderu  ivaraintUiow^j.  Dies  sind  zwei  firsdieinongsformen  des 
itolcen,  in«cbtUe1)enden,  behanUelie&  Chankten.  Eal^jn  —  dne  «fafc^WU^H 
genmde  Kfttnr  mit  schOnen  tfttlieben  Anlagen  —  eteltt  die  poettive  Seite  dietee 
Charakters  dar;  die  krankhafte  und  schlecht  erzogene  Lisa  —  die  Kehrseite. 

Katja  war  von  Natur  reicli  begabt:  .sie  erfasste  leicht  und  dachte  viel. 
Nach  ihrem  Tenip' raiiifnt  war  sie  sehr  feurig"  und  1  pwp<r'.ii'}; ;  "luß^^ro  Einwir- 
kungen auf  feie  waren  sehr  Btaik,  fanden  aber  in  liir  docli  stuike  Ueg-enwir- 
kuug,  besonders  in  ihrem  Stolz,  der  oft  in  Eigenliebe  und  Selbütäucht  überging. 
Wen  de  nicht  gaax  behemehen'komitei  ttber  den  noiite  sie  weirigufein  elnmnl 
die  Oberiiand  sn  gewinnen.  Unre  BlgMiliebe  gebar  in  ilir  oft  andere  bBae  Ge- 
fühle und  führte  sie  zu  unsympathischen  Handlungen.  Andererseits  aber  for- 
derten diese  Eigrenlii  ^^^  nnd  dieser  St-dz  aneli  ihn«  Kutwickelong  und  stiililten 
ihren  Willen.  Üauu  aber  war  in  ihr  di»^  TJebe  zur  Wahrhaftigkeit  so  stark, 
daüs  sie  in  den  meisten  Fällen  den  Si^  über  sich  selbst  davontrug  und  so 
vor  manchem  Unheil  gerettet  wurde. 

Was  den  Ursprung  derCharaktereigenBehalten  Ea^a^  anbetriflti  to  trnnn 
dieselben  zum  gr5Bten  Theil  ererbt,  zum  kleineren  Ibeil  anensogen  von  der 
hartnäckigen,  stolzen,  harten  Mutter  und  dem  höchst  sympathischen  Vater.  In 
zweiter  Reibo  waren  sie  Resultat  des  Einflusses  der  Lebensumstände  ihrer 
Kinderjahre;  diese  waren  freundliche  gewesen,  und  harmoniscli  hatten  sich  des- 
halb alle  ihre  Geisteskräfte  entwickdt.  Sie  wurde  von  ihrer  Umgebung  ge- 
hätschelt, nnd  daker  kam  ikre  Eigensndit 

In  dem  ErniefanngssyvteB,  naeh  dem  Ea^a  enogen  morde»  mangelte  es 
an  yerstindiger  Consequei\z:  das  Gereehtigkeitsgeftthl  wurde  in  Katja  stet.s 
beleidigt  und  sie  fand  ihre  Lehrer  nnansstehlich;  aber  ilir  heller  Verstand  half 
ihr  doch,  zu  ihren  Erziehern  ein  ertrflgliches  Verhältnis  anzobahnen.  Kwtz, 
eine  anziehende,  einbeitlielip  harnxiniscli  entwickelte  Nutur. 

Aach  Lisa  ist  stolz  uud  machtäüchtig,  aber  diese  Eigenschaften  kommen 
in  Ibr  krankhaft  nom  VorBChein.  Die  Seeknkftfte  beflndoi  aidi  bei  ibr  nidit 
im  Gldcbgewiebt,  wie  dies  bei  Ka1i|a  der  Fall  ist.  In  ihrem  Hanae  ist  lisa 
Despot,  nnd  wie  bei  allen  Despoten,  entwlekeit  aldi  in  üir  eine  kraokliafte 
8chwHcbe  des  Willens. 

Ant  b  bei  der  Entwickelung  dieses  C'harakters  wirken  die  zwei  Factorcn: 
Vererbung  und  Erziehung  zusammen.  Katja  fand,  wie  wir  sahen,  in  ihrer 
Mutter  einen  festen  Willen,  in  ihrem  Vater  dagegen  vt^rständige,  sittliche 
AntoritiL  Lisa'a  Hntter  dagegen  war  eine  nerrOse,  gedenken-  nnd  ^fffllenloie 
Dame,  die  ihrer  Tochter  in  allem  nachgab.  Uaa  wnrde  cn  frlh  als  erwad^ 
aenes  Mädchen  behandelt;  dies  und  eine  Lectflre,  die  ihren  Jahren  nicht  ent- 
sprach,  wirkte  ebenlUla  schädlich  auf  sie  ein.   So  wnrde  Lisa  ein  physisch 


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angemndes  und  daza  ein  hysterisches  Kind:  ohne  Oleiehg^wicht  der  p8ychkich«a 
Functionen,  leioht  err^bü',  eigealiebend,  launisch,  despotisch  in  der  FanuUe, 
roh  «d4  gtiwim  «Mw  dim  w«^— >  ymMuhmBt  AMtttib,  ffie  fwtebt 
«elbit»  dMi  Ihr  mudnutT  iia  WmMk  kmmb,  flnNtebtr  viel  Bte  sa  Uma. 
Ihre  Phantasie  nlflhMl  Ihr  s,  B.  das  Bild  eines  gekreuzigten  Kindes  mit  ab- 
feMhnittenen  Fin^m,  \mi\  m  roh  ist  sie,  dass  dies  Bild  in  ihr  nicht  Ab^^chen 
ond  Mitleid,  sondern  Lustgefühle  wachrnft.  Natiirlieli  zoig-t  ^ivii  sie  manch- 
mal gute  Regongea,  aber  diese  werden  gewöhnlich  bald  durch  andere,  durch 
MhlMhte  Twdrliigt,  UngewOhiilidi  Mh  xeigen  deh  in  Ar  Ssßum  slnnUeher 
LdtaMfatft,  thdli  ik  F«äge  ihrar  allfaiiMiM  Mchtea  Emgtaifcdt,  «heilB 
«ater  dem  Einflüsse  schlechter  LMtfire. 

Dostojewski  zeichnet  femer  noch  ehie  besondere  Gruppe  von  Kindern, 
ilie  7.n  früh  in  eine  Ideenwelt  eingefiibvt  werden,  welche  ihrem  derzeitigen  Ue- 
(iankenikreise  nicht  entspricht.  So  Koija  Jvrasäotkin  in  den  „  Brüdern  Earama- 
«ow**,  io  Ko^  Iwolgia  im  nldiot".  Die  inteUMMle  Satwicheliuig  dieser 
Kinder  iit  flheriMpt  eine  gui  «igeathtaUehe. 

N&her  charakterisirt  finden  wir  nur  Kolja  Krassotkin:  eine  reizende  Natur 
Im  Grunde,  aber  schon  verdorben,  ehe  er  eigentlich  angefangen  hat  zu  h-hm. 
Ziemlich  frivol  urtheüt  er  Uber  allerlei  Dinge  ab,  die  er  gar  nicht  versteht. 
Sein  scharfer,  aber  eben  doch  nur  kindlicher  Verstand  verstrickt  sich  in  einem 
Ideenlos,  der  aach  fttr  einea  reiferen  Ventend  sa  eohwer  ist  Er  nrthetlt 
weftrt  MehHCrenwigwi,  wirMiehee  Wiüen  geht  ihm  yoUattedlg  th,  BrnMfat 
itele  den  Brwadisenen  zu  spielen,  eehimt  sich  z.  B.,  trotz  seines  bewegUdun 
Temperamentes,  kindlicher  Spiele,  Er  gibt  sich  überhaupt  nie  natürlich,  son- 
dern sucht  sich  nur  stets  von  der  vortheilhaftesten  Seite  zu  zeigen.  Trotz 
alledem  ist  aber  doch  im  übrigen  sein  Herz  rein  geblieben.  In  seinem  Herzen 
leben  aoMchtige  warme  Gefühle;  trotz  aller  eeiner  Predigten  über  Franen* 
Emaaeliinllmi  ist  er  ksoedi;  aein Verstand  hleiht  seharf  ud  Üiidiir»  DerGnind 
liierftr  ist  der,  dtts  er  TonNntur  viel  kräftige  geennde  Elemente  in  sich  hatte 
nnd  die  übertragenen  Ideen  nur  oberflächlich  sein  kindliches  Bewnsstsein  be- 
rührt .-n.  Wenn  Dostojewski  ihm  trotzdem  ein  unglückliches  Leben  prognciÄti- 
cirt,  SU  konnte  daran  eben  nur  sein  falsch  erzogener  Verstand  schuld  sein. 

Eo^a  wurde  anfänglich  von  seiner  Mutter  erzogen  und  von  dieser  zu  selir 
in  ihre  Intereteen^Sphlre  hinetogiaogen.  SpSter  entoof  sieh  der  ▼«  Natur 
atarrsinnige  und  mnMiftngife  Ko^a  ganz  dem  Einfluß  seiner  Mutter  und  unter- 
warf  dieselbe  ganz  dem  seinigen.  Mit  Kindern  hat  Kolja  keinen  Umgang. 
Bücher  MnA  Pfine  einzigen  Freunde.  In  der  Schule  verstand  man  diese  Natur 
nicht  und  konnte  deshalb  natürUch  auch  keinen  veredelnden  Einfloas  auf  sie 
ausübe 

Aneh  Ko^a  Iwolgin  hat  von  Natar  ein  gMtes,  Uebendea  Bisa,  F9r  aeine 
Offenheit  nnd  Geradheit  wird  er  auch  von  allen  geliebt.  IVote  seiner  Neignog* 

zum  Raisonniren  hat  er  noch  viele  »'cht  kindliche  Eigenschaften,  mit  denen 
seine  anerzogene  Wichtigthuerei  gar  nicht  recht  harmonirt.  Auch  er  liebt  es, 
im  Tone  der  dicken  Revuen  politische  und  sociale  Fragen  in  liberalem  Sinn 
zu  verhandeln.  Der  Grund  ist  auch  hier  darin  zu  suchen,  dass  Ko^a  ohne  jede 
AniWeht  ind  fernUnftige  Leitimg  anftnudia. 

Interessant  ist  die  Kindheit  Smerc^jakowe  („Brttder  Earamaaow**),  atea» 
nneheUehen  Sohnes  des  alten  Kanunasow,  spater  Lakais  desselben. 


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723  — 

Smerdjakow  gehört  zu  den  Personen,  deren  sittliche  Gefühl  in  seiner 
Entwickelang  krankhaft  zorückgebliebea  igt.  Bin  kraakliafter  Zustand,  der 
sich  fVr  d«i  oberllAoUlehea  Beobachter  manehsial  nur  sehr  nndeotUeh  ftafert. 
Um  so  interessanter  ist  es»  die  Kindlielt  toldier  PemMien  niher  01  betrioliteB« 

Smerdjakow  wird  von  einem  guten,  frommen  und  liebenden  Diener  er- 
zogen. Die  warme  Fürsorglichkeit  der  Umgebung  stößt  aber  bei  dem  Knaben 
auf  volle  Gefühllosigkeit  und  Undank.  Der  Knabe  ist  ferner  thierisch  g-rau- 
sam.  Er  hat  zwar  einige  Deuktäiiigkeit,  aber  sein  Verstandesleben  ist  doch 
ein  recht  eigentlillBliches:  er  ist  nn&hig  za  indnetiTem  Denken.  In  seinen 
Sophismen  liegt  ein  gewieser  SdiarMnn»  aber  sie  sind  nach  ihrer  Bildnngtart 
efnsritig.  Als  Kind  kann  Snier4}«kow  keine  Beobaditaiigsgabe  gehabt  haben. 
Er  g-ehört  zu  den  stnmpfen  oder  apathischen  Nattfren;  seine  Denkfähigkeit 
wächst  nur  aus  sich  selbst  heraus,  organisch;  äußere  Einflüsse  auf  seine  Ent- 
■wickelung  sind  unbedeutend.  Solche  Einseitigkeit  ist  ganz  natürlich,  da  eben 
das  Gebiet  des  bittlicheu  und  ästhetischen  Fühieus  iu  ihm  ganz  unentwickelt 
war,  weswegen  anch  die  Gesammtnunme  seiner  Vonfeellnngen  und  Begrlilb  nnr 
•elir  gerinir  Min  konnte.  FHT  üin  um  Sohnle,  enlelilklier  Einflnss  der  Fa« 
mflie  eto,  wiiknngsio«,  —  er  gehörte  in  eine  spedelle  AnsteH  für  Seelenkmake. 

n. 

Es  ist  eine  der  für  die  Pädagogik  wichtigsten  Fragen,  unter  welchen  Ein- 
flüssen sich  die  allgemeinen  Grundlagen  der  geistigen  Natur  des  Kindes  aus- 
bilden. Die  Analyse  der  von  Dostojewski  gezeichneten  Kiudertjpen  weist  anf 
eineBellie  Ton Bedingungen  hin»  die  fttr  dieAnsbUduig  deeOhan^ten  wichtig 
sind.  Hierher  gehOrt  vor  aUem  die  VerutNing  geistiger  Eigenschaften.  Man 
mnss  diesen  Factor  nicht  nnterschfttzen,  um  danadh  seine  Maßnahmen  treffen 
zu  kSnnen.  Alescha  Karamasow  hat  von  seiner  Kutter  die  religiöse  Richtung 
tjeiner  Oedankonwelt  ererbt;  ererbt  ist  eben  diese  Richtung  auch  in  seinem 
lirudcr  Iwan,  bei  dem  sie  aber,  infolge  sein^  vullständig  verschiedenen  Cha- 
nktert  nnd  Bndebnngsganges,  gann  anden  anftiitt  Aoeh  sonat  hat  Alesefaa 
in  geistiger  Hinddit  maaehe  iLhnliehkeit  mit  seiner  fMh  Tentorhenen  Unttsr. 
Aber  auch  Eigenschaften  des  Vaters,  besonders  die  Neignag  SB  Starken 
ftthien  und  Affecten,  haben  sich  znni  Theil  auf  ihn  vererbt 

Besonders  häutig  ist  die  Verrrbnug  nervöser  Krankheiten  mit  allen  ihren 
Folgen  für  die  geistige  Entwickt  Uuig.  Die  cpileptischp  Nelly  ist  die  Tochter 
eines  Säufers,  die  hysterische  Lisa  hat  eine  hysterische  Mutter  etc.  Diese  Art 
der  Verertning  ist  besonders  wiehtig  nnd  darf  ron  den  Pädagogen  nieht  anßer 
Acht  gelassen  werden.  Die  Frage  ist  nur,  ob  solehe  ererbte  fitgeaschaften 
durch  die  Erziehung  beseitigt  werden  können.  An  Earamasows  SOhnen  sehen 
wir,  dass  dies  allerdings  der  Fall  ist.  Alle  sind  sie  von  Natur  ziemlich  gleich 
begabt,  aber  nur  Iwan  ist  tauglich  fürs  Leben,  während  Alescha  stets  unbe- 
stimmten Zielen  nachgeht,  Dimitri  seine  Zeit  ganz  einfach  todtschlägt.  \Voher 
dieser  Unterschied?  Er  ist  nur  zu  erklären  durch  den  Uhtersdued  iu  ihrer 
Brdehnng.  Dimitri  nnd  Alescha  erhalten  keine  Anleitung,  während  Iwan  frOh- 
xeitig  einem  t&chtigen  Pädagogen  übergeben  wird  nnd  sieh  nnter  Lenten  be^ 
flulet,  die  ihn  wol  beeinflussen  konnten. 

An  zweiter  Stelle  steht  der  Einflnss  der  Lebensbedingungen,  der  sich  einer- 
seits in  der  Ausbilduntr  der  Vorstellungswelt,  andererseits  in  dem  Seelenleben 
des  Menschen  überhaupt  äuiicrt,  indem  diese  Lebensbedingungen  verschiedene 


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—  724  — 


Seeleuregungen  hervorrufen.  Dostojewski  tSÜat  oft  Beispiele  dafSr  an,  vde 
selbst  eine  nnbewnsste  Vorstf'llnn?  nirlit  nnr  eine  gewisse  Stimmxing  hervor- 
rofeü,  sondern  anch  direct  d*  n  Wilit  u  becniilusseu  kann.  Ist  dies  riciitig,  am 
wie  viel  gröüer  muss  daau  der  Kiuliuss  der  gauzen  Summe  der  Vorstellongen 
aeini  Bttondeia  groB  Jtt  aatttilidi  d«r  Etaflnai  deijenigon  VontoUiingen, 
wdQhe  beMfkdm  Itet  in  d«r  86«le  ibgalaieit  Bind,  s.  B.  nit  liettiiUBtM  Q»* 
fühlen  in  Verbindung  ttehfliL  Eine  TOitenwheade  Vorstellung  führt  zu  einer 
dominirenden  Gemüthsstimmting  und  gibt  aach  dem  Willen  eine  bestimmte  Rich- 
tung'. TVshalb  sagt  eine  df^r  lian  lelnden  Pereonen  Dustojewski's,  dass  es 
keine  köstlicheren  Erinnerungen  als  die  der  ersten  Kinderzeit  im  Eltern- 

hause, und  AleBchu  Karauiasow  behauptet,  dass  eiue  sehöne,  heilige  EriimerUBg 
»IIB  der  Zelt  der  Kindheit  die  bette  Jürdehnng  aeL  Sein  der  Meneeh  fkh 
tdldier  Erinnenngen  hinftber  neluMn  Ibb  Leben,  fo  Irt  er  gerettet  ilr  hmv 
Doetiyewiki  edbet  führt  an  einer  Stelle  seines  Tagebaches  eis,  wi«  ftr  ibn 
nnd  Nekrassow  eben  aolclie  Erianernngea  der  Leiteteni  ihiee  gnmiii  LebM 
gewesen  seien. 

Suchen  wii'  uus  uun  noch,  an  der  Üaud  dur  VVei'ke  Doet«|jewski  s,  einige 
Einzelfragen  zu  beantworten. 

Hohen  In  der  Seele  dei  Kindes  nicht  Erllte  bot  Abwehr  der  ren  «nte 
einnIrkeiideB  Einflüsse?  Wir  heben  gesehen,  daai  Kelly  und  die  fibiigea  m 

uns  betrachtetMi  Kinder  ängstlich,  misstranisch  nnd  verbittert  sieh  von  der 
Umgebung  abschließen,  die  Einsamkeit  lieben,  sich  von  einer  Tin>>e'=;timmteii 
SebnKueht  beherrschen  lassen.  Das  ist  die  negative  Seite  des  Kinüusses  der 
Urückcuden  Lebensumstände  und  der  ümgebnng.  Aber  dieser  Einduss  äoi^ 
sieh  doch  eneh  in  poeitiver  Form.  Nicht  alle  Natarankgen  werden  unter- 
drückt Dn  Mangel  an  Welt-  nnd  Hensehenhanatnis  enetnt  eine  mgewflh»' 
liehe  Feinfühligkeit  für  psychische  Begangen  nnd  ein  ungewShnliehaaYeiBtlai- 
nis  für  sittliche  Motive  und  Handlungen.  Die  Kinder  verachteter,  aber  edler 
Bettler,  sagt  jemand  bei  Dostojewski,  lernen  die  Walirheit  so}tr>n  im  Alter  von 
neun  Jahren  kennen.  Nicht  alle  guten  Ciiaraktereit:*  nscliatteii  werdeu  unter' 
drückt,  so  dai»8  bie  bei  zarter  Behandlung  sich  leicht  weiter  entwickein. 

Noch  eine  Frage:  Ist  das  QeflU  der  eigenen  Wirde  in  den  fflndani  wtr 
wickelt  und  wie  ▼erhalten  sie  sieh  bei  Beleidigoagen  desselben? 

Ein  nngebildet  1  Krzieher,  Tonchard  (im  „Podrostok")  beleidigt  absicht- 
lich, um  zu  strafen,  djis  eben  erst  sich  zeigende  Gefühl  der  eigenen  Würde 
seines  Z;»p;lings.  Dieser  racrkt  die  Kränkung  anfänglich  nicht:  Vald  aber  be- 
ginnt er,  die  ihm  zugeschriebenen  niedrigen  Eigenschaften  that^üchlich  anzu- 
nehmen j  endlich  tritt  eiue  starke  Beactiuii  ein,  erst  in  der  Form  paäsiven 
Heeses  nnd  Tevdecfcter  Bosheit,  dann  in  demEatMUnss  m  fliehen.  Wir  sehen 
daraas:  das  Ehrgafllhl  entwickelt  sich  gleiefaasltig  mit  der  aligeniflinen  Bnfc* 
widtelang  des  Bewnsstseins. 

Kann  aber  die  Seele  des  Kindes  eben  solchen  Widerstand  auch  bei  einem 
Druck  auf  .seine  sittliche  Natur  leisten V  Tin  alleremeinen  darf  man  annehmen 
—  und  Dostojewski  bestätigt  dies  —  das  Kind  sich  änßeieii  EinÜüiiäen 
in  sittlicher  Hinsicht  am  zugänglichsten  zeigt.  Der  alte  Zosimas  („Brider 
Karamasow")  sagt  Tor  seinem  Tode»  man  mflsee  sieb  jede  Minvte  davor  hitttn, 
dass  man  nicht  unbedacht  bösen  Samen  in  die  Seele  des  Kindea  streue,  in 
Bokher  gar  BQ  leicht  Wanel  schlage.  InHidge  ihrer  NaehahnMUgMaBhtMhMn 


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—   725  — 


die  Kinder  fast  uubewusst  die  schlechteu  Eigenschaften  der  sie  umgebenden 
Erwachsenen  an.  Alier  Bostojewaki  zeichnet  doch  aaoh  Naturen,  die  gegen 
dieaei  gewaltaftfiige  Hindnstoheii  In  Log  nnd  Betrog  eaergisch  protaatlreii. 

Ans  Liebe  zn  ihrem  Stfofrater  führt  Netta  einen  Diebstahl  ans;  aber  sie  fllhlt 

doch  stets  die  sittliche  Verantwortlichkeit  hierftir  nnd  zwar  so  stark,  dass  sie 
vor  Anfregnng  endlich  einen  nervösen  Anfall  i  f  kninmt.  r>ir  SVp!p  des  Kindes 
ist  also  dnrchaus  nicht  eine  tabnlarasa;  den  (TinudJond  des  1  iih  l  ens  bilden 
einige  angeborene  Eigenschaften,  die  auch  nicht  immer  durdi  äuiieren  EinÜnsa 
gans  beseitigt  werden  kUmien. 

Bieber  hatten  wir  ei  alt  7ererbnng  vnd  tnßeren  Bfaidttsnn  sn  thron. 
Aber  es  gibt  Fälle,  wo  im  Bewnestsein  des  i^fenschen  nnbewnsst  Tdeen  anf- 
tanchen.  dnrch  welche  der  weitere  Fortgang-  des  Innenlebens  bedingt  und  be- 
stimmt wird.  Dostojewski  bee-niis't  sieh  leider  mit  einem  kurzen  Hinv.-oi'^  hier* 
auf,  ohne  diesen  Fall  durch  einen  künstleriscli  geschaffenen  Typus  2u  iliustriren. 

lU. 

Wir  bemerken,  im  in  allflo  von  mit  betnehteten  Kindem  das  Gefühl 
eine  absolot  domtnfnade  Stellnng  eteaimint  Wo  die  Kinder  noeb  nieht  tnaly- 
fiiren  btanen,  fflblen  sie  die  Wahrheit  berana,  besonders  besUgHch  des  Seelen- 
lebens ihrer  ümgebnng.  Dabei  kommt  es  vor,  dass  sie  irren,  aber  dann  be- 
merken sie  auch  bald  den  Fehler  und  beruhigen  sich  nicht,  bis  sie  die  Wahr- 
heit gefunden  haben.  Der  Wille  ist  bei  den  meisten  dieser  Kinder  wenig 
gestählt,  daher  unterwerfsn  aie  sieh  leicht  fremdem  Willen.  Da  sie  Überhaupt 
lUebt  erregbar  aind,  so  weeheeln  in  ihnen  die  Geflible  sehr  lefeht,  mtt  inter 
Einfluss  eines  ganz  nnbedentraden  ümstandes.  So  ist  z.  B.  der  kleine  Smimow 
bis  in  den  Tod  betrübt  über  den  Verlust  des  Iljnscha;  aber  als  er  eine  Schar 
Sperlinge  vorüber  fliegen  sielit.  ist  filr  einen  AngenbUek  alle  Trauer  vorbei, 
und  er  wirft  mit  Steinen  nuch  den  ^'ögelii. 

Alles  weist  darauf  hin,  dass  die  Gefühlsseite  in  der  Seele  des  Kindes  am 
meisten  Sofiereii  TOnün—*«  offen  eteht  Der  Eindeueele  afaid  &at  alle  GeAhle 
sngSngUch,  webei  die  Stttrke  nnd  Tiefe  derselben  oftmals  die  bSohste  StnfB  er- 
reicht. Die  von  Dostojewski  ge>ceichneten Kinder  zeigen  gleich  Iiil u  fi-  egoistische 
nnd  altruistische  Getliiile,  nnd  beide  erreichen  in  ihnen  die  gleiche  Intensität, 
wie  aus  der  Theilimhme  de)- Willpns-eieniente  an  denselben  und  aus  den  Formen 
ersichtlich  ist,  in  denen  diese  detiihle  sich  ilußern.  So  sind  liei  ihnen  z.  B. 
Kaclisucht,  Eigculiobe  und  Hass  sehr  eründeriäcli  bezüglich  der  Mittel  zu  ihrer 
BelHedigung.  Eigenthttmlieh  für  die  Natur  der  Kinder  ist,  dass  diese  oft  ohne 
Abeicht  oder  Wonach  sn  rAohen  giofle  Oransamkeit  neigen;  das  gilt  sogar  Ton 
Kindem,  denen  solches  Gefühl  von  Natur  gar  nicht  eigen  zn  sein  scheint.  So 
steckt  Hjuscha  Smerdjakow  eine  Nndel  in  ein  Stück  Fleisch  und  gibt  es  einem 
Hniidp  iiMv  um  zn  sehen,  was  daraus  werden  werde.  Den  Grund  hiervon 
haben  wir  lucLt  in  kindlichem  Unverstand,  auch  nicht  in  Hoheit  zu  suchen, 
sondern  in  der  leichten  nnd  raschen  Erregbarkeit,  bei  schwacher  Entwiekelong 
des  Wülens.  Ferner  sind  die  Kinder  in  Gesellschaft  stets  rober,  als  wenn  sie 
allein  sind.  Wenn  die  Kinder  allein  sind,  sagt  Iljuscha's  Vater,  sind  sie  w  ahre 
Engel  Gottes;  in  der  Schule  sind  sie  oft  mitleidlos.  In  diesem  Falle  wirkt 
eben  der  Wille  weniger  intensiv,  die  erregten  (iefühle  kommen  energischer 
zum  Ausdruck. 

Das  Gewissen  ist  bei  den  Kindern  oft  ungewölmUch  geschärft,  wie  schoa 

Pedagogitun.   15.  Jahrg.   Ueft  >il,  49 


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—  726  — 


dar  aDfeftthrte  FaU  mit  Nett»  beweist,  wo  der  innere  Schmerz  zoletit  im  einm 
nervöfpii  Anfall  seinen  Ausgang  fand.  Die  Stilrke  der  sittlicheu  Erregung 
kann,  unfoige  der  Frische  des  .sittlichen  Getülils,  sograr  oft  die  praktische 
dentung  der  Handlung  bei  weitem  überschreiien.  Aber  bei  aller  ihrer  sitt- 
lichen Keinheit  können  die  Kinder  doch  nicht  die  Uufiittlickkeit  in  jeder  Form 
M^flnmii  and  rind  dcdnlb  niiHw^tiMfl  iBiotoiBakr.  Slo  mw«*«"  sadL  oraltohA 
GetfivIdM  lUiNii,  obne  dabei  aaHnikSreii,  im  Henaa  kaaaok  aad  vaia  a  aii». 
Dostojewski  bezeichnet  solchen  Cynismos  als  rein  äußerlichen.  Daraus  dürfen 
wir  nun  freilich  nicht  schließen,  duss  solche  sj.räf  lir  für  die  Kinder  anch 
unschädlich  sind.  —  Wir  bemerkten  ferner  bei  allen  Kindern  ein  \"orherrscbeji 
der  rkuitääie.  Es  fragt  sich,  welchen  Charaktei'  dieselbe  im  allgemeinett 
ti-ägt.  Da»  hängt  ab  vom  Wesen  der  dai  Kind  omgebenden  Wirklichknit  lud 
T«n  dar  pqrdio-pl^ologfieliatt  Eigenthdmllohkait  daa  Kindaa  adlMt.  Jone  ha- 
akimmt  dan  Inhalt  dar  Phantasien,  welcher  gewöhnlich  der  Wirklichkeit  voO* 
ständig  entgegengesetzt  ist.  Welchen  Einflnss  die  psycho-phyaiologische  Orga- 
nisation hat.  ■/,c\irt  da*  B^^isp?«']  '1er  Lisa  Chochlakow;!,  in  dt^ren  Pljantnsi»^  alle- 
EigenthümiiciikeiU'u  eines  neivosen,  hysterischen  6abjecte8  zun»  Au&druck 
komn^n.  Wa»  den  EinüUHS  der  Phautanie  auf  das  Seeleuleben  de«  händeä  au- 
betrillt,  so  teaaabaa  wir  nur  an  Netta  Neawanowa  la  danken,  für  welche  ihn 
Phantasten  den  gaozea  Inhalt  ihres  TnnanleihaM  blldataa*  Wir  hfiren  oft  m 
«Qtlaufenen  Kindern;  meistens  sind  diese  ihrer  Phantasie  gefolgt,  die  ihuen 
wunderbare  phantastisclie  N  orstellnn^en,  Bilder  und  Entschlüsse  vorgankeli 
und  ihren  Willen  vollständig  regiert.  Mnnf'hn.al  bekommt  die  Phantasie  einen 
prophetischeu  Charakter.  Als  Netta  zum  erstenmal  das  hell  erleuchtete  Haia 
des  Füi'&teu  X.  sah,  schien  es  ihr,  als  habe  sie  dies  alles  schon  einmal  gefieheü. 
—  und  sie  hatte  aa  wd  auch,  aber  natürlich  aar  in  ihrer  Phantaaia.  Frei- 
lich Hast  sich  diese  Beohaohtnng  nicht  iräraUgemeinem  and  kfinnaa  wir  an 
danolben  kaina  Schlueafolgemagan  liehan.  (S^laai 


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Pädagagische  Bandsehau. 


I.  lulernationaler  Samariter-Congreas  in  Wien  1893.  Bureau: 
Wien,  I.,  KlntiMnlnir  7.  Dm  Empfangs«  und  Fest-GomHA  dtetet  GongNtses 
%tX  Bloh  bereits  oomtitBirt  und  znm  Obmann«  den  Hofrath  Ernst  Lndwig 
wSblt.  Als  Festprogramm  wnrde  festgesetzt:  Für  den  7.  September  abends 
eine  zwanglose  Znsammenknnft,  fiir  den  8  wnM*^  von  rler  k.  k.  CTcn(^ral-Tnten- 
<lanz  ein*»  Festv<»8tellnn»'  in  der  k.  k.  Hotoper  bewilligt,  am  9.  findet  der 
Empfang  im  Rathhan»»  durcli  den  Bürgermeister  and  die  Gemeindevertretang 
Ton  'Wien  ttett  Am  10.  8mtanber  wird  ein  GnrtoDllMt  abgehaltmi  wwta, 
bei  wdohem  die  erston  Kflnstlsr  Wiens  Ikn  Mltwtrlnmg  sngMagt  Imben; 
nn8erdmn  sind  Ansflttge  in  die  ümgebinig  Wiens  und  am  11.  September  eine 
gemeinsfime  Fahrt  nach  Bmlapest  geplant. 

Die  Aomeldangeii  zum  Congress  haben  bereits  die  Anzahl  von  400  über- 
sehritten nnd  zwar  sind  zalilreichr  Vertretangen  von  Ros^ierungren,  Städten, 
äi'ztlichen  Gorporationen,  Feuerwehren,  Samariter- Vereinen  uud  anderen 
Hnmaaltltmrelnen  oflloiell  angesagt.  Von  hervomgenden  FM^nUeUteiten 
tlnd  neaerlich  dem  Congiesse  befgetreton;  PMu  Ihnfl  SehSnaieh^arotnfb, 
die  Grafen  Cavriani  in  Krakau,  Schaaf^ntseh  in  Lienz,  Wimpffen  in  Algier, 
die  gelieiinen  Räthe  Graf  Risniarck-Bolilen,  General  der  Cavallerie  in  Zflssow, 
Freiherr  von  Horst,  General  und  Minister  a.  D.  in  Graz,  General-Lieutenant 
von  Radecke  in  Potsdam  u.  s.  w.  Die  Vorarbeiten  für  den  Congress  sind 
nunmehr  abgeschlossen,  nnd  werden  die  einleitenden  Befisrate  in  der  nftohsten 
Zeit  zur  Versendvog  an  die  Hitglieder  gelangen. 


Der Centralausscbnss  der  Gesellschaft  für  Verbreitung  von  Volks* 
bildung  hat  in  seiner  letzten  Sitzung  besdil'^^s'^n .  die  Generalversamm- 
lung, welche  anfangs  Juni  in  Weimar  stÄtthndeu  sidlte ,  der  Zeitverhältnisse 
wegen  aber  vertagt  wurde,  im  November  d.  J.  in  Berlin  abzuhalten.  Auf 
der  Tageeordnnng  stehen  anBer  den  gesebSfllieliea  Voliaiidlnngen  folgende 
Gegentt&nde:  1.  Stlftnngen  für  Unterriehtih  nnd  Bildmigssweeke  (Lelirer 
J,  Tews^Berlin).  2.  Welche  Veranstaltungen  sind  für  das  nachscimipflichtige 
Alter  zu  treffen,  damit  die  Resultate  des  Schulnnterrichts  und  der  Schul- 
erziehun^:  gfesicliert  werden,  und  die  durch  die  socialen  Verbältnisse  der 
Ge;?enwart  bedingte  Ausgestaltung  erfahren,  und  welche  Veranstaltungen 
dieser  Art  muss  die  Gesellschaft  f.  V.  v.  V.  zur  Zeit  ganz  besondera  zu  fördern 
snchen?  (Lehrer  Gew.  Sagner  nnd  Prof.  d.  Velde^rlitn).  3.  Die  all* 
gemeine  VoUnsehnle  (Prof.  J.  B.  Meyer-Bonn  nnd  Abg.  Bieicert'Danrig). 

Ans  Wörttemberg".  Allir m  ine  Wfirttembergische  Reallehrerversamm- 
lung.  Dieselbe  tagte  am  28.  Juni  d.  J.  in  den  KAnmen  des  köuiglichen  Real- 
sohulgebändes  in  Stuttgart.    Es  hatten  sich  die  Amtsgenossen  aus  Stadt  und 

49« 


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—   728  — 


Land  so  zahlreich  wie  je  dazu  eingeAmden,  hatte  doch  die  CnltmiDistehail- 
aVtheUnng  für  G«lekrC«B*  lud  RenkohiilflB  in  dankenswerter  Weite  diewii  Tig 
für  di»  tiMOnelinieDdflD  Ijehrer  alf  Sehnltny  frdgtgfbcn.   Die  lM»he  Behörde 

^bewies  ihr  Interesse  an  den  Bestrebungen  des  Reallehrer?«rein8  anch  dadnreby 
dass  Se.  Exce1!»'Tiz  d^r  Herr  Cultminister  Dr.  v,  Sarvrey  sowie  Direcfor  Dr.  v. 
Dom  und  die  übei-studienrathe  v.  Hensskr,  Günzler  nnd  Abieiter  der  Vei-samm- 
long  anwohnten  nnd  den  Verhandlongen  Ton  Antaug  bis  zum  Schlosse  folgten. 

JH»  Ttfhnndhingen  in  den  Abtheilvngen  begannen  nm  8  Uhr.  In  der 
iMrtimatiifth  ■  natarwiwMnebaftlichOT  ipMMli  warnt  Prathwar  D.  HOlder- 
TftUngen  über  die  algebraischen  Bediiignogen  f&r  die  Lösbarkeit  geometriaelnr 
ConKtmctionBaufgaben  mit  Hilfe  von  Zirtel  nnd  Lineal.  Da  jede  Strecke  ans 
gegebenen  Strecken  sirh  cnnstrnirpn  !?^sst.  wenn  sie  dui-ch  einen  gewissen 
Qnadratwarzelansdruck  ausgu drückt  werden  kann,  der  nur  vierte,  dritte  und 
mittlere  Proportionakn  oder  die  Anwendung  des  Pythagorfters  zur  Constmction 
TMdaagt^  ao  kaauit  aa  damif  a%  sa  'nknaalian,  ab  die  GlaidMnig;  a»f  walte 
JaÜi  jlHilBehllialili  Allf]|ii1ii  führt,  durch  einan  loloheu  Wurzelansdruck  befriedigt 
werden  Vann.  Es  ergibt  sicli,  dass  hierzu  nötliig  ist,  1.  dass  der  Grad  der 
Gleichniig  cihp  Pr<tpnz  von  2  «ei,  und  2.  da.ss  all«"  Wnrzeln  der  Gleichung 
durch  den  Quadratwurzeiausdrnck  dargestellt  werden  köuiicü  (nach  Petersen). 
Anwendnngen  des  Gefundenen  auf  EreistheUnng,  auf  die  Trisection  d^  Winkels 
iib4  ^  Att^abatt,  die  sa  einar  GlaMhug  4.  Qfadea  ftbvan,  BeMoMtn  da» 
iBteressanten  Vortrac,  dem  über  50  Zuhörer  gespannt  folgten. 

Nicht  minder  angenehm  fesselte  der  2.  Vortrag  des  Dr.  Kuoß-Cannstatt 
iilif  r  die  elektrischen  Erscheinungen  des  AV'assers,  der  durch  hübsche,  gelungene 
\  ersuche  belebt  war  und  uur  das  eine  Bedauern  erregte,  dass  die  Kfirze  der 
Zeit  nicht  gestattete,  auch  den  2.  Theil  des  Vortrags  zu  genießen,  der  von  der 
l4iftaialdxioittt|  daran  IMgar  Stanbthafiebm  afnd«  baadahe. 

In  der  npranhlkh-Matariaeben  Abtheilnng.  welche  Bector  Kayer-Biberacb 
leitete,  gab  derselbe  zuerst  einen  Bericht  über  eine  Ferienreise  von  8  Wochen, 
die  er  nach  Kurland  gemacht  hatte,  in  welchem  er  sich  sehr  befriedigt  über 
die  Ej-fulge  derselben  aussprach  und  nicht  hlm  den  Studierenden,  soudern  auch 
d^  Amtsgenossen  solche  Kelsen  als  besten  Bepetitionscui's  in  der  fremden 
Synoba  empfahl.  Huu  folgte  Proteor  Sebmierar-EisliBgeB  mit  einem  fesaeln- 
den  Votteag  tber  „La  D^bäde**  Ten  Zela»  werin  er  die  Gfiidalgia,  Teodm 
lad  Stellung  des  berühmten  Romans  klar  zeichnete. 

Punkt  10  Thr  eröffnete  Kector  Dr.  Kam"?]<^r-Tnbin?en  die  Hauptversamm- 
lung im  FesUaale  d^  Hauses  und  gab  dem  ^ViiUbciie  Ausdruck,  es  möchten  aus 
der  Versammlung  heraus  die  auch  unsere  Amt&geno&seu  von  deu  humanistischen 
Anflteltan  bewageodaB  Fragan  ttbar  VarbaaBcnag  der  SteUnng  der  Iiehrar  tn 
wJrtaobaftlieber  nnd  aoeialer  fliariabt  in  Angriff  nnd  Behandlung  genoauaaBi, 
nnd  insbesondere  der  eine  oder  andere  College  die  allerdings  nicht  geringe, 
n^fv  gewiss  daakfliiewerte  Mühe  aof  akb  nehmen,  daa  gtatiaüacbe  Kaledftl 
zu  sammeln. 

Professor  Beiijwangei'  sprach  mit  begeieterudeu  Worten  über  „die  Schule 
als  Endeberin  nun  Staa.tabtliger''.  Hinwelaead  anf  die  Wicbtigfceit  dieaer  Er- 
ziehung angaaiofata  der  eben  YoUaogaMn  Wablen  zum  Deutschen  Reichstag 
steUte  er  als  Forderung  hierzu  auf:  Pflege  der  Religion  in  der  Schule,  Erzie- 
bnag  ZOT  BQkhter^lnag  nnd  Wabrfaaftigkdt,  ato  den  anndiagaB  aUar 


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—  7»  — 

Charakterbildung;  Erhaltung  des  Volksliedes  in  der  Schuld,  in^bp-nndere  auch 
durch  Aut'nahnie  in  die  Lesebücher,  vor  allem  aber  Verwei  t  iing  des  i "  schichte- 
unterricbtB  und  der  Heimatkunde,  der  LiteraturgeficUickte  und  geograpkiscliei* 
lOhanktalifUar  ar  Waafang  d«i  BhigwAUi  ud  te  TflteilMiUlebe^  Die 
Plege  dar  Matterepnaha  wd  palclMiMha  Sohalfeieiu  '  wmta  beMndara 
ampfohleD  nnd  fUr  die  oberen  Class^  und  Fartibüdungsschulen  auch  Belehruni^ 
fiber  Verfassung  des  fiEfprien  Vaterlandes  gewünscht,  ohne  Einfuhrung  in  die 
Politik  der  Parteien.  Keiolier  Bei&ll  lohnte  den  Redner.  In  der  darauf- 
folgenden Besprechung  eraptalil  Bector  Mayer-Biberach  insbesoudere  die  Tor- 
geschlagene  Beleiimng  fiber  Ver£s»sang  etc. 

Den  2.  Voierag  Uslt  FmL  Dr.  Fiiik-TObingeD  ttbar  tlmntbtii»  nd  iar- 
flkellende  Geometrie  in  der  Schule.    Er  ftaito  doi  Inhalt  MlnM  direh  «toe 
lichtvolle  geschichtliche  Entwicklang  der  Gleometrie  eingeleiteten  Miregendon 
Vortms's  in  folgende  Leitsätze  7:ns:^mmen:   1.  Pif^  OmmptriP  bildet  für  die 
mittlbre  und  obere  Stufe  das  Centrum  des  matheniaüscheu  Unterrichts.  2.  Der 
Unterricht  in  dei'  Geometrie  trägt  von  Anfang  an  im  großen  und  ganzen  ein 
wiMMMMäidM»  Gepräge.  3.  Dim  üaMiiiBlit  ia  dttr  SnkUdlaehan  OMMrie 
fcUgt  der  ia  der  pn^eetiveii  nnd  endlich  der  in  der  elementaren  jmalyiMBn 
.Geometrie.  4.  Die  beia  Unterricht  -m  Im  obachtenden  Lchrweisea  sind  tiit  den 
-MethodenderEntdeckergenmetrischerTheilgebiete  in  möglichste Übereinstimmong 
KU  bringen.  5.  Der  theor*  ti=5'  hen  Geomptrir  taw  freite  geht  die  darstellende 
Oeometrie.    Letztere  ist:   a»  eine  darsttilleude  Geometrie  arithmetisch-alge- 
braischen  Charakters;  b)  eine  darstellende  Geometrie  mit  speciliseh  projectivem 
Ctaaktar  und  wrfiUU  In  danlfllkäd»  QaoiiMtri*  der  Bbm  (aetther  geome- 
trindiea  Zainhiii«  g«iUBt)  nd  danfeallaade  Oeonetile  daa  BMnaa  (Hnige'aalie 
daaoriptt  Oeometrie,  Perspective  und  Axonometrie).  6.  Das  geometrische  Zeiclinen, 
•walobes  nur  technisches  Zeichnen  ist,  gehfn-t  in  die  Fortbildungsschule.  7.  Bei 
der  Ansführong  der  Zeichnungen  für  die  darstellende  Geometrie  sollt«  die 
farbige  Tinte  eine  hervorragende  KoUe  spielen.  8.  Theoretische  und  l  u  stellende 
Geometrie  aoUeii  ateta  in  die  Hand  eines  nnd  dessdben  Lehrers  gelegt  werden. 
—  Dia  Yaraammlniig  dankte  dam  gaivindlanBadiiardiirdilaldMAaaBalMiuid 
liaacUoss,  die  Debs^  Aber  die  Laittttee  woA  nAchato  Jahr  m  varaahlabea» 

Als  letzter  Redner  tbeilte  Rector  Mttllra'  der  Venanuiilnng  mit,  dass  die 
von  der  vorjährigen  Versammlnng  beschloRs^ne  Eingabe  an  das  Mini^fnrinm, 
iu  '.'  t'lcher  um  die  Ausdehnung  der  Bf»rechtigung  unserer  lOolassigen  Real- 
schulen auf  die  Vorbeieitong  zum  Foi-sttach,  Post-  und  Eiseubahndieust  gebeten 
warian  aoUta,  swar  van  dan  Ham  Staatimiiiiater  daa  Kirchen-  nnd  Schul- 
waaana  mi  die  lÜBlrtarlan  dar  Finanaan  and  daa  AaaivSrdgen  alt  warmer 
Bmpffehlnng  gegeben  wurde,  von  diesen  aber  ala  znr  Zelt  noch  nicht  erf&U- 
bar  zurückkam.  Es  sei  jedoch  alle  Hoffnung  vorhanden,  dass  Wttrttambarg  In 
dieser  f'rage  bald  dem  fieiapiel  Preußens  und  Badena  folgen  irorde.. 


Aus  dem  Großherzogthum  Baden.  (Eude  Jnni.)  Die  GroAherzog- 
liebe  ObeiacbulbaliXlrde(Obenahn]falk)  naeht  In  Uoam  jüngsten  „Varavlnnnga- 
Untt"  den  Caadidatan  daa  blOieran  Sahüaaiftaa  dniabana  kefaie  Oofl^Umente. 

Wie  s.  Z.  im  „Psedagoginm"  mitgetheüt  wnrde  (Jahrg.  1889).  steht  es  eiaem 
Candidaten  fr^i.  sich  in  einem  der  drei  folgenden  Hau^itE''>biete  prüfen  zu  Ias?sen: 
in  Latein  oad  Grieehiach  (als  Haaptfikch),  famer  in  Hauptfitohem  aas  dem  Gle* 


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—  780  — 


hhtit  der  neueren  Spractien  und  der  Geschichte  und  endlich  m  dm  fiaiq^ 
fidiern  ans  dem  matbeiEatiEch-naturwipp*'n»-obafllicheü  Gebietf. 

^Nicht  Beitel),"  so  schreibt  srpijiiiinu  Jl(lif>rdF.  „■\^;Ui1mii  die  Candidaten 
als  Hauptiächer,  wuiin  &it  geprüil  zu  ^udeii  \Mmisdieu^  dafe  Deutsche  und 
^  Oeichiehift»"  filfo  ntdit  <larattf  wsttunAautt  diM  m  knm  nSi^ick  Mi^ 
f,thm  Lehrer,  dar  nir  in  dkwa  Fftehem— und  Tiellekht  aoek  in  der  Phik»- 
lophie  und  Geographie  (als  Nebenfkch)  —  unterrichten  könnte,  eine  Lehranf- 
gäbe  2^l^^n^p!feen,  die  ihn  voll  beschä^gen  und  ihm  eine  ausgedeh Totere  Tmd 
-nachhalt ip;t'ic  WirkFnnikeit  in  einer  Schnlclasse  eiöflfnen  würde:  vit  liutrln  ^vird 
dringend  ei  v»  üii^^ciit  btiD,  das«  sich  mit  der  hifitori&cheii  und  geiniamäiibcheik 
YttbttduDg  nodi  dfe  LaluMIbiguDg  m  ftmdiyeMiclwiB  Untenridite^  wenif- 
•taat  Us  ia  diA  lUttnlflm»  Terbtede.^  In  glddlier  Weise  werden  Tadel  und 
Bath  in  Bemg  auf  andere  CombinationeB  (Geschichte,  Geographie  und  phUo- 
fiophische  Propädeutik)  eitlieilt.  Recht  vielsagend  sind  norh  folgende  ."^ätze 
der  oherschnlräthlichen  ^Bekanntniachnng'':  .  .  .  ^In  AiiH  linnß-  der  Gegtn- 
btande,  weiche  als  Nebenlächer  erwälilt  werden,  sciieint  uehxlach  die  An- 
aduHHUif  aa  kamchiB,  dav  Uar  abarilahHche,  ungrttadlkha  Kfnatalaw 
aVI|^^  •  •  • 

In  Hinsicht  auf  die  Candidaten  der  altclassischen  Sprachen  wird  u.  a, 
gesagt:  ..Candidaten,  welche  Yx^im  Staatsexamen  nicht  einmal  diejenip-p  Leichtig- 
keit und  Sicherheit  im  Verstimdnifcf^r  latemi&chei'  und  i*  rliischer  Texte  zeigen, 
welche  bei  der  Gjmnasial-KeifepruiQng  gefordert  wird,  iiabeu  es  sich  selbst 
aawaafcittbta,  wenn  ümm  ebm  LekriMOkigong  in  den  attea  Sprackta  ttkar- 
kaapt  akkt  laeHnant  wsdaa  kaaa.*  Ekaaao  wird  den  Cmdldatwa  daraatke- 
matisch-ualurwisgenschaitliehen  Fächer  gOMgt»  „was  zu  ihrem  Frieden  dient*^. 
Die  S'clilusssätxe  der  oberscLiilrntliHrhen  Bekanntmachung'  lassen  besonders 
„tiel  blicken"  und  sind  ganz  i;«  eii£jiirt  rorf^-  nnd  verbindungssfichtigen  Aka- 
demikern, die,  mit  Ack  und  iüacii  im  Amte  eingelotitf,  mit  souveräner  Ver- 
aaktaav  kttnkdertltekfa  aaf  dieBcal-  aad  VolkwchBllakrer,  vnlgoflgkalanditinTy 
daa  Star  aa  ataekea.  flle  iaalea: 

kDmt  Zadiaag  asm  hBkmi  Lehrerbernf  hat  in  den  letzten  Jahreia  riflkt> 
lieh  zugenommen;  dagegen  waren  die  hei  den  Staatsprüfungen  ge- 
machten Erfahrungen  keineswegs  alle  erfreulich.  Daraus  erwachst 
für  die  Behörde  die  ernste  Verpflichtung,  mit  vollem  Nachdruck  aui  i:j:iulLuiig 
dar  Badfagungen  aa  beatoken,  daM  die  kdaeai  Lehiar  eine  gedetUteka  Mim- 
wJrkaag  auf  dia  GeiatatMldiuit  ^  ^  aavartnatan  Jagaad  nMgil«k 

„Nur  einer  verhältniaai&iig  geringen  Anzakl  dar  gaprtftaa 
•Candidaten  haben  bedingungilose  Bps^ häftigungszeugnisse  aus- 
gestellt werden  können,  weil  die  meisten  die  in  der  Prüfungs- 
ordnung enthaltenen  Anforderungen  zu  leicht  genommen  haben. 
Dem  gegeattbar  atkaa  wir  uns  Teiankat,  daraaf  aaflaokaaaiza  aMchaa,  da» 
kflaftig  aar  tokka  Candidaten  auf  Znlaasung  snm  Prob^akr  wardn  reckaen 
kHaaen,  denen  in  ihrem  Zeugnisse  nicht  die  Bedkigaag  gtataDt  Stt,  daat  da 
-einen  Thell  der  Prüfung  wiederholen  müssen." 

I^ieser  Eriass  hat  in  den  Beiheu  der  akademisch  gebildeten  Lehrei-  sehr 
verschnupft,  doch,  wie  wir  meinen,  mit  Unrecht.  Dem  Staat  muse  daran  ge- 
l<3gen  &Qm,  tüchtige  Iiakrer  aa  adiaHea;  waiia  ar  dakar  aaf  fl^kldan  aalkMrt^ 
Mm  aiackt  aad  Jiltial  aar  BaaaMgaay  daraalkeB  aagibtt  aa  iil  dlea  Jikkfc  aar 


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—   731  — 


sehr  lobenswert,  sondern  auch  recht  und  bilUg,  zumal  iu  Anbetracht  der  That- 
BMlie,  diM  M  KittelB6hii2|Hrataarai  gibt,  die-^ivie  leHMt  ihrefiehfller  Wimm 
—  Hiebt  te  Staad»  sind,  ohne  ^Sehlaiieli''  dto  IJMmt  gifchwefg«  denn  die 
anderen  Schnldafldker  zu  dociren.    UnbegrslfUelMrweise  sind  diese  Herren 

trotzalledem  Classenvorstän'lp  der  oberen  Classen  und  obendrein  mit  einem 
gewissen  Etwas  versehen,  welches  an  das  bekannte  Sjfirichwort  von  Dummheit, 
Stolz  and  Holz  erinnert.  Manchem  „höheren  Lehrer"  steigt  der  Professortitel, 
w«lober  ntt  der  ddbittvtti  AngfceUmig  erlangt  wird,  so  in  den  Kopf,  dass  er 
das  andanemde  ttd  grllodllohe  Weltentadiua  als  proAin  und  oar  noeh  gat 
genng  ffir  die  Volksschnllehrer  und  Heallehrer  erachtet.  Hier  sei  eingeschaltet^ 
(l;i8S  vor  dem  Jahre  1870  man  den  Unterschied  zwischen  „liölieren"  und  .nie- 
deren'' Lehrern  nicht  ?  >  «rhr -ff  liervortreter  als  irtzt:  bf  ido  Kateg-orien 
der  Lehrer  verkehrten  in  collegialer  Weise  miteiiiuiuler  uii*i  siiciiten  sich  gegen- 
seitig zn  fordem.  Als  anfangs  der  70  er  Jahre  ein  iühlbai-er  Mangel  au  nka* 
demlaeh  gebfldeleii  Lebreni  eintrat,  zog  bmh  ans  Nerddentsehlaad  solche  her^ 
filier  nnd  verlieh  ihnen  Ycnngeweise  gnteSteUen.  Die  Belrihrde  bat  mit  einigen 
derselben  jedoch  ttble  Erfahrungen  gemacht,  so  dass  man  vielfach  annahm,  die 
norddeutschen  Schnlbehörden  hätten  die  Betreffenden  „fortgelobt".  Mag  dies 
richtig  oder  nicht  richtig  sein,  so  viel  steht  fest,  dass  von  dieser  Zeit  an 
ein  Auseinandergehen  der  akademisch  und  seminarisch  gebildeten  Lehrern  con- 
statlrt  werden  kann,  nieht  mm  Voitbell  der  Sehnle;  das  Anseinaadecgeben  ist 
sogar  so  anbefiToll  gediehen,  dass  an  naneben  Lehranstalten,  an  denon  Glieder 
beider  Lebrerkategorien  tbätig  sind,  sich  eine  völlige  Absonderung  Tollsogen 
hat.  —  "Diejenigen  Leute  akademischer  Couleur,  die  wir  vorhin  etwas  naher 
schilderten,  sind  meistens  „ja-otegirt".  d.  )i.  sie  waren  vorsichtig  in  der  Wahl 
ihrer  Vettern,  infolgedessen  sie  auch  gegenüber  denjenigen  gefeit  sind,  die  ihre 
Unterrichtserfolge  nsd  Beföhigung  za  beurtbeilen  haben.  —  Wir  behalten  nns 
TOT,  ein  aadermal  eingehender  anf  diese  nnd  andere  Ersdiebnagen  im  Ißfctel- 
sehalwesen  znrUckznkoromen. 

Hinsichtlich  des  oben  erwähnten  Erlasses  sei  noch  erwähnt,  dass,  wenn 
derselbe  ernsthVh  durchgeführt  wird,  der  Andrang  zum  ^tn^linm  b"hiif^?  Krl;tn- 
gnng  eine.s  iiöheitti  Lehramtes,  der  Pchon  stark  nachgeicis.i?eu  iiai.  weiit^re  Ab- 
nahme hnden  dürfte.  Es  wäre  unter  Berücksichuguiig  des  oberschulrätblichen 
Erlasses  wol  erwlgnngswert,  ob  man  nlefat  schon  in  den  miteren  Clanen  der 
Oymnairien  dlePromotlsa  strenger,  als  dies  bisher  gesohehen,  voUniehen  soQte, 
irenigstens  so  lange,  als  die  oberen  und  obersten  Classen  dar  Mittelschulen  eine 
unverhältnismäßig  hohe  Schülerzahl  aufweisen.  Solange  die  Universitäten 
eine  abnorm  hohe  Prilsenzziffer  anfweisen,  wird  das  sog.  Gelelirten-Proletariat 
aller  Facultäten  durch  verschärfte  Bedingungen  der  Staatsprüfungen  nur  ver- 
mehrt; wom  ein  junger  Menscb  sein  VennSgen  dem  Stodimn  —  oder  besser 
Klchtstodlom  sweehlos  zun  Opibr  gebraeht  hat»  so  wird  er  sweiftQes  der- 
jenigen poUtlsehen  Partei  zngetrieben,  die  ein  Hort  aller  ünnfriedenen  ist 
nnd  in  der  er  als  ein  sehr  gern  gesehener  Agitator  aufgenommen  wird.  — 

Trotz  der  unerfreulichen,  mehrt'acli  erwähnten  Erfahrung  des  Oberschui- 
rath^  ist  das  Cuiiosum  auü  Karlsruhe  zu  verzeichnen,  dass  die  Stadtbehörde 
dieser  Residenz-  und  „Schulstadt^^  als  zweiten  städtischen  Rector  der  Volks> 
sehnle  (städtfsohen  Schalinspector)  einen  Lehramtsprnktikanten  (Candidat 
für  das  hObere  SehnUhch)  dem  Oberschnlrathe  nr  AnsteUnng  prllsenttrte.  Die 


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—   732  — 


PrlMBtatikM  ward»  bereits  genehmigt.  Dtaw  Tbatnohe  bUdet  9üm  wAltcna 
Boleg  für  die  melur  ak  eigenartig«  Beietzug  der  SehelMfeichtestaUM  in 

Baden,  fiber  die  im  „Paedagogium''  öften  begrtindete  Klage  gefaiirt  wurde. 
Sie  ist  am  ro  anffalleuder  —  für  dm  in  die  Mysterien  Ein jj^'weiliten  allerding? 
nicht — ,  als  an  der  vielgegiiedei teii  Volksschnle  der  ^Scliulötadt"  il)  Karls- 
ruiie  erfalirene,  tucbüge  und  als  Ii«aUtihrei'  geprüfte  Lehrer  wirken,  die  offen- 
bar einciii  LfllittiiitaiiialctikaBlea,  der  nie  eine  daflnitt?e  LabiHelle  beUeidet 
eder  äcb  Utorariiob  ab  ein  «HeiiAer  derSdbnle''  lienrorfetban  bat»  venuMen 
gewesen  wären.  Diese  Emennnng  reibt  sich  würdig  dei\jenigen  an  (Btt^zmig 
der  Kreiaschulrathsst eilen  dnreh  Theologen,  vrgl.  Heft  VI  des  ^Paedagoginms". 
S.  404  fF.),  die  seit  Jahren  erfolgten  und  durch  welche  der  badische  \"olks- 
schuUehi-erstand  in  den  Aogea  des  Volkes  and  der  Nichtbadener  couipromittii  t 
wird,  weil  aaa  die  Mitglieder  dewolben  nieht  Ar  beAbigt  bäU»  wie  di^euigea 
In  Bajem,  Baiftbien  n.  i.  w.,  SehnlanlUebltfiDler  aifHedeaeteUend  an  Ahran. 
Piee  ist  ein  ünreehi  sondergleichen,  da  dies  den  Vollcsschallehrerstand  vet^ 
letzende  V»^rfnliren  durch  nichts  begründet  und  gerechtfertigt  werden  k;^nn. 
Wie  wir  hören,  sollen  anch  in  zwei  weiteren,  kleineren  Anitsstädtchen  Lehr- 
amtspraktilumUa  als  „erste  Lehrer*'  (Oberlehrer)  ernannt  weixlen;  bewahr- 
b«itet  aieb  dieeea  Gerftdit»  ao  werdn  wir  etwas  genaier  und  in  «iTerbUbBter 
Spraebe  die  ünaflbea  dlMer  Bnebeiamg  neaBen,  damit  nan  aack  aaswlrta 
erkennt,  dam  in  Baden  nicht  alles  Gold  ist,  was  glänzt.  — 

Infolge  des  nenen  Schnlr^^-f  tzes  haben,  wie  schon  früher  berichtet  wurde, 
die  meisten,  vorab  die  ^^rfiiiteii  Städte  des  Landes  die  Lehrergehalte  geregelt. 
Eine  betrübende  Aasnahme  macht  hierin  nur  die  i-eiche  „(^oldstadt"  Pforz- 
heim. Den  Leltt«  doftaa  jnitbet  man  an,  alt  einem  Oelmlte  anHHÜnNBBen, 
der  bei  der  giMten  S^^arMmkeit  nieht  aoneiditf  nm  einigermaflea  aaatiadiy 
aa  leben,  mnthel  Ihnen  efau  angeatrengte,  aafreibende  Thätigkeit  aa  and  i^aaht 
ein  Übriges  gethan  zu  !i;(VM>n,  wenn  man  denselben  honigsüße  Warte-  oder  aog. 
Huftröste  spendet,  während  diejVnisren.  denen  die  Lesoldongsregulirnng  in 
Händen  liegt,  jammern,  das«  sie  mit  einem  Oelialte  von  Tanacdüdea  nicht  aos- 
aakomoien  Termdgea.  Ea  tot  tairig,  daw  dieie  Herren  nieht  einaehea,  dam 
dardh  ein  BokhesVertudtea.  denLehicm  gegenüber  dearScbnle  geschadet  wird; 
mahnt  doch  schon  die  Bibel  —  und  Pforzhei^  iat  eine  fteaune  Stadt  — ,  die 
Lehrer  ihr  Amt  nicht  mit  Senfzen  volinihren  zu  lassen.  Aber  auch  da,  wo 
die  Gehaltsregalii'Oügen  der  Lelirei'  in  Städten  vorgenommen  wurden,  AUigt 
man  an,  di^  Lehrer  in  ihren  schwerverdienten  Nebenbezügen  (ÜbersUmdea, 
Vergütung  von  Fortbildaagtsoboliuiteoidit  a.  dergl.)  sa  beeehneidea,  ao  dam 
eiioh  die  Aofbemenag,  mit  der  man  aelbit  bei  WaUanilaeea  lad  andeteii  paa- 
eendoi  nnd  vnpaaiendenGei^ieoiieiten  reoomaürt,  eich  nur  als  eine  bescheidene^ 
anznreichende  Thcnernngszulac"  flarstcllt.  Hatten  die  Oberhäupter  dieser 
^^tiidte  statt  10,  12,  15  und  löÜÜO  (tausend;  Mark  nur  die  Hälfte,  oihsr 
Lehrergehalte,  wir  wären  sicher,  dass  sofortige  Änderung,  d.  h.  ansreichende 
Oebaltsbeznge,  beschafft  würden.  Wenn  man  satt  ist,  lässt  si^'s  g:ut  iber 
Hanger  reden.  Aneh  in  dimer  Hinsieht  werden  wir  noek  eingehend  beif ehten. 
Ans  aUem  geht  hervor,  daae  auch  den  badieehen  Lehrern,  die  durch  das  neue 
Schulgeset?:  unzweifelhaft  etwas  gefordert  wurden,  immer  noch  die  Dante'schen 
Worte  beim  Eintritt  im  Scknlamt  gelten;  »Laeciate  og&i  speiaoaa,  voi  Gk'ea* 
träte." 


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—  7«»  — 


Aus  Sachsen.  (März  bis  Juni  18Ü3.)  Zwei  Erfolge,  von  deueu  der 
eine  tat  ffdlAtigem,  der  andere  auf  nateriellem  Gebiete  gelegen  ist,  sind 
Horn  Berichterstatter  der  willkontmeiie  Anlass  zu  den  folgenden  Mittheilungeo. 

A.  Vom  22.  bis  25.  Mai  tagte  auf  sächsischem  Boden  die  30.  Allgem. 
Deutseht-  Lehrerversammlung,  welche  in  der  Geschichte  dp'^  rlf-ntsrhpn 
L^hreistHiideö  hinfort  einen  Eckstein  darstellen  wird:  denn  daicii  sie  wurdö, 
wie  ein  Veteran  der  deutschen  Lehrerzusammeukünfte,  Oberlehrer  H.  Mörle- 
Qera,  aaffte»  dM  Streben  der  dentedm  I^ebror  moli  EUsIgkeit  erlUIll  In 
den  GmndanecliBnnngen  Aber  Schale  and  Eniehnng,  Sber  Volksbfldnng  nnd 
Volkswül  war  die  Majorität  der  Lehrer  längst  einig,  weil  alle,  die  sich  nur 
halbwegs  als  Schüler  Pestalozzi's  und  Diesterweg's  fühlen,  in  diesen  ^ Funda- 
mentalansichten"  —  wie  sie  Pestalozzi  nennt  —  wol  kaum  Aüti[)odeu  sein 
können i  furmeli  aber  bestand  uuch  eine  Trennung,  indem,  abwechselnd,  all- 
jllirlidi  ein  »Deatecher  Lehrertag"  oder  eine  «Allgemeine  Dentsche  Lehrer- 
Tenaaunlnng^  alaMfiuid,  welehe  von  yenefaiedenen  Centten  ms  einbem(te  nnd 
geleitet  wurden.  (Vergl.  die  alljilhrl.  Berichte  in  PiBdagngivm.)  Diesem 
Übdstande  ist  durch  die  30.  Allgeni.  Deutsche  Lehrerversammlung  abgeholfen 
worden,  über  die  eigentlich  pädagogischen  Themata,  welche  in  den  Vor- 
trägen behandelt  und  in  den  Debatten  erörtert  wnrden.  hat  das  Pädaguginra 
bereits  in  der  vorigen  Nummer  berichtet;  hier  soll  nur  über  daä  erwähnte  und 
sweifetaebne  wiobUge  ^Einigungsverfiilirea''  beriobtet  werden. 

Ab  die  Vorbereitungen  zur  d(X  Allgem.  Dentwhen  Lefarervenanalnng 
7.Ü  treffen  waren,  ging  vom  Leipziger  Lebrervereine,  der  an  dieser  Stelle 
schon  einmal  als  einer  der  thätigsten  unseres  Landes  bezeichnet  w'>r!<'ti  i-^f. 
eine  Anregung  ans,  welche  überall  Zustimmung  fand,  nnd  für  welche  diesem 
Vereine  Dank  gezollt  werden  muss.  Im  letzten  Winter  nämlich  sandte  der  Leip- 
ziger Lehrerverein  ein  Bnndnebreiben  u  die  denttcben  Lebxervervinn,  wnlohMy 
•nf  wdiulgeBoUobtliebe  Tbntaacben  und  gemnobte  Erfithmngen  Unweieend,  von 
bleibendem  Wert  ist  und  im  wesentlichen  folgendes  besagte:  Im  Sept.  d.  J. 
1848  wurde  der  Allgem.  Deutsche  Lchrerverein  begründet.  Nur  kurz 
war  sein  Bestehen.  Schon  1852  niusste  fr  len  Mächten  des  Rückschrittes 
weichen.  Die  Allgem.  Deutsche  Lehrerversamiuluug  trat  au  seine  Stelle. 
In  den  45  Jahren  ihres  Bestehens  hat  dieselbe  sich  wolbegründeten  Anspruch 
«nf  die  Aobtnng  und  den  Dank  der  dentieben  Lebrer  erworben.  Sie  war  in 
den  Zeiten  der  Beaetion  ein  flort  derer,  die  an  dem  Ideale  einer  freien  Sobnle 
nnd  eines  freien  Lehrerstandes  festhieltlBD.  In  ihr  haben  die  hervorragendsten 
Pädagogen  der  deutschen  Volksschule  (Diesterweg,  Fröbel,  Lüben,  Wich.  Lange, 
Dittes,  Berthclt  u.  a.)  das  Wort  ergriffen.  Anch  die  Wiederbegründung  desj 
(^Deutschen  Lehrervereins"  i.  J.  Iö71  hat  ihr  irortbestehen  und  ihre  auiegeu- 
den  Wirknngen  auf  den  dentieben  Lebrentand  niebt  aofgebalten.  lOt  dem 
Jabre  1876  trat  Ibr,  da  eine  Verehiigong  mit  dem  MDenteeben  Lebrenrer^e" 
damals  noch  nicbt  gelang,  eine  Versammlung  von  Vertretern  der  deutschen 
Lehrervereine,  der '  „Deutsche  Lehrertag",  zur  Seite.  Seit  beinahe  2  Jahr- 
zelinten  tagen  beide  Versammlungen  abwechselnd  nelxineinander.  In  diesem 
Zeiträume  haben  sich  aber  die  Verhältnisse,  in  denen  ein  solches  Nebeneinander* 
bestehen  eine  Berechtigung  hatte,  wesentlich  geändert:  Die  Vereinigung  der 
Lehrer  DentieUanda  iit  dnreb  die  Bildung  von  Orte*  und  Kreisverelnan  nnd 
deren  Zuaammenacbhuu  zu  Provinzialp  nnd  Landesverbänden  im  ganaen  Belobe 


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—   734  — 


eine  viel  innii^ere  pewordeii.  Nur  eine  winzige  Minderheit  von  Lehrera  steht  « 
^geDwärtig  deu  Vereinen  noch  fem.  Damit  int  die  Bedeutung  des  „Deutschen 
LehmtagM**  gestiegoa.  Ästeifi  Uialalddleh  nlclits  aoderei  ab  efaM  Ddb- 
gliftdiTersanimlung:  dei  ^  Deutschen  Lehrerrereins",  ist  er  jetzt  die  Vertretung 
fast  sämmtHcher  Lehrervereine  des  Relchai  ond  damit  Ib  Wahriieit  dto  Ver> 
tretnng  des  deutschen  Lehrerstandee. 

Diese  Veränderung  der  Sachlage  legt  den  Wunsch  nahe,  eine  Ver- 
einigung der  beiden  großen  Versammlungen,  des  Deutschen  Lehrertages  und 
der  AUgen.  Deutadien  L«lirer?€nannnlaof ,  auiutrelMii.  Mihb  doch  antar 
den  gegenwärtigen  Verhältnissen  ihr  NebcneinandeilM-trhen  unbedingt  Unztt* 
träglichkeiten  hervorrufen;  insbesondere  knnn  es  zu  der  irrigen  Meinung  tuhron, 
dassdie  (U'UtF<^!i»^  Lehrerscliaft  in  zwei  grundsätzlich  verschiedene  Lager  gespalten 
tei,  wodurch  unsere  Stimme  der  Öffentlichkeit  gegenüber  bedeutend  an  Gewicht 
Terlieren  muat.  Und  doch  werden  in  beiden  Versammlungen  seit  Jahren  nabe* 
cn  dittidben  Ihngan  batprodieDl  Danelbige  Geiat  bcaedt  die  bcidefaeiUgeB 
Verhandlungen f  Selbst  die  Ausschösse  der  zwei  Veraammlungen  bestehen  zum 
Theil  aus  denselben  Personen!  Dazu  kommt,  dass  durch  das  alljährliche 
Zusammentreten  einer  großen  Standesveisanmilung  der  Lehrerachaft  erhelliche 
Opfer  an  Kraft,  Zeit  und  Geld  auferlegt  werden.  Endlich  erscheint  ein 
Znaanuaeuddnss  gerade  in  der  Gegenwart  am  ao  aotkwoidiger,  ala  dieFe^^ 
der  Lehreiaehalt,  besondera  die  Gegner  all«  flelbatatliidf|^dt  dar  Sehide,  alle 
Kräfte  daran  setzen,  um  unter  die  Lehrer  Zwletraeht  in  säen  und  sie  dnrA 
Spaltnsg  in  verschiedene  fconfessh-nelle)  Lagpr  r.nr  Ohnmaclit  zu  venlammpn. 

In  Anbetiacbt  dieser  Verhältnisse  liat  der  Leipziger  Lehrerverein  im 
Juli  1891,  als  er  dem  Ausschüsse  der  Allgem.  Deutschen  Lehrerversamiulnug 
von  aefner  Bereitwilligkeit,  ihr  zn  Pfingsten  1893  in  Leipzig  eine  gaadldie 
StXtte  sa  bereiten,  Mlttbettnng  suchte,  demaelben  gleiehaeitig  ft>lgeadea  Be* 
aehlaaa  unterbreitet:  .Der  Leipziger  Lehrenrerdn  eiitlärt  sich  bereit,  für  den 
in  Mannheim  gefassten  Beschlus«  einzutreten  und  dessen  Ausfiihrnng  möglichst 
zu  lordern,  will  aber  auch  nicht  verschweigen,  dass  er  auf  der  30.  Allgem. 
Dentschen  Lehrerversammlnng  die  in  früherer  Zeit  abgebrochenen  Veriiaad- 
IVDgen  bdiofli  VenehBidiiDig  der  AUgem.  DevtaeiheB  Lehfegyeraammlmig  nlt 
dem  Dentaehen  Lehrert^  wieder  auflnane&men  gedenkt!*  Zngleleh  enthtelt  daa 
Leipziger  Rundschreiben  Andentungen  über  den  Weg,  der  zur  Vereinigung 
fahren  k<mnp,  uiul  es  schloss  mit  den  Worten-  Indem  wir  den  Vorständen  der 
deutschen  L  Ii  km  vereine  von  unserm  Vorhaben  Mittheilung  machen,  geben  wir 
uns  der  Holiuuug  liin,  dass  auch  sie  in  ihren  Kreisen  bemüht  sein  werden,  das 
Einigungswerk  an  ftrdem.  Wel  alnd  auf  beiden  Seiten  Opfer  an  bringen. 
Der  EntschluBs  hio^  kann  aber  JedenlaQa  niebt  aehwer  faUen,  da  es  gilt, 
einen  bestehenden  schädlichen  Dualismus  zu  beseitigen  und  daftr  daa  Ideal 
einer  geeinten  deutschen  Lehrei-schaft  einzutan^'^lipn 

Alle  Lehrervereine  haben,  soviel  bekannt  ge\s  uidm  ist,  ihre  Zustimmung 
zu  dem  l'lane  kundgegeLeu.  Darauf  hat  in  den  üütert'erien  ijn  Leipziger  Lehrer- 
Terefathanse,  weldiea  1884  noch  der  aeUge  Dr.  Karl  Kehr  etnwelben  half, 
eine  Ungere,  aber  friedliche  Berathong  atattgeftmden  awiaohen  Vertretern  der 
^Allgem.  Deutschen  Lehrerversammlung"  und  des  „Deutschen  Lehrertages". 
Auf  dem  Boden  dieser  Berathnng  ssind  dann  von  einer  Commifssion  Satzungen 
festgestellt  worden,  durch  deren  einhellige  Annahme  am  24.  Mai  von  der 


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—  7S6  — 


30.  Allgem.  Deutschen  Lehrerversammlung  die  Verfsf^bmelznnff  von  Lehrer- 
versaiumluiig  and  Lehrertag  be£chlo6&eu  wurde.  Dem  bclireiber  dieser  Zeilen 
sowie  jedem  anderen  Theilnehmer  an  der  Versammlung  wird  der  Aogenblick, 
d»  dtMr  BmcUiss  gefkart  wurde,  gewiv  iiBT«rg«S8lle1i  Metbenf  Zion 
Zdcben  der  Zustimmang  erhob  sich  die  große  Versammlang  anter  stürmi- 
schem Beifalle,  als  Mörle,  der  Vertreter  der  Allgem.   Deutschen  Lebrer- 
versammlunjr,  die  Worte  g^esprochen :  „Das  Streben  der  deutschen  Lehrer 
nach  Eiiiiirkeit  ist  erlüiiti  Nach  brüderlichen  Berathurigen  hat  man  d^n 
Beschiuss  getas&t,  LebrerTersammlung  and  Lehrertag  zu  verschmelzen,  und 
4«r  VUm  mr  Vorciniguug  Irt  lieitrgelegt  In      In  Um  HMndn  beindlieba» 
Salnuf  an.  I0I1  glaube,  di«  Sie  deaeelbeB  aeAvt  Ihre  GenehnigiBg  geben 
und  dedireh  tanken  werden»  man  ist  eins  darin,  dass  die  deutsche  Lehrer» 
Rchaft  von  nnn  an  als  ein  Bruderverein  dastehe!"  Und  aufrichtiger  Jübe!  wurde 
laut,  als  College  Clausüitzer-Berlin ,  Vorsitzender  des  „Deutschen  Lehrer- 
vereins",  folgende  S&tze  an  die  VerBummlung  gerichtet  hatte:    „Mit  großer 
EVeade  begrfißt  der  AosachOM  dei  Beatfichen  Lehrertages  Ihren  hochherzigen 
Beeehbuw.  Was  seit  Jalmeluiten  (Wien  1B70I)  Mkai  eiaeiint  nnd  »etreH 
wurden  ist.  steht  voT  VMB:  die  EloigkeU  der  devtaehen  Lehrenabaftl  In  einer 
Zeit,  wo  Feinde  ringsom  stehen,  wo  man  unsere  Reihen  zu  sprengen  sucht,  da 
kommt  die  Botßchaft  ans  Leipzig:  Sie  waren  einmftthig  bei  ein  ändert 
Wir  sind  jetzt  ein  cini^  Volk  von  Brüdern  und  bleiben  „auf  ewif?  ungetheilt!** 
Die  endgiltigen  äatzungeii  der  geeinten  Veit>amiuluiig  bind  diese: 
Allgemeine  Deetaelie  LebrerTeraammlnng  (Deetaeher  Lehrer- 
tag.)   I.  ZnsammensetsQDg  der  Teraammlung.   §  1.  Die  eeitber  ge» 
trennt  nebeneinander  tagenden  Vereinigungen:  „Allgemeine  Deutsche  Lehrer- 
Versammlung"  und  „Deutscher  Lehrertaff"  bilden  künftig  nur  eine  einzige 
Körperschaft  unter  dem  Namen  ^Allgemeine  Deutsche  Leluerversammhing 
(Deutscher  Lehrertag).''  Diese  Versammlung  tagt  in  der  Hegel  alle  zwei  Jahn? 
lad  eeirt  aieb  nuamaen: 

a)  ana  Vertnten  der  dcntaelMn  LehrerrereiBe,  d.  Ii.  der  Landea-  and  Pro- 
vinzialvereiB«,  and  zwar  aiod  dicee  bereehtigt,  anf  je  SOO  Mitglieder 
einen  Vertreter  zu  wählen; 

b)  aus  Lehrern  und  Lehrerinnen,  wdehe  sich  zur  Theilnahme  melden; 

c)  aus  Freunden  der  Schule.  ^ 

n*  Leitung  der  Versammlung.  §  2.  Die  geschäftlichen  Angelegen« 
beiten  der  YenanlaBg  erledigt  der  geaehiflaniireBde  Aaaaehnas.  Dieeer 
beetalit: 

a)  aus  einem  engeren  AnssdiliBae ,  welcher  von  den  bisherigen  fünf  Mitglie- 
dern »'Titrt^rt'n  Ausschusses  der  ^Allgem.  Deutschen  T.ehreiTcrsamra- 
lung  uüd  eljensM  Vielen  Mitgliedern  des  engeren  Ausschusses  des  „Deutschen 
Lehrertageti''  gebildet  wiid; 

b)  aae  etaieBk  weiteren  Anaaobvaae,  der  aieh  ana  den  lOtgUedem  dee  bie- 
berigen  weiteren  Aaaaehaaaea  der  „  AUgeni.  Dentaeben  Lehrerveiaaianilang** 
and  den  Vorsitzenden  derjenigen  Provinzial-  und  Landes-Lehrerverelne 
zusammensetet,  wekhe  aieb  daroh  Abgeordnete  an  der  Vereanunlnog  be- 
theiligen. 

ErgänzUBgswahlen  für  den  engereu  Ausächuss  tinden  vorläutig  durch  die- 
jenige KSrpaadiaft  statt,  wekhe  die  oraprfingliebenWablen  bewirkt  bat.  Bin 


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—  786  — 


Vt^tamg  dm  ndtorai  AtMMlmm  «tftlgt  teeh  ditm,  ygitihiiHhTi  te 
Oenthmigoiif  dnrch  die  Vertnttntnmalaag, 

%  3b  Die  Leitong  der  Verhandlongen  fa  der  Versammlong  liegt  einem 
Yersammlangsvorstande  ob,  weldiMr  anf  YocmUic  d«t  AaMohMm  dvrob  dl« 

Vertreter  gewfililt  wird, 

ITT,  Tiif^esordnuiij?,  §  4.  Anf  die  Tiigesordnung  der  Vcrsammlaue 
3iiu(l  luilideöteiis  vier  Tlieiueii  zu  ttteUen;  zwei  derseibeu  sind  VereiiistUeiaeii, 
4.  h.  TliOBMU,  mUhe  m  ta  in  der  VwiMnmlimy  vutMtMi  VMmb  yqv- 

§  5.  Die  Aaswahl  der  Vereinsthemen  Mrird  durch  ^  YonMaie  4er  !■ 

^  4  bezeidineten  Vereine  nnd  den  Anpsrhns«?  bewirkt 

§  6.  DiP  Auswahl  der  ubrig-en  iheraen,  sowie  die  weitere  ie^tötelluiig 
4er  Tagesordnung:  bleibt  dem  Ausschüsse  vorbelialten. 

JV.  Stimmreclit.  §  7.  Die  AuäsohusbQÜtglieder  haben  alle  Rechte  der 
Vertreter.  Z«  den  AMBWinfen  Vber  VeivliutheBQii,  Oiiiiaieatioiiefrageii 
«ad  die  Wehl  d«e  Vewmiwliiiigifewtondeg  stiid  nar  die  Verinter,  eowie  die 

Mitglieder  des  AmscbtiBses  berechtigt  Sonstige  Abstimranngen  erfolgren  dureb 
die  grenze  Versamtnliing  mit  Ansnahine  der  unter  §  le  aa^gef&fart«!  Freaade 

der  St'hule,  welclie  kein  Stimmrecht  liaben. 

V.  Bestreitung  der  Küsten.  §  8.  Zur  Bestreitnng  der  Kosten,  welche 
dnrch  die  Geschäftsführung  erwachsen,  hat  der  jeweilige  Ortsaasschoss  der 
Yertsmmhuig  Ton  den  zu  erhebenden  nieiinelimerbeltrtgea  pro  ThftHnefimer 
20  PflBBaige  an  den  geaehSfiiAhreaden  Anaetildni    2)  sa  eatriditen. 

YL  Organe.  §  9.  Alle  auf  die  VersammloDg  bezüglichen  Bekannl- 
tnachnn^en  sind  durch  die  „Allgem.  Deutsche  LehrerzeiUu^'*  (Dreedea)  aad 

die  „Pädagogische  Zeitung'^  (Berlin)  zu  verüffentliohen. 

VII.  Satzunfrsnnderung.  §  10.  Eine  Abänderung  der  vorstehenden 
Satzungen  ist  frühestens  nach  Ablauf  von  sechs  Jahren  zulässig.  Abän- 
derun^vorschlAf e  sind  mindestens  acht  Wochw  vor  der  Veivammlong  de» 
Amgena  Aawehaeee  elaiareieliea  aad  dandi  dieeen  wiadariaimi  ider  Woehea 
TOT  der  betreffenden  Versammlung  zu  verOffiBotUehea«  Abänderungen  k5nnen 
nur  mit  einer  Zweidrittelmehrheit  der  inwaeeodeA  Aien hefiain^iedfr 

und  Vertreter  beschlossen  werden. 

Wir  haben  Uber  diese  Angelegenheit,  die  uns  namentlich  seit  der  87er 
Lebrervenaaunlung  in  Gotha  sehr  am  Hetsea  lag,  etwee  aaafflhrliflur  W 
richtet,  alt  ee  eeast  in  «FiBdagocrinm"  erlaabt  iit:  Die  Wiehtigkett  im 
9*elie  wird  oneeren  Beriobt  rechtfertigen!  —  An  der  Gitndaaf  des  erst« 
„Allgem.  Deutschen  Lehrervereins",  der  seit  1852  nur  in  Form  der  Allgem. 
Deutschen  Lehrerversammluogeu  weiter  bestehen  konnte,  hat  sich  ri848) 
die  sächsische  Lehrerwelt  lebhaft  betheiiigt;  ich  erinnere  nur  an  Männer 
:wle  Berthdt,  der  aaa  in  80.  LelMai^alire  iteht,  und  ünsky,  deeien  Ifk.  Ga- 
tetetay  in  dea  letaten  Tagen  (9.  Jnnl)  yoa  VenluNni  leatUeli  geataltrt 
wurde.  Eine  glückliche  Ffignng  hat  es  gawellt,  dase  non  aaf  elehsischem 
Boden  nnd  unter  reichlieher  Mitwirkung  der  sächsischen  Lehrer  —  sie  stellten 
laut  Theilnehmerverzeichnis  das  Haui)tconTing'ent  der  4725  Besucher  —  die 
4)ädagugische  Einigkeit  der  politischen  zur  äeite  trat»  indem  sich  jener 
«rste  AUfeuL  Dentaohe  Lehnrrerain  (die  AUgeak  DeatMhe  liefcrerwatw- 


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—   737  — 


Jung)  mit  dem  neaeu  Deutschen  Ldirerverei&e  frei  und  leicht  und  trendig 

versckmoLz ! 

W«r  lAeh  fllMr  die  nni  abgeaeUiNmiie  Frage  TöllkonimeB  orientireii 
ivfll,  üeM  em^ehlen  wir  die  von  Jnl.  Beeger  begrfindete  „Pldagog Isebe> 

Revue"  (Leipzig -Wnrzen,  1893,  Nr.  3  ff.)  und  die  „Allgem.  Deutsche 
Lehrerzeitnng^  (18U3,  Nr.  21  ff.),  in  welcher  die  stenographischen  f^  ri  hte 
über  die  Verliandlnngen  der  AUg^em.  Dentschen  Lehrerversammlmigeii  er- 
scheinen, sowie  die  auch  im  „Paedagogium"  ^1887)  besprochene  Schrift:  „Ge- 
tehiehte  der  Allfr^in.  Dentiehen  LehrerTeraAmiiilnng(en).  Von 
Chriittan  Weialeiii,  Lehrer  in  FBrtli.*  (Leipri^,  KUnklurdt)  Diese  klein» 
Schrift,  welche  auch  über  die  seit  1876  abgehaltenen  Dentschen  Lehrertage 
kurz  berichtet  ,  ist  ein  wertvoller  Beitrag  ZOT  (Sesohiobte  des  dentachen  Schill- 
Wesens,  namentlich  des  I/ehrerstJin  le^;,  — 

B.  Wir  lenken  den  Blick  zurück  auf  unser  engeres  Staatsgebiet  und 
können  die  erfreuliche  Angabe  machen,  dass  die  hierländische  Lehrerschaft 
MnkdiilMi  Ihrer  aateriellen  SteDung  abormals  einige  Ferteehritte  ssa  ver» 
seiehaen  hat.  Wenn  aneh  die  vorliegende  Zeitschrift  hauptsächlich  den  idealen 
Interessen  gewidmet  ist,  so  werden  die  geehrten  Leser  doch  auch  hin  und 
wieder  solche  ^fitt)ieilnTiir»^i> ,  welche  das  nüchterne  reale  Gebiet  betreffen, 
willig  entge^euiieluueii.  da  ein  hier  geinaciiter  Fortschritt  vielleicht  auderswo 
als  nachahmenswert  hiDgestellt  werden  kann. 

Gerade  vor  Jahreafriat  (Juni-  ind  Jollheft  92)  kennte  im  „Faedagogium'^ 
heriehtet  werden,  data,  wie  es  gleiehseitig  in  Teiadiiedenett  dentachen  Staaten 
geschah,  die  LehrergehlUter  eine  gesetzliche  Aiifbesserongerfkihrea.  Dorch  diese 
gesetzliche  Nenregelun^  %viir(]»Mi  besonders  diejenipff'n  Lehrpr  angrenehin  be- 
troffen, welche  Vtislnriir  das  Minimal^ehalt  bezogen  hatten;  weniger  berührt 
worden  davon  die  Lciirer  in  den  größeren  Städten,  wo  man  „der  Verhält- 
nlaM  halber"  schon  Ubigst  ein  höheres  Entgelt  hatte  zahlen  mfissen,  als  daa 
DMW  lüniinalfelialt  hetragt  Ava  GrOndeo  der  BÜUgkeit  haben  «ich  nunmehr 
die  meisten  Stadtverwaltlingen  bewogen  gefunden,  die  Gehälter  der  Lehrer, 
namentlich  der  Lelirer  an  den  höhei-en  Schulen  (Realschnlen,  Gymnasien.  Real- 
gymnasien), zu  erhöhen.  Da  nämlich  der  Staat  selbst  höhere  Schulen  unter- 
hält und  die  Lehrer  au  denselben  als  Staatsbeamte»  fismriren.  so  Avaren  „auch  ^ 
die  Lehrer  der  städtischen  höheren  Lehranstalten  den  Lehi^ru  an  den  gleich- 
artig« StMtdehfanataUen  Im  Gehalte  gl eiehana teilen*.  Nicht  ganz  a» 
finekHeh  waren  die  Lehrer  an  den  Volkaachnlen,  weil  dieae  Sdtnlen  0e- 
meindeanstalten  sind  und  die  Lehrer  an  ihnen  nicht  unmittelbar  vom 
Stprxte  besoldet  werden,  obwol  derselbe  große  Summen  zu  den  Lehrerbesol- 
duugen  (an  die  Gemeinden;  beisteuert.  Trotzdem  kf^nnen  nach  den  Nen- 
regelungen  der  Gebälter  auch  die  VoUisschullehrer  der  größeren  Städte  „auf 
abaahbiga  Z^*^  sufeieden  aalns  Vehrere  dfeaer  Stidte  idbnUeh  haben  für 
ihre  Lehrer  aog.  Dienatalteraataffeln  eingefUurt,  wenn  dieselben  aneh  ztt' 
nSchat  <—  wie  z.  B.  in  Dfeaden  — ^  nnr  als  eine  Art  Ergänzungs-  oder  Hilfs- 
staffel anffi:efa.>?!st  werden,  die  man  der  bisherijSfen  Si  eilen-  oder  \ach- 
rückungsstat'fel  hinzufiigte.  Das  PrinciiJ  der  Bezahlung  nach  dem 
Dienstalter  scheint  in  neuerer  Zeit  überhaupt  mehr  und  mehr  zur  Durch- 
fUhnuig  zu  gelangen,  nachdem  es  im  Etat  des  dentschen  Beichspostwesens  zur 
Anwenduig  gekommen  iat»  wenn  aneh  Torent  noch  in  beaehittnktem  ümfhnge» 


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—    738  — 


9 
P 


In  (kr  SUdt  SwidUa  hat  naa     itaai  Mure  dk  fi»l«Hil«  Stafld 

Oeltnng  gesetzt: 

Provisorische  oder  Hilfslehrpr.  welche  in  äcr  R-  ?el  die  Wahlfiibij^keits- 
priifnni^  bcHtandpn  haben  (inüsHen).  erhalten  1300  jÜL*  Naoh  drti  Jahna 
werden  sie  standig,  die  ätäadigen  Lelirer  erhalteD 

Tom  4, — T.DieM^ahr  (27. — 30.  Leben^t^u-):  1500  Kk. 
8.       «  (31.       .      ):  1660  , 

11.  •  ^  (34.  «  ):  1800  , 
14.         n  n    (37.         ,       ):  2000  , 

«  17.        ,         „   (40.        ,       ):  2200  , 
.  20.       „         .   (43.        ,      ):  2400  , 
,23.       «        ,  (46.       ,      ):  2600 
,  26.       „        .  (49.       ^      );  2800 
29.       „         .  i^2.  )i  3000 

In  Chemnitz  gelten  z.  Z.  tül>,'eniie  HestimTnnn^en:  Das  TiehaU  eine« 
llüfsk'hrers  (23.-26.  Lebewu'ahr)  beträgt  IHöü  Mk.;  die  Zahl  der  Hilfs- 
lebier^tellen  macht  den  7.  Thail  aämmtlicher  Lebrerstelien  ans.  Das  G^alt 
«ines  ständigen  Lehf«»,  walditt  im  SehiMkmta  dar  SMt  Cbanilte  oIm 
UDtarbndiiiBf  dne  Dfaoatseit  von  nkn  Jaluraii  (ala  Httfth  odor  aOadlsv 
Lebrer)  nritekgdaft  hat,  wird  dorch  Dienstaltanaalagia  arhöht;  sofern  er 
nirht  nach  i^einer  Stellang  in  eiaar  dar  13  BaaaMmgaeiaaaea  glciiehTiel  odar 
^ar  mehr  (V)  bezieht,  erhält  er 

nach  einer  Dienstzeit  von  10  Jahren  (33.  Leben^ahr):  2100  Mk. 
»     n        n       n  16     B     (38.      .      ):  2400  „ 
n     •        »       «  20    ,    (43.      „      )t  2700  n 
„     •         n        n  25     „     (48.       „      ):  3000  . 

,  30     „     (53.  ):  8300  _ 

In  Leipzig  biud  die  Bezüge  der  fast  12U  )  Personen  starken  städtischen 
Yolksschullehrerschaft  folgendermaßen  geregelt:  Die  Directoren  erhalten  ein 
AiiÄuigsgehalt  von  4600  Hk.  nnd  dl«  AlteraBalafn  ▼«  je  300  Hk.  nadi  6-. 
10-,  req».  l&jihricer  Dteoatseit.  Die  ständiffcn  Lahrer  aind  ia  14  Oahalto- 
«lassen  vertheilt,  von  denen  die  14.  1350  Mk.,  jede  folgende  150  Uk.  mehr 
nnd  die  1.  3300  Mk.  GehaU  für  >itp]]e  hnt.  Lehrerinnen  werden  in  der 
Ile«rel  nnr  bis  zur  7.  (Masäf  i2-4u>  Mk.  l  »  t.  i  It-rt.  f240(j  Mk.  ist  auch  in 
Chemnitz  und  Dresden  das  Höchstgehalt  lur  die  „unverheirateten  Damen'. 
Kaiieher  Ldhrer  erreioht  ea  aeitlebeiia  —  nie.  Letderl  — )  Die  piOTiaoriiehen 
I^rer  Leipzigs,  d.  h.  die  niohtatändigea  Lehrer,  welche  eher  bereita  die  swcita 
(Wahir^igkeits-)  Prüfang  bestanden  haben,  empfangen  ein  Jahresgehalt  von 
13r>ri  Mk..  die  eif^entlichen  Hilfslehrer  fwelche  nnr  die  erste  oder  Matnritftts* 
prüiuiig-  abgelegt  haben)  ein  solches  von  i2(X)  Mk.  Die  Zahl  der  provisorisrhen 
oder  lliUäkhi'er  beträgt  nach  der  Schulordnung  den  7.  Theil  der  gesanuntea 
Lehrariohaft  (einaohließlicb  der  Zahl  der  Directoren).  —  Die  Frialw  flr  die 
Oewähmng  von  Dienakaltersaalagen  aind  fBn^äbrige  und  werden  vom  er- 
f&llten  25.  Lebensjahre  an  g-erechnet.  Falls  demnach  ein  Lehrer  in  den  Ge- 
haltsclassen  nicht  bereits  soweit  „v-irsreriickt"  ist,  das«  s>eiri  Einkommen 
gleichviel  oder  mehr  (?)  beträgt,  erhält  er  nach  einer  im  Schuldienste  Iteipziga 
verbrachten  Dienstzeit  von 


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—  739 

5  Jahren  (SO.  Leben^jalir):  2100  Hk. 

10     „     (36.       n      ):  2400  „ 

16     »     (40.       ,      ):  2700  « 

aO     „     (45.       „      ):  3000  ^ 

26     „     (50.       ,      ):  3300  „ 

30  ^  r55.  ^  ):  3600  „ 
(Man  vergleiche  mit  dieser  kurzen  Angabe  die  Festschrift  zur  30.  Allgem. 
Dentadifiii  LebTenremiiiailiuiig»  in  wddier  BkUt  «Ine  lelirraielie  Dirlegnng  der 
Ldpiiger  SehnlTeiliiltiilsee  tieflndet!)  Die  in  Leipsig  anllrQetellte  Stafld  tot 
ohne  Zweifel  die  günstigste,  wdflbe  bisher  von  einer  Gemeinde  den  Lehrern 
beschert  wurde.  Die  Versichemn^en  von  der  alten  Schal-  und  Lehrerfrenn  l- 
lichkeit  in  der  Leipziger  Bürgerschaft  (!^.  AUgem.  Deutsche  LehrerzeitUDg 
Nr.  23  von  d.  J.i)  waren  also  keineswegs  blos  höfliche,  aber  leere  Redens- 
»rtenl  Und  mdem  Teriaiitety  daes  man  die  beetofaenden  Bestiamiingen  noch- 
mls  einer  Beviedon  nnterwerfea  wolle,  wae  doch  wol  nur  heißen  kann,  dnas 
man  sie  hei  passender  Oelegenlieit  nocb  TerbeMem  will.  Alao  alle  Ehre  der 
alten  Pleißestadt! 

über  die  Gehaltsverliiütnisse  dn-  Lrhrer  Dresdens  h:it  das  „Paedagogium" 
ßclion  ein  paai"  Mal  eine  kurze  Mitthttiiung  gemacht  (  Jahrgang  1888  u.  1890, 
Kuudscban!).  —  In  diesem  Frül^altre  sind  nun  diese  Verhiütnist»e  ebenfalls 
einer  Neuregelung  nntenogen  weiden,  über  wdfihe  unlängst  der  nmtUdie 
^Dresdner  Anzeiger"  anthentlsohes  Material  TeHÜBmtüelite,  das  aefar  Interessant 
ist  nnd  zur  Grundlage  unserer  Angaben  dienen  mag. 

Über  die  Verhältnisse,  wie  sie  bisher  lagen,  sei  folgendes  bemerkt:  Die 
Directnren  bezogen  einen  Anfangsgehalt  von  390(i  Mk.  ('einschließlich  750  Mk. 
Wohuuiigsgeld)  und  erhielten  vier  Dienstalterszuiageu  vüu  je  150  Uk.  nach 
6*,  10-,  16  und  20  jähriger  int  Bireetont  Tertowbter  Dienatieit.  Our  Diroh- 
admlttsgebilt  belief  sidi  auf  4030  ICk.  Fttr  die  ständigen  Volkaselinllelirar 
bestanden  sieben  Gehaltsclassen :  Ja  (3000 MkO.  Tb  f2700Mk.),  II  (2400 Mk.), 
III  (2:^.'n  >rk.),  IV  (2100  Mk.),  V  (1800  Mk.),  VI  (1500  Mk.).  Je  20«',, 
dieser  Summen  galten  als  Wohnnngsgeld.  Jede  der  Gehaltschussen  war  mit 
,  einer  gleichgroßen  Anzahl  von  Lehrern  besetzt,  nur  in  Classe  la  befanden  sich 
haJb  80  viel  Lehrer,  als  Hilik-  oder  provisorische  Lehrer  vorhanden  waren. 
Letstere  empfingen  einen  Jalnesgelialt  von  1200  Mfc.;  ihre  ZaU  betrog. den 
7.  Tbeil  aller  Lehrerst  :i n  also  z.  B.  am  1.  Mai  1892,  wo  670  Lehrerstellen 
existirten:  95,  sodass  575  ständige  Stellen  verblieben,  wovon  47  auf  Classe  la 
kamen.  In  den  einzelnen  Classen  wurde  bei  Vacanzpii  von  unten  nar.h  oben 
vorgerückt  (bezw.  nachgerückt)  bis  in  die  oberste  Gehaltsclasse;  eine  Ans- 
nahnie  bildeten  nur  die  Lehreriuneu,  welche  blos  bii»  in  die  Classe  U  mit 
2400  Mk.  anMckten,  dabei  jedoch  die  Bftekaidit  genossen,  dass,  sobald  sie  an 
die  Beihe  kamen  mr  AnfrlMknnff  in  die  Classe  Ib  mit  2700  ML,  die  Zahl 
ihrer  wöchentlichen  Pflichtstunden  (30  bezw.  28)  um  »echs  bezw.  vier  vermindert 
wurde  (auf  24).  Dienstaltersztilagen  gab  es  nur  für  die  Directoren  (s.  oben!) 
und  für  die  Lehrer  der  obereten  Gehaltsciasse  la.  welchen  man  Tier  Zulagen 
von  je  150  Mk.  in  5  jährigen  Zwischenräumen  gewälirte,  so  dass  sie,  wenn  sie 
20  Jahre  in  der  obersten  Gehaltseiasse  waren,  die  Summe  von  3600  Mk.  be- 
aogeo.  Aber  soviel  wir  wissen,  haben  nnr  zwei  oder  drei  Lehrer  daa  cur  Er- 
reiehiing  dieser  Somme  nOthige  Alter  ki  voller  DienstlUiigkeit  erlan^rt.  Im 


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—    740  — 


fiMgeD  vaieii  Altaitralmco  etwti  üttMtaiuites,  »MUage  für  to  BelnAmte 
die  HOsUchkeit  rorlmg,  in  eine  höhere  Gebaltsclame  anfzarfieken".  Leider 

dauerte  es  aber  oft  recht  lange,  ehe  die  „ Möglichkeit "  die  Gestalt  der  WahP' 
scheinlichkfit  oder  gar  der  Wirklichkeit  annahm!  Aüch  eine  sog.  Ergünznn^- 
oder  Nothstaffel,  weiche  dfU  Lehrern  nach  einer  bestimmten  Dienstzeit  ein  be- 
stimmtes Einkommen  garantirte,  war  neben  der  Stellenstaffel  nicht  vorhanden. 
Di6  MnUcii  gfftto&w&n  S6ii6ft  DMtiimuinigeB  tfod  MgsiidA; 

1.  FSr  #Bimt1lche  itliidige  Lelmntelica  mrdai  acht  QehaltselaaMB 
gebildet. 

2.  Die  oberste  Classe  zerfallt  in  die  Abtheilang;  la  mit  3200  Mk.  nnd 
die  Abtheilnng  Ib  mit  3(XX>  Mk.  Jahresgehalt. 

3.  FSr  die  ftln-igeu  Cleaeen  II— Vm  werden  die  Gehalte  anf  2800, 
2600,  3400,  3900,  3000,  1800  wd  1600  Ul  fettgeeetit 

4.  Sftmmtliche  ständige  Stellen  werden  anf  dieee  adit  Clanen  gleich- 
müCig-  vertheilt,  \vobei  die  AbtheUoiigai  la  und  Ib  zonmmen  all  eine  . 
Classe  gerechnet  werden, 

5.  Den  ständigen  Vertretern  der  Directoren  an  den  stadtischen  Volki- 
•ebnlen  Oberlehrern'')  wird  Tom  Blntiltte  in  diese  Stellung  an,  den  bereits 
im  Amte  beflodUcheD  vom  Inkrafttretes  dieser  Beatimimmges*)  ab  eine 
jlbrliche  Stellungs-  oder  Functionalzulage  von  400  Mk.  gewahrt. 

6.  Den  in  Gelialt«ol risse  la  (mit  M*2'^n  >!)(  Gf^halt)  stehenden  Lehreni 
nnd  Oberlehrern  wird  nach  einer  vom  Eintritte  in  diese  Ciasse  ab  zu  rech- 
nenden Dienstzeit  von  fünf  Jaliren  eine  Zulage  von  jährlich  200  Mk.,  nach 
abeimale  fGnf  Jabren  eine  zweite  Zulage  von  200  Mk.  gewlbrt 

7.  De^foBlgen  Lebrvni  und  Oberiebfem,  die  bei  dem  Inkrafttreten  der 
Beslimmnngen  unter  6  bereits  der  bisherigen  GehaltsclaaM  la  (mit  3000  Mk. 
Jahresg-ehalt)  angehört  haben ,  wird  die  in  dieser  Classe  rerbrachtc  Dienstr 
zeit  bei  Berechnung  der  Fristen  Hir  die  Gewährung  von  Dienstaltemnlagen 
mit  angerechnet. 

8.  Fftr  die  Lehrerixuien  an  den  BtKdtiaeben  Scbnlm  wird  die  Anxald 
der  wOdientliebeB  Pfliehtstimden  (aehon)  bei  ibrem  BIntoitle  in  die  Gehalts- 

classe  IV  (2400  Mk.)  auf  24,  und  sobald  sie  in  dieser  Classe  bis  zum  Etah* 
tritte  in  die  Gclialtscla.sse  ITT  vorgeriK-kt  sind,  anf  22  ermäßigt.  Tin  fibrigea 
bleibt  e$  dabei,  dass  sie  nur  bis  in  die  Classe  mit  2400  Mk.  JahresgehatI 

einrücken. 

9.  Die  Zahl  der  dUHdebrenteOflu  aoll  In  Zukunft  nieht  mehr  als  den 
8.  Tbefl  atanmtUoher  Lebrerstellen  —  anter  denen  der  Directoren  —  bfr> 
tragen.  Das  Gehalt  der  Hilfslelner  (provisorischen  Lehrer),  welche  die 
AValilHihig-keitsprüfang  bestanden  linbcn,  i«!  ^nf  M0()  Mk.  jäfiilif^h  'also 
50  Mk.  liöhcr  noch  als  in  Leipzig^  testgesetzt  worden.  Bei  Neuaubtellnng: 
von  Lehrkräften  (Hilftilehrern),  welche  diese  zweite  Prüfung  noch  nicht 
anrfickgelegt  haben,  kann  jededi  das  OehaH  Teittnilg  nur  auf  1300  Hk. 
nonnirt  werden  (wie  in  Leipzig). 

10.  Für  die  Directoren  der  stÄdtischen  Volksschulen  ist  das  Anfangs- 
geha:t  auf  jährlich  4200  Mk.  (einscliließlich  WohnnngsentschfldigTing:)  fest- 
gesetzt worden  i  ee  werden  ihnen  nach  einei'  —  vom  Eintiitte  in  eine 


*)  Dieselben  eind  (raekwirinnd)  mit  1.  Jan.  1888  in  Kxaft  getteteal  D.  Ziaa 


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—    741  — 


Direetontelle  an  einer  (hiesigen)  Öffentlichen  Lehranstalt  zn  bereolinenden 
—  Dienstzeit  von  5,  10  resp.  15  Jahren  Dienstaltersznlagen  von  je  300, 
:W  nn  l  200  Mk.  (in  Summa  800  Hk.)  «gewährt  werden.  Höchstgehalt  abo 

50U0  Mk. 

11.  Den  ständigeu  Lehrern,  die  im  Dienste  der  Schalgemeinde  Dresden 
ohne  ÜBterbreehnng  eine  sehnjährige  Dienitseit  (als  sfe&ndiger  oder  als 
HDMehrer)  znrftckg«legt  haben,  werden  Dienstsltersznlagen  in  der  Weise 

gewährt,  dass  —  dafem  der  einzelne  Lehrer  nicht  nach  seiner  Stcllnng  in 
einer  der  Gehalts' bs^^pn  g-leichviel  oder  TOehr*)(?)  bezieht  —  ihr  jftbiüches 
Einkommen  beträgt  nach  einer  Dienstzeit  von 
10  Jahren  (33.-34.  Leben^ahri: 
18     „     (3a-37.       ,  ): 


lÖ  „  (38.-39.  ,  ) 

18  „  (41.-42.  «  ) 

23  „  ^46.-47.  „  ) 

28  n  (51.-52.  ,  ) 

33  „  (56.-57.  „  ) 

38  „  (öl. -(i2.  „  ) 


2200  Mk. 

2400  , 

2600  , 

2800  , 

3000  « 

3200  „ 

3400  „ 

3ÜÜ0  „ 


Der  Schwerpunkt  auch  dieser  Neuregelang  liegt  darin,  dass  neben  der 
Stellen-  oder  Nachrfickongsstalfel  die  sog.  Noth-,  Ergänsnoga-  oder  Gafantie» 
Staffel  eingeführt  wurde.  Wie  aas  dem  offlciellen  Berichte  ersichtlich  ist,  hat 
die  Dresdner  Lehrerschaft  die  Aufstellung-  einer  derartigen  Nothstaffel  lebhaft 
gewünscht,  „allerdings  in  einem  Umfange,  wie  sie  in  Leipzig"  hpsteht." 
'Wenn  die  Staffel  diesen  Umfang  noch  nicht  erhalten  hat,  so  ist  immerliiii  mit 
flirar  GewShrung  ein  großer  Fortscbritt  und  eine  gewisse  Beruhigung 
dier  Gernttther  erdelt  Soviel  wir  wissen,  hat  auch  die  Lehrersoliaft  Dresdens 
nicht  gesäumt,  dem  Oemeinderathe  („Stadtrathe")  and  den  Oemeindevertretem 
(..Stadtverordnetencolleginm")  ihren  Dank  zu  erkennen  zu  ^eben,  den  sie  auch 
fort  und  fort  durch  erluUite  Berufsfreudig-keit  und  treue,  rHiehterföUung  be- 
thätigeu  werde.  Recht  sol  —  Wie  jedes  Übel  sein  Gutes  hat,  so  heftet  sich 
auch  allem  Guten  ein  Übel  an  die  Ferse,  mid  wenn  dieses  Übel  in  Form  einer 
Caimdnerpredigt  erscheinen  sollte.  Wie  nlmlloii  ans  dem  oflIcieBen  Berielite 
im  Dresdner  Anzeiger  ebenfUQs  an  ersehen  ist,  hat  ein  Gemeindevertreter,  der 
schon  viel  in  seinem  Leben  gesprochen,  bei  Berathung  der  Gehaltsvorlagen 
die  Aufforderung  zum  Danke  an  die  Lehrer  richten  m  müs.sen  geglaubt. 
Leider  ist  diese  Anffordernng-  erst  bekannt  geworden  ((lurcii  die  Presse),  als 
der  Dank  l  iügbi  abgestattet  warl  Derselbe  Herr  hat  bei  dieser  Berathung 
n.  a.  gesagt,  man  habe  sieh  wol  an  sehr  leiten  lassen  Tom  „Interesse*)  der 
Lehrer^,  »ehr  noch  als  vom  „tutereaM**)  der  Steneraabler**  n.  s.  f.  Als  ob 
die  Lehrer  nicht  auch  Bürger  und  StenersaMer  wären!  Durch  Namensnennung 
im  ..  y^a  dago^um "  würden  wir  dem  Herrn  zuviel  Ehre  erweisen.  Es  sei  nur 
bemerkt,  (iass  solche  Leute,  wenn  sie  nicht  Mitglieder  eines  verehrlichen  Col- 
legiums  wären,  einfach  als  Schwätzer  würden  bezeichnet  werden.  Doch  — 
freuen  wir  uns  Heber  des  Guten  und  der  Gaten,  die  immer  noeli  in  gH^ltoer 
Zahl  TOtiiaiidea  sind  als  die  B^nl 

*)  Wird  in  Zukunft  kniim  vorkommen'  Per  "Einapuder 
*♦)  Siehe:  J'acdagagiunr  XIV.  Jalirg.   ^Juiihett  Ib^i),  S.  640! 

Padugoffiiua.   15.  Jiüiig.  B«ll  XL   


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—  743  — 

Ans  Dresden.  Die  V^M  waltnng:  des  ^"^  hulw  esens  ist  ein  CTe£:-eQ- 
Staad,  der  —  vom  pPsda^o^iuiu*-  voq  Aubegiim  im  Auge  behalten  —  neuer» 
(Uiigt  wWer  bAtMi  «IMt  irird.  Ym  d«m  fMkit«  Iferiiigelwr  d.  BL 
wata  iMreito  tot  etUolMa  Jalmii,  ab  die  hOehti  eDpfelilflosw«rte»  aber  jeden- 

lüh  nicht  genügend  toaditet«  Schrift  von  Prof.  Dr.  F.  Zrddlowgki- Lemberg 
iibpr  „dag  Scbalwe«*pn  and  seine  Verwaltung?"  IMyn^  1889,  0.  Wig:andl 
erschienen  war,  einige  scharte,  alier  zütrpflFende  lieiiierkuns-»?!  über  dieses 
Thema  gemacht,  bezw.  wiedergegeben,  i:^  scheint  nun  doch  aiimaidich,  als  ob 
iiielii  »allM  beim  AUen  bioiben«  sollte.  So  müde  in  Mlwliefte  dei  „Mm- 
fogikUBf*  TM  dleaen  Jabre  (S.  400—401)  ua  Bremen  bericblet,  daaa  dia 
dortige  Senatscoromiasion  für  das  UnterricbUweKn  „die  Hilfe  eines  standigen 
fachmRnnischen  f^'iratli«^»-'-  in  Anspruch  genommen  habe,  nnd  dass  dieser 
pädagogisfhe  Beiratii   bereitö  gewählt  nnd  angestellt   sei.   Eine  ähuliehe 
Einrichtung  besteht  seil  fast  zwei  Jabren  auch  am  hiesigen  Orte:  Die  Ver> 
waltnng  dea  Sdmlweaaiis  Hegt  dem  0«aaBunt49tadtntbe  ob,  spedatt  daai 
atldtiaehan  SeholdeeanaBten,  der  (wie  auch  der  SchnldecerMOt  Liaipslga)  «Ar 
juristisch  gebildeter  Mann  ist  und  im  st&dtischen  Schulausschusse  den  Vorslti 
fuhrt.    i'Vergl.  die  i:>;  24 — Hl  des  sSehsischen  V()lkssf!nilfre«etzf*s  v.  2B.  AprQ 
1873  nnd  die  i;;^  öl — 59  der  dazu  gehöiigeu  Au&tulirungH^entrdnuug.i  Am 
I.August  IbUI  wui-de  nun  dem  städtischen Schnldecementeu  mit  Oeuehmiguug 
dea  ünteciiehtaaiiniaterimna  ein  p&dngogiaeb  gebildeter  Beiratb  snr  Seite  ge- 
atellt,  welcher  zugleich  ]\Iitglied  dea  städtischen  Scbulausschusses  ist  und  den 
Namen:  städtischer  Schulcnmmissar  führt.    Das  Anfangsgehalt  der  nen- 
hegriindetcn  Stellung  betrügt  6(XKJ  ^Ik.  und  steigt  noch  durch  einige  Dienst- 
alterszulagen auf  ( —  wenn  wir  nicht  iireu  — )  7200  Mk.   Zugleich  ist  vom 
ILiuisieriuw  dieser  Stelle  die  Pensionsberechtigung  gewährt  worden.  Der 
Unter aebied  twiaelun  der  Bremer  nnd  der  hier  getrolüHiien  Wnrichtnng 
iat  nan  aber  dieser:  Dort  wurde  der  fachmännische  Beirath  in  der  Schnl- 
verwaltung  von  der  Lehrerschaft  gewünwht  und  beantragt,  hier  von  d^r 
Schulverwaltuug  selbst,  nämlich  vom  Herrn  Schuldecernenten  (Dr.  jur. 
Nake);  in  Bremen  existirte  vor  Schaffung  der  neuen  Einrichtung  keine 
eigentliche  fachmännische  Beaufsichtigung  der  Volksschulen,  da  dort  die  Schule 
von  der  Bfligeiachaft  verwaltet  wird«  Staat  und  Gemeinde  aber  nahen 
identisch  sind,  wilirend  hier  die  Gemeinde  zwar  auch  das  Schulwesen  xa 
verwalten  hat,  aber  die  staatlich  angestellten  Aufsichtsbeamten 
{Hezirks.schulinspecUiren)  das.selbe  überwachen,  so  dass  eine  neue  Beauf- 
sicbtiguug  nicht  nöthig  erscheint;  die  Bedenken  aber,  welche  durt  (^Itilöj 
die  Schuldepntation  hatte  („rOckaiehtsloBe  Veifbiger*',  S.  400),  wnrdn 
hier  eher  von  der  Lehrerschaft  gehegt,  ala  der  Plan  der  nenen  BmtttBtioa 
durch  das  Amtsblatt  seiner  Zeit  bekannt  wurde.  Erfreulicherweise  sind  diese 
Bedenken  unbegründet  tr'  w^  sen,  und  wir  Iioffen,  dass  dies  auch  in  Bremen 
der  Fall  sein  werde!    Als  .Stadt5mhulcommissar  fungirt  hier  zur  Zeit  Herr 
Dr.  phiL  Otto  Erwin  Prietzel,  bis  zum  Antritte  seiner  jetzigen  Stellung  Eeal- 
aobnldiiector  an  LSban  in  der  Laoaiti.  Bebnlb  der  Einholung  von  Infor- 
mationen nnd  nm  die  (ca.  700)  Lehrkrftlle  an  den  Scbnlea  kennen  in 
lernen,  steht  dem  Commissar  das  Becht  an,  dem  Schulimterrichte  zuzuhören. 
Ein  eigentlicher  Aufsichtsbearater  ist  er  nach  dem  Gesetze  nicht;  denn  als 
solcher  Aingirt  bereits,  wie  bemerkt,  der  königl.  BeairkjwchaUnspector  (für 


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—    743  — 


BrwdMi'Stadt),  siir  Zelt  Herr  Schiilnlih  EidieBbeiv»  des  b^ahrten  A.  Berthdt 

^N^acbfolg^er.  Im  gtnsen  Lande  gibt  es  28  Bezirksscholinspectoren.  -  (VangL 

Vülksscbulgesetz  vom  26.  April  1873,  §§  32—35  nebst  Aii^fdhrnn^-Ver. 
Ordnung  §§  60 — 67.  Erschieaea  bei  Eogsbtfg  ia  Leif^  und  bei  Meia- 
boid  &  Söbne  in  Dretden.) 


Ans  StraBbarg  L  E.  Sehr  geehrter  Herr  Redactear!  Ich  bedaare  leb- 
haft, infolge  des  Berichts  im  Jimiheft  8.  605  ff.  Ihre  Gastfrenadschaft  noch- 
mals  in  Anspruch  nehmen  y.n  iuHssen,  denn  voü  der  s^-anzen  Ansfiibrung  des 
Herrn  ü.  W.  ist  nur  das  Knie  rtchtiii:,  dass  es  dem  großteu  Theü  des  Lese- 
pablicams  „unserer"  Zeitschrift  gleichgültig  ist.  ob  die  Stiaßburger  städtiscbß 
jadebeniehnle  gut  oder  MhIeehftiit(?D.B.).  Dagegen  dSfIteeifMr  die  LeMrakhi 
anintereseaot  eein,  sa  aehen,  mit  welchen  Wate  mein  Qegner  kftmpft  Deui 
seine  Angaben  sind  entweder  1.  unerweislich,  oder  2.  falst  h  aufg-efasst, 
oder  3.  absichtlich  (?  D.  R.)  falsch  dargestellt,  oder  4.gleiebgäUi9,  o4eir 
endlich  ö.  geradpzu  erfanden.    Hier  der  Beweis. 

„Die  Mülliauser  Schule  erreicht  mit  9  Schul-  und  3  äerninarcliissea  ihr 
letztes  Ziel,  zu  dem  Straßbarg  nunmehr  10  -|-  3  Jahre  braochtk"  ^a,  ist  denn  die 
LehrerinnenprBftuig  das  letato  Ziel  der  hMieren  H&dcheiiaehale?  B[aA  denn 
Herr  R.  W.  wirklich  keine  Ähnnng  davon,  data  für  dtogehtlerimiMi  der  letzteren 
der  Abschluss  mit  der  ersten  Classe  erfolgt  und  dass,  um  den  Standpunkt 
dieses  Abschlnsses      erhöhen,  alle  deutschen  Schulen  von  irgend  welcher  Be- 
deutung einen  lOjkhiigen  Lehrgans'  eingeführt  haben  oder  ebizutuhren  bestrebt 
fiind?^)  Es  kommt  im  vorliegeudüii  Fall  nur  darauf  au,  zu  beweifleu,  1.  dasä 
die  Wlilhaoaftr  Schule  mit  9  adbteigenden  Claaaea  BovieL  leiitety  als  ftberbanp.t 
eine  lOdaiaige,  und  dann  2.  daaa  die  uurige  ?rlrUiidi  Ja  üiraa  .Ldatnagea 
hinter  derselben  zurückstellt  ~  was  ohne  „Abitarientenpräftug"  nnerweislich 
ist**)    In  meiner  Entgegnung  im  Februarheft  S.  B29ff.  habe  ich  besonders 
betont,  dass  in  den  beiden  letzten  PrHfane'en  von  18  Priitliugi  n  nach  zwei- 
jähriger Vorbereitaug  uor  eine  das  Ziel  nicht  erreicht  liabe.    Ich  theiite 
ohne  wdtara  Bemerkung  mit,  daas  aaek  «laer  Verfügung  dea  Obwaebalratba 
ftr  die  Zukunft  ein  dreijähriger  Lehrgang  eingeführt  aei.  Darfttwr  aoU  ipk 
mich  „erfreut"  gezeigt  haben.    Falsche  Auffassung!  Im  Princip  bin  ich 
natürlich  sehr  für  diese  Einrichtung,  für  den  Augenblick  aber  hätte  ich  für 
unsre  junge  Anstalt  aus  bestimmten  Gründen  nneh  etwas  Aufschub  gewünscht; 
dass  aber  „nach  der  letzten  Prüfung  (oder  luiolge  derselben?)  der  Oberachul- 
rath  seiner  (des  Director  F.)  Lehrerinnenschule  noch  eiu  Jahr  zudictirt  hat,*' 
ist  eine  äbalehtlieb  (?D.R.)  falacb  dargestellte  Thatiaehe.  DleElafUinuig 
des  dreijährigen  Lehrgangs  ist  eine  ganz  allgemeine,  fOr  alle  Schulen  dea 
Keichslandes  gegebene.    Das  mnsste  Herr  R.  W.  wissen,  er,  der  ja  alles 
weiß.  Wu'^Rt'^  er  ja  doch,  dass  „die  Examenberechtigung  nntmr  der  Directien 
Fischer  wahrscheinlich  nie  zugestanden  werden  wird.^*'^*) 


♦)  I>ic  Berliner  höhere  Mädchenschule  bildet  fast  allein  eine  Ausnahme. 
**)  Es  bedarf  wol  kaum  der  Versicheruiig,  dass  mir  nichts  ferner  liegt,,  als 
eino  Herabsetznng  der  Mttlhamer  stftdisehen  hfheren  Xftdehenschute. 

fihiultt  denn  der  Herr  R.  W.,  der  Kais.  Obcrschulrath  würde,  vielleicht  pour 
mcs  beaux  yeux,  unsem  Prüfüngcn  die  Lehrberechtigung  erthcilt  }mbea,  wenn  er  sie 


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—  744  — 


Dass  die  Schule  ^nur  etwa  'diX)  iSchttleriiinea  zu  haben  wünscht",  ist 
wieder  eine,  müde  ausgedrückt,  falsche  Auffassung.  Ich  habe  gesagt,  mit 
900  SdiUerimien  iden  rnntn  BlnttM  «mtbend  gaflUt  nad  mkr  all  ««Her» 
80—40  kSttuten  wir  iiidit  «nAialUBeii.  Da  «ntdeiAt  deim  H«r  R. 
daaa  ivir  schon  einmal  348  SchültriaiMi  hatten.  Gewiss,  es  war  aber  dadurch 
eine  «niohe  rnnn^]ir!)e  Überflillnng  entrtudeii,  daas  daa  BflugannelalBnait 
weitere  Aiiinaijiuen  nntersagren  mnsste. 

JDass  wir  „wie  es  scheint''  mit  der  Zucht  und  Ordnung  and  den  Leistuagen 
in  ta  obem  daaaai  nldit  taüg  wardan  Iktanan,  war  mir  ncn.  Der  Bewela 
dca  GegantheOa  lit  Mar  lehwer  zu  Uafem.  ladeiiaii  Harr  R,  W.  wird  mir 
selbst  bezeugen,  daaa  «u  uiaerer  Solraila  nidit  lanter  verwahrleata  Oeaoii9pfe 
Iwonrorgegangen  sind. 

Dass  es  „des  Dazwischentr- ns  d-  .-  <  M  erschnlraths  bedurft  hat,  um  die 
pädagogisch  selbstverständlichsten  Auurdiiuugen  für  die  Ertheüung  der  Unter- 
rleirtaliaetlaiMii  beim  Direetor  FiKbar  m  realiairen*i  Itt  dne  reine  Erfftt- 
ding;  Dtaa  Mebrnngavaraehiadenbeitan  Torkommen  kSnnen,  wird  wol  niemand 
leugnen.  Im  geg-ebenen  Fall  aber  wurde  die  einzige,  die  in  Betracht  kommen 
könnte,  auf  durchaus  frr  nndscbaftllcbe  Weise  und  jedenfiüla  ohne  irgend  welchea 
Dazwischentreten  des  Uberscbulraths  geregelt. 

Dass  die  städtische  höhere  Mädchenschule  um  der  höheren  Stände  willen 
gegrflndet  wurde,  iafe  eine  falicbe  Anffftaanng.  Sie  wnrde  gegründet  im 
Interesse  der  deolaolien  Colonie,  da  die  einsige  damals  vorhandene,  wilUieb 
im  iltnfsrtiPQ  Geiste  geleitete  Schule  ans  melirfachen  Gründen  ihren  Zweck 
nicht  zu  en-eichen  im  Stande  war.  Dass  ich  aber  zu  Anfang  der  80er  Jahre 
in  einem  Vortrag  ausgeführt  habe,  die  Anstalt  solle  eine  Schule  für  die  höheren 
Sünde  aein,  iat  nnwahr.  Ich  sprach  über  die  Reform  des  IQldchenaehulweien» 
and  fBkrte  ans,  da»  ea  wttnachenawert  sei,  die  Schuljahre  bia  zum  18.  Lebena- 
jtiira  m  verlängem,  dagegen  aber  die  Zahl  der  wScbentlicben  Standen  zu  Ter- 
kurzen.  Dabei  mnsste  ich  zngpRtehen.  dass  der  mittlere  Börgerstand  nnr  selten 
in  der  Lage  sei,  die  Kinder  so  lange  zu  entbehren,  weshalb  die  Reform  nur 
die  höhereu  Stände  im  Auge  haben  könne.  Dabei  betonte  ich  in  der  dar- 
nnf  folgenden  Diaenaaion  ausdrücklich,  daas  ick  ans  praktiackaa 
Gründen  nicbt  daran  denke,  meine  Ideen  an  nnaarer  Seknle  lar 
Anafftkrvttg  zu  bringen.*) 

„Dass  ich  ,Ter¥:essen*  habe,  die  Wenigen  anzuführen,  denen  ich  es  recht 
mache'*  ist  ein  Gedanke,  den  ich,  wenn  er  nicht  so  verwünscht  gescheit  wäre^ 
versucht  sein  würde  u.  s.  w. 

Und  damit  genug.  Andere  niebtaaageade^  nm  keinen  alirkeren  Anadnek 
sn  gebranebeni  AnalÜbrangen  übergehe  ieb,  wie  leb  denn  tbaikanpt  lür  midi 
hiermit  den  Zeitangkampf  acblieüe.**}  Dr.  Fiaeber. 


nicht  fUr  reif  gehalten  hätte?  Haben  doch  die  meisten  unserer  Prüflinge  gleich  naeii 
abgelegtem  Exiunen  Anstellang  gefimden. 

*)  Per  verstorbene  Professor  Studeniund,  dem  ich  einst  meine  Idee  mittheilte, 
fasste  diei»elbü  uiit  Begeisterung  auf;  er  wollte  mit  aller  (iewait,  ich  sollte  dem  da- 
maligen Statthalter  MaataaiSBl  ein«  n  aosgearbeiteten  Plan  vofkgen,  am  dieae  Betom 
an  unserer  Schule  Torztinchmcm.  Natürlich  lehnte  ich  es  ab,  weil  bei  einer  so  tief 
einscbueideuden  Änderung  eine  einzelne  ächule  unmöglich  vorangehea  kann. 
**)  Sinventaadmi.  D.  IL 


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—  746  — 


Ans  der  Schweiz.  Der  ^Schulartikel"  iing<^r*^r  Rundesverfapann?^, 
d.  h.  seine  _ Ausführung **  mittelst  Buadesge  ideru,  die  den  eantiDialeu 
Yolksschuieu  zu  speudeu  wären,  ist  nun  endlich  in  der  Bundes  Versammlung 
lor  Sprach»  getommwa.  Der  Katloiialnlli  hat  ikdi  d«r  Angelegenheit  «Hg»* 
nomnmi  md  an  Inl  TifSQ  (▼<»  & — 7.  Jmü)  fiber  ale  Y«rhaad«lt  DI«  drei 
Etaigaben  der  Lehrerschaft  —  von  denen  wir  frflher  berichtet  —  sind  dabei 
^r  nicht  erwähnt  worden!  Gleichwol  ist  das  g:roße  Or^an  der  deutscli-schwei- 
zerischen  Lehrerschaft  (d.  h.  ihr  Obfrleiter.  ein  Mann  von  ung-ewöhniichea 
Einflnss)  mit  dem  EIrgebnis  der  Verhaudlungeu  im  ganzen  zufrieden.  »Wir 
ft&im.  uns  dei  BnMaides  fma  7.  Jmii''  —  sehreiM  der  «Chefi^acteor''  der 
Lehreradtnng,  wenn  er  aneh  Torslehtigerweiae  hinnfOgt:  ^Kfl%  dfirfen  wir 
dem  Q$agB  der  Dinge  nicht  zusehen."  —  Die  Verhandlungen  selbst  boten  des 
Interessanten  viel.  Zunächst  zeigte  es  sich,  dass  die  Freunde  der  Sache  nicht 
einig  sind.  Nationalrath  Lurti,  der  zuerst  sprach  (da  er  den  betreffenden  An- 
trag —  genannt  „Motion"  —  gestellt),  wünscht  nur  ein  ^Subventionsgesetz" 
{für  die  Primarschale),  dnrch  welches  insbesondere  auch  die  „Uuentgeltlichkeit 
der  Leteniitfeel  md  SohidiBeteritHen**)  geriehert  werden  eoE  N.-K  Jeen- 
haarj  iit  xadieeli  er  Terleagt  ein  gemein -eidgeeMeehee  Sohelgeieti.  Oohat, 
Erziehnngsdirector  des  Cantons  Bern,  stellt  Anträge,  die  nur  ein  „Schulsecre- 
tär**  an5?fiihren  könnte,  das  aber  wäre  ein  neuer  Beamter,  den  das  Volk  heute 
wol  ebensowenig  mag  wie  1882,  als  sein  Bild  zam  ersten  Male  auftAuchte. 
Bandesrath  Schenk,  der  Leiter  des  „Departement  des  Innern"  (welches  auch 
die  Sehalangelegenhfliteii  der  SidiwelB  nrnfkast)  meint:  „Eine  Million  sollte  der 
Band  Ar  die  VoUniehiile  muliediiigt  enegebea,  und  für  dieee  Aeagabe  mlteeeii 
alle  Parteien  harmonisch  zusammenarbeiten.'' **)  Gldchwo!  rntli  i  .  zunächst, 
am  de«  lieben  Friedens  willen,  von  der  Volksschule  ganz  abzusehen,  und  dafür 
4ie  ünterstfttzung  dem  Fortbild ungsschuiwesen  zn  widmen.***)  Wie  nänilicl» 
—  das  ist  offenbar  der  Sinn  dieser  Anregung  —  schon  seit  1884  die  ge- 
werblichen FortbüduugsBcholen  in  gesetzlich  geregelter  Weise  namhaft 


♦'i  E^^  gitit  bei  lins  eine  Art  Faniitikrr,  die  sich  die  „Lehrmittel"  'und  wve 
dnuu  und  dran  hängt)  und  dezen  .Unentgeltüchkeit"  su  Qegenstäodea  ilues  Cult» 
ansenehen.  So  klagen  sie  namentlich  durflber,  doss  es  Tansenden  unserer  Volks- 

Schüler  an  den  nöthigen  guten  Lehrmitteln  manirlc',  deshalb  mangle,  weil  den  Can- 
tonon  und  Gemeinden  und  Eltern  ihre  Armut  nicht  bestatte,  das  Erforderliche  aa- 
zuschaffen.  Dem  gegenüber  ist  su  betonen:  ee  Teichen  kleine  Posten  (und  die 
lassen  sich  gewiss  überall  auftreiben);  man  spare  nur.  statt  zu  verschwenden;  man 
erwäge  und  prüle  sachlich-kritisch,  statt  eine  alte  Gewohnheit,  einen  „ans  Heiz  ge- 
wachsenen" „Urväter- Hausrath"  festetthalten,  der  Bequemlichkeit,  einer  Tradition  oder 
einer  Autorität  zu  frOhnen.  Ks  himdelt  sich  hier  überhaupt  um  eine  Angelegenheit, 
di(»  ins  Ben^ich  „des  Inneren^  gehört,  um  einen  Grundsatz.  Der  unsere  ist  (ein 
wenig  auf  dio  Spitze  getrieben^:  Je  weniger  Lehrmittel,  desto  besser  die  Schule  — 
während  andere  die  „Lehrmittolfrage*'  zu  einer  Haupt-  und  Staatsfrage  aufgebauscht 
haben,  nnrl  den  Uiitorricht.st  rfolg  (von  Erziehung  ist  bei  ihnen  kaum  die  Rede"*  (i\T 
goaichert  hiilten,  wenn  sie  eiueu  rcichtu  Sthata  von  LrlirmitLelu  aulgcspt-ichert, 
wenn  jede  Classe  ihr  besonderes  Lesebuch  nnd  ihian  besonderen  Leitfaden  u.  a.  m. 
besitzt.  Kurz:  die  ..Schulfrasre"  ist  bei  ihnen  wpsentlirh  ..Lehrmittelfitage*'  —  und 
die  klingende  Antwort  darauf  nM  nun  der  allguiigti  „Buud"  geben. 

**)  Diese  Million  würde  aber,  auf  „Lehrmittel'*  Terweeiet,  nisht  eimnal  fttr 
den  Canton  Bern  auprciehcn,  wie  Gobat  berechnet! 

Ungefähr  derselbe  Gedanke,  den  ich  im  vorigen  Jahre  geäußert  und  be« 
gvttadet. 


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—    746  — 


imttnlltit  mto,  w  ton  mumtlur  du  GlcidiM  ta  allgemeitteii  XtfCbfl- 
4il]i|^  und  den  im  eogeren  Sinne  bfirgftrbildenden  Sdinlen  widdtfidinB.  — 

ITorpn  wir  weiter  die  Gegner  der  Sache.    Die  Ansffihrnngen  dieser  Herren 
sind  ungemein  geistreich.    Da  erklärt  ein  Mann  ins  dem  Lande  Uri,  dass  er 
gge^^en  alle  uud  jede  Eiumischang  des  Bundes  in  den  rrimarunterricUt  auf> 
tretoi  mtUse".   Er  erinnert  sich  auch  jener  Ungeheuer,  der  „Zwingvögte' 
(die  MMUitUoh  erAudea  rind,  aber  Ar  nnscrai  Timer  telbftvenClaidlkh  wirk- 
lich existirt  haben),  und  erfüllt  von  dleM  Schreckgebflden,  propb^^t  Min* 
Phantasie  „Sehnhögte'* .  die  jenen  an  Schensäligkeit  mindestens  nicht  nach- 
stehen.   £iu  Graubündner  wiedei'holt  diese  Leistung.   Auch  ein  Genfer  deda- 
mirt  von  dem  „unheilvollen  Einflüsse''  des  Bandesgeldes  auf  „die  cantonale 
AntoHomie".   Derselbe  Herr  bemerkt  weiter:  ^Die  Hauptsache  im  Ualerrleki 
•eieii  tichtice  FldiffOfw  ud  Uniier  wie  Peetaleatl  i.  a.  DiiM  bitten  oloht 
Tvrmittelst  gefüllter  Barsen,  sondern  verm^e  ihrer  Talente  ind  ihrer  Li  V 
zur  Schule  Großes  vollbracht."    (Leider  hat  der  Herr  vergessen,  eine  Fabrik 
anzugeben,  wo  man  „Männer  wie  Pestalozzi  a.  a."^  en  grug  bezieben  kann  — 
natürlich  gratis.)    Ein  St  Galler  will  dem  Wunsche  nach  Unteratätznng  der 
Volkncinto  dnziA  den  Band  die  EifUlung  hauptalohUeh  deihalb  vanagen, 
weil  tonet  —  der  Band  mit  OeeefaKften  flberiaelet  wiide!   Ei  bartehe  aber 
auch  gar  kein  Bedürfnis  nach  BandeAilfe:  „Das  schweiaeiieche  Sdhulweeen*) 
sei  eines  der  besten  in  ganz  Europa,  und  die  Einmischung  des  Bundes  würde 
dasselbe  eher  verschlechtern."    Ähnlich  findet  der  Schnlmonarch  von  Frci- 
bnrg**)  (auch  in  der  Schweiz  gibt's  Monarchen)  „unser  Unterrichtsweseai  aus* 
geielfllmet''.   Aber  «neben  jedet  Welmkaaa  zogieieh  ein  Sebnlbani  etellen*) 
das  k8Bae  man  doeh  niehtl   Man  Mt:  mit  TeEninftigen,  eaAliehea  GrSndcn 
vermögen  diese  Herren  nicht  zu  kämpfen.    Wer  sind  sie  überhaupt,  wen  ver- 
treten sie?  Die  Röralinge  beider  Kirchen***  f.  die  in  naturgemäß Bnndesfeinde 
sein  müssen  —  die  ^Föderalisten",  denen  die  cantonale  Sonveränität  das 
Höchste  ist,  die  statt  eine»  stramm  disciplinirten  Bundesstaates  einen  losen 
Staatenband  wfinechent) — die  feigea  AnhJbiger  den  alten  lieben  Schlendriane. 

Daa  SeUnMargebnie  der  NatlonaivathaTerheadlangen  (Vcnehlag  des  Ber- 
ners Steiger)  war:  „Der  Bundesrath  wird  eingeladen  zu  untersuchen  nnd  dar- 
über Bericht  und  Antrag  einzubringen,  ob  nicht  zur  Ausfülinins:  der  Bestim- 
mung des  Artikels  27  der  Bundesverfassung,  welche  einen  ^'tnugcndeu  Primar- 
unterrichb  vorschreibt,  und  nach  Maßgabe  des  Staiide&  der  Bundes- 
finansen  die  Oantone  Tom  Bande  tnaaziell  nntentfltat  werden  aenen.**  'Wie 
diese  Entacbeidong  von  einem  Vertreter  der  Lebrerachaft  aoi^ommen  worden, 
haben  wir  bereits  mitgetheilt  Wie  eine  große  politische  (die  sog.  freisinnige) 
Partei  darüber  artheilti  vemehmen  wir  aas  einem  Xjeitertikel  der  lyNenen  Zir» 


*)  TN»  es  Hiebt  gibt!  Wir  haben  SB  eratonale  „Scholweeen".  Aber  dies  man 

u  irl:]'ch  in  besclicidcncni  Rinne  von  einem  soh  wcizerischen  Scboiwwn  epiOdMa 
dürtte:  gerade  das  will  man  mit  Hilfe  der  Bnndi-sgcldec  erreichen. 

**)  Froibvig  hat  steh  bekanntlidi  in  den  jüngsten  Jahrw  die  —  Ehre  enge* 
tban,  eine  ])äp8tlichc  Leib-Universitit  SU  axichten.  Dem  Tatiean  dieat  also  jettct 
eine  zwiefache  ^Schwcizergarde". 

Audi  die  sog.  refbrmirte  Kirche  hat  Uur  Bom. 
t)  Daruntor    ii;]  iruni-cherweise  gerade  di(;  ür-KirlL'  nos-cu,   deren  erstes 
„Bündnis"  ^i2t>lj  man  1^91  zum  Anläse  naluu,  den  „tiuujahrigen  Bestand  der  Eid- 
geaoaeenediaft''  la  feiern. 


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—   747  ~ 


eher  ZeitaDg**»  der  neben  etUehen  SeUefhelten  md  FUehllirhelten  mebme 
Iteaehtentwerte  Bemerkungen  bringt.    Verfasser  sagt:  „TVenn  schlieAUcli  doch 

eine  so  große  Mehrheit  (81  gegen  35)  für  die  Motion  Curti  s-rstimmfe,  so  ge- 
schah es  nur  aus  dem  Grunde,  weil  mit  den  vom  Nati'inaliaih  angenommenen 
AbUndemnprsvorschlilgen  H^rrn  von  Steiger  die  Motion  bedeutend  abge- 
scliwächt  wurden  war,  weun  uian  nicht  gar  behaupten  will,  mit  dem  Zosatze, 
da»  die  Untentlltsnng  derVcdkatehnle  nadi  IffaUgnbe  des  Standes  der  Bnndee- 
iinnozen  zu  geschehen  hnbe^  sei  der  Hotton  selbst  die  ^itse  abgebrochen  wor- 
den." Die  „Bandesfinanzen"  stehen  nämlich  gegenwärtig  schlecht  —  nnd  in 
der  nächsten  Znkanft  dttrfte  es  nicht  anders  sein.  „Obgleich  also  —  meint 
die  ^N.  Z.  Z."  weiter  —  der  Artikel  27  noch  auf  Jahre  hinaus  nicht  in  deia 
Sinne  zur  Ausführung  kommen  wird,  wie  ihn  seine  Urheber  verstanden  haben, 
SO  hat  es  doeh  sein  Gutes,  Ton  Zeit  zn  Zeit  die  Angelegenheit  öffentlich  zu 
bespredien.  Dadurch  werden  die  Cantone,  die  sieh  im  BttdEstande  befinden» 
ermahnt,  ndir  als  bisher  fiir  ilir  Sehnlwesen  zn  thim;  denn  je  mehr  sie  in 
dieser  "Richtung  leisten,  mit  um  so  größerem  Rechte  können  sie  eine  Ein- 
mischnng  des  Bundes  zurückweisen.'*  Also  darauf  kommt's  an:  ..von  Zeit  zn 
Zeit**  eine  ..Ermahnung"  —  nnd  Erwerbung  des  „"Rechts",  die  ..Einmischung 
de»  Bundes  zarückweiseti '  zu  dürfen.  Deuioach  würden  auch  die  „Freisinnigen" 
eine  BetheUignng  des  Bundes  an  den  Sorgen  ftr  das  Volksschnlwesen  lieber 

nicht  sehen.   

Es  dürfte  nicht  unpassend  erscheinen,  im  Anschlnss  an  das  Vorstehende 
anf  die  in  der  zweiten  IHllfte  des  Juni  erschienene  neueste  "^Vröffentlichung 
über  „das  schweizerische  Schulwesen*'  aufmerksam  zn  m;i'^!u"i.  Das 
Schriftchen  (III  Seiten  (troßoctav)  ist  nämlich  —  anlHsslich  der  Weltaus- 
Stellung  in  Chicago  —  mit  Bnndesgeld  hergestellt,  d.  h.  im  Anftrag  des 
Schweizerischen  Departements  des  Linem  herausgegeben  irorden  von  der  t,ünion 
der  Schweiz,  perm.  Schnlausstellungen",  unter  OberleUung  des  Prof,  Dr.  0, 
Hnnziker  ("S^orstand  des  Pestalozzianums  in  Zürich).*)  Man  findet  in  dem 
Schriftehen:  I.  Eine  Darstellung  der  ..geschichtlichen  Entwicklung  und  der 
gegenwilrtigtn  \'erh;tltiiiüsc"  (,,Schulorgaüisatiüu  —  Schulf^konomie  ~~  Sehiil- 
auleicht  —  Schulhygieine  —  Anderweitige  Bestrebungen  für  das  leibliche, 
geistige  und  sittliche  Wol  der  schnlpiiichtigen  Jugend  —  Lehrpersonal  — 
Statistische  Angaben  betr.  Schulen,  Sehttler  nnd  LebrkrUte  —  Dhenicht  des 
Schniwesens  nach  den  Cantonen  —  Schulergebnisse,  d.  h.  Ergebnisse  der  Ee- 
erntenprüfungen");  dazn  als  „Beilagen":  „Übersicht  der  cantonalen  Verfassungen, 
Gesetze  nnd  Lehrplänc  der  Volksschulen  —  Gedrucktes  Quelleumaterial  — 
Monographien  schweizerischer  Hoch-  und  Mittelschulen."  —  II.  „Statistische 
Tabellen  UberFrequena-  nndFlnansverhUtnisse  in  den  Jahren  1890  und  1891/' 
—  in.  „Die  Becmtenprttlhngen  (mit  einer  Karte)."  —  IV.  „Die  Hochsdiolen 
(Allgemeines  —  Eldg.pol.  Schule  in  Zürich  —  Hochschulen  Basel,  Zürich,  Bern, 
Genf,  Lausanne,  Freiburp;  Akademie  Neuenburg)."  —  V.  ..Die  permanenten 
Schulausstellungen  (Allgemeiaea  —  Zürich  —  Bern  —  Freiburg  —  Neuenborg). 

*)  Bearbeitet  rind:  I.  und  IV.  und  an«  V.  „AtlgemetDes"  and  „Zttrich"  Ton 
Hunzikcr  —  II.  von  Dr.  jur.  A.  Huber.  caiitonaler  Erzi'  liuii'TM'e  r«  filr  in  Zfuich  — 
III.  und  V.  „Bern''  von  üymnasiaUebrer  E.  LUthi,  Vorätaud  der  Bemer  Schulaua- 
stellung —  die  Abedmitte  Uber  die  Museen  in  Freiburg  nnd  Nenenbing  von  derai 
Loten.  —  Das  Sehriltehea  ist  ni  bedehen  beisi  Pestalossisaiim  in  Zttrich. 


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—   748  — 


A«i  der  Fftehprette. 

93.  Die  Bedentang:  der  Philosophie  der  Cregenwart  für  die 
PKdagogik  (R.  Hoeiiegger,  NB.  1893,  VI).  Die  fltlHg«  AMt  nfMtet 
tidi  auf  290cUv8eiten  ttber  Wiiiidtt  Pld]M0|^6  Qod  Meht  am  SeUniB  derea 

BedentQDg  für  die  Pädagogik  festznstellen.  Ans  diesem  letzten  Abschnitt: 
Nach  W.  „hat  sich  die  PSdaf^og-ik  a]"?  Einzelwissensrhaft  eng:  an  die  T'hilo- 
BOphif  anzuleimen''.  „Seine  l^sychologie  ei'irtnet  für  die  Tlie"rie  der  Pädagogik 
in  vielfacher  Hiutticht  ganz  neue  Bahueo.  Sie  thut  iusbesoudere  die  Unhalt- 
iMfkalt  jeder  I>yeb<degie  dar,  wdehe,  wie  die  Hari»arftitebe»  ihre  BMieimfniiwe 
von  der  Voranssetzung  eines  SubetauEbegrUfee  a])bängig  iMdit.  Das  Wesw 
des  spelischen  Lebens  ist  nicht  eine  unveränderliche  Substanz,  sondeni  Thätig- 
keit."  ,,Eine  Püdafrog-ik  auf  den  Gnindlagren  ««»^iner  PhiIos(»phie  würde  wol 
als  Hauptprubleiu  sich  die  Lenkung  des  Willens  stellen.  Denn  der  Wille  er- 
scheint nicht  blos  als  das  seelische  Grandphänomen  und  die  Bedingung  alkr 
geistigen  EDtwieUimg,  loiideiii  die  mfiflidiite  VerwlrkUdiniig  deaelbea  (?ljeiie8 
j.Hauiitproblems"?)  auch  gemäB  der  ethischen  Anschauung  Wundts  als  Ziel  jener." 
Seine  W<>ltan.schauun^  ist  eine  „idealistiaehV*  lUld  aein  IdeallsmOS  grttadet  sich 
auf  die  Thatsachen  der  Krtahrung:. 

94.  L'^cole  et  la  democratie  (A.  Gavard,  L'Educateur'*')  1893«  !}• 
Nach  der  Ankündigung  erwartet  man,  der  Verf.  werde  etwa  das  Yeriilltiiia 
der  Demokratie  rar  Scheie,  oder  die  charakteriftiBchen  OmdsftUe  und  Slgeii- 
schaften  der  demokratisr hen  Schule,  oder  noch  QoettUlte  pädagogische  Wünsche 
der  Demokratie  im  einzelnen  scharfsinnier  erörtern.  Er  bef,^innt  denn  auch: 
Die  Hepublik  muss  die  besten  Schulen  besitzen;  dies  zu  behaupten  ist  nicht 
vermessen  („c'est  la  räpnblique  qoi  doit  poss^er  les  meilleores  6col^  il  n'est 
ipas  tteiMre  de  rallllmer'}  —  mid  daa  iat  richtig.  Weiter  (nadi  daem 
oberiUchlichen  Ürtbell  Aber  die  Honarehie)  hetont  G.  die  üntenehiede  swlaehea 
der  altea  and  der  neuen  („demokratisirten'*)  Schale  and  die  (in  der  deatBChen 
Fachpresse  wJlhreud  der  letzten  Jahre  hanfie:  penngr  eri^rterten)  Se<?nungen  der 
allgemeinen  \'()lks8chale,  die  er  allerdings  mit  Kechi  als  eine  demokratische 
Errungenschaft  anspreclien  darf.  Aber  im  Haupttheil  seines  Aufsatzes  hält  G. 
nicht»  waa  er  yenprochea:  er  idueibt  yiehaehr  In  mehr  oder  weniger  ^^lan- 
senden,  oft  kühnen,  «iweilea  komlaehen  Phnuea  a)  llher  die  groden  Aoljgabea 
nnd  Ziele,  welche  die  reine  Erziehungslehre  dei  Volksschule  stellt  oder  ateckt 
Cznr  Zeit  jedoch  weder  in  der  Demokratie  noch  in  der  Monarchie  gelöst  oder 
erreicht  sind,  zum  Theil  auch  weder  hier  noch  dort  ernstlich,  ich  meine  that- 
kräftig,  erstrebt  werden)  —  b;  über  allbekannte  Unterrichtaregeln  und  manches 
andere,  ichon  oft  Qesag^te. 

95.  Die  Eralehnng  anrSaaherkeit  andOrdnQng8liebe(A.Goerth, 
C.  59,  rv.,  V.).  Eine  Abhandlang  (zunächst  „an  eine  gebfldete  junge  Mutter"  ge- 
richtet), die  anch  von  erfahrenen  Berufspädagogen  mit  Gennss  gelesen  wird,  den 
Eltern  aber  ^^eradt-zu  eine  Fülle  guter  Lehren  in  schöner  Fumi  bietet,  Beispiel: 
Die  Knaben  sollen  nach  ihren  Streifizügen  in  Waid  und  Flur  etc.  „ihre  arg  be« 
aohmntaten  Stteflsl  nnd  Kleider  selber  reinlfoa  and  die  Xiaat  nicht  fremden 


*}  „Organe  de  k  Soeiiti  p^dagogique  de  la  Sutne  nmaade.* 


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—  m  — 


Schultern  aafbflrden  dflift»'*  — damit  sie  frtUi  lernen,  wm  des  Xannee  PflkM 
Ui:  „fBr  Min  Tbnn  nnd  Laasen  selber  einsastehen."  «Sie  sollen  firtth  einsehen 
lernen,  dass  es  ein  unedles,  BeUMlsaclitiges  Verlangen  ist,  ein  groDes,  beglücken* 

des  Vergnügen  anf  Kosten  unserer  Mitmenschen  zu  genießen,  Blüte  edelsten 
Gemüthes  ist  die  Rücksicht.  Kinder  sollen  lernen,  untergeordnete,  dienende 
Personen  rücksichtsvoll  zu  behandeln,  deren  Arbeit  als  eine  rechUchaAene, 
nothwendige  zu  ehren  und  deren  Becbte  anzoerkennen  und  zu  schützen." 

96.  Die  Hyperbel  und  die  Schale  (Fr.  Kobin,  Dentsch,  1893,  lY.). 
Verf.  glaubt,  dass  die  albernen  Übertreibungen,  welche  sich  die  moderne  Ge» 
Seilschaft  in  ilirer  Um^angrsaprache  erlaubt  (Gebrauch  der  bekannten  Über- 
treihung-swöiter,  wie  furchtbar,  kolossal),  dnrch  die  Schale  bekämpft  werden 
könnten:  „wenn  diese  sich  nach  allen  Richtung-en  hin  bemüht,  das  Natürliche 
nnd  das  sprachlich  Richtige  im  i^chrif iiichen  und  mündlichen  Gedaokeuaasdruck 
cur  Oettong  sn  bringen  —  wenn  sie  den  liehtigen  lezlkalisehen  Gebrauch  der 
missbranchten  WSrter  lehrt  md  ein|»rlg:t  —  wenn  die  Sjmonymik  in  unserem 
Sprachunterrichte  die  gebärende  Beachtung  findet,  die  Ibineren  Unterschiede 
bedeutnngs verwandter  Wörter  den  SchiilfM-u  \h\r  gemacht  werden." 

97.  Sechs  Wochen  Feriencurs  im  ueufranzösischen  Seminar  zu 
Genf  (G.  Steinschneider,  Zeitschr.  f.  d.  Realschule,  1893,  III.).  St.  berichtet 
über  den  Ours,  an  dem  er  theilgenommen  (15.  Juli  bis  31.  August  1892;  ein 
zweiter  dauert  nur  3  Wochen,  vom  1. — 21.  October).  Die  Curse  sind  fOr 
dentschsprecbende  Lehrer  nnd  Studenten  bestimmt  und  umfassten  im  Sommw 
1892:  I.  theoretische  und  praktische  Phonetik,  verbunden  mit  Declamations- 
Übungen  —  Grammatik  —  Methodik  für  den  Unterricht  nacli  Anschauungs- 

^  bildern  —  „Excursiooen"  („promenades  litteraires")  behufs  zwangloser  Unter- 
'  haltuDg  und  Belehrung;  —  II.  literatorgeschichüiche  Vorlesungen  —  Vortrags- 
tbungen  (literarische  Themen,  bestimmt  oder  freigew&hlt)  —  Übersetxnng 
einw  deutschen  Novelle  —  «analytische  Lectfire"  der  „Chefs-d^oenvre  des 
^sateurs  frauQais  da  XIX™®  siMe  von  V.  Tissot  et  C.  Collu.s  'Paris,  Delagrave). 
— -  Di.'  TlH'ilnehmer  erhalten  eine  von  der  faenlte  des  lettres  (I.  Serti».n  der 
philosopiuschtii  Facultät)  ausgestellte  BestätijE^ims-  i!ir>'.s  Be*«nches,  kein  eig^ent- 
liches  Zeugnis.  {Dan  Anstaltsleitern  stehen  \Vuhimugsadresseu  in  groikr  Zald 
cur  Verfügung;  man  wende  sich  an  Prof.  Bouvier,  Boorg  de  Four  10.) 

98.  Die  schnlgeographlsehen  Vortr&ge  auf  dem  X.  deutschen 
Geographentage  in  Stuttgart  (Eibensteiner,  Geo.  1893.  VIII^IX.).  Ein 
sehr  dankenswerter  Bericht.  —  Drei  Vorträge  fallen  in  Hetraclit:  I.  Prof. 
Dr.  Neumann  (^Freiburg):  Die  Geo;^ruphie  al.s  Gcj^enstand  des  akade- 
mischen Unterrichts.  N.  behauptet  am  Scldusse  seiner  Übersicht:  „Ein 
grofier  Theü  der  Schnlfh^  würde  ans  der  Welt  geschafft,  wenn  tüchtige  all- 
geinein<geogfaph]sche  und  allgemein-landeskundliche  Kenntnisse  die  Lehrer  In 
den  Stand  setsten,  den  Unterricht  in  Sprache,  Geschichte  und  Naturkunde  mit 
dem  Bande  der  Geographie  zu  verbinden.  Was  uns  feiilt,  ist  nicht  eine  Eiu- 
beitsschnle;  was  wir  erstreben  müssen  in  allen  Schulgattungen,  da.s  ist  der  auf 
Grundlage  der  Vaterländskunde  aufgebaute  Einheitsnnterricht."  —  II.  Prof. 
Dr.  Kiichhoä  (Halle):  über  die  Vorlereituug  der  Geographielehrer 
anf  ihren  Beruf.  K.  wünscht  im  allgemeinen:  „Hsn  mOge  die  Erdkunde 
anfhdren  lasseot  das  einsige  JFwk  an  unseren  Schulen  zu  sein,  In  welchem  bald 
gepraftei  bald  ungeprüfte  Lehrer  untenichten  dflrfen*'  —  und  welter:  „Der 


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—   750  — 


denttcihe  Geographentag  UBere  itdi  fwidtor  etaunal)  knt  und  ttnailltUir  tb«r 
die  Nothweodigkeit  geographischer  Facbamliildiuig  mnerar  eriknndlicheB  UbatS- 

an  den  höheren  Lehranstalten/'*)  „Es  ist  nicht  blos  die  in  dem  Wesen  der 
Erdknnde  als  Wissenschaft  liegende  Scliwierig'keit,  die  "Bf-riUirnn?  vüt  Sf^ch- 
bardisciplinen.  die  dem  Mittelschullelirer  das  Universitälssüidimu  ^»'biei»-! 
auferlegt;  es  kouiiut  noch  ein  Zweites  hinzu:  die  eigen thüinliche  Schwierigkeit 
der  «rdkmidUehea  UnterrlelitBflitlMOnng."  (Dleee  SebwierigkeiteD,  die  ineiulig- 
ftkdien  großen  Aufgaben,  denen  sich  der  Geographielehrer  widmen  muss,  wer* 
den  ausführlich  dargelegt.)  —  III.  Dr.  Peucker  (Wien):  Über  Terraindar- 
stellung  auf  Schulkarten.  Andeutung  der  Bodenerhebungen  mittelst 
Höhencnrren;  das  „stufenweise  Übereinanderliegen  der  Schichten"  soll  durch 
verschiedene  Farbent5ne,  das  „Gelände"  durch  „Böschungsschnmmerung"  ver- 
tDBchtiüloht  werden. 

99.  Die  Geographie  in  Schulen  mit  einffteben  VerhältnUee» 
fBail.  1893,  20^  Jeder  Versuch  einer  Auseinandersetzungr  mit  den  schwie- 
rig-sten  riiteniclitsverliältnissen  darf  von  vornherein  der  Anerkennung  und 
gründlichen  Würdigung  sicher  sein.  —  Verf.  hat  vorzüglich  Dorfschulen  im 
Auge.  „Nimmt  man  —  sagt  ei-  —  die  Zeitung  zur  Hand,  die  der  Eldobaoer 
Ileet,  iflin  laadwirtsehftftlidiee  WoebealdAtt  ud  seinen  Kalender,  so  hat  nun 
ungefähr  einen  Haßstab,  den  man  an  den  Geogn*aphie8toff  dieser  Schulen  be- 
züglich der  Qnantitnt  anlegen  darf;  vielleicht  noch  etwas  mehr  mag  die  Schule 
dem  Kinde  bieten."  Dieses  „Mehr*'  soll  darin  bestehen,  dass  „man  ihm  die 
Heimat  unserer  NährpHanzen,  unserer  Fatterkräuter,  der  Rohstoffe  zu  unseren 
Kleidern,  das  Vaterland  noserer  Havstliiere  md  soldier,  die  ee  ans  Wort  und 
Bild  hat  kennen  leniea,  die  Fundorte  unserer  Metalle  and  all  der  Dinge,  di». 
zu  Bedürfnissen  aneh  dea  bftnerliißben  Hanshaltes  geworden  sind,  zur  Kenntnis 
bringt."  Daraus  folge,  dass  —  besonders  bei  den  Gebieten  anCerhalb  der 
engeren  und  weiteren  Heimat  —  der  physikalische  Theil"  am  meisten  zu  be- 
schrlUiken  sei.  —  Mau  muss  dem  erlahrenen  Schulmanne,  der  hier  spricht, 
bdpfliditeii,  wenn  man  den  YeriiUtnissea,  wie  ile  elnnialsind,  Bedinnng  tragen 
will  —  und  um  so  eher  darf  man  ihm  heipfliehten,  als  er  andererseits  ver- 
langt, die  Sdlttler  seien  an  (häusliche  i  Selbstprfifung  zn  gew&hnen,  anzuleitav 
sich  Fragen  zn  stellen  wie  die  folgenden:  „Welche  Länder,  Städte,  Flüsse,. 
Berge  haben  wir  in  der  letzten  Stunde,  haben  wir  überhau]it  bis  jetzt  kennen 
gelernt  ?  Wo  sind  sie  auf  der  Karte  zu  finden,  und  wie  liegen  sie  zu  einander? 
Weshalh  hahoi  wir  sie  genannt,  nnd  wodnreh  treten  de  an  nna  in  Beriehnug? 
In  welcher  Weise  bähen  wir  sie  ans  gemerkt?"  FreHibh  bedürfe  das  Kind  — 
um  die  Antworten  zu  finden,  um  weiterhin  Lust  am  Suchen  zu  gewinnen,  über- 
haupt selbstständig  arbeiten  zu  lernen  nnd  zugleich  Sicherheit  in  sicli  und 
Selbstvertranen  zu  erlangen  —  eines  Hilfsmittels;  nnd  zwar  soll  dies  sein: 
„ein  Atlas,  welcher  in  schuner  Anordnung  und  Ausführung  Text  und  Bild  zu- 


*)Zu  rügen  ist  die  -X^ußerung:  „Darin  besteht  der  große  Unterschied 
zwischen  dem  wissenschaftlichen  und  dem  Elementarlehrer ,  Aam  jener  über  dem 
Lebibnche  steht,  das  sieh  in  den  Händen  der  Schüler  befindet."  —  Wahr  dagegen 
ist  dies:  „Eine  Üniveräitat  ubne  geographische  Professur  ist  ebenso  unvollendet  wie 
ein«^  der  es  an  Leiurkräften  für  Geschichte  oder  Philologie,  für  Ph^k  oder  Mathe 
matik  mangelt." 


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—   751  — 


gleich  enthält,  so  zwar,  das&  Bild  und  iiUL'^eli  rig:er  Text  sich  gegeüüber  steheo.* 
(Letzterer  möchte  vom  Leliier  ,,nicht  ala  Leitfaden  miesbraucht  werden!") 

100.  Ül>er  den  Beehenitiiterrlekt  tn  der  Fortbildmiffsselinle 
(0.  OoUliir»  F.  1693^  VL).  Etliche  treffliolie  Bemeriraiigeii.  I.  AUsemefaM» 
und  GrandsätzlichM:  Dm  „Antodidaktenthum",  zu  welchem  die  Schule  den  jvigiB 
Menschen  erheben  soll,  „ist  dnrch  alle  T^ntprrirhtsfächer  anzustreben,  in  gans 
hervorragendem  Maße  dnrch  den  Rechen  Unterricht,  und  in  keiner  Schule  mehr 
als  in  der  (mit  dem  geringsten  Zeitmaß  bedachten!)  Fortbildungsschule/'  Für 
den  ForthndungsschlUer  lel  dae  Rechnen  das,  was  dem  (g^eichalterigen) 
,,h8heren''  SchQler  ftemde  Sprachen,  wlssenseliallllcbe  Kalhemalik  nnd  Logik: 
Haui  tmittel  zur  „Schulung  der  Denkkraft".  —  II.  Zum  ünterrichtsbetrieb: 
innerhalb  einer  Lection  nicht  .,allzu  lange"  reines  Kopfrechnen  ('aus  Kiicksicht 
auf  die  durch  ihre  Berufsarbeit  ermüdeten  Schüler);  Notiren  der  Aufgaben, 
auch  der  „Zwiächenresuit&te"  gestatten.  Anregung  m  ,,T?echenreinsciiriften"; 
6.  misst  diesen  „ungeheuren"  (erziehlichen)  Wert  bei  (sie  „bringen  Gründlich- 
keit ine  Beehnen'').  Anfertigung  knapper  AnftAt]»  im  Rechenheft  (s.  B.  Uber 
Rabatt,  Bffscten,  Wedud  —  „volkewirtschaftliehes  Rechnen!")-  »iSo  ein^ 
gestreute  kleine  Aufsatze  wirken  für  den  Schüler  wie  ErfrischnngeD,  nnd  ich 
habe  gefanden,  dass  die  Sr-h iiier  gerade  diese  Arbeiten  recht  gern  machen." 

101.  Uber  Geiiiiienwesen  im  Zeichenunterricht  (E ff f^n berge r, 
Müu.  f.  d.  Z.-U.  i.  d.  Vülkssch.,  1893,  Y.).  „Einige  kurze  Andeutungen,  um 
na  «eigen,  wie  die  Idee,  SdiiUer  sn  nateiflebtliehen  HDfUeietnngen  heran- 
xvniehen,  aneh  im  Zeiehenantenieht  pnktiaofae  Verwendnng  finden  kann.*'  Einer 
„systematischen  Durchführung  derselben"  will  E.  nicht  das  Wort  reden  ,  ,,in 
vereinzelten  Fällen  bediene  er  sich  selbst  der  Unierstützung  von  Gehilfen,  und 
er  habe  noch  niemals  schiimine  Erfahrungen  gemacht."  Kein  „ausgeprägte» 
Heitersystem";  „in  der  Hauptsache  darf  es  sich  uur  darum  handeln,  wenige 
Schwache  und  Schwerfällige  oder  Nachhinkende  einer  besonderen  Controle  zu 
nntentellen*':  etwa  se,  daas  man  de  einneln  zu  „betenden  Qnten"  gesellt  — 
«»der  dass  man  mebraren  einen  Gehilfen  beigibt,  derVoibild  nnd  Beratber  selD 
mOsste. 


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t 


Recensionen. 

Uidesabnro  Endo,  Das  Leben  and  die  pädagogische  Bedeatang  des 

CoDfuciut».    55  ä.    Leipzig,  Karl  \V.  Hiersemann. 
Bidlird  Pahaer,  Veit  Lsdwig  tob  Seekendorff  nnd  seine  GedaBken 

fiber  Ersiehang  and  Unterricht.   Ein  Bettn«  nr  todiiehte  der  Fl- 

dagogik  des  17.  Jahrhandem.    59  S.    Leipzig,  B.  G.  Teubner. 
Alfred  Spitzner,  Natur  und  NAtnrgemftßlieit  bei  J.  J.  Bonsteni. 

101  S.    Leipzig:,  E.  Ungleich. 
Ernst  Temmillg,  Beitrag  ^ur  Darstelluug  uud  Kritik  der  uuraliäcken 

Bildnngslehre  EMt'e.   55  B,  Branmohweig,  Fr.  Yleweg  Sein. 
ThMder  SimoD,  Darstellung  der  Seinslehre  Lotze's  in  ihrem  Ver- 

hftUais  zu  der  TTerbarf's.    76  S.    Leii>zi^-Reudnitz.  Max  Hoffmann. 

Diese  Diisercanoueo  beweisen,  dass  noch  isuuec  tüchtige  janffe  Kräfte  sich 
fibr  pUkMopliisch-päda^frisdie  Fragen  interawiTeB,  und  dass  die  nkenntnis  aU- 
Diählich  durchdringt,  wif  nothwendi^  zu  einer  (rründlichen  Schalung  die  Übung 
in  correcter  Auffaflsoag  und  sacfagemftfter  W&zdigung  bedeutender  Xieistug«i 
der  Vergangenheit  sei.  Diese  historisak-kritiselie  Bkditung  ist  ftr  die  fjUm- 
gogi-- he  Wissen-»('h-ift  und  Praxis  viel  ersprießliclier ,  als  das  ülSubige  Nach- 
beten des  Enchiridions  der  äatsnngen  irgend  eines  Kathederweisen,  oder  das 
natvralistisehe  AuMpimen  der  ei^sea  S^mtei.  Die  angefahitea  Disser* 
tationen  —  wenn  auch  nicht  durchaus  unanfechtbar  —  seusjen  sämmtlieh  vnn 
erasteu  Stadium  und  gründlicher  Arbeit,  so  dass  sie  anoh  der  gereifte  Jb'ach- 
nun  Bteht  eline  Befkiedigung  liest 

Oduur  Hey,  Die  Scknle  and  der  erganisehe  Ban  der  Volkeeekttle  in 

Frankreich  mitBerfleksicbtigung  der  neue^^teaBefbmen.  226  S.  Beriin, 

Verlag  des  Bibliographischen  T^nrcnn«     3  Mk. 

Aal  eigenen  Beobachtuugeu  uud  grOndlichen  Studien  des  Yerfasaerä  be- 
mhend,  erfUlt  dieses  Bvdl  ▼olbtladig  die  Erwvtnagen,  weldK  sein  Titel  «l^ 

we<tvt.    Es  sollte  insbesondere  von  Seiten  der  SohnlbehOrdea  DeutMlllsndi  be- 

achT>'t  \tT)i\  geliürig  gewtirdiik^t  werden. 

H.  8.  Volker,  Handbach  der  deatschen  Volksbiidnngsbestrebangen. 

Gewidmet  den  VolkilbOdangsTevelneB  md  aUn  VeikaftemidflB.  131  Seften. 
■  Znrieh,  Oter  Sdmiidt 

!Mit  v<dlem  Verständnis  und  warmer  Begeisterung  werden  hier  die  in 
neuerer  Zeit  von  sehr  Tcrschiedencn  Seiten  ausgehende  und  in  büchüt  uiauuig- 
fiiltigen  Formen  auftretenden  YolInbUdangsbestrebangen  dai^estellt  und  be> 
Icurlitet,  sowol  in  theor(;tisoher  als  auch  iu  prakttacher  und  statistischer  Hin- 
äiclit.  AUei  £ur  baebe  Gehörige :  Wesen,  Zwecke,  Mittel,  Bedingungen,  Organe 
der  Volksbildung  —  wird  r^tiT  ToUstlBdig  und  dabei  in  so  ansprechender 
Weise  behandelt,  dass  Verfasser  seine  Arbeit  mit  Recht  als  ein  .Handbuch"  l>e- 
seichnen  konate,  das  sich  gewiss  jedea  Freunde  der  Sache  als  ein  guter  Üath- 
geber  erweisen  wird. 

misera  Bilderbneh.   Ißt  Test  tob  BdllfA  Jtrdai.    Wien,  Sdmrd 
H91»l   1  fl.  20  kr.  =  2  Mk. 


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—  763  — 


Der  FrtUüiog,  der  Baaernhof»  der  Pommer,  der  Waid,  der  Herbst,  das  Öe- 
birgre,  der  Winter«  dl«  Stadt  —  dat  sind  die  Objeote,  welohe  auf  den  acht 

großen  Blattern  dieses  reizenden  Buches  in  meist»  rhnfror  Zeiohnunir  und 
ladiftBdem  Farbendruck  zur  DarsteUimg  kommen.  Uierzu  eiu  treftlichcr,  erlitt- 
tender,  Idndliober  nnd  gemflthbildender  Text  in  nnnteiiprilti«:em  Braek.  Kuib 

ein  herrliches  Bilduntjsm Ittel  für  die  Fiimilfr nsttibc,  von  Irrn  aher  auch  der 
Lehxer  in  den  Unterclawen  der  VoUbUchuIe  mt  bestem  Kiioige  Uebraucb 
mairbim  kann. 

Meinhold'g  Bilder  fttr  den  AnichaiftBKinnterrieht.  Dneden,  C.  C. 

Meinhold  &  Söhne. 

Zwanzig  große  Bilder  fdi  denGobraucb  in  Scbulclasseiu  ebenfalls  in  Farben* 
druck  auiffefttbrt  und  sebr  empfeklentwert.  Zur  Dmelelinng  kommen  natftr- 

lieh  auch  liier,  aber  in  ffrijßerem  Umfanije,  die  Jahreszeiten  und  der  mensch- 
liehe  Verkehr,  namentlich  sofern  er  mit  jenen  zusammenhängt.  Das  ganze 
Werk  wild  in  4  Lieferungen  zn  je  5  Blittcrn  und  zum  Preise  von  je  ö  ]ilark 
ausgegeben;  auch  werden  einzelne  Blätter  nach  freier  Wahl  des  Bestellers  ge- 
liefert und  zwar,  falls  mindestens  5  Blätter  auf  einmal  bezogen  werden,  eben- 
falls zum 'Preise  von  1  Mk.  pro  Blatt.  Die  hiermit  gewährte  Möglichkeit  der 
freien  Auswahl  bringt  es  mit  sich,  dass  diese  Bildert^eln  auch,  ganz  nach  Be> 
darf  and  Wunsch,  zur  Erj^rÄnzung  ähnlicher  Lehrmittel  benutzt  wer»!"!!  k5nnen. 

Gräsers  Schulausgaben  classischer  Werke.  39.  Heft:  (leiitz,  Öster- 
reichische Manifeste  von  1809  nnd  1813.  herausgegeben  von  Eugen 
Gnglia.  44.  und  45.  Heft:  Goethes  dledickte  (Auswahl  in  chronologischer 
Folg«  mit  Elnlattong  nod  Anmerkungen  toh  Ladwig  Blume.)  278  S. 
IMk. 

Das  39.  Heft  der  Gräeer'schen  SchnlRu *(r  tbo  enthält  zwei  Manifeste  aus 
der  Feder  des  als  Stilisten  hochj^efeierten  irt-utz.  Guglia  hat  sie  nach  der 
Wiener  Zeitung  nbfediaaltt  uud  mit  den  zum  Verständnis  n<)thi(?en  Anmer- 
kungen versehen.  Vorausgeeclii«  kt  ist  eine  Einleitung,  in  der  der  H  r  ui^irober 
eine  Skizze  de^  Lebens  und  Wirktius  dieses  eigenartigen  Mannes  entwirft,  der 
in  jungen  Jahren,  als  er  noch  in  preußischen  IHensten  stand,  voll  edler  Leiden- 
schaft u:es:en  Napoleon  auftrat,  mit  wahrer  Sehergabe  die  kommenden  Ereig- 
nisbu  aufdeckte,  später  für  Metternichs  Pläne  jouri^stische  Stimmnng  machte^ 
in  seinett  alten  Tagen  um  feilen  Lohn  arbeitete,  um  seinen  Oenttssen  huldigen 
zn  l:''nucn,  und  a]>  Reacfionär  and  Epikuräer  einer  der  bestffebasste?«"tcu  Deut- 
schen war.  Schade,  dass  Guglia  den  dten  Qentz  nicht  noch  mehr  als  eine 
Ocitnlt  der  Wiener  Localgesoniebte  behandelt  niri  i.  Bi  Detnüt  Uber  Minen 
Währinger  Aufenthalt  aus  seinen  Tagebüchern  oder  aus  dem  Briefwechsel 
u.  den^L  beigebracht  hat.  In  erster  Luiie  wird  ja  das  Bttchlein  doeh  aumei^ 
von  Wienern  gelesen  werden. 

Blume's  Ausgabe  eines  Schnl-Goethe  (in  demselben  Sinne  gfcsiirochen,  w  ie 
wir  von  einrai  Schul-Horas  oder  Schal-Homer  reden)  verdient  besondere  Beach- 
tung. Die  lyriseben  Oedidite  Geethe's  rfnd  oft  fftr  SidiuteweÄe  ansgewftlilt 
worden;  alle  diese  Schuläus<:^abcn  sind  zu  dürftis:.  Sic  geben  k»'iii  F.ild  der 
Goethe'schen  Ljiik,  nur  Bruchstilckfi,  nur  oinzelno  Seiten.  Blume  bietet  die 
Tolbtindigete  Auswahl  und  doch  kein  einnigei  Gedieht,  das  etwa  AnstoA  er- 

rej?te.  Dem  Abdruck  liegt  die  Weimarer  Soidii<;n-Aiit»n:abc  zugrunde,  hie  und 
da  steht  in  den  Anmexkungtti  eine  Variante,  die  zu  lehrreichen  Besprechungen 
AidsM  bieten  kann.  Die  Anraerkunf^en,  volle  170  Seiten,  sind  in  dieeer  Art 
noch  in  keiner  Schulausi^abe  enthalten:  Wegriiumuue;  der  sprachlichen  uud 
sachlichen  Schwierigkeiten  des  Textes,  Angaben  über  die  perHönlichen  Be- 
ziehungen, die  in  dem  Gedldite  versteckt  sind,  über  die  Zeit  des  Entstehens 
und  ersten  Druckes,  ob  und  von  wem  das  Gedicht  in  Musik  gesetzt  wurde,  über 
die  Veränderungen,  die  Goethe  später  an  einzelnen  Stellen  seines  Gedichtes  vor- 
genommen, alles  und  jedes  mit  den  entsprechenden  Belegen  aus  einem  äußerst 
reichen  Quellenmaterial,  insbesondere  aus  Dichtung  und  Wahrheit  und  dem 
Btiefwecbse!  Onetbe'?;  und  der  Zeitgenossen  rerpehen  und  durch  Tfln weise  auf 
die  Goethe-Literatur  uud  verwandte  Erscheinuugeu  gestützt.    Mau  »iebt,  der 


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—   754  — 


^     Tnrfmni  {gt  echt  philologisch  s«  W«dce  geffanfen,  tüchtig  ausgerttstet;  Wm 
ftrar  Toa  Irtlietiiohd«  Qwiuiker  vai  der  IwUMai  hamhadtoaea  Biegese. 

W. 

Milds,  Antwahl  ant  den  (^edlohtan  Waltkan  ?o&  der  Yog elweld«. 
Leipaig  1898,  Teabner. 

Schulz  wühlt  aui  Walthere  fiedichten  95  Lieder  und  Sprflche  au»  nnd  er- 
läutert (kn  Uli ttelhochdtiu lachen  Text  mit  Rilcksicbt  auf  di«  grammatiscbea 
Schwierigkeiten,  die  die  mittelhocbdeutflchen  Formea  dem  Anfänger  benitML 
Darin  liegt  das  Eigenartige  dieser  Ausgabe.  Ein  Worterbuch  im  Ashanisre  be- 
lehrt Uber  die  Bedeutung  der  bei  Walther  vorkummradea  W(^ter  und  Phrasen. 
Billotenaff  wie  Lezikoa  liad  •oi«flatig  gearbeitet.  W. 

"WilMms,  Deataehe  Schalgrammatik.  8.  Auflage.  I.  Ftr  die  ant«  rstea 
Claasen  bis  Sexta.   75  Pt    IL  Für.  Quinta  Ms  TM«.    1  Mk*  25  Pt  . 

Berlin,  Pa-nl  Paroy. 

Alau  kann  von  dem  Buche  kurzweg  sagen,  es  enthält  Bemerkungeu,  wie 
sie  nur  ein  Autor  geben  kean,  der  einst  i»e]bt;t  Schulmann  gewesen  und  jetzt 
als  TTothschulprofessor  den  gcsammten  Stoff  wisseusrhaftlich  behandelt.  Für 
den  Liihrcr  jeder  VuUüiscUule  wird  der  II,  Theil  von  besonderem  Interesse  sein. 
Dinge,  die  sonst  dogmatisch  hingestellt  werden  oder  mit  ZnbilfeiahHMi  dee  Alt* 
dentsdieu  erläutert  werden,  sind  hier  iu  der  denkbar  einfachsten  Art  am  neu- 
hoehdeutüdiea  Sprackuiaierial  erklärt.  Vieles  enthält  überhaupt  keine  der 
Schulgrammatiken,  obwol  es  im  alltftglichen  Leben  geqnochen  wird  \ind  durch 
v-r-iri'^  Form  auff)Ült  oder  wie  anderes  {z.  B.  Zusixmmenschreibung  der  Würter 
u.  (iergl.i  eine  Folge  der  Willkür  und  Laune  zu  seiu  scheint,  liier  wird  es 
erkl&rt  und  auf  eine  Regel  zurQckgetührt.  Zum  Auswendiglernen  ist  das  Back 
ni'  ht  bestimmt;  es  ist  keine  j^esetzgebemle,  sondern  eine  beschreibende  Gram- 
j]  LTik,  daher  schon  deshalb  die  Dar^teUung  vielfach  anders  als  iu  dcu  ablieben 
Granunetikea.  Die  vorsichtige  Fassung  der  Geseta^  d»»  Zartheit,  mit  der  den 
Äußerungen  des  Sprachgeistes  gegenüber^etreten  wird,  die  Feststellumr  !•< 
<jebräuchlicbeu  uud  Erlaubten,  an  der  üand  der  geschichtlichen  Betraiiuao^ 
der  Sprache  —  all  das  sticht  so  sehr  ab  von  dem  «etetorischen  Wesen  andeter 
Schulnrraniniatiken  aad  SpnokUldkeri  dam  man  et  nnaonefar  ackitat,  je  leUeaBf 
mau  es  äadet.  W. 

H&knel  nnd  Patzig,  Zar  Wortbildung  und  Wortbedeutung  im  deat- 
aeben  Spraebaoterriekt  (Lekretkeft  aar  denteekenSpnekaokale).  Le^iig 

1893,  Ferd.  Hirt  *  Seka.    1  Mk.  25  Pf. 

Im  Sinne  Hildebrands  ireschrieben,  will  dieses  Heft  dem  Lehrer,  der  die 
Sprach&chule  derselben  Verfasser  beim  l'nterrieht  benutzt,  eine  Art  Handhabe 
bieten,  wie  er  die  dort  gegebenen  Regeln  fruchtbar  aui^gcstalten ,  den  Bilder- 
gehalt der  Sprache  klarlegen  und  das  Sprachverständuis  überhaupt  fordern 
kann.  Die  Bemerkungen  zu  den  einzelneu  Puragraphcn  der  secbi»  Hefte  der 
Sprachschule  sind  reich  an  metlmdischen  Winken,  aber  auch  anXotizMi  ^raeb> 
wissenscbaftlieher  Art,  die  der  BeieHenlioit  der  Verfasser  alle  Ehre  machen. 
Gar  manches  wird  vielleicht  auf  diesem  Wege  erst  in  breitere  Schichten 
dringen.  Jedenfalls  bat  der  Unterricht  in  der  Wortbildungslebre  durch  die  in 
dem  Bachlcin  Termidite  Herandekoag  der  Bedeutoagelehre  «a  bildendem  Wert 
gewonnen.  W, 
SromkMk,  Deateeke  Spreek>,  Lese-  and  Spraekftbniigaii.  Qitten 

Aufgabe  für  Lehrer:  2  Mk.    Kleinere  Aaegabe  für  Scklller:  L  30  Pf., 

II.  45  Pf.    Leipzig?  1 893.  Teubner. 

Sutermeister  gab  im  Jahre  1B80  einen  kleineu  „Antibarbanu"  für  die 
schweizerischen  Tolksaehnlen  beniu  (Ztbrieb,  Sdiulthess).  Eiaea  iladlehea 
Zweck  verfolgt  Krumbach  mit  dem  obenireuanuten  Büchlein,  einer  Art 
SchiUer-Wustmann,  und  zwar  stellt  er  im  I.  Theil«  Fehler  gegen  die  richtige 
Aamprache  der  Vooale  uad  OoMonanten,  wie  sie  besoadem  e^^sohea  Sebllkn 
eigenthtimlich  aiad,  zusammen,  im  II.  Theile  Fehler  gegen  die  Grammatik  und 
den  Stil    Daidi  die  gegenftberg^teUte  Yerbesserong  sucht  er  anf  dem 


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—   7ÖÖ  — 


kttnesten  und  bequemsten  Wege  von  dem  Eintlusäe  des  Dmlcctä  der  Umgangs- 
ipnwdie  und  auch  des  steifen  „papiernen-'  Stils  (Übersetzungsstils)  zu  befreien. 
Die  errijßero  Ausgabe  für  Lehrer  bringt  die  wiasenschaftlicho  Begründung  des 
Gelehrten,  luethüdische  Winke,  sowie  Hinweise  auf  die  einschlägige  Literatur. 
Das  Bachleta  veidieat  als  biauchbai  empfohlen  zu  werden.  W. 
Dr.  K.  Böcher,  Director  des  Bealgymnasiams  ia  Elberfeld,  Lehrbach  der 
Physik  für  h5here  Lehranstalten  sowie  zur  Einführung  in  das  Stu- 
dium der  neueren  Physik,  Mit  470  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen. 
XII  und  584  Seiten.  Berlin  1892,  Weidmannache  Buchhandlung.  6  Mk. 
In  dem  beiliegenden  Werke  erblicken  wir  dn  anf  Grund  vie^ähriger  Er- 
fahrung zusammengestelltes,  den  besten  Quellenwerken  folg^cndes  Lehrbuch  der 
Phjrsik.  Wie  einst  der  Verl  die  Aui^be  auffaaste,  ersehen  ¥rir  aus  seinen 
wddnrohdachtCT  Erwftgangea  in  der  sieaiUA  «ugedehnten  Yerrede.  Ihnen 
gemäß  zerfällt  das  Werk  in  z^sei  Theile:  die  für  rlic  Unterclassen  bestimmte 
erste  Stofe,  welche  auf  123  Seiten  eine  aal  ^duction  beruhende  elementare 
Physik  entUlt,  vnd  die  streite  Stofis,  welche  vorwiegend  avf  DednetioB  beruht 
nnd  reichlich  mit  matheinatiBchcr  Begründung  der  Sätze  yersehen  ist.  Im 
ersten  Theile  folgt  imnMr  der  Beobaditung  oder  dem  Versuche  das  Geeetc, 
wdohem  hKnflg  Bnllrangen  nnd  praktisehe  An#endvngen  angefügt  erBchdaen; 
Beweise  und  besti\tip;ende  Versuche  nehmeu  hier  die  Stdile  der  Begründung 
ein.  Im  sweiten  Theile,  dem  eine  Beihe  Toa  D\atheatttiMhen  Hil&äätzcu  yor- 
angestellt  ehid,  wird  nralehst  immer  raf  die  eatopredieBdMi  Faragraphe  der 
ersten  Stufe  hingewiesen,  sodann  aber  gleich  auf  die  Erscheinung  und  ihre 
Begründung  übergegangen.  Überall  ist  die  Beschreibung  präcis  und  klar,  hie 
und  da  vielleicht  etwas  an  kurz  gefasst.  Auch  die  Anordnung  des  Stoffes  ist 
auf  beiden  Stufen  im  wesentlichen  gleichartig,  doch  dem  jeweiligen  Bildungs- 
grade entsprechend.  Auf  die  neuesten  Forschungen  und  Erfahrungen  im  Gebiete 
der  Physik  ist  stets  gebürende  Rücksicht  genommen.  Die  Abbildungen  sind 
xnmeist  schematischer  Natur,  da  der  Verf.  (allerdings  nicht  für  alle  Fälle  be- 
rechtigt) der  Meinung  ist,  Abbildungen  von  Apparaten  seien  überflüssig,  da 
die  Apparate  stets  vorgezeigt  und  in  Thätigkeit  versetzt  würden.  Die  Aus- 
atnttnng  des  WerkM  ist  vorzüglich  und  doch  der  Preis  relativ  nicht  hoch  be- 
nessen.  Wir  können  allen  Fach<2:enossen  dicBM  Lehrbttoh  der  Physik  als  ein 

mustergiltiges  auld  wärmste  empfehlen.    C.  B.  £. 

ÄMOSt  B«rtnwi,  Phytikftlitoliei  Prakticmn.  YII  «.  93  Mten.  Berlin 
1892,  Xicolaische  Verlagsbuchhandlung  (R.  Stricker).    1  Mk.  50  Pf. 

Das  Werkohen  hat  den  Zweck,  dem  weniger  trcfibton  Lehrer  der  Physik 
alle  für  die  einzelnen  Partien  der  Physik  zur  Beweisführung  nothwendigen  Ex- 
perimente anzugeben.  Zu  diesem  Zwecke  sind  dieeeUmi  systematisch  geordnet 
und  ist  den  einzelnen  Partien  in  kurzen  Worten  vorangestellt,  was  durch  die 
Experiujentc  bewiesen,  resp.  gezeigt  werden  soll.  Neben  den  Versuchen  sind 
iiuiner  die  Apparate  und  Utensilien,  die  dasu  nothwendig  sind,  angegeben 
Das  Werkchen  kann  dem  Lehrer  recht  gute  Dienste  leisten,  insbesondere  da 
der  Verf.  durch  Unterstreichen  der  Versuchsnummor  die  vorbereitenden,  und 
durch  ein  vorgeetelltes  Sternchen  die  besonders  widitigen,  also  die  Hauptver- 
suche kennzeichnet.  T>.is  Btlchlein  ist  allen  Lehrern  der  Physik,  besonders 
den  etwas  zaghafteren  und  weniger  geschulten  bestens  zu  empfehlen,  zumal 
di«  m^teo  7er8aehe  mit  sehr  diuhdien,  billig  m  besdudÜBnden  Mitnln  aus- 
führbar sind.  C.  R.  R. 
Dr.  F.  Kudio,  Professor  am  Polytechnicuui  in  Zürich,  Die  Elemente  der 
analytischen  Geometrie  des  Kaumes.  156  S.  12  Fig.  im  Text. 
Leipzig,  Tenbner.    2  Mk.  40  Pf. 

Der  Verf.  hat  sein  Werk,  wdches  er  als  die  Fortsetzung  der  von  ihm  mit 
Dr.  Ganter  herausgegebenen  analytischen  Geometrie  der  Ebene  bpzoirlinet, 
für  den  Gebrauch  an  höheren  Lehranstalten,  technischen  Hochschulen  und  zum 
Selbststndinm  bestimmt  und  zu  diesem  Zwecke  auch  mit  zahlreichen  Übungs» 
aufgaben  versehen.  Man  findet  in  denselben  nach  den  einleitenden  Sätzen  über 
Projectionslehxe  und  Coordinatensysteme  die  Ebene,  die  gerade  Linie,  die 


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T 


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Kiicrtl  und  ihre  Gleichungen  Abgebandelt:  du  letzte  Cauitel  Terbreitet  sich 
ttbtr  Kiiuuicurven  im  idlgemeinea,  über  das  drcinchsige  EUipsoid  und  die  Ro- 
tatiouyflacben  d«  r  llyporbr  l  iiTvi  Piirahf !  W'A  der  Stoffvertiefung  wurde  soweit 
geganguu,  aL  m  ohne  AnNNeaduu^'  der  idttcrt-nzialrechnung  möglich  ist.  Der 
Vwf.  erfreut  sich  eiur  l«icbtf(i!>«:licheQ  Darstelluaßrüwcise  und  1>edient  ri«h  b« 
derselben  aller  Formen  und  nilfsmittel,  welcho  die  moderne  Rechenkunst  zur 
Verwendung  bringt.  Gau2  besouders  vürdiunt  hervorgehoben  2U  werdeo,  daäs 
der  Verf.  eine  schon  lange  empfundene  Schwierigkeit  glücklich  Uberwundoi 
hat.  Wir  meinen  die  Zweideutigkeit,  welche  sich  anf  die  zweierlei  Seiten  der 
Richtung  einer  Geraden,  sowie  auf  die  zwei  Seitcu  einer  Ebene,  in  deren 
Gleichungen  bisher  noch  vorgefunden  hat.  Der  Verf.  bebebt  dieselbe  mit  Hilft 
einfaoher  SRtze  der  I^jectionslehre  unter  geböritjer  liedaebtuabmc  auf  den 
biuu  der  Vorzeichen.  —  Recht  interessant  war  t&  udü  lu.  linden,  da^s  auch 
dieser  Schriftsteller  bot  der  Berechnung  des  Rauminhaltes  eines  Parapoloides 
zur  Beiii'htung  d-  r  Wichtigkeit  nnd  allgemeinen  Giltif  keit  der  Kaumformel 
de»  Prisuiuiüidi  jj  von  Simpson  gelangt.  —  Wir  em^eblen  das  Werk  der  So- 
aehtmig  aller  Faehgenotien,  als  eine  ganz  modenn  BeMbeitong  eines  nodi 
wenig  ge]>flt  i't'Mi  Zu  >     <  der  Mathematik.  H.  E. 

Br.  BertJiold  iiartiuHuu,  Direotor,  und  Julias  Kiüisam,  Oberlehrer  za 

Annaberg  in  Sachsen,  Beekeabneh  für  Stadt-  nnd  Landschulen. 

B-AiNir.     4  Heften  m  je  48 — 72     mid  je  26  Pfl  Leipzig,  Keewlring. 

,T i  I  f  (Ii  r  vier  Hefte  ist  in  zwei  Stufen  gefboilf.  sonach  würde  der  Inhalt 
jeder  Stufe  Je  einem  Schuljahre  entsprechen.  Nur  tUr  das  erste  Hall^abr  eat- 
uat  4ieM  B-Avtgebe  kelae  StoflkaflOinnf  ,  tondefra  et  wird  la  dner  Fttlottte 

auf  die  A-Ausgabc  verwiopcn.  Auf  der  z^v^it^n  STntV  den  Zahlcnraum  bis  ICO 
enthaltend,  findet  man  viel  zu  wenig  Übungen  der  MultipUcation  und  IXTiaiita^ 
mnek  liat  der  Yeil  aieht  erkeiBt,  «debe  Wiehtiglceit  der  eireitni  Deeede  ei- 

Vr  rTimt  Sie  bildet  zum  crsfenmale  den  Übergang  von  einem  Zehner  zum 
anderen;  dabei  ist  der  Schüler  im  Stande,  aeiue  Finger  lUs  Kechenmaaehire  sa 
ta  lelnmeliat,  inten  er  die  erst  gegebene  ZUd  in  Gediehtniese  festUUt,  die 
zweit  gegebene  durrh  die  Finger  raarkirt  und  auf  diese  Weine  durch  vor-  oder 
xttokw&rts  zählen  das  Ergebnis  erlangt.  Wird  diei^eä  etwa  im  Laufe  des 
iweitee  Battjehne  fleifig  geflbt,  so  wird  deeBeehnen  in  den  liIttiereaDeeadeB 
mehr  nnd  mehr  (ledftobtn::-- 1  hr  /weiten  n<-ftrs  «^r^tc  Stufe  flbf  das 

Rechnen  im  Zahleuraume  bi^  lUO  mittelst  Rechnen  in  Reihen;  dieser  Wey 
ist  jedenfUk  der  wdMnilg«m;  maii  kann  eelnn  in  xweiten  SehvIQähre  ntt 
dem  Erlemen  des  Einmaleins  beginnen  und  im  dritten  das^'f  ]!>e  bis  zur  völ- 
ligen Gcläuligkeit  aneignen.  Die  vierte  Stufe  bringt  nur  Au%aben  im  Zah- 
lenraum bis  1000,  w^iend  man  Iwi  gdhönger  VoHlbiuiig  in  vierten  Adnl* 
jähre  leicht  den  Zahlcnraum  bis  zn  den  Hülionen  erweitem  kann.  Das 
dritte  Ueft  enthält  in  der  ersten  Stufe  den  Zahleuraum  der  Millioaen  nnd 
in  der  zweiten  Stalte  Mehrfach  benannte  Odilen  und  Decimalbrttche ,  dta 
sehr  langsamer  Vorgang.  Das  fünfte  Schu^ahr  kann  leicht  den  LcbrsUiff  der 
gemeinen  Brüche  abthun,  und  dati  nechste  die  bü^^chen  Rechnungsarten  be- 
sinnen, wihrend  wir  In  dem  vorliegenden  dieie  Ahedinitte  ent  in  Tierten 
Hefte  dem  siebenten  und  achten  SchiUjahre  zugewiesen  finden. 

Auf  dem  Umschlage  leoeu  wir  die  Bnchhändleranzeige,  dass  die  Methodik 
des  Dr.  Berihold  Hartmann  ungetheilten  Beifall  gefun£n  liabe.  Wir  müssen 
doch  bemerken,  dass  wir  diesem  Beifall  nicht  zu-istinmien.  Allerdings  finden 
wir  da8  Buch  cliarakteribtit»th  tiir  die  gegenwärtige  Stute  der  Entwickeluv 
des  Rechcnuntcrricbtes  in  Deutschland;  allein  wir  fügen  hinan»  deee  die  |M£> 
tische  rMircbtTihrung  den  thcoretiscben  Auscinandcrsrtzungen  nicht  entspricht, 
und  dab»  uiau  in  Umfang  und  Vertiefung  die^eb  ynterrichtes  leicht  viel  weiter 
m  gehen  vermag,  wie  dies  in  der  That  in  Österreich  der  Fall  ist.  Wir 
mü'isi'u  dab«T  bemerken,  das>  die  vorliegenden  Reoheniwfte  nur  Inierst  mäßige» 
Ansprüchen  an  den  Rechen  Unterricht  genügen.  H.  S. 


Vuaatwonl.  Redacteor  Dr.  Fziedriob  Dittea.   Bvebdnickaei  Jnlina  Klinkliatd^  *'-nfprtgi 


läsmmmSamas. 

iint  prakti5:^irt.  Ii.r;erf  d^kei 

Ciavierschule 

A.Gmtaiberaer 

Ui<U'{  www  (i«(iiM>iru{tUtiu 


Pianinnc  ^^i^  ^  i  Haptnoniums 
riaiimUS  von  «O  Mk.  an,  und  FlOgel, 

lOjähr.  Garantie.  Abzahlung  gestattet. 
Bei  Barzab!  Iii:  ll^li  itt  und  Freisendung. 
WILH.  EMMER.  BerUn  C^Seydel- 
■tra8äe20.  Allerhöchste  Auszeichnungen: 
Ofden«  8tMt»>HedaiUen  etc. 


Pianinos  > 


on  350  bis  1500  Mk. 


Harmoniums.       i'--  «nd  «m.rik^  fv-tufe- 

Or^-cln  (K:4ti  Vi  von  Mk.  m>  an. 
AI!'-  V"r'h'';le.    lÜMfr-  Ka{.il<.>;e  gOtit. 

Wim.  Rödolph  iii  GH  O—Ml, 
PitBV-TenaBO-Oflaeblft  OMtMhIaada. 


mm 


\m    ßrörstes  Lager  ^']{^ 

Louis  OcrtcK»^ 

^HANNOVER     • .  < 

Über  den  seit  Jahzeii  bei  den  p.  t. 
Bteneft  Pftd  f£^ogen  etc.  etc. 

wohlbekannt«!! 

Holländischen  Tabak 

Ton  B.  Becker  in  Seesen  a.  Harz  hat 
der  Fabrikant  tausendfaches  Lob  erhalten 
und  sich  den  Besitz  der  Znsehriften  schon 
188,5  und  dann  1892  notariell  bestätigen 
lassen.  Dm  not.  Dokument  bat  die  Expe« 
diUoR  eingesehen.  (10  Pfd.  des  Tabaks 
kee  in  einem  Beutel  ürco.  8  Mark.) 

Soeben  enchien  (Preis  66  PL): 

Roseggep, 

ein  Volkser/K'hrr. 
Von  IS.  O-xosclx. 
A.  Relnück*!  Verlag,  Bleiefeld. 


fi 


UQi 


ü0r  . 

|E.Ries,f)re$den 

Piano-Magazin, 
Secsfrassc21,I.K'' 


S3crlag  »oii  dulttt«  ftHnrHorbt  in  Üri|iiit* 

9rr  |litrrri(|t  in  Intr^ifR, 

Mf  -£au(fplirf,  5fn  ^nrd)aumu]»uiiKrric^t 
don  Dr.  n.  dimng. 

OJc.  8.   %xtii  geheftet  »t  3^00l 

„Ta^'  bcbcutcnbftf  SSerf  iifirr  l«ic  STJdficibc 
bcö  Ülementarunterridit^  am  bem  iÖi'ridjtÄ- 
io^rc  unb  jcbenfaHäi  m\ti  ber  tJorjüflUcfjfte« 
überhaupt.    %\\\  roiifniid^nftlicficr  uiib  liifto- 
rifcber  ©runblofle  ftcUt  eä(  bie  Scoriii  b« 
genannten  2)i«iitp(tnen  au^fuM^I,  für  anb 
lci*i'af;Iiffi  bar,  fo  tnf?  ber  eiementorlefircr 
einen  cbcnjo  bcn  bcnfenben  (^etß  bdriebi« 
genben  »ic  bcn  erforberniflfe«  btf  Venfl 
entfprcd)cnbcn  iöf flipeifer  erbält.   Tro^  ber 
überaus  jaiilreulifn  2d)nften,  welche  bera 
(Elementamnterrtdne  bereite  genibmet  ttev 
bcn  firb,  orfiteint  ^süttinfl^  iiucb  aU  ein 
CriiiialiDf rf,  in  roeldjem  felbft  ber  genjieatejte 
Kenner  noc^  neue  Oiebanfen  unb  Vünlt 
finbft.   ^iatürlidi  wirb  au4  olliiemcin  ©e- 
lanutei»  mit  tor^etracien,  ^ie  unb  bo  mag 
ba<  8u(^  mand^em  Sefer  ^u  tOfUMufig  et« 
fcbcinen,  b«|onberi*  oueifütjrlicf)  finb  ftreittge 
%mfU  bf^anbelt.   '^üein  tau-  loar  ni^t 
$u  Oennetben,  wenn  eine  ab(]f  runbete,  (fiifett» 
lofe  unb  (iriinblirfie  'äJiet^obif  be?  Irlemcntac« 
unterrichtet  geboten  werben  follte,  »elcbe 
aOe  gfortfd^ritte  }um  Vu^bnicf  bringt,  bie 
auf  biefcm  (Vicfiirtr  burrfj  unabläffige^  UJod)« 
t'eiiffn  unb  ^Irl'eiten  biai  jur  Gegenwart  er» 
rcid)t  finb.   Unb  bicl  bot  Oütting  jroetfeltol 
qrlii''tft:  fein  '^Uirt)  ftet)t  onf  ber  .'ööbe  beg 
^)üDaciogi)d)tn  ii>i))fn-ö  unb  itönnen*  unb  ift 
ein  fpredicnbeiS  ^^engni^  bfc  j^frn^tboifdt 
jener  ^bcale  unb  (Mrunbiti^e,  iPeldie  (iomf« 
ntui^,  '43eftalo\^i  unb  t^re  (Deii'tcepenöonbten 
ber  Scbulwelt  aU  ein  unerfdii>pf(i^  fkt* 
mfid^tni?  ^interlaffen  baben." 

^^äbagog.  ^al^redberic^t.  m.  38.) 


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3n  meinem  SPedage  ift  erfc^ienen: 

Mßlt  ber  Jlöbngogtk. 

(ßcfamtausgabc 

ber 

Pftjdjologie  unb  Cof|ih,  OBqicljungs-  wnh  Kuferridjtsldjrc,  jHetljobih 
hex  )[)olkftfrijulc,  (JBcfdjirijtr  bcr  Cn-jicljung  unb  öes  llnfcrnt^ts 

OOIt 

Dr.  i(rtebrtd|  ^iticö, 

friil)fr  I^irfftor  be?  t^äbnnoflium«  in  Sien. 
4.  neu  üurdiscfcticitc  tluflaiir. 

isreiS  7       flcbunben  in  Seinroanb  8       in  ^»alblcber  8.50. 

5n  obiflet  SJcrciniflunß  bilben  bic  l>xHei'id)tn  g(^riften  einen  oollftönbjgen 
Äur?ii5  ber  lfrvel)unflö»  unb  Ünterrirtitönjinfnfcfjaft. 

2)er  fltuf,  iücld}en  ber  ^lutor  in  ber  üol)rcnDelt  fle:nc§t,  bürgt  l^inteic^nb  für  bic 
©ebiegenboit  feinet  ÜBerfe^  unb  niörfit  ba#  Stubium  be^fclben  einem  jeben  fie^rer,  ber 
auf  ber  ^öiic  ber  päbat^ogtfcfjen  ^^ilbung  ftcl)cn  w\U,  uncntbrbrlict). 

Xro^  bed  bebeutcnb  ernuinii^tca  $reijeii  ift  bie  ^Hu^ftattung  eine  fc^r  fplenbibe, 
unb  au(^  nact)  biefer  Seite  ^in  ift  bad  SKOglid^fte  gefc^et|en,  um  bem  !6uc^e  bie  roeitefte 
Verbreitung  ju  fidjern. 

3u  bejict|cn  bütd)  jcbe  33u(l)f)onblung. 

Ittllti«  $liltkl|iirbt,  ^crraa^bu(^f)anbrung. 
ücipliq,  Berlin,  )Birn. 

:6erlag  bon  ^ulind  ftlitir^r^t  in  üeipiifi. 

I^cr  päbatjogifdjcn  3af;rbüd)cr  fünfjrfjufBr  Banli. 

-pernihJij^ijcbcii  von  ber  ShJicner  ^übagogifAcn  C5efcüf(^aft. 

!:Rebigifrt  ooii  f  cr>.  I:rank. 
"^j^rcio  brofd^icrt       H.— . 

Soeben  orsolieliit: 


19000 

1 16  Bände  geb.  &  10  BL 
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Brockhaus^ 

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300  Karten] 

1 120  CbromotafelD  nod  480  Tafeln  iB  SciiwarzdrocL  | 

Hierzu  eine  Beilage  von  Wilhelm  Engelmann  in  Leipzig. 


BucUdrackcrci  JulioB  Klinkhardt,  Leipzig 


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Monatsschrift 


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Erziehung  und  Unterricht. 


Heitivgvgeben 


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I>r.  JP^rledrioli  ]>lttes. 


n.  jdDiiiit 

12.  Heil,  September  1893. 


..Leipzig. 

Verlag  von  Julius  Klinkhardt 


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lElialt  des  12.  Heftes. 


Setto 

Eigenart  oder  Einheitlichkeit?  Von  Realgymnasial-Director  Dr.  Dronke-Trier  767 
Kampf  der  Volksschule  um  die  Hausaufgaben.    Von  Oberlehrer  Wilhelm 

Taschck-Vüslau   762 

Die  Aufgabe  der  Strafanstaltsschule.   Von  Johannes  Neu  mann- Plötzeosee 

bei  Berlin   766 

Die  pädagogischen  Ansichten  Dostojewski'!.   ConforenzTortrag  Ton  A.  Neu- 

feld-Chortit«a  (Schluss)   772 

Ein  Arbeits-  und  Freudentag.   Von  K.  Albert   782 

Pädagogische  Rundschau.   Deutschland.  —  I.  Internationaler  Samariter-Con- 

gress  in  Wien.  —  Aus  dem  Großherzogthum  Hessen.  —  Aus  Ungarn  791 

Aus  der  Fachpresse   799 

Beceofionen   803 


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1  oder  266  Heft,  ä  50  Pf. 

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1  Abbildungen. 

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/4.  Auflage. 

SeitenText. 

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300  Karten] 

1 120  CbromotafelD  md  480  TaTeln  in  ScbvarzdnicL  | 

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Eigenart  oder  Efailieitlichkeit? 

ff  edes  Kind  hat  von  Natur  aus  seine  Eiccenart;  die  Schärfe  der 
einzelnen  Sinne,  die  Fassungskraft  gegenüber  den  sinnlichen  Wahr- 
nehmungen, die  Vorstellungsgabe,  das  Gedächtnis  iu  seinen  ver- 
schiedenen Richtungen,  die  Gabe  der  Zusammenfassung  einzelner 
Dinge  zu  einem  Gfanzen,  die  schöpferische  Kraft  des  Geistes  sind 
flerart  verschieden,  dass  man  wol  sagen  kann,  dass  selbst  in  einer 
giuüeii  Ulasse  nie  zwei  völlig  gleich  beanlagte  Schüler  vorhanden  sind 
ebensowenig  wie  der  größte  Eichbauin  zwei  völlig  gleiche  Blätter 
heiTorbringt.  Diese  Eigenart  des  Kindes  zeigt  sich  ja  schon  vielfach 
im  zarten  Alter,  tritt  aber  in  den  weiteren  Jahren  immer  schärfer 
hervor  und  verlangt  dann  auch  im  erziehenden  Unterricht  volle  Be^ 
rücksichtigung.  Die  Elementarschule,  welche  ihren  Schülern  nur 
diejenige  Bildung  geben  kann  und  soll,  tlie  jeder  Staatsbürger  haben 
niuss,  um  sein  Tieben  als  einzelner  Mensch  nnd  als  Mitglied  der 
biugeriichen  Gemeinschaft  fiihrfn  zn  können,  hat  die  Scliüler  während 
der  Jahre,  in  denen  die  Verhohiedenheiteu  noch  luinder  srharf  hervor- 
treten; sie  soll  eben  nur  die  allen  efemein«Hmpn  Anlagen  ausbilden  und 
hat  daher  im  allgeiiieinfn  nicht  die  Autir;il'»',  bei  ilt  m  üntemchte  zu 
individuaiisireri.*  I>ei  (leii  höheren  fc?  1iu1(mi  aVier  i<t  es  die  Pflicht, 
die  Eigenart  der  '/a'x^Hu'^-^.  vollauf  zu  berücksichtigen.  Hier  treten 
aber  neben  den  Besouderheiien  der  Schüler  auch  noch  iliejrTiigen  der 
Lehi'er  und  ;uich  des  Dii-ectors  einer  Anstalt  in  Wettbewerb.  Den 
Verschiedenheiten  in  den  Anlagen  der  Schüler  kann  Rechnung  ge- 
tragen werden  hauptsächlicii  durch  die  einzelnen  Schularten  und 
durch  dif»  Tndividualisirung  beim  Unterrichte. 

Die  Neiioniuung  des  höheren  Schulwesens  in  Preuß^-n  wiederum 
nnrichti^crweise  den  Hauptnaclidruck  bei  der  Emtheilung  der  An- 
stiüten  ani  deren  Zweck,  als  Yorbereitang  für  die  spätere  Lebeos- 


*)  Auch  rlic  Volk''  v.ni]  ^^rhon  die  Elflmentmoinüe  miiii  die  Kigenait  der 
Kinder  beachten  und  —  mdividuaiiäiTen.  D. 

1.  iMitav.  Bdizn.  61 


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—  768  ^ 


Stellung  zu  dienen.  Das  auf  das  rein  formale  Denken,  auf  die  Aus- 
bildung des  Vermögens  des  Deductionsschlusses  sich  aufbauende 
humanistische  Gjrmnasium  ist  und  bleibt  das  einzige  Lieblingskind  der 
leitenden  Kreise.  „Ich  will  meinen  Sohn  zu  einem  gebildeten  Manne 
machen,  und  deshalb  schicke  ich  ihn  auf  das  Gymnasium",  so  sprechen 
oft  unverständige  Väter  und  drücken  damit  eine  landläufige  Ansicht 
aus.  Ißt  die  Gabe  des  sicheron  Gebrauches  der  fünf  Sinne,  ist  ein 
gutes  Anschauungsvemügen,  besonders  wenn  es  mit  der  G^be  des 
sicheren  klaren  Inductionsschlusscs  verbunden  ist,  geringer  als  die 
andere  Gabe?  Wir  sind  alle  Kinder  derselben  Mutter  Natur  und  es 
ist  eine  eitle,  ungereclitfertigte  Überhebung,  wenn  der  eine  stolz  auf 
den  anderen  herabblicken  zu  dürfen  glaubt,  weil  ihm  andere  Anlagen 
ohne  sein  Verdienst  zutheil  geworden  sind.  Das  praktische  Leben 
stellt  an  jeden  andere  Anforderuugeu ,  an  den  Theologen  andere  als 
an  den  Techniker,  an  den  ausübenden  Arzt  andere  als  an  den  ELsen- 
bahnbainneister  u.  s.  f.  Die  Induction  muss  sich  noch  die  gleiche  Be- 
rechtigung ^vie  die  Deduction  erstreiten;  letztere  hat  noch  die  Macht 
in  Händen  und  möchte  dieselbe  als  Alleinherrscherin  behalten.  Der 
preußische  Staat  hat  sich  auf  ihre  Seite  gestellt,  das  Gymnasium  ist 
Vorbereitungsanstalt  für  alle  Fächer,  die  Realschule  nur  lür  einzelne 
Stände,  und  daher  bleibt  das  Voruilhoi!  gegen  diese  Lehranstalt,  ja 
sogar  theilweise  gegen  die  Stände  bestehen,  auf  welche  sie  vorbereitet; 
zu  einer  Gleichberechtigung  der  beiden  BilduDgsgäagd  hat  man  sich 
nicht  entschließen  können. 

Zwischen  diesen  beiden  Schulen  hatte  sich  das  Realgymnasium 
entwickelt,  ein  kräftig  wachsender  Baum,  der  schon  reiche  Früchte 
trotz  seiner  Jugend  gebracht  hatte,  und  der  zu  den  schönsten  Er- 
wartungen berechtigte.  Trotz  aller  Worte,  das«;  anrh  diese  Schulart 
gcpliegt  werden  soll,  deuten  alle  Handlungen  darauf  hin,  dass  das  Real- 
gymnasium Temichtet  werden  soll;  nur  j^anz  große,  in  Schnlsichen 
vom  Staate  gänzlich  unabhängige  Gemeinden  werden  in  Zukunlt  noch 
Realgymnasien  halten  können,  sonst  wii'd  diese  Schulart  verschwinden, 
trolzdem  sie  ein  nöthiges  Glied  war  und  ist;  auf  Grund  der  realen 
Elemente  gab  sie  ihren  Schülern  eine  abs:e«;chlnsspTie  dnng,  welche 
aber  mit  der  humanistischen  in  Verbindiins;  stand,  wahrend  jetzt  die 
briiicn  lüldnnp^sarten  —  die  in  der  Cultur  des  Alterthnms  und  die  m 
derjenigen  dn  Neuzeit  wurzelnde  (Gymnasium  —  UbeiTtalsi  liule)  — 
onvermittf  1t,    ihne  innpren  Znsammenhang  einander  gegenüberstehen. 

So  geben  die  beste  Ii (ndfui  Schularten  schon  ein  Mittel,  wenn  auch 
kein  in  jedei^  Hinsicht  genügendes,  die  Jagend  ihren  besonderen  An- 


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—  759  — 


tagee  «Btaprechend  auch  einen  Tersrhiedenen  Biidangsgang  dnreh» 
maeben  zn  lassen.  Dass  dabei  der  Leb i  er  seine  Schüler  je  nach  ihrer 
Eigenart  im  ünterriclit  versdiiodfln  behandelt,  ist  eine  alte  Forderung, 
welche  schon  zu  der  Bcstimmong  gef&hrt  hat,  dass  in  den  mittleren 
^nnd  oberem  dasMcn  die  Schfileriahl  geringer  sein  soll  Leider  stehen 
die  B^timmungen  TieUS^h  nur  auf  dem  Papier.  Aber  unberücksichtigt 
aiiid  bei  dem  SchnlorganisDii»  die  besonderea  geistigen  Bigensdialliii 
der  eipgelneB  Yolksstfmme,  die  Anlagen  nnd  die  Ansl^dimg  Ton 
Lehrern  nnd  Directoren;  in  dieser  Beriehmig  ist  eine  IhdlTidaaliiiiiaig 
Hiebt  etunal  yenneht»  geediwelge  TnD  berttcksiehtigt,  viebnehr  atebt 
gerade  hier  eine  stramme  Einheit  etwaigen  Bestrebungen  der  Eigen- 
art feindlich  gegenüber.  Freilieb  ist  aaeh  noch  sehr  wenig  der 
Charakter  der  elaidnen  StSnune  nnd  noch  weniger  deijenige  eiudner 
Beairke  nntersacbt^  nnd  man  begnügt  sich  mit  aUgemeJnfln  Bodens* 
arten,  wie:  »die  Jagend  in  X.  ist  lebhaft,  aber  frech';  ^bk  T.  sind 
die  SditUer  sehr  scbwerftUIg  nnd  langsam"  «.  s.  1  Wie  wichtig 
wSre  es  da,  einmal  wiridich  die  GbaraktereigeDBcbalten  unserer  Jngend 
zn  stndiien  nnd  in  vergleiflliender  Weise  ansammenansteUenl  An 
manchen  Anstalten  hat  man  mit  der  ftuBerea  Disciplln  UaA  gar  niehta 
n  Schate,  sogenannte  CrimlnaHMle  kommen  nnr  sehr  selten  -m  und 
zwar  dann  fast  anssebUeftlicb  bei  fremden,  ron  einer  anderen  Anstalt 
hergezogenen  Scbftlem;  dagegen  sind  einaelne  Sehnten  besonders 
dadurch  bekannt^  dass  das  Unwesen  der  Yabindnngen  gar  nicht  ans- 
smrotten  ist  Wahiheltaliebe  nnd  gerade  Ofbnheit  sind  mit  Beeht 
hodigesehfttste  Eigenschaften  der  Jagend;  leider  findet  man  aie  nur 
an  einzelnen  Orten  als  beneidenswertes  Erbtheü  der  Schüler,  wttrend 
▼entocktes^  hinterhaltiges  Wesen  in  anderen  Gegenden  allgemein  ver* 
breitet  Ist  Selbst  nahe  bei  efaiander  gelegene  Orte  »igen  hAnfig 
Gegensitae  in  den  Anlagen  nnd  Neiguugen  der  Jngend.  Leichte 
Fassnngsgabe  Ihr  S{aaehen  aber  bedingt  andere  ioBere  nnd  innere 
Behandlnng  des  sprachlichen  TJntertl^tes,  als  sehweve,  langsame  Zange, 
nehweres  Erteen  des  WortbUdes,  soUedite  Ansspracihe  (namentliöh 
im  FraniOsiMhen  und  Engtischen).  Bei  einer  phantasiereichen  Jngend 
mnas  nidit  bloe  die  Eniehnng,  sondern  auch  die  Auswahl  und  Be- 
handlnng der  Leetüre,  namentlich  der  dentsf^n,  eim  verschiedene  sein 
gegenüber  einer  nüchternen  Jngend,  deren  Sinn  wesentiieh  auf  das 
praktische  Leben  gerichtet  ist  In  ausgedehnten  Gegenden  Deutsch* 
lands  überwiegt  der  Sinn  für  die  Geschichte,  in  anderen  der  rein 
speculatiye,  philosophische.  Allen  diesen  Gegensätzen  gegenüber  kennt 
die  OrgaDisatiou  nui'  einen  einzigen  Lehrplan  für  das  Gymnasium; 


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—  700 


jGTnndsäiziicii  soll  ja  jetzt  eine  ge'uissi^  Kreiljüit  in  der  inneren  Ge- 
staltung der  Schulen  gestattet  sein,  im  luaktiijchen  aber  ist  von  solch 
einer  Berücksichtigung  der  durch  das  Leben  und  die  »leistesanlafctn 
bedingten  Verschiedenartigkeit  wenig  zu  bemerken;  bo  ist  z.  E  die 
Angliederuug  von  Realg.vmnasialc]aps^»n  an  die  eines  Gymnasiums 
absolut  verboten;  es  müssen  Obersecuuda  bis  Uberprima  den  Lehrplan 
einer  Oberrealschule  annehmen  für  die  Schüler,  welche  in  den  mitt- 
leren Olassen  den  griechischen  Unterricht  nicht  besuchten,  sondern 
thats:i<'hlich  dem  Plan  eines  Realgymnasiums  bereits  folgten.  Man 
geht  öogar,  ¥rie  vielfach  behauptet  wird,  mit  dem  Plane  um,  nicht 
blüs  den  Lehrplan,  sondern  auch  die  Lehrbücher  zu  vereinheitlichen; 
es  gibt  sogar  Lehrer  und  Dii*ectoren,  welche  fftr  diesen  letzten  Plan, 
demzufolge  die  Schnitt  nicht  ein  lebender  Organismus,  sondern  eine 
todte  Sache  ist,  schwärmen. 

Lehrer  und  Diiectoren  sind  Menschen  mit  allen  jenen  geistigen 
Vciöchiedenheiten,  durch  welche  die  Vertieter  der  Art  hnnn  sai>iens 
sich  voneinander  auszeichnen.  Nicht  jeder  Lehrer  kann  nach  jeder 
Methode  und  nach  jedem  Lehrbuche,  das  ja  von  bestimmten  grund- 
legenden Anschauungen  des  Verfassers  ausgeht  und  daraui  den  ganzen 
Lehrgang  ausbaut,  guten  Unterricht  ertheilen.  Für  den  einen  Lehrer 
ist  der  physikalische  Unterricht  auf  den  Anstalten  so  zu  ertheilen, 
dass  die  Schüler  die  äußeren  Bedingungen  klar  erfassen,  unter  denen 
eine  bestimmte  Erscheinung  zutage  tiitt;  die  Construction  der  Ai^parate 
bildet  den  Haupttheil  des  Unterrichtes;  bei  anderen  Lehrern  wii-d  das 
Hauptgewicht  aul  das  Verständnis  des  inneren  Zusammenhanges  der 
Erscheinungen  gelegt,  Construction  der  Apparate  erscheint  hier  als 
untergeordneter  Factor;  endlich  verlangt  ein  Theil  der  Lehrer  von 
den  Schülern  in  erster  Linie,  dass  sie  das  durch  Experimente  erkannte 
Gesetz  —  die  Einheit  in  der  vielfaltigen  Erscheinung  —  scharf  und 
correct  mathematisch  ausdrücken  köniieii,  luu  d  uin  uus  dieser  Formel 
selbständig  weitere  Schlüsse  zu  ziehen.  Alle  drei  Methoden  sind  be- 
rechtigt und  koimi^ii,  consequent  durchgeführt,  zu  guten  Kesuli;iiea 
iuliieü.  Aber  nicht  jeder  Lehier  kann  nach  jedei'  Melkode  uuter- 
richten. 

iJerjenige  Director  ist  der  beste,  der  die  geistigen  Kigeuthundich- 
keiten  seiner  Schüler,  seiner  Lehrer  uud  seiner  selbst  richtig  zu  er- 
kennen  w^eiß,  der  jeden  an  die  richtige  Stelle  rerwei^L,  wo  er  mit 
Kuckfdcht  auf  die  gegebeueu  äußeren  und  mnereu  Verhältnisse  das 
möglichst  Beste  leistet.  Ei  muss  die  Anstalt  alb  emen  lebendigen 
Organismus  betrachten,  desseu  l'Üegei'  und  Hüter  er  ist.   Schwer  ist 


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—   761  — 


«8  oft,  recht  schwer.  b(;i  den  scharfen  gegensÄtzlichen  Neigungeu  iiud 
Richtungen  seiner  Lehrer  eine  innere  Eünheit  herzustellen,  der  sich 
alle  fügen  nnd  unteiuidnen.  Dazu  bedarf  es  andanemder,  aufmerk- 
samster Beobachtung  aller  V'erhältnisse  und  zu  Tage  tretenden  Er- 
scheinungen. Nicht  die  mechanische  Arbeit,  monatlich  sich  in  ein 
Notizbüchlein  die  Prädicate  der  schriftlichen  Arbeiten  aller  Schiller 
einzutragen,  lehrt  uns  die  Jugend  in  ihren  geistigen  Anlagen  und  ihrer 
Entwickelung  kennen;  nicht  die  Forderung,  dass  der  Lehrer  des 
Deutschen  jedes  Thema  eines  Aufsatzes  für  die  oberen  Classen  vorher 
selbst  bearbeitet  und  dem  Director  zur  Begutachtung  einreicht,  ver- 
schafft ein  richtiges  Bild  von  dem  Fleiß  und  pädagogischen  Geschicke 
des  Lehrers.  Der  Gesammtorganismus  der  Schule  setzt  sich  aus  vielen 
einzeiuen  Theilen  zusammen;  der  Director  darf  aber  nicht  aus  lauter 
Bestreben,  diese  Einzelheiten  zu  erkennen,  in  leerem  Mechanismus 
untergehen,  die  Übersicht  über  das  Ganze,  über  den  Zusammenhang 
aller  Theile  verlieren. 

Um  das  Beste  leisten  zu  können,  bedürfte  aber  der  Director  einer 
größeren  Freiheit,  er  dürfte  nicht  mit  gebundenen  Hiinden  eine  Marsch- 
route innehalten  müssen,  von  deren  Unrichtigkeit  er  vielleicht  selbst 
überzeugt  ist.  Ein  scliwerer  Fehler  aber  würde  es  sein,  wenn  man 
dem  Drängen  einzelner,  dem  mechanischen  Betrieb  mehr  zuneigender 
Lehrer  nachgäbe,  Schule  und  Lehrer  als  unselbständige  Maschinen  an- 
sähe und  nicht  blos  gleiche  Lehrpläne,  sondern  auch  gleiclie  Lehr- 
bücher einführte.  Es  wäre  das  ein  unglückseliger  Rückschritt,  eine 
schwere  Schädigung  uuserer  frischlebeuden  und  blühenden  Austalteu. 


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Kampf  dir  VilkMekito  ui  üib  IkMau^Um^ 

Sobnge  Hattm%ab6ii  in  d«  YaOciiehiile  gortellt  wcrta  — 
und  dfti  mi^  Mhon  00kr  längs  Iwr  moi^  w€il  ideh  di0  titwrtwi  T/m^ 
die  je  «ine  SdialA  beaiidift  habeot  w  die  FolgeUMl  «iiMr  „idieht- 
gebnehten*  Aittj^ebe  erinam  kflOM  —  klnpA  die  VoDraMbele 
tbm  tMffiotm  Empt  gesen  geviaee  üaetiode,  irelcfae  es  w- 
■diiildeiL,  daes  1.  die  AjolUgßbtin,  aieht  von  allen  Sc^tOeiii,  nd  d«s 
de  2.  ?on  vielea  in  einer  nicht  beMedigeadea  AoeflUiniag  g^ 
braclit  werden. 

leb  iriU  hier  Ten  der  Frage  der  Berechtigung  der  Hiiiaia%ftbea  in 

toTelk8Bchnle  nni  B^?flfliwi_  mHhdflm  ich  MfliiMn  8ttndiim>fct  jirwiftr 
Frage  gegeniber  beroita  im  Jahrgänge  1886  dieser  Zaitadiiift  klaiw 
gdegt  nnd  ndeh  gegen  die  Angaben  geSnBert  habe.  leh  beabdehtige 
dieamal  von  der  Tfaateacfae  anaiagehen«  daaa  die  in  Bede  stehende 
beliebte  Beschllligang  der  SehaUugend  immer  aeefa  tnrecht  besteht 
nnd  vom  Gesetie  gelbrdert  wird,  dass  aber  nicht  ans  der  Welt  an 
aehaffendeUmstinde  derVolkaschnle  einen  endlosen,  ermüdenden  Ejuapf 
nm  die  Hanaaaijgabe  anfdriagmi,  ans  dem  sie  nie  als  Siegsiin  herrer- 
gehen  kann,  um  sodann  die  Gonaegnemen  m  mähen,  die  sich  danns 
fttr  das  Verhalten  der  TolksBchnle  ergeben. 

Als  der  Hansanijsabe  ftandliche  Umstände  mflmen  folgende  vier 
anerkannt  werden,  n.  s.:  Geistige  Unsnl&nglichkeit,  absolute 
Liederlichkeit,  Zeitmangel  nnd  endlich  Baummangel  im 
Blternhause. 

Der  Unterricht  in  der  Volksadiule  ist  ein  Massennntemeht^  und 
dementsprechend  sind  auch  die  Angaben  Massenanfgaben.  Sie 
snid  auf  die  Burcbschnittsleistnng  einer  Scbnlclasse  berechnet,  ao 
dass  anf  die  Individnalitit  der  Einseinen  nicht  Bflcksicht  genommen 
wird,  ja  schon  sns  laßeren  Offinden  nicht  Badnidit  genommen 
werden  kann.  Da  gibt  es  BeOhigter^  an  welche  die  Aaiisabe  an  ge- 
linge, und  anderseits  wiader  Sohwldiliiige,  sn  die  dieselbe  Anijsabe 
an  hohe  Anforderungen  stellt 

Ifit  diesen  letzteren  wollen  wir  uns  beschifügen.  Jeder  Lehrer 
kennt  seine  Schwächlinge,  nnd  obswsr  er  weiß,  daas  ihre  AxMfcen 


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—   763  — 

immer  unter  der  DurLlischnittslfci.stiiiig  der  Classe  stehen,  werden  sie 
zur  Lusuiig  der  Hausaufgaben  dennoch  verpflichtet,  weil  es  der 
MasseuuiiteiricJit  so  mit  sich  bringt.  So  oft  der  Lehrer  dim  Aufgaben- 
heft eines  solcken  Schülers  in  die  Hand  niuimt,  beschleicht  ihn  ein 
Gefühl  des  Unbehagens,  bevor  ei-  noch  das  Heft  öffnet.  Das  wieder- 
holt sich  mm  ein-  wie  das  auderemal  das  ganze  Jahr  hindurch,  nnd 
da  es  dieser  Kategorie  von  Schülern  nicht  an  gutem  Willen,  sondern 
an  der  Fähigkeit  mangelt,  so  nützt  auch  weder  freundlicher  Zusprach 
noch  Strenge,  denn  da  heißt  es:  Was  nicht  gelii,  das  geht  nicht! 

Welche  Conseqnenz  ergibt  sich  hierans  für  die  Volksscliule? 

Könnte  man  die  Hausaufgaben  im  Offertwege  vergeben,  so  wäie 
den  Schwächlingen  bald  gehullen;  deuu  sie  wüi'den  vorsichtshalber 
kein  Oöert  einbringen.  Allein  das  ?eht  nicht,  nnd  da  man  sie  von 
einer  Vei'pflichtung ,  die  keine  Ausnahme  leidet,  nicht  befreien  kann, 
so  erübrigt  der  Schule  nichts  anderes,  ais  den  Leisleu,  über  den  alles 
geschlagen  wird,  beiseite  zu  legeu,  ^renerelle  Aufgaben  zu  vermeiden, 
und  nebst  Aufgaben  für  die  BeiMigten  aucii  solclie  für  die 
Schwächlinge  zu  stellen. 

Ist  dies  möglich,  beziehungsweise  durchführbar?  Erwächst  damit 
dem  Lehrer  nicht  eine  bedeutendere  Last  und  wird  hiei^durch  seine 
Kraft  ni(  ht  übermäßig  absorbirt?  Ja  gewiss,  die  Last  würde  ver- 
mehrt, die  Kraft  des  Lehrers  nur  von  den  Aufgaben  absorbirt  werden; 
allein  leider  ist  dies  die  Consequenz  davon,  dass  die  Volksschule  immer 
noch  verpflichtet  ist,  Aufgaben  zu  geben.  Der  Kampf,  den  sie  mit 
den  Schwachbefahigten  um  die  Hausaufgabe  führt,  kann  in  einer 
andern  Weise  zu  ihren  Gunsten  nicht  entschieden  werden. 

Wahrhaft  unerquicklich  gestaltet  sich  der  Kampf,  den  die  Schule 
gegen  die  absolate  Liederlichkeit  Woche  um  Woche,  Jahr  um 
Jahr  bestehen  mnss.  Ich  halt«  es  anter  der  Würde  der  Schule, 
dass  sie  sich  von  Bürschchen,  die  ans  Liederlichkeit  und  beharrlich 
jede  Aufgabe  schlecht  oder  ancli  gar  nicht  bringen,  einen  die 
Geduld  der  Lehrer  auf  harte  Proben  stellenden,  die  ihm  so  nöthige 
QemiÜismhe  raubenden  Kampf  aufMngan  lässt,  bemehungsweise  ihn 
aufhimmt  Die  Autorität  der  Schale  muss  in  diesem  Punkte  so  hoch 
atehea,  dass  die  Möglichkeitf  sie  beliebig  an  verletzen,  ihren  Zög- 
lingen völlig  entrückt  wird.  Um  dies  zu  erreichen,  gibt  ee  ein 
einfaches,  probates  Mittel  Soliald  nftmlieh  die  Elitegarde  der  lieder^ 
liehen  Au^gabenyerfertiger  als  unTerbeeserlieh  erkannt  ist,  wird  ihr 
allea  Vertrauen  in  ihre  Wchttreue  entzogen  und  sie  wird  einfach 
eomiaandirt»  die  Hanaanlgahe  Woche  ftr  Woehe  in  der  Sehnle 


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—   764  — 

lelbtt  anter  Anfflieht  des  L«hrert  sn  Idsea»  alMr  iridit  nach- 
trägrHch,  vnan.  otw«  dte  LMMicUuK  üsIiob  prodneirt  irwde,  m* 
dm  anticipando,  atao  toit'  dm  lestgofetiteii  Ttmitai  nr  Eiih 
liefmag  äet  Avilsabe,  won  aidi  am  bwten  der  Tag  eignet,  aft  d« 
die  Avllgabe  gartaUt  wird.  Den  « JtngiBB^  imin  bewteeen  waideii, 
da«  ibr  HederifeheB  Ween  gegömUMr  ißt  Aatnitat  dar  Sduile 
nlebt  aafkommt,  and  tMwten  Boehait  daUntenrteokt,  das  die  Sehnte 
die  Ifacht  bat»  dieae  Boahett  kaltnatelten. 

Das  bfer  in  YotsoUag  gebiaehtei  TOilMiigende  Yeribbren  wMe 
also  den  Lebrer  an  einer  Verilagemng  seiner  SchiHhitli^Deit  swingen. 
&  mttnte  seine  freie  Zelt  besobrinkett  nnd  konnte  unter  ünsttndea 
sogar  Mleriellen  Spaden  erleiden.  leb  gebe  dlee  m  nnd  bedaaare, 
daae  steh  ans  der  Steibmg  der  Hanaanifcabe  im  üntenMitBbetrieb 
keine  günstigeren  Coneeqnemen  iteben  lassen;  —  das  sdUan  die  Ver- 
tbeidiger  der  Aufgaben  schon  Ungst  erkannt  babenl 

Es  ist  ftmer  eine  allerorts  yoriunanende  Braebebumg,  dass  die 
Heranniebimg  Bcbnlpfliobtiger  Kinder  za  hlnstiffbeB  oder  FeUaibeiten 
als  Ursache  der  Nichteinliefening  der  ffansanflgabe  angegeben  nird 
LeUar  sind  die  sodalea  VerbiltaisBa  in  gewissen  Volksschichten 
seteherart,  dass  sieh  die  MKbüfe  der  Kinder  nicht  entbehren 
bunt  Dies  naber  sa  beqnechen,  tiiat  in  der  Seele  weh  —  aber 
*  trotadem  mass  die  Schale  anf  ihrer  Anerdnang  beatehan,  die  Aaf- 
gabe  nmss  gemaoht  werdsnl  Aber  wie?  waanf  Das  Kind  hat  keine 
Zät,  d.  h.  es  wird  ihm  keine  Zeit  dasn  geiamen.  Was  bleibt  da  der 
Schule  übrig,  als  sie  Tcrlegt  die  An^iaben  Ar  seiche  Sinder  anf 
einen  gOnstigerea  den  Sonntag.  VieUaieht,  daas  das  Xhid  an 
diesem  l^ege  doch  eher  die  aar  Anftartlgang  ebier  Aufgabe  aöthige 
Maße  gewinnt 

Da  haben  wir  sdion  wieder,  da  Aaijsaben  über  Sonntag  in  der 
Begel  nicht  gegeben  werden  nnd  aach  nicht  gegeben  werden  sollen,  die 
doppelte  Iiieferaeit  der  Haasaafgabe.  Aber  was  will  man  soast 
titain?  Das  Kind  strafen,  wflre  in  den  meisten  raiea  dieser  Art  an- 
gerecht  —  wie  knmait  msn  da  aas  dem  Widentreftt  awisehea  Ar- 
amt  aad  PtHchtarfUlang  heraas?  Die  »doppelte  Ltetenit"  tat  dem 
Lehrer  gewiss  nicht  angenehm  —  naa,  wenn  die  Vertreter  der 
Hanesa^be  etwas  Beeseiee  Tomsehlagen  wissen,  m  werden  wir  es 
dankbar  anaehaien. 

Dem  Zeitmaagel  steht  der  Baammaagel  würdig  aar  Seiten  Es 
hat  eben  nidit  Jedermann  das  Glück,  eine  menschenwürdige  Wehanng 
sa  bedtxen;  soweit  haben  wir  es  schon  gebracht,  dass  ieifige 


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766  — 


Meüsclieü  in  Keiierlöclieru  wohuen  diuteii,  uud  es  steht  außer  Fra^re, 
dass  wii'  uns  wieder  jener  Zeit  nähern,  wo  der  Mensch  als  Höhlen- 
bewohner mit  dem  Herrn  Petz  MedUch  beisammen  hauste  und  sich 
mit  dem  Abuageu  von  Knochen  die  Zeit  vertrieb.  Aber  das  thnt 
nichts,  wir  können  ja  unsere  Höiilen  „elektrisch"  beleuchten  —  und 
(1.1  heutzutage  die  Elektrizität  viel  mehr  gUt  n\9  Behaglichkeit  des 
Familienlebens  und  moralischer  Jb  ortschritt,  so  ist  der  Güter 
höchstes  eine  Wohnung  nicht!*)  —  Doch  Spaß  beiseite!  Im  Zeitalter 
der  Höhlenbewohner  vei'frrfiirten  die  Kinder  noch  keine  Hans.iulgahen, 
wahrscheinlich  mangels  der  noth  nicht  üblichen  Schreibschritt. 

Aber  heutzutage  müssen  auch  die  Kinder  der  Höhlenbewohner 
Aufgaben  machen.  Sie  müssen  z.  ß.  vormittags  im  Auftrage  der 
hungernden  Eltern  aus  einem  Kehrichthaufen  halbverfaulie  Erdäpfel 
oder  Lumpen  und  nachmittags  für  die  Schule  die  Zeitwörter  aus 
einem  Lesestücke  heraussuchen.  Das  erstere  thun  sie  gewiss,  das 
zweite  ebenso  gewiss  nicht.  Und  warum  nicht?  Nun,  weil  sie  vor 
lauter  Finsternis  kein  Licht  sehen,  wie  sollen  sie  da  die  Zeitwörter 
sehen?  Ausser  den  bedauernswerten  Höhlenbewohnern  gibt  es  im 
Zeitalter  des  „riesenhaften  Fortschrittes*^  auch  solche  Leute,  die  zwar 
eine  Wohnung,  aber  keine  Möbel  haben,  am  allerwenigBtea  aber  den 
Patriardien  der  Möbel,  einen  Tisch. 

Wenn  nun  die  Kinder  solcher  FamÜMii  keine  Aufgaben  bringen, 
mä  sie  sie  nicht  bringen  können:  was  mnss  dann  die  Schule  thun? 

Da  gibt  es  abermals  nnr  ein  Auskunftsmittel:  sämmtlichen  Ein* 
dem  dieser  Kategorie  mnss  es  gestattet  wrrden,  ihre  Aufgaben  in 
der  Schule  zu  machen.  Hierzu  wird  den  Kindern  Tag  und  Stunde 
bestimmt  (das  Lehrzimmer  mnss  im  Winter  zn  diesem  Zwecke  geheizt 
werden),  und  so  können  sie,  selbstverstftndUeli  nieder  unter  dar  Aof- 
sicht  eines  Lehrers,  ilir  Pensum  anfertigen. 

Und  damit  ▼ftren  wir  für  jetzt  fertig.  Möglich,  dass  der  gfttige 
Leser  schon  aus  dieser  aphoristischen  Darlegung  des  Eriegnrästandes 
zwischen  Schale  und  HanBanflptbe  henosflndet,  dass  die  letztere  eher 
ein  störendes,  denn  ein  ftrderiiches  U^temohtsmittel  ist  vnd  des- 
halb ans  dem  Sdnüorganlsmns  beseitigt  werden  sollte.  Sofern  aber 
ein  YerflMhter  der  Hansanligabea  in  diesen  meinen  Avseittander- 
setsangen  ein  Haar  ibidet,  so  mOge  er  dasselbe  nnr  ohneweitera  ans 
Lieht  ziehen.  Da  bitte  ich,  sieh  gär  nicht  za  geniren! 

*)  Mau  darf  mich  deshalb  nicht  für  einen  Feind  der  Elektricität  haiton:  im 
Gegentheil  hoffe  ich,  daas  sie  aach  zur  Erleuchtung  intellectaeUer  Finstemiä  daa 
ihrige  beitfagen  weide.  '   


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Die  Aufgabe  der  StraCuuitaltflscliiile.*) 

I  Der  Verbrecher,  ein  Terftchter  und  Zersterer  der  ekene- 
nisehen  nad  idealen  Lebeneerdnnng. 


X/er  Mensdi  ist  den  HümicImw  aUM,  aast  B.  m  Jbenn;  in 
seinffln  „Zweck  im  Bechf  (L  Bd.).  ]n  difliem  koiiai  Sati  ist  an- 
glleidi  das  Waaen,  der  Inhalt  und  der  Wart  dea  manaefalidKn 
Lebens  in  nnttbertrafflicher  Weise  ausgediftekt  Dieaer  Sats  entliflii 
dia  fizistenaialbedingang  spedfiach  menaehlidi«!  Ikebana.  So  wie  daa 
Ein-  und  Ausaüunen  die  Grondbedingnng  allaa  Labana  ist,  ao  ist  dia 
Gemeinschaft,  der  Verkehr  die  Vonuuaetmng  aUaa  geiatig'gaacfaicht- 
liehen  Lebana.  Die  ganze  Menschheit  ist  ein  einheitlicher  geiatigar 
Organismus,  der  nur  dann  wirklich  labt,  wann  alle  einzelnen  Glieder- 
wirkaam  sind,  nicht  nur  durch  andere,  sondern  auch  für  andere  leben, 
wann  jeder  ffiiiffiifBf^  dan  Dienat,  den  die  GeaeUachaA  Iwttffift 
auch  erwidert 

Aber  wie  im  phyaiachen  Laban,  aa  kommen  auch  im  geseU- 
BchaiUichen  Leben  Störungen  vor,  die  zwar  die  Fuactioninuig  dea 
ganzen  Apparatea  nicht  hindern  können,  sondern  nnr  eine  Torüber> 
gahanda  Stockung  und  eine  BaacbfidigQng  einidner  Theile  aar  Folge 
haben:  daa  sind  die  Verbrechen. 

Doch  dieses  Bild  ist  noch  nicht  völlig  zutreffend  für  die  mensch- 
liche Gesellschaft  Hieniach  wäre  noch  eine  GeseUachaftaordnung 
dankbar,  die  nur  auf  dem  Egoismus  begründet  ist,  wenn  anch  nicht 
anf  dam  beschränkten,  nur  an  den  Augenblick  denkenden,  so  doch 
anf  dem  weitsehenden,  daa  ganie  Leben  überschauenden.  So  hoch 
wir  anch  die  Erfolge  dieaaa  Bgoiamna  achätzen  müssen  (vgL  Jheiing, 
Zweck  im  Recht  I.),  so  gewiaa  sind  wir  doch,  dass  unter  diaav 
alleinigen  Voranssetzung  das  menaehliche  Leben  ein  unvollkommenes 
aain  und  bleiben  würde,  walchea  aneh  der  Wirkliehkelt  nicht  ant- 


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spricht  und  den  Wert  (l(  s  nien>(  lilirhen  Lebens  nicht  zum  Ausdrnck 
"brinert.  Die  Mfnscheii  selien  ineiiiauder  nicht  nur  Mittel  zur  Er- 
reichung eigener  Zwecke,  die  sie  durcli  besondere  (Tegenleistimgen 
und  Concetsiouen  sicheru  wollen,  sie  werden  durch  ein  enges  sociales 
Band  zusammengehalten,  dnrch  den  altruistischen  Trieb  zu  einer 
bleibenden  persönliclien  Lebensgemeinschaft  zusammengefügt  Der 
Mensch  ist  mit  ein(!in  bestimmten  Kreise  von  Mitmenschen  solidarisch 
verbunden:  mit  ilmen  Kieuir  nncl  Leid,  Glück  und  T'n^dürk  theüen, 
ihr  Glück  fördern,  ihr  ünglöck  minderUt  das  macht  seinen  höchstea 
liCbensinhalt  aus.*") 

Doch  es  scheint  diese  Auffassung  mit  der  herkömmlichen  in  "Wider- 
spruch zu  stehen.  Zum  Beweise,  dass  das  nicht  der  Fall  ist,  sofern 
wenigstens  die  Ideale  des  Wahi-en,  Schönen  und  Guten  richtig  ver- 
standen werden,  mögen  einige  Andeutungen  folgen.  Was  bedeuten 
denn  eigentlich  die  Ideale  des  Wahren,  Schönen  und  Guten?  Das 
Wahre  ist  —  das  mnss  wol  allgemein  zugegeben  werden  —  nicht 
die  abstracte  Wahrheit,  das  Wissen  von  Dingen,  die  aui  Bealität 
Anspruch  machen.  Die  Außenwelt  und  ihre  Eiforschung  hat  nur  in- 
sofern f&r  uns  Intere^,  als  sie  mit  uns  selbst  in  Beziehung  steht, 
und  wiederum  ist  es  insbesondere  der  Mensch,  der  uns  am  meisten  # 
interessirt.  Die  geistig-geschichtUdifla  WiMeUMSbftften  haben  ihn  ja 
SU  ihrem  Gegenstande.  Wir  wollen,  wenn  wir  ans  mit  dieser  Haupt- 
gni]^  der  Wissenschaften  befassen,  letztlich  mur  —  mit  Menschen 
in  personliche  ideale  Lebensgemeinschaft  treten:  so  ist  es  in  der  Ge- 
schichte; oder  den  Menschen  stadiren:  dazu  treiben  wir  Psychologie, 
Rechtsphilosophie,  Ethik  u.  s.  w.  Auch  mit  dem  Ideal  des  Schönen 
Teriiält  es  äoh  im  letzten  Grunde  nicht  anders;  denn  das  Object  der 
KVBst  ist  nur  die  idealisirte  Wirklichkeit.  Das  höchste  nur  denk* 
hm  SehOnheitsideal  ist  die  Gestalt  des  Menschen,  bei  dem  die  har- 
monisch ausgebildete  hohe  Persönlichkeit  in  der  äußeren  Erscheinung 
einen  Ansdruck  findet  Mit  ihm  beschäftigen  sich  die  schönen  Ettnste, 
"wie  Poesie,  Malerei  und  Plastik.  Das  Ideal  des  Guten  bezieht  sich 
Ja  augenscheinlieh  auf  das  Verhältnis  der  Menschen  zu  einander;  aber 
auch  diese  Idee  wird  durch  den  Einfltuw  dee  Gfaiistenthums  und  der 
Kaotischen  Philoeophle  gewöhnlich  falsch  Tenrtanden,  ninüich  als  eine 

*)  Die  ideale  Lehengordnnn«^  hier  ausführlicher  darzustellen,  ist  fflr  unser 
Thema  durchaus  erforde rli'  Ii :  de uii  nur  dann  kann  die  Aufgabe  des  Unterrichts  in 
der  Straf&nsUltfifichüle  auch  im  einzelnen  richtig  beurtheüt  werden,  wenn  wir  stelä 
im  AMgp  Mnhm,  da«  «  ffieie  ntfldiGh-atffidM  LebtDMidinBg  ist,  auf  d«x«n 
WiededMBitelliiia  in  ien  Mngnea  «b  In  enter  Uale  aiüHmuiit 


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—   768  — 

Form  des  Handelns,  welche  ohne  Rücksicht  aui  irgend  einen  Zweck 
absolute  Gültigkeit  hat.  Vielmehr  ist  die  Idee  der  sittlichen  Güte  als 
feuie  Form  der  persönlichen  Lebensgemeinschatt  in  einer  natürlichen 
Anlage,  dem  socialen  Trieb  des  Menschen,  begründet.  iJieser  Trieb 
setzt  sich  iu  Handlung  um  und  fällt  sodann  dm  cliaiLs  unter  die  Kategorie 
des  Zweckes,  indem  die  AN'olfahrt  des  Menschen  zur  leitenden  Idee 
wird.  Welches  ist  also  das  wahre  Motiv,  den  Idealen  des  Wahren. 
Schönen  und  Guten  naclizustreben?  In  der  Idee  und  in  der  Wirklicli- 
keit  mit  Mensehen  in  vertrauten  Verkehr  zu  treten. 

Doch  überall  in  der  Natur  gibt  es  Abnormitäten  und  Störungen. 
Wol  alle  Menschen  ohne  Ausnahme  bedürfen  der  Gemeinschaft  und 
empfinden  auch  Sympathie  mit  andern;  aber  viele  haben  nur  einen 
engen  Horizont,  viele  fühlen  Menschen  gegenüber,  die  außerhalb  ihres 
Gesichtskreises  leben,  gar  keine  Verpflichtung;  sie  sind  innerhalb 
ihres  begrenzten  Kreises  abgeschlossen  von  der  übrigen  Welt.  So 
auch  der  Verbrecher:  Er  achtet  nicht  jene  menschliche  Lebensordnung, 
er  macht  seine  eignen  Zwecke  geltend  auf  Kosten  der  Gesellschaft, 
er  lässt  sidi  mir  von  seinem  bescfarftakten,  hüiiden  Egoismus  leiteD 
und  gibt  das  gemeinsame  Interesse  preis.  Aber  flein  Ziel  erreiefat  «• 
«  doch  nicht,  ihn  ereilt  die  gerechte  StraiÜB,  er  wird  eine  Zeit  lang  der 
menschlidien  OeeeUschaft  entzogen,  und  hinter  Scbloss  imd  Riegel 
hat  er  Zeit  genug,  über  Mtne  HwidlnngBweise  nachaudenken.  Wenn 
er  irateiditiger  gewesen  «Ire  und  sanldttt  aach  nur  äußerlich  die 
Folgen  des  Verinrechens  sieh  yorgesteUt  hitte,  so  wtre  er  vielleicht 
mit  deai  Stra^eseta  nidit  in  OonHict  geralfaen.  Waan  er  noeh  in- 
telUgenter  gewesen  wftre  and  die  Solidaritftt  der  GeaellBoihafta-  nnd 
Individmlfatoroeaen  erkannt  bitte»  so  wflra  fielkieht  diese  vemttnftige 
Oberlegung  eine  noch  iHrkBaiaere  Schranke  selaes  ßgoismaa  gewesen. 
„VieUeiehtl**  sage  ich;  denn  aodi  diese  Hemmnngen  kannten  in  edaem 
bestimmten  Angenblick  ihren  Dienst  versagen.  Der  SSgoiamns,  der 
Uiqnall  aller  Yerbraeben»  ist  eben  anberedkenbar. 

n.  Die  bierans  folgende  Aufgabe  der  Strafanstaltaaehnle. 

Hieraas  eigibt  sich  die  ganae  Angabe,  wekbe  die  Straibnstait 
in  pädagogiseber  Besietaong  an  Utoan  bat,  d.  b.  im  besoodonn  di»  an 
der  Anstalt  aagestelltai  Oeistlicben  nnd  Lehrer.  Die  Lebensidflale 
der  GeAoigaaen  mflssen  dnrch  die  wabren  meaaehliehen  Ideale  ersetxt 
werden;  die  socialen  Triebe,  die  in  jedem  JCeosdien  weoigsteos  im 
Keime  vorbanden  sind,  mfissen  erregt  werden  nnd  so  der  anbagngstSi 
rftcksicfatsilose  Bgoismos  anf  das  ihm  gebOroBda  Haft  besebitnkt 


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—   700  — 

werden.  Dazu  ?nll  die  Wirksamkeit  des  Geistlichen  dienen,  indem  er 
sie  auf  dem  cbrifc-tlichen  Heilswege  zu  Gliedern  des  Reiches  Gottes 
macht;  die  Wirksainkeit  des  Lehrers,  indem  er  sie  durch  T^nterricht 
in  ein  tieferes  Verständnis  des  ttigti schlichen  Lebens  eiiifulnt  und  so 
sie  zu  brauchbaren  Gliedern  der  men^chlichfn  Gesellschaft  macht. 
Der  Geistliche  geht  aus  von  der  transceiideiiTen  n  iigiösen  Welt- 
ordnung, der  Lehrer  von  der  natiiilK  h-sittlicheii  Weltordnnne-.  Beide 
aber  treffen  auf  dem  Wege  zusauinien  und  erren  lieii  dasselbe  Ziel. 

Doch  uns  interessirt  hier  nur  die  Aufgabe  des  Straianstalts- 
lehrers  und  der  Schule.  Gehtn  wir  also  auf  dieselbe  näher  ein:  die 
Gefangenen  mlhw  durch  erziehlichen  Untenicht  —  so  wOrde  die  her- 
kömmliche Pädagogik  sa^en  —  zu  höheren  Idealen,  nämln  h  denen 
des  Wahren,  Guten  und  Schönen  g-efiihrt  werden.  Nach  den  obip^eTi 
Ausführungen  darf  ich  liier  an  die  Stelle  setzen:  Tu  den  Gefangeneu 
soll  das  wahre  Menschheitsideal  ^nr  Vorstellung  gelangen;  sie  sollen 
wieder  eingegliedert  werden  in  den  proßen  geistigen  Organismus  dei- 
>rpTischheit,  sich  der  ökonomischen  und  idealen  Lebensordnung  ein- 
fügen, um  wieder  wahrhaft  Menschen  zu  AYerden.  durch  und  für  andere 
zu  lebeü,  Sie  müssen  mit  den  Menschen  in  t  Uf  ii  Verkehr  treten, 
um  sie  achten,  schätzen,  verehren  und  liebpn  xu  lernt  n.  Sir  müssen 
im  Unterricht  mit  der  Welt  der  Wiiklirhkeit  und  der  VVVlt  der 
Ideale  l  ek.innt  gemacht  weiden,  um  in  beiden  Lebenssphären  heimisch 

zu  werden. 

Hiernach  zerfallen  die  Hau})tnnterrichtsßichei'  in  zwei  irnippen: 
Die  geschichtliuliin  I  )i.<ciplinen  (Heiigion,  Geschieht©)  und  s  olche,  die 
sich  mit  der  Idealweit  beschäftigen  (Dent«ch,  GesangV  Uiw/m  kommt 
dann  noch  eine  dritte  Grupptj  von  teclmiächen  Discipimen,  von  denen 
nur  der  Rechenunterricht  methrMÜM-h  ertheiH  wird.  Der  Betrieb 
dieser  Unterrichtsfächer  ergibt  sich  als  zw^ckiiiäUig;  denn  einerseits 
ww  ih  durch  den  Mangel  der  elementai'sten  Kenntnisse  die  Existenz 
des  i^riaTigenen  nach  seiner  Entlassung  noch  schwieriger  gemacht, 
andrerseits  würde  die  nothwendige  Grundlage  für  höhere  humane 
Bildung  fehlen.  Jedenfalls  aber  stehen  die  technischen  «DiscipUnen 
durchaus  in  zweiter  Linie. 

Es  wurde  vorhin  als  die  Hauptaufgabe  des  Unterrichts  be- 
zeichnet, dass  der  Gefangene  in  ideelle  Lebensgemeinschaft  mit  den 
Menschen  treten  müsse.  Das  geschieht  zunächst  im  Keligions-  und 
Geschichtsunterricht.  Im  Religionsunterricht,  der  wol  seitens  des 
Lehrers  mehr  als  ein  biblischer  Geschichtsunterricht  aufzufassen  ist, 
weiilen  den  Leuten  Persönlichkeiten  vorgefiUirt  und  anschaulich  dar- 


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—  770  — 

gestellt,  zu  welchen  sie,  wenn  überhaupt  noch  ein  Funke  von  sitt- 
lichem Bewusstsein  iü  ihutn  ist,  doch  eine  innere  Zuneigung  em- 
pfinden. Ihr  besseres  Selbst  erwacht,  \ve.]\u  sie  Angesicht  gegen  An- 
gesicht Jesu  von  Nazaretli  gegenübei  stehen.  Wie  nichtig  und  wie 
eitel  müssen  ihnen  alle  ihre  beschränkten,  sinnlichen  Lebensidealc  er- 
scheinen, wenn  sie  sich  in  die  Geschieht«  des  Neuen  Testaments  ver- 
tiefen! Sollte  es  da  nicht  m<)f:li(]i  sein,  dass  ein  Gefangener  sich 
gedrungen  fühlt,  mit  Paulus  auszurufen:  „Ich  unglücklicher  Mensch, 
wer  wird  mich  erlösen  von  diesem  Leibe  des  Todes?"  Sollte  es  da 
nicht  denkbar  sein,  dass  diüiser  Icste  Vor&ütz,  bich  aas  seiner  Sünde 
aufzui  arten,  \s  irklich  von  Erfolg  begleitet  würde? 

Iii  alüilicher  EicLtung  kaim  auch  der  Geschichtsunterricht  wir- 
ken, der  sich  am  zweckmäßigsten  auf  die  Geschichte  des  Va.ieriandes 
beschränkt.  Auch  in  diesem  Unterrichtsgegenstand  können  den  Leuten 
Persönlichkeiten  dargestellt  werden,  die  sie  zu  achten  sicli  verpflichtet 
fühlen,  und  die  sie  in  ihrem  Glauben  bestärken,  dass  wahres  mensch- 
liches Leben  ein  Leben  ist  durch  andere  und  für  andere,  und  dass  nur 
unter  dieser  Bedingung  das  Leben  mit  einem  unvergängliclien  wert- 
vollen Inhalt  erfüllt  wird.  Doch  der  Erfolg  ist  an  eine  Voraussetzung 
geknüpft,  dass  man  des  Guten  nicht  zu  viel  bietet.  Es  daif  nicht 
vergessen  werden,  dass  wir  es  in  der  Geschichte  ificht  mit  Ideal- 
menschen zu  thun  haben.  Das  wissen  gerade  die  Gefangejien  am 
besten.  Daher  ist  eine  übertriebene  Lobrednerei  unter  allen  Um- 
ständen EU  Tenneidfiiu  Das  Zkl  wird  verfehlt,  und  darum  kann  der 
Grundsatz  „Der  Zweck  heiligt  dk  Ifittd"  hier  am  allerwenigsten 
Goltimg  haben.  Dass  mit  dem  geacfaielitlichen  Unterricht  der  geo- 
graphische Hand  in  Hand  gehen  mnss,  ist  selbstverständlich.  Unter- 
ridit  in  der  Geographie  m  erthdien,  nur  in  dem  Zweck,  Namen  von 
Gebirgen,  Flftnen  md  SMdten  ia  daa  Gedächtnis  einzuprägen,  ist 
schon  im  allgemetam  Hnpädagogiaefa,  geschweige  denn  in  einer  Straf- 

Bbe  \Ma:  iMHMkt  noeh  nicht  gemg  gew&rdigte  Avtgßhe  der 
StiaAartalMnila  Ist  die  Beaeliiitignng  mit  der  Uealwelt  dar  aeh^teen 
Künste,  der  Diehtang  und  dem  Gesänge.  Der  deutsche  ünterriolit 
hat  die  Angabe,  dem  Ge&ngenen  in  imswer  KatlsiiafllfeBimtsr  elna 
Welt  vorsnfUiren,  die  die  idealisirte  Wiiididikeit  darstellt,  in  dar  er 
heimiseh  werden  aolL  Ton  dar  Bfldnngsstolb  der  GeC^ngenei  ind  der 
pädagogiachea  länsidit  des  Lehrers  hängt  es  ab»  welelie  Stoft  er  ftr 
den  Unterricht  Ar  geeignet  hält  Fttr  die  mteran  Stotsii  Ist  Jete» 
thlls  das  Lesebttch,  wenn  es  den  gestdLten  Aofordervagen  entspriefat. 


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—  771  — 

das  beste  Lehrmittel.  Sonst  ist  es  wol  gerathen,  dass  dei  Lohrer  selbst 
aus  unserer  reichen  Literatur  geei^'ncte  Stücke  auswählt.  Gerade 
durch  diesen  Unterriclit  kann  die  segensreichste  Einwirkung  auf  die 
Gefangenen  statt fniden  Unsere  Nationalliteiatur  gehört  der  Neuzeit 
an,  sie  behandelt  alh-  niu-  denkbaren  Lebensverhältnisse  und  Lebens- 
beziehungen. Unsere  t  pische,  draTnatis(^lie  und  IjTische  Poesie  ist 
die  beste  Vorstellung  inen  schlichen  Lebens,  wie  es  sein  soll  und  wie 
nicht,  und  hat  zugleich  die  größte  Gewalt  über  die  Gemüther.  Sie  ist 
'  das  Product  der  15est«n,  Vollkommensten  unserer  Nation  und  ist 
darum  am  meisten  geeignet,  die  hörhsten  Lcbensideaie  zur  Darstellung 
zu  bringen,  z.  B.  das  Ideal  der  Familie,  der  Jb'renadBcliaft»  des  StaateSf 
der  Humanität  u.  s.  w. 

Auch  der  Gesang  gehört  hierher,  er  ist  eine  Darstellung  mensch- 
licher Stimmungen  und  Gefahle  und  zugleich  geeignet,  diese  Wirkung 
in  den  Hörem  hervorzurufen,  den  Menschen  zn  vergeistigen  und  für 
höhere  Ideale  zugänglich  zu  machen.  Sowol  geisüidie  Lieder  wie 
auch  Volkslieder  würden  dazu  ans  den  Liederbüchern  aasgewählt 
werden  können.  Jene  im  Anschhus  an  dea  Beligiomnmtemcht  imd  aa 
sonntäglichen  Gottesdienst. 

Über  die  technischen  DiscipUnea,  die  dnrcbaiu  in  zweiter  Linie 
stehen  sollen,  ist  wenig  Allgemeines  za  sagen,  weil  das  Näheve  gans 
von  dan  individaellen  Verhältnissen  al)hängt  Auch  fftr  jofandlicbe 
Mangene  kommt  immer  in  erster  Linie  die  eigentliche  hnmane  Bil- 
dang  in  Betracht,  wenn  auch  zuzugeben  ist,  dasa  hier  namentlich  bei 
aolchen,  die  noch  im  schulpflichtigen  Alter  atehen,  der  Unterricht  in 
den  technischen  Diaoq^Unen  einen  etwas  grOfieren  ümüMig  an- 
nehmen dart 

Eine  andere  Auffassung  der  Aufgabe  der  Stralttstaltsschnle,  die 
nAoUch,  dasB  dorch  Aufklärung  über  die  Bedingungen  des  Oesell- 
schafUdebens  und  durch  sachliche  Ausbiidnng  fOr  einen  Beruf  Besserung 
erreicht  werden  könne,  scheint  mir  nnantreffend  zu  sein.  Nnr  dorch 
Vernichtung  des  Erankheitskeimes  kann  gittauDlehe  Heilung  erfolgen: 
und  der  Krankheitskeim  ist  der  nnheredienbare  Egoismus  des  Indi- 
viduums, der  durch  keine  Schranke,  auch  nicht  durch  vemfinftige 
Btiehrung  in  seinen  jEQr  die  QeseUschaft  schädlichen  Folgen  gehemmt 
werden  kann,  wenn  er  nicht  selbst  unwirksam  geworden  .isL 


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Die  fiibmisekei  Auieitoi  DMmewskfflL 

IV. 

w 

▼  Teiche  Folgerungen  können  wir  nun  über  den  Gang  des  geistigen 
W;;i^'1)st1mniR  der  Kinder  ziehen?     Psychologie  nnd  Pädag'S'jlc  frrlirn  Uber 
(iieäeu  Gegenstand  keine  genttgende  Aufklärung;  um  so  wichtiger  ist  eine 
Analyse  des  uns  hier  zu  Gebote  stehenden  Materials  auch  in  dieser  Hinsicht. 
Wir  itollMi  ms  wieder  eiiice  Bfnadfrigon. 

Wau  und  wodurch  begimniL  die  Kind«  ein»  bewonte  StaHur  eis- 

ximehmen  gegenüber  alle  dem,  was  sie  um  sich  sehen? 

Die  erste  Zeit  des  Lebens  geht  von  unserem  Bewusatsein  unbemerkt 
vorttber;  die  erste  Tbatsache,  welche  in  anserem  (Gedächtnis  haftet,  können 
wir  nicht  genau  zeitlich  bestimmen  -,  jeden^sUs  ist  dieee  Zeit  bei  TsraohiediraeA 
Kindern  eine  sehr  Tenehiedene.  Den  enten  Anrtoft  sn  einer  aoMieii  bewose- 
ten  Stellungnahme  geben  gewöhnlich  besonders  tief  einschneidende  Eindrücke. 
So  war  es  bei  Netta  ein  Streit — natürlich  nicht  gerade  der  erste  —  zwischen 
Vatpr  und  Mutter.  Seit  ich  plötzlicli  mich  selbst  it»  meinem  Bewusstsein  fest- 
hielt, schreibt  Netta,  entwickelte  ich  mich  rasch,  unerwartet,  und  viele  durch- 
aus unkindliche  Sindrteke  wnden  fir  wSA  lo  eeiuiBCklich  xngftnglidil 

Die  ersten  ElndrftdLe,  welche  bewnsst  «zijsenommen  werden,  sind  ent- 
soheidend  für  die  ganze  weitere  Entwiekebrng.  Von  demelbeii  Abend  an,  fährt 
Netta  an  der  oben  citirten  Stelle  foi*t,  begann  ich  m  denken,  zu  nrtheilen  und 
zu  beobachten  Aber  Netta's  Urtlieile  waren  wegen  des  Vorherrschens  des 
Gefühles  und  der  Schwäche  ihres  Willens  noch  sehr  unsicher.  Phantasie  und 
GellU  gnitalt«  ibr  cfae  beMBiweeignnWeit  Doeh bnM bilden iMiifehUge 
Begijflft  ans,  von  denen  das  Kind  sicfa  leiten  tisst,  —  Begriffe  rm  G«t  md 
B5se,  Ehre  und  Schande.  MeaebMnl  freilich  stellt  sieii  die  Kind  zu  tief 
gehende  Fragen,  die  zu  lösen  es  nicht  imstande  ist.  Interessant  iRt  es  zu  be- 
obachten, sagt  Dostojewski,  wie  die  complicirtesten  Begriffe  im  Kinde  ganz  nn- 
bemerkbar  sich  entwickeln ;  es  kann  vielleicht'  noch  nicht  zwei  Gedanken  ent- 
wickeln nnd  Ttntelit  doeb  mandiwiil  eobon  die  ileAtea  Lebeasfrigen.  WMn 
dai  Kind  mr  dnieb  ünteRiebtnnittel  nnd  belehrende  Spiele  erzegen,  lo  wflide 
ee  nie  m  dernaginublichen,  fast  gefährlichen  Tiefe  des  Verständnisses  gelangen, 
die  es  ihm  —  wer  weiß  wie  —  möc-lirli  mnoht.  polrhe  Ideen  zn  verdrinen.  die 
ihm  ganz  unzugänglich  zn  sein  scheinen.  Kin  mnf)ahiige.<  Jvind  weiii  maach- 
nal  TOn  Gott  und  vom  Bösen  so  wouderbare  Sachen,  hat  über  sie  Gedanken 


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—   773  — 


von  to  inarwtrteter  Tiefe,  datt  mm  imwfllkftrlidi  nt  den  Gadankan  ktamt» 
dteMB  Sind  fldMi  Tim  Katar  iigvodwelcli»  aaEenxrdiatUdie  Xittd  smr  Er» 
mfghmag  Ton  Kentnissen  gegeben,  die  um  wSäbA  aar  anlMkaant  und,  sondern 
welche  wir  mif  Grund  der  Pfldfiprncik  pop^ar  verwerfen  mössten.  Das  Kind 
hat  die  Fähigkeit,  solche  Idpeii  und  V  orBteiiuDgen  aufzunehmen  und  sich  rasch 
anzueignen,  von  denen  es  nach  der  Anaicht  vieler  Eitern  und  Pädagogen  in 
dioaom  Alter  noeh  nichts  wissen  und  verstehen  kann.  Weiber  kommt  das?  In 
ta  meislea  FiUsn  geht  loleher  Brifthnlniwg  «lae  starke  aittltebe  Ersehtttte- 
nmir  voraus,  die  sa  einer  Steigerung  aUar  Kilfte  des  Kindes  führt,  besonders 
aber  des  Gefühles,  äa^  ?;tet8  dem  Bewnsstsein  vorausgeht.  Nicht  alle  Kinder 
erfahren  solche  Erschütterungen,  und  solrhp  entwickeln  sich  auch  gewöhnlich 
später;  manche  Fragen  gehen  an  ihrem  Ik^vusstsein  ganz  vorüber.  Deshalb  sagt 
auch  Snegirew,  dass  die  Kinder  reicher  Ei  lein  in  ihrem  ganzen  Leben  nicht  zu 
aoMiar  Tiefe  der  SrksmitaJs  gelangen,  wie  sie  sein  aeli]||ahrig€i  liju^cha  er- 
reicht hat  Aber  aaeh  hier  ist,  wenn  aoeb  aiebt  so  selmff,  deeh  gewte  eine 
plötzliche  Theanag,  der  pKttaUehe  Bsgina  eines  ganz  neaen  Lehens  an  be- 
merken. 

Ist  das  einmal  geschehen,  so  muss  sich  das  Verhältnis  zur  Umgebung  äU' 
dem.  Die  Erwachsenen  sehen  in  dem  Kinde  eben  immei-  noch  ein  naives  Kind 
und  merken  nicht,  wie  sehr  dieses  ihren  sittlichen  Charakter  oontrolirt  und  wie 
scharf  es  ihn  rietet.  Sehr  hBnflflr  geiathen  sie  deshalb  in  eine  gaaa  schiefe 

Stellung.  Es  gibt  viele  Kinder,  sagt  Dostojewski,  die  schon  sehr  Mh  aber 
das  Leben  ihrer  Familie  nachdenken  und  unter  dem  lasterhaften  Wandel  ihrer 
Eltern,  wie  ihrer  ganzen  Umgebung,  leiden.  Das  sollten  wir  stets  beacht»>n! 
Früh  schon  lernen  die  Kinder  auch  ihre  sociale  Stellaug  und  die  hieraus  resui- 
tirenden  Unterschiede  zwischen  ihnen  und  anderen  Kindern  verstehen.  Die 
Kinder  in  den  Ffaidelhänsem  wissen  es  sehen  sehr  früh,  „dass  sie  schlechter 
sind  als  andere  Kmder,  ond  nicht  mit  vollem  B^ht,  sondern  sozasagen  nar 
aus  Menschlichkeit  leben".  .  .  Es  ist  leicht  erklärlich,  dass  mit  der  Entwicke- 
Inng  des  Bev.nsstseins  e'owfifmlioli  ein  Schatten  auf  d^n  ideal-reinen  Geist  des 
Kindes  fällt,  dass  es  niciit  melii  eine  so  einheitiiclie  Natur  bleibt,  wie  es  früher 
war.  Schlechte  Getillüe  linden  in  seiner  Seele  Platz,  es  verliert  plötzlich  das 
in  seine  Seele  gelegte  Hiin»dralfth,  Jetat  entwickelt  sich  das  Ehifefllhl,  das 
Bewasstseln  der  persBnlichen  Hechte,  die  es  an  vertheidigen  oder  —  je  nach- 
dem —  auch  in  anderen  Kindern  zu  seinen  Gunsten  ztt  unterdrücken  suchte 
In  Katja  scheint  dieses  Gefühl  allerdings  stets  j^elpbt  y.n  haben,  im  allgemeinen 
aber  steht  seiin  J^nt Wickelung  doch  im  Zusammenhang  mit  der  allgemeinen  in- 
tellectaellen  Entwickeiuug.  Dieses  Ehrgefühl  ist  oft  ungewöhnlich  stark  ent- 
wiekdA.  Netta  ftthlt»  daas  sie  ihren  Vater  nicht  mehr  lieben  kann,  als  er  ihr 
Ar  den  Diehatah],  an  dem  er  sie  bewegen,  ein  Geschenk  Terspiieht  Kaija 
wird  in  ihrem  Elurgefilhl  jedesmal  beleidigt,  wenn  sich  jemand  ihr  nicht  onter^ 
thäni^^  erweist,  und  sei  es  der  Hund  ihres  Yatezs.  Sie  ist  befriedigt,  wenn  sie 
nur  so  oder  anders  eint  n  Sieg  davonträgt. 

Die  intensive  Äuüernng  des  Ehrgefühles  hängt  ab  von  der  Schwache  des 
'Willens  und  der  Steigerung  des  Gefühles  bis  zum  Afect.  Eine  normale 
ÄnBemng  desselben  aber  ist  stets  Beweis  and  Folge  der  WeiterentwIdnlQng 
dea  Bewusstseins. 

Die  dritte  Stafe  in  der  Entwickelnng  des  Kindes  ist  das  Erwachen  be- 

FarftflAgta».  U.  Jtbif  ,  Bült  ZXL  iS8 


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—    774  — 


wavter  iTnpMMielMr  NiigtufMi,  rnkke  dir  guchtoefctltBhwi  IM«  nah»* 

stehen. 

Als  Netta  in  das  Hans  Kfttja's  nberf!pd»']t,  T«t  dieser  Zoneiejinir  l»»ner 
ganz  sonderbar,  weil  eben  ihre  Liebe  nicht  n\>rr  eine  dewühnijeitüiiebe  hinaiiP- 
geht.  Unter  dem  Eiufluas  verscUiedener  Uuiätaude  entwickelt  üch  aber  auch 
in  tbr  «Im  «mtlkhe  Zueigong  n  Mttta  «id  «Iddinitlf  tadttt  rieh  ihr 
gamtM  WeiM.  Sfe  wird  J«tit  aiflhicBkUflher,  «mtw»  fkr  Oianktar  «feer 
imbestftndiger.  Sie  venacht  das  erwachende  Gef&hl  za  verbergen,  aber  dies 
?p1iT'^t  ihr  nicht.  Als  die  GefHhle  einmal  ansg^sprochen  sind  ist  Katja  mit 
einem  Mal  eine  ^anz  andere  {geworden,  ihr  panzes  Seeleiilebeu  lüt  nun  ein 
OOttiplicirteres,  das  Gebiet  der  iiir  zugänglichen  Gefühle  hat  sich  erweitert,  die 
CMUile  Mltat  iMbea  Ml  Tertfaft.  ^  Sobdd  fai  da«  GMIktai  aMh  mar  dbe 
Spar  Ton  geediieditlidier  Liebe  anftancbt,  weicht  dai  flaatoalabea  Book  aalff 
von  seiner  nrsprQnglichen  kindlichen  Furm  ab.  Da^  geschieht  häufig  schon 
sehr  Mb,  in  dem  „kleinen  HpMrn"  Postojewski's  z.  B.  schon  mit  11  Jahren. 
In  ihm  wird  dieses  Gefühl  ausschiieülich  durch  ästhetische  und  sittliche  Ein- 
drücke, sowie  durch  das  GefUhl  des  UiUeid»  herYorgerufeu.  Eben  diese  Fähig- 
Mt  «lier,  isUielitclM  BfidrOdn  ««teelmMi  ud  fKr  die  gefliaMuMtoda 
anderer  Sympathie  zn  empfinden,  ist  adum  Beweis  bedeutend  vorgeschritteiMr 
Seelenentwickelnng.  Seinerseits  übt  nun  wieder  das  Entstehen  solcher  Neigung 
selbst  großen  Einfln^s  auf  die  geistigrp  FTitwickelung  des  Jünglings,  der  Jung- 
irau  aus.  Eine  neue  Reihe  bisher  ungckannter  Gefühle  tritt  gleichzeitig  mit 
dieser  Neigung  auf,  aadwe  erreicbea  «eaigstens  eine  bisher  nicht  gekannte 
Lrtaoalttt.  Der  Jüngliag,  die  Juncfraa  begiiUMn  nun  «atli,  die  SoUtalMitaa 
der  Natur  zn  bewunden  aad  m  lieben  etc. 

Natürlich  enthalt  diese  junge  Liebe  in  ihrem  Anfangsstadiam  nicht  alle 
Elemente  der  gewöhnlichen  geschlechtlichen  Liebe.  Vor  allem  ist  natQrlich 
die  physiologische  äeite  des  GeföiUes  nur  sehr  schwach  entwickelt.  Ebenso  \nt 
aoch  der  Tri^  nr  AaoAherang  an  daa  Gegenstand  der  liebe,  der  Wuutich, 
iliB  ra  Mtnen,  lange  nidit  daa  Haaptmewanty  wMluiIb  dem  aoeh  der  sUfliae 
Held"  nichts  von  Eifersucht  verspürt.  Das  Hanptmonient  ist  hier  daa  filOBCBt 
der  Sympathie,  welche  in  seiner  Seele  auch  keine  egoistischen  Regungen  auf- 
kommen ließ.  Kurz  fl;>«  Gefühl  des  „kleinen  Helden"  bestand  aus  einer  Treibe 
der  reinsten  und  erhabensten  Öeelearegimgen,  die  durch  ästhetische  und  6itt> 
Hobe  .QndrttfllEe  kaf  vui|§eiaAtt  waveD» 

Nidil  immer  fteüidi  lind  die  OellUe  dleter  Art  ao  nln.  So  nimmt  dat 
plijiiAlflgische  Element  bei  der  nur  um  3  Jahre  äHeran  and  neUedit  enpaymiea 
Lisa  eine  bedeutende  Stellung  ein  nnd  wird  von  Ihrem  iddeelit  wafffinBa 
Willen  nor  aehr  ungenügend  regiert. 

V. 

Fragen  wir  uns  nun,  worauf  die  vorgeführten  Eiadar  ihre  Beziehnagea 
zu  iln  r  (  mgebung  gründen  nnd  wodoioh-  ihre  ßj^patUen  nnd  Anlipalhiea 

bestimmt  werden. 

Die  Kinder  haben  über  ihre  Umgebung  eine  ganz  bestimmte  Meinung  und 
daich  diiad]»e  beifcimmen  de  fiir  Veriudtea,  lobald  ihr  BewMüaiin  erwadit. 
Bie  Omadlage  limr  SjmpatU«!  Hegt  in  dmi  EfgeMdiifteii  üircr  dgawa 


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—   776  — 


Natur,  aber  auch  ia  dem  Verhalten  der  Umgebung  iIjuüu  gegenüber,  in  dem 
Weien  der  Penonen  f&nr  Umgebung,  wie  ee  den  Kindern  enehelat  Es 
kenntt  vor,  da«  die  Kinder  Iber  die  BrwadiseDai  die  Oberliand  gewinneo,  ja 

sogar  sie  als  Schlltslinge  bebandeln,  sobald  sie  bemerken,  dass  sie  für  jene 
nothwendfp  sind  nnd  dass  jene  eiripn  sehr  schwachen 'sVillni  haben.  Wir  finden 
femer  Beispiele,  dass  Kinder  ihre  Eltern  sittlich  verlin  u,  wenn  diese  plötz- 
licb  ana  irgend  einem  Grnnde  in  einem  ganz  neuen  Lichte  vor  jenen  erscheinen. 
In  dnam  Angeablkk  war  mein  Hen  Termmdet,  bemerkt  Ketta  bezüglich 
doanin,  Am  Ibr  Vater  ile  snm  IMebetabl  anleitetet  leh  fühlte,  daas  er  nrieb 
nieht  bedanere  nnd  nicht  liebe,  weil  er  nlofat  nietfcte,  wie  sehr  ich  ihn-Hebe^ 
nnd  g:lanbte,  ich  werde  der  Geschenlce  weg-en  etwas  fdr  ihn  thun.  Nun  ver« 
Btand  ich  ihn  durch  und  durch  und  merkte,  dass  ich  ihn  nieht  mehr  lieben 
kann,  dass  ich  meinen  Vater  verloren  habe.  ^ — Hier  sprachen  sittliche  Instincte 
and  das  Schmerzgefühl  über  den  sittlichen  Fall  des  Vaters,  den  »ie  früher  nie 
in  dieaem  Liebte  betimehtet  hatte,  aowie  eadlieh  daa  Bewnaatsein  gekiSnkter 
menacbMoher  Würde.   Aber  die  Liebe  starb  doch  nnr  ganz  aUniShllA  ab. 

Dostojewski  schildert  nm  auch  die  Entstehung  und  Entwickeinng-  kind- 
licher Freundschaft  fzwischen  Katja  und  Netta).  Die  Motive  der  Sympathie 
lagen  lür  Netta  in  Eiudräeken  ästhetischen  Giiarakters  —  in  der  Rchilnheit 
Ka^a's  (Schönheit  als  Motiv  freundschaftlicher  Zuneigung  ist  auch  von 
L.  Toletoi  bingesteUt);  für  Ka^a  dagegen  wann  die  Metire  aittUoben 
Gfaarahteif :  de  liebt  Netta  von  der  Zelt  an,  wo  de  dieielbe  beleidigt  hatte 
Hil  l  um  Verzeihung  bitten  mottte.  Vielleiclit  fühlte  sie  hier  zom  entounal 
Mitleid,  (Tewissensbisse  weg-en  ihrer  früheren  rohen  Behandlung  Netta's.  sowie 
iiire  eigene  Schuld.  Doch  alles  diese.'?  war  noch  zu  Avenig-:  Katja  wurde  hin- 
gezogen durch  die  geduldige  Liebe,  Uüte  und  Aufopferungsfähigkeit  Netta«. 
Die  Äußerungen  der  Liebe  beider  Hftdchen  waren  sehr  verschieden.  Netta, 
Ungeritten  von  der  SehOnheit  Ka1ja*a,  ancbt  ihr  sdeh  aelbet  an  geftdlen,  wagt 
ee  aber  nicht,  sich  zu  erklären,  sondern  ttanert  nnd  idiwärmt  heimlich.  Ihr 
Znstand  erinnert  lebhaft  an  die  Wallungen  der  ersten  Liebe  (natürlich  ge- 
schlechtlichen Liebe).  Katja  lässt  si«  h  Vfm  dem  Geffihl  nicht  auf  einmal  tiber- 
mannen, sie  sucht  es  zu  unterdrücken,  vergeh wei{i:t  es  und  wird  dabei  auf- 
fahrend, nervös.  Erst  als  sie  das  Ungerechte  ihrer  Haudia ng-^ weise  erkennt, 
lodert  aie  dieaalbe:  ein  aptkbt  nnn  ihre  Qefühle  am,  wird  feffigi^^  zart,  dienet- 
fertig  nnd  gibt  aUe  HaehtaneprUehe  anf.  Dieae  F^nndadiaft  erwncha  ganz 
von  selbst,  ohne  Zuthun  dritter  Personenf  wie  überhaupt  die  Innenwelt  der 
Kinder  sich  nicht  ganz  in  die  für  sie  voigeseiehneten  Bahnen  einfügen  lüsst,' 
sondern  sich  selbstJlndig^  entwickelt. 

Die  in  DostojewHki's  Arbeiten  ausgesprochenen  Ansichten  beruhen  auf 
gründlicher  Kenntnis  des  wirklichen  Lebens  nnd  bcsofarünken  si^  nicht  anf  . 
einselne  Eraehelnnngen.  Aber  da  die  von  ihm  beobachtete  Wirklichkeit  dea 
Erzieh nngs Wesens  mehr  negative  Seiton  darstellte,  als  positive,  so  haben  anch 
Dostojewski's  Ansichten  zum  j^rrößtcu  Theil  einen  negativen  Charakter.  Wir 
betrachten,  wie  in  Feinen  Werken  das  Verhältnis  der  Erwachsenen  zu  den 
Kindern  gezeichnet  wird,  welche  Erziehungsaufgaben  und  -Ziele  in  ihnen 
unserer  gebildeten  Gesellschaft  zugeschrieben  werden  und  woran  es  uns  über- 
hanpt  in  dieser  Hinsicht  tMi. 

In  .Nettottohka  Nsawanewa''  nnd  im  „Kleinen  Helden"  nnlchnet  Desto» 

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—   776   —  I 

jewdd  unser  Verhältnis  zu  den  KJiidvB.  £r  zeigt,  wie  wir  die  Eigenthfimlich« 
keiten  des  Seelenlebens  der  Kinder  gtir  nicht  in  Betracht  ziehen,  weshalb  viele 
Ereignisse  de«>selbea  nicht  nur  nicht  mit  der  nöthigen  Vorsicht  behandelt 
werden,  sondern  oft  Gegenstand  gruben  Spottes  sind.  Netta's  Vater  leitet 
diese  zum  Diebsttdil  an,  ohne  zu  merken,  was  hierbei  in  ihr  Torgeht;  wir 
adiM  Mfafliii,  wvIfllMt  die  Folffoi  U&nw  wina.  Dtt  Slai  naikt  sehr  ffll» 
wie  wenig  es  den  ErwacfaMDM  oft  bei  iln  en  BeziehaifM  n  ihm  anf  dte 
Wahrheit  ankommt.  —  Ferner  beurtheilen  die  Erwachsenen  das  Si  elpulebea 
der  Kinder  oft  ganz  falsch ,  \veil  sie  von  Vorurtheilen  eingenommen  sind. 
Andereraeita  drängt  mau  sich  oft  gewaltsam  in  das  Seelenleben  des  Eilpes 
ein,  am  dasselbe  seinem  Regime  zu  unterwerfen,  was  gewöhnUdi  tuh  fito 
Folg«ii  hal,  btMBdcn  muk  nw  das  Kind  n  Ikniini  Zwook  rtnag  bswaoht.. 
In  diesem  Fall  ist  das  Kind  stets  unruhig  and  eine  rahige  bann  Mische  Entp 
Wickelung  desselben  wird  dadurch  unmöglich  jreinnf'ht.  S^Uptk  i  iroillcli,  aber 
doch  nicht  ungewöhnlich,  ist  das  bewusste  Unterdrücken  der  Pei-ß()oliciikeit  des 
Kindes  oder  absichtliche  (rraosamkeit  in  der  Behandhmg  desselben.  Auf  ihr 
begründet  Iwan  Kannanow  ao^nr  adne  philoacqpihlMiie  WeKanachanung.  Sin 
ist  für  Um  der  bette  Beirais  der  Untaagliehkelt  jeoar  Frindpien»  auf  denen 
die  sittliche  Weltordnang  beruht.  Und  man  mnss  geateben,  dass  die  yon  ihm 
gewählten  Beispiele  allerdings  sch:\aderhaft  sind  Besonders  schrecklich  ^ht^r 
ist  es,  dass  die  l\;xecntoren  bei  ihrer  Grausamkeit  eine  gewisse  Wollust  -  ui- 
pfinden.  Gerade  die  Schatzlosigkeit  der  Kinder,  ihre  engelhafte  \  ertrauens- 
MÜglDBtl  BMlit  dai  BIM  dM  HSmerm  Mm;  du  CMOd  kt  IMmI  ao  ge- 
ttflignrt»  daai  dnr  Wüle  iliin  alMn  fdioreht»  darVcntaad  kdnoi  EinilnM  anf 
diesen  aus&bt  .  .  .  Den  ursprfingliflhen  Grind  solcher  Roheit  and  Grausam- 
keit sieht  Dostojewski  in  der  FaoUtelti  UnlMwagUdikalt  nnd  «gaistisciMn  Fii^ 
sorglichkeit  für  die  eigene  Ruhe. 

Die  von  Dostojewski  gezeichnete  Familie  ist  in  socialer  Hinsicht  eine  on- 
baitimnit  famiadito;  nie  bealelit  sm  Elementen,  nelAa  liinaliditlkih  derStnaiet- 
sog^^iBrigkeit  nnd  was  viel  wichtiger  ist — hlwdiditHflh  ihrer  Ühanwignngan 
und  Begriffe  keine  Gemeinsamkeit  haben,  durch  nlditl  Tereinigt  sind,  was  sich 
natürlich  ;\ti  d-^ii  Kind»>rn  zeigt.  Die  Grundsätze,  nach  den^n  sich  das 
Famiiieuieben  gestallet,  hui  i,  mehr  oder  weniger  zufdllig,  nicht  lur  alle  gleich, 
wie  das  in  den  alten,  tradiuouell  gestalteten  Familien  der  Fall  war.  Deshalb 
iloUt  m  Wik  nn  JeAor  ntttUohfln  Ordmu«  den  FamiUenlelMDe.  Die  Viter  ge- 
hOien  entweder  n  den  schon  erwUluiten  faulen  und  onbewes^en  Egeliton, 
denen  ihre  Kinder  zur  Last  fallen,  und  die  sich  deswegen  auch  wenig  kümmern, 
oder  zu  solchen,  welche  die  Sache  ernst  nehmen,  wnch  Ideen  haben,  aber  keine 
festen,  bestimmten,  bewusst  ausgearbeiteten,  sondern  zuftillige,  von  außen  über- 
aomuieue;  bei  der  Erziehung  ihrer  Kinder  setzen  diese  alles  auf  diese  eine 
sttfUüge,  sie  bducndiende  Idee  und  sind  dealialb  nnHUg  nn  conieqneDter, 
voller  ErrielmngMtteit»  ja  mnaehmal  fügen  sie  den  Kindern  sogar  unsftglichen 
Schaden  zu  —  je  nachdem,  welcher  Art  die  sie  beherrschende  Idee  ist.  Die 
meisten  Mütter  erziehen  ihre  Kinder  nnr  für  die  Welt  oder  für  difsp  oder  jene 
Carriere.  Das  ganze  Familienleben  überhaupt  entbehrt,  wie  schon  gesagt, 
jeder  sicheren  sittlichen  Grundlage.  In  den  Familien  ist  von  höheren  Lebens- 
zwecken  fut  nie  die  Bede;  an  die  Idee  der  ünstertOiofakeit  denkt  man  nidit 
nir  viebt»  nonden  eft  ipottet  wui  sogar  iBSbet  dteaelbe,  mA  inOegenwnrt  dw 

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—   777  — 

Kinder.  Unsere  Kinder  sind  meist  granz  sich  selbst  flberlaaen,  da  die  Familie 
ihnen  nichts  Positives  g^eben  kann  oder  will,  da  sie  nur  praktischen  Interessen 
naclijafrt.  Dies  ist  um  so  getUhrlicher,  da  ja  doch  die  Entwiekelang  des 
W  iiiens  der  Kinder  eine  nur  sehr  schwache  ist,  so  dass  sie  den  zoiUllig  ein- 
wirkenden  Anschaminfen  nicht  Widentaai  IMsfeen  kSonen.  Es  ist  selbst- 
▼«nttodUeli,  dsM  to  ▼€ra>flbmwiigt«n  Kiado*  flm  EKern  nidit  Uebea 
kOniiMir  da  ihr  Herz  mit  diesen  durcii  nidits  verbanden  ist  und  die  Brinne- 
nugen  an  das  elterliche  fiana  oft  alle  gar  m  trflber  Art  aind. 

VI. 

Was  das  VerhUtnii  der  Oesellsehaft  si  den  Kindern  betriflt,  so  sprieht 
bierflber  klar  genug  die  Lag«  d«r  StraSenkindsr,  weiebs  niebt  nur  keine  Ets 

siehnng  genießen,  sondern  überhaupt  auch  keine  gesicherte  Existenz  fttfano, 
wiewcl  rhri^tns  STP^f^i^t  hat:  lasset  die  Kinder  zu  mir  kommen!  Eine  solche 
Lage  dies^*  T  Kinder  gebiert  ein  furchtbares  sociales  Elend,  unter  dem  die  ganze 
G^ellschalt  zu  leiden  hat,  denn  diese  Kinder  werden  zumeist  Verbrecher.  Die 
theoreltieliaiGnnidrittse  nnserar  Oceelliwhsft  sind  wa  aOgwinein,  n  nnbostfanrnt, 
«der  sb  sind  snIUUg,  nnmotMrt,  vnbewnsst»  nleht  mit  ubernengnng  angenom- 
men, sondern  sehr  rasch  in  jedem  einzelnen  FaUe,  je  nach  BedHrfkris»  ana* 
g-earbeitet.  in  eine  anziehende  Form  frf^kleidet,  ohne  Analyse  g:epredigt,  an- 
genommen und  vielleicht  bald  durch  neue  ersetzt.  Aber  auch  dem  Inlialte 
nach  hält  Dostojewski  die  Ideen,  aus  denen  sich  die  Anschauungen  unserer 
Intelligenz  in  den  siebziger  Jahren  zusammensetzten,  für  gefährlich,  vor  allem 
ans  dem  Grande,  wbH  sie  nieht  patriotisch  waren.  Wenn  die  Kinder  nicht 
auf  dem  festen  Boden  der  NationalllSt)  okne  natürlidieWslirlietti  ohneAditling 
für  das  Vaterland,  in  Verachtung  gegen  das  Volk  erzogen  werden,  so  mOssan 
sie  anbedingt  eino  gnn?  falcrhe  'Ricbtnng  im  T.pb-'n  i'inRcIiLiEfr'n. 

Ein  weiteres  gruLW  s  (  bei  isieht  Dostojewski  in  den  geiaieteten  Erziehern: 
Gouverneuren,  Gouvemauteu,  iionnen  etc.,  die  man  iianptäächlich  der  fremden 
Sprachm  ivegen  engagirl  Vem  pijdMklegiBfliien  nnd  etldsohen  Standpnnkle 
ans  qpdeiit  er  sieh  flberhanpt  gegen  den  Gekfaneh  fremder  Spraelien  In 
Umgang  mit  den  Kindern  ans,  wen  Gedankenwelt  nnd  Sprache  von  einander 
abhängig  sind:  je  hesper  fester,  sicherer  wir  uns  eine  Sprache  ancicrT^en, 
desto  fester  und  siclierer  entwickelt  sich  auch  unsere  DenkthUiigktit, 
desto  tiefer  begründet  sich  auch  unsere  Gedankenwelt.  In  sittlicher  Hin- 
stellt ist  die  BevonEngttng  fi^der  £fprsidien  schidlich,  da  wir,  wenn  wir 
unser  Leben  lang  eine  für  nns  todte,  krankhafte,  gestohlene  Sprache  sprechen, 
auch  stets  bei  dem  Anadmdt  nnaerer  selbst  und  unserer  Seele  grr)6e  M&he  an- 
wenden müssen,  was  auf  den  Seelengehalt  selbst  nicht  ohne  Einfluss  bleibt. 
Wir  merken  dann,  dass  unsere  Gedanken  knr7,  Icirlit  nnd  cynisch  sind,  — 
cynisch  eben  wegen  ihrer  Kürze,  wegen  dtjs  schweren,  kleinlichen  Aiiüdruckes, 
au  den  sie  stets  gebunden  waren.  Auikrdem  gibt  es  noch  einen  und  zwar 
einen  ebenao  sehwerwiegendM  Qtnnd  —  den  natienalen.  Wer  nieht  das  «iste 
mttal  aar  Versdmielanng  mit  seinem  Volke  —  die  Volksspradie  —  befaemeht, 
gehört  nach  seinem  Geist  überhaupt  noch  nicht  oder  nicht  mehr  zu  diesem 
Volk:  flas  i|pin  mssisehe,  vielleicht  ausgezeichnetp.  Tfohmaterial  verwandelt 
sich  in  dem  nicht  rassisch  sprechenden  Bassen  in  ein  intemati^males,  nnpersön- 


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Ijdu's.  Volks-  und  vaterlandslofieB  Gewäsch.  Die  Idee  der  Nationalität,  die 
naiiuuaie  Geschichte  bleibt  aolchem  Menschen  immer  lUiverstAadlich. 

Dostfiijewtki  entwirft  m  dnor  SHU«  ttit  BiM  dea  GottY«mmtfii^pQg> 
Feiiüiditto  SofffiOt  in  jeder  Hlidolit,  aber  in  der  Art»  wie  ile  jeder  Mittel- 
mäßigkeit eigenthümlich  ist,  —  dae  kt  sein  Hauptmerkmal.  Wie  groß  aach 
die  Natorgaben  und  -Anlagen  der  Kinder  sind,  —  in  der  Atmosphäre  dieser 
pedantischen  Mittelmäßigkeit  ersticken  sie,  nn  l  z\s;u  zuerst  die  Denklahigkeit, 
da  der  Gedanke  am  meisten  Nabrang  von  auüeii  bezieht,  daou  ab^r  auch  die 
Regungen  de«  Herzens  und  Willens,  die  an  sich  noch  fähiger  sind  zum  Wider- 
stend.  Ei  Jet  Ja  Uar,  de«  der  fenie  Ideenkreii  dee  gewttilleken  Xinte 
dnreli  den  Cbankter,  die  Ideen  and  die  BiolitBDff  bcImt  ümgelnuv  beettaimt 
ivifd. 

Von  der  Schule  haben  wir  d««  Hecht,  nicht  mehr  nur  zufällige,  sondern 
auch  willkürliche,  bewubste,  mcthndische  Einwiiknnt:  anf  dit  Kiuler  zu  ver- 
langen. Leider  gibt  Dostojewsla  uoi-  wenig  üatenai  zur  Bcunheiiuug  on&erer 
Sdivle,  aber  diee  Wenige  etellt  de  in  keinen  gaten  Uebte  to.  üaner  gaans 
Schalleben  tvigt  nadi  eeiner  Daiitelluiig  dben  fbraaleot  Bobloem  Anstridi. 
Ein  Kind  mit  guten  Seelenanlagen  aiais  tlell  hier  vereinsamt  nnd  unglücklich 
fühlen;  die  Mittelmiißigkeit  unterdrilckt  hier  alles  Höhergtehenflo,  dn?  -h  ibr 
nicht  Ireiwillig  leicht  und  rasch  assimilirt.  Unsere  Schule  schaät  nicht  guustie-t? 
Erziehnngsbedingungen,  läest  sich  nicht  von  der  Natur  der  Kinder  leiten,  son- 
dern begnügt  sieb  mit  ihren  ersUrrteo,  todten  Formen.  ¥anrJimal  erwifant 
Doitidewiid  fewiMe  SehaUttea,  aber  nnr  en  paeeant»  eo  daee  lieh  danach 
niebt  ein  lebendigee  JSild  des  Schullebens  zeichnen  lässt.  In  seinem  Tage- 
buch beklagte  sich  Dostojewski,  da.ss  die  Schule  gleiciigültig  sei  gegen  allt' 
höheren  Lebensaufgaben,  nur  praktischen  Interessen  und  niedrigen  Zielen  nach- 
jage, und  dass  die  Lelirer  alle  um-  üehalt  beziehende  Beamte  seien.  Was 
bpecieil  die  GymuasialbUdung  anbelangt,  so  ist  es  für  Dostojewski  unbebireit- 
bare  Thateacbe)  daee  alte  Spiaehoi  nnd  Kafliematlh  die  Onndlage  dee  Lehr- 
Iiiaaee  bilden  mtaen;  aber  daneben  Teriangt  er  gröAera  BerHelcilehtignc  der 
Muttersprache,  sonst  mfisse  auch  die  ganze  sittlich  entwickelnde  Kraft  der 
alten  Sprachen,  dieser  vollendetsten  Formen  des  menschlichen  Gedankens,  die 
schon  einmal  den  ganzen  barbarischen  Westen  zur  höchsten  Stufe  der  fint- 
wickelang  und  Givilisation  emporgehoben  haben,  verloren  gehen.  Zur  Aneig- 
nung der  Hnttenpradie  rtth  er,  viele  Ifanterwerke  der  literatnr,  TOn  der 
Utesten  Zeit  an,  gründlich  darehsnaitelten  and  «adi  aaewendig  nn  lernen. 
Energisdi  epridit  er  sich  gegen  jede  ÜberefloDg  bei  Neuerungen  im 
Schulwesen  aus,  —  ein  t'bel,  das  uns  so  sehr  anhaftet.  Das  classi^che 
.System  habe  bisher  eben  deshalb  nuch  nicht  gute  Früchte  zeitiL^-  ti  können, 
weil  seine  Einführung  tibereilt  war,  wie  bei  uns  alles  plötzlich  geäciueht.  Es 
fehlte  natürlich  an  gut  vorbereiteten  Lehrern,  und  „da  dachte  mau  sich  die 
tachechisoben  Lehrer  aus,  diese  kalten,  theilnahmloeea,  der  Jagend  fetndüchea 
Lente,  die  nicht  mir  nieht  russisch  sprechen  Itonaten,  aonditn  sogar  die 
russische  Sprache  verachteten.  Diese  Lehrer  wurden  selbstverständlich  ge> 
hasst,  verachtet,  verspottet.  Und  sie  verdienten  es,  denn  durch  sie  wurde 
sogar  oft  das  i)atriot!8che  Gefühl  der  Kinder  verletzt,  und  daran  haben  wir 
doch  gewiss  keinen  LberÜmtö*' .  .  .  Hier,  wie  sonst,  linden  wir  l||i  Dostojewski 
nnr  eine  nagatiTe  Dantellnng  dea  Lebeaa,  aber  ivir  meriun  doon,  daie  er  ha> 


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—   779  — 


stimmte  positive  Ideale  hat,  ifii  deaea  alle  seiiie  UrUieUe  beroIieD.  Woxin 
bestehen  nnn  diese  Ideale? 

Die  Eindertypen  Dostojewski's  sind  alle  einigermaßen  idealisirt;  kein 
Kind  ist  alMoliit  tdikelit  imd  Yoteboi;  dflähilb  tteUt  der  SehviftBtdler 
an  die  EnUhfir  idMk  Fordenmgen.  Ast  eimr  Stelle  Mgt  DesfeqjewBld:  ,,Haii 
behauptet,  wir  müssen  die  Kinder  verbeBsem.  Erheben  wir  ans  nicht  &ber 
die  Kinder,  denn  wir  sind  !!flilecht«r  als  sie!  Wenn  wir  sie  etwas  lehren,  nm 
sie  zn  verbessern,  so  1*  i  ik  n  wir  doch  auch  manches  von  ihnen  und  werden 
schon  durch  liire  Berüliraug  besser;  sie  veredeln  unsere  Seele  schun,  indem  sie 
unter  uns  enehdnem.  Mbalb  mtteeen  wir  de  aebten  flbr  Our  engelhaftes 
Wesen,  ihre  Unschuld,  selbst  bei  einer  lasterhaften  Gewohnheit,  wegen  ihrer 
tJnveraatwortlielikalt  nnd  rfihrenden  Schntzlosigkeit.''  —  „Wisst  ihr",  schreibt 
er  weiter,  —  n'^^^  ^'^  lieißt,  ein  Kind  kränken?  Das  Herz  des  Kindes  ist 
voll  unschuldiger,  fa&t  imbewusster  Liebe ;  dieSchläg'e,  welche  man  den  Kindern 
zufdgt,  rufen  Verwunderung  und  Thräuen  hervor,  die  Oott  sieht  und  zählt.  — 
Die  eehleehten  Haadhingen  der  Kinder  sind  lange  nicht  immer  Zdehen  litt- 
Ueher  Verderbthett.  Die  Kinder  tragen  kehie  särald  an  ihren  sehleohten  Qe- 
wVImQngen,  denn  lie  haben  nocli  nicht  so  viel  Verstand,  nm  das  Schlechte  hi 
sich  zn  erkennen,  und  ihr  Wille,  wie  ihr  Gedanke,  unterwirft  sich  leicht 
äußeren  Einflüssen. "  Wie  man  sich  zu  den  Kindern  verhalten  gnll.  zeigt 
Dostoipwski  in  beiiieui  „Idioten".  Fürst  Myschkin  isi  zu  tieii  Jündern  offen, 
erklärt  ihnen  alles,  einfach,  uiuht  heuchlerisch  die  Seiten  der  Dinge  ver- 
bergend, in  denen  die  Brwaehienen  nnr  Qynlielies  sehen  weQen.  ICan  gab 
ihm  hierin  nldit  recht,  aber  es  neigte  sieh  bald,  das»  er  Üintillehlieli  doch  recht 
hatte.  Einem  Kinde,  tagt  der  FBmt  ml\m%  kann  man  allei,  alles  sagen.  Ich 
habe  mich  stets  gewundert,  wie  wenig  die  Erwachsenen  ■ —  di*^-  Kinder,  die 
Eltern  —  ihre  eigenen  Kinder  kennen.  Man  muss  vor  den  Kindern  nichts 
unter  dem  Vorwand  verbergen,  daäs  sie  klein  sind  und  das»  es  für  sie  zu  früh 
ist,  alles  an  wimo.  Ein  trauriger  nnd  nnglUddiidier  Oednnkei  Wie  gnt 
merken  die  Kinder  es,  da«  die  Vftter  ale  lOr  klein  nnd  viTerinndig  halten, 
während  sie  doch  alles  verstehen!  Die  Erwachsenen  wissen  es  nicht,  dass 
Kinder  oft  sogar  in  den  schwierigsten  La^en  des  Lebens  einen  guten  Rath 
geben  können.  —  Die  Kinder  liebten  den  Fürsten  anfänglich  nicht,  wol  nnr 
seines  Äuüeren  wegen.  Als  er  ihnen  aber  einst  das  Unrecht  ihres  Veihaltens 
zu  einem  unglücklichen  Mädchen  klarlegte,  änderten  sie  es  und  wurden  zugleich 
Mine  Frennde.  Er  eelbst  wnrde  dnndk  die  E^nndaehalt  der  Kinder  von  seiner 
HebtncheUe  geheilt  —  Auch  Alesdin  Kanunasow  beg^n  bei  einer  Begegwmg 
mit  Schülern  auf  der  Straße  ohne  absichtliche  List  eme  Unteriialtung  mit 
einer  sachlichen  Bemerkung.  Anders,  sa^^t  Dostojewski,  kf^nn  ein  EnTachsener 
auch  gar  nicht  anfangen,  wenn  er  das  Vertrauen  der  Kinder  gewinnen  will. 
Man  muss  gerade  ernst  nnd  sachlich  anfangen,  als  ob  man  ganz  gleich  mit 
ihnsn.  sd. 

In  seinem  T^geimek  sagt  Dostq^ewsU:  „Snoht  liebe  nnd  sammelt  in  enren 

Herzen  Liebe  an!    Die  Liebe  ist  so  aUmächtig,  dass  sie  auch  uns  verwandelt. 

Nur  durch  Liebe,  nicht  durch  Tin?ere  natürlichen  Rechte  über  sie,  erwerben 
wir  die  Herzen  der  Kinder.  Die  Natur  hilft  uns  hierbei,  da  sie  es  so  ein- 
richtet, dass  man  die  Kinder  lieben  muss.  Wie  sollte  mau  auch  nicht?  Können 
wir  nicht  mehr  die  Kinder  lieben,  wen  können  wir  dann  überhaupt  noch  lieben 


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—   780  — 


and  was  wird  dauu  aus  ami  Der  JBander  w^n  wird  aich  die  Zeit  der  Ver- 
Yollkommiiiiiiff  d«r  MeiifeUMlt  wktoeiL* 

Hieraut  ist  kSir,  wtt  0otm«waki  von  ZMm  ud  Mttteln  der  BnMiiiar 
hllt.  Die  Endehnng  mius  vor  allem  humanitäre  ZweokA  yflrfoilgeii;  deshalb 
mnss  sie  vor  allem  nnä  im  Gan7f>n  darauf  zielen,  im  Kinde  Keime  ^eg  Positiven 
und  Schnnen  anzuleg-t  n,  aus  dt  tun  es  w.'ihreud  des  ipanzen  Lebens  Geistea- 
uahruug  schöpfen  kaxm.  Hierzu  mimen  aber  \  äter  und  Lehrer  selbst  von 
eliMT  UHmno  LebeMMee  begeiaterl  Min.  Ja,  sogar  «Ueiii  der  Glnk«  ao 
aokdie  kann  denBnialMr  n  ciMn  yrttni/MmMatam  Mf  dwKiadtMfililgieB. 
Ohne  sololwii  OcirteHcliati  Milte  aber  kein  Klad  anf  den  Meoawar  pUmm 
werden. 

Eine  große  erziehend  ■  Kraft  sieht  einer  der  Helden  Dosiojewski'ß  im 
Gebet.  Bei  judem  auii  ich  Ligen  Gebet  kommt  dem  Menschen  ein  neues  Gefühl, 
ein  uener  Oedaake,  —  daAalb  iat  daa  Gebet  Bnieluiaf  ...  Daa  Eind  ba- 
daif  dar  Sonne,  der  Frende,  der  Eiadnapiele,  dee  heilen  BeiBpielea,  —  and 
\^'enig8ten8  einen  Tropfen  Liebe  mnaa  es  haben.  „Es  soll  kein  Kinderqnälen 
mehr  geben:  erhebt  eurh  und  prediget  dies!"  Wek)ien  Finflnss  di^  Liebe  hat. 
haben  wir  schon  früher  gesehen.  Schon  ein  freundiiciies  W  on  kann  ein  Kind 
retten,  das  anf  dem  W^e  zum  Verderben  isL  Ohne  Liebe  darf  deshalb 
nienaad  Endeber  waidea,  Dia  Kinder  waehaen  dann  aar  in  nnaeran  Henen 
fest,  wenn  wir  sie  von  fbrer  Gebort  an  nnasChörlich  beobachten,  nns  ihnen  tS^ 
lieh,  ja  stundlich  etwas  mehr  annähern  .  .  .  Die  Liebe  ist  also  das  einzige 
Erziehungsmittel;  der  Stock  ist  ein  Prodnct  der  Faulheit  des  Erziehers.  Alles, 
was  man  durch  Arbeit  und  Liebe,  Verstand,  ErklSmng,  Ermaimung,  Geduld^ 
Beispiel  erreichen  kann,  das  wollen  schwache,  faule,  ungecUüdige  Eraeher  mit 
den  Stock  emieben.  Und  daa  Beoaltat?  Iat  daa  Kind  Ürtiir,  binterlisüf,  m 
wird  es  sich  fugen,  aber  den  Brzieher  betrügen;  der  Stock  veibeoMft  es  also 
nifht.  sonflfrn  verdirbt  es  nur  noch  mehr.  Ein  schwaches,  feiges,  zartes  Kind 
maciit  man  durch  Schläge  willenlos.  Ein  gutes,  offenes,  offenherziges  Kind 
wird  durch  Schläge  verbittert  nnd  dazu  geführt,  dass  es  den  Lelirer  hasst; 
dieaer  Elndetbass  aber  ist  mit  onnat&rlichem  Cynismns  and  dem  VeiiBat  des 
Gereebtigfceilegefilhiee  "vaibnnden. 

Damit  Boll  natüi  li  h  nicht  jede  Strafe  verpönt  sein.  Die  Lehre  aber 
sollen  wir  nü-?  ziehen,  dass  wir  bei  der  Strafe  nie  mich  nur  den  Schein  auf- 
kommen lassen  dürfen,  als  haben  wir  den  Glauben  an  das  Kind,  an  die  Mög- 
lichkeit seinw  Besserung  verloren.  Das  beste  Erzi^ungs-  nnd  Verbeaseronga- 
mittel  aber  ist  die  Arbeit:  sie  fällt  das  Leben  der  Eindw  nttaUeb  aas,  be> 
hindert  die  weitere  freie  EatftJtnag  der  oebleebten  Ndgongea,  nft  In  den 
Kindern  einen  geaandenWetteifer  hervor,  rettet  sie  vor  trübseliger,  apafUiehar 
Stimmung.  Ein  weitrres  Ei  zit  lmng^Nmittel  sieht  Drstojpwski  in  gegenseitigem 
(tericht  der  Kinder  über  ilire  Eehler  und  Vergeiien,  —  eine  Maßregel,  die 
allerdings  nidit  ohne  Gefahr  ist,  weil  dnrch  sie  sehr  leicht  Eigenliebe  und 
Haas  entwlekelt  werden  kann.  Ebenso  aieht  er  in  eine»  anegeeoeht  hMUehea 
Benehmen  (daa  Anreden  ndt  «Ste**  ate.)  eine  kanatUeha  lUtagel,  die  Mian 
deswegen  anch  nicht  in  allen  Fällen  anwendbar  ist.  Andi  in  der  Leetüre  sieht 
T>(istnio\vski  ein  grttes  Mittel  zur  geistigen  Entwickelung  nnd  Erziehnnjr  ^V'as 
die  Kinder  lesen  sollen,  lässt  sich  natfirlich  nicht  immer  nach  luisereii  eigenen 
ästhetischen  Ansichten  bestimmen.    Besonders  günstigen  h^iutluss  üben  die 


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—  781  — 


reinen,  heiligen,  schönen  Bilder  der  biblischen  Getehielite  au,  wenn  Bie  ohne 
weitlänti^es  Moralisircn  niitirethent  werden. 

Und  das  Besultat  aüeü  Gesagten?  Wir  sollen  stet»  uutmerksam  die 
Nitor  dflt  Kind«  ttndinn,  ile  bd  Jedir  Kilnahine  bertekdchUgen,  die  todteii 
Formen  pftdafogieelier  Tlworie  niflht  der  lebendig  Beotmhtting  des  geisttgen 
Wachsthnmes  der  Kinder  Torzieben;  wir  Mülflii  Sorte  tngeiit  dtM  nicht  eines 
dieser  Flein^n  Ärgernis  an  nns  nehme! 

Es  lielkin  sich  auf  (Truiid  dt  -  frofiafrtpn  mit  Leiclitijikeit  nooU  verschiedene 
Sätze  für  die  Unteirichtä-  und  Emeiiuugäpruxifi  in  Fainiiie  und  Schule  auf* 
«teUea;  aber  idi  bin  ibemogt»  da»  dar  denkMida  Leaer  diea  bereite  gethaa  hat 

Chortitza,  Südrasaland.  A.  Neufeld. 


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Ein  Arbeits-  und  Freadeutag.*) 

\'on  K.  Aihei-t. 

Träumerische  Zeit  des  ITerbstei 
Zieht  im  grttnen  Waldgebirge 
Leite  da,  dto  hiffgea  BBhea 
Da  md  dorten  Ivtlf  ftrlmid, 

Alles  mit  dem  zarten  blauen 
Dnft'gen  l^'^lileier  Überziehend. 
Durch  die  Wälder  geht  ein  seltsam 
GeiBterhaftes,  trfibes  Bauschen, 
DiM  die  MemdieMeete  leite» 
Wi«  berttort  vom  Hendi  det  Todes» 
AlUNUigHchwer  zusammenschauert» 
Doch  die  wnndervf.Hpn  Tage, 
Kühl  und  lind  nml  dennoch  sonnigTf 
Wecken  neben  jener  dunkeln 
Sdnraniiitli,  die  lett  Vttorta^en 
Binn  is  uMn  Vcikee  Honen 
Allgewaltig  wach  wird,  ft'ohe 
Lust  am  Leben  und  Genießen. 
Gleich  als  gält  b  ein  letzte«  Freuen 
Vor  dem  Gang  zur  kalten  Gruft. 

Während  draußen  im  QeUrge 
Anf  den  Wiesen  duft'g-es  Gmmmet 
Dorrt  im  milden  Srrtb!  <\pt  Sonne, 
ümprewandt  von  Hinken  Händen, 
Hegt  äich's  rings  auf  allen  Wegen, 
Die  zn  Walthers  Wohnort  fuhren. 
Anf  den  wolgepflegten  Straßen, 
Die  sich  dnrch  die  Tliäler  winden, 
Auf  den  halbverwachs'nen  1 'faden, 
Die  sich  durch  die  Wälder  ziehen, 
Wandern  heut*  die  Schnlmonarehea 
Kit  den  Fnwea  vod  den  KIndeni 
Nadi  dem  lieben  Neuenhain. 
Alle  prangen  in  dem  besten 
Festtag^schmucke,  und  die  Aug-en 
Blicken  sämmtlich  hell  und  freudig 
Bei  den  Jnngen  wie  dem  Alten. 

*)  Adb  der  noch  ungednudtten  DiditiiBg:  .Ldiien  Eide&welUUai",  «iebe 

Paedag.  Jahrg.  XIV,  S.  671  ff. 


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—   783  — 


Manchmal  auch  erschallt  ein  helles 
Jancbzen  aus  der  Kleinen  Munde, 
Draußen  weit  das  Echo  weckend, 
Dmi  ai«  Blteni  doppelt  frShlieh 
In  die  schöne  Gegend  aehaiien. 
Also  kommen  sie  zum  ^Lftmmlein", 
Wo  bereit'?  «l^^r  dicke  Ifrui^knecht 
Harrt,  dif-  (iiiste  zu  begrüben 
Und  zum  kühlen  Saal  zu  führen. 
F^he,  Mle  Angedehter, 
Augen  Toller  Lmt  und  Leben 
Schauen  denen,  die  da  kommen, 
Hent  im  festlich  ansg-esrhmnckten, 
Altvertrantpn  T?anm  entgegen, 
Und  von  aUen  Seiten  grüßen 
liebe,  woIbekAmite  Stimmen. 
«Heim*»  ruft  der  himmeDsnge 
Cantor  Lengebein,  berOehtigt, 
Weil  er  Tahr  nm  Jahre  rasUoi 
In  dem  Waldgebirge  kraxelt, 
„Ueisa,  von  den  Freuden  allen, 
Die  dem  Lehrerstand  erblühen, 
Bldbai  mir  die  liebsten  immer 
Diese  trauten  Conferenzen, 
Die  wir  nnn  seit  langen  Jahren 
Immer  so  gemiithlich  halten, 
Frisch  und  froh,  den  Geist  belebend 
Und  das  manchniui  gar  verstaubte, 
Hüde  Lebrerherz  erfrlMshend! 
Wo  sich  eitle  Efarsacht  breit  macht 
Und  den  weniger  gewandten 
Gegner  streicht  mit  StachelruthMi 
Gift'gen  Witzes,  wo  nur  trocken 
Au  dem  dürren  Knochen  kahler 
Weidkeit  hin  und  her  gezerrt  wird  — 
Da  erbltlhet  nimmer  Segen 
Ans  Vereinigung  und  Wortstreit! 
Soll  der  Streit  doch  nicht  verwunden, 
Nicht  verbittern,  nicht  das  pitrne 
Werte  Ich  mit  Glanz  nnisti  itlilen,  ' 
Sondern  nur  die  eigne  Jlleiuuug 
Dorch  die  anderem  beetftrkeii 
Und,  wenn*B  nOthicr»  auch  Terbevem. 
Wir  in  UBserm  Kreise  wissen 
Nichts  von  federn  Zank  nnd  hohlem 
Flunkern;  einer  ist  dem  andern 
Herzlich  wert,  und  sollte  jemals 
Einer  kommen,  der  da  strebte^ 


—    784  — 


Sti»'it.  and  Zwietracht  zq  eutfächeii, 
t  übrt'  ich  ihn  in  sUller  Stnade 

H5ch8teD  Gipfel,  da«  er  nimmer 

Nimmermehr  herunterkäme!"* 
Alle  hichen  ob  <ier  Drohong, 
Freaea  sich  der  »cbönw  Wort» 
Von  dem  QtHt/t  in  dl6Mn  ICtHk. 

In  'i'Mii  \v.  it  -  II.  grünen  irarten, 
Der  &ICU  hmtcrux  Hufe  dehuet, 
attm  Fnin  iMld  Od  Kind« 
Bei  dem  wtis'cm  htnmm  Hokkit, 
Der  bei  allen  Sommerfremden 
Sil"!!  «Vs  höchsten  Ruhms  erfreat. 
Aul  den  langen  Tafeln  prangen 
Berge  juies  gnteu  Kuchens, 
Den  naa  snr  in  »wril«  Ltne* 
TrUEt  in  iamer  gleicher  Ott«. 
Hei,  wie  frtut  sich  des  die  Jugend, 
UtH  wie  labt  sie,  mm  Ergötzen 
Dt  1     haglich  mndeu  \Virtia, 
Sich  ao  der  beliebten  Speise, 
Dtti  die  mttar  «elurea  nlMOil 
Dnrdi  die  kfihlen  LanheDgiage 
Schwirret  emsie'f*''  n  epiander 
V«>n  dpn  Freuden  und  den  SurgeUi 
Die  ein  Frauenherz  bewegen. 
Nirgends  stechen  Uee  Bücke, 
Nifseodi  bohreft  gift'ge  Worte 
SHoh  verwviideiid  in  ein  Hers. 

DriaiMii     den  Seele  haben 

Sich  die  Mftnner  all'  gesammelt, 
Um  der  Arbeit,  die  des  Lehren 
Leben  fiillt.  in  hoher  Treue 
Erst  ihr  heilig:  Recht  zu  gönnen 
Uud  die  Freude,  die  dann  sp&ter 
Felfen  eell,  dordi  eie  an  adela. 
Walther,  den  naa  anserkorea, 
Leitend  Ordnung  zu  erhalten. 
Heißt  mit  warmem  Gruß  willkommen, 
Wünscht  der  Arbeit  froh  Gedeih'n. 
Zwar,  so  meint  er,  was  so  manche 
Stola  behaapten,  daae  aiaa  beeeer, 
Schneller  und  auch  nmlSuignioher 
Seines  Wissens  Schatz  vermehre. 
Wenn  man  in  der  stillrn  Klanse 
Hinter  seinen  Büchern  hocke, 


—    786  — 


Sei  nicht  völlig  unbegründet. 
Alwr  reteher  Scfeii  qiuUe 
Domock  AVA  yereintem  Streben, 

Wenn  man  nur  im  rechten  CMtle 
Sich  ans  hohe  Werk  bpp-obe. 
Manches  traute  Band  der  Freundschaft 
Schließe  man  in  solchen  Stundeiii 
t^d  die  tAm  gftaXtptm  Baute 
WIMem  wieder  neu  fefeetigt. 
Einer  wirke  anf  des  endern 
Fühlen,  Wollen,  Wirken  ein. 
Freundiic!}  lernr  man  sich  dulden, 
Auch  wo  nuiu  veiächieden  denke. 
Zögelnd  nnd  am  rechten  Platze 
Doch  aiieh  iponieiid  irirke  loklie 
Arbeit  in  dem  giMem  Ereis, 
Der  den  einzelnen  zum  Gllede 
Eines  frroßen  Ganzen  machei, 
Ihm  Creiegeiiheit  verschaffe, 
Sich  und  seine  Lebrerarheit 
Hit  den  andeni,  ihrem  Wirken 
Sorgeam  prüftad,  n  Terglelekeo. 
Was  ein  echtes,  rechtes  Stnbea 
In  Gemeni^j  'haft  so  gewähre, 
Könne  man  daheim  im  stillen, 
Engen  Kreise  nimmer  üuden. 
Dort  Tergleiche  sich  der  Lehrer 
Tag  für  Tag  mit  solchen  Wesen, 
Die  au  Bildung  weit  in  dankler 
Tiefe  unter  ihm  verharrteu. 
Die  ff  mit  unendlich  großer 
Muhe  erst  emporzuheben 
Sich  bestrebe.  Leicht  erwecke 
Solch  Vergleichen  falsche  Scbfttziing. 
Doch  mit  denen,  die  am  gleichen 
Werke  rfistlg  schaffend  streben, 
In  den  Wettbewerb  zu  treten  — 
Das  erzeufre  jene  Demuth, 
Die  den  rechten  Manu  so  ziert. 
Was  die  Stunden  solohes  frohen, 
Hendlchen  Zneammenflndens 
Weihe  nnd  unsch&tsbar  nacihey 
Sei  die  freudi^re  Erreg-nnc-. 
Sei  die  köstliche  Begreistrung, 
Die  das  Streben  neu  beseelen 
Und  im  Grau  des  Alltagslebens 
Wirken  wie  im  nebebreichen 
Herbste  lostig  Sonneiilioht. 


—   786  — 


Alle,  die  da  eifrig  lauschen, 
Zollen  wolverdienten  Beifall. 
Dann  ergreift  der  redesiclire, 
Vielgew.iüdte,  vielerfahrue, 
Schou  ergraute  Vater  Edling 
Friieh  das  Wort  und  iprieht  Uanttmd 
Von  des  Lehramts  hoher  Würde 
Und  von  seinen  vielen  Freuden. 
Manchem  Hörer  wird  es  seltsam 
Bei  der  bilderreichen,  warmen, 
Von  der  innigsten  Begeistrong 
EingegebM  Bed»;  MImt 
Heben  dck  dto  HiKplw,  Mint 
Lencliten  alle  Augen,  schlagen 
Alle  Herten.  Jener  trfibe 
Wust  und  jene  kleinen  Leiden 
Ohne  Zahl,  dl«  Mkwm  SehftttHi 
In  dat  LdmrtobMi  mffMit 
Sie  versinken  vor  der  Fülle 
Goldnen  Lichtes,  das  der  Redner 
"Wie  ein  zauberkund'ger  Schf!r 
Um  des  Lehrers  Wirken  webt. 
Dft  «r  «idflt  Mit  din  Wuisdie» 
Keiner  mOge  tkh  TerMUem, 
Noch  den  Muth  ertödten  lasden, 
Sondern  in  des  Zagrens  Stunden 
Immer  an  ds«  viele  Schiene, 
Das  er  Ta^  iur  Tag  eilebe 
Und  nit  trauoi  Sin  enehaib^ 
Denkaiii  neii  lUh  «i  bekbea,  ^ 
Da  erdröhnet  Iwoter  Znmf, 
Und  gar  mancher  difickt  dem  Sfunoher 
Tiefgeröhrt  die  Freundeshand. 

Solche  Worte  Iftsst  man  immer 
Nadi  erprobtem,  gtitem  Grondsats 

Ohne  Hin-  und  Widerreden 
In  den  Herzen  still  verklingen  — 
Sicher,  dass  sie  als  ein' sanftes 
Echo  noch  nach  vielen  Tagen 
Dnrch  die  Seelen  maluieiid  leben. 
Kurze  Rast  —  daan  kommt  der  biedxe 
„Oberflrster"  an  die  Reiiie, 
Jener  Hüne,  hoch  an  Wüchse, 
Breit  an  Schultern,  voUbebartet, 
Der  so  gern  im  grOaeii  Walde 
Auf  dee  WUdee  Flhrte  atrelfet. 
Ist  er  gleich  in  Jeder  fMen 


787  --^ 


Stunde  draofiwi,  eifrig  ^ȟread 
Mit  der  Flinte  und  dem  Hunde, 
Weiß  doch  jedermann  in  weiter 
Rande,  dass  iu  seiner  Schule 
Alles  ist  in  bester  ürdnuug. 
Er  erwiblte  lioh  mm  Vortng 
Ein  Gebiet  der  goldnon  Praiii; 
Von  der  Mattersprache  spricht  er, 
Von  der  Kunet,  sie  recht  zn  lelurea; 
Hält  Kodann  mit  Nenenhainer 
Kinderu  eiue  woldurckdacUte 
LeeÜon.  Altdaiui  begiaufe  man, 
Was  in  Theorie  und  Praxis 
VorgefBhrt.  nach  allen  Seiten 
Klar  und  gründlidi  zu  beleueiiten. 
Otters  stößt  des  einen  Meinung 
Mit  der  Ansicht  eines  uiderp 
Wol  nsamiiMB;  aber  nieaeb 
Kränkt  man  sich  mit  scharftn  Worten, 
Heizt  man  sich  durch  Eiteliceiii 
Und  80  lernt  denn  jeder  etwas: 
Der,  dass  ihm  noch  vieles  fehle» 
Jener,  deae  er  wol  mf  xttlbttm 
Wege  sdireite»  oder  mudieB 
Anders,  klüger  machen  mteor 
Um  sein  Ziel  mit  raschen,  richem 
Schritten  besser  zu  erreichen. 
Dann,  nachdem  dem  ij^ast  gebureud 
Ward  gebsUtgt»  tritt  der  Frobeliui 
Audi  tne  mlTcrdleBte  Beeht. 

Dranßen  hebt  sich  frohes  Leben, 
Da  die  Männer  aus  dem  S;uiie 
In  den  duft'geu  Garten  treten. 
liimafg  treiben  rieh  die  Tfiühmn» 
Spielend  Ben  im  weiebea  Onee, 
Knfend,  lachend,  ^'cherzend,  neckend. 
In  die  Schar  der  Männer  stellet 
Sich  der    nberforster"  fragend. 
Wer  beim  lost'^eu  Kegelbclueben 
Wecker  mitznthnn  gedeeke. 
Viele  finden  sich,  und  polternd 
Bollen  gleich  danach  die  Engeln, 
Prasselnd  fällt  die  Schar  «Vr  Kegel. 
Oftmals  &cliüttert  froh  Gelüciiter 
Aas  der  Kegelstabe  Thttre. 
Und  flrwnbr,  Bin  Laeben  iet  oa, 
Waa  daa  Aage  dort  eiachnitl 


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—  788 


Jeder  treibt  die  Kunst  auf  seine 

Eigne  Art  «If^r  eine  ernsthaft 

Und  mit  sioizer  iierrenmiene, 

Gleich  als  mossten  uch  die  K^el 

Sehen  vor  lefaiM  BUckea  kf«B. 

Jener  Dicke  setzt  sich  nieder, 

Wenn  die  Knpel  aus  der  Haad  nUt, 

Re^eli-echt  zur  tiefen  Hocke, 

Schaat  dann  loit  verschränkten  Armen 

Gar  erwartttDfsvdl,  wa#  seine 

Haodgnuwto  uitifte. 

Dieser  bie^  sich  hin  und  wieder. 

Eifrig-  mit  den  .Armen  lenkend 

Und  vpr7\vpiff'hi!l :  „Kehrt  enohl*'  maobendf 

\Veun  1:  orloua  boäh&i't  war. 

J«Mr  bacott  Goilofa^ 

Dar  lüiiKiiCar  SduBaOiaM  giilalirialiti 

Lenkt  mit  seinem  Unken  Beine, 

Wie  der  Tllnzer  aof  dem  Seile 

Wiegend  sich  zu  halten  sncht. 

Wieder  andre  kraii'n  sich  ängpstlich 

Hinterm  Obre,  spiüi*B  mit  laafsm 

Halse  wie  nadi  Basb  dar  Gaier. 

Kara,  es  ist  ein  wonderlMurei, 

Ufgemftthlicb-laat'gea 

Jtitzo  Halt!  Die  Männer  treten 
DraaBeo  In  der  gritaieii  Halle 
Zorn  bekannten  Kreis  zosammoi. 
Statt  des  Taktstocks  schwinget  BdUaip 

In  der  Hand  ein  Eichenstäblein, 
Als  Symbol  des  deutschen  Sanges. 
Lud  uuu  klingen  einst  und  heiter 
Altrertrante,  neue  Walmi. 
Laitttloa  lanscht  die  Schar  der  Klndari 
Lantlos  auch  die  Schar  der  Frauen. 
Leise  schleichen  sirli  die  weil'gea 
Badegäste,  die  dsiü  liebe 
Nenenhain  noch  nicht  verlassen, 
Aach  bcna  «od  frea'n  alcib  iaidflr 
Über  solchen  vollen,  kräftigen, 
Wolgeschulten  Männerchor. 
Jubelnd  klatschet  alles  Beifall, 
Wenn  ein  neues  Lied  geendet. 
Denn  die  Freude  au  der  edeln 
Hailea  ist  tief  gewonelt 
In  den  dentadien  Lehrerbann, 
In  den  Hearsea  aller  derer, 


—   789  — 


Die  dem  Lehrer  uahe  steh  u. 

Wieder  toUt  die  Sdiar  der  KleineD, 
Wieder  plaudern  froh  die  Fraoeii, 
Wieder  freuen  sich  die  Männer 
Bei  dem  lust'gen  Kc^relscliiebeo, 
Laben  sich  am  Gerstensaft«, 
Den  der  Wirt  zmii  „weißen  Lämmlein" 
Ffthrt  in  ganz  beeondrer  Gtte, 
Sclmiaiioiieiid  frOhlich  Plfeherkrant 
Aber  Edling  klopft  —  und  stflle 
"Wird  es  in  der  frohen  Runde. 
Vom  geliebten,  harnilos-liist'je:eü 
Spiele  reißen  &icU  die  Mänuer 
Los  nnd  ordnen  sich  von  neaem 
Zum  Geeaog  «m  ihren  Leiter. 
So  verfließen  froh  die  Stunden, 
Lampen  leuchten  schon  im  Grünen, 
Wo  bei  schlichtem  ImblBs  allee 
Froh  vereint  zosaaunen  sitet» 

ICaneher  Vateri  mandie  Hntter 
Denket  sorKend  sdion  dee  HeimwegSi 

Denn  die  Nacht  ist  kühl,  nnd  mefgeo 

Hanl  ein  arbeitreiclier  Tag. 

Doch  die  Jngend  drückt        drückt  sich, 

Meint,  es  sei  noch  alizun  uiic, 

Und  der  Heimweg-  -werde  sicher 

Wenig  Schwierigkeit  bereiten, 

Denn  der  Mond,  der  liebe  ALt%, 

Sende  Tageshelligkeit. 

Ileinilich  sieht  mau  da  und  dorten 

Wol  auch  zwei  zusammen  flüstern, 

Und  mit  einemmal  erhebt  sich 

Drinnen  in  den  groBen  Saale 

Lnetigee  GetSn.  Die  Fiedel 

Singt  bestrickend,  und  mit  vollen, 

Kräftigen  TTnvTnonien  locket 

Sie  b«gleitt'ü(i  das  Ciavier. 

Hei,  wie  wirkt  des  Wakei«  weiche 

Weise,  rhythmisdli  «if  nnd  nieder 

Wogend,  auf  die  jungen  fienenl 

Was  noch  steht  im  Jugendlenze, 

Sell.st  das  eben  erst  der  Schulbank 

Froh  entschlüpfte  Küchlein,  eilet 

Flink  zum  Tauze,  and  die  Alten 

Müssen's  wol  geadiehm  leaeen. 

Xanelier  Jtlne^ing,  numdiee  H&gdlein 

Dreht  aich  noch  ein  wenig  drollig, 


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—   790  — 


Tlnt  noeh  windarlidie  Sprttnge, 
Eaim  d«n  reehtea  Tftkt  nlehl  flndsii. 
Doch  was  thut's?    Es  lacht  Ja  mentBl, 

Und  sio  '^in'l  «jo  froh,  so  glticklioh, 
Üben  sie  du-  Kunst  des  Tanzes 
Gleich  recht  weuig  nach  der  Regel, 
Die  man  Itnut  im  Salon. 
Aldi  dlt  Alten  mftdm  nntliig» 
Schwingen  wacker  sich  im  Reigen, 
Uiiil  s:'Av  mancher,  dom  der  Winter 
Fliicken  schon  autu  Haupt  gestreuet, 
Tbut  eti  froh  deu  Jüngsten  gl^ctu 
ünermfldlieli,  nnenftttUeli 
Ist  die  Jngend  bei  dem  Tanze. 
Enden  soll  die  Lost.  «Ii  bettelt's 
Rinprsnm  par  so  lieiß-beweglicli: 
,.Nur  uoch  eiiieu  einz'gen  Walzer!* 
Wer  vermöchte  da  mit  kalten 
Worten  otrenff  sb  widentehen? 
Lange,  lange  ist's  vom  lotsten 
Tanzt'  Lis  zum  allprlftzti^n. 
Aber  einmAl  kommt  er  doch. 

Friedliflii  Uchelnd  steht  des  Mondes 
Ooldne  Scheibe  boeh  am  Himmelt 

"Da  znm  Aufbruch  alles  rüstet. 
H.  rzlich  ist  der  Abschied;  freudig 
Klinp:!  es  nochmals  von  den  Lippen: 
„Ueutts  war  es  wieder  herrlich, 
Wie  so  viele  Male  sehonl* 
Und  gar  maoehea  If&gdleins  Uppe 
Bittet  Walthem  zärtlich  schmeichelnd: 
„Bitte,  halten  Sie  doch  baldigst 
Wieder  solche  Conferenz!" 
Noch  ein  letzter  Gruß,  dann  geht  es 
Auf  Tenchiednen  Wegen  heimivtrta. 
Friedlich  ist  die  Wandrang,  scfarioket 
Gleich  80  maaehes  MMgdlein  plOtiiicli 
Bang  zusammen,  wenn  der  Bet^hirsch 
Donnernd  brüllt  vom  Felsen  nieder, 
Oder  wenn  der  Waidkauz  kläglich 
Wimmert  in  der  Qipftl  DonksL 
Lange,  lange  malt  IMnnrong 
Immer  wieder  vor  die  Seele, 
Was  der  schone  Tag  gebracht, 
Und  im  Traum  der  stillen  Nächte 
Taucht,  was  man  so  froh  durchlebte. 
Oft  noch  Hinnbestriokend  an£ 


Pftdagogüieke  Buidseliaii. 

DentsehUnd.  Dan  der  nunrallsefae  VerfkU  bedeakUehe  Bimeniioneii 
annimmt  und  gerade  an  sehr  geflihriichen  Stellen  sieh  fteteetet,  wird  nonmehr 

selbst  von  sehr  vorsichtigen  Beobachtern  offen  ausgesjjrocheii.  So  berichtet  die 
„N.  Fr.  Fr.":  „An  der  Berliner  Universität  hat  Professor  Dr.  .Sclnnollpr 
jüngst  sein  CoUeg  über  Nationalökonomie  mit  einer  au  die  Studenten  ge- 
richteten Ansprache  geschlossen,  die  in  akadüuiischeu  Kreisen  Aufsehen  erregte. 
Professor  Scbmoller  sprach  sich  gegen  das  übliche  Leben  and  Treiben  der 
HehraaM  der  Studenten  an  den  denteehen  üniTersitfttea  am,  indem  er,  an  die 
ünidtte  des  Schwänzens  der  CoUegien  anknüpfend,  fortftihr: 

,,Wa8  mich  schmerzt,  ist  die  Thatsache,  dass  so  viele  Stndirende  zwei 
bis  drei  Jahre  überhaupt  nichts  thiin,  nichts  lernen,  n)^  Rnmmpln 
und  Faulenzen.  Ich  habe  auch  ^iir  nichts  dagegen,  dass  die  Jugend  sich 
elQiual  aastobe,  einige  Tollheiten  mache.  Aber  zwei  bis  drei  Jahre  in 
eontinno  nichts  tliun»  das  wird  sonst  In  der  ganzen  Welt  keinem 
Erwachsenen  gestattet,  das  Icommt  in  kefaier  anderen  Oanidre  vor;  das 
hat  in  keinem  Erziehnngssystem  der  Welt  sonst  einen  Platz.  Wer  zwei  bis 
drei  Jahre  nnr  faulenzt,  Frühschoppen  trinkt,  Oomment  lernt,  sich  einem 
trägen  Genussleben  erg-ibt,  der  mnss  körperlich  und  geistig  zu  Grunde 
gehen.  Aus  dem  kann  nui-  ausnahmsweise  später  etwas  werden.  Nun  kann 
man  sagen,  es  sind  ja  nnr  einige!  Und  gottlob!  giht  es  viele  bessere  Elemente. 
Aber  der  Peroentsats  der  Fanlenser  ist  doch  sn  groft.  Er  macht  mir 
Kanuner,  nicht  wegen  meiner,  sondern  well  ich  an  die  Znknnft  denke,  weil 
ich  mich  frage,  oh  unser  Beamten  st  and  den  großen,  schweren  Anfgahen  ge- 
wachsen sein  wird,  f'j  nen  wir  entgegpngehpu .  ob  er  überhaupt  in  Charakter, 
Bildung  und  Wissen  nicht  zurückg-eht.  Vnd  für  diese  Fragen  ist  das  Ent- 
scheidende, was  der  Student  auf  der  Universität  gettiebeu  und  gelernt  hat. 
Wir  dllifbn  nicht  so  yiele  Referendare,  AasessoreD,  Bichter,  Landrftthe  und 
Geheime  Bftthe  haben,  die  nichts  anf  der  Universität  gelernt  Iiaben,  als  die 
Äußerlichkeiten  nnd  Genüsse  des  Stndentenlebens.  Unsere  besitzenden 
und  gebildeten  Hassen  sägen  den  Ast  ab.  auf  dem  sie  sitzen,  wenn  sie  einem 
Drittel  ihrer  Söhne  Derartiges  gestatten.  Die  Zukunft  des  Vateilandes  macht 
mir  Sorge.  Unter  den  Fehlem  aristokratischer  Gesellschaf  tsclasseu  stehen  die 
frivolen  Anssebzeitnngen  der  heranwachsenden  Oeneratlcn,  die  voIlendB  in 
materiaUstisdier  Zeit  nor  genlefien,  patent  nnd  schneidig  anftreten  nnd  nichts 
arbeiten  will,  in  erster  Linie.  Nichts  erbittert  mehr  als  solches  Treiben.  Oft 
hat  CS  in  der  Geschichte  den  Aulass  zu  Umwälzungen  gegeben.  Nicht 
also  um  tlie  harmlose  Frage,  ob  der  Student  einmal  mehr  oder  weniger  schwänze, 
handelt  es  sich,  sondern  um  das  geistige  nnd  sittliche  Niveau  anserer 

68* 


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^   792  — 


Beamten,  unserer  Lehrer,  unserer  führendeu  Kreise  überhaupt,  um  die 
Zukunft  dM  preitfliidieii  imd  dAntMhai  Stutea.  ünd  mO.  mk  dJ»  an  Htnet 
liegt,  habe  kh  mir  ^«stattet,  Ihnen  fegttillber  am  SeUuM  mein  Herz  an- 

Nicht  raintier  trübe  BcTrachtnnpen  über  li>'iitipfp  ?!Ittenza8tiinde  in  Deutsch- 
land maolitp  unlängst  ein  anderer  hochberühniter  l'rf'fesyor  dt-r  Berliner  üni- 
versität,  i  iieudür  Alouioibeu.  Ein  Überblick  über  das  Treiben  der  politischen 
Parteian  flUurte  ihn  an  dem  Ergebnis,  „data  aa  tbel  um  aaser  Vatarland 
baatellt  Ist,  fibler  yielleieht  als  seit  Measehengedenken.*  —  Solche 
Stimmen  sollten  doch  endlich  eine  ernste  WQrdigimf  finden  I 


T.  Internationaler  Sainariter-Cotigress  In  "Wien.  Da^;  hoch- 
achtungäVi/ll  uuterzeichuet«  Präsidium  beehrt  Bich  hiermit  die  ilittheüung  zu 
machen,  dasa  dia  Abbaltoog  des  L  Üntematfonalen  SamariCer'CongreBsca  in 
Wien,  mit  Rücksiebt  aaf  die  unsichere  sanitira  Lage  Eniopap,  bis  xom  Jahre 
1894  versclicben  wtirde.  Wien,  9.  Aognst  1893.  Ffir  daa  Fkisidhm: 
Dr.  Theodor  Biilroth. 

(Da  uns  diese  Mittheilung  erst  am  13.  Augn^t  zugegangen  ist,  konnten 
wir  sie  leider  nicht  rechtzeitig  veröffentlichen.    D.  E.) 

Ans  dem  Großherzogthnm  Hessen.  In  unserem  Großherzogthnm 
ist  gegenwärtig  die  Schulfrage  wiederum,  ^vte  in  den  TOer  Jahren,  in  den 
Mittelpnnkt  des  öffentlichen  Intmsi-es  getreten.  Nicht  nur.  dass  man  ^uh 
allenthalben  bemiiht  zeigt,  die  verschiedenen  Schulanstal teu  auf  der  Hühe  der 
Zeit  zn  halten  und,  wo  es  noththut  Verbesserungen  zu  schaffen,  auch  die 
spedell  den  Lebrerstand  berUbrenden  VearliUtaisae  erwecken  gegenwlrtig 
die  Anflaarksaaikelt  weitester  Kreise.  Mit  Genng-tlmung-  können  wfe  dabd 
constatiren,  dass  \,A  den  verschiedenen  in  Fluss  befnidliehen  Fragen  anrh  d^r 
hessische  Lehreretand  sich  bemfiht  zeigt,  mitzored^  and  gestaltend  in  die 
Angelegenheiten  einzugreifen. 

In  dem  Brennponkte  dar  Diacassion  dca  Tages  steht  ohne  Zweifel  die  Be- 
aeldangsfrair«-  I^u  Besoldnogsgesata,  daa  gegenwlrclg-  sa  Beeht  besteht, 
datirt  vom  23.  Juli  181K).  Nach  demselben  bezieht  jeder  Lehrer  (nidit  be» 
rücksichtigt  sind  die  in  den  Stftdtea  mit  mehr  als  lOOüO  Seelen  amtireadsa 
Lehrpersonenj 

nach   öjahnger  Dienstzeit  einen  Gehalt  von  1000  Mark 

»     »V      ff  »»  It  M       n  im 

»»    15      »  n  n  »»       »  1260 

»   20    w  „       „        »     »  „ 

..    25     ..  „        ,   1600  „ 

Obschon  es  von  allen  het>hischen  Volksschuiiehrern  mit  Freuden  bep^rüüt  \vni  rlt  . 
dass  dnrdi  dims  neue  Dotationsgesetz  eine  finanzielle  Besseiuug  gegen  triiher 
geschsffltoB  wnrde,  so  zeigte  aidi  doch  bald,  dass  die  geplante  generelle 
GehaHsanfbesserong  dvtcli  dasselbe  nieht  verwirklidit  wnrde.  Dies  waris 
namentlich  auch  l^i  der  am  25.  Angnst  1892  zu  Friedberg  stattgehabten 
Generalversammlung  des  „Hessischen  Landesleliiervereins"  eingehend  be- 
gründet. Das  Repnltat  der  vielfachen  Berathmigen  und  Besprechnng-en  war, 
dsm  von  dem  Vorstande  deü  genannten  Vereines  eine  Petition  mit  einer  20 


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793  - 


Seiten  starken  „Denkschrift",  in  welcher  über  die  zur  Zeit  bestehenden  Sdiol» 
nnd  IidirarnrhiltnlaBe  dei  QToSherzogthanu  Betrachtnngdii  ang^ettellt  aind,  ss 
die  Begi^nmgr  vnd  die  IL  Kaiurar  der  StSade  tAfsing.   Die  BMtrelwBgea 

gehen  dahin:  Der  Anfangsg^ehalt  jedes  definitiv  ano:est*  Ilten  Lehrers  ist 
1200  M.  und  steigt  \->m  n  zu  5  Jahren  nm  200  M.,  so  das»  der  Maximal- 
gehalt  nach  25  Jahren  22' Kl  M.  betriig-t.  Jeder  Schul  Verwalter  bezieht  9<)'>M. 
vor  und  1000  M.  nach  dem  Staatsexamen,  nach  drei  Jahren  tritt  derselbe 
in  die  Bedite  efnei  deAnitiT  angestellten  Lebren.  Die  Wohnnngtenteohädigung 
irird  mit  SOO  U.  Itersehnel  Die  Viearlatssteneii  sind  M&oliebeB.  Artikel  60 
des  Sehnlgesetzes  (in  ihm  vird  es  dem  Lehrer  zur  Pflicht  gemacht,  den 
Organistendienst  der  betr.  Keligfionsg-cmeinschafl  zu  übernehmeu)  ist  zu  streichen. 
Für  den  Organistendienst  wird  150  M.  für  einmaligen  Dienst  und  250  M.  für 
zweimaligen  Dienst  an  Sonntagen  festgesetzt:  für  Lectorendienst  wird  2  M. 
vergrütet.  Leider  wnrde  diese  Petition  aas  rein  äußeren  Gründen  (derSchluss 
der  Leglsiatarpeiiode  stand  anmittelbar  bevor)  znr&ek|restellt.  Wie  Jedooli 
nunmehr  besehlesMn  wurde,  wird  bei  dem  nftdisten  Landtage  die  Eingabe  ein* 
febracht  werden,  nnd  der  ganze  hessische  Yolksschnllehrerstand  gibt  sich  der 
Hoffnnni^  hin.  dass  alsdann  seine  wolberechti^ten  Wünsche  endlich  einmal 
Berücksichtii^ung:  finden.  — 

Von  weitereu,  den  Lehrerstand  als  solchen  speuiell  berührenden  Inter* 
esssn  Ist  aameatUch  in  neuerer  Zelt  die  Frage  der  AnsMldnnff  der  Yelks- 
sehnllehrerlnnen  Gegenstand  lebhafter  Discnsston  geworden,  nnd  in  der 
That  ist  die  Art  nnd  Weise,  wie  diese  Aasbildnng  zur  Zeit  geschieht,  ein 
wunder  Pnnkt  tinserer  Schnlgesetzj^ehnng'.  Trotzd« m  nilmlich  seit  1874 
weibliche  Lehrkräfte  an  den  Volksschulen  N'erwendung  finden,  bestellt  bis 
heute  noch  keine  Anstalt,  die  die  jungen  Mädchen  zum  Lehrberufe  vor- 
bereitet! Viehnehr  mflssen  die Aqdraatinnen  sich  privatim  fUr  ihren  späteren 
Btfnf  YoriMselten  ond  ilire  Frttihng'  spftter  an  dnem  Lehrerseminar  ablegM. 
Bsss  hierdnreb  in  der  That,  wie  schon  üfters  betont  wurde,  ein  „nach  i^l eich- 
mäßigen pädagogischen  Principien  geschultes  Lehrerinnenmaterial"  („Material'*, 
welch  schönes  Wort!)  nicht  erzielt  werden  kann,  lie^t  auf  der  Hand.  He- 
rechtes  Befremden  hat  nun  mit  Recht  der  Vorschlag  des  seitherigen  Directory 
des  Lehrerinnenseminurs  für  das  höhere  SchulCach,  des  Herrn  Dr.  Wulkow 
<n  Darmstadt,  geflinden.  Dmr  Vorschlaff  des  genannten  Herrn  geht  sRmlieh 
daUn,  „die  Uftdehen-Mittdachnle  an  Dannstadt  dnreh  Hinznfüganflr  einer  Sdeoten- 
dasse  mit  zweijährigem  Cursus-  zu  einer  Bildungsanstalt  fflr  Volksschullehre> 
rinnen  n m zu ?e stalten.  Dass  in  diesem  Reformvorschlaor  —  gelinde  gesagt  — 
keine  hohe  Schätzung  des  Lehrerstandes  liegt,  ist  einleuchtend.  Denn  die 
genannte  „Mädchen-Mittelschule"  der  Residenz  entlässt  ihre  Schillerinnen  mit 
dem  14.  Lebensjahre,  ihre  Lehrziele  gehen  kaum  Aber  diejenigen  einer  mehr* 
Massigen  Vollnsehnle  hinans^  Diese  Mldehen  sollen  nun  swel  Jahie  spiter 
befähigt  sein,  eine  Stelle  als  Lehrerin  zu  beUeiden!  Wie  wir  hören,  denkt 
auch  das  hessische  Schulministerinni  nicht  daran,  die  Wnlkow'sehen  Beform- 
pläne  zur  Verwirklichunfj:  zu  brinjj-en. 

Dass  der  Lehrerstand  auch  hierzalaude  nicht  die  Achtung  genießt,  die 
er  verdient,  merkte  man  so  recht  deutlich  jüngst  bei  mehreren  Ordens* 
Terle'ihnn  gen.  Hehrere  -verdiente  nnd  über  60  Jahre  amtireode  Lehrer  worden 
mit  dem  ,,allgemeinen  Bbrenieiehen*  bedacht,  wttfarend,  wie  ans  derselben 


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I 


—   794  — 

Hauer  des  «BegiennigslilattM''  si  eneban  wir,  iHn.  Amtsgeriolitsdieiter 

den  ttVerdi^storden  Philipps  des  Grofimfithig^n"  verlieben  bekam.  Dtm 
mehrcrp  (Wf^f^r  Volksschullelirer  in  Anljetracht  dieser  Thatgachn  die  ilinen  zn- 
gedachieii  Oiüen  ablehnteu,  kann  man  ihnen  sicherlich  nicht  übel  uelimen! 

Auch  die  Verordnung,  nach  welcher  es  deu  Lehrern  nur  d&oii  gestattet 
Mia  nU)  auf  die  Jag^  n  geben,  iram  Ibra  Letotangen  in  Um  Sobiile  gnt  und 
ibn  FsmiUeaverbUtsiBM  geordoete  sbid,  erregte  mit  Recht  schon  vieteB  Spott 
und  eine  abf&llige  BenrtheQung.  „Alle  Hasen  in  Hessen-Dannstadt  zittern, 
wenn  eine  Scbulvisitation  gut  ansfKllt",  mit  diesen  "Worten  haltet  die  „Frank- 
ftirter  Latern"  ihren  Bericht  über  diese  Angelegenheit  ein.  Dass  der  Lehrer 
dem  theuren  Weidmauiüt vergnügen  nicht  allzusehi-  nachgeht,  daran  iimaeiu 
flui  OMb  nnaerer  Anrieht  obnediet  sdne  pecuMren  VerhUtnfiBe. 

Nach  diesen  wenig  erbaulichen  Bildern  möge  auch  «tms  Erfreuliches 
mitgetheilt  werden.  Es  betrifft  dies  nHinlich  das  Vereins wesen  der  hessi- 
schen \'ülks8f!jr,]lphror.  Die  „Ludwig-  und  Alicestiftnng"  fSterbccasse  für 
hessische  \'ojks£cuullehrer  nnd  Unterstüt^uugsca^yäe  für  bedürftige  Leluer»- 
witwen  nnd  -Waisen)  zählt  zur  Zeit  1922  Mitglieder.  Die  einmalige  Sterberate 
beMvt  180  H.»  dM  Stlftnagsoaiiital  182982,25  M.  An  Untentitgnuigm 
worden  im  abgelaufenen  Becbnmigsjahre  in  102  Fällen  4000  M.  verausgabt. 
Einer  besonderen  Blüte  erfreuet  sich  der  „Hessische  Landeslehrer  verein".  Der- 
selbe verfügt  gegen v-ürri-j  ühvr  cino  Mitgliederzahl  von  2527  hessischen 
Lehrern,  die  102  Bezirks  vereine  bilden;  somit  umiasst  der  Verein  mehr  als 

aller  Yolksschullehrer  des  Grofiherzogthums.  Im  Sommei'  d.  Js.  feiert 
der  gennantfl^  1868  gegrüiidete  LelireiTerein  das  Fest  aetnce  25  jttrigeo  Be- 
stehens, aas  weSdiem  Anlass  die  diesjährige  General  versammlang,  mit  der 
besondere  Festlichkeiten  verbunden  sein  werden,  in  dem  Geburtsorte  des  Ver- 
eins, in  Darmstndt  tagen  wird.  Möge  auch  knnftigbin  das  so  widitige 
Yereinfileben  der  Lehrer  blühen  und  gedeihen,  dem  Einzelnen  zur  Anregung 
aad  F9rd«ning,  der  Qeaanuntbeit  aar  Ehre  und  zum  Nntaen. 

Leider  maaa  teh  dieeen  Beilobt  mit  der  MittbeUnng  eeblieSent  daae  der 
OrOnder  und  Förderer  des  hessischen  Landeslehrer  Vereins,  Johann  Sclmitt, 
der  auch  die  Redaction  des  „Schulboten  für  Hessen'*  bis  in  die  letzten  Tage 
mit  rühmlicher  'JYeue  und  Energie  gefblirt  hat,  am  6.  August  im  79.  Lebens- 
jahre verschieden  ist  —  zum  tiefsten  Leidwesen  der  hessischen  Lehrerschatt. 


Ana  Ungarn.  HJemiit  nehme  ich  mir  die  IMhelt,  fttier  die  nemrai 
Geschehnime  anf  dem  QeUete  dea  üntarriefateweeena  ntfiin«a  VaMandaa  in 

berichten. 

In  erster  Keihe  muss  ich  dem  der  Legislative  unterbreiteten  Bericlit  dei^ 
Ministers  über  den  Staad  des  Unterrichtswesens  vom  Schuljahre  1890/91 
nnd  1891/92  Beaditanir  widmen.  Br  ia(  in  awei  Binden  nnd  einer  Beilage 
enehienen.  Der  etile  Band  berichtet  «ber  das  Gebaren  dee  Landee-TJater- 

richterathes  vom  Talire  1891/02,  Uber  den  Stand  des  Kleinkinderbewahrwesena 
vom  Jahre  1890  91  und  1891  92  und  über  den  Stand  des  Volksschulunter- 
richts  vom  Jahre  1890  91;  der  zweite  Band  enthUlt  den  Bericht  über  die 
lUttelschuieu,  hühtren  Lehranstalten,  Fachschulen  und  Facbcnrse,  die  humaui- 
tlren  nnd  Cnltor-Analaltea;  die  Beilage  UaMM  «ler  den  Stand  dea  Landü- 
Lelureiiienaioni-  and  Üntentitaniisa-Fenda  yom  Jabve  1891. 


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—   796  — 


Es  würde  zn  weit  führen,  den  austiiliiiicheD  Bericht  ia  den  Details  zn 
verfoigeu;  möge  es  genügen,  dessen  wichtigste  Daten  zu  erwähnen. 

Der  umi  orgsaiilrte  Untonlfliiturath  hU  sieh  mit  Avnrbeitaif  tos 
schiedener  UjiterrichtB-BeglemeDtB  und  -Entwflrfen  betet;  er  revidirto  die 
SchloBsberichte  der  Institute  und  die  eingesendeten  ünterrichtspläne,  recensirte 
im  Jahre  1891  463  BOnde  Lehrbücher,  darnnter  330  Bände  für  die  Volks- 
nnd  Fachschulen,  im  Jahre  1892  —  im  ersten  Semester  —  128  Bände,  dar^ 
anter  67  Bände  für  die  Volks-  und  Fachschulen.  Za  dem  Belmi'e  hielt  der 
UntenlchtBnth  im  Jtbn  1891:  72,  im  enten  Senwstor  1892:  61  Sttmmgen. 
Im  Jahre  1892  rind  die  Glieder  des  üntenlditareilieB^  um  benere  Etmielit 
in  das  Schullebeo  an  sewlimen  —  ala  BegienuigBeommiaBbB  in  die  Tenehie- 
denen  Anstalten  ansgesandt  worden. 

Es  sei  mir  gestattet,  meiner  persönlichen  Meinung  Ausdruck  zu  geben, 
datis  das  inaugorirte  System  der  Lehrbücher-Keceusionen  zur  Entwlckelung  der 
SchullUeratur  nicht  sehr  dienlidi  ist  £s  würde  viel  besser  sein,  wenn  diese 
amtUoben  Beeendonen  nnr  daranf  allien,  ob  die  eraohiflnenen  Bfleher  nicht 
staatsfeindliche  Lehren  enthalten;  die  Beurtheilangr  der  aachlichen  und  metho- 
diachen  Tüchtigkeit  dea  Bnehea  aollte  den  Facherganen  und  der  Prazia  Aber* 
lassen  werden. 

Was  das  Jvl^^inkinderbewahrwesen  anbelang:t,  so  bildete  diö  llaiii-tsoige 
des  Ministers  die  Vorbereitung  der  Vollstreckung  des  Gesetzartikels  XV  vom 
Jabse  189L  ^  dem  ZmukB  lieA  er  die  Kinder  Ton  3 — 6  Jabren  an&eichnen» 
lieft  einen  Cora  snr  Anabildnng  der  Lehrer  und  Lehrerinnen  T<m  Kinder- 
bewahrieminarien  abhalten,  bereitefee  die  Eniefatnng  der  EindezbewahrMmi* 
nsrien  vor  n.  s.  w. 

[ii  hf^trett"  der  Elementarschulen  bildete  die  Hauptsorge  des  Ministers  die 
Verbessenrng  der  Schulbücher  nnd  Lelirmittel.  AuJßerdem  trachtete  er  dire 
Bienenzucht,  Obstbaumzncht  ond  die  Hanaindnabrie  dnreh  die  Sehnten  mOgUehat 
an  Terbreiten. 

Die  Hebung  nnd  Yezbessemng  der  Lehrer-  nnd  Lebrerinnenbildimg  war 

ein  eminenter  Gegenstand  der  Fürsorge  des  Ministers.  Zn  dem  Behufe  wnrde 
an^eriHnet.  dn?'?  die  Directoreii  am  Ende  jedes  Schuljahres  von  dem  Znstande 
des  insiiluirt  eiiitn  ausführlichen  Bericht  erstatten.  Außerdem  wurden  in  die 
einzelnen  Lehrerbildungsanstalten  liegierungscommissäre  gesendet. 

Yen  atatiatiaehen  Daten  aeien  folgende  aageAhrt;  ImSdraljafare  1891/92 
beatanden  645  Bewabranatalleni  00  danemde  KindecMjle,  176  Sommeraayle, 
in  ^ofaen  73827  Kindern  nnd  nwar  34895  Knaben  nnd  38932  Mädchen 
erzogen  wurdöi.  Das  leitende  Personal  bestand  aus  993  Kindergärtnerinnen 
und  41  Kindergllrtnem,  worunter  166  ZU  einem  religiösen  Orden  gehörten; 
Wärteriuneu  gab  es  708. 

Die  Gesammtaaslagen  der  Bevahranatallen  betragen  497666  fl.  Baa 
bewegliehe  nnd  anbewegliehe  Capital  aar  0ntentlktaong  dea  Bewahrweaena 
betrug  23G3158  fl. 

Für  die  Bildung  der  Kindergärtnerinnen  bestr^rdpn  5  Anstalten  mit  H2 
Lehrkräften.  Die  Zahl  der  Zöglinge  war  246.  Zur  Erhaltung  dieser  An- 
atnlten  ist  im  geiiaunten  Jahre  33481  H.  verwendet  worden. 

Die  wichtigsten  Daten  der  Volksschule  vom  Jahre  1890/91  sind  folgende: 
Die  Zahl  dar  aehulpfiichtigen  Kinder  hn  Alter  Ton  6—12  Jahren  beHnir 


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—   796  — 


1882054,  im  Alter  toq  12—15  Jahren  709332,  zusammen  2591376,  das 
bette  17-09%  der  BeTMkttniiig;  "na  ihamt  beraefaton  die  SMe  3117588 

und  zwar  1626069  im  Alter  von  6—12  Jahren,  491513  im  Alter  von  13 
bis  15  Jahn'ii,  (1.  h.  S'['7'*'^,  der  schulpflichtigen  Kinder.  Von  den  (5-  hiß 
12jährigen  Kindern  sind  1  592067  in  den  Elementar- t'olk'^^Fflmh-Ti,  die  übrigen 
in  den  Biirg^erschulen,  höheren  Mädchen- nnd  Mittelschuieu  uniemchtet  worden. 
Von  den  13— Idjähri^ren  Kindani  find  412S45  in  den  aUgemeinen  Wieder- 
ludiuigwcluileii»  die  mtrigen  in  hSheren  Aiutalteii  mterriolitet  wordeiL  — 
Nach  den  Geschlechtem  sind  unter  den  schulpflichtigen  Kindern  1323848 
Knaben,  1267528  Mädchen  gewesen;  nnter  den  die  SVhnle  factisch  Besuchen- 
den: 1 136572  Knaben.  081010  Mädchen.  Das  Schuljahr  konnte  in  84*93% 
der  Schulen  vollständig  (in  10  Monaten)  beendet  werden. 

Im  Sdra^alii«  1890/91  beMuulflii  16870  VelkiMlnlen— elM  vm  2072 
Bielir  alfl  im  Jahre  1868.  —  Kaeh  dem  Chuakter  dodee812  (4-81 V»)  «ten^ 
liehe,  1934  (11  47  V  )  eommnnale,  13904  (82*41%)  coafeerfomJle,  220 

(1-31'".,)  Privat-scluilen. 

Nach  dem  Grade  waren  diese  \'olk88chulen:  1.  Elementare  Volksschulen 
16619  (98-52  °/o)»  2.  höhere  Volksschulen  61  (0-36%),  3.  Bürgewchulen 
173  (102%),  höhere  MftdehenMduilen  17  (0*1%). 

Nach  den  GeschlechtsverhlltataB  waren  et:  Gemischte  14311  (84*18%), 
für  Knaben  1204  (TIO^U),  für  Mädchen  1355  (8-63  «/o). 

Lehrer  ^ab  es:  25133,  nnd  zwar  Befähigte  22133,  ohne  Bcfähigungs- 
zeagnis  .iOUÜ;  darunter  21Ö9Ö  (86-32%)  Lehrer,  3438  (13-68%)  Leh- 
rerinnen. 

Es  sei  hier  noch  angeführt,  dws  derLehrer-PensionBfoodB  im  Jahre  1891 
an  Pentioiien,  Witwenunterstütsongen,  WnlMiiurtentftteaigea,  Peiuiflonnlacsea, 

Abfertigungen  814589-37  fl.  ausgezahlt  hat. 

Lehrerbildunprf5ansta]ten  «rah  es  znsaromen  71.  und  zwar:  25  staatliche 
(darunter  7  für  Mädchen),  46  confessiunelle.  Diese  Anstalten  .sind  säiumtlich 
mit  4  Jalirgängen  eingerichtet,  4  confessiouelle  Anstalten  der  Art  nehmen  nur 
jedes  sweito  Jahr  ZSgUnge  auf.  £i  dm  71  Aastelton  sind  etngeMfarieben 
worden  45.'*  5  Z<  -  linge,  daninter  1418  Midehen.  Zur  Untersttttzung  der 
ZöpliiiK»'  sind  2H7  748  fl.  verwendet  worden,  u.  z.  136680  11.  aus  dem  Staats- 
bud?:et,  das  übrige  ans  confessionellen  Fonds.  Auffallend  ist  es,  (\;r<%  zur 
Untei-stützung  der  Zöglinge  der  7  staatlichen  Lehreriunensemiuare  beinahe  so 
viel  gegeben  wurde,  wie  fBr  die  18  Lehrerseminare:  dort  62693  fl^  hier 
73987  iL  Die  eimmtiicheii  Anala^en  der  Lehrer*  ud  Lehrerinnenttuteltan 
betrogen  827119  fl.,  wovon  499500  ±  von  der  Stentecwe  gedeckt  wurden. 

Lehrbefälugungsdiplonie  wnrden  1 154  erworben,  wntnm  109  nun  Unter» 
rieht  in  der  Biirg-erschule  berechtigen. 

Die  angeführten  Daten  beweisen  zur  Genüge,  dass  der  ungarische  Staat 
dte  Jnhrhnndeito  langen  Yerrtnmnisse  in  der  VoUuendehung  mit  voller  Knft 
gat  CT  mnehisn  bestrebt  ist.  Dabei  mag  hie  nnd  da  noch  eine  ünsnktlmmliflh- 
keit  Qbersehen  worden  sein.  Aus  den  statistiaehflii  Daten  Ist  z.  B.  sieht  er- 
sichtlich,  ob  die  Regriemng:  den  Unterscliied  zwischen  den  getheilten  und  nnge- 
theilten  Sclmlen  der  Beachtung  würdigen  möchte.  Die  bisherige  Nicht« 
beachtung  schadet  sowol  den  getheüton  wie  ungetheüten  Schulen.  In  der 
Hersnbildnng  Ton  Lehrern  und  Lehrerinnen  Ihmer  aeheint  disBegiarang  iMh 


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—  797  — 


nicht  sehr  planmäßig-  vorzugehen,  da  es  im  Lande  210(H)  Lehrer  und  nur 
öOOO  LehreniiDen,  also  siebenmal  so  viel  Lelirer  als  Lehrerinnen  gibt, 
md  dMh  die  JfeitaMtm^  dm  Httdehensöglinge  beinahe  so  groß  wie  die  der 
Knahwfnaiglliige  Ist  Ich  wtlB,  m»  man  da  vorhrbiKt:  dai  so  amg^beae 
Geld  sei  nicht  wei?!:?^ werfen,  denn  die  za  Lehrermnen  enogenen  Mädchen, 
wenn  sie  nnch  nicht  ansübende  Lehrerinnen  werden,  könnten  ihr  Wissen  als 
Mütter  verwerten.  Das  ist  möglich;  aber  solche  Luxusansgahen  kann  sieh 
ein  Land,  wo  das  Minimalgehalt  der  Lehrer  nur  bedingnngsweise  4iX>  iL 
beträgt,  fiir  jetzt  noch  nicht  gestatten. 

Qttra  bttten  wir  in  den  Beiiofate  die  Qesammtansgabea  der  Yolkssdiiilen 
gelesen.  leli  weiß,  dass  die  ZnsammensteUuig  dersellMn  niciit  olme  Schwleiiip- 
keittti  ist,  denn  die  Scholen  werden  ans  sehr  Terscliiedeneo  Fends  erbaltm; 
aber  die  ^Io^li(;hkeit  ist  doch  vorhanden. 

"Was  die  Mittel-,  ifoch-  und  Fachfchnlen  anbelangt ,  will  ieh  mich  mög- 
lichst Iturz  fassen.  —  Die  Haaptsorge  der  Kegierung  scheint  die  \  orbereitung 
der  einlieitlichen  Mittelsdiide  gewesen  n  sein.  Verordnungen  sind  erlassen 
worden:  1.  Über  dm  Ünterridlit  in  den  nicht  obl^ten  Oegenstflnden  der 
Mittelschule;  2.  Über  die  Recension,  Genehmie^uni^  und  Gebrauch  der  Schul- 
und  Uilfsböcher:  H.  t^ber  Schlittschablaufen,  Badoi  and  Schwimmen;  4.  Über 
das  Landes-  und  Kreis-Wettturnen. 

Mittelschulen  bestanden  183,  und  /.was:  151  Gymnasien,  32  Kealschnleu, 
mit  1075  Classen,  darunter  67  Parallelclassen  (in  den  5  ersten  Jahrgängen) 
bei  den  Gymnasien  nnd  251  Klassen  bei  den  Bealsobnlen. 

In  den  181  Mittelschnlen  zAhlte  man  im  Schuljahre  1891/92  zusammen 
47216  Zöglinge,  wovon  anf  die  Realschule  8300,  also  17-5<*/<>  entfidlen. 
Die  Znnahnie  der  Zahl  der  Zögling-e  im  Verhaltni.'?  zum  ^"n>f'n  Tahre  ist 
1955.  also  -l'^ ''/q.  Auffallend  ist  die  bedeutende  Abnahme  in  den  höheren 
Classen.  In  der  ersten  Classe  sind  gewesen  11813,  in  der  zweiten  8593,  in 
der  dritten  7139,  In  der  Tierten  6032,  in  der  fünften  4388,  in  der  seelisCeii 
3526|  in  der  siebenten  2978,  in  der  achten  2747.  Im  gannen  haben  das 
Sehi^jahr  mit  Erfolg  34305  Zöglinge  beendet;  4654  sind  In  etoem,  1977 
in  zwei  Gegenstftnden  dnrchgefaUen,  2927  mässten  die  Classen  unbedingt 

repctiron. 

Zu  der  Keifeprüfung  haben  sich  2416  gemeldet,  2184  die  Pr Ofling  mit 
Erfolg  bestanden. 

In  den  beiderlei  ICittelsehnlen  haben  3142  IQttelsehnllehrer  gewirkt 

Das  Oesammtvermögen  der  Mittelsehnlw  ist  anf  26384000  fl.  geschätzt. 
Die  Auslagen  im  Jahre  1891/92  betrugen  4526000  fl.  für  die  Gymnasien 
und  1130000  fl.  für  die  Bealschnlen,  wovon  4113000  aus  der  Staatseasse 
gedeckt  wurden. 

Wenn  mau  die  statistitichen  Daten  der  Zöglinge  der  einzelnen  Classen 
Tergleieht,  so  tot  es  aofBüIend,  dass  in  den  swei  ersten  Classen  so  viel  gewesen 
sind  —  20406  —  wie  in  den  seefas  oberen  Classen.  Wer  da  weiß,  dass  in 
Commnnflii,  wo  es  Mittelschulen  gibt,  die  oberen  zwei  Classen  der  Volksschnle 

nicht  ausgebaut  sind,  dem  kommt  die  Sache  natürlich  vor.  Aber  ist  es  so 
richtig?  Bei  weittiu  nicht!  Wieder  ein  Beweis,  dass  in  anserer  Scholorgauir 
sation  etwas  krankt 

Von  den  Hochschulen  sei  folgendes  erwShnt:  Ein  nems  Begnlativ  der 


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—   7^0  — 


Üb.  uf.  ünirmttU  in  Bidftpoft  rar  Ordaang  der  SMmt  der  DMpU» 
nd  der  CoUegiMigdder  iet  ait  Oendunigvag  de»  MinietwiuM  nnigagehea 

worden.  Da«  Personal  an  der  Badi^pefter  Universität  bestand  im  Schuljahre 
1891/92  ans  ordentlichen  Professoren.  2^  anßerordentlifhen  Professoren 
und  81  Docenien,  die  zusammen  593  Vorlcßuntfen  liielten.  in  1953  \vr.f>h'-T)t- 
Uchen  Stunden,  lu  den  vier  FacuiUlUu  der  Buda|HiäU:r  Universität  amd  im 
cnten  SeMter  3464,  im  sweifeen  3192  HSver  eingeedirielMA  weidoi.  Die 
Auslagen  der  Badapester  UaiTenikit  betrece»  788004  IL,  vm  112917  fl. 
aMbr  als  im  vorigen  Jahre. 

An  der  Klausenbnrg-er  Franz-.Toseph-Unirersität  wirkten  62  Professoren, 
sie  hielten  296  CoUegieu.  Dia  Zahl  der  Hörer  betrug  im  T.  Semester  621, 
im  IL  Semester  575.    Die  Aaslagen  bezifferten  sich  aaf  251902  fl. 

All  dem  kSiügl.  PolTteoimie«»  in  Bidepeet  wirkten  inigeeiMmt  77  Lehr- 
krüflte,  von  deien  27  ordentUdie,  3  außerordentliche  Professoren  wenn.  Die 
Zahl  der  TIHrer  ist  im  I.  Semester  718,  Im  IL  Semeeter  666  feweees.  Die 
Erhaitungskof^ren  betrugen  202 (K):^  Ü. 

Theologische  Akademien  bestanden  im  Laude  52  mit  1829  Il&rern  und  346 
Prefteioren.  J  oridlsche  Akademien  gab  es  1 1  mit  815  Hörern  and  167  Professoren. 

Noch  ttber  einen  wiciitigen  Oegenataad  mniB  loh  Borieht  errtatten,  ee  irt 
die  Begelnng  der  Lehrergehälter  in  Ungarn.  Das  Gesets  liierfiber  ist  ia 
Abjreordnetenhause  im  April  und  Mai  verhandtlt  worden;  es  besteht  ans 
17  Paiagrapbfcn.  Die  wichtigsten  Punkte  dr  ^ selben  sind  folgende.  Das  Mininial- 
gehalt  eines  Lehrers  au  einer  Staats-  oder  Comroonalschule  beträgt  400  Ü., 
an  einer  confe«ionellen  Schale  300  fl.  Sollte  der  Lehrer  an  den  letztgenannten 
Sehnkn  iveaiger  alt  300  il.  liaben,  io  triti  der  Staat  ergSanead  ein.  Jeder 
Lehrer  bekommt  eine  Quinquernialwilage  f<m  60  bis  250  fl.  Die  Quinquennal- 
Zulage  kann  in  das  mehr  als  BOO  fl.  betragende  Gehalt  der  Lehrer  nicht  ein- 
gerechnet werden.  Wo  die  Lehrer  ihr  Gehalt  in  Naturalien  beziehen,  sind 
die  Schalerhalter  anzohaltes,  dass  dieselben  in  gnter  Qualität  g^ben  werden, 
widrigenfsUi  nie  d«i  Wert  derselben  in  terem  Oelde  "^fft^lfp  «fteoen.  Der 
Xinieter  ist  emfiehtigt,  dort,  wo  die  Confeaeionen  Ihre  Scholen  nicUt  den 
gesetzlichen  Bestimmvngen  genrilB  einrichten,  die  Errichtung  einer  staatichen 
oder  Gemeindeschule  zu  veranlasp^n  In  solchen  Gemeinden,  w»»  melirere  die 
staatliche  Subvention  in  Anspruch  nelnnende  confessionelle  SchuJeu  bestehen, 
femer  dort,  wo  wol  nur  eine  derartige  Schule  besteht,  aber  wichtige  Staats- 
Interewen  in  Frage  konunen,  kann  der  lliniiter  naek  AnbOrang  den  Verwal- 
tanfwnHcknaNi,  statt  der  BewilUgnng  der  staatlichen  Untenttttnng  jene 
eonfteeionellen  oder  G^meindeschulen  schließen  aad  eine  Staatsschnle  errichten. 
Wenn  der  Staat  zur  Ergänzung  des  Gehalt p<j  wenisrstens  RO  fl.  beisteuert,  so 
ist  bei  der  Wahl  des  Lehrers  die  Genehmigung  der  Regien; iiir  einzuholen. 
Wenn  an  einer  coufe&sion^n  oder  Gemeindeschale  nacheinander  zwei  Lehrer 
wegen  ecantifeindlieher  Handlangen  dnrck  DIaeiplinamrtkaile  aligeaetnt  wudan, 
kann  der  ICinister  dSeae  Schale  aeUieBen  nnd  an  deren  Stelle  eine  ataatüdie 
Schule  errichten.  Das  Ministerium  ergänzt  die  Bezüge  eines  Lehrers  dordi 
staatliche  ünterstützunie:  bis  nnf  400  fl.,  w^-tiu  die  obere  Schulbeh;*rde  darum 
bittet  und  die  Einflussnahme  der  Ke<<ierung  bei  der  Besetzung  der  Lphrer- 
stclle  zugesichert  wird.  Es  soll  noch  erwähnt  werden,  das«  das  Muiimum 
der  HiliUehrafgekUter  anf  200  Gulden  ftelgeeetat  iet 


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—  799  — 

SchlieiUicb  kann  ich  als  Coriosam  nicht  onerwähut  lassen,  daBs  die  Ver- 
luuiidliiiiir  dieies  Gesetns  im  Oberhanae  Am  dar  ümehe,  4a«  die  BeprlMa* 
tanten  dar  grOßten  GonfeMioa  das  Landea  —  die  tathaUichen,  Bisdiltf»  — 

nicht  in  gehöriger  Zahl  erscheinen  konnten,  einmal  vertagt  winde.  Einl^ 
Magnaten  (luitürlicli  clericale)  wollten  es  das  zweitemal  unter  dem  erwähnten 
Vorwande  uüchmals  vertagen,  aber  die  Regifmng'  ging*  diesmal  auf  diesen 
Plan  nicht  ein,  worauf  etliche  den  Sit2uugääaal  verließen.  So  ist  dieser 
Oaaataaiitwiiif  ohne  ihr  !&ilihia  aom  Gaaetz  gewofdan. 

Zum  SoUnwe  mabesBarlohtea  kann  isk  nldit  Tanehwelgtea,  daaa  bei  der 
Begelnng'  dar  Oahälter  der  Staatsbeanaen  auch  die  Bezüge  der  SeniiiMiMi  i  i 
geregelt  wnrden.  Tlicilweise  ist  ilir  \\'unsch  erfüllt  worden,  indem  ein  Theil 
von  ihnen  in  dieselbe  Gehaltsciasse  gereiht  wurde,  in  welcher  ihre  Cn!]«  L^ni 
an  den  Mittelschulen  sind.  Wieder  als  Cnriosum  m\m  kh  anführen,  dass  bei- 
nahe sfimmtUche  Staatabeamten,  also  auch  die  Mittelschnl-  und  Seminarlehrer, 
walcha  in  dar  Frovins  dianen,  In  niedere  Gahaltoelawop  gaiaiht  wurden  ala 
ihre  CollaKea  in  der  Hauptstadt.  Die  Gerichtsbeamten  in  der  Haaptstadt 
beziehen  auch  mehr  Oehalt,  aber  das  Plus  nicht  als  Gehalt,  sondern  als 
TlieofirangtEulai^e.  £b  ist  maaahmal  doch  gat,  wenn  man  dem  Fener  nabe  sitat. 


Ana  der  Facbpreaee. 

102.  Pestalozai  nnd  die  zürcherischen  Humanisten  [0.  Himziker, 
»stal' .•'zibl.  1893,  VIT).  H.  betont  einleitungsweise,  dass  die  Ursache  „der 
Spannung,  die  zwischen  P.  und  den  gelehrten  Wortführern  des  damaligen 
geistigen  Lebens  in  Zürich  bestand**,  nicht  nur  Pcstaiozzi's  politische  Ge- 
sisnnng  gewesen  (wenngleich  er  sich  schon  allein  durch  die  Thataaoha,  im 
Aargan  die  Anfhebnng  des  Zehntena ,  „dar  damaligen  BaiqjrtnlhrqveUa  dar 
Geistlidikflit  nnd  der  Anstalten  fftr  hühere  Bildnng''  dorohgeMtzt  zu 
haben,  den  Groll  der  Herren  l'rofessoren  zuziehen  mnsste),  sondern  anch,  und 
zwar  zumeist,  der  in  den  ^Aristokraten  des  (ieistes"  einerseits  und  1'.  ander- 
seits verkörperte  Gegensatz  „zwischen  der  humanistischen  Gelehrsamkeit  und 
der  volksthümlichen  Bewegung,  der  Gegensatz,  der  schon  drei  Jaluhunderte 
frllber  awiiohen  Eraamna  nnd  Lather  eine  nnftberbrilokbara  Elnft  gwobaffm.'* 
[Die  Hamptatflcke  des  Anfntaai  bflden  fibrigena:  a)  Aaaallc;e  ana  Htnning'a 
Anfiseidmnngen  über  Pestaleszl,  geschrieben  zu  Yverdon;  b)  Mittheilnngen 
über  einen  Züricher  Lehrer  P.'s  (Professor  Steinbrüche!);  c)  eine  wesentlich 
philologische  Untersuchung,  deren  Gegenstand  ein©  möglicherweise  von  Stein- 
brüchel  stammende,  von  P.  kritiairte  Übersetzung  der  „ersten  olynthischen 
Bede"  von  DemeethaBea  iat] 

103.  Die  Bedeutung  der  Philoaophie  der  Gegenwart  für  die 
Pädagogik  (E.  Hochegger,  NB  1893,  VII).  „Rückblick  und  Ergebnisse": 
„Die  Pädagogik  wird  als  etliische  Wissenschaft  ganz  besonders  auf  die  Philo- 
sophie verwiesen."  „Eine  philosophische  Begründung  der  Pildagogik  bedeutet 
uichi  etwa  die  EUnfiibmng  eines  aprioristischeu  Veitahrens  in  die  letztere, 
sondern  nur  die  Kläi  ung  der  letzten  Begriffe  und  der  Methoden,  welche  in 
dieaer  WittCDtehaft  zur  Anwendung  gdangen,  sowie  eine  befHedigende,  Ton 
der  Vemnnft  feibrdcrte  Erginsung  des  pftdagogisehen  Wi^sena.*    „Die  P. 


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—   800  — 


beduf  vor  iDem  einer  erkennäiiftheoretlMhea  tturfnnnng  Die  berktomlidieo 
Syitfloie  der  P.  enungeln  M  alle  dner  ioklie&.  Sie  wmelii  in  iltorai 

philosophischen  und  psychologischen  Systemen  und  deren  Irrthttmern.  Die 
Thf'one  der  wissenschaftlichen  Pädag-ogik  befindet  sich  in  dieser  Hinsicht  noch 
im  KiickRtande  preierPiiöber  d^n  andern  (feistes Wissenschaften,  welche  mehr  oder 
minder  alle  sciion  entsprechend  der  Entwickelung  und  den  Fortschritte 
wiaeeaeehitftlichen  Dcaluiit  tieh  nmgertaltet  htben,  neaeOmdlegang  erfldmB 
oder  eben  erfUiren.  Stmetwftre  en1lnerUSriie]^  irfogyitenie»  wiedaaH«riM^ 
oder  auch  das  Pestalo^zi's,  fast  zu  alleinherrschenden  in  der  Pädagogik  ge- 
worden sind."  „Die  hi^h.Mi^'e  Kiehtung  in  der  Pädagop^ik  ist  durchwegs  f?^ 
intellectnalistiseh.  Jene  mtellectualistische  Piehtiing  verschuldet  &&,  dass  die 
gittlich-prakiische  Lebeobbilduiig,  wie  auch  die  religiöse  und  künstlerische  Aus- 
bildung von  der  modernen  P*  nieht  genOgende  Beaelitnng  gefunden  hat' 
„Wenn  die  P.  eich  dar  I^iloeoplile  der  Gegenwart  zuwendet,  welebe  irieder  das 
Bild  des  ganzen  Menschen  hervorholt,  wird  lie  die  finnitelne  m  einer  waihr- 
liait  allgemeinen  Pfldagogik  finden." 

104.  Di«'  socialiitilitische  Ijcdeiit ung  der  Fortbildungsschule 
(P.  Kraschwitz,  F,  18Ü3,  Kr.  erblickt  in  der  F.  „eine  Stätte  socialei- 
Wirkiaaikeit*',  „einen  BerUiningepnnkt  flr  die  Beetrelmngen  der  einte»' 
reichRtan  Faotoren  nneeres  aodalen  Organifunu".  „Was  in  ihr  gelernt  und 
getlian  wird,  werde  in  stetem  Lebensbezuge  aufgefasst:  die  elementaren 
Kenntnisse  und  Fertigkeiten  als  eine  sftciale  Forderung,  der  jeder  Mensch  ge- 
nügen muss,  wenn  er  da»  liecht  iu  Anspruch  nehmea  will,  eine  einigermaßen 
wQrdige  Stellung  im  socialen  Organismus  zu  erlangen;  die  weiter  gehenden 
Belelarnngen  ana  dem  Gebiete  der  Bealkenntnisae,  der  Vollkawirtatdialtalelin 
und  Bechtskunde  als  Grundpfeiler  künftigen  Bfirgerglftdka  nnd  künftiger 
Bnrgertngend ;  die  Zuclit  der  F.  berulie  auf  dem  Bestreben,  dieie  Anatalt  als 
einen  Kechtsstaat  im  kleinen  erkennen  zu  lehren." 

105.  Über  dramatische  Schfileraufführungen  (H.  Gloel,  Deutsch 
1893  V/VI).  Ol.  sucht  nachzuweisen,  dass  die  gSchüleranffahrangen  be- 
reehtlgt  nnd  wtoscfaenswert"  sind.  Nnr  eind  aeine  Beweisniittel  die  bekannten 
alten,  die  den  Pädagogen  nieht  überzeugen  kSnnen.  Sein  letzter  Tin  seiner 
Art  aber  auch  nicht  neuer)  Trumpf:  Überzeugender  als  Jeder  Grund  ist  für 
manche  vielleicht  eine  Äußerung  des  Kaisers  Willielm  II.  Nach  einer  Auf- 
führung von  Aischylos'  Persem  im  Kaiserin-Augusta-Gymnasium  za  Charlotten- 
bürg  1891  sagte  er  nlmlieli  mm  Direetor  der  Anstalt:  ,pDie  DanteUnn^  hat 
mich  aehr  engriffen.  ESne  solche  ElnfUmmg  in  den  Odst  der  Dichter  wirkt  mehr 
iür  die  allgemeine  Bildung  als  fünfzig  Seiten  Grammatik. *  *)  —  FOr  61.  „ge- 
hören die  Schulauflführungen  zum  Ideal  der  Scfinle"  „Alle  zwei  bis  drei 
Jahre  müsste  nach  meiner  Ansicht  au  jeder  höheren  Schule  ein  ganzes  Drtima 
aufgeführt  werden.  Einzelne  Scenen  aber  können  in  jedem  Jahre  dargestellt 
werden.  Am  besten  IBsst  «ich  dam  der  Gebnrtrtag  des  Landesfltrsten  oder 
des  Kaisen  benntsen.*  Folgen  sahkeiehe  Voraehlige,  «praktlaGhe  Beam* 
knngen**  nnd  zwei  „Prologe"  (zu  H^yses  «Eolberg"  nnd  mm  »Teatanent  daa 
Grollen  Korfttrsten''  Ton  Pntlits). 


*)  ^Einführung  in  den  Geist  der  Dichter"  —  „fünfzig  Seiten  Grammatik": 
welch  glückliche  GegenttbeisteUung!  Wir  schlagen  sie  al^  Au£iatzthema  fttr  Prima  vor. 


I. 


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—  801  — 


106.  ünterricht  in  der   Wortkunde  (E.  Wilke,  PZ.  1893,  24). 
„Dm  iitmhau.  luis^rei'  Zeit  geht  iu  der  l'ädagugik  daUiu,  zur  Isatur  zuröck- 
snkehren»  das  Kind  ab  Kind  m  behandeln,  den  Lehrer  freier  auf  dai  Eiad 
einwirken  an  laeaeo  and  darom  die  alten  ünteniehtsAnrnien  an  aerbfediflo. 

Ein  richtig:  betriebener  ünlenicht  in  der  Wortktmde  scheint  mir  ein  wichtiger 
Schritt  in  dieser  Ivichtnng  zu  sein,"  W.  legt  die  bekannten  Yortheile  solchen 
Unterrichte  dar,  brinä:t  eine  Anzahl  Beispiele,  beruft  und  stützt  sich  im  ganzen 
und  einzelnen  auf  Üadoli'  Hildebrand  (was  uiciit  anders  zu  erwarten  ist).  Mit 
Becht  betont  er  aaeb,  dase  der  Lehrer,  wenn  er  sich  eine  weit  and  tief  gehende 
WorCkenntnlas  erworben  bat,  ein  felnea  OelHhl  dafür  beeitat,  oV  die  Kinder 
•dlne  Worte  verstehen  oder  nicht. 

107.  Die  Anfgaben  des  öffentlichen  Lebens  und  der  Ge- 
schichtsunterriciit  (G.  Schönfeldt,  Ref.  189:^,  2H).  Der  „naturgemäße 
Ort"  für  die  (in  unserer  Zeit  dringliche)  Lbermittelnng-  »-iner  ^elementaren  Ue- 
sellschaftskunde"  ist  in  der  VoUcsächule  „der  liumauiätitiche  liealunterricht, 
deoea  Lehrgegerstand  ja  Uenseh  und  MeMcbenleben  Jet  IVeOicb  beeteben 
anch  bei  den  ttbrigen  Flebein  Qelefsenheit  nnd  Veipiliflbtnng,  genllsohafte- 
kundlicbe  Stoffe  zu  verwerten;  aber  die  VermitÜnng  näherer  TT^mitiifat  xaä 
des  Verständnisses  derselben  ist  Icdiirllch  dem  Unterrichte  in  Geographie  und 
Geschichte,  und  zwar  wesentlich  dem  letzteren  zn  überweisen.  Die  Gescliichte 
ist  ja  die  Wissenschaft  von  den  tiuibeaden  ii'actoren,  iiiren  Ursadien  and 
IMnrknngen,  ihrer  gegenseitigen  Bedingtheit.  Indem  nnn  der  Geiehklit»* 
nntenicbt  diesen  WerdeproeeM  anfdeckt,  mit  den  elafkchen  LebensverbKItniwen 
der  Vergangenheit  beginnt  und  langsam  an  den  oomplicirteren  und  verwickel- 
teren  formen  fortschreitet,  dabei  diese  stets  mit  entsprechenden  der  Gegen- 
wart in  Verglei»'li  «tt-llt,  Avird  das  Kind  in  Stand  gesetzt,  sich  in  den  manni{^- 
fachen  Institutionen  der  Gegenwart  zurecht  zu  finden.  Sciiließt  der  Gesclücbts- 
unterricht  ~  wie  er  es  dem  Wesen  der  Geschichte  entsprechend  moss  —  mit 
einer  eingehenden  Betracbtong  des  socialen  Lebens  der  Gegenwart^  der  heutigen 
Binrlebtnngen,  Zustände  nnd  Ansehannngen  (welche  als  maBgebende  und  yer- 
pflichtcnde  in  den  Gesetzen  gleichsam  geronnen  sind):  so  ist  das  im  wesent- 
lichen durch  die  Volkssehnle  erreicht,  was  sie  in  Bezng  auf  die  Vorbereitung 
zu  den  Aufgaht-n  des  üüentlichen  Lebens  überhaupt  thun  kann.'^  „Die  Un- 
wissenheit der  Aieiigo  iiber  öffentliche  Angelegenheiten,  ihre  intellectueUe  und 
moralische  Unfäliigkeit,  im  Öffentlichen  Leben  mitratheo  nnd  -tbaten  an  kOnnen, 
sind  snm  nidit  geringen  Tbeile  dnrch  den  bisherigen  Gesefaldittmitenricht  ver« 
sehnldet" 

108.  Fr.  Ednard  OaeMer's  Wirken  im  Dienste  d.  s  sreos^raphi- 
fichen  Unterrichts  iK.  Oppermann,  Ke]».  1893,  IX).  Gaeblers  Kniwieklungs- 
gang:  1842  zn  Pegau  in  8ach«eu  geboren  —  zum  Lehrer  auisgebildet  — 
Knpferstecher  —  Topograph  (zunächst  bei  G.  Westermann,  dann  Besitser  dnea 
eigenen  „geographischen  Institats"  in  Leipzig).  0«  beaeiolinet  die  Gaebler^ 
sehen  Kartenwerke  als  ,fdie  bei  weitem  besten  für  Schnlzwecke:  wegen  der 
Einheil  liebkeit  ihrer  Anlage  und  der  Übereinstimmung  zwischen  Wand-  und 
Atlaskarte,  wessen  der  zweckmüßi^ren  nnd  richtigen  Zusammenstellung  und 
klaren  Anordnung  des  Stoffes,  \segeu  der  markigf'n  weithin  sichtbaren  Zeich- 
nung, wegen  deä  trefflich  gewählten  sauberen  Koluritä  und  der  gediegenen 

Ansstattung." 


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I 


—   802  — 

109.  Specialkarten  und  Reliefs  in  der  Schule  (E.  KicUter, 
dSohb.  1893,  vn).  S.  wHuMditi  da»  der  üntenidit  in  dar  Heimatetamda, 
(««eh  der  im  Twltm)  auf  die  Beoiitzoiiflr  der  Spedaikute  (d.  i  wol  aine  Art 

„Qeneralstabs-"  oder  „topogpraphisdie*  Karte)  anfgoVjaut  werde,  naddassanch 
auf  den  weiteren  Stadien  des  noosraphln-Untf^rriplits  (in  h5hem  Schalen!)  die 
Spedalkarte  bis  zn  vollem  \'ersian(lnis  (hTselb»-ii  l^Miiitzr  werde."  Da  aber 
„die  äpecialkarte  fiii-  die  Schule  zu  wenig  übersichtlich,  zu  dicht  beschrieben 
und  in  der  Tarralndantettimg  an  mlnnttito"  aei,  „w&re  ea  am  beatent  elnflMh 
die  im  Maßstäbe  1 : 60000  ausg^eführte  ZelduHingdarSpaeialkartapliotographisch 
auf  den  doppelten  Maßstab  (1 :  30000)  zn  vergrößern;  dann  hätte  der  Schüler 
Strich  für  Strich  die  Specialkarte  in  ^pr  H?tTvi  Tiur  viel  dentliclier".  (Diese  Arbeit 
hätte  —  für  ^^sterreicli  —  das  lecimiscii  so  reich  ausgrestattete  militärisch- 
geographische  Institut  auszurühreu.)  —  Für  Jede  Schule  verlangt  E.  ein 
»Beltaf  der  Umgaliimgr*.  Lehrgang:  „Von  dar  liekaanten  WirUiehlceit  sam 
Balief,  vom  Relief  zur  vergrößerten  Spedalkarte,  von  dieser  znr  enger  ge- 
lelchneten  Specialkarte  und  von  dieser  weiter  zn  Karten  kleineren  Maßstabes.*^ 
—  Schließlich  berichtot  II.  über  zwei  beachtenswerte  Ertinduneren:  a  i  neuer 
Storchschnabel  (Pantograph)  des  Graveurs  Kieuzle  in  Leobeu  zur  leichteren 
Herstellung  der  Gipsreliefs;  b)  eine  Art  branner  Pappendeckel,  erfanden  von 
einem  Oberafcen  Hopela  Kirnaeb  in  Gras  (Weaen  nnd  HenteOnnsr  Qeiialm« 
nia);  die  Harne  besitzt  den  Vorzng,  bei  leichter  Befeuchtung  bildsam  und  für 
alle  von  ent^preciienden  Jiutmmeaten  eingedrfickten  Zeichen  der  Karte  aof* 
nahmefähi^  zu  werden. 

110.  £ine  nene  Methode  für  den  Kechenunterricht  in  ein-  und 
sweiclaasigen  Schalen  (E.  Baßmann,  Schpr.  1893,  20 — 23.)  Zweck  der 
»nenen Methode'*:  Beadiitnlranf  der  „atlUen BeaehAftigong^,  grellerer Oawfnn- 
antbeil  dea  einaelnen  Kindea  am  nnmittaUiaren  Unterricht  des  LehrerUf  Ver- 
einigung' der  verschiedenen  Altersdassen  zu  gemeinj?nmer  Arbeit  nnd  damit 
für  den  Lehrer  Erleichterung  der  t'bersicht  und  Controle:  im  besonderen  Ver- 
mehrung nnd  Vervollkommnung  der  Übungen  im  „Kopfrechnen".  Mittel: 
Gliederung  der  Schüler  Tom  3.  Ma  8.  Schn^ahre  in  nur  drei  Abtheiiangen, 
deren  Jede  ihren  9toff  sweimal  dttrchnimmt,  nnd  die  immer  znaammen*) 
arbeiten^  woraus  weiter  folgt,  dass  in  jeder  Stunde  Aachen  gleicher  Art 
(nur  verschieden  hinsichtlich  der  Schwierigkeit)  zu  lösen  sind.  T)ie  Darstellnnsr 
ist  viel  zu  breit  (der  in  einer  Nummer  besetzte  Raum  hätte  genügt)  und 
ziemlich  unklar,  die  Ausdrucksweise  im  einzelnen  tlüchtig  oder  stümperhaft; 
dam  Staren  den  Anteta  eina  Xenge  Pmeldiahler**).] 


*)  Qenau  ist  das  nicht:  nur  am  Anfanfr  jeder  Stunde  werden  A-j-B-j-C 
„mündlich"  beschäftigt,  spät^  hios  B  -f-  0,  endlich  C  aliein.  —  In  der  Einleitung 
verwebt  Verfasser  („Pfarrer  und  Sohulin^^ector")  auf  die  „ausführlicheren  Ai»- 
fUhruDgen"  seiner  „Anleituig  anm  BedieiumtMiiehte  in  dar  einfllamigen  Schnle". 
Essen,  Bädeker  1883. 

**)  Wir  hallen  ana  lohon  oft  gaftagt,  ob  denn  die  Bt^,  von  eilen  Oonaatoian 
verittiDcn  sei! 


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Recensionen. 

Dr.  Friedrich  Pitfes,  Gesammelte  Schriften.  In  zwancrlosen  und  gelb- 
ständigen Heft«u.  £rsusU<dft.  I.  Das  menschliche  Bewns.stseio.  IL  Das 
Äitlitttitelie.  Ziral  «ekrOnte  Prelndiiiften.  Leipzig  1893,  Jolini  KHnk- 
bardt.   XII  und  167  Sdteo. 

Vielfachen  Aufforderungen,  sowie  der  eiir^  ocn  Hingst  gehegten  Absicht 
f»ntsprc<:bend,  Iahsv  ich  meiner  „Schule  der  Pädagogik"  nunmehr  eine  Samm> 
Inns:  meiner  fibrigen  Schriften  folgen.  Dm  flowen  erschienene  erste  Heft 
(lit-<T  Saniralung  enthält  meine  zwei  ältesten  philosophi^f  h-iiiiilaffogischen 
Muaogrü|^hien,  die  lür  iiieiue  späteren  literarischeu  Arbt-iteu  uüd  überhaupt 
für  (üe  Pädagogik  als  Wissenschaft  von  grundlegender  Bedeutung  sind.  Ln 
Hinblick  auf  die  AnsfÜbrungcn  in  meinen  h^pSterrn  Si  h ritten  (wie  sie  in  der 
,,Schule  der  I'Ädiigogik"  vorliegen)  habe  ich  mehrere  Partien  der  hier  vor- 
liegenden AbhaadlOTgen  bedeutend  gektlrzt,  zugleich  aber,  um  Vortrage 
allenthalben  Zusiimmenbang  und  ne!;chlo8scnheit  /.n  wahr<»n,  neu  disponirt  und 
stilisirt,  hie  und  da  auch,  tkeü»  um  einzelne  Punkte  genauer  auszuführen,  theiL» 
um  meine  Stellung  zu  pädagogiflohea  Zeit-  undStnitflngm  klar  n  becdduuM, 
die  Örigiiialtexte  durih  Zusätze  erweitert. 

Indem  icii  lui  übrigen  aut  den  austuhrlicben  „  Vorbericht"  zu  der  hier 
begonnenen  Sammlung  verweise»  bemerke  idi  nur  loek,  da^s  die  Annahme  den 
Torliegenden  Heftes  niemanden  zu  etwas  weileien  Tetpfliehtett  sondern  daa 
Untrrnehmen  ein  durchaus  zwaugsloses  ist.  Dittes. 

Dr.  Autou  (jiudely,  Über  des  Johann  Amoa  Comaniiis  Leben  vnd 
Wiiken.    Zweite  neabearbettete  Auflage.  Mit  vtar  AbUldvogea.  Znaim 

189B,  Karl  Bomemaim,  109  a  2  Mk.=  lfl. 

Trotz  dp"  jTwnireu  Umfanges  ein  alles  Wesentliche  euthaltcnd«!  Beck. 
Überall  merkt  uiuu  lu  demselben,  dass  ein  gewiegter  lli^^toriker  die  Feder  ge- 
führt und  ane  dem  Qbcrrcichen  Stoffe  mit  siehe  rem  Blicke  die  bedeatJamen 

Momente  auegowählt  und  in  du-:  hellste  Lirht  jj^estcUt  hat.  5n3  viel  man  auch 
in  deu  letzten  Jahreu  Uber  Couit-uiu^  gclei^ea  iiat,  die^uä  Buch  le&üelt  ua<,h 
immer  und  darf  sich  seitot  neben  dem  groften  Werke  von  Kvacsala  noch  mit 
Ehren  sehen  lassen.  Es  uimirit  nutcr  den  kürzeren  Werkrn  Uber  Comenius 
unbe&tritteu  den  ersten  Platz  ein,  weun  es  auch  einige  kleiue  Mangel  stilistischer 
An  aafmiat. 

J.  J.  Scheel.  Allerlei  Schülernrbilder.  Federzeichnongen  lllr  Seliil*  md 
Äinderfreunde.    Hamburg,  Konrad  Kloß.    132  S.   1  Mk. 

Beschreibungen  und  Charakteristiken  einer  Anzahl  (12)  von  Schul- 
knaben Hamburgs,  alee  Bilder  aai  dem  wtrkliefaen  Leben,   nicht  etwa 

finirirtc  Beispiele  zu  I>enionstrafiiiTien  au-;  der  theoretir^ehen  r;id,i:;ot:ik.  Einzelne 
wenige  Striche  dieser  Federzeichnungen  und  ein  paar  kleine  Abschweitungen  in 
denselben  hidwn  ans  nicht  gans  gefeUen;  doeb  iet  denea  neamnea  wel  aiebt 
eine  T>ruckseite.  Dii.-*  Biiehlein  im  Giinzoii  aber  ist  eine  treffliehe  Leii^tuna: 
sowol  der  lieohüehtung  und  Aulfassun^,  aiä  der  i>mr&ielluu|$;  »loaig,  khens- 
wahr,  aam  Herzen  sprechend,  ebeaae  emeliettd  als  lehrreich;  sein  Inhalt  reicher 
und  wertv(dler  ul-'  der  manches  anspruchsvollen  ^<)InJl<■udiuul^  von  Katheder- 
weisheit aber  ^wiasenschattiiche'*  Psychologie  und  Pädagogik.    Als  unter- 


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—  804  — 

hultt  ndo  1111(1  bildende  LectUre  all«  n  Meu^^oben-  und  KindeifireiEiiidaD,  hvoaden 

V(ilks-;fhii!l'']irorn.  namentlif^h  jiiiip:r'U.  s<lir  /.u  cinpfeyen. 

Prof.  Viktor  Kiy,  Hans  Saclis.  Sein  LeWu  und  Wirkeu  zu  dessen  vier- 
hvnderljjftlirigeni  Oebnrtstagie  dem  d«!iteehea  Volke  geschfldtrt.  Leipzig  1893, 
Karl  Sdioltxe,    85  S.,  nebst  einem  Bildnis  des  Dichters.    60  PI 

Dieses  Biirhlt'iii  scliildert  ilen  Lebenslauf,  den  CharaktoT.  das  öffentliche 
Wirkeu  und  be*joadcra  die  dirlurrische  Thätigkeit  des  wackeren  Hans  Sachs. 
In  letzterer  Beziehung  Tt rdi«  nt  l^sondcrs  hervorgehoben  zu  werden,  dass  dar 
V«?rfa!5ser  in  sein  TUidilein  eine  gtdungcno  Auswiilil  v  r.  P'-  iln-n  dt^r  vcMcliitidcneu 
Dichtuuü^arten,  iu  welcher  sicii  Haiu  Sachs  hervor^i  tbau,  eiogei»chaltet  hat, 
wdduri  Ii  diis  entworfene  Lebmsbild  erst  reehA  uschaulich  und  wertvoll  wird. 
Das  Htichlein  niuss  durchaus  als  sehr  gelun?<^n  und  schätzenswert  bezeichnet 
werden.    Wenn  das  dcutsdie  Volk  sidi  mit  deiMs.  ll»eu  recht  vertraut  macht, 
daan  wird  es  seinen  Hau  Snd»  wiiUieh  kennen,  ^•  liätMii  und  lieben  lemeSt 
aus  ihm  auch  mchrGenuss  und  Erbauung:  "^'  hr  jvteu.  als  ans  prnnzen  Bibliotheken 
modernster  Factur.  Volksfreunde  sollten  daher  das  Ihrige  zur  Massenverbreitung 
des  angezeigten  Sohriftchens  thnn. 
Deutsche  Landes-  und  Provinzialgeschichte.    Ein  Handbuch  fdr  die 
Heimatakimde  im  Oetduchtannterricht.  Leipsi«  1892,  VoigtUnder.  457  S. 
4  Mk. 

Die  Verlagsbandlnng  Voigtländer  hat  den  glüeklidlieB  Oedanten  gefikast« 

ihren  Lehrbüchern  der  dcutsrlien  Geschichte  von  Andrä  dip  floschicht«*  df-s 
Jünzelstaates  oder  der  Provinz  ab  Anhang  beizugeben,  in  welchem  oder  ijn 
w«l<dier  daa  Lehrlmcli  gel»raue1it  wird,  und  in  dem  obengenanoten  Bache  diese 
Einzeldarstelhmgen  in  Fonn  l  iin^s  Handbuches  der  Heimatskunde  7.^  ^  r^  ir  in: 
im  Ganzen  1^  AoMtce,  und  zwar  12  Pru vi tuialgeichichten  Ficuöenä,  4 
Bayerns  nad  12  der  Qbrigen  deutaehen  Staaten,  jede  wt  Ton  einem  Fachmanne 
der  betreffenden  Provinz   oiJer  des  Staates   bearbeitet.  Gymnasialdirector 
Schmeiaer  in  Hamm  leitete  die  Herausgabe.   Die  Behandlung  iat  in  den 
meiaten  H^ten  die  gidebe:  m«nt  ^e  kirne  Übenidit  viid  daui  kidter 
ausgeführte  Erzählungen  besonders  wichtiger  Abschnitte  aus  der  Geschichte 
des  betreffenden  Landes,  also  in  form  von  Bildern.   L>ie:>e  Behandlung  lag  ja 
iB  der  Natur  der  Sache.   Beeht  hflbaeh  eind  die  beigegebMMi  KirtOMn.  die 
dem  Verständnis  zu  Hilfe  kommen,  z.  B.  die  Ausbreitung  der  HaaM  am  1400, 
die  territoriale  Entwicklung  Hessens,  Badens  u.  ä.  W» 
Erzählungen  ais  der  Geachiehte.    1^  HUftbadi  fSr  den  enteft  Ge- 
Bchiehtsiiiiteniofat  aaf  kfihoren  Lehnumtalteo.  L  Theü  heranagagoben  tob 
Schmidt  and  Enderleiu,  U.  Theil  herausgegeben  von  Ulhiieht»  HL  Theü 
herauagegeben  von  Schmidt.    Dresden  1893.  Hfieker. 

Diese  drei  Bändchen  sind  mit  Bhcksicht  auf  die  BedürluiSbe  sächsischer 
S^idflii  abgefiunt.    Im  Jt  und  nodh  mebr  im  IIL  Theile  iat  der  Laadea* 
gpsrhichte  Raum  gegeben.    Sie  sind  kein  trorkcner  Au?tznff  ctvra  an«  einem 
Werke  fUr  die  Uberclassen,  sondern  trisch  geschriebene  Bilder  mit  DetaUa, 
wie  ate  die  kindliche  Natar  verlangt,  geacfarallekt,  auch  im  Satzbav  and  im 
Erzählerton  der  jugendlichen  Art  anp:rpas8t.    Recht  praktisch  vrar  es,  am 
Schlüsse  des  III.  Theiles  (,.\euzeitj  zum  Zweck  der  Wiederholung  dee  Alter- 
tbtutta  und  Hittelalters  eine  Zeittafel  über  die  Gesumm tgeschichtc  aniafÜgea. 
Schade,  das  die  Biiihlein  nicht  aiirh  durch  eine  Anzahl  Tllustnitionen  noch 
mehr  lUs  durch  das  blo£e  Wort  und  die  Schilderung  dem  Anächauangsujiter- 
rii^te  dienen.  W. 
Stein,  Lehrbuch  der  Geschichte  für  die  oberen  ClMten  höherer 
Leln  aiistalten.    L  Band:  Alterthnin.   5  Aufl.    2  Mk.    H.  Band:  Mittel- 
alter und  neuere  Zeit  bia  lt)48.    ö.  Aufl.  2  IL  20  Pf.  Paderborn,  Ferd. 
Schöningh. 

Steins  Lehrbuch  iat  in  seiner  5.  Auflage  nach  den  preußi^en  Lehrplänen 
vom  6.  Januar  1899  umgearbeitet  und,  da  dteae  eine  aiemlich  eiaaehaeideade 


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—  806  — 


üiDgefltaltuiig  des  Buches  nach  Seite  der  StoffauswabI  bcdin^n,  ist  die  Auf- 
lage in  dieser  Hinsicht  eine  von  den  früheren  wesentlich  verschiedene.  In 
einem  ist  sie  die  alte  geblieben,  was  die  durchsichtige  GUederuo^  des  Stoffes 
und  die  Hervorhebung  der  leitenden  Ideen  betrifft^  Vorzüge,  die  einige  andere 
Lehrbuch  Verfasser  bereits  herausgefunden  haben.  Nebcu  der  politi^en  Oe- 
Bchichtc  behandelt  Stein  in  eigenen  Cftpiteln,  die  er  nach  ji  der  grOBeren 
Epoche  einschaltet,  auch  die  CülturzustSnde,  wie  sie  sich  in  den  \\M  "enschaften, 
in  der  schönen  Literatur,  Bankunst  und  Malerei  äußern,  freilich  wie  fast  alle 
deutschen  Lehrbflcher  ohne  beigegebene  lUnstrationcn.  Blne  iMiinidaie  SoigfUt 


auch  die  neu  aufgefundene  Schriit  df»  Aristoteles  bereits  im  Texte  verwertet. 
Wie  er  überall  mit  dem  neuesten  Stande  der  Forschung  bekannt  ist  ud 
strittige  Fragen  behandelt,  zeigen  seine  Anmerkungen  in  beiden  Binden. 
Auf  einen  Paragraphen  mochte  der  Beferent  noch  besonders  auünerksam 
machen,  da  er  geeignet  ist,  als  UxaUßt  für  ihwlfehit  Fragen  zu  dienen,  die  tun 
ihres  bildmiden  Wertes  willen  recht  oft  gegeben  werden  sollten,  insbcFondere 
als  KecapitulatioQstragen.  £s  ist  der  §  116,  II.  Band:  „Geschichtlich  geo- 
graphische Übenidit  der  Llwler  Bnropas  um  1648."  Da  heiSt  <w  s.  B.  vnter 
4:  ^Schweden  w,\r  durch  die  gläcklichen  Kriege  Gustav  Adolfs  eine  Großmacht 
geworden.  Ks  hatte  EstUand  (1695)  und  Livland  (lti09j  von  Polen,  ferner 
GlENlitti  oder  Sttdflttnlaiid  nsd  Ingermmmlnad  (1615)  m  Brndud,  die  Jiucils 
GbddWQd  ni:dru;el  von  Däncinrir'A  1G45)  und  im  WMtiUiachttlMedciiBfttiiCB, 
Verden,  Vorpommern  und  Wismar  gewonnen."  W. 

£.  Blume,  Quellensätze  zur  Geschichte  unseres  Volkes.  T.  Band: 
Urzeit,  llerowingische  und  Karolingische  Zelt  5  Mk.  50  Pf.  Ii.  Band: 
Von  der  Zeit  Kourads  I.  bis  zum  Ende  des  Zwiachenreiches.  6  llk.  50  Pf. 
in.  Sand:  Von  der  Zelt  BvdoUi  von  Habebnif  bis  zun  SeUiuw  des 
Mittdalters.   6  M.  50  Pf.   Cdthen,  Otto  Schulze. 

Gegenüber  Bflcbcm,  die  abgerundete  Quellens tfh 4:  e,  Abschnitte  aus  dem 
und  jenem  mittelalterlichen  Chronisten  bringen  und  üch  aumeist  auf  die 
Kriegs-  und  Begentenfeseiiidite  beschränken,  bietet  Blume  in  den  drei  statt- 
lichen B&nden  Quellensätze,  die  sich  auf  das  Culturleben  unseres  Volkes 
während  des  Mittelalteis  beziehen.  Eine  zusammenhängende  Darstellung  hätte 
er  ja  auch  bei  IceiBera  d«  Amialitten  gefiinden.  Um  luin  «u  dfesen  eimeliien 
Mosaikstt^fkrhen  ein  bequem  zu  tlberschauendes  Bild  zu  j^^ewinnen,  hat  Blume 
seinen  i^ueüensätzen  eine  leicht  lesbare,  orientirende  Übersicht  beigegeben, 
in  der  er  nf  dto  elnidnen  QuellensfttBe  hinweist.  Dadurdi  ist  der  Genweb 
des  Buches,  dessen  Ilcr-^trllnng  eine  außerordentliche  BeleKcnhcit  in  den  mittel- 
alterlichen Chroni^teu  und  Diditeni,  einen  aoBeigewöhnlichen  Fleifi  und  Xoebe 
rar  Seebe  bedingte,  for  jeden  eo  Mebt  tb  nOglich  gemedit.  Geic^,  ee 
interessire  sich  einer  für  die  Jagd  im  Zeitalter  der  f^ächsiecben,  saUsehen  und 
bobenstaufischen  Kaiser,  nnn  so  findet  er  im  IL  Bande,  S.  90  eine  kurze  Zn- 
aeamautellung  dessen,  was  derttber  noieie  Quellen  dieeeeZeitnnimee  boffchten 
vad  debei  stehen  die  Verweise  auf  die  hinten  angefügten  Quellensätze  Im 
L  und  DLBai^  kann  er  dann  nachlasen,  wie  es  mit  der  Jagd  im  ersten  und 
letetflo  Tbdle  des  IGttebdtefB  stand  und  was  nni  daTon  Qoeuen  eniblen.  ta 
dieser  Weise  sind  alle  Seiton  des  Culturleln  in  Quellensätzen  behandelt. 
Keine  Frage,  dass  diese  Art  der  QueUenbenutzaug  im  Dienste  doi  eultur- 
gwehiehtliäuen  ünterricbtee  ebeneo  nen  wie  easiebei^  bik;  freifidi  erfordert 
sie,  weil  immer  nur  einzelne  kleinere  Fragm»  lui  geboten  werden,  gereiftere 
Leser,  die  der  nöthigen  äußerlichen  Concentratiun  entrathen  können«  und  setzt 
außerdem,  sofern  die  Besprechung  der  Quellensätze  im  Seminarunterrichte  zu  ge- 
schehen hätte,  ziemlich  viel  fireie  Zdt  des  Seminaristen  voraus,  da  ja  die 
erste  Lectttrc  doch  außerhidb  des  Unterrichtes  müsste  gepflegt  werden.  Mit 
Vortheil  wird  sich  Blumes  Sammlung  jedenfalls  gelegentlich  im  Unterrichte 
verwerten  lassen.  Es  ist  doch  etwas  anderes,  in  irgend  einem  Lehrbuch 
z.  B.  allgemein  gehaltene  Wendungen  über  5?imouie,  Acht,  Bann,  Gottesurtheil 
u.  8.  w.  zu  lesen  und  etwas  anderem,  aus  Blumes  Quelleobätzen  die  2ieitgeno88en 


Rande  zu^wandt  und  natürlich 


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—  806  — 


im  Mkher  Woiw,  ▼idMeht  gtr  ia  dan  San«  llwr  tll      nte  n  Uton 

lod  Terhandefai  m  sehen.  W. 

FricdlEnder,  Grundrißs  der  Weltgeschichte  far  den  Unterricht  in 
den  Oberclassen  höherer  Schulen.    H   Thf^il ;  Das  Mittelalter,  die 
tteoere  and  die  neneste  Zeit.   Leipzig  18Öi5,  Voig:Uäiider.   geh.  4  MIl 
PiMlIadw  fett  im  Umm  LMoebt  d«B  iMrgfltaMhtM  ««MUelrtiidHB 
T.<  hr-t  ;ff  gründlich  gesichtet.  An  Tahrcszahlcn  bietet  er  nur  die  nothwendigstcn. 
Di«  jkLriegagetchiohte  tritt  gegeuObez  der  CuXtur-  und  VoUtagescbichte  ins- 
bewMitot  in  Hitttlalter  MrtdE.   Die  BSneirilg«  ier  deatKl»«  Kaiser  s.  B. 
sind  wie  die  Lombardenklmpfe  und  die  Kreu/zfljte  nur  nach  den  Hauptv-endn- 
punliten  mit  Herroiiiebuig  der  Unnchen  und  Folgen  enüiilt  Die  fünpnkguns 
«M  SteflN  wM  dOfdi  cAm  Mn|:Altlg  abgewogene  Gruppirung.  ferner  &rah 
ZtdMrasg  in  kleinere  Tbe  1-  init  eutsiireohenden  Titeln  und  durch  alle  Hilfs- 
idtw  dA8  DxwokM  geOMext.   Das  Buch  wendet  sich  ttbezhiumt  mehr  an  das 
fndifliOie  alt  aa  das  wwehairiiBha  Gedlditnii.  Der  Sehttler  wiid  iw  ikn  fial- 
leicbt  weniger  Thatsaohcn,  weniger  Detail  u!~  ms  m  Uren  Lehrbficham  ItfMa, 
aber  gewiss  einen  klaren  Einblick  in  den  Gang  der  Geschichte.  — ^r. 
Hots,  Leitfad«»  fir  den  Geographieanterricht  in  Secandar-  nsd 
HltteUehvlan.  Baael,  Bakb. 

Schweizer  Schulen  mi§  Schweizer  LelnMAar  itflhaa  in  gutem  Rufe.  Das 
vorliegende  schiUligt  ihn  nicht.  Was  an  dem  Rfirhlein  geeilt,  ist  die  Aus- 
scheidung des  Unweseutlichcu,  der  Namen,  wenn  üc  dem  Schüler  zu  nichts 
anderem  als  zu  einem  bloten  Klang  ohne  Vorstellungsgehalt  kOnnen  gemacht 
werden,  der  Zahlen,  wenn  sie  nicht  der  Yergleichung  dienen  und  vom  Schfiler 
nicht  auch  behalten  werden  können.  Anächauuug,  Einblick  in  den  caosalen 
Zusammenhang,  leichte  LeabaiAeit:  das  sind  die  Ziele,  denen  das  Büchlein  von 
Hotz  nachstrebt.  Es  serlegt  nach  dem  Vorgang  der  wissenschaftlichen  Erd- 
kunde tp^ußere  Räume,  die  nur  durch  ein  politisches  Band  zusammengehalten 
sind,  in  die  physisch  zusammengehörigen  Thcile,  die  dann  als  geographische 
Individnalitäten  einzeln  betrachtet  werden.  Fttr  die  praktischen  i^tirfiüsse 
der  Schüler  hat  es  an  geeigneter  Stelle  ^  im  Budi  2^tieute  zusammen- 
gastttUt  (a.  BL  Oateneidi-UagHik  8. 106).  W. 

Pitz,  Vergleichende  Erd-  und  Völkerkunde  iA  abgerundeten  Dar- 
stellungen für  Schule  und  Haus.  3.  Anflage.  Nene  Bearbeitung  von 
Aug,  Auler.  I.  Band.  Köln  1892,  DuMont-Schauberg.  6  Mk.  60  P£. 

Die  vorliegende  dritte  Auflage  der  allgemein  bekannten  BSder  von  Pütz 

ist  eine  vollständig  uuigcHrbeitete  Auflage,  durch  deren  Herstellung  sich  Auler 
ein  Verdienst  um  das  Buch  erworben  hat.  Eine  Anzahl  Artikel  hat  der  Her- 
ausgeber selbst  geschrieben,  die  weitaus  größte  Zahl  ist  von  ihm  berichtigt, 
«ehr  viele  sind  neu  ausgewählt.  Kirchhoffs  Länderkunde,  dann  Ratzel.  Supan, 
Ltfher  boten  Darstellungen,  die  an  Stelle  veralteter  Bilder  traten.  Der  eiste 
Baad  besdiiftigt  sich  mit  der  physischen  Erdkunde  (S.  1—175,  28  abgerundete 
Darstellungen;  und  mit  der  Länder-  und  Völkerkunde  von  Mitteleuropa  (Alpen, 
Schweiz.  Deutschland,  Niederlande,  Belgien.  Österreich,  Rumänien,  S.  175—558). 
Da  dasBnoh  in  eister  Linie  ftlr  reifere  Schüler  bestimmt  ist,  so  hat  Anler  nnr 
solch«'  Bilder  aufgcuumiuen,  die  eine  denkende  Behandlung  des  Stoffes  bezwecken. 
Bloäe  Schilderungen,  die  auf  den  ursächlichen  Zusammenhanf  kein  Gewicht 
legen,  sind  darum  ausgeschlossen.  Dttrin  unterscheidet  es  sicn  von  Bflchem, 
die  für  die  Tnterhaltung  allein  be.-^timmt  .sind  oder  für  eine  andere  Altersstufe 
der  Benütser.  Wenn  wir  an  dem  verdienstUdien  Boche  etwas  ausstellen  sollen» 
io  wlie  es  blos,  dasa  derHeraaigebeT  —  nur  hie  und  da  ist  es  noütwendig,  z.  B. 
S.  472  (141  m)  oder  S.  473  (eine  kleine  Stadt).  S.  473  u.  S.  474  i  Sammlungen 
im  Belvedere),  S.  474  (abgesperrter  Theil),  &  475  (Stadtheater)  —  nicht  allen 
Veribrierttttgen,  denen  eine  moderne  Stadt  von  Jahr  zu  Jahr  unterworfoi  ist, 
Hechnung  getragen  hat.  Mit  Hilfe  eines  Bädeker  oder  eines  anderen  Reise- 
handbuches neuesten  Datums  liefen  sich  ja  solche  veraltete  Angaben  in  son^ 
gelungenMi  StadtfWfiildenuigm  toieht  beaeitigen.  W. 


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—  A>7 


Ibtzat,  Erdkunde.  Ein  Hilt'sbnch  für  ta  geagitpbiacheii  Unterrielit.  3.A]ifl. 
Berlin  1893,  Parey.   2  Mk.  50  Pf. 

Diese  Erdkunde  iat  nicht  nur  Schülern,  iioaderu  Lernenden  jeder  Art,  ja 
auch  Lelmm  wa  empfehlen.  Der  Beferent  kennt  aemlidi  alle  im  Umlauf  be- 
findliehen geographischen  Lehrbtlcb^r.  Mancfie  m?>c:en  bequemer  su  studiren 
sein,  manche  in  ihrer  Stoffiftoswahl  den  prakUscben  Bcdürfuisäcu  ausschließlicher 
foreebt  werden,  andern  «iner  bestimmten  Altersstufe  oder  Schulgattung  mehr 
angepasst  sein  als  Matzats  Lehrbuch  —  kein^  aber  jrf^wfihrt  ein  Wissen,  das 
sugleich  Bildung  ist,  so  wie  dieses  Eilfabuch,  dag  alü  Motto  den  äatz  Lesängs 
tngen  kOonte:  üatoiiolitflB  heUt  denktn  lekren.  Zmn  bloBen  Auswendigw 
lernen  ist's  nicht  geeignet,  nicht  eine  Seite;  ohn*"  Atli?,  ohne  Rechen-  und 
Zeichenatiffc  läast  noh  mit  ihm  nicht  arbeiten:  ja  es  »etat,  wenn  man  von  dem 
«Esten  AbwhBitte  aMekt»  «rah  «ine  menüleli  gnol«  BttamtHbaH  mit  doi 
naturwissenschaftlichen  F  irhrru  yoraus.  Das  erklärt  den  elgenartigren  Cha- 
rakter des  Buches  zur  Geniige.  Wifd  dag  Wissen  Toa  dec  £rae  hier  schwerer 
awcffbmi  als  mm  «ndctM  Bfieli«»,  s<»  hallet  «■  tiMk  to  |;aueB  Art  des  Br* 
wcxbcns  um  so  sicherer  und  i^t  es  um  so  vielseitiger.  Keine  Vorstrllung,  die 
nicht  mit  anderen  in  Beziehung  gesetzt  wftrde,  andfiie  wedtte,  durch  sie  ge- 
stilikt  wflfde.  IMbei  ist  diMM  Bich  aneh  «uih  d«r  BrnterieHen  mite  hin  wert* 
voll  liuirh  dio  Fülle  des  gesichteten  und  auf  den  besten  {Ji.cllou  lirnihRn<lrn 
Zahlenmaterials»  insbesondere  was  die  klimatischen  Yerhäitniase  angeht.  Es 
ist  moh  tn  dieser  Hinrieht  originell.  W. 

Jlarteu,  Sem.-Lehr.  in  Hannover,  Eaumlehre  mit  besonderer  Berück- 
tlehtignng  des  geometriiehea  Zelohnen»  für  lüttdaehalfla  nd  mebr- 
dMrfge  Volkasdnleo.  88  8.  32  Bg.  im  TaH  und  6  TsübIii.  HauioTer,  GoedaL 
1  Mk.  20  Pf. 

Bei  der  Raumlehre  in  Verbindung  mit  dem  geometrischen  Zeichnen  geht 
nach  unserer  Erfahrung  stets  die  Geometrie  im  Zeichnen  unter;  es  ist  auch 
bei  vorliegendem  Lehrbehelfe  nicht  anders,  es  sagt  ja  der  Verfasser  selbst  in 
seinem  BoglcitAvorte,  dass  in  Bezug  nuf  Anlage  und  Durchführung  des  Lehr- 
ganges  die  stärkere  Betonung  des  Zeichnens  nicht  ohne  Einflusa  auf  dessen 
Gestdtnng  geblieben  sei.  Und  weiters:  „Die  Lehrsfttze  habe  ich  ohne  Beweis 
gegeben.  In  Bezug  auf  die  Art  der  Beweisführung  wird  man  sich  in  den 
meisten  Fällen  mit  Anschauung,  beziehungsweise  Nachmessen  begnügen  müssen,** 
—  Dtaait  ist  eigentlich  wol  genug  gesagt.  —  Die  Geoinetrie  ist  ein  so  eigen- 
artiger Gegenstand,  dass  deren  rntcrricht  die  geistige  Thätigkcit  von  Lehrer 
und  Schülern  ganz  und  vollständig  in  Anspruch  nimmt,  denselben  nur  neben- 
bei, gelegeuhcitlich  betiBibeD.  ist  nicht  viel  licsser,  als  ihn  ganx  auszuscheiden. 
Damit  Wüllen  wir  übrigens  dem  vorliegenden  Bächlein  nichts  B^se'^  T^t^chgesagt 
haben,  im  Gegentheile,  es  ist.  wenn  man  das  Zeichnen  zur  Hauptsache  des 
Unterrichtes  mtchen  willig  im  Vorliegenden  eine  recht  brauchbare  Wegweisung 
geboten,  besonders  die  Fignren  sind  recht  verständig  entworfen  und  tadellos 
ausgefilhrtj  dem  Texte  sind  eine  gro6e  Menge  von  (^nstructionsaufgaben  bei- 
gefügt, dOMi  didaktische  Verwendung  mittelst  Sterncben  und  Kreozchen  sofig^ 
föltig  unterschieden  wird.  In  Bezug  der  Bercchnunp-^mifgabcn  findet  man 
leider  wieder  unnützerweise  Terschiedene  NiLhernngstormelu,  obwol  auch  die 
richtigen  Formeln  daneben  stehen.  Wenn  man  den  Ihr  eine  Unterrichtsstvfil 
dafür  entschl  "^F'  n  hat,  die  Geometrie  zeichnend,  anstatt  beweisend  zu  lehTSB, 
so  mag  dat>  Vorliegende  als  ein  brauchbarer  Lchrbehelf  bezeichnet  werden. 

H.  E. 

Wrobel,  Dr.  E.,  Gyn.-Lehrer  zu  Rostock:  Übungsbuch  zur  Arithmetik 
und  Algebra.  Anhang  für  höhere  realistische  Lehranstalten.  66  Seiten« 
80  Pf.  Eesnltate  hierzu.   H2  S.   60  Pf.   Rostock,  Werther. 

Den  ersten  und  zweiten  Theil  dieses  Werkes  haben  wir  schon  angezeigt 
und  hervorgehoben,  dass  dasselbe  der  Aufgabe nsammlmig  von  Heis  ebenbürtig 
zur  Seite  steht,  ja  dieselbe  an  Sorgfalt  der  Anordnung  und  daher  an  Brauch- 
barkeit übertrifft.  Der  vorliegende  Anhang  enthält  Aufgaben  über  Gleichungen 

64* 


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« 


—  808  — 

dritten,  vierten  und  kdlMren  Gradt-H,  über  den  Moivre'schen  Lehxaats,  über  ua> 
«ndliche  Reihen  und  aber  Ifaxima  ood  IDiiiina.  Jedem  nlnioliiiii  dieser  Ak> 

schnitte  werden  die  ndthiiEren  Erklärungen  und  Lehrsätze  voTanjgfcachickt, 
folgen  sodann  zumeist  mehräkche  Methoden  der  Behandlnog,  beziehungsweiM 
Liisungen.  endlich  schliotai  itok  den  auBgereclineten  Hasterbeiipielcn  solche  xor 
BelhhtstÄndigen  Berechnung  an.  Die  ^Resultate'*  enthalten  nicht  blos  die  ein- 
fache Angabe  der  Ixteung,  tiondcra  auch  nützliche  Fingerzeige.  Wir  köonea 
BMÜ  «mhin  nooiulMk  recht  nachdrücklich  auf  dieses  Werk  anfinerksam  zu 
machen,  walcfew  wdoogter  eiaea  kadmteadeii  dMtktiioba«  i^oitaehritt  mit  sioli 
bringt  U.  £. 

Neamanii,  Prot  Dr.  Karl  Wilhelmi  asu  Baxmen:  Lehrbneh  der  »llgemelAen 
Arithtt«Uk  nsd  Algebra.  6.  ▼mrbeM.  o.  rem.  Aul  315  8.  Bmen, 
HeMu  1892.  2  Hk.  80  Pf. 

Die  erste  Auflatfe  dieses  Buches  datirt  vom  Jahre  1865  und  hatte  aus- 
gesprochecernvalieu  den  Zweck,  der  Aufgabensammlung  von  H  eis  ak  Lehrbuch 
mr  Sdte  su  at^en.  Diese  weitverbreitete  Aufgabensammlimg  yerdient  alle 
Anerkennung  in  Bcmg:  auf  Umfang  und  StofTverticfung,  da  sie  aUes  bietet, 
wa8  überhaupt  in  den  Schulen  in  diesem  Unterrichtbzweige  geleistet  werden 
kaniL   Und  alle  Voisfige,  welche  man  dieser  Aufgabensammlung  nachrOhmt, 

feiten  auch  von  diesem  Lehrbuche,  welches  sich  der  äinmilnng  genau  anschnuQgt 
ntsprechend  der  weiten  Verbreitung  der  Aufgabensammlung  von  Heis  erfrevt 
sich  auch  das  vorliegende  Lehrbuch  starker  Nachfrage  und  wiederholter  Auf- 
la^n.  Allein  seit  dem  Jahre  1865  ist  die  Didaktik  der  Arithmetik  auch  nicht 
•  BtiU  gestanden,  sondern  hat  nach  zwei  Richtungen  hin;  den  Standpunkt  dieser 
Bücher  überholt.  Erstens  hat  sich  die  Überzeugung  festgest^^Ut,  dass  die 
Vielheit  von  Sätsen  über  Addition  und  Snbtraction  von  Summen  und  Differenzen 
einem  ganz  unnöthi^pen  Erschwernis  gleichkommt,  weil  man  fttr  die  Durch- 
führung von  jeder  dieser  Rechnungsarten  mit  einem  einzigen  Lehrsätze  aut- 
laugt,  und  zweitens  fehlt  dem  vorliegenden  Lehrbuche,  sowie  der  Sammlnag 
von  Heis  der  logische  Faden,  welcher  ihre  Leser  durch  du  Wirrnis  von  Pro* 
ductcn,  Quotienten,  Brüihen  u.  dgL  hindurch  leiten  würde.  Schon  vor  vierzig 
Jahren  hat  der  Österreicher  Hembyze  mit  seinem  Lehrbnche  Klarheit  in 
diese  Sache  gebracht,  und  das  in  Österreich  vorwiegend  verbreitete  Le^i!rack 
von  Müönik  ist  seinen  Spuren  gefolgt.  Der  logiscJie  Leitfaden  ißt  aber  folgen- 
der: Die  Division  ist  die  Umkeiurung  der  Multiplication;  nachdem  die  Regeln 
fttr  die  Ausitlhrung  der  Division  festgestellt  sind,  gelangt  man  alsbald  nr 
Erkenntnis,  dass  die  Division  nur  eine  bedingungsweise  ausführbare  Rechnungs- 
art ist.  Sonach  ergibt  sich  die  Frage,  unter  welchen  Bedingungen  die  Am- 
lUirung  mL^glich  sei,  und  mit  deren  Beantwortung  kommt  man  sn  den  Theil- 
barkeitskennzeichen,  woran  sich  ganz  naturgemäß  die  Sätze  über  Maß  und 
Vielfaches  anreihen;  nun  erst  ist  das  Rechnen  mit  Brflchen  hinreickend  vor- 
beroitet  tnad  kann  ohne  weiters  durchgefShrt  mad«a.  —  Wie  «ber.deht  es 
bei  Heis  und  Neumann  aus?  —  Glei  Ii  I  lIiu  Beginn  der  Operationen  rvvriten 
Ranges  findet  man  die  Piodacte  von  Differenzen  als  etwas  Selbstvenitftnd  1  ichm 
Usgärtellt  S^ter  ent  evg^t  sieh,  daas  diese  selbstrerstindfidiett  Fiodnet» 
Regel  und  Beweis  ftlr  die  Multiplication  negativer  Zahlen  enthalten.  —  Dsss 
dittBes  ein  Cinnilus  vitiostts,  wäre  nacbg^ade  Zeit  einzusehen.  —  Den  Sdaluss 
des  fraglichen  Äbiddiittee  bilden  die  TFbeflbeifceftBregeln:  vorher  gdien  die 
Sätze  über  Maß  und  Tielfachf-,  vor  drni  whrt  noch  r-ftht  das  Rechnen  mit 
Brttchen.  £s  muaa  aiao  der  Schüler  den  Üeneralnenner  Buchen,  ohne  den  Begriff 
dee  VieUhehen  m  keineii,  und  or  vanm  ein  gemdBedu^chei  IbB  anzugeben 
vcrHi"[T(  n  ahne  dass  ihm  die  Tbeilbarkeitsreffeln  bekannt  sind.  —  Es  wäre  in 
der  That  Zeit,  dieses  Durcheinander  zu  beheben  und  etwas  mehr  kgiscbe 
OUedening  in  einen  VBtanlehteweig  zu  bringen,  in  wdAflB  dnr  Kntlp  ^ 
Logik  ganz  besonders  empfindlich  ist.  H.  £. 

Scbaeffer,  K.,  Sem  .-Lehrer,  und  Weidenbammer,  6.,  Rect.:  Aufgaben  über 
Arbeite.rvrrsirliernng,  Ergänzungsheft  zu  B5hme'8  Rechenbäldien. 
20  ä.  Auilosuiigea  hierzu  7  S.  BerUn  1892,  Müller.  15  2t 


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—  «09  — 


Der  Waoacli  der  Behörden,  die  Woltbaten  des  Yersicherungageietzes  schon 
4em  SohtllBr  gel&ofisf  zu  machen,  bestimmte  die  Verfasser  zur  Hflnratgibe  dieses 
Ergftnzungsheftes.  Dasselbe  enthält  die  wichtirrston  Bestimmuniren  der  Ge- 
■etse  Ober  Alters-,  Unfalls-  und  liuraakenTersiclicrung  nebst  daraogereihten, 
■dv  lahlreichen  Reehnongtan^ben.  Diese  Aufgaben  bewegen  sich  im  unbe* 
jE^rfD/ten  ZaLlriiume  der  (tanzen  und  in  Hunderte!  von  Mark  urh^t  rinfachen, 
gemeinen  Brüchen  und  bilden  daher  einen  recht  passeuden  Ü  bungsstuti  illr  das 
▼iart»  fldiBQaiif.  H.  E. 

Leitfaden  der  Zoologie  für  höhere  Lehranstalten  von  Dr.  Paul  Wossidity 
Director  dos  Eealgjrmnasiums  in  Tamowitz.  Vierte  verbesserte  Auflage. 
Mit  518  in  den  Text  gedruckten  Abbildungeo.  Berlin^  WeidmannacJi«  Baehr 
handlang.  VIU  n.  ääö  Seiten.   3  Harl^. 

In  nuMAer  Tolge  «nelMiiitn  von  dteoeiD  ausg^eidneten  Iieln^nebo  oene 
Auflagen,  rin  l'^wris,  dass  dasselbe  viele  Freunde  gcfnnrlen  bat.  Die  yierte 
unterscheidet  sich  von  den  frOheren  durch  die  BeifDgung  einer  Thicttoogny^ 
nd  dwrdi üntefirainnsm  Vber  dl« QoMidheitdoh»»;  aout  wtat  weinfäit  vM 
an  dem  "Werke  zu  verbessern.  Die  ausgezeichneten  Abbildungen  sind  durch  die 
,  Danteünn^  der  Hundwexfczeuge  der  Insecten  in  hOchst  geLongener  Weise  ver- 
nohit  wonwa*  C,  S. 

Itfeltfaden  der  Botaaik  Ar  Mhere  Lehranstalten  yon  Dr.  Paul  Wdfltidlo, 
Director  des  kOn.  Bealgynmassnms  in  Tamowitz.  Mit  525  in  den  Text  ge- 
drückten Abbildur^en  nnd  oinpr  Karte  der  V^tationsgebiefp  in  ßnntdruck. 
Dritte  verbes^iert«  Autlage.  Berlin,  Weidmanmohe  Bodüi&ndlong.  VIU  o, 
288  Seiten,   o  Mark. 

Wir  habea  m  dieeeor  Neuauflage  dee  toh  uns  schon  gebllieiid  gewürdigten 
Lehrbuches  nur  zu  beTiicrVrn,  da-'^  r^:  durch  efn7Plne  ^'orbessenine'en  und  Ver- 
mehrungen (bei  den  Kjyptogameu}  noch  gewonnen  hAt  und  daher  au£s  wärmste 
empfohlen  weiden  kann,  aageMUhnete  Auftatting  des  Werkes  sei  hier 
abömalfl  hervorgehoben.  C.  B.  R. 

Anfangsgründe  der  Mineralogie  för  Gymnasien,  Realschulen  nnd  höhere 
Bürgerschulen.  Von  Dr.  Paul  WossidlO}  Director  des  Kealgymnasiums  in 
Tarnowitz.  Mit  378  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen.  Berlin,  Weid- 
mannsche  Bnchhandlnng.  VI  n.  III  Seiten.   1  Mk.  80  Pf. 

Das  Lehrbuch  beginnt  mit  der  Beschreibung  von  eiaaelncn  ^iineralien,  die 
aber  nicht  in  der  gewöhnlichen  schablonenhaften  Weise  durchgelUhrt  ist.  Aua 
den  Kinzelbeschreibungen  resultirt  &k  zweiter  Theil  die  Kennzeicbenlehrc, 
welche  eich  in  die  Gestaltenkunde,  die  physikalischen  Merkmale  und  das 
chemische  Verhalten  thcilt;  eine  systematische  Zusammenstellung  auf  Grund 
de»  chemischen  Verhaltens  beschließt  diesen  Theil.  Der  dritte  Theil  behandelt 
die  Erdbildung,  welcher  ebenso  wol  die  Petrognraphie  als  eigentli>-)ie  Geologie 
enthält.  Dieser  Theil  ist  mit  Vcsnndrrcr  Sorgfalt  gearbeitet  und  durch  gute, 
der  Natur  entnommene  Abbildungen  von  Güsteinsformen  untersttttat.  Auch  die 
pallontologischen  Abbildungen  sind  höchst  gelangen.  Überiumpt  rdhi  sich  auch 
diese  Mineralogie  in  würuigster  Wri.r  den  übrigen  ausgezeichneten  Werken 
des  Verf.  an.    Die  Aus.<itattung  ist  huthöt  anerkennenswert.      C.  R.  R. 

Kurses  Leiirbuch  der  allgemeinen  Zoologie  in  gemeinfassUciier  Dar- 
eteUniif .  Naeh  den  QnmdiUxeii  der  vergldöhenden  Zoologto  für  MImm 
LelmHittalteii,  oowie  mm  SelbstimtaRiclit  bearMtet  toh  Hr.  PasI  Klaiuekf 

0.  Lehrer  am  kön.  Lehrerinnenseminar  zn  Callnberg.  Mit  18  AbMdmifiB. 
BnaUu,  Ferdinand  Hirt.  81  Seiten.   1  Mk.  25  Pf. 

In  hllndiger  Weise  stellt  der  Verl  die  wesentlichsten  Partien  der  alke- 
meiiieB  l^logic,  wddM  gewlAalldi  in  den  sjretematlMdMoi  IiduMehem  fthwa, 

zusammen  und  bietet  damit  eine  dankenswerte  Ers^Snznng  für  den  zoologischen 
Unterricht.  Die  verschiedenen  Gesetze,  welche  die  Natur  bei  Erhaltung  and 
rOfdenng  des  Xadiridnams  nad  der  Art  tf«di  gegeben  hat  aad  befolgt,  sind 


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—  810  — 


in  kkrer  nnd  interessanter  Weise  durchgeführt,  wie  z.  B.  lümikrj,  Gesetz  der 
Aupa-snug,  Gesetz  des  Zusammenhanges,  (resety-  der  Arterhaltuuc:  ett.  Der 
Verl  bat  es  sehr  gut  yerstanden,  ohne  lu  kios  und  onyerst&niUiQb  sa  werden, 
in  fedringter  Form  eia  intergwintei  BIflUaiB  n  MhAffen,  d«  tMob  NiImb 
stiften  dürfte.  Die  Ab||j]|laageii  «Iii  wAtmtHmA,  htÜBA  tibflr  sehr  gnt  warn 
besseren  Verständnisse.  C  R.  R. 

Chemie  iur  die  Volksschule.  Mit  zaklreichen  von  den  Schülern  seibsu 
itiDdiK  MiflUiiliairai  yenaehen  und  etwa  340  Fngcn  md  AxdjgAm  Iw- 
«rbeltet  von  L.  Basemanii.  Mit  13  Abbildnngai.  HvUMvveivLhulflii,  Yer- 
lactaattalt  von  Carl  Marx.   ß3  vSeiten.  40  Pf. 

Wer  dieses  Büchlein  in  die  Hand  nimmt  und  einen  Leitü&den  der  Chemie 
erwartet,  wird  sieb  entt&uscht  finden,  denn  er  wird  üich  einem  praktischen 
Eaushaitungsbuehe  $reg«nflber  seh^,  in  welchem  die  gewöhnlichen  Erscheinungen 
des  Lebeu.s  auf  chemischem  und  physikalischem  Weije  erklärt  werden.  Wir 
wollen  daiuit  «lern  Büchlein  nichts  Nuchthciligei«  nachreden,  sondern  erblicken 
darin  sogar  einen  Vorzug.  Was  soll  in  der  „Volksschnle" ,  wo  den  Schflieni 
ohnehin  zu  viel  Systematik  verschicrtcTieT  Art  eingepaukt  wird,  auch  noch  eine 
systematische  Chemie?  Uro  den  Charakter  des  Werkcliens  zu  zeichnen,  eronilgt 
es,  die  Titel  etniger  der  32  CapitelaamfUiren:  Die  Spiritnslampe,  das  Petroleuin, 
das  Kohlenoxydpras  nViederhe!<'htmgSTer«uche),  das  Fett  im  menschlichen  Körper. 
Fleisch  und  Bouillon,  vom  Hunger  (Spirituosen,  Thee,  Kaffee),  der  Uefepik 
(Weinbercitung),  die  Bierbereitung  etc.  Überall  finden  wir  die  Erkltemig  sehr 
ppmcin fasslich  und  doch  der  Wissenschaft  cnt'-pnv'hend ;  h-ider  sind  nur  wenipre 
Abhildungcu  zni  Erklärung  beigefügt.  Die  Auijrabeu  sind  recht  swi  gewählt 
und  die  aufgestellten  Fragen  zur  "V^deriiolung  des  Lehrstoffes  recht  geeignet. 
Doch  scheint  uns  hie  und  da  etwas  zu  viel  des  Guten  gethan,  uie  in  der  Be- 
rechnung: des  SaLigehalteü  des  DoUart  mit  st-inea  Gewichtsmeugen  Salz,  der 
Wag^oniadungen,  der  Lftnge  der  Waggonreihe  etc.  Die  hygieiuschen  Winke, 
welche  überall,  wo  es  pas?cnd  i-;t  sich  eingestreut  vorfinden,  sind  sehr  dankens- 
wert Kurz,  dii&  Büchlein  ist  ein  recht  praktischer  Lehrbehclf  für  die  SchuJcn, 
zumal  in  gleicher  Weise  „Cheniiestunden  für  die  Volksschulen"  fUr  die  Hand 
des  Lehrers  erschienen  sind.  In  Bezucr  auf  die  Spraclic  des  Büchleins  wäre 
noch  zu  bemerken,  dass  dieselbe  sehr  klar  ist,  aber  manche  Provinzialismen 
enthält,  die  nicht  Überall  verstanden  werden  <iürftea.  C.  R.  & 

Lehrbuch  der  Schnlgesundheitspflege  für  Lehrer  und  Seminaristen  von 
£.  Uolfmann,  Seminarlebrer  iu  Rheydt.  Langensalza,  Druck  and  Verlag 
von  Herrmann  Beyer  &  Söhne.  VH!  u.  118  Seilten.   1  Mk.  60  Pf. 

Die  Hygiene  spielt  eine  immer  wlditigeie  Rolle  in  unseren  Schul verhältntsaen; 
da  immer  mehr  Anfoidernngen  an  die  geistige  Thätigkeit  der  Kinder  s^estellt 
werden,  die  leicht  ihrer  köiperlichen  Entwicklung  Schaden  bringen  künuen,  ist 
et  heiligt  Fflidit  dsr  Sdinle,  solchen  Nadithetlen  entgegenzuarbeiten  und  die- 
selben entweder  zw  verhüten  oder  doch  mindestens  auf  das  geringste  Maß 
berahzudrücken.  Der  Verf.  unternimmt  es  nun,  gestützt  auf  lange  Erfahrung, 
fQr  die  Hand  des  Lehren  ein  Bndi  zu  Hefem,  welches  für  alle  Falle,  in  denen 
der  Schulmann,  ohne  Arzt  zu  sein,  für  die  Gesundheit  der  Sehtller  wirken  kann, 
die  Normen  zusammenzustellen.  In  welchem  Umlaoge  er  seine  Aufgabe  be> 
handelt,  ergibt  sich  aus  folgenden  Titeln:  Luft,  Li(^t,  Wärme,  Reinlichkeit, 
die  Schulbank,  die  äußere  Haltung  der  Schüler  in  den  Schulstunden,  der  Unter- 
richtsbetricl) ,  die  körperlichen  Strafen,  die  Leibesübungen  iu  ihrer  Bedentang 
für  die  Gesundheitspflege;  den  Schluss  bildet  ein  Abschnitt:  die  Gesundheits- 
lehre als  Unterrichtsstoff  fflr  die  Volksschule.  Der  Verf.  zeigt  überall  die 
nöthige  Sachkenntnis,  fOhrt  die  physikalischen,  chemijichen  und  anatomiflch- 
physiologMnn  Partien  sehr  klar  durch  und  faßt  zumeist  auf  den  bebOrdHdMn 
AnoTdnuii«ren,  welche  für  die  Förderung  der  Gesundheitspflege  in  den  Schulen 
erlassen  wurden.  Da  da«  Buch  für  deatsohe  Lehrer  geechneben  wurde,  ist 
uMdMi  nvr  auf  die  für  sie  in  Betradrt  kommente  YesriiiltBiMe  Blleksicht 
genommen  worden,  ül)gleich  es  vielleicht  angpzeisrt  s-ewescn  w^ftre,  hie  und  da 
auch  das,  was  sich  in  anderen  Ländern  yachabmenswertes  findet,  so  ber&ck- 


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gichtigen,  z.  B.  betreffs  der  Schulbankirage.  Becht  eingehend  beBchAfti£t  iioli 
der  Verf.  aueh  mit  der  Haltung  der  Sehttler  behn  Schrefben  vni  plaldht  für 

die  rechtsschiefe  deutsche  Kurrentschrift.  Auch  <lon  Jufifcudspielen  widmet  er 
proßc  Auftrierksamkeit,  was  umsomehr  zu  loben  ist,  da  eine  Regelung  derselben 
allerorten  angestrebt  wird;  knrz,  es  ist  keine  Partie  der  Gesundheitspflege  ver- 
nachlässigt. Mit  dem  Capitel  der  körperlichen  Strafen  werden  manche 
Philanthropen  nicht  ganz  einverstanden  sein.  Jedenfalls  kann  das  Buch  Nutzen 
stiften  und  dürfte  sich  viele  Freunde  inoerhalb  der  Lehrerkreise  und  auch 
außerhalb  dennUwi  erwerben.  C.  B.  B. 

Das  Schülerturnen  an  Volks-  nnd  BürsreT^^^huIen.    Eine  Znsammenstellaiig 

lehrplanmäßiger  Turnübungen  von  Frauz  Zdarsky.   Heraosgegeben  vom 

Lehrerhausvereiue  in  Wien,  ö  Theile.  3  fl.  85  kr. 

Die  wliegend«  ZwarnnMosteUniig'  dm  TnniStagiBtofiw  «n  dM  Volln- 
nnd  Bürgerschulen  wird  vielen  Lehrern  und  Lehrerinnnen  als  v-inkonir;i  ncr 
Leit&den  gute  Dieaste  leisten  und  ist  geeignet,  eine  wesentiicho  Fürderung 
des  Tunrantflarrichtes  bei  den  geMmten  Sehdkiitegorlen  m  bewidceo.  Der  m 
Turnlchrerkreiscn  vortheilhaft  bekannte  Verfnss^rr  zrig^t  auch  in  diesem  Werke, 
dase  er  das  behandelte  Gebiet  theoretisch  und  praktiadi  beherrscht,  und  daas 
ihm  £e  Br&hruogen  einer  laagjährigen  Lehrpnudg  snr  VerfOgung  iteben. 
Lobend  hervorgehoben  verdient  besonders  zu  wenlen.  dass  der  behandelte  sehr 
reichhaltige  Tumtibungastoff  den  ofdciellen  Lehr^länen  entepricbt  und  methodisch 
geordnet  erscheint,  sowie  dass  der  Turnnnterricht  an  den  Knaben-  nnd  M&ddien« 
schulen  gesondert  behandelt  wurde ,  da  er  ja  auch  in  wesentlich  verschie- 
dener Weise  zu  ertheilen  ist.  Die  fftr  jede  Classe  aufgestellten  ätuudenpläae 
sind  empfehlenswert  und  weiden  vielen  Lehrpersonen  eine  erwünschte  Bei« 
Ida.  A.  Btthm. 

Neu  erschienene  Bfioher. 

W.  Freyeir,  Die  gefetlge  Entwlckelmig  in  der  enten  Kindheit,  nebet  Ai^ 

veiflaDg  für  Eltern,  dieselbe  zu  beobachten.,  Stattgert,  Berlin,  Leipdg, 

Deutsche  Verlagsgesellschaft.    201  S.    4  Mk. 
Koiirad  Duden,  Vollstündif^es  orthographisclies  Wörterbuch  der  deutschen 
Sprache.    Nach  den  neuen  amtlichen  Regeln.    4.  Auflage.    Leipzig  und 
Wien,  Bibliographisdies  Institut.    XVIII  u.  344  S.    In  Leinen  gebunden 
1  Hk.  SOPfL 

Karl  Bartseh,  DentMhe  Liederdichter  dee  12.  bis  14.  Jahrhunderts.  3.  AoiL 
besorgt  von  Wolfgang  Golther.  Stuttgart,  Göschen.  407  S.  5  M. 

Ludwig  riilaild,  Emst,  HerTiog  von  Seliwaben.  Trauerspiel  in  fünf  Auf- 
zügen. Für  den  Schnlgebrauch  herausgegeben  von  Dr.  P.  St&taner.  Leipzig, 
Hicliard  Kichter.    88  S.    öO  Pf. 

Br.  K.  F.  Kumier  nnd  Br.  Kaarl  Stejskal,  Einführung  in  die  Qeechiefate 
der  denteohen  Lltwetar.   Wien,  Kau.   270  S.   1  iL  SO  kr. 

Wegweiser  durch  die  deutsche  Jugendliteratur.    Im  Auftrage  dee 

PSdagogisclien  Vereins  in  Di-esden  herausgegeben  von  der  Commission  zur 
Bptirtheilung  von  Jugendschriften.  ö.  Heft.  Lidpadg  nnd  Berlin,  Julius 
Xlmkhardt.    70  S.    80  Pf. 

Ed.  Wießner,  Lieder-  und  Spielbnchlein  Ar  Bewegungsspiele  m  Sohnlfeiten 
ete.  Gotha»  Behren!   BO  8.  15  F£ 

Br.  Karl  Biliar^  Kncyklopädisches  Handbuch  des  gesammten  Tnniwesens  und 
der  verwandten  Gebiete.  Heft  1 — 4  ä  3  Bogen  LexikonfenniA.  Preis  des 
TTeftf^«       Pf.    Wien  und  Leiii'/ig-,  Pichler. 

(lUstav  Kalb,  Per  erste  Unterriehl  in  der  Knabeahaiidarbeit.  Mit  336  Ab- 
bildungen.   Gera,  Hofmann.    IIU  S.   1  Mk.  25  Pf. 


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—  812 


JIr.  HnrckhArd,  Leitfaden  der  VerfaB&nngykimde  der  8ttermclujKli>iuig«ri8dieo 

Monarchie.    Wien,  Mauz.    139  S. 
J«  8eh*]i,  DispoiMoMi  n  Ldoftotai    itt  ViAMohnli  alt  ttoam  ait* 

wMam  Uetkmm.  2.  Aul.  BrcdM,  Ooflrtkb.   148  8.    1  Mk.  60  Ft 

&  Schwoehow,  Die  BearVt  itnng  i)ä4afOflMhar  Thww.  2.  Alflaie.  Qtn, 

Hnfm.iTiTi     '267  8.  2  Mk.  40  Pf. 
F.  ^iniiidi;:,  Kin]u»itl!che«  Eeligionsbrich  für  evau^'-  lisclie  Volkßschuleü.  Vcr- 

einiaciiie  Au^jgabe  (B).  Leipzig  aud Berlin,  Julias  Kiiakli&rdU  1958.  65  Pf. 
Kirl  V«elk«r,  fiililliite  LcmMi  flr  tvaugeliadM  SoUfan.  2  AalL  Q«m,  ' 

Ifofmann.   6S0  a,  nit  2  AbUltacMi  Hl«  2  XirCtt.  1  Xk.  40  PI 
F.  Onindig,  Handreichmig  zor  Behandlung  der  biblischen  Oetdikdito.  1.  liefe- 

rong.    Leipzi«r  nnd  B^tüh,  Tnlin«  Klinkhardt.    80  S.    80  Pf. 
Dr.  Wilh.  Ricken.  Le  I  mü  de  la  France  en  cioq  mois.    Nach  G.  Brono 

für  die  deutsche  äcUuljagejid  bearbeitet.  Berlin,  Gronau.  43  S.  ÖO  Pf. 
Cieero't  r1i«toriicke  Soliriftei.  Auwahl  tbe  die  flekiU  mIm»  EinL  «4 

Vmbwrit  Dr.  0.  WMtnUlM.  hOpt^,  IMmr.  366  a  IMLSOPt 
Gkrestomathie  ans  Schriftstellern  der  sogenannten  silbernen  La- 

tinitftt  für  den  Schulgebranch  znnaniTn engestellt  von  Theodor  Opitz  ud 

Alfred  Weinhold.    Leipzig.  Teubiu  r.   477  S.   2  Mk.  80  Pf. 
(J.  Heutze,  Anleitung  zui-  \'ürbereitang  aut  Homers  Odysse.  4.  Btoddien, 

Q«iiiigXDC^XXIV.  Leipzig,  Trainer.  116&  IiiL6iiiwaiidg«Annid«B80Pt 
XenophOBl  Anabasis  und  Hellenika  in  Auswahl.  Text  und  Commentar 

T4B  a  Sorof.   I.  Bändchen:  Anabasis,  Buch  I— IV,  Text  199  S.    1  MIl 

20  Pf.    Commentar  hierzu.    182  S.   1  Mk.  L>0  Pf.    Leipzig,  Teubner. 
ProL  Dr.  fieiurich  l'hle,  Griechische  Schulgiaiamaiik.    4.  AoÜ.  i^eipzig, 

Tettbner.    210  S.  In  Leinwand  gebunden  2  Mk.  60  Pf. 
Kkelilg-8c]UMi4«r,  SdnawtotarlNMk  n  CInr.  3.  Anfli««.  Leiprif,  TmAmt. 
DenUeket  Lesebuch  fttr  kSkere  Lehranstalten.    Heransgegebea  rm. 

Lehrern  an  dem  Real^mnasinm  zu  DObeliL    4.  TkeU.  (2.  AWMWBg)* 

Obertertia.    Leipzig,  1893,  Teubner. 
SchiUing,  Verkannte  Thieie.  iTür  die  Jugend  geschildert.  Minden  in  Weet> 

fileii,  MMOwsky.  50  Pf. 
WoU;  Du  notkwoidigifee  Xitorlal  Iber  Tfaemai  eiift  den  DstenioktegeUeto 

der  deutschen  Sprache.    Minden  ia  Westfalen,  Marowsky.   70  Pf. 
SUm,  Der  Aufsatz  in  der  Volks-  und  Mittelschale.    L  B.  2.  Bildcliea, 

k  1  Mk.  ÖO  Pf.   Halle.  1893,  Schrödei. 
Woklrabe,  I>ie  Stellung  des  Aufsatzes  im  Qesammtuuterricht.    Halle,  1893, 

SduOdel   1  Mk. 

CMtiimtf  PrekftiMhe  Anleltiiiiir  mr  AbUMnmg  4rat8elNir  AniMttse  in  Briete 

an  einen  jungen  Freund.  6.  Auflage.  Leipzig,  Tenhlier.  2  M.  40  P£ 
Renßner.  Geschichtliche  Bückblicke  und  Betrachtungen  an  vaiaerliadiechBH 

Scbalfeiern.    (8  Reden.)    HaUe,  Schrödei.    1  Mk.  ÖO  Pf. 
Juüs,  G^präche  in  Poesie  und  Prosa  für  Scholen.  Zum  Vortiai^e  bei  i  ru- 

lking»R  und  anderai  ftierikhen  AnHinen,  "BäntaAvarg  1893,  Dom  (Maier^. 
Krüger,  Drei  Eaieer  (Wilheln  I,  IViediioli  HL  md  WlUnlm  H.).  &  AdL 
1893,  Baedeker.  1  Mk. 


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^tlaq  t>on  ^uUM  SiUnt^tv^t,  Berlin  W.  0,  ftdt^enet  Str.  24. 
Sit  mHaem  VecTage  finb  ecfi^eii: 

gefatnliefte  fit  Si^miwAmHl 

^raudqegeben  uon  <riiiü  Xvwmtin  in,  tJcrltti. 


$eft  VII  tierftufe,  »rut(4. 


m 


IX.  Cftcrfmfe,  ItfieiiiifA. 


^eftlfliK  bfi  'I^fnuBunüi  bcr  Sfitfrt  8,  4,  fi  »r. 

3n^alt£)anga&c  ber  einzelnen  ^efte: 

4^eft  I  ttiitrrfttife,  lentf«. 

„  U.  Uiitcrfliiff,  aeiitfdp,  fIfU. 
,  m.  aKtttelftttfe,  druM4l. 
,  17.  IHttflftiire,  fteutf<|,  fleif. 
,  y.  SNittdftufr,  latcinif«. 

»  VI  Wittdfmfj,  latciNif<<ir  ftetl.  w^^*^^, 
^«ft  in.  Oikrftnfr,  latdnif<^  Ri^  NMtM,  ftdl 
„  XIII.  ^lun&fdirift. 
,  XIV.  dir4ieit<ieü  für  IKittcis  Hit#  Oerftufc. 
»   XV.  «r<|ni|(|t  fif  IHMds  ttal  Olcffiiifr,  fieif. 

3ebeS  biefer  ^fte,  bad  oom  ^nbe  jum  ®d^reib«n  benu^  »irb,  alfo  au(6  bai 
35iftat»,  lÄufffl^t)eft  u  ,  hat  bic  bcutirfton  obor  lateiniicfifit  Sc^riftfomicn,  lucldic  in  biefem 
&efte  einzeln  ober  iu  ^jjeibinbungeu  ,su  jc^ieibeu  [inb,  in  ber  riditiqeu  iHroHe  uiib  ^age 
m  genetii'ctfr  unb  alt)^betif(^t  Siei^folge  atö  Oetgabe. 

^KoAt  mit  ben  Sc^tiflformen  ift  am  i?orbcrn  Xocfct  feft^ifffebt,  fo  boft 
ftct>3  bic  fiage  beä  \"»cfteö  l^at  unb  unoerlierbar  mit  Dc;iiicUH'n  iHTbunbcn  ift. 

SSerben  bie  Seiten  1,  3,  5  ;c.  bei  ^\iti  bef^ricboi:,  io  biont  bic  obere  €eite 
bcg  Slatto?  oXi  ^öorlagc,  xotXi^ti  babei  bei;,  auf  bem  Tecfol,  bem  1.,  2.  iölfltt,  alfo  immer 
unmittelbar  neben  ber  3cbreibiette  liegt,  ^eim  '-bejc^retben  ber  8eitcn  t,  4,  6  u.  liegt 
bo«  %(att  lUK^  mlcii  gcft^Iagtii  nctai  ban  4>efte,  alfo  oiM^  nmitteaat  «ftes  licc 
6(i^rei6fe{ti'. 

Xa  bieje^  ^IMatt  immer  bei  ber  jule^t  qefd}rtebenen  3eite  ber  \?irbeit  liegen  mug, 
fo  fftDt  ollel  iBIätttni  iDeg,  unb  bei  ber  j^orreftut  man  nnr  Me  mangd^aftr» 
formen  anjut'trcic^en,  weil  ja  bic  üorfrfjriftSmo&ige  (^ocm  unmittelbar  baneben  f|et}t. 
%(x.  nun  bad  itinb  in  jebem  ^eftc  bicfe  rid^tiqen  unb  frönen  @c^riftformen  täglid)  fie^t, 
fo  erpit  ed  naturgemäß  burd;  bie  oft  roieber^oUe  Slnft^nnng  eine  rictitige  ^orfteUung 
bon  ben  ^romtoi,  itnb  bcnfl^t  fu^  nun  au^i,  fei«  X^iis  xA\  bct  )6oc^eflium  in  (ünflong 
ju  brimv"- 

'^i  ift  unfer  9emfi]^  flcnwfcii,  üMl^t  Mcnig  tCttcn  HoR  ^c^«  bfcfe  bofftr  ober 

fs  befter  ^tu^ftattung  geben. 

%\t  'Nfformtiefte  fiiiD  iiatb  *^o^icr,  llmfanfi  unb  l'iniatiir  brtt  brften  ber 
ffttt  grbräu(bli(4cii  cinfatbru  Oefte  slctctttertii).  fie  bdbrn  aber  dnvdi  Die  friiv 
)lifc(finäl9igc  ifiiiriditunn  bcd  ^orlaneblatttd  oor  allen  anbcrra  Offtrn  otoise 
^orsnge.  llnb  ba  Der  jU  eis  für  iebc0  0cft  cbcnfttttg  nur  War!  — >10  beträgt, 

\$  ftM»  fie  iiligcf  ttig  oBe  owberea. 

Jluf  befonberen  H^unftf)  iß  bie  l^erlagsbudj^anblung  gtm  ir&BSff, 
ISmtlirfie  Jlrftn  ber  ßeformliefle  in  je  eintni  (Exemplar  franto  jur 
JUnTtiiit  {u  übecfenben;  bei  erfolgenber  (Einfül^rung  gelani^t  felb^erßänbUd)  ber 
btfßr  btctil^iitfc  Btfrag  nrfsbK  luv  j^fmi^imii. 


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liiiversite  de  Cieneve^ 

Aimäe  1803—1894. 

FMsMt  des  »elMie««  (j  oompru  iWe  de  Ghimie),  das  MimUrum  et 
dee  mtMmmeem  m^aIm  (löiniiiaue  de  Ungne  ttaai^än),  de  UvmHp  de  IM*- 
de  JKcAedM  (^tudeimddicalei  et  pluumieceatiqnei).  BmI«  doiteira. 

Les  cours  s'ouvriront  le  22  Octobre  1893. 

On  pe«t  le  pfoeuer  le  piegnimine  des  cours,  ainst  qae  les  prog^rammee 

diteOlte  des  examens  df  irrmlos  an  bureau  dn  8e<'rt  tairo  raissier  (Cnivcreitt').  — 
Les  InHcriptioM  pour  led  (Nauens  d'Ootobre  scront  re$aee  du  Icr  na 
8  Octobre. 

PovT  Pension  et  logement,  eittd  ino  pour  zeceToii  gratoitement  dee  infor- 
metiene  rar  les  tteblisaemeats  d'inetnietion  de  Oenire,  s'adieaser  m  Beiea«  de 
leaseignraieBts  Macatilk,  6  Qaai  du  Moat-BIane. 

Le  Beeteur:  PrafeMear  Cdistave  JallUrd« 


blickt  Ja«^ 

•im  I 

iKfctVintiHlifickMt  l  titfiHft 

Qa\ierschuie 


I S999I BOHB  SB9  i^B  V 

DianSnM  440  Mlc.,  Harmoniums 
riaillllllS  von  90  Mk.  an,  tind  FlOgel, 
lOjähr.  Garantie.  Abzahlung  gestattet. 
Bei  Barzahluns;  Rabatt  und  Frei:<cndung. 
WILH.  EMMER,  Berlin  t\  Soyd.  l- 
6trasi(e20.-  Allerhuchäte  Auszeichnungen: 
Ordea,  Staate^MedailleB  etc. 


PiftninOS  von  8ÖO  bis  ir>00  Mk. 


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Uarmnnnime  <i<'ntsehp  und  nrafrik.  Cott. 

Ifinrri'i.  Allo  Fabrikkt«.  BttcbXer  Burrabatt 
Allo  Vorthi  ii>3.  lUulr.  Katalog«  gtattt. 


Wilh.  rttidolph  In  — ,  ,  ^ 

(fri)<^t»'B  Piano-Ver»and-G«»cb«ft  DoaMeblanU. 


1» 


nin** 

in  _ 


|KRies,f)resilen| 

Piano-Maga-zin, 
Seestrassc21,l 


Uber  den  seit  Jahren  bei  dM  p.  t. 
Henea  Pädagogen  etc.  etc. 

wohlbekannten 

Holländischen  Tabak 

vou  B.  Beeker  in  Seesen  a.  Harz  hat 
der  Fabrikant  tau.sondfachos  Lob  erhalten 
und  sich  den  Besitz  der  Zuschriften  schon 
IH.'jö  und  dann  1892  notariell  bestätigen 
lassen.  Da.s  not.  Dokument  hat  die  Expe« 
dition  oingesehon.  (10  Pfd.  des  Tabaks 
leee  ia  eiMm  Beutel  ftoe.  8  Kedc.) 

Louis  Ocrtcl<t> 

HANNOVER 
Jnstrumfitte.Saittn9tt.tu  Enqns  Preisen, 


Hierzu  2wel  Beilagen;  1.  von  Julius  Klinkhardt  in  Leipzig.  2.  von  HermailO 

Oesterwitz  in  Dessau. 


BnelidjniCkani  Jall«  XUaUud^  Leipzig 


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