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Full text of "Thebanische Heldenlieder Untersuchungen über die Epen des thebanischargivischen Sagenkreises"

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Thebanische 
Heldenlieder 




Erich Bethe 




Z95l! 
.176 




ANAErnN ♦OlBE nAPXAEOY TE 
KI 'AN AN KAr.TAAlAN »lAEnN 





CLASSICAL SEMINARY 
PRINCETON UNIVERSITY 




OnOHARRftSSOWlUI 
BUCHHANDLUNG 
:LEIPZI6: 



J2^ 



•fr 



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THEBANISCHE HELDENLIEDER 

UNTERSUCHUNGEN 

ÜBER DIE 

EPEN DES THEBANISCH-ARGI VISCHEN 
SAGENKREISES 

VON 

ERICH BETHE 

PRIVATDOCRNTKN DKR KL l>IUr.OLOaiE AN DER K. VNIVKRSITÄT 

ZU BONN 



LEIPZIG 

VKKLAG VON S. HIKZKL 
1891. 



THEBMI8CHE HELDENLIEDER 



UNTEKSÜCHÜNGEN 

ÜBE& DIE 

EPEN DES THEBANISCH-ARGIVISCHEN 

SAGENKREISES 

VOM 

EEIGH B£TH£ 

PRIVATDUCENTKN DEB KL. PIULOLoaiB AK OKB K. UNIVKHälTÄT 

2U BOVH 



LEIPZIG 
VERLAG VON S. HIRZBL 
1891. 



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p 



^ HERHANN ÜSENEB 

' ÜLBICH VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF 



IN DANKBARKEIT UND VEKEHEUNG 



GEWIDMET. 



s 



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„Das Wahnchdnliche ist selten walir.*' 



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Inhaltsübcrgiclit. 



Seite 

L Oidipodie 1—28 

k 271 — 280 ist die Sageiiform der Oidipodie 1. — 
Hsander in scbol. Euripid. Phoiuiäs. 17öU giebt eine 
Hypothesis der (Hdipoftte 4. Heim TtXtlk, ya/uo- 
at6Xoq» Ki^ifwvla 9. — Raub des Chrysippoe 13. — 
Spkinx-Pliix 17. ECfvyii»eta sweite Gemahlin des 
OidipoB 28. — U,oxvt*iS€wt9t 26. 

n. Bedingungen and Aufgabe 29 — 42 

Xbccerpte von alten Epen in den myfhologiBGhen Hand-* 
bflehem 29. ^ Einheit der alten Epen 88. — *EjÜ' 
ycvot und 9ijßalg ein Epos 35. — Spradilich jong 40. 
kit^^m ikilMtQ ein «ndeies Epos 41. 

III. Des AmphinraoB Ausfahrt 43—75 

Streit des Adrastos mit Amphiaraos und den Anaxa- 
goriden 43. — Rücklcohr des Adrastos aus Sekyon 50. 

— Eriphyle, die SchiedsricLtenn, von Adrastos be- 
stochen 52. — Die Sieb™ vor Theben 57. — Tod 
aller Sieben, auch des Adrabtos 65. 

Aussetzung des Oidipus in's Meer und Au£aahme 
bei Polybos in Sekyon 67. 

IV. Thebais 76—106 

FeiiKlschaft des Tydeus und Amphiaraos 76, — Eri- 
phylens \ errath 79. — Die Liste der Sieben bei den 
Tragil£erii 84. — Adrastos Flucht mit dem Areion 89. 

— Die Leichen nicht bestattet 94. — oq/mq ^Aq/xo- 
vtttq 99. — Die FlQche des Oidipus 102. 



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TI lobaltiabenielit. 

Seit« 

V. Di« Epigonen 109—140 

Doppelte Version 110. — Zwei Listen 112. — Alk- 
mcoois \ Ui. — Thcbais 117. — Hypotheaia der The- 
bais bei Patisanias 122. 

Allcmemi der Muttermörder 127, 129. — Schluss 
der Alkmeoüis 130. — Alkmeon in Psopbis und anf 
dou £chinaden 135. 

VI, Ort und Zeit der Epen 141—157 

Oidipodie in Boiotien gedichtet 140. — Faiderastie 144. 

— Thebais in Asien entstanden im 8 Jahrhundert 146. 
Kurintli und Asien 149. — IvorintiiH iuiuüuäa auf die 
Thebais 153. 

m Nachlese 158—177 

Die Korinthische Oidipussage der Tragiker aus der 
Thebais 158. — Kampf des Tydeus und Polyneikes im 
Haue des Adimstoe 166. — Laloamord bei Flataiai 169. 

— Spiele in Kemea am Orabe des Pronax 170. — 
Die wahnrinpigen Froitiden 178. — Die thebaniachen 
Sagen in Uias und Odyssee 174. 

Epimetron 178—187 

Eorinth bat keine alten Sagen 178. —*Bf>vgtt in Z 145 
ist nicht Eorintli 181. — Bellerophon und Sisypboa 
sind nicht ursprünglich korinthische Heroen 182. — 
Korinth und M3 kenai 184. — Daa Beich des AdrastOB 
und Agamemnons 186. 

Namen* nnd Stellenveraeicbniss 188—191 



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THEBANISCHE H£LDMLI£D£E. 



I. Die üidipodie. 



Die Verse der Odyssee X 271 — 280 geben uns und 
gaben schuu dem späteren Alterthinnc Räihsel auf. Odysseus 
erzählt von seinem Abenteuer im iiades: 

MijttQa r' Oldijtoöao ISov, xakiji' 'Ejrixdczj^v, 
^ fitya fc'pyoi' I()f^fr cudQetfjöi vooio, 
yr^ftafiivf^ ip vli' o ov ütaxiQ^ l^svagl^ag 
yrjffEV aq)aQ 6' dvdjcvcra &£ol d^eaav dvQ-QmxouUV* 
275 dXX' o fiW kv ß^ißy xoXvfjQarq) aXysa Jcd(f](mP 
Kaöiistafv kdvaMs ^BdSv oXoag 6ta ßovXaq* 

wpofdmi ßqeypv aixvv dg>* v^ilofo (isXa^Qov, 
tp ax^t öxoiiivfj' z<S aXf^a xdXXut' dxlccto 
280 xoXXa (idX*, o<Ufa vs firjzQog kQtvvsq kitreXdovüiV. ^ 
Was wir heute in kläglich zngeriditeten Sdiolien fin- 
den, soweit sie herausgegeben sind, erklärt uns gar nichts. 
Scholien X 271, das die Unterschrift hat rj löTOQia jraQa 
'AvÖQOtiwPi, giebt im Grossen und Ganzen die von Sophokles 
abhängige auch uns geläufige Sage. Nur wenige Worte ver- 
rathen eine andere Quelle: Adioq . , , yEvi'ä OlSljtoSa xal 
Tovxov kxxiQtidi 2J8xv<övi.^) Oi ös ixxo^oQßol dpaXaßov- 

Ssxvmv nennt sich die Stadt aut ihren Münzen, der Inschrift 
ihres Schatzbauses zu Olympia: Archaeol. Ztg. 39 (1881) 171 u. s.w.; 
80 heisst Bie auch bei ApoUonios in Bekkers Anecd. 555 , 5. Vgl. 
Gartins Peloponnet II 24» n. 1. Barsian: Qaogr« Grieehenl. II 24 n. 1. 
Bttthe, HeUknlledn, 1 



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2 



I. Die OidiiKkUe. 



TFc €tQS<pov arhnv. (Iv) 7]XixLa (ifjuxiag ed.) dt yei^o/itvo!; o 
Oiöixovg ^X&tp £(g Oi^ag tJtiCijrmv tovq yaviag' dxoxtti' 
pog dh ttxotxtlioq rov jcatiga Xofißdvei jcqoc yntiov ovx bI- 
dfog r?)v fjirßiQa ...*). Nach dem, was Eduard Schwartz*) 
anflgeführt hat, bedarf es weiter keiner Begründung, wenn 
ich diese Worte von der übrigen Geschichte trenne. Diese 
ist ans Sophokles geschöpft, jene hat nichts mit demselben 
gemein: also liegt hier wie so oft eine späte Gontamina- 
tion verschiedener und ursprünglich getrennter Sagenfor- 
men TOr. 

Aber wir haben noch etwas mehr von der Gelehrsam- 
keit der Hypomnematisten zu dieser Odysseeatello erhalten. 
Pausanias IX 5. 11 führt nämlicli die Verse X 271 — 274 an 
und fährt dann fort: jimq ovv tJiohjöav dvdjtvöra agjag, 
et 07] T^oCageg 'ioxd(ST7jg tyevovro Jtaidig ro) Oldijtoöi; 

EvQvyiXvelag 6e t^g ■YjtiQcpavroq lyeyoveOaiK ör^XoT de 
xa\ o ra BTirj jtoii^iSag a Qiduioöta 6vofi(tC,ovöt. ^) Dass 
Pausanias diese XvOig, welche die Kenntniss der Oidipodie 
Toranssetzt» aus eigener Gelehrsamkeit gegeben habe, glaubt 



') Auch bei Johannes Antiocheniis in den Excerpten des Constan- 
« tinos Porpliyrogenita findet und erzieht den kleineu Oidipus ein Hirt 
MtXlßoioi FHG IV 545. Gesehttplt liat er vohl iris Malslss «is 
Ke^pttUeav FHG IQ 628, der fttr die wtmderliclie Sage Yon *Avttimi 
(de beiart bei Johaanes Antiocb. KaXXi^itn durch Corraptel oder «u 
echter üeherlieferiing? vgl. Usener: Rh. Mm. XXIII 326 n. 23) und 
OEoßoiog, ihre Söhne 'Afx(pliuv und Zqf4SN>$ und deren Gründung 'Ey' 
XiXfia sicher seine Quelle ist. 

') In seiner (k iilichen AI iKitiiiJung de sclioliis Homericis ad hi- 
storiam fabnlarcDi pertlucutibus XU. Supplementb. der Jahrbücher 
für kl. Philol. 1881, 405 flf. 

*) Die folgende Notfas aber das Gemllde des 'Ovaalaq hingt mit 
der Hoinergelebrsamkeit gar nicht susammen. Pausanlas bat sie aus 
der von ibm IX 4. 2 benatsten Perihegese entnommen nnd bier der 
Eui]rganela vegen mit dankenswertbem Fleisse binnigefOgt 



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I. Die Oidipodio. 



3 



heute doch wohl Niemand mehr.**) Es ist erborgter Glanz. 
Welche Quelle liegt näher als seine Odyssoeausgabe? Hat 
doch schon Ovid aus der Hypothesis zu Euripirles Medea 
für fldne Metamorphoaen gofldAÖpft/) Valerius FlaocuB aus 
den Sdiolien za ApoUonios Bhodios;^ macht doch Philostrat 
aus einem Pindarscholion ein JBild*',') Es ist die Benutzung 
des Gommentars weder unerhört noch yerächtlich. Bei Pau^ 
sanias klingt noch deutlich die Sprache des i/jrtjfia in dw 
einleitenden Frage durch. Er hat uns das Kernstück der 
alten Gelehrsamkeit zu X 271 erhalten: es giebt, wie es 
scheint, <lie richtige Lösung des Katlisels. Denn gebar nicht 
Epikaste, sondern erst seine zweite Gattin Eurygaueia dein 
Oidipus die vier Kinder, so konnte jene sehr wohl alsbald" 
ihre unbewusste Schuld erkennen und durch ihren Tod süh- 
nen. Die Yermutbung ist nicht abzuweisen» dass die Oidi- 
podie die Quelle für diese Verse der Nekyia war.^) Sie 
kann aber bewiesen werden. 



V. Wilamowitz Homerische Untenttdionistn 888E, HermM XXYI 

228 n. 2. Gurlitt Pausanias 40. 

•) Eine ebenso wichtige wie vergnügliche Entdeckung von fie- 
bert Bild uud Lied 231 v. 5. 

') Ed. Schwartz di; Diunysio Scytobraciüone 35. 

") Wontzel iu der Kobert gewidmeten Sammelschrift „aus der 
AnomU'' 134 ff. 

*) Ds8 hat natfirlich schon Welcker erkannt: Epischer Oyklits 
n* 313 ff. Auch daas Onauas GemSlde mit dieser Sagenform in Yer^ 
bindung steht , bat er ges^en, ja schon an schol. J 37G erinnert — 
aber die nötbigen Folgerungen zu ziehen, hat er sieb gesobcut. Eben- 
so fliK'h Rrhneidewln in dem umsichtigen und anregenden Aufsatze: 
„die bage von König Oidipus'* in den Abhandlungen der K. Gesell- 
schaft der WisH. zu Göttingen, bistor.-phil. Abtbeilg. 1853. V 16r)ff. 
Y. Wilamowitzeuä Vermutbung, datiä die Epikafiteepisode wie Autiope, 
Alknene, Megara ans Nestors Ers&hlungen in den KvuQia entnom- 
men wt&f ist ftbenuis bestechend (Homw. Unters. 149), sofern man nnr 
an der OknbwQrdigkelt der Epenexcecpte des ProUos festbllt. Sie 

1» 



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4 



1. Die Oidipodie. 



Die Ulis bokannten Scholien gcboii, wie gezeigt, vveiiig- 
steiis eine Spur einer abgolegcuea Sagcnform. Sollte sie 
nicht vielleicht mit der Oidipodie zasammcnbängoii, die zur 
Erklärung derselben Verse benutzt war? Diese Vermuthung 
darf als bestätigt gelteu, wenn sämmtlicbe Audeutimgen, 
welohe sowobl jene eigenthUmllGhe Stelle im Scholion X 271 
als aucb die Notis aus der Oidipodie bei PauBanias enthal- 
ten, miteinander zn einem festen Zusammenhange Yereinigt 
an einem dritten Orte aofgezeigt werden können. Biesen 
Anforderungen entspricht einzig, aber völlig das seltsame 
Scholion zu Euripides Phoinisscn v. 1760, welches zu xVufaug 
und am Sciilusa den Namen Pisuiider^") ti'ägt. 



sind aber durch aus und auch ia diesem Puukte unzuvurlassig. Be- 
denklich hat mich immer gemacht, dass Tyro und Cbloris, die am 
analbhrlichsten in der Kckyia bedacht sind, zwar Nestors Ahnfiraaen 
sind, aber In jener Episode der Kypiien nicht enrfthnt werden, anch 
wohl gar nieht vorkamen, vgL Dftmmler; Hh. Mua. 1890* 188/B, des- 
sen kfllmen Combiuationen die Sttoke der Fundamente nicht ent* 
spricht. Ferner hat Thraemer Pergamos 130fF. hedonklichc Differen- 
zen zwischen diesrn Versen der Nekyia und den Kyprien nachgewie- 
sen, von denen besonders schlagend ist; Antiope des Asopos Tochter 
A 2Ü0, des Jvxog oder AvxovQyog (derselbe Name, vgl. Maass Her- 
mes XXIII 614) aber im Eyprienexcerpte. Dazu kommt nun* die 
Sicherheit, dass die Yene Uber Epikasto aus der Oidipodie schöpfen. 
Sollte r. Wilamowitiens Ansicht best^en bldben, so mflsste ange- 
nommen werden, dass die Kypiien dieses Epos benutit liaben. Dsa 
^'ird aber peinlich: denn wenn auch die Kyprien sicherlich kein altes 
Gedicht waren, die Oidipodie ist das, wie sich zeigen wird, auch 
nicht. Interessant ist, dass Weil (praef. ad Aischyli Septem) schön den 
Raub des Cbrysipp durch Laios, d. b. die Sagenform der Oidipodie, 
als Quelle für die Neütorerzählung der Kyprien aus einem aiicrdiugs 
nicht durchschlagenden Gruude vermuthet hat. 

Derselbe Fisander ist es, ans dem schol. Phoin. 884 die ein- 
sig stehende Eonde von der Gattin nnd den vier Kindern des Teife- 
Sias flberliefert. Diese beiden Frsgmente tragen den Stempel der 
Gelehrsamkeit nnd nicht weniger der Zuverlässigkeit. Da nun in den 



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I. Df« Oldipodie. 



5 



UftOffet Uelüav^ifoq Sri (2) xarä xpXov t^lSQas htifi^p^ 
^ Sp'fyi rotg Btißalotq dxo twv icxckmv (3) ft^ffmp 
Al^toxlag, ort top ä&iov doeßi^aavTa Big top xa(fdpofiav 
(4) tQ<oTa roC 7((fvc(jafov, op IjQxaCBV dxo ni0^, ovx 
lxiH<DQriOapto. 

(5) TjV 6e ri 2g}ly^, mojtSQ yga^ixai, Tf)i' ovQav t^ovaa 
dQaxaivriq' dimQJtd^ovCa (6) de fiiXQov^ xal fitydlovq xar- 
fjöd^iev, Iv olg xal AYi/ova xov Kg^owog (7) jcai^a xal 
"Ixxiov xov fJvQvvofiou xov toTg KevxavQotq f/ayBöatitrov. 

(8) }jCav 6e EvQvrofwg xal *HtorEvg viol Mäyvfjxog 
tov AloÄov (codd; AloXLöov, cf. Apollodor. I 7. 3. 3) (9) 
xal ^vXoölxr^g. 6 ftfr ovv ^'Ijtxiog xal ^ivog mv vjto x^g 
2!g>iYy6g difHQtOrj, (10) o dä iiiopevg vxo tov Oipoftdav, 
OP Xi^xop xak oi dXXoi (iPtjat^Bg, 

(11) x^dStog &k Adtaq top dd-ifutop i^fcna vovrop 
Itf^ci^. 6 (13) JCq^^Cixxoq vxo aloxvpi^ havtop Siexff^" 
Oato gfq>$t, rote fthp ovr o (13) TeiQeclag mg ftdptig 
döiog Sti ß-Boatv/^g ^p 6 Adtog, \dxitQBXBP avtov (14) r^s 
hx\ top IdxoXXiOPa [de] "Hga [fiäXXop] xy ya^ 



Scholien ni ApoUn. Rh. I 152, 471, und wohl auch II 98, 1088, IV 
57 ebenfalls ein Gelehrter Pisauder citirt wird — denn schol. I 
471 kann nur aua einem solrhr-Ti, nicht einem Dichter stammen — 
80 rät die Identification mit jenem niclit unwahrscheinlich, dagegen 
die von Welcker Ep. Cykl. i* Hl vorgeschlagene Gleichsetzung mit 
dem von ihm sonst treffend charakterisirten Fftlscher Plnader bei 
MacrobiuB Y 2. 4/6 tmmöglieh. Nur dflrlte dieser angeblich Ten 
Yergil im 2. Bache der Aeneis s. Tb. flberBetste Poetaater, der die 
gesimmte Mythologie — also den jcvxXoq im Sinne des Proklos — 
wohl nach einem mythographischen Handbtichc in Verse gebracht 
und sich für cinon Liebling des Eumolpos und älter als Hesiod aus- 
gegeben hatte, iiirht in die alexandrinische , sondern in nachchrist- 
liche Zeit gühuren, wie Dictyg und Dares. Vgl. Kuschel: Breslauer 
G. Progr. 1Ö5Ö. 3. 

Die durch eckige Klammem gekemiseichneten Interpolation«! 



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6 



L Die Oidipodto. 



/loOToXcp d-f-ä (15) r^veip leQa [6 öb ctvrop i^B^av- 
XiU)'.^ obteXd-aw xolwv ig)0VBv&t] tv (16) itx^^ 
avroq xal 6 TpfLoxoq avtQv, ixtidf] ItvifpB r$ ^Citvft xov 
(17) (HdbfoSa' xtBlvag dl avTov$ id^cnpB xoQavrbea aitp 
totg IfiotloiQ dxoüxdcas (18) rov ^axfr^Qa xcA ro §jlqKfg 
Tov Aatov xai ^poQmv. [to ^ UQfia (19) vxoaTQitfmg i^ancB 
rm noXvßq),'] eka tyr^fiB T/}r fjrjrtQct [Xmag to alpiyfia], 
(20) fiBta ta&ta (tl ^vatag nvaq ixireUaag iv rm Std-at^ 
pSpt xaT?]QXBro (21) bx(X)v xai rtjv ^oxaörrjv Iv totg oxi]- 
fiaöi. xal yipofitvcov avrcöv JtBQi (22) rov zojior txtlvov 
rfjq Cxcorfjg oöov vjto(irt)6d-tig idtlxpvt Ttj '/oxdörfj (23) 
rov rojcov xal ro JCQÜyfda di7]'fr}6aro xai tov yjjor/jiQa tdti- 
^BV. 7} 6e (24) ÖBivmq (ftQovOa o/iojg tüio'i.-ra' rjyvoBi yaQ 
viov orra- xal fiBra ravra (25) yk^t rig ykQmr iJTjroßovxo- 
XoQ axo 26xvc5voQ, og Blmv avrco ro xäp (26) oxca^ re 
avrov BVQB xal aPÜlBro [xal t§ Msqox^ diSoxB], xal afux 
ra (27) (h-raQyava amip iöshcrvF xal ra xtvtQa oxitBi rs 
amop xa C^caar/Qia' »cd otnrcDS kypwc^ to oXov. (päd de 
ori fiBxa TOV d-apavop t% '/oxdtfri^ (29) xid xifP avtot 
(oodd; avTo^ xvg>XatCip Byfjftsp EvffVYcivri» xttQd-ipop, l§ 
^ avxtß (30) yB^opodtv ol xicaoQBg xatdtq' Tovrd ^<Si 
nslöavÖQog. 

Wie imOdyseescholion denOidipus Pferdehirten IpSkxiodivi 
anfsdehen, so tritt hier ein IjtjtoßovxoXog djio Ssxvmpog 
auf, erweist sich durch Vorzoigcn der Windchi und Stcichel- 
kiiebcl als den, welcher da« IviiitbUin aul^eiiuujjuen hat, und 
fordert den Lohn für seine Fliege (C,ff)<'.y(na). Dort wandert 
Oidipus von den sokyonischen Pferdohirtcn nach Theben und 
erschlägt seinen Vater; von einer Pilgerfahrt der Beiden 
zum delphischen Orakel wird nichts gesagt; wir müsBen also 



werden QQten als solche nachgewiesen werden. Text und Linlen- 
iftUang naeh der Aasgabe von Ed. Schwarte. 



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I. Die Oidlpodie. 



7 



achlieasep, dass die verhängnissvollc Begegnung zwischen den 
flekyonischeii Weideplätzen und Theben stattgefunden hat 
Hier wird nun ausführlich erzählt» dass Oidipus» als er mit 
seiner ihm eben Termählten Mutter zum Kithairoo» ein Fest 
zu feiern, wallfi^urtet, am Orte seines Mordes vorbeikommt: 
also auch in dieser Version ist Laioe zwischen Theben und 
Kithairon erschlagen. Ebenso trefflich stimmt der ScUuss 
dieses Phoinissenscholions mit dem Gitate der Oidipodie aus 
dem Odyseeoommentare überein: nach dem Tode der lokaste 
heirathet Oidipus die Jungfrau Eurygune und zeugt mit ihr 
die vier Kinder. Ja noch, molir ! Wenn vermuthct werden konnte, 
dass auch in diesem Epos wie in l 274 die GÖtt4?r „alsbald** 
die frevelhafte Ehe auldeckten, und dass desshalb die alten 
Gelehrten die Oidipodie zu dieser Stelle angeführt hatten, 
80 finden wir eben dasselbe in diesem Pisanderexcerpte aus- 
führlich erzählt Und schliesslich wird die leise Andeutung 
in JL 273 6 d' ov naxtQ l^evaQt^aQ erst durch diese Erzäh- 
lung verständlich: Oidipus raubt Gürtel und Schwert von der 
Leiche des Laios. Das Pboinissenscholion 1760 Yereinigt 
also in der That allesi was aus der Notiz des Pausanias über 
die Oidipodie geschlossen Verden musste und mit dem Odys- 
seescholion wenn auch nicht ohne Kühnheit combinirt wer- 
den konnte. Erscheint es nun noch als Zufall, dass dasselbe 
Scholion 1. 5 — 7 den Raub des Haimon durch die Sphinx 
erzählt wie die Oidipodie, deren zwei bezügliclie Verse der 
codex Monacensis nfSO zu dieser Stdle erlialton hat? 
aXX* tri xaXXiOTOP tb xai qikQoiüTaiov aXXop 
jtatöft (piXov KQtioi'To^ (r.f/viinrog AYiiora f^tnv. 
Doch ich will nicht berücken. Ehe behauptet werden 
darf, dass die Sagenform der Oidijpodie von Pisander gegeben 
ist, muss erst erwiesen werden, dass seine Erzählung, welche 
die für jene bezeugten und vermutheten Einzelheiten um- 
fasst» in der That einheitlich ist und nicht aus abgerissenen 



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8 I. I>ie Oidipodie. 

Stücken zusammeiigeflickt nur den Schein ciuer Geschichto 
bietet. Zu oft haben solche latoQlai getäuscht und zu wun- 
derlichen Schlüssen verführt: die schärfste Prüfung darf nie 
unterlassen werden, ehe sie benutet werden können. 

Auch dies Scholien ist nidht ganz glatt und rein. Hera 
' hat die S]ihinx gesendet, weil Laios den Chrysipp geraubt 
hat. Doch nach 1. 4 unterbricht die Erzählung eine Notis 
über die Sphinx, Ihre Gestalt und ihre Opfer. Es folgt l 11 
die Fortsetzung: Chrysipp tödtet sich aus Scham, Teiresias 
mahnt den Laios, der Hera yttfioCroXog zu opfern. OflFenbar 
befinden wir uns noch in demselben Zusammeuhange: denn 
Hera hatte die Sphinx gesendet, weil sie, die Ehestifterin, 
durch die Knabenlicbe beleidigt war: deshalb soll sie Laios 
versöhnen. Doch jetzt scheint der Faden abzureissen. Laios 
verschmäht des Sehers Rath, der Göttin zu opfern, und wird 
mit seinem Wagenlenker auf der cx^orrj oöoq Yon Oidipus 
erschlagen; dieser nimmt des Königs Gürtel und Schwert» 
begräbt die Männer, den Wagen schenkt er dem Polybos; 
dann löst er „das Bäthsel*' und heirathet seine Mutter. An 
die CxuSt^ in Phokis zu denken wird der Leser nidit nur 
durch die in antiker Mythographie &st zum Eigennamen ge- 
rade dieses Dreiweges gewordene Bezeichnung yeranlasst, 
sondern geradezu gezwungen durch die Torhergehenden Worte: 
(TBt^eötaq) anhgejtev (Aatov) rtjq h^l rov jixoXXmva oSoü. 
Auch sonst scheint die durch Sophokles Oidipus Tyrannos 
vulgär gewordene Sage verdächtig durch. Aber sehen wir 
weiter, ob wiriclich auch das Folgende mit dem Vorhergehen- 
den keinen Zusaniiuenhang mehr hat. Oidipus fährt mit 
lokaste zu einem i^'esto auf den Kithairon; sie kommen an 
einer axiarrj odoc, .der Stelle seines Mordes, vorüber; er er- 
zählt seine That und weist ibr den Gürtel: so erkennt sie 
in ihm den Mörder ihres Gatten. Nachher kommt ein alter 
Pferdehirt you Sel^n: auch die Abkunft des Oidipus wird 



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L DI« Oidipodte. 



9 



klar; nach lokastes Tode — sie wird ihn sich selbst gege- 
ben haben — heirathet er die Eurygane, welche ihm die 
Yier Kinder gebiert Dieser Theil hängt in sich nnloslich 
zusammen. Aber ein Faden yerbindet ihm audi mit der be- 
denklichen Stelle: der Gürtel des Laios führt hier die erste 
Entdedamg herbei; dort ist erzählt» daas Oidipus ihn genom- 
men hat. Auch wird hier eine axiortj 666g erwähnt, aber 
zwischen Theben und Kithairon, während die oben ohne 
nähere Ortsangabu t^rwähnte dur Zusamineuhaug üach riia- 
kis zu verlegen rioth. 

Ist keine Verbindung zwischen diesem Lokal dos liaios- 
mordes am Kithairon und der vorhergehenden so fest in sich 
geschlossenen Geschichte von der Beleidigung der Hera ya- 
fioöToXog und der Mahnung des Teiresias, ihr zu opfern, 
möglich? Wohnt die Hera yanooroXoz etwa auf dem Ki- 
thairon? Noch in später Zeit haben die Plataier jedes si^ 
bente Jahr und mit ihnen viele Boioter, auch die Thebaner 
jedes sechsigste Jahr der **E(^a TbIbUx, auf der Höhe des 
Kithairon ein eigenartig alterthumlich|9s Fest gefeiert Der 
Beiname 2^JU(a besagt dasselbe wie yafioOtoXog. Fvtt das 
Altw emes solchen CMtee bedttrfte es eigentlich kein^ Be- 
lege. Dodi ist er bis in den Anfang des fünften Jahrhun- 
derts zu verfolgen. Nach Ilerodot hatten die Plataier dieser 
Göttin schon vor 480 dicht bei ihrer Stadt ein Heiligthum 
geweiht; und das in Plutarchs Aristeides erhaltene delpli is* lie 
Orakel gebot den Griechen vor der Entscheidungsschlaciit 
gegen Mardonios, dem Zeus und der "IIqcc KtO^cuQmvia, dem 
Fan, den Sphragitiscben Nymphen nebst den sieben Arche- 
geten Ton Plataiai zu opfern. Dass die Göttin diesen Bei- 

**) Die .iaiSaXu: l'ausanias IX 3. Vgl. 0. Müller Orchomenos 
221 f. Plutarch bei Eusebius i'racpar. Kvang. III c. 1 u. 2 . . . H^av 
ttXelttP xtü Y<fM^tOV tt^Tv^ nQooayoQ£v97ivat. PoUux On. III 
Tff« zeXeltt ^ avl^vyitt. Saidas s, t. TeXela. 



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10 



I. Die Oidipodie. 



namen nicht, wie H. Stein zu Herodot IX 51 meint, von der 
Lage dos plataiisclieu Heiligthumee am Hange des Kithairon 
etbalten hat, sondern weil sie auf der Höhe dieses Gehirgefl 
verehrt wurde, leuchtet ans der Festbeschreibuug bei Paussp 
nias ein und noch mehr aus ihrer Zusammenstellung im 
Orakel mit Zeus, dem auch bei jenen äal6ctXa Stiere geopfert 
wurdeui Pan und den Sphragitischen Nymphen, welche etwa 
fünfzehn Stadien unter der höchsten Ebrhebung des Kithairon 
ihre Hohle hatten.^') Und nun geht auch noch aus £uri- 
pidcs Phoinissen t. 34 klar henror, dass diese Hera in der 
Oidipussage eine Bedeutung hatte: in Heras Wieso auf dem 
Kithairon ist Unlipus ausgesetzt worden.**) Also auf dem 
Rüek(;u des Kithairon wurde die Ehestifterin Hera seit ur- 
alter Zeit verehrt. Zu ilirem Feste natürlich wallfahrtet das 
neuvermählte Paar Oidipus und Epikaste, ihren Segen zu 
erflehen.*^) Auf demselben Wege hatte er, als er aus sekyoni- 
schem Gebiete über diesen Berg nach Theben hinabstieg, 
den Laios erschlagen.^*) Von Teiresias wai* dieser gemahnt, der 
"Hga yaftoetoXog zu opfern. Also hatte Laios ihm doch ge» 
horcht, aber ehe er den heiligen Bezirk der ihm grollenden 
Ehestifterin betritt, ereilt ihn der Göttin Bache durdi die 
Hand des eigenen Sohnes. 

Dieser ScMuss erscheint zwingend; schon in dem klar 
anschaulichen Bilde, das er ergiobt, liegt sidiore Gewahr für 

''^) Paiuan. IX 3. 0. Plutarch Aristeides 11. 

Vom Schol. Phoin. 24 rj '('ni nüq }sii>inr Jf(»oc ?'ir; r//^ Hquq 
^ öl) lxi!}r(to(')vi'fi^"ji()ai; iorn- '"r Hi'ißniz 'nnov ina;; (Irr zweite Theil 
richtig .sein; aber diese Orlt htMaiukcit ist übel angebracht; dftnn m ist 
offenkundiger Unsinn, das Laios den Oidipus in Theben aussetzt. 
>^ Mir wird als Parallele gezeigt Hittaareh Amat. I 5. 

Das hat Bcbon Scbneidewin 185/6 richtig erkannt, und meinte 
deshalb, dass das genannte Orakel des Apollon eines der boiotlschen 
sein mllsse. Vgl 0. Müller Dorier I 235 C 



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I. Di« Oldlpodie. 



11 



seine Wahrheit Aber in dem PhoinissenBchoUon 1760» so 
wie 68 fiberliefert ist, steht das nicht Diese nothwendig 
sich eigebende Verbindung ist zerrissen dnich einen Mann, 
der sich bemfen fnhlte, diese Sagenform mit der ihm ans 
Sophokles nnd Euripides geläufigen wenigstens einigermaassen 
in Einldang zu bringen. Seine ungeschickte Hand ist deut- 
lich zu erkennen. Um den Mord in Ueboreinstimmung mit 
der Sophokleischen Tragödie in Phokiü stattfinden zu lassen, 
legt er dem Laios die Absicht unter, zu ApoUon zu wan- 
dern, lässt ihm Tcii-osias davon abrathen — denn der hiess 
ihn nach der vorliegenden Fassung, der '//(>« yrtfioöroXog 
opfern, was er, wie gezeigt ist, auch wirklich thun wollte 
— weiter aber den Laios als echten Gottesverächter den 
Teiredas beschimpfen, seinen Rath verschmähen nnd ihn 
dann auf der öxcOTti oöog, die eben für seine Begriffe in 
Phokis lag, mit Oidipus auf die angegebene Weise zusam- 
mentreflTen. Folgende Worte sind also auf Rechnung dieses 
Interpolators zu setzen: l 14 dxitQexBP avrop rijg bd 
TOP 'AxoXkmpa o6ov , , , 6b , , , fiäXXov , 1. 15 6 dh avtop 
t^BpavXtSsp, Nach diesen Streichungen ergiebt sich die ge- 
forderte Sage ohne Weiteres: eine willkommene Bestätigung 
für die Richtigkeit des Schlusses. Doch der Intcrpolator 
hat sich damit nicht begnügt; 1. 19 erregen die Worte Ver- 
dacht TO dl (XQua vjro6TQt\pac tömxa t<p ÜoXvßq>. Sie geben 
T. 44/5 der Phoinissen wieder: 

Aber Polybos scheint gesidiert durch die Erwähnung der 
Merope L 26, der Oidipus übergeben seL Das ist die 
Yersion des Sophokleischen Oidipus (?. 775) nnd deshalb 
hier Terdachtig. Die Angabe, dass der alte Pferdehirt das 
Knäblein der Königin übergeben habe, erweist schon der 



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12 



L Die Oidipodie. 



Znaammenbaiig als imglaubwüidig. Wer die Beigaben des 
auflgesetzten Kindes bedtst, bat es aucb anfgesogen; dazu 
passt des Hirten Forderung der fjOMefQtu, Andrerseits 
giebt aber das Scbolion zu X 271, dessen Zusammenge* 
börigkeit mit der Notiz aus der Oidipodie zu derselben 
Stelle und dessen engste Verwandtschaft mit diesem Phoi- 
nissenschülion urwicseii ist, lausdrücklicli uu: ijijio(fOQßo\ dva- 
XaßovxBq ETQetpov «t'ror. Also gehören auch die Worte 
].26 xal tTi MtQojii] dtdcoxE jenem Interpolator und mit ihnon 
liuiss dio bchenkung des Laioswagens an Polybos gestricbeii 
werden. 

Jetzt ist das SchoHoo von späteren Zuthaten gesäubert 
und es zeigt einen tadellosen, unlösbaren Zusammenhang. 
Hera die Ehestifterin steht ün Mittelpunkte der Handlung: 
sie zürnt dem Laios und bereitet ihm und seinem Hause 
das Verderben. Als Grund für ihren Zorn ist die Schän- 
dung des schönen Ghrysipp durch Laios angegeben. So 
überraschend auch diese MotiTirung des Fluches ist> wel- 
cher Aber dem Labdakidenhause schwebt, wir dürfen nicht 
zurüdmchrecken, sie der Oidipodie zuzuschreiben. Mögen 
auch nodi so viele Bedenken zuerst aufschiesson, die Methode 
fordert unerbittlich den Schluss, dass diese fest in sich ge- 
schlossene, streng mutivnte Geschichte ganz und gar dem- 
selben Epos zugesprochen werde, das als Quelle für Theile 
sicher erwiesen ist. Wir wissen von dem Inhalte dieses Ge- 
dichtes sehr wenig, gar nichts von Ort und Zeit seiner Ent- 
stehung: deshalb müssen wir ohne Vorurtheil das Resultat 
einer Untersuchung hinnehmen, welclie nicht ein gesetztes 
Ziel erreichen wollte, sondern vom Gegebenen aus in's un- 
gewisse Dunkel Tordrang,^^) 



Natürlich denkt Jeder zuerst an des Eoripides Chryäippos als 
Quelle für dies Fisaaderfragment Aber NiemaDd wird su behaupten 



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I. Die Oidipodie. 



13 



Man darf hoffen, dass an dies grosse Kernstück, das 
den leitendeu Gedanken, die Beleidigung und Bache der 
''H(fa ya/ioaroXog, und die Hauptpersonen gegeben, sich meh- 
rere kleinere Splitter werden anpassen lassen. Die Gottin 
hat den Thebanem die Sphinx gesandt, weil sie nicht des 
Laios unnatürliche Liebe und den frevelhaften Raub des 
Ghrysipp geahndet hatten. Diese That ist auch von jenem 
Seholion unabhängig im Vaticanus 909 A vor den Phoinissen, 
vor den Sieben des Aischylos nnd bei ApoUodor III 5. 5. 10 
erzählt. In Jtb Liitzteu Bericht ist die Anwesenheit des 
Laios in dor Pelopoimes ganz geschickt mit der künstlichen 
thebanischen Köaigsliste verknüpft, wie sie auch bei Pausa- 
nias wiederkehrt und wohl auch Hygins fab. 76 zu Grunde 
liegt. Aber tür das Epos ist daraus nichts zti gewinnen: es 
wird die Fahrt des Laios in die Peloponnes schwerlich mit 
grossem Aufwände begründet haben. Laios war eben ein- 
mal bei Pelops zu Gaste: das ergiebt die Uebereinstimmung 
von Fisander nnd ApoUodor. Dieser hat den hübschen Zug, 
dass Laios dem schönen Knaben die Kunst des Wagenlenkens 
lehrte. £r stammt gewiss ans einem Dichter, weicher die 
feine Beobaditiuig» dass tagliches Beisammensein sacht und 
unbemerkt, doch desto leichter verführe, benutzt hat, um 
durdi sie die Entstehung der neuen Leidensdiaft in Laios 



wtfen, dasB allee, wie wir hier Idsen, In jener Tragoedie gestanden 

oder aus ihr abgeleitet sein könne. Dazu komi it, dass gerade dieser 
sich nicht mit Eoripides deckende zweite Theil das Gepräge alter 
lokaler Tradition and Religiosität trägt und untrennbar mit dorn 
ersten Theile zusammenbängt. So ist Enripides als Quelle für Pisander 
ansgescblosscn und vielmehr die Oidipodte, deren Hjpotbesis dieser 
giebt, als Quelle iur den Tragiker erwiesen. 

Hyg. t. 86 contaminhrt den Bwib des Gbr} sipp dovch Laios mit 
sdner Emordimg durch seme SÜ^hrOder Atceos und Tbyestes. Wie 
er aaf die nemeiBcheii l^iele kommt, weiss ich nicht. 



14 



L Die ddipodie. 



psychologisch zu motiviroii. So steilen mehrere Vjusenbiider 
und oiuo praenestinisclie Ciste in der Barborinischon Biblio- 
thek zu Äom**) den Haub des Chrysipp auf einem Vierge- 
spanne dar. Auf letzterer ist des Weiteren die Befragung 
des Apoll, den Lorbeer, Rabe (oder Adler?) und der bin- 
dengeBcbmückte Omphalos dbaraktehsiren, durch eiiieii be- 
waffneten Mann dax|;estellt, doch unzweifelhaft den Laios. 
Die erklärende Bestätigung giebt ein Orakel in fünf Hexa- 
metern, das YOr Oidipus TyrannoB und den Phoiniasen er- 
halten ist: es verkOndet dem Laios die Erfüllung seines 
Wunsches, Geburt eines Sohnes, aber zugleich den Tod von 
seiiu 1 Hand; „denn so hat Zeus der Kronide Erfüllung ge- 
nickt des Pelops furchtbaren i lachen, dessen Sohn du ge- 
raubt".*'') Es ist die Vermuthung ausgesprochen worden, dies 
Orakel stamme aus der Oidipodie. Aber wie Herkunft 
und Echtheit desselben oinigermaassou zweifelhaft sind, so 



>») Cista Barberiui: Monumenti d. Ist. VIII tav. 29/30 = Benn- 
dorf Vorlegeblätter 18Ö0 taf. VHI 2. Obgleich der verfolgende glatz- 
köpfige Alte nichts weniger als königlich aussieht, halte ich die Deu- 
tung für richtig. Es dürfte in ihm der Paidagoge des Chrysipp zu er- 
kennen sein: das Zeichen seiner Würde, der Stock, ist dem Zeichner 
freilich etwas knüppelartig gerftthen. R. daTim wftre dann die Be- 
fragung des Apoll durch L&ioB daigeetellt YölUg aicfaer iit diese 
Sage auf der Yase bei OTwbeck Her. Osll. I 1 sa erkennen, d* der 
Torfolgende Mann durch seine phr^^pteche Tracht als Pelops charak- 
terisirt ist. Obwohl die Entfflhrungsscenen m Wagen typisch sind, 
darf in diesem Falle aus der Uebereinstimmung d( i- bilillichen und 
schriftlichen Darstellung auf ausdrückliche Ueberlieferung geschlossen 
werden. 

**) Schon Welcker hatte in der Ailgemeioen Schulzeitung l»o2. 
234 dies Orakel kohn für die (Hdipodie beansprucht. Sp&ter liat er 
diese TormaUiang einer anbewieaenen HypotheBe an Liebe anrAek- 
genommen: £p. Cykl. II* 316, aber doch hinangefilgt „wenn nicht 
aus der Oidipodie, dann aus Pseudopisander'S vgl. I* 95. Schneide- 
win 17d streitet es der Oidipodie ab. 



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I. Die Oidipodie. 



15 



macht gogcn dies noch die auffallende Aehnlichkeit mit dem 
in der A. P. XIV 76 erhaltenen, welches die Flüche dos 
Pelops nicht anerkennt, hodeiiklich. Endlich hat das Orakel 
des ApoUon in der Oidipodie weder Zweck noch überhaupt 
neben Hera Platz» welche hier allein von Laios beleidigt 
wird und Bache an ihm nnd seinem ganzen Hause nimmt 
So wird denn nicht dies Epos Qaelle fnr die Bildner und 
Mythographen gewesen sein, sondern, was auch an sich wahr- 
scheinlicher ist, ein späterer Dichter. Da liegt es nahe, die- 
sen in Euripides zu erkennen, welcher im Chrysippos diese 
Sage dramatisch Ijuhandelt hat. Leider lässt sich aus den 
spärlichen Fragmenten nichts entnehmen für die Handlung; 
nur so viel orliellt, was auch sonst bezeugt ist, dass Laios 
den schönen Polopssohn geraubt und geschändet hat: es 
kämpfte in ihm das moralische Bewusstsein mit der Sinnlich- 
keit seiner Natur (fg. 840). Dass aber Euripides in dieser 
Tragödie ausser dieser Schandthat auch die Strafe des Laios 
dargestellt habe, ist unwahrscheinlLch schon deshalb, weil der 
Chrysippos mit den Phoinissen zu einer Trilogie gehört hat. 
Es dürften also jene fünf Orakelyerse gemacht sein auf Grund • 
der Combination des Chrysippos mit Phoinissen 15 ff. 

Sicherlich aber gehört der Oidipodie der Fluch des 
Pclops an, mit dem die Phoinissenhypothesis im Vaticanus 
909 (A) schliesst: niemals möge er ein Kmd zeugen, werde 
ihm aber eines geboren, so solle es sein Mörder werden. 
Der Schmerz des Vaters über das klägliche Schicksal seines 
liebsten Sohnes, der Zorn über den frevelhaften Bruch des 
Gastrechtes, die Wuth über die unerliörto Schmach fordern 
den höchsten Ausdruck. Pelops fleht die schwer beleidigte 
Gottheit an, dass Bache dem Fre?ler werde aus der Ehe, 
deren Heiligkeit er durch seine unnatürliche Liebe ver- 
letzt hat. Der Fluch ist nothwendig, nicht nur weil er die 
ganze Geschichte zusammenhält, sondern anch sdion des- 



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16 



I. Die Oidipodie. 



halb, weil eben eraiditlich ein Flacli auf dem Hause des 
lialoB lastete. 

Dem Laios gebiert nun seine Gattin Epikaste einen 
Sohn.'^) Der Konig setvt den eben geborenen ans, nm seinem 
Schicksale zu entgehen. Euripides sagt in den Phoinissen 
T. 24, Laios habe das Kind Hirten übergeben, um es auszu- 
setzen Xsifickf* hq"HQaq 9uä. KiB^at^mvog Xixaq.*^) So be- 
greiflich der Kithairon ist» so unverständlich ist im Zusam- 
menliaiige dieses Prologos die Erwähnung der Hera. Mithin 
hat der Dichter diesen Zug übernommen aus einer schon 
fest:iusgebildeten Saqjenform, in welcher diese Göttin eine 
gi üshcre Bedeutung hatte. Dies war der Fall in der Oidi- 
podie; also ist der Schluss zwingend, dass Eunpides auf sie 
hinweist. In diesem Epos gewinnt dies kleine unscheinbai'o 
Bruchstück erst seinen vollen Sinn. Laios wusste, dass ihm 
"^'HQa yafioöroXog zürne, und fürchtete, dass sie seinen Sohn 
zum Werkzeuge ihrer Rache machen werden Sie zu besänf- 
tigen und dem verkündeten Geschicke 2u entgehen, bringt 
er das Knahlein der hohen Göttin als Opfer dar; er setzt 
es aus auf ihrer heiligen Wiese hoch oben auf dem Rficken 
des Kithairon. Hera ist aber nicht versöhnt: sie sendet 
die Sphinx. 



**) 80 lieisst sie X 171; im «ehollon PbdnisBea 1760 ist die ge- 
wOhnüclie Form '/oxairf^ ans den Trsgikera hecgeBteilt 

**) Sclmeidewin 185 liat selum den ZaMunmenbaDg dieses Yerses 

mit PisandcT erkannt. 

Hat Euripides nicht noch mehr aus der Oidipodie fflr seinen 
Plioinissenprolog genommen? Gleich v. 27 scheint die Frage zu be- 
jahen: üoXvßov öf vir ).aß6%>rfq iTinoßovxöloi. Denn auch bei Pi- 
sander und in Scholiun ?. 271 sind es ja Pferdehirten, welche den 
OidipuB üuden; freilich von Sekyou — aber Euripides schlieast Se- 
kyon nicht ans, denn «r benennt nberhsiipt nicht die Stadt 
des Polybos. Sollte also nicht auch Polybos und die Untencbiebong 
des Oidlpns (81) ebendaher stammen und folglich auch die ScbenkimK 



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i. Die Oidipodie. 



17 



Au den Raub des Chiysipp knüpft das Phoinissensoho* 
lion 1760 die Bemerkung: i^v rfe ^ ^^^Y^, oj^xbq yga^Btai, 

ovQccp ^ovöa dQcotaivfjg;^*) sie habe Gross and Klein 
geraubt» unter Andern auch den Haimon u.s.w. Das Letzte 
ist aus der Oidipodie wie die zu derselben Stdle im Monap 
oensls &60 erhaltenen Verse dieses Epos zeigen: 

dXX* ETI xäXXiCTov TS xai i/jSQ08öTaTov aXXcav 
jTCtTÖa rpIXov KqbIovtoc ai^n/novo^ Aifiora 67o7\ 

Es durfte aber diese Notiz mit dem Uebrigen nicht ohne 
Weiteres verbunden werden, weil sie sich als Einlage konn- 
zeichnet; jetzt ist aber auch für ihre Umgebung die Oidi- 
podie als Quelle erwiesen; sie gehört also mit ihr zusammen. 
Einen Theü ihrer Angaben diesem Gedichte abzusprechen 
liegt kein Grrund vor. Sehr wohl konnte, wie es das Epos 
liebt» bei der Gelegenheit des Raubes des Hippies durch die 
Sphinx die Geschichte seines Hauses erzahlt sein. Auch kann 

dM LaiMwageiiB an PolybOB (46)? Donn das Scholion ni 1760 L 19 

endühlt das Letzte ja auch ; folglich wäre dies dann nicht interpolht, 
sondern alter Zug. Aber das mit der Erzählung Pisanders so eng 
zTi?ammengehörige Schol. Ä 271 schlios?t den Polybos aus, da es aus- 
drücklich erzählt, Pferdehirten hätten den Oidipus aufgezogen, was 
durch Il^ojc'r/Qia 1. 27 in jenem Phoinissenscholion bestätigt wird. Fer- 
ner iät klar, üass Euripides hier im Grossen und Ganzen der auch 
dem OidipnB T. des Sophokles za Gnrnde liegenden Sagonform folgt: 
Phoibot bat den lAios gewarnt, iündw sn zenzen v. 16, am Drd- 
wege in Fhokis anf der Reise nach Delphi enehlftgt Oidipus seinen 
V. 35. Dahin gehört auch Polybos. Es beschränken sich also 
die Reminiscenzen an die Oidipodie im Fhoinissenprolog auf t« 24 
nnd die trcTCoßovxoXoi v. 27. 

Die vorgeschlagene Interpretation: „sie war, wie sie genialt 
wird, und hatte einen iJracbenscliwariz" scheint mir unraöglich; da^ 
müsste doch heissen tix^v dt. Denn mit einem Drachenschwanz 
vird sie eben nicht geinalt: ans griechischer Kmut wenigstens ist 
hisher noch kein sicheres Beispiel hekaant — Schliesslich wflrde aber 
auch diese Erklimng anf dasselbe hinanslanfMi. 

Betlie, HddenU«Aer. 2 



18 



I. Die Oidipodte. 



die Erwähnungi class *Hiovsvg als Freier der Hippodameia 
von Oinomaos hiiigerichtet wurde, in diesor Sage nicht 
fremden, da sie ja Laios selbst mit Pelops in Verbindimg 
gebiacht hat Uebrigons passt die Chronologie: Hippioe wird 
nnter LaioB Hernnhaft von der Sphinx getodtet» sein Oheim 
war Zeitgenone des Pelqpe, dessen Sohn Laios entfährt hat 

Die Beschreibung^ welche die Oidipodie yon dem Aensse- 
ren und dem Wesen der Sphinx gegeben hat, weicht yon dem 
uns durch diu iiagiker gewohnten Bilde der Löwenjungüau 
beträchtlich ab. Sie raubt und frisst Monschüii jung und alt, 
wo sie sie fangen kann, Einheimischo und Fremde; dass sie 
ihnen ein Riithsel vorgelegt habe, wird hier nicht erwähnt. Von 
Löwenleib, Vogelflügeln und Menschenhaupt ist keine Rede; 
aber sie hatte den Schwanz einer ÖQoxaipa.^^) Dies Femi- 
ninum Ton dgdxcop ist, wenn auch kein merkwürdiges» 60 doch 
immerhin ein seltenes Wort. Man könnte sich daher versaeht 
fUhlen, die Worte des Scholiens möxeQ yqo^stm als die 
Ankündigung eines wörtlidhen Gitates aus der Oidipodie auf- 
zufassen und aus ftvQap l^^va« ^i^eaealvtjs den Yerssofaluss 
herzustellen: ovqov iSk ^Qttxaltnjq, D. L genau genommen, 
der Korper der Sphinx lief wie der einer Drachin ans» nicht 
etwa ihr Schwanz war eine Schlange. 

Die Sphinx wird in dem Phoinissenscholiüii 1020 und 
von Lasos Frg. 4 Tochter des Typhon und der Echidiia ge- 
nannt, welche nach Hesiod (Theog. 298) halb ein hellblicken- 
des schönwangiges Weib, halb eine furchtbare grosse Schlange 



**) Im Culte UDcl noch melir im Aberglauben und in der Mantik 
mögen weibliche Schlangen eine Rolle gespielt haben Das Epos 
kennt das Wort dfjuxun u, freilich aueh die Tragiker und Lyknphron. 
Flutarch de defectu oraculorum p. 41 4 A erK&hlt, dass dau Orakel von 
Ptoion lange Zeit wüst gelegen habe einer furchtbaren d^xutva 
wegen. — Audi pastt mr weiblleheD Sphfaiz aw ila weibHelier Dra- 
chttuehwani. 



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1. Die Oidipodie. 



19 



war.*^) Die Tochter wird doch ihrer Matter nicht ganz un- 
ähnlidi gerathem seiii: so weist der Schwanz der Drächin, 
den sie nach der Oidipodie trug, auf £diidna als ihre Mutter. 
Mithin ist es wohl ursprünglicher Zusammenhang,'^) wenn 

bei Apollodor III 5. 8. 2 die Sendung der Sphinx durch Hera, 
welche für die Oidipodie feststellt, und ihre Abkunft von 
Echidna, die für ebendieselbe aus der Beschreibung ihrer 
Gestalt vermuthet ist, beisamTnen zu lesen sind: tjiefitpe yag 
^'ÜQa ^(plyya, )] fjrjTQog f/hv 'hyi6v7]g j'iv jtaxQoq 6e Tvcpmpog. 
Gleich darauf glebt Apollodor an, die Sphinx habe auf dem 
Berge ^Ixsiov gehaust; und der Glaube, dass sie auf einem 
Hügel bei Theben gewohnt, hat sich immer erhalten. Mit 
dem Mefiioy hängt ihr eigener Name in seiner alten, un- 
sweifelhalb ursprfingEohen Form, wie ihn Hesioda Theogo- 
nie 826 erhalten hat, <Ng untrennbar zusammen. So steUt 
sich die Sphinx in ältester Gestalt als ein Beigungeheuer 
dar, eine Ausgeburt furchtbarer, Göttern und Menschen feind- 
licher Gewalten der Urwelt, das Kinder und Männer raubend 
'unsägliches Unglück über Theben briugt.*®) Zu einem sol- 
chen Wesen passt eigentlich das unergründliche Räthsel gar 
nicht. Das haben auch schon die Alten gefühlt: man meinte, 
das rohe Tlugt heuer könne doch ein so feines Räthsel nicht 
erdacht haben; deshalb erzählte der Euie, sie habe es von 
den Musen gelernt, eiu Anderer wnsste nur von einem ge- 
heimen Orakel, das sie erüe^iren hätte. Das Bäthsel wird 

**) So wirdsie dargesteUt, analog Typhon : Brackner Athen.Hitt]ieUg. 
XIY 75f. Aebnliehwize dieSphinx der (Mdipodie sa denken. TgLHesiod. 
Theogeii.986, woi; d&aofEeliidnaheiogenwird:WelekerBp.GykLn*317. 

Anders Eduard Schwartz de schol. Horn. 451. 
^) Euripides Phoiniss. 806 nennt die Sphinx ovQeiov tipagt was 
das Scholion thöricht erklärt, und 1019 yä« Xoxsvfza viQZSfwv r' 'E;f/<f- 
WC, wozu der Scholiast y^yovs yä(> ») S<ply^ 'E/JSvtfQ xal Ti(/)cüvoc. 

Pausanias IX 26 aus Avalfxaxo^, vgl, schol. PhoioiSB. 26, 
p. 252. 3 wobi durcli Alexander Polyhistor vermittelt 

8» 



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20 



L Die Oidipodie. 



ent eine spätere Zotbat sein* Das grause Ungethüm konnte 
dann aber nieht durch Mensofaenwitz besiegt werden, sondern 
mnsste unB|irnnglich gewaltiger Heldenkraft unterliegen, wie 
alle andern derartigen Wesen. Und in der That bat es die Sage 
gegeben, daas Oidipns die Spbinx ersdilagen habe. Sie er^ 
leidet diesen Tod (auf dem ^ixeiov?) in der sonst allerdings 
ganz fremdartigen Notiz am Schlüsse des i'iiuiiiisscnscholions 
26 (p. 252. 2 Schwartz). Auf einer schönen attischen Vase mit 
Goldschmuck aus Cypern tödtet sie Üidijjus m wiider Kampf- 
boweguug mit der Lanze.'**) Dies wäi*e dann die älteste 
Form der Sage. Wie Kadmos, Europa und Phoinix dicht 
um Theben wohnen und nichts in Phoinizien zu schaffen ba^ 
beu,'^) so ist auch die ein boiotisches Lokalungeheuer 
gewesen, yon dem der Held Oidipus das geplagte Land durch 
seine starke Hand be&eite, geboren an dem. Orte, wo sie 
hauste^ und verwachsen mit dem i^ixBiop, wie ihr Schlangen- 
sohwanz zeigt Erst als die büdeade Kunst ans Asien die 
räihselhafte Löweiyungfrau, die Menschen raubende, ein Sinn- 
bild dahinraffenden Todes den Griechen bekannt machte/^) 



**) Murray Journal of Ilellenic Studies 1887 VIII ^ Benndorf 
Yorlegeblätter 1Ö8B TU. IX Ü. Auf Gemmen (Overbeck Her. GaU. 
I 10 etc.) tödtet Oidipus die Sphinx mit dem Schwerte, „aber hier 
ist keine Spur von dnem Widentande toh ihrer Seite; nichls deutet 
auf einen vorangegwigenen Kampf, vielmehr gleicht die Handlung 
einem Opfer" 0. Jahn arehaeol. Beitrftge 115, welche^^^gnet, dasg 
Oidipus die Sphinx im Kampfe besiegt habe. Die Qemmendantellung 
nnd Euripides Fhoin. 1506 erklären sich gegenadtig: 

dva^vverov ^wstog fiiiXog Syva 
^(fiyybs dotäov od/fia <povevo ug. 

0. Muller Orchomenos 113 ff., 119, Töpffer Attische Genea- 
logie 295 n. 1, Ed. Schwartz Quaest. Herod. Rostock 1890. 

'*) A. Milchliöfer Athen. Mittheilimf^oii IV f)»; ff. uud Sauer XVi 
190. Chios und üergia iuhreu die iSpliiux ula Wappen auf ihren 
Müuzeu. Auf Graberu erscheint sie schuu früh iu Griechenland, z. H. 



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I. IMo Oldtpodfe. 



21 



wurdo jenes thebaniscbo Unthier vom dieser Sphinx 

identificirt: raubte es ja doch auch Menschen und klangen die 
Hamen so ähnlich. Akbald rnnsste die nisiirQngliGhe Gestalt 
der ^1 dem festanifgepi^igten l^^pns des asiatischen Wesens 
weichen, auch ihr CharaUer änderte sich unter diesem Ein- 
flüsse: der Zog tes Rathseihaften wurde ihm heigefügi^') 



die archaische Sphinx von Spata: Athen. Mittheilg. lY 5. Ihre se- 
polerale Bedflatimg htt schon O. Jslm Archaeol. Beitr. U8 erkannt 
^ ümgekelirt leitet Tflmpel die Aiäiiopeiiliiider und der Andro- 
modamyHios, ZYI. Snpplbd. der Jalirb. t klass. FhiL 218 ieiner gan- 
zen Tendenz entsprechend die boiotische Sphinx aoa Asien her. Er 
weiss auch, dass sie zu dem Aphioditeculte in Beziehung steht) des- 
sen Träger die ,,thebani8ch-8aniothraki sehen Tyrsener" waren, und 
behauptet, sie habe ursprünglich gar nicht £<plY^ geheissen, sondern 
— Aafc örj^tioQ von 'AipgoSlTTj Aalq . .. „Ob Lajis oder Labij; tyr- 
senisch ist der Name jedenfalls." — „Der Beiname 2!(ply^ für die 
thebanische Loewin- Aphrodite könnte vom Anschnüren' ^OiflyYgiv) 
des Area in das Festelnets entlehnt eein*M — In Fisanden Hotis, dass 
die Sphinx ans Althiopien gekommen sei, sieht TOmpel „em Zeag- 
nbs fto ihre Berlettiing ans Lesbos**. Dagegen hat Maass im Otei^ 
valder Frognuom leeo/l „de Aoschyli SnppUcibus" XXIII darauf hin- 
gewiesen, dass es eine Al^onla genannte Landschaft auf Enboia gab. 
Bedenkt man nun, dass "Hf>rf Tflflu gleichermaassen auf Enhoia 
wie auf de ki Kithairon verehrt wurde, und dass sie es ist, die nach 
der Oidipodie die Sphinx sendet, so liegt es nahe, anch das im Pisan- 
derezcerpte als ihr Vaterland genannte Aithiopicn für die euboiische 
Al9Mkt au erklären, obgleich der SchoUast oder «Ohl schon Plsiader 
das afrikanische verstanden hat. 

**) Anch dass die beliebte Idoitifldenuig von ^ mit Xfty^ 
sprachlich starken Bedenken unterliegt (Curtins Qr. Etym.* no. 157, 
Lobeck Paralip. I 104), spricht für die vorgetragene Vcrmutbung, 
mit der sich Gustav Meyers Ansicht (Gr. Grammatik- ^ !?95) wohl 
vertragen wtirde. Durch die Freundlichkeit einiger Archaeologcn 
bin ich auf das Sphinxrelief aus Sendjirli — jetzt im Berliner Mu- 
seum — aufmerksam gemacht worden, auf welchem nach ihrer Meinung 
ihr Schwanz in einen Schl&ngenkopf ausläuft. Aber ich vermag in 
dem knopfturtigen Schvanaende einen Brachenkopf nicht m erkennen. 



23 



I. IMe Oiaipodtt. 



Sclion unter den Resten mykenischer riiltar finden lieh 
Sphinxe. Die Umbildong wird also schon £rUh begonnen haben, 
und hat tkh Tollendet» als die griechisohen Stämme in der 
Zelt der Wanderaogen ihre Sitze änderten und die lokalen 
BoBuge der Tergaseen. Die Oidipodie^ wie sie eine Uare 
Anadiattung der boiotiscben Landschaft und Vertrautheit ndt 
boiotiflohem Culte TeErath, hat aueh von dieiem Unthier einige 
ursprüngliche Zflge erhalten. 

Bis zu Epikastens Tode und des Oidipus zweiter Ver- 
mählung mit der Jungfrau Eurygaooia, welche ihm die vier 
Kinder gebiert, führt Pisander. Die dasselbe Epos voraus- 
setzenden Verse der Nekyia deuten aber noch fernere trau- 
rige Sckicksalc au: 

275 aXX' o (ilv Iv Bijßfl xoZvfjQatq) aXy^a xdcx<ov 
KadftsUov kdvaüCB d-ec5v oXoag öia ßovldq* 
Ttp ^ aXyea 7id2Xut oMtfOot 

280 xoXXa (tdX\ oOöa xs ftfftQog kffivvBg k9eTBXiov4Uv, 

Daraus hat schon Welcker zwei Schlüsse gezogen: Oidipus 
blieb König und er blendete sich nach der Entdeckung. ') 
Das letztere bestätigt ausdrücklich Pisander, das erste ist 
nothwendig, da er wieder sich vermählt und Kinder zeugt 
Aber die Blendung genügt doch nicht allein zum Yollen 



Sie lelgt flbrigens tonst äm getikifigen Typus: Fnnenkopf, Loewok- 
leß» und Flflgel. Doch ▼srsieliert midi Otto Pnelistefai, dass es meh- 
lere alte asiatische, leider noch unpublicirte SphinxreliefB gebe, anf 
denen des Schwanzende unzweifelhaft einen Schlangenkopf zeige. Auch 

flpr sich um die Beine ihres Opfers ringelnde Schweif der Sphinx des 
mt'lischen Thonroliefs (Benndorf Yorlegebl. 1880 IX 11) konnte eine 
Schlange sein Aher nach der Oidipodie endet sie in eiiitn bchlan- 
genschwanz wie Echidna und lyphon, wäiireud auf jene Gebilde 
die Werte ans der OhimairEbeschreibung passen Sm^e» dl Sgebem». 

*«) Sp. Cyld. IP 838 freUich Ar die Thebais. OebiUlgt Ton 
Schneidewin 166. 



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I. Die Oidipodie. 



23 



Verständnisse der gewichtigen Wiederholung, dass Oidi- 
pus Schmerzen gelitten , gar viele Schmerzen, wie sie der 
Matter Bachegeister bringen. Ein mächtiger König, mit 
einem jungen Weibe vermäblt, Vater ton vier Kindern, hätte 
Oidipns auch trots Beiner Blindheit ein so behagliohes Olück 
genossen» wie es zn seinen granlidien Thaten in keinem Yer- 
hftlfaiise steht Die in den grossen Zügen üben]! feststehende 
Sage hat daher schon Welcher yennnthen lassen, dass die 
Söhne dem Alten noch werden Schmerzen bereitet haben. 

Vielleicht führt weiter, was daß Scholion zu den Phoinis- 
seu 03 aus Pherekydes anfiihrl; 

Oiöutoöi, qpTjOi (^tQexv&f^g) , Kgimv 6l6o)ai T))r ßaat- 
XeIov xal rrjr yvvalxa Aa'tov, ftrjTf'Qa ^ avro v loxdott^p, 
ijg yhotnai avxm ^QaötcoQ xal Aaovvtog, oi d-j'T]öxov6iv 
vjto Mivvwv xal ^Eqjbfov, kxel de hiavtog JiaQfjk^s, yafiBt 
6 Olöhcovq Evff^Yciveiav tf}V IIsQlq>avTOq, ^ r/Q ylvovrai 
avrS kvTiyovTj xal 'löfjrjvij, yv dvatQ£t Tvötvg Ixl xQtjvrjg 
xal ajt'avt^q ^ XQi^pfij iiffii^ xoXsHm. vlol 6h amtp ki 
avT^ 'EvBincJijg xeÄ IloXwelxfjg' kxsl 6k EvQvyoPBta hB- 
levt^, yaftet 6 Olöbtavg k<ftvfiidowfap S^BviXm. 

Die erwünschtesten Zeichen der Echtheit pherekydeischer 
Fragmente, Spuren Ton lonismen, finden sich hier gär nicht; 
anch fHbrt die knappe Sprache, welche die gandich nnbe- 
kannten <PQäoTcoQ und Aaovmoo, und Ismenens Tod neben- 
sächlich in Relativsätzen abmacht, zu der Vermuthung, dass 
hier nur ein sehr gedrängter Auszug aus des Pherokydus 
Erzählung vorliege. Wenn er nur die feste Geschlossenheit 
einer einheitlichen Erzählung hätte! Zunächst hat es gar 
keine Wahrscheinlichkeit, dass Oidipus, obgleich er mit einer 
zweiten Frau die bekannten vier Kinder zengt, schon von 
seiner Mutter zwei Söhne hatte. Und da man die Angabe 
ixBi 61 kiftatnoq xa^i^B nm* auf die Uebergabe der Herr- 
schaft und die Hoiiath mit lokaste beliehen kann, so wird 



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24 



I. Die Oidipodie. 



die Zeit doch sehr beschränkt, auch wenn man die imbo- 
kannten Söhne zu Zwillingen macht: in einem Jahre hält 
OidipuB Hoclizeit, zeugt zwei Söhno^ entdeckt» wer sein Weib 
ist — und schon mit Beginne des neuen Jahres heirathet er 
urieder. Ich kann daher, wie Welcker,'*) den Verdacht nidit 
unterdrücken, daas ^(faatmQ und Aaovmoq ans einer an- 
deren Sage hier durch irgend welchen Zu&ll eingedrungen 
seien, und dieser Verdadit scheint mir eine gewisse Beseiti- 
gung darin m finden, dass der Rest dieser Erzählung mit 
der Oidipodie übereinstimmt. Denn auch in ihr kam Kreon 
vor, dessen jugendschönen Sohn Haimou die Sphmx raubt, 
auch in ihr machen die Götter alsbald ruchbar, wen Oidi- 
pns gl heirathet, wie bei Pherekydes nur ein Jahr zwischen 
semor ersten und zweiten Ehe Hegt, und nach beiden ge- 
biert Euryganeia die vier Kinder. Dazu kommt, dass hier 
diese eine Tochter des IltQlqxxq heisst; offenbar derselbe 
Name, den Euryganeias Vater nach Pausanias in der Oidi- 
podie trug, bei dem er aber 'TxiQg>oig überliefert ist**) Die 



■'^) Welcker Ep. Cykl. II« 315 n. 5 hält sie für Söhne des Lalos, 
indem er avtw auf diesen statt, wie es der Zusammenhang fordert, 
auf Oidipus bezieht. Diese Vermnthung stellt sich durch ganz an- 
dere Erwägungen als höchst wahrscheinlich heraus. 

s«) YUBP^AS und nSPI^AS sind offBnhar Formen deswlben 
Nameaa. Daaa die eine Foim am einer Gomiplel der andern ent- 
standen ad, will mich wahncheinlicher donkea, ab SchneidewiiiB Ter- 
matiiung 166 n., dass beide Formen echt aeien, da vnsQl und neQi 
ursprünglich dasselbe sei. Denn ein 6 e dicht, die Oidipodie, hat 
(Ion Mythographen diesen Namen überliefert, und dass dies beide 
Formen angewendet habe, kann schwerlich einleuchten. Da nun 
der Name nEPI4'AS nicht ganz selten in der Mythologie ist, wäh- 
rend '^Ynt^<fai allein steht, dürfte 1JEPI<PAS anzunehmen und 
YHSP^AS ala Coi^ektur aua dem corrupten UEP^AS zu erklären 
aein. — Bei Apollodor m &. 9 lat statt deaaen Tev^g flherliefert, 
waa 0. HflUer Orchomenos S26 n. 6 durch den Hinwela auf den KA- 



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I. Die (Mdlpodie. 



25 



Identität der Erzählung des Pherekydes mit der Oidipodie 
ist also aiigen8oh«iiilich. Folglich wird auch wohl das Stück, 
weldbes sie über unsere bisherige Eenntnus dieses Epos hin- 
aus bietet» aus eben demselben stammen: die dritte Ehe mit 
Astymednsa Dann aber gerath man in eine Schwierigkeit: 
denn nach Pherekydes stirbt Euiyganeia vor dieser dritten 
VerDuLhlting, dagegen lasst sioh wahrscheinlich machen, dass 
üie Iii der üidiijodic iiuch den Kampf des Eteokles und Po- 
lyneikes gesehen habe; dass aber Oidipus seine Söhne über- 
lebt und dann noch eine dritte Frau genommen, entbehrt 
doch aller Wahrscheinlichkeit. 

Nach Pausanias IX 5. 11 hat nämlich Onasias, der Zeit- 
genosse PolyguotSi zu Plataiai im Tempel der Atbeua Areia 
unter den Scenen aus dem Kriege der Sieben gegen Theben 
(IX 4. 2) Euryganeia beim Kampfe ihrer Söhne gemalt 
Als Mntter des Eteokles und Polyneikes kennen wir diese 
Frau nnr ans der CKdipodie: andrerseits wird Jeder dnrch 
dies Gemälde an die Soene der Phoinissen erinnert, wo 
sich lokaste über die Leichen der femdlidien Brüder wirft; 
da dieses schon in der ersten Mlfte des fünften Jahr- 
hunderts gemalt ward, muss wohl ein Epos beiden zu Grunde 
liegen. Der Schluss, dass es die Oidipodie ist, liegt auf 
der Hand, zumal er von Pausanias so nahe gelegt wird, dass 
man ihm selbst denselben zutrauen mochte; und Ottfried 
Müller hat ihn auch schon gezogen. Jetzt gewinnt er au 
Wahrscheinlichkeit, da sich herausgestellt hat, dass dies Ge- 
dicht mit den Verhältnissen Boiotiens wohl vertraut ist» den 



nig TOD Thespiai halten möchte. Aegius hat dafar ^Yniif^paQ einge- 

letvt, was He^Tie, Welcker, Schneiderin, Hen^hor billigen. 

''j ürchomenos 226. Auch Schol. J 375 hat er schon mit der 
Oidipodie verbanden und vermuthet, dass A 275 aas diesem Epos 
ätamme. Diese knappe Andeutung des scharfsinnigen grossen Gelehr- 
ten Itt nie gewürdigt worden. — Vgl auch Welcker n* 860. 



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26 



I. Die Oidipodie. 



Boiotem in Folge deasen auch am. nächsten gestanden haben 
wird. 

Auf diesem Wege werden wir also zu dorn Dilemma 
gefuhrt: entweder hat Plierekydes seine Erzählung nicht aus 
der Oidipodie genommeDi oder hsXsvt^ ist verderbt. Nun 
tritt aber ein anderes Zeugniss hinzu» welöhee ebenMls Asty- 
medosa als Gattm dee Oidipus keuit» ihre Vorgängerin aber 
nioht sterben Uwst: das Soholion J 375 AD. Oldtxovg axo- 
ßaJumv 7oxa<ftffP hUpiftsv jiittvfiidowSap, ^tiq öießaZB rovg 
XQoyovovQ üjg :;t6tQd<favTac axm^v dyavaxT^aaq 6^ kxetvog 
ijnjQaöaro avTolg di' aifiuroL: ^agaXccßetv rijV 'j(WQav xai 
jtaQt'Öcoxs xr)V ßaöiXüav avtmv *ErioxXiT, oc; t^ißaXe IIoXv- 
vdxTjv rov aötX^ov avtoT mg jiQsößvzEQOt^. Es folgt des 
Polynoikes Flucht nach Arges, seine Begegnunfj: mit Tydeus, 
ihre Verheimthuug mit des Adrastos Töchtern und endlich 
des Tydeus Hilfegesuoh bei Xhyestes in Mykenai Das 
Letzte ist zu streichen, da es aus A 375 entnommen ist, 
einer freien Weiterbildung des alten Mythos der Sieben, der 
von den Felopiden nichts wnssto. Den auEfgeachriebenen An» 
fang des Scholiens mit Fherekydes und der Oidipodie zu 
verbindoi, hindert allein die Nennung der lolraato. Mir 
scheint es jedoch nidit zu kfihn — obgleidi ich natur- 
lioh keine Sidierheit sn beanspruchen wage — diesen Na< 
men auf Rechnung späterer Grammatiker oder Schreiber zu 
setzen, und anzunehmen, dass urs]}riinglich Euryganeia ge- 
nannt war. Sie war verschollen, dagegen kannte Jeder von 
der Schule her lokasten als (inttin und Mutter des üidipus: 
die Einsetzung dieses Namens hig also sehr nahe. Dann — 
aber freilich auch dann erst — erhalten wir eine Geschichte, 
die sich mit dem von anderen Seiten für die Oidipodie Er- 
mittelten vereinigt. Euryganeia» die Mutter der vier Kin^ 
der, wird von Oidipus Verstössen und er heirathet Astyme* 
dusa; da tritt das NovellenmotiT ein: die Stiefinutter oder 



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27 



das Kebsweib bringt den Vater gegen seine frUberen Sühne 
anf durch die Lüge^ sie begehrten des Vaters Weib. Diese 
Verlaamdnng Terföhrt den Oidipus snm Elndie. Das ist 
nbenasdiend, aber nidlit überraschender als die MotiTirung 
des ganzen Unheils des Labdakidenhanses dnrch die Sdüin- 
dung dee Chrysippos und den Zorn äer^Hga yanoctoloq. 
Und man kann nicht verkennen, dass sich diese Erzählung 
des Scholiens A 375 dem grossen zusammenfassenden Ge- 
danken der Oidipodie, Zorn und Rache der Ehe stiftenden 
und Ehe schützenden Hera billig einordnet. Nachdem sie 
des Laios Frevel durch seine Ermordung und Epikn^^ton'; Hei- 
rath mit dem eigenen Sohne furchtbar geahndet hat, ruht 
ihre Bache: Oidipus heirathet eine reine Jungfrau und zeugt 
in züchtiger £he vier Kinder. Aber dann versündigt auch 
er sieb gegen die grosse Göttin: er stösst sein ehelidi Weib 
ans dem Hanse» um ein anderes zu freien. Dies Verbreclien 
muss er büssen. Hera fügt es, dass er sein eigenes Ge- 
schlecht Terflucbt. Der Finch ToUendet sich in Bmderkrieg 
und BrodemuHrd. 

Aber wie die Oidipodie die Geschichte vom Flnche des 
Oidipus bis zum Kampfe seiner Söhne geführt hat, das zu 
ergründen sehe ich keine Möglichkeit; keine Ueberlieferung 
scheint davon mehr Kunde bewahrt zu haben. Denn was 
die Fortsetzung des Scholions A 375 biotot. passt schlech- 
tordine:^ so wenip^stcns nicht zum Anlange der Erzählung. 
Oder ist es glaublich, dass ein König, der eben ein junges 
Weib gefreit und ihr zu Liebe seine Söhne verflucht hat, 
die Macht eben diesen Söhnen übergebe? Er hätte ja sich 
selbst und seine Kebse der Rache der unschuldig Verfluch- 
ten preisgegeben.*') 



Bezug auf die Oidipodie hat vielleicht Ions DithyrambOB ge* 
habt, Sa welehem l4K)d»mas daa Etooklei Soba luiieae and Antigene 



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28 



1. Die Oldipodie. 



Auf die Wiederberstellung des ScMusses der Oidipodie 
mrm ick ▼erziobten. Und dass auch die Angliederung der 
Astymedusasage an dies £po8 durcbans nicht sicher, ver- 
kenne ich am allenrenigsten. Von der Möglichkeit aber 
hofie ich zu überzeugen, und dabei muss es b« der Ungunst 
der Ueberlieferung sein Bewenden haben. 

im Tempel der Hera Twbrumte: Sallnit*« Hyi>ot1ieBlB za Soplioklei 
Antigone. 



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II. BediugoiLgeii nud Aufgabe. 



Die Becxmatroktion der Oidipodie hat den Beweis er- 
bracht, dass auch die Epen des thebanischen Kreises in der- 
selben Weise wie dio des troischcn cxcerpirt worden sind. 
Für die Kritik der mythographischen Ueberlieferuiig ist diese 
Thatsache von hervorragender Bedeutung. Denn sie macht 
es zur Gewissheit, dass auch Excerpte thebanischer Epen 
im mythologischen Handbuche von 90/45 v. Chr. benutzt 
worden sind, v^relches wir in den Aaszügen des Pseudo-ApoUo- 
dor» Pseudo-Hygin, Diodor u. s. w. besitzen. Wie es schon 
an sich wahrscheinlich war, dass in diesem gelehrten Werke 
die ältesten und umfänglichsten Quellen der Sage, die Epen, 
nicht unbeachtet gehusen waren, was andi die in den uns 
vorliegenden Auszügen freilich nur noch seltenen Ependtate 
zeigen, ^) so ist es jetzt durch die glüddiclie Auffindung der 
letzten Theile der apollodorisdimi Bibliothek augenfällig, 
dass der Verfasser epische Sagonformon nicht nur gelegent- 
lich angeführt, sondern sogai ganze Epeuexcerpte der Er- 

*) Im ?orll«gendeii ApoUodor finden rieh folgende direkte Epen- 
dtate: ThebniB I 8. 4. 1; Alkmeonls I 8. 5. 2 ; kleine Ilias: Epitomn 
Vaticana p. 68 1. 11 = Ep. Sabaiüca Rh. Mus. XLVI 172 1. 29; 

Nostoi II 1. 5. 14; Naupaktia III lü. 3. 12; Aigimius II 7. 7. 2; He- 
siod 13 mal, Kumelus 4 mal, A»iu6 III 8, 2. 2, Panyasis ."5 mal Mit 
leichter Mühe läsat sich aber durch Yergleichung Apoilodur« mit an- 
derswo überlieferten Epeuiragmeuten eine viel ausgedehntere Be- 
nutzung der epischen Litteratur nadiweisen. 



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30 



II. Bedingoagen imd Aufgabe. 



Zählung — wenigstens des troiscben Sagenkreises — zu 
Grunde gelegt hat: eine Thatsache» die bestehen bleibt, ob- 
gleich die Beurtheilung der sogenannten Hypothesois des 
ProkloB sich wesentlich ändern muss.*) Ist es glaublich, 
dass jener unbekannte Mythograph für seine Dantellnng der 
Kriege der Sieben nnd der Epigonen gegen Theben, der 
Schicksale des Oidipns und der Seinen die Thebaia und an- 
dere Epen dieses Inhaltes Tenchmilht habe? 

Freilich liegen im thebanischen Sagenkreise die Ver- 
hältnisse etwas anders, als im troischen. Hier haben stets 
Ilias und Odyssee die Tradition beherrscht, keine Tragoedie 
konnte gegen die Macht dieser Gedichte aufkommen; in je- 
nem dag* gen hatten die grossartigen Dramen des Sophokles 
und Earipides die Epen besiegt: die vor allen in den Phoi- 
nissen, im Oidipus Tyrannos gezeichneten Bilder beherrsch- 
ten fortan die Vorstellung. Desshalb wurden gerade diese, 
als die bekanntesten Foimen ior die Darstellung der theba- 
nischen Sagen im Handbuohe gewissermaassen als Faden be- 
nutzt, an den die äbrigea Venionen also auch die epischen 
als Varianten angesdilossen wurden. *) Aber, so inhaltsreidi 
auch beide Tragoedien waren, eine umfusende Geschichte 
gaben sie doch nicht, wichtige Knotenpunkte berührten sie 
gar nicht, wie die Rfistungen der Argiyer, den Vernith der 
Eriphyle; aus den Kämpfen selbst den Untergau g des Am- 
phiaraos, die Flucht des Adiastos u. s. w. Auch ist für 
diese wie für den Epigonenzug die Benutzung einer Tragö- 
die weder zu erweisen noch wahrscheinlich, da nichts be- 
zeugt, dass Sophokles mit 'EQiqfvh^ 'Exiyovoi Einfluss auf 

A'gl. meine Ausffthrungen im Hermes 1891. Die aiülällige 
UebereiDStimmung deb Proklos mit ApoUodor hatte Wagner sofort er- 
kannt: Bh. Hob. XLI 1886. 1461t 

'} Ed. Sohwarti de tch<iliis Homeridi 460, meine QoMBt. Diod. 
Byfh. 95. 



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II. BedingoDgeB und Angabe. 



31 



die MythofTraphie geübt hatte und des Aischylos Sieben sicher 
nicht verwerthet sind.^) Dass aber Pindars'^) knappe und 
gelegentliche, nur andeutende Erzählungen thebanischer Sage 
vom Mythographeu für die Hauptdarstcllung verwendet woi> 
den seien, dünkt mich höchst unwahrscheinlich: denn ans 
den angedeuteten Gründen eignet er sich nnr za gelegent- 
lidien Anführungen. Aber auch soldie dürften selten Tor- 
kommen.*) Sollte also nicht wenigstens für die angeseigteiL 
Partien das eine oder andere der tiiebanischen Epen im my- 
thologischen Handbuche ausgebeutet sein? Sie gaben eine 
grosse zusammenliäügüiide Erzählung und haben doch stark 
gewirkt. Noch Horaz hat von einem thebanischen Epos des 
Kyklos Kenntniss und klare Vorstellung gehabt.') 1 xcor- 
pirt waren sie ebenfalls, wie an der Oidipodie nachgewiesen 
ist, also bequem zugänglich. Warum in aUer Welt sollte 
der doch sonst einsichtige Verfasser des mythologischen 
Handbuches hier eigensinnig die epische Tradition verschmäht 
haben, die er sonst fleissig ausbeutet? Aber es kann jetzt 
die Frage aktenmassig entschieden werden. Denn die Re- 

*) Da?e<Ten ist für die Abentenpr des Alkmeon die Benutzung 
der beiden euripideischen Dramen wahrscheinlich und sicher: Welcker 
Oriech. Trag. 11 Ö75. Ö80, Adolf Schoell Beiträge zur Kenntniss d. 
txag. Poesie d. Gr. I 132, Gründlicher Unterricht über die Tetralo- 
gie 68. 

*) Toa Wilamovita Henae« XXTI S36 n. 8 liat diese Ver- 
mafknng gdkuaaert, indem er die uffillende Uebereliutinfliaiig Toa 
Apollodor III 6. 8. 4 mit Hndar N. IX 23 durch die direkte Be- 
nutzung dieses Dichten erklärt. Unten c. III n. 22 werde ich eine andere 
Erklärung versuchen. — Ueber von Wilamowit^'ens Behauptung As- 
klepiades Tragodumena sei far Eripbyleas Yerratli benutzt worden, 
8. unten c. III n. 12. 

') Ueber das einzige Pindarcilat Apollod. II 4. 2. 4 Hejue I 13b n. 
Benntst ist Pindar z. B. f&r Ixiou: Wagner Cor. myth. 148. 

^) Ars poetiM 146 mit dem Sehollon des Porpbyrio, YgL unten 
S. 87. 



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32 



II. Bedingungen und Au^&he. 



construktion der Oidipodie gewährt dio Möglichkeit zu prü- 
fen, ob in der Oidipuscrzählung Apollodors dies Epos be- 
nutzt ist. Dabei kann ohne Rücksicht auf die Phoinissen- 
scholien vorgegaogeu werden^ denn dass der Verfasser des 
Handbuches ans diesen ebensowenig geschöpft hat, wie aus 
den Apolloniosscholien, glaube ich bewiesen zu haben. ^) In 
der Thst sind mehrere Züge bei Apollodor jetzt aU der 
Oidipodie gehörig za erkennen: 1) III 5. 8. 2 htBfopB yoQ 

tff» Ikply/a nnd vielleiobt aucJi ^ ßrjtif^ läv lEil^Vfjg 
^ xatQOQ 61 Tvgxüpog vgl Hyg. lab. 67. 2) III 5. 8. 5 
xoXldSv 6* djeoXXvftivmv xdi zo teUvraXop AXfMPog to€ 
KQsovtog (nämlich dnrch die Sphinx). — 3) III 5. 8. 7 
elol 6e oi yevvtjd^rji'ai ta rexra (paöiv (t<p OldLjioöt) 
EvQvyavhia^ tfjg ^YjttQ^avxoq (libri: TevO-gaptog). 

Auf (xrund dieser Uebcrzeugungen kann eine Unter- 
suchung der mythographischeu Litteratur uiiternommoii wer- 
den mit dem Zwecke, die alten Epen inhaltlich wiederher- 
zustellen. Freilich ist jene in Anbetracht ihrer hinlänglich 
bewiesenen Verwirrung und Durchsetzung mit fremden Be- 
standtheilen nur mit peinlicher Vorsicht zu benutzen. 

Viel grösseren Werth haben natürlich die älteren Zeug- 
nisse der Tragiker und anderen Dichter. Nur dürfen auch 
sie nicht einfach hingenommen werden, da die alten Moti?e 
je nach den besonderen Zwecken des Gedichtes umgestaltet 
sind. Und es darf nicht so operirt werden: weil die The- 
bais älter war als Pindar, so sind alle Anspielungen dieses 
Dichters auf den thebanischen Sagenkreis aus jener entnom- 
men. Denn wer kann beweisen, dass es nicht noch mehrere 
Epen gleichen Inhaltes neben der Thebais gab? Je höher 
wir hinaufgehen desto grösser ist naturgemäiss die Zahl der 
Sagen und der sie formenden Epen; je tiefer wir hinab- 



*) Quaest Diod. myth. 88 ff. 



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II. Bedfiiguiigen und Aufgabe. 



33 



steigen, desto kleiner wird der Kreis der alten Gedichta 
Denn von allen litterarischen Erzengnissen versdiwlndet der 
grossere Theil sehr bald, nur die besseren halten sich län- 
gere Zeit, und schliesslich bleiben nur selir wenige. Es bil- 
det sich ein Kanon lieraus. Die älteren Dichter Latten also 
noch Massen von Sagen und Epen des thebanischen Kreises; 
in den Ilandbücheru werrlon ausser Excerpten oder vielmehr 
Stücken von solchen aus Epen, die uns auch dem Titel nach 
bekannt sind, Fragmente anderer schwerlich enthalten sein. 

Aber Reconstruktionsversuche alter Epen werden dem 
eitel erscheinen, der überzeugt ist, dass alle alten Epen die- 
selben Schicksale wie Ilias und Odyssee gehabt haben, dafis 
sie also sdion ftuh. Conglomerate toh verschiedenen Gedich- 
ten ohne Einheitlichkeit waren, dass sdion die Diditer des 
fünften Jaluiinnderts und gar die Mythographen sie nur in 
solchem Zustande kannten. Beweisen kann dies wie das 
Gegentheil Niemand. Aber das muss zugegeben werden, 
dass die Gedichte, welche jetzt als Ilias und Odyssee vor- 
liegen, einst einheitlich waren, je als ein Ganzes gedacht und 
gedichtet worden sind, in dem jede Handlung ihre Ursachen 
und Folgen hatte. Man denke sich beide Werke in einem 
so dürftigen, nur die Hauptsachen mitthcilenden Auszüge, 
wie der des Pisander aus der Oidipodie ist oder die Ex- 
cerpte — cum grano salis — des Proklos: man würde die 
Ilias für ein einheitlidies lied Yom Zorne Achills und die 
Odyssee fiir eine einheitliche Erzählung der Abenteuer die- 
ses Helden von der Eroberung Troias bis zu seiner Heim- 
kehr halten. Und man denke sich solche Auszüge zer- 
stückelt, wie uns der der Oidipodie Torlicgt und thatsächlich 
auch die aus dem troiscihen Kreise,*) würden wir nicbt durch 



*) Zwei Beispiele : Das einzige Argnment fiir die Annahme, die 
Telephossage sei in den Kyprien behandelt worden, bietet Proklos, 

liethe, Heldenlieder. 3 



34 IL BediDguogen und An^be. 

das Gesetz der Causalität ihren Zusammenhang begreifen 
und uns von ihrem Inlialte eine YorsteUong machen können? 
Freilich das würden wir nicht zu erkennen vermögen, dass 
die £rbentung der Gbryseis nur beiläufig und kurz erzählt 
war; ja wir würden wohl so weit irre gehen, dass wir diese 
als ausführliche Vorgeschichte forderten; und ebenso wenig 
wäre uns zu erforschen möglich, dass Odysseus selbst seine 

der sie unter der Rubrik „Kyprien** anmerkt. Aber die sog. £x- 
cerpte des Proklos sind nur ein Auszug «na dem mythologischen Iland- 
l)iicbc, \vol»^liON mit Zugrundelegung der Ilias und Odyssee und aller 
in diesen erwülinlen Episoden eine chronologisch geordnete Geächichte 
des troischen Krieges aus den übrigen Epen dieses Kreises zusam- 
mensetzte. Da nun in den „Excerpten" des Proklos sich Stellen fin- 
den, die sicher nicht in den betr. Epen gestanden haben, sondern aus 
Ilias und Odyssee stammen, so mnss dem Glauben an ProUos TdUi^ 
abgesagt werden. Die einädgen dlrektoi Zeognlsse aber Telephos 
und Eniypylos haben wir aus der kleinen Ilias. Schol. T 326 (B) 
b äl rtjv fttxQuv 'fXidöa ygdy^ag {<prjalv) dvttH^fvyvvvT« {tov !4j(iiUecc) 
dno Ttßeifov nQoaoQfiia&fivat {nQoQ rr/v Sxvgov) 

iv^^ oy' ugyaXkov ?,ifiiv^ "x£zo wxiöii txslvtjg. 

Die Identität mit dem Bprirhte des Proklos unter „Kyprien" leuch- 
tet ein. Die Methode fordert den Schluss. dass eben dieser nicht 
au.H den Kyprien, sondern der kleinen Ilias .-.taunnio. Auch für den 
Kampi der Griechen mit Tclepbos läsät »ich die kieine ilia» aiä (Quelle 
wenigstens wabracheinUch machen: vgl. SehoL Eorip. Troad. 821 
(t. WiUtmowits Horn. Unten. 153), Pansaaias III 2& 9, während 
kein direkt beaeogtes Kjprienfiragment mit Telepbes auch nnr in entp 
fcmte Verbindung gebracht werden kann. — Aehnlich dürfte es sich 
mit dem Kampfe um Achills Leiche verhalten, der unter „Aithiopis** 
von ProkloR luTicbtet wird, während Rchol. Aristoph. Ritter 1056 ge- 
rade diese Version für die kleine Ilias bezeugt. Damit leugne icii 
nicht, dass die Aithiopis den Tod Achills erzählt habe. 6. Löschcke 
weist mich darauf hin, dass Achill nach der tabula Iliaca rai^ 
SxaialgnvXait und nach Proklos ztjv nohv avveiansawv getödtetwird, 
die chalkidische Yase (Overbeck H. G 23. 1} dagcgcu freies Feld 
voratissetae: ?gL Apolld. Y. S. n^bg uOg SxaMtg jfCXatg toievetat. 



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II. Bedittgiingen mid Aafjabe. 35 



Abenteuer enahlt, dan Teleniach auf seiner Reue die ver- 
flchiedeiiBten Geschichten hört, dass des Odjsseus Aufent- 
halt bei den Phaiaken einen so grossen Raum annimmt 
Aber das ist nnwesentlidi dem gegenüber, dass der Inbalt 
beider Epen ans der Voraussetzung ihrer Einheitticbkeit im 
Grossen und Ganzen erschlossen werden könnte. Deshalb 
dürfen wir unter derselben Bedingung die Koconstruktiun 
verlorener Epen unternehmen. Das Gesetz der Causalität 
muss also auch bei diesem Versuche ang(^w(Mulet ^Yerden: 
ohne dies wäre ein solcher unmöglich. So könnte es frei- 
lich geschehen, dass wir zwar die letzte Form der Epen 
nicht ahnen, aber ihre erste, ursprüngliche ungefähr erken- 
nen. Das wäre kein Schade. Wird von einer sicheren Grund- 
lage aus ein grösserer Zusammenhang hergestellt» so ist doch 
nicht unwahrscheinlich, dass er aus eben dem Epos stammt, 
dessen Trümmer eben jene Grundlage boten. Die an der Hand 
ibies Ezcerptes im I^sander hergestellte Oidipodie zeigt uns 
ein einheitliches Gepräge, vielleicht ein einheitlicheres, als 
ihrem Excerptor: aber falsch oder verwerflich ist sie dap 
rum doch niclit. 

Ehe wir an die mythograpliische Untersuchung heran- 
treten, ])etrachteu wir, was uns über alte Epen des thcba- 
nischen Sagenkreises direkt überliefert ist, und was a^i^ diesrn 
Angaben geschlossen werden kann. Ausser Oidipodie und 
Alkmeonis kennen wir noch drei Titel: ^ßalg, 'MMyopoi 
und l4{t(piaQS(o kq 8^ßaq i§ßiaCig, 

Die lEsäfovoi wurden von Einigen als homerisches Ge- 
dicht betrachtet»'^) doch schon Herodot IV 32 spricht Zwei- 
fel an ihrer Echtheit aus, Spätere haben sie dem Homer 
nicht nur abgesprochen, sondern sogar einem anderen Dich- 



Certamen Ilomeri et Hosiodi 249 f. Rzach, jedoch aacb einge« 
schränkt: q>aal yuQ nvs^ xäl tavta *Ofiijgov e'ivat. 

3* 



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36 



IL Bociingiiiigen nnd Aufgabe. 



tcr beigelegt. Das ergicbt das Scholion zu Ari$toi)hane8 
Frieden 1270: denn es führt unter dem Titel dffx^ tiSkf 
'Emyovanf kvrifidxov den dorch das Certamen Homeri et 
Hesiodi ak Anfangsrers der homerisdien ^iyayoi bezeog- 
ten Vers an: 

Da man an den kolophonischen Dichter des fünften und vier- 
ten Jahrbimderts dachte, liaL luan einen Irrthum des Scho- 
liastcn angcnoiümcii, bis Bergk und von Wilamowitz**) den 
wahren Sachverhalt erkannten. „Der Teier ist geraeint, den 
Aristobul für älter als Aiifria'? erklärt, Plutarch als alten 
Epiker citirt" Augcntällig 1 e wiesen wird diese Erklärung 
durch den Hinweis auf das })crüchtigte Horazscholion des 
Porphyrie zur A. P. 146: »Antimacbus fuit cyclicus poeta. 
hie adgressus est materiam, quam sie extendit, ut viginti 
qnattiior Tolumina impleyerit, antequam septem dnces ad 
Thebas perduoeret^**) Hier wird bezeugt, dass derselbe 
kyHiscbe Dichter Antimadms, der nach dem alten Aristo- 
phaneserklärer die *Exfyovoi geschrieben hat» auch den Zug 
der Sieben besungen habe: diese Thatsache bleibt, so wenig 
man auch sonst der hämischen nnd übertreibenden Notiz 
trauen mag. Damit stimmt aber audi l'ausanias IX U. 5 
wohl, wenn man seinen Worten nur keinen Zwang anthut. 
Nach kurzer Erzählung der Züge der Sieben und der Epi- 

") Griech. Litt. Gesch. Ii 42 — Horn. Unters. 346 n. 26. 

**) Kiflflsling in seiner HenusauBgabe sthumt xwar von Wilamo^ 
wite bei, bezieht aber die Angabe über die Weitsdiweifigkeit den- 
noch auf den Eoloplionier (xf^ Lmnisch Klan» ISO n.) — mir nicht 
wahrscheinlich. WieK. richtig lierfi»liebt| spricht Iloraz von Icyklischoi 
Gedichten: der Thebais und den Kyprien. Ein Erklärer hatte das 
erkannt; auf ihn geht Porpliyrio zurück. Wie soll da eine Notiz über 
den Kolophonier liincingekoininen seiuV Warum soll nicht die Weit- 
schweifigkeit jener alten Thebais, von der Uoraz sprichti auch von 
Porphyrio bezeugt werden ? 



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II. Bedingungen tmd Aufgabe. 



37 



gonen fährt er fort; katot^^ 6h kq xov xoXafiov xovtov aeal 
heil S^ßttlq, die Eaninos als ein homerisches Gredicht kemia 
Schon Frühere haben unter roirrot^ top xoXsfiov die beiden 
Kriege verstanden, doch ist ihre Ansidit durch Welokers 
Autorität unterdrückt worden. In diesem Zusammenhange 
kann ein Zweifel an ihrer Richtigkeit nicht mehr füglicli be- 
stehen. Sie wird noch dazu aufs sicherste bestätigt dureh 
die Aussage des zuverlässigen Gelehrton Thcoii in den vor- 
trefilichen Apolloniosscholien (I 308). Ausdrücklieh führt 
er nämlich die Thcbais für die Sage an, dass die von den 
Epigonen aus der thebauischon Beute dem delphischen Gotte 
geweihte Teiresiastochter Manto auf dessen Befehl nach Ko- 
lophon gewandert sei^^). 

So ist bewiesen, dass es ein dem Homer ebenso wie 
dem Kykliker Antimachos Ton Teos zugeschriebenes Epos 
gab, wdches sowohl den Zug der Sieben gegen Theben, als 
auch den der Epigonen besang, und dass dasselbe zwei Ti* 
tel führte ßt^ßaig und 'Exlyopot. Aus diesem Gesichtspunkte 
muss die einzige Stelle im Certamen Horaeri et Hesiodi an- 
ders als bislier aufgefasst werden: o cU "Ofii^gog djtorvxojv 
rfiq vixtjq bktyf ra Jioir^^axa, jiqc5tov fitv xr^v &fjßäiöa, 

'!AQyoq u€iös, d-ia, jtoXvöltptop, tvB-ev CLVaxxeq 
üxa ^Emyovovq, tjtt] ^, <ov i) ^QX^' 

Nvv avB-^ ojtXoxiQOiV avÖQcöv aQxoifisd-a, Movöcu, 
Der Compazativ des zweiten Verses bezeichnet die Epigonen 
im Gegensatze zu ihren Vätern: diese und ihre Thaten muss^ 

Schellenberg Antfanadii Coloph. reliq. 24, v. Lentsch Theb. 
cycl. reHq. 12 und n. 38, Welcker Ep. Cykl. T« 102. 

**) Man hat sich vergeblich bemüht, dies unbequeme Zcugniss 
zu entkräften. Neuerdings glaubt Immisch Klaros im XVII. öupplbd. 
d. Jahrb. f. kl. Phil. (1889) 117 „den letzten Zweifel ' an seiner Un- 
glaubwUrdigkeit gehoben zu haben. Darüber unten S. lld n. 20. 



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38 



n. Bedingangen vaä Aufgabe. 



ten asur Begrundmig des Comparativs nothwendig erwähnt 
weiden. Das hätte an sich auch im Folgenden geschehen 
können wie in den berohmten analogen Worten des Stbene- 
loB J 405. Aber das avte Terbietet diese Annahme; einen 
Gegensaftz znm Vorhergebendm bezeichnend TSnnittelt es 
den Uebergang znm Folgenden und beweist also» dass von 
den sieben Helden, welche» wie der Vers rShmt» dnrdi die 
Söhne übortroffon wurden, schon Torher die Bede gewesen 
war. Ks ist also das Epos Epiguiioi nur denkbar als der 
zweite Thcil eines Gedichtes, welches auch den Zug der Sie- 
ben gegen Thohoii besungen hatte. Indem dieser Schluss 
aus dem Wortlaute des Anfangsverses die schon aus anderen 
Erwägungen gezogene Folgerung gewichtig bestätigt, zwingt 
dieae zugleich» die unmittelbar vorher erwähnte Thcbais als 
den gesuchten ersten Theil anzuerkennen. Dies trifft toU- 
kommen mit dem schon gewonnenen» durch alte Citate beleg- 
ten Resultate zusammen» dass dasselbe Gedicht neben dem 
Titel 'Exfyinfoi auch den Titel ß^ßalg führte.^*) 

Diese Erkenntniss würde auch Welcker über den Aufangsvcra 
der Thebais bernhii^en. Er hat nämh'ch bohatiptet, so könne nicht 
ein Gedicht begouueu haben, da» mit der Niederlage der Argiver ge- 
endet: Ep. Cykl. II* 646. Er erUftrte dod&slb xohföitiuw „du viet- 
gescblagene". So hatten schon Alte M>kb ^ptw Bcbreiben woUen 
(Strabon YIII d70/l), da Argos nicht waeserann seL Bereits von 
Lentsch Theb. cycl. rel. Götting. 1830 liat diesen Einwand wider- 
legt. Wenn es auch Länder mit grösserem Wassermangel gieht, so 
wird doch Jeder Argos als „vieldurstigcs" ancrkenncTi, der ans Achaia, 
Lakonicn, Mosscuien oder gar dem quellenreichen Arkadien in die 
Ebene des Tnachos hinabsteigt. — Ucbrigens würde VV eickers Anstoss 
durch V crgieichung der kleinen ilias beseitigt, welche analog beginnt: 

*D.tov udöüt xal ^daQÖaviriv iv7ia)Xov. 

Richtig bat K. 0. Müller Gr. Litt. G. I* 117 gegen Welckcra 
Behauptung, Epigonoi und Thebais konnten nicht von demselben Dich- 
ter stammen, auf Grund von schol. Ap. Eh. I 308 ausgesprochen: 
„die Epigonen waren so eehr der zweite Theil der Thebais, daai binfig 



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n. BediDgungea und Aufgabe. 39 



Durcli ;i11e diese von verschiedenen Seiten in demselben 
Punkte zuäammcnlaufouden Untersuchungen ist im G^en- 
satz zu ijriUiereu Auffassungen erwiesen, dass Thebais und 
Epigonoi ein einziges Epos waren, unter den Namen des 
Homer und Antimachos von Teos laofendf und daw dies 
die beiden Kriege der Aigiyer gegen Theben erzShlt hat 

Biee Gedieht war nun aber yerhältniBsmSasig jung. 
Schon die Epigonemnge an sich hann, wie kurzlidi von Wi- 
lamowitz ausgesprochen hat,^^) erst auf asiatischem Boden 
und ohne historische Grundlage entstanden sein, als längst die 
Kämpfe um Theben gekämpft waren. Jedenfalls zeigt ihre 
Fassung in diesem Epos dessen Jugend. Denn es hat, wie 
Thcon aus der Thebais anführt, erzählt, dass Manto nach 
Kolophou gewandert war, um das klarische HeiliL^tliuni zu 
gründen. Auch die Erwähnung der Hyperboreer, welche sich 
nach Herodot IV 32 in den Epigonoi fand, spricht für eiue 
verhältnissmässig späte Entstehung des Gedichtes» nicht, weil 
jene im Homer Tcigeblich gesucht werden, sondern weil sie 
hier offenbar in Verbindang mit Delphi yorkamen.^*) Der 
unhomerische Charakter dieses Epos, um dessentwillen man 
dasselbe einem andern Dichter beilegte, wird doch wohl 
nicht zum wenigsten in solchen Zügen aa^efsülen sein, die 
eine jüngere Zeit als die Ilias ofienbaren. 

Aber man wird zunächst vielleicht Anstoss daran neh- 
men, dass die erhaltenen grossartigen Verse der „kjklischen 
Thebais^ welche von den Flüchen des Oidipus erzählen, aus 



beide durch denselben Namen bezeichnet wurden, obwohl man sie 
auch wieder als zwei getrennte Gedichte betrachten mochte." 

^■') Hermes XXVI 230. Von ganz anderer Seite war auch ich 
Sommer 1890, ak ich diese Arbeit machte und schrieb, zu demsel- 
ben Resultate gekommen dorch eine üatenochtmg, die idi Torlftiifig 
intfiddiilto. 

*>) Welcker Ep. QyU. 406. 



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40 ^ BediBgttOgen und Angabe. 



oinem jungen Epos stammen können. Welcker hat in ihnen 
eine „hochalterthümliche Strenge des Rechts und der Würde" 
empfanden, die vortrefflich zu dem Bilde stimmen, das er 
uns TOn der Thcbais entworfen hat. Aber selir bedaclit sagt 
er, jene Alterthümlichkeit der Sitten sei ans ^älteren Lie** 
dern beibehalten**.^*) Darüber mag man Teracfaiedener 
Meinung sein, so nel jeden&lls steht fest^ formell sind diese 
Verse nicht alt^ sondern gehören der späteren Zeit altepischer 
Knnst an. Ihr Dichter sprach nicht mehr die Spiranten, 
deren Sparen in den meisten Stucken homerischer Poesie noch 
greifbar sind, er empfand nicht einmal mehr ihre Nach- 
wii'kung. Denn fitya ol und oi ol können dafür n'u^ht an- 
geführt werden neben den groben Vernachlässigungen der 
Spiranten, in den Worten xakor di'jiag r/ökog o'trnv. Die- 
selbe Missachtung des schon geschwundenen Lautes zeigt 
der Anfangsvers der Thebais-Epigonoi mit ('rOijy cwaxxEq. 
Formale Gründe weisen also diese Verse derselben spät- 
epischen Zeit zu: gegen sie müssen stilistische zurückstehen. 
Und welchen Grad von Wahrscheinlichkeit hatte es, die Müche 
des Oidipus bei Athen. XI 465E und schoL Oid. G. 1375 
einem anderen Epos zuzusprechen als d^ engrerbundenen 
Doppelgedichte Thebais-Epigonoi, dessen yermeintlicher Ver- 
fasser Antimachns von Porphyrie zur A. P. 146 direkt „scrip- 
tor cyclicus"' genannt wird, währond jene Grammatiker aus- 



") Wolcker Ep. Cykl. II 336. 

Der Spirant in tfövq wird als lebendig durch 3 Stellen er- 
wiesen, in 85 ist er erwünscht und zulässig, nur in 0 unmöglich. In 
oivnc, ist das Vau oftenkundig: vgl. Kn(ts do digammo lloinerico (Up- 
sala Universitets ärsskrift 1873> 138, 205. Kur der jiuige Vers y 51 
bat dieselbe Formel ötnaq tjötog oivov. Die Iliatus in ov oi und 
(xtyct ot sind aus der alten Teclmik übernommen, in der sie gewöhn- 
lich sind: Knoea 206 f. — Veber das y in hd-ev s. Lobeck patholog. 
elem. n 148. 



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IL BediDgiingeiL und Au^itbe. 



41 



(Irüelclicli die „kyklische Thebais" für die behandelten Verso 
dtixea? Somit steht es fest, dass diese Fiagmente alle dem- 
selben Epos angehören, und dass dies Werk in Terhaltniss- 
mäasig später Zeit gedichtet ist 

Dazu tritt nun das homerische Epos kii^uiQem l^iXa- 
Ctg, Ans diesem Titel ist Folg^des mit Sicherheit zu 
schliessen. Amphiaraos stand im Mittelpunkte des Inter- 
esses, wie Aciiill in der Ilias, seine Ausfahrt in den Krieg 
gegen Hieben bildete den Angelpunkt der Handlung, wie in 
der Ilias der Zorn des Achill. Als Seher musste Amphia- 
raos wissen, dass ihm dieser Kampf den Untergang bringen 
werde. Er ist also nicht freiwillig gegangen, sondern ist zur 
Theilnahme an dem Heereszage gezwungen worden. Die £r- 
zäMung, wie dies geschehen» mnss einen grossen und wich- 
tigen Theü des Gedidites ausgemacht haben. Aber auch 
das ist eine nothwendige Forderung, dass dai^stellfc war, 
wie des Sehers Ahnung in Erfüllung ging, wie ibm selbst 
und allen Sieben vor Theben Tod und Verderben ward* 
Dagegen ist auf Grund des Titels ganz entschieden zu ver- 
neinen, dass auch der Zug der Epigonen und die That 
Alkmeons behandelt waren. Das ist ebenso wonig denkbar, 
wie Neoptülemos im Lied vom Zorne Achills. 

So erhalten wir die Gewissheit: es hat ein homerisches 
Epos gegeben, welches nur den Zug der Sieben besungen hat 
und zwar nicht um seiner selbst wiUen, sondern als das 
grosse Ereigniss im Leben des Amphiaraos, das ihm, trotz- 
dem er es Torhersah, durch Verwickelungen des Seliieksals 
den Untergang brachte — wie die Ilias die Kämpfe Tor 
Troia nicht um der Achaier noch um der Troer Heldentha- 
ten zu preisen Torfuhrt» sondern sie nur als Hintergrund malt 
för den Zorn Achills, der nach Sehicksalsschluss ihn zur Er- 
legung Hektors treiben sollte, an die sein eigner Tod ge- 
knüpft war. 



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42 



n. Bedingoogm und Aufgabe. 



Die ganze Anlage beweist, dass die »Ausfahrt des Am- 
phlaraos"^ ein altes einfaches Lied war, wie die Uias es war 
imd doch noch ist Doch kein Fragment ist uns unter die- 
sem Titel erhalten. Wekker hat dies Gedicht mit der The- 
bais ideotifioirt imd viel Beifall damit gefunden.**) Aber 
schon nadi diesen Darlegongen kann seine Annahme nidit 
mehr anfredit erhalten werden. Da in der Thebais der Zug 
der Epigonen in enge Beziehung zur Heer&hrt der Sieben 
gesetzt war, kann diese nicht in sich derart abgeschlossen 
gewesen sein, wie dies vom Ampliiaraosliode erwartet wer- 
den muss, und schwerlich wird sich in ihr wie in diesem 
alles um des Amphiaraos Ausfahrt gedroht, sondera The- 
ben wird den Mittelpunkt gebildet haben. 

Hier greift nun die mythographische Untersuchung ein. 
Die folgenden Capitel worden eine doppelte Version über 
den Zug der Sieben und seine VorgeBchidhte aufdecken, von 
denen die eine 'mit der Epigmiensage eng verbunden ist 
Beide lassen sich über die Tragoedie hinaus Terfo]gen> sind 
also episch. Damit wäre bewiesen, was aus der littorari- 
schen Tradition gefolgert wurde. 

«) Btatit sieh hauptaieUidi auf den TJmstttid, dass in der 
pBeadoherodoteischen Homervita und bei Suidas nur ^A/i^qbw i^i- 
Xuai<;, aber nicht die Thebais, im oertamen Horn, et Hes. nur diese, 

iiir!;f jcDD erwähnt wird. Aber i«t ja dorh solir natürlich, dass 
man denselben Dichter nicht zwti ^'toäse Epeu über denselben Ge- 
genstand dichten lassen mochte. Zudem ist die Thebais schon frlih 
dem Homer genommen. 



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IIL Des Amphiaraos Ausfahrt 



Herodot erzählt V 67, dass Kioisthcnes, der grosse Ty- 
rann von Sekyon, iu heftiger Fehde mit den Argivern die 
mannigfachen und alten Beziehungen seiner Stadt zn ArgOB 
anszorotten sich bestrebt habe. Zwei darauf zielende MaasB» 
regeln werden berichtet Zanäohst hob Kleisthenes die Agone 
der BliapBOden in Sel^on auf der homeriadien Epen wegen, 
weil in diesen Argirer nnd ArgOB immer und überall be- 
sungen würden. Dann snchie er den Colt Ües Adrastoe, des 
Talaossohnes» als eines Argiyers zn yertreiben, obgleich ihn 
die Sekyonier in hervorragender Weise auf dem Markto ver- 
ehrten: denn Polybos, der alte König von Sckyoii habe, als 
er ohne leiblichen SuLn gestorben, sein Reich diesem, seinem 
Tochtersoliiie, hinterlassen. Zu dem Zwecke führte Kleisthenes 
aus Theben den Cult des Melanippos, des Sohnes des Astakos, 
ein und weihte ihm einen heiligen Bezirk im Prytaneion, 
also in unmittelbarer Nachbarschaft des Adrastosheroons. 
Sein Grund dafür war die Erzfeindscbaft zwischen diesen 
beiden Helden: denn Melanippos hatte sowohl des Adrastos 
Bruder Mekistens« als auch seinen Tochtennann Indens er^ 
sdüagen. 

Es ist Uar: diese oomplioirten Verbaltnisse mnss ein 
Gedicht festgelegt haben. Denn es kann unmöglich Volks- 
glaube der Sekyonier gewesen sein, dass Adrastos, den sie 
auf ihrem Markte verehrten und wie Dionysos mit tragischen 



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44 



III. Des Ampbiaraos Ausfahrt. 



Chören feierten, eigentlich Argiver gewesen sei und nur 
durch seine Mutter SeJq^ geerbt» ab« doch Yon Argos sm 
beherrscht habe. So werden also Herodots Angaben aas 
emem denjenigen homeriBchen Epen entnommen sein, deren 
Vortrag Eleisthenes verbot, weil sie immer Argos besangen. 
Und zwar weisen dieselben unzweideutig auf ein Gedidit» 
welches den Zug der Sieben gegen Theben feierte: spielt 
doch in dcü Epen des troischeii Kroisos Arges keine so 
hervorragende Rolle und wird da doch Adrastos gar kaum 
erwähnt*) Es gilt, diesen Schluss zu bestätigen und diüch 
andere Zeugnisse die Kenntnisse dieses thebanischeu Epos zu 
erweitern. 

Pindar nennt in der neunten nemeischen Ode Adrastos 
einen Argivcr und Sohn des Talaos, er preist ihn als Herr* 
scher von Sekyon nnd Argos zugleich und erzählt weiter 
vom Zuge der Sieben gegen Theben. Diese Punkte stimmen 
mit Herodots Angaben überein. Aber der Dichter giebt 
noch mehr. Vor Ampbiaraos ist Adrastos geflohen vom 
väterlichen Hause, aus dem heimathlichen Argos ; ein schlimmer 
Aufstand hatte ihn und seine Bruder vertrieben: Fürsten 
■NYanjü liiclit mehr die Sühue des Talaos, vom Aufruhr be- 
zwungen. Doch kehrt er zurück, giebt dein Sohne des Oikles 
als verlassliches Unterpfand des Vertrages Eriphyleu, die 
männermordende — und später zieht er mit ihm gegen 
Theben. 

Pindar setzt die Sage als völlig bekannt voraus:^) 



1) S. Ejellberg De cydo epico (UpsaUftO 1890} 6. Grotes Schluss, 
Heiodot deute auf die Thebais, ist nickt berechtig 

*) Wenn Pindar Nem. IX die Gründungssage der sekyonisclion 
Spiele erzählte, so dürfte allerdings nicht an ein thebanisches Epos 
als seine Quelle gedacht wcrtlen. Aber das thut er keineswegs. Er 
erwähnt nur kurz, dass Adrast sie eingesetzt habe; aber darauf näher 
einzugehen lehnt er ab und kündigt an, er werde dieseu preisen : 



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III. Des Ampliiaraos Ausfahrt 



45 



kuappc Andcutungou genügen, den Hörem die Verhältnisse 
und SituatioDOü in Erinnerung zu bringen. Daraus folgt 
ndt Nothwendigkeit, dass sie schon yor Pindar dichterisch 
geataltet war, aho wohl m emem Epos» und dass dies Tiden 
S^itgenossen durchaus bekannt war. Uns ist Epos wie Sage 
yerloren. Zu ihrer Wiederherstellung hilft die Erzählung 
des MenaichmoB Yon Sekyon,^) die im Scholien zu v. 30 
erhalten ist: Amphiaraos und die Anaxagoriden lehnen sich 
auf gegen den Kuuig von Argos Premix, des Talaos Sohn 
und der Lysimache, der Tochter des Polybos, und erschlagen 
ihn; sein ßinder Adrastos flieht zum Vater seiner Mutter 
und dieser vererbt ihm die Herrschaft über Sekyon.*) Dies 
stimmt nicht nur ToUkommon mit der von Pindar voraus- 
gesetzten Sagenform und der, welche Hcrodot'') im Auge 
hatte, somdem yerbindet auch beide und erklärt sie durch 



V. 10 dv tyu/ /mtff^sle ivcoufx^aa sAvTatg ijQcna ttirnlq — und er er- 
zUilt, wie AdzMt ans Argos nach Sekyon kam, Argos iriedererwarb 
nnd gegen Theben sog. Das hingt mit den sekyoniBchen Spielen gar 

nicht ztisammen. 

^) In Schol. Find. N. IX 30 hat Lobeck Af^phamoa II 1112 

n. c (las überlieferte yf.TctaruOfU richtig in xnrc.oxttaiaaii-flc verbes- 
sert, was die Ilaudschrift D (,Mediceus) bestätigt. Nach v. AYilamo- 
witz Horn. Untersuch. 241 schrieb Menalchmos vor Aristoteles. Ge- 
wöhnlich wird or mit dem Alexauderbistoriker identüicirt und in die 
Diadochenzeit gesetzt: Ch, Malier hinter Arriau Script, bist AI. M. 145. 

*) Ygl. Serrins Aen. VI 480, schol. B 573 B, Pansan. n 6. 6 
(ans Menaiclimos? vgl Kalkmann Tansanias 149) in der Selcyoniscben 
Eönigsliste» weldie jedenfalls der des Kaata^Q bei Eusebins fremd 
ist Er nennt die Mutter des Adrastos st&tt Ava luayt^, wie Menaich» 
mos, Avaittvacaa. Im Scbolion zu Platons Polit. 590 A wird sie Av- 
alitnri genannt. Diese verschiedenen Bildungen desselben Kamens 
sind auffallend. Vgl. Crusius N. Jahrb. f. Philg. CXLIII (ISui i 

*) Diese Zusammengehörigkeit haben die alten Pindarcrklarer 
wohl schun erkannt: Uerodot Y 27 wird neben Menaichmuä zu Pin- 
dar Nem. IX 30 citirt 



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46 



m. Dm AmpUMMS AufUirt. 



Ausfüllimg ihrer Lücke. Folglich gehörea diese drei nach 
Alter und Lenmimd gleich an^eieichiieteii Zengnisie eng 
mammen: sie folgen alle derselben Quelle. Pindar deutet 
unzweifelhaft auf ein Gedicht» das den Zug der Sieben gegen 
Theben besang; dasselbe wird von Herodot als homerisches 
Epos beceugt Sem Inhalt liegt vor uns. Es offiiet sidi ein 
Blick in uralte argiYische Sagengeschichte. 

Wer sind jene Viuixagtiiiden? Was ist das gewalligö 
Geschlecht der Talaiden? Zu welchem Stamme gehört 
Araphiaraos oder stellt er allein ? üeber diese Fragen giebt 
nur eine dürftiti;'' Ueberlieferunc^ Auskunft, vei^raben in dem 
Wusto wirrer mythograpbischer Notizen. Sie ist bei Diodor, 
Pausanias und Apollodor erhalten und wohl allen dreien 
durch denselben Gelehrton Termittelt.^) Sie löst sich TOn 
jeder anderen Ueberliefemng |^tt ab, hängt in sich zu- 
sammen und beantwortet die Fragen, die jene Stellen des 
Pindar, Herodot und Meuaiohmos stellen. Darin liegt die 
sichere Gewähr, dass sie aus derselben Urquelle stammt: 
eben jenem thebanischen Epos. Sie erzählen fibereinstimmend 
80:^ Als Anaxagoras König in Argos war, schlug Dionysos 



•) Diodor TV CR 4 nnd Apollotlnr T 12. 8 gehen auf das ray- 
thographischo Handbuch «ies ersten Jahrhunderts v. Chr. zurück: s. 
meine Quaest. Diodor. mytUügr. 91. Pausanias II 18. 4 bringt die 
Isutiz in seiner argivischeii Geschichte. 

^) lieber zwei andere An^ieatsltangen denelben Sage s. unten 
C. yn. Auch die alten Erkiftrar von FSndar Nem. DL hatten wohl 
diese Sagen&nn notirt. Jetat aber lesen wir de getrabt; das geht 
schon daraus hervor, dass hier gar nicht *Äva^ayoQlSm erw&hnt wer- 
den. Es ist hier fOr Anaxagoras ans der durch Hesiod und durch 
das mythologische Handbuch vulgär gewordenen Sage Proitos einge- 
drungen. Dass hier nun gar Amphiarao'? drn Talaos tödtet nnd Adrast 
in Sekyon die Tochter des Polyhos heiratUet, steht im Widerspruche 
zu jeder anderen TTeborlieferung und ist wohl aus der missverstan» 
denen Piudars teile herausgesponnen. 



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m. 008 Ampldtr«» iliufUurt. 47 

die argiviscben Weiber mit Wahnsinn; da kam Melampus 
des Amytbaon Sobn und beilte sie, aber nur um bobea 
Lobn: zwei Drittheüe seines Landes mnsste der König ihm 
abtreten; in diesen wohnten und herrsohten fortan Melampns 
nnd sein Bruder Bias und ibre Nadikommen. So geschab 
es, dass Argos dm Ffirstenbauser hatte. Des Bias Sobn 
ist Talaos, von Melampus stammt Ampbiaraos und aus dem 
alteingesessenen Geschlecbte des Anazagoras entspross Ka- 
paneus.**) 

Im unmittelbaren Anschlüsse an diese Sage gieht ApoUoJor 
I 9.13 einen Stammbaum der Biantideii. Da hier nicht nur 
AvöcfiaxTj Gattin des Talaos und der sehr selten erwähnte 
IlQdiim^ ihr Sohu wie hei Menaichmos genannt sind, auch 
Mekisteus des Adrastos Bruder ist wie bei Herodot» »o darf 
man neben diesen sicberen Sparen des Ton uns verfolgten 

*) Dergleichen GeichlecbtertraditioDea sind ganz im Stile des 
Epos: es genügt aa das Zwiegespräch des Glaukos und Diomedes 
Z 146—281 oder an die Stammesgoscliidite des Theoklymenos o 225 
—966 sn erinnern. In beiden Enihlnngen sind breit die GrOnde er- 
zählt, wamm das Geschlecht seine Ilciniath verliess. wie es neue 
Sitze gewann — ganz parallel der für das in Untersuchung stehende 
honiori«rh(» EpOH beanspruchten Episodn. — Stammbäume der ilrei 
Geschlechter sind für dasselbe jedoch nicht festzustellen. Nimmt man 
Blaq TäXnoQ *A9{)narnq als sicher an. so niüHsen auch die beiden an- 
deren Häuser bis auf Amphiaraos und Kapaueuä nur 3 Glieder haben 
— aber Dtodor schiebt nrischen Melampus und Oikles den ilvrif^^- 
xfiq dn» and PltoasiiiM spricht gar von sechs Gliedern bis Arapliflo- 
cbos. schöpft aas einer argiTischen Königsliite; fSr eine solche 
kamen chronologische Gesichtspunkte in Betradit, denen sn liebe 
je nach Bedarf Geschlechter Angerückt oder ausgelassen wurden. 
Da aber des Pausanias Angaben auch unter sich auf keine Weise 
stimmen — denn von rlrn Zeitgenossen Mclampu«, Hias, Ariaxagoras 
sind die Zeitguiiüsseii Ampliilochos, Aigialeus, Stlit'iu los um G, 4 und 
5 Geschlechter entfernt — so sind wohl die Zahlen verderbt, oder 
swei sich ausschliessende Ueberlieferungen von ihm zusammengear- 
beitet Ygl. ffalkmann Pausanias 149. 



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48 



III. Des Amphianu» Ausfahrt. 



Epos auch wohl noch andoro hier üilioifen. Doch diese 
Hamenmasse im Ganzen einer einzigen Quelle zuzuweisen» 
wäre unmethodisch bei der oft belegten Art und Weise, wie 
die mannigfache» in vielen Varianten niedergelegte Gelehr- 
samkeit des mythologischen Handbuches von den Excerptoren 
zosammengestrichen und oft unrichtig ineinander geschoben 
ist So ist audi hier aus anderer Ueberlieferung Lysimache 
Tochter des Ahas, Enkelin des Melampus genannt, während 
in der verfolgten Version Polybos von Sekyon ihr Vater ist 
In diesem Stammbaume wird aucli Parthenopaios Bruder 
des Adrastos gemannt, eine seit den Tragikern fast ver- 
scbolleno Ueberlieferung. Die Gestalt des jugendschönen 
Solllies der spröden Atalante hat ihn verdrängt. Durch 
diese Verbindung war er nach Arkadien versetzt. Aischylos 
in den Sieben 531 und Euripides in den Schutzflehenden 
892 bemühen sich, den Arkader doch wieder zum Aigiyer 
zu machen: er soll zwar in jener Landschaft geboren, aber 
in AigOB erzogen worden sein. In den Phoinissen 1153 
betont Euripides ganz unmotirirt, wie es uns scheinen muss, 
„Arkader ist Parthenopaios, nicht Argiver.** Daa sind durch- 
schlagende Zeugnisse dafür, dass die argiTische Herkunft 
dieses Helden alt und allgemein bekannt war.*) Diese Ueber- 
lieferung hat sich behauptet, bis sie dem übermächtigen 

*) Argos keiaat das Thal des InaehoB; dass die ganxe Ftolopon- 
nes bd Homer oder wmt Aigo> geheiasen habe (vgl. Straboa YIII 
371/2^, ist muriehtig. Die wenigen Stellen, welche dafOr angefahrt 

werden können, sind beanstandet. — Znm Arkader ist Parihenopaioe 

wohl (hirch die Verbindiing mit Atalante geworden, die in den Bergen um 
Tegea im Parthenion und vor allen im Mainaion wohnt. Da sie in 
Argos nicht nachweisbar ist, kann sie auch nicht als jVIutter des ar- 
givischen Talaossohnes Parthenopaios angenommen werden. Oder aber 
er ist ursprünglich auf dem Gebirge Parthenion zullause und, weil sich 
dies nach Tegea wie nach Argos öffnet, In die Sagen jeder der bei- 
den Landschaften früh eCngedrangen. 



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III. Des Ampbiu«» Ana&lire: 



49 



EinfluBse jener grossen Dichter erlag. Hekataios, die Tra- 
giker Aristarcb und Philoldes, der gelehrte Anlünachos 
folgen ihr:^<>) sie reicht also hinauf bis in die Zeit des Epos. 
Fronaz ist nach diesem Stanunhanme ApoUodors in 

Üebereinstimmung mit Menaichmos und seiner epischen 
Quelle als erster Sohn des Talaos auf^'ofühit. Denn auch 
dort ist er der Älteste, das lauiiiicnhaupt, der König von 
Argob: gegen ihn richtet sich der Aufruhr. Er wird ge- 
tödtet. Wir können erschliessen von wem. Am amyklaiischen 
Throne war die Seene dargestellt, wie Adrastos und Tydeus 
zwei Kämpfende trennten, und zwar den Amphiaraos und 
den LykurgOfi des Pronax Sohn.^^) Sie müssen also Feinde 

") Schol. Soph. 0. C. 1320, schol. rholn. 150 (vgl. 44) = schol. 
Aischyl. Sept. 530. Nauck FTr« S. 729, 7G0. — Spiro de Eiirip. 
Phoin. 27 aah in Phoin. 1153 eine Polemik flos Euripidcs gegen Phi- 
]okles, den schon 422 Aristophancs in den Wespen v. 402 verspottet: 
kaum wahrscheinlich. Denn darauf konnte Euripides nicht rechnen, 
dass äeiue Zuschauer sich erinueru sollten, welche Tragiker den 
FkrChenopaioft «Is Argiver eingefUirt hatten; diese Polemik wiro also 
wirknngsleB geblieben» keine Polemik gewesen. Ont hat dagegen 
Spiro den Gedanken, Euripides polemislre g^n AntimachoB, durch 
die Bemerkung zurückgewiesen, Antunachos werde erst in der Mitte 
des 4. Jahrhunderts in Athen hekauat: Herakleidea Pontik. bei Pro- 
kloa zu Piatons Timaios I p. 28. 

") Pausania.s III 18. 12. Diese Seene bildete wohl das Gegen- 
stück zum Zwei]:ampfe des Achill und Memnon, auf welche Thetis 
und Eos in den Vasenbildeni zueilen — obgleich diese Göttinnen 
hier nidit genannt Bind. Den Kampf zwischen Amphiaraos und Ly- 
kugw hst Otto Jnhn (Berichte d. aehalachen Oes. d. Wim. ph. hlst. 
OL 1863. 91) auf 6 Vaeenbfldem nachgewieien, doch meint er 28, wie 
Overbeck, Stephani und Weleker Ep. QykL II 861, Pansanias habe 
Tydeus mit AmpliianuiB verwechselt, da Statins Theb. V 660 Tydeus 
statt des Sehers gegen Lykurgos kämpfen lasse. Aber Statins hat 
wie sie geirrt: ihm schien für den frommen Seher dieser Kampf nicht 
zu passen, und so musste es ihm scheinen, weil er die feindlichen 
Beziehungen zwischen Beiden nicht kannte. Dass es wirklich kein 
B«tb«, Hddeolieder. 4 



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50 



in. Des Amphiiram Ausfahrt 



gewesen sein. Nun i»t in dem entdeckten thebanischcii Epos» 
wie aus Pindar und MenaiduDOS gcschloBsen wurde, Pronaz 
im Aufstände des Amphiaraos und der Anaxagoriden umge- 
kommen. £r als der Fürst wird dodi wohl gegen den Führer 
seiner Feinde seihst geluimpft haben; als solcher tritt Am- 
phiaraos deutlich hervor und wird TOn Findar aosdrüddich 
bezeidmet. Er also hat den Fromuc ersdilagen, und daher 
stammt der Hass zwisdien ihm und dem rachepfliohtigen 
Sohne seines Gegners Lykurgos. 

Dies sind die Verhältnisse von Argos in dem bei Pindar, 
Herodot, Menaichmos nachgewiesenen Epos. Weiter ist schon 
für dasselbe aus Pindar die Rückkehr des Adrastos von 
Sekyon, wo er den Polybos beerbt, nach Argos geschlossen 
worden. Er versöhnt sich seinen gefährlichsten Gegner 
Amphiaraos dadurch, dass er ihm Ejiphylen zum Weibe 
gibt. Sic ist hier natürlich, als welche sie meist erscheint, 
seine Schwester. Findar nennt sie in demselben Gedichte 
apd^dftavr' ^Eqt/y^hpf S^xuw ovs xiotop für Am- 
phiaraos und die Talaiden. Er spielt dunsh diese Worte 
doch wohl wieder auf Situationen und Scenen desselben 
Epos an, welches er auch in den vorhergehenden Versen 
voraussetzt Nur dies Epos kann also die Erklärung jener 
Worte geben; wird aber andrerseits eine befriedigende ge- 
funden, so ist mit ihr ein neues Stück dioses theljauischen 
Gedichtes gewonnen. Die Scholien genügen nicht, aber sie 
schliessen sich doch mit anderer UeberHeferung zusammoi\, 
die frcilicli erst gereinigt werden muss, ehe sie verweudet 
werden kann. Sie enthält zwei Versionen miteinander ver- 
mengt, doch nicht unlöslich verbunden, uns bekannt durch 
ApoUodor III und Scholien X 326, das unterschriehen 

Irrthum ist, macht obige Darlegung klar. S. auch Jahn Arcb. Zeit 
1864 No. 67; seine Deutung der Berliner Tsae 2316 auf Tf. 67 ist 
von Fmtwftngler mit Beeht lorttckgewieBen. 



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III. Dm Ampliiumoi Ansfahrt. 



51 



ist f] ictogia xoQa jicxhixid^,^^) Ihre öfter fast wörÜiche 
üebereinstimmuiig und gegenseitige Ergänzung beweist, dass 
sie beide ans derselben Qnelle> dem mythologischen Hand- 
bndie, geflossen sind, das hier für eine der zwei Sagen- 
formen AsHepiades vielleicht dtirt haben mag.^') 



Nach V. Wilamowitz Hermes XXVI 214 n. 1 praevalirt in 
Apollodors Bericht über den Zufj; der Sieben das Pmma nnd A«^kle- 
piades von Tragilos. Die erste Behauptung ist ailgemeiu zugestan- 
den, die zweite stützt sich allein auf schol. X 326 ^ iaio^la TtuQcc 
HaxkTjTtidöfi, ein Zeugniss, dem a priori ebensowenig zu trauen ist, 
wie jeder andem lato(flet der Scholien ond mythologischen Hand- 
bacher nach den dorchschUgenden Beweisen, die Ed. Schwarte im 
XIL Snpplhd. der Jahrb. f. HaSäg. 1881 (vgl. 468 d.) erbracht bat 
Pass nun speciell die latoQla dieses SchoUons A 326 aus 2 Bestand« 
theilen contaminirt ist, lehrt schon die durchaus unmotivirte Erwäh- 
nung des Polyneikes und bestätigt die Vergleichung mit Apollodor, 
Hygin 73 und schol. ). 32G Arabros, Welcher von beiden Bestand- 
theilen gehört dem Asklepiades oder crchört ihm überhaupt einer von 
beiden? Ist ja auch das nicht eimuai sicher! Vgl. £d. Schwartz 445. 
— Und aelbat wenn bewieien werden könnte, dass dem echeL X 326 
Aiklepiadee an Gnmde Iftge, eo wire doch nicht die Möglichkeit aus- 
gesdiloMen, durch ihn auf reine epische SageiiTeirBionen au kommen. 
Denn Iti allen Fragmenten zeigt er sich als durchaus wissenschaft- 
licher Mythograph. Das lehrt deutlich die w<)rtliche Anf&hrang im 
schol. Pind. N. VIT G2 IXirxXi^TCKuSVfi; du la ron' tQftyot^ovfisvwv ^ijoiv 
orTty?' ne^c fitv ovv xov Q-avdzov [Nenmokifiov) ßx^öbv (Inftvxeq oi 
noir)tal avfifpcavoioi . . . Vrjl auch schol. Pind. P. II 39. Denanach 
hat Asklepiades uuzwüitelhäii die litterarischen Quellen der Sagen 
wissenschaftlich durchforscht, ja er hat sogar Zeugnisse des Cultus ver- 
werihet: Hacpoerat s. t. Meieadnneicv . . . MeUtvlfsnov toö Bijaiwi 
ilp^w iatoßf ^fi^tp 'AaxhiJfmSifg xQaytfdovfUvot^. Daher iat er als 
emsthafter historischer Forschw anzusehen wie sein Mitschfiler Epho- 
ros. Höchst wahrscheinlich hat er also doch auch wohl die ältesten 
und reichsten Quellen der Sage, nämlich die £pen, benutzt. 

Vgl. Diodor IV 05. 6, schon von Ed. Schwarte mit jenen bei- 
den Stelleo zusammengestellt a. a. 0. 453. Bei Diodor steht noch 
unversehrt die alte epische Version: 'AfifiuQÜov ngbi Aöiitioiov ara- 

4* 



62 



m D« AmpUacMi Anifalirt. 



schol jL 326 



ApoUodor UI 6. 2 



^Afi/^ptoQooq 6 *OixXiaog yijfiag . . . ytvo^vf^ yoQ (A(ii^ptaif^aiip) 
dtevBxß'elq vxiff nvmv xqoq 

Kcu JidXiv öiaXv^helg, oqxov- öiaXvoafiBVog mftuoe, 

ap 6iaq>^Q€orzai jtqoq dZhj- ap 'AÖQaCtq) Öia^iQ^xai, 

Xovq avzoQ tf y.fu "AfSQaötog 

IjfiTQtiptir, K{)i(pvhiP xqLvuv ökxkqLpup 'EifigtvlQ ovyx(a- 

ftera dh raeta yivoidi»^ xf^ Sre oiv hü &ijßaq iöet 
kxl ßijßicg at(faTelaq argatsveip, 

6 fihf läftguoQaog axivifBXB Ufi^ia^fdov 41 aptoTQixovtog, 
tovg Uuyeiovg 

xal TOP IcofiBvov oXed^Qop lUfi^ta^aag , * , XifOBi^mg ort 
ytQoefiopteveto, xdvtag rov^ orgarev' 

Ottftdpovg x^Q^'^ *AdQa6T0V 
reXsvrfjöat . . .] 

Xaßovönöl'KQiq^vXfjxoPOQ^ov *Eqi^vX^ top oQ^top Xaßovöa 

ütoQa IloXvptixovg top Tijq 

*AQfiorlac 

jtQootti'iTo Toiq jiEQt TOP htsiCB TOP avÖQa OTQttveveip. 
*Aö(fa<STOP ßiaQotiipoig top 
Uft/^ßtoQaov . . . 

PolyneikeB iriid bei ApoUodor hier nicht erwähnt; aber 
kons vorher, dodi scharf geechieden, steht die Erzählung, 
dasB ihm Iphis den Bath gegeben habe, Eriphylen durch 



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ni. Det Ampbiwfti» Aatfifthrt 



63 



ndas" Halsband za besteolieii. In diesem Zusammenhaiige 
dag^en tritt er nicht anf, nnd wer erwartet auch, daas der 
thebaniacbe FlftditliDg bier eingreifen, nnd nicht vielmehr 
AdraatoB aelbat aebe Scliwester gegen ihren Gatten beatim- 
men werde? Es wSie nnerlaabt» zwei Versionen, die in der 
einen Ueberliefemng nodi getrennt nebeneinander stehen, 
znsammenzuschweissen, weil sie in einer engverwandten ver- 
mischt sind, zumal da gegen die löroglai überhaupt und 
ziiDKil der schlimm zugerichteten Odyssecscholicti soit Eduard 
Schwartz(Mis einschneidenden Untcrsucliungen Verdacht zur 
Pflicht geworden ist. In diesem Falle tritt nun aber noch 
eine dritte Stelle hinzu, welche diesen Verdacht rechtfertigt 
und die Erwartung, dasa in der verfolgten Version Adrastos 
selbst Eriphylen gegen ihren Gatton gewinnt, völlig bestätigt 
Der Scholiast bringt zu Pindar N. IX 35 als Beleg für 
seine freilich unrichtige Erklärung Folgendes ?or: xeSg dl 
füT^Xd'e CAö^ittog top UfiptdQaop); (iiciiv xoi^ad/ievaq 

hcümjv doüu xoü agfum xal (ievijXdw ntvzw Scre am- 
Xi<f^ai. Er bezeugt also, dass Adrastos selbst die znr Sohieds- 

richterin zwischen ihm und Araphiaraos bestellte Eriphyle 
durch Bestechung mit dem llalobajule zu einem Spruche 
veranlasst hat, der ihrem Gatten den Tod brachte. Es ist 
dieselbe Ueberiieferung, welche bei Apullodor und dem 
OdysseeKcholiastcn vorliegt. Und sollte noch irgend ein 
Zweifel bestehen, ob wirklich Adrast nach einer Sage der 
Bcstecher war, so heben ihn Ilygins 73. Fabel und das 
Ambrosianusscholion zu X 326 auf. Dies notirt: ^EQi<p\>h]iv 
. . . fiptfCtriv 6h 6ia to laßetif x€tQa JloXweIxovg ij'AÖQdatov 

avt^q . . . Hygin giebt: . . . »Adrastns antem . . . monile anrenm 
ez genums fedt et nnineri dedit soxori snae Eriphykeb 
qnae doni eopida coningem prodidit" Da die enge Ver- 



54 



m. Des AmphiMBOB Aufalut. 



-wandschaft des Grundbestandes dieses Fabolbuches mit Apol- 
lodor und Beider Abkunft aus demselben mythologischen 
Handbuche erwiesen ist» kann es nicht überrasdien, bei 
Hygin einen andern Brocken derselben Version, welche nn- 
Tollständig bei Äpollodor Torliegt, Torsprengt zu finden*^*) 

Diese Stellen yereinigt ergeben mithin folgendes: ein Streit 
hatte einst Adrastos nnd Amphiaraos entzweit; dodi eine 
Versöhnung kam zn Stande, Amphiamos nimmt jenes Schwes- 
ter, die Talaostocliter Eriphylo, zur Gattin und beide schwören, 
sich ihrem Schiedssprüche zu unterworfen, sollte wieder ein 
Streit entstehen. Diesen bringt der Plan, gegen Theben zu 
ziehen. Eriphyle hat zu entscheiden und, von ihrem Bruder 
bestochen, befiehlt sie dem Gemahle, diesem in den Krieg 
zu folgen, der ihn verderben sollte. 

Von selbst fügt sich dies dem für das thebanischo Epos 
schon mit Sicherheit Ermittelten an nnd erklärt zugleich 
vollkommen Findars Worte. ^'^) Es ist kein weiteres Wort 

Diese Notiz ist bei Hygln mit der eigenthOmlichsa Vefsiod 

verbunden, dass sich Ampblaraos in adnem Hause verbirgt. Sie hat 
mit dem liier verfolgten Epos nichts gemein: dcuu in diesem hatte 
Amphiaraos gar keinen Grund, sich zu verborgen; frei erwartete er 
den Schiedsspruch seiner Gemahlin, dem er sich zu fügen gelobt. 
Sie gehört in einen anderen Zusammenhang, der unten S. 79 erwie- 
sen werden wird. — Dass Adrast selbst das Ualsband aus Gold und 
Edelgeitein gefertigt, ist wohl dn Yeraehes. Ueber die Bestandtheile 
des oQ/toQ der Eriphyle Paas. IX 41, Heibig Hom. Epos aus d. Denkm. 
erl « 268. 

In dem übrigens thörichten schol. Pindar N. IX 31 (Abel 
264/5) ist gesagt^ Adrastos habe dem Amphiaraos Eriphylen gegeben 
Vv' Firi fii'y' i'oißfta ßfx^ ainpoti a i ylvrjtai ccvTtj SiaiTn. 
Dieser Ilexameterschluss steht i 37 von Zeus und Ilera. Welcker 
Ep. C. 11- 345 n, 49, obgleich er Polyneikes als Bestechcr annimmt, 
hat vermuthet, die Worte stammton aus der rhchai», die er der t^t- 
Att<ri( gleichaetai Dass sie sn letstwer gehören können , selgt die 
Untersnehnng. 



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lU. Dm AmpbiwnuM Auifalirt 



56 



der Empfehlung nöthig. Das aber muss scharf betont wer- 
den: das berühmte Halsband Eriphylens lässt sich in dieser 
Sagonform weder in Yorbindoog mit Poljrneikes, noch gar 
mit Harmonia nachweisen. 

Hier halten wir ein nnd überblioken das Ei|;ebni88 der 
Untersachiing, Ein Epos hat erzählt» wie Amphiaraos ge- 
zwungen wurde, gegen seinen Willen in den Krieg wider 
Theben zu ziehen. Er selbst steht im Mittelpunkte des 
Interesses: er hat einst das Geschlecht des Talaos ans Argos 
vertrieben, er hat ihm die Rückkehr gestattet unter der 
Bedingung der Gleichberechtigung und als i'land des Ver- 
trages des Adrastos Schwester heimgeführt. Die Ausfahrt 
dl Amphiaraos iu den Krieg gegen Theben ist der Angel- 
punkt der Handlung. Wir dürfen annehmen, dass im Wei- 
teren der unglückliche Ausgang des Zuges geschildert war. 

So sehen wir in der aufgedeckten epischen Sagonform 
die Forderungen erfüllt, welche der Titel des homerischen 
Epos !Afig)idQsm ig ß^ßa^ i§i3La<UQ m erheben zwingt — 
bis auf eine, dass nlbnlich die Sage yon Alkmeon nnd den 
Epigonen nicht er^hlt war. Aber schon jetzt können wir 
mit Sicherheit behaupten, dass die Radie an Eriphylen, 
Alkmeon, also auch die Epigonen dem aufgefundenen Epos 
frond sein müssen. Denn die hier verfolgte Sagenform 
kennt niclil den Verratii Lnphylcns. Diese ist hier 
vielmehr die durch Verträge bestellte Schiedsrichterin zwi- 
schen ihrem Bruder Adrastos und ihrem Gatten Amphiaraos, 
deren Spruch zu gehorsamen beide einst feindliclu^ Parteien 
durch heilige Eide gelobt hatten. Es war ihr Recht, zu 
entscheiden, wie sie wollte. Wer mag ihr verdenken, dass 
sie ihre Stellung nach Möglichkeit ausnutzt? Schön ist das 
gewiss nicht. Der moralische Christ entrüstet sich; der 
homerische Mensch mit seinem naiven i^ismus, von dem 
sich auch der moderne Südländer im Gegensatz zu uns 



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56 



III. Dm AmphUraoa Ao»f*hrt. 



äusserlich anständigen Hyp< i boiccrn noch viel bewahrt 
hat, wird in Eriphylons Handlungsweise nichts Verbreche- 
risches gefunden haben. Adrastos gab ihr mehr, als Am- 
phiaraoB ihr zu bieten hatte: also entschied sie für den 
Bruder gegen den Gatten. Seine Prophezeiungen glaubte 
sie ebenso mug wie jener nnd die andern Helden; gingen 
sie aber in Erfüllung, so batto sie wie den Gemahl auch 
die Bruder in den Tod gesandt Ampbiaraos durfte sein 
Weib nicht strafen, er durfte auch nidit von seinen Söhnen 
Bache fordern an ihrer Mutter für seinen Tod. Er hätte 
dann ja seine Eide gebrochen: jeder Schiedsrichter ist unver- 
letzlich und steht über den Parteien. 

Es kann also das vorfolgte Epos gar nicht den Muttor- 
mord Alkmrons erzählt haben. Damit wird es höchst un- 
wahrscheinlich, dass es überhaupt von dm Epigonen be- 
richtet So hält sich denn dies unbekannte Godicht ganz 
in dem Bahmen, der das Lied von der Ausfahrt des Am- 
pbiaraos nothwendig umgrenzt hat, und es xeigt die Anlage, 
welche für jenes vorausgesetzt werden muss. Ich kann vei^ 
sichem, dass ich dies Besultat nicht gesucht habe. Um so 
werthToUer ist mir dies Zusammentreffen, und der Wahr- 
seheinlichkeitsschluss ist berechtigt: das ao^fundene Epos 
ist die homerische lifi^iaQem ig Bi^ßag l^tXaöiq.^^) 



**) ^kI- die Sage von dem mit Amphiaraos vielleicht identischen 
Heros Kvvonro; in Tanagra: PlutArch Q. Gr. 40. 

Ob die von Theogois 213 und Pindar (Boeckii vüi. II 2. 650) 
benutsten, von Kleareh iv ß' ne^l nagotfudiv (Athen. TU 317 A) ttber^ 
lieferten, vom Euyetier Antigonoe 35 als homeriscli citirten Veree: 

tüZatP i^MK^/id^ov, zw» itep Mota d^ftov Jx^ai. 

{SUott f dixeiog reli0ti» and x*»W ittea^ add. Bergk PL^II 189)» 

«ie Boeekh und Weicker meinten, ans dieiem Gedichte (reip. The- 
bsis) stanmen, lloet sich nieht arantcheo. Auf cUete Annslmie atflts- 



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in. Des AmphUunu» Aniffthrt. 57 



Pindars neunte nemcische Odo fülirt uns weiter. Sie 
spricht von unhcildrohenden Vorzeichen; aber sie werden 
nidit beachtet; in's „offenbare Verderben rast das Heer mit 
diemen WafiSen und Pferd und Wagen." An den Ufern des 
Ismenos finden sie den Tod, alle Sieben. «Aber dem Am- 
pbisraos spaltete mit allgewaltigem Blitastralile Zens die 
tiefbnsige Erde, barg ihn in ihre Tiefen mit semem Wagen, 
ehe des FerOdymenos Speer seinen Rüeken dnrdibohrt tmd 
seine Kriogerehre geschändet." Dies gewaltige Bild ist ein 
würdiger Abschluss für das Lied von der Ausfahrt des Am- 
phiaraos. Es muss derselben Quelle zugesprochen werden, 
wie das, was Pindar vorher angedeutet mehr, als erzählt 
hat; als solche bot sioh ehen jenes Epos imgesucht dar. 
Also gehört es ihm an, es sei denn, dass ein Eiss, eine 

ten Lobeck und Bergk (Com. de com. Attic. ant. 220, Bemays Ges. 
Abb. I 311) die mnralmcheiiiliehe (Welcker Ep. 0. II 324 n. 8) Hy 
polllese, 'Apufid^em i^iletotg sei ein Lehrgedicht gewesen. — Es lauen 
sich diese Vene mclit in einer angeregten Abscliiedsscene beim 

Bachcgebote des Amphiaraos denken, passen also insofern gut zur 
„Ausfahrt". Auch schliesst die Anrede an Amphilochos den Gedan- 
ken an ein Eachefrebot an^, da dieser niemals Miittermörder genannt 
wird. Er ist der echte bobo, ein Doppelgänger des Amphiaraos. Meist 
treten sie getrennt auf, beide orakelnd, Amphiaraos im Mutterlande, 
Amphilochos ini Osten und Westen; in Oropos sind sie vereinigt 
(Pub. I 34. 5). Alkmeon dagegen ist hier wie Qbenll nicht soge- 
lassen, obgleich anch er als Heros Terehrt worde und orakelt m haben 
scbeint (Bohde Psyche I 177 n. 1). Umgekehrt, wo er oder seine 
Namensverwandten (bes. ^Alxfi^VT], die auch als seine echte Schwester 
in die Familie des Amphiaraos aufgenommen ist: Asios bei Paus. V 
17. '^^ flitzen, finden sich jene nicht. Zu Theben hatte Alkmeon ein 
Heroon; den Amphiaraos aber in Oropus zu befragen war den The- 
banem verboten (Herodot VITT 134). Dies die sacrale Thatsache, 
über Herodota Begründung s. v. Wilamowitz Hermes XXI 104. — So 
scheinen die angefahrten homerischen Verse die ftlterte Sagenform 
Toranssosetaen, welche weder Eryphylens Verrath noch Ihren Uord 
k«int» und kannten wohl dem AmphlanosUede entnommen sein. 



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Ö8 



m. D«« AmpUanMi Aufahrt. 



Discrepanz in Pindars Darstellung aufgezeigt und diese 
letBte Soene mit gewichtigen Gründen auf ein anderes Vor- 
bild zarückgefolirt werden könnte. Für jenen Versncli sehe 
ich keine Möglichkeit, dieser ist bereits gemacht worden. 
Schon Weldcer hat den hier geschilderten Unteigang des 
Amphiaraos der Thebais zugeschrieben, die ihm freilich för 
identisch mit der „Ans&hrt** galt Rfirzlich bat Rohde^^) 
diese Vormuthuiig durch den Hinweis auf die ähnliche Stelle 
im sechsten olympischen Hymnus zu beweisen gesucht, in 
welchen Pindar nach dem Zeugnisse des Asklepiades einen 
Vors der kyklischen Thebais iiliernomraen hat. Pindar singt; 
„Hagesias, du bist des Lobspruches sicher, den einst mit 
Fug die Zunge des Adrastos über den Seher Amphiaraos, 
des Oikles Sohn, aussprach, als die Erde ihn und seine 
glänzenden Stuten verschlang. Als die Scheiterhaufen für 
die sieben Helden errichtet waren, sprach des Talaos Sohn 
Tor Theben etwa solches Wort: ich yermisse das Auge meines 
Heeres, gleich trefflich als Seher und SpoerHunpfer/'^*) Zu 
den letzten Worten hat Asklepiades notirt: zaCra bIX^^p 
hc xrjq xvüXtx^ Sifi€tldog. Rohde meint nun, nicht nur 
dies „Klagewort", sondern die ganze dasselbe motivirende 
Situation sei diesem Epos entlehnt und folglich auch das 
entsprechende Bild des neunten nemeischen Epiiiikions. 
Aber znnärhst ist einzuwenden, dass die Ähnlichkeit nur ganz 
allgemein im Verschwinden des Amphiaraos liegt und dies, 
da es feststehende Cultsago ist, in allen Schilderungen sich 
finden muss. Ferner ist gar nicht bezeugt, dass die Thebais 
ein „Klagewort** enthalten habe — giebt doch auch Pindar 
kein solches — sondern wahrscheinlich nur das Lob 

") Welcker Ep. C. II 366, Rohde Psyche I 107 n. 1. 
*") Vgl. V. Wilamowitz Isyll 163. 

>*) Ich werde l^nindUdiBt darmf nu^ecksam gemiebt, da« 



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in. Dei Amphiarftos Amfalirt 



Ö9 



Denn doch ntir dieser Vers ist das Wort, um dessen willen 
Pindar den Hörem diese Scene vorführt, das er auch auf 
den Hagesias anwenden will Dieselbe Anfiiassang hat ▼on 
WiUunowitE ansge^rodien und sie wird gewissennaassen da- 
durch bestätigt, dass SophoUes bei der Charakteristik des 
AmphiaraoB offenbar denselben Vers nachbildet (0. 0. 1314) 

olog 6oQv66ovq Afig)iaQbo}<i ta jtQwtn fiev 
ÖOQEL xgoTVPoav, jiQCOTtt 6* oloavcöv oöolq. 

Ferner aber ist die von Pindar gezeichnete Situation keines- 
wegs klar und es lässt sicli zeigen, rlnss von der Bestattung 
der argiver Helden, wie hier, in der Thebais nicht erzahlt 
worden sein kann. Damit löst sich der Tersudite Beweis 
dssL Aber es liegt mir ferne, irgendwie bezweifeln zu wollen, 
dass in der Thebais Amphiaraos von der Erde verschlungeii 
sei. Weil dies eine Thatsache der Sage ist, so musste es 
jedes Gredicht berichten. Mithin ist es unberechtigt, die 
beiden Pindarstellen auf dasselbe Epos zurückzuführen. Sie 
können sehr wohl aus zwei verschiedenen Quellen geflossen 
sein. Und dass die des neunten neraeiscben Hymnus der 
Äusfalirt des Amphiaraos angehört, scheint mir sicher, sofern 
die übrige Erzählung desselben diesem Epos mit Recht zu- 
gesprochen ist. Ein Beweis für die Identität dieses Ge- 
dichtes mit der Thebais ist also auch hier nicht zu ge- 
winnen.^®) So dürfen wir für das Amphiaraoslied aus Pin- 



offenbar dies die richtige Wiederherstellang des ThebaiBTerMs ist, 
während WiltmowitB Isyll 163 n. 4 aus F 179 xgaxBifoq t* alxfui- 
rqc einsetzt. Znr Cbnstruktion vgl. Xcnophan. fg. 2 v. 15 f 

Bis vor kurzem habe ich diese Ansicht Wclckers petheilt. 
Durch die folgenden üntersuchungpr! wurde ich '/n der Annahme ge- 
drängt, dass es zwei epische Thcbaiden gegeben haben müsse, von 
denen sich die eine auf den Zug der Sieben beschränkte, die andere 
auch den der Epigonen umfasste. Für jene nahm ich zuerst die Frag- 
mente der kyklimslien Thehfds als inm mteien Gedichtes In An- 



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60 



III. Des AmpMsraos Aniflriirt. 



dar entnehmen, dass dieser Held die Ton Qim Yoraiugeseheiie 
Niederlage selbst miterlitten Hat nnd tob der allgemeinea 
„daimcmiBchen Fureht^ erfasst dem PeriUjmenos nicht Stimä 
zu halten yermochte. 

Ein iorchtbarer Kampe mnsste es ntttiirlich scnn, der 
den trefflichen Seher nnd gewaltigen Lanzensdiwinger tor 
sich hergejagt und fiist von hinten durchbohrt hätte. Und 
Periklymenos war in der Tbat dem Amphiaraos ein ebenbür- 
tiger Gegner. Der Hypomnematist hat zu dieser Stelle Pin- 
dars bemerkt: {lh(aKXvftsvoc) rjv vtog Uodttömvog xai ÄXoj- 
Qi^oq Tfjq TtLQtöiöv. Das Altorthümliche und Echte dieser 
Genealogie leuchtet ein.*^) Auch von Euripides Phoin. 1155 
wird er kvaXiov d-eov jtalq genannt. Somit ist es sicher, 
dass der Pindarscholiast die Genealogie des Periklymenos aus 
alter Ueberlieferung geschöpft hat; man wird deshalb anch 
Cbloris als seine Mutter annehmen dürfen, zumal, da sie auch ' 
in der Nelidensage mit ihm Terhunden ist; aber auch, dass 
Tevesias ihr Vater war, wird durch Fisander (scfaoL Phoin. 
834) besfötigt.*«) 

sprach, für diese die übrigen der Thebais-Epigonoi. Da aber sprach- 
licli beide Gruppen eine späte Entstehnngszeit verratbpn, ist diose 
Vcrmuthung nicht aufrecht zu erhalteo. Desshalb imiss die Iden- 
tifikation der Thebais mit der iSu.aaig aufgegeben werden. TTebri- 
gens lege ich weniger Werth auf die Belehnung des aufgezeigten 
Epos mit dem Titel *A/A^idQea) i^^Xaait, obgleidi idi de ftr xlehtig 
halte, als viehnebr anf den Naebwets, dass ss swei Epen Aber den 
Zog der Sieben gab. 

»>) Periklymenos ist ebe bedeutende Sagengeitalt gewesen, abtt 
für uns tritt er nicht als solche hervor, da er dem troisrhcn Sagen- 
kreise fremd ist. S. Toepffer Atti«rbp Gonralofrie 226 n. 1 Er ist 
uns als Nelide bekannter, dessen Kampf gegen Herakles und die ihm 
von Poseidon verliehene Ciabe, vielfache Gestalt anzunehmen, Hesiod 
gefeiert hat: schol. ApoUn. Ith. I 156. Auch als Kelide ist er Sohn 
der Chlons und steht zu Poseidon in engster Besiehnng. 

S» oben S, 4 n. 10. Mb Ist merlnrOrdig, wie genau Apollo« 



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III. Dm AmpUaram Anslahrt 



61 



Hier verlässt uus unser bisheriger Führer, das neunte 
nemeische Siegeslied: es berührt nicht weiter den iheba- 
nischen Sagenkreis. Aber noch haben wir fierodots Angaben, 
weldie demselben £po8 entnommen sind, auszunutzen, daea 
Melanippos, des Astakos Sohn» den Tydens und des Adraatoa 
Bruder Meüdstena erschlagen habe. Dasselbe berichtet kons 
Pausanias IX 18.1 bei Gelegenheit des Grabmales des Me- 
lanippos. Den Verdacht, dass er vielleicht ans Herodot ge<- 
schöpft habe, widerlegt sein Znsatz, der bei jenem nicht 
steht, Melanippos «elbst sei von Aiuphiaraos getödtet wor- 
den. Daran schliesst sich das wohl unversehrte Fragment 
des Pherekydes im Scholion zu 126 ABTw, dem schol. 
Find. N. X i2 so gleicht, dass auch für dies dieselbe Quelle 

dor m 6. 9. 4 mit Phidtr über Arophiaraos Ende nicht nur in der 
Sache, tondem in wörtlichen Anklingen abereinttinunt. 

(S2) ^lofiTjvov in' oxQ^aiai . . . ^AinpiaQaao 6i ipevyovxi na^ä nih 
(85) 6 6* lÄft^pitt^fg axhffeuQ 9e$' ta/ih» *Iüfapwy, n^v trir^ n$^- 

vov, x^o*'^ xQv^ty ^nnotq, Zsvg xe^vvbv ßaXwv z^v 
öovqI negtxXvßk'ov TtQlv rcur« ödatijaev. d dh avv Tai aQfiazi xal 
tvnivta naxonuv &v/i6v fda^vv- t*y ^f'^^XV ^Oi^*>»vi . . . ix^v^Bij. 

Dass der Verlasser dos mythographischen Handbuches dies Pinda- 
rische Gedicht Lenutzt habe, wie v. Wilamowitz Hermes XXVI 225 
n. o meiut, ist au aich nicht waliriicheiulich, da oä nur knappe 
Andeutnngen enthalt nnd ttbeihanpt Piadar ichveriidi saders ala 
ftlr Yaiimten herangezogen itt: s, oben 8. 31. Da non die Be- 
nntinng der Thebels fOr Adnst nnd Anion nnd den Tod des Far- 
thenopaios bei ApoUodor zu Tage liegt, sich auch für Baten, den 
Kampf des Tydeus mit Melanippoa dies Gedicht als Quelle ergeben 
wird, da ferner das Ufer des Inmonos als Schlachtfeld auch sonst fest- 
stelii, (ia endlich bpuren des Amphiaraosliedes bei Apollodor, Hygin, 
Diodor aufgezeigt sind, so ist, meiuc ich, dafür die grössere Wahr- 
scheinlichkeit vorhanden, dass die auffallende Uebereiustimuuuig der 
ausgeschriebenen Stellen durch eine gemeinsame dritte Quelle, ein 
Epos, zn erklären ist 



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62 



m. Dm AmphlanuM Ausfahrt. 



vorauszusetzen ist.*'') Es spricht zwar nicht von Meki- 
steus, ci^ählt jedoch, da.ss Melanippos den Tydeus tödtlich 
Yerwundet habe, selbst aber von des Amphiaraos Hand 
gefallen sei; der habe seinem Waffeugefahrtea Tydeus 
auf deseea Bitte den Kopf des ecschlageneii MelanippoB sa- 
geworfen, ans dem dieser thieriscb das Him gescblfirft: 
dnrch diesen Giänl sei Athena abgeschreckt, die herbei 
kam, ihm die Unsterblichkeit zn bringen. Dies ist nur em 
Tollstandigerer Bericht derselben Sage, welche Pansanias 
und Herodot andeuten; denn dass nach diesen Tydeus ge- 
tödtet, luicli jL'iiem tödtlich verwundet wird, ist kein Unter- 
schied. Folglich hat Pherekydes aus dem Liede von des 
Amphiaraos Ausfahrt geschöpft. Es w^ird dadurch die schon 
lange gehegte Uebcrzeugung bestätigt, rlass diese alterthüm- 
liche Scene voll grimmigster Wuth und wilder Heidenrohheit 
aus einem alten Epos stamme.*^) 

Für weitere Einzelheiten des Kampfes um Theben im 
Amphiaraoaliede fehlt jede UeberUeferong; dennoch kann 
Einiges vermuthet werden. Es Terhilft daaa die alte und 
allgemeine Ueberliefemng^ dass es sieben Helden waren, die 
wider das siebenthorige Theben zogen. Nach dem freilich, 



Der Schluss des letzten Berichtes steht unter dem Einflüsse 
des Gitate« ans Eorlpides Heleager fg. 637. Auch schoL Find. N. 
XI 48 wird snf Phorekydes larttckgehen. Bakchylides fg. 54, Sopho- 
kles fg. 781 (vgl. Wefeker Ep. C. II 884 n. 106)» Lykophnn 1068, 
Dosiades Ära 17 geben zu wenig Detail. 

Apollodor III 6. 8. 3 berichtet eine andere Version, welche 
sich scharf von dieser unterscheidet. Sic setzt Feindschaft zwischen 
Amphiaraos und Tydeus vorans — ein dem Amphiaraosliedc fremder 
Zug. Sie wird C. IV S. 77 für die Thebais beansprucht werden. Welcker 
Ep. C. II 6i}2 hat beide Sagentormen miteinander vereinigt und dem- 
entsprechend glaubte Bobeit de Apollodori bibliotheca 67 und Bild 
a. Lied Sl n. 21 Fherekydes anch für Apollodor als Qnolle ▼emmthen 
zu ditefen. 



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IIL Des Amphiaraot Ansfithrt 



63 



was von Wilamowitz kürzlich ausgeführt hat (Hermes XXVI 
229), sind die sieben Xhore xiicht ur^rünglich in der Sago 
begründet, sondern von einem epischen Dichter erfunden als 
das belebende Moti? für die Schlachtschildemng. Obwohl 
Bein Nachweis überzengt, dass die la{gß Thebens nur drei 
Thore fordert und nach Analogie alter Bargen wie Tiryns 
und Mykene nicht mehr Zugänge als irgend nothig Torans- 
gesetst werden dürfen, so mnss doch betont werden, daas 
die Siebenzahl gerade in Boiotien eine tiefe und heilige Be- 
deutung gehabt hat: diese Thatsache drängt sich auch dem 
Feiude aller Zahlenmystik unabweislich auf. Alle sieben 
Jahre feierten die Plataier das Fest der ^'HQa Tekeia auf 
dem Kithairon. ^••) Sieben agyr/ytrat hat Plataiai, deren Be- 
wohner Reste der alten boiotischen Bevölkerung und nicht 
mit Dorern gemischt waren.***) Sieben von den fünfzig 
Söhnen des Herakles bleiben in Thespiai als öt^iiovxoi.*^) 
Sieben Söhne und sieben Töchter hat die thebanischeNiobo.*^) 
Wenn nun sieben Heroen Theben angreifen und sieben theba- 
nische Helden ihre Yatezstadt vertiieidigen, so mfisaen wir 
doch angesichts dieser Parallelen dies als eine Thatsache 
hinnehmen, und so hat sie auch Ton Wilamowitz gegen Pau* 
sanias vertheidigt. Sieben Thore mag Theben nie gehabt 
haben, sieben Vertheidiger und sieben Angreifer hat es ge- 
habt, sobald die Sage oiitäLaiid, lange vordem ihr ein iSänger 
die ewige Form gab. 

So muss auch für das alte Amphiaraoslied die Sieben- 
zahl gefordert werden. Uebcr die thebaner Helden ist die 
Ueberliefenmg zu dürftig, Argiver hat sie uns für dies £poa 

S. oben S. 9. 

Plutarch Aristeid. 11, v. Wilamowitz Hermes XXT. 112 f. 
«') Apollod. II 7. 6. 2 = Diod. IV 36. 2, 0. MüUer Orchome- 
noB 221. 

**) Vgl. Thnemer Pergamoa 7. 



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64 



IIL Dm AmpliianM Aniialirt. 



schon sechs gegeben: Adrastos,'^) Amphiaraos, Tydeus, Me- 
Idsteus, Polyneikes, Parthenopaios. Sie gehören zwei Familien 
an: Adrastos, des Talaos Sohn, mit seinen zwei Brüdem 
und zwei Töchtennännem den Biantiden, Amphiaraos den 
Melampodiden. Aber dies Gedieht hat yon dem Streite 
dreier GeachllBohter in Argoe ersahlt: ee fehlen die Anaza- 
goriden. Auch dies alte aiigiTiache Hemclierbaiia wird doch 
an dem grossen Zuge g9gen Theben Theil genommen haben; 
also ist in ihm der Siebente zu suchen. Da bietet eich 
Kapaneus, des Anaxagoras Enkel,*®) nach der einen Version 
Sohn des Ilipponoos,^^) nach ajideier des Aiektür.**) Ueber 
ihn ist die üeberlieferung merkwürdig dürftig. Sic weiss 
nur zu berichten, dass er sich verschworen habe, Theben zu 
nehmi'ü, und Zeus ihn, als er die Mauerzinne erklimmt, mit 
dem Blitzstrahle erschlägt. £s steht diese Gestalt als der 
Typus dee wilden Kämpen allgemein fest £b ist da wohl 
der Scbluss erlaub t,^^) dass diese gewaltige Figur, von einem 
Dichter geformt, die Phantasie des Volkes so gefesselt hat» 
dasB sie vom umbildenden Strome der Sage unberührt in 
fernste Zeit hinaus stehen blieb, ein Urlnld ungesilgelter 
Heldenkraft. Dasselbe Schicksal hat der Ton der Erde yer- 
sehliyigcno Amphiaraos gehabt^ dasselbe der grimme Indens: 
und dass diese beiden Gestalten vom Dichter des Amphi- 
araosliedos für die Ewigkeit gezeichnet sind, ist versucht 
worden, durch diese Uutt isuciiung zu beweisen. Der Ge- 
danke liegt nahe, dass auch Kapaneus demselben Dichter 



••) Es ist keine Veranlassung, ihn hier als Alton 7a\ denken 
(vgl. Welcker Ep. C. II 367); er ist vielmehr etwa gleichaltrig mit 
seinem eiustigon Oegner Amphiaraos. 

Schol. Ii öü4 = schol. Phoin. 181. 

») Sehol. PIna. J. IX 81, ApoUd. III 6. 3. 1, Hyg. t 70. 

•«) Fant. II la & 

**) Vgl Bohde P^e I 107 n. 1. 



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III. Des AmphiaraoB Ausfahrt 



65 



sein festausgeprägtes Bild yerdanke. Doch ist zu bemerken, 
dass er merkwürdiger Weise bei Homer nur im SchiffiB* 
kataloge beiläufig erwähnt wird und sein Sohn Sthenelos 
keine BoUe spielt, während des Tydeus Heldenthum des 
öfterea gepriesea wird.*^) 

Adrastos entkam ans der allgememen Niederlage sicher 
in der Thebais allein Yon allen durch sein gottliches Boss. 
Kein Zeuge berichtet anders. Dennoch kann mit voller Be- 
stimmtheit gesagt werden: auch er ist nrsprünglich Tor 
Theben gefallen, wie alle seine Genossen. Das ist eine Ent- 
deckung H. Uscnors, die zu benutzen er mir gütigst gestattet 
hat. A 328 — 334 tödtet Diomedes die beiden Söhne des 
Merops von rcikote, der besser als alle die Seherkiiii>>t s er- 
stand: der Vater hatte sie nicht ziehen lassen wollen in den 
mordenden Krieg; doch sie hatten ihm nicht gehorcht — 
xfjQ£q yaQ ayov ^liXavoq ^apdroto. Dasselbe steht im B 
828 — 834, da sind auch ihre Namen genannt: jiÖQrjiSTog mid 
"Jifi^toq. Der zweite Name ist nur die kurze Form yon 
'4(i^piaQe(oqy jiftgua^g, irifi'ICftaQog von *lafi€iQa6og, KäX?4XJfoq 
für KäXlucxl^ nsw.'^) So tritt das ans den thebanischen 
Sagen wohlbekannte Heldenpaar uns auch unter den troi- 
sdien Bundesgenossen entgegen. Ihre Heimath, ihr (Jeschledit 
haben sie geändert, aber ihre Namen sind ihnen geblieben 
— und ihr Schicksal: sie wussten, dass der Krieg sie ver- 
derben wiirde,^*^) aber sie zogen doch aus und vollendeten 
ihr Geschick, alle beide, Adrastos wie Amphiaraos. Die 



'^*) S. jedoch T. Wilanowits Hermes XXVi 226 nnd vgl. unten 
Cap. VII a. E. 

Vgl. Maass Hermes XXIII 613, Crusius N. Jahrb. f. Ph. 
CXLIII (1891) 390. 

Die Sehergabe ist von Amphiaraos auf den Vater Qberge- 
gangon. E 612 wird *A(i(ptoq noch ehunal mchlagen, aber allein und 
als Sohn des XHuyoq von Palsos. 

Beihe, Heldenltedv. 5 



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66 IU> Des AmphianuM AoBfAhrt. 

Folgerung liegt anf der Hand: des Adrastos Entrinnen kann 
nicht alte Sago seuu Wie er vor Troia mit Amphios dem 
Tode verfällt, so mu88 er auch einst vor Theben mit Amphi- 
araos dasselbe Leos getbeilt haben« Und wenigstens eine 
leise Spur dieser Sagenform kann in Boiotien an^sezoigt 
werden. Strabon bemerkt IX 404, bei dem Theben benaeb- 
harten Orte ''AQfia sei des fliehenden Adrastos Wagen 2er- 
trumm^ worden, nnd setzt aus Fbilochoros hinzu, daas die 
Bürger dieses Dorfes wegen Rettang des Adrastos Isopolitie 
bei den Argivem genössen. Die hinzugefügte Bemerkung, 
der Held sei durch sein Ross Areion gerettet worden , will 
offenbar nur zwischen dieser ungewöhnlichen und der vul- 
gären Sage vermitteln und richtet sich auch dadurch selbst, 
dass die so erfolgte Kettung nur durch Keiten möglich ist. 
Wird der Streitwagen eines homerischen Kämpfers beschä- 
digt, so ist er selbst verloren, rettet ihn nicht spinp Hel- 
denkraft oder das Gefährt eines Freundes. Ich glaube da- 
her, in dieser einzigen Notiz noch einen Kachklang der von 
Usener aufgedeckten nralten Sagenform erkennen zn dürfen. 

Nach der nrspriin^ohen Sage kamen also alle sieben 
Helden von Argos in dem furchtbaren Kampfe rot dem 
siebenthorigen Hieben auf der Ebene des Ismenos um und 
keiner entrann. Die Thebais rettete den Adrastos und liess 
Theben durch die i^piizonon erobern, die Väter rächen. Dan 
Amphiaraoslied kannte diese Sago nicht und endete mit der 
Vernichtung der stolzen Argiver. Und dies Epos sollte einen 
Fürsten habou entlvomraen lassen, ihn, der durch hinter- 
listige Bestechung seiner Schwester den Schwähor in Krieg 
und Tod gezwungen hatte? Was sollte au» Adrastos werden? 
Zu welchem Zwecke sollte es die Sage geändert haben? 

Sthenelos sagt J 409 von den Sieben: x&Tvot 6h ag>eTi- 
{f^iStv atacd'aXLyai» q24>pto, Hesiod W. u. T. 162 kennt nur 
den Untergang der Heroen vor Theben, und Pindar erzählt 



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III. Des AmphiftTAM Ausfahrt. 



67 



N. IX, wo er die Sagefonn der i^iikaOiq wiedergiebt, dass die 
Sieben an den Ufern des Ismenos um die süsse Heimkehr 
kamen und erwälmt wie die IliaBstelle des Adrastos FLacbt 
nieht Freilicli kann dies Schweigen ebenso wenig beweisen, 
wie die sieben Leichen bei Pindar;'^ aber möglich ist es 
wenigstens, dass sie der alten Sage folgen. Aller aigiver 
Helden Tod nnd Verderben wird auch das Ende vom Liede 
gewesen sein, das dos Amphiaraos Aus&hrt besang. 

Ans dem wüsten Trümmerhaufen von Köpfen, Leibern, 
Amen und Beinen setzt der Archaeologe die Bildwerke 
wieder zusammen, indem er ein Stück mit seiner Bruch- 
flache an ein anderes anpasst; bei fortschreitender Sichtung 

wird es ihm möglich, Fragmente einer Statue auch dann 

mit Sicheriiuil zuzuweisen, wenn die smiiiäUig beweibeudeu 
Verbindungsstücke fehlen. Dasselbe ereignet sich bei Re- 
construktionsversncheu von Epen, deren Trümmer durcheinan- 
dergeworfen und unhezeugt n.uf uns gekommen sind. 

öas sehr gelehrte Scholion zu den Phoinissen 26 giebt 
unter einer Fülle seltener Versionen auch folgende Notiz: oi 
6t {(päd xbv öiöixoda) elg d^aXacaav ixQig^tfVai ßXvfO-tvta 
eiq Xdffvaata xal je^ocoxalkapra JSsxvdSvi vxo rov IIoXv' 
ßov dvatQaqt^voL^^) Dies ist nicht die einzige Spur dieser 



V. Wflamowits layli 163. Daro weder die i^ÜMfi^ noeh die 
Thebüe die Bestattong der Aigiver enthalten hat, ond wie Pindars 
Abweichung zn erklären Jat, wird S. 94 ff. gezeigt werden. — Brink- 
mann weist noch Erwähnungen des Adrast nach in Yol. Hereol. YIU 
(Coli, alt.) t. 55. Vorläufig ergeben sie nichts. 

*■) Dieselbe Notiz ist vereinzelt m v. 28 wiederholt mit der 
Aenderun^ f{o(jlrd-(;) für ^(ryvcüvi. Da hier gar nichts neues gegeben 
wird, so kann man an den HelbHtstilndiEren Werth dieser Bemerkung 
nicht glauben, musä vielmehr annehmen, dass »chol. 26, resp. dessen 
Torlage, ihre Quelle ist und irgend Jemand ffir das ungewohnte Lo- 



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68 



m. Des Araphiara«» Anafabri 



yerschollenen Sage. In Hygins Fabel 66 ist berichtet: 
^ocaeta Mcnoeci filia uxor (Lai) cum peperisset (filiimi)» 
inssit (Laius) exponi. Hudc Periboea» Polybi regis uxor, cum 
Testern ad mare lavaret, ezpositam sustulit» Polybo sdeiite; 
qnod orbi erant liberis, pro sna edncaTenmi" Ein glüdc- 
lidier Zn&ll bat Tor Kurzem eine Bestätignag der ricbtigeii 
Verbindung dieser beiden Notizen an's Licht gebracht Es 
ist eine Thonschale mit gepressten figürlichen Darstellungen 
und Namensbeisohriften ans Tanagra, jetzt im Ixravre be- 
findlich, von E. Potticr mit trefflichem Commeiitare publi- 
cirt.^^) Sie zeigt zwei Scenen. Links sitzt auf einem Sessel 
inoXv']ß{_o]S in den Armen den kleinen OIAIUOV^; zu 
ihm spricht die vor ihm yteliendc 11 EP 1 BOT A. Auf dem 
andern Bilde steht dieselbe Fiau auf runden Felssteiiien, wie 
sie das Meer wäscht und ausspült, nach rechts gewandt, 
einen Knaben auf dem Armo, neben ihr liegt ein Körbchen. 
Ihr gegenüber ist EPMH£, den rechten Fuss auf gleich- 
artige Steine setzend, im Gespräch zu ihr dargestellt. Rechts 
von ihm sitzt zu ihm aufSschauend auf einem nach links 
springenden Delphin eine bekleidete Frau. Diese Nereide 
deutet wie die runden Steine Meer an; am Ufer stehen 
Hermes und Periboia, welche den eben im Körbchen an- 
geschwemmten Oiflipus aufnimmt. In der zweiten Scene 
übergiebt sie ihn dem Gatten Polybos/") Die schon von 

kal ohne Weitwea Korinth eingeaefait hat, den dureh Sopliddes für 
das spätere Alterthnm dorcliaoB feststehenden Ort der Eraiehnng des 
Oidipns. Schneidewin Oidipussage 191, Unger Paradoxa Thehaaa hal- 
ten KonirO-io für richtig. 

^■^) jSIonnmcnts grecs publica par Tassoc. pour rencourag. des 
Stüdes grecquea en France 1885-1888 pl. 8, p. 48 = Benndorf Vor- 
le^eblatter 1889 VlIT 4 Kol>ert Homer. Becher (50. Berl. Wiockel- 
mauusprugr. 1830} 76, eine höchst daukeswerthe Sammlung dieser in- 
terenanten Sttkdn mit ergebnissreiehen Eilftitterangen. 

Robert a. a. 0. sucht Pottien yemmthniig su hegrOnden, 



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in. Des AmphianoB AuBfiüirt. 



69 



Pottier henrorgebobene Uebereinstunimmg dieser Darstellung 
mit Hygins Fabel Ist ofoibar, nicht weniger aber auob mit 
der Notiz des Phoinissenoommentars. Da wird Sekyon als 
Ort genannt: also ist Sekyon auch für Hygin und die Illu- 
stration des Bechers als Lokal anzunehmen. Dazu stimmt 
trefflich, dass auf letzterem Hermes in die Handlung ein- 
greift: denn er ist nacli der seky on i schon Königslisto 
Vater des Polybos,**) wälu'end der Koriuther Polybos völlig 
vereinzelt steht. 

Zu diesen drei Zeugnissen gehurt unzweifelhaft auch 

diese Danteliang gehe auf den Oldipiis des Euripldes zurück. Seui 
Beweis beruht 1.) auf der Annahme, das Belief der etroskischen Aschen- 
kiste bei Edrto Umo Etrusche II tav. 7. 1 sei eine Illustration die- 
ser Tragoedie, und 2.) auf der Deutung der links auf derselben 
sitzenden Frau als Pcriboia. Aber schon die erste Voraussetzung 
scheint mir nicht richtig oder doch sehr uosicher. Jone Erklärung 
ist allein auf fi^. T)!! ffe^riindet, wo Diener des Laios erzählen, sie 
hätten den Soim des Pulybcä geblendet. Auf der AscLoukistc aber 
hat der TermeintUche Oidipus eine Frau und zwei Knaben, wftre also 
sdum seit Jahren König. Als solcher und als Erbe des Leios wire 
er Herr Über dessen Diener: es gäbe also gar nicht mehr Diener des 
Laios. Und wie sollen sich Diener am Könige vergreifen? Oder ist 
Oidipus gar nicht König? Femer: hier sind nur zwei Söbnchen dar- 
gestellt, Oidipus bat aber stets vier Kinder; weder die vcrmointlicho 
lokaste noch Oidipus sind als Fürsten charakterisirt, sondern nur die 
1. thronende Frau und ov. der neben ihr stehende Mann sind als kö- 
nigliche Personen anzuerkennen. Und gerade diese Frau sollte die 
fremde Periboia sein? und sie sollte der Folter ihres Pflegesohnes so 
ruhig zuschauen? Die Darstellung passt nicht auf Oidipus: eine Kö- 
nigin oder ein Königspaar lAsst einen Mann blenden, su dem ein 
Weib und iwei Knaben gehören. Auch Icann ich Boberts Oombi- 
nation, dass Hermes das Oidipusknäblcin vom Kitbairon der Periboia 
gebracht habe, nicht billigen, weil schol. Phoin. 26 die Version be- 
zeugt, dass Oidipus in einer Kiste in's Meer geworfen wnrdc. — 
Eine altepiscbe Sage auf einem „homerischen'* Becher nachgewiesen 
ist nicht anstössi^: vgl. llobert 26, 31, 42, 46. 
**) Pausan. Ii G. Ü. 



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70 



III. Dm AmplilMt«» Aittfalirt. 



folgende gleicbfoUs bei Hygin und zwar in der älteren 
FassoDg erhaltene Notiz :^*) Incidxt Thebis zterilitas et 
pe6tilen[tk ob Oedipodis ecelera.] Interim (P)eriboea Poljbi 
regia nzor [qaae ista omma cognojverat, Sicyone Thebas 
▼eniti eique de [eins suppositione palam fjedt. Die Namen 
Periboia und Sekyon stimmen mit der eben ziuammen- 
gestellten Sage. Dass sie den Oidipus ihrem Gatten unter- 
geschoben, ist hier ausdrücklich bezeugt im Gegensätze zu 
der auch Fabel 66 befolgten Vulgärsage. An ein V^ r sehen 
des späten durch so viele leichtsinnige und unwissende 
Hände gegangenen Werkes darf nicht gedacht werden, denn 
diese Unterschiebung ist ein Sageuzug, der älter ist als 
£uripide8.^') Dieser legt nämlich der den Prolog der Pboi- 
niasen sprechenden lokasto die Worte in den Mund: 
IJoXvßov dt viv XaßovzBg lxxoßov»62jot 
g>iQ9V6* otxavq dg te öeoxolvtiq X^Q^ 
30 idfpcav, ^ de rav hftov m6lvcav xovov 
(lamotg vg>elTO xal xooiv xei^i rexBlv, 
Diese Verse sind hier auffiillend: denn die Unterschie- 
bung ist weder motiyirt noch bewirkt sie etwas; also 
hat sie Euripides nicht erfunden. Auch steht es zu ihr ge- 
wissermaassen in Widerspruch, wenn gleich darauf (erzählt 
wird, Oidipus babo kaum herangewachsen selbst erkannt oder 
vo!i Andern gehört, er sei nicht des Polybos Sohn. Dazu 
kommt nun, dass bei der Deutung jener gepressten Schale 
sowohl Pottier wie Robert**) aus der Art, wie Polybos den 
Oidipus hält» geschlossen haben, er erkenne ihn durch Auf- 

fab. 67 in dem von Niebnhr entdeckten und gelesenen Pa- 
limpscstc der Vaticana V, oder VI. saec. vgl. Ilyg. fal). cd. Maur. 
Schmidt p. XLIX. Die Ergärtz'ing der dritten Zeilo, auf die ea allein 
ankommt, ist durch den erlialN neu Text gesichert. 

Anders Schneidewiu 
**) Deuteche Litteratnr-Ztg. 1870. 106. 



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m. Des AiDphimoB Atufiilirt. 



71 



heben als seinen Sohn an; die Anweisung, dass Periboia das 
gefundene Kind unterschieben solle, wird wohl der Inhalt 
des dargestellten Gespräches zwischen ihr und Hermes sein. 
Endlich kann darauf hingewiesen werden, dass doch diejenige 
Form der Sage, nach welcher eine kinderlose Frau einoi 
Findling miterschieht, ursprünglicher ist als die, welche sie 
den Findling als solchen aufeiehen lässi Polybos wünschte 
einen Erben seines Throncb; gebar ibn die Gemahlin nicht, 
so nnibste sie Verstossung fürchten; natürlich ergriff sie das 
Glück, welches ihr ein Kind in die Arme warf und gab es 
als das ihrige dem sohnenden Goraahle.*^) Somit ist die 
Unterschiebung nicht nur ein alter Zug, sondern ist auch 
mit der jetzt verfolgten Sagenform durch doppeltes Band 
verbunden. Sie hat sich jetzt so gestaltet: Oidipus wird 
kaum geboren in einem Kästchen in's Meer geworfen und 
hei Sekyon an den Strand getrieh^L Periboia zum Waschen 
hinuntergestiegen findet ihn und schiebt ihn auf den Rath 
des Hermes dem Polybos unter . . . (Oidipus kommt irgend- 
wie nach Theben und ersdilägt den Laios) . . . Periboia er- 
fahrt sehie Schicksale, zieht ihm nach und teilt ihm mit, 
dass er nicht ihr Sohn sei. 

Diese Sage berührt uns, die wir unter dem iJaiuic des 
sophukleischen Oidipus stehen, fremdartig, und so wird Miss- 
trauen wohl Viele beschleichen. Aber das m\im schwinden 
vor den untrüglichen Zeichen strenger Alterthümiichkeit, die 



^ Ei liegt jetrt nahe, die Werte im SchoL Pholii. S6 p, 261, 

1. 11 (Schwartz) moßeßX^a&ai avtbv avTiji <paaiv {OUtnoSa lloXvß^) 
eine Zeile weiter hinaufzurttcken hinter dvax^ip^vai. Dana wire 

auch hier die Version vollständig gegeben, was auch nöthi» war mit 
Rücksicht auf v. 29/30. V^on der Verbindung Hippodameias mit Oidi- 
pus wissen wir gar nichts; nur sehen wir, dass der Satz verderbt ist. 
Aber diese Verderbniss wird nicht durch das Ilinaufschieben jener 
.Worte geheilt: die Umstellung bleibt also unsicher, 



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72 lU. Des Afflp]iiar«M Anaiahrt 

sie trägt Die Königin^*) am Meeresstrande waschend ist 
eia echter Zag aus dem patriarclialiBch einlachen Leben der 
Heroensseit> ein schönes Gegenstück za Nansikaa. Ein spa- 
terer Dichter hatte ihn nicht erfunden. Die Aussetzung des 
kleinen Oidipns in's Wasser findet FäralleLen in nelen 
grieGhiacfaen und barbarischen Sagen. Viell^oht hat sie 
hier einen tieferen Sinn in uralt heiligem Rechte. Der 
Vatermörder 00U eingeschlossen werden in Ledersack oder 
andoros Gefäss und geworfen werden ins Meer oder in 
fliesseiides Walser: das ist die Strafe für den, \Yelcher durch 
das Zerreissen der heiligsten Bande den Ans])riich verwirkt 
hat, das Licht der Sonne zu sehen, der sich so befleckt hat, 
dass nur das ewig spülende Meer oder owi^ rinnende Flüsse 
ihn rein waschen können. Auch bei den Italikern war das 
gleichermaassen Recht und ist als heilige Satzung lange 
bestehen geblieben und geübt worden.**) Oidipns, der nach 
Götteispruch einst seinen Yater tödten sollte, erleidet eben 
geboren die Strafe för das Verbrechen, zu dem ihn das 
Schicksal bestimmt bat: zugleich ein sicheres fifittel ihn aus 
der Welt zu schaffen und den schon durch dies Orakel 
grässlich Befleckten zu sühnen. "^^j Schwerlich hat diesen 



*") Das.s sie Periboia als Gattin des 8 e k y 0 n i s c h e u Polyboa 
hiess, hat Schncidewiu 193 sehr hübsch \^ abiftLheiulich gemacht. 

*'') Ubeuer zeigt eine geradezu erätaunliche Parallele zur Oidi- 
puBMge in dem wunderbaren serblscheD VolktUede vom Findling Si- 
mon bei Talvj TolkeUedor der Serben. Halle 182& I 189. 

*') BrimnaimeiBtw Das TOdtongsverbrechen im altrömisclien 
Recht 177 ff., 194, 196. Luterbach Der Prodigicnglaube and Prodi- 
gienstil der Bocmcr. Burgdorf. 1880. 20. Leo Yindiciae Plautinae 
■Rostock. Progr. 1887/S. 5. Mit dem Androgyn von Frusüio ist genau 
so vorfahrrn wie hier mit Oidipus: Livius XXVTI 37, Diels Sib. Bl. 
89 ff.; mit einem Vatermörder: Cic. de inveiit. II 149. 

*") Vielleicht sind die Worte des sophokleischen Oidipus T. 1411 
nach der Entdeckung bedeutungsvoll: ij' {^akdoaiov ixQitpav', 



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m. Des AinpbiBimoB Ausfithrt. 



73 



Zug ein späterer Dichter erfanden, sicher nicht die am 
Heeresstrande waschende Königin. Einen neuen Beweis für 
das Alter dieser Sagenfonn giebt die Erwähnung Sekyons. 
Denn seit der Thigodie ist es der König Ton Korinth, der 
Oidipus an&ieht. ' 

Aber diese Angabc kann mehr nutzen; sie führt auf die 
Spur eines grossen Zubammeiiliiingos, Es ist bewiesen, dass 
Sckyon im Amphiaraosliede der Sitz des Polybos war und 
es \on hm sein Tüchtersohn Adrastos erbte, da er selbst 
keine eigenen Söhne hatte; dass dieser von hier aus seine 
augestammte Macht in Argos wieder er warb und über Sekyon 
wie in Argos herrschend der Mächtigste war unter den 
, Hellenen und dass er mit Poiyneikes gegen Theben zog. Nun 
giebt eine Sage» aus deren geringen Trümmern noch die 
Spuren ernsten Alterthumes und grosser poetischer Ge- 
staltungskraft hervorleuchten, auch für dieKindheitsgeschicbte 
des Oidipus Sekjon und als seinen Pdegevater den kinder- 
losen König Polybos. Diese Stadt ist der Punkt, in dem 
sich Argos und Theben berühren. Ihr Fürst hat den aus- 
gesetzten Sohn des Laios autgenommen und erzogen; der- 
selbe gewählt dem aus Argos vertriebenen Adrastos Zuflucht. 
Und als nun später Poiyneikes, der Sohn des Oidipus, aus 
Theben flieht, da wendet v.r sich natürlich zum Könige von 
Sekyon, dem Erben des Polybos, der seinem Vater Vater 
gewesen war. 



fx^^an* tUtv^tü^* hu Als Fftrallele bietet rieh Perseas, Auch Teo- 
nes wird toh seinem Vater Kyknoe in einer Eiate in's Meer geworfen 
vielleicht auch prophezeiten Vateimordee wegen; denn er erachUgt 

wirklich später ohne Willen seinen Vater: Fans. X 14. 3 etc. Anch 
Paris wird nach schol. Lyi ophr. 183 in einem Ledorsacke ausgesetzt 
— doch vielleicht ist diese Geschichte nur der Etymologie IIüqk; 
von TiriQa wegen erfunden. — Ich möchte die juristische Erklärung 
dieser Sagen nur als Vorschlag betrachtet wiiisea. 



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74 



ni . Des AnpUaraos Aoi&hrt 



Eid scharfer Beweis für die Zugehörigkeit dieser eigen- 
thümliohen Oidipossage zu jenem Epoe ist nicht zu erhringen« 
aber die Gombination durfite einmal gemacht werden. Doch 
prüfen wir, ob wirklich ein in sich geschlossener Kreis ent- 
standen ist Zunädtst ist die Möglichkeit zuzugeben, dass 
in „des Amphiaraos Ausfahrt** auch die Vorgeschichte des 
Oidipus erzählt war. Denn dies Gedicht, musste doch den 
Zwist der Oidipussöhiio motiviren und das wird kaum ohue 
Erzählung der Schicksale des schuldlos schuldbeladeneu 
Vaters möglich gewesen b in. Auch kann bedenklich machen, 
dass Oidipus noch in einer anderen Uehcrliefenmg, die in 
den Scholien zu X 211 und zu den Phoinissen 1760 vor- 
liegt« mit Sekyon verbunden erscheint. Es hat sich aber 
heransgestoUt, dass dieselbe aus der Oidipodie stammt. Wie 
kann femer im Amphiaiaosliede erzählt sein, dass Polybos 
in Ennangehmg eigener Söhne seinem Enkel die Hemdialt 
vererbte, wenn ihm seine Gattin den Oidipus untergesoboben 
hatte? Oidipus musste — das fordert die Sage — aaf 
irgend eine Weise das Termeintlidie Elternhaus Terlassen 
und nach Theben gelangen, um dort seinen wirklichen Vater 
zu tüdtcü und die MutLur zu heirathen. Weiter führt daii 
vatikanische Hygin-Fragment: „locidit Thobis sterilitas et 
pestüentia ob Oidipodis scclera. Interim Periboea Polybi regis 
iixor, quao ista omnia cognoverat, Sicyone Thebas venit 
eiquc de oius suppositione palam ieciV* Vom Tode des 
Polybos ist hier nicht wie in der anderen Fassung dieser 
Fabel die Rede: wir dürfen ihn also noch lebend denken» 
Auf irgend eine Weise ist entdeckt worden, dass ihm Oidi- 
pus untergeschoben sei, und Periboia yeranlassti diesem dies 
mitzutheilen. Dadurch enthüllt sich, dsss er der Sohn des 
Laios ist und seinen eigenen Vater erschlagen hat Da hatte 
Polybos allen Grund seine Verbindung mit Oidipus sm lösen 
und sein Beioh moem Toditersohne zu übergeben. 



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m. Des AmpIiiarMS Aiufabrt. 



75 



Diese Combination setzt freilich viel voraus. Die Ueber- 
tiefening yenagi Aber die Möglichkeit der Vereinigung 
dieser Sage mit der »Ausfahrt** ist auch von dieser Seite 
Torhanden. Jedenfalls ist diese YerschoUene Sagenform alt, 
ursprünglicher als die uns geläufige, welche Korinth für 
Sekyon einsetzt. Denn mit sokyonischer Sago ist der stehende 
Pflegevater des Oidipus Polybos festverbuuden, ebenso wie 
Adrastos; liorinthische Sage dagegen kennt weder Eltern des 

Polybos noch weiss sie zu berichten, was aus seinem Keiche 

wird.-'^o) 

**) Schneidewin 168: „die Erziehung des Oidipus bei König Po- 
lybOH von KoriDth, die Begegnimg mit Laius iu der (phokischen) 
Scbiste u. dgl. sind im alten Epos aicherlich nicht ToraossusetEen: 
B. 66tt Qel. Ansig. 1860 St 16.*< 

Die engen Besielrongea zwischen Sekyon und BoiotSen sind s. B. 
in der Anttopenge handgreiflieh. Tgl. 0. Jahn Ärehaeol. Zdtg. XI 
(1863) 89. 



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IV. Thebais. 



Bei der Reconstniktion des Amphiaraosliedes hat sich 
für manche Züge vom Kriege der Sieben eine doppelte Ueber- 
Ueferong herausgeBtellt Nach Ausscheidung der einen muss 
nun die andere untersuciLt und auf ihren ZuBammenbang ge» 
prüft werden. 

Ueber den Tod des Indens Hegen zwei einander tim- 
jscUiessende Versionen yor. Nach der einen von Pherel^des 
u. A. uberlieferten, welche aus des Amphiaraos AnB&brt 
stammt, wird Tydeus von Melanippos tödtlich getroffen; doch 

Amphiaraos rächt seinen Fall und wirft das Haupt des er- 
schlagenen Thebaners dem Waffengeführten auf seine Bitte 
zu, und dieser saugt sterbend das Hirn aus dem Schädel; 
Athena im Begriffe, ihm die Unsterblichkeit zu bringen, 
wendet sich mit Grausen ab, — Anders erzählt Apollodor: 
Tydeus ist es, der den Melanippos erschlägt, schon selbst 
yon ihm zu Tode verwundet. Athena naht, um ihm durch 
ein ^dQfioatov die Unsterblichkeit zu vermitteln. Das sieht 
der Seher Amphiaraos — sein Todfeind, weil Tydeus gegen 
seinen Willen die Argiver zum Kriege beredet hätte — und, 
um die gottlidie Gnade zu Terbindem, wirft er ihm des 
Melanippos Kopf zu, an welchem dieser in seiner wilden 
Wuth sicih tbierisoh vergeht — und Athena enthält ihm 
empört ihr Geschenk vor. — Diese Erzählung macht den 
Eindruck emei uiuwüüdüiideii VVuiterbiiduiig des alten Motivs; 



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IV. TbetMOa. 



77 



dort geht Tydeus durch seine zur Grässlichkeit gesteigerte 
Kampfesleidenschaft der höchsten Göttergahe verlustig; hier 
minbraaclit Amphiaraos mit seinem Seherblicke das ivilde 
Ungestfim des Tydeus, um seinen persönlichen Feind zu un- 
menschlicher That m yerleiten und so der Unsterblichkeit zu 
berauben. Es li^ hier also die Spur einer jü ngoreu Sagen- 
form Tor. 

Dieser junge Charakter darf als Kriterium dienen hei 
der Anfügung weiterer Bruchstücke. Dazu bietet die Hand- 
habe ein ganz neuer Zug: die Feindschaft zwischen Amphia- 
raos und Tydeus. Der Seher liasst ihn, „weil er geger\ seine 
Meinung die Argiver zum Kriege gegen Theben überredet 
hat^. Das setzt ganz andere Verhältnisse voraus, als sie im 
Amphiaraosliede geschildert waren. Dort ist Amphiaraos ein 
freier Fürst in Argos, den die übrigen Könige und Helden 
des Landes zu nichts zwingen können; nur seines* Weibes 
Schiedssprüche hatte er sidi unterworfen, ebenso wie sein 
früherer Feind Adrastos, seiner Gattin Bruder: und «ie ent- 
sdieidet, durch diesen bestochen, gegen den Gemahl. — 
Hier hat Indens die Argiver zum Zuge gegen Theben über- 
redet; des Amphiaraos Hass gegen ihn ist nur begreiflich, 
wenn auch er durch diesen Erfolg des Tydeus mit ihnen 
in den Krieg zu ziehen gezwungen wurde: also war Auiphia- 
raos h'wr niclit selbständiger König, sondern er uiusst ' sich 
dem Willen der Kdlen, ihrer Stimmenmehrheit fügen. Diese 
Sagenform wusste mitbin nichts von dem Zwiste der drei 
Fürstenhäuser in Arges, ihrer Versöhnung und dem Ver- 
trage, durch den Adrastos und Amphiaraos sich dem Spruche 
Eriphylens unterwarfen. Unter diesen Verhältnissen ist 
die Sohwügersdiaft dieser beiden Heroen nicht Bedingung 
für die Entwickelung. So weit kann man mit Sicherheit 
schliessen. Wenn ich nun die rereinzelte NotiaE, dass Ei iphyle 
in der That nicbt des Talaos Tochter war, mit dieser Sagen- 



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78 



IV. Thebftit. 



form verbinde, so ist das nur YermuÜuiog. Sie soll nicht 
Eckstein für weitere (Jombinationen sein, ergiebt sich aber 
80 natürlich, das» sie als eine wahrscheinliche eingefügt 
werden darf.*) Nach dem AmbrosianiiSBcholion zu 1 326 
ist Eriphyle Tochter des Ipbis und diese Verwandsdiaft wird 
offenbar Toransgesetzt in der oben S. 52 Ton der Version 
des Amphiaraosliedes abgesonderten Stelle bei Apollodor III 
6. 2. 2: UoXvpslxr^g d^ixofitvog XQoq *Ignp ra» IdXixtO' 
Qoq /Jg/ov (iad^htv, Ttmc; av 'Afitpidgaoc, dt^ayxaiS^-stf} (ttga- 
rtveoU-ac o hLtii' ti ).ä^oL zov ög^ov 'EQig>vXr^. lifitpiu- 
Q(toQ fiEV ovv ajTfrijrtr 'fiQKfvXtj JzaQo. IloXvvdxovq ööga 
Xa^^dvHV , llokvnixric. (Vt dovc avrfj rov ogtior 7^$.iov zov 
\'ifirptnQaor jtüTOiu OT(>«T£rf/i'. Dass sich aber Amphiaraos 
von der bestochenen Gattin, wie es hier heisst, habe über- 
reden lassen, in sein offenbares Verderben zu gehen, ist zu 
thöricht, als dass es irgend eirier Sage, einem Gedichte su- 
gemuthet werden könnte. Dazu konnte Amphiaraos nur 
gezwungen werden: so fragt auch Polyneikes* Da nun ^ 
Entscheidungsrecht der Iphistocbter Eriphyle weder irgend- 
wo Uberliefert ist» noch sich irgendwie vorstellen lasst» so 
mnss sie einen andern Zwang auf ihren Gatten ausgeübt 
haben. Wir müssen also aus diesem inneren Grunde an- 
nehmen, dass Apollodor diese Variante nicht rein erhalten, 
Tündern mit der anderen, bei ihm schon nachgewiesenen 
Version vermischt hat, durch welche das folgende xbIOcu. er- 
klirrt wird. 

Wiü über den Tod des Tydons, die Abkunft und Stellung 
der Kriphyle, so giebt es auch übei* die Art, wie sie ihren 
Gemahl zur Theilnahme am Kriege vei-anlasst, neben der 
Wendung des Amphiaraosliedes noch eine SEweite. Hygin 



I) Auch Otto WoUr in Rowhen Lazi«« Sp. 2M iftellt beide 
Angaben soMmmen. 



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lY. Thebais. 



79 



berichtet in Fabel 73, aus welcher oben S. 53 das auf jenes 
Gedicht Zurückgehende ausgesondert ist: MA^mphiaraiis . . . 
qui sciret, sl ad Thebas oppiignatum isset, se inde non re- 
diturum, itaque celavit se conscia Eriphyla coniuge sua."*) 
Auch bei Staüufly der Tielfach dasselbe mythol(^;i8Cshe Hand- 
buch benutzt»*) reizt Indens die Argiver zam Kriege auf 



*} Der Zxmtz „Talal fläi*< bevelit nichts; er msr nöthig fOr 
die mit cUeier coDtamiiiirten Yenion des Amphiaraosliadas. Ebenso 
Mythogr. Yetie. I 152 „Amphiiians entern mortem ümens In domo 
latult. Eriphyle . . . eom prodidit^*, I 151 „Eripbyle... meritnm ad 
bellum irc nolentem prodidit et paene invitum ire coegit." — Auch 
Schol. ). 326 «rlipiTit boide Versionen cntlialtcn zu haben; denn so- 
wohl die Varianten über die Abkunft Eripbylens von Talaos und Iphis 
Ist angegeben, als auch die doppelte Version ihrer Bestechung durch 
Foijneikes oder Adrastos ; vielleicht bringt eine vollständigere Hand- 
schrift mehr. Es stammt dies Scholien, dcsseu Verwandtschaft mit 
Hyg. hh. 7S einlenclitet, ans dem mythologischen Hendboche, wie 
andi die lavoQtet des Asklepiades ebenda. 

*) StntiDs setet den Stoff als bekannt Tornns nnd flDhlt sieb da> 
her der Aufgabe fibwhoben, ihn entwickelnd zu erzählen. Er wili 
effektvolle Scenen schildern und rhetorische Heden halten lassen. 
Die Handlung hat er sich nicht klar gemacht. So fehkn wirbfige 
Verbindungen und Motive; andrerseits finden sich doppelte Motive, 
die einander ausschliessen. Z. B. V 665 ff. wird Ilypsipjle durch 
iydeuä vor der Wuth des Lykurgos gerettet; trotzdem lässt St. noch 
710 ff. Uire Söhne anftretea» was doch nur denselben Zwedc hat. 
Dieser Zog stammt ans Eoripides Hyptipyle: tg. 766, offenbar anch 
der, dass Dionysos alle Flftsse nnd Qnellen in Arges versiegen lAsst, 
um seine Enkelin Hypsipyle mit den ArgiTem insammensoführen: 
ly 646, V 712 vgl. Eurip. fg. 752. — Aach sonst steckt noch man- 
ches unbentitzte Gut in dem Wüste: so giebt St gewiss aus echter 
Ueberlieterung in der sonst wie bei Apollodor erzählten Vorgeschichtt» 
der Hypsipyle an, ihr Vater Thuas sei von BakchoH nach Chios ge- 
rettet und habe dort geherrscht. — Was für Kaüimachos zu gewin- 
nen sei, hat Enaack An. Alex.-Rom. 14 ff. Torzflgllch gezeigt; s. fer- 
ner Theb. lY 160, YU SSO, XU 432 (vgl. Spiro de Bnr. Pholn. 45) 
— Statins wird die Quelle, aas welcher seine Leser, wie er tot- 



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80 



IV. Thebais. 



(III 345 ff.), und Amphiaraos scliliesst sich in seinem Hause 
ein, nachdem er aus Vogelzcichen den unglücklkshen Aus- 
gang des Krieges erkannt hat (III 572). Aber in der con- 
fueen, viele Motive anschlagenden, manches Widersprechende 
znflammenflechtenden ErzäbluDg dieses Dichtm ersdieiDt 
zwar Eriphyle IV 187 plötsdicb mit dem Habbande der 
Harmonia, das sie vom Polyneikes erhalten hat, auch wird 
ihr Verrath am Gatten angedeutet — doch worin er be* 
stand, erfahrt der Leser nicht. Wir können jetzt aber er- 
schliessen, warum sich der Seher verbarg. Hatte Eriphyle, 
wie in der Ausfahrt des Aniphiai-aos zwischen dem Gatten 
uiul Adrasluh m entscheiden, so konnte ihm kein Versteck 
nutzen; denn wie dieser hatte er geschworen, ihrem Spruche 
zu gehorsamen. Das Verstecken hatte nur dann für ihn 
Zweck, weim er Heerosfolge zu leisten verpilichtct war. Dies 
aber ist sein Verhaltniss in der jüngeren Sagenform, die wir 
verfolgen. An diese — und allein an sie — schliesst sich 
also dies eigenartige Bruchstück an und zwar als noth- 
wendiges Glied. Sie fordert den Verrath Eriphylens und 
dieser wird in der ApoUodorstelle derart erzählt, dass an 
das Amphiaraosepos zu denken unmöglich ist» aber trefflieb 
das, was aus der zweiten Ueberlieferung über des Tydeus Tod 
sich ergeben hat, mit den Voraussetzungen yerbunden wird, 
welche für das Verstecken des Amphiaraos noth wendig ge- 



aussetzte, die Sage kannten, selbst nicht unbenutzt gelABsen haben: 
das mythologische Handbuch. So findet sich vieles, was er knapp 
andeutet, ausführlich bei Apollodor: vgl. Theb. II 179: III 572; IV 
187 (II 2t;5\ VII 787, VIII 10»; V 655; YIII 100. Ein Beweis, dass 
St. dies Ilandbucb benutzt habe, ist dennoch dem im Princip Ungläu- 
bigen schwer zu iiofcru. Gravireud jedoch ist, dass Statius XII 482 
ebenso wie Apollodor lU 7. 1. 2 die Wittwen der sieben Argiver in 
Athen am Altare des "Sksog um Hilfe flehen lieet So aneh 
Nikephoroa: Wals Rhetores I 1. 499 1. 3. 



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IV. Thebais. 



81 



macht worden müssen. Man wende nicht ein, der freilich 
nur bei späten Schrifteteilem überlieferte Zug, dass Ampbia- 
raos sich Terborgen halte» sei eines Helden unwürdig und 
könne nicht alt sein. Im Gegentheil, er kann nicht jung 
sein. Denn schon den Griechen der uns historisch kennt- 
lidien Zeit und gar den Körnern galt es in der That für 
schimpflich, sich dem Kriege, auch dem sicher verderblichen 
zu entziehen. Nicht so den homerischen Menschen. Odysseus 
hat durch erlieuchelten Wahnsinn versucht, die Werber zu 
täuschen, damit er hei seinem blühenden Weibe und lieben 
Söhnlcin daheim bleibe, und blutig hat er sich an Pala- 
medes gerächt» der listig seinen Anschlag dui'chkreuzt^): 
eine schlagende Parallele für die erschlossene Sago von 
Tydeus und Amphiaraos. Weil Thetis wusste, dass ihr Sohn 
vor Troia fallen müsse» versteckt sie ihn unter den Töchtern 
des Lykomedes — und der junge Achill geht ohne Bedenken 
auf die Weiberrolle ein, um sich so das sonnige Leben zu 
erhalten'^). 

Jetzt erhalten wir folgenden Zusammenhang. Tydeus 
überredet die Fürsten von Argos, den Krieg gegen Theheu 

*) Dies dflrfte in den Kyprien gastandeiL haben, nicht well es 

Froklos angiobt, sondern weil wir aas Paus. X 31. 2 wissen, dass in 
den Kyprien Odysseus den Palamcdes ermordet bat and diese Tbat 
in jener Geschichte ihre Motivirung findet. 

Auch diese Sage haben wolil die Kyprien erzählt. Denn 
sicher brachten sio den Achill nach Skyros und lics.son ihn da den 
Pyrrhos-Xeoptolemoä zeugen: das crgiebt das direkte Zcugniäs bei 
Fat». X 26. 4. Aber die betreffende Yersion im Kypriencapitel des 
ProkloB gehört vletanebr der kleinen lüas: schol. T 326 (b. oben S. 34 
n. 9), Dageg«! ois&blt dasselbe Scholion die OeBcbichte Ton Achill 
iiDter den Töchtern des Lykomedes mit der Schlassbemerktmg ^ lüto- 
Qla naga xol<; xvxXixoiq. Da diese nuu durch das Bild Polygnots 
(Paus. I 22. 6) als vortragisch erwiesen wird, ist ihre Bo7,iehiin<!: auf 
die Kyprien nicht unwahrscheinlich, für die nnch vinHoicht Lyko- 
phron 277 f. (vgl. Paus. IV 2. 7) angefahrt werden könnte. 
Bcthe, Ueldeolieder. 6 



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82 



IV, TiMbftlft. 



zu beschliessen. Amphiaraos» der Seher, siebt seinen Tod 
bei diesem Zuge vorao.^, und um sich der schuldigen Heere»* 
folge za entziehen» Terbirgt er sich in seinem Hanse. Da 
fragt Polyneikes, welchem am Znstandekommen des Feldxnges 
Tor Allen liegen mnss, des Amphiaraoe Schwiegerrater Iphis 
um Rath, wie er jenen zar Theibahme bewegen könne. 
Dieser schlagt ihm Yor, seine Tochter Eiipbyle durch Ge- 
schenke zu versacben. Er giebt ihr „das Halsband" und sie 
veiräth iliin den Versteck des Gatten. Er wird hervor- 
gezogen und rnuss nun dem Heere folgen. Aber den Au- 
Ktiftcr dp«? Kri('j]^('s 'IVfleuB verfolgt sein Hass und in letzter 
btunde rächt aich an ihm: er bringt ihn um die Unsterb- 
lichkeit. Ühno Zwang schliessen sich die einzelnen Bruch- 
stücke zu diesem Ganzen zusammca. Schon dadurch und 
weil 8\ck klare, anschauliche Bilder ergeben, hat es den 
Schein der Wahrheit für sich. 

Die verfolgte Sagenform kennt den Verrath Eriphjlena 
im Gegensatz zum Amphiaraoeliede. Hier steht sie nicht 
als Schiedsrichterin fiber dem Gemahle, sie ist hier nur sein 
Weib. . Einfache Menschlichkeit, Liehe zum Gatten, Pflicht, 
ihm zu gehorchen und sein Leben zu wahren, fordern hier 
von ihr gebieterisch und heilig, seinen Versteck geheim zu 
halten. Aber der Verlockung des gloissenden Goldes vermag 
sie nicht zu widerstehen: sie wird zur verbrecherischen 
Verrätlicri?). Dns fordert Strafe. Araphiaraos bat sie nicht 
genommen. iSuin Sohn musste sie nehmen. Folglich ergiebt 
sich die Nothwendigkeit, dass zu dieser Sagenform auch die 
Bache an Eriphylen gehöre, der Muttermord des Alkmeon, 
also auch wahrscheinlich der Zug der Epigonen. 

Bisher ist nur die Ueberlieferung der Mythographen be- 
nutzt. Jetzt wenden wir uns an ältere Zeugen mit der 
IVage, ob sie die aufgedeckte Version kennen. 

Ai8('hylos schildert Amphiaraos und T^deus als Feinde. 



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IV. Thebaia 



83 



In dein Sieben beschreibt der Bote dem EteoUes also den Am* 
phiaraos: 

^OfioXcotöiv 61 JtQOc; jtvXaig Terayftivog 

xaxoiöi ßa^ti jiqX'au Tvöho^ ßlar, 

.505 fityiOTOP TÜip xaxmi' (StSaöxaXov, 

*Eqivvoq xXrjrfjQa, JtQoOJtoXor (pörov 
xaxav r* ^dgaoro) zcovöe ßovXtvz^Qiov. 

AmphiaraoB spricht hier in den Beiwörtern, mit denen er 
Indens fiberhäuft, deutlich aus, warum er ihn hasBt: er hat 
den Krieg heraufbeschworen, in dem der Seher seinen Tod 
zu finden gewiss ist:*) 

570 eycoyf idr d/) T>'/i'6e nutvm yßova. 

Auch Tydeus ist dem Amphiaraos nicht hold: er wüthot vor 
dem Proitidischen Tliore den Ismenos vor sich, den zu üher- 
schreiten jener ungünstiger Vorzeichen wegen noch nicht er- 
laubt liaut schmäht er ihn deshalb, aus Feigheit meide er 
die Schlacht: 

d&i d-Blvei 6* ovb16u fiavttv OtxXcl^fpf <So^lv, 

ÖCUP61V flOQOV TE XOl HCCj(1]V d^pV^loi. 

Freilich kann dieser Vorwurf aus der Situation allem ver- 
standen werden. Der jähzornige Tydeus könnte ihn wohl 
Jedem machen, der seine Kamjjfbegier zu zügeln versucht 
Aber wie viel herber, treffender wirkt diese Schmähung, 
wenn in der That Amphiaraos dazu Veranlassung gegeben 
hatte, wenn er nicht nur im Bathe der Fürsten gegen den 
Krieg gesprochen, sondern auch, als er beschlossen war, der 
Heeresfolge sich durch Verstecke zu entziehen yersucht hatte I 

*) Auch Welcker E|p. C. II 331 f. nimmt dies fOr die Thebats 
in Anf?pnich, weil „Aischylos seine Trilogien auf der Grundlage ho- 
merischer Poesien aufbaute'* (S. 328). — Vgl. auch Weil sa AisdiyL 
Sept. 558. 

6* 



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84 



IT. Thebala. 



Durch die Kenntniss dieses Zuges gewinnen die Worte an 
Gewicht, und sadrerseits dürfen diese Stellen als erwünsch- 
teste Bestätigung der Richtigkeit der oben attegesprochenen 
Yeimuthnng angesehen werden. 

Nun ist yiel gewonnen. Da Aischylos diese Sagonform 
voranssetzt, so darf man schltessen» dass sie in einem Epos 
niedergelegt war. 

Sollte nun Aischylos dies Epos nicht ausgiebiger benutzt 
haben? Dass Melanippos, des Astakos Sohn, dem Tydeus ent- 
gegengestellt wird, ist kein Beweis; für oder gegen diese Vcr- 
muthung: denn wie iu dieser Version waren sie auch im 
älteren Amphiaraosliede Gegner. Doch ist bemerkcnswerth, 
dass Tydeus in dieser Tragoedie an erste Stelle wie der Haupt- 
held gestellt ist. Denn auch in diesem jüngeren Epos nahm 
er eine hervorragendere Stellnng ein, als in der Ausfahrt 
des Amphiaiaos: hier ist er Urheber des Krieges, hier tödtet 
er selbst den Melanippos, der dort dem Amphiaraos erliegt 
Aber, was das Auffallendste ist, die Liste der Sieben, welche 
Aisdiylos giebt» ist nicht die, welche für jenes Amphiaraos- 
epos zusammengestellt werden musste. Und doch steht sie 
fest in der Ueberlieferung. Denn dieselben Namen führt 
Sophokles im Oidipus auf Koloiios 1313 ff. an, dieselben 
Euripides in den Schutzflehenden 8G0ff. und auch die Liste 
in seinen Phoinissen ist die gleiche, nur dass Adrastos mit- 
gezählt und deshalb Eteoklo» ausgelassen ist."^) Dass sie 
alle Ton Aischylos al)hangeD, wird Niemand im Ernste be- 
haupten wollen. Nicht er hatte diese Sieben ausgewählt: 
für seine Tragödie war es völlig i^eichgültig, ob Mekisteus 
oder Hippomedon erwähnt wurde, ob Adrastos unter den 



') Durch diese Tragoeflien bes. die Phoinissen ist diese Liste 
in die mythologischen Handbücher gekommen, natürlich mit Yarian- 
teu vergehen. 



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lY. ThebaiB. 



86 



Sieben war oder als Heerkönig nicht persönlich in dsa 
Kampf eingriff. Keiner von allen diesen tritt hier auf: ein 
Bote buchtet über sie; nur die Haupthelden erhalten einen 
Charakter, die andern sind nur gewaltige, Furcht erregende 
Ampfer, deren Namen fast gleichgültig sind. Nein, diese 
Liste muss in einem Zusammenhange festgestellt worden sein, 
in welchem gerade diese Helden wirklich eine Bedeutung 
hatten. Da dies vor Aischylos geschehen ist, muss die Quelle 
in einem Epos gesucht werden.*) Das ist nicht das Lied 
von des AmpLiaraos Ausfahrt. Sollte es iiiclit das jüngere 
Gedicht sein, dessen Benutzung durch Aischylos erwiesen ist? 
Und können wir wohl erfahren, welches dioR war? 

Es ist auffallend, dass in den vier Tragoedien, welche 
die in Rede Btehcnde Liste der Sieben aufweisen, auch die 
Charakteristik der Helden, soweit sie irgendwie greifbar 
hervortreten, dieselbe ist Tydeus vor Kampfbogier brennend 
will den Fluss, der ihn vom Feinde trennt, überschreiten 
(Aisch. 361, Phoiniss. 131). Kapaueus hat sieh verschworen, 
Theben zu zerstören auch gegen den Willen des Zeus (Aisch. 
410, Phoin. 1176, Hik. 496, Oid. C. 1319) und stürmt das 
elektrische Thor (Aisch. 406, Phoin. 1129)®). Hippomedon 
ist Aigiver vom lenuiiischen Geüldc (Phoin. 126), ein Sohn 
des Talaos (Oid. C. 1317). Amphiaraos, den weisen Seher, 
welcher weiss, dass er nicht heimkehren wird (Aisch. 570, 
vgl. Ilik. 158), hebt Aischylos ganz besonders hervor: er 
prahle nicht (Aisch. 574, Phoin. 574), ov yuQ doxstv aQiötog, 
dJU' dvoL d'iXBL sagt Aischylos 575 und wie dieser neben 



") Manche werden vielleicht an den jetzt modernen Stesichoros 
denken. Doch ist er dadurch ansj»eschlossen, dasa er den Lyknrgos 
unter die Sieben aufgenommen hat: fg. bei Apollodor III 10. 3. 10 
= Schol. Alkestis 1 auB ApoUodoros ne^l ^ccüv: Müntzel Quaest 
myth. 3. 

<*) Vgl. von WilamowiU Hemel XXYI 211, 226 mit n. % 



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86 



lY. Thebais. 



seiner Weisheit seine Tapferkeit und Kraft preist, so rühmt 
ihn Sophokles Oid. C. 1314 als besten Kämpfer und Seher 
mit den Worten: 

Wie Bcbon bemerkt, ist dies eine Umschreibung jenes Lobes» 
das die kykUsche Thebais enthielt: 

ufi^oreQOi' (iiivtic, r' dyt^On:; y.al dorn) i(('r//(jihai. 

Ad rastos wird in allen vier Tragoedien als Oberfeldherr 
geschildert (Aisch. 558, Hiket. 118), auch in den Phoinissen 
(1187), obgleich er hier abweichend als einer der Sieben 
au^esählt ist Er allein entflieht der allgemeinen Ver- 
nichtung (Aisch. 50, Hiket). Das hat auch die Thebais er- 
"wie Pausanias Vin 25. 8 ausdrüdclich bezeugt: hf da 

etfictra XvyQa q>i(mv övv 'Ageiovi xvecpoxolta. 

Es ist (lies zwar die uns geläufige Version, aber keineswegs 
die ursprüiigliohe Sage^"). 

Am meisten aber tritt in dieser Liste der Sieben 
Parthenopaios hervor, den alle mit sichtlicher Vorliebe be- 
handeln. Er ist der Sohn der spröden Jägerin Atalante, die 
mit Artemis die arkadischen Berge durchschweift (Aisch. 
516, Hiket 888, Phoin. 150, 1153, 1162, Oid. C. 1329), 
selbst ein Arkader (Aisch. 530, Hik. 890, Phoin. 1153, Oid. 
C. 1320)^^), kaum dem Knabenalter entwachsen (Aisch. 517, 

") S. oben S. 65. 

**) Kach Aischyl. 530 uud Hik. 891 ist er in Arpos erzogen. 
Es war wohl auch in diesem Epos erzählt, wie Atalante, die juug- 
fränliche .Tägorin einem Manne erlag. Bei Ai8ch)'lo8 514 heisst sie 
6(jeüxt)oq, Phoin. 151 wird sie Begleiterin der Artemis um nannt, und 
nach 1108 führt Parthenopaios das iiihl seiner Mutter den kalydo- 
nischen Eber tadtend auf dem Schilde, Hik. 888 ist Atalante J&gerin 
und hn Oid. G. xgoa^ev «öfitjtij 'AzeüLavT^. — Ifeilanion überwältigt 



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IV. Tbebais. 



87 



Phoin. 147) von hlühonder Schöne (Hiket. 889, 899), doch 
tapfer und wild (Aisch. 519, Fhom. 146, 1154)"). In den 
PhoiniBsen wird er^lt, dass ihn beim Sttirme auf Theben 
Periklymenos, der Sohn des Poseidon, mit einem gewaltigen 
Steine zerschmettert habe. Pausanias IX 18. 6 lehrt, dass 
auch in der Thebais dieser Held den Parthenopaios erlegt 
habe. Ueber dessen Abkunft fugt er leider nichts bei; denn 
aus der you üun vorher erwähnten Vanuntc, dass Partheno- 
paios, des Talaüs Sohn, von Aspbodikos gotödtet sei, darf 
methodischer Weise die Vaterschaft des Talaos nicht auf 
die folgende Noti2 aus der Thebais übertragen .werden. ^^) 



sie und wird Vater des Partibieoopaios. Diese Sage von Meilanion 
und Atalante kennen schon Theognls 1285 ff., Aristophanes. der sie in 
der Lysistrate 7HÖ komisch umdreht. Kütias: Beniuiorf Vorlegebi. 
188b II oben. Sic wird steU nur von der arkadischen Atalante und 
Meilauion erzählt. Demnach dttrfte für das verfolgte Epos (Thebaiü) 
diese Erzählung vorauszusetzen sein: Meilanion verfolgt Atalante, 
endlich erliegt sie ihm und gebiert den Farthenopaioa. 

'*) Am Grabe des Zethos steht Parthenopaios nach Phoin. 145, 
an dm des Ampbion nach Aischyios 511. Von Wüamowits Hermes 
XXVI 234 hat sehr wahrschi inli( h vermuthet, dass Aischyios diese 
Einzelheit auch aus der Thebais geschöpft habe. Dies wird durch 
obige Zn<<rimmcnstcllnng cinigcrmaassen bestätigt, doch dürfte sie von 
dem gemeinsamen Grabe der Brüder geredet haben, da Euripides 
Zethos statt Amphion nennt und schol. Phoin. 145 und Paus. IX 17. 4 
von iiirom gemeiubameu Doppelmale sprechen. 

Dass schon die alten Grammatiker die Abhängigkeit des 
Enripides von dar Thebab erkannt hattm, eripLebt die Yergleichung 
von Paus. IX 18. 6 mit ApoUodor III 6. 8. 2. Apollodor spricht von 
einer diQiateta der Söhne des Astakos. Einer ?on ihnen, Melanippos, 
der Gegner des Tydeus, kam im Amphiaraosüede wie in der Thebais 
vor und sitzt fest in Boiotien: ist doch seine nächste Versvandtc Mf- 
Xavlnnrj Gemahlin des Boiwrog selbst und Mutter des Ithonos i^Paus. 
IX 1. 1). Da auch Hippomedon und Eteoklos, welche nach Apollo- 
dor von den Astakossohncn Ismaros und Leades getödtet werden, 
ebenfalls in der Thebais unter den Sieben aufgezählt waren, ist zu 



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88 



lY. ThebaiB. 



Wenn es noch eines Beweises bedürfte, dass Parthenopaios 
zum Sohae Atalantens schon vor der Tragocdie geworden ist» 
so giebt den Hellanikos (schol. Phom. 71) Ua^svo^foloq 
. . . cDg dl ^EXlaptxoq, MeiXavlmvog rov Ufdg^iödfuzvroq . . . 
fti^Qoq dh ^iToXdiftt^g tt^g jfddov. Auffallend iat| dass Aiscfay- 
los den Perikljrmenos nicht dem Parthenopaios gegenüber- 
stellt» ja ihn überhaupt nicht nennt. An seiner Stelle steht 
der sonst als thebanischer Held ganz unbekannte Aktor, 
Bruder des ebenso unbekannten Hyperbios, Sohn des nicht 
bekauuLereii Oinops. Auch sonst nennt er ausser Melanippos 
und Megareuö keine berühmten Naoion'*). Dass nun Peri- 
klynicnüs, der gewaltige Posoidonsohn, welcher im Amphia- 
raosUede als fürchterlicher Held hervortritt und nach direktem 
Zeugnisse auch in der Thobais als solcher vorkam, in einem 
thcbanischen Epos gefehlt haben soUte^ ist durchaus unwahr- 
scheinlich. So bleibt denn nur der Ausweg, dass Aischy* 
los die thebanische Heldenliste geändert habe> aber einen 
Grund dafür yermag ich nicht aufzufinden'^). Desto mehr 
tritt die Uebereinstimmung der Namen der sieben argivischen 
Helden und ihrer Charakteristik bei den Tier Tragikern her- 
vor. Wie jene, so müssen sie auch diese in ihrer gemein- 
samen epischen Quelle bereits vorgefunden haben. Diese 
nothwendige Forderung wird dadurch bestätigt, dass in drei 
Punkten das aus der Vcrgleichung der vier Dramc^n Ge- 
wonnene mit dreien der wenigen Fragmeute der Thebais zu- 
sammentrifft. So ist der Scbluss berechtigt, dass die drei 



vematlieii, dass vielleicht auch jene, ihre Sieger, aus demselben Epos 
stammen. 

**) IIolvtpovzTjq, der Liebling der Artemis und Gegner des Ka- 
paneus (430^ wird J 395 als ein Anführer dos thebanischen ITinter- 
haltes von Tydeus erschlagen. Kach schol. A gab es die Yariante 

AvX0(povTr}Q. 

Vgl. von Wüamowitz Hermes XXVI 224 n. 2, 229. 



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IT. TbebuB. 



89 



Dichter, wie das an sich wahrscheinlich war, die Thebais 
benutzt haben, ein im fünften Jahrhundert in Athen noch 
sehr bekanntes und beliebtes £pos^'). Aber anfs engste 
gehört die Feindschaft zwischen Amphiaraos und Tjrdeus 
mit dieser SageuTersion zusammen, mithin auch alles, was 
atffi dieser gefolgert war. Dies wurde nun als eine im Ver- 
hältnisse zum Amphiaraosliedc jüngere Sagenform erkannt, 
und CS zeigte sieh, dass dieselbe auch die Rache des Alkmeon, 
also wohl auch den Kpigonenzug umfasst habe. Dass die 
Thebais in der spätcreu Zeit episrlier Poesie entstati(ien ist-, 
wurde aus der Sprache ihrer Fragmente und dem Umstände, 
dass sie auch die junge Epigotieusage behandelt hat, ge- 
schlossen. Sowohl chronologisch wie in der Ausdehnung 
des Stoti'es also stimmt der hier erschlossene Epeniuhsüt 
zur Thebais. Somit haben wir einen festen Crrund zu ihrer 
Wiederherstellung gewonnen. 

Ueber den Anfang des Kampfes kann noch Einiges er- 
schlossen werden. Adrastos entkommt allein aus der all- 
gemeinen Niederlage auf seinem Rosse, dem liQBtatP xvopo- 
XCf^T»;^*'). Das sagt das Fragment der Thebais, das Pausa- 
nias VIII 25. 8 erhalten hat. Es ist ein hochbenihiiites 
Pferd gewesen. Der Dichter des Theiles der Ehoien, der 
unter dem Titel «öÄtt; llgax^tovg erhalten ist, giebt es 

^'^j Das beweist aui hosten die Parodie der Oidipusllücho der 
Thebais im schol. Soph. Oidip. C. 1375, die nach Wclcker Ep. C. ;J37 
uud Meiueke zu Sopb. 0. C. S. 212 aus eiuem Komiker, uacli Elms- 
ley und Nauck FTr* S. 928 aus einem Satyrdrama Btammt Die Kin- 
der lernten Vene aus ihr in der Schule: in Aiistopbanes Frieden 
1370 sagt der ntHg Aaßdxov den Anfang der Epigonen her. 

'EqIwv schreiben die Münzen des arkadischen Thelpusa: vgL 
Imhoof-Blnmer Zeitschr. f. Num. I 125 ff., Emil Müllrr Festgruss d. 
arch. Sammlunjs^ an die 30. Philologenversaminlimg, Zürich 1887, IG ff., 
Tfl. II. von Wilamowitz Hermes XXYI 225 n. 1 leitet den Hamen 
von 'EQivvq ab. 



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90 



IV. Thebai0. 



dem Herakles im Kampfe gegeo Kyknos und iiennt es, wie 
dio Thobais, UQtlova xvavoyalxrjf» (120). Dies Beiwort ist 
also gerade für dioaes Boss bezeichnend^^). Auch im V der 
Uiaa spricht Nestor von ihm» als dem schnellsten aller Bosse, 
uod setzt hinzn oq ix d-Botpiv yivoQ i^bv (347). Aristarch 
hat auf die Allgemeinheit dieser Angabe anünerksam ge- 
macht und sie, wie gewöhnlich, dem entgegengestellt» was 
die vb(6t$qoi und der xvxXog weiter gefaselt Der Townley- 
anus hat die Genealogie des xvxXoq erhalten: ol de ev rq 
xvicX(i) lIoafiömvoQ xal ISqivvoq (top ^4Qtlova ytvtaXoyov- 
mv). Diis Schulion ABI) erzählt des Näheren die Zeugung 
<1('S Ari'iou durch Poscidüii und Erinys und seine Schicksale 
und schliesst: /} lOzoftifc jr roTc xvxXixolq. Man braucht 
kein Wort darüber zu verlieren, dass ol Iv xm xvxÄo) des 
Townleyanus und ol xvxXixol von ABD identisch sind: es sind 
die Dichter der kyklischen Epen. Zu diesen wurde die 
Thehais gezählt» die dreimal ausdrücklich ff xvxZtx^ ßrßctiq 
citirt wird. Nun weist ein unzweifelhaft bezeugtes Fragment 
dieses Gedichtes durch das Beiwort des Areion 7m€tvoxalt7f^ 
deutlich auf Poseidon hin**), dem dasselbe so stereotyp zu- 
kommt, dass es sogar hei Homer F 144, c 636 und Hesiod 
Thoog. 278 statt seines Namens gebraucht wird. Kann man 
glauboii, dass ein hümeriscbes Ciedicht sich mit einem iu\~ 
deutenden Epitheton begnügt liabe, uder muss mau nicht 
vielmehr aus dorn Charakter des Epos sckliesseu» dass es die 

**) r 334 wird auch das Pfercl, unter denen Gestalt ISoress die 
Stuten des Ericbthonlos bittet, xw¥€x«lxn<: goiannt Auch h!«r 
iil die darin ausf^prochene Beaiehnng auf daa Heer klar und durch- 
aus am Platse. Vgl. lioeschcke Boreas und Orelthyia, Doipater Fregr. 

1886. 4. 

'"^ So auch Welrkrr Kp. Oykl II ni;0 u. 117. Ich bin ausführ- 
lich in KUcksicht auf Kd. S. hw.u t.'. der de schul. Homer. 427 zu dem 
llo?nltato srolunet: „de Arii uis orit;iu(» in Thebaide nihil certi tr&di- 
tuiu eiau :»t'd ex epiihulo x%:uroj(^^u^^^^^ ahäurda couiciebantur/* 



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IV. TkebaiB. 



91 



Abstammung des Wunderrossos Areiou in behaglicher Breite 
ensählt habe? Der Scbluss scheint zwingend, dass unter den 
xvxXixoi der Iliasscholien die Thebais zu suchen ist: Areion 
stammt also naoh ihr voii Poseidon und Erinys. Doch es 
kann noch mehr von ihrer Sagenform mit einiger Siöherheit 
herausgeschält werden. Zunächst ist natürlich alles m 
streichen» was auf Herakles Bezug nimmt. Es bleibt dann 
dies: UoaeidSp ^gae^eU 'Egirvog xal fievaßaXmv Tijp 
(tVTOv ftOQ^f/v Elq Ifjrjtov tf/lyr/ xara Boicoriar jtaQCt rff 
TiX^ovöy xQiii'ii. 7] 6t tyxvo^ -/hvouirn 'i.Tjrov tytrrrjötr 
. . . v(p* ov (foro^ 6 "AÖQciOTOq Ix tov tfrjßcü'y.ov jro////or 
6u6o)d^7] TÖ5r liAÄVjr aJtoXo^tvcov. Paiisanias giebt VIII 25. 
7 dieselbe Geschichte, berichtet auch gleicher Weise, dass 
Areion den Adrastos gerottet habe, jedoch nicht referirend, 
sondern mit dem direkten Citat des Verses aus der Thebais, 
fügt auch die Verse ^46, 7 der Ilias bei und Einiges aus 
Antimachos, aber nicht Boiotien, sondern Thelpusa in Arkadien 
nennt er als Ort der Zeugung und statt ""EQivvq heisst er 
die göttliche Matter ä^ß^tij^ ^tvvg^^). Ebenso und mit 
demselben Lokal hatte Antimachos die Sage erzählt (fg. 26, 
29, 30)^^). ApoUodor, der gleichfalls bei Gelegenheit der 
flucht des Adrastos die Abstammung seines Resses angiebt, 



Es liegt nahe, vollständigere IHasschoHen als Quelle für Pau- 
saiüas VIll 25. 7, 8 zu erklären, wie er sicher IX 5. 11 aus Odyssee- 
scholieii genommea hat. Die Anführung von ^' o4ü 1. ist aehr ver- 
d&chtig. Auch steht die ganse Geschichte mit seiner Perihegese in 
keinem Zaummoihaiige. Aber die Abweichungen des PAUsanlaB von 
dem nna Torliegenden Schollon sbd doch zn gross, ab daas diese 
Behau])tnng gewagt worden dürfte. 

Fg. 26 setzt er y/) für Demeter ein. Auch Kallimachos 
(schol. Lycophr. 12'25) nennt .hjuTjrrjr) Tihfoaalt}. Doch geht nicht 
aus dem Citat hervor, ob er sie in Eoiotien oder Arkadien denkt. 
Für Erstpres .spricht die Form Tihf cuauit] , da sich die arkadische 
Stadt auf ikreu Mänzen (^i:k[7iovaa] nennt. 



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92 



lY. ThebalB. 



hatte oüenbar dieselbe Ueberlieferimpj vor sich, aber er hat 
sie miBBverstandeu: (AQtlova) tx nootidmvog iyn n](jf Aif- 
ftf/TfjQ dxaaB-tiOa ^ivvt xaza tf/p owinnUixP, Durch den 
Zusatz Aff/i/ftr^Q sollte 'Eqivvq augenscheinlich nur erklärt 
worden: so fehlt er auch in dem Uiasscholiou. Dass nun 
diese Sago der Erzeugung des Areion von Poseidon und der 
tilphosischen Erinys ans der Thebais stanunt» ist äberans 
wahrscheinlich. Denn dieselben Eltern des Bosses sind für 
sie eniiittclt und bei Apollodor, lliasscboliasteii und Pausa- 
nias wird der Mytlius lu bcu der Flucht des Adrastos mit 
dorn Aroion aus der \ ci iiichtungssclilacht vor Theben er- 
zählt, für welche der Letzte di(> Tlicd^ais selbst citirt, ^vährend 
der Zweite sicrh auf die xvxXixni als Quelle beruft. Es bleibt 
nui' zu entscheiden, ob dies Epos das Beilager der beiden 
Götter na(;h Ai-kadien oder Boiotien versetzt hat. Der Name 
TtXg>c500a^ßiXxovött ist hier wie da mit der Erinys eng ver- 
bunden, auch Onka ist ein arkadischer Ort» wenn ihn auch 
nur Pausanias zn kennen scheint, und konunt in Boiotien vor. 
Dort ist Onkos der erste Besitzer des göttlichen Pferdes, hier 
Kopreos'*). Dieser wird König Ton Haliartos genannt, das 
der Quelle Tilphossa benachbart war; er sitzt also in Boiotien 
fest. Dagegen schwebt der arkadische Onkos, der Sohn des 
Aitollon, Iii der Luft. Auch ist die ))oiotische Tilphossa 
noch durch den Drachen, den sie dem Ares gebai", mit dem 
thebanischen Sagenkreise verbunden-^). Endlich darf auch 
wohl angeführt werden, dass sich Boiotien ebenso trefi'lich, 
wie Arkadien wenig für Pferdezucht eignet. Es kann somit 
nicht zweifelhaft sein, dass die hoiotische Sage die ältere 

Vgl. SchoL 0 634 Twh KoTtQtig naT; tov 'HXsiov mim^ 
(v. Wil. i])Jov n. T. II. cod.). rart xal akkog Bouuziog ^Aha^rov 
naiq. Haliartos benachbart ist muh schol. ^' 346 Onchestos, das ein 
Ho0£tdtjiov tty?.nov rtlio^ hat: ^' r>06. 
*•) Schol. Soph. Antigon. i-'t». 



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ly. Thelnis. 



93 



ist Daraus folgt freilich nicht, dass sie der Thebais gehöre. 
Wahrscheinlich wird dies aber dadurch, dass diese Version 
allein vom Scholien W 346 angefahrt wird, welche sich auf 
die xvxXtxol bemfb'^). 

Mit dem götterentsprossenen Rosse Areion entkommt 
Adrastos allein von allen sieben Helden aus der Schlacht 
gegen die Thcbaner in kläglichem Gewände ^^*): tp dh Br^' 

Btfuna Xvyga g>4Qmv cvp 'Agelopi xvavoxalzy. 

Wäre über den Ausgang des Krieges der Sieben ans der 
Thebais nur dies Fragment erhalten, so würde doch Niemand 
sich die Situation anders vorstellen, als so: Die Schlacht ist 
geschlagen, der Brudermord gescheheo, die thebauer Helden 

haben die argiver Fürsten überwältigt und in unwidersteh- 
lichem Vordringen das luiiidliche Heer vor sich hergejagt; die 
Erde thut sich auf und verschlingt rettend den Seher 
Auiphiaraos mit Rosa und Wageu. Aus dem tödtlichen Ge- 
tümmel entkommt nur einer: der Heerkönig Adrastos und nur, 

amgekelirt tod Wihunowite Hermei XXVI S25 n. 1, weil 
die Mttinen des arkadisclien Thelpusa den Erion führen. 

^) Paus, yin 25. 8. ei/iata hfyQ& sind nicht »Tiattergewittder*', 
wie Welcher Ep. G. II B69 will, aondtHm serrisBene, befleckte: so 
^-ird die Bettlertracht des Odysseus genannt 7t 457, q 203. Es ist un- 
denkbar, dass Adrastos nach der Niedcrlaj^o die Kleider gewechselt 
habe, flßcc heisst auch die Kleidung des voll genisteten Kriegers: 
S 538 fiu(( ^y* nfi^' wuoiot lUxtfotvtdv a7/iaTt <piuTwv. Wir dür- 
fen uns daher nach jenem Verse der Thebais Adrastos nicht in 
TrauerkleiUern, sondern in kriegerischer Gewandung vonitellen. Ent- 
weder ist er reitend zn denken« denn das jüngere Epos kennt das 
Reiten (e 871, * £08—518, Friedreich, Horn. Bealien, Löachcke Bonner 
Studien 1880, 8&6ff., vg^. t. Wilamowitx, Herakles n 148 f.); oder er 
Ahrt auf seinem nur mit dem Areion bespannten Wagen. Dass 
wirklich einspännige Streitwagen vorkamen, hat Ilelbig (nom. Epos 
ans den Donkm. erläutert- 128, 137, 139, 14ö) trotz Schuchardt (Schlie- 
manos Ausgrabimgea 196) erwiesen. 



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94 



IV. Thelwb. 



weil ein Götterpferd ihn in Windej^eiV^ entführt — wohin? 
fort vom Sclilachtfelde, in die sichere Heimath. Denn wo 
wäre anders als in seiner Burg eine Zuflucht for ihn'*)? 
Wollten wir uns wie Statins ein befestigtes Lüger denken, 
in das Adrastos fliehen könnte, wie sollte er es halten 
gegen die gewaltigen Streiter Thebens » er, der alle Helden 
verloren hat? Denn in ihnen liegt die Starke homerischer 
Heere; die Mauuen sind eitel nichts. Und wäre es auch aus 
homerischer Anschauung denkbar, so wüide es dennoch un- 
wahrscheinlich für die Thcbais sein; denn es würdo dem 
Eindrucke der furchtbureii , gottgesandteu Niederlage sehr 
Eintrag thun. Das grossartige Bild dieses von Zeus ver- 
hängten Vernichtungskampfes fordert als Abschluss das völ- 
lige Verderben der Argiver, aus dorn allein, Tcrlassen, jam- 
mervoll der Herzog sich durch das Götterross errettet. 

Aber man hat dieser Forderung, wenn man sie sich klar 
gemacht hat, entsagt. Und das war billig: denn man glaubte 
einer anderen Ueberliefemng gehorchen zu sollen. Askler 
piades hat zu des Adrastos Aussprach bei der Bestattung der 
Sieben (Pindar 0. VI 15): xo&im arganäg 6q)d-aXfiov i^iäq 
aii^oTEQOV (lavxLV rdyad-ov xai öovqi fidQvaod-cu notirt: ravra 
tlXtjfpEV ix xrjq xv'AMyJiq 0j]ßai6o^. Dem aus dieser Notiz ge- 
zogenen Schlüsse,*') dass auch die Bestattung aus demselben 
Epos genommen sei, ist bereits ül)on die Berechtigung bestritten 
wordeji. Er liegt frcilicli überaus nahe und hat den Schein 
der Wahrheit, aber ist er denn zwingend? Das scheint doch 
nur insofern, als man keinen Grund anzugehen vermag, 
warum Pindar gerade diese Situation gewählt haben sollte» 
wenn er sie nicht in der Thebais vorfand. Es führt diese 
Annahme jedoch zu Schwierigkeiten, die Welcker sich nicht 

w) Vgl. Welcker Ep. Cykl. II 370. 

«') So Welcker Ep. Cykl. II 367, 324. v. Wilamowitz isyll 163 
n. d, Spiro de Euripidis Fhoiuissis 18, ßobde Psycho 107, n. 1. 



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IT. thebais. 



95 



Tdrhehlt hat Er sab, dass luich der Sitte homerisGher Zeit 
die Leichen, die in der Gewalt der Feinde blieben, eine 
Biohere Bente' der Hnnde und Vögel wären. Aber ihm wird 
diese Schwierigkeit nnr zn einer nenen Betbatigiing seines 
erfinderischen Geistes. Ueberzengt, dass wie alle Bezüge 
älterer Werke auf diesen S.agenkreis, so auch die honigsüsso 
Rede, welche Tyrtaios ( lg. J l*. v. 8) dem Adrastos nach- 
rühmt, aus der Thebais stamiue, sie also auch in dem Ge- 
dichte zum Ausdruck gekommen sein müsse, findet er nur 
diese eine Gelej^cnheit, wo sie in vollem Glänze gezeigt 
worden sein könne, und so vermuthet er, diese Rednergabe 
habe die Kadmeer zur Herausgabe der Leichen bewegt. Aber | 
leider ist seine Voraussetzung unbewiesen nnd unwahrschein- ( 
lieh. So mnss Welckers Lösung abgewiesen werden, aber 
die Schwierigkeit bleibt bestehen. Und er hat sie noch 
recht greifbar gemacht durch den Hinweis auf die Ueber- 
lieferung, dass HeraJdes zuerst den Feinden die Leichen zu- 
rückgegeben habe. Woher diese auch stammen möge, sie 
sagt dasselbe aus, was aus den homerischen Gedichten ab- 
genommen werden muss, dass dieser edle Brauch erst einer 
späteren Zeit als der jener Heroenkämpfe angehört*^). 

Dazu kommt nun, dass jene Pindarischen Verse ein 
klares Bild nicht ergehen. „Hagesias", saf^t er, „du hist des 
Lobspruches sicher, den einst mit iug die Zunge des 
Adrastos über den Seher Amphiaraos aussprach, als (ßxel) 
die Erde ihn und seine glänzenden Stuten verschlang (tfiagips). 
Als darauf (ßmiTa) die Scheiterhaufen für die sieben Helden 
errichtet waren, sprach des Talaos Sohn vor Theben ^wa 
solches Wort: ich yermisse das Auge meines Heeres, ihn, 
gleich trefilidh als Seher und im Speerkampf.^^*) Jeder 



«") Welcker Ep. C. II 3(58. Plutarch Theseu» c. 29, 
Vgl. von WiluuiüwiU Isyllosi 1G3. 



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96 



IV. Thebais. 



Hörer und Iieaer muss zunächst annchmcu, dies Wort der 
Thebais, welches der Dichter auf den Hagesias anwendet, 
habe Adrastos gerufen, als er in ^vildor Flucht über das 
Blachfeld gejagt wird und sieht, wie Amphiaraos in die Tiefe 
sinkt und mit ihm jede Hoffiiung schwindet» das Heer durch 
Bath und Kraft zu retten. Das ist ein anschauliches Bild; 
hier würde das hohe Loh noch grossartig gesteigert er- 
scheinen, wenn es Adrastos in der höchsten Noth spridit» die 
der Scher vorher gesagt hatte, und in dem Augenblicke, als 
er diesen Helden vcrlicit. seinen Werth erst ganz erkennt; 
ufig:6T8Qor iirvra: xWyaB^oq xai 6ovqi (itc^i oitat. Aber kaum 
hat die PhanLaMC dies Bild erfasst, da löscht es der Dichter 
aus und zeichnet ein anderes: sieben Scbeiterbaufeu sind für 
die gefallenen Helden aufgeschichtet, Adrastos betrachtet 
den Stolz seines Heeres, zählt die I.eiclien — siehel eine 
fehlt, und er spricht: »ich Yermisse ihn, der beides war, ein 
trefflicher Seher und gewaltiger Lanzenschwingerf* Wie 
mattt Das ist keine rühmende Leichenrede, die den Seher 
über alle andern Helden heraushebt, es ist nur die Consta- 
timng einer Thatsache: bald wird der Herzog aufgeklart 
werden, dass die Erde den Amphiaraos yetschlungeQ hat und 
er fortlebt als Gott, und billig wundert man sich, dass 
Adrastos dies Wunder bis jetzt noch nicht erfahren hatte*®). 
Welcher von beiden Siuiaiionen das geflügelte Wort über 
Amphiaraos ursprünglich eignet, scheint mir schon hieraus 
einleuchtend. Ansij;eschlosp'Mi wird die letztere durch die 
homerische Sitte und unvciembar ist sie mit dem Verse der 



Man kömitc auch daran Anstms nehmen, dass Adrastos den 
Seher das Augf seines Heeren nennt, wahreud er doeh gar kein Heer 
mehr hat. Penn alle Fürsten wie lleisige sind L'etödfot. Das ist ^c- 
die ursprüuglicbe Sage, sie bat Euripiucs iu dcu iiikcudcn fest- 
gehalten: da er ato IBbteo einen ZnBchaner der Thewnnchlacht 
wQiuclite, fiagiite diBB die Thebaner anch Gefangene gemacht 



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lY. Thebals. 



97 



ThebaiSy der nur so verstanden werden kann, dass Adrastos 
allein ans dem tödtliclien Getümmel durch sein göttliches 
Boss gerettet wird. Folglich hat das Epos von der Besiat- 
taug der Sieben durch die Thebaner oder Ton der Xvb- 
lieferung der Leidien an Adrastos lüdits gewnsst 

Dies Besnltat vird durch die Tragoedie bestätigt In 
der Antigene handelt es sich nur um den Versuch, Polyueikes 
zu begraben, um seine gefoUenoi Genossen kümmert sich 
Niemand, sie werden auch nicht erwShnt Nur Teiresias 
deutet an, dabs auch diese den Hunden und Vögeln zum 
Frasse hingeworfen waren: 

1080 Byß(i(il 61 Jtäöai ovvTaQaaooi^zac ytoXetg 
oöcov (fJcaQctyfiar* r) xvrsg xa&rjyviaav 
1^ d'^Qeg, ij ti£ xtf^vog oiatvoq, g>iQmv 
ävaciov wfiii^v £0tio^op ig xoJLtp, 

Daraus folgt mit Sicherheit, daas an der Schändung der 
übrigen Leichen weder von den Thebanein, noch Yon Anti- 
gene irgend wie AnstoBB genommen war. Dasselbe ergiebt 
sich aus der königlichen Botschaft in des Aischylos Sieben: 

Eteokles soll begraben werden als Vaterlandsvertheidiger, 
Polyneikes soll unbeerdigt bleiben. Nur er? Gewiss nicht! 
Bei seinen Bundesgenossen ist das ganz selbstverständlich; 
nur bei ihm, als dem Thebaner, dem nächsten Verwandten 
des Königshauses könnt ■ überhaupt ein Zweifel entstehen, 
da nach heiligem Ilerkommen seine Angehörigen die Pflicht 
hatten, ihn zu bestatten. Deshalb ist nur von den beiden 
Oidipodiden die Rede. Fragment 17 aus den aischyleischen 
'Agyeloi bezeugt, dass des Kapaneus Leiche unbestattet blieb. 
Die 'EXsvolvioi des Aischylos, die euripideischen Schutz- 
flehenden beruhen nur darauf, dass die siegreichen Thebaner 
den Leichen ihrer grimmen Feinde die Ehren der Bestattung 
und die Ruhe der Todten verweigerten. Die sich hieraus 
eigebenden Gonflikte haben eine lange Reihe glänzende 



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98 



lY. ThebaiB. 



Tragocdicn geboren. Diese Conflikte konnten aber nur ent- 
wickelt werden, als der Glaube allgemein durchgedrungen 
war, es sei eine heilige Pflicht, die Todten zu bestatten. Der 
Feinde Leichen den Thieren unter dem Himmel hinzuwerfen, 
ist in homerischer Zeit gewöhnlich. Sie sieht darin den 
Anadnick wilden, den Tod überdanemden Haases, eine 
Sdiandung — aber keinen FreTet AU solchen emp&nden 
das die Griechen erst, als im allgemeinen Umschwünge des 
geistigen Lehens der Todtencolt neu erstanden war imd als 
sich im PriTatreofate und Völkerredite zu gleicher Macht die 
heiligen Satzungen erhoben hatten, die Todten zu begraben 
und ihr Andenken zu pflegen**). Der ganze Sagüütx>mplex, 
welcher sich um die Bestattung der vor Theben Gefallenen 
gruppirt, erweist sich somit als jung. Und das bestätigt die 
Einmischung des Thtbcus, der stets dabei die Hauptrolle 
spielt. Aber entstehen konnte er nur, wenn es fest stand, 
dass die Thebaner ihren gefallenen Feinden die letzten Ehren 
versagt hatten. Und konnte ein homerischer Dichter anders 
den Ausgang eines Kampfes dichten, in änm Bruder gegen 
Bruder gestanden und Tydeus seines Feindes Him geschlürft? 
Somit ergieht sich aadi von dieser Seite die Nothwendig- 
keit, daas in der Thebais die Leichen der übermfithigen 
AzgiTer dtti Thieren zur Beate hingeworfen wurden, auf dass 
sie seirissen und yerschleppt würden. 

IHe herkömmEohe Verwendung der sechsten olympischen 
Ode Pindars ist also unrichtig. Aber wir verstehen jetzt, 
warum er nicht die Situation der Thobais übernomini ii hat. 
Ihm wai*, wie seinen Zeitgenossen, die Schändung der Leichen 
ein gräuliger Frevel wider die Götter und ihre heiligsten 
Satzungen. Als Patriot musste er die Ehre seiner Vater- 
stadt wahren, und mit jener naiven Kühnheit der Zeit» in 



**) Das hat Bohde In Bsinem Baehe FSyche leh^fn dai|«thaii. 



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IV. Thebaifl. 



99 



der die Sage noch lebendig ist^ legte er umbfldend die Hand 
an sie und formte sie den AnBehauungen seines Jahrhunderts 
gemäss^'). Desshalb betont er gewichtig» dass die Leichen 
der Sieben yerbrannt worden sind, wie in der sechsten olym- 
pisehen, so in der neunten nemeischen Ode; hier fugt er, statt 
em&ch dem Zusanunenhange entsprechend zu sagen: „die Hel- 
den kamen vor Theben um die süsse Heimkehr*', ausdrücklich 
und unmotiTirt hinzu „sieben Leichenfeuer frasseu die jugend- 
frischen Männer**. 

Jetzt kehrt die Untersuchung zu Polyneikos zurück, 
welcher in der Thebais, wie vorbiii gesclilossen wurde, durch 
„das Halsband'* Eripbylen bestoclicii hat, ihres Gatten Ver- 
steck zu vcrrathen. Wie der Artikel zeigt, ist es ein be- 
stimmter und allgemein bekannter Schmuck gewesen, mit 
dem es eine besondere Bewandniss gehabt haben moss. Die 
Mythographen und späteren Dichter sprechen stets von ihm 
in dieser Weise. Dagegen besseichnet die Odyssee o 247 
nicht genauer den Preis des Verrathes und spricht auch 
X 327 nur Ton kostbarem Gbldo; ebenso Sophokles EL 837. 
Dagegen beweisen Piatons Worte Bp. VHI 590A ^ig>vXtj 
hd xij Tov avÖQoq tpvxd rov oQfiov 6B$a(iipfj, dass schon 
ztt seiner Zeit bei dem Bestechungsgeschenke Eripbylens 
an einen ganz bestimmten Schmuck gedacht wurde. Sein 
Schoüast erkliirt diesen in Uebereinstimuiuiig mit allen an- 
dern Zeugen als das beriibrate Halsband der Harmonia, das 
Hepbaistos Kelbst gefertigt. Nach Pherekydes^*) bat es 
Kadüios von Europa erhalten, nach andern Aphrodite oder 
Athene seiner Braut bei der vielgefeierten Hochzeit geschenkt. 
Und wahrlich, ein wunderbares einziges Kleinod musste es wohl 
sein, welchcB das Weib des Amphiaraos so ganz ihre hei- 



**) Vgl. Welcker Sappho 86. 
'*) ApoUd. III 4. 2. 8. 



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100 



lY. Thebaia. 



0 



ligsteu Pflichten yergessen Hess. Da nun alte Sage erzählte^ 
da88 die Götter selbst Hamonia beschenkt und Poljnet- 
k€S als ihr Nachkomme in den Besitz dieser Göttergaben 
kommen keimte, lag es sehr nahe^ solMild er selbst zum Be* 
Stecher Eriphylens geworden war, ihn sn diesem Zweoike 
mit diessB Wimdentücken za Terseben. Da jenes nun, wie 
gezeigt ist» im Gegensatze znm Amphiaraosliede in der The- 
bais wahrscheinlich der Fall war, und dies Epos, wie sein 
Yon Athenalos XI 465E überliefertes Fragment beweist, mit 
den Erbstücken des Kadmos operirt«, so ergiebt sich die 
Vermuthung, dass ia tler Thebais Eripbyle von Polyneikes 
durch das göttliche Halsband seiner Ahumutter Ilarmoma 
bestochen wordeii ist. Euripides jedenfalls kannte, wie aus 
fg. 70 hervüigelit, die Version, dass Polyneikes von Theben 
nach Argos iqvoovv oQfior gebracht und Eriphylen gegeben 
hat Und dass dieselbe älter ist als die Tragoedie, also in 
epische Zeit hinan&eicht, beweist Hellanikos.^^) Da nnn 



**) Am Ejpaelcwkitten Paus. III 8. 13; Theognii Findar P. 
in 90, fg. 29—32, Enrip. Phoin. 883, Hellaiiikoi? tehoL B 494^ Benn- 
dorf Yorlegeblätter C. 7. 3. 

") Schol. Phoin. 71 ^'FJ.Xavixoq ^} IßTOQfl xaxa avv&ijxtjv {Tlo- 
Xvrelxrjv) jiaQw/ujQfjaai xijv ßaotkiiav 'EteoxXfi }Jyo)v tttQfaiv avzüi 
riQO^tlvui lov 'Ettoxkia, et ßovXoixo r^v ßaaiXfiar l'xn-y f*fQoq 
Tcüv j^^ij/tidrtav kaßelv xal krigav nokiv oixtiv. xov 6% kaßovxa lov 
Xiiüip« xcd tbv S^fiiW*ÄfffUivlaq dvaxa>Q^<Jai stg "Agyog XQlvawva dvtl 
tcvT€»y ßaaiXeta» mt^ttx^H^*^ ^^^^ OQfMV 'A^Qodltii, thv 

^ÄQ-yeln. Dies ist die einzige Stelle, welche Atukunft darüber giebt, 
wie Polyneikes in den Besitz des oQ^oq kam. Man könnte geneigt 
seiT^ RIO in die Thebais einzusetzen, zumal schon einmal ein Zusam- 
mentreffen des Hellanikos mit diesem Epos constatirt ist. Denn dass 
diese altpii Historiker Epen benntzten, ist eine nothwendige Annahme, 
da die Epeo, nicht die Lokaläagen, die Vorstellung beherrschten und 
SO ihren Yerdonen die Geltang hisUwiicher WahAeit venchalRen, 
wie sich das an der Ilias frOh seigt Es lat auch ?erhftrgte That- 



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IV. Thebais. 



101 



aber Harmonias Halsband eine so hervorragende Rolle spielte, 
so wird OS dcmgomäss in dem Epos gefeiert worden sein, 
welliger wobl durch ScLilderung seines Aussehens, wie der 
Schild Achills, als durcli Erzählung seines göttlichen Ur- 
sprung* s und seiner erlauchten Geschichte, wie das Scopter 
Agamemnons B 100 Ii. Also dürfte die Hochzeit des Kad- 
mos erzählt worden sein.^^) 

Sache: aus ihren geringen Fragmenten lässt sich nachweisen, dass 
Pherekydeg, Hellanikos, Akusilaos nicht selten ebenso wie epische 
Dichter berichten, sie also benutzt haben. Bei lieui Letzten tritt das 
äo stark hervor, dass schou die Alten seiue Abhängigkeit von Hesiod 
bemerkt (Piaton Symp. 178 C, schol. Apoll. Rh. IV 57 etc., schol. Ees. 
Tbeog. 870) und ftasgosprochen haben (Josepbiu contra Apionem I 
e. 8, Arietobnl bei Clemens AI. Strom. VI 752 F., Tgl. von Wilamo- 
vitz Horn. Unters. 347). Da jedoch dorch die Version des Hellaol- 
kos Polyaeikes und Argos ganz ins Unrecht gesetzt werden, Ist es 
nidit gerade wahrscheinlich, dass sie aus der Thebais stamme. 

Vgl. Uscner Altgriechfscher Versbau 54. Im ersten Htasimon 
der Phoinisseu wird des Kadmos Drachenkampf und die Gründung The- 
bens besungen. Der Held erschlägt das üngethüm mit einem Steine 
(661). Ebefiso hat Hellanikos erzählt, während nach Fherekydes ein 

Schwert die Wftü» war (sehoi Fbdn. 662). Die UebereiBStinimnnf des 
Hellanikos und Eoripides in einer bo nebensächUchen Einzelheit be^ 
weist, dass Beide treu derselben Qoelle folgen, die nicht wohl anderswo, 

als in einem Epos gesndit werden kann. Denn Spiros Behauptung (de 
£ur. Phoin. 9), Stesichoros sei Quelle, ist haltlos, da der einzige aus der 
EvQdtTfFln dieses Lyrikers überlieferte Zug (schol Plioin. <i70) mit 
des Euripides Erzählung (667) nicht stimmt. An die Tholiaia zu 
denken, liegt nahe, auf welche dann auch wohl die tyrische Abkunft 
des Kadmos (vgl. frg. 81^ Eurip.) und sein vergebliches iSuchen der 
Europa surflckzofOhren wftre. Ansftthrlich beriehtea daraber Apollo- 
dor in 4. 1, Hyg. fab. 178, Paus. IX 12, schol. Phdn. 638 ans dem 
mythographischen Handbuche. Die Uebereinstimmung mit den im 
scliol. Pholn. 638 übsrliefertsn, übrigens nnhomerischen Versen ist 
schlagend und wird es noch mehr durch Buechelers Emendation Rh. 
Mus. XLYI 190 xarexXi'O-f; .-'r loatc {h' | ») nokig S. ixXfS-tj Ttohq codd.) 
» T. 10. Doch dasB hier alte Ueberlieferung vorliegt, sichert die 



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102 



IV. Thebaiü. 



Über die Fragen, warum Polyneikee naoh Argos ent- 
floh, welches sein Verhältniss zu Vater und Bruder war, ist 

AufscLluss aus deu zwei Fragmenten der Thebais mit den 
Oidipusflüchen zu gewinnen.^') Das Scholien zum Oidipus 
auf Kolouos 1375 hat dies erhalten: 

„m fioi iym xaldeg ^Iv ortiöeiovrtg txBfifpavJ' 
eixTO Jtt ßaüiXfjt xai aXlotq dd-avdtoici. 

Der HypomnematiBt giebt an, was audi wir echliessen mfias- 
ton, dass dies von den Söhnen dem Oidipus übersandte Hüft- 
gelenk ein Theil eines Üpferthieres war. Daraus folgt ohne 
weiteres zweierlei: erstens hat Oidipus nicht selbst geopfert, 
er erfüllt also eine der Pflichten des Lumeriscben Königs 
nicht mehr. Zweitens macht er noch Ansprüche auf kö- 
nigliche Ehren: das Hüftgelenk schleudert er fort als eine 
Schmach, er ist gewohnt, das Ehrenstück, den Rucken, zu er- 
halten. Oidipus ist also nicht mehr König im ganzen ho- 
merischen Sinne des Wortes und wird von seinen Söhnen 



Yergleicliimg mit dem Staaimon der FlioiliisBen und die ErwUmniig 

det sonst unbekannten riekaycDV, des ^Afoptöafjiaq Sobn, der nach Fho- 
kis, Boiotien gehört. Ed. Schwartz (Quaest. Herod. 141) ist zu mei- 
ner Freude etwa zu denselben Resultaten bekommen. Für ein jun- 
ges Epos, wie die Thebais, passen Delphis Orakel (Niese Entwick. 
d. hom. P. 49). Jedenfalls ist es diese opisobe Form der Kftdmos- 
sage, welche den älteren boio tischen Lokal mythos verdrängt hat, 
nicht erst Antimachos TOn Kolophon, der Uberhaupt schwerlich Ein- 
floBS auf die Sage geabt hat. 

*^ Mit Unrecht haben auf Emtathius sn A p. 1684 gestotsk 
CasaobonuB nnd Yalekttiaw den einen der svei Flüclie einem ande- 
ren Gedichte, der Thebais des Antimachos, beigelegt: Welcher Ep. 
C. II 333 n. 26. Er hat die Steigerung der Flüche schön geselgt 

Vgl. Aristoteles Politik TTT 14 p. 12851». 10. 

Welcher U 333: „Zu herrschen fuhr Oidipus fort'' 



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IV. ThebalB. 



108 



nicht mehr als König anwlcannt. Es ist dies der Schluss 
einer ^ngearän Entvickelung, vie das hei Athenaios erhal* 
tene Bmchstüok lehrt Da wird Oidipus von seinen Söh- 
nen^ tJuUJidi von Polyneikes tief gekränkt*^) und er flndit 
ihnen: nie sollen sie in Frieden ihr Erbe theilen, Krieg und 
Kampf sei ihncii immer beschieden. In dem andern i rag- 
mente ist der Fluch viel sclirecklicher: in Brudermord sollen 
sie sterben Einer von des Andorn Hand. Und wie der Fluch 
gesteigert ist, so aucb die Beleidigung: die Übersendung des 
Hüf^knochens statt des Eiirenstückes ist das Zeichen, dass 
Oidipus der Herrschaft entsetzt ist.^^) 

Mit diesen nothwendigen Folgerungen aus den Bruch- 
stücken stimmt überein, was ans der Sage an sich für ein 
homerisches Gedicht geschlossm werden müsste. Es ist hier 
erlaubt» ton der Sage an sioih zu reden: denn der Vater* 
mord ist, so weit wir sehen können, in der Dichtung un- 
trennbar mit Oidipus Terbunden. Durch dies Verbrechen 
ist er mit unsühnharer Schuld behaftet Wie durfite er ein 
Opfer mit seiner sündigen Hand berühren? Scdion seme un- 
reine Gegenwart befleckt die heilige Handlung, befleckt die 
Keinen. Der Mörder ist nacli uraltem Blutreclite der Rache 
der Verwandten verfallen, nur durch Flucht kann er sich 
der Strafe der Menschen entziehen, und er bleibt ein Gräul 
den Göttern, bis er irgendwo Sübnung gefunden hat. Oidi- 
pus hatte den schwersten Mord begangen; doch nach der 
Thehais blieb er in Theben und auf dem Throne. Es konnte 



Welcker II 884 hat diese Beleidigung erklirt: „das Yor- 
setzen der Kleinode, die an den erschlagenen Yater erinnerten {na- 
xQog ff^To Tiin'.Fvia ye(^ konnte Oidipua nickt anders als hdlinenden 
Vorwurf aufnehmen". 

") Wolcker Ep. C. II 33G. Erst er hat das Verstand niss die- 
ser beiden I? ragmente erschloääen und grossartlg Oidipus uud das alte 
Epos (339) duttiktMiairt 



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104 



Niemand wagen, ihn binausEustoflsen. Aber ein ToUer ESnig 
konnte er nicht mehr sein, da er nicht opfern durfte. Das 
thaten für ihn seine Söhne und von diesem Punkte ans nah- 
men sie dem Vater die Herrschaft — docb natürlich, um 
sie selbst zn führen. Das war aber nur möglich, wenn Oidi- 
pus nicht mehr die Macht liatte, Unohrcrbietigkeit und Auf- 
stand zu strafen. Nun ist es wülil begreiflich, dass die 
Mannen und Knechte sich von dem Gottvcrhasston abwandten 
und, wenn sie sich auch nicht thätlich gegen ihn auflehn- 
ten, doch nicht mein* gefügige Werkzeuge in seiner Hand 
waren. Aher hätte Oidipus noch in Toller Heldenkraffc ge- 
standen, er hätte sich wohl Gehorsam zu verschafien ge- 
wuflst» Gehorsam wenigstens und Ehrerbietigkeit von seinen 
Söhnen erzwungen. Demnach haben wur uns Oidipus als 
einen körperlidi gebrochenen Mann yorzustellen und so wer- 
den wir auch Ton dieser Seite zu der Annahme gedrängt, 
die Welcker schon aus den Fragmenten selbst entnommen 
hatte: Oidipus war blind. Ünd das bestätigt die Persiflage 
dieser Thebaisstelle, welche im Scholion zu Oidipus auf Ko- 
lonos 1375 erhalten ist.*^) Oidipus war als Sohn der ver- 
pflichtete Rä<^her des Laios: durch die Blendaug vollzieht 
er sie wenigstens ^^^ymbolisch an sich selbst. 

Schon der Hypomnematist , dem wir jene Verse der 
Thebais verdanken, hat bemerkt, dass Aischylos in den Sie- 
ben V, 769 auf dieselbe Weise die Verfluchung der Söhne be- 
gründe» sie sollten in Kampf das Erbe theilen. Die schon 
nachgewiesene Benutzung der Thebais liegt also auch hier 
zu Tage. Da nun diese Flüche vom Chore unmittelbar mit 
der Selbstblendung des Oidipus verbunden werden, so darf 
darin eine Bestätigung des Schlusses gesehen werden, dass 
diese auch In demselben Epos erzählt war. Weiter aber 



«•) Welcker £p. G. II 333. 337, Schneidewin OidipuBsage 166. 



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IV. Thebais. 



105 



fuhrt die Erkenntniss, dass ancli Enripides in den Phoinissen 

die Stelle jenes Gedichtes benutzt hat. Er lässt nämlich 
den Teiresias 870 flf. von der Blendung des Oidipus und von 
der Sünde seiner Söhne gegen ihn also reden: 

ovTS yctQ yega TcazQl 
875 om* e§o6ov öiöovreg avÖQa &vötvxti 
k^^QUoCav, ix 6* hfpsvo* avrotq aQa$ 
ÖBWas voiSdSp re xal XQoq i^ttftaCfiivoq, 

Ebenso lieisst es im Prolog 60—68, wo auch der Inhalt der 
Müche bezeichnet wird: 

Die Uebereinstimmung mit der Thebais ist offenbar: Oidi- 
pus hat sich nach entdecktem Frevel geblendetj dann von 
seinen Söhnen der schuldigen Ehren beraubti wünscht er 
ihnen Bruderzwist um*B Erbe an. lüthin ist auch die Ge- 
fangensetsong des Alten durch die Sohne aus eben diesem 
Epos entnommen. Denn dass sie ihn der Herrschaft be- 
raubt» ergeben die Thebaisfragmonte; getödtet haben sie ihn 
nicht; also müssen sie ihn durch Gefängniss unschädlich ge- 
macht haben. Und höchst wahrscheinlich hat Oidipus in 
diesem (iedichte den Bruderkampf, die I'.rfulluiig seiner 
Flüchp erlebt. Das ist auch in den Phuimsstn der Fall, in 
des Sophokles Oidipus auf Kolonos sieht er wenigstens den 
offenen Krieg, wenn auch nicht den gegenseitigen Mord; 
aus Aischylos Sieben ist nicht zu erkennen, ob er noch 
lebend gedacht ist. Auch in der Oidiporlie scheint er wie 
sein zweites Weib Euryganeia noch den Tod der Söhne er- 
lebt zu haben. Diese Version ist also verbürgt Seine Aus- 
wanderung nach Attika kommt fiir das Epos natürlidi nicht 
in Betracht.^*) Das alles empfiehlt die Annahme dieser 

lieber das Alter diener Sage v. Wilamowits Kydathea 103 

n. IL 



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106 



IV. Thebaia. 



Sägeufom für die Thebais. Entschoideiid ist, dass allein 
sie einen AbschlusB und freilich einen grossartig tragischen 
Abschluss für das tragischste aller Mensohenloose bietet, 

während er sonst zwisciicu seinen Flüchen und deren Er- 
^iUung unbeachtet und vergessen ini Kerker blerben müsste. **) 
Jetzt erhebt sieh die Hoffnung, für die Thebais noch 
mehr aus den i'hüiuisseu zu gewinnen. Nach dem Prologe 
haben Eteokles und Polyiieikes, nachdem sie gemeinsam die 
Herrschaft an sich gerissen, aus Furcht vor Erfüllung der 
väterlichen Flüche ein Ucbereinkommen getroffen, nach dem 
Herrschaft und Elend jährlich zwischen ihnen wechseln soll; 
Poljneikes als der Jüngere Terlässt zuerst die Hetmath, nach 
Jahresfrist jedodi will der ältere Eteokles den Tbron nic&t 
aulgeben und stosst den Bruder wieder lunans» der nun Az^ 
gos aufbietet. Durch diese 'Wendung wird 'Dieben durch- 
aus in Unredit gesetzt Und das mag auch wohl in der 
Thebais goscheheii sein: dafür spricht die Aufforderung an 
die Muse, Argos zu besingen, und die Tbatsache, dass dies 
Epos den Sieg der Epigonen über Theben gefeiert hat, und 
doch nicht die gerechte Sache unterliegen lassen konnte. 
Aber dagegen erheben sich schwere Bedenken. Die wahr- 
lich belesenen alten Erklärer der Phoinissen haben keinen 
älteren Beleg für diese Sage gekannt. Ihre Verlegeoheit 

**) Rilievi delle urne Etrnache TT 1 tav. 17 ff. ist der alte Oicli> 
puB zwiBchea den sterbenden Söliucu dargestellt. Körte ti. b2 glaubt, 
di^ Venlon sei ans den PbdiibBan dnreh Uebertragung entstaa- 
pen. Sollte TieUeieht echte TTeberliefenmg eines Tendudleaen Ssgea* 
znges Torliegen? Vgl die kämpfenden BrOder, zwiaehen die der Blits 
f&hrt tav. 15 f. S. 43 ff., den Krieger (Tydeus nach E(frte), welcher ein 
Menschcnhaupt in die Mauern Thebens schleadert tav. 21 f. S. 60 ff. 
Hat sich doch auf einer solchen Aschenkiste tav. 8a S. 25 die alte 
lind seltene Sa^'o von der l^'rmordung Ismeuena durch Tydeiis erhal- 
ten Die Mögiiciikeii, dass hier ein Zug der Thebais erhalten ist, 
scheüit somit Torhanden. 



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IV. ThebaiB. 



107 



zeigt deatlieh das Scholion zu Vers 77; ^ wird schliesslich 

der Ausweg gewählt, Euripides habe zwei Versionen ver- 
mischt: diü Vertreibung das Polyucikes habe er aus Phere- 
kydes, den Theilungsgedanken aus Hellanikos entiiummeü.'^'') 
Femer ist nicht abzusehen, wie Polyuüikes auf diese Weise 
in den Bphüz des Halsbandes der Ilarmonia gekommen 
sein könne, mit dem er in der Thebais Eriphylen be- 
sticht Endlich darf wohl daraus, dass in dem einen The- 
bauB&agmente Polyneikes es ist, der den Vater durch das 
Vorsetzen von Kadmos Tisch und Becher thäÜich beleidigt» 
auf die Erstgeburt dieses Bruders geschlossoii werden,^*) zu- 
null da er andi im kolondschen Oidipus als der altere aus* 
drucklidi genannt wird (375, 1294). Dies fällt um so mehr 
- in*s Gewicht» als Sophokles den Hintergrund dieser Tragoe- 
die nach der Thebais gezeichnet hat Denn beide Sohne 
haben im Streben nach dem Throne gemeinsam den Vater 
misshandelt (442, 448), besonders Polyneikes hat sich lieb- 
los gegen ihn gezei,i:::t 1355 0'.); OiJipus hat ihnen geflucht 
(1299) und Brudermord (1375, 1387) gewünscht. So könnte 
es fiir wahrscheinlich gelten, dass auch die Vertreibung des 
Polyneikes in dieser Tragoedie nach jenem Epos berichtet 
sei; Eteokles beraubt den Bruder, der als älterer auf den 
Thron gestiegen war, der Herrschaft, wie es scheint, durch 
Vcrrath und treibt ihn aus der Heimath (375, 1295).*') 
Auch diese Version würde Polyneikes und Argos in's Recht 

Vgl. Rabbow im Genethliacon üottingense lü4. 
*«) Aüders Welcker Ep. C. II 341. Woriier (Comm. phil. in 
hon. Bibbeckii 514) meint, erst Euripides habe das Yerhältniss der 
Brttder omgekelirt und Polyneikes als den üiuchiildigen dargestellt; 
ihm sei Antimaehoa, diesem Statii» gi^lgt; die Vennlaasimg in die- 
ser üngestaltong Imbe die Anntiierong Athens an Arges gegeben. 
Aber schon der Dichter der Thebais nimmt ja doch filr Arges gegen 
Theben Partei. 

*'') Dieselbe Version befolgt wohl Pherekydes im achol. Phoio. 71. 



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108 



ly. ThebaiB. 



Mtsen» wie das itir die Thebais za erwarten ist Doch 
madit hier bedenklich weniger das Schweigen über die Art, 
wie Polyneikee sich das Halsband der Harmonia angeeignet 

habe — er köniitOj als er den Thron verlorüii sah, einige 
Kleinode zusammengerafTt haben — als der Umstand, dass 
hier eine Thcilung des Erbet» zwischen den Brüdern ausge- 
schlossen scheint, während der erstu Oidipusfluch der The- 
bais gerade auf solche deutlich hinweist. 

80 müssen dio Fragen offen bleiben» auf welche Weise 
Polynoikes nach der Thebais vertrieben wurde und wie er 
in den Besitz des Halsbandes kam. 



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y. Die Epigonen. 



Die Prüfung der litterarischen Tradition über das Epos 
Thebais hat gelehrt, dass es mit dem Zuge der Sieben den 
siegreichen Rachekrieg ihrer Söhne eng verbunden hat, und 
dass dieser Theil des Gedichtes neben dem Rllgemeinen Ti- 
tel auch den besonderen ^Jilyovoi getragen. Die Analyse 
der mythographischen Ueberlieferung hat für die Thehais 
eine Sagenform ergeben, welche die Rache für Amphiaraos 
an £riphylen fordert und durch die Rettung des Adrastos 
ans der allgememen Niederlage auf eine Fortsetsong deutet; 
diese kann nur im Epigonenznge, jene nur im Mnttermorde 
Alkmeons gmcht werden. So wird uns Yon beiden Seiten 
dieselbe Erkenntnias anlgeswnngen. Bei der Untersndmng 
dieses Sagenkreises müssen wir uns aber von Tomherein da- 
rauf gefasst machen, noch einem anderen Epos zu begegnen, 
der jlXxfiEWpig, welches, wie aus seineiu Titel zu schliessen, 
die Schicksale des Alkmeon, also doch wohl auch seinen 
Muttermord und seine Thaten bei der Eroberung Thebens 
besungen hat 

Die Tradition über die Epigonen und Alkmeon ist nicht 
reichlich. Einzig Apollodor giebt eine fortlaufende Erzäh- 
lang; dazu treten Diodor, Pausanias und vereinzelte werth- 
▼olle Zeugnisse bei Herodot, Ephoros, Thukydides, den Tra- 
gikern und Scholiasten. Dodi trotz des geringen Materiales 
zeigen sieh Widersprüche und Dubletten. So muss geson- 



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110 



y. Die Epigonen. 



dert werden, und da stellt sich heraus, dass die wirre Masse 
nach zwei Seiten auseinandergeht, von einer dritten Fassung 
der ganzen Sage sicli aber keine Spur findet lob stelle die 
Thatsachen ein&ch nebeneinander. 

1) Nach ApoUodor III 7. 2. 1 und Diodor IV 66. 1 wird 
Älkmeon von den Epigonen zum Feldberm anf Apollons Be- 
fehl erkoren, der ihnen unter seiner Führong Sieg verbeisst 
Dem entsprechend wird er auch als erster in der Liste der 
Epigonen bei Apollodor III 7. 2. 3 aufgeführt. 

Ganz anders lautet die Verkündigung der Athena in des 
Euripides Schutzflehenden: Aip^iahms an seines Vators Adra- 
stob Statt wird die Epigonen lühreu und Theben bezwingen. 
Und in der That wird in der zweiten erhaltenen Epigonen- 
aufzählung im Sdaolion A 404 Aigialeus an erster Stelle 
genannt. 

2) Die beiden genannten Epigoneniisten sind die ein- 
zigen, mit welchen zu rechnen ist Denn die Beibe, welche 
Fausanias X 10. 4 nadi ihren delpbisdien Statuen *) giebt» 
ist identisdi mit den Kamen bei ApoUodor.^) Dagegen dfir- 



') Dieselbe Version scheint Pindar P. Vlll 4Ü fl". vorauszn«etzen 
Boeckh Pindar JI 2. 313, Welckor Ep. C. II 381 haben das Epos 
'Emyovoi als Quelle vermuthet. £a wird sich Immischs Ansicht (Kla- 
«M 178, XYII Supplemenib. d. Jahib. f. kl. PhiL 1888) als richtig 
hecmsstellen, dsss die Alkmeoiils m Gnmde liegt 

*) Gegen Bnumt Datfanrng (4. Jalirhimdert) hat sieh Robert 
HermoB XXV 412 gewandt, dar die Schlaclit bei Obioe und die fftr 
doi Sieg geweihten Kunstwerke um 400 setzt. 

') Dagegen weiss ich mit den Statuen ihrer Väter in Delphi 
(Paus. X 10. 4) nichts anzu!ai!gen. Es ist die Liste der Thebaia zu 
Grunde gelegt; auch AdraHtus bat seine Statue. Dagegen ist statt 
Parthenopaios 'Aki{^t^at/q (vgl. Robert Hermes XXV il2 ii. 2) go- 
naoni — üebrigenB stimmen die nach Pansanias zugehörigen Epigo- 
nemlattten gar sieht m diesen. Denn unter ihnen finden lieh nicht 
Sehne dm^MotcXüs, *Innofdim und andrefielti sind dee 



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V. Die Eptgonen. 



III 



fen, glaube ich, die Epigonenstatuen in Argos bei Pansanias 
II 20. 5 nicht zur Reconstruktion von Epen Terwendet wer- 
den. Sie zeigen nämlich beide Epigonenlisten vereinigt big 
auf Medon des £teoklo8 Sohn und noch dazu die Brüder 
des Thersandros, Alastor und Timeas.^) Dies spreche idi 
so zuversichtlich aus^ weil die Gegenstücke^ die Statuen ihrer 
Vater, wie Pausanias, ohne ihre Namen zu nenneD» bezeugt» 
die Zahl sieben überschritten» also auch wohl äunmtliche in 
den yerscfaiedenen Sagenformen unter den Sieben genannten 
Helden darstellten. Da nun Pausanias meinte, die Argiver 
liiübsteii doch am besten ihre eigene Geschichte kennen, so 
hielt er diese Rciho für die richtige und verstieg sich zu der 
gewagten Behauptung, erst Aiscbylos habe die Siebenzahl 
aufgebracht. — Nur auf Hygins Fabel 71 könnte mau den 
Versuch, eine dritte Liste nachzuweisen, gründen, oder viel- 
mehr nur auf einen Namen derselben. Denn Ton den sechs 
im Frisingensis, resp. fragmentum Niebuhrianum erhaltenen 
Epigonen stimmen fünf mit dem Scholien A 404, für welche 
Hippomedons Sohn Poiydoros den Auaschlag giebt» aber statt 
des dort Stratolaos genannten Sohnes des Parthenopaios er- 
scheint hier Tlesimenes.*) Aber dieser Name^ der übrigens 
in Niebuhrs Palimpsest fehlt, wird aus einer Variante der 
Vorlage stammen und hat wohl ursprüugltch nichts mit den 
Epigonen zu thun. Das einzige» was wir Yon ihm wissen» 
giebt Pausanias III 12. 9: er ist der Vater eines in Lake- 



ÜQOiiaxoq und EvQvaloq Viter HryjfffvoTiaTog und MrjxiaTStfg nicht 
unter jenen. p]s ist keineswegs sicher, dass diese zwei Statuenreihen, 
die verschiedene Sagenformen vertreten, einem und demselben Weih- 
geschenke angehörten: Eobert a. a. 0. 

*) 'AXdotoiQ oder "AXaaxoq ist l&r dii'M FSaBudis ttWUefsrte 
il4^<N»o( IQ ichrdben: Schol. Findar. 0. II 76. 

■) So bat flchou richtig Jseobi Handwörterbuch der grfecb. n. 
rOm. Myth. fOr TheBimMies aus Fansaiiits III 1% 9 mbenert 



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112 



y. Die £pigoiioil. 



daimon verehrten Arkaders Auloii, snlbst Bruder oder Sohn 
des Parthenopaios. Der Verfasser des mythologischen Com- 
peudiums wird, da mehrere Namen mit dem Patronymikon 
ÜaQd-svojcalov umliefen, hei Gelegenheit der Epigonen diese 
notirt haben. ^) Es kann also nicht gefolgert werden, dasB 
Tleaimenes wirklich in irgend einer Sage ak Theilnehmer 
am Epigonenznge genannt war. 

Somit bleiben die listen bei Apollodor und im Sobo- 
lion J 404. Von diesen setzt die erstore die Liste der Sie- 
ben Yoraos» welche für das Amphiaraoslied aufgestellt wurde» 
indem aus dieser jeder Vater einen Sohn in jener findet und 
umgekehrt. 



In dieser Tbatsache liegt einerseits ein gewichtiger Be- 
weis für die Richtigkeit der Combinationen über jenes alte 
Epos, andererseits die Versicherung, dass diese Sagenform 
des Epigoneuzuges in Beziehung zu demselben gestanden hat 



Ganz analog nennt Diodor IV 65. 4, der aus dem mytholo- 
gischen Ilandbiicbe hier schöpft, bei Erwäbnuni^ des Parthenopaios 
Atalante Tochter des '^yoirn q, was sie in diesem SagenitreiBe nie 
gewesen ist, wo sie vielmehr den lasoä zum Vater hat. Der Ver- 
faner des Oompendiant hatte also offeabar zu ^Axakavxm iTiq 
*Iiaov notirt xax* iiUjovq «fl roS ^oiviiaq ohne Bttckiidit daraitf, 
dass sin Enkel des ISclioineiiB nie unter den Sieben genannt irird. 

^) Dass beide Söhne nach dieser Version TheU «ahniMi^ beaengt 
auch Findar P. VIXI vgl. Immiscb 173. 




MyicUBVQ 



^AÖQciötov 
Tvöecoq 



IJaQd-BvojteUüV 
Kaxaviwq 

Ihpuatifoq. 



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y. IMe üpigonen. 



113 



Dagegen erfordert die Epigonenreihe im SdioHon A 404 
diejenigen als ihre Vater, welche Aischylos, Sophokles, 
Enripides nach der Thebais als Helden des ersten Zuges 
nennen. 

AlytaXsvg *4ÖQdöTov (Aischylos 50) 
6>f'()o«j'()^o§ IloXvveixovii ( „ 615) 
/jiof/f}(h]q Tvöhcoc ( „ 360) 

2^d-ivtXoq Kcmavtmq ( „ 405) 
*AXx(i^mv 1 , , , 

'AiifpUoxo^] ^^^^'«^«^ ( " ^öl) 
SrQaroXaoq IIoQd-ei'OJcalov ( „ 510) 
noXvöa}Qog ^Ijtjtofieöoptag ( „ 469) 
Miöaw 'EtboxIqv ( » 440) 

3) Dass Aigialeus föUty steht allgemein fest üeber das 
Sohioksal des Laodamas aber, des Königs von Theben, ist 
die Ueberlieferong wieder eine doppelte. Nach Apollodor 
in 7. 3. 1 fallt er Ton der Hand des Alkmeon, des feind- 
lidien Heerführers.^) 

Die andere Sage aber lasst Laodamas überleben und 
ihn mit einem Theile der Thebaner auswandern. So Pau- 
sanias IX 5. 13: 8. 6; 9. 4. Durch Herodots gleichlautende 
Notiz V 61 wird sie in's lünlte Jahrhundert hinaufgerückt, 
und es wird so wahrscheinlich, dass sie aus einem Epos 
stamme. Zu demselben Schlüsse führt der Umstand, dass 
Hellanikos im Scholien zu Piudar P. VIII 68 als Schlachtort 
Gilsas nennt ebenso wie Pausanias an jenen drei Stellen, 
während in der andern Version kein Ort angegeben wird.') 

*) Auch Schol. J 404 en&hlt seinen Tod: es vermiBcht also 
beide Versionen der Sage. 

Dagegen sclieint bei Pausanias IX 19. 2 eine Vcrtuischung 
stattgefunden zu haben, wo er bei Glisas das Grab des Aigialeus und 
anderer Argiver z. B. des /7^o/^axt>g, des Parthenopaiosäohnes, er- 
vtimt. INle Contaminition ist lieher, sofsm FIndur F. Vm GS nadi 
B«the, H«ld«nU«d«r. 8 



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114 



4) Auch die Auswanderung der geschlagenen Thebaner ist 
Thatsache in der Sagengeschichte, aber über Führung und 
Ziel geht die Tradition wieder nach zwei Seiten auseinander 
und 80 liegt ne bis auf einen Punkt Tollig getrennt vor. 
Bei Apollodor und Diodor*^) wird berichtet, daas die The- 
baner nach der Schlacht auf des Teiresias Rath heimlich 
bei Nacht ihre Stadt yerliesseo nnd westwärts zur Quelle 
Tilpbossa zogen; dort starb der Seher nach einem Tranke 
von ihrem sagenheiligen Wasser; sie selbst aber wanderten 
weiter nach Thessalien und siedelten sich in der Hestiaiotis 
an.*^) Herodot I 56 weiss, dass in eben diese Landschaft 
einst die Kadmoer eingedrungen sind und die dort ansässi- 
gen Dorer vertrieben haben. Diese Notiz macht erst den 
Schluss der mit Apollodor sonst so TÖllig übereinstimmen- 
den Erzählung Diodors^^) ycrständlich und es zeigt sich» 
dass sie nichts anderes aussagt als jener. Nach Erwähnung 
des Begräbnisees des Teiresias am Tilphossaion föhrt er lY 
67 fort: avrol 4^ (o2 Ka^/ielot) utravaifStavtBq ht x6- 
XE€ag ixl JmQietq küroarevaap xal fidjuQ vm^Havtsg ravg 



dem Epos den Aigialeus allein von allen Epitronci; ninkornnien lässt. 
Diese CüiifuRion iHt leicht daraus erklariicii, ila-s dir jieri hegetische 
Quelle das Crrab der i^Ipigoiien bei Gilsas angab und auu anderer uiy- 
tbographiscber Tradition Namen der gefallenen Epigonen genommen 
wurden. — Uebrtgem will icli nicht die MOglichlnit leugnen, dan 
aaeh nach der andein Venion der Sage bei OKaas geUmpft wurde, 
nnr ist das nicht naclisaweiaen. 

»•) Vgl. Genethllacon Gottülgense 50. Welcker Ep. C. II 384. 
.,S('hr alterthümliche" Befestigungen auf dem Tilphoaaion: Boas Kö- 
nigsreiseu I 31, Lolling Baedekers Griechenl^ lOH. 

*') Dass so 7n verstehen, nicht au die Gründung Hestiaias an 
der Nordküäte Eubuia« zu denken sei, lehrt die Paralleltradition. 
Diese Stadt hat keinen Zusammenhang mit den Kadmeem. 

Was er Aber Dapline giebt, hat er ans aadflrer Quelle in- 
terpolirt: s. Maass de Sibyllinim indidbns 8 n. 4. 



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y. Die Epigonen. 



116 



hfXfOQlavq heelvovg (ihp k^ißaXov ix twv xazQiöcov, avrol 
6' M tivag ;(()oi^ov$ xarotXTjoapveg ot filv Iv avry 7uet4^ 
(iBiP€tP, ot 6' hfix»ijl9'0P Big rag ßijßag E^iwroq roiJ 
voüämq ßoKfilBi^otneog, Die Rückkehr ans ThesBalien nach 
Theben erzählt audi Pausanias IX 8. 6, um den Namen der 
xvXm *OftoXiMeg zu erklären.^*) Biese Rückwanderang ist 
also wohl echte Ueberliefemng. Wie aber Kreon zom Kö- 
nige des eroberten Thebens geworden sein soll, was Diodor 
aussagt, ist nicht abzusehen: er niuss geirrt haben. Um 
Thersandros, dem Erben des Polyneikes, das ihm gebührende 
Reich zu orkämpfen, waren die Epigonen ausgezogen. Dass 
dieser das eroberte Erl^p auch antritt, ist doch eigentlich 
sclbstYerständlicb: so wird die Angabe des Pausanias als die 
richtige zu betrachten sein. 

Nach der anderen Sage hat sich König Laodamas, des 
Eteokles Sohn, mit den Thebanem, so viele ihm folgen woll- 
ten, in das Land gewandt, wohin sein Ahnherr Kadmos mit 
seber Gattin Harmonia am Lebensahend durch Götterschlnss 
versetst worden war, um nach s^ensreicher Herrschaft über 
die dortigen Völker mit ihr in Schlangen Yerwandelt in's 
Eäysittm einzugehen; zu den finoheleis in Illyrien. So erzählt 
Pausanias IX 5. 13,**) so auch Herodot V 61 in seinem Ex- 
curae über Phüinikische Schrift.*""') Auch mit diesem Zweige 

**} T. Wilamowite Heimes XXVI S88. Pansaoies gleicht bier 
die beiden getrennten Tmionen der Sb|^ ans, Indem er einen TheU 
der geBohlagenen Thebaner wa den lUyrieni, dnen andeni nacb Tlies- 
ealien wandern läset 

Offenbar unabhängig von Herodot V 61, vielmehr aus der- 
selben Quelle wie die ganze Sagengeschi ob te, die hier giebt. Auch 
nennt er nicht wie dieser '^y^fAff?, sondern Illyrier. 

Es ist absohlt kein Grand vorhanden, diese Notiz mit der 
in ganz anderem Zuäamiuunhaage, nämlich der Wandcruugügcschichte 
der DotieTp tkelieiiden Angabe HeroAUi I 66, die Eadmeer seien in 
die Hestiaiotie gewandert, mit Gewalt in Pebereinstfmmimg bringwi 



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116 



y. Die Epigonen. 



der Ueberliefcruug ht die Angabe verbuadeu, dass die Epi- 
gonen das eroberte Theben dem Thersandros aU Sohn und 
£rben des Polyneikcs übergeben.*^) 

Die doppelte Ueberliefening liegt Tor Aller Avgen. Baas 
sie aber wirUidi nur aus swei Quellen stammt und nicht 
etwa diese Dubletten aus einer grösseren Zahl von Sagen- 
formen sidi zufällig erhalten haben, irohrend die anderen 
ohne Spur zu Grunde gegangen sind, das wird zur vollen 
Sicherheit durch den Versuch erhoben, die zwei Reihen der 
Tiadilioa in sich zu verbinden: die Brocken schliessen sich 
zu zwei abgerundeten und zusammenhängenden Geschichten 
zusammon. 

Alkmcon wird auf Apollons Gehciss von den Epigonen 
zum Führer ihres Zuges gegen Theben bestellt: so nimmt er 
die erste Stelle in ihrer Liste bei Apollodor ein. Er er- 
schlägt in der Schlaclit den König der Feinde, des Eteoklee 
Sohn Laodamas» der den Aigialeus erlegt hatte. Die fuhrer- 
losen Thebaner wenden sieh an den greisen Teiresias und 
auf seinen Rath und unter seiner Leitung tauachen sie die 
Argiver, yerlassen ihre Vaterstadt und entkommen zur Quelle 
Tilphoasa. Dort stirbt der Seher. Sie begraben ihn und 
wandern weiter nach Thessalien, wo sie die Hestiaiotis be- 
siedeln. Doch später kehrt ein Tlieil zurück, um unter Ther- 
sandros Scepter, dem die siegreichen Epigonen das eroberte 
Keich übergeben haben, wieder in Theben zu wohnen. 



Zü wollen, wie das Stein thui Die Annahme, auf welcher dies Ver- 
fahren beruht, Ilerodot müsse beide Male dieselbe Quelle benutst 
haben, ist unberechtigt. Es ^znh und giebt 2 Versionen dieser Sage, 
die bis auf Paus. IX 8. 6, der sie allein einmal contaminirt, völlig 
getrennt vorliegen. Beide hat Herodot benutzt. 

Fausanias IX 5. 14. Dass Pindar 0. II 41 dasselbe andeute, 
kwui xddit m ohne Weiteres gesagt werden, wie das Inmdscb 178 
that 



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y. Die Epigonm. 



117 



Alkmeon ist der Held dieser Sage: vor ihm Teisohwm- 
deii fast die Andern. Sie ist älter als Herodot Doch kann 
sie nidit bocli liinanfgeschoben werden, denn sie benutzt das 
delphisclie Orakel. Femer setzen ihre Epigonennamen die 
LiBte der Sieben vorans, welche das Amphiaraoslied gab. 
Zn diesem Epos kann sie nicht gehören, da sie offenbar we- 
sentlich jünger ist; also schloss sie sich an dasselbe gleich- 
sam als Fortsetzung an; denn die vuii diesem erzählten 
Handlungen wird sie doch nickt wiederholt haben. Nun ist 
das Epos Alkmeonis, wie von Wilamowitz bewiesen hat, ^'^) 
erst irm 600 entstanden und hat die Thaten dieses Helden 
gefeiert, also zunächst den Epigonenkrieg. EjB ergiebt sich 
der Schluss: die zusammengestellte Sagenform ist der erste 
Theü der Alkmeonis. 

Die zweite Beihe der Dubletten ergiebt diesen Zusam- 
menhang: An des alten Adrastos Statt fuhrt sein Sohn 
AigialeuB den Rachezug gegen Theben. Die Epigonenliste 
im Sdiolion A 404 weist ihm den ersten Platz zu. Bei Gil- 
sas werden die Thebaner geschlagen, aber Aigialeus fällt. 
König Laodamas giebt die Stadt verloren und mit den The- 
banern, so viel ihm folgen wollen, zieht er seinem Ahnherrn 
Kadmos nach zu den von diesem einst zu Glück und Macht 
gebrachten Encheleis in ülyrien. Thersandros aber beherrscht 
das eroberte Theben. 

Die Epigonenlisto dieser Sage schliesst sich an die Na- 
men der Sieben, welche für die Thebais vermuthet werden 
durften; Jeder dieser Epigonen findet unter ihnen seinen 
Vater. Folglich gehört sie mit ihrem Sagenkreise dem Dop- 
pelepos Thebais-Epigonoi an. Dieser Schluss erhält eme ge- 
wisse Bestätigung dadurch, dass in den Sohutzflehenden, für 
welche Enripides dies Gedicht benutzt hat, Athena den sieg- 



") Homer. Unters. 73 n. 2, n. 13. Vgl. immisck Klarüs 187. 



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118 



7« IM9 SpIg^RIAII* 



reichen Kachezag der Söhne der Sieben unter Führung des 
Aigialeos voraussagt mit deutlichem . Hinweise auf diese £pi- 
gonenliste. Mithin haben wir die Fortsetzung des grossen 
thebsaiscben Epos gewonnen. Diese Erkenntniss fuhrt zu 
einer Erweiterung und Bestätigung zugleich. In jenem Ge- 
dichte war wahrscheinlich die Hochzeit des Kadmoe und 
der Harmonia erzählt In diesem Zweige der Epigonensage 
führt der letzte Nachkomme des Kadmos die Thebaner zu 
den Encheleis. Zu demselben V'olke soll auch Kadmos als 
Greis gekommen sein und es noch glücklich beherrscht haben. 
Das älteste Zeugniss für dies Märchen ist der Epilog in 
Euripides Btikchen; aber es ist klar, dass es hier nicht zum 
ersten Male auftritt. Da dasselbe nun die nothweudig er- 
forderte Verbindung zwischen Theben und den Endieleifi 
giebt, so könnte es aus ehen jenem Epos stammen. 

Aber noch steht die Dublette zum Teiresiastode der 
Alkmeonis ans. Sie gewährt fröhliche Bestätigung der lan- 
gen und nicht immer sichern Comhinationen und glück- 
Hchste Lösung vielumsorgter Schwierigkeiten. Pausanias er- 
zählt an zwei Stellen YII 3. 1 und IX 33. 1 folgendes: Die 
Epigonen fahrten nach der Einnahme Thebens aus der Beute 
den Tefresias und seine Tochter Manto dem Apolion als 
Weihegaben nach Delphi. Auf dem Wege starb der Seher 
nach einem Trünke aus der Quelle Tilphossa und sie beer- 
digten ihn dort. Aber Manto empfing der Gott; doch er 
behielt sie nicht, sondern sandte sie nach Asien. Sie ge- 
langte nach Kolophon. Der dort herrschende Kreter Rha- 
kios heirathete sie und zeugte mit ihr den Mopsos. Sie 
selbst aber gründete ein Orakel in Klaros. 

Diese Sage schliesst sich ¥on selbst an die jetzt Ter- 



'«) Apollodor in 7. 8. 2 ff. and Diodor 17 66. 5, $7. 1 oonta- 
miniren beide Versionen. 



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V. Die Epigoii«!!. 119 

folgte Form der Epigonengeschicbte, welche sie als nothwen- 
dige Ergänzung fordert. Denn stets betont die Ueberlie- 
ferung dieser Version, dass nur ein Tbeil der Tbebaner 
mit Laodamas zu den Encheleia zog» und giebt an, die Ueb- 
rigen seien zoriidcgeblieben und in die Hände der Sieger 
gefiftUen. Ueber das Schicksal dieser erwarten vir» aufge- 
klärt zu werden und in völlig befriedigender Weise giebt 
diese Aufldirung die eben mitgetbeilte Sage von Teiresias 
und Manto. 

Genau tlassolbe von Mauto erzählt Theon*®) zu Apollo- 
niüs Rhodios I 308, und hier ist glücklicher Weise die 
Quellenangabe erhalten: ol 6t tt^p ßt/fialda yeyQa^ozeq 
q)aciv ort ijro zcov 'Emyopcov dxQod'lrwv ovete^t] Mavrm 
rj TsiQsalov dvydrfjQ eig AeX^ovq Jit(i(pd^tlöa xal xaxd 
XQijöfiov *Ax6X3lmPoq k§ßQX'^f^^ xsQidxsCs ^Paxlcp rS Aißr^ 
TOS MinapfoUp ro yivo^' xal ytjfiafiivtf avtS {tovto 
fOQ mgul^ to Xoyiov, yafiBtad-at <p av (twavrrjcy) kX- 
0<>ikfa ds KoXaq^a tuxX ixet dvad-vfi^ilaaa ködx^wfB 6ia 

Pausanias IX 5. 13: Aaoddfiag avv totg i&tlovaiv ?tc€- 
afhccf 8?jßc(Ut)v . . . aTteytoQTjOsv ^D.Xvptovq — IX 8. 6: toze hfiov 
Aaoöäßttvti TU) 'Exfoxkeovg vnt^iaaiv ol noXXol. — IX 9. 4: ToTv 
6h ßrjßalcüv ol fihv crhlxcc wg Tjmj^Tjaav , hfiov Attoöa(i(xvxi ixdiä^a- 
axovaiv, ol 6h vnoXenpQ^kvxsq nokioQxia naptatTjoav. Dem entspricht 
die Eroberung Thebens durch die Epigonen oad Beate und Menge 
der Enegsge&ngenen: Paus. YII 3. 1, IX 83. 1. 

*^ 8. meine Qnaeit. Diod. mjtitogr. 92. Dorcli den Nacbwels, 
dass dies Thebaisfragment wirklich zur Thebsis gehört haben kann 
und muBS, fallen die wenig glücklichen Yersnche, dies unbequeme 
Zeugniss zu verdächtigen: Welcker Ep. C. I 194 jtdüoh auch II 
382) nsw. Immisch Klaroa 141 n. 1. Dieser entdeckt 146 im schol. 
Apolln. Eh. 1 308 „die Version des Xenophanes", um wenige Seiten da- 
raui 170 „die so oft mit Unrecht den Epigonen zugeschriebene xrlatq 
KoXo^vos durch die delphische Hierodule Manto" — also eben daa- 
selbe die Tbebais anadraeküch citireade ApoUoiiioseobolion I 
306 — ia die Melaapodie au verweiaea! 



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120 



Y. Die Epigonen. 



TTjv Tfjq jrazQldoQ JtoQ&rjönK diojitQ ojvounaf^tj KXagoq vjto 
Tför daxQvmv.*^) Die Identität dieser Sage mit der von 
Pausiuiias erzablt*>rt hat Niemand je geläuguet und wird man 
niemals längnen iiüunou; schon längst sind beide zusammen- 
gestellt. Sie ist also ein Theil des Epos, dessen Inhalt zu- 
Bammengesctzt ist Hier ist sein Titel überhefert ßtjßixlg: 
es ist dasselbe, welchem die erste Hälfte dieses Zusammen- 
haiiges cugesprochen werden musste. Damit ist eine gewich- 
tige BestStigung der mythographischen Untersuchung gewon- 
nen und es zeigt sich, dass sie dasselbe Resultat ergeben 

Das Weinen der Manto wird vielleicht auch aus der The- 
bais stammen ; denn gerade auf das Weinen kam es dem Etymologen, 
au, der Kld(to^ von /M.diyai ableitete, und, um zu beweisen, dass in 
der Geschichte von Klaros das AVoinen von Bedeutung war, das Epos 
citirtei. Wohl nach der Cultsagc war der Quell, der die klarischen. 
Wshresger hegeisterte» ans den Thrftnen der Manto entstanden: sehol. 
Apdln. Bh. I 306; B. die von Portz Colophoniaca (Güttingen 1848) 
63 f. gewaimelteii SSengnisse. Genethliacon GottuigeaBe 171 habe ich 
das Schoi Apolln. Rh. I 308 entwirrt und die Parallelstellen aus 
ThcoDs Commentaren zu Nikander Alexiph. 11 und Ther. 958 ver- 
bessert. Dagegen Immisch Klaros 137. Seine Annahme einer Lücko 
vor Alexiph. 11 (var. lect.) ist unbewiesen. In diese L u ke die imScho- 
lion erwähnte Manto zu stecken ist methodisch falsch. Dcuu dies ist nicht 
der „dürftige llcät gelehrter liemerkungeu zu dem vollständigeu Texte", 
Bondom giebt genaa «ie seh<riL Ther. 968 und schoL ApoUn. Bh. 1 308 
drei Etymologien für Klaros und fitr eine derselben (XAcc^tos» %ti ixel 
MxXavoev ^ Mavtm) ist Haute erwihnt, die also za der Etymologie 
und nicht zum Nikandertezte gehört An allen drei Stelleu hat Theon 
aach den Mann derselben genannt, dessen Name "^Piaxioq feststeht» 
aber in den beiden Nikanderscholion unter den Formen (ista Zto- 
y(>«('or (= zov Iktxiov) und air Bay/idihi i^(f( i^'^Pnylv) ^tu) auftritt. 
Daraus macht I. einen ,.Bakchiaden ZograiOh ', den es sonst nicht 
giebt. Solange dieser Name nicht nachgewiesen und sicher gezeigt 
wird, dass der Mann dw Kaato je anders hless als Bhakios, fordert 
die Methode, dass wir in den drei Stellen, an denen dieselbe Gelehrt 
samkeit Theoni vorliegt, Bhakios herstellen, samal dies nicht schwere 
Aendemngen fordert. 



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I 



y. Die Epfgonon. 121 

hat wie die Analyse der litterarischen Ueberlieferung über 
das Epos Thebais-fipigonoi. Was diese Sotdexie, eine Daiv 
Btellaog des Epigonenzuges in engstem Anschlüsse an den 
Krieg der Sieben, hat jene von selbst ergeben; denn sie ist 
ohne Büfiksieht auf die littenurische Tradition und sogar vor 
genauer Prüfung derselben geführt worden. Eine durch Anf- 
dröselung des wirren Gewebes der Epigonensage blossgelcgte 
Form wurde schon am Kataloge der Kämpfer als Fortsetzung 
der Thebais erkanut; als Inhalt der Thebais wird ausdrück- 
lich ihr letztes und nothwendiges Stück in den bestüber- 
lieterten Scholien von einem zuYerlaösigen Gelehrten aus der 
Zeit fies Augustus bezeugt. 

Erst als ioh diese urkundliche Bestätigung fand, erhielt 
ich das Vertrauen, richtig oomhinirt und richtig geschlossen 
zu haben. Ich muss gestehen — und gestehe es gern — , 
dass ich zu dieser Erkenntniss erst genau an demselben 
Punkte der Untersuchung gekommen bin, an dem ich sie 
YorgelQgt, und genau auf demselben Wege, wie ich den Leser 
geführt habe, nachdem ich diesen Saehyerhalt zwar geahnt, 
sobald sich mir die Ueberlieferung der Sage vom Zuge der 
Sieben als eine doppelte erwiesen hatte, die Lösung der 
Schwierigkeiten aber, welche da^ Apolloniosscholion bietet, 
lange auf die eine oder andere gewaltsame Weise versucht 
hatte. 

Die Untersucbungen haben einen weiten Stoff für die 
Thebais ergeben, an zwei Stellen sogar Erzählungen aus 
der Kadmossage wahrscheinlich gemacht; so könnte er wohl 
zu w^t erscheinen. Aber dass die behandelte Sagenmasse 
eine grosse war, ist uns im Porphyrioscholion zu Horazens 
A. P. 146 überliefert: „Antimachus foit cjcUcus poeta. Hic 
adgresBUB est materiam, quam sie extendit, ut yiginti quat- 
tuor Tolnmina impleverit antequam Septem duoes ad The- 
bas perducerei** Uebertrieben ist hier jeden&Us, aber auch 



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122 



Y. Di« Epigonen. 



Horazens Äusserung bezeugt grosse Weitschweifigkeit an 
diesem kyklischen Epos» wie er auch an den Kjprien un- 
mittelbar darauf denselben Fehler tadelt. Wir dürfen sie 
also als Thatsache betrachten. 

Jetzt mochte ich die Aufinerioamkeit noch einmal auf 
Pausanias IX 9 lenken, wo er Ton »dem Kriege" (§1) zwischen 
Argos und Theben spricht, beide Zfige der Sieben und der 
Epigonen kurz erzählt, dann sagt, auf „diesen Krieg** (§ 5) 
sei das Theljais gtHÜchtet. Schon ubeu ist gezeigt wor- 
den, dah» unter „diesem Kriege" beide Heerfahrten verstanden 
werden müssen, auch gemäss dem antiken Sprachgebrauche, 
da z. B. seit Thukydidcs die Keiho der vorscliiedencn Kriege 
von 431 bis 404 trotz des förmlichen Friedensschlusses von 
421 als „der peloponnesische Kriegt bezeichnet wird. Die 
kurze und recht allgemein gehaltene Erzählung des Pausa- 
nias, die noch dazu diese Heldenkämpfe historisch lationa- 
lisirt, stellt sich dennoch bei näherer Betrachtung als eine 
Wiedei^be dessen heraus, was für die ThebaiB ersohlosBeii 
ist Deutlich tritt das am Epigonenzuge hervor: die The- 
baner werden bei Qlisas geschlagen, mit einem Theile ent- 
weicht der König Laodamas, der andere föUt den Argiyern 
mit der Stadt in die Hände.**) Das ist die Version der 
Thebais-Epigonoi, wakii n ] m der Alkmeonis Laodamas fiel 
und die führerlosen Tliobaner auf Rath des Teiresias mit 
ihm bei Nacht entflohen. Das Schicksal aber des in der 
Stadt zurückgebliebenen und von den Epigonen (befangenen 
Restes der Thebaner erzählt Pausanias \li 3 und IX 33, 
wie Theon bezeugt, nach der Thebais. Da er nun IX 9 nach 

Auch IX 5. l'd giebt Pausanias ganz reiu die Epigonensage 
nach der Tliehais und insofern aasführlicher , als er auch den Tod 
des Aigiaieuä und. lUyrieD (wo die Encheleis wohnen) als Ziel der mit 
Laodaniai «uwaiideBideB Thebaner angiebt. So wird w aoeh Mw 
die HypodtesU bemitBi haben. 



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V. Die Epifonen. 



123 



dem Berichte, der nur Züge allein dieses Epos enthält und 
sie nicht wie Apoliodor, Diodor mit der Alkmeonis Termischt, 
anch Belbst aoAdrüddich sagt hsotf^dt^ ig top xoXsßOP ro0- 
tov »ol hai Bufiidq, so ist der Scbloss kaum abzuweiseu, 
daas er em Excerpt der Thebais unmittelbar benutzt 
hat Das ist nichts erstaunliches. Denn die EliEistenz sol- 
cher hstod-iöstq steht fest. Ausführliche der troischen Epen 
hat der Verfasser des mythologischen Handbuches seiner Dar- 
stellung dieses Sagenkreises zu Grundt: gelegt und sie so 
ApoUodor, Hygin und auch Proklos überliefert.-^) Dass die 
sechzehnte Heroidenepistel einen Auszug der Kyprien be- 
nutzt, ist kürzlich dargethan.^*) Ein Theil eines Excerptes 
der Oidipodie ist in den Phoiuissenscholieu nachgewiesen, 
ein anderer in den Iliasscholien Yermuthet worden. Es ist 
also nicht zu bezweifeln, dass auch Pausanias eine solche 
^^BiUq gehabt haben könne; dass er eine der Thebais be- 
nutzt hat, sagt er in seiner umschreibenden Manier eigent- 
lich selbst und die Vergleichung seiner Mantossge mit dem 
Zeugnisse aus der Thebais und der fassbaren Züge seiner Epi- 
gonengeschidxte mit dem fiir dies Epos Gewonnenen bestätigt 
das. Dann aber ist es sehr wahrscheinlich, dass auch seine 
Aadeutungen über den Zug der Sieben aus eben diesem Tbo- 
baisexcerpte entnommen sind. Schlagende Beweise sind da- 
für freilich nicht zu bringen, da er leider keine Einzelheiten 
giobt. Doch stimmt wenigstens seine Angabe, das ganze Ar- 
giverheer sei bis auf Adrastos vernichtet worden. Und auch 
was er sonst sagt» lässt sich wohl mit der Thebais vereini- 
gen. Am Ismenos seien die Tbebaner geschlagen worden» 
aber der Sturm der Argi?er auf die Mauer sei abgeschlagen 

Vgl. meine Ausführungen im Herme8 1801. 
'*) von G. Wentzel in einem leider als Manusciipt gedruckten 
Aufsätze (Epithalamion W. P. u. U. M. P. dargebracht 11. Y 1Ö90, 
GOttingen). 



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124 



V. Die Epigonen. 



und ihr Sieg habe sicli in Niederlage Tfirwandelt. Eine 
Sohlaoht in dor IsmenoBobene» darauf ein lAauerangriff ist 
ganz im Stile des homeriscshen Epos, und ebendies bat 
noob küizlidi Ton Wilamowitz für die Thebais gefordert**) 
So Tersucbten die beiden Aias, die Atreidoa, Idomeneus und 
Diomedes, nacbdem sie die Troer zur Stadt zurückgetrieben 
hatten, die Mauer Ilions da, wo der wilde Feigenbaum stand, 
zu stürmen (Z 435), Die Tragiker Jagegen setzen gleich 
mit der Belagerung Thehens ein. Diesen epischen Zug der 
Schlacht hat auch ApuUudor noch erhalten, obgleicli sein 
Bericht durch die Phüiuissen stark beenifiusst ist. Nun ver- 
sucht der kühnste der argiver Helden Kapaneus den Sturm 
auf die gewaltige Mauer: ein übermenschliches Unterfangen 
— Zeus blitzt ihn von der Zinne nieder. So wird Achilleus 
beim Sturme auf das skaiische Thor von Apollon erschossen. 
Wie nach dieser Niederlage die Adiaaer von dem Angriffe 
abstehen und von den ausfallenden Troern bedrängt nur 
mit Mühe die Leiche des Helden retten, so ist auch der 
Tod des Kapaneus das Zeichen des Rückzuges für die er- 
schreckten Argiver, des Vorstürmens fiir die ermuthigten 
Thebaner. Da yollziebt sich das Verhängniss. Das ist ein 
Bild aus dem Epos, Es steht sü bei Pausauias, der die 
Thebais citirt: er hat also auch hier ihre Hypothesis be- 

*") Hermes XXVI SS51, aueh fttr das Fdgende zu vergleidiaL 
**) So Sophokles Flilkktet 334, Horn 0. lY 6. 3, Hygin 107, 
QttintQft Sm. III 60, anck wohl Ffndar P. III 101 vgl. schoL Diese 
Version ist die Utere, wie sie auch sicher in epische Zelt hinaufreicht; 
dass die andere, welche ihn durch Paris erlegen läset, jünger ist, beweist 
schon die Hilfe ApoUons, schlagend aber die uralte durch Pliitarch 
(Thescus :54) aas Tstros überlieferte Sage, \tyhSfa<^ooy cov ev 8ta- 
aaUtt Ih'ioiv in' 'A/t).?.i wg xfd UaiQÖy.kov /coar ijd-i^vai itc.Qa rov 
^TifQx^lov. ~~ All den Tod Achills durch Apoll knüpft auch die del- 
phische Sage vom Bache versuche und Tode des Neoptolemos aa: 
Eoripides Andromache 1106, Stnbon IX 4SI. 



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V. Die EpigonoQ. 



125 



nutzt Es steht aber auch bei ApoUodor. Nur ist zwischen 
dem Siege der Argiyer in der Feldsohlaoht und ihrer Nie- 
derlage ein Flicken aus den Phoinissen eingeschoben. Das 
Folgende aber, wie selbstständige Untersuchungen von ver- 
schiedenen Punkten aus gezeigt haben, gehört zum grosseren 
Theile der Sagenform der Thebais: der Tod des Meknippos 
und Tjdem, die Bache des Amphiaraos an diesem, seinem 
Feinde» die Flucht des Adrastos, die Abkunft seines Rosses 
Areion. Dass lerner für die Angabe, Periklyraeiios, des Po- 
seidon Sohn, habe den Parthoiiupaios erschlagen, im mytholo- 
gischen Handbuche neben Euripides die Thebais citirt war, 
ergiebt Pausanias IX 18. 6; dieser Held fällt, wio aus dem 
tadellosen Zusammenbange bei Apollodor zu schliessen, in 
der zweiten Feldschlacht nach abgeschlagenem Sturme, wäh- 
rend er in den Phoinissen beim Angriffe auf die Mauern 
getödtet wird. Wie ist diese Abweichung zu erklären? Offen- 
bar durch £influ8s des Epos, das die Heldenpaare im freien 
Felde kämpfen und schwerlich den gewaltigen Poseidonsohn 
vom sicheren Thurme aus den jugendlichen Arkader zer* 
schmettern Hess. Auch Ilippomedon und Eteoklos gehörten 
in der Thebais zu den Sieben, so mögen denn auch ihre bei 
ApoUodor erhaltenen Besieger ebendaher stammen. Amphia- 
raos ist auch nach der Thebais von dtr Krde verschlungen 
worden, doch wurde Apollodors Bericht wegen seiner auf- 
fallenden Aehnlichkeit mit Pindar N. IX 25 dem für dies 
Gedicht benutzten Amphiaraosliede zugesprochen. - "^3 Zu 
Grunde aber liegt der Erzählung dieses Handbuches ein 
Auszug aus der Thebais: dies konnte a priori nach Analo- 
gie des troischen Sagenkreises erwartet werden. Erst lange 

Dass Stücke aus anderer Ueberlieferung in «lern Thebaisex- 
cerpte des ci} liioiogischtin Handbuches eingeflickt sind, i^t nach Uer 
Zusammenstellung desselben natürlich und findet auf jeder Seite 
Belege. 



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126 



V. Die £pig<niMi. 



nach Abschlnss der Roconstraktion der Epen erkannte ich, 
dass die eiusehien fiir die Thebais erwiesenen oder wahr- 
adieialich gemachten Züge bei Apollodor reichlich nebeDein- 
ander stehen, und auch erst, nachdem ich den SchUisa ge- 
sogen, daas Panaufiias IX 9 einen Ansing ans diesem Epos 
benntzt habe. Ich lege Werth auf die Chronologie dieser 
Eotwickelnng. Denn so ergiebt sich eine nngesnchte, aber 
desto gewichtigere Bestätigung, dass die TOtgetragaie Wie- 
derherstellung der Thehais in den Hanptzflgen das Bichtige 
getroffen haben mag. 

So arg Pansanias auch die Thebaisliypothesis verkürzt 
uiul so schlimm er sie durch historischen Ilationalismus 
entstellt hat, wn kunncn doch ein Neues wenigstens aus ihr 
entnelinieu, dass in dem Epos Helden aus verschiedenen 
Ländern vorkamen. Denn seine Angaben "AÖQaarog ig 
liQxadiaq xal xaga MboOijvIxdp avfific^ixa i^(fOiasp . . . xäl 
tolq OrjßaioiQ fiioO^o^OQixä ^X^e xaga ^mxioov xal Ix tijq 
Mtpvaöoc X'^Q^^^ ^Xeyifai . . . &^Xoi 64 bIöi xal (rotg £jrt^ 
y6vot<;) ov ro *A(iyoiüe6v ftovov, ovdk oi MböO^pwi xal 
*A(fxd6Bg tfieoXtnf&fpeoteq, aXXa xai Ire ht KagMim xal 
Meya^eoiP ^txlrfi'ivTBq Ig <tvfificq[fav scheinen nichts» 
als Dmschreibung Yon Kämpferkatalogen zn sein, welche ent- 
weder das Epos selbst» wie die Bouaetia, oder sein Ezcerp- 
tor zusammengestellt hatte, wie z. R Apollod. I 8. 2 die ka- 
lydonischen Jäger. Leider können wir sie nur wenig con- 
troUren: der Bumlusgenosse aus Arkadien ist Parthenopaios, 
aus Messenien st;immon die Biantiden. Auch die übrigen 
werden in gewissem Sinne richtig sein. 

Es ist für die Thehais gewonnen Eriphjlens Verrath 
an ihrem Gratten, der sich in einem Verstecke dem Kriege 
nnd sicheren Tode entziehen wollte; es wnide daraus gefol- 



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y. Die Epigonen. 



127 



gert» dass dasselbe £pos auch die Strafe fiir dies Verbrechen 
erzählt haben miisste, und es hat sich gezeigt, dass in sei- 
juem zweiten Theile, den Epigonoi, Alkmeon mit seinem Bru- 
der Amphilodios und den übrigen Heldensöhnea gegen The^ 
ben zieht Dass Alkmeous Mattermord als Rache für den 
Vater in diesen Ziuammenhang gehört, ist klar und wird 
sich aach YOn anderer Seite zeigen. Nonmehr eigiebt sich, 
dass die DarsteHung des Abschiedes des Amphiaraos auf 
dem Kypseloskasten (Paus. V 17. 4), die uns durch den ko- 
rinthischen Krator dos Berliner Museums ^o. 1655 zu leben- 
diger Anschauung gebracht ist,**) die Sagenform der Tlie- 
bais voraussetzt Das gezückte Schwert des Amphiaraos, die 
flehend erhobenen Hände der Kindt r lassen keinen Zweifel, 
dass der Held versucht war, die ^5 träfe an der verräthe- 
rischen G^emahlin selbst zu vollstrecken: so wird die Be- 
ziehung auf das Lied von des Amphiaraos Ausfahrt ausge- 
schlossen, auf die Thebais gefordert. Femer stimmt mit 
diesem Gedichte die Anwesenheit des Alkmeon, der in je- 
nem nicht nacfaweishar ist, und es kann nicht Zufall sem, 
dasB er in diesem Bilde wie in der Thebais als der ältere, 
also xaohepflichtige Solm chaiakterisirt ist» während Amphi- 
loohos nodi als kleines Ki^blein von der Amme getragen 
wird, w«tö den vielleicht aus dem Amphiaraosliede stammen- 
den Versca mit der Anrede an den Heros Auiijhilochos di- 
rekt widersprechen würde. Da auch die Odyssee o 243 



«■) Mon. (1. Ist. X tav. 4, 5 -= BaameiBter Denkm. S. 67 
Benndorf Vorlege blättcr lö8S) X. Vgl. Robert Bild u. Lied 14. Zwei 
getrennte Gebäude (templa in antis) sind dargfstollt: vor dem zur 
Linken stehen Eriphyle nnd die Kinder, vor dem andern die Pferde 
des Ampluaraos. Der Palast vou Tiryn» giebt die Erklärung: links 
iät die Halle des fiiyatfov, rechts das nQonvkaiov. 

**) Aus einigen Yasea, beBOBders der achtaen sfg. Zähnung 
MOD. d. Ist III 54 « Overbeck H. a. IV 1, wo der gerostete AM- 



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128 



Y. Di« Efkigonan. 



^248 dasselbe Verbal tniss der beiden Brüder andeutet, ist 
auch für diese Steile die Tbebaisversion vorauszusetzen. Auf 
dem Kypseloskaston steht Baten als Wagenlenker des Sehers. 
Nach ApoUodor III 6. 8. 4 a. A. wird er mit ihm in die 
Tiefe gerinen. Man könnte daraufhin Baten für die The- 
bats vermiithen; im Amphiaraoaliede stiess er uns nidit auf.'^) 

üeber Alkmeons Muttermord ist näheres zu erfahren. 
Thebais und AUcmeoniB sind noch daraufhin zu untersachen: 
und nicht nur den Mord, sondern auch die Folgen des Mor- 
des uiul seine Sühne müssen sie notbwendig erzälilt haben. 
Auch hier gilt es wieder, wie sieb jetzt leicht crgiebt, zwei 
einander auÄsclilio^seid ? Sagenformen klar zu legen. 

"Das aus derselben Quelle, wie Ai>üllodor III 6. 2 stam- 
mende Scholien zu X 326 erzählt : . . . l4fi(pidQaov . . . filv £|o()- 
fiscal XQoq tjjv CTQatelotv, ^AXxfitwvi de XQoCtd^ai {O^ Xifo^ 
TSQOV fttxa Tcov im^opm^ am ßi^ßag xoQBvead-cu , xqIv 
djroy.Tflimi X7(i> fttjrtQa- ravra öh xdvxa dffäCat Xfy$t<U 
TOP jiStxfiiawa xol öta r^v fir^TQoxrovlav (lav^ai* Tovq 



4*IAPE01' dem Weibe die R. giebt, hat man auf eine Version schlies- 
sen wollen, die einen freundlichen Abschied erzählte, Sie würde die 
der 'AfitpiKiftui t^ikaaiq beiu. Aber der Ephebe und der Alte dieses 
Büdei bleiben unerkUrt» und es Ist oicht waluBcbeinlidi, dan der 
Abechied des Sehen in diesem Gedichte ein besonders frenadlicher 
gewesen irar. Der befgeecbriebene Name steht in keiner inneren Be- 
siehnng zu dieser Genrescene. Schol. o 248 hat schwerlich Recht. 

Benndorf (Heroon von Gjölbaschi-Trysa 197) bemerkt, dass 
von den Darstellungen des Amphiaraosuntcrganges die einen ihn 
allein, die andern mit einem Genossen auf dem Wagen zeigen Es 
könnto diese Scheidung auf verachiedenen Versiouen — also der ^gi- 
Xaaig und der Thebais — beruhen, bchwierigkoiten würde dann die 
sfg. Lelcythos 8. 196 — Vorlegebl 1889 XI 8 machen, wo nach Benn- 
doff hinter ÄmpMaraos die Laoze des Periklymenos geselduiet ist, 
wUurend neben Ihm Baten steht. 



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y. Die fif^goneii. 



129 



vovta T(p xixtQl T^v fit^riga xaxaxxelvai. Danach hätte 
also AlktneoD seiner Sohnespflicht gehorsam den Vater an 
semer Mutter .gerächt und wäre dann erst^ durch die Götter 
Ton der Blutschuld befreit, mit den £pigonen gegen Theben 
gezogen, ksi der Echtheit und Reinheit dieser Ueberlieferong 
irgend irie zu zweifeln, liegt kein Grund vor: dieser Sdilnss 
des Scholiens ist durchaus klar und enthalt keinen Wider- 
spruch. 

Die andere Version ist bei Apollodor III 7. 2. 2 und 
Diodor IV 66 erhalten. Thersandros besticht Eriphylen 
durch „den Peplus' und sie erreicht es, dass Alkmeon oder 
ihre beiden Söhne in den Krieef ziehen. Also tiberlebt sie 
den Fall Thebens. Und dementsprechend erzählt Apollodor 
III 7. 5. 1 ausdrücklich, dass Alkmeon erst nach dem £pi« 
gonenzuge seine Mutter ermordet habe.^^) 

Hier wird „der Feplos*' verwendet. Schon Hellanikos 
(sdid. Phoin. 71) hat von ihm erzählt, er sei wie Harmo-* 
nias Halsband ein Göttergeschenk gewesen und von Poly» 
neikes mit diesem« nach Argos gebracht Er ist also nicht 
erst Ton der Tragoedie erfunden. Dies Kleinod und seine 
Verwendimg ist ein genaues Gegenstück zu der Rolle, welche 
der oQuoq in der Thebais gespielt hat: so hat es eine ge- 
wisse Wahrscheinlichkeit, wie schon Welcker ausgesprochen 
hat, dass es den ^Ejclyovot, dein zweiten Theilc dieses Epos, 
angehört. Doch ist mir bei dieser zweiten Bestechung Eri- 
phylens ebensowenig wie bei der Astyochens in der kleinen 
Ilias^^) klar, wie die Mütter ihre Söhne zur Theiinahme am 
Kriege zwingen konnten. Da über den Muttermord nxu* zwei 
Versionen nachzuweisen sind, dürfen wir nach der vorher 

Kürtes Deutung einiger etruskischer Asciieukisten (II tav. 26 f.) 
auf Alkmeoos Muttermord unter Beistand seines Bruders ist nicht 
sicher. 

*«) 8. ?. WilsmowitE Horn. Unten. 159. 
B«the, H«U«iü]«d«r. 9 



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130 



Y. Die Epigvniai. 



mit Erfolg angewendeten Methode in ihnen die Sagenfonneii 
der Thebais und Alkmeonis erkennen. Dass nun die an 
erster Stelle erwähnte Erzählung, nach welcher Alkmeon vor 
dem Kriege die That vollzieht, dem letzteren Epoe ai)gehdrt, 
wird die folgende Untersnchnng beweisen; also wird auch 
yon dieser Seite die zweite für die Thebais wahrscheinlicfa 
gemacht 

Die üeberlieferang über die weiteren Schicksale Alk- 
meons tbeilt sich wieder in zwei Arme — abgesehen von 
der ganz vereinzelten, offenbar durch Euiipides erst ge- 
schaffenen Sage von UXxfiecov diu KoQlvd^ov. Den Hcl 1 n 
treibt die Erinys seiner Mutter, welche er nach der Be- 
zwingung Thebens erschlug, durch die Peloponnes, er kommt 
zu Phegeus und findet endlich am Acheloos Buhe: so Apollo- 
dor und Pausanias. 

Qanz anders lautet des Ephoros Bericht» welchen Stra- 
bon zwei Mal, im siebenten (32d/6) und zehnten (462) Buohe^ 
wiedergiebf ) Nachdem Alkmeon mit Diomedes und den 
andern Epigonen den Krieg gegen Theben siegreich been- 
det hat, zieht er mit jenem nach Aitolien. Dort zuchtigt 
er die Feinde des Oineus, giebt ihm und seinem Enkel die 
Herrschaft zurück und um Lei wirft sich selbst Akarnanien. 
Um dieselbe Zeit ruft Agamemnon auch diesen Helden und 
seinen (ienossen Diomedes zum Kampfe gegen Troia auf aus 
Furcht, sie möchten sicli während seiner Abwesenheit wie- 
der in Besitz ihres angestammten, von ihm ihnen entrisse- 



**) Da er beide Male ThukydidM II 68, um Ephoros zu wider- 
legen, beifügt (p. 650, 1. 26 Mein.), so verdankt Strabon die Stelle 
einem Mittelsmanne: als solrlior ist im 10. Buche durch B. Nieses 
glÄnzeiule. Untersuchungen (Rhein. Mus. XXXII'i Apollodor erwiesen; 
folglich muss er es auch im 7. Buche sein, obgleich kurz vorher De- 
metrios von Skepsis citirt ist — Immisch KJaros 182 meint, Epho- 
ros polemisUre gegen ThukydideB. 



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y. Die Epigonen. 



131 



neu Landes Argos setzen. Docb trar Diomedes folgt; Alk- 
meoD bleibt in Akaraanien, gründet dort Argos, das er nach 
seinem Bruder Ampliilocbos l4fiq>iXoxixov nennt, und giebt 
seinem Volke nach seinem Sohne Akaman den Namen Akar- 

nanen. Hier ist mit keinem Worte Alkmeons Muttermord 
und die ihn ruhelos umtrcibondo Erinys Eriphylens erwähnt. 
Das kann nicht Vergcs&lichkeit sein. Denn wenn ein Held 
glückliclie Kriege führt, so kann er unmöglich mit Blut- 
schuld behaftet sein; ein dvooiog dvriQ würde keine Kriegs- 
genossen finden, und, wenn er sie fände, seine Kriege wür- 
den nicht Sieg noch Buhm, sondern Vorderben ihm und 
seinem Heere bringen. Wie diese Anschauung auch den 
späteren Grriechen innewohnte, so lange ihr Glaube lebendig 
war, so bat ne in noch höherem Grade die Sage beherrscht 
Es ergiebt sich mit Notiiwendigkeit das Dilemma: entweder 
hat Alkmeon nadi dieser Sage seine Mutter überhaupt nicht 
getödtet, oder er hat sdion vor seinen Zügen nach Theben, 
Aitolien und Akamanien seiner Rachepflicht genügt und töI- 
lige Sühnung von der schweren Blutschuld tilüilten. Letz- 
teres ist direkt in dem oben ausgeschriebenen scholion X 326 
überliefert. Die Verbindung ist hergestellt: wie die Bioich- 
flftchen eines geborstenen Steines passen diese Brocken an 
einander. Und sie bringt die Bestätigung, dass mit Recht 
die Alkmeonis als Quelle vermuthet wurde. Denn schon 
früher ist die Behauptung ausgesprochen worden,**) Epho- 
ros gebe den Inhalt dieses Epos wieder. Sie ist an sich 
wahrscheinlich, einerseits, weil Alkmeon hier der Protagonist 
ist, andrerseits weil ans dem von Strabon, viehnehr ApoUo- 
dor knrs vorher (X 452) mil^etheilten Fragmente des Epho- 
ros klärlich hervorgeht, dass dieser die Alkmeonis für seine 
Geschichte Akamaniens benutzt haf ) Nach Apollodor I 

**) Vgl Immisch Klaros 183 

Im 30. Buche bat Epboros resp. sein Sohn ein delphisches 

9* 



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1S2 



T. Dl« Eplgoaen. 



8. 5. 2 hat die Alkmeonis die Verbaimimg des Tydeos aoB 
sdner Heimath erzählt, weil er die Feinde seines Vators 
Oinens, die Sohne des Melas erschlagen. Dss Söhioksal des 
Tydeus mnsste dies £poB ersählen, tun die Beditmassigkeit 
des aitolisehen Zuges und der Herrsohaft des Diomedes in 
Aitolien daizatfaun« 

Es mu88 aber noch geprüft werden, ob in der That 
alles, was Ephorus vüii Alkmeon und Diomedes in Aitolien 
und Akarnanien erzählt, aus der Alkmeonis entnommen ist. 
Immisch (Klaros 183) betraclitet das als selbstverständlich 
und abstrahirt daraus, dass dies Epos „die Aulgabe ertüllte, 
den thebischen mit dem troischen Sagenkreise zu verbinden**. 
Doch man wird ein gewisses Misstrauen gegen diese Behaup- 
tung zuerst wenigstens nicht unterdrücken können. Aber 
näher zugesehen ist dasselbe mehr durch den gewählten 
Auadruck erregt, als durch die Thatsaohe selbst Die Alk- 
meonis ist, wie Ton Wilamowitz aus ihren Fragmenten en- 
dent gezeigt hat, erst um 600 gedichtet. Die Sage von . der 
Rfioldcehr des Diomedes in das Lduid seiner Vätw konnte 
erst entstehen zu einer Zeit, als das seit lange Barbaren 
verfallene Aitolien, eine Stätte altestei gnechisclier Cultur, 
wieder in den Gesichtskreis der Griechen trat uiid zu colo- 
nisatorischen Versuchen reizte. Dies trat erst ein, als sie 
Colonien in den Westen, nach Sicilien und Grossgriechen- 

Onkel von 8 Venen beigebracht, welches dem Alkmeon die Stiftong 
des OQtMQ auferlegt, am vom Wahnsinne befreit sa werden (Atiienaeas 
VI 8d2E, aoflgeeehrieben von EastatUas Horn. p. 1697. iOtt.\ Gegen 
ihre Herlcanft machen drei ißeich darauf angeffthrte analoge Orakel- 
hexameter bedenklich. Jene üeberlieferung findet sich auch bei 
Schol. Stat. Theb. III 274, Mythogr. Vat, II 78. — Auf den Besitz des 
Halsbandes der Harmonia machten noch mehrere Tempel Anspruch: so 
der der Aphrodite in Amatbuä (Paus. IX 41. 2), das Artemision zu Delos 
(Bull, de corr, hellönique 1890. S. 406 1. 2). Auch der Pepioa Eri- 
pbyleuä wurde guztii^t: ir'uus. II 1. 8. 



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Y. Die Eplgoiiflii. 



133 



kund entsandten. Dadurch wurde der Golf von Korinth zu 
einer wichtigen Verkehrsstrasse, auf welcher sich der Welt- 
handel zwischen Ost und West bewegte. Ea musste sich 
damals die Politik der grossen Handolsmächte darauf rich* 
ten, die Fahrt zu sichern und die wilde BeYÖlkerung an der 
Nordwestküste der Bucht an Seeraub zu hindern und den 
eigenen Interessen zu unterwerfen. Diese Wünsche der Er- 
oberung Aitoliens uud Akarnauieus schlugen sich nieder in 
Bildern der SagQ. Tydcus war aus Aitolieii vertrieben und 
vor Theben gefallen. Aber sein Sohu Uiomcflcs rächte des 
Vaters Tod an den Thebanem; und dieser gewaltige Recke 
wäre nicht in das Land seines Vaters gezogen und hätte 
nicht die ihm gebührende Hcr^chaft wiederemmgen? Doch 
schon längst stand seine Theilnahme am Zuge gegen Troia 
fest Und andrerseits hatten Achaier den Heros Diomedes 
nach Grossgriechenland mit sich geführt» und man er^Uiltß, 
dass er nach langen Irrfahrten und schweren Schicksalen 
hier gehmdet» das Volk beherrscht babe^ gestorben und be- 
grabe seL'^ Also seines Bleibens war im angestammten 
Aitolien nicht, aber geschlagen hatte er sicherlich seine 
Feinde auch dort uud den Thron seiner Ahnen wiederaul- 
gerichtot. Wenn er nun also niclit bleiben konnte, hier die 
Früchte semer Thaten zu gern essoiu musste das motivirt 
werden, sonst hätten Böswillige doch geglaubt, sein Sieg 
habe die Macht der Feinde nicht gebrochen und ihr habe 
er schliesslich weichen müssen. Da bot sich nichts so pas- 
send und natürlich dar als sein Zug nach Troia. Agamem- 
non ruft ihn wie alle namhaften Helden: er ist dem Rufe 
gefolgt und hat wie kaum ein Anderer der Adiaierforsten, 
ein Liebling Athenas» gewaltige Heldenthaten in der Ebene 



So wohl schon die Noaroi; sie scheint Kallinoa gekannt zu 
haben. Äiäo dürften sie dem 7/8. Jahrhunderte angehören. 



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134 



y. Die £pig(Ml«lL 



des Skamandros vollbracht So ergiebt sich die Verbin- 
dung der aitolischeu Abenteuer mit seiner Theiliiabme am 
troischen Kriege als eine nothwendige Folge der späten Bil- 
dung dieses Mythos, welcher schon mit festausgeprägten und 
überall bekamiton Sagen zu rechnen hatte. 

Was sich ans den Verhältnissen dieser Sag^nbildnng 
ergeben hat, fordert oder empfiehlt doch die Enählnng des 
Ephoros; denn sie hängt durchaos in sich zusammen, kein 
Widersprach giebt die Möglichkeit zn trennen. So hat Im- 
misch sie mit Recht für die Alkmeonis in Anspruch genom- 
men und ganz richtig goschlosHeu, dass sie den thebanischen 
und troischen Sagenkreis mit einander ver])nnden habe. 
Erst durch Aufdeckung dieseg Zusammenhanges hat derselbe 
die im Scholiou zu Euripides Orestes v. 997 erhaltene No- 



**) Die Sage kouite freilieh die Krobening AitoHens auch ent 
nach dSB Diomedes Rllckkehr von Troia ansetien, uad daas sie es ge- 
tbao» «eigen Anton. Lib. 87 and Hyg. 17& So ordnet sich dies Abon- 

teaer in den voatos des Diomedes und in den Noatoi mag es aa die- 
ser Stelle vorgekommen sein. Der Dichter der Alkmeonis musste 
aber den andern Zeitpunkt wählen: denn um Alkmeon ^ruppirte er 
alles, und der kommt nicht in der llias vor, war aho uicht gegen 
Troia gezogen. So musste er den Epigonenkrieg und den aitolischen 
möglichst dicht zusammeurUckeu, uud dadurch gewann er dann noch 
die Möglichkeit, die Entfernung des Diomedes aus AitoUen gnt su 
motiviren. 

Immiach Klares 183 n. 1 merkt an: (Strab. X 468) „eine 

ungemein wichtige Stelle, welche Licht wirft auf die Verlegung des 
Pelopidensitzes von Mykenai (Homer, Sophokles) nach Argos (Aischy- 
los, P!'iripi(lcs\" Ich finde in dieser Stelle weder Mykeuai noch die 
Stadt oder Jiurg Arcjos erwähnt, sondern nur die Landschaft Argos. 
Die haben die eingewanderten Pelopideu von Mykenai aus, wenn auch 
schwerlich ganz, hehcrrscht (Steffen Karten von Mykenai, Text 1); 
dass sie aber je auf der Larissa gesessen, beweisen weder die atti- 
sehen Tragiker, ooch kann et flberhanpt bewiesen worden. Ygl. Thrae- 
mer Pergamoa 354, Kiese Entwickelung d. homer. Poesie 213 n. 1. 



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y. Die Epigonen. 



135 



tiz aus der Alkmcouis verständlich gemacht, welche vom 
Flache des Pelopidonhauses, dem Zorn des Hermes und dem 
goldenen Lamme erzählt, um das der verderhliche Bruder- 
zwist entbrannte. Dies Epos hat also die Schicksale der 
Pelopiden emUt: es musste das; denn der argivisch-thehar 
nische Sagenkreis kennt dies Geschledit gar nicht und weiss 
nichts daYon, dass sie in Argos herrschten. Den Zug gegen 
Troia führt aber der Pelopide Agamemnon, Köm^^ von My- 
kenai. Wie er diese Herrschaft erworben hatte, musste das 
junge Gedicht erzaiilen. 

Es gilt jetzt, den aiuleren Arra der Ueberlieferung über 
die Thaten des Alkmcon iiacli der Eroberung Thebens zu 
verfolgen. Pausainas Vlll 1*4 und Apollodor III 7. 5 geben 
allein eine zusammenhängondo Darstellung. Einige auffällige 
Verschiedenheiten lassen sofort doppelte Quelle vermuthen: 
denn des Phegeus Kiiider heissen bei Pausanias *AX(ptoi- 
ßaia, Trintvoq und 'A^juov, bei Apollodor jUfüiPo^i, JD(^- 
vaoq and ^/^i^. Trotzdem jedoch stehen sich die Be- 
richte sehr nahe. Der Inhalt der Sage ist bei Beiden gleich: 
Alkmeon verlässt, um Ruhe vor dem Bachegeiste seiner Mat- 
ter zu finden, seine erste Gattin, des Phegeus Tochter, wird 
von Acheloos gesühnt und heirathet als zweite Kallirrhoe; 
diese hört von dem kostltaren Schmucke, durch den einst 
Eripliyle bestochen worden, und verlangt von ihrem Gatten, 
dass er ihn schaffe; dieser giebt nach und geht zu seiner 
ersten Gemahlin, um ihr diesen einst geschenkten Schatz 
wieder zu nehmen, unter dem Vorwande, Apollon verlange 
ihn als Weibgeschenk; doch der Betrag wird entdeckt, des 
Phegeus Söhne erschlagen Alkmeon. — Diese Sage ist so 

lieber die Krzähhmg der Thebais von der Rüikkehr des 
Diomedcä nach Aitolien, die Horaz A. P. 14(> bezeugt, weiss ich keiue 
haltbare Yermutbung vorzutragen. Der Oineus des Euripides liegt 
im Wege. 



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136 



kÖDBilich, dass man trotz der Verschicdonheit der Namen 
der Annahme einer einzigen Quelle für beide EczähliuigeB 
nicht aiuweiohen kann. So bleibt nur ein Ausweg: beide 
Schriftsteller haben denselben Mittelsmann benutzt, der jene 
einheitliche Fabel mit Zusätzen aus anderen Versionen ver^ 
sehen hat Dies wird durch die Beobachtung bestötigt, dais 
weder Apollodors noch dos Pausanias Erzählung tadellos 
fortschreitet, sondern sich bei Beiden knapper oder breiter 
dieselben Züge finden, die mit dem grossen, oben aufgezeig- 
ten Faden kuiiie Verbindung haben. 

Nach Pausanias gab Apollon dem Alkmeon, als dessen 
Wahnsinn in den Armen der Pliogeustochter nicht leichter 
wurde, den Spruch, Eriphylens JElachegeist werde ihm nur in 
das Land nicht folgen, welches erst nach ihrer Ennordung 
dem Meere entstiegen sei; er fand es in dem Tom Acheloos 
angeschwemmten Eilande. Damit stimmt aber unter keiner 
Bedingung, dass Alkmeon später diesen Zufluchtsort wieder 
verlässt: denn beim ersten Schritte auf die alte vom Mut- 
terblute befledcte Erde hätte ihn die lauernde Erinys wieder 
gepackt. Diese die Wahrheit in sich tragende BeobacLtung 
wird äusserlich bestätigt und über allen Zweifel erhui)iM> 
durch die Wiederkehr desselben Sagenzuges bei Thukydides 
II 102: denn nach diesem Zeugen bleibt Alkmeon, wie es 
der auch von ihm wiedergegebone Orakelspruch fordert, auf 
dem einzigen durcli seine Mordthat nicht besudelten Stück- 
chen Erde und stirbt dort in Frieden vor dem Rachegeiste 
der Matter. Mithin ist dies Orakel und die Besiedelung der 
Acheloosanschwemmung bei Pausanias ein der übrigen Er> 
Zählung fremder, mit ihr nur äusserlidi verknüpfter Bestand- 
theil. Dass er aber nidit von diesem selbst, etwa aus Thuky- 
dides, zugesetzt ist, beweist eine Spur desselbai in der pa- 
rallelen Erzählung Apollodors: (AXxfitwv) ov 'AxeXmoq jzqoc- 
ixcaöe %6xov xrUfag xatcpxT^cev, Zu dieser Angabe hatte 



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T. Sie Epigonen. 



137 



ApoUodor um bo weniger Grand, ab er ein ganz anderes 
und zu jener in den Hauptzügen ihm und Panaanias gemein- 
samen Sage sehr wohl passendes Orakel mitgetheilt hat: 

Alkineon sollo zum Acheloos gehen und von ihm eine zweite 
Reinigung*") fordern (Phegeus hatte ihn nämlich schon ein- 
mal gesühnt). Da hrauchto also der Held nicht weiter die 
Erinys zu fürchten und hatte keine Veraulassung, eine wüste 
Düne zu bewohnen. 

Somit ist erwiesen, dass Apollodor und Pausanias ihre 
Berichte aus derselben Vorlage entnommen haben, die yer- 
schiedene Sagenformen vereinigte; sie kann keine andere 
sein ab das Buch, aus dem unser Apollodor nur ein Aus- 
zng ut, das yon Pausanias auch an andern Stellen und 
sonst unübersehbar oft benutzte, zwischen 100 und 45 
Tor Chr. entstandene mythologische Handbuch. Beide Dar- 
stellungen müssen also mit einander Terbunden und als eine 
mit Varianten ausgestattete Eiiialilung betrachtet und ver- 
werthet werden. 

Die Quellen dieses Abschnittes mit Sicherheit zu son- 
dern vermag ich nicht. Djis Vergleichungsmaterial ist zu 
gering und des Euripides /UxfitoDP öia Wco^ldog hemmt die 
Forschung. Denn so sicher es ist» dass diese Tragoedie hier 
benutzt, man darf wohl sagen zu Grunde gelegt ist, so un- 
möglich scheint es, sie einigermaaasen sicher zu reconstrui- 
ren.^') So viel aber steht fest, das Drama spielte in Pso- 



**) nakivöixiav kuußüveiv ist eine Conjektur Bekkers für naXiv 
^uÜMfißwti», Ueber den Sinn kann kein Zweifel bestehen. Vgl. 
ni 7. 5. 4 

Geoeihlbeoii Ootlaiigenie 44 ff. 

*^) Welckers KeconatniktlOD ist wenig glflddicli. Dm bat mit 
Recht betont SchoeU Beiträge zur Kenntniss der trag. Poesie der 
Griechen I 132 ff, — Gründlicher Unterricht über die Tetralogie des 
^iechischen Theaters 53. Doc]^ imk 99^ Ymach ist nicht evi- 



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136 



y. Die Eipigoiiea. 



phis. Da nun das mythologische Handbuch Alkmeons Tod 
in Psophis und eine recht oomplicirte Vervickelimg berich- 
tet» durch wehdie dieaer herbeigeführt sei, so ist es doch 
wahrBdieiolich, dass dies ans jener Tragoedie stamme, um 
so mehr, als sich die leider unter dem zweideutigen Titel 
'A2xftianf überlieferten Fragmente 86, 76, 78, 79 ungezwun- 
gen mit der Entlang Apollodors Tereinigen lassen.^*) Son- 
dert mau dies aus, so bleibt wenigstens für Alkmeons Ende 
die ebenso poetisch schöne, als tief religiöse Sage, wie er 
das ihm von Apollon veihoissene Neuland sucht, das einzige 
auf der weiten Welt, das er nicht befleckt, wohin ihm die 
Erinys nicht folgen dart, und wie er es in der Laguneninsel 
an der Acbeloosmlindung findet und hier in Frieden wohnt 
und mit der Flusstochter Eallirrhoe Söhne zeugt, die rings 
das Land beherrschen. Ihre Spuren sind im mythologisdien 
Handbuche gezeigt, aber die tragische Version hat sie ver^ 
drängt Thnkydides hat sie uns erhalten. Sie ist also älter 
als die Tragoedie* Immisch freilich behauptet kühn, dieser 
Historiker ,^be nichts, als was ihm die attische Bühne bot,** 
d. h., wie er selbst sagt, Furipides im psophidischen Alk* 
meon.^^) Doch was dieser Dichter geboten, hat er nicht 



dent, da nicht abzusohon ist. wie ein so riesiger Stoff im Bahmen 
einer Tragoedie Platz üiideu kaun. 

So schon Schöll. Fg. 79 beweist, dass der ög/Jioq in dieser 
Tragoedie eine verhängnissToUe Bolle spielte — und xwur im pso- 
phidischen Alkmeon, denn im konntiuschen konnte er kanm Yorkom^ 
men — nach Apollodors Enfthlnng f&hrt der og/ioq die tragische 
Venri<dEelaDg und das Ende Alkmeons herbei. Fg. 86 beweist, dass 
ein unzuverlässiger Diener in dieser Tragoedie vorkam — und zwar 
im psophidischen Alkmeon, denn aus der Hypothesis des korinthischen 
ist nichts derart zu schliessen — nach Apollodors £nsählujig führt 
-ein unzuverlässiger Diener die Entdeckung herbei. 

Klarofi 1Ö7, dagegen 185: „Tiiuk) dideä nagt, vielleicht nach 
eigener Erforschung der Landossagen Ü 68... und II 102.'* 



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V. Di« Epigoneii. 



139 



gezeigt Man darf im Gegentheü behaupten, unmöglich könne 
der Held jener Tragoedie, welche in PsophiB spielt, als Kö- 
nig Ton Akaraanien glücklich und friedlich sein Lehen auf 
einer Echinadeninsel geendet haben. Ferner wäre es erst 
zu beweisen, dass ein Gescfaichtschreiber des fünften Jahr- 
hunderts Tragoedien benutzt habe. Was für Pherekydes und 
Hellaiiikob allgemein gilt, ist auch für Thukydidus billig und 
richtig: zeitgenössische Dichtung, deren AbweichTinf^ von der 
Sage diese Männer noch leichter controllirten als dns Xolk, konn- 
ten sie unmöglich als liistorisclie Quelle benutzen. Das alte 
Epos dagegen galt ihnen dafür. So darfauch für jene Sage 
Yon Alkmeons Ende auf dem reinen £ilaade eine epische 
Quelle angenommen werden. Wir wissen nur Yon zwei Epen, 
die des Alkmeon Schicksale besangen; beide waren beliebt 
und haben Sporen bis in die Gompendienlitteratur hinter- 
lassen. Das eine, die Alkmeonis ist hergestellt; das andere, 
die Thehais-Eingonoi fordert einen Sdiluss. Sie hat den 
Muttermord erzählt: so muss sie auch die Folgen dieser un- 
seligen That und ihre Sühne erzählt haben. Eine bis in 
epische Zeit zurückreichende schöne Sage erfüllt diese For- 



Vgl Cap. IV n. 85. — Ebenso wenig kann ich Inimisch (IS?) da- 
rin beistimmen, dass auch in diese Sage attische Politilc hineinspiele — 
oder verstehe ich ihn falsch? — ÜDmöglich kann in ihr ein Ausdruck der 
Wünsche und Bemühungen Athens gefunden werden, in Akarnanicn 
wfthrendl des pelopooneaischen Krieges testen Fuss zu fassen und be- 
soDdert (Mniftdai an der AcheloosmOndung in nehmen. Demi du ein- 
dge Bhiddglied swiBchen Alkmeen und Athen, das attbche GeBcUeeht 
der Alkmeoniden, sehehit ftngatlich jede Mdglichkeit seiner Yerbin* 
dung mit dem MattflfmOrder gemieden zu haben. Gftnslich ausge- 
schlossen aber wird jene Annahme durch die Thatsache, dass schon 
um 600 das korinthische Epos Alkmeonis (v Wilamowitz Horn. Un- 
ters. 73 n. 2'^ dies( f, Helden zum Eroberer von Akarnanien, d. h. zum 
Vorkämpfer iMrinthiseher Bestrebungen gemacht hatte, er also nim- 
mermehr zum Träger attischer Interessen werden konnte, 



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140 



derung, bietet den yersöhnenden, leis ausklmgendeii Ab- 
acblufls: er gebort dem tbebaniachen £poe an. Und er paast 
za diesem. Denn dieae Sage ist jnng wie die Epigonensage 
und die ganze Tbebais jung ist; Apollon ist es, der dem 
Alkmeon durdi ein Orakel die Erlösung aeigt, wie Apollon 
▼on Delpbi es ist, welcber Manto aus der Beate der Eroberer 
Tbebens erbält und nacb Asien sendet 



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YL Ort oM Zeit der Epen. 

Vier Epen sind in den Hauptstücken wk derhergestellt. 
So erwünscht dies Ergebniss — wenn anders es sich als 
richtig bewähren sollte — für die Erkenntniss der Sagen- 
entwickelung wäre, so bedeutsam wäre es auch für die Ge- 
schichte der Litteratur und Cultur überhaapt Denn da 
manche fassbaren und beziehungsreichen Züge gewonnen sind, 
so ist hoffen, dass sie die Lösung der Fragen ermög- 
lichen: wo und wann sind diese Gedichte entstanden? 

«Die Alkmeonis knüpft an das Amphiaraoslied an, die 
Thehais formt die von diesem Gedichte festgestaltete Sage 
um und bildet sie weiter. Die Oidipodie steht Tereinselt 
neben dieser Entwickelung. Wenn das auch zum Theil sei- 
nen Grund darin häbeii mag, dius sie gerade die Stücke, 
welche in den beiden Thebaiden den Schwerpunkt ausmach- 
ten, nicht i^ir ausfuhrlich bühandelt haben wird, und wir 
dieselben nicht fassen konnten, so steht sie doch sicher in der 
Geschichte vom Hause des Laios und der Motivirung des 
Fluches ganz vereinzelt. Die Thebais trägt deutliche Spu- 
ren ihres kleinasiatischen Ursprunges, die Alkmeonis ist im 
korinthischen Culturkreise entstanden; die Oidipodie weist 
nadi anderer Richtung. 

Was sie von Oidipus er^lt, ist, wie langst erkannt, 
eine alte Form der Sage« Oidipus überschreitet nicht oder 
kaum die Grenxen Boiotiens: auf dem ES^airon ausgesetzt, 



142 Tl. Ort ond Zeit der Epeo. 

erschlägt er auf dem Wege nach Theben den Vater. Seine 
Mutter beirathet er zwar, aber eine andere Fraa gebiert 
die Kinder. 

Man möchte demnach die Oidipodie sich im Mutter- 
lande, in Baiotien selbst, entstanden denken. Eine solche 
Vermnthung ist an sich nicht nnwahrscheinlich. Hesiod von 
Asicra Hbte die Technik nnd Sprache des ionischen Epos 

und mit ihm und nacli ihm viele andere lihapsoden im grie- 
clnscheu Mutterlande, als sieb in lonien selbst diese Dich- 
tungsgattung bereits ausgelebt hatte. So könnte Jemand 
gt (innen sein, den. auf der Borgiatafel als Verfasser der 
Oidipodie genannten Kipai&ov zu verwerthen: denn dieser 
wird von Pausanias und Anderen^) Lakedaimonier genannt. 
Aber die Gelehrten,^) welche die beiden Fragmente dieses 
Gedichtes erhalten haben, kennen keinen Diditer, sondern 
citiren 6 xot^Cttg oder gar im Plural. Doch mag inuier> 
iiin darin, dass ein Rhapsode des Mutterlandes als Autor 
bezeichnet worden ist^ dasselbe Gefühl ausgedrückt sein, wel- 
ches uns vermuthen lasst, die Oidipodie sei hier und nicht 
in Asien entstanden.^) 

Und diese Vermuthung wird desto mehr bestärkt, je 
länger man das für dies Gedicht Eiüiittelte bedenkt. Es 
giebt eine klare Anschauung der örtlichen Verhältnisse des 
östlichen Boiotiens, von Theben, Kithairon und der Stelle 
des Mordes am Kreuzwege da, wo sich die Strasse von The- 



^) Jahn-MichaellB antike ßilderchroniken K* 
Pausanias II S. 9, Welcker Ep. Gykl. I« 226. 

^) Der Odysseecommentator zu dem Pausanias IX 6. 11 das 
Bruchstück verdankt, und der Erklärer der PhoinK^srn 

*) Welcker Ep. C. 227 dagegen hat diesen Kn rd&wv mit Kv- 
vuiUog von Chioä identificirt, weicher durch schul. Pind. N. II 1 auf 
das Ende des sechsten Jahrhunderts fixirt ist. S. v. Wiiamowiu Horn. 
Untsra. 259 und 370. 



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YI. Ort und Zeit der Epea. 



143 



ben theilt in den Weg nach Plataiai und den Pfad über den 
Dreihäupterpass nach Attika oder Megam.^) Dazu kommt 
die KenntoisB des Lokalkultes der Hera auf dem Kitbairon. 
Eine solche ist nii^nd anders zu suchen als da, wo dieser 
bestand. Und dass die ehestiftende CKIttin in den Mittel- 
punkt der ganzen Handlung geruckt wurde, dass ihr Zorn 
das Verderhen über Laios und sein ganzes Haus hradite» 
diese Wendung der Sage, die durch diese selbst doch kei- 
neswegs gegeben war und auch sonst nirgends Geltung ge- 
habt hat, konnte nur da entstehen, wo diese strenge Hera 
tiefgläubig verehrt wurde, in Boiotien, dessen Städte fast 
alle an ihrem Culte Theil nahmen und nocli spät zu den 
heiligen Zeiten ihre feierlichen Feste auf dem Kithairoo be- 
gingen. 

Die Zeitbestimmung der Oidipodie hängt von der Frage 
ah: wann kam die Knabenliebe in Griechenland auf und 
spectell in Boiotien? Denn es ist klar, dass dies Gedicht» 
welches jene Verimmg als einen Frevel gegen die Ehegattin 
auffiost und die Grauel des Lahdakidenhauses aus ihm her- 
leitet, nur zu einer Zeit entstanden sein kann, als die Pai- 
derastie ein Keues, Unerhörtes war und als widernatür- 
liches, gottverhasstes Laster lebhaft empfunden und verab- 
scheut wurde. 

Welcker^) ist der Meinung, diese unnatürliche Liebe 
sei schon lange vor der geschichtlich kenntlichen Zeit in 
Griechenland geübt worden; doch kann er keinen anderen 
Beleg dafür erbringen als die Erwähnung des Ganymedes- 
raubes bei Homer Y 233. Ehe aber die Knabenliebe durch 
üebertragung dieser Leidenschaft auf die Götter sanktionirt 
werden konnte, musste sie nothwendig nicht nur allgemein 
mhreitet, sondern auch in der Gesellschaft anerkannt und 

■) Herodot IX 39. 

Sappho von einem hemehenden Yemrtbeil befreit 32. 



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144 



TL Ort und Zelt der Epen. 



erlaubt sein. Dass dies m jener.^it nicht der Fall war, 
beweist das tiefe Schweigen über sie in den homerischen 
und hesiodischen Gedichten, in denen sich auch nicht die 
loiseBte Andeatung findet Und solche müsste man erwarten 
in den Schilderungen des Heerlebens» der Baabzfige and 
Plünderungen» wenn man bedenkt, wie die Litteratnr des 
fünften Jahrhunderts von der Knabenliebe durchsetzt ist, in 
welchem sie so angesehen wurde, wie das nach Weidron 
Ansicht auch für jene altere Periode Toranszusetzen wäre. 
Daher scheint mir M. H. E. Meier") mit Recht dem home- 
rischen Gaiiyrntdesraube die ihm beigelegte Beweiskralt 
abzusprechen. So ist die älteste ^griechische Geschichte von 
dieser geschlechtlichen Verirruug frei zu denken; diese Mög- 
lichkeit wird man jedenfalls nicht in Zweifel ziehen, obgleich 
dieselbe Unzucht an den verschiedensten Orten unzweifel- 
haft yon selbst entstanden ist. ^) 

Dagegen hat der dorische Stamm stets in dem Kufe 
gestanden, die Paiderastie besonders zu pflegen, und es ist 
bekannt, dass gerade in dorischen Staaten dies Verhaltnlfw 
zwischen Mann und Jüngling eigenthümliche Institutionen 
m's Leben gerufen hat') Mit der dorischen Gymnastik und 
Lebensweise hat sich auch diese Sitte unter den übrigen 
Griechen verbreiteTutTd-iiat in idealer Verklärung wie sinn- 
lidiüi" Verruhuag selbstständig^Weiter gelebt. Um die Wende 
des siebenten und sechsten Jahrhunderts war sie in Athen 
bereits so tdlgemein und wurde so wenig als anöiUiööig em- 
pfunden, dass Solon das ^gaXoi^slv xal jcuid£Qa<St£lv als 
Privileg des freien Mannes hinstellen konnte.^®) 

') in Brach und Grubera JEncyklopÄdie s. v. Päderastie 159. 
«) Meier a. a. 0. 150 f. 

NachwelsuDgeu iu Welckers schönem Excurse a. a. 0. 33 ff. 
und bei Meier a. a. 0. 160 it 

*") Platuch Selon 1» Meier a. a. 0. 170. 



VI. Ort and Zeit der Epen. 145 

•> 

Demnach darf das Aufkommen der Paiderastie in Grie- 
chenland mit der Einwanderang der Derer in nraächlichen 
Znsammenhang gebracht werden.. Es ist begreiflich, dass 
die Eingeborenen diese Sitte der fremden Eroberer als Un- 
zucht nnd Laster empfanden nicht anders, wie die Hebraier 
. und Römer, als ein Verbrechen wider die Göttin, welche 
die Heiligkeit der Ehe schirmt. Su scheint mir die Mög- 
lichkeit vorhanden, dass in der Zeit des Eindringens der 
Derer in Boiotien die alte Sage von des Laios Frevel, der 
Fludi auf sein ganzes Haus und Volk brachte, durch Her- 
eintragen dieses neuen unerhörten Greuls umgestaltet wurde. 
Wenn so auch eine genauere chronologische Fixirung der 
Oidipodie nicht zu gewinnen ist» so ist ihr doch ihre cultur- 
geschichtliche Stellung angewiesen. 

* * * 

Uebcr Ort und Zeit der Entstehung des Ämphiaraoslie- 
des ist ein anderes als allgemeines Urtheil nicht möglich. 
Seine Sagen mögen wenigstens theilweise bereits im Mutter- 
lande begonnen haben, sich zu formen; aber feste Gestalt 
dürften sie erst in Asien gewonnen haben und das Gewand 
der homerischen Epik haben sie da angelegt, wo es geschaffen 
ist. Das hohe Alter der Sage yon des Amphiaraos Ausfiihrt 
leuchtet ein. Sie hat allein, soweit wir selien, den Streit 
dreier argivischer Fürstenhäuser besungen, von denen das 
der Anaxagoi'iden fast ganz YerschoUen ist; sie kennt Eri- 
phylen als Schiedsrichterin, nicht als Verrätherin; ihre Er- 
mordung durch ihren Sohn ist ihr fremd, ja sie hat vielleicht 
nicht einmal Alkmeon als des Amphiaraos Sohn gekannt; 
von den Epigonen weiss sie nichts. Die Thebais dagegen 
giebt nicht nur durchgängig eine jüngere Version, sondern 
bildet geradezu Motive jenes Gedichtes weiter. 'Afig>td(f£<o 



") Meior a. a. 0. 150 ü. 17, 151 n. 21. 
Bethe, Heldenlieder. 



10 



146 VI. Ort and Zeit der £peo. 



t^iJLaCKi ist also älter: ein tcrminus ante quem weDigstens 
ist gewonnen, wenn es gelingt, die Zeit der Xhebais annähernd 
KU bestimmen. 

Auch sie ist o£Eianbar in Asien entstanden. Das beweist 
schlagend die von ihr emhlte Griindongslegende des kla- 
rischen Orakels. Mag dasselbe auch einst hochberiibint und 
von weitreichender Bedeutung gewesen sein, das wird Nie- 
mand besweiMn, dass seine Wirkung und sein Ansehen auf 
Asien beschränkt war. Das Mutterland wird es kaum ge- 
kannt und sicherlich iiiclit beiragt haben, du es selbst so 
reich an ehrwürdigen Urakelstättea war und Delplii alle Ne- 
benbuhler in Griechenland selbst wie bald auch in Asien 
an Ruhm und Einfluss weit übertraf. Davon legt auch dies 
Epos beredtes Zeugniss ab: nic ht nur prophezeit der pythische 
Gott^') dem Alkmeou, wo er Kuhe finden werde vor dem 
ßachegeiste seiner Mutter, sondern auch Kiaros selbst schien - 
nicht besser empfohlen und gepriesen werden zu können, als 
durch die Ableitung Ton diesem uralten Sitze der Mantik: 
Apuilon sollte seine Dienerin Manto, des Teiresias Tochter 
und selbst Seherin, ausgesandt haben über's Meer, um in 
Kiaros eine neue Cultstätte und ein neues Orakel ihres 
Gottes SU gründen. 



Aach das Branchidenorakel beillilet war durch eine Grün- 
dungssage mit Delphi verknapft: Strabon IX 421. Battmsiiii Hytho- 
logus II 311. 

'*) Die Cap. IV n. 36 angedeatete Vemtothang, auch die mii 

geläufige GrQnduDgssage Thebens (Iur( }i Kadmos auf Befehl dee del- 
phiscbcn Apolloo könne vielleicht in der Thebai» vorgeliominen sein, 
würde, falls sie sich bewahrheiten sollte, ein weiteres Beispiel für 
die starke Hervorhebung des dol|ihiächeu Orakels bieten. lieber die 
alte boiotische Kadmossage vgl. Töjjffer Attische Genealogie 295 n. 1, 
Crusiuä iu der Hallibchen Encyklupädie; über die Eutätebung der 
nenen haben treffend, wie mir ecbeint, gehandelt Stadniczka Kyreae 
5Gv Ed. Schwartz Qaaest. H^doteae (Rostock 1890) 14, 16. 



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VI. Ort and Zoit der Epen. 



147 



Dieser tiefgehende Einfluss von Delphi weist deutlich 
auf eine Terhältnissmässig späte Entsteliungszeit der The- 
bais-Epigoxkoi hiu.^^) Aber es ist ein fester chronologischer 
Anhalt überliefert. Pansanias IX 9. 5 merkt nSxnlich nadi 
kurzer Wiedergabe einer Hypothesis dieses £po8 an, dass 
Kallinos ausdrücklich Homer als den YerfiuBer desselben be- 
zeuge. ^'^) Ohne Zweifel ist diese Notiz aus irgend einem 
Werke der besten Zeit griechischer Gelehrsamkeit bis zum 
I'eribegeteu (lurcbgesickeru ciuor Zeit, la der nicht nur dio 
Epen, sonflern auch des Kallinos Elegien noch vurliaiideii 
waren und von den Forschern oingüsoheu wurden, einer 
Zeit, in der sicli die Gelehrten noch mit quellenmässiger 
Prüfung der Fragen nach der Jikshtheit der homerischen 



V. Wilamowitz Horn. Unters. 345 hat die 'ETiiyovoi für recht 
jung erklärt auf Grund zweier Hexameter, welche Kirchhoff durch 
Umstellang der Titel iv *EjiiY()voiq und Iv ßccfivgcc im achol. Oid. G. 
878 fflr dies Epos gewonnen zu haben glaubte. Bergk, Nanck Fg. 
Trag.* 221 S. 188, Immiach Elaios 165 haben Kirehhoib Coi]|jektiir 
als falsch erwiesen. 

Dass Kallinos {aus KAAATNOS hei Paus, hergestellt ITomers 
Autorschaft hezougen konnte, liält Welcker Ep. C. I 185 ff. energisch 
fest und zeif^t es durch die Parallelen des Pindar, Stesichoros, Simo- 
nldes. Hillers Versuch Rh. Mtis. XLIl 324, dies Zeugniss zu ent- 
kräften, ißt ganzlich misshmgen. S. 188 macht Welcker darauf auf- 
merksam, dass ebenso Properz l 1.1 und III 33 b 37 32. ö 7; die 
Thebais dem Homer Eoschreibe. Letztere Stelle, an welcher aeben 
Homer Antimachns i. 45 erwfthnt wird, hilt C. DUthey Cydippe 8 
n. 2 llberhaapt nicht fttr verwendbart da sie Interpolirt und Terwirrt 
sei; dagegen führt er noch Propers IV 9, 37 (= 8. 37) an. Eier 
wird die Thebais neben der Ilias angeführt, also als horoeriBch. Aus 
den Worten, welche von der Zerstörung der Kadmeia reden, geht 
hervor, dass, sofern Properz überhaupt ein bestimmtes Epos im Auge 
hattt; und nicht allsfon^ein den Sagenkreis bezeichnen wollte, auch 
ihm die Thebais als ein beide Züge der Argiver umfassendes Epos 
überliefert war. 

10* 



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14S 



VI. Ort nnd Zeit der Epen, 



Gedichte beschäftigten. Die Richtigkeit der Angaben des 
Pauaanias darf daher in keiiior Weise angezweifelt wer- 
den. Kallinos also hat die Tliebais-£pigODoi gekannt Das 
ist eine kostbare Notis. Dies Epos rnuss älter sein als der 
£l6giker: dadurch rückt es nun freilich fast unerwartet hoch 
hinauf. Denn so unsicher auch die Chronologie der Ijdi- 
sehen Könige ist, Ton der alles abhängt» so muss man doch 
den Einfall der Kimmerior und mit ihm Kallinos um die 
Mitte des siebenten Jaliihunderts ansetzen. Und das bestä- 
tigen assyrische Monumente. In derselben Zeit sehen wir 
nun wirklieh die Verhältnisse, welche zur Bestimmung der 
Entstehungszeit dieses Gedichtes wichtig schienen, in voller 
Blütho. Das Orakel von Klares, dessen Gründung durch 
Manto dasselbe erzählt, ist auch von Kallinos gefeiert wor- 
den. Kalchas sei dort gestorben; Mopsos aber, der ihn bei 
Kallinos» wie in der hesiodischen Sage, im Seherwettkampf« 
überwunden haben wird, sei nach Pamphylien und KiliHen 
gezogen.^') Dies klarische Heiligtbum rähmte sich, TOn 
Delphi aus gegründet zu sein. Es muss also die Pythia im 
höchsten Ansehen damals in Asien gestanden haben. Und 
in der That waren die Beziehungen Asiens zu Delphi in 
Kallinos Zeiten und schon früher lebhaft und glänzend ent- 
wickelt. Schon der Urgrossvater des Kimmerierbesiegers 
Alyattes, der Stifter der MermnadendynasLie Gyges hat nach 
Herodot überreiche Weihgeschenke von Gold und Silber 
dem delphischen ApoUon gesandt. Natürlich ist dieser 

**) üm 675 Btoueo Elmmerier mit AsBarhaddon in Kappadokien 
Eosaninien: Ed Meyer Gesell, d. Alterüi. I 458, 463. üm 6ti0 siegt 
OngB — Gyges mit awjriBcher Hilfe Aber die Klmmerler: Btuolt Gr. 

Gesch. I 335 n. 8. 

") Strabon XIY GG8. Hesiod bei Strabon XIV 642 == frg. 188 
Rz. ~ Daraus muss Jeder folgf^rn. dass das klarische Orakel damalB 
schon exi&tirt und in ansehnüclier BlüUie gestandea hat 
Herodot I 14, 



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VI. Ort und Zeit der Epen. 



149 



Lyder wie überhaupt mit griechischer Cultur, so auch mit 
dem pythischen Gotte nur durch die Vermittlung der asia- 
iisdieii Griechen und speciell der lonier in Verbindung ge- 
treten. Mithin moss der Verkehr dieser seihet mit jener 
Orakelstätte noch bedeutend älter sein. Da Gyges in den 
Anfang des siehenjien Jahrhunderts gesetzt wird, so steigen 
wir weit in's achte Jahrhundert hinauf. Ja noch hoher müs- 
sen wir wohl rüdcen; denn Herodot fugt jener Notiz hinzn, 
Gyges sei, so viel er wisse, nicht der erste Barbai-, der nach 
Delphi Weibgeschenkc gcHandt habe: schon Midas von 
Phrygien, des Gordias Sohn, habe seinen Thron dahin ge- 
stiftet 

So dürfte die jüngere Thebais etwa im achten Jahrhun-- 
dert in Asien entstanden sein und zwar wohl nicht fern von 
Klares, etwa in Kolophon, dessen Bürger auf Homer durch 
mehr als einen Beweis Anspruch erhoben. 

Herodot bezeugt aber noch eine andere Verbindung zwi- 
schen Kleinasien und dem Mntterlande, welche für die Wür- 
digong dieses £pOB, wie der Gulturgeschichte dieser Periode 
von herrorragendtt Bedeutung ist. Er giebt nämlich an, 
dass die Weihgesehenke des Midas und der lydischen Eö» 
nige, wie Gyges (I 14) und Kroisos (I 50 f.), im Schatzhause 
der Korintber, das Kypsclos erbaut hatte, zu Delphi uulge- 
stcllt waren. Wer möchte das für Zufall halten? Es ist dies 
vielmehr ein ^gewichtiges Zeichen, dass Korinth os war, wel- 
ches zwischen Pytho und den Barbaren vermittelt bat. Un i 
das ist wieder nicht anders denkbar als unter der Bedingung, 
dass Korinth im allerengsten Verkehre mit den asiatischen 
loniem gestanden hat, welche selbst das barbarische Hinter^ 
land hellenisirt und ihm ihre eigenen Beziehungen mitge- 
theilt hatten. Dafür giebt einen trefflichen Beleg schon die 
Thatsache, dass in demselben korinthischen Thesauros zu 
Delphi auch das hostbare Weihrauchgefäas untergebracht 



150 



VI. Ort und Zeit der Epen. 



war, welches Eueltboii von Haraos dem Gotte gestiftet hatte. 
Voraussetzung ist dafür engste Freundschaft zwischen Ko- 
rinth und Samos: sie hat Ernst Curtius in gleicher Politik 
und gleichem Müuzfusse aufgezeigt. Die Verbindungen 
Konnths anoh mit anderen Orten Kleinasiens hat er beleuch- 
tet, und ihre Bedeutung Tortrefflich zum Ausdruck gebradit» 
indem er sie ,4id Vermittlerin zwischen Abendland und 
Morgenland** nannte. Diese Stellung ist nur eine natürliche 
Folge der Lage Konnths auf dem schmalen Isthmos zwischen 
dem aigaiischen Meere und dem tiefeinschneidenden Busen 
dos westlichen ionischen Meeres. Der Weg über Korintli er- 
spart eine mehrtägige und gefährliche Fahrt um die Pelo- 
ponnes. Auch vor der Strasse über Euboia, wo Chalkis und 
Eretria ]ang(i concurrirten, und durch Boiution und Phokis 
nach Kirrha wird sich die Route über Korinth durch grös- 
sere Sicherheit und geringere Kosten empfohlen haben, mag 
sich auch dieser Staat einen Anlegeplatz in seinen Häfen und 
die Benutzung des Diolkos gut genug haben bezahlen lassen, 
Fmer ist zu bedenken, nach welchen Seiten sich der korin- 
thische und ionische Handel gewendet hatten. Den Westen 
auszubeuten und dort Eigenthum zu gewinnen war yon An- 
fang an das Streben Korinths. Seine Colonien bildeten eine 
Kette zwischen dem Mutterlande über Akarnanien, Epirus, 
Korkyra nach Italien und Sicilien, wo seine Tochterstadt Sy- 



««0 Herodot IV 16». 

Studien zat Geschichte von Korinth Hermes X 1876. 215 ff. 
Vgl. Barsian Geographie Griechenlands II 13: der Kypseliden Be- 
streben ging dahin, sich „durch Anknüpfung von Verbindungen mit 
griechischen Städten Kleinasiens, wie mit IMilctos and Mitylene, ja 
sogar mit den Herrschern von Lydien und Aegypten einen -Einfluss 
im Osten zu sichern". Die lydischen. und phrygischen Weihgeschenke 
im koKinthÜMlieii Schatibaiiio sa DelpU seigcu, dass die Kypseliden 
wu aie alte F«>litik äelbewumt fortsetsten. 



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VI. Ort und Zeit der Epen. 151 

rakus vor allen blühte. lonieu dagegen bcherrsclitc den 
Osten, dessen Schätze ans dem fernsten Innerasien die Ka- 
rawanen damals wie heate an die kleinasiatische Küste 
braditen; die Reichtliümer der Propontis und des schwar- 
zen Meeres nnd ihrer fruchtbaren Küstenländer strömten ihm 
zu. Die Berührung beider Mächte war nicht zu vermeiden; 
Freundschaft konnte Beiden nur Vortheil bringen, da sie 
einander ergänzten, ohne sich Concurrenz zu raachen. 

Von ganz andurer Seite durcli Analyse der KuMsLlypeii 
hat Georg Loeschcke in seinem baliubrechenden Dorpatcr 
Programme von 1886 „Boreas und Oreithyia am Kypselos- 
kasten" dasselbe Resultat erreicht: die korinthische Kunst 
hat viele Typen aus Asien erhalten und ihre jüngere Schule 
steht durchaus unter diesem Einflüsse. Doch ist dieser frucht- 
bare Gedanke noch nicht umfassend behandelt'^) und die 
Bedeutung der Thatsacbe noch nicht in allen Gonsequenzen 
erfasst worden. Noch herrscht allein die gewiss richtige Er- 
kenntniss, dass Chalkis zwischen Asien und dem Muttwlande 
vermittelt habe. Auch Loeschcke schiebt Chalkis zwischen 
Asien und Korinth ein, obgleich er den direkten Verkehr 
anerkennt. In der älteren Zeit wird dies in der That das 
Vcrhältniss der drei Mächte gewesen sein; aber später trat 
Chalkis immer mehr zurück, Korinth immer glänzender her- 
vor. Jene einst weitgebietende Haudelsstarlt unterlag schon 
am Ende des sechston Jahrhunderts kläglich dem verachteten 
Landsturme des kleinen Athens» das erst vor zwei oder drei 
Menschonaltern die oi-ste Bedingung seiner Entwickelung er- 
füllt hattCj die Eroberung von Salamis. Korinth stand da- 
mals nodi gewaltig da und ist Athen niemals unterlegen. 

ßoeckli bat die Frage von Barth behandeln lassen: Corin- 
thiorum cominerc ot merc. disKort. Berol. 1854. 

Loeschcke a. a. 0. und ia den Bonner Studien 1890. 258 f. 
T. Wilamowitz Antigonos von Karystos 133 ff. 



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152 



VI. Ort und Zeit der Epco. 



Solche Erscheiiiuiigeu entstehen nicht zutallig laiJ plötzlich: 
sie sind Resultate einer huigcn Geschichte. Um das Jahr 
7Ü0 scheinen die Korinther schon den Chalkidiern in Kiein- 
asien den Rang abgelaufen zu haben: denn sie hewahreu die 
Weiligescheuke der phrygischen und lydisehen Könige, sogar 
auch der Samier. Der lelantischc Krieg hat Ghalkis eben- 
sosehr gedrückt» wie Korinth erhöht Die VernüttelaDg zwi- 
schen Asien und Europa darch Chalkis dürfte nicht mehr 
lange bestanden haben; die immer zunehmende Abhängig- 
keit der kormibischen Knnst von der asiatischen wbd am 
besten durch den immer lebhafter werdenden direkten Ver- 
kehr erklärl. Ich zweiiie niciit, dass dieses sich klarer zei- 
gen wird, je mehr echte altionische Denkmäler un's Licht 
treten, an denen wir bisher so arm sind. 

Auch in der jüngeren epischen Poesie und ihren 
Sagen tritt die enge Verbindung zwischen Asien und Ko- 
rinth deutlich hervor. Wilisch hat sie an den Fragmenten 
des Eumelos nachgewiesen.*^) Noch deutlicher sind die Spu- 
ren in den Werken asiatischer Poesie: die Thebais trägt sie 
in ihrer jetzigen Rekonstruktion unverkennbar. Um zunächst 
ein negatiTes, aber lautredendes Zeugniss zu erwähnen: von 
Sekyon ist gar nicht die Bede, das doch in alter Sage Ar- 
gOB mit Theben verbindet, wo Oidipns an den Strand ge- 
schwemmt, erzogen wird, wo Adrastos aus Argos vertrie- 
ben Zuflucht findet und als Erbe des Polybos die Macht 
erlangt, die Herrschaft seines Hauses wieder aufzuricliten. 
Die Eliminirung dieser Sagenreichen mächtigen Stadt, die 
noch dazu in diesem Mytheukroise durch den Cuit des Adra- 
stos befestigt ist, muss einen besonderen Grund gehabt 
haben: die Vermuthung drängt sich auf, dass dies durch 
den eifersüchtigen £influs8 von Korinth geschehen sei, der 



*) Die Fragmente des Eamelos, Gymnasialprogr. Zittaa 1875i. 



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VI. Ort und Zeit der Epen. 



153 



natürlichen Feindin von Sekyon, das unweit ihres westUchen 
Hafene mäclitig und weit herrschend stand. 

PoBiÜTe Beweise bieten sich in den von der jüngeren 
Thebais behandelten Sagen, welche in dem alten Bestände 
dieses Kreises nicht nachweisbar sind und in Qegenden spie- 
len, an denen die asiatischen lonier kaum Interesse haben 
konnten, die Korinther aber durch ihren Handel und ihre 
Golonien den regsten Anthdl nehmen mnssten. So war in 
(liesein Epos erzählt, dass nach der unglücklichen Schlacht 
gegen die Epigonen Laodamas mit den Thebanern, so viele 
ihm folgen wollten, nach Norden wanderte in die Lande, 
die sein Alm Kadmos am Lebensabend beherrscht hatte, und 
wo er und Harmonia zu Sehlangen verwandelt worden waren. 
Das Volk hiess Eucheleis und die ganzen Stämme dieser 
Gegenden, die lUyrier, sollten ihren Namen von Illyrios, dem 
letzten Sohne des greisen Kadmos erhalten haben. Diese 
Sagen hängen unter einander so eng zusammen, dass sie 
demselben Gedichte, sicherlich demselben Vorstellungskreiso 
entstammen werden. Aber was bedeuten sie? Sollten sie 
wirklich der letzte Kachklang einer dunkeln Erinnerung der 
Kadmeer sein, dass ihre Väter einst aus den unwirthliehen 
Gebirgen von Epirus in die grüne Ebene des Kopaissees ge- 
zogen waren? Echte Spuren von ihnen erkennen wir dort 
in Wahrheit nicht. Diis Grab des Kadmos und der Har- 
monia fand sich natürlich da, wo jene Sage lokalisirt war; 



^) Enripides Bakcben 1330, Apellodor III 5. 4. 2. 

-■*) Derselben Ansicht ist auch Welcker: eine kretische Colooie 

in Theben 89, IIG. Cruslus in Ersch und Grnbers Encyklopädie s. v. 
Kadmos S. 11 liält mit l'reller-Plew II 26) die von Heroflot V Bl über- 
li< ti rie Wandernng vertriebener Kadmeer zu den Enclieleis für ein 
historisclieä Faktum, erklärt aber einsichtig die illyriächea Sagen, 
welche die thebanischen wiederholen, lür künstlich übertragene, nicht 
natfirlich gewtchsMie. 



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154 VI. Ort und Zeit der Epen. 

aber dass der Heros dort auch einen Cult gehabt, davon 
hören wir nicfats. Auch der Name Encbeleis hat keine ernst- 
hafte Beziehung zu Boiotien, Neben dieser Ueberlieferung 
steht aber eine zweite, welche die Xhebaner Tor den Epi- 
gonen in die HzstiBiotis fliehen lässt. Und 'in der That ist 
Thessalien reich an Bezügen zu Boiotien, besonders finden 
sich dieselben Ortsnamen in beiden Ländern. So würde 
diese Version eher als jene für einen Rest einur echten Wan-^- ^ 
dorsage angesehen werden können. 

Verständlieh aber wird die Uebprtrap:nnf; des Kadmos 
und seines Creschiechtes nach Illyrien durch die griechische 
Colonisation in diesen Gegenden. Von Korkyra nach Nor- 
den zieht sich eine Kette griechischer Pflanzstädte. Am 
akrokeraunischen Vorgebirge liegt Orikon: dort sollten Kad- 
mos und Harmonia begraben sein tmd die Encheleis hau- 
sen;**) aber audi in der Nahe von Epidamnus werden die 
Sitze derselben angegeben. ") Es scheint also dies fabelhafte 
Volk mit seinen thebanischen Herrschern da zu sitzen, wo 
Griechen in diesen Landschaften wohnten. Diese neuen 
Siedler zwischen den fremden wilden Stämmen haben diese 
Sage gebildet: mithin ist sie so jung wie die Colonisation 
in diesen Gebieten. 

Der Handel und die Coloaicu in Epirus gehören aber 
den Korintliorn. Sehr l'rüh hahcn sie auf Korkvra festen 
Fuss gefasst,^*^) das sich schon vor der Herrschaft des Kyp- 
selos von der Mutterstadt losriss. Das ihr gegenüberliegende 
Land auf der terra firma wird gleichfalls einst korinthisch 
gewesen seio.^^) Die Städte Orikon, Auion, Epidamnus, * 

Dionysius Periegeta 390, schol. ApoUn. Bhod. IV 607. 
«') Skylax 25, vgl. Strabon VII 326. 
**) V. Wüamowitz Horn. Unters. 170. 

«•) Thnkydides III 85, 0. MOUer l>orier l* 118, 422, Curtius 
Hermes X 231. 



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4 



YI. Ort und Zeit der Epen. 155^ 

Apolloxiia sind von Korinth, Korkyra oder von beiden ge- 
meinsam gegründet worden. Korinfher werden es also 
gewesen sein, welche Illyrien in den thebanischen Sagenkreis 
hineintrugen und dnroh den Einflnss Korinths wird jene 
Wendung des Kadmosmythus in das Epos aufgenommen 
sein.''^) 

, Ganz aualog ist die schöne Sage, welche wohl die The- 
bais von Alkmeons Endo orzUhlt hat: er findet Ruhe auf 
dem noiion Eilande, das noch die Wellen bcspiilten, als er 
den ganzen Erdkreis durch Mutteruiord unsühnbar befleckte; 
von dort aus hat er geherrscht über die Völker und sie 
heissen Akamanen nach seinem Sohne Akaman. Auch an 
dieser Gegend hatte damals vor allen Korinth Interesse. 
Systematisch besiedelt hat sie freilich erst Eypselos,**) wahr- 
scheinlich aber hatte Eorinth schon vorher dort Fuss ge- 
üasst. Es mnsste sich dort, festsetzen vor der EinfSalirt in 
das Meer, das noch heute seinen Namen trägt, an dieser 
Ecke, die in der Mitte liegt zwischen dem Isthmos und 
seinen worthvollsten Colonien. Oft mochten Korintlier auf 
die kläglichen Sanddünen, die der Aeheloos angeschwemmt 
hatte, vor Sturm und Wellen sich geflüchtet haben, durch 
die trennenden Fliissarnie gesichert vor den wilden Stammen 
des Festlandes: die luselchen warca einzig günstig zur An- 
lage einer Burg eines seemächtigen Volkes. Mit diesen Be- 



Thokydides I 24 erz&hlt, die Korkyraier hätten Epidamnas 
besiedelt und nach altem Braudie von der Mutteistadt Korlath einen 
O&lsten erbeten. Folglich musa diese Stadt vor dem ZenrOrfnlsse 
dieser beiden Oemelnwesen (684, Tbakyd. I 18) angelegt sein, ond 
das Too Xhiseblus angegebene Gründungsjahr 625 bembt auf einem 
Iirthutnc Vgl. Busolt Griecb. Gesch. 461 n. 5. 

Durch korinthische Colonisation ist auch die Hedeaaage in 
diese Gcgendeu gelangt. Vgl. Curtius Hermes X 217. 

ätrabon X 452, vgl. Busolt Gr. G. 450. 



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156 



VI. Ort und Zeit der Epen. 



strebuugen ging die Sagenbildung Hand in Hand: denn wo 
Griechen siedelten, war andi schon einer ihrer Helden in 
grauer Vorzeit gewesen. So wurde in den Lagunen des 
Adieloos Alkmeon angesiedelt, der ruhelose Muttennörder, 
und wie die Korintber gern Yon hier aus das fruchtbare 
Festland beherrschen wollten, wurde ihnen dieser Wunsch 
für die Zeit dieses Heroen zur Thatsache: ihm hatten die 
Völk^ gehorcht und nach seinem Sohne sich benannt. 

Dio mamiigfacheii Bezicluingeii KoriiitLs zu Epirus und 
Akaraanieu sind wohl bezeugt. Aus ihnen erklärt sich die 
Uobertragung gricchisclior Sagen in diese Landschaften und 
ihre entsprechende Umformung. Dio asiatisclieu ionier da- 
gegen haben dort keine Colonien und ihr Handel geht an- 
dere Wege; erst das Andringen der binneuländischen Bar- 
baren treibt einige TOn ihnen, im Westen zu colonisiren. 
Wenn dennoch ein unzweifelhaft in Asien entstandenes Epos 
diese korinthischen Sagen erzählt, so bleibt dafür nur die 
eine Erklärung, dass Eorinth damals im regsten Verkehr 
und engster Freundsohalt mit den alten Stätten epischer 
Kunst gestanden hat Das war in der That der Fall und 
dadurch yerliert jene Erscheinung das Auffallende, was zuerst 
stutzig macht. Aber merkwürdig bleibt sie und bedeutsam 
fügt sie sich ein iu die Beobachtungen, welche über dio po- 
litischen, commerciellen und küustlerischeu Beziehungen von 
Korinth zu Asien bereits gemacht sind. 

Ueber die Alkmconis ist wenig mehr zu sagen. Sie ist, 
wie von Wilamowitz nachgewiesen hat,'**) nicht vor 600 ent- 
standen und gehört durchaus in den korinthischen Cultur- 

"'^ Horn. Unt. 73 n. 2. 214 n. lo, Immisch Klaros lü4 pflichtet 
ihm bei. Auch Ohcrhummer Akarnanien 4*3 hat diesen Ansatz ge- 
funden. Einen andern Beleg für die Jugend der Alkmeonis bringt 
Rohde Psyche 204 n. 2: „Bekr&nzung der Todten, später gewöhnliche 
Sitte, wird wohl xoerst erwfthnt in d«r epischen Alkmeonie*'. 



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VI. Ort imd Zeit dar Epen. 



157 



kreis. Beides wird schon dadurch erhärtet, dass sie toh 
Leukadios und Alyzeus erzälilt bat: deno die Stadt des, 
ersteren ist Leukas, eine korinthische Colonie, welche erst 
Eyjiselos angelegt hat**) In der Thebais sind sie nicht 
nachweisbar nnd können nicht Torgekommen sein, weil dies 
Epos älter war als jene Siedelung. Ueberhaupt scheint die 
Behandlung Akanuiuieiis in dieseiii Epos ziemlich kurz und 
allgemein gebulten gewesen zu sein, was sich daraus völlig 
erklärt, dass Korinth in jener Zeit erst anfing, dort Fuss zu 
fassen. Der grosse Fortschritt dieser Bestrübungen, "welcher 
der Umsicht und Energie der Kypseliden verdankt wurde, 
zeigt sich deutlich in der Alkmeonis: sie lässt ihren Helden 
nicht wie jene als fluchbeladenen, nirgends geduldeten Elen* 
den anf der kahlen Däneninsel des Acheloos Frieden finden, 
sondern als stolzen Helden nnd Liebling der Götter mit 
Diomedes nach Aitolien ziehen, dies Land von seinen Fein- 
den befreien, aber grossmüthig den angestammten Fürsten 
Ubergeben nnd sich selbst ein neues Reich erobern, das er 
als mächtiger König beherrscht und seinen Söhnen hinter- 
lässt. Diese Aenderuny der Sage spricht klar d^is durch 
glänzende Erfolge gesteigerte Selbstgefühl der Koriuther aus. 
Zugleich deutet sie auf ein anderes Interessengebiet: Aito- 
lien. Dort besassen sie Chalkis, obwohl es. wie der Name 
besagt, nicht ihre Gründung war. Aber hier scheint ihre 
Politik nicht so glückliche Eriolge gehabt zu haben wie in 
Akarnanien. 

•*) Strabon X 452. 

Vgl. Curtiua Hermes X 217. Auch MoUxqiu wird von Thu- 
kydidefl III 102 al» korintliiache Colonie beseichnet, nach C. 0. Mül- 
ler Dorier I 115 und Barth: Carintidonun commerc. et mercat. eine 

der ältesten. 

**) Die in der Alkmeonis erzählte Sage Ton Peleus auf Aigina 
(schol, Eurip. Androm. 687) ist gleichfalls jnng: Tgl. H. Dietrich Mül- 
ler Mythologie der grieck Stamme 1 73 £f. 



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yiL NaeUese. 



Der Inhalt fler Ei)eii des theljanisch-argi viseben Sageu- 
kroises ist in den GiTindzüj»on gezeichnet, Ort uud Zeit der 
KutsteliuDg eines jeden und seiner Tendenz nach Möglich- 
keit festgestellt So ist zu hoffen, dass jetzt von diesem 
umfassenderen Standpinikte aus sich die bisher noch un- 
berührte Masse der Ueberlieferung einigermaassen werde 
sondern lassen. Sie stellt sich hauptsächlich in den Tragoe- 
dien dar und hat zuerst die Sage im Zusammenhange zu 
behandeln und in ihrer Geschichte zu begreifen angereizt. 

Ihr berühmtestes Stück ist die Oidipnssage in der Ge- 
stalt, welche Sophokles in seiner unTergleiehlichen Tragoedie, 
Oidipus König, für uns nicht mehr als für das Alterthum 
über alle andern zur AUeinherrsuhall erhoben bat. Die 
chaiakteristiscben Züge dieser Wendung sind das Hervor- 
treten ivorintbs und die beherrschende Stellung des delphi- 
schen Orakels. 

In (Ter Oidipodie steht die ehestiftende Hera im Mittel- 
punkte der Handlung, Oidipus wird auf dem Kithairon aus- 
gesetzt und von sekyonischen Pfordebirten gefunden und er- 
zogen. Sekyon ist auch in einer andern alten Version der 
Ort, wo Oidipus gerettet wird und heranwächst: das Meer 
hatte ihn an die sekyonische Küste getrieben; hier war er 
Ton Periboia beim Waschen entdeckt und Ton ihrem Gemahle 
Polybos als eigener Sohn aufgenommen worden. Versudis- 



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Tn. Nftchleae. 



159 



weise wurde diese SageDform mit dem Amphiaraoslicde ver- 
bunden. Weder von Korinth noch von Delphi findet sich 
in diesen beiden Wendungen eine Spur. In der Thebais 
klafft gerade hier eine Lücke. Was die sophokleische Veraion 
von den andern nnterscheidefc, zeicfanet anch dies Epos yor 
den übrigen aus. Auch hier steht das delphische Orakel als 
höhere Macht über den Geschicken der Menschen: auf seinen 
Befehl zieht Manto nach Klaros, wird das neugeborene Land 
von Alkmeou ttutgcbuciiL und besiedelt. Andrerseits ist er- 
wiesen, dass dies Gedicht durchsetzt ist von Sagen, welche 
erst Koriüther erfunden oder doch an neue Orte gebracht, 
ihnen angepasst und umgeformt haben. Auch darauf wurde 
schon aufmerksam gemacht, dass das alte Sagenreiche, im 
Amphiaraoslicde hochgefeiertc Sekyon, die Heimath des Gottes 
Adrastos und Sitz des Polybos, in dem Epos Thebais- 
Epigonoi gänzlich verschwunden scheint» und es wurde der 
Verdacht ausgesprochen, dass Korinth seine natürliche 
Feindin, das nah benachbarte weitherrschende und einst auch 
handelsmäditige Sekyon aus diesem Sagenkreise verdrängt 
habe. 

Die charakteristischen Merkmale der sophokleischen 

Oidipussage trägt uueli die Tbebai.s, und wir vorstehen, wie 
dies asiatische Gedieht das delphische Orakel, dem die lonier 
und ihre Nachahmer und Schüler, die binnenländischen Bar- 
baren Lyder und Phryger, fromm ergeben waren, so hoch 
erheben konnte» und noch mehr» wie es die mächtige Handels- 



*) Vgl. Schoeidewin 193: „Bei Sophokles hat Polybos in Korinth 
weiter keine Bedeutung als die des mächtigen Herrschers der glän- 
zendsten Stadt: oh dio alte Königsroihe Korinths wirklich einen sol- 
chen Köllig kannte oder uieht, war dem Dicliter jrleichgüUipf " Da- 
gegen hat derselbe Gelelirte die religiöse Zusainmenireböritrkeit des 
Polybos und der Periboia, welche in Sekyun festaitzen, aualog Kly- 
menoa und Meliboia in Hernione erwieien. 



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160 Vn. NacUeae. 

freimdin Korinth feiern und auf Kosten ihrer Concurrentin 
Sekyon schmücken mochte. Sophokles dagegen hatte keinen 
Grand, die Erzfeindin Athens irgendwie zu Terherrlichen: 
also hat nicht erj welcher nur schwer geneigt war, den 
Mythos eigenmächtig umzugestalten, die Erziehung des Oidi- 
pns von Sekyon nach Korinth verlegt, sondern schon vor 
ihm muss dies geschehen sein, vor ihm Korinth als Sitz des 
Polybos festgestanden haben. Ebenso ist der bestimmende 
Einfluss des delphischen Orakels auf die Geschichte des 
Laioshauses älter als Sophokles. Denn dass es ein Spruch 
der Pythia war, durch dessen Uebertretung Laios das Ver- 
derhen üher sich und sein ganzes Haus heraufbeschworen 
hat) das wissen schon Aischylos und Pindar. ^) 

So, meine ich, ergiebt sich mit einiger Evidenz aus all- 
gemeinen Erwägungen, was durch Zusammenfügen der ein- 
zelnen Bruchstücke nicht möglich war, die Erkenntniss, dass 
die Thebais jene Aenderungen in der Oidipussage gemacht 
hat, die wir aus Sophokles kennen, dass also sie ihm den 
Hintergmnd und die Bedingungen für seinen König Oidi- 
pns gegeben hat, wie sie den attischen Tragikern auch des 
Oidipus Flüche und Leiden und die Liste und die Kämpfe 
der Sieben geliefert hat. Die Thebais hat Sekyon aus diesem 
Sagenkreise verdrängt, um das sai:jenarme, hamlelsgewaltige, 
den loniern enghefreundete Korinth an seine Stelle zu setzen, 
und sie hat alte unhekannte Lokalorakol und Lokalculte, die 
einst bedeutsam mit diesen Sagen verwachsen sein mochten, 
für alle Folgezeit durch das Einsetzen des allmächtigen 
Delphi beseitigt^) 



«) Aischylos 725 tf., 674, Pindar 0. II 40, und in einem Paian: 
»Chol. Pind. 0. II 70. 

') Das war eine weise That dos Dichters, so sehr auch wir sie 
m bedauern alle Ursache haben: denn so eraetste er die Terwirrende 



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161 



Nun ist festzuBtellen, was von der durch Sophokles be- 
kannten Sageiiform diesem Gedichte angehört haben mag. 
Ausser den nothwendigen Folgerungen aus den beiden ge- 
gebenen Punkten Kurinth und Delphi ist ihm das zuzu- 
sprechen, was neben jenem ältere oder doch unabhängigo 
Zeugen geben, unter die Euripides zu rechneu wohl be- 
rechtigt ist. 

So ist für die Thebais durch die Uebereiustimmung von 
Sophokles 0. T. v. 710 mit Aischylos v. 725 und Pindar 
0. II 38 sicher» dass der delphische Apollon den Laios ge- 
warnt» Kinder zu zeugen, und ihm den Tod yon der Hand 
seines Sohnes vorhergesagt hatte. Und wie Aischjloa y. 1039 
aus der Uebertretung des apollinischen Verbotes das ganze 
Unheil des Labdakidenhauses bis hinab zu den Enkeln des 
Laios ableitet,^) so sagt auch in Euripides Phoinissen der 
pjLliische Spruch, dasselbe: 

/i?} cxilQB zexvwv aXoxa öaifiovcov ßl^, 
si yao rhxvcoouq jtaTd*, äjtoxTBVBl tf' o givg, 
20 Tcai Jiät; <s6q oixoq ßi^stai 6i affiotoq. 

AischyloB lässt den Chor in den Sieben singen: 



Mannigfaltigkeit durch eine Einheit, welehe das ganie Gedieht stu- 
sammen zu kalten geiehickt war. Jene lokalen fiesiebungen hatten 
durch die Wanderungen ihre Bedeutung verloren, waren wohl z. Th. 
1111 verständlich geworden, zumal für die kleinasiatischen Griechen, 
welchen die Anschauung jener Plätze fehlte. Die beste Erläuterung 
giebt Goethes Insceuiriiug des Hamlet und seine Begründung: Wil- 
helm Meisters Lehrjahre V 4. 

*) Vgl. Schneidewin. Apollon voiieadet den Fluch, wie er ihn 
gedroht hat. Das sagt im 0. T. des Sophokles Teliesias B77 und 
1329 janraiert dieeer selbst: 

h jtaxii itaith tikah iptk x&6* ift& nd^tt. 
Tgl. Aischylos Sieben 727 ft, Stark De Labdocid. historia (Lngduni 
Batav. 1829) IIB. 

Bethe, UeldAiiUeder, 11 



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162 



m NachlMe. 



726 xctXaiyev^ yag Xiyco 
xoQßaolap C9KVX01V0P' 

altSva elg tqIxov fiePH. 

Audi Pindarn schwebt offenbar derselbe Gedanke vor in den 
Versen 0. II 38 ff.: 

hiTBivs Actiov (togifiog vloq 

ötwavTOfiBPog, iv ^ IIvMvi xif'iiSB'hv 

xaXalg>atov tiliaüBv, 

Uotöa oSßf 'EQiVvq 

tmq)ifi ol övv dXlaXopovl^ yivoq agrulov. 

Gegen den göttlichen Ilath ist das Geschlecht erzeugt, also 
ist es güttverhasst und ganz und gar muss es untergehen. 
Diese Auffassung klingt auch deutlich in Sophokles Antigone 
au, wenn der Chor zu ihr singt (8Ö6) JiaxQi^ov ixripeig 
xvfi dd-Äov und sie antwortet: 

867 l^ovtfag dZYStvarataq ifiol /t$Qlfiyttq 
xatffog TQixoUmw ohov . . . 

866 oXcov lyco Jtod"^ a xaXalrfQcov £g)vv' 

Daraus ergiebt sich, dass diesen Gedanken nicht Aischylos 
zuerst durchgefühlt hat, sondern dass ihn schon ein älteres 
allgemein bekanntes Gedicht deutlich ausgesprochen hat: die 
Thebais* 

Laios zeugt trotz der gottlichen Warnung einen Knaben 
x^an^Biq ix g>lXan> aßovXiav, vie Aischylos t. 723 sagt» 
wohl dasselbe andeutend wieEuripidesin den Fhoinissen t.21: 

0 d' i^doi^ 6ovq bIq T£ ßaxxtlov XBitwv, 
Der eben geborene Knabe wird mit durchbohrten Knöcheln 

einem iliiten zur Aussetzung auf dem Kithairon übergeben 
(Soph. Eurip. Ph. 25). Dock dieser, statt ihn hinzuwerfen, 
übertriebt ihn einem Hirten des Polybus (Soph. Eurip.), des 
Königs von Korinth. In dem Dilemma, ob die Gattin des 



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VII. Nachlese. 



163 



Polybos den Oidipus unterschob, wie Enripides, oder ihn mit 

Wissen des Gemahls an Kindes Statt auferzog, wie Sopho- 
kles angiebt, möclite ich mich für die zweite Wendung ent- 
scheiden, da nicht ersichtlich ist, warum dieser geändert 
haben sollte, und weil die Üeberbringung des Knäbleins 
durch don Ilirton doch die Möglichkeit einer Unterschiebung 
in Frage stellt. Des Oidipus Entdeckung, dass Polybos nicht 
sein Vater, und seine Wanderung nach Delphi wird eben- 
falls diesem Epos gehören: denn auch dies musste ihn von 
Korinth nach Theben bringen und Delphi hatte es in den 
Mittelpunkt der ganzen Handlung gestellt. Der Mord des 
Laios in der phokischen Schiste ist für dasselbe nothwendig: 
denn dahin hat diese That nur der Diditer verlegen können, 
der das pythische Orakel in diesen Sagenkreis eingeführt 
hat Hierdurch wurde die Macht und die Strenge des del- 
phischen ApoUon augenfällig; wie Sophokles nennt auch 
Euripides in den Phoinissen v. 38 ausdrücklich diesen Ort 
des Mordes. Die Bezwingung der Sphinx durch Oidipus,") 

^) Dqüu Aischylüs 755, Sophokles, Euripides erw&bnen sie in 
diesem Zusammenhange. Sie konnte nicht wohl in einer Geschichte 
dei Oidipua fehlen. In der Thebala wird die SpMox als B&thseljung- 
fran exBchienen sein. Ob Weicker Ep. C. IL $9d mit Beeht die Er- 
legung dea teamesrisehen Fochaes dnreli KephalM der Thebais-Epl- 
gonoL zutheflt, weiaa ich nicht an' entachelden. Die Angaben : ol tu 
6t]ßatxa y^yQixxpoteq . . . xaB-inBQ ^ÄQiotodrifxoq und eiXtjtpaai olxoi 
xov fwd^ov pV tov i^TTtyov >n^xXov genügen nicht, diese Sage einem 
Epos des thcl)anischen Kreises zu viridiciren. Hinfällig jedoch ist, 
was Immisch Klares 157 ,. bedenklich" Re^en Weicker macht: „das 
Hereiuziehcu des aitiächen Kephalos im üegensatze zu der aus Ko- 
xinna bekannten boiotiaehenSagenTenion", nftnlich T^Jdtong des Fuch- 
ses dareh Oidipua. Denn Keplialos bat mit Bolotien Verbindungen. 
Seine erste Gattin Klymene, die Minyastoebter, gebdrt nach Nord- 
boiotien. Aach seine sweite Gattin Ftokria, die Gdährtio dw Ar- 
tenais, scheint aus Attika heraus nach Boiotien za weisen, wo die 
ihr Yerwandten Njnmpben Antikleia, Ghariklo, Atalante mit jener Göt- 

11* 



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164 



VU. Kachlese. 



seine Herrschaft in Theben, seine Ehe mit lokaste sind ge- 
geben. Von der Eizt u'_,fung tler vier Kinder mit der eigenen 
Mutter wussto die üuiipudic uichts. Die Thebais hat sie ge- 
kannt. Denn Aischylos (lOlö, 007), Supliokles und Euripicies 
verwenden allein diese Version, und sie nur lässt den Fluch, 
des Labdukidenhauses furchtbar fortwirken. 

Auch die Entdeckung des ungeheuren Frevels wird in 
diesem Epos in dcibelbeu oder doch ähnlicher Weise ge- 
schehen sein, wie hei Sophokles. Denn er hat» wie gezeigt 
ist, den Stojff aus der Tbebais genommen, und da diese den 
thebanischen Hirten das Knäblein einem korinthischen über- 
geben und nicht etwa aussetzen und zufällig finden liess, 
wie die Uebereinstimmung des Euripides mit Sophokles er- 
giebt, so ist anzunehmen, dass dies Motiv genutzt war und 
dieser Ungehorsam zur Entdeckuji*^ luiii Le. loka^tc hat 
schwerlich die Katastrophe überlebt; ihr Selbstmord ist so 
natürlich, dass mau ihn wohl ergäuzen würde, wenn er nicht 
überliefert wäre. Nur allein in Euripides Pboinissen lebt sie 
noch weiter. Es ist das eine kühne Neuerung des Dichters, 
der sich die höchst wirksame Zusammenführung der unglück- 
lichen Mutter mit den feindlichen Brüdern nicht entgehen 
lassen wollte. Aber neu war daran nur die Uebertragung 
dieser Rolle auf lokaste; denn dieselbe hat Euiyganeia in 
der Oidipodie gespielt: so fällt auch dies einzige Zengniss, 



tiu jageu; und Rollte es ein Zufall sein, daas unter den Töchtern des 
Thespios ^Apoliudur III 7. 8. 1) eine Prokris genannt wirdV 

*) Das von Euripides Phoin. 45 angeschlägene Motiv, die Scheu- 
kuDg des WsgenB des Ijiiot an Polybos, welehes, wie Schneidewin 
mit Becht bemerkt, doch eine Folge haben muaste, also wohl ab ^ 
Hebel sur Eatdeckuiig gedient hat» ist mit der Thebais nicht za ver^ 
binden. Ich vermutho einen anderen ZasammenhaDg, den ich hier 
aber nicht verfolgen kann. 



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yil. Nachlese. 



165 



welches für das Ueberleben der lokaste beigebracht werden 
könnte. 

Die Blendung des Oidipns durch seine eigne Hand ist 
schon für die Thebais erwiesen,^) auch wurde die Ver- 
muthung b^ründet» dass er noch den Kampf seiner Söhne 
erlebt. 

Ueber Antigone und Ismene kann ich nichts sicheres 
ermitteln. Töchter des Oidipus sind sie sicher schon im 

Epos gewesen, da Pherekydes®) mit sämmtlichen Tragikern 
in dieser Angabe übereinstimmt. Möglich, dass die Thebais, 
welche das ganze Geschlecht als ein pjottverfluclites hin- 
gestellt hat, auch von ihrem kläglichen Ende zu berichten 
wuBste. Für Antigene hängt alles von der noch unent- 
schiedenen Frage ab über die Echtheit des Schlusses der 
aischyleischen Sieben. ^) Ueber Ismenens Tod ist die Ueber- 



^ Aiscli7losv.765, Sophokles, Euripido8Fh.T.6a,Hel!aniko8(8chol. 
PlMiiD. 61) haben Ae flbernommeii. Die anffoUende Uebtteinstiinmiiiig 
von Euipides Phoin. 63 nnd Sophokles 0. T. 1269 erklirt sieh also 

ans ibrer gemeinsamen Quelle, der Thebais. 

«) Pherekydes in Schol. Phoin. 53, s. oben S. 23. 

Als Enripides seine Phoinisscn schrieb, stand Antigonnns T;ie- 
besthat an der Leiche ihres Bruders so fest, dass er sich ihri r ] >- 
wähnung auch auf Kosten der Klarheit über ihr ferneres Schicksal 
nicht entziehen mochte. Die Behandlung der Antigonesage in den 
Sieben des Aischylos setzt voraus, dass die That und ihre Folgen 
darchaos bekannt waren. Desthalb hat sie Boeckh Antigone 146 einem 
Epos, der Oidipodie sugesprochen, vgl. Welcker Ep. G. II 844* Zur 
Entscheidtmg der iVage Uber die Echtheit des ScUnsses der Sieben 
vermag ich nichts beizotragcu. 

Auch Megareus -war sicherlich im Epos gefeiert. Denn Sopho- 
kles Antigone 1302 und Aischylos v. 457 setzen voraus, dass seine 
Geschichte allgemein ])ekannt ist. Allein bei ihm deutet Aischylos 
V. 460 die Möglichkeit des Todes im Kampfe gegen die Sieben an. 
Vgl. Menoikeus io den Fhoinisseu, über welchen v. Wilamowitz De 
Euripidis Reraclidis 10 und n., schol. Phoin. 1010. 



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166 



VIL Mftchleae. 



lieferung doppelt. Die eino aus Mimnermos durch Sallust 
in der Hypothesis zur Aiitigone erhaltene, nach welcher 
Ismeoc auf Atbenas Antrieb von Tydeus getödtet wird, als 
sie mit Perüdymenos koste, ist von Robert auf einer korin- 
thischen Vase erkannt und der Thebais nicht ohne Wahi^ 
scheinHchkeit zugesprochen worden.^®) Die andere giebt die 
offenbar ursprünglichere Sagenform: Ismene wird an der 
gleichnamigen Quelle ermordet Sie ist unter dem Namen 
des Pherelv} Jc9 in einer Yon der Oidipodie abhängigen Er- 
zählung erhalten, und es liegt kein Grund vor, zu bezweifeln, 
dass dies Epos mit seinen vielen lokalen Beziehungen auch 
diesen echten Zug gegeben habe.") Die Verbindung der 
Bachnymphe Ismene mit dem Poscidonsohne Penkiymenos 
ist unzweifelhaft von ebrwiirdigom Alter. 

• « 

Euripides erzählt in den Phoinissen und den Schutz- 
flehenden, wie Polyneikes aus Theben Tertrieben bei Nacht 
ein Lager suchend in den Hof des Adrastos kam und mit 
dem Flüchtlinge Tydeus, den dieselbe Absicht ebendahin ge- 
führt hatte, um das Bett in wilden Kampf gerieth, wie 
Adrastos herbeigeeilt, in den grimmen Helden Eber und 
Löwen, die ihm Tom Orakel yerheissencn Schwiegersohne, 
erkannte und sie als solche auiuahm. Beide Darstellungen 
stimmen völlig mit einander üborein. Dass die der Phoinissen 
aber nicht aus den SchutzÜehenden entlehnt ist, beweist ihre 
grössere Vollständigkeit: hier ist nämlich der Gruud für den 



'•1 Bild und Lied 21 n, 19. Vgl. Freiler Gr. M. Ii '6i)'d, Töpffer 
Att. Gonfalügie 22ß n. l. ~ Abbildung der Vase Mon. d. Ist. YI 
tav. 11 ^ iieuüduri" Vorlegeblätter 1889 XI 4. Dieselbe Sceiie merk- 
würdig ähnlich auf einer etnukiBchen AscheDklste II Tfl. 8 a bei 
Körte^ ?gL S. 25. 

»} Welcker Ep. G. n 857 glebt Ihn der Thebais. 



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VIL N«gU6M. 



167 



nächtlichen Kampf der beiden Helden im Hofe des Adrastos 
angegeben (421), während in jener nur die Thatsache des 
Streites berichtet ist (144). Diese Sage war also den Athenern 
schon anderswoher bekannt» so dass Euripides nur einer knapp 
andeutenden kurzen Stichomythie bedurfte, um sie ihnen in's 
Gedächtniss zu rufen. Aber höher hinauf kann sie nicht 
yerfolgt werden, da jedes Material {Mt Sogar hei Aischy- 
los, dem es doch nahe liegen musste, Eber und Löwen 
als Schildzeichon deu beiden grimmen Kämpen zu geben 
oder sie mit diesen Thieren zu vergleichen, findet sich keine 
Spur. Daraus den Schluss zu ziehen, dass die Thebais diesen 
Zug nicht enthalten habe, hätte wenig Wahrscheinlichkeit. 
Aber wohl kann dies daraus gefolgert werden, dass nach der 
vorgelegten Untersuchung in diesem Epos Poljneikes das 
Halsband, vielleicht auch das Kleid der Harmonia, die köst- 
lichen Werke von Götterbänden, aus der Heimath mitführte^ 
welche nach HellanikoB die Hälfte des vaterlichen Erbes re- 
prfisentirten. Durch diese beiden Kleinode Tom Werthe eines 
Königreiches war Polyneikes auch in der Verbannung ein 
nichtiger Fürst. Er konnte also nicht wohl als elender 
Flüchtling um eine arme Lagerstatt mit einem Fremden 

isLampicii. 

Man sieht hier recht deutlich, wie sich die Veränderung 
der Lebensweise eines ^(tlk(s auch in der Umbildung der 
Sage zeigt. Die lonier und Korinther waren zu wohlhaben- 
den Kaufleuten geworden, die, wenn sie auch Körperkraft 
zu sdiätzen wussten, doch im Capital eine höhere Macht er- 
kannten. Aus dem Heroen, der mit nichts als seiner Helden- 
kraft in die feindliche Welt zieht, ist ein Mann geworden» 
der mit unschätzbaren Kleinoden versehen sein Vaterhuid 
verlässt, um die Capitalien wohl zu yerwerthen: er entzündet 
durch sie den Eri^, der ihm auch die andere Hälfte des 
Täterlidieii Erbes verschaffen soll 



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168 



TU. Machlese. 



Unzweifelliaft kommt jener von Euripides zweiiual ge- 
schilderteu lebeiuligGii und anschiiulicheu Scene griechischer 
Heroenzeit ein höheres Alter zu. So wird man an das Ara- 
phiaraoslied denken. Voraussetsuug jenes Kampfes ist, dass 
Polyneikes wie Tydeus als armer verlassener Flüchtling ein- 
sam durch's Land streicht; das malt auch der Tragiker beide 
Male in lebhaften Farben ans. Anch dies müsste dann für 
dies Epos angenommen werden. Die irilde Grosaartigkeit 
reckenhaften Heldenthums, die ans so manchen Bildern dieses 
Gedichtes nodi herrorleacbtet, eignet auch dieser Geschichte. 
80 möchte man sie ihm gern einfügen. Doch miiss man sich 
gegenwiirtig halten, dass sicher noch mehr Epen, als bisher 
bearheiLot sind, die thebanisch-argi vi sehen Sagen erzählt 
haben, z. B. ein Epos des Hesiod (schül. ¥ 679 Tw.). 
So ist auch ein nur annähernd sicheres Urtheil unmöglich. 

* 

") Weicker Ep. C. II 327 will die Scene etwa bei dem Osai- 
mahle des Adrastos, das nach seiner Meinung die alte Thebais er- 
öffnete, erzählt wissen. Dass dies Bundesmahl von Antimachos 
(fg 16 k) aus dorn alten Epos eutlebnt sei, weil die Ileldeu hier Ho- 
nipfmeth und Dicht Weiu trinken, ist eine ttchöue Bemerkung von 
Weicker £p. C. II 327 n. 14, aber dieser Grund ist weder durchschlagend 
noch kann er es für die TerliftltiiitBmftBsig junge Thebais empfehlen. 

**) Der von Hnaseas in seiner Sammliing delphischer Orakel an- 
geführte Sprach (schd. Phoin. 410) seist eine andere Scene vorans, 
als die von Euripides erzählte. Dass auch dieser 4*oißoq Ao^lttq als 
Urheber des Orakels uennt, ist nicht von Belang. Die euripideische 
Kampfesscene scheint das chalkidische Vasenbild in Kopenhagen aus- 
zuschllessen : Archäol Zcitg. 186(5 Tfl. 20G ^ lianmeister Denkm. S. 17. 
Abekens Deutung (Ann. d. Ist. 1839) ist trotz lleydemann (Arch. Z. 
186G. 131) richtig. Denn die beiden hockenden Figuren haben allein 
wie der sidiere Adrastos ebie „Epaulette*' auf der Schalter und 
ebenso wie dieser an allen Contoren lockiges Haupthaar^ wftlirend 
die drei flbrigen Figuren keine .JEIpaalettes" haben und gUtte Hin- 
ttthaaptsamturen seigen (nur die stdiende Figur an der KUne hat 



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yiL Nachleie. 



169 



Ebensowcing vennag ich mit einiger Sicherheit die 
Lücken jener Oidipussage auszufüllen, weiche oben C. III 
S. 67 £ dem Amphiaraosliede Terrnnthungsweise beigelegt 
wurde. Nor so viel kann mit einiger Sicherheit gesagt 
werden: die yerhängniBBTolle Begegnung des Oidipus mit 
seinem unbekannten Vater wird auch in dieser Wendung 
zwischen Theben und Sekyon stattgefunden haben wie in 
der Oidipodie, wahrend für die Thebais die phokische 
Sckistc vor Delphi gewonnen wurde. Denn jene beiden 
StMte sind die festen Punkte, zwischen welchen sich jene 
alte Sago abspielt, von Apollon und Dcilphi dagegen findet 
sich keine Spur in ihr. Daher dürfte mit einiger Wahr- 
scheinlichkeit derselben die eigentümliche Ueberheferuiig zu- 
getheilt werden, welche Apollodor III ö. 8. 1 und Pausanias 
X 5. 4 geben: Damasistratos, der König von Plataiai, habe 
des Laios Leiche gefunden und begraben. Aus dem Zu** 
sammenhange muss man freilich auf den phokischen Kreuz- 
weg schliessen. Die ünsinnigkeit liegt auf der Hand und 
schon Schneidewin hat die evident riditige Lösung gegeben: 
Damasistratos hat im Gebiete seines Plataiai den Ermorde- 
ten bestattet, i*) 

Den nächstliegenden Gedanken, diese Notiz der Oidi- 
podie zuzLischiebcn, verbietet die durcliaus unverdächtige An- 
gabe Pisanders in seinem Auszuge dieses Gedichtes l 17: 

Locken nach dem Antlitz hin; der venneintliche „Zopf^* der vorderen 
hockenden Flgnr adieint Kiez xo seb). An der gans links an 
der dorischen S&ule Btehenden Figur, auf die Heydemann die Bei- 
schrift Tydeus bezieht) ist trotz der flüchtigen Zeichnung der weib- 

licbc Busen deutlich. Somit siud die beiden bockenden Figuren 
männlich: Tydeus und Polyneikes als Schutzflehende im H&USO des 
Adrastos, dessen Gattin und Töchter dabei stehen. 

'*) Schneidewin 183. Diese Stelle des Pausanias ist der schla- 
gendste Beweis für seine Benutzung desselben mythologischen. Haod- 
buches, daB Apdlodor ausgezogen hat: GenethliMon Gottingense 47. 



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170 



YII. Nachlese. 



{(Hölxovg) XTslv€ts ovrovg (Aatoi' xnl xov tjvioxov avrov) 
id-cape xaQavxixa. So wird für die dem Amphiaraosliede 
zogeteilte Veraion jene Kotiz vermuthet werden dürfen. Auch 
in die Tragoedie ist der liier genannte Ort des Vatermordes 
übergegangen. Das Scholion za Sophokles 0. T. 733 hat diese 
Verse ans des Aiscbylos Oidipus erhalten:^*) 

tjcfjfiti' T//^ odov TQOitiXaxov 
o//öT/)s AkXevd^ov XQioöov, hffka öv^ßoXaq 
XQiöJv xtXtv&o)v IJoxridöaiv i^l^eißoiiev, 

Potniai lag südlich von Theben zwischen dieser Stadt und 
dem Asopos, also auf der Strasse nach Plataiai und Athen, 
Schneidewin hat über die Jugendgesebichte des Oidipus in 
dieser aiscbyleischen Tragoedie geistreiche Combinationeii 
vorgetragen. Doch ist aus ihnen für die verfolgte altepische 
Sagenform nichts zu gewinnen, obgleich die Art der Aus- 
setzung an diese erinnert 

Aelian und eine der antiken Vorreden zu Pindars nemei- 
schen Gedichten überliefern, dass dem F^onaz zu Ehren 

Agone angestellt worden und dass die später dem Arche- 
moros gewoiiiLeu und ula nciueisch weitergeführten Spiele 



Die unmethodischen Versuche, dies Frg. dem aischyleischea 
Oidipus abzustreiten» und Ulrichs leichtsinnige Interpretation hat 
Scbneideirin 182 glftasend widerlegt Kauck, hat es ab frg. 178 die- 
ser Tragoedie Eagewiesen. 

^ Dieselbe Ortsangabe steckt In dem Terwinten schol. Phoin. 
37: f.Yt r/7c a/KJTtjg oSov iv ^(oseidi. ovz<og de xalfTrca i7X£i3?) ox'^'C,fi 
xijV t:7ii Boiüttlav xal Brjßag xal Uztix^v xal Koqiv&ov odov. Es 
ist hier also eine Variante ausgefsllon, vielleicht die Version des 
Aischjlos oder gar seiner Quelle. 

Ed. Abel II p. 10 I. 1, Aelian V. II. IV 5. der klärlich seine 
Gelebrsamkeit aus dieser Quelle schöpft. Für daB hohe Alter einer 
Feier In Nemea ist auch Flndar N. VIII öO Zeuge. 



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VIL Nachlese. 



171 



nur eine Wiederholung jener waren. Pronaz ist ein Bonst 
unbekannter, yerBohollener Heros, nnr im AmphiaraosHede 
hat er eine freilich mehr indirekt bedentende Bolle gLspiit: 
seine Ermordung war der Gmnd der Feindschaft zwischen 

Ad rastos, seinem Bruder, und Amphiaraos, seinem Mörder. 
Nichts liegt näher, als auch joue Notiz inil diesem Epos zu 
verbinden. Sie passt trefflick. Am Grabe des Königs, der 
im Kampfe der drei argivisclien Geschlechter den Tod ge- 
funden hatte, werden Spiele von den wieder Versöhnten ge- 
feiert. Denn nicht nur des Pronax Geschlecht, auch sein 
Feind Amphiaraos nimmt Theil. Das ergiebt sich aus der am 
amyklaiischen Throne dargestellten Scene, wie Adrastos und 
Tydeus die in ernsten Kampf gexathenen Helden Lyknzgos und 
Amphiaraos zu trennen suchen* Sie gehört dem Amphiaraos^ 
Hede an, wie oben S. 49 gezeigt wurde, und kann mit keiner 
andern Gelegenheit schicklicher Terbunden werden, als mit 
der Feier am Grabe des Pronar: ein Sohn ISsst sidi Ton 
seiner Rachewuth gegen den Mörder des Vaters hinreissen, 
den Frieden zu brechen. In demselben Zusammenhange giebt 
diese Scene, wenn auch etwas verändert, Statins: das be- 
weist doch wenigstens, dass er sie bei d» r Einsetzung der nomei- 
schen Spiele überliefert fand. Ueber den Ort kann kein 
Zweifel sein: Nemoa geben die Piudarerklärer an und nach 
Nemea weist auch des Pronax Sohn Lykurgos, der noch in 
der späteren Sage als König dieser Stadt und Vater des 
Arehemoros erscheint. 

Diese Ergänzung des Amphiaraosliedes giebt einen in- 
teressanten Belog Dir den fortgesetEten Ahnenkult. Bohde 
hat erwiesen, dass Homer und seine Zeit den Todtenkult 
ebensowenig geübt, als die Vorfahren im Mutterlande ihn 
eifrig betrieben haben. Erinnerungen an diese Sitte 



') ßohde Psyche 142, 147 etc. 



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172 



VII. Nachlese. 



finden sich iu den homerischen Gediditen nur noch in den 
ScbUderungen prächtiger LeidienbegängniBfle. Hier hätten 
wir ein Beispiel der Verehrong eincB grossen Todten lange 
nach der Bestattung. 

Der Zweck der in Rede stehenden Spiele kann kaum ein 
anderer gewesen sem, als die Versöhnung oder wenigstens Be- 
ruhigung der Sct'lf» des Pronax: denn sie war den Mördern 
feindlich und komito ihre Verbindung mit seinen zur Rache 
verpflichteten Verwandten nicht gut heissen. Ks dürfte diese 
Feier an seinem Grabe also entweder bei rleni Vertrage zwi- 
schen Adrastos, Amphiaraos und den Anaxagoriden stattge- 
funden haben, oder beim Auszuge der Sieben gegen Theben, 
wo die feindliche Seele milde gestimmt werden sollte, damit 
sie das grosse Unternehmen nicht störe. Ich inöchto die 
zweite Möglichkeit vorziehen» weil auch die jüngere Sage mit 
derselben Gelegenheit nemeische Spiele verbindet lieber 
diese liegt bei ApoUodor eine Ueberliefenmg yor, eng Ter- 
knüpft mit Hypsipylc Ton Lemnofl. Wie alt diese Verbin- 
dung ist, vermag ich nicht zu sagen: der älteste Zeuge ist 
Euripides. Auch in seiner Tragoedie wird die Einsetzung der 
Nemceu erwähnt worden sein, aber auf ihr lag nicht das 
Hauptinteresse. Wenn also bei ApoUodor eine Liste der 
ersten Nemeensieger mitgetheilt ist, so muss ihre Quelle wo 
anders gesucht werden. Wo aber, ist ganz dunkel. Denn 
der Name Laodokos ei'sclieint in Iteiner andern Liste der 
Sieben, w-ihrend die übrigen in der Thebais wiederkehren. 
Dies Gedicht kann jedenfalls nicht die Quelle sein, denn es 
ist vor dem überlieferten Stiftnngsjahre der Nemeen ent- 
standen. 



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TU. Nachleae. 



173 



Oben S. 46 f. wurde eine Sage vom Wahnsinn der argi- 
vischen Weiber und ibrer Heilung durch Melampus um zwei 
Dritttheile von Argos für „des Amphiaraos Ausfährt*' in An- 
spruch genommen. Es giobt ausser dieser noch zwei Wen- 
dungen. Ganz verschieden von ihr ist die des Akusilaos 
bei Apollodor II 2. 2. 2. Nacli ihm hat Hera den Wahnsinn 
gesandt und zwar nicht allen Weibern, sondern nur den 
Töchtern des Königs, weil sie ihr altes Holzbild verachteten. 
Basselbe giebt Phcrekydes im Scholion o 225, wenn anders 
sein Name mit Recht unter der lörogia steht. Mit ihm 
stimmt trefflich des Probus Notiz zu Vergils VI. Ecloge 48,***) 
aus der Servius und der Scholiast zur Thebais des Statins 
IV 453 schöpfen. Aus ihnen ergiebt siidi folgendes: Des 
Proitos, Königs yon Argos, Töchter Lysippe und Iphia- 
nassa verachten Hera; diese schlägt sie mit Wahnsinn, so 
dass sie sidi für Kühe halten und in den Bergen umher- 
schweifen. Melampus bietet sich zur Heilung an gegen Zu- 
sicherung eines Theiles des Reiches. Diese Bedingung wird 
sogleich gewahrt: er versöhnt Hera, heilt die Weiber und 
heirathet Iphianassa. Das Akusilaoscitat darf als sicher gel- 
ten, leido)- ist die Anführung des Pherekydos bedenklich. 
Liegt seine Erzählung wirklich dem Odysseescholion zu 
Grunde, so haben beide eine Quelle benutzt, die man wohl 
für nichts anderes als ein Epos halten kann. 

Die dritte Sagenform ist an den Namen des Hesiod ge- 



ScboL o 225 klingt etwas an Apollodor und Hwodot IX 34 
an; alM ist Vorsicht geboten. 

**) FroboB giebt als Grund aa: „quod Junoiiis contempserant 
numen". Servius specialisirt den üebermuth der Proitiden g^en 
Hera. 

Diese zwei bei Pherekydes und Apollodor. Eine dritte fügt 
Servius hinzu 7.-r .toro/i. Apollodor p. 41 1. 24 Bekkcr giebt an, 'ftf tvo^, 
die Älteste, sei bei ibrer Verfolgung durch Melampus gestorben. 



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174 



yil. NacUese. 



knüpft. Offenbar mit Recht liat Rzacb die Fragmente 52, 
53, 54 zusammengestellt*') und sie auf Grond des letzten 
den Katalogen zagetheilt» während Marckscheffel mit Ruhnken 
frg. 52 der Melampodie giebi Ans diesen Bruchstficken ist 

so viel abzunehmen, dass Dionysos die Töchter des Königs 
ProiLos von Argos und seiner Gattin Stlieneboia mit fiax^o- 
övvri behaftet, weil sie seine Woiliou nicht annehmen. Die- 
sen Grund fuhrt Apollodor III 2. 2. 2 mit Nennung des He- 
siod an neben dem des Akusilaos. Seine weitere Erzählung 
ist durchaus einheitlich, und obwohl nicht geradezu Diony- 
sos genannt wird, so scheint doch die Heilmctliode des Me- 
lampus (lv^£og xtq x^Q^^^ äXaXayfiog) auf diesen Gott 
zu deuten. Genau dieselbe £rzahlung giebt nun Herodot 
IX 34. Auch hier sind es die Töchter des Proitos, welche 
zunächst leiden; auch hier bietet sich Melampus zweimal zur 
Heilung an, indem er das zweite Mal seine Forderung ver- 
doppelt; auch hi^ breitet sich der Wahnsinn nadi der ersten 
Abweisung des Sehers auf alle argivischen Weiber aus. Eine 
Gottheit freilich ist hier nicht genannt, aber Melampus gilt 
dem Herodot (II 49) als Verehrer des Dionys ia und Ver- 
breiter seines Cnltes, und so wird auch für diese Sage Dio- 
nysos vorauszusetzen sein. Ist das richtig, so muss die bei 
Herodot IX 34 und ApoUodoi erhaltene Version für Hesiods 
Kataloge in Anspruch genommen werden.'*) 

Bisher sind allgemein die wenigen Andeutungen, weldie 



n) DAdnrcli wird Herrn xesp. Aplirodite sls strafende Gottheit, 
welche Buhnken, Hardcscbeffel, Eckermann (Melampus 8) änrck an» 
berechtigte Verwerthung von Aelian Y. H. HI 4ä fttr HeciodB Kata- 
loge angenommen hatten, eliminirt. 

*') YgL Eckennaon Mel&mpua öff., de Witto Gazette archäol. 

V im. ms. 



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VIT. N»ehl6Be. 



175 



die nias und Odyssee aber thebaniacbe Sagen geben, obne 
mtereB für die Thebais in Anspraoh genommen.**) Der 
Glaube an ibr bobes Alter nnd ibren grossen Einfloss liessen 
diesen Scbltus bereebtigt erscbeinen. Mit demselben Recbte 

könnte er dann aber auch auf Hesiod angewendet werden. 
Eine solche Verwerthung ist unmethodisch, ehe nicht der 
Beweis erbracht oder wenigstens mehr als allgemeine VVahr- 
scheii]li< hkoit gezeigt ist. Für J 385 und W 680 glaube 
ich eher das Gegenthcil darthun zu können. Hier wird 
Mekisteus» dort Tjdeus als gewaltiger Held auf Kosten der 
Tbebaner gefeiert. Beide besiegen in Wettspielen alle Kad- 
meionen und dieser erschlägt noch fünfzig thebanische Jüng- 
linge» die ibm, dem Gesandten, voll Zorn über ihre Nieder- 
lage in den Spielen einen tückiscben Hinterhalt gelegt hat- 
ten, nnd nur einen scbidct er beim d-ewp TBQdBaai suB^ 
ifaq.^'^) Das sind Prahlereien. Die Enablnng im J trägt 
dies Gepräge sehr dentlicb. Agamemnon will Diomedes rei- 
zen durch das übertriebene Lob seines Vaters. Im 'I' gilt 
es, die ererbte Heldenkraft des Euryalos gegenüber der Gross- 
sprecheroi des Epeios zu zeichnen. So war eine gewisse 
üebertrribmiji: auch hier geboten. Aber der Thebais lag die 
einseitige Erhcl ung der argivischeii Helden fern: die The- 
baner, welche sie schildert — und wir erkennen doch we- 
nigstens die Heldengestalten des Melanippos und des Posei- 
donsc^es Periklymenos — sind kampfgewaltige Recken, nnd 
sie mnssten es sein, sollten die wilden nnd starken Argiver 
ihnen in ebrlicber Schlacht obne Schmach unterliogen. So 
sind ancb in der Dias die Troer keine Yeräcbtlicben Gegner, 

Dieser Fehler liegt WelckerB Reeonatniktioii der Thebaia in 

Grunde. 

B. Niese die Entwickeliing der homerischen Poesie 128 meint, 
diese That des Tydeus sei der des Bellerophon Z 187 nachgebildet 
Dagegen Thracmer Pergamos 107/8. 



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176 



VII. NMUese. 



und nie bat ein verständiger Dichter auf die eine seiner Par- 
teien alle Tugend, auf die andere jedes Gebrechen gehäuft 
Was dabei herauskommt, die Thebaner im Sinne jener Ilias- 
stellen zu zeichnen, ist leicht abzusehen; wir können die traU" 
rige Wirkung in dem Poem des freilich jeder dichterischen 
Gestaltungskraft wenigstens für grosse Aufgaben entbehren- 

• den Statins mit Missbehagen und Langerweile hinlänglich 
empfindeil. Lächerlich geradezu wirkt die dem J uacbge- 

' bildete Scene, in welcher Tydcus die fünfzig noch dazu er- 
lesenen Tliebaner Helden erschlägt. 

Nun kann man freilicb diese Stellen nicht beseitigen 
durch die Behauptung, si^ soieu frei erfunden aus der all- 
gemeinen Sage vom Zuge der Sieben heraus. Denn im ^ 
wird auf die Leichenfeier des Oidipus in einer Weise hin- 
gedeutet, dass man sie als eine den Hörem bekannte 
Thatsache voraussetzen möchte. Und zu derselben Annahme 
nötbigt in jenem Kraftstucke des Indens die uns unverständ- 
liche Andeutung J 398, dass T^deus des Haimon Sohn Maion 
verschont habe „den Zeichen der Götter gehorsam".*') Also 
beide Stellen sind Erinnerungen an fest ausgeprägte Sagen- 
bilder oder Weiterbildungen, wie wohl J 385. Dass diese 
aber der Thebais angi hurt haben, ist nicht zu beweisen, ja 
sogar unwahrscheinlich. Da Nieses Hypothesen keinen An- 
klaug gefunden haben, wird es wohl allgem<'ine Uober- 
zeugung sein, dass die thebanischen Epen nicht erst aus An- 

•*) Ueber ösöovjiorog sehr schön Welcker Ep. C. II 339 n. 31. 

*') Die Scholien ABV sagen: ^ 'A&yvä yuQ avtiö t'intv, ij idytj 
a^tif tb 66^. Sie aclieinen üm keine Ueberlieferung gehabt 2a 
haben. 

Niese a. a. 0. 201 f. : (Ilias und Odyssee) «^ind also nicht 
nur die Werkstätte, in der die troische Sage gebildet worden ist, 

sondern auch andere Krzäh]iniy;en kommen in ihnen auf und thnn in 
ihnen die ersten Schritte ihrer Eatwickeluag, wie der au Diomedes 
sich heftende Krieg gegen Theben." ^ 



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VII. NachlMe. 



177 



dentangeD der lUas und OdjBiee entwickelt sind und daas 
es auch ansserhalb der Epen noch viele Sagen nnd Sagen- 
formen gab, die zum Theil vielleicht nie künstieriBdie Ge- 
stalt erhalten hatten oder nur flüchtig von einem Sänger 

auf irgend einem licncüliüfc oder in irgend einer Festver- 
sammlung gefasst und gesungen waren. Die Sage in ihren 
je diircli lokale RücksichteD bedingten Formen war so reich 
und mannigfaltig wie das politische Leben der unzähligen 
Gemeinwesen der Griechen. 

Aus diesen knappen Andeutungen Homers die verlorenen 
Sagenformen wieder herstellen zu wollen, wird Niemand sich 
vermessen, obgleich die Vergleichung von W 679 mit der 
Notix ans Hesiod im Scholien des TownleyanuB und Pausa- 
nias IX 5» 12 zu weiteren Oombinationen reizen könnte. Sie 
bleiben verioren. Nur so viel sehen wir, dass einst Oidiims 
eine viel grossartigere Königsgestalt der Heldensage war, als 
er m der &ssbaren Ueberlielorung uns ersdiemt, und das, 
glaube ich, wird sich durch andere Untersuchungen bestätigen. 



Btth«, Ueldcfüieder. 



12 



Epimetroü. 



Kofiiith. 

Auf die Frage nach dem Alter einer Stadt kann in den 
seltensten Fällen mit einer auch nur annähernden Zeitan- 
gabe geantwortet werden. Wohl aber kann erforscht wer- 
den» wann eine Stadt anfängt» in der politischen Geschichte 
oder im Weltverkehre Bedeutung zu gewinnen. Das ist auch 
möglich, wenn die historische Ueherliefertoig Tersagt Denn 
selbst der jede Sagenforschung ablehnende Historiker wird 
zugeben» dass echte alte Lokalmythen nur ein altes Gemein- 
wesen haben kann, und dass umgekehrt eine griechische 
Stadt, welche solcher haar und bloss ist, nicht schon in 
grauem Aiterthume bestanden haben kann. Die durch Er- 
wähnungen bei Homer und durch Koste längst verschollener 
Cultur als uralt erwiesenen Städte wie Orchomenos, Tholjen, 
Argos, Mykenai, Tiryns, Sparta haben eine P'ülle \on Sagen; 
junge Gründungen dagegen, wie Potidaia, Megalopolis, Ale- 
xandria haben keine Mythen aufzuweisen. Athen hat erst 
spät eine Bedeutung erlangt: deshalb fehlt es in den grossen 
Sagenkreisen. Das hohe Alter der Siedelung auf der Buig 
Athenas erweisen jedoch die Culte und Lokalsagen, eryuten 
die Fmide der letzten Jähre. Hätten wir diese Ueberliefemng 
nicht, wir müssten Athen für eine junge Stadt halten und 
hätten insofern Recht, als es in früher Zeit ein unbedeu- 
tender Flecken war. 



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, Epimetron. 



179 



Die Untersuchungen über die Epen des thebanischen 
Kreises haben ergeben, dass Korinth erst durch die letzten 
ümformunfiren der Oidipussage in denselben eiiigedrungen ist, 
während die älteren Formen derselben Sekyon an seiner Statt 
nennen. Ich ziehe daraus den Schluas, dass Korinth in die- 
ser früheren Zeit» wenn es überhaupt schon existirte, ohne 
jede Bedeutung war und deshalb unbeachtet blieb. Die son- 
stige Ueberlieferong bestätigt das. 

Es ist znnSchst zagestanden, dass der Käme Korinth 
jang ist Hesiod kennt ihn gar nicht» und die beiden Stellen, 
an denen Homer ihn erwähnt (B 570, N 663)» gehören zu 
den aUerjüngsten Partien. Dem entsprechend ist der Epo- 
njm ein Spätling: er hat gar nicht in die Mythologie ein- 
dringen können.*) In neuerer Zeit ist die Medeiasago für 
uralt konnLliisch erklärt worden.^) Aber schon Wilisch 
hatte mit E. Curtius Zustimmung ausgespiüchen, dass !?ie erst 
durch Eumelos nach Korinth übertragen und mit den Ko- 
nnthern nach Korkyra und in die Adria gewandert sei.-'') 
Jetzt hat das Groeger schlagend nachgewiesen.^) So hlei- 

Wilisch Die Fragmeute des Eumelos, Zittau 1^75, Gymu. progr. 
18 f. Schon M PiiUiiiiaB II 1. 1 ist e> ausgesprochen» dtM ent 
Eimelos, der korinthische^ Epiker, ihn dogefOhrt hat 

*) Bobert BQd und Lied 9, ▼<» WUaaioidti Horn. Unten. 1S2. 

■) Wilisch a. a. 0. 9, 19 ff., Curtius Hermes X 217. 

De Argonauticartim fabularuro historia quaestiones select&e. 
Diss, Breslau IHSf» 22 — 32. Auch sein Nachweis, da«?« Medeias Kin- 
dermord und die Beerdigung derselben im Heiligthum der '//(>« ax^ula 
nnr eine Variation der alten und symbolisch wenigstens noch lauge 
dargebrachten ivinderopfer der Koriuther sei, mit deneu Medeia aber 
ursprunglich nichts zu thun hatte, iat mir wenigstens völlig überzeu- 
gend« Bezeichnend fOr die epftte Verknapfiing der Medeiesage mit 
Kcrinfh ist euch der Kerne des Königs K(fiw9* Wer so heisst, ist 
nicht TMger ekmet wirklichen, historiich gewordraen Sege, sondern 
eine M&rchenfigur „der König**. — Auch in die Sage vom Raube der 
Helene dtireli Tbeaeus hat sich Korinth spftter eingedrängt: Eobert 

12* 



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180 



Epimetron. 



ben nur die Sagen von Sisyphos und Bellcrophontes. Beide 
Heroen nabm Konnth für sich in Anspruch. Der Pegasos 
ist sein Wappen, mit dem es seine Münzen stempelt. Sisy- 
phos soll die isthmiscben Spiele gegründet haben. Doch 
wenn wir uns nach Culten dieser Heroen in Korinth um- 
sehen, so finden wir nur spärliche Spuren. Paosanias er- 
irähnt II 2. 4 ein Temenos des Bellerophon, aber nicht in 
der Stadt selbst» sondern auf dem Wege zum Isthmos; auch 
ji^t^pä XaXivftti^, die ein Heiligthum an der Stmase naoh 
Sekyon besass, bringt er mit der Zähmung des Pegasos in eine 
lose Verbindung. Auf der Burg dagegen ist Bellerophon nicht 
angesiedelt: nicht einmal die Quelle Peirene ist aus dem Huf- 
schlage des Pegasos entstanden, Sie sollte vielmehr ein 
Geschenk des Asopos an Sisyphos sein und Trümmer eines 
JSiovff pTov au derselben erwähnt allerdings Strabon. ^) Aber 
so mg durchgedrungen und bewusst war auch diese Ver- 
bindung, dass dieselbe korinthische Peirene auch für eine 
Tochter des AchelooB galt — offenbar nach korinthiBcher 
Lokaltradition, da sie und Poseidon £ltem des Loches und 
Kenohrias genannt wurden, der Eponymen der beiden Häfen, 
denen Korinth seine Grosse verdankt (Pausanias II 2. 3). 
Auf diese Beweise können diese Heroen nicht Korinth zu 
eigen gesprochen werden. Bezeichnend ist, dsss in den sei- 

60. Barl. Wlnekehiuuutiprogr. 46 K, 48, llaasB Parezu» Attica 4, 
Toepffer Aus der Anomia 86 ff., Eirclmer Attica et Pelop<mnealAGa 
(dlBs. Greifswald 1890) 54 ff. 

^) Lollins- in Baedekers Griechenlaud behauptet das Gegentbeil; 
einen Beleg kann ich jedoch nicht finden. 

•) Strabon Vlil 37Ö. Er erzählt auch, das» der Pegasos aus die- 
ser Quelle getrunken habe und dabei von Bellerophon gefangen sei. 
Dass das keine alte Verbindung ist, wird Jeder zugeben; dies 6e- 
flcblchtchea mnaste belnalie entstehen, sobsld BeUeropbon tmd Pe* 
gMOs naeh Korinth Obertragen waren. — Nach den grossen Eboieo 
war Peirene Tochter des Oibalos: Paus. II 2. 3. 



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Epimetron. 



181 



tenen Fällen, wo Beide eine Rolle in der Sage spielen, Ko- 
rinth nicht erwähnt wird. SisyphoB hat Beziehungen zu 
Theisalien, Boiotien, Argos und hier besonders zum Asopos. 
BeUerophon gehört durchaus nach Argos: schon Preller hat 
seine enge Verwandtsdiaft mit Persens erlcannt und ausge^ 
sprochen, dass »Bellerophon im Sinne der alten Fabel für 
einen argiyisehen Heroen gelten muss".^ 

Trotzdem besteht die Ansicht, Sisyphos wie Bellerophon 
seien schon von der alten Sage in Korintli lokal ibiit. Sie 
stützt sich auf die Erzählung des Glaukos Z 145. Dieser 
rühmt sich von jenen beiden Helden abzustammen und be- 
zeichnet den Stammsitz seines Geschlechtes also: 

16S iOTi TfoXiq 'Eg>vQ^ ^^X? '^(f7S0Q Ixxoßototo, 
Dies Ephyra identificiren Alte wie Neue mit Eorinth*) und 
ziehen wohl als Bereditigungsnachweis B 570 an, wo Ko- 
rinth zum Reiche des Agamemnon gerechnet wird. Aber 
den Beweis, dass Korinth je zu „Argos" gehört habe, blei- 
ben sie schuldig: denn die hier aufgezählten Städte liegen 
an der Nordldiste der Peloponnes, in Achaia: Kleonai, ligat- 
d-VQba, das als alter Name für Phleius gilt, können kaum zu 
Argos gezählt werden, nur mit Omeai und Mykenai berühH 
die Herrschaft Agamemnons diese Landschaft. In diesen 
Versen ist keine Andeutung enthalten, dass das so umschrie- 
bene Gebiet jemals Argos genannt worden wäre.^) Auch 
durch Anstarchs Behauptung (Lehrs^ 224), Homer nenne die 

^ Griech. Myth. II 154. Aaeh Terwdst er darauf, dass nicht 
selten Bellerophon neben Perseus genannt und abgebildet wird: zwei 
Terrakotten C. 0. Müller Denk. d. a. K. 1 XIV 51, 62, PaasaiÜM U 

27. 2 am Throne des Asklepios. 

So schon Eiunelos in der Eorinthia: Pausauias II 1. 1, dann 

■ 

ganz allgemein. 

Daas Agamemnon sonst in der lUas als Hemdier von Argot 
auftritt, kann heutmftafe doch nicht mehr ni dem SdUoiee benntit 



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162 



Eplmetr<m. 



ganze Peloponnes Argos, für die ein durcbBchlagender Beweis 
niebi erbracht ist, könnte die Gleicbfietenng dieses fiphyra 
mit Korinth nicht Terliheidigt werden, da /ivxofi bei Homer 
den inneren, nicht den Torspringenden Winkel bezeichnet* 
Den Ausschlag giebt die Anwendung derselben Worte auf 
Mykenai in y 263. Die Lage dieser Burg kann nicht an- 
schaulicher geschildert werden als dm-ch die Worte nvioy 
"Aqymq tjzjroßoToio. Argos heisst das vom Inachos durch- 
flossene Thal. Wie kann man sagen, Korinth läge im Win- 
kel von Argos? Es ist von dieser Ebne durch ein keines- 
wegs niedriges und leicht passirbares Gebirgsgewirre getrennt 
mid liegt überhaupt in keinem Winkel, sondern auf sandiger 
Fläche zwisdien zwei Meeren. Die landläufige Erklärung ist 
also in jeder Hinsicht Terkehrt. Dennoch wird sie weiter- 
gegeben, obgleich gewias Viele ihre Hsitlosigkeit emgesehen 
haben. So ist aack die Stimme eines antiken Gelehrten 
übertönt worden, der sich, wie Meineke erkannt bat, gegen 
die Oleichsetzung dieses Ephyra mit Koiinth ausgesprochen 
hatte. Leider sind seine QrOnde wie sein Titane verloren 
gegangen, nur die recht schwache Polemik gegen ihn ist bei 
StcpliLinuä von Byzan/ erhalten. Wollen wir den Homer- 
vers den Gesetzen der Sprache und des Denkens gemäss er- 
klären, so müssen wir sagen, Ephyra, die Stammbui'g des 
Sisyphosgeschlechtes, lag in der Gehirgsccke nordwestlich 
Über der Ebene von Argos, kann also nicht Korinth sein. 
Vortrefflich stimmt das zu der Sage Ton Bellerophon: 



werden, dass folglieh aneh die B 570 aufges&hHen Stftdte m Argofl 
gehört haben. 

"1 Stoph B s. V lup-fja p. 290. 1. 7—9 Mein. Die Polemik 
richtet sich nicht gegen Parmeniskos „sed ad alium G:rammaticum qui 
Homerica Z 151 .. . non de Coriutho, sed de alia Ephyra intellegi vo- 
luerat." — Aus Homergeiehrsamkeit über Ephyra -Korinth schöpft 
YeUflfvB Paterculua I 3. 



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EjpiiiiBtroii» 



183 



nur mit dem argiver Könige Proitos uud dessen Weibe hat 
er zu tbun, ehe er nach Asien geht. Unter den drei Na- 
men für den Yon Bellerophon unfreiwillig Getödtoten^^) hat 
aUein, so Tiel ich erkenne, Peiren noch für uns wahmehm* 
bare Beziehungen: und diese weisen nach Arges. Denn Pei- 
ren heisst nach Hesiod und Akusilaos der Vater der Io> und 
Pelrene ist eine der Danaiden. Nicht anders ist es mit 
Sisyphos. Er muss doch in der Nahe des Asopos gedacht 
werden: denn er hat gesehen, wie Zeus dessen Tochter 
raubte, und liat es dem Vater verrathen. Wohnt er aui' 
Akrokorinth, so begreift man diese Verbindung kaum; denn 
diese Burg ist um ein beträchtliclies von jenem Flusse ent- 
fernt und niemals haben dessen Wasser für Korinth Bedeu- 
tung gehabt. Wohnt er aber im Winkel von Argos, wie das 
Homer sagt, so kann er wohl am Asopos gedacht werden, 
auf dem tou West nach Ost ziehenden, Argos abschliessen- 
den Gebirgskanmie, Ton dem dieser nach Norden hin abfliesst. 
Und müsste jene Sage nicht an sich schon an der Quelle des 
Flusses gedacht werden? Da wohnt doch der Flussgott und 
seine Mädchen, die leichtfüssigen Bergbäcbe. In der That wird 
die Gegend von Phleius, also das Qaellgebiet des Asopos, durch- 
gängig und ausdnicMich in der mythographiscben Litteratur 
als Wohnsitz des Asopos und Ort des Aiginaraubes genannt. So 
sagt Diodor IV 72 *A<iomo<; iVt tv f[>X{^iovvri xaxorK}'jöac . . . 
Atyiva 6\ tx ^PÄtwci roq vjzo Jlo^ aQjtayiiöa und ebenso 
bezeugen die Scholien zu A 180 und Z 153, dass Zeus zur 
Aigina nach Phleius kam, das tief in den Bergen versteckt 
auch von der hoiien Warte Akrokorintbs nicht ii^eselion wer- 
den kann. In die Quellgegend des Flusses yersetzt, wandelt 
sich die Sage erst zum anschaulichen Bilde: im einsamen 



") ApoUodor U 3. 1. 
ApoUodor II 1. 8. & 



184 



Epimetron. 



Gebirge, wo die Bäche leicht vuii den Felsen springen, auf 
der grünen Halde, unter weitschattender Platane, in därum- 
riger Grotte tändelt Zeus mit dem 1 jS'^ti Mädchen; nur Si- 
Ryphos von seinci- nahen weitschaueuden Burg Ephyra aus 
hat sie belauscht und er verriith, was er gesehen, seinem 
mäcbtigeD, imgestüinon Nachbar Asopos, aber nur unter der 
Bedingung, dasB er auch ihm eine semer Töchter gäbe; der 
giebt ihm Peirene, auf seiner Burg sprudelt ihre Quelle. 

So paset alles» wenn wir mit Homer den Sit« der Si- 
syphiden Ephyra im Winkel von ArgOB annehmen und uns 
nicht durch korinthischen Lokalpatriotismus yerleiten lassen, 
einem Dichter die Absurdität zuzutrauen, die Lage Korinths 
durch die Worte fwxm^AQytog ijtjtoßototo zu beschreiben.^*) 
Diese Erkenntniss erzwingt aber das Zugeständniss, dass 
weder Sisyphos noch BcUerophon ursprünglich Korinth ange- 
hören, dass sie Homer dort noch nicht kennte dass sie also 
erst spät dahin übertragen sind. Und wie spät das gesche- 
hen ist, geht daraus hervor, dass ihre alten Beziehiingrti nicht 
zerstört oder vorwischt sind, und sie als Korinther kaum 
Eingang in die Sage gefunden haben. 

Doch man wird einen Gegenbeweis aus der monumen- 
talen Ueberlieferung bringen: kyklopiscbe Hochstrassen Ter- 
binden Mykenai mit Korinth; also ist diese Stadt ebenso 
alt, wie j^e Burg. Das ist in der That die Meinung von 

Es soll hiermit nur die Möglichkeit gezeigt werden, auch 
diese Sisyphosage im argivischen Ephyra zu denken, seine von Homer 
bezeugten Sitze. Der Name Peirene ist auch wohl für dir korinthi- 
sche Quelle als ursprünglich zu betrachten. Ob aber die Nameus- 
gleiehheit mit dw In die Sisyphossage Teffloebteneii Qoellnymphe 
die üebeftragniig des Sisyphos nach Eoiiath veranhuist hat» oder ob 
sneh iifcnd ivie enden Sisyphos mit diesem Orte verbanden war, ist 
nicht zu entscheiden. 

Leider l&sst sich ein Ephyia der Sisyphiden im Winkel von 
Axgos nicht weiter belegen. 



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Epimetron. 



185 



LoUiug und Steffen, rlessen militärischem Blicke wir die Er- 
kenntnisB der strategischen Bedoutung von Mykenai verdAoken. 
Die Spuren dieser nordwärts führenden Strassen sind TOr- 
handen und Niemand wird sie anders zu erkllren unterneh- 
men. Aber nicht ist bewiesen, dass sie nach Eorintb füh- 
ren. In seiner Nähe sind diese Strassen nicht nadigewiesen. 
Doch ich will nicht läugnen, dass Korinth schon bestanden 
hat, als noch mäditige Burgherren anf Mykenai sassen. 
Die Funde anf dieser Feste zeigen, dass die eigenthümliche 
Cultur sich hier lange gehalten und albnählig ausgelebt 
hat; diü spatmykciuschen Vasen leiten zu den protokorin- 
thischen über. B 570 beweist, dass Koriuth und Mykenai 
neben einander oxistirt haben; dazu stimmt, dass Korinth 
schon vor der dorischen Einwanderung bestand (Thukydides 
IV 42).^^'') Aber ein hohes Alter dieser Stadt wird durch 
diese Zeugnisse der voraugeschickten Untersuchung gegen- 
über nicht erwiesen. 

Die Heerstrassen von Mykenai fuhren nach Norden, aber 
nicht so sehr auf Kohntb sn, als äberhaiq;it nach Achaia. 
Diese ganze Nordküste Ton Aigion bis Korinth mit Kleonai, 
Phleius und Mykenai bildet im Schifiskataloge das Reich 
Agamemnons. In dieser langgedehnten, £rachtbaren Küsten- 
ebene liegt die Stärke dieser Herrschaft, deren yorgesdio- 
bener Posten Mykenai ist. Ihr Mittelpunkt ist das alte 
sagenberülimte Sekyon, „in dem zuerst Adrastos geherrsciit ■. 



Flln(3crs Petric (Jourual of Hellenic studiea XII 199 ff.) setzt 
die älteste mykenische Cultur um 2000 an, die Blüthezeit der zwei- 
ten Periode nm 15(X)/1400, die jüngsten Gräber 1100—800. Reste ray- 
keuischer Cultur in Korinth sind demnach zu erwarten; Loeschcke- 
Furtw&ngler noliren nur eine Vase. lieicätiguDgeo. aus dieber Zeit, 
welehe nach der gow4)hDUeheii Ansicht aber Xorinfh Yorheadea sein 
jnflwten, sind idcbt naehgewisMa. — LoMchke hllt gleichfalls die pvoto- 
kCEiathiachen Getee fttr naheTcrwandt mit den spAtmykeniflGhsii. 



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186 



Epimetron. 



Vortrefflich hat Steffen aus kyklopischen Befestigungen bei 
Phichtia« auf dem Aetolithi und zwischen dieeem Berge und 
dem iLetoTono bewiesen, das« auch die Stoaaeen nach Ne- 
mea und PbleioB, d. L nach Sekyon und in die ganze Adiaia, 
gegen Argos gesicfaert nnd mit Mykenai verbunden waren. 
Leider sind nach dieser Richtung die Spuren nicht weiter 
verfolgt. Also zahlreiche Strassen gingen von Mykenai aus 
nordwSrts nach Achaia, in das Reich Agamemnons, wie es 
B 570 schildert. Es ist dieselbe Verbindung, welche die 
mythographische L'ntersuchuiig ü])er Adrastos ergeben hat: 
in Sekyon ist er m Haiist% von hier aus dringt er nach Ar- 
gos vor und erwir!)t die Herrscliaft mich über diese Land- 
schaft. In den Kämpfen der Anaxagoriden und des Amphi- 
araos, die in Argos wohnen, gegen die Talaiden und Adrastos, 
die in Sekyon Rückhalt haben, spiegelt sich dasselbe Rin- 
gen zweier Mächte, welches Stoffen aus der Lage und den 
Festungswerken von Mykenai erschlossen hat 

In diesen Sagen spielt Korinth keine Rolle» eh^isowenig 
in irgend einem anderen Sagenkreise. Und auch sie selbst, 
die weiiherrschende Seestadt» ist alter MytJien baar* Der 
Schluss ist nidit abzuweisen: Korinth ist erst gegründet oder 
doch zu Ansehen und Bedeutung gekommen, als die grosse 
Völkerwanderung abgeschlossen war und ein neues Leben ] 
aufblühte durch den Verkehr der nach Osten und Westen i 
über's Meer gesprengten Griechen. Die beiden jungen Stel- 
len der lUas, in denen Korinth erwähnt wird, sind die ersten ; 
Zeugnisse seines Daseins und Wirkens. Daun wuchs es j 
schnell, wie ein Gott» zu ungeahnter Grösse und Macht: 

Steffen Karten von Mykeuai, Text 8. 15 f. Um so mehr ist 
diese iieobachtuug auzaerkennen, als Steffen, von der Ueberzeagung, 
dara Mykenai mit Korinth strategisch verbunden sei, occapirt, den 
Gedaiikeii einer gleichen Yerbindong dieser Burg mit Phleint-Sekyen 
nicht gebist oder doch nicht Teifolgt hat 



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Epimetron. 



187 



Bchon am Ende des aohten Jahrhunderts herrschte es durch 
seine Golonien weithin im Westen, war im Begriff, den Le- 
vantehandel zu concentriren, vermittelte auch den religiösen 

Verkehr asiatischer Griechen und Barbaren mit dem Mut- 
tcrlaüde; und so stark war sein Einfluss, dass der Dichter 
der Thebais aus der Gegend von Klares die korinthischen 
Umformungen alter Sa^en annahm und korinthische Ck>lo- 
uialmythen feierte. 



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Namen- und Stellenverzeichniss. 



Einfache Ziffer bezeichnet die Seite, 
lateliii6che Ziffer mit urabi^cher bedeutet Capitel und Anmerkung. 



Achilleus auf Skyros IV 5 

Achilleus Tod II 9^ V 2fi 

Adrastos 43 ff., 52 ff., 66, 86» 89 
Aelian V. IL IV. 5 170f. 
Aigialeus 1 18 

Aiginaraub 183 
Aithiopis II a 

Aischylos Oidipus fg. IIÄ 17Q 
Sieben 365, 556, 570 83 

„ m ifii 

769 1Ö4 
„ 1039 Ifil 
Akarnanieu 155 
AkusilaoB 173, IV 35 

Alkmene III 16 

Alkmeon 82, 127 ff., 155, III lÜ 
Alkmeonis löSff., IM ff., 152 
Amphiaraos 44 ff., 76 ff., 83 ff., 127, 

III Ifi 

^AßtptttQtio i§i)Maig Uff.. 145 
Amphilochos III Iii 

Amphios 65 
Anaxagoras v. Argos 46 
Anaxagorideu 42 
Audrotion 1 
Antigene 1£5 
AotimachoB von Tees 3ß 



Antiope 

Apollodor I 9. 12. S. 

I 9. 13 

II 2. 2. 2 
III 4. 1 
III 5. 8. 1 
III 6. 2 

III 6. 2. 2 
III fi. 8. 4 
III L L 2 
III L 2 
III L 5 

Areion 



I 2 
46 
42 

17.^ 

IV 36 
169 
50 ff. 
28 
III 22 
IV 3 
llOff., 12S 
135 
89 ff. 



Argiverinnen am Altar des "Eleog 

IV 3 

Argos 18L 11 16, III 9 

Asklepiades Trag. III 12 

Astymedusa 23, 26 

Atelante IV 11 

Athenaios VII 317* III 16 

Bellerophon 180ff. 
Bestattung der Sieben IM 
Biantiden 42 

Certamen Horn. Hes. 249 35 ff. 
Chios, Theas nach IV 3 

Chrysippos 12 ff. 



Namen- und Stellenverzeichniss. 



IM 



DaidaU 


9 


Damasistratos Plat. 


Ifiä 


Delphi 


Ulff. 


Diodor S. IV fifi. 5 


III 12 


IV fifi 


110, 129 


IV fil 


m 


„ IV fifi. 1 


4fi 


Diomedes 


130 flf. 


Dionysos 


46j 174 


Echidna 


IS 


"Bkeog, Altar in Athen IV 3 


Encheleifl 


15a 


Ephoros fg. 2fi 


lao 


Ephyra 


mir. 


Epigonen 


Mff., Iü9ff. 


Epikaste 


L 16, 22 


Epos, Einheit 


32 fF. 


Erinys 


m 


Eriphyle 44i 52flf., 78, 29ff. 


Eteokles 


84, 


EunostoB 


III Iß 


Euripides Alkmeon 


m 


„ Chrysippos 15, I U 


„ Hypsipyle 


IV 3 


Oidiptu 


III 40 


„ Phoinissai 2i 10, Ifi 


n » 


^ 2ö 




44 11 


n »t 682 


870 1Ö6 


»» » 


420 Ifil 


„ Schutzflehende IM Ifil 




860 84 


Euryganeia 


2, 23, 25 


HarmoDia 


m 


Uellanikos 


3B 


Hera yafxoatolog 1 






S- 22 


„ TfAf/a i 





Herodot rv 82 35, 30, fil 

„ V fi2 43 

„ IX 34 114 

„ IX 51 lö 

Hesiod fg. 52—54 124 

Theog. 278 9Q 

»» ♦» 298 18 

Hestiaiotis 114 

Rippomedon 35 

Historiker benutzen Epen als 

Quelle 174, IV 35 

Homer ä 385 175 ff. 

Z 145 löl 

„ A 328 65 

„ ?f 680 115 

A 271-280 Iff. 
Homerische Becher (Robert) 2fi fiS 

Hygin fab. fifi fig 

„ „ fi2 2Q 

„ „ 21 m 

M » 23 53, IS 

„ 8ö I la 

„ „ 12a rv 8fi 

Hyperphas I 3fi 

Hypotheseis von Epen bei My- 

thographen 29 ff. 

Hypothesis der Oidlpodie bei 

Pisander 5 ff. 

Hypothesis der Thebais bei 

Pausanlas 122 

Hypsipyle IV 3 

Uias, kleine II 9 

Johannes Antiochenus I 2 

Ion i aa 

Iphis 23 
Ismene lfi5 

Kadmos 101, 115, 163, IV 3fi 
KaUinos 14fi 



190 



Namen- und Stellenverzeichniss. 



Kap&neus 64^ ^ P&usanias II IE. 4 4& 

KephaloB VU 5 „ II 2Ü. 5 III 

Klaros 148, V 21 III lö. 12 III U 

Kleisthenes von Secyon 43 „ VII 3 US 

Korinth 75, 149 ff., 179flF. „ VIH 24 Iflfi 

KykUker 9Q „ VIII 25. 3 86. 89 

Kyklos m „ IX 5. U 2, 25 

Kyprien 1 9, II 9^ IV 4^ 5 „ IX 3. 5 36, 122. 142 

IX 18. 1 fil 

Laios Iff., 162 „ IX lä. ii fiZ 

Listen der Epigonen 112 ^ X 5. 4 1^ 

„ Sieben B4, 84 „ X UL 4 UO 

Lykopbron 277 IV ft Pausanias benutzt Scholien 3 

Lykorgos 49, IV 3 „ „ Thebaishypo- 

Lysimache 45, 41 thesis 122 

Peiren 182 

Manto 119, V 21 Peirene 180, 184 

Medeia US Pelops 1&. 

Meilanion IV 11 ninXoq 'E^t^vhj^ iSft 

Melanipas 4L 113 Periboia ffi 

Melanippos 43, 61, 76, IV 13 Periklymenoa 60, 88 

Mekisteas 43 Pherekydes 23^ &1 

Menaichmos von Secyon Mi Phix läfF. 

Mykenai 182 Phleius 184 

Mykenai, Verbindungen mit Pindar bei Mythographen 31 

dem Norden 18fi N. IX Mi ^ III 22 

Mythographns Vat. 1 151, 2 IV 2 „ 0. II 88 lß2 

„ 0. VI 58 Mff. 

Nikephoros Walz 1 L 499 IV 3 Pisander I lü 

Polybos 43, 

Odysseua 81 Polyneikea 52, 55, 78, 99, 107, Ißl 

Oidipodie IflF., 141ff. Proklos II 9 

Oidipus IflF., 68 ff., 102 ff. Pronax tlüff, 170 f. 

Oinomaos 18 Proitiden 113 

Onasias 25 Psophis 135 
ÖQfiog 'E^iif vhi; 53 ff, 78 ff 99 ff., 

III 14, V 35. Schol. Apolln. Rh. I 308 3L 

~^ 119. V 21 

Paiderastie 143ff. Aristoph. £qu. 1056 II 9 

Parthenopaios 4S, M „ ,. Pa. 1270 3ß 



Namen- und Stellenverzeichnisit. 1 fll 

Schol.Euripid.Pholn.26 67JII45 Statins IV 3 

„ „ 32 VII 16 „ Theb. III 345, IV 187, 

„ 53 23 V 655, XII 482 IV 3 

„ „ n 88, IV 35 „ Theb. V 660 III 11 

„ „ 12 1Ü2 Stephan. Byz. s. "EifVQcc 1S2 

„ „ ..834 60, I lö Stesichoros IV 3fi 

», „ 1020 18 Strabon VII 325 = X 462 13Ö 

„ 1760 4ff. „ IX 404 fiß 
Horn. J 404 110. 113 

J 375 2fi Talaiden 42 ff. 

„ „ 12Ü dl Talaos 44 ff. 

0 634 IV 22 Telresias 114 

r 326 II 9, IV Q Telephos II 9 

f 347 äü Teumesaische Fuchs VII 5 

1 ]] 271 1 Thebaia 32 ff, 22 ff., L4fiff. 

,. A 326 50ff.,128.1V2 " J""« 40 

.. „ o 225 123 " im V.Jahrh. populär IV 16 

.. Nikand. Alex. 11 Ther. 9b8 Thelpusa äl 

y 21 Theognis 213 III Iii 

.. Pindar N. IX 3D 4ü 1285 IV U 

„ „ IX 31 III lü '^^"^^^ n»ch Chios IV 3 

„ IX 35 53 Thukydides II 1D2 m 

„ „ Nem. argum. 12Öf. Tilphowa IM 

0 VI 15 24 Tlesimenea III 

!! Po^hyr. zu Horat A. P. Tydeus 43, 61, 76, 83ff, IfiL 121L 

V. 14fi 36, m Typhon 12 

„ Sophocl. 0. C. 1375 ^ t tt ^ . ,rr . 

1Ü2 IV Ib *^ Etrusche ULI HI 4ü 

Sekyon L 67ff, IM " " " ^ 

Siebenzahl ii3 Vatermörder 72, III 49 
Sisyphos im 

Sophoclis Antigone 857 1£2 Wiener Voriegeblätter 

„ 1080 92 1888 II IV U 

„ Oidip. C. 1313 84 1889 VIII 2 14 

„ „ „ 1314 filL m VIII 4 fiß 

R. 15äff. IX 9 2Ö 

^ „ 1411 III 49 IX n 1 34 

Sphinx Uff. X m 



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