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Full text of "Deutsche Geschichte auf heimatlicher Grundlage : Erzählungen and Schilderungen für Schule and Haus"

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Bronzebüjte, vermutlich Germanicus. 
Gefunden bei Ludwigshafen, (im Pfälziſchen Kreismufeum). 


Deutiche Geſchichte 


auf heimatlider Grundlage. 


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Erzählungen und Schilderungen für Schule und Haus. 


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Theodor Zint, 


Volksſchullehrer in KRaijerslautern. 


Raijerslautern. = 


Verlag der R. B. Hof:Buchdruderei Hermann Kayjer. 
1907. 


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APR 29 1913 


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J. Teil: 
Urzeit und frühes Mittelalter. 


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Der Pfälziſchen Volksſchule 
und 


meinen Söhnen Ernſt und Hermann 


gewidmet. 


Vorwort. 


Bisher fehlte eine ausführlidhere Darftellung der deutſchen Gejchichte 
auf heimatlicher Grundlage, wie fie in erjter Linie die Volksſchule braucht. 
Ih unternahm, vielfaher Anregung folgend, den Verſuch, der Volksſchule 
meiner Heimat eine folche Gefchichte zu bieten, Die dem Lehrer etwa den 
Stoff gibt, der im Unterrichte zu behandeln ift. Ob mein Verſuch gelungen 
it, mögen andere entjcheiden. Ich aber war bemüht, immer im Einklang 
mit den Forſchungen der leßten Jahrzehnte den Entwidelungsgang, den 
die Heimat durchmachte, jo zu zeichnen, daß auch dem Kinde die große Ver: 
gangenheit des Bodens, auf dem es lebt, bewußt werde. 

Heimatgeihichte iſt nur Bruchftüd der großen Weltgefchichte. Aber 
wie es ohne Weltgeichichte feine Heimatgejchichte gibt, jo ift auch die Welt: 
geichichte ohne jene wirkungslos. Ereignifje, die mit der Heimat in Beziehung 
gejet werden fünnen, machen nicht nur auf das Kind tiefen Eindrud, fie 
ergreifen noch vielmehr den Erwachienen, fie jind das Lebende in der Ge: 
ſchichte. Deutjche Bejchichte ift Daher, wo es nur anging, mit der pfälziſchen 
und bayerijchen verbunden und verwoben. Wie dadurch die deutſche Bejchichte 
vielfach verftändlicher wurde, Jo trat die Heimatgejchichte unter einen größeren 
Gefichtswintel. 

Dft ftieg in mir der Gedanke auf, ob die ältejte Gejchichte nicht gar 
zu reich bedacht jei. Wenn ich aber überlegte, daß gerade diefe dem find 
lihen Geiſte am meiften entſpricht und ihre Spuren allenthalben in die 
Gegenwart hereinragen, ja Sagen und Überlieferungen bezeugen, wie lebendig 
fie noch ift, jo ift der ihr zugemeffene Raum gewiß nicht zu groß, zumal die 
neuere Bejchichte Darunter nicht leiden darf. Aud) die eigentliche Urgeichichte 
glaubte ich hereinziehen zu müllen, da, wie mir vielfache Verfuche bezeugten, 
das Verftändnis auch bei Knaben und Mädchen der Volksſchule vorhanden ift. 

Die eingejtrenten Bilder, deren genaue Ordnung nicht immer möglic) 
war, follen den Text ergänzen. Sie werden gewiß allen denen willkommen 
fein, die Freude an pfälziichen NAltertümern haben. Ihre vielfach Teichte 
zeichnerifche Darftellung ermöglicht es aber auch jie mit Hilfe der Kreide im 
Unterrichte zu verwerten. Manchem find fie vielleicht Fingerzeige bei Funden, 
wie fie bei uns überall gemacht werden und wenn dann dieje bejjer beachtet 
und vor dem Untergange gerettet werden, fo haben die jehlichten Bilder ihren 
Zwed erreicht. 

Zum Schluſſe Jage ich allen denen, die mir bei der Schaffung diejes 
Wertes helfend oder beratend zur Eeite jtanden, herzlichen Dank. Er gebührt 
in erjter Linie dem Hiftorifchen Vereine der Pfalz, insbejondere dem 


rührigen Konfervator Herın Brofejjor Friedrich Joh. Hildenbrand 
in Speyer; Herrn Dr. Friedrich Baffermann-Jordan in Deidesheim, dem 
Berfaffer des großen und vortrefflihen Buches „Geichichte des MWeinbaues 
unter bejonderer Berüdfichtigung der bayeriihen Rheinpfalz“, der mir gerne 
8 prächtige Klijchees jeines Werkes zur Verfügung ftellte; Herren Archäologen 
Friedrich Sprater in Münden, dem ich nicht nur wertvolle Hinweije auf 
die Ergebnifjfe der prähiſtoriſchen Forſchung jondern auch wertvolle Original: 
zeichnungen aus jeinen Studien verdanfe; Herrn Profeſſor W. Manchot in 
Frankfurt a. M., der mir die Klijchees feines jehr geſchätzten Werkes: Kloſter 
Limburg, 1892, bereitwillig für den 2. Teil überließ. 

Möge das Bud eine freundliche Aufnahme finden und an jeinem Teile 
den gejchichtlichen Sinn weden und pflegen, die Liebe zu Heimat, Fürft und 
Volt befejtigen helfen. 


KRaijerslautern, im Sommer 197. 


Theodor Zink. 


Die Abbildungen ©. 37, 39, 41, 43, 93 find mit Genehmigung des 
Verfaffers der „Beichichte des Weinbaues mit bejonderer Berüdjtchtigung der 
bayerijchen Rheinpfalz“ von Dr. Friedrich a ae entnommen. 
Die Abbildungen ©. 3, 5, 7, Nr. 1, ©. 20 ſind DOriginalzeichnungen des 
Archäologen Fr. Sprater in München. Alle Bilder mit Ausnahme von Klojter 
Lorſch ftellen pfälziiche Funde oder Denkmäler dar, die zum größten Teile im 
Mujeum des Hiſtoriſchen Vereines der Pfalz aufbewahrt werden. Die Ab: 
bildungen von Klofter Limburg entftammen dem Werke: Klofter Limburg, von 
Profeſſor W. Manchot, * a. M., herausgegeben vom Mannheimer 
Altertumsverein 1892. 


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Römiſcher Altar aus St. Julian am Glan, 
Rekonftruftion. 
(Die Buchſtaben deuten die Inichrift an.) 


Alteſte Geſchichte der Pfalz. 
Die Urzeit in der Pfalz. 


Menn wir durch unjere Wälder ftreifen, jo jehen wir im 
Schatten der Buchen und Eichen oder tief im Gebüſch verſteckt 
Heine Hügel, die nicht von Natur hier waren, jondern durch Men 
\henhand gejchaffen wurden. 

Fragt man die Leute im Dorfe, was die Hügel bedeuten, jo 
hört man, das jeien Hünengräber oder Heidengräber und in den 
Hügeln ruhe ein längjt vergangenes riejenhaftes Gejchlecht; denn 
unter den großen Grabhügeln, jo meint man, müſſe ein großes ſtartes 
Geſchlecht ſchlafen. 

Auch von Hinkelſteinen, Hünerbergen ſpricht das Volk und 
meint damit dieſe uralten Gräber oder die Steine, die in manchen 
Gegenden unſerer Heimat noch aus alten Tagen erhalten ſind. Dieſe 
Grabhügel find oft 1—2 m hoch, rund und meſſen mehrere Meter 
im Durchmeljer. Wo fie noch von Menjchenhand unberührt find, 
find fie mit Steinen umfränzt oder gar bededt. Viele find mit 
Buchen und Eichen bededt und niemand beachtet fie. 

Könnten dieje Hügel erzählen, jo würden fie uns mancherlei 
berichten von einem fremden Bolfe, das vor den alten Germanen 
am Rheine jaß. Der Mund jener Bewohner unjerer Gegend ilt 
längjt verjtummt und wir müljen uns mit dem begnügen, was die 
Dinge, die in den Hügeln liegen, erzählen. Auch aus dem der: 
boden pflügt manchmal der Bauer merkwürdige Dinge, die jener 
Zeit angehören und die wir nad) dem Stoff, aus denen fie ihre 
Werkzeuge ſchufen, die Steinzeit nennen. Wir unterſcheiden eine 
ältere und eine jüngere Steinzeit. Erſtere hatte nur Feuerſtein— 
waffen. Unſere meiſten Funde entſtammen der jüngeren Steinzeit. 

Manchmal ſindet der Bauersmann auch heute noch unter den 
Steinen, die er von ſeinem Acker lieſt, ſchön geglättete in Keil- oder 
Beilform. „Donnerfeile” nennt er die künſtlich geformten Steine; 
denn unjere Vorfahren glaubten, dieje Steine habe der tothaarige 
Donnergott beim Gewitter auf die Erde gelchleudert. Wenn ſie 
jolche fanden, nahmen fie die geheimnisvollen Steine mit nach Haule, 
damit die Wohnung vor Blitzgefahr behütet I 

War das Vieh im Gtalle frank, jo beſtrich man mit dem 
„Donnerfeil” die Stelle und nun glaubte man, werde das „verhexte“ 
Tier gewiß gejund. Dieje „Donnerfeile“ find aber nichts anderes 
als Waffen oder Werkzeuge jener Menſchen, die jeit mehr als 3000 


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Jahren in den Hünengräbern ruhen. Der hölzerne Stiel iſt zwar 
längſt dahin, wir können ihn uns aber ganz leicht dazu denken und 
ſuchen wir in den Gräbern, ſo wird es uns nicht ſchwer fallen uns 
ein wenig in jene ferne Zeit zu verſetzen. 


Das muß man dem Volke laſſen: ſeine Toten ehrte es. Schon 
die hohen Hügel bezeugen es, noch mehr aber die Dinge im Grabe, 
die man der Aſche in einer Urne oder dem Leichname beifügte. 
Laſſen wir die Reſte erzählen: 


Von Oſten her drang ein Volk über den Rhein, das ſich in 
den fruchtbaren Gegenden, die alle mit Wald bedeckt waren, nieder— 
ließen; ſie folgten den Tälern, die vom Rheine aus in die Haardt, 
an den Donnersberg und in den Weſtrich führten, und bauten fich 
= Hügeln, wo fie freie Nusficht hatien und am Rande der Sümpfe, 

bei Kaijerslautern, Landjtuhl, Homburg runde Hütten aus 
ein, bewarfen fie mit Lehm, damit der Regen nicht eindrang 
und ließen oben eine Zufe für den abziehenden Rauch. Aber flein 
waren dieje Hütten, damit jie im Winter recht warm hielten. 


Viele Hütten Itanden über einer Grube, die das Volt heute 
noch Mardelle, d. i. Hexengrube nennt. Ihre Hämmer, Äxte, Beile 
waren aus Stein, wollten jie einen Baum im Walde fällen, jo 
brannten fie ihn an. Auf die Jagd gingen fie mit halbwilden 
Hunden. Ein langer Spieß war im Feuer gehärtet; aus den 
Sehnen der getöteten Tiere machten fie eine Bogenjchnur, der Pfeil 
hatte eine Spige von Feueritein, der durch Händler ins Land ge: 
bracht wurde. Auch Meſſer von Feuerſtein trug, falt jeder Mann. 
Auf einer Steinplatte in der Hütte, an einer tieferen Stelle war 
der Herd, und wie noch heute unjere Tenne mit Lehm belegt ilt, 
jo war jchon damals die Hütte der Steinzeit-Vlenjchen geebnet. In 
einer Ede lagen zwei rundliche Steine aus fremdem Stoffe, die 
nahmen die Frauen um das Getreide: Gerjte oder Hafer zu mahlen, 
indem fie fih davor jeßten, den fleineren mit der Hand ergriffen 
und die Körner auf dem großen Steine zerquetichten und zerrieben. 

Die meilten Anjiedelungen waren fleine Dörfer, die 
mit einem Erdwalle und mit einem tiefen Graben davor umgehen 
waren. In jeenreichen Gegenden jtanden die Hütten auf feitem 
Pfahlwerk im Waller, auc in der Pfalz fand man Reſte jolcher 
Piahlbaudörfer. In der Mitte des Dorfes war ein Herrenfig mit 
einer nn. und jchöneren Hütte, 

Gejhidte Töpferinnen gab es unter ihnen, die ohne 
Drehicheibe mit der Hand jchöne Töpfe, Urnen, Schüfjeln formten. 
Mit einem Feuerfteinmeljer, einem Schaber oder mit den Finger: 
nägeln machten fie regelmäßige Verzierungen. 

Schon ihre Mühlfteine zeigten uns, daß dieje Leute nicht 
nur Jäger und Hirten waren, jondern auch Ackerbau trieben. Sie 
kannten Pferde, die ſie ohne Sattel titten, Ochſen, Kühe; Hirſche, 





2. Zonenkeramik. Glodenbeder (Pfalz). 


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Wildſchweine, Auerochſen erlegten ſie. Ihr Pflug war ein krummes 
Holz mit ſcharfem Steine. 

Da ſie ſogar Flachs bauten, konnten fie ſpinnen uud weben. 
Mancher Spinnwirtel von Ton oder Stein ſagt uns, daß wir ein 
Frauengrab vor uns haben, in dem wir ihn fanden. Der hölzerne 
Webſtuhl war ein einfaches Geſtell. 

Auch die Knochen der erlegten Tiere wußten ſie geſchickt zu 
verwerten: ſie fertigten Pfriemen, Angelhaken, Nadeln, Harpunen 
daraus. Die Donnerkeile ſteckten ſie in Hirſchgeweihteile. Ihre 
hölzernen Waffen ſind längſt verſchwunden. 

Die Leichen, die ſie nicht immer verbrannten, legten ſie oft in 
hockender Stellung, mit angezogenen Knien ins Grab; aber ſelbſt 
die Vornehmen umſchloß kein Sarg. Dagegen errichtete man in den 
Hügeln ſteinerne Stuben, Rieſenſtuben genannt, die ſpäter immer 
kleiner gemacht wurden und zu Steinkiſten zuſammenſchrumpften. 


II. 


In jehr vielen Gräbern findet man Ketten, Ringe 
Perlen, Schwerter und Dolche, auch Meſſer aus einer Maſſe, die 
wir Bronze nennen und die aus Kupfer und Zinn beiteht. Das 
Kupfer verleiht allen diejen Dingen einen jchönen, grünen Überzug. 
Die Menjchen, die fie trugen oder benußten, lebten jpäter als die 
Steinzeitmenjchen; aber fie fannten anfangs eberijowenig wie Dieje 
das Eiſen; daher nennt man ihr Zeitalter: Die Bronzezeit. 
Sie dauerte etwa von 2000 v. Chr. bis 1000. 

Ein Bolt jaß damals in unjeren Gegenden, das wir die Kelten 
oder alten Gallier nennen. An ihre Sprache erinnern noch mande 
Fluß: und Bergnamen: Rhein, Alfenz, Nahe, Glan, ja der Donners- 
berg joll an ihren Donnergott erinnern, dem auf der Bergeshöhe 
ein Felſen geweiht gewejen jei. 

Biele Jahrhunderte Jaßen die Kelten am Rhein und an der 
Donau, bis jie zu Jeſu Zeit etwa vor den Germanen zurücdzuweichen 
begannen. 

Mir wollen uns an der Hand der zahlreichen Funde in ehe— 
maligen Keltendörfern, in Gräbern und in Verſtecken zurüdverjegen 
in jene ferne Zeit. 

Die alten Kelten waren ein friegeriiches Bauern: und Hirten: 
voll. Wie lange fie jchon in unjerer Seimat ſaßen, wiljen wir nicht. 
Zahlreichh waren die Keltendörfer am Donnersberge, am 
Rheine, an der Haardt und in den Tälern des Glanes und der 
Blies. In den fruchtbarjten Landitrichen hatten fie ſchon jeit Jahr: 
hunderten den Wald gerodet und urbar gemadt. Als Fäger, Hirten 
und Bauern jaßen fie lange im rheinischen Lande. Zwei Stämme 
find es, die uns aus der Zeit kurz vor Jeſu Chrilti Geburt befannt 
wurden, die Treverer zu beiden Seiten der unteren Moſel und die 





ränkiſche Fibel. 


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pitzbecher (Landau). 


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1. Pfahlbaukeramik 


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Neuſtadt (Wallböhl). 


Spiralkeramik. 


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Mediomatriter zwiichen Mainz und Met, aljo z. T. in der heutigen 
bayerijchen Rheinpfalz. Dieſe Stämme lebten unabhängig neben- 
einander, nur im Kriegsfalle traten alle Männer unter die Waffen. 


Die Kelten kannten noch die Steinbeile; als ftolzere Waffe 
führten fie ein Bronzebeil in allen möglichen jchönen Formen, 
die fie jelber heritellten. Kelte nennt man heute noch dieje Beile; 
aber auch Äxte, Dolce, Spieße, Bogen und Pfeile liebten ſie. 

Die vornehmite Schugwaffe war der Holz: oder Bronze: 
Ihild. Die Anführer jaßen im Kampfe auf Pferden oder fuhren 
auf Wagen mit Bronzerädern zur Schlacht, wie man fie in der 
Rheinebene jchon oft fand. (Haßloch). 

Die Krieger trugen Bronzehelme; die Fürſten ſchmückten ſich 
mit Gold. Auch die Kelten des Weſtrichs kannten reichen Gold— 
Ihmud, wie der Rodenbacher Goldfund beweilt. 

Pferdegejchirr und Adergeräte, wie Hade, Sichel, Pflug, 
Ketten, alles war bronzern, jelbit die Figürchen, die fie am 
Halje trugen. Zulegt fam bei diejen Völkern das Eijen auf und 
die Bronze wurde nur noch Schmud. (Halljtattzeit oder ältere Eiſen⸗ 
zeit 1000—500 v. Chr.) An Armen und Beinen, auch am Halſe 
trugen Männer wie Frauen einfache oder gewundene Bronzeringe; 
auch die Panzer waren noch bronzern. Die Waffen wurden eijern. 
Bon Kleinafien her war diejes wichtige Metall nad) und nad) auch 
über die Alpen zu den Galliern gedrungen. 

über dem Rheine jaß ein mächtigeres, blondhaariges, blau— 
äugiges, ſtarkes Volk, das den Kelten feine Ruhe ließ. Dft genug 
ertönte der Schredensruf der ftillen Bauern durch die Gaue: „Die 
Germanen fommen!” und dann verließen fie die Holzhütten in den 
fruchtbaren Ebenen und Tälern und auf jchwerfälligen Karren floh 
alles rüctwärts ins Gebirge. Dort waren fie auf jteiler Berges: 
höhe lange ficher vor den ungeltümen Feinden, welche die friedlichen 
Site in der Ebene zerjtörten. 

Fünf Einjentungen verbinden heute wie damals die Rhein: 
ebene mit dem Saar: und Mojeltale: das MWieslauter-Tal, die enge 
Dueichpforte, das Speyerbacdhtal, das Iſenach-, Eis: und Pfrimmtal 
und die große Senke, durch die die Straße von Met nah Mainz 
oder Worms an den Rhein führt. Hier hatten die Kelten jchon 
frühe jtarfe Befejtigungen angelegt, die als Heidenmauern noch jeßt 
befannt find. 

Meitbefannt iſt der Reltenwalldes Donnersbergs, den 
das Volf der Gegend „Römerjchanze“ nennt. Er hat mit jeinen 
Vorwerfen eine Länge von 6000 m und ilt jet noch an allen 
Stellen erfennbar, jeine Breite beträgt oft 18—21 m, jeine Höhe 
5—6 m, herrliche alte Buchen befrönen ihn heute. Einſt aber 309 
das gejamte Keltenvolf der Gegend hierher mit aller Habe, um gegen 
die Bedränger ficher zu jein. Da, wo dieje leichter anjtürmen fonnten, 





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1. Urne (Röflener Typus). 


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2. Hinkel 


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war die Feſte jtärker als da, wo fie die Felſen des Berges ge: 
ſchickt benußten. 


Hinter den Mauern befanden ſich runde Gruben, die als Mar: 
dellen befannt find und etwa 7—8 m weit und 2 m tief waren. Gie 
waren mit Balkenwerk, Reilig und Lehm kegelartig bededt und 
boten jo im Winter einen guten Unterfchlupf. Auch das merfwürdige 
Geld, das man gerade in diefen Wohngruben fand, bezeugt uns 
den Aufenthalt der Kelten. In friedlichen Zeiten tagte auf der 
Bergeshöhe die freie Volksverfammlung und das Volfsgericht. Auch 
die Heidenmauer auf dem Kältenberg bei Dürkheim, die Verſchan— 
zungen auf dem Drachenfels, dem Königsberg bei Neuftadt, dem 
Drensberg u. v. a. weilen auf jene ferne Zeit hin; auch die Hei: 
denburgen des Weitrichs find keltiſchen Urjprungs. 

In den Wäldern der Südpfalz und an der lothringiſch-pfälziſchen 
Grenze bis Ensheim findet man zahlreiche Trihtergruben von 
beträchtlicher Größe. Dben find fie oft mehr als 20 m weit, ver: 
engern ich aber unten bis zu 1 m Breite und haben zuweilen noch 
einen glatten Zehmboden, der von Menjchenhand herrührt. Da man 
nur Steinwaffen hier fand, jo ſtammen dieje ältejten Wohnfite der 
Pfalz wohl aus der jüngeren Steinzeit. 


Anmerfungen: Die ältefte Zeit, in der wir Menjchen nachweilen 
fönnen, iſt die Zeit, da Mammut, Rhinozeros, Riejenhirich und Renntier bei 
uns lebten, in den Höhlen des Jura aber Höhlenlöwe und Höhlenbär, die 
aber in der Pfalz noch nicht gefunden wurden. Auch iſt das Dajein von 
Menichen in diejer älteiten Zeit, „Eiszeit“ wegen der großen Nusdehnung der 
Alpengletjcher genannt, für die Pfalz nicht nachweisbar, da wir feine 
Höhlen haben. Die Menjchen hatten rohe Waffen und Werkzeuge aus Feuer: 
itein oder fie benußten zu ihrer Arbeit die Knochen der erlegten Tiere. 

Viel jpäter lernten die Menſchen die Werkzeuge aus Stein jchleifen. 
Wir nennen wegen dieſes Fortjchrittes die Zeit jüngere Steinzeit (bis 
2000 v. Ehr.) Die Bewohner unjerer Heimat trieben ſchon damals Acker— 
bau, Viehzucht und Töpferei. Sie wohnten in geichlojfenen Anftedlungen 
zu Waller und zu Land. Ihre Toten legten fie in bodender Stellung ins 
Grab, die Männer erhielten ihre Steinwaffen, ihren Schmud mit, Die 
Frauen ihre Hausgeräte aus Stein und ihre Gefäße mit Speile und Trant. 
Schon damals gab es einfache Geräte aus Kupfer. 


Die Bronzezeit währte etwa von 2000—1000 v. Chr. Wir haben 
aus der Pfalz: Bronzejchwerter, «Dolche, Yanzenjpigen, Pfeilipigen, ver: 
Ihiedenartige Ringe und ſchöne große Bronzenadeln. Aus Gold kennen wir 
die ſchönen Armipangen aus Böhl, den jog. Schifferftadter Hut, der jedenfalls 
ein Gegenftand der Verehrung bei Gottesdienften war. Schon in der älteren 
Bronzezeit findet man Grabhügel; in der jüngeren Bronzezeit fommt die 
Sitte der Leichenverbrennung auf. 


—— 


Um das Jahr 1000 v. Chr. lernten die Bewohner der Rheinlande das 
Eifen fennen. Es war aber anfangs jehr jelten und diente nur als Einlage 
in Bronzeichwertern. 

Über raſch verdrängte Das Eijen Die Bronze, jo daß um das 
Jahr 700 v. Chr. alle Waffen aus Eijen bergejtellt wurden. Die Bronze 
diente nur als Schmud. Dieje Zeit heißt nad dem berühmten Fundorte 
Hallitatt bei Salzburg die Hallftatter Zeit: Aus der Pfalz kennen wir 
Bronzeichwerter, Meſſer, Sicheln, Lanzenſpitzen, Nadeln, Raliermefjer. Eine 
große Seltenheit find die beiden Magenräder von einem Ctreitwagen jener 
Zeit, die bei Haßloch gefunden wurden. Die Menjchen jener Zeit verbrannten 
ihre Leichen und begruben fie in flache Gräber, jeltener in Grabhügel. Um 
die Jahre 750--500 v. Chr. wurde wieder Leichenbejtattung üblich; am Gürtel 
waren verzierte Bronzebleche und das Yeder war mit Bronzenägeln bejchlagen. 
Aus diejer Zeit ftammen die Schönen Wagenrefte von Rodenbach und Weilerbach. 

Die jüngere Eijenzeit 500 v. Chr. bis Chr. beißt auch la Tene-Zeit 
nad) der Fundjtätte am Neuenburger See und gehört den Kelten an. Da: 
mals herrſchte jchon reger Handel, bejonders mit Eijen, Bronze und 
Bold. Griechiſche Bronzejachen und galliiche Goldarbeiten kamen durch das 
Rhein: und Mojeltal zu uns. 

In der zweiten Hälfte der jüngeren Eijenzeit, etwa um 250 v. Ehr., 
begannen die Kämpfe der Germanen mit den Kelten. Damals entitanden 
wohl die meilten Ringwälle, Heidenmauern ujw. 


Unjere Heimat zur Zeit des Julius Cäfar. 


Zur Zeit Julius Cäjars jah unjere rheiniiche Heimat anders 
aus als heute, wo an den jonnigen Rebenhängen, Aderfeldern, wohl: 
gepflegten Miejen und jchattigen Wäldern überall die Hand des 

enſchen zu erfennen ift. 

Mer aber vor mehr als zweitaujend Jahren auf der Höhe 
des Donnersberges oder der Kalmit jtand, der jah wohl nichts als 
undurchdringlichen Urwald, auf deſſen Wipfeln die Sonne lag, die 
aber zum Waldesboden nicht hinabdrang. 

Die wenigen keltiſchen Siedelungen werden wohl faum 
fichtbar gewejen fein; denn nicht nur das SHaardtgebirge, jondern 
auch die jet fahlen Berge des Weſtrichs waren mit Eichen, Buchen, 
Ulmen, Linden, Birken dicht bewachjen; auf die Feljenhöhen Eletterte 
die Tanne. Wilde Apfel-e und Birnbäume ftanden an jonnigen 
Hängen, wo jonjt feine hohen Waldbäume das Sonnenlicht abhielten. 

Beerenjträucher, ſelbſt wilde Meintrauben, gab es dajelbit 
ebenfalls. Die Hajelnüffe fielen im Herbite zu Taujenden auf den 
Boden, den noch feines Menſchen Fuß an manchen Orten betreten 
hatte. Rajch liefen die zahlreichen Mäuſe herbei und verzehrten fie 
oder trugen ſie ins Borratsjtübchen unter den Steinen. Eichhörnchen 


— — 


huſchten von den Bäumen, Haſelmäuſe und andere kleine Näſcher 
bekamen auch ihren Teil. 


Unzählige Eicheln und Bucheln fielen auf den Boden des 
Waldes; was die kleinen Bewohner nicht fanden, ſuchten die Wild— 
ſchweine auf, die rudelweiſe im Sumpfe oder in den Suhlen 
wohnten. Aber noch andere Bewohner hatte der Wald: In der 
großen Rheinebene zogen am Abend große Rinderherden, die 
Auer- oder Urochſen hießen, zur Tränke am Waldbache; ihre Klauen 
drückten ſich tief in den Sumpf des Ufers, das Gras ward zertreten 
von den ſchweren Tieren. Ihre rieſigen Hörner dienten ihnen als 
gute Waffe gegen den Angriff der Räuber des Waldes. 

Wenn ſie nämlich rudelweiſe aus dem Dickicht in die Lich— 
tung traten, lauerte vom Baume der liſtige Luchs, der im günſtigen 
Augenblicke auf ein Kalb oder ein Rind hinabſprang; denn die 
Hörner der alten Stiere fürchtete er. Oder im Schilfe lag der 
heißhungrige Wolf, der fih im Winter zu Scharen zujammentat, 

bejjer rauben zu fünnen. Auch Bären, Hiriche, Nehe, Elche be: 
Iebten den rheiniſchen Wald. 


Dit an den Ufern des Rheines, der in vielen Win: 
dungen durch die Ebene zog und an dejjen Seiten fi zahlreiche 
Sümpfe, Teiche und Altrheine befanden, trieben Filchotter und Biber 
ihr ftilles Handwerk; fie brauchten bloß zu tauchen um gute Beute zu 
finden; denn in dem grünklaren Gewäſſer wälzten ſich Hechte, Lachje 
und Yale in ungezählten Scharen. Der Biber baute jelbit mitten 
in den Strom jeine feite Burg um Herr des Jagdgebietes zu ſein. 
Hin und wieder ſchwamm ein munteres, ftruppiges Wildpjerd über 
den Strom um der Berfolgung der Menjchen u entrinnen oder 
um am andern Ufer auf Nahrung auszugehen. Des Nachts heulten 
Uhu und Kauz, der Fuchs ließ jein heikeres Bellen vernehmen. 


In diejer Waldwildnis ftanden die Hütten der keltiſchen 
Mediomatrifer und Treverer; auf den jonnigen Hügeln der Haardt 
und in der Ebene, in den Tälern des Weſtrichs wohnten ſie in 
fleinen Dörfern; jelbit da, wo heute Speyer und Worms liegen, 
Itanden damals befeitigte Orte. 


Bon Met über die Saar dur die Senke von Landituhl ging 
ein Weg zum Rheine nah Worms und nad) Mainz. Vorlichtig 
wich er dem Sumpfe aus, dennoch) aber blieb der Händler aus 
Italien oder Gallien oft im Sumpfe jteden. 

Brüden gab es nicht. Da wo die Bäche und Flüjje rajcher 
liefen und darum jeichter waren, lagen Steine zum Überjchreiten; 
an jchmalen, aber tiefen Stellen hatte man mit viel Mühe einen 
Baumitamm als Brüde über das Waller gelegt; ſonſt gab es nur 
Furten, wo die jchwerfälligen Bauernwagen ungefährdet durch: 
fahren fonnten. 

Am Rheine jelbit hatte das Keltenvolf bei Speyer und Worms 


ea, VAR u 


Fährmänner angeltellt, die gegen Lohn die Leute überjegten. Aus 
gehöhlte Baumftämme dienten als leichte, fichere Kähne. Sie lagen 
bei Nacht im Gebüjche des Ufers. Andere wieder jegten auf Baum: 
ſtämmen jelbjt über oder bauten Flöße, die Menjchen und Tiere 
trugen. Troßige Reiter ſchwammen auf halbwilden Pferden und 
mancher fühne Schwimmer erreichte mit der Kraft jeines Xeibes das 
nädhite Ufer. i 

Die Kelten hatten lange jchon das rechte Rheinufer verlajjen 
und auf dem linken Zuflucht gefunden. Schon bot ihnen der Rhein 
feinen Schuß mehr; denn die Germanen famen und die Kelten: 
pfeile und die Lanzen der Verteidiger am Ufer nußten wenig. Da 
flohen fie mit Weib und Kind, mit Karren und Wagen, vergruben 
raſch die Schäße noch und eilten den Bergen der Haardt zu; die 
Bewohner der Wormjer Gegend flüchteten zum Donnersberge. Hier, 
hinter den großen Bauernburgen warteten fie auf den anjtürmenden 
Feind, der über den Nhein drang. | 


Arioviſt. 
I. 


Es war um das Jahr 72 vor Chriſtus, als in Gallien, dem 
a Frankreich, Streit herrichte zwilchen zwei Volksſtämmen 
der Kelten, den Häduern und den Sequanern. Dieje Leßteren 
wohnten in der Nähe des heutigen Beſançon aljo nicht weit vom 
Dberrhein und weſtlich vom Schweizer Jura, aber öltlich von Rhöne 
und Saöne. Ihre Nachbarn im Weſten waren die Häduer, jenjeits 
des Juras aljo, im Diten die Helvetier in der heutigen Schweiz 
(die Daher heute noch Helvetia heißt). 

Um dieje Zeit waren aus dem Jüdlichen Gallien die Römer 
weiter nad) Norden gedrungen. Gallien wurde römiſch und aud) 
die Häduer jchlojlen fi den Römern an, weil Julius Cäjar, die 
Helvetier, die durch ihr Land zogen, geichlagen hatte. 

Die Feinde der Häduer, die Sequaner, hatten den Ger: 
manentönig Ariovilt gegen die Häduer um Hilfe gerufen. Ariovilt 
jammelte ein Heer von 15000 Mann und 309 bei Speyer über den 
Dberrhein nad) Gallien. Die Sueben ftellten ſich in den Dienjt der 
Sequaner. Als fie das galliiche Land ſchön und fruchtbar fanden, 
zogen noch mehr über den Oberrhein und bald hatte Ariovijt ein 
Heer von 120000 Mann beilammen. Gs beitand aus Harudern, 
Marlomannen, Tribofern, Bangionen, Nemetern, GSedujiern und 
Sueben. Arioviſt war ein Marfomanne. 


Dagegen konnten die ſchwachen Häduer nicht kämpfen und ſie 
mußten die Hilfe ihrer mächtigen Bundesgenofjen, der Römer, ab: 


— —— 


warten. Sie verloren aber ihre Anführer und ihre Reiterei, die in 
die Hände der Sequaner gerieten und als Geiſeln behalten wurden, 
damit die Häduer keine Hilfe bei den Römern erlangen konnten. 
Auch einen Eid mußten ſie leiſten, nichts gegen Arioviſt zu tun. Einer 
unter den Häduern hatte aber weder ſeine Kinder vergeiſelt noch 
einen Eid gejchworen und eilte daher nach Rom, um Hilfe zu er: 
langen; dieje Hilfe fam. 

Unterdejjen hatte ſich König Nriovift mit jeinen Germanen im 
Rande der Sequaner am Rheine feitgejegt und den dritten Teil des 
Landes für ſich und die Seinen behalten; ein weiteres Drittel muß: 
ten jie dem SHarudervolfe überlajjen, das 24000 Mann ſtark zu 
Arioviſt geſtoßen war. Seine Bundesgenojjen ſtanden zwilchen 
Rhein und Haardt bei Speyer und Worms. 

Arioviſt ſelbſt lagerte im Unterelſaß und in der rheiniſchen 
all: aljo zwijchen Speyer und Straßburg. Im Ober:Eljaß hatten 
ich die Sequaner, jeine Bundesgenojjen angefiedelt. Er verlangte 
daher, daß die Sequaner zwei Drittel ihres Gebietes den Germanen 
auf immer überlafjen jollten. 

In der pfälziichen Rheinebene, etwa bei dem heutigen Neu: 
ftadt und bei Worms, wohnten die Mediomatrifer. Sie wurden 
durch Ariovilts Scharen aus der Rheinebene verdrängt oder unter: 
worfen. Aus dem Innern Deutjchlands aber famen neue Sueben: 
heere unter den Herzogen Naſua und Gimbrius. Sie wollten bei 
Mainz und Worms den Rhein überjchreiten um in Gallien einzufallen. 


II. 


Cäſar, dem das berichtet wurde, verſprach Hilfe, weil die 
Häduer ſeine Freunde waren; er hoffte gleichwohl Arioviſt zum 
Frieden zu bewegen, da dieſer ſich einen Bundesgenoſſen der Römer 
nannte und vom römiſchen Senate in ſeiner Königswürde anerkannt 
worden war. 

Cäſar dachte aber auch an die Kämpfe der Römer mit den 
Cimbern und Teutonen und glaubte, wenn die Germanen ſiegten, 
würden ſie wie jene in Südfrankreich eindringen und von da über 
die Alpen nach Italien ziehen. 

Er ſandte daher an Arioviſt eine Geſandtſchaft. Dieſe begehrte: 
Arioviſt möge einen Ort zur Unterredung beſtimmen, wo ſie über 
Staatsgeſchäfte und einige Angelegenheiten von der größten Wichtig: 
feit miteinander zu reden hätten. Die Boten famen zu Arioviſt im 
Lande der Sequaner am Rheine bei Mülhaujen. Der germanijche 
König aber gab den Beicheid: „Wenn ich ein Anliegen an Cäſar 
hätte, jo würde ich zu ihm kommen; verlangt aber Cäſar etwas 
von mir, jo joll er nur zu mir fommen. Übrigens ilt es jonder: 
bar, was das römijche Volk in meinem Gallien zu jchaffen hat, 
das ich durch das Recht des Krieges erobert habe.“ Cäſar ant: 


in — 


wortete, nachdem er dies vernommen: „Da Du die große Gnade 
„König und Freund der Römer“ zu jein jo vergiltit, jo ftelle ich 
Dir folgende Bedingungen: 

1. * Du keine Völker mehr über den Rhein nach Gallien 

ren; 

2. ſollſt Du die Geiſeln der Häduer zurückgeben; ebenſo ſollſt 
Du den Sequanern erlauben, ein Gleiches mit den Geiſeln 
der Häduer zu tun; 

3. jollit Du die Häduer und ihre Verbündeten nicht mißhandeln. 
Erfüllſt Du das, jo wirft Du mich und das römiſche Volt 
zu ewigen Freunden und Gönnern haben; denn auch die 
Häduer find Freunde der Römer.” 

Darauf antwortete Ariovift ftolz: „Fange nur Feindjeligfeiten 
an. Du wirft die Tapferkeit meiner unüberwindlichen Germanen, 
die in den Waffen geübt jind und jchon jeit 14 Jahren unter feinem 
Dache wohnen, fühlen!“ 

Als diefe Antwort zu Cäſar fam, brachten Boten der Häduer 
und Trevirer (bei Trier) die Nachricht, daß 100 Gaue der Sueben 
bereit jeien über den Rhein zu jegen, um in Gallien einzufallen. 


Cäſar entſchloß fich daher rajch zum Angriffe, legte Getreide: 
vorräte im Lande der Häduer an und ging in Gilmärjchen auf 
Arioviſt los; denn diejer wollte fich in der Stadt Vesontio — Belangon 
im Lande der Sequaner feitjegen, da dajelbit große Vorräte auf: 
gejpeichert lagen und weil dieje Stadt auf 3 Seiten vom Waller 
des Fluſſes Dubis (Doubs) umgeben, auf der vierten Geite aber 
durch einen teilen Berg geſchützt war. Cäſar fam mit dem römijchen 
Heere zuerjt an und jammelte ungeheuere Borräte durch die Sequaner 
an. Dann z0g er durch die burgundiiche Pforte an den Rhein. 

Cäſars Soldaten und Offiziere aber überfam eine große Furcht; 
denn die Ballier und römijchen Händler, die die Germanen wohl 
fannten, jagten: „Sie find ungeheuer groß, jehr tapfer und geübt 
in den Waffen; nicht einmal das Funkeln ihrer Augen fonnten wir 
im Kampfe mit ihnen ertragen.“ 

Die Dffiziere baten um Urlaub für eine notwendige Reiſe, 
andere ſchlichen fich in ihre Zelte und weinten; alle aber machten 
ihr Teltament. Nur Cäjar verlor den Mut nicht; er hielt mit 
jeinen Kriegsleuten Rat und ließ auch alle Hauptleute, die je 100 
Dann anführten, dazu fommen. 

An dieje hielt Cäſar eine Rede, die er mit den Worten jchloß: 
„rolf mir auch niemand, jo werde ich mit der zehnten Xegion 
allein vorrüden. Sie wird mir folgen und ſoll von nun an meine 
Leibwache fein!” Da jchämten fi) die andern und bald entitand 
bei allen große Zuft zum Kriege. 


— — 


Bald rückte das ganze Römerheer mit den galliſchen Hilfs— 
truppen gegen die Germanen, die von der Pfalz aus gegen den 
Oberrhein zogen. Als Arioviſt das Nahen Cäſars vernahm, ſchickte 
er Boten an Cäſar, da er jetzt näher gekommen ſei, könne auch die 
Unterredung ſtattfinden. Cäſar war dazu bereit und auf einem Hügel 
in einer großen Ebene am Rheine trafen die beiden mit ihren Reitern 
zuſammen; aber nur je 10 Reiter begleiteten ihre Führer zur Unter: 
redung. Jeder aber glaubte, Gallien gehöre ihm zu, feiner wollte 
dem andern nachgeben; ja die Germanen wollten jchon Cäſars Reiter: 
Ichar angreifen. Da zog fich diejer zurüd. Boten*) aber, die andern 
Tags zu Ariovilt famen, wurden gefejjelt und noch an demjelben 
Tage rüdten die Germanen gegen die Römer. 


IV. 


Nur eine Stunde weit vom Rheine ftanden fie ſich gegenüber. 
Beide Heere hatten ihre Lager nur 6000 Schritte voneinander und 
5 Tage lang ließ Cäjar täglich jein Heer in Schlachtordnung aufitellen. 

Uber Ariovijt griff nicht ernſtlich an, weil die weiſen 
Frauen verfündigt hatten, daß er in einer Schlacht vor dem Neu: 
monde nicht jiege; erjt als die Römer in drei Heerhaufen vor jein 
Lager traten, jtellte er jeine Völfer zum Kampfe auf: Haruder, 
Martomannen, Triboter, Bangionen, Nemeter, Seduſier und Sueben. 
Hinter dem Heere ſtand aus jchweren Bauernwagen gebildet eine 
MWagenburg, wo die germanijchen Frauen und Kinder dem Kampfe 
zuſchauten. Auch Ariovijts zwei Frauen befanden fich dajelbit. 

Auf ein gegebenes Zeichen jtürmten die römilchen Fußtruppen 
jo higig ein, daß fie die Wurfwaffen nicht mehr gebrauchen konnten; 
jie warfen dieje hinter fich und kämpften mit dem Schwerte. 

Allein die Germanen jchlojfen einen undurddringlichen Heer: 
haufen und dedten ich gegen die Schwerter der Römer mit den 
fejten Holzſchilden. Geſchickte römijche Soldaten jprangen auf dieje 
Haufen, riſſen die Schilde auf und verwundeten die Feinde von 
oben. So wurde der linfe Flügel geichlagen; er floh. 

Als der rechte Flügel der Germanen die Römer überwältigen 
wollte, drang die Reiterei unter Publius Craſſius in das Schlach— 
tengetümmel vor und die Germanen wurden zurüdgedrängt. In 
der Verwirrung entitand eine allgemeine Flucht und erit am Rheine 
hörten die Germanen auf zu laufen. Unterwegs wurden aber Tau: 
jende von den nachlegenden Reitern Cäſars ae eb Mer 
den Rhein erreichte, ſchwamm hinüber oder rettete auf Baumjtämmen, 
Kähnen oder Einbäumen, die im Gebüſch lagen, das nadte Leben. 
Auch Ariovijt erreichte glüdlich das rechte Rheinufer. Seine beiden 


*) Es waren dies 2: der ©. 15 genannte Balerius Procillus und 
Markus Metius. 


——— 


Frauen kamen auf der Flucht um. Da die Wagenburg aber viele 
an der Flucht hinderte, insbeſondere die Frauen und Kinder, ſo 
richteten die Römer daſelbſt ein großes Blutbad an. 


V. 


Ein Freund Cäſars, der vornehme Gallier Valerius Procillus*) 
war in die Gefangenſchaft der Germanen geraten. Dreimal hatte 
man bereits vor jeinen Augen das Los geworfen, ob er auf der 
Stelle oder jpäter verbrannt werde. Das Los entjchied für jpäter; 
da brach der Enticheidungstampf herein und Procillus war gerettet. 
Die übrigen Sueben aber blieben ruhig auf der rechten Geite des 
Rheines und wagten feinen neuen Einfall in Gallien. 

Seit diejer Zeit begegnen uns aber in unjerem Baterlande 
auf der linken Seite des NRheines bei Straßburg, Speyer und 
Worms drei deutiche Völker, die im Heere Nriovilts gedient 
hatten: bei Straßburg die Tribofer, bei Speyer und an der Saardt 
die Nemeter, bei Worms und am Donnersberg die Bangionen. 
Sie waren dem germanijchen SHeere über den Rhein gefolgt und 
hatten fich hier im Lande der Kelten niedergelajjen. Die mußten 
es fich gefallen Iajjen, bis Julius Cäjar der germanijchen Bölkerflut 
ein Ziel Jette, dieje drei Stämme bewadten in Cäſars Auftrag 
das Grenzland, für das die Mediomatriker zu jchwach waren; aber 
bald verloren fie deutjche Sitte und Sprache, denn am Eeltijchen 
Rhein lernten fie bald keltiſch und römiſch. 

Im Weitrich ſaßen damals noch lange die Mediomatrifer, an 
deren Dajein viele feltiiche Fluß: und Ortsnamen des Weitrichs er: 
innern, 3. B. Glan, Blies, Nahe. 

Julius Cäjar fam nad) dem Siege über Ariovijt nicht mehr 
an den Oberrhein. Kurz vor feinem Tode gab er dem Munatius 
Planfus die Statthalterjchaft über Gallien, dejjen öftliche Grenze 
der Rhein war. Diejer ließ römijche Bürger an Orten fi) an: 
fiedeln, wo leicht Handel und Gewerbe getrieben werden konnte. 

Da wo in Gallien Rhone und Saone ich vereinigen, ließ er 
Italiener fich niederlajjen, indem er ihnen Baupläße und Land gab. 
Aus der Kolonie entitand die heutige Stadt Lyon. 

Eine zweite Römerkolonie, die aus alten Soldaten beitand, 
entitand durch Plancus am Oberrhein, nicht weit vom heutigen 
Bajel, Colonia Raurica, das |pätere Augſt, wo heute noch die 
prachtvollen Überreite von der glänzenden Römerftadt zeugen (Theater, 
Bäder, Häufer, Straßen, Dentiteine und Denkmäler). 

Die drei deutjchen Völker, die mit Ariovift über den Rhein 
gegangen waren, bildeten drei Gaugemeinden: im Unter:Eljaß die 


*), Er war einer der 2 Boten, die ©. 14 3. 10 genannt find. 


Tribofer, um Speyer die Nemeter und bei Worms und am 
Donnersberg die Bangionen. 
Gallien hatte 60 Jolcher Gaue, die 3 große Provinzen bildeten. 
Auf Cäſar folgte Auguftus, an dejjen Namen heute noch Augit 
und Augsburg erinnern. 


Die Germanen, ihr Land, ihre Sitten und 
Einrichtungen. 
| 


Wie man heute Oberdeutjche und Niederdeutiche unterjcheidet 
(nad) Sprache, Sitte, Einrichtungen), jo gab es bereits vor bald 
2000 Fahren unter den Germanen, die im heutigen Deutjchland 
wohnten, Sueben und Nicht-Sueben. Die Sueben find die Vorfahren 
der Ober: und Hochdeutichen: der Bayern, Schwaben und Alemannen. 
Sie wohnten in Mittel: und Dftdeutichland und waren zu Cäſars 
Zeit über den Rhein gedrungen, um in Gallien neue Wohnpläße 
zu ſuchen. Als aber Cäſar ihren König Arioviſt vom Stamme der 
Marfomannen bejiegte, zogen fie fich zurüd und bewohnten ſeitdem 
den größten Teil des rechtsrheinilchen Deutichlands. 

Die Sueben erfannte man an ihrer Haartracht; denn auch 
die Männer jtrichen es jeitwärts und banden es zu einem Knoten 
zulammen; aber nur der freie Suebe ſchmückte ſich jo. 

Selbit die älteften Männer pußten fich damit und die Fürften 
der Gaue und die Sergoge trugen fich nicht anders. Im Kriege 
erjchienen fie daher dem Römer größer und jchredlicher. Dem Sklaven 
Icherte er den Kopf. 

Sie zerfielen in mehrere Stämme, die Marfomannen in Böh— 
men, die Semnonen im Nordoiten zwilchen Oder und Elbe, Die 
Zangobarden an der Oder und Weichlel, die Hermunduren (Thüringer) 
an der oberen Elbe und am obern Main. Sie waren durch das 
Tal der Werra von den Chatten gejchieden, mit denen fie um die 
Salzquellen bei Kiljingen jtritten (59 n. Chr.). Am Rheine jahen 
als Weite der Heere des Ariovilt: die Juebilchen Bangionen, Nemeter 
und Tribofer. 


II. 


Cäſar erzählt von den Sueben: 

Sie hatten hundert Gaue, aus denen fie je taufend Mann jähr: 
li) ins Feld jtellten. Die zuhaufe Bleibenden bejorgten den Acker— 
bau, während jie im folgenden Jahre ausziehen und den Heim 
fehrenden das Feld überlajfen mußten. 


— \, — 


Feldeigentum gab es nicht; auch durfte wegen des Anbaues 
keiner länger als ein Jahr an einem Orte verweilen. Die Sueben 
ernährten ſich von Feldfrüchten, Milch und Fleiſch. Im Frieden 
liebten fie die Jagd in den unermeßlichen Wäldern über alles und 
überließen den Aderbau und die Hausarbeit den Frauen und Sklaven. 
Unter ihrem falten Himmel trugen fie nur elle der erlegten Tiere 
oder leinerne Kittel, die die Frauen gejponnen, gewoben und ge= 
näht hatten. 

In den Kämpfen mit Cäſar benußten fie ihre einheimijchen Kleinen 
Pferde, die zwar jchlecht gebaut und ungeftalt waren, aber durch 
tägliche Übung jehr ausdauernd wurden. 

Im —— ſprangen ſie oft von den Pferden und foch— 
ten zu Fuß. ieſe waren abgerichtet, daß ſie nicht von der 
Stelle gingen; denn wenn den Kriegern Gefahr drohte, eilten ſie zu 
ihnen zurück. Sättel liebten ſie nicht. 

Im Kriege ſchlugen fie aus ihren ſchweren Wagen eine Wagen 
burg, von der die Frauen und Kinder der Schlacht zuichauten. 
Schwerter von Eijen waren jeltene und hochgeſchätzte Waffen, da— 
gegen trugen fie noch den Streithammer von Stein und die Lanze 
mit Eijen: oder Bronzeſpitze; die Schilde waren bemalt. Tacitus 
berichtet von den SHarudern, die bereits in Arioviſts Heer waren: 
„Schwarz find ihre Schilde, bemalt ihre Leiber; die finiteren 
Nächte wählen fie zu den Schlachten und jchon durch den jchauder- 
eo und jchattenhaften Aufzug des Totenheeres verbreiten 
fie Schreden, da fein Feind den neuen und gleichlam hölliichen An— 
blick aushält.“ 

Menig Krieger hatten einen Panzer oder einen Helm, meilt 
warfen fie ic mit der nadten Bruft auf den Feind. Am liebiten 
fämpften fie zu Fuß; daher ftürzten ſich mit den Reitern zugleich 
ge Pogünger auf den Feind. (Vergleiche Cäſars Kampf mit 

rioviſt.) 

Könige wurden von den Germanen erwählt wie die Heer— 
führer; aber dieſe Könige hatten keine unumſchränkte Gewalt; ſie 
konnten nicht über Leben und Tod richten noch einkerkern. Das 
alles kam den Prieſtern zu. Die Volksverſammlung aber war das 
höchſte Gericht. 

Die Verſammlungen fanden an beſtimmten Tagen bei 
Neumond oder bei Vollmond ſtatt; aber oft erſchienen die freien 
Männer nicht regelmäßig zum Gerichte. Waren aber genug der: 
jelben anwejend, jo jetten fie ſich bewaffnet nieder. Der Prieiter 

ebot Stillihweigen; dann redete der König oder ein Fürft, die aber 
eine Befehle geben konnten. Mißfiel eine ſolche Rede, jo entitand 
ein Murren, gefiel fie, jo Hangen die Waffen zujammen. 

Im Frieden wohnten die Germanen in Heinen Dörfern zu: 
jammen oder einſam draußen im Walde; dann lag der Hof mitten 
in der Feldflur. 

2 


Bon den Kelten erlernten die Germanen das Schmiedehand: 
wert. In den Wäldern lagen weit ab von den Menjchen die Werk: 
tätten, dorthin brachten galliiche und römilche Händler rohes 
Schmiedeilen, um es dem Schmiede zu vertaufchen. Der jchmiedete 
Waffen daraus: Schwerter und Lanzenjpige, auch Meſſer; aber das 
Eijen war zu Jeſu Zeit in unjerm Lande jo koſtbar, daß die Waffen 
einen jehr hohen Wert erhielten, ja daß man neben Gold und Silber 
Eiſen als Schmud benußte. 


Der Schmied galt als ein Taujendfünftler und als Kenner 
geheimer Dinge, daher jtand er in hohem Anjehen; er weihte die 
Schwerter mit geheimnisvollen Sprüchen, ritzte die Runen hinein, 
die Schriftzeichen der Germanen, die jie von den Römern erlernt, 
aber umgebildet hatten. 


Der freie Mann jchmiedete jich .. Speeripiße jelbit, jogar 
jein Schwert, manche gruben jogar nad) Eijen und verarbeiteten es 
mit ihren Knechten. Schon in römilcher Zeit wurden die Eijenerze 
des Donnersberges, die leicht zu graben waren, auf der Höhe des 
Berges zu Roheilen gejchmolzen. 

In großen tönernen Schmelzöfen, die vom Winde angeblajen 
wurden, jchmolz das Erz teigartig, aber nie flüjlig. 

Auch die Zimmerei war jchon frühe ein Be obwohl wir 
willen, daß jeder ſich jeine Hütte jelber bauen fonnte. Bon Steinen 
bauten jie nicht. a, jo lange die Germanen wanderten, hatten jie 
Häujer von runder Geitalt, die beim Aufbruche leicht mitgenommen 
werden fonnten, wie zu Cäſars Zeit. Bei feiten Wohnjigen ent: 
Itanden die hölzernen Fachwerkbauten, an die unſere alten Bauern: 
häujer namentlich in der Rheinebene, auf dem Schwarzwalde, in 
Bayern, Thüringen, Weitfalen, Hannover, Schleswig u. |. f. noch 
erinnern. 

Zuerſt ſtampfte der germaniſche Bauer den Lehm feſt, der als 
eg diente wie heute noch in den Scheunen und vor fünfzig 

ahren in Küche und Hausgang mancher pfälziichen Bauernhäujer. 

Es wurde alsdann ein Fachwerk (noch in der Vorderpfalz) 
oder ein Blodbau (Schweizerhaus, Blodhaus) errichtet. Die 
Lücken des Fachwerkes füllte der Erbauer jelbjt mit Flechtwerk 
(wie noch heute) aus und bewarf die Füllung mit Lehm. Kalt 
fannte er noch nicht, daher nahm er reine glänzende Erdfarben. 
Den Balken aber ließ man ihre natürliche Farbe oder man bejtrich 
fie mit roter Erdfarbe. 

Die Blodhäujer waren bald errichtet, da man die Wände 
durch —— gelegte Stämme bildete. 

Dach war hoch und mit Stroh oder Schilf gedeckt. 
Ziegeln gr Schindeln fannte man nicht. Ja, es it noch nicht 


19 


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i Balken fich freuzten, prangten zwe 


Strohdächer der MWeltricher Dörfer verſchwunden 


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1. Germaniſche Urne (auf der Drehicheibe angefertigt). 


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2. Germaniſche Urne (ohne Drehſcheibe angefertigt). 
(Findet fich in früheren und |päteren Gräbern). 


2* 


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In Oberdeutjchland trat man zuerit in den Hauptraum mit 
dem Herde. Bon diefem waren Stuben abgejondert. Daran 





Germaniſche Zierſcheibe. 


ſchloſſen ſich unter demſelben Dache Scheune und Stallung. Der 
Eingang geſchah von der Langſeite her. 


er 


In den Erdlöhern, die meiltens als Borratstammern 
dienten, jaßen oft die Frauen und Mägde und fpannen und woben 
oder formten Töpfe und Urnen. 

Wenn auch die meilten Häufer einzeln lagen, jo gab es doch 
aud Dörfer, die aber nicht regelmäßig gebaut waren. Alle Dorf: 
häujer umgab ein Zaun, von dem man noch bis in die Zeiten des 
dreißigjährigen Krieges und noch jpäter wußte. 


IV. 


Die Germanen kleideten ſich in Leinen, Wollſtoff und Pelz. 
Das wichtigſte Kleidungsſtück war ein wollener Mantel, der 
an der Seite offen war und auf der Schulter durch eine Gewand— 
nadel zuſammengehalten wurde. 

ie Tierfelle wählten ſie ſorgfältig aus und beſetzten ſie mit 
buntgefleckten von andern Tieren aus ferneren Gegenden. Auch 
Wams und Beinkleider trugen die Männer, legten aber im Kampfe 
oft alle Kleidung ab. 

Die Frauen trugen lange Leinenkleider, die durch Gewand: 
ſpangen auf der Schulter befeitigt wurden. 

Die alten Deutichen hatten auf ihrer Gemarkung nur zwei 
Felder, das Sommerfeld und das Brachfeld, die miteinander 
wechjelten. Weil der Boden wegen den vielen Waldungen naß war, 
jo fonnte fein Wintergetreide angebaut werden. 

Nur Sommerroggen und Sommerweizen, die man im Früh: 
linge Jäete, pflanzte man. 

Die Römer hatten zwar bei Trier den Verſuch gemacht, 
Mintergetreide anzubauen, doch erfror es im Winter volljtändig 
und mußte im Frühjahre durch neues Getreide erjeßt werden. 

Wenn der Ader mit dem hölzernen Pfluge gepflügt und bier 
eingejäet war, nahm der Bauer einen Reden und 309 die Saat 
unter. Cine Egge fannte noch niemand. Auch die Düngung war 
noch unbefannt, da das Vieh vom April bis zum Schneefall draußen 
auf der Allmende weidete. 

Erft als der Wald fih im Laufe der Jahrhunderte lichtete, 
entitand die Dreifelderwirtihaft (Sommerfeld, Winterfeld, Brady: 
feld), die bis zum Anfange des 19. Jahrhunderts andauerte. 


Religion der Germanen. 
I. 


Die Germanen hatten feine Tempel von Steinen oder Holz. 
Im freien Walde unter den Wipfeln uralter Eichen, an geheimnis= 


— m — 


voll murmelnden Quellen und düſteren Schluchten verehrten ſie 
ihre Götter. 

Im Lande der Semnonen zwiſchen Oder und Elbe, tief im 
Walde lag ein heiliger Hain, wohl in der Nähe des Spreewaldes. 
Dort kamen zur Herbſtzeit die Vertreter aller ſuebiſchen Gaue zu— 
ſammen um dem Kriegsgotte Ziu oder Tiu Opfer zu bringen. 
Menn die Krieger der Sueben alljährlich von ihren Zügen ins 
römiſche Reich und ins Slavenland zurüdfehrten, brachten fie ihre 
Kriegsgefangenen als Opfer in diejen Hain. Prieiter und Priejterinnen 
Ichlachteten jie an den Opferfteinen. . 

Niemand vom Stamme der Sueben durfte den Hain frei und 
ungebunden betreten. Jeder legte fich Feſſeln an und die ftolzen 
Männer, die ſich den mächtigen Römern nicht unterwerfen wollten, 
beugten fih willig dem gewaltigen Kriegsgotte, der fie zum Siege 
führte. Fiel ein Suebe nieder, jo war ihm nicht erlaubt en 
londern auf dem Boden mußte er fich hinauswälzen. Feßler oder 
Tejlelträger bedeutet der Name Semnonen, des vornehmiten juebijchen 
Stammes. 

Diefjem Kriegsgotte Ziu, dem der Dienstag geheiligt war, 
waren auch die vielen Irminfäulen, d. |. hohe, uralte Eichen geweiht. 
Noch ange nannten fich die Schwaben nad) ihm Ziuverehrer: Ziuwarii. 

Als oberfter der germanijchen Götter galt Wodan, der Gott 
des Windes, des Sturmes; der als Beherricher der Welt Allvater 
hieß. Er wohnte mit feinen Göttern droben in Walhalla.. Auch 
er half in den Schlachten und mit jeinen Waffen brachte er böje 
Krankheiten. 


Sein Haupt war mit einem breitfrämpigen Hute bededt; ein 
Mantel verhüllte den Körper. Wenn er die Welt durchritt, jaß er 
auf einem achtfühigen jchneeweißen Pferde. Weithin glänzte dann 
jeine prächtige Rüftung, hell jchimmerte der Boldhelm. Ein mächtiger 

rauer Bart unterjchied ihn von Donar und Ziu; das fehlende 
Auge verdedte der Schlapphut. 


„Wer find die zwei, 

Die zum Ting (zur Ratsverfammlung) fahren ? 
Drei Augen haben fie zufammen, 

Zehn Füße und einen Schweif 

Und reijen jo übers Land? 


(Der einäugige Wodan auf dem achtfüßigen Roſſe.) 


Auch Wodans Roß brachte man Opfer und die Schnitter in 
Medlenburg fangen noch vor 50 Jahren, wenn fie bei der Ernte 
um ein Büjchel ftehengebliebener Halme tanzten: 


Mode, Wode! 
ol deinem Roſſe nun Futter 
ebt Die und Dorn 


um andern Jahr beileres Korn! 


—— 


Ein ähnlicher Brauch beſtand in Niedermoſchel in der Nord: 
pfalz, wo man die legten Ahren nicht abjchnitt, jondern als Opfer 
ſtehen ließ und umtanzte. 

MWodan war als weijeiter der Götter zauberfundig, ihn riefen 
die Krieger im Kampfe, die Gefangenen, die Kranken in Gefahr an. 


ll. 
MWodan und Balder. 


Einjt reitet Wodan mit Phol oder Balder und andern Göttern 
durch den wilden Wald. Kein Weg und fein Steg ilt da; holpericht 
geht es über Stod und Stein. Da ftürzt Balders Pferd und ver: 
rentt fi den Fuß. Die Göttinnen wollen helfen. Ginthgunt, der 
Sonne Schwefter lijpelt zuerit einen Zauberſpruch und Freia, die 
Schweiter der Bolla tut das Gleiche. Da murmelt der zauberfundige 
Modan, der im Heilen der Krankheiten von niemandem übertroffen 
wird, jeinen Zauberjegen; denn ob es Knochenverrentung, Blut: 
verrenfung oder Gliederverrentung war, Wodan konnte alle heilen. 
Daher ſprach er: Bein zu Beine, Blut zu Blute, Glied zu Bliedern, 
als obs geleimet ſei — das Pferd wird wieder heil und die Götter 
legen ihren Weg fort. — 

Mo MWodans Roß jcharrte, entitanden heilige Quellen, zwei 
Wölfe begleiteten ihn und zwei Raben umjchwirrten jein Haupt. 


III. 
MWodans Ritt ins Reich der Hela. 


In der Bötterhalle find alle Bötter und Göttinnen zum Rate 
verjammelt. Wodan 5 auf jeinem Königsituhle, zu jeinen Füßen 
die beiden Wölfe, auf jeinen Schultern die Raben. Um ihn die 
erniten Götter und Göttinnen. Böſe Träume haben Balder, den 
Liebling aller Götter und Menſchen, erjchredt. Es ift Sommer: 
onnenwende und heiß auf Erden; aber der längite Tag ilt hin und 
die Sonne beginnt fi) von der Erde abzufehren. Das Erntefeſt 
ift bereits gehalten. Alle ahnen Balders Tod. 

Tiefbetrübt jattelt Wodan ſein achtfüßiges Roß, verläßt die 
leuchtende Götterhalle und reitet hinab zur Unterwelt ins Reich der 
bleichen Hela, wo die Schatten der Verftorbenen raſten. Mit Windes» 
eile trägt ihn das Roß durch die Luft und bald iſt die Nebelhölle 
im dültern Norden erreicht. 

m Tore der Feljenhöhle kommt ihm ein Hund entgegen. 

Dem ift vorne die Bruft mit Blut befledt; vier glühende Augen 

hat er. Wodan aber ftört ſich nicht an ſein Anurren; er reitet den 

düftern Weg weiter. In der TFeljenhöhle, wo das Wafler von den 
Steinen trieft, hallt jchaurig der Hufichlag jeines Pferdes. 

Bald war die Hölle erreicht: vor ihm lag der Totenhügel der 


— — 


Wala, der Beherrſcherin der Unterwelt. Leiſe ſang er den Weck— 
geſang. Der war kaum verklungen, ſo erhob ſich in langem Gewande 
die Göttin von ihrem Schlummer und ſpricht: 

„Wer weckt mich aus meinem Schlummer und ruft mich ins 
Reich der Lebenden?“ 

Wodan ſpricht: „Ich bin Wegwalt, der Sohn Walwalts. Sage 
mir, wem iſt das Totenbett hier bereitet?“ 

Wala ſpricht: „Hier ſteht ſchon dem Balder gebraut der Met, 
der Schild bedeckt ihn. Die heiligen Götter des Himmels haben 
keine Hoffnung: Balders Tod iſt beſchloſſen. Laß mich in Ruhe!“ 

Wodan fragte: „Schweige nicht Wala, bis ich alles weiß. Ich 
wüßte gern, wer dem Wodanſohne Balder das Blut vergießt.“ 

Wala antwortet: „Der blinde Hödur wird den herrlichen 
Balder töten; aber nun will ich ſchweigen.“ 

Doch Wodan rief wieder: „Schweige nicht Wala, ich will dich 
fragen, wer den Tod Balders an Hödur rächt?“ 

Wala ſeufzt: „Wodan gewinnt einen kampfestüchtigen Sohn. 
Der wird die Sande nicht wajchen und das Haupt nicht fämmen, 
bis er den Mörder erlegt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt 
hat. Du bift nicht Wegwalt, du biſt Wodan der mächtige Gott.“ — 

Mit der Todesbotjichaft verläßt der Himmelsgott das düſtere 
NReih. Im Fluge ijt die leuchtende Götterhalle erreicht. 


Da trugen Trauer Götter und Menichen, 
Daß nun ihr Liebling der lichte jchiede, 
Mie Bronnen brach es aus N 
Und alle weinten um Balders Tod.“ 


Ale Wejen ſchwören, den Bott nicht zu verlegen. Sie lajjen 
Ihwören. Nur die all am Miftel überjehen die Götter. Loki 
der Böje jchnigt einen Pfeil von diefem Holze und gibt dem blinden 
Hödur zum Spiele die Waffe in die Hand. Das Gejchoß fliegt und 
trifft den Helden, der tot zu Boden ftürzt. 

Der lichte Gott wandert in Helas Reih. Während jein Leib 
auf einem Drachenjchiffe verbrennt, ftürzt fich jeine treue Gemahlin 
in die Flammen. 


IV. 
Der Donnergott. 


Der befannteite und beliebtejte der germanilchen Götter war 
Donar, der Donnergott, an den die deutichen Donnersberge, auch 
zwei in der Pfalz, der Donnersberg bei Kirchheimbolanden und der 
Heine Donnersberg bei Neuleiningen, erinnern. Auf dem Donners: 
berge verehrten jchon die Römer ihren Donnerer, den höchiten Gott 
Zeus oder Jupiter. Dem deutjchen Donnerer war die alte Donner: 
eiche bei Hofgeismar in Dberhejjen geheiligt, die jpäter Bonifatius 
fällte. (Siehe unten.) 


- 4 — 


Der Bauer fennt aber heute noch den Donnerbejen, die Donner: 
diftel und den Donnerkeil. Den ftruppigen Donnerbejen an den 
Bäumen des Waldes hielt man für ein Werk Wodans. Die Donner: 
diltel aber hingen die Germanen mit andern Kräutern an das Gebält 
des Haujes, weil fie glaubten vor Gewitterjchaden ficher zu fein. 

Vom Donnerfeil, dem fteinernen Hammer des Donnerers geht 
folgende Sage: 


Die Heimkunft des Donnerfeils. 


In einem falten Winter jchlief Donar einen tiefen Schlaf. Die 
Erde hatte Ruhe vor jeinem Gewitterzorn; neben ihm lag jein Stein— 
hammer, den er im Sommer auf die Erde jchleudert. 

Das merkte der Rieſe Drum. Der jchlich zur Götterwohnung, 
trat leije in Donars Gemach und entwendete den Hammer und eilte 
in das Land der Riejen. 

Als die Sonne mit belebender Wärme die Welt erfüllte, erwachte 
auch der Donnerer von jeinem langen Schlafe, |pannte die beiden 
Geißböde mit den mächtigen Hörnern vor jeinen Donnerwagen um 
über die Erde hin zu fahren. Doch, wie er nach jeinem Hammer 

reifen will, it er nicht da. Nur feinem treuen Diener Loge (nicht 
Soft) vertraut er ſein Mißgejchid an. 

Loge bejann fich aber nicht lange. Er ging zur Himmelsgöttin 
Freia, der Gemahlin Wodans und ſprach: „Leihe mir dein Feder: 
hemd; der Donnerer, mein Herr, jucht jeinen Hammer und den 
bejißt niemand als Drum, der hinterlijtige diebiſche Rieſe. Der 
Meg ilt weit ins Riejenland, wo ewiger Winter herrjcht. 

Gern gewährte Freia die Bitte. Sie brachte dem Diener das 
TFedergewand, der jchlüpfte hinein, jchwang fich durch die hohe 
Götterhalle hinab durch die Luft und erreichte bald im hohen Norden 
die Heimat der Rieſen. 

Drum ſaß gerade vor jeinem Haule am Hügel, band jeinen 
Hunden goldene Bänder um den Hals und [trählte den Rojjen die 
Mähnen zurecht. 

„ie geht's den Ajen, wie geht's den Alben (den Zwergen) 
und was ſuchſt du jo allein im Lande der Rieſen?“ fragte Drum. 

Loge antwortete: „Schlecht geht's den Göttern und jchlecht 
den Alben; denn es fehlt des Donnerers Hammer. Haft du ihn 
vielleicht ?“ 

Drum erwiderte: „Freilich habe ich Donnars Waffe; aber fie 
liegt acht Raften tief unter der Erde. Da wird fie feiner holen 
und nur der erhält fie, der mir Freia, die oberite Göttin zur 
Braut bringt!“ 

Raſch flog Loge der Götterwohnung zu; denn nun wußte er 
genug. Bald Jag das falte Riejenheim weit hinter ihm und Wal: 
halla glänzte. Im Hofe ſtand ſchon Donar und fragte den aus der 
Höhe fliegenden: „Wo ift der Hammer? Wer hat ihn?“ 


— ; 


Loge antwortete: „So gut wie die Reiſe gings mit der Rede. 
Drum, der Rieje, o Herr, hat den Hammer, aber er gibt ihnynur 
heraus, wenn er Freia zur Frau erhält.“ 

Sie tommen beide zur Himmelsgöttin und bringen ihr Anliegen 
vor. Doch die weilt fie ab, ja fie gerät jo in Wut, daß fie ihren 
herrlichen Halsihmud von Gold zerbricht. IR 

Da gingen die Himmelsgötter raſch zu Rate und fragten,ein- 
ander: „Wie bringt man den Hammer heim?“ 





—— z — — 7 RL: 


f 





Donnerkfeile in der Pfalz. (Steinbeile der jüngeren Steinzeit). 


Heimdald, der Wächter der Walhalla meint: „Donnar — 
hüllen wir in bräutliches Kleid, wir ſchmücken ihn mit Freias Gold— 
ſchmuck, geben ihm den Schlüſſelbund an die Seite.“ Donnar wehrte 
ſich dagegen, denn die Götter würden ihn weibiſch ſchelten. 

Darauf ſagte Loge: „Schweig doch, Donnar; bald werden die 
Rieſen den Himmel bewohnen, wenn du nicht den Hammer heim holſt!“ 


Ze AO: 


Da ließ er es zu und legte mit Hilfe der Götter den Braut: 
Ichmud an. Loge Eleidete fich als Dienerin. Sie holten die Böcke 
raſch an den Wagen um wader zu rennen. Felſen jtürzten, Funken 
toben und bald war das eilige Yand der Rieſen erreicht. 

Drum fieht fie fommen: „Auf, ihr Rieſen ordnet die Sitze. 
Nun kommt TFreia, meine Braut. Stellt die Site zuredjt, daß wir 
Hochzeit machen. Schäge und Schmud habe ich viel; aber es fehlte 
mir einzig noch Freia!“ 

Früh am Abend fanden fich die Riejen ein. Alle tranfen 
Bier und Met aus gewaltigen Trinfhörnern. Die vermeintliche 
Braut aß und tranf über die Maßen. Da meinte Drum, der 
u „280 Jah man Bräute jchärfer beißen und Mädchen 
jo viel Met trinken? 

Die liitige Dienerin, der verfleidete Loge, meinte: „Nichts aß 
Freia acht Tage lang; jo arg war die Sehnjucht nad dir!” Als 
der Bräutigam die Braut näher betrachten will, zupft er an ihrem 
Schleier und ſchaut ihr ins Gelicht. Da gab ihm Donar einen Stoß, 
daß er falt zum Saale hinausflog. „Welch furchtbares Feuer leuchtet 
in Freias Augen! Brennende Blide bligten mich an.“ Die ver: 
meintlihe Magd erwiderte behend: „Acht Tage fand meine Herrin 
feinen Schlaf vor Sehnſucht nach dem Lande der Niejen.” 

Da ſprach Drum: „Bringt mir den Hammer, die Braut will 
ich weihen!” Der Diener fam raſch und legte den Hammer in 
Donnars SchoP. 

Dem ſtarken Gotte lachte das Herz im Leibe, als er den 
bligenden Hammer erblidte. Bliß und Donner erfüllte die Feithalle, 
als er den Hammer ſchwang. Drum und jein Bejchlecht zerjchmetterte er. 
Fröhlich fuhren die beiden Götter hinüber nach dem Götterheim. 


V. 
Der Donnerkeil (Donneraxt, Donnerftein). 


Wenn der deutiche Bauer jein Feld pflügte, begegnete es ihm 
oft, daß er GSteinbeile fand. In unjern Bauernhäulern gab es 
daher jeit alter Zeit jolche Steine. Ihren Zwed erkannte niemand 
mehr, jeitdem aud) die Germanen gelernt hatten, mit eijernen Waffen 
zu kämpfen. 

„Das ilt der Hammer des Donnergottes, von dem die weijen 
Frauen und die Prieſter erzählen, den der zornige Gott in die Erde 
Ichleudert. 7 Klafter tief liegt er im Boden und jteigt nach 7 Jahren 
um je ein Klafter höher. Er jchügt vor TFeuersgefahr, bejonders 
aber vor Blitgefahr und verhütet jchredliche Krankheiten, namentlich) 
ijt er ein ficheres Mittel gegen die Belt und andere Seuchen. Wer 
ihn trägt, iſt unverleglich.” So meinten die alten Germanen, jo 
auch noch unjere Großeltern. Die nahmen das Steinbeil, das fie 
wohl verwahrten und wenn die Kuh im Stalle verhert war und 


—— 


keine Milch gab, ſo ſprach man nur einen Zauberſpruch und ſtrich 
mit dem Wunderſtein die Euter. 


VI. 
Freia oder Hulda. 


Freia war Odins Gemahlin; als Frau Holle oder Frau Berta 
(Berchta) erjchien fie jegnend oder ftrafend. Namentlich jchaute fie 
bei Nachtzeit nach den Spinnerinnen. Um Weihnachten (Julfeſt 
der Germanen) fing fie an herumzuziehen. Da legten die Mägde 
ihre Spinnroden aufs neue an, wandten viel Werg oder Flachs 
darum und ließen ihn über Nacht ſtehen. Sah das —* Holle im 
weißen Kleide, ſo freute ſie ſich und ſprach: 

„Je manches Haar, 
Sp manches gutes Jahr.“ 


Diejen Umgang hielt fie bis zum großen Neujahr, zwölf Tage 
nad) Weihnachten, wo fie wieder in ihren Berg zurüdfehrt. Traf 
fie nun aber Flachs auf dem Roden, jo zürnte fie und ſprach: 


Je manches Haar, 
So manches böjes Jahr.” 


Daher riljen am großen Neujahrsabend alle Mädchen ihre 
Rocken ab, d. h. das, was fie nicht geiponnen hatten, damit Frau 
Holle ihnen ja nicht jchadete. Noch beſſer war es, alles angelegte 
Werg herunterzujpinnen. 

Im Dorke Schwarza in Thüringen zog in alter Zeit Frau 
Hole um die Weihnachtszeit mit ihren unholden Scharen durd). 
Voran ging der treue Edart, der die Leute mahnte, auszuweichen, 
damit ae fein Leid gejchehe. 

Einige Burjchen hatten gerade Bier in der Schenke geholt, 
das fie nach Hauje tragen wollten, als der Zug erjichien. Die 
Jungen wichen mit ihren Bierfannen aus; aber ſchon famen Weiber 
aus dem Zuge der Unholden und tranten das Bier. Die Knaben 
fürdhteten ſich, zuhauſe Strafe zu befommen, weil fie fein Bier hatten, 
redeten aber fein Wort. 

Als der Zug vorüber war, ſprach der treue Edart: „Hättet 
ihr ein Wörtlein geredet, jo hätten fie euch die Hälſe umgedreht. 
Geht aber rajch heim, jagt auch niemand etwas, jo werden eure 
Kannen immer voll fein.” 

So geſchah es. Die Krüge wurden nie leer; als aber am 
dritten Tage Einer die Gejchichte verriet, da war es mit dem 
Biere aus. 

Uns allen ift Frau Holle wohlbefannt: Wer am hellen Tage 
träumt, „geht mit der Holle” und wenn es jchneit, „jchüttelt Frau 
Holle das Bett“. Die Eleinen Löckchen der Kinder nennt die Mutter 


— — 


Hollezopf, d. i. Zöpfe der Frau Holle, denn ſie iſt auch die Be— 
ſchützerin der Kinder. 
v1. 
Hertha oder Nerthus auf Nügen. 


Es war ein liebliches Ciland, im baltijhen Meere gelegen. 
Eichen, jo alt wie der Boden, auf dem fie —— und gewaltige 
Buchen beſchatteten dasſelbe, das nördliche Ende bildend des großen 
hercynijchen Waldes, welcher, bei den Nordabhängen der Alpen be: 
ginnend, fich bis hierher erjtredte. Von bemoojten Hügeln umgeben, 
lag nicht fern vom Rande der Injel im Schatten der Bäume ein 
Harer, fait zirfelrunder See. Am nördlichen Ufer desjelben erhob 
ih mit ihren Wällen die Hertha:Burg. Sie war der Gib der 
Göttin Hertha, der Geberin alles Segens in Feld und Wald. Ur: 
alte Buchen bildeten ringsherum jenen heiligen Hain, deſſen Innerftes 
nur der Fuß der Prieſter betrat. Tiefe Stille herrichte in dem 
dunfeln Schatten der Bäume, und fein Uneingeweihter wagte das 
leije Flüſtern der Untergötter zu unterbrechen. Selbſt die kecken Ur: 
bewohner des hercyniſchen Waldes, der gewaltige Ur, das riejige 
Glenn, der heulende Wolf, wie der grimmige Bär ſchienen ſcheu 
zurüdzubleiben von dem heiligen Orte, dem der Menſch nur in 
tiefiter Ehrfurcht fich nahte. 

enn aber mit dem wiederkehrenden Lenze die eritarrte Erde 

unter den erwärmenden Strahlen der Sonne erwadte und Die 
Ichlummernden Kinder des Frühlings von ihrem langen Winter: 
Ichlafe erjtanden, wenn Taujende der befiederten Sänger ihre Lieder 
erichallen ließen zum Lobe der jchaffenden Hertha: fiehe! dann tauch- 
ten ganze Scheren riefiger Männergeftalten aus dem Dunkel der 
Mälder — in ſtiller J—— dem heiligen Haine ſich nahend. 
Welche Männer! Kühn blitzt das blaue Auge unter den buſchigen 
Brauen und lockig wallt das blonde Haar herab auf die breiten 
Schultern. Sieben Fuß meljend von der Ferſe bis zum Scheitel 
tragen fie die Zeichen des freien Mannes, den breiten Schild und 
den gewichtigen Speer in den Itarfen Armen. Ja, man fieht es 
ihnen an, das find die Herren der Wälder, die gewaltigen Helden, 
welche flüchtigen Laufes den Ur im Dickicht ereilen und ihn kämp— 
* mit dem Speer erlegen. Stolz auf ſolche glücklich beſtandenen 
— tragen ſie das Zeichen ihrer Siege am Leibe. Wer ſind 
die Männer? Es ſind die Ureinwohner unſeres Vaterlandes, die 
Sueven, und zwar die edelſten Stämme derſelben, die Semnonen, 
welche zwiſchen Elbe und Oder wohnten, und ihre Nachbarn, die 
kriegeriſchen Longobarden aus der Altmark. Sie ſind gekommen, 
um das Frühlingsfeſt zu feiern zu Ehren ihrer Göttin Hertha. 
Schon iſt dieſe — das haben die Wiene geſchaut und verkündet — 
herabgeſtiegen auf ihren Wagen im heiligen Hain; ſchon haben die 
Prieſter den Wagen beſpannt mit den geweihten Kühen und ihn 


= Be 


hedecdt mit köſtlichen Teppichen. Erwartungsvoll jteht die Menge. 
Da nahet der Zug der ricfter mit dem A der Göttin, welche, 
unbemerkt von dem Volke, fich freuet über ihre Schöpfung und über 
die Zeichen der Verehrung, die man ihr zoll. So fährt fie auf der 
Inſel umber. 

Da waren denn die Tage fröhlich und die Orte feitlich, welche 
die Göttin mit ihrer Gegenwart beglüdte; man zog in feinen Krieg, 
ergriff feine Waffe zum Kampf; alles Eijen ruhte; man fannte nur 
Friede und Freude. War der Wagen mit der Göttin vorüber, 
dann beluftigte man jich auf mancherlei Weile. Dort tanzten nadte 
Jünglinge zwilchen aufgeltellten Schwertern; bier unterbieht man 
fi) durch das beliebte Würfeljpiel; andere tranten aus dem Horn 
des Ur den beraufchenden Met und laufchten auf den Geſang des 
Barden, welcher in Liedern die Taten der Helden bejang. 

Menn aber die Göttin des Umgangs mit den Sterblichen müde 
war, dann führten die Priefter den zurüd in das Innerite 
des Haines. Dort wurde fie nebit Wagen und Teppichen in dem 
en See gebadet. Die Sklaven, welche man dabei ge: 

rauchte, fehrten niemals zurüd; fie wurden von dem Gee ver: 
ſchlungen. 

jene Inſel „des heiligen Haines“ ſteht noch im Meere; fie iſt 
das liebliche Eiland der Ditjee. Ihr Name it Rügen; noch zeigen 
die Eingeborenen dem Fremden den heiligen Hain, wo einjt freudige 
und freie Menjchen ſich zum Frühlingsfeſte der Mutter Erde ver: 
jammelten und der Briefter mit dem Wagen den fröhlichen Umzug 
hielt. Noch ruht der Hertha:-See mit jeinen tiefen Waſſern zirfel: 
rund zwilchen bemoojten Hügeln, von dunfeln Buchen beichattet und 
in diefer itilen$ Natur umwehen uns noch immer heilige Schauer. 

U W.;Grube. 
VIII. 
Die Wildfr'au (Sage). 


Als die Hunnen aus der Schlacht auf den Katalauniichen Fel— 
dern über den Rhein zurücfehrten, blieb im Meftrich die Wildfrau 
zurüd. Sie wohnte in einer Höhle weit ab von den Menjchen. 

Ihre Nahrung waren Wurzeln, Kräuter und rohes Fleiſch 
von Tieren, jelbjt von kleinen Kindern, die fie nachts den Eltern 
geraubt hatte. 

Ihre Geitalt war von ungewöhnlicher Größe und jchredlich 
anzujehen. Ste war in rohe Tierfelle notdürftig gekleidet und ihr 
langes rabenjchwarzes Haar fiel unordentlich über ihren Naden und 
ihre Schultern. Ihre Augen funfelten unheimlich. 

Sie trug ein langes Meſſer und führte beitändig eine Keule 
mit fih. Wenn fie in der Höhle war, verſchloß fie dieje mit einem 
mächtigen Felsblode, den jelbjt mehrere ftarfe Männer nicht vom 
Plate zu entfernen vermochten. 


a U 


Stets fämpfte fie mit Wölfen und Bären und fing Hirfche und 
Rehe mit Schlingen. 

Aber zur Nachtzeit ftrich fie durch die Dörfer des Glantales, 
ftieg über die Dächer der Bauernhäujer und raubte Lebensmittel 
und Kinder. 

Wenn fie durch die ftilen Dörfer jchritt, jo Hang ihr furcht- 
barer Ruf: „Ho, ho, die Wildfrau ijt do!” 

Sp fam fie auch nad) dem freundlichen Ratsweiler am Glan 
und ftahl durch den Rauchfang eines Bauernhaujes ein Kind. Die 
betrübten Eltern verfolgten am Morgen die Spur der Räuberin 
und famen in Todesangit vor der Höhle der Wildfrau an, wo fie 
ihr Kind jammervoll jchreien hörten. 

Die geängftigten Eltern baten fie, doch das Kind herauszugeben; 
allein fie zerriß es und warf es den Eltern vor die Füße. Die 
nahmen das tote Kind und eilten damit heim, um von der ſchreck— 
lichen Frau nicht verfolgt zu werden. 


Einſt fam der — des Landes, der Nahegraf in dieſe 
Gegend, wo noch viele Eber hauſten, um mit ſeinen Leuten zu jagen. 

Die Wildfrau ging ihnen mit flammenden Augen entgegen 
und deutete mit ihrer Keule auf das tote Wild, das ſie erlegt hatte. 

„Wer biſt du?“ fragte der Graf. „Wer ich bin? ho! ho! — 
Haſt du ſchon von der Wildfrau in dieſer Einöde gehört? Sie 
dürſtet nach dem Blute ihrer Feinde und ihre Feinde ſind Men— 
ſchen und Tiere. Darum fliehet von hier!“ 

Sogleich ſchlug ſie nach den Dienſtmannen des Grafen und 
als fie mehrere tötete, ſtieß ſie der Graf mit ſeinem Jagdſpeer nieder. 
Er ließ die Sterbende in ihre Höhle tragen, wo fie ihr Leben aus: 
hauchen wollte. 

„Wille,“ ſprach fe noch zu ihrem Richter: „Ich kenne drei 
Dinge, die alles Glück des irdilchen Lebens einjchließen: den Hah— 
nenichrei, den MWachtelichlag und die weiße Lilie! Wer den Sinn 
diejer drei Dinge erkennt, der fährt ein goldenes Schar im Pfluge.” 


Hahnenſchrei: Sei wachjam! 
MWachtelihlag: Fürchte Gott! 
Weiße Lilie: Sei ohne Schuld und Sünde! 


IX. 
Außer den hohen Göttern gab es noch untergeordnete göttliche 
Mejen, die Syn gran Ichäßereichen Zwerge und die Elfen oder 
Alben, die Geilter der Luft. Nixe und Nixen waren männliche 


und weibliche Waſſergeiſter. 
Zwei Feſte feierten die alten Germanen, die das deutjche Volt 


—— 


auch in ſeiner chriſtlichen Zeit nicht vergaß: Das Julfe — im Winter, 
wenn die längſte Nacht angebrochen ih und wenn die Sonne wieder 
anhebt, größere Kreije am Himmel zu bejchreiben, das Feſt der 
Sonmerlonnenmene, wenn die Sonne fi) von der Erde wieder 
abfehrt. 

Um die Zeit der fürzeften Tage fuhren nad) germanilchem 
Glauben die Beilter der Verftorbenen mit Wodan oder Frau Holle 
an der Spitze über die Erde. Ihnen wurde mit Speile und Trank 
Dpfer bereitet. 

Um Johanni aber, am Tag der Sommerjonnenwende leuchteten 
wie heute noch in der Nheinebene die Feuer von den Bergen, die 
die böjen Geilter vertreiben, auch vor Krankheiten Schuß bieten 
jollten. Burjchen und Mädchen fprangen drüber und ſelbſt das Vieh 
mußte hindurd). 

An die alten Feſte unjerer heidnilchen Vorfahren erinnert auch 
der Sommertag, der in den meilten pfälzilchen Dörfern, jogar in 
der Stadt Yudwigshafen feftlich begangen wird. Am merfwürdigiten 
ilt die Feier in dem alten Städtchen Lambrecht. 


Vom Staatsweien der alten Germanen. 
I. 


Die alten Germanen bildeten, als fie mit den Römern zu: 
jammenitießen, feinen Staat. Jeder Stamm bildete für fich eine 
Gemeinjchaft. ar traten auch viele wie die Ubier, Vangionen, 
Nemeter und Tribofer in den Dienft der Römer und verloren 
germanilche Sprade, Sitte, Religion. | 

Jeder Stamm zerfiel in Gaue und Hundertichaften. Die 
Vangionen, Nemeter und Tribofer bewohnten je einen Gau, an 
dejlen Spite ein Fürſt ftand. 

Die Hundertſchaft beitand aus 100 oder 120 Haushaltungen, 
von denen jede einen freien Mann zum SHeere ftelltee Nur Freie 
fonnten Rriegsdienfte tun. 

An der Spite des Stammes ſtand oft ein König, der aud in 
Triedenszeiten als der Erfte galt. Andere Stämme wieder wählten 
ich nur zu Kriegszeiten einen Herzog aus der Zahl der Vornehmen 
oder Edelinge, die vor der Volksverſammlung und im SHeere fein 
größeres Anjehen genojjen als die freien Bauern. 

Die Unfreien waren entweder Knechte oder Freigelajjene: 
Halbfreie. Letztere erhielten auch Güter, mußten aber einen bejtimmten 
Betrag abliefern. 

er einen freien Mann erjchlug, mußte Wergeld, d. i. Mann: 
geld bezahlen. Bei unjern Vorfahren, den Franken, betrug es für 


3 


— 34 


den freien Mann 200 Solidi (Schillinge, je 10 ME.), für den Halb: 
freien nur 100 Scillinge. Der Knecht war rechtlos; für ihn konnte 
die Sippe (Verwandtichaft) fein Wergeld fordern; denn er war mit 
feinen Angehörigen Eigentum des Herrn. Hußerlich erfannte man 
ihn an den furzen Kopfhaaren, während der freie Germane jtolz 
auf jein langes Haar war. 

Auch jpäter noch waren Freie Herr über Leben und Tod ihrer 
Knechte. Folgendes Beilpiel beweilt es: 

Der — Rauching hatte zwei hörige Leute, einen 
Süngling und ein Mädchen, die fich liebten. Sie flohen in eine 
Kirche. Der Herzog forderte beide vom WPriejter der Kirche und 
veriprach, ihnen fein Leid zu tun. Der Prieſter verlangte einen 
Eidſchwur und der wilde Herzog Ihwur: „Sie follen niemals durch 
mich getrennt werden!” Der Prieſter verließ fich auf des Herzogs 
Schwur und gab beide heraus. 

Sogleich ließ der einen Baum fällen, die Ajte abjchlagen und 
den Stamm durch einen Keil jpalten und aushöhlen. Darauf ließ 
er ein Grab etwa 3 bis 4 Fuß tief ausgraben und die untere Hälfte 
des Totenbaumes hineinlegen. Hierauf ließ er das Mädchen zuerit 
und dann den Nüngling gleich) Toten in den Baum legen und das 
Grab: zujchaufeln. 

Der rohe Herzog meinte: „Ich habe meinen Eid nicht verlegt, 
daß fie in Ewigkeit nicht getrennt werden Jollen.“ — 


Die Vollsverjammlung beriet über Krieg und Frieden. Gie 
fand bei Neumond oder bei Vollmond jtatt. Die Germanen rechneten 
auch nicht wie wir heute nach Tagen jondern nach Nächten (daher 
— noch Faſtnacht, Weihnachten). Nie aber famen die freien 

änner eines Stammes auf einmal zujammen. Durch die Saum: 
leligfeit mancher Teilnehmer ging viel Zeit verloren. Alle aber er: 
Schienen mit den Waffen. 

Sobald genug Teilnehmer da waren, begann die Verjammlung; 
der Prieſter gebot Schweigen und der König oder der ältelte 
Häuptling redete. Mißfiel ein Antrag, jo murrten alle, gefiel er, 
jo jchlugen fie die Speere zujammen. 

Die Bolksverjammlung gebot auch über Leib und Leben der 
übeltäter. Verräter und Überläufer, die den Römern anhingen, 
wurden an Bäume aufgehängt. Dazu verwendete man Weiden 
oder Hainbuchenälte. Noch heute jagt man in der Pfalz: „er muß 
an die Widd“ (Meide). Feiglinge, Kriegsflüchtige und am Körper 
Geſchändete ſenkte man in orälte und Sümpfe, indem man ein 
Flechtwerk über fie warf. 


Mer fich leichtere Bergehen zu jchulden fommen ließ, mußte 
eine gewille Anzahl von Pferden und Schafen hergeben, da man 


ze a 


Geld nur von den Kelten und Römern her fannte. Gin Teil des 
Strafgeldes erhielt der Verleßte als Buße oder Wergeld, d. i. Dann: 
geld und den andern der König oder die Gemeinde als Friedensgeld, 
weil durch den Beltraften der Frieden gebrochen war. 

Zum Gerichte |tellte jede Sippe einen Mann, jo daß aljo das 
Gericht des Baues 100 Beiliger hatte, denen der Fürſt vorjtand. 

Bei allen Germanen beitand die Sitte, den Jüngling wehrhaft 
zu machen. Gr durfte die Waffen nicht eher tragen, als bis ihn 
die Gemeinde für wehrhaft erklärt hatte. Der Jüngling erjchien 
mit den Verwandten in der Volksverſammlung, der Fürſt jelbit, 
der Vater oder ein Verwandter gaben ihm Schild und Ejchenjpeer 
(Frame). Nun war er ein freier Mann, ein Glied des Staates, 
während er vorher dem Hauje allein angehörte. In alle Zujammen: 
fünfte der Sippe, des Gaues, des Stammes trug er von jetzt ab die 
Waffen. 

II. 


Menn Fürjten oder Könige der Germanen auszogen, hatten 
fie ftets ein ftattlihes Gefolge junger fühner Männer um fich, 
die ihnen mit Treue ergeben waren. In der Schlacht jchüßten fie 
den Herrn und lieber ließen fie das Leben als ihn. Des Kriegers 
erite Pflicht war daher dem Fürlten zu dienen und für ihn zu kämpfen. 

Zum Lohne erhielt das Gefolge Schladhtrojje und Waffen; 
auch reichliche Bewirtung zählte als Cold. 

Es war Sitte, daß jeder Bau, Mann für Mann den Häupt: 
lingen freiwillige Gaben an Vieh oder Getreide darbringe. Vor: 
nehmlich freuten fie fich über Gejchenfe von Nachbarvölfern: wie 
Roſſe, Waffen, Pferdeihmud und Halsketten. 

Mancher Fürft ließ ſich durch Geld von den Römern bejtechen. 


Die Römer am Rheine. 


1. 
Drulus befeltigt die Römerherridaft. 


Julius Cäſar hatte den Rhein zur Grenze zwilchen Gallien 
und Germanien gemadt. Über den Strom jollte fein Germane 
ungeftraft fommen; aber die fampfesluftigen Sueben jcheuten einen 
Krieg mit den Römern nicht. 

Als gar Cäjar tot war und Auguftus, jein Adoptivjohn, herrjchte, 
fielen zahlreiche Stämme ins römijche Gebiet ein, jelbjt die Germanen: 
ſtämme auf der linken Rheinjeite vergaßen nicht, wer fie eigentlich 
waren. Im Jahre 16 v. Chr. drangen GSugambrer, Ufipeter, 
Brufterer über den Rhein und griffen den römijchen Legaten Dlarcus 


3* 


— BE 


Sollius, der in Belgien ftand, an, jehlugen ihn und eroberten einen 
römilchen Adler, das Zeichen der Legion. Der Kailer hörte hievon 
und teilte jelbjit nad) Gallien, fam bis in die Nähe des Rheines 
und jah, daß die Grenze des Reiches durch den Fluß nicht geichüßt 
lei. Er entichloß fich, gegen die Germanen vorzugehen. Zur Rhein- 
grenze jollte die Donaugrenze fommen, um dem Reiche eine fichere 
Schugwehr zu bieten. 

Zunächſt jollten die beiden Stiefjöhne des Auguftus, Drufus 
und Tiberius, im Jahre 15 v. Chr. das Land nördlich der Alpen 
erobern. Drujus, damals erit 24 Jahre alt, war der Liebling der 
Römer, aller — waren daher auf ihn gerichtet, ſeine Soldaten 
folgten ihm willig. Die geſammelten Legionen, etwa 30000 Mann 
folgten ihm durch das — und die rätiſchen Alpen nach der 
ſchwäbiſch-bayeriſchen Hochebene. 

Tiberius drang von Gallien aus über Helvetien (Schweiz) 
und den Bodenſee, in die Gegend, wo der Bruder ſtand. Unter— 
wegs unterwarf er das Bolt der Bindeliter am Rhein und am 
Bodenjee, Jah die Quelle der Donau und drang auf unweglamem 
Boden nad) dem Lande der Nätier, die zwilchen Alpen und Donau 
laßen. Die Völker leifteten feinen — Widerſtand. Alle wehr— 
haften Männer traten in römiſchen Kriegsdienſt, andere wanderten 
in die Sklaverei zu reichen römiſchen Landbeſitzern, nur Weiber, 
Greiſe und Kinder blieben daheim. 

Die Römer aber gründeten in dem ſchönen Lande allenthalben 
Kolonien; zuerſt entſtand die Colonia Augusta Vindelicorum, das 
heutige Augsburg, damals im Lande der Vindeliker. Es wurde 
die Hauptſtadt der großen Provinz Rätien, an die heute noch der 
Name „Ries“ erinnert. Sagte man doch auch noch im 16. Jahr— 
hundert „Augsburg im Rieß.“ 


II. 


Drujus hatte faum mit jeinem Bruder Tiberius die Donau 
zur Grenze des Reiches gemacht, da rief ihn Auguftus nach Gallien, 
während Tiberius gegen die Marfomannen 309. 

Er jollte die Rheingrenze befejtigen und die Germanen auf 
der rechten Rheinjeite unterwerfen. Mas Julius Cäſar begonnen 
hatte, ſollte er vollenden. Er tat daher dreierlei: Er legte am 
Rheine ſelbſt befeſtigte Lager an, von denen aus ſeine Legionen nach 
Germanien drangen. Er ſchuf mit ſeinen Soldaten den Druſus— 
— einen Kanal, der 2 vom Lande der Bataver raſch ins 

and der TFriejen brachte. it beiden Stämmen ſchloß er Frieden 
und ein Bündnis; viele Bataver und Frieſen dienten jeitdem im 
römilhen Heere. Ufipeter und Sugambrer aber zogen die Frei— 
heit noch vor. 

Um die Brufterer an der untern Ems zu bezwingen, fuhr er 




















Römiſche Trintihale aus Blas. 
Sm Belige der Familie Baffermann:Iordan (Deidesheim ) 





— 88 — 


auf feinem Graben in Heinen gezimmerten Ruderſchiffen in die 
Nordſee und von da an die untere Ems. 

Drei Jahre jpäter fam Drufus jogar ins Land der Ufipeter 
und Sugambrer und erreichte die Wejer, wo er die römilchen Sieges— 
zeichen aufpflanzte.e Am Fluſſe Lippe legte er ein Standlager an, 
das Milo hieß und wo die römijchen Krieger fich zur Winterzeit 
aufbielten. 

Eine zweite Feltung erbaute Drufus im Lande der Chatten, 
nicht weit von Mainz, am Fuße des Taunus. Cs war die heute 
noch erhaltene und wiederhergeitellte Feite Saalburg. Bon bier 
aus erreichte er die Elbe. wo er ebenfalls die Siegeszeichen aufs 
pflanzte. Hier erjchien dem fühnen GStreiter ein germanijches Weib 
von übermenjchlicher Größe, eine Seherin, die ihm zurief: „Wohin 
itrebjt du, Unerjättlicher? Es ift dir nicht beitimmt, dies alles zu 
Ichauen. Zeuch von hinnen! denn das Ende deiner Taten und 
deines Lebens jteht dir bevor.“ 


Drujus Tod. 


Drufus kehrte zurüd, um im Mainzer Lager den Winter zu 
verbringen. Da jtürzte eines Tages auf holprichtem Wege jein 
Roß; er fiel und eg den Arm. Langjam fiechte er dahin und 
als die Soldaten in Mainz das galliihe Land erreichten, war der 
jugendliche Feldherr todfrant. 

Kaiſer Auguftus befand fi) in Pavia, als Boten die Nachricht 
vom Sturze feines Stiefjohnes brachten. Er ließ eilends Tiberius 
zu fich fommen und jandte ihn zu jeinem Bruder. 

Noch fand Tiberius den Todfranfen lebend, aber ſchon in den 
legten Zügen liegend. Dennoch hatte Drufus den Legionen in Mainz 
den Befehl gegeben, auszurüden, fi) zu verjammeln und den 
künftigen Feldherrn zu begrüßen. 

Den Leichnam trugen Hauptleute in das Winterlager nad) 
Mainz, von hier ging der Trauerzug den Rhein herauf durch 
Gallien alfo über Lyon und Marjeille nad) Rom. Tiberius begleitete 
die Leiche des Bruders auf dem weiten Wege zu Fuß und der 
Kaiſer ging ihm bis Pavia entgegen und begleitete fie nad Rom. 
| Hier herrichte bei Hoch und Nieder große Trauer; denn 
Drujus war der Liebling aller. Auf dem großen Plate, dem Forum 
wurde der Leichnam auf einer Bühne ausgeitellt. Alle beweinten 
feinen frühen Tod. Tiberius hielt hier eine Gedächtnisrede und des- 
. gleichen der Kailer im Zirkus, wo ſonſt elite ftattfanden. 

Vom Markte trugen Nitter und Vornehme den Leichnam auf 
das Marsfeld und verbrannten ihn dajelbit. In Rom erbaute 
man ihm zu Ehren eine Bildfäule und einen Siegesbogen. Gin 
' Tegelförmiges Grabmal wurde ihm in Mainz errichtet, und noc) 
lange hieß die Stätte Druſilech das ift Grabhügel des Druſus. All— 


== A 


jährlich aber am Todestage des Kailerjohnes hielten die Truppen 
von Mainz hier eine Parade ab. 


Ill. 
In Köln Stand ein Lager für zwei Legionen (20000 Dann) 





Römiſche Fakkfanine aus Glas. (Ruppertsberg). 
Im Belite der Familie Baffermann-Tordan Deidesheim). 


ebenjo bei Mainz, das jchon ein keltiſcher Ort war. Über den Rhein 
fam Drujus auf Grücen, die auf Schiffen lagen, im Winter wurde auch 
der zugefrorene Strom benußt. Gegenüber Mainz hatte er bereits 
eine Feſtung mit Erdwällen errichtet, aus der das heutige Kaſtel 


— — 


hervorging. Die feſte Rheinbrücke auf Eichenpfählen wurde erſt von 
= 14. und 22. Legion zur Zeit des Kaijers Domitian, 89 n. Chr. 
gebaut. 

In Mainz regierte ein römijcher Statthalter, der die Bangionen, 
Nemeter, Tribofer beherrichte.e Außerhalb der Feſte fiedelten ſich 
Marketender, Kaufleute, Handwerker, Soldatenfrauen an. Entlaſſene 
Soldaten ließen fich hier ebenfalls nieder; fie waren ftolz auf ihr 
römijches Bürgerrecht und ernährten fich auf dem Lande, das ihnen 
der Kaijer zugeteilt hatte. Nach und nad) drangen dieje Veteranen 
immer tiefer ins Rand ein, wo jie ſich niederließen. 

Die Arbeit des Drufus jegte jein Bruder Tiberius fort. Das 
Land zwilchen Rhein und Elbe wurde wirklich römilch, weil fich die 
Chaufen und Cherusfer unterwarfen und in römilche Kriegsdienite 
traten, wie ihre Volksgenoſſen auf dem linfen Ufer. 

Die Vangionen hielten jeit Cäſar treue Rheinwadht. Im 
Sabre 50 n. Chr. führte fie der Legat P. Pomponius Secundus 
mit den Nemetern nebſt bundesgenöſſiſchen Reitern bei Mainz über 
den Rhein ins Land der Chatten, deren Dörfer fie verbrannten und 
deren Bolfsheer fie jchlugen. 

Eine römiſche Kohorte*) (600 Mann) VBangionen ſtand am 
ſchottiſchen Grenzwall und die Reiter der römijchen Leibwache des 
Railers beftand aus Batavern, Bangionen, Nemetern und 
Tribofern, aljo aus Bewohnern unjeres Landes. 


Schon zur Keltenzeit war Worms ein wichtiger Ort. Jetzt 
aber wurde es der Vorort des Vangionilchen Stammes. Auch hier 
lagen römiſche Truppen, in einer Feſte, die etwa 1400 m lang 
und 700 m breit war. Reiche Landbeſitzer, Kaufleute, Künftler und 
Handwerker verkehrten und wohnten hier. 

Bon hier ging ein Furt über den Rhein, daher liefen wichtige 
Heeritraßen zulammen. Bon Bajel über Straßburg, Speyer, Worms, 
Mainz, Goblenz, Bonn, nad) Köln zog die große Heerjtraße, deren 
Mteilenjteine zum Teil noch vorhanden find. Über Pfeddersheim 
ging eine Verbindung nach Alzei und Bingen, ins Pfrimmtal zum 

onnersberge, eine nad) Grünftadt ins Eis- und Leiningertal, und 
eine weltliche nad; Dürkheim und Neuftadt. 


*) Kohorte (Tateinijch rer Die Legion beitand aus zehn 
Kohorten, vier Kohorten bildeten das erjte, drei das zweite und weitere drei 
das dritte Treffen in der Schladhtordnung. Das zweite * war ſtets 
auf die Zwiſchenräume des erſten gerichtet. Jede Kohorte zerfiel in 6 Hun— 
dertſchaften, beſtand alſo ungefähr aus 600 Mann, ſo daß die Legion 6000 
Mann umfaßte. Hiezu kamen die Hilfstruppen fremder Völker, die einer 
jeden gg er am. Rheine zugeteilt waren. Da fie an Zahl faft jo ftarf waren 
wie die Legion, Jo wuchs dieje mit ihnen auf 10000 Mann an. 


— — 


Varus und Arminius (Hermann). 
. 
Barus als Statthalter. 


Im Jahre 9 v. Chr. war das Land zwilchen Rhein und Elbe 
bereits römijch und 18 Jahre lang beherrjchten die römijchen Beamten 





miſches Weinglas in drei Farben. 
Im Befihe * Familie Baſſermann-Jordan (Deidesheim). 


und Soldaten von Aliſo an der Lippe aus die Cherusfer und 
Chaufen, die dem Kailer huldigten. Bom Rheine und von der 
Donau her jollten zwei Heere die Marfomannen in Böhmen unter: 
werfen. Da brach ein Aufitand in Pannonien (Ungarn) aus, der 
die Römer an der mittleren Donau vier Jahre lang beichäftigte. 
Mit der Siegesbotihaft aus Pannonien, die man gerade feierte, 


traf die Nachricht ein, daß der Statthalter, Duintilius Varus 
und jeine Zegionen in der Wejergegend gefallen jeien. (9 n. Chr.) 

Das fam jo: Varus war jeit zwei Jahren Statthalter in Ger: 
manien. Vorher war er in Syrien und man Jagte ihm nah: Arm 
ya er das reiche Land betreten, reich jchied er aus dem armen 

ande. 

Als VBarus am Rheine anfam, herrjchte Frieden. Er glaubte 
daher, die Germanen nach römiſchen Gejegen richten zu können. 
Die NRechtsbräuche der alten Germanen fannte er nicht; er kannte 
auch nicht den FFreiheitsjinn des Volkes und glaubte am Rheine jo 
Ichalten und walten zu können, wie im heißen Morgenlande, wo die 
Völker jchlaffer find. 

Die Sprache vor Gericht war lateiniſch. Römiſche Sachwalter 
(Anwälte) führten die Verhandlungen; die freien Verſammlungen 
der Gaue und Stämme aber und ihre Bolksgerichte verbot er. Bei 
den Deutjchen gab es nur Geldftrafen. Varus aber führte die 
Peitſchen- und Rutenhiebe ein. Wenn er jelber zu Gericht jaß, um— 
Itanden ihn die Liftoren mit Ruten und Beilen, um das Urteil gleich 
zu vollſtrecken. 

Das erbitterte das Volk, das die Römer ihre Bundesgenojjen 
und Freunde nannten. 

Unter den germanijchen Jünglingen waren viele, die die Kriegs: 
funjt der Römer erlernt hatten und die zu den römilchen Göttern 
beteteri. Der Cherusterfürjt Segeft hatte jich den Römern vollftändig 
angelchlojjen; ja, jein Sohn Segimundus wurde Priefter am Altar 
des Auguftus zu Köln, wo dem Kaiſer göttliche Verehrung zuteil 
wurde. 

Il. 


Arminius und Segeſtes. 


Auch zwei andere Brüder, mit ihren römijchen Namen: 
Arminius und Flavus dienten im römijchen Heere. Arminius 
zeichnete fich bald jo aus, daß er vom Kaijer das Bürgerrecht und 
die Nitterwürde erhielt. 

Als er aber von dem Treiben des Varus hörte, begab er fich in 
jeine Heimat. Dort jah er täglich, wie die Römer die Sitten und 
Bräuche jeines Volkes mißachteten. Auch die andern Fürſten woll- 
ten nicht länger das och tragen; aber ein Verräter fand fich, der 
Cherusferfürit Segejt, der immer in der Umgebung des Barus 
weilte. Er haßte auch den Jüngling Arminius, der jeine Tochter 
Thusnelda geraubt und zum Weibe genommen hatte. Thusnelda 
aber dachte wie Arminius. 

Segeſt ſagte Barus alles an; doc) diejer glaubte die Warnung 
nicht, da fich alles ruhig verhielt. 

Einen offenen Aufitand wagten die Cheruster aud nicht, da 
die Römer geübter im Kampfe waren. Gie lodten Varus vom 


a —— 


Rheine weg in das Land der Cherusker an die Wejer. Auch hier 
lebten De in Frieden und Freundichaft mit ihm und Varus glaubte, 
die unbewaffneten Germanen würden gegen ihn nichts unternehmen. 
Zum zweiten Male warnte Segeſt den Barus; aber umjonjt. Daher 
— es, daß Varus ſeine Truppen nicht zuſammenhielt, ſondern 


Römiſches Tonfaß im Hiſtoriſchen Muſeum der Pfalz (Speyer). 








nach een feiten Pläßen jandte, um dieje zu bejchügen und 
um die Wagen mit Zebensmitteln zu deden. 


II. 
Der Überfall. 


Die beiden Anführer der Cheruster: Armin und Gegimer 
laßen oft mit Varus zulammen und —— an ſeiner Tafel. Der 
Auguſt kam heran. Am 1. dieſes Monats hatte man den Ge— 


—— 


burtstag des Kaiſers mit großem le, —— Am andern 
Tage brach Varus mit drei Legionen (30 ann) von Alilo auf; 
denn von der Elbe fam die Nachricht, dort jei eine Empörung gegen 
die — des Kaiſers ausgebrochen. So hatten die Cherusker 
gemeldet. 

Wirklich hatten ſich dort einige Stämme empört, aber nur 
zum Scheine. 

Die Cherusker begleiteten Varus eine gute Strecke; dann ver: 
Ichwanden fie im Dunkel des Waldes. Die Römer glaubten, fie 
bringen noch Bundesgenofjen zu ihnen. Freilich) brachten fie jolche, 
aber für ih. Voraus ritt des Varus Leibwache; er hoch zu Ro. 
Ihm folgten Fußtruppen und Reiter, Römer, Gallier und Ger: 
manen. Zwilchen den Truppen waren lange Züge von Kaufleuten, 
Frauen und Kindern. Fa ging es über unwegjame Straßen. 

Die Cherusfer hatten jich bald zujammengezogen und lauerten 
in dem jchluchtenreichen und zerflüfteten Waldgebirge, dem Teuto- 
burger Walde. 

Noch ehe die Feinde fichtbar wurden und die Römer das 
Kommende ahnten, fällten fie Baumftämme und jchlugen breite Wege: 
bahnen durch den Wald, legten — Brücken über die ange— 
ſchwollenen Waldbäche, damit ihre Wagen und Laſttiere fortkamen. 
Die einzelnen Truppen zerſtreuten ſich, um beſſer durchzukommen. 

Da fielen plötzlich die Pfeile der Germanen auf die ahnungs— 
loſen Römer. Bald ſauſten Speere auf ſie, endlich waren ſie von 
allen Seiten umzingelt; denn die Germanen waren in der Überzahl, 
weil alle freien Männer des Stammes aufgeboten waren. So ver: 
ging der erite 2 

Mit vieler Mühe gelangten die Römer an einen Pla im 
Walde, wo fie nad) befannter Weile ein Lager aufichlugen. Da 
verbrannten fie die Mehrzahl ihrer Wagen, die ihnen hinderlich 
waren; andere ließen fie zurüd und zogen am folgenden Tage in 
Drdnung weiter. 

Sie erreichten nun einen lichteren Ort, wo fie ſich Jammeln 
tonnten. Doch gejchah auch das mit Verluſt. Als fie wieder auf: 
brahen und durch den Wald weiterzogen, gerieten fie in 
dichte Waldungen und wenn fie ſich an engeren Stellen zujammen: 
taten, wurden fie im Kampfe durch ihre eigene Menge und durd) 
die dichtitehenden Bäume gehindert. 

Als fie be am dritten Tage wieder auf den Weg machten, 
ftrömte heftiger Regen herab und furcdhtbare Stürme ſauſten. Die 
Römer fonnten von ihren Waffen feinen Gebrauch machen, denn 
Pfeile, Wurfipieße und Schilde waren durchnäßt. 

Die Germanen dagegen trugen leichte Waffen, die jonjt ihr 
Nachteil waren. Keinen Sarnitch hatten fie, feinen Helm; nicht 
einmal die Schilde waren mit Eijen oder Leder überzogen, jondern 
bloße Weidengeflechte, dünn und mit Farbe übertündt. Nur wenige 


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4. Römiſche Vaſe. 





3. Römiſche Fibel. 


2. Römiſcher 
Deichſelkopf. 





5. Röm. Väschen. 6. Römiſcher Teller. 7. Römiſcher Krug. 


— 46 — 


hatten Speere mit Eiſenſpitzen, die übrigen beſaßen nur ſolche, die 
im Feuer gehärtet waren. 

Daher konnten ſie ſich zurückziehen, wie ſie wollten, auch waren 
ſie ag ahlreich, weil viele Bundesgenojjen gefommen waren, die 
reiche Beute zu machen bofften. So dachte Arminius nicht; er 
wollte das Vaterland befreien. 

Alles machten die Germanen nieder. Varus und alle jeine 
Führer waren ſchon verwundet und fürchteten in die Hand der Feinde 
zu gelangen oder getötet zu werden. Lieber töteten fie fich jelbit 
und Barus gab dazu das Beilpiel, indem er fi) in jein eigenes 
Schwert ftürzte. 

Die Soldaten taten dasjelbe, oder warfen die Waffen weg 
um ſich zu ergeben; jie wurden niedergemadht. 

Nur wenige Römer entrannen dem Jicheren Tode, da Die 
Feinde über die reiche Beute an Waffen und Xebensmitteln herfielen. 


Auch römiihe Sachwalter vor Gericht waren im SHeere; fie 
wurden erfannt und gefangen genommen. Cinigen jtachen die Cheruster 
die Augen aus, anderen ſchnitten fie die Hände ab, einem dritten näh: 
ten fie den Mund zu, nachdem fie ihm die Zun "ge herausgerij . 
hatten. Die herausgerijjene Zunge nahm ein Gheruster in 
Hand und ſprach: „Nun höre auf zu älden, Schlange!” Raſch * 
die Botſchaft an den Rhein und nach R 

Als Auguſtus die Kunde von ber "iederlage vernahm, er: 
ſchrak er, ließ fich mehrere Monate lang Haar und Bart wadjjen. 
Bisweilen itieß er den Kopf gegen die Tür, indem er rief: Barus, 
gib mir die Legionen wieder! 


Aber jieben Jahre lang bleichten die Gebeine der Römer un 
begraben auf der blutigen Wallitatt. 


IV. 
Die Verfolgung. 


Die feiten Pläße gerieten in die Gewalt der Cherusfer, nur 
Aliſo hielt ji, da die Germanen eine regelmäßige Belagerung 
nicht verjtanden und von den römijchen Bogenjchügen hinter den 
Mällen getötet wurden. 


Daher drangen fie auch nicht über den Rhein; ja als fie hör: 
ten, Tiberius fomme mit einem mächtigen Heere und habe den 
Rhein Jchon bejegt, zog ein Teil der Cherusker ab. Die dort ge: 
bliebenen flohen in die Wälder zurüf um nicht überfallen zu 
werden; denn die Belagerten waren viele, hatten Nahrung genug 
und hofften auf Unterftügung vom Rheine her; aber niemand kam. 
Endlich gingen die Lebensmittel aus und in einer ftürmijchen Herbit: 
2: zogen fie ab, wenige Fußjoldaten, aber viele Meiber und 

inder. 





1. Römijche Werkzeuge. 3. Römijcher Meilenitein. 


= BR 


An dem eriten und zweiten Wachtpojten der Germanen famen 
fie vorbei. Da es aber duntel und kalt war, jchrien die Kinder und 
rauen und raſch waren die Cherusfer zur Hand. 

Sie hätten nun alle niedergemacdht, wenn fie nicht beutegierig 

ewejen wären. Die Stärferen der Römer gewannen einen Vor— 
** die Trompeter ſtimmten einen Marſch an und die Verfolger 
meinten der Führer Aſprenas ſei vom Rheine mit Hilfstruppen 
gekommen. 

Die Germanen brachen wirklich die Verfolgung ab. Später 
wurden noch einige der Gefangenen gegen Löſegeld an die Ver— 
wandten zurückgegeben. 

Auguſtus beruhigte ſich erſt, als er hörte, daß die Römer noch 
am Rheine ſtanden und die Germanen ſich nicht heranwagten. 

Selbſt noch im Jahre 11 n. Chr. alſo 2 Jahre nad) der 
Teutoburger Schlacht, wagten fich Tiberius und Drujus Germanicus 
nicht weit in das Land zwilchen Rhein und Weſer und fehrten im 
Herbite raſch wieder an den Rhein zurüd. 


Bermanicus. 
l. 
Der Aufftand in Köln. (14 n. Chr.) 


Drufus war frühe gefallen; aber das römijche Wolf Tiebte 
ihn und übertrug dieſe Liebe auf jeinen Sohn Germanicus. 

Um das Jahr 14 n. Chr. ftand fein Heer im Lande der Ubier, 
bei Köln. Er fam gerade mit Frau und Kind aus Gallien. 

Da hörte er von den Empörungen jeiner Soldaten; denn die 
21. und die 5. Legion auch die 1. und die 20. hatten fich, als fie 
Auguftus Tod vernahmen, empört. Sie wollten Germanicus zum 
Kaiſer haben. Die Veteranen aber verlangten früher Land als bis- 
ber, die Soldaten höheren Sold. In den Legionen aber war viel 
Befindel aus Rom und den anderen Städten, das man dort gerne 
los war, das aber die Mühſale des Krieges nicht ertragen wollte. 

Bejonders haßten die Soldaten ihre Führer, die Genturionen, 
Hauptleute. Die Oberführer (Legaten) getrauten nichts zu machen. 
Die Hauptleute wurden niedergeworfen, gejchlagen, zerrijfen und 
zerfleiicht und dann ihre entjeelten Körper in den Rhein geworfen. 

Die Richter des Kriegsgerichtes wurden abgejegt; die Wachen 
und Polten von den Empörern bejegt. 

Da erichien Germanicus. Die Empörer erjchrafen. Als ihre 
— vor ihn kamen, ſchämten ſie ſich und ſchlugen die Blicke 
nieder. 


—— 


Er hieß ſie mit Feldzeichen antreten und hielt eine Rede; aber 
auch ihm drohte Gefahr. 

Raſch wurden daher die Veteranen entlaſſen und die Geld— 
verteilung jollte nur —— werden; aber die 5. und die 21. 
Legion zogen nicht eher ab, als bis ſie ihr Geld hatten. Germanicus 
und ſeine Freunde mußten ihre eigenen Säcke leeren um die Empörer 
zu befriedigen. 

Er zog hierauf En oberrheinijchen SHeere bei Mainz und 
nahm der 2., 13. und 16. Legion den Eid der Treue ab; auch der 
14., —— ſie es nicht forderte, gab er Geld und den Veteranen 
die Entlaſſung. 

Bald darauf kehrte Germanicus nach Köln zurück, wo die Em— 
pörung noch andauerte, da die Soldaten meinten, die Geſandten 
aus Rom würden ihnen wieder das nehmen,jwas fie durch Em: 
pörung gewonnen hatten. In dunkler Nacht fingen fie an diefyahnen, 
die bei Germanicus jtanden, zu fordern. Sie drangen Jogar in das 
Haus des Germanicus ein, indem fie die Angeln aushoben. 

Ihn jelber jchleppten fie aus der Schlaffammer und zwangen 
ihn die Fahnen herzugeben. Ta, die Bejandten aus Rom bedrohte 
man. Grit am Tage gelang es ihm das Heer zu beruhigen. Die 
Rädelsführer wurden mit dem Tode beitraft und von den rohen 
Soldaten jelbit — Die Centurionen, über die Gericht gehalten 
wurde, entließ Germanicus, wenn ſie dem Heere nicht gefielen, — 
die Soldaten dürſtete nach Kampf. Germanicus ließ daher eine 
hölzerne Brücde jchlagen und mit 12000 Mann aus den Regionen, 
26 Kohorten Bundesgenojjen, 8 Schwadronen Reitern rüdte er über 
den Rhein. Er nahm aber nur jolche Soldaten, die fi an dem 
Aufitand nicht beteiligt hatten. 


II. 
1. Zug”gegen die Germanen. 


Senjeits Köln durchzog er einen dunklen Wald und gelangte jen= 
ſeits ar an die Gtelle, wo Tiberius bereits Dämme angelegt 
hatte. Gr fam bei Osnabrüd ins Land der Marjer und verbrannte 
ihre Weiler, denn die Germanen ſaßen bei einem frohen Götterfejte 
und hatten feine Wachen ausgeitellt. 

Germanicus verteilte die Legionen in vier Haufen und ver: 
wültete eine Strede von fünfzig römilchen Meilen mit euer und 
Schwert. Kein Gejchlecht, fein Alter fand Erbarmen, Häujer und 
Heiligtümer wurden zerjtört. Der Tempel der Tanfana wurde dem 
Erdboden gleich gemadıt. 

Das empörte die Stämme der Brufterer, Tubanten und Ufipeten, 
durch deren Gebiet die Römer zurüd mußten. Sie bejegten daher die 
Waldhöhen, um dem Feinde — ulauern. Davon wußte Germanicus 
durch Kundſchafter. Daher ſtellte er die Reiter und Hilfstruppen 


2 ir 


voran, die LXegionen bildeten das Mitteltreffen und den Nachtrab 
die übrigen Hilfstruppen. 

Glücklich erreichten fie wieder den Rhein. 

Im nädjiten Jahre zog Germanicus von Mainz aus gegen 
die Chatten, die jenjeits des Nheines wohnten, fam bis zur Eder, 
ftecfte ihre Drte in Brand und 309 dann zum Rheine zurüd. 

Eines Tages erjchienen in Mainz Boten des Cherusterfürjten 
Segeites und baten um Hilfe gegen Arminius, der mehr galt als er. 
Unter den Boten war auch Segeltes Sohn Segimund, der einſt Prieſter 
am Altare des Auguftus in Köln war. 

Als aber Arminius die Germanen zum Kampfe gerufen hatte, 
hatte er jeine Binde zerrilfen, die er als Priefter trug und ſich zu 
den Cheruskern geflüchtet. Nun bat er um Gnade und erhielt fie. 

Ein kleines Heer befreite den von den Cheruskern bedrängten 
Segeſtes und führte ihn mit jeinen Verwandten an den Rhein. 
Unter den Frauen war auch Hermanns Gattin, die jtolze Thusnelda; 
die vom Vater jelbit den Römern ausgeliefert wurde. Keine Träne 
er lich ihr, fein bittendes Wort. Stumm fügte fie ſich in ihr 

ickſal. 


III. 


Als Arminius hörte, daß ſeine Gattin gefangen ſei um als 
Sklavin den Römern zu dienen, eilte er durch das Cherusferland, 
von Weiler zu Weiler, von Hof zu Hof und verjammelte die freien 
Männer, hielt Reden gegen Rom und den Verräter Segeltes. 

Die Cheruster jammelten fih. Zu ihnen ging aud) Armins 
Oheim, Inguiomerus. 

Germanicus zog gegen die Cheruster; 40 Kohorten rückten 
durch das Bruftererland nach) der Ems. Germanicus jelbit jeßte 
4 Regionen aufs Schiff und fuhr durch die Süderjeen, erreichte die 
Mündung der Ems, wo das ganze Heer zujammentraf. In ges 
ordnetem Zuge ging es zum Teutoburger Walde. 

Dort juchten fie die Stelle auf, wo vor 6 Jahren Varus mit 
jeinen Legionen gefallen war. Die Vortruppen hatten endlich die 
Stelle gefunden. 

Das erjte Lager des Varus mit jeinen Gräben und Abteilungen 
für drei Legionen fanden fie noch; auch einen Wall und einen flachen 
Graben, wo ji) die Römer verteidigt hatten. 

Inmitten der Ebene im Walde aber lagen die bleichen Gebeine 
einzeln und haufenweije. Daneben fanden fie Bruchftüde von Waffen 
und Gliedmaßen von Pferden. An den Baumitämmen aber hingen 
noch die Köpfe der Gefallenen. 

Sie jahen auch die Altäre, wo die Nichter und Führer des 
Heeres gejchlachtet worden waren. Einige Entronnene aus der 
Varusſchlacht berichteten genau, wie alles gefommen, zeigten die 
Stelle, wo die Adler in die Hände der Germanen famen und wo 


Barus fi) in jein Schwert jtürzte, betraten auch die Gtelle, wo 
Arminius die Schlacht leitete und Gefangene lebendig begraben ließ. 

Die Gebeine wurden beitattet. Zu dem großen Grabhügel, 
der errichtet wurde, nahm Germanicus ſelbſt als Erſter die Schaufel. 


Aus dem römijhen Urnenfeld bei Entenbad. 





Unterdejjen hatten die Cheruster den Kampf erwartet. Der: 
jelbe wurde aber nicht entichieden, und fechtend und fich verteidigend 


zogen die Römer an den Rhein. * 


— 52 — 


IV. a. 
2. Zug gegen die Cherusker. 


Im Frühjahre des Jahres 16 n. Chr. rüſtete ſich Germanicus 
zu einem großen Feldzuge gegen die Cheruster. Der Krieg Jollte 
recht früh beginnen und viel Xebensmittel wurden daher herbeigejchafft, 
Schlachtvieh, das am Rheine geweidet wurde, Getreide, das er aus 
Gallien und den linfsrheiniichen Landen an der Mojel, Nahe und 
aus der heutigen Pfalz herbeilchaffen ließ. Tauſend Schiffe ließ er 
in Köln zimmern, ein Teil furz mit jchmalem Hinter: und Vorderteil, 
aber weitem Bauche, damit ſie feit waren gegen die Wogen der 
Nordjee. Andere hatten flachen Kiel und konnten in den Jeichten 
Gewäſſern Norddeutichlands nicht aufligen. Cine dritte Art hatte 
Steuerruder vorne und hinten, jo daß fie rajch nach allen Seiten 
gelentt werden konnten. Biele Schiffe hatten Verdecke, auf denen 
die Wurfmalchinen oder Pferde und Lebensmittel untergebracht 
wurden. Dieje Schiffe hatten Segel und Ruder. 

Auf der Inſel der Bataver jammelte ſich das Heer und die 
Flotte. Hier teilte fich der Rhein in zwei Arme, der eine hieß auch 
— und bildete die Grenze gegen die Germanen, der andere 

aal. 

Die Cherusker belagerten das Kaſtell Aliſo an der Lippe, 
hatten auch den römiſchen Grabhügel im Teutoburger Walde zerſtört 
und einen Altar, den Germanicus ſeinem Vater Druſus geweiht hatte. 

Germanicus zog mit 6 Legionen gegen die Cherusfer, vertrieb 
. die Belagerer und hielt an dem Altar des Drujus, den er erneuern 
ließ, eine Leichenparade nach altrömijcher Sitte. Zwiſchen Aliſo 
und dem Rhein hoben die Soldaten rajch tiefe Gruben aus und 
errichteten auf den Borjprüngen der Berge Schanzen. 

Schon fam die Flotte an. Die Lebensmittel für die Truppen 
wurden vorausgejchiett, die Schiffe wurden den einzelnen Legionen 
zugeteilt und nun ging es durch den Drufusgraben in das Meer 
und erreichte die Mündung der Ems. 

Nun rüdten die Römer gegen die Weler zu, wo jenjeits die 
Cheruster fampfbereit jtanden. 

Da trat mit den andern Führern Arminius ans Ufer und 
fragte die Römer auf der andern Seite, ob Germanicus gefommen ſei. 
Die Soldaten bejahten es. Da bat er, man möge ihm ein Geſpräch 
mit jeinem Bruder Flavus geftatten, der bei den Römer diente. 

Germanicus erlaubte es. Flavus, der Blonde, trat vor und 
Arminius begrüßte ihn freundlich. Da fich die Begleiter des Arminius 
entfernten, verlangte diejer auch die römijchen Bogenjchügen jollten 
Flavus allein lajjen. Das gejchah. 

Nun fragte Arminius: „Woher ijt dein Geficht, mein Bruder 
lo entſtellt?“ Flavus erzählte es. 

„Welchen Lohn befamft du dafür?” Flavus fagte: „Sold⸗ 


Me 


erhöhung, eine Kette und einen Lorbeerfranz und viele andere 
Dienftauszeichnungen.“ 
Arminius rief: „Wie billig iſt doch die Knechtſchaft zu erfaufen.“ 


Aus dem römiſchen Urnenfeld bei Entenbad. 





So redeten fie hin und her. Flavus von der Römer Macht und 
von Armins Gattin, die nicht als Feindin behandelt würde. 
Arminius aber redete von des WBaterlandes Recht, von der 
angejtammten Freiheit, von den alten Göttern. Die Mutter jelbit 
bitte Flavus, doch nicht jein Haus, jeine Verwandten, jeinen Stamm 


HB 


zu verlajjen und verraten. Er jolle zu den Cherusfern fommen 
und ihr Herr und Führer jein. 
Flavus aber geriet in Zorn und verlangte nad) jeinen Waffen. 
Arminius kündigte eine Schlacht an, jo jchieden die feindlichen 
rüber. 


b. (1. Schladt.) 


Am nächſten Tage fam es zur Schlacht; denn jchon ftanden 
die Germanen in feilförmiger Ordnung bereit im Schuße des Waldes. 
Die römilchen Reiter jegten zuerjt über, unter ihnen die Bataver zu 

uß mit ihrem Fürjten Chariovilda. Die Cherusker lodten fie zum 

heine fliehend in eine Ebene, die rings von waldigen Höhen ums 
ichloffen war. Dann drangen fie jtürmend auf die Bataver ein. 
Sie werden eingeichlojfen, ihr Führer fiel und nur mit Mühe kamen 
fie aus der furdhtbaren Klemme. 

Ein Überläufer brachte die Nachricht zu Germanicus, in einem 
heiligen Walde des Wodan jtünden hinter den Cheruskern noch andere 
germanilche Völker und alle wollten bei Nacht das Lager ftürmen. 
Gegen Morgen famen wirklich Germanen, da aber die Soldaten 
wahlam auf den Wällen des Lagers waren, jo mußten fie fich 
zurüdziehen. 


c. 


Der Tag brad) an. Germanicus ſowohl wie Arminius hielten 
Reden an ihre Krieger. Dann begann der Kampf auf der Ebene 
Idiſtaviſo-Wieſe, der Wieje der Schlachtjungfrauen. (Idisia viso). 

Im Rüden der Germanen erhob ſich ein Wald hoch mit jeinen 
Alten, zwilchen den mächtigen Baumitämmen war Gejtrüpp. 

Auf dem Felde Itanden die Bundesgenojjen der Cherusfer, fie 
jelbjt aber auf den waldigen Höhen. 

Die Römer kamen von der Weſer her; voran die gallilchen 
und germanilchen Hilfstruppen, hinter dieſen die Bogenſchützen zu 
Fuß; jodann 4 Legionen und Germanicus jelbit von zwei Kohorten 
und einer Reiterichar umgeben. 

Hierauf famen wieder 4 LXegionen und die leichten Truppen 
mit den Bogenjchügen zu Pferde; zulegt famen galliihe und ger: 
manijche Hilfsvölfer. 

In wildem Sturme jtießen die Cherusfer gegen die Römer, 
aber die römijche Reiterei teilte fich in zwei Haufen und umſchloß 
fie von den Seiten und von hinten. Zugleich rüdte das Fußvolf 
der Legionen vor. So floh ein Teil der Germanen nach der Ebene, 
der andere nach) dem Walde. 

Da erichien aus dem Walde, hod zu Roß Arminius mit den 
Cherustern. Durch Zuruf, durch Zeigen jeiner Wunden feuerte er 
jeine Leute an. 


ee — 


Beinahe hätte er das römijche Heer durchbrochen, aber da 
famen die Kohorten aus den Rändern am Bodenjee und der Donau, 
die in Augsburg lagen, und die Gallier und jperrten ihm den Weg. 





Römiſches Geſchirr. 


Auf ſeinem feurigen Roſſe, das Geſicht mit Blut gefärbt, ent— 
kam der Fürſt wieder glücklich zu den Seinen. 


Su ae 


Viele aber, die über die Wejer wollten, wurden vom Strome 
mit fortgeriljen oder von den Geſchoſſen der Römer getötet. Andere 
Germanen hatten fich auf hohe Bäume gerettet, wurden aber von 
den Bogenjchügen unter rohen Scherzen herabgeſchoſſen. Wieder 
andere brachte man durch Abhauen der Bäume zu Fall. 

Die Beute der Römer war groß; man fand darunter Ketten, 
die die Cherusker jchon für die Römer mitgebracht hatten. 

Die Soldaten des Germanicus riefen nun Tiberius zum Kaiſer 
aus, warfen einen Erdhügel auf und pflanzten hier die erbeuteten 
Lanzen, Schilde und Schwerter der Germanen auf. 


d. (2. Schladt.) 


Den Siegeshügel jahen die Germanen; er erfüllte fie mit Schmerz 
und Zorn. Schon wollten fie über die Elbe gehen um wenigitens 
ihre Freiheit zu retten, da griffen fie noch einmal zu den Waffen 
um die Schmad im eigenen Lande zu rächen. 

Plötzlich ftürmten alle, Volt und Vornehme, Alte und Junge 
auf die Römer, die abziehen wollten. Die gerieten in Unordnung. 

Die Germanen aber zogen ſich wieder auf einen jumpfigen 
Platz oe Fluß und Wäldern zurüd. 

ie Römer, die die Germanen aus der Nähe nicht angreifen 
fonnten, nahmen ihre Schleuderer, die nach den Cheruskern jchleuderten. 
Die Wurfmajchinen, die Germanicus zu Schiff mitgebracht hatte, 
jandten Speer um Speer auf fie. 

Zulegt 'wurde Fuß an Fuß gefochten. Für die Germanen war 
der Raum zu enge und fie konnten ihre langen Ejchenjpeere nicht gut 
vorjtreden oder zurüdziehen. Die Römer dagegen bededten fich mit 
ihren Schilden und hieben auf die unbededten Körper ein. 

Am Abende zogen ſich die Römer in ein Lager zurüd. Der 
Sieg war unentjchieden. 

Da der Sommer zuende ging, jo wurden einige Legionen auf 
dem Landwege nad Köln und Mainz geführt. Mit dem größeren 
Teile aber fuhr Germanicus die Ems hinab ins Meer. 

Zuerſt raufchte die ruhige Fläche unter dem NRuderjchlag der 
taujend Schiffe. Bald aber kamen furchtbare Stürme von Süden 
= Sie rijjen die Schiffe mit fich fort und zerftreuten fie ins weite 

eer, an Injeln oder ans Ufer, wo fie an jeichten Stellen liegen blieben. 
ferde, Lafttiere, Gepäd, jelbit Waffen wurden über Bord 
geworfen. Dennoch ging ein Teil der Saite unter. Die meijten 
famen an öde Injeln, wo fie verhungerten, andere frifteten ihr Xeben 
von dem FFleilche toter Pferde, die das Meer gerade dort auswarf. 
Nur das Schiff des Germanicus lief an die Küfte der Chatten an. 
Tag und Nacht irrte er im fremden Lande mit wenig Getreuen 
umher. Wären feine Freunde nicht gewejen, jo hätte er fich in der 
Verzweiflung den Tod in den Wellen gegeben. 


— — 


Als die Sturmflut nachließ, das Waſſer wieder ruhiger wurde, 
kehrten einzelne Schiffe zurück. Statt der Segel dienten ee 
ſtücke, gut erhaltene Schiffe jchleppten hinter ſich bejchädigte. 
ajch ließ fie Germanicus ausbejjern und jchickte fie aus, die 

Injel zu durchſuchen. So famen die meilten wieder zujammen. 
Einige aber waren nach Britanien verjchlagen und wurden von den 
Stammestönigen den Römern zurüdgegeben. 

Viele von ihnen erzählten Wunderdinge von gewaltigen Wirbel- 
ab a von unbefannten Vögeln und Seeungetümen, halb Menjch, 
a ier. 


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Römiſches Haus mit Badeeinrihtung (Erfweiler). 


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Wiederum zog Germanicus aus gegen die Germanen, um ihnen 

zu zeigen, daß der Römer Macht — nicht gebrochen ſei, doch als 

er ins Winterlager am Rheine kam, fand er Briefe des Kaiſers 

Tiberius vor, darinnen ſtand, er möge heimkehren und ſeinen 

Triumphzug feiern; es ſeien * der Siege und der Zufälle. 

Tiberius lobte ſeines Neffen Klugheit und Tapferkeit. Die auf— 

rühreriſchen Stämme aber könne man ihren inneren Streitigkeiten 
a ee Der Held ging. 

m Juni des Jahres 17 hielt Germanicus einen großartigen 
Triumphzug. Mit im Zuge führte er die erbeuteten — — 
Waffen, die Gefangenen; unter ihnen ſchritt ſtolz die gefangene 
Thusnelda mit ihrem Söhnchen Thumelikus. Im Zuge ſelbſt an 
der Spitze der Soldaten ſaß auf prächtigem Wagen Germanicus 
mit ſeinen fünf Kindern und das ſtaunende Volk der Römer jubelte 


— 58 — 


ihm zu. Auch die Adler des Varus hatte er wieder zurückgebracht 
und ließ fie im Triumphzuge tragen. 

Segeſt, der Berräter — Volkes ſah zu, wie ſeine Tochter, 
ſein Enkel und ſeine Volksgenoſſen gefangen durch die Straßen 
Roms geführt wurden. 

Jeder römiſche Soldat empfing darnach als Kampflohn 300 
Seſterzen. 


Arminius Ende. 


Im heutigen Böhmen ſaßen zu Arminius Zeit die Markomannen, 
die Nachbarn der Hermunduren, die den Römern ergeben waren. 
Ihren Wohnſitz verdankten ſie ihrer Tapferkeit; denn als Julius 
Cäſar die Sueben und Markomannen am Oberrheine geſchlagen 
hatte, waren ſie in das deutſche Waldgebirge zurückgezogen. 


Mit Druſus waren ſie unglücklich zuſammengeſtoßen und ihr 
König Tudrus war zur Unterwerfung bereit. Da wählten die freien 
Männer um das Jahr 8 v. Chr. den jugendlichen Helden Maroboduus, 
der jeine fampflujtigen Scharen mit Weibern und Kindern über das 
— und den Böhmerwald führte und die keltiſchen Bojer 
vertrieb. 

Sie ſiedelten ſich als kriegeriſche Bauern im weiten böhmiſchen 
Keſſel bis zur Donau an, wo ſie mit den Römern zuſammenſtießen. 

Wie in Norddeutſchland der Cheruskerbund unter Arminius 
jo entſtand unter Maroboduus der große Markomannenbund mit 
einem Könige an der Spike. Die großen Stämme der Semnonen 
und Longobarden, die mit den andern juebilchen Stämmen dem 
Marfomannenbunde angehörten, traten auf der Cherusker Seite. 

Uber der eiferjüchtige Inguiomerus, Armins Oheim, hielt es 
unter jeiner Würde, jeinem jüngeren Neffen zu gehorchen und ftellte 
lich daher auf Seite Marobods, der den Kämpfen gegen die Römer 
till zugejehen hatte. 

Als einjt Arminius jeine Krieger multerte um gegen die 
Marfomannen zu ziehen, jagte er: „Ein Flüchtling ift Maroboduus; 
feine Schlacht hat er gejehen; die Schlupfwinfel des Hercynijchen 
Waldes waren jeine Verteidiger, durch Geſandte und Beichent fuchte 
er der Römer Freundichaft. Er ijt ein Verräter des Baterlandes, 
ein Trabant des Kaiſers. Daher müßt ihr ihn aus dem germanijchen 
Lande jagen, wie ihr Varus getötet habt!“ 

Maroboduus nannte Arminius einen tollen Menjchen ohne 
Erfahrung, einen Faljchen, der drei argloje Legionen und einen 
Feldherrn Hinterliftig überfiel. 

So jollte es ch entjcheiden, ob die Germanen fortan dem 
Treiheitsfämpfer Arminius oder dem Könige der Marktomannen 





Römiſche Fibeln. 


Be, — 


folgen wollten. Die Schlacht, die nun erfolgte, entſchied fich nicht; 
aber Marobod zog fich auf einen Hügel zurüd und viele feiner Getreuen 
gingen zu den Cheruskern über. Daher jandte er Boten an Tiberius 
nah Rom und ließ um Beiltand bitten. 

Der römiſche Kaijer ließ ihm jagen, er habe fein Recht um 
römilche Hilfe gegen die Cheruster zu bitten, da er die Römer, als 
fie gegen denjelben Feind kämpften, mit feiner Hilfe unterftügte. 

Schließlich wurde Marobod aus jeiner Burg in Böhmen von 
den Goten unter der Anführung eines edlen Jünglings namens 
Catualda vertrieben. 

Bon allen verlajjen, überjchritt er die Donau und bat in einem 
Briefe den Kaiſer um Aufnahme ins Römerreih. Die Bitte wurde 
gewährt. Achtzehn Jahre lang lebte er noch in Ravenna. 

Um —— Zeit fam von einem Fürſten der Chatten ein 
Brief nad) Rom, darinnen sr er wolle Arminius töten, man 
möge ihm nur Gift jenden. Diejem Verräter antworteten die ſtolzen 
römilchen Senatoren: „Nicht mit Betrug und Heimlichkeiten, jondern 
offen und mit Waffen ftraft das römijche Volk jeine Feinde.” 

Arminius wollte die Königsmacht an fich ziehen, die er ja auch 
verdient hatte. Lange kämpfte er mit wechjelndem Glüde, bis er 
dur die Hinterlift jeiner Verwandten fiel. 

Siebenunddreißig Jahre war er nur alt geworden, zwölf 
Jahre hatte er die Gheruster geführt; aber noch lange nach feinem 
Tode nn jeine Krieger Lieder zu jeinen Ehren. 

as deutjche Volk aber ehrt ihn jeit Jahrhunderten als feinen 
eriten großen Helden. 


Mie die Römer ihr Land ficherten.? 


Nördlich von der Donau wohnten die tapferen Hermunduren 
bis zu den Gebirgen Mitteldeutſchlands. Im Jahre 59 n. Chr. 
fämpften fie bei Rilfingen an der Saale fiegreich gegen die Chatten 
um die Salzquellen. 

Mit den Römern an der Donau und in der Provinz Nätien 
trieben fie lebhaften Taujchhandel: Bänjefedern, Mohrrüben, Rettiche, 

elle wilder Tiere wurden gegen glänzenden Schmud und römijche 

affen bereitwillig eingetaujcht. Doch weitlich von den Hermunduren 
jaßen die Sueben, die gerne ins römiſche Weich eingedrungen 
wären. Zwilchen Rhein und Donau, genauer zwiſchen dem ftarten 
Mainz und dem feiten Regensburg war fein natürlicher Grenzſchutz; 
daher dachten die erſten römilchen Feldherrn an eine fünftliche 
Grenglinie. 

Schon als Barus en war, hatte Tiberius einen Grenz: 
wall aus Erde rajch aufwerfen lajjen um das rechtsrheinijche römiſche 


Gebiet zu deden. Diejer Wall lief einige Stunden öſtlich vom Rheine 
von Neuwied bis Duisburg. 

An die Elbe als Grenze dachte niemand mehr. Daher fuchten 
die Kaiſer einen Damm zu ſchaffen gegen eindringende Germanen; jo 
entitand der Pfahlgraben, lateinijch limes oder vallum; vom Volke 
heute auch Teufelsmauer genannt. 

Der Pfahlgraben begann oberhalb Kelheim dicht am Ufer der 
Altmühl und endigte jenjeits des Taunus, bei Andernach, aljo nicht 
weit von der Stelle, wo Tiberius jeinen Wall begonnen hatte. 

Bon der Donau bis zum Hohenftaufen hieß der Wall Teufels: 
mauer, weil er aus einer 1,20 m diden Mauer aus Bruchfteinen 
beitand. (174 km lang). 

Hinter diefer Mauer lagen nach je 8000—16000 m Entfernung 
Heine Feſtungen mit Kajernen, jogenannte Kaftelle.e Am ganzen 
Walle fand man deren etwa 77. 

Zwilchen je zwei Kajtellen jtanden 10—15 Wachttürme von 
DoR, von wo die römilchen Soldaten hinauslugten ins juebilche 
Land. Auf jedem Turme wachten 2—3 Mann, in einem Kaſtelle 
aber 500—1000. 

Die Wächter waren —— Soldaten des römiſchen Heeres, 
die ſich als Veteranen an der Teufelsmauer niederließen, wo ſie vom 
Staate Grundbeſizz erhielten. 

Vom Hohenjtaufen bis zum Rheine z0g fich der eigentliche 
Pfahlgraben (368 km), der nur aus Erddämmen aufgejchüttet ward. 
Er 309 fi) durch das nördliche Württemberg an den Main bei 
Miltenberg, dann zum Taunus und zur Yahne, bis er bei Andernach 
den Rhein erreichte. 

Das wichtigite Kaftell des großen Grenzwalles war die Saal: 
burg bei Homburg, die wieder genau jo hergeftellt it, wie fie zur 
römijchen Kaijerzeit ausjah. 

Das Land, das zwilchen dem Grenzwalle und dem Rheine lag, 
hieß das Zehentland. Denn jeder Bewohner mußte zur Ernährung 
der vielen Soldaten den zehnten Teil feiner Ernte abliefern. 

Im Zehentlande bauten fih außer den Germanen, die fich 
unterwarfen, viele römilche Anfiedler an. Überall fonnte man 
römiſche Yandhäufer erbliden;, vor den Kaftellen aber wohnten in 
Vorftädten die Veteranen, die nach dreißigjähriger Dienitzeit aus 
dem Heere ausjchieden. 

Auch die Heilquellen wurden aufgejuht und Bäder wurden 
eingerichtet. Da die Römer die heißen Bäder auch im rauhen 
Germanien nicht miljen wollten, entitanden die heute jo berühmten 
Badeorte Wiesbaden und Baden-Baden. Gelbit jedes Landhaus 
hatte jeine Badeeinrichtung um heiße Bäder zu erhalten. 

GBepflafterte Straßen führten zu den Kaſtellen. Wo fich aber 
Lehm befand, entitanden bald Ziegelhütten und Töpfereien. Kanäle 
309 man und Sümpfe trodnete man aus, der Aderbau wurde ein 


eführt. An den Abhängen der Berge grünten Reben und die 
ömer tranfen aus großen tönernen Gefäßen, die fie im Kellerboden 
vergruben, nicht nur ſüßen galliihen und römiſchen Wein fondern 
auch Jäuerlichen deutſchen Landwein. 





Mas die Bermanen von den Römern lernten. 


Alle Soldaten, die in den römilchen LXegionen dienten, waren 
auch römilche Bürger. Nur von den verbündeten Bölfern bildete 
man Hilfstruppen, die fich den Legionen anjchlojjen. 

Der Legionsjoldat war fein Soldat im heutigen Sinne; 
denn er hatte wie der englilche in Indien jeine Bedienung, jo daß 
die Zahl der Nichtkrieger die Krieger bei weiten übertraf. 

Aber auch die Künfte des Friedens veritand er; er war Ziegel: 
brenner, Mörtelbereiter, Maurer, Zimmermann; die 
Führer waren Baumeijter und Bildhauer. Gie entwarfen die 
Pläne zu den befejtigten Lagern, den Kajernen, Landhäuſern und 
den Runititraßen. 

Aber auch Steinhauer und Handwerker aus der Heimat 
fehlten nicht, wenn ein Landſtrich in Bei der Römer fam. 

Jeden Heereszug über den Rhein begleiteten Kaufleute, die 
ich fühn in die entfernteiten Gegenden wagten. 

Die erite Aufgabe der Römer war immer die SHeritellung 
eines großen Straßenneßes. Hierin waren fie unjere Lehr: 
meilter und erit in unjerer Zeit baut man wieder jo feite Straßen 
wie damals. Die große Heeritraße führte von Rom am 
Mittelländijchen Meere (Mteerbujen von Genua) entlang, das Rhonetal 
aufwärts nad) Lyon und Met, die Moſel abwärts nach) Trier und 
über die Eifel nach Köln und über den Hunsrüd und Bingen nad) 
Mainz. Eine gleihwichtige Straße lief auf der linken 
Rheinjeite von Baſel (Augſt) über Straßburg, Rheinzabern, 
Speyer, Worms, Alzey nah Mainz. Ihr gleich war eine am 
Abhange des Gebirges, die an Bergzabern vorbei über Neuſtadt a. 9. 
und Dürkheim ebenfalls nad) Worms und Alzey führte. 

Außerdem gab es viele Straßenzüge, die heute noch an ihrem 
Namen als Römerftraben zu erkennen find: Hochitraße, Römer: 
Itraße, Steinftraße, alter Weg, Heidenweg (Häreweg) find die häufigiten 
Bezeichnungen. 

Eine römijhe Straße z0g von Met über Saarbrüden, 
Homburg, Kaijerslautern, durch die Taljente von Enkenbach über 
Alfenborn, Hertlingshaujen nah Worms. Cine zweite Straße zog 
weitlih am Bruche vorbei über Miesau, Ramitein, Dtterberg, Yang: 
meil und die Taljenfe von Göllheim nach Alzey. 

Bon Lichtenberg, dem alten Bergichlojje bei Kuſel kann 


— — 


man heute noch einen Römerweg verfolgen, der auf der Höhe der 
Berge hinzieht und bei Ulmet (Ulmetum) das Glantal erreicht, wo 
überall an den Blandörfern reiche Funde an Dentmälern, Münzen, 
Waffen und Gefäßen jowie Schmudjachen gemacht werden. 

Römiſche Funde find häufig bei Mühlbach a. GI., bei Paters— 
bad, Ejchenau, St. Julian, Hirjau (Hundheim) und Lautereden. 

Von Kaijerslautern, das freilich nicht römiſchen Urjprungs 
it, zogen Wege durch das Lautertal und auf der Höhe rechts der 
Lauter, ja bei Kaulbady Kreimbach ſchützte eine ſtarke NRömerfefte 
den Weg zum Glan und jeiner Straße; ebenjo die Heidenburg bei 
Oberitaufenbach, an welch beiden Orten wertvolle römijche Dentiteine 
und Münzen ausgegraben wurden. 

über die Höhen von Schnedenhaujen, Heiligenmojchel, 
Horterhof, Dörrmojchel ging eine Straße, die noch gut verfolgt 
werden fann nad Dbermojchel und ins Nahetal, wo die große 
Heerftraße von Trier nad) Mainz vorbeilief. Im Aljenztale jelbjt 
war ein wichtiger Weg, der die alten Drte Winnweiler, NRoden: 
haujen, Alſenz und Altenbaumburg mit Kreuznach) an der Nahe 
verband. 

Aus dem Aljenztale ging von Rodenhaujen ein Weg 
über die Höhen des nördlichen Donnersberges an Marienthal, 
Baltenhaus vorbei nach Kirchheimbolanden und Alzey. 

Selbit durch die engen Täler der Hart zogen ſich wichtige 
Mege, die das Land der Mediomatrifer mit der Provinz Ober: 
ermanien verband. Wo daher heute unjere jchönen Burgruinen 
Beben, befanden ſich im Neuftadter und Annweiler Tal römijche 
Feltungen. Eine ſolche einfame Waldfeite, die den Weg über 
Sohannesfreuz verteidigte, war die Heidenburg bei Waldfilchbacdh, 
von der nod Trümmer vorhanden find. Dieje Burgen jtanden auf 
den Vorjprüngen der Berge. Bon ihnen aus fonnte man die Tal: 
wege leicht beobachten; bejonders aber legte man im 3. Jahrhunderte 
ſolche Bergfeitungen an, als die Germanen über den Rhein drangen. 


Bom Weinbau. 


In der rheinijchen Tiefebene findet man von Bajel bis Mann: 
heim in den Wäldern verjchiedene Arten wilder Neben, deren ſüße 
Früchte ſchon Kelten und Germanen pflüdten und ſich wohljchmeden 
ließen. Bielleicht tranfen fie auch jchon den ſüßen Traubenjaft; aber 
die Bereitung des Weines verjtanden fie noch nicht. 

Die Lehrmeifter im Weinbau und in der Behandlung des 
Meines waren die Römer. Sie brachten ihre Kenntnijje über Gallien 
(yon) an die Mojel und an den Rhein. Die bei Deidesheim ge: 
fundenen römilchen Münzen beweijen, daß ein reger Berfehr über 
Belfort, aljo aus dem Rhonetal in das Rheintal ftattfand. 

Die Händler brachten große, ſpitzzulaufende Tongefäße (Am: 


— 64 — 


phoren) in unſere Gegenden. Den Wein aus ſüdlichen Ländern 
aber hatten fie in großen Schläuchen, die fie auf die Wagen banden. 
Chriftus |pricht in der Bergpredigt von diejen Schläuchen. 

Bon den römijchen Katjern hat fich bejonders PBrobus 276—282 
der Ausbreitung des Weinftodes angenommen. Seine Soldaten 
ließ er fleißig Weinberge anlegen und tat jo viel zur Hebung der 
römilhen Landwirtſchaft in unjeren Gegenden; aber jchon vor jeiner 
Regierungszeit gab es zahlreiche Weinberge; denn die römijchen 
Krieger, die fich häuslich niederließen, hatten ficher auch ſchon früher 
Meinpflanzungen angelegt. 

Den beiten Beweis für das Vorhandenjein römiſcher Wein: 
berge bei uns liefern die prachtvollen Gefäße, die man den Toten 
mitgab, dann aber die Werkzeuge der Winzer die man ausgrub. 

Aber auch der Gott des Meines Bacchus wurde hier verehrt. 
Fand man doc bei Weilenau unweit Mainz 1894 einen Dentfitein 
mit einer Weiheinjchrift für ihn. 

Selbft die Art der Rebenpflanzung erinnert an die Römer, 
jo das Pflanzen der Stöde an einzelnen Pfählen wie in der Nord: 
und Weitpfalz, im Rheingau und Mojeltale; das Ziehen an Jochen 
oder Rahmen, d. h. Balken, die auf —— ruhen wie an der 
Mittel- und Unterhaardt und der „Kammertbau“ an der Oberhaardt 
und in Rheinheſſen, der in der Vereinigung mehrerer Joche beſteht. 

Auf die Lehrmeiſter der Deutſchen weiſen aber auch die folgenden 
Wörter: Mein = vinum, Moſt = mustum; Leier = lora, Kufe — cupa, 
Keller — cellerarium, Relter — calcatorium, Schemel — scammellum, 
Seder = sectum, Kammert — camera; Winzer — vinitor. 





An der großen Römerſtraße am Rheine. 
70—350 n. Chr. 


MWenn wir das Speyerer Mujeum durchwandern, jo meinen 
wir unwillfürlicy auf einem großen en Töpfermarfte zu jein. 
Betrachten wir all die herrlichen Gefäße und Scherben mit den 
\hönen Figuren und Blumen, jo bewundern wir die Künftler, die 
diefe Dinge zu vielen Taujenden herftellten und in alle Teile des 
theinilchen und germanilchen Landes verjandten. 

Die Gefäße ftammen falt alle aus dem Dorfe Rheinzabern, 
das heute noch große Ziegelwerfe beſitzt, die denjelben Stoff ver: 
arbeiten wie einit die Römer und Gallier, die am Rheine jaßen. 

In Rheinzabern deckte man nicht weniger als 77 runde Töpfer- 
öfen auf, und fand aud 36 vieredige Ziegelöfen. Ja, im Jahre 
1858 traf man bei Ausgrabung von Töpferöfen hergerichteten Ton, 
den die Töpfer gerade verlajjen hatten, als Germanen über den 
Rhein kamen, Formſchüſſeln zum Anfertigen der Gefäße, feines und 


er. 


gewöhnliches Gejchirr. 90 ſolcher Formſchüſſeln liegen heute in Speyer. 

Um den Gefäßen die jchöne rote Farbe zu geben, nahmen die 
Töpfer eijenhaltigen Ton. Da ihre Sachen aber auch glänzen follten, 
fügten fie auf die geformten ungebrannten eine Miſchung von Magnefta, 
Kali und Natron. 

Schauen wir einem jolchen Töpfer im Geifte zu: Am Otter: 
bache holte er den feinen rotgelben Sand, der fich heute noch da 
findet, Löjte ihn in Waller auf und erhielt jo eine trübe rötliche 
Stäfigteit 

uf der hölzernen Drehicheibe hat ein anderer bereits eine 
ganze Menge Gefäße fertig geſtellt. Eben nimmt er einen grauen 
onflumpen, der jorgfältig von Körnern und Schmuß gereinigt iſt 
und tritt mit bloßen Füßen die leicht dDrehbare Scheibe, einen runden 
Tiih. Er läßt gejchickt jeine Hände an den Klumpen rühren, zuerit 
innen, dann außen; bald ilt eine Taſſe fertig, mit einem Schaber 
von Holz löſt er fie von der Scheibe und nun wandert fie zu den 
andern aufs Brett. 

Sobald dies voll ift fommt der Gehilfe und taucht ſie vorfichtig 
in die rötliche Brühe und trägt fie dann zum Brennofen, wo ein 
dritter wartet und auf einer „Schieße” alle vorfichtig hineinbefördert. 

Dort ijt ein Dfen, wo eben ein „Brand“ d. h. ein Dfen voll 
Geſchirr fertig iſt. Sorgfältig verpadt es der Töpfer in Stroh und 
itellt es in feinem Lager auf. Dort fährt ein Kaufmann mit jchwer 
bepadtem Wagen zur Anfiedlung hinaus nad) Straßburg und Baljel 
um den Händlern dajelbit neue Waren zu bringen. a, jelbjt über 
Lyon und Marjeille wandern ganze Ladungen nad Italien. 

Doch wandern wir von dem betrieblamen Rheinzabern nad) 
Norden. Wir bewegen uns auf gut gebauter, trodener Straße; die 
Gräben links und rechts leiten das Waller gut ab. 

Bald ftoßen wir auf einen af nee Turm an dem zwei alte 
Legionare ruhig fien, hinter dem Turme liegt ihr Aderland, das 
fie vom Raifer erhielten. 

Der Turm aber hat oben eine Galerie und zwei jchlanfe 
Balken ſchauen heraus, die man nad) allen Seiten drehen und jtellen 
fann. Wir betreten den Turm und jehen von der Brüftung aus 
einen zweiten in weiter Ferne nad) Speyer zu, dejjen Balfen wir 
erade noch erbliden. Damit, jo jagt der eine Legionar, geben die 

ächter Zeichen, ob feine Germanen über den Rhein dringen, oder 
ob fein Heerzug der Römer naht. 

Indem wir jo reden, hören wir regelmäßige Marjchichritte, 
fremde Lieder Klingen an unjer Ohr, von Speyer her ijt ein Truppe 
Legionare im Anzuge, die nad) Süden wandert. Es find die Tapfern 
der XIV. Legion, deren Quartier zur Zeit (wir leben unter Kaiſer 
Trajan) in Mainz ilt. 

Bald haben uns die Vordern erreicht; je 4 Mann marjchieren 
an uns vorüber; unter den jchwarzäugigen Römern ftehen hoch— 


5 


— 6— 


gewachſene ſchlanke Germanen mit milden blauen Augen. Zu Roß 
ſitzen die Hauptleute, jeder vor ſeiner Hundertſchaft. Dazwiſchen 
ſind lange Reihen von Wagen mit Tüchern bedeckt. Frauen und 
Kinder ſitzen darinnen und ſchauen neugierig in die ebene Gegend, 
die überall ſchon angebaut iſt. 

Da kommt ein junger Offizier mit dem Adler, dem Feldzeichen 
in der Rechten. Zuletzt Reiter faſt ohne Zahl, je zwei und zwei; 
ſo verſchwindet nach und nach der Zug und wir wandern weiter. 

Am Saume des Weges begrüßt uns ein heidniſches Bild; 
vier Götter ſind in ſchöner Arbeit in einen Stein gehauen. Das 
find die Weggötter zu denen der Wandrer ehrfürchtig um Schuß fleht. 
Das beweilt der Tritt vor dem Bilde, auf dem jchon viele knieten. 

Hunderte jolcher Bilder ftanden in der Pfalz und jelbjt der 
Germane blicdte jcheu nach ihnen hin. Anzurühren getraute er fie 
nicht. Die Häufer der Römer riß er nieder; aber diejes Bild ließ 
er jtehen. Sa, er nannte es noch nach vielen Jahrhunderten den 
„teinernen Mann“. 

Nocd ein anderer Stein, rechts am Wege fejlelt unjere Auf: 
merfjamfeit. Er it rund und etwa 1's m hoch und etwa 40 cm 
did. Die lateiniiche Injchrift beſagt uns, daß es hier an diejer 
Stelle noch) 3 Zeugen oder Meilen bis Speyer find. 

Wir jchreiten rüjtig zu um es vor Abend zu erreichen. Bald 
jehen wir den träge dahin jchleichenden Rhein mit jeinen Weiden: 
und Erlengebüjchen, den wir jeit unjerem Weggange von Rheinzabern 
nicht mehr erblicdten. 

Bon Speyer aus ging die römiſche Rheinitraße geradeaus 
nah Norden auf Dggersheim zu. Allenthalben jtanden Steine der 
Megegötter, namentlich jah man den Gott der Wanderer und Kauf: 
leute Merkurius, jo hießen auch die Römer den deutichen Wodan. 
Modansberge wurden daher von den Römern Merkurberge genannt. 

Bon Dggersheim zog die Rheinftraße nah Frankenthal, 
wandte ic) aber etwas nad) Weiten um den Sümpfen des Rheines 
auszuweichen, berührte Heßheim, Heuchelheim, Groß: und Klein— 
niedesheim, fam dann nad) Weinsheim und Worms (das römijche 
Civitas Vangionum) von wo fie über Oppenheim nad) Mainz führte. 

Heute noch heißen Stellen von diejer berühmten Straße Heer: 
weg, Heerjtraße, Hocitraße, Heidenweg. Mit dem Worte „Heiden“ 
bezeichnet der Deutjche gerne alle römilchen Anſiedlungen oder 
Denfmäler. 

Ein geradejo bedeutender Römerweg, der aber nicht 
durch Kajtelle gejchügt war, jondern an dem reiche Landhäuſer in 
die Jonnige Ebene ſchauten, führte von Altftadt (Concordia) bei 
Weißenburg nad) Norden. 

Er berührte das römijche Bergzabern, das von einer Taberna 
(Herberge) den Namen hat. In der Nähe der Straße lag ein 
römilcher Friedhof, doch vor dem Orte, da kein Römer jeine Toten 


- 47 — 


innerhalb der Stadtmauern begraben durfte. Heute heißt die Stelle 
noch Heidenkirchhof. 

‚ Bon Bergzabern ging die Straße über Horbach, Billig: 
heim, Heuchelheim, Impflingen weftlihd an Mörzheim vorbei über 
Godramitein und Nußdorf nad) Edesheim, Winzingen bei Neuftadt. 
Dort jchauten von der Höhe Kajtelle in die Ebene. 








Fränkiſches 
Wurfbeil. 
(Francisca.) 





Bronzeringe. 


fiber Mußbach und Deidesheim, Ruppertsberg, Wachenheim 
und Dürkheim nach Grünſtadt lief ſie zur heſſiſchen Grenze. Bei 
Alzey vereinigte ſie ſich mit einer Reihe anderer Straßen. 

Ein wichtiger Zweig dieſer Straße führte von Dürkheim 
über Freinsheim, Weißenheim a. S., Lambsheim, Heßheim, Heuchel: 
heim und Groß- und Kleinniedesheim nach Worms. 


Reich an Gefäßen und Waffen ſind die Gräber der Römer, 
die ihre Toten teils verbrannten, teils aber auch in Steinſärgen 
begruben. 

Zahlreich waren die Gegenſtände aus Glas. Die Römer hatten 
die Kunſt Glas herzuſtellen, bei den Phöniziern erlernt; über Marſeille 
kamen die Gefäße und die Kunſt ſie herzuſtellen nach Gallien. 


g* 


ne 


Zu des Auguftus Zeit war Glas ſehr teuer; es galt jo viel 
wie Gold und Edelſteine, daher ſchätzte man nicht nur gläjerne 
lajhen, Kannen, Töpfe, Amphoren, Schüjfeln, Teller, Gläjer, 
rinthörner, Lampen, Trichter, Büchlen, Salbenfläjchchen, Aſchen— 
urnen, Spielfteine, Schmudjadhen, namentlih Fingerringe. Auch 
das Speyerer Mujeum ift reich an galliihen und römiſchen Glas— 
lachen, die bejonders in den Weinbergen der Haardt gefunden wurden 
und die uns beweilen, daß auch dort reiche römiſche Gutsbeſitzer 
wohnten, die fi) im Haufe einrichteten, wie die Bewohner Roms. 
Starfe Römerburgen Itanden in der Weſtpfalz. Hoch über 
dem Lautertale bei dem Dorfe Kaulbach-Kreimbach jchaute eine 
Bergfelte in das jchöne Lautertal, wo es viele römijche Bauernhöfe 
ab. Um den ganzen Berg lief eine Mauer aus feiten Steinen. 
or ihr war ein Graben ohne Waller. Im Nordoſten und 
Südwelten waren Tore, das jüdweltliche hatte zur Geite einen 
vieredigen Turm. Im Innern der Umwallung lief mit der Mauer 
eine Wand von Holzpfeilern, jo daß zwijchen beiden ein Gang 
entitand, der überdaht war. Auf dieje Weile hatten die Römer 
ein Baradenlager errichtet, in das fie, wenn die Germanen kamen, 
mit Weib und Kind, mit lebender und toter Habe flüchteten. 

Denn unjere Heidenburg entitand zur Zeit als die Römer das 
rechte Rheinufer hinter dem Limes freigaben. Das beweijen die 
Münzfunde, die uns die römijchen Kailer des 3. Jahrhunderts zeigen. 

Nicht drei Stunden nad) Weiten von u Heidenburg er: 

oben fich bei Oberjtaufenbach in der Nähe des Potzberges die ftolzen 
auern einer ebenjo großen Römerfeſte und bei Waldfiſchbach und 
Heltersberg am Weltrande des Haardtgebirges die Heidenburg am 
Schwarzbah. Beide jollten, wie ihre Schwefter an der Lauter, die 
Straßen, die vom Rheine herfamen, verteidigen. 
Br den Germanen aber wurden fie zerſtört. Wann,“ weiß 
niemand. 


Die Germanen kommen. 
I. 


Mehr als 450 Jahre jagen die Römer am Rheine. Vangionen, 
Nemeter und Tribofer hatten Sprache und Religion der Römer an: 
— allenthalben blühten römiſche Städte, in den vielen 

non lagen oft mehr denn 150000 Dann, die den Strom von 
Bajel bis Köln bewachten und mehr als 150 Jahre befchüßte der 
Grenzwall den römiſchen Beſitz. 

Während aber die Römer ruhig das fruchtbare rheinijche 
Land bebauten und dem Boden ſchon Schätze abgewannen, hatten 
jih die Germanen zu großen Bölferbündnijjen zulammengetan. 


Es waren militärijche Völferbündnijje um im Dften die Slaven, 
im Weiten aber die Römer anzugreifen; die Franken am Nieder: 
rheine, die Sachſen zwilchen Rhein und Elbe, die Alamannen am 
Grenzwall, die Bayern in Böhmen und zulegt an der obern Donau 


Funde aus dem fränkiſch-alamanniſchen Gräberfeld bei Landau. 








MRleine Schwarze Urne, 
!s natürlicher Größe. 





Urne von\jchwarzem Ton. * nat. Bröße. 





Urne aus gelbem Ton. 
?/o natürlicher Größe. 





Urne aus ſchwarzem Ton. nat. Größe. 


Spinnwirtel (nat. Bröße). 


und am Inn, die Oftgoften am Schwarzen Meere und die Weitgoten 
an der untern Donau. 

Kein Zeitgenojje berichtet uns von den Bündnijjen, wie fie 
entjtanden. Auf einmal find fie da und werden den Römern zur 
furchtbaren Macht. 


Tibertus hatte einjt gemeint, man jolle die Deutjchen ihrer 
eigenen Uneinigfeit überlajjen, um das Jahr 250 waren die Ger: 
manen in den Bündnijjen feſt geeinigt und gingen zum Angriffe vor. 

Im Jahre 213 werden zum erften Mal die Alamannen, die 
einjtigen Sueben, insbejondere Semnonen genannt. Um dieje Zeit 
erichienen fie mit Weib und Kind mit fahrender Habe am römijchen 
Grenzwall, hinter ihnen drängten die Burgunder, öſtlich die Her: 
munduren, nordweitlich die Chatten, alle wollten bejjere Wohnpläge, 
milderes Klima, fruchtbareren Ackerboden und Weideland. 

Am Rheine ftanden damals vier Legionen, davon in Mainz 
und den benachbarten Kaitellen am Grenzwall zwei. Die römijchen 
Soldaten waren nicht mehr jo geübt wie zu Armins Zeit, da man 
die Leute zu lange bei der Fahne ließ. Auch fehlte den Römern 
die Reiterei. 

Zu Pferd aber jtreiften die Alamannen ins römijche Gebiet; 
da fie jich in Kleinen Truppen teilten, fonnten fie von den Römern 
nicht angegriffen werden. Sie ließen die Kaitelle ruhig und drangen 
in die Dörfer, Landhäufer und Höfe, wo fie Beute an Geld, Schmud 
und LZebensmitteln genug fanden. 

Da fam der römiſche Kailer Aurelius Antonius jelbit an 
den Grenzwall und befeitigte die Kajtelle in der Nähe des Nedars. 
Damals entitand Altrip. 


Wie Altrip (Alta ripa) entftand. 


Der lette Katjer, dem es gelang die bar Bi gegen die 
einfallenden Alamannen und Franken ficher zu jtellen, war Valen— 
tinian (364—375). Er war der Bruder und Mitregent des oit- 
römilchen Kailers Balens, der im Jahre 378 im Kampfe gegen die 
Goten fiel, als fie von den Hunnen gedrängt in das oſtrömiſche 
Neich einfielen. Seine Krieger hatten ihn zum Kaiſer ausgerufen. 
Wie jein Bruder den Oſten des Reiches, allo die Donaugrenze be— 
Ihüßen wollte, jo widmete Balentinian der Nheingrenze jeine be= 
\ondere Aufmerkſamkeit. 


Aus einer Faijerlichen Verordnung und aus Inschriften, die in 
den Rheinlanden gefunden wurden, willen wir, daß Valentinian den 
Bau von Grenzkaſtellen befahl. 


Seit dem Monat Dftober des Jahres 365 weilte Valentinian 
in Gallien, aljo auch auf der linfen Rheinjeite. Hier ließ er in un: 
unterbrochener Weile von der Grenze gegen Rätien bis zum Deere 
große Werke aufführen: Lager, Kaltelle und Türme folgten in be= 
Itändiger Abwechjelung. 

Hin und wieder überjchritt er die Grenze des Stromes und 
erbaute auf dem rechten Rheinufer große Feſtungswerke, um von 
da die räuberijchen Alamannen in ihrem Land jelbit heimzujuchen. 


a WE — —— 


Eine ſolche Feſte war Alta ripa, auf der rechten Rhein- und der 
linken Necdarjeite gelegen. 

Trogdem famen die jchlimmen Feinde nicht nur an den Rhein, 
jondern fie überfielen die Hauptfefte Mainz, wo fie reiche Beute 
fanden. Die Nähe des Kaiſers und feiner Generale jagte den 
trogigen Germanen nicht den geringften Schreden ein. Dreimal 
mußte daher der Kailer den Rhein überjchreiten. 


= 


—*21 
— 


il 


u 
IN 





Stelett aus dem fräntiich-alamannijchen Gräberfeld bei Landau (Pfalz). 


Dies tat er von der Nedarmündung aus, wo eine Schiffbrüde 
die Verbindung mit dem rechts gelegenen Altrip heritellte. 


Mehrere Tagemärjche weit drangen die Römer von hier aus 
in das Land der Nlamannen ein, aber es jtellte ſich lange Zeit fein 
Feind ein. Endlich fam es bei Solicinium (Rottenburg in Württem: 
berg) zu einer großen Schladt. Die Römer fiegten zwar, fie zogen 
fi) aber an den Rhein zurüd. 


— — 


Durch ſtarke Dämme an den Ufern des Neckars und des Rheines 
geſchützt erhob ſich bald die blühende Feſte Alta ripa, die aus Steinen 
der in der Nähe zerſtörten Römerfeſten früherer Zeit errichtet wurde. 
Selbſt die alten Meilenſteine der Heerſtraße dienten als Bauſteine. 

Gegen die Wogen des Neckars waren die Mauern ſtandhaft, 
aber nicht gegen die Alamannen und den Rhein. Denn heute ſtrömt 
er über die alten Befeſtigungen her und wenn im Sommer niedriger 
Waſſerſtand herrſcht, tauchen auch die Grundmauern von Alta ripa, 
das im Jahre 369 zuerſt genannt wird, auf. Der Ort Altrip liegt 
daher auf dem linfen Ufer des Rheines. 

Beim zweiten Male zog Balentinian von Mainz aus gegen 
die Alamannen, beim dritten Male von Baſel-Augſt aus. Auch 
VBalentinians Sohn Bratian jchlug noch einmal die Alamannen nicht 
weit von Kolmar, aber alle dieje Siege fonnten den Untergang der 
Römerherrſchaft am Rheine wohl hinausichieben, aber nicht hindern; 
denn immer wieder drangen Nlamannen am Oberrheine und Franken 
am Niederrheine ins römijche Reich ein. Niemand hinderte fie mehr, 
da die Kajtelle verödeten und die Brüden zerfielen. Schon mußten 
die gallijchen Städte mit Kriegern bejegt werden um gegen die 
Alamannen: und Frankenſcharen geſchützt zu fein. Nicht nur Me 
und Trier, jondern noch weiter zurüdliegende Städte wurden damals 
ſchwer heimgejudht. 

Ja, eines Tages empfing er eine Gejandtjichaft der Alamannen 
in germanijcher Kleidung und jchloß Frieden mit ihnen. 

Aber als die Römer in Perfien hart angegriffen wurden, be— 
nußten die Alamannen abermals die Schwäche des Feindes und 
drangen ungehindert über den Rhein tief nach Gallien hinein. Viele 
römilche Landhäuſer unjerer Gegend gingen damals unter. 

Da aber gleichzeitig die Marfomannen die Donaugegenden 
vermwülteten, jo fam Kaijer Alexander nad) Mainz und zahlte den 
Alemannen eine hohe Summe. Darüber waren jeine Soldaten jo 
empört, daß fie ihn 235 erjchlugen. 

Der nachfolgende Kaijer jchlug 236 die Alamannen über den 
Grenzwall zurüd. 


1.3Ddie Frankenn. 


Etwa um das Jahr 250 war auch) 'ein Teil der Legionen nad) 
Rom gezogen, um dem Kaiſer Balerian zu helfen. Da drangen 
die alten Stämme der Chatten, Brufterer, Chamaven, Amfiuarier 
und Chattuarier als Franken oder Freie über den Rhein. Gie 
zogen plündernd durch Gallien und Spanien. 

Um das Jahr 260 rücten auch die Nlamannen unter Chrofus 
bei Mainz, zogen über Worms, Speyer, Nheinzabern, Straßburg, 
Bajel immer der Heerjtraße folgend nach Südfrankreich, wo fie von 
den römijchen Truppen vernichtet wurden. 

An der Donau erjchienen die Boten. 


= m — 


Da ließ ſich der Statthalter Galliens, Gallienus zum Raijer 
austufen, erhob Trier zur Refidenz, zog in Köln und Mainz Fuß— 
volf und Reiter zufammen und vertrieb Franken und Alamannen. 
Aber im alten ——— ſaßen ſchon die Alamannen feſt; ſie 
duldeten die römiſche Bevölkerung in ihren Städten und lernten Acker— 
bau und Handwerk von ihnen. 


Funde aus dem fränkiſch-alamanniſchen Gräberfeld bei Landau (Pfalz). 


— — —— — — J —— 





— 


— ——— ——, — en 
- 
— —— — — 





Silberne Broſche. 
*s natürlicher Größe. 
(Vorderſeite.) 





Urne aus weißgelbem Ton. s natürlicher Größe. (Rüdjeite.) 


Die Römer mochten noch jo viele Verteidigungslinien und 
Straßen anlegen, es gelang ihnen doch nicht, die Germanen zurück— 
zuhalten. Um das Jahr 350 waren alle Straßen lints des Rheines 
bejonders aber das Land um Worms, Speyer und Straßburg von 
den Franken bejegt. Die Städte jelbit griffen fie nicht an. Die 
reicheren Römer haften die ungebildeten Germanen; aber die 
Geringen begrüßten fie als ihre Befreier von dem unerhörten 
Steuerdrude, der notwendig war um die teuren Goldatenheere zu 
unterhalten. 

Schon längjt waren die Alamannen mit den Burgunden wegen 
der Salzquellen von Schwäbiſch-Hall verfeindet. Die Burgunden 
ſchloſſen ſich daher den Römern an, die ihnen Hilfe verjprachen, fich 
aber ſelbſt nicht helfen fonnten. 


————— 


Um das Jahr 400 Hatten die Römer ihre Truppen aber: 
mals in Italien notwendig, da die Goten einfielen. Die Legionen 
zogen daher den Rhein hinauf und der faijerliche Feldherr Stilicho 
verließ fich auf die Treue der Franken, die jeine Bundesgenoſſen waren. 

Aber am Neujahrstage 406 überjchritten Vandalen, Alanen 
und Sueben plündernd den Rhein bei Mainz und zogen mit reicher 
Beute zurüd. 409 kamen fie wieder. Da flüchteten ſich die römiſchen 
Chriften von Worms, Speyer, Straßburg in ihre Kirchen, wurden 
aber getötet. 

413 fam Köln für immer in die Hände der Franken. Die 
Römer haften die Franken und jelbjt der fromme Kaijer Kon— 
Itantin der Große ließ friegsgefangene Franken in Trier den wilden 
Tieren vorwerfen. Die Römer aber mußten den Deutichen als 
Sklaven arbeiten, da fie alle Habe noch verloren. 


11. 
Die Burgunder. 


Schon lange hatten die Burgunder gewünjcht, am Mittelrhein 
bei Worms und Speyer angeſiedelt zu werden. Als ſie von einem 
Zuge nach Gallien, wo fie dem Kaiſer geholfen hatten, zurückkehrten, 
blieben fie im Lande zwilchen Hunsrüd, Wieslauter und Rhein fißen. 
Noch lange erinnerte an fie bei Worms ein Waldbezirt Burgund: 
hart. Gelbit das Städtchen Guntersblum erinnert noch an ihren 
König Gundicar. 

300 000 Seelen ließen ſich nun am Rheine nieder um die Grenze 
gegen den germanilchen Feind zu jchügen. Die noch vorhandenen 
römilchen Bürger mußten von ihrem Beſitze hergeben und unter 
fie wurden die unbequemen aber notwendigen Gäſte verteilt. Die 
erhielten nicht nur ein Drittel des Hauſes jondern aud) von aller 
Habe, jelbft auch vom Gute, 

Das gab wohl manchen Streit, führte aber auch zu einer Ber: 
miſchung beider Völker. Eines lernte vom andern. Auch waren die 
Burgunder nicht Jo roh wie die Mlamannen oder die Franken; 
doch zeichneten fte jich Durch hohen Wuchs und prächtiges blondes 
Haar aus. 

Ein Zeitgenoffe jchreibt über die Burgunder: „Du freuft dich, 
wie ich weiß, an dem Anblick der Waffen und der Krieger. Hättelt 
du den Königsjohn Sigismar nad Art der Barbaren geſchmückt 
gejehen, wie er als Bräutigam den Palaft jeines Schwiegervaters 
bejuchte! Pferde mit jtrahlenden Edeljteinen beladen gingen ihm 
voraus und folgten ihm nad. Gr jelbjt jchritt mitten inne zu Fuß 
einher. Die Geltalt des Fürſten und der Genojjen, die ihn bes 
gleiteten, war ſelbſt im Frieden ſchreckhaft. 

Ihre Füße waren mit einem borjtigen Schuh bis zu den 
Knöcheln umſchloſſen. Knie, Schienbein und Waden waren unbe: 


— —— 


deckt. An das Oberkleid ſchloß ſich ein enges buntes Unterkleid, 

das kaum bis auf die bloßen Kniekehlen reichte, mit Armeln, die 

u ie Achjeln verhüllten, grünliche mit roten Borten eingefaßte 
äntel. 


Funde aus dem fräntiichealamannijchen Gräberfeld bei Landau (Pfalz). 


Bronze-Armreif, 
’s natürl. Größe. 





Ohrring. 









1. 2 4 ) —— 
Silberne Zierſcheibe. */s natürl. Größe. Haarzängchen (Pincette). 


natürliche Größe. 


Die von den Schultern herabhängenden Schwerter ſtaken im 
Mehrgehäng an der Seite, die ein Pelzwams umgab. 

Von urfpießen mit MWiderhafen und von Wurfbeilen war 
die rechte voll, die linfe Seite bejchatteten der Schild, deren Glanz, 
an den Rändern jchneeweiß, an den Budeln goldgelb war. 

Die Burgunder waren ſtarke Ejjer, liebten aber beim Mahle 
den Gejang nnd das Gaitenipiel. 


— 76 — 


König Gunther, von dem die Lieder ſo lange meldeten, war 
ein Gaukönig, der viele Burgunder aus andern Gauen zum Dienſt 
für die Römer über den Rhein führte. 

In Worms hielt er Hof; aber nicht im ſteinernen Hauſe der 
Römer, ſondern in einer großen hölzernen Halle nach alter ger— 
maniſcher Sitte. 

Hier in Worms aber lernten die Burgunder auch die neue 
Religion kennen, die ſeit Konſtantin dem Großen alle Reichen und 
Vornehmen übten, die chriſtliche. 

Sie ahmten die Römer in Sitte und Brauch nach, und be— 
ſchloſſen 418 mit ihrem Könige an der Spitze in einer Verſammlung 
aller freien Männer, daß ſie zum Chriſtentume übertreten. 12 Jahre 
ſpäter, als die Hunnen die Donau heraufkamen, ließen ſich auch die 
rechtsrheiniſchen Burgunder taufen. 

436 aber ſchon gerieten ſie, man weiß nicht wie, mit den 
Römern in Streit; der römiſche Oberfeldherr Artius rief hunniſche 
Reiter herbei, die König Gunther mit ſeinem Volke vernichteten. 

Sieben Jahre ſpäter zog der Reſt der Burgunder rheinauf: 
wärts nad) Sapaudia (Savoyen), wo das Königreich Burgund noch 
langefihren Namen erhielt. Noch heute heißt die Landichaft, wo fie 
ſaßen 4Bourgogne und das Tal von Belfort — burgundiſche Pforte. 





Attilas Siegeszug 
und die Schlacht bei Chalons (451). 
I. 


Attila hatte jeinen Bruder Bleda, der über einen großen Teil 
der Boten herrjchte, hinterlijtig ermordet; bald gehorchte ihm das 
ganze Volk der Hunnen und der Djtgoten mit den Alanen. 

Da verjammelte er in jeiner Holzburg im Lande an der mitt: 
leren Donau alle waffenfähigen Hunnen und Goten: fünfhundert: 
taujend Mann zu Fuß und zu Pferd. Die Hunnen waren meiit 
Reiter, die Germanen kämpften lieber zu Fuß. 

Attilas jehnlichhter Wunjch war es, die Römer und Weltgoten 
% unterwerfen, um jeinen Völkern die reichen Städte und Felder 

taliens und Galliens geben zu können. Gr ftrebte jogar danach 
von Rom aus die Welt wie einjt die Kailer beherrichen zu können. 

Attila ſchrieb zwei Briefe, den einen ſchickte er mit einer Ge- 
landtichaft nach Rom zum Kaijer Balentinian, den andern zum Weit: 
gotenfönig Theodorich, der in Gallien herrjchte. Die Gejandten des 
Hunnenkönigs jagten zum Kaijer: „Attila will die Freundjchaft mit 
den Römern nicht brechen, nur gegen die Boten zieht er.“ 

Ebenjo forderte er durch eine andere Gefandtjchaft den Goten— 
fönig auf, das Bündnis mit den Römern nicht zu halten. 


Langſchwert (85 cm lang). 


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I 


—— — 


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— — 








Fränkiſcher Krieger im Grab. 


Aus dem fränki 
Gräberfeld bei 


:alamannijchen 
andau (Pfalz). 





Kurzſchwert 
46 em lang 





Lanzenſpitze. 





* 
— 
— 
= 
& 
=) 
= 
=) 
hr 
27 


2. 


Kaiſer Valentinian aber jchrieb an den Gotenkönig: „Eurer 
Klugheit, tapferftes der Völker, fommt es zu, Euch mit uns gegen 
den Tyrannen der Welt zu vereinigen. Kommt daher dem Reiche 
zu Hilfe, von dem Ihr einen Teil bewohnt”. 

Die Boten waren auf freiem Felde nach germanilcher Sitte 
verjammelt. In ihrer Mitte ſaß der König. 

Der König Theodorich gedachte jeines Verſprechens und ant— 
wortete: „Euren Wunſch, o Römer, wollen wir erfüllen. Wir 
werden gegen Attila ziehen. Wie übermütig er fi auch brüjten 
mag, jo wiljen doch die Boten auch Übermütigen in der Feldjchlacht 
fühn entgegenzutreten“. 

Klirrend jchlugen die Boten die Waffen zujammen und eilten 
heim fi zum Kampfe zu rülten. Bald ftand das ganze Bolt 
bewaffnet im Felde. Bon jeinen jechs Söhnen nahm Theodorich 
nur die beiden ältejten mit: Thorismund und Theodorich. 

Unterdejjen hatte der römijche Statthalter Ätius die Truppen 
des römijchen Reiches zujammengezogen, die Legionen am Rheine, 
die verbündeten Franken, Burgunder und ſelbſt die Sachſen ver- 
einigten fi) mit Römern und Galliern. 

Auf den Katalauniſchen Feldern, die hundert Zeugen lang und 
fiebzig Zeugen breit waren (1 Zeuge — 1500 Schritte), erwarteten 
die vereinigten Völker den Anſturm der Hunnen. 

Das Schlachtfeld war eine weite Ebene. Attila fam von 
Weſten über den Rhein; bei Straßburg, Speyer, Worms und Mainz 
legten hunniſche Scharen über. Durch die Engtäler der Bogejen 
und der Haardt zogen fie weiter nach Weiten. 

Hunnen wie Germanen hatten ihre Frauen und Rinder in 
Magen bei jih. So erreichten fie den öjtlihen Saum der Ebene. 
Attila jtand mit jeinen Hunnen in der Mitte, auf den Geiten die 
Germanen, insbejondere die Ditgoten und die Gepiden. Hinter 
ihnen im weiten Bogen war die Wagenburg aufgejchlagen mit 
Meibern und Kindern. 

Gegenüber hielten die Römer mit den germanijchen Bundes 
genoljen, in der Mitte die Alanen, rechts die Weltgoten und links 
die Römer mit den Hilfsvölfern. 

In der Mitte der Ebene lag eine janft aniteigende Anhöhe. 
Um die begann der Kampf; denn Attila jchiette dahin jeine Hunnen; 
aber der jugendliche Thorismund und Atius famen zuvor und ver: 
jagten die anrüdenden Hunnen von ihren jichern Schanzen aus. 

Darüber erjchraf Attila und rief jeinen Leuten zu: „Ihr 
Sieger über jo mädhtige Völker, ihr Überwältiger des Crdfreijes 
jeid mutig! 

Mer verwundet wird, räche fich durch des Gegners Tod, wer 
unverlegt ijt, jättige fi an ihrem Blute. Die Sieger wird fein 
—— treffen und wer zum Tode beſtimmt iſt, der fällt auch in 
Friedenszeiten. Ich ſelbſt werde mein Geſchoß zuerſt in die Reihe 


POL, SR 


der Feinde jchleudern. Wer ruhen fann, wenn Attila kämpft, ijt 
dem Tode verfallen!“ 

Attila Iprengte vor, die hunnilchen Weiter ihm nad. Es be— 
gann ein wilder Kampf, Dann jtritt wider Mann; jchon rötete fich 
das Waller in dem Bächlein, das durch die Ebene floß und die 
Berwundeten tranten lechzend das rötlicde Waſſer. 


Durchlochte, 15 mm große Bronzemünzen 
aus dem fränkiſch-alamanniſchen Gräberfeld bei — (Pfalz). 





Vorderſeite. Rückſeite. 


Der greiſe König Theodorich wollte gerade zurückreiten um 
ſeine Leute in den Kampf zu rufen. Da ſtürzte er im Ge— 
ränge vom Pferde. Seine Goten ſtürmten über in hin und er 
wurde von Roſſeshufen zertreten. 

So fam die Nacht heran. 


I. 


Am andern Tage beleuchtete die Sonne ein trauriges Bild. 
Dicht Tagen die Leiber der Merde, dor auf der Walftatt, hier ein 
Hunne mit jeinem fleinen Pferde, dort ein Römer, an anderer 
Stelle ein blondlodiger Germane mit dem — oder dem 
Schwert in der erſtarrten Fauſt. Attila hatte ſich in ſeine Wagen: 


N en 


burg zurüdgezogen, während Römer und Goten das Schlachtfeld 
———— 

Sie beſchloſſen, den Hunnenkönig zu belagern, da er keine 
Nahrungsmittel bei ſich führte ſondern überall, wohin ſeine ſchweifen— 
den — kamen, plündern ließ; die Hunnen lebten von der Hand 
um Munde. — Aber die Bogenſchützen ſtanden mit Pfeil und 

ogen zwiſchen den Karren und warteten auf den Angriff der 
Chriſten. Attila ſelbſt ließ ſich in der Verzweiflung einen Scheiter- 
haufen aus Pferdeſätteln errichten, um ſich zu verbrennen, wenn die 
Feinde über ihn kommen. So wartete er. 

Während die Römer die Hunnen umſchloſſen, ſuchten die Goten 
nach ihrem gefallenen Könige, die Söhne nach ihrem Vater. Endlich 
fand man ihn unter einem Haufen Erſchlagener. Laut ſchallte ihre 
Klage über das weite Feld und die alten Totenlieder, die die Goten 
beim Tode eines Helden ſangen, klangen hinüber in die Wagenburg 
der Hunnen. Manchen Helden floſſen Tränen in den Bart, als 
ſie ihren König wiederſahen, ſtarr und ſtumm. Aber dann ſcharten 
ſie fi) auf der Walſtatt zur Volksverſammlung und wählten Thoris- 
mund zum föniglichen Herrn; laut Hangen die Schilde zujammen, 
die Schwerter Tara raſſelnd aus der Scheide und funfelten im 
* Sonnenlichte, als der junge Held auf den Schild gehoben 
wurde. 

Die ſterblichen Reſte des alten Theodorich auf Speeren 
tragend, zogen fie heim nad) Süden und beitatteten den Helden 
nach der Sitte der Väter in der Königsitadt Toloja. — 

Sobald Attila den Abzug der Goten vernahm, dachte er an 
eine Lijt und blieb längere Zeit ruhig in jeinem Lager. Da aber 
auch die Römer wegzogen und Kundichafter meldeten, daß die ganze 
Gegend leer war, jchlugen die Hunnen die Wagenburg ab. In 
Schwärmen, wie fie gelommen, zogen fie wieder über den Rhein 
und erreichten das pannonilche Land. 165000 Mann jollen in der 
—— gefallen ſein und noch drei Tage nachher hätten die 
Geiſter der Erſchlagenen in den Lüften miteinander gerungen. 


Attilas Grab. (Sage). 


Von Zeit zu Zeit hört man, daß irgendwo das Grab Attilas, 
des Hunnenkönigs aufgefunden worden ſei. Ja, man behauptet ſo— 
gar, der jogenannte „goldene Hut“ von Schifferftadt, jei einſt Attilas 

opfbedeckung gewejen. 

‚Die Nordpfälzer willen folgendes zu erzählen: Als die wilden 
heidnijchen Reiterjcharen der Hunnen von ihrem Zuge ee Weſten 
wieder über den Rhein flohen, kamen ſie auch von der Moſel und 
Nahe her in die Gegend von Glan und Alſenz. Ihr König ließ 


— — 


die Kirchen niederbrennen, die Fruchtfelder verheeren und die frän- 
filchen und römijchen — erſtören. 

Da traf ihn eines Tages die Hand des Herrn; er ſtarb plötz— 
lich. Große Wehllagen erhoben fi) unter den Seinen, weil fie den 
Führer in fremdem Lande lajjen mußten. Sie wollten wenigftens 
aber einen verborgenen Ruheplag für ihren toten Herrn aufjuchen, 
wo ihn fein Römer oder Germane finde. 

Damals bededte die Höhe zwiſchen Kallbach und Unkenbach 
ein tiefer und großer Weiher. Den gruben die Hunnen bei Nacht 
ab, jodaß das Waller tojend hinabftürzte ins Mojcheler Tal. In 
dem Bette des Weihers Ichaufelten die hunniſchen Krieger ein tiefes 
Grab und jenktten den toten König mit Roß und ar Ye und all 
jeinem Golde hinein, damit er, wie fie meinten, als König auch im 
Jenſeits leben könne. Selbſt Speile und Trank famen in großen 
Gefäßen in die merfwürdige Gruft. 

Hierauf dedten fie jchnell das Grab zu, jtauten den Weiher 
wieder und zogen fort. 

Heute it der Weiher wieder troden; aber noch niemand fand 
das KRönigsgrab. Doch heißt der Pla noch das „rote Meer” und 
der Berg der „Heidenfteil”. 

Auch was jonit von Attila und den Hunnen in der Pfalz 
berichtet wird, iſt jagenhaft oder erdichtet. 


Das Chriltentum in den Rheinlanden. 
I. 





Um das Jahr 400 war in den Rheinlanden wie in gan 
Gallien wieder einmal die Rinderpeſt ausgebrochen, die die Vieh: 
herden der römiſchen Landbefiger und der armen Hirten arg mit: 
nahm. Da fam eines Tages der Hirte Bubulcus zu einem Freund 
und klagt, daß jeine Herde ganz von der Belt ergriffen werde. 

Ihm begegnet ein anderer Hirte, Tityrus, der luftig auf der 
Hirtenflöte mufiziert und ein vergnügtes Gelicht zeigt; denn jeine 
Rinder find alle gejund, obwohl die Herden der Nachbarn verjeucht 
find. Wie ift das möglich? fragt Bubulcus. 

Tityrus antwortet: „Ich habe den Ochſen das Zeichen des 
Kreuzes an die Stirn gemadt, das joll das Zeichen des Gottes 
jein, der jet in den großen Städten ganz allein verehrt wird und 
feiner neben ihm. Chrijtus ift jein Name, der einzige Sohn des 
ewigen Gottes. Willit du etwas von ihm erbitten, ' haft du nur 
zu glauben. Opfer find unnötig. Wer reines Herzens ift, erhält 
cn alles, was er wünſcht.“ Da entichließen fich beide Hirten, 
Chriften zu werden, ae in die nächſte Stadt und lajjen fich taufen. 

Chriſtus, der Erlöjer galt den heidnijhen Hirten und 
noch lange danad) vielen Getauften als ein großer Zauberer. 
6 


Die ältefte Chriftengemeinde der Rheinlande ilt Trier. Zur 
Zeit des Hunnenzuges waren nur wenig Chriſten in der Stadt, da 
fie nur eine Kirche hatten. 

Im Anfange des 5. Jahrhunderts wandelte man ein römijches 
Gebäude in ein Gotteshaus um, das im Laufe der Jahrhunderte 
zu dem Dome wurde, der jett noch ſteht. 

Als die Alamannen unter dem Könige Rando im Jahre 368 
über den Rhein bei Mainz gingen, waren gerade, da ein Sonntag 
war, alle Chriſten in der Kirche und die Stadt jelbft war den An: 
greifern preisgegeben. 

Als im Jahre 406 neue Schwärme der Germanen über den 
Rhein rüdten und Helen, Pfalz und Eljaß verwülteten, wurden 
Taujende in den Kirchen, wohin fie fich geflüchtet hatten, totgejchlagen. 

Mainz war um die Zeit jo verwültet, daß es dem Bilchof 
Sidonius um das Jahr 500 nur mit Mühe gelang jeine Reſidenz 
wohnlich) zu machen. Damals wurden viele römitche Tempel der 
Rheinlande in hriftliche Kirchen umgewandelt. Sidonius erbaute 
aber auch die erjte chriftliche Kirche in Mainz, die Baſilika St. Georgii. 

Auch in Worms und Speyer waren die meilten Bewohner 
riftlih. Nur die Germanen beharrten bei ihrem SHeidentume, da 
das Chrijtentum die Religion ihrer Feinde war. 


Die Alamannen in der Pfalz. 


Als die Burgunder aus Worms und der Umgegend abgezogen 
waren, rüdten die Alamannen ihnen nad. Die Pfalz und das Eos 
famen nun ganz in ihre Gewalt; die Pforten, die nad Gallien 
führten, durchzogen fie. So famen fie durch die burgundilche Pforte 
nach Gallien, durch die Täler der Dueich, des Speyerbaches, der 
Pfrimm und der Nahe drangen fie Inge und brennend ins 
Meitrih und über den Hunsrüd zur Mojel. Sie wurden die 
Nachbarn der Franken, die in Trier geradejo hauften, wie die Ala— 
mannen in Mainz, Worms, Speyer und Straßburg. 

Kein Zeitgenojje jehildert uns den gewaltigen Sturm der Ger: 
manen, die mit Weib und Kind, mit aller Habe gefommen waren, 
um bejjern Boden und üppigere Wiejen zu finden. Sie hatten wohl 
jenjeits des Limes den Aderbau gelernt, aber fie wollten nicht roden 
und wollten mühelos im jchönen Sande wohnen. 

Die Kaftelle am Rhein, auf den Kämmen der Haardt und 
im Weſtrich, jowie die Verſchanzungen an der Mojel wurden dem 
Erdboden gleich gemadt. Die Städte wurden wiederholt geplün- 
dert; aber die Germanen blieben hier nicht wohnen. Sie zogen das 

latte Land vor, wo fie ihre Holzhäujer bald aufichlugen und wo fie 
ch fippenweije niederließen und das Land bebauten. An dieje Zeit der 


— — 


germaniſchen Beſiedelung unſerer Heimat erinnern noch die älteſten 
Ortsnamen. 

Gimmeldingen, wo ſich die Sippe eines Gumildus niederließ, 
Winzingen (Winzo), Venningen (Bano), Fiſchlingen (Fiskilo), 
Bebingen (Bebo), Eſſingen, alt Oſſingan (Oſſo), Knöringen (Chnodo 
oder Chnodomar), Flemlingen (Flamar oder Flatmar), Böchingen 
(Bucco oder Bocco), Siebeldingen (Sibald-Sigibald), Impflingen. 

(Emphilo), Göcklingen (Gako), auch nicht mehr beſtehende Orte: 
Uzingen (Hugo), Serflingen (Sarilo, Saro — Kriegsrüſtung), Kin— 
dingen (Kindo), Geinsheim = Gunzingen (Gunzo), Edenkoben (alt: 
Otingen) (Oto). 

Um die Zeit der Herrſchaft der Alamannen werden uns auch 
zum erſten Male unſere Städte mit deutſchen Namen genannt: 
Gormetia (Worms), Sphira (Speyer), Porza (Pfortz), Stratisburgo 
(Straßburg), Ziurihi (Zürich). 


Vom Beliße. 


Die jhönen Weinberge, die die Römer an der Haardt und 
an den Hocufern des Rheines angelegt hatten, wurden nicht ver: 
wüſtet; wohl waren die reichen Befiger geflohen, aber die Leibeigenen 
blieben und noch nach mehreren Jahrhunderten traf man unter 
ihren Namen römijche und galliihe. Das Gejeg der Alamannen 
beitimmte: 

Knechte darf niemand außer Land verfaufen. Innerhalb der 
Provinz kann jeder, wenn es die Not gebietet, über jeine Anechte 
verfügen, wie es das Geſetz erlaubt. 

Wenn unter zwei Gejchlechtern über die sr Streit 
entitanden iſt und einer behauptet: „Dies ift unjere” (der Sippe) 
Grenze und der andere geht an einen anderen Drt und jagt: „Dies 
it unjere”, jo joll da zugegen jein ein Mann aus dem Volke und 
ſoll die Grenze abiteden, wie jene wollen und fie jollen das ftreitige 
Gebiet umjchreiten. 

Nachdem es umjchritten iſt, jollen fie zujammentreten und in 
Gegenwart des Grafen Erde aufheben und fie Jollen einen Baum- 
zweig in den Boden jtedfen, wo fie ausgehoben ijt, und jene Gejchlechter, 
die den Streit haben, jollen jene Erde in Gegenwart des Grafen 
aufnehmen und ſie in jeine Sand niederlegen. Der joll jie in ein 
Tuch wideln und ein Siegel darauf jegen und dann zu treuer Hand 
befehlen, bis zur Gerichtsverfammlung. 

Dann jollen fie untereinander klei geloben. Sind fie 
nun zum Kampfe fertig, jo werde die Erde herbeigebracdht und die, 
welche fämpfen wollen, müjjen fie mit ihren Schwertern berühren 
und Gott den Schöpfer zum Zeugen anrufen, daß er dem, bei welchem 
das Recht ift, den Sieg verleihe und dann Jollen ſie fämpfen. 

6* 


—— 


Wer von ihnen ſiegt, der beſitzt die Sache, um deren willen 
der Streit geführt wurde. 

Die Alamannen blieben noch Heiden wie ihre Nachbarn, die 
Franken. Anitelle der kleinen Gaufönige hatten fie einen mächtigen 
König, der fie zum Siege führte; denn bis weit nad) Gallien hinein, 
bis zur Maas fiedelten fie fi) an. Da traten ihnen die Franken 
entgegen. I 


Die Tranten. 


In der Völkerſchlacht auf der Katalaunijchen Ebene hatte der 
tapfere römijche Statthalter in Gallien, Aetius das Römerreich und 
das Chrijtentum gerettet. Die Bundesgenoſſen: die Burgunder 
an der Rhone, die Boten in Südweltgallien, die Franken am Nieder: 
thein hatten ihm tapfere Hilfe geleitet. 

Da ließ 454 der Kailer VBalentinian jeinen beiten Feldherrn 
Aetius ermorden. Bon nun an machten fich Burgunder und Goten von 
der Römerherrichaft unabhängig. Die Franken aber fämpften noch 
im Dienjte der Römer am Rheine gegen die Sachſen und an der 
Mojel gegen die Alamannen viele Jahre. Das römijche Gallien 
wurde immer Heiner und von 464—486 regierte hier der letzte 
Statthalter Syagrius, der jeines Vaters Amt (454-464) geerbt 
hatte. Er fragte auch nicht mehr nach dem Kaijer in Rom. 

Die Franken hatten damals noch feine Könige, die über alle 
Stämme herrjchten, jondern jeder Gau wurde von einem Häuptling 
(Baufönig) angeführt. 

Kater Julian, der Mamannenbefteger, hatte die Galier als 
Bundesgenojjen über den Rhein fommen lajjen und im Lande der 
Bataver angefiedelt. Ein Teil zog ſüdlich von Köln aufwärts und 
nannte ſich Ripuarier, d. i. Uferfranfen; zu Wetius Zeit famen fie 
ins Mojeltal. 

Der andre Teil, die ſaliſchen Franken, dehnte ſich mehr nad) 
Weſten aus, jo famen fie, weil das Land eben war, quer über die 
Flüſſe und fanden überall Waſſer und Weide für ihre Herden. 

Der erſte ſaliſche König, den wir fennen, hieß Childerich, der 
in Tournay an der Schelde als fränkiſcher Volkskönig regierte und 
den Römern beiltand. Dort jaß er in jeiner Holzburg. 

Als Zeichen jeiner föniglihen Würde trug er einen Königs: 
mantel von purpurner, golddurchwirkter Seide, wovon fich noch zahl: 
reiche goldene und jeidene Fäden 1653 in jeinem Grabe fanden. 
Auf feinem Mantel trug er viele Eleine goldene Bienen, die jpäter 
Napoleon I. auch auf jeinem Kaijermantel nachahmen ließ. Harnilch, 
Lanzenſpitze, Schwert und Streitaxt waren von Eijen. Sein Siegel: 
ring am Finger war von Gold und trug das Bild des Königs mit 
der Umjchrift Childiriei regis (Childerich, der König). 


- 5 — 


Childerich war noch ein Heide, aber als Freund der Römer 
achtete er die Chriften, Heiligtümer zerftörte er daher nicht wie die 
wilden Alamannen. Er ftarb 481 nach 2Ojähriger Regierung. 

Die Franken verwendeten die Münzen der Römer, eigene 
hatten fie nicht, jelbjt noch zur Karolingerzeit war das Münzwejen 
in der Hauptjache römiſch. 

Es gab wie in der alten Zeit einen Goldjolidus: 4,50 g 
Ichwer (jpäter nur noch 3,90 eg), der ungefähr den Wert unjeres 
Zehnmarkftüdes hatte, das 3,9825 & wiegt. Unter König Chlodwig 
wurde eine Scheidemünze, ein Gilberdenar geprägt (40 Denare = 
1 Solidus — Schilling). Den Denar nannten die Franken Schab 
oder Pfennig, daher jchreiben wir als Pfennigzeichen jest noch 9. 


— denarius. 


Aus dem Saliſchen Geſetze. 


Wer einen Freien überfällt und plündert, der joll, wenn 
es ihm nachgewiejen ilt, eine Buße von 2500 Denaren (Pfennigen), 
das find 63 Solidi, jchuldig fein. Hat dagegen ein Franke einen 
Römer beraubt, jo joll er 1200 Denare, das find 30 Solidi, zu 
zahlen jchuldig jein. 

So einer ein Haus über ſchlafende Menfchen anzündet, joll 
er für jo viele als darin waren, vor Gericht gezogen werden und 
wenn einer darin verbrannt ift, ſoll er 2500 Denare, das find 63 
Solidi, zu zahlen ſchuldig fein. 

Mer einen freigeborenen Franken oder Barbaren (Germanen), 
der nach dem ſaliſchen Geſetz lebt, getötet hat und dejjen überführt 
wird, joll 8000 Denare oder 200 Solidi bezahlen. 


Wenn er ihn aber noch in einen Brunnen oder ins Waſſer 
geworfen, oder ihn mit Zweigen und anderen Dingen bededt hat, 
um die Tat zu verheimlichen, jo joll er 24000 Denare, das ind 
600 Solidi, zu zahlen jchuldig fein. 

Wer einen Mann im Königsdienite oder ein freigeborenes 
Weib tötet, joll 24000 Denare, das find 600 Golidi, zu zahlen 
jchuldig jein. 

Wenn er aber den Leichnam ins Waller oder in einen Brunnen 
geworfen, oder mit Zweigen oder anderen Dingen bededt hat, um 
die Tat zu verbergen, jo ſoll er um 72000 Denare, das find 1800 
Solidi, gebüßt werden. 

Wer einen zinspflichtigen Römer tötet, joll 2500 Denare, das 
ind 63 Solidi, zu zahlen ſchuldig ein. 

Mer einen Grafen getötet hat, joll 24000 Denare, das find 
600 Solidi, zu zahlen jchuldig jein. 


— 86 — 


Wer den andern einen Fuchs nennt, ſoll 120 Denare, das ſind 
3 Solidi, büßen. 

Wer den andern einen Haſen nennt, büßt mit 120 Denare, 
das find 3 Solidi. 

Mer eine Frau Hexe nennt und bleibt den Beweis jchuldig, 
der ſoll dreimal 2500 Denare, das find 63 Golidi, zu zahlen 
Huldig ſein. 

o richteten die freien Franken unter freiem Himmel an be— 
ſtimmten Plätzen. Noch heute kennt man dieſe, wo das Volk be— 
waffnet zuſammenkam; die Königsſtühle auf dem Donnersberge, 
Stahlberge und bei Gangloff, der Stahlböhl bei Wachenheim an 
der Pfrimm, bei Frankenthal, die Stühle auf dem Stampe, d. i. im 
Stumpfwald bei Aljenborn, der Stahlböhl bei Godramftein und 
Frankweiler, der Gollenftein bei Bliestaftel und viele Steine in den 
Ortſchaften der Pfalz erinnern noch an ſolche Gerichtspläße. 


Franken und Alamannen. 
I. 


Als die Burgunder am Rheine abzogen und als der tapfere 
Römer Netius von Mörderhand gefallen war, konnten fich die Franken 
am Rheine, die Ripuarier weiter ausdehnen; aber da |tießen fie mit 
den Alamannen, die bis zur Mojel vorgedrungen waren, zujammen. 
Auch glaubten fie auf das Iintsrheiniiche Land ein größeres Recht 
zu haben als die Nlamannen, gegen die fie bisher im Bunde mit 
den Römern gekämpft hatten. 

Dem Jaliihen Könige Childerih folgte jein fünfzehnjähriger 
Sohn Chlodowech (Chlodwig, Yudwig), der den legten römiſchen 
u. unterwarf und jeine Refidenz von Tournay nad) Soiſſons 
verlegte. 

Vom Rheine her aber drangen dazumal alamannijche Scharen 
in das galliihe Gebiet ein, wo fie fich niederließen. Noch heute 
zeugen viele Namen in Lothringen von der Anfiedelung der Ala— 
mannen. 

Es war im Jahre 496, als Chlodwig die Alamannen in ihrem 
eigenen Lande heimjuchte; über die Päſſe der Vogeſen war er mit 
den ſaliſchen Franken in die Rheinebene hinabgeftiegen. In der 
Nähe von Speyer (zwilchen Worms und Straßburg) hatte fich Die 
Alamannenmacht verjammelt. 

Die Königin Chlotilde hatte bisher vergeblich ihren Gemahl 
gebeten, den wahren Gott zu befennen und den Göttern der Bäter 
zu entiagen. Doc umjonjt. Chlodwig war zwar ein Belchüger 
der Bilchöfe und der Kirchen, aber im Herzen war er ein Heide. 


ur BF 


Da zwang ihn die Not zu befennen, was jein Herz bisher ver: 
leugnet hatte. 

Als nun die beiden Heere zujammenftießen, fam es zu einem 
furchtbaren Blutbade; denn die Alamannen kämpften um vr Land. 
Chlodwigs Heer war der Vernichtung nahe. Da er das Jah, hob 
er feine Augen zum Himmel und rief flehend: „Jeſus Chriftus, 
Chlotilde jagt, du jeieft der Sohn des lebendigen Gottes, du bräd): 
teft Hilfe den Bedrängten und verlieheft Sieg denen, die auf dich 
hoffen; demütig beuge ich mic, vor dir und erflehe deinen mächtigen 
Beiltand. Bewährft du mir jet den Sieg über dieje meine Feinde 
— — — jo will ih an dich glauben und mich taufen lajjen auf 
deinen Namen. Denn ich habe meine Götter angerufen, aber fie 
haben mich, wie ich nun erfahre, verlajfen mit ihrer Hilfe. Ich 
glaube daher, ohnmächtig find fie, da fie denen nicht helfen, die 
ihnen dienen. Dich rufe ich jest an und ich will an dich glauben, 
wenn du mich den Händen meiner Widerjacher entreißeft.“ 

Bald fiel im Getümmel der Schlacht der Alamannenkönig und 
als das jeine Leute jahen, —— ihnen der Mut. Sie unter: 
warfen ſich noch auf dem Schlachtfelde und ihre Führer ſprachen zu 
Chlodwig: „Laß, wir bitten dich, nicht noch mehr des Volkes um: 
fommen, denn wir find ſchon die deinen!” 

Da gebot er Einhalt und brachte das ganze Alamannenland 
in jeine Gewalt. 


ll. 


Der Königin erzählte er, wie er Chrifti Namen angerufen 
und den Sieg errungen habe. Dieje aber ließ heimlich den Bilchof 
Remigius von Rheims rufen und bat ihn, er möchte den König 
auch wirklich befehren. 

Der Bilchof ging zum Könige, ermahnte ihn an ſein gegebenes 
Mort, er jolle an den wahren Gott, den Schöpfer des Himmels und 
der Erde glauben und den Böttern jeines Volkes den Rüden kehren; 
denn die könnten weder ihm noch den andern helfen. 

Da meinte der König: „Gerne höre ich dich, heiligiter Vater, 
aber eins macht mir noch Bedenten. Das Bolt, das mir folgt, 
wird nicht dulden, daß ich jeine Götter verlajje. Aber ich will hin- 
gehen und mit dem Volke jprechen nad) deinem Worte.” 

Die freien Franken kamen auf dem Felde zujammen und 
Chlodwig erinnerte fie nochmals an die wunderbare Errettung in 
der Alamannenſchlacht. Sie alle aber riefen: „Wir verlajjen, o König, 
die fterblichen Götter und find bereit, dem unjterblichen Gott zu 
dienen, den Remigius predigt.“ 

Mit großer Freude vernahm NRemigius dieje Botjchaft. Die 
NRheimjer ſchmückten die Straßen mit bunten Teppichen, die Kirche 
mit weißen Tücern. Das Taufbeden wurde in Ordnung gebradit, 
Mohlgerüche verbreiteten ſich und hell jehimmerten die brennenden 


ar 


Rh und der ganze Raum um das Taufbeden war von 
Wohlgeruch derart erfüllt, daß alle, die zugegen waren, meinten, 
fie jeien im Paradieſe. 

‚ „Der König verlangte — getauft zu werden, um im Bade 
die Flecken ſeiner früheren Taten a en. Als er im weißen 
Kleide zum Becken trat, um hineinzufteigen, ſprach der Bilchof: _ 
„Beuge deinen Naden, ftolzer Sigamberer. Bete an, was du ver: 
brannt haft und verbrenne, was du angebetet haft!“ 

Zuerſt befannte er den hriftlichen Glauben, ließ ſich auf denjelben 
taufen und dann mit dem heiligen Öle in Kreuzesform jalben. 
Ihm folgten mehr als dreitaujend edle Franken jeines Gefolges. 


III. 


Die Alamannen hielten den geſchloſſenen Vertrag nicht, da ſie 
gegen die ripuariſchen Franken zogen. In der Nähe des Rheines 
unweit Coblenz, bei Zülpich wurde das Volk der Alamannen, Könige 
und Führer aufgerieben. 506 n. Chr. 

Vom Main, Nedar und Mitelrhein zogen fie daher aus nad) 
Süden. Der große Oftgotentönig Theoderich rief die flüchtigen 
Alamannen in das menjcdenleere Yand am Nordrande der Alpen, 
in das alte Helvetien (Schweiz) nad) den Rändern um den Bodenjee 
und nach der ſchwäbiſchen Hochebene. Der Lech jchied fie jeitdem 
von den Bayern. 

Die Franken bejegten das verlajjene Gebiet am Main und 
Nedar, Zehentland, Rheinpfalz und Eljaß. Der größte Teil der 
Alamannen zog ab, andere blieben wohnen. Die Franken aber 
bededten das Land mit ihren Dörfern, die falt alle heim heiken. 
Alle pfälziiche Orte diefes Namens liegen in der Rheinebene und im 
niederen aber fruchtbaren Hügellande. Dieje Heim-Drte reichen von 
Mainz bis Landau und von Hagenau bis Bajel. 

Freie Franken fiedelten fich in der Ebene an. Sie famen von 
Norden her aus dem heutigen Rheinhejjen, wo ſich bereits andere 
Teile des Boltes banal: hatten. 

Längs des Rheines folgten fie der berühmten Römerftraße 
von Worms über Frankenthal, Oggersheim, Friejenheim nach Speyer. 
Sie machten Speyer zum Hauptorte des Speyergaues, wie jie Worms 
3% Hauptitadt des Wormsfeldes oder Wormsgaues gemacht hatten. 

n Speyer entitand eine königliche Pfalz auf dem Hochufer des Rheines 
hinter dem heutigen Dome, wo damals fich ſchon eine Kirche erhob. 

MWie von Speyer aus mehrere Römerftraßen in das Land 
führten, jo folgten auch die Franken nunmehr bei ihren Siedelungen 
diejem Wege. In jener Zeit oder ſpäter etwa von 500—800 n. Chr. 
entjtanden folgende Orte von Norden nad) Süden in der Rheinebene: 
Einjeltum, Einjeltheim, Heim einer Anshild, Harxheim, Harahesheim, 
Heim eines Haraho; Bubenheim (Bulo); Dttersheim, Autmaresheim 


2. — 


(Audomar); Bodenheim, Buggenheim (Buggo); Kindenheim (Kindo); 
Göſſesheim (Bozinesheim, Gozo); Büdesheim (Botines eim: Bodo); 
Lautersheim, Luteresheim (Zuthar); Heidesheim (Heido); indes: 
A ehemaliges Dorf bei Obrigheim (Zandrichesheim, Landerich) 
Aſſelheim, enheim (Azalo); Albsheim, Aolfesheim (Wolf); 
Niedesheim (Nito); Kleinniedesheim, Uzelnheim (Uszilo); Boben: 
heim, Babinheim (Babo); Littersheim, Lidrichesheim (Lidrich). 

Roxheim = Rocchesheim (Rocco) wie N 

Beindersheim = Bentritesheim (Bandrid). 

Heßheim = Hejlinheim, Heſſenheim (Hello). 

Heuchelheim = Hudilheim (Hugilo, Hugo). 

Gerolsheim = Geroltesheim (Gerold). 

Zaumersheim = Liutmaresheim (Liutmar). 

Ebertsheim = Eberulfesheim (Eberulf). 

Saujenheim = Sujenheim (Sujo). 

aaa = Gerinesheim (Berin) eingegangenes Dorf bei 

irchheim a. d. €. 

— = — (Bizzirich). 

Bobenheim a. B. = (von Bobo). 

Dadenheim = (Dago). 

Weijenheim a. B. und a. S. = Wizenheim (MWizo). 

Herxheim a. B. = Heriesheim (Horigis, Herigis). 

Freinsheim = Frainesheim (Frein, —— ?). 

Erpolzheim = Erpholfesheim (Erpholf). 

Zambsheim = Landmundesheim (Landmund). 

Flomersheim = Flamaresheim (Flamar = Flatmar). 

Dggersheim = Agridesheim (Agrid = Agfrid). 

Drmsheimerhof = Agmaresheim (Agmar). 

—— = Frieſenheim (Frieſo). 

emshof = Hamingesheim ( — Hemming). 

Mundenheim — Mundinheim (Mundo). 

Medenheim — Medemenheim (Matto oder Medeman). 

Rheingönheim = Geginheim, Geinheim (Gago). 

Ruchheim — Ruochheim (Ruoho). 

Gönheim — Gininheim (Gino). 

Aſſenheim — Aſſenheim, Anſilheim (Anſilo). 

Alsheim — Alasheim, Alahesheim (Alach). 

Rödersheim = Ratherisheim (Radheri). 

Friedelsheim — Fridolfisheim (Fridolf). 

Wachenheim — Wacchenheim (Wacco). 

Deidesheim — Didinisheim (Didin). 

Meckenheim — Macchenheim (Macko). 

Waldſee — Walsheim, Walahesheim (Walach). 

Winternheim — Winthirnheim (Winther), eingegangener Ort. 

Hanhofen — Hagenheim (Hago). 

Iggelheim — Ugulenheim (Ugulo, Ugo). 


Auch 


u. 


Mechtersheim = —n (Mahtheri). 

PMarrenheim = (Maro), eingegangenes Dorf bei Mechtersheim. 

—— —— — Swibichenheim (Swabicho). 

Gommersheim = Gummaresheim (Guntmar), 

Freimersheim = Frimaresheim (Frimar). 

Edesheim = Otinesheim (Dtin, Dto). 

Walsheim = Walahesheim (Waladı). 

Arzheim = Arbotesheim (Arbod). 

Wollmesheim = Wolmodesheim (Wolamunt). 

Mörzheim = Morinesheim (Morin). 

Slbecheim = Ulvinisheim (Ulfin). 

Mörlheim = Merlungheim (Merlo, Marilo). 

Dttersheim = Udomarsheim (Udomar, Otmar). 

Knittelsheim = Enutilesheim (Enutilo). 

Bellheim = Bellinheim (Bello, Ballo). 

Germersheim = Germaresheim (Germar). 

Rülzheim = NRuadleihesheim (Ruodlich, Rulich). 

Herxheim = Hergijesheim — Herigis). 

Insheim — Enſichesheim (An 

Heuchelheim — Huchilinheim (Säle, Hugo). 

Ingenheim = Ingo. 

Leimersheim = Leidmaresheim (Leidmar). 

Wanzenheim = Wanzenheim (Wanzo), eingegangenes Dorf 
bei Rheinzabern, jest Mühle. 

Schweinheim = Sueninheim (Sweno), eingegangenes Dorf 
bei Jockgrim. 

Höfen bei Kandel = Heifanheim (Heifo). 

Jockgrim = Jochenheim (Joco). 

viele unſerer Namen auf „Stadt“, wie: 

Grünſtadt = ala (Grind = Berg). 

Kallitadt = Cagelenitat (Name KRagalo). 

Leijtadt = Lujjelftadt (Name Lüjfo). 

Ellerjtadt = Mleridesftat (Name Mlarid). 

Mutterjftadt = Mutherjtatt (Muther, Muothari). 

Dannftadt = Dandiltat, Dandeftat (Dando). 

Dtterjtadt = Odderſtat (Other, Authari). 

Ruftadt = Ludesſtat (Lud, Hlud = Ludwig). 

Hochſtadt = Hohunftat (zu „hoch“). 

Schifferſtadt = Sciffeltad (Floßgeltade des Rheins). 


Aus jener Zeit ftammen auch: Hochdorf, Speierdorf, Altdorf, Nußdorf. 


Godramijtein = Gotmaresitein (Stein des BE 
Ungitein = Unckhesitein (Name Unco). 

Eppitein = Appinſtein, Eppinjtein (Ebo). 
Dirmitein = Dirameltein (Dietram). 

Colgenftein = Colugunitein (Colugo). 


— — 


Viele Edelinge der Franken legten Fron- oder Herrenhöfe an, die mit 
Huben (etwa 40 Morgen) umgeben waren: 


— = Appenhouen (Hof des Abbo). 
Dudenhofen = Duttenhofen (Dudo). 

MWatenhofen (bei Edenkoben, jet Gaſſe) (Wazzo). 

Oberhofen = Haupthof, zu dem viele Fronhöfe gehörten u. v. a. 
Edenkoben = Dttinc-hoven, Dtting:hoven (Dtting, Otto). 


In dem neuen Lande richteten fich die Franken alſo häuslich ein. 
An die Spie der Gaue oder Grafſchaften traten die Gaugrafen, 
die den Heerbann aufriefen, das Land verwalteten und im Namen 
des Königs das Gericht auf den befannten Pläßen hielten. Steuern 
brauchten die freien Franken nicht zu bezahlen, da fie dem Könige 
ſtets ſelbſt und unentgeltlich dienen mußten. Dafür hatte diefer vom 
eroberten Lande das beite behalten. 

In die Hauptitädte der Gaue jegte Chlodwig Bilchöfe, in die 
Hauptftädte der römiſchen Provinzen famen jpäter (Trier, Köln und 
Mainz): Erzbiihöfe. Zu Chlodwigs Zeit mögen auch die Städte 
Worms und Speyer Bilhofsfige geworden ſein. 


Die fränkiſchen Gaue der Pfalz. 


Die Jien in or heutigen Geftalt umfaßte vier Gaue: den 
Speyer:, Worms:, Nahe: und Bliesgau. In den beiden erften 
ragten zwei alte Römerftädte hervor, in den andern gab es nur 
Dörfer, Weiler und Höfe. 

Der Speyergau hatte folgende Grenzen: 

Im Dften bildete der Rhein die natürliche Grenze, gegen 
Norden eine Linie, die zwilchen NRheingönheim und Mundenheim 
egen die Iſenach bei Dürkheim zog, jo daß Rheingönheim, Maudach, 

utterjtadt, Ruchheim, Fußgönheim im Speyergau lagen. Über: 
halb GErpolzheim lief die Scheide der Iſenach entlang zwilchen 
Hardenburg und Limburg nad) Frankenftein, zwilchen Speyerbrunn 
und Raijerslautern folgte die Scheide dem Kamme der Haardt; 
Trippftadt und Waldfiſchbach lagen noch im Speyergau, eben)o 
Kaltenbach, Hinterweidenthal und Dahn, während der Grevenitein 
bei Merzalben, Münchweiler an der Rodalb und Lemberg im Blies- 
gau lagen; die Wieslauter jchied beide Gaue; im Süden bildete die 
Selz in Eljaß die Scheide, jo daß Weißenburg zum Speyergau gehörte. 

Der Nahegau reichte vom Rheine beit Mainz und Bingen bis 
in das Weſtrich. Nicht weit vom Höcherberge, am Scheiden- 
burger Woog tiefen Worms-, Bliess und Nahegau zujammen, 
— lag noch (auch Landſtuhl) im Wormsgau, Otterberg 


im Nahegau, Waldmohr im Bliesgau; an der obern Nahe bei Ober— 


— — 


ſtein ſchieden ſich Nahegau und Triergau. Zwiſchen Nahe und Moſel 
bildete die Höhe des Hunsrücks die Grenze. 

Der Nahegau im engern Sinn ſcheidet ſich vom Mainzergau 
(Mainzer Mark) und dem Wormsgau durch eine Linie, die von 
Bingen nach dem Donnersberge gezogen war, ſo daß Rockenhauſen 
im Nahegau, Falkenſtein im Wormsgau lagen, und die öſtlich von 
Diterberg durch das Bruch zum Scheidenburger Woog ging. 


Der pfälziſche Beraidewald. 


Als die Franken in die Vorderpfalz eindrangen, war der große 
Wald des Haardtgebirges noch nicht verteilt. Bis zum Rande des 
Gebirges reichten zwar die Stedelungen der Franken, aber der un- 
bewohnte Wald war Eigentum aller. Er hieß Geraidewald. 

Hier im Haardtgebirge durften die fränkiſchen Bauern Holz 
holen, joviel fie zum Bauen und Brennen braudten. Sie konnten 
ihre Schweine in die Eichenwälder treiben, wenn es Eicheln genug 
gab, die Schmalzweide nannten fie es. 

Aber auch ihr Vieh konnten fie auf die Grasweide, Rauhweide 
genannt, bringen. Jagd und Filcherei waren ebenfalls frei. 

Seit dem 6. Jahrhundert aber gab es hinter diejen Wäldern 
der Haardt Königswälder, die nur dem Könige gehörten, der hier 
Jagden hielt, jo oft ihm beliebte. 

Manche diejer Königswälder wurden an die Gemeinden in der 
fruchtreichen Ebene verjchentt; viele Gemeinden bejaßen dieje Wälder 
aber auch von den erften Anfiedlern her. 

Da die meilten Orte, die Wald hatten, im alten Speyergau 
lagen, jo galt der Stahebühel bei Frankweiler als die höchite 
Gerichtsitätte. — 

Der Geraidewald war in 16 Geraide eingeteilt. Um die 
Wälder jelbit hatten die Bauern Zeichen des Befiges in Eichen und 
Buchen gehauen oder gejchnigt. Grenziteine gab es damals noch 
feine. Aber man hieb zwiſchen den einzelnen Beraidewaldungen 
ſchmale Lichtungen, die man heute Schneizen nennt. Man „Ichlug“ 
Mege durch den Wald. 


Alle Jahre gingen die jungen Geraidebauern von 12—20 Jahren 
um die Geraide, der Waldmeijter zeigte ihnen die Grenze und er: 
zählte die Schenkung vom Könige en 

Denn unter den Geraidebauern ging die Sage, dab König 
Dagobert der Gute 628—638 den Bauern der Ebene den Wald 
ſchenkte. Das trug fich jo zu: 

Einjt wurde König Dagobert der Gute, der auf Landed jap, 
von jeinen Bettern verfolgt und der König mußte fliehen. Er kam 


— ME 


bis in die Nähe von Franfweiler und jeßte fich hier unter einen 
mächtigen Dornbujch, jo daß ihn jeine Verfolger nicht jehen konnten. 

Da eilten auch die treuen Bauern der Gegend herbei und ver: 
en die Feinde, den König aber brachten fie auf jeine Burg 
zurüd. 





Blas aus der Merovinger-Zeit (6. Jahrh.) 


Zum Lohne jchentte Dagobert den Bauern der Ebene den 
roßen Wald, der von der Wieslauter bis zum Donnersberger 
Sande reichte. Hier durften fie nicht nur Bauholz und Brennholz 
loviel fie brauchten, * ſie durften auch mit Pfeil und Bogen 
jagen nach Herzenslu 


BEE, : Gun 


Seitdem bejaßen die Bauern die ausgedehnten Waldungen, die 
als Geraidewaldungen befannt find. 

Gerade in demjelben Jahre (1820), in dem die Haingeraide 
fih auflöjte und jede Gemeinde ein Stüd Wald erhielt, wie es der 
gebt ihrer Einwohner entſprach, jchlug ein furchtbarer Blitz in die 

rone des jchönen Hagedorns, unter dem einft ſeit uralten Zeiten 
die Geraidebauern jaßen, wenn fie Gericht hielten über ihren Wald. 


In Chlodwigs Neid). 


An Stelle der alten Volksverſammlung berief König Chlodwig 
das Heer zum Da die Zulammentunft im März gejchah, jo 
wurde fie Märzfeld genannt. Hier wurden dem Könige freiwillige 
Ehrengaben gebracht; auch eine Heeresmulterung wurde vorgenommen, 
die freien Männer gezählt, die Waffen geprüft. 

Als Chlodwig noch Heide war, wurden von den Franken viele 
Kirchen ihrer Schäge wegen geplündert. So nahmen fie auch aus 
der Kirche des Bilchofs —— einmal einen Krug von wunder: 
barer Schönheit weg und noch andere koſtbare Kirchenſchätze. 

Remigius jandte daher Boten zum Könige, die baten ihn, er 
möge doc wenigitens den foftbaren Krug zurüdgeben; die andern 
Dinge wollten fie lieber verlieren. 

Der König ſprach zu einem der Boten: „Folge mir nad 
Soiſſons; denn dort muß auf dem Märzfelde alles geteilt werden, 
was erbeutet wurde. Wenn das Gefäß auf meinen Anteil fällt, jo 
werde ich tun, was der fromme Vater will.“ 

Chlodwig ritt nach Soiljons, wo die ganze Maſſe der Beute 
öffentlich zulammengebracht wurde. 

Zu ce Kriegern aber ſprach er: „Ich bitte euch, tapfere 
Krieger, gebt mir joe meinem Teil der Beute auch diejes Gefäß. 
Er wies auf den Krug aus der Kirche des Nemigius. 

Da ſprachen feine Getreuen: „Ruhmreicher König, alles was 
wir jehen, ijt dein. Wir jelbft ftehen unter deinem Gebot; tue jet 
was dir gefällt. Denn feiner kann deiner Macht widerjtehen.“ 

Da ſagte ein heidnilcher Franke mit lauter Stimme: „Nichts 
jolft du haben, als was dir nad) dem Recht das Los zuteilt.“ Der 
Neidiiche erhob jeine Francisca (Streitaxt) und ſchlug auf den Krug, 
ohne ihn zu zertrümmern. 

Der König jchwieg, nahm den Krug und gab ihn dem Boten 
des Remigius. 

Darüber verfloß ein Jahr. Wiederum kamen die Franken auf 
dem Märzfelde zulammen, um die Waffen zu zeigen. 

Als nun die freien Männer, die nad) Gauen geordnet waren, 


- 5 — 


fih im Schmud der Waffen zeigten, trat Chlodwig auch zu dem, der 
vor einem Jahre den Krug zerichlagen hatte und ſprach: 

„Keiner trägt jo Ichlechte Waffen als du, deine Lanze, dein 
Schwert und deine Axt taugen nichts.“ Er nahm ihm die Axt 
ab und warf fie auf den Boden. Der Franke büdte fih, um fie 
aufzuheben. Da holte Chlodwig aus und hieb dem Unbedachtſamen 
den Kopf ab und ſprach: „So haft du es in Soiljons einft mit dem 
Kruge — 

e aber überkam ſeitdem eine große Furcht vor dem Könige. 


Wie Chlodwig die Uferfranken unterwarf. 


König Chlodwig regierte in Paris. Zu Köln am Rhein ſaß 
Siegbert, Stammeskönig der Uferfranken. Einſt ſchickte —— zu 
deſſen Sohn Chloderich heimliche Boten. Die — „Siehe, dein 
Bater iſt alt und hinkt mit ſchwachen Füßen. Wenn er ſterben würde, 
jo würden wir dir helfen, daß jein Reich dir zufiele.“ 

Chloderich ſann nun nach, wie er jeinen Vater töten könne. 

Einft ritt Siegbert mit wenig Begleitern zu Köln hinaus über 
den Rhein in den Wald Buchonia, wo er herumjchweifte. 

Als er eines Tages zur Mittagsitunde im Zelte jchlummerte, 
jandte der Sohn Mörder und ließ den alten Vater töten. 

Chloderich befam nun jeines Baters Schäße und die Ripuarier 
riefen ihn in Köln zum Könige aus. An Chlodwig aber jandte er 
Boten mit der Nachricht: „Mein Bater ijt gejtorben und ich habe 
jein Reich und feine Schäße. Sende deine Diener zu mir; was dir 
von meinen Schägen gefällt, will ich dir freiwillig überlaffen.“ 

Chlodwig gab zur Antwort: „Ich jage dir Dank für deinen 
guten Willen und bitte dich unjern Boten alles zu zeigen, was du 
allein befigen jollit.“ 

Siegberts Sohn nahm die Boten freundlich auf und zeigte 
ihnen alle jeine Schäge. Während fie die Neichtümer betrachteten, 
wies Chloderich auf eine Kiſte und ſprach: „In dieſe Kilte pflegte 
mein Vater die Goldftüde zu legen.“ „Strede deine Hand aus“, 
ſprachen die Boten, „bis auf den Grund, damit du alles zeigejt!” 
Mährend fih nun Chloderich büdte, erhob ein Bote die Streitaxt 
und jchlug dem Ahnungslojen den Kopf ab. 

Als Chlodwig das hörte, fam er mit bewaffneter Macht an 
den Rhein und rief die freien Männer auf offenem Felde — 
dort ſprach er: „Vernehmet, was ſich zugetragen hat. ährend 
ich die Schelde entlang fuhr, trachtete Chloderich, der Sohn meines 
Blutvetters, ſeinem Vater nach der Herrſchaft und machte ihn glauben, 
ich wollte ihn töten. 

Als der Vater deshalb durch den buchoniſchen Wald (Heſſen) 


=: OR ee 


floh, ſchicke der Sohn Mörder nad) und ließ ihn ermorden. Darauf 
wurde er, während er jeines Vaters Schäße auftat, von irgend 
einem mir unbefannten Wanne gleichfalls erjchlagen. An diejem 
allem bin ich ohne Schuld; denn das Blut meiner Stammesvettern 
darf ich nicht vergießen. Schändlich wäre es, wenn ich es täte, 

Da es jedoch einmal jo gefommen ift, jo gebe ich euch Dielen 
Rat: Wenn es euch genehm ilt, jo wendet euch zu mir, damit ihr 
ficher unter meinem Schuße lebet.“ 

Als das die Franken vernahmen, erhoben fie ein Freuden— 
gejchrei, ſchlugen klirrend ihre Schilde zufammen, hoben den König 
nad) alter Sitte auf den Schild und huldigten ihm als König der 
Jaliichen und ripuarijchen Franken. Die Schäße Giegberts aber 
famen in jeinen Beſitz. 

Ein anderer Stammestönig der Franken hieß Chararid. 
Als Chlodwig gegen den römijchen Statthalter Syagrius 486 Itritt, 
lollte Chararich mit feinen Franken helfen. Er Itand aber abjeits 
und erwartete untätig den Ausgang des Kampfes. Denn er wollte 
ſich auf deſſen Seite helfen, dem der Sieg zufiel. Chlodwig hakte 
ihn daher. 

Durh Lift nahm er Chararich mit feinem Sohne gefangen, 
ließ beide fejleln, jcheren und zu Geiftlichen weihen. 

Sie aber drohten fich die Haare lang wachen zu lajjen und 
Chlodwig zu töten, da befahl er beide zu töten und nahm nad) 
ihrem Tode Land, Schäge und Bolf an ſich. 

Ebenjo ermordete er jelbit jeinen Verwandten Ragnachar und 
dejjen Bruder und wurde Mlleinherricher über ganz Gallien. 





Die Stände und Rechte der Franken. 


Auf den Kriegszügen Chlodwigs machten fi) viele Männer 
verdient, die es als eine Ehre anjahen, im Dienſte des Königs 
di fümpfen. Sie belohnte der König reich mit dem eroberten 

ande, das ihm allein zukam; auch in unjerer Pfalz wurden jolche 
Landftriche an Adelige, bejonders an die Gaugrafen verjchentt, die 
es wieder an ihre Kinder vererben konnten, jo daß es ihr Eigentum 
blieb. Ginen großen Teil des eroberten Landes behielt der König 
für fich, der überall Meierhöfe in fränkiſcher Bauart anlegen ließ, 
wie ja auch die Adeligen ſolche Fronhöfe gründeten, wo ihre Leib: 
eigenen wirtichafteten. 

Auch die fränkiſchen Bauern waren frei wie die Ndeligen. 
Handwerker, Winzer und Jäger waren unfrei aber nicht rechtlos. 
Zwilchen den Freien und Unfreien ftanden die Hörigen oder Halb: 
freien. Wenn Chlodwig einen Halbfreien oder einen Unfreien frei 
machen wollte, gejchah es auf folgende Weile: Der Hörige trat vor 


den König und bot ihm einen Denar oder „Schag” als Abgabe an. 
Ein freier Franke aber jchlug die Münze aus der Hand, zum Zeichen, 
daß der König die Annahme der Abgabe verweigerte. 

Wer fich in Knechtichaft begab, beugte den Naden unter den 
Arm oder Bürtel des Herrn oder unter das Glodenfeil; der Herr 
faßte ihn bei den Haaren. Wurde ein Stüd Land verkauft, jo 
übergab der Verkäufer dem Käufer eine Erdjcholle als Zeichen des 
Kaufes. Wurde ein Haus verkauft, jo erhielt der Käufer als Wahr: 
— den Türpfoſten, bei Kirchen wurde das Glockenſeil oder die 

ltardecke gereicht. 

Erde und Gras wurden als äußere Zeichen bei Schwüren und 
Bündniſſen genommen, bei Grenzſtreitigkeiten und bei Unterwerfung. 

Durch Halmwurf konnte ein Gut auf einen andern, der nicht 
natürliche Erbanſprüche hatte, übertragen werden. Der Erbe mußte 
drei Gäſte im neuerworbenen Hauſe beherbergen und bewirten. 

Wer einen Garten, Weinberg oder Wald kaufte oder erbte, 
erhielt zum Zeichen deſſen einen Laubzweig oder eine Rebe. 

Das Zeichen der höchſten Gewalt war der Stab; ihn trugen 
Könige und Richter und er wurde von dem, der dem König Treue 
ſchwur oder dem Richter einen Eid leiſtete, berührt. 

Wer auf ſein Eigentum verzichtete, ſprang mit dem Stab in 
der Hand, im Hemde und barfuß über den Hofzaun. 


Wie die Franken ihre Toten begruben. 


Die Germanen zur Zeit Hermanns verbrannten oder begruben 
ihre Toten. Als die Franken an den Oberrhein, in die ai 
falz famen, fannten fie nur noch die Beltattung in Gräbern. 
riefen und Sachſen dagegen übten noch lange den Leichenbrand, 
weil fie länger am heimijchen Heidentum feithielten. 

Bei Franken und Alamannen finden wir nur Reihengräber, 
aljo Friedhöfe nach heutiger Art. Die Toten lagen in regelmäßigen 
Reihen in der Richtung von Weiten nach Dften (wie noch heute 
jüdiſche Friedhöfe). Im heutigen Frankreich, wohin Chlodwig jeine 
Salier geführt hatte, ruhen oft 4000 beieinander in langen Reihen. 
In den Rheinlanden und namentlich in der Pfalz ijt die Zahl der 
Gräber nur 30—60. Nur in der Nähe der Städte, alſo bei Speyer, 
Worms und Mainz finden wir größere Friedhöfe. 

Die Franken hielten ihre Toten in hohen Ehren, ſchon ihr 
Geſetz: das ſaliſche Geſetz Tit. 15 jagt, wenn jemand die Leiche eines 
getöteten Mannes, ehe fie zur Erde bejtattet wird, heimlich aus» 
plündert und dejjen überführt wird, jo joll er zu 2500 Pfennigen 
oder 63 Schillingen verurteilt werden. 

Wenn aber jemand eine jchon begrabene Leiche ausgräbt und 

7 


ui TOR, 


beraubt und dejlen überführt wird, jo joll er aus der menichlichen 
Gejellichaft ausgejchlojjen jein bis an den Tag, da er fich mit den 
Verwandten des Berjtorbenen ausgleicht, und dieſe jollen für ihn 
bitten, daß er wieder unter Menjchen dürfe. 

Auf dem Grabhügel wurde der Dornitrauch gepflanzt, der als 
heilig galt, in Norddeutjchland dauerte dieje Sitte noch lange an. 

Um die Friedhöfe jelbit zog man einen geflochtenen Zaun von 
Dornen. 

Die Verjtorbenen wurden bis zum völligen Erkalten auf Stroh 
(Schaub — Schäb) oder auf Bretter gelegt, die eine menjchenähnliche 
Form hatten. Von den Römern erjt lernten unjere Borfahren Holz: 
oder Steinjärge fennen. 

Aber noch in chriltlicher Zeit hielten die Franken an ihren 
Gräbern heidnijche Opfermahlzeiten ab und jangen Toten-Zauber— 
lieder, die den Zweck hatten, den Geilt des Toten nicht mehr zur 
Erde zurüdfehren zu lajjen. Zur Zeit des Apoftels Bonifatius nahmen 
jogar noch Priejter an den Opferſchmäuſen teil und als dies von 
Karl dem Großen verboten wurde, hielt man in den Häuſern 
Bedächtnismähler, wie in vielen Gegenden der Pfalz noch heute. 

Den Toten jogar gab man Speije und Trank mit; auch Tiere, 
wie Pferde, Hunde, Hiriche, Schafe und Schweine, legte man zu 
ihnen ins Grab. Nach römiſchem Glauben aber ſteckte man in unjerer 
Gegend den Berjtorbenen noch lange Zeit Münzen in den Mund, 
damit fie Reijegeld in die Unterwelt hätten. 

Die Männer erhielten außerdem ihre Waffen: Lanze, Lang: 
Ichwert und Kurzichwert und den Panzer, dazu noch Bogen, Pfeile 
und Meſſer; aber auch Gefäße, Feueriteine, Yeuerftahl und Kämme 
fehlten nicht. 

In den Frauengräbern findet man Meſſer, Spinnwirtel und 
Gefäße, jowie Schmuckſachen aus Glas, Ton, Bernitein und Amethyft, 
Nadeln aus Bronze, Ohrringe, Fibeln, große und Heine Schnallen, 
Münzen und Eberzähne. Vergleiche die Abbildungen aus den 
Landauer Grabfunden. 


Chlodwigs Söhne erobern Thüringen (531). 
I. 


Chlodwig ftarb 511 zu Paris und wurde in der Kirche der 
heiligen Apoſtel, die die Königin Chlotilde erbaut hatte, begraben, 
er war erit 45 Jahre alt. Seine Söhne teilten fich in jein Reich; 
im rheinilchen Zande herrichte Theodorich. 

Damals jagen in Thüringen drei Brüder: Badrich, Irmin— 
fried und Berthar. Irminfried tötete jeinen Bruder Berthar und 


— — 


nahm deſſen Kinder, eine Tochter Radegunde und zwei Söhne an 
ſeinen Hof. 

Irminfrieds Gemahlin Amalberga, eine gotiſche Königstochter, 
trachtete auch dem Bruder Baderich nach dem Leben. Als eines 
Tages Irminfried zum Mahle kam, fand er den Tiſch nur halb 
det und da er verwundert fragte, was das bedeute, antwortete de: 
„Wer nur das halbe Reich jein nennt, muß auch zufrieden fein, 
wenn er den Tiſch nur halb gededt findet.” 

Irminfried dachte daher an jeines Bruders Tod. Heimlich 
ſandte er Boten an König Theodorich in Franken und bat ihn um 
Hilfe im Kampfe mit dem Bruder. 

„Wenn du ihn tötejt“, meinte Theodorich, „Jo wollen wir jein 
Reich in gleiche Hälften unter uns teilen.“ 

Theodorich bot den Heerbann der Franten am Rhein und 
Main auf und z0g zu Irminfried. Sie verbanden fich, gelobten 
einander Treue und rüdten gegen Badrid). 

Badrich unterlag den beiden Gegnern und er jelbit verlor durch 
das Schwert fein Leben. Theodorich zog wieder heim, Irminfried 
aber vergaß ſeines Gelübdes. 


ll. 


TIheodorich rief Daher jeinen Bruder Chlotar (Lothar) zu Hilfe 
und verſprach ihm einen Teil der Beute. Zu jeinen Kriegern aber 
prach er: „Bedenfet, ihr Franken, der Schmach, welche die Thüringer 
con früher uns getan haben. Denn fie brachen über unjere Väter 
mit Gewalt herein, nahmen Geileln als Tsriedensunterpfänder mit 
fort und töteten fie. 

Jetzt hält mir Irminfried nicht das Verjprechen, das er mir 
gegeben hat. Wir haben aljo eine gerechte Sache, laßt uns unter 
Gottes Beiltand gegen fie ziehen.“ 

Die Franken jtimmten ihrem Könige zu und zogen einmütig 
mit nach Thüringen. 

Auf dem Tyelde aber wo der Kampf ftattfinden jollte, gruben 
die Thüringer Löcher, deren Öffnungen fie mit Rajen jo zudedten, 
daß fie niemand jah. Als es zum Kampfe fam, fielen Roß und 
Reiter der Franken in dieje Löcher, aus denen fie nur mit gebrochenen 
Gliedmaßen herausfamen. 

Dennoch wurden die Thüringer geichlagen. Irminfried floh 
und jein Heer folgte ihm. Am der Unftrut wurden fie von den 

ranken eingeholt, taujende ftürzten in die Fluten, jo daß das Waller 
5 ea und die Franken über die Leichname ans jenjeitige Ufer 


Seitdem herrſchten die Franken in Thüringen. 
König Chlotar nahm die Waiſe Radegunde und ihre Brüder 
als Gefangene mit nach Weſtfranken und heiratete Radegunde. 
7* 


— 10 — 


Eines Tages aber ließ ihr Gemahl ihren eigenen Bruder er— 
morden. Da legte fie das weltliche Gewand ab, baute ſich in 
Poitiers ein Alofler und — ſich bald — Gebet, Wachen 
und Almoſengeben ſo aus, daß ſie einen großen Namen gewann. 

Theodorich war wieder am Rheine. Da lud er Irmfried, der 
ſich unterworfen hatte, zu ſich ein und verſprach ihm fein Leid zu 
tun. Irminfried fam und Theodorich überhäufte ihn mit Ehren: 
geſchenken. 

Eines Tages gingen beide auf der Mauer von Zülpich Iuft- 
wandeln. Plößlich erhielt Irminfried einen Stoß, jo daß er von 
der Mauer zur Erde ftürzte und tot war. 

Mer ihn ftürzte, erzählt die Geichichte nicht; man Jagte aber 
damals, Theodorichs Hinterlift jei Schuld gewejen. 


Bayerns älteite Zeit. 


Das Chriltentum in Bayern. 


Mie an den Rhein, jo hatten die Römer auch an die Donau 
das Chriftentum gebracht. Schon vor dem Jahre 300 n. Chr. 
lebten in Augsburg und ——— Chriſten. 

In Augsburg predigten damals der Wanderbiſchof Narziſſus 
und der Apoſtel Maximilian, den die Agilolfinger, die Grafen von 
se und Wittelsbach und das Gejchlecht der Habsburger jpäter 
verehrten. 

Um das Jahr 396 fam ein chrijtlicher Kaufmann aus Italien 
mit feinen Waren nad) dem Lande der Martomannen. Dort hörte 
die Fürftin Fritigild feiner Lehre gerne zu. Sie und ihr Gemahl 
entjagten den alten Göttern Wodan, Tonar und Ziu und ließen fich 
taufen. Der Kaufmann hatte ihnen viel von dem frommen Bilchof 
Ambrofius in Mailand erzählt. 

Fritigild jchicte eine Bejandtichaft zum Bilchof Ambrofius und 
bat ihn um jchriftliche enger ler. in der chriltlichen Religion. 
Ambrofius jehrieb ihr einen Brief, in der er die Chrijtin über die 
ln Cell des Chriftentums unterrichtete. Als fie diefen Brief 
gelejen hatte, eilte fie jelbjt nach Mailand. 

Sie traf den frommen Bilchof nicht mehr am Leben. Sie war 
die erite uns bekannte deutjche und bayerijche Fürftin, die fich dem 
Chriftentum anjchloß. 


Severin. 


Als Attilafin Ungarn 453 ftarb, fam aus fernem DOften ein 
merfwürdiger Mann in das heutige Bayern, damals Noricum ge: 
nannt, das noch von den Römern ns war. 

Seine Geltalt war unanjehnlic, * Geſicht vom ſtrengen 
Faſten abgemagert, ſein Bart über die Maßen lan 9— Einſiedler— 
art. Sein Kleid war ſchlecht und rauh und ſelbſt Im inter ſchritt 
er barfuß einher. 

So zog er bald dreißig Jahre lang predigend und helfend 
durch das Land. Den Armen und Kranten tat er allenthalben 
Mohltaten. 


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In Faviana, einem römijchen Orte in Noricum, der heute 
nicht mehr jteht, war Severins Zelle. 

Eines Tages erſchien ein jtattlicher, blondhaariger Jüngling 
vom Stamme der Heruler in jchlechter Kleidung in Severins Hütte. 
Er war ein Häuptling und hieß Odoaker, ihm folgten einige Jüng— 
linge; fie mußten fich in der Hütte bücden. Der Häuptling Odoaker 
bat um den Segen des frommen Mannes. Severin ſprach: „Geh 
nach Italien; jet deckt dich zwar noch ein jchlechtes Gewand, bald 
aber wirft du vielem Volke große Gaben austeilen.“ 

Sp war es. An der Spite germanijcher Scharen zog Odoaker 
nach Italien. Den jugendlichen Kaiſer Romulus Auguftulus zwang 
er, die Krone niederzulegen. Seine Krieger aber Tiefen ſich unter 
den Römern nieder. 

Severin ftarb 482. über die Donau und die Teufelsmauer 
drangen die Germanen. Da befahl Odoaker den römilchen Bes 
wohnern abzuziehen und nach Italien zu kommen. Biele folgten 
dem Rufe, andere flüchteten nur in das unzugängliche Gebirge und 
in dichte Mälder. 

Severins Leichnam nahmen die Römer mit nad) Italien, wo 
jte ihn in Lucullanum beitatteten. 


Die Bayern. 


Ihre Herkunft. 


Batas hieß bei den Römern der jpäteren Zeit das Land, 
das zwilchen Böhmerwald, Fichtelgebirge, Erzgebirge, Riejengebirge, 
Sudeten und dem Mähriſchen Hügellande liegt und fein Waller in 
die obere (Elbe jendet. Tacitus nannte es das Land Boihemum. 

Seine ältejten Bewohner waren die feltilhen Bojer. Aber 
(wie wir hörten) die Bojer wurden von den germanilchen Marko— 
mannen verdrängt. Die aber nannten das Land Heim der Bojer 

- Boioheim (Böheim, Böhmen); der Name haftet heute noch an 
diejem Lande. 

Bis zum Jahre 500 etwa ſaßen die Marfomannen in 
Böhmen. Sie waren die nächſten Verwandten der Alamannen, 
Zongobarden, Hermunduren (im nördlihen Bayern und in 
Thüringen) u. a. Mit ihnen vereinigten fich noch die Quaden, die 
öltlih von ihnen an der March wohnten, und Hleinere Stämme. 
Sie bildeten aljo einen Bund wie die Franken, Sadjen und Ala— 
mannen und nannten ſich Baiuwaren. 

Durh die Einfälle der Germanen in das Land zwilchen 
Donau und Alpen jahen fie) die römilchen Bewohner gezwungen, 
es endlich zu verlajjen. 


= 6 — 


Odoaker, der germaniſche Heerführer im Dienſte der Römer, 
zog mit den letzten Truppen, die an der Donau ſtanden, ab. Die 
Reichen und Gebildeten nahmen ihre Schätze zuſammen und ver— 
ließen ebenfalls die ſchwäbiſch-bayeriſche Hochebene. Sie ſchloſſen ſich 
Odoakers Heer an, da ſie nur durch dieſes geſchützt werden konnten. 

Die römiſchen Bauern, die Handwerker in Augsburg, Ulm, 
— Paſſau, Lorch und Salzburg, die Unfreien blieben im 

ande. 

In das leere Land rüdten, als Ddoater von Theodorich ge: 
tötet worden war, die Batuwaren. Gie fanden das Land herren: 
los und jiedelten jich daher an. Jeder Freie erhielt von dem Lande 
einen Teil und die unterworfenen Römer wurden ebenfalls verteilt. 
Sie arbeiteten jeßt für ihre germanijchen Herren, wie fie ehemals 
für die reichen Römer gefröhnt hatten. Sie blieben aljo Xeibeigene. 

Das meilte Gut befamen die Herzöge und die VBornehmen der 
Bayern, aber auch ganze Dörfer der Römer blieben bevölfert; ihre 
Namen erinnern uns heute noch an ihre einitigen Bewohner. 

Noch mehr zurüdgebliebene Römer ſaßen in den bayerijchen 
Alpen und blieben dajelbjt noch Jahrhunderte lang wohnen. Man 
nannte jie die Walchen oder Walachen (Wälſchen) und an ſie 
erinnern noch Walchenjee, Wallgau, Wallberg, Wahl bei Miesbach, 
MWalchjee in Tirol u. v. a. 

Die Handwerker und Kaufleute in den Städten blieben eben: 
falls wohnen; fie waren von Severins Zeit her noch Chrijten. Die 
Germanen waren Heiden. 

Auch die Bayern errichteten wie die andern Germanen Bloc: 
hütten, vom Steinbau der Römer wollten fie lange nichts willen, 
heute noch erinnert das Haus des Oberbayern an dieje Hütten, wie 
das des Rheinfranfen noch im pfälzer Bauernhaus zu erfennen ilt. 

Auf den NRömerjtraßen, die das ganze Bayern jüdlich der 
Donau durchzogen, bewegten jich jet die germanijchen Krieger und 
Bauern, aber jie bauten feine neuen Straßen, die alten bejjerten jie 
nur notdürftig aus. 

In den Alpenländern herrichte reger Weinbau, jelbit an der 
Donau unterhalb Regensburg hatten die Römer Weinberge und wie 
die Franken am Rhein, jo die Bayern in den Alpen übernahmen 
den Weinbau. Die Bayern waren wohl ein friegerilches Bauern 
volf, aber fie fannten nicht die Almwirtjchaft und die Wörter Senne 
(senior), Kajer (casa), Alm (alpes) erinnern an die Wäljchen, die 
den Bayern die Almwirtjichaft Iehrten. 

Bald nach oder mit den Bayern rüdten an der oberen Donau 
die Alamannen aus unjeren Gegenden in die von den Römern 
verlajjenen Landitriche ein. Chlodwig hatte jie vertrieben (fiehe 
diejen); wieder war es Theodorich, der große Oſtgotenkönig, der es 
den ftammverwandten Alamannen erlaubte, fich hier am Oberrhein 


— HM: = 


und an der obern Donau bis zum Lech niederzulajjen. Seitdem 
bildet der Lech die Grenze zwilchen Bayern und Schwaben. 

Mit Roſſen, Rindern, Schweinen und Ziegen waren die Ger: 
manen einjt aus ihrer Heimat nach Welten gewandert. Sie hatten 
Heines Vieh; Pferde und Kühe waren unanlehnlich, aber fräftig. 

Die Zahl der Stüde war den Deutichen auch lieber als ein: 
elne jchöne Häupter. Als ſich aber die Alamannen in Theodorichs 

eich begaben, befahl diejer König den Norikern, das ftattliche Vieh 
der Nlamannen doc) gegen ihr Kleines aber zähes Alpenvieh umzu— 
taujchen, damit jene jchneller weiter ziehen könnten. 


König Authari. 
(Nah) Paul Warnefried.) 


König Authari ſchickte Gejandte nad) Bayern, welche um 
Theudelinde, die Tochter des Bayernkönigs Garibald, für ihn 
werben jollten. Gütig nahm fie jener auf und verſprach ihnen, daß 
er ſeine Tochter dem Authari geben wolle. 

Als nun die Gejandten bei ihrer Rückkehr dem Authari jolches 
überbrachten, erwachte in dem Könige der Wunjch, jeine Braut jelbft 
in jehen. Darum wählte er unter jeinen Longobarden einige rüjtige 

änner aus, ftellte einen jeiner Getreueiten gleichſam als ihr Ober: 
haupt an ihre Spitze und zog unverweilt ins Bayernland. Da fie 
nun nad) dem Rechte der Gejandten vor König Garibalds Antlig 
geführt wurden, und der Mann, welcher mit Authari gleichjam als 
der ur. der ganzen Schar gelommen war, nad) der Begrüßung 
eine Anſprache gehalten hatte, wie es die Sitte erheijcht, ging Authari, 
der von feinem aus jenem Volke gefannt wurde, nahe an König 
Garibald heran und jprach zu ihm: „Mein Herr, der König Authari 
hat mich allein aus dem Grunde hergejandt, daß ich Eure Tochter, 
jeine Braut, die in Zukunft unjere Herrin jein wird, anjchauen joll, 
damit ich ihm getreulich berichten fönne, von welcher Geſtalt fie jei.“ 

Sobald dies der König gehört hatte, hieß er jeine Tochter 
fommen. Schweigend jchaute ſie Authari an, wie jchön fie war, 
und da fie ihm in allem wohlgefiel, jagte er zum Könige: „Da wir 
Eure Tochter von ſolcher Geſtalt erfunden haben, daß wir füglich 
den Wunjch hegen, fie möchte unjere Königin werden, jo möchten 
wir, falls es Euch beliebt, einen Becher Weins aus ihrer Hand 
entgegennehmen, wie fie ihn uns jpäter reichen wird.“ Der König 
— die Bitte. Darauf ergriff ſeine Tochter den gefüllten 

echer, kredenzte ihn zuerſt dem, welcher ihr das Haupt der Geſandt— 
Sg zu jein —* dann aber wandte ſie ſich zu Authari, von dem 
e nicht wußte, daß er ihr Bräutigam war. Jener trank und gab 
den Becher wieder zurück, berührte aber dabei, ohne daß es jemand 


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gewahr wurde, ihre Hand mit jeinem Finger und führte ihre Rechte 
über jeine Stirn, Naje und Wange herab. 

Errötend erzählte Theudelinde dies ihrer Amme. Dieje gab 
ihr zur Antwort: „Wenn dies nicht der König jelbit und dein Ber: 
lobter wäre, jo hätte er nicht gewagt, dich zu berühren. Aber laß 
uns inzwilchen jchweigen, damit dein Vater nichts davon erfährt. 
Denn wahrlich), der Longobarde iſt ein Mann, würdig die Krone 
zu a und dich zu bejigen.” 

s war aber damals Authari in der Blüte der Jahre, ein 
Jüngling von edler Geitalt, von hellen Locken umflojjen und von 
Ihönem Antlitz. 

Nicht lange darauf zogen die Gejandten mit föniglichem Geleite 
wieder ihrer Heimat zu. Ohne Berzug verließen fie das Land 
Koritum, welches das Volk der Bayern bewohnt und im Oſten von 
Pannonien, im Welten von dem Suevenlande, im Mittag von Italien 
und im Norden von der Donau begrenzt wird. Als nun Authari 
ſchon nahe der Grenze Italiens gefommen war und noch die Bayern 
bei jich hatte, die ihn geleiteten, erhob er fich auf dem Roſſe, das 
er ritt, jo hoch, als er fonnte, und warf mit aller Gewalt die Streit: 
axt, die er in der Hand hielt, gegen einen Baum, der in der Nähe 
ftand, und ließ fie darin haften, indem er laut rief: „Solche Hiebe 
pflegt Authari zu führen.” Wie er aber dies jagte, erkannten die 
Bayern, die in all @eleite ritten, daß es König Authari jelbit jei. 

Da einige Zeit darauf König Garibald wegen des Heran— 
rüdens der Franken in Not geriet, floh Theudelinde, jeine Tochter, 
mit ihrem Bruder nach Italien und ließ ihrem Verlobten Authari 
ihre Ankunft melden. Sogleich ging ihr der König mit ftattlichem 
Gefolge zur Hochzeit entgegen. Auf dem Sardistelde traf er fie 
oberhalb Berona, wo er unter aller Freude die Hochzeit feierte. 


Der Apoitel der Bayern. 


Als der Frankenkönig Childebert III. 695—711 herrichte, ſaß 
in Worms auf dem Bilchofsituhle jein Vetter Rupert. 

Damals waren aber die Bilchöfe des Frankenreiches nicht alle 
treue Diener ihrer Kirche, jondern viele trachteten nach weltlichen 
Dingen. Nur Bilhof Rupert in Worms lebte wie ein Einſiedler, 
mäßig und in einfachem Gewande, 

Mit wenig Begleitern durchzog er die Orte feines Bistums, 
die Dörfer und Höfe der Rheinebene und die Waldungen des 
MWeftrichs, um noch die Heiden, die da in Menge wohnten, zu 
Chriften zu machen. 

Da famen eines Tages Boten vom Bayernherzog Theodo II., 
der in Regensburg regierte, nach Worms und baten ihn, doch nad) 


— — 


Bayern zu kommen und da das Chriſtentum zu predigen; denn von 
den Bayern ſeien noch viele Heiden. 

Rupert verließ die alte Biſchofsſtadt Worms mit zahlreichen 
Begleitern, bejtellte noch einen Nachfolger und reilte der Donau zu. 

Der Herzog und ſein Gefolge jowie die Bewohner der alten 
Römerjtadt Regensburg gingen ihm in feftlihem Zuge entgegen. 
Sie alle waren ja auch ſchon Chriſten, auch Herzog Theodo war 
längit getauft. Er erlaubte Rupert, im ganzen Lande herumzuziehen 
und einen Pla auszuſuchen um einen Bilchofslig zu gründen. 

Er blieb noch einige Tage in Regensburg und redete mit dem 
Herzog von der Lehre Chrifti und von der Ausbreitung in Bayern. 

Dann aber zog er mit einem herzoglichen Schreiben verjehen, 
mit Mönchen und herzoglichen Dienern durch ganz Bayerland. 
Zuerjt fuhr er die Donau hinab, jah lints und rechts die Bauern 
ige der Bayern, die Holzburgen der Edeln und die alten Römer: 
ſtädte Kor und Wien. Er gelangte bis an die Grenzen Bannoniens, 
des heutigen Ungarns. 

Dann wandte er jein Schiff und fuhr wieder Donauaufwärts 
und landete bei Lord. Hier jaß von der Römerzeit her noch eine 
chriſtliche Bevölkerung, die ihm freudig entgegeneilte. Die herrlichen 
Römerpalälte lagen längft in Trümmer. 

Bon hier aus wandte fich Rupert mit jeinen Begleitern nad) 
Siüdweiten und fam an den Wallerjee.. Am Nordufer desjelben 
erbauten ſich die Glaubensboten eine Zelle, an deren Ort heute noch 
das Rirchlein Zell erinnert. 

Bald verlegte Rupert jeinen Wohnfig an das Südufer des 
Sees, dahin, wo ein Bad) austritt und heute Seefirchen liegt. Hier 
erbauten Rupert und jeine Begleiter eine Beterstirche. Herzog Theodo 
ſchenkte ihr ÄAcker, Wälder, Weiden, Wiejen und hörige Bauern; 
denn Rupert gedachte in diejer Gegend zu bleiben und einen Bilchofsjig 
anzulegen. 

Seine Mönche zogen von hier aus in das Alpenland, das 
heute zu SÖjterreich gehört und famen am Saume der Alpen, da 
wo die Salzach in die bayerijche Hochebene tritt, an die herrlichen 
Trümmer einer römilchen Stadt, die mit Dornen, Gejtrüpp und 
Gras längit überwachſen war. (Salzburg.) 

Nupert folgte dem Rufe dahin und jah mit Staunen die herr: 
lichen Trümmer der Tore, Türme und Palälte. Er jah aber aud, 
daß hier von vielen Seiten wichtige Straßen zujammenliefen und 
daß aus der Römerzeit und von Severin her noch viele Chrijten 
in der Umgegend wohnten. 

Rupert ließ daher alle jeine Kirchengeräte, jeine Heiligtümer 
an diejen Ort bringen und von hier wollte er das ganze Bayerland 
dem Chriftentume gewinnen. 

Miederum jchentte Theodo dem neuen Bistume reiche Yändereien, 


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darunter zwei Morgen Weinland bei Regensburg, das noch aus der 
Römerzeit jtammte. 

Rupert fam noch einmal an den Rhein nah Worms; denn 
dort nahm er 12 Gehilfen mit, die ihm bei jeiner Arbeit helfen 
jollten. An dem Fuße eines jteilen Felſens bei Salzburg gründete 
er die Peterskirche zu Salzburg und dabei ein Kloiter. 

Das Klofter St. Peter hatte die erſte Schule, die in Bayern 
errichtet wurde. 

Etwa im Jahre 718 ſtarb Rupert, nachdem er das ganze 
öltliche Bayern (heute Djterreih) für das Chriftentum gewonnen 
hatte. Auch in Morms erinnert an ihn die Rupertsfirche. 


Merowinger und Agilolfinger. 
Chlodwigs Nachkommen. 


Die Nachkommen Chlodwigs eroberten auch das Herzogtum 
Bayern, denn der König Theodebert I. von Oſtfranken, der alle 
deutjchen Stämme beherrſchte, jchrieb einen Brief an den Kaijer der 
Dftrömer, Juftinian, und rühmte ſich, daß jein Reich von der mitt: 
leren Donau in PBannonien (Ungarn) bis zum Weltmeer reiche. 

Thüringen wurde 531 erobert und jchon 536, aljo kaum 
30 Jahre nah ihrer Flucht, mußten fi) die Alamannen dem 
— unterwerfen. 

Aber die Bayern mußten nicht wie andere Völker Zins be— 
gehen, auch behielten fie ihre Herzöge aus dem Gejchlechte der 

gilolfinger. 

ie jpäteren Merowinger eroberten nichts mehr, ja fie fonnten 
das Land nicht einmal feſt zujammenhalten. Im heutigen Frank— 
reih, wo aus der Nömerzeit her die Mehrzahl der Einwohner 
lateinijch jchrieb und ſprach und wo alle Sitten und Einrichtungen 
der Römer beitehen blieben, vermilchten ſich die eingewanderten 
fränfijchen Herren mit den Einwohnern; ihre Sprache wurde die 
der römilchen Bewohner und aus ihr ging im Laufe der Zeit die 
franzöjiiche Sprache hervor. 

anche Wörter diefer Sprache find aber auch der deutjchen 
Sprache entnommen und die vornehmen Franken führten noch jahr: 
hundertelang ihre deutjchen Namen. 

Die Stämme der Deutjchen, namentlich die rheiniichen Franken 
und die Oſtfranken, die mit den Nachkommen der Römer nicht in 
Berührung famen, behielten ihre deutjche Sprache bei; jo entitanden 
wei Völkerſchaften, die zwar in einem Reiche wohnten, aber Jich 
—* bekriegten. 

Man unterſchied Oſtfranken (Oſtreich) und Weſtfranken oder 
das Weſtreich. Das pfälziſche Weſtrich und ſeine Nachbarſchaft 
erinnern dem Namen nach noch an jene Teilung. 

Chlodwigs Nachkommen blieben zwar noch lange Könige; aber 
ſie regierten nicht mehr ſelbſt ihr Land und ritten von Königshof 
zu Königshof, ſondern ſie ließen das F Beamten tun. Auf jedem 
Königsgute ſaß ein Amtmann oder Meier. Auch beim königlichen 
Hofe war ſtets ein Meier, der als der oberſte aller Diener galt 
und Maior domus genannt wurde. 


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Er war — beim Könige und wenn dieſer nicht regierte, 
ſo regierte er. anche Merowinger-Könige kamen auch unmündig 
auf den Königsthron und die Hausmeier wurden dann die eigent— 
lichen Könige. 

Die Könige fonnten zulegt ihre Hausmeier jelbjt nicht mehr 
wählen, jondern die Grafen und Freien bejtimmten fie auf den 
Märzfeldern. 

Zu diejen fam der König noch, um nad alter Sitte Gelchenfe 
entgegen zu nehmen; aber jchon prüfte er nicht mehr die Waffen, 
ondern der Hausmeier. Der König fuhr nad alter Gewohnheit 
im Ochſenwagen, jeßte fich auf den Königsituhl und nur jein langer 
Bart und ſein Lodenhaar zeichneten ihn aus. Auch den Spieß, das 
Zeichen jeiner Gewalt, hielt er in der Hand. 

Schon um das Jahr 625, aljo faum 100 Jahre nach Chlod- 
wigs Tode, errichten jchon die Hausmeier in Ditfranfen. Die 
Könige waren Schattenfönige. Der Stammovater der wichtigiten 
Hausmeier war PBipin der Ältere. Dejjen Enkel Pipin der Mittlere 
war auch oſtfränkiſcher Hausmeier; er geriet mit dem Hausmeier 
der Weſtfranken in Streit und zog daher mit jeinen Leuten, die auf 
feinen zahlreihen Gütern an der Mojel und Saar wohnten, aud) 
mit dem ojtfränfilchen Heerbanne gegen den Hausmeier des Weſtens 
und jchlug ihn 687 bei Tertri im nördlichen Franfreih. Darauf 
ließ er fich in der Volfsverlammlung zum weitfränfijchen Hausmeier 
ausrufen und nannte fich jeitdem Herzog und Fürft der Franken. 

Chlodwigs Nachkommen kamen auch gar nie nad Oſtfranken 
über den Rhein, die wenigen Chrilten, die da waren, wurden daher 
wieder Heiden; denn niemand war da, der aus dem mehr chrijtlichen 
Weſtfranken nad) dem Lande der Germanen gezogen wäre. 

Da wurde Pipin Il. ermordet. 


Karl Martell (732). 


Die muhamedanijchen Mauren in Spanien hatten von der 
Schwäche der Franken gehört; fie drangen daher über die Pyrenäen 
und da niemand fie aufhielt und zurüdjagte, famen fie bis zur Stadt 
Poitiers. Bald hätte ihr Führer Abderrahman fie auch nach Tours 
geführt, wo das Grab des Bilhofs Martin war, den die Welt: 
franten hoch verehrten. 

Da jammelte Pipins Sohn, der Hausmeier Karl, den ganzen 
fränkiſchen Heerbann und führte ihn gegen die Muhamedaner. In 
der Ebene zwilchen Tours und Boitiers trafen ſich die beiden Heere. 
Endlos erjchienen die Scharen der fühnen Mauren, aber gerade jo 
zahlreich war das fränkiſche Heer. 

Sieben Tage lang jtanden fich beide gegenüber, niemand wagte 


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ernitlich anzugreifen und allabendlich zogen fi die Mannen ins 
Zeltlager zurüd. Es war jchon Oktober, wohl hatten die Bewohner 
der fruchtbaren Gegend jchon längit ihre Ernte an Getreide, Obſt 
und Wein zu Hauje, aber die beiden Heere verzehrten bald alles, 
was jie mitgenommen hatten und was jte fanden. 

Endlich an einem Sonnabende jtießen beide Heere aufeinander. 
Die Muhamedaner dachten nicht an die Wunden oder gar den Tod, 
jondern fie freuten fich, bald in den Himmel zu fommen zu den 
ewigen Freuden, die ihnen ihr Führer verſprach. 

Die fühnen Reiter ftürmten auf die feiten Glieder der Franken; 
aber die Reihen wanften nicht. 

Die fränkijche Francisca und die wuchtigen Schwerter zer: 
ipalteten die Helme der Mauren. Taujende fielen, mit ihnen der 
Führer Abderrahman. Dennod, lagerten ſich beide Heere, als die 
Nacht heranbrach, auf dem Schlachtfelde. Karl Martell dachte aljo 
noch nicht an einen vollen Sieg und rüjtete in der Nacht zum 
nächſten Rampftage. 

Als die Franken aber am nächſten Tage die Gegend bejchauten, 
wo der Feind am Tage vorher geitanden hatte, da war alles wie 
tot. Kein Wachtpoften zeigte fich, fein Reiter, der das Lager umritt. 
Die Mauren waren in der Nacht, ohne auch nur zu raten, nad) 
ihrem Lande entwichen. Die Franken aber nahmen das Lager mit 
allen jeinen Schägen und verteilten fie unter jich. 

Karl Martell, der die Franken geführt hatte, galt als der 
Retter der Chriftenheit. Die Dftfranten waren es, die Karl den 
©ieg erringen halfen. 

Karl hinterließ im Jahre 741 zwei Söhne: Pipin den Kurzen 
und Karlmann. Pipin regierte als Hausmeier in Weitfranten, 
Karlmann jehs Jahre lang in Oſtfranken. Karlmann hielt ſich 
lieber im Klofter auf und hinterließ jeinem Bruder das Amt 
eines Hausmeiers über ganz Franken. 





Karlmann im Kloſter. 


Im Jahre 746 309 Karlmann, der Hausmeier nad) Rom. 
Dort ließ er ſich in einem Klofter das Lockenhaar jcheren und er: 
baute jelbjt ein neues Klojter in der Nähe Roms. 

Als ihn aber da viele VBornehme bejuchten und feine Frömmig— 
feit lobten, floh er mit einem feiner Klofterbrüder bei Nacht und 
fam an das Benediktinerklofter Monte Caſſino. Nichts hatte er bei 
fich als das rauhe Mönchsgewand, nicht Geld, nicht Speile. 

Nach der Sitte der Mönche ergriff er den diden eijernen 
Schlagring an der verjchloffenen Pforte. Der Pförtner, ein alter 
Mönd im jchwarzen Gewande der Benediktiner öffnete ihm. Karl: 


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mann bat demütig um eine Unterredung mit dem Abte. Zu diejem 
wurde er geführt. Sogleich fiel er vor ihm nieder und ſprach: 
„sc bin ein Mörder, ein Sünder, der alle Verbrechen begangen 
hat. Zeige mir einen Ort, wo ich Buße tun kann!“ 

Der Abt erfannte an der Sprache den Fremdling und fragte: 
„Aus welchem Lande fommit du?“ 

KRarlmann ſprach: „Ich fomme aus Franken und bin hierher 
geflohen in die Verbannung, Mein irdilches Vaterland habe ich 
verloren, wenn ich nur das himmlilche dafür gewinne!“ 

Der Abt wies dem Fremdling eine Zelle an und ließ ihn mit 
jeinem Gefährten ftreng prüfen, namentlich, weil er aus einem 
fremden Lande kam. 

Nach einem Jahre, als er die Prüfung der Mönche beitanden 
hatte, wurde er in die Gemeinjchaft der Brüder des Kloiters auf: 
genommen. — 

Da geihah es, daß Karlmann, den die Benediktiner immer 
noch nicht erfannten, der Sitte gemäß eine Woche in der Küche 
des Klojters dienen müſſe. Gerne war er wie immer dazu bereit. 
Uber Karlmann hatte als Hausmeier von Oſtfranken nicht kochen 
elernt und machte daher viele Fehler. Der Koch aber, der zuviel 

ein getrunfen hatte, gab ihm eine jchallende Ohrfeige und ſprach: 
„Darfit du jo den Brüdern dienen ?“ 

Karlmann antwortete ruhig: „Möge dir, Bruder, der Herr 
und Herzog Karlmann verzeihen!“ 

Doch was wußte der Koch von Karlmann ? 

Abermals Itellte ſich Karlmann ungeſchickt und wieder erhielt 
er die Obhrfeige; jo aud zum drittenmale. Da ward aber Karl: 
manns treuer Gefährte, der auch ein Mönd geworden war, von 
Unwillen erfüllt. Gerade zeritieß er hartes Brot in einem Mörjer, 
das er unter den Kohl der Klofterbrüder mengen wollte, da jah er, 
wie der Koch jeinen Herren ſchlug. Er nahm jeinen Mörjerftößel 
und jchlug damit gehörig auf den Koch ein und ſprach: „Weder 
Bott noch Karlmann möge dich verjchonen, du nichtswürdiger Knecht!” 
Da ließ er ihn endlich los. Aber die Brüder gerieten in große 
Aufregung, weil ein — den ſie aus Mitleid aufgenommen 
hatten, den Koch ſo geſchlagen hatte. Sofort führten ſie ihn in eine 
Zelle, die feit verjchlojjen war und als Gefängnis diente. 

Am andern Tage führten jie ihn in einen großen Saal, wo 
alle Brüder fich verlammelt hatten und wo der Abt auf einem er: 
höhten Stuhle jaß; die Brüder aber alle etwas tiefer. 

Der Abt fragte den Franken, warum er das getan habe. Der 

ab zur Antwort: „Weil ein Knecht den beiten und edelften aller 
la nicht nur beſchimpft jondern auch gejchlagen hat.” 
Da wurden die Klojterbrüder noch zorniger, weil er jo redete 
und der Angeklagte ſprach: „Dies it Karlmann, einft Hausmeier 
der Franken, der aus Liebe zu Chrijtus das Reich und alle Herrlich: 


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feit der Melt verließ und der fich jo demütigte, daß er von den 
geringiten Berjonen Schmähungen und Schläge erduldet.” 

Als das die Brüder vernahmen, jprangen fie zitternd von 
ihren Sigen auf, fielen Karlmann zu Füßen und baten um Ber: 
gebung ; fte hätten ja dies alles nicht gewußt. 

arlmann wies alle Ehre von fih und wenn er aud als 
er Mönch weiterlebte, jo wurde er doch mit großer Ehrerbietung 
ehandelt. 


Herzog Ddilo. 

Karl Martell hatte mit Hilfe der Bayern und Alamannen die 
Mauren befiegt. (737 waren fie unter Ddilo, dem Sohne Taffilos II. 
wiederum nad) dem jüdlichen Weſtfranken gefolgt, um die Mauren 
abermals zurüdzujchlagen und für immer über die Pyrenäen zu 
jagen). Als der Herzog Hugibert von Bayern 737 ſtarb, jeßte er 
den Herzog O dilo ein. 

Sechs bayerijchen Edelleuten gab damals Karl Kirchengüter 
in Franfreich, die er den Klöftern und Kirchen nahm. 

Schon im 2. Jahre der Regierung Odilos kamen die wilden 
Avaren auf ihren flinten Pferden die Donau herauf. Zuerft ftießen 
fie auf die alten Römerfelten. Der Bilchof von Lorch floh mit all 
jeinen Geiltlichen, nahm die Kirchengefäße und Reliquien mit nad) 
Paſſau, wo er die Stephanstirche zur Hauptkirche (Kathedralfirche) 
des neuen Bistums erhob. Ddilo und jeine Adelige jchentten dem 
neuen Bistum viel Geld und Güter mit Leibeigenen. 

Ddilo gründete aber noch viele andere Stiftungen: 741 jandte 
ihm PBirminius, der noch auf der Inſel Reichenau in jeinem erſten 
Kloſter wohnte, zwölf Benediktinermöndhe, die in das neue Rlojter 
Niederaltaich an der Donau zogen. Weiter abwärts an der Donau 
entitand Kloſter Diterhofen und bei Paljau das Frauenſtift 
Niedernburg. 

In den Alpen ließ er am Mondſee ein Stift gleichen Namens 
entitehen. 

Auch die Adeligen ftifteten nach Ddilos Beilpiel Klölter; die 
gräflihen Brüder Adalbert und Ottokar gründeten Tegerniee, 
ein anderer Graf Ilmmünjter. Drei Grafen aus dem Gejchlechte 
der Huofier: Landfried, Walram und Eliland erbauten mit ihrer 
Schweiter Gailswind das weitberühmte Klofter Benediktiner: 
beuren, dann Staffeljee, Schlehdorf und Weſſobrunn. 





Il. 


As Karl Martell 741 ftarb, erbten jeine Söhne Pipin und 
KRarlmann die Herrichaft. Ihre Schweiter hie Hiltrude und ihr 


— 18 -- 


Stiefbruder Grifo oder Greif, deſſen Mutter Schwanhilde war. 
Dieſem Grifo wollten die ältern Brüder fein Rand geben. Weil er 
noch jung war, führte jeine Mutter für ihn das Wort. Auch 
Hiltrude jchloß fich ihrer Stiefmutter an. 

Heimlich floh fie daher vor den Brüdern nad) Bayern zu 
Herzog Ddilo, den Karl in Regensburg eingejegt hatte. Als die 
Brüder einen Eilboten um den andern nad) Regensburg jandten, 
um die Schweiter von Ddilo zurüdzufordern, verweigerte er die 
Auslieferung. Odilo nahm fie nicht nur freundlich auf, jondern er 
vermäbhlte fich jogar mit ihr. 

Ja er rief jeine Mannen zum Kampfe auf. Boten eilten auch 
nah Alamannien zum Herzog Theudebald, zum Herzog Theoderic 
von Sachſen, zu den Slaven in den Oftalpen, ſelbſt nach Weſtfranken 
zum Herzog Hunold. Alle verbanden ſich gegen die Brüder. Die 
Verbündeten aber konnten fein gemeinjames Heer Jammeln, jondern 
raſch eilten die Franken gegen Hunold und vernichteten jein Heer 
im Sommer 742. 

Noch im Herbite desjelben Jahres drangen fie über den Rhein 
nach Alamannien und bejeßten diejes Land. Darauf kam der Winter 
und das fränkiſche Heer zog wieder heim. 

Unterdejjen hatte Odilo am Lech, da wo fi) Bayern und 
Alamannen jchieden, ein jtartes Lager mit Erdwällen und Ballijaden 
erbaut. Aamannen, Bayern und Slaven jammelten ſich hier. 

Als es Frühling wurde, rüdte auch ſchon der fränkiſche Heer: 
bann über den Rhein und lagerte fi) auf der linken Lechleite 
gegenüber dem Lager Odilos. Bei Odilo weilte der päpftliche 
Geſandte. 

Fünfzehn Tage lang ſtanden ſich die Gegner gegenüber und 
riefen ſich höhnende Schimpfworte zu. Fränkiſche — aber 
ritten den reißenden Fluß auf und ab um eine Furt zu finden: Die 
nächſten Furten waren aber von den Bayern bewacht und Fahr: 
zeuge nicht zur Hand. 

Eines Tages fanden fie eine wenig bewachte Furt und nädht- 
licher Weile jegte das ganze Heer der Franken über. Am andern 
Tage begann ein heftiger Kampf. Die Bayern wehrten fich fräftig 
und viele Franken fielen, aber noch mehr Bayern; daher mußten 
Odilo und Hunold allein aus ihrer Feſte fliehen und nad Diten 
über den Inn eilen. Nun zogen die Franten von Hof zu 
Hof, von Burg zu Burg und verwülteten 52 Tage lang das baye— 
riſche Land. 

Ddilo wurde gefangen genommen und nad) Frankreich geführt. 
In der Hauptitadt Paris erhielt er wieder von den Brüdern ſein 
Herzogtum zurüd. In die Hände Pipins ſchwur er Tnieend den 
Zehenseid; dann zog er heim. Schon nad) vier Jahren 748 ſtarb 
Odilo und hinterließ ein jechsjähriges Söhnchen, Taſſilo IM. 

8 


III. 


Pipin herrſchte ſeit dem Jahre 746 allein in Franken. Als 
Odilo geſtorben war, eilte der Stiefbruder Grifo nach Regensburg 
an den Hof. Dort gab es viele, die die Franken haßten. 

Daher verband er fich heimlich mit dem Grafen und mit Land— 
fried, dem Sohne des abgelegten Alamannenherzogs Theudebald. Die . 
Herzogin Hiltrude mit ihrem Söhnlein nahmen die Empörer gefangen. 

Da tam aber im Frühling 749 Pipin zum zweitenmale nad) 
Bayern und viele Grafen mit ihren Leuten traten auf jeine Seite. 
Grifo und ſeine Leute waren über den Inn gegangen und hatten 
fih auf dem rechten Ufer aufgeltellt. 

Da nahte Pipin mit den Franten und Bayern und wollte 
mit Schiffen, die er jchnell bauen ließ, über den Inn jegen. Grifo 
Ihidte daher Gejandte mit Gejchenten an jeinen Stiefbruder und 
bot Unterwerfung an. Pipin verlangte Geijeln, die die Treue be: 
fräftigen ern: Grifo wurde mit nach Frankreich genommen und 
Pipin gab ihm 12 Grafichaften dajelbit. 





Taflilos Jugend. 


Pipin war 752 König geworden. Taſſilos Mutter jtarb jchon 
im Jahre 754. Daher war Bipin der nächſte Verwandte. Der 
Dheim befahl dem jungen Herzog im Jahre 756 mit nad) Italien 
u ziehen um die Longobarden zu befriegen. Die Sieger zogen in 

avia ein. | 

Im folgenden Jahre wurde Tajjilo von Pipin nad) Frankreich 
in die königliche Pfalz zu Compiegne geladen. Der junge Herzog 
machte ſich jofort auf den Weg. Viele bayerijche Adelige begleiteten 
ihn dahin. Sein Oheim begrüßte ihn freundlid. In der Pfalz 
fand eine glänzende Berjammlung Statt. Der König jaß auf feinem 
Stuhle und um ihn ftanden die bayerijchen und fränkilchen Großen. 
Vor ihm ftand Taſſilo. Da er bag Jahre alt war, durfte er 
von nun an Waffen wie die freien Männer tragen. 

Mit einer Anſprache übergab ihm Pipin zuerft einen Schild 
und dann einen Speer. Ein Schwert hing er an die Linte. 

Als jo Taffilo unter dem Jubel der Verſammlung wehrhaft 
geworden war, fniete er vor dem Könige nieder, legte jeine Hände 
zujammengefaltet in den Schoß des Königs. Ein Bilchof hielt die 
Reliquien hin und mit der einen Hand auf dem Herzen, der andern 
auf den Heiligtümern, beihwor Taffilo den Eid der Treue. Das 
Gleiche taten die anwejenden Bayern. 

Fortan mußte Taffilo den Franken Heeresfolge leiten. Im 
Jahre 758 folgte er mit feinen Leuten dem Könige nad) Sachien 
und 761 und 762 nad) Aquitanien. 


— 115 — 


763 famen abermals die Boten en und forderten Talfilo 

auf gegen die Aquitanier zu ziehen. as war Tajfilo zu viel zu: 

gemutet; er brachte fein Heer zwar über den Rhein. In Nevers 

in Frankreich vereinigten fich auch die Bayern mit den Franken; 

aber Taſſilo geriet mit jeinem Oheim in Streit. Er verließ das 

fönigliche Lager und ſprach: nie wolle er jeinen Oheim wieder jehen. 
Achtzehn Jahre lang regierte er unabhängig. 





Pipin als König (754). 


Pipin z0g zu Rob im Winter 753 durch den Ardenner Wald 
nad) jeinem Hofgut Diedenhofen an der Mojel. Seine Söhne, 
ſein ganzer Hof begleiteten ihn. Dajelbjt verweilte er. Da meldete 
ihm eines Tages eine Gejandtichaft, daß ſein — der Papſt 
Stephan II. mit großem Gefolge von Geiſtlichen und vielen Geſchenken 
von Rom fomme. Gr habe den großen St. Bernhard überftiegen 
und eile bereits durch das Frankenreich. 

Als das der König hörte, gab er den Befehl, ihn mit Jubel 
und Freude und großer Aufmerkſamkeit zu empfangen und ſchickte 
jeinen 12jährigen Sohn Karl (den Großen) nad) Südweiten ent: 

egen, damit er ihn auf das Hofgut Ponthion bei Chalons führe. 

orthin eilte auch Pipin. Bald erjchien der jugendliche Karl mit 
jeinem hohen Gaſte, umgeben von zahlreichen Prieftern und begleitet 
von fränfiichen Kriegern zu Roß. 

Der Papft und Pipin füßten fih. Dann aber reichte Stephan 
dem Könige die prächtigen Geſchenke, die ihn jehr freuten und die 
noch lange in Aachen aufbewahrt wurden. 

Dann erzählte der Papſt, daß ihn der Kongobardentönig Aiftulf 
bedrüde; denn diejer hatte jeit mehreren Jahren von den Römern, 
aljo au vom Papſte Zinszahlungen oder Geſchenke verlangt. 

Pipin verjprach bald zu helfen. 

Er wies jeinem Freunde das Klofter St. Dionyfius bei Paris 
(St. Denis) zur Wohnung über den Winter an. 

Bis zum nädjten Sommer blieb der Papſt in Frankreich; 
denn erit am 28. Juli 754 jalbte er in der Kirche St. u. 
den König, die Königin Berthrada (Bertha) und ihre Söhne Karl: 
mann und Karl zu Königen der Franken. 

Schon vorher hatte Pipin eine Gejandtichaft an den Longo— 
bardenfönig geſchickt und ließ ihm jagen: „Betritt aus Ehrfurcht 
vor den heiligen Apoſteln Petrus und Baulus ja nicht mehr feindlich 
das Gebiet der Stadt Rom und laß ab von der Kopfiteuer, die du 
den Römern auferlegt halt!” 

Die Gejandten richteten das wohl aus; aber Aiſtulf gab ihnen 
verächtliche Antwort mit. Als die Pipin vernahm, berief er noch 


8* 


— 116 — 


im März 754 nad) alter fränkiſcher Sitte auf eines jeiner Hof- 
güter nicht weit von Paris Jämtliche freien Männer der Franken 
und hielt Rat mit jeinen Großen. 

Dann aber, als der Sommer noch nicht zu Ende war, hatte 
fich der ganze Heerbann der Franken gejammelt und das fränfijche 
Bolt z0g mit Pipin und dem Papſte über die Alpen nach Italien. 
Taffilo der III. fam mit den Bayern. Als das der König Aiſtulf 
vernahm, bot er auch fein ganzes Heer auf und rüdte nad) den 
engen Rlaujen bei Suja am Fuße des Mont Genis. Hier jchlug 
er auf den Felſen des Engtales ein feſtes Lager auf und jtellte 
Geſchoße und Wurfmalchinen auf. | 

Zuerſt rüdte die VBormacht der Franken über das wilde Gebirge 
und geriet mit den Zongobarden in Kampf. Miltulf jah den Ber: 
luft, den fein Heer erlitt und er wandte fich zur Flucht. Er verlor 
beinahe jein ganzes Heer und die Herzoge, Grafen und Bornehmen 
jeines ganzen ®olfes. 

Aiftulf jelbjt entfam mit wenig Getreuen über das Gebirge 
nad) Bavia. — 

est erit 309g Pipin mit der Hauptmacht der Franken über 
die Alpen bis vor Pavia und jchlug hier ein Lager auf. Die Um: 
gegend verwültete er mit Feuer und Schwert; er verheerte die ganze 
Gegend, eroberte alle Burgen der Longobarden und erbeutete viele 
Schätze Goldes und Gilbers, auch jonftige Koftbarfeiten und alle 
ihre Gezelte. 

Aiftulf konnte ſich nicht mehr länger wehren und bat durd) 
Beiftliche und Große der Franken um Frieden. Er gelobte Geijeln 
u |tellen, niemals von den Franken abzufallen und den Papit in 

om anzugreifen. 

Hierauf zogen die Franken in Pavia ein. Pipin ließ Aiftulf 
Leben und Reid. Auch gab diejer feinem Dberherrn und den 
fränfiichen Herzogen und Grafen reiche Geſchenke. Dieſe aber be: 
gleiteten den Bapft fiher nad) Rom, wo er nach einjähriger Ab» 
wejenheit freudig aufgenommen wurde. 

Die Franken jegten ihn auf den päpftlichen Stuhl. Pipin 
aber fehrte mit jeinem SHeere heim, jeder mit reichen Schäßen und 
Geſchenken. 


II. 


Im folgenden Jahre 755 brach der Longobardenkönig die Treue. 
Er rüdte mit jeinem Heere abermals vor Rom, durchzog das Gebiet 
der Römer, verwültete die Gegend und drang jogar in die Kirche 
des heiligen Petrus. Die Häujer in der Umgebung ließ er nieder: 
brennen. 

Abermals kamen die Boten des PBapites nad) Frankreich. 
Pipins Zorn entbrannte. Gr rief abermals jein Heer zum Kampfe, 
wieder mußte Taſſilo III. Heeresfolge leilten. 


— 117 — 


Die Franken jammelten fi) wieder am Weſtabhange der 
Alpen nicht weit von Genf. Die Longobarden eilten, als fie die 
Ankunft der Franken vernahmen, wieder zu den Klaujen um Pipin 
aufzuhalten. 

König Pipin überftieg mit feinem Heere den Mont Cenis und 
drang in die Klaujen, wo die Rongobarden ihm widerjtehen wollten. 
Sie fonnten den ſtärkeren Feind nicht aufhalten und wurden, wenn 
fie nicht über die Berge flohen, von den Franken niedergemadht. 

Unterdes war Tajjilo über die Alpen gefommen und hatte 
fih mit feinem Oheim vereinigt. Beide Heere zogen vor Pavia 
und jchlojjen die Stadt von zwei Seiten ein. 

Mieder ließ Pipin Gnade vor Recht ergehen; denn er jchenfte 
Aiftulf, der fich ergab, Neich und Leben. Pipin ließ fi) aber ein 
Drittel des Schaßes bringen. 

Hierauf leiftet Aiſtulf Iniend in die Hände — den Treu: 
eid, ftellte wieder Geijeln und verſprach, jedes Jahr einen Zins, 
den jchon früher die Zongobarden an die Franken bezahlt hatten, 
zu entrichten. 

Im Jahre 757 ritt Aiftulf auf die Jagd, da jchleuderte ihn 
jein Pferd gegen einen Baum, jo daß er jein Leben verlor. 

ie Rongobarden wählten nun ihren Herzog Diſiderius zum 
Könige und Pipin beftätigte die Wahl. 


Klöfter im 7.—10. Jahrhundert. 


Die Benediltiner. 


Die erften Mönche, die in die Pfalz famen, waren Benediltiner. 
Benedilt von Nurfia jollte um das Jahr 500 in Rom die Willen: 
Ihaften ftudieren. Er floh aber in das felfige Gebirge Italiens und 
lebte dajelbit in einer Höhle verborgen als Klausner; hier jchon 
ſammelte er viele Schüler. 

Auf dem Monte Caijfino jtiftete er mit denjelben auf den 
Trümmern eines Apollotempels das Klofter, das heute noch beiteht. 
Gr jelber jchrieb für die, welche ſich um ihn jammelten, genaue 
Lebensregeln: Arbeit und Gebet, Stillichweigen und CEntjagung, 
Demut und Gehorjam verlangte er von jeinen Schülern. 

Die Mönche waren anfangs feine Prielter; fie durften feine 
Fleiſchſpeiſen ejjen, jondern nur Gemüje, Brot und wenig Wein 
genießen. Täglich arbeiteten fie jieben Stunden in Feld, Garten 
und Weinberg, beteten gemeinjchaftlich und Iajen täglich 2 Stunden 
heilige Schriften. Ein langes, jchwarzes Oberkleid zeichnete die 
—— vor andern aus und ihre Hausgeräte waren höchſt 
einfach. 

Überall im Frankenreiche wurden im 6., 7., 8., 9. Jahrhundert 
Benediktinerflöfter gegründet, die nicht nur das Chriftentum aus 
breiteten jondern auch aus Italien den Gartenbau, einen bejjern 
Aderbau und die Wiljenichaften mitbracdhten. Denn die Klöfter mit 
ihren Schulen waren die einzigen Bildungsitätten. 

Die befannteften Klöfter der Pfalz: Difibodenberg, Germans: 
berg bei Speyer, Hornbach, Klingenmünfter, Remigiusberg, Limburg 
und Lambrecht waren Benediktinerklöfter. Auch Benediktinerinnen 
— Diſibodenberge, zu Hauſen, Schönfeld und Seebach bei 

rkheim. 


Kloſter Diſibodenberg. 
Als der Frankenkönig Theodorich II. (670—690) regierte, kamen 


aus Irland vier fromme Männer, Bilchof Difibodus und feine Ben 
die Mönche Gisbald, Clemens und Salluft nach Deutjichland. Gie 


— 119 — 


hatten in Trier und der Umgegend, namentlich aber auf dem Huns: 
rüde, wo noch viele Heiden lebten, gepredigt. 

Eines Tages, fie waren bereits zehn Jahre lang gewandert, 
famen fie an den Ort, wo ſich Nahe und Glan vereinigen. Hier 
lag aus der Römerzeit her der freundliche Drt Ddernheim, wo da= 
mals fräntiihe Bauern wohnten, auch die Orte Staudernheim, 
Sobernheim, Boos u. a. waren jchon mit wenig Holzhäujern vor: 
handen. Der Berg, den wir heute Difibodenberg nennen, war damals 
dicht bewaldet. Am öſtlichen Abhange, gegen Nahe: und Glantal 
zu, bauten fie fich eine Ne Blodhütte, wo fie ſich hin zurüd: 
zogen, wenn ſie von den Miljionsreilen zurüdkehrten. Hier famen 
die Chrijten der Umgegend zulammen um von den frommen Männern 
belehrt zu werden. In den Wallern des Glanes und der Nahe 
wurden jie getauft. 

Die Edlen der Gegend jchentten den Berg und bald rodeten 
die Bauern mit den frommen Irländern den Berg vom Fuße bis 
zum Gipfel. Oben gegen Oſten erbauten fie ein hölzernes Kirchlein 
I mehreren Zellen, wo Difibodus und jeine Freunde Wohnung 
nahmen. 

Nach und nad) jeit 690 erhoben ſich die Gebäude eines Klofters. 
Difibodus jelbit blieb am Bergabhange und jtarb hier im 80. Jahre 
leines Xebens. An jeinem Lieblingsplage wurde er gebettet. 

Im Jahre 745 bejuchte der Erzbilchof Bonifazius von Mainz 
das Kloſter und ließ die Gebeine des frommen Difibodus auf den 
Gipfel des Berges in das Kloſter bringen. 


Zur Zeit Karls des Großen lebte in en das damals 
nur ein kleines Dorf war, der edle Franke Hunargus, der im Banne 
von Frankenthal und Mörſch viele Güter hatte. Die Bewohner 
waren jeine Hörigen. die für ihn das Land bebauen mußten. 

Im 4. Jahre der Regierung König Karls des Großen (771), 
am 20. September ſchenkte diefer Edelmann dem Kloſter Lorſch bei 
Worms, wo ſich Karl und alle feine Verwandten jo gerne aufbielten, 
eine Hofftätte mit Feldern, Wiejen und Weiden und allen 
Hausgeräten und Tieren; aber nur zwei Teile von fünf. 

Im Banne von Mörjch jchenkte Hunargus dem Kloſter feinen 
. Anteil an einer großen Wieje, die er von jeinen Vorfahren geerbt 
hatte. Zu dem gab er einen Leibeigenen namens Hatto und dejjen 
Nr Alda in den Dienft des Klofters. Die hatten von nun an im 

ienfte des Klofters zu arbeiten, insbejondere die Mörjcher Wieſe 
zu mähen und das Heu zu ernten. 
gl Ichentte dies alles zum Heil jeiner Geele. 
Das Kloſter Lorſch, wo Taſſilo III jeine Tage bejchloß, 
iteht heute nicht mehr, nur noch Reſte erinnern an die entichwundene 
Herrlichkeit. 


— 120 — 


Wir kennen noch mehr Schenkungen an Klöfter aus diejer Zeit. 
So jchentten damals in Frankenthal allein die Edlen: ‚Altwin, 
Berthold, Egilolf, Batulf, Helitbert, Herimund, Hunarg und Refting, 


Plaog saaloıg saq alas . 





Ebenjo reich wie Lorſch war das Klofter Weißenburg im Elfaß, 
das faſt in jedem Drte des Speyergaues Güter und Hörige hatte, 
wie Lorſch im Wormsgaue. 

Im Bliesgaue war es Hornbach; in der Nordpfalz, aljo im 
Nahegau, hatten die beiden Klöfter Prüm und Maximin, diejes 
bei Trier, jenes in der Eifel großen Güterbeſitz. 

Der Landbejig war aljo damals: 


— 1211 — 


. Königsgut. Hier gab es königliche Höfe oder Maierhöfe; 
die Waldungen gehörten dem König falt ganz. 

. Belig der Edlen oder der freien Bauern, für welche die 
Hörigen arbeiteten. 

. Xehensgut, das der König oder Edle andern Freien liehen. 

. Belig der Klöjter, die die Güter von frommen Gtiftern 
erhielten. 


»oO DD - 


Münjterdreiien am Donnersberg. 


Südöſtlich vom Donnersberge, im Taltejjel von Göllheim liegt 
am Pfrimmbache und an der großen Heerjtraße nach Mainz das 
alte Dorf Dreijen, in dejjen gäbe der Münſterhof an ein altes 
Klofter (Monasterium) erinnert. 

Als Ludwig der Deutjche in diefem Lande noch gebot, im 
Jahre 872, ja im Wormsgau der königliche Graf und Herzog 
Nanthar, der reiche Güter im Donnersberger Lande bejaß. Seine 
Gemahlin hieß Kunigunde. 

Zu Ehren des Märtyrers Sarturninus, der als Biſchof von 
Toulouje in Frankreich im Jahre 250 an einen heidnijchen Opfer: 
tier ge)pannt wurde, den man mit Stacheln reizte, erjtand 872 ein 
Gotteshaus, das erſte im Donnersberger Lande; noch gab es 
heimliche Heiden genug in den Wäldern der Umgegend. 

Dem Klofter jchentten die beiden frommen Edelleute viele Güter 
bei Dreijen, jo 3. B. achtzehn Mannsmahd Feld mit den dazu ge: 
hörigen Gebäuden aus Holz und den Leibeigenen, die die Güter zu 
bebauen hatten. 

Auch zu Albsheim, Dadenheim, Mutterftadt, St. Alban und 
Sen Drten jchentten Nanthar und Kunigunde von ihrem reichen 

eſitze. 

Die Töchter der Edelleute im Donnersberger Lande ſollten in 
dieſem Kloſter eine Unterkunft finden. Das selben. Doch da fam 
ein großes Unglüd über Klofter Dreilen. Bon Worms herauf durchs 
Zellertal und über die Höhe kamen die gefürchteten Reiterjcharen 
der Ungarn. 

Schon vorher hatten Boten die nahenden Feinde gemeldet und 
ne — Kloſterfrauen hatten ſich ins Gebirg des Donnersberges 
geflüchtet. 

Die Feinde ſteckten das Kloſter nach einer ſchrecklichen Plünderung 
in Brand und nur noch Trümmer ließen ſie zurück, als ſie über Lautern 
ins Lothringiſche Reich ſchwärmten. Das Gotteshaus lag bis zum 
Jahre 1144 in Trümmer. Damals kam Herzog Friedrich von 
Schwaben, der Vater des Rotbart, als Erbe der ſaliſchen Kaiſer an 
den Rhein. Dejjen Lehensmann Graf Dieterich meldete dem Kaijer 
den Zuftand des verlajjenen Kloſters. 


— 2æ— 


Kaiſer Konrad III. gab daher dem Kloſter alle Beſitzungen 
wieder, die es jeit Nanthar inne hatte, jegte aber Beitsafzatenier 
mönche ein. 

Der erite Abt des Klofters war Martwart, der jeit 1145 in 
Miünfterdreijen befahl. 

Das Klojter hatte in den Donnersberger Orten viele Güter 
und die Bauern waren in den Dörfern Steinbach, Dreijen und 
Standenbühl dem Klofter untertan. 

Zu Steinbach war der Abt Gerichtsherr. Das Gericht beitand 
aus 13 Schöffen und einem Schultheißen, der von dem Abte und 
den Schöffen gewählt wurde. 

Jährlich fanden drei Gerichtstage (Dingtage) ftatt, an denen 
der Abt den Schöffen ein Eſſen bezahlen mußte: Da gab es Rind: 
fleiih und Genf, Pfeffer (Brühe) und Filche, Braten, zweierlei 
Weißbrot und Wein und 8 Schillinge für Suppe. 

Der Abt durfte um Weihnachten und Johannis 4 Wochen lang 
Mein verzapfen, ohne Steuern zu bezahlen. Kein Wirt hatte in 
diejer Zeit das Necht, feinen Wein zu verfaufen, wenn das Faß 
noch nicht zur Hälfte leer war. 

Auh in Standenbühl war der Abt Gerichtsherr,; er durfte 
daher 14 Tage vor und 14 nad) der Dtterberger Kirchweihe Wein 
verzapfen. 

er Büttel (Berichtsdiener) mußte in der Heuernte des Abtes 
Heu laden, befam aber zur Unterhaltung des Faljels joviel, als er 
mit der Heugabel aufipießen fonnte. 

Der Schultheiß mußte vier Pferde halten, um in der Erntezeit 
des Abtes Ernte nad) Münfterdreijen bringen zu fönnen. Datlir 
durfte er auf des Abtes Wiejen einen Stidel einen Schuh weit vom 
Bachſtaden einjchlagen, jeine Pferde an einem jieben Klafter 
langen Strang daranbinden und weiden. 


Klingenmüniter. 


Der Sage nad hatte König Dagobert von Franken, der von 
622—638 herrichte, einen Traum: „Er hatte nach dem Tode jeines 
Vaters das Reich erhalten, aber leichtfinnig regiert, namentlich aber 
hatte er die Kirchen geplündert und zerjtört und wurde nun im 
Geiſte vor Gottes Richterftuhl geführt, wo er von der Mutter Maria, 
dem heiligen Erzengel Michael, den Apofteln Petrus und Paulus 
Ihwer angeklagt wurde. Er konnte auf dieſe Anjchuldigung fein 
Wort der ———— reden und wurde daher verurteilt. 

Der Erzengel Michael nahte ihm mit flammendem Schwerte 
und wollte die Strafe wegen Kirchenraubes und Unterdrüdung der 
Armen an ihm vollziehen. 


— 13 — 


Doch der heilige Biſchof Dyonifius legte ein gutes Wort für 
ihn ein und Dagobert wurde entlajjen mit dem Auftrage, zur Sühne 
feiner Schuld Kirchen zu bauen. 

So hatte daher Dagobert die große Abtei Weißenburg im Elſaß 
gene und jo gründete er dem Erzengel Michael zu Ehren die 

tei Bliedenfeld (Klingenmüniter).” | 

Auch diejes Klofter erhielt reiche Geſchenke an Gütern und 
Leibeigenen. Auch fonnten die Mönche aus dem Benediktiner-Orden 
innerhalb ihres Klofters jchalten und walten wie fie es für gut 
fanden; denn dem Könige brauchten fie weder Steuern noch Zölle 
zu entrichten. 

Nur wenn die Kaiſer Kriegszüge unternahmen, mußten die 
Blievenfelder Mönche ein Pferd mit einem Scheffel Weizenmehl 
an den Erzbilhof von Mainz jenden. (817 unter Qudwig dem 
Frommen.) 

Im Jahre 847 ging das Klofter in Flammen auf und als der 
—— Raban von Mainz, der bisher Abt in Fulda geweſen war, 
in die Gegend kam, um ſeine Klöſter zu beſuchen, ſah er das zer: 
ftörte Stift. 

Es wurde zu Ehren des hl. Michael wieder aufgebaut; aber 
nicht mehr großenteils aus Holz, jondern aus gehauenen Quader⸗ 
iteinen, wie man jeit Karl dem Großen im Frankenlande baute. 

An den Erzbiichof Raban erinnerte am Kloftereingang folgender 
Sprud in lateiniſcher Sprache, der auf deutſch alfo lautet: 

„Biele Jahre hindurch lag dd’ vom Brande verwiülftet 
Diejer Drt, aus dem Schutt baute Keiner ihn auf. 
Endlich hat voll Liebe zum Herrn jein unwürdiger Diener 
Raban, der Biſchof, gelegt jchaffende Hand an den Bau.” 

In den Dörfern Bergzabern, Gleiszellen und Gödlingen, in 
Gofjersweiler, Alingenmünjter, Münchweiler, Pleisweiler, Schwanden 
und Meidenthal hatten die Mönche das Hauptrecht. Starb alſo 
jemand in den Orten, jo erhielt das Kloſter das beſte Stüd Vieh 
oder das beite Kleid oder aber ein Pfund Heller Geldes. Diele 
Leute waren aljo Hörige des Klofters und bebauten Feld, das eigent: 
lich zum Klofter gehörte, 

Aber die meilten dieſer Ortichaften entitanden erjt, als die 
Klofterleute mit ihren Arbeitern die Wälder der Vogejen lichteten. 


Benediltinerinnen in der Pfalz. 


Aud Frauen und Mädchen vereinigten ſich in Klöftern wie 
die Benediktinermönche und man nannte fe Benediltinerinnen. Gie 
lebten genau wie die Benediktiner. Ihr wichtigftes Klofter war am 
Fuße des Difibodenberges nicht weit von dem berühmten Männer: 


— 124 — 


tlofter des Difibodus. Auch die Nonnen des Klofters trugen Schwarzes 
Gewand und übten gemeinjame Gebete am frühen Morgen oder um 
Mitternacht. 

Am Tage arbeiteten ſie viel mit Spinnen, Nähen, Weben 
und Stricken. 

Im Jahre 1112 nahmen in dieſem Frauenkloſter 4 vornehme 
Jungfrauen den Schleier, die eine hieß Jutta von Sponheim und 
war die Tochter eines Grafen; ihr Bruder ſchenkte, als ſie ins 
Kloſter trat, das Dorf Nunkirch im Soonwald nebſt der dortigen 
Kirche, den Leibeigenen, Zehnten, Adern, Wieſen und Wäldern. 

Jutta war damals 14 Jahre alt. Da fie fromm war, wurde 
fie bald Abtijfin und ftarb als jolche 1136. Ihr Leib ruhte in der 
Kloſterkirche links vom Hochaltar. 

Eine andere der vier Jungfrauen hieß Hildegard von Böckel— 
heim. Ihres Vaters Burg war Bödelheim an der Nahe. SHildebert 
und Mathilde hießen ihre Eltern. Ste wurde mit Hildrude, der 
Tochter des Grafen Megenhard von Sponheim erzogen und wurde 
1136 ſelbſt Vorfteherin ihres Klofters. 

Hildegard war zeitlebens fiech und ſchwach; oft lag fie daher 
in Berzüfung und ihre Worte, die fie dann ſprach, jchrieb Der 
Mönd Gottfried von Difibodenberg getreulich auf. An der Nahe: 
mündung ftiftete Hildegard ein zweites Klofter für Benediktinerinnen, 
zu dem Graf Megenhard von Sponheim reichlich gab. 

Schon im Jahre 1148 zogen achtzehn adlige Iungfrauen des 
Kloiters Dijibodenberg, darunter Hildrude von Sponheim in das 
größere und neue Stift bei Bingen. Rupertsberg wurde es genannt. 

Zur frommen Hildegard kamen angejehene Leute. Als der 
Mönch Bernhard von Clairveaux in Deutihland das Kreuz predigte, 
bejuchte er auch die fromme Abtiſſin auf dem WRupertsberge, von 
der er überall in Deutjchland gehört hatte. 

Fürſten, Herren, Bilchöfe und ÄÜbte, ſelbſt Kaiſer und Papſt 
ſchrieben an die gelehrte Nonne und baten fie um ihren Rat. Sie tru 
einen Ring mit den Worten: „Ich leide gern“. Stets war ſie — 
krank; dennoch brachte ſie es auf 82 Jahre. 

Noch heute bewahrt man ihre Gedichte, die Gottfried aufſchrieb 
und ihre Briefe in Wiesbaden. 

Benediktinerinnen wohnten auch in den Klöftern Haufen und 
Seebad) bei Dürkheim, öftlih von Dürkheim lag das Benediktine: 
rinnenftift Schönfeld. 

Heute noch erfennen wir die Stätte, wo das ehemalige Klofter 
Seebach fich befand. Über die Häufer des Dörfchens Seebad ragt 
noch jeßt der jchöne Kuppelturm, der uns an die Kuppeln des 
Speyerer Domes erinnert. 

Der Ritter Siegfried von Seebad; hatte es im Anfange des 
12. Jahrhunderts gegründet. Auch hier jollten hauptſächlich Töchter 
aus adeligen Familien Aufnahme finden. 


— 15 — 


Die Nonnen hatten ihren eigenen Friedhof bei ihrem Kloſter. 
Sie durften fich ihre Vorfteherin jelbjt wählen, aber der Abt von 
se hatte die Aufficht über fie, wie auch über Haufen und 
Schönfeld. 

Das Gebäude, in dem die Nonnen wohnten (der Konvent) 
mußte von innen und außen esbient D jein. Den äußern Schlüjjel 
trug der Mönch, der den Gottesdienit der Nonnen verrichtete; den 
Schlüfjel zum Offnen von innen trug die Vorſteherin. Fremde 
durften am Sprachgitter mit einer Nonne nur dann reden, wenn 
zwei oder drei Schweitern Zeugen waren. Die Verwandten durften 
mit Erlaubnis des Abtes und der Mönche von Limburg die Nonnen 
bejuchen. Nur die Vorfteherin und ältere Nonnen durften fich auch 
außerhalb des Klofters N 


Das Klofter St. — in der Haardt. 


über den weiten und ſchönen Wald des Haardtgebirges ge: 
boten vor 1000 Jahren die — — de De die — 
unſeres Landes, die zu Worms und auf urg ſaß en 
mals gab es noch wenige menfhliche ie Ban in dem — 
Walde. Im Weſten lag der Königshof Lautern und da, wo der 
Speyerbach ſeine Wäſſerlein ſammelt, ſtanden auf einer es 
— Hi gar lange die Holzhütten der Drtichaften Hochſpeyer un 

iſchbach 

Weiter im Südoſten erhob ſich eine feſte Burg der Herzoge, 
der Frankenſtein, der zur Verteidigung der Talſtraße und dem 
un des nahen Waldes diente. 

Da wo ſich das enge Tal zum legten Male etwas erweitert 
und einen prächtigen Keſſel bildet, der von hochragenden ſchönen 
Bergkuppen umjäumt ift, lag das Dörfchen a (Graven⸗ 
huſen). Die Leibeigenen und Jäger die hier in olzhütten wohnten, 

ehörten dem Herzog, der oft von Worms und Limburg aus in den 
Bildern nach Ebern, Hirſchen, Nehen, Bären jagte. 

Im Jahre 977 gefiel es dem frommen Herzog Dtto von 
Worms, einem Zeitgenojjen Heinrichs des Heiligen und diejem ſehr 
zugetan, ein Bethaus zu Ehren des hl. Märtyrers Lambert in 
Gräfenhauſen zu errichten. Die Mönche dieſes Ortes ſollten nach 
der Regel des heiligen Benedikt leben, (wie die in Hornbach, Weißen: 
burg, Difibodenberg). Das Klofter befam viele Acer, Wieſen und 
MWälder gejchentt, die ihm die Fürften und Grafen nicht rauben 
durften. Das Klofter war von allen weltlichen Laften frei; aud) 
fonnte es von Niemanden als Lehen vergeben oder genommen werden. 

Der Stifter je Re felt, daß der Alteſte feines Hauſes auch der 
Schirmherr des Kloſters jei. 

Die Grenzen diejes Stiftes bejtimmte der Herzog genau: „von 


— 126 — 


der Brücke, wo Hochſpeier und Speierbach zuſammenfließen bis zum 
Gipfel des Eichenberges, von da bis in die Larbach über den iden 
berg und das Azental und das Dorrental, dann über den Speier— 
bach und den Schauerberg (Schurberg) bis dahin, wo fich ein rings 
eingejchlojjenes Tal, Krankental genannt, anjchließe über das Bremen- 
tal, den Schauerberg und den Kirchberg bis an den Urjprung des 
Bernbach, von da über den Bubenberg bis zur Brüde, wo die Speier: 
und der Hochſpeyerbach zulammenfließen.“ 

a aber diejes Gebiet nur Wald, wenig Wieſen und noch 
weniger Ader hatte, jo ſchenkte der freigebige Fürft den 9. Teil 
jeiner Einkünfte an Früchten, Wein und Geflügel auf den Meier: 
höfen, die jeine LZeibeigenen zu eg bebauten, auch alle Rechte 
an dem Fluffe Lancwat:Rehbah: Filhen, Flößen, Mühlenbau. 
Aus dem großen Haardtwalde erhielt das Klofter ferner den 9, Teil 
von bebautem und unbebautem Lande, dazu einen Hof mit aller 
Zubehör und eine Salzquelle. 

Zur Landbebauung beitimmte der edle Stifter einen Leibeigenen 
mit Namen Giſa und die Leibeigenen des Landgutes Holzhaufen, 
weiter die Kirche zu Steinweiler mit allen Zehnten, großen und 
fleinen, die Kirche und das herzogliche Landgut zu Langmeil (damals 
Aljenz genannt). Es beitand aus 100 Morgen jalijcher Acer, Wiejen 
mit 30 Fahrten Heu, 2 Mühlen und 6 Hofhäujern und 31 Hufen Wald. 

In dem Dorfe Morsbach famen ein Leibeigener, die Kapelle 
und ein Hofgut von 179 an Jaliichen Landes an das Kloſter, 
ebenjo 10 Morgen Wiejen, 6 Mühlen und 14 andere Hufen. 

In Schauernheim bei Brünftadt jtiftete Otto 5 Hufen mit Reben 
und Wielen. 

Auf dem uralten Gerichtsplage des Speyergaues, auf dem 
Zutramsforfte bei Godramitein (Stahlböhl), wurde diefe Urkunde 
Bag als die freien Männer des Baues mit dem SHerzoge hier 
zu Gerichte jaßen. Die Baugrafen des Herzogs bezeugen dies. 

Kaijer Heinrich IV. ſchenkte das reiche Klojter, dejjen Schirm: 
herr er war, am 30. Auguft 1065 jamt allen Knechten und Mägpden, 
MWeilern, Mühlen und Höfen, Adern und Wiejen, Wäldern und 
MWeilern, Jagden und Filchereien dem Dome zu Speyer zum Dante 
für die Treue des et Einhard. 

Es war um das Jahr 1230. Biſchof Konrad von Speyer 
ſah mit Schmerz das lüderliche Treiben der Mönche, die nicht nach 
ihrem Gelübde lebten. 

Da er fie bejjern wollte, nahm er ihnen die Kirche zu Stein: 
weiler weg, brachte aber die Mönche auf feine bejjere Bahn. 

Er griff daher zum äußeriten Mittel: Die Mönche kamen in 
verjchiedene andere Benediktinerflöfter, in das Kloſter St. Lambrecht 
aber ſetzte der Bijchof auf Befehl des Papſtes Dominikanerinnen, die 
hier von i244—1551 ein Gott wohlgefälliges Leben führten. 


— TE 


Pirminius der Apojtel des Weſtrichs. 
(Zum Teil fagenhaft ) 


Zur Zeit des mächtigen Karl Martell fam ein wandernder 
Bilhof mit Namen Pirminius an den Oberrhein um an den Ufern 
des Bodenjees, in Schwaben und in der Schweiz das Chriltentum 
zu verbreiten ; denn viele Alamannen waren noch heidnijch und jelbit 
die, die fih zum Chrijtentume befannten, hingen noch am —* 
Aberglauben feſt. 

Auf der lieblichen Inſel Reichenau gründete er eine Kapelle 
mit vielen umſtehenden einzelnen Wohnungen aus Holz; das war 
der Anfang des berühmten Kloſters Reichenau. 

Aber auf dem ſtillen Eiland blieb der fromme Biſchof nicht; 
wandernd zog er durch ganz Alamanien, kam ſogar nach Bayern, 
wo er an der Donau das Kloſter Altaich gründete, das heute noch 
fteht. Gegen Ende jeines Lebens fam er durch das Elſaß aud in 
unjere Pfalz, die damals noch zum Teile heidniih war, obwohl 
jchon die meilten fränfiichen Grafen der Gegend längjt Chriften 
waren. Es fehlte aber an Predigern und Gotleshäujern bejonders 
in dem alten Bliesgau, wo die Baugrafen aus vornehmen fränkiſchem 
Geichlechte im Namen des Königs regierten. 

Der Baugraf Warinher (Werner) hörte von dem wandernden 
Biſchof und jandte einen Boten zu ihm, der ihn ehrerbietig bat, 
do ja in das Weſtrich zu kommen um das GChrijtentum zu be= 
feftigen. Pirminius folgte gerne der Einladung. Werner nahm ihn 
freundlich auf und zeigte ihm jeine eigenen Güter, die er nicht vom 
König zu Lehen hatte und verſprach: Den Ort, welchen er fich wähle 
um dajelbit Gottesdienjt zu halten, werde er ihm jchenfen. 

Pirminius war jchon alt; er fühlte, daß er nicht mehr lange 
wandern könne und da es Sommer war, jo baute er fich eine Laube 
um gegen die Hite gejchüßt zu ſein. 

ines Tages fam ein Landmann, der die Schweine hütete, 
zu Pirminius, beugte jeine Aniee vor ihm und ſprach: „Geliebter 
Herr, hier weiter oben ijt ein Ort, den die Leute Gemünd nennen, 
wegen des Zujammenfluffes zweier Bäche (Trualb und Sualb) an 
dem du jchöne Stätten bewohnen fannit.“ 

Gerne folgte Pirminius dem freundlichen Hirten. Nach einigen 
Stunden famen fie an einige Jägerhütten, die von den Jägern und 
MWaldhütern Werners bewohnt waren. Sie waren aus Holz. „Dies 
joll meine Ruhe fein ewiglich, hier will ich wohnen, weil ich jie 
erwählet habe”, jang der Bilchof. 

Gerade fam er an die Hütte der Hunde Werners; zu jeinem 
Begleiter, der die chriftlichen Gejänge wohl veritand, ſprach er: „Hier 
werde ich bleiben bis der Herr mich ruft, magft du tun was du willſt.“ 

Die Leibeigenen des Grafen jchafften den Schmuß aus der 
Hütte weg. Pirminius befahl, die Hütte auszubellern. Sofort 


a 





— — 


brachten ſie glatte und feine Ruten aus den nahen Wäldern und 
flochten ſie zwiſchen das Balkenwerk. Dann nahmen ſie Kalk und 
beſtrichen damit die Fugen, ſo daß ein wetterfeſtes Haus entſtand. 
In dieſes Haus ſtellte er einen Altar der Mutter Maria und weihte 
es zum Gotteshauſe. 

Um das Gotteshaus entſtanden ähnliche andere Wohnungen 
für Pirminius und ſeine Mönche. 

Werner aber gab gerne von ſeinem Reichtume. In den weiten 
Wäldern des Weſtrichs ſchenkte er dem frommen Biſchof viele Wälder, 
deshalb gingen die Leibeigenen des Kloſters, die von Werner den— 
ſelben zugeteilt waren, hinaus und hieben an beſtimmten Stellen die 
Bäume nieder, riſſen und brannten die ſchweren Stöcke aus und er— 
richteten vom gefällten Holze Häuſer zur Wohnung für Menſchen 
und Vieh. 

Als Pirminius ſein Ende nahen fühlte, rief er die Kloſter— 
brüder herbei und nahm Abjchied von ihnen. Dann jtarb er am 
3. November 753. Er lag bis zum Jahre 1559 im Klojter Horn 
bad) begraben. Als aber die neue Lehre auch da Eingang fand, 
brachten die legten Mönche den Leib des Biſchofs nad) Innsbrud, 
wo er heute noch ruht. 

An Stelle der alten Holzficche und der Zellen erhoben fich 
Itattliche Gebäude von Steinen und Holz und die Nachkommen 
Merners jchentten dem Gotteshauje viele Güter. Als ſich im Jahre 
828 Kaiſer Yudwig der Fromme auf jeinem Königshofe Göllheim 
aufbielt, jchentte die Gräfin Wiligart aus dem Gejchlechte Werners 
dem Kloſter des Pirminius, das nun Hornbad hieß, Güter im 
Speyergau, den Hof Wilgartswiejen, der jchon nach der Gemahlin 
Merners jo genannt wurde. 

In der ganzen Pfalz bejaßen die Mönche reiche Güter: Münch— 
weiler am Glan, an der Rodalb, an der Aljenz erinnern heute noch 
mit ihrem Namen daran, daß das Hornbacher Kloſter fie einjt be: 
laß. Die Bauern der zahlreichen Höfe waren leibeigen und mußten 
von ihren Adern, die eigentlich dem Kloſter gehörten, den Zehnten 
bezahlen. Hier gründete das Klofter Kirchen. 


II. 


Zu den Beligungen des Kloſters Hornbacd gehörte auch das 
Stift Zell, deſſen jchöne Kirche noch jeßt das liebliche Zeller Tal in 
der Nordoftpfalz beherricht. Hier hatte ſich im 7. Jahrhunderte ein 
frommer Einfiedler mit Namen Philipp mit einigen Genojjen nieder: 
gelaſſen. In einfacher Hütte wohnten fie und predigten den Be: 
wohnern der Gegend, in der nur wenig Kirchen waren, das Evan: 
gelium. Die Einfiedler lebten jehr mäßig im Eſſen und Trinten, 
ra lange rauhhaarige Kleider an und trugen lange herabwallende 

ärte. 


a 


Als die Brüder geitorben waren, erhob ſich an Stelle der ein- 
fachen Zellen bald ein prächtiges Gotteshaus mit Möndhswohnungen 
und die Bewohner der Gegend, reich und arm, hoch und nieder, 
wanderten an den Ort, wo der fromme Einjiedler begraben lag und 
wo beitändig Klojterbrüder Gottesdienft hielten. Bon den Adeligen 
der Gegend, insbejondere von den Grafen des MWormsgaues, den 
Grafen von Leiningen, befamen fie viel Güter. Das Klofter Horn: 
bach aber führte die Aufficht über Stift Zel. Im Jahre 975, als 
der Kaiſer Otto II. regierte, fam der Abt Adalbert von Hornbad) 
einmal nach Zell, um nad) dem Rechten zu on Das Kloſter des 
heiligen Philipp war aus Alter zerfallen. Daher ließ er durch die 
Bauleute jeines Kloſters das Stift umbauen; als er nad) dem Leibe 
Philipps von Zell juchte, um ihn in Ehren begraben zu fönnen, 
war er nicht mehr zu finden. Das Kloſter Zeil beitand bis zum 
Jahre 1550, wo der Kurfürft von der Pfalz jeine Güter einzog und 
die Univerjität Heidelberg damit bereicherte. 


Bonifazius. 


Um das Jahr 722 kam nad) Deutichland ein Mann aus 
England, der ſich zur Aufgabe gemacht hatte, jeinen Stammes: 
genojjen in Deutichland, den heidnilchen Frieſen und Sachſen die 
hriftliche Lehre zu predigen. Er hieß von Haufe aus Winfried 
und hatte im Rlojter den Namen Bonifazius d.h. Wohltäter ange— 
nommen. Er wurde auch wirklich ein MWohltäter der Deutjchen; 
denn fein Glaubensbote hat jo viele Heiden befehrt und jo viele 
Gegenden Deutichlands durchwandert wie er. So fam er ins Land 
der Heſſen mit jeinen Begleitern. Biele Helfen waren ſchon Chrijten 
und Bonifazius ſelbſt taufte viele; aber immer noch weigerten ſich 
mande die Glaubenswahrheit anzunehmen. SHeimlich, bei Tag und 
Nacht opferten die Helfen bei heiligen Eichen und geweihten Quellen 
ihren Göttern, einige taten es jogar offen. Die weilen Frauen in 
Feljenhöhlen oder in heiligen Wäldern trieben Seherei und Wahr: 
lagerei, Wunder und Zauberkünite, fie weisjagten aus dem Fluge 
der Vögel und warfen nad altgermanijcher Sitte Stäbchen mit 
Runen gerigt, ja fie opferten unter den heiligen Bäumen den alten 
Göttern. Diele Chriften taten dies aber nicht. 

Sie erzählten dem frommen Prediger von einer berühmten 
Eiche, der Donareiche bei Hofgeismar, wo das gejamte Volk der 
Heilen zum Dienfte des Donnergottes zuſammenkam. Mit einer 
Schar Priefter und Mönche kam er eines Tages bei der Eiche an. 
Mutig legte er jelbft die Axt an den Niefenbaum, wie er herrlicher 
weit und breit nicht zu jehen war. Die Heiden fluchten dem fühnen 

9 


— IB — 


Fremdling und hätten fie den mächtigen Frankenkönig nicht gefürchtet, 
jo hätten fie die Chrijten hier getötet. 

Doch hofften fie auf den Zorn des Donnergottes, der, wie jie 
meinten, jeinen Hammer zur Erde jchleudern werde um den Frevler 
an ihrem Heiligtum zu treffen. Bonifazius hieb und hieb. Nichts 
rührte fich in den Wolfen, obwohl es Sommer war, tüchtig hieben 
auch die andern zu. Da — ein gewaltiger Krach und der Rieſen— 
baum ftürzte nieder, zerjchmettert lag der prächtige Wipfel, in vier 
Stüde zerbrad) der Baum. Da erkannten die Hejjen die Ohnmacht der 
alten Götter, von denen fie mit Wehmut Abjchied nahmen und ließen 
fih taufen. Die Prieſter des Bonifazius aber fragten, ehe fie den 
Täufling ins Waller tauchten: Entſageſt du den Unholden? Ich 
entjage! Entſageſt du den Werken und dem Willen der Unholden? 
Ich entjage! Entſageſt du den Opfern, den heidnilchen Bruder: 
Ichaften und Göttern? Ich entjage! Glaubjt du an Gott den all: 
mächtigen Vater? Ich glaube! Glaubjt du an Chriſtus, Gottes 
Sohn? Ich glaube! Glaubit du an den heiligen Geift? Ich glaube! 
Glaubſt du an den —— Gott, den dreieinigen? Ich glaube! 
Glaubſt du an die heilige Kirche Gottes? Ich glaube! Glaubſt 
du, Durch die Taufe deine Sünden zu verlieren? Ich glaube! Glaubit 
du an ein Xeben nach dem Tode? Ich glaube. — Aus dem Holze 
der Donnereiche ließ Bonifazius auf den Nat jeiner Begleiter ein 
Bethaus zu Ehren des Apojtels Petrus bauen. 

Bon Helen aus ging Bonifazius mit den Seinen nad Thü— 
ringen. Die Grafen der Gaue, die Altejten der Gemeinden befannten 
fich bald zum Chrijtentume. Bei dem Orte Drdruff ließ er ein 
Klofter erbauen. Er verjammelte hier eine Schar von Prieſtern 
und Mönchen, die mit fleißiger Hand die Wälder rodeten und urbar 
machten und jo ihren Unterhalt fanden. Es famen aber aus Eng: 
land immer mehr chrijtliche Prediger, die gerne dem Worte des 
Bonifazius folgten und auf jeinen Befehl in Thüringen und Heljen 
predigten. Schon waren Taujende von Menjchen getauft, da jandte 
Bonifazius Priejter nad) Rom zum Bapite. Sie meldeten, daß 
Bonifazius in frommer Demut dem apoſtoliſchen Stuhle ergeben 
jein wolle. Das freute den Papſt, das Oberhaupt der damaligen 
ganzen Chrijtenheit und er jandte dem frommen Bilchof die Zeichen 
der erzbilchöflichen Würde, Gejchente und fojtbare Überreite von 
Heiligen. (732). Bald darauf gründete Bonifazius die Kirche zu 
Friglar in Helfen und zu Amöneburg bei Mainz, beiden fügte er 
Klöjter bei, um von hier aus durch Mönche die Ausbreitung des 
Reiches Gottes zu fördern. 

In Franken gründete Bonifazius die Klöfter Bilchofsheim, 
Heidenheim, Kigingen und Ochſenfurt, wo die Mönche das Chriften- 
tum befejtigten und noch weiter ausbreiteten. Im Jahre 735 fam 
Bonifazius zum erſten Male nad) Bayern. Kein Bilchof war da— 
mals in Bayern als der von Lorch a. d. Donau (Öfterreih). Ein 


— 1311 — 


Biihof Irmwulf zog zwar im Lande herum um Heiden zu 
Chriſten zu machen. Sein Chrijtentum war aber nad) Bonifazius 
Meinung nicht rein. Damals lebte noch der alte Herzog Hugibert, 
der mit Bonifazius vollitändig einverjtanden war. Irmwulf wurde 
mit Waffengewalt vertrieben. Da aber Herzog Hugibert wohlbetagt 
war, fonnte er das begonnene Werf mit Bonifazius nicht vollenden. 
Einer jeiner Verwandten, Ddilo, jeßte eifrig das Werk fort. Da 
brachen 738 die heidniſchen Awaren ins Land, zeritörten die alte 
Bilhofitadt Lorch a. d. D., jo daß der Bilchof Sivilo mit jeinen 
Geiftlihen, Kirchengefäßen und Heiligtümern nad) Paſſau floh; ſeit— 
dem wohnten Bilchöfe in Paſſau. er Herzog und viele Adelige 
bejchentten die Kirche reichlich mit Geld, Gütern und Leibeigenen, 
die zu den Gütern gehörten. 

Im Jahre 739 fam Bonifazius abermals nad) Bayern. Denn 
als er in Rom war, traf ihn unterwegs der Bote des bayerijchen 
Herzogs Ddilo, der den Erzbiſchof bat, die bayerilche Kirche zu 
ordnen und bejonders Bilchöfe einzujegen. Das tat Bonifazius gerne, 
denn er hatte auch vom Papſte den gleichen Auftrag. Daher teilten 
Bonifazius und Ddilo das ganze Land in 4 Bistümer: Salzburg, 
Freifing, Negensburg und Paſſau, die heute noch beitehen, Zwei 
Jahre ſpäter jchon entitanden in Oſtfranken die Bistümer: Würz- 
burg, Buraburg (Thüringen), Erfurt. Alle Bilchöfe wurden von 
Bonifazius eingelegnet. Im Jahre 748 ließ fi) Bonifazius in 
Mainz nieder, daher war diejer Erzbiſchofsſitz jeitdem der vornehmite 
in Deutjchland und die Mainzer Erzbilchöfe jeßten den deutichen 
Königen die Krone aufs Haupt und regierten als die Kanzler des 
Reiches nad) dem Tode eines Königs bis zur Neuwahl. 

Bon Mainz aus trat Bonifaztus jeine letzte Miſſionsreiſe an. 
Noch einmal wollte er zu den heidnijchen —* um auch ihnen 
wie den Heſſen, Franken und Bayern das Chriſtentum noch einmal 
zu bringen. Bonifazius nahm viele Geijtliche mit ſich und beitieg 
in Mainz ein Schiff. Bei Tage fuhren fie und nur des Nachts 
juchten fie einen Hafen auf, bis fie ins waljerreiche Land der Frieſen 
famen. Er durchzog ganz Friesland und zerjtörte wie in Helen, 
— und Bayern die Altäre, Bäume und Gößenbilder der 

eiden. Viele Taujende riefen, Männer, Frauen und Kinder 
nahmen das Evangelium an und Bonifazius gründete das Bistum 
Utrecht, das er einem jeiner Gefährten, dem Prieſter Eoban — 
Von hier zog er nach Norden und ſchlug eines Tages in der Nähe 
von Dokkum ſeine Zelte auf. Bei ihm waren 54 —*— und Mönche, 
auch der neue Biſchof. Dem Volke der Frieſen in jener Gegend 
ließ er verkündigen, daß an einem beſtimmten Tage die Neugetauften 
durch Firmung und Handauflegung in die chriſtliche Kirche auf— 
enommen werden. Es war ein klarer Sommertag, an dem dies 
* ſtattfinden jollte. Aber auch die Heiden hatten von der Ein— 
ladung gehört. Sie famen in großer Schar mit gejchwungenen 


9 


— 12 — 


Schwertern, mit Speeren und Scilden. Chriftliche riefen, die bei 
Bonifazius waren, jtürzten raſch aus den Zelten, Juchten nad) Waffen 
um die Bilchöfe und Priefter zu jchügen. Bonifazius aber nahm 
die Heiligtümer, die er mit fich führte, jchritt mit jeinen Prieſtern 
den Feinden entgegen und jagte zu den andern Chrilten: „Lajjet 
ab, ihr Männer, vom Kampfe; denn das Zeugnis der hl. Schrift 
lehrt uns, nicht Böjes mit Böſem zu vergelten. Heute ijt der er: 
wünjchte Tag und die herrliche Zeit unjeres Abjchiedes iſt gefommen. 
Darum Jeid ſtark in dem Herrn und hoffet auf ihn, er wird eure 
Seele erlöjen.“ Zu jeinen PBriejtern aber |prach er: „Männer und 
Brüder, jeid tapfern Mlutes und fürchtet euch nicht vor denen, die 
den Leib töten und die Seele nicht vermögen zu töten; freuet euch 
vielmehr in dem Herrn.“ Unterdejjen ftürzten die wütenden Heiden 
mit Schwertern und voller Kriegsrüftung über fie her und töteten die 
ganze Schar. Darauf ftürzte ſich der Haufe frohlodend auf die 
Siegesbeute, riß die Zelte nieder und erbrach die Schreine, in denen 
die Bücher und Heiligtümer lagen. Sie hofften da Geld zu finden, 
fanden aber nichts. Dann eilten fie zu den Schiffen, wo fie nur 
die täglichen Lebensmittel und Wein in verjchlojlenen Holzgefäßen 
fanden. Als fie den Wein entdedten, begann ein Gelage und fie 
fragten fich, wie fie das Gold, das fie zu finden hofften, teilen würden. 
Der Wein erhigte fie alle und bald waren jie in heftigem Streite 
entbrannt. Viele janten tot dahin. Die Überlebenden eilten zu den 
Zelten zurüd, fanden aber nirgends Schäße jondern Bücher. Go 
waren fie in ihrer Hoffnung getäujcht und warfen die wertvollen 
Bände in das Röhricht der nahen Sümpfe. Später fand man fie 
wieder und da fie auf Pergament gejchrieben waren, waren fie wenig 
Ihadhaft geworden. 

Bonifazius Leiche brachten friefiiche Chriften nach Utrecht, ein 
Schiff fuhr de den Rhein herauf nah Mainz und zulegt begrub 
man fie im Kloſter Fulda, in dejjen Kirche fie heute noch ruht. — 

Auch die Bilhöfe von Worms und Speyer ordneten fich dem 
Biſchof von Mainz unter (751); aber erjt jeit 780 gehörten Augs— 
burg, Chur (Schweiz) Eichitädt, Konſtanz, Bajel, Straßburg, Speyer, 
Worms, Verden a. d. Aller und Würzburg nad) Mainz. Am Nieder: 
rheine entitand das Erzbistum Köln und in Trier an der Mojel 
laß jchon jeit der Römerzeit ein Bijchof, der nun Erzbijchof wurde. 


Karl der Große. 


J. 


Pipin hatte 15 Jahre als König regiert 753—768. Da ſtarb 
er an der Wallerjucht zu Paris. Zwei Söhne, Karl und Karlmann, 
—*8 ſein Reich erben. Denn nach altem Brauch verſammelten 
ich die Männer der Franken auf dem Märzfelde und brachten beiden 
Fürſten Geſchenke. Beide wurden daher auf den Schild gehoben 
und jeder empfing einen Teil des Reiches, Karl den Oſten zu Soiſſons, 
Karlmann den Weiten zu Soiſſons; aber bald entitand Zwietracht, 
da viele Männer auf Karlmanns Geite Feinde Karls des Großen 
waren. Doch ſchon nad) dreijähriger Regierung jtarb Rarlmann 
und jeine Witwe Gerberga floh mit ihren Söhnen in ihre italienijche 
Heimat, ins Longobardenreich des Defiderius, dejjen andere Tochter 
Difiderata Karl zur Gemahlin hatte. Einige der vornehmiten An: 
hänger Karlmanns, die Feinde Karls waren, begleiteten die fönig- 
lihe Witwe, da ne N vor Karl fürdhteten. Wiederum famen die 
Franken auf dem Märzfelde zulammen und Karl der Große wurde 
Alleinherricher der Franken. 


II. 


Der Papſt Hadrian I. hatte ſich geweigert, die Söhne Karl— 
manns zu Königen zu ſalben, wie es Deſiderius, ihr Großvater 
verlangte. Deſiderius wollte den Papſt mit Waffengewalt zwingen. 
Karl der Große hatte auch ſeine eigene Gemahlin Deſiderata, die 
er auf den Rat jeiner Mutter geheiratet hatte, vertrieben. Dadurch 
war Defiderius jchwer beleidigt. Der Papſt, der fürchtete, von 
Defiderius gefangen zu werden, jandte zu Karl, der gerade mit 
jeinen Nachbarn jenjeits des Niederrheins bejchäftigt war; Karl 
jammelte den Heerbann der Franken. 

Die Königsboten ritten von Gau zu Gau und Iuden zur Ber: 
jammlung im Namen des Königs ein. Der Gaugraf gebot wieder 
jeinen Leuten und die freien Franken zogen von ihren Grafen ge: 
führt nach Genf. Jeder hatte jein Reitpferd, jein Laftpferd, jeine 
Knechte und Vorrat an Heu und Lebensmitteln führte jeder jelbit 
mit jich für mehrere Monate. In Genf verfündeten die Beamten 
des Königs die Urjache der Verſammlung; der König zeigte den 
Brief des PBapftes und eilig zog das Heer über die Alpenpäſſe nach 


— 134 — 


Stalien. Unterdejjen hatte Defiderius alle Städte und Burgen 
um Rom erobert, die ginn dem PBapite als Lehen gejchentt hatte. 
Schon dachte Defiderius an die Eroberung Roms. Da nahte Karl. 
Deliderius zog ſich mit den Longobarden in feine wohlbefeitigte 
Hauptitadt Pavia zurüd und glaubte hier dem Frankenkönig trogen 
zu fünnen. Sein Sohn Adelchis fämpfte noch eine Zeitlang, aber 
umjonit. * ergab ſich. Deſiderius und ſeine Angehörigen 
wurden geſchoren und in fränkiſche Klöſter geſteckt, Adelchis Mob 
zulegt nad) Konitantinopel zum oſtrömiſchen Kailer. Der Papſt 
nahm wieder die Städte, die Defiderius erobert hatte, in Belig, 
Karl aber ließ fih in Mailand zum Könige von Italien Trönen. 
Seinem Sohne Pipin gab er die eroberten Länder als Königreich). 
Das Land wurde in fränfiihe Gaue eingeteilt. Fränkiſche Grafen 
übten im Namen des Königs die Herrichaft aus. Die KLongobarden 
durften wohl nad) ihrem eigenen Rechte leben, aber der fränkiſche 
Heerbann wurde eingeführt und wenn der Königsbote die Freien 
zum Kriege aufbot, mußten fie folgen wie die Franten. 


Il. Sadjenfriege. 
a. 


Sehr gerne hielt fich Karl der Große in Worms auf, wo eine 
fönigliche Pfalz jtand. Auch im Sommer des Jahres 772 weilte 
er mit jeinem ganzen Hofe hier. Die Bilhöfe und Äbte, die Her: 
zoge, Markgrafen, Gaugrafen und Pfalzgrafen waren um den König 
verjammelt, jelbjt die Hofbeamten und Lehensleute aus ganz Dit: 
franfen waren gefommen. Geiltlihe und weltlicde Herren ver: 
Jammelten ſich getrennt vor dem Könige. Hier beriet man ſich 
über die jchlimmen Einfälle der Sachſen ins fränkiſche Gebiet und 
bejchloß daher einen Kriegszug. Das Volk, das fi) zur Maiver: 
jammlung unterdejjen eingefunden hatte, folgte dem Befehle des 
Königs und Jofort brachen die Franken auf zum Kriege gegen die 
heidnijchen Sachſen. Die Sachſen waren wie falt alle deutichen 
Stämme von Natur wild und dem Götendienite ergeben; daher 
haßten fie das Chrijtentum. Sie jahen es auf die hrijtlichen Kirchen 
und Klöjter ab, die fie plünderten und ausraubten wie jpäter die 
Normannen. Außerdem lief die Mark zwilchen Sachſen und Franken 
falt immer durch die niederrheinijche Tiefebene, wo es an jcharfen 
Grenzen fehlte. Nur an einigen Stellen bildeten größere Wal: 
dungen oder Hügelländer eine bejtimmtere Grenze. Da die Franken 
unter Markgrafen die Grenze bewachten, fam es beitändig zu Streit 
zwilchen Sachſen und Franken und Mord, Raub und Branditiftung 
waren an der Tagesordnung. Schließlich mußten die Franken den 
Krieg beginnen, der 33 Jahre dauerte. Freilich hätte der Krieg 
Ichneller beendigt werden fönnen, wenn die Sachſen ihr Wort nicht 
immer gebrochen hätten. Ihren heidnijchen Göttern wollten fie 


= BB; 


nicht entjagen. Oft verſprachen fie Gehorjam, jtellten gerne alle 
Geiſeln, die Karl der Große verlangte und nahmen jeine Gejandten 
freundlich auf. Oft verjprachen fie auch den Chrijtenglauben anzu: 
nehmen; immer wieder, wenn Karl mit jeinen Franken über dem 
Rheine war und nur wenig Mönche oder Grafen im Sachjenlande 
blieben, fielen fie ab. Karl blieb unbeugjam, da er fie jedesmal in 
eigener Perjon oder durch jeine Grafen jtrafen ließ. 

Es war im Anfang des Sommers 782. Es gab Futter ge: 
nug, um mit einem SHeere ausziehen zu fönnen, denn der Reiter: 
dienft war nun der Hauptkriegsdienit. Karl berief daher den Heer: 
bann der rheinijchen und öjtlichen Franken nah) Sachſen zu einem 
Hof: und Neichstage, welchen er jährlich im Frankenlande, nament— 
lih gerne in Worms hielt. Bei Köln überjchritt er mit jeinen 
Getreuen den Rhein und rüdte an den Urjprung der Lippe (Lipp— 
Ipringe), wo er einen prächtigen Reichstag abhielt; auch die Edelinge 
der Sachſen waren gekommen um mit Karl zu beraten. Bijchöfe, 
Geiftliche und Mönche waren da um das Land endlich dem Chrilten- 
tum zuzuführen. Nah Schluß des Reichstages zog Karl wieder 
über den Rhein nad) Machen, jeiner Lieblingsitadt zurüd. Das 
hörte der Sachſenherzog Widukind, der zu den Normannen 
(Dänen) geflohen war und fehrte heim, um m Volt gegen die 
—— aufzurufen. Die Rormannen hatten ihm Hilfe verſprochen. 

a wurde dem König Karl gemeldet, daß die Slaven zwiſchen Elbe 
und Saale in das Land der Thüringer und Sachſen eingefallen 
ſeien und mit Raub und Brand hauſten. Sogleich berief Karl drei 
ſeiner beſten Krieger zu ſich, den Kämmerer Adelchis, den Marſchall 
Geilo und den Pfalzgrafen Worad. Dieſe ſammelten raſch den 
Heerbann der Oſtfranken und wollten ſich mit dem der Sachſen 
vereinigen. So famen fie in das jächfiiche Gebiet. Da hörten fie 
von dem Aufitande der Sachſen unter Widufind und die Oftfranken, 
zu denen die Sadjen ftoßen jollten, zogen nach dem Sachſenland. Nicht 
weit von der Grenze ftieß auch der Graf Theodorich, der ein Better 
des Königs war, mit den fränkiſchen Kriegern, die er raſch ge: 
jammelt hatte, auf den fränkiſchen Heerbann. Nun jandten Die 
Führer Rundichafter aus, die bald berichteten, daß die Sachſen mit 
ihrer ganzen Macht an der Nordjeite des Berges Süntel lagerten. 
Da der Süntel nahe an der Weſer liegt, jo jeßten die Franken über 
den Fluß und lagerten jenjeits, während Theodorich am Südabhange 
des GSüntels blieb. Die Sachſen hatten jchon längit auf die Franken 
gewartet und ftanden daher in guter Ordnung vor ihrem Lager. 
Dhne Ordnung griffen fie den Feind an, denn jie glaubten, er werde 
ihnen entrinnen, aber jo jchlecht der Anmarſch war, jo jchlecht war 
auch) der Kampf jelbit. Bald hatten die Sachſen den fränfijchen 
Haufen umzingelt und faſt bis auf den legten Mann niedergehauen. 
Die wenigen, die dem Tode entrannen, flohen jenjeits der Weſer 
ins fichere Lager Theodorichs, das die Sachſen nicht anzugreifen 


-— 16 — 


wagten. Die beiden Sendgrafen Adelchis und Geilo, vier Gau: 
5* und viele Lehensmänner fielen. Karl zögerte feinen Augen: 
lit, als er die Nachricht vernahm. Raſch bot er den Heerbann 
der niederrheinilchen Franken auf und eilte nach Sachſen. Vor jein 
Gericht berief er alle Großen der Sachſen und forjchte nach dem 
Anftifter der Empörung. Alle bezeichneten Widufind als den An— 
itifter, aber der war längjt wieder nach Norden geflohen, wo ihn 
jein Freund König Godefried von Dänemark abermals freudig auf: 
nahm. Aber die Empörer jelbit ließ fich Karl ausliefern; als treu: 
loſe Empörer ließ er fie durch jein Gericht zum Tode verurteilen. 
4500 Mann wurden daher an einem Tage bei Berden a. d. Aller 
enthauptet. Bon hier zog der König nad) Diedenhofen bei Mes, 
wo er den Winter mit jeinem Hofe verbrachte und Weihnachten und 
Ditern feierte. 


h. 


Als der Frühling anbrach, rüftete auch Karl einen neuen 
Feldzug gegen die Sachjen; denn wiederum hatten dieſe ich zu einem 
allgemeinen Abfall zujammengefunden. Bei Detmold Jammelten 
Widukind und Alboin ihre Scharen. Kundichafter brachten Karl 
die Nachricht, daß der ganze Heerbann der Sachſen aufgeboten jei. 
Widukind war von Gau zu Gau geritten um jein Volk zum leben 
Male für die Freiheit in den Kampf zu führen. Er dachte auch 
an jeine heidnilche Götter, die bereits überall vor dem Gott der 
Chriſten zurüdwichen. Nur heimlich aus Furcht vor Karl und jeinen 
Grafen opferten die Sachſen Wodan, Donar und Saxnot, auch der 
Böttin Freia unter den riefigen Irminjäulen, den uralten Eichen. 
Ale Sachſen famen, raſch war aber auch Karl bei Detmold und 
vernichtete das Heer der Sachſen bis auf wenige. 

Unterdejjen famen neue SHeerhaufen aus Franken nad) Weit: 
falen. Abermals hatten Widukind und Alboin neue Scharen ge— 
jammelt, die fich an der Haſe aufitellten um die Franken zu erwarten. 
Wiederum griffen die Franken an und überwältigten die Sachſen, 
die zum großen Teil niedergehauen wurden. Wiele gerieten in 
Kriegsgefangenichaft. Vom Teutoburger Walde bis zur Elbe zogen 
jegt die Franken alles verwültend; die Höfe der Bauern und Edelinge, 
nur aus Holz gebaut, flammten auf. Die Irminjäulen fielen unter 
den Händen der Priefter und Mönche, die ſie mit Axten niederhieben. 
Die feiten Pläge und Lager wurden dem — — — 
Als Karl die Elbe erreicht hatte, wo das Sachſenreich ſich von den 
Slaven ſchied, wandte er ſich um. Der Herbſt nahte wiederum und 
das fränkiſche Heer kehrte heim zu ſeinen Höfen und Burgen. 


c 


Karl hörte durch die Grafen, die an der Elbe die Wacht hielten, 
daß ſich Widufind und Alboin jenjeits der Elbe aufhielten. Er jandte 


L 
T 
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— 17 — 


daher ſächſiſche Edelinge zu ihnen und lie ihnen jagen: Gebt euren 
Widerſtand auf und unterwerft euch! Beide Fürften aber trauten 
den Morten Karls nicht; fie wünjchten, weil ja doch das Sachen: 
volf zum Chrijtentum übertrat und fein neuer Aufitand möglich war, 
Straflojigteit. Zu ihrer Sicherheit follte Karl Geijeln jtellen. 
Gerne war Karl dazu bereit: Der Hofbeamte Adalwin führte fränkiſche 
Jünglinge als Geiſeln nad) der Elbe. Dort warteten beide Sachſen— 
führer, die nun mit Wdalwin, nachdem die Geiſeln in die Hände 
der Freunde Widukinds gegeben waren, nad dem Rheine zogen. 
Rarl weilte damals (785) in Attigny auf feinem Hofgute. Dorthin 
famen Widukind und Alboin, gelobten ihm den Eid der Treu und 
ließen fich taufen. Seitdem fand das- Chrijtentum Eingang im 
Sachſenlande. Die Widerjpenitigen aber ließ er, 10000 an der 
Zahl mit Weib und Kind wegführen und im ganzen Frantenlande 
und in Gallien verteilen, — en königlichen Hofgütern, fern von 

Is Leibeigene ihr Leben. An ihre An: 
jiedelung erinnery unjerer Nähe noch die Namen Sachjenhaujen 
Lützelſachſenheim und Großjachjenheim nördlich von 


Karls Zug nad) Spanien (778). 


Mährend hartnädig und fait ununterbrochen mit den Sachſen 
eitritten wurde, ließ Karl an allen Punkten zwiſchen Elbe und 
bein Grenzpoften errichten. Auf dem Weichstage zu Paderborn 
naren maurilche Fürjten aus Spanien in ihrer morgenländijchen 
racht erjchienen und riefen den König gegen ihren Kalifen oder 

Kaiſer um Hilfe an. Karl jagte zu. Raſch eilten die Köntgsboten 
ins jüdweltliche Franfreih und boten die galliſchen Franken zum 


“ Heerbanne auf. Im ne 778 langte Karl in Chajjeneuil 


‚ an und der Krieg wurde bejchloj 


en. Karl überjchritt die Pyrenäen 
im Norden, wo die Basken wohnen, eroberte alle Bläge und Burgen 
bis an ven Ebro und fehrte mit jeinem Heere wohlbehalten und 
ohne Unfall heim. Nur die basfilche Treulofigkeit jollte er auf 
jeinem Rücdzuge erfahren. Das Heer marjchierte in langgezogener 
Linie, weil es die hohen Berge und die engen Täler nicht anders 
erlaubten. Man befand ich gerade an einer Stelle, die durch ihre 
dunklen Waldungen zu einem SHinterhalte trefflicy geeignet war. 
Hier hatten fich die Basken auf den Bergipigen verſteckt und ließen 
das Hauptheer ruhig durchziehen. Zulegt fam der Troß mit dem 
Gepäd und die Mannichaften, die die Nachhut deden jollten, in das 
enge Tal von Roncevalles. Da die Basken die geringe Zahl der 
Franken erfannten, jtürzten fie fi) auf fie hervor und machten fie 
alle nieder. Das Gepäd nahmen fie weg und den Betöteten raubten 


— — 


ſie Waffen und Kleider. Unter dem Schutze der einbrechenden Nacht 
zerſtreuten ſie ſich raſch nach verſchiedenen Seiten, denn ſie führten 
leichte Waffen und kannten die Gegend genau. Die Franken dagegen 
waren ſchwer bewaffnete Reiter. Auch ihre Anführer fielen: der 
königliche Truchſeß Eggehard, der Pfalzgraf Anshelm und der 
Markgraf von Bretagne, Hruodland (Roland). Karl vermochte 
nichts gegen den hinterliftigen Yeind zu unternehmen, da er wie 
vom Erdboden verihwunden war und in das wilde Feljengebirge 
der Pyrenäen ſich fein Franfe wagen fonnte. 


Karl der Große und Taſſilo II. 


J. NS 






Mährend Karl der Große mit Sadjien, und Mauren 
tritt, fämpfte der bayerilche Herzog Taſſilo III. gegen die Awaren 
in Ungarn, die man auch Hunnen nannte. Zwilchen den Bayern 
und den Awaren jaßen in den Alpenländern die Slaven,\die von 
den Awaren nad Welten gedrängt wurden. Die SIaven ‘riefen 
Taſſilo um Hilfe an, der fam auch wirklich und drängte die Amaren 
zurüd. Zum Dante famen des Slavenfürften Söhne nad) Bayern ” 
und erhielten in einem Klojter Unterricht in der chriftlichen Religion. | 
Millionare gingen von Bayern aus nad) Kärnten. Im Jahre 769 | 
ſchenkte Taſſilo dem Abte Dtto von Scharnig (in Tirol) die Gegend 
von Innichen bei Mittenwald und das Land von Gſiesbach an bis 
Anras um die heidnilche Slaven auf den Weg der chriltlichen Wahr“ 
heit zu bringen. Denn auf den gejchenkten Ländereien legten Die 
Mönche neue Klöfter an. Auch der Erzbiſchof von Salzburg jandte 
Miffionare in das Slavenland und weil diefe Milfion von Bayern \ 
— wurde Taſſilo der Oberherr der Slaven auch in weltlichen Y 
ingen. 
771 wollten die Slaven die bayeriihe Herrichaft abwerfen; N 
aber vergebens. Stattliche Klöfter erhoben fi in den Alpen: — 
Mattjee, Wejjobrunn, Weltenburg, Gars am Inn, Au am Inn 
entijtanden durch Tajlilos Freigebigfeit. 762 entitanden Schäftlarn \ 
an der Iſar, Scharnig in den Alpen, 769 gründete er Innihen; — 
das großartigite Stift aber war: Kremsmünfter. Gines Tages 
erichten der Herzog mit jeinem Sohne Theodo ſelbſt an dem Orte, 
wo das neue Kloſter fich erheben jollte und legte den Grundftein. 
Tajiilos Kaplan jelbjt wurde der erſte Abt. Reicher Grundbefit 
wurde dem neuen Gtifte gegeben und die Mönche, die fich hier 
jammelten jollten den Nordjlaven, den Tichechen in Böhmen, das 
Chriſtentum bringen, auch die Awaren jollten chriltlich werden. Bei 
der Stiftung des Klofters waren zahlreiche Bilchöfe, Grafen und 


— 


— 19 — 


Edelleute um den Herzog verjammelt, die alle die Stiftungsurfunde 
unterjchrieben. Noch heute beiteht das Kloiter Kremsmüniter als 
eine der wichtigiten Bildungsftätten in Sfterreich. 780 entitand am 
Fuße des Herzogenitands das Klofter Schlierjee. 


II. 


Im Jahre 781 war Karl in Italien, als er ſeinem Sohne 
Pipin das Königreich der Longobarden gab. Damals erſchienen 
auch bei Taſſilo in Bayern zwei Biſchöfe als Boten des Papſtes 
und von Karl geſandt der Diakon Rikulf und der Mundſchenk 
Eberhard. Sie ermahnten Taſſilo an ſeinen Lehenseid, den er 
einſt Pipin geſchworen hatte. Er dürfe nur ſo handeln, wie es 
in ſeinem Eidſchwure geheißen habe und doc hatte Taſſilo bis 
jegt nichts Unrechtes begangen. Er war ſeit langer Zeit gewohnt, 
\elbjtändig zu herrichen. Der Papſt drohte dem frommen Fürften, 
der jo viel für die Ausbreitung des Chriftentums getan hatte, mit 
dem Kirchenbanne, wenn er Karl nicht folge. Karl hatte jchon von 
Stalien aus eine Reichsverjammlung nah Worms 782 bejchieden. 
Dorthin hatten ihn die beiden föniglihen Boten geladen. Die 
aaa arg verlangte von Tajlilo die Erneuerung des Eides, 
den er Pipin gejchworen hatte. Ja er mußte Geileln jtellen, die 
dem Könige Karl von Pfalz zu Pfalz, von Hofburg zu Hofburg 
folgen mußten. 

Taſſilo unternahm nichts gegen Karl, ja, er half nicht einmal 
ljeinem Schwager MWeldis. An den PBapit aber jandte er zwei 
bayerilche Bilchöfe, die jollten den Papit bitten, daß er Karl und 
Taſſilo verjöhne. Karl aber verlangte Unterwerfung und nur in 
jeiner Gegenwart durften die Gejandten mit dem Papſte verhandeln. 
Da zogen die Bilchöfe ab. Als Karl wieder nad) Worms kam, lud 
er Taſſilo durch Königsboten zum dritten Male vor jein Gericht. 
Taſſilo hatte den Eid nicht verlegt und fühlte fich durch diejfe Ladung 
beleidigt. Daher verweigerte er den Gehorſam und ging nicht nach 
Worms. Sofort rückten drei Heere der rheiniichen Franken, der 
Schwaben und Dftfranfen gegen Bayern. Von Süden her drang 
der junge König Pipin aus Italien, über den Lech bei Augsburg 
Karl jelbjt und ein anderer Haufen bei Pforing über den alten zer: 
ſtörten römijchen Grenzwall. Nicht alle Bayern folgten dem Heer: 
bannrufe ihres Herzogs, fie hielten zu Karl. 

Am Lech jtand das Lager der Franken. Bevor aber Karl die 
Grenze überjchritt, ſchickte er Botichafter zu Taſſilo, der fich der 
Üübermadht Karls fügte um jein Land zu retten. Am 3. Dftober 
787 leiſtete Tajfilo in Karls Hände den Eid der Treue. Denn der 
größte Teil des bayerilchen Heeres war zu Karl übergegangen, jelbit 
die Geiftlichen ftellten fich gegen Taſſilo. Auf einem Stuhle ſaß 
Karl im Lager, vor ihm kniete Taſſilo, indem er ihm einen Stab, 


— 140 — 


dejjen Spite in ein männliches Bild auslief, überreichte. Karl gab 
den Stab zurüd und Taffilo ſprach den Eid der Treue in die Hände 
des Königs. Seit 787 hatten alle freien Männer, die zum Heer— 
bann verpflichtet waren, für Karl Heeresfolge zu leilten. Das 
beleidigte Tajjilo tief, denn nun war er ohne Getreue. Cr juchte 
nad) Bundesgenofjen. Aber jeine Verwandten in Italien waren 
alle vernichtet, die Sachſen aufs Haupt geſchlagen. Doch im Oſten 
ſaßen feine Feinde, die Awaren, in ihren Holzfeftungen hinter Erd: 
haufen. Wenn die kamen, jo war er gerettet. Das hörte Karl, 
da lud er den Herzog zum dritten Male vor die Reichsverfammlung 
nad Worms. Mit attficpem Gefolge ritt Taffilo dorthin. Kaum 
war er angefommen, jo wurde er entwaffnet, jeine Gemahlin, jeine 
Kinder und ſein zahlreiches Gefinde wurden ebenfalls nach Worms 
geichleppt. Sofort trat das Gericht zuſammen: Der Pfalzgraf als 
oberfter Richter hielt ihm feine Vergehen vor: Bündnis mit den 
Awaren, Mikhandlung fränkiicher Edelleute, Bruch des geleiteten 
Eides. Unter den Anklägern die gegen den wehrlojen Herzog auf: 
traten, waren auch bayerilche Edele, die fich bei Karl einzufchmeicheln 
juchten. Ja, man warf ihm vor, daß er bereits 755 dem Könige 
Pipin die Heeresfolge verweigert habe und alle jprachen ihn des 
Todes ſchuldig. Karl als der oberjte Nichter verwandelte dieſe 
Strafe in lebenslängliches Gefängnis um. Daher brachten fränkiſche 
Krieger den gefangenen Herzog nad) dem jchönen Kloſter St. Goar, 
wo er als Mönch lebte, dann führte man ihn nad) Jumièges bei 
Rouen in Frankreich und zulegt ins Klofter Lorſch bei Worms, wo 
er von jeiner Familie getrennt als Greis in hohem Alter ſtarb. 
Seine Söhne Theodo und Theodebert famen ebenfalls ins Klofter. 
Theodo ftarb im Kloiter St. Maximin bei Trier, das in der Nord: 
pfalz viele Güter beſaß. Auch Taſſilos Töchter Cotani und Hrotrad 
famen in Klöſter; erjtere nach Chelles, legtere nach Laon in Frankreich. 

Noch einmal (794) zerrte man den gedemütigten Fürſten auf 
den Reichstag nad) Franthurt a. M. wo er für fich und die Seinen 
für immer auf Bayern verzichtete. Seitdem wurde jein Name nicht 
mehr genannt. Heute noch gedenken das Kloſter Weltenburg a. d. 
Donau in Niederbayern, Kremsmünfter und RER des 
Todestages ihres Stifters Taſſilo (11. Dezember). 


Karls Kriege gegen die Awaren. 
I. 


Die Awaren hatten die Abjegung Taſſilos noch nicht ver: 
nommen, als ſchon zwei ihrer Heere fih nah Welten aufmadhten. 
Das eine fiel in Friaul (Nordoititalien) ein und wurde von den 


— 141 — 


Franken, die dort jtanden, zurüdgejchlagen. Das andere Heer zog 
die Donau aufwärts gegen Bayern; aber faum hatten fie die Grenze 
Bayerns erreicht, als auch jchon der raſch geſammelte Heerbann gegen 
fie auszog. Bald fam eine große Abteilung des fränfiichen Heer: 
banns unter den Anführern Grahaman und Audaler (Dtaker). An 
der untern Ips (Öjterreich) begegneten fich beide Heere. Die Awaren 
wurden gejchlagen und hatten doch gehofft die Bayern als Bundes: 
genojjen zu begrüßen. Noch in demjelben Jahre famen fie um Rache 
zu nehmen an den „treulojen“ Bayern, die fie gerufen hatten. Aber— 
mals blieben die Bayern Sieger. Die Sendboten Karls führten die 
Bayern an und drängten die wilden Räuber in die Donau, die ihre 
Leichen mitnahm. Im Jahre 788, im Spätherbite erjchien König 
Karl ſelbſt zum erften Male in der and Hauptitadt Negens: 
burg. Einem jeiner treueften Anhänger, dem jchwäbilchen Grafen 
Gerold von der Bertholdsbaar, dem Bruder jeiner Gemahlin 
Hildegard übertrug er die Dberauflicht über Bayern. Der bayerijche 
Heerbann hatte nur ihm zu gehorcdhen und wenn Gerold in einen 
Gau fam um Gericht zu halten, jaß er als Richter an Königs Stelle 
auf dem Stuhle. Gerold war reich an Gütern; daher folgten ihm 
in jein neues Amt als Präfekt von Bayern viele Edelleute, in 
Sadjen hatte er für jJeinen Herrn und die Wahrheit des Evan: 
eliums gejtritten; in Paderborn erinnerte noch lange an jeinen 

amen eine Kapelle zu Ehren der Mutter Maria. Ein ſolcher 
Dann konnte den Awaren troßen. 


II. 


Im Sahre 790 hielt Karl in jeinerziXieblingsitadtt Worms: 
abermals einen ab. Dorthin famen awarijche Edele, die 
mit den Franken über die Grenzen bejonders in Kärnten unter: 
handeln wollten. Die böjen Nachbarn aber wollten mehr Land 
haben, als Kerl ihnen geben wollte, daher zogen fie ab. Gleich. 
bejchlojjen die Franken den Krieg gegen die Awaren. Bei Regens- 
burg jammelte fich das fränkiſche Heer, wie jeit den Tagen Attilas 
noch feines an der Donau ftand. Die Rheinfranken, Thüringer, 
Sadjen und Frieſen hatten dem Rufe der Königsboten Folge ges 
leiltet.” Es war Dftern 791. Der ganze königliche Hof war da: 
mals in Regensburg, wo die Königin Faltrade unter dem Schuße 
des Erzbilchofs von Mainz zurüdblieb. Der jugendliche Ludwig, 
der jpätere Kaiſer erhielt zum erften Male die Waffen. Auch Graf 
Theodorich, der tapfere Sachſenbeſieger war hier. Er führte die 
Rheinfranten, Thüringer, Sachſen und Friejen durch Böhmen und 
dann am linfen Donauufer entlang. In der Mitte fuhren die 
Bayern. Auf Kähnen und Schiffen brachten fie Lebensmittel, Futter, 
Waffen und Werkzeuge; die bayerilchen Bilchöfe Otto von Freiling, 
Sindbert von Regensburg waren bei diefem Zuge. Die Oſtfranken 


— 12 — 


und Mlamannen führte Karl ſelbſt. Sein Sohn Pipin drang von 
Italien aus vor und jchlug einen Haufen der Awaren am 23. Auguft. 
Boten brachten die frohe Nachricht an die Donau in das Lager 
von Lorch, der alten Römerfejte Lauriacum. Hier hatte er ge— 
wartet und jein ganzes Heer gejammelt. Die Truppen, die von 
Norden her famen, hatten fich etwas verjpätet. Als die Nachricht 
vom Giege Pipins ins Lager der Franken fam, wurden drei Tage 
lang Danfgebete, Almojen und Weinfaften abgehalten. Dann gings 
mit frohem Mute über die Grenze. Die Schanzen dajelbjt aus 
Erde und Balliladen waren bald genommen und 52 Tage lang 309 
Karl ins Awarenland. Die Awarendörfer mit ihren runden Um: 
zäunungen wurden genommen, angezündet und das Bolf gefangen 
mitgejchleppt. Die Gefangene wurden Leibeigene. Da, wo ji 
Raab und Donau vereinigen, machte Karl erit halt, denn die Awaren 
hatten fich in das Innere ihres weiten ebenen Reiches zurüdgezogen. 
Unter den Pferden brach auch eine böje Seuche aus. Daher Jandte 
er einen Teil des Heeres durch Böhmen in die Heimat. Er jelbit 
fehrte nah Regensburg zurüd. 


II. 


In — begann nun ein großes Rüſten zu einem neuen 
Feldzuge. arl wollte die breiten Ströme überſchreiten und ließ 
daher lange und breite Schiffe bauen, die durch Seile verbunden 
und durch Anker befeſtigt wurden, alſo zu Schiffbrücken verwendet 
werden konnten. Noch ein anderes Werk wurde in dieſem Jahre 
begonnen. Bei Dettenheim an der Altmühl, im Wieſengrunde nach 
der Eiſenbahnſtation Grönhart zu erblicken wir mitten im Tale das 
öſtliche Ende jenes Rieſenwerkes, das als Karlsgraben heute noch 
im Volke bekannt iſt. Nur ein geübtes Auge erkennt dort eine kleine 
Bodenerhebung, die die Gewäſſer einerſeits zur Donau, andererſeits 
in die Rezat zum Maine ſendet. Dieſe Bodenerhebung beträgt nur 
einige Meter über dem Spiegel von Altmühl und Rezat. Dort 
arbeiteten vom Herbſte 792 bis tief in den Winter des Jahres 798 
zahlreiche Leibeigene und Hörige. Eines Tages kam ſogar Karl 
der Große ſelbſt mit ſeinem Gefolge von Regensburg her, um die 
getane Arbeit zu prüfen. Zweitauſend Schritte hatten die Arbeiter 
bereits ausgehoben und 25 Mannesjchritte aljo 18—20 m breit war 
das Werk, von dem man jett noch 200—250 m erfennen fann. 
Aber durch die heftigen Fröfte und die folgenden Regengüſſe er— 
weichte der Boden, es entitanden Dammrutichungen. Die Arbeit 
wurde daher nicht vollendet. Der Karlsgraben zerfällt heute in 2 
Teile: 1. in einen ausgetrodneten Talraum, der nur wenig Waſſer 
führt und 2. in den eigentlichen Kanal, der jett ein Teich mit Zufluß 
und Abflug if. Das Dorf Graben an der Altmühl verdanft den 
Werfleuten Karls jeine Entftehung. Erft nad) mehr als taujend 


— 1383 — 


Jahren unter König Ludwig I. von Bayern wurde ein ähnlicher 
Plan, der eine andere Richtung einjchlug, ausgeführt. 


IV. 


Karl der Große fonnte in der nächſten Zeit nicht jelbjt gegen 
die Awaren ziehen, da er mit den Franken nach) Sachſen 2 
mußte. Da brach unter den Awaren Zwiejpalt aus. Einer der 
Führer ſchickte an Karl eine Gejandtihaft, die meldete, er wolle fich 
nicht nur unterwerfen, jondern auch das Chriltentum annehmen. 
Zwei andere jeiner Führer (den Khafan und den Jugur) erichlug 
das Volk im Aufruhr. Daher zogen zwei Heerführer Karls jofort 
nach der Donautiefebene: Markgraf Erich von Friaul (Italien) und 
Herzog MWoinimir von Kärnten mit ihren Leuten. Raſch überfielen 
fie die Hauptfejtung der Awaren, den berühmten Awarenring aus 
Baumitämmen, Erde und Mauerwerf. Meilenweit zog dieje Ber: 
Ihanzung um die wichtigiten Drtjchaften der Awaren (wie die 
Teufelsmauer um das römilche Zehentland). Die Feſte wurde von 
den Chrilten (Bayern und Slaven) erftürmt und ausgebrannt. Die 
Awaren famen daher herbei und gelobten den Eid der Treue in 
die Hände der beiden SHeerführer. Aber jchon im Frühling 796 
meldete PBipin, Karls Sohn dem Bater, daß die Awaren wieder 
einen neuen Fürſten (Khakan) gewählt hätten und den Tribut ver: 
weigerten. Der SHeerbann der Bayern und Longobarden wurde 
aufgeboten und von Pipin nad) dem Diten geführt. Auch Franken 
und Alamannen hatten fi) dem Heere angeſchloſſen. Wiederum 
wurde der Ring erftürmt und von den Franken ausgebrannt; der 
neugewählte Khafan und jeine Getreuen erjchienen vor Pipin und 
leifteten abermals den Huldigungseid. Die VBerwültung des Awaren: 
landes war jo groß, daß noch 100 Jahre nachher von einer 
awarijhen Wüſte geredet wurde. Die vielen Gefangenen wurden 
nah Bayern und Franfen ga und jollten den Kriegern als 
Zeibeigene verteilt werden. Aber der fromme Bilhof Altwin ging 
zu König Karl und bat um ihre Freigebung. Karl willigte gern 
ein und die Awaren fehrten in ihr Land. Aber auch das Gold, 
das in dem Awarenringe aufbewahrt worden war, war in die 
Hände Karls gefallen, der damit alle Anhänger und Freunde frei: 
gebig bejchenkte. Noch nie war jo viel Geld im Frantenlande. 
Dennod war der Awarentrieg auch jet noch nicht zu Ende. 
Im Jahre 799 mußte der bayerijche Heerbann unter jeinem Führer 
Gerold nad) der mittleren Donau ziehen um abermals die Awaren 
zur Ruhe zu bringen. Schon jtanden jeine Leute in Schlachtordnung, 
in der Nähe die Awaren. Nocheinmal ritt er an jeinen Reihen auf 
und ab und ſprach ermunternde Worte. Da traf ihn einer der 
erften Pfeile, die der Feind ſchon jandte. Nur mit Mühe konnte 
jein Getreuer Sachſo den toten Helden den Awaren entziehen. Die 


—— 


heimkehrenden Sieger beſtatteten ihn im Kloſter Reichenau im 
Bodenjee. Im Jahre 803 erſt kamen awariſche Große in Regens— 
burg zu Karl dem Großen und gelobten Treue. Bald nahmen 
alle das Chriſtentum an, nachdem ſich ihre Führer taufen ließen. 
Seitdem verſchwanden die Awaren aus der Geſchichte. 


Karl der Große wird Kaiſer. 


Im Jahre 795 war Papſt Hadrian, Karls Freund geſtorben. 
Sein Nachfolger Leo Ill. war auch ein Freund des mächtigen Königs; 
aber da er im Jahre 797 von jeinem Palaſte zur Laurentiusfirche 
309g und ihm die gejamte Geiltlichkeit folgte, warteten auf die Prozeſſion 
der Kanzler Paschalis und der Schagmeilter Campulus mit ihren 
Verſchworenen. Sie wollten den Papſt ermorden und die weltliche 
Herrichaft an fich reißen. Als der feitliche Zug mit Fahnen und 
Blumen durch die Stadt ging, traten die Verjchworenen raſch an den 
Papſt heran, riljen ihn vom Pferde, jchlugen die, welche ihm helfen 
wollten, zurüd und mißhandelten ihn. Das wehrloje Volt und die 
GBeijtlichen jtoben nach allen Seiten auseinander um fich zu retten. 
Eilig banden fie den Kirchenfüriten und jchleppten ihn jelbit in das 
Kloiter St. Erasmus, wo fte ihn durch Getreue ſtreng bewachen 
ließen. Aber der Kämmerer Leos war ein treuer Diener, der des 
Nachts die Klojtermauern erjtieg und mit wenig Getreuen, die außen 
warteten, den Bapit in die Veterskirche rettete. Dort, an geweihtern 
Drte, konnten ihn jeine Feinde, die Vornehmen Roms nicht holen. 
Aber da er fih nicht lange in Gt. Peter aufhalten fonnte, 
brachte ihn der treue Herzog Winiges von Spoleto unter ficherem 
Geleite nad) Spoleto. Won hier eilte Leo über die Alpen um bei 
Karl dem Großen Schuß zu Juchen. Boten ritten voraus und meldeten 
Karl, der gerade nach Sachſen z0g, daß der Papit fomme. Sofort 
mußten ihm der Grzbijchof Hildebald von Köln und der Graf 
Askarich entgegenreiten. Streitbare Franken begleiteten fie und in 
allen Städten, die der Papſt berührte, wurde er ehrenvoll begrüßt. 

Im Juli 799 war Karl in Paderborn und muſterte das Heer. 
Da kam der Papſt in das Lager. Karl ging ihm ehrerbietig ent: 
gegen und hörte jeine Klage an. Aber auch die Feinde des Bapites 
hatten ihre Anklagen gejchidt; fie jagten, Leo führe feinen chriltlichen 
Lebenswandel. In irklichfeit aber waren fie erbojt, weil Leo Papſt 
geworden war und nicht einer aus den vornehmen Familien. 

Leo kehrte unter dem Schuge Karls nah) Rom zurüd. Die 
Erzbilhöfe von Köln und Galzburg, Hildebald und — fünf 
Biſchöfe und drei fränkiſche Grafen mit ihren Reiſigen gaben ihm 
das ſichere Geleite. Karl ſelbſt zog nach Aachen und rüſtete zur 
Romfahrt. Leo zog unter —— Schutze in ſeiner Stadt ein. 


— 15 — 


Die fränkiſchen Königsboten, ein Bilchof und ein Graf, hielten Gericht 
über die Empörer und ließen fie gefangen nehmen. Der Kanzler 
und der Schagmeilter wanderten gefangen nach Frankreich. 

Im Auguft des Jahres 800 kam Karl nad) Italien. Zuerft 
durchzog er mit den Franken das Iongobardijche Reich. In Ravenna, 
der alten Stadt Theodorichs, raftete er fieben Tage und erwartete 
Zuzug. Dann ging es auf Rom zu. Hocherfreut zog ihm Leo 
entgegen und |chon am 1. und 2. Dezember hielt Karl eine große 
Kirchenverfammlung aller anwejenden Erzbiſchöfe, Bilchöfe und Äbte 
ab; auch die fränfiichen Grafen nahmen daran teil. Die Anjchuldigungen 
gegen Leo waren ungerecht und der Papſt ſelbſt ſchwur einen feier: 
lichen Eid, daß alles, was jeine Feinde jagten, Lüge jet. 

Am Weihnachtsfefte ging es in Rom nun hoch her. Das 
Bolt ſtrömte in Scharen zur Peterskirche, Karl hatte römijches 
Gewand angelegt: er trug ein langes weißes Kleid, einen roten 
Mantel, ihm folgten jeine Franken in ihrer heimilchen Tracht. 
Kirche und Stadt waren prächtig geihmüdt. An den Wänden 
hingen koſtbare Teppiche, überall erglänzten die Kerzen in dem 
a Gotteshaufe. Am Cingange Hans der Papſt in feitlichem 
Gewande als oberjter Prieſter der Chriltenheit. Er führte Karl in 
das Gotteshaus, wo am Grabe des Apoitels Petrus ein prächtiger 
Ehrenlig jtand. Um Karl reihten fich die Franken. Die Geiftlichen 
aber umgaben den Papſt, der nun die Meile hielt. 

Karl war noch in Andacht verjunfen, da trat der Papſt mit 
den Bilchöfen hervor und jalbte ihn mit geweihten Ol, jegte ihm 
dann eine mit Edeljteinen gejchmüdte Krone auf das Haupt. Go: 
gleich ertönte die Orgel, Trompeten jchmetterten, Bauten erflangen 
und Zimbeln. Das freudig bewegte Volk aber rief: „Dem er: 
hbabenen Karl, dem von Gott gefrönten großen und 
friedebringenden Kaijer der Römer Leben und Sieg!“ 
Nach altrömilcher Sitte trat Leo vor den neuen Kailer und huldigte 
ihm fnieend. Karl war nun nicht mehr Schugherr der Römer 
ſondern römijcher Kailer. 

Sp war in Erfüllung gegangen, was im Jahre 777 Bapit 
Hadrian gejagt hatte: „Die Welt wird in meinem Freunde Karl 
eines Tages noch einen neuen Konltantin erbliden.“ 

Die Feinde hatte man unterdejjen nochmals zurüdgebradt. 
Karl hielt wieder Gericht über fie und gedachte fie nach römiſchem 
Rechte töten zu laſſen. Da aber Leo für jeine Gegner bat, ſchickte 
fie Karl abermals gefangen nad) Frankreich. 


Karl und die Normannen. 


Zu Karls Zeit famen an die Mündungen der Elbe, der Weſer, 
der Ems, des Rheines, der Maas, der Seine fühne Seefahrer auf 


10 


— 146 — 


großen, breiten Schiffen. Vorne am Fahrzeuge war ein Drachentopf, 
der feinen Hals in die Höhe redte, ausgelchnitten. Sie jchifften von 
Norden her aus Dänemark und nannten ſich Normannen, die Männer 
aus dem Norden. Sie wollten noch nichts vom Chriltentum willen, 
jondern verehrten ihre heidnilchen Götter und Göttinnen wie einit 
die alten Deutichen. Bald famen fie nicht mehr als Räuber allein, 
londern, da fie das Land jchlecht bewohnt jahen, zogen fie als Er: 
oberer nah Süden. Ihr König Godofried war von der Hoffnung 
bejeelt und jagte: „Ganz Deutjchland (rechts des Rheines) muß noch 
mein werden; Friesland und Sadjen find jegt jchon mein.“ Cines 
Tages prahlte Godofried: „Ich werde bald an der Spitze eines 
—— Heeres vor Aachen, wo der König Hoflager hält, erſcheinen.“ 
Zuerſt fiel Godofried mit ſeinen Scharen im Lande der Abodriten 
(Mecklenburg) ein; ja, einige Slavenſtämme ſchloſſen ſich ihm an. 
Karl der Große ſandte ſeinen Sohn Karl gegen ihn. Der über— 
ſchritt zwar die Elbe, mußte ſich aber unter ſchweren Verluſten 
zurückziehen. Godofried führte ſeine Flotte über die Oſtſee nach 
Schleswig zurück. Auch eine Flotte zum Kampfe gegen die Normannen 
baute Karl an den Mündungen der Flüſſe in Gallien und Deutſch— 
land. Denn die Normannen fielen von bier aus beitändig in 
das Frankenreich ein. Nun aber hielten Geſchwader an den Flüſſen 
die Wacht, jo daß fein Feind leicht eindringen konnte. 


Karl Frönt feinen Sohn Ludwig. 


Karl der Große war alt und beftändig quälte ihn die Gicht. 
In den drei letten Jahren vor jeinem Tode famen Sonnen: und 
Mondfinfternijje vor; in der Sonne erblidte man fieben Tage lang 
einen jchwarzen Fleck vom Schatten eines Sternes, der zwijchen 
Erde und Sonne jtand; da jagten die Leute zu Aachen: Unſer Kaijer 
wird nicht mehr lange leben. Auch fam die Nachricht, die mächtige 
hölzerne Rheinbrücde bei Mainz, die vor 10 Jahren erſt erbaut worden 
war, jei abgebrannt, nur das, was im Wafjer ftand, blieb vom 

euer verjchont. Die verfohlten Balken trieben mit den rajchen 
Iuten des Rheines abwärts. Bon Karls Söhnen waren die beiden 
tüchtigften, Pipin und Karl, geitorben. 

Der Kaijer fühlte jein Ende nahen. Er berief daher jeinen 
Sohn Ludwig, der in Aquitanien regierte, feine ganze Heeres: 
folge, Bilchöfe, Abte, Herzöge, Grafen und Untergrafen nad) 
Aachen; denn reilen konnte er nicht mehr und hielt mit ihnen 
einen Reichstag im Palaſt zu Wachen. Dort ſaß Karl zum 
legten Male vor jeinen Getreuen auf dem Erzſtuhle des 
Neihes. Er ermahnte alle: „Seid getreu gegen meinen Sohn 
Ludwig, wie ihr gegen mich jtets waret und euch alle frage 


— 17 — 


ich, ob ihr damit einverftanden jeid, wenn ich diefem meinem Sohne 
die Kaijerwürde übertrage.“ Bon allen erjcholl da die freudige 
Antwort: „Das ilt der Wille Gottes“ und Ludwig ward Kaiſer. 
Am nächſten Sonntage legte Karl das Königsornat an und ſetzte 
die Krone aufs Haupt; herrlich geſchmückt und geziert trat er auf, 
wie es einem Könige gebührt. nahm mit ſeinem Sohne Ludwig 
und mit allen, die am Hofe und auf dem Reichstage waren, ſeinen 
Gang zu dem Gotteshauſe, zu dem er den Grund gelegt hatte. Er 
trat vor den Altar, der auf einer Erhöhung errichtet und dem 
Heilande geweiht war. Dort ließ er eine ſchwere goldene Krone 
niederlegen, eine andere als die er auf dem Haupte trug. Lange 
betete er fniend mit ſeinem Sohne; dann erhoben ſich beide und 
Karl ſprach zu feinem Sohne: „Mein Sohn; du wirft nach mir, 
wenn es der SBille Gottes ijt, die Krone des Reiches tragen. Daher 
ermahne ich dich, Gott über alles zu fürchten und zu lieben, in 
allen Dingen jeine Gebote zu halten; hüte und jchüße die Gottes: 
— vor ſchlechten Menſchen. Deinen Schweſtern und jüngeren 

rüdern, deinen kleinen Neffen und allen Verwandten aber beweiſe 
Teilnahme, die nie ermüdet. Ehre die Geiſtlichen wie Väter, liebe 
dein Volk wie deine Kinder, führe die Hochmütigen und Verworfenen 
— auf den Weg des Heiles, werde ein Schützer der Klöſter, ein 
ater der Armen. Wähle dir treue und gottesfürchtige Diener, 
haſſe die ungerechten Geſchenke, nimm keinem Grafen oder Biſchof 
ohne Grund ſein Amt. Du aber ſelber, mein Sohn, ſei untadelhaft 
vor Gott und vor den Menſchen. Und nun frage ich dich vor der 
Verſammlung des ganzen — Willſt du dieſen meinen 
Geboten gehorſam ſein?“ Freudig ſprach der Sohn: „Mit Gottes 
Hilfe will ich gerne allen deinen Geboten gehorjam ſein!“ Dann 
hieß Karl jeinen Sohn fich jelber die neue Krone auf dem Altare 
u holen und aufs Haupt zu jegen. Ludwig erfüllte des Vaters 

efehl. Darnach begann die heilige Mejje, die fie anhörten. Ludwig 
und der Bater aber begaben ſich im Zuge in den Palaſt zurüd. 
Auf dem Heimwege ftüßte der Sohn den gebrechlichen Water, jo 
lange er bei ihm war. Ein paar Tage jpäter verehrte ihm der 
Vater zahllofe und prachtvolle Gejchente und ließ ihn wieder nad) 
Aquitanien reijen, wo er als König regierte. 


Karl der Große und Harun al Raſchid. (802.) 


Der perfiiche König Harun (Nron), der das Morgenland mit 
Indien beherrichte, war auch Herr des Heiligen Landes. Dorthin 
hatte Karl Gejandte gejchiekt, die goldene und filberne Gefäße in der 
Kirche des heiligen Grabes zu Jeruſalem niederlegen jollten. 

Zuerft famen dieje Herren, Bilchöfe und Grafen zu Harun 
um ihm den Wunjch ihres Herrn zu verfünden. Die Ghriften waren 


10* 


u; GAR 


von den Muhamedanern jchwer bedrüdt worden. Als die Gejandten 
Rarls die Bitte ihres Herrn vorbrachten, war Harun gern bereit, 
die Chrijten zu jchügen. Ja, er jegte Karl * Schutzherrn der 
heiligen Stätte ein. Die Geſandten des Kalifen begleiteten die 
Franken nicht nur nach Jeruſalem, ſondern im Auftrage ihres Herrn 
gingen ſie mit übers Meer nach dem Frankenreiche und brachten 
Gewänder, wohlriechende Kräuter und andere Schätze des Morgen— 
landes dem Könige Karl. 


Karls Tod. (814.) 


Auf dem Rande des Kranzes, der um die Kirche zu Aachen 
im Innern herumlief, jtand eine Injchrift in roter Farbe: die er: 
ählte, wer der Gründer des Gotteshaujes jei. In der legten Zeile 
Handen die Worte: Karolus princeps — der Fürft Karl. Wenige 
Monate vor Karls Tode verlöjchte nad) und nad) das Wort princeps 
und abergläubilche Leute jagten wieder, das bedeute Karls Tod. 
Als die Diener das ihrem Herrn meldeten, lachte er, weil er an 
derlei Gejchichte nicht glaubte. Aber jeine Krankheit gemahnte ihn 
jeden Tag an ſeinen Tod. 

Seine Schäße hatte er in den Saal bringen lajjen, wo er ſich 
aufhiell. Sie wurden in drei Haufen geteilt; aus zwei derjelben 
machte er je 21 Teile, den dritten Haufen ließ er ganz. Bon diejen 
21 Teilen erhielt jeder der 21 Erzbilchöfe des Reiches einen; der 
lolle davon ein Drittel der Kirche geben, die beiden anderen Drittel 
aber unter die Untergebenen verteilen. Damit jeder Jah, was der 
andere erhielt, ließ er die Namen der Städte auf Pergament 
Ichreiben und auf den Schaßteil legen, darunter die deutjchen Erz— 
bistümer Köln, Trier, Mainz und Salzburg. Der dritte Teil des 
Schatzes jolle vor Karls Tode nicht verteilt werden; dann aber 
jollte er in 4 Teile zerlegt werden: einen Teil erhalten die Erz— 
bistümer, den zweiten Jeine Söhne und Töchter zu gleichen Teilen, 
den dritten nach alter chriltlicher Sitte die Armen, den vierten 
die Anechte und Mägde des Palaſtes. Alle Schäge aber beitanden 
aus Gold: und Gilbergerät. Dazu kamen noch aus der Waffen: 
fammer Schilder, Schwerter, Speere, Bogen, Banzer, aus den andern 
Räumen Gefäße und Gerätichaften aus Erz und Ei Auch Kleider, 
Vorhänge, Deden, Teppiche, Polſter, Filz: und Lederwert, kurzum 
all jein Eigentum jollte jo verteilt werden. Ginen filbernen Tiſch 
mit dem Bilde von Konjtantinopel ſchickte er dem Papſte für die 
Peterstirche in Rom, ein anderer mit dem Bilde Roms fam nad) 
Ravenna. Ein dritter Silbertiſch und ein goldner blieben jeinen. 
Erben. Bei diefer Teilung waren 15 Erzbilchöfe, Bijchöfe, Äbte 
und 15 Grafen zugegen, die die Urkunde unterjchrieben. 


— 19 — 


Täglich famen griechijche und morgenländijche Gelehrte zu ihm 
und verbejjerten mit ihm die vier Evangelien der hl. Schrift. Am 
21. Januar 814 badete er wie gewöhnlich mit jeinem Hofe in den 
Ichönen Bädern von Machen, die er über den heißen Duellen 
errichten ließ. Als er aus dem Bade ftieg, ergriff ihn das Fieber. 
Er aß und trank forthin nichts mehr und nahm nur ein wenig 
Waller zu ih. Am 7. Tage ließ er feinen treuen Freund, Erz: 
biichof Hildebald von Köln kommen. Diejer reichte ihm das Hl. 
Abendmahl. Danad) lag er Fraftlos den ganzen Tag und die 
folgende Naht. Am andern Morgen bei Tagesanbruch erhob er 
mit dem Weite jeiner Kraft die Rechte, befreuzte fi) auf Stirn, 
Bruft und Leib. Zulet aber ftredte er Arme und Hände auf dem 
Körper aus, ſchloß die Augen und betete leije die Worte Jeſus: 
„Bater, in deine Hände berehle ich meinen Geiſt!“ Bald darauf 
ftarb er, 72 Jahre alt, im 46. Jahre feiner Regierung. 

Noch an demjelben Tage wurde Karls Leiche feierlich ein- 
baljamiert und unter großer Trauer des ganzen Volkes in der Kirche 
beigejegt. Zuerjt wußte man nicht, wohin man ihn beitatten jolle; 
er hatte zwar jchon 769 beftimmt, daß er neben jeinem Bater in 
St. Denis ruhen wolle, aber dies war in Vergeſſenheit geraten und 
deshalb meinten alle, die bei jeinem Tode in Wachen waren, man 
jollte ihn im Dome zu Aachen beftatten. Dort wurde er wirklich 
an demjelben Tage, an dem er geitorben war, in einen Marmor: 
ſarg gelegt und in die Grabkammer gebradt. Als man dieje ver: 
mauerte, jeßte man über das Grab einen vergoldeten Bogen und 
eine Injchrift mit folgendem Wortlaute: „Hier liegt der Leib Karls, 
des mächtigen, rechtgläubigen Kaijers, der das Frankenreich ruhm: 
voll vergrößert und 45 Jahre glüdlich regiert hat. Er ftarb, mehr 
denn 70 Jahre alt im Jahre 814, am 28. Januar.“ 


Karl im Frieden. 


In Sachſen und Bayern hatte Karl die Herzöge abgeiest und 
überall verwalteten Grafen das Land in jedem Gau. Der Gau: 
raf war oberfter Richter jeines Gaues, führte im Kriege die 
Breien Männer dem Heere zu und hielt auch die jonjtige Ordnung 
aufreht. Der König belohnte ihn mit großen Landgütern, oft hatte 
ein Graf mehrere Gaue. An den Grenzen gegen die Slaven, 
Awaren und Sarazenen ftanden Markgrafen, die bejtändig auf der 
Macht jein mußten und daher ftets Bewaffnete in ihrer Nähe hatten. 
Alljährlich kamen zwei KRönigsboten (Sendgrafen) in jeden Gau, 
ein Graf und ein Bilchof und hielten jelbit Gericht an den alten 
Dingitätten. Sie erftatteten dem ag über das, was fie vernommen 
hatten, ausführlichen Beriht. Im Monat Mai fand die jährliche 


Neichsverfammlung Statt, die man das Maifeld nannte. Hier hielt 
der König Mufterung unter jeinen Kriegern. Die Mannjchaften, 
die erjchienen waren, famen in voller Kriegsbereitichaft. Sie führten 
daher Schild, Lanze, Schwert, Bogen und Pfeil, Pferd und Har: 
nich, Axt, Hade und Schaufel. Selbit Lebensmittel für mehrere 
Monate nahm jeder mit fi). Da der Krieg für den Einzelnen große 
Koſten verurjachte, jo brauchte nur der in den Kampf & ziehen, der 
4 Hufen (160 Morgen) => bejaß. Beliger kleinerer Güter rüfteten 
zu 2, 8 oder 4 einen Wann aus. 

Gerichte: Oberfter Richter des Reiches war der König, an 
leine Stelle trat der Pfalzgraf; das gewöhnliche Gericht hielt der 
Baugraf mit den verJammelten Freien. Um aber nicht gar zu viel 
Zeit verjäumen zu laſſen, ordnete Karl der Große an, daß nur drei— 
mal im Jahre die Gerichtsgemeinde zujammenfam. Dies waren 
die drei ungebotenen Dingtage. Zu den anderen Gerichts: 
tagen entbot der Graf jieben Männer, Schöffen genannt. 





Karls Gele (Kapitulare) für die Sadjjen. 


(Paderborn 785.) 


Es jollen alle Kirchen Chrijti, welche in Sachſen gebaut und 
Gott geweiht find, nicht geringere, jondern größere und ausgezeich: 
netere Ehre haben, als die Heiligtümer der Gößen fie genojjen haben. 

Wenn jemand die heiligen vierzigtägigen Falten aus Gering— 
Ihäßung des chriltlichen Glaubens a und Fleiſch ißt, joll er 
es mit dem Leben büßen. Jedoch joll der Priejter darüber urteilen, 
ob ihn nicht etwa die Not dazu zwang, Fleilch zu ejlen. 

Wenn einer den Körper eines Toten nad) heidnilcher Sitte 
verbrennt und jo die Knochen zu Aſche verwandelt, joll er es mit 
dem Leben büßen. 

Wenn jemand im Volke der Sachſen etwa ungetauft fich ver: 
bergen will und es verjchmäht, zur Taufe zu fommen, in der Ab— 
ficht, Heide zu bleiben, joll er mit dem Tode beitraft werden. 

Wer der Untreue gegen den König überführt wird, der ſoll 
des Todes jchuldig jein. 

Auch darüber iſt man überein gekommen, daß von allen Ab— 
gaben, die an den Staat zu zahlen find, jeien es TFriedensgelder 
oder Buben oder andere Einnahmen, welche dem Könige zukommen, 
der zehnte Teil an die Kirchen und Priejter gegeben werden joll. 

Wir verbieten es, daß alle Sachſen zu einer allgemeinen Ver: 
jammlung zujammentommen, außer wenn fie unſer Sendbote nad) 
unjerem Befehl zujammenberuft. Vielmehr joll ein jeder Graf in 
jeinem Bezirke Verſammlungen und Gericht halten. 





— 151 — 


Karls Gejet über die Bewirtichaftung der 
Hofgüter. (Auszug.) 


Mir wünjchen, daß unjere Landgüter, die wir zur Belorgung 
unjerer Wirtichaft eingerichtet haben, nur uns allein dienen und 
nicht anderen Leuten. 

So viele Landgüter einer in jeinem Bezirke hat, jo viele Leute 
ſoll er dazu bejtimmen, die Bienen für unjere Wirtjchaft zu bejorgen. 

Leder Amtmann joll Jahr für Jahr reichlich Federvieh und 
Gier an den Hof liefern. | 

Mir wollen, daß fie die Hühner und Eier, welche die Anechte 
und Hörigen abgeben, alljährlich vereinnahmen und, wenn wir ihrer 
nicht bedürfen, fie verfaufen. 

Ein jeder Amtmann joll auf unjeren Zandgütern einzelne edle 
Vögel: Pfauen, Fajanen, Enten, Tauben, Rebhühner, Turteltauben 
um des Schmudes willen halten. 

Auf jedem Gute jollen innerhalb des Wohnraumes fid) befinden: 
Bettitellen, Pfühle, Federbetten, Bettleinen und Tücher für Tijche 
und Bänte, Gefäße von Kupfer, dann Blei, Eijen, Holz, Feuerböcke, 
Ketten, Kejjelhaten, Äxte, Beile, Bohrer und all dergleichen Geräte, 
jo daß man nicht nötig hat, fie anderswoher holen zu lajjen und zu 
borgen. Und das Eijenzeug, weldhes man im Kriege braucht, jollen 
fie in Verwahrjam haben, damit es fich gut hält, und jobald man 
aus dem Kriege zurückkehrt, joll man es wieder verwahren. 

In unjern Weiberhäujern jollen fie der Beitimmung nad) den 
Stoff zur Arbeit geben lajjen, nämlich Flachs, Wolle, Waid, Scharladh, 
Krapp, Wolltämme, Kardendilteln, Seife, Gefäße und anderes der 
Art, was hier notwendig ilt. 


Wir wollen, daß fie in den Gärten alle Pflanzen haben, als 
Lilien, Rojen, Klee, Kraujeminze, Salbei, Raute, Beifuß, Gurten, 
Melonen, Kürbilfe, Bohnen, Kümmel, Rosmarin, Karbe, italienijche 
Kichererbjen, Meerzwiebel, Siegwurz, Schlangenwurz, Anis, Sonnen: 
blumen, Bärwurz, Lattich), Senf, Kreſſe, Peterfilie, Selleri, Sade— 
baum, Dill, Fenchel, Wegwarte, Weißwurz, Pfefferfraut, Waſſerkreſſe, 
Gartenkreſſe, Rainfarn, Katzenkraut, Taujendgüldentraut, Mohn, 
Mangold, Hajelwurz, Malven, Karotten, Paſtinak, Melden,1 Kohl, 
Kohlrabi, Zwiebeln, Borree, Nettiche, Schalotten, Lauch, Knoblauch, 
Krapp, Kardendilteln, Saubohnen, maurijche Erbjen, Koriander, 
Kerbel, Springwurz. Von Bäumen aber, jo wünjchen wir, jollen 
fie haben: Dbjtbäume von verjchiedenen Sorten, ebenjo Birnbäume 
und PBflaumenbäume von verjchiedener Art, Ebereſche,“ Mijpeln, 
KRaftanien, Pſirſichbäume verjchiedener Art, Quitten, Haſelnüſſe, 
Mandelbäume, Mlaulbeerbäume, Lorbeerbäume, Kiefern, Feigen, 
Nupbäume, Kirichen verjchiedener Art. Die Namen der Äpfel And 
Gosmaringa, Geroldinga, Crevedella, Spirauca, ſüße und herbe, 


— 12 — 


alles aber Winteräpfel; und ſolche, welche jogleich gegejjen werden 
müjjen, frühreife. Bon Winterbirnen habe man drei oder vier 
Arten, ſüße, Kochbirnen und Spätlinge. 


Aus Einhards Leben Karl des Großen. 
] 


Karl bejaß einen ftarfen und fräftigen Körper und eine hohe 
Geſtalt, welche jedoch das rechte Maß nicht überjchritt; denn es jteht 
feit, daß ſeine — ſiebenmal die ſeines eigenen Fußes be— 
trug. Sein Kopf war oben abgerundet, ſeine Augen recht groß und 
lebhaft; die Naſe überſchritt ein wenig das Mittelmaß. Schön 
kleideten ihn die grauen Haare bei ſeinem heitern und fröhlichen 
Geſicht. Das alles verlieh ſeiner Geſtalt, er mochte ſtehen oder ſitzen, 
eine hohe uud imponierende Würde. Wohl erſchien ſein Nacken 
fleiſchig und etwas gedrungen, wie ſein Bauch zu hervortretend; 
jedoch fiel das bei dem Ebenmaß der übrigen Glieder nicht auf. 
Sein Schritt war feſt und die ganze Körperhaltung männlich; ſeine 
Stimme war klar, entſprach aber weniger der Geſtalt des Leibes. 
Er beſaß eine glückliche Geſundheit; nur daß er vor ſeinem Tode 
viele Jahre hindurch häufig von Fiebern heimgeſucht wurde und 
uletzt auf einer Seite hinkte. Und auch jetzt hielt er ſich mehr nach 
Kam Belieben, als nach dem Rate der Ärzte, die er beinahe haßte, 
weil er nach ihrer Verordnung beim Ejjen den gewohnten Braten 
— und ſich an Gekochtes gewöhnen Haren 

arl der Große übte fich fleikig im Reiten und Tagen; Ieß- 
teres war eine nationale Leidenſchaft bei ihm; denn es möchte jchwer: 
lich ein Volk auf der Erde fich finden, das in diejer Tyertigfeit mit 
den Franken fich mejjen könnte. Er liebte ferner die Dämpfe natür- 
liher warmer Quellen und übte den Leib durch vieles Schwimmen, 
worin er jo gewandt war, daß man billig behaupten fann, es habe 
niemand ihn übertroffen. Darum baute er auch den Palaſt in 
Aachen und wohnte hier in den legten Lebensjahren bis zu jeinem 
Tode ohne Unterbreung. Und zum Bade lud er nicht nur die 
Söhne ein, jondern auch Vornehme und Freunde, bisweilen jogar 
die Schar der Diener und Leibwächter, jodaß dann unter Umftänden 
hundert und mehr Menjchen zufammen!badeten.] 


I. 


In feiner Kleidung hielt Karl der Große an der alten fränkischen 
Sitte feit: auf dem Leibe trug er ein leinenes Hemd und leinene 
Binden um den Oberſchenkel; darüber fam ein Rod, den ein jeidener 
Streifen einfaßte, und Strümpfe; dann wurden die Waden in 


= MB, — 


Binden und die Füße in Schuhe eingejchnürt. Im Winter jchüßte 
er Schultern und Bruft dur ein Wams aus Otter: oder Marder: 
fell, als Überwurf diente ein Jägermantel. Außerdem war er ftets 
mit einem Schwert umgürtet, dejjen Griff und Gehent von Gold 
oder Gilber war; zuweilen trug er auch wohl ein mit Edelfteinen 
bejegtes Schwert, jedoch nur bei hohen Feſtlichkeiten oder wenn ein: 
mal Gejandtichaften von fremden Völkern gelommen waren. Fremd: 
ländilche Gewänder dagegen verjchmähte er, wenn fie auch noch jo 
Ihön waren, und ließ jte fic) niemals anziehen; nur in Rom einmal 
auf Wunjch des Bilhofs Hadrian und ein anderes Mal auf Bitten 
von dejjen Nachfolger Leo hüllte er fich in die lange Tunika und 
Chlamys, legte auch; Schuhe nach römijcher Mode an. An Feittagen 
erichien er in einem golddurchwirkten Gewande und in Schuhen, die 
mit Edeljteinen bejegt waren; eine goldene Spange hielt den Mantel 
— auch ſchmückte ihn ein Diadem aus Gold und Edelſteinen. 

n andern Tagen aber unterſchied ſich ſeine Kleidung wenig von 
der des gewöhnlichen Volkes. 


II. 


Im Ejjen und Trinken war Karl der Große mäßig, mehr jedoch 
beim Trinten; denn es gab nichts, was er jo jehr verabicheute, als 
Zruntenheit, an jedem Menſchen, gejchweige denn an fi und den 
Seinen. Im Ejjen vermochte er nicht ig Enthaltjamteit zu üben, 
ſodaß er oft klagte wie jchädlich jeinem Körper das Falten wäre. 
Sehr jelten veranitaltete er Gaſtmähler, und auch nur an hohen 
Felttagen, dann jedoch mit einer großen Anzahl von Gäſten. Die 
tägliche Mahlzeit beftand nur aus vier Gängen, außer dem Braten, 
den die Jäger an den Spieh zu ſtecken pflegten und den er lieber 
als irgend eine andere Speile aß. Während des Ejjens pflegte er 
irgend einen Erzähler oder Vorlejer zu hören; vorlejen ließ er ſich 
aus Chroniken und aus der Gelchichte des Altertums; gern hörte er 
auch die Schriften des heiligen Auguſtin, und namentlich die, welche 
den Titel „vom Gottesreich” führt. Im Genuß von Wein und 
jedem Getränk ſchränkte er ich jo jehr ein, daß er während der 
Mahlzeit jelten mehr als dreimal tranf. 

Sm Sommer legte Rarl nad) der Mittagsmahlzeit, während 
er etwas Obit zu fi nahm und einmal trank, Kleider und Schuhe 
ab, wie er nachts zu tun pflegte und ruhte zwei oder drei Stunden. 
Die Nächte brachte er in der Weile zu, daß er vier oder fünf Mal 
den Schlaf unterbrach und zwar nicht bloß wachte, jondern auch 
das Lager verließ. 

Wenn Karl die Schuhe oder Kleider anlegte, pflegte er nicht 
nur die Freunde vorzulaljen, jondern, wenn dann der Pfalzgraf von 
einer Streitigfeit Meldung machte, die ohne jein Eingreifen nicht 
gejchlichtet werden fonnte, ließ er die ftreitenden Parteien jofort 


— — 


hereinführen und tat nach Unterſuchung des Falls ſeinen Spruch, 
wie wenn er auf dem Richterſtuhl ſäße. Und nicht nur ſolche Dinge 
ordnete er in dieſer Zeit, ſondern auch alles, was für den Tag von 
jedem im Dienſte getan oder was den einzelnen Dienern aufgetragen 
werden ſollte. 


Karl der Große, ein Feind des unmäßigen Trinkens. 


Karl der Große haßte die Sitte der Deutſchen, bei jeder Ge— 
legenheit zu trinken. Die Biſchöfe und Geiſtlichen ſtanden ihm dabei 
kräftig zur Seite. Er gebot daher, daß kein Graf zu Gericht ſitzen 
ſoll, wenn er nicht nüchtern war. Kein „Trunkener“ ſoll vor Gericht 
klagen. Er ſelbſt war ein Muſter der Mäßigkeit und verordnete: 
Kein Prieſter oder Laie ſoll einen, der Buße zu tun hat, zum Trinken 
einladen. Wer im Heerlager trunken gefunden wird, wird mit der 
Ausſchließung beſtraft werden. Er bekommt ſolange nur Waſſer zu 
trinken, bis er bekennt, er habe übel getan. Dennoch gab es da— 
— und ſpäter unter Hoch und Nieder in Deutſchland wenig 

äßige. 


Ludwig der Fromme und ſeine Söhne. 
(Nach Thegan: Leben Ludwigs des Frommen.) 
J. 


Nach dem Heimgang des ruhmvollen Kaiſers Karl eilte ſein 
Sohn Ludwig aus Aquitanien herbei, fam nach der Reſidenz Aachen 
und übernahm die volle, jeinem Vater von Gott anvertraute Regierung 
ohne irgendwelchen Widerſpruch. Das gejchah im Jahr der Fleijch- 
werdung des Herrn 814, welches das erite jeiner Regierung ilt. 
Als Nachfolger des Vaters nahm er Wohnung in der genannten 
Refidenz und ließ fi vor allem jehr bald die ſämtlichen Schäße 
des Vaters an Gold, Silber und wertvollem Edelgejtein, jowie an 
Geräten aller Art zeigen. Seinen Schweitern gab er ihren gejeß- 
lichen Anteil; was übrig blieb, weihte er für das Geelenheil des 
Vaters. Den größten Teil des Schates jandte er zur Zeit des 
heiligen Bapites Leo nad) Rom; was übrig geblieben war, verteilte 
er alles an die Geiltlichen, an Fremde, an Witwen und Mailen. 
Er hatte drei Söhne: Lothar, Pipin und Ludwig. 

Der Kaijer bezeichnete jeinen Sohn Lothar als denjenigen, 
der nach feinem Tode alle von Gott aus der Hand jeines Vaters 
ihm anvertrauten Reiche übernehmen, audy Titel und Würde des 
Vaters erhalten follte, darüber waren die übrigen Söhne unwillig. 


— 15 — 


Im folgenden Jahre aber nahm er die ag jeines Herzogs Welf 
ur Gemahlin, der einer jehr vornehmen bayerijchen Familie ent- 
— Das Mädchen hieß Judith und gehörte von ſeiten ihrer 
Mutter Eigilivi einem ſehr edlen ſächſiſchen Hauſe an. Dieſe machte 
er zur Königin; denn ſie war von großer Schönheit. Judith gebar 
einen Sohn, der den Namen Karl erhielt. Auch ihm gab der Vater 
einen Teil des Reiches. Nach Oſtern hörte er, daß ſeine Söhne 
wiederum in unfriedlicher Abſicht gegen ihn ziehen wollten. Daher 
ſammelte er ein Heer und rückte ihnen entgegen auf eine große 
Ebene zwiſchen Straßburg und Baſel, die bis auf den heutigen 
Tag das Lügenfeld genannt wird; denn hier wurde die Treue der 
en zunichte. Die Söhne zogen gegen ihn und hatten den 
römilchen Papft Gregor bei ſich; dennoch geitand ihnen der Vater 
feine von ihren Forderungen zu. 

Einige Tage darauf trafen der Kaiſer und der genannte 
Kirchenfürſt zu einer Unterredung zujammen; fie ſprachen nicht lange 
miteinander, der Bapjt aber verehrte ihm bejonders große und zahl- 
reiche Geſchenke. Nachdem beide in ihr Zelt zurüdgeflehrt waren, 
jandte der Kailer dem Bapite durch die Hand des hochwürdigen 
Abtes und Presbyters Adalung königliche Geſchenke. Da rieten 
einige, bejonders jolche, die Ludwig feindlich gefinnt waren, fie Jollten 
den Kaiſer verlajjen und fich jeinen Söhnen anjchließen. Indem 
Ludwigs Leute den Lockungen folgten, verließen fie den Kaijer in einer 
Nacht zum größten Teil, zogen aus dem Lager und zu den Söhnen. 
Am folgenden Morgen kamen einzelne Zurüdgebliebene zum Kailer; 
der aber befahl ihnen: Geht zu meinen Söhnen; ich will nicht, daß 
irgend einer um meinetwillen Leib und Leben verliere. Die aber 

ingen unter heißen Tränen von ihm. Unmittelbar danach nahmen 

fe den Bater gefangen und führten ihn mit ih. Dann trennten 
fie fih: Pipin zog nach Aquitanien, Yudwig nad) Bayern. Lothar 
führte den Vater mit ſich nach) der Pfalz Compiegne und jegten 
ihm bier in Gemeinjchaft mit den Bilhöfen und einigen andern 
hart zu; fie verlangten von ihm, er ſolle in das Klofter gehen und 
bier alle Tage jeines Lebens bleiben. Aber er weigerte fich und 
erfüllte ihren Wunjch nicht. Pipin ftarb 837. 

Bon Compiegne führte man nachher den frommen Fürſten 
nad) der Pfalz zu Aachen. Als jein gleicynamiger Sohn dies hörte, 
ergriff ihn große Betrübnis wegen der jeinem Vater angetanen 
Unbill; er rücte daher aus Bayern heran und fam nad) der Pfalz 
u Frankfurt. Bon hier jandte er alsbald Boten, den Abt und den 
— Gozbald und den Pfalzgrafen Morhard mit der ge— 
meſſenen Forderung, gegen den Vater ein menſchliches Verfahren 
einzuſchlagen. Dieſe wurden von ſeinem Bruder Lothar ſehr freundlich 
aufgenommen. Danach brach Lothar von der Pfalz zu Aachen auf 
und kam nach Mainz, wo der Bruder mit ihm zuſammentraf. Hier 
verhandelten ſie über dieſe Angelegenheit auf ungleicher Grundlage; 


— 16 — 


denn alle Begleiter Lothars waren ungerechter Weile Gegner des 
Baters, alle Begleiter Ludwigs aber hingen ihm und jeinem Vater 
treu an. Als Lothar von hier zurüdfehrte, begab er fich nad) der 
Pfalz zu Nahen und feierte das Weihnachtsfeit, ohne den Vater 
Iosgelaljen zu haben. Nach dem heiligen Epiphaniastage jchidte 
Ludwig wiederum jeine Boten an den Vater. Als dieje nach Aachen 
famen, gejtattete ihnen Lothar, den Vater im Beijein von feindlichen 
Zeugen zu jehen. Als die Gejandten vor den Fürften kamen, 
warfen fie ſich demütig vor ihm zu Boden; dann brachten fie ihm 
den Gruß von jeinem gleichnamigen Sohne. Nach der Ubreije der 
Boten drang Lothar Kofort in den Vater, wieder mit ihm nad) 
Gompiegne zu gehen. Der willigte ein und zog mit ihm. Als jein 
leichnamiger Sohn das hörte, ſammelte er Kriegsvolf und verfolgte 
Se. Als er nicht mehr weit von ihnen war, gab Lothar den Bater 
frei und verließ ihn mit jeinen jchändlichen Räten. ein gleich: 
namiger Sohn aber fam zu ihm und begrüßte ihn ehrfurchtsvoll 
und führte ihn wieder nach Machen in jeine Reſidenz. So jeßte er 
ihn nad) dem Willen Gottes wieder in jeine SHerricheritellung ein. 
Der alte Kaijer jtarb 840 bei Ingelheim, nun glaubte Lothar Allein- 
herrjcher werden zu fönnen. 


Mie das deutſche Neid, entitand (842—43). 


I 


Am 14. Februar 842 kamen Ludwig der Deutiche und jein 
Bruder Karl der Kahle in der Stadt Straßburg zujammen; denn 
fie wollten fi) gegen ihren älteren Bruder Lothar vereinigen und 
diejen Bund bejhwören. Mit ihnen kamen ihre Mannen, Yudwig 
führte die Bayern und DOftfranten, Karl die Weitfranten. Ludwig 
aber als der ältere erhob fich hoch zu Roß vor den Kriegern und 
ſprach: „Ihr wißt wohl, wie oft mich und diejfen meinen Bruder 
Karl — Lothar nad) dem Tode unjeres Vaters verfolgt hat. Sa, er 
dachte uns zu vernichten. Es half nichts, daß er unjer Bruder ift, 
auch nicht aus hrijtlicher Liebe wollte er einen gerechten und billigen 
Frieden mit uns machen. Daher haben wir, der Not gehorchend, 
unjere Sache dem Urteile des allmächtigen Gottes anheim geitellt, 
um nad) jeinem Willen uns zufrieden zu geben mit dem, was uns 
zufiele. Durch Gottes Hilfe haben wir, wie ihr wißt, den Sieg 
davon getragen. Lothar aber mußte mit den Seinen fliehen. Aus 
brüderlicher Xiebe und aus Erbarmen mit dem chriltlichen Volke 
haben wir ihn nicht verfolgt und vernichtet. Wir forderten ihn nur 
auf, er jolle jedem von uns jein Recht geben. Doch er tat es nicht, 
ja er zieht noch bewaffnet gegen uns und ſucht unjer Volt mit 
Brand, Raub und Mord heim. Darum find wir zujammengetreten, 


— 17 — 


und wir haben bejchlojjen vor euren Augen den Eid der Treue 
einander zu leilten. Das tun wir, damit bald wieder Gott uns 
und euch den Frieden geben möge. Sollte ich aber, was Gott ver: 
hüte, den Schwur, den ich jet meinem Bruder leilte, brechen, jo 
ag ich einen jeden von euch frei vom Gehorſam gegen mich und 
es Eides, den ihr jelber nun ſchwört, jeid ihr entbunden.“ 

So ſprach Ludwig in deutſcher Sprache zu jeinen Kriegern, 
als er geendigt hatte, Ber Karl diejelben Worte in romantjcher 
(franzöfilcher) Sprache. Die Könige aber jchwuren, jeder in der 
Sprache des andern: Aus Liebe zu Gott und um des chriltlichen 
Volkes und um unjer beider Heil willen, von diefem Tage an, jo 
weit mir Gott hilft, will ich diefen meinen Bruder halten, wie 
man einen Bruder unterjtügen joll, unter der Bedingung, daß er 
mir das Gleiche tue. Mit Lothar werde ich feinen Vertrag jchließen, 
der meinem Bruder Karl jchaden kann. Die Krieger beider Könige 
\hwuren aber auch, zuerjt die Führer, die dann ihren Leuten den 
Eid abnahmen: Wenn Ludwig (oder Karl) den Eid, den er jeinem 
Bruder gejehworen hat, Hält und Karl (oder Ludwig), mein Herr, 
bricht ihn und ich kann es nicht verhindern, jo werde ich Ludwig 
wider Karl volle Hilfe leiten. 

Nachdem fie alle die Eide, jeder in jeiner Sprache, geleitet 
hatten, zogen die Heere den Rhein hinab. Ludwig wandte ich dicht 
am Rheinufer über Lauterburg, NRheinzabern auf der römijchen 
Heerftraße nach Speyer zu. Karl aber wandte ſich an den Vogeſen 
entlang über Kloſter Weißenburg, Bergzabern, Neujtadt, Dürkheim 
und Worms. In Mainz trafen fie Anfang März Ludwigs ältelten 
Sohn Karlmann, der friſche Truppen brachte. Lothar hatte jeine 
Mannen bei Aachen gejammelt. Als aber die Brüder nad) Koblenz 
zogen, weil Lothar ihren Frieden nicht annehmen wollte, jo jtellte 
jich) diejer an der Mojel auf. Da aber die Brüder ihm entgegen 
zogen, floh er nach Frankreich. Beide Brüder kamen nad) Aachen 
und beriefen dahin die Bilchöfe des ganzen Reiches. Dieje jagten, 
als man fie fragte, wem jet das Weich gehöre: Dur Gottes 
Entiheidung hat Lothar in der Schlacht bei Fontenailles das 
Reich verloren, jeder der Brüder joll einen Teil übernehmen. 

Lothar aber jammelte ein neues Heer, das gegen die Brüder 
309. Dieje rüdten auch vor und als fie nah Berdun kamen, 
trafen fie einen Boten Lothars, der fragte, ob fie den Frieden wünjchten. 
Die Brüder gaben feine bejtimmte Antwort jondern rüdten vor. Da 
Ihiefte Lothar drei Grafen, die den Frieden wünjchten und jagten, 
Lothar tue es leid, daß er gegen Bott und feine Brüder gejündigt 

abe. Die Brüder waren darüber froh; jeder ernannte 40 vornehme 

änner aus feinem SHeere, die in Koblenz zulammenfamen. Aber 
fie konnten fich nicht einigen und daher wurde es jedem zur Pflicht 
gemacht, das Reich zu bereijen um es fennen zu lernen. Im nächiten 
Jahre famen die 120 Männer nad) Verdun, dort verjammelten fich. 


— 158 — 


auch die 3 Könige und nad) langer Ausſprache wurde folgendes in 
eine Urkunde eingetragen, die jeder der Brüder mit feinem Siegel 
verjah und dreifach gejchrieben wurde: 

Karl befam das weltliche Gebiet vom Meere bis zur Maas 
(Weitfranten), Ludwig erhielt alle Länder öſtlich vom Rheine, aljo 
Bayern mit der Dftmarf, Alamanien, Oftfranten, Rheinfranten, auf 
der linfen Rheinleite drei Gaue, den Speyer: Worms=- und 
Mainzergau mit den gleichnamigen Städten; des Weines wegen, 
Thüringen und Sadjen. Lothar, der ältejte Bruder, der den Titel 
Kaiſer führte, erhielt das Land, das von der Nordjee nach Italien 
reichte. Dazu gehörten alle Gaue zwilhen Maas und Rhein, 
er Burgund, Südfrankreich, ganz Italien mit Rom. Geine 

auptitadt war Aachen, doch gehörten aud Köln, Koblenz, Trier, 
Mes, Straßburg, Bajel zu feinem Reiche. Bon der heutigen Pfalz 
befam er das Weſtrich, aljo den Bliesgau, jo blieb es bis zum Jahre 
870. Gein Reich hieß Lotharingien (Lothringen) d. i. Lothars 
Reich. Ludwig der Deutjche regierte in Regensburg und Karl der 
Kahle in Paris. 


Unjere Heimat zur Karolingerzeit. 
J. 


Zur Karolingerzeit gab es in unſerer Heimat ſchon reichen 
Grundbeſitz. Die Wälder waren bedeutend mehr gerodet als in der 
Zeit nach Chlodwig. Nicht nur in der vordern Pfalz jtanden die 
heutigen Ortſchaften bereits als fleine Dörfer, jondern es bildeten 
fich noch viele andere, indem die fränfilchen Bauern immer weiter . 
in den Wald vordrangen und große Stüde durch Abbrennen und 
Niederhauen der Bäume urbar machten. 

Noch hauften hin und wieder in den Wäldern der Haardt 
Bären und Elentiere. Der Wolf und der Eber aber herrichten noch 
haufenweije in den dunfeln Tälern. Die Berge des Weltrichs trugen 
noch allenthalben dichte Wälder und jelbit alte Römerpläße, wie die 
Heidenburgen, waren mit dichtem Walde beitanden. Die Könige 
mißachteten die alten zerfallenen Feſten, hinter die die Bauern 
nur bei Fehden der Großen und bei den Einfällen der Normannen 
oder Ungarn flohen. Die Franken jelbjt bauten ihre Burgen nicht 
wie die Römer die Kaftelle, jondern fie errichteten Wälle auf den 
Bergen an jchwer zugänglichen Stellen und verjahen dieje Erdwerfe 
mit Paliſaden, jpäter führten fie jogar Mauern auf. Hinter den 
MWällen erhob ſich ein ſtarker Hölzerner Turm, der ältejte Teil 
der deutſchen Burg. 

Das Land hatte verjchiedene Beſitzer. Am _reichjten war der 
König, der den ganzen mittleren und weltlichen Teil der Pfalz als 


— 19 — 


föniglichen Forſt Vojagus, d. i. Wasgenwald beſaß. Es war ein 
uralter Bannforft, in dem nur der König Herr war. Der Wald 
war gebannt, d. h. für andere als den König und jeine Leute ver: 
boten im Jagen, Filchen, Holzen, Weiden. 

Am Rande des jchier unermehlichen Forftes erhoben fich könig— 
liche Höfe, wo die Amtleute des Königs mit ihrem hörigen Geſinde 
die Landwirtichaft nach Karls des Großen Gejegen betrieben. Solche 
Höfe hatten nur Holzhäujer, da die Franken noch immer den Stein: 
bau der Römer verjhmähten. Die Wälder gaben ja auch Eichen: 
holz die Menge. Sole Königshöfe waren Lutra (Railers: 
lautern) zum erjtenmale 887 genannt, der Sedelhof (Sattelmühle 
bei Aljenbrüd), Rogkenhuſon (Rockenhauſen) 897, Aliſentium (Aljenz 
im Nahegau), Albisheim a. d. Pfrimm (837), Altrip am Rhein, 
Haſelach (Haßloch). Steinweiler bei Landau. Eine königliche Pfalz 
erhob fich in Speyer. 

Außer dem Könige waren die Grafen reich begütert, jo im 
Bliesgau die Grafen Werner, im Nahegau die Wild:, Raub: und 
Rheingrafen, im Wormsgau die Leininger, deren eriter 782 als 
Amicho genannt wird, im Speyergau die Vorfahren der ſaliſchen 
Railer. Auch viele freie Franken lebten in der Rheinebene auf 
ihren eigenen Gütern. Um dieje Zeit ftanden aber jchon die Klöfter 
Weißenburg, Klingenmünjter (Blidenfeld) Hornbah und Difiboden- 
berg, das Nonnenflofter Münjterdreilen und die Zelle des heiligen 
Philipp an der Pfrimm. Alle hatten reichen Bei jchon von ihren 
Stiftern her; aber die frommen Könige, Grafen, Edelinge und freien 
Bauern gaben namentlicdy, wenn fie feine Nachlommen hatten, von 
ihrem großen Befige an dieje oder an benachbarte Klöfter. 

Belonders find es vier Klöjter, die in der Pfalz reich begütert 
waren: Weißenburg (damals im Speyergau), Lorſch bei Worms, 
St. Marimin in Trier und Prüm in der Eifel. Soll doc) der Name 
Pfrimm (vom Volke Prim gejprochen) von dieſem Klofter her: 
ftammen, das hier zahlreiche Güter bejaß. Zu diejen gehörte in der 
Ag Bang bet Albisheim, Gauersheim und Stetten. Denn am 
25. Mai 835 ſchenkte Kaijer Ludwig der Fromme diejem Klofter 
von jeinen eigenen Gütern im Wormsgaue ein Herrengut zu 
Albisheim und 13 Hufen zwilchen Gauersheim und Stetten mit 
Hörigen, Häujern, Weinbergen, Ländereien, Wiejen, 
Wäldern und dem dazu gehörigen Zehnten. Auch die Kirche zu 
Albisheim erhielt das Klofter und fortan bejegten der Abt und die 
Kloiterbrüder die Pfarritelle dajelbit. Die Kirche war aus dem 
Zehnten der drei Orte erbaut worden. 

Im Jahre 893 bejaß das Klofter zu Albisheim allein ſchon 
17 Zinsgüter zu je 64 Morgen und 2 zu je 32 Morgen, die 
lämtlich verliehen wurden. Bon jedem Gute zahlte der Pächter 
30 Pfennige (Denare) = 9:4, 5 Hühner, 15 Eiern, an Oftern aber 
ein Lamm. Außerdem mußte er die Klofterwiejen mähen und das 


— 160 — 


Heu einfahren, er mußte Saatfrucht liefern und Pfähle für die 
Weinberge ftellen, während er jeine Rebſtöcke oft vernachläſſigte. 
Bei der Weinernte ftellte er den Wagen, er mußte Brot und andere 
Lebensmittel liefern, die Schafe wachen und jcheren. Wurden aber 
die Jahreszinjen nad) Prüm geliefert oder die Ernte der Klojtergüter 
eingebracht, jo hatte er ein Pferd abwechjelnd mit andern zu jtellen. 
Leder Pächter mußte auch für das Klojter von Martini (11. Nov.) 
bis Mitte März 2 Schweine ernähren. 

Außerdem gab es hier 13 Unfreie, die nur Heine Güter zu 
ihrem Unterhalte hatten, ſonſt aber auf den Klojtergütern namentlich 
auf den Wiejen und in den Weinbergen arbeiten mußten. Jeder 
hatte ein Lamm, 3 Hühner und 10 Gier abzuliefern und mußte 
jährlih 3 Wagen Heu nad) dem Klojter zu Altrip fahren oder 
6 Pfennige (1,80 #4) bezahlen. Zweimal wöchentlich arbeiteten fie 
auf den Klojtergütern und noch an zwei Nachmittagen (fie fröhnten) 
unter Auflicht der Klojterleute, die von Prüm aus hergejegt waren. 
Im fStattlichen Klofterhofe herrichte zur Sommerszeit reges Leben 
und Treiben, wenn früh morgens die Fröhner ausrüdten und 
mittags und abends zurüdfehrten und mit Brot und Wein aus des 
Klojters Küche und deller gejpeilt wurden. Dft famen Boten und 
Mönche, die nad) Worms oder Prüm wollten und hier in Albis- 
heim rajteten. 

Der älteſte Befig des Klojters Brüm war Altrip. Schon am 
13. Augult 762 jchentten König Pipin, jeine Gemahlin Bertrada 
(Bertha) und jeine Söhne Karl (der Große) und Karlmann dem 
Klojter die Zelle zu Altrip mit allen ihren Gütern, die zwei Edel: 
leute dem Könige überlajjen hatten. Im Jahre 882 jchenkte Kaijer 
Karl der Die das Gut Nedarau mit Häuſern, Adern, Weinbergen, 
MWiejen und Gewäljern dem Kloſter. Hierhin lieferten alle Rlofter. 
güter Heu, Getreide, Hühner, Schafe, die Bewohner von Nedarau 
dienten als Boten des Klojters. Sie luden die eingebrachten Güter 
auf große Kähne und fuhren in 4 Tagen den Rhein hinab bis 
Koblenz und von der Mojel aufwärts bis Prüm. In Friedelsheim 
bei Dürkheim bejaß das Klojter 2 Güter, von denen das eine 83 
Morgen maß; eine Klojterwieje gab 6 Wagen Heu. In Mecdenheim 
gehörten nad) Prüm ein Hof, die Kirche mit 95 Morgen Feld, 
9 Pachtgüter, 3 Morgen Weinberg und eine Wieje zu 6 Fuhren 
Heu. Zu Odenbah am Glan bejaß das Klofter die Kirche und 15 
Morgen Land und es ſetzte den Pfarrer ein, der für jein Amt ein 
Gut von 4 Hufen erhielt. 

Die Pachtgüter, die an Bauern verpachtet waren, brachten je 
2 Hühner und 10 Eier ein. Der Pächter mußte in der Ernte auf 
den Klojtergütern arbeiten helfen, insbejondere Gras mähen und 
Heu einfahren. Die Unfreien, die auch 2 Hühner und 10 Eier zu 
liefern hatten, mußten Holz fahren, Brot baden, Waſſer tragen und 
die Frohndienite im Felde verrichten. Hier bejaß das Klojter einen 


=. 46 


Weinberg und ein Ndergut, das durch den Schaffner auf dem 
Klojterhofe bewirtichaftet wurde. Auch 13 Boten, lauter Unfreie, 
Itanden im Dienjte der Prümer Mönche. 

Auch NRheingönnheim gehörte zu Prüm; denn hier und in 
Hillesheim (Hejjen) waren 23 Zinsgüter. Jeder Pächter gab 30 
Pfennige, ein Schaf mit einem Lamm oder 12 Pfennige, 5 Hühner, 
15 Eier, 6 Salme, 5 Wagen Holz, 2 Maß Saatfrucht, Pfähle 
und Stangen für die Weinberge. Rheingönnheim lieferte dem Klofter 
viel Roggen und Flachs, die nach Altrip kamen. 

Auch in Wachenheim a. d. Haardt und in Wilare, d. i. auf 
dem Weiherhof am Donnersberg hatten die Prümer Mönche 
Güter. In Wilare gab es 8 Zinsgüter und jeder Pächter lieferte 
alljährlich 5 Hähne, 15 Eier und 25 Eimer Wein ab; vom 1. Februar 
bis Martini arbeitete er an 2 Tagen der Woche in den Weinbergen, 
er mähte die Hlöfterlichen Wiejen und fuhr den Wein nad Altrip. 
Dazu lieferte er Bretter, Stangen, Pfähle und Reife für die Fäller. 

Das Klofter Brüm erhielt aus der heutigen Pfalz im ganzen: 
170 Malter Roggen, 369 Maß Wein, 585 Hühner, 2067 Eier, 29 
Bündel Flachs, 47 Schweine, 76 Schafe, 3224 Stüdhölzer, 72 Ferkel, 
341 Fuhren Brennholz, 827 Pfennige. Die Pächter und Hörige 
leilteten 7920 Frohntage. 

In der Rheinebene hatte ſüdlich vom Speyerbady das Kloſter 
Meißenburg die meilten Beligungen, in der Umgegend von Worms 
aber das Hausklofter der Karolinger: Lori an der Bergitraße. 
Zum Kloſter Weikenburg gehörten: im Speyergau Appenhofen, 
Berg, Billigheim, Dannitadt, Godramjtein, Haßloch, SHerxheim bei 
Landau, Hochſtadt, Knittelsheim, Lachen, Luſtadt, Mußbach, Otters— 
heim, Rohrbach, Rott, Rülzheim, Speyerdorf, Wanzenheimer Mühle 
bei Rheinzabern, Winzingen, Zeiskam; im Wormsgau: Biſſersheim, 
Karlbach, Dackenheim, Flomersheim, Freimersheim, Laumersheim, 
Oberſülzen, Roxheim, Saulheim bei Worms und Ungitein, aud) 
Güter zu Aljenz, Frankenthal, Heßheim, Wiejen. 


— BR — 


11 


Die Normannen am Rheine. 


Im Jahre 881 gebot im Frankenlande öjtlich des Rheines 
KRaijer Karl. Die Lande linfs des Rheines waren der Zank— 
aplel pe Weſtfranken und Oſtfranken, zwilchen Franzoſen und 

Deut] Das wußten die fühnen Normannen, die in Däne: 
= * Norwegen wohnten und auf ihren drachenfchiffen 
nach Süden fuhren, um überall, wo ſie landeten, Beute zu machen. 

Um Diele Zeit lief eine Flotte Der Normannen in den 
Fluß Waal ein und landete bei der föniglichen Pfalz Neumagen, 
wo fie ihr Lager aufihlugen. Ws das König Ludwig hörte, 
lammelte er den Heerbann der öftlichen Franken, zog mit ihm an 
den Niederrhein und belagerte das fejte Neumagen. 

Aber die Pfalz war von feiter Bauart und von jo großem 
Umfange, daß die ſchlimmen Feinde in ihr ficher jaßen. a, fie er: 
griffen den Grafen Eberhard von Sachſen, der fich zu weit 
gegen die Pfalz vorgewagt hatte und führten ihn auf der Waal als 
Befangenen nach) Dänemark. Erit jpäter fonnte ihn die Mutter 
gegen ein hohes Löſegeld wieder befreien. 

Nach einiger Zeit zog Ludwig ab; denn die Normannen hatten 
verjprochen, das fränkiſche Reich zu verlajjen, wenn Ludwig die 
Belagerung aufhebe. 

Als die Franken fort waren, übergaben die Feinde Die Königs— 
pfalz mit — Befeſtigungen den Flammen, beſtiegen raſch ihre 
Schiffe und ſuchten die Rheinmündungen. In demſelben Jahre, im 
Monat November fielen die normanniſchen Seekönige Godefried 
und Sigifried mit Fußvolk und Reitern in das Land an der 
Maas ein. Bei Elsloo ſchlugen ſie ihr Winterlager auf, das wohl 
befeſtigt war. Bald flammten die Städte Lüttich, Maftricht und 
Tongern auf. Diejelben Normannen aber drangen auch den Rhein 
herauf, die Städte Köln und Bonn, die Burgen Zülpich, Jülich und 
Neuß wurden vom Feuer verzehrt. Dann gings herüber nad) Aachen, 
wo fie die Kaijerpfalz verbrannten; bald aber lagen auch die Klöjter 
Gornelimüniter, Malmedy und Stablo in Aſche. 

Am 6. Januar 882 kamen die frechen Eindringlinge über den 
dichten Ardennenwald nah Kloſter Prüm in der Eifel, an defjen 
reichen Befig in der Pfalz der Bad Pfrimm, der Pfrimmerhof noch 
erinnern. Drei Tage hauften fie hier. Die Klofterleute hatten ſich 
alle in Wälder oder feite Pläße zurücdgezogen, ebenſo das Landvolt 


EIER 


auf den Höfen. Vom Kloſter aus aber plünderten die Normannen 
drei Tage lang das Land an der Moſel. 

Die Landleute rotteten jich zwar zu verzweifelnder Gegenwehr 
zulammen, von allen Frohnhöfen und Landgütern der Herren und 
des Rlofters eilten fie zum Kampfe. Als aber die Normannen 
das Bauernvolf ohne Kriegsordnung daher kommen jahen, fielen fie 
mit Gejchrei über diejelben her und jchlachteten den ungeordneten 
Haufen, der ohne rechte Führung war, ab. Dann zogen fie ab, 
zündeten zulegt das Klofter Prüm an und erreichten beutebeladen 
ihr Lager an der Maas. 

Auch in den Nahegau kamen die wilden Normannen. 882 
hatten fie von Koblenz aus das linksrheinijche Land ausgeplündert 
und verwültet. Nirgends hatte ſich ihnen ein fränkiſches Heer ent: 
gegengeltellt. Als fie über das Glantal zur Nahe und an den Rhein 
zurüdehrten, wurden die Bauernhöfe des Klojters Dijibodenberg 
erftört. Das Klofter jelbjt lag auf der Spitze eines ziemlich fteilen 

erges und war von den Bewohnern und den Hörigen mit Mauern, 
Gräben und Wällen umzogen und verteidigt. Die Mönche jelbit 
waren in den nahen Hunsrücd geflohen. Die Normannen zogen das 
Nahetal abwärts und verbrannten die fönigliche Burg Sferburg 
bei Kreuznach und Bingen, beitiegen dann ihre Drachenſchiffe und 
jteuerten über Koblenz rheinabwärts. 

Unterdejjen (882) jtarb am 20. Januar König Ludwig zu 
Frankfurt. In das Kloſter Lorſch bei Worms beitattete jeine Ge— 
mahlin jeine Überrejte.. Als die Normannen den Tod des Königs 
vernahmen, brachen fie in Jubel aus und drangen wieder ins Reich 
Rothars (Xothringen) ein. Am 5. April eroberten fie Trier (Grün: 
donnerstag) und ruhten bis Djtern von dem anjtrengenden Marche 
aus. Dann aber zündeten fie die Stadt nad) ihrer Gewohnheit an 
und fuhren nah Met, um da auf ähnliche Weile zu haufen. 

Aber der Biſchof Wala von Met und Bilhof Bertulf 
von Trier jowie der Graf Adalard von Meß jtellten fich den Feinden 
entgegen. Die Normannen blieben Sieger. Wala fiel im Kampfe, 
die andern flohen. Wiederum machten die Normannen reiche Beute. 

Kaiſer Karl, der damals in Italien weilte, hörte von der 
großen Not; denn Geſandten aus den deutjichen und galliichen Rhein: 
landen hatten ihn um Hilfe gebeten. Mit Longobarden, Bayern, 
Alamannen, Thüringern, Sachen, Frieſen belagerte Karl die Nor: 
mannen in GlIsloo, aber vergeblih. Da verſprach der Geefönig 
Bodofried vom Kampfe abzujtehen und Chriſt zu werden, wenn 
er die Provinz Friesland und Gisla, die Tochter Kaijer Lothars 
erhalte. Die Franken jchlojjen Frieden, Godofried wurde getauft 
und vom Raijer jelbjt aus der Taufe gehoben. Sigifried und die 
übrigen Normannen erhielten eine große Menge von Gold und Silber. 
Sie verließen das Weich, fuhren aber mit ihren Schiffen an den 
Sommefluß, den fie hinaufruderten. König Karlmann von Welt: 


11* 


BE |, 


franfen wußte ſich nicht anders zu helfen, als daß er ihnen 12000 
Pfund reinen Silbers verſprach, wenn fie 12 Jahre den Frieden 
hielten. Die Normannen empfingen das Geld, löften die Taue vom . 
Ufer und eilten auf ihren Schiffen dem Seegeſtade zu. 


Im Jahre 385 hatte fih Godofried, der nun über Fries— 
land herrjchte, mit Hugo von Xothringen gegen Kaiſer Karl verbündet. 
Daher jchiefte er zwei ſeiner friefiichen Grafen an den Raijer, Gerulf 
und Gardulf, die jagten: „Wenn du wünjcheit, daß ich in der ver: 
Iprochenen Treue verharre und die Reichsgrenze gegen die Normannen 
verteidige, jo jchenfe mir Koblenz, Andernady und Sinzig (Ahr) nebit 
einigen fatjerlichen Kammergütern wegen der Fülle des Weines. 
Denn das Land, das ic) durch deine TFreigebigfeit zum Belig er: 
halten habe, bringt feinen Wein hervor.“ Dies wünjchte Godofried, 
weil er auf liftige Weile jeine Krieger in das Herz des Reiches 
führen wollte. Von Koblenz aus hätte er dann das deutjche Land 
leicht mit Raubzügen heimjuchen können. Wurde die Bitte vom 
Kaiſer verweigert, jo konnte Bodofried losichlagen. Kailer Karl 
merfte die il und jandte jeinen Herzog Heinrich, der ihm viel 
treue Dienſte geleijtet hatte, an den Niederrhein, mit ihm zog Bilchof 
Millibert von Köln. Heinrich gab jeinen Mannen den heimlichen 
Befehl, nur in Kleinen Scharen dur) Sachſen an den Rhein zu 
ziehen, dort jollten ſie ſich mit ihm vereinigen. Er jelbit reilte nad) 
Köln und nahm den Biſchof Willibert mit. Sie langten bald auf 
der Injel der Bataver an. Als Godofried von ihrer Ankunft hörte, 
309 er ihnen entgegen, er traf fie an dem Orte, wo Waal und Rhein 
* ſcheiden und die Inſel der Bataver umſchließen. Hierhin begaben 
ſich die drei. Biſchof und Graf redeten viel vom Kaiſer und ſeiner 
Macht, ebenſo oft antwortete Godofried. So brach die Nacht heran 
und die beiden kaiſerlichen Geſandten ſuchten ihre Herbergen auf. 
Desgleichen Godofried. Heinrich forderte den Biſchof auf, am 
folgenden Tage die Gemahlin Godofrieds, Gisla, von der Inſel 
abzuberufen, damit er allein mit ihr über den Frieden rede. 


Heinrich ging mit dem Herzog Eberhard von Friesland, der 
jein Land an die Normannen verloren hatte, andern Tages allein 
auf die Injel. Dort war wieder Godofried erjchienen, gegen den 
Eberhard als Kläger auftrat. Da ſtieß Godofried gegen ihn harte 
und ſchmähende Worte aus. Eberhard 309 jein Schwert und jchlug 
Godofried auf den Kopf, jo daß er zu Boden fiel. Raſch eilten 
Heinrichs Krieger herbei und erjtachen ihn. Als ſich aber die übrigen 
Normannen zur Wehr jegen wollten, fielen auch fie alle von der 
Hand der Franken. 


Nach diejer Tat 309 Heinrich nach dem jüdlichen Lothringen; 
in die Stadt Gundolfivilla (Gondreville) Iodte er Hugo, den Ver: 
bündeten Godofrieds, der hinterliftig gefangen wurde, auf Befehl 
des Kaiſers wurden ihm von Heinrich die Augen ausgeftochen. Er 


— ‚168: — 


wurde in das Kloſter St. Gallen, ſpäter aber nach dem Kloſter Prüm 
gebracht, wo er ſtarb. 

Trotz dieſer Tat Heinrichs kamen die Normannen in den nächſten 
Jahren immer wieder in das lothringiſche Reich. Im Jahre 886 
fuhren fie wieder einmal die Seine hinauf nad) Paris. Zweimal 
mußte Heinrich auf Befehl des Kailers gegen fie ziehen. Zuerſt im 
Frühlinge, dann im Herbite. Heinrich hatte die Heere beider Reiche, 
des weitfräntilchen und des oſtfränkiſchen gejammelt und ftand vor 
Paris. Während jeine Scharen ringsum aufgeitellt waren, fam er 
jelbjt mit wenig Begleitern näher an die Stadt, die von den Normannen 
bejegt war. Gr betrachtete jich genau die Feſte und juchte einen Drt, 
an dem er den Feind leicht angreifen fünne. Als die Normannen 
von dem Anzuge der Franken vernommen hatten, zogen fie um ihr 
fejtes Lager Gruben, einen Fuß breit und drei Fuß tief und bedeckten 
fie mit Geſträuch und Stroh. Nur jchmale Wege für fie blieben 
frei. Einige Normannen hatten ſich in den Bertiefungen feſtgeſetzt. 
Als fie Heinrich fommen jahen, jprangen fie jchnell aus ihren Schlupf: 
winfeln hervor und jchojjen und jpotteten jeiner. Heinrich wollte 
daher rajch über fie herfallen; aber plößlich geriet jein Roß in eine 
der verdedten Gruben und jtürzte nieder. Die Verhorgenen eilten 
herbei und durchſtießen ihn, ehe er fich von der Stelle erheben konnte. 
So endete Heinrich im Angefichte des ganzen Heeres am 28. Auguſt 
886. Die Rüſtung fiel ebenfalls in die Hände der wilden Feinde 
und faum rettete das Heer den Leichnam jeines Führers. Die 
Franken zogen wieder ab. Ja, einige Wochen jpäter, im Oftober 
kam Kaiſer Karl jelbit nad) Paris, wo fich ein ſtarkes Heer ſammelte; 
aber der Kaiſer überließ den Normannen das Land auf der linken 
Seite der Seine und zog wieder in jeine deutjiche Heimat. 

Bald darauf aber verjammelten fich die deutichen Herzöge und 
Grafen in Tribur bei Frankfurt und noch ehe Karl dort anlangte, 
legten fie ihn ab. (887.) 

Das Reich Karls des Großen zerfiel wieder. 


König Arnulf und die Normannen. 


Der abgejegte Kaijer Karl, der an Fallluht und jchlimmen 
KRopfichmerzen litt, hinterließ feinen Sohn, den die Großen hätten 
wählen fünnen. Aber Arnulf von Kärnten, jein Neffe, war mit 
einem bayerijchen und färntilchen Heere nach dem Maine gezogen, 
auch die Franken und jelbit die Schwaben, die an Kaiſer Karl 
hingen, traten zu ihm über. Nur Lothringen wollte fich dem neuen 
Könige nicht fügen. Bayern wurde wieder wie zu Ludwigs des 
Deutichen Zeit der Mittelpuntt Deutjchlands, Kaijer des ganzen 
zu. wollte er nicht werden; aber 891 zog er gegen Die 

ormannen, die ſein Weich bedrohten. 


— 166 — 


Die Normannen waren 801 wieder einmal in das lothringiſche 
Land am Niederrhein eingefallen. König Arnulf hörte davon und 
ſchickte ein Heer gegen die Feinde. Es ſollte an der Maas Zelte 
bauen und den —J——— den Übergang verwehren. Doch ehe 
das Heer fi) nur jammeln fonnte, hatten dieje bei Leyden den Fluß 
überjchritten.. Bald hatten fie die Wälder und Sümpfe der Eifel 
bei Aachen erreicht und töteten alle, die in ihre Hände fielen. Den 
fränkischen Truppen wurden aus den Nheinlanden auf Wagen und 
Karren Lebensmittel, bejonders Mehl und Fleiſch zugejandt, die 
aber die Feinde wegnahmen. 

Unterdejjen war es Sommer geworden und das fränfijche 
Heer hatte fi an der Maas vereinigt. Die Anführer beriefen da= 
her einen Ariegsrat und beratichlagten, wo fich die Normannen 
wohl hinwenden würden, damit man fie verfolgen könne; leicht fonn- 
ten fie nach Köln oder über Prüm nach Trier oder vor der Menge 
der Franken gar nad) ihrer Flotte zurückziehen. 

Als der nächſte Morgen anbrach, legte das Volk der Franken 
Waffen an und Iujtig flatterten die Kriegsfahnen im Winde. Sie 
überjchritten einen Bach. Darauf beſchloſſen fie, um nicht alle Krieger 
zu ermüden aus jeder Hundertichaft zwölf auszulejen, die der Haupt: 
mann führte. Während fie dies taten, erjchienen KRundjchafter der 
Normannen. Die fränkische Mannjchaft jegte in wilder Begeiſterung 
diejen ohne die Hauptleute nach; aber in einem Dörfchen jtießen jie 
auf normannilches Fußvolf, das fie zurüdtrieb. 

Nah normannilher Sitte rajjelten die Schügen mit ihren 
Köchern, erhoben ein jchredliches Geheul und jtürzten fi) auf die 
Franken. Da famen auch die normannijchen Weiter herbei und nun 
war die Schlacht für die Franken ganz verloren. Wohl hatte das 

anze Heer jchließlich eingegriffen, aber Sungo, der Erzbilchof von 
tainz und unzählige Franten, Hoch und Nieder, fielen. Die Nor: 
mannen aber erjtürmten noch das wohlgefüllte fränkiſche Lager und 
fehrten beutebeladen zu ihrer Flotte zurüd. 

Das hörte König Arnulf mit betrübtem Herzen; jchnell Jammelte 
er daher den Heerbann der Bayern und Schwaben und eilte an die 
Maas. Gerade rüdten die Normannen mit ganzer Heeresmacht 
zur Plünderung aus. Gegen fie zog der König mit leichtbewaffneten 
Truppen. Als die Feinde die Scharen Arnulfs jahen, legten fie an 
dem Fluſſe Dylo bei Löwen Schanzen von Holzwerf und Erde an 
und höhnten und jchimpften die Deutjchen: „Gedenket der ſchmäh— 
lihen Flucht und des Blutbades, das wir unter euch anrichteten. 
In kurzer Zeit werden wir an euch ähnlich handeln!“ 

Der König wurde voll Zorns ob der frechen Rede; jeine Reiter 
itiegen raſch ab, |prangen unter Kriegsgejchrei in die normannijchen 
Schanzen und vertrieben die Räuber mit dem Schwerte. Nur wenige 
erreichten die Flotte um die Unglüdsbotjchaft zu überbringen. Von 
hier fehrte König Arnulf wieder nach Alamannien (Schwaben) zurüd. 


— 167 — 


Zum legten Male kamen die jchlimmen Feinde 892 in die 
theinijchen Lande. Die Normannen, die bei den Schiffen geblieben, 
fuhren rheinaufwärts, alles verwültend bis Bonn, von hier drangen 
lie in das rheinijche Gebirge vor. Bei Lamesdorf in der Eifel ber 
gegneten ihnen chriltliche Scharen, die ihnen aber nichts anhaben 
fonnten. Durch die Wälder der Eifel erreichten fie ſchon nad) 
wenigen Tagen das reiche Kloſter Prüm. Im der hHöchiten Not 
retteten fich der Abt und die Brüder. Die Normannen aber drangen 
in das Kloſter ein, das von Mönchen und Kloiterdienftleuten ver: 
teidigt wurde. Auch eine ftarfe Burg auf einem Berge, wo fich 
viel Volks der Eifel hingeflüchtet hatte, nahmen fie ein, töteten alle, 
machten große Beute und fehrten mit ihren 250 Schiffe zurüd nad) 
England, das fie ebenfalls erobert hatten. 


Die Ungarnnot. 


Markgraf Zuitpold. 


Kaum war die Normannennot vorüber, als für den öjtlichen 
Teil des Frantenreiches, für Bayern, Schwaben und Oſtfranken eine 
gerade jo traurige Zeit anbrach wie für die lothringilchen Gaue 
und bejonders den Niederrhein die Normannenzeit es war. 

Im Sahre 862 jchon war an der deutichen Ditgrenze ein Volt 
erjchienen, das die Leute nach der Ähnlichkeit im Gefichte und nad) 
feiner Wildheit Hunnen nannten, das aber heute unter dem Namen 
Ungarn oder Magyaren befannt il. Im Jahre 894 drangen ſie 
über die faſt unzugänglichen Karpaten und ließen jih im Lande 
PVannonien das fortan nad) ihnen Ungarn hieß, nieder. Hier gründeten 
fte ſchon 896 ein Reich. 

Sehs Jahre jpäter drangen fie in Bayern ein. Ihr Angriff 
war unwiderjtehlich, denn fie verachteten den Tod und auf ihren 
fleinen ftruppigen Pferden entzogen fie jich rajch ihren Angreifern. 
Dazu waren fie wilde Heiden, die glaubten im Jenſeits würden 
ihnen jo viele Leibeigene dienen, als fie Feinde erlegten. Sie waren 
noch jo roh, daß fie auf den Leichen der Gefallenen ſchmauſten. 
Gefangene Weiber und Mädchen aber banden fie an den Haaren 
zulammen und trieben fie nach Ungarn; wohin fie famen verwülteten, 
mordeten und raubten jie alles, bejonders hatten fie es auf die reichen 
bayerijchen Klöfter abgejehen. 

Damals gebot im Namen des jugendlichen Königs Ludwig 
(898— 911) Markgraf Luitpold über die Oftgrenze des fräntijchen 
Reiches. Er war Baugraf im Donaugau, herrjchte in der böhmischen 
Mark in Kärnten gegen die Slaven und in Oberpannonien an der 
Donau bei dem heutigen Wien. Er war aljo beitimmt, den Anfturm 
der gefürchteten Feinde abzuhalten. Der bayerijche Heerbann, der 
fi) gegen die Normannen 891 ausgezeichnet hatte, war bald auf: 

eboten. Als dies aber die Ungarn merkten, eilten fie mit reicher 

eute heim. Nur eine größere Abteilung wurde auf dem Tinten 
Donauufer von Luitpold eingeholt und vernichtet, 1200 Tote bedeckten 
die Waljtatt oder ftürzten in die Donau. Zum Schutze der Grenze 
ließ Luitpold eine jtarfe Burg, die Ennsburg, erbauen, zu der die 
Bayern die Steine der nahen NRömerfefte Lorch an der Donau 
herbei holten. 


— 19 — 


Im Jahre 906 war das Weich der ſlaviſchen Mähren, das 
den Deutichen bisher als Schugmauer diente, zujammengebrochen 
und nun konnten die Ungarn aucd die Elbe hinab nad) Sachſen 
gelengen. Da aber dieje Feinde jest in Böhmen herrichten, waren 
die Bayern im Oſten von ihnen jchwer bedroht. Daher jammelte 
Markgraf Luitpold im Jahre 207 den ganzen bayerilchen Heerbann 
in der Oſtmark. Der jugendliche König Ludwig war beim Heerc; 
er aber blieb in der Ennsburg mit jeinem Hofe. Die Bayern rüdten 
dem Feinde, der ebenfalls jeine ganze Macht aufgeboten hatte, ent: 
gegen. Am 5. Juli 907 fam es zur Schlacht „im Dften”. Die 
Bayern, die in allen Schlachten bisher Sieger waren, fielen, Mart: 

raf Quitpold, Erzbilchof Theotmar von Salzburg, Bilchof Udo von 

Freifing und Zacharias von Seben in Tirol und viele Gaugrafen 
itarben den SHeldentod. Mit Not entlam Ludwig das Kind nad) 
Regensburg. PBannonien und das ganze heutige Öfterreich waren 
für Bayern verloren, die Enns bildete fortan die Ditgrenze. Jahr 
für Jahr wiederholten ſich aber jet die entjeglichen Einfälle. 

Ein Zeitgenoſſe berichtet darüber kurz: „Im Jahre der gött- 
lichen Menſchwerdung 907 wurden die Bayern in einer Schlacht 
mit den Ungarn unter vielem Blutvergiehen zu Boden geitredt. In 
diejem Kampfe wurde der Herzog Yuitpold getötet, dem jein Sohn 
Arnulf im Herzogtume folgte. 908 überjchritten die Ungarn wiederum 
die Grenze und verwülteten Sachſen und Thüringen. 909 drangen 
die Ungarn in Mlamannien ein. 910 fämpften die Franken an der 
Grenze von Bayern und Franken mit den Ungarn und wurden 
elendiglich beftegt oder in die Flucht gejchlagen. In diejem Gefechte 
fam der Graf Gebehard um und hinterließ noch als Knaben jeine 
beiden Söhne Udo und Herimann, die jpäter berühmt und vornehm 
in Franken geworden find. 912 verwülteten die Ungarn wiederum 
ohne Widerjtand Franken und Thüringen. — 

913 ein allzuitarfer Winter. ie Ungarn verwülteten Die 
alamannijchen Gefilde und wurden am eHluffe Inn von Bayern 
und Alamannen erichlagen. — — 

915 verwilteten die Ungarn ganz Alamannien mit Teuer und 
Schwert, ganz Thüringen und Sachſen durchzogen fie und kamen 
bis zum Kloſter Fulda, 

917 gelangten die Ungarn durch Mlamannien ins Eljaß und 
bis zu den Grenzen des Lotharilchen Neiches (Rothringens). 

So ſanken die deutjchen Stämme einzeln dahin.“ 


Herzog Arnulf von Bayern. 
| 


Als Markgraf Luitpold 907 gefallen war, erbte jein Sohn 
Arnulf, ein Jüngling, feine Marten, Grafichaften und eigenen Güter. 


— 10 — 


Da das Land dem Feinde offen lag, jo bedurfte das Volk eines 
Führers. Die Großen von Bayern famen daher zujammen und 
wählten Arnulf zu ihrem SHerzoge, der fie gegen die Ungarn führen 
jollte; denn Arnulf hatte jchon gezeigt, daß er ein guter Kriegs 
mann wie jein Vater jei. Sein Herz jauchzte im Toben der Schlacht, 
wenn die Lanzen jplitterten und die gepanzerten Rojje aneinander 
prallten (Riezler I, 314). Seit jeiner Wahl nannte er ſich: „Durch 
Fügung der göttlichen Vorjehung Herzog der Bayern und der ans 
grenzenden Gebiete.” 

Da fi der jugendliche König Yudwig vor den Ungarn auf 
ſeine Pfalzen am Rheine geflüchtet hatte und fich in Tribur, Mainz, 
Worms, Speyer, Straßburg aufbielt, jo war Arnulf Herr des 
Ditens. Aber dem Bayerilchen Volke fehlten damals die Männer; 
fie waren in der Ungarnichladht faſt alle gefallen. Arnulf mußte 
jeine junge Mannichaft in den Waffen üben, auf den gefährlichiten 
Pläßen, namentlic) da, wo die Feinde über die Flüſſe jeßten, Iegte 
er Burgen aus Erdwällen und Paliſaden an. 

Kaum hatte er zwei Jahre lang Jorgfältig jeine Leute zum 
Dienfte der Waffen erzogen, die Klöjter mit Mauern umgeben, die 
Stadtmauern ausgebeijert und verftärkt, da fam auch ſchon (909) 
der Feind in hellen Haufen über den Inn. Eine Schar ging dahin, 
die andere dorthin, die eine aber wandte ſich unvermutet gegen 
Freiſing, wo der Bilchof wohnte und wo fie reiche Beute zu Anden 
hofften. Es war ein Sonntag Morgen. Sie verjuchten auch den 
Domberg mit jeiner weithin ins Iſartal ſchauenden Domkirche zu 
erjtürmen, aber der war wohl ummauert und die Wächter waren 
auf der Hut. Sobald fie fich der Feſte näherten, trafen jie wohl: 
ak Pfeile und SHolzipeere, die am Feuer gehärtet waren, 

ennoch blieben fie mehrere Tage in Freiling, denn die Kirchen 
St. Stephan und St. Veit plünderten fie ganz aus und da die Leute 
des Bilhofs die Koſtbarkeiten auf den Domberg gerettet hatten, 
fanden fie nur wenig. Schließlich ſteckten fie die beiden Gotteshäujer 
in Brand. 

Unterdejjen hatte Arnulf jein Heer gejammelt und trat den 
Näubern an dem Flüßchen Rott entgegen; es war aber nur ein 
Heerhaufen der Ungarn, der vernichtet wurde. Das gab den 
gequälten Bayern Mut. Dennoch waren die Feinde über den Lech 
naht Schwaben gelangt. Ungeftört famen die andern heim. 


Im folgenden Jahre jtießen die Ungarn auf größern Wider: 
itand; denn der König hatte die Krieger aus Bayern, Schwaben 
und Franken, die nicht mitziehen wollten, mit dem Tode durch den 
Galgen „wie ein Dieb“ bedroht. Ein ftattliches Heer fam zujammen. 
Die Rheinfranten und Schwaben hatten fich bereits vereinigt, als 


— 11 — 


die Feinde jchon in Schwaben eindrangen. Lange wogte der Kampf 
hin und her. Da die Ungarnroſſe wohl gepanzert waren, konnten fie 
nicht getötet werden. Da, plößli wandten ſich die Heiden zur 
Flut. Schon glaubten die Deutichen an den Sieg und löften * 
Reihen auf um den Feind zu verfolgen. Doch der kehrte raſch um 
und vernichtete die Scharen der Deutſchen ſo, daß nur wenige ent— 
rannen. Darauf ſetzten die Ungarn ihren Marſch fort. n der 
Grenze gegen Franken jtießen fie auf Arnulf mit den Bayern und 
den Oſtfranken. Wieder fam es zu einer heißen Schlacht, in der 
die Franken flohen; ihr Herzog Gebhard und der Graf Liutfried 
fielen im Rampfe. Die Bayern unter Arnulf jchlugen den Heer: 
haufen, der ihnen entgegenrüdte,; aber dennoch konnten die Ungarn 
ihre ungeheure Beute an Rirchenjchägen mit in ihr Land nehmen. 
Im Fahre 913 famen die Ungarn abermals durch Bayern und 
Schwaben. Herzog Arnulf vereinigte jeine Heerhaufen mit denen 
der Schwaben und brachte den Ungarn am Inn eine blutige Nieder: 
lage bei. Seitdem ließen fie Bayern mehrere Jahre in Ruhe. 


Arnulf brauchte zu jeinen Kämpfen gegen die Ungarn Güter 
und Schäße um jeine berittenen Mannjchaften entlohnen zu können, 
denn mit dem eigentlihen Heerbann, zu dem alle famen, war 
es vorbei. Wenn der Herzog feine Krieger hatte, die er entlohnen 
fonnte, jo war er gegen die Feinde ohnmächtig. Daher nahm er 
den Klöjtern den größten Teil ihres reichen Grumdbefiges, ihre 
Bauernhöfe und Dörfer und verteilte fie als Lehen unter die 
Krieger, die in feinen Dienſt traten oder jchon treue Hilfe geleiltet 
hatten. Dieje Lehensleute liehen kleinere Stüde wieder an ihre 
Leute. Das Kloſter Tegernjee bejaß vor Arnulf mehr als 11000 
Bauernhöfe, nachher nur noch 114. Arnulf handelte in der Not, 
wurde aber dafür von manchen Menſchen „der Böje oder Schlimme“ 
genannt, verdient aber eher den Namen: „der Große“. Arnulfs 
Krieger halfen auch König Heinrich gegen die Ungarn 933. 

Als Arnulf 937 ftarb, folgte ihm jein Sohn Berchtold 937 
bis 947. Die Ungarn famen wieder, da ihr ſtärkſter Gegner tot 
war. Gie drangen damals bis an die Küſte des Ozeans und fehrten 
über Italien heim. Aber am 12. Auguſt 943 brachte ihnen Herzog 
Berchtold eine fürchterliche Niederlage zwilchen Wels und Vorch— 
dorf an der Traue (Öfterreich) bei. 

Da Berchtold 947 ftarb, jo gab König Dtto I. das Herzogtum 
Bayern jeinem Bruder Heinrich, der Arnulfs Tochter, die jchöne 
und kluge Judith, zur Gemahlin hatte. 


— 12 — 


König Konrad I. Wahl. 


König Arnulfs Sohn, der jugendliche König Ludwig ſank in der 
Blüte jeiner Jahre 911 dahin. „Wehe dem Lande, de König ein Kind 
it“, hatte der Biſchof Salomo von Konjtanz gejchrieben, der die 
furdhtbare Ungarnnot miterlebte und der jah, wie fich die deutſchen 
Herzoge und Grafen dem Reichsoberhaupte nicht mehr fügen wollten. 
Die Not der Zeit war groß; daher jandten alle deutichen Stämme 
mit Ausnahme der Xothringer, Vertreter nach) Forchheim in Franken 
zur deutſchen Königswahl. 

Hier in der —* der Karolinger erhoben die Wähler nach 
alter Sitte den fränkiſchen Herzog Konrad auf den Schild. Auch 
viele Bayern und Schwaben waren gekommen und von den Biſchöfen 
fehlten nur wenige. Nur Herzog Arnulf von Bayern ſelbſt war 
nicht erſchienen; denn auch ſeine Oheime, die Kammerboten Berchtold 
und Erchanger in Schwaben erfannten den neuen König nicht an. 


Konrad im Kloiter. 


Nicht lange nach jeiner Wahl zog König Konrad gegen Süden 
um die beiden alamannijchen Rammerhoten Berchtold und Erchanger 
und den Bayernherzog Arnulf zu zwingen. Das Weihnachtsfeit 
feierte er mit jeinem Gefolge in Konſtanz. Als fie am Weihnachts: 
tage mittags zu Tiſche ſaßen, erzählte Bilchof Salomo von Konitanz 
von dem Leben und Treiben der Klojterbrüder in St. Gallen, wo 
Salomo einjt Abt war. „D, daß wir doch dort wären und weshalb 
werden wir, mein Lieber, nicht morgen früh dorthin gehen?” Als: 
bald ſtellte man die Schiffe bereit und früh am 26. Dezember beitieg 
der König mit den Biſchöfen, Grafen und Dienftleuten die Fahr: 
zeuge. Gegen Mittag erreichten fie das Ufer und näherten ſich dem 
Klojter St. Gallen. Die Klojterbrüder hatten die Ankunft des 
Königs jchon vorher durch Boten des Biſchofs Salomo vernommen. 
Mit Frohloden zogen fie, voran der Abt im Ornate unter Lob: 
gejängen auf den König, dem neuen Herrn entgegen. Drei Tage 
verbrachte König Konrad in aller Fröhlichkeit. Als er am Tage 
der unjchuldigen Kindlein (28. Dez.) den feierlichen Zug der Kloſter— 
Ichüler in die Kirche anjah, ließ er Apfel mitten auf den Boden der 
Kirche verftreuen. Aber auch nicht einer der jungen Schüler bückte fich 
nad) den rotbadfigen Früchten und König Konrad bewunderte die 
Zucht des Klojters. Als er an demjelben Tage mit zwei Bilchöfen 
zur Tiſchſtunde auch in den Speijejaal der Brüder eingetreten war 
und mehrere freundliche Worte an fie gerichtet hatte, als fie vor 
ihm aufjtanden, ſprach er: „Mit uns werdet Ihr, Ihr möget wollen 
oder nicht, zu teilen haben.“ Schnell erhob fich der Dekan des 


— 13 — 


Klofters, der neben dem Abte ſaß um dem Könige Plat zu machen. 
Der aber umarmte freundlich den Dekan, hielt ihn zurüd und jegte 
fich jelbjt neben ihn. Als er die Speilen auf dem Tijche betrachtete, 
ſprach er: „Laßt uns inzwilchen hieran teilnehmen.“ Dem Probſte 
befahl er, ihm nur das vorzujegen, was die Brüder ejjen jollten. 
Der erſchrak und ſprach: „D König, unjer Unglüf! Daß du nicht 
den folgenden Tag abwarteit; denn morgen werden wir vielleicht 
Brot und enthüllte Bohnen haben; aber heute nicht aljo.“ Der 
König meinte: „Fürwahr, auch morgen wird fich Gott über Euch 
erbarmen fönnen.“ Nachher traten die Kinder der Reihe nad) an 
das Lejepult im Speijefaal und lajen und wenn fie gelejen hatten, 
traten fie zu dem Könige. Der hob fie zu fich auf und legte einem 
jeden eine goldene Münze in den Mund. Als einer der Rleiniten 
unter ihnen heftig anfing zu jchreien und das Gold ausipie, jagte 
er: „Der wird, wenn er das Leben behält einmal ein guter Mönd) 
werden.” Der König ging dann wieder hinaus zu den Seinen und 
rühmte, noch nie ein jo fröhliches Gaſtmahl gehalten zu haben. 


Ronrad und Arnulf und Konrads Tod. 


Die Biſchöfe Deutjchlands famen in Hohenaltheim bei Nörd— 
lingen zujammen und erflärten alle Feinde des Königs dreimal 
feierlich für verflucht. Grehanger jollte ins Klofter gehen und alle 
Teilnehmer wurden vor ihren Bilchof geladen oder ſie famen in den 
Kirhenbann. Arnulf und jein Bruder Berchtold wurden vor die 
Synode zu Negensburg geladen; in ihrer Ladung ſtand, daß wenn 
fie nicht erjchienen, fie im Banne jeien. Der Papſt hatte dies jo 
angeordnet. Dennoch blieb Arnulf Herr im Lande und bis zum 
Tode des Rönigs dauerte der Kampf. 

Im Jahre 918 war König Konrad von Franken nad Bayern 
gezogen und hatte mit Herzog Arnulf gekämpft. Als er hierbei 
verwundet wurde, fehrte er in das Frankenland zurüd. Auf einer 
jeiner Pfalzen erwartete er den Tod. Da er fein Ende herannahen 
fühlte, berief er jeinen Bruder Eberhard ans Lager und ſprach: 
„Mein Bruder, ich fühle, nicht länger ertrage ich diejes Lebens Laſt, 
Gott will es jo und nach jeinem Willen unterliege ich diejer Krank— 
heit. Darum gehe mit dir zu Rate und jorge, was vornehmlich 
deine Pflicht ift, für das ganze Weich der Franken, indem du auf 
meinen Rat achteit. Wir haben viele Betreue und ein großes Heer, 
das auf unjern Ruf zujammentritt und uns in den Kampf folgt. 
Wir haben Burgen und Waffen, in unjern Händen find die könig— 
lichen Abzeichen und alles, was der Glanz des Königtums verlangt; 
aber das Glück fehlt uns und die rechte Befähigung. Das Glüd, 
mein Bruder, ſamt der herrlichiten Befähigung fielen Heinrich zu: 


— 1714 — 


das Heil des Staates liegt in der Sadjen Hand. 
Darum nimm die Abzeichen der königlichen Würde: die heilige 
Lanze, die goldenen Armjpangen, den Mantel, Schwert und Krone 
unjerer alten Könige. Gehe hin zu Heinrich und jchließe deinen 
Frieden mit ihm, auf daß du ihn zu deinem Freunde habeft. Warum 
jol das Volt der Franken mit dir vor jeinem Schwerte fallen? 
denn wahrlich, er wird ein König jein und ein Herricher über viele 
Völker.” Eberhard gelobte weinend, zu tun, wie ihm der Bruder 
geheißen. Bald jtarb Konrad, am 23. Dezember 918. Da brachten 
die Franken jeine Leiche zum Kloſter Fulda, wo fie unter dem 
Sammer des Bolfes begraben wurde. 

Eberhard begab ſich mit den Schägen Konrads zu Heinrich, 
Ichloß Frieden und Freundjchaft mit ihm. Darauf veriammelte er 
alle Großen der Franken an dem Orte Friglar in Helen, wo auch 
die Sachſen, Alamannen, Bayern und Thüringer hinkamen. Auch 
Erzbiſchof Heriger von Mainz und zahlreiche Bilchöfe Frankens und 
Sachſens waren zugegen. Das ganze Bolt hob jubelnd Heinrich 
auf den Schild. Als nun Erzbilchof Heriger Salbung und Krönung 
in Wachen anbot, meinte Heinrich: „Es iſt mir genug, dab ich 
zum Könige gewählt worden bin und diejen Namen durd) Gottes 
Gnade und Eure Liebe führe, aber Salbung und Krönung 
mögen einem Würdigeren zuteil werden. Jubelnd riefen die Franken 
und Sachſen: „Heil und Segen dem neuen Könige“. 

926 verwülteten die Ungarn ganz Franken, Eljaß, Gallien und 
Alamannien mit euer und Schwert. 

936 zerjtörten die Ungarn im öjtlichen Franken und in Ala— 
mannien viele Städte mit Feuer und Schwert, überjchritten bei Worms 
den Rhein, verwülteten Gallien bis zum Ozean und kehrten durch 
Italien zurüd. König Otto verfolgte die Räuber bis nad) Meg. 
Es war das erjtemal, daß die Jchlimmen Feinde in unjere Pfalz 
famen. Dur) den Talfejjel des Donnersberger Landes ging es 
auf der alten Heerjtraße nad) Lothringen hinein. Das Kloſter 
Miünjterdreijen ging damals in Flammen auf. Die Bewohner 
des Landes und die Mönche hatten fich auf die Fliehburg auf der 
Höhe des Donnersberges, wo noch Reſte römiſcher Anfiedelungen 
Itanden, zurüdgezogen. Andere Scharen waren die Rheinebene auf: 
wärts gedrungen und jchon damals hätte König Dtto den jchlimmen 
Feind bejiegt, wenn fich die deutjchen Herzöge nicht empört hätten. 


Dttonen (919—1024). 


König Heinrich I. der Große. 


Heinrih und Arnulf. 


Bayerilche und alamannijche Freie waren nicht nad) Friglar 
zur Rönigswahl getommen. Daher jammelte Heinrich noch im Jahre 
919 den jächftichen und fränfiichen Heerbann und zog nad) Süden. 
In Mlamanien waltete Herzog Burkhart als jelbitändiger Herr. 
Da viele im Lande aber jich nach der Königsherrichaft jehnten, jo 
Ihloß Burkhart mit Heinrich, dem er doch nicht gewachien war, 
Frieden, gab ihm feine Burgen, feine Leute und fich jelbit. Das 
alte Königsgut aus der Karolingerzeit befam Heinrich ebenfalls, 
ſonſt aber blieb der Herzog Gewaltherr von Schwaben. Er jelbit 
hielt nach alter deutjcher Weile Gericht und ſchlichtete die Streitig- 
feiten jeines Volkes nach altem Rechte. Bon Schwaben zog Heinrich 
nad) Bayern vor die alte Hauptitadt Regensburg, in der die deutjchen 
Karolinger regiert hatten und wo jegt Arnulf, mit Unrecht der 
Böje genannt, jeit jeines Vaters Tode als Herzog von Bayern gebot. 
Nenul? hatte bei Regensburg alle jeine Lehensmänner mit ihren 
Kriegern gejammelt. In und um die Stadt lagerte fich der Heer: 
bann; denn jchon nahte der König. Arnulf zog ihm gerüftet ent: 
gegen. Aber Heinrich wollte nicht Krieg jondern Frieden und jandte 
Boten zu Arnulf, die jagten, er wolle mit dem Herzog eine Zu: 
ſammenkunft um mit ihm reden zu können. Arnulf dachte, es Jolle 
zwilchen ihm und dem Könige ein Zweilampf tattfinden. Das war 
ihm recht, da er ſein Herzogtum ſelbſt mit den Waffen verteidigen 
wollte, — die zu führen hatte er gegen die Ungarn erlernt. Daher 
hieß er jein Bolt ſich in die Stadt — mit nur wenig 
Getreuen, die Zeugen ſein ſollten, begab er ſich zu dem von Heinrich 
beſtimmten Orte. Heinrich wartete ſeiner, aber nicht mit den Waffen 
in der Hand, ſondern mit freundlicher Miene, ging ihm entgegen 
und reichte ihm die Hand. „Was widerſtrebſt du Gottes Gebot?“ 
ſprach Heinrich. „Sein Wille iſt es, daß mich das Volk der Franken 
und Sachſen zum Könige erwählt hat. Hätte es dich auf den 
Königsſtuhl erhoben, ſo hätte dies niemand lieber geſehen als ich. 
Weshalb willſt du um deines Ehrgeizes willen das Blut jo vieler 
Chrilten vergießen?” Arnulf gab auf dieſe Frage feine beftimmte 
Antwort. Er ging zu jeinem Heere zurüd und beriet jich mit jeinen 


— 176 — 


Grafen und Herren. Die meinten, er jolle fi) nur dem neuen Könige 
unterwerfen, aber Heinrich möge ihm izugeltehen, daß Arnulf die 
Bilhöfe allein einjege. Arnulf kam zu Heinrich und jagte jeine 
Bedingungen, mit denen Heinrich wohl zufrieden war. Er hieß 
Arnulf jeinen Freund. Arnulf aber nannte jich auch jeßt noch 
„Herzog der Bayern von Gottes Gnaden“, ließ Münzen mit jeinem 
Bildnis ſchlagen und ſchickte Sendboten aus, die wie Königsboten 
nachſahen, ob die Grafen ihres Amtes woalteten. 


Heinrih am Rheine. 


Der legte Karolinger, Karl von Frankreich) war im Jahre 920 
mit feinen Lehensleuten nah Weiten gegen den Rhein gezogen. 
Er durchitreifte mit jeinen Scharen den Nahegau, das Land zwilchen 
Donnersberg und Hunsrüd und kam durch das Zellertal bis gen 
Morms. Hier hatten fich die fränkiſchen Edelleute mit ihren Leuten 
gejammelt und jchlugen Karl. Doc der verband ſich mit Herzog 
Giſelbert von Lothringen und beide rückten bereits 921 wieder an 
den Rhein gegen Heinrich. Diesmal war es am Niederrheine. 
Heinrich fam aus Sachſen. Bei Bonn, wo die große niederrheinijche 
Tiefebene beginnt, ſtanden ſich die Heere gegenüber, am linfen 
Ufer die Weitfranten, am rechten die Sachſen mit den deutſchen 
Franken. In der Mitte des Stromes aber anferte ein Schiff, wo 
die Könige fich trafen. Hier, auf den Wogen des Nheines jchlojjen 
fie einen Bund; denn Heinrich bot wieder die Hand zum Frieden 
und König Karl erfannte gerne Heinrich als deutjchen König an. 
Das war am 7. November 921. 

Immer noch blieb Lothringen bei Frankreich. Da gejchah es, 
daß der legte Karolinger Karl Königsituhl und Freiheit vor jeinen 
Großen verlor und ein neuer König über Frankreich gebot. (Rudolf.) 
Mit dem jächfiichen Heere rücte Heinrich daher in Lothringen ein 
(923) und ließ ſich huldigen. 

Als der neue König der Weſtfranken heranzog, jchloß Heinrich 
Hugerweile einen Waffenitillitand mit ihm. Gijelbert von Xothringen 
jedoch hielt fich, als Heinrich über den Rhein ging, auf Rudolfs 
Seite und Heinrich mußte ihn in Zülpich bei Koblenz belagern. 
Er bezwang die Feſte und durchzog ganz Xothringen. Geitdem floß 
der Rhein nur duch deutjches Land. Im Namen des Königs 
309 von nun an Herzog Eberhard von Franken als Pfalzgraf nach 
Lothringen um den Frieden im Lande zu wahren. 

Von nun an beitand das deutjche Reich aus folgenden Herzog: 
tümern: Sachſen, Franken, Zothringen Bayern und Schwaben oder 
Alamanien. Die Herzöge waren die Freunde des Königs. 


Die Ungarn in Sadjen. 


Im Jahre 924 kamen die Ungarn nad) Sachſen. Alles, wohin 
fie famen, wurde zerftört. Die Burgen und feſten Pläße an den 


— — 


Flüſſen und auf den Bergen wurden verwüſtet, Klöſter und Kirchen 
meiſt aus Holz gebaut, gingen in Flammen auf. Alles wurde 
erwürgt, was —* nicht in die Dickichte der Wälder flüchtete. Die 
Ungarn kamen in ſo großen Scharen, daß der deutſche Heerbann 
nicht ausreichte, ſie zu bekämpfen; denn es fehlte an tüchligen Reitern, 
da nad) dem alten Kriegsgejege nur der Freie, der 5 Hufen Land 
bejaß, jelbjt zum Heerbanne mußte, während die Hleineren Grund: 
befiger gemeinjam einen Streiter ausrüfteten, zu zweien, dreien oder 
vieren. Heinrich mußte oft die Todesftrafe androhen, um den Heer: 
bann zujammenzubringen. In Sachſen gab es aud weniger Reiter 
als bei den Franken und die Adeligen brachten nur Fußlämpfer mit. 
Heinrich jchloß fi) daher in jeine Burg Werla bei Goslar ein 
um den Feind abzuwarten, der das Belagern jchlecht verſtand. Da 
traf es fi, daß von Heinrichs Leuten einer der Ungarn, ein Fürft, 
gefangen und in die Burg gebracht wurde, wo man ihn feithielt. 
Sogleich ſchickte die Schar der Ungarn, die er geführt hatte, einen 
Gejandten, der viel Gold und Silber bot. Davon wollte der Kluge 
König nichts willen. Er verlangte Frieden auf neun Jahre. 
Ja, er gab ihnen gern einen jährlichen Zins (Tribut). Das waren 
die Ungarn wohl zufrieden, fie verließen auf neun Jahre das 
Sachſenland und nahmen jährlich durch Gejandte den Zins Heinrichs 
in Empfang. 
Dafür zogen die Räuber 926 nad) Bayern und Lothringen. 


Rüftung zum Kampfe. 


Zu Heinrichs Zeit (919—936) wohnten die Sachſen noch auf 
Einzelhöfen, um die die Fluren lagen. Sonſt gab es Königshöfe, 
Burgen, Kirchen und Klöjter. Auch die Burgen, die einjt Karl der 
Große an der Elbe anlegen ließ, waren zeritört. Tag und Nacht 
wurde ſeit 924 an der Grenze gearbeitet. Die Häujer wurden zu— 
jammengebaut und mit Wällen, Palliaden oder gar Mauern um: 
ſchloſſen. Kleinere Drte wurden vergrößert, alte Befejtigungen 
erneuert. Merjeburg an der Saale erhielt eine fteinerne Mauer, 
wie fie die alten Römerſtädte am Rheine hatten. Außerhalb der 
Mauern ftanden nur jchlechte Gebäude. In Merjeburg erlaubte 
König Heinrich allen Verbrechern feines Landes, fich niederzulajjen. 
In der Vorftadt fiedelten fie fi) an und als „Merjeburger“ waren 
fie weit und breit gefürchtet. Es war eine Schar aus NRäubern 
gebildet, die er verjchonte und nicht beftrafte, wenn fie fich Hier 
niederließen und für ihn fämpften. Gie erhielten Ader und Waffen, 
durften gegen ihre Landsleute nichts unternehmen, aber die 
Wenden, jo oft fie nur wollten, mit Krieg überziehen. Wenige 
Jahre jpäter zogen ihrer 1000 Mann mit König Heinrich gegen 
die Böhmen. 

Unter feinen Kriegern, die Heinrich mit Land belehnt Hatte, 


12 


— 178 — 


wählte er den neunten Mann aus, der in eine der neuen Burgen 
iehen mußte. Er jollte für die andern acht, die auf ihren Höfen 
blieben, Mohnungen errichten und von aller Ernte den dritten Teil 
empfangen und aufbewahren. Die übrigen acht aber jollten jäen, 
ernten und die Früchte Jammeln. Auch gebot er, daß alle Gerichts: 
tage, ‚alle Verſammlungen und Feſte in den Burgen jollten gehalten 
werden. Im Kloſter Hersfeld betrieb man aus Furcht vor den 
Feinden die Arbeit jo haftig, daß die hohe Mauer eines Tages 
einjtürzte und in den 12 Fuß entfernten Graben fiel. Schon im 
Jahre 928 waren die Sachſen bejonders an den Marken jo friegs- 
bereit, daß fie wohl gegen die nächſten Feinde, die Menden, ziehen 
fonnten. 
Der Wendentrieg. 


Es war im ftrengen Winter des Jahres 928. Die ſächſiſchen 
Burgen und Feſten waren jchon zum größten Teile vollendet, da 
erprobte Seinrich jeine Scharen gegen die Slaven an der Havel, 
die Heveller. Schon hatte er ihre Kraft in vielen Schlachten ge— 
brochen; aber ihre Feſte Brennabor (Brandenburg) fonnte er nicht 
einnehmen, da fie rings vom Waller der Havel, die fich dort jeenartig 
erweitert, gejchüßt war und hohe Erdwälle ſie umjchlojjen. Da kam 
ihm der ftrenge Winter zu Hilfe Das Eis der Havel wurde jo 
tar, daß das Sachſenheer ohne Gefahr darüber jchreiten fonnte. 
Daher jchlug es auf der Havel jein Lager auf. Die Slavenftadt 
war dicht bevölfert, denn taujende hatten fich hierher geflüchtet, um 
gegen die Sachjen ficher zu fein. Aber Hunger und Kälte zwangen 
die Slaven zur Übergabe. Die Männer fielen von den Sadjen, 
Knaben und Mädchen wanderten als Hörige in die Anechtichaft. 

Schon hatte Heinrich alle Slavenitämme unterworfen, die Abo- 
triten, Wilzen, Heveller, Daleminzier, Böhmen, Nedarier, und es 
hien Frieden. Da brachen die Redarier an der Elbe den Vertrag; 
ihre Fürften riefen ein großes Heer zujammen; denn alle Slaven 
erhoben fich gegen die verhaßten Deutjchen, die ihnen das Chriiten- 
tum bringen wollten. Sie zogen vor die Feſte MWalsleben, wo 
Jächfiiche Krieger lagerten, ergriffen alle Bewohner und töteten fie 
aus Rache. Das hörten die andern Stämme mit Freuden und noch 
einmal erhoben fie fih. Der Markgraf Bernhard, der gegen die 
Redarier focht, zog den ſächſiſchen Heerbann zulammen und rüdte vor 
die Slavenftadt Yenzen. 

Schon fünf Tage lagerten fie vor der Feſte. Da kamen jäch: 
ſiſche Kundichafter, die man ausgejandt hatte und meldeten, ein 
Heer der Wenden jei in der Nähe und beabjichtige bei einbrechender 
Naht das Lager der Sachſen zu überfallen. Bald kamen nod 
andere Kundſchafter, die dasjelbe meldeten. Raſch berief Markgraf 
Bernhard jeine Leute in jein Zelt und gebot, daß ein jeder die 
ganze Nacht unter den Waffen bleibe, damit der Feind fie nicht 


— 19 — 


überrajche. jeder ging zu jeinem Zelte, die einen traurig, die 
andern freudig; denn viele dachten an die nahe Schlacht, in der fie 
fallen könnten, andere aber hofften auf den Sieg. Die Nacht brad) 
an; fie war finjterer als gewöhnlich, der Regen goß in Strömen 
herab, wartend jaßen die Sachſen in ihren Zelten. Endlich kam 
der Morgen und Bernhard gab das Zeichen zur Schlacht. , 


Nach alter deutjcher Sitte empfingen alle von den Prieftern 
das heilige Abendmahl; dann traten alle Männer zu ihren SFührern, 
den Grafen, und gelobten mit feierlihem Eidjhwur Treue im 
Kampfe; auch unter fich gelobte es einer dem andern. Die Sonne 

ing nad) dem Regen in glänzender Pracht auf; hell lachte der 
—— ſchon ſtanden die Sachſen in Ordnung, voran Bernhard. 
Er ging mit wenig Kriegern vor. Da fie gegen die Übermacht der 
Menden nichts auszurichten vermochten, kehrten fie zum Heere zurüd 
und berichteten: die Wenden haben nicht mehr Reiter als wir, jedoch 
viel Fußvolkz; aber da es über Nacht nicht in Zelten lag, ift es 
jo ermattet, daß es nur von den Reitern getrieben in den Kampf 
geht. Die Kleider der Slaven waren jo durchnäßt, daß, als die 
Sonne fie bejchien, dichte Dunftwolten in die Höhe jtiegen. Das 
jah Bernhard; abermals gab er das Zeichen zur Schladht. Mit dem 
mächtigen Schlachtruf: Hie Heinrich! hie Sachſen! ſtürmten die 
Sachſen vor; aber es gelang ihnen nicht, die feiten Reihen der 
Slaven zu durchbrechen. Daher floß auf beiden Geiten viel Blut. 
Bernhard bat deshalb den Grafen Thietmar, der im Hinterhalte ftand, 
um raſche Hilfe. Da rücte ein Hauptmann mit fünfzig gepanzerten 
Reitern herbei und drang in die jlaviichen Reihen. Die Slaven er: 
golfen ich in wilde Flucht, auf dem Felde wartete ihrer der fichere 

od, daher eilten fie nach dem nahen Lenzen, — aber umjonft. — 
Thietmar hatte alle Wege verlegt und von allen Seiten umjchlofjen, 
fonnten fie nur in dem nahen See Rettung vor dem Schwerte der 
Sadjen finden. Dort ertranten fie. Von dem Fußvolke rettete 
fich feiner, wenige nur von den Reitern. Achthundert gerieten in 
Gefangenjchaft und wurden des andern Tages enthauptet. Dann 
rüdten die Sadhjjen gegen die Burg Lenzen, aber ihre Bewohner 
itrediten die Waffen und baten um nichts als das Leben. Das ließ 
man ihnen; aber wafferlos mußten fie aus der Feſte ziehen. AU 
ER Hab und But, alle Weiber und Kinder, alle Knechte wurden zur 

riegsbeute des Königs, der fie an die Tapfern verteilen ließ. Der 
König lobte jein tapferes Heer jehr und bereitete ihm in der Heimat 
einen herrlichen Empfang. 


„Kräftig gedieh nun Jeit Jahrhunderten deutjches Leben zwiſchen 
Elbe und Oder, aber es ilt auf einem Boden entiprojjen, von dem 
jede Scholle mit Blut getränft ift. — Schwer wie Eiſen hat die 
Hand der Sachſen auf den Wenden geruht und fie endlich zermalmt. 
Wenn fie unter ſolchem Joche murrten, jich noch oftmals gegen ihre 


12° 


— (. ; — 


Dränger erhoben und in den Kampf der Verzweiflung ftürzten, wer 
wollte jie deshalb verflagen?“ (Giejebrecht I, 230.) 


Die Ungarnſchlacht. 


König Heinrich berief jeine Rehensleute zu einem großen Land: 
tage in eine jeiner feiten Burgen. Als fie zujammen waren, — 
er: „Ihr wißt nur zu gut, von welchen Gefahren euer Land ein 
bedroht war. Sur innere Fehden und äußere Kriege waret ihr 
ſehr oft bedrängt. Doch nun jeht ihr, durch Gottes Hilfe und 
durch die Anftrengung unjer aller ift es gelungen, die Wenden zu 
befiegen und untertänig zu machen. Nur eines bleibt uns noch zu 
tun übrig; es iſt notwendig, daß wir uns wie ein Mann gegen die 
Ungarn erheben. Ich habe jeit 9 Jahren euch, eure Söhne und 
Töchter ſchatzen müſſen, um die Schatzkammer der Ungarn zu füllen. 
Nun habt ihr nichts mehr als das nadte Leben. Ich bin daher 
gezwungen, die Kirchen und die Diener Gottes zu berauben. Bes 
denfet daher wohl, was ich tun fol. Soll ich nun das, was dem 
Dienite des Herrn geweiht ift, nehmen und dem Feinde opfern, um 
uns von der Rnechtichaft zu erlöjen? Oder joll ich nicht lieber den 
Altären des Herrn das opfern, was wir bisher den Feinden gaben, 
auf daß er, der uns erjchaffen und erlöjet hat, unjere Bande 
löje? Da erhoben ſich alle Sachſen und riefen: „Der wahre, lebendige 
Gott, der treu und gerecht ift, mache uns frei von unjern Banden.” 
Sp jhwuren fie, ihrem Könige beizuftehen in allen Gefahren und 
erhoben die Hände zum Himmel. Zum Zeichen, daß fie ihren Eid 
halten wollten. Gin jeder kehrte zu jeinem Hofe oder zu jeiner 
Burg — denn alles war wohl vorbereitet. 

icht lange danach kamen, wie alljährlich die Geſandten 
der Ungarn, die den Zins einforderten. Heinrich wies ſie ruhig 
ab, ſie ſollten ſich ihn holen. Da ſattelten ſchnell die heidniſchen 
Räuber ihre Pferde. Unermeßliche Scharen drangen durch das 
Elbetal nach Sachſen, die Elbe hinab, andere über die Saale. Von 
den Daleminziern, die im heutigen Königreich Sachſen wohnten, 
forderten ſie Gold und Hilfe. Die Daleminzier aber warfen ihnen 
einen fetten Hund vor, das ſei die Hilfe. Dhne fich jeßt zu rächen, 
drangen die Ungarn durch Daleminzien nad) Thüringen, alles ver: 
ſengend und verbrennend. Hier hauften fie im Winter 932 auf 933 
wülte im ganzen Lande; als das Land fie nicht mehr ernähren 
fonnte, gingen fie in Schwärmen auseinander, wie es ihre Kriegs: 
gewohnheit war. Aber jchon hatte Heinrich ein ſtarkes ſächſiſches 
Neiterheer beilammen, ja aus Bayern und Franken waren ihm 
Reiter zu Hilfe geeilt. Kaum hatten ſich die wilden Scharen geteilt,. 
jo griffen Sachſen und Thüringer die weltliche Schar an, töteten die 
Führer und ihre Scharen zeritoben nad) allen Seiten. Viele Ungarn 
famen im Winterfrofte um, andere ftarben vor Hunger, eine große 
Zahl geriet in Gefangenjchaft und fand einen jammervollen Tod. 


— 1831 — 


Der andere Teil des Ungarnheeres war noch in Thüringen 
geblieben. Da hörten fie von einer Burg, in der eine Schwelter 
des Königs wohnte, die den Grafen Wido geheiratet hatte, der hier 
befahl. Sie hörten auch von viel Silber und Gold. Daher wollten 
fie dieje Burg, die gerade gegen fie erbaut war, ftürmen. Wäre 
die Nacht nicht gelommen, jo hätten fie es erreiht. Als dieſe an- 
brach, fam gerade die Nachricht von der furchtbaren Niederlage der 
Ihrigen im Weſten, andere ihrer Aundichafter meldeten, König 
Heinrich ziehe heran. Auf den Bergen ringsum errichteten fie große 
Scheiterhaufen, zündeten fie an und ſagten damit ihren zerftreuten 
Scharen: Sammelt Euh. Das war an der Riade, die in Die 
Unftrut fließt. 

Unterdejjen war Heinrich mit feinen geharnijchten Reitern in 
die Nähe gelommen. Als er den Feind gewahr wurde, beichloß er, 
ihn jofort anzugreifen und jtellte jein Heer in Ordnung auf. „Ber: 
Der nicht“, |prach er, „göttliche Hilfe wird uns beiltehen. Die 

ngarn find die Feinde aller, nicht nur der Sachſen, jeid daher auf 
die Verteidigung des ganzen Waterlandes bedacht. Wenn ihr 
mannhaft fämpft, wird der Sieg Euer jein und die Feinde werden den 
Rüden kehren.“ Da jchwoll jedem der Mut, und als Heinric gar 
vorne, in der Mitte, bald hinten fich befand und jeine Leute anrief 
und überall des deutjchen Reiches Banner mit dem Erzengel Michael 
vor ihm wehte, da faßten jie Mut. Heinrich befürchtete nur, die 
Ungarn möchten ausreißen, wenn fie die gepanzerten Reiter ſähen 
und könnten nicht vernichtet werden. Daher ſchickte er 1000 thüringilche 
Fußgänger mit nur wenigen gewappneten Reitern vor. Die Ungarn 
wagten N daher wirklich an das Haupttreffen Heinrichs heran, als 
aber die Keiterjcharen mit dem Könige an der Spitze ihrer warteten, 
ergriffen fie feige die Flut. Sie eilten jo rajch davon, daß auf 
acht Meilen Wegs faum einige wenige getötet oder gefangen wurden. 
Das ganze ungarilche Lager mit den gefangenen — Mädchen 
und Kindern, den geraubten Schätzen fiel in Heinrichs Hände. 
Den Tribut aber, den ſonſt die Ungarn ſich geholt hatten, gab er 
den Kirchen, die die Feinde ausgeraubt hatten. Weit über Europa 
drang der Ruhm des großen Heinrich. 

Ebenjo befiegte der König 934 die räuberijchen Dänen und 
machte die Eider zur Grenze gegen Dänemark wie einjt Karl der 
Große. Beweint von feinen Getreuen ftarb er 936 zu Memleben 
an der Unftrut. 


Dtto der Große (936-973). 
Wahl und Krönung zu Naden. 


Otto war jchon zu Lebzeiten jeines Vaters von den deutjchen 
Fürften und Grafen zum Könige gewählt worden. Das genügte 


— 12 — 


aber nach Heinrichs Tode nicht und man beitimmte daher, daß zu 
Aachen in der alten Kaijerpfalz Karls des Großen alle SHerzoge, 
Grafen und Lehensmänner des Königs fich verJammeln jollten. 

So geihah es. Im Sommer 936 herrjchte reges Leben und 
Treiben in Aachen. Bon allen Seiten von Djten, Süden und Norden 
famen die Herren ftolz zu Roſſe mit Lehensleuten, Knechten und 
Dienern. Es kamen nadeinander die Herzoge von Lothringen, 
Franken, Schwaben, Bayern; es erjchien der jugendliche König Otto 
mit jeinen Brüdern, es famen alle die tapfern Ungarnbefieger, die 
Slavenbändiger. In feierlihem Zuge naheten die drei rheinijchen 
Erzbiſchöfe, allen voran der von Mainz, der Nachfolger des Bonifazius. 
Scharen von Biſchöfen und Geiltlichen zogen in die Stadt Karls des 
Großen ein. Herzog Arnulf von Bayern aber jorgte für die Ritter 
und ihre Pferde und er und feine Leute wiejen jeden an, wo er 
außerhalb der Stadtmauer fein Zelt aufichlagen müjje um Unter: 
funft zu finden. „Denn die Mauern einer Stadt vermochten nicht 
das deutiche Volt zu fallen.” Der Lothringer Herzog Gijelbert, in 
dejlen Gebiet Aachen lag, ordnete die ganze Feier; ihm oblag 
es für die Unterkunft des Königs und jeiner Leute, der Franken— 
herzog Eberhard, einjt Heinrichs getreuer Freund, jorgte als Truchſeß 
für die Tafel, der Schwabenherzog Hermann aber ſtand als Mund— 
ſchenk den Schenken vor. 

Es kam der 8. Auguſt 936. König Otto hatte ſein weites 
lächfiiches Kleid, wie er es gleich feinem Vater trug, abgelegt und 
dafür das engere fränkiſche Gewand angetan. Denn als deuticher 
König war er König der Franken und wurde nad) Ag Rechte 
gewählt. Zwiſchen der Kailerpfalz und dem Mlünfter ftand die 
Säulenhalle Karls des Großen, deren weiße Marmorjäulen aus 
Rom und Ravenna mit großer Mühe gebracht worden waren. 
Hier Itand der Marmorftuhl Karls des Großen, der Erzthron 
des Reiches. In feierlichem Zuge betrat König Otto die Halle, 
ihm folgten alle Herzoge, Grafen und Lehensleute. Und jo wie ſie 
an jeinem Throne vorüberjchritten, reichten fie ihm die Hand, ge: 
lobten Treue und verjprachen ihm Beiltand. Während die Herzoge 
und die übrigen Beamten das taten, erwartete der Erzbijchof Hilde: 
bert von Mainz mit der ganzen Geitlichfeit und der großen Menge 
des Volkes in der Kirche den feierlichen — des neuen Königs. 
Bald nahte der Zug. Der Erzbiſchof von Mainz mit dem Krumm— 
itab in der Rechten, angetan mit dem weißen leinenen Talar, geſchmückt 
mit Stola und Meßgewand ging dem neuen Herrn entgegen. Mit 
der linken Hand ergriff er die Rechte des Herrichers und führte 
ihn in die Mitte des Heiligtums. Hier blieb er ftehen und wandte 
lich zu dem Volke, welches die beiden Säulengänge der achtedigen 
Kirche erfüllte und jo den König jehen konnte. € ſprach: „Seht, 
id führe euch Otto zu, den Gott ae Sue hat, König Heinrich 
aber einft euch bejtimmte und den alle Fürften zum Könige erforen 


— 188 — 


haben. Gefällt euch ſolche Wahl, ſo erhebet zum Zeichen eure 
Hände zum Himmel!“ Da erhoben alle die Hand und mit lautem 
Jubelrufe flehten ſie Glück und Segen auf das Haupt des neuen 
Herrſchers herab. Darauf ſchritt der Erzbiſchof mit dem Könige 
bis zum Altare vor, wo Schwert und Wehrgehent, Mantel und 
Spangen, Stab, Szepter und Diadem, die Abzeichen der königlichen 
Würde bereit lagen. Der Erzbilchof Hildebert ergriff Schwert und 
MWehrgehenf und Iprad zu Otto: „Nimm bier das Schwert und 
triff damit alle Feinde des Herrn, Heiden und ſchlechte Chriſten; 
denn darum hat dir Gottes Wille alle Macht über das ganze Reich 
der Franken gegeben, daß du der ganzen Chriftenheit ficheren Frieden 
ewinnſt.“ Dann nahm er die Spangen und den Mantel und Hleidete 
ihn damit und Jagte: „Die Säume dieſes Gewandes, die bis zur 
Erde hinabwallen, jollen dic; gemahnen, nicht kalt zu werden im 
Eifer für den Glauben und bis ans Ende auszuharren im Schuße 
des Friedens.” Als er dem Könige Szepter und Stab überreichte, 
ſprach er: „Dieje Zeichen mögen dich erinnern, daß du väterlich 
züchtigen jollit, die dir untergeben find. Bor allem aber breite deine 
Hand aus voll Barmherzigkeit über die Diener Gottes, über 
Witwen und Waijen und niemals verjiege auf deinem Haupte 
das Ol des Erbarmens, auf daß du hier und in aller Zufunft den 
Preis einer unvergänglichen Krone empfangelt.” Hierauf jalbte 
Hildebert den König mit dem heiligen Öle. Der Erzbijchof Wilfried 
von Köln trat heran und beide jegten dem Herrſcher das Diadem 
(Stirnband, Reif) aufs Haupt und geleiteten ihn gemeinjchaftlich zu 
dem Throne, zu dem man auf gewundener Treppe emporitieg und 
der zwilchen zwei Marmorjäulen von wunderbarer Schönheit erhöhet 
war. Bon hier aus fonnte das Volt jeinen König jehen. Hierauf 
itimmten alle den Lobgejang an und der Erzbilhof brachte das 
Meßopfer. Dann gingen alle, voran der König, zum Palafte zurüd. 
Hier war an marmorner Tafel das Königsmahl für den neuen 
Herrn und die geiftlichen und weltlichen Fürften und Grafen bereitet. 
Die Herzoge des deutjchen Reiches dienten dem Könige beim Mahle; 
der Schwabenherzog ſchenkte den eriten Wein, der Frankenherzog 
brachte die Speile, der Bayernherzog war Marjchall und der Lothringer 
Kämmerer. 
So blieb es feitdem im deutjchen Reiche. Nach der eier gab 
der König den Fürften wertvolle Gejchente und fröhlich zogen alle 
zur Heimat. 


Thankmar und Eberhard. 


j Otto hatte einen Bruder Thankmar, der mit der Teilung des 
väterlichen Erbes nicht zufrieden war. Er wollte ſein mütterliches 


er Fa 


—— obwohl ihm König Heinrich reichen Erſatz gegeben hatte. 
Der König zog dem erbitterten Thankmar nach, der ſich mit ſeinen 
Leuten in die Eresburg flüchtete, die einſt Karl der Große den 
Sachſen abgewonnen hatte. Als aber die Burgmannen ſahen, daß 
Otto mit ſtarker Macht gegen ſie herankam, öffneten ſie die Tore 
und ließen das Heer ein, das die Burg umlagert hatte. Thankmar 
floh in die Kirche, die einſt Pe eo Ill. dem Apoſtel Petrus 
geweiht hatte. Allein auch a in verfolgte ihn Ottos Heer; 
namentlich aber drangen die Lehensleute des jungen Heinrich, Ottos 
Bruder, ihm nad. Sie jchlugen die Thüren ein, drangen in die 
Kirche und fanden Thankmar am Altare. Dort hatte er die Waffen 
jamt der goldenen Kette, die er als Königsjohn trug, niedergelegt. 
Da Speere auf Thankmar flogen, otng ihm ein Ritter Thiadbold 
(Dietbold) unter Schmähungen eine Wunde, die er jogleich von 
Thantmar jo zurüd erhielt, daß er in jchredlicher Raſerei jeinen 
Beift aufgab. Aber ein Ritter mit Namen Mainzia durchbohrte 
Thantmar von hinten mit einem Speere, den er durch das nahe 
er hereingeworfen hatte. Als König Dtto von dem Frevel jeiner 

ajallen hörte, — er ſehr, Thankmars Genoſſen, den Ritter 
Dietrich und 3 Vettern ließ er nach dem Geſetze der Franken zum 
Stricke verdammen und hinrichten. Auch Eberhard, Thankmars 
Bundesgenoſſe ergab ſich, als er hörte, was vorgefallen war. Er 
warf ſich Heinrich zu Füßen und erhielt deſſen —* aber 
durch böſen Verrat! 


Heinrich und Eberhard. 


Heinrich war damals noch ſehr jung, 17 Jahre alt, und von 
heißem Blute. Er war herrſchſüchtig und wünſchte ſich die Krone 
ſeines Bruders. Eberhard verſprach ihm zu helfen. Heinrich kehrte 
heim und heuchelte dem ahnungsloſen Bruder Treue und Liebe. 
Auch Eberhard kam; denn der Erzbiſchof Friedrich von Mainz hatte 
ihn ermahnt. Er bat demütig um —— und erhielt ſie. Zuerſt 
aber mußte er in Hildesheim als Verbannter leben und wurde dann 
in alle ſeine Würde eingeſetzt. 

Unterdeſſen trachtete Heinrich immer noch nach dem Königs: 
throne. Als er 939 zu Saalfeld ein großes Feſt gab, beichentte er 
viele Lehensleute mit großen Gütern und da er jeinem Vater jehr 
ähnlich Jah und der Mutter Liebling war, jo betam er großen An— 
bang. Die Empörung follte geheim bleiben. Heinrich jolle Sachſen 
verlajjen; denn jeine Vajallen könnten es verteidigen. Er aber möge 
nad Lothringen zu feinen Freunden fliehen. as geſchah. Als 
aber das Gerücht von diefem Ereignis fich verbreitete, gerieten alle 
weit und breit in Schreden, weil niemand wußte, warum Heinrich 

ch empört hatte. Otto glaubte nicht an Heinrichs Untreue. Da 
e aber von getreuen Lehensmännern berichtet wurde, jammelte er 


— 15 — 


raſch ein Bajallenheer und verfolgte den Bruder. In der Feſte 
Dortmund lagen Mannen aus Heinrichs Beligungen; die dachten 
an Thankmars Geſchick und ergaben fih. Ihr Anführer Agina 
befam aber vom Könige cinen jchweren Eid. Gr mußte feinem 
Herrn nadheilen um ihn in Frieden und Eintracht zurüdzuführen; 
wenigitens jollte er zurücdfonmen. Otto gelangte an den Rhein— 
ſtrom. Heinrich und Giejelbert von Lothringen rüfteten zum Kriege. 
Auch fie zogen an den Rhein. Bei Kanten ſtanden fich die Heere 
gegenüber. Agina eilte unterdejjen zum Könige zurüd und ſprach, 
als er über dem Flujje war: „Dein Bruder, mein Gebieter, wünjcht 
dir, du mögelt gejund und wohlbehalten lange über dein großes 
und weites Reich herrichen und meldet dir, daß er jo ſchnell als 
möglich zu deinem Dienjte herbeieile.” Als Otto fragte: „Dentt 
Heinrih an Krieg oder Frieden?”, da jah er auch von ferne ſchon 
die Rothringer mit aufgeredten Feldzeichen und gerade auf den Teil 
von Dttos Heer zuftürmen, der jenjeits des Rheines jtand. Da 
fragte Dtto den Agina, wer das wäre und der antwortete: „Dein 
Bruder; er wollte mir nicht gehorchen, daher kehrte ich, wie ich dir 
geihworen hatte, allein zurüd.” Das jchmerzte den König jehr, denn 
er befürchtete, jeine 100 Geharnijchten auf dem linten Reinufer möchten 
umlommen und Schiffe fehlten, um raſch das ganze Heer überjegen 
u können. Otto betete im Angelichte des Feindes. Da aber ein 

ilchteich zwilchen den Sachſen und Lothringern lag, teilten fich die 
Sachſen rajch und jchlojfen, obwohl fie weniger waren, die Rothringer 
ein. Ginige Sachſen verjtanden die weljche Sprade, die viele 
Lothringer jprachen und ermahnten im Getümmel der Schlacht die 
Feinde zu fliehen. Dieje glaubte ihre Genojjen hätten gerufen und 
flohen. Das Gepäd und Kriegsgerät geriet in der Sachſen Hände. 
Ein Thüringer namens Dadi meldete den Hauptleuten der Burgen 
im öftlichen Sachlen, wo Heinrichs Beligungen lagen, daß der König 
efiegt habe und Heinrich sejätagen jei. Daher ergaben fich alle dem 
önige, nur zwei Burgen blieben Heinrich: Merfeburg und Schei—⸗ 
dungen. Der König aber verfolgte jeinen Bruder. 


Eberhards und Giejelberts Tod. 


Heinrich weilte noch in Rothringen und hörte von dem Abfall 
jeiner Burgmannen. Daher wagte er es, nur von 9 Gewappneten 
begleitet, nach Merjeburg zu eilen. Das hörte bald der König, 
der daher nad) Sachſen zurüdfehrte und Merjeburg belagerte. Zwei 
Monate hatte Otto die ſtarke ei berennen a die Schleuder: 
majchinen zertrümmerten die Gebäude und die Mauerwerfe waren 
nicht jtarf gegen Ditos Heer. Daher gab Heinrich jeine se in 
Dttos Gewalt; jeine Getreuen zogen ab und Sachſen hatte Ruhe. 

Heinrich fam wieder nach er und wohnte mit jeinen 
Bajallen geraume Zeit bei Herzog Gijelbert in Aachen und andern 


— 16 — 


Drten. Da zog Dtto nach Rothringen, das er mit Feuer und 
Schwert bezwang. Gijelbert jaß auf jeinen feſten Burgen, die Otto 
nicht einzunehmen vermochte. Der König zog daher heim. 

Davon hörte der Herzog Eberhard, der fich den WRebellen 
anſchloß. Dtto war nad) Süddeutjichland geeilt, wo er Breiſach 
belagerte. Da entfernten fich viele VBajallen aus des Königs Heer 
und gingen auch zu Gijelbert und Heinrich über. Sogar die geilt- 
lihen Fürften ließen ihre Zelte und alles andere Kriegsgeräte im 
Stich und fielen vom König ab. Dennoch verzagte Dtto nicht. Da 
lief die Nachricht ein, Eberhard und Gijelbert jeien bei Andernach) 
über den Rhein um Sadjen zu verwülten. Immer noch flohen 
Verräter ſcharenweiſe aus Dttos Lager, ja ihr Gepäd ließen fie zurüd. 

Die Hoffnung auf eine glüdliche Herrichaft Ditos war dahin. 
Ein mädtiger Graf drohte auch, er werde den König verlajjen, 
wenn er ihm nicht die reichen Ginfünfte des Klofters Lorſch bei 
Morms gebe. Dtto antwortete: „Es fteht gejchrieben, ihr jollt das 
Heiligtum nicht den Hunden vorwerfen. ilft du mich aber ver: 
lajjen wie die Andern, jo tue es, je eher je lieber.“ Da jchämte 
fi) der Unbotmäßige und warf fi) reuevoll dem König zu Füßen. 

Am Main und am Mittelrhein ſaßen damals die fränkilchen 
Grafen Udo und Konrad Kurzbold, die da die meilten Güter hatten, 
wo die Aufrührer einfielen. ie hatten nur ein fleines Heer mit 
dem fie ihr Land beichügen wollten und die Sache des Königs ver: 
fochten. Sie zogen auf Befehl des Königs gegen Gijelbert und 
Eberhard. Während Udo und Konrad jowie Herzog Hermann 
von Schwaben die Gegner in der Yahnegegend aufluchten, begegneten 
fie einem Prieſter, der laut weinte und jchrie. Gie fragten ihn, 
was ihn befümmere und er antwortete: „Ich fomme aus den Händen 
der Räuber; mein An meine einzige Habe, ilt mir von ihnen 
genommen und fie haben mich zum armen Manne gemacht.” Udo 
und Konrad fragten eifrig, wo er die Aufrührer gejehen habe. Da 
hörten fie, Eberhard und Gijelbert jeien auf dem Rückzuge, ja der 
größte Teil des Heeres und die Beute ſei ſchon über dem Rheine. 
Nur die Anführer ſelbſt mit wenig Leuten jeien ganz in der Nähe 
auf der rechten Seite des Nheines, wo fie eben ihr Mahl verzehrten. 
Niemand von den Aufrührern dachte an Überfall; gerade ſaßen beide 
Herzoge beim Brettjpiele (Schadh) als die fönigstreuen Franten 
heranftürmten. Mann fochte gegen Mann. Gberhard wehrte fich 
jeines Namens wert wie ein fühner Eber; doch Wunde auf Wunde 
bededte ihn und endlich ſank er mit den Waffen in der Hand tot 
nieder. Gijelbert eilte jet, da er ſonſt hin nicht entrinnen fonnte, in 
einen nahen Kahn, doch jeine Getreuen ftürmten nach, das leichte Fahr: 
aeug überfüllte fih und alle janten in das fühle Grab des Rheines. 

as jahen die andern am linken Ufer und fonnten nicht helfen. 
Die in ac aber freuten fi) des ralchen Erfolges und der 
gerechten Strafe für die Empörer. 


—— ART 


König Otto ftand damals noch vor Breilah. Eines Morgens 
beitieg er Fin Pferd um in einer vom Lager entfernten Kirche zu 
beten, wie er es täglich tat. Da jah er einen Mann in großer 
Haft die Straße von Norden herfommen und als er näher fam 
erfannte er einen Boten, den Udo und Konrad geichiet hatten. 
Laut jauchzte der treue Diener, als er jeinen Herrn erblidte, trat 
ehrfürchtig heran und meldete: „Gijelbert und Eberhard find tot.“ 
Dtto wollte nicht weiter hören und gebot dem Boten zu jchweigen. 
Er ftieg vom Pferde und warf fich im freien Felde auf die Knie 
und dankte Bott für die wunderbare Errettung. — 

Jetzt ergaben fich alle Burgen der Aufrührer, die abgefallenen 
Biſchöfe und Grafen famen wieder herbei. Die Städte Worms und 
Mainz hatten damals treu zu ihrem Könige gehalten, Mainz dem 
abgefallenen Erzbilchofe jogar die Tore verjperrt. 


Herzog Heinrichs abermalige Untreue. 


Herzog Heinrich war jchuld an all der Empörung im Reid). 
Weil er nach der Königskrone ftrebte, mußte das Sachſenland und 
die Lande am Rhein den Bürgerkrieg jehen. Er war durch den 
Tod feiner Bundesgenojjen nicht bejjer geworden; jtatt zu jeinem 
Bruder zurüdzufehren, floh er nad) Frankreich, wo ihn König Yudwig, 
Dttos alter Feind gerne aufnahm. 

Mehrere Bilchöfe legten für den jungen Fürften ein gutes 
MWort ein und Dtto bot gerne die Hand zur Verjöhnung. Heinrich 
fam zurüd, legte die Waffen vor dem königlichen Bruder nieder 
und warf fi ihm zu Füßen. Nur kurze Seit blieb Heinrich in 
Dttos ——— dann erhielt er das Herzogtum Lothringen 
als Lehen. Da gefiel es dem Jüngling aus Sachſen nicht; er —* 
daher und kam ins öſtliche Sachſen, wo der tapfere Markgraf 
Gero gegen die Slaven kämpfte. Beſtändig lagen die Burgmannen 
hier in ihren Burgen an der Grenze. Da aber die Wenden ihren 
Tribut nicht regelmäßig ablieferten, ſo konnte Gero ſeine Leute nicht 
immer entlohnen. Viele Ritter zürnten daher Gero, der es dem 
Könige melden ließ. Otto gab dem treuen Gero recht; aber darüber 
ergrimmten die Lehensmänner. Kaum hörte davon der wankel— 
mütige Heinrich, jo ſchickte er —2 an die Vaſallen und machte 
große Verſprechungen. Boten liefen hin und her und bald war eine 
neue Empörung da. Auch der treuloſe Erzbiſchof Friedrich von 
Mainz war im Bunde. Ja, Heinrich und Friedrich machten einen 
Anſchlag auf des Königs Leben; der wußte damals noch nichts von 
der Empörung. Der Plan zum Morde blieb lange im Dunkeln. 
König Otto war in Quedlinburg, die Verſchworenen hatten ſich um 
ihn verſammelt, als er von dem böſen Anſchlag vernahm. Es 


=: HRB: 2 


jollte Oftern gefeiert werden, daher wollte Dtto das Gericht nicht gleich 
halten. Ruhig feierte er das hohe Felt, ließ fich aber Tag und Nacht 
von getreuen Vaſallen umgeben und bewachen. Das Felt ging vorüber, 
Ale ergriff man die Verjchworenen, die ihre böje Tat nicht aus» 
führen fonnten. Sie fanden den Tod dur SHenkershand. Erz: 
bijchof Friedrich war wohl durch jein hohes Amt vor der gleichen 
Strafe gejhüßt, aber der Abt von Fulda nahm ihn in ficheres Ge- 
wahrjam in jein Klofter. Heinrich floh und niemand wußte, wo er 
war. Da erjchien er eines Tages vor Dtto, die Reue hatte ihn 
bergetrieben und warf ſich zum zweitenmale vor den Bruder. “Der 
lagte: „Du m meine Gnade nicht verdient; da du dich aber 
demütigft, will ich dir fein Leid tun.“ Heinrich jtand auf. Ottos 
Zehensleute aber führten ihn nad) Ingelheim unterhalb Mainz, wo 
er in der feiten Pfalz bis zum Weihnachtsfeite ſaß. 

Damals war Otto in Frankfurt, wo auch eine Pfalz jtand, 
um das MWeihnachtsfeft nach alter Gewohnheit zu feiern. Otto war 
bereits in der Frühe des Chriltmorgens zur Kirche gegangen und 
gerade ertönten die alten lateinijchen Weihnachtsgejänge, als bartoB, 
in langem Büßergewande Heinrich in die falte Kirche trat. Bor 
dem Bruder, der am Hochaltar auf einem Throne jaß, warf er ſich 
nieder. Dtto dachte an die ſchönen Weihnacdhtsworte: „Friede auf 
Erden” und hob abermals den reuigen Bruder auf. Das war im 
Jahre 941 und jeitdem waren Otto und Heinrich einander unver: 
brüchlich treu; Heinrich wich nicht mehr von Dttos Geite. 


Königin Adelheid. 


Um das Jahr 950 war in Italien König Lothar geitorben. 
Cr hinterließ eine Witwe, Adelheid, von faum 19 Jahren, 66 und 
flug. Da aber Berengar mit ſeiner Gemahlin Willa nad) der 
Krone trachteten, jo warfen fie Adelheid ins Gefängnis, nur eine 
treue Dienerin und ein Priejter begleiteten die unglüdliche Frau in 
die Burg Garda. Die Gefängniswärter mißhandelten fie oft mit 
Fußtritten und jchlojjen fie in einen dunflen Raum ein. 

Treue Diener aber gruben ihr außerhalb der Burgmauer einen 
unterirdilchen Bang und gelangten raſch und unbemerkt zur Herrin. 
In der Nacht floh fie mit ihrer Dienerin und dem treuen Prieſter. 
Sie aber gerieten in einen Sumpf, wo fie mehrere Tage und Nächte 
ohne Speile und Trank blieben. Da nahte ficb ein Fiſcher, der 
mit jeinem Kahne auf dem nahen Gardaſee gefilcht und einen Stör 
erbeutet hatte. Als er die Frauen jah, fragte er: „Wer jeid ihr 
und was treibt euch her?“ Gie — „Wie du ſiehſt, ſind wir 
von menſchlicher Hilfe verlaſſen, Einſamkeit und Hunger bringen uns 
in Gefahr: „Wenn du kannſt, ſo gib uns zu eſſen und helfe uns!“ 


— 19 — 


Der Filcher hatte Mitleid mit den beiden Frauen und —* „Ich 
habe nichts zu geben als einen Fiſch; den ſollt ihr haben.“ Er 
hatte auch Feuer bei ſich um draußen beim Fiſchen kochen zu 
können. Das Teuer bewahrte er in einem Topfe, bereitete raſch 
den Filch zu und die Frauen aßen. Unterdejjen fam der Priefter, 
der Hilfe gejucht hatte und meldete, eine Schar bewaffneter Reiter 
fomme um die Königin zu retten. Bon diejen wurde fie mit Freuden 
aufgenommen und auf die uneinnehmbare Feſte Canojja gebracht, 
von wo fie Boten an König Otto nad) Sachſen jandte. 

Dttos Entſchluß war bald gefaßt. Er berief die Großen jeines 
Reiches und jagte ihnen, daß er nad) Italien und Rom wolle. Alle 
ftimmten freudig zu. Die Grafen zogen in ihre Gaue und rüjteten 
den Sommer über zur Heerfahrt gegen Berengar. Der jugendliche 
Königsjohn Liudolf konnte gar nicht abwarten, bis der Vater mit 
ea Rüftungen zu Ende war. Raſch jammelte er daher jeine 
hwäbilchen Lehensleute und zog über die Alpen. Die Schar war 
zu Hein und ohne jede Drdnung. Als Liudolf daher nach) Italien fam, 
öffneten fich ihm weder Burgen nod Städte. Da jagte man ihm, 
—8 Oheim Herzog Heinrich von Bayern, der auch nad) dem Be— 
Be Italiens trachte, habe die Ttaliener aufgefordert, Liudolf nicht 
zu helfen. Liudolf mußte ſich daher jeinem Vater, dem er ent= 
gegeneilte, anjchließen. 

Dtto z0g über das Gebirge, auf den alten Kriegsweg durch 
Bayern, den Sm aufwärts bis Innsbrud und von da über den 
Brennerpaß ging der ſtolze Zug deutjicher Krieger über Bozen und 
Trient ins Weljchland. Die Brüder Herzog Heinrich und Erzfaplan 
Bruno, auch der mutige Konrad von Worms und der Erzbiſchof 
von Mainz zogen mit. An der Grenze fam dem SHeere 

iudolf entgegen, der beſchämt vor dem Vater ſtand. Otto zürnte 
dem unerfahrenen Jüngling jehr. Ohne ernten Widerftand ergoß 
fich das deutjche Heer in die reiche Iongobardilche Tiefebene. Alle 
Bilchöfe jchloffen fich freudig dem deutichen Könige an. Berengar 
hatte fie) in die Hauptitadt Pavia eingejchlojlen, aber Otto hatte 
nicht notwendig, fie zu belagern; denn am 22. September zog er 
fi) nad) Pavia zurüd, am 23. verließ er die Stadt und floh auf 
eine feiner Burgen, auf welche, it unbefannt. Dtto nahm nun Pavia 
ein und nannte fich jeitdem König der Longobarden. Vertraute 
Männer jandte er nad) Canoſſa, wo Adelheid jaß, die jeine Ankunft 
ſchon längft vernommen hatte. Sie luden die jugendliche Königin 
ein, nad) Pavia zum deutichen Könige zu fommen. Gerne verſprach 
fie dem mäcdhtigften Fürften der Chriftenheit ihre Hand und eilte 
nad) Pavia. Unterwegs begrüßte ihr Volk fie wieder als die recht: 
mäßige Königin. 

Heinrich) von Bayern ritt ihr mit der königlichen Leibwache 
aus Sachen entgegen und überjchritt den Bo. Chrerbietig u 
er die Königin und geleitete fie umgeben von den getreuen Sachſen 


— 190 — 


nach Pavia. Dort empſing ſie der König und bald wurde in Pavia 
ein Hochzeitsfeſt gehalten, wie es glänzender noch nicht in den 
Mauern dieſer Stadt gefeiert worden. Otto ſchenkte ſeiner Ge— 
mahlin reiche Güter in Elſaß, Franken, Thüringen, Sachſen und 
Slavenland und z0g mit ihr nah Sadjen. Herzog Konrad blieb 
als deutjcher Heerführer in Italien, bis Berengar N ganz unterwarf. 


Herzog Konrad der Note. 


Als Eberhard der Franke gefallen war, gab Dtto das Herzog: 

tum Franken nicht mehr aus den Händen, der König jelbit blieb 
Herzog von Franken. Seine treuen Bajallen Hermann der Schwaben: 
herzog, dejlen Bruder Udo und Konrad Kurzbold befamen die meijten 
Burgen und Städte Eberhards. Seine Lehen erhielten fönigstreue 
Männer. Unter diefen ragte unjer Landsmann Graf Konrad 
der Note hervor, der ein Sohn Werners war. Graf Werner 
war ein Nachlomme jener Werner, die das Klofter Hornbach jo 
reich bedacht hatten. Konrad hatte von ſeinem Vater Werner die 
Grafihaften im Wormsgau und Speyergau geerbt, gebot aljo in 
unjerem Lande. Belonders in Worms und Speyer bejaß er viele 
Güter, das Haardigebirge, das zum Wormsgau und Speyergau 
ehörte, war jein. Hier jagte er oft nach Herzensluft. Bis tief 
ins Meftrich hinein erftredte fich jeine gräflide Gewalt und 
jein eigener Belit. Die Umgegend von Kailerslautern war jein 
Eigentum. Auch im Nahegau, im Lande an Glan, Alfenz, 
Appel, zwijchen Donnersberg und Hunsrüd gebot er im Namen 
des Königs. Auf den alten Rönigsjtühlen diejes Yandes, auf 
dem Donnersberge, Stahlberge und dem Königsituhl bei Gangloff, 
auf den uralten Gerichtsjtühlen des Wormsgaues, auf den Stühlen 
des Stumpfwaldes bei Aljenborn, auf dem Bühl bei Wachenheim an 
der Pfrimm ſaß er oder ſeine Grafen, jo wie auf dem Stuhle des 
Zutramsforites bei Frankweiler und hielt wie jein Vater Gericht 
über das freie Volt der Franten. Auch im Bliesgau und Weitrich 
übte Konrad Grafenrechte, im Lobdengau (am unteren Nedar) im 
Dberrheingau bejaß er viele Lehen. Auf feinen Meierhöfen hielt er 
zahlreiche Knechte und Jäger, Hirten, Handwerker, viele dienten 
ihm als Lehensleute im Kampfe gegen die Feinde Ottos. Daher 
befam er auch jelbjt wieder viele Güter, die einſt Eberhard oder 
Giſelbert gehört hatten. Es zeugt von jeinem großen Reichtum, 
daß er 946 der Kirche zu Speyer die Salziteuer, Pechiteuer, Wein: 
fteuer und andere Herrenrechte jchenkte. In Worms und Speyer 
hatte er Häufer und Güter, bejonders aber in Worms, wo er ſich 
am liebiten aufhielt. 

Konrad war wohl trogig, aber jeinem Herrn treu. Im Feld— 


— 11 — 


lager galt er viel bei jeinen Genojjen und jeinen Leuten; denn er 
war jehr klug, rajch griff er die Feinde an und Otto glaubte, der 
Dann jei der rechte Herzog von Lothringen. Konrad erhielt die 
Herzogsfahne von Kothringen und wurde Ottos Freund, weil endlich 
riede in das unglüdlide Reich einfehrte, zu dem auch das 
eitrich gehörte. 
Unterdejjen wuchs Ottos Tochter Liutgard zur Jungfrau heran 
und wurde 946 Konrads Bemahlin. 


Konrad und Liudolf, 


König Otto hatte mit jeiner Gemahlin Adelheid im Jahre 952 
Weihnachten in jeiner Pfalz zu Frankfurt gefeiert. Im Anfange 
des Jahres 953 zog er durch die Pfalz nad) dem Elſaß und kehrte 
in Worms und Speyer ein. Auf dem Rückwege fam der Hof in 
diejelben Pfalzen und erreichte vor Djtern die Pfalz bei Ingel: 
heim, wo Heinrich von Bayern eintraf. 

Dttos Sohn Liudolf, erſt 16 Jahre alt hatte fich mit Konrad 
dem Noten gegen den König verjchworen, die Söhne gegen den 
Vater. Selbſt unter den Dienern in der Pfalz zu Ingelheim merkten 
Dtto und Heinrich finitere Gefichter. Eilboten brachten die Nachricht: 
„le Burgen Konrads und Liudolfs find zum Kampfe gerültet, Die 
theinijchen und jchwäbilchen LXehensleute ftehen auf Seite Konrads 
und Liudolfs.“ uch die Burgen unjeres Landes waren von 
Konrads Leuten bejegt. Nicht nur Franken und Schwaben, auch 
Bayern und Sadjjen hatten ſich um Konrad geichart. Dtto dachte, 
die Empörer fönnten ihn in Ingelheim feitnehmen und 309 
daher in das nahe Mainz. Aber die Mainzer öffneten ihm anfangs 
nicht, mit der Königin und dem Gefolge hielt der König vor der 
verjchlojfenen Stadt. Endlich ging das Tor auf; aber nun war 
der König in den Händen der Aufrührer. Erzbilchof Friedrich war 
während der Faltenzeit vor der Stadt in einer Klauſe und fam nun 
herbei. Auch Konrad und Liudolf erjchienen vor dem Bater: „Nichts 
haben wir gegen dich unternommen, aber Herzog Heinrich) haben 
wir Feindſchaft und Fehde geſchworen; fommt er nad) Ingelheim, 
jo nehmen wir ihn feſt.“ Dtto gab nad) und jchloß einen Vertrag. 
Als er aber nad) Sachſen zu feinen Freunden fam, vernichtete er 
den Bertrag. Otto berief einen Reichstag nach Fritzlar. Hierher 
fam aud) eraog Heinrih, aber nicht Konrad und Liudolf; der 
Erzbijchof von Mainz wurde hart verklagt von Heinrich und da die 
Reichsverjammlung ihn als Verräter bezeichnete, floh er eilig über 
Mainz nad) dem felten Breiſach im Elſaß. 

Nun rücdte Dito mit den Sachſen an den Rhein, auch die 
Franken und Lothringer eilten ihm zu und nicht Herzog Konrad. 
Bor Mainz lagerte ſein Heer und hielt die ungehorfamen Söhne 
umſchloſſen. Der König hatte zahlreihe Mauerbrecdher aber 


hinter den durchlöcherten Mauern ftanden die Getreuen Konrads 
und Liudolfs. - Zwei Monate jchon dauerte die Belagerung, da 
zogen die Bayern, die — Herzog Heinrich nicht recht leiden mochten, 
ab, geradenwegs nach Regensburg. Dort regierte Pfalzgraf Arnulf, 
der Sohn Herzog Arnulfs im Namen Heinrichs: dennoch nahm er 
die Abgefallenen gerne auf. 

Otto ſchickte Boten in die Stadt und ließ den Empörer ein— 
laden, heraus ins Lager zu kommen. Als Geiſel für ihre Sicherheit 
ſchickte er den ſächſiſchen Grafen Eckbert in die Stadt. Beide kamen. 
Als ſie vor dem König erſchienen, warfen ſie ſich zu ſeinen Füßen 
und baten, ſie wollten für ſich ſelbſt jede Strafe leiden, nur die 
Getreuen möchte man verjchonen. Otto aber verlangte auch die 
Anhänger zu beitrafen. Da jagten Konrad und Liudolf: „Wir 
ftreiten nicht gegen dich, König und Bater, jondern gegen Herzo 
Heinrich.“ Darüber ergrimmte Heinrich und ſprach: „Du brüheft 
dich, nichts gegen meinen Herrn und König unternommen zu haben 
und fiehe, alle wiljen, daß du ein Thronräuber bilt und jein 
Reich mit Waffengewalt überfallen haft. Wenn du mich angreifit 
und bejchuldigft, warum führft du deine Scharen nicht gegen mich? 
Greife mich nur an! Nicht jo viel“ (er nahm einen Halm vom 
Boden) „jolit du meiner Macht entziehen. Aber was erhebit du 
dich gegen deinen Vater und befümmerft ihn aljo? Du verlündigit 
dich gegen Gott, da du dic gegen deinen Herrn und Bater auf: 
lehnft. — — — Ich wahrlich fürchte mich vor dir nicht!“ 

Da jagte Liudolf gar nichts, wandte fich nach der Stadt und 
Konrad folgte ihm. Jetzt eilte Erzbilchof Bruno von Köln, Ottos 
Bruder den beiden nad) und ſprach zu Liudolf: „Siehſt du nicht, 
wie das ehrfurchtgebietende Haupt deines Vaters um deinetwillen 
ergraut? Ihm ſolches Leid zu bereiten, nüßt dir nicht. Du ver: 
Jündigit dich gegen Gott, wenn du den Vater nicht ehrſt. — — 


Einjt warjt du der Stolz deines Vaters, die Hoffnung und 
die Luſt diejes ganzen Landes, jegt bilt du der Kummer aller. Be— 
denfe, wer dich jo hoch geitellt, wer dir die Nachfolge im Reich 
egeben hat. Er wird dir verzeihen, wenn er dich wieder an jein 
SR drüct.” — Liudolf und Konrad hörten nicht, fie Tehrten nad) 
Mainz zurüd. 

Wohl dauerte die Belagerung von Mainz fort, aber Liudolf 
und Konrad hatten die Stadt verlajjen. Liudolf war nad) Bayern 
geeilt, Konrad nach Lothringen, wo fie für ihre Sache fämpften. 
— Dtto, den König ſchien das Glück verlaſſen gi haben. Da fam 
der alte böje Feind. Die Ungarn hatten vom Bürgerfriege gehört 
und famen. Heinrich, der Bayernherzog hatte fie jo oft aus dem 
Lande gejchlagen, daß fie jegt Rache nehmen wollte. Die Oftmarf 
ward durchbrochen und die bayerilchen Gaue überflutet. Der er 
biihof Herold von Salzburg gab ihnen feine Rirchenichäße, damit 


— Bi 


fie gegen Heinrich zögen. Liudolf und Konrad jchlojjen einen Bund 
mit den Feinden des Reiches. 

Als die Ungarn aber von Dttos und Heinrichs Ankunft hörten, 
verließen fie Bayern und im Februar 954 wandten fie fi) nad) 
Schwaben. Liudolf gab ihnen Geld und Wegweiſer; über den Lech 
ging es der NRauhen Alb zu ins Nedartal hinab und über die 
Hügel des Nedarberglandes der Rheinebene zu. Am Palmjonntag 
954 jeßten fie bei Worms über den Rhein; mit Schiffen und Flößen 
halfen ihnen die Wormſer, wie es Konrad befohlen hatte. Den 
Heerführern bereitete er ein feitliches Mahl und Gold und Gilber 
erhielten fie reichlih. Die Ungarn folgten der Führung Konrads; 
durch das pfälziſche Land am Donnersberge vorbei, über den Königs: 
hof Zutra (Zautern), einer alten Straße folgend, alſo durch Worms: 
gau und Bliesgau erreichten fie bald das Xothringer Land. Hier 
jollten die Ungarn helfen gegen des Königs Bruder den Erzbiſchof 
Bruno zu kämpfen. Schon im Anfange des April ftanden fie an 
der Maas bei Küttich, dann aber ging es durch Frankreih, Bur— 
gund über Italien der Heimat zu. Der deutiche Boden war ihnen 
doch zu heiß geworden. 


Die Berjöhnung. 


Als Konrad und Liudolf mit den Ungarn einen Bund ge: 
Ichlojfen hatten, war es mit ihrem be bald aus; denn durch 
ganz Deutjchland von Palau bis zur Maas bei Lüttich bezeichneten 
die Trümmer der Höfe, Dörfer, Kirchen und Klöfter den Weg der 
Ungarn. Die Empörer famen daher auf den Reichstag zu Yangen= 
Zenn. Konrad hatte fich zuerft ergeben und als Liudolf ſah, daß 
er allein war, unterwarf auch er fich dem Vater. 


Die Ungarnſchlacht auf dem Lechfelde (955). 


I 


Als König Otto im Juli 955 nad) Sachſen zurüdfehrte, famen 
ihm die Gejandten der Ungarn entgegen und Iprachen von alter 
Treue und Freundichaft. as glaubten aber nicht alle, jondern 
meinten, die Geſandtſchaft jei nur da um zu erfunden, ob Otto noch 
auf dem Höhepunkte jeiner Macht ftehe. Dtto entließ fie nach einigen 
Tagen mit reichen Gejchenfen; bald famen auch jchon Boten von 
Herzog Heinrich aus — die meldeten: „Siehe, die Ungarn 
verbreiten ſich feindlich über dein Gebiet und wollen einen Kampf 
mit dir wagen.“ Raſch brach Otto mit wenig Sachſen nach Süden 
auf; die meiſten ſächſiſchen Krieger blieben daheim und fochten unter 
Hermann Billung gegen die Wenden. 


— AD 


Unterdejjen waren die Ungarn durch Bayern und Alamannien 
eihwärmt und einzelne Scharen hatten den Schwarzwald erreicht. 
ie ‘Feinde jollen 100000 Mann ſtark gewejen jein, die hauptjächlich 

um Nugsburg lagerten. Mancher jagte: „Nichts jcheuen wir auf 
der Welt, wenn nicht der Himmel einftürzt oder uns die Erde ver: 
ſchlingt.“ Biſchof Udalrich (Ulrich) von Augsburg ſchwebte mit den 
Bürgern in größter Gefahr. Denn die Stadt war wohl groß und 
zahlreich bevölkert, aber nur niedrige Mauern, Erdhaufen und Pfahl: 
werte umgaben fie damals. Kein Turm ftand auf den Mauern. 
Um Ulrich, der im bijchöflichen Kleide zum Kampfe ritt, aljo 
weder Helm noch Panzer trug, war jtets eine Schar Ritter. 
Das Tor, das den teichteten Zugang darbot, ließ er befeitigen und 
verrammeln, jodaß der Feind nicht herein konnte. Das Lechtor 
dagegen mußten die Augsburger verteidigen. Hierhin wandten fich 
daher die Ungarn, als fie ſonſt nicht in die Stadt eindringen fonnten. 
Die Ungarn famen in jo dichten Scharen, daß fie meinten, die 
Verteidiger würden ſich gar nicht wehren. Aber die wadern Schwaben 
Jandten Pfeile und Speere von der Mauer, ja als die Feinde fich 
etwas zurüdzogen, fielen fie aus. In der Mitte feiner Krieger ritt 
Ulrich im Bilchofskleide ohne jeden Schuß, dennoch berührte ihn 
weder Pfeil noch Lanze. Die Augsburger verteidigten ihre Heimat 
und fochten wie die Löwen; daher griffen fie die Ungarn an, die 
ſchon mit Peitjchenhieben zum Kampfe gingen; als gar ein unga:= 
riſcher Führer fiel, erhob fich ein wildes Geheul und fie ritten ins 
Lager zurüd. 


ll. 


Siegesfroh fehrten die Augsburger Hinter ihre Mauern zurüd, 
aber jet galt es zu jchaffen; denn am nächſten Tage ftand ein 
ewaltiger Sturm bevor. Alle Lüden der Mauern, Wälle und 
fahlwerfe wurden übernacht ausgebejjert. Dann zogen die Nonnen 
der Klöfter durch die Stadt, betend und fingend und riefen den 
Schuß des Höchſten an. Ulrich jelbit lag die Nacht über auf feinen 
Knien und rang mit dem Herrn im Gebete. Früh am Morgen 
aber nad) dem Hochamte nahmen alle das heilige Abendmahl. 
Raſch gings nun auf die Stadtmauer; da famen auch jchon Die 
Ungarn in hellen Haufen mit Brecheilen und Spaten heran; aber 
von der Mauer empfingen fie die wohlgezielten Pfeilſchüſſe und 
Speerwürfe von Ulrichs Leuten. Die vordern Ungarn wagten ſich 
daher nicht heran und mußten von ihren Führern mit Geißelhieben 
an die Mauer getrieben werden. Da erjcholl plöglich ein Trompeten 
Ichall, den die Ungarn wohl verjtanden. Ihr Feldherr Karchan 
Bultzu hatte vom Grafen Berthold von Bayern die Nachricht er: 
halten, daß König Dtto fomme. Deshalb wollte er zuerit den 
König befiegen und dann ficher die Stadt einnehmen. 





IM. 


Otto ging mit den Sachſen über die Donau, unterwegs hatten 
ich ihm aus Thüringen und Ditfranfen viele treue Männer ange: 
ſchloſſen, aber noch war ihre Zahl nicht jo groß, daß er die Feinde 
angreifen konnte. Gr bezog daher auch ein Lager bei Augsburg 
nicht weit von den Ungarn. In den nädjiten Tagen jammelten fich 
die deutichen Völker um ihren Herrn, die Bayern und Oſtfranken 
famen in großen Scharen, feiner blieb daheim, da alle unter dem 
entjeglichen Feinde zu leiden hatten. In der Nacht jandte Bijchof 
Ulrich jeinen Bruder Dietbold mit den Nittern hinaus in das Lager 
des Königs. Alle warteten mit Schmerzen auf den Herzog Konrad, 
der mit jeinen rheinijchen Scharen, mit den Wormjern, Speyerern 
und Weltrichern kam; er hatte einen weiten Weg und verjpätete ſich. 
Heller Jubel erjcholl zum Himmel, als Konrad mit jeinen Haufen 
erichien, denn troß jeiner Empörung gegen den Kaijer, galt er als 
der tapferjte deutjche Heerführer. Nun hieß es, an die Feinde, je 
eher, je bejjer! Aber Dtto ließ einen Falt: und Bußtag im deutjchen 
Heere anordnen und heiße Gebete jtiegen zum Himmel um Erlangung 
des Gieges. 


IV. 


Der Morgen des 10. Auguſt 955 dämmerte. Das Lager der 
Deutjchen lag in tiefem Schweigen. Auf dem Felde davor jtand 
bereits das deutjche Heer und jein König lag auf den Knien und 
flehte zu Gott um den Sieg. Die Heerführer traten zu den Lehens— 
leuten und nahmen ihnen den Eid der Treue ab; die Lehensleute 
taten jo ihren Knechten. Giner vergab dem andern jeine Schuld, 
dann griffen fie zu den Waffen. Schon wehten die Fahnen der 
acht deutichen Haufen und bei jeder ftanden 1000 jcehwerbepangzerte 
Ritter mit ihren Knechten und viel Fußvolk. Die Bayern bildeten 
drei Heerhaufen; denn fie hatten Meib und Kind zu verteidigen. 
Ihr Herzog Heinrich jedoch lag frank zu Regensburg. Den beiten 
Zug führte Herzog Konrad, beim fünften war der a Men 
Um die jtolze Reichsfahne mit dem Bilde des Erzengels Michael 
hatten jich die fühnjten Jünglinge des Heeres gejammelt, um das 
Banner des Königs zu ſchützen. Den 6. und 7. Zug bildeten die 
Schwaben, den 8. die Böhmen, die das Gepäd beichügen jollten. 


V. 


Die Deutſchen drangen über holpriges Feld und niedriges 
Geſtrüpp um den Feind zu täuſchen. Aber ein Teil der Ungarn 
war in weiten Bogen um die Deutjchen gegangen und auf einmal 
griffen fie von vorne und im Rüden an. Die Böhmen wurden 
zuerjt mit einem Pfeilregen überjchüttet, dann folgte ein Reiterangriff 
mit wüjten Geheul. Die Böhmen fielen oder flohen und gerieten 


13* 





— 1% 


in Gefangenjchaft, das deutiche Gepäd kam in Die Hände der Feinde, 
Auch die Schwaben wurden von den Feinden niedergeritten. Da 
jandte Dtto Konrad den Roten, den furchtlojen gegen jeine einjtigen 
MWaffengenojjen. Die Franken machten wieder gut, was fte vor 
einem 32 gefehlt hatten und ſchlugen grimmig auf die Ungarn 
ein. Dieſe wichen, die Böhmen wurden frei und das Gepäck gerettet. 
Luſtig wehte die Fahne der Franken im Winde. 


VI 


Test jollte der eigentlicde Kampf beginnen. Dtto fonnte jein 
Heer nach einer Richtung führen und ** ſtellte er es in langer 
Linie auf und ſprach dann zu den Seinen: „Jetzt müßt ihr tapfern 
Mut beweilen; denn der Feind jteht vor uns aufgeftellt. Bis jeßt 
haben wir jtets mit rüftigen Armen und fiegreichen Waffen gekämpft, 
jelbft außerhalb des Reiches. Sollen wir daher den Feinden im 
eigenen Lande den Rüden zeigen? Sie übertreffen uns freilich an 

enge, aber nicht an Tapferkeit und nit an Waffen. Ja es 
fehlt ihnen oft die jchlechtefte Wehr und den Trojt der Hilfe Gottes 
fennen fie nit. Schimpflich wäre es für uns, wenn wir uns dem 
Feinde unterwerfen müßten. Lieber wollen wir daher ruhmvoll 
als Krieger fterben, als in die Knechtichaft des Feindes wandern.“ 
Otto ergriff den Schild und die heilige Lanze und jprengte allen 
voran hoch zu Roß in den Feind. Das ganze deutjche Heer folgte 
ihm. Die fühnjten Ungarn leifteten Widerftand; denn, als fie ihre 
Gefährten fliehen jahen, wollten auch fie entrinnen. Die Deutjchen 
waren ihnen aber zu nahe, jie gerieten in die anftürmenden Reihen, 
von denen fie erbarmungslos niedergemacht wurden. Die bayerijchen 
Heerhaufen zeigten fich hier jo fühn wie die Franfen im Rüden. 
Viele Ungarn flüchteten, weil ihre Pferde auf der Flucht ermüdeten, 
in die nahen Dörfer; aber jchon folgten ihnen die Deutjchen, 
namentlich die Bayern, zündeten die Häufer an und erjtictten und 
verbrannten die Flüchtlinge. Biele eilten an den Lech, fanden aber 
bier ein Hägliches Ende. Doc Dietbold, Biſchof Ulrichs Bruder 
fiel. Auch Herzog Konrad hatte an dem Hauptlampfe teilgenommen. 
Da es glühend heiß war und der enge Panzer und der Helm ihn 
hinderten, lüftete er die Helmbänder. Ein wohlgezielter Ungarnpfeil 
traf ihn in die Burgel und tot ſank er vom Roſſe. Groß war der 
Sammer im deutjchen Heer, am größten unter den Franken. Otto 
trauerte lange um Konrad, dann aber bradıten die Franken ihren 
toten Führer nad) Worms, wo er unter dem Klagen und Tränen 
jeines Volkes zur ewigen Ruhe beftattet wurde. 


vi. 


Am Abend z0g Dtto traurig und doch freudig in Augsburg 
ein, traurig, weil jo viele Helden gefallen waren, freudig, weil der 


— 197 - 


Erbfeind aufs Haupt geichlagen war. Am nächſten Morgen in der 
Frühe empfing Dtto aus den Händen des Bilchofs Ulrich das 
heilige Abendmahl. Aber nun galt es rajch zu jein; denn die Ungarn 
eilten der fernen Heimat zu. Daher wachten die Deutichen an allen 
Furten und Fähren, daß fein Feind entrann. Viele waren ja nod) 
in der Umgegend veritedt. Bon den Burgen herab fielen die 
Burgmannen auf die zerjtreuten Scharen und vernichteten fie. Dann 
ing die wilde Jagd der ag Yan bis Regensburg, voran König 
Dtto, Hier braten die Kämpfer alle Gefangenen zujammen, 
darunter den Karchan Bulgu und die Balgen hingen bald voll der 
blutgierigen Feinde. „Nach hundert Jahren noch erinnerte man 
fi) in Ebersberg (Oberpfalz) noch ihres Gold: und Gilberjchmudes, 
bejonders der Schellen, mit denen ihre Rocdjäume geziert waren; 
Graf Eberhard, der viele Ungarn gefangen nahm, hatte daraus 
drei Pfund Gold für einen Kelch, ein filbernes Kreuz als Gejchent 
für den Schild des Königs und eine Menge Kirchenfilber ge: 
wonnen.” Nun brauchten die geängftigten KRlofterleute und Bauern 
nicht mehr zu beten: Bon dem Cinfalle der Ungarn befreie uns, 
o Herr. Denn niemehr kamen fie nach Deutjchland. Die Ditmarf 
(Öfterreich) wurde wieder deutjch. 

Seiner Mutter Mathilde jandte Dtto Eilboten, die den Sieg 
verfündeten. Als Sieger z0g er bald im Sachſenlande ein, freudig 
begrüßt von den Seinen und ſeinem Volke. 


Dtto als Kaijer. 
I. 


In Italien war Berengar wieder mächtig geworden und Dtto 
landte 957 Jeinen älteſten Sohn Liudolf dahin; der eroberte auch 
das Land, in dem er König werden jollte, wie ihm der Bater ver: 
Iprochen hatte, aber da befiel ihn ein plößliches Fieber und am 6. 
September 957 ftarb er zu Piumbia am Langenjee. Geine treuen 
Zehensmänner verließen traurig das italienische Land, trugen den 
toten Helden über die Alpen hinab nad; Mainz, wo er in der 
Kirche St. Alban vor den Toren feierlich beftattet wurde. 

Dur Deutjchland erſcholl die Trauerfunde, überall Hagten die 
Männer um den jungen KRönigsjohn, der jeine Vergehen bei Augs: 
burg und in Italien wieder gutgemacht hatte. Dtto jelbit jtand 
gerade gegen die Wenden im Felde, als der Trauerbrief fam. Cr 
wallfahrte na) Mainz an das Grab jeines Sohnes, ſah deljen 
Witwe und nahm ihr Söhnen Dtto zu ſich an den Königshof. 


ll. 


Berengar war wieder Herr von Italien, ja, er bedrohte den 
Bapit, der den deutichen König um Hilfe anrief. Otto feierte das 


we A, 


Weihnachtsfeit in Regensburg, als dorthin die Gejandten des Papites, 

der Diakon Johann und der Geheimjchreiber Azzo kamen; viele 

— Edelleute waren bereits an Ottos Hof vor Berengar ge: 
ichtet. 

Im Jahre 961 rüftete Dito zum zweiten Römerzuge. Aus 
allen Teilen Deutjchlands jammelten ji die Neiligen in Bayern, 
jelbjt die Wenden zogen mit und die Königin Adelheid nebit vielen 
Bilhöfen. Wiederum ging der Weg über den Brenner; als die 
Deutſchen ins Etjchtal hinabfamen, hielt an der engen Bernerflaufe 
König Berengar mit 60000 Mann, um Dtto aufzuhalten. Das 
Heer der Italiener wollte aber nicht für Berengar fämpfen, jondern 
für einen andern (Ndalbert), und als Berengar deshalb auf die 
Krone verzichten wollte, war jeine Gemahlin dagegen. Das Heer 
ging auseinander und die Deutjchen zogen überall als Sieger ein. 

erengar floh. Daher drang Dtto bis Rom vor. Die Römer 
zogen ihm mit Kreuzen, Feldzeichen in feitlichem Zuge entgegen; 
die Fremden in Rom jchlojfen fi dem Zuge an und jangen 
„Jubellieder. Bornehme Jünglinge aus der Stadt begrüßten den 
König zuerft und füßten feine Füße. Dann jegten fie ihn auf ein 
Pferd des Bapites und führten ihn unter dem Jubel des Volkes 
durch die Stadt an die Stufen der Peterskirche. Auf einem goldenen 
Seſſel jaß hier der Papſt in vollem Drnate, umgeben von allen 
jeinen Geiltlihen. Der König ftieg vom Pferde und ging die hohe 
Marmortreppe von fünfunddreißig Stufen hinauf. Da erhob ſich 
der Papſt von jeinem Geljel, bot dem Könige die Lippen gum Ruß 
und reichte ihm die rechte Hand. Sie traten miteinander durch die 
GErzpforte des VBorhofes und gelangten an das filberne Tor der 
Kirche. Hier verſprach Otto dem Papfte feinen Schuß und gelobte, 
das was jeit Pipin dem Papſte gejchentt worden, zu achten. Jetzt 
öffneten fich die Torflügel und von innen jchallte der Belang: „Ge: 
jegnet jei, der da fommt im Namen des Herrn” entgegen. Alles 
Itrahlte von Marmor, Edelfteinen und Silber, Altar jtand neben 
Altar. An das Grab des Apoſtels Petrus trat nun Otto und betete 
Iniend. — Ein feltlicdes Mahl an dieſem Tage beſchloß die Teier. 
Noch einmal kehrte Otto am Abend in jein Lager vor der Stadt zurüd. 


Die Krönung fand am folgenden Sonntage Statt. In der Frühe 
jammelte fi) das Volk in den Straßen Noms. Die Häujer waren 
mit Teppichen und Vorhängen geziert, auf den Straßen bewegte 
fich eine große Menge in farbenreichen Feſtgewändern. Alle eilten 
nach der Leoftadt, wo die St. Peterskirche und der WPalajt des 
Papſtes jtanden. Bald kam auch der König mit den Seinen. Er 
trug einen Burpurmantel und goldene Beinjchienen. Im feierlichiten 
Gewande erichien Papſt Johannes, um den König abzuholen. Er 


— 19 — 


führte ihn wieder zur Petersktirche, wo Dtto ein geiftliches Gewand 
anlegte. SHierauf wurde er am Hauptaltare vom Bapft zum Prieſter 
gejalbt. Sodann ſetzte diefer ihm die römiſche Kaijerfrone aufs 
Haupt und gürtete ihm das Kailerjchwert an die Linke, Die feftlich- 
frohe Menge jubelte und brachte dem neuen Kaiſer Glüdwünjche 
dar. Ein Priejter trat vor und verlas die Urkunde, in welcher 
Kaiſer Dtto alle Befigungen des Papſtes betätigte und verſprach 
fie mit jeinem Schwerte zu Jchüßen. 

Bald nad) der Kaijerfrönung fand in Rom eine Kirchenver: 
lammlung ftatt, in der bejchlojfen wurde, daß das große Moritz— 
tlofter in — in einen erzbiſchöflichen Sitz verwandelt werde. 
Auch das Bistum Merſeburg wurde gegründet und beſtimmt, daß 
alle Heiden der Slaven hier hin oder nach Magdeburg Zinſen und 
Zehnten zu bezahlen hätten. 


Ottos Tod (973). 


Hermann der Billung, Dttos treuefter Lehensmann und Herzog 
in Sadjen ftarb am 27. März 973 zu Quedlinburg. Tiefbetrübt 
war der Kaiſer, denn nun lebte feiner mehr von all den großen 
Männern, die mit ihm das Weich gefeitigt hatten und die einjt mit 
nad) Italien gezogen waren, um die Römerkrone zu holen. Der 
Raijer fühlte, daß er bald jterben werde. Am 5. April verließ er 
Duedlinburg und durchzog das Sachſenland zum legten Male. Er 
fühlte . nde nahen. Am 6. Mai, Dienstag vor Pfingften fam 
er in Memleben an der Unftrut an, da wo jein Vater 936 geftorben 
war. Am 7. Mai in der Frühe erhob fi der alte Katjer vom 
Lager und eilte nach feiner Gewohnheit zur Kirche. Als er kurze 
Zeit hierauf geruht hatte, ging er abermals zur Kirche und verteilte 
nach der Meſſe mit freundlicher Miene reiche Almojen an die Armen, 
die an der Kirche warteten. So hatte er es geliebt, jeit er das 
deutiche Zepter führte. An der Mittagstafel war er heiter mit den 
Füriten, die um ihn waren; als er aber in der Abendftunde wieder 
ur Burgfapelle ging, fing er zu fiebern an und jant matt zus 
— Die Fürſten, die ihn begleiteten, zen ihn und brachten 
ihn in einen Seſſel. Noch erlangte er das Bewußtjein und empfing 
das hl. Abendmahl, um dann ohne Klage zu fterben. Sein Sohn 
Dtto I., der jchon zum Kaijer gefrönt worden war, trat jest an 
des Vaters Stelle. Alle aber, die ein Lehen aus Otto 1. Hand 
hatten, leijteten am andern Tage den Eid der Treue, wie es rec): 
ten Dienjtmännern des Kaijers gebührt. 


Den Leib brachte der Sohn nad; Magdeburg, wo in der 
Morigkirche ſchon längſt Editha, die erjte Gemahlin, im Marmor: 


— 200 — 


large ruhte. Die Erzbilchöfe Gero von Köln und Mdalbert von 
agdeburg jegneten die fterblichen Reſte ein. Cine Infchrift zierte 
den einfachen Sarg, fie lautete: 


König und Chrift war er, und der Heimat herrlichite Zierde, 
Den ba der Marmor bededt, dreifach beklagt ihn die Welt. 


Die legten Sachſenkaiſer (973—1024). 


Die Nachkommen Dttos, Otto II. und Otto III. ftarben im 
jugendlichen Alter. Otto II. regierte nur 10 Jahre. Als er ftarb, 
war ſein Sohn Dtto III. erit 3 Jahre alt. Seine Mutter Theophano 
und jeine Bag re Adelheid regierten für ihn mit dem Erzbiſchof 
Willigis von Mainz. 

Als Dtto II. 996 zur — kam, zog er nach Italien 
und blieb ;dort bis zu ſeinem Tode (1002). 

Nun lebte nur noch ein Fürlt aus dem jächfiichen Kailerhaufe: 
Herzog Heinrich von Bayern, der von den deutjchen Fürften 
um Könige gewählt wurde und 1014 die römiſche Kaijerfrone mit 
Einer Gemahlin empfing. Er ift der Gründer des Erzbistums 
Bamberg und des Kailerdoms, der heute noch in alter Schönheit 
dort erhalten ift. 


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Rekonſtruktion des Trifels nach Efjenwein. 


ll. Zeil: 
Mittelalter. 


Die ſaliſchen Kaijer 


1024— 1125. 


Lehenswejen. 


Als König Chlodwig Gallien erobert hatte, war er auch allein 
Herr des eroberten Yandes. Er konnte daher die Güter in diejem 
ande, die er nicht für fich behielt, an jeine Getreuen verjchenten. 
Geld war damals jelten und mit ihm vermochte er jeine Krieger 
aljo nicht zu belohnen. 

Der Belohnte durfte aber jein Gut nicht vertaujchen oder auf 
leine Kinder vererben, jondern der König konnte es wieder zurüd 
fordern, wenn der Beſchenkte untreu wurde. 

Man nannte die verjchentten Güter Lehen, ihre Inhaber 
Lehensmänner oder Bajallen, den König den Rehensherrn. 

Karl Martell nahm, um feine Krieger zu entlohnen, Kirchen: 
güter in Anſpruch, da die meilten Güter des Königs ſchon vergeben 
waren. Mit den Getreuen, die man Galindi, d. ? Belinde nannte, 
bildete der mächtige Hausmeier jeine NReiterheere. Aber da zum 
Reiterdienite Vermögen gehörte, mußten die Lehensmänner jelbit an 
ihre Diener kleinere Güter verleihen, die auch nur Lehen blieben. 
Dft wurden dieje nicht mehr neu verliehen und jo geſchah es, daß 
fie im Laufe der Jahrhunderte erblich wurden. Auch die Kirchen 
und Klöjter gaben Güter als Lehen her; denn fie jelbjt fonnten 
feinen Krieg führen, brauchten aber Leute, die fie bejchügten. 

Ale Beamten, Gaugrafen, Zentgrafen, Pfalzgrafen waren 
Lehensleute; Dtto der Große nahm jogar wieder den Herzogen das 
Land ab und machte jie zu jeinen Lehensmännern. So gab er 
Sadjjen, das er jelbjt behalten hatte, an jeinen treuejten Mann, den 
Slavenbefämpfer Hermann Billung, Bayern nahm er den Nach— 
fommen Quitpolds ab und verlieh es 947 jeinem Bruder Heinrich, 
Lothringen hatte er bereits 939 feinem Schwiegerjohne Konrad zus 
gewiejen, der dort viele Güter bejaß. 953 aber nahm er dasjelbe 
wieder und gab es jeinem Bruder, dem Erzbilchof Bruno von Köln. 
Damals verlor aud Herzog Liudolf von Schwaben Ottos Sohn 
jein Herzogtum, das er ent einige Jahre vorher erhalten Hatte. 

Die Zahl der freien Bauern, die eigene Güter bejaßen, 
nahm immer mehr ab. Denn der Kriegsdienit fojtete Geld und 


14 


— 22 — 


lieber gaben die Bauern ihr Land einem reicheren und mächtigeren 
Freien, der fie beſchützte, als daß fie jelber in den Krieg zogen. 
Ihr Land wurde dadurdy aber Xehensland und fie jelbit Lehens— 
leute, die dem Lehensherrn einen Zins reichten, wofür er fie im 
Falle der Not verteidigte. 





Gerichtswejen. 
Der Zweifampf. (Nah) dem Sadjjenjpiegel.) 


Auf der Dingſtätte oder dem Gerichtsplag ſaß der Richter 
(Graf) auf feinem Stuhle, etwas tiefer die Schöffen auf Heineren 
Stühlen. Bor ihnen war ein ebener Play und den umjtanden in 
weiten Bogen die Männer, die zum Berichte gehörten. 

Zwei Ritter traten vor, die einen Rechtsſtreit um Güter wider 
einander hatten. Da feiner feine Sache mit zwölf Zeugen be: 
Ihwören konnte, jo befahl der Graf den ritterlichen Zweikampf. 
Sofort trat der Gerichtsdiener (MWeibel) hervor und Jäuberte den 
Kampfplag von den Umitehenden. Zwei andere Männer gingen 
auf Geheiß des Richters zu den beiden Kämpfern um zu jehen, ob 
fie fih nah rehter Gewohnheit rüjteten. Sie brachten den 
beiden leinerne Kleider und Lederpanzer, die zogen fie rajch über 
den Leib. zuerjt das Leinekleid, dann den rotbraunen, glänzenden, 
feftvernähten Zederpanzer. Über dieje Rüftung taten fie einen grauen 
Rod ohne Ärmel. Haupt und Füße blieben bloß, aber über den 
Schenfeln lagen Lederjchienen zum Schuße. Hierauf reichten die 
Boten des Richters jedem ein Schwert in der Scheide, womit fie fich 
umgürteten. Dann erhielten die Kämpfer dünne Handſchuhe und 
nahmen den Lindenjchild, der mit Leder überzogen war und einen 
glänzenden Eijenbudel in der Mitte hatte, in die Linke. Mit der 
Rechten ergriffen fie die blanken Schwerter. 

Ehe nun der Kampf begann, ernannte der Richter für jeden 
Kämpfenden einen Beiltand, der eine lange Stange von Tannen: 
holz erfaßte, um fie vor den etwa fallenden Kämpfer zu halten. 
Jetzt traten die beiden noch einmal vor den Richter und jeder ſchwur 
zu Gott dem Allmächtigen und Allwifjenden, daß er recht habe. Eid 
\tand aljo wider Eid. Der Diener des Berichtes verfündete hierauf 
den Frieden des KRampfplakes, den niemand mehr betreten durfte. 
Der Richter aber wies beide dahin. Sie ftellten fich jo auf, daß 
jeder gleichviel Sonne hatte, damit feiner mehr als der andere von 
ihr geblendet werde. 

Nun begann der Kampf. Lange hieben fie aufeinander ein 
und geipannt jchaute alles auf die beiden. Da gejchah es, daß der 
Verklagte eine tiefe Wunde am Arme empfing und zu ſinken drohte. 
Raſch befahl der Richter dem Beiltand den Baum vorzuhalten, 


— 208 — 


damit der Sieger den Gegner nicht töte. Das geihah. Der Ber: 
flagte wurde rajch verbunden und beide mußten wieder vor den 
NRichterjtuhl treten. Der Verklagte galt jet als überwunden; denn 
alle glaubten Gott jelbft habe fich zum Zeugen der Wahrheit gemacht 
und das Gericht verurteilte ihn zu der Geldbuße, die ihm nad) alter 
Sitte gebührte. 


Die Blutrade. 

In Reichenhall hatte 1037 ein Ritter jeinen Bruder im Streite 
getötet. Die Söhne des Gemordeten gingen aber nicht vor ein 
Gericht, jondern fie verfolgten den Mörder, indem fie fich Yeute aus 
dem Volke dingten. Da gab es denn genug, die fich zum Morde 
bereit fanden. Sie erhaſchten den Fliehenden und ftedten jein Haus 
in Brand, jodaß feine jechs Söhne mit den Enkeln, zulammen fünfzig 
Menſchen ums Leben famen. 

In Kärnten hatte ein Mann einen andern ermordet. Der 
Bruder des Getöteten, Kolo von Trixen jann auf Blutrache; aber 
der Mörder war geflohen. Der Racheduritige durdhitreifte alle Feite 
und re und alle Gerichtstage und Jahrmärkte in 
Kärnten ſuchte er nach dem Flüchtlinge aus. Endlich fand er ihn 
auf einem Kirchenfejte, wo auch der Biſchof von Brixen weilte. 
Raſch eilte der ad ir u den an des Bilhofs um da Schuß 
vor dem grimmigen äcber zu ſuchen. Der Bilchof jchüßte den 
Hilfeflehenden und der Verfolger mußte abjtehen. Dennoch erreichte 
diejer alsbald jein Ziel. 

Auch Hexen verbrannte man um dieje Zeit. Im Jahre 1091 
hielten die Freifinger drei arme Frauen für Hexen. Man hatte fie 
um ihre Schuld oder Unjchuld zu erkennen in das Waller der Ijar 
geworfen, als fie aber nicht untergingen, wieder herausgeholt. “Denn 
alle, die dabei jtanden jchrien jet: „Es find wahrhaftig Hexen!” 
Die armen Frauen mochten jammern wie fie wollten, der wütende 
— ſchleppte ſie zu dem brennenden Scheiterhaufen und band 
ſie mit naſſen Stricken feſt, ſo daß Sie bald unter gräßlichen Schmerzen 
ihren Geiſt aufgaben. 


Die Probe des heißen Eiſens. 


Nach einem dreitägigen Faſten weihte der Prieſter das noch 
kalte Eiſen und den Platz des Gerichtes. Hier brachte es ein Schmied 
zum Glühen und ſolange es in der Glut lag, wurde eine Meſſe 
geleſen. Nun wurde dem Angeklagten das Abendmahl gereicht und 
und bei den Reliquien der Kirche — er, daß er ——— ſei. 
Dann erfolgte die Weihe des glühenden Eiſens mit den Worten: 

| 14* 


— DU — 


„Der Segen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geiftes 
lei auf diefem Eijen zur Offenbarung des rechten Gottesgerichtes.“ 
Hierauf ergriff der Angeklagte das hei Eijen und trug es neun 
Fuß weit. Sofort verband man die Hand und verfiegelte die Binde. 
Zeigten fich nach drei Tagen Brandwunden, jo galt der Angeklagte 
für jchuldig. 

Sowie die Probe des heißen Eijens fat immer zu ungunften des 
Angeklagten ausfiel, jo war für ihn die Probe des Bahrrechtes oder 
die Blutprobe um jo günftiger. Der Grmordete wurde auf eine 
Bahre gelegt, der Angeichuldigte mußte herantreten und die Leiche 
berühren. Blutete die Wunde oder trat Schaum aus dem Munde 
des Toten, jo galt der Angejchuldigte als Mörder. (Giegfrieds 
Wunden bluteten, als Hagen zur Leiche trat.) 


Andere Gottesurteile. 


Die KRreuzprobe oder das Kreuzgericht galt für die 
GStreitenden vor Gericht, die feine Nitter waren und daher den 
Zweifampf nicht wählen fonnten. Die Gegner ftellten fich mit aus: 
geitrecdten Armen vor ein Kreuz. Wer die Arme zuerit finten ließ, 
galt als befiegt. 

Die Feuerprobe beitand darin, daß der Beklagte barfuß 
über glühende Kohlen oder über neun glühende Pflugicharen ging. 
Andere mußten ein glühendes Stüd Eijen mit bloßer Hand einige 
Schritte weit tragen. Wieder anderen legte man glühende Kohlen 
auf den bloßen Fuß. Andere mußten durch ein Feuer gehen und 
trugen dabei ein Hemd, das mit Wachs bejtrichen war. Haher hieß 
auch diefe Probe die Probe des wächjernen Hemdes. 

Bei der Wajjerprobe mußte der Angeflagte einen Ring 
oder Stein aus einem Keljel fiedenden Waſſers holen. „Hexen“ 
wurden an Händen und Füßen gebunden und ins Waller geworfen. 
Sanfen fie, jo waren fie unjchuldig. 

Die Probe des geweihten Biljens bejtand darin, daß man dem 
Angeklagten ein Stück Brot oder Käje unter böjen Berwünjchungen 
in den Mund ſteckte. Wenn diejer feine Schmerzen empfand und 
feine Krankheit befam, galt er als unjchuldig. 


Kaiſer Konrad 11. (1024-1039). 


Die Wahl König Konrads II. 1024. 


Wipo: „Leben Katfer Konrads.” Lateinifch.) Wipo mar ein Geiſtlicher 
aus angefehenem burgundifchen Gefchleht und nahm als Hoffaplan der Könige 
Konrad Il. und Heinrich II. eine einflußreiche Stellung am Hofe ein. Der Wahl 
Konrads wohnte er als Augenzeuge bei. 





— 0 — 


„Zwiſchen den Gebieten von Mainz und Worms zieht fich eine 
weite Ebene hin, die eine große ——— aufnehmen kann 
und mit ihren verſteckten Inſeln zu geheimen Beſprechungen beſonders 
ſicher und geeignet erſcheint. Als dort alle Großen und, um ſich ſo 
auszudrücken, Kraft und Kern des Reiches zuſammen gekommen 
waren, ſchlugen ſie diesſeit und jenſeit des Rheines ihr Lager auf. 
Da der Fluß Gallien von Germanien trennt, verſammelten ſich auf 
der deutſchen Seite die Sachſen mit den angrenzenden Slaven, die 
Oſtfranken, die Bayern und die Schwaben; auf Galliens Seite aber 
die rheiniſchen Franken, die Ober- und Nieder-Lothringer. Es 
handelte ſich um das Höchſte, Zweifel und Ungewißheit herrſchten 
über die Wahl, zwiſchen Furcht und Hoffnung ſchwankend, erforſchten 
Verwandte und Befreundete gegenſeitig ihre Wünſche. Denn nicht 
über eine geringe Angelegenheit ſollte beraten werden, ſondern über 
eine ſolche, die, wenn ſie nicht mit größtem Eifer erwogen wurde, 
dem Reiche unermeßlichen Schaden bringen mußte. 

Nachdem man lange geſtritten hatte, wer herrſchen ſollte, und 
nachdem man den einen wegen ſeines zu jugendlichen, den anderen 
wegen allzuſehr vorgerückten Alters, dieſen wegen Mangels an er— 
probter Tüchtigkeit, jenen um ſeines offenkundigen Hochmutes willen 
ausgeſchloſſen hatte, wurden aus vielen wenige ausgewählt und von 
dieſen wenigen zuletzt vorzüglich zwei ausgeſondert, bei welchen 
endlich das Zünglein der Wage im Gleichgewicht ruhte. Zwei 
Konrade waren es, von denen der eine wegen ſeines höheren Alters 
der ältere, der andere der jüngere genannt wurde, beide zu den 
Edelſten der rechtsrheiniſchen Franken gehörend, die Söhne zweier 
Brüder, deren einer Heinrich, der andere Kuno hieß. Zwiſchen jenen 
beiden Konraden ſchwankten lange alle Fürſten, und obgleich ſonſt 
alle im geheimen und mit bejonderer Vorliebe auf den dur) Mann: 
haftigfeit und Biederfeit ausgezeichneten älteren Konrad ihr Augen: 
merf richteten, hielt doch ein jeder wohlweislich mit feiner Meinung 
zurücd wegen der Macht des jüngeren Konrad, und da mit nicht etwa 
der Ehrgeiz die beiden entzweite. Zuletzt aber fügte es die göttliche 
Vorjehung, daß die beiden jelbjt ein Übereinfommen trafen, das jeden 
„Zweifel befriedigend löjte, daß nämlich, wenn die Mehrzahl des Volkes 
einen von ihnen ausrufe, der andere ihm unverzüglich weichen jollte. 

Der ältere Konrad ſprach zu dem jüngeren: „Damit nicht der 
heutige Tag, bis hierher jo froh und angenehm, uns langjähriges 
Unheil bringe, will ich, du teuerjter von allen meinen Verwandten, 
lagen, was ich über unjere Angelegenheit denke. Wenn ich erfenne, 
daß des Volkes Stimme dich will, dich zum Herrn und König be- 
gehrt, jo will ich durch feinerlei Liſt ein ** Wohlwollen von dir 
- abwendig machen. Wenn aber Gott mich erſehen hat, jo zweifle 
ich nicht, daß du mir gebührendermaßen in gleicher Weile entgegen: 
fommen wirft.” Hierauf entgegnete der jüngere Konrad. daß er 
diejem Vorjchlage beiltimme, und er verjprach auf das beitimmteite, 


— 0 — 


ihm, wenn man ihn zum Herrſcher ausrufe, jede dem Könige 
ebührende Treue erweilen zu wollen. Bei diefen Worten neigte 
—* der ältere Konrad im Angeſicht der Volksmenge ein wenig und 
küßte ſeinen Verwandten, und durch dieſen Kuß war es allen klar, 
daß ſie ſich beide miteinander in Frieden verſtändigt hätten. 

Dies nahmen die Fürſten als ein Zeichen der Eintracht an, 
ſie traten zuſammen, und ringsum ſtellten ſich unermeßliche Scharen 
des Volkes. Der Erzbiſchof von Mainz, der den Vorrang vor allen 
übrigen hatte, und deſſen Stimme zuerſt vernommen werden mußte, 
erhob, als das Volk ihn um ſeine Meinung fragte, mit über— 
ſchwellendem Herzen und freudiger Stimme den älteren Konrad und 
erwählte ihn zu ſeinem Herrn und König, zum Lenker und Ver— 
teidiger des Vaterlandes. Dieſer Entſcheidung ſchloſſen ſich die 
andern Erzbiſchöfe und die übrigen Männer des geiſtlichen Standes 
ohne Bedenken an. Der jüngere Konrad aber, Br eben noch in 
furzer Zwieſprache die Lothringer zur Beiltimmung zu bewegen 
— hatte, kehrte augenblicklich zurück und wählte mit freudigiter 
Bereitwilligfeit den älteren zu jeinem Herrn und König. Da reichte 
ibm der König die Hand und ließ ihn neben fi Pla nehmen. 

Darauf wählten ihn die einzelnen Vertreter der verjchiedenen 
Teile des Reiches mit den gleichen, oft wiederholten Worten, und 
das Volk jauchzte der Wahl zu. Alle jtimmten einmütig in der 
Königswahl den Fürſten bei, alle verlangten den älteren Konrad; 
ihn erflärten fie für den der föniglichen Maht Würdigiten und 
verlangten, daß unverzüglich die Weihe des neuen Königs |tattfinde. 
Die Kaiſerin Kunigunde, die Witwe des Kaijers Heinrich II., reichte 
glückwünſchend die königlichen Infignien dar, weldhe ihr Gemahl 
Iterbend ihr zur Verwahrung übertragen hatte, und fie ermutigte 
den Gewählten, joweit ein Weib dies vermag, zu jeiner Regierung. 

Nach vollendeter Wahl beeilten fich alle, den König nad) Mainz 
u geleiten, damit er dort die hochheilige Salbung empfange. 
K ibelnd zogen fie dahin; die Beiltlichen jtimmten Inteinithe Hymnen, 
das Volk deutiche Lieder an. So viel Preis wurde wohl noch nie 
an einem Tage Gott von den Menjchen dargebradht. Wäre Karl 
der Große mit jeinem Szepter leibhaftig erjchienen, jo hätte das 
Volt nicht Fröhlicher jein können. Bei dem Einzuge in Mainz 
wurde der König mit der jehuldigen Ehrerbietung empfangen, und 
er harrte dort der von allen erjehnten Feier. 

Diejelbe fand am Tage der Geburt Mariä jtatt, und der 
Erzbiſchof von Mainz richtete während der heiligen Handlung der 
föniglihen Salbung folgende Worte an den König: „Zur hödhjiten 
Würde bijt du gelangt, du biſt Chrijti Stellvertreter. Ein großes 
Glück ijt es, auf Erden König zu jein, das größte aber, im Himmel 
zu triumphieren. Wie viel auch Gott nun von dir fordert, jo ver: 
langt er doch vor allem, daß du Necht und Gerechtigkeit und den 
Frieden des Baterlandes handhabelt, daß du ein Beichüger der 


— UT 


Kirchen und ihrer Geiitlichen feielt, ein Hort der Witwen und Wailen. 
Durch ſolche und andere gute Handlungen wird dein Tron feſt be- 
gründet für Zeit und Ewigfeit. Und jeßt, Herr König, bittet die 
ganze heilige Kirche mit uns dich für die, welche bisher gegen dich 
gefehlt und durch irgend welche Beleidigung deine Gunft verloren 
haben. Für ſie bitten wir dich um deine Gnade, dab du ihnen 
verzeiheit um Gottes willen, der es hinwiederum dir tun möge für 
alle deine Fehler.” 

Als der Gottesdienjt zu Ende war, eröffnete der König den 
Zug. Und wie man von dem König Saul lieft, daß er eines 
Hauptes länger gewejen jei als alles Bolt, jo jchritt auch König 
Konrad einher und fehrte voll Hoheit in jeiner Haltung, wie man 
fie nie vordem an ihm gejehen hatte, im Geleite der Priefter zu der 
föniglichen Pfalz zurück. An der Tafel wurde er mit föniglicher 
Pati empfangen, und jo vollbradhte er den eriten Tag jeines 

önigtums in genauelter Beobachtung aller üblichen Formen.“ 


Der Bater des VBaterlandes. 


Als König Konrad mit dem deutjchen Volke zur Königströnung 
Ichritt, traten drei Berjonen zu ihm, jede mit bejonderer Klage. 
Die eine war ein höriger Bauer der Mainzer Kirche, die andere ein 
Waiſenkind, die dritte eine Witwe. Der König hielt an und wollte 
die Sache der drei hören. Da ſuchten ihn die Fürften, die um ihn 
waren, abzuziehen, damit der Feſtzug nicht unterbrochen werde. 
Sie Jagten ihm, er möge doch feinen Verzug der Weihe in den Dom 
verurjachen und bei Zeiten dem Bottesdienite beiwohnen. Da jchaute 
er die Bilhöfe an und ſprach: „Es ijt meine Pflicht zu helfen und 
und nichts zu verſchieben, was paljjendermaßen geichehen jollte. 
Nicht die das Geſetz hören, jondern die es tun, werden vor Bott 
gerechtfertigt.” Mit diefen Worten blieb er ftehen, wo die Unglück— 
lichen ihn anbhielten; er hörte ihre Klagen und veriprach feine Sitfe, 
Als es darauf ein wenig weiter im Zuge ging, trat einer vor ihn, 
der Hagte, er jei ohne feine Schuld aus jeinem Baterlande vertrieben 
worden. Der König faßte ihn am Arm, zog ihn durch alle Umher— 
itehende bis zu jeinem Throne und erfundigte fich genau nach den 
Berhältnilfen des Bittenden. Einem jeiner Fürften aber befahl er, 
ji der Sache des Unglüdlichen anzunehmen. Er ließ lieber feine 
Einjegnung anftehen um jeinem Volte zu helfen; denn die Ehre des 
Königs ruht auf gerechtem Gericht. 


Der Königsritt. 


‚ „Ms das Krönungsfeit in Mainz vorüber war, jammelte Konrad 
jein fönigliches Gefolge und ritt durch die deutjchen Länder. Zuerſt 
kam er in das Land der Niederfranken, in die Stadt Machen, wo 


— 


der Königsituhl Karls des Großen noch jtand, auf dem jchon König 
Dtto der Große ſaß. Dort ordnete er die Angelegenheiten des 
Reiches in ausgezeichneter Weile und berief Fürften und Bolf zu 
— Verhandlung um nach den Geſetzen des Reiches Gericht 
zu halten. 

Die Ritter gewann er dadurch auf ſeine Seite, daß er die 
Lehen, die ſchon ihre Vorfahren beſeſſen hatten, nicht nahm und 
andern verlieh, ſondern den Nachkommen beließ. Da Konrad ſehr 
reich war, konnte er ſeinen Getreuen viel Geſchenke geben. 

Von Niederfranken aus ritt Konrad mit großem Gefolge nach 
Sachſen und hielt auch da Gericht in den Königspfalzen und auf 
den Königsſtühlen. Auch die Slaven jenſeits der Elbe brachten 
Tribut. Von da ging der — durch Bayern und Oſtfranken 
und zuletzt nach Alamannien; überall beſchirmte er die Schwachen 
und befahl Frieden zu halten im ganzen Weiche. „An Konrads 
Sattel hängen die Steigbügel Karls des Großen“, jo jagten die 
Deutjchen, als der mächtige Kaiſer auf jeinem Königritte durch die 
deutichen Gaue fam. 

An Pfingiten 1025 war Konrad in Schwaben, der Heimat 
der Kaijerin Gijela. In Konſtanz am Bodenjee feierte er in fünig: 
liher Pracht das Felt des heiligen Geiltes. Dorthin famen auch 
die italienilchen Großen, die den neuen Herrn begrüßten und ihm 
huldigten. Der Erzbiihof von Mailand war auch erjchienen und 
bat den König, doc auch die Krone der Longobarden in Pavia 
zu holen. Reiche Geſchenke erhielt diejfer Für. Die Vornehmen 
von Pavia famen auch. Aber die hatten ſich am deutjchen Herrjcher 
jchwer vergangen. 

Kaum hatten fie nämlich gehört, daß Kaijer Heinrich II. der 
Heilige geitorben jei, jo zogen alle Bewohner Bavias nad) dem alten 
Raijerpalaft, erftürmten ihn, vertrieben die deutichen Beamten und 
Krieger und zerjtörten den Bau, den der alte Theodorich der Große 
(Dietrich von Bern, 493—526) jchon errichten ließ und den erjt 
Dtto 111. (992 — 1002) erneuerte und ausichmüdte. Die aufrüherijche 
Menge rief: „Kein König joll fortan jeinen Sig in unjerer Stadt 
nehmen. Wir find freie Italiener!” 

Da kam aus Deutjchland die Nachricht von der Wahl Konrads. 
Wie erjchrafen da die Anführer? Als nun Konrad in Konitanz 
weilte, jchieften fie die VBornehmiten der Stadt dahin. Der Führer 
derjelben ſprach: „Mit Unrecht klagt man uns an, des Königs Haus 
— zu haben; denn nad) Heinrichs Tode hatten wir feinen König”. 

ber König Konrad antworte rajch: „Ich weiß, nicht des Königs 
Haus habt ihr zeritört; denn ihr hattet feinen König. Aber ihr 
brachet den Palaſt des Reiches und fünnt es nicht leugnen. Wenn 
auch der König jtirbt, jo bleibt doch das Reih. Denn auch das 
Schiff bleibt, wenn der Steuermann umfommt. Der Palaſt war 
Eigentum des Reiches und nicht eures. Weil ihr euch an fremdem 


u U 


Gute vergriffen habt, jo jeid ihr in den Händen des Königs“! 
Wie erichraden da die Italiener und noch mehr, als der König fie 
ungnädig entließ und den Frieden nicht annahm, den fie ihm 
boten. Als der König Konitanz verließ, ritt er mit feinem Gefolge 
nad Zürich, wo aus den andern italienijchen Städten Bejandtichaften 
hineilten um zu huldigen. Gleichzeitig baten viele doch ja nach 
Italien zu fommen und Ordnung zu jchaffen. 


Konrads Lehrer. 


Im Sommer 1025 fehrte König Konrad über Bajel in jeine 
Heimat zurüd. Am 14. und 15. Juli weilte er in jeiner Burg zu 
Speyer. Dann ging es über die Limburg in der Haardt nad) 
Worms. Bon Speyer aus hatte Konrad feinen alten Xehrer, dem 
berühmten Bilchof Burkhart von Worms durch Boten jagen lajjen, 
daß er bald komme. SHocherfreut war darüber die ganze Stadt, in 
der der König geboren und erzogen war. Aber Bilchof Burkhart lag 
Ihwer krank darnieder. <Tierbetrübt war er, daß er jeinen hohen 
Schüler nicht bejjer empfangen konnte. Gerne wäre er vor die 
Tore der Stadt geeilt, um den geliebten König ſelbſt zu begrüßen, 
aber er war zu ſchwach. Beltändig betete er zu Gott um Kraft 
und fiehe, als Konrad am 18. Juli jchon in Worms einzog, da 
war Burkhart wie neugefräftigt, obwohl jeine Beiftlichen und Diener 
Bann hatten, Gott würde ihn bald abrufen. Eine ganze Woche 

lieb Konrad in Worms im Palaſte des Bilchofs, denn Burkhart 

Ihien gejund zu fein. Des Königs Palaft jtand damals nicht mehr, 
da aus jeinen Steinen Burfhart das herrliche Münjter erbauen ließ, 
das heute noch der Stolz der Wormſer ift. 

Am 24. Juli jegten Konrad und Burkhart bei der Wormier 
Fähre über den Rhein und ritten nad) dem Königshofe Tribur 
(Tri = Drei, bur Haus, Hof). Dorthin famen auf Konrads 
Befehl alle Fürſten des en Neiches zulammen. Es war der 
erite deutjche Reichstag, den Konrad hielt und Burkhart freute fich 
drei Tage lang der Macht jeines treuen Schülers. Als aber die 
Krankheit wieder Ichlimmer wurde, eilte der Bilchof nach Worms 
zurüd, Dort befiehl ihn die Ruhr und jchon am 20. Auguſt 1025 
nahte Burkharts Ende. 

Noch lag der fromme Mann im Todestampfe, da drangen 
Ihon die Vornehmen jeines Hofes in feine Schatzkammer, durch: 
\töberten Schreine, Kilten und Truhen, fanden aber nichts als Bücher 
und den Kirchenſchatz. Zuletzt entdedten fie noch drei Pfennige (Denare) 
in jeinem Handſchuhe; alles andere hatte er den Armen gegeben. 
Seine Schweiter Mathilde, eine Abtilfin, wachte und betete an jeinem 
Sterbelager. Burkhart gab ihr die Schlüffel zu einem Schreine und 
lagte: „Was du darin findeft, bewahre als liebevolles Andenken!“ 
Neugierig öffnete Mathilde nach Burkharts Tode den Schranf und 


— 210 — 


fand — ein harenes Gewand und eine eijerne Kette zu Bußübungen. 
Heute noch wird der fromme Mann mit Ehren genannt. 


Ernft von Schwaben. 


Railer Konrad hatte einen Stiefſohn, Herzog Ernit von 
Schwaben. Als er von einem Zuge aus Italien ee fam 
er mit jeinen Getreuen in Augsburg zujammen. Denn, da fid) 
Konrad in Italien befand, hatte Ernit das Elſaß verwüjtet und die 
Burgen des Grafen Hugo von Egisheim, der mit dem Kaiſer ge= 
zogen war, zeritört. Konrad bejchloß daher in Ulm einen öffentlichen 
Reichstag zu halten. Dorthin fam auch der Herzog Ernit; aber 
nicht als bittender Sohn, jondern mit vielen gut bewaffneten Kriegern, 
um den Raijer zu zwingen, ihm Recht zu geben. 

Ernit ſprach zu jeinen Leuten: "Bergeftet nicht, daß eure Väter, 
die Alamannen allezeit in Treue ausgezeichnet waren und wenn 
ihr mir heute treu bleibt, jo wird euch Belohnung, euren Nach: 
fommen aber Ruhm und Ehre zu teil werden“. Da erwiderten 
ihm die beiden Grafen Friedrich und Anshelm aus Schwaben im 
Namen aller: „Wir wollen nicht leugnen, daß wir euch die Treue 
feit verjprochen gegen alle mit Ausnahme dejjen, der euch uns 
gegeben hat. Wären wir unjeres Kaijers und Königs Knechte 
und von ihm an eud) — dürften wir uns nicht von euch 
trennen. Aber wir ſind freie Männer und unſere Freiheit beſchützt 
der König. Verlaſſen wir ihn, ſo verlieren wir unſre Freiheit. 
Daher wollen wir euch in allem gehorchen, was ihr Ehrbares 
und Gerechtes von uns fordert. Wenn ihr aber das Gegenteil ver— 
langt, ſo werden wir freiwillig dahin zurückkehren, von wo wir zu 
euch gekommen ſind“. 

Als das der Herzog hörte, ergab er ſich dem König auf Gnade 
und Ungnade. Der Kaiſer jandte ihn gefangen nad) Sachſen auf die 
Felſenburg Gibichenjtein, damit er jede weitere Empörung ließe. 


Im Jahre 1030 feierte Kailer Konrad das Diterfejt auf der 
Pfalz zu Ingelheim. Dort wurde Herzog Ernit von Alamannien, 
den man aus der Haft entlajjen hatte, jein Herzogtum wieder ge— 
geben. Ernit jollte aber jeinen Zehensmann Werner von Kiburg 
verfolgen und dem Könige ausliefern oder töten. Da Ernit dies 
nicht tat, verlor er wieder jein Herzogtum und wid) mit wenig 
Leuten von dannen. Alamannien erhielt Ernits jüngerer Bruder 
Hermann, den der Bilhof von Konitanz erziehen jollte. 

Die ReichsverJammlung zu Ingelheim aber erklärte Ernſt und 
jeine Genojjen in die Reichsacht und die Bilchöfe jprachen den 
Kirhenbann aus. Auch Ernits Mutter, Kaijerin Gijela verſprach 
dem Kaiſer, den ungeratenen Sohn nicht zu unterftügen. 





— 211 — 


Herzog Ernſt war als er ſeine Verurteilung vernahm, nad) 
Frankreich zu jeinem Better Dtto geflohen, aber der fonnte ihm nicht 
helfen, weil er die Macht des Kaijers fürchtete. Ernſt fam daher bald 
wieder nad) Alamannien, wo er fich in der Wildnis des Schwarz: 
waldes an ficheren Plätzen aufhielt und mit Beute fein Leben frijtete. 
Auf der Burg Falkenſtein wurde er mit jeinem Freunde Werner 
von Kiburg eingejchlojfen. Die Kaiferlichen fingen die Pferde, mit 
denen Ernt und die Seinen trefflich verjehen waren, dur Lit auf 
der Weide ab und Ernit floh mit feinen Leuten. Der taijerliche 
Teldherr Mangold verfolgte den Herzog und feine Leute und es fam 
u einem Kampfe in der Bar. Ernft fiel, es fiel fein Freund 
Werner, auch Mangold fam ums Leben. Die Leiche des Herzogs 
wurde nad) Konſtanz gebracht, vom Biſchof vom Banne losgejprochen 
— der Kirche daſelbſt begraben. Mangolds Leiche kam nach 

eichenau. 


Kaiſer Konrad und Kloſter Limburg. 


(Vergleiche die Sage: Kloſter Limburg, Pfälz. Leſebuch für die Mittel— 
klaſſen, ©. 263). 

Das Haardtgebirge mit jeinen jchönen Rebenhängen gehörte 
einit den rheinfränkiſchen Herzogen, die hier feite Burgen, 3. B. 
Trifels, Madenburg, Keftenburg (Maxburg) und Limburg, d. i. 
Lintburg hatten. 

Es war am 12. Juli 1030, ein herrlicher, jonniger Tag brad) 
an. Auf der Limburg oberhalb Dürkheim herrichte reges Leben. Auf 
dem ebenen Burgplage hatte man ein breites Fundament gegraben 
und ringsherum lagen Steine und Holz um Mauerwerk zu beginnen. 
Die Fundamente waren 97,81 m lang und 40,74 m breit. Große 
Steinblöde lagen umher, aus denen die Steinmeten des Kaijers 
die Säulen für den Bau der Kirche meißeln jollten. Denn die 
Limburg jollte ein Klojter werden. Sp hatten Kaiſer Konrad und 
jeine Gemahlin Gijela gelobt. Noch leuchtete die Sommerjonne 
nicht über die weite grüne Ebene, die man von den öjtlichen Fenitern 
der Burg Jah, noch lag der dültere Haardtwald im Welten im tiefen 
Schweigen, da trat im grauen Dämmerjchein des Morgens jchon der 
Kaijer zur Burgfapelle heraus, mit ihm die Kaijerin, hinter ihnen 
Biihöfe und Fürſten des Neiches in großer Zahl. Schon hatten 
ſich die Steinmegen und Werkleute da gejammelt, wo das Chor der 
Klojterfirche einjt ftehen jollte, da trat der Kaijer heran und gab 
den Befehl, den jchweren Duaderftein mit einer Urkunde in das 
Fundament hinab zu jenten. Mit filbernem Hammer jtand der 
Baumeijter bereit, reichte ihn dem kaiſerlichen Herrn, der drei feite 
Schläge auf den glattgemeißelten Stein tat. Es war 4 Uhr früh 


— 212 — 


morgens. Ihm folgte die Kaijerin und alle anwejenden Fürften ; 
dann aber gings hoch zu Roß den Iteilen Burgberg hinab durch die 
lachende Ebene, am Königshofe Haßloch vorbei zum Rheine. Der 
Kaiſer und die Kaijerin voran, ihnen nad eFürtten, Bilchöfe und 
Diener. In wenig Stunden war Speyer, die alte Stadt der Rhein- 
franfen erreicht. —— zog das Speyerer Volk ſeinem kaiſerlichen 
Herrn entgegen. Es ging durch die Stadt dem Rheine zu, wo auf 
dem Hochufer dicht an der Stadtmauer einſt die alte Stephanskirche 
ſtand, die aus Steinen und Holz einfach gebaut war. Dahinter 
erhob ſich die alte Kailerpfalz, wo der Bilchof feinen Si hatte und 
wo der Kaijer, wie immer, wenn er in jeine Lieblingsitadt fam, 
abitieg. Die Pferde wurden von den Dienern bejorgt und dann 
ging ein feierliher Zug zum Plage, wo die allte Stephanstirche jeit 
Dagoberts des Guten Zeit (628-638) gejtanden war. Ihr Holzwerf 
war verjhwunden, dafür aber zeichneten fich die Fundamente im 
Boden deutlih ab. Aus allen Teilen des deutjchen Neiches ſelbſt 
aus Burgund und Italien waren Steinmegen herbeigeeilt um ihre 
Kunſt zu beweilen. Hier am öftlichen Ende der Stadt hatten Die 
Leute des Kailers jchon jeit Jahren einen Hügel hinter der Kirche 
erhöhet und eingeebnet. Hunderte Arbeiter und Fröhner hatten 
mit Schaufel und Hade das Erdreich gelöft und andere brachten 
es in Kleinen Karren an die Stelle, wo es ausgefüllt werden mußte. 
Tägli hatten Frohnfuhren Sandfteine von dem fernen Haardt- 
gebirge herbeigejchafft und Holz aus den reichen Waldungen des 
Kaiſers lag auch da. Wieder nahm Kaijer Konrad den filbernen 
Hammer zur Hand und befeftigte als Eriter und als Bauherr den 
Grundjtein im Chore. Ihm folgte die lange Reihe der Fürſten 
und Herren; der Bilchof von Speyer weihte ihn ein. Er leitete 
von nun an den Bau. Vom Dome ging es zur entgegengeleßten 
Stelle der Stadt in feitlichem Zuge, wiederum voran der König 
und gründete die St. Johanniskirche, ſpäter Widofirche genannt 
auf dem heutigen Weidenberge. Dieje Bauten jchritten rüjtig vor: 
wärts. Falt in jedem Jahre war Konrad auf der Limburg. Bald 
war jie joweit vollendet, daß er ihr einen Abt geben konnte, 1035. 
Die Klofterbrüder erhielten reiche Geſchenke; denn laut einer Urkunde 
gab er ihnen die Dörfer Dürkheim, Wachenheim, Schifferitadt und 
Grethen, in der Wetterau bei Frankfurt aber Eichen, Sindelingen, 
Fuehrbach und Sulzbah zum Eigentum. Dieje Orte hatten mit 
ihren Bauern den Borfahren Konrads gehört, nun aber erhielten 
die Klofterbrüder auf Limburg alle Einkünfte an Zehnten, Belthaupt, 
Steuern. Da aber Steine und Holz Itets zur Hand waren, jo 
fonnten die Bauleute des Railers das Werk bald vollenden. 

Nach kurzer Zeit war Konrad abermals auf Limburg und 
mit ihm Erzbiſchof Bilegrin von Köln, Biſchof Hachezo von Worms 
und Reginbald von Speyer. Sie weihten die drei Altäre in der 
fertigen Gruft in Gegenwart des Kaiſers und der Kaijerin ein. 


— 213 — 


Im Jahre 1038 hielt Konrad auf der Limburg eine Kirchen 
verjammlung der deutichen Bilchöfe ab. Als er in Utrecht dem 
Tode nahe war, gedadhte er des Gotteshaufes, dejjen Vollendung 
feine Herzensjadhe war und ermahnte feinen Sohn Heinrich, alle 
Sorgfalt darauf zu verwenden. | 

Heinrich tat es gerne und ſchon 1039 konnte der Erzbilchof 
Bardo von Mainz den Altar im Chor weihen, 1040 am 24. März 
ſtand jchon der Hochaltar und im Jahre 1042 war die herrliche 
Kirche vollendet und ihre ftolze Kuppel (wie am Dom zu Speyer) 
und ihre ſchlanken Türme grüßten hinab nad) Worms und hinüber 
nad) Speyer, wo die herrlichen Denkmäler des frommen Konrad 
fich erhoben. J N 

Schußvögte des Ye... 

Klofters wurden die a 
Grafen von Leiningen. WM, 












Die Limburger 
Schätze. 


Im Jahre 1056 
wurde Einhard, ein 
Graf von Kapenellen- 
bogen Abt von Lime 
burg und jchon im fol- 
genden Jahre Bilchof 
von Speyer. Der junge 
König Heinrich IV. 
Ichentte ihm auf Rat # 
des Erzbilchofs Adalbert |, 
von Bremen am 29. 
Auguft 1065 das un 
Limburg mit allen Bes 
iigungenund Rechtenals \ 
Eigentum des Speyerer 
Bistums. Sogleich ließ _ , 
Einhard alle Schäße 
des Klojtersnah Speyer 

bringen. Darunter 
waren: 34 Pfund un: 
verarbeitetes Gold, eine _ 
goldene Königskrone, 
ein goldenes Szepter, 
kai goldene KReldje mit 


Die drei Altäre auf Klofter Limburg. 


atenen. Einer der 
elche war mit Edel— 
fteinen ausgelegt. Ein 


— 214 — 


anderer war aus dem Edeljteine Onix, das Paten war in Gold gefaht 
und mit Edelfteinen geziert. In einem goldenen Schreine lagen 
Überrefte von Heiligen, desgleichen in einem elfenbeinernen, der 
ſchönes Bejchläge zeigte. Bon Elfenbein waren ferner jechs Hörner, 
eine Flaſche und vier Tafeln. Zwei Mujcheln waren köſtlich in Gold 
und Silber gefaßt. Weiter gehörten zu dem Schage: zwei filberne 
und vergoldete era drei Ar Höffteller in Gold, jechs filberne 
Leuchter, zwei filberne Eimer, ein filbernes Giehfaß und ein Hand: 
beden, ein Meßbuch in Elfenbein und Gold gefaßt. Auch ein Pjalm: 
büchlein, das einjt Kaijer Karl dem Großen gehört hatte, lag auf 
Limburg. Seine Buchſtaben waren von Gold, der Einband von 
Elfenbein, das Beichläg der Dedel von Gold. Ein Sequentionalbud 
war ebenfalls mit Gold und Silber bejchlagen. Außerdem gehörten 
zu dieſem Klojterihage wieder Meßgewänder, Levitenröde, Chor: 
fappen u. ſ. f. aus Seide und mit Bold geftidt. Auch die Ipäteren 
Bilhöfe von Speyer behielten dieje Schäße, die heute |purlos ver: 
\hwunden find. 
Aus dem Rloiter. 


Zur Zeit Konrads Il. lag in Worms nur ein —— 
im Süden der Stadt, Marienmünſter oder Nonnenmünſter geheißen 
Ludwig der Fromme hatte es geitiftet und daher feierten die Nonnen 
jeinen Jahrestag, fie waren Benediktinerinnen. 

In der Zeit Konrads II. rief der Bilchof Burkhart von Worms 
jeine Schweiter Mathilde, ein ehrbares Mädchen zu fi an den 
biſchöflichen Hof und z0g fie mit brüderlicher Liebe auf. Sie fonnte 
wie die Frauen ihrer Zeit gejchicht |pinnen und weben und hatte 
viele andere Frauen in den verjchiedenjten Webearten unterrichtet. 
Sie aber übertraf alle durch ihre foftbaren Gewänder. Eines Tages 
Itarb die Äbtijfin des Frauenklofters. Da kamen die Nonnen zum 
Biſchof und baten ihn, er möge ihnen jeine Schweiter als Abtijfin 
geben. Burfhart war dies zufrieden und er ließ jeine Schweiter 
logleich aus ihrem Gemache rufen. Er ſprach zu ihr: „Meine ge: 
liebte Schweiter! du fiehft, wie vergänglich und mangelhaft die Dinge 
der Welt find, wie voll jeglicher Ungerechtigkeit. — — Deshalb 
wünjche ich, daß du die ae. Ohrringe und koſtbaren Ge: 
wänder ablegeft, das geheiligte Gewand annimmjt und dich mit 
dem Könige des Himmels vermähleit“. Als Mathilde das hörte, 
erſchrak fie jehr und ſprach: „Weißt du denn nicht, Herr, daß ich 
mich alle Zeit meines Lebens weltlichen Dingen hingegeben habe 
und daß ich für jenes Amt ganz unerfahren bin. Denn mit Aus: 
nahme des Plalters kenne ich gar feine Bücher. Ich verjtehe nicht dies 
Amt auszufüllen. Wie könnte ich denn in diejem Lebensberufe ohne 
Anſtoß leben?’ Da jagte Burkhart: „Rede nichts weiter mehr und 
erfülle ohne Aufſchub meine Mahnung, jo jchnell du kannſt. Was 
fteht dir Hindernd im Wege?“ Da gelobte die Schweiter zu tun, 


— 215 — 


was der Bruder befahl. Sie lernte die Vorjchriften für die Nonnen, 
las fleißig die Bücher, die die Kirchenväter gejchrieben hatten und 
als Burfhart jah, daß jeine Schweiter eifrig war, verjammelte er 
alle Schweitern im Kloſter, gab ihr den Stab der Abtijfin und 
legte ihr das Ordenskleid an. Alles But, das fie bejaß, ſchenkte fie 
ihrem Klojter, ihr Bruder tat desgleichen. 

Damals lebte in Mathildens Klofter eine Nonne mit Namen 
Caritas; ſie glaubte durch ihre Bußübungen im Kloſter den Himmel 
nicht zu erlangen und bat daher Burfhart, er möge fie von aller 
Melt abichließen und einmauern. Der Bijchof tat es nicht gern; 
aber endlich folgte er doch und fam daher mit allen jeinen Mönchen 
zum Nonnenkloſter. Als fich alle dort verjammelt hatten, ftellte er 
die Jungfrau in ihre Mitte und ſprach: „Seht dieſe Jungfrau, 
teuere Brüder; fie hat die Lehre des ——n nicht mit tauben 
Ohren gehört, fie hat Vater und Mutter, Verwandten und Freunde, 
Haus und Hof verlajjen um Gott allein zu dienen. — — Gtrebt 
ihr nah!" Nachdem er dies gejagt hatte, jchloß er fie in eine Zelle 
ein, ließ ihre Tür vermauern, empfahl fie wie eine Tote Gott. 
Hier ftarb die Jungfrau erjt nach mancherlei Leiden. Denn ihr 
Blid wurde jtier und leblos, ihre Haut jchlotternd; nur was mild: 
tätige Leute brachten, nahm fie zu ich. 


Der Tod Kaiſer Konrads II. 


Im Jahre 1039, am 3. Juni feierte Kailer Konrad das 
Pfingitfeit zu Utrecht im heutigen Holland, damals Friesland. Cr 
ging mit feiner Gemahlin und jeinem Sohne Heinrich, der die Krone 
tragen jollte, mit der Kailerfrone gegiert zur Tafel in der königlichen 
Pfalz. Er jpürte Gichtichmerzen. Um jedoch) die Freude des hohen 
Tages nicht zu ftören, verheimlichte er feinen Schmerz. Aber am 
folgenden Tage wiederholten ſich die Anfälle gewaltig und man 
brachte ihn auf ein Bett. Da er fühlte, daß er ſchwer krank jei, 
hieß er I Gemahlin und jeinen Sohn das Zimmer verlajjen, in 
dem er fich befand. Raſch ließ er durch die Diener Bilchöfe rufen 
und den Leib des Herrn, jowie ein heiliges Kreuz herbeiholen. 
Heftig weinend richtete er fich auf und empfing das Beilige Abend: 
mahl; dann nahm er von der Kaiſerin und jeinem Gohne, dem 
König Heinrich herzlich Abjchied und ftarb den 4. Juni 1039. Die 
GEingeweide des Kailers wurden in der Kirche zu Utrecht beigejet. 
Hier jollte für das Heil des Verftorbenen beitändig gebetet werden; 
deshalb jtiftete der junge König Heinrich der Kirche zu Utrecht viele 
Güter, dem Gotteshauje jelbjt aber goldene und filberne Gejchente. 
Der eigentliche Zeichnam wurde von der Kailerin und ihrem Sohne 
dem König, jo jorgfältig als man nur fonnte, in Tücher gehüllt, 


— 216 — 


vernäht, auf ein Brett gelegt und in einen Holzjarg gebettet. Go 
brachten ihn die Kailerin, der König, die Bilchöfe, die gerade am 
Hofe waren, nebjt den Fürſten aus Deutjchland und Burgund zu 
Magen und fuhren den Rhein herauf. Es war eine allgemeine 
Klage, als die Nachricht von Konrads Tod durch das Reich ging. 
Zuerft hielt der Zug in Köln, hier ftellte man in allen Klöftern den 
toten Kaiſer aus, taujende famen, beteten jtill an jeinem Sarge und 
aben Almojen. In findlicher Ehrfurcht trug der junge König 
Seinrich II. überall jelbft die Teiche des Vaters mit andern Fürften 
auf den Schultern in die Gotteshäufer. Ebenjo gejchah es in Mainz 
und in Worms und in allen andern Städten, die der Zug berührte. 
In allen Kirchen bejonders in den Domen zu Mainz und Worms 
wurde ebenfalls die Leiche aufgebahrt 

Siebenunddreißig Tage dauerte der Zug, dann langte er in 
Speyer an, wo der Dom zwar nocht nicht vollendet war, aber doc) 
den toten Stifter aufnehmen fonnte. Das Königschor war joweit 
fertig, daß man den Kaijer in jeine Gewölbe betten fonnte. 

Bereits am 11. Juli 1039 übergab man die irdilche Hülle 
dem hochhehren Gotteshaufe.. Als der Wagen in die Nähe der 
Stadt fam, gingen ihm Bilchof, Geiltlichfeit und alle, die zur Zeichen: 
feier gefommen waren, entgegen. Am Dome hielt der Wagen und 
König Heinrich jelbft half den toten Vater hinauftragen in das 
Königschor. Der KRaijer lag im Seidengewande, mit einer Grab: 
frone auf dem Haupte. Auf jeiner Brut aber befand fich eine 
Bleitafel mit jeinem Namen und jeinem Todestage. Seit Konrads 
Tode beteten im Dome die zwölf Stuhlbrüder, die täglich 
jiebenmal ins Münjter famen und neben dem Grabe auf bejonderen 
Stühlen jaßen und zweihundert Vaterunjer und Grüße jowie das 
Glaubensbefenntnis |prechen jollten. 

Dem fraftvollen Kailer Konrad relgte jein edler Sohn 
Heinrich III., der leider jchon im blühenden Mannesalter 1055 ftarb. 


Heinrich IV. Jugend. 


König Heinricdy IV. war, als der Vater ftarb, erit fünf Jahre 
alt. Daher führte feine Mutter Agnes für ihn die Regierung des 
Reiches. Bejonders hörte fie auf den Nat des Bilchofs Heinrich 
von Augsburg. Das geftel den deutlichen Fürſten nicht, weil die 
Kaiſerin nur auf einen hörte. Sie famen daher öfters zujammen 
und berieten fich, wie fie den jungen König von der Mutter rauben 
und die Herrichaft an fich reißen könnten. Der Erzbiſchof von Köln 
verabredete ich mit dem Grafen Edbert und dem Herzog Dtto von 
Bayern, die zu ihm in jeine Stadt famen. Dann fuhren fie mit 
Ihönen neuen Schiffen den Rhein hinab, wo eine kaiſerliche Pfalz 


— 27 — 


auf einer lieblichen NRheininjel ftand, Kaijerswerth genannt. Dort 
hielt fich 1062 der junge König mit jeiner Mutter auf. Hier blieben 
die Fürften einige Tage bei der Kaiferin und ſaßen jogar mit ihr 
zu Tiih. Der junge König war eines Tages nad) dem Mahle jehr 
heiter. Der Erzbilchof Iud ihn daher ein, eines der neuen Schiffe 
zu betrachten, das er zu diejem Zwecke verjchönert habe. Gern folgte 
der 12jährige Königsknabe, als es die Mutter erlaubte. Der Erz: 
bijchof führte ihn jelbjt auf das Schiff um es, wie er jagte, zu zeigen. 
Kaum hatten beide es betreten, jo eilten die Bewaffneten des rz⸗ 
biſchofs heran und umſchloſſen den Knaben. Sogleich griffen die 
Ruderknechte zu den Rudern und fuhren auf die Mitte des Stromes. 
Als Heinrich das ſah, glaubte er, man wolle ihn gefangen halten 
oder gar töten. Er ſprang daher kurz beſonnen in die Fluten des 
tiefen Fluſſes, wo er ſicher ertrunken wäre, wenn nicht Graf Eckbert 
ihm nachgeſchwommen wäre um ihn zu holen. Nur mit eigener 
Lebensgefahr konnte er den Knaben retten und aufs Schiff bringen. 
Anno ſuchte durch Schmeichelworte den geretteten König, den er raſch 
nach Köln entführte, zu beſänftigen. Die Kaiſerin bekümmerte ſich, da 
man ihr den Sohn geraubt hatte, nicht mehr um das Reich. Die 
Erzbiihöfe von Köln und Mainz aber regierten nun im Namen des 
Königs. Gie riefen den — Adalbert von Bremen zu ſich und 
ließen ihn mitberaten. Erzbiſchof Adalbert war gegen den jungen 
König ſehr freundlich, er unterhielt ſich ſehr oft mit ihm, erlaubte 
ihm aber auch manche Untugend. Daher hörte Heinrich zuletzt nur 
noch auf den Rat des leichtſinnigen Adalbert. 

Am Palmſonntag 1065 weilte der königliche Hof mit Adalbert 
in Worms. Hier feierten ſie auch Oſtern und der Erzbiſchof ſelbſt 
hielt die Predigt. Am nächſten Dienstag, den 29. März fand in der 
Pfalz zu Worms eine große Feier ſtatt. Erzbiſchof Eberhard von 
Trier weihte das Schwert des jungen Königs in der Kirche und 
umgürtete ihn damit. Gottfried von Lothringen trug den neuen 
Königsſchild; ein anderer Fürſt den Speer. Heinrich war nun nach 
fränkiſcher Sitte wehrhaft und volljährig und führte nunmehr allein 
die Regierung des Reiches. 


Heinrich und die Sachſen 1073. 
L. 


König Heinrich baute auf die wichtigjten Berge und Hügel in 
Sadjen und Thüringen feite Schlöjfer und legte fräntijche Krieger 
(Ritter) hinein. Weil dieje aber nicht genügend Lebensmittel hatten, 
\o erlaubte ihnen der König, aus den nächſten Dörfern und Feldern 
nad) Feindes Art Beute wegzuführen. Die Bewohner mußten Holz 
und Steine zum Bau der Burgen herbeifahren und wie Rnechte im 
Schweiße ihres Angefichtes fröhnen. Alles, was in den Dörfern 


15 


218 — 


und auf den Feldern jich vorfand, plünderten die failerlichen Krieger, 
fie erhoben —— und Steuern von den Wäldern zum Bau 
der Burgen. Ta, ſie trieben den Bauern ganze Herden weg. 
Selbit freie Bauern mußten wie hörige Knechte dienen. Mer aber 
jeufzte oder gar jchalt, wenn der Drud zu ſtark wurde, der wurde 
in Feſſeln geichlagen und fonnte nicht eher los werden, als bis er 
jeine ganze Habe hergegeben hatte. Wenn aber die Sachjen zum 
Könige kamen, wies der fie höhnend zurüd und jagte oft: „Alle 
Sachſen find unjere Knechte”. Da ergrimmten die Grafen und 
Herren der Sachen und famen heimlich zujammen. Dort Ichwuren 
fte einander Treue und Iprachen: „Lieber wollen wir jterben und 
und das Letzte verjuchen, als die Freiheit die alle unjere Väter 
bejaßen, zu verlieren“. Die Anführer der Verſchwörung waren 
Herzog Dtto von Nordheim und jein Bruder Hermann, auch der 
Bilhof Burkhart von Halberitadt. 


1. 


Eines Tages erhob fih das ganze Bolt der Sachſen zum 
Kampfe gegen den König, Alt und jung, hoch und niever, Weltliche 
und Geiltliche ergriffen die Waffen. 

Im Anfang Auguit 1073 jchiekten ſie Gejandte zu König Heinrich, 
der auf der Kailerpfalz zu Goslar wohnte. Dorthin famen die 
ſächſiſchen Fürſten und ſprachen zu ihm: „Erlaſſe uns den Feldzug 
gegen die Polen; denn wir ſtehen Tag und Nacht gerüſtet gegen 
unſere nächſten Feinde, die Lutizier. Wenn die aber ſehen, daß wir 
nur ein wenig die Hände ruhen laſſen, ſo merken ſie unſere Schwäche, 
fallen in unſer Land und verwüſten alles mit Mord und Brand. 
Wir haben kaum Truppen genug um uns zu verteidigen; daher iſt 
es töricht gegen fremde Völker zu ziehen. Ueberdies laß die Burgen, 
die du zur Vernichtung der Sachſen auf allen Hügeln und Bergen 
erbaut haſt, niederreißen; gib den ſächſiſchen Fürſten und Bauern 
wieder ihre Güter, die du ihnen genommen halt. Ziehe auch einmal 
in ein anderes Fand: denn jeit deiner Jugend tragen wir allein 
die ſchweren Koſten der Hofhaltung“. Heinrich hörte auf ſeine Räte, 
die bei ihm waren und nicht auf den Rat der Sachſen. Er gab 
ihnen keine beſtimmte Antwort und entließ ſie. Als ſie zu ihren 
Leuten kamen und dies erzählten, gerieten ſie in heftigen Zorn und 
beſchloſſen ſich durch einen Aufſtand zu rächen. Sie zogen bewaffnet 
und mit mit Belagerungsmaſchinen nad) Goslar und lagerten ſich 
in der Nähe des Königshofes. Sie hätten ſich jogleich voll Wut 
auf den König geitürzt und ihn vielleicht getötet, aber Burkhart von 
Halberjtadt bejänftigte jie wieder. Da der Königshof Goslar nicht 
fejt war, begab ſich Heinrich auf die Harzburg. Auch die Reichs: 
Heinodien und joviel von jeinen Schäßen, als er mitnehmen fonnte, 
ließ er heimlich dorthin bringen. Das Bergjchloß Tag jehr hoch 
und war nur aufeinem jehr jteilen und daher bejchwerlichen Wege 


— 219 — 


zugänglich. Die andere Geite des Berges bejchattete ein unermeß— 
liher Wald, der fi von da in jchier endlojer Ode bis gegen 
Thüringen hin erjtredte. Die Sachſen konnten daher die Burg nicht 
vollitändig belagern. Auf den Rat der Seinen jandte Heinrich öfter 
Abgeordnete an die Fürſten der Sachſen, bot den Frieden an und 
verſprach alles zu tun, was jie in Goslar verlangt hatten. Während 
die Sachſen glaubten, Heinrich jchließe Frieden mit ihnen, nahm er 
mehrere jeiner Bertrauten mit fich, ſchickte das Gepäd durch den Wald, 
dazu die Reichskleinodien und einen Teil jeines Schages und verlieh 
heimlich das Schloß. Gin Jäger, der auf jeinen Jagden das 
weite Waldgebiet gut fennen gelernt hatte, ging als Führer voran, 
immer auf engen Pfaden, die auch die Sadjjen nicht alle kannten. 
überall jpähten die Fliehenden nad) Schwertern und Spießen der 
Sadjen und wenn das geringite Geräujch gehört wurde, griffen fte 
zu den Schwertern, weil fie glaubten, die Sachjen jeien da. Drei 
Tage wanderten jie jo über Stod und Stein, ohne viel Nahrung, 
von den Nachtwachen und Märjchen jehr ermüdet. Am 4. Tage 
endlich erreichten fie Eſchwege in Thüringen, wo fie fich mit Spetje 
und Tranf erquidten und Schlaf fanden. Schon am folgenden Tage, 
am 13. Auguft, als das Kriegsvolf dem Könige zahlreicher zujtrömte, 
begab fich der Hof nach Hersfeld in Helfen, wo er vier Tage verweilte 
um ein Heer gegen die Polen zu jammeln. 

Die Sadjjen aber blieben, als fie die Flucht des Königs ver: 
nahmen, daheim und eroberten und zerjtörten die Burgen. 


Heinrichs IV. Kampf gegen die Sadjjen 1075. 


Die Sachſen eroberten nad) Heinrichs Abzug die Harzburg, ſie 
verbrannten die Kirchen und jchändeten die Gräber; ja fie jcheuten ſich 
nicht ein Grab zu entheiligen, indem ein Söhnlein Heinrichs IV. 
begraben lag. Dafür ſprach der Erzbilchof von Mainz den Bann 
über ſie aus. Heinrich hatte im Jahre 1075 das PBfingitfelt in Worms 

efeiert. In der guten Jahreszeit jammelte er ein großes Heer der 
en Schwaben, Bayern und lagerte bei Beringe zwijchen 
Eiſenach und Langenſalza. Schon hatten fie alle Zelte aufgejchlagen 
und gönnten den müden Bliedern und ihren Roſſen von der Hitze 
der Sahreszeit Erholung. Da Itürzte plößlich Hero Rudolf von 
Schwaben in das Zelt des Königs und meldete: „Die Sachſen ind 
nur noch eine kurze Strede entfernt und figen beim Mahle und beim 
Becher und treiben allerhand Kurzweil. Entweder willen jie von 
unjerer Nähe nichts oder achten fie uns gering!” Raſch gab Heinrich 
Befehl zum Aufbruch. Das Heer machte fich marjchbereti und jchnell 
ging es dem Lager der Sachſen entgegen. Die Sachſen dachten nicht 
daran, daß der König ſchon an dielem Tage gegen fie vorgehen 
werde und waren unbejorgt. Da jahen fie, wie Staubwolfen den 


15* 


— MD — 


Himmel verduntelten und wie hinter dieſen ein ftolzes Heer die 
weite Ebene bejegte. Unverzüglich ertönte durchs Lager der Sachſen 
gewaltiger Streitruf, alle griffen zu den Waffen und eilten vor 
das Lager, das mit Wall und Tor umgeben war. Es war gerade 
Mittag und jehr heiß. Schon kämpften beide Heere drei Stunden, 
da wandten ſich das jchwäbilche und das bayerijche Kriegsvolf zur 
Flucht und auch die andern dachten jchon an den Verluſt der Schlacht. 

Heinrich aber ließ von der einen Seite den Grafen Hermann 
von Glizberg, von der andern die Babenberger vorrüden. Nun 
waren die Sachſen von drei Seiten bedrängt und ihre Reihen gerieten 
auseinander. Gie riljen daher ihre Roſſe herum und jprengten nad) 
allen Seiten davon. Unterdejjen brach die Nacht herein. Daher 
gerieten viele, die fich cuf der Flucht irrten, in die Hände Heinrichs, 
andere ftürzten in die nahe Unftrut, wieder andere übergaben fich 
lieber dem Wellen des Flujfes als dem Morditahl ihrer Feinde. 
Auch zwei Fürften der Sachſen brachten die Krieger vor Heinrich. 
Die Entflohenen aber gaben jeufzend ihre Zuftimmung zur Unter: 
werfung und beichlojfen noch in der Nacht Heinri um Gnade 


YEStFarAKAtH 


Limburger Steinmetz-Zeichen 


anzuflehen. Am andern Tage hielt der König auf freiem Felde 
Gericht nicht weit von Spier bei Sondershauſen. Seine Ritter 
ſtanden in prächtiger Rüſtung und mit glänzenden Waffen vor dem 
Stuhle und dem Zelte, wo er ſaß. Es war eine glänzende Ver— 
ſammlung. Nun aber kamen der Reihe nad) die Fürſten Sachſens 
und Thüringens herein in den Ring, den Heinrichs Heer bildete. 
Dann erjchienen auch die freien Bauern, die durch Gejchlecht und 
Vermögen hervorragten. Alle unterwarfen ſich dem Könige ohne 
Ausnahme. Der übergab fie Mann für Dann an jeine Fürlten zum 
Gewahrjam. Eine gemeinjame Beratung jollte nad” des 
Königs Wort über fie enticheiden. Heinrich hielt aber jein Wort 
nicht, jondern führte die Gefangenen nad) Gallien, Schwaben, Bayern, 
Italien und Burgund. Die Zehen befamen jeine treuen Bajallen, 
die ihm den Sieg erringen halfen. Die Burg Hajenberg bei Nord: 
haujen, die die Sachſen zeritört hatten, ftellte er her und legte eine 
Beſatzung aus jeinem SHeere hinein, damit fi) die Sachſen nicht 
mehr empörten. 
(Nach Zambert von Hersfeld: Jahrbücher). 


— 2 — 


Heinrid IV. und Papſt Gregor VII. 


Im Jahre 1076 feierte König Heinrich das MWeihnachtsfeft zu 
Goslar. Dahin hatte er alle Fürjten des Reiches bejchieden; denn 
die Sachſen wollten ſich hier dem Könige übergeben und der 
wünjchte den Rat der Fürften. Aber nur der Herzog von Böhmen 
und einige Grafen ftellten fi) ein. Bon Rom aber fam der 
Gejandte des Papites Gregor, der verfündigte dem Könige, als er 
um Reichstage im Saale (ab, er möge fich am zweiten Tage der zweiten 

oche in der Faltenzeit auf der Kirchenverfammlung zu Rom 
einfinden, denn es jeien ihm jchwere Vergehen vorgeworfen, von denen 
er fich reinigen müſſe; fomme er aber nicht, jo treffe ihn der Bann 
des Papſtes. Gogleich wies Heinrich die Boten des Papftes zurüd 
und befahl allen jeinen Bilchöfen und Äbten auf den Sonntag 
Septuagelimä nah Worms zu kommen. Am beftimmten Tage 
erjchienen auf Befehl des Königs alle deutjchen Bilchöfe in Worms, 
auch der König war da. Bon Rom kam ein Kardinal, Hugo der 
Meike, den der Papſt abgejett hatte. Der trat in der Pfalz des 
Bilchofs, wo fich alle verjammelten, zuerft gegen den Papſt Er und 
erzählte böje Gejchichten, die aber nicht wahr waren. Sie wurden 
gerne von allen geglaubt und die 
deutihen Bilchöfe Ichrieben einen 
Brief an den PBapit, er jolle das 
Papſttum niederlegen. Auch Heinrich 
ließ einen Brief verabfaljen, in dem 
er den Papit abjegte. Darinnen heiitt WE 
es: (Selbjt an dasrömilche Volt hatte Er > 
Heinrich geſchrieben) „I befehle dir, Limburger Münzen 
daß du herabiteigejt von dem Stuhle 
der Stadt, deren Schugherrichaft mir durch Gottes Babe und den 
Schwur der Römer zutommt”. ch Heinrich, König von Gottes 
Gnaden rufe dir mit allen meinen Bilchöfen zu: „Steige herab, 
jteige herab!” 

Bilhof Huzmann von Speyer und Burkhart von Bajel nahmen 
die Briefe und brachten Sie nad) Italien. Voraus eilende Boten 
des Königs hatten bereits zur Kirchenverfammlung der Italiener 
nad) Biacenza eingeladen. Dort lajen die beiden deutjchen Bilchöfe 
ihre Schreiben vor; aud) die Italiener fündigten dem Papſte mer 
den alle nur noch Hildebrand (jein Mönchsname) nannten. Nach 
Rom waren 110 Bilchöfe aus Mittel: und Süditalien, aus Frankreich 
und vgl gefommen, aus Deutichland und der Lombardei feine. 
In der Kirche des Lateran kamen fie — dicht ſtanden die 
Mönche und Prieſter in dem weiten Raume. Auch die Kaiſerin 
Agnes, die in Rom wohnte, war zugegen, als die Geſandten ihres 
Sohnes eintraten, der Geiſtliche Roland und ein königlicher Ritter. 
Kaum war die Synode eröffnet, jo traten auch die beiden ein, 








22 — 


gingen auf den Papſt, der auf jeinem Throne ſaß, zu und Roland 
rief: „Der König und unjere Bilchöfe gebieten dir von dem Stuhle 
des Petrus zu fteigen, den du nicht nad) dem Recht, jondern durch 
Raub erlangt haft.“ Dann wandte er fi) an die um den Bapit 
jigenden Kardinäle und ſprach: „An kommenden Pfingiten wird der 
König jelbit hierher fommen und einen andern Papſt beitimmen; 
denn diejer ilt fein Papſt jondern ein reißender Wolf“. Ein furdt: 
barer Sturm brad) in der BerJammlung los. Der Bilchof Johann 
von Porto rief: „Ergreift ihn!” Der Präfekt Cencius von Rom und 
alle in der Kirche, die Waffen trugen, jtürzten auf die Gejandten los 
und Roland wäre jicher mit jeinem Begleiter getötet worden; aber 
der Papſt jelbjt entriß ihn den Wütenden und bededte ihn mit jeinem 
Körper. — — Am andern Tage famen alle wieder in derjelben 
Kirche zulammen und hier wurden die deutichen Bilchöfe abgejegt 
und vom hl. Abendmahl ausgeſchloſſen. Kommen fie bis 1. Auguſt 
nicht nad Rom um Buße zu tun, jo würden fie ihr Amt ganz 
verlieren. Den König aber tat Gregor in den Bann und mit ihm 
den Erzbiichof Siegfried von Mainz, Biſchof Wilhelm von Utrecht 
und Bilchof Rurtbert von Bamberg, alle Biſchöfe waren damit ein: 
verjtanden. Heinrich) war nun abgejegt, fein Eid brauchte ihm von 
jeinen LZehensleuten gehalten zu werden. In einem Gebete an den 
Apoſtel Petrus verkündete der Papſt den Bannſpruch. Er ließ die 
Gejandten des Königs in einen Kerker werfen, dann aber heraus 
holen und unter dem Gejpötte der Römer graujam foltern und zur 
Beluitigung des Volkes durch die Stadt führen. — 

Der Bannſpruch des Papſtes kam nach Deutſchland; die Sachſen 
jubelten. Sie vertrieben die Bla und Beamten Heinrichs, brachen 
die Burgen. Die Bilchöfe fielen nach und nach von ihm ab. Da 
famen die deutjchen Fürften in Tribur zujammen. Heinrich war 
von Worms nad) Oppenheim geeilt, um näher bei den Fürſten zu 
ſein. Die aber erklärten ihn für abgelegt, wenn er fich nicht nad) 
Jahr und Tag vom Banne löje. Die Fürjten bejtimmten jchließlich, 
wie fich Heinrich bis zu feiner Losſprechung vom Banne verhalten 
ſolle und fie wiejen ihn nach jeiner getreuen Stadt Speyer. Dahin 
begab er ſich denn auch jofort mit jeiner getreuen Gemahlin Bertha, 
die jet im Dome dajelbit ruht. Bilchof Dietrich von Verdun jchloß 
ich allein von allen dem Geächteten an; dann aber wählten 
die Fürften jelbit die Hofleute und Diener aus, die den König be: 
gleiten jollten. Seine Räte mußte Heinrich wegjchiden, auch den 
treuen Biſchof von Utrecht. Er durfte feine Reichsgejchäfte führen, 
aljo feine Lehen verteilen, fein Gericht halten, feine Fürſten zur 
Verantwortung ziehen, er durfte an den hohen Feſttagen nicht wie 
jeit alter Zeit mit Zöniglicher Pracht, angetan mit den Infignien 
des Reiches, zur Kirche. Ohne jeine Räte und ‘Freunde nur mit 
den wenig Begleitern erjchien Heinrich in Speyer. Niemand empfing 
ihn beim Einzug in die Stadt, till erreichte er die Kaijerpfalz hinter 


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dem Dome, wo er wie ein Gefangener lebte. Niemand bejuchte ihn, 
den herrlichen Dom, den er und feine Ahnen aus eigenen Mitteln 
entitehen ließen, durfte er nicht betreten. 

Nicht lange darnad) kamen die Gejandten der deutjchen Fürjten 
nah) Rom und luden den Papit zum Reichstage nah) Augsburg 
ein, wohin diejer zu kommen verjprah. Davon hörte Heinrid). 
Bald erichien daher auch Erzbijchof Udo von Trier mit einem Briefe 
des Königs an Gregor. Die Gejandten der Fürſten waren noch 
beim Papſte, als das Schreiben verlejen wurde, nad) welchem fich 
Heinrich unterwerfen wolle. Dennoch veriprad) er den Fürſten 
nochmals nach Augsburg zu fommen. Sofort trat er die Reije an, 





Siegel Raifer Konrads II. 


trogdem Heinrich einen zweiten Boten jandte. In Speyer wurde 
Heinrich von jeinen Feinden bewacht, damit er nicht nach Rom 
gelange, dennoch war er eines Tages verjchwunden. Jedenfalls 
hatte er ſich auf ſeine Feſte Kejtenburg begeben und von da, mitten 
im Winter mit jeiner Gemahlin und Ani Söhnlein Konrad einige 
Tage vor Weihnachten, begleitet von jeinem treueften Diener nad) 
Süden. Das Weihnachtsfejt feierten die Flüchtigen zu Bejancon, 
wo jie bei einem Better von Heinrichs Mutter freundlichjt Aufnahme 
fanden. Die Feinde des Königs: Herzog Rudolf von Schwaben, 
Wolf von Bayern und Graf Berthold ließen durch ihre Leute alle 


— — 


guten Alpenpäſſe über den Brenner, über den St. Gotthard und 
über den St. —— genau bewachen, damit Heinrich ja nicht 
nach Rom komme. Der Biſchof Ruppert von Bamberg, der über 
den Brenner wollte, wurde daſelbſt — en und erft im Augult 
des folgenden Jahres freigegeben. ietrich von Verdun, der 
jeinem föniglichen Herrn folgte, — —— genommen. 

Schon in Beſancon ſammelten ſich um Heinrich viel treue 
Grafen und Ritter, ein ſtattlicher Zug ging nach Genf und von da 
in das Gebiet feiner Schwiegermutter, die ihm mit ihrem Sohne 
ehrenvoll entgegenfam. Heinrich aber wollte allein mit Weib und 
Kind über die Alpen. Er wählte den Mont Cenis-Paß, aber große 
Schneemajjen bededten das hohe Gebirge und bittere Kälte herrjchte 
jeit November. Rhein, Rhöne und Po waren jo feit zugefroren, 
daß den Winter über Roß und Wagen über die Flüjje gingen. 
Die Straße war völlig eingeichneit, Landleute brachen ihrem Könige 
Bahn, aber als er oben auf der Paßhöhe anlangte, jtand er vor 
einem jpiegelglatten Weg ins Tal. Heinrich und feine Führer frochen 
auf Händen und Füßen, dann wieder ergriff der König die Schultern 
der Führer, ja manchmal vollten fie die teilen Hänge hinab. Die 
Königin mit ihrem Söhnlein und ihren Dienerinnen jeßten fie auf 
Rinderhäute und jchleppten fie hinab. Ihren Pferden banden fie 
die Füße zujammen um fie abwärts zu jchleppen, aber die meijten 
verendeten durch Sturz. Endlich famen fie ins Tal nad) Suſa. 
Als die Italiener hörten, daß Heinrich erjchienen jei, jtrömten Bilchöfe, 
Grafen, Hauptleute und Ritter herbei. Sie hofften er werde gegen 
Gregor ziehen und auch ihnen wieder zu Amt und Würde verhelfen. 
Heinrich aber ſprach: „Sch bin nicht gefommen den Papſt anzugreifen, 
jondern mit ihm über den Bann zu unterhandeln, jo wünjchen es 
es die deutjchen Fürjten“. Unterdejjen war Papſt Gregor bei der 
Markgräſin Mathilde von Toskana auf der Burg Canoſſa angelangt 
um von da nach Augsburg zu fommen. Daher eilte Heinrich mit 
jeiner Schwiegermutter, mit jeinem Schwager Amadus und einigen 
andern Getreuen dahin. Weithin jchimmerte die jtolze Feſte in die 
ſchneebedeckte lombardiſche Landſchaft. Ein dreifacher Mauerring 
umgab ſie, die auf ſo ſteilen Felſen ſtand, daß ſie damals für unein⸗ 
nehmbar galt. Ein ſtolzes Schloß, eine Kirche und ein geräumiges 
Kloſter lagen innerhalb der Mauern. Schon hatten einige deutſche 
Bilchöfe die Gnade des Papites gefunden und waren wieder in die 
Kirche aufgenommen worden. Als Heinrich am Fuße der Burg 
anlangte, ließ er die Marfgräfin und den Abt Hugo von Clun 
jich fommen. Er bat fie, jie möchten beim Papſte ein gutes Wort 
ihn einlegen, damit diejer ihn vom Banne losipreche. Heinrichs 
Begleiter gingen hierauf zur Feſte; fie baten den Papſt fußfällig für 
ihren Herrn, doch der war andern Sinnes, da er den deutjchen Fürjten 
verjprochen hatte, nach Augsburg zu fommen. Am 25. Januar 1077 
erichien daher Heinrich mit gebannten Bilchöfen in härenem Büßer: 


— 5 — 


tleid vor dem Tore und bat um Einlaß. Niemand jedoch durfte 
öffnen. Am folgenden Morgen ſtand Heinrich wieder vor der Pforte 
und bat unter Tränen den Papſt um Einlaß, niemand kam. Die 
Burgbewohner und ihre Bäjte fielen vor Gregor nieder, jie nannten 
ihn barthergig, einen rohen und graujamen Tyrannen (jo erzählte 
er jelbjt). Der ni blieb unerbittli. Da entſchloß ſich Heinrich 
Ganojja zu verlafjen. Jetzt erſt gab der Papſt nach und Heinrich 
ſchloß mit ihm einen Bertrag, den die anwejenden Herren bejchworen. 
Heinrich wurde vor Gregor gelajjen. Die Tore öffneten fi) und 
mit den andern Bebannten trat Heinrich in die Burg. Bald jtanden 
fie vor Gregor und warfen ſich ihm unter Tränen zu Füßen. Alle 
im Saale weinten laut, auch Gregor weinte. Heinrich befannte nach 
firchlicher Vorſchrift feine Schuld, die andern taten desgleichen, dann 
ſprach er jie vom Banne los und nahm fie und die Ihrigen wieder 
in die Gemeinjchaft der Kirche u Er hob jeden einzelnen auf 
und führte jie nach der Burgfirche. Ein feierliches Dankgebet eröffnete 
den Gottesdienjt, worauf er Heinrich zuerſt und dann alle 
auf die Lippen küßte und jelbit die Meſſe hielt. Zulegt nahm 





Limburger Klofter-Brunnen 


der Papſt die Hoftie, brach fie in zwei Teile und gab dem fnieenden 
Heinrich einen davon. Nach der Meſſe ſetzten ſich alle zum Mahle 
an der Tafel der Marfgräfin; als fie gegejien hatten, nahm Heinrich 
Abſchied vom Papſte und verſprach, getreu jein Wort zu halten und 
nicht mehr gegen ihn zu jein. Dann empfing er noch einmal den. 


— 26 — 


Segen und z0g ab. Heinrich vergaß die Tage von Ganolja in 
jeinem Leben nie. 

Heinrich hatte jeinen Schwager Amadus und den Markgrafen 
Azzo von Eſte vorausgejandt, als er nad) Neggio zog; aber die 
Lombarden hatten jich jehr geärgert, daß Heinrich dem Papite nachgab. 
Als er daher in Reggio Gericht hielt und durch jeine Grafen in 
anderen Städten halten ließ und Geld als Steuer für die Krone ver: 
langte, murrten die taliener. Heinrich wollte die lombardijchen 
Bilhöfe mit dem Papſte verjöhnen; aber davon wollten fie nichts 
willen. Als daher Heinrich von Reggio abzog, waren nur nod 
wenig Zeute bei ihm. Niemand fam zum Empfang vor die Städte, 
meilt mußte der König in den Vorjtädten übernachten. Er gelangte 
glücklich nad) Deutjchland, den Rhein hinab über Speyer nad) Worms 
teilte er nad) 2 und die treuen Rheinjtädte bildeten jofort ein 
Heer, das fi) in Mainz Jammelte. Es waren die Rheinfaufleute 
und Handwerker, die fi um ihren König harten, der mit ihnen 
an den Nedar gegen die Fürſten 309. 


Der Streit um die Krone. 


Die Fürften hatten troß der Ausſöhnung mit dem Papſte einen 
neuen König gewählt, Herzog Rudolf von Schwaben. 30 Fahre 
lang wütete ein Bürgerkrieg in Deutjchland. Der neue König fam 
auch nach Mainz und wurde daſelbſt vom Erzbilchof Siegfried am 
26. März 1077 gekrönt. Aber Rudolf fühlte fich nicht ficher; denn 
die Mainzer erhoben fich, rüdten vor die Pfalz, in der der König 
mit den Seinen ſich aufhielt. Schon floß Blut und die Städter 
wollten die Pfalz in Brand ſtecken, als der Erzbijchof verſprach mit 
dem Könige zu fliehen. Sie wandten ſich nah) Worms; aber die 
Wormſer riefen Dienjtleute des Königs, die auf jeinen Gütern in 
der Nähe genug waren, zu Hilfe und Rudolf mußte nad) Schwaben 
entweicheit. 

Im Jahre 1080 trafen fich die SHeere beider Könige zum 
dritten Male. Heinrich verlor auch diefe Schlacht (an der Eliter. 
Es war am 15. Dftober. Die Sachſen, jeine jchlimmiten Gegner, 
hatten nur wenig Fußvolk. Da aber die Pferde der Ritter jehr 
ermüdet waren, jo ftellten fich diefe an die Geite der Bauern. 
Die Bilchöfe auf Seite Rudolfs jtimmten den Geſang an: „Gott 
itehet in der Gemeine Gottes und ijt Nichter unter den Göttern. 
Wie lange wollt ihr unrecht richten und die Perjon des Gottlojen 
vorziehen?” In geichlojjenen Reihen rüdten fie einander näher, da 
famen fie an einen tiefen Sumpf, der heute Wiejen bildet (bei 
Möljen). Da feine Furt dahin führte, ertönten Schimpfworte von 
beiden Seiten und Herausforderungen zum Rampfe. Endlich zogen 
die Sachſen nad) dem Ende des Sumpfes, Heinrich folgte und bei 
Hohen-Mölſen fam es zum Kampfe. Schon glaubte Heinrich an 


— 227 — 


den Sieg ſeiner Waffen, auch die Biſchöfe ſtimmten den Lob— 
geſang an. Aber man brachte den toten Grafen Rapoto von Vohburg 
ins Lager hinter der Linie und die Träger riefen feige: Fliehet, 
fliehet! Da trat der Sachſenherzog Otto von Nordheim auf Heinrichs 
Scharen und trieb ſie auseinander. Die Lothringer hatten ſchon 
den Sieg mit dem Giegesliede gefeiert, als fi Dtto gegen fie wandte 
und in die Eljter drängte. Sie fanden den Tod in den Wellen und 
jelbjt wer fich ans andere Ufer rettete, mußte lein Pferd den Feinden 
überlajjen. Auch Heinrich war mit wenig Neitern über den Fluß 
entlommen; jein Qager mit Geld, Gold» und Silbergeräten, Pferden, 
Waffen, Feltgewändern fiel in die Hände der Sachſen. Als aber 
Dtto von Nordheim in das eigene Lager fam, lag der König Rudolf 
mit zwei ſchweren Wunden darnieder; denn die rechte Hand hatte ihın 
Herzog Gottfried von Lothringen abgehauen. Der Blutverluft des 
Königs war zu ſtark und bald ging er jeinem Ende entgegen. Als man 
dem Sterbenden die abgehauene Rechte zeigte, rief er wehmütig: 
„Das iſt die Rechte, mit der ich meinem Könige einit die 
Treue gejhworen”. Das Bolt aber jagte nod) lange: „Es war 
ein Gericht Gottes“. Heinrich fam zum zweiten Male in den Bann; 
aber auch der Bapit mußte vor dem Kaiſer fliehen (1085) und in 
der Berbannung jterben. Ein neuer Gegenfönig, Graf Hermann von 
Salm trat bald wieder zurüd; erjt als die eigenen Söhne Heinrichs 
gegen den Bater fämpften, da.brach der tapfere Vater zujammen. 


Kaiſer Heinrich und die Mainzer. 
I. 


Raijer Heinrich IV. war im Herbite des Jahres 1105 in Böhmen; 
aber niemand wußte etwas von ihm. Sein Sohn Heinrich, der König, 
der im Jahre 1098 auf dem Reichstage zu Mainz dem Bater ge: 
Ihworen hatte, nie jein Xeben und jeine Freiheit zu bedrohen, hatte 
lich mit den Fürſten gegen den Vater verbündet. Nur die Städte 
am Rhein blieben dem alten Kailer treu. Da zog König Heinrich, 
der Sohn mit einem Heere vor Speyer, das der faijerliche Durggra! 
öffnete, obwohl er dem Kaijer den Treueid gejchworen hat. Dort 
fand er in der Pfalz Hinter dem Dome die Schäte jeines Vaters. 
Nur die Mainzer blieben Heinrich IV. treu. Sie jchrieben ihrem 
faijerliden Herrn einen Brief: Die Feinde haben auf Michaelis 
(29. Sept.) eine Heerfahrt gegen unjere Stadt angejagt. Wir bitten 
dich daher um deinen Beiltand, weil wir ſonſt die Belagerung nicht 
aushalten können. Wir bitten dich ferner nicht den Mut zu verlieren 
und melden dir, daß wir dir getreu jein werden. Verzage nicht, 
wenn deine Anhänger nicht jo viele find, als du wünfieht Mir 
wollen uns einander trölten, du an uns und wir an dir“. Denn 


MB — 


alle Nachbarſtädte zu beiden Seiten des Rheins haben mit uns ge— 
Ihworen, treu bei dir auszuharren. Es wurden ihrer, Reiſige und 
Fußvolk bei zwanzigtaujfend gezählt. Wenn uns Gott den Gieg 
verleiht, jo wirft du in Zukunft um jo fefter auf deinem Throne 
figen, wir aber werden unangefochten bei unjerm Rechte bleiben.“ 
Die en. griffen Mainz nicht an; der Kaiſer aber fam jchon Ende 
Ditober in die treue Stadt und als er dieje verließ, 309 der ungetreue 
Sohn bald darauf ein. Der alte — wurde hierauf von ſeinem 
—— gefangen genommen und mußte am 31. Dezember 1105 
abdanken. 


Heinrich IV. zu Böckelheim. 


Burg Böckelheim an der Nahe war einſt im Beſitz der Herzöge 
von Franken. Hier ſaß der jüngere Konrad, der im Jahre 1024 
auf dem Maifelde zu Camba bei Mainz König der Deutſchen werden 
ſollte aber ſeinem älteren Vetter dem Herzoge Konrad dem Alteren 
nachſtehen mußte. Auch Kaiſer Heinrich IV. zählte die Feſte zu 
ſeinen vielen Gütern im Nahegau, ſchenkte ſie aber dem Biſchof 
Gebhard von Speyer. Hierhin ließ Heinrich V. den gefangenen Vater 
ſetzen und bewachen. Es war Winter, als der ſchwergeprüfte König 
und Kaiſer, verlaſſen von allen, vom eigenen Kinde verfolgt und 
gefangen in Bingen war. Am Freitag vor Weihnachten, am 
22. Dezember, als der Kaiſer ſich mit ſeinem Sohne unterredete, 
wurde er der Freiheit beraubt und nach Böckelheim geſchleppt. Nur 
drei Diener hatte ihm der harte Sohn gelaſſen, kein Freund, kein 
Rat durfte ihm helfend zur Seite ſtehen, niemand ihn ya 
Gebhard, der Biſchof von Speyer übernahm das Amt eines Kerfer: 
meilters. Heinrich durfte fich nicht baden, nicht den Bart abnehmen 
lajjen, ja man quälte ihn mit Hunger und Durft, die Leute Geb: 
hards jchwächten und bedrohten ihn. Ein trauriges Weihnachtsfeit 
brad) an und Heinrich ne „Obſchon das hochheilige Kind allen 
zur Grlöjung geboren iſt, iſt es mir allein nicht geboren“. Geine 
treue Gemahlin Bertha dedte ja längſt der jchwere Stein in der 
KRaijergruft zu Speyer. Niemand hatte Mitgefühl mit dem armen 
Gefangenen, als das Töchterlein des Burgvogts mit Namen Hilde: 
gard. Gie nahm die Weihnachtsgabe, die ihr Vater und Mutter 
in der warmen Kemenate auf den Tiich gelegt hatten, nicht an, 
wenn fie diejelben nicht dem gefangenen Kaijer bringen durfte. Das 
lei ihre einzige Feltfreude, meinte jie. Da ſchloſſen ihr die Knechte die 
\hwere Eichentür von Heinrichs Gemach auf und mit einem kerzen— 
geſchmückten Tannenzweig und mit Honigkuchen trat fie zu dem 
befümmerten Herrn, der gerade vom Schlummer erwacdte und 
brachte ihm die kleinen Gaben. Er jegnete das Kind und freute 
fi) der Geſchenke, die die legte Freude Feines Lebens bilden jollten. 


u DO 


Unterdejjen hielt Heinrich V. ein glänzendes Weihnachtsfeſt als 
veuticher König in Mainz. 52 Fürjten umgaben ihn, darunter die 
Staufer Friedrich und Korcab, die MWelfen aus Bayern und der 
Markgraf von Zähringen. Am 27. Dezember erjchien der Bilchof 


Klofter Limburg vom „Käppel“ aus gejehen. 





Gebhard, der Kerfermeilter des Kaiſers vor der Reichsverſammlung 
und meldete, daß Heinrich bereit jei, abzudanfen, wenn ihm die 
TFürften die Freiheit und einige Güter zum Genujje gäben. Darüber 
waren alle froh. Sofort ritt im Namen des Königs der Graf 


— 230 — 


MWiprecht nach Böckelheim und verlangte die Infignien des Reiches: 
die Krone, das Szepter, das Kreuz, die heilige Lanze und das 
Reichsſchwert. MWiprecht drohte, die Befangenichaft dürfe nicht eher 
endigen, als bis die Auslieferung gejchehen jei. Heinrich gab daher 
feinen Getreuen den Befehl, alle Kleinode dem Sohne auszuliefern. 
Hierauf fam Heinrich nach Ingelheim: weinend empfahl er jeinen 
Sohn und das Reich den deutjichen Fürſten und wünjchte dem neuen 
König Glück zur Herrihaft. Dann zogen fie alle ohne Heinrich IV. 
nah Mainz zurüd. Hierher famen am 5. Januar 1106 die Hüter 
der Reichskleinode; nur zögernd gaben fie diejelben dem Erzbilchofe 
von Mainz, der fie in feierlicdem Zuge vor den König bringen lieh, 
um den die Fürjten gerade verjammelt waren. Er ſprach: „Sollteit 
du nicht als gerechter Regent des Reiches und Schußvogt der Kirchen 
Gottes dich zeigen, jo wird es dir wie deinem Vater ergehen“. — 
SHeimlich aber oh Heinrich IV. von jeinen Getreuen, unterjtügt aus 
Ingelheim und den Rhein hinab nad Köln. Die Kölner jubelten 
ihm zu und wollten ihn mit faijerlichen Ehren empfangen; er aber 
lehnte dies demütig ab. 


Heinrih IV. Tod 1106. 


Heinrich, der nach Lüttich weiter geflohen war, rüjtete dort 
zu einem großen Kriege gegen den Sohn. Da jtarb er. Noch auf 
dem Sterbebette jandte er Triedensboten an den Papit und an 
jeinen Sohn. Leßterem ließ er jein Schwert und jeinen Ring über: 
bringen und befahl den Boten, den Sohn zu bitten doch ja milde 
gegen die Männer zu verfahren, welche dem Water bis zum Tode 
getreu waren. Auch wünjchte er an der Geite jeiner Vorfahren im 
Speyerer Dom, den er ja vollendet hatte, Jeine legte Ruheſtätte zu 
finden. Troßdem er zum zweiten Male im Banne war, gab ihm 
der treue Bilchof Burkfhart von Münſter das hl. Abendmahl und 
lanft entichlummerte er am 7. Auguſt 1106. Es war der Tag, wo 
Heinrich) vor 28 Jahren, auch an einem Dienstage jeinen Gegen: 
könig Rudolf bei Melrichitadt in Franken gejchlagen hatte. Bilchof 
Burkhard von Miüniter und der faijerlihe Kämmerer Erfenbold 
brachten jofort Schwert und Ring nad) Machen, wo König Heinrich 
weilte. Aber der Sohn weinte nicht, ja manche der Seinen jubelten 
über den Tod des Kailers. Anders jah es in Lüttich aus. Dort 
trauerten nicht nur der Herzog Heinrich von Niederlothringen und 
der Bilchof von Lüttich, jondern das ganze Volk weinte. Borläufig 
beitatteten die Lütticher die Leiche vor dem Marienaltare ihres 
Domes. Als aber das die Bilchöfe, die beim Könige in Wachen 
waren, vernahmen, gerieten fie in großen Zorn. Der Erzbilchof 
Heinrich von Magdeburg ſprach jogar im Namen des Papſtes das 
Interdift über den Dom aus, in dem die Leiche des Gebannten ruhte. 


— 3 — 


Der Bilhof und jeine Geiltlichen jollten nicht eher wieder in den 
Schoß der Kirche aufgenommen werden, bis die Leiche ausgegraben 
jei. Otbert und jeine Genoſſen unterwarfen fich jchnell und ließen 
die Leiche aus dem Dome jchaffen. 

Am 15. Auguft wurde fie in aller Stille nad) einer ungeweihten 
Kapelle auf dem Korneliusberge auf dem rechten Ufer der Maas, 
eine halbe Meile von Lüttich gejchafft und ohne Sang und Klang 
eingejharrt. Ein fremder Mönch, der von einer Pilgerreije nad 

Jeruſalem zurüd: 
fehrte und gerade in 
der Gegend ver: 
weilte, jang neun 
Tage lang in der 
Kapelle die Sterbe: 
plalmen. Unterdejjen 
famen die Bejandten 
des Königs und ver: 
langten in dejjen 
Namen den toten 
Kaiſer. Da brachten 
die Kütticher in einem 
großen Zuge die 
Leiche wieder in ihre 
Stadt. Arme Prieiter 
Jangen die altüblichen 
Totengejänge und 
taujende umitanden 
den Sarg des ge: 
liebten Herrn, viele 
berührten ihn und 
glaubten dadurch be= 
jonderen Segen zu 
empfangen. Andere 
wieder legten Saat: 
förner auf den Sarg | | 

und erhofften über: a ET 

reiche Fruchtbarkeit. Reſte des Klofters Seebad) b. Dürkheim. 
Die Erde aber, in 

welcher der Kaijer ruhte, grub man aus und jtreute fie über die 
der. Niemand wollte den toten Kaijer hergeben und beinahe wäre 
es zum Kampfe zwilchen den Gejandten des Königs und den 
Lüttichern gefommen. König Heinrich ließ einen jteinernen Sarg 
anfertigen und den Vater Eireinlesen: Erkenbold der faijerliche 
Kämmerer begleitete jeinen Herrn auf diejem letten Wege. Denn 
nun ging es von Wachen an den Rhein und hinauf nad) Speyer, 
wo fie am 3. September 1106 anfamen. Die Geiitlichen und 





— — 


das Volk zogen ihrem toten Herrn in feierlicher Prozeſſion entgegen, 
führten die Leiche durch die Stadt zum Dome, wo ſie gleich neben 
dem Vater beſtattet wurde. Aber Biſchof Gebhard, ein alter Feind 
des toten Kaiſers war gegen dieſes Begräbnis und belegte den Dom 
mit dem Interdikt, ſo daß forthin kein Gottesdienſt mehr in ihm 
gehalten werden ſollte. Abermals wurde der tote Kaiſer ſeiner Ruhe 
entriſſen und in die St. Afrakapelle aufgebahrt, wo er in ungeweihter 
Erde ruhte. Die Bürger von Speyer waren dem Biſchofe darob 
ſehr gram; aber faſt fünf Jahre dauerte es bis Heinrich im Dome, 
den er ſo herrlich vollenden und ausſchmücken ließ, die ewige 
Ruhe fand. 


Kaiſer Heinrich V. und die Speyerer 1111. 


Im Jahre 1111 war Kaiſer Heinrich in Italien. Da er mit 
dem Papſte Frieden ſchloß, ließ er ſeinen Vater vom Banne los— 
Iprechen. Als daher Heinrich) im Sommer nad) Deutjchland kam, 
fonnte er die Leiche jeines Baters in geweihter Erde beitatten. Er 
lud die Fürjten und Bilchöfe feines Reiches zu einem Neichstage nach 
Speyer, zu dem fie in großer Zahl famen: Der Erzbijchof Friedrich 
von Köln, der Erzbilhof Kuno von Trier, Bilchof Kuno von Speyer, 
Kuno von Straßburg, Ulrich von Konitanz, Otto von Bamberg, 
Burkhard von Münjter, Hermann von Augsburg, Herzog Friedrich 
von Schwaben, der Neffe Kaiſer Heinrichs V, Heinrichs des IV. 
Enkel, Graf Gottfried von Kalw und viele andere Grafen und 
ritterliche Herren. In feierlihem Zuge trugen die Fürften den Sarg 
mit der Leiche aus der St. Afrafapelle, die Heinrich IV. jelbit erbaut 
hatte, in den Chor des Münjters und jentten fie dort unter den alt= 
üblichen Totengebeten in die Gruft rechts vom Vater. Dort ruht 
fie heute noch. Bei diejer eier war die ganze Stadt im Dome, 
jeder Bürger trug ein Licht in der Hand, als der Leichnam nad) 
fünfjähriger Wartezeit in die Gruft hinabgejentt wurde. An 
demjelben Tage aber jchenkte Kaijer Heinrich der Stadt Speyer die 
Freiheit. Als die Leichenfeier herum war, an der die Speyerer 
jo rührend Anteil genommen hatten, begab ſich der Kailer wieder 
in den Palaſt am Dome. Hier las der Kanzler eine Urkunde vor, 
unter der das faijerliche Siegel hing, und neben welches alle Fürjten 
und Bilchöfe ihre Siegel angefügt hatten. In dem Briefe ſtand, 
daß alle Einwohner von Speyer von Buteil frei jeien. Wenn 
bisher ein Bürger ftarb, jo gehörte das Vermögen desjelben nicht 
ganz jeinen Kindern oder andern Erben, jondern der Herr des 
Bürgers erhielt einen großen Teil, das war der Biſchof. Niemand 
durfte den Bürgern fernerhin das beite Stüd Vieh, Hausgeräte 
oder Kleid wegnehmen, wenn fie jtarben, fie waren aljo nicht 
mehr Hörige jondern Freie. Die Bürger brauchten aber aud) feinen 


— 3 — 


Zoll und keine Steuern an andere zu bezahlen; alle Abgaben flojjen 
in die Stadtlaffe. Wer ein Jahr ‘und einen Tag in der Gtadt 
wohnte, fonnte von niemand mehr in jeinem Beſitze gejtört werden. 
Die Bürger wählten jeit dem alten Jahre am Dreifönigstage 
(6. Januar) zwölf 
Männer, die mit 
dem Vogte des 
Bilhofs die Stadt 
regierten. Zum 
ewigen Gedächtnis 
ließ Kaiſer Heinric) 
fein Bild in der 
Borhalle des Domes 
anbringen und im 
roßen Halbfreis 
ohe Kupferbuch⸗ 
ſtaben in die Wand 
ſetzen, die allen 
Speyerern, wenn ſie 
zur Kirche gingen, 
ihre Freiheit ver— 
kündigten. Zum 
Danke hiefür er— 
ſchienen ſie am 
Jahrestage des Be: 
gräbnijjes mit 
großen brennenden 
Kerzen in den 
Händen im Dome 
und mu: der 
Meſſe bei. Die 
Armen erhielten an 
diejem Tage aus 
jedem Hauje in 
Speyer ein Stüd 
Brot. Jahrhunderte 
lang dauerte die 
ſchöne Sitte. 


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Die Freiheiten der Speyerer. 


Seit dem Jahre 1111 war es Sitte in Speyer, daß die Frei— 
— der Stadt jedes Jahr verleſen wurden. Am Montage nach 
Rittfaften kamen die Ratsherren im Kloſter der Barfüßer zuſammen, 
die Bürgermeiſter laſen die alte Urkunde vor, die Kaiſer — V. 


16 


— — 


und alle ſeine Nachkommen beſtätigt hatten. Auch die Worte der 
zweiten Urkunde kamen zu den andern, die im Paradies des 
Domes über dem Eingang mit vergoldeten Kupferbuchſtaben an— 
gebracht waren. Sie lauteten auf deutſch, alſo: Zum Gedächtnis 
unſerer Vorfahren und wegen der ſtandhaften Treue der Bürger, 
die ſie uns erwieſen haben, wollen wir ſie vor andern Städten 
erhöhen. Daher ſind wir entſchloſſen, ihr Recht mit unſerer kaiſerlichen 
Gewalt und mit dem Rate der Fürſten zu befeſtigen. Wir 
befreien daher die Bürger von allem Zoll, den fie in der Stadt 
geben mußten. Wir erlajjen ihnen den Bannpfennig (Straf: 
elder für böje Taten), ven Shoßpfennig (Grundfteuer) und den 
effer, den man ihnen von ihren Schiffen abgenommen hat. 
(Steuer für Schiffer.) Wir wollen auch, daß feiner unjerer Bürger 
gesungen werde, außerhalb der Stadt des Vogtes Gericht zu Juchen. 
on den Bütern, die die Bürger außerhalb der Stadt haben, es 
leiten liegende oder fahrende, darf feine Schatzung (Steuer) ge: 
hoben werden. Kein Amtmann und fein Bote eines Herrn darf 
den Brotbädern oder den Mebgern oder ſonſt jemand wider ihren 
Millen den Hausrat nehmen. Kein Amtmann joll in der Stadt 
Bannwein (Wein, den die Bürger kaufen mußten) verkaufen, 
fein Schiff eines Bürgers fann ohne den Willen jeines Befiters zu 
Herrendienſt verwendet werden. Bon feinem Bürger, der jein 
eigenes Gut in jeinem eigenen oder in einem gepachteten Schiffe 
führt, fann etwas genommeu werden. Die Obrigfeit von Speyer 
ſoll auch nicht die Münze verjchlechtern oder verändern, es gejchehe 
dann, wenn fie vorher mit den Bürgern beraten hätten. Im ganzen 
Bistum Speyer und in allen Städten des Weiches, die dem 
Kaiſer gehören, darf niemand einen Zoll von ihnen abfordern. 
Mer aber einen Hof oder eine Behaufung Jahr und Tag ohne 
MWiderrede befigt, der ilt niemand Rede und Antwort jchuldig. 
Streitigfeiten in der Stadt fommen nicht mehr vor das bijchöfliche 
Gericht jondern vor die Obrigkeit der Stadt. 


Der erite Kreuzzug. 
Die Kirhenverjammlung zu GClermont 1095. 


Die Araber hatten im Fahre 637 den Chriſten das heilige 
Land entriljen, aber fie ftörten die Pilger, die in Jeruſalem am 
Grabe des Herrn, in der Grotte zu Bethlehem und an anderen 
Drten beten wollten, nicht, bis ihre Herrichaft ein Ende fand. Zur 
Zeit Heinrichs IV. im Jahre 1070 wurde das heilige Land von 
den Seldjichuden, einem wilden Türkenſtamme erobert und die Araber 
vertrieben. Seitdem wurde nicht nur den Pilgern jchwerer Zins ab: 
gefordert, wenn fie in der Kirche des heiligen Grabes beteten, jondern 


—. SE 


die Heiligtümer wurden von den türkiſchen Wächtern entweiht und die 
Andächtigen verhöhnt. Als der Patriarch (Erzbijchof) von en 
eines Tages am Altare der Kirche des hl. Grabes die Meſſe Iejen 
wollte, da ergriffen ihn die Türken und jchleiften ihn an den Haaren 
weg. Es ift faum glaublich, weldhe Qualen, welches Unglüd, 
und weldhe Drangjale über die Chrilten Jeruſalems kamen, fie 
wurden wie Sklaven geachtet, weil fie nicht an die Lehre Muhameds 
glaubten. Sie jchrieben deshalb an den Papſt in Rom, daß er fie 
befreien möge, auch der oſtrömiſche Kaijer richtete wegen der 
Türken Briefe an den Bapit, er jet zu jchwach und der Bapit möge 
daher das ganze Abendland zum Kampfe auffordern. Ja, er ver: 
ſprach denen, die durch jein Gebiet ziehen wollten, gleichviel ob zu 
Waſſer oder zu Land, Lebensmittel und Waffen zu liefern 
und ihnen die Wege zu zeigen. Der Mönch Peter von Amiens 
eilte mit den Briefen nach Italien um fie dem Papſte Urban, der 
gerade auf der Kirchenverfammlung in Piacenza weilte, zu über: 
reichen. Is die flehentlicde Bitte der morgenländilchen Chriſten 
unter den verjammelten Bilchöfen und AÄbten befannt wurde, jagte 
jeder, daß den Bedrängten geholfen werden müjje und alle waren 
mit dem Papſte einverftanden, daß er eine allgemeine Kirchen: 
verjammlung nad) Glermont in Südfrankreich ausichrieb, wo man 
die Not der Hilfefuchenden abjtellen ſollte. Der Papſt jelbjt durchzog 
einen großen Teil Frankreichs und lud zur Verſammlung ein. 
Daher famen denn nad) Clermont in der Auvergne 13 Erzbilchöfe, 
80 Bilhöfe und 90 Äbte. Die Menge der Mönche, Briefter und 
Ritter war nicht zu zählen, jedoch aus Deutjchland waren nur wenige 
erjchienen, weil Kaiſer Heinrich IV. und jeine Anhänger zum zweiten 

al im Banne und daher von jeder Kirchengemeinjchaft aus: 
geichlojfen waren. Jeden Tag hielt der Papſt Sigungen mit den 
Biihöfen ab um das Wohl der Kirche zu fördern und acht Tage 
war man jchon beilammen und immer noch famen neue Scharen nad) 
Glermont, da jedermann wußte, daß der Papſt nun gegen die Türken 
predigen werde. Am 9. Situngstage, am 26. November drängten 
ſich jo viel Leute in die Kirche, jodaß der Raum zu Hein war. 
Alle zogen daher hinaus vor die Stadt auf einen weiten Platz, wo 
man rajch eine hölzerne Tribüne errichtete, auf der der ah mit 
den Erzbilchöfen und Bilchöfen Pla nahm. Die weite Ebene war 
von Prieftern, Mönchen, Nittern und Bauern angefüllt. Da erhob 
ih Bapit Urban und gab mit der Hand das Zeichen, daß er reden 
wolle. Als eine tiefe Stille eintrat, rief er mit weithinjchallender 
Stimme: 

„Ihr wiljet, geliebteite Brüder, wie das gelobte Land durch 
die Sündhaftigkeit der Bewohner in die Hände der Ungläubigen 
gefallen ijt, damit es gezüchtigt, nicht aber, daß es gänzlich ver: 
worfen werde. Dieje Wiege des Heils wird von den Heiden in 
Knechtichaft gehalten. Schon ſeit Jahrhunderten lajtet darauf das Joch 


16* 


or BB 


des Sarazenenvoltes. Das Volk Gottes ift erniedrigt und erduldet 
Unwürdiges, die Stadt Gottes zahlet Zins. Der a aus 
welchem der Herr die Käufer und Verkäufer austrieb, ift eine 
Mohnung des Teufels geworden. Die Kirche der Auferftehung, die 
Ruheſtätte des Heilandes, muß den Frevel derer dulden, die * 
Teil haben an dem ewigen Leben, ſondern beſtimmt ſind dem 
hölliſchen Feuer. Die geweihten Stätten ſind Viehſtälle geworden, 
die Kinder der Frommen werden von ihren Eltern geriſſen und 
müſſen Gott läſtern oder wenn ſie im Glauben beharren, den Mär— 
tyrertod ſterben. Die Gottloſen achten weder Ort noch Stand; im 
Heiligtum werden Prieſter gemordet. — Gott, wirſt du denn ewig 
zürnen? Nein, der Herr wird die Leiden enden nach ſeiner Barm— 
herzigkeit. Aber wehe uns, daß wir ſtille ſitzen und ruhig zuſchauen 
den Miſſetaten und der Schmach der Stadt Gottes. Darum auf 
meine Geliebteſten, bewaffnet euch! Ein jeglicher umgürte 
ſeine Lenden mit dem Schwerte, zu helfen unſeren Brüdern; denn 
beſſer iſt ſterben im Kampfe für unſer Volk, als länger die Greuel 
dulden. Wer den Eifer des Herrn in ſich fühlet, der ſchließe ſich 
uns an. Laſſet uns ausziehen und der Herr wird mit uns 
ſein. Im Namen des barmherzigen Gottes und der Apoſtel Petrus 
und Paulus verkündigen wir allen, ſo die Waffen gegen die Un— 
läubigen ergreifen, vollkommenen Ablaß ihrer Sünden und denen, 
h im heiligen Lande fallen werden, verheißen wir den Lohn des 
ewigen Lebens; jeder Streiter des Herrn ilt ein wahrer Sohn 
der Kirche und niemand darf ihn an Leib oder But fränfen 
oder er wird dem Banne verfallen.“ — 
rs es war die MWirfung Ddiejer Rede auf die ver: 
jammelte Menge. Es war, als hätte der Herr ſelbſt geredet. 
Denn kaum hatte der Papft geendet, jo erjcholl es wie aus einem 
Munde: „Gott will es! Gott will es!” Geiltlihe und Weltliche 
jtimmten ein, jeder wollte dem Papſte jelbft jein Gelübde ablegen 
und von ihm das Kreuz erhalten. Als der Papft allen Streitern 
Sündenvergebung verhieß, warfen fie fich zur Erde nieder und der 
Kardinal Gregor ſprach für fie das Gündenbefenntnis. Darauf 
erteilte der Papſt Abjolution und Segen und entließ alle zur Heimat, 
damit fie fi zum Kampfe rüfteten. Zuerjt trat Ademar, Bilchof 
von Puy vor den Papit, Iniete nieder und bat um das Zeichen des 
Kreuzes. Papſt Urban nahm ein kleines rotes Kreuz von Leinen 
und heftete es dem Bilchof auf die rechte Schulter, ihm folgten die 
anderen Bilchöfe und die Menge der Ritter und Herren. Gegen 
100000 Männer aus Süd: und Nordfranfreich, aus England, Schott- 
land, Irland, Spanien, Niederlanden, Lothringen und Rheinland 
ließen fich jo vom Papfte und den Geijtlichen das Kreuz anheften. 
och zwei Tage blieb der Papſt mit den Bilchöfen in Clermont 
um den Kreuzzug vorzubereiten. Dann zog er noch in viele andere 
Städte und predigte auch da den Krieg gegen die Ungläubigen. 


- 7 — 


Peter von Amiens und Emich von Leiningen. 


Der Mönch Peter von Amiens, der jchon einmal in 
Jeruſalem war, fam im Jahre 1096 an den Rhein. Er ſaß auf 
einem Ejel in langem, härenem Gewande, fein Bart reichte bis zum 
Strid, mit dem die Lenden umgürtet waren. So zog er in die Dörfer, 
wo er predigte und obwohl viele jeine Sprache nicht veritanden, jo 
folgten ihm doch Bauern, Handwerker, Kriegsfnechte, Mönche, Prieiter, 
Meiber und Kinder, Sie waren alle jchlecht bewaffnet und hatten 
wenig Geld und Lebensmittel. Auf Oftern war Beter in Köln und 
predigte dort, nad Oſtern zog er den Rhein herauf, durch Ditfranfen 
und Bayern die Donau hinab. Die Deutjchen ließen die Kreuzfahrer 
ruhig ziehen und nur wenige jchlojjen ſich ihnen an; auch durch 
Ungarn famen jie glüdlich und jchon im Sommer 1096 erreichte der 
Zug, der ohne Ordnung war, Konitantinopel. Auch in unjerer 
rheiniichen Pfalz regten fich Leute, die einen Kreuzzug unternehmen 
wollten. Der Ritter, Graf Emi von Leiningen, Gaugraf 
vom Mormsgau, Jammelte bei Mainz, Worms und Speyer viele 
pfälziiche Ritter, Bauern und Handwerker, zu ihnen gejellten ich 
Niederländer und Briten, die den Rhein heraufgepilgert famen. 
Schon in Trier und in Köln verfolgten fie die Juden, die fie ohne 
jedes Mitleid niederjtachen und ihrer Schäße beraubten. 

Am 27. Mai 1096 kamen Emichs Scharen na Mainz- 
900 Juden flüchteten mit ihren Schäßen in den Vorhof der bijchöf: 
lihen Pfalz. Sie glaubten, der Erzbiſchof werde fie bejchügen, weil 
er fi) ihre Schäße geben lief. Bald aber öffnete er den Hof den 
wütenden Kreuzfahrern, die fich unter dem Rufe: Gott will es, Gott 
will es! auf die wehrlojen Juden jtürzten. Alle verloren Gut und 
Reben, die reichen Schäße aber behielt der Erzbilchof für fich und 
teilte davon unter jeine Verwandten aus. Haufen, die aus den mehr 
jüdlichen Gegenden von Worms und Speyer famen, hatten auch da 
die Juden verfolgt. Wenn dieje fich nicht Jofort taufen ließen, 
wurden fie mit dem Rufe: Gott will es! niedergemadt. Wohl hatte 
der Kaiſer in jeinem rer für Worms auf die Ermordung 
eines Juden die Strafe der Blendung und des Ubhauens der 
Hände gejett, aber danach fragte jet niemand und auch in Worms 
wurden die, welche in den Hof des Bilchofes flüchteten, verfolgt 
und getötet. 

Emich 309 mit jeiner wilden Schar das Maintal aufwärts, 
überall die Juden verfolgend. Dann drangen fie jüdlich vom Fichtel— 
gebirge in Böhmen ein, wo fich in Prag die Schreden der Juden: 
verfolgung wiederholten. Mit ihren reichen Schäßen gelangten dieje 
Kreuzfahrer nad) Ungarn. 

Schon vor Emichs Ankunft in Ungarn hatte König Koloman 
zwei ähnliche Scharen vernichtet, weshalb Emich dem Könige, der 
ihn aufhalten wollte, Rache ſchwor; ja weil diejer Pilger verfolgt hatte, 


— 288 — 


ſo wollte man ſein Reich ſchon verteilen. Da zog der König ſelbſt 
Emich entgegen, beſetzte die Myßburg an der Grenze und wehrte ſich 
ſechs Wochen lang gegen die Anſtürmer. Da ein neuer Sturm 
auf des Königs Felte umjonft war und Emichs Scharen immer 
mehr zujammenjchmolz, warfen fie fich eines Tages in eilige Flucht. 
Viele Kann wieder in ihre rheiniiche Heimat, ohne Jeruſalem je 
ejehen zu haben. Auch Emich entlam durd die Schnelligkeit jeines 
ferdes, während von jeinem Heere jelbft nur eine fleine Zahl 
onftantinopel erreichte. Er kehrte mit wenig Getreuen heim und 
waltete wieder von feiner Burg Alt-Leiningen aus die Geſchicke des 
MWormsgaues. Als legter diejer Wormsgaugrafen ilt er der 
befannteite des berühmten Gejchlechtes der Leininger Grafen, die iu 
der Zeit Karls des Großen im Wormsgau regiert hatten. Gie 
waren Richter auf den uralten Gerichtsitühlen von Aljenborn 
(Stumpfwald oder Stamp), auf dem Stahlbühl bei Wachenheim 
an der Pfrimm, mo jie nad) alter deutjcher Sitte unter freiem 
Himmel Recht jprachen. 


Der Kreuzzug 1096 - 1099. 


König Philipp von Frankreich und Kaiſer Heinrich IV. lagen 

im Banne, als die ganze Chriftenheit vom Kreuzzuge ſprach. Daher 
hatte der Papſt Urban jchon in Clermont den deutichen Herzog 
Gottfried von Bouillon, den Grafen Robert von Flandern, Raimund, 
den Brafen von Toulouje und Hugo, den Bruder des franzöfiichen 
Königs zu Führern beftimmt. Sie alle hatten in Elermont mit dem 
Bilhof von Puy das Kreuz genommen und wie ein Lauffeuer 
war die Aufforderung des Baplies in alle Länder gedrungen. Gott: 
fried mußte viele Burgen verpfänden um Geld zum Zuge zu erhalten, 
ebenjo taten es fein Bruder Euftachius und viele Ritter. Aus 
Lothringen, aljo auch aus den NRheingegenden jammelten fich große 
Scharen, zu denen Franzojen und Niederländer ftießen. Da fie alle 
mit Geld und Nahrungsmitteln wohl verjehen waren, zogen fie in 
guter Ordnung durch Franken den Rhein hinauf, durch Bayern dem 
ungarilchen Reiche zu. Der KRaijer hatte Gottfried, der ihm ein treuer 
Bundesgenofje gegen die Feinde war, gerne durd das Reich ziehen 
laſſen. Die, welche zu Hauje blieben, warteten jeden Abend auf das 
Glodenzeihen vom Kirchturm, dann ſanken fie auf die Knie und 
beteten zu Gott um den Sieg der chrijtlichen Waffen. Als Gott: 
fried an die ungarijche Grenze gelangte, Jagten ihm die voraus= 
geichicten Boten, daß der König ihm und jeinen geordneten Scharen 
den Durchzug gerne geitatte. Auch durch Bulgarien famen fie nun 
— in das griechiſche Reich und erreichten ohne Verluſte bald 
onſtantinopel. Dorthin war auch Peter von Amiens mit dem Reſte 
der Seinen aus Kleinaſien zurückgekehrt. Hunger und Durſt, die 


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heiße Sonne und die Pfeile der Türken hatten fie bald zujammen: 
geihmolzen. Bei Konjtantinopel jammelten ſich die Kreuzfahrer; 
dorthin famen auch die Italiener und Franzojen. Um Oftern 1097 
waren alle Fürjten und ihre Heere vereinigt; viele waren jchon über 
die Meerenge nad) Kleinafien gejchifft, wo fie warteten. Der 
griechiſche Kailer Alexius verſprach den Kreuzfahrern Hilfe mit 
jeinem Heere und Lebensmittel, wenn fie ihm den Lehenseid 
leifteten.. Alle jhwuren den Lehenseid und veriprachen das Land, 
das jie erobern würden, als Lehen des Railers zu betrachten. 
Außer den Weibern und Kindern, die dem Zuge gefolgt waren, 
waren es 300000 Bewaffnete, die nah Kleinafien überjegten. 
Feder Fürſt führte noch feine Schar. Der erite Gegner, der fich 
ihnen entgegenjtellte, war der türkijche Sultan von Iconium, ii 
Stadt Nicäa erobert wurde. Hierauf litt das Kriegsvolf in den 
heißen und trodenen Gegenden Kleinaſiens furchtbar an Hunger und 
Durft. Die Ritter verſchmachteten in ihren feiten Panzern und mit 
ihren ſchweren Waffen, die fie nicht ablegen durften, weil bejtändige 
Überfälle drohten. So famen die einzelnen Scharen von Antiochien 
in Syrien, das belagert wurde. 9 Monate lagen die Chriften davor, 
jodaß der feuchte ungejunde Winter Krieger und Pferde dahinraffte 
und faum noch 100 gute Pferde vorhanden waren, weil auch der 
Kaijer von Konjtantinopel weder Hilfe noch Lebensmittel hatte. 
Im Frühlinge endlich famen Kaufleute von Genua und brachten 
Waffen, Kleider und Lebensmittel. Nun ging es friſch an die Arbeit. 
Neue Belagerungstürme entitanden, neue Wurfmajchinen jchleuderten 
Steine, Feuerbrände und Pechkränze in die Stadt, als eines Tages 
ein Armenier zu Herzog Bohemund fam und verjpradh die Tore 
aufzujchließen. Wirklich öffnete er in der Nacht vom 3. auf den 
4. —* 1098 die Tore der Stadt und die Chriſten drangen ein. 
Am nächſten Morgen folgte das Heer und die Muhamedaner flohen 
auf die Burg in die Stadt zurück, während die wütenden Chriſten 
alle Ungläubigen töteten, die fie erreichen fonnten. Da rüdte ein 
neues Heer der Türken 500000 Mann ſtark gegen Antiochien und 
umjchloß die Stadt, in der fich viele Chriften der Ruhe erfreut 
hatten. Ein Mönch Peter fand auf wunderbare Weile die Lanze, 
mit der (der Erzählung nach) der Heiland am Kreuze durchbohrt 
worden und mit ihr zogen die Chrilten unter Anführung Bohemunds 
gegen den viel ftärferen Feind, der gejchlagen wurde, worauf Bohe: 
mund Antiochien und Umgebung als Fürjtentum erhielt. 

Am 29. Mai 1099 fam das Kreuzheer nad) Gäjarea, aljo an 
die Grenze des heiligen Landes und feierten das Pfingſtfeſt. Dann 
ging es auf der Heerjtraße nad) Süden. Am 6. Juni erreichten fie 
den Flecken Emmaus und nur noch ein Hügel trennte fie vom An— 
bliefe der Stadt. Da konnten fie fich nicht mehr halten; alle Qualen 
des mühjeligen Zuges, alle die Trauer um die vielen Toten, die 
Hunger, Krankheit und Feind weggenommen, waren vergejjen. 


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Terujalem wollten fie jehen. So ftürmen fie noch den Hügel hinan, 
als es in den Tälern drunten Dämmerte. Bald war die Höhe er: 
reicht, von der ihnen im Abendrotgolde die flachen Dächer der Stadt 
entgegenglänzten. Da leuchtete die Omarmojchee die an Stelle des 
Tempels ſtand, weit in die dürre Landichaft. Dort jahen fie die jtolze 
Kuppel der Kirche des heiligen Grabes. Gott will es, Gott will es! 
ericholl es hinüber zu der Bergitadt. Auf die Knie ſanken alle, die 
fühnen Ritter ver fen Freudenkränen, Zobgejänge ertönten feierlich 
in die abendliche Zandichaft. — Aber die Türken wußten wohl, daß 
das Ziel der Chriften Jeruſalem jei, weshalb fie 40000 Mann in 
die Feſte gelegt und Lebensmittel genug aufgejpeichert hatten, 
während die Kreuzfahrer nur noch 20000 Mann jtarf waren und 
feine Hilfsmittel bejaßen. Ringsum war das Land von den Türken 
verwültet worden, fein Baum jpendete Schatten, fein Dorf war be- 
wohnt, die Brunnen aber verfiecht und die heißen Sonnenitrahlen 
des Sommers wirkten noch jchlimmer als die Pfeile der Türken. . 
Dennoch jchlugen fie das Lager auf. Ohne Majchinen und ohne 
Sturmleitern wollten fie die Stadt erftürmen, weil ein Mönd) ver: 
fündigt hatte, die Stadtmauern würden einfallen, wie einjt die 
Mauern von Jericho. Doch die Chriften wurden beim erjten An: 
griff zurüdgeichlagen und jchon war die Gefahr für fie groß. Da 
landeten abermals Schiffe aus Genua und brachten Brot, Wein, 
Arbeitsgeräte und Handwerker, aber es fehlte am nötigen Holze für 
Belagerungstürme. In einer der vielen Feljengrotten der Gegend 
fanden endlich juchende Nitter große Haufen guter Balken, die die 
Ägypter früher einmal zum Berennen der Stadt verwendet, |päter 
aber verjtect hatten, auch ein eingeborener Chrift, erjchien eines Tages 
und zeigte ihnen jüdlich von Bethlehem ein Wäldchen, das ſchöne 
Stämme barg. Nun ging es rüftig an die Arbeit, indem gefangene 
Sarazenen, die von Rittern bewacht wurden, dies Holz hieben, es 
auf Kameele luden und vor die Stadt ins Lager der Chriſten 
brachten. Die italienijhen Werkmeiſter bauten fleikig Majchinen 
und Türme und jchon in wenigen Tagen waren deren genug fertig, 
jodaß der Angriff beginnen konnte. Das ganze Pilgerheer, Männer, 
Frauen Kinder, voran Herzog Gottfried und jeine Brüder, zog auf 
den Rat eines Mönches mit Fahnen um die Stadt, fiel nieder 
und bat Gott um den — ſtand dann wieder auf und wan— 
delte barfuß um die ganze Mauer. Droben auf den Zinnen aber 
ſchmähten die Muhamedaner mit Hohnreden die Chriſten, andere 
ſchoſſen Pfeile in die große Prozeſſion. — Andern Tages, Mitte Juli 
begann der Sturm gegen die Stadt aufs neue. Pfeile und Pechkränze 
fielen zu tauſenden auf die Türme der Belagerer, die ſich immer 
näher an die Mauer ſchoben, viele gerieten in Brand, während an 
andern die Tierhäute dicht mit Pfeilen beſpickt waren. Da gelang es 
dem Herzog Gottfried jeinen Turm jo nahe an die Mauer zu bringen, 
daß er die Fallbrücke niederlajjen konnte; gejagt, getan. Raſch war 


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er auf der Mauer, feine Leute ihm nad) und vor Schreden flohen 
die Türken. Unterdejjen hatten die Franzoſen von ihrem Lager aus 
den Graben vor der Mauer mil Steinen angefüllt, raſch waren 
Leitern da und hinüber ftürmten auch hier die Chrijten. „Bott will es, 
Gott will es“ (Deus lo volt) erjcholl es durch die engen Straßen, 
in denen die Türken niedergemacht wurden, wenn fie nicht flohen. 
Droben auf dem Berge, wo einſt Salomons Tempel ftand und jeßt 
die Mojchee Omars fich erhebt, jammelten fie ſich zu taujenden, als 
als fie der Racheſtahl der Chrilten traf. Die Schäße der Stadt 
fielen ebenfalls in rijtlihde Hände. Nur Gottfried Hatte ſich dem 
Müten der Seinen ferngehalten, ohne jie hemmen zu können. Nach 
dem Gemegel reinigten die Kreuzfahrer Waffen und Kleider von 
Blut, mit Büßerhemden angetan und Barfuß zogen fie in langer 
Prozeſſion zum heiligen Grabe und legten ihre Schäße nieder, 
dankten Gott unter heißen Tränen für den wunderbaren Gieg. 

Am 23. Juli traten die Fürften, die das Kreuzheer geführt 
hatten, zu einer Beratung zulammen. Hier han ſie ein eigenes 
Königreich Jerujalem zu errichten und baten Gottfried, er möge 
die Krone annehmen, weil er auf dem ganzen Zuge nicht nad) 
Ländern und Schäßen gejtrebt, auch das Blutvergießen in Jeruſalem 
nicht haben wollte und der tapferfte in der Schar der Fürjten war. 
Als man aber die Bitte vorbradhte, ſprach er: „Ich will feine 
Königstrone um meine Stirne legen, wo man den Herrn mit Dornen 
here hat. Gerne aber übernehme ich die Sorge um die Herrichaft”. 

ottfried blieb in erujalem, von deſſen Türmen bald das Banner 
leines Haujes wehte. Seinen NRittern aber gab er Lehen in der 
weiten Umgebung von Serujalem um ſtets Hilfe gegen den a. 
zur Hand zu haben; aber jchon einige Wochen nad) jeiner Wahl 
rüdte ein — des Kalifen gegen die Stadt. Obwohl ſchon viele 
Chriſten wieder heimgezogen waren, wagte es Gottfried mit ſeiner 
geringen Schar dem gewaltigen Feinde entgegenzuziehen, über den 
er bei Askalon einen herrlichen Sieg erfochte. Nun aber wandten 
ſich die meiſten Fürſten heimwärts und die glücklich das Vaterland 
wieder ſahen, erzählten den Daheimgebliebenen die Geſchichte und 
von den Wundern des Morgenlandes. Gottfried fonnte das heiße 
Klima des Landes nicht lange ertragen, jo daß er ſchon im Jahre 1100 
itarb und von jeinen Vajallen in der Kirche des heiligen Grabes 
begraben wurde, worauf jein Bruder Balduin mit Genehmigung des 
Papſtes König von Jerujalem wurde. 


Bayeriiche Kreuzfahrer 1100. 


Auch Kaifer Heinrich IV. hatte daran gedacht, das Kreuz zu 
nehmen; aber ſein Streit mit dem Bapite, jein Kampf gegen die 
Söhne und die Fürften ließ ihn nicht dazu kommen. Als aber die 


————— 


erſten Pilger die Donau heraufkamen und allenthalben von der 
wunderbaren Befreiung Jeruſalems erzählten, da regte es ſich auch 
in Bayern. Der alte Bayernherzog Welf ſammelte bei Regens— 
burg eine große Schar feiner Ritter, die das Kreuz nahmen um 
den Brüdern im heiligen Lande Hilfe zu bringen. Die Bilchöfe 
Thiemo von Salzburg, Ulrih von ai ei Abt Gijelbert von 
Admunt, Burggraf Heinrich von Regensburg, Graf Friedrich von 
Bogen, die Grafen Bernhard und Edehard von Scheiern, da, 
die Mutter des Markgrafen Quitpold von Öfterreich und viele Frauen 
und Kinder begleiteten den Zug der Neiligen, deren Weg durch 
Ungarn und Bulgarien ging. Als aber das Heer die Grenze des 
oltrömilchen Reiches überjchritt, erjchien ein griechilches Heer, das 
der Kaiſer Alexius entjandt hatte und 20 Tage lang den Bayern 
folgte. Alle Burgen und Städte blieben verjchlojfen und jelbjt nach 
Konitantinopel hinein ließ man das Heer nicht, nur die VBornehmen 
durften die Stadt betreten, unterdejjen das Volk weit vor derielben 
ein Lager erhielt, wo ihm die Dftrömer Lebensmittel überbradten. 
Hier erwarteten die Deutjchen ein franzöfilches Heer, das der Herzog 
Wilhelm von Aquitanien führte. Nach fünfzehn Tagen brach das 
vereinigte Kreuzheer auf; 100000 Mann waren bereit in das heilige 
Land zu dringen und den Chriſten dort zu helfen. Der Kailer 
Alexius aber ließ das Heer nicht eher über die Straße von Kon: 
ftantinopel, bis die Führer den Lehenseid gejchworen hatten. Da 
ein longobardilches Heer von 50000 Dann faft jpurlos in Kleinaften 
verjhwunden war, jo traute niemand den Führern, die der Kailer 
mitgab. Biele mieteten deshalb Schiffe und fuhren nad) Joppe, 
während die Hauptmalje den Landweg einjchlug, wobei 300 Krieger 
des Alexius als Wegweiler dienten. Die Gegend wurde öder und 
die Sonne brannte heißer, als 4000 leichtberittene Seldichuden auf 
dem ganzen Wege die Deutichen belältigten. Wenn aber die jchwer: 
fälligen Ritter ihre Waffen zogen, waren die fühnen Weiter bald 
wieder verjchwunden und jandten aus der Ferne Pfeile auf die 
wehrlojen Pilger. Am Fluſſe Halys, da wo die Straße durchführt, 
Itand ein ſtarkes Geldjchucenheer um den Übergang zu hindern. 
Hunger und Durjt hatten die Chrilten jo ermattet, daß gar feine 
Schlacht zuftande fam, jondern daß fie auseinander toben und ent: 
weder Tannen wurden oder in der Gegend umfamen. Nur 1000 
erreichten das Meer bei Rhodus und Paphos, einige wenige Joppe, 
ermattet, abgemagert und jo elend, daß ſie meiltens ftarben. Hier 
Itarben die Grafen Friedrich von Bogen, Bernhard von Scheiern 
und Heinrich von Regensburg, ebenjo der Abt Gijelbert von Admunt, 
deren Leiber in Jeruſalem beitattet wurden. Herzog Welf fam 
totfranf nad) Jerulalem und als er die heiligen Stätten bejucht und 
dajelbjt gebetet hatte, 309g er heimwärts, jtarb jedoch zu Paphos auf 
Cypern am 8. November 1101. Nur der Bilchof von Paſſau jah 
glüdlich die Heimat wieder. 


Der Streit um die jaliihen Güter. 


Die Melfen und die Hohenjtaufen 1125-1152. 


Die Hohenftaufen und ihre Lehensmänner in der Pfalz. 


Als Heinrich V. 1116 nad) Rom zog, jeßte er feinen Neffen 
Friedrich Herzog von Schwaben zum WReichsverwejer ein. Diejer 
Herzog empfing die jaliichen Güter, die fortan beim hohenitaufijchen 
Haufe blieben. Friedrich erbaute zahlreiche Burgen und brachte 
aus Schwaben ritterliche Dienjtmänner an den Rhein, die er mit 
ſolchen Gütern belohnte. Giner diejer Dienjtmänner hieß Werner 
von Bonlanden, der am Fuße des Donnersberges, wo jeine Lehen 
lagen, um das Jahr 1120 eine Burg Bonlanden erbaute, die aber 
heute bis auf wenige Weite — verſchwunden iſt. In der Nähe 
erhob ſich ſpäter die Burg Neu-Bolanden. Jener Werner empfing 
von den geiſtlichen und weltlichen Fürſten ſeiner Zeit zahlreiche 
Lehen, jodaß er reicher war als mancher Graf jeiner Zeit. Von 
feinen Reichtümern machte er einen guten Gebrauch, indem er in der 
fruchtbaren Gegend zu Ehren U. 8. %. eine Zelle für Nuguftiner: 
Chorherren jtiftete und unter die Aufficht des Erzbilchofs von Mainz 
itellte, während er jelbit weltlicher Schußherr oder Kaftenvogt des 
neuen Kloſters blieb. Die Mönche führten in der jtillen Einjamteit 
des Waldes, den fie zu roden begannen, ein maus Mönchsleben, 
weshalb fie jchon 1164 nad) dem in einer Waldwildnis gelgenen 
Klojter Rodenkirchen zogen, das Werner II. von Bolanden 1160 
für Nonnen hatte erbauen lajjen. Noch heute jteht der Speilejaal 
mit feinen herrlichen romanijchen Gewölben, über dejjen Pforte mar 
noch lieft: Hanc domum fecerunt Wernerus et Guoda, d. h. diejes 
Haus erbauten Werner und Guta (jeine Gemahlin). In der Um: 
rahmung über der Tür lieft man den Spruch: Sedibus his panenı 
carni, verbum dabis auri; deliciis verbi sacius quam pano cibaris 
der auf deujch Iautete: Speile wird hier dem Leib, der Seele das 
Wort geboten, Süßer nähret das Wort, als es die Speile vermag. 
In diejem Speijejaale (Refektorium) jtand bis vor wenig Jahren 
noch eine hübjche Steintanzel, wo die Mönche ihren Brüdern, wenn 
te an den Tiſchen jaßen, predigten oder vorlajen. Kaiſer Friedrich 1. 


— 96 — 


bejaß in der Gegend viele Güter, 3. B. bei Kirchheimbolanden, von 
denen er Felder, Wiejen und Waldungen dem nunmehrigen Nonnen: 
tlofter Hagena oder Hane jchentte. 

Werner II. 1134—1198 war einer der reichiten Ritter jeiner 
Zeit. Er bejaß Lehen vom Kaijer, feinem Sohne Heinrich II., vom 
Herzog Welf von Toscana, von den Erzbilhöfen von Mainz, Köln, 
Trier, von den Bilhöfen von Met, Toul, Worms, Speyer, jogar 
vom Erzbiſchof zu Lüttid, von 7 Klöftern, vom Pfalzgraf Konrad 
bei Rhein, vom Herzog Berthold von Zähringen, von 17 Grafen, 
darunter den Rheingrafen und den Grafen von Beldenz, von zwei 
Nittern. Er hatte als Lehensleute und Wfterlehensleute 23 Ritter, 
viele von ihnen gaben ihre Güter Werner und empfingen fie dann 
als Zehen aus dejjen Hand, weil fie Werner als Lehensherr zu 
Ichügen hatte und weil fie mit ihm an Friedrichs Seite über die 
Alpen nad Weljchland er Auf feinen Burgen Bolanden, 
Erfenftein, Neuenburg, Weinsheim (Helfen), Ddernheim (Heſſen), 
Geisbodesheim (Helen), Stauf bei Göllheim hatte er zahlreiche 
Burgmannen, die für den Dienjt auf der Burg Güter zu Lehen 
erhielten. So dienten ihm Hunderte, jo daß nach den Pfalzgrafen 
alſo Werner Il. der mächtigite Herr unjeres Landes war. Daher 
vertraute ihm Friedrich I. den Schuß der Stadt Worms an, deren 
faijerlicher Burggraf fich nicht mehr um die Bürger fümmerte. — 

Als König Lothar am 13. September 1125 in Aachen gefrönt 
war, fuhr er den Rhein hinauf über Worms nach Regensburg, wo 
ein Reichstag ftattfand. Hier bejchloffen die Fürſten, daß den beiden 
Schwabenherzogen Friedrich und Konrad von SHohenitaufen das 
Land der rheinfräntiichen Kaiſer, aljo namentlich die Güter in der 
Pfalz abgenommen werden jollten. Lothars mädhtigfter Bundes: 
genojje war der Welfenherzog Heinrich der Stolze von Bayern, 
der des Kaiſers Tochter, jein einziges Kind zur Gemahlin hatte. 
Bon nun an tobte zwilchen beiden Parteien: den Hohenitaufen (oder 
den Waiblingern) und den Welfen ein mehr als hundertjähriger 
Kampf. Auf Seite der beiden Hohenitaufen jtanden auch die freien 
Städte Nürnberg, Speyer und Ulm. Im Jahre 1128 rüdte Lothar 
deshalb mit einem ſtarken Heere, das aus Sachſen und Bayern 
beitand, vor die Stadt Speyer um fich ihrer zu bemächtigen. 
Die Speyerer wehrten ſich von ihren Mauern aus tapfer gegen den 
König, aber ſie allein waren zu ſchwach um fich länger Enten zu 
fönnen, weshalb fie jehnjüchtig auf Herzog Friedrih von Schwaben 
warteten, der für jeinen Bruder Konrad, Lothars Gegenkönig ftritt. 
Aber Herzog Friedrich fam nicht, weil er in feinem Lande, namentlich 
vom Herzog Heinrich dem Stolzen von Bayern bedrängt wurde. 
Als daher die Speyerer in die höchite Not famen, ſchickten fie Boten 
hinaus ins Lager und verjprachen, wenn der König von ihrer Stadt 
abziehe, wollten fie von den Staufern abfallen und Geijeln ftellen. 
Das vernahm Lothar gerne. Um den 11. September hörte die Be: 


— 2147 — 


lagerung Speyers auf und König Lothar entließ jeine Leute in ihre 
Heimat, zog aber nicht in Speyer ein jondern den Rhein hinab. 
Bald aber waren die Speyerer wieder zu den Staufern übergegangen 
und Lothar bejchloß die ungetreue Stadt zu beitrafen. Im Juni 1129 
30g er mit feinen jächfiichen Lehensleuten an den Rhein, in Mainz, 
wo er über den Rhein jeßte, jchloß ſich der Erzbilchof Albert mit 
jeinen Dienftleuten zum Zuge gegen Speyer, wo fich die Gemahlin 
Herzog Friedrichs aufhielt, an. Denn Herzog Friedrich jelbjt war 
in der Stadt gewejen und hatte eine ſtarke Beſatzung zurüdgelajjen. 
Er jelbjt war dann nad) Schwaben gezogen um gegen die Bayern 
zu ftreiten. Bald darauf umjchloß Lothar die Stadt, die fich tapfer 
8 verteidigen wußte, weil die Herzogin durch freundliche Worte die 

ürger anfeuerte. Wieder — Monate und noch war der 
Widerſtand der Stadt nicht gebrochen, als Hilfe für Lothar aus 
Bayern kam. Herzog Heinrich der Stolze von Bayern drang mit 
600 bayeriſchen Rittern an den Rhein, blieb aber auf der rechten 
Seite des Fluſſes, etwa bei dem Dorfe Lußheim, wo Herzog Friedrich 
von Schwaben, wenn er heranziehe, angreifen würde, ehe er über 
den Rhein ſetzen könnte. Bald traf auch Friedrich ein und griff bei 
Nacht das Lager der Bayern an. Weil dieſe gute Wachen aus: 
gejtellt hatten, trieben fie die angreifenden Schwaben zurüd und 
verfolgten fie. Nun war für die Speyerer an feine Rettung mehr 
zu denten. Es war Winter und jelbit auf das Weihnadtsfeit 
war Lothar im Lager, wo ein Sturm vorbereitet wurde. Der 
Erzbiſchof von Mainz vermittelte und die Speyerer boten dem König 
Unterwerfung an, wenn er fie nicht trafen würde, was diejer zujagte. 
An Neujahr 1130 öffneten fich die Tore und der König zog ein. 
Als er Friedrihs Gemahlin erblidte, ehrte er fie, beſchenkte fie 
reichlich und entließ fie mit ihren Dienern und Dienerinnen. Den 
Gpiphaniastag feierte Lothar dann mit den Bürgern der Stadt aufs 
prachtvollſte im Dome, wo er fidh dem Volke im kaiſerlichen Ornate 
zeigte. Lothar war nun Herr am Rheine, jodaß der Staufer Konrad 
jein Königtum nicht weiter verteidigte, Jondern darauf verzichtete, 


Der-junge Herzog Friedrih von Schwaben. 


Friedrich, der Sohn Herzog Friedrichs von Schwaben war 
herangewadjen und hatte ſchon den NRittergürtel angelegt, als im 
Sahre 1146 in Bayern eine bittere Fehde zwilchen dem Biſchof 
Heinrich von Regensburg und dem Herzog Heinrich von Bayern aus 
dem Hauje Babenberg ausbrach. Regensburg und Öfterreich wurden 
damals aufs jchlimmite verwültet. Daher zog aud König Konrad 
in dieſe Gegend, um die Fehde zu jchlichten. In diejem Gtreite 
zeichnete fich Friedrich aus. Er erklärte einen edlen Grafen, Heinrich 
von Wolfratshaujen, den Bruder des Bilhofs von Regensburg für 
jeinen Feind und bald darauf drang Friedrich mit Jchwäbilchen 


Zur — 


NRittern in Bayern ein. Die bayerichen Grafen, Edlen und Ritter 
hatten fich mit einem Waffenjpiel (Turnier) in der Burg Wolfrats- 
haufen verjammelt, als der junge Friedrich über fie fam und die 
Bayern, die vor der Burgmauer gerüjtet jtanden, angriff und 
fie zwang endlich in die Burg zurüdzufehren. Aber das enge Tor 
hinderte an der Flucht und als fi) alle hineindrängten um in 
Sicherheit zu fein, wurde der Graf Konrad von Dachau von den 
Schwaben umringt und gefangen genommen. Als Sieger fehrte 
Friedrich mit dem gefangenen Grafen heim. Wiele von Friedrichs 
Leuten rieten, er möge von dem Gefangenen ein recht hohes Löſe— 
geld erprejjen; allein darauf hörte er nicht, denn ſchon bald nad 
der Gefangenjchaft geitattete er dem Grafen auch ohne Löſegeld in die 
Heimat zurüdzufehren. 
































Speijefaal des Klofters Rodenkirchen. 


— 249 — 


Der zweite Kreuzzug 1147—1149. 


Zum Königreiche Jerujalem gehörte auch im fernen Dften im 
Lande Mefopotanien, die Stadt Coela, die im Jahre 1144 von dem 
Sultan Zenfi belagert und jchon nad) einigen Wochen erobert wurde, 
wobei eine große Anzahl Chrijten, unter ihnen auch der Erzbilchof, 
ermordet wurde. Die Kreuze auf den Kirchen der Stadt wurden 
— — und die Gotteshäu er in Moſcheen verwandelt, worüber 
alle Muhamedaner jubelten. Die Bijchöfe des Morgenlandes jandten 
wiederum Hilfegejuche an den Papſt und jchilderten ihre Lage. Der 
\chrieb denn auch jchon am 1. Dezember 1145 an König Ludwig 
von Frankreich, an den Adel und das franzöftiche Volk und erinnerte 
an den eriten Zug, der jo glänzend gelungen war, erzählte den 
Tall Edejjas und mahnte die Nitter zum Zuge nach der heiligen 
Stätte. Allen denen, die dem Rufe folgen wollten, verjprach der 
ao Ablaß und andere Vergünftigungen. Dftern 1146 kam der 
önig Ludwig mit jeinen Großen zujammen und heftete fi das 
Rreuz, das ihm der Bapit — hatte, auf die rechte Schulter; 
ihm Pie viele vornehme Nitter. Daſelbſt erſchien auch ein Heiner 
unjcheinbarer Mönch, der Abt Bernhard von Clairvaux, der eine 
Predigt hielt, jo daß alle, als er geendet hatte, nach Kreuzen ver: 
langte und Bernhard jeine Kleider zerjchneiden mußte um allen 
Nittern Kreuze geben zu fünnen. Als die Berfammlung auseinander 
ging, 309 Benlac durch ganz Frankreich, wobei er dem Bapite 
Ichreiben fonnte: „Ihr habt befohlen und ich gehorchte und den 
Gehorſam hat das Anjehen des Befehlenden gelegnet. Wenn ich 
verkündete und redete, wuchs die Zahl ohne Maßen. Es leeren ſich 
Burgen und Städte”. Auch Frauen zogen wieder mit und die junge 
Königin war entſchloſſen mit all ihren Damen am Zuge teilzunehmen. 
In unjere rheinijchen Gegenden fam im Sommer 1146 ein 
Mönch, Radulf mit Namen, der auch dem Klofter Clairvaux an: 
ehörte, aber demjelben entiprungen war. Er zog predigend durch 
iederlothringen und dann in die rheinijchen Städte, wo er Jagte, 
man mülje auch gegen die Juden ziehen, und am Rheine eine furcht- 
bare Judenverfolgung entfachte, die das Volt um jo lieber aus: 
führte, weil die Juden große Reichtümer aufgehäuft hatten. Selbſt in 
Franken und ferner in Bayern he&te man die Juden. König Konrad 
nahm die hilfefuchenden Juden freundlich auf und wies fie auf jeine 
Burgen, insbejondere auf jeine Feite Nürnberg. Auch andere Fürften 
und Bilchöfe wollten die Gequälten aufnehmen, wurden aber dafür 
von den Städtern ebenfalls angegriffen. Als das Bernhard ver: 
nahm, erjchraf er, jchrieb daher einen Brief an den Erzbijchof Heinrich 
von Mainz und warnte vor dem frechen Mönche. In die Städte 
aber jandte er Briefe und Boten um die Juden zu ſchützen, während 
er an das ganze deutjche Volk einen Aufruf richtete und darin 
zum zweiten Kreuzzuge aufforderte, vor eiligem Aufbruche warnte 


17 


— 30 -- 


und an die verunglüdten Kleinen Züge Peters von Amiens, der 
Prieſter Bottjchalt und Folkmar erinnerte. Bald darauf fam Bern: 
hard jelbit nach Mainz; er fand hier Radulf, den ungehorjamen 
Mönd, der beſchämt vor feinem Abte jchwieg und ſich auf dejjen 
Geheiß wieder nach Clairvaux zurüdzog. In Frankfurt traf Bern: 
hard Ende November den König, der ihn mit den höchiten Ehren 
empfing. Als eines Tages Bernhard im Dome predigen Jollte, war 
das Gedränge jo groß, daß der kleine Abt faſt erdrüdt worden 
wäre. Da warf Konrad jchnell jeinen Königsmantel ab und trug 
Bernhard auf den Armen durch die dichte Menge. Predigend kam 
dann der Abt bis Alamannien, wohin ihn der Bilchof von Konitanz 
gerufen hatte. Als nun Weihnachten 1046 König Konrad einen 
großen Neichstag nad) Speyer ausgejchrieben hatte, traf am 
24. Dezember Bernhard dort ein und fand viele geiltlihe und 
weltliche Fürften. Er predigte jchon am 1. Weihnachtstage mit 
großer Begeilterung und forderte den König auf das Kreuz zu 
nehmen. Konrad hörte die begeijternde Rede in franzöſiſcher Sprache, 
aber er jagte noch nicht zu, da er mit andern Plänen umging, die 
er erjt auszuführen gedadte. Am 27. Dezember in der Frühe juchte 
Bernhard den König im Zwiegejpräche umzuftimmen. Der König 
verſprach dem frommen Manne mit den Fürften gleich zu beraten 
und dann am nächſten Tage Antwort zu geben. Doch der unge: 
duldige Bernhard fonnte jolange nicht warten. Noch am nämlichen 
Tage war alles Volt von Speyer und alle Fürjten im Dome ver: 
Jammelt um den dritten Weihnacdtstag zu begehen. Kaum war 
die Meſſe vorüber und jchon ſchickten ich die Andächtigen zum Gehen, 
da ergriff Bernhard, ohne zur Rede aufgefordert zu jein, das Wort. 
Er hielt eine Feitpredigt, wie fie in den hohen Hallen des Domes 
noch) nie gehört worden. Er erinnerte an die Schreden des jüngiten 
Berichtes, wo auch der Kaiſer vor dem Richterjtuhle Chriſti erjcheinen 
müſſe, um Nechenjchaft zu geben, wenn der Heiland fragt: „Menich, 
was habe ich dir Gutes tun können und habe es nicht getan?” Er 
ſprach von Konrads großen Gaben, jeiner Macht und jeinen Reich: 
tümern und fragte, was er denn dem Herrn erwidere, wenn er ſich 
über den Gebrauch der Gaben verantworten jolle. Da traten dem 
König Tränen in die Augen und er ſprach: „Ich erkenne die Gabe 
der göttlichen Gnade und will nicht ferner undankbar jein. Ich bin 
bereit dem Herrn zu dienen, da er mich jelber aufgefordert hat“. 
Auch das Volk hörte die Worte jeines Herrn und donnernde Freuden: 
rufe widerhallten im Dome. Sogleich nahm Konrad das Kreuz aus 
Bernhards Hand und empfing die geweihte Fahne vom Altare um 
lie in dem heiligen Kriege voran tragen zu fünnen. Gleich nad) dent 
Könige nahmen die Fürften das Kreuz, darunter der junge Herzog 
Friedrich von Schwaben, des Königs Neffe. Bernhard kehrte über 
Niederlothringen in ſeine Heimat zurück; überall aber erzählte man ſich 
von Wunderheilungen, wo der fromme Abt predigte. Einer in Deutſch— 


— 2331 — 


land zürnte. Es war Herzog Friedrich der Alte, Konrads Bruder, 
der jeinen einzigen Sohn eriter Ehe jcheiden jehen mußte. Denn 
Friedrich fühlte jein Ende nahen. Wohl war er troß jeiner Kran: 
heit nach Speyer geeilt, aber er fonnte die Bewegung nicht auf: 
halten, ebenjowenig vermochte ihn aber auch Bernhard umzujtimmen, 
weshalb er nad anzu ging, wo er bald darauf tiefbefümmert 
ftarb und in der benachbarten Abtei St. Walpurgis die legte Ruhe: 
ſtätte fand. Ihm folgte jein Sohn Friedrich) als Herzog von 
Schwaben, der jeinem Oheim den Treueid geleiltet hatte. 


Rüſtung und Aufbrud. 
1: 


König Konrad begab fi) von Speyer aus nad) Regensburg. 
Bernhard hatte nicht nur an die Speyerer und an die anderen 
Deutjchen Briefe gerichtet, jondern jogar ſolche nach der Bretagne 
(Frankreich), nach England und nad) Italien geichidt. Mit dem 
Könige zog der gelehrte Abt Adam von Eberach, der in Regens= 
burg im Beijein des Kaiſers und der Fürjten das Meßopfer hielt 
und dann die Kanzel beitieg um den Brief des apoſtoliſchen Stuhles 
und den Bernhards vorzulejen. Auch mahnte er nochmals zur Kreuz: 
fahrt, worauf alle Anwejenden, Fürjten, Grafen und Beiltliche, frei: 
willig das Kreuz nahmen. Zur jelben Stunde empfingen die Bijchöfe 
Heinrich von Regensburg, Otto von Freifing, Neginbart von Paſſau, 
der Herzog Heinrich Jajomirgott von Bayern und unzählige Grafen 
und Edle das heilige Zeichen. Viele Räuber und Wegelagerer famen 
und nahmen gerne das Kreuz um ihre Sünden zu büßen. Ebenſo 
gelobten der Graf Welf von Bayern, der auf jeinem eigenen Gute 
Beiting bei Steingaden mit vielen jeiner Dienjtleute ſich jchon auf 
Weihnachten 1046 entjchlofjen hatte, der Herzog Ladislaus II. von 
Böhmen, der Markgraf Ottofar von Steier und der Graf Bern: 
hard von Kärnten und folgten mit ihren Leuten. Die Sachſen aber 
lehnten es ab mit dem Könige zu ziehen, weil fie über die Elbe 
und Dder gegen die Slaven jtreiten wollten, die immer noch im 
Heidentum jtafen. Doch nahmen auch jächliiche Herren das Kreuz, 
unterjchieden fich aber von den nad) dem Morgenlande Ziehenden 
dadurch, daß jie ein rotes Kreuz auf einem Kreije jtehend anbhefteten. 
Der Kreis war das Sinnbild der Welt, das Kreuz bedeutete die 
Herrichaft des Chriltentums wie auf dem Weichsapfel des Königs 
oder Kaiſers. 

Am 19. März 1147 tamen alle deutiche Fürſten mit ihrem 
Könige in Frankfurt zulammen. Nachdem die Fürjten jeinen Sohn 
Heinrich (10 Fahre alt) zum deutichen Könige beitimmt hatten, ließ 
der Bater den Sohn am 30. a zu Wachen jalben und krönen. 
Die Sorge für den jugendlichen König übernahm der Erzbilchof 
Heinrich von Mainz, während der Abt Wibald von Stablo und der 

17* 


— 252 — 


Notar Heinrich die Reichsgeſchäfte beſorgten. Zu dieſem Reichstage 
war auch der jugendliche Herzog Heinrich der Löwe, der zum 
Jüngling herangewachſen war, erſchienen und forderte als Erbe das 
Herzogtum Bayern, das man ſeinem Vater genommen hatte. Konrad 
tröſtete Heinrich bis zur Rückkehr vom Kreuzzuge. 


II. 


Der ſtrenge Winter 1146/47 war gewichen und aus dem Schoße 

der Erde Iproßten überall die Kräuter und Blumen des Frühlings. 
eld und Wald zeigten der Welt ein fröhliches Gefiht. König 
nrad hatte fich in feiner Stadt Nürnberg mit den Seinen ge— 
rüftet, das Reich war beitellt, jein Neffe Friedrich und jein Gtief- 
bruder Otto von Freifing, jowie der Pfalzgraf Otto von Wittelsbadh 
und viele Bilchöfe begleiteten ihn. In Regensburg beitiegen ſie 
Schiffe und fuhren bis zur Burg Ardader, wo fie das erſte Zeltlager 
aufichlugen um drei Tage auf die Ankunft des übrigen Kreuzheeres 
zu warten. Das franzöfiiche Heer brach am 20. Juni von Met auf 
und marjchierte auf der alten Heerjtraße über die Saar durd) das 
Meftrich nach Worms, wo es am 29. Juni anfam. Die Bürger von 
Morms gerieten mit den Franzoſen in Streit, als dieje überjegten. 
Dann aber eilten diejelben über Würzburg nad; Regensburg und 
folgten der Spur Konrads mit dem Heere der Franken, Schwaben und 
Bayern. Die Brüden waren überall imftand, es fehlte nicht an Zu: 
fuhr von Lebensmitteln. Als die legten Scharen der Kreuzfahrer den 
deutjchen Boden verlajjen hatten, frochen die verfolgten Juden wieder 
aus ihren Verfteden hervor und juchten ihre alten Wohnungen und 
ihre verborgene Habe wieder auf. Die Züge der Kreuzfahrer waren 
eine bunte, verworrene Maſſe. Männer und Weiber liefen durch: 
einander. Arme und Reiche, Fürften und Herren mit ihren NRittern, 
Geiftlihe und Mönche mit ihren Biſchöfen. Nittlings ſaßen die 
weiblichen Kreuzfahrer, namentlich unter den Franzojen, zu Pferd, 
mit Speer und Schild bewaffnet wie die Ritter. — König Konrad 
fuhr die Donau hinab durch Ungarn, das ihm feindlich entgegentrat. 
Aber jein großes Nitterheer (es ſoll 70000 Dann ſtark gewejen jein) 
war ſtets zum Schlagen bereit. Wer auf der Donau nicht fahren 
fonnte, in geringer Entfernung auf dem rechten Ufer marlchierte. 
Bald erreichten fie Belgrad und etwas unterhalb den Ort, wo die alte 
Heerjtraße nad) Konftantinopel führte. Hier ftiegen die deutjchen 
Kreuzfahrer aus den Schiffen, ließen fie dajelbft zurüd und jegten 
den Marjch nach) Konftantinopel fort. Auf Befehl des Kaijers der 
Griechen wurden überall Zebensmittel bereit gehalten und für die 
Bedürfnijje des Heeres gejorgt. Da aber immer größere Scharen 
des Ubendlandes anrüdten, jo befahl der Kaijer jeinem Feldherrn 
den Kreuzheeren entgegenzuziehen, wobei es zwiſchen Deutichen und 
Griechen oft Streit gab. Ein vornehmer Deutjcher wurde frank in 
ein Kloſter der Stadt gebradjt. Da er reiche Schäe bei fich führte, 


— 5 — 


trachteten griechiſche Soldaten danach und ſteckten daher das Hoſpital 
des Kloſters in Brand und plünderten die Schätze des Deutſchen, 
der ſeinen Tod in den Flammen fand. Als das der junge Herzog 
Friedrich von Schwaben, der ſchon weiter gezogen war, hörte, kehrte 
er mit ſeinen Leuten um, zerſtörte das Kloſter, nahm alle die ge— 
fangen, die ſich an der Plünderung beteiligt hatten, und verurteilte 
ſie zum Tode. Da aber wollten ſich andere griechiſche Soldaten 
rächen und es entſtand ein blutiger Streit, dem der Feldherr Proſuch 
erſt ein Ende machte, indem er zu Friedrich ging und ihn beſänftigte. 
Am 7. September 1147 kamen die Deutſchen in eine ſchöne Ebene, 
durdhitrömt von einem Fluſſe. Hier wollten fie von den großen 
Mühen des Zuges raften. Schon jtanden die Zelte, Stamm für 
Stamm, der Fürjt inmitten feiner Ritter und ſeines Volkes, als ein 
heftiger Regen fiel und das weite Tal unter Waller jegte. Tojende 
Wellen rillen bald das ganze Lager mit, jo daß den Bayern 
und Franken taujende von Werden und Waffen verloren gingen, 
während Herzog Friedrich mit den Schwaben, die am Bergabhange 
lagerten, weniger Schaden hatte. Der griechiiche Kaijer ließ jein 
Beileid ausdrüden. Schon am 10. September Itanden die Deutichen 
bei Konftantinopel und hofften auf freundliche Aufnahme. Als fie 
gegen das goldene Tor auf der GSüdoftjeite der Stadt anrüdten, 
jtießen die Deutichen auf die prächtigen Bartenanlagen bei einem 
Kaiſerpalaſte und erlaubten ſich mancherlei Unordnungen. Daher 
ließ man fie nicht in die Stadt, jondern gab ihnen in der Vorjtadt 
Vera, wo auch Gottfried von Bouillons Scharen geraftet hatten, 
Unterkunft. Dem Könige Ludwig von Frankreich) hatte Konrad 
veriprochen nicht eher über den Bosporus zu gehen, als bis beide 
Heere vereinigt ſeien. Weil aber der griechiiche Kaiſer in ihn drang 
doch ja Aſien bald zu betreten, jo jegte Ende September, da die 
Lothringer als Bortrab der Franzojen anrüdten, das gewaltige 
Heer auf Schiffen über die Meerenge nach Kleinafien. 


Der unglüdlihe Ausgang. 
III. 


Als der Zug der Deutſchen durch Kleinaſien ging, fehlte es 
bald an den notwendigen Lebensmitteln. „Viel Steine gab's und 
wenig Brot“; daher geriet das Heer in Unordnung. Beſonders 
wäre der König gerne das ſchlechtbewaffnete Fußvolk los geworden, 
ja er wollte jedem joviel Geld geben, daß er einzeln die Reiſe ins 
heilige Land fortjegen fünne. Das Fußvolf aber wollte fich nicht vom 
Ritterheere trennen und daher führte der Erzbiichof Dtto von Freifing, 
der Bruder des Königs, 15000 Fußgänger von Nicäa aus einen 
andern Weg, damit das Ritterheer beifer dureh das unwirtliche 
Land ziehen könne. Griechilche Führer zeigten den Weg. Als das 
Heer dic, in Nicäa Lebensmittel gejammelt hatte, wollte es den 


— 254 — 


Mtägigen Marſch nach Iconium antreten. Aber die vielen Laſt— 
pferde, Wagen, Karren, die Frauen und Schlechtbewaffneten hemmten 
* raſcheren Zug. Schon nach 10 Tagen kamen die Deutſchen vor 
Ermattung nicht weiter. Da zeigten ſich die feindlichen türkiſchen 
Bogenſchützen auf ihren flinken Pferden, fielen über den wehrloſen 
Troß, bei dem nur wenige Ritter waren, her, ſo daß am 26. Oktober 
Konrad beſchloß nach Nicäa zurüctzufehren. Aber das abziehende 
Heer wurde erſt recht vom Feinde verfolgt; denn die flinfen Türken 
waren den jchwerfällig Bewaffneten immer auf den Ferien. Der 
tapfere Gref Bernhard von Plößfe jtellte fich gleich mit vielen 
Rittern den Feinden entgegen. Bald aber war er von ihnen auf 
einem Hügel umjchlojjen und nach tapferer Gegenwehr mit den Seinen 
getötet. Auf dem Rückzuge verloren 30000 Dann ihr Leben, jelbit 
der König wurde verwundet und Taujende gerieten in Befangenichait. 
Da die Nahrungsmittel ausgegangen waren, lebten die Deutjchen 
nur noch vom Fleijche ihrer Pferde und gelangten in größter Un: 
ordnung nah Nicäa. Unterdejjen hatte auch das franzöfiiche Heer 
Nicäa erreiht. Als Ludwig von dem Unglüd Konrads hörte, ging 
er ihm entgegen. Weinend janfen fich beide in die Arme und be: 
Ihlojjen, fich nicht mehr zu trennen und lieber Sieg oder Niederlage 
mit einander zu teilen. Konrad entließ bier die meilten, die dem 
Tode entronnen waren in die Heimat, wohin ſie über Konjtantinopel 
zurüdfehrten um den Untergang des ftolzen Heeres zu verkünden. 
Die, welche den König weiter begleiteten, jchlojjen fich den Franzoſen 
an. Damit der deutjche König aber auch ein Itattliches Heer habe, 
übergab ihm König Ludwig die lothringiihen ſowie die neu— 
angefommenen burgundiſchen Scharen. Beide Könige teilten ſich 
auch in die Herberge. Am Meere teilte fich das Heer der Franzojen. 
Die Ritter fuhren auf griechiichen Schiffen weiter und erreichten in 
der Nähe von Antiochien einen Hafen. Das Fußvolf aber wollte 
über das Gebirge, wo es jchon nad) einigen Wochen den Türken 
jowie dem Hunger und den anitedenden Krankheiten unterlag. 
König Konrad war mit jeinen Verwandten in Epheſus geblieben, da 
ihn eine ſchwere Krankheit befallen hatte. Gerne wäre er mit nad) 
dem heiligen Yande, aber er folgte doch mit jeinen Fürften einer Ein— 
ladung des griechiichen Kaiſers nad) Konjtantinopel, wo er im PBalaite 
lorgfältig gepflegt wurde. Um den 10. März verließ der König 
wieder Konitantinopel und landete in der Diterwoche (11.— 17. April) 
bei Affon. Sein GStiefbruder Heinrich von Bayern, jein Neffe 
Friedrich von Schwaben, Grafen und Bilchöfe begleiteten ihn. Als 
der König von Jerujalem die Ankunft des Königs Konrad vernahm, 
309g er ihm mit dem Patriarchen, der Geiltlichteitt und dem Volke in 
glänzender Prozejfion entgegen. Großer “Jubel herrjchte in der Stadt, 
als der König einzog und im Haufe der Tempelherrn Wohnung 
nahm. Hier hatten ſich auch die Reſte jeines Heeres gejammelt und 
hier traf er jeinen Bruder Dtto wieder, mit dem er nacheinander die 


/ - > — 


/ 


heiligen Stätten Aerufalems, Samarias und Galiläas bejuchte. 
Dann kehrte Koairad nad Akon zurück und vereinigte fich wieder 
mit den Franz Wien, auch der Rönig von Jeruſalem zog heran, damit 

mastus eroberten. Konrad ging bald darauf in die 
ohin ihm jeine Fürſten gerne folgten. Am 8. Sept. 1148 
der König mit jeinem Bruder Heinrich, dem Kaijer Manuel 
den Fürſten bei Ptolemais die Schiffe und fuhr über Theſſa— 
onich nach Konjtantinopel. Dajelbit blieb er bis zum Frühjahr 1149, 
während er jeinen Neffen vorausjandte, damit er die Ordnung in 
der Heimat heritelle..e Am 25. Mai feierte Konrad das Pfingitfelt 
in Salzburg, nachdem er zwei Jahre lang fern von der Heimat 
zugebracht hatte, und 4 Tage jpäter hielt er bereits in Regensburg 
einen glänzenden Reichstag ab um die Triedebrecher zu beitrafen. 
Ein Jahr lang lag er hierauf krank in Speyer. 









König Konrad und die Wittelsbacher. 


- Wohl hatte Pfalzgraf Otto V. den König nad) dem heiligen 
Lande begleitet, ebenjo jein ältejter Sohn Dtto VI., aber zu Hauſe 


folgte er jeinen Söhnen, die ſich als Anhänger Heinrichs des Löwen 
- gegen den König empörten; denn Heinrich machte immer noch An 


\prüche auf Bayern. König Konrad fam von Würzburg nach) Regens= 
burg, wo ein Reichstag abgehalten wurde. Hier wurde der alte 
Pfalzgraf, der Heinrich dem V, den Staufern und Lothar bisher 
jo treu gedient hatte, in die Acht erklärt. Vom Reichstage weg 309 
Konrad gegen Kehlheim, die Burg der Wittelsbacher und belagerte 
fie, aber der Krieg dauerte höchſtens 2—3 Wochen; denn Otto und 
jeine Söhne unterwarfen fi) dem König, der zwar einen der Söhne 
als Geijel verlangte, aber wieder alle Güter des Pfalzgrafen heraus 
gab und ihm erlaubte auf dem Neichstage zu Würzburg zu er- 
Icheinen. -- Der Streit um Bayern aber dauerte fort und Konrad III. 
Itarb darüber am 15. Februar 1152 in Bamberg, wo er im Dome 
dajelbjt begraben liegt. 


Friedrichs Wahl und Krönung 1152. 


Aus dem weiten deutjchen Reiche eilten die Fürften und einige 
Herren aus Italien nad) Frankfurt am Main zur Königswahl. 
Nach langem Hin: und Widerreden verlangten einige Herzog Friedrich 
von Schwaben, den Neffen Konrads, zum Könige und alle ftimmten 
jubelnd bei. Zwei Fürftenhäujer waren damals in Deutjchland, 
die vor allen andern Anjehen genojjen: Die Waiblinger (Hohen: 
itaufen) und die Welfen. Herzog Friedrich der Ältere von Schwaben 





Krypta des Spey 





gerer Domes. 


— 258 — 


aber, der ein Enkel Heinrich IV. war und eine Welfin zur Frau 
hatte, war der Bater diejes jungen Friedrich, der aljo wegen jeiner 
Verwandichaft vielleicht den alten Streit zu jchlichten vermochte, 
weshalb ihn auch die deutjchen Fürfjten zur Königswürde erhoben 
und den Sohn König Konrads lıl., der noch im jugendlichen Alter 
itand, übergingen. Alle Fürſten leilteten jofort den Treueid in die 
Hände des neuen Herrn und verpflichteten fi) zur „Mannſchaft“. 
Am folgenden Tape, dem 6. März, beitieg der König mit jeinen Fürfte 
die Schiffe am Main und fuhr über Mainz den Rhein hinab zum 
Königshofe Sinzig, an dem alle die Fahrzeuge verließen und 
nach Yachen ritten, wo fie am folgenden Samstage anfamen. Am 
Sonntag, den 9. März, wo man in der Kirche nach alter chriltlicher 
Sitte „Freue dich, Jeruſalem“ jang, geleiteten ihn die Bilchöfe aus 
der Pfalz Karls in die Domfirche, wohin alle Fürften folgten. Der 
Erzbiſchof Arnold von Köln aber erwartete ihn mit den Erzbilchöfen 
von Mainz und Trier und jegte ihm nad) altem Herkommen die 
Krone Karls aufs Haupt, nachdem er feierlich gejalbt worden war. 
Nach der Krönung trat ein Dienjtmann des Königs, der eines ſchweren 
Bergehens jchuldig war, vor jeinen Herrn, jtürzte ihm zu Füßen, 
mitten in der Kirche und hoffte an dieſem Freudentage Gnade 
zu finden. Der König aber beharrte bei jeiner Strenge und 
ließ fich nicht von jeiner Gerechtigkeit abbringen, indem er den 
Bittenden zurückwies. Das ſah das Volk mit Verwunderung an 
en Herrſcher; denn trotzdem auch die Fürſten ein gutes 
legten, blieb Friedrich feſt. Nachdem die Feier im Dome 
önigsmahl vorüber waren, zog ſich Friedrich in die 
onigs urück und wählte von den Fürſten die klugen und 
mächtigen aus um über das Wohl des Reiches zu beraten. Hierauf 


andte er Boten an ano, ML.“ Fugen ER nalen, 
| Sun Triervugen um feine Wahl anzuzeig 






— ns 


Der Streit um das Herzogtum Bayern. 


Es war aber damals in Bayern Streit zwilchen den Herzögen. 
König Konrad II. nahm im Kampfe zwilchen MWelfen und Hohen- 
ſtaufen 1142 das Herzogtum Bayern dem Herzog Heinrich ‚dem 
Stolzen, dem Bater Heinrichs des Löwen, und verlieh es jeinem 
Stiefbruder Heinrich) Jajomirgott aus dem Hauje Babenberg, 
worüber ein langwieriger Streit entitand, der das ganze Reich in 
wei Parteien jpaltete. fiber diejem Streit ſtarb Konrad, der Die 
Sniprüche des jungen Heinrich des Löwen befriedigen wollte, wes— 


— 259 — 


halb Friedrichs erite Sorge jein mußte, diejen Streit aus der Welt 
zu Ichaffen und die MWelfen zu beruhigen, indem er 1152 einen 
Reichstag nad) Würzburg anlegte, zu dem aber nur Heinrich der 
Löwe fam, nicht aber Heinrich Jaſomirgott, der vaher wiederholt 
geladen wurde. 1154 erft, als Friedrich vom eriten NRömerzuge 
zurüdfam, jtellten fich beide Heinriche dem Kaijer vor dem Reichstage 
der deutſchen Fürjten zu Speyer. Da ſich Jajomirgott beichwerte, 
daß er nicht rechtmäßig geladen jei, jo verjchob der Kaiſer abermals 
die Enticheidung und lud beide Fürſten durch faijerliche Briefe von 
Pergament mit Siegel und Unterjchrift nach der Königspfalz zu 
Goslar. Abermals blieb Jajomirgott aus, weshalb die Fürſten be: 
Ichlojjen, daß der junge Sachſenherzog Heinrich der Löwe das 
Herzogtum Bayern befomme; er war nun der mäcdhtigite Fürſt Deutjch- 
lands. Heinrich Jalomirgott grollte lange dem Kaijer, bis er fich 1156 
auf dem Neichstage vor Regensburg mit ihm zu folgendem VBertrage 
einigte. Heinrich der Ältere verzichtete auf das Herzogtum Bayern 
und gab Jieben ahnen an den Kailer. Diejer überreichte fie dem 
jüngeren Heinrich, der vor ihm im Kreis der Fürften fniete. Zwei 
Fahnen der Oſtmark (Öfterreichs) gab Heinrich der Löwe mit den 
dazu gehörenden Grafichaften an den Kaijer zurüd. Darauf jchuf 
Triedrich aus diejer Mark mit dem Willen der Fürften ein neues 
Herzogtum und übergab es mit den Fahnen Heinrich Jajomirgott 
und jeiner Gemahlin, denen er durch eine Urkunde beftätigte, daß 
fortan Öfterreich von Bayern unabhängig jei. Nachdem dieſer 
Streit entjchieden war, begaben ſich alle in die Stadt Regensburg 
und beſchworen dajelbjt einen Landfrieden, damit Bayern endlich 
auch Ruhe und Frieden genieße wie die übrigen Teile des Neiches. 


Friedrichs erſter Römerzug. 


Im dritten Jahre ſeines Königtums ſammelte Friedrich am 
Lech bei Augsburg ein Heer, das bis Anfang Oktober auf 1800 Ritter 
anwuchs, die er muſterte. Über den Brennerpaß ging es dann 
auf jchwieriger Bahn durd) das Tridentiner-Tal nad) Weljchland. 
Da das große Heer unterwegs in den unfruchtbaren Alpentälern 
das Notwendige zum Lebensunterhalte nicht finden fonnte, plün= 
derten die Krieger Klöfter und Gotteshäufer, jodaß, als das Heer 
bald darauf in der Ebene von Verona das Lager am Bardajee 
aufihlug, Friedrich beim ganzen Heere Geld jammeln ließ, das einige 
fromme Männer den Biſchöfen von Trident und Brixen überbrachten, 
damit es unter die Drte verteilt werde, die beichädigt worden waren. 
Darauf brach das Heer auf und lagerte fih im Monat November 
auf der Ronkaliſchen Ebene am Po, nicht weit von Piazenza, 
wo Jeit alter Zeit alle deutichen Könige halt machten. Dort wurde 


— — 


an einer hochaufgerichteten Stange ein Schild aufgehängt und die 
Schar aller Ritter, die Lehen hatten, wurden durch den Herold des 
Kaiſers aufgefordert, in nächſter Nacht die Wacht vor dem Herrn 
zu tun. Diejem Befehle folgten die Fürjten, die bei ihm waren 
und hießen ihre Ritter, Wacht zu halten vor den Zelten ihrer Xehens= 
— Am folgenden Tage aber wurden die, welche die nächtliche 

acht nicht gehalten, vor den König und andere Fürſten geladen. 
Wer aber ohne Erlaubnis wegblieb, verlor ſeine Lehen. Namentlich 
fehlten auch die Vertreter der italieniſchen Städte, wie z. B. Mailand, 
das die Hoheit des deutſchen Königs nicht anerkennen wollte, während 
Pavia treu blieb. Sechs Tage lagerte das Heer auf der Ebene, 
dann brach es die Zelte ab, belud damit den Troß und zog gegen 
die Mailänder. 


Friedrich belagert Tortona 1155. 


Nicht weit von Pavia, wo Friedrich die longobardiſche Königs— 
krone empfing, lag die Stadt Tortona, die ſich mit den Mailändern 
verbunden hatte und gegen Pavia kämpfte. Daher ſandte der König 
jeine Boten mit dem Befehle nad) Tortona, jofort ſich von Mailand 
zu trennen und mit Pavia zu verbünden. Die Boten erhielten aber 
vom Stadtrate die Antwort, Tortona wolle fi) von Mailand nicht 
trennen. Daher erklärte fie Friedrich als Reichsfeind in die Reichs: 
acht. Um die Feindſchaft zu beitrafen, bejchloß er das Felſenneſt zu 
zeritören wie die andern, die Mailand anhingen. Er rüdte daher 
gegen fie und jchlug bei Bosco ein Lager auf. Hier aber wählte er 
die beiten Ritter aus und befahl den Fürften Konrad von Hohen: 
ftaufen, dem jpäteren Pfalzgrafen bei Rhein, Bertolf von Zähringen, 
dem Herzog von Burgund und jeinem Freunde, dem Bannerträger Otto 
von Wittelsbach und Pfalzgrafen in Bayern, die Lage der Stadt 
zu erfunden. Sie famen an einen Fluß, überjchritten ihn und jchlugen 
dicht bei Tortona ihr Lager auf. Am dritten Tage folgte der König 
den Seinen und errichtete auf der andern Seite des Fluſſes feine 
Zelte; denn der Regen hatte unterdejjen das Bett jo angefüllt, daß 
beide Teile fich nicht vereinigen fonnten. Schon nach wenig Tagen 
ſank das Gewäjjer, jo daß alle Deutiche das Flüßchen überjchreiten 
und fich mit der Bortruppe vereinigen konnten, die unterdejjen die 
Zage der Stadt genau erkundet hatten. Tortona aber lag auf ſteilem 
Felſen und die Bellen Häujer leuchteten weit in die Poebene, ſodaß 
jeder anrüdende Feind leicht beobachtet werden fonnte. Die Türme 
waren feſt, bejonders auf der Seite, wo die Deutichen angreifen mußten. 
Im eriten Sturme jchon nahmen fie die Borftadt und wäre die Nacht 
nicht hereingebrochen und ein Unwetter entjtanden, jo hätten fich die 
Tortoner nicht zurüdziehen können. In der Hauptfefte aber lagen 
Mailänder und die Krieger der benachbarten Herren, die den 


BE, 


Rehenseid verweigert hatten. Am 13. Februar begann die eigentliche 
Belagerung, weil die Belagerten, die jehr zahlreich waren, fich in 
der engen SHauptburg Feftgefeßt hatten. Der König drang von der 
Meftjeite ein, Heinrich der Löwe mit den Sachſen von Süden, die 
Pavienjer, die gefolgt waren, ftanden im Often und Norden. Sogleich 
bauten alle Majchinen und Geſchütze: Bogenichügen mit Pfeilen, 
Baliftenwerfer und Schleuderer beobachten von ihren Poſten aus die: 
Stadt, aber den Tortonern wuchs in der Verzweiflung der Mut. 
Sie unternahmen häufig Ausfälle. Die Tortoner, welche gefangen. 
wurden, bezahlten Diele Taten mit dem Tod am Galgen. Die 
ſchweren Steinfugeln und — — ſchleuderten beſtändig Steine 
gegen die Feſte; ein ſolcher riß die Mauer in drei Stücke und tötete 
drei bewaffnete Ritter, die gerade mit den Großen der Stadt Be— 
ratung hielten. Auf Seite der Pavienſer kämpften die andern 
Italiener, die zu Friedrich hielten. Da aber dort ein Brunnen war, 
der einzige, den die Stadtbewohner noch benugen konnten, jo herrichte 
täglich ein erbitteter Kampf um das Waſſer, ohne das die Städter: 
nicht zu leben vermocdhten. Das Flüßchen, das die eroberte Vorftadt 
durchitrömte, war von den eingeftürzten Mauern und Türmen jo: 
verjchüttet, daß es aus jeinem alten Bette austrat und von dem 
Herzoge Heinric) dem Löwen und den jächliichen Rittern jo ftreng 
bewacht wurde, daß die Städter fein Waller befamen, auch hatte 
der Schutt das Waller getrübt. So vergingen Tage. TFriedrid) 
aber ftrebte nad) Rom und befahl daher rajchen Angriff, indem er 
unter dem uralten roten Turm der Feſte durch die Dienitleute 
und Troßfnechte Minengänge anlegen und Majchinen zum Stein— 
\chleudern und TFeuerwerfen da aufitellen ließ, wo die Stadt am 
leichteften anzugreifen war. Bon der jäh abftürzenden Felſenſeite 
her war ja der Feſte nicht beizulommen. Um die Tortoner zur 
Übergabe zu zwingen, ließ Friedrich tote Tiere und Menjchen in 
den Brunnen werfen, aber auch jo ließen fich die Belagerten nicht 
abhalten, Waller zu holen, weshalb die Belagerer von ihren Türmen. 
aus brennende Fadeln mit Schwefel und Pech in den Brunnen. 
ichleuderten. In der Nähe Tortonas ftand eine feite Burg der 

ailänder, durch Natur und Kunſt faft uneinnehmbar gemadht. Im 
Angefichte der Tortoner zimmerten die Deutjchen Leitern und anderes 
Kriegsgeräte, womit einige Ritter unter Anführung Bertolfs von: 
Zähringen und Ottos von Wittelsbach in der Nacht dahinjchlichen. 
Ohne Verzug legten fie die Leitern an die fteilen Felſen, drangen: 
in die Feite ein und da alle jchliefen, hätten fie diejelbe rajch über: 
wältigt, wenn nicht das vorzeitige Gelchrei der Deutjchen die Inſaſſen 
gewedt hätte, jo daß es zu verzweifeltem Kampfe fam, indem die 
Deutſchen zurüd mußten. Am roten Turme Tortonas ftand aud) 
ein deutjcher Reitknecht, der der langen Belagerung überdrüjfig. 
wurde. Er hatte nur Schwert, Schild und Beil am Sattel jeines 
Roſſes. Dennoch bahnte er fich über den Wall vor dem Turme einen: 


— 22 — 


Meg, achtete auch nicht die ſchweren Steingeſchoſſe, die über jein 
Haupt hinweg in die Stadt flogen, ebenjowenig die Wurfjpieße und 
TFelsitüde die von Turm und Mauer aus der Stadt hagelten. Er 
erreichte den Turm, warf einen feindlichen Nitter mit mächtigen 
Stößen zu Boden und fehrte, da er allein war, unverjehrt ins Lager 
zurüd. Der König ließ ihn rufen und wollte ihn, um jeine Tapfer: 
teit zu lohnen, mit dem NRittergürtel ehren. Da der Knecht aus 
niedrigem Gejchlechte war, lehnte er es ab und jagte, er wolle lieber 
in jeinem Stande bleiben. Daher entließ ihn der König mit reichen 
Geſchenken. Die Städter litten jehr unter der Verpeſtung des Wajjers. 
Es nahte aber Djtern und zu Ehren des Feſtes ruhten vom Grün: 
donnerstag bis Ditermontag die Waffen. Am Karfreitage öffnete 
ih das Stadttor und ein langer Zug von Geiltlichen und Mönchen 
in firchlihem Gewande mit Kreuzen, Fahnen und Weihrauchfällern 
bewegte fich zum Könige. Da der ſie jah, ſchickte er ihnen Bilchöfe 
und Geiltliche entgegen und fragte nach ihrem Begehren. Der 
Führer des Zuges ſprach: — — — „Wir haben nichts getan, wir 
werden um fremder Schuld willen geitraft. Uns möge, wir bitten 
darum, die Barmherzigkeit des Königs verjchonen und wenn er der 
unglüdlichen Stadt nicht verzeihen will, jo erlaube er uns 
wenigitens, die wir feine Waffen führen und jchon durch den Belt: 
geruch frank und dem Tode nahe ind, die Freiheit aus dem 
Gefängnis abzuziehen“. Da erhoben alle die Hände zum Himmel, 
weinten laut und warfen fich den Bilchöfen zu Füßen, Friedrich aber 
befahl ihnen in die Stadt zurüdzufehren. Während der Waffen: 
ruhe hatten aber die Italiener ihr gegebenes Wort gebrochen; denn 
ohne Willen Friedrichs bauten jie eine Wurfmajchine und als am 
Ditermontage der Kampf von neuem begann, zerjichmetterte ein Stein 
aus diejer Majchine ein Geſchütz des Königs, Doch in der dritten 
Woche jeit Beginn der Belagerung ergab ſich Tortona. Die Be: 
wohner erhielten wohl alle Leben und Freiheit, aber die Sieger 
zogen in die eroberte Stadt ein, die fie plünderten und dann den 
Flammen preisgaben. Nach diefem Siege Iuden die Pavienſer den 
tönig in ihre Stadt. Dort traf er am Sonntag, den 17. April 
mit allen jeinen Rittern ein. In der Kirche des heiligen Michael, 
wo die alte Pfalz der Longobarden einit jtand, jegten ihm die Bürger 
unter großem Jubel eine neue Krone auf. Nach drei Tagen ging 
der Zug nach Süden, Rom zu. (Siehe oben). 





Die Heimtehr. 


Triedrich hatte Italien erobert und lagerte bei Ancona am 
Meere. Da aber die Hite des Sommers viele Krankheiten brachte 
und die vielen Belagerungen manchen deutichen Ritter verwundet 


— 3 — 


und getötet hatten, kehrte das Heer über die Alpen nach der Heimat. 
Der Kaiſer ließ das Zeichen und die Erlaubnis geben, ins Vater— 
land zu ziehen. Die Oſterreicher beſtiegen Schiffe, um über das 
Adriatiihe Meer nach der Heimat zu kommen, unter ihnen. der 
Patriarch von Aquileja, Bilhof Eberhard von Bamberg, Graf 
Berthold von Andechs, Herzog Heinrich von Kärnten, der Markgraf 
Dttofar von Steier. Andere zogen durch die Iongobardilche Ebene 
über den großen St. Bernhard oder über den Mont Genis um raſch 
in der burgundilchen Heimat und in der Schweiz zu jein. Beim 
Kaijer blieben Herzog Berthold von Zähringen, Heinrich der Löwe, 
Pfalzgraf Otto von Wittelsbah, Erzbiihof Arnold von Köln, die 
Bilhöfe Drtlieb von Bajel, Hermann von Konitanz, Heinrich von 
Rüttih, Konrad von Worms u. a. Es war der Kern des Heeres: 
Alamannen, Bayern und Franken, der durch die Poebene der Siadt 
Berona zueilte. Beim Klojter Benditto (St. Benedikt) erbauten ſie 
eine Sciffbrüde und famen Anfang September ins Land der 
Veronejer. Es war aber eine alte Gewohnheit der Veronejer, daß die 
deutſchen Heere, wenn fie nad) Italien zogen oder von dort famen, 
nicht durch die Stadt Verona zogen, damit feine Plünderung entitehe. 
Die Beronejer hatten daher wie jonjt eine Sciffbrüde über die 
reißende Etich gebaut aber mit jo jchwachen Bändern und Ketten 
befeitigt, daß es eher eine böje Falle als eine Brüde zu nennen 
war. Noch eine andere Liſt wendeten fie an. Am Oberlauf des 
Stromes hatten ſie mächtige Holzitöße in großen Bündeln wie Floße 
zulammengehäuft um damit das Heer, wenn es über die Brücke 
gehe, zu überlilten. Die Beronejer wollten, wenn ein Teil der 
Deutjchen über der Brücke jei, dieſe durch das anjtoßende Gebälf 
zeritören und die Zurücbleibenden überwältigen. Es fam aber 
anders, das deutjche Heer jchritt glücklich über die gefährliche Brüde, 
ja, ein Teil der Veronejer, die zum Scheine dem Heere gefolgt 
waren, wurden jet von den Ihren abgejchnitten und von den 
Deutichen getötet, worauf das faijerliche Heer auf freiem Felde 
lagerte. — Am andern Tage brachen alle auf um die Alpen zu 
überjteigen. Da, wo das Etjichtal aus dem Hochgebirge tritt, war 
ein Engpaß, (die Klauje von VBolargno). Senkrecht ragten die Felſen 
über das jchäumende und tojende Waller der Etſch, das nicht zu 
überjchreiten war. Auf der andern jperrten jteile Berge den Weg 
und ließen faum einen Saumpfad frei. Hoch oben aber jehauten Die 
Mauern der Feſte Volargno auf diefen Weg. Hier hatte ſich der 
Ritter Alberih aus Verona mit fünfhundert Wegelagerern 
feitgejeßt, um Beute zu machen. Als nun das deutjche Heer heran: 
rücte, durfte die Vorhut, die gleich nad) dem Überjchreiten der Schiff: 
brücde weitergezogen war, a Aufenhalt durch die Klauje. Als 
am folgenden Tage die andern anrüdten, liefen die Räuber zu den 
Tellen und warfen Steine und Baumjtäamme auf das Heer; aud) 
der Weg war geiperrt. Bei Friedrichs Heer waren zwei VBeronejer 


_ MU — 


Nitter, die ihn nad) Rom begleitet hatten, Garzabanus und Iſaak, 
die der Kailer zu den Räubern ſchickte, damit fie von ihrem Bes 
ginnen abließen. Sie wurden mit Steinwürfen und Schimpfworten 
empfangen, jodaß der Kaiſer andere hinauf jandte. Auch die wurden 
mit Steinwürfen begrüßt und die Räuber riefen ihnen zu, jeder 
deutjche Ritter jolle Pferde und Panzer abliefern, die Fürften aber 
hohe Summen als Löjegeld zahlen, nur jo dürften fie durch die 
Klaufe. Die Boten berichteten es dem Kailer, der jagte: „Das ilt 
eine harte Bedingung, hart iſt es für den Fürften, einem Räuber 
Tribut zu zahlen“. Was jollte Friedrich tun? Wohin jollte er fich 
wenden? denn über ihm die Räuber, zur Linken die Etjch, die nicht 
zu durchwaten war. Die Brüde lag zerjtört und hinter dem Heere 
lauerten andere Veronejer am Ausgang der Klauſe. Es gab aljo 
feinen andern Ausweg als die Tapferkeit. Friedrich gab Befehl, das 
Gepäd abzulegen und zum Scheine die Zelte zu errichten, als ob die 
Deutjchen in der Nacht dort lagern wollten. „Hier“, meinte der 
—* „wo gleichſam des Vaterlandes Vorhalle uns entgegenlacht, 
ier werden wir nach Überwindung jo vieler Gefahren das Ende 
unjerer Mühe finden“. Friedrich ließ Garzabanus und Iſaak 
rufen und fragte fie genau über die Gegend aus. Die erwiderten: 
„Du fiehft den Fels, der über die Burg herabhängt, jchreclich 
durch jeine Höhe, jcheinbar unzugänglich wegen der jteilen Klippen 
und rauhen Felsblöde. Wielleiht wird er nicht behütet und 
wenn es dir gelingt, ihn zu bejegen, jo haft du dein Ziel erreicht”. 
Ohne Berzug befahl Friedrich jeinem Bannerträger Otto von 
Wittelsbach den Felſen zu erflettern, der zweihundert auserlejene 
bewaffnete junge Ritter jammelte. Auf weiten Abwegen, durch 
Wälder und Berge, durch die zerflüfteten und flippigen Alpen 
irrend, famen fie endlich an diejen Felſen. Aber er war jo glatt, 
als wenn er mit dem Schwerte abgeichlagen wäre, feiner fonnte ihn 
erklettern. Da bückte ſich einer und nahm den andern auf die 
Schultern und ſo viele, dann machten fie aus Lanzen Leitern 
und gelangten glüdlich auf die Höhe des Felſens. Otto hatte das 
Reihsbanner mit dem Bilde des Erzengels Michael um den Leib 
geihlungen. An einer Lanze befeitigt, flatterte es nun vom Pfalz: 
grafen geſchwungen, luftig im Winde. Drunten im Tale jubelten die 
Deutſchen, Schlachtrufe und Schlachtgejang ertönten und das Heer eilte 
zum Angriff. Die Räuber verhöhnten ———— das deutſche Heer, weil 
ſie glaubten, der Fels über ihrer Burg ſei nur den Adlern zugänglich. 
Doch als ſie ſahen, wie ſie oben und unten bedrängt wurden, ſannen 
viele auf Flucht, indem ſie ſich dem Sturze anvertrauten aber ihre 
Glieder an den Felſen zerſchmetterten, bevor ſie den Erdboden er— 
reichten. Mit Ausnahme eines einzigen, der in einer Höhle verborgen 
ſaß, wurden alle niedergehauen. Alberich wurde mit zwölf andern 
Rittern gefangen und vor den Kaiſer geführt, der ſie alle zum Tode 
am Galgen verurteilte. Da trat ein Gefangener vor und ſprach: 


— DB 


„Höre, edeljter Kaiſer, das Geſchick des unglüdlichiten Mannes. 
Ein Gallier (Franzoje) bin ich, fein Zongobarde, ein armer Ritter. 
Die Veroneſer verjprachen mir, mid) an einen Ort zu führen, wo 
meiner Armut geholfen werden fönnte. Ich glaubte es und ließ 
mich verleiten. Schone, o Fürft, des Unglüdlichen, jchone des elend 
Verführten!“ Der Kaijer ur Gnade, legte ihm aber die Strafe auf, 
daß er jeinen 12 Kameraden den Strid um den Hals jchlinge und 
fie am Galgen richte. So gejchah es. Nichts half es, daß die Räuber 
hohe Summen als Löjegeld zahlen wollten, jie alle büßten jofort 
ihre jchlechten Taten. Die Toten aber, die auf den Abhängen des 
Gebirges zerjtreut umbherlagen, wurden am Wege auf Haufen ges 
\hichtet, damit alle Vorübergehenden ein abjchredendes Beiſpiel 
jähen. Es waren ihrer 500, die das gerechte Gericht erreicht hatte. 
Nachdem der Engpaß durdjichritten und alle Gefahr überjtanden 
war, ſchlug Friedrich in der Nacht jein Lager bei Trient auf, von 
wo es am andern Tage nad) Bozen ging, das damals die Grenze 
zwilhen Bayern und Italien bildete und wo viele Nitter fich der 
Heimat zuwandten. Friedrich, Heinrich und Otto zogen hinüber in 
die bayerijhe Ebene und der Kaijer erreichte am 20. September 
Baiting am Leh. Mit feinem königlichen Gefolge aber gelangte er 
nad) Regensburg, wo er jeinen Freund und Wetter Heinrich den 
Löwen feierlich in das Herzogtum Bayern einjegte. (Siehe oben!) 





Hermann, Pfalzgraf bei Rhein. 


Als Friedrich in Weljchland war, hatten der Erzbijchof Arnold 
von Mainz und der Pfalzgraf bei Rhein, Hermann von 
Stahled eine bittere Fehde gegen einander. Arnold hatte jeine 
Beiltlihen, Vaſallen und Dienitleute ſchwer bedrüdt. Pfalzgraf 
Hermann geriet daher mit dem Erzbilhof in einen Streit, indem 
die rheinijchen Ränder, bejonders aber die Gegend von Mainz mit 
Plünderung, Mord und Brand heimgejucht wurden. Zu Regens- 
burg erjchienen beide Hagend vor dem Kaijer, der die Schlichtung 
bis zum Reichstage in Worms verjchob, wohin Arnold und Hermann 
beichieden wurden. Diejer Tag fand im Dezember 1155 ftatt, beide 
Fürften Hagten vor Kaijer und Weich; doch blieb Arnold wegen 
jeines Alters und jeines Standes verjchont, Hermann empfing 
dagegen die gejegliche Strafe für Landfriedensbruch. Veit alter Zeit 
war es nämlid) Sitte bei Franken und Schwaben, die Landfriedens- 
brecher auf eigene Art zu ſtrafen: der Adelige trug einen Hund, der 
ritterliche Dienftmann einen Sattel und der freie Bauer das Rad 
eines Pfluges von einer Grafichaft zur andern. Auch Friedrich zwang 
den Pfalzgrafen mit zehn andern Grafen die mitſchuldig an der Fehde 
waren, Hunde eine deutjche Meile weit zutragen, was man Harnſchar 
nannte. (VBergl. den alten Spruch: „Hunde bis Enkenbach tragen”.) 


18 


zu SS 


Im Jahre 1152 hatte König Friedrih ein Randfriedensgejeß 
mit den Fürften erlaffen. Die Grafen jollten Richter fein. Wer einen tot- 
ſchlug, wurde hingerichtet, wer einen andern verwundete, wurde verftümmelt 
und feine Güter eingezogen. Der Raufmann, der auf den Straßen reifte, 
follte fein Schwert an den Sattel binden oder auf den Wagen legen und es 
nur gegen Räuber ziehen. Er durfte aber nad) diefem Gejeße ſoviel Getreide 
unterwegs für feine Pferde nehmen, als er von der Straße aus mit dem 
Arme zu umjpannen vermochte. Der Bauer durfte feine Waffen tragen. 
Mer einen andern gefangen nahm und körperlich mißhandelte, ihm Bart 
und Haupthaar ausraufte, mußte dem Mißhandelten eine Buße von 10 Pfund, 
dem Richter aber ein Strafgeld von 20 Pfund geben. Schmähreden 
erhielten der Beleidigte und der Richter je 10 Pfund. enn aber dieſe 
Strafen nicht bezahlt wurden, jo zog der Graf die Güter des Beſtraften 
ein und empfing die jelbft vom König als Zehen. Wenn aber der Richter 
einen Zandfriedensbrecher bis zur Burg eines Herrn verfolgte, jo mußte ihn 
der Burgherr ausliefern. Wenn ein Ritter einen Bauern wegen Friedens— 
bruch vor dem Grafen verflagte, jo mußte der Bauer jchwören, daß er aus 
Notwehr gehandelt habe; auch konnte er das Gottesgeriht des Zwei- 
tampfes anrufen. 

n jedem Jahre wurde nach Mariä Geburt (10. September) von dem 
Grafen und fieben Männern von gutem Rufe, die in der Grafjchaft wohnten, 
der Getreidepreis feitgefegt. Wer aber innerhalb des Jahres das Getreide 
teurer verkaufte, wurde wie ein Landfriedensbrecher mit jovielmal 20 Pfund 
beftraft, als er den Scheffel höher verfauft hatte. Niemand durfte Netze, 
Schlingen oder Fallen |tellen um Wild zu — aber auf Bären, Eber 
und ölfe durfte jedermann jagen. elbjt zum Grafengericht durfte 
niemand mit den Waffen erjcheinen. 


Gegen diejes Gejeß hatten fich der Pfalzgraf und jeine Leute 
vergangen, als er das Erzbistum Mainz verwültete. Die Anhänger 
des Erzbilchofes jollten die gleiche Strafe wie die Leute des Pfalz: 
grafen erdulden. Als fie aber Hunde, Sattel oder Pflug tragen 
wollten, begnadete jie der Kailer. Pfalzgraf Hermann gründete bald 
nach diejer Strafe ein Zilterzienjerklofter auf feinem Gute Münner: 
ſtadt in Franken; er jelbjt gedachte der Welt zu entjagen und Mönd) 
u werden. Er überlebte dieje Demütigung nicht mehr lange und 
—* ſchon am 20. September 1156 ohne Erben. Die rheiniſche 
Pfalzgrafſchaft aber erhielt Friedrichs Stiefbruder, Konrad, der ſchon 
bei Tortona und in Rom Beweiſe ſeiner Tapferkeit geliefert hatte. 
Der Gerichtstag in Worms wurde bald in ganz Deutſchland bekannt. 
Jeder wußte jetzt, daß der Kaiſer den Landfrieden gewahrt wiſſen 
wollte. Allenthalben ließ er die Burgen der Friedensſtörer brechen 
und von den Rittern und Dienſtmännern durch die Grafen den Land— 
frieden bejchwören. 


Pfalzgraf Konrad von Hohenjtaufen 1155 — 1195 
Die Entjtehung der Pfalz am Rhein. 


Pfalzgraf Konrad hatte bereits im Jahre 1147 von jeinem 
Bruder Friedrich die rheinfräntijchen Güter, die einjt die jalijchen 
Kaiſer bejejjen hatten, erhalten. Es waren aber feine zujammen: 


— 267 — 


hängende Ländereien; denn der Erzbiſchof von Mainz, die Biſchöfe 
von Worms und von Speyer und dieſe Städte jelbit hatten Beſitz— 
en am Mittelrheine. Konrad aber wurde wegen diejer Güter, 
zu denen der größere Teil der vordern Pfalz mit Neujtadt gehörten, 
Grafim Speyergau, Wormsgau und Kahegau und hier herrjchte 
er als Triedensrichter nach dem Uuttriebnsmetie das jein Bruder 
erlajjen hatte. Am liebſten hielt er ji) auf dem Jettenbühel am 
Nedar auf, wo eine Burg, die jest |purlos verſchwunden ift, ftand 
und wo am Fuße der Burg bei einer alten Kapelle und einigen 
——— ſich bald ein Ort, das heutige Heidelberg, erhob. 
onrad vergrößerte ſeinen Beſitz raſch, weil er die Güter des Grafen 
von Saarbrüden durch eine Mutter erbte, die aus diefem Gejchlechte 
Itammte, während jeine Gemahlin Irmengard ihm die Henne: 
bergiihen Güter brachte und er als Pfalzgraf Vogt (weltlicher 
Schußherr) über viele Klöfter wurde. Dem Bruder aber blieb er 
getreu; auf den Reichstagen war er |tets an Friedrichs Seite und 
als 1158 die deutichen Nitter mit ihrem Kaijer über die Alpen 
zogen, da fehlte auch Konrad nicht, der bei Tortona und 1161 ftritt 
als Mailand vom Kaijer vernichtet wurde. Vom Erzbiſchof von 
Trier ließ er fich mit der Burg Ehremberg auf dem Hunsrüd be— 
lehnen; aber mit dem Erzbiſchofe von Köln geriet er beinahe in 
einen Krieg, da er nach deſſen Befigungen die Hand ausitredte. 
Meil aber die Kölner ein ſtarkes Heer ausrüfteten, (es Jollen 125000 
Dann? geweſen jein) gab Konrad nad. Später erhielt er dann 
die Burg Stahled als Lehen und die Schirmoogtei über 
Bacharach, die jeitdem bei der rheinijchen Pfalz blieben. 
Konrad war von mittlerer Geitalt, von feſtem gedrungenem 
Wuchſe; jein Haar war blond, jein Wejen ernit; mit Worten war er 
karg; bis zu jeinem Tode 1195 hielt er treu zu Kaiſer und Reich. 


Der zweite Zug nad) Italien 1158. 
l. 
Die päpftliden Gejandten. 


Im Jahre 1157, im Oktober trat Friedrich eine Reiſe nad) 
Burgund an. In Belancon, der Hauptitadt verjammelten fich fait 
alle Großen des Landes, auch Römer, Apuler, Tusker, Venetier, 
Italiener, Franzojen, Engländer und Spanier erjchienen hier und 
erwarteten den Kailer. it feitlihem Gepränge und feierlichem 
Jubel zog ihm alles entgegen, in großem Zuge ging es zur 
Pfalz, 2 hielt fich Friedrich einige Zeit auf. Da erjchienen 
von Rom zwei Gejandte des Papites, die Kardinäle Roland und 

18* 


= SO 


Bernhard mit vielen Beiftlichen. Als nun Friedrid eines Tages vor 
dem Lärm und Geräuſch des Volkes fich zurüdzog, wurden die 
Gejandten in einer abgelegenen Kapelle der Kirche vor den Kaijer 
eführt, der fie gütig und mit Ehren empfing. Sie redeten den 
ailer an: „Es grüßt euch unjer Heiligfter Vater, Papſt Adrian 
und die Gejamtheit der Kardinäle der heiligen römijchen Kirche, 
jener als Bater, dieje als Brüder”. Am andern Tage aber über: 
gaben fie dem Kaiſer den Brief des Papites. Der Papſt machte 
dem Kaijer ernite Vorwürfe darüber, daß der Erzbijchof von Lund 
in Schweden auf einer Reile von Rom nad) der Heimat in Deutjch: 
land gefangen worden jei, Friedrich habe die Friedebrecher nicht 
geitraft und den Erzbijchof nicht befreit. Als der Kanzler Reinald 
von Dafjel den Brief auf deutjch verlas, wurden die Fürſten voll 
Zorns, daß der Papſt es wage, dem Kaiſer Vorwürfe zu machen. 
Auch wuhten die Fürjten von einem Bilde im Palaſte des Bapites, 
auf dem Papft Innocenz II. der vom jeinem Stuhle Inienden Lothar 
die Kaiſerkrone auflegte. Unter dem Bilde ftand: 
„Bor den Toren bejchwört zuvor Roms Recht der König, 
Wird dann des Papſtes Vaſall, von ihm erhält er die Krone“, 
An all das erinnerten ſich viele; es entitand ein Lärm und als 
man hin und her jchrie, antwortete einer der Gejandten, Roland: 
„Bon wen hat er denn das Kaijertum, wenn ers vom Papſte 
nicht hat?” Da übermannte den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach 
der Zorn und mit gezüdtem Schwerte jtürzte er auf den Kardinal. 
Allein Friedrich trat dazwilchen, weil die Geandten freies Geleite 
hatten. Sie mußten von Bewaffneten in ihre Herbergen geleitet 
werden, von wo fie andern Morgens geradewegs nad) Rom zogen. 
Friedrich aber ließ ein Schreiben aufjegen und durch rajche Boten 
zu allen Fürjten, Bilchöfen und Grafen bringen, in dem er jagte, 
daß er ſeine Herrichaft allein der göttlihen Allmacht verdante 
und nicht dem Papſte. 


II. 
Die kaiſerlichen Geſandten Otto und Reinald. 


Oſtern 1158 war vorüber, Friedrich weilte in Lautern und 
freute ſich auf der neuen Burg und in den großen Wäldern des 
Friedens in der ſtillen Einſamkeit. Dann aber zog er nad) Augs— 
burg, wo fich ſchon taujende en zweiten Zuge über die Alpen 
jammelten. Hier wartete er 7 Tage lang auf den deutjchen Heer: 
bann. Mehr als 10000 Ritter brachten die Fürften und Grafen, 
ſowie die Bilchöfe heran, aljo etwa 50000 Mann. Der Kaijer beriet 
fi) mit jeinen Fürſten und in drei großen Heerhaufen zogen die 
Deutjchen über das Gebirge; Die HÖfterreicher und Kärntner über 
Kanale und Friaul, die Burgunder über den großen St. Bernhard, 
ein Teil der Franken, Zothringer und Schwaben das Rheintal auf: 


— 269 — 


wärts und Friedrich jelbft mit dem Pfalzgrafen Konrad, den Erz: 
bilhöfen von Mainz, Köln und Trier und vielen Bilchöfen und 
Grafen rücdte das Rheintal aufwärts um den Brenner zu erreichen. 
Dem Könige waren jchon zwei Gejandte vorausgeeilt; der Kanzler 
Reinald von Dajjel und der Pfalzgraf Dtto von Wittelsbad. Bei 
Otto war furzporher der Kailer auf der Burg Kelheim zu Gaſt 
gewejen und hatte ihm die Grafſchaft Garda an der Grenze ver: 
liehen. Mit einer ftattlichen NRitterjchar eilten beide Gejandte nad) 
Stalien. Gleich) an der Grenze wurden fie im Etſchtal von den 
Burgmannen der Feſte Rivola aufgehalten; als dieje aber von dem 
großen Heere des Kaijers hörten, traten fie raſch auf die Seite der 
Gejandten und ließen fie ungehindert durch das Etſchtal. Als das 
die Beronejer vernahmen, famen fie der Gejandtichaft des Kaiſers 
in glänzendem Zuge entgegen. Die aber nahmen ihnen gleich den 
Eid der Treue im Namen des Kaiſers ab und eilten nad) 
Mantua und Gremona, wo fie von den Vertretern der Stadt 
freundlich empfangen wurden. So bewegte ſich der Zug von einer 
Stadt zur andern, Nur die Bürger von Ravenna waren nicht 
faijerlich gejinnt wie ihr Erzbilchof. Ta, fie berieten ſich mit einem 
failerlichen Gejandten aus Briehenland, der im Namen jeines 
Herrn Anrechte auf Ravenna erheben jollte. Dtto und Neinald be: 
richteten darüber Jelbjt dem Kaijer: „Außerhalb der Stadt begegneten 
uns die Bürger von Ravenna, als fie von Ancona zurüdfehrten, 
wo fie das Bold des griechiichen Hofes empfangen hatten. Cs 
waren ihrer mehr als 300 Mann und wir hatten nicht mehr als 
10 Krieger. Bet ihrem Anblide gerieten wir in heftigen Zorn und 
griffen ihre Üübermacht troß unjerer geringen Zahl an. Wir nahmen 
den Traverjarius von Ravenna und jeinen Sohn Peter und 6 andere 
Vornehme der Stadt gefangen, während die Übrigen faum unjeren 
Händen entjchlüpften”. Das fühne Vorgehen Ottos gegen die Be: 
wohner von Ravenna erregte überall große Berwunderung und Furcht. 
Das ganze Land zitterte. Hoch und nieder erjchraf und die, welche 
in feiten Städten Zuflucht fanden und ſich anfangs ficher fühlten, 
hielten fich jelbjt für gefangen. Der Erzbilchof von Ravenna legte 
für die Gefangenen ein gutes Wort ein. Sie wurden deshalb von 
Dito und Reinald freigegeben, aber die ganze Bürgerjchaft mußte 
vor den Gejandten erjcheinen und dem Kailer Gehorjam jchwören. 
Seit Dttos des Großen Zeit war Ravenna nicht mehr in deutichen 
Händen gewejen. Hierauf ging es in die andern italienijchen Städte: 
Verona, Mantua, Gremona, Reggio, Modena, Bologna, Rimini, 
die zum Kampfe gegen das widerſpenſtige Mailand Truppen jtellen 
mußten. Die Bewohner Anconas, die den Griechen Treue gejchworen 
hatten, gingen nicht wie die andern Städter den faijerlichen Gejandten 
entgegen. Deshalb jammelten dieje von allen Seiten Mannjchaften 
zu Fuß und zu Pferd und jchlugen nahe am Meere ein Lager auf 
um die Stadt im Sturm anzugreifen und alles außerhalb der Mauer 


u TO — 


mit Feuer und Schwert zu verheeren. Da kam der griechiiche Ge— 
ſandte ins Lager, die Deutichen empfingen ihn mit Paufen und 
Fahnen. Da er fich entichuldigte, wurde Ancona verjchont, nachdem 
es vorher den Eid der Treue geleijtet hatte. 


Friedrichs Zug gegen Mailand 1158. 
L. 


Mit den deutichen Fürſten Herzog Heinrich von Sfterreich, 
Herzog Berthold IV. von Zähringen, u Heinrich von Kärnten, 
Landgraf Ludwig von Thüringen, Pfalzgraf Konrad bei Rhein 
und dem Könige von Böhmen rüdte Friedrih in Italien ein. 
Heinrich der Löwe fam erjt im folgenden Jahre. Das Heer war in 
fteben Haufen geteilt, als es in Italien einrüdte. Die Mailänder 
zeritörten alle Brüden, die über den Fluß Adda führten, um dem 
Raijer ein Hindernis zu bereiten. a fie ſchickten eine Botſchaft an 
Friedrich, er habe nicht nötig fich bis Mailand zu bemühen, denn 
an der Adda würden fie ihm den Weg verlegen. Als die Deutjchen 
daher an die Adda kamen, begannen etliche Nitter, auf ihre Kühn: 
heit vertrauend, auf den jchweren Schlachtroſſen den Fluß zu 
durchſchwimmen; viele von ihnen ertranten, da die Wellen reikend 
waren. Nur wenige, denen die Pferde untergejunfen waren, famen 
mit Mühe dur) und Jchlugen Mailänder, die am andern Ufer 
Itanden, in die Flucht. Die Böhmen ergriffen einen Longobarden 
und Asangen ihn dur) Drohungen, ihnen eine Furt durch den 
reißenden Strom zu zeigen. Als er dieje gewiejen hatte, drangen 
ſie alle um die Wette hinüber, jchlugen die Longobarden ganz in 
die Flucht und bejegten die einzige erhaltene Brüde. Das ganze 
Gepäck der Flüchtigen fiel den Giegern zu und ſchon brannten 
die nächſten Häuſer. Weithin jchallten die böhmilchen Sieges— 
paufen. Da eilten auch die andern Deutichen herbei um über den 
Fluß zu jegen. Aber bald kam die Nachricht, daß eine Schar 
Mailänder anrüde. Sofort rüjteten fi) die Ritter zum Kampfe 
und zogen gegen die anrüdenden Städter, die viel ftärfer waren. 
Viele Mailänder fanden den Tod und fiebzig angejehene Männer 
fielen in die Hände der Böhmen. Doc auch die Deutjchen hatten 
Berlufte. Bald war die verrammelte Brücke ſoweit hergeftellt, daß 
Friedrih mit den Angejeheniten jeines Gefolges über den Fluß 
gehen fonnte. Auch eine Notbrüde hatten die Böhmen hergeltellt 
um ihren Troß und ihr Gepäd jchnell hinüberzubringen. Aber das 
ſchwache Werk brach unter der Laſt zufammen und viele Ungarn 
und Böhmen fanden den Tod in den Wellen, ein zweiter Verjuch 
mißlang ebenfalls. Seit dem Übergang der Deutichen über die 
Adda, entfiel den Mailändern der Mut. 


Der Kaiſer aber ſchickte, als er der Stadt nahte, feinen Marjchall 
init fünfzig Nittern voraus, damit diejer wie üblich einen Play aus: 
crjehe, wo das er des Kaijers vor der Stadt könnte aufgejchlagen 
werden. Dem Marichalle folgten mehr denn fünfhundert Ritter, 
unter denen jich auch der Öjterreicher Graf Edtbert befand. Als der 
Zug vor die Stadt fam, jahen fie die ftarfe Befeftigung auf allen 
Seiten; alle Tore waren verrammelt und fein Laut war zu hören. 
Die Deutjchen betrachteten fich in aller Ruhe die Stadt mit ihren 
Gräben und Straßen und juchten auch nad) einer pajjenden Gtelle 
fürs Lager. Dann gingen fie eilend zurüd zum Heere. Graf Eckbert 
aber, der nichts ahnte, ritt mit wenigen der Seinen langjamer und blieb 
daher ein gutes Stück Wegs zurüd. Als dies die Mailänder jahen, 
drangen fie aus der Stadt und überfielen Eckbert mit jeinen Leuten. 
Die meilten, darunter auch den Grafen, töteten fie; andere nahmen 
ſie gefangen. Als der Kaijer das hörte, ward er betrübt, aber jofort 
am andern Tage rüdte er mit dem ganzen Heere vor Mailand. 
Diejes war in 7 Haufen geteilt, den 6. führte der Bannerträger 
Pfalzgraf Otto von Wittelsbach. Vorausgeſchickte Ritter aber gingen 
nit Wegearbeitern voran, die die ſchadhaften Stellen der Dämme 
ausbejjern, die Wege ebnen und die SHindernijje bejeitigen jollten, 
damit das Heer nicht durch jchwierigen Marſch ermüde. Um den 
Adler des Kaijers und den andern TFeldzeichen der Haufen befanden 
ſich Trompeter und Hornbläjer. Die Rnechte, welche auf Maulejeln 
und andern Lajttieren das Gepäd der Ritter führten, gingen mit 
ven Fußvolf immer am Ende. Zuletzt folgten die nötigen Kriegs: 
majchinen und die Nachhut bildeten die Söldner. So famen fie an 
die Stadt. Die aber aus der Stadt gezogen waren und Eckbert 
und feine Leute überfallen hatten, jtanden bewaffnet oben auf dem 
Malle, ohne etwas zu reden oder zu jchreien; fie ſchauten zu, wie 
die Deutjchen ihr Lager errichteten. Friedrich ſchlug vor dem 
römiſchen Tore jein Lager auf; die andern Fürjten bejegten die 
andern Tore und andere Punkte, wo die Stadt leicht anzugreifen 
war. Die MWeingärten um die Stadt wurden zerjtört und die Bes 
lagerung begann. Damals jchon war der Umfang der Stadt 
242 deutſche Meilen oder 100 Stadien, ringsum war ein neuer 
Graben mit Waſſer, den der Konſul der Stadt erjt ein Jahr vorher 
hatte anlegen lajjen. 


II. 


Pfalzgraf Konrad vom Rheine und der junge Herzog Friedrich 
von Schwaben ſtanden mit ihren NRittern und Knechten an der 
äußerjten und gefährlichen Seite, da, wo der Angriff der Städter am 
gefährlichjten war (zwilchen dem Djttore und dem neuen Tore). Gie 
wurden von den Mailändern genau beobachtet und bald erkannten dieje, 





- u. 
ET ET REES 
— — 





Speyerer Dom von Oſten aus geſehen (I 





's „Heidentürmchen“, 13. Jahrhundert). 


— 274 — 


daß hier die Belagerer nicht jo zahlreich waren als an andern Toren. 
Als nad) Sonnenuntergang das ganze Heer mit Ausnahme der 
Machen fich vor der jchweren Arbeit in den — niederlegten, 
öffneten ſich die Tore und eine große Schar Mailänder, die trotz 
der Dunkelheit ſich zurechtfand, überrumpelte die Wachen. Das 
Lager der Leute Konrads wäre bald ein Raub der Feinde geworden; 
aber einer rief dem andern zu um fich zu erfennen zu geben. Die 
Mailänder wurden zwar zurüdgeworfen, Geſchoſſe Som: Befehle 
ertönten, die Deutſchen ermahnten jich in ihrer Sprache; aber 
die Mailänder ftanden noch feit und in der Nacht wußte niemand 
den Ausgang des Kampfes. Da hört der König von Böhmen mit 
den Seinen den Lärm; ſchnell ergreifen dieje die Waffen, bejteigen die 
Roſſe und ziehen mit Trompetenktlang und PBaufenjchlag gegen die 
Mailänder. Es geht durch Gärten und Weinberge, über unebenen, 
holperigen Boden. Die Schwaben und Franken hören den Lärm 
ihrer Freunde und befommen neuen Mut. Der Böhmenkönig jelbit 
fämpft bärenmutig. Er jelbit ftredit den Bannerträger der Mai: 
länder, Tazo mit jeiner Yanze zu Boden und bald rufen die Städter 
einander zu, zu fliehen. 


IV, 
Der Kampf um den Triumphbogen 1158. 


Bei der Stadt Mailand erhob fich ein alter römijcher Triumph: 
bogen mit drei Durchgängen und vier mächtigen Pfeilern, ganz aus 
Marmorquadern gefügt. Er galt als das ficherite Bollwerk der 
Mailänder. Da er nur einen Pfeilfchuß weit von der römijchen 
Pforte entfernt war, jo hatte man ihn in eine ftarfe Feltung um: 
gewandelt. Auf jeiner Höhe befanden fich 40 Betten für die ftreitenden 
Ritter, die auch mit Waffen und Lebensmitteln wohl verjehen waren. 
Da dieje von ihrer Höhe aus ins faijerliche Lager blicken konnten. 
h befahl Friedrich jofort einen Angriff; aber acht Tage lang wider: 
tanden die tapferen Städter den Deutjchen. Endlich drangen dieſe 
in die drei Durchgänge ein und trieben mit Hämmern, Meißeln und 
Beilen das Mauerwerf aus den Fugen. Auch waren die Verteidiger 
ſchon von der Stadt, die ihnen feine Hilfe mehr ſchicken konnte, ab— 
geichnitten. Schon Jahen fie ihre Felte in den nächſten Tagen unter 
ſich zulammenbrechen und alle waren dann verloren. Da ergaben jie 
fich) lieber dem Kaijer, der ihnen freien Abzug gewährte. Den Bogen 
aber bejegten jeine Deutjchen. SHierhin jchafften fie eine Schleuder- 
majchine, die bejtändig Steine bis zu dem hölzernen Kajtell auf dent 
Malle der Stadt warf, herbei; aber auch die Mailänder richteten eine 
itarfe Schleudermajchine gegen den Bogen. Ein jchwerer Stein traf 
den Baum der deutichen Machine, andere beichädigten das Mauer: 
werf oder zermalmten die Ritter. Daher gaben die Deutjchen den 
Bogen bald auf. Auch der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach mit jeinen 


Brüdern Friedrich und Otto dem Jüngern, dem Vater Otto 
von Wittelsbach, der den deutichen Kaijer Philipp von Schwaben 
1208 ermordete, beobachtete aufmerkſam die Arbeit der Gtädter. 
Als nun eines Tages die Mailänder an der Stadtjeite, vor der Otto 
lagerte, müßig waren und nur wenig Wächter am Tore ftanden, 
verjuchte er einen Überfall des neuen Tores. Mit einbrechender 
Duntelheit gaben die Wittelsbacher heimlich den Rittern den Befehl, 
ih zu rüften, die Troßfnechte aber nahmen Feuer und Bündel 
trocknen Holzes um auf Befehl Dttos bereit zu jein, die Brücke über 
dem Wajjergraben und das Tor Jelbjt in Brand zu fteden. — Bald 
winkte Otto, als die Gelegenheit günftig, war und die Bayern er— 
reichten den Damm vor der Brüde; fie erftürmten die Schuß: 
wehren und die Knechte jchleuderten ihr Feuer auf die hölzerne 
Brüde. Schon jchlug die Flamme hoch auf und bedrohte das Tor 
und die nächſten Häuſer. Da jtürzten die erjchrodenen Städter, 
Bewaffnete und Unbewaffnete, herbei um den Brand zu löjchen. 
Unterdejjen brach die Nacht herein, Fackeln und Kienjpäne erleuchteten 
mit dem Feuer den KRampfplag. Die Wittelsbacher Grafen jelbit 
Itanden in den erjten Reihen und kämpften mit ihren Rittern um die 
Brüde zur Stadt. Nachdem der Brand erlojchen war, kehrten alle 
ins Lager zurüd und die Städter wachten aufmerfjamer auf ihre 
Tore. So ging der Streit um die Stadt täglich weiter. — Eines 
Tages erjchien vor der Stadt im Lager des Kaijers ein Mailänder 
Nitter und forderte nach Nitterfitte die Deutichen zum Zweilampfe 
mit ihm auf. Er |pottete der deutichen Nitterjchaft und nannte fie 
ungejchictte Yeute. Sein munteres Roß begann er in heftigem Anlauf 
dahin jtürmen zu lajjen. Dann ergriff er es bei den Zügeln und 
tummelte es im Kreiſe herum, hierauf ließ er es mancherlei gejchidte 
Mendungen machen. Die Städter jahen von den Mauern ihrem 
Helden zu und waren voll Verachtung für die Deutichen. Da aber 
lange niemand hervortrat und der Mailänder immer noch über Die 
Verzagtheit der Deutjchen |pottete, zog endlid Graf Albert von 
Tyrol ohne Harniſch und auf jeinem Pferde figend nur mit Schild 
und Lanze gegen den Prahler. Schon im erjten Anreiten warf 
er ihn aus dem Sattel, jodaß er zu Boden fiel. Er hätte ihn nad) 
Kriegsbrauch töten können; das jahen auch die Mailänder, aber der 
Graf ließ von feinem Gegner ab und kehrte ohne fich zu rühmen in 
das Lager zurück; jener aber jchlich fich Heinlaut in die Stadt. Go 
fanden — mehr Wettſtreite ſtatt. Niemand aber kämpfte mit 
größerem Eifer und größerer Wildheit als die Ritter von Cremona 
und Pavia, die dem Kaiſer halfen und gegen niemand waren die 
Mailänder zorniger als gerade gegen ihre feindlichen Landsleute, 
die ſich jetzt an dem mächtigen Mailand rächen wollten. Die Italiener 
riſſen die Weinſtöcke, Feigenbäume und Olivenpflanzungen der 

ailänder teils mit der Wurzel aus, andere ſchnitten ſie ab oder 
ſchälten die Rinde los und verſchafften ſich Feuerholz. Kam es aber 


— — 


zum Schwertkampfe, ſo durchbohrten die italieniſchen Belagerer den 
Gefangenen mit Dolchen den Hals oder erſtachen ſie mit Spießen, 
die Mailänder aber — ihre Gefangenen gliederweiſe und 
warfen ſie vor die Mauern. — — — 

In der Stadt wuchs die Hungersnot von Tag zu Tag mehr; 
denn hier hatte fich auch das Volk der ganzen Gegend zu Taujenden 
eingefunden, dazu kamen Krankheiten und jchließlich eine fürchterliche 
Belt Da aljo Hunger, Schwert und Belt das Bolf gleichermaßen 
bedrängten, dachten viele an Übergabe und Flucht; andere wollten 
ausharren bis zum Tode, aber die Klugen beriefen eine Verſamm— 
lung ein, die bejchloß um Frieden zu bitten. Die Konjuln (Bürger: 
meilter) der Stadt beiprachen fich zuerjt mit dem König von Böhmen, 
dem Herzog Heinrich) von SÖfterreich und mit den andern deutjchen 
Fürften. Aulebt landten fie die Friedensboten zum Kaiſer, der fie 
freundlich begrüßte und gerne mit ihnen unterhandelte. Schließlich 
kam ein Vertrag zuftande, der folgende Beſtimmungen enthielt: 

Die Mailänder werden nicht hindern, daß die Städte Cumä 
und Lauda (Cumo und Lodi) zu Ehren des Reiches wieder auf: 
gebaut werden und werden fie fortan weder angreifen noch zeritören. 
Sie dürfen weder Wegegeld noch Steuern erheben und ich nicht 
in die Angelegenheiten der andern italienijchen Städte milchen. — 

Alle Mailänder von dem Niedrigjten bis zum Bornehmiten 
von 14 Jahren und darüber bis zu 70 Fahren werden dem Herrn 
Kaijer ohne Argliit Treue ſchwören und halten. 

Eine faijerlihe Pfalz werden fie zu Ehren des Herrn 
Kaiſers nad) der Beltimmung tühtiger Männer erbauen und 
mit jchuldiger Ehrerbietung gewiljenhaft in Stand halten. 

Zur Sühne für ihre Bergehungen müjjen die Mailänder dem 
Railer und der Kailerin 9000 Mark in Silber oder Gold geben. 

Für gewiljenhafte Erfüllung ihrer Verjprechungen jtellen fie 
300 @eijeln, die vom Erzbilchof, den drei Konjuln u. a. ausgewählt 
wurden. Drei deutiche Fürjten geben Handichlag, daß die 50 Beijeln, 
die * die Alpen geführt werden, ebenſo getreulich zurückgegeben 
werden. 

Die künftigen Konſuln wählt das Volk, aber der Kaiſer be: 
ftätigt fie in ihrem Amte. 

Auch Münze, Zoll, Geleite, Hafenabgabe und Grafichaftsrechte 
(Gericht) geben die Mailänder auf. 

Der Kaiſer wird die Mailänder und ihre Anhänger mit einer 
Buße von 120 Mark in Gnaden annehmen und wird fie öffentlich 
vor dem vollzählig verjammelten Hofe von der Acht löſen. 


Nachdem dieje TFriedensbedingungen vom Kaiſer und den 
Städten angenommen waren, famen die Mailänder unter dem Schuße 
eines freien Geleites heraus ins faijerliche Zeltlager. Voran 


— —— 


gingen die ar been und die Diener der Kirchen, an der Spibe 
der Erzbijchof barfuß, mit Kreuzen und in ärmlichem Gewande. 
Hierauf folgten die Konfuln und die Vornehmen der Stadt mit ab: 
geworfenem Kleide, nadten Füßen und entblößte Schwerter am 
Halje tragend. Langjam und jchweigend ging der Zug zur Stadt 
hinaus. Die deutichen Ritter aber hatten alle Pläße längs des 
Weges bejeßt, jo daß der Kailer und die deutjchen Fürften kaum 
Raum hatten und der Zug fi) mit Mühe zum Kailer bewegte. 
Der Kaijer jchaute mit gnädiger Miene auf die Mailänder und 
ſprach zu ihnen freundlich. Der Erzbilchof empfing den Friedens: 
fuß und nahm jeinen Siß unter den Erzbilchöfen, die um den Kaiſer 
waren. Dann nahten die 12 Konjuln mit den Schwertern um den 
Hals; fie übergaben die nadten Waffen dem Kaijer und Dtbert de 
Drto, einer der Konſuln jprach im Namen aller: „Wir haben gefehlt, 
Unrecht getan und bitten um Verzeihung. Unſere Häupter, die wir 
Eurer Macht und Euren Schwertern darbieten, find die aller Mais 
länder und mit diejen unjern Schwertern werden alle Waffen Mais 
lands in Eurer Hand fein.” Der Kaijer nahm die Schwerter und 
übergab fie den Dienern. SHierauf erteilte er den Konjuln den 
Friedenskuß und ſprach feierlich Mailand und jeine Bundesgenofjen 
von der Reichsacht los. Dann begann die Firchliche Feier. In dem 
foftbaren und weiten Zelte, das der engliſche König dem Kaiſer 
eichentt hatte, hielt Erzbiihof Dtbert von Mailand die Meile. 
Friedrich mit der Kailerfrone geſchmückt jegte vor allen Fürften auch 
dem Böhmenkönig ein Diadem auf. Nicht enden wollender Jubel 
ftieg m Himmel, als das fiegreiche Heer feine Führer im Glanze 
der Kronen erblidte.e Am andern Tage nahmen deutiche Fürften 
und Grafen den Mailändern den Treueihwur ab. Vom hohen Dom: 
turme, dem höchiten der Lombardei, flatterte die Reichsfahne zum 
Zeichen, daß nun Mailand Eaijerlich jei. 


Der große Ronkaliihe Reichstag. 


Oſtlich von Piacenza in der Rombardei liegt die Ronkaliſche 
Ebene. Dorthin hatten auf den 11. November 1158 die Boten des 
Kaiſers die italienischen Fürften, Grafen, Erzbiihöfe und Bilchöfe 
entboten. Kaum waren die deutjchen Ritter mit ihrem Troß auf der 
Ebene angelangt, als fie an einer guten Stelle das Lager abitedten. 
Da, wo der Boden uneben war, wurde er eingeebnet, dann jchlugen 
die Deutjchen im Viereck ihre Zelte auf. In der Mitte jedes Stammes 
erhob ſich das Zelt des Herzogs oder Fürlten, einem Tempel ähnlich, 
ringsum ftanden die Zelte der Feldhauptleute und Oberften, die mit 
den Waffen gerüfteten Nitter lebten in Zeltgenofjenjchaften und als 


— 78 — 


alle Zelte errichtet waren, übten fie jich täglich troß des Friedens 
in den Waffen um ftets gerüftet zu jein. Jenſeits des Po erhob 
fich gleichzeitig das Lager der Italiener, damit aber eine bequeme 
Verbindung jei, wurde auf Friedrichs Befehl binnen zwei Tagen 
eine Schiffbrüde hergeftelt. Dann ließ der Kaijer alle Bijchöfe, die 
efommen waren und jeine vertrauten Freunde, darunter Pfalzgraf 
Konad und Otto von Wittelsbacd zujammentreten und beriet drei 
Tage lang über die Angelegenheit Italiens. Am vierten Tage hielt 
Friedrich einen allgemeinen Reichstag ab, wo er von Fürjten, Dichtern 
und Sängern gefeiert wurde. Dann aber widmete er fich als oberiter 
Richter dem Rechte. Er hatte vier Richter, gelehrte Männer von der 
Univerfität Bologna bei fi) und andere rechtskundige Leute und ließ 
die Kläger vor fich treten. Da famen fie denn nad) italienijcher Sitte 
mit Kreuzen in den Händen; endlos war die Zahl der Kreuzträger. 
Spöttelnd meinte Friedrich, warum gerade die Italiener die Gelehe 
jo oft überträten, da fie doch in der NRechtswiljenjchaft jo berühmt 
jeien. Viele Richter hatten tagelang zu tun. Der Kaiſer jelbjt flagte 
die Stadt Mailand an, die die Krönungsitadt Monza an fich gerijjen 
hatte. Der Richter jprach ihm die Stadt als Reihsgut zu. 

Am 23. November hielt Friedrich einen Reichstag bei der 
Petrustirche zu Cotrebbia ab, wo die 4 Rechtsgelehrten und je 
2 Richter aus allen italieniichen Städten zulammentraten und ein 
Verzeichnis der Königsrechte (Negalien) aufitellten. 

Zum Königsrechte gehörten danach die öffentlichen Straßen, die 
Ihiffbaren Flüſſe und Zuflüjfe, die Hafen, die Ufer: und Marktzölle, 
die Münzen, die Strafgelder, die herrenlojen Güter, die Güter der: 
jenigen, die mit dem Berlufte beitraft wurden, die Stellung von 
Pferden, Wagen, Schiffen, die Steuer bei Kriegsfahrten des Königs, 
das Recht die Stadtverwaltung einzulegen, die Silberbergwerfe, die 
Pfalzen in den Städten, die Einkünfte der Filcherei und der Salinen, 
die Güter der Majeltätsverbrecher, die Hälfte eines jeden Schaßes, 
der auf föniglichem oder geiltlihem Belize gefunden wurde. Als 
dieje Rechte von den Gelehrten fejtgejegt waren, erjchienen alle Erz: 
bilchöfe, Bilchöfe und Herzöge, Markgrafen und Grafen und gelobten 
dem Kaijer, der auf dem Throne jaß, diefe Rechte Fortan nicht zu 
gebrauchen; allen voran verjprachen es der Erzbilchof und die Konjuln 
von Mailand. Hierauf ftiftete der Kailer mit den Italienern einen 
Zandfrieden, wie er ihn 1152 bereits in Deutjchland gejchaffen 
hatte und gab ein Lehensgejeg heraus. Brad) eine Stadt den 
Frieden, jo zahlte fie 100 Pfund Gold, eine Burg 20 Pfund, Herzöge, 
Markgrafen und Grafen 50 Pfund, die Ritter 20 Pfund, andere 
Perjonen 3 Pfund an die faijerliche Kammer. 


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Mie Münden entitand. 


Kaum hatte Heinrich der Löwe das Herzogtum, das jeinem 
Vater entrijjen worden war, wieder erlangt, jo geriet er mit jeinen 
nächſten Nachbarn in Streit. Namentlich hinderlich waren ihm die 
Bilhöfe von Bayern, die nicht von ihm, jondern vom Raijer ein: 
gejegt wurden. Veit alter Zeit führte die Straße vom Salzfammer: 
gut bei dem Dorfe Föhring über die Ijar. Daher hatten die Bijchöfe 
von Freiling an diejer Stelle eine Brüde über den reißenden Fluß 
führen lajjen, wofür fie den Zoll erhoben. Da täglich große Salz: 
transporte vorbeifamen, jo wurde viel Geld eingenommen, das in 
die Kaſſe des Bilchofs floß. Um noch mehr Einnahmen zu erzielen, 
hatte ein Bilchof an den Ort Föhring eine Münzitätte angelegt und 
bald entfalteten fich ein lebhafter Markt und große Wechſelgeſchäfte. 
Die Entwidelung Föhrings hatte Heinrich mit Neid gejehen. Daher 
befahl er jeinen Leuten bei Nacht und Nebel gegen Föhring zu 
dringen um den Drt zu zeritören. In einer ftürmijchen Nacht über: 
fielen Mannen des ee den Markt, riljen die Zolljtätte und 
MWechjelbuden nieder und zeritörten die Holzbrüde. Heinrich hatte 
eine Stunde oberhalb Föhring bereits eine Brüde über den reißen: 
den Fluß bauen lajjen und als die Salzfuhren der Kaufleute nad) 
Föhring famen und feine Brücke fanden, wandten fie fich nach dem 
neuen Übergange. Sjenjeits der Iſar lag dort ein herzogliches Dorf 
Münichen, das ſich nad) den Mönchen eines Klofters, entweder 
Tegernjees oder Weſſobrunns nannte. In der Gegend waren ja 
Ichon jeit alter Zeit Mönche begütert; denn zu Herzog Arnulfs Zeit 
(907—937) wurde ein Hof Municha dafelbft genannt. Aus Mem: 
mingen, Schongau und Peißenberg jtrömten auf des Herzogs Heinric) 
Geheiß Anfiedler herbei. Auch hier gab es bald außer der Zollitätte, 
Mechlelgejchäfte, Kaufhäuſer und Werfitätten. Daher ließ der Herzog 
den Ort mit Mauern umziehen. Bilchof Otto von Freiling ließ lich 
aber dieje Überrumpelung nicht gefallen und wandte ſich daher an 
den Kaiſer, der ja jein Neffe war. Diejer aber wollte es mit jeinem 
Bater Heinrich, deſſen Heeresfolge nach Italien er bedurfte, nicht 
verderben. Er beitimmte deshalb, daß der Markt München bleibe, 
der Markt Föhring jollte nicht mehr aufgebaut werden; aber der 
Bilhof von dem Erlös der Zolljtätte in München ein Drittel er: 
halten, während Heinrich die beiden andern Drittel befam. Dies 
geihah am 14. Juni 1158. Als aber im Jahre 1180 Heinrich der 
Löwe in die Reichsacht fam und jeine Herzogtümer Bayern umd 
Sadjen verlor, gab Kailer Friedrich) dem FFreifinger Bilchof die 
Erlaubnis, Markt und Brüde zu Föhring wieder aufzubauen und 
den Zoll allein zu heben, München jollte als Zollitätte und Markt 
niedergelegt werden. Die Föhringer Brüde eritand wieder und 
München verjhwand auf einige Zeit; aber es war zu jpät. Denn 
jeit 22 Jahren hatten fich die Kaufleute und Reijenden an den neuen 


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Ihönen Ort gewöhnt und dieſer wuchs raſch zu einer blühenden 
Stadt empor. 


Das troßige Mailand 1158. 


Der kaiſerliche Kanzler Reinald von Daſſel, Pfalzgraf Dtto 
von Wittelsbach und Grafen und Bilchöfe jollten in den italienilchen 
Städten Männer einjegen, die dem Katjer ergeben wären. Als fie 
nad Mailand kamen um die faijerlichen Beamten einzujegen, fand 
in dem Dome eine große Bürgerverjammlung jtatt. Die jollte über 
den Tribut an den Kaijer und über die Wahl der Beamten (Podeſtas) 
enticheiden. Da entitand plöglich ein Aufruhr und der Schredens: 
ruf ertönte: „Heraus mit den Gejandten; fie müjjen fterben!” Die 
Bejandten wohnten im Stadthaufe, wohin die Menge zog. Raſch 
ichloffen fich die Pforten, aber die Fenſter wurden mit Steinen be: 
worfen und jchon wollten einige das Haus jtürmen. Da eilten die 
Konjuln (Bürgermeilter) der Stadt herbei und beruhigten das Volf, 
das ſich an den Gejandten vergriffen hätte. Sie beteuerten ihre 
Unschuld und jchoben die Schuld an dieſem Auftritt auf den be— 
trunfenen Pöbel, dem Kailer möge aber ja nichts berichtet werden 
und verjprachen daher den Bejandten große Summen. Um Mitter: 
nacht verließ Dtto mit jeinen Leuten die feindliche Stadt, während 
Reinald bis zum andern Tage blieb. Dann eilte auch er dem Wittels- 
bacher nach. Die Gejandten famen zum Kailer, dem fie alles getreu 
berichteten. Friedrich aber mußte ala Sr Leute haben um Die 
Macht Mailands brechen zu können. arüber vergingen Jahre. 


Mailands Beltrafung 1162. 


Viele Mailänder wollten von den Beichlüffen des Ronkaliſchen 
Reichstages nichts wiljen, die Städte wollten frei bleiben; insbejondere 
aber war Mailand die Seele diejer Bewegung. Daher war 
— gezwungen in Italien zu bleiben und ſeinen kaiſerlichen 

illen durchzuführen. Vier Jahre faſt weilte er in dieſem Lande. 
Im Jahre 1160 hatte ſich nun der Kaijer ein größeres Nitterheer 
der getreuen Städte bei Lodi gejammelt. Mit ihm rüdte Friedrich 
gegen Mailand, deijen ganze Umgegend er verwülten ließ, weshalb 
am 1. Juni 1160 das Mailänder Heer, unterjtügt durch 200 Ritter 
aus Viacenza gegen den Kaijer zog. Es hatte den berühmten Fahnen— 
wagen, den Carroccio bei fich, den 200 edle Jünglinge verteidigten. 
100 Streitwagen, die der Meilter Gwintelmus mit jtarten Schildern 
verjehen und mit Sicheln bewehrt hatte, jollten Tod und Schreden 


— 3 — 


verbreiten. Den Kaijer gedachten die Städter zu demütigen. Schon 
hatten fie die Sichelwagen als erite Schlachtreihe aufgeltellt, in der 
zweiten hielt der Fahnenwagen bei dem Fußvolfe, in der dritten 
die Ritterjchaft mit Fahnen und in der vierten die Piacenzer. In 
diejer Ordnung rüdten fie vor; aber der Kaijer vermied eine Feld: 
Ichlacht und z0g in der Nacht ab. Als er Pavia erreicht hatte, entlieh 
er jeine italienijchen Ritter. Da die Felder der Mailänder von den 
Raijerlichen verwiültet waren, zogen erjtere vor die Stadt Lodi, die 
durch Sümpfe und Gräben wohl verwahrt war. Dreimal verjuchten 
fie den Angriff, als aber gar Hilfe für Lodi fam, flohen die Mailänder. 
Lodi erhielt hierauf neue Feltungswerfe. 


— 2* des Winters 1161/62 waren die Straßen ſehr unzu— 
gänglidh. ailand wurde immer mehr eingelchlojjen; die Nahrungs: 
mittel in der Stadt nahmen ab und die Kräfte verjiechten. Daher 
bejchlojjen die Führer und die Bürger ſich endlich dem u zu 
unterwerfen. Demgemäß erjchienen am eriten Tage des Monats 
März die Konluln der Mailänder mit anderen Edlen, gegen 20 an 
Zahl, Inieend, mit bloßen Schwerten auf dem Naden, öffentlich vor 
dem ganzen Hofe, ergaben ohne jegliche Hinterlijt, wodurch fie bei 
der eriten Unterwerfung den Kailer getäujcht hatten, und ohne jede 
Verzögerung oder Bedingung fich und ihre Stadt mit Sachen und 
Berjonen ihrem Herrn, dem Kaiſer, und leijteten die Eide, die ihnen 
vorgejchrieben wurden, für jich und alle übrigen Mailänder. Wieder: 
um am darauffolgenden Sonntag, an dem pajjend gejungen wurde: 
„Bedente deiner Milde, o Herr!” (Reminiscere) famen mehr als 
300 ganz auserlejene Ritter der Mailänder mit den Konjuln, fielen 
vor dem Kailer, der auf jeinem Thron jaß, nieder, flehten in ebenjo 
Ihöner wie klagender Rede um jein Erbarmen, übergaben die 
Sclüjjel der Stadt und die Hauptfahnen von allen Toren und 
Scharen, 36 an Zahl, und leijteten jelbjt die gleichen Eide wie die 
Konſuln. Hierauf am Dienstag fam das Volt mit dem Carrocium 
(Fahnenwagen) und der übrigen Nitterjchar und überbrachte die 
Fahnen aller Stadtviertel, an Zahl 100 und etwas mehr. Gie 
zogen der Weihe nach — die Bewohnerjchaft von drei Torjprengeln 
vor dem Wagen einherjchreitend, die übrige Menge ihm nachfolgend — 
nach Neu-Lodi bis vor den Palaſt des Kailers. Sobald diejer hoch 
auf jeinem Throne von ihnen erblickt wurde, ftießen die Trompeter, 
die auf dem Wagen ftanden, ſtärker in die chernen Polaunen und 
hielten ihrem Stolze, der jeßt erjtarb und hier zu Grabe getragen 
werden jJollte, gleichſam die Leichenfeier. Als der Klang verhallt 
war, wurden die Poſaunen dem Kaijer übergeben. Danach traten 
die Vorfteher der Stadtviertel einzeln heran, bekannten fich ſchuldig 
und übergaben der Reihe nad) ihre Fahnen von der eriten bis zur 
legten. Noch jtand der Wagen, der mit vielfachen Eichenbohlen 


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— 2 — 


eingefaßt, zum Kämpfen von oben herab hinlänglich ausgerültet und 
—* mit Eiſen beſchlagen war; aus ſeiner Mitte erhob ſich ein 
chlanker Maſtbaum, von unten bis oben mit Metall, Riemen und 
Stricken aufs feſteſte umwunden. Auf der Spitze dieſes Maſtes ragte 
ein Kruziſix empor, in deſſen innerem Teile der heilige Ambroſius 
abgebildet war, vor ſich blickend und Segen ſpendend, wohin eben 
der Wagen ſich wandte. Nach Übergabe aller Ehrenzeichen der Mai— 
länder kam zuletzt dieſer Wagen heran, um ſelbſt auch ſein Haupt 
—— Sein Lenker ſenkte kunſtvoll jenes ganze Gerüſt und jenen 

aſtbaum bis zur Erde, ſo daß wir (der kaiſerliche Notar Burchard), 
die wir neben dem Throne des Kaiſers ſtanden, den — 
des Gerüſtes befürchtend, erbebten. Doch der herabgeſenkte Maſt— 
baum fiel weder, noch erhob er ſich, bis der Kaiſer die Fahne von 
der Spitze löſte und den Wagen wieder aufrichten und als einen 
unterjochten daſtehen ließ. Da fielen Krieger und Volk einmüti 
auf ihr Antlitz, wehklagten und flehten um en Als hierauf 
einer der Konſuln eine Trauerrede hielt, warf ſich nach deren Schluß 
die Menge abermals nieder; fie jtredte die Kreuze, die fie trug, 
empor und flehte unter großem Klagegejchrei im Namen des Kreuzes 
um Gnade. Davon wurden alle, die es hörten, heftig bis zu Tränen 
gerührt; aber das Antlig des Kaijers veränderte fih nicht. Zum 
drittenmal redete der Graf von Blandrate als Fürjprecher für jene, 
jeine früheren Freunde und rührte alle zu Tränen, indem er jelbit 
das Kreuz emporhielt und die ganze Menge fi) mit ihm zugleich 
demütig bittend niederwarf; aber des Kailers Antlig blieb un— 
beweglich wie Stein. Darauf wurde vom Kölner Bilchof die einfache 
Formel ihre Unterwerfung abgefaßt und von ihnen mit einem un: 
umwundenen Schuldbetenntnis beantwortet. Der Kaiſer erwiderte 
ihnen auf ihr Flehen, was fich ziemte, und verjprach, nach reiflicher 
fiberlegung im geeigneten Zeitpunft Gnade zu üben. Nachdem er 
fte damit entlajjen hatte, ließ er fie fich am folgenden Tage abermals 
ſämtlich vorführen. Sie warfen in der Hoffnung auf Erbarmen die 
Kreuze, die fie in den Händen trugen, durch die Fenitergitter in die 
Kemenate der Kaijerin, da fie vor ihr Angeficht feinen Zutritt hatten. 
Als fie tags darauf vorgeführt wurden und wehflagten, antwortete 
ihnen ver Kaijer: er wolle den Anfang zugleich mit der Gnade und 
dem Gericht machen; denn wenn nad) der Gerechtigkeit verfahren 
werden jollte, jo müßten fie alle das Leben verlieren; doch jei es jetzt 
nötig, der Gnade Raum zu geben. Gie beitätigten, daß jenes nad) 
den Gejegen wahr jei, baten aber, daß im Hinblick auf die göttliche 
Barmherzigkeit das leßtere eintrete. Der Kaijer entjchied nun, daß 
alle Konſuln und gewejenen Konjuln, Hauptleute und Ritter, Rechts- 
fundigen und Richter als Geijeln zurücbehalten, das Bolt aber, als 
weniger jehuldig, nur nad) Ablegung eines Eides in die Stadt zurück— 
geichiett werde. Hierauf Jandte er Benollmächtigte in die Stadt und 
befahl, daß alle, die zwölfjährig oder darüber —— die Huldigung 


— — 


leiſten ſollten, was auch geſchah. Er befahl ferner, daß die einzelnen 
Stadttore und die daranſtoßenden Mauern nebſt dem Graben nieder— 
gelegt werden ſollten, damit zu jedem Tore eine Heeresabteilung 
in breiter Frontſtellung und gleichem Schritt einmarjchieren könne; 
und jo geſchah es. Und da ihnen von 2000 Burgen nur noch vier 
übrig geblieben waren, jo mußten fie nach dem Gerichtsipruch auch 
dieje übergeben. Nachdem aber der Kaifer Mailand befiegt hatte, 
ſprach er die Mailänder für ihre Perſon von der kaiſerlichen Acht 
frei. Darauf wurden die Stadtmauern, Gräben und Türme all- 
mäbhlich zerjtört und jo die ganze Stadt von Tag zu Tag mehr und 
mehr dem Verfall und der Berödung preisgegeben. Die Mailänder 
erhielten den Befehl, ſich ſämtlich auf die Dörfer und ihre Land: 
häujer zurüdzubegeben und als Landleute mit Aderbau zu bejchäftigen. 
In der Stadt jelbjt wurde feinem zu wohnen erlaubt. 


Der dritte Zug nad) Dtalien. 


Zu den feindlichen Städten gejellte ſich 1159 jchon ein zweiter 
eg Friedrichs, Bapft Alexander III. (1159—1181) der ehemalige 
ardinal Roland. Friedrich ftellte einen Gegenpapit auf und 
mußte dafür den Kirhenbann tragen, 1160. Da aber Alexander 
Rom in Gewalt hatte, 309 Friedrich 1166 gegen ihn und Alexander 
floh zum zweitenmal. Friedrich rücdte nach mühjeligen Kämpfen 
jeiner Ritter als Sieger in Rom ein. An einem heißen Sommertage, 
an Betri Kettenfeier, fand in Rom ein großes Kirchenfeit jtatt. Nach 
dem heiteren Morgen aber brach ein furchtbares Unwetter über die 
Stadt herein. Donner und Bli und ein wolfenbruchartiger Regen 
ſuchten die Stadt heim und verheerten das faijerliche Zeltlager. 
Bald darauf jandte die Sonne wieder verjengende Strahlen herab 
und jchon in wenigen Minuten brach in der feuchten Quft die a 
peit aus. Alle wurden todesmatt; nicht nur Hoc und Nieder, 
Geijtliche und Weltliche, jondern auch Pferde und Lafttiere wurden 
von der Seuche plöglich dahingerafft und es fehlte nad) den voraus: 
gegangenen Kämpfen an Lebensmitteln, bejonders an friihem Waller, 
aber auch an jeder ärztlichen Hilfe. „Da fielen die vornehmiten Herren 
nicht wie Menjchen jtarben jondern haufenweile, wie bei fiber: 
\hwemmungen die Regenwürmer und Heujchreden zu Grund gehen.“ 
Wie dahingejäet lagen die Leichen der Peſtkranken in den Straßen und 
veritärkten noch das Übel. Weiter nach Süden konnte Friedrich nicht 
mehr. Die Römer unterwarfen ſich ihm zwar; aber jeines Bleibens 
war hier nicht mehr länger. Gr zog fi) in die wald: und quellen: 
reichen Gebiete im Norden zurüd; hierhin folgte ihm auch jein Heer. 
19° 


— 284 — 


Auch er ſelbſt gönnte ſich jetzt — und ließ ſich auf den Rat der 
Ärzte die Ader ſchlagen. Gegen Ende Auguſt traf er dann in Piſa 
ein, wo er aufs beite verpflegt wurde. Auf dem Wege über die 
Apeninnen wurden die Deutjchen, die gerade im Lager ihr Mittags: 
mahl hielten, von den treulojen Longobarden angegriffen. Der 
Kaiſer jelbft mußte zu den Waffen ehe die Kaijerin bededte fich 
mit zwei Schildern, als der Pfeilregen immer dichter wurde. Die 
Kranken und Berwundeten wehrten fich ihres jchwachen Lebens. 
Da ſiegte die deutjche Tapferkeit über den jtärferen Feind. Doch da 
diejer den Paß bejett hielt, geleitete ein treuer italienijcher Graf den 
Kaiſer auf fteilen Pfaden hinüber in die große Tiefebene des Po. 

Friedrich erzählte jelbit: „Wir wurden gezwungen, durch einen 
engen Spalt hindurchzujchleichen unter der größten Gefahr für unjere 
eigene PBerjon, für ein jo großes Heer, für unjere Gemahlin und 
unjere Söhne”. Am 12. September endlich erreichte das kranke 
Heer Pavia. Die treuen Städter brachten nicht nur Speije und 
Trant, jondern bereiteten auch den Kranken erfriichende Bäder und 
noch nad) vielen Jahren gedachte Friedrich der Stadt Pavia in 
Dankbarkeit. Biele vn waren der jchredlichen Seuche erlegen; 
darunter der treue Erzbiſchof von Köln: Neinald von Dalfel, der 
um jeines Herrn willen einjt den Bann trug, ſank vor Rom dahin. 
Auf dem NRüdzuge jtarb Herzog Friedrich von Schwaben, König 
Konrads Sohn im blühenden Alter von nur 23 Jahren. Gein 
reicher Belit fiel an Kaijer Friedrich, der damit das ganze Erbe 
der Hohenjtaufen in Befi hatte. Auch der junge Graf Welf von 
Bayern, der einzige Sohn, wurde ein Opfer der Seuche. Biele, die 
nad) der Heimat gelangten, wie der Bilhof von Speyer, ſtarben 
dajelbit, da fie den Keim der Krankheit in fich trugen. Schon, als 
Friedrih nah Rom zog, hatten 16 reiche feindliche Städte den 
großen longobardilhen Bund geitiftet, der jet allenthalben 
dem Kaiſer entgegentrat. Bis zum Jahre 1168 blieb diejer in Pavia; 
aber auch hier war er nicht mehr fiher. Schon waren alle Bälle 
der Alpen vom dem Feinde bejeßt, nur noch die Straße über den 
Mont Genis bei Suja war frei. Das erfuhr der Kaiſer bald und 
raſch entſchloſſen wandte er fich mit jeinen wenigen Getreuen dahin. 


Der treue Hartmann von GSiebeneidhen. 


Die Bürger Sujas hatten die Tore willig geöffnet und Friedrich 
hoffte die nahen jchneebededten Gipfel bald zu erreichen um hinüber 
in jein Land Burgund gelangen zu können. Aber faum war er in 
die Stadt eingezogen, da ſchloſſen fich die Tore wieder und die Ein: 
gänge wurden aufs jcehärfite überwacht. Friedrich war nun hilflos 
in der Gewalt der Italiener. Die Städter erklärten ihm, daß er 
und die Seinigen ruhig abziehen könne; aber die — Geiſeln 
würden ſie ihm nicht mehr geben, da die longobardiſchen Bundesſtädte 


— — 


ſie ſtrafen würden, wenn ſie die Geiſeln nach Deutſchland ließen. 
Denn dieſe würden jenſeits der Alpen getötet werden, wie der 
Vornehme Zilius, den Friedrich bei Suſa hatte aufknüpfen laſſen. 
Kein Italiener durfte daher von den Wächtern zur Stadt hinaus— 
gelajjen werden. Da hörte der Kaiſer von einem Anjchlage gegen 
jein eben. Gr verfleidete fich bei Nacht als Troßfnecht und konnte 
von einigen treuen deutjchen Dienern begleitet, die Stadt verlafjen, 
weil er erklärte, man wolle für einen hohen Herrn das Nacht: 
quartier beftellen. Unterdejjen verfleidete jich der Kämmerer, Ritter 
Hartmann von Giebeneich, der dem Kaiſer jehr ähnlich war und 
täufchte die Italiener. Glücklich gelangte Friedrich über die Alpen 
nach Grenoble nnd von hier bald nad) Genf. Als aber die Bürger 
von Suſa die Flucht Friedrichs merkten, ließen ſie nicht nur Hart: 
mann, jondern aud) die Kaijerin und ihr Gefolge, wie fie verjprochen 
hatten, ruhig ziehen. 


Friedrich und Heinrich der Löwe. 


Friedrich blieb nun 6 Jahre in Deutjchland. Der longobardijche 
Bund griff immer weiter um fi) und dem Papſte zu Ehren gründete 
er in gutgewählter ——— Gegend die Feſtung Aleſſandria. 
Gegen biete Stadt zog Friedrich 1174, konnte aber nichts ausrichten. 
Beinahe wäre es nunmehr zum Frieden gefommen. Da aber der 
Papſt verlangte, daß auch Mlejfandria an diejem teilnehmen jolle, jo 
fam es wieder zum Kampfe. Der Kaiſer war zu diejem nicht vor— 
bereitet, da er jein Heer jchon in die Heimat entlajjen hatte. Er 
Ichrieb daher Briefe nad) Deutjchland und bat insbejondere Heinrich 
den Löwen, der zwei Herzogtümer verwaltete, um ein großes Heer. 
Der Kaiſer erjuchte dann Herzog Heinrich, ihm bis Ghiavenna 
entgegen zu fommen. Heinrich tat dies und beide trafen fih. Als 
Friedrich die Heeresfolge forderte, verlangte Heinrich die reiche Stadt 
Goslar mit der kaiſerlichen Pfalz. Friedrich verweigerte fie. Heinrich 
beflagte fich auch, daß jo viele jeiner Mannen in den früheren Zügen 
in Italien gefallen waren. Da bat der Kailer um das, was er 
verlangen fonnte; er joll jogar dem Herzog zu Füßen gefallen jein; 
der aber habe es nicht der Mühe wert gehalten, den Herrn und Freund 
aufzuheben. Ja, Heinrichs Truchſeß tt gelagt haben: „Laßt, Herr 
die Krone des Reiches jet nur zu Euren Füßen liegen, einft wird 
fie Euch aufs Haupt kommen.“ Die anwelende Kaijerin joll fich, 
als der Herzog immer noch zögerte, geäußert haben: „Erhebe dich 
mein Herr und gedenfe diejes Falls; auch Gott möge desjelben ein- 
gedent ſein!“ Beide jchieden als Feinde. — Heinrich verwandte jeine 
Scharen wie bisher zum Kampfe im Norden Deutjchlands gegen die 
Slaven und Sachſen und wenn er früher auch Friedrich beigeitanden 
hatte, jo tat er dies doch nur um damit zu Macht und Anjehen zu 
gelangen. Jetzt, wo er beides hatte, glaubte er nicht mehr nad 


— 286 — 


Italien ziehen zu ſollen. Trotzdem kamen wieder 2000 Mann darunter 
1000 Ritter über die Alpen, denen ſich die italieniſchen Bundes: 
genofjen von Como anjdhlojjen und nun glaubte der Kaijer des 
Bundes der Städte Herr werden zu können. 

Am 29. Mai 1176 jtand das longobardijche Heer viel jtärfer als 
das deutjche bei Legnano. Um 9 Uhr früh jandten die Italiener 
700 Ritter aus, um das faijerliche Heer zu erfunden. Kaum waren 
fie eine halbe Stunde geritten, jo jtießen fie auf dreihundert Ritter 
der Deutjchen, denen der Kaijer folgte um gegen Mailand vorzurüden. 
Die beiden Bortruppen gingen jofort ins Gefecht; der deutichen 
Tapferkeit vermochten auch diesmal die Kongobarden nicht zu wider: 
itehen. Sie flohen zurüd und ihnen folgten die Deutjchen auf dem 
Fuße. Auch die Ritter von Brescia und Berona hielten vor 
dem wuchtigen Angriffe nicht ftand und flohen. So gelangte der 
Railer jelbjt mit den Seinen an das Garrocio (den Fahnenwagen). 
Hier aber hielt die Mailänder Ritterfchaft und das Fußvolk treue 
Fahnenwadht. Troß der Flucht der andern griffen die Mailänder, 
denen der Kailer die Stadt zeritört hatte, an. Bon Scilden ge— 
Ihüßt, ging das Fußvolk gegen die ſchwerbewaffneten deutjchen Ritter 
vor. Deren Roſſe janfen von den Speeren getroffen; bald jtürzte 
der fatjerliche Bannerträger; aber jechs Stunden lang währte das 
furchtbarjte Handgemenge. Allen voran jtritt Friedrich in glänzender 
Rüftung. Da warf ihn ein Lanzenſtoß aus dem Sattel und als er 
ſank, verloren die Deutjchen den Diut, Friedrich gab das Zeichen zum 
Rückzug und zum Glüd für ihn brach die Nacht herein. Das Lager 
des Kaiſers mit Schild, Lanze, Fahne und Kreuz fiel in die Hände 
der Städter. Das gejamte Gepäd mit viel Gold und Gilber wurde 
eine Beute der Verfolger, jelbit Roſſe und Waffen, die die Bundes- 
genoflen unter fich teilten. Unbemerkt hatte Friedrich zum Glüd ein 

eritect gefunden, wo er fich einige Tage aufhielt, bis jeine Feinde 
aus der Gegend abgezogen waren. iemand wußte von jeinem 
Schickſal und jchon legte die Kailerin in Pavia Trauerkleider an. 
Da erjchien er wieder mit wenig Getreuen von hellem Jubel begrüßt. 
Nur wenig Verluft hatte der Kaijer erlitten, jein Heer war noch ſtark 
genug; aber nun jchloß er mit den alten Feinden, den Städten 
und dem Papſte einen Gjährigen Waffenitillitand. 

In Venedig jöhnten ſich — und Kaiſer 1177 aus und 
—— wurde vom Banne gelöſt und im Jahre 1183 kam es in 

onltanz am Bodenjee zu einem ewigen Frieden. Die Gtädter 
ſchwuren den Eid der Treue und geltanden zu, daß der Kaijer ihre 
Beamten beitätige. Sonſt aber blieben fie unabhängig. 

Den herrlichiten Ausdrud fand aber der Frieden im Neid) 
durch das große Reichs: und Friedensfelt zu Mainz, von dem noch 
nach Jahrhunderten erzählt wurde. 


— 287 — 


Friedrich J. in Lautern. 


Die Kaiſerpfalz in Lautern (Rutra). 


Die herrlichen, von Karl dem Großen mit großer Pracht er: 
bauten Königspfalzen bei Nimwegen in Holland und bei Ingel: 
heim am Rheine, die jehr fejt waren aber durch Vernadjläffigung und 
Alter jchon jehr gelitten hatten, ließ Friedrich durch geſchickte deutſche 
und italieniſche Baumeijter wiederheritellen. In Lautern aber, 
wo fich aus den Tagen der Galier und der Dttonen ein föniglicher 
Hof befand, der jeine Einkünfte an die Kammer des Königs abzu— 
liefern hatte, erbaute er aus rotem Sanditeine, wie er in nädhiter 
Nähe gebrochen wird, eine königliche Pfalz und ließ fie mit großer 
Pracht ausitatten. Auf der einen Seite umgab er dieje Pfalz mit einer 
jehr ftarfen Mauer, die andere bejpülte ein jeeähnlicher großer Filch: 
teich, der jede Art von wohljchmedenden Filchen und Geflügel enthielt, 
zur Weide der Augen und des Gaumens. An das Schloß ſtieß ein 
Wildparf (Tiergarten) der eine große Zahl von Hirſchen und Rehen 
hegte. Das war im Jahre 1153. Jener See ilt heute ganz ver: 
\hwunden; aber noch erinnern die Namen der Örtlichkeiten an die einſt 
große Zahl der ftehenden Gewäſſer um die KRaijerpfalz; aber nicht der 

aijerwoog, wie viele annahmen. Da, wo heute die ftädtijche 
Fruchthalle jteht, auf dem Schillerplage, war der Lauerwoog (Gerber: 
woog) aljo dicht vor der Burg jelbit. Nachdem Friedrich Heinrich dem 
Löwen Bayern verliehen hatte, fam er über Worms auf der Heer: 
itraße, die bis in die legten Jahrhunderte als Straße über Leiningen, 
Alſenborn, Enkenbach, Cjelsfürth die Verbindung zwilchen Weftrich 
und Rhein war, nad) Yautern. Hier wollte er von den Regierungs: 
geihäften ausruhen und fi nur jeinen Angelegenheiten widmen, 
weshalb er längere Zeit blieb. In den Forften des königlichen Waldes 
(des riches gewälde) jagte er auf Hirjche, Rehe, Wildjchweine, die hier 
weit ab von der großen Heeritraße des Nheintales noch in dichten 
Rudeln lebten. Die Lauter jelbit flo von der Entersweiler-Miühle 
ber durch eine ftattliche Zahl Fiſchweiher, die heute alle verſchwunden 
jind; jelbjt nach Weiten und Südweiten zogen jich ftehende Gewäller 
und nur gegen den Rittersberg und den heutigen Maxplatz jtand die 
Burg auf dem Trodnen. Der Katijerwoog lag weiter unterhalb der 
heutigen Stadt, bei der Kaiſermühle und Dammühle. Er hieß Kaijer: 
woog, weil er auf Grund und Boden des Neichslandes lag, aljo 
Eigentum der Könige oder Kaijer war. Denn das Oberhaupt des 
Reiches hatte das Recht, wenn es nad) Lautern fam, alle im Reichs: 
Iande befindlichen Wöge zu filhen. War jedoch der Kaijer wieder 
weg, jo durfte der Befiger den Filchwoog zuftoßen, d. h. den Damm 
Ichließen und benugen wie vorher. Aber auch die Burgmannen, die 
a Dienjte auf der Kaiſerburg weilten, waren zum Filchen berechtigt. 

n drei Tagen in den Wochen zwilchen Dftern und St. Bartholo: 


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mäustag (24. Auguft), auf welchen Tag man faltete, durften die Ritter 
mit 12 Garnen, die smanzigmelhig, und mit 18 Garnen, die acht- 
zehnmajchig waren jowie mit 16 Wartolfen, die geſtrickt und: über 


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Gaoadunqauv 37) sallogplaahvyg saq ailoaaoq 


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einundzwanzigmajhig waren und mit zehn Brejengarnen fiſchen. 
(Pfälz. Geichichtsbl. 1906, ©. 67/68). Oberhalb des Kaiſerwooges 
erjtrectte fich der Neumwoog, den erit 1485 die Stadt Lautern mit 


— 239 — 


Erlaubnis des Kurfürften Philipp anlegte, der fich aber die Fiſcherei 
oberhalb und unterhalb des Wooges vorbehielt. Noch im Jahre 1760 
betrug die Fläche des Kailerwooges 40'/, Morgen, 19'/, Ruten, 
bereits im Jahre 1766 wurde er troden gelegt und jein Boden in 
Ihöne Wiejen verwandelt. An ihn erinnert nur noch die Kaijer: 
mübhle. Auch der Tiergarten Barbarojjas war noch lange vor: 
handen; es war ein umhegter Wald, in dem fich viel Wild tummelte 
und auf den noch das Tierhäuschen, jet eine Ziegelhütte, hinweilt. 


Friedrichs Hoftag in Yautern. 


Das große Reichsfeft in Mainz war vorüber und wiederum 
trat der Kaiſer jeine Reije durch das Reich an. Bon Mainz ging 
des Raijers Fahrt nach dem nahen Gelnhaujen, wo eine Pfalz jtand, 
ähnlich der von KRaijerslautern. Viele Fürjten hatten ihn von Mainz 
an dahin begleitet. Dann aber ftrebten auch fie der Heimat zu. 
Der Kaijer aber begab fich wieder an den Rhein. Bei Worms ſetzte er 
über; dann ging der ftattliche Zug auf der Heerjtraße über den 
Schorleberg bei Aljenborn und über Enkenbach, Gjelsfürth nad) 
Zautern, wo fie zuerjt Die Feſte des Nittersberges erreichten. Alle 
Burgmannen waren zu föniglichen Dienjten anwejend. Die Hörigen 
des Reiches hatten bereits Rindfleiſch und Hafer 2 die Hof: 
haltung geliefert, wie ihnen das Geſetz vorjchrieb, Die Faijerliche 
Küche war mit Wild und Geflügel angefüllt, viele der Hörigen ſtanden 
bereit, auf die Befehle des Kaijers zu hören um Botengänge zu tun. 
Bon allen Seiten erjchienen die geladenen Fürften unter dem Schuße 
des failerlichen Geleites. Der jugendliche König Heinrich, der jpätere 
Kaiſer Heinrich VI., der ſchon damals Mitregent jeines Vaters war, 
fam auch mit nad) Kaijerslautern, blieb aber nicht bis zur Abreije 
jeines Vaters, jondern brach früher auf, weil er im Auftrage des 
Raijers eine Heerfahrt nad) Polen unternahm. Bon der Lauterer 
Pfalz aus zog er über Worms nad) Erfurt, mit ihm zahlreiche 
rheinilche Ritter; zu Erfurt aber hielt er einen Tag, wo die zur 
Heeresfolge aufgebotenen Fürjten die Treue beſchworen. Jedenfalls 
war dieje Heerfahrt in Yautern bejchlojfen worden, da wir jonjt nicht 
verjtehen fönnten, wie der Kaijer nach) den Mainzer und Gelnhaujer 
Tagen bier erjt jeinen Sohn abſchickt. Daß damals viele Fürlten in 
Lautern anwejend waren, beweijen zwei Urkunden vom 21. und 
31. Zuli 1184. Wir fennen jedoch dem Namen nad) nur von ihnen 
den Bilchof Ulrich von Speyer, den Speyerer Propſt Johannes, 
einen Grafen von Gregingen, die treuen Begleiter des Kaiſers auf 
jeinen italienischen Heerfahrten Burchard und Trushard von Reiten: 
burg (Maxburg bei Hambach) und Werner den Il. von Bolanden; 
ferner den Reichstämmerer Rudolf von Siebeneich und den Reichs: 
marihall Heinrich von Lautern, den Stammovater der SHoheneder, 
den NReichsichenfen Konrad von Waldhaujen und den Nordpfälzer 


— DON u 


Dienftmann Ritter Hunfried von Falkenſtein. Auch des Kaiſers 
zweiter Sohn Friedrich war mit nad) Zautern gefolgt. Im Beiſein 
der Fürften und Ritter fand ein Hofgericht ftatt. Die meifte Zeit 
aber verbrachte der Kaiſer auf der Jagd in dem Tierparfe und in den 
Wäldern des Reiches, wo es Bären, Hirjche, Schweine noch die 
Menge gab. 


Der zweite Hoftag zu Lautern. 


Ein zweiter Hoftag Barbarojjas fand im Jahre 1186 ftatt. 
Der Kaijer fam von Hagenau nad) Trifels; dann fehrte er im nahen 
Klofter Eußerthal ein, wie jchon oft. Die Mönche mußten ihn und 
jein Gefolge bewirten. Am 11. November traf der Raijer auf jeinem 
Hofe Hakloch ein und war bald darauf in Speyer. In jeiner Be— 
gleitung waren die Söhne Otto und Konrad, der Herzog Gottfried 
von Zöwen, der Markgraf Berthold von Andechs, der Sof Ulrich 
von Speyer und der Bilchof Heinrich von Prag, die in Haßloch zum 
Raijer ftießen; ferner begegnen uns hier: der Pfalzgraf Konrad bei 
Rhein, des Railers Stiefbruder, die Reichsminijterialen Werner von 
Bolanden, Burchard und Trushard von Ketenburg, Otto von Steiß- 
lingen und viele andere. Wir erkennen hieraus, wie Fürſten und 
Herren am Eailerlichen Hofe ein: und — und wie wechſelnd 
das farbenprächtige Bild geweſen ſein mag. Von Haßloch über 
Speyer reiſte Friedrich mit ſeinem ſtattlichen Gefolge nach Kaiſers⸗ 
lautern. Hierher hatte er einen Hoftag eingerufen um den Streit 
im Erzbistum Trier zu ſchlichten. Friedrich hatte für den Trierer 
Erzſtuhl ſeinen Getreuen, Rudolf auserſehen; aber der Papſt hatte 
dieſe Wahl nicht anerkannt, dafür aber einem gemwiljen Folmar die 
Würde verliehen. Obwohl der Kaijer die Straßen nad) Rom ſtrenge 
bewachen ließ, war es Folmar nicht nur gelungen dahin zu fommen, 
\ondern aud nad) der Weihe dur den Papſt zurüdzufehren. 
Als Knecht verkleidet, verließ er in der Nacht Verona und reilte 
über die Alpenpälje, die von kaiſerlichen Dienftmannen jtreng 
bewacht waren, durch Franfreih. In Toul aber verweigerte ihm 
der Bijchof die Aufnahme, um nicht in des Kaiſers Ungnade zu fallen. 
Dafür erfannten aber die andern Bilchöfe, die dem Trierer Stuhle 
untergeordnet waren, den päpftlichen Erzbilchof an, obwohl der Papſt 
gegen jeine eidliche DBerlicherung handelte, daß er niemals Ddiejen 
Folmar zum Erzbilchofe weihen werde. Um dem GStreite ein Ende 
zu machen, berief Friedrich den Hoftag nad) Kaijerslautern. Die 
Trierer Geiltlichen und der faijerlich gefinnte Erzbilchof Rudolf waren 
hiez — worden. Im großen Saale des Kaiſerpalaſtes ſaß auf 
dem Marmorthrone Friedrich, um ihn ſtanden die Fürſten des Reiches 
und die Geiſtlichen. Der Kaiſer hielt eine Rede an ſeine Getreuen 
und erzählte den Verlauf des Streites und die von dem Papſte zu— 
gefügte Kränkung. Er tadelte insbeſondere das unbotmäßige Auf: 
treten Folmars, der ein Reichsfürſt ſein wollte und doch dem 


= DO 


Gebote des Kailers überall Hohn ſprach. Zum Schluſſe verlangte 
er von den Trierern: „Entweder fehrt Erzbilchof Rudolf zurüd oder 
es wird eine Neuwahl vorgenommen. Slam darf unter feinen 


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Barbaroffajchloß, nach dem Umbau dur) Johann Caſimir, 1571. (Nach Merian). 





Big ah 
ni N Te. * 
— BA Ne! 
Umitänden Erzbilchof bleiben“. Die Trierer Geiftlichen, die den Erz” 


biichof zu wählen hatten, entjchieden jich für Rudolf, der als fried- 
fertiger und milder Kirchenfürjt von allen geachtet war. Um aber 


— 202 — 


den Papſt nicht zu reizen, hatten die Trierer auf eine Neuwahl ver: 
ichtet. Danach erjchien der Biſchof Bertram von Metz vor dem 

ofgerichte, weil er den Reichsfeind Folmar, der, wenn er wirklich 
Erzbiſchof von Trier geworden wäre, auch den Titel eines Erzfanzlers 
* Burgund erhalten hätte, ehrerbietig empfangen hatte. Einſt war 

ertram der Getreue des Kaiſers, jetzt aber mußte er einen Eid 
leiſten, daß er den Kaiſer nicht verletzen wollte, als er Folmar empfing, 
er habe nicht gewußt, daß des Kaiſers Zorn ſo groß ſei und kam 
daher zu Gnaden. Nach dem Hoftage zu Lautern brach die glänzende 
Verſammlung auf, die Trierer und Metzer zogen nach Weſten, der 
Kaiſer, die Fürſten und Ritter aber ritten auf der berühmten Heer— 
ſtraße zum Rheine und dann nach Gelnhauſen bei Frankfurt, wo ein 
glänzender Reichstag abgehalten wurde. Auch hier wurde der Streit 
mit dem Papſte verhandelt; alle Bilchöfe, 18 an der Zahl, jtellten ſich 
auf Seite des Kaiſers, als der Bijchof von Münſter erzählte, daß der 
Papit ihm verjprochen habe, niemals Folmar zu beitätigen. Die 
Biſchöfe jandten von Gelnhaujen aus Schreiben an den Papſt und die 
Rardinäle um den Frieden mit dem Kaijer herzuftellen. Der Propit 
Mortwin von Worms, der Magilter Ludolf von Magdeburg und der 
Magilter Andreas von Speyer reilten unter failerlihem Schuße mit 
diejen Briefen nach Italien. Unterdejjen hatte der Kailer Franken, 
Bayern und Schwaben durchzogen und fam nad) Worms, wo wieder 
ein großer Reichstag Itattfand, 1187. In der erjten Hälfte des Sep: 
tembers aber war er in Kaijerslautern. Dahin famen auch die 
Friedensbotjichafter: der Bilchof Gottfried von Würzburg, Bilchof Dtto 
von Bamberg und Abt Siegfried von Hersfeld und meldeten, daß der 
Sem nachgebe. Grfreut über den Frieden z0g Friedrich in jeine 

eimat am Bodenjee, wo er längere Zeit auf jeinen Höfen Wallhaujen 
und Überlingen Hof hielt. Wiederum treffen wir bei ihm den mäd)- 
tigen Reichsminilterialen Werner von Bolanden, der nie von Des 
Kaiſers Seite wich. Er hatte während des Trierer Streites mit jeinen 
NRittern den ungetreuen Bilchof Bertram vertrieben und das Bistum 
im Namen des Kailers bejegt, die Güter aber an fich gezogen. 
Bertram war nad Köln geflohen, wo er fich zwei bis Drei 5— 
lang beim Erzbiſchofe aufhielt, bis er in Lautern wieder ſein Bis— 
tum erhielt. 





Otto von Wittelsbach als deutſcher Fürſt. 


I. 


Unter den vielen deutjchen Fürjten, die ihr Leben lang treu zu 
Kaijer Friedrich hielten, fteht oben an der Pfalzgraf Otto von Wittels: 
bad), der Sohn Ottos des V. von Wittelsbah. Water und Sohn 
waren noch Gegner Ronrads des Ill. gewejen; aber mit dem neuen 
Kaiſer waren fie blutsverwandt und jchlojjen fich ihm an. Schon auf 


ai RE 


dem 2. — 5 wurden Otto und Friedrich Freunde und teilten 
die Mühſeligkeiten der gefährlichen Reiſe. Sein ganzes Leben lang 
verkehrte der Kaiſer mit niemand vertrauter als mit Otto und ſeit 


1705. 


Das Kaiſerſchloß?zu Lautern 





der Krönung Friedrichs begegnet uns kein deutſcher Fürſt ſo häufig 
am Königshofe als Otto, der Pfalzgraf. Immer war er des Kaiſers 


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— MM — 


Berater und treuer Feldherr. 1154 erjichien er mit jeinem Vater 
und feinem Bruder auf dem glänzenden Reichstag zu Bamberg mit 
vielen bayerilchen Herren. 1154 zog er mit nad Welichland. Hier 
zeichnete er fich (fiehe oben) bei Tortona aus. Gemeinjam badet er 
mit dem Kaiſer in dem Meere bei Ancona; ein Beweis für die 
große Freundjchaft beider. 1156, als fich der Kaijer aus Thüringen 
nad) Bayern wandte, juchte er jeinen Freund in Kelheim auf um 
bei ihm in aller Stille, aljo nicht wie üblich mit föniglichem Gepränge, 
das Pfingitfeit zu feiern. Auch auf der Königs Hochzeit zu Worms 
war Otto. Im September desjelben Jahres treffen wir ihn wieder 
auf dem Reichstag zu Regensburg, wo Heinrich Jaſomirgott von 
Bayern mit Öjterreich belehnt wurde, während Heinrich der Löwe 
endgiltig Bayern als Reichslehen empfing. Als in diefem Jahre 
jein Bater jtarb, erbte er die Pfalzgrafichaft in Bayern. Als der 
Raijer 1157 nah Thüringen reilte um von hier aus den Arieg 
egen die Polen zu unternehmen, zog Dtto als einziger jüddeutjcher 

ürft mit jeinem Freunde. Wir ſahen, welche Achtung er vor 
der Ffailerlihen Macht in Belancon Hatte. Im nächſten Jahre 
1158 ging Otto mit kleinem Gefolge als Gejandter des Königs nad) 
Italien. Ihm folgte bald der berühmte Kanzler Reinald von Daſſel, 
der jeit dem Neichstage von Bejancon Feind des Bapftes war. Die 
Italiener wußten vor allem Ottos treffliche Eigenſchaften zu jchildern. 
Er war umlichtig im Rat, entjchloß ſich aber demnach raſch zur Tat. 
Seine Geſtalt war hoch, feine Glieder ſtark. Das lange lebhaftrote 
Angeſicht hatte einen Bag Blid aus den großen Augen. Schwarze 
Locken umrahmten es. Noch ehe er zum Schwerte griff, rief er 
Schreden hervor und im Schlachtenjturme wollte er immer der Erite 
jein, wie 3. B. bei Tortona 1158, bei Mailand 1158 und bei 
Gremona 1159. Für die treuen Dienjte in der Berner Klauje und 
im Kampfe gegen Mailand gab Friedrich jeinem Freunde die Graf: 
Ihaft Garda als Lehen. Aber noch verließ er nicht die Sache 
Friedrichs; dem großen Roncalilchen NReichstage 1158 wohnte er bei 
und er und jein Freund Rainald von Dajjel jegten in allen italienischen 
Städten KRonjuln und Podeſtas ein und nahmen den Bewohnern 
den Eid der Treue ab. Wie es ihnen dabei in Mailand erging, 
erjahen wir bereits. (Siehe oben). 


II. 


1159 lag Otto mit Friedrich, deſſen Bruder dem Pfalz— 
grafen Konrad bei Rhein und andern Fürſten vor der kleinen aber 
hartnäckigen Stadt Cremona. Am 21. Januar ließ der Kaiſer zum 
Sturm gegen die Stadt vorgehen. Hier kämpften Otto und Konrad 
an der Spitze der Deutſchen. Um gegen die Stadt, die ſchon ſechs 
Monate belagert wurde, bejjer fämpfen zu können, namentlich) aber 
um den Graben auszufüllen, der die Stadt umgab, hatten der Kaiſer 


— 205 — 


und die Fürſten Schutzdächer bis nahe an den Graben herangeſchoben. 
Bon hier konnten fie leicht die Mauern der Stadt mit ihren Pfeilen 
beitreihen.. Am 6. Januar 1160 erjchienen die Belagerten auf dem 
Walle, den fie vor kurzem aufgeführt hatten. Sie hatten feurige 
Stoffe zur Hand und wollten das Schutzdach des Kailers zeritören. 
In Aka nd Fäſſern führten fie Holz, Pech und Schwefel, bauten raſch 
ein hölzernes Gerüſt mit einer weit vorgejchobenen Brücde, von der 
eine Majchine Geſchoſſe ins faijerliche Lager warf. Auch die Fäſſer 
famen auf das Gerüfte, wurden angezündet und auf die Schleuder: 
maſchine gelegt, die fie auf das Schutzdach des Kailers warf. 
Friedrich befand fich jelbft unter dem Dache, das in Brand geriet; 
aber während die Krieger löjchten, leitete er mit faltem Blute den 
Angriff auf die Stadt. Unterdeſſen arbeiteten Konrad und Dtto 
ruhig an ihrer Stelle gegen die Stadt, füllten die Gräben weiter 
aus und jandten Pfeil um Pfeil auf die Mauer, wenn fidh ein 
Rongobarde geigte. Um dieje Zeit fam aus Gremona ein kluger 
Baumeilter, Mardifius mit Namen. Er hatte bisher den Städtern 
gedient; da ihm der Kailer hohen Kohn verjprach, verließ er die 
Stadt und ging zum Kaiſer. Der ſchenkte ihm koſtbare Gewänder 
und ein Roß, das er vor furzem erit um 12 Pfund Silber gekauft 
hatte. Auf Befehl des Kaiſers baute Marchiſius ein mächtiges Gerüft, 
das eine Brüde von 40 Ellen za und 6 Ellen Breite erhielt, 
die vorgejchoben werden fonnte. it Faſchinen überdedten die 
Krieger das Gerüft und brachten es dann auf Walzen mit vieler 
Mühe an das Schutzdach heran. Da diejes aber zwilchen der Stadt: 
mauer und einem freiltehenden hohen Turme jtand, ließ es Friedrich 
in Brand ſtecken. Hierauf gewann er Raum für das neue Gerült. 

Am 21. Januar befahl der Kailer den Sturm. Die Pfalz: 
grafen Konrad und Dtto beitiegen mit ihren Nittern den Turm, 
der mit einer Fallbrüde verjehen war; andere Fürften und Italiener 
bejegten das neue Werk. Sobald nun die Brüde des letteren auf 
die Mauer der Stadt niederfiel, jollte auch die Fallbrücde des 
felten Turmes niedergelajjen werden und alle Ritter auf die Mauer 
\türmen. Das gejhah auf Befehl des Kailers. Konrad und Otto 
und einige ihrer Ritter, Pfälzer und Bayern, gelangten jo auf die 
Dauer. Aber die Städter waren vorbereitet und empfingen die 
Deutjchen mit einem Regen von Geſchoſſen, jodaß fie fich zurückziehen 
mußten. Wiederholt wurde Otto durch feindliche Geidoffe von der 
Dauer gedrängt, fam aber immer wieder; auch Konrad wollte nicht 
weichen. Da jtürzte fich jein Fahnenträger, der Ritter Berthold von 
der Pfalz mit einigen Nittern von der Mauer mitten unter die 
Feinde. Er glaubte, jeine Waffengenofjen folgten ihm, fam aber 
zu nahe an die Feinde, denen er tüchtig zulegte und von denen er 
viele verwundete, Allein fie fingen ihn und töteten ihn unter ent: 
jeglichen Qualen. Da beitändig Neben Wurfmaſchinen aus der Stadt 
gegen die Belagerer jchojjen und da auf Konrad und Dtto beftändig 


— MW — 


Steine, Lanzen und Stangen eindrangen und die Cremasken ſchon 
zum Schwerte griffen, zogen ſie ſich endgiltig zurück. Cremona er— 
gab ſich aber, da die Not in der Stadt aufs —8* ſtieg, doch auf 
Gnade oder Ungnade an den Kaiſer. 


III. 


Schon 1159 war Otto mit dem Propſte Heribert von Aachen 
und dem treuen Italiener Guido von Biandrate nach Rom gereiſt 
um mit der Stadt und ihrem Senate einen Vertrag zu ſchließen. 
Hier wurden ſie ehrenvoll empfangen, ließen ſich auch mehr von den 
Römern aufſuchen, als daß ſie den Römern nachliefen und hoben ſo 
die Macht Friedrichs. Bald darauf ſtarb der Papſt und ein Gegner 
reg der Kardinal Roland wurde gewählt; als diejer den 

ailer in den Bann tat, erfuhr Dtto ein gleiches Schickſal, obwohl 
er wie der Kaijer ein frommer Chrilt war. 1162 war Otto bei der 
Zerftörung Mailands zugegen und begleitete jeinen hohen Freund 
über die Alpen nad) Burgund. Der Bruder Ottos, Konrad von 
Mittelsbach wurde, weil er eben)o treu an jeinem Vaterland fejthielt, 
zum Erzbilchofe von Mainz ernannt und jaß lange auf dem wichtigjten 
Bilchofsituhle des deutichen Reiches. | 

Dito empfing damals (1163) die Grafichaft Garda als kaiſer— 
liches Lehen, den Landftrich, in dem die Veroneſer Klauje mit der 
Burg Volargna lag, die er nun mit jeinen NRittern bejegte. Als 
er dann heimfehrte, reilte er bald als taijerlicher Gejandter nad Kon— 
Itantinopel, wo er vom griechijchen Kaijer reiche Geſchenke erhielt. 
1167 aber, als er wieder mit Friedrich auf italieniichem Boden weilte, 
verzichtete er auf die Brafichaft Garda, für die ihn der Kaijer ficher 
entſchädigte. Auch auf allen andern Zügen in Italten begegnet uns 
Dttos Namen; immer ftreitet er für jeines Kaijers Ehre und Herr: 
lichfeit und immer iſt er bereit zwijchen Friedrich und den Italienern 
den Frieden zu vermitteln. So war er 1175 dabei, als der Waffen: 
itillftand gejchloffen wurde. Mit Handichlag und Friedenskuß be: 
jiegelten der kaiſerliche Feldherr Dtto, der Kanzler Gottfried und 
zwei italienilcehe Grafen den Vertrag, den die Longobarden brachen. 
Die Italiener nannten Otto nur den „Pfalzgrafen“, eigentlich, da 
fie das deutſche Wort nicht veritanden: Falsigravus und Falsusgrave. 


IV. 


Im September 1170 hielt Friedrich einen Reichstag zu Alten: 
burg in der Kaiſerpfalz. Schon vorher auf dem Weichstage zu 
Negensburg, hatte er den deutichen Fürſten mitgeteilt, daß er den 
Pfalzgrafen von Bayern zum Herzoge diejes Yandes auserjehen habe. 
Ale Fürften waren damit einveritanden und jo folgte denn am 
16. September 1170 die feierliche Belehung Dttos mit dem baye— 


u NT 


riſchen Herzogtume, indem der Kaijer die 4 Herzogsfahnen dem vor 
jeinem Throne fnieenden Otto überreichte, der in die Hände des 
Freundes den Lehenseid, den Eid der Treue ablegte. Bon dem 
Herzogtum Bayern trennte der Kaiſer aber die Markgrafichaft Steier: 
marf als eigenes Herzogtum, nunmehr waren Kärnten, Öfterreich und 
Steiermark, Länder mit bayerijcher Bevölkerung, vom alten Herzogtum 
—— und blieben es bis auf den eg ih Tag; aber dennod ift 
ayern das einzige aus der älteften Zeit übriggebliebene Herzogtum, 
das von jeinem Stamme den Namen trägt. Sachſen wurde zer: 
jtückelt, wie jchon lange vorher Franken und Schwaben — 
worden waren. Otto blieb nun in ſeinem Lande, das er von ſeinem 
Stammſitze Kelheim aus verwaltete, während ſein jüngerer Bruder 
als Pfalzgraf die kaiſerlichen Rechte in Bayern zu wahren hatte. 
Schon im Jahre 1171 zogen ſeine bayeriſchen Ritter gegen Heinrich 
ei Löwen und fochten unter Anführung des Kaiſers an der unteren 
e. — 
Die Wittelsbacher waren eines der reichſten bayeriſchen Grafen— 
eſchlechter. Sie hatten weitzerſtreute Beſitzungen auf der ganzen 
ER zwilchen der Donau und den Alpen. Ihre Güter lagen 
an der Würm, um Neuburg an der Donau, um Ingolftadt, in und 
bei Regensburg, im Nordgau (Oberpfalz), im Inntale, in Tirol 
und an andern Orten. Auch waren fie Grafen in den Gauen, wo 
fie die meiften Güter hatten: fie nannten fich einft Grafen von 
Scheyern oder Wittelsbach, von Dachau, Wartenberg und Ballei und 
waren Grafen im Relsgau. Ihr Gejchlecht war das älteſte des baye— 
riſchen Stammes, das nicht nur von Yuitpold, dem großen Ungarn: 
befämpfer, jondern jogar von dem vornehmiten Gejchlechte nach den 
Agilolfingern, den Huoftern, abftammte. 1115 nannten fie fi) zum 
—— Grafen von Wittelsbach; Ottos Vater war der erſte 
Pfalzgraf in Bayern. Otto regierte drei Jahre noch in Frieden; 
er war alt geworden im Dienite jeines Kaiſers. Es wird uns nur 
berichtet, dad er als Richter den Landfrieden ftrenge durchführte; 
jein Zeitgenojje, der Mönc Konrad von Scheyern aber konnte jagen: 
„Zu jeiner Zeit genoß Bayern Frieden und ungeltörten Wohlftand“. 
Er faufte 1171 bei München die Grafihaft Dachau und verlieh dem 
jungen Orte die Stadtrechte. Nun umgab fich der Ort mit Mauern, 
Märkte durften hier gehalten werden. Auch da, wo die alte Feſte 
Trausnig ins Ijartal jchaut und jeit alter Zeit eine Brüde über 
den Fluß führt, legte er den Ort Landshut an. Da er in der Nähe 
viele Güter hatte, Bielt er fich oft dort auf. Nach Regensburg fam er 
jelten und dieje Stadt entwickelte fich bald zur freien NReichsitadt, in 
der die Herzöge wenig zu jagen hatten. ünzen, die Dtto prägen 
ließ, ftellen ihn dar mit dem Helm, Schwert und Schild, wie er auf 
einen fliehenden Löwen eindringt. Es iſt das Sinnbild für den 
Übergang des Herzogtums von den Welfen, die 110 Jahre in Bayern 
geherricht hatten, an die Wittelsbacher. 


20 


ur AR 


Noch einmal im Jahre 1183 bewies Dtto feine Treue gegen 
Friedrih. Er feierte mit ihm Pfingiten zu Regensburg. Im Sommer 
diejes Jahres ritten fie miteinander nad) Konitanz, wo der feierliche 
Frieden mit den Iongobardilchen Städten gejchlojjen wurde. Da 
durfte aljo Otto nicht fehlen. Sein Namen fteht daher unter der 
Friedensurtunde. Nach den hohen Feſttagen am Bodenjee wollte 
er jeiner nahen Heimat zueilen, als ihn auf der Burg Pfullen- 
dorf bei Konſtanz ein rajcher Tod abrief. Seine Gemahlin Agnes 
und jein jugendlicher Sohn Ludwig beitatteten ihn mit Gepränge in 
der Erbgruft des Benediktinerklofters Scheyern. Den alten Kaijer 
traf die Kunde vom Tode feines treuejten Freundes wie ein harter 
Schlag, weshalb er zwei jeiner Söhne zur Beltattung nad) Bayern 
landte. Der Kaijer fühlte fich einfam im hohen Alter. Otto war 
der Einzige, der zu allen Zeiten zu ihm geftanden, auf dejjen Treue 
er fih unbedingt verlaffen konnte. Dtto hinterließ ſieben Töchter 
und einen Sohn, den jugendlichen Herzog Ludwig, den der Kaiſer 
jogleich belehnte und für den jeine Oheime —5 Konrad von 
Salzburg. Pfalzgraf Otto VIII. und der Mönch Friedrich die Vor: 
mundjchaft führten. 


Der dritte Kreuzzug. 


Der Sultan Saladin von Ägypten und Syrien hatte das 
heilige Land erobert und Jeruſalem bejeßt. Kailer Friedrich, König 
Richard Löwenherz von England und Philipp II. von Frankreich) 
ftellten fi) an die Spite gewaltiger Kreuzheere. Schon im Jahre 
1179 traten auserlejene deutjche Scharen von Regensburg aus den 
Landweg an, während Franzojen und Italiener über Mejjina zum 
heiligen Lande fuhren. Die Deutjchen jegten bei Konjtantinopel 
wiederum nad Aleinaften über und erreichten unter Mühen und 
GEntbehrungen aller Art „im Gebirge wüjt und leer” Ifonium, wo 
fie einen glänzenden Sieg über die Türken erfochten. Schon freuten 
fie fi) am Fluſſe Saleph der längjt erjehnten nahen Küjte, als der 
greile Kaijer den Tod in den Wellen fand. Ein Augenzeuge berichtete 
darüber, wie folgt, an den Papſt: „Alsdann gab uns der Gultan, 
der fich mit den Seinen in ein Lager zurüdtgezogen hatte, von Todes» 
furcht geängftigt, 20 Geijeln nad) unjerer Wahl, die wir auch heute 
noch gefangen halten, weil er die verijprochene Treue nicht bewahrt 
hat. Bon da brachen wir am nächſten Sonntag auf und zogen 
geradewegs gen Larandinum (Xaranda), wo wir am 1. Juni rajteten. 
Hier wurde inmitten der tiefen, jchweigenden Nacht die Erde von 
einer jolchen Erjchütterung heimgejucht, daß wir glaubten, es jeien 
die Scharen der Türken über uns gekommen. Wir meinten aber, es 
jei dies ein Vorzeichen für das Schickſal gewejen, das den Herrn 
Kaijer treffen jollte. Indem wir von da vorrüdten, zogen wir zu 


— 299 — 


dem Caleph (Saleph), wo wir eine ſolche Wildheit und Schwierigkeit 
des Weges beim Überſchreiten des Gebirges fanden, daß wir nur 
unter dem größten Verluſt an Gepäck den Caleph an einem Sonntag, 
tags vor dem Feſte des heiligen Barnabas, erreichen konnten. An 
demjelben Tage durchritt der Kaiſer zur Abkürzung des Weges 
ein reißendes Waller in den Tälern des Gebirges und kam wohl: 
behalten an das andere Ufer. Als er hier gejpeilt hatte, gedacht er, 
nach den unzähligen und unerträglichen Mühen, die er jchon einen 
Monat lang erduldelt hatte, in demjelben Fluſſe zu baden und ſich 
durch Schwimmen zu erfriichen. Hierbei ertranf er nach Gottes Rat: 
Ihluß. Ein beweinenswertes, unerwartetes Unglüd! Wir trugen 
jeine irdilchen Überrefte unter gebührender Verehrung mit uns hin— 
weg und gelangten jo nach der berühmten Stadt Turjoth (Tarjus). 
Bon da zogen wir weiter gen Antiochia und erlitten großen Verluft 
an unjerer Habe. Sechs Wochen lang hatten wir Mangel an Lebens: 
mitteln, weil Käufliches nicht gefunden wurde. Soviel über unjere 
TFährlichkeiten, wiewohl wir nur weniges an Euch gu Ichreiben unter: 
nommen haben. Für die Zufunft erwarten wir Troſt von Gottes 
Barmherzigkeit“, 


König Richard und' Herzog Leopold von Oſterreich. 


Am 10. Juni 1190 hatte Kaijer Friedrich den Tod im Fluſſe 
Saleph gefunden. Herzog Friedrich von Schwaben, der Sohn des 
Kaiſers, führte das Kreuzheer bis Akkon. Dort brach die Pelt aus 
und raffte den größten Teil des Heeres hin. Auch Herzog Friedrich 
ftarb und das deutjche Heer Löfte jich auf; Akkon blieb in den Händen 
der Türfen, 1191. Da landeten 1191 die beiden Könige Richard 
Löwenherz von England und Philipp Auguft von Franfreih. Auch 
Herzog Leopold V. von Öfterreich war mit frilchen Scharen ange: 
fommen. Die Deutichen nahmen noch Anteil an der Eritürmung 
der Feſte. Reiche Beute an Waffen, Kleidern, Xebensmitteln, Gold 
und Schmudjachen wurden gemacht und nach altem Brauche zu: 
jammengetragen. König Richard teilte jelbft. Engländer und Frans 
zoſen erhielten ihren Anteil. Als aber die öfterreichiichen Ritter an 
die Reihe fommen jollten, war die Beute aufgeteilt. Richard meinte 
zu Herzog Leopold: „Einen vollen Anteil habt ihr doch nicht verdient. 
Die Eroberung der Feite it unſer Werk; darum ilt es billig, daß 
wir den Lohn für uns nehmen“. Gerne hätte fich der tapfere Leopold 
für ſolche Zurüdjegung gerächt; jein Heer hatte nur 2000 Ritter, 
Löwenherz führte mehr denn 30000 Ritter; doc; damit noch nicht 
genug. Richard Löwenherz maßte fich ſogar Befehle über Die 
Deutihen an. Nachdem die Stadt Akkon erobert war, zogen die 
Hriftlichen Heere ein; voran Richard und jein Heer; zulegt die 

20* 


— 800 — 


Deutſchen mit Herzog Leopold. Herzog Leopold hatte ſeines Landes 
Banner, zum Zeichen, daß er auch bei der Eroberung beteiligt war, 
neben das engliſche und franzöſiſche auf die Mauer der Stadt pflanzen 
laſſen. Dann nahm er Quartier mit einigen ſeiner Ritter in der 
Stadt und ließ das Wappen Jeines Haujes mit dem Adler über dem 
Eingang anbringen. So prangten auch an Richards Wohnung das 
Mappen Englands und vor der Philipp Augufts die Lilien Frank— 
reihs. Da erſchien bald ein Bote Richards vor Leopold mit den 
Morten: „Mich jendet mein Herr, der König, daß fich das Heer der 
Deutihen an dem Aufbau der Feſte Askalon beteilige.e So ilt es 
der Wille meines Herrn!“ Leopold antwortete: „Sage deinem könig— 
lihen Herrn, mein Water jei weder Zimmermann nod Steinhauer 
gewejen und für einen deutjchen Ritter zieme fich dieje Arbeit nicht. 
Übrigens wer die Beute von Akkon verteilt hat, möge auch Astalon 
aufbauen. Ich und meine Ritter aber nicht!” Der Bote meldete es 
getreu jeinem Herrn. Den überfam der Zorn und jofort befahl er: 
„Nieder mit dem Banner des Öfterreichers!” Sogleich waren englijche 
Ritter bereit, rijjen das Banner vom Turm über dem Tore und 
gogen es höhnend und jpottend durch den Kot der jchmugigen Stadt. 

nterdejjen war ein anderer Haufe vor Leopolds Wohnung gezogen 
und hatte das Wappen heruntergeriljen und zertreten. Leopold war 
ohnmädhtig dagegen. Die Hand hatten jchon viele am Schwert; 
aber der Herzog befahl: „Es nüßt uns nichts, wir find in der Minder— 
zahl; aber es wird Zeit und Gelegenheit zur Rache geben. Wir 
fahren heim“. Ohne die heilige Stadt gejehen zu haben, zogen die 
ergrimmten SÖfterreicher wieder ans Meer, beitiegen ihre breiten 
Kreuzfahrerjchiffe, legten die Vanzer und Waffen ab und erreichten 
nach drei Wochen mübhjeliger Fahrt die Küfte Iftriens. jeder ging 
in jeine Heimat. Auch Philipp Auguft war von Akkon aus bald 
heimgefehrt und mit Richards Bruder Johann fiel er ins engliſche 
Gebiet ein. Gin Bote überbrachte diefe Nachricht. Raſch ſchloß er 
mit den Türfen Frieden und trat mit den Seinen den Heimweg zur 
See an. Bald jhwamm das ganze engliche Heer auf dem Waller; 
aber wohin wenden? In Frankreich lauerte König Philipp, in 
Ölterreich Herzog Leopold, in Italien und am Rheine der gewaltige 
Kaiſer Heinrih VI. An der Küfte wollte er daher jein Heer auf: 
löſen und jelbjt als Pilger mit einigen NRittern den Rhein hinab 
reilen. „Wenn ich nur einmal in Köln wäre!“ aber Köln war weit 
und Richard jchiffte noch auf dem Adriatiſchen Meere. „Hätte ich 
nur Heidelberg oder Stahled erreicht, wo mein Wetter, der Welfen: 
herzog Heinrich fit!” Da kam ein furchtbarer Sturm. Die ſchwachen 
Schiffchen hielten fich faum über Waller, mit Mühe zogen fie die Segel 
ein und wie Nußjchalen ſchwankten die Fahrzeuge auf dem Waller. 
Da jahen Richard und jeine Leute, als jich der Sturm legte, nichts 
mehr von den andern Schiffen; wer weiß, wohin fie der Sturm ver— 
Ihlagen hatte und viele ruhten auf dem Grunde des Meeres. Da 


erblidten jie Qand; aber, o Himmel, wo waren fie; italieniiche Laute 
drangen an ihr Ohr. Arm und hilflos, ohne Waffen, ohne Pferde 
waren jie ans Land gefommen; Richard und fein Page in Qumpen 
ehüllt, die Ritter als Pilger verkleidet. Bon ferne ſahen fie die 
A der Alpen; denen jteuerten fie zu. Der Page faufte mit 
dem wenigen Gelde, das ſie gerettet hatten, Speijen. Niemand aber 
verjtand ihre Sprache. Doch waren fie voller Hoffnung, wenn fie 
über die Alpen gejtiegen, ins rheiniiche Land zu kommen; dann 
Heidelberg, Stahled, Köln — das Meer! D, Vaterland! So Ichritten 
fie rüftig über die Gebirgsfämme, aber fein Führer, feine Richtung; 
immer unwirtlicher wurde das Gebirge, tiefer Schnee lag in den 
Tälern, denn längjt war der Herbjt vorüber und Weihnachten ftand 
vor der Tür. Der König — nicht; nur Mut hieß es, wenn 
die Seinen verzagten. Allmählich ſenkte ſich das Gebirge, die Über— 
änge wurden niedriger, da ſchimmerte eines Tages von waldigen 
öhen umgeben ein großes Gewäſſer ihnen entgegen. Der Rhein, der 
Rhein! jubelten die müden Wanderer. Sie kamen in ein Dorf wie 
ſchon ſo oft und hörten nach langem Fragen heraus, daß ſie an der 
Donau ſeien, im Lande Herzog Leopolds. Erdberg hieß das Dorf. 
Niemand kannte ihre Sprache, doch im Dorfe war einer, der bei 
Akkon mitgefochten, er der vielleicht die armen Pilger nicht ver: 
jtehen? Man rief ihn. Er dachte: „Den Pilger mit dem edel: 
geformten Gejichte Haft du jchon einmal gejehen“. Da jchimmerte 
unter dem Gewande ein Ring hervor, den er auch jchon einmal, 
vielleicht in Akkon bewundert hatte. „Sollte es der britiiche König 
jein?“ „Mein Herr und Herzog Leopold, du bift gerät!“ Raſch 
Jandte er jeinen Buben mit geheimer Meldung nad) Wien. — 

Da erzählten auch die Leute des Dorfes von den koſtbaren 
Handichuhen des Dieners und den morgenländilchen Goldjtüden, 
die der Page ausgab und die man fich im Dorfe zeigte. In der 
Herberge jchliefen jchon längſt Richard und feine Leute; da rückte 
Herzog Leopold mit-den bewaffneten Reitern jelbit heran. Raſch 
war das Haus umjtellt; der wachende Ritter jchlug Lärm und Richard 
Iprang auf. Was nußte aber die faſt Wehrlojen ein Kampf gegen 
die Übermadht. Bald übergab Richard jein Schwert jeinem Tod: 
feinde Leopold; die andern folgten feinem Beilpiele. „Wir haben 
uns lange nicht gejehen, unjer en war etwas furz vor Akon!“ 
meinte Leopold. „Schloß Dürenftein bei Kremsmünfter wird Euer 
Aufenthalt jein und mein treuer Ritter Hadamar von Kunring Euer 
Begleiter”. Leopold ritt nad) Wien. Kunring nahm ſeine Gefangenen, 
neigte fich ehrerbietig vor dem Könige und bot ihm ein Roß an. Sfter: 
reichiſche Reiter umjchlojjen die Gefangenen und im Trab gings hinauf 
nach Dürenftein. Da hörte Kaiſer Heinrich VI. von der koſtbaren Beute 
des Öfterreichers. 2 kam ein Bote von Trifels nad) Wien, der 
jagte, nur der By ürfe Könige gefangen halten, Leopold möge 
Richard und jeine Beute ausliefern. Vom Löjegeld befomme er den 


— a 


ebührenden Anteil. Am 6. Januar 1192 erjchien Yeopold auf des 
ailers Geheiß zu Regensburg, mit ihm Hadamar von Kunring 
und Richard Löwenherz. Leopold und der Kailer wurden nicht einig, 
weshalb der Gefangene nad) Dürenftein zurüd mußte. 

Am 4. Februar famen Kaijer und Herzog auf dem Hoftage 
zu Würzburg abermals zujammen und fie einigten ſich, nur gegen 
ein Röjegeld von 100000 ME. den König freizugeben. Bis dahin 
jolle er 200 Geiſeln ftellen, dem Kaijer aber noch 50 jegelfertige 
Kriegsichiffe geben und als Kämpfer auf den Schiffen 100 Ritter und 
50 Bogenjchügen ftellen. So brachte denn Hadamar von KRunring den 
Gefangenen und feine Leute nad) Speyer; am 23. März 1192 zogen 
fie in der alten Kaijerftadt ein. Der tapfere Burggraf Marquard 
von Annweiler, Heinrich der Schenf von Lautern, Werner und Philipp 
von Bolanden, Trushard von Keſtenburg erwarteten im Kaiſerpalaſt 
hinter dem Dome den Gefangenen. Hadamar übergab ihn Marquard 
und ſchon am 24. März in der Frühe ritten die Mannen des Railers 
mit Richard durch das jchöne Gäu bei Speyer dem Trifels zu. Um 
Mittag war Annweiler erreicht und langjam ging es den teilen 
Burgberg hinan. Die Zugbrüde ließ fih langjam und fnarrend 
nieder und über den tiefen Hals ritten fie zum finjtern Tore ein. 
Bald jtanden fie im Vorhofe, vor ihnen ragte der mächtige Bergfried 
auf. Aus der Tür trat ein erniter Mönch vom Kloiter Eußerthal, 
der bei den höchſten Gütern des deutichen Reiches, bei Krone, Szepter, 
Schwert, Mantel, Reichsapfel, Yanze der alten Könige gewacht 
hatte. Eben hatte ihn ein Klojterbruder abgelöft und nun jchidte 
er fih an, hinüber nach Eußerthal zu gehen. Da trat auch der 
Burgvogt hinzu und nad) ehrerbietigem Gruße ftiegen alle zur Kaiſer— 
tube hinan, die der Rotbart vor Jahren mit präcdhtigem Marmor 
und mit Bildern aus jeinen Feldzügen ausgejtattet hatte. Hier jollte 
Richard ruhen, hier jollte er die Stärke des deutichen Reiches 
empfinden; denn an ein Entrinnen war nicht zu denken. Schroffe 
Teljen ringsum, das Burgtor zu? Was half. ihm die Herrlichkeit 
der Kaiſerſtube? So jaß er tagelang. Aber da unten im Schloßhofe 
it Rampfipiel. Burgvögte und Mannen üben fich in den Waffen. 
Nihard eilt hinzu und nimmt Teil am Kampfipiel. So vergeht 
die Zeit. In den Rellern it ſüßer Wein. Der Burgvogt tijcht auf, 
was der fönigliche Gajt nur zu trinfen vermag und herrlich ſchmeckt 
das frilche Getränk von Keftenburg und Madenburg. Unterdeſſen 
wird es Frühling. Richard jehnt fich nach der Heimat mehr denn je. 
Da fommt von Hagenau herüber des Kailers Bote und lädt ihn zum 
Hoftage in Hagenau ein. Marquard begleitet jeinen Gefangenen 
jelbit, ein Fähnlein Reifige umgibt fie, jo ziehen fie am 19. April 
nah SHagenau. Im Kaiſerſaale fit Kaijer Heinrich VI., ihn ums 
itehen die Fürſten des Reiches und die treuen rheinijchen Ritter. 
Der Kaijer Hagt den gefangenen König in lateinijcher Sprache an. 
Richard erwidert ihm jofort. Der Kailer fchließt jogar ein Freund: 


- 58 — 


Ihaftsbündnis mit ihm und 70000 ME. Löſegeld jollen ihn volljtändig 
frei machen. Frohe Briefe gehen nad) England. Aber England ilt 
arm; die vielen Bruderfriege haben es erſchöpft. Da ſchickt der 
franzöfiihe König Philipp Auguft einen Brief und bietet 40000 ME. 
für ine Feind. Johann, Richards treulojer Bruder will jogar 

ME. geben, wenn der Gefangene noch ein Jahr auf Trifels 
bleibt. Heinrich ließ fich denn auch bewegen, Richard noch länger 
zu behalten. So mußte der König am 25. Juni 1193 nad) Worms, 
wo wieder alle Fürjten um den Kaiſer verfammelt waren. Die 
Fürſten jprachen von Geiz und Ungerechtigkeit des Kaiſers. Da ver: 
Iprach diejer, gegen 100000 Mi. Silber jogleich und 50000 ME. 
nach der Entlajjung werde er Richard freigeben. Er mülje aber 
Heinrih den Löwen zur SHeeresfolge nach Italien bewegen und 
fünfzig Galeeren und 20 Nitter zum Zuge nad Italien ſtellen. 
Heinrich des Löwen beide jüngiten Söhne jollten Geijeln jein. 
Mieder vergehen Wochen. 

Aber erit am 4. Februar 1194 öffnete fich für Richard das 
Burgtor. Mit feinen Getreuen eilte er nad) Köln, wo ihn Erzbijchof 
und Bürgerjchaft freundlich aufnahmen. Dann gings dem Meere zu 
und bereits am 13. März 1i94 war er glüdlich in der Heimat. 





Der Trifels zur Zeit Heinrichs des VI. 


Mit dem englijchen Löjegeld, das auf Trifels aufbewahrt wurde, 
bejchloß Heinrich der VI. Sizilien zu erobern. Die ungeheuere Summe 
wurde ſchon auf Trifels, wo der Kaijer fich aufhielt, zu großartigen 
Rüſtungen verwendet. Gelbit die deutjchen Fürſten famen 1194 auf 
die Felſenburg, wo der Kaijer mit jeiner Gemahlin und jeinen beiden 
Brüdern Philipp und Dtto weilte, um dem Herrn nach Süden zu 
folgen. An der eine des Heeres, das 1194 nad Süditalien 309, 
itand der Truchſeß Marquard von Annweiler, der treue Begleiter 
des Rolbart, der glüdli) vom Kreuzzuge heimgefehrt war. 

Marquard zog mit dem deutichen Nitterheere voraus und er: 
oberte Süditalien jo rajch, daß der Kaijer bald folgen konnte. Die 
Schäße, die er in den Städten und Burgen Siziliens fand, wanderten 
auf vielen Maultieren über die Alpen und wurden in den fichern 
Gewölben des Trifels aufgehäuft. Darunter befanden fi) nicht 
nur große Mengen von Gold und Silber, gemünzt und in Bejchmeide- 
form, jondern auch hervorragende Kunftgegenftände, Kleinode 
bejonders aber GStidereien aus dem königlichen Gewandhaus in 
Palermo. Hüter aller ie Schätze wurde der Ritter Heinrich 
von Tann, der fih im Tale der Wieslauter das Feljenichloß 
Dahn gründete, das er nad) feiner Stammburg Tann im Elfaß be— 
nannte. Damals war in Wahrheit der Trifels das Staatsgefängnis 


— — 


des Kaiſers; denn als er um Weihnachten des Jahres 1194 eine 
Verſchwörung gegen ſich entdeckte, ließ er alle Anitifter nach Trifels 
ga ahin wanderten der „Fürft des Meeres“ Margaritone, 
er vermeintliche Freund des Kaijers; der Erzbiſchof von Salerno, 
der früher die Kaijerin hatte gefangen nehmen lajjen, ein Verwandter 
der Raijerin, Graf Richard und viele andere italienijche Grafen und 
Herren. Alle famen in die düſtern Verlieje des Trifels.. Das Tages: 





licht jollten fie nicht mehr ſchauen, da fie alle geblendet wurden. 
über fie wachte der Ritter Wezelo von Berg. Aber im Jahre 1197 
erhob fich eine neue Verſchwörung gegen Heinrich den VI., der viele 


Geijeln nad) Deutichland geichicdt hatte die durch Verſtümmelung, 
Blendung und Hinrichtung büßen mußten. Als aber der gewaltige 
Raijer 1198 plöglich in Palermo ftarb, da ließ jein Bruder Philipp 
von Schwaben alle frei. 





— 305 — 


Des deutihen Reiches Schaglfammer. 


Bon Kaiſer Heinrich dem V. (1106-1125) bis auf Rudolf von 
Habsburg 1273 war der Trifels ob jeiner Feſtigkeit und Höhe die 
Schatzkammer des Reiches. Hier lag in fojtbaren funjtvollen Schreinen 
das Höchfte, was je Menjchen in jener Zeit erringen fonnten: die 
Reichskleinodien und die Abzeichen der failerlicden Würde: der 
KRrönungsornat der Kaijer, der aus Kaiſerkrone, Reichsapfel, Schwert, 
Szepter, Krönungsmantel, Schuhen, Strümpfen und Handjchuhen 
Beitand. Das ältefte Stüd war die adhtjeitige Krone mit dem 
Kreuze, alles mit Edelfteinen bejegt. Der Reihsapfel war von 
Gold und von einer Rugel aus Boldreifen umzogen, auf denen ein 
Kreuz mit Edeljteinen und Perlen ja. Er war das Ginnbild der 
Herrichaft des Chriltentums über die ganze Welt. Zwei Schwerter 
— zu dieſem Schatze: das ſogenannte Schwert des heiligen 

auritius, das bei der Kaijerfrönung in Rom dem Kaiſer voran 
getragen wurde, als das ältere; ein jüngeres hatte Heinrich der VI. 
anfertigen lajjen. Das Szepter war aus Holz und mit feiner 
Gilberarbeit bejchlagen; es joll urjprünglich ein Weihwedel gewejen 
fein. Das prächtigſte Stüd der Kleider war der Rönigsmantel aus 
dunkelroter Seide und von halbfreisförmiger Geltalt. In jedem 
Viertelkreiſe war ein Löwe abgebildet, der ein gewappnetes Rameel zu 
Boden drüdt. Die Mitte des Mantels deutete ein ftilijierter Baum 
an. Dazu famen noh Schuhe, Strümpfe und Handjchuhe, 
alle von Geide und Gold und mit Edelfteinen und Perlen bejegt, 
die Alba — ein Geidenüberwurf, die Dalmatifa (dreimal vor: 
handen), die Stola mit zwei Gürteln, Sporen und Beinfleider. 

Alle dieſe Schäge ruhten in der Burgfapelle des feiten Turmes, 
die Reliquientäjtchen des Altares aber enthielten den Berichten und 
der Überlieferung nah: Die Spitze der heiligen Lanze, die 
Dornenfrone Jeſu, ein Stüd des Kreuzes, Nägel, den Schwamm, 
aus dem Jeſus trank, jogar ein Stüd des Gtrides, womit Jeſus 
— war, wurde hier andächtig verehrt. Zwei Mönche des 

loſters Eußerthal wachten beſtändig bei den Inſignien des Reiches 
und den Heiltümern und beteten. Dafür erhielten ſie jährlich 8 bis 
10 Malter Korn, 10 Gulden und ein Fuder Wein mehr als 400 Jahre 
lang. Als letzte eigentliche Hüter des Trifels und ſeiner Schätze ſind 
die Grafen Philipp der I. von Falkenſtein und Reinhard von Hohen: 
eden anzujehen. Reinhard gab die Kleinode an Nudolf von Habs: 
burg, der fie nach der Kyburg bringen ließ, und jeitdem ſank der 
Sritels immer mehr zu Bedeutungslofigfeit herab. 


— 0 


Vereinigung der Pfalz mit Bayern. 
I. 
Zudwig der Relheimer. 


Wie einit Otto der J., jo ſtand auch jeit dem Jahre 1183 
Ludwig der Kelheimer feit zu Kaijer Friedrich und als diejer 1190 
ſtarb, bug er dem jungen Kaiſer Heinrich dem VI. ſtets als treuer 
Reichsfürſt nach Italien. Aber Heinrich der VI. ftarb jchon im Jahre 
1198 im fernen Süden und da jein Sohn Friedrich dort erzogen 
wurde, wählten jeine Anhänger in Deutjchland den jüngften Sohn 
Barbarojjas, Herzog Philipp von Schwaben; die Anhänger der 
Welfen aber erforen fich den jtattlichen und tapferen Sohn Heinrichs 
des Löwen, Dtto von Braunjchweig, zum deutjchen Könige. Ein 
zehnjähriger Bürgerkrieg durchtobte das deutjche Land, namentlich 
aber die Rheinlande, wo Ottos Bruder, Heinrich der Schöne oder 
Zange, als Pfalzgraf bei Rhein der mäcdhtigite Fürft war und die 
Feftetten Pläße, wie Heidelberg, Winzingen, Wachenheim, Stahled, 
Bacharach, Kaub in jeinen Händen hatte. Auch an Philipp von 
Schwaben hing der Bayernherzog mit jeltener Treue. Zu jeinem 
großen Schmerze verübte einer jeiner Vettern, Pfalzgraf Dtto der VII. 
eine jchredliche Tat. 

Am 21. Juni 1208 feierte König Philipp zu Bamberg in 
Gegenwart jeines Freundes Ludwig die Hochzeit jeiner Nichte Beatrix 
mit dem Herzoge Dtto dem VII. von Meranien (Südtirol). Noch an 
demjelben Tage zog der junge Herzog mit jeiner Gemahlin nad) 
Süden; der königliche Oheim gab ihnen eine Strecke weit das Geleite 
und fehrte dann in den bijchöflichen Palaft zurüd. Hier ließ er 
fih nad) der Sitte der Zeit „die Ader jchlagen” um dann ruhen 
zu können. Da meldete fich nachmittags um drei Uhr der Pfalz: 
graf Otto von Bayern beim Könige; er wurde zwar ins Schloß 

elajjen, aber jeine bewaffneten Begleiter mußten am Tore des 

alaltes warten. Mit bloßem Schwerte trat Dtto in den Saal 
des Königs, bei dem fich nur der Truchſeß von Waldburg und der 
Bilchof von Speyer befanden. Früher ſchon hatte Otto dem Könige 
leine Gaufelfünfte mit dem Schwerte gezeigt und ihn damit jehr er: 
gößt. Der König mochte des Pfalzgrafen böſe Abjichten ahnen und 
verbat fich für heute die Künſte. Da aber vergaß der Eindringling 
jeine Verjtellung und rief im Jähzorn: „Spiel gilt jet nicht!“ Ein 
Hieb — und der König ſank mit durchjehnittenem Halfe nur noch 
wenig Schritte taumelnd zu Boden. Der Truchſeß wollte den König 
rächen, empfing aber eine ir Wunde am Kinn und der Speyerer 
Bilhof Konrad von Scharfened (Pfalz), des Königs Kanzler, verkroch 
fich vor Entjegen über den Wütenden. Der aber fonnte ungehindert 
mit den Geinigen entweichen, da die Verwirrung im Schlojje aufs 
Höchſte jtieg. Philipps Gemahlin, die fromme Irene, floh bald auf 


— 


die Burg Hohenſtaufen, wo ſie eines Kindes genas und mit dem— 
ſelben ſtarb. Zur Erinnerung an den treuen Biſchof Konrad ſchenkte 
ſie furz vor ihrem Ende dem Speyerer Dome wertvolle Kleinode 
und bejitimmte, daß das Jahrgedächtnis ihrer Eltern, zweier 
Geſchwiſter und ihr eignes dnfelbt gefeiert werde. Die Anhänger 
Philipps gingen zu Dtto über. Am Meartinstage 1208 fand ein 
feierlicher Hoftag in Frankfurt a. M. ſtatt. Auch der Biſchof von 
Speyer erjchien mit den Abzeichen der königlichen Würde: dem 
Diadem (königl. Stirnbande) und der heiligen Yanze, die er auf dem 
Trifels verwahrt hatte und nun dem von allen anerfannten Könige 
Dtto übergab. An jeiner Hand führte Biſchof Konrad die achtjährige 
Königstochter Beatrix, die jo frühe Vater und Mutter verloren hatte. 
Bor den verjammelten Fürjten und vor dem auf dem Throne figenden 
Könige erzählte er die Gejchichte des Königsmords. Laut weinte 
das arme Königskind, die Enkelin des Rotbart, als der treue Bilchof 
nach altem deutjchen Rechte als Zeuge der Tat den Pfalzgrafen und 
eine heimlichen Helfer des Mordes bejchuldigte. König und Fürften 
verurteilten Otto aut TFriedlofigfeit, zur Reichsacht. Seine eigenen 
Güter und jeine Reichslehen fielen an jeinen Vetter Qudwig den 
Kehlheimer, der fie jofort in Bejig nahm und der Dttos Burg, das 
Stammſchloß Wittelsbach zeritörte; das gleiche Schiejal widerfuhr 
Dttos Genojjen, dem Grafen Heinrih von Andehs. Da aber die 
Geächteten Bier ah waren, wurde auf bayerijchem Boden im Januar 
1209 zu Augsburg das erjte Urteil erneuert; auch Ludwig der Kehl: 
heimer war dabei, als jein Vetter der Acht verfiel. Schon vorher 
hatte Qudwig mit dem Reichsmarſchall Heinrich) von Kalden die 
Beligungen Ottos und Heinrichs jo bejegt, daß der geächtete Pfalz. 
graf nirgends Schuß fand. 

Im März 1209 ritt Heinrich) von Kalden mit einer Botjchaft 
des Königs nad) Regensburg. An der Donau bradte ihm ein 
Burjche, deſſen Vater durch Otto jein Leben verloren hatte, die Nach: 
richt, daß der Mörder fi) zu Oberndorf zwiſchen Kelheim und 
Regensburg verſteckt halte. Rajch ließ der Marjchall die Scheune um: 
zingeln, jo daß der Mörder nicht entweichen fonnte. Er fiel von 
der Hand des Reichsmarjchalles. Den Kopf trennten die Rächer vom 
Rumpfe und warfen ihn in die Donau. Der Rumpf aber wurde 
auf freiem Felde verjcharrt, bis nach acht Jahren Herzog Ludwig 
ihn im Kloſter Indersdorf neben Dttos Vater bejtatten durfte. Auch 
der Bilchof Eckbert von Bamberg fam damals als mutmaßlicher Mit: 
wiljer des Mordes in des Reiches Acht, in der er 3 Jahre verblieb. 


II. 


Herzog ae) war mehrere Jahre lang ein Anhänger der 
Welfen; aber er jollte durch eine Heirat feiter an den König und 
dejjen Bruder Heinrich gefnüpft werden. Er hatte einen faum 


— 3 — 


8 jährigen Sohn —* mit dem auf dem Hoftage F Nürnberg 1212 
die Tochter des Pfalzgrafen Heinrich bei Rhein, Agnes mit Namen, 
verlobt wurde. Die Braut ſollte bei ihrer Verheiratung 32000 Gulden 
Mitgift erhalten. An einen Länderzuwachs für Bayern dachte da: 
mals noch niemand; denn noch lebte Heinrichs Sohn der Pfalzgraf 
Heinrich der Jüngere (1211—14), der von jeinem Vater die — 
grafihant übernommen hatte und in Heidelberg regierte. Die Ältere 

chweiter der Pfalzgräfin Agnes war an den Markgrafen Hermann 
von Baden vermählt; beide Schweitern aber beerbten ihren Bruder 
Heinrich als er 1214 ftarb. 

Noch im Fahre 1212 war der Sohn Heinrichs des VI., Friedrich, 
in Schwaben und am Rhein erjchienen und Ludwig der Kelheimer 
Ihloß ich ihm, dem Sohne Jeines Freundes, an; jelbit Pfalzgraf 
Heinrich der Jüngere trat auf des neuen Königs Seite. Im Sommer 
des Jahres 1214 ſchloß fich daher Ludwig der Kelheimer mit dem 
Herzog Dtto von Meranien und dem bayerilchen Grafen Ulridy von 
Eppen dem Heere des Bea Königs Friedrich an, der gegen 
Dtto den IV. an den Niederrhein ines Tages war Waffen: 
ruhe angejagt und Ludwig hatte Ni von jeinen Rittern entfernt; 
aber gerade Friedrichs Krieger brachen ihr gegebenes Wort, das die 
MWelfen und ihre Leute nun auch nicht mehr beachteten. Da geriet 
Ludwig in die Gefangenjchaft der Grafen Walram von Limburg 
und Wilhelm von Jülich, die ihn auf die Burg Nided weitlich von 
Zülpich brachten, wo fie ihn in ritterlicher Haft hielten. Die Welfen 
forderten ein hohes Löjegeld, zu dem Arm und Reich in Bayern 
gerne ihren Teil beitrugen; das Klofter Scheyern allein gab in dank— 
barer Erinnerung an die Wohltaten, die es ſtets von den Wittels- 
bachern empfangen hatte, 100 Pfund Silber.*) Da aber beide Verlobte 
noch in unmündigem Alter waren, führte Ludwig die VBormundichaft 
über jie und nannte fich daher Pfalzgraf bei Rhein (Comes Palatinus 
Rheni). Schon bald nad) einer Befreiung 1214 war Ludwig in die 

falz gereilt; denn wir willen, * er dem Kloſter Schönau bei 

eidelberg damals die Fiſcherei zu re bei Frankenthal übertrug, 
bis der Schaden erjeßt Jei, den jeine Kriegsleute dem Klofter zugefügt 
— Als 1214 Heinrich der Jüngere geſtorben war, fehlten männ— 
iche Nachkommen für die rheiniſche — — und die Reichs⸗ 
lehen. Daher belehnte König Friedrich Anfang Oktober 1214 den 
jungen Otto, Ludwigs Sohn mit der Pfalzgrafichaft, bei deren Lehen 
ja die reichen Einzelgüter lagen, die er durch feine Braut Agnes 
erben ſollte. Auch Herzog Ludwig von Bayern nannte fich Pfalzgraf 
bei Rhein, weil jein Sohn noch minderjährig war. 1220 feierte er 
in Worms jeine Hochzeit, aber erit acht Sabre Ipäter, 1228, wurde er 
mit dem Ritterjchwert umgürtet. Da er nun mündig war, Tonnte 


*) Ein Pfund = 240 alte Pfennige oder 20 Schilling ” je 5 Pfennig. 
Pfennig = lateinijch denar, daher heute noch als Pfennigzeichen J 


zu 


er die Regierung der ya übernehmen, während jein Bater in 
Landshut a oder in München und Kelheim Bayern verwaltete. 
Am 15. September 1231 wurde Ludwig auf der Donaubrüde zu 
Kehlheim von einem Unbefannten ermordet. Da das wütende Volt 
den Mörder ſofort zu Bogen jchlug, konnte nicht feſtgeſtellt werden, 
wer er war und wer ihn zu diejer & reveltat gedingt hatte. Dtto II. 
trat nun die Regierung Bayerns an und regierte dajelbit bis zum 
Sahre 1253. Schon unter jeiner Regierung herrichte Zwiejpalt im 
Reiche, noch mehr aber unter jeinen 2 Söhnen, die ebenfalls uneinig 
waren und daher 1255 das Bayerland teilten. Ludwig der Strenge 
erhielt als der ältere die ganze rheinijche Pfalz und den obern Teil 
Bayerns mit München, Kufitein und dem Zillertale, Heinrich, der 
jüngere Bruder empfing den niederen Teil Bayerns mit der Haupt: 
ſtadt Landshut, die ihr Urgroßvater Dtto I. gegründet hatte, aber 
auch Chiemjee, Traunftein, Reichenhall und alles Land öſtlich vom 
Inn, das jogenannte Innviertel. Seit dem unterjchied man zwilchen 
Dber: und Niederbayern. 


Vom Burgenbau in Deutidhland, 
bejonders in der Pfalz. 


Die älteiten Felten bei uns legten die Kelten an, als fie große 
Stein: und Erdwälle auf den fjteilen Bergen der Haardt und des 
Meftrichs errichteten; noch im dreißigjährigen Kriege flohen die 
Dannenfeljer hinter den Schugwall — dem Donnersberg, und als 
die Kaiſerlichen 1635 über den Rhein drangen, die Neuftadter auf 
den Königsberg hinter die dortigen Wälle. Die meilten Bes 
feitigungen gründeten die Römer; 50 Kaſtelle erhoben ſich jchon zu 
Drujus Zeit am Rheine, dann aber rüdte die Grenze über den Rhein 
an den jogenannten Limes, der eine ftattliche Reihe‘ von Kaſtellen 
hatte, Bon all diejen Felten, an die noch die Namen Blieskaſtel 
(Raftel), Bernkaſtel, Kästajtel (beide an der Mojel), Kaſtel bei Mainz 
und Kajjel erinnern, blieben nur wenige; aber in vielen Gemeinden 
findet man Flurnamen auf Kaſtel, 3. B. Kaftelgarten, Kaftelwieje, die 
alle auf römilche Kaftelle zurüdgehen. Das Kaitell Rempten im All: 


gän war bis zum Jahre 1336 eine deutjche Burg. Auch auf andern 


—* 


aſtellen ſetzten ſich die Deutſchen, namentlich am Rheine feſt, nicht 


weniger an der Moſel. So ſind römiſchen Urſprungs Bürgel am 
Niederrhein, dem man heute noch an den abgerundeten Ecken die KRaltell: 
form anfieht, die Burg ig an der Moſel, das alte römijche 
Nowiomagum und die Burg Nimwegen in Holland, die Friedrich 


der Rotbart 1155 mit großer Pracht ausftattete. Auf römiſchen Urs 
Iprung deuten auch die Burgen Birbaden und Frankenburg im Elſaß. 


te Burg Friedberg in der Wetterau fteht auf dem Boden eines 


— 310 — 


Limeskaſtelles. Auch die Limburg bei Dürkheim iſt römijchen Ur- 
ſprungs. Sie war zugleich die ältefte deujche Burg unjerer Heimat; 
denn Enke ihren Wällen und Balijaden jaßen jchon die rheinfräntijchen 
Herzoge von Konrad dem Roten bis zu Kaiſer Konrad dem Zweiten, 
der * in ein Kloſter verwandelte, — auf dem Trifels. Die meiſten 
Burgen unſerer Pfalz erbauten die Salier 1024—1125 und die 
Hohenftaufen. —— war es der Herzog Friedrich von 
Schwaben, der für ſeinen Schwager Heinrich den V. das Reich gegen 
die aufſtändigen Fürſten verteidigte; er baute ſo raſch die Feſten, daß 
ein Zeitgenoſſe ſagte: „Indem ſich Friedrich von Alamannien nach 
Überſchreitung des Rheines nach Gallien zurückbegab (Gallien das 
linke deutſche Rheinufer insbeſondere hier die Rheinebene) beugte 
er alles Land von Baſel bis Mainz 1116—18, wo bekanntlich die 
Hauptitärte des Reiches liegt, allmählich unter jeinen Willen. Denn 
immer den Rhein abwärts ziehend, zwang er bald durch den Bau 
einer Burg an einer pajjenden Stelle alles Nachbarland zur Unter: 
werfung, bald wieder weiterrücdend befeitigte er eine andere Burg, 
nachdem er die frühere verlajjen hatte, jo daß es von ihm im Sprid): 
wort heißt: „Herzog Friedrich zieht am Schwanze jeines Pferdes 
immer eine Burg nad) fi“. (Dtto von Freifing.) Bon den Burgen 
der Fer Itanden damals die Keftenburg oder das Hambacher Schloß 
(heute Maxburg), der Trifels mit jeinen beiden andern Feſten: 
Scharfenburg und Anebos; Lande bei Klingenmüniter, das 
Schlöſſel bei Klingenmünfter; zur Zeit Friedrichs aber erhoben fich 
dann unter vielen andern: Bolanden, Falkenitein, Hohenfels am 
Donnersberge. Der ältejte und wichtigjte Teil einer Burg war der 
Bergfried, der höchſte und feitelte zugleih. Er war anfangs der 
‚ einzige Teil innerhalb des Walles und der PBalijaden und diente: 
wegen feiner Höhe als Warte, wie die Türme der Römerzeit. Die 
Namen Wartenberg, Wartenfels, Wartenburg, Wartburg 
weilen daraufhin, daß die Türme als MWachttürme dienten. Drei 
einzelne Wachttürme jtehen heute noch in der Nordfalz bei Kirch: 
heimbolanden, Albisheim und Alzey, find aber erjt im 15. Jahr: 
hundert entitanden. Während einer Belagerung diente der Turm 
oder Bergfried als Wehrbau gegen die Angreifer und waren dieje 
ger in die Burg eingedrungen, jo galt er als letter Zufluchtsort. 

ie pfälzilchen Bergfriede auf Trifels, Landeck, Schlöjjel, Remigius: 
berg, Landsberg, Reipoltstirchen waren hohe vieredige Türme von 
9,5—27 m Höhe und 6—18 m Durchmefjer. Der Turm der Harden: 
burg war rund, entitammte aber jpäterer Zeit. Heſſen hat viele 
runde Türme. In den Bergfried führte feine Tür, wie man das 
deutlich an den pfälziichen jehen fann. In das Erdgeſchoß, das 
Burgverlies hieß (verlies von „verlieren”), fonnte man nur durd) 
ein Zoch in der gewölbten Dede gelangen. Das Burgverlies diente 
zum Aufbewahren der Gefangenen, die man auf einem Knebel, 
der an einem Geile befeitigt war, Hinunterließ. Dft waren auch 


— 311 — 


Rollen angebracht, durch die man fie hinunterwand. I 

Geſchoß kam man durch eine Kleine Tür, zu der man mittels Leiter 
emporſtieg. Auch aus einem Stodwerk ins andere gelangte man 
durch Leitern oder Holztreppen, bis man oben auf der Wehrplatte 
Itand, die von einem Zinnenkranz umgeben war. Durch die Schar: 
ten der Zinne konnte man den Feind leicht angreifen. Der jehr alte 
Bergfried der Burg Altwolſſtein war fünfedig und ift heute noch in 
jeiner Umfajjungsmauer volltändig erhalten. Fünfedig waren auch 
die von Hoheneden und Gräfenftein, innen aber hatten fie nur einen 
vieredigen Raum. Merkwürdig war der Bergfried des Trifelſes. 
In ſeinem Erdgeſchoße lagen zwei Räume, die als Wachtſtuben dienten. 





Bergfriede: 
1. Hohenecken 2. Gräfenſtein. 


{8,57 





Bergfriede: 
1. Landeck 2. Wachtenburg b. Wachenheim. 


Bon hier gelangte man in das eigentliche Ritterhaus, wo die Salier 
und Hohenitaufen wohnten. Auf zwei jteinernen Treppen jtieg man 
zur Kapelle empor, wo die Weichsfleinode jeit 1126 aufbewahrt 
wurden; in einem heute noch jichtbaren Erfer jtand der Altar. Das 
dritte Gejchoß des Turmes war nur vom Ritterhaus aus zugänglich. 
An unjern pfälzishen Burgen bemerken wir auch die jogenannte 
Shildmauer, eine 15—25 m hohe Mauer mit 2,50 - 4 m ftarfen 
Breitjeiten, ſolche find bei Altwolfitein, Hoheneden, Wildenitein, 
Gräfenftein, Falkenjtein. Sie ftanden an der Angriffsjeite, jenjeits 
des tiefen Halsgrabens, dicht am Rande. Durch ihre Länge und 
Höhe verdedten fie, wie 3. B. Hoheneden, die ganze dahinterliegende 


— 312 — 


Burg. Bon ihrem oberen Rande konnte man auf die Angreifenden 
\hießen oder werfen, weil eine Brüftungsmauer mit Zinnen und 
Scharten die Verteidigung erlaubte. Nur der Bergfried ragte über 
die Schildmauer hinaus, war aber gewöhnlich feft mit ihr verbunden, 
wie ‘ B. auf Hoheneden und Gräfenftein. Die Schildmauer von 
Neu)harfened ilt 56 ın lang und 12 m hodh, ein Fels bildet die 
Grundlage des ganzen Baues; denn in dem roten Sandftein der 
Vogejen find Schiehjcharten 
und Kammern angebradt. 
Schon jeit der älteften Zeit 
hatten unjere Burgen Gräben; 
da Sie fait alle auf Höhen 
lagen, hatten dieje fein Wajjer, 
waren aber breit und tief, wie 
i 3. bei Landſtuhl, Ebern- 
urg, Montfort. Baumburg; 
Hoheneden hatten jogar einen 
doppelten Graben. Schnitt 
der Graben das Burggelände 
vom Berge ab, wie gewöhn- 
lich, jo hieß er Halsgraben, 
lief er aber um die Burg 
herum, wie in der Border: 
pfalz auf ebener Erde, jo hieß 
er Ringgraben. Auch im Ge: 
birge, aber nur in den Tälern 
Bergfried von der Hardenburg. gab es Burgen mit Ring: 
gräben, 3. 8. Rodenhaujen 

(Ruhinburg 12. Jahrhundert) und Reipoltstirchen, eine Burg der 
Bolander. Über den Graben gelangte man auf einer Zugbrüde (Fall: 
brücte),*) die gegen das Tor gezogen wurde, in Die Burg. Sehr üblich 
war das Graben von Minen und die Belagerten gruben dann Gegen: 
minen. Oft mußten die Belagerer neben die Burg eine Gegenburg 
bauen, wie man fie noch bei Dhaun an der Nahe und El an der 
Moſel nachweiſen fann. Das — Haus einer großen Burg, 
wie der Madenburg, Trifels, Keſtenburg, Wolfsburg, der Burgen 
Frankenſtein, Lautern, Falkenſtein, Hohenecken, Gräfenſtein, Lichten— 
berg b. Kuſel war das Ritterhaus, das Palas auch Saal genannt 
wurde. Noch heute erkennen wir am Palas der en und der 
Raijerpfalz in Gelnhaujen die Schönheit der Lauterer Pfalz und des 
Trifeljes. Burg Montfort bei Dbermojchel hatte als Burg 
mehrerer Ritter (Ganerben, d. i. gan = an = erben) auch einen 
mehrfachen Palas. So entitand auch die Doppelburg Wildenitein 
oder Wilenftein bei Trippftadt, die den Flersheimern und Falten: 





) Vergleiche den Fallbrüderhof bei Hochitätten a. d. Alfenz. 


— 58 — 


jteinern gemeinjam gehörte. Hier wohnten die Befiger der Burg in 
fleinen Gemächern. Die —— hatten reichverzierte Säulen oder 
gar Doppelſäulen wie in Kaiſerslautern, auf Trifels und anderswo, 
lagen aber nie in einer Reihe, ſondern waren nur bei ein und 
demſelben Raume regelmäßig, wie man heute noch deutlich an 
den Burgen Frankenſtein, Madenburg, Hohenecken, Wildenſtein er— 
ſehen kann. Die Wände waren mit glattgehauenen Steinen verſehen, 
überall ragten Kragſteine hervor, auf die man Bretter brachte um 
Gefäße und Geräte aufzuſtellen. Der Boden war mit Platten be— 
legt und wurde zu Feſteszeiten mit Teppichen oder Strohdecken ver: 
jehen. Auch gab es bemalte Wände, indem man auf die Kalkfarben 
große Bilder zeichnete. In den älteſten Burgen fannte man die 
römilchen Heizanlagen, bei denen heiße Luft mittels Röhren durch 
die Wände oder den Fußboden getrieben wurde, wie in den römiſchen 
Landhäuſern der vordern und Hintern Pfalz. Kachelöfen gab es 


ARaNnNn+7Zz + 
=> ANY UL = 


7 + 
+ UL 27 vi 


+ — 


Pfälziſche Steinmetzzeichen an Burgen. 


viel ſpäter erſt, aber Kamine hatten ſchon die Burgen zur Zeit 
Heinrichs des IV. 1056--1106. Doch hatte man auch feite Brüden, 
die, weil fie von Holzwaren, bei Belagerungen bald abgebrochen werden 
fonnten. Das Tor jelbit war nach) außenhin mit Eijen feſt beſchlagen 
und fonnte von innen durch Balken jo verammelt werden, daß die 
Angreifer nicht leicht einzudringen vermochten. Noch heute fieht man 
an vielen pfälzer Burgen in den Tormauern die Stellen, wo einit 
dieje Balken ftafen. eiltens find es 3 jolcher Löcher, von denen 
das eine immer eine Schmiege hat. fiber dem Tore ſah man*Zinnen 
oder Bußlöcher und Schießſcharten in erferartigen Vorbauten; jeitlich 
vom Tore ftanden audy Türme. Gin ſolches Tor wagten die An— 
greifer jelten zu jtürmen; durch nächtlichen Überfall, Erfteigen der 
MWälle und Mauern juchten fie in die Burg einzudringen. Aber auch 
lonft Hatte die Burg Gußlöcherfoder Pechnaſen, 3. B. Reipoltstirchen 
am Bergfried, Elmſtein ebenfalls. fiber zwei ſchön geformten Krag- 
21 


— 314 — 


* war pultartig ein Kaſten aufgemauert, der jo groß war, 
aß ein Dann fiedendes Pech, Ol oder Waller, auch Bienentörbe 
u. a. auf die Angreifer werfen fonnte. Zur Zeit der Kreuzfahrer 
wandten die Angreifer auch Majchinen an; da gab es Mauerbrecher 
und Mauerbohrer, d. i. mächtige eijenbeichlagene Balken mit bohr: 
fürmig gejtalteter Spige unter einem fahrbaren Schugdache. Der 
Holzturm (Ebenhodh) war ein hinten offener Turm, der mit 
Kriegern bejegt war und auf Rädern oder Walzen gegen die Mauer 
gejehoben werden konnte. Außen war er mit befeuchteten Tier: 
häuten umhängt, die das Teuer nicht zeritörte und an denen die 
Pfeile der Belagerten abprallten. Schleudermajchinen gab es ver: 
\hiedene Arten, jogar große Armbrüfte, die mit mechanilcher Kraft 
Ichwere Gejchojje in die Burg oder Stadt jendeten. Mit 6 m langem 
Bogen wurden 2 m lange eilenbejchlagene Bolzen abgejchojjen. Die 
Scleudermajchine warf mehr als 12 Zentner jchwere Steine. 

Das Recht, Burgen zu bauen gehörte urjprünglich dem Deutjchen 
Könige, daher find unjere älteften Pfälzer Burgen Reichsburgen, 
wie Landeck, Trifels, Madenburg, Wegelnburg, Keftenburg, Lim: 
burg, Zautern, Wilenftein, Hoheneden, Landſtuhl, Wolfitein. Die 
Könige aber verliehen diejes Recht bejonders in Kriegszeiten den 
Fürſten, geiltlichen wie weltlichen und bald erhoben fich in den Be: 
sungen der PBfalzgrafen, Grafen und Ritter ebenjo Feten, wie in 
denen der Bilchöfe und Herzöge. Bon den wenigiten Burgen wiljen 
wir die genaue Zeit ihrer Entitehung. Geſchickte Baumeijter, die 
die Werke der Römer genau jtudiert hatten, legten fie an, jede Burg 
wurde dabei genau dem Boden angepaßt, d. h. man jtellte fie jo, 
daß fie von allen Seiten ſchwer —— aber leicht zu verteidigen 
war. Die Hörigen des Bauherrn lieferten zum Burgenbau das 
Material; ſie frönten (Frondienſt-Herrendienſt) indem ſie die 
Steine brachen und auf Karren herbeiſchleppten und das Holz im 
Walde für das Zimmerwerk fällten. Das Mauerwerk ſelbſt wurde 
im Frondienſte aufgeführt, nur die Steinmetzarbeit und das Balken— 
werk verrichteten Handwerker, die der Bauherr berief. Noch heute 
erſieht man an den merkwürdigen Steinmetzzeichen, wer hier vor 
Jahrhunderten ſeine Kunſt übte. Nach und nach wurden die Burgen 
größer und feſter; die Zahl der Türme und Mauern, auch der Häuſer 
nahm zu. Die, welche Frondienſte verrichtet hatten, flohen in Kriegs: 
zeiten hinter die jchügenden Mauern, die fie verteidigen halfen. 


Der Trifels. 
(Baubejhreibung.) Siehe Bild ©. 304. 


Der Trifels liegt 566 m hoch auf dem Sonnenberge bei Ann: 
weiler. Heute umgibt den Fellen ein Fahrweg, von dem ein Fuß: 


— 315 — 


pfad abzweigt, der uns zur Ruine führt. Ihr höchiter Teil ijt der 
Bergfried (24 m hoch), der ungefähr die Mitte des Sandfteinfeljens 
einnimmt. Seine Grundform iſt ein Rechte von 13 m Länge und 
8,7 m Breite. Der Eingang zu diejem mächtigen Bau liegt 8,5 m 
über dem untern Burghor. von dem aus eine Treppe im Sanditein= 
feljen hinaufführte; fie war, wie unjer Bild zeigt, einjt überwölbt. 
Drei Stodwerfe hatte der Turm, von denen das untere als Wacht: 
raum diente. Über dem Wachtraume lag die Kapelle mit dem Erfer, 
wo die königlichen nr aufbewahrt wurden. Durch eine Quer: 
wand waren beide Räume in einen größeren und Heineren geteilt. 
Während die Mauern des Einganges 2,8 m ſtark waren, hatten die 
andern Wände nur eine Stärke von 1,7 m. Über der Kapelle war 
ein Wohnraum für den Burgvogt. Bon allen Stodwerfen konnte 
man in den Palas gelangen, der falt gerade jo hoch wie der Turm 
war. Er Hatte ſchöne romanijche Bogenfenfter und diente als Woh: 
nung der Kaijer und ihres Gefolges. Der ſchönſte Raum war der 
Kaijerjaal mit Marmorjäulen, die Friedrich Rotbart aus Italien 
hatte bringen lajjen; von den Bogenfenitern mit Steinbänfen 
blidte er hinab auf den jchönen Wald, der Bergfried aber gewährte 
einen herrlichen Rundblid in das reiche ebeiniiche Tiefland. Einft 
umgab eine Mauer mit Zinnen dieje beiden Gebäude und ließ einen 
engen Raum, Zwinger genannt. Durch einen Hleineren Torturm 
war der Zugang geiperrt. Auch der äußere Burghof war mit einer 
jolhen Mauer umgeben. Zwei ftarfe Türme wehrten hier den Ein 
gang durch das Tor, ein Halsgraben war wegen der teilen Höhe 
nicht notwendig, aber da, wo der Abhang weniger jchroff war, lief 
ein Palilfadenzaun hin, der an einer Stelle (auf dem Bilde links 
unten) einen halbrunden Wehrturm mit Schießſcharten hatte. Den 
hintern Teil der Burg nahmen zwei feite Gebäude ein, in denen 
wohl ein Teil der Bejagung untergebracht war. Die beiden Burgen 
Scharfeneck und Anebos dienten zum Schuge der Kaijerburg und 
waren mit Burgmannen bejeßt, die ihre Verteidigung zu leiten hatten. 


Die xritterliche Erziehung. 


Bis zu jeinem 7. Jahre blieb der Nitterfnabe bei der Mutter; 
dann aber begann die Zeit der Ausbildung für den Nitterjtand. 
Genau jchildert uns die Erziehung eines deutjchen Ritters das Gedicht: 
Tristan, Vers 2058 ff. Der Vater nahm den Knaben und befahl 
ihn einem „weilen Manne” (Lehrmeiſter). Mit dem jandte er den 
Sohn in ein fremdes Land (Frankreich), um deſſen Sprache zu er: 
lernen und Bücher zu ftudieren. Dazu mußte das Gaiten]piel, das 
Triftan daheim jchon gepflegt hatte, weiter geübt werden. ber dies 
alles übte er fich täglich mit jeinen Genoſſen im Schild und Speer: 
fampfe und im Reiten. Belondere Aufmerkſamkeit widmete er dem 
Lenken des Roſſes nach) allen Seiten. Alle ritterlichen Künfte wurden 

21? 


= Bl — 


vorgenommen, jelbjt Laufen, Springen, Ringen und Schaftwerfen. 
An manden Tagen ritt er mit jeinem Meijter zur Jagd oder er 
ing auf den Birſchgang. Manche Ritterjöhne bejuchten auch die 
lojterjchule ihrer Heimat, doch gab es viele Nitter, die weder lejen 
noch jchreiben fonnten. Zu Hauſe hatte der junge Ritter bis zum 
15. Lebensjahre einen Erzieher (Meijter), der ein Ritter oder Geiſt— 
licher war. Marquard von Annweiler war der Waffenmeilter König 
Heinrichs des VI. und lehrte den Königsjohn reiten, jchwimmen, 
Ipringen, mit dem Pfeil jchießen, Schild und Speer jchwingen. 
Vom 15. Lebensjahre an wurde aus dem Spiel der Knaben 
zeit Ernft. Das „Kind“ wurde zum Knappen oder Knechte, er 
wurde Edelfnabe oder Junker. Das breite Ritterjcehwert durfte diejer 
wohl jchon führen aber noch nicht um die Lenden gürten, jondern 
wie die Kaufleute nur an den Sattel hängen. Jetzt begann das 
Üben der Turnierkunſt und der ritterlichen Anjtandslehre. Die beiten 
Rehrmeifterinnen in leterer waren die Frauen. Der Edelknabe be- 
leitete fie zur Jagd, ging mit ihnen zur Kirche und bediente fie bei 
File Beim Turniere jelbjt durfte er mit jeinen Altersgenojjen 
bloß zuſchauen, auch in der Ritterjchlacht focht er nicht in den vor: 
deren Reihen, jondern jtand im Hintertreffen, um die Verwundeten 
zu pflegen. Saß der alte Ritter zu Gericht, jo waren die Jungen 
auch anwejend um die Rechtsbräuche fennen zu lernen. In Deutjch: 
land gab es ja-zur Ritterzeit fein gejchriebenes, jondern herfömmliches 
mündliches Recht. Sechs Jahre lang bereitete fich jo der junge 
Nitter auf jeine Ritterjchaft vor; mit dem 21. Jahre aber war er 
mündig und zum Manne erwadjjen. Am nächſten Pfingitfeite wurde 
er Pur Nitter gejchlagen. Eine ſolche Schwertleite fand jtatt 1183 
zu Mainz, als Friedrich der I. jeine Söhne Heinrich und Friedrich 
zu Kittern ſchlug. Die Schwertleite des deutichen Königs Wilhelm 
von Holland verlief, wie folgt: Weil diejer Jüngling zur Zeit jeiner 
Mahl (1247) noch Knappe war, jo ward mit Cile das Nötige vor- 
bereitet, damit er nach dem Brauche chriltlicher Kaijer Ritter würde, 
bevor er zu Wachen die Königstrone empfinge. Und nachdem die 
Vorbereitungen alle vollendet, ward in der Kirche zu Köln nad 
Verlefung des Evangeliums der vorbenannte Knappe Wilhelm von 
dem Könige von Böhmen vor den Kardinal Petrus Caputius, den 
Gejandten des Papſtes Innocenz IV., geführt, wobei der König aljo 
ſprach: „Euer Hochwürden, jegenjpendender Vater, ftellen wir diejen 
ewählten Rnappen vor, demütigjt, bittend, eure väterliche Gewogen— 
beit wolle jein feierliches Gelübde empfangen, damit er würdiglich 
in unjere ritterliche Genojjenjchaft könne aufgenommen werden.“ 
Der Herr Kardinal aber, der in bilchöflichen Feſtkleidern dem 
delle beiwohnte, ſprach, anfnüpfend an das Wort „Ritter“, zu dem 
nappen: „Es ziemt fich für jeden, der Ritterjchaft treiben will, 
daß er hochgemut, edelgefinnt, freigebig, tadellos und ehrenfeit jei: 
hochgemut im Unglüd, edelgefinnt gegen jeine Verwandten, freigebig 


— 817 — 


in aller Ehrbarkeit, tadellos in höfiſchen Sitten und ehrenfelt in 
männlicher Tüchtigfeit. Ehe du nun das Gelübde ablegjt, vernimm 
mit reiflicher Überlegung die Gejege der Ritterſchaft. Dies aber 
find die Regeln des NRittertums: Zuvörderſt mit demütiger Erinne: 
rung an das Leiden Chrijti täglich eine Meſſe zu hören, für den 
Glauben fühnlich das Leben einzulegen, die heilige Kirche jamt ihren 
Dienern von allen, die ihr Gewalt antun, zu befreien, Witwen und 
Mailen in ihrer Not zu jchügen, ungerechte Kriege zu vermeiden, 
unbillige Diente zu verjagen und ungerechten Sold auszujchlagen, 
für die Rettung jedes Unjchuldigen einen Zweilampf zu Den, 
Turniere nur der ritterlichen Übung wegen zu bejuchen, dem römijchen 
Kaiſer in allen weltlichen Dingen ehrfurchtsvoll zu gehorcdhen, das 
Neichsgut unangetaltet in jeinem Beltande zu lajjen, Lehensgüter 
des Königs oder Kaiſers auf feine Weile zu veräußern und vor Gott 
und Menſchen unfträflich in Ddiefer Welt zu wandeln. Wenn du 
dieje Gebote der ritterlichen Regel demütig bewahreit und, jo viel 
an dir liegt, eifrig erfülleft, jo jei gewiß, daß du zeitliche Ehre hier 
auf Erden und nad) diejem Leben die ewige Ruhe im Himmel er: 
werben wirjt.“ 


Hierauf legte der Kardinal die gefalteten Hände des Knappen 
in das Meßbuch auf das verlejene Evangelium und ſprach: „Willſt 
du aljo die Ritterwürde im Namen Gottes demütig empfangen und 
die Regel, welche dir Wort für Wort vorgelegt worden, nad) Kräften 
halten?” Der Knappe antwortete: „Ja, ich will es!“ 

Darauf übergab der Herr Kardinal dem Knappen nadhitehen: 
des Gelöbnis und der Knappe las dasjelbe laut vor allen Anwejen: 
den ab, aljo: „Ich, Wilhelm, Graf von Holland, des heiligen Reiches 
freier Lehnsmann, gelohe eidlich die Beobachtung der ritterlichen 
Regel, im Beijein des Herrn Peter, Kardinals und Legaten des 
päpftlichen Stuhles, bei dem heiligen Evangelium, das ich mit meiner 
Hand berühre.” Und der Kardinal ſprach danach: „Diejes demütige 
Gelöbnis verhelfe dir zur wahren Vergebung deiner Sünden. Amen.“ 


Nachdem diejes aljo gelprochen worden war, gab der König 
von Böhmen dem Knappen einen Schlag an den Hals und jpradh: 
„Zur Ehre des Allmäcdhtigen Gottes nehme ich dich zum Nitter an 
und empfange dich mit Glüdwunjch in unjerer Genofjenichaft. Aber 
gedenfe, wie der Heiland der Welt vor Hannas, dem Hohenprieiter, 
für dich gejchlagen, vor Pilatus verjpottet und gegeißelt und mit 
Dornen gekrönt, vor dem König Herodes mit einem Mantel befleidet 
und verhöhnt und vor allem Bolfe an das Kreuz gehängt worden 
it. Seiner Schmad) eingedent zu jein, rate ich dir, jein Kreuz auf 
dich zu nehmen, heiße ich dich, jeinen Tod zu rächen, mahne ich dich!” 

Nachdem jo alles feierlich vollzogen und auch die Mejje gelejen 
war, turnierte der neue Nitter unter dem Schalle der Poſaunen und 
Pauken und Trompeten dreimal im Lanzenfpiel gegen den Sohn des 


— 318 — 


Königs von Böhmen und beendete hierauf durch einen —— 
ſeine Knappenlehrzeit. Darauf beſtand er noch einen Turnierkam 
mit blinkenden Schwertern. Dann feierte er mit großen Koſten ein 
prächtiges Hoffeſt drei Tage lang und verteilte dabei an die An— 
weſenden reiche Geſchenke. 

Aus unſerer Pfalz kennen wir die berühmten Reichsminiſterialen 
von Bolanden, Falkenſtein und Hohenfels, von Lautern oder Hohen: 
edten; insbejondere Werner den Il. von Bolanden, den treuen Waffen: 
gefährten Friedrichs des I, Trushard von Keftenburg, Marquard 
von Annweiler, den Waffenmeijter und Feldherrn Heinrichs des VI. 
Starb ein jolcher Dienjtmann, jo bejtieg der Sohn das Roß des 
Vaters und ritt an den Hof des LXehensherrn. Dort ſtieg er vom 
Pferde, heftete das Roß an das Loch des dort befindlichen Steines, 
lehnte die Lanze, an deren Mitte er den Schild hing, an den Stein 
und begab fich zur Kirche oder Kapelle zum Gebete. Hierauf betrat 
er den Saal der Burg, wo er ai dem Lehensherrn als Dienit: 
mann anbot und Treue gelobte. Nahm der Herr den neuen Dienit: 
mann nicht an, jo beugte fich diejer nieder auf die Knie, füßte den 
Saum des Gewandes und ging fort. Er war nun frei und fonnte 
jeine Dienjte anbieten, wem er wollte. Der Reiterdienjt war mit 
großen Koften für die Ausrüftung und Verpflegung verbunden, 
daher konnten nur Befigende fie leilten. Schon im Jahre 1152 ent: 
ſtand ein Reichsgejeg, nach welchem der nur ein Ritter wurde, der vier 
ritterliche Ahnen aufweilen fonnte. Seitdem ſprach man vom Ritter: 
dienjte und der Ritter wurde wie die Fürſten mit „herre* ange: 
redet. Gelbit die Könige nahmen die Ritterwürde an. Die eigentliche 
Bejagung einer Burg aber waren die Burgmannen, die ſich dem Burg: 
herrn zum Dienfte auf der Burg verpflichteten und dafür ein Lehen er: 
hielten, das Burglehen genannt wurde. Solcher Burgmannen gab 
es auf der Kaijerburg in Yautern zuweilen fünfzig; ihr Oberbefehls: 
haber hieß Burggraf oder Amtmann, auch Schultheiß und war zu: 

leich oberfter Richter in Streitfahen. Wenn der Lehensherr in 
rieg oder Fehde verwidelt war, entbot er jeine Rehensmannen, 
die als Reiter ausgerüftet fein mußten. Die meiften Reiter hatten 
nur Schwert, Schild und Lanze, aber feinen Panzer, der jehr teuer 
war, da er aus feingearbeiteten Kettchen oder Ringen beitand. 
Plattenpanzer gab es erjt in Ipäterer Zeit. Dieje Reiter waren 
unfreie Rnechte und dienten als gewöhnliche Soldaten, fie wurden 
„Einjchildige” genannt, weil fie nur mit einem Schilde dienten, einem 
andern Schildträger aber nicht befehlen fonnten. 

Bon dieſen Nitterfnechten unterjchieden ſich die Minifterialen 
(Dienftmannen), die den Panzer tragen durften. Sie zahlten feinen 
Zins von ihren Gütern, ſondern leilteten für ihre Lehen Dienfte, 
insbejondere Reiterdienfte. Da immer mehr Burgen entitanden, da 
die Zahl der freien Ritter fich nicht — ſondern abnahm, ſo gab 
es auch immer mehr Dienſtmannen. Unter den ritterlichen Dienſt— 


- 89 — 


mannen ragten als vornehmite die Reichs: Dienftmannen (Reichs: 
minijterialen) hervor, die die deutichen Kailer auf ihren Zügen nad) 
Italien bejonders unterjtüßten. 


Der rheiniſche Städtebund. 


Schon im Jahre 1226 hatten ſich die Städte Mainz, Worms, Speyer, 
Frankfurt, Gelnhaujen und Friedberg in der Wetterau zu einem Bunde zu: 
lammengeichloffen, um ihren Handel gegen Raubritter zu ſchützen und Die 
ungerechten Zölle am Rheine —————— Der Erzbiſchof von Mainz, ir 
Gegner, wußte aber den deutichen König Heinrich, den Sohn Friedrichs des II. 
zu en daß er den Bund verbot. Im Jahre 1250 verbanden fich die 
oberrheinijchen Städte, um den —* en König Konrad gegen Wilhelm von 
— zu unterſtützen. Drei Jahre ſpäter gründeten auch niederrheiniſche 

tädte einen Bund um ihre Bürger gegen — und Raubritter zu be— 
ſchützen, wie Münſter, Dortmund, oe und Rippe. Im Februar 1254 ver: 
banden fit Worms und Mainz, die jeit Jahren einander feindlich gefinnt 
waren, aber einft in bejter SFreundichaft gelebt hatten. Die Dienftmannen, 
Räte, Richter, Schöffen und alle Bürger von Worms beſchworen auf dem 
Hofe des Rathaufes, daß fie der Nachbarin rg in alter Liebe und Treue 
ugetan fein wollen und die Wlainzer jollten in Worms diejelben Rechte be— 
ben wie die Bürger dieſer Stadt. Einen gleichen Eid leifteten die Mainzer. 
Da wünjchte auch die königliche Stadt Oppenheim die Dritte im Bunde jein 
zu in Doch fie war noch im Inderdikt des Erzbijchofs von Mainz, den 
Daher die Mainzer Bürger um Aufhebung diejfer Kirchenjtrafe baten, was 
am 3. April 1254 geſchah, ſodaß die Schweiterftädte das fleinere Oppenheim 
gerne aufnahmen. Die Bertreter diejer and ag famen bald darauf 
zujammen: Arnold, der Kämmerer des Erzbilchofs, Friedrich der Schultheiß, 
die Richter, der Rat und die Gemeinde von — zu Worms aber die 
Dienftmannen der Stadt, der Rat, die Richter und Schöffen, zu Oppenheim 
Marquard der Schultheiß, die Schöffen, Ritter und die Gemeinde, worauf 
die Bürgerglode die Städter zur Abendftunde auf den Hof des Rathaujes 
rief, wo die Vertreter der Stadt den Abichluß des wichtigen Bundes ver: 
fündeten, an deſſen Spite ein Schiedsgericht geftellt wurde. 

jede Stadt ordnete zu dieſem Schiedsgerichte vier Gejchworene ab, die 
— Lebenszeit gewählt wurden, Mainz: die Ritter Arnold den Kämmerer 
und Ingebrand, Arnold Walbot und Ulrich zum Rojenbaum; Worms: die 
Ritter Bürgermeifter Jakob Nitterhen, Wolfram von Pfeddersheim, den 
2. Bürgermeilter Heinrich Ruher und Eberzo in der Wollgafje; von Dppen: 
* die Ritter Gerlach von Bibelnheim, Jakob von Lörzweiler, Uto und 

ietrich Rotkolbe. Der Erzbiſchof von Mainz trat dem Bunde bald bei und 
von den Städten folgten: Worms, Mainz, Frankfurt, Oppenheim, Gelnhauſen, 
—— Wetzlar, Boppard, Weſel und Bingen. Zwiſchen Worms und 

peyer beſtand damals ein alter Streit, weil die Wormſer 1234 Speyerer 
Maren mit Beſchlag belegt hatten, aber bis zum Jahre 1254 keine Ent: 
—— ung leiſteten, weshalb ſich jetzt erſt Speyer dem Bunde anſchloß. Auch 
tefFürften der Nachbarſchaft traten bei, da ja die Eidgenoſſen nichts anderes 
als den Schuß der Straßen und Flüffe, die Abjchaffung der ungerechten Rhein- 
—— erſtrebten. Der Städtebund konnte bald ſeine Kraft erproben; denn 

erner der III. von Bolanden, der mächtigſte Ritter des rheiniſchen Landes 
hatte bei Ingelheim eine Burg erbaut, von der aus ſeine Leute den Städtern, 
namentlich) aber den benachbarten Mainzern auflauerten. Die Straßen ‚am 


— Bi — 


Rheine waren damals ſehr unſicher, weil von der Haardt her und vom 
Donnersberge aus die Bolander, Falkenſteiner, Leininger, Eberſteiner Herren 
die beladenen Karren und Saumtiere der Städter überfielen und die Rhein— 
ſchiffe troß des Friedens anhielten, den Kaiſer Friedrich 1285 mit den deutichen 
Fürſten geftiftet hatte. Die Mainzer ſchickten rajche Boten zu ihren Bundes: 
genojjen und die Ritter der Städte rüdten vor die Feſte, die ga ergeben 
mußte und zerftört wurde. Das verdroß den Bolander, der jeine freunde den 
Grafen Emich von Leiningen, 
die Raugrafen von Baum: 
burg, den Grafen von Eber: 
ftein auf Stauf und andere 
nad) der Burg zu Oppenheim 
berief, um gegen die verhaß- 
ten „Pfefferjäde“ zu ziehen. 
Doch die MWormjer er- 
jeher es und ebenjo rajch 
rachten jie ein jtattliches 
Ritterheer zujammen; da legte 
lich der Erzbilchof ins Mittel 
und ſchloß zwilchen den Bar: 
teien einen furzen Waffen: 
Itillftand, der bis zum 29, ⸗ 
tember dauerte. Die Wormſer 
atten aber auch von den 
trahlenburgern an der Berg: 
trage viel Leid erfahren; 
enn dieje Ritter verbrannten 
das — Schriesheim und 
ieben daſelbſt die wertvollen 
eben ab, ſodaß der Bund 
vor der Burg erſchien. Durch 
andere Ritter aber wurde die 
go beigelegt und Die 
ormjer zogen heim. Die 
nt fofteten etwa 1000 ME. 
= heute 260000 ME), wovon 
die Juden allein 200 ME. be= 
een mußten. Auch Die 
itter Philipp von Hohenfels, 
aoilinp von Falkenſtein, der 
trahlenberger, der Ritter 
Schent von Erbach, Werner, 
des Pfalzgrafen Truchſeß zu 
Alzey traten dem Bunde bei. 


Am 6. Dftober 1254 
famen die Glieder im Rat: 





Altpörtel in Speyer. hbauje zu Worms zujammen 

a *— und faßten 8 enden Be— 

F j Kr Bon Bajel bis zur 
Mojelmündung joll der Rhein durch 100 Kriegsichiffe geſchützt werden, die 


unteren Städte, darunter Bonn und Köln jollen 50 folder Schiffe Halten, 
jedes Glied aber ftets gerüftet jein. Mit Feinden des Bundes durfte niemand 
verkehren; man durfte ihnen fein Geld leihen, feine Waren borgen oder gar 
Lebensmittel und Waffen geben. Wer es von den Bürgern dennod) tat, 
verlor jein Eigentum und wurde aus der Stadt verbannt. 

Im Jahre 1255 wuchs der Städtebund gewaltig an: die weitfälijchen 
Städte traten bei, ebenjo der Pfalzgraf bei Rhein, der zugleich Herzog von 


— 321 — 


Bayern war; es folgten Lübed, Hamburg, Stade, Würzburg, Nürnberg, 
Regensburg und der Bilhof von Würzburg. Auf den Bundestagen der 
Städte jollten alle Streitigkeiten gejchlichtet werden, weshalb alle Glieder 
dahin ihre Vertreter jchidten. Am 29. Ceptember 1255 jollte auch ein jolcher 
in Straßburg Deere Als in der Nacht zum 28. September die Boten 
Wolfram von Pfeddersheim und Heinrich Rider von Worms jowie Arnold 
der Rämmerer und Friedrich der Schultheiß von Mainz in der Vorderpfalz 
bei Landau in einem Dorfe rafteten, wurden fie von dem Grafen Emidy von 
Leiningen aufgehoben und gefangen nad) der Burg Landed bei Rlingen: 
miünfter gebracht. Doch da die Bundesjtädte mit einem Kriegszuge drohten, 

ab der — ſchon nach 10 Tagen ſeine Gefangenen frei. Der Straß: 

urger Bundes ag fand daher nicht jtatt, mußte vielmehr nad) Worms ver: 
legt werden, wo beſchloſſen wurde, jährlich vier Bundestage abzuhalten. lm 
dieje Zeit regierte König Wilhelm von Holland, deſſen Gemahlin durch den 
Bund den Händen Hermanns von Nietburg entrijjen wurde, 


Der Raubritter Hermann von Rietburg. 


Im Jahre 1255, am 10. November, hatte König Wilhelm von Holland, 
der nad) Konrads IV. Tod deutjcher König geworden, in der Neichsitadt 
Oppenheim zwilchen Worms und Mainz mit den Abgejandten der Städte 
Speyer, Worms, Oppenheim und Mainz getagt. Der Bund, den dieſe 
Städte gejchlofjen hatten, wurde vom Könige gut geheißen, da das Unweſen 
der Raubritter gar zu ftarf wurde. Wilhelm zog am 11. November rhein- 
abwärts, jeine Gemahlin Elijabeth aber jandte er mit wenigen Rittern auf die 
Mei —* Trifels, wo die Reichskleinode vom treuen Kämmerer Philipp 
von SFalkenftein und den Mönchen des Klojters Eußerthal bewacht wurden. 
Der Graf Adolf von Walded und einige gepanzerte Nitter begleiteten die 
ae 7 über Worms und Speyer. Bon hier ging der Ritt durch die Ebene 
des Gäu und jchon war das Dorf Edesheim erreicht, in deſſen Nähe auf 
teilem SFeljenberge die Nietburg thronte. Niemand dachte an Überfall. Da 
prengten aus dem Dickicht am Wege verfappte Reiter, an ihrer Spitze Her: 
mann von Rietburg. Nichts * die tapfere Gegenwehr der Begleiter, ſie 
wurden niedergehauen und ge — Die Räuber hoben die Königin vom 
Pferde, die Troßpferde mit den Kleinoden in koſtbaren Schreinen waren bald 
ihrer Bürde beraubt. Die Königin ſelbſt mußte, da ſie ohne Hilfe war, mit 
hinauf nach Rietburg. Einige, die geflohen waren, brachten die Schreckens— 
nachricht nach Speyer und Worms. Auch Ludwig, Herzog von Bayern, 
der in der Nähe weilte, wurde herbeigerufen. Die Burgmannen von Trifels 
kamen und jo rückte denn von Speyer aus eine jtattliche Ritterſchar vor das 
Raubneft *8 der Höhe. Herzog Ludwig, Graf Friedrich von Leiningen, 
Philipp von Hohenfels am Donnersberg, Philipp von Falkenſtein und Werner 
von Bolanden mit den Wormſern und Oppenheimern zogen hinauf und be— 
lagerten die trotzige Feſte. 

Am 4. Dezember erſt wurde die Königin freigegeben und von den 
königstreuen Rittern nach Trifels gebracht. Hermann wollte Bedingungen für 
ich und die Seinen ſtellen, da er wohl wußte, wie ſchwer er ſich gegen das Land— 

iedensgejeg vergangen Hatte, mußte ſich aber bedingungslos unterwerfen. 


Fremde Könige in Deutjhland 1256—1273. 


König Wilhelm von Holland, der überall den Landfrieden 
heritellte, 30g im Januar des Jahres 1256 gegen die Frieſen, 
die fich ihm, der zugleich Graf von Holland war, nicht unterwerfen 
wollten. Es war am 28. Januar, dem Todestage Karls des 


— 82 — 


Großen, als riefen und Holländer bei Hoogwoude (Hochwalde) zu: 
jammenftießen. Die Sümpfe waren noch zugefroren und Wilhelm 
Iprengte mit den Seinen übers Eis. Da brach jein Pferd ein und 
herbeieilende Friejen erjchlugen ihn im Kampfe ohne zu wiljen, 
wenn fie getötet hatten. Die deutihen Wahlfürjten, die in Frank— 
furt zufammenfamen, wählten am 13. Januar 1257 den Schwager 
Kaiſer Friedrich II. den reichen Prinzen Richard von Korn: 
wallis, der große Summen gejandt hatte. Als Richard jeine Wahl 
durch die Boten der Fürjten vernahm, eilte er über Holland den 
Rhein herauf, wo ihn jein Freund, der Erzbiſchof von Köln mit 
Ehren empfing. Beide zogen nad) Aachen und nad) alter befannter 
Sitte wurde der König mit Karls Krone gekrönt. Aus der Pfalz 
eilten dem neuen Herrn die Grafen Johann und Simon von Spon= 
Fa der Truchjeß Werner von Bolanden und Philipp, Herr von 

altenjtein, entgegen. Unterdejjen aber hatte der Erzbilchof Arnold 
von Trier am 1. April 1257 im Namen des Königs von Böhmen, 
des Herzogs von Sachſen und des Markgrafen von Brandenburg 
den ſpaniſchen König Alfons von Raftilien zum Gegenfönig er— 
hoben, weil er ein Enkel Philipps von Schwaben war. Auch die 
Bilchöfe Heinrich von Speyer und Richard von Worms erklärten fich 
für Alfons, ebenjo die verbündeten Städte, Speyer, Worms, Oppen— 
heim und Boppard. 

Im Sommer des Jahres 1257 kam Richard den Rhein herauf 
geradewegs nad) Trifels, wohin die Reichskleinode famen. Heinrich 
von Speyer wurde von den Fürſten, die für Alfons gejtimmt hatten, 
als Reihsbote nad) Spanien gejandt; mit ihm reilten der Bilchof 
von Konſtanz und der Abt von St. Ballen um dem neuen Könige die 
Nachricht der Wahl zu bringen. Bon Pfälzern begleiteten ihn der 
Propit Konrad vom Meidenttit (St. Guido) in Speyer. Heinrich, 
der ſchon unter Wilhelm von Holland föniglicher Hofkanzler war, 
fam mit jeinen Begleitern nach Burgos, wo fie Alfons empfing. 
Mit reichen Gejchenten bedacht, kehrten fie in die Heimat zurüd. 
Aber Richard wurde am ganzen Rheinjtrome anerfannt und der 
Papſt bejtätigte jeine Wahl. Da auch der Trifels in jeinen Händen 
war, jo hatte er die königliche Macht allein. Alfons fam nie nad) 
Deutichland. Da unterwarfen fih aud die Wormjer und Speyerer 
Bürger und huldigten dem neuen Herrn. Am 6. Dftober 1258 fam 
Richard nad) Speyer, mit ihm ein ftattliches Gefolge, Biſchof Heinrich 
ergab fich ebenfalls dem Könige, und die Städter zogen mit großem 
Gepränge ihrem Herrn entgegen. Der neue König beitätigte gerne 
die alten Freiheiten Speyers, die einjt Heinrich V. gewährt Batte, 
blieb aber nicht lange am Rheine, jondern 309, nachdem jein Geld 
erihöpft war, hinüber nad) England. Im Jahre 1260 erjchien 
Richard wieder in Deutſchland, wo unterdejjen jeder tat, was er 
für fi gut fand. Mitten in dem fruchtreichen Gelände zwilchen 
Donnersberg und Mainz, auf dem höchiten Hügel der Gegend, lag 


der alte Pfalzgrafenitein von Alzey. Hier jaß der alte Truchjeß 
MWerner von Bolanden mit feinen Leuten und lauerte vi! die 
Städter und die Leute der Bilchöfe. Daher ging der Städtebund 
vor. An der Spiße des Zuges jtellten fich die Bürger von Worms 
und die befreundeten Nitter der Gegend jchlojjen fi) an, ebenjo die 
Leute des Erzbilchofs Werner von Mainz, der Bilchöfe Heinrich von 
Speyer und Eberhard von Worms. Der alte Truchjeß Werner von 
Bolanden, der die Feſte verteidigte, wurde verwundet und gefangen 
genommen und von dem Grafen Emich von Leiningen jolange in 
Verwahr gehalten, bis er die hohe Summe von 400 Mark Löjegeld 
bezahlt Hatte. Die Verteidigung des Pfalzgrafeniteins leitete noch) 
der Nitter Philipp von Hohenfels am Donnersberg, bis endlich) am 
12. Juli die Mauern gebrochen wurden, worauf die Gefangenen fich 
ebenfalls durch Summen löjen und Urfehde ſchwören mußten. 

Zum legtenmal erjchien König Richard im Frühling des Jahres 
1269 am Rheine. Auf der Fürftenverfammlung zu Worms teilte 
er mit, daß er ſich mit Beatrica, der Tochter des Neichstruchjejjen 
Philipp von Falkenſtein, der die Rleinodien auf dem Trifels hütete, 
in Kaijerslautern vermählen wolle. So fand denn in der Burg des 
Rotbart jenes glänzende Feſt jtatt, von dem noch lange in der 
Gegend erzählt wurde. Der alte König reilte mit jeinem jungen 
MWeibe nad) England, wo fie am 3. Auguft 1269 eintrafen. Als 
im — 1273 Richard ſtarb, ſchritten Die MWahlfürjten zu einer 
neuen Rönigswahl. 


Graf Rudolf von Habsburg vor Bajel und feine 
Mahl zum Könige. 


Um das Jahr 1270 tobten in der Umgegend von Bajel wılde 
Fehden, Grafen, Ritter, Bilchöfe, Städte, alle befämpften ih. Der 
Biſchof Heinrich von Bajel lag ſchon lange mit dem mächtigen Grafen 
Rudolf von Habsburg in Streit; einer verwüftete dem andern die 
Drtichaften und Ländereien. Mährend der Bilhof auf der linfen 
rg die habsburgijchen Dörfer und Güter zerjtörte, zog Rudolf 
mit jeinen Rittern gegen Klein=Bajel, verbrannte ein Dorf und 
führte die Beute gen Säkkingen. Berge verfolgten ihn die Bajler. 
Aber am 17. a 1272 brannte Sälkingen ab; der Biſchof fam 
eilends herbei und verwültete und zeritörte, was noch übrig war. 
Da ließ Rudolf Kähne bauen und u. Wagen an den Rhein bringen, 
legte raſch Pa ins Bajler Land, verwültet und brandichagte 
Ortſchaften und zog fi) dann eilends “über den Rhein zurüd. Es 
jollte aber zum ent/cheidenden Kampfe fommen und Rudolf jammelte 
daher jeine Ritter und Fußfnechte vor Bajel. Südlich von der Stadt 
auf den Hügeln von Bieningen ſtand die Hauptmacht, die fich Jeit 


— 324 — 


Mitte Juli 1273 jengend und brennend in der ganzen Gegend um: 
hertrieb. Selbſt auf der rechten Rheinjeite hielten einige hundert 
Nitter. Die Stadt wurde immer enger eingeichlojjen und mit ihr 
der Bilhof Heinrich, als eine überrajchende Nachricht fam. Die 
deutjchen Kurfürjten waren in Frankfurt a. M. zujammen gefommen 
um an Stelle Richards von Kornwallis einen neuen König zu wählen. 
Nach langem Berhandeln hatten fie fich geeinigt; die vier rheinijchen 
Kurfüriten: der Pfalzgraf Yudwig bei Rhein, die Erzbiſchöfe von 
Mainz, Köln und Trier entjandten nad) dem 11. September 1273 
den Burggrafen Friedrich von Nürnberg (den Ahnherr unjeres 
Kaiſerhauſes) nach Bajel um dem Grafen die Abjicht der Füriten 
mitzuteilen. Der Burggraf eilte das Rheintal aufwärts und jchon 
am 20. September traf er in Rudolfs Lager ein. Mitten in der 
Nacht wurde er noch in Rudolfs Zelt gelajjen und hier bot er dem 
erjtaunten Grafen die deutſche Königstrone an. Rudolf war raſch 
entſchloſſen und nahm das glänzende Anerbieten an. Sogleich ſchickte 
er den Burggrafen in die Stadt, meldete dem Bilchof Jeine bevor- 
itehende Wahl als König und bot dem hartbedrängten Gegner 
und der Stadt, die feit zu ihrem Bilchofe hielt, einen Waffenitillitand 
an. Der erjchredte Bilchof rief aus: „Hergott im Himmel, fige feit, 
ſonſt nimmt diejer Rudolf deinen Pla!” war aber zum Waffen: 
tillftand jehr geneigt. Schon am 22. September fam ein Frieden 
auf drei Wochen zuitande, das Ritterheer 309 heim und die Baller, 
die auf Seite Rudolfs gejtanden aber verbannt worden waren, fehrten 
in die Baterjtadt zurüd. Raſch zog Rudolf in die befreundete Stadt 
Rheinfelden, die ihn mit Jubel begrüßte, dann erjt ging er nad) 
Bajel, wo man ihn ebenjo empfing; hierauf fuhr er den Rhein hinab. 
Rudolf zog bis Dieburg, jechs Stunden jüdli von Frankfurt, wo 
er wartete, bis die eigentliche Wahl gejichehen war, während der 
Abgejandte des Kurfüriten, Burggraf Friedrich in die Stadt eilte. 
Unterdejjen fam der Wahltag, 29. September 1273 heran. In 
Frankfurt fand eine glänzende Verſammlung jtatt. Zuerjt erjchien 
der mächtige Pfalzgraf bei Rhein, Herzog Ludwig der Strenge von 
Bayern mit einem ftolzen ritterlichen Gefolge, dann der Herzog von 
Sadjen und der Markgraf von Brandenburg. Am glänzendften 
ritt aber der Erzbilchof von Trier ein, der 1700 Ritter und Knappen 
im Gefolge hatte. Nur einer erjchien nicht: König Dttofar von 
Böhmen, der jeit 1266 den ganzen Diten beherrichte und der nun 
den Biſchof von Bamberg als jeinen Vertreter entjandte. Außerdem 
aber fanden fich Fürften und Herren aus ganz Deutjchland, nament: 
lich aber dem rheinijchen Lande ein, die Städte ſelbſt ſchickten ihre 
Boten und unzähliges Volt erfüllte die Straßen der Wahlftadt. 

Dttofars Bote jollte eine einmütige Wahl verhindern, aber die 
6 Fürlten, die vor allen andern zu wählen hatten, waren einig und 
alle Protefte des Bilchofs gegen den „Grafen“ nußten nichts. Ta, 
die Fürften hatten als fiebenten Wähler Herzog Heinrich von Bayern 


= BI: 


rag — dejjen Gejandter die Stimme dem Pfalzgrafen Qudwig, 
jeinem Bruder übertrug. — Der Burggraf war nad) Frankfurt 
geeilt, wo er den Fürften meldete, Rudolf warte in Dieburg Am 
1. DOftober famen die Wähler im Dome zujammen und wählten den 
Grafen. Da erhob fi) der Pfalzgraf Ludwig und ſprach: „Im 
Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit, mit SBillen aller 
Kurfürften verfünde und wähle ich den Grafen Rudolf von Habs: 
burg zum römijchen Könige.” Alle ftimmten ihm zu. Gilends ritt 
ein Bote hinaus nad Dieburg. Am andern Tage aber zogen der 
Erzbiihof von Köln und andere Fürften und Herren mit großem 
Gefolge dem neugewählten Reichsoberhaupte entgegen. Seller Jubel 
ertönte, als der Zug den jtattlichen Mann hoch zu Roß empfing. 
Dann gings zurüd zur Stadt und zum Dome, wo der Erzbilchof 
von Mainz bereits den neuen Herrn erwartete. Gin feierliches Hoch— 
amt eröffnete Rudolfs Regierungsantritt. Sofort nad) dem Gottes= 
dienite aber nahm er die Huldigung und Belehnung des Fürften 
vor. Während Rudolf fich auf den Thron jegen und die Handlung 
vollziehen wollte, fand man zum Schreden aller fein Szepter. Da 
griff Rudolf rajch nad) einem Kruzifix auf dem Altare und ſprach: 
„Seht das Zeichen, in welchem wir und die ganze Welt erlöft worden, 
dies joll unjer Szepter ſein.“ Er füßte das Kreuz und alle Füriten, 
—— und weltliche knieten huldigend vor ihm und empfingen ihre 
ehen. Allgemeine Freude herrſchte nicht nur in Frankfurt, wo 
Rudolf ſieben Tage lang blieb, ſondern auch im ganzen Reiche; 
denn ein Zeitgenoſſe ſagte: „Die Schwerter fangen an zu roſten, 
die Pflugſcharen des Landmannes werden hervorgeholt, die Schiffe 
füllen ſich wieder mit Frucht, da keine Räuber mehr drohen.“ 
Rudolf ſelbſt rief: „Heute will ich all denen jegliche Schuld nach— 
ehen, die mir geſchadet haben; alle Gefangenen ſollen frei ſein, die 
in meinen Kerkern ſchmachten und ich gelobe von nun an ein 
Schirmer des Landfriedens zu ſein, wie ich bisher ein unerſättlicher 
Kriegsmann geweſen.“ Nach Baſel, ſeiner alten Feindin, ſchrieb er: 
aller Groll ſei vergeſſen, er wolle der Stadt gnädig ſein und ihr alle 
ihre Rechte und Freiheiten beſtätigen. Darüber herrſchte in der 
Stadt wiederum große Freude. 


Rudolfs Krönung. 


In der zweiten Oktoberwoche zog Rudolf mit allen Fürſten 
den Rhein hinab nach Aachen zur Krönung. In Boppard wartete 
ihrer der Reichsminiſteriale Heinrich von Hohenecken bei Kaiſers— 
lautern, der damals Burgvogt auf Trifels war und auf Befehl 
König Richards hier Krone und heilige Lanze in der Kapelle behütete. 
Gegen 1000 Mark Silber hatte er dem Pfalzgrafen Ludwig bei 
ee verjprochen, die Kleinodien auszuliefern, was nun in Boppard 
geſchah. Unterdejlen war auch Rudolfs Gemahlin Gertrud mit ihren. 


— 326 — 


Kindern nad) Aachen geeilt, wo die Krönung Dienstag, den 24. Dftober 
ftattfand. Rudolf ſaß auf Karls des Großen Stuhl, als der Erz: 
biſchof von Köln ihn jalbte und weihte und ihm die heilige Krone 
des Reiches aufs Haupt ſetzte. Auch die Königin wurde gefrönt 
und nannte ſich von nun an Gertrud Anna. Das Volkaber wußte zu 
erzählen: Als der König gefrönt auf Karls Stuhle jaß und die 
heilige Weihe empfing, jchwebte eine weiße Wolfe in Kreuzesform 
über dem Münfter, zum Zeichen, daß der Himmel jein Wohlgefallen 
an dem neuen Könige habe. Noch an demjelben Tage vermählte 
Rudolf feine Tochter Mathilde mit dem Pfalzgrafen Ludwig bei 
Rhein und wurde jo ein Ahnherr des Haujes Wittelsbach, eine 
ragen Tochter Agnes gab dem Sachſenherzog Albrecht ihre Hand. 

m andern Tage fand das feierliche Krönungsmahl jtatt, bei dem 
die Kurfürften die Erzämter ausübten. Die Reichsinfignien kamen 
nicht mehr nach Trifels, jondern auf Rudolfs Burg Kyburg in 
der Schweiz. 


König Rudolf und Dittofar von Böhmen. 
l. 


Die Güter des deutſchen Reiches: die NReichswälder, Reichs: 
dörfer, Königshöfe, Neichslehen, bejonders aber die Reichsburgen 
waren jeit der Zeit der Hohenjtaufen vielfach in andere Hände ge: 
taten. Die jtreitenden Könige, bejonders Konrad der IV. und Wilhelm 
von Holland hatten viele diejer Güter an ihre Getreuen gegeben, jo 
daß das Reich verarmte. Rudolf beitrebte fi), dem Königtum wieder 
Einkünfte zu verſchaffen, vor allem drang er auf Rückgabe der Reichs: 
üter, wie er es bei der Rrönung feierlich gelobt hatte. Namentlich 
** König Ottokar von Böhmen ſich die großen Herzogtümer im 
Südoſten Bayerns: Kärnten, Steiermark, Krain angeeignet, die 
Herzoge von Bayern aber die jtaufijchen Güter geerbt. Schon im 
Dezember 1273 war ein Hoftag nach Speyer berufen worden, Rudolf 
fam von Röln und ließ fi in Worms feierlich huldigen. Nach 
einigen Tagen war er in Speyer, mit ihm kamen Erzbilchof Werner 
von Mainz, Pfalzgraf Ludwig bei Rhein, Herzog Albrecht von 
Sadjen, der Bilchof und die Pröpfte von Speyer, die Äbte von 
Meißenburg und St. Gallen, Grafen und Herren, bejonders aus der 
Pfalz, Burgmannen von Trifels, Lautern, Hagenau. Hier hielt 
Rudolf Rat mit den Fürften und bejtimmte, daß jeine Vögte und 
Amtleute genau erforichen jollten, wer Reichsgut unrechtmäßig er: 
worben habe, damit es eingezogen werde. Um diejen Zweck bejjer 
erreichen zu können, ſetzte Rudolf fönigliche Landvögte ein, in der 
Pfalz bejorgte dieje Aufgabe der Landvogt im Speyergau, der auch 
die großen Reichsgüter bei Lautern verwaltete. Bald jandte Rudolf 
an Dttofar den Befehl, die Reichslehen und Reichsgüter, die diejer 


=. Br 


fich angeeignet habe, zurüdzugeben; denn Dtto hatte jeine Huldigung 
noch nicht geleijtet und jeine rechtmäßigen Lehen nicht beftätigen laſſen. 
Er hatte wohl einen Lehensbrief König Nichards über Sfterreich 
und Steiermark, aber Otto hatte nie die Huldigung geleiltet und 
war nie von Richard feierlich belehnt worden. Dttofar antwortete 
1274 durch eine bejondere Botichaft, daß er keinesfalls die Güter 
herausgeben wolle. 

Da verjammelte Rudolf einen Reichstag zu Nürnberg 1274, 
auf dem bejchlojjen wurde, die Reichsgüter Ottos zurüc zu verlangen 
und ihn aufzufordern, innerhalb Jahr und Tag feine Lehen vom 
Könige zu nehmen, wie es alle Fürjten, nur er und jein Freund 
Heinrich von Niederbayern nicht getan hatten. Sie wurden beide 
zum Reichstage geladen, erjchienen aber weder hier noch bald darauf 
am 23. Januar in Würzburg. Da jegte Rudolf einen neuen Tag nad) 
Augsburg feit. Überall hin begleitete den König jein Schwiegerjohn 
Balggrat Ludwig der Strenge, der jeinen Schwiegervater unterſtützte. 
Auf dem Reichstage zu Augsburg erjchien der Bote Dttofars, Bilchof 
MWernhard von Sedau. Als der König vor die verfammelten Fürſten 
die Klage gegen den unbotmäßigen Böhmentönig brachte, erhob fich 
der Biſchof Wernhard und hielt eine lateinijche Rede, in der er be: 
hauptete, Rudolf jei zur Zeit der Wahl im Banne !gelegen und 
daher jeine Wahl ungiltig. Als man den Fürften den Inhalt der 
Rede mitteilte, gerieten fie in hellen Zorn und hätten den fühnen 
Bilchof ficher mißhandelt, wenn ihn Rudolf nicht jelber bejchügt und 
mit einem föniglichen fichern Geleite verjehen hätte. Eilends machte 
fih daher der Bilchof wieder nach dem Dften auf. Die Reichs: 
verjammlung aber ſprach DOttofar die Neichslehen Böhmen und 
Mähren ab, wie ihm jchon Öfterreich, Steier, Kärnten, Krain und 
die windiſche Mark abgejprochen worden waren. Zugleich verlor 
er das Erzmundjchentenamt. Der Königsbote Burggraf Friedrich 
von Nürnberg eilte mit großem ritterlichen Gefolge nad) Wien, wo 
er den Böhmenkönig traf. Der anwortete auf die fönigliche Bot: 
Ihaft: „Soll ih) eurem Herrn zwei jolche Lande wie Öfterreich und 
Steier voll Furcht nach Schwaben jenden? Eher joll noch mancher 
Geier Fraßes werden froh, ehe er mirs aberdroht oder aberzwingt!” 
Da Ottokar nicht nachgab, traf in 1275 die Acht. Genau ein Jahr 
Ipäter wurde die Neichsacht erneuert, die Kriegserflärung wurde ihm 
überjandt und alle Ränder aufgefordert, die Sache Ottokars zu ver: 
lajjen. Rudolf jammelte nun jein Heer; die Grafen von Veldenz, 
die an der Mojel jaßen, aber in der Pfalz viele Güter hatten, 3. B. 
Vtojchellandsburg und Nemigiusland bei Kuſel, die Herren von 
Bolanden, die Burgmannen des Reiches zu Lautern, darunter die 
Hoheneder, zogen mit ihm, ebenjo die Zeininger und Sponheimer. 
In Ulm jammelte fich das Neichsheer, das hauptjächlich aus jchwä- 
bilden und rheinländilchen Rittern beitand. Alle Verwandten des 
Königs, vor allem Pfalzgraf Ludwig, famen. Da fielen viele Öfter: 


= Be 


reicher Nitter bereits von Dttofar ab. Rudolf rüdte von Nürnberg 
aus über Regensburg, wo jein bisheriger Gegner Herzog Heinrich 
von Niederbayern jeine Lehen nahm. Gin großer Teil des Heeres 
fonnte, da Heinrich die Donau nicht mehr |perrte, auf dem Strome 
raſch nach Diten fahren. Während Rudolf das Hauptheer führte, 
dejjen Vortrab Pfalzgraf Ludwig leitete, drang der Graf von Tirol 
nad) Südoften vor um bei Wien fi) mit Rudolf zu vereinigen, 
ebenjo hatte der treue Burggraf Friedrih von Nürnberg ſich des 
Nordens von Böhmen bemädtigt. Das feite Klofter Neuburg jollte 
Dttofars Macht und die Hauptitadt Wien beichügen. Die Stadt 
Iperrte nicht nur die Donautal:Straße, jondern mit der gegenüber: 
liegenden Burg Kornneuburg auch den Strom. 

Durch Gewaltmärjche hatte der Bilchof Bruno, Dttofars An— 
hänger mit böhmijchen Reitern die Feſte erreicht; aber nur wenig 
\päter langte Pfalzgraf Ludwig mit den Seinen an, fonnte es 
jedoch nicht hindern, daß der Biſchof Bürger der Stadt, die auf 
Seite Rudolfs jtanden, als Gefangene mitnahm, während die 
Böhmen als Bejagung zurüdblieben. Nun griff Ludwig zu einer 
Lil. Es war Dämmerung. Da famen zuerft zwei, dann vier, dann 
ach Ritter ans Tor der Stadt, fingend und anjcheinend friedlich. 

ie jtellten fich, als wären fie Freunde Dttofars und wurden ohne 
viel Bedenken von den Böhmen eingelafjen. Kaum waren alle 
innerhalb des Tores, da überfielen fie die Wachen und raſch folgte 
ein Zug von 40 rheinilchen Rittern, die das Tor bejegten. Der 
Pfalzgraf jelbjt drang nun mit feinen Pfälzern in Stadt und Klofter 
ein und verjprach den Bürgern nichts zu tun, wenn fie treu zu Rudolf 
hielten. Nur die Böhmen wurden gefangen, Qudwig verlor nicht einen 
Dann, gewann aber die reichen Vorräte an Waffen, Rüftungen und 
Lebensmitteln, die dieje ſtarke Feſte barg. Am nächſten Tage fam 
Rudolf mit dem Hauptheere und jchon am 18. Ditober ftand er vor 
Mien. Wien hielt fich tapfer, jo jehr fich auch Rudolfs Heer ver: 
mehrte und wich nicht von dem Böhmenfönige, der es bisher be= 
\hüßt und ihre Freiheiten beftätigt hatte. Wergebens aber wartete 
man auf Ottofars Hilfe, von deijen Heer jtets Nitter, nicht nur 
Ojterreicher und Kärntner, jondern auch Böhmen zu Rudolf über: 
gingen. Als der Böhmentönig gar von dem Herannahen der Ungarn, 
die König Rudolfs Macht veritärten jollten, hörte, entihwand ihm 
der Mut. Er hatte feine Schlacht geichlagen und war dennoch be= 
ſiegt. Daher fam es zu einem Warfenftilftande und vier Schieds— 
richter: Bilhof Bruno von Olmütz, Markgraf Otto von Branden: 
burg, Bilchof Berthold von Würzburg und PBfalzgraf Ludwig fällten 
das Urteil: Dttofar verzichtet auf Öfterreich, Steier, Kärten, Krain, die 
windilche Mark, auf Eger und Pordenone. Rudolf dagegen wird ihn 
mit Böhmen, Mähren und den dazugehörenden Reichslehen belehnen. 
Ein Sohn Ottofars jollte eine Tochter Rudolfs und ein Sohn Rudolfs 
eine Tochter Dttofars heiraten. Wien nimmt der König in Gnaden 


— 329 — 


an. Bier Tage |päter, am 25. November begab ſich Dttofar in 
töniglicher Rüftung in das Lager vor Wien. Im Königszelte ftanden 
um Rudolf, der auf einem Feldſtuhle jaß, die deutichen Fürften. 
„Gebeugten Sinnes und mit gefrümmtem Knie” bat er Rudolf um 
Verzeihung und leijtete die Huldigung. 

Am 29. oder 30. November 1276 zog Rudolf in die Haupt: 
ſtadt Wien ein, in der heute noch jeine Nachkommen regieren. 


Dttofars Untergang 1278. 


König Ottofar war gedemütigt; denn mehr als die Hälfte feines 
Ditreiches hatte er verloren. it jeinen Nachbarn im deutſchen 
Reiche und in Polen ſchloß er Freundichaftsbündnifje, um gegen Rudolf, 
der von Wien aus das neue Land beherrjchte, vorgehen zu können. 
Die SÖfterreicher, denen Rudolf ohne Ausnahme Steuern auf den 
Grundbefi auferlegte, waren mißgeftimmt. Dttofar wollte daher 
mit einem in Böhmen gejammelten Heere losbrechen und auf Wien 
gehen, jeine Getreuen in Sfterreich jollten von Süden und Diten 
fommen. Da wurde Dttofars Helfer, der Marjchall Heinrich von Kun: 
ring ungeduldig, vergebens mahnte ihn Dtto, aber der fühne Drauf: 
gänger ließ fich nicht abhalten von jeinen Burgen an der Donau aus 
das umliegende Land zu verwülten. Der Wiener Patrizier Baltram 
„vor dem Friedhofe“ hatte fich ihm angeſchloſſen. Aber König Rudolf 
war gewarnt: Heinrich verlor alle jeine Zehen, Paltram, jein Bruder 
und jeine jechs Söhne büßten wegen Hochverrat; ihre Nachkommen 
wurden enterbt und für rechtlos erklärt. Bor dem Tode retteten fie fich 
nur durch die Flucht zu Herzog Heinrich von Niederbayern. Rudolf 
ahnte, was ihm bevorjtehe, wenn der Aufruhr fich ausdehne. Raſch 
Jandte er Boten an den Pfalzgrafen und bat er möge ihm 140 verdedte 
Hengite, aljo jchwerbepanzerte Ritter jenden; auch jeine Verwandten 
in Schwaben bat er und jeine eigenen Ritter und Lehensleute rief er 
zur Heerfahrt auf. Bald famen auch die gewünjchten Scharen und 
nun fonnte der Krieg gegen Dttofar beginnen, der am 27. Juni 
unter dern Wehklagen der Geijtlichen und des Volkes jeine Haupt: 
itadt Prag verließ. Von Brünn aus ſchrieb er feiner Gemahlin 
Kunigunde: „Ich werde am Freitag nad) Margareta (15. Juli) mit 
dem Heere aufbrechen und ohne Säumen gegen Öjlterreich ziehen. 
Freue dich mit allen Freunden; denn der römijche König ijt in Wien 
und feine Hilfe fann ihm diesmal zufommen. Vielmehr werden die 
öfterreichiichen Städte bei unjerer Ankunft ſich jchnell und freiwillig 
unterwerfen und wir werden nicht bloß über König Rudolf, jondern 
über alle unjere Widerjacher glänzend triumphieren.“ it etwa 
6000 Dann Rittern, Fußvolt und Troß rücdte Dttofar nad) Sfterreich. 
Rudolf hatte noch fein Heer beilammen; denn Herzog Heinrich von 
Niederbayern verwehrte den Nittern den Donauweg, jo daß fie erit 
Ipät im Auguft in Wien bei Rudolf anfamen. Dttofar jedoch hielt fich 


22 


BEER; — 


mit Belagerungen Eleiner Städte auf und verjäumte es dem König von 
Ungarn den Weg zu verlegen und die Hauptitadt Wien anzugreifen. 


Die Schlaht bei Dürnfrut auf dem Marcdhfelde 1278. 


Auf dem rechten Ufer der March jammelte Rudolf jein Heer, 
das von allen Seiten Zuzug befam, am 22. Augult ordneten beide 
Könige, die nur wenige Meilen weit von einander entfernt jtanden, 
ihre Heere. Schon am er Tage trafen die Ungarn ein und 
auf den Anhöhen an der March jtellten jich die vereinigten Heere 
auf. Bon hier aus fonnte Rudolf bequem hinüberjehen nad) dem 
Lager jeines TFeindes, das faum eine Meile weit entfernt lag. 
Zwilchen ihnen erſtreckte ſich das weite Kruterfeld, jo recht geeignet 
für eine Ritterjchlacht, ein riefiger Turnierplag. 

Am 23. Auguſt ſchlug hier Rudolf jein Lager auf. Dann be= 
fahl er den ungarijchen Reitern, die Ebene abzujuchen und be= 
\onders nad) den Sümpfen zu jehen, ob man fie wohl überjchreiten 
könne. Die Reiter jprengten hinab in die Ebene und fanden die 
Schilfplätze, die fie von Ferne gejehen, troden, jo daß die jchwerjten 
Pferde darüber fonnten. Als fie aber weiter gegen die Böhmen zu 
famen, erblidten fie linfs auf den Höhen bei Dürnfrut böhmilche 
Reiter. Wie der Bliß waren jte an dieje herangefommen und jagten 
fie, die nur wenige waren, zurüd. Da famen die Polen und Sadjjen 
den Böhmen zu Hilfe, wurden aber von den wilden Reitern jo rajch 
angegriffen, daß viele von Ditofars Heer gefangen oder getötet 
wurden. Die Ungarn jchnitten nach ihrer rohen Landesjitte den 
Toten die Köpfe ab um fie dem römilchen und ungarilchen Könige 
zu zeigen. Rudolfs deutiche Macht beitand aus etwa 2000 Rittern, 
aljo etwa 10000 Dann, unter diejen waren einige hundert gepanzerte 
Roſſe. Der 26. Auguft, ein Freitag wurde als Schlacdhttag beitimmt. 
Am Donnerstag rüdten Deutiche und Ungarn an den Rand der 
Hochebene, dicht an das Schlachtfeld heran. Am Freitag früh las 
Bilchof Heinrich von Bajel die Mejje und viele empfingen das heilige 
Abendmahl, Prediger aber zogen von Haufen zu Haufen und richteten 
die Verzagten auf. Den jungen Edeltnechten aber erteilte der König 
jelbjt den Ritterſchlag. Dann ftellten fich alle in Schladhtordnung 
auf. Die Ungarn unter ihrem Anführer Matthäus Cjat bildeten 
das vordere Treffen in zwei Haufen. Das zweite Treffen bejtand 
aus den Öjterreichern, die von allen Deutichen am zahlreichiten waren. 
Als dritter Haufen jcharten ſich Steirer, Kärtner, Krainer und 
Salzburger, aber auch Franken und Schwaben zujammen, auf fie 
vertraute Rudolf am meilten und daher blieb er bei ihnen. Die 
Sturmfahne des Neiches mit weißem Kreuz in rotem Felde führte 
der treue Burggraf Friedrih. Alle Mannen Rudolfs trugen ein 
weißes oder rotes Kreuz als Erfennungszeichen auf dem Rücken oder 
auf der Bruft. Das Feldgejchrei hieß: Nom, Rom! Chrijtus, Chrijtus! 


— — 


Im Hintergrunde der Deutſchen hielten 50—60 ſchwergerüſtete 
Nitter mit gepanzerten Rojjen um im richtigen Augenblidte mit aller 
Wucht jeitwärts in die Reihen der Feinde zu dringen. Die Böhmen 
trugen als Erfennungszeichen ein grünes Kreuz oder ein weißes 
Band, das um den Hals gejchlungen war. Die Sturmfahne hatte 
ein weißes Kreuz in grünem Felde, das Feldgeſchrei hieß: Praga, 
Praga! Es war ein heißer Augufttag, als die ungarilchen Bogen- 
\hügen über einen Heinen Weidenbad in die Ebene hinabftürzten. 
Ihnen folgten die jchwer bewaffneten Ritter. Die ganze Ebene war 
von den behenden Reitern erfüllt, die ohne Halt auf das erfte Treffen 
der Böhmen ftießen, deren Schlachtgejang: „Herr, erbarme dich unjer“ 
über die weite Ebene lang. Schon jauften. die Pfeile der reitenden 
Bogenſchützen heran. Als aber dann die Ritter zum Sturm aufs 
Lager jchritten, entitand ein furchtbarer Kampf mit Lanze und Schwert. 
Endlich wichen die Böhmen und Mähren, verfolgt von den Ungarn, 
die ins böhmilche Lager drangen und hier Beute machten. Der 
jugendliche König Ladislaus hatte bis jet dem Kampfe nur zu— 
gejehen, als aber jeine Leute den Sieg errangen, ritt er mit ihnen 
dem Feinde nad). Unterdejjen waren auch Sjterreicher des zweiten 
Haufens an Dttofar mit dem zweiten böhmijchen Treffen heran— 
— Ottokar hatte viele ſchwergepanzerte Ritter mit verdeckten 

oſſen und ſchon wichen vor ihnen die Oſterreicher. Ja, Ottokar 
ſtürmte voran, da er ſchon den Sieg in ſeinen Händen ſah. Raſch 
aber erſchien Rudolf mit ſeinem dritten Treffen und rückte über den 
Bach, ſo daß Ottokar nicht weiter vordringen konnte. 

Ein Ritter aus Ottokars Heer hatte gelobt, König Rudolf zu 
töten. Endlich fand er ihn in der Nähe der Reichsfturmfahne am 
Weidenbache. Raſch hatte er fich durch die böhmilchen Reihen ge— 
drängt und das Pferd des Königs ſchon erjtochen ; da eilte ein junger 
Ritter Heinrich Ramswag aus der Schweiz herbei, hob jeinen Herrn 
auf und ſetzte ihn auf ein frilches Pferd. Nun kamen aber aud) 
noch die polnilchen Hilfsvölfer zu Ottokar. Da dachte Rudolf an 
jeine Schwerbewaffneten im SHinterhalte. Aus einem kleinen Tale 
hervor brachen fie in die rechte Flanke der Böhmen ein, „wie man 
ein Tuch mit einer Schere jchneidet”, jagt ein Zeitgenoſſe. Ottokars 
Leute wurden nad) Diten zu gedrängt, als es auf einmal hieß: „Sie 
fliehen, ſie fliehen!” Viele Böhmen wandten fich zur Flucht; aber da 
lag die tiefe March im Wege, in der Hunderte ertranfen, andere 
wurden am Ufer getötet oder gefangen. Nur die Polen entlamen 
nad) Norden. 

Und Dttofar? Mit wenig Getreuen hatte er bis zulegt gefämpft 
wie ein Held. Grmattet von den Anjtrengungen des Tages und der 
furchtbaren Hitze, wandte er jein Roß zur Flucht nach Norden. 
Ölterreicher verfolgten und ereilten ihn. Seine wenigen Getreuen 
wurden getötet, er ſelbſt jtürzte verwundet vom Roſſe herab und 
geriet in Befangenjchaft. Nun dachten die Verfolger, die Dttofar 


22* 


= BER 


tödlich haßten, nicht mehr an Nitterfitte auf dem Kampffelde. Ciner 
ftieß Dem todwunden Helden das Schwert durch die Bruft, ein anderer 
logar einen Dolch in den Hals, ließen ihn liegen und ritten zufrieden 
davon. Da famen Troßfnechte und jahen die Bellkhimmernde Rüftung 
des toten Königs. Raſch jprangen fie herzu und rijjen Harniſch 
und Kleider vom Leibe. Falt nadt, blutig und bejchmußt lag die 
Reiche da. Bald jammelte fich das Königsvolk an dem Drte, einige 
\potteten noch feiner, da er im Leben einjt hart gegen fie gewejen. 

Auch Rudolf hörte die Nachricht, jo unwillig war er, daß jeine 
Ritter fich gegen den Feind unwürdig benommen hatten. Er ließ 
daher die Leiche in prächtige Kleider hüllen, auf einem Wagen nad 
Mien bringen, wo fe im Klojter der Minoriten aufgebahrt wurde. 
In jeinen Siegesberichten jchildert Rudolf die Tapferkeit Ottofars. 
Er verfolgte noch den gejchlagenen Feind nad) Norden, auch die 
Ungarn folgten wieder, ar aber jo, daß Rudolf froh war, als 
fie mit Beute beladen und mit Gefangenen der Heimat zueilten. 

Rudolf zog audy nad) Böhmen, ihm folgten von Wien jeine 
Rinder — und Guta. Zu ihm kam auch die Witwe Ottokars 
mit ihren beiden Kindern Wenzel und Agnes. Wenzel zählte acht 
und Rudolf ſieben Jahre. Die beiden Töchter waren wohl etwas 
älter, dennoch wurden dieſe Kinder nach damaliger Sitte vermählt. 
Rudolf heiratete Ottokars Tochter Agnes, Wenzel von Böhmen aber 
die Habsburgerin Guta. Wenzel erhielt das Königreich Böhmen 
mit Mähren als Lehen. Dann ging Rudolf in ſeine neue Heimat 
nach Wien und entließ ſein Heer. Als er aber in die Nähe der 
Stadt kam, zogen ihm die Geiſtlichen und Mönche mit Kreuzen, 
Fahnen, Reliquien und unter Geſang entgegen. In den Straßen 
harrte das Volk. Der Zug aber ging zum Stephansdome, wo der 
König Gott für den Beiſtand im großen Kampfe dankte. 


König Rudolf und das Reich. 


König Rudolf war ein Freund der Städte und des Volkes. 
Daher war ſeine Hauptſorge im Reiche darauf gerichtet, den Land— 
frieden wieder herzuſtellen, den die Raubritter täglich brachen. 
Freilich kam er nicht nach Norddeutſchland ſondern nur bis Thü— 
ringen. Gewöhnlich zog er am Rheine und im Frankenlande am 
Maine von Königspfalz zu Königspfalz, von Reichsſtadt zu Reichs: 
ſtadt oder er hielt fich auf feinen Burgen im Eljaß und in der 
Schweiz auf. 

Schon zwei Tage nad) feiner Krönung, am 26. Dftober 1273 
erneuerte Rudolf das Landfriedensgejeg, das jein Pate Kaiſer 
Friedich 11. 1235 erlajjen hatte. Außerdem verbot er alle unge— 
rechten Zollitätten am Rheine, die die Fürften in der Zeit des 
Faultrechtes, das fajt das ganze 13. Jahrhundert hindurch währte, 
errichtet hatten. Bejonders die Erzbiichöfe von Köln und Mainz, 


Be 


der Pfalzgraf bei Rhein, die Herren von Hohenfels und Bolanden 
am Donnersberge hatten jolche, jo daß es am Rheine um das Jahr 
1250 ſchon 35 Zolljtätten gab. 

Der Engländer Thomas von Wykes, der mit König Richard 
an den Rhein gefommen war, Jagte: 

„Es it ein wütender Wahnfinn, mit welchem die Deutjchen 
von den unbezwingbaren Burgen aus, die fie an den Ufern des 
Rheines erbauen, ohne Rüdficht auf Ruhe und Frieden und gierig 
nad) Erwerb oder vielmehr Erprejjung von Geld, vor feiner Schand- 
tat zurüdjchreden. Die Schiffe, die mit Lebensmitteln oder Waren 
aller Art den Fluß herabfommen, fünnen den Burgen unmöglid) 
ausweichen, die Leute werden gezwungen auszujteigen und von jedem 
einzelnen werden ohne Scheu vor Gott oder dem König ganz un: 
erhörte und unerträgliche Zölle erpreßt“. 

Bereits im Jahre 1269 hatte der Erzbilchof Werner von Mainz 
mit jeinen Dienftmannen Zollitätten erobert und zeritört: die zu 
Bacharach, die dem Pfalzgrafen Ludwig vom Rheine gehörte, 1270 
aber hatte er mit Hilfe der Städter, die ja am meilten zu leiden 
hatten, die Zollburg Ejchesheim bei Ladenburg, die Zölle der Ritter 
von Thann (Dahn) bei Germersheim, den Zoll des Grafen von 
Zweibrüden bei Udenheim (gegenüber Speyer) und die pfälzijche 
Zollburg Haujen am Nedar vernichtet. 

Aber alle dieje Burgen erjtanden wieder, fein Kaufmann ge: 
langte unbelältigt vorbei. Daher erjcholl heller Jubel, als Rudolf 
allen Untertanen verkündete, daß er den Schwachen und Unterdrücdten, 
den Bürgern und Bauern helfen wolltee Den Rhein zog er auf 
und ab, bald war er in Schwaben, bald in Franken um fi von 
den Rittern und Grafen den Landfrieden beſchwören zu lajjen. 

Als aber Rudolf in Öfterreich weilte, war es der Landvogt im 
Speyergau, Graf Friedrich von Leiningen, der fi) im Namen des 
Königs mit den Städten und den Fürjten am Rheine zur Sicherung 
des LYandfriedens verband. 

Als aber Rudolf aus Öfterreich na) Schwaben fam, gelangten 
bittere Klagen der Mönche von Söflingen bei Ulm an ihn; denn 
ihnen war von der Feſte Ehrenftein, die dem Grafen Eberhard von 

ürttemberg gehörte und an der der Ritter Helfenjtein Teil Hatte, 
gegen diejes Klofter viel Unrecht geichehen. Rudolf zwang Eberhard 
die Burg gegen ein Spottgeld von 10 M. an die Klofterbrüder zu 
verfaufen und dieje brachen dann raſch das Felſenneſt. 

In unjeren — — namentlich am Donnersberge und an 
der Nahe war damals eine blutige Fehde zwiſchen den Rittern und 
dem Erzbiſchofe Werner von Mainz. 

Zwei Brüder aus dem mächtigen Grafengejchlechte von Spon— 
heim, deren Burg noch heute zwei Stunden oberhalb Kreuznach über 
einem Geitental der Nahe jteht, hatten wegen ihrer Burg Bödelheim 
an der Nahe einen Erbvertrag gejchlojjen, daß feiner der Brüder 


— 34 — 


fein Teil verkaufen dürfe. Bald darauf aber veräußerte der jüngere 
Bruder jein Teil an den Erzbilchof Werner von Mainz. Der ältere, 
Sohannes, erhob Widerſpruch dagegen; aber die Mainzer Dienjt- 
mannen rüdten an die Nahe um Böckelheim in Beltt 2 nehmen, 
da die Burg die Güter des Erzbilchofs jo auch das Klofter Difi- 
bodenberg beſchützen jollte. 

Mit Johannes von Sponheim aber hatten ſich die Grafen 
von Ratenellenbogen, die Leininger und Zweibrüder Grafen und 
die Bürger von Kreuznach verbunden. Bei Genzingen unweit 
Kreuznad) ftießen beide Scharen aufeinander. Die Mainzer waren 
in der Übermacdht und jchon war der Zweibrüder Graf gefangen, 
\hon Graf Johannes umzingelt. Da jtürzte ſich die Kreuznacher 
Mebgerzunft, die ren mitgezogen war, an ihrer Spitze 
der Meilter Michel Mort, ein Hüne von Geſtalt, in den Feind. 

„Hie Kreuznach, mein edler Graf!” jo ftürmen fie auf die Feinde. 
„Rettet euch, Herr, ich will den Verfolgern wehren“, jo ruft der 
treue Mebger. Da die Kreuznacher vordringen, gelingt es dem 
Grafen, ein friiches Roß zu beiteigen und aus dem Getümmel zu 
entfommen. Michel Mort fällt noch viele Mainzer, endlich aber 
mußt er unterliegen und empfängt den Todesitreih. Es war im 
November 1279. Auf dem Sclachtfelde erinnert an den treuen 
Mort ein Dentitein, in Kreuznach jelbit ein prächtiges Denkmal. 


Als Rudolf an den Rhein kam, entjchied er den Streit zu 
Buniten Werners von Mainz der Böcdelheim vollftändig und nod) eine 
beträchtliche Geldentihädigung erhielt. Ja, er empfing 1000 M. 
als Entihädigung für die Kojten, die er hatte, als er die Feſte 
Rheinberg des Nheingrafen zeritörte. 


König Rudolf in Thüringen. 


Schlimm war es um den Landfrieden in Thüringen beitellt. 
Dahin begab fih im Dezember 1289 Rudolf und verweilte elf 
Monate im Lande. Kaum war er in der feiten Stadt Erfurt an: 
gefommen, jo ließ er auch hier das Landfriedensgejeg gegen die 
Räuber verkünden. In der Umgegend von Erfurt aber war joviel 
Raubgefindel, daß jeine Mannen mit den Bürgern Erfurts ausziehen 
mußten. Schon nad) einigen Tagen bradten fie 29 Räuber ein, 
die bei Ilmenau gefangen worden waren und vor den Mauern der 
Stadt fie nach Landfriedensrecht enthauptet wurden. 

Als es Frühling wurde (1290), jandte der König jeine Leute, 
die Erfurter und die Dienftmannen Thüringens aus um den Thü- 
ringer Wald abzujuchen, wo ſich Raubburg neben Raubburg befand. 
Vom Anfang März bis Juli gelang es 66 Neſter auszunehmen und 
zu zeritören. Um aber noch bejjer gegen die Friedebrecher vorgehen 
zu können, erhob Rudolf von allen ohne Unterjchied eine Land— 


— 885 — 


friedensſteuer, die gerne bezahlt wurde, da die Ritter die dem Schutze 
des Landes dienten, ein wachſames Auge hatten. 


Rudolf und die Pfalz. 


In allen deutjhen Bauen, wo Neichsgut lag, hatte Rudolf 
Landvögte eingelegt, die nicht nur über den Frieden wachen, jondern 
auch das königliche Gut, das jeit Friedrichs des Il. Zeit immer 
tleiner geworden war, zu ſchützen hatten. 

Graf Friedrich zu Leiningen, des Königs Verwandter, wurde 
mit diejem hohen Amte betraut und verwaltete es bis zu Jeinem 
Tode (1287). 

In dem uralten Reichs: und Königslande an der Lauter lag 
die Burg Wolfitein, in dem Walde des Königsberges, der noch in 
jeinem Namen an dieje Zeit erinnert. (Ebenjo: Kindsbach-Königs-— 
bad) (kunegesbach) Reichenbach, NReichsthal, Königreicherhof Kai: 
jerslautern, Königsdell am Donnersberg, Königsbach bei Neuftadt, 
Reichsdorf bei Weißenburg). 

Rudolf ließ 1275 in der Nähe der alten Feſte eine neue an 
legen, die das Lautertal an jeiner breiteiten Stelle beherrichte. Bon 
der Feſte Neu-Wolfſtein herab führte eine Mauer, die die Bürger: 
häujer und die Wohnungen der königlichen Forftleute einjchloß. “Die 
neue Stadt erhielt die ‘Freiheiten der Stadt Speyer. 1276 legte 
Rudolf neben jeiner Burg Germersheim einen weiteren feiten Plat 
an, der ebenfalls Speyerer Recht erhielt. Beide Städte jollten mit 
ihren Burgen die Güter des Königs bejchügen, ebenjo erhielten 
Landau, Godramitein und Kaijerslautern Speyerer Recht. 

Mie wertvoll die Güter waren, erjieht man aus folgendem: Das 
Reichsgut des Speyergaues ertrug 1200 Malter Korn, 460 Malter 
Hafer, 560 Hühner, viele Schweine und viel Wein. Bon Germers— 
heim aus mußten 60 Wagen Heu für den König geliefert werden. 
Die Germersheimer zahlten für den Salmenfang im Rheine 5 Pfd. 
Gold, die Kandauer 450 Pfund Talg für ihre Schlachtbäntfe. 

Aber nicht nur Getreide und Hühner, auch Pfeffer und Salz 
wurden dem königlichen Hofe geliefert, ja die KRönigsgüter ertrugen 
400 Pfund Gold. Außerdem or es eine JIahresiteuer, die jchon 
1241 in Raijerslcutern 120 M., im Trifeljer Amt aber 150 M. 
betrug und Judeniteuern; denn aa in den kleinſten Orten: Rocken— 
haujen, Annweiler, Klingenmünjter, Dürkheim und Deidesheim ſaßen 
jo viele Juden, daß fie 114 Pd. Gold Judenjteuer zahlen Fonnten. 


König Rudolfs Tod. 1291. 


König Rudolf fam vom Reichstage zu Frankfurt a M. Gr 
war bereits 73 Jahre alt und da er an einer gichtigen Erkrankung 
litt, fühlte er, daß jein Ende bald nahe jei. Dennoch fannte er feine 


— 8868 — 


Ruhe zum Wohle des deutſchen Reiches. Daher unternahm er auch 
über Mainz eine Reiſe durch ſein geliebtes Rheinland und berührte 
Landau und Germersheim, — ieblingsſtädte, deren eigentlicher 
Schöpfer er war. Um die Mitte des Monats Juni weilte er bei 
ſeinen getreuen Straßburgern, denen er zur Zeit des Zwiſchenreiches 
die Reichsfreiheit verſchafft hatte. Sein Ober-Elſaß, wo er als 
Landgraf den Landfrieden ſtrenge gewahrt hat, ſchaute er nicht mehr, 
denn im Borgefühle jeines Endes befahl er, wieder nach Norden 
zu teilen. Trauernd jagte er den Bürgern Straßburgs: „Leb wohl, 
du meine Stadt, lebet wohl, 5 lieben Bürger“. 

Er zog nad) dem alten Hohenjtaufenlig Hagenau, wo er fich 
nur furze Zeit aufhielt (vom 17.—20. Juni). Dann ging es auf 
der Rheinjtraße hinab nach Germersheim, wo er vom 23. Juni bis 
11. Juli weilte. Seine junge Gemahlin und die Witwe jeines früh: 
verjtorbenen Sohnes Rudolf erreichten ihn hier, als fie aus dem 
alamannijchen Lande von Rheinfelden hierherfamen. Es erjchienen 
aber auch die alten Freunde, der greije Pfalzgraf Ludwig und jein 
jugendlicher Sohn Rudolf, der |pätere Pfalzgraf, der Landgraf von 
Hejlen, der Bilhof Rudolf von Konitanz, jein Vetter, der Bilchof 
.. von Bajel, des Königs treuer Berater, Graf Eberhard von 

aßenellenbogen und jeine Schwäger, die Grafen Albrecht und 
Burkhard von Hohenberg, pfälziihe Herren und Ritter in großer 
Zahl. Eine glänzendere Verſammlung hatte die junge Rheinfeſte 
wohl noch nicht in ihren Mauern beherbergt. 

Noch einmal jaß er auf dem Königsituhl zu Gericht und jorgte 
für des Reiches Gut und Burgen und jchlichtete einen Streit zwilchen 
dem Pialzgrafen bei Rhein und jeinem Bruder, dem Herzog Hein: 
ri) von Niederbayern. Um ihn waren jeine Leibärzte. Als er, 
wie gewöhnlich, mit den Frauen in der Burg Schach jpielte, fühlte 
er die rajche Abnahme jeiner Kräfte und als er die Ärzte fragte, 
wie lange er noch zu leben habe, antworteten fie, bald werde ſein 
Ende nahen. 

Da ſprach er wie ein Held, der dem Tode kühn ins Angeficht 
\haut: „Wohlauf nad) Speyer, wo mehr meiner Vorfahren jind, 
die auch Könige waren! daß niemand mich hin zu führen braudt, 
will ich jelbjt zu ihnen reiten!” Er gab jeinen legten Willen fund 
und entließ jeine Ritter, die ihn begleitet hatten und jein Gefinde 
des Dienites. Alle nahmen weinend Abichied. 

Noch einmal beitieg er im Burghofe das Roß und zog am 
Samstag, den 14. Juli von Germersheim nad) Speyer. Zur Seite 
ritten zwei Prieſter, jeine Gemahlin, jeine Tochter und der alte 
Pfalzgraf begleiteten ihn; viele Ritter folgten. Als der König in 
Speyer einzog, füllten jich die Straßen, wie immer war das Land: 
volf herbeigefommen, um noch einmal den TFriedebringer zu jehen. 
Schon am folgenden Tage empfing er zu Speyer das hl. Abend: 
mahl, tonnte aber jprechen bis zum Ende. 


Gegen Abend hauchte 
er jeine Seele aus. 


Wie er jein Lebenlang 
den Staufern gedient und 
ihnen das treueite Ange: 
denten bewahrt hatte, jo 
. wollte er auch im Tode 
mit ihnen vereint jein. 


Neben Bhilipp von 
Schwaben, dem Sohne des 
Rotbart wollte er ruhen. 
Hier wurde er ſchon am 
Montag, den 16. Juli in 
einem einfachen Holzjarge 
beitattet. Die großartige 
Totenfeier war des Man: 
nes würdig, der als Bater 
des Vaterlandes von allen 
beflagt wurde. Auch für 
ein einfaches Denkmal 
hatteer Sorge getragen und 
noch heute ſchmückt jener 
Stein, der jein lebens: 
wahres Bild zeigt, den 
Speyerer Kailerdom. Im 
föniglichen Drnate, mit 
der deutihen Krone auf 
dem Haupte, in der Rechten 
des MNeiches Zepter, in 
der Linken eine Salbbüchſe, 
geſchmückt mit dem Wappen 
des Reiches und den Löwen 
Habsburgs, ſo ſteht er 
noch heute vor uns. 


Anmerkung: 

Ein Zeitgenoſſe erzählt 
uns, wie der Künſtler ſorgſam 
die Runzeln im Geſichte des 
Königs zählte und als er 

äter hörte, daß Rudolf eine 

alte mehr im Geſichte habe, 
ſeit er ihn geſehen, ſei er in das 
Elſaß geeilt um ſie zu zeichnen 
und dann in Speyer in ſein 
Bild zu meißeln. 





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Grabmal Rudolf von Habsburg im Dom zu Speyer. 


—_ 38 — 


Adolf von Naffau und Albrecht von Äſterreich. 


1. Adolfs Wahl. 


Als Rudolf von Habsburg gejtorben war, verwaltete der Pfalz- 
graf bei Rhein das Reich bis zur Wahl eines neuen Königs. Her— 
309g Albrecht von Oſterreich, Rudolfs Sohn, hoffte zuverfichtlich ges _ 
wählt zu werden, da er mit vier der Kurfürjten nahe verwandt war. 
Auch Hatte er noch von jeinem Vater her die Neichskleinode in Ver: 
wahr und zog auf Einladung des Erzbiſchofs von Mainz mit 600 
prächtig gefleideten Nittern an den Rhein; hier wartete er, bis der 
NReichsmarjchall die Nachricht von der Wahl bringe. Allein es fam 
anders, die Fürſten wollten feinen mächtigen Herrn, reich an Land 
und Leuten und wählten daher nad) langem Hin: und Herreden in 
der Sakriſtei der Barfüßerkirche zu Frankfurt a. M. den Grafen 
Adolf von Naſſau, den Neffen des Erzbilhof von Mainz. 

Dem Herzoge Albrecht wurde dieje Botjchaft nad) Hagenau 
gebracht und beinahe wäre er im Zorne gegen Oſterreich gezogen, 
als die weitere Nachricht fam, er möge vor dem neuen Könige in 
Dppenheim erjcheinen. Albrecht tat es, nachdem er auch die Ab: 
zeichen der füniglichen Würde ausgeliefert hatte, Adolf empfing ihn 
jreumdlic in der Königspfalz zu Oppenheim und belehnte ihn mit 
dem Herzogtum Oſterreich und allen Rechten, die er von jeinem Vater 
geerbt hatte. Dennoch zog Albrecht voll Grimm nad) Sjterreich. 


2. Adolfs Abjegung 1298. 


Adolf hatte wenig Land und Leute, er fonnte daher die Ver— 
Iprechungen an Geld und Gut, die er den Kurfüriten vor —— 
Wahl gemacht hatte, nicht halten. Ja, er wurde von den Wahl— 
fürjten bejchuldigt, daß er Geld von dem Könige von England ans 
genommen habe und er trage die Schuld, daß die Bauern und Bürger 
nicht ungejtört ihre Straße ziehen fünnten, wie zu Rudolfs Zeit. 
Sp wurde Adolf, der ſich wie Rudolf eine Hausmacht gründen und 
darum Thüringen an fich reißen wollte, zu Mainz von den Kurfüriten 
abgejegt. Bald darauf wählten drei derjelben den Herzog Albrecht 
von Ölterreich, der wiederum an den Rhein gefommen war und vor 
Frankfurt wartete. Als der Marjehall von Sachſen jeine Wahl ver: 
fündete, |prach Albrecht: „Seit ich aus Oſterreich dahergefahren, 
habe ich das Reich geehrt in dem, der jein Pfleger war; ich wich ihm 
aus; denn ich erkannte in ihm meinen Herrn. Aber jett bin ich 
jein Herr — wohlauf nad Mainz!” Die Öfterreicher warfen ein 
goldgeiticktes Tuch über Albrechts Roß, jegten ihn darauf und unter 
dem Klange der Trompeten und Pauken zog er in die Stadt zum 
Münſter, wo ihm die Fürjten Huldigten und wo fie ihre Lehen 
empfingen. 


«Jean 
'dag = 


Bar 





Klofterficche zu Nojenthal. 


3. Der Streit um die Krone. 


a. Bor Alzey. 


Adolfs mächtigſter Bundesgenojje war jein Schwiegerjohn, Pfalz: 
graf Rudolf bei Rhein, der mit den Mainzern verfallen war, weil 
eine Burgmannen von Alzey aus die Mainzer überfielen und be- 
raubten. Dieje brachten ihre Klage vor den neuen König. Albrecht 
ſprach: „Das dulde ich nicht länger; macht euch auf und fahrt alle 
mit mir nach Alzey, da will ich an dem Pfalzgrafen Rache nehmen 
für mic) und euch.” Schon am andern Tage rüdten die Mainzer 
wohl bewaffnet zu Roß und Fuß aus. Im ihrer Mitte führten fie einen 
hohen Fahnenwagen, das Karroſch von geſchmückten Pferden gezogen. 
Darauf ragte das Stadtbanner mit dem Bilde des hl. Martin. 
Auch Hatten fie neue Katen, Bliden, Tummrer und Ebenhoche. 

Katzen waren ftarfe Dächer, unter denen man Pfeile und Gteine in 
einen belagerten Drt jchleuderte, Bliden waren Mafchinen zum Schleudern 
ſchwerer Steine, mit Tummrern warf man Feuertöpfe und Pechkugeln in eine 
Feſte, der Ebenhod war ein Holzturm, der auf Rädern an die Mauer heran 
gejchoben werden konnte. 

Albrecht Jette fi an die Spitze der Mainzer, viele Fürften 
begleiteten ihn vor die feite Stadt, deren Burg Pfalzgrafenitein wohl 
bewehrt war. Aber Tag und Nacht arbeiteten die Städter mit ihrem 
Kriegsgerät und der pfälziiche Burgaraf erbot ſich, die Feſte zu über: 
en wenn jein Herr bis zum nächſten Mittag nicht Hilfe bringe. 

ein die Hilfe fam nicht jo raſch und Albrecht zog in Alzey ein. 
Er erlaubte den Mainzern, die Stadt zu verwülten und bald jtanden 
die Häufer in Flammen, Tore und Türme wurden niedergerijlen. 


b. Am Hajenbühl bei Göllheim. 


Albrecht zog von Alzey aus zum Donnersberge, die Kurfürften 
hatten ihn verlajjen, nur der Erzbiſchof von Mainz war bei ihm, 
der einjt jeinen Neffen Adolf auf den Thron erheben half, nun aber 
zu Albrecht hielt. An der Pfrimm jchlug diejer fein Lager auf und er: 
wartete jeine Leute. Bald war jein Heer mehr denn 24000 Mann 
ſtark. Adolf war, als er hörte, daß jein Gegner Albrecht aus dem 
Eljaß über Zweibrüden, Yautern an den Rhein gezogen war, eben: 
falls den Rhein hinab nach Germersheim geeilt. 

Am 22. Juni lagerte er bei Speyer, mit der er fich gleich 
Worms aufs engite verbündet hatte. Dafür hatte auch Adolf beiden 
Städten vollftändige Freiheit gegeben. Er lagerte noch am Hafen: 
pfuhle, als ihm der Bote des Erzbilhofs von Mainz die Urkunde 
von jeiner Abjegung überbrachte. Rajch z0g er über Worms nad) 
Dppenheim, wo er jeine Scharen jammelte. Schon fam er einen 
Tag zu jpät nad) Alzey und hörte, fein Gegner weile am Donners— 
berge. Daher jchlug er fein Lager bei Wlbisheim und Zell auf und 


—— 241 


nahm jein Quartier in der Propftei zu Zell. Albrehts Wohnung 
war das Klofter Rojenthal (jiehe Abbildung Geite 339), der Erz: 
biihof von Mainz weilte in Münſterdreiſen. Zwiſchen beiden 
Gegnern lag der Taltejjel von Göllheim. 

Der 2. Juli 1298 brad) an. In der Frühe verfammelte der 
Öfterreicher jeine Hauptleute und gab die Schlachtordnung noch ein- 
mal fund. In das Vordertreffen ellte er die Kärntner und Steirer 
mit dem Herzog Heinrich an der Spiße, in der Mitte hielten die 
Öfterreicher mit den bömijchen und und ungarijchen Nittern. Im 
dritten Haufen jammelten jich die Franken und Schwaben. Die 
Sturmfahne erhielt der Landvogt Otto von Ochjenitein, mehrere 
jeiner Ritter ſchmückte Albrecht mit königlichen Wappenröcden, ihren 
Pferden gab er Deden mit dem Reichsadler, jich jelbjt kleidete er in 
eine einfache Ritterrüjtung. 

Auch Adolfs Leute Jammelten ih. Der angejehenite Führer war 
des Königs Schwiegerjohn Pfalzgraf Rudolf, der fich für die Niederlage 
bei Alzei rächen wollte. Sein Banner mit dem Pfälzer Löwen und 
den bayerilchen Rauten trug der Ritter Gottfried von Bruneck. An 
der Spitze der Niederbayern erjchien Herzog Dtto, der Erzbilchof 
von Trier brachte jeine Dienjtmannen, die Spohnheimer Grafen 
brachten die Ritter des Nahegaues und Donnersberges, Klöiter 
Ichietten ihre Krieger, vor allem treu blieben Speyer, Worms, Op— 
penheim, Frankfurt und Gelnhaujen. Adolfs Heer war wohl Heiner, 
aber es hatte mehr Ritter als Albrechts Heer. Im Bordertreffen 
Itanden Pfalzgraf Rudolf mit den Pfälzern und Herzog Otto mit 
den Niederbayern, im Mitteltreffen die Naſſauer und Rheinländer 
mit den Schwaben. Hier befehligte Adolf. Das dritte Treffen bil: 
deten die Städter. In beiden Heeren wehte das Reichsbanner von 
roter Farbe mit weißem Kreuze. Woolf jprach noch einmal zu jeinen 
Leuten: „Drüben im Lager find fie — meine und eure Widerjacher! 
Es find ihrer viele — deſto größer wird die Ehre jein und deſto 
reicher die Beute. MWohlauf, laßt die Banner wehen für Ehre und 
Recht. Seither habt ihr die Mannen gejagt; heute Jollt ihr fie 
erihlagen. PDran und drauf!“ 

Der Vortrab des Heeres bewegte ſich über Marnheim nad) 
Dreilen zu. Da meldeten die ausgejchiekten Reiter des Vortrabs, 
daß Albrecht und der Erzbilhof von Mainz fliehen und ihre Zelte 
brennen. Wirklich) gewahrte Adolf bald das brennende Lager und 
die fliehenden Gegner. Raſch galt es nachzueilen. Als die Leute 
Adolfs an dem Fuß des Hajenbühls bei Göllheim gelangten, wand: 
ten die Feinde fich plötzlich und jtellten den König, deſſen Leute 
nun die Sonne im Gelicht hatten. Jetzt erjt erkannte Adolf die 
Lift Albrechts. Zu jeinen Leuten jprach er: „Ihr habt wahr ge= 
redet, daß unjere Macht zu ſchwach jei, weh uns, der Tag nimmt 
fein gutes Ende“. Als er den Feind, der den ganzen Berg bejegte, 
beobachtete, fiel auch fein Blid auf jeinen Sohn NRupredt. Er 


—_ 32 — 


Iprach zu ihm: „Kehre zurüd, mein Sohn, du ſollſt dein Iunges 
Leben nicht wagen; denn unjer Kampf ilt ein Strauß auf Leben 
und Tod”! 

„NRimmermehr, mein Vater”, rief Ruprecht, „ich weiche nicht 
von Eurer Seite und folge Euch zum Leben oder Tod“. 

Dieje mutigen Worte gaben auch dem Vater die Zuverjicht 
wieder. „In Gottes Namen“; rief er, „ſie jollen uns eher tot als 
lebendig haben“. 


Auf beiden Seiten erjchollen die alten deutſchen Schlachtgelänge: 
„Sant Marey, Mutter und Maid, all unjer Not jey dir gefleit” 
(geftagt). Dann jchmetterten die Trompeten zum Angriffe, die 

eichsfahnen flatterten Iuftig in der Luft. Die Pfälzer unter 
Rudolf Bergen die Höhe hinan, die Kärntner und Gteirer in 
eichlojjenen Reihen herab. Mean fochte mit Lanzen. In der 

itte des Abhanges jtießen fie zujammen, aber die Pfälzer wurden 
geworfen. Nun drangen die fühnen Öftreicher auf die Scharen Ottos 
von Niederbayern; aber die jtanden am Fuße des Abhanges feiter 
und bald mußten fich die Öfterreicher zum Heere Albrechts zurückziehen. 
Abermals ſauſten dejjen Nitter mit den Schwertern in der Fauft 
herab. Da konnte Adolf beim zweiten Treffen nicht länger zujehen. 
Er rief: „Hei, wie die Bayernfürften fich jo rüftig geberden; wie 
luftjam ijt das zu hören und das zu ſchauen; hört ihr nicht wie die 
Schwerter Elingen? Wie wärs wenn auch wir dahin jprengten?” 
Da jagten die Dienjtmannen: „Herr es frommt nicht, daß der Feld— 
hauptmann, Statt die Schlacht zu lenken, in der Vorhut Reiterdienite 
tut; Ihr jollt bier bei Euren Scharen bleiben“! „Nein, ich muß hin“, 
rief er und gab jeinem Pferde die Sporen. Da ftrauchelte jein Roß 
und jchleuderte in herab, daß er ohnmächtig aufgehoben wurde. Am 
Kopfe blutete er; aber an einen Baume gelehnt, erlangte er bald 
das Bewußtjein. Unterdejjen waren die Sfterreicher immer weiter 
in Adolfs Reihen gedrungen und ftachen mit ihren geipigten Schwer: 
tern die Roſſe der Bayern und Pfälzer nieder. Das jah Adolf. 
Dhne Helm jprengte er gegen die Feinde. Da traf er einen Ritter 
im Wappentleide Albrechts, erreichte ihn und jchlug ihn zu Boden. 
Doch da tauchte ein zweiter in derjelben Rüſtung auf, auch den 
bezwang er. 

Nun bot Albrecht jeine ganze Macht auf und ftürzte mit ihr 
den Hajenbühl hinab. Der Abhang war jo dicht von ihnen bededt, 
daß viele von Adolfs Leuten flohen. In weitem Bogen jchloß Al: 
brecht den König ein und nun begann ein Kampf auf Leben und 
Tod. Da jah diejer jeinen Gegenfönig und jchrie: „Heute wirjt du 
mir nicht entlaufen, allhie wirft du mir Reich und Leben laſſen“! 

„Das jteht in Gotteshand“ rief Albrecht und wich dem Hieb aus. 
Sofort aber traf er Adolf jo jchwer ins Gelicht, daß ihm ein Auge 
ausbrad) und ein Blutjtrom nachſchoß. Der Wild und Rauhgraf 


—— 


von Alten-Baumburg verſetzte ihm einen ſolchen Hieb, daß er ohn— 
mächtig vom Sattel fiel. Ein anderer ſchlug dem Schlachtroſſe die 
Vorderfüße ab, ein Reitknecht aber lüftete Adolfs Banzer und durch— 
Ichnitt ihm in rohejter Weile den Hals. Gerade läuteten die Mit- 
tagsgloden von Göllheim und NRojenthal, als der König dahinjanf. 
| Um jeine Leiche entitand ein bitterer Kampf; die Getreuen 
wollten fich nicht ergeben, bis der Bannerträger mit der Fahne 
ſank. Adolfs Sohn und die meilten der Grafen gerieten in Ge: 
fangen|chaft, 3000 erjtochene Roſſe bededten das Feld. Die legten 
Fechter waren die Pfälzer, die bis 3 Uhr kämpften. 

Gegen Abend ritt Albrecht über das Schlachtfeld und fam mit 
dem Erzbilchof von Mainz an die Stelle, wo Adolf lag. Troßknechte 
hatten die Leiche geplündert und den Harniſch an Herzog Heinrich 
von Kärnten gegeben. Als aber der Erzbilchof die Leiche —* ſprach 
er: „Wahrlich, heute iſt das tapferſte Herz Deutſchlands unterge— 
gangen“! Das hörte Albrecht nicht gerne. Die folgende Nacht 
weilte ſein Heer auf dem Schlachtfelde und verteilte die Beute. 

Als aber Adolfs gefangene Getreue den Sieger baten, den 
Toten in Speyer begraben zu dürfen, erlaubte er es nicht, weil 
Adolf bereits abgeſetzt war. Daher trugen ſie den Helden nach dem 
nahen Kloſter Roſenthal und beſtatteten ihn im Beiſein Albrechts und 
des Erzbiſchofs am 3. Juli 1298. 

Albert ließ ſich bald darauf noch einmal in Frankfurt wählen. 


Die beiden Toten zu Speyer 1309. 
lJ. 


Albrecht regierte nur zehn Jahre. Als er fi) am 1. Mai 1308 
in feinen Beftgungen in der Schweiz aufhielt, erreichte ihn ſein Geſchick. 
Seinem Neffen Sans dem Sohn jeines verjtorbenen Bruders 
Rudolf verweigerte er die Herrihaft Kyburg mit all ihren selten, 
ebenjo deijen Freunden. Eines Tage war die Königin mit ihrem 
Hofitaate in Rheinfelden, der König zu Baden. Bei ihm war 
Johannes mit feinen Betreuen. Als Albrecht zur Königin reiten wollte 
und mit jeinem Gefolge an die Neuß kam, fuhren Johannes und 
jeine Genoſſen Rudolf von Wart, Walter von Eſchenbach unb Ulrich 
von Balm auf dem einzigen Schiff zuerit über. Darauf langte auch 
der König an und jeßte ſich wieder auf ſein Roß. 

Zuerft rief Rudolf von Wart: „Wie lange werden wir dieſes 
Aas noch reiten laſſen?“ Der Diener Rulaſſinger hielt jchnell das 
Pferd am Zügel, Herzog Johann jprang herbei und jtieß dem König 
einen Dolch in die Kehle Rudolf von Wart durchbohrte ihn mit 


= Bu — 


dem Schwerte, Ulrich von Palm jpaltete rajch das Haupt. Die 
Mörder entflohen auf die nahe Froburg, da fie fich aber nicht ficher 
fühlten, zeritreuten ſie ſich. Palm ftarb verjtedt in Bajel, Ejchen: 
bad) lebte unerfannt als Viehhirte im Gebiete des Grafen von 
Wirtenberg, nad) 35 Jahren gab er ſich erft fterbend zu erfennen. 
Rulaſſingen wurde in Enfisheim im Eljaß erhaſcht und geräbdert. 
Sein Herr von Wart wurde an den Herzog Leopold ausgeliefert 
und an die Stelle des Mordes geführt. Anfangs leugnete er; dann 
aber ſprach er: „An dem hat man fein Verbrechen begangen, der 
jeinen Herrn den römijchen König getötet hat durch Hochverrat!“ 

Als aber der neue deutjche König, Heinrich der VII. die Mör— 
der für friedelos erklärte, ließ ihn Herzog Leopold an den Schweif 
eines Pferdes binden, auf den Richtplatz ſchleifen und ihm die 
Glieder brechen. Dann wurde er aufs Rad geflochten. Hier er: 
wartete er unter furchtbaren Qualen den Tod. Seine Gemahlin 
aber fam in der Nacht herbei und verharrte bei ihm im Gebete. 

Herzog Johannes verjcholl in Italien, wo er in Pila als 
Mönch geitorben jein jol. Auch an den Verwandten nahmen Al: 
brechts Witwe und jeine Söhne furchtbare Rache, Herzog Leopold 3. B. 
zeritörte die Burg Altbüren des Ritters Palm und ließ 50 Jeiner 
Burgleute enthaupten. 


II. 


Der neugewählte König Heinrich von Quxemburg hielt 1309 
einen Reichstag zu Speyer. Hier wurden Albrechts Söhne Friedrich 
und Xeopold belehnt. Dann aber baten fie, den Vater im Katjerdome 
beitatten zu dürfen, Pfalzgraf Rudolf wünjchte dasjelbe für jeinen 
Schwiegervater Adolf. Heinrich gewährte gerne beides. Daher ließ 
Rudolf die Leiche Adolfs in NRojenthal ausgraben und über Grün 
ſtadt nad) Speyer bringen. Der König jamt der Geiitlichkeit und 
alle anwejenden Fürſten zogen zum Wormjer Tore hinaus dem toten 
Könige entgegen und führten ihn zum Dome. Der König und die 
Fürſten trugen den Sarg auf ihren Schultern zur Vorhalle des 
Gotteshaujes und jtellten ihn hier nieder. Die Geiftlichen aber fangen: 
„Wie find die Helden gefallen und die Streitbaren umgekommen?“ 

In derjelben Nacht brachten dann Albrechts Söhne Friedrich 
und Leopold den toten Water, der im Kloſter Wettingen geruht 
hatte, zu Schiff den Rhein herab. Am andern Morgen ging aud) 
Heinrich mit den Fürſten und Geiltlichen hinab zum Rheine und 
begleitete die Leiche ebenfalls zur Vorhalle, darauf trug er mit den 
Fürften die Leiche Adolfs zum Königschore, wo fie in die Gruft 
hinabgejenft wurde. Hieraut holten fie Albrechts Leiche in derjelben 
Meile und beitatteten ihn nur eine Hand breit von Adolf entfernt 
zur Ruhe. Vier Königinnen jah der Dom damals, drei in tiefer 

itwentrauer, eine, Heinrihs Gemahlin im Glanze föniglicher 


Pracht. 


—— 


Der Dichter Ottokar von Horneck aber ſang über die groß— 
artige Totenfeier: 
Ein Wunder, 
Dem in Hundert Jahren 
Nie eins ward gleich, 
Daß man ſah mit einemmale 
Römiſcher Könige drei. 
Miteinander jah man die 
u Speyer im Münfter hie. 
en einen jah man geh’n, 
Zwei aufgebahret fteb’n. 


Das Andenken Adolfs von Naſſau wird durch ein prachtvolles 
Grabmal lints von der Treppe zum Königschore wachgehalten. 


Heinrich der VII., der bald nach Rom zog um die Kailerfrone 
zu erlangen, blieb bis zu jeinem frühen Tode 1313 in Italien, wo 
er auch im Dom zu Piſa begraben liegt. 


Eine Königshodhgeit in Speyer 1310. 


König Heinrich der VII. hatte jeinen 14jährigen Sohn Inhann 
mit der 22jährigen Königstochter Elifabet von Böhmen, der Entelin 
Rudolfs von Habsburg verlobt, damit er das Königreich erhalte. 
Schon Ende Auguſt traf die Braut mit ihren böhmilchen Lehens— 
männern in Speyer ein. König Heinrich weilte auf der Johanniter: 
KRomthurei Haimbach zwilchen Weingarten und Luſtadt. Beiihm waren 
die Königin Margareta und der Bräutigam Johann nebit vielen 
vornehmen Herren. Des Königs Bruder Wolfram ritt in fejtlichem 
Gewande mit einer Schar Ritter nad) Speyer um die Braut abzu— 
holen. Auf der Straße über Schwegenheim und Weingarten eilten 
fie nad Haimbach. Die RE zogen ihnen entgegen ?und 
ie und Trompeten erjchallten, als der Wagen mit der Königin 
ich dem Kloſter nahte. 

Im großen Saale empfing fie der König als Tochter, Braut 
und Königin. Fünf Tage lang währten die SFeitlichkeiten in Haim— 
bach; dann aber zogen alle nach Speyer, wo ein großer Hoftag 
angejagt war. Hier waren jchon die Fürſten erjchienen, unter ihnen 
die Erzbilchöfe von Köln und Mainz. Vor dem; Dome war ein 
Königsthron aufgeichlagen, auf den na König Heinrich im Schmud 
der deutſchen Krone ſetzte. Hierauf erjchien 'der jugendliche 
Johann zu Pferd, um ihn ritten böhmijche Ritter mit mehr als 50 
roten ——— mit weißen Löwen. Er ſchwur ſeinem Vater den Eid 
der Treue und erhielt dann das Königreich Böhmen als Lehen. 
Ein Zeitgenoſſe weiß zuberichten, daß die Freudenſchüſſe krachten (18102). 
In einem Palafte wurde dann vor dem Könige und allen Fürften 


23 


— 6 — 


jowie den —— Edelleuten die Trauung durch den Erzbiſchof 
von Köln vollzogen. Ein Feſtmahl folgte. 

Am nächſten Tage um 9 Uhr fand ein feierlicher Kirchgang 
ftatt. Der junge König holte jeine Braut feierlih ab. In langem 
Gewande, aufgelöften Haaren, mit einer Krone auf dem SHaupte, 
zur Rechten die Königin Beatrix, Heinrichs Mutter, zur Linken 
Königin Margareta, erichien fie vor den Gäſten. Nun ordnete fi 
der Zug. Voran jchritten beide Könige im Drnat; ihnen folgten 
die Frauen und zulegt die Gäſte, alle nach ihrem Range geordnet. 
Es ging in den Dom, an deijen Hochaltar der Erzbiſchof das Hoch— 
amt hielt. Nachdem das Evangelium gejungen war, fniete das 
Brautpaar vor dem Altare und empfing den Firchlichen Gegen. 


Auf der Nordfeite des Domes war mit Tijchen und Bänfen 
ein Feſtplatz hergerichtet, der mit Tüchern und Teppichen reich ge- 
ihmüdt war. Auf der Linken nahmen die Frauen, auf der Rechten 
die Könige mit den Fürften teil. Das Brot war bereits aufgeitellt 
und die Rönige wuſchen ihre Hände, da wollte jeder von den beiden 
Erzbilchöfen zur Nechten Heinrichs figen, aljo der Vornehmere 
ein. Es fam zu Streitigkeiten und ſchon wollten die Ritter von 
Köln und Mainz zu den Schwertern greifen. Da ging König 
Heinrich mit beiden Kirchenfürften in den Palaſt zurüd, wo fie allein 
ipeiften. König Johann führte mit der böhmilchen Fahne neben 
fich, den Vorfig, Mufit und Gejang wechjelten ab, Waffenjpiele und 
Turniere folgten. Acht Tage lang dauerte diejer Hoftag. Hier 
beſchloß auch der König Heinrich mit den Fürjten den Römerzug, 
von dem er nicht mehr in die Heimat zurüdfehrte. 


Die Schladht bei Gammelsdorf 1313. 


Nach dem Tode Herzog Dttos des Ill. von Niederbayern 
ftritten fich* zwei Parteien um die Vormundichaft über die jungen 
Herzöge. Die Städte wählten den jugendlichen aber tapfern Herzog 
Ludwig von Dberbayern, die Ndeligen Herzog Friedrich den Schönen 
von Ölterreich, König Albrechts ältelten Sohn. Beide waren Bettern, 
aber feiner wollte dem andern nachgeben. 


Auf beiden Seiten wurde daher eifrig gerüftet. Friedrich und ſein 
Bruder Leopold wollten von Schwaben aus gegen Oberbayern vor: 
dringen, während ein öfterreichijches Heer unter den Herren von Waldjee 
von Oſten heranziehen ſollte. Anfang November rüdten die öfter: 
reichiichen Ritter und Fußfnechte nach Niederbayern und vereinigten 
fich mit den befreundeten Nittern des Landes. Auch ungarijche 
Reiter mit Pfeil und Bogen bewaffnet, folgten ihnen in großer 
Schar, man zählte allein 1200 ritterliche Helme. 


- 897 — 


Ludwig von Bayern gewann für feinen Dienjt nicht nur 
bayerijche und pfälzijche Ritter in großer Zahl, jondern der Graf 
Eberhard von Wirtemberg, der tapfere Berthold von NWeifen, der 
Franke Konrad von Schlüfjelberg traten bei ihm ein. Am Zeitel: 
bach nicht weit von Aichach jammelte er jeine Macht. Sobald dieſe 
beilammen war, rüdte za, nad; Moosburg um die — 
der Feinde zu verhindern. Ein dichter Nebel bedeckte die Ebene, 
ſo daß die ahnungsloſen Oſterreicher die Nähe der Bayern nicht 
bemerkten, trotzdem ſie nur drei Stunden nördlich von Moosburg 
bei Gammelsdorf ſtanden. Von der Moosburger Straße her 
rückten plötzlich die Bayern gegen den ahnungslojen Feind, ralch 
waren die leichten ungarijchen Reiter zur Hand, aber ihre Pfeile 
waren bald verichojjen, jo daß fie fich zur Flucht wandten. Aus 
einem SHinterhalte |prengten die Reiter des Herrn von Schlüfjelberg 
und durchbrachen die Reihen der SÖfterreiher. In weiten Bogen 
umjchloß hierauf Yudwig, der an der Spiße feiner Scharen jtand, 
die öſterreichiſchen und niederbayerijchen Ritter, 350 Ritter, nad) 
anderen Angaben jogar 600, mußten fi) gefangen — Die 
meiſten wurden gegen hohes Löſegeld freigegeben; die Niederbayern 
aber wanderten auf Ludwigs Burgen in ritterliche Haft. Alle feſten 
Türme an der Donau und am Inn waren damals von Ludwigs 
Gefangenen beſetzt. Auch reiche Beute fanden die Sieger in den 
öſterreichiſchen Wagen, in die ſich die Bürger von Moosburg und 
Landshut ſowie die Bauern der Umgegend teilten. 

Ludwigs Ruhm erſcholl in ganz Deutſchland; denn ſeit dem 
Tage von Göllheim war ein ſo glänzender Sieg nicht mehr erfochten 
worden. Pfalzgraf Rudolf, der ſich an dem Streite nicht beteiligt 
hatte, zog ſich verſtimmt nach Heidelberg zurück, wo er von nun 
an faſt beſtändig wohnte. Da aber am 24. Auguſt 1313 Kaiſer Hein- 
rich VII. gejtorben war, lenkten fich die Blicke der meilten Fürften 
auf den fiegreichen Bayernherzog. 

Anmerkung: An der Shladht nahm aud) der Nitter Siegfried 
Schwepermann teil; was aber von ihm berichtet wird, ift Jagenhaft. Der 
Erzbiſchof Weihard von Salzburg vermittelte den Frieden ziichen Ludwig 
und Friedrich, der auf die Vormundſchaft verzichtete. Ludwig aber gab ſeine 
Gefangenen ohne Löſegeld, nur gegen das Verſprechen, frei, nicht mehr gegen 
ihn kämpfen zu wollen. 


23* 


Ludwig der Bayer. 


J. 
Die Gegenkönige Ludwig und Friedrich. 


1. Die Doppelwahl 1313. 


Am 20. September 1313 gelobten die Erzbilchöfe von Mainz und 
Trier zu Koblenz, daß fie und ihr Freund, der Böhmenkönig nur 
den tapfern und Eugen Herzog Ludwig von Bayern zum Könige 
wählen wollten. Ludwig hatte auch bereits einen Boten nad) 
Brandenburg gejandt, dejjen Markgraf ihn zu wählen verſprach. 
Auch der Herzog von Sadhjen- Lauenburg war für Ludwig, aber 
der Herzog von Sachen: Wittenberg machte ihm das Wahlrecht 
ftreitig und ftellte fi) auf die Geite der Gegner. Rudolf von 
MWittelsbach und der Erzbilhof von Köln dachten mit dem Herzog 
von Sadjen: Wittenberg nur an Albrechts Sohn, Friedrich den 
Schönen. Im Dftober jollte in Frankfurt die Wahl ftattfinden. 
Die Frankfurter hatten ihre Tore nach alter Gewohnheit gejchloffen, 
bis die Wahl gejchehen war. In Sachjenhaujen gegenüber Frank: 
furt erjchien mit einem Nitterheere Friedrich, zu ihm jtießen der 

falzgraf Rudolf, der Herzog Heinrich von Kärnten und der 

en Aerase Rudolf. Rudolf von Wittelsbady gab in jeinem 
und des Kölner Erzbilchofs Namen jeine Stimme zuerft ab und 
wählte Friedrich, ihm folgten die andern. Um diejelbe Zeit hatten 
fi) Ludwigs Anhänger auf der alten Wahlftätte Frankenerde vor den 
Mauern Frankfurts gejammelt und wählten auch mit vier Stimmen 
den Bayernherzog. Darauf öffnete die Stadt ihre Tore und Yudwig 
zog als Erwählter ein; denn von Friedrichs Stimmen waren nur 
zwei giltig. 

Nudwig begab id) mit den Fürften nach Aachen, wo er mit 
jeiner Gemahlin Beatrix feierlich gefrönt wurde. An demjelben 
Tage aber ließ fich Friedrich in Bonn von dem Erzbilchof von Köln 
mit den alten Abzeichen der Könige jchmüden. Als Yudwig nad) 
München zurüdfam, empfing ihn der Bruder zwar freundlich; aber 
bald entitanden Streitigkeiten und Rudolf wurde in jeiner Feſte 
MWolfratshaujen bei München belagert. Nach langer Belagerung drang 
Ludwig in die Felte, die Rudolf mit nur jechs Getreuen verlafjen hatte, 


Bil 


um nad) Worms zu fliehen. Er unternahm nichts mehr gegen den 
föniglihen Bruder und ſchloß einen dauernden Frieden mit ihm. 
Schon am 13. Auguft 1319 ftarb er an unbefanntem Drte. Er, der 
einit der erbittertite Gegner der Habsburger war, hatte dieje gegen 
den eigenen Bruder unterftüßt. | 


2. Zudwig der Bayer und die pfälzijhen Städte 1315. 


Bald nach der glänzenden Hochzeit zu Speyer kamen für 
Deutjchland traurige Tage. Aus dem Morgenlande drang die Pelt: 
jeuche ein und haufte namentlich in den volfreichen Städten am 
Rheine; aber auch die Dörfer wurden ergriffen, jo daß ganze Ort: 
Ihaften menjchenleer wurden. Flucht half wenig. In Speyer ftarben 
mehrere taujend Bewohner. Dazu kam eine zweijährige Teuerung 
und es mußte Getreide aus Italien, bejonders aus Sizilien einge: 
führt werden. Aber auch ein achtjähriger Bürgerkrieg verheerte die 
Zande am Rheine, insbejondere die Umgebung von Speyer. Schon 
im Jahre 1313 hatte der Rat von Speyer mit dem Pfalzgrafen 
Rudolf (1294 — 1319) und on Bruder Herzog Ludwig von 
Bayern ein Schuß: und Trugbündnis auf drei Jahre gejchlojjen. 
Nun geihah 1314 die zwielpältige Königswahl. Die Speyerer 
wußten nicht, ob fie fich für Ludwig den Bayern oder Friedrich 
den Schönen entjcheiden jollten; denn auch Pfalzgraf Rudolf hatte 
jeinen eigenen Bruder nicht gewählt. Zulegt traten fie auf Geite 
Zudwigs, der am 16. Januar 1315 in Speyer einzog, jubelnd be- 

rüßt von den GStädtern. Ludwig lohnte ihre Treue, indem er 
ihnen vier Urkunden ausitellen ließ. In der eriten verjprach er ihnen 
des Reiches Schuß, in der zweiten beftätigte er die alten Rechte, in 
der dritten befreite er fie von auswärtigen Gerichten, in der vierten 
gab er ihnen das Necht, Lehen auszuteilen und mit NRittern Urteil 
zu ſprechen. Fürwahr ein reicher Lohn. 

Aber dieſe Geſchehniſſe hatte Friedrich) von Oſtereich kaum 
vernommen, als er, der am DOberrheine in den Habsburgijchen Be: 
figungen weilte, nach Speyer rüdte. Bei Selz jammelte er jein 
Ritterheer, die Stadt Yandau, die auf jeiner Seite ſtand und mit Speyer 
oft im Streit lag, jandte ihm Söldner zu Hilfe Ludwig hörte 
davon und rief die Dienftmannen des Speyerer Bilhofs Emich, 
die Söldner der Stadt und die Ritter der Grafen von Leinigen 
auf. Der reiche Erzbilhof Baldwin von Trier und viele nieder: 
rheinijche Herren wollten ebenfalls Ludwig, den fie als den recht: 
mäßig gewählten König anerfannten, unterftügen, Qudwig aber 
wartete vergeblich auf ihre Scharen, die einen weiten Weg zurüd: 
zulegen hatten. Als die Wächter der Warttürme, die an der Grenze 
des Stadtbannes ya: die Ankunft der Feinde meldeten, zog 
ihnen Ludwig jelbjt mit jeinen Getreuen zum Wormjer Tor hinaus 
entgegen. Cr lagerte vor dem befeftigten Judenkirchhofe. Es fam 


— 350 — 


zu feinem Gefechte; da aber Friedrichs Heer ftärter war, wich 
Ludwig auf den befeftigten Judenfriedhof zurüd, Der Stadt felbft 
fonnten die Feinde nichts anhaben, aber die Umgegend mit den 
Ihönen Dörfern des Bilchofs wurden geplündert und niedergebrannt. 
Dann zog Friedrich nady Süden, Ludwig aber nad) Münden. Auf 
der Rückreiſe überfiel der jchwäbilche Graf Kraft von Hohenlohe 
nachts das Haus, in dem der König jchlief. Nur mit Mühe fonnte 
Ludwig gerettet werden. 


Schlimme Tage famen für Speyer, als am 26. Dezember 1319 
Herzog Leopold von Sthwaben vor Speyer rüdte (60 Ritter und 
89 Städte hatten ihm ihre Scharen gebracht.) Der Ritter Konrad 
von Weinsberg leitete die Verteidigung jo geichiett, daß nach acht 
Monaten, am 6. Auguft 1319, Leopold einen Vertrag mit der Stadt 
ſchloß denn ſchon nahte Ludwig mit Entjagtruppen. 

Zum legten Male zog Herzog Leopold 1322 vor Speyer, als 
jein Bruder Friedrich bereits gefangen auf Trausnig jaß, aber auch 
diejer Angriff wurde abgejchlagen. 

In_den Kämpfen der Gegenkönige hatte die Stadt Speyer 
großen Schaden gelitten. Ludwig verpfändete ihr daher die Stadt 
Landau mit allen Einkünften des Königs, bis er die Summe von 
8500 Pfund Heller bezahlt habe. Die Landauer wollten aber den 
Speyerern feine Abgaben entrichten, weshalb Ludwig mit den 
Söldnern vor Landau rüdte und fie zwang, 5500 Pfund Heller 

ſofort ge bezahlen. (1317). 

ach der Schlacht bei Mühldorf entlohnte Ludwig ſeine Ge— 
treuen für die großen Unfojten, die fie in dem neunjährigen Bürger: 
friege hatten, mit Neichsgut, das er jo lange verpfändete, bis er 
oder jeine Nachfolger an der Krone die Schuld bezahlen konnten. 
König Johann von Böhmen erhielt Kaijerslautern, Burg und Stadt, 
Molfitein, die Feſte und alles Land, das Reichs: und KRönigsland. 
König Ludwig konnte gegen 10000 Pfund Heller diefe Pfandichaft 
aufheben, tat es aber nie. Ta, 1332 gab König Johann dies 
Königsgut an jeinen Oheim Baldwin von Trier, der nun alle Ein- 
fünfte erhob wie früher der König. Im Jahre 1324 wurde auch 
Landau um 5000 Pfund Heller an den treuen Speyrer Bilchof 
Emich gegeben und fat 200 Fahre lang blieb Landau in der 
Gewalt des Bilchofs, bis Kailer Maximilian 1514 die Schuld 
bezahlte und Landau wieder zur Neichsitadt erhob. 


3. Die Schladht bei Mühldorf 1322. 


Schon im Jahre 1320 war der Verteidiger Speyers, Konrad 
von Weinsberg auf Friedrichs Seite getreten mit dem Berjprechen 
60 Ritter zu bringen. Die Stadt Regensburg verband fich auch 
mit Friedrich und in Paſſau jegte der Papit 1320 einen Verwandten 


ur. BE u 


der Habsburger als Bilchof ein. Selbſt der König von Ungarn 
verſprach ftarfe Hilfe und als in Mainz Ludwigs Freund, Grabilchof 
Peter ftarb, wählten die Geiltlichen den Anhänger Friedrichs, den 
Grafen von Buchegg zu ihrem Dberhaupte.e Am Rheine hatte 
Ludwig um jo weniger Betreue, als auch die Witwe jeines Bruders 
Rudolf, Pfalzgräfin Matilde und ihre Söhne Adolf, Ruprecht und 
Rudolf jeine Gegner waren. 

Leopold rüftete im jchwäbilchen Lande zu einer großen Heeres- 
fahrt, während Friedrich mit jeinem jüngeren Bruder Heinrich von 
Diten gegen Bayern vordringen wollte. Es galt: „getrennt marjchieren 
und vereint ſchlagen“. König Karl von Ungarn jandte 4000 - 5000 
Ungarn und heidniſche Kunanen, die am linken Donauufer herauf: 
zogen, während die öfterreichijcehen Ritter das rechte?llfer benußten. 
Die Bilhöfe von Palau, Salzburg und Lavant jchidten ihre Scharen 
und bald hatten alle das Städtchen Mühldorf am Inn erreicht, das 
fie bejegten. Ludwig war unterdejfen nicht untätig. Die Ritter 
des Nordgaues (Oberpfalz) hatten ſich ihm ———— ſchwäbiſche 
Herren kamen in großer Zahl; aber auch die alten Bundesgenoſſen 
erſchienen, die Herzoge Heinrich und Otto von Niederbayern, der 
kühne Böhmenkönig — der Herzog Bernhard von Schleſien, 
von Erzbiſchof Baldwin von Trier kam eine Hilfstruppe. Am 
linfen Ufer des Flüßchens Ifen jammelte Ludwig jeine Scharen, zu 
denen die Städter von München, Landshut, Moosburg u.a. jtießen 
die nad) Zünften geordnet waren. Unterdejjen eilten zwijchen den beiden 
Heeren der Ölterreicher die Boten hin und her um Zeit und Stunde 
des Angriffs befannt zu geben. Sie wollten Ludwig in ihre Mitte 
nehmen und dann auf München zu gehen. 

Zufällig aber ereignete es jich, daß dieje Boten in der Nähe 
des bayerijchen Klofters Fürftenfeld ihrer Pferde beraubt wurden 
und daher ihre Briefe nicht bejtellen fonnten. Leopold wartete 
weitlich von München mit ſeinen?800 Rittern vergeblich auf Friedrichs 
Nachrichten, auch hielt er fich im Gebiete des Grafen Wilhelm von 
Montfort auf, das er verwültete, weil diejer auf Ludwigs Seite 
getreten war. Da Ludwig all das angejagt wurde, jo riet ihm jein 
Freund Johann von Böhmen jofort Friedrich anzugreifen. Am 
27. September ging ein Ritter ins Lager der Öfterreicher und jagte 
für den 28. September die Schlacht an. Wohl waren die erfahrenen 
Krieger: der Marjchall von Philippsdorf, die Brüder Ulrich und 
Heinrich von Waldjee und der Erzbiſchof von Salzburg gegen die 
Annahme der Schladht. Aber Friedrich meinte, es jeien im Kampfe 
um das Weich ſchon viele zu Witwen und Waijen geworden, er 
tönne daher die Entjcheidung nicht mehr länger hinausjchieben. Er 
nahm die Schlaht an und ritt mit dem Philippsdorfer in der Nacht 
durch jein Lager um jeine Leute aufzumuntern. 

Am frühen Morgen rücte Ludwig mit jeiner Macht über das 
Flüßchen, das die öfterreichiichen Bogenſchützen tagsvorher tapfer 


— 852 — 


verteidigt hatten und kam auf die Gickelfehwieſe, (die bunte Wieſe) 
ſpäter Fechtwieſe genannt. Hier ſollte das Gottesgericht die Schlacht 
entſcheiden, wie 1298 am Haſenbühl. In beiden Lagern hörte man 
die Mejje und nahm das hl. Abendmahl. Ludwig — ſeine 
Vettern Heinrich und Otto zu Rittern, ebenſo den Schleſier Arnold 
von Peterswalden und a. m. Dann vertraute er das Reichsbanner 
dem treuen Grafen Konrad von Schlüjjelberg an. Er jelbit Fleidete 
ih, um nicht erfannt zu werden, als zwölfter in einen blauen 
MWaffenrof mit weißen Kreuzlein aber ohne königliche Abzeichen 
und begab ſich abjeits um die Schlacht zu Ienfen. 

Friedrich ftellte in jeine erſte Reihe die Steiermärfer die von 
den Brüdern von Waldjee angeführt wurden. Cr jelbit hielt beim 
zweiten Zuge, wo der Elſäſſer Graf von Geroldsed das Reichsbanner 
trug. Sein Bruder Heinrich leitete die dritte Schar der Öjterreicher; 
die vierte bildeten die Hilfstruppen der Bijchöfe. 

Nun begann der Kampf. Die Böhmen gingen vor; aber fie 
wurden von den Gteiermärfern und Sfterreichern zurüdgeworfen, 
um Mittag waren 500 ihrer Ritter aus dem Sattel gehoben. König 
Johann ſelbſt fam durch den Philippsdorfer zu Fall, joll aber durch 
Hilfe eines SÖfterreichers wieder jein Roß beitiegen haben. Auch 
das Fußvolf der Bayern wankte und jchon meinten die Öjterreicher 
den Sieg errungen zu haben. Da riefen die bayerilchen Keiter 
die weichenden Fußknechte zurüd, ftiegen von den und gingen 
mit ihnen gemeinjam zum Rampfe vor. Der — tand. Da erſchien 
eine friſche Ritterſchar, fünfhundert an der Zahl, die jenſeits der Iſen 
auftauchte. Anfangs glaubten die Oſterreicher Leopold nahe; aber 
estwar der Burggraf Friedrich von Nürnberg, der zur rechten Zeit 
mit” frijchen Kräften einhieb. Nun flohen zuerit die Sreilfchüigen der 
Ungarn und KRumanen, Herzog Heinrich geriet in u 
das Banner der Öfterreicher lag am Boden und die Ritter jelbit 
wandten den Rücken. Nur die Beherzten unter ihnen famen in 
bayeriſche Gefangenichaft. 

Der Ritter Eberhard von Mosbach, ein Dienftmann des Burg: 
grafen Friedrih von Nürnberg ritt auf Friedrich den Schönen 
zu, der gerade von feinem verwundeten Pferde gejtiegen war, 
erfannte Friedrich nicht und wollte ihn gefangen nehmen. Als ihn 
daher Friedrich fragte, weilen Mann er wäre, da gab diejer zur 
Antwort „des Burggrafen”. Friedrich ließ den Burggrafen rufen, 
überreichte ihm jein Schwert und gab fich gefangen. Der Burggraf 
verjicherte ihm jein Leben und führte den Gefangenen vor Ludwig, 
welcher ſprach: „Wetter es freut uns, euch hier zu jehen“. Friedrich 
chwieg ſtille. Es war um die Belperitunde, als die Schlacht ent: 
hieden war. Friedrich kam als Gefangener auf die nahe Burg 
a) und bald darauf nad) der einjamen Feſte Trausnig an 
der Naab, wo ihn der nordgauilche Bistum (Amtmann) Weiglin in 
ritterlicher Haft hielt. Herzog Heinrich von Oſterreich geriet in die 


— —— — 


Gefangenſchaft des Königs von Böhmen und erhielt die Freiheit 
wieder, als er verſchiedene feſte Plätze, die er Johann abgenommen 
hatte, wieder herausgab. 

Leopold aber wartete immer noch vergebens auf Nachricht von 
Friedrich. Als aber die erſten Gerüchte von einer Schlacht zu 
ſeinen Ohren drangen, ſandie er zwei Ritter gegen München um 
Erkundigung einzuziehen. Dieſe aber berichteten, die Herolde hätten 
bereits den Sieg Ludwigs verkündigt und Leopold trat ſengend und 
brennend den Rückzug an. Über das Kloſter Fürſtenfeld, das ſeine 
Boten gefangen hatte, war er jo erzürnt, daß er befahl, es anzu— 
zünden. Der Marjchall weigerte fich jedoch diejen harten Befehl zu 
vollziehen. 

Als bald darauf Leopold nad) Bajel fam, rief er jeine Ritter: 
Ichaft zufammen. Die Herren und Frauen wollten ihn durch Tänze 
und Vergnügungen aufheitern, er aber jah allem ohne Lächeln zu. 


Wenn er aud) den Kampf gegen Rudwig noch jahrelang fort- 
führte, jo war doch die Macht der Habsburger für lange Jahre 
gebrohen. Die Lüßelburger Partei, die — auf den Thron 
erhoben hatte, beherrſchte jet bis zum Jahre 1438 das deutſche Reich. 
Die Schladht bei Mühldorf aber war die legte eigentliche Ritter: 
Schlacht auf deutichem Boden. 


4. Zudwig und Friedrich verjöhnen id. 


Ludwig war wie jeine Vorgänger Rudolf, Adolf und Heinrich 
der VII. bejtrebt, eine Hausmacht zu gründen. Als daher 1324 die 
Markt Brandenburg erledigt wurde, belehnte er feinen ältejten Sohn 
Zudwig damit; 1342 gab er demjelben aud Tirol, a Herrin 
Margareta Maultajch der Sohn heiratete. 1346 gewann Yudwig der 
Bayer als Bemahl der Tochter des Grafen von Holland die reichen 
Grafichaften Holland, Seeland und Friesland. Ja 1340, als der legte 
niederbayerijche Herzog ftarb, vereinigte Ludwig wieder ganz Bayern 
unter jeiner Herrjchaft. — 

Friedrich der Schöne fam in milde Haft auf die Feſte Trausnig 
in der Oberpfalz; aber der Frieden war noch nicht hergeitellt. 
Nicht nur tämpfte Leopold von Schwaben für den gefangenen 
Bruder, jondern auch der Bapit trat als Gegner Ludwigs auf. 
Diejer hielt fih damals in Avignon in Frankreich auf und wollte 
dem franzöfiichen König die deutjche Königskrone und die römijche 
Kaiſerkrone verjchaffen. Die deutjchen Biſchöfe ftanden meift auf 
Seite Ludwigs, da diejer aber die Krone nicht niederlegte, wie der 
Papſt Iverlangte, jo fam er in den Bann. Bald darauf geichah 
ge mit Ludwigs Anhängern und das Land traf das Interdikt. 
Dieje Strafen waren ziemlich wirkungslos, da Qudwig als frommer 
Fürſt befannt war und die Anhänger des Papftes nicht gehört 


_ 34 — 


wurden. Im KRampfe gegen Leopold hatte Ludwig fein Glüd mehr; 
denn als er 1324 vor Burgau bei Augsburg lag, verlor er gegen 
Zeopolds Leute 500 Pferde und als Leopold gar zum Entiage 
heranrüdte, ließ er Zelte und Belagerungsmajchinen im Stiche. 
Ludwig juchte daher mit Friedrich Frieden zu jchließen. Ja, er 
Ihidte jeine vertrauten Räte nad) der Trausnig um Friedrich zu 
bewegen, daß er auf die Krone verzichte und mit feinen Brüdern 
ein Bündnis bejonders gegen den apft eingehe. Friedrich freute 
ich der Nachricht und verſprach gerne, was Ludwig wiünjchte. 
Könne er aber die Zuftimmung der Seinen nicht erlangen, jo tehre 
er wieder nad) Trausnig zurüd. Qudwig begab fit) im nächſten 
Monate ſelbſt zu Friedrich. Beide begrüßten fich freundlich, feierten 
mit einander das hl. Abendmahl, teilten die Hoftien und taufchten 
den Friedenskuß. - Frei kehrte der Herzog heim. Alle feine Unter: 
tanen forderte er auf, fi) Ludwig zu unterwerfen, aud) Leopold 
bat er, dem neuen Bunde beizutreten. Doch der ſetzte jeine Rüft: 
ungen fort, ja, er verjprad dem Papſte jogar für den König von 
Frankreich als deutjchen König eintreten zu wollen. 

Unverrichteter Dinge kehrte Friedri nad) München zurüd. 
Er brachte jeine Tochter Elijabeth als Braut des jungen Herzogs 
Stephan mit. Aber nicht mehr nad) Trausnig fam Friedrich, jondern 
in der Burg zu München follte er fortan wohnen und mit Yudwig 
das Reich teilen. Ludwig gedachte nämlich nad Italien zu ziehen 
und wollte Friedrich das deutjche Land als König überlaften. Bis 
zur Abreije wollten fie gemeinjam regieren und aßen und tranfen 
miteinander; jchliefen in einem Bette, wie in ihrer Jugend, ja, fie 
nannten ſich Brüder und führten Siegel mit ihrer beider Namen. 

Um diejelbe Zeit jchicfte der Papit wieder Boten nad) Rene, 
wo die Kurfülten zuſammen famen und verlangte, fie jollten einen 
neuen König wählen. Das gejchah aber nicht. Mittlerweile war 
auch Herzog Leopold 28. — 1326 geſtorben. Das unruhige 
Kriegsleben hatte dem tapferen Streiter einen frühen Tod gebracht. 


II. 
Zudwigs Romfahrt 1327-289. 


Schon lange warteten die taliener auf die Ankunft eines 
deutichen Königs, denn feit der Zeit Heinrichs des VII. war feiner 
mehr nad Süden gezogen. Mit nur 100 Nittern fam Ludwig, 
wurde aber überall mit Jubel empfangen, in den nächiten Mo: 
naten jedoch wuchs das Heer durch Zuzug aus Deutjchland nament— 
lih aus Bayern, Franken und der Pfalz auf 5000 Ritter an. An 
der Spite ftanden wieder die Getreuen Ludwigs, der Burggraf 
Friedrich von Nürnberg und Konrad von Schlüffelburg. In Mai: 
land empfing der König die eijerne Krone der Zongobarden und am 


— 855 — 


7. Januar 1328 zog er feierlich in Rom ein, am 17. fand die 
feierliche Kaiſerkrönung ftatt. 

Früh am Morgen bewegte fich der Jeſtzug auf weitem Wege 
durch die ganze Stadt nach der Peterskirche. Die Straßen waren 
ſauber gekehrt und mit Heidelbeerſträuchern und Lorbeer beſtreut. 
(Winter!) Aus allen Fenſtern hingen bunte Teppiche und Tücher. 
Voraus ritten 52 römiſche Bannerträger auf herrlich geſchmückten 
Roſſen, dann folgten der König und die Königin, Ludwig in 
weißem Atlasfleid, auf einem Shimmel mit weißen Deden. 
Die Römer jubelten dem ftattlichen Fürſten mit dem freundlichen, 
friſchen Angelichte zu. Um das Königspaar jchritten in Goldbrofat 
vier Krönungsbeamte, jodann folgten die Stadträte und Senatoren 
von Rom und 5000 deutiche und italienische Ritter in feitlich 
glänzendem Gewande. 

Da Ludwig im Banne und der Papit abwejend war, jo frönte 
der Graf Coloma im Namen des römilhen Volkes ihn und 
Margareta. 

Der neue Kaijer ließ jofort drei Gejege ergehen, die den 
fatholiichen Glauben, die Ehrfurcht vor der Geiltlichkeit und den 
Schuß der Witwen und Waijen befahlen. Dann folgte das feier: 
lihe Hochamt und der Krönungszug mit dem darauffolgenden 
Krönungsmahl. 

Ludwig hatte mit wenig Geld die Alpen überſchritten, die 
Italiener aber hatten ihn bis jetzt unterſtützt. Als er auch von den 
Römern eine Steuer von 30000 Goldgulden verlangte, die von allen 
gleichmäßig getragen werden jollte, wurde das römilche Volk erbittert. 
Am 4. Auguft mußte der Kailer die Stadt verlajjen und dasjelbe 
Volt, das ihn krönen ließ, bejchimpfte ihn und bewarf ihn mit Steinen, 
jelbft die Leichen der Deutjchen wurden aus den Gräbern gerijjen 
und in den Tiber geworfen. Ludwig zog nad) Pija, während die 
Anhänger des Papites in Rom einrüdten. 


Der Hausvertrag zu Pavia 1329. 


Bisher war Ludwig der Bayer der alleinige Herr in Bayern 
und Pfalz, 1329 teilte er aber mit den Söhnen jeines verjtorbenen 
Bruders Rudolf das väterlihe Erbe. Ruprecht der Ältere, Rudolf 
und Adolf, die Enkel Rudolfs, erhielten die pfälzijchen Bejigungen und 
die jogenannte Dber- Pfalz mit Amberg, Sulzbach, Nabburg, Viechtach, 
Neunburg vorm Wald. Ludwig behielt Oberbayern und die ſüdlichen 
Teile der Oberpfalz. Weiter war bejtimmt: wenn eine Linie ausiterbe, 
jolle alles Land an die andere fallen. Den nächſten römijchen König 
ſolle Pfalz, den übernächſten Bayern wählen und jo weiter jtets 
wechjelnd. Dieje Beitimmung wurde 1356 durch die goldne Bulle 
Kaiſer Karls des IV. aufgehoben und die Pfalz befam das alleinige 
Wahlrecht. 


— 856 — 


Zur rheiniſchen Pfalz aber gehörten damals: Kaub, Burg und 
Stadt, der Pfalzgrafenſtein, die Burgen Stahlberg, Stahled, Brauns— 
horn, Bacharach, Diebach, Stegen, Mannenbach, Heimbach, Trechters= 
hauſen, Rheinböllen der Markt, die Burgen Fürſtenberg, Reichenſtein, 
die ſchon Hermann von Stahleck — die Güter des Pfalz: 
grafen Konrad: Stromberg, Burg und Stadt Alzei, Burg und 
Stadt Weinheim, Wachenheim, Winzingen, Wolfsberg, Elbitein 
(Elmftein), Erbach, Zindenfels, Rheinhaujfen bei Mannheim, Heidel- 
berg, Wiesloch, Burg und Stadt, die Burgen Herjenberg, Oberfeim, 
Landeſſer und Turon, dann auch die Städte Neuftadt, Hilsbach und 
Dggersheim. 


II. 


Ludwig der Bayer und der Papit. 


Kaijer Ludwig kam glüdlid aus Italien nad) Bayern und 
jet, wo er mit dem Papſt im Streite lag, war er am freigebigften 
gegen Beiltliche, Kirchen und Klöfter. Trotzdem er im Banne war, 
gründete er mit jeiner Gemahlin am Fuße des Ettaler Mandls in 
einem engen Waldtale, wo er zuerjt wieder den Fuß auf jeinen 
bayeriihen Boden jegte, das Klofter „Unjer Frauen:Ettal“, 
wie er gelobt hatte, wenn er glüdlich in die Heimat gelange. Aus 
dem funjtreichen Italien brachte er ein anmutiges Bild der Mutter 
Maria mit dem Jeſuskinde mit, das heute noch den Hochaltar der 
Klojterkirche ſchmückt. 

Ludwig gab dem Klofter reichen Landbefig und ſetzte zwanzig 
Benediktinermöndhe und dreizehn alte Ritter mit ihren Frauen in 
die ſchönen Klofterräume. Die Ritter trugen blaue und graue 
Kleider, die Frauen nur blaue. Alle aber lebten nach den genauen 
Vorſchriften des Kaijers. 

Schon im Jahre 1330 hatte Ludwig dem Papſte den Frieden 
angeboten, aber diejer, der auf den Rat des franzöſiſchen Königs 
hörte, jegte Ludwig aufs neue ab. Jedoch die deutjchen Fürſten 
erfannten ihn als ihren Herrn an und die Dominilanermöndhe, die 
allenthalben gegen den Kaijer predigten und das Interdift verkün— 
digten, wurden vom Volke in den Städten und vom Adel auf den 
Burgen nicht immer freundlich behandelt. So wie die Reichsitädte 
ſich nit an die Kirchenftrafen ftörten, jo blieb der Speyerer 
Biſchof Emich dem Kaijer ein treuer Anhänger und ftarb ſelbſt im 
Banne (1328). 

Als im Jahre 1834 am 4. Dezember Bapft Johann der XXII. 
itarb, hoffte Ludwig auf Ausjöhnung mit dem neuen Papfte, aber 
auch Benedikt der XII. war vollitändig vom franzöfiichen König und 
den franzöfiichen Kardinälen abhängig und ſelbſt Ludwigs Schuld: 
und Reuebefenntnis wurde nicht angenommen. ine Gelandtichaft, 
die 1337 nach Avignon ging, hatte ebenjo wenig Erfolg. 


— 857 — 


Auf Veranlaſſung des Erzbiſchofs von Mainz verſammelten 
ſich hierauf ſämtliche ſüddeutſche Biſchöfe der Mainzer Kirchenprovinz 
in Speyer, wo der Kaiſer weilte. Hier gab der Kaiſer eine Urkunde, 
nach welcher er ſich bereit erklärte, den päpſtlichen Forderungen 
u unterwerfen, ſoweit es billig und nicht ehrverletzend ſei. er 

iſchof von Chur und Graf Gerlach von Naſſau reiſten als Geſandte 
nach Avignon. Die deutſchen Städte ſchrieben gleichfalls an den 
Papſt und drohten von Rom abzufallen. Was tat der franzöſiſche 
Papſt? — Er entließ die Gejandten ungnädig. 


Test jtellten fich die deutjchen Kurfüriten auf Geite ihres 
Kaiſers und erklärten, zuerit in Rahnitein, dann in Renje auf dem 
Königftuhle, einftimmig mit Ausnahme des unruhigen Böhmen: 
fönigs, der nicht erjchienen war, daß nur der deutſcher König ſei, 
der von den deutjchen Kurfürjten gewählt wurde. 


Auf dem folgenden Reichstage zu Frankfurt waren Railer 
und Fürlten ein Herz und eine Geele.. Bor den verjammelten 
Reichsfürlten betete Ludwig laut das Gebet des Herrn, das Ave 
Maria und das apoftolilehe Blaubensbefenntnis und bewies hiermit, 
daß er fein Keger war jondern ein frommer Chriſt. Die Ver: 
jammlung beſchloß auch: „Nicht nur die königliche jondern auch die 
faiferlihde Macht iſt vom Papſte unabhängig, weil jie von Gott 
ſtammt!“ Der Gottesdienit wurde an allen Orten wieder wie 
lonft geübt und wo fi Anhänger des Bapites widerjegen wollten, 
Ichritten die Faijerlichen Beamten ein. 

Noch im Fahre 1344 erklärten die Städte auf dem Neichstage 
zu Frankfurt durch einen Mainzer: „Herr, die Städte haben bemerft, 
daß der Papſt mit jeinen Artikeln auf Schädigung des Reiches 
abzielt. Mit diefem aber ftehen und fallen die Städte. Beharrt 
alio der Papſt auf jeinen Anjprüchen, jo find wir nach unjeren. 
ſchwachen Kräften bereit, auf jedem Wege, den die Fürften zur 
Aufrechterhaltung der Rechte, Ehren und Unverjehrtheit des Reiches, 
ihnen gehorſam uns anzujchließen“. 

Noch einmal im Jahre 1346 wurde Ludwig vom Papſte 
verfluht und um eine Neuwahl vornehmen zu fönnen, hatte 
diejer den Erzbiihof von Mainz abjegen laſſen. Nur Pfalzgraf 
Ruprecht von Heidelberg war nicht nad) Renje gefommen um jeinen 
Dheim zu ftürzen. ber jechs Fürften wählten den Sohn des 
Böhmenfönigs, den klugen Karl. Ein Bürgerkrieg drohte wieder, 
denn Ludwig wollte ſich nicht die rechtmäßig erworbene Krone 
nehmen lajjen. Im September 1346 famen die Wertreter des 
rheinijchen Städtebundes in Speyer zulammen und gelobten Ludwig 
Treue. Der Leininger Graf Emich Itellte ſich auch auf Seite des 
Gegentönigs, daher z0g der Städtebund gegen ihn. Nirgend konnte 
Karl von Böhmen coften Fuß fallen und Ludwig war guter Dinge, 
da traf ihn unerwartet der Tod. 


IV. 


Ludwigs Tod, 1347. 


Am 10. Oktober hatte der Kaijer in feiner Burg J München 
die Herzogin von Oſterreich, die aus dem Elſaß nach Wien reiſte, 
zu Beſuch. Fröhlich hatte er mit dem hohen Gaſte getafelt. Am 
andern Morgen jedoch fühlte er fich höchſt unwohl und gedachte 
fi in der friſchen Herbftluft Bejjerung zu verjchaffen. Er ritt mit 
zwei vertrauten Ritter bis in die Nähe des Klofters Fürftenfeld, 
wo ihm jchon vorher gemeldet worden war, daß ſich ein Bär hier 
aufhalte. Den wollten die Jäger erlegen. Den Hund an der Leine 
ritt der Kaijer in der Nähe des Dortes Puch über einen grünen 
Unger, wo er die Spur des Bären fand. Da entjant er plöglich 
dem Sattel. Ein Schlag hatte ihn getroffen. Seine letzten Worte 
aber waren: „Süße Königin, unjer Frau, bis (jei) bei meiner 
Scheidung!” 

Raſch Iprangen die Nitter vom Pferde; doch als fie den 
Kaijer aufrichteten, war er bereits entjeelt. Kaiſeranger heißt jeitdem 
die Stätte. 

Noh am jelben Tage bradten die Ritter die Leiche nad) 
München, wo fie in der alten Frauenkirche neben der eriten Ge— 
mahlin Beatrix beftattet wurde. 

Erſt jegt wurde König Karl der IV. allgemein in Deutjchland 
anerfannt. 


An der großen Wajjeritraße. 


Der Rhein war jeit alter Zeit ein wichtiger Berfehrsweg. 
Kaiſer und Könige befuhren ihn auf ihren Reiſen durch das Reich. 
der Strom der Kreuzfahrer ging den Niederrhein herauf hinüber 
zur Donau. Schon die älteiten Klöfter der Rheinlande und die 
ahlreihen Königshöfe an den Ufern hatten Marktſchiffe, die 
nat und abfuhren um ihre Erzeugnijje gegen andere einzu- 
taufhen. Vom Niederrhein kamen frühe die Frieſen und Kölner 
und braten ihr Wollzeug (Fries) ihre Filche ins Oberland; diejes 
aber verjandte nad) dem Niederlande jeinen föftlichen Wein. Von 
Straßburg, Germersheim, Speyer, Burg Eichelsheim bei Mannheim, 
von Worms, Oppenheim, Mainz und Bingen fuhren die breiten 
Kähne von jtämmigen Ruderfnechten geführt, hinab ins weinarme 
Land. Kein Wunder, daß die Gelegenheit günjtig war, den Kauf: 
leuten von ihren Waren einen Teil als Zoll abzunehmen. init 
war nur der König berechtigt, Zoll erheben zu laſſen, wie 3.8. in 
Boppard ſchon ſeit der Zeit der Karolinger. Aber jchon im 13. 
Jahrhundert gab es am Rheine 44 Zollftätten, zu denen |päter noch 


— 559 — 


18 andere famen und viele derjelben blieben bis zum Untergange 
des — Reiches, freilich nicht zum Nutzen des Handels. 
Sang doch das Volk: 
— ich den Zoll am Rhein, 
er möchte mir gleich ſein!“ 

Die Zollherren for— 
derten von den Kaufleuten 

ewöhnlichheinen Teil der 
SBare, gewöhnlich 6'/,/,. 
Denn vom Fuder Wein 
(1000 Liter), das im 14. 
Sahrhundert etwa 192 
Turnoje galt, erhob man 
12! Turnofe, d. h. der ab: 
zuliefernde Wein hatte jo 
viel Wert. 

Eine jehr wichtige Zoll- 
jtätte der Bfalzgrafen war 
außer Bacharach Mann- 
heim mit der Zollburg 
Gichelsheim. Hier jaßen 
hohe angejehene Beamten: 
der BZollichreiber, jeine 
Beſeher und die Zollfnechte. 
Der Zollichreiber wohnte 
auf der Burg. Kam ein 
Schiff, jo meldete es der 
Türmer von der Warte 
mit jeinem Horn. Das 
Schiff fuhr an und wurde 
vom Beſeher unterjucht, 
der Zoll erhoben und das 
Schiff wieder + entlajjen. 
Dft gab es auch Gejchente, 
damit der Zöllner ein Auge 
zudrüde: ein Glas Wein, 
eine Gans oder ein Huhn 
durfte er ſich anbieten 
laſſen. Alle Zölle vom 
Rheine oder vom Neckar 
wurden in Regijtern ver: 
zeichnet, die genau geprüft 
wurden. Die Lilten famen 
in * —— 

anche Städte, Stifte rſtörtes Grabdenkmal in der Stiftskirche 
und Klöſter genoſſen Zoll— a Neuftadt a. d. 9. — 





— 860 — 


freiheit für ihre Waren, jo vor allem Speyer. Wir verſtehen] es 
aljo, daß die rhinkoutliute, die Rheinfaufleute bald die mächtigſte 
Zunft der alten Kaijerjtadt waren. 


Karl IV. und die Raubburgen bei Speyer 1349. 


3Zwiſchen Neuhofen, Waldjee und Altrip hatte das Kloſter 
Himmenrode in der Eifel großen Güterbeſitz. Diejen veräußerte es 
in der eriten Hälfte des 14. Jahrhunderts an den Pfalzgrafen. 
Hier erbaute ſich der Pfalzgraf Ruprecht I, der die Univerſität 
Heidelberg aründete, eine feite Tiefburg, Neuhofen; nicht weit davon 
im Walde erhob ſich das ſtarke Haus Nffalterloh. Die Leute des 
Pfalzgrafen überfielen von hier aus die Speyerer Frachtwagen, die 
hinab nad) Worms gingen, namentlid) aus dem nahe bei Speyer 
gelegenen Walde: Rehholz. 

Als der Kaiſer Karl 1349 in Spyer weilte, bejchwerten fich 
die Bürger über dieje Bedrüdung und unverzüglich bot er die be— 
waffnete Macht der Stadt auf und zeritörte beide Neſter. Darauf 
verſprach der Kaiſer den Städtern, daß innerhalb drei Meilen ; um 
die Stadt feine Burg mehr errichtet werden dürfe. Der Pfalzgraf 
mußte fich zufrieden geben und verzichtete auf den Schaden, den er 
dur) Berluft der Bürger erlitt. Dafür aber durfte er jeitdem 
einen höheren Zoll erheben. Die Hofgüter zu Neuhofen und den 
Pla der beiden Burgen aber jchentte Ruprecht den Chorherren 
jeines neuen St. Ägidienitiftes zu Neuftadt a. d. 9., vielleicht als 
Sühne für begangenen Landfriedensbrud). | 


Bon den Zünften. 


Eine der erſten deutjchen Zünfte war die MWeberzunft in Mainz, die 
ſchon im Jahre 1099 die Stadt verwalten half, da fie das Heimburgen- und 
das Schentenamt ausübten. Als Heimburgen hatten fie die Aufficht über 
Maß und Gewicht in der Stadt und als Schenten die Auflicht über den 
öffentlichen Weinſchank. Bald danach wird auch die Wormſer MWeberzunft, 
1114 genannt, weldye den Zoll auf groben jchwarzen MWolltüchern, die von 
den Be eingeführt wurden, zu verzollen und den Betrag an die Stadt: 
faffe abzuliefern hatte. Schon 1106 gab es in Worms eine Fijcherzunft, 
der der Bilchof erlaubte ſich zujammenzujchließen. 23 Fiſcher verbanden ſich 
damals zu einer Zunft und erhielten das alleinige Recht, von Saulheim bis 
Altrip mit Fiichen zu handeln. Wurde ein anderer bei der Filcherei ertappt, 
jo durften die Wormſer Filcher nicht nur die gefangenen Fiiche an fich ziehen 
jondern auch den Übeltäter mit drei Talenten beftrafen. Dieſe jogenannten 
— deren Knechte nur im Rheine fiſchten, trieben eigentlich nur Fiſch— 

andel und gaben dafür dem Biſchof zwei ſchöne Salme, dem Grafen der 
Stadt, der hier im Namen des Königs ſaß, ſpendeten fie einen dieſer wohl— 
ichmedenden Fiſche, handelten aber auch mit Heringen, Stodfilchen, Yabertan, 
Büdingen, und Schellfilchen, die von den riefen und Holländern den Rhein 


8 on 


a rt wurden. Bejonders reich waren in den Rheinftädten die Rhein— 
aufleute, die auf dem guuafle regen Handel trieben, namentlich blühte der 
Meinhandel nach dem Niederrhein und nach den Niederlanden, denn nicht 
nur gab es zu Art jelbft jchöne Weinberge (Narrenberg), jondern der 
Biſchof und die Beiftlichteit des Domes bejaßen an der Haardt und auf den 
Yügenn der Ebene die jchönften Rebenhänge, ebenjo die Klöfter und die 

ublbrüder des Domes ſowie die reihen Bürger. Geit dem (Ende des 13. 
Jahrhunderts gab es 13 Zünfte, |päter Jogar 16, nämlich acht ganze und acht 
jogenannte halbe Zünfte, über die uns eine Urfunde vom Jahre 1514 berichtet. 
—— —— Krämer, Weber, Tucher, Schneider, Metzger, Schmiede und 

ärtner zählten zu erſteren, zu letzteren aber: Haſenpfühler, 
Zimmerleute, Rürkhner. Bäder, Filher, Schufter und Gerber. 


1. Die Hausgenojjen oder Münzer durften feinen Handel treiben 
jondern nur taujchen. 2. Zur Krämerzunft gehörten die Krämer, Apo— 
thefer, Glajer, Sädler, Weißgerber, Neftler, Nadler, Dialer, Gürtler, Spengler, 
Sattler, KRartenmaler (Spielkarten!) Bürftenbinder, und Weinfchröter. 3. Zur 
MWeberzunft: Wollenweber, Leinen: und Särgenweber (Meber gemijchter 
Stoffe), Blau: und Schwarzfärber. 4. Zur Tucherzunft: Tucher, Hutmadher, 
Mitter, d. i. Kornmefler, Scherer und Gadträger. 5. Zur Schneiderzunft: 
Schneider, Tuchicherer und Geidenftider. In die Schmiedezunft tat man 
Goldſchmiede, Hufichmiede, Schloffer, Sporer, Plattner, Kannengießer, Meſſer— 
ichmiede, Keßler und Bader. Die Bader übten nicht nur ihr eigenes Hand: 
werf aus, jondern fie fegten auch die öffentlichen Brunnen der Stadt, flochten 
Strohhüte, fauften und verkauften ſolche und machten einfache Bauernfenfter 
mit ®ierteilen aus grobem Waldglas, wie es in den Blashütten der Haardt 
und der Vogeſen gejchmolzen wurde, durften auch zerbrochene Scheiben oder 
Rauten eintehen. 7. Metzler. 8. Gärtner. 9. Salzgäſſer, zu denen man 
Höcker, Seiler und Ölmüller wie Ölhändler (Dleier, Ohler, Obhliger) zählte. 
10. Die Hajenpfühlerzunft beftand aus Schiffleuten, Schiffmachern und Kärchern 
(die mit Karren umberzogen). 11. Die Kürjchner. 12. Die Zimmerleute: in 
ihre Zunft rechnete man Zimmerleute, Schreiner, Wagner, Dreber, vihee 
Bender, Steinmetzen, Maurer und Decker. 13. Die Bäcker. 14. Die Fiſcher. 
15. Die Schuſter. 16. Lauer, d. i. Rotgerber. 

Jede dieſer Zünfte hatte * eigenes Haus, ihre Herberge, wo die 
Glieder zuſammenkamen, am liebſten an Vormittagen, weshalb die Ver— 
ſammlungen auch Morgenſprachen genannt wurden. as hier geredet wurde, 
ſchrieb der Zunftmeiſter auf —— das als Zunftrolle in der Zunftlade 
ſorgfältig aufbewahrt wurde, ährend der Berjammlung war die an 
geöffnet und jeder fonnte in ihr die Urkunde, die Kaffe, die Rleinode jehen. 
Wurde ein Lehrling aufgenommen oder losgejprochen, d. h. zum Gejellen 

emacht, oder wurden neue Mitglieder aufgenommen, jo fand jedesmal eine 
IT Handlung jtatt. 

n der Spibe der Zunft ftand der Zunftmeifter, auch Altmeifter oder 
Kerzenmeilter genannt, er berief die Berfammlungen ein und verwaltete die 
Angelegenheiten der Zunft, 3. B. die firchlichen vg er ale die Inter: 
ftügung der armen und franfen Genojjen und der Witwen und Waiſen der 
Zunft. Die Zunft ſelbſt zerfiel in Meiſter, Knechte oder Gejellen und Lehr: 
linge. An der Spiße der Bejellen ftand der Altgejelle, der bet den abendlichen 
Berfammlungen den Borjig führte. Hierhin famen aud) die wandernden Ge— 
iellen, die Arbeit juchten. Es wurde bei allen anwejenden Gejellen Umfrage 
gehalten um zu erfunden, welcher Meiſter feine Gefellen oder nicht die ge- 
nügende Anzahl habe. Wer am längjten die wenigiten Gehilfen hatte, 
fonnte den neu angefommenen Gejellen zuerft beanjpruchen. Auch bare 
fein Dteifter, die von einem andern begonnene Arbeit vollenden, feiner durfte 
dem andern jeine Kunden abwendig machen, einer half aljo dem andern. 
Eine Bruderihaft waren daher alle, die dasjelbe Handwerk ausübten, te 
fanden fich zu gemeinjamen Gottesdienjten zujammen, ftifteten gemeinjam 


24 


— 3562 — 


zum Heil ihrer Ceelen Altäre und Meſſen, befonders aber Wachsterzen, Die 
der Zunftmeilter bejorgen mußte, weshalb er auch Kerzenmeifter hieß. Elend: 
ferzen nannte man dieje und Daher die Bruderichaft „Elendkerzen-Bruderſchaft“. 
Gelbft für die Kranken und Gebredlichen ftellte die Zunft Betten im jtädt- 
iſchen Krantenhauje auf. 

Durch) die Zünfte war die ganze Bürgerichaft der Städte in Heinere 
Gruppen geteilt, in die daher auch die ganze Bürgerwehr zerfiel. Ihnen 
waren die einzelnen Tore und Türen der Stadt mit den Mauern zur 
geteilt, daher gab es in Kaiſerslautern noch lange einen Schufter:, Meßger:, 
Weber: und Schmiedeturm. jeder Bürger aber trug jeine Waffen jelbjt und 
wenn das Lärmzeichen durch die Straßen der Stadt ertönte, eilten alle 
Zunftgenofjen wohlbewaffnet zum Zunfthaujfe, von wo fie auf ihren Platz 
geführt wurden um die Stadt zu verteidigen. In Friedenszeiten mußten ſich 
die Zünftler daher auf den Krieg vorbereiten, indem he ih auf den 
Schütenfeften der Städte im Bogenjchießen, ipäter im Handhaben der 
Feuerwaffe übten. 

Aber noch lange Zeit behielten die Vornehmen (Patrizier) die ftädtijche 
Gewalt in ihren —— von allen deutſchen Städten zuerſt erlangten die 
Speyerer Zünfte Sitz und Stimme im Regimente der Stadt, das im Jahr 
1294 mit Zuftimmung König Adolfs vom Bilchof unabhängig blieb. Schon 
im Rampfe gegen die Gewalt des Bilchofs hatten die Zünfte feit zuſam— 
mengehalten, aber im Jahre 1304 verlangten fie von den regierenden 
Patriziern, daß auch aus ihnen Ratsmitglieder gewählt werden jollten, 
damit jie wüßten, wie mit der Stadt But umgegangen würde und neben 
den 11 Ratsherren nahmen von nun an 13 Zunftgenofjen Anteil an der 
Verwaltung; aber bereits 1316 waren die Zünftler aus dem Rate ver: 
ichwunden, troßdem in den Urkunden ſtand, daß fie ftets bleiben jollten. 
Daher begannen abermals Unruhen, als die geeinigten Zünfte eine neue 
Ratsordnung verlangten, nad) der neben 15 PBatriziern 16 Wertreter der 
Zünfte im Rat figen jollten. Die Patrizier wichen der Gewalt, jannen aber 
auf einen Gewaltitreich, indem fie in der Nacht zum Geverinstag auf den 
Severustag 22.—23. Oktober 1330 durd) einen bewaffneten Haufen von 1500 
Mann unter Anführuug von NRittern und entwichenen Speyerer Adeligen 
fi) der Stadt bemächtigen wollten. Der Anjchlag ward verraten und als 
die 1500 anrücdten, fanden fie die Tore, Türme und Mauern wohl bejebt 
und zogen unverrichteter Dinge ab. Dafür büßten die in Speyer gebliebenen 

ausgenojlen und Ruhe und Frieden zog erft wieder in die Stadt ein, als 
ic, die Vertreter der Städte Straßburg, Mainz, Oppenheim, Worms und 
Frankfurt bemühten den Frieden herzuitellen und feitieten, daß fernerhin 
14 Hausgenojjen und 14 Zunftgenojjen nebeneinander das Wohl der Stadt 
beraten jollten. Als man aber 1349 entdedte, daß die Hausgenojien jchlechte 
Münzen berjtellten und daher eine große Erregung in der Stadt entitand, 
mußten dieſe auf alle Rechte verzichten und den 13 vorhandenen Zünften 
als 14. beitreten. Das patriziiche Regiment war nun durch das Zunftregi- 
ment abgelöjt, indem jede Zunft zwei Vertreter wählte, die am 6. Januar 
jeden Jahres ihr neues Amt antraten und aus ihrer Mitte die beiden 
regierenden Bürgermeijter erforen. 


Karl IV. 1347—78. Wenzel 1378-1400 und 
Rupredt 1400—1410. 


Nach) dem Tode Ludwig des Bayern brady über Deutjchland 
eine traurige Zeit herein. Nicht nur tobten überall tleine und große 
Kämpfe der Fürſten unter einander, jondern auch die furchtbare 


IB — 


Veit, der jhwarze Tod haufte in Stadt und Land, die Judenver— 
folgungen brachen wieder aus, weil man diejem Wolfe jchuld gab, 
daß es durch Brunnenvergiftung die böje Seuche erzeugt habe. Die 
Schwärme der Geißler durgzogen das ganze Land, namentlich aud) 
unjere Heimat. 


Bom Anfange der Belt und des Geißelns in Deujdhland. 


Als die Veit fi) allmählich in Deutichland verbreitete, fingen 
die Menjchen an ſich zu geißeln und das Land zu durchziehen. Im 
Jahre 1349 kamen Mitte Juni fiebenhundert Geißler aus Schwaben nad) 
Speyer, fie hatten einen Anführer und nocd zwei Meilter, deren 
Befehlen alle Folge leilteten, hatten Prieſter und Schriftgelehrte, 
Edle und Unedle, Frauen und Kinder mit ich, trugen wertvolle 
Fahnen von Geidenzeug, purpurfarbig und bemalt. jeder hatte 
einen Strid und eine Kerze. Als fie um die Zeit der Prim den 
Rhein überjehritten hatten, bildeten fie unter Zulauf des Volkes 
in der Stadt vor dem Miünfter einen weiten Kreis, in dejjen Mitte 
fie fich entfleideten, Kleider und Schuhe ablegten und die Hemden 
hojenartig vom Schenkel bis Rnöchel um fich jchlagend herumgingen. 
Einer nad) dem andern warf ſich in dieſem Kreije wie ein Ge— 
freuzigter zu Boden und jeder von ihnen berührte im Vorübergehen 
den Hingeitredten mit der Geißel. Die Letzten, welche ſich zuerit 
niedergeworfen, ſtanden wieder auf, ſchlugen ſich mit Geikeln, welche 
Knoten mit vier eijernen Stacheln hatten und zogen, in deutjcher 
Sprache dem Herrn fingend, unter vielen Anrufungen vorüber. In 
der Mitte des Kreiles jtanden drei Vorlänger, die laut jangen und 
fich geißelten, diejen jangen die andern nah. Als fie es jo lange 
getrieben hatten, beugten alle auf ein gegebenes Zeichen ihre Knie 
und fielen in Kreuzesgeitalt jchluchzend und betend auf das Antlig. 
Darauf gingen die Meilter im Kreije umher und mahnten fie, den 
Herrn anzuflehen, damit er das Sterben beende, fie baten für ihre 
Mohltäter wie für ihre Freunde. Darauf erhoben fie ſich und Jangen 
fnieend und mit erhobenen Händen, endlich jtanden fie wieder auf 
und geißelten fi) lange wie vorher. Unterdeſſen Hatte die eine 
Hälfte der Geißler die Kleider bewacht, nunmehr jchritt fie zur 
Beißelung, während die andern auf ihre Kleider acht hatten. Zuletzt 
itand einer mit kräftiger Stimme auf und las einen Brief vor, den 
ein Engel überbradt haben ſollte. Darinnen ftand zu lejen, Jeſus 
Chriſtus jei durch die Sünden der Welt ſchwer beleidigt, namentlich 
durch Entheiligung des Sonntages, durch Nichtfalten am Freitage, 
durch Gottesläfterung, Wucher, Ehebruch. jeder Menſch mülje 
daher 34 Tage lang pilgern und fi) geißeln um Barmherzigkeit 
zu erlangen. 

Hunderte von Speyer traten in dieje jonderbare Bruderichaft, 
die von der Kirche verboten war, ja jogar 200 etwa zwölfjährige 
Knaben taten ein Gelübde und geißelten fich ebenfalls. Bon den 


24* 


— BR 


Dörfern und benachbarten Städten aber ftrömten andere bei, doch 
wurde nur der in die Bruderjchaft aufgenommen, der mindeltens 
täglich vier Denare zu verzehren, in Zerknirſchung gebeichtet und 
die Einwilligung jeiner Frau erhalten hatte. 

Karl der IV, gab mit Zuftimmung der Fürften ein wichtiges 
Reichsgeſetz heraus, die goldne Bulle, x genannt nad) dem kaiſer— 
lichen Siegel (bulla) aus Goldbledh. iejes Gejeg bejtimmt: Kur: 
fürjten find die Erzbilchöfe von Mainz, Köln und Trier, der König 
von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachſen— 
Mittenberg und der Markgraf von Brandenburg. Bei der Königs: 
wahl jammelt der Erzbilhof von Mainz die Stimmen, gibt aber 
jeine Stimme zulegt ab. Zuerſt wählt der Erzbilhof von Trier. 
Erjter Kurfürſt wurde der König von Böhmen (bisher der Pfalz: 
graf bei Rhein) die Mehrheit entjcheidet. Der Erzbilchof von Köln 
hat den König zu frönen. Wenn ein König ftirbt, ilt im Süden 
der Pfalzgraf bei Rhein, im Norden der Herzog von Sachſen Reichs» 
verweier. Wahljtadt it Frankfurt a. M., Krönungsitadt Aachen; 
in Nürnberg joll der erjte Hoftag jtattfinden. Die Kurfürften wur: 
den Jelbitändige Beherrjcher ihres Gebietes, fie fonnten ungehindert 
Münzen jchlagen, Zölle erheben, Bergwerfe anlegen. Die Städte 
jedoch jollten feine Bündnijje mehr jchließen und feine fremden 
Untertanen als Pfahlbürger aufnehmen. Wer Fehde führen will, 
muß fie drei Tage zuvor anjagen. Die Kurwürde, die nad dem 
Hausvertrage von Pavia zwilchen den bayerilchen und pfälziichen 
Wittelsbachern wechjeln jollte, kam ausichließlich an die Pfalz. 

Hier herrichte, zu Karl des IV. Zeit, Pfalzgraf Ruprecht, der 
im Jahre 1386 die Univerfität Heidelberg gründete. Auf Karl 
folgte jein Sohn Wenzel. Unter ihm brach der große Städtefrieg 
aus. Wenzel war nicht imjtande der Unordnung im Weiche zu 
wehren, weshalb ihn die Kurfürjten im Jahr 1400 abjegten; aber 
auch jein Nachfolger Ruprecht von der Pfalz 1400—1410 konnte den 
Neichsfrieden nicht herjtellen und die Kirchenjpaltung bejeitigen. Da 
nämlich 1378 wieder ein Papſt in Rom refidierte, wählten die 
franzöfilchen Kirchenfürjten einen Papſt zu Avignon und als die 
Kirchenverfammlung zu Pija 1409 beide Bäpfte abjeßte und einen 
neuen wählte, gab es gar drei Oberhäupter der Chrijtenheit, von 
denen jeder die andern und ihre Anhänger bannte. Ruprecht ſtarb 
1410, nachdem er die Pfalz unter jeine vier Söhne geteilt Hatte. 

Ludwig, der ältere erhielt die eigentliche Pfalzgrafichaft mit 
der Kurwürde und regierte in Heidelberg, Stephan in Zweibrüden. 
Da er mit der Erbtochter des legten Grafen von Veldenz vermählt 
war, vereinigte er das Veldenzer Land an Mojel, Nahe und Glan 
(Remigiusland) mit jeiner Grafihaft. Geitdem war die Gegend 
von Kujel beim Haule Wittelsbadh. 

Zwei andere Söhne Johannes und Otto befamen ebenfalls 
Teile der Pfalz: Johannes die Oberpfalz, Otto die Befigungen bei 


— 865 — 


Mosbach im heutigen Großherzogtum Baden. Bon allen Zweigen 
des Haujes Wittelsbach blüht allein noch Stephans Geſchlecht. 

Auf König Ruprecht folgte Sigmund von 1410—1437 unter 
dem 1414-18 die große Kirchenverfammlung zu Konſtanz ftattfand, 
auf der der Gzeche Johann Hus 1414 wegen der Lehre vom 
Abendmahl und vom Ablak verbrannt wurde. Daraus entitanden 
die Huſſitenkriege von 1419—1436 in Böhmen. 1415 belehnte 
Sigmund zu Konjtanz den Burggrafen Friedrich) von Nürnberg mit 
der Markgrafihaft Brandenburg und jeitdem figen die Hohenzollern 
in Norddeutichland. Da Sigmund nur eine Tochter, — 
hinterließ, jo erbte deren Gemahl Herzog Albrecht II 1438-39 von 
Öefterreich nicht nur Böhmen und Mähren jondern auch die deutjche 
Kaiſerkrone. Seitdem regierten über das heilige römijche Reich deutjcher 
Nation faſt ununterbrochen die Habsburger. Albredhts Sohn Fried: 
rich der Ill beherrjchte von 1440 — 1493 das deutjche Reich, aber feine 
Zeit ift die Zeit wilder Fehden und jteter Unruhen. Sein größter 
Gegner war der Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche. 





Die pfälziichen Fürjten des ausgehenden 
Mittelalters 1329—1508. 


Unter den Nachkommen des Pfalzgrafen Rudolf ragt bejonders 
Pfalzgraf Ruprecht hervor, der mit jeinem Bruder Rudolf II. bis 
1353 regierte, dann aber bis 1390 allein die Zügel der Regierung 
in die Hand nahm. Gr war 1348 ein Beichüßer der hart bedrängten 
Juden aus den Rheinjtädten, die er bei Heidelberg fich anfiedeln 
hieß, die Kurwürde wurde 1356 durch die goldene Bulle als erblich 
in jeinem Hauje erflärt, obwohl der Hausvertrag von Pavia anders 
beitimmt hatte. Sein Leben war in bejtändige Fehden mit Raub: 
rittern, Fürften und Städten geteilt. Als die jchwäbilchen Städte 
1388 bet Döfflingen vernichtet wurden, gelang ihm im November 
desjelben Jahres die Belegung der Rheinitädte bei Worms. Unter 
ihm kam SRaijerslautern 1385 an die Pfalz, indem er die Pfand: 
jumme dafür erlegte, und kaufte in demjelben Jahre die Grafichaft 
Zweibrüden mit Hornbach und Bergzabern; ebenjo erlangte er die 
einftigen föniglichen Gebiete: Trifels, Annweiler und Germersheim. 
1386 gründete er die Univerjität Heidelberg, die ältejte deutiche 
Hochſchule. Sein Enkel Ruprecht der III., 1398—1410 lebte in der 
Zeit der GBegenpäpfte und wurde am 21. Auguſt 1400 von der 
Mehrheit der deutichen Kurfürjten, nad) dem König Wenzel abge: 
jeßt worden war, zum Könige erwählt. In Deutichland Tonnte er 
die Fürften und Raubritter nicht bezwingen und als er gar von 
einem Römerzuge, den er mit einem Fleinen Heere angetreten hatte, 
unverrichteter Dinge zurüdfehrte, empörten fich die Fürften, die ihn 


ERBE", age 


erwählt hatten, gegen ihn. Er aber tonnte den Unbotmäßigen 
etrojt jagen, daß fie ihm aus feiner Regierungszeit nicht eine einzige 
Kat aufweijen fönnten, durch die er für ſich und jein Haus zeitlich 
Gut hätte gewinnen wollen. 

Unter jeinem Sohne Ludwig dem Ill. 1410—1436, der die 
Kurpfalz erbte, gab es in Deutichland drei Kaiſer: den abgejeßten 
Menzel, deſſen Bruder Siegmund 1410 — 1436 und Tobit von 
Mähren in der Kirche aber drei Päpite, die ſich befämpften. 

Als Kailer Siegmund allein zur Anerkennung gekommen war, 
berief er das große Konzil nah Konſtanz, das die Kirchen: 
reform einführen, den Papſtſtreit bejeitigen und gegen die Lehre der 
Hulfiten auftreten jolltee Als hier der Bapit Johann der XXI. 
der allein von den drei Bäpften erjichienen war, abgejeßt und ge: 
fangen wurde, übernahm ihn Pfalzgraf Ludwig als Reichsrichter 
und brachte ihn auf die Burg NRheinhaufen bei Mannheim, wo 
damals eine wichtige Zollitätte war. Ludwig vollzog auch an dem 
Brager Proffeſſor Johannes Hus die Strafe der Verbrennung, die 
das Konzil über denjelben ausgeiprochen hatte. Weil er aber 1417 
vom Kaijer Siegmund, der immer in Geldverlegenheit war, 4000 
Kronen Darlehen zurüdforderte, der Kaijer fie aber nicht bergab, 
da er jJagte, die Pfälzer hätten fich dafür an Neichsgütern genug 
angeeignet, jo verließ Ludwig die Kirchenverjammlung und war 
fortan ein Gegner des Kaiſers. Unter jeinen Söhnen ragt der 
Pfalzgraf und Kurfürft Friedrich der Siegreiche geboren 1425 be: 
londers hervor. 


Die Hanſa, 13.—17. Jahrhundert. 


Mie ich die Städte am Rheine zu einem gewaltigen Bündnis zus 
Jammenjchlojjen, jo verbanden ſich auch die norddeutichen Handelsjtädte zu 
—— großen Vereinigung, die unter dem Namen Hanſa bekannt iſt. Auch 
ie norddeutſchen Kaufherren wollten ſich ſchützen gegen die Raubluſt des 
Adels zu Waſſer und zu Land, gingen aber noch weiter, indem ſie eine 
Münzvereinigung ſchloſſen und bald noch andere Ziele verfolgten, die nament— 
lich auf Stärfung des Handels hinausliefen. Im Jahre 1241 bereits ver: 
banden fich Lübed und Hamburg zum Schutze des bedeutenden Handels auf 
dem Rednitfanal, aber erſt 40 Sabre jpäter trat für die ſich vereinigenden 
Städte der Name Hanſa auf, der Raufmannsgilde oder »vereinigung bedeutet. 
Altdeutih Hanſa-Schar. Hänſeln bedeutete früher: in eine Schar (eine 

ereinigung aufnehmen.) Zwed des Bundes war „Erhaltung und Er: 
weiterung der einzeln oder gemeinjam in der Fremde oder vom Landesherrn 
erlangten Freiheiten, Wahrung geficherter Fahrt zu Lande und zur Gee, 
ichiedsrichterliche Wermittelung in allen Streitigkeiten zwiſchen einzelnen 
Bundesjtädten um jede Einmilchung, ſelbſt die des Kailers, fernzuhalten; 
endlich Aufrechterhaltung der Ruhe im Innern der Städte, Stüßung Des 
ftädtiichen Regiments gegen Aufruhr und Neuerung.“ — Zwei üble Gewohn: 
heitsrechte — dem Kaufmann beſonders: Strandrecht und Grundruhr: 
recht. Das En das an der Rlippe zerjchellte, der Frachtfahn, der auf den 
Grund des feichten Waffers ftieß, das von den Wellen ans Ufer geworfene 


SB 


But (Strandgut) gehörte den Herren und Bewohnern des angrenzenden 
Landes, wie der Wagen, der mit der Achje die Se berührte oder die 
re Mare, obwohl Kaijer und Papft gegen diefe Rechte Verbote 
erließen. 

Starb aber der deutiche Kaufmann gar in der Fremde, jo verfiel, da 
der Fremde allenthalben rechtlos war, jeine Habe dem Landesherrn, der aus 
bejonderer Gnade den Erben hin und wieder Teile der Erbjchaft auslieferte. 
Wurde aber ein revler in fremdem Lande nicht erhängt, jo mußten jeine 
Zandsleute um jo mehr mit Gut, Freiheit oder gar Leben büßen. Da aber 
feine deutſche Stadt Jo mächtig war, ich jelber zu jchügen und der Norden 
des Reiches von den deutjchen Königen fajt nicht mehr beachtet wurde, jo 
Ichloffen jich die handeltreibenden Städte felter zujammen, erwarben fich 
Sonderrechte im fremden Lande, wo fie Niederlaffungen gründeten, die fie 
mit wehrhaften aber auch faufmännilch geichulten Leuten bejetten. Der 
Handel, der damals über das Mittelmeer durch Italien nad) Deutjchland 
und nad) Norden ging, führte die Hanjeaten nach Skandinavien, England 
und Rußland, wo ſich bald Ddeutiche Anfiedlungen erhoben, in denen die 
Handelsherren und ihre Leute nach deutichem Rechte und nach deutſcher Sitte 
wohnten, mit dem Schwert umgürtet, mit dem Pfluge famen fie und bauten 
iteinerne Städte mit Kirchen, von denen aus das Evangelium unter den 
heidnijchen Völfer des Dftens Eingang fand. Der Bund erlangte durch Geld 
alles, was er brauchte: Grundeigentum mit Wohnungen, Befreiung vom 
Standredt, gejchüßte Häfen mit Yandungspläßen. 

Die angejehenften und ältejten Bundesftädte, die fich 1285 zujammen: 
Ichlojjen, waren Lübed, Roſtock, Wismar, Stralfund, Greifswald, Hamburg, 
Bremen, Wisby (auf der Inſel Gothland, von denen Lübeck die Führerrolle 
übernahm; bald aber hatte der Bund 77 Glieder, Reichs: und Fürſtenſtädte 
von Middelburg und Amjterdam bis Reval und Narwa, von Wisby bis 
Breslau, ja, Köln, das einjt dem mächtigen Nheinijchen Städtebunde ange: 
hörte, jchloß ich, weil es großen Handel mit England trieb, der Hanja an, 
die allein die Nord» und Oſtſee, die damaligen Filchbehälter Europas be— 
herrſchte. Die erjte überjeeijche Anfiedlung war der Stahlhof in London, 
wo junge Kaufleute in flöfterlicher Zucht und Ordnung in ehelojem Stande 
lebten und nur ihrem Berufe nachgingen. Sie braten aus Rußland Pelze, 
von der Küſte Sktandinaviens, wo die deutiche Hanlaftadt Bergen lag, 
Heringe und Stodfilche, aus Deutjchland Korn und Holz, jelbjt Erzeugnifie 
des wärmeren Südens. Die Könige aber waren ihre Schuldner und erteilten 
ihnen daher wertvolle Sonderrechte. Damals fonnten die Hanjeaten pegen: „Bir 
faufen von dem Engländer den Fuchsbalg für einen Grojchen un — 
ihm den Fuhsihwanz wieder für einen Gulden.“ Der nordiſche Handel 
ging Ihon um das Jahr 1100 von Wisby aus; aber um 1400 fam er an 

anzig, das jeitdem reich und mächtig wurde, während Wisby verödete 
und nach und nad) Ruine wurde, die in ihren zerfallenen Kirchen und 
Prachtbauten von entichwundener Größe zeugt. n großen Rarawanen 
famen SHanjeaten zu Wajfer und zu Land nad) dem fernen Nowgorod, ‚wo 
lie den feiten Peterhof anlegten und Pelze aus dem falten Norden und 
Nordoiten eintaufchten, die dann nad) dem reichen Brügge wanderten, wo 
die Hanjeaten lan ihr * — beſaßen. In Schweden und Nor— 
wegen ſaßen allenthalben deutſche Kaufleute, ja, in Bergen übten 3000 der— 
ſelben eine gewaltige Herrſchaft aus und in Schweden, Dänemark und Nor: 
— * konnte fein König den Thron ohne Genehmigung des Hanſatages in 
Lübeck befteigen. 

Schlimm war der hanjeatifhe Bann, die Verhanſung, nad) der 
eine widerjpenftige Stadt aus dem Bunde ausgejchloffen wurde damit aller 
Rechte verluftig erging. 





— OR. 


Neue Orden und Klöjter. 


Vergleiche auch die Reformationszeit. 


Die Zeit der Kreuzzüge ift auch die Zeit der Nitterorden, die zum 
Schutze des hl. Landes entjtanden, indem ji Ritter nad) Möndhfitte ver- 
einigten und außer den Gelübten der Keujchheit, der Armut und des Ge- 
—2 noch ein viertes ablegten: Die ng zu befämpfen und Die 

ilger zu bejchüßen; befonders wichtig war der Orden der Johanniter, 
der in dienende Brüder, die die Kranken pflegten, in PBriefter, die 
den Gottesdienjt veiahen und in die gegen die Ungläubigen fämpfenden 
Ritter, welde die Pilger durch die Wüſte geleiteten, zerfielen. Da die 
Johanniter meift Italiener waren, jo gründeten die Franzojen den Tempel: 
erren:Drden, auf dem dritten Kreuzzuge aber deutjiche Kaufleute aus 
remen und Lübed das Holpital „Unjerer lieben Frau zu Jeruſalem“, wo 
nur deut] ey Ritter . en Pilgern dienen follten. Ihr erjter Meifter 
war Graf Waldbott von Baljenheim am Rhein. Als aber Hermann von 
Galza Großmeifter war, zogen die deutſchen Nitter oder die Deutjch- 
erren in die MWeichjelgegenden, wo fie nicht nur gegen Die heidniſchen 
reußen fämpften und das Chriſtentum befeftigten jondern deutjche Sprache, 
itte und Recht ausbreiteten. Ihr Ordenskleid war ein ſchwarzer Oberrod 
mit weißem Mantel, auf dem ein jchwarzes ah reuz mit Gilber- 
tand angebracht war. Auch in unjerer Malz ejaß der Deutjchherrenorden 
zwei Niederlajlungen (KRomthuren von commendator, vergleiche den Namen 
(Romter): Einftedel bei Kaijerslautern und Speyer. Die Herren von 
Hoheneden, die am Kreuzzuge Friedrichs des II. 1228 teilgenommen hatten, 
chentten dem Drden bei Katjerslautern, an der alten KRönigsitraße, die von 
ilgern und Kaufleuten jehr belebt war, eine Ritterwohnung uud ein 
rantenhaus, bald darauf 1253 jogar die Pfarrei Ramftein mit Weilerbady 
und Spesbach mit den Bütern un ar auch zu Eijenberg hatten 
die Einjiedler Herren einen Fronhof. 1363 empfingen jie vom Grafen 
Mirih von Dhaun einen Hof zu KRönigsbad (Kindsbach) Jamt einer 
Mühle und das Weide: und Waſſerrecht in Wirihs MWaldungen, wofür in 
der Kapelle zu Einfiedel das Jahrgedächtnis —— Battin, 5* aters, 
at Mutter, feines Großvaters und feiner Großmutter gehalten werden 
mußten. 

In Speyer wir das a der Deutichherren jüdweltlih vom 
Dome. Der Biſchof Konrad von Speyer hatte es 1330 diejem Drden über: 

eben, weil die Kranfen bisher nicht ordentlich gepfient worden waren. 
eide Belitungen gehörten bis zur frangzöfiichen Revolution dem Drden, 
wurden aber dann als franzöftiiches Staatsgut veräußert und befinden fich, 
wie die meilten Kloftergüter, in Privathänden. 

Auh die Johanniter hatten in der Pfalz die große Beligun 

aimbach inne, die ihnen bereits Kaijer Friedrich der 1. jchentte, weshal 
te nach alter Klofterfitte am 10. Juni jeden Jahres als am Sterbetage für 
ie — des Stifters in der Kapelle des Ritterhofes beteten. In dem 
——————— ofe zogen ſich links und rechts von der Kapelle die Wohnungen 
er 5 bis 8 Ritter und hinter einer feſten Ringmauer lagen außer einem 
Pflanzgarten, jehs Morgen Weinberge und eine Mühle. Da die Adeligen 
der Vorderpfalz, wie Die — von Scharfeneck, von Berwartſtein, von 
mt Lachen, die Brafen von Leiningen viele Güter ftifteten, wurde 
aimbad) jehr reich, bis in der Revolution das Sohanniterhaus zerjtört 
und jeine Güter zu Eigentum verjteigert wurden. 

Außer den Klöftern der Benediktiner — im 11. und 12. Jahr⸗ 
en noch andere, die hauptlächlich den Drden der — der 

rämonftratenfer und der ee angehörten. Die Zilterzienjer oder 


grauen Mönche, zu denen au ernhard von Clairvaux gehörte, gründeten 


— 59 — 


in den ftillen Waldtälern der Pfalz große Klöfter um hier nicht nur in Der 
Einjamteit zu leben jondern auch die dichten Waldungen zu lichten, wie 
Eußerthal, deffen erjter Abt Eberhard Age von Bernhard von 
Glairvaux eingejegt wurde 1148. Um diejelbe Zeit erhob fich bei der Otter: 
burg 1144 eines der größten vfäigilden Klöfter, deſſen herrliche Kirche heute 
nod ‚Steht und nach der Burg Dtterberg genannt wurde. 1172 entitand das 
— — Wörſchweiler bei Zweibrücken. Unter den Klöſtern der 
iſterzienſerinnen find zu nennen: Daimbach bei Fehl ar rg bei 
rünjtadt, Heilsbrud bei Edenfoben, Paradies bei V 
Rojental und Sion bei Morjchheim. 

Bejonderer Beliebtheit erfreute ih der Orden der Auguftiner-Chor: 
herren, die nicht fo ftrenge lebten als die Benediktiner, Zilterzienjer und Prä— 
monjtratenjer und zu Frankenthal, Hördt, Höningen und Landau bedeutende 
Klöfter a Augultiner-Chorfrauen wohnten zu Filchbach bei Hochſpeyer, 
Hertlingshaufen, Rleinfranfental, Neuftadt und Speyer. Die Brämonitratenjer, 
die fich zum jtrengjten — verpflichteten, ſtammten aus Frankreich 
und gründeten in der Pfalz größere Niederlaſſungen in Kaiſerslautern, 
Münfterdreifen am Donnersberg und Rodenkirchen am Donnersberg, wo Jie 
in den ausgedehnten Waldungen Streden Landes urbar machten. Friedrich 
Rotbart berief ne Möndye aus Schwaben nad) Lautern (1176), wo fie in 
den Burgfapellen den Gottesdienjt verjehen mußten. Bon ihm und jeinen 
Nachfolgern erhielten fie viele Güter zu Morlautern, Entersweiler, Eſels— 
bad, Bremerein (Bremerhof), Buchenau, Caujenheim, Ibersheim, Echsheim 
Heilen), KRolgenftein, —— Bodenheim, Gummersheim, Odernheim bei 

lzey und Steinwenden. roße Klöſter der Prämonſtratenſerinnen waren 
zu Marienthal, Hane bei Bolanden und Enkenbach, von denen noch jetzt be— 
deutende Überreſte vorhanden find. 

Im Jahreé 1215 gründete der Spanier Dominikus Gutzmann einen 
Orden, der vor allem predigen jollte, daher auch gegen die von der Kirche 
Abgefallenen gelandt wurde und ſich Prediger: oder Dominifanerorden nannte, 
in Speyer predigten fie mit jo großem Erfolg, daß ihnen 1308 eine eigene 
ſchöne Kirche geweiht werden konnte. Den größten Einfluß auf das Bolt 
erlangten die Bettelmönche, die nach des Herrn Wort: Matthäus 10.8. 11: 
„Ihr — nicht Gold noch Silber, noch Erz in euren Gürteln haben; auch 
keine Taſche zur Wegfahrt, auch nicht zween Röcke, keine Schuhe, auch keinen 
Stecken“ lebten. Daher verbot der Gründer, — von Aſſiſi, ſeinen Schülern das 
Eigentum, und verwies ſie auf die Handarbeit und die Mildtätigkeit der 
Gläubigen. Die älteſte Niederlaſſung in der Pfalz war die zu Kaiſerslautern. 
Als nämlich im Jahre 1221 der Stifter jeine Schüler zu Affifi verfammelte, 
erflärte der Bruder Cäſar von Speyer, daß er gerne in jeinem deutichen 
Baterlande den neuen Orden ausbreiten wolle. Da er ein begabter Redner 
war, erhielt er mit — * Brüdern den Auftrag vom General des Ordens 
Deutſchland zu bereiſen. Nachdem er überall — —— ſammelte, erſchien er 
1222 zu Worms, wo er Thomas von Cälano, ſeinen Getreuen mit der Gründ— 
ung neuer Alöfter am Rheine betraute. 

Bald darauf entftand das SFranzisfanerklofter zu Kaiſerslautern und 
danad) —— zu Speyer, in welch letzterer Stadt die Mönche das Leprojen: 
haus (Krankenhaus für Seuchentranfe) als Wohnung erhielten. Hier befand 
fi) auch ein Klofter der Franzistanerinnen. 


auchenheim, Ramien, 


Der Pfälzer Fritz. 
1449 -1476. 


Pfalzgraf Ludwig der IV., der Enkel König Ruprechts, ſtarb 
nach kurzer Regierungszeit 1437—1449 und hinterließ einen ein: 
jährigen Sohn Philipp, für den der Oheim Friedrich Vormund 
wurde. Diejer aber glaubte, daß es wohl bejjer wäre, wenn er die 
Kurwürde jelbit übernehme, weshalb er im Januar 1452 alle 
Lehensleute der Pfalz und die hohen Beamten, wie Bigtume*) und 
Landſchreiber nach Heidelberg fommen ließ, und fie um Nat fragte. 
‚Friedrich übernahm mit ihrem Einveritändnis die Kur auf Lebens: 
zeit, erkannte jeinen Neffen Bhilipp als jeinen Sohn an und verjprach 
feine jtandesgemäße Ehe eingehen zu wollen, damit jeine Nachkommen 
feine An)prüche auf die Pfalz hätten. Philipps Mutter und die meiiten 
Fürſten des Neiches, auch der Papſt waren mit dem Vorgehen 
Friedrichs einverftanden, nur nicht Kailer Friedrich der III. und 
diejem ſchloſſen fich jpäter fait alle deutichen Fürſten an; ja, Drei 
Fürften: Erzbiichof Diether von Mainz, Markaraf Jatob von Baden 
und Pfalzgraf Ludwig der Schwarze von Zweibrücden famen 1453 
in Worms zuſammen und jchlojjen einen Bund gegen Friedrich. 
Belonders aber brachte der jugendliche Zweibrüder jein Land in 
Verteidigungszuftand, indem er jeine Burgen Lichtenberg bei Kujel 
und Landsburg, jeine Städte Zweibrüden und Bergzabern neu 
befeitigte. 

Ta, Ludwigs Kriegstnechte griffen ſchon ohne TFehdebrief zu 
den Waffen. Sie fingen im Weſtrich furfürftliche Knechte, nahmen 
den Bauern des Reichslandes bei Yautern die Pferde, brannten in 
einem Dorfe ein Haus und drei Scheunen nieder, entriljen einem 
furfürftlichen Diener drei Pferde, plünderten das Dorf Rothjelberg 
volltändig aus umd zündeten es an. Den Hütſchenhauſer Woog, 
der zum Neichslande gehörte, ließ Pralzgraf Ludwig mit Gewalt 
ausfilchen. Da konnte Friedrich nicht länger zujehen, als jeine Leute 
namentlich von Lautern jo böje Taten jeines Vetters, der jein Lehens— 
mann war, berichteten. Friedrich ſchickte ſeine Haupimacht gegen 
die wohlbefeftigte Stadt Bergzabern und ließ die Weinberge dajelbit 
ausreißen. Da jandte Ludwigs Schwiegervater 600 Picarden und 
Mallonen, mit denen der Zweibrüder die Stadt entiegen wollte. 
Uber als fie von Annweiler aus gegen Bergzabern rüden wollten, 


j *) Vitztum⸗ Vicedominus: Stellvertreter ‚des TFürften, berühmt waren 
die pfälziichen Vitztume zu Neuftadt a. d. 9. 





— 371 — 


erklärten fie nicht gegen die tapfern Deutjchen (die Pfälzer) kämpfen 
zu können. Ludwig mußte, wohl oder übel, zurüd und 309 gegen 
das Kloſter Eußerthal, das unter dem Schußge des Rurfürkten Hand. 
Als die Zweibrüder anlangten, ſchloſſen ſich rajch die Klojterpforten, 
aber die rohen Fremdlinge eritiegen die Mauern, öffneten die Pforten 
von innen und wie auch die erjchrodenen Klofterbewohner flehten, 
nicht nur Keller und Speicher jondern auch die reiche Kirche wurde 
ausgeplündert und damit die ganze Kloiteranlage nicht in Flammen 
aufgehe, zahlte der wehrloje Abt 3000 Gulden Brandichagung, eine 
hohe Summe in jener Zeit. 

Die Bejayung und die Bürger von Bergzabern hatten fich 
ſchon vier Wochen lang gegen die Pfälzer tapfer gewehrt, da gingen die 
Lebensmittel aus. Weil aber Ludwig jeine Stadt nicht entjegen 
tonnte, denn feiner jeiner Verbündeten wagte ſich heran, jo jchrieb 
er an die Belagerten, fie jollten die Stadt übergeben, zuvor aber 
die 350 Reifigen bei Nacht aus den Mauern lajjen. Schon in der 
nädjiten Nacht vom 10. auf den 11. Auguſt verfießen die Zwei— 
brüctijchen Krieger Bergzabern, am andern Tage z0g Friedrich ein 
und ließ ſich huldigen. 

Ein Jahr jpäter zog Friedrich gegen das Raubneſt Montfort 
und zerjtörte es vollitändig. Die Fehden dauerten fort. Der jchwarze 
Pfalzgraf und jeine Verbündeten, die Leininger begannen im Winter 
1459 60 einen Plünderungszug in die Iintsrheiniiche Pfalz. Führer 
der Zweibrücder war der Amtmann zu Neufajtel, Kunz Pfeil von 
Ulebach, die Leininger führte Graf Emich der VII. Kunz Pfeil ritt 
mit jeinen Reifigen nach Medenheim und verbrannte es, 200 Pfälzer 
aber, die vom Jahrmarkt zu Speyer (November 1459) zurückkehrten, 
nahm er gefangen und führte fie nach Wartenberg bei Yautern, bis 
jte fi) durch hohe Summen löjten. Bald darauf, am 17. Januar 
1460, zeritörte er die Dörfer Haßloch, Böhl und Iggelheim und 
dann Queichheim bei Landau. Unterdeſſen hatte der Xeininger drei 
Dörfer bei der Madenburg zerftört, vereinigte fi) mit Kunz Pfeil 
und beide rücten nach Norden in die Gegend von Alzey und Worms, 
wo ſich die Pfälzer Bauern hinter ihre feſten Kirchhofmauern retteten. 

Zu den Zweibrüdern und Leiningern ftießen die Mainzer. Auf 
rad Seite traten jet Straßburg, Wimpfen, Heidelberg, 

ailerslautern, Weikenburg, Speyer und 52 adelige Herren mit all 
ihren Leuten und jchiekten ihre Fehdebriefe dem Zweibrüder. Mit 
mehr als 2000 Reitern und ſtarkem Fußvolk fam Friedrich vor das 
fefte Dorf Kleinbodenheim bei Grünftadt und belagerte es. Als 
aber die Feinde bei Worms fich zeigten, hob er die Belagerung 
auf und ereilte fie am 4. Juli 1460 bei Pfeddersheim. Mit dem 
Rufe: „Heute Pfalzgraf oder nimmermehr”, griff Friedrich mit den 
Seinen ungeftüm an, in wenigen Stunden war der Kampf entjchieden, 
der überlegene Feind aufgerieben oder gefangen. Mit dem Erzbijchof 
von Mainz jchloß er nun einen dauernden Frieden und ein Bündnis. 


— 372 — 


Die Schlacht bei Sedenheim 1462. 


Im Jahre 1461 war diejer Verbündete vom Papſte abgejegt 
und Friedrich 1462 in den Bann getan worden. Da jubelten alle 
eine Gegner, der Zweibrüder Ludwig, die Leininger, der Graf 

Irih) von Württemberg, der Marfgraf Karl von Baden und deijen 
Brüder Bilhof Georg von Met und der Erzbilchof von Trier. 
Bald darauf verkündete der Kaiſer den Reichskrieg gegen den ver- 
haften Pfälzer. Da hieß es, Friedrich jei mit jeinen beiten Truppen 
nach Bayern um jeinem Better und Freunde Herzog Ludwig zu 
don" daher jammelten ſich die badijchen, württembergijchen und 

eßer Scharen, bei — 

Mit Markgraf arl von Baden, ſeinen Brüdern den Biſchöfen 
von Metz und Trier und dem Grafen Ulrich von Württemberg war ſogar 
der Biſchof von Speyer auf die Seite der Feinde Friedrichs getreten. 
Insbeſondere aber hatte dieſer an dem ſtreitſüchtigen Grafen Ulrich 
von Württemberg einen gewiegten Gegner, der bald nach der Kriegs: 
erfärung (Frühjahr 1462) in die rechtsrheiniiche Pfalz einfiel und 
Maulbronn verheerte. Friedrich war rajch aus dem — bei 
Mainz zur Hand und machte Gegenbeſuche im Württembergiſchen 
ſowie bei dem Markgrafen von Baden, der ſich verheerend im Ober— 
amt Germersheim und im Elſaß herumtrieb, wo die Pfalzgrafen 
reiche Güter beſaßen. 

Nach dieſer Arbeit kehrte Friedrich abermals zu ſeinem Ver— 
bündeten, dem Erzbiſchof Diether von Mainz zurück, um den wohl: 
befeitigten Rheingau, der auf des Gegners Adolf Seite ſtand, zu 
gewinnen. Dieje Gelegenheit benütten der Graf von Württemberg, 
der Markgraf von Baden, jowie der Bilhof Georg von Metz, um 
in die Pfalz einzufallen und vor allem Heidelberg zu nehmen. Sie 
rechneten jicher darauf, daß Friedrih im Mainzer Lande jei und 
jeine Streitkräfte jehr zerjplittert habe. Den Plan hatte der Mark— 
graf erjonnen und der Graf von Württemberg angenommen. Ins: 
bejondere wollten fie in eigener Perſon die Fehde leiten. Da rief 
bei den Beratungen der württembergiihe Edelmann Hans von 
Rechberg: „Bnädiger Herr, Ihr wollt dem allermännlichiten und 
mädhtigiten Fürften, der in Deutjchland wohnt, in jein Land ziehen? 
Und fürwahr, jo werbet ihr ihn vorjehen und mit ihm fechten müſſen, 
jo wahr ich die Wand vor mir jehe oder ihr müßt ihm flüchtig 
entrinnen”. Der Nat des treuen Dieners wurde mibachtet und da 
die Nachricht fam, Friedrich jet jogar nach Bayern gezogen, jo ent: 
brannte männiglic) zum Kampf gegen den verhaßten Pfälzer. Ein 
aufgefangener Brief beitärkte die Feinde in ihrem Vorhaben. 

Am 26. Juni ſchon überjchritten der Württemberger, der 
Badener und deijen Bruder, der Bilhof von Met, die pfälzilche 
Grenze und haujten entjeglich in dem jchwergeprüften Lande. Gie 
verwülteten nicht nur die Felder mit ihren Söldnern, jondern 


— 353 — 


banden nach zuverläjligen Berichten den Pferden jogar Aſte an die 
Schweife, um den Schaden defto größer zu machen. Gie wollten 
fich des Städtchens Heidesheim, das damals ein feiter Punkt war, 
bemächtigen, um im Rüden gededt zu jein. Aber Friedrich hatte 
ihre Bläne ſchon durchkreuzt; denn Heidesheim war wohl verwahrt 
und mit frijcher Mannichatt verjehen. Ohne es zu gewinnen, zogen 
die Feinde jchon am 29. Juni weiter der Ede zwilchen Nedar und 
Rhein zu, wo ihnen der Pfalzgraf Ludwig von Veldenz mit Ber: 
tärfung entgegenfommen wollte. Da aber nad) Verſicherung des 
Bilhofs von Speyer, der in jener Gegend reich begütert war, nur 
etwa 300 pfälziiche Reiter im Lande jeien, jo verwüfteten die drei 
Herren die in jener Gegend gelegenen Orte der Pfalz mit etwa 
800 Reitern. Niemand ahnte, was der folgende Tag bringen werde, 
und a walteten die Feinde ihres jchlimmen Gejchäftes. 

Aber geräujchlos hatten fich in der Nacht vom 29. auf den 30. 
Juni die pfälziihen Truppen bei Leimen unweit Heidelberg ge: 
jammelt. Die Heidesheimer und Gochsheimer Weiter ftießen zum 
Pfalzgrafen Friedrich und rajch galt es nun den Gegner zu über: 
rumpeln; daher wollte Friedrich durch den Schweginger Wald; das 
Fußvolk aber jollte folgen. Kaum graute der Morgen, jo verkün— 
deten die rauchenden Trümmer der Dörfer in der Rheinebene, was 
für „Heldentaten“ verübt worden, und ein alter Chronilt meldet: 

Als nun der Tag herzu fam, 

Daß man die Miorgenröte vernahm, 
Da ſah man in dem Nedartal 

Und um Heidelberg überall 

Die Dörfer jcheinen durch hohen 
Und inbrünftigen Lohen. (Feuerglut). 

800 Friiche Reiter und 2000 Musketiere bildeten des Pfalz: 
grafen Heer, und als vor dem Schweginger Walde der Feind in 
jeinem Feldlager vor den Pfälzern fichtbar wurde, da jtießen auch 
noch Dietrich) von Mainz und der Graf von Katenellenbogen zu 
ihrem Verbündeten. Schon tagsvorher hätte Friedrich einen Teil 
des Feindes, an 300 Reiter, überrumpeln fönnen; er wollte aber 
die Hauptmacht treffen und jeine Anwejenheit nicht verraten; denn 
da, dieje fi) gar zu weit in die Ede zwilchen Rhein und Nedar 
vorgewagt hatten, wollte ſich Friedrich die jchöne Gelegenheit nicht 
nehmen lajjen. Kaum vor dem Walde angelangt, ordnet er jeine 
Scharen. In der Mitte ftanden die Reiter, auf den Flügeln aber 
wurde das furz zuvor — Fußvolk aufgeſtellt. Eine feurige 
Anſprache entfachte den Mut der kühnen Pfälzer und zum Grafen 
Emich von Leiningen reitend, der ſonſt Friedrichs Feind geweſen, 
ſprach der Pfalzgraf: „Emich, du und ich ſind in Feindſchaft mit— 
einander geweſen und haben auf beiden Seiten, einer dem andern, 
viel zu leide getan und einer dem andern großes Leid zugefügt, 
was ſoll ich mir heute zu dir verſehen?“ Graf Emich aber erwiderte: 
„Gnädiger Herr, nichts anders denn Gutes; ich bin hergekommen 


— 374 — 


mit meinem gnädigen Herrn von Mainz, Euch zu Hilfe und will 
auch Leib und Leben für Euch wagen.” Nach alter deutjicher Sitte 
Ihlug ihn Friedrich zum Ritter und nad) ihm noch 40 andere; der 
edle Wiprecht von Helmjtedt dagegen vollzog diejen Akt an Fried: 
rih. Im Mittelpunkt des pfälziichen Haufens, da wo Rheingraf 
Johannes als furpfälziicher Erbmarjhall ſtand, befand ſich das 
TFeldzeichen mit dem pfälziichen Löwen und den bayerijchen Rauten. 
Als aud der Erzbilchof Dietrih von Mainz auf des Pfalzgrafen 
Anraten ſich nicht zurüdziehen wollte, da gab erjterer mit dem Rufe: 
— Pfalzgraf oder nimmermehr“ ſeinen Leuten das Zeichen zum 
Angriff. Friedrichs Leute hatten die Helme mit Nußlaub geſchmückt, 
während die Feinde wie zum Hohn hrenbüjchel trugen. 

Es war zwilchen zwölf und ein Uhr des Mittags; die Som: 
merjonne jandte glühendheiße Strahlen auf die mit Nuplaub ge: 
Ihmücdten Streiter. Mit gejentten Lanzen jprengten die Reiter 
gegenjeitig einander zu und zeriplitterten dieje, bald waren die 
Haufen der Fußvölfer hart aneinandergeraten und die alten jchwer: 
fälligen Musfeten richteten beiderjeits großen Schaden an. Dem 
Pfalzgrafen wurde das Pferd unter dem Leibe weggeſchoſſen, jodaß 
er zu Fuß fämpfen mußte. Endlich jpalteten die langen Spieße 
der pfälziichen Fußjoldaten die feindliche Drdnung, ſodaß ich alles 
in wilder Flucht auflöfte, aber an ein Entrinnen war für die meiſten 
nicht zu denken. Vor ihnen jtand der Pfälzer mit Übermacht, links 
und rechts tiefe Waller. Es blieb nichts übrig, als ſich zu ergeben. 
Nur 43 Feinde waren tot auf der Walltatt geblieben, darunter der 
Raugraf Georg von Altenbaumburg. Aber die drei anführenden 
Fürften, 124 Edelleute und 238 Reiter, jowie drei Feldzeichen fielen 
den GSiegern in die Hände. Der pfälziiche Edelmann Hans von 
Gemmingen Hatte den Grafen von Württemberg jelbjt gefangen, 
und noch im 18. Jahrhundert bewahrte nad) zuverläjligem Bericht 
die Familie der Gemmingen die Handſchuhe und den Kommando: 
itab des gefangenen Grafen. Noch an demjelben Tage kamen die 
Feinde in ſicheres Gewahrjam nad) Heidelberg. In der Heiliggeilt- 
firche fand aber nach Aufſtellung der Siegeszeichen ein feierliches 
Tedeum jtatt. Friedrich ließ auf der Walftatt Gott zu Ehren, der 
einer gerechten Sache zum Siege verholfen, ein einfaches Kruzifix 
errichten, deſſen Injchrift lautete: „Als man zahlte nach Gottes 
Geburte 1462 jar uff jant Baulus Gedechtnuf: -Tag fint uff diejer 
MWahlftatt dur Herzog Friedrich Pfalzgrav by Nine und Kur: 
fürjten niedergeworfen worden Herr org Bilhoff zu Meg, Mark: 
grave Karle von Baden und Grave Ulrich von Württemberg mit 
einer merklichen Zale Ir Diener, Graven, Herren, Ritter und Knecht 
und derjelben, die in ſolchem Gejchoffte (Gejchäfte) tod blieben jint wolle 
Gott barmherzig jin und uff denjelben Tag fint viel zu Nitter ge: 
ihlagen.“ Die Feinde, von denen der Bilchof in jicheres Gewahrjam 
nah Mannheim fam, blieben in Haft, bis fie fich durch harte Be- 


— 3 — 


dingungen und jchweres Löjegeld losfauften. Bejondere Demütigung 
mußte ſich der Markgraf gefallen lafjen, da er als pfälziicher Lehens— 
mann jeinen Eid gebrochen. Der Bilhof von Met mußte nad 
einjähriger Gefangenjchaft 60000 Gulden leiſten, der Markgraf und 
der Graf von Württemberg aber 100000 Gulden, alle drei verloren 
Land an die Pfalz, die aus all den Widerwärtigfeiten verjüngt 
hervorging. Vergleiche auch die Sage: Das Mahl zu Heidelberg 
von Guſtav Schwab. 


Der bayeriihe Erbfolgekrieg 150304. 


Am 12. Dezember 1476 jtarb Kurfürjt Friedrich der I. und 
ihm folgte jein Neffe Philipp, der 20 Jahre lang in Frieden mit 
Kaijer und Reich von dem herrlichen Heidelberger Schlojfe, wo er 
Künftler und Gelehrte (Humaniften) um fich verjammelte, die Pfalz 
regierte. Sein Better Herzog Georg der Reiche von Landshut war 
ohne männliche Erben und deſſen Tochter Eliſabeth mit Philipps 
drittem Sohne Ruprecht vermählt, der das niederbayerijche Herzog: 
tum einmal antreten jollte. Der Münchener Herzog Albrecht jedoch 
wollte das Land zu jeinem Herzogtum jchlagen und verband fich 
daher mit den Feinden der Pfalz, Als Georg der Reiche am 
1. September 1503 jtarb, rücdten pfälziiche Söldner in Niederbayern 
ein, aber der Kaiſer belehnte den Münchener und erklärte den 
jugendlichen Pfalzgrafen Ruprecht als Friedebrecher in die Reichs: 
acht. Nicht nur diejer jondern auch jein Vater Philipp wurden von 
allen Seiten bedrängt. Zu den alten Feinden der Pfalz gejellte 
ſich Landgraf Wilhelm von Heſſen, der jengend und brennend 
Philipps Land heimjuchte, Klofter Lorſch, Yampertheim und Schloß 
Friedrichsburg bei Yampertheim plünderte und niederbrannte, dann 
an den Nedar zog um Heidelberg zu verbrennen, das aber jo wohl 
verteidigt wurde, daß er fich auf die linfe Seite des Rheines wandte, wo 
er die Gegend von Alzey und Oppenheim mit Raub und Brand 
bejchwerte. Sein treuer Gefolgsmann war Graf Emich von Lei: 
ningen, der Vogt des Klofters Limburg, in das 400 Pfälzer am 
23. Juli i504 als Bejagung einzogen. Vorſichtig hatte Abt Machar 
die Koſtbarkeiten, Bücher und Handichriften des Klofters nad) 
Speyer gebradt. Der Prior wollte, da der Abt in Speyer er: 
krankte, auch den Kirchenichmudf und die Hausgeräte folgen laſſen, 
allein der furfüritlihe Hauptmann Friedrich von Sponheim riet 
davon ab um in der Gegend feinen Schreden hervorzurufen. Unter: 
dejjen bauten die Leute des Leiningers bejonders die Dürfheimer 
die Feſte Hardenburg aus, während die Pfälzer ihnen das Vieh 
raubten. Da langte am 29. Auguſt 1504 des Nachts um 11 Uhr 
der Furfürftliche Befehl an, daß die Bejagung der Limburg rajch 
abziehen müjje, weil man ſie ſonſtwo brauche. Die Brüder im Klofter 


— 3976 — 


Ichliefen in ihren Zellen, als jich die Pfälzer zum Abmarjche bereit 
machten und vom Kellermeilter den Reijetrunf empfingen; aber faum 
hatte die Bejagung die ſchützenden Klojtermauern verlajjen, als der 
Kellermeiiter die 16 Mönche wedte, die fich eilig im Chor der Kirche 
zum Gebet verjammelten und unter Tränen Abſchied nahmen von 
ihrem jchönen Gotteshauje, das fie vor den lauernden Leiningern 
doc nicht zu halten vermochten, weshalb fie ihr nadtes Leben nach 
Speyer retteten. Schon am 30. Auguſt in aller Frühe rücdte Graf 
Emich, „der Brandmeijter” mit jeinen Söldnern und den Dürfheimern 
in die leere Klofterfejte und ließ Wein und Getreide, Kirchengefäße 
und Gewänder, Bücher, Betten und Gloden nad) der Hardenburg 
Ichleppen; die Erbgruft jeiner Väter wurde geöffnet und alle Gebeine 
in die Johanniskirche zu Dürkheim verbradht. Nachdem die ehr- 
würdige Stätte entheiligt und geleert war, legten die Leute Emichs 
ringsum Feuer an, jodaß zwölf Tage und zwölf Nächte lang der 
TFeuerjchein in die NRheinebene Teuchtete, bis die herrlichen Türme 
ujammenbrachen und nur der rechte Vorderturm in jeinen Umfaj: 
J—— zum Teil erhalten blieb. Ein Laienbruder des Kloſters, 
der Schreiner Johannes, fam in den Flammen um. — 

Schon im September 1504 war Herzog Ruprecht gejtorben, 
bald folgte ihm jeine jugendliche Gemahlin, weshalb nun Frieden ge— 
ſchloſſen wurde (Januar 1505). Ruprechts Kinder erhielten die 
logenannte „junge Pfalz“ oder Pfalz.Neuburg, während der größere 
Teil Niederbayerns an die Münchener Linie fiel. 

Um weiterem Streite vorzubeugen jchuf Herzog Albrecht von 
München mit den Landſtänden das Primogeniturgejeß, nach welchem 
das Land Bayern fortan ein unteilbares Ganzes blieb, in dem jid) 
die Regierung nad) dem Rechte der Erjtgeburt (Primogenitur) vererbt. 

fälzifhe Wittelsbacher feit 1214: Ludwig I. 1214—1228. Otto 
der Erlauchte 1228—1253. Ludwig Il. der Strenge 1253—129. Rudolf 1. 
1294— 1319. Kaiſer a. der Bayer 1319—13%9. Rudolf II. 1329—1353. 
Ruprecht I. 1353— 1390. uprecht II. 1890-1398. Ruprecht II. — 
1398—1410. Ludwig Ill. 1410—1436. Ludwig IV. 1437—1449. Friedrich I. 
1449— 1476. Philipp der Aufrichtige 1476--1508. Ludwig V. 1508—154. 
Friedrich II. 1544—1556. Dtto Heinrich 1556— 1559. 

































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Hac facıe lANVS Dix CASIMIRVS eraf 


JOHANN CASIMIR, Pfalzgraf bei Rhein 1576— 1592. 


Aus: Julius Küchler, Chronik der Stadt Kaiserslautern, 1908. 


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II. Teil: 
Neuzeit. 


Aus dem deutihen Bauernleben. 
(Biaß). 


Unter den Bauern des Mittelalters gab es verjchiedene Gruppen. 
Gehr jelten waren in der Pfalz freie Bauern, die wohl nur in der Rhein: 
ebene und in der Nordpfalz Tagen. Diefe Freien (frie Büman) hatten aber 
nicht mehr wie 3. 3. Karls des Großen im Heere zu dienen; denn wenn fie 
den jogenannten aan bezahlten, waren jie vom Kriegsdienfte ent— 
bunden. Sie durften aber als freie auch noch |päter die Waffen tragen um 
fich gegen Landfriedensbrecdher wehren zu fönnen. 


Viele freie Bauern wurden gerne zinspflichtig, weil fie dann von 
einem mäcdhtigeren Herrn, einem Ritter, Grafen, Herzog oder einem Klofter 
gejhüßt wurden. Die unfreien Bauern waren an die Scholle gebunden. In 
der älteften Zeit hatte der Herr ein Recht auf ihr Xeben, aber die Kirche 
bejeitigte, durch den Hinweis auf die hl. Schrift, den unwürdigen Zuftand. 
Die Unfreien zerfielen in Hageftolze (altdeutjch hagustalt), welche fein 
Land bejaßen, —— bei dem Hofe des von wohnten und in Unfreie 
mit Grundbejiß, die Dienite leilteten oder Zins entrichteten. Hier unter: 
jchied man wieder: Rönigsleute, wie die Bauern des NReichslandes bei 
Zautern hießen, KRlofterleute, die einem Klofter Frondienfte und Zinfe 
leifteten. Auch) Grundholde werden dieje unfreien Bauern oft genannt, 
dann auch — Eigener. Ihre Kinder waren ſelbſt wieder unfrei. 
Menn auch nur Vater oder Mutter unfrei waren, blieb das Kind dennoch 
hörig. „Das Kind folgt der ärgeren Hand.“ 


Bon den Fronhöfen. : 


In faft allen Orten der Pfalz begegnen uns Orts: oder Flurnamen 
auf Fron: Fronbad), Fronhofen, Fronbuſch, Fronmach, Frön oder Fröhnde, 
noc häufiger fommt der Name: Brühl vor, Ki und wieder auh Achte. 
Alle erinnern uns an die Zeit, wo der Grundbejig in den Händen der Herrn 
und Klöfter war. 


Königliche Fronhöfe ftanden bei Lautern, Albisheim, Haßloch, zahl: 
reiche Klöfter wie namentlid Hornbach, Difibodenberg, Limburg, Weißenburg 
und Klingenmünfter, Lorſch bei Worms, Prüm in der Eifel und St. Maxi: 
min bei Trier hatten jolche in der Pfalz. Die auswärtigen Klöfter ver: 
ſchafften fie fich hier namentlich des Weines wegen, 3. B. Fulda. 

Der Fronhof lag inmitten des Dorfes umgeben von den Wohnungen 
der unfreien Bauern. Ein königlicher Fronhof beſtand aus vielen hölzernen 
Gebäuden, die im Frondienft errichtet worden waren. Außer den Wohnungen 
des Meiers und feiner Dienftleute gab es Pferde:, Kuh-, Schwein-, Schaf: 
und Geflügelftälle und umzäunte Gärten. Der ganze Hof war ebenfalls 
durdy einen Zaun oder Hag eingefriedigt. Alle, die zum Hofe gehörten, 
bildeten das Doigericht, deſſen Richter der Meier war und dejlen Schöffen, 
gewöhnlich fieben, aus der Bauernjchaft genommen wurden. 


25* 


— 30 — 


An den Gerichtstagen wurden die Rechte der Herren des Fronhofes 
und die der Bauern genau feitgejeßt. Wer ein folhes Bauerngut befam, 
mußte dem Sen ie Huldigung leiften. Diefer wählte dann das Bei 
Pferd oder die befte Kuh zum eiden, aß er eigentlich berechtigt fei alles 
u nehmen. Belthbaupt oder To Ir nannte man diejen Rechtsbrauch. 
Säprlic hatten die Bauern die Pflicht ihre Abgaben an den Herrenhof zu 
liefern, dabei wurde alles, was nur auf einem ——— zu erzielen oder 
— — war, verlangt: Kühe, Schweine, Schafe, Gänſe, Hühner, Kappen 
als Faſtnachts-, Oſter⸗ oder Fftngihe n); Butter, — Eier, Käſe, Milch, 
iſche, alle Getreidearten, Mehl, Brod, Malz, Erbſen, Bohnen, Linſen, 
opfen, Kraut, Rettich, Rüben, Honig, Wachs, Fiag und Hanf, roh oder 
gehechelt, ſogar Holz. (Kappe = deutſche Form von Kapaun.) 

Bon Berätichaften mußten die —— tigen geben: Axte, Senſen, 
Tonnen, Butten, Keſſel, Platten (Teller) Schüſſeln, Trinkgefäße, Meſſer, 
Scheren, Zangen, Hufeiſen, ſogar: Stühle, Federbetten, Tiſch- und Handtücher, 
Säcke, Tuch, Leinwand, Felle, Leder, Pelzwerk, Schuhe und Handſchuhe, ſelbſt 
fertige Kleidungsſtücke wurden gefordert. 

Auf dieſe Weiſe bekamen namentlich die Klöſter alles, was ſie brauchten; 
es iſt daher erklärlich, daß im ganzen Mittelalter das Geld in Deutſchland 
keine ra Rolle jpielte. ur in den Städten blühte der Beldverfehr, 
namentlich jeit der Zeit der Kreuzzüge. 

In der Pfalz fam es jehr häufig vor, daß die Bauern herrjchaftliches 
Vieh halten und hüten mußten. Die Fang rtondienjte waren I 
verjchiedener Art: Schon die herangewadhjjenen Kinder Lege gegen Koft 
und Kleidung auf dem Herrenhofe dienen. Die Hörigen ſelbſt aber erjchienen 
an gewillen Tagen auf dem Fronhofe und heizten dort die Öfen, badten 
Brot, kochten in der Küche für die Sofbemopnerläat, bereiteten Getränte, 
vor allem Bier. In den Herrenhöfen dienten fie an der Tafel, reinigten 
und bewahrten die Kleider. Die Schweine, die fie hüteten, hatten je z. T. 
auch zu ſchlachten und zu räuchern. Sehr wichtig waren Nachtwachen und 
Botendienſte, dieſe namentlich in Klöſtern, die in fernen Gegenden Höfe 

atten, wie Otterberg, Dino ‚St. Maximin. In Altrip hatte das Kloſter 
t. Maximin hörige Schiffer, die den Rhein hinabfuhren. Bei allen Bauten 
mußte ebenfalls gefrönt werden und a eute nennt man das Beifahren 
der Steine und des Bauholzes in der Nordpfalz „Frönen“. Noch wichtiger 
als diefe Dienfte waren die eigentlichen bäuer re Dienftleiftungen im 
ügen, Adern, Eggen, Säen, Ernten, Drejchen, Reinigen des Getreides, 
ftbrehen. Bejonders wichtig waren Dienitleiftungen in der Heu: und 
Grummeternte, im Weinberge beim Roden, Rebenjchnitt und Herbiten, jelbit 

en in 1oi Lich Zeit ift die j Mähdergerech 
n töftliches Zeugnis jener Zeit die jogenannte Mähdergerechtig- 

keit von Mußbach. ( iebe Schluß.) 

Die Frondienfte mußten von den einzelnen entweder der Reihe nad) 
gehalten werben oder Ir wurden von allen gleichzeitig verrichtet. Anfangs 
geihah es, daß die Hörigen drei Tage der Woche für den Hof arbeiten 
mußten, jpäter aber gewöhnlich zwölf Tage im Jahre. Die Zinjen mußten 
jehr pünktlich abgeliefert werden, daher gab es vielerorts Rutſcherzinſe, d. h. 
der Säumige, der den Zeitpunkt nicht einhielt, mußte für jeden Tag Ver— 
ſpätung das Doppelte bringen. 

Das Weistum von Schiersfeld in der Nord ford beftimmt: Herr der 
Güter, feiner eigenen und der Zinsgüter, war der 2 alagraf von Zweibrüden. 
Jä — Zinstag war der 11. November (Maärtinstag). eder Huber 
mußte bei Sonnenſchein feinen Zins entrichten. Geſchah es nicht, jo zog der 
8* das But nach dreimal 14 Tagen an ſich. Bradte aber danach ein 

uber feine Schuld jamt Zinfen, jo konnte er erſt nad einem Jahre und 
einem Tage (nad) Jahr und Tag) die angezogenen Güter erlangen. 


ur BE ie 


ig. und nach nahmen Abgaben und Frondienfte wohl ab, aber fie 
beftanden in der Pfalz noch bis zur Revolution, die von Frankreich ausging. 
In Bayern wurden fie erft unter der Regierung König Maximilian Joſef 
des |. 57 ie Bodenzinſe aber werden jetzt erſt beſei 


tigt. 
Das Kloſter St. Maximin erhielt von 36 Hubgütern zu Münfterappel 
148 Denare (Pfennige) — 44 Mt., 37 Hühner und 350 Eier, jodaß auf jedes 
But etwa 4 Pfennig = 1 Mt. 1 Huhn und 10 Eier fielen. 


Das Klöfterlein Münfterappel, das zu St. Maximin gehörte, hatte 
im Dorfe jelbjt 35 zinspflichtige Güter mit 280 Pfennigen (84 Mi.), ein 
großer Hof gab jährlich 12 Pfennige (8.60 ME.). Zu diefen Abgaben famen 
noch die Debktin: die nur der Kirche —— und die ſchon Karl der Große 
durch Geſetz feſtgelegt. Man unterſchied allenthalben den großen und den 
kleinen % nten; gewiſſe Güter oder Äder lieferten fogar die neunte oder 
jiebente Garbe ab. Der große Zehnten umfaßte: Weizen, Hafer, Spelze, Korn; 
der Eleine: Rüben, Hülfenfrüchte, Obft u. dergl. m., außerdem Lämmer, Ferkel, 
Gänſe. Dean verlangte aber auch den Glodenzehnten zur des ung 
für den Glödner, Auch der Zehnten wurde erft durch die franzöfiiche Revo— 
lution bejeitigt. 

Der Brundherr (Fürft, Graf, Ritter, nn war eigentlicy Herr 
des ganzen Bodens, der zu feinem Hofe gehörte: Wald, Waller und Weide, 
Wild und Fiſche, Wögel und Bienen waren fein. Er konnte Märkte und 

ölle errichten (daher viele Ortsnamen mit: Zollftod): er übte den Bad», 

ein: und Bierzwang aus, d. h. er fonnte feinen Untertanen gebieten nur 
an ganz beftimmtem Drte (im Badhaus) des Dorfes zu baden. Noch heute 
find auch in der Pfalz einige ſolcher Badhäufer befannt. Wer aber nicht 
von dem Wein faufte, den der Wirt auf Befehl des Herrn verzapfte, dem konnte 
der, Wirt ein Maß Wein zum Hühnerloch hineinjchütten, das der aljo Beftrafte 
bezahlen mußte. 

Mit dem Auftommen des Geldes wuchjen die Städte. Hierhin wandten 
ſich Hörige gerne; denn die Stadtluft machte frei. In der Stadt gab es 
nur Bürger aber feine Leibeigenen und wer Jahr und Tag lang in ihr 
pe dem und von feinem Herrn nicht gefordert wurde oder wer fich von der 
Leibeigenſchaft losgekauft hatte, war ein ftädtiiher Bürger. (Pfahbürger, 
Ausbürger.) 

Viele deutiche Bauern, bejonders Rheinländer, sogen im dreizehnten 
Jahrhundert über die Elbe und nad) den öftlichen ‘Donauländern und 
gründeten hier neue deutjche Siedelungen, die heute noch ftehen. 


Ein Gerichtstag auf einem Kloſterhof. 
(Nach dem Dueidersbader Weistum im Jahre 1555). 


Zwilchen den Jahren 978 und 983 ſchenkte Kaifer Otto der II. dem 
Klofter des hl. Pirminius zu Hornbach jechs ——— en zu Queidersbach, 
das damals zum Bistum Worms gehörte und im MWormsgaue lag. Gau 
graf war der Herzog Otto von Kärnten, der auch das Klofter St. — 
N hatte und auf dejjen Bitten der Kaijer die Hornbacher Mönche jo 
reich bedachte. Hier durften die Brüder ſich Schweine halten und in den 
nahen föniglichen Wald, den wir als jpätern Reichswald noch fennen und 
der damals viel weiter reichte, hüten, ohne eine Abgabe bezahlen zu müljen. 
Die Mönche liefen in QDueidersbad einen Meierhof errichten, der einem 
Meier oder Hofmann zur Verwaltung übergeben wurde. 

Die Güter des Klofters zerfielen in 19 kleine Huben oder Viertelsgüter, 
die den Hubern gegen beftimmte Leiftungen Se wurden. Die beften 
Güter behielt das Klofter für feinen Meter. Das Jahr hatte vier Zinstage: 


Dftermontag, halben Mai, Remigiustag (1. Oktober) und St. ——— nach 

Weihnachten. An ofen brachten die Huber einen Albus für ein . terhuhn, 

im halben Mai 4'/, eg —— 1 Malter Hafer, 6 Pfennige 

und Malter Korn. An Weihnachten erhielt der Kloſtermeier von jedem 

Sch einen Kloben Flachs und 4'/, Pfennig, alles zur Ablieferung nad) 
ornba 


Hinter dem Haufe des Meiers fand an drei beftimmten Tagen des 
nalen das Schöffengericht ftatt: am erften Dienstag zum halben 
ienstag nad) emigiustag und Dienstag nad) —— ei en Tage na 
Weihnachten (6. Januar). Bor Beginn des Berichtes tif er Klo oflermeier 
dem verjammelten Berichte eine Suppe mit Zugehör a Zum Mittags: 
tiiche aber gab es nad) uraltem Herlommen Sped und Erbjen und hierauf 
trodenes Fleiſch in einer Schüffel. Dieje mußte jo hoch gefüllt jein, daß, 
wenn ein Hirte (Kuhhirte, Schafhirte, Schweinehirte) fäme, er mit jeinem 
Steden jo viel abwerfen könne, daß er jatt würde, jein Hund aber mit den 
Knochen genug hätte. Jedoch jollte nod) ſoviel in der Schüfjel bleiben, daß 
alle Schöffen genug hätten. Hierauf fam ein GStüd eis in jchwarzer 
Brühe, dann ein Su n in gelber Brühe, gebratenes Fleiſch mit Zugehör, 
zulegt Käſe und Brot. Dabei tranten die Gäſte au ein genug und em: 
2 en n gu ulegt noch den jogenannten Hofhiehekunt, er in A: nem Rruge in 
e gereicht wurde, 


Auf dem Gerichtsftuhle laß, dann ein Pirmannsmann, d. i. ein Bauer 
des en ornbadh, der den — in der Rechten hielt. Gewöhnlich 
war es aaa eier. Zur rechten Hand des Stabhalters nahm der Bertreter 
des Herzogs von Zweibrüden, der — Schutzherr des Kloſters und aller 

nn Angehörigen war, * Kaſtenvogt nannte man ihn. Zu ſeiner 

— ſetzten fünf bäuerliche Beiſitzer oder Schöffen auch im Namen 
des Herzogs. Zur Linken des Stabhalters aber nahmen ein weiterer Kajten- 
vogt und zwei Schöffen im Namen der Herren von Falkenſtein Platz. Die 
Gemarkung von Dueidersbah wurde an Dielen —— zuerſt genau ange— 
geben, da das Gericht nur innerhalb der Mark galt. 


Mar Streit — zwei Hubern um ihre Güter, ſo brachten ſie ihre 
Klage vor. War es den Schöffen aber nicht gelungen, die Streitenden zu 
verföhnen, jo fonnten dieje fih auf den Oberhof zu Waldſiſchbach berufen, 
ja, das Gericht mußte den Berufenden noch die Wegzehrung geben. 


Kam aber der Herzog als Vogt des Klofters jelbjt zu Gerichte, jo 
mußte ihm das Klofter für 6 Pferde Futter und das Mahl geben. Der 
Graf von Faltenftein erhielt nur Futter für drei Pferde und das Mahl. 
In dem Dorfe waren, weil Zweibrüden und Faltenftein Rechte darinnen 
zent auch zwei Schultheigen, die zu den ‚Berichtstagen fommen mußten. 

er Schulth Heiß von Zweibrüden empfing 15 Scillinge, der Falkenſteiner 
nur 7'/, Schilling. 

u den Adern des Abtes von Hornbad) gehörten vier große Fronftüde 
de err). Wenn dieſe von andern bebaut wurden und der  Garbe 
— ert war, hatte der Kloſtermeier dennoch das Recht, die ſiebente Garbe 

für jein Klofter zu nehmen. Außerdem hatte das Klofter zwei Brühle, d. i. 
eingehegte der oder ——— die beſten der Gemarkung. Wollte der Meier 
ee (allo einzäunen und reinigen, jo mußte er den Hubern bei wachender 
Sonne (aljo am hellen Tage) & ebieten, am Tage nad) Walpurgis (1. Mai) 
dieje —X— zu verrichten. Der Meier —* abe mußte dann das nötige 
Holz jelbft hauen und mit des Klofters Dienftleuten herbeijchaffen. 


MWurde das Bras gemäht, jo fonnte der Meier abermals die Huber 
aufbieten für acht Tage vor argareta und vierzehn Tage danad). Aber 
auch diefe Arbeit mußte den Bauern am Tage vorher bei wachender — 
angel ah werden. Wenn dann die Huber das Heu dörrten, jo —— 
vom Meier '/, Viertel Wein, 2 Brote und einen Käſe. Konnte oder wo 


diefer nichts verabreichen, jo durfte fich jeder Mäher foviel Heu mit dem 
Rechen anziehen, als er unter den Armen tragen konnte. 
Starb ein Huber, jo empfing der Abt das Beſthaupt, hatte jener Pferde, 
o gehörte dem Abte das beſte —38 dem Meier aber das nächſte. Beſaß 
er Verſtorbene feine Pferde, jo wurde mit Kühen gleicherweiſe verfahren. 
Hinterließ der Huber Nachkommen, jo verfiel dem Abte ein jogenanntes 
„Dörres Befthaupt“, nämlich 18 Heller, 45— für einen Hi x urde ein 
anderer Huber eingejeßt, jo empfingen Meier und Schöffen Is Maß Wein 
und 3 Brote. Dieje Zuftände dauerten 3. T. bis nad) dem BOjährigen Kriege. 


Erfindungen und Entdedungen. 


Die Erfindung der Buchdruderkunft. 


Wert gejhriebener Bücher: Noch im —— 1249 befahl der Bene 
diftinerorden feinen Mitgliedern, daß fein Mönch ohne Erlaubnis der Dberen 
für andere als für fein Klofter ein Buch jchreiben dürfe. Im Jahre 1274 
erlaubte der Abt von Benediktbeuren im Einverftändnis mit allen Brüdern 
dem gelehrten Mönche Ulrich, ein Meßbuch zu jchreiben, für das er einen 
Meinberg erhielt. 

Die Nonne Diemund von Weffobrunn hatte eine heilige Schrift in 
wei Bänden prächtig —— und ausgemalt. Dafür erwarb fie ihrem 
lofter ein Landgut in Peiſſenberg. 

Um das! Jahr 1120 gaben die bayerifchen Edelleute Warmunt und 
Engelmar von Perga für ein Meßbuch dem Klofter Baumburg in Oberbayern 
Maldungen und Wieſen. Ein Paffauer Klofter erhielt 1136 für fein Schiff, 
das jedes Jahr Waren aus dem Drient brachte, bei feiner Durchfahrt durch 
Öfterreich Zollfreiheit, weil es dem Mark cfen Leopold dem Heiligen eine 
heilige Schrift in drei Bänden und ein Meßbuch überließ. 

Vom Holztafeldrud: Der wichtigite Vorläufer der Bud): 
druderkunft ift der Holztafeldrud, der in unjerem Lande mit dem 
Beginn des 15. Jahrhunderts aufkam, als man mehr und mehr 
billige Bücher und Bilder verlangte. Die erjten Verſuche waren 
en unvolllommen, wenn es aud; wenig Mühe erfordete, Buch: 

aben und Bilder eines Blattes in Holz zu ſchneiden; aber man 

hatte jet wenigjtens ein Mittel hunderte von Druden rajch der 
Öffentlichkeit übergeben zu fönnen. Bald mußten fich die alten 
Briefmaler der Neuerung anbequemen und nannten jih Brief: 
druder oder Formjchneider, Printers oder Druder. Der ältefte 
befannte Formjchneider war Ulrich von Ulm, 1398. Das Mejjer 
des TFormjchneiders wurde immer volllommener, die Formen daher 
auch |tets feiner, die Formſchneider geichictter und als man gar an 
Stelle der braunen Leimfarbe, Ruß und Ol verwendete und das 
teure Pergament und das Baumwollenpapier durch Leinenpapier 
erjeßte, entitanden recht hübjche Druckſachen, namentlich aber präch— 
tige Holzichnitte. Wenn ein ſolcher Holzichnitt mit Bildern und 
Text vollendet war, jo war das Druden jelbft leicht. Die Holztafel 
wurde mit Farbe hg darauf das angefeuchtete Papier 
gelegt und diejes mittels Keibers (Lederball mit Roßhaaren) feft 
angedrüdt. Spielkarten und SHeiligenbilder waren die erten (am 
meilten begehrten) Erzeugnijje diejer Kunſt. 


— 885 — 


Bald wagte man ſich auch an Kalender und die ſogenannten 
Blockbücher, d. ſ. Bücher, die durch eine ganze Reihe von Blöcken, 
jeden für eine Seite, hergeſtellt wurden. Das erſte dieſer Bücher 
war die ſogenannte „Armenbibel“, die in Bildern und Worten auf 40, 
ſpäter auf 50 Blättern, die Geſchichten Jeſu Chriſti dem ungebildeten 
Volke erzählen wollte. 

Um das Jahr 1434 lebte zu Straßburg der Mann, dem wir 
die Erfindung der Buchdruderkunft, wie wir fie kennen, verdanten: 










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Gutenbergs Handpreffe. 


Johann Bensfleiih zum Gutenberg war fein Name. Gr war 
Goldihmied und entitammte einer Mainzer Patri ierfamilie, deren 
Glieder mit 11 andern Gejchlechtern Münzherren zu Mainz waren. In 
einem Gebäude beim Klofter St. Arbogajt auf einer llinſel trieb 
Gutenberg jein Handwerk, das ihn bald bekannt machte. Hier fam 
er, der ſich bisher mit Schleifen und Fallen von Edeliteinen, aber 
auch mit Spiegeljchleifen ernährt hatte, auf den Gedanken, die Buch: 
ftaben der lakten zu zerlegen, aljo beweglihe Typen herzu⸗ 


— 886 — 


ſtellen, ſie ———— und mittels Preſſe auf Papier 
zu drucken. Aber erſt in Mainz, wohin Gutenberg 1444 zurückge⸗ 
fehrt war, erreichte er ſein Ziel, indem er ſich mit dem reichen 
Mainzer Bürger Johann Fuſt verband, der ihm 800 Gulden zur 
Anſchaffung von Geräten und 300 Gulden für Miete, Heizung und 
Papier voritredte. 

Johann Fuft zahlte im Jahre 1452 weitere 800 Gulden 
an Gutenberg, damit diejer die Koften für die Druderei, Löhne, 
Miete, Anschaffung von Pergament, Papier und Drudfarben 
beitreiten fönne. In dem Hofe „Zum ungen“, jetzt Nr. 3 der 
Franzistanergajje in Mainz ſchlug Gutenberg jeine Werkitätte auf. 
Da er aber nicht genügend Lettern bejaß, fonnte er nicht, wie es 
ein jehnlichiter Wunſch war, die ganze Bibel in Drud nehmen, 
ben mußte fi mit dem damaligen Lehrbuche der lateiniſchen 
Sprache begnügen, das auch bereits früher jchon durch Holztafeldrud 
hergeitellt war. Damit konnte, weil das Buch viel begehrt war, ein 

utes Gejchäft gemacht werden. Daher verlegten jich beide aud) auf das 
Duden von Ablaßbriefen, die der Bapit damals ausgeben ließ um Geld 
gegen die drohende Türfengefahr zu erhalten. Um diejelbe Zeit, 1455, 
ging aus Gutenbergs Druderei das erite Buch in deuticher Sprade: 
„Mahnung der Chrijtenheit wider den Türken“ hervor, in dem Papit, 
Kaiſer, Könige, Erzbiſchöfe, Bilchöfe, Herzöge und freie Städte zum 
Kampfe gegen die Türken, die 1453 Konftantinopel erobert hatten und 
nun das chrijtliche Europa bedrohten, ermahnt wurden. Mit diejen 
u. a. Werfen drudte Gutenberg noch das Hauptwerk jeines Lebens, die 
Bibel in 641 Blättern mit 42 Zeilen auf der Seite, ohne fie frei- 
lich zu vollenden, was erſt unter Fuſt und Schöffer gejchah. 

Für Gutenbergs Erfindung war es bejonders wichtig, daß er 
auf einem Stüd erweichten Stahls die Umriſſe der Buchſtaben ver— 
fehrt zeichnete und dann erhaben ausichnitt. Waren dieje Formen 
am Feuer gehärtet, jo jchlug man fie in Kupfer oder Mejfing, wo— 
durch eine vertiefte — chrift entſtand, die die eigentliche Guß— 
form der „Lettern“ (Litera-Buchſtabe) wurde, indem man aus einer 
Miſchung (jetzt 75 v. H. Blei, 23 v. H. Antimon und 2 v. H. Zinn) 
ein Zetterngut heritellte, das fich gut bewährte. 

Um die Buchitaben leicht nebeneinander jegen zu können, jodaß 
fie ein einheitliches Ganze in Wörtern und Zeilen bildeten, war es 
notwendig, ihnen vieredigen Schnitt zu geben. Das Seten und Ab: 
legen der Lettern gejchah, wie auch heute noch mit der Hand; doc 
verwendet man in großen Drudereien nunmehr auch Seßmaſchinen, 
mit denen ein Setzer ſtündlich 7—8000 Buchſtaben in etwa 150 bis 
160 Zeilen fertigzuftellen vermag. 

Die Drudprejie Gutenbergs war ganz aus Holz; über die 
Fläche mit dem Satze legte man Papier, das durch eine herab 
gelajjene Platte (Tiegel) feitgedrüdt wurde, jodaß das Lederſäckchen 
der Briefdruder nun überflüjfig wurde. 


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Aber nicht mehr als 100 Stüd, davon ein Drittel auf Perga- 
ment erjchienen von diejer heiligen Schrift, von der nur noch 9 wert: 
volle Bracdhtftüce erhalten find. Denn auch nad) dem Drude waren 
dieje Bibeln noch nicht vollendet, jondern die leergebliebenen Räume 
füllten die Briefmaler mit herrlichen Initialen aus, dann wurden 
wichtige Wörter durch prächtige rote Farbe hervorgehoben und zuleßt 
erhielt das Ganze einen ftarfen Einband. Drei Jahre lang hatte 
Gutenberg am Drud der Bibel gearbeitet, bis jie am 26. April 1456 
ohne ihn fertig wurde und zum Verkaufe ausgelegt werden fonnte. 

Unter den Gehilfen Gutenbergs ragte der gejchidte Typen— 
Ichneider Peter Schöffer von Gernsheim bei Worms hervor, der 
Fults Tochter zur Frau nahm. Um aber Gutenberg los zu werden, 
verflagte Fuſt den Erfinder auf Rüdzahlung jeiner Schuldforderung, 
die mit Zinjen und Zinfeszinien 2026 Gulden betrug, Da aber 
Gutenberg nichts bezahlen konnte, jo verlor er jeine ganze Drud: 
einrichtung mit den wertvollen neuen LXettern, mit denen er die Bibel 
bergejtellt hatte die nun Fult und Schöffer, die fich nunmehr zu: 
Jammentaten, für ihre Drude mit Vorteil verwendeten. Wie bisher 
Gutenberg, jo wurde nun Schöffer der Leiter der neuen Druderei, 
in der die Bibel Gutenberg vollendet wurde, worauf das Pjalterium 
entitand, ein Buch mit 23 Bjalmen, die in großen deutlichen Lettern 
auf Pergament gedrudt wurden. 

Mit feinen geringen Mitteln verjuchte Gutenberg die Heritel- 
lung einer neuen 36zeiligen Bibel; aber die Bücher fanden nicht 
gleich den gewünjchten Abſatz aljo auch Gutenberg nicht den ge= 
wünjchten Lohn und der enttäujchte Mann jah fich gezwungen 1458 
feine Typen und die gedrudten Bibeln dem erjten Bamberger Buch: 
druder Albert Pfilter zu verfaufen. Wohl unterjtügte der Mainzer 
Syndifus Dr. Konrad Humery den jchwergeprüften Erfinder mit 
Geld, jodaß ſich diejer neue Typen berftellen und größere Bücher 
druden fonnte, aber Gutenberg war bereis etwa 60 Jahre alt ge: 
worden und räumte daher lieber jüngeren Kräften das Feld. Schon 
im Sahre 1457 trat er als Mitglied in die Bruderjchaft des 
St. Viltoritiftes ein, wo er ein frommes Leben führte. 4 Jahre 
\päter entitand eine jchwere Fehde um das Mainzer Bistum, bei 
der ſich Gutenberg auf die Seite des Grafen Adolf von Naſſau 
ftellte, der dem Grafen Dieter von Iſenburg den Stuhl des Erz- 
bistums ftreitig machte. Da die Bürger auf Seite Dieters |tanden 
und Adolf Sieger blieb, jo verloren fie Hab und Gut; viele Bud: 
druder zerftreuten fi und trugen die Kunft nach allen Richtungen; 
denn Fults Drucderei ging in * auf und da der Welthandel 
damals das Mittelmeer beherrſchte und die Städte Süddeutſchlands 
reich und mächtig waren, ſo wanderten die Penn Gejellen 
namentlich nach Yugsbung, ınberg, Straßburg, Bajel, von denen 
eriteres um das Jahr 1 ſchon 22 Drudereien beſaß. Der Nürn- 
berger Berlagsbuchhändler Anton Koberger, der „König der Buch— 


— 888 — 


drucker“ beſchäftigte bereits 1470 hundert Geſellen, die mit 24 ri 
arbeiteten. Weil aber auch die deutichen Buchdruder die erjten 
Drudereien des Auslandes gründeten, jo fonnte der Gelehrte Jakob 
MWimpfeling 1507 jchreiben: 

„Wir Deutjchen beherrichen faft den gejamten geijtigen Markt 
Europas.“ 


Die eriten Buhdruder der Pfalz. 


Schon im Jahre 1471 erjchien zu Speyer das erſte Druckwerk, 
eine Predigtiammlung in lateinijcher Sprache, von jehr kleinem 
Umfange, dem noch jechs ähnliche Werte len worauf im Jahre 
1472 ein zweiter unbefannter Druder auftrat, der ebenfalls nur 
lateinijche Werke verlegte. — 

Der erite befannte Speyerer Buchdruder ijt der Rats: uud 
Gerichtsherr Peter Drach, der einer reichen Familie der Stadt ent: 
ftammte, die jogar eine eigene Kapelle bei der Bartholomäustirche 
bejaß, er drudte jeit dem Jahre 1477. Seine Druderei hatte er 
von den Erben des Eltoiller Druders Niklas Bechtermünz, der ein 
Verwandter Johann Gutenbergs war, 1476 gefauftl. Da er jehr 
reich war, kannte er fich gejchulte Leute halten, vielleicht ftellte er 
die Leute jener Eltviller “Druderei an, weil jeine Drude ſaubere 
Arbeiten mit jchönem fehlerlojem Drude auf gutem Papiere find. 
Am liebiten drudte er Bücher für den Unterricht, den Gottesdienft, 
das Kirchenrecht und die Theologie. Erſt 1480 erjchien in Speyer 
das erite deutihe Buch. Meter Schöffer in Mainz war Drads 
Vorbild und die Drach'ſchen Drude ftehen ebenbürtig neben denen 
des berühmten Mainzer Mteifters. 


Peter Drach der Mittlere 1481 -- 1504. 


Der Sohn übernahm das er Geſchäft des Baters 1481, 
nachdem er jchon vorher in demielben tätig war. Da Drach ſtets 
fehlerfreie Bücher lieferte, jo jtand er bei den Gelehrten in großem 
Anjehen. Trogdem er ebenjowenig TFormenjchneider wie jein Vater 
war, jorgte er aber jtets für richtige und jchöne neue Buchitaben- 
formen, jodaß er dem reichen Peter Schöffer in Mainz bald überlegen 
war. a, als Schöffers Geſchäft zurüdging, war die Drach'ihe 
Druderei in Speyer das bedeutendite Geichäft am Mittelrhein, 
namentlich, weil bier jehr hübjche liturgiſche Bücher bergeitellt 
wurden. Unter jeinen Druden iſt auch ein deutjcher Pjalter wichtig, 
der 1504 erjchien. 

Sein Sohn Peter Drad) der Jüngere, der zugleich lebens 
länglicher Gerichtsichultheiß des Bilchofs von Speyer von 1500 - 1530, 
demnach ein guter Kenner der Rechtsverhältniſſe war, führte das 
väterliche Gejchäft von 1504—1530 weiter. Sein Bruder Thomas 
war vom Vater enterbt worden. Als aber der Rat den Enterbten 


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wieder in jeine Rechte einjegte, mußte Peter Drach für 2500 Gulden 
die Druderei und etliche Bücher erwerben, um das Geichäft fort- 
führen In fönnen. 

er zu Speyer war unterdejjen die Druderei eines rührigen 
Mannes mit Namen Hift erftanden, neben dem noch mehrere Kleinere 
Drudereien arbeiteten. In dem nicht jehr weit entfernten Oppen- 
heim war 1508 die Druderei des Jakob Koebel gegründet worden 
und auch Schöffers Druderei in Mainz erhob fi zu neuem Glanze. 

Dieje legten drei erhielten von den Gelehrten zahlreiche Auf- 
träge, jodaß Peter Drach meiſt leer ausging. Für die Stadt Worms, 
wohin er fich wenden wollte, drudte er die Stadtgejege und Erlajje 
und zu den beiten ——— der damaligen Buchdruckerkunſt ge⸗ 
hören Drachs Liturgien für die Erzbistümer Mainz und Trier 
jowie für das Bistum Speyer. 

Um das Sag} 1483 war in Speyer die zweite grobe Druderei 
durch Gebrüder Hift aus Hilboldftein, jüdlih von Nürnberg, ent: 
Itanden. Der ältere Bruder Johann ftarb bald, aber Konrad, der 
jüngere führte das Gejchäft weiter. Er hatte wie jein Bruder auf 

er Univerfität Heidelberg ftudiert und ftand mit vielen Gelehrten 
in Beziehung, weshalb der große Gelehrte Jakob Wimpfeling jeine 
Werte bei ihm druden ließ. Da Hift in feiner Druderei die Arbeiten 
nicht immer allein bewältigen fonnte, ließ er viele Bücher an andern 
Orten heritellen. 

Speyer ijt aber nicht nur einer der zwölf älteften Drudorte, 
Jondern auch mancher Jünger der jchwarzen Kunft, der weit in der 
Welt herumlam, war ein Speyerer Kind: Johann von Speyer (de 
Spira) führte ſchon 1469 die Buchdruderkunft in Venedig ein, ihm 
Toigte Wendelin von Speyer, der dajelbit von 1470—77 tätig war, 
jelbjt zu Granada in Spanien war ein Speyerer der erite Druder. 


Die Einführung der TFeuerwaffen. 


In den mehr als hundertjährigen Kriegen, die Englend und 
Frankreich mit einander führten (1328—1436), wurden auch zum 
erftenmale Schießwaffen angewendet. Wer das Schiekpulver er- 
funden hat und ob es den Ghinejen, Indiern und Arabern bereits 
im Altertum befannt war, wiljen wir nicht genau, ebenjo ungewiß 
ift es, ob der deutiche Mönch Berthold Schwarz aus Freiburg 
im Breisgau der eigentliche Erfinder ift, wie jeit Jahrhunderten 
erzählt wird. Schon im Jahre 1389, als der Erzbiichof Werner von 
Trier aus dem Gejchlechte der Falkenfteiner am Donnersberge mit der 
Stadt Ober-Weſel in ‘Fehde lag, wendete man fogenannte Donner⸗ 
büchjen an, mächtige böllerartige Mörjer, mit denen Steinkugeln in 
die Feſte gejandt wurden. Steinfugeln erhielten fich jehr lange und 


—— 


ſelbſt im 30jährigen Kriege wurde mit ihnen noch gl und 
da fie oft von beträchtlicher Größe waren, jo übten fie auch eine 
oft jchredliche Zerjtörung aus. — Anfangs kannten die Kriegsherrn 
nur jchwere Gelchüge, die bei Belagerungen an Gtelle der alten 
MWurfmalchinen traten, das erſte Pulver war aber jo jchlecht, daß 
oft die Wirkung ausblieb, Biel jpäter erſt wagte man fi) an die 
Heritellung von Handwaffen, namentlich auch deshalb, weil die 
Armbruft zu einer funftvollen Majchine ausgebildet worden war. 
Namentlich aber jeit den Hujlitenfriegen bediente man fich in 
Deutichland der Feuerwaffen, die Städte ließen fich, da fie über 
große Neichtümer verfügten, riefige Kanonen und Mörjer gießen, 
die oft jonderbare Namen hatten. Am Schießen auf dem Schüßen: 
feite zu Augsburg 1508, das zu Ehren des Herzogs Wilhelm von- 
Bayern jtattfand, beteiligten ji) 544 Armbruftichügen aber jchon 
919 Büchſenſchützen. Solche Schügenfeite wurden auch in der Pfalz 
in Speyer, Landau, Kaijerslautern, Zweibrüden und Frankenthal 
abgehalten. 

Am 6. September 1582 erhielt die Stadt Frankenthal vom 
Pralzgrafen Johann Gafimir eine neue Stadtordnung, in der es 
heißt: „Und damit fürs Siebente Unjere Bürger und N os: zu 
Frankenthal in fürfallender Noth und Aufforderung auch wohl geübt, 
auch zum. Ernit abgericht und deſto waderer und füglicher zu ges 
brauchen jeien, jo geben wir Ihnen Freiheit und Vergünftigung, 
wollen auch, daß fie forthin alle Feier: und Sonntag und jonjtigen 
nach Gelegenheit mit dem Stahel:Armbruft und Büchjen zum gel 
ſchießen und fich darin üben mögen und jollen, darzu wir ihnen des 
jährlich zum Vorteil aus unjerer Landſchreiberei etwas zu reichen 
(geben) befehlen wöllen, wie gleichfalls die Stadt Frankenthal mit 
jährlichem Vorteil fie zu bedenfen wird willen. Doch joll an Sonn: 
und Feiertägen das Schießen nad) der Mittagspredigt um ein Uhr 
und jonjten auch nach Gelegenheit angeitellt werden.“ 





— = —— 


Die Magnetnadel. 


Das Mittelländiſche Meer. Im Altertum und im Mittel— 
alter war das Mittelmeer das eigentliche Weltmeer, da ſich auf den 
offenen Ozean nur wenige ſchiffskundige Küſtenbewohner wagten und 
der Handel ſeit uralter Zeit von Oſten her nach Europa ging, alſo auch 
größtenteils Landhandel war. Selbſt die wagemutigen Phönizier 
ließen ſelten die Küſte aus den Augen, wenn ſie nach Weſten ſteuerten. 
Befuhren ſie dennoch das weite Meer, ſo dienten ihnen bei Tage 
die Sonne, bei Nacht gewiſſe Sterne (Leitſterne) als ſichere Weg— 
zeichen, wenn der Himmel bewölkt war, ergriffen ſie aber auch 
andere Mittel, indem ſie mitgenommene Vögel fliegen ließen, die 


— 391 — 


ihnen die Richtung angaben. Auf diejelbe Weile drangen Boten 
und Bandalen bis nad) Afrika, die Normannen aber erreichten die 
Injel Island im hohen Norden und die Küjte von Labrador in 
Nordamerifa. Im allgemeinen blieb Schiffahrt Küftenfahrt. Erft 
die Erfindung eines kleinen Inftrumentes ermöglichte die fichere Fahrt 
auf dem weiten Ozean, der fich weitlich von Guropa ausdehnt. 
Schon um das Jahr 1180 kannte. man jenes wichtige Hilfsmittel, 
das wir heute Kompaß nennen und dejjen fich jchon die Chineſen, 
bedienten weil ihnen die Nordrichtung der Magnetnadel jeit 1070 
v. Chr. wohl vertraut war. 

Um das Jahr 1300 brachte der Italiener Flavio Bioja aus 
Amalfi die auf einer Spite ruhende Magnetnadel über eine Wind: 
roje mit acht Strichen und beides in eine Büchſe. Dem. Schiffer 
war es nun ein leichtes fich die Himmelsgegenden nad) der ſtets nad) 
Norden: weilenden Nadel feitzuftellen und bald gab es fein Kauf: 
fahrteilchiff mehr, das nicht auch den Kompaß mit fich führte. Aus 
den acht Teilen der Windroje entitanden bald 32 oder gar 64, jo 
daß es auch möglich wurde in der ftürmijchiten und dunfeljten Nacht 
das Meer zu durchfurdhen. 


Der Weg nah DOftindien. 


Schon das graue Atertum fannte die reichen Schäße Indiens 
und Ägypter, Phönizier, Juden, Perjer, Griechen und Römer ſtanden 
in inniger SHandelsbeziehung zu dem Wunderlande, aus dem fie nicht 
nur Gewürznelten, Muskatnüſſe und Musfatblüte, Zimmet, Pfeffer, 
Ingwer, Kardamon, Kokosnüſſe, Baumwolle und Geide jondern 
auch Elfenbein, Gold und Silber, ſelbſt Perlen ausführten, indem 
fie in den perfiichen Meerbujen fteuerten und den Guphrat oder 
Tigris hinauf bis Bagdad famen, vonwo Kamelfarawanen die 
Küjtenländer des mittelländijchen Wleeres verjorgten. Ein wichtiger 
Handelsweg ging auch durch das Note Meer über Ägypten gerade: 
wegs nad) dem Adriatiſchen Meere, aber das Rote Meer war wie 
der Perfiihe Buſen wegen jeiner glühendheißen Luft gefürchtet, 
weshalb alle jeefahrenden Völker bejonders Portugiejen und Italiener 
danach jtrebten, einen bequemeren Seeweg als die genannten auf: 
zufinden. 

Die kühnjten Seefahrer waren die Portugiejen, die fich im 
15. Jahrhundert immer weiter an der afrifaniihen Küfte entlang 
wagten. An einer ihrer fühnen Entdedungsfahrten war der Nürn— 
berger Batrizier Martin Behaim beteiligt, der um 1459 geboren ilt. 
Behaim hatte in jeiner Vaterjtadt die Raufmannjchaft erlernt, aber 
auch den Unterricht des bedeutenditen Sternfundigen feiner Zeit, des 
Sohannes Müller aus Königsberg in Franken, daher Kegiomon- 
tanus genannt, genojjen. Als ſich ſpäter Behaim in den Nieder: 
landen aufhielt, wohin ihn die Gejchäfte jeines Haujes geführt hatten, 


— 892 — 


unternahm er zu Anfang der achtziger Jahre einen Abſtecher nach 
Liſſabon, wo der König ——— gerade ſeine Gelehrten heauftragte, 
die Grundlagen der Schiffswiſſenſchaft zu verbeſſern. 1487 fuhr 
Behaim als wiſſenſchaftlicher Berater mit einem portugieſiſchen Ge⸗ 
ſchwader von zwei Schiffen nach Süden, auf welcher Fahrt die 
kühnen Seeleute in die Nähe der Walfiſchbai kamen, wo fie einen 
Pfeiler errichteten, der die Grenzeihrer Reiſe bezeichnen jolltee Dann 
fehrten fie um. 1487 bereits umjegelte der fühne Bartholomäus 
Diaz die Südipige Afrikas und nannte fie das „ſtürmiſche Vorge— 
birge”. Als aber König Johann II. die freudige Nachricht vernahm, 
riet er: „Nein, es heiße das Vorgebirge der guten Hoffnung! Test 
ift der Seeweg nad) Indien gefunden“. — Erſt zwölf Jahre jpäter, 
am 14. Mai 1499, landete das erfte portugiefilche Geſchwader im 
Hafen von Calicut in Indien. Unterdejjen aber hatte ein anderer 
Seefahrer, der auch den Seeweg nad) Dftindien juchte, eine folgen 
ſchwere Entdedung gemacht. 


Chriſtoph Kolumbus und die Entdeckung Amerikas. 


Wenn auch die Nordgermanen fünfhundert Jahre vor Chriſtoph 
Kolumbus die neue Welt entdeckten, ſo gilt doch als eigentlicher Entdecker 
der Genueſe, der mit ſeinem italieniſchen Namen Chriſtofero Colombo 
hieß. Um das Jahr 1481 ging er nach Portugal um eine Seefahrt 
nach Guinea mitzumachen. Mehrere Jahre verbrachte er mit ſeiner 
Frau, einer Portugieſin auf dem Inſelchen Portoſanto, wo ihm das 
Volk allerlei von einem im Weſten gelegenen Land erzählte, von 
dem hin und wieder die Meeresſtrömung merkwürdige Dinge an die 
europäiſche Küſte brachte. Von nun an beſchäftigte — mit dem 
Studium der Erde und ihrer Geſtalt, hielt aber die Kugel für ſo 
klein, daß er glaubte in kurzer Friſt Oſtindien, nach Weſten fahrend, 
erreichen zu können. Dieſen Plan teilte er dem Könige Johann II. 
von Portugal und jeiner gelehrten Gejellihaft mit, aber er fand 
feine Unterjtügung; daher wandte er fich mit jeinem Sohne nad 
Spanien, während jeine Frau in Portugal blieb. 

Die Königin Iſabel ließ den Plan des Kolumbus abermals 
prüfen, aber auch hier in Spanien wollte man von dem Sonderlinge 
nichts willen und da ihn die Königin auf die Zukunft vertröftete, 
begab fich der ungeduldige Mann 1491 abermals auf die Wander: 
Ihaft um jeine Dienfte dem Könige von Frankreich anzutragen. 
Schon wanderte er mit feinem Sohne nad) dem |panilchen Hafen 
Palos um von da aus nach Frankreich zu fahren. 

Kolumbus kehrte unterwegs in einem Franziskanerkloſter, das er 
auf jeiner Reije von Portugal nad Spanien kennen gelernt hatte, ein. 
Ein gelehrter Mönch, der einſt Beichtvater am königlichen Hofe war, 


— 38 —ı 


nahm Anteil an den Plänen des Italieners und bat den a. des 
Klofters einen Arzt in Balos, der bedeutende Kenntniſſe in der Welt: 
funde hatte, rufen zu lajjen. Der Prior willfahrte und Kolumbus 
trug den beiden Wißbegierigen jeine Pläne vor. Rajch unterrichtete 
der Huge Mönch den königlichen Hof und wenn wegen der Kriegszüge 
egen die Mauren die Staatskaſſen nicht geleert gewejen wären, o 
hätte der fühne Dann ſofort jeine höchſten Wünjche erfüllen können. 
Da aber Kolumbus nicht lange warten wollte, als man ihm am 
Hofe die Sachlage voritellte, wandte er fich abermals weg. Jedoch 
die Königin ließ ihn zurüdrufen und der Schagmeilter jelbft jchoß 
aus feiner Tajche 30000 ME. vor, damit Kolumbus drei Heine 
Schiffe ausrüjten könne. 

Im kleinen Hafen von Palos, da, wo ſich Kolumbus nad) 
Frankreich einjchiffen wollte, zimmerten fundige Schiffbauer nad) den 
Angaben des Rolumbus drei Segeljchiffe, von denen nur das Admiral—⸗ 
\hiff Santa Maria ein vollftändiges Verde hatte, während die 
anderen Halbdeck hatten. Die Bejagung — 120 Mann. 

Am 3. Auguſt 1492 verließ der neue Admiral mit ſeiner kleinen 
Flotte den Hafen von Palos und ſteuerte zuerſt nach den Kanariſchen 
Inſeln, wo er 4 Wochen raſtete, um Ausbeſſerungen vorzunehmen. 
Dann aber erfolgte die Reiſe ins Ungewiſſe nach Weſten. Nach mühe— 
voller ſechswöchiger Fahrt erblickte der wachhabende Matroſe im Maſt— 
korbe Land und bald lag vor den Blicken der Seefahrer eine Inſel. 

Das flache fruchtbare Inſelchen Guanahani war von freund: 
lichen, gutmütigen Menſchen bewohnt, welche Kolumbus in jeinem 
Irrtum, daß er den Seeweg nad Dftindien gefunden habe, „Indios“ 
nannte, aus welchem Worte die Bezeichnung Indianer hervorging. 
Er ſprach immer nur von MWejtindien. Im Namen des Königs 
von Spanien nahm er Belig von dem neuen Lande und lief dann 
noch eine weitere Anzahl Eleinerer Injeln an, bis er am 28. Dftober 
Kuba anlief, und meinte nun wirklich das heißerjehnte Oftindien 
erreicht zu haben. Die Boten des Admirals, die die Injel durch— 
jtreiften, brachten außer Goldſchmuck auch ein Kraut, das die In: 
dianer Tabaco nannten, und das jie in Rollen formten und anzündeten, 
um dann den Rauch zu „trinten“. Nach a Tagen fanden die 
Spanier audy Haiti, an deſſen Strande das Admiralsſchiff großen 
Schaden erlitt, jo daß Kolombus auf der Eleinen Ninna, gefolgt 
von dem zweiten Schiffe Pinta, heimfuhr, während ein Teil der 
Belagung zurüdblieb und eine Kolonie anlegte. 

Ein furchtbarer Sturm drohte den Kleinen Schiffchen den 
Untergang und jchon hatte Kolumbus einen ausführlichen Reijebericht 
in guter Umbhüllung dem Meere übergeben, damit doch Nachricht 
über jeine Entdedung nad) Europa fomme, als er glüdlich auf den 
Azoren landete, wo ihn der portugiefiiche Statthalter feindjefig be— 
handelte. Nur mit Mühe bejänftigte Kolumbus den neidilchen Wann. 
Selbjt bei jeiner Ankunft im Tejo drohte dem glüdlichen Entdeder 


26 


— 394 — 


ein neuer Mordanſchlag und nur mit Hilfe des portugiefiichen 
Königs vermochte Kolumbus weiter zu fahren. Am 15. März 1493 
landete er mit dem unterdejjen erjchtenenen zweiten Schiffe und da 
der Königshof gerade in Barcelona weilte, wurde dem Entdecker 
und jeinen Leuten ein feitlicher Empfang bereitet. 

Mit einigen mitgeführten Indianern jowie allerlei Dingen 
aus dem fernen Weiten fonnte Rolumbus jeine Entdedung beweilen 
und Wundererzählungen verbreiteten ſich von Spanien aus allent: 
halben hin. 

Bereits am 25. September 1493 jegelte von Gadix aus eine 
neue Flotte von 17 Schiffen nad) der neuen Welt. Da KRolumbus 
eine mehr jüdliche Richtung einjchlug, entdedte er nach einander die 
Injeln Domenica, Maria Galante, Buadalupe, Antiqua, San Martin 
und Santa Cruz, die von den wilden Karaiben bewohnt waren. 

Im Jahre 1498 unternahm Kolumbus jeine dritte Fahrt, 
wurde"aber mit jeinen beiden Brüdern in Ketten gelegt und nad) 
Europa geführt. Bei der Landung nahm man die Ketten wohl ab, 
auch jeine Unjchuld ftellte jich heraus und die Verleumder wurden 
abgejegt. Als um dieje Zeit die Kunde von Basco de Gamas 
Fahrt die ganze Welt erfüllte, trat Kolumbus am 9. Mai 1502 
jeine vierte Fahrt an um von Welten her auf die berühmten in- 
diſchen Gewürzinjeln zu jtoßen. Am 30. Juli desjelben Jahres 
erreichte er die Injel Guayana, die dem mittelamerifanijchen Feſt— 
lande vorgelagert iſt und landete bald darauf an der Külte von 
Honduras, ohne zu willen, daß er ſich auf dem Feſtlande befinde. 
Wohl wurde er bei jeiner Rückkunft mit königlichen Ehren empfangen, 
aber Vizekönig des überjeeijchen Spaniens wurde er nicht mehr, da 
er am 21. Mai 1506 jtarb. 

Aber nicht nach Kolumbus, jondern nach einem andern wurde 
der neue Erdteil benannt. Ein TFlorentiner Amerigo (Emrich) 
Veſpucci hatte an vielen Entdedungsreijen teilgenommen und jeinem 
Freunde Lorenzo die Medici brieflichen Bericht gejandt, in denen 
er die eigenen Berdienfte über die Maßen lobte. Da dieje Briefe 
bald gedrudt und in vielen Sprachen überjegt wurden, hielten die 
Gelehrten jener Zeit Veſpucci für den Entdeder und der lothringijche 
Schulrektor Martin Waldjeemüller jchlug daher in jeiner 1507 ge: 
drudten!, Geographie” vor, den vierten Erdteil Amerika, d. i. Land 
des Amerigo zu nennen. Ihm folgten bald alle nach, während an 
den eigentlichen Entdeder nur ein Bundesbezirf der Vereinigten 
Staaten von Nordamerika, der Welten Canadas und ein Staat in 
Südamerifa, alle Columbia genannt, erinnern. 


Der erite Pfälzer in Amerika. 


Bald nad der Entdeckung Amerikas machten fich viele Euro— 
päer auf den Weg nach dem neuen Wunderlande; die reichen deut— 


— 35 — 


Ihen Kaufhäuſer der Weljer und der Fugger gründeten mit Ge: 
nehmigung des Kailers Karl des V. Handelsniederlajlungen. Das 
Land Benezuela (Klein-Venedig), das Veſpucci entdedte, verlieh im 
Jahre 1528 Kaiſer Karl V. den Kaufherren Heinrich Ehinger und 
Hieronimus Sailer, gab es aber 1531 dem Augsburger Großfaufmann 
Bartholomäus Weljer, der ihm große Summen vorgejchojjen hatte, 
welche der Kaijer nicht mehr zurücbezahlen konnte. Weller warb 
deutiche Landsknechte an und jchicte fie unter Führung von Am: 
brofius Ehinger nad) Venezuela. Um dieje — war ein Speyerer, 
Georg Hohermut in den Dienſt eines Memminger Kaufhauſes 
getreten und fand dann bei den Welſern Stellung. Von dieſen 
wurde er beauftragt, in Sevilla Vorbereitungen zu einer neuen 
Fahrt nad) dem Welten zu unternehmen. Im Jahre 1535 wurde 
er jogar Statthalter von Venezuela und unternahm von 1535 — 38 
eine Entdeckungsreiſe nad) Südamerika, auf der ihn der Deutjche 
Philipp von Hutten begleitete. Er fam bis an den Fuß der dit: 
lihen Anden und entdedte als Erſter das Duellengebiet des Orinofo. 
Meil er aber drei Jahre ausblieb, glaubte man in Venezuela, er 
ſuche nur feinen eigenen PBorteil und verlaufte alle jeine Habe. 
Wie erftaunt war man aber, als Hohermut wohlbehalten zurüdfehrte. 
Nocd ehe der Prozeß gegen ihn beendigt war, ſtarb er 1540, aber 
noch nad) jeinem Tode rühmten die Spanier jeine Menjchenfreund: 
lichkeit und Milde, 

Dem Neid der Spanier fielen jogar 1546 der junge Weller 
und Hutten zum Opfer, indem fie in ihrem Lager gefangen und 
hingerichtet wurden. Zwar wurde dieſe Schandtat gerächt, aber 
sm war und blieb Venezuela für das deutiche Handelshaus 
verloren. | 


96* 


Das Zeitalter der Reformation. 


Kailer Maximilian I. 1493—1519. 


Dem kraftloſen Kaijer Friedrich dem Ill. folgte 1493 jein 
waffen und ſprachkundiger Sohn Maximilian, der als der letzte 
Nitter galt und dem das durch TFehden zerrijjene deutjche Land 
zwei wichtige Einrichtungen verdankte: den ewigen Landfrieden 
und das Reihstammergericht, das bis zum großen Brande 
1689 feinen Sig in Speyer hatte. Um den Landfrieden bejjer 
wahren zu können, bildeten fich in Deutjchland aufgrund des neuen 
Geſetzes zehn Landfriedenstreile, das Faujtrecht war für alle Zeiten 
verboten und Streitigkeiten der Fürften, Grafen, Ritter und Reichs— 
ftädte jollten fünftig vor dem NReichsfammergerichte zum Austrage 
gebracht werden. 

Die 250 Mitglieder des NReichstages widerftrebten aber Maxi: 
milians Plane, den „gemeinen Pfennig“ (eine KReichsiteuer) 
einzuführen und für das Reich 30000 Mann Truppen ausheben zu 
laſſen. Maximilian, der in ftändige Kriege verwidelt war, ließ 
daher für fi Truppen gegen Sold anwerben, die, weil fie dem 
Rande dienten, Landsknechte genannt wurden. Je 400 bildeten 
ein Fähnlein, 25—40 waren mit Hafenbüchlen bewaffnet, etwa 
100 trugen SHellebarden, die andern nur einen Spieß, vor der Schlacht 
aber jtellten fie fich in Gevierthaufen auf. 


Franz von Sidingen. 


Ein Bater der Landsknechte war der Neichsritter Franz 
von Sicingen, Herr von Ebernburg und Nanjtuhl (Zandituhl), der 
am 1. März 1481 zu Ebernburg geboren war und zwei große 
Männer feiner Zeit, Johann Geiler von Kailersberg und Johann 
Reuchlin (ſprich Reüdlin) zu Lehrern hatte, Franz war mit Hedwig, 
der Tochter des furpfälziichen Amtmannes zu Lautern, Bhilipp von 
Flersheim vermählt.e Im Jahre 1508 hatte jein Diener Georg von 
Rodalben eine Forderung an den Grafen Reichard von Zweibrüden 
— Bitich, weshalb eine Fehde entitand in der das Dorf Medelsheim 


— 397 — 


gebrandichagt wurde, jodaß der Graf das Vierfache der Schuldfumme 
erlegen mußte. Franz diente hierauf mit feinen Rnechten dem Kaijer 
und dem Erzbiſchofe von Mainz. 

Als im Jahre 1513 ein Aufruhr der Wormjer gegen ihren 
Stadtrat entitand, ſodaß diejer vertrieben, vom Kailer aber wieder 
eingejegt wurde, büßten viele Bürger Freiheit, Vermögen und Leben 
ein. Unter ihnen befand fich als Unjchuldiger Balthalar Schlör, der, 
weil er Hab und Gut verloren hatte, den Kaijer um Hilfe bat. 
Da ſich aber niemand jeiner annahm, wandte er fich nach Ebernburg 
an Franz, der jofort bereit war, den Bedrängten zu jchüßen, indem 
er ihn mit Weib und Kind in feinen Dienft nahm und an den Rat 
von Worms die jchriftlicde Mahnung richtete, die Güter Schlörs 
herauszugeben. Da aber der Rat eine ausweichende Antwort gab, 
jo rültete Franz zum Kampf gegen die freie Neichsitadt, obwohl 
unterdejjen jeine treue Gemahlin Hedwig ſtarb. Sogleich begann er 
von der Ebernburg jeine Züge gegen Worms. Im März 1515 
hatte er erfahren, daß Wormjer Schiffe mit Waren nad Frankfurt 
den Rhein hinabfuhren. Zwei andere Ritter, Götz von Berlichingen 
und Hans von Selbif legten ſich mit Sidingen bei dem Dorfe Eich in 
einen Hinterhalt und beichojjen und faperten das Schiff, dejlen reiche 
Beute nad) Ebernburg wanderte, wo auch die Gefangenen unter: 
gebracht wurden, bis fie fich gegen hohes Löjegeld VeIbit loskauften. 
Die Fehde verſtieß gegen das Landfriedensgeſetz, weshalb das Reichs— 
fammergericht Franz nicht nur ſcharf ermahnte, jondern auch vorlud. 
Franz aber jchidte den Wormjern die Nachricht, daß er ihre Stadt 
belagern werde und bat daher die Rammerrichter, die damals in 
Worms tagten, die Stadt zu verlajjen damit fie nicht dem Ungemad) 
der Belagerung ausgejeßt jeien; aber als Antwort folgte am 
15. Mai 1515 die Reihsadht für ihn und feine Anhänger. Den: 
noch belagerte er die Stadt mit 6000 Landsknechten und 1100 Reitern, 
unter denen jeine Freunde Hans von Helmjtädt, Hartmut von Kronen: 
berg und Konrad Kolb von Wartenberg waren. 

Nach Starker Beſchießung erjchien der kaiſerliche Landvogt des 
Eljaß mit einem größeren Yandfnechtsheere und Franz mußte, nach: 
dem er die Felder, Weinberge und Obſtgärten verwültet hatte, un: 
verrichteter Dinge abziehen. 

Hierauf nahm fich Franz des Grafen GBangolf von Hohen: 
geroldsef an, dem Herzog Anton der III. von Lothringen mehrere 
Burgen entrijjen hatte, warf legterem den Fehdehandſchuh hin und 
zwang ihn, dem Grafen nicht nur jeine Beligungen zurüdzueritatten, 
ſondern erlangte auch für fich 300 Boldgulden —— Bald 
darauf Den an den franzöfilchen Königshof, wo er als bereits 
berühmter Mann mit Ehren empfangen wurde, indem König Franz 
ihm den Feldherrnſtab verlieh, eine goldene Kette um den Hals hing 
und jährlich 5000 Markt zahlte, weil er nach der deutjchen Krone 
Verlangen trug. Franz war faum aus Frankreich nach Deutjchland 


— 38 — 


zurücdgefehrt, als jich einige Meter Freunde an ihn um Hilfe gegen 
die Stadt wandten und jchon bald darauf leuchteten auf den um: 
liegenden Höhen der Reichsitadt die Rauchläulen der brennenden 
Meter Landgüter. Da Sidingen jofort mit der Belagerung der 
Itarfen Felte begann und die Weinberge um die Stadt auszureißen 
drohte, gaben die Meter nach und zahlten 30000 Goldgulden und 
einen Monatsjold für jein Heer. 

Franzkonnte nun allen jeinen Feinden trogen und begab ſich, ob: 
wohl)er in der Reichsacht war, zum Kaiſer nad) Innsbrud, der die noch 
nicht vollzogene Acht wieder zurüdnahm, als Franz verſprach, nichts 
im Dienfte Frankreichs zu tun, jondern jeine Aralt dem Raijer zu 
widmen. Bald darauf juchte Franz den Landgrafen von Hejlen 
heim, dejjen Gerauer Land er von Ebernburg aus brandichagte, 
danach Darmitadt belagerte und 50000 Gulden Brandichagung und 
ſich 35000 Gulden Kriegstojten zahlen ließ, womit er jeine SHeere 
bejjer mit Gejhüß ausrüften fonnte, zog jofort nach Frankfurt, das 
ih durch eine Summe von 4000 Bulden vor allem Schaden hütete. 
Auch dem Kaiſer half er auf dem Zuge gegen den geächteten Herzog von 
Württemberg. Da aber bald darauf der alte Radler Maximilian ſtarb, 
trat Franz auf Seite Karls von Spanien, indem er mit 15000 Mann 
in der Nähe der Wahljtadt Frankfurt lagerte, wo Karl als deuticher 
Kaijer ausgerufen wurde. In Aachen wohnte Franz der Krönung 
bei und wurde von Karl zum oberjten Hauptmann, Rat und Kämmerer 
mit einem Jahrgehalte von 3000 Bulden ernannt. 

Unterdejjen war in Deutjchland die Reformation entitanden 
und Franz jammelte auf der Ebernburg Männer um fi, wie Ulrich 
von Hutten, Kaſpar Aquila, Martin Buzer, Johannes Okolampadius 
und Johann Schwebel, die im Sinne Luthers wirkten und mit 
Hilfe einer Drucderei, die Franz auf der Ebernburg aufftellte, ihre 
Gedanten verbreiteten. Damals tagten auch viele Reichsritter des 
mitielrheiniichen Landes im Gaſthofe zum GBeilt in Landau, wo fie 
einen Bund gegen die immer mächtiger werdenden Fürſten Itifteten, 
der am Laurenziustage 1522 bejchworen wurde und ſchon (Ende 
Auguſt ftand Franz mit 10000 Mann Fußvolk und mit 5000 Reitern 
unter der Fahne. Seine Burgen Landituhl, Ebernburg, Hohenburg, 
Drachenfels waren mit neuen Befeltigungen und Gejhügen wohl 
bewahrt, alles aber glaubte, Franz ziehe im Auftrage des Kaijers, 
dejlen oberiter Feldherr er war, nad) Frankreich; jedoch jchon nad) 
einigen Tagen erhielt der Bilhof Richard Greifenklau zu Trier 
den Fehdebrief und obwohl die faijerliche Regierung ftrenge verboten 
hatte, der Fahne des fühnen Franz zu folgen, liefen ihm doch die 
Landsknechte haufenweije zu; denn Beute gab es immer und nie war 
Franz den Gold jchuldig geblieben. Bon Ebernburg und Landſtuhl 
rüdten die ftattlichen Scharen nad} Bliestajtel und St. Wendel, deren 
Herren LZehensleute des Trierer waren und noch ehe jemand dieſem 
zu Hilfe fommen fonnte, war Trier von GSidingen eingejchlof)en. 


— 899 — 


Richard von Greifenklau leitete ſelbſt die Verteidigung ſeiner Stadt 
und panzerte ſich wie ein Kriegsmann, ließ auch das alte Kloſter 
St. Maximin vor den Toren der Stadt den Flammen preisgeben. 
Fünfmal hatte der Sickinger die Stadt berannt und mit den 
neuen Gejchügen bereits 20 Tonnen Pulver verjchojjen; aber jeine 
Bundesgenojjen ließen nichts von fich hören. Dagegen rüjteten der 
Landgraf von Hejlen und der Kurfürjt von der Pfalz, jodaß er am 
14. September jchon die Belagerung aufgab und ſich eilends nad) 
Landſtuhl wandte, wo ihn die Reichsacht zum zweitenmal traf. Noch 
im Herbite desjelben Jahres zogen 120 Bürger von Kaijerslautern 
gegen die Feſte — deren Beſitzer Bundesgenoſſen von Franz 
waren und brannten ſie vollſtändig aus, ſeitdem liegt ſie in Trümmer. 
Die Reichsacht ſollte alſo diesmal ſtrenge vollzogen werden und der 
Kurfürſt von der Pfalz, der ſich bereits mit dem Erzbiſchofe und 
dem Landgrafen verbunden hatte, wurde mit der Vollſtreckung betraut, 
doch verſtrich der Winter darüber und Franz, der ſeine Bundes: 
genoljen rächen wollte, brandſchatzte KRaijerslautern und die Dörfer 
des Neichslandes, die in nächiter Nähe feiner Feſte Landſtuhl lagen, 
bis der Frühling fam und beide Parteien fi) zum Kampfe rüjteten. 


Belagerung von Landſtuhl 1523. 


Am Samstag, den 18. April 1523 ritt Pfalzgraf Ludwig 
an der Spitze einer ſchön gerülteten Kriegsmacht mit dem wappen- 
geichmücten Herold an der Seite zu Heidelberg hinaus nad Worms, 
wo er bei dem Bilchofe einige Tage weilte und zog am 22. nad) 
Kreuznach, wohin fi) auch der Landgraf von Heſſen und der Erz- 
bijchsf von Trier begaben. Nachdem alle Fürjten fejtlich mit ihren 
Kriegern in die ſchöne Naheftadt eingezogen waren, hielten fie mehrere 
Tage lang Kriegsrat, da fie nicht wußten, ob fie Ebernburg oder 
Landſtuhl belagern jollten. Schließlidy aber jandten fie den Pfälzer 
Ritter Schent zu Erbach mit Landsknechten und Geihüg nad) Yand- 
ſtuhl um Franz, den fie mit jeinem Sohne Reinhard dort vermuteten, 
zu belagern. Während die Belagerung nad) Aufichlagen eines 
Lagers, durch Aufwerfen von Schanzen und durch Schießen begann, 
zog der Pfalzgraf über Alzey und Grünjtadt, wo er des Leiningers 
Scharen jammelte, nach Raijerslautern um im Sclojje die Ankunft 
jeines Neffen Ott Heinrich zu erwarten. der bald mit 200 wohl: 
gerülteten Pferden, mehreren Nittern und 40 Wagen mit Zelten 
und andern Dingen erjchien. Am 29. April verließ Ludwig Lautern 
mit Dit Heinrich und Herzog Wolfgang und traf faſt zu gleicher 
Zeit mit jeinen beiden Verbündeten vor Landſtuhl ein. 

Noch an demjelben Tage wurde Kriegsrat gehalten, indem der 
Ritter Wilhelm von Renneburg zum Feldhauptmann ernannt wurde. 


= 00: 


Franz hatte in jeiner Burg, die mit neuen Mauern und neuen 
Gejchügen wohl verjehen war, zuviel Reiter, weshalb er einen blinden 
Ausfall wagte, der auch gelang, jodaß der Raum im TFeljenneite 
nicht mehr zu enge war und der Mundvorrat länger reichen konnte. 
Mährend aber Franzens Verbündete ausblieben, mehrten fich die 
Völker der drei Fürjten zujehends. Franz Jah dies, verzagte aber 
nicht, jondern ließ von dem höchſten Turme jeiner Feſte fortwährend 
auf die Stellung der Feinde jenjeits des Tales feuern. a, er nedte 
Ipöttilch die feindlichen Vorpoften mit den Worten: „Ich will Euch 
von meiner Armut etwas Brot und Wein mitteilen, wenn ihr abzieht.“ 
Mehrmals wagte er fi) von dem mit der Burg verbundenen Städt- 
chen aus gegen die Belagerer, machte auch Gefangene, konnte aber 
allein den ſtarken Feind nicht vertreiben. Da jandte er einen Boten 
ins Lager mit der Nachricht: „Ich bin zwar Euer furfüritlichen und 
fürftlichen Gnaden Ankunft nit alſo hoch erfreut, doch habe ich neue 
Mauern, Ihr neues Geſchütz, dasjelbe wollte ich gerne hören. Ich 
jelbjt 30g vor Trier, habe mein Pulver und meine Kugeln mit 
Freuden verſchoſſen aber mit Unluft wieder abziehen müjjen; ic) 
hoffe, es wird Euer furfürftlichen und fürftlichen Gnaden aljo er: 
gehen.“ Die Fürjten antworteten, er werde ihr Geſchütz ſchon noch 
zu hören befommen. 

Bald begann aud) eine furchtbare Beichießung, jodaß an einem 
Tage über 600 Schüjje in die Feſte fielen, von denen der dicke Turm 
von 14 Schuh Stärke in Trümmer jant. Als aber am 2. Mai ein 
Stüf Mauer von 24 Schuh in der Ränge niedergelegt wurde, ließ 
fich Franz, der an Fußgicht litt, von 2 Getreuen hinausführen um 
den Schaden zu bejehen, aber in demjelben Augenblid jaufte vom 
jenjeitigen Berge ein Schuß aus einer Feldichlange herüber und zer: 
\plitterte einen Balken über Franz, den ein Stüd mit ſolcher Wucht 
in die Seite traf, daß eine Wunde entitand, durch die man Lunge 
und Leber im Leibe jah; auch die Begleiter wurden verwundet und 
eine zeitleng lagen alle drei befinnungslos auf dem Boden, bis der 
Burgfaplarn den Ritter in jein gewöhnliches Gemach bringen ließ. 
Als aber die Bejchießung immer mehr der Burg zujeßte, trug man 
den Schwerverwundeten in ein Felſengemach, wohin zwar nicht die 
Gejchojje reichten aber doch das Krachen der Kartaunen drang. 
An eine Rettung war nicht mehr zu denken, denn die verjprochenen 
ritterlichen Bundestruppen-blieben aus und Franz bot am 6. Mai 
den Frieden an. Die Fürlten verlangten aber, daß er mit allem, 
was er habe, fich ergebe und alle jeine Güter ihnen überlajje, wolle 
er dies nicht, jo würden fie mit der Beſchießung fortfahren. Franz 
aber fand dieje Bedingungen zu hart und verlangte, man möge ihn 
ungehindert mit den Seinen abziehen laſſen, dann ſolle Landſtuhl, 
wie es jei, den Belagerern gehören. 

Darauf gingen die Fürjten nicht ein, weshalb Franz vorjchlug, 
Jeine Gefangenen gegen die Belagerten auszutaujchen und Landſtuhl 


ihnen überlajjen, womit die Verbündeten zufrieden waren. Am 
7. Mai in der Frühe jchon erjchienen dieje im Gewölbe, wo der tot- 
kranke Ritter lag, der aber jehr jchlecht Jah, ſodaß er fragen mußte: 
„Welches ift der Landgraf?” und als man ihm denjelben zeigte, 
nahm er jein Barett ab und jagte: „Bnädigiter Herr Landgraf!“ 
in die Hände des FFeldhauptmanns aber gelobte er jein ritter- 
liches Gefängnis zu halten. — Dann jagte der ihm nahejtehende 
Diener: „Da fteht mein gnädigiter Herr, der Bfalzgraf und Kurfürjt!“ 
worauf Franz wieder das Barett abzog und ich aufzurichten Juchte, 
weshalb der Kurfürſt rief: „Franz bleib liegen und je wieder auf!“ 
nad) einigen Worten zeigte man den Erzbilchof von Trier, vor dem 
er aber das Barett nicht abnahm und als einer deshalb fragte, gab 
er zur Antwort! „Ich konnte werden, was er ilt, denn ich bin ebenjo 
adelig geboren.“ Als jener ihm Borwürfe über die Berwültung des 
Trierer Landes machte, antwortete Franz: „Da wäre viel davon 
zu reden; ein andermal wollen wir davon Iprechen. Nicht ohn' 
Urſach; hab jet mit einem größeren Herrn zu reden!“ 

Dann entfernten ſich die Fürlten, zulegt der Landgraf, als aber 
der kurpfälziſche Oberhofmeilter und Landvogt zu Germersheim 
Ludwig von Fledenitein den jterbenden Helden tröjtete, antwortete 
diejer ruhig: „Lieber Hofmeilter, es ift um mich ein Geringes. Ich 
bin nit der Hahn, darum man tanzt, jondern man will tanzen um 
die ganze Nitterjchaft.“ Bald darauf tat er jeine Beichte, aber noch 
ehe der Burgfaplarn Nikolaus mit dem Saframent erjchien, war 
Franz bereits verjchieden, ſodaß die Fürjten für ihm beteten. Als 
lie den Kaplan fragten, ob Franz vielleicht bei jeiner Frau in 
Kreuznach begraben jein wolle, antwortete diejer, daß der Ritter ge- 
äußert habe, man jolle ihn begraben, wo er jterbe. Cinige Bauern 
und die Köche des Landgrafen legten ihn in eine Harniſchkiſte und 
zogen dieje am Geile den Berg hinab in das Städtchen Landituhl, 
wo fie Franz in einer Kapelle beijegten. Aber die Fürjten beteiligten 
fich nicht an dem Begräbnijje, dem nur 10 Ritter beiwohnten. Bald 
erjcholl in ganz Deutjchland die Kunde von dem rajchen Untergange 
des großen Ritters, Luther aber rief in tiefer Erjchütterung aus: 
„Der Herr ift gerecht aber wunderbar, er will jeinem Evangelium 
nicht mit dem Schwerte helfen.” 


Ruthers Auftreten. 


Um die Mittel zur Vollendung, der Beterstirche in Rom auf: 
ubringen, hatte Papſt Leo der X. einen allgemeinen Ablaß ausge: 
—— den nur der gewinnen konnte, der eine Almoſenſteuer zum 
Kirchenbau leiſtete. Mit der Einhebung von Ablaßgeldern beauf— 
tragte der Erzbiſchof von Mainz für Mitteldeutſchland den Domini: 


— 4092 — 


fanermönd; Johann Tegel, der auch nad) Sachſen fam. Da aber 
Tegel allerhand Ausjchreitungen beging, trat ihm der Augultiner: 
mönd Dr. Martin Luther, Profefjor in Wittenberg durch die Predigt 
entgegen. Als aber Tetel dennoch fortfuhr, ſchlug Luther am Bor: 
abend des Allerheiligentages, der für Wittenberg zugleich Kirchweih— 
feit war, 95 öffentliche Streitjäge (Thejen) an die Schloßfirche und 
forderte jedermann zur öffentlichen Disputation darüber auf. Luther 
wurde zur Rechtfertigung nach Rom gerufen, aber auf Verwenden 
des Kurfürften Friedrich des Weilen von Sachſen geitattete der Papſt, 
daß fich Luther vor dem päpftlichen Gelandten Kajetan auf dem 
Reichstag zu Augsburg verantworte. Allein Quther war nicht zum 
MWiderrufe zu bringen, verjprach aber zu jchweigen, wenn jeine Gegner 
Ihwiegen. — In einer PDisputation zu Leipzig, die zwilchen dem 
Ingoljtadter Profeſſor Dr. Eck und Luthers Amtsgenofje Dr. Karlitadt 
Itattfand, griff auch Quther ein und behauptete Ed gegenüber, daß 
von den Lehren des Johannes Huk einige durchaus chrijtlich und 
evangelijch jeien. 

Da fich Luther auch auf die Hl. Schrift als die alleinige Quelle 
des hriftlichen Glaubens berief, jo wurde er 1520, nachdem Di. Ed 
einen Bericht über die Disputation nad) Rom geſchickt Hatte, mit 
dem Bann bedroht, indem man 41 jeiner Lehrſätze aus jeinen Schriften 
als feterijch bezeichnete, die er daher innerhalb 60 Tagen wider: 
rufen müſſe. In diejen Schriften verwarf Luther diejen Ablaß, die 
Heiligenverehrung, den Unterjchied zwilchen Priefter und Laien, 
die GEhelofigfeit der Priefter und die Siebenzahl der Saframente, 
forderte aber für die Laien den Abendmahlstelh. Da er nicht wider: 
rief, fam er in den Kirchenbann, 309 aber mit jeinen Freunden und 
Anhängern am 10. Dezember 1520 vor das Elitertor in Wittenberg 
und verbrannte hier die Bannbulle jamt den kirchlichen Rechtsbüchern, 
ſomit hatte er fich von der Kirche losgejagt. 

Unter den Freunden Luthers iſt der Profejjor Philipp Melanch— 
ton (Schwarzert) zu nennen, der aus Bretten in der badilchen‘Pfalz 
itammte, der größte Gelehrte feiner Zeit war, und höhere Schulen 
einrichtete, weshalb er der Lehrer Deutichlands genannt wurde. 
Luthers Anhang wurde immer größer, jo daß der junge Kaijer fich 
auf jeinem eriten Reichstage zu Worms mit der neuen Lehre be— 
Ichäftigen wollte. 


Der Reichstag zu Worms 1521. 


In der Karwoche 1521 erjchien bei Zuther der kaijerliche Herold 
Kaipar Sturm aus Oppenheim, der ihn nach Worms und wieder 
heimgeleiten jollte und brachte den VBorladungsbrief Karls des V. 
auf den Reichstag zu Worms, der wie folgt, lautete: 


— 408 — 


„Karl von Gottes Gnaden römilcher Kaiſer, zu allen Zeiten 
Mehrer des Reichs uſw. 

Ehrjamer, Lieber, Andäcdhtiger! Nachdem wir uns und des 
heiligen Reichs Stände, jet hier verjammelt, vorgenommen und 
entichlojjen, der Yehren und Bücher halben, jo eine Zeit her von dir 
ausgegangen, Erfundigung von dir zu empfahen, haben wir dir 
herzufommen und von dannen wiederum an ein fiher Gewahrjam 
unjer und des Reichs frei geitrad Sicherheit und Geleit gegeben, 
das wir dir hineben zujenden. Und ilt unjer ernitlich Begehr, du 
wollejt dich förderlich erheben, aljo daß du in den einundzwanzig 
Tagen in ſolchem unjern Geleit bejtimmt gewißlich hier bei uns jeilt 
und nicht außen bleiben wolleit, dich aud, feines Gewalts oder Un— 
rechts bejorgen. Denn wir dich bei den obgemeldeten unjern @eleit 
feftiglid handhaben wollen, uns auch auf jolche deine Zukunft (An— 
funft) endlich verlajfen. Und du tuſt daran unjere ernftliche Meinung. 

Gegeben in unjerer und des Reiches Stadt Worms am 6. Tage 
des Monats März Anno 1500 und im einundzwanzigiten, unſeres 
Reiches im anderen Jahre. Carolus.“ 

Auf diefe Ladung hin reifte Quther auf einem ſächſiſchen Roll: 
wagen mit drei Begleitern und dem faijerlichen Herold nach Worms, 
obwohl jeine Freunde ihn warnten. Aber ihnen antwortete Yuther: 
„Und wenn fie gleich ein Feuer machten, das zwiſchen Wittenberg 
und Worms gen Himmel reichte, jo wollte ich doch, weil ich gefordert 
bin, im Namen des Herrn erjcheinen und dem Behemot in jein 
Maul zwilchen jeine großen Zähne treten und Chriltum befennen 
und denjelben walten lajjen.“ Seinem treuen Freunde Spalatin 
in Wittenberg jchrieb er: „Ich bin zitiert, darum will ich mich jtellen 
und jollten zu Worms jo viel Teufel jein, als Ziegeln auf den 
Dächern liegen.” Am 16. April 309g Luther in Worms ein, vor 
ihm in Amtstracht der Herold und jeine Knechte, hinter ihm der 
Profeſſor Juſtus Jonas und jein Diener. Sächſiſche Herren und 
Ritter kamen ihnen entgegen und mehr als 2000 Menſchen folgten 
dem feinen Zuge bis zur Herberge im Deutichen Hofe, wo bald 
Fürſten bei Luther ein: und ausgingen. Am andern Tage frühe er: 
ſchien der Reichsmarjchall Ulrich von PBappenheim und zeigte Luther 
den faijerlichen Befehl, daß er nachmittags um 4 Uhr im Rathauje 
vor Raijer und Reich erjcheinen ſolle. Der Marjichall und der 
Herold gaben ihm das Geleite und führten ihn durch heimliche Gänge 
auf das Rathaus, damit ihm im Gedränge des Volkes nichts gejchehen 
fönne. Viele ftiegen auf die Dächer und Häuſer um den kühnen 
Mönd zu jehen. Unter der Tür des Gaales jtand der Faijerliche 
————— Georg von Freundsberg, der Vater der deutſchen 

andsknechte und ſagte, indem er Luther auf die Schulter klopfte: 
„Mönchlein, Mönchlein, du geheſt jetzt einen Gang, einen ſolchen 
zu tun, dergleichen ich und mancher Oberſt auch in unſerer aller— 
ernſteſten Schlachtordnung nicht getan haben. Biſt du auf rechter 


— 44 — 


Meinung und deiner Sache gewiß, jo fahre in Gottes Namen fort 
und jei getroft, Gott wird dich nicht verlajjen.”“ Im Saale fragte 
ihn der faijerliche Sprecher Dr. Johann Ed von Trier, ob er die 
allda zujammengebundenen Bücher als die feinen anerfenne und ob 
er das, was darinnen ftehe, widerrufen oder darauf beharren wolle. 
Als die Büchertitel verlejen waren, befannte ſich Luther zu denjelben, 
bat aber, da es eine Sache des Glaubens und der Seelen Seligfeit ſei 
um einen Tag Bedentzeit. Als fich die Fürlten beraten hatten, wurde 
ihm die Bitte gewährt und der Herold führte ihn zur Herberge. 
Auf dem Wege jubelte ihm das Volk zu und viele Fürften und 
Adelige juchten ihn wieder auf. Am nächſten Tage um 6 Uhr wurde 
Luther abermals vor den Reichstag gelajjen und als ſich die Fürften 
gelegt hatten, fragte ihn Dr. Ed, ob er widerrufen wolle. Auf 
deutſch und lateiniſch gab er eine ausführliche Antwort, worauf der 
Sprecher antwortete, es jolle jet nicht disputiert werden über das, 
was die Konzilien vor Zeiten bejchlojfen und verdammt hätten, es 
werde eine jchlichte und runde Antwort begehrt, ob er widerrufen 
wolle oder nicht, Yuther ſprach daher: Weil denn Eure Eailerliche 
Majeſtät eine jchlichte Antwort begehren, jo will ich eine jolche geben, 
die weder Hörner noch Zähne haben joll: Es jei denn, daß ich durch 
Zeugnis der heiligen Schrift oder mit Haren und hellen Gründen 
überwunden werde, denn ich glaube weder dem Papſte noch den Kon: 
zilien alleine nicht, weil es am Tage und offenbar iſt daß fie oft 
geirret und fich ſelbſt widerjprochen haben: jo bin ich überwunden 
durch die Sprüche, die ich angezogen habe und gefangen in meinem 
Gewiljen in Gottes Wort und mag darum nicht widerrufen, weil 
weder ficher noch geraten ilt, etwas wider das Gewiljen zu tun. 
Hier jtehe ich, ich fannn nicht anders, Gott helfe mir! Amen. — 

Am andern Tage ſchickte der Kaiſer eine Schrift an den Reichs: 
tag, worin er Jagte, daß er, weil Dr. Luther nicht einen Fingerbreit 
von jeinen Irrtümern weichen wolle, nad) dem Beijpiele der alten 
Raijer, die der Kirche allezeit gehorjam waren, den alten Glauben 
\hüßen, dem römiſchen Stuhle helfen und Zuther daher in die Acht 
erklären müjje, worüber der Reichstag 2 Tage beriet. Zulett fam 
Luther als Ketzer in die Acht, erhielt aber ein freies Geleite von 
21 Tagen mit dem Verbote unterwegs weder zu predigen noch zu 
ſchreiben. 

Die Reichsacht wurde nie an Luther vollzogen, weil Kurfürſt 
Friedrich von Sachſen ihn heimlich auf die Wartburg bringen ließ, 
wo er unerkannt bis zum Jahre 1522 lebte und das Neue Teſtament 
in die deutſche Sprache überſetzte. 


- 405 — 


Der Bauernfrieg. 


Vorgeſchichte: InWen fräntijchen Dörfern und Märkten trat 
im Sjahre 1476 der Pauker Hans Böhm von Nillashaujen auf und 
erzählte, die Mutter Gottes habe ihm befohlen zu predigen, daß 
binfort fein Kaiſer, fein Fürft, fein Bapit, feine weltliche und geijtliche 
Obrigkeit mehr jein jolle, daß jeder des andern Bruder jei und feiner 
mehr haben dürfe als der andere. Alle Zinje, jowie Bülten, Belt: 
haupt, Handlohn, Zoll, Steuer, Bede, Zehnten und andere Abgaben 
jollten abgejchafft werden, Wälder, Waller, Brunnen und Weiden 
allenthalben frei fein. Taujende liefen dem merkwürdigen Manne, 
der ſich an die bedrüdten Bauern wandte, zu, als er aber zum Rampfe 
gegen die Obrigkeit aufforderte, ließ der Bilchof von Würzburg Hans 
Böhm gefangen nehmen und in Würzburg verbrennen. 

Dennoch entitanden 
geheime WBauernbünde, 
wie einer 1497 im Eljaß, 
der in jeine Fahne den 
„Bundichuh”*)malen ließ 
und 1502 der Bund der 

biſchöflich-ſpeyeriſchen 
Bauern aus der Gegen 
von Bruchſal, der in 
ſeinen Artikeln beſchloß, 
das Joch der Leibeigen— 
ſchaft abzuſchütteln, mit 
dem Schwerte ſich frei zu 
machen wie die Schweizer, 
die geiſtlichen Güter ein— 
zuziehen und unter das 
Volk zu verteilen, aber 
als Herrn niemand an- = 
zuerfennen, als den römi=: 
ur EB rl * 
ahne dieſes Bundes, die m Bundſchuh. 

—— und: blauem Aufrühreriſcher Bauer mit dem Bundſchuh 
Tuch beſtand, war ein Bild des Gekreuzigten, vor dem ein Bauersmann 
kniete und ein großer Bundſchuh. Ringsherum aber lief die Inſchrift: 
„Nichts denn die Gerechtigkeit Gottes.“ Als aber dieſer Geheimbund 
durch die Beichte verraten wurde, entwichen die Führer, namentlich 
aber Joß Fritz von Untergrumbach, der im Jahre 1512 von Lehen bei 
Freiburg aus eine neue Verſchwörung der rheiniſchen Bauern an— 
zettelte und 14 Artikel ſchrieb, in denen die Forderungen der Bauern 
enthalten waren, als aber die Herren der Stadt Freiburg einſchritten, 

) Bundſchuh = Bauernſchuh mit Schnüren als Gegenſatz zum Stiefel 
des Ritters. 





— 406 — 


floh Fri auf die entlegenen Höfe des Schwarzwaldes. Ahnlich er: 
ging es dem Bunde der württembergiichen Bauern dem „Armen 
Konrad”, dejjen Führer und Mitglieder 1514 mit dem Tod oder 
großen Summen bejtraft wurden. 

Mit Beginn der Reformation, namentlich als Luther jein Bud) 
„Bon der Freiheit eines Chrijtenmenjchen“ erjcheinen ließ, das viel: 
fach mißverjtanden wurde, begann die Bewegung unter den Bauern 
abermals, namentlich als der Wiedertäufer Thomas Münzer in 
Schwaben, Schweiz und Elſaß herumzog und mit jeinen Genojjen 
die Empörung predigte.e Damals aber jchrieben die jchwäbilchen 
Bauern ihre berühmten 12 Artikel, welche folgendes verlangten: 

1. freie Wahl des Pfarrers, der das Evangelium ohne menjd: 
lihen Zuſatz predigen ſoll; 2. der Pfarrer ſoll nicht mehr als den 
Zehnten erhalten, vom Kirchengute joll man aber den Überjchuß 
jammeln als Kriegsihag um die Armen von der Kriegsitener zu 
entlalten; 3. die Herren jollen die Bauern aus der Leibeigenjchaft 
entlajjen, Ddieje verjprechen aber nach Gottes Gebot zu leben und 
der Obrigfeit in allen ziemlichen und chriftlichen Sachen zu gehordhen ; 
4, auch der arme Mann (der Xeibeigene) jol das Recht auf Wild: 
bret, Geflügel und Filche haben; die geiltlichen und weltlichen Herren 
jollen alle nicht erfauften Waldungen, die fie fich willfürlich an— 
geeignet haben, an die Gemeinden abtreten; 6. man jolle die Bauern 
nicht mit zu harten Dienften bejchweren und 7. und 8. in der Fron 
billiger behandeln; 9. verlangten die Bauern gerechtes und une 
parteiiſches Gericht; 10. die Acker und Wiejen, die vonjRechtswegen 
der Gemeinde gehörten und 11. Abjichaffung des ſogenannten Todfalles, 
nad dem die Witwen und Wailen um ihr Erbe famen; 12. jollte aber 
irgend eine Forderung aus dem Worte Gottes nicht nachgewiejen 
werden fünnen, jo wollten fie gerne davon abjtehen aber auch noch 
andere, die der Schrift gemäß find, noch aufitellen. Dieje billigen 
Forderungen, die heute längft erfüllt find, wurden auf Flugblättern 
durch ganz Deutichland verbreitet und famen aucd, in die rheinijche 
Pfalz, wo fie bejonders von den Bauern des Bilchofs von Speyer 
und des Kurfürlten begierig gelejen wurden. Wie fich daher in 
Schwaben, Franken, Thüringen und Eljaß die Bauern erhoben, jo 
aud in der Pfalz. 

Seit dem 9. Mai 1525 jaß aber zu Heilbronn, das wie Rothen- 
burg ob der Tauber, Würzburg, Speyer und Neuftadt a. d. H. zur 
Sache der Bauern übergetreten war, ein Ausjchuß, der in 14 Artikeln 
eine neue Regierung für das deutjche Keich entwarf und folgendes 
verlangte: 

In der Dfterwoche des Jahres 1525 jchwuren etwa 50 Bauern 
zu Malih im Bruhrain, daß fie im Evangelium frei fein wollten. 
Als Bilhof Georg von Speyer davon hörte. jandte er ſchnell ein 
Fähnlein Reiter dahin, um die Unzufriedenen zu beruhigen. Wirklich 
gelobten diejfe auch; dem Hauptmann der Schar Ruhe halten zu 


— 407 — 


wollen, aber ſchon am Abend desjelben Tages ſchickten fie Boten 
in alle Dörfer der Nacbarichaft und jammelten 500—600 Leute, 
die in die reichen Maljcher Weinkeller der Speyerer Domherren ein: 
drangen um ſich zu laben. Da ſchickte der Bilchof jeine bewaffneten 
Reiter, kurpfälziiche Lanzentnechte und die jeheinbar treuen Bauern 
von Bruchſal und Umgebung gegen die Empörer; aber die Bruch— 
jaler gingen, als fie ihrer Standesgenofjen anſichtig wurden, zu diejen 
über, der Reit der bilchöflichen Schar aber war viel zu ſchwach um 
mit jeinen Feldſchlangen Widerftand leilten zu können. Bilchof 
Georg. floh zu jeinem Bruder nach Heidelberg und alle ne 
Schlöſſer gerieten in die Gewalt der Bauern, ja, die benachbarten 
badijchen Bauern vereinigten ſich mit den bijchöflichen und zogen 
gegen die reichen Klöjter 
Herrenalb und Frauenalb 
"auf dem Schwarzwalde, 
die geplündert wurden, 
worauf die tollfühnen 
Scharen über den Rhein 
drangen, das Kloſter 
Hördt bei Germersheim 
und hierauf die furfürft- 
lichen Keller zu Mechters: 
heim bejuchten, wo aber 
bereits die linksrheini— 
ſchen Bauern übel gehauft 
hatten. 

Die Not des Biſchofs 
benüßten die Hugen 
Speyerer Stadträte und 
ihr Bürgermeijter ‘Beter 
Brunn erjchien mit eini- 
gen vom Rate und aus 
der Bürgerjchaft vor den 
Domberren, von denen 
fie die Predigt der neuen * 

Lehre in allen Kirchen — 
der Stadt verlangten. Aufſtändiſcher Bauer. 
Da die Domherren nicht 
widerſtehen konnten, ließen ſie der Bewegung freien Lauf, ja, ſie 
ließen ſich in die Zahl der Bürger aufnehmen und huldigten der 
Stadt als ihrem Schirmvogt. 

Bilhof Georg wollte mit jeinen aufrühreriichen Bauern unter: 
handeln und ritt daher gen Udenheim (jet Philippsburg), wo ein 
Vergleich zujtande fam, in dem die Empörer Ruhe — Als 
der Kirchenfürſt darauf nach Heidelberg zurückritt, begegnete ihm 
bei Stettfeld der Bauernführer Döpf, der ſeinen Herrn verhöhnte: 


2* 
— 
> 





„Nun, Görg, wie gefallen Dir die Sachen?“ Barwohl, meinte 
der milde Bilhof: „Ja laß dir’s nur gefallen“, rief Paul Döpf, 
„Du wirjt doch nit lang mehr Herr bleiben.“ „Das fteht in Gottes 
Hand“ meinte der Bilchof. 

Aber auch auf der linken Seite des Rheines hatten fich unter- 
dejjen die Bauern erhoben. Auf der Nußdorfer Kirchweih pflanzten 
fie den Bundichuh, die Fahne der Empörung auf, drangen dann in 
den Mönchshof zu Geilweiler ein, überfielen das Klofter Klingen= 
münjter, unter den NAufrührern zeichneten fi) vor allen andern die 
Bauern von Pleisweiler und Dberhaufen durch Plünderung aus, 
weil fie hierher ihre Zehnten liefern mußten und in den Wein— 
bergen jeit alter Zeit die Frondienite zu verrichten hatten. Bon 
Klingenmünjter ging der Zug zum Tohanniterhauje Haimbach. An 
die Spite des Sagen itellten fich die Zeisfamer, die in die Kom— 
thurei eindrangen und im Kirchturme alle alten Urkunden, die von 
den Rechten des Haujes handelten, zeriljen oder verbrannten, weil 
ſie glaubten jo aller Pflichten gegen ihre bisherigen Herren los zu ſein. 
Bon hier wälzten ji) die Scharen nad) Hördt und Mechtersheim. 
Gleichzeitig gings im Untereljaß im pfälzijhen Amt Kleeburg los, 
indem die Unzufriedenen in’s Weißenburger Klofter drangen; wieder 
andere Haufen erjtürmten den Gräfenjtein bei Merzalben, Lindelbrunn 
und Rande und lagerten nad) getaner Arbeit vor Annweiler. Selbſt 
Ramberg und die entlegene Waldfeite Elmjtein fielen in die Hände 
der Empörer, die immer mehr wurden und unter dem Namen 
Rolbenhaufen fich mit den jpeyerijchen Bauern vereinigten um 
in die biſchöflichen Amter ggg Neufaftel und Kirrweiler ein- 
zudringen. Unterdejjen rückten die kurpfälziſchen Bauern des Siebel- 
dinger Tales nad) Eußerthal, dejjen Höfe zu Geilweiler und Mechters- 
heim bereits geleert waren. 

„An feinen Widerftand war hier zu denken; auf feine Hilfe 
durfte der Abt hoffen; — das ſchmale Tal hatten Taujende bejegt 
und mit wilden Getöje erfüllt. Sie brachen in das Kloſter ein, die 
Geiſtlichen flüchteten jich und alles, was man fand, war dem Raub 
und der Zeritörung überlajjen. Man trug den Wein mit Cimern 
aus dem Keller und was man nicht trinken konnte, wurde verjchüttet. 
Kein Feniter, feine Tür blieb ganz —, überall jah man die Spur 
der Ausgelajjenheit, die feine Grenze fannte, und jelbit den Drt 
nicht verjchonte, wo man ſonſt in frommer Andacht gebetet hatte. 
Endlich gejchah wieder, was jchon öfters geſchehen war — fie legten 
Teuer an, und obgleich dasjelbe nicht, wie fie wollten, das Kloſter 
zeritörte, jo war doch der Nachteil größer, als jeder andere, den es 
in früheren Jahren erlitten hatte.” 

Bon Eußerthal gings nad) Böchingen, wo ein Schloß der 
Herren von Zeiskam ſtand, das verbrannte, hierauf nach) dem Kloiter 
Heilsbrud bei Edenkoben, zum bijchöflichen Schloſſe zu Kirrweiler und 
zur ſtolzen Keſtenburg. Im Kloſter Heilsbrud wurden die Tore 


= AO: == 


erbrochen, die Türen eingehauen und Küche und Keller geleert. Als 
alles geplündert war, jtedten fie das Klojter in Brand und rücdten 
auf die Keſtenburg. Hier lagerte des Bilhofs Wein in mächtigen 
Fäljern, darunter ein jolches, das ſich neben dem Heidelberger wohl 
ſehen lajjen fonnte. Die ehemalige Kaijerfeite, von der der ſtolze 
Heinrich der IV. in jein jchönes rheinijches Land blickte und von der 
er den jchmerzenvollen Bang nad) Kanojja antrat, hatte hohe Wälle, 
einen dreifachen Zwinger und wohlbewehrte Türme und Zinnen, 
aber die Bejagung war ſchwach, außer dem Burgvogt hauften hier 
nur wenig Wächter und Torfnechte. Da drangen die wilden Bauern 
des Gebirges und des Bäu den ſteilen Schloßberg hinan, bald fuhren 
Kolben und Beile gegen das ſchwache Vortor und wutentbrannt 
ftürmten die Scharen auf das Haupttor. 

Da es feit mit Eijen bejchlagen war, troßte es den Angreifern 
lange; aber dann züngelten die Flammen Inhend empor und über die 
alüühenden Balken und Bohlen wälzten ſich die Tollen in den Schloßhof, 
während ſich die Verteidiger auf die innere Burg zurüdzogen. Doch 
auch dahin drangen die Bauern durch die Brejchen der Mauern und 
gelangten in die Säle, Gemächer, Kammern und Gewölbe, wo fie 
mitnahmen oder geritörten, was jie nur fanden. Dann gings in den 
Keller, wo der Wein in Strömen flog. Um raſch den Durft Löjchen 
zu fönnen, Ihlug man den mächtigen Fäljern den Boden ein, das 
große Fa ließ man auslaufen, jodaß mehr als 100 Fuder Mein 
verloren gingen. 

Immer mehr jehwoll die Schar der freiheitsdurftigen Bauern 
an, da die Kurpfälzer in hellen Haufen aus der Ebene und den 
Gebirgsdörfern heranfamen. Daher wagten fie ſich an die pfälziſche 
ge Neuftadt und an das Haardter Schloß. Indeljen jann Kurfürft 

udwig, auf den alle Fürſten und Biſchöfe des mittelrheinijchen Ge: 
bietes ihre Hoffnung jegten, nach, wie er mit den aufgeregten Haufen 
friedlich unterhandeln könne, denn allenthalben loderte die ylamme des 
Aufruhrs und Heidelberg wurde die Zufluchtsſtätte der bedrängten 
Bijchöfe von Epeyer, Würzburg und Trier, jowie des Deutjchordens- 
Meijters. Die Neujtadter, die fich den Bauern angejchlojjen hatten 
und es mit ihrem Fürjten auch nicht verderben wollten, vermittelten 
eine Unterredung und am 10. Mai erjchien bei Forft der Kurfürft mit 
nur dreißig Begleitern, die Bauern aber 8000 an der Zahl jtanden 
fampfbereit hinter ihren Führern, die ihre Forderungen aufgrund der 
12 Artikel geltend machten. 

Der Fürjt verjprady) wohlwollende Prüfung der Artikel und 
fehrte dann unter dem Schuße der Neujtadter in ihre Stadt, wo er 
die Führer jogar zum Imbiß einlud, in der Nacht jedoch vor— 
fichtiger Weile nach Heidelberg zurückkehrte. Aber jtatt ſich ruhig zu 
verhalten, fuhren die Bauern im Entleeren der Klöfter und Burgen 
fort, jelbjt Trifels und Madenburg fielen in ihre Hände, in Neu: 
Reiningen ging es damals folgendermaßen zu: 

27 


— 40 — 


Eva von Leiningen. 


Im Jahre 1522 ftarb Graf Reinhard der I von Leiningen, 
der beitimmt hatte, daß jeine Söhne Philipp und Kuno die Regierung 
des Landes führen jollten. Philipp jtarb bald. Da machte die 
Schweiter Eva eine Schuld von 8000 Gulden geltend und weil Kuno 


Waffen aus dem Bauernfriege 
(gezeichnet von Dtto Magenau). 


ingen um daſelbſt ebenjo jchlimm zu Haufen. 





dieje nicht bezahlen 
fonnte, jo erhielt Eva 
dafür Grünftadt, Jechs 
Dörfer und die Hälfte 
von Neu⸗Leiningen auf 
Lebenszeit. Seit 1522 
wohnte die Gräfin auf 
Neuleiningen. Als die 
aufrührerijchen Bauern⸗ 
haufen 1525 nad Alt: 
Leiningen kamen, fan: 
den fie wenig Wider: 
ftand, denn Graf Kuno 
war zu ſeinem Lehens⸗ 
herrn dem Aurfüriten 
nach Heidelberg ge: 
flohen. Der Wittels- 
bacher Herzog Hans von 
Simmern, der ein 
Viertel der Burg bejaß, 
hatte jeine Bejagung 
weggenommen und als 
Bauernicharen in die 
Itolze Seite eindrangen, 
legten jtenach gewohnter 
Meile den roten Hahn 
aufs Dad, jo daß der 
Ichöne Hausrat, die Vor: 
räte und alle wertvollen 
Urkunden verbrannten. 
40000 Gulden damali- 
gen Geldes betrug der 
Schaden. 
Mohlbefriedigt zogen 
hierauf die Bauern hin: 
über nad) Neu:Lein: 
Die ſchwache Bejagung 


fonnte fich gegen die anjtürmenden Bauernhaufen nicht gut halten 
und daher jann die Herrin, Gräfin Eva auf einen Eugen Ausweg. 
Sofort ließ fie den Bauern die Tore öffnen, empfing ihre Führer 


— 41 — 


freundlich und ließ aus Küche und Keller herbeilchaffen, was fte nur 
fonnte. Gie jelbjt jah überall zum Rechten und war bejorgt, daß 
jeder ihrer Gäfte Iein 9 ut Teil an © ae und Tranf erhielt. Da 
ſchwand den wilden Säften die 5— und als ſie ſatt 
waren, zogen ſie ab, ohne irgend etwas beſchädigt zu haben. Nur 


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Waffen aus dem Bauernfriege 
(gezeichnet von Otto Magenan). 


einige Kleinigkeiten, die fie beim Eintritt in Neu-Leiningen genommen 
hatten, wurden vermißt. — 
Gräfin Eva war jehr fromm aber nicht jo abergläubijch wie 


die meilten Frauen ihrer Zeit. Eines Tages fam ein jehr ſtarkes 
27* 


— 412 — 


Hagel: und Donnerwetter über Neu:Leiningen, jo dab die Obſt— 
bäume zerriljen, die Früchte aber abgejchlagen wurden und Die 
Acker verwültet dalagen. Die Weiher des Leininger Tales waren 
aufgeriljen und leer. 

Da meinte der Amtmann, das alles hätten die Hexen getan. 
Eva antwortete: Dergleichen Wetter fommt nur von Bott, der den 
Menſchen dadurd ftrafen will. Gie ſtarb 1543. 

Da alle Unterhandlungen der Fürſten mit den Bauern nichts 
nußten, jo entichloß ſich Kurfürſt Ludwig zum Angriff, indem er 
ein allgemeines Aufgebot erließ und als der Erzbilhof von Trier 
und der Zandgraf von Heſſen ihre Lanzenfnechte und Reitericharen 
herbeiführten, 309 Ludwig nad) Mali, wo fich die Bauern des 
Bruhrains hinter Schanzen verbargen. Der Sieg war, da ſich die 
Bauern nicht zu verteidigen vermochten, bald gewonnen, die anderen 
Drte fielen ebenfalls und das ungetreue Bruchſal mußte für jeinen 
Abfall vom Biſchofe von Speyer mit 40000 Gulden büßen, die 
Waffen abliefern, die Befeltigung abbrechen und neu huldigen, 
während 5 Anführer enthauptet wurden. Während fich nun das 
fürftliche Heer nach Franften wandte um die Bauern des Bistums 
Würzburg zu bezwingen, zogen ſich am Haardtgebirge immer dichtere 
Haufen zujammen, die lebhaften Neuftadter jchlojjen fih an und 
dann gings über Dggersheim, Yambsheim, Freinsheim, Dirmitein, 
Alt: und Neuleiningen in die Klöfter Höningen, Rojenthal, Hane 
und Rodenkirchen, auf die Burgen Stauf und Bolanden jowie nach 
Rirhheimbolanden, bis der Kurfürft vom Main herbeieilte, um dem 
Wüten Einhalt zu gebieten. 

Als auch die Schlöſſer des Kurfürften zu Lambsheim "und 
Freinsheim niedergebrannt waren und der Kurfürjt noch immer Ir 
nicht zeigte, jchwoll den Tollfühnen der Kamm und fie zogen ſich 
bei Pfeddersheim unweit Worms zujammen. Am 24. Juni rüdte 
der furfürftliche Befehlshaber Wilhelm von Habern heran, ihm 
folgte Kurfürſt Yudwig mit 300 mainzijchen Reitern, die Bauern 
verteidigten fich in der kleinen Stadt, jo gut fie konnten, während 
der Pfälzer fie vom nahen Georgenberge aus eine Stunde lang be— 
ſchoß. Als er aber drei Fähnlein Reiter über die Pfrimm jandte 
und jeine Hauptmacht im SHinterhalte ließ, drangen die Bauern, 
weil fie fich in der Stärke des fürftlichen Heeres täufchten, vor die 
Stadt, waren aber nun einem doppelten Angriffe preisgegeben, jo 
daß hier ihrer 4000 niedergemacht wurden. Die in die Stadt Ge: 
flohenen zogen am 25. Juni, als fie die ganze Macht des Kurfürjten 
vor ſich Jahen, heraus um vom Heere ihr Urteil zu empfangen. 
Als etwa 3000 vor dem Tore waren, wagten die Nachfolgenden 
zu fliehen, wurden aber von den Reitern eingeholt und erbarmungs: 
los niedergemadt. Kurfürjt Ludwig gab ſich Mühe das entjegliche 
Blutbad zu verhindern, aber niemand hörte auf ihn. Von den 
vor der Stadt befindlichen Haufen wurden hierauf 30, von den in 


— 483 — 


der Stadt geborgenen 24, von den Bürgern Pfeddersheims aber 
4 als NRädelsführer hingerichtet. Die ganze Gegend war bald 
ruhig, als die Freinsheimer mit Strafe belegt wurden und als das 
treuloje Neuftadt ſich ergab, das jeine Freiheiten verlor, dreitaujend 
Gulden bezahlte und als 8 von den Bürgern, die es mit den Rebellen 
gehalten, am Galgen büßten. Über Neuftadt ging der Siegeszug 
des Fürjten nad) Weißenburg, das noch in der Hand der Bauern 
war. Schon am 7. Juli zog Ludwig in die Stadt ein, ließ drei 
Schuldige enthaupten und zweien die Finger abbauen, weil fie 
ihren Eid gegen die Obrigkeit gebrochen hatten. Und die Bauern 
des Weſtrichs? Aus denAmtern Waldfiichbach und Landftuhl zogen 





Heidelberger Faß. 


ungefähr 1000 Mann vor Lautern, fanden aber verjchlojjene Tore 
und unter den Bauern des Neichslandes wenig Anhänger. Von 
Lautern ging es gen Ötterberg, voran Michel Buſch von Germersheim 
und ihm zur Seite der Fahnenſchwenker Merwein. Die zahlreichen 
Weiher des Eſelbach-, Erlenbach: und Dtterbachtales filchten fie aus, 
drangen, als fie das Klofter Fiſchbach geplündert hatten, in die um: 
liegenden Schlöjjer ein, wagten ſich ſogar an eine Belagerung Lauterns 
und der KRailerburg, ohne etwas auszurichten, da die Zünfte auf der 
Hut jtanden, eilten dann nad) Schallodenbach, das fie ebenfalls 
nicht erobern fonnten und wagten ſich zulegt gen Hoheneden, das 


— 44 — 


ſie erjtürmten. Als fie aber aud) die Bauern des Reichslandes für 
ihr Vorhaben gewinnen wollten, traten ihnen die Kübelberger, 
Ramfteiner, Weilerbacher und Steinwender, etwa 500 an der Zahl 
entgegen um ihnen Wideritand zu leilten. Sie |pradhen von dem 
Eide, den die Empörer ihrem Herrn geleijtet hatten und fiehe — 
viele Aufrührer zogen bejchämt heim. Als Kurfürft Ludwig von 
diejem Vorfall hörte, jandte er ein bejonderes Danfichreiben und 
überließ den Getreuen als Lohn die herrenloje Beute. 

Treu blieben aber auch die Zweibrüdilchen Bauern in den 
Ämtern Zweibrüden, Lichtenberg und Meijenheim; denn als der 
Aufruhr zu toben begann, erließ der evangeliche Prediger Johann 
Schwebel in alle Teile des Fürſtentums ermahnende Schreiben, jo 
daß hier Ruhe herrichte, aber in den Zweibrüdijchen Gebieten bei 
Kleeburg im Eljaß, in der Herrichaft Gutenberg und im Amt Berg: 
— hauſten die Bauern des Kolbenhaufens, die Bergzabern und 

nnweiler heimſuchten, übel. Die Annweiler hatten zum Teil 
jogar gemeinjchaftlicde Sache mit dem Kolbenhaufen gemacht, To 
daß der Rat bis zum Jahre 1535 mehr als 3000 Gulden Ent= 
\hädigung an verjchiedene Einwohner entrichten mußte. 

Die lothringiihen Bauern der Gegend von Saargemünd 
famen plündernd in das Wilhelmitenklojter Gräfenthal bei Blies- 
fajtel und wollten auch Werjchweiler bei Zweibrüden erjtürmen, 
als ihnen Pfalzgraf Ludwig zur rechten Zeit entgegenrüdte. Schon 
hatten fie den Abteiberg eritiegen und die Tore erbrochen um gerade 
die Beute zu verteilen, als der Pfalzgraf mit 100 Reitern, die er dem 
Grafen von Bitſch bringen wollte, um dejjen Bauern zu beruhigen, 
heranzog und die erjchredten Klojterbrüder aus ihrer Not befreite, 
indem die Beutemacher eilig flohen. — 

Noch ehe Kurfürjt Ludwig mit jeinen jtegreichen Scharen nad) 
Heidelberg zurückkehrte, hatten jich aud) die Schultheiße und Schöffen 
der empörten Gemeinden: Lauterburg, Scheibenhard, Nieder: und 
Dberlauterbah, Salmbach, Schaidt, Rheinzabern, Todgrim, Herx: 
heim, Herxheimweiher, Rülzheim, Haina und Hagenbühl ·ſowie von 
vielen jeßt elläjliichen Drten in Udenheim eingefunden und für ſich und 
ihre Gemeinden um Gnade gefleht. Sie erhielten feine weitere 
Strafen, mußten aber aufs neue den Treueid leilten, die Waffen ab— 
liefern, die Rädelsführer vorführen, Tore und Pforten abbrechen und 
dem Bilchof für Nuslagen und entitandenen Schaden 12000 Gulden 
zahlen, außerdem aber die Schlöjjer Madenburg und Jockgrim im 
Frondienſte aufbauen, das geraubte Gejhüßg und den Hausrat der 
Schlöſſer erjegen, die Waldordnung des Bilchofs beachten und alle 
Zehnten, Zinje und Dienitbarfeiten wie vorher entrichten. 

Am 14. Auguſt leijteten die Bruhrainer Bauern den neuen 
Treueid, dann zogen die bilchöflichen Beamten Philipp von Helmftädt, 
Konrad von Sidingen und der Kanzler Hans von Böhl über den 
Rhein um die Ämter Landeck, Madenburg, Edesheim und Kirrweiler 


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vor Edesheim neu huldigen zu laſſen. 5 ſchwer Beſchuldigte wurden 
auf das Kirrweiler Schloß gebracht, einer aber, der ‚entfliehen 
wollte, wurde niedergeftohen. Am 19. Auguft leilteten die Deides- 
heimer, die fich durch große MWildheit ausgezeichnet hatten, den 
Treueid. Auch die Leute von Berghaufen, Dudenhofen, Hanhofen, 
Harthaufen, Heiligenitein, Schifferjtadt und Waldjee, die fich ruhig 
verhalten hatten, gelobten Treue, durften auch ihre langen Mejjer 
und Spieße tragen, während jonjt im Bistum und in der Kurpfalz 
den Bauern das Waffentragen verboten wurde. — Die Bewohner 
von Maitammer hatten die bei Alfterweiler gelegene Kredenburg 
zerjtört, mußten fie aber auf ihre Kojten aufbauen lajjen. | 





Freinsheim (16. Jahrhundert). 


Bald war die Drdnung wieder hergeitellt. Da bereute auch 
der kecke Döpf von GStettfeld jein Benehmen gegen den Speyerer 
Biſchof, jchlich in jeiner Angit in das bilchöfliche Schloß zu Uden— 
heim, wo er dem Kirchenfürjten, als fich diefer zur Mejje begab, zu 
Füßen fiel und ihn um Leib und Leben bat. Der Bilchof antwortete: 
„Kun, die Sachen find doch gut gangen, Baulus, wie's der Herr 
— Doch ſei unbejorgt“. Döpf zog ungeſtraft zu den 

einen. 

Da der Biſchof Georg während der Bauernunruhen ſich in 
ſeinem Schloſſe zu Udenheim nicht ſicher fühlte, ſo beſchloß er 
durch den Baumeiſter Hans Kamberger von Heidelberg eine neue 
Befeſtigung herſtellen zu laſſen, die mit ihren Schießſcharten und 
Trümmern dem Angriffe trogen konnte. 


Reformation in der Pfalz. 


Die neue Lehre im Gebiete der heutigen Pfalz. 


1. Sehr frühe fand die Reformation in der Reichsitadt Landau 
Aufnahme, wo an der Stiftsfirche der Pfarrer Johannes Bader 
die neue Lehre verfündigte. Der wachſame Bilchof Georg, der in 
Der Lande wie fein Bruder in der Kurpfalz das Wormijer 

erbot befannt gemacht hatte, lud ihn zur Verantwortung, aber 
der Rat von Landau nahm ihn öffentlich in Schuß. Da aber unter 





Schütenfeftfin: Landau 


den Bürgern der Stadt treue Anhänger der alten Kirche waren, 
die fi) um den Bürger Nifolaus von Winden jcharten, jo entitand 
am Tage der Kreuzerhöhung, am 14. September 1524, am Herbft: 
Markttage, als Bader von der heiligen Ehe von der Ehelofigteit 
der Priejter ſprach, ein Aufruhr. Nitolaus von Winden rief dem 
Prediger zu: „Daß dich Bots Lychnam ſchände. Er leugt; was er 


— 47 — 


jagt, find eitel Lügen“. Darob wollten fich viele —— auf 
Nikolaus ſtürzen, aber der Bürgermeiſter und die Ratsherrn mit 
den Stadtknechten brachten den Bedrohten auf das Ratshaus und 
warteten, bis ji) das Volk wieder verlaufen hatte. Bader jchrieb 
für feine Landauer Gemeinde den erjten Katehismus der 
evangeliſch-proteſtantiſchen Kirche, das ſogenannte „Geſpräch— 
büchlein von Anfang des chriſtlichen Lebens mit dem jungen Volk 
zu Landau“ uſw. 

2. Schon am 12. November 1521 erließ Biſchof Georg von 
Speyer einen Sendbrief an ſeine Geiſtlichen, indem er fie ſcharf 
tadelte, daß fie die Lehre Luthers nicht nur im jtillen glaubten, 
jondern fie jogar bei den Leuten gut hießen, lobten und verteidigten, 
obwohl fie wußten, daß Papſt, wie Kailer und Reich die neue 
Lehre verdammten. Aber jelbjt die Stiftsgeijtlichen brachten Luthers 
Schriften mit in den Dom und lajen während der Tageszeiten und 
des Hochamts, andere |potteten der Falten und wieder andere 
erklärten von der Kanzel herab die Beichte als eine Mtenjchen- 
jagung. Noch im Jahre 1524 predigte der Kreuzpfarrer im Aller: 






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(16. Jahrhundert). 


heiligenitifte zu Speyer, die Mejje jei ein bloßes Gedächtnis, man 
habe feinen anderen Mittler und Fürjprecher als Jeſus Chriftus, 
die Heiligen jolle man ruhen lajjen; „alle Chrilten find gejalbet und 
geweihet in Chrifto“. Als der Vorſtand des Gtifts dagegen auf: 
treten wollte, jhüßten Speyerer Bürger den Pfarrer und drohten, 
wenn man nicht frei predigen lajje, würde man die Kanzel auf den 


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Kirchhof tragen und einen Laien anjtellen, den Stiftsgeiftlichen aber 
„St. Belten antun“, d. h. ihre Häujer plündern. 

Im Jahre 1526 fand zu Speyer ein Reichstag in Sachen 
des Glaubens jtatt, da die Fürften ihre Prediger mitbracdhten, jo 
liefen das Speyerer Volk und die Landleute der Nachbarſchaft in 
hellen Haufen in die fürftlihen Wohnungen, weil die evangelilche 
Predigt in den Gotteshäujern der Stadt nicht geduldet wurde. Da 
der Bilchof Georg von Speyer meilt fih in Bruchſal aufhielt, lud 
ihn das Domfapitel ein nach Speyer zu fommen. In einer Sitzung 
des Domtapitels vom 17. Januar 1528 klagte der Domprobit über 
folgendes: „Es nehme die Iutheriihe Sekte am biſchöflichen Hofe 
jo ſehr überhand, daß der Bilchof fich bei Kaijerliher Majeſtät und 
Andern jehr in Verdacht jege. Nicht allein der bilchöfliche Hof: 
meijter, jondern auch der Kanzler und noch andere jeien von der 
neuen Lehre angeitedt. Auch bediene er ſich in der geiltlichen Ge: 
richtsbarfeit zu Speyer zweier Doktoren (Nechtsgelehrten), von 
welchen man das Nämliche behaupte. Nicht nur im hochitiftlichen Ge— 
biete, wo der Bilchof Landesherr war, jondern in der ganzen Diözeje 
(Sprengel) nehme die Sekte überhand. Ihr hätten fich die Herren 
Goeler von Ravensburg, von Gemmingen, die von Ylehingen, von 
Nemdingen, von Bach, von Sinsheim, von Böhl u. a. zugewandt, 
ohne daß ſich der Bilchof geregt habe, während er bei jeinem 
Bruder, "dem Kurfürjiten Ludwig Hilfe erlangen könnte. Der 
Bilhof möge doch diefe Mahnung gnädiglich beherzigen, das Wohl 
jeines Stiftes bedenken und dem Unbheile noch bei Zeiten vor: 
beugen“. — — Georg, der den Vortrag gelajjen anhörte, erwiderte, 
er habe bei jeinem Hofgejinde noch nichts verjpürt, was dieje Vor: 
würfe verdiene, er wolle aber die Sache unterjuchen. Die Folge 
war, daß der Bilchof ein Rundjchreiben an alle jeine Lehensmannen 
auch an den Herzog von Zweibrüden richtete, mit der Mahnung, 
die lutheriſchen Prediger abzujtellen, was aber wenig fruchtete. 


Der Reichstag zu Speyer 1529. 


Kaiſer Karl der V. führte 1521—1544 Krieg mit Frankreich 
wegen Italien und Burgund, daher war er 9 Jahre von Deutjchland 
fern und übertrug die Statthalterjchaft jeinem milden Bruder 
Ferdinand. Die bayerijchen Herzöge Wilhelm der IV. und Yudwig 
hatten die päpitlihe Bannbulle gegen Luther nicht veröffentlicht, 
Itanden jogar wegen Abjchaffung der Kirchlichen Mißbräuche auf deſſen 
Seite. Als fie aber in Worms jeinen Gegenjag zum Papſte er: 
fannten, zögerten fie auch nicht länger die neue Lehre in Bayern 


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zu verbieten und die Acht gegen Luther zu verfündigen. In dem 
folgenden Bauernfriege blieben die bayerijchen Bauern ruhig. 

Im Fahre 1526 befürchtete Öfterreich, wo Karls des V. Bruder 
Terdinand regierte, einen neuen gewaltigeren Anjturm der Türken 
und als daher die deutjchen Fürjten auf dem Neichstage zu Speyer 
1526 über die Durchführung des Wormjer Ediktes (Berbotes) be— 
rieten, endete der Keichstag mit dem friedlichen Beſcheide, es möge 
fich jedermann bezüglich des Wormſer Ediktes jo verhalten, wie er 
es gegen Gott und faijerliche Majeltät hoffe und vertraue zu ver: 
antworten. 

Da die neue Lehre Fortichritte machte, beichloß der Kaijer 
Iharf gegen die, welche das Wormſer Verbot nicht achteten, vorzu— 
gehen, indem er einen zweiten Reichstag nach Speyer bejchied, den 
jein Bruder Ferdinand leitete. Da hier bejchlojjen wurde, alle Neue: 
rungen in Sachen des Glaubens zu verbieten, den fatholijchen Unter: 
tanen aber überall die Ausübung ihres Belenntnijjes zu gewähren, 
jo erhoben die in der Minderheit befindlichen evangelilchen Stände 
6 Fürjten und 14 Neichsitädte, unter denen aber feine pfälzijche waren, 
Brotejt. Seit der Zeit nannte man die Anhänger Luthers Prote: 
Itanten; an jenen Widerſpruch gegen den Beſchluß des Reichstages 
erinnert jeit 1905 die Gedächtniskirche der Proteftation in Speyer. 

Endlich im Jahre 1530 erjchien nach neunjähriger Abwejenheit 
Raijer Karl in Deutjchland, als ftolzer Sieger über König Franz 
von Frankreich und als gefrönter Kaiſer. Er hatte als letter 
deutjcher Herricher die römilche Krone in Bologna aus der Hand 
des Papſtes erhalten und diejem das Verſprechen gegeben, die deut— 
hen Ketzereien auszurotten. Daher berief er jofort einen Reichstag 
nach Augsburg, zu dem nicht nur die Fürften jondern auch viele 
Theologen kamen, darunter Philipp Melanchthon. 

Am 25. Juni 1530 überreichten die Qutheraner dem Kailer 
ihr Glaubensbefenntnis, das von Melanchthon verfaßt war und 
Augsburger Konfeſſion (Contessiv Augustana) genannt wurde. Dazu 
Ichrieb der bayeriihe Theologe Dr. Eck mit andern fatholilchen Ge: 
lehrten eine Widerlegung, die aber die Protejtanten nicht annahmen, 
weshalb Kaijer Karl ihnen ftreng befahl, fich zu unterwerfen. Ta, 
er drohte, als Schirmherr der chritlichen Kirche werde er jeines 
Amtes walten. Daher famen 1531 Iutherijche und zwinglijche Fürften 
und Städte in Schmalkalden zujammen und jchlojjen zur Ver: 
teidigung ihres Glaubens den Schmalfaldigen Bund. Gleich: 
zeitig entitand unter den fatholiichen Fürſten eine Partei gegen den 
Railer und der alte Feind der Chrijtenheit, der Türke, rültete zum 
Kampfe gegen SÖfterreih. Daher gewährte jhon im Jahre 1532 
Karl den Proteftanten Duldung ihres Bekenntniſſes auf dem Nürn— 
berger Reichstage. (Nürnberger Religionsfrieden.) Bis zu 
einer allgemeinen Kirchenverfammlung jollte feiner den andern um 
des Glaubens willen anfeinden oder verfolgen. Ä 


ee FO 


In Speyer verbreitete fich Luthers Lehre jehr raſch, ſo daß der 
ehemalige Brior Diller, ein Auguftiner wie Luther, als Prediger vom 
Rat der Stadt gegen den Willen des Bilchofs ernannt wurde; er 
lehrte ohne Furcht den Hauptjag Luthers von der Gerechtigkeit allein 
durch den Glauben, verwarf die gel und teilte das Abendmahl 
in beider Geftalt aus. Der Kaijer befahl den Speyerern, den Prior 
Diller wegen jeiner Xehre von der Rechtfertigung zu entlajjen. Der 
Rat forderte hierauf von Diller eine Verantwortung, nach deren 
Leſung der Rat an den Kaijer jchrieb, man könne Diller nicht ent— 
fernen, weil das Bolt ihm jehr anhänge und ohne ihn den Gottes— 
dient ganz verjäumen würde. 

Daher jandte Bilchof Philipp von Flersheim 1529—1546 
leinen Generalvifar Georg Mußbacher und den Kanzler Roth an 
den Rat der Stadt um ihn zu warnen, der Rat aber gab eine aus: 
weichende Antwort und als Diller in jeinen Predigten fortfuhr und 
der Bilchof den Nat beſchwor, beim Glauben der Väter zu bleiben, 
gab le&terer feine Antwort und wenn Philipp Anhänger Luthers 
beitrafen wollte, nahm fie der Nat in Schuß. 

Der Pfarrer Konrad Reuter von St. Johann bei Albersweiler 
hatte jicy im Jahre 1540 verheiratet. Daher ließ ihn der Lehens— 
menn des Speyerer Bilchofs, Graf Friedrich von Löwenſtein, Herr 
zu Scharfened feitnehmen und dem Bilchof zur Strafe ausliefern. 
Er wurde ins Gefängnis nach Udenheim Philippsburg) verbracht 
und wieder entlajjen, als er verſprach, von der Lehre Luthers zu 
lajjen. Der Stiftsherr Ir Werner von Speyer aber, der zum Weiden: 
itift gehörte, ließ jeinen Glauben nicht und verlor daher jeine Ein- 
fünfte aus dem reichen Stifte. 

Diller und andere Auguftiner predigten ungeltört in der 
Augultinerkirche, die durch einen Vertrag vom 16. Dezember 1570 
mit den Proteitanten geteilt wurde. 

Ja, Luthers Schriften wurden nicht nur fleißig gelejen jondern 
troß des faijerlichen und bijchöflichen Verbotes gedruckt und verkauft, 
jo daß Papit Hadrian der VI. einen bejonderen Brief an den Magiit- 
rat jandte, worin vor der Neuerung ernitlich gewarnt wurde. Bilchof 
Georg aber erließ ein Schreiben an jeine Geiitlichen. 

Biſchof Rudolf von Cpeyer jchrieb im Jahre 1557, Freitag nad) 
Weihnachten von Udenheim (Philippsburg) aus folgenden Brief an feinen 
Lehensmann, den Junker Wolf von Weingarten: 

Uns hat angelangt (-Wir haben —— wie daß du zu Freimers— 
heim und Filchlingen in löblichen Ordnungen des alten Kirchenwejens 
allerhand Neues anzuordnen unterſtandeſt. . . . So r derwegen unjer an 
dich gnädigs anfinnend Begehren, du als unjer und unjers Gtifts (Bistums) 
Lehenmann bejtimmter Orten (d. i. an gewiljen Drten) einigs neues ans 
zuordnen Dich bewogen. . . . Eondern das von deinen Poreltern jeligen . . 
Hertommen ohngeändert verbleiben lajjen wölleſt. 

Junker Wolf jtörte fich nicht viel an die Mahnungen des Bilchofs 


und feines Kapitels; er befahl furzerhand die Einführung der neuen 
pfälziihen Kirchenordnung Ott Heinrichs und verbot dem Tefarrer das 


— 421 — 


Meffelejen bei einer Strafe von zehn Gulden. Die Gemeindeglieder ftellten 
ch anfangs auf Seite des Pfarrers und baten den unter, er — ſie bei 
er alten Kirchenlehre erhalten. Das alles Fan nichts und unter Wolf 

führte die Reformation in dem Dorfe dennody durch. Da wandte ſich das 

Domtapitel, das das Recht hatte, den Pfarrer des Dorfes Freimersheim 

einzujegen, an König Ferdinand, den nachmaligen Ferdinand den |., 

der einen Brief mit folgendem Inhalte an Junker Wolf richtete: 


Mir Ferdinand von Gottes Gnaden römijcher König ujw. Uns — 
die Ehrſamen, Unſere lieben Andächtigen, Dechant und Kapitel des Dom— 
* zu Speyer mit Beſchwerde untertäniglich zu erkennen gegeben, daß 
ie von unvordenklichen langen Jahren her immer und allerwege die Collation 
(Beſetzung) der Pfarrſtelle zu Freimersheim, welches Dorf von der — 
kaiſerlichen Majeſtät unſerem lieben Bruder und Herrn und dem heiligen 
Reich zu Lehen rühret, — auch daſelbſt von niemand verhindert 
jederzeit geſchickte, taugliche und unſerer alten, wahren, katholiſchen, hrift- 
lichen Religion anhängende Pfarrer waren, mit deren Lehre, Wandel 
und Weſen die Untertanen und Einwohner wohl zufrieden waren. Go 
jolleft aber du, als der Inhaber diejes Dorfes dejjen unangefehen neu— 
ar Wochen zugefahren undihrem Pfarrer dajelbit e u lihundbei Strafe 
eboten haben, der heiligen Mefje und andern allein chriltlichen Ordnungen und 
————— ab: und müßig zu ſtehen und die neue Kirchenordnung, jo 
vor furzer Yen publiziert und ausgeteilt worden, anzunehmen und Deine 
Untertanen hinfort vermöge derjelben mit Predigen, Taufen und anderen ange 
ordneten Kirchendienften zu verjehen. Obwohl auch bemeltes Kapitels, als \6 
der Pfarrer aufs höchſte bei ihm bejchwerte, zu Dir gejchidt und Di 
wegen —— Neuerung bitten laſſen — — — ſo hat ihre Bitte, wie 
* unſeres — und lieben Andächtigen Rudolf, Biſchofs zu Speyer 
deshalb an Di erichtetes Schreiben bei Dir nichts erſprießen wollen. 
Sonder Du haft ſchon nad) wenigen Tagen berührtem Pfarrer eine neue 
Kirchenordnung jelbft ins Dan gebracht und ihm befohlen derjelben gemäß 
= leben und fi zu halten bei Gtrafe von 10 Gulden. -- — — 

emnad) befehlen wir im Namen hochgedadhter kaiſerlicher Majeftät und 
Be uns jelbjt als römijcher König Dir hiermit ernſtlich und wollen, daß 

u den Pfarrer des Kapitels zu Speyer, Deine Untertanen und Einwohner 
von Freimersheim, wie von Alter Herfommen it, mit Predigen, Taufen und 
er she der Saframente verjehen und fie aljo bei der alten wahren 
fatholiichen Religion und das Kapitel bei ihrer lange ruhig hergebradhten 
Gerechtigkeit der Collation ungehindert und unbetrübt bleiben Laffeft — — 
Gegeben Wien, den fünften Auguſti anno 1557. 


Unſerm und des Reichs Getreuen, Wolf von Weingarten. 


Zweibrücken: Als Franz von Sickingen ſich um dieſe Zeit 
anſchickte, ſich gegen ſeine Feinde zu wehren, ſandte er mit einem 
Empfehlungsſchreiben den Prediger a Schwebel an feinen Freund 
den jugendlichen Herzog Ludwig von Zweibrüden, der von Johann 
Bader erzogen worden war und bereitwillig auf eine neue Kirchen 
verbejjerung einging. „Es wurde ein gewiller Sonntag bejtimmt 
und den Einwohnern befannt gegeben, daß ein evangelilcher Geiſt— 
liher die Kanzel beiteigen werde. Alles ftürmte daher in die 
Kirche (Alexanderstirche, die Pfalzgraf Alexander nad) der Rückkehr 
aus dem gelobten Yande 1496 hatte erbauen lajjen.) Der Stadtgeilt: 
lihe Pfarrer Meijenheimer, die Vorjteher der Gemeinde, der Fürſt 
und jeine Dienerjchaft erwarteten hier den neuen Prediger. Er er: 
Ichien und bei feinem Eintritt in die Kirche wurden die Bilder 


— 42 — 


urückgeſtellt . . . . nur das Bild des jterbenden Jeſus blieb an 
veiiun lage. Schwebel legte das Bekenntnis jeines Glaubens ab 
und ſprach dann von Mißbräuchen, von Menjchenfagungen und 
Deenjchenlehrjägen, die fi in das Ghriltentum eingeichlihen 
hätten... . Die Zweibrüder nahmen Schwebels Glaubensbefennt= 
nis an und aus der neuerbauten Nikolauskirche wurde alles entfernt, 
was an die alte Kirchenlehre erinnerte: Kreuze und Fahnen, Trag= 
himmel zum Schirm des Allerheiligiten und die bei Prozeſſionen 
getragenen SHeiligenbilder, die Rauchwerks: und Weihwaljer-Gefäße. 
Die neue Statue des hl. Nikolaus über dem Haupteingange der 
Kirche wurde weggenommen und an Gtelle der jchönen Wltäre 
itellte man zur Abhaltung des hl. Abendmahls einfache Tijche mit 
Ihwarzem Tuche auf. Die Nonnen wurden aus ihrem Kloſter 
entlajjen, dejjen Vermögen der neuen Pfarrei Schmwebels zugute 
fam; auch an die Klojterbrüder (Chorherren des SFabiansitiftes zu 
Hornbadh) richtete der Prediger die Mahnung, der katholiſchen Kirche 
zu entjagen. Da das damalige Fürftentum Zweibrüden zu den 
Sprengeln der Bilhöfe von Met, Trier, Mainz und Speyer ge= 
hörte, jo fehlte es an Warnungen für den Herzog nicht, ſtatt dejjen 
ließ er 1529 eine neue Kirchenordnung ausarbeiten, als er aber 
1532 ſtarb, hinterließ er einen unmündigen Sohn Wolfgang, für 
den der Domherr Ruprecht, ein Bruder Ludwigs, die vormund= 
Ichaftliche Regierung übernahm. 

Herzog Wolfgang trat nach vollendetem 18. Lebensjahre 
1544 die Regierung jeines Landes an, überließ aber jeinem Oheim 
Ruprecht die Herrichaft Veldenz mit Yautereden und dem Remigius= 
lande im oberen Glantale. Wohl ließ er die noch in manchen 
Kirchen feines Landes vorhandenen Bilder, Saframentshäuschen 
und Altäre bejeitigen, zerjchlagen oder verbrennen, jorgte aber auch 
für die Heranbildung evangelilcher Kirchendiener, indem er aus dem 
Vermögen der aufgehobenen Klöfter Schulen gründete. Denn als 
im Jahre 1555 der Augsburger Religionsfrieden, den Kaiſer Karl 
mit den evangelilchen Fürften jchloß, den Proteftanten gleiche Rechte 
wie den Katholifen einräumte, zog er die Klölter Hornbach, Offen— 
bad) am Glan, Werjchweiler, Dijibodenberg ein und errichtete in 
den Hauptorten jeiner 4 Oberämter Lateinjchulen, zu Hornbach aber 
in den Räumen des alten Kloſters ein Gymnafium, das am 
1. Januar 1559 feierlich eröffnet wurde. 

MWolfgang war zwar ein entichiedener Anhänger Zuthers und 
ein Gegner Zwinglis und Kalvins: dennoch ließ er nicht nur für 
die in ——— blutig verfolgten Hugenotten Kirchengebete ab— 
halten, ſondern er zog von Bergzabern aus mit einem Heere von 
17000 Mann Reitern und Fußvolk nebſt vielen Geſchützen nach 
dem Weſten. 

Da der junge König Heinrich von Frankreich, ſeine Mutter, 
der proteſtantiſche Admiral Coligny und andere Fürſten und Herren 


—— 


ſich für die Zahlung der Kriegskoſten verbürgten, konnte Wolfgang 
ſein Kloſter Offenbach am Glan mit einer herrlichen Kirche an den 
Rheingrafen Otto von Grumbach verpfänden und am 20. Februar 1569 
von Bergzabern aus durch das Elſaß rücken, wo er 1200 Reiter 
und 700 Fußgänger Verſtärkung erhielt. Bei Kolmar ging das 
wohlausgerüſtete Heer über die Vogeſen um ſich erſt an der Loire 
mit den Hugenotten (franz. Proteſtanten) zu vereinigen. Siegreich 
drang der Don bis dahin vor und war er einmal über diefem 
breiten Strome, jo konnte er ſich ungehindert mit jeinen Verbündeten 
vereinigen. Der feindliche Herzog von Anjou hatte jedoch alle 
Brüden und Päſſe über den Fluß in jeiner Gewalt, daher entjchloß 
ſich Wolfgang raſch, die Stadt Charite mit ihrer fteinernen Brüde 
anzugreifen. Cine Bortruppe hatte bereits auf Schiffen Gelchüße 
über die Loire gebracht und jchon nad) zwei Tagen ergaben fich die 
Verteidiger und die Deutichen jegten rajch über den Strom. 

An einem heißen Junitage 1569, als der Herzog in jeiner 
Rüftung jehr erhigt war und dem Fieber verfiel, konnte er jeinen Durft 
nicht mehr bezwingen und nahm einen Trunf falten Wajjers, der ihn 
aufs Kranfenlager warf. Dennoch) drang er über den Fluß Vienne 
und wollte fi) mit jeinem Freunde Coligny vereinigen, als das 
Fieber immer jtärfer wurde, jodaß er nach dem HI. Abendmahle 
verlangte, als er fich in einem Dorfe in einer Scheune befand. 
Andern Tages jette er die Reile fort um zu den Verbündeten zu 
ftoßen und ihnen Jein Heer zu übergeben. So erreichte er am 
11. Juni noch das Lager bei Nejjun in der Nähe von Limoges, 
wo er um 7 Uhr des Abends in Gegenwart des Prinzen von 
Dranien, des Grafen von Mansfeld und Ludwigs von Najjau ver: 
itarb. Als Coligny anderen Tages erjchien, fand er den fühnen 
Herzog tot. Graf Mansfeld führte die Deutihen nunmehr den 
Franzojen entgegen und dem vereinigten Heere glückte noch mancher 
Sieg, ſodaß 1570 im Frieden von St. Germain den Proteitanten 
4 Feltungen des Landes eingeräumt wurden. Die Leiche Wolf: 
gangs wurde vorläufig in Angouleme beitattet, dann aber, als die 
Königlichen dieje Stadt einnahmen, nad) Cognac und zulegt nad 
Zarochelle verbracht, wo fie ein Schiffer aus Lübeck, der mit Salz 
fuhr, auf Bitte des treuen Beamten Wolf von Zweibrücden in einen 
hölzernen Kaſten aufnahm. Wolf begleitete jeinen toten Herrn, 
aber ein Sturm verjchlug das Schiff nach der jpanilchen Küfte, 
dann erjt jegelte es langjam nad; Norden und wurde durch die un: 
Bananen Winde an die Küfte Norwegens getrieben. Als es endlich 

openhagen erreichte, juchte Wolf Gelegenheit für den Landweg zu 
finden, mußte aber dennoch zu Schiffe und erreichte am 11. Auguſt 
1571 Xübed, wo die Leiche bis zum 6. September ruhte, dann aber 
ging es ohne Unterbrehung nad) der Heimat und jchon am 
21. September erreichte der Zug Mojchellandsberg, von wo am 
23. September die Überführung nad) Meijenheim erfolgte, wo be: 


— 44 — 


reits die Söhne des Verſtorbenen und viele Lehensleute und fürft: 
liche Gejandten harrten. 

Darüber berichtete der Schultheiß von Meijenheim: „Anno 
1571, den 23. September ijt Herzog Wolfgangs unjeres gnädigen 
Fürften und Herrn Leichnam allhero zu Meijenheim antommen. 
Die ganze Bürgerichaft ſamt Weibern in Trauer find hinaus an 
die Unterpforte in Trauerkleidern gangen und ijt ein jo groß Bolt 
gewejen, daß die eriten im Glied in der Kirche gewejen, find die 
legten noch auf der Brüde geltanden. — — Es gingen vor der 
Leich drei jchöne Roſſe mit ſchwarzem Tuc durchaus überzogen, 
die Eijen waren abgebrochen und mit Filz bejchlagen. Es gingen 
drei vom Wdel vor der Leich, trugen drei en die noch in der 
Kirche im kleinen Chor hängen. — —“ 

Über Wolfgangs und jeiner Gattin Grab erhebt fi ein 
prächtiges Grabdentmal aus Weiberntuff, das die Franzoſen im 
Sahre 1795 teilweile zerichlugen aber auf Wunjch des Brinzregenten 
Luitpold und mit Unterjtüßung des deutichen Kaiſers im Jahre 1896 
wieder hergeitellt wurde. 

Molfgangs Söhne aber teilten das väterliche Erbe und der 
jüngite Sohn, Pfalzgraf Karl, der die Herrichaft Kleeburg im 
Eljaß erhielt, wurde der Stammvater der jeßt regierenden Linie des 
Haujes Wittelsbah in Bayern. Als die franzöliichen Proteftanten 
1573 die Bartholomäusnadht über fich ergehen laſſen mußten und 
ein neuer Bürgerkrieg entitand, z0g der Pfalzgraf Johann Cajimir 
von KRaijerslautern-Neujtadt im Dezernber 1575 durch das Her: 
zogtum ZJweibrüden nach Frankreich. 


Die Kurpfalz. 


Zur Reformationszeit lebten in der Pfalz folgende Kurfürſten: 
Ludwig V.: 1508—1544, Friedrich II. 1544—1556, Dit Heinrich 
1556 — 1559, mit welchem die alte Kurlinie ausjtarb und nach dem 
die Simmerjche Linie 1559 - 1685 zur Herrichaft fam. Friedrich II. 
der Fromme, 1559 - 1576, Ludwig VI. 1576-1583, Friedrich IV. 
1583— 1610, Friedrich V. von 1610 - 1632. 

Der Begründer der Reformation in der Kurpfalz; war 
Friedrich II., der im Jahre 1545 befahl, die Meſſe deutſch zu halten 
und das Abendmahl in beider Geltalt auszuteilen, den Prieſtern 
aber die Ehe zu geitatten, in der Hauptlirche des Landes, der hl. 
Geijtfirhe wurde am 3. Januar 1546 der erite Gottesdienit nad) 
Luthers Lehre abgehalten; aber Friedrich beteiligte ji) nicht an 
dem Kriege der proteltantiichen Fürjten gegen den Kaijer und erjt 
durch jeinen Neffen Dtt Heinrich wurde 1556 die neue Lehre zum 
Gejeg erhoben. 


— 425 — 


Ott Heinrich kam im März des Jahres 1556 an den Rhein 
und erließ ſofort ein Geſetz, das die Einführung der neuen und die 
völlige Beſeitigung der alten katholiſchen Lehre anordnete. Die ver: 
trauten Räte des Kurfürften, wie Michael Diller, der ehemalige 
Auguftinerprior aus Speyer und der — Gottesgelehrte 
Joh. Marbach entwarfen für die kurfürſtlichen Länder am Rhein 
und in der Oberpfalz eine Kirchenordnung, die ſchon am 
4. April 1556 von Ott Heinrich veröffentlicht wurde. Dieſe neue 
Kirchenordnung, die Wolfgang von Zweibrücken ſpäter in Zweibrücken 
einführte ſchloß ſich an das lutheriſche Glaubensbekenntnis an, wie 
es 1530 in Augsburg vor Kaiſer und Reich verleſen worden war, 
namentlich lehrte fie vom Abendmahl, daß „mit ihm der Leib und 
das Blut Chrijti wahrhaftiglich und gegenwärtiglich empfangen 
und genojjen werde.” Die Meſſe wurde als Irrtum und Abgötterei 
erklärt, die Iateinijchen Kirchengejänge größtenteils von deutſchen ver: 
drängt. Kleinere Altäre, Bilder und Fahnen mußten aus den 
Kirchen entfernt werden, nur das Kruzifix, das jpäter die Refor— 
mierten bejeitigten, jollte bleiben. Als man in Heidelberg daran 
ging, die alten, dem Volke vielfach liebgewordenen Kirchenzieraten 
weg zu tun, begab ſich Dit Heinrich jelbjt in die Heiliggetitkicche, 
weil er glaubte, das Volk werde Widerjpruch erheben ; aber niemand 
regte jich, da die meilten Bewohner jchon jeit mehr als 30 Jahren 
fi) der neuen Lehre zugewandt hatten. 

In der Pfalz war nun die Kirchenherrichaft der Biſchöfe von 
MWorms, Speyer, Straßburg und der Erzbilchöfe von Mainz und 
Trier, in deren Sprengeln die einzelnen, oft weitzerjtreuten Stüde 
der Pfalz lagen, aufgehoben, weshalb der Kurfürft 1556 jofort 
einen Kirchenrat einjegte, der aus 2 weltlichen und geiltlichen 
Mitgliedern beitand. 

Um die Wiedertäuferjefte für das Yuthertum zu gewinnen, berief 
Dtt Heinrich ein Religionsgeſpräch nad Pfeddersheim, richtete aber 
nichts aus, duldete jedoch die weitverbreitete Sekte in jeinem Lande. 

Große Verdienſte erwarb ſich Ott Heinrich um die Baukunſt; 
denn während jeiner nur dreijährigen Regierungszeit entitand dkr 
noch heute nach ihm als Dtt Heinrichbau benannte Teil des Heidel- 
berger Schlojjes. Als er aber 1559 ftarb und mit ihm die jeit 
1410 regierende Kurlinie erloſch, fam mit Friedrich) dem III. die 
Simmerjche Linie, die von König Ruprechts zweitem Sohne Stephan 
1410—1459 ftammte, zur .Herrichaft. 

Friedrich der IIl., der Fromme jah alle Altäre, Taufiteine, 
Kruzifixe, Fahnen, Bilder als „Götzenwerk“ an, neigte daher auch 
der jchweizerichen und franzöfiichen Reformation zu und beauftragte 
die Profefloren Caspar DlIevianus und Zacharias Urjinus 
1562, den jogenannten Heidelberger Katechismus zu Ichreiben, der 
das Hauptlehrbucd, der nad) dem Schweizer Vorbild reformierten 
Kirchen wurde. 


28 


— 46 — 


Fortan wurde das hl. Abendmahl als „Brotbrechen“ einge— 
führt, durch Einziehung zahlreicher Klöſter, Stiftungen und Kirchen— 
güter gewann er für Kirchen und Schulen reiche Hilfsmittel. 

Da Friedrichs ältefter Sohn Ludwig dem Luthertum zuneigte, 
jo hatte der Bater in jeinem Teitamente dem zweiten Sohne Johann 
Gajimir die Dberämter Lautern und Neuftadt als Beſitz zuge: 
wiejen. Bon jeinen Schlöfjern zu Lautern, das aufs prädhtigite 
nad) dem Borbilde des Heidelberger Schlofjes erjtand, zu Neuftadt 
— MWinzingen, Friedelsheim regierte diejer jein kleines Land, das 
ein Zuflucdhtsort für all von den Lutheriſchen in der Kurpfalz ver: 
folgten Reformierten wurde. 

Heidelberg: Von der Univerjität wurden die reformierten 
Theologen vertrieben, weshalb Johann Gafimir am 28. März 1578 
zu Neujtadt a. H. eine neue Hochſchule, das Cafimirianum gründete, 
wo ſich nicht nur die großen Lehrer der Heidelberger Schulen 
jammelten, jondern auch viele Schüler einfanden. Ein ER diejer 
Schule, David Pareus gab die jogenannte Neuftadter Bibel heraus, 
die in der vorzüglichen Druderei von Harnijch* gedrudt wurde. 
Als aber 1583 Kurfürft Ludwig II. ftarb und Pfalzgraf Johann 
Gafimir die Regierung der Kurpfalz für jeinen unmündigen Neffen 
Se IV. übernahm, wandten ſich die Lehrer auch wieder nad) 

eidelberg, wo jeitdem die reformierte Lehre herrichend blieb. 

Lambrecht: Drei pfälziiche Städte verdanten Johann Caſimir 
ihre Blüte: Diterberg, Lambrecht und Frankenthal. Kurfürjt Fried⸗ 
rich III. hatte bereits im Jahre 1550 den Papſt Julius III gebeten zu 

unjten der Univerfität Heidelberg folgende Klöjter aufzuheben: Das 

Brämonftratenfer-Alofter Münjterdreijen, das Nonnentlofter St. Yam: 
brecht, die Zilterzienjerklöjter Waidas (Helfen) und Daimbach (Nord— 
pfalz bei Ariegsterd) das Stift zu Zell, das Antoniterhaus zu Alzey 
u. a., die nicht im Gebiete der heutigen Pfalz lagen. Da dieje Alölter 
faſt ganz verlajjen waren und weniger als 2000 Dukaten ein: 
trugen, jo empfahl der päpitliche Gejandte am faijerlichen Hofe die 
Aufhebung. Die noch lebenden Nonnen von St. Lambrecht erhielten 
lebenslänglichen Unterhalt und Kleidung, an der Klojterfirche jollte 
ein Prieſter den Gottesdienjt bejorgen um dem Volke den katho— 
lichen Glauben zu erhalten. Nach) dem Tode der Nonnen aber 
jollten vier arme Jünglinge frei verpflegt und zu den höheren 
Studien vorbereitet werden. Da aber die Univerfität die Güter 
nicht jelbjt bebauen fonnte, jo nahm jie um jährlich 1665 Gulden 
der Kurfürſt in Pacht. — Am Samstag, den 2. September 1553 
erichienen furfürjtlide Beamten und Bertreter der Hochichule mit 
einem Notar zu Lambrecht. 

Im Konventsjaale wurden fie von der legten Priorin Urjula 
John und den letten Schweitern jowie vom Kloſterſchaffner erwartet 
und empfingen feierlich alle Beligungen und Gefälle des Rloiters. 
Alle Herren begaben fich hierauf ins Freie vor das Gemach der Priorin 


- 4 — 


und erhielten vom Schaffner die Schlüjjel des Klofters. F alter 
Sitte wurde das Erdreich aufgehauen. Als dann die Priorin 
heraustrat, ſetzten ſich Rektor und Dekan der Univerſität auf den 
aufgeworfenen Erdhaufen, die Priorin aber ſtreute ihnen zum Zeichen 
des Beſitzes Erde auf das Haupt. Zugleich übernahmen dieſe 
Herren das Gericht im Dorfe Grevenhauſen und damit hatte Kloſter 
Lambrecht ſein Ende erreicht. 

In den Jahren 1566—1569 kamen viele um ihres Belennt: 
niljes willen vertriebene Wallonen in die Bfalz, wo fie von Friedrich II. 
und Johann Gafimir freundlich aufgenommen wurden. Lebterer 
gewährte den Flüchtlingen von Lautern aus manche Vorrechte: Sie 
durften das reformierte Bekenntnis ausüben und nad) ihrer Kirchen 
ordnung leben. Es wurde ihnen erlaubt, fich Geiftliche zu juchen, die 
nicht nur der deutjchen, jondern auch der wallonischen Sprache mächtig 
waren, desgleichen Lehrer. Die ganze Gemeinde zerfiel in Rotten 
von je 10 Mann, an der Spite der Gemeinde ftand der Schultheiß, 
der jedes Jahr gewählt wurde. 

Die meilten Wallonen waren Tuchweber, die in den verlajjenen 
Kloftergebäuden und in neuen Gebäuden ihre Webftühle aufichlugen. 
Sie bildeten eine große Zunft, die nad) einer feften Ordnung lebte. 
Sobald die Tücher gewebt, gefärbt uud getrodnet waren, wurden 
fie von den Zunftmeiltern bejehen. Wurden fie aber in der Wolle 
Ichlecht befunden, jo mußten jie verbejjert und abermals zur Unter: 
ſuchung gebracht werden. Für Tücher, die zu ſchmal waren, bezahlte 
der Tuchweber '/, Gulden Strafe, ebenjo, wer ein Tuch anrahmte, 
ohne Holzzapfen unter die Rahmriegel zu legen. Die fertigen Tücher 
wurden von den Zunftmeiltern mit dem Zunftfiegel verjehen. — 

Nah) und nad wurde in Lambrecht, das auch unter den 
tommenden Kriegen jchwer zu leiden hatte, die franzöliiche Sprache 
von der deutjchen verdrängt, aber heute noch erinnern die wallonijchen 
Namen an die Gründer von Lambrechts Wohlitand. 

Frankenthal: Im Jahre 1562 trat der legte Prior des 
Klofters Groß- Frankenthal alle Güter, Gefälle und Rechte des Klofters 
an den Aurfürften Friedrich II. ab, der fie jeiner allgemeinen 
Kirchen-Gefälleverwaltung, die in Heidelberg ihren Sit hatte, ein- 
verleibte, während der Prior den Titel eines Adminiftrators (Ver: 
walters) erhielt. Noch in demjelben Jahre wichen die legten Kloſter— 
brüder jechzig niederländilchen Familien, die von den Rutheranern 
in Frankfurt a. M. wegen ihres reformierten Glaubens verfolgt 
worden waren und unter Führung ihres Bredigers Peter Dathenus 
auf zwei Schiffen bei Roxheim landeten und von hier in die leeren 
Klofterräume zogen. Obwohl in den folgenden Jahren die Pelt in 
den pfälziichen wie überhaupt in den rheinijchen Landen hauſte, 
blieben die Fremdlinge, denen jogar noch neue Einwanderer folgten, 
jodaß die Klofterbrüder auch Klofter Klein-Frankenthal räumen und 
nad Kirjchgarten bei Worms auswandern mußten. 


28* 


= AB: 


Die neuen Bürger zerfielen in drei Kirchengemeinden: in die 
niederländijche, franzöfiihe und deutſche. Weber aus Brüfjel und 
Antwerpen, Tuchmacher, Teppichweber, Silberjchmiede und Buch— 
druder entfalteten in der bald 1700 Einwohner zählenden Nieder 
lafjung reges Leben, jodaß Johann Kafimir den Flecken bereits am 
29. Oktober 1577 zur Stadt erheben fonnte. 

Dtterberg: Wendelin Merbot war der letzte Abt des Zilter- 
ienjerflofters — und der Kurfürſt Friedrich Ill. befahl ihm 
Aalen Glauben zu verlaffen, da er aber mit feinen Mönchen nad) 
Worms floh, jegte der Kurfürft einen weltlichen Pfleger in das Klofter 
und ließ in der Kirche fortan evangelijch predigen. Weil aber nad) 
Friedrichs Tode deſſen Sohn Ludwig VI. die Reformierten verfolgte 
und die niederländilchen Prediger entließ, rief Johann Kafimir die 
Verfolgten in die verlajjene Abtei, 1579. Die neuen Bürger hatten 
den Huldigungseid zu leiten, befamen Maß, Gewicht, Abgaben, 
Dienfte vom Pfalzgrafen zu Lautern, der fie auf fünf Jahre von 
allen Fronden, Bierjteuern, Rauchhafer, Faltnachtshühnern u. a. 
Verpflichtungen befreite. In der ehrwürdigen Abteikirche durften fie 
in ihrer Sprache Bottesdienit halten. Neben den Kloftergebäuden ent: 
Itanden viele Wohnungen und jchon im Jahre 1581 konnte der Pfalz- 

raf Dtterberg zur Stadt erheben, in dem namentlich wallonijche 

ollenweber ihr Handwerk betrieben. Bon dem eifrigen Aderbau 
der Fremdlinge zeugen noch die eilernen Pflugitüde am Stadthaus 
in Otterberg. 


Der Kampf der PBrotejtanten um Gleichberedhtigung 
mit den Katholiken. 


Karls des V. Kriege gegen Frankreich waren jchuld, daß fich der 
Kaiſer um die innern deutjchen Angelegenheiten nicht befümmern 
fonnte und die evangelijch gelinnten Fürſten in ihren Gebieten jchalte- 
ten, wie jie wollten, vergleiche Zweibrüden, Sachſen, Heſſen. Als aber 
Friede war und Jelbit die Türken zu einem Waffenitillitande bereit 
waren, 309 der Kaijer gegen die Proteftanten. Wenige Monate nach 
Luthers Tode brach der ſchmalkaldiſche Krieg aus, da die Gegner 
der alten Kirche das Konzil zu Trient, wo die Schäden im Kirchen: 
leben abgeitellt werden jollten, nicht bejuchten. Spanijche, italienijche 
und jelbjt päpitliche Hilfsvölker vereinigten fich unter dem Dberbefehle 
des Kaijers, der den Kurfürjten Johann Friedrich von Sachſen und 
den Zandgrafen Philipp von veſer in die Reichsacht tat. Da ſich 
auch der proteſtantiſche Herzog Moritz von Sachſen mit dem Kaiſer 
vereinigte, ſo gewann deſſen Feldherr Herzog Alba bei Mühlberg in 
Thüringen einen müheloſen Sieg, worauf Aurfürft Johann Friedrich 
in Gefangenjchaft geriet und als ſich bald darauf jein Bundesgenojje 


— 429 — 


Philipp von Heſſen freiwillig ſtellte, traf ihn dasſelbe Schickſal. 
Moritz aber erhielt für feine Sitfe die Rurwürde Sachſens und alle 
Länder mit Ausnahme von Weimar, Tena, Gotha und Eijenad). 


Da aber unterdejjen ſchon der Papft jeine Söldner abgerufen 
hatte und das Konzil nad) Bologna verlegte, beichloß Karl mit Rück— 
ficht auf jeine beiden srotelkantiiihen Bundesgenojjen 1548 auf dem 
Reichstage zu Augsburg das jogenannte Interim (einjtweilen), indem 
er die Benügung des Kelches beim Abendmahl und die Priefterehe 
aeltattete. Die beiden Fürften blieben als Gefangene jahrelang in 
Karls Gewalt, aber Mori verband fich insgeheim wieder mit feinen 
Glaubensgenofjen, jchloß jogar ein Bündnis mit Frankreich um das 
nötige Geld zu erhalten und eilte nach Süddeutjchland um den Kailer 
zu fangen. Da fich diejer aber noch rajch nad) Innsbrud zu retten 
vermochte (1552), jo zwangen ihn die Fürlten, das Interim auf: 
zugeben, die Gefangenen loszulaſſen und den Proteftanten bis zum 
nächſten Reichstage Religionsfreiheit zu gewähren. Der Bertrag 
wurde in Paſſau abgeſchloſſen, daher Paſſauer Vertrag und gilt 
als der Anfang der religiöjen Freiheit in Deutjchland. 


Auf dem Augsburger Reichstage 1555 wurden endgiltig 
die Proteftanten unter VBermittelung König Ferdinands des I. als 
gleichberechtigt mit den Katholifen anerkannt. 

Die wichtigjten Punkte des „Augsburger Religionsfriedens“ lauten: 


2. Damit folcher Friede der jpaltigen Religion halben, wie die hohe Not: 
durft des er Reiches nn. Nation erfordert, defto bejtändiger zwijchen 
der römijchen kaiſerlichen Majeftät, uns (Ferdinand J.), auch Kurfürften, 
Fürften und Ständen des heiligen Reiches deutjcher Nation angeftellet, auf: 
gerichtet und erhalten werden möchte: jo ſollen die kaiſerliche Majeftät, 
wir, auh Rurfürften, Fürften und Stände des heiligen Reiches 
feinen Stand des Reiches von wegen der Augsburgjhen Kon: 
fejlion und derjelbigen Lehr, Religion und Glaubens Halber mit der Tat 

ewaltjamer Weite überziehen, bejchädigen, vergewaltigen oder 
in andere Wege wider jein Gewiſſen, ti und Willen von diejer Augs: 
burgſchen Konfeifions-Religion, Blauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen und 
te jo fie — haben oder nochmals aufrichten möchte, in 
ihren Fürjtentümern, Landen und Herrichaften dringen oder dur) Mandat 
——— Befehl) oder in einer anderen Geſtaält beſchweren oder ver: 
achten, jondern bei ſolcher Religion, Glauben, Kirchengebräudhen, Ordnungen 
und Zeremonien, auch bei ihrer Habe, Gütern, liegend und fahrend, Landen, 
Leuten, Herrihaften, Obrigfeiten, Herrlichkeiten und Gerechtigfeiten ruhig 
und friedlich bleiben laſſen, und jol die ftreitige Religion nichts anders denn 
durch chriftliche, freundliche, friedliche Mittel und Wege zu einhelligem chrift: 
lichen Berftand (Einverftändnis) und Vergleichung gebracht werden, alles bei 
faijerlichen und königlichen Würden, fürjtlichen Ehren, wahren Worten und 
Strafe des Landfriedens. 

3. Dagegen jollen die Stände, jo der ——— Konfeſſion ver— 
wandt ſind, die römiſche Kr e Majeſtät, uns und Kurfürften, Fürſten 
und andere des heiligen Reiches Stände, der alten Religion (dem Katho— 
lozismus) anhängig, geiftliche oder weltliche, jamt und mit ihren Kapiteln 
und andern geiftlichen Standes, auch ungeachtet, ob und wohin fie ihre Reſi— 
denz verrüdet oder gewendet hätten, gleichergeftalt bei ihrer Religion, 
Glauben, Kirchengebräudhen, Ordnungen, Zeremonien, auch ihrer Habe, 


— 30 — 


Gütern, liegend und — Landen, Leuten, Herrſchaften, Obrigkeiten, Herr- 
lichleiten und Gerechtigkeiten, Renten, Zinjen, Zehnten unbejchwert bleiben 
und fie derjelben friedlich und —2 gebrauchen, genießen, unweigerlich 
folgen laſſen und getreulich dazu verhelfen; auch mit der Tat oder ſonſt in Un— 
utem 1 diejelbigen nichts vornehmen, jondern in allewege laut und nach 

usweilung des heiligen Neiches Rechten, Drdnungen, ojdieden und auf= 
jerichteten Landfrieden jeder fich gegen den andern an gebührenden, ordent= 
a. Rechten —— laſſen, alles bei fürſtlichen Ehren, wahren Worten 
und Vermeidung der Pön, in dem aufgerichteten Landfrieden begriffen. 


4. Doch ſollen alle anderen, ſo obgemeldeten beiden Religionen nicht an— 
hangen, in dieſem Frieden nicht gemeinet, ſondern gänzlich ausgeſchloſſen ſein. 


5. (Der geiſtliche Vorbehalt.) Und da bei Vergleichung dieſes Friedens 
Streit darüber entjtanden ift, wie es in dem Falle, wo der Beiftlichen einer 
oder mehrere von der alten Religion abtreten würden, mit den von ihnen 
bis dahin bejejjenen und innegehabten Erzbistum, Bistum, Prälaturen, Bene- 
mie halben gehalten werden fol, und fich die Stände beider Religionen 

arüber nicht haben vergleichen können: % haben wir in Kraft der uns von 
EB römijcher kaiſerlichen Majeſtät gegebenen Vollmacht und Heim— 
ſtellung erkläret und geſetzet, tun auch als ſolches hiemit zu wiſſen: 


alſo, wo ein Erzbiſchof, Biſchof, Prälat oder ein anderer 
geiſtlichen Standes von unſer alten Religion abtreten würde, daß 
derſelbige en Erzbistum, Bistum, Prälatur und andere Bene- 
fizien, einbegriffen alle Frudt und Eintommen, jo er davon ge 
abt, alsbald ohne jede Weigerung und Berzug, jedod feiner 
hren ohnnadteilig, verlafjen joll; 


auch joll den Kapiteln und denen es von gemeinen Rechten oder der 
Kirchen und Stift Gewohnheiten zugehöret, zugelaffen fein, eine Perſon, der 
alten Religion verwandt, zu wählen und zu ordnen, welche bei der Kirchen 
und Stift altem Herkommen, Gerechtigkeiten und Gütern, liegend und fahrend, 
unverhindert und friedlich gelaſſen werden joll, jedoch künftiger chriftlicher, 
freundlicher und endlicher Vergleichung und Religion unvorgreiflich. 


6. Dieweil aber etliche Stände und derjelben Vorfahren etliche Stifte, 
Klöfter und andere geiftliche Güter eingezogen und diejelbigen zu Kirchen, 
Schulen, milden und anderen Sachen angewendet haben, jo jollen auch joldhe 
eingezogenen Güter, welche denjenigen, jo dem Weiche unmittelbar unter- 
worfen und Reichsftände find, nicht zugehören, und deren Beliß die geiftlichen 
(Stände) zur a des zananzı ertrages oder jeither nicht gehabt haben, 
in diejem Frieden mit ein ihr und eingezogen fein und bei der Verord— 
nung, wie es ein jeder Stand mit obberührten eingezogenen und bereits ver— 
wendeten Gütern gemacht hat, gelaffen werden. 


10. Es joll auch fein Stand den andern noch desjelben Untertanen zu 
feiner Religion dringen, abpraftizieren oder wider ihre Obrigkeit in Schuß 
und Schirm nehmen noch verteidigen in feiner Weije. Und joll hiermit den— 
jenigen, jo vordem von alters Schutz- und Schirmherren anzunehmen gehabt 
haben, hierdurch nichts benommen und diejelbigen nicht gemeinet fein. 


11. Wo aber unjere, auch der Kurfürſten, Fürſten und Stände Unter: 
tanen, bie der alten Religion oder der Augsburgichen Konfeſſion anhangen, 
wegen jolcher ihrer Religion aus unferen, auch der Kurfürften, Fürften und 
Ständen des heiligen Reiches Landen, Fürftentümern, Städten oder Flecken 
mit ihrem Weib und ihren Kindern an andere Orte ziehen und fich nieder— 
lafjen wollten, den * ſolcher Ab- und Zuzug, auch Berkauf ihrer Hab und 
Büter gegen ziemlichen billigen an der Leibeigenſchaft und Nachſteuer, 
wie es an jedem Orte von alters her üblich hergebradht und gehalten worden 
ift, unverhindert een und bemwilliget, auch an ihren Ehren und Pflichten 
allerdinge unentgolten jein. 


- 3 — 


16. Solches alles und jedes, jo oben gejchrieben und in einem jeden 
Artikel namhaft gemacht ijt und die kaiſerliche Majejtät und uns angeht, 
jollen und wollen ihre Liebden und faijerlihe Majeftät und wir bei Iren 
taiferlichen und unjeren königlichen Würden und Worten für uns und unjere 
Nahtommen ftet, unverbrücdhlich und aufrichtig halten und vollziehen, dem 
ftrads und unweigerlid) nachkommen und leben und darüber jett oder fünftig 
weder aus Machtvollkommenheit oder unter anderem Schein, wie die Namen 
haben mögen, nicht vernehmen, handeln und ausgehen lafjen noch jemand 
—— von ihrer Liebden und kaiſerlichen Majeſtät unſertwegen zu tun 
geſtatten. 

Gegeben in unſerer, König Ferdinands, und des heiligen Reiches Stadt 
Augsburg an dem 25. Tag des Monats September nach Chriſti, unſers 
lieben Herrn, Geburt 1555. Jahre, unferer Reiche, des römilchen im 25. und 
der anderen im 29. ‚ „ $erdinandus. 

Diejer jogenannte Augsburger Religionsfrieden war 
nur ein Waffenftillftand, weil die Proteftanten den geijtlichen 
Vorbehalt nicht anerkannten, nachdem Erzbilchöfe, Bilchöfe, Abte 
u. a. Geijtliche, die protejtantijch wurden, ihr Land verlieren mußten. 
Die Katholiten aber widerjegten fi) der Forderung, daß geiftliche 
Fürſten nicht gegen Proteltanten einjchreiten jollten. 


Wie Met verloren ging. 


MWährend die franzöfiichen Könige Franz I. (1515—1547) und 
Heinrich II. in ihrem eigenen Lande die Anhänger des Genfer Refor: 
mators Kalvin ausrotteten und mit Gütereinziehung, Jungenausreißen 
und Scheiterhaufen ftraften, waren fie bemüht in Deutjchland den reli: 
aiöjen Streit zu jchüren, um gegen Kaiſer Karl V. vorgehen zu können. 
Lange Fahre unterhandelten die königlichen Gejandten mit dem Führer 
der deutſchen Proteſtanten Rurfürjt Mori von Sadjen, bis am 5. Ok— 
tober 1551 der Bund zu Friedenswalde zultande fam, in welchem 
die zum Überfall auf den Kaijer vereinigten proteftantilchen Fürſten 
dem Könige Heinrich von Frankreich die deutichen Städte Kammerich 
(Cambray), Me, Tull und Verdun überließen. Ta, fie verjprachen 
behilflic) zu jein, daß fein deutſcher Kaiſer gewählt werde, der nicht 
Freund des Königs von Frankreich jei. Als Gegenleijtung jagte 
Heinrich Mori und feinen Bundesgenojjen für die drei erſten Monate 
des Krieges gegen Karl V. 240000 Kronen zu, für jeden folgenden 
Monat aber 70000 und verſprach mit einem ſtarken Heere am Rheine 
zu erjcheinen um fich mit jeinen Bundesgenofjen vereinigen zu fönnen. 

MWährend nun Kailer Karl von Morig im März 1552 plöglich 
überfallen wurde, rüdte König Heinrich von Paris aus gegen die 
Weſtmark des deutjchen Reiches. In Paris jchrie das Volt auf den 
Straßen: „Nach dem Rhein, nach dem Rhein!“ und ſelbſt der König 
erklärte in einer Sitzung des hödjiten Gerichtshofes, er wolle das 
alte Königreih Auftralien, das Erbe Frankreichs, wieder: 
gewinnen. Bereits hatten Boten des Königs den Schöffen: 
meiltern (Bürgermeiltern) von Tull und Berdun gemeldet, daß die 
Städte beim Erjcheinen des Königs die Tore zu öffnen hätten. 


Schon am 13. April zog Heinrich in Tull, das vom Reiche 
m verlajjen war, ein, forderte eine Kriegsiteuer von 2000 Gulden, 
etzte den Schöffenmeilter Boileau ab, ließ die Bürger auffordern, 
ihre Waffen abzuliefern und dem Könige von Frankreich den Treu—⸗ 
eid zu jchwören. Nach feinem Abzuge blieben 7/00 Mann Bejagung 
in der nun endgültig vom Weiche gerijfenen Stadt. Schon am 
14. April ftand der König vor der lothringiichen Hauptitadt Nanzig 
(Nancy), wo die Herzogin, die für ihren — Sohn die 
Regierung führte, die wehrloſe ſchöne Stadt übergab und alsdan 
floh, während der neunjährige Prinz zur Erziehung nach Paris ge— 
bracht wurde. 

Am 17. April ſchon begab ſich der König nach Metz, wo ſich 
ſeine Truppen geſammelt hatten. Damals fahte dieſe reichſte Stadt 
des deutſchen Weſtens mehr als 60000 Einwohner, die aufs innigite 
mit dem deutjchen Reiche verfnüpft waren und vortreffliche Mauern, 
Geſchütze und andere Verteidigungsmittel hatten; aber der Schöffen- 
meilter Jakob von Gournay, der Biſchof und Kardinal Robert von 
Linoncourt jowie die Patrizier Gebrüder Heu u. a. ließen am 
10. April die Franzofen unter Montmorency ein; als die deutich- 
gefinnten Ratsherrn ſich widerjegen wollten, fanden fie den Tod 
und bereits am 18. April zog der franzöfilhe König in das ſtärkſte 
Bollwerk des deutichen Reiches ein. Damit die Bürgerjchaft feinen 
Aufitand unternehmen könne, ließ er fie entwaffnen und den Eid 
der Treue ſchwören. An der Stelle aber, wo die beiden Säulen 
den faijerlichen Adler trugen und nun weichen mußten, erhob fi) 
bald ein GSiegesbogen mit dem Namen des Königs. Viele der 
vornehmiten Bürger nahmen mit Wehmut Abjchied von ihrer nun 
fremd gewordenen Heimat und flohen in die rheiniichen Städte. 
Schon 3 Tage nad) dem Einzuge in Met gedachte König Heinrich auch 
das Eljaß an fich zu reißen und namentlich Straßburg in feine Ge: 
walt zu bringen um dann über den Rhein zu gehen und ſich mit 
den deutjchen Fürſten vereinigen zu können. Gtraßburg aber ver: 
ſchloß dem Eroberer die Tore und als die Nachricht fam, daß des 
Raijers Truppen in Frankreich jtänden und die Protejtanten ſich in 
Paſſau mit Karl verjöhnt hätten, eilte er wieder in jein Reich zurüd, 

König Heinrich wußte, daß er jeinen Raub nicht behalten 
fönne wenn er nicht verteidigungsfähig ſei. Daher bejchloß er, die 
Stadt jofort zu befeitigen. Schon nahte von Oſten her der deutjche 
Kaijer mit einem glänzenden Heere von Rittern, Landsknechten und 
Gejchügleuten um die Stadt wieder ans Reich zu bringen und Die 
Schmach Deutichlands zu tilgen. Den Herbit über lag das kaiſer— 
lihe Heer vor der Stadt ohne etwas auszurichten, ja das Wetter 
zwang den Kailer am Ende des Jahres die Belagerung aufzu: 
geben. Der Berteidiger der Feltung hatte die reichen und jchönen 
Vororte der NReichshauptitadt dem Erdboden glei) machen lajjen, 
darunter auch die in der alten Flur Sablon gelegenen Voritadt 


- 48 — 


Ad Bafilicos, wo fich die Abtei St. Arnulf befand, in der ein Teil 
der Rarolinger, darunter Kaiſer Yudwig der Fromme ruhte. Hinter 
der Ningmauer rijjen die Franzojen raſch die angebauten zahlreichen 
Gebäude nieder und Jchufen einen bequemen Berbindungsweg - zu 
allen Berteidigungswerfen. Bald (1556—1562) erbaute Herzog 
Guiſe eine ftarfe Zitadelle, die nicht nur die Stadt, jondern auch 
das weite Mojeltal um Meg mit ihren Geichügen beherrjchte. 

Auf den deutjchen Reichstagen ſprach man noch oft von der 
Rüderoberung der Neichsjtadt; aber nie mehr kam es zu einem 
Zuge gegen die Franzojen und 1648 erhielten die Franzoſen das 
endgültig zugelprochen, was fie mit Hilfe Deutjcher widerrechtlich 
geraubt hatten. 

Karl V. zog ſich nad) den jchlimmen Erfahrungen der legten 
— 1556 ins rivatleben zurück und lebte im Kloſter St. Juſt 
1556 1558 in Spanien ſeinen Neigungen. Spanien und Die 
Niederlande gab er — Sohne Philipp, während ſein Bruder 
Ferdinand deutſcher Kaiſer wurde 1556 - 1564, dejlen Sohn Mari: 
milian Il. ein warmer Freund der PBroteftanten von 1564 - 1576 
regierte. 


Die pfälziichen Städte und Dörfer 
vor dem 30jährigen Kriege. 


1. Zweibrüden. 


‚Schon im Jahre 1483 hatten die Bürger Zweibrüdens durch Pfalagraf 
Ludwig den I. Befreiung von der Leibeigenjchaft erhalten, „daß fie alle, ihre 
Erben und Nachkommen zu ewigen Tagen fein Schagung oder Steuer geben, 
fondern wir fie junder (ohne) alle Schagung, Steuer, Acht oder Fron frei 
— ſollen und wollen“ ſagt die Urkunde. — Wohl war den Bürgern un— 
bedingte Freizügigkeit zugeſichert, aber jeder, der die Stadt verließ, mußte 
beim Abzug den zehnten Mennig als Abgabe von beweglichen und unbeweg- 
lihen Gütern bezahlen. (Auch die andern Städte des Fürftentums Zwei— 
brüden wie Bergzabern, Meiſenheim, Kujel, —— Obermoſchel und 
Odernheim, ſowie die Flecken Odenbach und Baumholder waren von der 
Leibeigenſchaft frei, während die Dorfbewohner bis zur franzöſiſchen Revo— 
lution unter ihr litten). — 

Zum Heeresdienfte im Felde waren die Zweibrüder nicht verpflichtete 
mußten aber das Land nad) —— verteidigen helfen und im Innern Ord— 
nung halten, weshalb ſig jeder Bürger mit Harniſch, Hakenbüchſe und Spieß 
zu verſehen hatte; auf Mittwoch näch Oſtern erſchienen die Amtsleute des 
Herzogs und prüften nicht nur die Ausrüftung der verfammelten Bürger, 
fondern jeder mußte auch jchwören, daß die Rüffung jein Eigentum fei. Er: 
Ihien einer mit entlehnter Rüftung, jo mußte er jofort ein Pfund ns 
bezahlen, welches Geld die andern vertranten. Die waffenfähigen Bürger 
hatten nicht nur die Türme und Leben der Stadtmauer zu bewachen, Den 
auch noch den gewöhnlichen Wachtdienft an den Pforten zu verrichten. Da bald 
friegerifche Zeiten ausbradhen, jo waren fie ftets mit jolchen Dienften ftart 
belajtet. An der Spitze der Stadtverwaltung ftand der Bürgermeifter, ihm 
zur Geite Die Vierzehner, die den Fleinen Rat bildeten und die Geſetze 
des SFürften —— hatten. Für wichtige Angelegenheiten berief die 
Stadt außerdem zehn, die mit den 14 den größern Rat ausmachten. 

Wer in die Stadt zog, durfte feinen „nachfolgenden Herrn“ zu 
mußte aljo von der Leibeigenjchaft frei jein, mußte einen Schein über Wohl: 
verhalten mitbringen’und 4 Gulden Einzug bezahlen, während ein Bürgers: 
john bloß 3 Gulden zu entrichten hatte. 


Die Haupteinnahmen der Stadt waren das Umgeld (Ohmgeld) 
auf Wein, der damals nur allgureichlich getrunfen wurde und „die Schaft“ 
oder der Schaff, eine Umlage, die wie heute noch jährlich auf die Bürger 
ausgejchlagen wurde, dazu kamen die Geldbußen für Stadt, Markt: und 
eigen aber auch die ftädtijchen Anftalten wie Mehlwage, Bannbad: 

aus, Badftube, Stadtherberge zum Löwen bradhten Geld ein, ebenjo 
die Wiejen, die die Stadt bejaß. — —— Wege, Brücken und 
Märkte regelmäßige Einnahmen. Die Ausgaben der Stadt dienten der 
Erhaltung Hadtifcher Gebäude jowie der Mauern, Pforten, Brüden und zur 


— 45 — 


Beſoldung der ſtädtiſchen Bedienſteten: Förſter, Pförtner, Ratsdiener, Feld— 
—5— irten, Stubenmeiſter-Wachtmeiſter, Glöckner, Türmer, Knechte und 
ettelvögte. An dreien Tagen tat man ſich auf dem Stadtheuſe gütlich, 
am Tage der Bürgermeifterwahl, an ee und am Martinstage Ein 
wichtiger Tag war der 6. Dezember, der Nifolaustag, an dem der neue Bürger: 
meijter gewählt wurde und das neue Bejchäftsjahr begann, wie ja auch heute 
noch das Dienftbotenjahr jchon mit dem 2. er oe e, dem Wanderstage 
oder „Bündelchestage“ nad) uralter Sitte jchließt. arftmeijter, Brotbejeher, 
Brotwieger und Brotichäger, Fleiſchbeſeher und -beſchätzer wurden ebenfalls 
am Nifolaustage ernannt und dem abgehenden Bürgermeijter zu Ehren 
wurde ein Ejjen (Imbs) für die Väter der Stadt gegeben. 
Ein ſchlimmer Gaſt herrichte damals in den pfälziichen Städten, die 
Belt, namentlich in Zweibrüden, wenn aud) die —— en Ber: 
— über Reinlichkeit des Körpers, der Wohnung, der Stadt und über 
Mäßigkeit jeglicher Art erließen, jo jtarben doc 1564 317 Perſonen, 1573 im 
Sommer 171 Berjonen, auch 1583 und 1597 erſchien diefer Würgengel, gegen 
den fich das gequälte Volk durch allerhand merktwürdige Rezepte oder gar 
Zaubermittel zu helfen juchte. 


Betrennt von der Stadt lag das Giechenhaus (in Raijerslautern, 
Hornbadh, Kufel u. a. O. Koden oder Kotten genannt), in dem die mit an- 
fteddenden Krankheiten en untergebracht wurden. In der Stadt jelbit 
lag ein Spital, das Herzog Johannes, der Sohn Herzog Wolfgangs 15691604 
reich bedachte,; denn als er am 10. Mai 1594 feinen 44. Geburtstag feierte, 
ftiftete er aus Danf gegen den Allmächtigen den armen, franften und brejt- 
— Leuten ein neues Hoſpital, in dem jährlich 100 arme Leute ernährt 
und gepflegt werden ſollten. 1400 Gulden an Geld ſpendete er und an Boden— 
erzeugnijjen hatten die ehemaligen Klöfter folgendes zu liefern: Schaffnerei 
Difibodenberg 20 Malter Korn und 1 Fuder Wein, Schaffnerei Offenbach a. GI. 
10 Malter Korn und 1 Fuder Wein, Schaffnerei Wörfchweiler 20 Malter 
Korn und 20 Malter Hafer, Schaffnerei Hornbah 11 Malter Korn und 
2 Kg Mein. Außerdem fteuerten alle Anverwandten des Herzogs und 
deſſen Beamten reichlich Geld zu dem Ichönen Werke der Nädhitenliebe bei. 
Von großer MWohltat war es in den folgenden jchweren Kriegszeiten und 
heute noch wirft es mit reichjtem Gegen. 


Strenge Ordnung berrichte in den Zünften der Bäder, Mebger, Wirte, 
Schmiede, Steinmeßen u. a., die jedes Jahr die Hälfte ihrer Einnahmen an 
Eintritts= oder Gtrafgeldern und ihre Lieferungen dem herzogliden Hofe 
überreichen mußten: 1583 gab die Mebgerzunft 50 Mrd, Unjchlitt, Die Schmiede: 
it 50 Hufeilen und 100 Nägel, die Schloffer lieferten ein Schloß und ein 

and dazu, die Büchjenmacher ein Rohr und ein Schloß, die Wagner 4 Räder, 
die Steinmetzen 50 Quaderſteine, die Zimmerleute ein Rad, die Schreiner 
eine Truhe, die Glaſer 50 Bubenjcheiben, die Häfner 50 Häfen für die Küche, 
die Küfer 3 Fäſſer zu 6'/, Ohm, die Keßler einen Keljel, no 90 Sabre 
Ipäter lieferte die Schneiderzunft das Brot zum Hl. Abendmahl, die Schufter- 
zunft ein Baar Fiſcherſtiefel, die Wollenichläger und Leineweber, 50 Ellen 
rein leinen Tuch, die Müller: und Bäderzunft aber ein Schwein. 


Geit alter Zeit bejtanden in Zweibrüden Wochenmärkte, Fruchtmärkte 
und Jahrmärfte. Schon als Herzog Stephan, König Ruprechts Sohn, regierte 
(1410—1446) war der Wochenmarkt eine alte Einrichtung. Niemand durfte 
am Markttage anderswo als auf dem Marfte und unter den Hallen des 
Rathaufes, alfo nicht auf den Baffen oder unter den Stadttoren verkaufen. 
Meshalb die beiden Diarktmeifter jtrenge Wache hielten und acht gaben, daß 
die Waren, wie Eier, Käfe, Butter, Früchte, Holz, auch um den richtigen 
Preis verfauft wurden. 

An den TFruchtmarkttagen ftand auf dem Marfte ein ——— 
(ein Strohbündel an einem hohe Stabe). Solange dieſes Zeichen ſichtbar war, 


— 46 — 


Preis nah) dem Stande des Angebotes und der Nachfrage zu ermitteln 
und feitzulegen, was ihnen um fo leichter fiel, als fie fich nach dem Betreide- 
Bale in Weißenburg, Kujel, aurbrüden, Landftuhl, Hornbady, Bitih und 
Raijerslautern zu ertundigen hatten, Damit weder Bauersmann nod) Städter 
Schaden erleide. 


durfte 1) verfauft werden, —— die Marktmeiſter hatten zuerſt den 


2. Kaiſerslautern. 


Werfen wir auch einen Blick in die alte Barbaroſſaſtadt Kaiſers— 
lautern. Auf ftaubigem und fandigem Wege fommen wir von Landftuhl 
und dem Deutjchordenshaufe zu Einfiedel vor den finftern NReichswald und 
ſchon winten uns die 18 ftolzen Stadttürme, —* die hohen Gebäude des 
Kaiſerſchloſſes entgegen, wie auf einer Inſel ſcheint die Stadt zu liegen, denn 
= drei Ceiten gewahren wir breite Weiher, die durch feite Dämme wohl- 
geihügt und in denen die jchmadhafteften 5 wimmeln, kein Wunder, 
daß die Bürger in ihrem Wappen einen Karpfen haben (der Hecht iſt Sage.) 
Doc rechts von unferem Wege erhebt fih auf einem fanften Hügel ein 
hölzernes Gerüft, ein Galgen oder Hochgericht, zu dem der Diebspfad führt, 
daneben ein Rad und eine Kleine Kapelle für die Verbrecher, die hier nach 
dem Urteile des Rates büßen mußten. Daher .. die Stadt ihren eigenen 
EI mit dem aber feiner vertehrte und dem felbft in der Wirts- 
Im e jedes ſcheu auswich, weil alle glaubten, durch den Verkehr mit dieſem 

enjchen unehrlich zu werden. — Dicht am Wege fällt uns ein merfwürdiger 
Stein auf. An der Geite, die gegen die Stadt gewendet ift, zeigt er das 
einfache ftädtiiche Wappen, den Herzichild mit Pfahl, Ramftein nennen ihn 
die Yauterer und er zeigt uns an, daß bis hierher die Gerichtsbarkeit der 
Stadt gehe, während außerhalb diejer Grenze der Kurfürft als Herr des 
Reichslandes auch Herr über Leben und Tod war. Unjer Weg führt uns 
weiter an einem einjamen Häuschen vorbei, wo uns bleiche kranke Menſchen 
mit einer Schelle um den Hals en gie. aber jcheu anjehen. Es find 
Seuchenkranke, die hier im Kodenhäufel fern von der Gemeinſchaft mit Ber: 
wandten und Freunden zubringen müjfen, bis ihnen der Stadtarzt erlaubt 
nad) völliger Gejundung wieder heimfehren zu dürfen. Endlich jtehen wir 
vor einer feiten, hölzernen Brüde, die uns über einen tiefen Graben führt, 
der mit dem nahen Fackelwoog in Verbindung fteht. Wir überjchreiten die 
Brüde und betreten das finjtere Tor, an dem nk ein Bürger als 
MWachpoften auf einer hölzernen Bank fit. fiber der 1 en Feſtungsmauer, 
die an vielen Stellen durch Palifaden unterbrochen ift, und vor der fildh: 
reiches Waller fließt, erhebt fich ein fefter Turm, der Knappenturm, unten 
aus fejtem Stein, oben von Holz mit feinem Schnigwerfe. Wir ftehen nun 
in der Fackelgaſſe und jehen rechts die kleinen Häujer der Vorſtadt, wo die 
Beilafjen oder Hinterjafien, die nicht alle Bürgerrechte genoffen, wohnten, 
wir durchichreiten die Vorftadt und fommen an einen erfergezierten hohen 
Turm, der die ganze Stadt beherricht; unter ihm hindurch führt ein gotijcher 
Bogen in die Stadt, da es aber gerade Mittag ift, bläft der Türmer droben 
von der il" Ye Brüftung aus einen ernften Choral über die engen Gaſſen 
der Stadt. Nachdem die Wache unjern Paß geprüft und uns genau nad) 
Herkunft und Reijeziel gefragt hat, geht es Durch die belebtefte Straße, die 
Dtarktftraße; aber da es vor einigen Tagen beftändig regnete, liegen überall 
Pfützen in den jchlechtgepflafterten Wegen, die Schweine, Hunde und Hühner 
laufen herrenlos umher; da und dort ſchaut ein neugieriger Kopf mit Pelz: 
müße zum Fenſter mit Butzenſcheiben hervor. Die oberen Stodwerfe ragen 
allenthalben über die unteren, jodaß oft Yaubengänge entftanden, alle 
Häuſer aber ftehen mit hochragenden Giebeln an der Straße. Wir find in 
einer waldreichen Gegend; denn alle Bauten jind von Holz. Dort hängt an 
einem Haufe das Zunftzeichen der Schmiede, das Hufeiſen, dort jehen wir 
den Stiefel der Schufter, die Echeere des Schneiders, das Fünfeck der Schild: 


— 437 — 


wirte. Schon jehr bald er wir vor dem höcdhften Haufe der Stadt, dem 
Rathaufe, wo gerade zur Mittagftunde zwei ehrwürdige Beftalten hervor: 
treten: Es find die beiden Bürgermeifter in langem jchwarzem Mantel und 
mit hohem jchwarzen Hute, wie es ſich jo ernjten Männern wie den refor: 
mierten Herren der Stadt geziemt. Sie etlen ihren Behaufungen zu. Während 
wir die ſchönen pe in Giebelhäufer mit reicher —— bewundern, er: 
reichen wir die Stiftskirche, die einftige alte Klofterficche mit ihren gotijchen 
Dan und GSteinfiguren, zwilchen deren mächtigen Gtrebpfeilern ſich kleine 

olzhäuschen fchmiegen. Um die Kirche im Dften liegt der Friedhof, der 
von den Häujern des alten Stiftes, das jet den reformierten Pfarrern zur 
Wohnung dient, umjäumt ift. Die legten Stiftsherrn find jeit den Tagen 
des Kurfürften Friedrid, des Frommen (15591571) verjchwunden und re 
‚zahlreichen Güter dem Fürſten a HR der damit Die reformierte 
Kirche gg rg Es ift das Jahr 1577 und weil Pfalzgraf Hans 
Caſimir, der fröhliche „Jäger aus Kurpfalz“ auf feinem Xieblingsfige 
Lautern weilt, wenden wir uns von der Gtiftsfirche nad) Welten. An dem 
älteften Haufe der Stadt, am Steinernen Haufe, das . dem Klojter 
Dtterberg gehörte, vorbei fommen wir an einem Woog, der die Stadthäufer 
vom Schloffe mit jeiner eigenen Befejtigung trennt. ir überjchreiten die 
neue Brüde und treten in den geräumigen Sarteppot, wo man ſich gerade 
zur Jagd rüftet. Nicht weit von uns hält ein Diener mit dem Roſſe des 
Pfalzgrafen, fürftliche Jäger bezähmen die ungeduldigen Hunde an Koppeln, 
dee erjheint im grauen Gewande mit kurzem Geitengewehr, mit Cchlinge 
und Reitpeitiche der Pfalzgraf, ihm zur Seite jeine Gemahlin, Sach s im 
Tagdgewande, fie bejteigen die Rofje, der Dberjägermeifter, die Förſter und 
Jägerburſchen folgen, zulegt jchließen jich als Treiber zahlreihe Bürger der 
Stadt dem Zuge an. Es gebt in die reichen Jagdgründe drüben am Hum: 
berge, wo Hiriche, Rehe, Eber und jelbit Wölfe in großen Rudeln noch 
leben. Wir aber jtaunen den herrlichen Bau, den Hans Cajimir vor einem 
Jahre nad) dem Muſter des Heidelberger Schlofjes, aber einfacher, heritellen 
ließ. In vielen Teilen erbliden wir noch die alten Bauten, die einit der 
NRotbart hier errichten ließ; aber jchon find die Befeltigungsmauern der 
neueren Zeit angepaßt, indem wir jchwerfällige alte Mörſer mit dickem 
furzem Rohre erbliden, denen wir aber am Roſte anjehen, daß fie jchon 
jeit Jahren hier liegen. Das Zeughaus des Schloſſes bewahrt ihrer noch 
I Dort jehen wir alte Hakenbüchſen, die auf eifernen Gabeln ruhen 
müjjen und zu denen eine Lunte notwendig ilt, wenn fie abgefeuert 
werden. Gelbjt in den Keller fteigen wir, wo in großen Fällern riejige 
Mengen Neuftadter Weines lagern, denn die —— auf dem Schloſſe 
liebt einen guten Trank und da es in Lautern keinen Wein gibt, ſo müſſen 
die Bauern des Reichslandes ihn im Frondienſte das Neuſtadter Tal herauf 
bringen. Zwar hatte Pfalzgraf Hans die Väter der Stadt Lautern zwingen 
wollen, aber dieje beriefen N auf ihre alten Rechte, die ihnen Kaiſer und 
Könige verbrieften. Dagegen aber mußten fie wie jeit alter Zeit die Wege 
und Brüden, die hinaus an den Rhein führen oder ins Weſtrich leiten, 
unterhalten und mit den benachbarten Städten bezahlen. 


Als Entgelt erhalten fie hierfür das MWegegeld, das jeder Fuhrmann 
und jeder reijende Kaufmann mit feinem Karren erlegen muß. Wir ver: 
lafjen das alte Schloß und wenden uns nad) Norden, wo wir hinter der 
Stadtmauer, ftattliche Giebelhäufer erbliden, an deren einem wir das Wappen 
der are von Flersheim ertennen, die als Amtleute und Burgmannen auf 
der KRaijerburg tätig waren und jet noch aus dieſer Zeit Zah — Güter 
in der Umgebung beſitzen. Bon hier wenden wir uns dem Lauterbache zu, 
wo auf einer hölzernen Brüde uns mancherlei in die Augen fällt. Wir 
ſehen wie da in den hölzernen Buden die Kinder der Bäder Waren zum 
ee anbieten, hier jtcht aber auch der Triller oder das Trillhäuschen, 
wohinein alle die geftecdht werden, die die Ordnung des Nates der Stadt 


—_ 48 — 


übertreten haben. Gerade fommt der Stadtlnecht mit einem Knaben heran, 
der auf dem gi Früchte ftahl und nun zur Strafe in den Triller tommt. 
Raſch jammelte ſich eine lärmende Kinderſchar und kaum fit der kleine 
Taugenichts in feinem Käfig, jo will jeder von der mutwilligen Gaffenjugend 
den Triller drehen und den Wehrlojen verjpotten. So machen wir allen 
Gaſſen einen größeren oder fleineren rg bis uns die Abendjonne er: 
innert, uns eine Herberge für die Nacht zu bejtellen. Ein ehriamer Metzger 
ne uns gerne Auskunft und nennt uns in einem Atem eine ftattliche Reihe 

afthäufer, aber als vornehmftes nennt er uns das Haus zum Bod, das 
feinen Namen daher hat, daß ein mächtiger in Stein gehauener Bod den 
Türfturz ziert. Wir treten in die enge und niedrige Baltitube ein. An den 
Mänden ftehen jchwere Eichentiſche und um diejelben einfache aber fefte 
Bänfe Mit der Mübe auf dem Kopfe tritt der Wirt an uns heran und 
fragt nad) unjerm Begehr. Wir beftellen zuerft ein Nachtlager und laffen 
dann ein gutes Silgellen auftragen, denn der Wirt jagt uns, daß die ganze 
Gegend reich an Karpfen und TForellen jei, die in den zahlreichen nee 
der — ——— gezüchtet werden. Nach unſerem Eſſen erhält jeder ein Maß 

uten aber ſauren Landweines, der, wie der Wirt berichtet, in den Alſenzer 

einbergen des Klofters Dtterberg, gediehen ve Nach und nach verfammeln 
fich hier Bürger, Schloßbewohner, und Schloßjoldaten und jungen Burjchen. 
Die pfalzgräflichen Förfter berichten uns vom Schloſſe und der heutigen 
Jagd, die jungen Leute [pielen Karten, während die Alten von den Ge— 
jchäften des Rates reden. Schlag 9 Uhr ertönt von einem der Türme ein 
Hornzeichen, alle brechen auf und begeben fich nad Haufe, wir aber juchen 
das einfache Ma ar auf, das uns der Wirt für heute Nacht bereitet hat, 
damit wir neugeltärft morgen früh mit der Landkutſche Met: Frankfurt, die 
auch Briefe befördert, weiter reijen können. 


3. In der Raijerftadt Speyer 1552. 


Am 26. Oktober 1552 hatte Bilchof Rudolf in Frantenftein, der Nach— 
folger Philipps von —— on urt a. M. verlaffen, wo er den auf 
Befehl des Kaiſers einberufenen Kreistag eingeleitet hatte, worauf er ſich noch 
nach jeinem Sprengel begab und auf — Weiſe in die Kaiſerſtadt 
Speyer, jo wie es alle ſeine Vorfahren ſeit Jahrhunderten getan Hatten, 
einzureiten. Daher hatte der jugendliche —2— der noch nicht 30 Jahre 
alt war, alle ſeine Lehensmänner — und zu dieſer Feſtlichkeit durch 
Briefe eingeladen. 437 prächtig gekleidete Reiter kamen zu dieſem Zwecke 
zuſammen, während ſich die Anverwandten des Biſchofs ſchon Sonntags im 
Hauſe des Domdekans einfanden, ritten die Lehensleute, Diener und Gäſte 
des Biſchofs nad) Udenheim, wo fie von dem Kirchenfürſten reichlich bewirtet 
wurden. Bereits Montags um 4 Uhr in der —* blies der Trompeter 
ur Morgenſuppe und dann brach alles auf nach Speyer. Konrad von 

ickingen, ein Sohn Franzens wurde Marſchall des Zuges. Raſch wurde 
noch vom Pfarrer von Udenheim eine Meſſe geleſen und dann ging es in 
den düſtern * tmorgen nach Rheinhauſen, wo man über den Strom zu 
Ihn beſchloß. In fieben breiten Schiffen fuhren alle über und auf der 

eide beim Hirtenhäuschen, wo ſchon eine große Schaar harrte, landete der 
Zug, den der Marjchall raſch in einen Kreis verjammelte, wo er eine An- 
iprache hielt, bei der er betonte, wenn in Speyer Feuerlärm oder ſonſt Auf: 
— entſtehe alle ſich auf dem biſchöflichen Gebiete am Dome einfinden 
ſollten. Graf Wilhelm von Eberſtein erhielt die wertvolle Stiftsfahne mit einem 
Marienbilde An die Spite des Zuges aber ftellten fich in 9 Reihen bijchöf: 
liche Diener als unsen hierauf folgte der Marjchall hoch zu Roß 
begleitet von den Amtleuten Wolf von Dalberg, der Faut (Vogt) im Bruh— 
raine und Hans Späth, der Faut zu Lauterburg war. Ihnen oe ſich 
mit wehender Stiftsfahne der Eberſteiner an, dem Edelleute und Reiſige in 


=. ABB 


8 Bliedern folgten. Auf dieſe Gruppe kamen wieder Edelleute, darunter 
Schweilhart von Gidingen, aber alle * Reiſige, dagegen ſah man 
hinter ihnen Hans Bod von Worms, den Schalksnarren im blauen Kleide 
nit Trommel und Pfeife und in einem Rudjade ein Schoß —— Danach 
kamen 2 Trompeter, die luſtige Fanfaren ſchmetterten, während der hinter 
ihnen reitende Graf Hans Heinrich von Leiningen-Dagsburg einen ſchwarzen 
Stab als Zeichen richterlicher Gewalt in den Händen trug. Jetzt —— 
in ſchwarzem Sammetrocke Biſchof Rudolf, begleitet von dem dh = ac 
Gejandten dem aut von Germersheim zur Rechten und dem Abge— 
ordneten des Bilhofs von Worms zur Linken, denen drei Edeltnaben 
nadhritten. Ihnen reihten fich die hohen Abgejandten der benachbarten 
Fürſten an, wie die von Baden, Zweibrüden. Den Schluß bildeten die 
biſchöflichen Amtleute von Deidesheim, Marientraut (bei ge und 
Kirrweiler. Der Morgen dämmerte im Often, als fi) der Zug der Gtadt 
u bewegte. Die Bürger, die Stadtverwaltung an der Spite famen ihrem 
Bilchofe mit 50 Pferden entgegen; alle trugen — öcke, die kunſtvoll 
zerſchnitten und mit weißer und roter Flockſeide wieder zuſammengenäht 
waren. Am Germersheimer Tore, wo der Bil 4 einen langen warzen 
Rod von Atlas, dann eine Rockette und ſchließlich einen langen ſchwarzen 
Mantel anzog, wurden 50 Pferde des Zuges in die Stadt ein in Dort 
baten die Bürgermeifter den Bilchof um .. ihre alten Freiheiten. 
ierauf ging es durch die Vorſtadt zum Altpörtel (alte Burgetor), wo 
rechts Speyerer Bürger, links Wormjer mit gejentten Spießen, oder Haken— 
büchſen und brennenden Zündftriden (Yunten) ftanden. Der ftattliche Zug 
begab fich zum nahen Haufe des Dr. Tacius, wo jich ebenfalls Bürger mit 
geltredten Spießen und Falkonetten (Kleinen Geſchützen) aufgeftellt hatten und 
in welchem, nachdem der Bijchof ſich umgezogen hatte, die beiden Bürger: 
meijter ihre Glückwünſche darbradyten. Zu Fuße begab fich nun der Kirchen: 
fürft mit den beiden Bürgermeiftern und jeinem ganzen Gefolge zum Dome, 
wo an der Grenze des jtädtijchen und biſchöflichen Gebietes, aljo am Do m- 
napfe die gefamte Geiftlichfeit der Stadt und des Domes ihres Herrn 
harrten. ge ehrfürchtig verneigend jagten die beiden Bürgermeifter die 
altüblihen Worte: „Bnädiger Herr allbier endet unjer Geleit“. Hierauf 
trat der Weihbijchof heran und pendete dem Bilchof den Friedenskuß und 
unter dem Geläute aller Gloden zogen alle in guter Ordnung in den hohen 
Dom, wo ein feierlicher Gottesdien ——— Nach demſelben verſammelte 
ſich die Bürgerſchaft unter freiem Himmel und ſchwur in alter unveränderter 
Weiſe den Treueid. Dann aber ging jeder mit einem Trinkgefäße zum Dom— 
napfe, der bis an den Rand mit Haardtwein sr war, und jchöpfte fich 
einen guten Trunt. Darauf gingen die hohen Bäfte in die Kaiferpfalz, 
wo die Stifter der Stadt zum Glückwunſche erichienen und Gejchente über: 
aben. Die Bürgermeifter überreichten im Namen der Stadt vergoldete 
Silber ejchirre zum Trinten mit 100 Goldgulden. An fejtlicher, reichbedeckter 
Tafel fand dann für alle ein dreitägiger Schmaus ftatt, worauf Rudolf 
wieder nad) Philippsburg ritt. 


Mie man in MWeijenheim am Berg in alter Zeit 
Bürger wurde. 
Es war am Martinstage (10. November) zu Weilenheim a. B. 


in der Pfalz des Jahres 1565, da famen in dem Rathauſe alle 
jungen jeit einem Jahre verheirateten Männer in Mantel und 


440° — 


Hut zulammen. Es war zur frühen Nachmittagsitunde. Bald er— 
ſchienen der Schultheiß des Dorfes und die fieben Schöffen der Ge— 
meinde im Amtskleide. Auf dem großen freien Pla vor dem Rat 
hauje verjammelte fich die ganze Gemeinde, alt und jung, Mann, 
Weib und Kind, felbit aus der Nachbarſchaft ftrömten J 
in Scharen herbei. Vor dem Rathauſe bemerkte man zwei große 
unbehauene Steine, wie man ſie im Felde hin und wieder auch zum 
Boden herausſchauen ſieht; der eine war etwa 3", Fuß hoch und 
ziemlich vierfantig, der andere niedrig und breit. 

Da öffnete fi) das ſchön gejchnigte Portal des ehrwürdigen 
Rathaufes, der Schultheiß, die Schöffen und die jungen Bürger be= 
gaben fich in feierlichem Zuge auf den Platz, da, wo die Gteine 
hervorragten. Der Schultheiß jtellte ſich auf den niedrigen Stein, 
während ihn die Schöffen und die jungen Bürger im Kreile um: 
Itanden. Er hielt nun eine Rede über den Vorgang, der nun folgen 
jollte und den man das Stutzen der Weilenheimer nannte. Hier— 
auf traten die vier jüngiten und fräftigiten Schöffen vor an den 
höheren Stein, wo fich die jungen Bürger befanden, nahmen einen 
derjelben, zwei griffen ihn an den Armen, zwei an den Füßen, 
hoben ihn Toren in die Höhe und ftugten ihn dreimal auf den 
Stein. Daß das nicht jehr zart ging, konnte man am Gefichte des 
Geltußten jehen, aber jedesmal entitand bei den Umitehenden ein 
Gelächter, das auf dem großen Platze widerhallte.e Dann famen die 
andern an die Reihe und zulegt ſprach der Schultheiß: „Ihr ſeid 
jet ordentliche und rechtmäßige Bürger unjerer Gemeinde und habt 
alle Rechte und Gerechtigfeiten zu genießen, die einem rechtmäßigen 
Bürger Weilenheims zufommen in Wald, Waller und Weide. 
Dann habt ihr auch noch einige bejondere Nechte, rief er mit er: 
hobener Stimme: Ihr dürft auf der Leiltadter Höhe (jteiniger Berg) 
den Krebsfang ausüben, auf dem Kühberg (Wald) den Filhfang 
und auf dem Ungeheuerjee die Jagd beichießen. Dafür habt ihr 
jogleih zu gemeinjamem Imbiß folgendes auf das Rathaus zu 
bringen: 1. eine Stütze Wein (10--12 1); 2. einen Laib Brot, jo 
groß wie ein Pflugrad und 3. jechs Handkäje oder einen Hut voll 
weißen Käſe.“ Im Rathaujfe wurde ein größerer Ständer auf: 
geitellt und dahinein fam der Wein. War jehr guter Wein in der 
Stüße, jo befamen ihn Schultheiß und Schöffen und nur der ge= 
ringere floß in den Ständer. An ihm und an den mitgebrachten 
Eßwaren vergnügten ich alle. 

In Ichlechten Weinjahren verſchob die Gemeinde das Stuben 
und wartete bis zu einem bejjeren. Zum legten Male geſchah das 
Stußen im Jahre 1792, leider find jeßt die altbewährten Stußiteine 
herausgerijjen und zu Pflaiteriteinen verwendet worden. 


— 41 — 


Verordnung des Junkers Hans von Hirſchhorn 
wegen des „Weinkaufes“ (MWinkuff). 


Ich bin auch in Erfahrung kommen, daß in der Gtadt 
Hirſchhorn bei Heidelberg und auf dem Lande in meinen Fleden 
mit Kaufen und Berfaufen viele Gefahr mit dem Weintaufen ge— 
jucht werde, denjelben zu begegnen und fie abzujchaffen, joll hinfür 
fein Weintauf höher fein denn 4 Maß Weins und für jechs Pfennig 
Brots geitellt werden und der Löſer auch nit mehr, jo er löjen will, 
zu geben jchuldig jein bei Strafe (von) zehn Gulden unabläſſig. — 
Diele Verordnung galt für Rönigsbad a. d. H., dejlen Weistum 
fie entitammt. se 


Hirſchhornſche Predigt-Tund Chriftenlehrordnung: 


— — — „Eritlich ſoll niemand das heilige Evangelium und 
Gottes Wort, wo es nach göttlicher Schrift gepredigt wird, ſchmähen 
und läſtern bei einer ſchweren Strafe. Dem Überführten je nach 
Gelegenheit und Überführung aufzugelegen und dieweil mich glaub— 
li) anlangt und in Erfahrung fommen, daß meine Untertanen, An: 
gehörige, Hausväter und -mütter das heilige Wort Gottes wenig 
bejuchen, ihre Kinder und Hausgenojjen dazu nit anhalten, dadurd) 
anderes nicht erfolgen, dann daß jolches zu einer Heidenjchaft geraten 
wird, dem zu begegnen will ich, daß ich männiglich das heilige 
Gottes Wort und die Predigt alle Sonn: und Feiertage un 
verhindert bejuchen und injonderheit jollen alle Hausväter und «mütter 
ihre Kinder, Knechte und Mägde, jamt anderem Hausgefinde an ob» 
bemelten Tagen auf das allerwenigite einmal Predigt zu hören, an— 
halten, denn welcher dies Drts gefährlicher Weile für jeine eigene 
Perſon und an jeinem Hausgelinde jäumig wird, Gottes Wort mut: 
willig verachtet, dasjelbige nit bejuchen und dies mein Gebot ge: 
fährlicher Weile überträte, der: oder Ddiejelbigen jollen nad) Geitalt 
und Gelegenheit jeiner Mikhandlung mit dem Turm und anderem 
Gefängnis ernitlich bejtraft werden. Damit die Üiberfahrer (Über: 
treter) der Straf nicht entfliehen, jo will ich hiermit dem Stadtfnecht, 
allen Gebütteln, Schüßen und andern, jo derzeit verordnet werden, 
auferlegt haben, mit Ernſt auf die Hausväter und mütter achtzu: 
haben diejelbige und andere Üebertreter den Amtleuten, den Schult: 
heißen und Bürgermeijtern anzubringen und darin gar nit fahrlälfig 
zu jein, wie fie dann ohne das zu tun jchuldig Jein. 

Unter der Predigt joll niemand ſpielen, zechen, tanzen vor den 
Toren, auf dem Markt oder auf andern öffentlichen Plätzen, auch 
vor der Kirche figen oder jtehen, jondern männiglich fich mit Fleiß 
u der Predigt verfügen oder, jo er des Tags einmal in der 
Sredigt gewejen iſt und das andere Mal nit daran will oder jonft 


29 


—— 


redliche Urſachen ſeines Ausbleibens hat, ſoll er noch dieſelbige Zeit 

ſich mit Stille in ſeinem Hauſe oder anderswo unärgerlich ent— 

gem bei Strafe fünf Schilling Heller und ze und Nacht in dem 
urm, jo oft einer jträflich hierin befunden wird. 

Will aud) ernſtlich hiermit alle meine Untertanen arm und reich, 
gemahnt und erjucht haben, daß fie fich jelbit, auch ihren Kindern 
und Ehehaltern (Gefinde) zu den Predigten und bejonders zum 
Katechismus, jo man nennt der Kinder Predigt und Frag, das 
Wort Gottes zu hören und zu lernen mit allem Fleiße Ichiden und 
fürnehmlich der Mann die Anaben und die Frauen die Töchter mit 

ch zu ſolcher Kinderlehr jelber führen und bejuchen wollen und 
eren feine ohne ehehafte (gültige) Urjachen verlajjen. Inſonders, 
da fie das Almojen nehmen (Arme) bei ring desjelbigen und 
die andern bei Verwirklichung der Straf dem Berjchulden nad). 
Es jol auch ein jeder Menjch, jo über 12 Jahre alt, die vier Opfer 
zu geben jchuldig jein bei gemeiner Strafe. Aus dem Schöffen: 
gerichtsweistum zu Königsbah 1558. Bayerland 1907. ©. 228. 


— — —— 


Hexenprozeſſe. 
Ein Hexenprozeß in Lautern. 


Im Jahre 1566 ſoll eine alte Frau, „die alte Schörrin“, welche 
ſchon längſt als Hexe galt, ein Kind mit Rattengift umgebracht 
haben; von dem Gifte blieb noch, wie die Leute behaupteten und 
der Rat glaubte, ein Teil übrig, der unterjucht wurde. Auch andere 
Frauen der Stadt wanderten in das Gefängnis, darunter jo zwei 
mit Namen Göß, die eine Nachbarin Bends der Zauberei bejchuldigte. 

Die alte Schörrin fam in den Malefizturm und dann vor das 
Gericht der Stadt, wo fie der Schultheiß peinlich befragte, d.h. durch 
den Scharfrichter die Folter anwenden ließ, wie fie die hochnot- 
peinliche Halsgerichtsordnung Kaiſer Karls V. vorjchrieb. 

Unter den furdtbaren Schmerzen geitand jedenfalls die arme 
Frau, was fie vorher nicht getan hätte; aber dazu war ja die Folter 
da, weil man ohne GBejtändnis nicht hinzurichten wagte und Zeugen 
der vermeintlichen Tat nicht aufzutreiben waren. 

Im November endlich führte jie der Scharfrichter an den 
Galgen. Die bewaffneten Zünfte begleiteten den traurigen Zug 
bis zum Galgenberge, wo der Henker bereits einen hohen Scheiter— 
haufen unter einer Hütte errichtet hatte. Mit najjen Striden band 
derjelbe die Armfte feſt um dann, nachdem ihr der Schultheiß das 
Todesurteil verlejen hatte, den Scheiterhaufen anzuzünden. 

Uls das Feuer zu brennen anfing, nahm der Bürger Chrift: 
mann von Elleren jein Schlachtichwert, ohne das fein Bürger bei 


2 MR 


feierlichen Anläſſen ausging und ſchuppte Stroh zur brennenden 
Hütte. Dafür galt er nun als ehrlojer Mann, weil er Henkers— 
dienjte verrichtet hatte und der neben ihm ftehende Bürger oft 
Schlang fagte: „Jetzt können wir-dich einen offenen Schelmen nennen, 
was mir lieber it denn hundert Gulden. Kein ehrbarer Dann 
fann mit dir ejlen oder trinfen. Wenn du in meiner Zunft wäreft, 
wollte ich dich nicht länger darin dulden; aber eure Zunft ift ohne- 
bin nicht viel nüße!” 

Darob kamen Chriftmann und oft vor den Rat. Chriftmann, 
der unterdejjen den Siß in feiner Zunft verloren hatte, wurde auf 
Befehl des Rates wieder aufgenommen. oft Schlang befam 
„einen guten Filz“ gelejen. 

Das Schickſal der andern Frauen fennen wir nicht, wohl aber ließ 
ch Pfalzgraf Johann Gafimir, der 1566 im Auftrage feines Vaters 
ie Rurlande verwaltete, jowohl die Akten über den Prozeß gegen 

die alte Schörrin als auch gegen die beiden Gefangenen einjenden. 


Hexenprozelje im Bistum Speyer. 


Im Jahre 1618 wurden mehrere Frauen von Neibsheim im 
Bistum Speyer der Hexerei bejchuldigt. Das Volt wußte von ihnen 
zu erzählen, fie jeien bei den Hexentän ir gewejen, hätten Raupen 
in Gärten und auf Felder gehext und SHagelwetter gebraut, an 
Menſchen und Vieh aber Unheil geftiftet. Ehe fie zu diefem Hexen: 
werfe zugelajjen worden jeien, hätten fie Gott abgejchworen, dem 
Teufel fi) mit Leib und Geele ergeben, weshalb fie auch anders 
getauft wurden. Als Haupthexe galt Agatha Langnas, die Heb- 
amme von Neibsheim. Die arme Frau wußte von alle dem nichts, 
was ihre dummen Nachbarinnen nachredeten und konnte daher nichts 
vor dem bilchöflichen Gerichte eingeftehen. Dafür wurde fie auf die 
Folterbanf gejpannt, blieb aber auch da ftandhaft. Eine Witwe, 
Barbara Kraus fürchtete die Folter jo jehr, daß ſie befannte, Gott 
abgeichworen zu haben und umgetauft worden zu jein. Als fie daher 
im Gefängnifje jaß um jpäter durch den Scheiterhaufen verbrannt 
zu werden, jtürzte fie fich in eine Grube, wurde tot herausgezogen 
und am 18. Auguft 1618 öffentlich als Hexe verbrannt. 

Eine dritte Frau, Anna, Ehefrau von Michael Glößer wurde 
ebenfalls durch die Beichuldigungen ihrer Dorfgenoffinnen zuerft auf 
die Folter gebradt. In ihrem Schmerze geitand fie all das, was 
man fie fragte, und damit fie nicht ganz in Berzweiflung falle, 
wurde ſie nicht zum Scheiterhaufen geführt, Jondern mit dem Strang 
vom Leben zum Tode befördert. 

Eine vierte Frau, Barbara Kiejel, wurde ebenfalls das Opfer 
des Hexenwahns. Als fie verhört wurde, gan fie natürlich nichts 
und ihr Mann, der 18 Jahre in Friede und Einigkeit mit ihr — 
hatte, beteuerte wiederholt und eindringlich ihre Unſchuld. Daher 

2 


fam fie nicht auf den Scheiterhaufen, jondern wurde gleichfalls durch 
den Strang gerichtet. Die Koſten des Prozeſſes wurden aus dem 
Vermögen der Unjchuldigen gededt, was übrig blieb, erhielten die 
Kinder, die zeitlebens aber von der Dorfbewohnern als Hexenfinder 
verachtet wurden. | 

Der Hexenwahn herrichte in Nord: und Süddeutſchland in 
gleichem Maße. Proteſtanten und Katholiten wetteiferten in der Ver: 
folgung der Frauen, die als Hexen galten, doch gab es auf beiden 
Seiten Männer, die fich der Armiten in Wort und Schrift annahmen; 
aber der Glaube an die Hexen iſt teilweije heute noch nicht ver: 
ſchwunden. 

Von der Folter. Wie es bei einer Folterung 1631 vor 
Bericht zuging, erjehen wir aus folgendem Berichte einer gefolterten 
Frau: der Scharfrichter band ihr die Hände und Ipannte fie auf 
eine Xeiter, hierauf fing er an fie zu ſchrauben, daß ihr das Herz 
im Leibe brechen wollte, aber der Unmenjch kannte feine Barm- 
herzigfeit. Obwohl fie bei diejer Dual nichts befannte, fejjelte er 
die Hände zum zweiten Male, jchnitt ihr die Haare ab und jebte 
fie abermals auf die Leiter, goß ihr dann Branntwein auf den Kopf 
und zündete ihn an. Sodann nahm er brennende Schwefelfedern, 
hielt jie unter die Arme und den Hals und 309 fie dann hinten 
aufwärts mit den Händen an die Dede, jo dauerte es vier ganze 
Stunden, bis man zum Frühltüde ging. 

Hierauf band fie der Scharfrichter abermals auf dem Rücken, 
goß Branntwein darüber und zündete ihn an. Danad) legte er viele 
Gewichte auf den Rüden und z0g die Unglüdliche wieder in die Höhe’ 

Als ſie eine Zeitlang gehangen, brachte er die Armſte wieder 
auf die Leiter, auf der jet ein ungehobeltes Brett mit Stacheln 
lag und 309 fie wiederum an den Händen in die Höhe. Nach diejer 
Beinigung famen die Füße an die Reihe, indem der Scharfrichter 
einen 50 Pfund jchweren Klo daran hing. Doch dabei blieb 
es auch noch nicht, da er die gefejlelten Füße löfte und die Beine 
lo Stark jchraubte, daß das Blut zu den Zehen heraustrat. Dies 
waren nur die beiden erſten Marter, es folgten aber noch die dritte 
und vierte, zu denen Beitjchenhiebe famen. Nach ſolchen Qualen 
verjteht man, warum arme Frauen oft die jonderbarjten Dinge ge: 
itanden. Sie wollten die entſetzlichen Marter los werden und lieber 
in den Tod gehen. 


Die Vorboten des großen Krieges. 


Die Gegenteformation und die Jeſuiten. 


Kaiſer Rudolf II. 1576—1612 war ein gelehrter Fürſt aber 
ohne Kraft und Pflihtgefühl, der fich der Sterntunde aber auch der 
Sterndeutetunft und Goldmacherei hingab und außerdem ein großer 
Runftfreund und Pferdeliebhaber war, jo daß er die Pflichten gegen 
vas Reich ganz vergaß. 

Die Protejtanten waren in Rutheraner und Kalviniſten gejpalten, 
die ſich auch gegenjeitig befämpften, insbejondere wegen der Abend: 
mablslehre, weshalb die Gegenreformation oft leichtes Spiel hatte. 

Auf der Kirchenverfjammlung zu Trient (Tridentinum) hatte 
fich die katholiſche Kirche neu befeitigt. Zuverläjlige Bekämpfer des 
Proteftantismus fand der Papit in dem Orden von der Gejellihaft 
Jeſu, Jeſuitenorden genannt, den ein |panilcher Edelmann Ignatius 
Loyola zur Belehrung der Keber und Ungläubigen geitiftet hatte. 
Die Jeluiten waren namentlich als Prediger und Lehrer, auch als 
Erzieher vornehmer Jünglinge tätig. Geit 1556 wirkten in Ingol- 
ftadt die eriten jejuitiichen Profejloren und in Speyer wurde 1572 
ein Sejuitentollegium gegründet; das Domtlapitel hatte die Drdens» 
brüder gerufen, damit fie in der Reichsſtadt, die zum größten Teil 
lutherijch gejinnt war, durch Predigt und Unterricht wirkten. Sie 
erhielten in der Nähe des Domes eine Wohnung für fünf Bäter 
der Gejellichaft, von denen einer in hochdeuticher Sprache predigte. 
Der proteitantiiche Stadtrat erhob Jofort Einjprudy gegen die 
Errichtung diefer Schule, konnte aber nichts dagegen anhaben, da 
fie auf bilhöflichem Gebiete lag. Später, als viele vom Volke ſich 
durch die Seluiten befehren ließen, gab das Domkapitel erweiterte 
Räume: die Nilolausfapelle des Domes, in der fie bisher gepredigt 
hatten, ward zu klein, weshalb 1598 die St. Chriftophstapelle ihnen 
zur Milton überlajjen wurde. In die andere pfälziichen Länder 
famen erjt im ia aka Kriege Jeſuiten. 

Die Bistümer Magdeburg und Halberjtadt waren bald nad 
dem Augsburger Religionsfrieden protejtantijdy geworden; auch der 
Erzbiichof Gebhard von Köln hatte ſich dem Proteftantismus zuge: 
wandt und wollte jein bisher geiltliches Fürjtentum in ein weltliches 
verwandeln. Doc dagegen wehrte fich das Kölner Domkapitel und 


Ze AR 


ein Teil der Bürgerichaft. Da fand Gebhard einen Bundesgenojjen 
in dem Pfalzgrafen Johann Caſimir, der im Auguft 1583 mit 
Mann von Winzingen aus nad) Köln rüdte, wo unterdajjen 
das Kapitel den bayeriſchen Prinzen Ernit zum Erzbilchofe gewählt 
hatte. Noch ehe Bebhard von den bayerischen und ſpaniſchen Truppen 
befiegt war, hatte fih Johann Gaftmir, als er den Tod feines Bruders 
— vernahm, zurückgezogen und Köln blieb katholiſch. 
er Kölner Sieg eiferte die katholiſchen Fürſten zu ſtrenger 
Durchführung der Gegenreformation an. Beſonders rückſichtslos 
verfuhr der Biſchof Julius Echter von Meſpelbrunn (1573—1617), 
der 1582 die Univerfität Würzburg gründete. An ihn erinnert heute 
noch das berühmte Juliushoſpital. Bilhof Julius vertrieb über 
100 proteftantijche Prediger, jegte alle proteftantiichen Lehrer und 
Beamten ab, und die Untertanen, die ihren Glauben nicht verleugnen 
wollten, mußten das Bistum verlajjen. 


Donauwörth 1607. 


Die Reichsftadt Donauwörth war größtenteils von Proteſtanten 
bewohnt; die wenigen Katholiten bejaßen das Klofter zum Heiligen 
Kreuze. Die Mehrzahl der Stellen im Rate war mit Proteftanten 
bejeßt, aber auch vier Katholifen nahmen Teil an der Stadtverwaltung. 
Troß des Augsburger Religionsfriedens vom Jahre 1555, der den 
beiden Befenntnijjen in den Reichsitädten gleiche Rechte einräumte, 
ftrebten die Proteſtanten die Alleinherrſchaft an, indem fie die vier 
katholiſchen Ratsherren von ihren Stellen verdrängten und den 
Katholiten die Erlangung des Bürgerrechtes erjcehwerten. 

Die Mönche des Klofters hatten ihre Erziehung und Bildung 
bei den Jeſuiten in Dillungen genojjen und ahmten die Bittgänge 
derjelben nach den benachbarten Yandfirchen jeit 1573 nad). Ass 
erlaubte fich der Zug im Gebiete der NReichsitadt nichts und entfaltete 
die Kirchenfahne erjt nach Verlaſſen des jtädtiichen Gebietes. Aber 
feit dem Jahre 1603 zogen die Katholifen mit fliegender Fahne 
durch die Stadt. 

Im April 1605 wurde wieder ein Bittgang vorgenommen. 
An der Stadtgrenze jtand aber jchon der Stadtamtmann und ver: 
langte Niederlegung der Fahne, worauf die Mönche antworteten, 
er möge jie jelbjt wegnehmen. Da befahl der Amtmann einem 
fatholiichen Bürger im Zuge die Fahne an die Veitsfapelle auf dem 
Kloftergebiete zu lehnen, weil er jelber die Fahne nicht berühren 
wollte um ferneren Streit zu vermeiden. Aber die Mönche ließen 
auch nach der Rückkehr von ihrem Bittgange die Fahne immer noch 
an der Kapelle ftehen, bis fie vom Wetter hin und hergerijjen zu 
Boden fiel, jo daß Kreuz und Stange brachen. Die Stüde wurden 





— 47 — 


zum Gpielzeug der Kinder und jchließlicy verſchwand aud das 
Tahnentud). 

Der Bilhof von Augsburg erhob jofort Klage beim Reichs— 
hofrat in Wien gegen die Stadt, die eine Pro effton geitört und 
die Rechte der Katholiten verkürzt habe. Bon Wien traf für die 
Donaumwörther Katholiten ein Schußbrief ein, in dem bei Strafe 
der Acht befohlen war, daß der Nat jede Störung der Bittgänge 
verhindern möge. Im April 1606 fand darauf eine neue, viel 
großartigere Prozeſſion ftatt, die aber durd) ganz Donauwörth 309. 
Der Rat verhielt fi) ruhia, obwohl er das Tragen fliegender DEREN 
verbieten fonnte; aber viele Bürger rotteten ſich zulammen und fielen 
bei der Rückkehr über die Katholifen her, zerrilfen deren ahnen, 
bewarfen fie mit Steinen und verfolgten fie bis in den Rloftergarten. 

Darauf fam vom Reichshofrat in Wien ein verichärfter Schuß: 
befehl, worauf der Stadtrat antwortete, die Ruheſtörer jeien nur 
Geſindel gewejen, „dem man nicht fteuern könne.“ Daher ernannte 
der Reichshofrat Herzog Maximilian von Bayern zum Schußherrn 
der katholiſchen Donaumwörther. Diejer jandte zur Prozelfion am 
27. April 1607 zwei Beamte; aber der Pöbel empörte ſich gegen 
den Rat und jagte beide herzogliche Vertreter zur Stadt hinaus. 
Als Maximilian dies hörte, war er tief beleidigt und bat den Kaijer 
um die Achtserflärung, aber erit am 3. Auguft wurde fein Wunſch 
erfüllt. Dreimal verjuchte er jedoch noch auf friedlihem Wege den 
Streit aus der Welt zu Ihaffen, der Stadtrat neigte wohl auch 
zum Frieden aber nicht die Bevölkerung, weshalb Maximilian am 
7. November die Acht befannt gab. Am 8. Dezember z0g ein 
bayerijches Heer vor die Stadt, die fich auf die Unterjtügung der 
Nachbarn verließ, jedoch ſchon am 17. Dezember mußte fie fich ergeben. 
Die reichsitädtiiche Verwaltung wurde ſofort aufgehoben und als 
die Stadt die hohen Koften des Heerzuges nicht bezahlen konnte, 
behielt fie Kurfürſt Maximilian als Beand, Seitdem iſt die Stadt 
bayerijch, die Proteftanten aber, jofern fie nicht auswanderten, wurden 
gezwungen zum katholiſchen Glauben zurüdzufehren. 


Union und Liga. 


Der Fall der Stadt Donauwörth machte die Proteftanten in 
ganz Deutjchland ftugig und auf dem Neichstage zu Regensburg 
eſchwerten fich die protejtantijchen Fürjten über die Handhabung 
des Augsburger Religionsfriedens. Ba aber zwiſchen beiden Parteien 
feine Einigung zu erzielen war, jo zogen am 27. April 1608 die 
protejtantilchen Glieder des Neiches von Regensburg ab und ſprengten 
den deutihen Reichstag. An der Spitze ftand der —8 
Friedrich IV. von der Pfalz. Wenige Tage ſpäter kamen die Fürſten 


4 — 


in Ahauſen bei Ansbach zujammen, jelbjt Zutheraner waren der 
Einladung des reformierten Kurfürjten gefolgt und jchlojjen hier 
einen Bund zum Schuße ihres Glaubens und ihres Yänderbeitandes 
und nannten ihn Union. Anfangs gehörten zu diefem Bunde Kur— 
pfalz, Pfalz: Neuburg, Baden, Württemberg, Ansbach und Rulmbady 
an, |päter foigten der Kurfürjt von Brandenburg, der Landgraf von 
Heſſen-Kaſſel, der Bfalzgraf Johannes Il. von Zweibrüden, der Her— 
zog von Anhalt und 16 oberdeutjche Reichsitädte. Leiter des Bundes 
wurde Kurfürjt Friedrich IV von der Pfalz, der aber nicht bejonders 
fähig war, weshalb als Seele des Bundes der Statthalter der Ober: 
pfalz Chrijtian von Anhalt die Gejchäfte führte. 

Meil die Protejtanten fich zu diefem Bunde zuſammenſchloſſen 
und ſogar im Lande des Kaiſers den Majeftätsbrief errungen hatten, 
dachte Herzog Maximilian von Bayern an ein Bündnis der Katho- 
lifen zum Schuße ihres Glaubens. Anfangs wollte niemand jeiner 
Einladung folgen und erſt am 10. Juli 1609, aljo mehr als ein 
Jahr nad) Gründung der Union, verbanden fich die Bilchöfe von 
Paſſau, Würzburg, Augsburg, Konjtanz, die Abte von Ellwangen 
und Kempten zu einer — Vereinigung, der am 30. Auguſt 
die drei geiſtlichen rheiniſchen Kurfürſten von Mainz, Köln und Trier 
beitraten. Zuletzt fehlten nur noch Oſterreich, Salzburg und Eichſtätt. 
Daher konnte im Februar 1610 zu Würzburg ein feſtes Bündnis 
geſchloſſen werden, das anfangs katholiſche Union genannt wurde, 
ſpäter aber nur noch Liga hieß. Zweck des Bundes war die Er— 
haltung des katholiſchen Glaubens, der Schutz des Religionsfriedens 
und Unterſtützung gegen Angriffe der Proteſtanten; daher wurde 
aus jährlichen Beiträgen eine Kriegskaſſe gebildet und der Herzog 
von Bayern mit dem Oberbefehle des Bundesheeres betraut. 





Der Streit um Jülich. 


Am 25. März 1609 ſtarb der letzte Herzog von Jülich, Kleve 
und Berg ohne Kinder. Auf fein Land machten daher verjchiedene 
deutjche Fürſten Anſpruch, darunter als die berechtigiten des Kur: 
fürften Johann Sigismund von Brandenburg und der Pfalzgraf 
Philipp Ludwig von Pfalz. Neuburg, die beide mit dem Herzog nahe 
verwandt waren. Sie vereinigten ſich am 10. Juli 1609 zu einer 
gemeinjamen Verwaltung des Landes. Der Kaijer aber gedachte an 
eine Vergrößerung jeines Befiges durch diejes Land und bedrohte 
beide Fürjten mit der Reichsacht. Dieje aber wandten fich hilfe: 
ſuchend an ihre Bundesgenojjen in der Union jowie an die prote: 
Itanti,chen Niederlande, an England und an Frankreich. 

Erſt auf dem Bundestage der Liga in Augsburg im September 
1610 jegte Herzog Maximilian es dur, daß ein Söldnerheer von 


— 49 — 


15000 Mann zu Fuß und 4000 Mann zu Pferd aufgeitellt wurde. 
Un die Spite des Heeres trat der Niederländer Johann Tierflas, 
Graf von Tilly, der die Protejtanten in Ungarn und in den Nieder: 
landen bereits befämpft hatte. 

Schon fielen Franzojen und Unionstruppen in Jülich ein, als 
der franzöfiiche König Heinrich IV., der zu jeinem Heere eilen wollte, 
von dem Mönche Ravaillac ermordet wurde. Am 9. September jtarb 
auch Kurfürjt Friedric” von der Pfalz und da jowohl die Union 
als die Liga noch Frieden wünjchten, legten beide die Waffen nieder. 

Der Pfalzgraf von Pfalz-Neuburg jah ſich in jeinen Hoffnungen 
auf das reiche Erbe getäujcht, da ihn die Union nicht weiter unter: 
jtüßte und weil er auch nicht Vormund des unmündigen Kurfürſten 
Friedrich V. 1610—1632 wurde jondern jein Zweibrüder Vetter 
Sohann I1., jo jchloß er fich näher an den Leiter der Liga, an Her: 
309g Maximilian an. Ta, jein ältejter Sohn, Biangarat Wolfgang 
Wilhelm, der fih mit Maximilians Schweiter Magdalena verlobt 
hatte, trat am 19. Juli 1613 heimlich zur katholiſchen Kirche 
über und befam dadurch die Liga auf jeine Seite. Ebenſo verleugnete 
aber au) Kurfürft Johann Sigismund jeinen lutheriſchen Glauben und 
wurde reformiert um der Unterjtügung der Niederlande ficher zu Jein. 

Am 10. September 1614 teilten beide Fürjten das Jülicher 
Land, Wolfgang Wilhelm führte aber in allen jeinen Landen, die 
unter Dit Heinrich einjt der Reformation zugeführt worden waren, 
das katholiſche Bekenntnis wieder ein.] 


Die Feltung Frankenthal. 


An der Bauart der Feltung Frankenthal erkannte man bei uns 
zuerjt die Einwirkung des Schiekpulvers auf die Kriegsführung; 
denn die wehrhaften Türme der alten Städte, Germersheim, Speyer, 
Dogersheim, Lambsheim, Neuftadt, Landau, Annweiler, Zweibrüden, 
Raijerslautern, Kufel, Wolfftein, Rodenhaufen, Dbermojchel, Kirch: 
heimbolanden, Grünjtadt, Dürkheim fonnten, jo ſtattlich und friege- 
riich fie ausjahen und jo jehr fie das Stadtbild verjchönerten, doch 
gegen die Geſchoſſe der Pulverwaffen nichts ausrichten. Die Nieder: 
länder, die ſich in Frankenthal niedergelajjen hatten, brachten aus 
ihrer Heimat eine neue Bauart mit, die darin beitand, große Erd: 
wälle um die Städte zu legen und fie mit Wajjergräben zu ver: 
itärfen. Was in den Niederlanden wegen der Bodenverhältnijje 
möglich war, fonnte auch bei Frankenthal, das in der Rheinebene 
liegt, ausgeführt werden. Namentlich vergrößerten die Franken: 
thaler im Jahre 1582 ihren Stadtgraben, weil der VBerwejer der 
Kurpfalz, an Caſimir ihnen auf ewig dafür die Laſt des ron: 
dienſtes abnahm. 


— 50 — 


Kurfürft Friedrich IV. befreite am 10. juli 1597 die Bürger 
fogar vom Umpgelde (Steuer auf Wein ujw.), damit die kleine 
Feſtung vergrößert und verbejjert werden könne. a, als die Bürger 
im SHerbite des Jahres 1600 an die Arbeit gingen, wurden fie auf 
12 Jahre von Land», Türken: und allen außerordentlichen Steuern 
befreit. Die Steuern der Bürgerjchajt jollten aber nur zum Bau 
der Feſtung verwendet werden. 

Am 18. Oftober 1600 traf der Feltungsbaumeilter Humain 
ein und begann jofort mit dem Abſtecken der Werte, Frankenthal 
follte eine „Haupt: und Realfeftung“ werden. Da aber in öjtlicher 
Nähe der Stadt jumpfige Flächen waren, mußte man der Befeiti- 

ung die Geſtalt eines unregelmäßigen Siebenedes geben, der Iodere 

oden erleichterte das Anlegen breiter Wälle und Iſenach und Fuchs: 
bach brachten joviel Waller, daß die Feltungsgräben wohl gejpeilt 
werden fonnten. 

Schon am 2. November 1600 traf Friedrich IV. jelber in 
zn ein um das begonnene Werk in Augenjchein zu nehmen. 

vr langfam aber jchritt es vorwärts und noch ehe Frankenthal 
vollendet war, eritand bei dem Dorfe Mannheim die ſtärkſte Feſtung 
der Pfalz. Im Jahre 1608 ftand das 4. Tor der Stadt fertig da 
und nun ruhte die Arbeit bis zum Jahre 1618, wo die Werke er- 
weitert und verbejjert wurden, jodaß Frankenthal das Bollwerk der 
lintsrheinijchen Pfalz wurde, das den Feinden viel Arbeit verurjachte. 


Mannheim, die Feftung der Union. 


Der Bund der protejtantijchen Fürften gewann erſt im Jahre 
1608 Geftalt, aber jchon vorher konnte ihr Haupt, der Kurfürjt von 
der Pfalz auf ein Bollwerf hinweilen, das den Anhängern des 
Bundes eine fichere Zufluchtsitätte werden fonnte: Mannheim. Falt 
taujend Jahre her beſtand bei der Zollburg Eichelsheim an der 
Nedarmündung ein Dorf Mannheim und nun erjchienen im Jahre 
1605 die furfürftlichen Beamten um von den Bauern Mannheims 
den Boden mit allen jeinen Rechten für den Kurfürften zn erwerben, 
der beſchloſſen habe an diejer wichtigen Stelle eine ſtarke Feltung 
anzulegen. Die Mennheimer erjchraten nicht wenig darüber, daß 
ihr jtilles Dorfleben nun aufhören ſollte. Denn das Dorf jollte ganz 
verjehwinden und Häujer und Hütten an einem andern Plate in der 
Nähe wieder aufgerichtet werden. Zum Wiederaufbau verjprach der 
Kurfürft den Mannheimern, denen er jede Art Entihädigung ange: 
deihen ließ, Maurer, Zimmerleute, Kleiber d. i. Verpußer und das 
nötige Baumaterial, wie Baditeine, Bruchiteine, Kalk, Ziegeln; die 
Bauern jollten fich im Herbeifahren und im Ausgraben der Funda— 
mente gegenleitig helfen, wie es jeit alter Zeit auf dem Dorfe üblich 


—— 


war (und noch iſt). Solange die Mannheimer ihre Häuſer abzu— 
brechen und wieder aufzurichten hatten, waren fie von allen Arten 
Frondieniten frei, mußen fich aber verpflichten, beim Bau der Feſtung 
mit Handarbeit und Fuhrdienft gegen Entichädigung zu helfen. 
Schon im Frühjahr 1606 kamen furfürftliche Landmeſſer und 
fteeften den Plan der Feſtung, zuerjt aber den der Zittadelle ab. 
Am 17. März ſchon erjchien Friedrich IV. mit großem Gefolge auf 
feinem Schlofte Eichelsheim. Mit ihm kamen feine Gemahlin Zuije 
Juliane von Dranien und jein Sohn, der nachmalige Kurfürft 
riedrich V., der kurz zuvor aus Sedan gefommen war, wo er am 
ofe des Herzogs von Bouillon, einem Hugenotten, längere Zeit 
erzogen worden war. Schon früh am Morgen begab fich die 
länzende Hofverlammlung an den Drt, wo in dem ausgehobenen 
—————— der Grundſtein gelegt werden ſollte. „Es war ein 
kalter, düſterer Regentag. Schwarzgeballte Wolken hingen am 
—— und verhüllten das Antlitz der Sonne. Waſſerbäche 
irzten vom Himmel auf die Feſtverſammlung nieder, ein orkan— 
artiger Sturmwind fegte über das Land und rüttelte an dem kur— 
fürſtlichen Zelt, daß es zuſammenzubrechen drohte. Wahrlich, ein Tag 
von übler Vorbedeutung für die neue Schöpfung! Aber trotz Wind 
und Regen hielt der Kurfürſt aus und mit ihm die vielköpfige 
Menge der Neugierigen, die dem Schauſpiel anwohnten.“ (Walter: 
Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart. I. 1907. ©. 123.) 
Gebet und Predigt eröffneten die Feier. Der Prediger jchloß 
mit dem Gebete; Gott möge der neuen Stadt zum Heile der Kirche 
und der Nachwelt Wachstum und Segen |penden und fie in jeinen 
bejondern Schug nehmen. Hierauf trat der Aurfürft vor ſein 
Zelt, nahm den Spaten und hob ein Stüd Rajen ab um ein vier: 
eckiges Zoch zu jchaffen für einen Duaderftein mit Höhlung. Als 
der Stein im Boden jaß, trat der 9!/,jährige Kurprinz hervor 
und legte in die Höhlung das in Gold gearbeitete Bild jeines Vaters 
mit folgender Injchrift: 


Zum Glüd und Gegen! 


Friedrih IV., Pfalzgraf bei Rhein, des heiligen römijchen 
Reiches Erztruchjeß und Kurfürjt, Herzog von Bayern ujw. hat auf 
dielem wohlbefannten Boden des fampfluftigen, alten fränkiſch— 
Ihwäbilchen Landes, am Zujammenfluß des Rheines und Nedars, 
wo einſt Kaiſer VBalentinian, die Germanen zu bedrängen, ein feites 
und ficheres Bollwerf von Grund aus neu aufführte, das jedoch 
nicht lange in römijcher Gewalt blieb, jondern bald darauf den ge: 
rechteren Waffen der Franken anheim fiel, unter dem Namen 
Danninheim bekannt und jchließlich unter pfälziiche Botmäßigfeit 
fam —, unter weit günjtigeren Vorbedeutungen zu jeinem, jeines 
Volkes und Landes Schuß eine ſtarke Feſte mit Bollwerfen und 


— — 


einer Stadt von Grund auf neu aufzubauen begonnen und dem 
Fundament mit eigener Hand dieſe Tafel zugleich mit dem erſten 
Stein und dem erfien Rajenaushub eingefügt, am 17. März 1606. 

Dem Fürften und jeiner Familie folgten alle Hofbedienten 
und bald häufte fich über dem erften Steine ein hoher Hügel, dann 
eilten alle nad) dem Schloſſe Eichelsheim, wo ein Feſtmahl jtatt- 
fand, am Abend aber fuhr der Hof unter Sturm und Regen nad 
Heidelberg zurüd. 

Dem Gründer zu Ehren wurde die Feſte, die fich über dem 
Grunditeine erhob, Friedrichsburg genannt, an die jich die jpätere 
Stadt Mannheim anſchloß. Baumeijter, Ingenieure, Steinmegen, 
GErdarbeiter famen in großen Scharen herbei, Schiffe brachten Steine 
den Redar nnd Rhein herab. 

Das ganze war eine jehr regelmäßige Anlage, die heute noch 
zu erfennen iſt. Während ſich in der fiebenedigen Zitadelle Friedrichse 
burg die Straßen in den Plan der Feſte fügten, fonnte man in der 
Stadt die Straßen gleichlaufend und im rechten Wintel jtehend an- 
legen, jo daß „Quadrate“ Häufergevierte entitanden, wie fie in 
der Altitadt Mannheim noch vorhanden find. Eine ähnliche Regel- 
näßigfeit fonnte man an der Feltung Frankenthal beobachten, wenn 
auch des Bodens wegen nicht alle Straßen parallel liefen. 

Am 24. Januar 1607 erließ Kurfürft Friedrich einen Aufruf, 
der Lujttragende aufforderte, in die neue Stadt zu ziehen, denn 
der Kurfürjt wollte nicht nur eine Feſte jchaffen jondern auch an 
einem jo wichtigen Punkte eine Handelsftadt erftehen jehen. Kur: 
fürjt Friedrich IV. erlebte die Vollendung jeines großen und jchönen 
Werkes nicht mehr, ſchon im 36. Lebensjahre ftarb er, nachdem er 
Ihon längere Jahre an den unteren Gliedmaßen gelähmt war, im 
Sahre 1611. 

Unterdejjen waren die beiden Bündnilje Union und Liga ent: 
Itanden und mit Unruhe beobachteten die fatholiichen Fürſten den 
glüdlihen Fortichritt des Baues. 


Mie Philippsburg entitand. 


Bon 1610-1652 ſaß auf dem Speyerer Bilchorsituhle der 
Huge Philipp Chriftoph von Cötern, der das bilchöflihe Schlo 
hinter dem Dome zu Speyer neu erjtehen ließ. Geit Februar 161 
hatte er jeinen Offizier Kajpar Bamberger zum Leutnant von Uden— 
heim ernannt und ihm die Aufjicht und Heranbildung der Land— 
wehr im bijchöflichen Gebiete rechts des Rheines übertragen, damit 
das Land gegen Überfälle gejchüßt jei. Ein friegerilcher Zujammen: 
ftoß beider Barteien wurde jchon jeit Jahren befürchtet und da die 
feiten Schlöjjer feinen genügenden Schuß mehr boten und Mann— 


32. ABB: 


u Mauern das Hochſtift bedrohten, jo ließ bereits 1616 der 
iichof die nötigen Pläne zum Umbau der Burg und Stadt Uden— 
heim ausarbeiten. Schon befahl er unter dem VBorwande, Sümpfe 
abzuftechen und den Wiejenbau zu fördern, Feltungsgräben zu 
ziehen und das nötige Baumaterial herbeizujchaffen. Aber die miß— 
trauilchen Speyerer, die von jeher ein wachlames Auge auf das 
Tun und Treiben der benachbarten Herren hatten, wußten bald, daß 
es fich um eine ftarfe Feltung handelte, die das ganze Bistum 
ſchützen ſollte. Sie proteftierten gegen den Bau und wiejen aus 
ihren Urkunden nad, daß Kaiſer Karl IV. ihnen geitattet habe drei 
Meilen im Umkreiſe der Stadt feine weitere Burg zu dulden. Der 
Kurfürit von der Pfalz und jeine Räte, jowie die Mitglieder der 
Union erfannten bald, daß der Bilchof, der ein Mitglied der Liga 
war, ihnen „eine Brille“ aufjegen wolle. Daher legte Friedrich V. 
gegen die Fortſetzung des Baues Widerſpruch ein und betonte, daß 
er nicht. nur Schirmherr des Bistums ſei jondern das Geleitsrecht, 
Durchzugsrecht und Öffnungsredht habe, aber Bilchof Philipp ließ jeine 
Bauleute weiter arbeiten und jagte, er beabfichtige feinen Feſtungs— 
bau jondern wolle nur fein. Schloß zu Udenheim und was dazu 
ehöre, einfach verwahren lajjen, damit er mit jeinen Dienern, der 
: en und den Urkunden vor gejehwinden. Truppendurchzügen 
icher ſei. | 

Als ſchließlich alles Leugnen nicht mehr half, ſchickte der Kur: 
fürjt abermals ein Schreiben, worauf das Domtapitel im Auguft 1617 
antwortete, die Werfmeilter, welche von ihrer Arbeit Xob und 
Ruhm Haben wollten, hätten die Befeftigung jo groß angelegt. 
Daher erjchienen bald pfälziiche Sachverjtändige, welche die neue 
Feſte unterjuchten und fanden, daß fie wirklich ftart war und 
mehrere taujend Mann Bejagung und viele Gejchüge nötig hatte. 
Schließlich) fam jogar der furfürftliche Kanzler Chriftian von Anhalt 
und jah wie gefährlich diefer Bau dem Lande feines Herrn werden 
fünne. Aber Biſchof Philipp ließ nicht nur die Feſtung weiterbauen 
jondern jofort die erforderlichen Gejchüge gießen. Auf einem 
Bundestage der Unionsfürften zu Heilbronn wurde beichlojjen, 
Philippsburg mit Gewalt zu jchleifen, ehe es dem Kaiſer gelinge 
am Rhein feiten Fuß zu fallen. Bereits am 2. Juni 1618 rüdten 
5 Fähnlein Pfälzer und 4 Fähnlein Badener mit einigen Neitern 
und Gejchügen vor die noch nicht bejegte Stadt. ÜÜber den Rhein 
famen die Bürger von Speyer. 

Zujammen waren es 4000 Dann zu Fuß und zu Pferd jowie 
1200 Schanzgräber, denen der Bilchof nicht gewachſen war. Der 
Kurfürſt ließ jofort zur Übergabe auffordern, die bald gewährt 
wurde. Die Feltungswerfe wurden zerjtört und dem Erdboden 
glei) gemacht, nachdem das gefundene Handwerkszeug in die 
Gräben geworfen und zugejchüttet worden war. Nach achttägiger 
Arbeit, bei der fich die Mannheimer „Grabenknechte“ (Schanz- 


arbeiter) hervortaten, war „Bhilippsburg“ wieder entfeftigt. Der 
Bilchof, der rings um von proteltantiichen Fürften umgeben war, konnte 
erit nach der Schladht am Weißen Berg bei Prag es wagen, die 
Feſte wieder herzuftellen. Dies geihah aber jo raſch, dab fie be 
reits 1622 vollendet war und im Kampfe gegen die Proteitanten 
benüßt werden fonnte. Lange Zeit blieb Philippsburg wie Mann- 
heim ein wichtiger Punkt am Rheine. 


Die Veranlaffung zum dreißigjährigen Kriege: 


Kaiſer Rudolf II. hatte um das Jahr 1609 faft alle feine 
Länder an feine Verwandten verloren. Um ſich wenigitens den 
Beſitz Böhmens zu verfichern, gewährte er den böhmiſchen Proter 
are Glaubensfreiheit dur den „Majejtätsbrief“, der wie folgt 
autet: 


Mir, Rudolf II, tun kund zu ewigem Gedächtnis mit dieſem 
Brief allermänniglih: Keine der beiden in Böhmen vorhandenen 
Religionen fol die Anhänger der andern des Glaubens wegen 
ſchänden oder läftern, jondern beide follen verbunden fein und bleiben. 
Die drei Stände sub utraque,*) fowohl der Herren: und Ritterftand 
als die Prager, Kuttenberger und andere Städte mit ihren Unter: 
tanen, überhaupt alle, die fi) zu der böhmilchen i. %. 1575 dem 
Railer Maximilian und jest dem Kailer Rudolf von neuem über: 
reichten und von demjelben zugelajjenen Konfeffion befannt haben 
und noch befennen, feinen davon ausgeſchloſſen, jollen die Religion 
sub utraque geraum und frei an allen und jeden Orten treiben und 
üben, bei ihrem Glauben und Religion, Prieſterſchaft und Kirchen: 
ordnung bis zu gängzlicher, einhelliger Vergleichung wegen der Reli- 

ion im heiligen römijchen Reich gelaſſen werden. Das untere Kon- 
* zu Prag wird denen sub utraque eingeräumt, um ihre Prieiter: 
haft jowohl in böhmijcher als in deutjcher Sprache, ohne alle Berhinde- 
rung des Erzbilchofs, einzujegen. Die Univerfität zu Prag wird eben- 
falls denen sub utraque mit der Bemerkung übergeben, daß fie 
denjelben von alters her gehöre. Über das Konfiitorium und die 
Univerfität jollen die drei Stände Defenjoren (Vertreter, Sachführer) 
aus ihrer Mitte aus allen drei Ständen in gleicher Zahl ernennen 
und ſolche dem Kailer zur Beftätigung präjentieren. 

Im Fall jemand aus den vereinigten drei Ständen 
sub utraque über die Kirchen und Botteshäujer, deren Sie 
allbereits im Bejiße jind, und die ihnen zuvor zuftändig, 
es jeiin Städten, Märften, Dörfern oder anderswo, nod 
mehr Gotteshäufer und Kirchen zum GBottesdienft oder 
auch Schulen zum Unterrichte der Jugend aufbauen laſſen 


— *) Die gemäßigte Partei der Huffiten verlangte das Abendmahl für 
die Laien sub utraque specie = unter beiden Geftalten (Brot und Dem) 





wollten, jolljoldhes jowohldem Herren- und Ritterftande 
als aud) den Städten ſamt und ſonders jederzeit frei 
ftehen ohne allermänniglihes Verhindern. Und weil in 
einigen Städten die Anhänger beider Religionen beiſammen wohnen, 
joll jeder Teil jeine Religion frei üben, nach feinen Prieftern fich 
richten und dem andern in jeiner Religion feine Ausmeſſung tun, 
auch das Begräbnis der Leichen in den Kirchen und auf den Kirch- 
höfen jowie das Läuten niemand verwehrt jein. Es ſoll aud) nie 
mand von jeiner Religion abgewendet und zu des Gegenteils Reli: 
gion mit Gewalt gedrungen werden. Der Reife legt dieſem Majeftäts- 
briefe diejelbe Gültigkeit bei, welche dem Religionsfrieden für 
das deutjche Reich zulommt, erklärt alle Befehle, welche da— 
wider von ihm Jelbit, feinen Erben und Nachkommen erlajjen werden 
möchten, im voraus für unfräftig und nichtig, hebt alle Befehle, 
welche früher gegen die Evangelijchen erlajjen worden, auf und ver: 
pflichtet fich, gegen jeden, der den Majeftätsbrief brechen jolle, als 
Verbrecher des gemeinen Friedens zu verfahren. 


Da die Proteftanten auch auf den geiftlichen Gebieten Kirchen 
errichteten, jo fam es bald zu Streitigkeiten, weil der Erzbilchof 
von Prag 1614 die neue Kirche zu Kloftergrab bei Teplig jchließen 
und 1617 jogar niederreißen ließ. Auch die protejtantiiche Kirche 
zu Braunau an der |chlefiichen Grenze wurde gejperrt, da der Drt 
dem dortigen Benediktinerabte gehörte. 

Die dreißig Defenjoren (Verteidiger) des proteftantijchen 
Glaubens traten jofort in Prag zufammen und fandten einen Proteft 
nah Wien. Im März 1618 kam darauf eine neue Verſammlung 
aller PBrotejtanten in Prag zujammen. und dabei wurde auf Bor: 
Ihlag des Grafen Mathias von Thurn eine neue Beichwerde an 
Railer Mathias (1612—1619) abgeſchickt. Der Kaijer erwiderte 
aber jehr ungnädig und den Proteltanten kam jofort der Verdacht, 
daß an diejem Schreiben niemand jchuld fei als die kaiſerlichen 
Statthalter Martini und Slawata. Am Vormittag des 23. Mai 1618 
begaben fich die Mitglieder der proteftantilchen Verſammlung be- 
waffnet auf das Prager Schloß und drangen in den Gitungsjaal 
der Statthalter. Auf die Frage des Grafen von Thurn an die 
Beamten entitand bald ein heftiger Wortwechjel. Raſch griffen die 
erregten Böhmen nach beiden und zerrten fie ans Fenſter — Hin 
unter mit ihnen! rief es und im Wugenblide darauf verſchwanden 
ie in den 18 m tiefen Abgrund. Der Geheimjchreiber Fabricius, 
der jeine Herrn durch Icharfe Worte verteidigen wollte, folgte bald 
nad. Aber, o Wunder, alle drei fielen auf ein Lager von Stroh 
und da ihnen die nachgejandten Schüfje nichts weiter taten, fonnten 
fie bald fliehen. 


ern 


— 456 — 


Der Winterkönig. 


Im November des Jahres 1618 ftand ein langjchweifiger 
Komet am Himmel und alle Xeute, die ihn des Abends anjahen, 
lagten, er bedeute Krieg und Peltilenz. Als bald darauf der alte 
Kaiſer Mathias ftarb, meinten viele, der Komet hätte nur den Tod 
des höchſten Fürften der Chrijtenheit anfündigen wollen, aber damit 
waren viele nicht einverjtanden. Sie jollten recht — Einen Tag 
vor dem 28. Auguſt 1619, an dem in Frankfurt a. M. nach altem Her— 
kommen der deutſche Kaiſer Ferdinand I., der Hauptfeind der prote— 
ſtantiſchen Böhmen gewählt wurde, erhoben die böhmiſchen Stände den 
erſt 23jährigen Kurfürſten Friedrich V. von der Pfalz zu ihrem Könige. 

Friedrich erblickte in der Wahl den Willen Gottes, dem er fich 
fügen müjje und war jehr dankbar für die aufihn gefallene Wahl; aber 
die Union, deren Leiter er jein follte, jagte fi) von ihm am 4. No— 
vember los und jelbit jein Schwager, der Kurfürft von Brandenburg 
wollte nichts mehr mit ihm wegen diejes Schrittes zu tun haben. Die 
Leute aus dem Volke aber meinten: „Der Zunder hat Feuer gefangen“ 
und „Stroh und Kohlen liegen jeßt jo beilammen, daß es nur des 
Anblajens bedarf.” Schon bald rüjtete Friedrich zum Zuge in fein 
neues Königreich; er ließ in allen Kirchen des Kurfürjtentums fol: 
gendes befannt geben: Am 1. Auguſt joll jeder Bürger mit einer 
Familie fleißig zur Anhörung des göttlichen Wortes in die Kirche 
gehen. Die Sonntags:, Bettags: und Wochenpredigten, jowie das 
tägliche Gebet um 11 Uhr jollen joviele Perſonen eines Haujes 
bejuchen, als nur abfommen fönnen. Vor der Abreije aber fanden 
fi) die reformierten Prediger mit ihren Gemeinden in.den Kirchen 
ein und beteten inbrünjtig um die Erhaltung des evangelijchen 
Glaubens. Friedrich ſelbſt jtieg zum legten Male mit jeinem jechs: 
jährigen Söhnchen Friedrich Heinrich an der Hand den Schloßberg zu 
Heidelberg herab um noch einmal an der Stätte, wo jeine Ahnen 
ruhten, zu beten. Troß des jchlechten Wetters jtanden die treuen 
Heidelberger in dichten Reihen in den engen Straßen und begrüßten 
Ichweigend und trauernd den jcheidenden Fürften, der ſich zur Heilig- 
geiltfirche begab. 

Als er am anderen Tage an der Seite jeiner Gemahlin Elija- 
beth den Burgberg herabritt, ftrauchelte jein Pferd, worüber alle 
erichrafen, ſelbſt Elijabeth, die Königstochter aus England jah bleid) 
und ernit aus, die herrlichen Zinnen des ftolzen Pfalzgrafenjchlojjes 
am Nedar jollten fie nie wieder jehen. Bon Heidelberg ging der 
Zug über die Oberpfalz nad) Böhmen. An der Grenze zwilchen 
Böhmen und Pfalz warteten die Vertreter des böhmijchen Volkes, 
die Friedrich in ihre Hauptitadt zur alten Rönigsburg, dem Radſchin 

eleiteten. Friedrich und jeine Gemahlin waren freundlich gegen 
jedermann aus dem Volke und alles lobte den neuen König; Friedrich 
lebte anfangs mit jeiner Gemahlin und den böhmijchen Standes: 


herren in fröhlichen Feſtwochen und ein Dichter pries den jugend 
lichen Pfälzer als „des Sommers und des Winters König”. 

Am 27. Dezember 1619 wurde dem jungen Königspaare ein 
Sohn geboren, dem Friedrich in ſtolzer Erinnerung an ſeinen faijer- 
lichen Ahnherrn den Namen Rupredt gab. In allen Kirchen 
Böhmens wurden feierliche Dankgebete abgehalten und als man in 
der Schloßfapelle den Lobgeſang anftimmte, donnerten die Gejchüße 
der Feſte den Freudengruß hinaus ins winterliche böhmijche "Land. 
rg N wurde die Tauffeter gehalten, zu der zahlreiche Fürften 
und die Vertreter der böhmijchen Proteſtanten geladen waren und 
noch 31 Jahre jpäter erinnerte ſich ein Teilnehmer des glanzvollen 
Teltes. Bald nahte das Verhängnis. 


Ein merfwürdiger Beſuch in der Pfalz. 


In Prag feierten die Böhmen und Pfälzer raujchende Feſte, 
während in der Pfalz am Rhein Tohannes der Pfalzgraf von 
Zweibrüden die Regentichaft führte. Im Mai 1620 erihien auf 
dem jtolzen Heidelberger Schlojje ein vornehmer, jtattlicher Schwede 
von freundlichem, klugem Ausjehen. Er nannte fi Oberft Gars 
von der königlichen Garde in Stodholm. In jeiner Begleitung be: 
fand fi) der Pfalzgraf Johann Gajimir, ein Wittelsbacher 
aus der Familie Zweibrüden-Kleeburg, der der Stammovater der 
Mittelsbahher Schwedenfönige wurde. Der Regent Johannes und 
jein Hof empfingen den Fremden mit Ehrfurcht und tagelang ver: 
weilten beide in vertrautem Gejpräche. 

Am 29. Mai ritt der fremde Herr mit jeiner Begleitung und 
mit den vornehmiten pfälzilhen Beamten nad) Mannheim. Gie 
wollten die neue Feſtung des Kurfürſten, die 1607 gegründet worden 
war und deren Stärke damals von allen gepriejen wurde, bejehen. 
Sie ſprachen auch von einem Bunde Schwedens mit den deutjchen 
Protejtanten und von verjchiedenen Heiraten zwilchen den Häujern 
Pfalz und Schweden. In Mannheim fanden die Herren alles in 
beitem Stande. Hierauf ritten fie Jjüdwärts durch das Land des Bilchofs 
von Speyer und der fremde Herr wunderte jich, daß die Pfalzgrafen 
nicht jchon lange diejes herrliche Gebiet an fich gezogen hätten. 

Dann ging es zum Markgrafen von Baden-Durlach, von wo 
nad) einigen Tagen die Rückreiſe nad) Heidelberg angetreten wurde. 

Der fremde Herr hatte aber Eile um wieder in jeine 
nordilche Heimat zu gelangen; beim Abjchied erfuhren die vertrauten 
Näte auch, wer der freundliche, vornehme Herr war: Oberjt Gars 
war niemand anders als der Schwedenfönig. Gustavus Adolphus 
Rex iSueciae. Der Name Gars war nur eine Zujammenftellung 
der Anfangsbuchitaben jeines Königstitels. 





— 458 — 


Die Shlaht am Weißen Berg bei Brag, 1620. 


Das Heer der Liga unter Tilly und eine failerlihe Truppe 
gingen auf Prag zu. Der pfälziiche Heerführer Chriltian von Anhalt 
jammelte daher raſch das böhmijch:pfälziiche Heer zur Verteidigung 
der Hauptitadt. Der kaiſerliche Feldherr Bucquoy, der fich mit 
Maximilian von Bayern und Tilly vereinigt hatte, zögerte auf Prag 
loszugehen; aber Maximilian drohte, nad) Bayern zurüdfehren zu 
wollen, wenn die Kaijerlichen nicht rajch vorgehen würden. Am 
Weißen Berge bei Prag in guter Stellung und hinter ficheren 
Schanzen warteten Friedrichs Krieger; wiederum wollte Bucquoy 
nicht gegen den Pfälzer ziehen, da feine Macht zu ftarf jei; aber 
am Mittag des 8. November begann die Schlacht. Der jugendliche 
Reiterführer Chriltian von Anhalt zeriprengte in ungeſtümem Ans 
ſturme das erite und zweite faijerliche Treffen; aber die Reiter hatten 
fich bei der Verfolgung des Feindes aufgelöft. Als daher Tilly den 
Oberſt Era zum Flantenvorjtoß ſchickte, wurde Anhalt verwundet 
und gefangen. Gleichzeitig bedrängten die polnilchen Weiter des 
Kaiſers die ungarilchen Silfstruppen Friedrichs und ſchon nach einer 
Stunde löjte fi) das böhmijch-pfälzijche Heer in die wildefte Flucht 
auf. Friedrich V. wollte gerade zum Schlachtfelde reiten, als jeine 
fliehenden Leute nach) Prag zueilten. Sie riljen ihn mit fich fort 
und jchon am nächſten Tage floh er mit Weib und Kind und 
Dienern. Kleinodien, Gold, Kleider, jelbit die wichtigiten Briefe 
wurden zurüdgelajjen. Der Heine Prinz Ruprecht wurde falt ver: 
gejlen. Da fand ihn ein Kammerherr jchlafend in einer Zimmerede 
am Boden und warf ihn noch auf den lebten der fortfahrenden 
Neilewagen. Friedrich rettete jich mit Inapper Not über Schleften 
und Brandenburg nad Holland. 

Maximilian zog in Prag ein und dasjelbe Volk, das dem 
jungen unerfahrenen Könige zugejubelt hatte, empfing den Gieger 
mit großer Freude. Hätte Friedrich eine Stunde jpäter die Stadt 
verlaljen, jo hätte ihn das Volk nicht mehr entweichen laſſen. 

Acht Wagen des Königs mit wertvollen Dingen ftanden noch 
im Schloßhofe, als die Sieger jchon einrücdten. Den fremden Kriegs: 
völfern wie Franzojen, Italienern überließ man das Schloß mit 
leinen Schägen und dieſe machten für mehr als 100000 Gulden 
gute Beute. Die Kleinodien aber ließ der Herzog in zwei jchweren 
Kilten nad) München bringen. 

Am 22. Januar 1621 folgte dem flüchtigen Winterfönig die 
Reichsacht, damit war er aller jeiner Länder für verluftig erklärt 
und am 9. Juni desjelben Jahres erhielt Maximilian von Bayern 
die Vollmacht zum Einmarſch in die Oberpfalz und bald da: 
rauf wurde der Herzog und jein Bruder jamt der Nachftommen: 
Ichaft mit der pfälziſchen Kurwürde durch eine geheime Ur: 
funde belehnt, die öffentliche Belehnung erfolgte erjt im Jahre 1623 


— 459 — 


auf dem Reichstage zu Regensburg. Für die 18 Millionen Gulden 
Kriegskoften, die bis dahin Maximilian für den Kailer ausgegeben 
hatte, erhielt er die Einkünfte des Herzogtums Oberöſterreich. 
Nicht nur in Böhmen und Oſterreich wurde nun der Prote- 
Itantismus jchonungslos ausgerottet, jondern auch Maximilian 
führte in der Ober: und Unterpfalz die katholiſche Lehre überall 
wieder ein, wie auch die Spanier auf dem linten Rheinufer. 





Spinola. 


Noch ehe Friedrich der V. von der Pfalz in Böhmen gejchlagen 
war, hatte der jpanijche König Philipp II. dem deutjchen Katjer 
Ferdinand Hilfe zugelagt und den Oberbefehlshaber in den Nieder: 
landen, den Marchejen Spinola mit der Bejegung der Pfalz be: 
traut, der auf jeine Bitte hin folgende genaue fönigliche Dienit- 
anweilung empfing, die in damaliger Überlegung lautete: 


Inftruftion Ihrer fönigl. Majeftät in Hijpanien 
an 
Don Marquis Spinola, Derojelben General: Feldobriiten. 


Der durchlauchteſte Fürſt und Herr, Herr Philippus II. in 
Hilpanien, Sizilien, Portugal etc. König, gibt Don Marquis 
Spinola, General:Feldobriften, auf desjelben untertänigftes Erjuchen 
nachfolgende Inftruftion, nad) welcher er ſich in jeinem Kriegs: 
gouvernement zu verhalten, benebenjt gnädigitem Befehl, diejelbe in 
gute Obacht zu nehmen. 

1. Wollen Ihre königliche Majeftät, daß mit den Werbungen 
ſtark und in aller Eil fortgefahren werde, damit aufs höchite (jpäte- 
ftens) der Anzug im Monat Juli gejchehen möge. 

2. Damit jolches deſto bejjeren Fortgang erlangen möge, haben 
Ihre königl. Majeftät allbereit die gnädigfte Verjehung getan, da= 
mit an Geld fein Mangel erjcheinen möge, inmaßen denn na 
Andorf*) und nid Partita getroffen, daß man innerhal 
Monatsfrilt in die 5 Millionen Goldes zu erheben haben wird. 

3. Den Vorſchuß belangend, find Ihre königl. Majeſtät 
gnädigft zufrieden, daß einem Küraſſier von 70 in 80, einem 

avalier von 50 in 60, einem Fußknecht von 10 in 20 Philipps: 
thaler auf die Hand gegeben werden. 

4. Die Generalmufterung, wollen Ihre fönigl. Majeftät um 
— Urſachen willen zwiſchen Maſtricht und Aachen gehalten 

aben. 


*) Antwerpen. 





30* 


A 


5. Das Geihüß joll bis zum Termin des Anzugs zu Majtricht 
behalten werden und es ilt Ihrer föniglichen Majeſtät jonderlicher 
Befehl, daß man die 40 neu gegojjenen Karthaunen, Mauerbredher 
und Falkonette zu Mecheln wohl in Obacht nehmen und zum Fort- 
zug in Bereitichaft halten joll. 

6. Haben Ihre königl. Majeftät dem italienischen Bolt, in 
die 15000 jtarf, auf Gutachten des Duc d’Espernon, Gouverneur 
zu Mes, befohlen, ihren Weg durch Burgund und Luxemburg zu 
nehmen und alsdann mit dem bei Met zuftoßenden Bolt in das 
Stift Trier fich zu begeben. 

7. Inmaßen dann Ihre königl. Majeität allbereit mit be= 
meldetem Duc d’Espernon jolche Beitellung gemacht, daß die Bürger 
zu Met desarmiert (entwaffnet) und wehrlos gemacht werden jollen, 
damit Ihrer königl. Majeſtät Kriegsvolf von denjelben an ihrem 
Fortzug nit verhindert werde. 

8. Marquis Spinola aber wird befohlen, zwei Lager zu for= 
mieren und das eine in Flandern unter dem Kommando Don Fer: 
dinands de Galota zulajjen, damit der unruhigen Staaten Borhaben 
verhindert und gedämpft werde, mit dem andern aber, jo ſich unter 
20000 nit belaufen joll, dem italieniſchen Volt auf dem Fuß zu folgen 
und aljo mit der ganzen Armada in die 35000 ſtark durch die Erz— 
bistümer Trier, Köln und Mainz fort nad) der Pfalz zu marjchieren. 

9. Und iſt Ihrer königl. Majeität erniter OL, daß alles 
Kriegsvolf in Zeit, jo es auf der dreien Erzbilchöfen Boden jein 
wird, in guter und jcharfer Disziplin gehalten werde, damit ihren 
Untertanen fein Schaden zugefügt und aljo derjelben drei Kurfürſten 
Ungunſt auf Ihrer fönigl. Majejtät Kriegsvolf geladen werde. 

10. Wann jolches gejchehen, joll das ganze Lager auf der 
Ingelheimer Heide gejchlagen und dasjelbe mit allem Fleiß und nach 
bejter Notdurft verſchanzt werden, damit demjelben nicht leichtlich 
Abbruch oder Schaden zugefügt werden fönne. 

11. Außer dieſem Lager, als weldhes ftrads an den Grenzen der 
falz, joll mit Ausfällen, Plündern und dergleichen das pfälzilche 
andvolf und jonderlich der Ausſchuß (Bürgerwehr) wohl abgemattet 

werden, damit es hernach in gänzlicher Eroberung und Einnehmung 
des Landes deſto gejchwinder und füglicher von jtatten gehen möge. 

12. Und damit jolches Lager wegen Mangelung des Proviants 
nit etwa in Gefährlichkeit geraten möge, als iſt Ihrer fönigl. Maje- 
tät Befehl, daß man etliche 1000 Wagenpferde zur Hand bringe, 
welche eine ziemliche Anzahl Mehls und anderen Proviant dem 
Kriegsvolf nachführen können. 

13. Injonderheit ſoll fih Marquis Spinola um die Feltung 
Mannheim zu erobern mit allem Ernſt annehmen und, jo diejelbe 
eingenommen, mit einer guten Bejagung von Spaniern wohl ver: 
wahren, hernach auf Heidelberg zurüden, welches Städtlein, weil 
es Ichlecht verwahrt, dejto weniger Mühe zu erobern foften wird. 


— 461 — 


14. Wann dieje beiden eingenommen, halten Ihre königl. Maje: 
tät dafür, daß es mit den andern jchlechte, (geringe) Mühe haben 
werde. Soll ſich alsdann das ganze Kriegsheer nach der Dberen 
Pfalz wenden, diejelbe gleichfalls unter Ihrer königl. Majeſtät Ge: 
horjam bringen und allenthalben, wo fte hinfommen, die calvinijchen 
Ketzer verjagen und ausrotten und an derjelben Statt reine fatho= 
liche Priejter, und injonderheit die Batres Societatis Jeſu (Jeſuiten) 
einjegen, welche das gemeine Bolt zur katholiſchen Religion unter: 
richten und anweijen jollen. 

15. Wann aljo die pfälzijchen Erblande, jedoch sub praetensione 
sequestrationis, eingenommen, joll Marquis Spinola ſich alsbald aus 
der Dberpfalz nad) Böhmen begeben und allda eines nad) dem 
anderen einnehmen und in Summa nicht eher ablajjen, bis jelbige 
fonföderierte Lande gejamt zum Gehorſam gebracht jeien, dazu ihm 
dann der Graf Boucquoy wie dann auch Tampier mit aller Mög: 
lichkeit verholfen jein werden. 


Die Belegung der linksrheiniſchen Pfalz. 


Kaum war Böhmen wieder in die Hände des Kaijers zurüd: 
gegeben, jo rücdten Friedrichs Feinde, Spanier und Bayern in die 
rheinijche Pfalz ein, in dem eritere das linfe, leßtere das rechte 
Rheinufer bejegten. Denn wie Tilly mit jeinen Truppen von der 
Oberpfalz an den Nedar drang, jo famen die Spanier, indem 
fie die Mojel bei Trier überjchritten, aus den Niederlanden 
unter Anführung des Generals Spinola, der Dilibodenberg, Dden: 
bat am Glan und das feite Städtchen Rockenhauſen fait ohne 
Gegenwehr einnahm und bejegte um dann gegen die Truppen der 
Union zu ziehen, die bei Oppenheim am Rheine lagerten. Einige 
Tage jtanden diejen auch die Spanier gegenüber, wandten fich aber 
dann gegen die furpfälzilche Oberamtsitadt Kreuznach, deren Tore fie 
Iprengten. Mit 6000 Dann Fußvolf und einigen hundert Reitern 
zogen [te in die Stadt ein, worauf dieje Spinola im Namen des Kaiſers 
in Belit nahm, als man ihm ehrfürchtig die Schlüjjel überreichte. 
Sogleich errichtete diejer General eine kaiſerliche Statthalterjchaft, 
welche die Regierung im Auftrage des Kaijers in der linfsrheinijchen 
Pfalz ausübte, indem ein Spanier, General Berdugo Statthalter, 
ein Burgunder Namens Franquin aber Amtmann des Oberamts 
Kreuznach wurde. Bon hier aus beherrichten die Spanier nun fat 
12 Jahre das bejegte Gebiet, bis König Buftav Adolf an den Rhein 
fam und am 29. Februar 1632 Kreuznach, am 3. März bereits die 
Feſte Rauzenburg eroberte. — Als im September 1620 der Pfalzgraf 


- 42 — 


Friedrich Kaſimir von Zweibrüden— Landsberg (1585—1645) hörte, 
daß die Spanier von Mainz nach Kreuznad) zögen, floh er von jeiner 
ſchönen Feſte Mojchellandsburg mit Weib, Kind und Dienerjchaft 
über Zweibrüden nad) Straßburg, wo er bis zum Jahre 1627 ver= 
blieb um dann auf ſeinem Gute Montfort in Burgund Aufenhalt 
zu nehmen. 

Dafür zogen nun die geängitigten Landleute der Herrichaft 
Landsberg auf der Burg ein, wo fie Hab und Gut in Sicherheit 
bradıten, denn Mauern Türme, Tore und zwei große Rondelle waren 
in verteidigungsfähigem Stande; die Pulverfammern waren wohl= 
gefüllt und die Zugbrüden in Ordnung, an jeinem Plage aber jtand 
das Geſchütz aufgefahren, im Saal 1 langes eijernes Stüd und 
2 große eijerne Böller, in der Burgſchmiede 4 Heine Böller, im Hofe 
mejfingene und eijerne Stüde, groß und klein mit 200 eijernen Kugeln. 
Als Handwaffen waren 10 jchwere Musteten und 4 Hakenbüchſen vor- 
handen, zu allen Schießwaffen aber gab es Wilcher und Lunten 
(Bergl. das Sprichwort: „Er hat den Runten gerochen.“) Zu wei: 
terem VBerteidigen gab es 139 Pechringe, 1 Pechpfanne, 174 Pfund 
Blei für Hafen: und Mustketentugeln, 24 Pulverflajhen. An allen 
andern Stellen der Burg lagen Iteinerne Wurffugeln, um den Feind 
aus der Nähe zu treffen, 30 Feuereimer jollten etwa entitehenden 
Brand löſchen. Nach einigen Tagen erjchien der Kapitän der Union 
von Molsberger mit Reitern, Fußvolf und 20 Offizieren und bes 
legte die Burg, deren Herr eigentlich fein Mitglied diejes prote= 
\tantijchen Bundes war, obwohl er der reformierten Kirche angehörte 
und nad) jelben Tage kamen Hilfstruppen von Kaijerslautern, die 
aber ſchon nächſten Tages abziehen wollten. Als es gejchehen jollte, 
wurde die Feite von den das Tal heraufdringenden Spaniern, die 
zur Übergabe aufforderten, umjchlojjen, der ſpaniſche Führer, Graf 
Heinrich) von Bergen ging rings um die Burg um zu jehen, wo er 
fie am leichteften angreifen fünne, dann ritt er mit dem Trompeter 
vor das Burgtor, dejjen Brüde aufgezogen war, erhielt aber zur 
Antwort, daß man „das Haus bis auf den legten Mann halten wolle“. 
Als nun gar die Spanier mit der Reiterei anjtürmten, zündete 
Leutnant Eberwein mit feiner brennenden Zunte das „Stüd“ über 
dem Tore an, der Schloßfüfer ein zweites, das Fußvolk aber jeine 
Hakenbüchſen, die auf Stützen ſtanden und jeine Musfeten, jo daß 
die Spanier fich hinter die nahen Hügel zurüdzogen. 

on bier jchiefte der Graf von Bergen einen Brief an den 
Befehlshaber der Burg, in dem ftand, daß er alle Schloßbewohner 
hängen lajjen wolle, wenn fie fich nicht ergäben. Diejes Schreiben 
wurde vor allen Offizieren gelejen und der Barlamentär erhielt zur 
Antwort, dab man ſich drei Tage Bedenkzeit ausbitte, aber jchon 
am 23. Oktober morgens erjchien Graf von Bergen wieder vor der 
Feſte und bat um Ausſprache mit Molsberger, der auch mit Leut- 
nant Eberwein und jechs Mann Begleitung am Halsgraben erjchien. 


— 46083 — 


Nach üblicher Begrüßung ſprach der Graf: „Warum ſtellt Ihr 
Euch ſamt Euren Soldaten in jo große Gefahr, da Ihr doch zu Gemüte 
führet, was andere Städte und Orte jonderlic das Haus auf dem 
Stein (Rheingrafenftein), welches doch wohl ein fürnehme Feſtung 
ift, fich ohne Widerftand ergeben. Ich jag Euch aber: Wofern Ihr, 
Kapitän, verurjacht, daß einige Schüſſe nun gejchehen, jo fteht hier 
unjere Macht und Munition! Weiß Gott, es gibt nichts anderes, 
als daß alle Soldaten ohne Ausnahme gehängt werden.“ Als Mols: 
berger erwiderte: „Des Hängens bin ich nicht gewöhnt und werde 
daraufhin das Schloß nicht übergeben”, antwortete der Spanier: 
„Ihr Kapitän. jollt der erite jein!” Darauf gingen die Landsberger 
wieder zurüd um die Zwieſprach der Bejagung mitzuteilen. ber: 
wein meinte, das Schloß könne fich doch nicht halten, weshalb man 
es aufgeben jolle. Doc als die gejamte Bejagung gefragt wurde, 
antwortete fie: „jolange wollten fie helfen, fich retten und erhalten, 
als noch ein Tropfen Blut in ihnen wäre.” Als Molsberger dies 
am Graben dem jpanijchen Führer meldete, drängte ſich auch das 
Soldatenvolf hinzu und ſchon fchrien viele: „Übergeben, mit Sad 
und Pad’. Molsberger traute daher jeinen Leuten nicht mehr und 
übergab in jeiner Angſt das Schloß, indem er die weiße Fahne aus: 
ſtecken ließ. Nachdem fich die Beſatzung an den reichen Vorräten 
gütlich getan und mitgenommen, was in Küchen und Kellern lag, 309g 
te ab, die Spanier aber ein und 1622 famen Kroaten, welche 10 %ohre 
auf Zandsberg blieben, bis es die Schweden wieder einnahmen. 


II. 


Nachdem die Feſte Landsberg 1620 erobert war, ſchickte Graf 
Heinrich von Bergen, der ſpaniſche Befehlshaber, eine Söldnerſchar 
nach Randeck, das ſich damals noch ſtolz auf ſteilem Berge über 
dem Alſenztale erhob, um es einnehmen zu laſſen. Auf dem feſten 
Schloſſe wohnte der alte Freiherr Bernhard von Löwenſtein mit 
ſeinen beiden Töchtern. Er erzählt uns ſelbſt: „Die Soldaten aus 
Hiſpanien ſind mit Gewalt in mein Schloß eingefallen, haben das 
kaiſerliche Wappen ſchimpflich verhöhnt, darauf alle Türen, Kiſten, 
Bettladen, Tiſche, Bänke, Gewölbe, Türme auf- und mehrenteils u 
Trümmer geichlagen, alles Silber, Zinnwerf und Ziergerät, alle 
Frucht und 16 Fuder Wein geraubt. Meines ſchwachen Alters 
haben fie nicht geſchont, jondern auf mich mit den Gewehren geitoßen 
und mir endlich Kleider und PBelzrod vom Leibe genommen, ohne 
angejehen ich fie auf den Knien um diejes Winterfleidchen gebeten. 
Meiner Tochter Maria, welche kurz zuvor ihren Hochzeitstag ge: 
halten, raubten fie all ihre Hochzeitskleider jamt Schmud und Haus: 
rat nebſt drei Fuder Wein und 40 Mealter Frucht, jo fie zu mir 
—— hatte. Desgleichen nahmen ſie meiner andern Tochter alles 

is auf das, ſo ſie um und an hatte.“ 


= N: 


Nachdem auch Meijenheim bejegt worden war, verbrachten Die 
Spanier den Winter in Kreuznach, wo die Kontributionen der Ort— 
Ihaften an Lebensmitteln und Geld zujammenflojjen. Als aber 
1621 Kurfürft Friedrich V. vom Kaijer geächtet wurde, drangen die 
Spanier bis Raijerslautern vor, das damals dem Bruder Friedrichs, 
dem Pfalzgrafen Ludwig Philipp von Simmern gehörte. General 
Don Corduba nahm es ohne eigentlichen Widerftand ein und hielt 
es bis 1632 bejegt. Unterdejjen war der Führer der Union, der 
Graf von Mansfeld, der gegen Herzog Maximilian in der Ober: 

falz gekämpft hatte, raſch in die Pfalz geeilt, jodaß ihm Tilly nicht 

en fonnte. Bereits am 21. ——— ſetzte er unter dem Schutze 
der ſtarken Feſte Mannheim über den Rhein um die Spanier aus 
dem kurfürſtlichen Gebiete zu vertreiben. Da aber ſeine Truppen 
keine Unterſtützung der evangeliſchen Fürſten erwarten konnten, 
mußten ſie von Raub und Erpreſſung leben. 

Die Spanier unter Corduba hatten die vordere Pfalz bereits 
beſetzt und waren von Oggersheim (Sage vom Hirt von Oggers— 
heim) und Lambsheim aus in 3 Haufen gegen Frankenthal vorge: 
drungen, doch als dies Die Frankenthaler hörten, ſchickten ſie ihre 
freiwilligen Reiter entgegen und dieſe jagten den Feind in die Flucht, 
wobei ein Korporal aus Burgund vom Pferde fiel und jämmerlich 
ſchrie und fluchte, weil er ſein Leben vor einer ſo verfluchten Stadt 
laſſen müſſe. Da eilte dann einer der Reiter, der Bürger Johann 
de Cerf herbei und der Burgunder mußte „ins Gras beißen“. 


Flugblatt auf den Abzug der Spanier 
vor Frankenthal 1621. 


1. Nachdem kaiſerlich Majejtät 
Kriegsvolf den Etein*) erobert hat, 
Die ganze Bergftraß auch daneben 
Mit Güte fich * ergeben, 


.Iſt man gerückt vor Frankenthal, 
Dasſelb bezingelt überall 
Mit etlich tauſend Mann zu Roß 
Und Fuß. Darauf iſt manch Geſchoß 


3. Gerichtet auf die Stadt und an 
Den Sturm geführt mancher Kriegsmann. 
Inmittels war der Regen groß, 
Daran das Waſſer fich ergoß. 


Daneben fich der von Mansfeld 

> begeben auch ins Feld; 
erwegen hat das jpanilch Heer 

Zum Stein genommen jeinen Kehr. 


wm 


> 


— 


2) Schloß Stein unterhalb Worms. 


— 465 — 


Die Mansfelder rüdten daher am 13. Dftober 1621 vor 
Frankenthal, von dem die Spanier abließen. So T die Kriegs: 
furiet dur die Pfalz. Am 15. November lag ansfeld vor 
Deidesheim und nahm am folgenden Tage Kirrweiler ein, jchon 
am 18. November jtand er bei Yauterburg, wo er jein Hauptquar: 
tier aufjchlug, während am 21. November die Spanier mit 8000 
Mann vor Deidesheim rüdten und den Herzog von Lauenburg, der 
für Mansfeld tritt, vertrieben. Mansfeld hatte aber auch das 
rechte Nheinufer bejegt und verlangte von der Speyerer Beiltlichkeit 
200000 Taler Brandihagung, damit er nichts niederbrennen mülje; 
die Bruchjaler gaben hierauf 50000 Taler und als Mansfeld von 
jeiner Forderung nicht abitand, ergriffen die Geiltlichen die Flucht. 
Daher gingen denn Abgeordnete der Stadt nach Germersheim und 
baten um Schonung, weil die Geiltlichen mit ihrer beiten Habe 
geflohen jeien. Mansfeld willigte ein, weil in der ehrwürdigen 
Stadt das Reichs-Kammergericht jeinen Sit hatte und wandte fich 
nad) dem reichen Landau, dejjen Bewohner freiwillig die Schlüjjel 
überbrachten, weshalb die Soldaten wie auch jonitwo nur Die 
Stifter ausplünderten. 

Ein Teil der Mansfelder belagerte die nahe bijchöfliche 
Madenburg, während die SHaupttruppe über Weißenburg ins 
Eljaß zog und überall die Klöfter und Stifter brandichagte. So 
ging es aber auch wieder nordwärts zurüd und über den Rhein 
vor Bruchjal, das zum 2. Male gebrandichagt wurde, jo daß 1623 
der Bilchof an den Papſt berichten fonnte, der Schaden in jeinem 
Bistum;betrage 8000000 Taler. Dreiviertel der Bewohner jeien 
von Haus und Hof verdrängt oder ermordet. Nur das befeitigte 
UÜdenheim (Bhilippsburg) hielt ſich, aber die kleine bijchöfliche Be— 
jagung vermochte Mansfeld ebenjowenig zu vertreiben wie die 
Spanier. Bon Neuftadt aus wollte Mansfeld auch das von 
Corduba bejegte Kaijerslautern für die Sache des Kurfüriten zurück— 
gewinnen, weshalb er den pfälziichen Wdeligen, Hauptmann von 
Limpach mit etwa 800 Mann durch die Haardtpäſſe dahinjchiete, 
nachdem die Bürger von der Üiberrumpelung verjtändigt worden 
waren. Der Wächter des Kerittores (Gerittores) jollte öffnen und 
die Wachen von innen undtaußen überrumpelt werden. Als aber 
die Zeit zum Überfalle kam, fanden die Pfälzer die Poſten wohl: 
bejeßt, die Bürger aber, die verraten worden waren, mußten für 
ihre Kühnheit am Galgen büßen. Auch jonftwo behaupteten ſich 
die Spanier und wo dieje abzogen, rüdten die gefürchteten Kroaten 
ein, die unter Führung des Erzherzogs Leopold von SÖfterreich aus 
dem Elſaß vordrangen. 

Unmittelbar auf Mansfeld rücdte Tilly mit dem SHeere der 
Liga in der ‚wechtsrheiniichen Pfalz ein um die Reichsacht an 
Friedrich dem V. zu volljtreden und das Land im Namen jeines 
Herzogs in Beli zu nehmen. 


— RR 


Der deutſche Michel. 


Während jchon 1620 das Unionsheer auseinanderftob, als 
Spinola die Pfalz bejeßte, herrichte in Heidelberg wie in der ganzen 
Pfalz große Verwirrung, zumal der geächtete Landesherr nicht an- 
wejend war. Nur einer, der den Namen „deuticher Michel” trug, 

ielt den Kopf hoch, und wenn fich auch die Spanier bis über den 

hein an die Bergitraße wagten und das Land jchredlich verwiülteten, 
jo brachte ihnen der deutihe Michel mit jeinen kühnen Reitern 
manche Schlappe bei, bis Mansfeld heranrüdte, mit dem Obentraut 
bei Mannheim jeine Truppen vereinigte. Spinola rühmte fich, die 
ganze Pfalz einzunehmen, wenn nur nicht der „deutiche Michel“ 
wäre, aber dejlen SHeldenftüde und fühnen WReiterangriffe halfen 
wenig, namentlich als das Jahr 1622 anhob. 





Tilly in der Pfalz. 


Am 23. und 24. April 1622, nachdem Friedrich V. das Heer 
befichtigt hatte, rüdte Mansfeld über den Rhein um fi) mit dem 
Markgrafen von Baden zu vereinigen, der auch die Sache Fried— 
richs verfochte. Tilly, der bei Wiesloch ein befeitigtes Lager er: 
richtet hatte, ging dem Mansfelder entgegen, der aber brachte ihm 
bei Mingolsheim eine empfindliche Schlappe bei, jo daß er jih in 
jein Lager zurüdzog. Beide Heere wären mit Tilly und Den 
Spaniern fertig geworden, aber jede wollte den Dberbefehl allein 
führen, jo daß fie fich bald entzweiten, während zu Tilly unge: 
hindert jpanilche Truppen kamen, die jein Heer bedeutend veritärkten. 
Daher war es für Tilly fein Glüdsfall, daß die Badener bei 
Mimpfen, als jie ihn aus dem Lager gelodt hatten, geichlagen 
wurden, weshalb Heidelberg und Mannheim nicht nur, jondern die 
ganze Pfalz den Feinden preisgegeben war. Mansfeld hatte unter: 
des die bedeutungsloje Feſte Ladenburg am Nedar erobert, um 
dann ins Eljaß zu ziehen, während der Markgraf nach der neuen 
Feltung Mannheim zurüdging, wo auch Kürfürft Friedrich weilte. 

Da fic Friedrich gerne dem Kaiſer unterworfen hätte, wenn 
er nur jeine Pfalz retten fonnte, jo entließ er jeine treuen Selfer 
Mansfeld und den Herzog Chriltian von Braunjchweig. Aber er 
hatte das Dpfer umjonjt gebracht, weil jeine Feinde dennocd nicht 
das Land verließen; denn Tilly, der beide Führer noch geichlagen 
hatte, rücte vor Yadenburg, das er wieder einnahm und zog dann 
vor Heidelberg, deſſen Bejagung ſich zwar tapfer wehrte, aber als 
Tilly die benachbarten Höfe mit jeinen Leuten bejegt hatte, ſich zur 
Übergabe entjchließen mußte, weil auf 1 nicht zu hoffen war. 
Dhne Genehmigung des Kommandanten von Mannheim, des Generals 


— 47 — 


de Beer konnte ſich der Heidelberger Oberſt Merven, nicht in 
Unterhandlungen mit Tilly, der einen Sturm auf die Stadt unter: 
nommen hatte, —— Als der Mannheimer Befehlshaber nach 
Heidelberg ſchickte Merven möge tun, was ihm am ratſamſten 
dünfe und was er vor Gott und feinem Könige verantworten könne, 
jo übergab er am 19. September 1622 Heidelberg, indem er mit 
jeinen Truppen, die fich zerftreuten, ab» Tilly aber einzog und die 
katholiſche Religion wiederheritellte. 

Schon im Dezember 1621 hatte Spinola den Befehl erhalten, 
die koſtbare Heidelberger Bücherfammlung zu jehügen und als Tilly 
die rechtsrheiniiche Pfalz bejegte, ließ fich der Papſt vom Herzog 
Maximilian von Bayern verjprechen, daß, wenn Heidelberg erobert 
würde, die wertvollen Bücher nah) Rom kommen jollten. Schon 
bald nad) der Groberung erjchien ein Kardinal, der die ganze 
Sammlung in 184 Riften auf 50 Frachtwagen lud und über die 
nen führte, nur ein geringer Teil der Bücher wurde 1815 zurüd: 
gegeben. 

Schon am 20. September 1622 rücdte Tillys Heer vor Mann— 
heim, wo jchon jeine Artillerieoffiziere die Pläne zur Belagerung 
entworfen hatten; aber Mannheim war eine Feltung neuelten Stils, 
nad) den Plänen der beiten Baumeilter jeiner Zeit, der Nieder: 
länder erbaut ohne Türme mit großen Baftionen, die in ihrer 
fünfedigen Geftalt den Berteidigern viele Angriffsflächen boten, den 
—* die Spitze zeigten. Die Zitadelle Friedrichsburg, die 
von der Stadt getrennt lag, hatte allein ſieben Baſtionen, von 
denen zwei gegen die Stadt gerichtet waren, um den etwa ein- 
dringenden Feind beichießen zu fünnen. 

Der Befehlshaber von Nannheim, Horatius de Veer, den der 
König von England feinem Schwiegerjohn zu Hilfe gelandt hatte, 
verfügte in Mannheim nur über 4-5000 Mann Engländer und 
pfälzifche Söldner, die aus Mustetieren und Langipießern beitanden. 
Tilly umjchloß bald die Feſte und als er ihre jchwächiten Stellen 
erfannt hatte, rücte er unaufhaltiam vor, indem er vom Hemshofe 
(Ludwigshafen) aus die Mühlau bejegte, wo er eine Sciffsbrüde 
Ichlagen ließ und jeine Leute über den Nedar durch einen trodenen 
Graben führte, der ihn vor die Wälle brachte, wo ſich Soldaten 
und Bürger aufs tapferfte wehrten. Am 16. Oftober begann die 
eigentliche Beichießung der Stadt, die am 18. ihren Höhepunft er: 
reichte und von früh morgens bis 1 Uhr mittags währte. Als 
de Beer jah, daß die Stadt verloren jei, gab er Befehl die Häufer 
anzuzünden um dem Feinde feine Beute zu binterlajjen. Die 
TFeuerjäulen wurden von den Bayern von den hohen Bäumen der 
Umgegend aus beobachtet und als Tilly vernahm, daß Mannheim 
preisgegeben werde, ließ er jtürmen, wurde aber von den Pfälzern 
mit Pechlränzen und Granaten empfangen, bis Ddieje fich vor der 
Abermacht weichend in die Zitadelle Friedrichsburg zurüdzogen, 


— 48 — 


wohin auch die Bewohner ihre bewegliche Habe geflüchtet hatten. 
Daher fanden die beutegierigen Scharen nichts in Küche, Keller, 
Speicher, Werkſtatt, Stall und Scheune, was ihren Hunger oder 
ihre Habgier befriedigt hätte. Aber in der Zitadelle fanden die 
vielen Belagerten keinen Schutz gegen Unwetter und die Geſchoſſe 
der Bayern, im Freien lagerten ſich Kranke und Geſunde und ſchon 
6 Wochen dauerte der harte Belagerungsdienſt, weshalb ſich de 
Veer entſchloß einen Hauptmann an Tilly abzuſchicken, der wegen 
der Übergabe unterhandeln ſolle. 

Tilly kannte durch jeine Spione die Zuſtände der Zitadelle 
genau, wollte aber noch vor Frankenthal, weshalb er den Truppen 
freien Abzug gewährte. Mit militäriihen Ehren „mit zwei Feld: 
Itücklein jamt notwendiger Munition dazu, Weib und Kind und 
allen ihren Angehörigen, mit Sad und Pad, ihren Waffen, fliegen: 
den Fahnen, Kugeln im Munde, brennenden Qunten und Trommel: 
ſchlag“ verließen. Für 200 Malter Mehl, 30 Fuder Wein, für 
franfe und verwundete Soldaten überließ Tilly gerne Schiffe und 
Magen um alles nad) Frankfurt zu bringen, wo de Beer auf weitere 
Befehle des Königs von England wartete. Am 4. November zogen 
die Bayern auch in die eroberte Feſte Friedrichsburg ein. Tilly 
hielt aber ftrenge Manneszucht, da er verjprocdhen hatte Gut und 
Blut der Mannheimer zu jchonen. Nur Frankenthal hielt noch 
tapfer ſtand. 

Als Tilly die Truppen, welche Friedrich V. beigejtanden, ge: 
Ihlagen hatte, war die Pfalz, überhaupt das ganze oberrheinijche 
Land in der Gewalt der Kailerlichen und Ligilten. Im Juli 1622 
bejegte Herzog Leopold vom Eljaß aus die Reichsjtadt Speyer mit 
1 Dann, indem er die Stadtjoldaten entwaffnen ließ. Nun 
dachte auch Biſchof Philipp Chriftof von Sötern an jeinen Lieblings: 
plan, den Wiederaufbau der Feltung Udenheim; denn jet konnte 
ihn weder der Kurfürſt von der Piel noch die Reichsitadt oder 
irgend ein anderer Nachbar hindern. ansfeld und Chriſtian von 
Braunjchweig waren nach Norden gezogen, weil fie Friedrich V. des 
Dienites entließ um von der Neichsacht losgejprochen zu werden, wie 
man ihm glaubhaft gemacht hatte. Kaum hatte der Kurfürſt aber dies 
getan, als er vollitändig verlajjen war und nun in Leyden in Hol: 
land jeine Tage vollbringen mußte, bis ein ftärferer Helfer erjchien. 

Biſchof Philipp Chriftof ließ daher aus dem ganzen Hochitifte 
Speyer die Bauern fommen, die mit Wagen, Schaufeln und Haden 
lo rajch arbeiteten, daß im Frühlinge 1623 der Bau vollendet da: 
Itand. An die Hauptjeite des Rheintores ließ der Biſchof das Bild 
des Apoftels Philippus anbringen, weshalb fie, auch) dem Bilchof 
zu Ehren, Bhilippsburg genannt wurde. Zum Andenken an die 
Ginweihung der Feſte ließ der Bauherr Taler mit dem Bilde 
des Apojtels prägen und unter die Anwejenden verteilen, die außer: 
dem Brot und Wein erhielten. 


— 49 — 


Der Biſchof wünjchte, daß die ehemaligen pfälziichen Klöfter 
Limburg, Eußerthal und Seebad), nachdem die Pfalz erobert war, 
ihm zuftelen ; daher entließ er jofort die protejtantiichen Verwalter 
diejer Güter und erjeßte fie durch Katholiten. Die St. Ügidien- 
fapelle in Speyer, die einjt dem Klofter Herd gehörte, dann aber 
proteſtantiſch wurde, gab er den Kapuzinern, indem er dem bis: 
herigen Prediger die Schlüjjel abnehmen ließ. 

Nach Neuftadt jandte er gar Jeſuiten, die für die Belehrung 
der Proteitanten wirken jollten. 


Der; Krieg im Weſtrich. 


Die kaiſerlichen Truppen, welche jeit 1620 die Rheinebene bei 
Landau und Germersheim bejeßt hielten, ſchwärmten bis Zweibrüden. 
In Meijenheim lagen Spanier, die in Heineren Scharen das Glantal 
aufwärts bis Kuſel und Baumbholder jtreiften. Daher dachte Herzog 
Johannes von Zweibrüden an eine neue Befeltigung jeines ** 
Bergſchloſſes Lichtenberg bei Kuſel; fünfzig Bauern ſollten wie in allen 
andern Schlöſſern Tag und Nacht Wache halten. In aller Eile wurde 
an der Oſtſeite ein ſtarkes Bollwerk errichtet und der General der 
Union, Joachim Ernſt von Brandenburg ſchickte von Kaiſerslautern aus 
200 Mann Soldaten als Beſatzung dahin, ebenſo der Oberſt Michael 
Dbentraut zwei Fähnlein Reiter, welche die Spanier beobachten 
jollten. Statt der fünfzig Bauern rüdten nun täglich 200 an, die 
bejtändig an den Feltungswerfen verbejjerten und jelbjt bei Nacht 
arbeiteten. Weil es an Waffen fehlte, jandte der Herzog von Zwei: 
brüden Schwerter, Musteten, Bulver und Lunten, das Volk aber, 
das täglich Yebensmittel in die Bergfelte brachte und im Falle einer 
Bedrängung durch die Spanier auf die Burg fliehen wollte, Tebte 
in befitändiger Furcht, bis ſich 1621 und 1622 der Krieg in die 
Rheinebene und ſchließlich nach Norddeutjchland 309. 


Briefdes Schultheißen von Meijenheim an den Amtmann 
Albredt von Bünterode zu Lichtenberg bei Kujel 1620. 


Bergertermaßen wollte ich zwar Ew. Geftrengen der Länge nad) vor 
diejem berichtet haben, wie es mit dem allhie liegenden Kriegsvolf be- 
ſchaffen; aber es hat in Wahrheit aus allerhand Geſchäft und Ungelegenheit, 
jo einem leichtlich daraus entjtehen fann, nit wohl jein fünnen. Doc Euer 
Beitrengen fann ich diesmal nicht unterlaffen kurz zu berichten, daß wir 
leider, Gott erbarm’s, jehr hart gedrüdt aus Urlaen des Volkes (Sol- 
daten) nit allein jehr viel, jondern die armen Bürger auch ganz ausgezehrt 
(find), indem der meifte Teil weder Wein, Frucht, Efjfensipeije, Heu noch 
anderes m. im ®Borrat, derentwegen die Soldaten anfangen zu’undulden 
und ee ürger begeren zu De aljo, daß bejorglich in wenig Tagen 
viele derjelben von Haus und Hof gehen und ins Elend ziehen werden, wie 


— 40 — 


denn allbereits ein oder drei ——— Es will Marquis Spinola der 
Stadt zu a rg Unterhalt der Soldaten mehr nit dann fünf Dörfer, als 
Reifelbach, Roth, Gangloff, gar und Heiligenmofchel geben, welches 
die allerärmften Dörfer diefes Amtes find und begehrt, man wolle zujagen, 
daß man jedem Reißigen des Tags 15 Albus und einem Fußgehenden 
5 Albus oder anftatt beifen des Tags ein Maß Wein, ein Pfund Fleiſch, 
1'/; Pfund Brot, zwanzig Pfund = und ein Bebund Stroh zu ihrem 
Unterhalt geben wolle. Aber jolches alles iſt uns jowohl als den 5 Dörfern 
zu leiften unmöglid. Die übrigen Dörfer diefes Amts find einesteils als 
(wie) Jeckenbach und Desloch zum Unterhalt der Barnijon und der Pferde 
zur Artillerie gehörig, jo = Difibodenberg liegen, gewiejen, die andern 
aber werden noch zur Zeit rejerviert, zu was Ende (zu welchem Zwede) 
fann man nit willen. Etliche machen ſich Gedanken, es gejchehe darum, 
wann fie aufbrechen werden, daß fie alsdann jolche, weil diejelbige in der 
Nähe lündern können. Ich aber made mir die Gedanten: 
wenn lie nächſtkünftig nach Zautern rüden wollen, daß alsdann das Bolf, 
jo zu ihnen jtoßen möchte, fich einen Tag oder etliche daſelbſt aufhalten 
fönne zur Anftellung eines Gommis. (Es) haben zwar etliche Dörfer, jo 
rejerviert, aud) allbereit Wein, Frucht und Heu herbeigeführt; aber nunmehr 
halten die Untertanen zurück und wird denjelben weiter nichts abgefordert. 

Der Oberjt hat ſolches alles jeither (jeitdem) er Spinola Befehl em— 

——— hat, zuſammenführen laſſen, will aber weder Soldaten noch 
ürgern davon nichts folgen en laffen, bis zu jeiner Zeit, aljo er 
änzlich dafür hält, daß die fünf Dörfer jamt der Stadt die Soldaten unter- 
Balten ollen. 

Man hält gut Regiment, daß feinem nichts entwendet wird und 
wenn die armen Bürger nur die Notdurft beftellen könnten, jo wäre noch 
mit den Soldaten fortzufommen (auszufommen). Um Fiſche geht es uns 
jehr übel und wir werden, Gott erbarm’s, gegen den Faftentagen bejorglich ein 
rechtes Faften aus Mangel (an) allerhand Notwendigkeit anftellen müljen. 

Von Lichtenberg höre ich von ihnen fein Geſpräch noch einige Nach— 
Se e; aber Lautern gedenken fie ftetig. Am verjichienenen Samstag zu 

acht find ein Pferd oder 50 (= etwa 50) um 3 Uhr vor Tag ausgelajjen 
worden, welche Willens gewejen, wie fie vorgeben, vor die Pforten zu 
Zautern zu reiten. Aber als lie — ge in das Gewäld famen, 
jeien 2 Loſungsſchuß mit Hafen zu Ddenbad, wie fie jagen, gejchehen, 
darum fie zurücdgewichen und nichts ausgerichtet, ohne allein, daß jie einem 
Bauern aus dem Amt Grehweiler, welcher Mühlftein geführt, 3 Pferde 
ausgejpannt, aber auf meinen Bericht ihm gejtern wieder gefolgt worden. 

Bon ihren Wehren, Neiterei und NRüftungen ift nichts zu jchreiben, 
als daß ſolche meiftenteils jehr gering und wohl zu beflagen, daß jolch ge— 
ring armiertes en Volt jo weit in Deutichland rücden tonnte. 

Bott wollte es fürder wehren und das deutſche Geblüt, injonderheit 
der Regenten Herz aufmuntern, 

eftern ift des Oberjten Bruder, jo ein Leutnant gewejen, allhie ge: 
ftorben, dejjen Leichnam man mit einem Karch und etlichen Pferden nach 
Kreuznach gejchict, allda ein geweihter Kirchhof jein jol. Denn allhier fie 
die Erde nit geweiht halten und begraben die verjtorbenen Goldaten in 
unjeres gnädigjten Herrn Acker (des Sa3ogs von Zweibrüden) neben unjerm 
Kichhof. Es find noch viel kranke Soldaten allhier. Wann gleichwohl 
Ihon einer ftirbt, jo fommt morgen ein anderer. 

Unjer Junfer Amtmann jolicitirt (bittet) noch täglich um Erleichterung 
der ftarfen Barnijon. Gott gebe, daß er etwas ausrichten könne. — — — 


Datum Meifenheim, den 12. Decembris Anno 1621. 
Sohann Theobald Gervinius, 
Schultheiß dajelbft. 


— 41 — 


Der niederſächſiſch-däniſche Krieg 1625-1629. 


Der Söldnerführer Chriftian von Braunjchweig hatte jeine 
Truppen nach Niederjachlen geführt und verſtärkt; denn da er die 
Soldaten nach Herzensluft Beute machen ließ, eilten ihm viele gu. 
Tilly aber verfolgte ihn nach Weſtfalen und brachte ihm bei Stadt: 
lohn eine vernichtende Niederlage bei, 1623. Tilly führte in den 
proteſtantiſchen Gegenden jofort wieder den Katholizismus ein und 
da die Pfalz unter der Herrichaft der Spanier jtand, baten die 
Niederjachlen ihren Kreisoberjten, den König Chriftian IV. von Däne: 
mar, einen Verwandten Friedrichs V. mit der Schaffung eines 
großen Heeres. Auch Holland jandte Hilfstruppen und Gngland 
Geld zur Wiedereinjegung Friedrihs V. Mansfeld und Chriftian 
warben mit ihrem Gelde fleißig und bald befand fich der Kailer, 
der auf Herzog Maximilian und Tilly jchon längjt mit Neid jah, 
in Verlegenheit. 

Da erbot ſich ein böhmijcher Edelmann, der jchon unter Bucquoy 
bei Prag gefochten, Albrecht von Walditein oder Wallenftein dem 
Railer aus eigenen Mitteln ein Heer zu rülten, 1625. 

Die Werbetrommel wurde in allen Yändern gerührt und bald 
waren 30000 Mann zujammen, nad) einem Jahre jogar 60000. 
Co marjchierte er nach) Norddeutichland und ſchlug 1626 Mlansfeld 
an der Elbbrüde bei Dejjau. 

Chrijtian IV.-verlor bald darauf die Schlacht bei Yutter am 
Barenberge nördlich vom Harze. 

Der Dänenkönig wurde nicht nur aus Deutjchland vertrieben, 
jondern verlor auch Solftein und Jütland, Seine Bundesgenoſſen, 
die Herzoge von Medlenburg famen in die Reichsacht, Wallenitein 
jollte nun Herzog hier werden zur Entihädigung für die großen 
Kriegskoften. Er ließ fih vom Aniler zum General des ozeanilchen 
und baltilchen Meeres ernennen und wollte dort eine neue Seeherr: 
haft begründen. Seine Pläne wurden aber dur) das feite Stral- 
ſund zunichte, das er nicht erobern konnte, weil es von der Seeſeite 
ber ſchwediſche Unterftügung erhielt. 

1629 jchloß der Dänenkönig mit Wallenjtein Frieden und ver: 
ſprach, fich nicht mehr in deutjche Angelegenheiten mijchen zu wollen, 
wofür er jeine verlorenen Länder zurücerbhielt. 

Der Proteitantismus war befiegt; daher gab der Kailer zu 
Bunften der fatholiichen Kirche ein Beleg heraus, nad) welchem alle 
jeit dem Paſſauer Vertrag von 1552 protejtantijh gewordenen 
Kirchengüter der alten Kirche zurüctgegeben werden jollten, 1629. 
Dean nannte es Restitutionsedikt (Rüderftattungsgejeß). 

Schon am 2. März 1628 hatte der Kaiſer dem Bilchofe von 
Speyer, Philipp Chriftof von Sötern, der einer reformierten Be— 
amtenfamilie Zweibrüdens entjtammte, das Klofter Hornbach mit 
allen Einkünften zugelprochen. Herzog Sohann II. berief ſich, als 


— 412 — 


er dieje Nachricht erhielt, auf das Tejtament jeines Großvaters 
Molfgang, das vom Kaijer Maximilian bejtätigt worden war und 
nad dem Kloſter Hornbach ſeit der Reformation einen Teil des 
Herzogtums Zweibrüden bildete. Der Kaijer gab dem KRurfürjten von 
Mainz, dem Abt zu Fulda und dem Grafen von Manderjcheid den 
Auftrag jeinen Befehl jofort zu vollziehen und dieje ſchickten 4 Be: 
amten des Erzbistums Mainz und des Bistums Speyer nad) Horn= 
bad. Die Beamten brachen eines Tages unter dem Schuge zweier 
fatjerlicher Fähnlein Reiter, die von den NRittmeiltern Münd und 
Goldjtein geführt wurden, von Speyer auf und famen über Schwegen= 
heim, Weingarten auf der Heerjtraße nad) Landau. Bon hier 
landten fie den Neukaſtler Lanpdjchreiber Thyſſon zum zwei— 
brüdijchen Amtsteller (Verwalter) nad) Godramjtein und zum 
Schultheißen zu Queichhambach mit dem Befehle, alle Urkunden, 
VBerzeihnijje und Rehnungen, jowie alles, was auf die Ein= 
fünfte des ehemaligen Klofters Hornbad) Bezug hatte, perjönlich 
bei ihnen abzuliefern. Darauf begab fich die kaiſerliche Kommiſſion 
nad) Frankweiler und ließ fi) in dem Dorfe Hinterweidenthal, das 
einft Hornbacher Klojtergut war, huldigen. 

Schon am nächſten Tage erreichten fie Hornbach, wohin be= 
reits Johannes Il. jeine Räte entjandt hatte, aber die Faijerlichen 
Abgejandten hörten nicht auf die Vorjtellung der Räte, die gegen 
die Beligergreifung des Kloſters Widerjpruch einlegten. 

Als die Herren wegzogen, übertrugen fie die Rejtituierung 
der Klojtergüter dem Amtsteller auf der Burg Madenburg, mit 
Namen Chrijtoph Rebftein; der jchrieb jofort an alle Beamten der 
Herrihaft Falfenburg, daß fie bei ihm in Landau erjchienen oder 
mit 25 Mark lötigen Geldes geitraft würden. Einige Tage darauf 
begab fich der Amtmann von Madenburg, Johann Gottfried Fauſt 
von Stromberg mit Soldaten in das Dorf Wilgartswiejen, das 
auch einſtiger Klofterbefig gewejen war. Der reformierte Pfarrer 
Wernigk wurde jofort jeines Amtes entjegt und als an Kirche und 
Pfarrhaus das bilchöfliche Wappen angebradht war, zog auch ein 
fatholijcher Pfarrer ein. Auf Befehl feines Fürſten wich aber 
Wernigk nicht und die Untertanen wollten von Belehrung nichts 
willen. Daher erichten der Speyerer Amtmann abermals und 
zwar bei finjterer Nacht in Wilgartswiejen und ließ durch jeine 
Soldaten den Pfarrer im Bette gefangen nehmen und ihn und den 
reformierten Lehrer mit Striden fejleln und beide als Ungehorjame 
nach der Madenburg verbringen. Dort famen fie ins Gefängnis 
und erhielten nicht eher die Freiheit wieder, als bis fie Jchriftlich 
verjprochen hatten, in Wilgartswiejen feine Amtshandlungen mehr 
zu verrichten. Darauf lud der Amtmann die Schultheiße und 
Schöffen von Wilgartswiejen, Rinnthal, Spirkelbach und Sarnitall 
nah Madenburg und gab ihnen weitere Befehle bei 50 Marf 
Strafe. Zu Dueihhambah und Ransbach wurden ebenfalls die 


— 473 — 


reformierten Prediger ihres Amtes entjegt und die Untertanen auf: 
grund des faijerlichen Befehles gezwungen dem Bilchofe den Eid 
der Treue zu leilten und die fatholiichen Geiltlichen anzunehmen. 

In Hornbach zogen wieder Benediktinermönche ein, die alle 
Einkünfte des Kloſters an ficy nahmen. Da Herzog Johannes ohn: 
mädtig war, ließ er Lehrer und Schüler des Gymnafiums nad) 
Zweibrüden fommen, wo jie in dem Münzgebäude vorläufig Unter: 
funft fanden. Weil die Schule ohne alle Mittel war, unterhielt fie 
der Herzog auf feine Koften und durch milde Gaben, die freudig 
von allen Bewohnern des Herzogtums gegeben wurden; der Herzog 
jelbjt bereilte jeine Städte um überall zu gunften jeiner Schule 
Mittel aufzubringen. Da aud aus England der Schweiz und 
Holland Gaben einliefen, fonnte fie weiter beitehen. Den Refor— 
mierten Hornbachs gab Johannes, weil die Mönche im Beſitz der 
Kloſterkirche waren, die jogenannte Stadthalle, in der ſpäter Luthe— 
raner und Katholiken ruhig ihren Gottesdienit hielten. 


Ebenjo jollten die Klöfter Wörjchweiler und Offenbach am Glan 
ihrer früheren Beltimmung zurüdgegeben werden, als in Nord: 
deutichland Guſtav Adolf erjichien. 


31 


Der Schwedentrieg. 


Durch das Reftitutionsedikt jollten die Erzbistümer Bremen 
und Magdeburg, zwölf Bistümer, 3. B. Minden, Verden, Halber- 
ftadt, Brandenburg und zahlreiche* Klöfter der fatholiichen Kirche 
wieder zurüdgegeben werden. Schreden erfüllte die deutjchen Prote— 
Itanten, da niemand fi) dem Willen des fiegreichen Kaiſers wider 
legen fonnte. Auf dem Neichstage zu Regensburg Tlagten} die 
deutjchen Fürften unter Führung des Herzogs Maximilian, von 
Bayern gegen die graujamen Kriegslitten Wallenjteins, weshalb 
ihn der Kaijer entlajjen mußte. 


Aber jhon 6 Wochen vor Wallenfteins Entlajjung war der 
Schwedentönig Guſtav Adolf mit 13000 Mann Schweden an der 
pommerijchen Küſte gelandet. Gr hatteibereits 1628 Straljund gegen 
MWallenitein gejchügt und im Kriege, den er gegen Polen führte, 
hatte Kaijer Ferdinand II. letzteren Hilfe geſchickt. Die Oſtſee 
aber jollte ein jchwedilches Meer werden und hiezu bedurfte er der 
deutſchen Küfte. Die Proteftanten jedoch begrüßten ihn als ihren 
Retter, weil er verjicherte, daß er gefommen jei um jein Reich zu 
ſchützen und den evangelijchen Glauben zu verteidigen. Die proteftantilchen 
Fürſten Norddeutichlands, namentlich der Kurfürſt Georg Wilhelm von 
Brandenburg (1619—1640) und der Kurfürft von Sachſen hegten 
Mißtrauen. Kaiſer Ferdinand und jein Hof jpotteteng über den 
„Schneefönig”, der noch jchneller als der Winterfönig abziehen 
werde. Als daher die proteitantiichen Fürlten vom Kaiſer Auf: 
hebung des Reititutionsediftes verlangten, um jich nicht mit Schweden 
verbinden zu müſſen, erhielt Tilly den Auftrag mit Durchführung 
des Geſetzes fortzufahren. 

Daher rücte der faijerlihe General Pappenheim, dem Tilly 
folgte, noch ehe Guſtav Adolf die Oder überjchreiten fonnte, vor 
Magdeburg. Aber dem jchwedilchen Oberſt Falkenberg war es 
noch gelungen in die Stadt zu gelangen um die Verteidigung zu 
leiten. Guſtav Adolf wollte Tilly hierauf von Magdeburg weg: 
Ioden, aber der erfahrene Kriegsmann ließ ſich nicht täujchen. 
Nach einer — Beſchießung ſtürmte er am 20. Mai 1631 
die Stadt. Tilly verbot den Soldaten jede Grauſamkeit und Ge— 
walttat; aber danach fragten die verwilderten Söldner, die aus Luſt 
am Beutemachen in den Krieg gezogen waren, nicht. Beim 
Sturme legten fie Feuer an und da Falkenberg das wichtige Boll: 


— 45 — 


werk nicht in die Hände der Katholiten fallen lafjen wollte, gab er 
es den Flammen preis. 30000 Bewohner famen beim Sturme um. 

An ihre Glaubensgenojjen jchrieben die Überlebenden: 

„Wir armen, nadenden Exulanten hoffen, daß fich die evan- 
geliſchen Brüder unjerer armen Kinder herzlich erbarmen und fie 
aufnehmen werden; hoffen, daß milde Menjchen, die an der Elbe 
wohnen, die Leichen aus dem Waller filchen und ihnen bei ſich 
Ruhe in der Erde gönnen werden“, 

Jetzt erft Schloffen ih die Proteftanten an Guſtav Wdolf an 
und als Tilly mit jeinen Scharen in Sachſen einfiel, dejjen Kurfürft 
fich feiner Partei angejchlojjen hatte, wandte ſich auch Ddiejer an 
Guſtav Adolf um Hilfe. 

Schon bald nad) Guſtav Adolfs Landung ftellte der Pfalz: 
graf Georg Guſtav von Lautereden jeinen Sohn Karl Ludwig in 
\chwedilchen Dienft. Karl Ludwig war damals ein Jüngling von 
21 Jahren. Der König behandelte ihn mit großer Auszeichnung 
und hielt ihn jtets in jeiner Nähe. In einem Treffen bei Wolmir: 
ftedt am 9. Juli 1631 konnte der jugendliche Held dem nordilchen 
Better bald Beweije jeiner Tapferkeit und Kühnheit geben; aber in 
dem darauffolgenden Einzelkampfe empfing er eine lebensgefährliche 
Wunde, an der er wenige Tage jpäter zu Werben jtarb, beflagt 
von Gultav Adolf und den Seinen. 

Im September 1631 jammelte der Schwedentönig bei Leipzig 
ein Heer, das dem Tillys an Zahl, jowie an Zucht und Ordnung 
überlegen war. Tilly wollte einer Schlacht ausweichen, aber der 
ungejtüme NReiterführer Pappenheim drängte zum Kampfe. Am 
17. September jtanden ſich beide Heere bei Breitenfeld gegenüber. 
Der Kriegsgelang der Proteſtanten: „Eine feſte Burg ilt unler 
Gott“ ertönte über das weite Feld, als der König im erg te 
jeines Heeres auf den Knien lag und um den Sieg betete. Als in 
Tillys Lager die Meſſe zu Ende war, erjcholl der Schlachtruf Jeſus 
Maria und die Reiter drangen aufeinander. Schon wandten ji 
die Sachſen auf ſchwediſcher Seite zur Flucht, aber Guſtav Adolfs 
Teldherrngejchiet jtellte die Drdnung wieder her. Tilly fam in 
Lebensgefahr und wurde verwundet; 12000 Kaiſerliche bedeckten 
das Blachfeld und 7000 fielen in ſchwediſche Gewalt, jo daß fidh 
nur noch Trümmer des Heeres nad) Süden retten konnten. 

Wie man den Fall Magdeburgs bejubelt hatte und einjt die 
Prager Schlacht gepriejen, jo war nun im evangelilchen Deutjchland 
die Freude groß, die fich in Spottliedern äußerte. Ein jolches lautet: 


Ich bin ein Poftbot, ausgejandt Ihr fühnen Soldaten, Knecht und Herr, 
Bom König in Echweden inalle Land, | Aus Brandenburg, aus Meißen und 
Dem Monkeur Tilly nachzufragen, mehr 


Der N aus Meißen hat lafjen jagen. | Die F da man Alarm geblaſen, 
Ei, Lieber, ſagt, wo find ich dech Geflohen ſeid als wie die Haſen; 


Den verlorenen Grafen Tilly noch i, Lieber, ſagt etc. 


31* 


— 46 — 


Sagt mir, ihr armen Bauerleut, Ihr Mönde und ihr Jeſuiten, 
Die ihr vom Haus vertrieben jeid Gagt, wo ift er hingeritten? 
Undjestin Berg und Wald müßt leben, Iſt er nicht fommen, euch zu Hagen, 
Hat er jich unter Euch begeben ? ie er jo elend ſei gejchlagen ? 

Ei, Lieber jagt, etc. Gi, Lieber, jagt etc. 


Aldringer und Götz, feine Freund | Ihr Herrn überm armen Spital 
2 gut, Und Totengräber allzumal, 

Die gewiß jein Unglüd jchmerzeu tut, | Iſt bei euch nicht ein armer Tropf, 

Die ihr gewejen ſein Troſt allein, Dem zerichlagen iſt der Kopf? 


Sagt, wo mag er hingeflogen jein? Ei, Lieber, jagt etc. 
i, Lieber, Tagt etc. | 
Sch bin ſchier müd, mag nicht mehr 
fragen! 


Auf ihn will ichein Trinkgeld jchlagen, 

Mer mir zeigt den verlornen Mann, 

Mit dem teil ich das Botenlohn! 
Ei, Lieber, jagt etc. 








Guſtav Adolf Siegeszug 1631. 


Tilly, der bisher unbejiegte Feldherr, wandte fich mit den 
Trümmer jeines Heeres nicht geraden Weges nad) Süden, jondern 
in großem Bogen durchzog er die Stifter Halberjtadt, Hildesheim, 
Paderborn und Fulda und erreichte bei Würzburg, wo er eine 
Bejagung ließ, den Main. Bon bier erreichte er durch Franken 
das Herzogtum Bayern, wo er fich bei Rain an der Lechmündung 
aufitellte um wenigitens den Schweden den Eingang in Bayern 
zu wehren. — 

Guſtav Adolf dagegen drang durch Franken an den Rhein. 


Guftav Adolf und die Kapuziner in Würzburg, 1631. 


Auf feinem Siegeszuge kam Guſtav Adolf mit jeinen Truppen vor 
Würzburg und belagerte es. Während Ichon viele Leute der Stadt längft ge— 
oben waren, wichen die Rapuziner nicht aus ihrem Klofter, als die Schweden 
in die Stadt eindrangen. Die Felte Viarienburg hielt ſich wohl noch einige 
Tage. Als fie ſich aber übergeben mußte, ließen die Schweden nad) damaligem 
Kriegsbraude die ganze Bejagung über die Klinge jpringen, unter den Ge— 
töteten waren zwei Rapuziner: Pater Leopold von Pöttmes und Pater 
Simon von Breding. 

Das Klofter war feiner Einrichtung mit Ausnahme der Bücher beraubt 
worden und die wertvollen Schäge famen zur Verteilung unter die Leute, 
während in den Räumen des Klojters jelbjt in der Kirche Pferdeftälle ent- 
ſtanden. Guftav Adolf ließ die Rapuziner aber freundlich behandeln, niemand 
durfte ihnen ein Leid antun. Als er aber von ihrer Armut durch die Plün- 
derung hörte, gab er u aus feinen Mitteln Almofen. Tief betrübte ihn 
die Nachricht von der Ermordung der beiden Mönche, weil er ihre Schonung 
bejonders — hatte und verſprach nach der Unterſuchung der Angelegen— 
heit die Mörder an den Soldatengalgen hängen zu laſſen. Sofort aber 
mußten ſchwediſche Soldaten die toten Mönche in das Minoritenflofter tragen, 
wo fie von ihnen Brüdern beerdigt wurden. 


— 47 — 


In Mainz jelbit emfing der Schwedentönig Gäſte, namentlich 
aber jcharten ſich um ihn die proteftantijchen Fürjten und Edelleute, 
darunter der unglüdliche Kurfürſt Friedrich V von der Pfalz, Pfalz: 

raf Auguft von Sulzbach, Pfalzgraf Georg Guftav von Lautereden, 
falzgraf Chrijtian von Birkenfeld, alle aus Wittelsbacher Ge: 
ſchlecht u. v. a. 

Dit den Verwandten in Lautereden ftand Guſtav Adolf nicht 
nur in Briefwechjel, jondern im Winter 1631/32 erjchien er von 
Mainz aus eines Tages jelbjt in Lautereden. 

Bei Oppenheim jegten die Schweden auf Scheuertoren über 
den Rhein (6. und 7. Dezember 1631) und vertrieben die Spanier 
aus ihren dortigen Schanzen. Sofort konnte die ſchwediſche Armee 
die von den Truppen der Liga bejegte Feſtung Mainz angreifen 
und jchon am 23. Dezember ergab fich dieje, als die Schweden den 
Berteidigern freien Abzug gewährten. Von nun an blieben die 
Schweden an diefem wichtigen Plate um das Ende des Winters 
abzuwarten. Bon bier aus jchidte der König den Rheingrafen 
Dtto Ludwig, einen tolltühnen Reiterführer gegen die Mojel, als 
KRundichafter die Nachricht brachten, die Spanier jeien im Anmarjche 
um der Frankenthaler Bejagung Verſtärkung zu bringen. NRheingraf 
Dtto Ludwig erreichte bei Trarbach, ehe fich’s die Spanier recht ver: 
Jahen, die Mojel und ftürzte mit ſolch unwideritehlichem Ungejtüm 
auf die ſpaniſche Vorhut, daß dieje rajch die Flucht ergriffen. Da 
er aber nur ein Regiment anführte, mußte er vor der Übermacht 
der Spanier, die bei Liefer über die Mojel aingen, zurücdweichen. 

Die Schweden bejegten nunmehr die ganze linksrheiniſche Pfalz, 
das Herzogtum Zweibrüden und das untere Elſaß. Da die meilten 
Städte von den Spaniern und Kaijerlichen ſchwach bejegt waren, 
mußten fie fi) bald ergeben, nur Heidelberg und Frankenthal 
hielten ſtand. 

König Guſtav Adolf 309 bald über den Rhein zurüd um auf 
Bayern loszugehen. Daher überließ er den Dberbefehl auf dem 
linfen Rheinufer jeinem Kanzler Axel Oxenitierna, der den Pfalz: 
grafen Chriitian I. von Birkenfeld und den Herzog Bernhard von 
Sachſen-Weimar zu Befehlshabern ernannte. Beide aber waren eifer: 
ſüchtig aufeinander und ehe fie fich recht befannen, drangen die Kaiſer— 
lichen im Unterelſaß ein. 7000 Spanier aber gelang es unter dem 
Grafen von Ojtfriesland den Rhein heraufziehen und am 3. Mai 1632 
Speyer und Philippsburg einnehmen zu fünnen. Doch jchon nad) 
3 Wochen wollten die Spanier wieder nad) den Niederlanden; da 
brach am 23. Mai Pfalzgraf Chrijtian von Mainz auf und bereits 
am 24. Mai erreichte er ihre Spitze bei Dreiſen und Standenbühl 
am Donnersberge. Da die Spanier ausriljen, mußte fie der Pfalz: 

raf über den Donnersberg verfolgen und bei Rodenhaufen hatte er 
fe bereits überholt. Als nämlich die Spanier den feiten Ort bejegen 
wollten, fanden fie die Schweden bereits darinnen; daher flohen fie 


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in der Nacht durch die Wälder nad) Heiligenmojchel. Die Schweden 
verfolgten fie jedoch und am frühen Morgen fiel der Nachtrab mit 
150 Gefangenen in Chriltians Hände. 

Das Hauptheer erreichte der gejchwinde Weiterführer Rhein— 
raf Otto Yudwig vor Lautereden; aber ehe die jchwedilche Ver— 
Härtung kam, waren die Spanier über dem Fluß und jprengten 
die Glanbrüde; jchon am — Tage trafen die raſchen Ver— 
folger ihren Gegner bei dem Dorfe Ulmet; der Rheingraf griff ſo 
ungeſtüm an, daß das ganze Gepäck der Fliehenden in ſeine Hände 
kam und 1500 Gefangene gemacht wurden. Bon hier ab ließ er 
den an die Moſel fich zurücdziehenden Feind unbeläftigt. 

Der Bilhof von Speyer, Kurfürft und Erzbilchof Philipp von 
Trier glaubte für das Wohl jeines Landes am beiten zu jorgen, 
wenn er fi) mit den Franzoſen verbinde, die den Schwedenkönig 
mit Geld unterftüßten. Am 9. April 1632 ftellte er jeine Feſtungen 
Philippsburg und Ehrenbreititein a. Rh. unter den Schuß des fran= 
zöfiichen Königs. Der bijchöfliche Kommandant von Philippsburg, 
Oberſt Bamberger aber weigerte fich, die neue Feltung den Schweden 
auszuliefern. Die Soldaten entband er des Eides gegen den Bilchof 
und ließ fie dem Kaiſer ſchwören. Als aber bald die Lebensmittel 
zu Ende gingen, mußte er die Feltung an die Schweden, die ihm 
freien Abzug gewährten, dennod) abtreten. Gegen eine große Geld- 
jumme befamen die Franzojen Philippsburg. Speyer dagegen be= 
hielten die Schweden für ai bis zum Jahre 1634, wo fie es eben 
falls den Franzoſen überließen. 


MWie König Buftav Adolf jeinen Offizieren eine 
Strafpredigt hielt: 


„Ihr Fürften, Ihr Grafen, Ihr Herren und Edelleute, ihr jeid die— 
jenigen, die ihr Untreu an eurem Batterland beweijet, das ihr jelbft rui- 
niret, verderbet und verheeret; Ihr Obriſten Dfficirer vom höchſten bis zum 
Niedrigiten, ihr jeid diejenigen, die ihr ftehlet und raubet ohne Unterſcheidt, 
Keinen außgenommen; ihr jtehlet und raubet euren Freunden und Glaubens: 
genofjen, ihr gebet Mihr Urjach, das ich einen Efel an euch habe, und Gott 
mein Schöpfer jey Zeuge, das mihr das Her im Leibe gallet, wenn ich euer 
nur einen anjehe, das ihr dem gutten Geſeß vndt meinen Gebotjen jolche 
Frevler vndt Gebrecher jeydt, vndt vhrſach at, daß man offentlich fagt: 
der König alfo unjer Freund tut uns mehr Schaden alß der Feind. 

Ihr hattet, wenn ihr rechte Chriften wehret, (wäret) zu bedenken, was 
ih an euch bezeugen thue, wie ich meinen Königlichen Leib und Leben für 
euch vndt eure Freyheit beides vmb zeitlichen und ewigen Gutes praesentire 
(hingebe) ich hHibe meine Cron eurethalben entblößet, und in die 40 Tonnen 

oldes uffgewendet; ich habe von euch und eurem Teutjchen Reich nichts 
befommen, das ich mihr ein bahr (Paar) u maden laßen fönte, ja ich 
wollte zu jagen, ohne Sen geritten jein, al mid) mit den eurigen zu be— 
Heiden; ich habe auch alles geben, was mir Gott gegeben hatt; ich habe 
nicht einen Gaujtall behalten, den ich nicht unter euch geteilet. Keiner unter 
euch hat mich nihmals — das ich ihnen nicht geben, den (denn) 
mein Brauch iſt, Keinen ſeiner Bitt fehlſchlagen laßen. 


— 49 — 


Mo ihr mein Gebott vndt Drdnung in Acht genommen, wollte ich 
euch nicht ganz Beyerlandt ordentlich außgetheilet, wie auch ingleichen ganz 
Frantenland; ich bin reich genug, begehre nichts von dem eurigen, und warn 
ihr auch Gottes vergeßen vndt eurer Ehre nicht gedenft oder gank vpn,,mir 
ſeyn wollet und gleich zu entlauffen gedenkt, jo Yon die ganze Ehriftenheit 
—— das ich mein Leben für AR als ein ehrlicher König vndt der Den 
Befehlich meines Gottes verrichtet, auff dem Plaß lafjen will; wollet ihr 
rebelliren, jo will ich mich zuvor mit euch herumbhauen, das die Stüde von 
uns fliegen jollen. 

Ic bitte euch umb die Barmherzigleit Gottes, geht in euer Hertz und 
Gewiflen, wie ihr Haus haltet undt wie ihr mid, betrübet, jo weit das mihr 
die Trenen in Augen ftehen. Ihr handelt vbel (übel) an mihr, wegen vbler 
disciplin, nicht aber wegen eures Fechtens, dan hierinnen habt ihr gehandelt 
alß rechte Gavalierer, und darüber ich euch verobligiret (verpflichtet) bin. 

Bitte dernwegen nochmals umb die Barmherzigfeit Gottes, geht mit 

euch alle zu Rathe und in euer Gewiljen, wie ihr für Gott Kehenichaft 
eben wollet. Mihr ift jo weh bei euch, das ich in meinem Königreich viel 
teber die Säu hüten alf mit einer jo verkehrten Nation vmbzugehen. Wolan 
nehmet zu Herten, was ich mit euch rede, morgen oder vbermorgen wollen 
wir jehen laſſen an unjeren Feinden, wie redlidy ein Cavalirer it. 


Bayerland 1903. ©. 312, 


Die Schweden in Bayern, Bultav Adolfs Tod. 


Der jchwedilche General Horn hatte die Bistümer Würzburg 
und Bamberg bejegt und wurde folange Guſtav Adolf in Mainz 
weilte, von Tilly hart angegriffen. Als aber der König über Weißen- 
burg, Nördlingen, Windsheim, Fürth und Nürnberg nad) Bayern 
rücte, mußte Tilly auf den Schuß des Landes bedacht ſein. Donaus 
wörth ergab fich rajch an Die Schweden, ebenjo Günzburg, Gundel- 
fingen u. a. Tilly aber bezog auf dem rechten Lechufer bei Rain 
eine fejte Stellung; in jeiner Nähe lagerte Kurfürft Maximilian 
ſelbſt mit friichen Truppen. Guſtav Adolf ließ jofort eine Brücde 
über den angejchwollenen Fluß jchlagen und am 15. April ſetzten 
leine Truppen über. 72 Kanonen Ipien Tod und Verderben, als 
Fußvolf und Reiter den Lech überjchritten. Tilly jelbit wurde 
durch eine Falkonetkugel am rechten Beine ſchwer verwundet 
und als der Kurfürjt mit frischen Truppen eingreifen wollte, mußte 
er dem ſtarken Gegner weichen. Das bayerilche Heer war abermals 
entmutigt und floh in die ſtarke Feltung Ingoljtadt, wohin auch 
Tilly in einer Sänfte gebracht wurde. Bayern fam jet in Gultav 
Adolfs Hände. 

Am 24. April jchon z0g der König im nahen Augsburg ein, 
wo er die katholiſche Stadtverwaltung ab: und eine lutheriſche ein- 
legen ließ. Große Freude herrichte darob in der NReichsitadt. Am 
nächſten Tage jedoch eilte der König nad) Ingolftadt, wo fich unter: 
deſſen das bayerilche Heer gejammelt hatte. 

Als die eriten Jchwedilchen Weiter vor Ingolftadt erjchienen, 
rief Maximilian: „Mit Gott, laßt mich den Schweden grüßen!“ 
und ſchoß jelbjt eine Kanone ab, worauf alle Geichüße feuerten. 


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Drei Tage verſuchten die Schweden die Feſtung im Sturm zu nehmen 
und ſchon bluteten 4000 Mann vor den ſtarken Mauern. Guſtav 
Adolfs Schimmel wurde ihm unter dem Leibe weggeſchoſſen. Daher 
wandte er ſich ſofort gen München, während das bayeriſche Heer 
ſich bei Regensburg aufſtellte um die alte Reichshauptftadt zu ver: 
teidigen. Wohl ſchickte Maximilian Boten auf Boten an Wallen: 
ftein, der als reicher Fürſt auf jeinen böhmijchen Gütern jaß; allein 
diejer regte fich nicht. 

Mit glänzendem Gefolge ritt Guſtav Adolf in München ein. 
Vor dem Tore jtanden jeine Truppen in langen Reihen. Dem 
König folgten der Winterkönig und Pfalzgraf Auguſt von Sulzbad). 
Ehe er in die Stadt eintritt, famen ihm Bertreter der Bürgerjchaft 
entgegen und überreichten ihm auf Samttijjen die Schlüfjel der Stadt. 
Nichts wurde in derjelben berührt, jedoch verlangte der Rönig eine 
Brandihagung von 300000 Talern, von der aber nur 90000 bezahlt 
werden fonnten. Drei Wochen hielt fi Guſtav Adolf in der fur: 
— Reſidenz auf; den katholiſchen Gottesdienſt der Münchener 
törte er nicht, ja er wohnte ihm einige Male an. Weil aber die 
Stadt die auferlegte Brandſchatzung nicht ganze entrichten konnte, 
nahm er 42 Geiſeln mit, die erſt nach dreijähriger Haft wieder in 
ihre Heimat famen. — 

Schon gleich nach der Schlacht bei Breitenfeld hatte der Kaijer 
Mallenjtein um Hilfe gebeten. Diejer, der bereits mit den Schweden 
unterhandelte, ließ jich zum unumjchränften Generallijjimus ernennen 
und ſchon nad) drei Monaten hatte er 40000 Söldner aus aller 
Herren Länder beilammen, Katholiten und Proteftanten und ver: 
trieb die Sachſen aus Böhmen, vereinigte ſich aber nur wider: 
itrebend mit Maximilians Heer. Als dies Buftav Adolf vernahm, 
der den Sachſen helfen wollte, vereinigte er alle jeine Truppen bei 
Nürnberg. 

Dort hatte bei der alten Feite auch Wallenitein ein feites 
Lager bezogen und zehn Wochen lang lagerten ſich beide Heere 
einander gegenüber. Als Brotmangel eintrat und Krankheiten 
auszubrechen drohten, unternahm der Schwedenfönig einen Sturm 
auf Wallenjteins Lager. Die Schweden wurden blutig zurückge: 
Ichlagen und wandten fich nach Süden, während MWallenjtein nord: 
wärts 309 und fich in Sachſen mit den Generälen Gallas und 
Bappenheim vereinigte. Sobald Guſtav Adolf dies vernahm, eilte 
er au) nach Sadjjen und jtellte den Gegner bei Rüben, 20 kın 
ſüdweſtlich von Leipzig. 

Nah vierftündigem hartem Kampfe glaubten die Schweden 
den Sieg errungen zu haben. Da brauiten die Bappenheimijchen 
Reiter heran und drangen in die Schwedenreihen. In demjelben 
Augenblide aber trifft den tapferen General eine Schwedenfugel 
und jeine Reihen gerieten in Unordnung. Boll Rampfbegier führte 
Guſtav Adolf die Seinen vor. Doc in dem dichten SHerbitnebel 


— SG6G — 


löſten ſich auch ſeine Reihen und weil er kurzſichtig war, gelangte 
er in die Nähe der feindlichen Musketiere. Eine Kugel verwundete 
ihn am Arme und als man ihn verbinden wollte, ſprengten kaiſer— 
liche Reiter herbei, die auf den Verwundeten hieben und jchojjen, 
bis er jeine Seele aushaudhte. Bernhard von Weimar übernahm 
den Dberbefehl über die Truppen, die den Tod ihres Königs rächen 
wollten, und als der Abend jich endlich herabjenktte, räumte Wallen- 
itein, der den Tod des Gegners nody nicht wußte, das Schlachtfeld. 

Als die Nachricht vom Tode Guſtav Adolf's nah Schweden 
fam, jchrieb jeine Schweiter Katharina an die verwandte Pfalz: 
gräfin Maria Elilabeth von Lautereden: 

„Herzensichweiter, das Unglüd, welches uns in diejem Jahre 
getroffen hat, daß wir unjern lieben König und meinen einzigen 
Bruder verloren haben, zweifle nicht, Ihnen wird (es) aud) zu Herzen 
gehen. Denn Sie mit allen rechtichaffenen deutichen Herzen haben 
Joviel verloren als wir. Denn um Gottes Wort und rechter 
deuticher Freiheit willen hat der gute König jein Lebensblut gelajjen, 
uns allen zur höchſten Befümmernis. Weil es aber Gottes Bor: 
ſehung jo gewejen iſt, daß der gottjelige Herr unter Chriſti Marter 
hat jein müſſen, jo muß ihm alles anheim geitellt werden. Wir 
müſſen unjere Seele in Geduld fallen und uns tröjten, daß Ihre 
Majeität jo wohl gekämpft hat. Er hat Glauben gehalten, für 
welches ihm die Krone der Gerechtigkeit an jenem Tage gewißlich 
gegeben wird. Denn wer jein Blut um Chriſti Willen läjjet, der 
wird ein bejjer Leben befommen.“ 

Guſtav Adolf hinterließ nur eine unmündige Tochter, Chriltine; 
daher übernahmen der Herzog Bernhard von Weimar und der 
Ihwedilche General Horn die Leitung des Heeres, der Jchwedilche 
Kanzler Axel Oxenitierna wurde Negent und jchloß jchon 1633 mit 
den Fürſten des fränkiſchen, ſchwäbiſchen, furrheinijchen und ober: 
rheinijchen Kreiles zu Heilbronn ein Bündnis. 

Als der jchwergeprüfte Kurfürjt Friedrich) V. von der Pfalz 
den Tod Guſtav Adolfs vernahm, ftarb er. Lange Zeit lag jein 
Leib in Frankenthal bejtattet, mußte jedoch, als 1635 die Kaijerlichen 
über den Rhein famen, nad) Sedan geflüchtet werden, wo er ver: 
Ihollen it. Seine Anjprücde an die als gingen auf jeinen Sohn 
Karl Ludwig über, für den der Herzog Ludwig Philipp von Pfalz: 
Simmern die Vormundſchaft führte. 


Malleniteins Too. 


Regensburg war im Dezember 1633 in die Hände der 
Schweden unter Herzog Bernhard von Weimar gefallen. Wallen- 
jtein aber z30g mit jeinem Heere, weil es Winter war, nicht gegen 


—_ 482 — 


die Schweden, jondern bezog in Böhmen Winterlager. Da kam von 
MWien der Befehl, im Januar jofort gegen die Schweden zu ziehen. 
Sogleich berief der Feldherr ſeine Oberjten zum Kriegsrate zulammen 
und berichtete von dem Verlangen des Kaiſers. Alle ertlärten: das 
ilt die Vernichtung des Heeres. Daher wollte Wallenjtein abdanten; 
aber am 12. Januar 1634 gelobten jeine Offiziere nicht von ihm zu 
weichen und den letzten Blutstropfen für ihn einzujegen. Als dies 
dem Kailer gemeldet wurde, erklärte ihn diejer jofort, wenn auch 
im Geheimen für abgejeßt. 

Nach und nad) fielen die Walleniteinijchen Oberſten ab, weil 
man ihnen glänzende VBerjprechungen gegeben hatte. Nur mit wenig 
Truppen 5000-6000 Mann z0g er, von niemand begrüßt in Eger 
ein, um fich von hier aus mit Bernhard von Weimar vereinigen zu 
können. Wallenjtein aber ahnte nicht, daß er überall von Verrätern 
umgeben war und mehrere Offiziere wußten, daß der Kaiſer zwar 
nicht die Ermordung befohlen habe, aber doch gutheißen werde. Es 
waren die Hauptleute Lesley, Gordon und Butler, die Walleniteins 
getreue Generale Ilow, Kinsty und Graf Terzka zum Mahle auf 
die alte Kaijerburg einluden, wo dieje von Berrätern umzingelt, 
niedergejtoßen wurden. 

allenjtein jelbjit wohnte im Stadthauje. Eben hatte er ein Bad 
genommen und wollte jchlafen gehen. Sein Mundjchent hatte ihm 
in goldner Schale den Schlaftrunf gereicht, als die Wendeltreppe 
des Haujes herauf jchwere Tritte vernehmbar wurden. Raſch wollte 
der Mundjchent den SHeranjtürmenden entgegeneilen um Ruhe zu 
gebieten, da erhielt er von unbefannter Hand mit der Partiſane 
einen Stich, er fonnte nur noch „Rebellen!“ rufen, als auch jchon 
die Mörder unter Führung des Hauptmanns Devereux über ihn 
wegichritten. Der Herzog, der das Kommende ahnte, |prang im 
Hemde ans Feniter, um die Wache zu rufen, da wurde die ver- 
ſchloſſene Türe des Schlafgemacdhes an und Devereux jtürmte 
mit dem lauten Rufe: „Bift du der Schelm, der Seiner Majeſtät 
die Krone vom Haupte reißen will? Du mußt jeßt ſterben!“ Wallen: 
ftein_war feines Wortes mächtig, bewegte nur leije die Lippen und 
als er die Arme ausbreitend fih an den Tijch lehnte, verjegte ihm 
Devereux mit der Hellebarde den Todesitoß. 

Die Mörder widelten den toten Feldherrn' in ein rotes Tuch, 
warfen ihn in Lesleys Kutjche und brachten ihn auf die Burg zu 
den übrigen Ermordeten, wo fie den ganzen folgenden Tag im Hofe 
lagen. Lesley eilte mit der Nachricht von dem Gejchehenen nad) 
Wien zum Raijer, der mit den Gütern der Ermordeten alle Abge- 
fallenen reich belehnte. 

Den Oberbefehl über das faijerliche Heer erhielt des Kaijers 
Sohn Ferdinand, König von Ungarn, der, da er von der Kriegs- 
führung wenig verjtand, tüchtige Generale als Berater erhielt 
Gallas und Oktavio Biccolomini. 


u. — 


Der ſchwediſch-franzöſiſche Krieg 1635—1648. 


Bernhard von Weimar und Horn zogen plündernd in Bayern 
umher. Die Kaijerlichen und Bayern hatten unterdejlen Regens: 
burg wieder genommen und wollten nun auch Nördlingen den 
Schweden entreißen. Da eilten Bernhard und Horn der Stadt zu 
Hilfe und Bernhard wagte, trogdem Horn abriet, eine Schlacht. 
Am 5. September neigte —* auch das Glück den Schweden zu, aber 
am folgenden Tage erlitten ſie eine ſo ſchwere Niederlage, daß ſie 
alle ihre Geſchütze verloren. Ganze Regimenter wurden von den 
Kaiſerlichen zuſammengehauen. Horn geriet ſogar in Gefangenſchaft 
und der verwundete Bernhard rettete ſich mit Not über den Rhein. 
Süddeutſchland war wieder in den Händen des Kaiſers, deſſen 
Feldherr Gallas die Verfolgung des zertrümmerten ſchwediſchen 
Heeres übernahm. 


Schwediſche Torturen. 


Welch ſchreckliche Torturen die Schweden erſannen, den legten Heller 
berauszuprefjen, erzählt uns der Landshuter Chronift Staudt, welcher 9 Arten 
davon anführt: „1. Den ſchwediſchen Trunk, indem man einem, auf den 
Rüden geleat, das Maul mit einem Knebel aufgejperrt, Waller, Miftjauche 
in den Mund gegojjen, zu 3, 6, 9, oder mehr Maß, jo lang und jo viel bis 
einer gejagt, wo er jein Vermögen habe. Danad) wurde den armen Opfern 
die efle F äffigteit wieder aus dem Leibe geftoßen oder durch quer über den 
Leib gelegte Bretter (nad) Art des Schaufelns) wieder herausgetreten. Gind 
viel Menſchen auf jolche Art erfäuft worden. 2. Sie haben den Leuten die 
Kante mit Striden zujammenrodelt (gedreht), daß ihnen die Augen weit zum 
Kopfe herausgetrieben. 3. Sie haben pie Büchslein gehabt, wo neben 
2: Schrauben waren. Da haben die Leut müſſen die Daumen hineinfteden. 

ann haben die Soldaten die Schrauben zugejchraubt, daß das Blut in die 
un. hineingeloffen. 4. Haben fie Spanner gehabt, den Leuten ebenfalls 
die Daumen hineingejchraubt, bis das Blut darnad) gegangen. 5. Habens 
den Leuten die gaditeten von den Piftolen zwijchen die Finger gejtecdt, jo 
lange hin und her gefahren, bis auf das Bein (Knochen) hinein. 6. Haben 
fie ein Meffer genommen, mit dem Rüden die Schienbein gefraßt, bis auf 
die Röhren, darnach mit Salz und Eifig 5* 7. Haben ſie den Leuten 
die Fußſohlen aufgeſchnitten, Salz und Eſſig darin getan. 8. Habens die 
Leut barfuß mit den HE gegen einen heißen Kachelofen gejeßt, einen 
kamm genommen, die Fußiohlen gefigelt, daß feine Marter das Geld habe 
ehender herausbringen fünnen, als diefe. 9. Haben fie die Leut auf allerlei 
Weiſe aufgehängt, hängen laffen, jo lang und jo viel, bis man das Geld an 
eigen mälfen. Iſt mancher Menjch von jolcher Marter geftorben, oder jonft 
ein Lebtag feine gejunde Stund mehr gehabt.“ 


Gallas fommt. 


Schon im Januar 1635 ftanden die Kailerlichen am Rheine. 
Philippsburg wurde mit Hilfe der zugefrorenen Feltungsgräben über: 
rumpelt und den Franzoſen entrijjen. Acht Tage jpäter famen failer: 
liche Reiter unter Johann von Werth an den Rhein, der eine ftarfe Eis: 
decke hatte, jo daß fie ohne Gefahr hinüberrüden und Speyer, das nur 


— 44 — 


eine kleine Bejagung hatte, einnehmen fonnte. Sie warfen mit Be- 


ginn des Monats März Schanzen auf, aber ſchon am 11. ds. Mts. 
erichien Herzog Bernhard mit franzöfilchen Hilfstruppen, lagerte fich 
auf der Klipfelau und nahm die Schanzen weg. Er ließ von Franken: 
thal jchwere Geſchütze fommen um die Stadt bejchießen zu können. 

Am 15. März wurde an der Ede beim Kirchtor eine Brejche 
gelegt und am 18. feuerten die Franzojen am alten Türchen, Bern: 
hard mit den Schweden beim Wormjer Tor, am 19. März drangen 
fie durch die Breſche am alten Türchen in die Vorſtadt. Wieder: 
holt forderte Bernhard zur Übergabe auf; aber die Beſatzung ver: 
weigerte fie. Da begann der Sturm aufs Neue. Beim Wltpörtel 
und am Wormjer Tor entjtanden neue Brejchen, ſodaß die Angreifer 
den legten Sturm wagen fonnten. Schon jtanden viele Häuſer in 
Brand und da feine Hoffnung auf Entiag war, ergab fich am 
21. März die Stadt. Am 24. März überließen die Franzojen die 
Stadt an Bernhard, der in dem bilchöflichen Balajte Wohnung nahm. 
Viele Geijtliche waren bereits vorher geflohen. Die aber, welche 
in der Stadt geblieben waren, mußten vor den ſchwediſchen General: 
kommiſſär Dffenburg erjcheinen, der im Maulbronnerhofe wohnte, 
und ihnen 60000 Taler Brandihagung auferlegte. Die Artillerie 
forderte 4000 Taler zum Loskauf auf die Gloden, die ihr nad) 
Kriegsrecht gehörten. Die Geiltlichen erklärten jedoch, diefe Summe 
nicht leiten zu fönnen. Cine Bittichrift an den Herzog fand Fein 
Gehör. Da borgten fie vom Kammergerichts:Bräfidenten Mori von 
Büren Joviel Wein, als an Wert zu der zu erlegenden Summe fehlte. 

Da aber die Kaijerlichen mit immer größerer Macht fich auf 
dem rechten Rheinufer jammelten und Heidelberg erobert Hatten, 
be30og Bernhard von Weimar zwilchen Worms und Frankenthal ein 
Lager, in dem fich alle Bejagungen der pfälziſchen Städte vereinigten. 
Das Zweibrüder Regiment ftand dicht am Ufer des Rheins bei 
Worms; aber Gallas hatte gerade diejen Ort zu jeinem fibergange 
auserjehen. Seine Schiffe waren jo bededt, daß fie vor Gewehr: 
feuer jicher waren. Am 21. Juni 1635 ließ Gallas mit jolcher 
Macht über den Fluß rüden und die Gejchüge brachten ihm der: 
artige Verluſte bei, daß es eilig die Flucht ergriff und nach Zwei: 
brücden zurüdging. 

Herzog Bernhard war über KRaijerslautern geflohen, wo er 
eine Abteilung Reiter und das „gelbe Regiment“ zurüdließ und 
* ſich dann nad) Saarbrücken gewandt. Der alte Herzog 

ohannes Il. von Zweibrücken begab ſich nach Metz, um fein Land 
nie wieder zu jehen. 

Kujel 1635. Gallas Scharen verteilten fich über die ganze 
Pfalz. Die Hauptarmee folgte Herzog Bernhard an die Saar. 
Die Städte Annweiler, Bergzabern und Meijenheim öffnete dem 
ven freiwillig die Tore und nahmen kaiſerliche Bejagungen an. 

ur die,treue Stadt Kujel wollte fich ‚verteidigen. 





—— — ——— — 


— 485 — 


Bald rückten Kaiſerliche, nur Kroaten (Krabatten) das Glantal 
herauf, deſſen Bewohner ſich nach Lichtenberg flüchteten, während 
die Bürger Kuſels ſich auf ihre Mauern ſtellten um dem Feinde allein 
zu trotzen, obwohl es nicht nur an Soldaten, ſondern auch an den 
nötigen Gewehren fehlte. „Die Tore waren geſchloſſen, die Stadt: 
gräben mit Wajjer gefüllt; Männer, Jünglinge und Greije, — alle 
hatten ihre Werkitätten und Wohnungen verlajjen und ich, jo gut 
fie fonnten mit Waffen verjehen. jeden Augenblid befürchtete man 
den jchredlichen Sturm und feine Zeit war zu verlieren. — Hier 
trugen Bürger große Steine auf die Tore der Stadt um ihre 
Gegner zu zerichmettern; dort liefen andere umher und übten 
ih Spieße und Lanzen zu gebrauchen. Unterdes waren das 
enge Tal und die benachbarten Höhen von Feinden bededt, die 
Felder verheert, die reifende Ernte vernichtet und die Obſtbäume 
gefällt... Am Tage war die Luft mit wildem Lärm erfüllt und des 
Nachts die Gegend vom Feuer erleuchtet. — Die Kroaten jahen 
die ſeltene Entjchlojjenheit und griffen zur Lil. Sie machten Anitalt 
zu ihrem Abzuge und verſprachen dem Städtchen etliche der Ihrigen 
als Sicherheitswache gegen jede fernere Beunruhigung zu geben.“ 

Mit Freuden nahmen die Kuſeler diejes Anerbieten an. Die 
Kroaten rüdten ab und weil die Bürger glaubten, alle Gefahr jei 
nun vorüber, jo verließen fie Türme und Mauern und vertrauten 
ih dem Schuße der kroatiſchen Sicherheitswache an. Dieje aber 
erforjchte genau jeden Zugang und gab in der nächſten Nacht den 
Außenjtehenden das Zeichen zum Angriff. Raſch waren die Tore 
geöffnet und mit Fadeln in den Händen jtürmten die entmenjchten 
Krieger in die Häujer und ermordeten, was vor fie fam. Einige 
nur fonnten fich unter dem Schuge der Nacht nad) Lichtenberg retten. 
Als der Tag graute, begann die eigentliche Plünderung des wohl: 
habenden Städtchens. Dabei fanden die Plünderer ein weinendes 
Mädchen über den Leichen jeiner Eltern. Bald aber züngelten an 
allen Enden die Flammen empor und die Flüchtlinge auf Lichtenberg 
fonnten herabjehen, wie ihre Baterjtadt in Schutt und Niche jan. 

KRaijerslautern. Das kaiſerliche Hauptheer, das dem Her: 
309 Bernhard folgte, erreichte von Worms fommend unter Führung 
des TFeldzeugmeilters Grafen Hasfeld 7000 Mann ſtark Kaiſers— 
lautern, in welchem das ganze ſchwediſche gelbe Regiment lag. Die 
Bürgerichaft half den Berteidigern wader und jchlug alle Stürme 
ab. Endlich erlahmte ihre Kraft und die Kailerlichen jtürmten in 
die Stadt, deren Bejagung mit den Bürgern vollitändig nieder: 
gehauen wurde, 1800 Menſchen verloren ihr Leben, da auch die 
meilten Einwohner nicht verjchont wurden. Der jchwedilche Oberit 
Scönebet geriet in Gefangenihaft. Drei Tage plünderten die 
Kroaten in den Häujern und als die Kaijerlichen abzogen, war die 
Stadt menjchenleer, lange ließ fich fein Menſch in den Straßen bliden, 
da die meilten Gebäude niedergebrannt waren und nur die Kirchen 


— — 


aus dem Schutt und der Verwüſtung hervorragten. Aber in den 
Straßen der Stadt wuchs bald Gras. Selbſt das Rathaus Hatte 
fein Dach mehr und bald drang der Regen in das jchöne Gebäude, 
das 4 Jahre lang verwahrloft jtand. Erſt im Jahre 1639 fonnte 
wieder eine Stadtverwaltung eingerichtet werden. Die Stadt war 
aber noch jahrelang jo arm, daß fie dem Ratsherrn Züldh, der 1637 
im Namen der Stadt eine Reiſe nad) Worms gemacht hatte, fein 
Geld, jondern 200 Faßdauben geben fonnte, die einen Wert von 
6 Gulden hatten. 

Noch viele Jahre nach dem großen Kriege jtanden Häujer leer 
und lagen Äder um die Stadt wülte, weil die Eigentümer und ihre 
Kinder beim Kroatenſturm umgelommen oder für immer aus der 
Heimat geflohen waren. 


Gallas vor Zweibrüden. 


Gallas jegte, unterdes Hatfeld Yautern®belagerte, jeinen Marjch 
nach Zweibrüden fort. Die Stadt war mit jtarfen Mauern, Türmen 
und Gräben wohl verjehen und auch hier hatte Bernhard von Weimar 
eine ſtarke Bejagung, zu welcher die Refte der Zweibrüder Regimenter 
famen, zurüdgelajjen. Die Bürgerjchaft war wie alle Leute jener 
Zeit vom Aberglauben erfüllt; denn als eine große Üüberſchwemmung 
die niedrig gelegene Stadt heimjuchte, jodaß die Bewohner auf den 
Speicher flüchten mußten, der Hausrat aber umherſchwamm und als 
in einer folgenden Nacht ein furchtbares Ungewitter ſich über den 
Talkeſſel entlud und der Bliß jogar in den Turm der Alexanders: 
firche einjchlug, glaubten viele Zweibrüder an das nahe bevorjtehende 
Ende ihrer Stadt; nur der jchwedilche Befehlshaber Oberit Rein: 
hold von Roje fannte feine Furcht. Er wies ruhig den Bürgern 
ihre Stellen auf den Mauern an und ging jelbit bei ag und Nacht 
an alle wichtigen Punkte um nach dem Rechten zu jehen. 

Gallas lagerte fi auf dem Kreuzberge und der waldigen 
Höhe gen Birmajens. Kaum hatte er jein Lager aufgejchlagen, als 
jein Trompeter vor dem Tore erjchien nnd aljo ſprach: „Wergeblich 
werden ihr dem faijerlichen Heer auch euch widerjegen; vergeblich 
verlajjet ihr euch auf eure Türme: ihr jeid zu ſchwach, der Gewalt 
und dem Ungeftüm unjerer Truppen Einhalt zu tun. Wehe euch), 
wenn ZJweibrüden im Sturm muß erobert werden! Mord und all 
gemeine Zerftörung wird die Folge fein.” Oberſt von Role jagte 
furz: Nein! die Verteidiger aber jtanden wohlgerüjtet auf ihren an 
gewiejenen Bolten. Gegen den GBalgenberg zu, wo vor dem oberen 
Tore einzelne Häujer die Verteidigung hinderten, legten die Schweden 
es an und vernichteten damit einen guten Angriffspunft der 

aijerlichen, die auf diejer Seite der Stadt in ſtarker Stellung ftanden. 
„sn der Stille wurde an einem der folgenden Tage ein Tor geöffnet 
und ein Teil der Bejagung hinausgeführt. Hinter den Zäunen 


=. 87: 


und hinter den zerfallenen Häujern der Vorſtadt lauerte er auf die 
Feinde. Sie kamen herab; viele Reiter der Ihrigen eilten herbei 
und im Wugenblid war alles im SHandgemenge begriffen. Cine 
fleine Anzahl, die den Kampf unternommen, zog fich fechtend durch 
das Tor zurüd um die Kaijerlichen näher zu bringen. Dieje Lift 
elang. Die andern brachen aus dem Hinterhalte hervor und jtürzten 
6 auf die feindlichen Truppen. Auf beiden Seiten wurde nun mit 
viel Erbitterung gekämpft; gaber die Schweden und Zweibrücker be— 
hielten die Oberhand und ihre Gegner, als ſie einige Mann verloren 
hatten, wurden zur Flucht gezwungen. 

Kaum war dies geſchehen, ſo begab ſich der Feind in ſtärkerer 
Anzahl herab; er wollte die Beſchimpfung rächen, die man ihm zu: 
gefügt hatte; aber die Belagerten hielten es jet für ratiam, ihn 
auf ihrer Mauer zu erwarten. Er näherte fich wirklich) derjelben 
und zerjtörte das einzige Haus, das von der Vorftadt noch übrig 

eblieben war und das dicht vor dem oberen Tore geitanden. 

ehrere Soldaten wurden von den herabitürzenden Steinen er: 
Ihlagen, aber auch die Wache auf dem Wal fand fich dadurch ge- 
nötigt, denjelben zu verlajjen. Nun glaubten die Belagerer auf 
diejer Stelle fich am leichtejten der Stadt bemeiltern zu können. Ein 
Dffizier vom erjten Rang machte ſich näher herbei um den Zugang 
zu erforjchen. Er jah hinter einer zerfallenen Mauer hervor und 
— in demjelben Augenblid fiel ein Schuß. Er jtürzte nieder und 
die Begleitung trug den entjeelten Körper hinweg. Wütend [prengte 
ein Schwarm von Reitern gegen das zeritörte Wirtshaus zum 
„Weißen Roß“; aber von einem hohen Turme donnerte eine Kanone 
herab; mehrere fielen und die übrigen flohen auseinander. 

Die alte Burg, der ehemalige Sit der Grafen von Zweibrücden, 
die außerhalb der Ringmauern ftand und mit Schweden bejegt war, 
geriet durch die Unvorjichtigfeit eines Soldaten in Brand. Als die 
Lohe hoch emporjchlug, geriet die Bürgerjchaft in große Angſt, Weinen 
und Wehklagen erfüllte die Stadt. Dieje Gelegenheit benugte Gallas 
um zu jtürmen. Go tapfer die Verteidiger auch ſchoſſen, die Kaijer- 
lichen drangen mit Sturmleitern auf den Wall und wäre Oberft 
von Roſe nicht mit Bejonnenheit aufgetreten, jo hätte das geängitigte 
Volk die Stadt dem Feinde überlajjen. Roſe aber ließ die Bürger 
in ihre Häujer treiben und auf die Angreifer, die die Stadt jchon 
zu nehmen gedachten, jchießen. Mit Hinterlajjung von Toten flohen 
dieje endlich in ihr Lager. 

Vergeblich aber hatten die Belagerten auf Bernhards Hilfe 
gewartet, Pulver und Blei nahmen zujehends ab. Da ſprach der 
Befehlshaber: „Wohlan, ich bin bereit, diejen Drt zu verlaffen und 
mit meinen Truppen abzuziehen. Zweibrücden joll von der Zer— 
ftörung bewahrt und vom Verderben verjchont werden, wenn das 
die einzige Bedingung if. Morgen früh um die achte Stunde jollen 
die Tore geöffnet und die Stadt von mir geräumt werden.” 


— 488 — 


Die Nacht kam heran und alle außer den Wachen begaben ſich zur 
Ruhe um mit Furcht und Zittern den folgenden Morgen zu erwarten. 
In der Nacht meldete ſich ein Landmann an der Wache eines Tores. 
Er wurde, weil er allein war eingelajjen, bald hatte fich eine große 
Zahl Neugieriger um ihn verjammelt. Er aber ſprach: „Freunde 
und Mitbürger, ich verfündige euch gute Botichaft. Bald werden 
eure Leiden aufhören; denn das jchwedilche Heer eilt zu eurer Er— 
rettung herbei. Ich bin zwar nicht von Herzog Bernhard gejendet, 
\ondern habe bloß ‚meine Pflicht erfüllt, welche die Liebe zum Bater: 
land mir eingeflößt hat; aber ihr dürft in meine Worte fein Miß— 
trauen jegen. Ich jtehe in eurer Gewalt und der Erfolg wird be= 
weilen, wie redlich meine Abjicht und wie gegründet mein Vorgaben 
jei. Duldet noch kurze Zeit.“ — Alle jubelten auf und als gar 
gegen Morgen ein Jüngling die Nachricht brachte, daß die Schweden 
nahten, erfüllte friiher Mut die Belagerten. So war es, Gallas 
mußte aus dem Weſtrich weichen; denn Bernhard hatte fich bei 
dem franzölilchen Könige über das Ausbleiben von Hilfstruppen be— 
ſchwert und gedroht, wenn nicht jchleunig Verſtärkung fomme, werde 
er mit dem Kaijer Frieden machen. Am 17. Juli endlich trafen 
7—8000 Dann Franzojen bei Bernhard ein und nun ging es über 
Landſtuhl, Yautereden, Alſenz, Kreuznach an den Rhein. Während 
die Franzojen nad) Bingen marjchierten, ging Bernhard nad) Mainz, 
dejlen Belagerung die Kaijerlichen aufgegeben hatten. Oberſt von 
Roſe z0g als erjter mit jeinem tapferen Regimente in die Stadt ein. 

Der alte Herzog von Zweibrüden, der nad) Me geflohen war, 
erlebte die Befreiung jeines Yandes noch, jtarb aber am 30. Juli 1635. 


Die Plünderung Zweibrüdens. 


Zwei Monate jpäter flohen Schweden und Franzojen von Mainz 
aus in das Weſtrich und wenn fie auch die Rheinbrüce zerjtörten, 
jo gelang es Gallas doch mit Fatjerlichen und bayerijchen Soldaten 
bei Worms über den Rhein zu fommen und die Weltpfalz zu er: 
reichen. Das gelang. Unter unjäglichen Mühen drang Bernhard 
über den Hunsrüd, wo ihn die Kaijerlichen ſchon aufzuhalten juchten. 
Meilenheim war ſchon von denjelben bejegt, weshalb fich die Schweden 
über Sobernheim, Oberjtein und Birkenfeld durchſchlugen. Allent— 
halben lauerten bereits Gallas Scharen. Nachdem jchon im Glantal 
ein Teil der Wagen verbrannt worden war, mußten 19 Kanonen 
und 2000 Wagen den Kaijerlichen überlajjen werden. 10 andere 
Gejchüge verjenktten die Schweden in einen Weiher bei Birkenfeld, 
allein das Verſteck wurde den Kailerlichen verraten; dennoch er: 
reichte das Heer die Saar bei Wallerfangen. Raſch jtellte Bernhard 
aus Tonnen eine Notbrüde her und jeßte troß des Schießens von 
4000 Kroaten über den angejchwollenen Fluß. Bereits am 20. Sep: 
tember war er in Met. Bernhards Ruhm ob diejer Tat erjcholl 


— 489 — 


bei Freund und Feind. Ein Teil der Kaiſerlichen drang beim Bor: 
marjch durch das Annweiler Tal in das Weſtrich, wo auf fteilem 
Felſen bei Wilgartswiejen die Burg Falkenburg thronte, die dem 
Grafen von Leiningen und dem Herzog von Zweibrüden gemeinfam 
gehörte. Die kleine jchwedilche Bejagung des Felſenneſtes war mit 
Maffen, Munition und Lebensmitteln wohl verjehen, bei ihr befanden 
fich die Bedienten des Grafen von Leiningen, die ungehindert aus— 
und eingingen. Eines Tages meldeten fie den Kaijerlichen die Stärke 
der Beſatzung und beitellten fie auf eine gewille Stunde der Nadıt. 
Die Schweden ahnten feinen Überfall und begaben fich zur Ruhe. 
Da erhob fich plößlich ein ungewöhnliches Rufen und Schreien und 
ehe die Schlaftrunfenen zu den Waffen greifen konnten, war die 
Mache überrumpelt und niedergehauen, die Bejagung wich der fiber: 
madt. Ebenſo ergab ſich die Feſte Grevenftein bei Merzalben; als 
aber die Eroberer bei fröhlihem Mahle jaßen, brach durch Unvor— 
fichfeit Feuer aus und legte den jtolzen Bau in Trümmer. 

Die Kailerlichen famen von Annweiler und Lautern aus nad 
Zweibrüden, wo nad dem rajchen Abzug der Schweden nur eine 
ſchwache franzöſiſche Beſatzung lag, die fi) am folgenden Tage nad) 
Gallas Ankunft ergab und unter kaiſerlicher Bededung nad Frank: 
reich zurückkehrte. 

Gleich rücten die Kaijerlichen ein; unter den Hauptleuten be: 
fand ji) Hauptmann Heß, der während der eriten Belagerung 
ſchwer verwundet worden und gefangen in die Stadt gebracht wurde. 
Ein Bürger verpflegte ihn liebevoll. Als jeine Wunden geheilt 
waren, wurde er gegen einen gefangenen Schweden ausgelöft. Go: 
gleich ſuchte er jeinen früheren Wohltäter auf und wenn er auch die 
Roheiten der Soldaten nicht hindern fonnte, jo hielt er doch in jeiner 
Kompagnie ftrenge Manneszucht. Doch verließ er ſchon nad) einigen 
Tagen die Stadt, in der Oberſt Moriame das Kommando übernahm, 
weil Gallas nad) der Saar eilte. Auf Moriames Befehl wurde die 
Stadtmauer niedergerijjen; das Rat: und Amtshaus, die Münze und 
das Gymnafium wurden nicht nur erbrochen und ihre Fenſter und 
Türen zerjchlagen, ebenjo gab der Befehlshaber die Häujer der 
Bürger zur Plünderung frei, ſelbſt die Apotheke erlitt dasjelbe Schid: 
al und die Häujer außerhalb der Stadt jowie die nahen Dörfer, 

Alle Lebensmittel zogen die Soldaten an jich, alles Vieh wurde 
zur Schladhtung für das failerliche Heer weggenommen. Auch das 
herzogliche Schloß erbradhen fie und jagten die herzoglichen Diener 
heraus. Bald Elirrten die Feniterjcheiben, frachten die zerichlagenen 
Balken. Die Wertjachen wurden genommen und verfauft. Zuletzt 
entdedten fie in dem unterjten Stodwerfe ein verborgenes Gewölbe, 
das fie jofort erbrachen. Siebzehn Kilten mit Koſtbarkeiten fonnten 
die Beutegierigen verteilen. Sie herrliche Bücherei des Schloſſes 
ging durch die Soldaten ebenfalls zugrunde. Auch die Kirchen 
wurden jchließlich ein Dpfer der Raubgier. 


32 


Das Elend der Jahre 1636/37. 


So ging es im ganzen Weltrich zu. Da wanderten denn viele 
mit ihren Geijtlichen nad) der Schweiz oder nach Holland aus, wo 
fie gute Aufnahme fanden. Die Zurüdgebliebenen jahen einer trau 
rigen Zufunft entgegen, weil Schweden und Kaiſerliche nicht 
nur alle Zebensmittel geraubt hatten, jondern aud) die Felder entblößt 
wurden. Schon im Sommer 1636 gewöhnte jich das Bolf an Gras, 
Wurzeln, Blätter, Kletten, Nejjeln, Mijteln und andere Pflanzen, 
aber zur Winterzeit Tochte man Lederwerf, fing Hunde, Katzen und 
Mäuſe, und Fröſche wurden eine ganz gewöhnliche Nahrung. Das 
Nas von Pferden, Kühen, Ejeln wurde begierig aufgejuht und nahe 
bei Zweibrüden entſtand zwijchen zwei Frauen Streit um Was, der 
damit endigte, daß eine die andere würgte. 

Um Ddieje Zeit famen zwei Reijende nad) Nünjchweiler und 
trafen einen Knaben, der gerade bejchäftigt war, an einem Kohlen— 
feuer Fleilh zu braten. Als die beiden hinzutraten und den Knaben 
nad) der Herkunft des Fleiſches fragten, jagte er: „Es iſt ein Stüd 
von meiner Schweiter, welche eben geftorben iſt.“ Auf ihr 
Verlangen zeigte er den Drt, wo der Leichnam verborgen war und 
wirklich verhielt es fich, wie der Knabe angegeben. In einem andern 
Dorfe verzehrte ein Mädchen die tote Mutter und in Nünſch— 
weiler überfielen die hungrigen Einwohner einen armen, - hilfe: 
juchenden Bettler, töteten ihn und aßen jeine Leiche. In der Nähe 
von Zweibrüden tötete eine Frau zuerit einen fünfjährigen Knaben 
und dreizehn Tage jpäter ein zwölfjähriges Mäochen, die einzige 
Tochter 3* Vaters. Gleiches kam zu Otterberg und Alzey vor und 
bei Bergzabern tötete ein Mädchen von 11 Jahren einen fünfjährigen 
Knaben durch Erdroſſeln mit dem Haarband und verſpeiſte ihn. 


Der pfälziſche Pfarrer Gottfried Andreäſſchrieb in ſeinem 
„Lebenslauf“ über ſeinen Aufenthalt in Worms: 


en derjelben Zeit habe ich gejehen, wie ein totes Pferd vor dem Rhein: 
tor in Worms mitten im Wege gelegen, dabei fich gefunden eine Weibsperjon, 
welche das Fleiſch abgejchnitten und in ihr Schürztuch getan, auch zugleich 
roh davon ge eſſen; in der Mitten des toten Pferdes waren etliche Hunde, jo 
auch ihre A he juchten, wie aucd auf dem Kopf unterjchiedliche Raben, 
welches Spektakul (Schaufpiel) ich neben noch elf jungen Leuten von Mannheim 
angejehen und gejagt: Bergejjet diejes nicht euren Rindern zu erzählen, jo der 
Herr wird euch leben laſſen, wie Bott der Herr pflegt zu ftrafen, wenn man 
zur Zeit des Friedens Gottes Wort nicht achtet und jeine Gaben mißbraucht.“ 


Der Prälat Jakob Chrijtian vom Chorherrnitift 
zu Reichersberg (Bayern) jchrieb einem Freunde: 
Mein Freund! 


Die vielen Durchmärjche der Soldaten ruinieren das Land jo abſcheulich 
a. er es jo menjchenleer, daß man weit und breit feine Gloden mehr 
äuten hört. 


— 491 — 


Die u. ift jo groß, daß die Leute die übelriechenden Köpfe, 
Gedärme und Eingeweide, welche die Soldaten beim Schlachten des Wiehes 
wegwerfen, jammeln und fochen. 

Dem Abdecker kaufen fie das Pfund Roßfleiſch um 6 Pfennig, das 
Rindfleiih um 2 Kreuzer ab. Bon Nas, Kleien und Baumrinden müſſen 
fi) die armen Leute ernähren. Kein Wunder, daß nicht allein die Viehjeuche 
auf allen meinen Gütern, jondern auch die Peſt unter meinen Leuten — 

Zu Schärding friſt fie alle Tage 7 bis 8 Perſonen weg, noch mehr zu 
Ealzburg und Braunau. Die Teuerung ijt noch jet jo groß, daß der Mieten 
Korn 10 bis 12 Gulden fojtet. 


Bapyerland 1903. ©. 516. 


Dazu fam eine furdhtbare Belt, welche das Land noch voll: 
fändig entvölferte, 


Die Plünderung Annweilers 1639. 


Als die jchwedilche Armee im Monat Oktober 1639 dieje Yande 
und Gegenden abermals bezog und ihr Hauptquartier zu Bellheim 
bei Germersheim hatte, marjchierten Mittwoch, den 23. etwa 3000 
Mann oder mehr zu Roß und zu Fuß, mit vielen Wagen und 
Karren nad) Annweiler. 200 Reiter famen etwa 2 Stunden vor 
den andern vor die Stadt und begehrten, ohne den Befehl hierzu 
zu haben, in die Stadt eingelaffen zu werden. Weil fie aber ohne 
Befehl waren und ungeltümer Weile die Stadt rings umritten und 
jogar nach den Leuten auf der Mauer jchojien, jo war leicht zu 
denten, wie das alles enden werde. Nach anderthalb Stunden als die 
Haupttruppe nicht erjchien, zogen fich die 200 von der Stadt zurüd 
und lagerten fich eine Biertelitunde von Annweiler entfernt bei der 
Papiermühle. Unterdejjen famen dann die andern Schweden wie 
eine Armee, denen fich die Bortruppe anjchloß, den Waldbühl herab. 
Sogleich umjchlojjen fie die wohlbewahrte en ig und ftürmten. 
Als das die Bürger jahen, entjanf ihnen der Mut, weil fie wußten, 
daß aller Widerftand vergeblich jei. Die Verteidiger verließen daher 
die Mauern und Gejchüge und juchten Weib und Kind vor den An: 
Be zu ſchützen. Kein Wunder, daß nun an mehreren Orten 
die Mauer überftiegen wurde und an anderen Stellen Breichen ent: 
ftanden, jo daß ohne jeden MWiderjtand die Feinde mit großem Ge: 
\chrei und den Waffen in der Hand eindrangen. Da hörte man die 
Türen der Häujer einjchlagen, Kiſten und Kaften zerhauen und das 
Gejchrei der gequälten Einwohner, die ſich zum Teil verſteckt hatten. 

Die Gefundenen wurden aus ihren Schlupfwinteln hervor: 
geholt, die Kleider bis aufs Hemd ausgezogen und die Hemden jelbjt 
vom Leibe geriljen. Sogar der Kleinen Kinder jchonte man nicht. 
Etliche Leute wurden mit Schwedentrant oder Reiteln mißhandelt 
und die armen Annweiler, Mann und Weib mußten die von den 
Schweden geplünderten Sachen noch jelbit vor die Stadt tragen oder 
über die Mauer werfen. Die Kirche und das Pfarrhaus, wohin 
fi) die meilten Frauen und Kinder geflüchtet hatten, wurden mit 


32* 


— 492 — 


Gewalt gejprengt, alle ausgezogen und weggelchleppt. Der todfranfe 
Pfarrer, der im Bette lag, wurde hin= und hergeriljen und ihm Die 
Bettücher unterm Leibe weggenommen. In der Kirche jprengten Die 
Schweden den Gotteskaſten und raubten ihn aus, ebenio erging es 
dem Rathauje, wo alle Gemächer, Kilten, Schränfe zerichlagen, ge: 
öffnet, die Urkunden und Briefe der Stadt aber herausgeworfen, zer: 
treten oder fortgetragen wurden, darunter auch das fojtbare Siegel. 
Die Gelder der Waijenkinder, die im Rathauje verwahrt wurden, ge- 
rieten gleichfalls in die Hände der Plünderer. Der Übermut derjelben 
war jo groß, daß die Offiziere, die dabei waren, darunter ein Ritt— 
meilter, mehrere Zeutnante, von denen einer mit Namen Adam Stod 
aus Annweiler gebürtig war, vom Mitleid bewegt wurden und den 
Raubgierigen zu wehren juchten,; aber es half nichts. Denn wenn 
die Führer an einem Orte wehrten, fielen andere an andern Orten 
ein, bis es endlich gelang, die Wütenden in einen Hof zu führen, wo fie 
von Scildwachen behütet wurden. Danach zogen fie mit großem 
Raub, den fie guten Teils von den benachbarten Ortichaften, die ihr 
Hab und But in die Stadt geflüchtet hatten, genommen, ab und rüdten 
eine Stunde vor Nacht in ihr Lager: Vieh, Pferde, Früchte, Geld, 
viel Wein, Hausrat, furz alles, was man tragen oder führen konnte, 
nahmen fie mit und hinterließen in Annweiler nichts als zerjchlagene 
und ausgeplünderte Häujer, arme, verderbte, nadte und verwundete 
Leute, die fih aus Angſt, es könnte fich dasjelbe in den nächſten 
Tagen wiederholen, noch in der folgenden Nacht mit Weib und Kind 
in die Berge und Wälder flüchteten, wo ſie mehrere Tage und Nächte 
in Regen und Kälte ohne Speije und Tranf verbraditen. 

Schon am folgenden Tag rüdte eine gleich große Anzahl 
Schweden abermals vor Annweiler; aber die faijerliche Beſatzung 
von Landau trieb fie aus einander, machte etliche nieder, nahm 60 ge- 
fangen und führte über 100 Pferde weg. 

Die Schweden hatten vorher weder jchriftlih noch mündlich 
etwas von den Bürgern Annweilers begehrt, daher entjchuldigten 
fich die Dffiziere, fie hätten Befehl gehabt, Yebensmittel und Futter 
aufzutreiben, aber niemand wäre am Tore gewejen, um die An 
meldung entgegenzunehmen; aber dieje Anjchuldigung war faljch, da 
der Schultheiß mit den Bürgern ja auf der Mauer jtanden. Go 
verjteht man den befannten Spruch unjerer Rinder: 


Die Schwede fein fumm, 

Mit Pfeife und Trumm, 
unn alles genumm. 
unn die Finſchter ingejchlaa. 
unn’s Blei e'weg getraa, 
unn Ruchle draus gegoß, 
n die Baure totgeiho . 


1639 ftarb Herzog Bernhard von Weimar, nachdem er mit 
Hilfe der Franzojen ganz Eljaß und die jtarfe Feltung Breijach er: 
obert hatte. Sein Tod fam den Franzoſen jehr gelegen, denn fie er- 


zur daR 


hielten jein Heer und jeine Eroberungen; aber noch 9 Jahre dauerte 
das entjegliche Kriegselend. Die Franzojen und Schweden hatten 
Bayern erobert und jchon ftanden die Schweden vor Prag, dort wo 
der unjelige Krieg begonnen hatte, als die Nachricht vom Frieden 
eriholl, der in Münfter und Dsnabrüd in Weltfalen nad fait 
4jähriger Unterhandlung gejchlojjen worden war. ni 
— Gerhard, der fromme Pfarrer ſang in ſeiner 

Herzensfreude: 

ug zu die Sammerpforten 

Und laßt nun allerorten 

Auf jo viel Blutvergießen 

Die Freudentränen fließen. 


Der weitfäliiche Frieden 1648. 


a) Eine Stimme des guten deutjchen Volksgeiſtes 
während der Friedensunterhandlungen. 
Aus Wafferberg: „Ermahnung an die Deutjchen.“ 


Mit lauter Stimme rühmen die Franzoſen und Schweden, 
Deutichland jei von ihnen bezwungen, und die durch unjere eigenen 
Hände uns entriljenen Fahnen zeigt öffentlich Paris und Stodholm. 
Sp, töriche Dienjtleute fremden Ruhmes, zerjtören wir unjern Ruhm 
und unjere Tugend mit unjerem Blute. Könige, di? ſonſt dem Rufe 
des Kaiſers Folge leilten, fich zur Rechenichaft ftellen mußten, ent: 
— mitten in Deutſchland über Deutſchland, berufen Reichstage, 
igen zu Recht, vermögen mehr als der Kaijer und find durch unjere 
Uneinigfeit unjere Herren geworden. Sie rufen und wir erjcheinen; 
fie reden, und wir horchen ihren Worten wie Drafeln; fie verjprechen, 
und wir trauen ihren Zuficherungen, als wären fie göttlichen gleich; 
fie drohen, und wir zittern wie Knechte. Vor uns verhandeln fie 
über uns, in Deutichland über Deutjchland, und enticheiden in letter 
Stelle, was fie uns nehmen, was fie uns lajjen wollen. Und das 
heute Bejtimmte wird willfürlich geändert, und wir, im Todestampf 
liegend und den Gott, der uns jonjt belebte, verleugnend, opfern 
den Bögen anderer Völker alle Freiheit, Ehre, Ruhm, Geilt und 
Leben. Wie kann der Einzelne bei jolcher Lage des Ganzen auf 
Freiheit rechnen! Unjere Szepter und Adler find nicht mehr die 
unjeren, unjer Reich nicht mehr das unjere, jondern die Deutjchen 
alle — das jagen die Fremdlinge laut in Worten und Schriften — 
gehören, wer und wie fie jeien, ganz und unbedingt ihnen. 

Schon Guſtav Adolf verlangte jtrenge Unterwerfung, aber er 
war doch ein König, und ein großer König; was aber foll man 
dazu jagen, daß deutjche Fürften, PBrälaten, Kurfürſten wie Diener 
einem überſeeiſchen Edelmanne aufwarten, ihm Waſchwaſſer, Mantel, 


— 44 — 


Eſſen reichen, von ihm zurechtgewiejen, ja verachtet werden. Wie 
mit Judasküſſen nahen dieje unjere angeblichen Befreier. Und 
wir Toren hoffen, daß jo arge, heimtüdijche Feinde uns retten, daß 
fie, die das herrlichjte aller Reiche mit allen Kräften und Mitteln 
aufzulöjen juchten, es heilend heritellen werden. Sie reichen uns in 
geſchmückten Bechern ſüßes, langjames Gift und erweden uns mehr 
als einen Mafinijja, durch welche fie das ganze Reich zulegt in ihre 
Botmäßigfeit zu bringen hoffen. Bom Rheine, der Nordjee und 
Ditjee her erjpähen fie auf ihren Warten jede Gelegenheit, jeden 
Streit, der da entiteht oder von ihnen herbeigeführt wird, und find, 
wie einjt die Römer in Griechenland, erjt freundliche Zuredner, dann 
Schiedsrichter, endlich) Herren. — D, Deutichland, erwache, gedente 
deiner jelbit, erftehe von diejem tödlichen Rampfe. Das Reid) fann nur 
durch das Reich, Deutichland nur durch Deutjchland wiedergeboren 
werden und durch die Sonne der göttlichen Gnade wie ein Phönix aus 
der Niche jeines eigenen Zebens hervorgehen. Nicht Katholiten oder 
Nichtkatholiten, nicht Römijche oder Yutherijche jollen uns davon ab: 
halten; jondern als Glieder eines Leibes, eines Staates, als Brüder 
müſſen fich alle Deutiche in Liebe umfajjen und mit allen Kräften 
und Tugenden heldenmütig jenem großen Ziele nachjitreben. Das 
Baterland ſchützen, verteidigen, erhalten, dazu ift jeder, dazu find 
alle verbunden. Aber nach beiden Seiten zu hinten, bald nad) Paris, 
bald nad Stodholm zu bliden, Landſchaften hingeben und Freiheit 
erfaufen wollen, — bei Gott! das iſt und war nie deutſch. 


b) Die Verwültung Deutjchlands dDurd den dreißig: 
jährigen Krieg. 
Aus Batkin: „Die Vernichtung Deutjchlands“. 


Wie jämmerlich jtehen nun große Städte. Da zuvor taujend 
Gaſſen gewejen find, jind nun nicht mehr hundert. Wie elend jtehen 
die Heinen Städte, die offenen Fleden! Da liegen ſie verbrannt, zer: 
fallen, zeritört, daß weder Dad, Geſparr, Türen oder Fenſter zu 
jehen find. Wie find fie mit den Kirchen umgegangen? Sie haben 
jie verbrannt, zu Pferdejtällen und Marketenderhäuſern gemacht, die 
Altäre entweiht und die Bloden Hinweggeführt. Ach Gott, wie 
jämmerlich ftehet es auf den Dörfern! Man wandert bei zehn Meilen 
und fiehet nicht einen Menſchen, nicht ein Vieh, nicht einen Sperling, 
wo nicht an etlichen Orten ein alter Mann oder ein paar alte 
Frauen zu finden. In allen an die Häujer voll Leichname 
und Üjer gelegen, Mann, Weib, Kinder und Gefinde, Pferde, 
Schweine, Kühe und Dchjen, neben= und untereinander, vom Hunger 
und von der Pet erwürget und vol Würmer, und find von Wölfen, 
Hunden, Krähen und Raben gefrejjen worden, weil niemand gewejen, 
der fie begraben, beflaget und beweinet hat. Deutichland lieget in 
Schmach, Jammer, Armut und SHerzeleid; die viel jtaujend mal 


— 495 — 


taufend armen jungen Seelen, jo unjchuldig in diejem Kriege find hin- 
geichlachtet worden, jchreien Tag und Nacht unaufhörlich zu Gott um 
Race, und die Schuldigen, die es verurjacht, figen in ftolzer Ruhe, 
Freiheit, Frieden und Sicherheit und halten Bajtereien und Wohlleben. 


e) Verzeichnis der im dreißigjährigen Kriege zerjtörten 
Ortſchaften. 


Nach der im Reichsarchiv in Stockholm Kae sieh „Lilta der abge: 
brannten Sthäter, Schlöffer und Dörffer, meiftenteils dur die Schweden 
jelbft, andere durch fie cauſiret (veranlaßt), oder von andern jeindt weg: 
gebrant und ruinirt worden,“ mitgeteilt von B. Dudik, Schweden in Böhmen 
und Mähren 1640-1650. Wien 1879, ©. 377. 














EEE 1 Städte oe | 96 Dörfer 
In Bommern, Meldenburg und Deren | 307 In Bommern, Meldenburg und Holftein. . 1 208 | 307 ' 2041 
In der Mart ———— —F er | 60 5000 
In Meißen % | 155 1386 
In Schlefien —F 118 36 1025 
In Mähren. . . , 63 2 | 333 
In Böhmen , 215 0 | 813 
In Sjterreih . 51 23 313 
a der Pfalz . 109 106 | 807 
ranken. . i 4 | 26 | 313 
ogtland und Thürin en F 68 41 409 
Sit Merfeburg, Halle Magdeburg, 
Halberitadt, Hildesheim. j 217 108 | 1105 
Braunjchweig, Lüneburg und Stift "Bremen € | 38 406 
Stift Osnabrüd, Minden, — — 213 304 | 1027 
Weitfalen . eh 119 97 1019 
Im Stift Köln, Meb, Trier 327 205 2033 
Stift Würzburg J 10 80 
Gegen Limburg 16 | 200 
Summa — 1976 | 169 | 18310 


d) Friedenſchluß zuDsnabrüd zwijchen der kai]. Majeſtät, 
dem deutſchen Reich und der fönigl. Maj. von Schweden. 


1. Artikel. 


Es jei ein chrijtlicher, allgemeiner, ewiger ‘Friede, eine wahre, aufrich- 
tige Freundſchaft von jeiten der kaiſerl. Maj. und des Haufes Öfterreich, wie 
auch aller deſſen WBerbündeten mit der fönigl. Maj. von Schweden, deren 
Bundesgenofjen und Anhängern. 


4. Artikel. 


$ 2. Vor allen Dingen hat der Osnabrüdijche und Münfterjche Konvent 

es — daß die pfälziſche Sache auf folgende Art geſchlichtet iſt. 
— was das Haus Bayern anlangt, ſo ſoll die Kurwürde, 

welche oe Pfa * vorher gehabt hat, mit allen ihren Rechten und Amtern 
ſowie auch die ganze Oberpfalz zugleich mit der Brafihaft Cham bei Maxi— 


ir AD 


milian, Pfalzgraf am Rhein uſw., dejjen Kindern und überhaupt der Ganzen 
FERN en Linie verbleiben, jo lange aus derjelben männliche Erben 
übrig find. 

Hi 4. Dagegen will der en von Bayern für I, und jeine Erben 
gänzlich der Forderung von 13 Millionen und jedem Anſpruche auf Ober: 
öfterreich entjagen und Sa nach Publikation des Friedens alle Inftrumente 
(Urkunden) darüber Sr. faijerl. Maj. Po Vernichtung ausantworten. 

5. Was das Haus Pfalz anbelangt, jo willigt der Kaiſer jamt dem 
Reiche um der öffentlichen Ruhe willen darin ein, daß fraft diefer Überein— 
funft die achte Rurwürde errichtet werde, welche Karl Ludwig, Pfalzgraf am 
Rhein, und deffen Erben und Agnaten von der ganzen Rudolfiniſchen Linie nad) 
der in der goldenen Bulle ausgedrüdten Succejfionsordnung innehaben jollen. 
$ 9. Gollte es aber der Fall jein, daß die Wilhelminijche Linie gänz- 
lid) ausftürbe und nur das Pfälziſche Haus nur noch bliebe, jo jol nicht allein 
die Oberpfalz, jondern and) die Kurwürde Bayerns an die überlebenden Pfalz: 
trafen wieder zurüdfommen; die achte Rurwürde dagegen joll ganz aufhören. 
ndejjen joll in erwähnten Fall die Oberpfalz nur jo zurüdfallen, daß den 
Allodialerben des Kurfürften von Bayern alle Forderungen und Beneftzien, 
die ihnen in derjelben mit Recht zuftehen, vorbehalten bleiben. 

‚. 819% Den Augsburgiſchen Konfejlionsverwandten, die im Beſitz der 
Kirchen genden, nnd unter diefen namentlich den Einwohnern von Oppen— 
heim, ſoll der geiftliche Zuftand des Jahres 1624 gelaffen werden; und auch 
den übrigen, die es verlangen follten, joll die Übung der Augsb. Konf. — 
in den öffentlichen Kirchen als auch in den Privathäuſern, und ſowohl durch 
ihre als auch durch benachbarte Diener des göttlichen Wortes verftattet ſein. 


5. Artikel. 

Da aber die Bejchwerden, welche fich zwilchen den Rurfürften, Fürften 
und Ständen des Seide von beiden Religionen entiponnen, zu dem 
egenwärtigen ei größtenteils Beranlaffung gegeben haben, jo hat man 
—8 darüber, wie folget, verglichen. 

81.1. Der Vergleich, der im Jahre 1552 zu Fe eingegangen, 
und der darauf 1555 erfolgte Religionsfriede, jowie derjelbe im Jahre 1566 
u Augsburg und in der Folge auf verjchiedenen NReichstagen bejtätigt ift, 
Di, — er damals einſtimmig geſchloſſen worden, heilig gehalten 
werden. Was aber im Kae Vergleiche wegen einiger in dem 
Religionsfrieden ftreitiger Artifel ausgemacht ift, das joll eine Erflärung 
desjelben vor N jo lange gelten, bis man durch Gottes Gnade wegen 
der Religion jelbjt jich verglichen hat; dabei hat man fich an niemandes, es 
ſei eine geijtliche oder weltliche Perſon, fie mag fich innerhalb oder außerhalb 
des Reiches befinden, Widerſpruch oder Brotetation zu kehren, indem dieſe 
hierdurch alle für null und nichtig erklärt werden. In allen übrigen Fällen 
aber joll zwijchen beider Religionen ——— Fürſten und Ständen eine 
genaue und gegenſeitige Gleichheit ſein, inſofern dieſelbe der Reichsverfaſſung 
und gegenwärtigem Vergleiche gemäß iſt, ſo daß, was einem Teile recht iſt, 
es dem andern auch iſt, und daß alle Bewalttätigfeit, wie ſonſt, jo auch jetzt 
zwijchen beiden Teilen auf ewig verboten jein ſoll. 

. 1. Der Termin der Reftitution im Beiftlichen, und was 
in Rückſicht defien im MWeltlichen verändert werden muß, joll der erite Januar 
des jahres 1624 fein. Es joll demnad) jedwede Wiedereinjegung vollitändig 
und ohne Bedingung gejchehen, wie denn an alle indefjen über dergleichen 
Sachen gegebenen Urteile, Vergleiche ujw. kaſſieret und alles wieder in den 
Stand, worin es fich im gemeldeten Jahr und Tag befunden, gejegt wird. 


10. Artikel. 
8 1. Ferner, weil die Rönigin von Schweden begehret, daß ihr ii 
die Abtretung der im Kriege eroberten Pläße Genüge gejchehe und für die 


— 49 


re rg öffentlichen Friedens im Reiche gejorgt werde, jo über: 
gibt Ihro kaiſ. Maj. mit Einwilligung des Reichs und kraft diejer Verhand- 
lung der Königin und ihren Erben, Nachfolgern und dem Reiche Schweden 
folgende Länder mit vollem NRechte als beftändiges und unmittelbares 
Reichslehen. 

82. Erjtens das ganze Borpommern mit der Inſel Rügen, jo 
viel beides unter den leßten Herzögen von Pommern unter jich begriffen; 
nächft diefem in Hinterpommern Stettin, Barz, Dam, Golnau und die Inſel 
Wollin jamt dem dazwijchenlaufenden Oderſtrom und dem Meere, insgemein 
das frilche Jafl enannt und jeinen drei Ausflüffen, Peene Swine und 
Divenow, un Lat beiden Geiten angrenzendem Lande vom Anfange des 
föniglichen Gebiets bis an die Oſtſee und zwar in der Breite des gegen 
Morgen gelegenen Ufers, über welche jich die königlichen furfürftlichen Rom: 
mijjarien bei Beftimmung der Grenzen in Güte vergleichen werden. 

. Zweitens übergibt auch der Kaijer mit Bewilligung des Reichs 
der durchl. Königin der Stadt und den Hafen Wismar jamt der TFeftun 
MWalfiih und Ämtern Poel (ausgenommen die Dörfer Sehedorj, Weitendorf, 
Brandenhufen und Wangern, die zum Hoipital des H. Geiltes in Lübeck ge- 
hören) und Neuflofter mit allen Rechten, womit die Herzöge von Medlen- 
burg jie bisher innegehabt haben. 

8 7. Drittens übergibt der Kaiſer mit — — Reichs der 
durchl. Königin das Erzbistum Bremen und das Bistum Werden mit dem 
Amte ——— . . .. ſamt allen geiſtlichen und weltlichen Gütern, wie 
auch allen Rechten zu Land und Waſſer zu einem immerwährenden und un— 
mittelbaren Reichslehen. . . .. 


c) Friedensſchluß zu Münſter zwiſchen dem Kaiſer und 
der Krone Frankreich. 


11. Artikel. 


869. Damit aber u Friede zwiſchen dem Kaiſer und dem 
allerchriſtl. Könige (von Frankreich) deſto beſſer befeſtigt und dann um 
ſo mehr die allgemeine Sicherheit befördert werde, ſo iſt mit der Stände des 
Reichs Bewilligung um des Friedens willen verglichen worden: 

8.70. Erſtens:, Die Oberherrſchaft, die Landeshoheit und andere 
Rechte, die bisher das röm. Reich auf die Bistümer Metz, Toul und Verdun 
und deren Städte und Gebiete gehabt hat, jollen fünftig auf eben Die Weije 
der Krone Frankreich zuftehen und ihr auf ewig einverleibt jein, jedoch mit 
Borbehalt des Metropolitanrechtes, das dem Erzbistum Trier zufommt. 

8 72. Zweitens übergeben der Raijer und das Reich dem allerchriftl. 
Könige alle Rechte, welche diejelben bis jet an PBinarola*) Ban haben. 

$ 73. Drittens begeben 1» der Railer für fi und das ganze Haus 
Sſterreich wie auch das röm. Reich aller Rechte auf die Stadt Breijach, die 
Landgrafſchaft Ober: und Nieder-Eljaß, Sundgau, die Landamtjchaft 
ver 10 ım Elſaß gelegenen Reichsftädte . . . (werden genannt) und alle Dörfer, 
die zu derjelben gehören, und übergeben fie dem allerchrijtlichen Könige und 
dem Reiche Frankreich... . 

8 75. Es jollaber der König gebunden Jein, an allen Orten 
die katholiſche Religion jo zu erhalten, wie dies von Öfterreid 
aan ist, ——— alle während dieſes Krieges eingeführten 

euerungen abzuſchaffen. 

8 76. Viertens ſoll es dem allerchriſtl. Könige vermöge des Kaiſers 
und des Reichs Bewilligung für immer freiſtehen, in der Feſtung Philipps— 


*) Frz. Pignerol, Schlüffel zu Italien von Frankreich aus; jetzt durch 
Eifenbahn mit Turin verbunden. 


=... AUR: m 


burg des Schußes wegen eine Beſatzung zu halten, welche doch auf eine ge: 
iemende Zahl zu jeten ift, damit feinem Nachbar Verdacht entitehe; auch 

dor fie anf Frankreichs Koſten erhalten werden. — Es foll auch dem Könige 
u Lande und zu ee im röm. Reiche ein freier Durchzug für Soldaten, 
roviant und das jonit Nötige erlaubt fein. 


12. Artikel. 


88. .„... Es jollen zwilchen den Einwohnern der auf beiden Seiten 
des Rheins a Der Ränder gas und Zufuhr, injonderheit aber die Schiff: 
fahrt auf dem Rhein freigelaflen und feinem Teil erlaubt jein, die auf: oder 
abfahrenden Schiffe zu —— unter welchem Vorwande es auch ſei, nur ſo 
viel ausgenommen, als die gewöhnliche Beſichtigung der Waren nötig macht. 
Es joll auch nicht erlaubt jein, neue und ungewöhnliche Zölle und andere 
Abgaben am Rhein anzulegen, fondern jeder Teil joll mit den ordentlichen, 
— der öſterreichiſchen Regierung vor dieſen Kriegen üblichen Zöllen ſich 

egnügen. 

Dieſes iſt abgehandelt worden zu Münſter in Weſtfalen den 24. Oktober 
des Jahres 1648. 


Das Friedensfeſt zu Nürnberg 1649. 


Ein einziger Freudenruf ertönte durch das ganze Deutſchland, 
als die Nachricht erſcholl, es ſei nun endlich Frieden. In allen 
Kirchen, die vom Kriege einigermaßen verſchont worden, luden die 
Feſtglocken zum Dankgottesdienſte ein. Zu Nürnberg hielten kaiſer— 
liche und ſchwediſche Führer ein —— Es be: 
gann um 5 Uhr. Die große Halle des Rathauſes war glänzend 
erleuchtet und 4 Muſikchöre ſpielten abwechſelnd luſtige Weiſen. An 
langer Tafel ſaßen friedlich unter einander kaiſerliche und ſchwediſche 
Heerführer. Sie wollten zum Schluſſe ein Kriegsſpiel aufführen 
und wählten dazu den Fürſten Piccolomini und den Pfalzgrafen 
Karl Guſtav von Zweibrücken, den ſpäteren König von Schweden, 
zu Hauptleuten, den ſchwediſchen Feldmarſchall Wrangel zum Korporal. 
Alle anderen anweſenden hohen Offiziere ſtellten Musketiere dar. 
‚In Reihe und Glied zogen fie um die Tafel, rückten dann nachts 
um 2 Uhr auf die Burg und brannten jogar Geichüge ab. Hierauf 
gingen fie zurüd und wurden vom Dberit Kraft jcherzweile abge: 
dankt und des Friedens wegen aus dem Dienſte entlajjen. 

Für die Armen der Stadt gab es bei diejem Feſte 2 gebratene 
Ochſen und Wein die Fülle. 


Das Zeitalter Ludwigs XIV. 


1648—1715. 


Diener tragen insgemein ihrer Herren 
Liverei. 

Soll’s dann fein, daß Frankreich Herr, 
Deutichland aber Diener jet? 
Freies Deutichland ſchäm' dich doch 
diejer jchnöden Knechterei! 


Alamode-Rleider, Alamode-Sinnen; 
Mie fich’s wandelt außen, wandelt fich’s 
auch innen. 


Karl Ludwig der MWiederheriteller der Pfalz. 
1648—1680. 


Karl Ludwig fam am 6. Dftober 1649, einem Samstage von 
Nürnberg, wo er an dem großen Friedensfejte teilgenommen hatte 
und erreichte zwijchen 3 und 4 Uhr bei dem Städtchen Mosbach zu: 
erit Pfälzer Boden. Seine Untertanen hatten von jeiner Ankunft 
gehört und waren ihm mit fliegender Fahne entgegengezogen. Da 
aber unfreundliches Wetter herrichte, nahm er die Huldigung der 
Untertanen nicht auf freiem Felde vor, jondern in dem Gajthauje 
„Zur Krone“. Am Tage vorher waren bereits die Kapuziner aus 
der Stadt gezogen, nachdem jte jich freundlich von den Reformierten 
verabichiedet hatten. Am andern Morgen fand ein feierlicher Kirch: 
gang Itatt und der reformierte Pfarrer predigte von dem Könige, 
der jeinem Sohne Hochzeit hielt jo erhebend, dab allen vor Freude 
über die ausgejtandene Trübjal Tränen in die Augen traten. Aber 
bald nach dem Gottesdienjte eilte der junge Fürſt nad) der Heimat. 
Schon dunfelte es, als die ftolzen Mauern jeines Ahnenjchlojjes vor 
ihm und jeinem treuen Bruder Philipp ſich erhoben, zum Teil zer: 
ſchoſſen und die Stadt, das Gegenteil von dem, das er vor 31 Jahren 
als Kind geſchaut. Am Markte jtieg der Kurfürjt ab und weil das 
Schloß nicht bewohnbar war, bezog er das Amtshaus, wo ihn 
lofort der Gejandte des Kurfürjten Maximilian im Namen jeines 
Herrn beglüdwünjchte und ihm meldete, daß bereits zwei Tage vor: 
her die bayerijchen Soldaten die Pfalz geräumt hätten. Nur Franten- 


- 500 — 


thal blieb bis zum Jahre 1652 in ſpaniſchen Händen, bis dieſe für die 
Ietung das ſtarke Beſançon erhielten. Aber wie ſah die Pfalz aus. 

er lachende Garten, den ſeine Vorfahren von ihrem herrlichen 
Schloſſe aus täglich geſchaut hatten, war in eine Einöde verwandelt. 
Die Felder waren mit Dornen bewachjen, die Dbjtbäume ver: 
\hwunden und die Weinberge verwültet. Wo fich einjt hochgiebelige 
Bauernhäujer mit hübjchem Fachwerkbau in langen Zeilen an den 
Straßen Hinzogen, fanden fich jet elende Hütten, jelbjt in den um: 
mauerten Städten ſtanden viele Häujer verödet. Noch zogen allent- 
halben Marodehaufen und Schnapphähne durch das Land, noch 
haufte „das Untier”, der Wolf rudelweije in den Wäldern des Oden— 
waldes und der Haardt. Karl Ludwig verzagte nicht, er hatte in 
der bittern Schule des Krieges Geduld erlernt und ging daher mit 
frohem Mute an die Arbeit. Wer wülte Felder urbar machte, war 
für ein Jahr fteuerfrei, wer ganz verwilderte Pläte ordnete, für 
drei Jahre, wer Weinberge anlegte, brauchte 6 Jahre lang keinerlei 
Abgaben zu entrichten. Die nach der Schweiz, nad) den Nieder: 
landen und nad) Norddeutichland entflohenen Pfälzern Iud er freund: 
lich ein, doc) ja wieder in die Pfalz zu fommen. Wer alte Häujer 
ausbefferie, ſollte auf zwei Jahre, wer neue erbaut drei Jahre von 
jeder Häuſerſteuer frei jein. Da kamen denn wieder die vertriebenen 
Pfälzer Bürger und Bauern aus fremden Ländern auch fremde 
Siedler meldeten fich und ſchon nad 10 Jahren waren die Spuren 
des Krieges jo verwilcht, daß ein franzöfilcher General, Grammont, 
das ſchöne Land nicht wieder erfannte. Wie arm aber das Land 
war, geht daraus hervor, daß der Kurfürſt, als er 1652 zum Reichs— 
tage nach Regensburg reilte, ſich 50 Taler von einzelnen Städten 
borgen mußte. 

„Nach vielen mühjeligen Verhandlungen zwilchen den Höfen 
zu Wien und Heidelberg war der Auszug der Spanier aus Franten: 
thal auf den 26. April 1652 feftgejegt und der Kurfürft Karl Ludwig 
mit jeinem ganzen Hofitaate und einem Heerhaufen von 1800 Mann 
erjchien vor der Feſtung, in der der |panijche Kommandant Frangi- 
pani mit Vorwänden den erwarteten Abzug verzögerte. Wirklich 
war aud Troß und Gepäd jo majjenhaft, daß es einiger Vorbe— 
reitung bedurfte zu einem vollitändigen Abzuge. Bis zum 1. Mai 
ward der Kurfürſt zu Worms hingehalten, dann verijprad; man ihm, 
der Auszug werde bejtimmt am andern Tage ſtattfinden; er fam 
mit jeinen Truppen nach Frankenthal und — abermals bat der 
Gouverneur um Friſt; die Truppen, hieß es, hätten heute ihren 
Sold empfangen, jeien jet in trunfenem Zuftande und bei einem 
Auszuge müjje man Exzejje befürchten. Nun bejtimmte Karl Ludwig 
den Auszug auf den folgenden Morgen (3. Mai), da zog denn die 
Beſatzung von 1000 Mann hinaus und obwohl die Hälfte zu Land 
ihren Marſch antrat, man doc 28 Schiffe um den Reit 
jamt dem Trojje und den Vorräten fortzubringen. — SHundertund: 


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fünfzig Wagen mußten zweimal den Weg von Frankenthal an den 
Rhein machen um die Beute fortzujfchleppen,; an Borräten allein 
waren es 300 Achtel Hafer, 400 Malter Mehl, 300 Malter Korn 
und über 70 Fäller Wein. — Kein Wunder, daß die ſpaniſchen 
Hungerleider mit Wehmut eine Stadt verließen, die fie ſeit 30 Jahren 
in jo ungeheurem Maße ausgebeutet hatten; fein Wunder, daß der 
Kommandant beim Herausziehen die liebe Erde füßte und jegnete, 
die jo ergiebig ein ganzes Menſchenalter die Tajchen der Fremden 
gefüllt hatte. — Der Kurfürjt war erjt jeßt jeines vollen Beſitzes recht 
froh; er bejchenfte die fremden Offiziere noch reichlich, erfreut genug, 
daß ie jeinem Lande endlich den Rüden wandten“ und warum hatte 
Spanien jo hartnädig auf dem pfälziichen Frankenthal beftanden; 
weil Kaijer Ferdinand Ill. dem jpanilchen Könige für die geleijteten 
Kriegsdienite feine Entichädigung gegeben hatte. 


Karl Zudwig im Kampf um feine Rede. 


Nach) dem Tode Kaijler Ferdinand Ill. 1657 wurde Kurfürft 
Ferdinand Maria von Bayern 1651 — 1679 Reichsverwejer, weil jein 
Bater Maximilian I. 1623 mit der pfälzilchen Kurwürde belehnt 
worden war, die neue 1648 errichtete Kurwürde, die Karl Ludwig 
befam, aber mit diejem Rechte nicht verbunden wurde. Karl be= 
anjpruchte dieſes Necht für ih. Als fich die deutjchen Kurfürften 
zur Beiprechung der Kaiſerwahl in Frankfurt a. Main verjammelten, 
erſchien auch Karl Ludwig, während der Bayernfürjt jeinen Rat 
Dr. Dexel ſchickte. Diejer las in der Sitzung vom 7. Mai 1658 
eine gegen Kurpfalz gerichtetes Schreiben vor, das Karl Ludwig 
jo erbitterte, daß er ſich das Weiterlejen verbat. Dexel ließ ſich 
nicht beirren und fuhr weiter, — da flog ihm das Tintenglas des 
Aurfürften an den Kopf. Dexel ftörte fich jcheinbar nicht viel daran 
und las weiter, bis er zu Ende war. Ferdinand erfuhr bald von 
der Beleidigung jeines Rates und verlangte Genugtuung, Karl Ludwig 
bat jchließlich um Entjchuldigung. 

Mit jeinen Nachbarn geriet Karl Ludwig auch bald in Streit, 
weil er Anſpruch auf die jogenannten Wildfänge, das find die heimat- 
Iojen Leibeigenen und die unehelich Geborenen erhob, die fich in den 
mittelrheinijchen Ländern niederließen. Bejonders wehrten fie gegen 
Karl Ludwigs Forderung, daß diefe Wildfänge nur feine Unter: 
tanen jeien, der Herzog von Lothringen und der Erzbiſchof von 
Mainz. Auc gegen den Bilchof von Speyer wandte fich der Kur— 
fürft, der in dem bilchöflichen Gebiete die Geleits: und Zollrechte 
forderte. 

Als der Herzog von Lothringen mit feinen Leuten die Burgen 
des Bilchofs zu deſſen Schuß bejegte, famen am 2. September 1666 
etwa 70 kurpfälziſche Söldner von Neuftadt a. H. in den Wald von 


— 502 — 


St. Martin und nahmen zwanzig Stück Vieh weg, das ſie nach 
St. Lambrecht führten. Am 6. September ſpannten Kurpfälzer aus 
Neuſtadt den Bauern von Kirrweiler die Pferde aus und brachten die 
Beute nach Neuſtadt. Die Pfälzer erſtürmten die Kirche zu Ham— 
bach und das fürſtliche Schlößchen daſelbſt. In der Kirche brachen 
ſie die Sakriſtei auf, zerſchlugen die Heiligenbilder und zertrümmerten 
den Taufſtein, plünderten das Pfarrhaus und ſchleppten 70 Stück 
Rindvieh weg. So gings wochenlang weiter. Am 25. Oktober 1666 
zog die kurpfälziſche Armee, an deren Spitze Karl Ludwig ſelber 
war, bei Germersheim über den Rhein und marſchierte durch Zeis— 
fam, Eſſingen, en gen Rirrweiler, das von den Xothringern 
bejegt war und auern hatte. Mit 4 Gejchügen bejchoß Karl 
Ludwig die el ei Feſte, bis gen Mittag. Die Lothringer 
flohen. 2 Tage hauften die Pfälzer in dem wohlverjehenen Kirr: 
weiler; für 2000 Gulden Wingertitiefel und Balfen verbrannten, 
mehr als 100 Stüd Rindvieh wurden weggeführt. 

Als jedoch die Lothringer mit Verſtärkung famen, wichen die 
Pfälzer und jchlugen bei Geinsheim ein befeitigtes Yager auf. Dazu 
fam noch eine furchtbare Pet, die das ganze Rheinland heimjuchte 
und durch die Kothringer und Pfälzer immer noch mehr verbreitet 
wurde. Erit am 17. Februar 1667 wurde Frieden unter den 
Streitenden geſchloſſen. Karl Ludwig behielt das Wildfangrecht, 
wenn auch mit Einjchränfung. 


Die Raubkriege Ludwig XIV. 
1667/68, 1672/79, 1688/97. 


Nach dem Tode TFerdinands Ill. 1637—57 wollte Frankreich 
die Wahl eines Habsburgers hintertreiben und 15 Monate lang blieb 
der Kaiſerthron ledig, bis 1658 die deutichen Fürften dennoch 
Terdinands Sohn Leopold zum Kaiſer wählten (1658—1705). 
Damals jchlojjen rheiniiche Fürlten den erjten jogenannten Rhein: 
bund, dem auch Ludwig XIV., weil er als Schugherr der 10 
elfäffiichen Städte Reichsfürft war, beitrat. Als Rheinbundesfürft 
jandte er jogar dem Kailer Truppen gegen die Türfen, die 1664 
bis zur Raab in Ungarn vorgedrungen waren: Der Kaiſer aber 
Ihloß troß des Sieges, den ſein Feldherr Montecuculi erfocht, mit 
dem Erbfeind der Chrijtenheit einen 2Ojährigen Waffenitillitand um 
die franzöſiſchen Truppen los zu werden. 

Ludwig XIV. hatte die Tochter des ſpaniſchen Königs Philipp IV. 
zur Gemahlin und als daher 1665 jein Schwiegervater ftarb, erhob 
er Anſprüche auf die ſpaniſchen Niederlande und ließ fie 1667 be- 
legen. Weder Spanien noch das deutjche Reich leilteten den be— 


—— 


drängten Niederländern Hilfe, ſo daß dieſe ſich an die mächtigſten 
andern Staaten, an England und Schweden wandten und mit ihnen 
einen Dreibund ſchloſſen. Ludwig war daher raſch zum Frieden 
bereit und gab jeinen Raub bis auf 12 Städte in Flandern 
heraus. 

Nicht beifer erging es Ludwig XIV. im 2. Raubfriege. 
Er hatte ſich unterdejjen mit England und Schweden, deren Könige 
er durch Geld gewann, verbündet. Die Engländer jollten vom 
Meere angreifen, Ludwig von Süden vordringen und die Schweden 
den Großen KRurfürften Friedrih Wilhelm von Preußen in 
Shah halten. In diejer Not Ddurchitachen die Holländer ihre 
Dämme, die Engländer aber fonnten wegen der Ihwachen Flut an 
der flachen Külte nicht landen, wurden vielmehr von dem nieder: 
ländiſchen Admiral Ruyter in vielen Seeſchlachten gelchlagen. 

Mit dem Großen Kurfürften trat auch der Kaiſer Xeopold auf 
den Kriegsichauplaß, der jeinen Feldherrn Montecuculi an den Rhein 
ſandte. Raſch befahl Ludwig dem Marjchall Turenne am Oberrhein 
zu ericheinen und alle feiten Plätze zu bejegen. Endloje Truppenzüge 
marjchierten nun durch das Weſtrich in die VWorderpfalz, allent- 
halben mußten Yebensmittel für die rohen Soldaten beichafft werden. 
Weil Kurfürft Karl Ludwig nicht auf Seite der Franzoſen trat, 
bejegten dieſe jofort jeine Feſtung Germersheim und jchleiften fie. 
Die reichen rheinijchen Dörfer, die faum das Elend des Dreißig- 
jährigen Krieges überjtanden hatten, gingen in Flammen auf, Mit 
Kummer Jah Karl Ludwig alle Schöpfungen jeines langjährigen 
Tleißes dahinfinten. Als er, der ohnmächtig gegen das große 
Heer Turennes war, nicht mehr länger der Schmach zuichauen 
fonnte, jandte er dem Marjchall einen Brief, in dem er ihn zum 
Zweilampfe aufforderte, weil er nicht an der Spitze eines Heeres 
auftreten fonnte. Turenne lehnte ab. Die Berwültungen nahmen 
ihren Fortgang und von Bhilippsburg aus fielen täglich franzöftjiche 
Soldaten ins pfälziiche Gebiet. 

Am 1. Januar 1676 kam ein franzöfiicher Bote nach Zwei— 
brüden und meldete auf dem Rathauſe, daß eine Truppe von 
4000 Mann unter dem Grafen von Choijeul von Ernftweiler her durch 
die Stadt zu ziehen wünjche. Der Rat bedauerte nicht entgegen 
fommen zu fönnen, da der Fürft in Meijenheim weile. Unterdeſſen 
wurde es Abend und Choijeul ſchickte einen Parlamentär vor das 
untere Tor, erhielt aber die gleiche Antwort wie der erſte . . . Am 
2. Januar jahen die Zweibrüder, wie die Franzojen vom untern 
zum obern Tore marjchierten und glaubten jchon, die läftigen Gäſte zögen 
ab. Aber nicht weit von der Umfafjungsmauer jtellten dieje ihre 
Geſchütze auf und jchojjen Granaten in die Stadt. Da die deutjchen 
Heere jenjeits des Rheines in den Winterquartieren lagen, war an 
Hilfe nicht zu denken und weil die Franzoſen veriprachen feine 
Gewalttaten zu verüben, gaben die Bürger ihre Stadt in deren 


— 54 — 


Gewalt. Jeder Bürger befam mehrere Soldaten in’s Haus und wenn 
dieje mit der gebotenen Verpflegung nicht zufrieden waren, erhielten die 
Bürger Schläge. Erjt im Herbit 1676 erjchien ein deutſches Heer 
unter dem Herzog von Braunjchweig. Die Franzojen jtauten daher 
‚das Waller des Hornbadhes und des Schwarzbaches und jeßten in 
wenigen Tagen das große Wiejental unter Waller. Weil der 
franzöjiiche Befehlshaber ſich weigerte die Stadt zu übergeben, jo 
legte der Herzog auf dem Kreuzberg ein befeitigtes Lager an umd 
beihoß die Stadt 9 Stunden lang. Die Stadt blieb in franzöfilchen 
Händen und die Deutjchen zogen abermals über den Rhein in die 
MWinterquartiere. 

1677 wandte fi) das Kriegsglüd und die Franzojen zogen ſich 
urüd, befahlen aber den armen weitricher Bauern bei Todesitrafe 
in den nädjiten 3 Jahren fein Land zu bebauen und feine Wohnungen 
herzuftellen, damit fich fein Heer hier aufhalten fünne. 

Auf diefem NRüdzuge tamen 200 Dann Franzojen unter dem 
Grafen Buſſy nad) Zweibrüden, um auch dieje Stadt für den Feind 
unbrauchbar zu machen. „Die öffentlichen Gebäude wurden aus: 
geraubt und die beiten Sachen auf Wagen nach Frankreich gebracht. 
Darunter befand ſich die wertvolle herzogliche Bücherei nebit den 
Urkunden, die auf 16 Wagen gepadt waren. Niemand weiß heute, 
wo dieje hinfamen. Dann jchlojjen die Brandmeilter die Bewohner 
der Stadt in die Alexanderfirche, legten unter die Ringmauern, 
Stadttore, Türme, Wälle, Schanzen jowie unter 2 feiten Türme 
des alten Schlojjes Minen und jprengten alles in die Luft. Münze, 
Zeughaus, altes Schloß und Rathaus wurden den Flammen preis: 
gegeben, die großen Gloden der Kirche herabgenommen und von 
der Artillerie weggeführt (Glodenrecht im Kriege). Nach 24 Stunden 
war das Schandwerf getan und die geängjteten Bewohner durften 
die Kirche verlaſſen. Jetzt aber begann unter dem Rufe der 
Franzojen: „Es lebe der König“ eine gründliche Plünderung, bei 
der die Wittelsbacher Toten in der Alexanderkirche nicht gejchont 
wurden. Am 10. Februar 1677 legten die Mordbrenner auch unter 
den herrlichen Turm der Kirche eine Pulvermine und |prengten ihn. 
Krachend jtürzte er zulammen und zerichlug im Fallen das Yang: 
haus der Kirche, von der nur das Chor unverjehrt blieb. Nach 
diejer Arbeit zogen die Franzoſen ab. 

TZurenne fiel ſchon 1675 im Gefechte bei Saßlach gegenüber 
Straßburg und in demjelben Jahre erfochte Friedrich Wilhelm von 
Preußen bei Fehrbellin einen glänzenden Sieg über die Schweden; 
aber exit 1679 jchlojjen Ludwig XIV. und Kaijer Leopold zu Nim— 
wegen Frieden. Ludwig befam die bisher jpanilche Freigrafichaft 
und 12 niederländilche Städte. Philippsburg, der Hauptzanfapfel, 
fiel an das deutſche Reich. Ä 


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Pfalzgraf bei Rhein und Kurfürst 1648 — 1680. 





Aus: Julius Küchler, Chronik der Stadt Kaiserslautern, 1908. 


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KARL LUDWIG, 
Pfalzgraf bei Rhein und Kurfürst 1648 — 1680. 


Aus: Julius Küchler, Chronik der Stadt Kaiserslautern, 1908, 


— 505 — 


Zudwig XIV. bemädhtigt fi) der Städte Kolmar 
und Straßburg. 1673 und 1681. 


Der Schufter Matthias Tauberer von Kolmar erzählt die Einnahme 
der Städte Kolmar und Straßburg wie folgt: 

Anno 1673 den 18. Auguft ft die Stadt Rolmar von dem Könige in 
Frankreich, der unjer Schußherr jein follte, überliftet worden. Erſtlich vor 
der Ernte find an die fünfhundert Reiter auf den Abend über die lange 
Brüde herübergetommen. Sie haben von den Wiehherden, Ochien, Kühe, 
Schafe und alles, was fie haben befommen fönnen, umgebradht und gemegigt 
und hatten ihr Lager bei der langen Brüde auf der Matten. Gie — ge⸗ 
braten und geſotten und haben die Ziegelbrennereien geplündert, Wein und 
Branntwein genommen und alles, was * * bekommen können. Sie ſind 
etliche Wochen dort gelegen und haben ſich nicht für Feinde erklärt, ſondern 
als Freunde. Das ſind aber böſe Freunde, die einem das Seine nehmen. 
Man hat keinen einzigen Schuß gegen fie getan, und hat die Bürgerſchaft 
ſtark müffen wachen. Man hat ihnen gegeben, was fie gewollt haben um 
Geld, bis fie wieder hinweg jind gezogen. 

Zum andernmal, als fie wieder gefommen find, diejelben Reiter, ſind 
jie vor die drei Tore der Stadt gelegen und haben die Schildwachen davor 

— Ihr Lager haben ſie wieder bei der langen Brücke — Sie 
ind wieder in der Stadt ein- und ausgegangen, und man hat ihnen 
wieder gegeben, was fie gewollt haben. Sie haben ſich auch wieder für 

reunde erflärt, aber es find uns böje freunde geworden. Gie find da ge- 
egen, bis die ganze Macht zujammengelommen tft, und haben allerlei Liſt 
gebraucht. Erjtlich haben fie gejagt, der König wäre in das Land gefommen, 
er hätte Breiſach bejehen und begehre, auch einen Einzug in die Stadt Kolmar 
zu halten. An die Herren der Stadt aber begehre er, fie jollten die großen 
Stüde (Kanonen) von den Wällen abführen. — es getan. Danach be— 
gehrte der Oberſte, man ſolle auch die andern Stücke zurückziehen, der König 
begehre, nicht ein Stück zu ſehen, und es ſolle auch kein Schuß getan werden. 
Man hat alles getan, weil der König unſer Schutzherr hat ſein ſollen. Man 
hat auch müſſen aus allen Orten Hafer, Heu und Stroh nach Türkheim bringen. 
Dort, ſo hieß es, müſſe die meiſte Reiterei warten, bis der König wieder 
zurückkomme; aber es iſt auf ein anderes angeſtellt worden; hätten wir uns ge— 
wehrt, hätten fie keine Fourage gehabt. 

Nun ift die Nachricht gefommen, der König wäre angelommen. Der 
erite Mari kam an. Unjere Herren (die Stadtobrigfeit, die Ratsherren) 
fuhren hinaus, und ift fein einziges Tor zugemacht worden. Mittlerweile 
rückte die Reiterei in die Stadt und hat die Wachen ſelbſt beftellt. Die Stadt: 
joldaten und Bürger haben müfjen abziehen, und die Franzoſen haben vor: 
gewendet, der König wünjche, wenn er ee daß nicht Bürger und Stadt: 
\oldaten an den Toren jeien, bis er wieder hinausziehe. Aber es war alles 
faljch gemeint. Wir haben’s, Gott erbarm, wohl erfahren. 

Den andern Tag ijt die ganze Macht hereingezogen, auch des Königs 
Reibgarde, aber der König ift nicht herein gefommen; er ift bei der Stadt 
vorüber gezogen auf Breilah. Und es ind auf die neuntaujend den 
andern Tag zu Fuß und zu Pferd hereingezogen, mit ihnen vier große Stüd, 
Kugeln und Pulver und Schaufeln und a exhand Saden und viel Minierer; 
und hat der geringfte Bürger bis zu fieben in das Haus befommen, und haben 
ihnen müſſen Eſſen und Trinfen geben. Den dritten Tag, nad) dem fie herein- 

efommen, haben die ganze Bürgerjchaft, Stadtjoldaten, Hinterjaffen und 
Ledige alles Gewehr müſſen auf den Wagfeller tragen. : Danach jind die 
Franzoſen über alles Meijter gewejen und haben angefangen, das Zeughaus 
zu plündern, und haben alles Kan ae für viel taujend Gulden Wert, 
und haben die Wälle angefangen zu jchleifen und die Ringmauern und alle 


38 


— 506 — 


Türme niederzureißen. Und an die hundert Minierer haben die Mauern 
unter den Wällen miniert und geſprengt und alles zerſtört. Und iſt alles 
offen gemacht worden, daß ein jeder aus und ein hat können kommen wie in 
einem Dorfe. 

Und haben die Bürger den ganzen Winter die Soldaten erhalten 
müſſen, und haben dieje allen Vorrat helfen aufefjen und trinfen, aljo daß 
es viel arme Leute hat gegeben. Und im Sommer haben wir viele Durch— 
züge gehabt. 

Aus dem Jahre 1681 erzählt Matthias Tauberer folgendes: 


Anno 1681 den 21. September ift königliche Majeftät in Frankreich 
zum erjtenmale jamt jeiner Gemahlin und jeinem Sohne, dem Dauphin und 
jamt jeinen Generalen und vielen vornehmen Herren und Frauenzimmern 
mit vielen Kutichen und vornehmer Reiterei hereingetommen in KRolmar. 
Es iſt jein Reiſemarſch aus Frankreich geweien, jeine Städte zu bejuchen, 
die er befommen hat. Zum erjten auf Schlettitadt, ijt über Nacht da ge- 
blieben. Bon Gchlettftadt auf Breifad), von Breiſach auf Freiburg, von 
——— auf Enſisheim, von Enſisheim nach Hüningen, danach wieder auf 

nſisheim und von Enſisheim hier auf Kolmar. Und iſt über Nacht ge— 
blieben auf dem Wagkeller jamt jeinen vornehmen Begleitern. Und find da= 
zumal zwei NRegimenter zu Fuß bier gelegen, aber fie waren bald nad) dem 
König hinweg. 

Bon Kolmar ift der König auf Straßburg gezogen und hat fich ſamt 
feinen vornehmen Leuten etliche Tage in Straßburg aufgehalten, daß er alles 
hat können bejehen. Die Stadt Straßburg hat Jid) —38— gehalten, der 
König in Frankreich hat nicht einen Mann davor verloren, ſie haben nicht 
einen Schuß getan, iſt ihnen ein großer Spott im — römiſchen Reiche. 
Man hat ihnen auch viel Stück genommen und das Gewehr von den Bürgern, 
und ſind viele franzöſiſche Soldaten darein gelegt worden. Von Straßburg 
iſt der König ſamt ſeinen vornehmen Leuten wiederum in mes gereift. 
Dan hat bier etlichemal gejagt, und iſt nach Straßburg etlichdemal Wildbret 
geichieft worden dem General, der in der Stadt gelegen ijt. Die guten Straß- 
burger haben’s nicht gemeint, daß es ihnen jo werde gehen; es heißt wohl 
im Sprihwort: Trau, jchau, wen? 





Der Kurfürſt Friedrich IN. fordert von dem Kaiſer 
die Rettung Straßburgs. 1696. 


Eurer faijerlichen Majeſtät fann nicht unbefannt jein, welch große Sorge 
und Beunruhigung bei allen getreuen Ständen des Reichs, abjonderlich in den 
oberen Kreijen (Oberdeutichland) daraus entitanden ift, pe. jeit einiger zeit 
lich hat verlauten lafjen, es wäre zu befürchten, daß bei erfolgendem Frieden 
mit Frankreich die Stadt Straßburg, wo nicht jchlechterdings, dennod) gegen 
vermeinte Entihädigung jelbiger Krone gelafjen werden dürfte. Gleichwte Hi 
nun bei gegenwärtigem Kriege, wie Eure faijerliche Majeftät mir hoffentli 
jelbjt das Farbe geben werden, allemal eine getreue und redliche Abjicht 
gehabt und das gemeine Beite mit Rat und Tat überall gern, joviel mir 
ss. wen iſt, befördert habe, auch noch ferner befördern will: aljo 
werden Eure kaiſerliche Majeſtät mir hoffentlich zu Gnaden halten, wenn 
ich in dieſer wichtigen Angelegenheit, da es ſich um des Reiches Wohl— 
fahrt handelt, und wovon gleichſam alle Gejchide der fommenden Zeit 
abhangen, nad) den jchweren Pflichten, womit Eurer faijerlichen Majeſtät 
und meinem Waterlande ich verbunden bin, meine wohlgemeinten Gedanken 


= 7 


zu eröffnen die Freiheit nehme, die dann notwendig dahin gehen müſſen, daß 
man die Waffen in feiner Meile niederzulegen oder ich mit Frankreich in 
irgendwelcher Geſtalt zu vergleichen habe, es jei denn, daß die erwähnte 
Stadt —— ee lie Reiche wieder abgetreten werde. Der Ber: 
luft, welcher dem Weiche durdy Überlaſſung diejes hochwichtigen Orts an 
re: widerfahren und das Unglüd, jo demjelben daraus in fommender 

eit unfehlbar erwachſen würde, ift durch fein Äquivalent (Bleichwertiges), 
wie jolches auch erdacht werden möchte, zu verbeifern. Der Zwed, den man 
ſich im Reiche bei gegenwärtigem jchweren Kriege vorzujegen hat, muß billi 
diejer Jein, Daß durch den Fünftigen Frieden die Sachen zwilchen dem Neid) 
und Frankreich auf einen ſolchen Fuß gerichtet werden, daß jenes von diefem 
nicht gleichſam alle Tage einer neuen Unruhe und Verehrung in den eigenen 
Eingeweiden des Reiches oder wohl gar einer gänzlichen Unterjochung fich 
zu befahren habe: hiezu ift nun aber eine neh Gelegenheit, wenn 
Straßburg in den Händen der Krone Frankreich bleibt. 

Ich meinesteils bin zwar der Gefahr jo gar nahe eben nicht gejejfen, die 
treue Sorge aber, die ich für alle meine werten Mitſtände als Glieder eines 
Leibes, abjonderlich für Eure faijerliche Majeftät hege, veranlaßt mich, dieſe 
dem gemeinen Mejen bevorjtehende große Befahr nicht anders, als wenn 
fie mih und mein Haus ganz allein beträfe, zu betradhten, auch Eure 
faijerliche Majeſtät gehorjamjt zu erjuchen, fie wollen, gleichwie fie bishero 
auf die völlige Wiederbefeftigung des weitfäliichen Friedens in jeinem eigent: 
lichen wahren ®erftande überall rühmlich angetragen, auch ſich darüber mit 
dem Staate und anderen Verbündeten in gewiſſe, neulich abermal erneuerte 
Bündniſſe eingelajien haben: aljo auch bei ihren reichspäterlichen Grund: 
jägen fejt beharren und von der Reftitution der Stadt Straßburg ans Reid), 
was auch für ein Aquivalent angeboten werden möchte, in feine Wege ab: 
ftehen, worin dann diejelbe bei ihrer föniglichen Mlajeftät in England uns 
allen fibrigen, jo eine beftändige Beruhigung der Chriltenheit verlangen 
und juchen, außer Zweifel völligen Beifall und allen zur Erreichung eines 
jo heiljamen Zwedes nötigen Beiltand finden, bei dem Weich aber und der 
\päten Nachwelt ihrem Erzhaufe Öfterreich dadurch ein neues und unver: 
welfliches Berdienft erwerben werden. Womit etc. etc. 


Kleve den 7. Auguft 1696. 


Landau, das Einfalltor der Franzoſen. 


Im Weitfäliichen Frieden hatte Frankreich die Landvogtei über 
10 eljäjfiiche Städte, darunter auch Landau erhalten und meinte 
nun mit diejen Städten nach jeinem Gutdünken handeln zu können. 
1649 befamen daher die Yandauer, die noch jeit dem Kriege unter 
franzöfiicher Bejagung zu leiden hatten, einen franzöfijchen Schultheißen, 
der jedoch bald weichen mußte und als die fremde Bejagung 1650 
endlich abzog, erfreute fich die alte Reichsitadt wieder 10 Jahre lang 
ihrer Selbſtändigkeit. 

Um aber die 10 Reichsitädte ganz in jeine Gewalt zu befommen, 
ließ Zudwig XIV. am 18. Dezember 1661 die Bertreter der Städte 
nah Hagenau fommen, wojelbit fie dem Oberlandvogt des Königs 
Ludwig den Eid der Treue leilten jollten. Aber der Eid war jo 
abgefaßt, daß die Vertreter Landaus, die treu zu Kaiſer und Reich 
hielten, den Eid nicht leilteten jondern heimfehrten. 1662 jchon 


33 * 


— 508 — 


zwang fie der König, den verweigerten Eid abzulegen und 1673 
bejegten die Franzojen die Stadt, zu deren beiden Toren fie die 
Schlüfjel in Verwahr nahmen. Im 2. Raubfriege war die arme 
Stadt bald von den Kaijerlichen und bald von den Franzoſen beiett, 
die es jeit 1680 als alleinigen Befig betrachteten. Die Landauer wurden 
gezwungen, franzöfiiche Kleidertracht anzulegen und die Geburts: 
und Namensfeite der Mitglieder des Rönigshaujes zu feiern. Gleich— 
zeitig wurde verordnet, daß proteitantilche Kinder vom 7. Lebens— 
jahre an den Glauben ihrer Eltern abſchwören könnten und ſolchen 
Kindern wurde das Recht eingeräumt, das Elternhaus zu verlajien 
und fih in fatholiichen Familien auf Koften der Eltern erziehen 
und verpflegen zu lajjen. 

Landau jollte aber auch in ein jtarfes Bollwerk gegen das 
deutjche Reich umgejchaffen werden. Daher erjchien 1687 der große 
Feltungsbaumeilter Bauban um den Ort zu befichtigen umd die 
Pläne zum Bau auszuarbeiten. Schon im Frühjahr 1688 legte 
der Kriegsminifter Louvois jelbit, der den teufliichen Befehl zur 
Verbrennung der Pfalz gab, den Grunditein zu der ſtarken Felle. 
Die zahlreichen alten Gebäude Landaus mit den engen Bajjen waren 
dem Franzoſen höchſt läſtig, daher leiteten fie eines Tages die 
Queich, die die Stadt durchfloß, ab. In der Nacht vom 23. auf 
den 24. Juni 1689 brady an vielen Orten Feuer aus und in 10—I1 
Stunden lag °/, der Stadt in Aſche. Da die Lölchmannjchaft von 
der franzöfilhen Bejagung mit Gewalt vom Löjchen abgehalten 
wurde und ſchon vorher zahlreiche Branditiftungen der Goldaten 
vorfamen, jo war dieje Feuersbrunft ficher ein Werk der Franzoien, 
die breite gerade Straßen und einen jchönen Paradeplatz wünjchten, 
was auch bald in Erfüllung ging. 


Bauban jchrieb inbjeinemgGutahten an den König 1688: 


„&s jcheint mir geboten, diejes Einfalltor zu jchließen, fowohl 
um Eljaß und Lothringen zu fichern, als bejonders deshalb, um 
einen feiten Rückhalt zu gewinnen für die Durchführung großer 
Vorhaben im beiten Teile von Deutjchland und gerade in dem, 
der uns am beiten zuſagt. Ein ſtark befeitigtes Landau würde uns 
in jtand jegen, in Kriegszeiten über die benachbarte Bevölkerung 
der Pfalz wie über unjere eigenen zu verfügen; ein feites Landau 
fönnte, jo lange die Zugehörigkeit von Philippsburg eine offene 
Frage ift, viel zur Gewinnung diejer Rheinfeitung beitragen und 
die Behauptung Philippsburgs fichern, jobald es in unjere Hände 
gefallen jein wird.” Heufer, Die Belagerungen von Landau. 
1.38. XXI. | 
If Trogig hatte Bauban an das Tor der neuen Feltung jehreiben 
allen: 

Nec pluribus impar. 


(Auch vielen gewadhjen.) 








Franzöſiſches Tor in Landau (1688). 


— 510 — 


Die Türkenkriege 1683—1699. 


Der zwanzigjährige Waffenftillitand zwiſchen Oſterreich und 
der Türfei war noch nicht abgelaufen, als jchon der türfilche Groß— 
weiir Kara Muſtafa 200000 Dann bei Belgrad jammelte, um 
die aufrühreriihen Ungarn gegen den Kailer zu unterjtüßen. 
Schon am 12. Juli 1683 langten die erjten türfilchen Reiter vor 
Mien an, das Kailer Leopold, als er das SHerannahen des Erb: 
feindes der Chriltenheit vernahm, eilig verließ um nah) Paſſau zu 
fliehen. In der Stadt blieben außer der geängitigten Bürgerjchaft 
nur 20000 Mann, die der furchtloje Graf Rüdiger von Stahrem: 
berg befehligte. Bald hatte der Welir die ganze Stadt umzingelt 
und mit Bangen ſahen die Wiener einem Sturm des zehnmal 
ftärferen Feindes entgegen. Täglich ftiegen vom hohen Stephans: 
turme die Notzeichen auf; aber erit nad) faſt 2monatiger Belagerung, 
als die Gefahr aufs Höchite geitiegen war, wurden von Nordweiten 
her die Zeichen beantwortet. Es erjchien vom Kahlenberge her ein 
Chriftenheer von 84000 Dann, die Herzog Karl von Lothringen 
führte. Am 12. Scptember jchon, wurden die Türken gezwungen, 
von der Belagerung abzulajjen, weil das NReichsheer vorrüdte. Auf 
dem linken Flügel jtanden die Kaijerlichen, in der Mitte die Neichs: 
truppen, darunter 8000 Bayern unter dem tapferen Kurfürſten 
Max Emanuel und 10000 Sadjen. 

Schon am Morgen des 12. September begann der furdhtbare 
Kampf, bei dem es ſich entjcheiden jollte, ob das Chriltentum oder 
der Halbmond fortan an der Donau herrichen jollte. Nachmittags er: 
ſchienen noch 20000 Polen unter ihrem Könige Johann Sobiesti, die 
auf dem rechten Flügel eingriffen und die Schlacht entjchieden. 
Das Zeltlager der Türfen, die in rajender Eile davonjagten, wurde 
eine Beute der chrijtlichen Sieger. 

Über den Jubel der Wiener, die erleichtert aufatmeten, berichtet 
der Polenkönig jelbjt folgendes: 

Heute früh bin ich in der Stadt geweien und habe befunden, 
daß fich ſolche kaum über fünf Tage mehr hätte halten fünnen. 
Niemals ijt jo große, in kurzer Zeit gefertigte Arbeit mit Menjchen: 
augen gejehen worden, wie da in Zubereitung der Minen gewaltige 
Steine und Fellen durchbrochen und über aan geworfen find. 
Die kaiſerliche Burg ilt von den Stüdkugeln ganz durchlöchert und 
verderbet. 

Es waren um mich her der Kurfürft von Bayern, der Fürit 
von Walde und viele andere Neichsfürjten, die mic; umbhaljeten 
und füjjeten. Heute früh fam der Kurfürft von Sachſen jamt dem 
Herzog von Lothringen zu mir, mit denen ich geitern nidyt habe 
Iprechen fönnen, weil fie auf der äußeriten Spiße des linten Flügels 
anden. Endlich fam der Befehlshaber der Stadt Wien, Graf von 
Stahremberg, mit vielem Volk hohen und niedrigen Standes mir 


— 511 — 


entgegen. jedermann hat mic geherzt, gefüßt und ihren Erlöſer 
genannt. Hierauf habe ich zwei Kirchen bejucht, da ich ebenfalls 
nicht wenig Leute angetroffen, die fi) bemüheten, mir die Hände, 
ja Füße und Kleider zu füjjen; die meilten mußten zufrieden jein, 
dal fie nur den Rod anrühren konnten. Sie erhoben zujammen 
ein Jubelgeſchrei; ich habe aber die deutichen Offiziere gebeten, daß 
jolches möchte verwehret werden. Dejjenungeachtet aber hat dennoch 
ein großer Haufen überlaut gerufen: Es lebe der König! 


Der eroberten feindlichen Fahnen und Zelte ift ein großer 
Haufen; in Summa: der auf die Flucht gebrachte Feind hat nicht 
mehr behalten als das bloße Leben. Dejjen erfreue ſich nun Die 
Chriftenheit und danfe dem Gott Herrn, daß er den Ungläubigen 
nicht hat zugelajjen, uns Hohn zu jprechen und zu fragen: „Wo ijt 
nun euer Bott?“ 

Der Kaiſer fonnte die Türken nicht jofort verfolgen, da er mit 
Ludwig XII, der 1681 Straßburg geraubt hatte, einen Waffentill: 
itand jchließen mußte. Daher begann erjt 1686 der eigentliche Krieg 
gegen die Türken, in welchem der Schwiegerjohn des Kaijers Kurfürſt 
Max Emanuel die jchönften Siege erfocht. Mit 23000 Mann Bayern, 
Sadien und SÖfterreicher eroberte er am 2. September 1686 die 
ungarilche Hauptitadt Ofen, das Türken und Ungarn gemeinjam 
verteidigten. Die tapferen Bayern jangen nach der Eroberung: 


Nun finget und jpringet, 

’s hat wiederum gewunnen 

Der bayeriihe Löw ein neuer Victor! (Sieg) 

Emanuel hat das Dfen abgedrungen 

Mit ftüurmender Hand dem Janitſchar = (türf. Soldat). 


Kein Turm und feine Mauern 
Kunnt vor ihm ausdauern — 

Der Türk der hat’s Trauern, 

Meil er verjpielt die Königftadt hat. 


Seit diejer Eroberung ilt die ungarijche Königskrone beim 
Hauje Habsburg. 

Max Emanuel führte jein Heer von Sieg zu Sieg. Am 
11. Auguft 1687 ging er todesmutig jeinem Leibregimente voran, 
als er den Türfen Mohacz abnahm, denn nicht nur wurde ihm jein 
Pferd unterm Leibe getötet, jondern feindliche Kugeln durchlöcherten 
jogar Hut und Rod. — Im nächſten Jahre focht er bei Belgrad, 
das für die Türken den Schlüjjel zu Ungarn bildete, jchon ſtand er 
mit jeinen Leuten dicht vor der Feltung, um den legten Sturm zu 
wagen. Da jtarrte ein tiefer Wallgraben den Angreifern entgegen 
und von der Stadtjeite pfiffen die Türfenfugeln ins Bayernheer. 
„Bayern mir nach!“ ericholl es da und der tollfühne „blaue König“ 
ſprang mit hochgejchwungenem Degen in den Graben. Die Bayern 
folgten ihrem Fürften und nad) 2jtündigem heißen Kampfe ftanden 


— 5612 — 


fie auf den eroberten Wällen und ſahen, wie Hals über Kopf 
der einſt jo hartnädige Feind donauabwärts floh. 

Leider erklärte in demjelben Jahre der Bundesgenojje der 
Türken, der allerchriftlichfte König Ludwig XIV. den Krieg an den 
Raijer, der jein Heer teilen mußte. 1690 kam Belgrad in die 
Hände der Türken und erjt der Gieg des Prinzen Eugen bei Zenta 
an der Theiß 1697 vertrieb die Türfen für immer aus Ungarn, 
das fie 1699 mit Siebenbürgen und Slavonien im Frieden zu 
Rarlowig an Oſterreich abtraten. 


Ludwig XIV. fogenannte Reunionen. 


Nach den beiden erjten Raubfriegen fühlte fich Ludwig XIV. 
als der mächtigite Herricher Europas und trachtete daher nad) der 
Kaiſerkrone. Weil der Kaijer die deutichen Fürften im Stiche lie, 
hatten nicht nur der Große Kurfürjt jondern auch die Kurfürjten 
von Bayern und Sadhjen dem franzöfiichen Könige für die nädjite 
Kaiſerwahl ihre Stimmen veriprochen, auf den Rat jeines VBertrauten 
Roland de Revaulex von Met jette Ludwig nach 1680 bejondere 
Gerichtshöfe in Met, Breiſach, Bejancon und Dornik ein, die zu 
unterjuchen hatten, welche deutſchen Gebiete auf der linken Rhein: 
jeite eigentlich noch zu Frankreich gehörten und jchon bald erichien 
an alle deutſche Neichsfürjten des linfen Rheinufers die freche Auf: 
forderung, ihre Lehen nicht mehr vom Kaijer und Weich jondern 
von den Reunionsfammern zu Met oder Breiſach zu nehmen. 

Dhne viel zu fragen bejegte bereits 1679 Monclar das zwei: 
brücdijche Dberamt Bergzabern, weil, wie die Räte der Reunions— 
fammer zu Met jagten, das Herzogtum ehemals ein Lehen des 
Bistums Met geweſen jet. 

Am 10. Januar 1680 erjchien von Metz der königliche Huissier 
(Gerichtsbote) Claude de Berdavoine zu Rob in Zweibrüden und 
forderte den Amtmann Georg Müller auf, jeinem Herrn folgendes 
zu berichten: Der „vorgebliche“ re Ba Zweibrüden jolle am 
1. März vor der Reunionsfammer in Met erjcheinen, um zu be: 
weijen, aus welchem Grunde er Herrjcher feines Landes ſei. Komme 
er nicht, jo werde diejes mit dem Bistum Metz vereinigt, der Herzog 
aber werde verurteilt alle bisher bezogenen Renten und Einfünfte 
herauszubezahlen. Herzog Friedrich Ludwig erklärte ſich mit Nichten 
als Reichsfürjt vor einem fremden Gerichte zu jtellen. Der jchwe: 
diſche Gejandte zu Paris nahm fid) des Herzogs an und hob hervor, 
dab der Bilchof von Met beweilen jolle, was er behaupte. Friedrich 
Ludwig fam nicht nad) Met und wurde daher jeines Landes ver: 
luftig erflärt und als Franzojen in jein Land rüdten, zog er ſich 
auf Mojchellandsberg zurüd. 


— 53 — 


Ludwigs Vetter, Bfalzgraf Chriftian II. von Birkenfeld-Bijch- 
weiler, erfannte die Dberhoheit des franzöfiichen Königs an und 
empfing daher in Bergzabern die Huldigung der Untertanen. 





Der pfälziihe Erbfolgekrieg 1688—1697. 
(IH. Raubtrieg.) 


Kurfürft Karl Ludwig hatte jeine Tochter Elijabeth Charlotte 
mit dem Bruder Zudwig XIV., dem Herzog Philipp von Orleans 
verheiratet, um an dem franzöfiichen Könige einen Bundesgenojlen 
zu haben; bei ihrer Vermählung verzichtete, wie es üblich war, 
die Prinzejlin auf ihr Erbe. Als aber ihr Bruder Kurfürit Karl 
bereits 1685 jtarb, erhob König Ludwig XIV. jofort Anjprüche auf 
die Pfalz, namentlich verlangte er die Güter des Simmernichen 
Haujes: die Ämter Simmern, Lautern, Sponheim und Germersheim. 
Zuerſt ſchickte er jeinen Gejandten, trogdem Elilabeth Charlotte nicht 
einveritanden war, nad) Heidelberg, 1686 zum WReichstage nad) 
Regensburg und als alles nichts fruchtete, erließ er ein Manifeit 
gegen Kaiſer und Reich und ehe fich dieje recht verjahen, rücten 
franzöfiiche Truppen bereits in Philippsburg, Heidelberg, Mannheim 
und Frankenthal ohne Widerjtand zu finden ein. 

Gegen dieje Frechheiten erhoben ſich die deutichen Staaten: 
Ölterreich, wie Preußen und Holland, an deijen Spite Wilhelm 
von Dranien jtand; Ludwig fühlte, daß er den vereinten Gegnern 
nicht gewachlen jet und zog daher über den Rhein zurüd; aber 
welchen teufliichen Plan hatte er mit jeinen NRäten im Schloſſe zu 
Berjailles erjonnen? Zwiſchen ihm und dem deutjchen Heere, aljo 
auf beiden Seiten des Rheines jollte ein wüſter Strich gejchaffen 
werden, in dem ſich fein Heer dauernd aufhalten könnte. 

Als der franzöfiiche General Melac in Heidelberg von der 
Annäherung der Kaijerlichen, Bayern, Sachſen und andern Truppen 
hörte, legten jeine Soldaten Minen unter die Türme des Schloljes 
und den Bau mit der Bücherei, unter die Pfeiler der Neckarbrücke 
und unter die Schloß und Stadtmauer. Aber nicht alles jprang 
donnernd auf umd fiel in Schutt, jondern die Bürger hatten an 
vielen Stellen das Pulver unter der Stadtmauer beizeiten heraus: 

enommen, die gejprengten Teile der Mauer aber nach Abzug der 
len durch Paliſaden erjett. 

Im übrigen nahmen die Franzoſen alles Geſchütz und alle 
Munition aus dem Zeughaus und von den Wällen, auch die Urkunden 
und die Weinvorräte des Kurfürſten und führten ſie nach Mannheim 
und Philippsburg. Aller Schmuck des Schloſſes, Möbel und Gyps— 
werfe wurden weggenommen. Die Einwohner jollten noch; 60000 
Gulden bezahlen, weil aber die Verbündeten jchon im Anzuge waren, 





— 514 — 


nahm Melac 12 der Bornehmiten als Geileln mit nad) Straßburg, 
bis ihre Mitbürger fie aus ihrem harten Gefängnilje durch Bezahlung 
der Summe erlöften. 

Als nun am 2. März wirklich der Feind nad) Mannheim ab» 
30g, |prengte er zuvor das ſchöne Schloß in die Luft und jtedte die 
Stadt in Brand. Weil aber Gefahr im Berzuge lag, jo fonnten 
noch dreißig Häujer gerettet werden. Als das jchöne Rathaus in 
völligem Brande ftand, hielt der Brigadegeneral Melac gerade 
gegenüber auf dem Markte und jah mit Freuden und Lachen dem 
\hauerlichen Flammenmeere zu. Dbwohl 400 Soldaten zum Brand: 
itiften befohlen waren, jo hatten doch einige Dffiziere Mitleid mit 
den Leuten und deuteten an, fie möchten najjes Stroh in ihre Häujer 
tragen und davon anlteden, damit die Soldaten meinen jollten, dieſe 
Häujer brenneten. General Teſſe und Herr von Ronville weinten, 
als fie den Jammer der unglüdlichen Einwohner jahen und doch 
nicht helfen durften. Gie ließen aber jeden das Seine löjchen, wofür 
Ronville jpäter in das große Staatsgefängnis, die Baltille, wanderte. 
Als der Bürgermeilter vor General Tefje auf die Knie fiel und im 
Namen der Menjchlichkeit um Schonung der Stadt bat, antwortete 
der General bejhämt: „Ich muß den ſtrengen Befehl des Königs 
erfüllen, obwohl ich es bedauere.” 

Ebenſo erging es der Stadt Heilbronn am Nedar. 


Mannheims Fall. 


Der 27jährige franzöfiiche Kronprinz hatte Philippsburg er: 
obert und rüdte mit jeiner Armee nah Mannheim. Der große 
Feltungsbaumeijter Vauban begleitete ihn. Bereits waren die Be: 
feitigungen am Hemshofe aufgegeben und die pfälzilchen Soldaten 
verteidigten nur noch Mannheim; aber wie? Ein franzöfilcher 
General jpottete: „Tapfere Leute, dieje pfälziichen Soldaten, jo lange 
man nicht auf fie ſchießt!“ Vauban hatte es bald herausgefunden, 
wo dieje jchöne Feltung am leichteften anzugreifen war. Der Kom: 
mandant Seligencron wagte wohl eine längere Verteidigung; aber 
jeine Truppen, die ja nicht für ihre Heimat jondern nur um Gold 
fämpften, waren es müde, dem Feinde zu widerjtehen. Schon wollten 
Belagungen in den Außenwerken zu den Franzoſen übergehen. Das 
merkte Geligencron und er ließ daher die Rejerve für jene Werke 
antreten. Dieje aber ſprachen: „Wir wollen nicht auf die Metzel— 
banf gehen; denn niemand kann uns retten, wenn der Feind Die 
Brüde zwilchen Ravelin (Außenwerf) und Baſtion zeritört.“ Freche 
Reden fielen von allen Seiten. Da riß dem ehrlichen Soldaten 
Geligencron die Geduld und er nahm einem der Rädelsführer das 
Gewehr um ihn niederzufchießen. Zwei Oberftleutnants fielen ihm 
in den Arm und ſprachen: „Still Gouverneur! in Güte muß man 
mit den Leuten verhandeln!” Der freche Rädelsführer aber jchlug 
dem Kommandanten das Gewehr aus der Hand und jchrie zu jeinen 


— 515 — 


Spießgejellen: „Haltet euch an mich, ihr Burjche, ich will euer Dberft 
fein, wir wollen die Bluthunde, die Offiziers über den Haufen 
\chießen! Zündet die Lunten an!" Sofort brannten die Qunten und 
die ſchußfertigen Musketen der Empörer jaßen dem braven Führer 
auf der Bruſt. Da warfen fich abermals die Dffiziere dazwilchen 
und retteten Seligencron; aber diejer jah nun feine andere Rettung 
für Mannheim als jchnelle Übergabe. Schon war einer der beiten 
Dffiziere, Oberftleutnant von Verden von Meuterern erjchojjen worden, 
ſchon ftürmten dieje das Zeughaus. Da jandte Seligencron einen 
PBarlamentär hinaus ins Lager der Franzoſen und meldete die Ab— 
ficht der Übergabe an. Sofort wurden nad damaliger Sitte je 
zwei Offiziere als Geijeln ausgetaujcht und Geligencron teilte dem 
Dauphin die Bedingungen derlibergabe mit, die diejer am 12. November 
1688 annahm. Nur noch 300 Dann waren Seligencron treu ge: 
blieben und zogen mit ihm zur Stadt hinaus, mit Elingendem Spiele, 
fliegenden Fahnen und brennenden Zunten. Zwanzig Schritte vor 
dem Dauphin jtieg der Kommandant vom Pferde, ging, ſich verneigend 
zu dem am Tore haltenden Sieger und jagte, es ſchmerze ihn 
dieje jchöne Feſtung übergeben zu müjjen; aber man werde ihn nicht 
verurteilen jondern bemitleiden, da nur die Empörung ihn zur 
fibergabe gezwungen habe. Der Dauphin lüftete den Hut und lobte 
jeine Tapferkeit. Als die pfälziiche Beſatzung abgezogen war, rückten 
die Franzojen ein und ließen in der Eintrachtsfirche ein Tedeum 
anftimmen. Die Empörer blieben jtraflos und die meilten von ihnen 
traten in franzöſiſchen Dienit. 

Schon am 15. November ftanden die Franzojen vor Franken: 
thal. Da aber der Kommandant Wittgenitein dem verheerenden 
Teuer der Feinde auf die Dauer nicht Widerjtand leiten konnte 
und die Bürger um Hab und Gut bejorgt waren, jo ergab ſich 
bereits am 18. November die legte Feltung der Pfalz. Hätten 
ſich die Pfälzer nur etwas länger verteidigen können, jo wäre der Krie 
anders ausgegangen. So aber fonnte der unfähige, an Wolhuft 
und üppiges Leben gewöhnte Dauphin mit jeinen Generälen als 
Sieger heimkehren; nur Monclar und Melac blieben. Die pfälzijchen 
Truppen von Mannheim, die bis auf 100 ihren Führer verließen 
und etwa 500 von Frankenthal zogen nach Frankfurt, wo fie in 
der Umgegend einquartiert wurden. 

Der Artilleriegeneral Marquis Frezeliere verlangte für ſich 
alle Gloden und alle Geichirre von Bold, Silber, Kupfer, Zinn 
und Mejfing. Als General Monclar nach) Mannheim kam, ver: 
ſprach er wie ſchon früher der Dauphin weder Brand noch Plünde- 
rung zuzulaffen; aber jchon am 21. Februar erflärte der General: 
intendant, daß der König beſchloſſen habe, die Stadt dergeitalt von 
Grund aus zu zeritören, daß feine Menjchenjeele mehr dort wohnen 
fönne. Nichts half das Flehen, Jammern, Bitten der Ratsherren, 
der königliche Befehl mußte ausgeführt werden. Die Generäle rieten 


— 516 


aber den Mannheimern ihre Häufer jelbjt anzuzünden, damit die 
Soldaten nicht plündern könnten und die Bürger 10 Tage Zeit 
hätten, die Baumaterialien auf die linke NRheinjeite zu bringen. 
Würden aber die Soldaten das Werk der Zeritörung verrichten, jo 
fönne fie der General nicht nur gegen die Plünderung nicht ſchützen, 
londern es müſſe ſogar ſchon am nädjiten Tage begonnen werden. 
Die Mannheimer legten nicht jelbft Hand an ihre Häujer jondern 
baten den Kommandanten, er möge ihnen erlauben, ihre Habe in 
Sicherheit zu bringen und mit den Ihrigen hinzuziehen, wohin es 
ihnen beliebe. Da erhielten fie zur Antwort, daß niemand über 
den Nedar dürfe, weil der König die Obdachloſen auf der linken 
Rheinjeite bejonders in Eljaß angefiedelt wünjche. 

Am Sonntag, den 5. März wurden 400 Soldaten zum Nieder: 
reißen der Häuſer befohlen; während damit een ward, er: 
zwangen die Offiziere von den unglüdlichen Mannheimern nod) 
rüdjtändige Duartiergelder. Mit Bündeln unter dem Arme ver: 
ließen Dann, Weib, Kind und Greis die jehöne Stadt, um über 
die Nedarbrüde nad) dem Innern Deutjchlands zu gelangen; aber 
bald zeigten fich Jächfiiche Neiter und die Franzoſen brachen die 
Brüde raſch ab, jo daß die armen Flüchtlinge nur auf Rähnen über 
den Fluß konnten. Noch wollte die reformierte Gemeinde in ihrer 
erjt einige Wochen vorher eingeweihten jchönen Doppelfirche den 
legten Gottesdienjt halten um Abſchied zu nehmen von der lieben 
Heimat und ih dem Schuge des Höchſten anzuvertrauen. Schon 
lagen Minen in den Mauern und nur der franzöfilchreformierte 
Prediger der Hugenottengemeinde konnte jeiner Gemeinde Worte 
des Troites zujprechen. Als aber die deutjch:reformierte Gemeinde 
ſich gerade verjammeln wollte, drangen Soldaten in die Kirche, 
warfen Kanzel und Bänfe um und verjchlojjen die Kirche. Am 
8. März flog das Gotteshaus ebenjo wie die Eintrachtskirche, wo 
KRatholiten, Yutheraner und NReformierte ihre Gottesdienite hielten, 
in die Luft. Was die Bürger nicht mitnehmen fonnten, wurde auf 
dem Marktplatze zujammengetragen und um Schleuderpreije ver- 
fauftl. Da aber die Deutichen fich immer näher zum Rheine hin 
bewegten, eilten die Franzofen und zündeten am 8 März die 
Stadt an. Schon Itanden kaiſerliche Truppen bei Heidelberg und 
ſahen die leuchtende Feuerfugel über der unglüdlichen Stadt, aber 
fie waren zu ſchwach den Feind zu vertreiben, der ſich nach getaner 
Arbeit auf das linfe Rheinufer zurüdzog, wo er mit Oppenheim, 
MWorms und Speyer in gleicher Weile verfuhr. Wohl jchämte fich 
der franzöjiihe Marjchall Duras der jchändlichen Arbeit jeiner 
Soldaten und bat jogar beim König in Berjailles um Zurüdnahme 
des Zeritörungsbefehls, er erhielt als Antwort: 


il faut brüler le Palatinat! 


Schon im Dezember 1688 hatte Minifter Louvois an General 


— 517 — 


Monclar in Landau gejchrieben: „Zerftören Sie alle Orte, die Gie 
verlajjen werden, am oberen wie am unteren Neckar, damit die 
Feinde feine Fourage und feine Lebensmittel mehr finden und jeden 
Verjuch der Annäherung — müſſen.“ Das ganze Mittelrhein— 
gebiet vom Elſaß bis zur Nahe ſollte eine große Einöde werden, 
wo das deutſche Heer ſich nicht halten könne. So führte der „Aller— 
chriſtlichſte König Ludwig XIV. Krieg und Karl Luwigs Schöpfungen 
waren bald vernichtet und jeine Tochter in Berjailles, in deren 
Namen, aber ohne deren Willen Ludwig XIV. den Befehl zur Ver: 
brennung der Pfalz gegeben hatte, mußte all das Elend ihrer Heimat 
erleben. Schon am 20. März 1689 jchrieb fie an ihre Tante Sophie 
in Hannover: „Was mic) am meilten jehmerzt it, daß man ſich 
meines Namens gebraucht, um die armen Leute ins äußerfte Unglüd 
zu ftürzen und wenn ich darüber jchreie, weiß man mir’s gar großen 
Undant und man proßt mir drüber. Gollte man mir aber darüber 
das Leben nehmen wollen, jo fann ich doch nicht laſſen zu bedauern 
und zu beweinen, daß ich jozujagen meines Vaterlandes Untergang 
bin und über das alles des Kurfürften, meines Herren Vaters jeligen 
Sorge und Mühe auf einmal jo über einen Haufen geworfen zu 
lehen und dem armen Mannheim. Ta, ich habe einen ſolchen Ab: 
ſcheu vor allem, jo man abgelprengt hat, daß alle Nacht, jobald ich 
ein wenig einjchlafe, däucht mir, ich jei zu Heidelberg oder zu Mann: 
heim und jehe alle die Verwültung und dann fahre ich im Schlaf 
auf und fann in 2 ganzen Stunden nicht wieder einjchlafen; dann 
fommt mir im Sinn, wie alles zu meiner Zeit war, in welchem 
Stand es nun it, ja, in welchem Stand ich jelber bin und dann 
kann ich mich des Flennens nicht enthalten“. 


Die Niederbrennung von Speyer. 


Am 28. September 1688 309g der franzöfiiche General Marquis 
d’ Huxelle mit 14 Kompagnien zu Pferd in die Reichsitadt ein 
und hielt fie, indem nur die Truppen wechjelten, bis zum Unter: 
gange bejegt. Am 17. Ditober ritt jogar der Dauphin durch 
Speyer um fi) nach Bhilippsburg zu begeben, das Marjchall Duras 
belagerte. Für diefe Belagerung mußten die Speyerer 12 Badöfen 
errichten, für eine Kapelle im Hauptquartier des Dauphin und für 
eine Brüde Balken und Bretter liefern und 1000 neue Schaufeln 
zu Schanzarbeiten jtellen. General Monclar mit jeiner Leibgarde 
und vielen Dffizieren verlangten täglich neue Lieferungen von den 
Bürgern, jo daß fich die Rechnung auf 83,525 Gulden belief. 

Bon Ende Dezember 1688 bis Anfang Januar 1689 durch: 
ſuchten franzöfiiche Beamten, die eigens gefommen waren, die Archive 
und Amtsftuben des Bilchofs und der Stadt nach Urkunden für die 


berüchtigten Reunionstammern, fanden aber nichts. Am 30. Januar 
befichtigten Monclar und der Feltungsbaumeilter Tarade die 
Mauern und Wälle der Stadt um fte auf ihre Widerftandsfähigfeit 
zu prüfen, da man bald auf das Anrüden der Deutjchen rechnen 
mußte. Am 1. Februar jchon begannen die Soldaten die weit- 
lihe Mauer der Stadt niederzureißen; als die Speyerer nun ihr 
Schickſal ahnten, richteten fie eine demütige Bittjchrift an Ludwig XIV. 
und baten, daß wenigitens die innere Mauer und die Türme der 
Stadt ſtehen blieben. Der König gab zur Antwort, daß die Mauer 
niedergeriljen werden müſſe, damit die Deutjchen auf der linken 
Nheinjeite feine Stüßpunfte fänden. Am 14. Februar erklärte end— 
li) das deutiche Neich dem Mlordbrenner den Krieg und die Bürger: 
Ihaft jelbft mußte von nun an täglich mit Hand an die eigenen 
Mauern, Türme und Wälle legen. Zuerſt janten die Mauern der 
drei Borjtädte: Altenburge:Borjtadt, Nheinvorjtadt und der Vor— 
jtadt über Hajenpfuhl, die Tore und 29 Türme. 

Ale Zugbrüden wurden zerichlagen und das Eiſen nad) 
Philippsburg gebracht und nur das Altpörtel (das Altburgetor) 
blieb jtehen, weil Marichall Duras vom 16. April ab im Karme— 
literflojter wohnte. Schon ſprachen die Bürger von der bevoritehen- 
den Plünderung und Einäſcherung, als Duras unter Trommeljchlag 
befannt geben ließ, daß niemanden etwas zu leide getan werde. 
Die ftädtiichen Gejchüge aber wurden nad) Landau abgeführt und 
alle Getreidevorräte famen nad Philippsburg, Landau oder 
Saarlouis. 

Am Montag, den 23. Mai nachmittags 4 Uhr erjchien der 
franzöfilche Kriegsintendant de la Ford in Speyer und ließ jogleich 
die Vornehmiten des Rates und etwa 15 der vornehmiten „Bürger“ 
zu fich laden, da er einen Befehl des Königs mitzuteilen gs Da 
nicht rajch genug die Bürger verjtändigt werden konnten, jo begaben 
jich die beiden Bürgermeilter und der Rat mit dem Stadtjchreiber 
in die bilchöfliche Nefidenz am Dome, wo ihnen der Intendant im 
Beijein Monclars folgendes befannt gab: 

„Wie daß Ihro königlichen Majeität Interejje vor (für) diesmal 
und bei jeßigen Zeiten Konjunkturen erforderte, daß dieje Stadt und 
zwar innerhalb jechs Tag, ganz, nicht allein von allen darin be= 
findlichen Weinen, Früchten, Mobilien und andere Effekten, jondern 
auch den Leuten jelbiten, Geiltlichen und Weltlichen evacuieret (ent: 
leert) und anders nicht als dDiesjeits Rheins und in die Feſtung 
Philippsburg transferieret werden müjjen. Es gejchähe diejes zwar 
nicht, als täten ſich Ihro Majeltät vor Ihren Feinden fürchten, die: 
jelbe hätte auch fein Chagrin (Arger) gegen allhiefige Stadt, jondern 
wären vielmehr ob deren bisherigen Gonduite (Verhalten) ver: 
gnügt, d. i. zufrieden. So müßte man hieraus auch nicht ſchließen, 
als müſſe die Stadt verbrannt werden, jondern erforderte es die Not: 
durft, daß jelbige um ihren Feinden alle Subſiſtenz (Unterhalt) der 


— 519 — 


Drte zu benehmen, evacuieret würde. So jollten diejes unver: 
züglic nicht allein geſamter Bürgerjchaft, jondern auch der Kleriſei 
und den noch anwejenden Kameral:PBerjonen (Beamten des Reichs: 
Kammergerichtes) bedeuten und ſich die Vollziehung des königlichen 
Befehls angelegen jein lajjen, da alles, was nad) 6 Tagen noch 
in der Stadt gefunden würde, dem Könige und deſſen Soldaten 
verfallen und preisgegeben ſei.“ Nichts half das Bitten und Flehen 
der Ratsherrn und als der Stadtjchreiber, der dem Volke den Befehl 
befannt geben jollte, fragte, ob er dem Volke verjichern könne, daß 
feine Niederbrennung beabfichtigt jei, da jagte der Intendant: ja. 
Da der Bilhof Hugo von Ordbeck als Kurfürit von Trier 
gar nicht in Speyer anwejend war, jo ſchickte der Rat Vertreter 
zum bilchöflichen Statthalter Hartard von Nollingen, der gerade 
von Kirrweiler fam, wo er bei Öffnung der Madenburg und des 
Kirrweiler Schlofjes durch die Franzojen aufgehalten worden war. 
Aber auch Rollingen erhielt zur Antwort, „daß es die Kriegs- und 
Staatsraijon aljo erfordere.” Am 24. Mai zogen die Bürger, 
die Klojterfrauen und die Geiltlichen zu Monclar und dem Inten: 
danten und baten wenigitens um Milderung des harten Spruches. 
Aber nicht einmal die Flucht ins rechtsrheiniiche Deutjchland wurde 
erlaubt. Da erjichienen vor den harten Offizieren Weiber mit ihren 
Kindern, die Kloiterfrauen von St. Klara und St. Maria Magdalena 
und baten fußfällig um Verſchonung der Stadt. Alles umjonft. 
Schon plünderten die zuchtlojen Soldaten in den Bürgerhäujern 
und bereits begannen viele Speyerer über den Rhein zu entrinnen; 
daher jtellte der Feind an allen Fähren Wachen aus und die 40 
Häſcher des Profojjen (Richters) ritten um die Stadt, um die, welche 
entfliehen wollten, zurüdzuholen ; denn wer jich nicht in Bhilippsburg 
anjiedeln wollte, jollte ins Eljaß wandern. Wer jeine Waren und 
Vorräte an Lebensmitteln und Hausgerätichaften nicht verbergen 
fonnte, verfaufte fie um ein Spottgeld an die Offiziere, Händler 
und Markedenter, die dieje günjtige Gelegenheit zum Gewinn gern 
benußten. So befam der bilchöfliche Statthalter für das Malter 
jeiner reichen Vorräte an Korn, Spelz und Hafer nur einen Gulden. 
Die ftädtiichen Gebäude wurden von den Kommiljjären des Königs 
geräumt und namentlich die wertvollen Urkunden nad) Straßburg 
geſchafft; nur einen Kleinen Teil rettete der Stadtichreiber Fuchs in 
Fällern nah Frankfurt a. M. Aus der Auguftinerficche fam die 
herrliche Orgel nach Straßburg, die Maße und Gewichte, jelbit die 
Ketten und Mejlingräder der 42 Stadtbrunnen und die Sperrfetten 
für die Gajjen, die Uhrwerfe der Türme, die Gloden auf dem Dome 
und alle Waffen der Bürgerjchaft wurden auf mehr als 80 Wagen 
nebjt drei großen mejlingenen TFeuerjprigen nad) Landau abgeführt. 
Am Donnerstag, den 26. Mai fam von Marichall Duras 
in Mainz der Befehl, den Dom und die bijchöfliche Refidenz 
nicht anzurühren und ſchon am 27. verkündete Mtonclar, daß jeder 


— 20 — 


jeine Habe in den Dom flüchten könne, wo fie nach dem Brande ab- 
geholt werden müßte, außerdem könne die St. Guidonstirche, weil 
der Dom doc; nicht ausreiche, hiezu verwendet werden. Alle weiteren 
Bitten wurden abgeichlagen, fein Fuhrwerk zum Fortbringen der 
Möbel und Wertjachen war mehr aufzutreiben und obwohl eine 
Fahrt bis Berghaufen (3 km) 15 Neichstaler foftete, wagte jich fein 
Bauersmann in die Stadt, weil die Soldaten auch bereits die Wagen 
plünderten. Tag und Nacht jchleppten daher die Bürger ihre Habe 
in den Dom, wo fie in den weiten Hallen aufgeihichtet wurden. 
Samstag vor Pfingiten unterjuchte der Intendant mit einem 
Ingenieur die Umgebung des Domes, wo fich der Ölberg, ein groß: 
artiges Kunftwerf aus dem 16. Jahrh. und andere Gebäude be: 
fanden; dieſe wurden auf Befehl des Intendanten von den bijchöf: 
lihen Bauern niedergerillen, damit für den Dom feine Gefahr 
beitand. Am 31. Mat endlich fam der Tag der Bernichtung. Im 
aller Frühe zog die franzöfiiche Bejagung aus der Stadt in ein 
Feldlager auf dem Germansberge und allen Einwohnern wurde 
befohlen, die Stadt rajch zu verlajfen. Mit Wehmut nahmen Freunde 
und Nachbarn von einander Abjchied, um hinauszueilen ins Un: 
gewiſſe. Um 3 Uhr nachmittags famen die 24 Mordbrenner und 
verteilten fi) in den Gallen. Ein Trompeter von der Domwadıe 
ritt blajend durch die Hauptitraße zum Altpörtel und ſchloß ſich 
dann dem General Monclar, der die menjchenleere Stadt verließ, 
an. Gegen 6 Uhr ſteckten die 24 Soldaten mit armsdiden Brand: 
würjten die Häujer auf dem MWeidenberge an; da aber Winditille 
herrichte, machte die Feuersbrunſt nur langjame TFortichritte, Fam 
durch die Armbruſtgaſſe über den Fiſchmarkt bis in die Stuhlbruder: 
gaſſe. Da auch am nädjiten Tage Winditille herrjchte, jo rieten Die 
Dffiziere der Domwache dem bijchöflichen Statthalter, doch die in 
der Nähe des Domes jtehenden Gebäude niederbrennen zu lajien, 
damit das Gotteshaus außer Gefahr jei. Doch dagegen wehrte fich 
diejer, weil er nicht Hand an ein Gebäude der Stadt legen wollte. 
Nachts gegen 10 Uhr erhob fich ein furchtbares Gewitter und ein 
entjeglicher Sturm heulte in die immer mächtiger werdenden Flammen. 
Bon einem Turm aus flogen jprühende Funken wie glühende 
Schneefloden über die ganze Stadt. Solche Funken zündeten die 
vordere Domkuppel dreimal an; aber jedesmal war die Wache mit 
Löjchmitteln zur Hand. Als aber Marodeure im Kreuzgange des 
Domes Feuer anlegten und mit Mühe die Häufer der Nachbarjchaft 
gerettet wurden, lodte auf einmal eine Kleine Flamme an der hintern 
Domfuppel empor, rajch war das dürre Balfenwerf ergriffen, zu: 
mal der jtarfe Wind die Flamme gegen das ſtolze Gebäude trieb. 
Schon ſchmolz das Blei des Daches und trieb die Domwache zurüd, 
da drang von der Stuhlbrudergajje her das Feuer zur St. Afra: 
fapelle, wo einſt Heinrich IV. geruht hatte und gegen Morgen zu 
leuchtete die Totenjtätte der deutſchen Kaiſer jchaurig ſchön ims 


— 


— ⸗ 








— BI — 


frühlingsgrüne rheinijche Zand. Als der Brand am andern Tage 
aufhörte, war das Gewölbe des Langhaujes ganz eingeftürzt, Die 
Gewölbe des Chores trugen jtarfe Rijje und Stühle und Wltäre, 
Bilder und Leuchter, jowie die Habe der Speyerer waren dahin. 
Nun erit begann hier das Werk der Plünderung und nach einigen 
Tagen war im ganzen Dome fein Grabmal mit Injchrift zu jehen, 
da alles, was von Metall war, genommen wurde. Bon den Kaiſer— 
gräbern öffneten fie das Albrechts I.; vor einigen Jahren aber fanden 





fi) noch der Miinenbohrer und Hammer, mit dem Schäße fuchende 
Soldaten die Ruhe der Toten geftört hatten. — Überall jah man 
nichts als rauchende Trümmer und nur noch das Kloſter St. Klara 
vor dem Wormjer Tore, das Lazaret, ein Badhaus und einige 
Häujer von Weidenberg jowie die Altenburger Borjtadt, wo in den 
Klöftern der Kapuziner und der Karmeliter franzöfiiche Kranke 
gepflegt wurden, und wo Monclar wohnte, blieben verjchont. 


Was aber in Trümmer lag, wurde in den folgenden Wochen 
mit Pulver gejprengt oder mit Gallen und Hebeiſen niedergerijjen. 
Beinahe hätte auch der in Schutt liegende Dom dasjelbe Schidjal 
erlitten, wenn nicht der Statthalter * ins Mittel gelegt hätte. 
Die 42 Stadtbrunnen wurden verſchüttet und am 22. Juli zündeten 
die un auch noch ihr Lazaret in der Altipeyerer Vorſtadt, 
das Badhaus und ihre Quartiere an, jo daß nunmehr nur das Alt: 
pörtel und ein Teil der Altenburger Borftadt aus den Trümmer: 


34 


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haufen hervorragten. — Niemand aber war zur. Hand, der Die 
Fremdlinge vertrieben hätte. 1693 älcherten ſie Heidelberg jogar 
vollftändig ein; erſt 1697 wurde Frieden zu Rijswijt in Holland 
geichlojjen. Ludwig XIV, der jpäter jeine graujame Kriegsführung 
bereuete und Louvois, dem Anitifter, Vorwürfe machte, mußte allen 
Raub bis auf Straßburg und 10 NReichsitädte des Eljaß wieder 
herausgeben. 


Brief über die Zerftörung Speyers. 
Geichrieven von dem franzöliichen Kriegsberichterftatter Du Mont 1689. 


Mein Dun Sie wünſchen regelmäßig Briefe von mir zu empfangen, 
durch die ich Ihnen treue Schilderungen von allem gäbe, was ſich in unjerem 
* ug ereignet und ſie wollen ſogar, daß ich die Beſchreibung jener Städte 

———— beifüge, die ich berühren werde. — — Sch, beginne mit dem 
jüngften und zugleich dentwürdigften Ereignis, das "2 in dieſen Gebieten, 
vielleicht in der ganzen Welt zugetragen hat, mit der Zerjtörung der Stadt 
Speyer. Bor acht Tagen war Speyer nod) eine große, reiche und wohl= 
gebaute Stadt und heute it fie nichts anderes mehr als ein großer Haufen 
von Steinen, ein erbarmungswürdiges Bild menſchlichen Clends. Man 
traut faum feinen Augen, wenn man eine jo wohlbevölferte Stadt mit einem- 
male in eine Wüſte verwandelt jieht. Es ift ja richtig, daß die Stadt ſchon 
vor einiger Zeit mit der Niederbrennung bedroht worden iſt, aber die Ein— 
wohner glaubten immer das Gegenteil und eben dieje Hoffnung hielt fie ab, 
durch rechtzeitiges Ausräumen und Berlaffen der Stadt dem gänzlichen Ber: 
Iufte ihres Vermögens zu begegnen. — — — Nachdem fie (die Speyerer) 
ohnehin den ganzen Winter hindurch mit Kriegsiteuern, Einquartierungen 
und Truppendurdhzügen, mit Lieferungen, Zwangsanleihen, Frondieniten 
überlajtet waren, vermochten je nicht daran zu glauben, daß der König jeine 
Zuftimmung dazu geben würde, eine Stadt zu zerjtören, die ihm jo reiche 

ilfsmittel gewährte. Der Verlauf der Ereignijfe aber ließ erfennen, daß 
ich die Bewohner von Speyer mit ihrem Hoffen jchredlich getäujcht hatten. 
In der Tat, faum war der Monat Mai angebrodhen, als man unjerjeits 
begann, Die bisherige Berftellung fallen zu lajjen. Der Stadt wurden 
zunächſt ungeheuere Lieferungen auferlegt und am 20. erhielt der Intendant 
der Armee, Herr von Lafond, den Auftrag, dem Rate den verhängnisvollen 
Beihluß anzuzeigen, daß die Stadt zerftört werden würde. Herr Baron 
von Monclar, der damals in Speyer befehligte, ließ durch Ausrufer, die 
zum SHerbeiloden des Bolfes von Trompetenbläjern begleitet waren, befannt 
— daß innerhalb ſechs Tagen alle Einwohner Speyers mit ihrem beweg— 
ichen Gut die Stadt verlaſſen haben müßten, da man am ſiebenten Tage 
an alle Häuſer Feuer anlegen werde. Übrigens war mit dieſer Veröffent— 
lichung der Befehl an die Soldaten verknüpft, keinerlei Gewalttaten zu be— 
gehen oder die Einwohner von der MWegführung ihrer Habe abzuhalten. 
Herr von Lafond erklärte auch im Auftrage des Königs dem Rate, daß Seine 
Majeftät der König die ——— nicht darum aus der Stadt vertreibe, 
weil er etwa gegen ſie erzürnt ſei, noch auch in ſolcher Hinſicht, en er vor 
jeinen Feinden Furcht hätte, jondern nur, weil er anderswo jeine Truppen 
nötig bedürfte und nicht wolle, daß jeine Feinde in der Stadt irgend welche 
Hilfsmittel vorfänden. Fürwahr ein ſchwacher Troft ji die Leute, die zum 
äußerjten Mißgeſchick verurteilt waren! Das graujamjte aber war, daß man 
den Vertriebenen nicht erlaubte, den Rhein zu überjchreiten, ihnen aljo ver: 
wehrte, jich zu Verwandten oder Freunden zu flüchten, bei denen die Armſten 
dod auf einigen Beiltand hätten zählen 38 . te wurden vielmehr ge— 
zwungen fi) ins Eljaß zu wenden, wo fie jehr wahrjcheinlicherweije nicht 
den beiten Empfang finden werden. Wenn man ihnen wenigjtens noch 


en 


Wagen zum Fortihaffen ihrer Habe geftellt hätte, jo wäre dies immerhin 
eine Art von Tröftung gewefen, aber feine andern Fuhrwerte wurden den 
Vertriebenen überlafjen, als die wenigen, die fie jelbit bei den Bauern der 
Umgegend auftreiben fonnten oder aud) bei den Markedentern. Doch gerade 
dieje beuteten die ——— aus und vermieteten ihre Wagen zu ſo hohen 
Preiſen, daß die meiſten Bürger die Mittel dafür nicht aufbrachten und aus 
Mangel an Fuhrwerk faft all ihr Hab und But zurüdlaffen mußten. Ich war 
Zeuge, daß man den Betrag von fünfzehn Talern für die Überlafjung eines 
Pferdes auf einen einzigen Tag bot, eines Pferdes, das joviel Geld nicht 
einmal zum Kaufen wert war. Und dies alles geſchah, obwohl der König 
Befehl erlaffen hatte, den abziehenden Einwohnern 400 Wagen zu ftellen! 


Nichts wird je erbarmungswurdiger fein, als der Schmerz und die 
Beftürzung, die in der ganzen Stadt herrichten, nachdem die bevorftehende 
Niederbrennung verfündigt worden war. Man hörte nur Jammergejchrei, 
man Jah nur Tränen. Bejonders herzzerreißend und zum Mitleid bewegend 
äußerte fich der Schmerz der Frauen, wie fie vor — — ſich die 
Haaren rauften und mit dem Kopfe gegen die Mauern ſtießen. Schließlich, 
als die Gnadenfrift abgelaufen war, mußten die Einwohner Speyers ihre 
Stadt verlafjen und alles, was fie darin bejaßen, aufgeben, ohne anderswo 
Mittel zum ee zu haben. Nun begann das Wehllagen aufs 
neue und ftärfer als vorher. Es iſt aber auch gewiß, daß es nichts mitleid- 
erregenderes geben fann, als es dieſer unglüdsvolle Auszug aus Speyer 
war. Der Edelmann, der Handwerker, der Arme, der Heiche, alle waren 
untereinander gemengt, er e Rüdficht, die einen jo elend wie die andern; 
nur mit dieſem linterjchied, daß die Reichen ihr Mißgeſchick viel lebhafter 
empfanden als die Armen. Dan bemerkte an diefem Tage mitten unter der 
unzählbaren Menge von Menjchen zwei: oder dreihundert Edelfrauen und 
Bürgerinnen, wie fie zu Fuß aus der Stadt wanderten, viele mit Säug— 
lingen auf dem Arm und nod) dazu gefolgt von fünf oder fechs Kindern. 
Ale jchritten fie hinaus ohne zu willen, wo fie die nächte Nacht Schlafen 
jollten oder wie fie Nahrung fänden. Denn, willen Sie, daß die Kriegsiteuern 
an Geld, die Lieferungen für Mannichaften und Pferde, die Bejchenfe, die 
Beihaffung von Wein, Holz und Licht für die Bejagung und anderes die 
Mittel der Einwohner Speyers dermaßen erichöpft hatten, daß beim Auszug 
Dreiviertel von ihnen feinen Sous mehr bejaßen. Die wenigen, die jo 
glüdlich gewejen waren, etwas Geld zurüdzubehalten, hatten es in die Erde 
vergraben, aus Furcht, unterwegs von den Soldaten ausgeplündert zu werden; 
wirklich gejchah dies mehreren, die diefe Vorficht nicht angewendet hatten. 

Mährend der folgenden zwei Tage wurde das menjchenleere Speyer 
den Goldaten Br —— preisgegeben. Die Folge davon war, daß 
dieſe tauſend ie arin begingen; denn in der Hoffnung, ver: 
borgene Schäße zu finden, — ſie Altäre um, durchwühlten die älteſten 
und verehrungswürdigſten Gräber und Grüfte, ohne ſelbſt das Grab eines 
Kaiſers und mehrerer großer Fürſten und geiſtlicher Herren zu verſchonen, 
nämlich die Grabjtätten, die fich in dem Dom befanden. Übrigens diente 
das Gotteshaus gleichzeitig als Stall für die Pferde der leichten Reiterei. — — 
Ihnen folgte vor nun acht Tagen der Schlußakt, die Niederbrennung der 
Stadt. Zu diefem Zwed ließ man die Truppen ein Lager außerhalb der 
Stadtmauern beziehen und zweihundert Mann erhielten Auftrag, mit den 
Fackeln, die ihnen eingehändigt wurden, die Stadt in Brand zu ſetzen. Diejes 
wurde jo pünktlich vollzogen, daß in weniger als einem halben Tag die 
Stadt von den Flammen verzehrt war. Somit war der leßte Tag im Mai 
des Jahres 1689 auch der lebte Tag diejer freien —“ einer Stadt, 
deren Gründung bis ins graue Altertum zurückreicht. Noch nicht befriedigt, 
läßt der König gegenwärtig die Überrefte von Speyer dem Erdboden gleich 
machen, zu welcher Arbeit bisher alltäglich taujend Goldaten verwendet 
wurden. Große Mühe wird man anwenden müfjen, um den Dom zu be: 


34* 


— 524 — 


wältigen, da deſſen Mauern —— dick und durchgehends von 
behauenen großen Steinen hergeſtellt ſind. Und dennoch kann die Stärke 
dieſes Baues nicht ſeine Zerſtörung aufhalten; im Gegenteil: da befürchtet 
wird, daß die Deutſchen ſich eines Tages darin verſchanzen könnten, jo wurde 
bejchlofjen, die ausgebrannte Kathedrale mit Anwendung von Minen in die 
Ruft zu ſprengen. 

Auch das Iejuitentollegium hat zwei oder drei Tage widerftanden, 
aber die Zerjtörer fanden wenigftens ihre Rechnung dabei; denn es fielen 
ihnen zwei Schäße in die Hände. Der eine aus der Erde gehoben, bejtand 
aus 8000 Livres gemünzten Geldes, der andere, einfach in eijernen Kiſten 
unter einem Haufen von Büchern im Keller verborgen, muß urjprünglich 
Beligtum mehrerer Bürger gewejen jein, die ihre wertvollite Habe bei den 
Sejuitenvätern in Aufbewahrung gegeben hatten. Diejer zweite Schaf be— 
ftand aus Silbergejhirr im Werte von 9000 Livres. 

Sie vermögen ſich feine Vorftellung davon zu machen, welche Menge 
Mein in Speyer eingelagert war. Man fünnte damit eine Stadt wie Paris 
auf länger als einen Monat verjorgen und zwar mit dem beiten, der über: 

aupt getrunten werden fann, durchwegs vier oder fünf Jahre alt. Es gab 
ier wohlhabende Leute, die den Wein jogar bis zum 12. Jahrgang auf- 
ewahrten. Er wurde in großen a eingelagert, die man gewöhnlich 
vr nennt. — — Übrigens glaube ich nicht, dah irgendwo anders in der 

elt jo jchöne Keller und dazu in ſolcher Zahl anzutreffen jeien, als fie in 
diejer Stadt beftanden. Sie waren tief, geräumig und wohlgewölbt, mit 
großen Pfeilern im Innern, die die ganze Laft der darüber erbauten Häujer 
trugen, wie auch der Straßen, bis unter die die Kellerräume immer hinaus= 
reichten. Wer in einen jolhen Keller hinabgejtiegen war, fonnte den Ein- 
drud gewinnen, als befände er fich in einem untertrdilchen Tempel, der dem 
Gotte Bachus geweiht jei. 

Während wir bejchäftigt find, Speyer zu zerftören, bejorgt das Regiment 
der Königin im Verein mit einigen andern das nämlidhe mit Mannheim, 
einer kleinen Stadt (die Kurfürſt Karl Ludwig nad) dem dreikigjährigen 
Kriege wiedererbauen und neu — ließ). — — Worms, — al, 
Ladenburg, Oppenheim und Deidesheim erlitten eine ähnliche Behandlung 
wie Mannheim und Speyer, aber da ich nicht Kt an diejen Orten gewejen 
bin, vermag id) eine — wie Sie ſie wünſchen, nicht zu liefern. 
Alles was ich darüber weiß, iſt, daß es ziemlich ſchöne Städte waren, die 
zerſtört worden find und deren Überreſte man eben jetzt zu ſchleifen im Be— 

riffe if. Damit ſoll ein Zuftand gejchaffen werden, derart, daß man 
Böchftens noch jagen könne: hier lag Worms, Speyer, Mannheim ujw. 


Im Feldlager vor Speyer, Juni 1689. Du Mont. 


Der ſpaniſche Erbfolgefrieg. 
Landaus Belagerungen. 


Am 1. November 1700 ftarb der finderlofe Karl II. König von 
Spanien, der furz vor jeinem Tode Philipp von Anjou, einen Entel 
Ludwig XIV. zum Grben eingelegt hatte. Allein Kaijer Leopold 
erhob ebenfalls für jeinen Sohn Karl Anſprüche auf die reiche Erb- 
Ihaft. Schon vorher 1699, war der — Erbe, Joſef Ferdinand, 
der Sohn des Kurfürſten Max Emanuel von Bayern ge 


— 525 — 


ftorben. Auf Seite des Kailers traten England, Holland, Deutjch- 
land, namentlich das erjtarfte Königreich Preußen, das Kurfürftentum 
Hannover, Savoyen und Portugal. Mit Ludwig XIV. verbanden 
ih nur Max Emanuel und dejjen Bruder Erzbilchof Iojef Klemens 
von Köln. Ein Krieg entitand nun, der 14 Jahre lang die Rhein- 
lande, namentlich aber das Kurfürftentum Bayern und Holland 
heimjuchte. Landau, das Bollwerf der Franzojen, wurde viermal 
belagert und zweimal von den Deutichen, 1702 und 1704 und zwei: 
mal von den Franzojen, 1703 und 1713 eingenommen. Im Juni 
1702 rüdte Markgraf Ludwig von Baden als faijerlicher Feldherr 
vor die Feſte und eroberte ſie nad) Bötägiger harter Belagerung 
am 10. September 1702. Der fommandierende General, der Mord— 
brenner Melac erhielt dabei, weil er ſich tapfer gewehrt hatte, 
freien Abzug. Am ehemaligen Galthaus „Zur goldenen „Blume“ 
in Landau jtanden noch lange die Worte: 

„sn der Belagerung von Landau, taujendfiebenhundertundzwei 

Kauft man dreißig Pfund Brot um ein Ei.“ 

Schon im Dftober 1703 zog Marjichall Tallard vor Landau, 
um es jeinem Könige zurüdzugewinnen. Der Kommandant Graf 
von Friejen wartete vergeblich auf ein Entjagheer, das von Nord: 
often ſich der Feſtung nähern ſollte. Schon vorher war ein beladener 
MWagenzug, der von Bhilippsburg über Neuftadt geführt wurde, und 
Pulver und Blei in die —* ſchaffen ſollte, von den Reitern 
Tallards abgefangen worden. 4 Wochen lang hatte ſich Frieſen 
tapfer gewehrt, da kamen die Truppen des Grafen von Naſſau— 
Weilburg und die holländiſchen Hilfsvölker unter dem Erbprinzen 
von bei Speyer zuſammen, um von hier aus mit etwa 
25000 Mann die Franzoſen anzugreifen. Aber die Deutſchen ſtellten 
ſich auf dem rechten Speyerbachufer auf und benützten nicht den 
Bach als Schutzwehr. Keiner der beiden Generale wollte ſich dem 
anderen unterordnen. Am 14. und 15. gönnten ſie ihren Truppen 
Raſt, denn am 15. Oktober feierte das Heer den Namenstag des 
Kaijers Leopold mit großer Ausgelajjenheit und wollte erſt am 16. 
gegen Landau; aber jchon hatten die franzöfiihen Kundichafter 
genau die Stellung der Feinde ausktundichaftet und 10000 Mann 
unter Pracontal eilten über Kaijerslautern und Neuftadt nad) 
Eſſingen. Am Wbende des 14. September aber zog Tallard diejen 
mit 18000 Dann der Belagerungstruppen entgegen. Dreißig 
Stunden hatten PBracontals Reiter im Sattel zugebradt. Während 
nur 6000 Dann Franzolen die Belagerung aufrecht erhielten, zog 
Tallard mit 15000 Dann jofort gegen Speyer. Bei Schwegenheim 
itellte er jeine Leute in 2 Treffen auf und während die Deutjchen 
ih an Gelagen erfreuten und die Offiziere in Speyer zujammen 
waren, ftürzte er auf den Feind, der ſich in aller Eile in Schlacht: 
ordnung jammelte. Der Sieg blieb den Franzojen, die aber aus 
Erihöpfung den gejchlagenen Gegner nicht verfolgen konnten. Von 


— 526 — 


der tapfern Gegenwehr der Deutjchen zeugten 4000 tote und ver= 
wundete Franzoſen, fie büßten aber Diefelbe Zahl ein und verloren 
2000 Gefangene. Am längiten hielt fich das pfälziiche Leibregiment 
auf dem rechten Speyerbachufer auf, jo daß ihm zulegt der Weg 
nach Speyer verlegt wurde und es volljtändig in Befangenjchaft geriet. 

Am 16. November erſchien Rittmeifter Friejen, der Sohn des 
Kommandanten und bradte auf Befehl Tallards dem Bater die 
Schreckensnachricht mit der jchriftlichen Aufforderung zur Übergabe 
der Feltung, die nur von 2000 Mann verteidigt war. Frieſen über: 
gab unter ehrenvollen Bedingungen die Stadt an die Franzoſen und 
am 17. November jchon verließ fie die Bejagung mit Gewehr, Kugel 
im Mund, mit einigen Gejchügen und Mörkern nebjt Munition, 
worauf die Franzojen einzogen. Sie freuten ſich ihres Erfolges bis 
en 12. September 1704, als der Markgraf Ludwig von Baden, der 

ürfenbefieger mit dem NReichsheere und mit Unterjtüßung des 
ölterreichiichen SHeerführers, des Prinzen Eugen von Savoyen und 
der englilchen Truppen unter dem Herzog Marlborough die Feltung 
jo dicht umjchloß, daß an ein Entlommen der Franzojen nicht zu 
denten war. Am 22. September erjchien auch der Sohn des Kaijers, 
der römiſche König Joſef vor Landau. Nach dem eigens für dieje 
Reife gebauten achtipännigen Brachtwagen, dem „Landauer Wagen” 
heißen ſeitdem ähnliche: „Yandauer“. Die drei Befehlshaber ritten 
ihrem nunmehrigen VBorgejegten mit prächtig geſchmückten Reiterjcharen 
entgegen und geleiteten ihn zum Prunfzelt bei IIbesheim. Als der 
franzöfiiche Kommandant Yaubanie von diejer Ankunft hörte, jchrieb er 
an den Markgrafen von Baden: Landau, den 26. September 1704. 

Ich nehme mir die Freiheit, mi) an Eure Hoheit zu wenden und 
ergebenft zu bitten, mich wijjen zu lafjen, wo ©. M. der Römiſche König 
fein Hauptquartier genommen hat und von wo aus er die Belagerung zu 
überſchauen gedenkt; denn ich möchte ihm meine tiefe Ehrfurcht beweijen, 
indem id) den Kanonieren verbiete, nad) jener Geite hin zu jchießen. Ich 
benüße dieje Gelegenheit, um Eurer Hoheit zu verfichern, daß niemand Gie 
mehr ehrt und aufrichtiger als ich iſt Euer Hoheit ergebenjter und gehor— 
jamjter Diener aubanie, 

überjegt von E. Heujer in dem Wette: Die 3. und 4. Belagerung 
Landaus im ſpaniſchen Erbfolgefrieg (1704 und 1713), Landau 1896. 

Der Markgraf teilte darauf mit, daß fi) das Hauptquartier 
des Königs außerhalb Schußweite befände und überall da bei Be: 
fichtigung der Angriffsarbeiten jei, wo jeine Anwejenheit not: 
u wäre, 

ach harter Beſchießung zog am 26. November 1704 die 
franzöfiiche Bejagung ab und Frieſen als Gouverneur des Kaiſers 
wieder ein. Neun Jahre lang blieb Landau deutjch, bis im Juni 
1713 der franzöfiihe Marſchall Bezons die vielumitrittene Feſte 
abermals einjchloß und am 20. Auguft eroberte. 102 Jahre herrjchten 
nun die Franzoſen in der ehemaligen Reichsitadt, bis fie 1816 an 
das Königreich Bayern fiel. 


— 527 — 


Der bayerijhe Aufftand. 


Da im Jahre 1704 mit den Franzojen allenthalben auch die 
Bayern gejchlagen worden waren (bei Höchjtädt und Blindheim am 
linten Donauufer), jo floh der Kurfürft mit den Franzoſen über den 
Rhein und ließ Gemahlin und Kinder ohne Shug in München zurüd. 

Am 15. Mai 1705 erjchien der failerliche General Gronsfeld 
mit 10000 SÖiterreichern vor der Hauptitadt und verlangte jofortigen 
Einlaß, Statt dejjen bejegten bewaffnete Bürger die Wälle. Bronsteld 
drohte nunmehr, er werde die Stadt bejchießen, laſſe man ihn aber 
gutwillig ein, jo werde er nicht nur die Einwohnerjchaft, jondern 
auch die furfürjtlichen Kinder, die von ihren Eltern getrennt waren, 
gut behandeln. Die Münchener waren klug genug und jchieten fich 
in das Unvermeidliche, als 3000 Oſterreicher ihre Stadt bejegten 
und ein fatjerlicher Statthalter die Zügel der Regierung ergriff. 
Die Kurfürjtin war bereits im Februar mit einem Säugling nad) 
Venedig entflohen. 

Der Statthalter Löwenſtein befahl am 15. Juni 1705, daß 
12000 Bayern im Alter von 20—40 Jahren zum öiterreichilchen 
Heere eingezogen werden jollten. Je 4 Bauernhöfe jollten einen 
Dann Stellen; aber niemand erjchien an den Sammelpläßen. Daher 
drangen die faijerlichen Werber nachts in die Häujer ein und rijjen 
die Heerespflichtigen aus den Betten. Wer fliehen konnte, floh in 
die Wälder des Gebirges oder über die Grenze. Die Erbitterung 
des Landvolkes jtieg aufs höchite und damals entitand der Sprud): 

„Lieber bayerijch fterben, 
Als in des Kaijers Unfug verderben!“ 

Schon rotteten fich in den Gerichten Köging, Neunburg vorm 
Mald und Rög 500 Waldbauern zujammen und befreiten ihre 
Söhne und Brüder, die man gerade zum Dienſte zwingen wollte. 
Die Pfarrer v. Miller von Dberviechtach und Rupert Greiner von 
Hemau hatten bereits 3000 Dann gejammelt. Da erjchien auch ein 
Aufruf an das bayerilche Volk, der mit Max Emanuels geichiet 
nachgemachter Unterjchrift verjehen war. Bald waren 20000 Dann 
beilammen, die der alte Wachtmeilter Hoffmann und die beiden 
Studenten Meindl und Plinganjer I Ihre Fahne trug die 
Morte: Wir wollen lieber bayerijch jterben, ujw. Die tolltühnen 
Landesverteidiger eroberten rajch Braunau, Burghaufen und Schärding 
am Inn und jelbjt der Faijerliche Dberjt Wendt richtete nichts gegen 
fie aus. Das Land zwilchen Iſar und Inn fam ganz in die Gewalt 
der Bayern, die zu Burghaujen eine furfürjtliche Regierung errichteten. 
Am 12. Dezember 1705 begingen fie aber den Fehler, mit den 
Raijerlihen einen Waffenftillitand auf zehn Tage zu jchließen, jo 
daß dieje Verſtärkung heranziehen konnten. 

Unter Anführung des Mebgermeilters Mathias Kraus er: 
oberten Zandesverteidiger in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 


———— 


Kelheim, mußten es aber 5 Tage ſpäter an die Oſterreicher abgeben, 
die den Anführer Kraus ſchon am 19. gefangen ſetzten, in Ketten 
legten und auf einem Wagen nad) Ingoljtadt brachten, wo er ftand- 
rechtlich erjchojfen wurde. Schon anfangs Dezember hieß es in 
München: „Die prinzlicyen Kinder wollen ſſuns nehmen!“ und ein 
Schrei des Schmerzes ging durch das treue bayerilche Voll. Darum 
verbanden fich einige Münchener Bürger : die Weinwirte Jäger und 
Rittler, der Brauer Hallmeier, der Eilenhändler Senſer und der 
Vofthalter Hierner: von Anzing, die in einer geheimen Zujammen= 
funft einen Aufruf berieten und ins Dberland jchidten. Die 
Sorge um die Fürftenfinder regten das Volk auf, dejjen Führer 
darauf bei den Franzisfanern in Tölz zujammen famen und einen 
Zug nad) München für den Weihnachtsabend bejchlojjen. 

Die Feuerzeichen leuchteten nun vom nächtlichen Himmel und 
in allen Dörfern und auf allen Höhen des Dberlandes griff das 
Bolt zu den Waffen. Wie einit im Bauernfriege, jo jollten 
auch jet wieder Senſen, Gabeln, Drejchflegel und jelbitgefertigte 
Spieße als Waffen dienen. Am 24. Dezember jammelten ich 
die Haufen bei Schäftlarn, wo fie den zufällig anwejenden baye- 
riihen Hauptmann Mathias Mayer zwangen, Führer gegen München 
zu jein. Die Starnberger waren auch mit ihrem Pflegerichter Io]. 
Öttlinger erjchienen, der aber rajch nach München ritt, um jeinem 
Vetter, dem kaiſerlich gefinnten Bürgermeilter, die baldige Ankunft 
der Bauern zu melden. Doch dieje hatten feine Ahnung von dem 
Berrate und rüdten in der kalten Winternacht über die Iſar gegen 
den roten Turm, von wo fie auf die aufzufteigende Rafete warteten. 
Aber dieje zeigte fich nicht und die ungeduldigen Oberländer jtürmten 
den Turm, deſſen Bejagung ſich nach der Stadt zurüdzog. Unter: 
dejjen wurde es Morgen, da donnerten im Rüden der Angreifer 
die Kanonen des Generals Kriechbaum, der über den Gaſteig heran 
309. Gleichzeitig drangen aus den Stadttoren kaiſerliche Infanterie 
und Hujaren auf die jchlechtbewehrten Bauern, die zu Hunderten den 
GSäbelhieben der Reiter erlagen. Dennod) gelang es dem größten Teile 
auf die Höhe von Gendling zu gelangen, wo fie eine gute Ber: 
teidigungsitellung geichaffen hatten; aber die Kaijerlichen waren in 
der Üibermadt, weshalb Hauptmann Mayer dreimal das Zeichen 
zum Waffenftreden gab. Während die Führer zu Kriechbaum eilten 
um Schonung zu erlangen, drangen die Huſaren abermals in die 
Haufen der armen Bauern und hieben nieder, was vor fie fam. 
Niemand wurde gejchont. Die Iekten VBaterlandsverteidiger retteten 
ſich auf den Kirchhof von Sendling, wo der Sage nad) „Schmiede- 
balthes von Kochel“ den Heldentod jtarb. Die Anführer flohen. 
Als bald darauf alle Feltungen wieder in des Kaijers Gewalt waren, 
floh der Student Meindl ins Salzburgifche, wo er hochbetagt 1767 
erit jtarb; aber die andern Führer bejtiegen den Richtplag und 
endeten unter dem SHenferbeil. Nur Pfarrer Miller wurde lebens: 


— 59 — 


länglich in Ungarn gefangen gehalten. Die treuen Bauern hatten 
ihr Blut umſonſt vergojjen; denn Max Emanuel wurde nicht nur 
mit jeinem Bruder geächtet, jondern auch Bayern zeritüdelt. Erſt 
als Kaiſer Iojef 1711 jtarb und jein Bruder als Karl VI. den 
Thron beitieg (1711—1740), ſchlöß Ludwig XIV. 1713 zu Utredt 
Frieden mit England, Holland, Preußen und Savoyen, 1714 ver: 
jöhnten fi) auch der Kailer und Ludwig zu Raſtatt. Max 
Emanuel erhielt wieder jein Yand und alle jeine Würden. 

Schon 1715 Itarb Ludwig XIV. „der Sonnenfönig“, der jo 
viel Elend über unjer Baterland gebracht hatte. Die Macht Oſter— 
reichs zu brechen, war ihm nicht gelungen. 


Das Zeitalter Friedrichs des Großen 


1740 —1786. 


1. In Preußen. 


a) Vorgeſchichte. 

Das preußiiche Herricherhaus entitammt dem Jüddeutichen 
Grafengejchlechte der Zollern, das 1192 mit dem Burggrafenamte 
zu Nürnberg belehnt wurde, 1415 empfing Burggraf Friedrich auf 
der Kirchenverfammlung zu Konſtanz von Kaiſer Sigismund für 
vorgejchojjenes Geld die Marf Brandenburg mit der Kurwürde. 
Der Gründer des heutigen preußilchen Staates ift der Große Kurfürft 
(1640—1688), der jein jchwer geprüftes Land mit niederländilchen 
Kolonijten bevölterte und 20000 Hugenotten aufnahm, die Dder mit der 
Spree verband und die eriten deutichen Kolonien an der Küſte von 
Guinea in Afrika gründete, welche leider jpäter an die Holländer verkauft 
werden mußten. Sein Heer brachte er von 3000 Mann auf 27000. 

Friedrich I. (1688— 1713) Jette ji) im Einverftändnis mit dem 
deutichen Kailer Leopold die Königstrone aufs Haupt. Was 
er aber durch Prachtliebe verjchwendete, erjparte jein Sohn Friedrich 
Wilhelm I. (1713—1740), der die unter dem Vater auf 38000 Mann 
angewacjjene Armee auf 83000 erhöhte, jo daß der zwölftgrößte 
europäilche Staat der viertſtärkſte wurde. 

Auch) er nahm 20000 proteitantiiche Salzburger, die Erzbijchof 
Firmian 1732 vertrieben hatte, als Kolonilten an. Noch heute 
erfennt man dieje an ihrer Mundart. 


b) Friedrihs des Großen Jugend. 


Friedrichs Vater war em jähzorniger Mann, der den auf: 
gewedten Knaben mit überjtrenger Härte behandelte. Als im Jahre 
1730 der König eine längere Reije nad) Süddeutjchland unternahm, 
ſchlug er von Stuttgart den Weg nad) Mannheim ein. Statt in 
Sinzheim a. Nedar übernachtete die ftattliche Reijegejellihaft in 
verjchiedenen Scheunen des Dorfes Steinfurt, da der einfache König 
nicht in Wirtshäufer wollte. Der 18jährige Kronprinz Friedrid) 
und Oberft Rochow jowie jein Kammerdiener bezogen auch eine 
Scheune. Der Page mußte, da gerade Pferdemarkt war, dem Kron— 
prinzen Pferde verichaffen und jollte jeinen Herrn frühmorgens um 


— 531 


4 Uhr weden. Er verfehlte aber das Lager des Prinzen und weckte 
den Kammerdiener, der jcheinbar ruhig blieb und alles beobachtete, 
was nun vorging. Friedrich |prang raſch auf und Heidete ſich an, 
aber nicht in die Uniform, jondern in ein franzöfilches Kleid mit 
einem roten Überrod und verließ die Scheune. alch teilte der 
Kammerherr dem Oberjt Rochow mit, was er gejehen hatte. Dieſer 
weckte noch drei andere Offiziere und machte fidy mit ihnen auf den 
Weg, den Kronprinzen zu juchen. Bald fanden fie ihn auf dem 
Pferdemarkte an einen Wagen gelehnt und auf den Pagen wartend. 
Als ihn die Offiziere mit Ehrerbietung fragten, was er hier juche, 
gab er ihnen kurze Antwort. Rochow erwiderte, der König jei be: 
reits aufgewacht und werde in einer halben Stunde jchon weiter: 
teilen, der Kronprinz möge daher rajch die Kleider wieder wechjeln. 
Doch diejer weigerte ſich und Jagte, er wolle jpazieren gehen und 
werde jchon zur rechten Zeit zur Abreije anwejend jein. Unterdejjen 
fam der Page mit den Pferden und Friedrich wollte rajch eines 
derjelben bejteigen, doch wehrten ihm die Dffiziere und brachten ihn 
mit Gewalt in die Scheune zurüd, wo er die Uniform wieder anlegte. 

Der König hörte bald von dem Fluchtverjuch, jagte aber nichts, 
bis die Reijegejellihaft von Mannheim nad) Darmitadt fam. Hier 
meinte er |pottend, er habe Friedrich inzwilchen jchon in Paris ver- 
mutet. Darauf erwiderte der Kronprinz: „Wenn ich nur gewollt 
hätte, hätte ich Frankreich jchon erreicht!” 

Über Frankfurt ging die Reiſe den Main und Rhein hinab 
zu Schiff. Da erreichte den König ein Eilbote aus Erlangen, wo: 
hin ein Brief an den Leutnant Katte, der um Friedrichs Pläne 
wußte und ebenfalls fliehen wollte, irrtümlich gelangt war. Als 
der König diejen Brief las, befahl er jofort den Kronprinzen auf 
einer Yacht in ficheres Gewahrjam zu bringen. Erit am folgenden 
Tage betrat Friedrich Wilhelm das Schiff und faum war er des 
Sohnes anfichtig, jo übermannte ihn der Jähzorn, er fiel über jeinen 
Sohn her und jchlug ihm mit dem Stod das Geficht blutig. Friedrich 
rief aus: „Nie hat ein brandenburgijches Geficht ſolche Schmach er: 
litten.” Die anwejenden Offiziere entrijjen den Sohn dem wüten- 
den Vater, der ihn auf ein zweites Schiff bringen ließ, wo er als 
Staatsgefangener behandelt wurde. Sein Freund Keith emp: 
fing, noch ehe der König jeine Feſtung Wejel erreichte, von Friedrichs 
Hand einen Bleiftiftzettel mit den Worten: „Nette Dich, alles iſt 
entdeckt!“ Keith, der für Freiheit und Leben fürchten mußte, beitieg 
raſch ein Pferd und erreichte die nahe holländiiche Grenze. Gelbit 
noch im Haag verfolgte ihn ein nachgejandter preußilcher Offizier, 
entkam aber glüdlich auf einem Filcherboote nad) England und von 
da nach Portugal, wo er Kriegsdienjte nahm. 

In Wejel wurde der Kronprinz gefangen gejegt und durch 
Schildwachen mit bloßen Bajonetten behütet. Am folgenden Tage 
führte ihn der Feitungstommandant, General von Mojel zum Könige. 


ER ——— 


Diefer fragte: „Warum haft Du dejertieren wollen?“ Friedrich 
antwortete: „Weil Sie mid nicht wie Ihren Sohn, jondern wie 
einen Sklaven behandelt haben“. Der Bater jchrie: „Du bilt ein 
ehrlojer Dejerteur, der fein Herz und feine Ehre im Leibe hat!“ 
„Ich habe dejjen jo viel wie Sie“ verjeßte der Sohn „und ich tat 
nur, was Gie, wie Sie mir mehr als hundertmal gejagt haben, an 
meiner Stelle getan haben würden!” Dieje Worte erregten den Jäh— 
orn des Königs jo jehr, daß er Friedrich durchbohrt hätte, wenn 

ojel ihm nicht in die Arme gefallen wäre. Mojel rief: „Töten 
Sie mid, Sire, aber jchonen Sie Ihres Sohnes!” Der König 
ftußte und während der treue General den gefangenen Sohn ab— 
führte, redeten die andern Generale auf den Bater ein, daß er fich 
entjchloß, den Kronprinzen nicht mehr zu jehen. Einige Tage |päter 
teilte Friedrich Wilhelm wieder nach Berlin. 

Triedrich jollte nachfommen; aber jchon hätten Leute aus Dem 
Volke für den geliebten Kronprinzen ihr Leben gewagt. Schon be— 
laß er eine Stridleiter und das Kleid einer Bäuerin um nad) Eng: 
land zu entfliehen und bereits ſtieg er in jeiner Verkleidung zum 
Fenſter heraus, da rief ihn die Schilowache, die er nicht gejehen 
hatte, an. Er zog fich zurüd und ließ ſich am folgenden Tage gut: 
willig nad) Mittenwalde bringen. Als Wusreißer wurde er vom 
Kriegsgerichte zum Tode verurteilt und auf die Feltung Küftrin ge- 
bracht. Katte, der ebenfalls gefangen wurde, empfing das “Todes: 
urteil und als man ihn am 6. November 1730 zum Richtplage 
geleitete, zwang man den Kronprinzen an das Fenſter zu treten. 
Zwiſchen 2 Predigern und begleitet von Soldaten wurde Katte 
vorüber geführt. Da rief Friedrich: „Werzeihe mir, mein teuerer 
Ratte!” Diejer aber erwiderte: „Der Tod für einen jo liebens: 
würdigen Prinzen iſt ſüß!“ und jchritt mutig dem Tode entgegen. 
Friedrich verfiel in Ohnmachten, jeine Schweiter, die jpätere Mark— 

räfin von Bayreuth, die um die Pläne gewußt hatte, erhielt Fauft: 

Ela e ins Gefiht. Nach langem harten Gefängnis verwendete jich 
der Kaijer für den Kronprinzen, jo daß diejer aus der Gefangen: 
Ichaft entlajjen wurde. Cinige Zeit arbeitete er noch auf den Ämtern 
in Küſtrin und erhielt dann das freundliche Rheinsberg in der 
Mark zum Aufenthalt angewielen. 


Kronprinz Friedrich bei Bhilippsburg 1734. 


König Friedrich Wilhelm hatte ſich, als 1733 der polnijche 
Thron erledigt war, auf die Seite Ölterreichs und Rußlands ge: 
ſchlagen, die den ſächſiſchen KRurfürjten Auguft III. auf den Warjchauer 
Königsituhl erhoben, während der franzöjiiche König Ludwig XV. 
jeinen Schwiegervater Stanislaus Leszynski begünftigte, der 


— 5 — 


ſchon früher einige Jahre dieje Krone trug. Darüber fam es zum 
Kriege und König Friedrich Wilhelm ſchickte 10000 Dann Hilfs: 
truppen an den Oberbefehlshaber des Kaijers, den greilen Türken: 
befieger Eugen von Savoyen, der fich anſchickte, die Reichsfejtung 
Philippsburg zu entjegen, wohin die Franzoſen jchon vorgedrungen 
waren. Der Preußenfönig hielt die Gelegenheit für günftig um 
den Kronprinzen in die Kunſt des Krieges einzuführen und daher 
folgte diejer als Freiwilliger dem Heere. Gugens SHeerlager war 
bei dem Dorfe Wiejenthal, das von den —— Verſchanzungen 
nur auf Kanonenſchußweite entfernt war. Kaum war Friedrich 
eingetroffen, jo beſuchte er den 71jährigen Helden und bat ihn um 
die Erlaubnis, zujehen zu dürfen, „wie ein Held fich Xorbeeren 
jammle“. Eugen bedauerte, daß er nicht jchon früher das Glüd 
gehabt habe, den Kronprinzen bei fich zu jehen, dann hätte er 
manche Dinge zeigen können, die für einen Heerführer von Nutzen 
jeien und meinte: „Denn alles an Ihnen verrät mir, daß Sie fi) 
einit als ein tapferer TFeldherr zeigen werden”. Eugen lud hierauf 
den Kronprinzen ein bei ihm zu jpeilen und während die Kriegs: 
führer an der Tafel ſaßen, donnerten die nahen franzöfilchen Kanonen ; 
Doc achtete niemand darauf und Friedrich freute fich, wenn er einen 
Trinkſpruch ausbradhte und der Donner der feindlichen Gejchüge 
dazu brüllte. Bald nach diefem Beſuch begab fich Eugen mit dem 
Herzog Karl Alexander von Württemberg in Friedrichs Belt, um den 
Beſuch zu erwidern. Als beide Gäſte fi) wieder entfernten, ging 
Eugen voran. Friedrich aber umarmte und fühte den nachfolgenden 
Herzog. Schnell wandte fi) der greile Heerführer und fragte: 
„Wollen denn Eure Königliche Hoheit meine alten Baden nicht aud) 
küſſen?“ Mit größter Freude fam der Kronprinz diefem Wunjche 
des Feldherrn entgegen. Eugen jchenkte ihm darauf vier ausgejucht 
ſchöne und große Refruten, die in des Vaters Niejengarde, zu „den 
langen Kerlen“ eintraten. 

Eines Tages war Friedrich mit Erfolg ausgeritten um die 
Angriffslinien vor Philippsburg zu befichtigen. Als er durch ein 
lichtes Gehölz fam, begleiteten ihn die feindlichen Geſchoſſe von 
allen Seiten, jo daß mehrere Bäume zerrijjen wurden. Doc 
Friedrich behielt feit die Zügel jeines Pferdes in der Hand, zeigte 
nicht die geringjte Aufregung und ſprach ruhig mit den begleiten- 
den Generälen. 

Als der König jpäter jelbit im Lager eintraf, ſagte Eugen 
dem großen GSoldatenfreunde, daß der Kronprinz einmal einer der 
—— Feldherrn werde. Von nun an ſtand der Sohn beim 

ater in großem Anſehen, weil dieſer wußte, daß ſein wohl— 
geſchultes Heer nach ſeinem Tode in gute Obhut kam. 

Doch nahmen die Franzoſen Philippsburg ein, weil die 
Oſterreicher nicht das leiſteten, was von tüchtigen Soldaten verlangt 
werden mußte. 


— 54 — 


ec) Die ſchleſiſchen Kriege. 
l. Krieg 1740—42. 


Mit dem Tode des letzten Habsburgijchen Kaijers, der eine 
Tochter, Maria Therefia, hinterließ, war SÖfterreih rings von 
Feinden bedroht. Bayern, Sachſen und Spanien erhoben Anjprüche 
auf das reiche Erbe und Frankreich wünjchte erit recht die Zer— 
ftüdelung Öfterreichs. Preußen bot der jugendlichen Königin jeine 
Dienjte an, wollte aber als Entihädigung Schlejien haben. Da 
Dearia Therefia hierauf nicht einging, fiel Friedrich II. von Preußen 
im Dezember 1740 mit 30000 Mann in Sclefien ein. Friedrich 
jelbft jchrieb darüber an jeinen Staatsminijter von Podewils: 

Schweiniß*), 16. Dezember 1740. 

M. I. P., ich habe den Rubicon überjchritten*), mit fliegenden Fahnen 
und unter Trommeljchlag; meine Truppen find voll guten Willens, die 
Offiziere voll Ehrgeiz, und unjere Generäle dürften nad) Ruhm; alles wird 
nach unjferen Wünjchen gehen, und ich habe Urjache alles mögliche Gute von 
diefer Unternehmung zu erwarten. 

Schiden Sie mir Bülow**), jagen Sie ihm viel Angenehmes und 
eigen Sie ihm das eigenjte Intereſſe jeines Herrn; kurz, benußgen wir die 

enntnis des menjchlichen Herzens, laffen wir zu unferen Gunjten den Eigen 

nutz, den Ehrgeiz, die Liebe, den Ruhm nnd alle Triebfedern wirken, welche 
die Seele in Bewegung Io fönnen. Sch will zu Grunde gehen oder Ehre 
von Dei: Unternehmung haben. 

ein Herz prophezeit mir alles Bute von der Welt: kurz, ein gewiljer 
Inftintt, deffen Urjache uns unbefannt ift, weisjagt mir Glüd nnd Gelingen, 
und ich werde nicht wieder in Berlin erjcheinen, ohne mich würdig erwiejen 
zu haben des Blutes, aus dem ich entiprojjen bin, und der tapferen Soldaten, 
welche ich die Ehre habe zu befehligen. Leben Sie wohl, ich empfehle Sie 
dem Schute Gottes. Friedrid. 

Das Heer der SÖfterreicher jchlug der tapfere Schwerin bei 
Molwig unweit Breslau (1741), um aber den Beſitz behaupten zu 
fönnen, verband fich Friedrich mit Franfreih) und Bayern und 
Ihlug den Schwager Maria Therefias, Karl von LXothringen bei 
Chotuſitz und Gzaslau 1742, worauf im Frieden zu Breslau Schlefien 
und die Brafichaft Bla an Preußen fielen. 


I. Krieg 1744—45. 


Kurfürft Karl Albrecht von Bayern, der 1742 zu Frank: 
furt die deutjche Kaijerfrone empfing, die er als Karl VII. nur drei 
Jahre trug, mußte fich gefallen laſſen, daß die Ölterreicher nament- 
lich die räuberijchen Kroaten und PBanduren jein Land verwülteten. 
Obwohl fie von den Bayern und Franzoſen vertrieben wurden, 
famen fie 1743 abermals und Maria Therefia ließ fi) jogar in 


*) Friedrich hatte am 13. Dezember 1740 Berlin verlaffen, war am 
15. in Erofjen und hatte von dort am Morgen des 16. um 6 Uhr an Podewils 
eichrieben: „in zwei Stunden werde ich den Rubicon überjchreiten“. Er 
überfchritt die Grenze und jchrieb am Abend des 16. von Schweinitz, 1'/, 
Meile ſüdweſtlich von —— 

**) Sächſiſcher bevollmächtigter Miniſter am preußiſchen Hofe (N.). 


— 585 — 


München huldigen. Als auch die Engländer und Sachſen auf 
Oſterreichs Seite traten, erklärte Friedrich den 2. ſchleſiſchen Krieg 
und rücte mit feinen jchlagfertigen Scharen in Böhmen ein. Da 
die Ölterreicher am Rheine gegen die Franzoſen fämpften, jo be: 
gaben fie fich rajch nad) Böhmen und Friedrich wurde über Die 
Sudeten nad) Schleften gedrängt. Bei Hohenfriedberg fam es 1745 
zur Schlacht, die für Friedrich einen glänzenden Sieg ergab, jo daß 
die Öjterreicher wieder nad) Böhmen zurüdgingen. Schon glaubte 
der König an das Ende des Krieges, als er hörte, Öfterreicher und 
Sadjen eilten auf Berlin zu. Aber er erreichte bei Kejjelsdorf 
in der Lauſitz das Heer der Öjterreicher, wo ſein Feldmarjchall 
Lepold von Dejjau einen glänzenden Gieg erfocht. Unweit des 
Sclachtfeldes wurde Frieden gejchlojjen und Friedrich zog, von 
jeinem Volke als der Große begrüßt, in Berlin ein. 

In demjelben Jahre ftarb kurz vor jeiner Rückkehr in die be— 
freite Hauptitadt Kaiſer Karl VII. Sterbend ermahnte er jeinen 
Sohn Maximilian II. Joſef (1745—1777) mit Öfterreich Friede zu 
Ichliegen. Diejer tat es und erhielt im Frieden zu Füſſen alle 
jeine Länder zurüd, nachdem er verſprach, jeine Stimme bei der 
KRaijerwahl dem Gemahl der Maria Therefia, dem Herzog Franz 
von Lothringen zu geben. 

Als Kaiſer aus dem habsburgiſch rothringiſchen Haufe regierten: 
Franz I. — Joſef 1 1765 1180. N) Treo Aros Ba I. 
von 1792 —1806, wo es die Krone Karls des Großen niederlegte. 


Der II. ſchleſiſche Krieg. 
Der Jiebenjährige Rrieg 1756—1768. 


Friedrih II. und Maria Therefia benüßten die 10jährige 
Friedenszeit dazu um ihre Heere zu veritärfen; denn jener wollte 
Schleſien behaupten, dieje aber es zurüderobern. Daher juchten 
beide nad) Bundesgenofjen. An Öfterreich jchlojjen fi) Rußland 
und Frankreich an, an Preußen nur England. 

Friedrich hatte 1756 erfahren, daß im folgenden Jahre Oſter— 
reich und Rußland ihn gemeinjam angreifen wollten. Da dieje aber 
mit den Rüſtungen nicht zu ende waren, jo brach Friedrich mit 
jeinem jtets jchlagfertigen Heere von 70000 Dann auf und nahm 
Sadjen ein. Als ihm ein öjterreichiiches Heer entgegentrat, jchlug 
er dasjelbe bei Loboſitz zurüd und die in Pirna eingejchlojjene 
Jächlijche Armee mußte fich ihm ergeben. Als einem Bunbiriebens 
brecher erflärte der Reichstag zu Regensburg dem fühnen König 
den Krieg und als ſich die Schweden noch feinen Feinden anjchlofjen, 
tand er mit höchitens 150000 Mann 430000 gegenüber. 1757 
fielen die Breußen in Böhmen ein und gewannen die blutige Schlacht 


536 — 


bei Prag, wo der Feldmarſchall Schwerin den Heldentod ſtarb. 
Bald kamen die Oſterreicher unter Daun mit zweifacher Äbermacht 
und jchlugen den König bei Kolin, jo daß er Böhmen verlajjen 
mußte. Gleichzeitig bejiegten die Franzoſen jeine Verbündeten bei 
Haſtenbeck an der Wejer und die Rufen vernichteten durch eine 
dreifache fibermacdht das kleine preußilche Heer bei Großjägerndorf 
unweit Königsberg. Schon hatten die Öfterreicher Berlin einen Tag 
im Belige, als die Franzojen aus den Thüringer Bergen nad 
Sachſen drangen um Friedrich einzujchließen. Aber jeine Schnellig: 
feit verjchaffte ihm den glänzenden Sieg über die Franzoſen und 
die NReichsarmee bei Roßbach, jüdlich von Halle an der Saale, wo 
ſich der jugendliche Reitergeneral Seidlit auszeichnete. (5. November.) 


Noch heute fennt man allenthalben in Deutjchland den Vers: 


Und wenn der große Friedrich fommt 
Und klopft nur auf die 2 

So läuft die ganze Reichsarmee, 
PBanduren und SFranzojen. 


Die Reichsarmee hieß jeitdem: Reißausarmee, weil fie Jchon 
beim Beginn der Schlacht eilig geflohen war. 


An die Markgräfin von Bayreuth. 
Erfurt, 17. September 1757'). 


Teuerfte Schweiter. Nur in Ihren Briefen finde ich Troft. Möge der 
Himmel eine jo große Tugend und jo heroijche Geſinnungen belohnen. 

Seit meinem legten Brief?) häuft ſich mein Unglüd nur. Das Schidjal 
Icheint jeine ganze Wut und feinen ganzen Groll auf den armen Staat ent: 
laden zu wollen, den ich regiere. Die Schweden find in Pommern eingefallen, 
die Franzoſen haben eine für den König von England demütigende Neutralität 
een) — nad) welcher die Truppen gezwungen find ſich aufzulöfen 

die Quartiere zu beziehen, welche die Franzoſen ihnen anweijen, ohne 

daß die betr. Staaten von Kontributionen oder Lieferungen befreit wären. 
Die Franzoſen, jage ich, befinden 12 in vollem Marſch, um das Halber: 
ftädtiicehe und Magdeburgiiche zu überjhwemmen. Aus Preußen erwarte ich 
von einem Tage zum andern die Nacdyricht von einer lat‘); das Ber: 
Bu: der KRombattanten beträgt 25000 : 80000. Die SÖjterreicher find in 
lefien eingedrungen, wo der Prinz von Bevern?) fie verfolgt. Ich bin 
auf dieſer Seite vorgedrungen, um die a der Verbündeten anzu: 
greifen, welche geflohen iſt und hinter Eiſenach fich in Bergen verſchanzt hat, 
wohin ihnen zu folgen alle Regeln der Kriegsfunft mir verbieten, gejchweige 
denn fie anzugreifen. Sobald Fr mic) aus Sachſen zurüdziehe, wird der 
anze Schwarm mir folgen. Ich bin feft entichlojfen über das Corps des: 
jenigen SFeldherrn herzufallen, der mir am meijten nahe kommt und alles zu 


) An demjelben Tage hatte Friedrich ſchon einen furzen Brief an die 
Markgräfin geichrieben. 

2) Bom 15. September 1757. 

°) Die Konvention von Klofter Zeven am 8. September 1757. 

*) Die Rufen zogen fich jedoch nad) der Schlacht bei ag er 
die am 80. Au r ftattgefunden hatte, eilig zurüd, weil man in Rußla 
damals den Tod der Kaiſerin Elijabeth erwartete. 

) Auguft Wilhelm, Herzog von Braunfchweig:Bevern, Benerallieutenant, 
Chef des Regiments Alt:Bevern. (N. 5.) 





— — 


riskieren, was daraus erfolgen mag. Ich werde den Himmel noch für ſeine 
Gnade ſegnen, wenn er mir die Gunſt gewährt, mit dem Degen in der Hand 
umzukommen. Wenn dieſe Hoffnung mir —— t, ſo werden Sie mir zu— 
geſtehen, daß es zu hart wäre, vor den Füßen einer Geſellſchaft von Ver— 
rätern zu kriechen, denen ihre erfolgreichen Verbrechen den Vorteil gewähren 
mir befehlen zu können. Wie, m. liebe, m. unvergleichliche Schweſter, wie 
könnte ich die Gefühle der Rache und des Grolles gegenüber allen meinen 
Nachbarn unterdrüden, unter denen ſich feiner befindet, der nicht zu meinem 
Sturze herbeigeeilt ift und fich an meiner Beraubung beteiligt hat? 


Mie kann ein Fürjt jeinen Staat, den Ruhm feiner Nation, feine eigene 
Ehre überleben? Mag ein Kurfürft von Bayern, der noch in der Kindheit . 
oder in einer Art Abhängigkeit von jeinen Miniftern jteht und taub ift gegen 
die Stimme der Ehre, Fi um Sklaven der tyrannilichen Herrichaft des 
Haufes Öfterreich — und die Hand küſſen, die ſeinen Vater unterdrückte?), 
ich verzeihe es — ugend und Unerfahrenheit; aber iſt das ein Vorbild, 
dem ich folgen ſoll? Nein, I. Schweiter, Sie denken zu edel, um mir jo feige 
Ratichläge zu erteilen. Soll die — dieſes ſo koſtbare Vorrecht im 
18. abehun ert Fürften weniger foftbar jein, als fie den römijchen en 
war? o bat man behauptet, daß Brutus und Cato die Ho I igfeit 
weiter trieben als Fürften und Könige? Die Standhaftigkeit befteht darin, 
dab man 1% dem Unglüd entgegenitellt; aber nur die eigen beugen ich 
unter das Joch und tragen mn. ihre Ketten und lafjen ftch ruhig unter: 
drüden. Niemals, I. Schweiter, werde ich mich zu diefer Schmach entichließen 
tönnen. Die Ehre, die mich angetrieben hat, hundertmal mein Leben im 
Kriege auszujegen, hat mich gelehrt dem Tode um geringerer Gegenftände 
willen zu troßen als die find, um die es fich hier handelt. Das Leben ift 
icher nicht wert, — man ſo ſehr daran hängt, beſonders wenn man voraus— 
ieht, daß es immerfort nur ein Gewebe von Leiden ſein wird und daß man 

ch von ſeinen Thränen nähren muß. 

La douleur est un siècle et Ja mort un moment. 

Märe ich lediglich meiner Neigung gefolgt, jo hätte ich mich nach der 
unglüdlihen Schlacht, de ich verlor, aus dem Staube gemadht; aber icz hlte, 
dab es Schwäche wäre und daß es Pflicht ift, den entjtandenen Kg 
wieder zu heilen. Meine Anhänglichfeit an den Staat erwadhte, und ich 
Bee mir: nicht im Glüd, jondern im Unglüd ift es jchwer, Verteidiger zu 
inden. {ch machte es mir zu einem Ehrenpunft, alles wieder ins rechte 
Geleis zu bringen, was mir noch zuleßt in der Lauſitz geglüdt iſt; aber faum 
bin ich hier herbeigeeilt, um mic, neuen Feinden entgegenguftellen, als 
Minterfeld bei Görlit gejchlagen und getötet wird’), als die — en in 
das Herz meiner Staaten eindringen und die Schweden Stettin blockieren. 
Es bleibt mir nichts Gutes mehr zu tun übrig; es find der Feinde zu viele. 
Gelbft wenn es mir glüdte, zwei Heere zu jchlagen, das dritte würde mir 
den Garaus madjen. Sie werden aus beigefügtem Schriftſtück erjehen, was 
ich noch unternehme; es ift der le&te Verfuh. Meine Dankbarkeit und treue 
Anhänglichkeit an Sie, unjere feljenfefte Freundjchaft, die fich niemals ver: 
leugnet, verpflichtet . aufrichtig gegen Sie zu ſein. Nein, m. göttliche 
Schweiter, ich werde Ihnen feinen meiner — a rg ie ich 
werde Sie von allem benachrichtigen; meine Gedanken, das Innerſte 
meines Herzens, alle meine Entichließungen, alles joll en zur rechten 
Zeit befannt und offenbar fein. Ich werde nichts überjtürzen, aber es 
wird mir auch unmöglich jein meine Gefinnung zu ändern. Es ijt wahr, 
daß die Lage der Königin von Ungarn nad) der Schlacht bei Prag gefährlich 
zu jein jchten; aber fie hatte mächtige Bundesgenofjen und dazu große Mittel; 


°) Friedrich denkt an den Frieden zu Füllen am 22. April 1745. 
9 Sn dem Gefecht bei Moys am 7. September wurde er verwundet 
und ftarb am folgenden Tage. 





35 


ich) habe weder das eine noch das andere. ch würde von einem Unglüds- 
fall nicht niedergejchlagen fein; ich habe deren jo viele erlebt; die verlorenen 
Schlachten bei Kolin und in Preußen bei —— den unglücklichen Rück— 
zug meines Bruders und den Verluſt des Magazins in Zittau, den Verluſt 
aller meiner weitfälijchen Provinzen, das Unglüd und den Tod Winterfelds, 
den Einfall in Pommern, im Magdeburgiichen und Halberftädtiichen, den 
Berluft meiner Bundesgenofjen; und troß alledem biete ich dem Mißgeſchick 
noch Troß und glaube, daß bisher mein Verhalten von jeder Schwäche frei 
war. Ic bin fejt entichlofjen weiter gegen das Mißgeſchick zu kämpfen: 
aber zu gleicher Zeit bin ich auch entjchloffen meine Schande und die Schmach 
meines Haujes nicht zu unterzeichnen. Das, m. I. Schwefter, ift es, was im 
Innerjten meiner Seele vorgeht, und hier haben Sie ein umfaſſendes Beftänd- 
nis dejfen, was mich gegenwärtig bewegt. 

Was Sie betrifft, m. unvergleichliche Schwefter, jo habe ich nicht das 
Herz, Sie von Ihren Entihlüffen abzubringen‘). Unjere Gedanken jind die- 
jelben, und ich fünnte bei Ihnen die —— nicht mißbilligen, die ich 
alle Tage hege. Das Leben iſt uns von der Natur als eine Wohltat ge— 
geben; jobald es aufhört, eine jolche zu jein, hört der Vertrag auf, und jeder 

enjch hat es in der Hand, jeinem Mißgeſchick ein Ende zu machen in dem 
Augenblid, den er für den geeigneten hält. Man ziicht einen Schaufpieler 
aus, der noch auf der Bühne bleibt, wenn er nichts mehr zu Jagen hat. Dan 
beflagt die Unglüdlichen in den eriten Augenbliden: aber das Mitleid des 
Publitums ermattet bald, die menjchliche Bosheit übt an ihnen Kritik, man 
findet, daß ſie jelbjt an allem jchuld find, was ihnen widerfahren, man ver: 
urteilt fie und verachtet jie Ichließlih. Wenn ich dem gewöhnlichen Lauf der 
Natur folge, werden Kummer und jchlechte Gejundheit meinen Tagen in 
wenigen Jahren ein Ziel jegen. Dann würde ich mid) —— überleben und 
feige ertragen, was zu vermeiden in meiner Macht ſteht. Von allem, was 
mich an die Welt kettet, ſind Sie allein übrig; meine Freunde, meine teuerſten 
Verwandten ſind im Grabe; mit einem orte, ih) habe alles verloren. 
Wenn Sie denjelben —I— faſſen wie ich, ſo beenden wir zuſammen unſer 
Unglück und unſer Mißgeſchick, und es iſt Sache der in der Welt Zurückbleibenden 
die Sorgen auf ſich zu nehmen, die auf ihnen laſten werden, und das Gewicht 
zu tragen, das wir ſo lange ausgehalten haben. Das ſind traurige Gedanken, 
verehrungswürdige Schweſter; aber ſie entſprechen meiner gegenwärtigen Lage. 
Wenigſtens wird man nicht jagen können, daß ich Die Freiheit meines Vater— 
landes und die Größe meines Haujes überlebt habe; die Epoche nach meinem 
Tode wird eine Zeit der Tyrannei des Haufes Oſterreich jein. Aber was 
liegt daran, was hernady fommt, wenn ich nicht mehr fein werde? Mein 
Gedächtnis wird nicht bejchwert werden mit dem Unglück, das nad) meinem 
Dafein fommen wird, und man wird, wenn auch zu Ipät, —— daß ich 
bis zum Ende mich der Unterdrückung und Sklaverei meines Vaterlandes 
entgegengejtellt habe und daß ich nur durch die Feigheit derer zu Grunde 
gegangen bin, welche die Partei ihrer Tyrannen ergriffen haben, anftatt fich 
mit ihren Berteidigern zu verbinden. 

Ich bin vorgejtern in Gotha gewejen. Es war eine rührende Scene, 
Genojjen des Unglüds zu jehen, welche dasſelbe Leid trugen und Ddiejelben 
Klagen ausjtießen. Die Herzogin ift eine Frau, welche ſich wirklich ver: 
dient gemacht hat und eine Standhaftigfeit befißt, welche jehr viele Männer 
beihämt. Frau von Buchwald") Scheint mir eine jehr achtungswerte Frau 
zu jein, die Ihnen jehr zujagen würde: fie hat Beilt, Renntniffe, einen guten 
Charakter und ift anjpruchslos. Mein Bruder Heinrich ijt heute zu Ihnen 


) Die Marfgräfin hatte in einem Schreiben geäußert: „Ihr Schidfal 
wird über das meinige entjcheiden. ch werde weder Ihr Unglüd noch das 
meines Haufes überleben“. 

”) Oberhofmeijterin der Herzogin Luiſe Dorothee. 


— 59 — 


gegangen. Ich bin jo von Rummer niedergedrüdt, daß ich meine Traurig: 
eit und mein Mißgeſchick nicht habe nach außen tragen wollen. Ich habe 
Grund mit meinem Bruder Heinrich jehr zufrieden zu fein; er hat fich als 
Soldat wie ein Engel und als Bruder gegen mid) jehr gut betragen. Leider 
fann ich nicht dasſelbe von dem älteren Bruder!’) jagen; er jchmollt und hat 
I nad) Torgau zurüdgezogen''), von wo er, wie man wir |chreibt, nach 
ittenberg aufgebrochen if. Sch werde ihn wegen feiner Launen und 
feines ſchlechten Benehmens fich jelbjt überlaſſen und prophezeie für bie 
Zufunft Gutes von ihm nur jo weit, als der jüngere ihn leiten wird, 

Es ift endlich Zeit diefen jehr langen und jehr ro Brief zu 
Tchließen, in welchem faft nur von meinen Angelegenheiten die Rede ift. Ich 
habe Muße gehabt und die Zeit jowie die Ankunft des Kuriers — der mir 
eine fichere Gelegenheit zu geben jcheint — benußt, um Ihnen mein Herz, 
das von Bewunderung und Dankbarkeit für Sie erfüllt ift, zu öffnen un 
es zu erleichtern. Ja, meine anbetungswürdige Schweiter, wenn die Bor: 
ſehung jich in die menjchlichen Anglegenheiten mijchte, jo müßten Gie die 
glücklichſte Perſon der Welt * ie ſind es nicht, und das beſtärkt mich 
in den am Schluß meiner „Epijtel“'*) ausgedrückten Anſichten. Mit einem 
Morte, ea Ste überzeugt, dak ich ein gefühlvolles Herz und ein danfbares 
Gemüt habe und daß ich taujfendmal mein Leben für Sie hingeben würde, 
Dieje Gefinnung werde ich bis zum legten Seufzer meines Lebens bewahren, 
indem ic) bin, teuerjte Schwefter, der treuefte und anhänglichite Ihrer Brüder 
und Diener Friedrich. 


Am 5. Dezember ſchon griff Friedrich die Oſterreicher bei 
Leuthen an und erfocht durch Anwendung der ſchiefen Schladht: 
ordnung Jeinen ſchönſten Sieg. 

J. W. v. Archenholtz jchreibt darüber: Es war am 5. Dezember, 
als bei dem Dorfe Leuthen eine Schlacht, die größte des Jahr: 
hunderts, geliefert wurde. Alles war bei beiden Heeren verjchieden. 
Die von Friedrich angeführten Preußen waren 33000, die Oſter— 
reicher unter Karl von Xothringen 90000 Dann ſtark. Die legteren 
voll Bertrauen auf ihre gewaltige Macht, auf ihr folojjales Bündnis 
und den Belit des jchon halb eroberten Schlefiens ; die erjteren aber 
voll Zuverficht auf ihre taktiſchen Künjte und auf ihren großen An 
führer. Bei der einen Armee herrichte Überfluß, bei der anderen 
war Mangel an vielen Bedürfnijjen. Die eine hatte lange Ruhe 
genojjen, die andere hingegen war von angeltrengten Märjchen in 
der rauhen Witterung abgemattet. Die Öjterreicher waren an diejem 
denfwürdigen Tage nur mit gewöhnlichem Kriegsmut ausgerültet, 
die Preußen bis zur Begeilterung gejtimmt. 

So trafen beide Heere aufeinander in einer meilenlangen Ebene, 
die Friedrich nicht bejjer hätte wünjchen können. Die Öfterreicher, 
die jet zum eritenmal das freie Feld zu einer Schladht gewählt 
hatten, jtanden in unüberjehbaren ungeheuren Linien und konnten 
faum ihren Sinnen trauen, als fie die kleine Armee der Preußen 
um Angriff anrüden jahen. Nun aber zeigte ſich das große Genie 
Friedrichs. Er wählte die jchiefe Schlachtordnung, eine Stellung, 


) Prinz Auguft Wilhelm. 
1) Dies war jedoch auf Befehl Friedrichs (vom 30. Auguft) gejchehen. 
2) „Epitre a ma soeur de Bayreuth.“ 


55 * 


— 540 — 


die zu den Meiſterwerken der Kriegskunſt gehört und auf dem 
Grundſatz beruht, einen großen Teil der feindlichen Truppen in Un— 
thätigkeit zu erhalten, fie in Verlegenheit zu jegen, mehr Soldaten 
auf den Hauptpunft des Angriffs zu bringen als der Feind und 
dadurch gleichjam den Gieg zu erzwingen. Friedrih machte ver: 
ftellte Bewegungen gegen den rechten Flügel des Feindes, während 
jeine Abficht auf den linken gerichtet war. Diejer jo geitellte Soldaten: 
förper nimmt verhältnismäßig nur einen jehr geringen Raum ein 
und zeigt in der Ferne wegen der vermilchten Uniformen und 
Fahnen einen höchft unordentlichen aufeinander gehäuften Menjchen: 
flumpen. Allein es bedarf nur eines Wints des Heerführers, jo 
entwidelt fich diejer lebendige Knäuel in der größten Ordnung und 
mit einer ſolchen Schnelligkeit, die einem reißenden Strome ähnlich ift. 
Sp griff Friedrich den Linken Flügel der Oſterreicher an und 
‚zwar zu eben der Zeit, wo die mit den preußilchen Evolutionen 
unbefannten kaiſerlichen yeldherren die Bewegungen der Preußen 
für einen NRüdzug anjahen, daher au Daun zum Prinzen von 
Lothringen Jagte: „Sie marjchieren fort; wir wollen fie abziehen 
lajjen“. Mehrere Regimenter trugen ficherheitsvoll ihr Kleines Feld: 
eräte, ihre Brotjäde, ja jelbit die mit ihren SHabjeligfeiten ange 
Killten Tornifter hinter die — und legten ſie in Haufen zu— 
ſammen, um ſich nach ihrer Meinung auf einige Stunden von einer 
unnützen Laſt zu befreien. Die Täuſchung aber verſchwand bald, 
und man ſah mit Schrecken die kunſtvolle Annäherung der Preußen, 
die beide feindliche Flügel zugleich bedrohten. Luccheſie, der auf 
dem rechten Flügel die kaiſerliche Kavallerie kommandierte, unein— 
gedenk ſeiner Prahlereien im Kriegsrat, verlor den Mut; er glaubte, 
daß hier der Hauptangriff geſchehen würde, und bat dringend um 
Unterftügung. Daun wollte dieje nicht vor der Zeit erteilen, und 
erjt, nachdem Luccheſie fi) von aller Verantwortung bei einem un: 
— Ausgang der Schlacht losſagte, wurde ihm ein großer 
eil Kavallerie vom linken Flügel im vollen Trabe zu Hilfe gejandt, 
und Daun jelbjt eilte mit dem WRejerveforps dahin. Nadasdi, 
der erfahrenite Feldherr des Heeres, der den linfen Flügel komman— 
dierte, war bald überzeugt, daß Jein Flügel das Ziel des preußijchen 
Angriffs war, und daß die Bewegungen gegen den rechten nur 
milttärijche Fechterfünfte waren. Mehr als zehn hintereinander ab: 
eſchickte Dffiziere mußten dem Prinzen Karl die augenjcheinliche 
efahr melden. Karl befand ſich in der größten Berlegenheit, da 
die Berichte von zwei jeiner vornehmiten Feldherren einander gerade 
entgegengejegt waren. Gr entichied jedoch für Luccheſi, der bald jeinen 
Tod auf dem Schlachtfeld fand, und Nadasdi wurde erjt gehört, da 
es zu jpät war. 
Indeſſen geſchah der Angriff der Preußen mit ſolcher Kriegs: 
wut, daß alles auf dem linfen Flügel über den Haufen Are ie 
wurde. Friſche Regimenter famen den geworfenen zu Hilfe, allein 


man ließ fie nicht einmal formieren; faum zeigten fie fich, jo wurden 
fie auch zurüdgejchlagen. Ein öfterreichiiches Regiment fiel aufs 
andere, die Linie wurde auseinander gejprengt, und die Unordnung 
war unausſprechlich. Die kaijerlichen Küraſſiere ftellten fich in Schlacht: 
ordnung, allein eine preußilche Hauptbatterie brachte fie bald aus: 
einander, worauf die preußilche Kavallerie auf fie fiel und fie gänz— 
lih aus dem Felde jchlug. Viele Taujend von den faijerlichen 
Truppen fonnten zu feinem Schuß fommen, fie mußten mit dem 
Strom fort. Der jtärfjte Widerjtand gejchah in dem Dorfe Leuthen, 
das mit vielen faijerlichen Truppen und Artillerie bejegt war. Hiezu 
famen große Haufen Flüchtlinge, die alle Käufer, alle Gärten und 
alle Winkel des Ortes anfüllten und fich verzweifelt wehrten. End: 
lich aber mußten fie doch weichen. So erjchredlich aber auch die 
Unordnung bei der geichlagenen Armee war, jo verjuchten dennoch 
ihre beiten Truppen unter Begünftigung des Terrains Stand zu 
halten; allein die preußilche Artillerie jchlug fie bald in die Flucht, 
und die preußilche Kavallerie, die auf allen Flügeln einhieb, machte 
immer Gefangene zu Taujenden. Das “Dragonerregiment von 
Bayreuth nahm aut einmal zwei ganze Infanterieregimenter mit 
allen Offizieren, Fahnen und Kanonen gefangen. Die öjterreichijche 
Infanterie machte noch einen legten Verjuch, ſich auf einer Anhöhe 
zu formieren; allein der preußilche General Wedell griff fie in der 
Flanke und im Rüden zugleich an, und nun hatte alle Verteidigung 
ein Ende. Nur die einbrechende Nacht und die guten Anitalten 
Nadasdis, der den Rückzug des linken Flügels deckte und die Preußen 
abhielt, fich, ehe es dunkel wurde, der Brüden über das Schweidniger 
Waſſer zu bemächtigen, rettete den Reſt des Heeres vom gänzlichen 
Untergange. Bei Kollin war es nicht Kriegskunſt nod) Lapterkeit, 
jondern die eijenjpeienden Majchinen, auf unzugangbare Höhen geitellt, 
die großenteils das Schiejal des Tages beitimmten; bei Leuthen 
aber entichied Taktik und — allein den Sieg. Man machte auf 
dem Schlachtfelde 21500 Gefangene, worunter 807 Offiziere waren, 
und eroberte 134 Kanonen nebſt 59 Fahnen. Von den Oſterreichern 
waren 6500 tot oder verwundet, und 6000 Dejerteure gingen nach 
der Schlacht zu den Siegern über. Der preußilche Berluft war 
2660 Tote und Verwundete. 

1758 jchlug der tapfere Ferdinand von Braunjhweig 
die Franzojen über den Rhein zurüd. Friedrich ſelbſt ereilte die 
Ruſſen, als fie gerade Küſtrin beſchoſſen und vertrieb fie durch die 
mörderijche Schlacht von Zorndorf; aber der —— Feldherr 
Daun überrajchte ihn bei Hochkirch. 1759 ſchlugen ihn Ruſſen 
und Öfterreicher bei Kunersdorf jo, daß er am Abend nad) der 
Schlacht nur 3000 Dann hatte, doch brachte er in 8 Tagen wieder 
30000 Mann zujammen. 

Mit wechjelndem Glüd focht er bis zum Jahre 1763, in welchem 
zulHubertusburg, einem Iagdichloß bei Leipzig Frieden geichlojjen 


Re 2 ren 


wurde. Der große königliche Feldherr behielt Schlefien. Sein Land 
jedoch) war verarmt und von 5000000 Einwohner auf 4500000 
geſunken. Sfterreih war gezwungen, Bapiergeld auszugeben 
und Friedrich mußte jeine Münzen verjchlechtern; aber die Deutſchen 
nicht allein in Preußen waren ol; auf Friedrich den Einzigen, den 
das Volt am liebiten den alten Fri nannte. 


— 


Friedrich der Große als Landesvater. 


Während die erſte Hälfte von Friedrichs 46jähriger Regierung 
z. T. mit Kriegen ausgefüllt war, widmete er ſich ſeit dem Jahre 
1763 den Aufgaben des Friedens. Schon hatte er große Geld— 
jummen und Getreidevorräte angehäuft, um gegen erneute Angriffe 
jeiner ‘Feinde gerüftet zu jein, als der Frieden zuftande fam. Go: 
gleich ließ er die Vorräte an die am härtejten betroffenen Brovinzen 
Schlejien, Pommern und Brandenburg verteilen. Pommern und 
die Neumark befreite er auf 2 Iahre von allen Steuern; Schlefien, 
das reichere nur auf '/; Jahr. Ebenſo ließ er die durch die 
Ruſſen in Pommern zeritörten Häufer und in Schlefien gar 8000 
wieder aufbauen. Um die Koften der SHeeresverwaltung herabzu: 
legen, entließ er 30000 Soldaten, die als landwirtjchaftliche Arbeiter 
ſehr willlommen waren. Geinen Rriegsihaß bradte er auf 150 
Millionen Marf. 

Seine zahlreichen Güter (Domänen) waren als Mujteranftalten 
für die Landwirte ihrer Gegenden hochberühmt, namentlich aber 
verdankt ihm Preußen die Einführung der Kartoffel, wodurch die 
immer wiederfehrende Not der Hungerjahre gemildert wurde. Die 
meilten Bauern waren noch Leibeigene und daher zur Arbeit auf den 
Gutshöfen verpflichtet, ohne daß fie immer ihre jelbjtbewirtjchafteten 
Güter auf ihre Kinder vererben fonnten. Schon 1748 gebot er, 
daß der Bauer nicht mehr als 3 oder 4 Tage am Gutshofe zu 
dienen habe, die andere Zeit aber zu jeiner Arbeit verwenden könne. 

Auch der Induſtrie wandte Friedrich jeine Aufmerkjamteit zu, 
indem er zur Gründung von Fabriken für Tuch, Leinwand, Samt, 
Geide und Borzellan aufforderte und hohe Zölle auf alle Waren 
legte, die in feinem Lande erzeugt wurden. Friedrichs Eifer für 
jein Land führte auch zu zwedlojen Verjuchen, wie Einführung der 
Geidenzucdht in Pommern und Brandenburg und des Weinbaus bei 
Potsdam; aber er löfte auch dem Handel die Feſſel, indem er Elbe 
und Oder durch viele Kanäle verband, und namentlich den Schiffahrts: 
weg auf der Oder verbejjerte. 

Friedrich ſelbſt war von großer Einfachheit und lebte für fich 
äußerft jparjam, auch feine Hofhaltung foftete nicht viel; aber er 
behielt viele indirekte Steuern bei, womit er weniger die Nahrungs 


— 53 — 


mittel als die Genußmittel, wie Kaffee und Tabaf beiteuerte, die 
nur durch den Staat verfauft werden fonnten (Monopol). Da dieje 
Art der Beiteuerung in Frankreich) damals bereits üblich war, jo 
beauftragte er auch mit Erhebung des Geldes Franzojen, die oft 
jein Volk nicht veritanden. Bon ſeinem Gerecdhtigfeitsjinn zeugt 
der befannte Streit mit dem jeinem Aujtichlojje Sansouci benach— 
barten Müller, wie aud) jein Urteil im Prozeß gegen den Müller 
Arnold. Ein Müller, Namens Arnold, bejaß in der Neumarf 
eine Mühle, für welche er dem Grafen von Schmettau einen jähr: 
lihen Erbpacht zu zahlen Hatte. Hiermit blieb er in Nücditand, 
weil ihm durch die Anlage eines Teiches, den ein anderer Gutsherr, 
der Landrat von Gersdorff, oberhalb der Mühle hatte graben laſſen, 
das Waller genommen war. Graf Schmettau verflagte endlicdy den 
Säumigen und die Mühle wurde auf gerichtlihem Wege verkauft. 
Der Müller führte vielfache Beſchwerde, wurde aber ftets ab: 
gewiejen. Er wandte ſich nun wiederholt unmittelbar an den König, 
bis Ddiejer die Sache durch einen Dffizier unterjuchen ließ, den er 
für unparteiijch hielt, der aber über den Streit zu guniten Arnolds 
berichtete. Friedrich glaubte dem Berichte jeines Offiziers und war 
unwillig, daß dem Armen jein Recht jo lange vorenthalten wurde. 
Daher befahl er dem Kammergericht zu Berlin, jofort den Prozeß 
zu beendigen. Aber aud) das Kammergericht entſchied wie die erjten 
Gerichte und nun glaubte Friedrich, daß man nur den Mdeligen zu 
guniten recht gejprochen habe, er beichloß daher gewaltig durchzu— 
greifen. Es war im Dezember 1779. Der höchjte Gerichtsbeamte, 
der Großfanzler von Fürſt und drei Räte des Kammergerichtes er: 
hielten Befehl vor ihm zu erjcheinen. Sie fanden ihn in jeinem 
Zimmer an Gicht leidend. Er jagte mit heftigen Worten: „Sie 
müjjen nur wiljen, daß der geringite Bauer, ja was noch mehr ilt, 
der Bettler, ebenjowohl ein Menjc iſt wie ich, dem alle Gerechtig— 
feit widerfahren muß, indem alle Leute vor der Jujtiz gleich find, 
es mag jein ein Prinz, der wider einen Bauern klagt oder aud) 
umgekehrt. Ein Juſtizkollegium, das Ungerechtigfeiten ausübt, it 
gefährlicher und Jchlimmer wie eine Diebsbande, vor der fanın man 
ſich jchügen, aber vor Schelmen, die den Mantel der Juſtiz gebrauchen, 
um ihre übeln Paſſionen auszuführen, vor denen kann fich fein 
Menſch hüten; die find ärger als die größten Spigbuben, die in 
der Welt find und verdienen doppelte Beitrafung.“ Der Großfanzler 
wurde jeines Amtes jofort entlajjen und die drei Räte kamen ins 
Stadtgefängnis. Als der Senat des Kammergerichtes die Urteile 
der früheren Richter unterjuchte und für gerecht and, wanderten alle 
Räte ins Gefängnis und mußten den Schaden des Müllers erjegen. 
Friedrichs Geredhtigkeitsfinn wurde überall gepriejen, aber nad) jeinem 
Tode wurden die Beamten, die er beitraft hatte, freigejprochen und 
in ihre Stellen eingejegt, auch aller Schaden zurüderjtattet. — 
Friedrich lebte nach) dem fiebenjährigen Kriege einfam auf jeinem 


—— 


Luſtſchloſſe Sansouci bei Potsdam, wo er ſich der Kunſt hingab. 

Insbeſondere war er ein Freund der franzöſiſchen Sprache und Hatte 

für die deutjche wenig Verſtändnis. Er überlebte die meilten ſeiner 

treuen Generäle aus großer Zeit und ftarb im Jahre 1786. Da er 

erg hatte, übernahm jein Neffe Friedrich) Wilhelm II. Die 
achfolge. 


2. Das Zeitalter Friedrihs des Großen 
in der Pfalz und in Bayern. 


Die entjeglichen Kriegsbedrängnijje, die über die Pfalz ge: 
fommen waren und jelbit noch im eriten Jahrzehnt des 18. Jahr— 
bunderts anbhielten, hatten das pfälzilche Land tief heruntergebracht. 
Namentlic) galt dies vom Bauernitande, der von den plündern- 
den Soldaten immer zuerjt gejucht wurde. Allmählich hatte ſich 
allenthalben in den Dörfern der Dei eine anjehnliche Bevölferung 
angeliedelt und die von Natur reiche Rheinebene war das Ziel vieler 
Anfiedler. Im Weſtrich dagegen herrjchte die bitterite Armut. Der 
Bauersmann hielt noch mit feit an jeinen alten Anjchau: 
ungen. Sein Bieh lag in der bejjeren Jahreszeit wie jeit Jahr: 
hunderten jchon auf der Gemeinweide draußen auf der Allmende. 
Die Wiejen ertrugen nichts, da fie nicht gepflegt wurden, jondern 
auch vielfach nur zu Weidezweden benüßt wurden. Im Aderbau 
berrichte noch die Dreifelderwirtichaft, die erit im Anfange des 
19. Jahrhunderts verjhwand; nad) uralter Weile war das Feld in 
Sommerfeld, Winterfeld und Brachfeld eingeteilt, wovon 
legteres gar nicht bejtellt wurde, eriteres aber nur eine halbe Ernte 
gab, jo daß ein Bauer, der 30 Morgen Feld bejaß, nur von 15 
einen feinen Nugen erhielt. Denn feinem Landmanne fiel es ein, 
für Stallfütterung und Düngung zu jorgen und waren die 
armjeligen der gar abgeerntet, ß verfielen auch ſie dem Weide— 
zwang und Kuhhirte, Schafhirte und Schweinehirte beherrſchten das 
Feld. Bei der ſchlechten Fütterung der Haustiere war es erklärlich, 
daß alljährlich große Viehſeuchen ausbrachen, die den wertvollſten 
Beſitz der armen Landleute, die Rinderherden vernichteten. Nur 
ee fonnten ji) die Bauern zur Einführung der Kartoffel ent: 
chließen, als fie aber einmal angepflanzt war, vergaß man fait 
darüber den Getreidebau. So ilt es wahrlich nicht zu viel gejagt, 
wenn ein Bolfsfreund jener Zeit, Dr. Guggenmus von den Be: 
wohnern des furpfälziichen Oberamts Lautern behauptete, daß fie 
nur noch „Ihranfelten” und ein Bauer, der 20 Morgen Feld 
bejaß, ein armer Bettler jei. 

Um dem offenbaren Elend in der Landwirtſchaft abzuhelfen, 

chlojjen jich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts edle Volksfreunde 


— 545 — 


in Kaiſerslautern zuſammen und gründeten 1769 in dieſer Stadt 
eine Bienengeſellſchaft, die unter Leitung des Apothekers Riem 
durch Bienenzucht der Landwirtſchaft aufhelfen wollte; auch die 
meiſten Bewohner der pfälziſchen Städtchen, wie Lautern, Otterberg, 
Wolfſtein, Lauterecken und Rockenhauſen waren Landwirte. Aus 
dieſer Bienengeſellſchaft erwuchs die Phyſikaliſch-ökonomiſche Geſell— 
ſchaft Lautern, der die bedeutendſten Perſönlichkeiten der alten Kur— 
pfalz und des Herzogtums Zweibrücken angehörten. Durch dieſe 
Geſellſchaft wurde der Kleebau und mit ihm die Stallfütterung ge— 
fördert. Da aber das Landvolk in vielen Gegenden nicht aus ſeinem 
alten Betriebe heraus wollte, ſo legten die pfälziſchen Beamten und 
Pfarrer auf ihren Gütern Muſterwirtſchaften an. Zu Anfang des 
Jahres 1773 erhielt die Gejelichaft von Kurfürjt Karl Theodor 
50 Dulaten, jo daß ſie fich mit anderen Gaben und Beiträgen einer 
jährlichen Einnahme von 900 Bulden erfreute, die zur Breisverteilung 
und zu andern Zweden verwendet wurden. Berüdjichtigt wurden 
nur die, welche ſich im Kleebau und Flachsbau oder in der Stall: 
fütterung hervortaten. Der Phyſikaliſch-ökonomiſchen Gejellichaft ver: 
dankte Zautern auch) die im Jahre 1774 gegründete Kameral-Hohe— 
Schule, die 10 Jahre lang in Lautern blieb, bis fie 1784 nad 
Heidelberg verlegt wurde. 


Vielfach wurden noch die alten Rechtsbräuche im 18. Jahr: 
hundert auf den Dörfern ausgeübt, wie 3. B. die Mähtergerechtig- 
feit von Mußbad). 


Zu beiden Geiten des Speyerbacdhes, zwiſchen Neuftadt, 
Lachen und Mußbach befinden fich ausgebreitete Wiejenbejtände, 
die teils dem Kurfürften von der Pfalz, teils dem Johanniterorden, 
der in Mußbach einen Hof bejaß, gehörten und im Frohndienfte 
gemähet und geerntet wurden. Dem Kurfürjten gehörte die ſo— 
genannte Geltwieje von 24 Morgen, den JIohannitern aber die 
48 Morgen große Benjenwiele oder Binſenwieſe. Die Einwohner 
von Duttweiler hatten die Wiejen zu pußen, die Mußbacher das 
Gras zu mähen und die Lachener das Gras zu dörren. Der Fuhr: 
mann mit dem eriten Wagen Heu oder Grummet erhielt einen 
Kranz um feinen Hut, aud; Pferde und Wagen wurden befränzt, 
und der Sieger befam als — einige Maß Wein zu je zwei 
Liter oder wie der Ausdruck der Mußbacher lautet: einige Fuder. 

Mit den Mähtern hatte es folgende Bewandtnis: Vierund⸗ 
zwanzig Männer des Dorfes, die eine feitgeichlojjene Genoſſenſchaft 
während der Frohnarbeit vorftellten, bildeten den jogenannten 
„Mähter“, d. i. die Gemeinſchaft der Mähenden. Sie teilten ſich 
in die alten und jungen Mähter und waren je 12. „Die alten 
Mähter wählten fi) aus ihrer Mitte einen Schulzen, als Richter 
und Anführer, einen Dechent” (Dekan) und einen Kaplan oder wie 
das Bud jagt: „Gapellon”. Aus der Zahl der Jungen gingen der 


— 546 — 


junge Mähterſchulz, der Scherer, der Scherknecht und der Büttel 
hervor. Zwei andere junge Mähter waren Wein- und Brotträger. 

Um Johanni, wenn das Gras reif zum Mähen war, ging der 
Büttel zu jedem der vierundzwanzig Genoſſen und lud ihn auf 
12 Uhr Nachts in die Rathaushalle, von wo aus man mit Senſen 
und dem Nötigen verſehen, hinaus auf die kurfürſtliche Geltwieſe 
zog, die zuerſt vorgenommen wurde. Da man bei Nacht ausrückte, 
mußte die Senſe in einer beſonderen Holzſcheide verwahrt ſein; wer 
fich dagegen verfehlte, mußte mit einigen Fudern, d.h. Map Bein, 
jein Vergehen ſühnen. Die geringite Verfehlung auf dem Marſch 
zur Wieje und während der Arbeit, ja jelbit die Vergehen anderer 
gegen die Mähtergenofjenjchaft wurden von einem „Konzilium“ be- 
ftraft, immer ilt es der Wein, der als „Bußgeld“ diente oder gar 
ein harmlojer Scherz, den man fid) mit dem „Sünder“ erlaubte. 
Die „Mähtergerechtigkeit” beruht auf altem Herkommen, und die 
Entiheidungen des Konziliums waren bindend jelbit für die furfürft: 
liche Obrigfeit. 

Die Neulinge unter der Schar der Jungen mußten, ehe fie 
auf die Wieje famen, im Speyerbad) getauft werden. Die Würden: 
träger der Alten führten den Täufling an den Taufitein auf der 
jogenannten Benjenbrüde, nahmen ihn bei Kopf, Arm und Fuß, 
rüttelten und jcehüttelten ihn, daß ihm Hören und Sehen verging. 
Hierauf fragte ihn der „Dechent”, ob er mit Waller oder Wein ge: 
tauft jein wolle. Sagte er mit Waller, jo wurde er ohne weiteres 
in den Bad) geworfen, jagte er aber mit Wein, jo jchüttelte man 
ihn noch viel mehr, um recht viel — herauszuſchlagen. Wer 
Mein zahlte, war von der Taufe befreit. 

urde ein junger Mähter in die Reihe der Alten verjeßt, jo 
wurde er von Scherer und Scherfnecht behandelt. Sie rieben ihn 
recht derb mit einem Strohwilche und ſchabten ihn mit einem Wiejen- 
beile. Bon diejer unangenehmen Prozedur konnte man fich ebenfalls 
durch” mehrere Fuder Mein lostaufen. Aber die Beamten der 
Mäbhtergenojjenichaft jelbjt wurden, wenn fie eines Fehlers bezichtigt 
wurden, von der Verjammlung beitraft. 

Beim Mähen begann der Schulze, der bis zur Mitte mähete 
und dann fich gegen den Anfang wendete, ihm folgte der Dechent 
und die andern bis zum leßten jungen Mähter, der einen riefigen 
Bogen zu mähen hatte. Schonungslos ließ man denjelben zappeln, 
wenn er nicht um Unterjtüßung bat oder Mein jpendete. 

Drei Pläge auf der Wieje waren von bejonderer Wichtigkeit; 
der Dengelbaum, wo man die Genjen jchärfte und das Mahl ein: 
nahm, der Rieslingitod, ein Weidenbujch, den die jungen Mähter 
von dem ringsum ftehenden Braje zu reinigen hatten und der Garten, 
ein Pla mit Miejenblumen. Unter dem Dengelbaum, einer alten 
Eiche, wurde manchmal ein Tanz aufgeführt. Wurde der alte 
Meidenbujch, der „Rieslingjtod“, im Geringften verlegt, jo mußten 


—— 


die, welche ihn zu putzen hatten, je ein halbes „Fuder“ Wein leiſten. 
Aus dem „Gärtel“ wurden Blumenſträuße gepflückt. Kam ein 
Nichtmähter auf die Wieſe, ſo wurde er von den Jungen umringt 
und der Blumenſtrauß ihm überreicht. Nur durch ein annehmbares 
Quantum Wein konnte er ſich loskaufen. 

Ein Unbefugter kam eines Tages während des Mittagsmahls 
an den Rieslingſtock und nannte die ſchmauſenden Mähter Bettel— 
buben. Das Konzilium beſtrafte ihn mit dreißig Fuder, d. h. Maß 
Mein. Als er ſich beim Oberamt in Neuftadt bejchwerte, murde er 
abgewiejen, und die Mäbhtergenojjenjchaft erhielt ihren Wein. 

Ein gewiljer Jörg Bub hatte unter dem Dengelbaum zweimal 
heimlicherweie Wein getrunten und jollte mit zwei Maß büßen. 
Da er aber anhielt, man möge ihn die Strafe abverdienen laſſen, 
wurde er jechsmal in den Speyerbahh geworfen. Gin anderer 
Mähter fluchte: „Das Donnerwetter joll das Mähen holen” und 
mußte vier Maß Wein zahlen. 

Nach dem Mähen wurde der Kohn verteilt und der Wein, der 
in Strömen floß, getrunfen. 

Mit dem Jahre 1796 endigte diejer alte Brauch, da unter 
franzöfiicher Herrichaft das Frönen aufhörte, war ihm der Boden 
entzogen. Heute willen nur noch Wenige von der „Mähtergerechtig- 
feit“ in Mußbach. 





Kurfürſt Karl Theodor 1742—99. 


Die Neuburger Linie des Wittelsbacher Haujes, die 1685 auf 
den Heidelberger Kurjtuhl fam, jtarb jchon am 31. Dezember 1742 
mit dem Kurfürſten Karl Philipp, der im Streite mit den Seidel: 
berger Protejtanten jeine Reſidenz nad) Mannheim verlegt hatte, aus. 
(1720.) Seine Enkelin Glijabeth heiratete den Pfalzgrafen Karl 
Philipp Theodor aus der Sulzbacher Linie. Da Karl Theodor 
längere Zeit krank war, jo fonnte er die übliche Huldigung, wie te 
jeder Fürſt bei zn NRegierungsantritt entgegennahm, erit am 
29. April 1744 in Dtannheim empfangen. Begleitet von dem glänzen: 
den Zuge jeiner Miniſter, Beamten, Hofbedienten und Leibgarden ritt 
er morgens zur Mejje in die Pfarrkirche, wohin die KRurfürjtin voraus: 
gefahren war. Nach der feierlichen Handlung jchritt der Kurfürft 
über einen mit Brettern belegten Weg, der zum Marfte führte, wo 
auf einer Tribüne ein Thronjejjel mit Baldadhin ftand. Zu beiden 
Seiten des Fürften ftellten fic) die Hofbedienten und Beamten auf, 
der Stadtrat erjchien in jchwarzer Tracht. Auf den Straßen hatte 
fich die Beſatzung Mannheims, vor der Tribüne die Leibgarde auf: 
geitellt. An dieje jchlojjen fich die Bürger, die nach Stadtviertel 
geordnet waren und an dieje die ftädtilche Bürgerwehr mit der 
neuen Fahne, die der junge Kurfürjt geitiftet hatte. Hinter den 


— 58 — 


Bürgern Itanden die Juden und Wiedertäufer. Als der Stadt: 
direftor meldete, daß die Bürgerjchaft gerne zur Huldigung bereit 
jei, traten der Stadtrat, die Pfarrer, Stadtoffiziere, Biertelmeijter 
(Vorfteher der Stadtviertel) und die Zunftmeilter an den Thron, 
wo bededten Hauptes der Kurfürft ſaß, und legten das Handgelübde 
ab. Danach verlas nad) einer Anſprache des mente identen 
der furfürftliche Notar die Eidesformel, deren Schwur die gejamte 
Bürgerihaft nachſprach. Hierauf gings unter Kanonendonner und 
Vivatrufen zur Pfarrkirche zurüd, wo ein feierliches Tedeum an: 
geitimmt wurde. 

Karl Theodors Hof in Mannheim war einer der glänzenditen 
Deutichlands, Jagden, Opern, franzöfiihe Schauſpiele, Mufitauf: 
führungen machten die Refidenz zum Sammelpuntt der bedeutendjten 
Virtuojen und Künitler. 

Karl Theodor und die Muſik. Karl Theodor jpielte vorzüglich 
die Flöte und das Wiolincello und jeden Abend, wenn nicht im Theater ge- 
ipielt wurde, veranftaltete er Mufitaufführungen im Schloffe, wozu Die Unter: 
tanen und Fremden freien Zutritt hatten. Nach) Mannheim famen Daher 
die bedeutendften Künſtler jener Zeit, jo daß man noch heute diefe Stadt 
„das Bayreuth des 18. Jahrhunderts“ nennt. Ein englilcher NReifender ſagte 
damals: Deutichland jei berühmt durch die preußiſche Taktif (Kriegskunſt) 
und Mannheimer Muſik und in dem ag ei Theater begannen jedes Jahr 
am 4. November die Aufführungen von Mufiffpielen (Opern), deren Roften 
mandmal 48000 Gulden Dean; mußte doch für MWachslichter zur Er: 
leuchtung des Theaters jeden Abend 480 Gulden bezahlt werden. 

‚Vor allem war Karl Theodor ein Beſchützer der deutſchen Muſik und 
30g die berühmteften Violinjpieler jeiner Zett an feinen De 

ierher fam auch im jahre 1777 der größte deutiche Tondichter gr? 

ang Amadeus Mozart um eine Stelle zu ee Der Rurfürft war wohl 

fie freundlich gegen ihn, aber eine Stelle gab er ihm nicht. Als dann 1778 
er Rurfürft na Münden 309, folgte ihm auch der größte Teil der Künſtler. 

Die Felte bei Hof wurden teils nad) franzöfilchem, teils nad 
ſpaniſchem Borbild abgehalten, jo gab es bejonders glänzende 
Drdensjeite, bei denen alle in ihren foftbaren DOrdenstrachten zu 
ericheinen hatten und prächtige Kirchenfelte. Am Gründonnerstag 
nad) dem Hochamte begaben fich alljährlich alle hohen Beamten, Hof: 
leute und Edelfnaben in feierlihdem Zuge zum Nitterjaale des 
Schloſſes „Se. kurfürſtliche Durchlaucht legen dero Drdensmantel 
ab umgürten ji) mit einem weißen Fürtuch und fangen an 
unter Bedienung des Herrn DObrilt:Rämmerer, Exzellenz und 

weier Kammerherren vom Dienſt den auf erhöhten Bänken 
ebenden 12 alten Männern Iniend die Füße zu walchen. (Ein 
Diakon fingt das Evangelium.) Nach fernerer Anweiſung jothanen 
Evangelii verwechslen Se. furf. Durchlaucht wiederum die Kleidung 
und beharren jo lang, bis die gewöhnlichen Kirchengelänge von dem 
ri Dffictator unter -—. des muſikaliſchen Chors 
vollendet find; inzwilchen gehen die 12 Männer an die für fie zu: 
bereitete Tafel, Hinter welcher die Edelfnaben zur Bedienung fid 
itellen. Hierauf wird das Tijchgebet verrichtet, die Speilen an der 


Türe des Ritterjaales von alleinigen Kammerherren übernommen 
und mit bededtem Haupte unter Vorantretung des Herrn Obriſt— 
hofmarjchallen, Exzellenz; und des Herrn Obrifttüchenmeilters mit 
ihren Stäben Sr. furf. Durchlaucht zu gnädigften Handen über- 
bracht, welche jodann Höchſtdieſelbe den zu Tiſch figenden 12 Männern 
voritellen. Zu diejer Bedienung darf niemand, als denen es gnädigft 
erlaubt it, hinzutreten, während dem Eſſen lejen S. Hochwürden 
Herr Hofprediger aus einem geiltlichen Buche etwas vor, jo fi 
hierzu eignet. Nach genommenen Speilen gehen Se. furf. Durdy: 
laucht hinter der Tafel herum und henten einem jeden der 12 Männer 
einen Sädel mit einem Almojen um den Hals, womit nach ver: 
richtetem Danfjagungsgebet fich dieje Zeremonien endiget”. 

Die wärmere Jahreszeit verbrachte der ganze Hof in Schwegingen, 
wo Ihon Kurfürſt Karl Philipp ein Luftichloß erbaut hatte, das 
Karl Theodor vergrößerte und verjchönerte. In den Sälen wurden 
Bälle gegeben und in einem fleinen Theater Komödien und Opern 
geipielt, der weite prächtige Schloßgarten war abends bengalijch be- 
leuchtet. Auf der breiten Fürjtenitraße, die Mannheim mit Schwegingen 
verband, Jah man falt täglich prächtige Auffahrten. 

Der berühmte Schaujpieler U. W. Iffland jchrieb über eine 
ſolche Feſtlichkeit, wie folgt: 

Mannheim, den 26. November 1779. 
Verehrungswürdigſter Herr Vater! 

Ih habe auch bei Schwegingen neulich eine mastierte Jagd 
gejehen, die jehr prädtig war. Sie koſtete 50000 Bulden. Aus 
dem Heidelberger Tore hat der Offizier die Zahl der Kutichen auf 
1000 angegeben. Gerüjte waren ir 9000 Menjchen gebauet. 
Stellen Sie fi) die herrliche Chaufjee mit Bäumen bejegt nad 
Schwegingen vor, der ganze Weg eine Kette von Kutſchen aus 
Speyer, Heidelberg, Mainz, jogar Frankfurt und Hanau, aus Worms, 
Darmftadt und Mannheim. Der Plat ſelbſt war eine völlige Ebene, 
auf welcher man Berge auf Leinwand aufgeipannt hatte, in der 
Tat ein ganz neuer Anbli für mich, Berge, Schlöſſer, Brüden, 
Terrajjen in der Größe, in welcher man fie natürlich jieht, in freier 
Luft gemalt zu jehen. Die Gemälde in einem halben Mond, die 
Gerüfte in dem andern machten einen geichlojjenen Zirkel aus. 
Die Schweine, Füchſe, Dachſe, Hajen wurden oben aus einem 
Piörtchen aus den gemalten Bergen herausgelajjen und wenn fie 
ih in den Wegen, die von Brettern gemacht waren, häuften, fielen 
oft 50, 60 herunter, daß die Erde krachte. Die meilten wurden von 
den Herren und Damen, Kurfürft und Kurfürftin erjchojfen, was 
nah 1 Uhr noch übrig war, wurde gefangen. Gin böjes Stüd 
Arbeit. ch habe mich über die Kontenance (Haltung) eines Ober: 
förfters gewundert. Ein ungeheueres Schwein ergriff ihn hinten 
am Rode. Der Kurfürft jchrie allen Jägern zu: „Um Gottes Willen, 


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rettet den Mann“, als er ganz kalt ſagte: „Hm! Ich hatte es nicht 
gejehen“ Iangjam jeinen Hirichfänger z0g, das Schwein beim Ohr 
hob und jo in den Rachen jtieß, daß es, ohne fich zu rühren, da lag; 
hierauf wilchte er jein Eijen ab, ging zum Aurfürjten und Jagte: 
„Danke, Ew. Durchlaucht für die gnädige Vorjorge. Gelt, das 
war aber ein böjer Teufel.” Das Bravo, was ihm von jo umd 
jo viel 1000 Menjchen zugejchrien wurde, machte die Schweine Jo 
wild, daß fie wohl 100 an der Zahl auf den Mann, der allein auf 
dem Plate war, zurannten. Wie fie bald an ihm waren, jagte er: 
„Ja, da könnt ihr lange paljen“ und mit einem Sprung war er 
auf dem Gerülte bei uns .. . Das Blajen von Extrapoiten in 
Mannheim den Tag vorher und der Lärm von Iagdhörnern, Mufit, 
Kutichen und betrunfenen Leuten, die Nacht vor der Jagd war un: 
glaublid. So geht das alle Tag.“ — 

Weil die KRurfürjtin meilt in Oggersheim wohnte, jo war 
ein 3facher Hof zu unterhalten und während von 1743 auf 1744 
der Haushalt des Kurfürjten noch 123747 Gulden fojtete, brauchte 
er 1755/56: 207733 Gulden, 1756/57: 181983 Gulden, 1757/58: 
202437 Gulden, 1758/59: 193111 Guben. An Wein trank man 
1758/59: 10415 Flajchen feinen Wein, 1904 Ohm gewöhnlichen und 
552 Ohm Bier. Die Pferde brauchten 1757: 9026 Malter Hafer, 
11742 Ztr. Heu, 31920 Gebund Stroh im Werte von 20000 Gulden. 

1771 jchrieb der jächliiche Bejandte aus Mannheim: 

„Es befindet fich bei einem hiefigen Bankier names Schmalz 
eine Kaſſe, wo alle diejenigen, die Ämter oder Gnadenbeweile 
wünjchen, eine entjprechende Geldjumme deponieren, bis ihr Patent 
ausgefertigt it. Ein Architekt namens Abbuzi, der Prior des 
Karmeliterklojters, der Geheimjefretär Fontaneſi und der Regierungs: 
jefretär Leberjorg find die hauptlächlichiten Werkzeuge, deren man 
fich bei diefem Handel bedient. — — Man gibt nichts mehr auf 
Verdienit, Geburt, Redlichkeit und Protektion (Empfehlung). Sogar 
der Schwager des Miniſters v. Beders mußte 1000 Gulden zahlen 
um als Rat im Regierungsfollegium angeitellt zu werden. Man 
fann fich die Unordnung und Verwirrung leicht voritellen, die eine 
jolche Verwaltung erzeugen muß. Alle ehrlichen Leute beklagen fi 
darüber, aber ihre Borjtellungen bleiben fruchtlos.“ 

Um dieſe Zeit wanderten daher auch viele Landbewohner aus, 
troßdem die Beamten ſtrenge wachten. 

Karl Theodor jorgte aber auch für das Gedeihen jeines Landes. 
Unter Leitung des Miniſters Grafen von Goldftein ſchuf er eine 
Fabriffommijlion, in der neben Fontanefi der Hoflammerrat 
Maubuiljon die treibenden Berjonen waren. Alles, was nur in der 
Pfalz gekauft wurde, jollte in Frankenthal hergeftellt werden, jo 
entitanden jogar Oblaten: und Nudelfabrifen, die aber bald ver: 
Ihwanden, wie jo viele andere, zu denen Karl Theodor Häuſer, 
Werkftühle und Werkzeuge oder Geld gegeben hatte. Um die Erzeug: 





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RB bejjer verſchicken zu fönnen, wurde von 1772—1775 
ein Kanal zum Rhein gegraben, jo vaß die Rheinſchiffe bis zu den 
Tabrifen jelbjt gelangen fonnten. 

1755 gründete Baul Hannong aus Straßburg in der alten 
Kaſerne (jet Kreisfrantenanitalt) eine Porzellanfabrik, die welt: 
berühmt wurde, jo daß jogar die Sultane Mujtafa und Abdul Hamid 
prächtige Tafelgejchirre von Frankenthal bezogen. Die Fabrik ver: 
\hlang große Summen, da gerade die teueriten Sachen nicht immer 
Abjat fanden, während fie heute, wo fie von Kennern in der ganzen 
Melt hochgejhäßt jind, oft das 100fache des damaligen Preijes wert 
find. In franzöfilcher Zeit, wo jo vieles in unjerer Heimat ver: 
jchleudert wurde, famen die meilten Borzellanjachen des Lagers zu 
Spottpreilen weg, 1803. 

Auch die Seidenzudht wollte Karl Theodor in allen Gemeinden 
und Städten der Pfalz fördern. Maulbeerbäume wurden ange: 
pflanzt, Raupen gezüchtet, aber der Erfolg blieb meilt aus und 
heute hat man die Seidenraupenzucdht bei uns vollftändig aufgegeben. 

1763 gründete Karl Theodor in Mannheim die Akademie der 
MWillenjchaften, die Academia Theodoro-Palatina, eine Körperjchaft 
gelehrter Männer, die bejonders Geſchichte und Naturwijjenjchaften 
pflegten und jeden Donnerstag von 3—5 fi zu Vorträgen und 
Disputationen verjammelten. Außer der reichen Bücherei, den 
Sammlungen u. a. entitand eine Sternwarte in Schwegingen, weld) 
legtere mit ihrer wertvollen Einrichtung 70000 Gulden fojtete. Zu 
den Gelehrten der Akademie zählt der Hofkaplan Iohann Jakob 
Hemmer aus Horbach bei Landituhl, der fich fleißig mit eleftrijchen 
Verſuchen abgab. Namentlich aber verjuchte er die Anlegung von 
„Wetterleitern“ (Bligableitern). Er jchrieb nicht nur fleißig über 
den Nutzen des Bligableiters, gegen den die Pfälzer jehr miß— 
trauiſch waren, wurde doch noch allenthalben das „Gewitter: 
läuten” — ſondern er legte ſelbſt auf kurfürſtlichen Gebäuden 
die erſten Leitungen an. Der erſte wurde 1776 auf dem freiherrlich 
Hacke'ſchen Schloß zu Trippſtadt errichtet. Es war 15 Jahre nach— 
dem der erſte „Wetterleiter“ Europas auf einem engliſchen Leucht— 
turme ſich erhob. Noch heute ſieht man auf einigen Mannheimer 
Gebäuden die Hemmerſchen Wetterſtangen, die an ihrem vierſpitzigen 
wagerechten Kreuze erkennbar ſind. 

Unter den Gelehrten der Akademie dürfen wir den pfalz-zwei— 
brückiſchen Hofrat Dr. Fr. Caſimir Medicus nicht vergeſſen, der 
1767 den botaniſchen Garten in Mannheim anlegte und Mitbegründer 
der Phyſikaliſch-öͤkonomiſchen Geſellſchaft und der Kameral-Hohen— 
Schule in Kaiſerslautern war. Er führte die ſchnellwachſende 
Akazie bei uns ein, um dem SHolzmangel namentlidy in den 
Rheingegenden zu begegnen. 

Das Theater, das in Mannheim errichtet wurde, war bald 
das bedeutendite Deutjchlands. Hier wurden am 13. Januar 1782 


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Schillers Trauerjpiel: die Räuber zum eriten Male geipielt. Da 
der Dichter aus Jeiner Heimat geflohen war, hielt er fi in Oggers- 
Fe im Gaſthauſe „zum Viehhofe“, begleitet von jeinem treuen 
reunde Andreas Streicher verborgen. 
Das heutige Mannheim verdantt Karl Theodor alſo außer: 
ordentlich viel. 


Kurfürſt Maximilian Joſef III. der Bielgeliebte. 
1745 —1777, 


Max Joſef III. dachte nicht an die Vergrößerungspläne feines 
Baters und Großvaters, jondern wollte wie Friedrich II. von Preußen 
der erite Diener des Staates jein. Sein Land hatte jeit jeines 
Baters Kaijerfrönung unter großer Schuldenlaft zu leiden. Er aber 
Ichräntte jeine Hofhaltung ein und lebte wie ein Bürger. Im Heer— 
wejen jparte er am meilten und überließ jogar durch Kaufvertrag 
bayerilche Truppen an Holland und Sfterreih. Nur 6000 Mann 
blieben unter den Waffen. Adel und hohe Geiltlichteit wollte er 
auch zu den Steuern heranziehen, fand aber jo großen Widerftand, 
daß an dieje Neuerung nicht mehr gedacht wurde. 

Aderbau und Handel jollten durch gutgemeinte Berordnungen 
gefördert werden; aber die Landleute konnten von ihren ver: 
alteten Gewohnheiten nicht abgelentt werden. Max Iojef gründete 
— berühmte Porzellanfabrik in Nymphenburg, die heute noch 

eſteht. 

In den Jahren 1769 und 1770 herrſchte in Bayern eine große 
Teuerung; ein kalter Regen hatte faſt die ganze Ernte vernichtet. 
Eines Samstags, als der Kurfürſt von der Meſſe aus der Hoſpital— 
kirche zurückkehrte, umringte ihn eine Schar bleicher hungriger 
Geſtalten, die mit aufgehobenen Händen um Brot ſchrien. ax 
Joſef entjeßte fich über das Unglücd der Flehenden, von dem er feine 
Ahnung Hatte und ſprach: „Kinder, ihr jollt Brot haben“. Einft: 
weilen verteilte er das Geld, das er gerade bei fich trug. Aus 
Italien ließ er jofort große Weizenvorräte bringen, die er zu billigem 
Preile an den Schrannen des Landes verkaufen ließ. — 

Dax Iojef ließ von jeinem Kanzler Freiheren von Kreittmayr 
neue Gejege ausarbeiten, die Itrenge Strafen enthielten. Das Straf: 

ejeg verlangte für Diebftahl von 20 Gulden jchon den Galgen. 

er ein Heiligenbild entweihte, verfiel dem Beile des Scharfrichters 
und wer ſich gar als Hexe oder Hexenmeilter mit dem Teufel ver: 
band, fam auf den Scheiterhaufen. Selbitmörder wurden am Fuße 
des Galgens eingeicharrt und Ehebruch Jogar im Wiederholungsfalle 
mit dem Tode beitraft. 

Den Broteftanten wurde die Niederlajjung in Bayern ver: 
boten. 1771 führte Max Joſef die allgemeine Schulpflicht ein und 


— 558 — 


ſchuf zur Heranbildung von Lehrern eine Normalſchule (Seminar) 
in München. Die Güter des 1773 von Papſt Klemens XIV. ? auf: 
gehobenen Sejuitenordens beftimmte der Kurfürft namentlich für 
höhere Schulen, um die fich der Benediktiner Heinrich Braun große 
Verdienfte erwarb. Bereits 1759 war unter Max Joſefs Antrieb 
die - kurfürftliche Akademie der Willenichaften gegründet worden, an 
der fich bedeutende Männer wie Heinrich Braun und Lorenz Welten: 
rieder auszeichneten. 


Karl Theodor in Bayern, 1777—99. 


1. Öfterreich hatte durch die Siege Friedrichs des Großen Schlefien 
dauernd verloren. Daher war es beftrebt in Deutjchland Erſatz für 
jeinen Berluft zu ſuchen. Kurfürft Maximilian III. Joſef und Kur: 
fürft Karl Theodor waren ohne Nachkommen, weshalb die Oſter— 
reicher jchon frühe an eine bayerilche Erbichaft dachten; aber dem 
fam eine bayerijche Fürjtin, Herzogin Maria Anna, zuvor, indem 
auf ihr Drängen 1766 der Hausvertrag von Pavia erneuert wurde. 
1771 wurde diejem Vertrage noch hinzugefügt, daß der jeweilige 
Kurfürft in München refidieren müſſe. 1774 wurde bei einer 
3. Wiederholung des alten Hausvertrages der nächſte Erbe Karl 
Theodors, Herzog Karl Auguſt von Zweibrüden, von Kurfürft Max 
Joſef eingeladen den Vertrag ebenfalls zu unterzeichnen. Schon 
dachte Kurfürft Karl Theodor, der fich von Mannheim und ——— 
nicht gerne trennte, an einen Tauſch mit Oſterreich. Kurfürſt Max 
Joſef hörte davon, weshalb er gegen jede Vergewaltigung, Bayerns 
durch Oſterreich Beſchwerde in Berlin, Verſailles und beim Reichs: 
tage zu A rg erhob. Bald darauf jtarb er am 30. Dezember 
1777 und Karl Theodor mußte jeinen glänzenden Hof in Mannheim 
verlajjen und nah München überjiedeln, wo er fich fremd fühlte. 
Er war daher gern bereit wenigitens einen Teil Bayerns an Kaijer 
Sofef II. (1765 — 1790) abzutreten. Zum Scheine erhob diejer jofort 
Erbaniprüche, die jelbit jeine Mutter Maria Therefia als unrecht: 
mäßig bezeichnete. Davon hörte die wachjame Herzogin Maria Anna, 
die jofort mit Herzog Karl Auguft von Zweibrüden und, dem alten 
Fri in Verbindung trat. Aber noch ehe Friedrich das Schreiben 
der Herzogin in Händen hatte, war jein Botjichafter Graf Euſtachius 
von Görtz heimlich nach) München gereilt, wo er am 6. Februar 
1778 abends anfam, vom Geheimjchreiber der Herzogin empfangen 
und in deren Gartenjchlößchen vor dem Neuhaujer Tor verborgen 
gehalten wurde. Noch an dem gleichen Abende begab ſich Görtz in 
die Herzog-Max-Burg, wo die Herzogin und Karl Augult von 
Zweibrüden jeiner warteten. Hier fanden nun Beratungen [tatt, 
zu denen Karl Auguſt jeine treuen Minijter von Hofenfels und von 
Eſebeck befahl. Görtz zeigte jeine Vollmacht und erklärte, wenn der 


36 


— 554 — 


Herzog Karl Auguſt ſtandhaft bleibe, werde Friedrich alles daran 
En um eine Zerftüdelung Bayerns hintanzuhalten. Herzog Karl 
agte freudig zu und in den folgenden Tagen wurde bejchlojjen, daß 
er Karl Theodor, dem Wiener Hofe und dem Reichstage zu Regens— 
burg erkläre, auf Bayern oder einen Teil desjelben nicht verzichten 
8 wollen. Den König von Preußen bat er ſchriftlich, ihn in der 

ahrung jeiner Rechte auf Bayern jehügen zu wollen. Ein gleiches 
Bittgejuh ging an den Hof zu Berjailles ab. 

In diejen Tagen jchrieb Friedrich an die vaterländijch gefinnte 
Herzogin: „Ach, gnädigite Frau, warum find Sie nicht Kurfürft. 
Mir würden dann die jchimpflichen Ereignijje nicht haben eintreten 
jehen, über die jeder gute Deutiche bis in den Grund jeines Herzens 
erröten muß. dBenigftens wird es Bayern Ew. Durchlaucht ver: 
danken, daß das Übel jo viel als möglich bejeitigt worden ilt... . 
In welcher Entfernung ich mic) von E. Dit. befinden mag, ftets 
bin ich einer von Ihren Bewunderern gewejen. Ich habe Ihnen 
von weiten Beifall gewinft, wie die Chriften die Engel feiern, deren 
Wunder fie verfündigen, die fie aber niemals erbliden“ und zu Görg 
jagte dieje hohe Frau: „Ich möchte die Geilter meiner Ahnen herbei 
— um das Vaterland zu retten, ſo empört fühle ich mich; es 

ibt ſelbſt Augenblicke, wo ich ehrgeizig genug bin um Wünſche zu 
* und zu bedauern, daß ich nicht Kurfürſt bin”. 

Da SÖfterreich jeine Abfichten auf Bayern nicht aufgab, jollte 
ein Krieg enticheiden und jchon bald nach den Münchener Verhand— 
lungen, von denen Karl Theodor feine Ahnung hatte, rüdten die 
Preußen in Böhmen ein. Maria Therefia fürchtete für das Leben 
ihres Sohnes, weshalb, ehe es zu größeren Gefechten fam, zu 
Teſchen in öſterreichiſch Schlefien Frieden gejchlojfen wurde, 1779. 
Öfterreich erhielt das bayerijche Innviertel, welches durch Salzach, 

"Inn und Donau vom SHauptlande getrennt war. Maria Therefia 
und ihr Sohn verjprachen feierlich, nie wieder Anjprüche auf Bayern 
au erheben. Als jpäter Kaijer Joſef II. dem Kurfürften Karl 

heodor gegen Bayern die öjterreichiichen Niederlande anbot und 
diejer bereit war, wieder an den Rhein zurüdzufehren, gründete 
Friedrich 1785 den deutſchen Fürjtenbund „zur Erhaltung des 
Reihsiyitems“. 

2. Als Kurfürft Karl Theodor nach Bayern fam, war für die 
Nutzbarmachung des Landes noch wenig getan, als daher der Reichs» 
graf zu Pappenheim den Vorſchlag machte, das Donaumoos für 
den Aderbau zu gewinnen, jegte der Kurfürft jofort eine Kommiſſion 
ein, welcher der Staatskanzler Kreittmayr, die Räte Georg von Xretin, 
Adrian von Riedl und Stephan von Stengel angehörten. Im Frühling 
1790 ging man an die Arbeit. Durch tiefe Gräben wurde das 
Waſſer zum Abzug gebradht. Soldaten, Arbeiter und Schulkinder 
der benachbarten Dörfer, ebenjo Landftreicher halfen beim Anlegen 
der Gräben und im erjten Jahre waren bereits 2670 ha Moorland 


— BE — 


trocken gelegt. 1791 entſtanden mehr als ein Dutzend Häuſer und eine 
Ziegelhütte mit Torfbrand. Dem Landesherrn zu Ehren hieß die 
Siedelung Karlskron. 1793 erhielt jede Familie, die ſich in dem 
neugewonnenen Lande vom Ackerbau ernähren wollte, 3 Hektar Land 
und eine Unterſtützung an Geld und an Materialien (im Ganzen 
765 A). Den Anfiedlern wurde für 30 Jahre Freiheit von Steuern, 
Abgaben, Frondienften und Heeres: jowie Einquartierungspflicht 
ugefichert. Neben Karlstron erhoben ſich noch Karlsruhe, Iojephen: 
urg, Frankenmooſen, Walding 1792, Begheim, Fruchtheim 1793, 
Rofing, Stengelheim, Karlshuld, Diebling, Wegicheid 1794 u. a. m. 

Große Verdienfte erwarb ſich Karl Theodor um München, wo 
er den engliichen Garten anlegen und die alte wertloje Befeſtigung 
jchleifen ließ; aber Karl Theodor hörte zuviel auf die Ratichläge 
feiner Günftlinge und weil er in jeiner Umgebung faft nur Pfälzer 
duldete, jo haßten ihn die Bayern. 1793 und 1794 wurde jeine 
geliebte Pfalz von den Franzoſen bejegt und wenn fie auch erſt 1801 
im Frieden zu Lüneville abgetreten wurde, jo galt fie doch damals 
ſchon als verloren, 1795 ergab fih Mannheim und 1796 drang 
ſogar ein franzöfildyes Heer unter Moreau über den Schwarzwald 
nah Bayern. Der Kurfürjt floh nad) Sachſen, die eingejegte Regent: 
Ichaft jchloß mit dem Sieger einen jehimpflichen Frieden. Die Ge: 
biete des Rurfürften auf der rechten Rheinjeite: aljo außer Bayern 
auch das pfälzilche und niederrheinilche Land erhielten Waffenitill: 
ftand, die Franzoſen freien Durchzug. Dafür veriprady Bayern 
10 Millionen Livres, 33000 Pferde, 200000 Zentner Getreide, 
100000 Säde Hafer, 200000 Zentner Heu, 100000 Paar Schuhe 
und 30000 Ellen Offizierstuch und 20 Gemälde aus den Münchener 
und Düfjeldorfer Sammlungen. Bald darauf mußte Moreau den 
Rüdzug antreten, weil ihm jonft der Weg zum Rheine volljtändig 
verlegt worden wäre. ” 

Bon Karl Theodors Regierung jagt K. Heigel: „Die Staats= 
tegierung ohne Anjehen, die wichtigften Amter in unwürdigen Händen, 
der Staatsſchatz leer, die Armee ſchwach und jchlecht organiftert, 
die Landichaft (Vertreter des Landes) ohne Achtung und Einfluß, 
Handel und Gewerbe darniederliegend, noch trauriger die Volks— 
bildung und geiitiges Leben — jo gemahnten die inneren Zujtände 
Bayerns allenthalben an Verfall und Auflöjung“. 

Noch war der Krieg an Frankreich 1799 nicht erklärt, als 
bereits öjterreichilche Truppen Bayern bejegten. Da jtarb plöglich, 
vom Schlage gerührt, Karl Theodor und der Bruder des waderen, 
1795 in Mannheim geftorbenen Herzogs Karl Auguft, Pfalagraf 
Maximilian Joſef von Zweibrüden erbte das Kurfürjtentum. 


36 * 


— 556 — 


Pirmaſens vor den Revolutionskriegen.“) 


In Pirmaſens baute der legte Graf von Hanau-Lichtenberg, 
dem das Land gehörte, ein Jagdſchloß. Da er kinderlos war, ver: 
machte er feine Grafichaft zur Hälfte an Heſſen-Caſſel, zur Hälfte 
an Heſſen-Darmſtadt. Der an Darmitadt fallende Teil jollte dem 
damaligen Erbprinzen Ludwig als Apanage dienen. Diejer Prinz 
ftand als Generalmajor in preußilhem Dienſte und madte einen 
Teil des fiebenjährigen Krieges mit. Bon ganzer Seele Soldat und 
außerdem geblendet durch den ftrahlenden Ruhm Friedrichs des 
Großen, hätte er gewünjcht, jein ganzes Leben im Feld und unter 
jeinen Soldaten zubringen zu dürfen. Allein auf den Willen jeines 
Baters mußte er den preußilhen Militärdienjt verlajjen und zog 
fi) jegt grollend nach Pirmajens zurüd, wo er in dem dortigen 
Jagdſchloß jeine Refidenz aufichlug. 

Er war ein an und für fich zwar ehrlicher, wohlmeinender 
Fürft, aber ohne alle Bildung und dabei ein leidenjchaftlicher 
Soldatenfreund. Je roher er war, deito gebildeter war jeine Ge: 
mabhlin, die aber nicht bei ihm, jondern in Darmitadt lebte, wo jie 
auch gejtorben ijt und in der Erinnerung als die große Land: 
gräfin fortlebt. 

Da das ehemals SHanaustichtenbergiiche Jagdſchloß für eine 
wenn auch noch jo bejcheidene Hofhaltung feinen Raum darbot, jo 
ließ der junge Fürjt demjelben zwei auf ‘Pfeilern ruhende und über 
dem jogenannten rempart ſich erhebende .längere Säle anbauen. 
Dberhalb des Schlojjes und auf beiden Geiten desjelben wurden 
zwei Pavillons und unterhalb desjelben der Marjtall errichtet. 

Nun ging es an den Bau einer Reihe von öffentlichen Ge: 
bäuden. Das merfwürdigite war das große Exerzierhaus, welches 
oberhalb des geräumigen Schloßplages fih auf einer Terrajle 
erhob. Inwendig bildete dasjelbe einen einzigen Saal, ohne an 
geräumig genug zum Exerzieren von 3000 Soldaten. Im Winter 
wurde dieſer ungeheure Saal vermittelit 22 Öfen geheizt. Das 
Dach wurde von einem Hängewerf getragen, welches ein Gegenſtand 
allgemeiner Bewunderung war. 

Beitimmt, eine Milttärfolonie zu beherbergen, wurde die Stadt 
von einer Mauer eingeichlojfen, um welche ringsherum ein Kordon 
von Schildwachen lief, welche Niemanden, der nicht eine ausdrüd: 
lihe Erlaubnis aufzuweilen hatte, aus: und einließen. 

Hierher zog nun Zudwig IX. — der unter dieſem Namen 
jeinem Bater in der Regierung nachfolgte — eine Menge von 
Soldaten. Er legte es darauf an, bejonders hochſtämmige Männer 

u befommen. Solche wurden aus allen Zandesteilen Deutjchlands 
Ber ihn angeworben. Selbſt Zigeuner verjchmähte er nicht, wenn 


*) Aus den Kindheit: und Sugenderinnerungen von Dr. Fr. Brud. 





— — 


ſie ſich nur durch eine ſtattliche Körpergröße auszeichneten. Ihre 
Uniformierung war durch und durch die preußiſche. Die Offiziere 
wählte er nicht gerade nach ihrem Verdienſte, ſondern ſah dabei 
beſonders auf die Leibesgröße. So erinnere ich mich noch der rieſen— 
haften Geſtalt eines alten Generals Wenke, deſſen Haus an mein 
väterliches Haus ſtieß. Er war urſprünglich Zimmermann und aus 
Pommern gebürtig. Er ſchwebt mir noch vor als ein alter baum— 
hoher Mann in einem langen, blauen Überrock und mit einer weißen 
Schlafmütze, wie er, auf ſein großes ſpaniſches Rohr geſtützt, in die 
Apotheke meines Vaters kam und ſich Kraftküchlein kaufte. 

Sobald einer der Soldaten des Landgrafen den Eid geleiſtet 
hatte, ſo war er unwiderruflich und auch die ganze Zeit ſeines 
Lebens an ſein Negiment gefeſſelt. Um dieſe Unglücklichen ſicherer 
an ſeinen Dienſt zu binden, ſuchte der Landgraf, ſoweit es von ihm 
abhing, ſie zu verheiraten. Jedem verheirateten Soldaten verhalf 
er zu einem Häuschen und einem Stückchen Feld. Solche Soldaten— 
häuschen liefen in einer Reihe um die ganze Stadtmauer herum. 
Für die Unverheirateten wurden mehrere Kajernen erbaut. Zu 
gleicher Zeit wurde im Innern der Stadt ein Exerzierplaß angelegt, 
der unter allen exijtierenden wohl einer der größten war. 


Sp wurde Pirmajens zu einer eigentlicden Militärcolonie- 
Die Stadt nahm nad) und nah an Umfang und Einwohnerzahl 
zu. Doc, wird wohl jchwerlich zu Yandgrafs Zeiten ihre Bevölkerung 
ich über 8000 Seelen erhoben haben. Bon diejen waren 4—5000 
Soldaten. Außerdem mußten alle mit dem Militär nur in ent- 
fernter Beziehung ftehenden Staatsdiener Uniform tragen. Eine 
Jolche trugen aud) mein Großvater und mein Bater. 


Tag für Tag wurde im Sommer auf dem Exerzierplage, im 
Winter in dem geheizten Exerzierhauje exerziert. Bei diejen Exer: 
zitien fommandierte der Landgraf gerne jelbit. Im Innern des 
Schloſſes jegte er jeine militärijchen Übungen mit gemalten und auf 
Holzklötzchen befejtigten oder aus weißem Ton verfertigten und ge— 
malten Soldaten fort. Er Jelbjt fomponierte zuweilen die Märjche, 
die jein Kapellmeijter auf Noten jegen und mit der Regimentsmufit 
einüben mußte. Zwei oder drei Maler waren beitändig im Schlojje 
damit bejchäftigt, Soldaten in allen möglichen Uniformen zu malen. 
Ale Zimmer des Schlojjes waren mit Gemälden gejchmücdt, welche 
militärijche Scenen oder auch bloß Soldaten in verjchiedenen Uni: 
formen daritellten. Solche Gemälde waren in meiner Kindheit noch 
in vielen Häujern von PBirmajens zu finden. 


— 558 — 


Die franzöſiſche Revolution. 


1. Urſachen. In Frankreich unterſchied man, ſeitdem das 
Königtum alle Macht an ſich gezogen hatte, Steuerfreie und 
Steuerpflihtige. Der Landmann war en perjönlich frei, 
N aber nur den Eleinften Teil von Grund und Boden. Bon 
26 Millionen Einwohnern gehörte faum !/,,, den fteuerfreien Ständen, 
den Adligen und Geiftlichen an, aber Bürger und Bauern, welche 
allein die Steuerlaft trugen, hatten faum ?/, des Landes im Beſitz, 
wie auch die Geiftlichen und Adligen °/, bejaßen. Wohl gab es 
zahlreiche Kleine und kleinſte Banbbeiper, aber daneben auch Bächter 
adliger, geiltlicher oder föniglicher Güter, die oft große Laſten zu 
tragen hatten. Wie bei uns beitanden noch allenthalben die Herren 
rechte: Fronden, Zölle aller Art, Bodenverfaufsabgaben, Kelterrechte, 
Mühlenrechte, Jagdrechte, herrichaftliche Taubenihläge, Badhäujer 
u. a. Da die Steuerpflichtigen allein 85°, aller Steuern zu ent= 
richten hatten, jo gingen die Steuerbeamten mit Verpfändungen oder 
a” mit Vertreibung von Haus und Hof vor. Nur 20°, vom 

einertrage der Arbeit blieb dem Bauern jelbit, der daher jeines 
Beſitzes J froh wurde. 

Der Bürgerſtand in den Städten war weniger gedrückt; 
aber die Zünfte unterſchieden ſchroff: regierende Familien, Kauf— 
leute und Handwerker, von denen erſtere ſich nach Möglichkeit von 
den drückenden Steuern auf Verbrauchsgegenſtände (Kaffee, Tabak 
u. a.) zu befreien juchten, jo daß die Hauptiteuerlaft auf den Schultern 
des Zünftlers, des kleinen Mannes ruhte. 

Die Bevorredhteten —————— ſchieden ſich ſtreng von 
den Maſſen des Volkes und wachten über ihre Ehrenrechte, Hoheits- 
rechte, Steuerrechte. Der Adel zerfiel in Hofadel, der die reichiten 
Familien umfaßte, die in Berjailles und Paris ihre Einkünfte ver: 
HN und große Zujchüjfe aus der Hoflajje empfingen und in 

andadel, der den Hofadel an Zahl übertraf. Die Geiſtlichen 
waren 3. T. jehr reich (Abte, Biichöfe, Erzbijchöfe) aber die Majje 
der etwa 70000 Briefter war jehr arm. — Die höcdhften Gerichts: 
höfe des Landes, die Barlamente, die urjprünglich von der Krone 
geigafen waren, hatten ſich jelbftändig gemacht und weil die 

mter nicht nur fäuflich, jondern gegen eine Abgabe jogar erb: 
lich waren, war das ganze Gerichtswejen zuletzt in den Händen 
weniger Familien. Verhaßt waren im Volke die willkürlichen Haft: 
briefe (lettres de cachet), die fi nicht nur Minijter, jondern auch 
alle die, welche am Königshofe Einfluß hatten, verjchaffen und wo: 
mit fie mißliebige Perjönlichkeiten ohne Verhör und Gericht ver: 
haften laſſen konnten. Daher war das Gtaatsgefängnis, die 
Bajtille vom ganzen Volke verflucht. 

Zudwig XVI. war zwar ein guter Menjch; aber fein Hof ver: 
ſchlang —— Millionen, ſeine Gemahlin Maria Antoinette, die 


— 59 — 


Tochter der Kaijerin Maria Therefia, trug fein Kleidungsftüd zwei: 
mal, was, weil fie manchmal am Tage öfters die Kleider wechlelte, 
jährlich mehr als 1000 neue foftete. -- Eines Tages jollte der Hof 
eine Schlittenfahrt unternehmen, weil der Schnee ausnahmsweije 
tief lag. Nachts jedoch trat Tauwetter ein und nun ließ der Hof 
die Straßen von Berjailles mit Salz bejtreuen und die Fahrt mit 
all dem Schellengeklingel, den koſtbaren Schlitten und Pelzen konnte 
Itattfinden. — Am Königshofe war man jeit Ludwig XIV. Zeit nur 
Verjhwendung und Gittenlofigfeit gewohnt. Wenn auch Maria 
Antoinette mit ihrem Gemahl ein jchönes Familienleben führte, jo 
war fie beim Volke doch verhaßt, namentlich, weil fie fich gern in 
alles handelnd miſchte und aus Deutichland ſtammte. In einem 
einzigen Jahre hatte der Hof 140 Millionen Frant mehr ausgegeben, 
als der Staat eingenommen und wenn ſchon Ludwig XIV. 3400 Mil: 
lionen Fr. Schulden hinterließ, jo HL Summe unter Yudwig XV. 
und Ludwig XVI. auf etwa 4000 Millionen. 

2. Verlauf. Ludwig XVI. glaubte das Bolt beruhigen zu 
fönnen, indem er durch Fuge Männer Sparſamkeit in den Staats: 
haushalt brachte. Zulegt, am 5. Mai 1789 rief er 300 Bertreter 
des Adels, 300 der Geijtlichfeit und 600 der Bürgerjchaft, 
die jeit 175 Jahren nicht mehr getagt hatten, in das Schloß zu 
Verjailles. Die Abgeordneten jollten in 3 getrennten Abteilungen 
beraten, was aber 2 derjelben annähmen, jollte gelten, ob es der 
dritten recht jei oder nicht. Schon äußerlich unterjchieden ſich Adelige 
und Bürger in dieſer Volksvertretung durch die Tracht, eritere 
trugen ſchwarze Samtmäntel mit Gold und Spitzen bejeßt, jowie 
— letztere Hüte ohne Knöpfe und Federn und einfache 

äntel. 

Da die Bürgerlichen von vielen Geiſtlichen unterſtützt wurden, 
erklärten ſie ſich am 17. Juni 1789 als die Nationalverſamm— 
lung. Als 3 Tage ſpäter eine königliche Sitzung feſtgeſetzt wurde, 
verweigerten die Wachen den ſämtlichen Abgeordneten des Volkes 
mit ihrem Präſidenten Bailly an der Spitze den Eintritt ins Schloß. 
Daher zogen dieſe unter dem Geleite des Volkes in den leeren Saal 
des nahen Ballhaujes und jchwuren, fich nicht eher trennen zu wollen, 
als bis das Weich eine Verfaſſung habe. Bald jchlojjen fich die 
meilten Geiftlichen dem Volke an. 

Unterdes wurde das Volt auf öffentlichen Plägen und in 
Wirtshäujern immer mehr gegen das Königtum geheßt, jogar eine 
Bürgerwehr, die Nationalgarde wurde gejchaffen. In jeiner 
Angit rief Yudwig XVI. einige Regimenter deuticher und jchweizer 
Truppen nad) Berjailles und als nun gar verlautete, der vom Bolfe 
geliebte Minifter Neder jei verbannt, zogen Scharen rohen Ge— 
findels lärmend durch die Straßen, geſchmückt mit der neuerfundenen 
Gocarde, jangen revolutionäre und Spottlieder und plünderten die 
MWaffenläden. Am 14. Juli aber holten die Pöbelhaufen aus dem 


— 560 — 


Invalidenhauſe 30000 Flinten und etliche Kanonen und drangen 
egen die gefürchtete Baſtille in der Antoniusvorſtadt, erſtürmten 
fe raſch, töteten den Befehlshaber und fieben Dann der Bejagung, 
deren Köpfe fie auf hohe Stangen jtedten und in den Straßen 
herumtrugen. Auch der adlige Bürgermeifter der Stadt, Fleſſelles 
fand jeinen Tod und jelbit die Offiziere, die den Pöbel zum Sturm 
geführt hatten und die Gefangenen der Baltille aufs Rathaus 
bringen wollten, retteten fi faum vor dem Grimm des Volles. 
Von nun en begann die Auswanderung der verhaßten Edelleute, 
Emigranten genannt, die fich meilt am Rhein in Speyer, Worms, 
m Koblenz.Bonn, Köln, Frankfurt a. M. aufbielten. 

nterdes ſteckte das Landvolk die Adelsichlöjler in Brand und 
verweigerte den Herren und Geiltlichen jegliche Leiltung. In der 
Naht vom 4. auf den 5. Augult 1789 wurden alle Frondienſte, 
Zehnten, Zünfte, Innungen und Vorrechte aufgehoben, die Steuern 
gleihmäßig verteilt und jedem Bürger die gleichen Rechte verliehen. 

Am 5. Oktober jammelten fich etwa 8000 Barijer: Handlanger, 
feiernde Handwerkersgejellen und Arbeiter, betruntene Weiber, die 
fich mit allen erdenklihen Waffen ausgerüftet hatten, und zogen vor 
das königliche Schloß in Verſailles. Als fi) die Schweizergarde 
zur Wehr jegen wollte, wurde fie von der Übermacht niedergehauen 
und das Schloß im Sturm genommen. Schon wütete die Menge 
in dem prachtüberladenen Schlojje Ludwigs XIV. und juchte nad) 
der föniglichen Familie, da erjchien zum Glüd die Nationalgarde. 
Am folgenden Tage mußte Ludwig XVI. jamt jeiner Familie mit 
nad) Paris; vor, neben und hinter jeinem Wagen jchritt der rajende 
Pöbel und auf hohen Stangen trugen Weiber die Köpfe der gefallenen 
Garden. Aus Angjt vor weiteren Gefahren willigte der König in die 
Beſchlüſſe der Nationalverfammlung, daß die unumjchränfte Königs: 
gewalt geteilt werden ſollte. Er überließ die gejeggebende 
Gewalt den Boltsvertretern und da die Nichter vom Wolfe er: 
wählt und Schwurgerichte eingeführt wurden, blieb dem König 
nichts als die vollziehende Gewalt. 

Durh den immer mehr zunehmenden Geiſt der Revolution 
eingelchüchtert, floh Ludwig mit jeiner ganzen Familie heimlich und 
hatte bereits Varennes erreicht, wo ihn der Poſtmeiſter Drouet er: 
fannte. Bald war der Wagen eingeholt und wieder nad) Baris ge: 
bradt. Da Ludwig jelbit auf die Krone nicht verzichten wollte, wurde 
er 1792 gefangen genommen, abgejegt und das Land zum Freiltaate 
erflärt. Am 21. Januar 1793 fielj ein Haupt unter der Guillotine. 
Ihm folgten jeine Gemahlin und Taujende jeiner Anhänger. 

Der Nationalfonvent begann nun die Herrichaft allein aus: 
zuüben. Mehr denn ein Jahr dauerte die Schredensherrichaft der 
wilden Jakobiner, deren Führer Robespierre, Danton, Marat u. a. 
ein Blutregiment führten, bis die milden Republifaner, die jogen. 
Girondilten im Konvent die Oberhand erhielten und die Schredens: 


u RT — 


männer jelbft unters TFallbeil kamen. Die vollziehende Gewalt 
wurde fünf Direktoren übertragen, die 1799 durch den unterdejjen 
fiegreich heimgefehrten General Napoleon Bonaparte abgejcht 
wurden, worauf diejer Konſul, 1802 Iebenslänglicher Konjul und 
1804 jogar erblicher Kaiſer der Franzoſen wurde. 

Die chriltlichen Feiertage und Sonntage wurden 1793 abge: 
ſchafft und eine neue Zeitrechnung eingeführt. Jeder der 12 Monate 
bekam 30 Tage, die in 2 Dekaden (10 Tage) zerfielen, dazu traten 
5—6 Ergänzungstage.. Auch der Gottesdienjt wurde bejeitigt und 
an dejjen Stelle Vernunft und Natur als Götzen geitellt. Grit 
Napoleon führte die alten Kirchenverhältnilje wieder ein. Doch 
hatte der Konvent 1794 wieder „das höchſte Weſen“ (Gott) eingejegt. 

1792 mußte Qudwig XV. den deutichen Großmächten Öjterreich 
und Preußen den Krieg erklären. Die Preußen unter Herzog Karl 
Ferdinand von Braunjchweig gingen vom Mittelrhein langjam die 
Mojel aufwärts, während die Öfterreicher vom Dber: und Nieder: 
rhein aus vorrüdten. Cine Armee unter dem Grafen Erbach 
Itand bei Speyer. Am 28. September jtießen die Preußen bei 
Balmy in der Champagne auf das Revolutionsheer, vor dem fie 
nad) einer wenig blutigen Kanonade fich zurüdzogen. Größtenteils 
krank famen die Söldnerjcharen heim, während das Boltsheer der 
Franzoſen fich auf die Djterreicher in Belgien warf und bis Wachen 
vordrang. | 





Die Revolutionstriege in der Pfalz. 
(1. Roalitionsfrieg.) 
1. Guftines Zug nah Main;. 


Auch das alte Ausfalltor der Franzojen, Yandau, fam wieder 
zur Geltung. Bei Speyer — ſich eine kleine deutſche Truppe, 
beſtehend aus 2400 Mann Mainzern und aus Oſterreichern, die bei 
Lingenfeld lagerten, gejammelt, um die reicyen Vorräte der Deutjchen 
in Speyer zu deden. Der failerliche General Erbach verließ aber 
am 10. September 1792 Zingenfeld und 308 über Neujtadt, Kaijers: 
lautern und Homburg zur Saar und Moſel und ließ bei den 
a ae nur ein faijerliches Bataillon, zufjammen etwa 3350 Mann. 
Als General Euftine in Landau dies vernahm, bejchloß er im Ein: 
verjtändnis mit dem General Birron von Straßburg die Speyerer 
Vorräte nad) Landau zu ſchaffen. Er jammelte daher 13000 Dann 
zu Fuß, 4000 Reiter und 40 Kanonen und verließ am 29. September 
1792 bei regnerijcher Witterung und jchmugigen Wegen die Feltung. 
Schon hatte ein Landmann von ee die Nachricht nach 
Speyer gebracht, als der Oberbefehlshaber Winkelmann die Kriegs: 
kaſſe, die Hojpitaleinrihtung und das Gepäck der Mainzer über 


— 562 — 


Mannheim rheinabwärts ſchaffen ließ. Von 10 Uhr morgens ſchon 
rückten von Weingarten und Schwegenheim her Cuſtines Scharen gegen 
die Reichsſtadt, deren Bewohner, Geiſtliche und Weltlichelteilweiſe 
eilends die Stadt verlajjen hatten und noch ehe fich die Deutſchen recht 
auf Speyer zurüdziehen konnten, hatten 1600 franzöfiiche Reiter die 
deutjche Nachhut am’ Weißen Tore erreicht und gefangen, jo daß Cuſtine 
bald einziehen fonnte. Als die Hauptmacht der Deutjchen über den 
Rhein wollte, fand fie feine Fahrzeuge. Da aber der Strom jehr 
ſtark angejchwollen und ein Entrinnen nicht möglich war, jo ergab 
ich Winkelmann mit den Mainzern. Guftine wohnte nun im Gaft- 
hofe zum Hirſch, von wo er die Stadt, dem Bilchofe, dem Dom— 
fampitel und den Nonnen hohe Kriegsfteuern auferlegte, die inner- 
halb 24 Stunden zu entrichten waren. Auch einen Freiheitsbaum 
ließ der franzöfiiche General aufrichten und von jeinen Soldaten 
umtanzen, die reichen Vorräte des deutjchen Heeres aber famen auf 
zahlreichen Fuhrwerfen nad) Landau, wohin auch gegen billige Be— 
zahlung alle Gemeinden zwilchen Dueich und Speyerbady Getreide, 
Hafer, Heu und Stroh liefern mußten. In Speyer erjchien bei 
Euitine der Wormjer Profejlor Dr. Böhmer, der den General bat, 
in dieje Stadt zu fommen, um die Freiheit zu bringen. Cuſtine eilte 
über Oggersheim nad) Frankenthal, die er ruhig ließ, in das offene 
Morms, wo er ungeheuere Kriegsiteuern erhob. Da fam plößlich die 
Nachricht, die Deutichen ftänden bei Mainz und als gar ein preußi- 
cher Werbefeldwebel aus Wiesbaden in den Dörfern Guntersblum 
und Dfthofen etwa 25000 Nachtquartiere aber nur zum Scheine 
beitellte, ging Guftine nach Speyer zurüd und bezog dann ein feites 
Lager bei Edesheim. Bald jedoch erjcholl die Nachricht vom Rück— 
zuge der Deutichen aus der Champagne, weshalb Cuſtine rajch 
gegen Mainz marjdhierte, 17. Oktober; ein Teil feiner Truppe 
ging am Gebirge entlang, ein anderer über Yautern, er jelbft rüdte 
über Worms und jchon am 20. Dftober zog er in Mainz ein, wo die 
franzöliichen Lehren jofort Eingang fanden. Er erließ an alle Ort— 
Ihaften zwilchen Dueich und Nahe einen „Aufruf an die gedrücdte 
Menſchheit in Deutichland“, den fein Schreiber, Böhmer aus Worms 
verfaßt hatte und forderte die Bewohner auf, mit der neuen Franken— 
republif Frieden und Freundichaft zu jchließen. Nun hörte man in 
Mainz täglich den Ruf: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und 
den Schlachtgeſang: „Wohlauf des Vaterlandes Söhne, der Tag 
des Ruhmes ift erwacht!” (Marjeillaije). 

Als im Herbit 1791 die Kunde von der neuen Verfaſſung nad) 
Zandau fam, herrichte jo große Freude unter der Birgerichaft, daß 
auf dem Paradeplage jofort eine hölzerne Bundes: und —3 — 
ſäule errichtet wurde; fünf Monate ſpäter erhob ſich an dieſer Stelle 
eine ſteinerne, die am 27. März 1792 feierlich enthüllt wurde. 

Bon Landau aus fanden die Lehren der Jakobiner in der 
Umgegend allenthalben Eingang. Ilbesheimer Männer hatten fich 


— 563 — 


am 6. November 1792 dreifarbige Kokarden und eine große Fahne, 
geihmüdt mit der Jakobinermütze, in Landau verjchafft und zogen 
mit MWollmesheimer Muſikanten und einem Landauer Trommel: 
Ichläger in Ilbesheim ein. Die Sturmglode läutete und fait alle 
änner des Dorfes verjammelten fich auf dem Rathauſe, wohin fie 
ein halbes Fuder Wein aus dem herrichaftlichzweibrüdijchen Keller 
brachten, um es unter Lärmen und Toben zu vertrinten. Am 
9. November holten die freiheitstrunfenen Ilbesheimer troß der 
Warnung des Schultheiken Nikolaus Theobald im Gemeindewald 
einen jtattlichen Tannenbaum, der vor dem NRathauje aufgejtellt und 
mit Fahne und Jakobinermütze geziert wurde. Aber jchon rüdten 
60 Mann Zweibrüder Truppen an um die Rädelsführer zu fangen. 
Dies gelang zwar nicht; jedoch mußten die Ilbesheimer ihren gr 
(ei I niederreißen und in Stüde hauen. Am nächſten Tage 
ührte der Schwanenwirt Keller von Ilbesheim 600 Landauer 
Nationalgarden zu Fuß und dreißig Reiter nach Ilbesheim und ver: 
trieben die Zweibrüder, worauf am 15. November unter großem 
Jubel eine zweiter Freiheitsbaum gepflanzt wurde. 
Den Sansculotten (Ohnehoſen) ſchenkten die Ilbesheimer 128 
Hemden, 39 Paar Schuhe, 30 Paar Strümpfe, wofür der Konvent 
am 4. Januar 1793 öffentlich dantte. 


2. Aus dem Jahre 1793, der Untergang des Rarlsberges. 


1. Während die Herrjcher von Öfterreich und Preußen mit der 
2. Teilung Polens bejchäftigt waren, gingen die franzöfiichen Volks— 
heere gegen den Rhein vor, wo Jourdan die Öfterreicher aus Belgien 
vertrieb und General Meunier von der Mojelarmee nad) Mainz 
wollte, um den Rhein zur deutjch-franzöftichen Grenze zu machen 
und auf Befehl des blutdürjtigen Konvents beftimmte Fürjten ge— 
fangen zu nehmen. 

Auf dem Karlsberg bei Homburg ſaß Herzog Karl Auguft 
mit jeiner Gemahlin, jeinen Beamten und wenigen Handwerfern, 
aber mit einer Kompagnie Brenadiere, 500 Pferden und 1200 Hunden. 
Es war am 9. Februar 1793, jpät abends gegen elf Uhr bemerkten 
die beiden wachehaltenden Grenadiere, wie fich mit eiligen Schritten 
ein Mann aus der finftern Nacht auf fie zubewegte. „Halt! Werda!” 
„But Freund“; „Nickel Pfeifer von Rohrbach”. „Hier ein Brief 
für den durchlauchtigen Herzog, aber raid, raſch“. Pfeifer ver: 
\hwand im Dunkel der Nacht. Die Grenadiere brachten den Brief 
ihrem Kapitän, berichteten jchnell, was fie gehört und diejer eilte 
zum Herzog ins Schlafgemad). 

Der Herzog öffnete den Brief. Schnell befahl er eine Kutfche 
mit vier Pferden, ließ fich rajch anziehen und nur notdürftig ge: 
Heidet eilte er in den Hof, alles hinter fich laſſend; blaß und zitternd 
beftieg er mit jeiner Gemahlin den Wagen, 2 ‚öffnet fich das 
Tor nach Sanddorf und glücklich verihwand die Kutſche im Duntel 


— — 


der Nacht. Angſtlich ſchauten die Beamten und Diener nach, als 
ſich das Licht der Kutſche den Hang hinabbewegte. 

Da entſtand furchtbares Getöſe. Die Grenadiere wurden über— 
rumpelt und entwaffnet; denn General Landremont war mit ſeiner 
Reiterei angelangt, um den Herzog und die Herzogin zu faſſen. 
Da ſah er die Aufregung im Schloſſe. Doch die ſchlauen Beamten 
und Diener täuſchten den General: drüben überm Schloßhofe erſchien 
ein Leichenzug, mit Fackeln und ernſtem Geſang zog er vorüber. 
Die Franzoſen ſtarrten das merkwürdige Schauſpiel an und der 
Leichenzug verſchwand im Dunkel der Nacht. 

Unterdejjen hatte der Kutjcher gehörig auf die Pferde ein- 
gehauen. Sanddorf war erreicht, vo ging es über das Brud 
nah Miesau zu, immerfort durch die Ebene. 

Die Flüchtigen meinten jeden Augenblid, von den nadheilenden 
Neitern erhajcht zu werden. Doc, die hatten den Weg verfehlt oder 
waren irre geleitet worden; jie fehrten am andern Morgen unver: 
richteter Dinge zurüd. 

Vor Tagesanbruch erreichten die abgehegten Pferde des Herzogs 
Raijerslautern. Der Pförtner erkannte bald das Befährte, ließ es 
ehrerbietig ein und ein ralcher Bferdewechjel, ein kurzes Frühſtück. — 
Bald rollte die Kutſche weiter und erreichte noch am nämlichen Vor: 
mittage die Rheinjchanze und Mannheim. 

Jener Nikolaus Greifer aus Rohrbach hatte den geheimnis- 
vollen Brief von einem franzöfilchen Offizier erhalten, der mit im 
Heere war, das den Karlsberg erjtürmen jollte und der ein Freund 
Herzog Karl Augults war. Im Jahre 1788 war nämlich der 
franzöſiſche Major Friedrich Böding, ein geb. Pfälzer, bei jeinem 
Bruder, dem herzoglichen Oberhofmarſchall-Sekretär auf Karlsberg 
zu Bejuh. Er hatte einen franzöfiihen Kameraden und Freund 
mitgebracht, und beide wurden vom Herzog freundlich aufgenommen. 
Sie nahmen nicht nur an den Treibjagden des Herzogs teil, wo die 
Leibeigenen der Dörfer zum Treiben befohlen wurden und jedes 
Dorf feine Hunde, die der Herzog zur Pflege übergeben hatte, jtellen 
mußte. Sie jahen die zahlreichen Pferde und Hunde in den weit- 
läufigen Ställen; der Herzog jelbjt zeigte ihnen die römijchen Alter: 
tümer in den Drangeriegebäuden, die Neger, Indianer, Estimo in 
ihren Hütten. Die 1000 Reiter übten ſich in ihren Waffen. Eine 
franzöfiihe Theatergejellihaft jorgte im Theaterhaujfe für Unter: 
haltung. Nach einigen Wochen nahmen beide Abjchied. Die Welt 
aber war damals voll des Rühmens von der Herrlichkeit auf dem 
Karlsberg, ſelbſt Kaijer Joſef Il kehrte 1788 auf feiner Reife nad 
Baris hier ein. 

Diejer Offizier war es, der den Herzog rettete. Unter eigener 
Lebensgefahr übergab er dem Bauern Nikolaus Pfeifer jenen Brief 
am 9. Februar 179%. Wäre der Mann nicht auf Umwegen nad 
Rarlsberg, jo hätten ihn ficher die Truppen Landremonts abgefaßt. 


— 565 — 


Niemand wußte ja, was los war und daß die Franzoſen vom 
Konvent den Befehl hatten, Herzog Karl Auguſt zu faſſen! 

Ä Die Familie Böding hat es abfichtlich unterlajjen, den Namen 
des Dffiziers zu nennen. In der Familie wurde er als Belannter 
noch oft genannt. 

Der alte Sekretär Böding rettete vor der Ankunft der Fran— 
olen das Bold: und Silbergelchirr, das er auch nah) Mannheim 
ringen ließ. Unterdeſſen hatten die Franzoſen den Karlsberg 
eingenommen. 

Alles, was mitgenommen werden fonnte, nahmen fie. Silber 
und Gold, — Lebensmittel. Auf Bauernwagen ge— 
langten die ſchönen Möbel nach Homburg und weiter nach Weſten. 
Böcking verlor ſein ganzes Vermögen. Seine Frau konnte nicht 
mit nach Mannheim; daher begab ſie ſich des andern Tages zu 
Fuß mit Frau von Dürkheim und ihren drei Kindern über Kuſel 
nach Meiſenheim. In einer Nacht kamen ſie in einen Wald und 
fie verloren bei dem fürchterlichſten Winterwetter das älteſte Töchter: 
hen, das F erſt nach zwei Tagen in einem Hauſe bei Landleuten 
fanden. Erſt nach ſechs Tagen erreichten ſie Meiſenheim. 

Am 24. Juli 1798 traten die Franzoſen, verfolgt von den 
Deutſchen den Rückzug hinter die Saar an. Von morgens 8 Uhr 
bis abends 6 Uhr wurde das Schloß der Plünderung preisgegeben. 
Zuletzt kamen auch die Bauern der Gegend und nahmen, was zu 
nehmen war. Noch heute haben die Bewohner der Begend Porzellan: 
tafjen und Teller, Xöffel, Stühle, Spiegel, Tijche, die ihre Vorfahren 
aus jener Plünderung heimtrugen. 

Am Abende aber ſteckte der franzöfiiche General Colombe unter 
dem Rufe: „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit” das Schloß an. 
Meithin leuchtete der Riejenbrand in die Nacht und verkündete den 
gedrüdten Meftricher Bauern, daß eine andere Zeit für fie ange: 
brochen jei. Tagelang wütete der Brand. Die Bauern holten fich 
zulegt die Steine und die römilchen Überreite der Altertumsjamm: 
lung prangten bald an den Häujern und GStällen der Umgegend. 


3. Die dreitägige Schladt bei Kaijerslautern 1793. 


Die Preußen unter dem Herzog von Braunjchweig eroberten 
Mainz wieder zurüd, drangen ftegreich durch die Pfalz vor und 
nahmen Gtellung in der Südpfalz und in Lothringen. Unter dem 
Herzog von Braunjchweig hatten fie bei Pirmajens auf der Hufter: 
höhe ein feltes Lager aufgejchlagen. Die Franzojen, die bei Bitich 
Itanden, ließen fich öfter in Scharmüßel ein. Am 14. September 
1793 kam es zu einer erniten Schladt. Die Franzojen ftürmten 
auf die Hulterhöhe und ſchon hatte ihre Reiterei auf der Zweibrüder 
Straße das Stadttor erreicht. Da ftürzten ihnen die Preußen, deren 
Haubigen Tod und Schreden verbreiteten, in die Flanke, jo daß die 
allzufühnen Franken ſich nad) Bitjch zurüdziehen wollten. Aber eine 


— 5606 — 


Vierteljtunde von der Stadt lag das Blümelstal, zu dejjen jchroffen 
Talwänden hinab die ganze franzöfiiche Macht ſtürzte. Was in 
diejem Engtale von den nachjjegenden preußilchen Reitern nicht zu: 
Jammengehauen wurde, ergab ſich, jo daß 3000 Gefangene gemacht 
wurden, während der ganze Berlujt der Preußen 200 Mann betrug. 

Schon am 8. April ftanden die Öfterreicher unter dem Feld: 
marichall Grafen Wurmjer vor Landau und hielten fait 4 Monate 
lang die Gegend an der QDueich bejegt. Gultine, der in Landau 
eingejchlojjen war, hatte fich vergeblich mittels Ausfälle der eijernen 
Umklammerung zu wahren gejuct. 

Ale Nachrichten von den Niederlagen erwedten einen gr 
den Eifer der Franzoſen, die ihre Scharten ausweßen und Landau 
befreien wollten. „Landau ou la mort!* „Landau oder der Tod” 
hieß der Befehl an den — aber energiſchen General Lazarus 
Hoche, der die deutiche Linie zu durchbrechen und Landau zu be— 
freien juchte. 

Im Spätherbite zogen ſich die Preußen auf das rechte Ufer der 
Waldlauter zurüd und errichteten während deſſen ftarte Schanzen, die 
vom Tierhäuschen ſüdlich von Kailerslautern bis nad Otterberg 
reichten um die franzöſiſche Mofelarmee unter dem jungen General 
Hoche, der ihnen auf den Ferſen folgte, vom Rheine abzuhalten. 
Am 28. November jtießen die Borpoften der Franzoſen mit der 

reußilchen Nachhut bei Waldmohr, Homburg und Weilerbacdh zu: 
Bari Der rechte Flügel der Franzojen erreichte den linfen 
mon Flügel bei Bogelweh (WBogelwoog) und am gleichen 
bend ftieß der linke franzöliiche Flügel bei Dtterbady a. d. Lauter 
auf den rechten preußilchen Flügel unter Kalkreuth, der fich in Die 
ftarfe Stellung bei Morlautern zurüdzog. Zuerſt erfolgte ein 
heftiges KRanonenfeuer der Franzoſen, die darauf zum Sturm gegen 
die jteilen Höhen vorgingen. Als eine franzöfiiche Infanterielolonne, 
die das Diterbergertal heraufgedrungen war, bei Erlenbach die 
Stellung der Preußen umgehen wollte, jauften 2 preußilche Reiter: 
regimenter in kühner Attade den Anftürmenden entgegen und drängten 
fie ins Tal. Hierauf wollten 10000 Franzojen unter Huet den 
Mühlberg bei Morlautern erflettern und famen bis dicht an die 
preußilchen Schanzen, wo fie ein Bajonettenangriff zurückwies. 

Abermals rüdte eine dritte Abteilung der Franzoſen von 
Erlenbady aus vor, aber der Herzog von Braunjchweig Itellte ſich 
jelbjt an die Spitze zweier Reiterregimenter und trieb den Angreifer 
wieder ins Tal zurüd. Am 30. Fovember verjuchte Hoche neuer: 
dings die Erjtürmung der Höhen, aber das Artilleriefeuer verjagte, 
weil es an Munition gebrach, außerdem brachte General von Kospoth, 
der bei Lautereden ſtand, 2 Infanterieregimenter und Hujaren 
unter Blücher, ſodaß die Franzojen obwohl fie 40000 Mann, die 
Preußen aber nur 20000 hatten, den Rüctmarjch antraten. Während 
desjelben wagte der franzöſiſche General Taponier mit feiner Divifion 


u — 


den füdlich von Lautern ftehenden linken preußiichen Flügel anzu: 
—— der den Angreifer von der Galgenſchanze aus durch heftiges 

anonenfeuer zurückwies. In guter Ordnung traten nun alle 
Franzen den Rückzug an, nachdem auch das Regiment royal d' Alsace, 
das einſt Pfalzgraf Max Joſef von Zweibrücken geführt hatte, 
großenteils gefallen war. An den Sieg der Preußen erinnert heute 
noch in Berlin das Brandenburger Tor am Eingang der Straße 
unter den Linden. 

Im Mai 1794 ftanden bei Mainz 50000 Preußen und 5000 
Sadjen unter dem Feldmarſchall Möllendorf, der über Kirchheim: 
bolanden, Winnweiler und Aljenborn kommend, die Franzojen, welche 
fi) bei Raijerslautern in den Schanzen feſtgeſetzt hatten, vertrieb 
und aud) ihre Angriffe vom 2. und 3. Juni zurüdwies. 


4. Der Brand zu Kuſel 1794. 


2. Schon vor der Eroberung der Feltung Mainz durch die 
Deutichen 1793 hatte ein franzöfiicher Kommilfär erklärt, Kuſel und 
alle Ortfchaften der Gegend würden, wenn Mainz verloren ginge, 
niedergebrannt werden; dazu fam es aber nit. Im Jahre 1794 
wurden am Rheine mehrfach faljche Alfignaten (Papiergeld der 
Republik) gefunden. Da aud die Kufeler Geijeln, die fich bei den 
andern pfälzilchen befanden, bis die Brandihagung ihrer Stadt be: 
zahlt war, gefäljchtes Papiergeld aus ihrer Heimat erhielten und 
verausgabten, jo gab der Bolfsrepräjentant Hentz in Pirmajens 
einem Weiter an den im Lager bei Brüden liegenden General 
Renaud einen verjiegelten Brief, den diejer am 25. Juli erhielt und 
öffnete. Der Reiter jollte auf den Vollzug des Befehles warten, in 
dem Briefe aber ſtand: 


Freiheit, Gleichheit. 
Pirmaſens, den 7. Thermidor im 2. Jahre der ein- und un— 
zerteilbaren Franken-Republik. 26. Juli 179. 


Da der zu den Nhein: und Mojelarmeen gejendete Volks— 
Repräjentant erfahren hat, daß es in der Stadt Kuſſel im Trierijchen 
Lande faljche Alfignaten-Fabritanten gäbe, die von den Einwohnern 

eduldet und jogar geichügt werden, und daß aus diejer Stadt jene 
A äußerft nachteilige VBerjendung von Affignaten in das Innere der 
Republit herfäme, nachdem von ihm der fommandierende General 
der Mojel:Armee zu Rate gezogen worden ift, und diejer verfichert 
hat, daß die Exiſtenz diejer Stadt den fünftigen Kriegsoperationen 
der Armeen der Republik von feinem ferneren Nuten jein würde: 

Hat folgendes bejchlojjen: j 

Da die Stadt Kuſſel bei jeder Gelegenheit ſich als Feindin 
der Republif und als zugethane Freundin der Feinde derjelben und 
namentlich der Preußen, gezeigt hat, jo ſoll diejelbe verbrannt werden. 


— 568 — 


Der kommandierende General der Moſel-Armee erhält hiermit den 
Befehl, dieſen Schluß ſobald als möglich in Erfüllung zu ſetzen und 
alle dazu gehörigen Anſtalten auf's —— zu treffen. 

entz. 


Aus dem Buche: Der Brand von Kuſel im Jahre 1794 von Emil 
Müller, Pfarrer in Quirnbach. 

über den Verlauf ſelbſt erzählt Amtmann Müller von Kuſel: 
Siehe Müller, der Brand von Kujel 1. ©. 49 bis 51 und 2. Inſpektor 
Hepp Ichildert ©. 51 bis 54 den Brand wie folgt: 

1. „Gegen den Befehl herzoglicher Randesregierung, dab wir 
jollten beim Anrüden des Feindes unter Mitnahme der wichtigften 
Amtspapiere die Stadt verlajjen, waren wir, meine Kollege Kärner 
und ich, diegmal am Orte verblieben. Schon in früher Morgen 
ftunde vernahm ich ein dumpfes Dröhnen das Tal herauf; dann 
wieder war es mir, als jummte in unmittelbarer Nähe ein Bienen- 
Ihwarm. Ich achtete unter einer angefangenen Arbeit nicht weiter 
darauf und hielt das Ganze für eine Sinnestäufhung. Als ich aber 
durch wachjenden Lärm veranlaßt an ein Fenſter meiner hochgelegenen 
Wohnung trat, erfannte ich, dak mic) meine Sinne nicht betrogen 
hatten. Auf den Höhen zogen in Schlangenwindungen franzöfiiche 
Kolonnen dahin, rechts und links dasjelbe Schaujpiel. Es war mir 
bei diejem Anblicke nicht wohl zumute; denn ich ahnte, daß eine 
Exefution wegen der ausgebliebenen Entjchuldigung und der ver- 
zögerten Proviantlieferung bevorjtehe, daß man auch geneigt jein 
möchte, mich hiefür verantwortlich zu machen. Der Gedante an das 
derzeitige Schredensregiment in Paris ließ im Augenblid allerlei 
Schredgejpeniter vor mir auffteigen; aber rajch faßte ich mich wieder 
und ging hinüber, um meine Schweiter Zuije vom Sachverhalte zu 
unterrichten und ihr Mut zuzuſprechen. Lebhaftes Hin: und Her: 
rennen der Leute und lautes Gejchrei riefen mich zurüd an’s Feniter. 
Mein Fragen nad) dem Grunde der allgemeinen Aufregung war 
lange vergeblih. Ohne Aufenthalt jagte alles dahin. Ünheimlich 
tönte in dieſem Augenblid der dünne Ton der Betglode in der 
Lärm hinein und in der Ferne vermilchte fich damit der Klang der 
Ortsſchelle. Da bog mein Kollege Kärner um die Ede und rief 
fajt atemlos: „Die Stadt wird in einer halben Stunde verbrannt. 
Retten Sie fih und Ihre Schweiter“. Gleichzeitig rannte auch den 
Amtsjergeant heran, um mir die Schredensfunde zu überbringen. 
Ich forderte meine Schweiter auf, raſch unjere beiten Habjeligfeiten 
zujlammenzupaden, während ich in Eile die amtlichen Sachen in 
einen Büchſenſack ſammelte und denjelben dem Amtsjergeanten über: 
gab. Da fiel ein Kanonenſchuß von der Höhe und in vielfachen 
Echo rollte der Donner unheimlich über die Häujer dahin. 

Mir verließen nun das Haus und jchlugen durch eine Seiten: 
galle den Weg nad Altenglan ein. Bor uns und Hinter uns 
Ichleppten die Leute, was fie vermochten. Der Schreden hatte manche 


u Bi: 


jo verwirrt, daß fie feine Auswahl unter ihren Habjeligteiten ge: 
troffen, jondern was ihnen gerade in die Hände fiel, an fich genommen 
hatten. Es war ein Anbli zum Erbarmen, ein wirklicher Tränen 
zug. Auch wer jonft das Haus wegen Alters und Krankheit nicht 
verließ, war heute erbarmungslos auf die Straße gelegt. Herz: 
zerreißend war das Jammern und Klagen von alt und jung und 
doch vernahm man dazwilchen auch die Stimmen jolcher, die fich 
mit Schmähungen überhäuften, jei es, weil einer den andern am 
raſchen Fortkommen Hinderte, jei es, weil man einzelnen Perjonen 
die Schuld an dem Unglüde gab. 

Bor dem Tore ftaute ſich die Menge. Viele hatten, weil im 
Felde arbeitend, die Stadt nicht mehr rechtzeitig erreicht und wurden 
nun von den am Tore aufgeitellten Soldaten zurückgewieſen. Zu 
den unglüdlichen Bewohnern der Stadt hatten * viele Leute aus 
den Nachbardörfern geſellt, in welche das Gerücht von der bevor— 
ſtehenden Zerſtörung der Stadt durch die patrouillierenden Huſaren 
gedrungen war.“ 

2. „Von meiner Amtswohnung aus beobachtete ich hinter ge— 
ſchloſſenen Läden die Aufſtellung der Soldaten, die Anſammlung der 
Bürger und ihr baldiges, haſtiges Auseinanderlaufen erfuhr auch 
durch meinen Küjter das Vornehmen des Feindes. Ich empfahl 
mid; mit den Meinen dem Schuge des Höchiten und wartete der 
weiteren Dinge im Gebet. Als die Soldaten fich zerjtreuten, fam 
auch eine Abteilung auf mein Haus zu, drang in den mit Früchten 
gefüllten Schuppen ein und machte jich unter Scherzen daran, aus 
den ungedrojchenen Garben Fadeln herzuitellen. Es mochte eine 
Viertelftunde vergangen Jein, als fie den Hof mit Strohbündeln ver: 
ließen, während einzelne Soldaten brennende Rienfadeln trugen. 
Bald darauf hörte ich ein Kniltern, während gleichzeitig der Rauch 
über das Haus dahinzog. Ich eilte an ein Fenfer auf der Rück— 
jeite des Haujes und jah eine Anzahl Kirchipielsleute, welche die in 
dem Schuppen auflodernde Flamme durch Aufwerfen von Brettern 
und Zujammentreten zu erjtiden juchten, was ihnen auch gelang. 
Auf ihr Zureden verließ ich das Haus mit den Meinen durch den 
Garten und über die Stadtmauer. Wir fonnten von hier aus die 
Vorgänge in der Stadt nicht beobachten; nur die allenthalben auf: 
fteigenden Rauchwolfen zeigten uns, daß die Stadt von einem grau— 
ſamen Gejchict betroffen worden ſei. Wir wagten es nochmals in 
den verlajjenen Pfarrhof einzudringen und famen gerade rechtzeitig, 
um eine neuerdings in dem Schuppen emporzüngelnde Flamme zu 
löſchen. Durch die Hintertüre trat ich mit den Kirchjpielsleuten, 
wadern Männern aus Bledesbach, in das Haus ein, das nod) völlig 
unverjehrt war und feine Spur eines feindlichen Beſuches zeigte. 
Wir erjtiegen den oberjten Boden, um von dort aus Umjchau zu 
halten. Der Rauch, welcher durch die Fugen des Daches eindrang, 
brannte unjere Augen. Ein dichter Qualm lag über der ganzen 


37 


— 570 — 


Stadt; erſt nach und nad jchlugen die Flammen empor und mit 
einemmale begann ein PBrajjeln der Ziegeln, ein Krachen und Berften 
in allen Eden und Enden. Aus den Magazinen der Preußen, die 
dem Feinde nicht alle befannt waren, jowie aus dem Koch'ſchen 
Anwejen jprühten Feuergarben empor und ein feuriger Regen ergoß 
ih von da aus über die Nachbarſchaft. Das Getreide explodierte 
wie Raketen. Und immer mehr begannen die Flammen zu wüten. 
Selbſt die Mauern jchienen zu brennen, da das eingefügte Fach: 
wert von der Blut ergriffen wurde. Nicht ein Haus jchien der 
—— entgehen zu Tollen, jo weit wir zu jehen vermochten. 

ur die Kirche ftand noch unverjehrt vor uns, als flöße fie 
dem Feinde Ehrfurdt ein. Da leuchtete roter Feuerſchein auch 
an die Kirchenfenfter und nicht lange, jo wirbelte der Rauch auch 
bier aus allen Fenſtern und Zuden. Die Hite drang herüber an 
unjern eigenen Aufenthaltsort, als das Feuer in der Kirche um fich 
griff. Noch einen Blick jandten wir hinaus auf den freien Pla 
vor uns,- an dem noch am legten Sonntag der friedliche Stadt- 
bewohner?jich zum Zunfttage jo ahnungslos verjammelt hatte, über 
die Stadt, die rettungslos dem Untergange verfallen war. Rein 
Soldat war mehr auf den Straßen zu bliden, nur einige re 
ſahen wir mit fliegendem Haar gerade mitten hinein in die Haupt: 
Itraße eilen, über der die Flammen von beiden Seiten zulammen: 
\chlugen; fie juchten ihre Kinder, die über dem harmlojen Spiel der 
Jugend den richtigen Zeitpunkt zur Flucht verjäumt hatten. Die 
Armſten wurden jpäter von niemand mehr entdeckt. 

Unjeres Bleibens tonnte nicht mehr lange im Injpektionshauje 
jein; der beizende Rauch und die immermehr ſich nähernde Hitze 
vertrieb uns. „Leb' wohl, du ftilles Haus, mit deinen Freuden und 
Zeiden, wir werden wohl nicht mehr über deine Schwelle treten.” 
Sp daten wir und doch durften wir jpäter nochmals Einzug in 
die uns nun doppelt liebgewordenen Räume halten. Kollege Zöllner 
aber jollte jein Haus nur als eine Ruine antreffen, als er am 
folgenden Tage von Diedelfopf zurüdkehrte, wohin er jeine Zuflucht 
—— hatte und wo er auch mich nach den ihm gewordenen 

itteilungen vermutete. 

Unſer Weg ging jedoch nach einer andern Richtung, als wir 
uns wegwandten von der brennenden Kirche und dem von uns auf— 
gegebenen Inſpektionshauſe. In Begleitung der hilfreichen Freunde 
von Bledesbach überſtiegen wir die Gartenmauer, dann die Stadt— 
mauer und gelangten 4 wieder in’s Freie. Der Feind, nachdem 
er ſein jchredliches Werk vollbracht, war teilweije jchon im Abzuge 
auf den Straßen begriffen. Die guten Zeutchen, die jich unjer freund: 
li) angenommen, nötigten uns, mit ihnen nach ihrem Dörfchen zu 
ziehen. Jedes der Meinen und auch Jämtliche Kirchjpielsleute hatten 
ji) mit einem Teile unjeres Hausrates beladen. Auch die Kirchen: 
bücher und heiligen Gefäße hatten wir nicht vergejjen. Zuweilen 


— 51 — 


wandten wir den Blid zurüd. Die ganze Stadt war ein einziges 
Tlammenmeer. 

Der Wind, der fich inzwilchen erhoben hatte, trieb die Flammen: 
jäulen unjtät hin und her und peitichte den Qualm weit über's 
Land. Noch weithin vernahmen wir das Kniltern und Prajjeln. 

Im Haufe des Kirchenälteften zu Bledesbach machten wir Raft. 
Nun erit fam die ganze Schwere unjeres Schidjals über uns und 
wir weinten zulammen wie Kinder. Die Leutchen erwiejen uns 
alles Gute was in ihren Kräften ftand. Ein jedes Haus wollte 
uns eine Liebe erzeigen. Das ſtärkte uns wieder und ich vermochte 
die Meinen zu tröften und aufzurichten. Wir verbrachten hier den 
Reſt des Tages und die Naht und auch viele Mitbürger mit den 
Ihrigen hatten im Dörflein Unterkunft gejudt. Kein Schlaf fam 
in diejer Nacht in unjere Augen, denn wir fürchteten, daß dem 
Feinde nicht genug jei an der Zerftörung der Stadt, daß er es auch 
noch abgejehen habe auf das Leben ihrer armen Bewohner. Aber 
am Morgen erfuhren wir, daß der Feind wieder jamt und jonders 
abgezogen jei. Wir Männer machten uns noch in der Frühe auf 
nad) den Trümmern der Stadt, aus der noch immer die Flammen 
hoch emporjchlugen. Ach, das Bild, das fich uns bot, trieb uns die 
Tränen abermals in die Augen. Kaum, daß hie und da noch ein 
Häuslein oder eine Scheuer unverjehrt geblieben war. Auch die 
drei Kirchen der Stadt waren in fich zulammengejtürzt und am 
Gebälte derjelben ledte noch die Flamme. Unjer Amtshaus war 
wie durch ein Wunder vor der Feuersglut bewahrt geblieben und 
auch im Innern war alles unberührt, wie wir es verlajjen hatten. 
Wir verjuchten in die Stadt einzudringen; allein fie war wie von 
Barrifaden geiperrt gleih vom Marktplage an. Auch war der 
Brand noch feineswegs zum Stillitande gefommen und wiederholt 
Jah man das Gebälf der Häujer und deren Mauern zujamenftürzen. 
D, welchen trüben Tagen gehen meine armen Pfarrfinder entgegen, 
wenn nicht die werftätige Nächitenliebe ihnen zu Hilfe kommt!“ 


5. Blücher in der Schlacht bei Kaijerslautern 179. 


Am 18., 19. und 20. September 1794 fand abermals eine 
große Schlacht bei Kaijerslautern ftatt, in der die Franzoſen geichlagen 
wurden. Der Huſarenoberſt Blücher berichtet darüber folgendes: 

„Als ich”, jchreibt Blücher, „in die Nähe der Haberberger 
Hütte fam, begegneten mir einige unjerer Leute und Kailerliche 
Kavallerie, die auf meine Frage: warum fie wieder zurüdgingen? 
antworteten, es jei nichts mehr vom Feind zu jehen und ihre Pferde 
fönnten nicht mehr fort. Ich erwiderte ihnen, bedeutend: daß ich 
ihnen den Feind zeigen wolle. Dann kehrte ich mid) zu meinen 
Leuten und rief ihnen zu: ihr Roten, wenn ihr euch mich recht ver: 
bindlich machen wollt, jo arbeitet heute; wir können noch viel tun. 
— Sa! Herr General, riefen meine braven Pommern. 

BI” 


— 572 — 


Ich ließ Marjch blajen und verfolgte rajch meinen Weg nach 
Hoheneden. Der brave Obrift v. Kölchen vom Regiment v. Schmettau 
folgte mir mit jeinen Dragonern, die Dejtreicher aber ritten zurück. 
Es regnete heftig, und wir hatten jchon eine große Strede Weges 
zurücgelegt, ohne den Feind zu jehen. 

Dieles war mir unbegreiflih, da fie doch bei meinem Bor: 
rüden auf den Höhen von Morlautern noch vor dem Walde ge- 
Itanden hatten. Der Gedante jtieg in mir auf, daß fie fi) vom 
Meg ins die Gebüſch gezogen hatten. Ich ließ halt machen und 
meine Leute den Wald durchſuchen und wer auf den Feind ftiehe, 
jollte Lärm machen. 

Um ihnen aber eine Richtjchnur zu geben, wollte ich mit dem 
Dbriften v. Kölchen und einigen geichlojfenen Zügen auf dem Wege 
bleiben und öfter Signale durch die Trompeter geben lajjen. Nach— 
dem ich alles jo injtruiert, ging ein wahres Treibjagen vor fich. 
Es dauerte nicht lange, jo hörte ich rechts ein grobes Geſchrei, alles 
ftürzte dahin und im Augenblide waren 300 Mann Infanterie, die 
da entdedt worden waren, teils niedergehauen, teils gefangen. 
Nun ging es Schlag auf Schlag; bald hier, bald dort wurden dichte 
Haufen feindlicher Infanterie mitten im Walde angegriffen und 
überwältigt. Der vortrefflide Prinz Georg von Helen: Darmitadt 
hatte ſich zu mir gejellt und verließ mich nicht. Wir befamen zus 
weilen Feuer von allen Seiten, und ich bat ihn, mich zu verlajjen. 
Der biedere Prinz antwortete mir aber: Lieber General! erlauben 
fie mir, daß ich bei ihnen bleibe, um feinen Preis milje ich es, 
Zeuge eines jo ſchönen Tages zu jein. 

Schon mander Strauß war erfämpft, als ich wieder einen 
ungewöhnlich jtarfen Lärm hörte und bald darauf die Meldung erhielt, 
daß man noch ein paar geichlojjene Bataillons entdedt habe, die ſich 
langjam durch den Wald zurüdzögen und wahrjcheinlich heftige Gegen: 
wehr leiten würden. Wir eilten nach der Gegend hin und ich hörte 
bald die Stimme meines braven Rittmeiltes v. Sydow, der unjere Leute 
zulammen rief und fie encouragirte; ich |prengte zu ihm und jah 
nun die Infanterie, welche wenigitens aus 600 Mann beitand und 
die fih in ein feites VBerhau gezogen hatte. Sie fing, als fie uns 
gewahr wurde, an, lebhaft zu feuern. Der Rittmeiſter v. Sydow 
wurde durch) den Arm gejchojjen, und ich bat ihn, daher zurüd zu 
reiten; bald darauf wurde der verdienjtvolle Major v. Breetz von 
meinem Regiment dur) 3 Kugeln getroffen, wovon eine durch den 
Schentel ging; die beiden andern, leichte Kontufionen verurjachten ; 
das Pferd, worauf er ritt, wurde zu gleicher Zeit von mehreren 
Kugeln blejfiert. Da voraus zu jehen war, daß wir viel Leute ver: 
lieren würden, wenn wir die Infanterie nicht aus dem Verhau 
heraus manöverierten, jo zog ich mich linfs, um diejelben zu um: 
gehen. Diejes hatte den erwünjchten Erfolg; der Feind jette fich 
wieder in Marſch, mußte aber deshalb bei Hoheneck eine kleine 


— 53 — 


Wieſe, die etwa 500 Schritte lang war, palfteren, bevor er wieder 
ins Gebüjch fommen tonnte. Dies jchien mir der ‘led zu jein, wo 
wir ihn züchtigen fonnten; wir waren indejjen jehr jchwach, weil 
unfre Reute im Wald verteilt waren, ich ließ deshalb häufig Appell 
blajen, und bald kamen mehrere Hujaren und Dragoner untereinander 
zu uns berangeiprengt. Als ic) etwa 80 Mann gejammelt hatte, 
fommendierte ich Marſch in dem Nugenblid, da fich die feindliche 
Infanterie über die Wieje zog; ich rief meinen Leuten zu: fie ſollten 
nur getroft attadieren, den Franzojen wären die Gewehre naß ge: 
worden, und fie würden uns nicht viel tun. 

Der Offizier, welcher das feindliche Bataillon fommandierte, 
bewies viele ———— er war zu Pferd und hielt ſeine Leute 
immer zuſammen; allein nichts fonnte unſre braven Huſaren und 
Dragoner abichreden; wir jtürmten auf den Feind loß, und obgleid) 
er uns mit dem Bajonett entgegentam und ſich auf das hartnädigite 
verteidigte, jo drangen wir doc glüdlich in ihn ein. 

Der Oberjtleutnant v. Pleg, dem der Kommandeur des Bataillons 
nur mit genauer Not in den Wald entwilcht war, nahm ihn in die 
Flanke, und nun wurde die Niederlage der Franzojen volllommen. 

Die Erbitterung unſrer Leute war aufs höchſte geitiegen, fie 
hieben alles nieder. Ich mußte ernitlich Gewalt dazu brauchen, um 
ihrer Wut Einhalt zu tun; es gelang mir dennoch nur 200 Fran— 
zojen zu retten, die gefangen gemacht wurden, die übrigen lagen 
alle tot hingeitredt. 

Mit diejer Affaire war der Reſt des ganzen, bei Kaiſerslautern 
geitandenen franzöfiichen Korps aufgerieben; es hatte aus 7000 Dann 
BEN: wovon 3000 auf dem Plate blieben und 4000 gefangen 
wurden.“ 


6. Wie das linte Rheinufer franzöſiſch wurde. 


Nach dem Rüdzuge der Ofterreicher aus den Niederlanden zog 
fich Feldmarſchall Möllendorf gegen Mainz zurüd, die Pfal} blieb 
wie das ganze linfsrheinijche Land in den Händen der Franzoſen. 
Schon im Mai 17% jchloß der König von Preußen mit der Republit 
einen eigenen ‘Frieden, den jogenannten Separatfrieden von Baiel, 
in welchem bejtimmt wurde, daß Preußen aus dem 1. Koalitions— 
friege ausjcheide und fich neutral halte. Als Neutralitätsgrenze 
wurde die Linie nördlich vom Main bejtimmt. Frankreich jchaltete 
nun auf dem linfen deutjchen Rheinufer. Aber Oſterreich kämpfte 
unverdrofjen weiter fort, jo daß Frankreich drei große Armeen rüjtete: 
Napoleon Bonaparte jollte in Italien einfallen, Moreau vom Ober: 
thein und Jourdan vom Mittelrheine aus in Süddeutichland 
eindringen. SKailer Franz Il. ernannte jeinen 2djährigen Bruder 
Erzherzog Karl zum Oberbefehlshaber. Wohl ließ er Moreau und 
Jourdan weit vorgehen, warf ſich aber raſch auf Jourdan, den er 
bei Amberg und bei Würzburg vollftändig ſchlug. Als hierauf 


— 5714 — 


Moreau vom Anmariche Karls hörte, trat er eiligft den Rüdzug an. 
(Vergleiche Karl Theodor in Bayern ©. 555 

Napoleon, der in Italien eingedrungen war, 1797 Mantua 
eroberte, trat, als er im Rüden gededt war, den Marjch nad) Wien 
an. Da der tapfere Erzherzog Karl fi) mit geringerer Schar ihm 
entgegenitellte, gelang es Napoleon bis 200 km vor Wien zu fommen. 
Weil jedoch Napoleon zur vollitändigen Beftegung Öfterreichs nicht ſtark 

enug war, ſchloß er Waffenftillftand, dem der Frieden zu Campo 
‚ori folgte, in welchem Öfterreich Belgien und die Lombardei an 
rankreich abtrat und die geheime Zulage gab, daß das linte Rhein- 
ufer von Bajel bis Andernach Frankreich fortan gehöre. 

Bald nach diefem Frieden richteten die Franzojen am ganzen 
linfen Rheinufer eine neue Verwaltung ein, indem fie neue De— 
partemente jehufen: Saar, Donnersberg, Mojel. 

Der größte Teil der Pfaiz fiel ins Departement Donnersberg 
mit dem Hauptorte Mainz, wo der Präfekt regierte. In Worms, 
Speyer, Raijerslautern und Zweibrüden jaßen Unterpräfeftee Das 
Meftrich bei Kuſel gehörte zum Saardepartement, das Land jüdlich 
von der Dueich zum Departement Niederrhein. 


RR 


RAARAAAM RARAAAN ARARAARARAARAAARAARAAR 


Berihtigungen. 


Ries: 
48, Zeile 20 von unten geftorben ftatt gefallen, 
54, Zeile 13 von oben wurden ftatt werden, 
72, Zeile 10 von oben heute ftatt daher, 
72, Zeile 10 von oben Aëtius ftatt Artius, 


benjo ©. 78, Zeile 16, 


88, Zeile 7 von oben Sigambrer ftatt Sigamberer, 

112, Zeile 14 von oben Karl ftatt er, 

127, Zeile 13 von oben Nlamannien Statt Alamanien, 

144, Zeile 4 von oben getauft waren ftatt taufen ließen, 


. 144, Zeile 19 von oben die Empörer ftatt jie, 


146, Zeile 12 von unten Nur ftatt nur, 

171, Zeile 12 von unten Mönchen ftatt Menjchen, 
197, Zeile 11 von oben noch zu ftreichen, 

196, Zeile 20 von unten dann ſtatt denn, 

198, Zeile 16 von oben nad) Kreuzen ift und zu jeßen, 
209, Zeile 11 von unten befiel ftatt befiehl, 


. 279, Zeile 13 von unten Better ftatt Bater, 


337, unten: Rudolfs ftatt Rudolf, 

334, Zeile 5 von oben wie ftatt jo, 

391, Zeile 21 von oben Altertum ftatt Atertum, 

412, nad) Zeile 7: als Überjchrift: Fortgang und Ende des 
Bauerntrieges, 


. 420, als Überſchrift: Die neue Lehre im Bistum Speyer, 
. 486, Zeile 14 von oben nad geſchützt ergänze find, 

. 442, Zeile 20 von oben jollte ftatt ſoll, 

. 446, Zeile 16 von unten Dillingen ftatt Dillungen, 

. 488, Zeile 13 von unten: Das gelang. zu ftreichen, 

‚ 498, Zeile 19 von unten ganz Deutjchland ftatt Das ganze 


Deutjchland, 
499, 1680 ftatt 1608, 
501, Karl Ludwig ftatt Karl, 


. 511, Zeile 16 von oben XIV ftatt XII, 

. 511, Zeile 21 von unten von Statt vom, 

. 518, Zeile 20 von unten de la Fond ftatt Ford, 

. 548, Zeile 22 von oben und zu ftreihen; In ftatt in, 


Inhaltsverzeichnis. 





I. Teil. Seite 
Alteſte Geſchichte der Pal a oo 
Die Urzeit in der Pfal 
Unſere Heimat zur Zeit des Iulius Cä ar — 
ANriovift . . . 





Die Germanen, ihr Sand, ihre Sitten und Einei tan en 16 
Vom Staatswejen der alten — insbeſondere 


Die Römer am Rheine . 


Drujus befeftigt Die Nömerherrihaft . . 5 
Varus und Arminius . 2 oo 

Varus als Statthalter . . . 0.0.0 .0.0,.,, 4 
Der Überfall . EEE EEE 















Die Verfolgung . Dan — 
Bermanicus . . . i i : EEE 

Der Aufftand in Köln 14 m. Chr... ..., 48 

1. Zug gegen die Germanen . . . . ....., 49 

2. Zug gegen die Cheruster , . . . ...., 

Arminius Ende . . . . een MB 
Wie die Römer ihr Land fiherten . . . . .. 34 


Was die Germanen von den Römern lernten . . . , , 
An ber großen Römerftraße am Rheine . . . . 6 
Die Germanen fommen . . 
Die Franten — ken 
Die Burgunder . . — — 
Attilas Siegeszug und die Schlacht bei Chalens 49 . . 76 
Attilas Grab . . . . IRRE 
Das Chriftentum in den Rheinlanden , ..... gg 


Die Alamannen in der 









Yus Dem Galiihen Oefepe REDET 
Franken und Alamannen DEE 





Die fräntiichen Gaue der 


Der pfälziiche Geraidewald . . oo 














Bonifazius . Fran azıus . _ = * . . * * — — — = * * — * * — 
Karl der Orof —— 








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Königin Adelheid . . EEE DEFEBLERTED 
erzog Konrad der Rote ne... 180 





Die Ungarnichladht an — elde ÿZ586ß82198 
ZU DE 111 





II. Zeil. 
en Kaiſer 1024—1125 





Kaiſer Konrad Il. 1024—1039 
Die zu Konrads II. 


* Königsritt 





Konrads Kehrer 
Ernft von Schwaben . . . WEITERER; 
Railer Konrad und Kloſter Rimburg® a ee 





Die Limburger Shäbe . . . ea 
Aus dem Kloſter.. 214 





Seite 
Der Tod Kaiſer Konrads II. (Heinrih UL) . * . . . . 216 





einrt EEE TETEIE TEE WERDE EIFEI DER ER TER 





Heinrihs IV. Kampf gegen die Sachſen 1075 219 
einrih IV. und Papſt Gregor VI) . 2. 2 22. 22 








Heinrich IV. Tod 1106 
Kaiſer Heinridh V. und die Speyerer 1 
Die eiten der Speyerer 
Der erfte Kreuzzug . EDEL ETEE 
Die Rirchenverfammlung zu Clermont 109. 
Peter von Amiens und Emich von Leiningen . . . . . 
Der Kreuzzug 1096-99. 
Bayerijche Kreuzfahrer 1100 EEE 
Der Streit um die faliihen Güter DE ES 
Die Welfen und die Hohenftaufen 11251182. 
Die Hohenftaufen und ihre Lehensmänner in der Pfalg . . . 
Der junge Herzog Friedrich von Schwaben . . . . . 
Der zweite Kreuzzug 114749  . . . 2 2 m nn nn 249 
Rüftung und Aufbruch EERDUREESETE 








5 585 8 RERSBER 











2583 
255 
Friedrihs Wahl und Krönung 1152 a ar 
Der Streit um das Herzogtum Bayern . . 2 2 22. 28 
Friedrich belagert Tortona 1155 TIER ZERESE.. 
Die Hei Er een 
Hermann, Pfalzgraf bei Rhein Be re —— 
Pialzgraf Konrad von Hohenftaufen“ .. 2366 
(Entftehung der Pfalz am Rhein.) 

Der zweite Zug nad) Italien IES_ . . non m 27 
Die päpftlihen Gejandten EEE TEE | 
Die kaiſerlichen Bejandten . . Ei u ea ——— 
Friedrichs Zug gegen Mailand 1158 a 
Der Kampf um den Triumphbogen . . . . 2 2 2 2. 274 
Der große Ronkaliſche Reichstag . - - .» » 2» 2 2.2.2 277 

Mie München entitand EEE STEEESETE 














279 
Das trogige Mailand . EEE EEE TEE EEE 
Mailands Beltrafung 11 . . non 200 
Der dritte Zug nah Italien . 2 2 2 2 nn nn 28 
Der treue Hartmann von Siebeneihen . . . 2 2... 284 


und Heinrich der Löwe 















































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Von den Zünften . ’ WEL SELETEDE 

Karl IV. Wenzel und Ruprecht . 0: i 362 
Bom Unfange der Pet und des Geißeins in Deutihland 363 
Die pfälz. Fürften des ausgehenden Mittelalters 1329-1508 365 


Die Hanla, 13.—17. Ja thundert 





Die Schlacht bei Sedenhe eim 148 


Der bayeriiche Erbfolgetrieg 1508/04. .» » 2 2 2.2. 875 


I. Teil: Neuzeit. 


Aus dem deutjhen Bauernleben, (Bon den Fronhöfen.) . 9 

Ein Gerichtstag auf einem Kloſter a a gi 
Sehnen und Entdedungen . a ae 
Die Erfindung der Buchdrudterkunft DEE E 


Die erften Buchdruder in der Pfal 
Die Einführung der Feuerwaffen 
Die Magnetnadel 


Der Weg nad Dftindien i 0. 89 
Ehriftoph Kolumbus und bie Entbedung Ameritas . : 


Der erfte Pfälzer in Amerita . 
eitalter der Reformation . 
Railer Maximilian 1. 


Belagerung von Sandftubl 1523 DER DIRME 


Luthers Auftreten 


2223 


SEE 





5 


















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& 


=S]E3E: 









Der Reichstag zu Worms 1521 ar de 
Der Bauerntrie i Be a ah ee er 
Der Reichstag zu Speyer 15299 . . 2 2 2 22. 418 
Die neue Lehre im Bistum Speyer . . . 2 2 2.2. 420 
Die neue Lehre in Zweibrüden . . » 2 2 2 2 22. 422 
Herzog Wolfgang . .. Ba re it en 


Die Reformation in der Rurpfalz a4 ee 4 
Der Kampf der Protejtanten um Gleihberechtigung mit 


den Ratholiten - 2 2 0 2 nennen 48 

Mie Meb verloren gi . 431 
Die pfälziihen Städte und Dörfer vor dem EEE Rriege 434 
weibrüden . . . 434 
= Kaiferslautern 


3. In der Kaiſerſtadt Speyer 1568 —— 488 
Wie man ir Weiſenheim a. B. in alter Zeit Bürger — 439 


Verordnungen des Junkers Hans von SHirichhorn r 
Königsbach a. H. er 441 

























Roubtriege Bush, | XIV. 














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