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Full text of "Die ostdeutschen Bistümer besonders ihre besetzung, unter kaiser Friedrich II."

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Die 



ostdeutschen 

Bistümer 




Hermann Krabbo 



33. 5" 



Ularbarü College librarg 




moa TBE BEQUZST OY 

M RS. ANNE E. P. SEVER 

OF BOSTON 

Widow or Col. Jähes Warben Sevf.b 
(Clas« of 1817) 



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Die ostdeutschen Bistümer, 

besonders ihre Besetzung, 

unter Kaiser Friedrich II. 

Von 



Dr. phil. Hermann Krabbo, 

Privatdozent an der Universität Berlin. 



Zweiter Teil zu Heft XXV dar Historischen Studien. 



Berlin 1906 

Verlag von E. Ebering 
G. m. b. H. 



* « 1 



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HISTORISCHE STUDIEN 



VERÖFFENTLICHT 



VON 



E. EBERING 

DR. PHIL. 



H EFT LIII. 

DIB OSTDEUTSCHEN' BISTÜMER, BESONDERS IHRE BESETZUNG. UNTER 
KAISER FRIEDRICH IL VON DB. HERMANN KRABBO. 



BERLIN 1906. 



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Die ostdeutschen Bistümer, 

besonders ihre Besetzung, 

unter Kaiser Friedrich II. 



Von 



Dr. phil. Hermann Krabbo, 

Privatdozent an der Universität Berlin. 



Berlin 1906 

Verlag von E. Ebering 
G. m. b. H. 



'fS.llS 




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Meinen lieben Schwiegereltern. 



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Inhaltsverzeichnis. 

Seite 



I. 




IX 
1 


II. 


Die slavischen Bistümer Lübeck, Ratzeburg und 








11 


III 


Das Bistum Kammin 


30 


IV. 


Das Erzbistum Magdeburg und seine Widersacher 


41 


V. 


Die Bistümer Prag und OlmÜtz 


66 


VI. 


Salzburg, Passau und die babenbergischen Länder 


86 


VII. 




116 




Nachträge 


146 




Verzeichnis der besprochenen und erwähnten Bis- 






tumsbesetzungen 


147 



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Vorwort 



Vor vier Jahren veröffentlichte ich als Heft 25 der 
„Historischen Studien" den ersten Teil einer Untersuchung, 
die betitelt war: „Die Besetzung der Deutschen Bistümer 
unter der Regierung Kaiser Friedrichs II. (1212—1250)". 
Hier behandelte ich das Thema bis zum Jahre 1227. Enthielt 
also der erste Teil die Regierungszeit Friedrichs II., soweit sie 
mit den Pontifikaten Innocenz* III. und Honorius' III. zu- 
sammenfällt, so blieben für den ausstehenden zweiten Teil 
die Zeit Gregors IX. und die grössere Hälfte der Regierung 
Innocenz' IV., sowie der wechselseitige Einfluss des Kaisers 
und dieser beiden Päpste auf die deutschen Bischofswahlen 
zu erörtern. Daneben stellte ich einen besonderen Abschnitt 
in Aussicht, der die Verhältnisse Ostdeutschlands für sich 
behandeln sollte. Andere Arbeiten Hessen mich zunächst 
nicht dazu kommen, die begonnene Untersuchung abzu- 
schliessen. Schon 1901 konnte ich auf das damals eben er- 
schienene Buch von P. Aid Inger verweisen, „Die Neu- 
besetzung der deutschen Bistümer unter Papst Innocenz IV. 
1243—1254", Leipzig 1900. Für die letzten sieben Jahre 
der Regierung Kaiser Friedrichs II. deckt sich diese Unter- 
suchung vollständig mit dem Thema, das ich bearbeiten 
wollte. Diese sieben Jahre aber sind für die deutschen 
Bischofswahlen neben den Anfängen der Regierung des 
letzten Staufers die bedeutsamste Zeit innerhalb seiner 
langen Regierung; denn in ihnen entschied es sich end- 
gültig, dass die Kurie den Sieg über das Reich auf diesem 
seit Jahrhunderten umstrittenen Felde errang. Durch die 



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- * - 

Untersuchung A 1 d i n g e rs war mir somit der interessanteste 
Abschnitt meiner Materie vorweg genommen. 

Ich überzeugte mich je länger, desto mehr davon, wie 
gründlich Aldingers Buch gearbeitet war; eine erneute 
Durcharbeitung des gleichen Stoffes hätte sich darauf be- 
schränken müssen, hier und da unwesentliche Kleinigkeiten 
nachzutragen ; an den Resultaten der Untersuchung war nichts 
zu ändern. 

Indem ich mich deshalb entschloss, auf eine erneute Be- 
arbeitung des Zeitraumes von 1243 bis 1250 zu verzichten, 
musste die Arbeit dem ursprünglich geplanten Umfange nach 
ein Fragment bleiben. Als solches war sie aber zweifellos 
mit dem Schlussjahr 1227 immerhin abgerundeter, als mit 
dem End jähr 1243. 

Atis dieser Erwägung kam ich dazu, im zweiten Teil, 
den ich jetzt veröffentliche, nur die ostdeutschen Bistümer, 
diese natürlich für die ganze Regierungszeit des Kaisers, 
zu behandeln. So bildet jeder der zwei Teile eine abge- 
schlossene Einheit für sich. 

Da in Ostdeutschland seit Beginn des 13. Jahrhunderts 
fler landesherrliche Einfluss sich in steigendem Masse bei den 
Bistumsbesetzungen geltend macht, ergibt sich schon während 
der Regierung Friedrichs II. auf diesem Boden eine in den 
einzelnen Territorien durchaus verschieden verlaufende Ent- 
wicklung. Dem entsprechend ist die Untersuchung nach 
territorialen Gesichtspunkten disponiert. 

Charlottenburg, im November 1005. 



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Die ostdeutschen Bistümer, 

besonders ihre Besetzung, 

unter Kaiser Friedrieh II. 



I 



Einleitung. 

Die deutsche Kirche hatte im früheren Mittelalter neben 
den Aufgaben, die die Kirche und ihre Organe in jedem 
Lande zu lösen hatten, noch ein besonderes, weites Arbeits- 
feld, das sich ihr durch die geographische Lage Deutsch- 
lands eröffnete: die Mission. Im Süden und Westen grenzte 
Deutschland an Italien und Frankreich, Länder, zu denen 
Christentum und kirchliche Organisation schon weit früher 
als zu den Deutschen gekommen waren; die Nachbarn im 
Norden und Osten dagegen waren noch Heiden, als der 
Sieg der neuen Religion in Deutschland entschieden war. 
Die kirchliche Verfassung, wie sie durch Bonifatius in Süd- 
deutschland eingeführt war 1 , wurde unter der Regierung 
Karls des Grossen auf das neugewonnene nördliche Sach- 
senland ausgedehnt 2 . Hier aber machte der Kaiser in weiser 
Selbstbeschränkung an der deutschen Sprachgrenze Halt: 
er hielt die Zeit noch nicht für gekommen, um das erst 
frisch gepflanzte Christentum schon weiter nach Norden und 
Nordosten zu tragen. Anders war die Lage im Südosten: 
der gefestigte Bestand der bayrischen Kirche und die 
Schwäche der Grenznachbarn versprachen hier der Mission 
Erfolg, namentlich seit das Reich der Avaren unter den 



1. A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands I 3-4 (1904), 

505 ff. 

2. Simson, Karl der Grosse II (1883), 3 10 ff.; Hauck, a. a. O. 
112(1000), 388 fr. 



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- 2 - 

wuchtigen Schlägen der fränkischen Heere zusammenge- 
brochen war 3 . Unter der Oberleitung Karls ging man von 
Passau und Salzburg 4 aus ans Werk; gleichzeitig dem 
Christentum und dem Deutschtum sollte das Land gewon- 
nen werden. 

Diese erste deutsche Missionsunternehmung in einem 
Lande mit nichtdeutscher Bevölkerung weist durchaus die 
typischen Züge auf, die fortan für Jahrhunderte bei glei- 
cher Gelegenheit wiederkehren: die Mission ist nicht eine 
ausschliesslich kirchliche, sondern eine stark politisch ge- 
färbte Angelegenheit 5 ; der deutsche König war ihr oberster 
Leiter, und die Missionare waren ebenso sehr, wie sie 
Diener der christlichen Religion waren, auch politische Agen- 
ten zur Verbreitung des Deutschtums; als solche wurden 
sie auch durchweg von den Nachbarvölkern angesehen, wo- 
durch ihnen ihre Missionsarbeit vielfach erschwert wurde. 
Am stärksten tritt dies hervor bei der Christianisierung des 
grossmährischen Reiches im 9. Jahrhundert; in der Er- 
kenntnis, dass mit den deutschen Priestern und der deutschen 
Kultur auch die verhasste deutsche Oberherrschaft zu ihnen 
kommen würde, beriefen die Mähren sich Missionare aus 
Byzanz. Diese, Constantin und der grosse Method, pre- 
digten die Lehre Christi in national slavischer Färbung und 
bereiteten so der deutschen Mission vielleicht den schwersten 
Schlag, den sie erlitten hat 6 . 

Unter Ludwig dem Frommen wurde dem neu gegrün- 



3. Simson, a. a. O. II, 98 fr., 12 1 ff. 

4. Die Bekehrung der südöstlichen Slaven war übrigens schon 
vor der Thronbesteigung Karls durch Bischof Virgil von Salzburg 
in die Wege geleitet, vgl. meine Abhandlung „Bischof Virgil von Salz- 
burg kt , Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichtsforschung XXIV (1903), 17 f. 

5. Vgl., was A. Hauck, a. a. O. IV (1903), 554 zusammen- 
fassend über den Charakter der älteren deutschen Mission sagt. 

6. Hauck, a. a. 0. II, 696 ff. 



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3 — 



deten Erzbistum Hamburg die Aufgabe gestellt, die Mission 
der nordgermanischen Völker, der Dänen und der Skan- 
dinavier, in die Hand zu nehmen 7 . Dem gleichen Zwecke 
sollte für die nordslavischen Grenznachbarn des Reiches das 
Erzbistum Magdeburg (seit 968) mit seinen Suffraganen 
dienen 8 . Hiermit waren an der ganzen deutsch-heidnischen 
Grenze die Positionen eingenommen, von denen aus Christen- 
tum und Deutschtum verbreitet werden sollten. 

Bei den Skandinaviern, Polen, Böhmen und Ungarn, 
also bei der Hauptmasse der Völker, an deren Bekehrung 
Deutschland arbeitete, erkannten nun nach anfänglichem 
Widerstreben die einheimischen Fürsten sehr bald, dass 
ihnen die Annahme des Christentums nur förderlich sein 
konnte: sie stellten sich deshalb selbst an die Spitze des 
Bekehrungswerkes in ihrem Lande und festigten so die eigene 
fürstliche Stellung, indem nun natürlich für sie das Christen- 
tum mit seiner starken Betonung des Autoritätsprinzips ein- 
trat y . Die Folge dieser Entwicklung aber war, dass das 

7. Simson, Ludwig der Fromme II (1876), 281 ff.; Hauck, 
a. a. O. II, 675 fr.) 

8. Köpke-Dümmler, Otto der Grosse (1876), 442 ff. 

9. In Dänemark entscheidet sich der Sieg des Christentums 
unter der Regierung des Swein Gabelbart {gest. 1014), des Vaters 
Knuds des Grossen, v^l. Dahlmann, Geschichte von Dänemark I 
(1840), 93 ff. und Dehio, Geschichte des Erzbistums Hamburg-Bremen 
I (1877), 135. In Norwegen führt das Christentum ein König Olaf 
Tryggwason (f 1000), vgl. K. Maurer, die Bekehrung des norwe- 
gischen Stammes zum Christentume I (1855), 7 % 2 ff -J Dehio, a. a. O. 
I, 1 38 ff. In Schweden, das am längsten heidnisch blieb, wirkte 
König Olaf Schosskönig (f 1024) für die neue Religion, vgl. Geijer, 
Geschichte Schwedens I (1832), 121; Dehio, a. a. O. I, 154 f. 

Die kirchliche Emanzipation Polens von Deutschland fand be- 
kanntlich ihren Ausdruck in der Begründung des Erzbistums Gnesen 
(1000) durch Herzog Boleslaw I. von Polen und Kaiser Otto III., 
der in unbegreiflicher Verblendung hier selbst Deutschland den 



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— 4 - 



Christentum in alten diesen Ländern eine stark nationale 
Richtung erhielt und sich damit von der deutschen Vormund- 
schaft zu befreien strebte. Einzig Böhmen, früher als Missi- 
onsgebiet zum Regensburger Sprengel gehörend, blieb im 
Verbände der deutschen Kirche, wie es sich ebenfalls poli- 
tisch dem deutschen Reiche eingliedern musste; die Bis- 
tümer Prag und das mährische Olmütz wurden dem Erz- 
bistum Mainz unterstellt. Allen anderen genannten Nationen 
gelang es früher oder später, das Band, welches sie mit 
den deutschen Erzstiftern verknüpfte, zu trennen und eigene, 
nationale Erzbistümer zu erhalten. Von Rom aus kam man 
diesen Bestrebungen und Wünschen mit offenen Armen 
entgegen ; denn es gehörte zu den Mitteln päpstlicher Staats- 
kunst, stets ein Nebeneinander von vielen kleinen Mächten 
zu schaffen, unter denen es nicht schwer sein konnte, das 
römische Uebergewicht zu behaupten. Darum war den 
Päpsten jede Gelegenheit hochwillkommen, die deutsche 
Kirche zu beschneiden, die es unternommen hatte, den gan- 
zen Norden und Osten Europas zu umspannen; darum fand 
auch der Plan Adalberts von Hamburg, der die bisherige 
Vormachtstellung seiner Kirche mit den Wünschen der Skan- 
dinavier nach nationalen Erzbistümern dadurch zu versöh- 

Weg nach dem Osten verschloss. Derselbe Kaiser förderte auch 
die selbständige kirchliche Organisation, die König Stephan I. 
(995 — io 38) in Ungarn schuf, vgl. A. Huber, Geschichte Oester- 
reichs I (1885), 1^2 f« 

Darf man also von diesen Ländern sagen, dass um das Jahr 
1000 überall ein nationales, von Deutschland unabhängiges Christen- 
tum entstanden oder im Entstehen begriffen war, so war einzig in 
Böhmen die Entwicklung eine andere. Herzog Wenzel (gest. 935) 
und seine energischeren Nachfolger vermochten doch nicht, Böhmen 
kirchlich selbständig zu machen; vgl. A. Bachmann, Geschichte 
Böhmens I (1899), 126 ff. Das Bistum Prag, gegründet wahrschein- 
lich 975 — vgl. K. Uhlirz, Otto II. (1902), 70 f., 226 f. — blieb 
im Verbände der deutschen Kirche. 



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— 5 — 



nen gedachte, dass aus dem Hamburger Erzstift ein den 
nordischen Erzbistümern übergeordneter Patriachat geschaf- 
fen würde, in Rom keine Gnade 10 . 

Anders war der Verlauf der Dinge bei den Slaven zwi- 
schen Elbe und Oder. Dieser politisch unfruchtbare Zweig 
des Slaventums brachte es nie zu einem gefestigten natio- 
nalen Fürstentum ; und wenn auch die Kräfte der Deutschen 
anderweitig so in Anspruch genommen waren, dass eine 
mit Waffengewalt erzwungene Annahme des Christentums 
— sie allein wäre hier möglich gewesen — in diesen Ge- 
bieten zunächst ganz unterblieb, so war doch in keinem 
Augenblick zu besorgen, dass auch hier etwa eine nationale, 
slavische Kirche an der deutschen Grenze erstand : der christ- 
liche Obotritenfürst Gottschalk, der vielleicht der Mann zu 
einer solchen Schöpfung gewesen wäre 11 , wurde von seinen 
Stammesgenossen ermordet. 

Es blieb also den beiden Erzbistümern, die mit dem be- 
sonderen Auftrag zur Mission gegründet waren, hier im- 
mer noch eine Stelle, von der aus Christianisierung und 
Germanisierung, Hand in Hand gehend, auf Erfolg hoffen 
konnten. Zum Arbeitsfeld des Erzbistums Hamburg-Bremen 
gehörte das Küstengebiet der Elbslaven, während das Bin- 
nenland einst durch Otto I. Magdeburg und seinen Suffra- 
ganen zugewiesen war. Die beiden Erzstifter hatten also, 
als im 12. und 13. Jahrhundert die grosse deutsche Wande- 
rung nach Osten einsetzte, die Möglichkeit, ihren Macht- 
bereich zu erweitern. 



10. Vgl. Hauck, a. a. O. III 1 (1896), 659 fr., dem wohl gegen 
Dehio, a. a. O. I, 203 ff. recht zu geben ist; vgl. auch Dehio, a. a. O. 
1, 243 fr. 

11. Hauck, a. a. O. III, 656 nennt ihn freilich mit übertriebenem 
Ausdruck „unter allen wendischen Fürsten eine historische Persön- 
lichkeit, die einzige, die ein Volk, das nach Millionen zählte, im 
Laufe von Jahrhunderten hervorgebracht hat". Nach Millionen 



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— 6 — 

Aber mittlerweile hatten sich die Verhältnisse in einem 
Punkte wesentlich geändert: der fünfzigjährige Investilur- 
streit hatte mit einer erheblichen Schwächung der deutschen 
Zentralgewalt geendigt; die Könige hielten jetzt nicht mehr, 
wie in den Tagen der grossen Kaiser Kar! und Otto, die 
Oberleitung der Mission in ihren Händen. Mit ihnen riva- 
lisierten auf diesem Gebiete dieselben beiden Mächte, denen 
die Machteinbusse des deutschen Königtums zu Gute ge- 
kommen war: die deutschen Territorialfürsten und die 
Päpste, und zu ihnen gesellte sich noch, der deutschen Ober- 
herrschaft entwachsen, ein aufstrebender Grenznachbar, Däne- 
mark. 

Von den deutschen Fürsten konnten natürlich nur die- 
jenigen danach trachten, ihre politische Machtsphäre auf 
Kosten des Reiches durch Kolonisation zu erweitern, die 
an seiner Ostgrenze sassen; indem sie die Mission in ähn- 
licher Weise betrieben, wie früher die Könige, hatten sie 
Gelegenheit, zugleich ihren Territorialbesitz zu vermehren. 
In dieser Hinsicht durch seine geographische Lage begünstigt 
war unter den geistlichen Fürstentümern das Erzbistum 
Magdeburg, unter den weltlichen das Herzogtum Sachsen, 
die Markgrafschaften Brandenburg und Meissen. 

Aber auch diejenigen ostdeutschen Fürsten, deren Ge- 
biet zwar leein koloniales Neuland umfasste, die jedoch 
eine Verstärkung der bisherigen kirchlichen Organisation .ihres 
Landes für nötig erachteten, konnten es wagen, die früher 
dem Könige zufallende Aufgabe jetzt selbst in die Hand zu 
nehmen 12 . Dass gerade damals auch dieser Fall wieder- 
zählten die Elbslaven sicher nicht, und bei den wenigen Nach- 
richten, die wir über sie haben, lässt sich nicht entscheiden, ob 
nicht beispielsweise Gottschalks Sohn Heinrich oder Pribislaw- 
Heinrich von Brandenburg mit gleichem Rechte zu den „historischen 
Persönlichkeiten" gezählt werden müssen. 

12. Für das Folgende vgl. die Einleitung zu meiner Abhand- 



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— 7 - 



holt eintrat, darf nicht Wunder nehmen. Die in Frage kom- 
menden Gebiete, Böhmen und die Babenbergischen Länder, 
waren tatsächlich kirchlich ganz besonders schlecht versorgt, 
da die Bistumssprengel, zu denen sie gehörten, übermässig 
gross waren. In Böhmen war nur das Prager Bistum; und 
die Herzogtümer Oesterreich und Steiermark gehörten zu 
den weit entfernt liegenden Bistümern Salzburg und Passau 13 . 
Das Gebiet der Herzogtümer war früher auch Missions- 
land gewesen und war von den beiden bayrischen Bistü- 
mern aus dem Christentum gewonnen. Die Kirchenorgani- 
sation war ausreichend, solange diese Gebiete noch über- 
wiegend den Charakter des Koloniallandes trugen ; seit sie 
aber zu mächtigen christlichen Territorien sich entwickelt 
hatten, war es sachlich durchaus geboten, die Zahl der Bis- 
tümer hier zu vermehren. 

Wie aber kam es, dass, wenn sich der deutsche König 
hier fernhielt, nicht die bestehenden kirchlichen Gewalten 
das treibende Element bei diesen Unternehmungen waren, 
sondern die weltlichen Machthaber? Der Grund ist zu 
suchen in den besonderen Verhältnissen Ostdeutschlands, 
wo die politische Macht zwischen geistlichem und weltlichem 
Fürstentum ganz anders verteilt war, als sonst im Reiche. 
Die alten Stammesherzogtümer waren in steigendem Masse 
der politischen Zersplitterung anheimgefallen. Nichts hatte 
diesen vom Königtum vielfach planvoll geförderten Prozess 
so sehr unterstützt, wie die politische und rechtliche Eman- 
zipation der grossen Stifter. Von der weltlichen Gerichts- 
barkeit befreit, rundeten sie ihren Besitz ab und wurden all- 
mählich zu selbständigen Territorien: als gleichberechtigte 



lung „Die Versuche der Babenberger zur Gründung einer Landes- 
kirche in Oesterreich", Archiv f. österr. Gesch. XCIII (1Ö03), 3 ff. 

13. Der südlich der Drau gelegene Teil von Steiermark (und 
Kärnten) gehörte sogar zum Sprengel des Patriarchats Aquileja. 



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- 8 — 



Reichsfürsten treten die Bischöfe neben ihre weltlichen Kol- 
legen, die Herzöge und Markgrafen. 

In den Grenzmarken dagegen war mit Rücksicht auf 
die dort notwendige stete militärische Schlagfertigkeit die 
weltliche Qewalt von vornherein mit stärkeren Machtbefug- 
nissen ausgestattet, und die Stellung der Markgrafen hob 
sich in dem Masse, wie die alten Herzogtümer sich auf- 
lösten 14 . Dazu kam, dass in den Marken die Kirche von 
Anfang an abhängiger von der weltlichen Gewalt und ihrem 
schützenden Arme war. Die Ausstattung der jüngeren, ost- 
deutschen Bistümer war zudem nicht so bedeutend, wie die 
der alten Stifter im Reich, die schon seit Jahrhunderten 
ihren Besitz gemehrt hatten: so war auf dem Markenboden 
das weltliche Fürstentum durchweg das führende politische 
Element geworden und strebte in steigendem Masse die 
Herrschaft über die kirchlichen Angelegenheiten an. 

Zu diesen schon vorhandenen Kräften trat nun aber 
noch ein weiterer Mitbewerber um die politische und kirch- 
liche Machtstellung in Ostdeutschland hinzu, ejn Mitbewer- 
ber, der wenigstens als landesherrliche Macht bisher in 
Deutschland noch nicht aufgetreten war, das Papsttum. 

Mit der Thronbesteigung Innocenz' III. hatte das Papst- 
tum, das eben noch durch die Uebermacht des staufischen 
Kaisertums erdrückt zu werden schien, wieder die unbe- 
strittene erste Stellung in Europa, auch in politischer Hin- 
sicht, errungen. Alle weltlichen Fürsten, der Kaiser einbe- 
griffen, galten Innocenz als seine Lehnsleute, sodass er durch 
sie wenigstens mittelbar die christliche Welt beherrschte 15 . 
Daneben gab es aber im Kirchenstaate ein unmittelbar dem 
Papste untergebenes Land. Eine direkte Herrschaft ist wirk- 
samer als eine indirekte; warum sollten also nicht bei 
passender Gelegenheit andere Staatswesen begründet wer- 



14. G. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte VII (1876), 94. 

1 5. Die Belegstellen siehe bei Hauck, a. a. O. IV, 686 Anm. 1 — 5. 



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- 9 — 



den, die ebenfalls direkt unter päpstlicher Herrschaft stan- 
den. Die Missionsbewegung schien die Möglichkeit zur Ver- 
wirklichung solcher Gedanken zu bieten: nahm man von 
Rom aus die Leitung des Bekehrungswerkes in die Hand, 
so Hess sich auch leicht der entscheidende Einfluss auf die 
politische Neugestaltung der bisher heidnischen Lande ge- 
winnen. 

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass in der ersten 
Hälfte des 13. Jahrhunderts eine Fülle von verschiedenen 
Kräften in der ostdeutschen Kirche durcheinander wogten, 
alte Schöpfungen umformend, neue bildend. Die Regierung 
Kaiser Friedrichs II. bringt deutlich zum Ausdruck, dass das 
deutsche Königtum hier fast nichts mehr bedeutete: dem 
Sohne der sizilischen Constanze fehlte es nicht allein an der 
nötigen Macht, in diesen Gebieten entscheidend einzugrei- 
fen, er hatte auch kaum ein ernsthaftes Interesse an den 
seinem Gesichtskreis allzu fern liegenden Dingen. So konn- 
ten sich, ungestört von der kaiserlichen Macht, hier die 
wichtigsten kirchlichen Umbildungen und Neubildungen voll- 
ziehen. Der beste Gradmesser, an dem sich zeigt, wem 
in den sich kreuzenden geistlichen und weltlichen Strömun- 
gen jeweilig der entscheidende Einfluss zufiel, bietet sich 
stets in der Besetzung der Bistümer: denn bei der stark 
politischen Stellung, wie sie die Bischöfe in Deutschland 
innehatten, gehörte es zu den Grundbedingungen eines ener- 
gischen Regiments, Herr über die Bischöfe des Landes zu 
sein; ein Hauptmittel aber zur Erreichung dieses Zweckes 
bestand in der Beherrschung der Bischofswahlen. 

Die folgende Untersuchung will sich mit der Besetzung 
der ostdeutschen Bistümer unter der Regierung Friedrichs II. 
beschäftigen 16 . Wenn hier und da zur Aufhellung der histo- 



16. Vgl. meine Untersuchung „Die Besetzung der deutschen- 
Bistümer unter der Regierung Kaiser Friedrichs II. (1212— 1250),. 
I (i90i) u . 



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t 



— ly- 
rischen Zusammenhänge über die Grenzen dieser Zeit hin- 
aus, namentlich nach rückwärts, gegriffen wird, so bedarf 
das wohl kaum einer besonderen Rechtfertigung; denn die 
Verhältnisse hatten sich örtlich doch schon zu verschieden 
entwickelt, als dass man, mit einem bestimmten Jahre be- 
ginnend, überall gleich in medias res gehen könnte. 

Der Gang der Untersuchung soll der sein, dass zunächst 
von Norden nach Süden fortschreitend das alte ostdeutsche 
Markengebiet besprochen wird, und anschliessend daran 
dann das erst im 13. Jahrhundert neu erschlossene Kolonial- 
land. 



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II. 

Die slavischen Bistümer Lübeck, Ratzeburg und 

Schwerin. 

Unter den deutschen Fürsten des 12. Jahrhunderts, wel- 
che es verstanden, die Kolonisierung der ostelbischen Ge- 
riete zu einer Erweiterung ihrer Macht zu benutzen, ver- 
dient in erster Linie Heinrich der Löwe genannt zu werden. 
Bekannt sind seine Bestrebungen, dem sächsischen Herzog- 
tum, welches eigentlich nur dem Namen nach bestand, eine 
ähnlich solide Grundlage zu geben, wie er sie in seinem 
zweiten Herzogtum Bayern besass 1 . Während diese mit 
souveräner Verachtung fremder Rechte durchgeführten Pläne 
im eigentlichen Sachsen auf den heftigsten Widerstand der 
übrigen sächsischen Fürsten, der geistlichen wie der welt- 
lichen, stossen mussten, war in den von Heinrich eroberten 
•slavischen Gebieten, die er als Markgraf besass, leichter eine 
energische Territorialpolitik zu treiben. 

Unter der schwachen Regierung des ersten Staufers Kon- 
rad III. hatte Heinrich begonnen, seine Macht über die 
Wenden auszudehnen. Nach den ersten glücklichen Erfol- 
gen, die er hier hatte, ging der Bremer Erzbischof Hartwig I. 
daran, den seit langem zerstörten kirchlichen Zusammen- 
hang dieses Gebietes mit seinem Erzbistum dadurch neu 
zu beleben, dass er für die ehemaligen Bistümer Alden- 



i. Vgl. für das Folgende L. Weiland, das sächsische Herzog- 
thum unter Lothar und Heinrich dem Löwen (j866). 



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- 12 — 



bürg und Meklenburg neue Bischöfe weihte. Der Herzog 
aber verlangte und setzte auch durch, dass diese ihre Re- 
galien von ihm, nicht vom Reiche, empfingen 2 . Heinrich 
betrachtete sich in den von ihm eroberten Ländern also nicht 
als Markgraf des Reiches, sondern als selbständiger Herr. 
König Konrads kraftvoller Nachfolger, Kaiser Friedrich I., 
fand sich mit diesem Zustande dadurch ab, dass er dem 
Herzog das Recht erteilte, in den ostelbischen Ländern, die 
er vom Reiche zu Lehen trug, Bischofssitze zu errichten 
und mit Reichsgut auszustatten 3 : so war der Herzog, den 
Friedrich aus Gründen der Politik nicht verletzen wollte, 
in seiner faktischen Macht nicht geschmälert, und doch war 
auch östlich der Elbe die Oberhoheit des Reichs von ihm 
anerkannt. Als nun 1180 Heinrich der Löwe gestürzt und 
seiner Herzogtümer beraubt wurde, fiel das Recht, die sla- 
vischen Bischöfe von Aldenburg (Lübeck), Ratzeburg und 
Meklenburg (Schwerin) zu belehnen, dank der erwähnten 
Massregel Friedrichs an das Reich zurück: da dem neuen 
Herzog von Sachsen, Bernhard von Anhalt, das Recht zur 
Investitur der drei Bischöfe nicht verliehen wurde, so wur- 
den sie jetzt reichsunmittelbar 4 . 

Eine der ersten wichtigen politischen Handlungen, die 
der junge König Friedrich II. in Deutschland vornahm, schuf 
für die drei Stifter abermals einen neuen Zustand. In dem 
Bürgerkrieg, der seit 1198 mit kurzer Unterbrechung in dem 
von zwei Königen umstrittenen Reiche tobte, hatten keine 



2. 1149 September 25 wurden Vicelin von Aldenburg und 
Emmehard von Meklenburg durch Hartwig von Bremen geweiht, 
1 1 50 zu Ende des Jahres nahm Vicelin die Regalien von Heinrich 
dem Löwen; Helmoldi chron. Slavorum (SS. rer. Germ.) 133 fr.,. 
138 f. Ueber den Tag der Weihe siehe W. Bernhardi, Konrad III.. 
(1883) 829 Anm. 13. 

3. Stumpf 3692, MG. Constit I, 206 f. nr. 147, 1 154 Juni. 

4. L. Weiland, das sächsische Herzogthum 184. 



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— 13 — 



Gebiete so stark und so andauernd gelitten, wie die Kirchen- 
provinz Bremen, die König Waldemar von Dänemark, bald 
auf weifischer, bald auf staufischer Seite am Kriege teil- 
nehmend, erbarmungslos verwüstete 5 . Die fortwährend wech- 
selnde Parteistellung des Papstes und der Könige, der Thron- 
streit der Staufer und der Weifen, der Grenzkrieg der Deut- 
schen und der Dänen hatten hier schliesslich alle Verhält- 
nisse so durcheinander geworfen, dass von einem klaren 
deutschen Nationalbewusstsein, wie man es sonst wohl im 
Grenzlande am ehesten erwarten durfte, nicht die Rede sein 
konnte. So wird man es allein verständlich finden, dass 
die Fürsten, die um den zwanzigjährigen Friedrich II. weil- 
ten, ihm raten konnten, seinem Verbündeten, König Wal- 
demar von Dänemark, das ganze Land jenseits der Elbe 
und der Eide abzutreten 6 . 



5. Vgl. besonders Dehio, Geschichte des Erzbistums Hamburg- 
Bremen II (1877), 104 ff., 116 ff. 

6. BF. 773, MG. Constit. II, 64 f. nr. 53. Unter den Zeugen 
der Urkunde befindet sich kein Fürst, der unmittelbares Interesse 
an den deutsch-dänischen Dingen nahm. Die Zeugen gehören, 
wie Ficker in seinen Regesten betont, grösstenteils in den Juni und 
August 12 14; daraus schliesst er, dass schon im Juni die Ver- 
handlungen mit den Dänen stattfanden, dass man aber in den 
nächsten Monaten sich der Zustimmung von möglichst vielen Fürsten 
versichern wollte. Im Juni aber war Graf Adolf von Schauenburg, 
gewiss wegen der Grenzverhandlungen mit den Dänen, zu Eger am 
Königshofe (Zeuge in BF. 732, 734, 735, Juni 2, 5, 10). Warum 
wurde dann sein Name nicht auch unter den Zeugen des Metzer 
Vertrages genannt? Der Grund, er sei nicht Reichsfürst und ge- 
höre deshalb nicht unter die Urkunde, in der de consilio et con- 
sensu principum Romani imperii die Reichsgrenze geregelt wird, 
kann nicht geltend gemacht werden; denn der Graf von Eberstein, 
der sich unter den sonst allerdings nur fürstlichen Zeugen findet, 
ist ebenso wenig, wie der Schauenburger, Reichstürst. Der Grund 
wird also sein, dass Adolf von Schauenburg ein Gegner der Ab- 



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- 14 — 



Dadurch schied die zweite Hauptstadt des norddeutschen 
Erzbistums, Hamburg, aus dem Reiche aus und mit ihr die 
Suffragane in Lübeck, Ratzeburg und Schwerin. Bei ihrer 
nunmehrigen staatsrechtlichen Zugehörigkeit zu Dänemark 
war es ganz begreiflich, dass die drei Bischöfe vom Papst 
mit der Ordnung dänisch-schwedischer Streitigkeiten beauf- 
tragt wurden 7 . Es zeigt andererseits die bodenlose Gleich- 
gültigkeit, mit der man am Hofe Friedrichs II. den deutsch- 
dänischen Dingen gegenüberstand, dass der Kaiser im Jahre 
1222 den Bischöfen von Lübeck und Ratzeburg, die er als 
seine lieben Fürsten bezeichnet, einen Auftrag erteilte 8 : man 
dachte also in der Reichskanzlei nicht mehr daran, dass 
die Bischöfe seit acht Jahren Untertanen des Dänenkönigs 
seien. 

Was aber 1214 noch nicht möglich gewesen war, trat ein 
Jahrzehnt später ein: die dänische Fremdherrschaft in den 
deutschen Gebieten weckte die nationale Empfindung für 
die Schmach des Metzer Vertrages. Es folgt die Erhebung 
gegen die Dänen, und die Schlacht bei Bornhöved am 22. Juli 



tretung Nordalbingiens war, die er in Eger vergeblich zu verhin- 
dern suchte. 

Die Eide ist der Abfluss des Plauer Sees, fliesst in der Haupt- 
sache nach West-Süd-West und mündet bei Dömitz in die Elbe; 
sie bildet ungefähr die Südgrenze des Meklenburgischen Landes. 
Abgetreten wurde also ein Gebiet, das etwa Holstein und Meyen- 
burg zusammengenommen entspricht; rechnet man hinzu, dass 
Pommern und Rügen damals ebenfalls ganz unter dänischen Ein- 
fluss geraten waren, so war also durch den Vertrag von 12 14 den 
Deutschen der Weg zur Ostsee gänzlich verschlossen. 

7. Potth. 6114, MG. epp. saec. XIII, I, 73 nr. 101, 1219 
August 7. 

8. BF. 1387, 1222 April 20; nicht korrekt war auch, dass der 
Kaiser durch die genannten Bischöfe dem Hamburgischen Dom- 
kapitel, das ebenfalls seit 1214 zu Dänemark gehörte, Befehle 
übermitteln Hess. 



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- 15 — 



1227 entschied, dass Nordalbingien deutsch bleiben sollte. 
Während der Zeit der Dänenherrschaft fand nur in einem 
der abgetretenen Bistümer, in Ratzeburg 1215, eine Neu- 
besetzung statt, wo den durch Bischof Philipps Tod erledigten 
Stuhl der Ratzeburger Domherr Heinrich bestieg 9 . Wir wis- 
sen nichts über die Wahl, doch ist nicht zu bezweifeln, 
dass sie ohne Einwirkung des Reiches geschah. 

Die Neuregelung der deutsch-dänischen Streitsache voll- 
zog sich in mehreren Akten. Das Unglück der Dänen hatte 
begonnen, als im Mai 1223 König Waldemar und sein Sohn 
durch den Grafen von Schwerin überfallen und gefangen 
genommen waren 10 . Jetzt erkannte der energische deutsche 
Reichsverweser, Erzbischof Engelbert von Köln, dass die 
Gelegenheit günstig sei, den Vertrag von 1214 rückgängig 
zu machen: mit Genehmigung des Kaisers 11 wurden die Be- 
dingungen festgestellt, unter denen der Graf von Schwerin 
seine Gefangenen an die Reichsregierung verkaufen sollte 12 ; 
dabei wurde dem Grafen ausdrücklich versichert, die Kö- 
nige sollten nicht freigelassen werden, bevor sie das Land 



9. Ann. Stad. MG. SS. XVI, 356. Philipp von Ratzeburg 
hatte sich auf dem Feldzuge Ottos IV. nach Süditalien als tüch- 
tiger Reichsfürst gezeigt (vgl. meine Bischofswahlen I, 32 und 
Heinrici chron. Lyvoniae [SS. rer. Germ.] 94, wo es heisst, dass er 
inter summos fuerat in curia imperatoris Ottonis); gewiss nur sehr 
ungern wird er sich deshalb unter das dänische Joch gebeugt haben, 
dem er auch auszuweichen suchte. Nicht einverstanden mit dem 
Gange der Ereignisse seit der Bannung Ottos IV. ging er 1 2 1 1 nach 
Livland, wo er bis 1215 eine bedeutsame Tätigkeit entfaltete. Er 
starb 12 15 in Italien, auf der Reise von Livland nach Rom, wo er 
am vierten Laterankonzil teilnehmen wollte (Heinr. chron. Lyvoniae, 
1. c. 121 — 125). 

10. Für das Folgende vgl. besonders E. Winkelmann, Friedrich IL 
I (1889), 418 fr. 

11. BF. 1507. 

12. BF. 3909, MG. Constit. II, 121 ff. nr. 98. 



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16 - 



bis zur Eider abgetreten hätten 13 . Das war am 24. September 
1223 zu Nordhausen. 

Da nun aber, getreu der den deutschen Ausdehnungs- 
gelüsten feindlichen päpstlichen Politik, Honorius III. für 
den gefangenen Dänenkönig eintrat 14 , so verbesserte sich 
beim Fortgang der Verhandlungen dessen Position wesent- 
lich. Am 4. Juli 1224 einigte man sich zu Dannenberg an 
der Elbe auf die Präliminarien, unter denen die Freilassung 
der dänischen Gefangenen stattfinden sollte 15 . Zwar wurde 
an der Rückgabe des ehemaligen Reichsgebietes südlich der 
Eider festgehalten, auch ausdrücklich bestimmt, dass die 
Bischöfe von Lübeck, Ratzeburg und Schwerin ihre Rega- 
lien wieder vom Reiche empfangen sollten: 1 * 5 da aber der 
derzeitige dänische Regent, Albrecht von Orlamünde, seine 
dänischen Lehen, die Grafschaften Holstein und Ratzeburg, 
künftig vom Reiche tragen sollte, so blieb tatsächlich das 
dänische Uebergewicht in Nordalbingien bestehen, und da- 
mit war die Freiheit der Bistümer nach wie vor gefähr- 
det. Am 8. September sollte der Vertrag zu Bardowiek ra- 
tifiziert werden. Etwas später als verabredet, gegen Ende 
des September, begannen dort die Verhandlungen von 
Neuem 17 . Interessant ist, dass sich Brunward von Schwerin 



13 cautio fiat comiti H. de Zwerin ..... ut priusquam 

reges Datie a captiuitate imperii dimittantur . . ., rex Datie dimittat 
et resignet terram, que est citra Humen, quod Eidra nominatur. 
Meklenb. UB. 1 (1863) 274 nr. 290, BF. 3909. 

14. Potth. 7092 — 7096, 7098, 1223 Oktober 31, November 1, 2, 4. 

15. BFW. 10Q22, wo die Urkunde fälschlich mit dem Datum 
Juli 28 angeführt ist, MG. Constit. II, 127 fr. nr. ioi. 

16. Item rex terram Transalbinam integraliter restituet imperio 
et ea privilegia, que super eadem terra ei data fuerunt, restituet 
universa .... Episcopi quoque in eadem terra constituti, scilicet 
Lubecensis, Raceburgensis, Zuerinensis. regalia sua ab imperio 
Tecipient. BFW. 10922. 

17. BF. 3940 a, 1224 September 29. 



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— 17 — 



unter den deutschen Bischöfen eingefunden hatte 18 : er be- 
trachtete sich also schon wieder als zum Reiche gehörend. 
Die Verhandlungen mit den Dänen scheiterten. Einzelne 
Fürsten, voran wieder der Schweriner Graf, begannen nun 
den Krieg auf eigene Faust, und schon im Winter 1224/25 
war in Holstein die dänische Herrschaft gebrochen. Jetzt 
führten neue Verhandlungen zwischen Heinrich von Schwe- 
rin und den Dänen endlich zur Freilassung des Königs: frei- 
lich musste er sich am 17. November 1225 ausdrücklich ver- 
pflichten, das Land südlich der Eider dem Reiche zurück- 
zuerstatten 19 . Kaum dem Kerker entronnen Hess sich Wal- 
demar durch den Papst von dem Eide entbinden 20 , mit dem 
er den letzten Vertrag beschworen hatte, und begann die 
Wiedereroberung von Holstein. Da vom Reiche keine Un- 
terstützung mehr zu erwarten war seit der Ermordung En- 
gelberts von Köln 21 , so führte jetzt endlich die Not alle 
bedrohten deutschen Fürsten und Städte zusammen: sie 
schlugen die Dänen in der entscheidenden Schlacht bei Born- 
höved, und damit 'war die rechtlich begründete Reichsunmittel- 
barkeit der drei Bistümer auch tatsächlich gesichert. 

Dem Grafen von Schwerin gebührt in erster Linie das 
Verdienst an diesem Erfolg; er hatte dem Reiche die Stifter 

18. Zeuge in BF. 3942. 

19. BFW. 10958, MG. Constit. II, 625 fr. nr. 454, 455. Die 
deutsch-dänische Grenze wurde genau festgelegt: Dominus rex 
omnes terras inter Eidram et Albiam fiuvios sitas ad imperium 
pertinentes, videlicet a descensu Eidre in mare usque ad aquam 
Leuoldesowe et ab eadem aqua usque ad mare, terras domini 
Burwini et omnes terras Sclauie, preter Rugiam et terras ei atti- 
nentes, imperio dimittere debet. 

20. Gesuch Waldemars an den Papst, BFW. 10959, 1220 ann0 
ineunte; Gewährung des Gesuches durch Honorius III., Potth. 7594 
1226 Juni 26. 

21. 1225 November 7; über Engelberts kirchenpolitische Be- 
deutung vgl. meine Bischofswahlen I, 108. 



— 18 - 



wieder gewonnen. Allzu hoch freilich darf diese Seite des 
deutschen Erfolges nicht eingeschätzt werden. Die Bistü- 
mer waren doch zu arm 22 und zu unbedeutend, als dass 
sie eine grössere Rolle hätten spielen können. In Lübeck 
starb Berthold, der, seit 1210 regierend, die ganze Episode 
der dänischen Herrschaft mitgemacht hatte 23 , 123 0 24 . Sein 
Nachfolger Johannes war vorher Dekan des lübischen Ka- 
pitels; da keine weiteren Nachrichten über den Wechsel 
vorliegen, so darf eine ordnungsmässige Neuwahl angenom- 
men werden. Am Königshofe lässt sich keiner der beiden 
Bischöfe jemals nachweisen. Ueber den nächsten Inhaber 
des 1247 wieder durch Todesfall erledigten Bistums wird 
ausführlicher im Zusammenhange der livländischen Verhält- 
nisse zu sprechen sein : es ist Erzbischof Albert von Preussen 
und Livland 23 . Ihm übertrug der Papst, um ihm ein besser 
gesichtertes Einkommen zu verschaffen, als es seine erst 
im Entstehen begriffene Kirchenprovinz gewährleisten konnte, 
auf Lebenszeit die geistliche und weltliche Verwaltung des 
Bistums Lübeck. Die ganz unzulässige Verfügung über die 



22. Einen ungefähren Massstab für den Reichtum und die 
Bedeutung eines Bisturas bietet das freilich erst in späterer Zeit — 
vgl. A. Gottlob, die Servitientaxe (1903) 69 ff. — festgelegte servitium 
commune. Nach den bei C. Eubel, hierarchia catholica medii 

• aevi I (1898), 325, 435, 572 veröffentlichten Listen hatte zu zahlen 
Lübeck 450, Ratzeburg 233V3, Schwerin 667 fl. Die westdeutschen 
Bistümer standen im Preise von 1000—6000 fl. 

23. Als ein Zeichen, dass Berthold sich in der dänischen Zeit 
auch wirklich als dänischer Untertan gefühlt hat, führe ich eine 
Urkunde von ihm aus dem Jahre 1222 an, mit der Datierung: 
Hec facta sunt anno, quo dominus Gregorius, legatus Dacie, con- 
cilium celebravit. UB. des Bisthums Lübeck I (1856), 49 nr. 43. 
Nach dänischen Synoden zählt nur ein dänischer Bischof. 

24. Annal. Staden. MG. SS. XVI, 361. 

25. P. Aldinger, die Neubesetzung der deutschen Bistümer 
unter Papst Innocenz IV. 1243— 1254 (1900), 96 fr. 



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- 19 - 



vom Reiche zu vergebenden Regalien des Bistums konnte 
Innocenz von seinem Standpunkt aus freilich rechtfertigen. 
Im Augenblick nämlich, nach dem Tode Heinrich Raspes 26 
und vor der Wahl Wilhelms von Holland 27 , gab es in Deutsch- 
land keinen von ihm anerkannten König; so betrachtete er 
das Reich als erledigtes Lehen, dessen Rechte jetzt ihm als 
Oberlehnsherrn zustanden 28 . Es ist nicht unwahrscheinlich, 
dass der gleichzeitig auftauchende Plan, Lübeck zum Erzbis- 
tum zu erheben, dem Kopfe Alberts entsprungen ist 29 . 

Etwas besser sind wir beim Ratzeburger Bistum daran, 
hier lässt sich doch wenigstens einmal eine Mitwirkung des 
Reichs bei der Neubesetzung nachweisen. Auf den während 
der Dänerizeit ins Amt gekommenen Bischof Heinrich folgte 
1228 Lambert, Domherr in Bremen und Hamburg; er starb 
noch im gleichen Jahre 30 . Alten Nachrichten zufolge soll er 
sein Amt durch päpstliche Provision erhalten haben 31 , was 
auf Unregelmässigkeiten bei der Wahl schliessen Hesse : Wun- 
der nehmen könnten sokhe im Jahre nach der Schlacht bei 



26. 1247 Februar i6. 

27. 1247 Oktober 3. 

28. Aldinger glaubt a. a. O. 98 die Verfügung des Papstes 
über die Temporalien dadurch zu erklären, dass es sich im vor- 
liegenden Falle nu . um eine Administration, nicht um die ordnungs- 
roässige Bestellung eines Bischofs handelte. Da aber Innocenz IV. 
das deutsche Königtum zweifellos als beneficium des Papstes be- 
trachtete, so glaube ich seine Handlung in der angegebenen Weise 
einfacher erklären zu können. 

29. Dies vermutet Aldinger a. a. O. Vgl. über den Plan auch 
unten Kap. III. 

30. Annal. Staden. MG. SS. XVI, 360, wo über seine kurze 
Amtstätigkeit berichtet wird: Hic unam missam die assumptionis 
beate Marie (August 15) celebravit et unum cimiterium dedicavit 
et eodem anno obiit. 

31. M. G. C. Masch, Geschichte des Bisthums Ratzeburg (1835) 
12 5 f-t v ßl- A - Krantz, Metropolis VII, cap. 45. 



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- 20 - 

Bornhöved nicht. Auf Lambert folgte der Dompropst Gott- 
schalk 32 , der bis 1235 regierte. Spuren, dass Heinrich, Lam- 
bert oder Gottschalk sich im Reichsdienst betätigt haben, 
liegen nicht vor. Von der Kurie erhielt der letztere wiederholt 
zusammen mit seinem Kollegen Johann von Lübeck den 
Auftrag, gegen die Stedinger das Kreuz zu predigen 33 . 

Peter von Ratzeburg dagegen, Gottschalks Nachfolger, 
erschien im März 1236 in Hagenau beim Kaiser und erhielt 
die Investitur mit den Temporalien 34 ; wie man aus dem 
Wortlaute des gleichzeitig ausgestellten Schutzbriefes für das 
Bistum schliessen darf, war Peter damals schon geweiht 35 , 
was nicht in der Ordnung war. Jedenfalls aber bietet die 
Tatsache der Investitur den vollen Beweis, dass Ratzeburg 
damals wieder als reichsunmittelbares Bistum galt. Wenn 
Bischof Peter ein Mann war, der auf die Pflege lebhafterer 
Beziehungen zur Reichsregierung Wert legte — er wird auch 
den Brief erwirkt haben, in dem Friedrich dem Fürsten Jo- 
hann von Meklenburg seine Besitzungen bestätigte 36 — , 
so hatte er doch keine weitere Gelegenheit, dies zu betätigen : 
er starb bereits im gleichen Jahr 37 . Sein Nachfolger Ludolf, 
bis 1250 regierend, anscheinend gut deutsch gesinnt 38 , ist 
doch am Königshofe niemals nachzuweisen. In dem Kampfe 



32. Annal. Staden I. c. 

33. Potth. 9030, 9236, MG. epp. saec. XIII. I, 393 f. nr. 
489; 436 f. nr. 539. 

34. BF. 2140. 

35. . . . cum Petrvs Raceburgensis ecclesie episcopus, dilectus 
fidelis noster, in conspectu nostro se presentauerit, regalem investituram 
temporal ium bonorum ecclesie sue, sicut moris est, pro parte nostra 
et imperii de largitione celsitudmis nostre suscipiens . . . BF. 2140. 

36. BF. 2139, 1236 Februar. 

37. Annal. Staden. 1. c. 363. 

38. Er bittet einmal den Papst Innocenz IV., dieser möge 
dem Dänenkönig die Bedrückung der deutschen Stadt Lübeck ver- 
bieten; ÜB. der Stadt Lübeck I, I, 126 nr. 129, 



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- 21 - 



Innocenz' IV. gegen die Stauf er hielt er sich wohl zum Pap- 
ste, mit dem er ebenso wie sein Nachfolger Friedrich in Ver- 
kehr stand 39 . 

Fassen wir zusammen, war wir über die Bistümer Lübeck 
und Ratzeburg 40 unter der Regierung Friedrichs II. wissen, 
so ist zu sagen, dass er an ihnen gar kein Interesse nahm; 
er gab sie unbedenklich auf, und als durch das Verdienst 
anderer sie dem Reiche zurückgewonnen waren, tat er kaum 
etwas, sie wieder näher an dasselbe zu ketten. Der Einfluss 
des Reichs inidiesen Gegenden war nie gross gewesen, jetzt 
sank er auf ein Nichts herab. Wenn die Bistümer einst- 
weilen unbehelligt von den Annexionsgelüsten mächtigerer 
Nachbarn bestanden, so verdankten sie das dem Umstände, 
dass es seit der Niederwerfung der dänischen Herrschaft 
in Nordalbingien keine überragende politische Macht gab. 

Wir wenden uns dem Schweriner Bistum e zu. Etwas 
anders als bei den beiden Schwesterstiftern liegen hier die 
Dinge. Weiter nach Osten hinausgeschoben, weist es in 
noch ausgesprochenerem Masse als jene die typischen Züge 
des Kolonialbistums auf. Die Hauptmasse des zum Sprengel 
von Schwerin gehörigen Landes unterstand politisch den 
Herren von Meklenburg; neben ihnen sassen im Westen die 
Schweriner Grafen. Harten diese damals gewiss eine be- 

39. Aldinger, a. a. O. 142. 

40. Das friedliche Stilleben, welches das kleine Bistum Ratze- 
burg führte, spricht sich auch darin aus, dass mit alleiniger Aus- 
nahme des vom Papste ernannten Domherrn von Hamburg und 
Bremen Lambert (1228) alle Bischöfe, die während unserer Epoche 
den Ratzeburger Stuhl bestiegen, schon vorher dem dortigen Dom- 
kapitel angehörten. Machtbegierigen Klerikern, deren es genug im 
Reiche gab, scheint das unbedeutende Bistum im Slavenlande also 
kein ihres Ehrgeizes wertes Ziel gewesen zu sein. Heinrich (1215), 
Gottschalk (1228), Peter (1235) bekleideten vor ihrer Wahl das 
Amt des Dompropstes, Ludolf (1236) war Domherr, Friedrich (1250) 
wieder Dompropst. 



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— 22 — 



deutende Macht errungen dank der energischen Persönlichkeit 
des Dänensiegers Heinrich, eine Macht, die sich auch dem 
benachbarten Bistum fühlbar machen konnte, so bestand auf 
der anderen Seite eine natürliche Interessengemeinschaft 
zwischen den Schweriner Bischöfen und den Herren von 
Meklenburg 41 . Das hatte seinen Grund darin, dass beide 
ihr Ausdehnungsgebiet im Osten sahen. Zwar gab es auch 
dort schon sowohl eine politische wie eine kirchliche Or- 
ganisation, das Herzogtum Pommern und das Bistum Kam- 
min; aber die Grenzen lagen nirgends fest. Ebenso wie der 
Schweriner Bischof sich als Meklenburger fühlte, so betrach- 
tete sich der Kamminer als Pommer. Hüben und drüben ar- 
beiteten politische und kirchliche Machthaber zusammen. 
Gelang es dem Meklenburger Fürsten, ein Grenzgebiet zu 
erobern, so betrachtete der Schweriner Bischof das gewon- 
nene Land als Teil seines Sprengeis. Das Zusammenfallen 
staatlicher und kirchlicher Grenzen ist etwas durchaus natur- 
gemässes. Bei der ziemlich einfachen politischen Einteilung 
der deutschen Kolonialgebiete tritt diese Erscheinung hier 
auch am klarsten zu Tage und wurde als zu Recht bestehend 
anerkannt. So hatte 1211 Kaiser Otto IV. bestimmt, die 
Grenzen des Bistums Schwerin gegen Pommern und die 
Mark Brandenburg sollten zusammenfallen mit denen des 
Herzogtums Sachsen, das heisst mit der Grenze von Mek- 
lenburg, welches ja, freilich wohl nur noch dem Namen 
nach, der Oberhoheit der askanischen Herzöge von Sachsen 
unterstand 42 . 



41. Vgl. W. Wiesener, die Geschichte der christlichen Kirche 
in Pommern zur Wendenzeit (1889), 196; Ifiand, Geschichte des Bis- 
tums Camin unter Conrad III. (Programm des Kgl. Marienstifts- 
Gyranasiums Stettin 1896) 7. 

42. BF. 444; termini autem episcopatus (Zwerinensis) et duoatus 
Saxonie versus Ruiam et Pomeraniam atque marchiam Branden- 
burgensem tendentes sub eodem limite claudi debent et compre- 



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— 23 — 



Dieser Grundsatz aber hatte neben nicht zu leugnenden 
Vorzügen doch für die Kirche eine sehr bedenkliche Seite. 
Die ostdeutsche Geschichte im 13. Jahrhundert ist eine lange 
Kette von Kriegen, fortwährend noch verschoben sich die 
politischen Grenzen in dieser erst im Werden begriffenen 
Staatenwelt: namentlich die Markgrafen von Brandenburg 
waren die Störenfriede, die nach allen Seiten rücksichtslos 
um sich griffen. Da nun jede Veränderung der politischen 
Grenzen auch Streitigkeiten über die Diözesangrenzen zur 
Folge haben musste, so hören die bei der Kurie anhängig 
gemachten Prozesse der ostdeutschen Bischöfe über die Gren- 
zen ihrer Sprengel nicht auf 43 . 

hendi; vgl. BF. 280; diese jetzt verlorene Urkunde enthielt die 
gleiche Bestimmung. 

43. Ich stelle im Folgenden die Papsturkunden zusammen, die 
Zeugnis von solchen Prozessen ablegen; das jedesmal gesperrt 
gedruckte Bistum ist dasjenige, welches die Hülfe Roms an- 
gerufen hat, also im Streit vermutlich der schwächere Teil war. 
Natürlich liefern diese Urkunden nicht entfernt ein vollständiges 
Bild aller derartigen Kämpfe; diese stellen sich vielfach als lang- 
same Grenzverschiebungen in den dünn bevölkerten Gebieten dar, 
deren Resultat sich schliesslich ohne Anrufung der päpstlichen 
Autorität ergab. 

1226 Januar 13. Honorius III. ernennt eine Kommission wegen 
der Grenzstreirigkeiten zwischen den Bischöfen von Schwerin und 
Havelberg. MG. epp. saec. XIII., I, 211 nr. 289, Press. 5781. 

1236 März 20. Gregor IX. beauftragt seinen Legaten Wilhelm, 
die Klagen des Bischofs von Kammin wegen Bedrängung seiner 
Grenzen durch den Erzbischof von Gnesen, den Bischof von 
Schwerin und andere benachbarte Bischöfe zu untersuchen. Potth. 
10122. 

1237 September 7. Gregor IX. beauftragt seinen Legaten 
Wilhelm, den Streit der Bischöfe von Lebus, Meissen, Kammin 
und Brandenburg über die Grenzen ihrer Diözesen zu schlichten. 
Potth. 10444. MG. J. c. I, 612 f. nr. 712. 

1239/40. Gregor IX. befiehlt, den Bischof von Schwerin in den 



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I 



— 24 - 

Als Friedrich II. den deutschen Thron bestieg, stand an 
der Spitze des Schweriner Bistums Brunward. Von 1192 
bis 1238 regierend, hat er die ganze Dänenzeit miterlebt. 
Wir erwähnten 44 , dass er schon im September 1224, als 
die Wiedergewinnung von Nordalbingien und Meklenburg 
für das Reich noch nicht entschieden war, sich auf dem Bar- 
dowieker Hoftage einstellte; zu diesem dänenfeindlichen 
Schritt mag ihn sein Nachbar, der Schweriner Graf, ermuntert 
haben. Im Uebrigen geht Brunward in den Bestrebungen, 
seinen Machtbereich nach Osten auszudehnen, getreu zusam- 



Besitz der ihm durch den Bischof von Kammin entfremdeten 
Länder zu setzen. Potth. 10857. 

1240 Mai 12. Gregor IX. ernennt eine Kommission zur 
Schlichtung des Streites, der dadurch entstanden ist, dass die 
Bischöfe von Lebus, Brandenburg, Havelberg und Schwerin Ge- 
biete beanspruchen, die zum Bistum Kammin gehören. MG. 1. c. 
I, 674 nr. 775. 

1241 Oktober November. Coelestin IV. beauftragt den König 
von Dänemark, den Bischof von Schwerin in den Besitz der seinem 
Sprengel durch den Bischof von Kammin entzogenen Länder zu 
setzen. Potthast, regesta pontificum I (1874), S. 940, Anm. 

1246 Dezember 23. Innozenz IV. beauftragt den Erzbischof 
Albert von Preussen, den Streit zwischen den Bischöfen von 
Kammin, Brandenburg und Meissen über die Grenzen ihrer Diözesen 
zu schlichten. Berger 2336, MG. I. c. II, 198 f. nr. 267 (vgl. unten 
Kap. III). 

Ab und zu wissen wir auch einmal von Einigungen, die er- 
zielt wurden: 

1247 Januar 28. Die Bischöfe von Schwerin und Kammin 
schliessen einen Vertrag über die Grenzen ihrer Sprengel; Meklen- 
burg. UB. I, 561 nr. 590. 

1248/50. Erzbischof Albert von Preussen legt die Grenze fest 
zwischen den Bistümern Lebus und Kammin, Pommersches UB. I, 
358 nr. 462. 

44. Siehe oben S. 17, Anm. 18. 



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— 25 - 



men mit den Herren von Meklenburg 45 : war er doch schon 
bei dem Schisma von 1192 ihr Kandidat gewesen gegen den 
Grafen Hermann von Schwerin, den das Domkapitel ge- 
wählt hatte 4 * 5 . Auf den Streit zwischen Pommern und Mek- 
lenburg im einzelnen einzugehen, würde zu weit führen. 
Streitig war namentlich das Land zwischen Tollense und 
Peene, welches seit Alexander III. die Päpste wiederholt 
dem Schweriner Bistum zugesprochen hatten 47 . Auf Brun- 
wards Rat gründete 1226 Fürst Heinrich von Rostock eine 
Kollegiatkirche in Güstrow, die als Posten für das Vordringen 
gegen Pommern dienen sollte 48 . Ein grosser Anlauf zur 
Erreichung der Peene-Grenze wurde 1235 gemacht 49 . Dä- 
nemark auf Seiten der Meklenburger, Brandenburg als Ver- 
bündeter der Pommern wurden in den Kampf hineingezogen, 
der schliesslich infolge der Brandenburgischen Uebermacht 
damit endigte, dass das umstrittene Gebiet bei Kammin ver- 
Meb™. 

Brunwards Nachfolger war Friedrich; er stand dem Bis- 
tum nur ein Jahr vor. Nähere Nachrichten über seine Wahl 
fehlen; mehr aber, als vielleicht eine kurze Quellennotiz uns 
erzählen könnte, lässt seine Abstammung vermuten ; er ist 
ein Graf von Schwerin 51 , ein Bruder des Siegers von Born- 
höved. Der Wahlakt ist also ein Protest des wohl über- 

45« Vgl. Wiesener, a. a. O. 196 ff. 

46. Ueber das Schweriner Schisma von 1192 vgl. Wiesener 
187 ff. 

47. Alexander III. 11 78, Jaffe-L. 13061; Urban III. 11 86 
Februar 23, Jaffe-L. 15533; Clemens III. 1 189 September 30, Jaffe-L. 
16443; Coelestin III. 1197 August 5, Jaflfc-L. 17573 (interpoliert, 
aber in der Grenzbestätigung wohl echt). 

48. Vgl. Wiesener, a. a. O. 210. 

49. Vgl. Ifland, Geschichte des Bistums Camin unter Konrad III. 
«(Programm d. Kgl. Marienstiftsgymnasiums Stettin 1896) 7. 

50. Ifland, a. a. O. 

51. Annal. Staden. MG. SS. XVI, 363. 



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— 26 — 

wiegend deutschen Domkapitels 52 gegen die vom deutschen 
Standpunkt aus nicht ganz einwandfreie. Politik des letzten 
Bischofs und seiner meklenburgischen Freunde, die sich 
mit dem Landesfeinde, den Dänen, verbündet hatten : schon 
bei seiner vorigen Wahl hatte ja das Domkapitel vergeblich 
versucht, gegen die Meklen burger Front zu machen. 

Auf den Grafen Friedrich folgte der Dompropst Diet- 
rich 53 . Da seiner Geburt ein Mangel anhaftete — beide El- 
tern waren nur Freigelassene — , so postulierte ihn das Dom- 
kapitel beim Papste. Gregor IX. übertrug die Prüfung der 
Postulation dem Erzbischof von Bremen und dem Bischof 
von Verden, die den Erwählten dann zusammen mit dem 
Bischof von Lübeck bestätigten und weihten. Ob ein stärke- 
rer weltlicher Einfluss bei der Erhebung Dietrichs mitspielte, 



52. Das zeigen die Namen der Domherren; neben einigen 
klassischen oder biblischen Vornamen finden sich ganz überwiegend 
deutsche, gar keine slavischen; vgl. z. B. die Urkunde Bischof 
Fri?drichs von 1239 Mai 6, Mekl. UB. I, 489 f. nr. 495; die 
Zeugen, sämtlich dem Schweriner Domkapitel angehörend, sind: 
Propst Dietrich, Dekan Siegfried, Scholastikus Rudolf, Kustos 
Laurentius, Eilward, Hermann, Werner, Wilhelm, Giselbert, 
Mathias, Heinrich, Johannes. 

53. Das Folgende nach Annal. Staden., MG. SS. XVI, 365. 
Daselbst findet sich auch die auf die Postulation bezügliche Ur- 
kunde Gregors IX. Bischof Friedrich starb 1239 nach Mai 21 
(Mekl. UB. I, 491 nr. 498). Die Postulation Dietrichs fand statt 
1239 November 2 oder 3 (am Eustachiustag, welcher in Bremen 
am 2., in Schwerin am 3. Novemher gefeiert wurde; vgl. H. Grote- 
fend, Zeitrechnung II, I [1892], 22 und 169). Der Papst ernannte 
die Kommission zur Prüfung der Postulation 1240 Mai 17; der Ab- 
druck der Urkunde in den Annal. Staden., MG. SS. XVI, 30fr 
traut das Datum 1240 Mai 20; das richtige Datum ergab ein Ver- 
gleich des Abdruckes mit dem Wortlaut des Registers, den Herr 
Professor Dr. Schellhass in Rom vorzunehmen die Freundlichkeit 
hatte Dietrich wird bestätigt und geweiht 1240 Juli 29 zu Stade. 



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- 27 — 

ob er schwerinisch oder meklenburgisch gesinnt war, lässt 
sich nicht sagen; wir wissen nur, dass er dem Papste wie 
von der Geistlichkeit, so auch von den „nobiles" brieflich 
empfohlen war. Er empfing, wohl zu Anfang seiner Regie- 
rung, von König Konrag IV. eine Bestätigung seiner landes- 
herrlichen Rechte 54 . Dieses Zeugnis für die anerkannte 
Reichsunmittelbarkeit Schwerins ist zugleich die letzte ur- 
kundlich nachweisliche Regierungshandlung der Staufer in 
diesen Gegenden. Von dauernder Wirkung war diese Be- 
ziehung des Bischofs zum Königshofe nicht. Dietrich wie 
sein Nachfolger Wilhelm, über dessen Wahl nichts bekannt 
ist 55 , traten in dem grossen Streit zwischen Kaiser und Papst 
auf des letzteren Seite. 

Deutlich zeigt sich also bei der Besetzung der Schweriner 
Hochkirche, dass die politische Erbschaft Heinrichs des Lö- 
wen, der das Bistum durchaus beherrscht hatte, nicht dem 
Reiche zugefallen war; vielmehr finden sich Spuren des 
Widerstreits zweier kleinerer Interessenkreise, auf deren 
Schnittpunkt das Bistum lag: die Grafen von Schwerin und 
die Herren von Meklenburg suchten in ihrem Sinne auf 
die Bistumsbesetzungen einzuwirken. Daneben trat unter 
Wilhelms Nachfolger Rudolf noch ein anderer Einfluss zu 
Tage, der damals gegen Meklenburg wie gegen Pommern 
vordrang, der brandenburgische 56 . 

Doch wenn die schwache Reichsgewalt nicht in der Lage 
war, eine beherrschende Machtstellung in den drei Bistümern 

54. BF. 4434. Fickers Einreihung der undadierten, nur ihrem 
Inhalt nach bekannten Urkunde zum Jahre 1240 wird der Wahr- 
heit näher kommen, als die im Mekl. UB. I, 552 nr. 576 zum 
Jahre 1246. Dem Bischof werden das Recht des Burgenbaus, der 
Stadtbefestigung, der Münze und der Zollerhebung gegeben. 

55. Aldinger, a. a. O. 105 f. 

56. Aldinger, a. a. O. 132; vgl. besonders UB. der Stadt Lübeck 
I, I, 174 nr. 188, wo der Bischof von Schwerin seine vollständige 
Abhängkeit von den brandenburgischen Markgrafen gesteht. 



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— 28 - 



zu behaupten, wie sie einst Heinrich der Löwe innegehabt 
hatte, wenn dadurch die weltlichen Nachbarn gereizt wur- 
den, selbst nach der Macht in den Stiftern zu streben, so 
musste ein derartiger Anreiz für keinen stärker sein, als für 
denjenigen, der wenigstens dem Namen nach der Erbe der 
Stellung Heinrichs des Löwen geworden war, für den säch- 
sischen Herzog. Albrecht von Sachsen hat offenbar schon 
zu Lebzeiten Kaiser Friedrichs II. Anstrengungen gemacht, 
die Herrschaft über die Bistümer zu erringen; Ludolf von 
Ratzeburg ist sein Gefangener gewesen und hat sterbend den 
Herzog und sein Geschlecht bis ins vierte Glied gebannt 57 . 

Als dann nach Kaiser Friedrichs Tod der päpstliche Ge- 
genkönig Wilhelm ernstlich daran ging, die norddeutschen 
Fürsten, die sich ihm bis dahin ganz fern gehalten hatten, 
für sein Königtum zu gewinnen, musste er in erster Linie 
den mächtigen Askaniern Zugeständnisse machen. Sie brauch- 
ten nur zu fordern, und der König, der sich ihrer nachträg- 
lichen Wahlstimmen 58 und ihrer Unterstützung auf jeden 
Fall versichern wollte, musste das Gewünschte leisten. Den 
brandenburgischen Askaniern, die, wie schon bemerkt, mit 
allen Mitteln danach strebten, die Ostseeküste zu erreichen, 
wurde die bisher reichsfreie Stadt Lübeck verschrieben 59 , 
und ihr Verwandter, Herzog Albrecht von Sachsen, liess 
sich das Recht, die Bischöfe von Lübeck, Ratzeburg und 
Schwerin zu investieren, wie es früher der weifische Herzog 
getan hatte, übertragen 60 . So sollten diese drei Bistümer 
also zum zweiten Male seit dem Sturze Heinrichs des Lö- 



57. Masch, Geschichte des Bisthums Ratzeburg 145. 

58. In den Händen der Askanier waren zwei Kurstimmen, 
die brandenburgische und die sächsische. Ueber den Wahltag zu 
Braunschwei? vgl. A. Bauch, die Markgrafen Johann I. und Otto III. 
~von Brandenburg in ihren Beziehungen zum Reich (1886) 54 ff. 

59. BF. 5067. 

60. Aldinger, a.a.O. 188 ff. BFW. 11 637. 



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- 29 - 



wen ihren Reichsfürstenstand verlieren. Es gelang schliesslich 
den Bischöfen, die sich natürlich sofort mit Protestschriften 
an ihre deutschen Mitfürsten und an die Kurie wandten, ihre 
reichsfreie Stellung zu behaupten ; immerhin aber zeigt dieser 
Versuch Albrechts von Sachsen im Zusammenhang der son- 
stigen Geschichte der slavischen Bistümer im 13. Jahrhundert, 
wie wir sie verfolgt haben, dass der Boden, auf dem sie 
standen, geistlichen Staatsgebilden weniger günstig war als. 
weltlichen. 



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I 



III. 

Das Bistum Kammin. 

Das Land Pommern 1 , zu klein, dauernd eine selbständige 
Trolle zu spielen, war von dem Augenblick an, wo es mit 
anderen, meist schon christlichen Staaten in Berührung trat, 
ein Streitobjekt zwischen den mächtigeren Nachbarn, den 
Polen und den Dänen, den Elbslaven 2 und später den Deut- 
schen. Dem gleichen Geschick fiel, nachdem Pommern dem 
Christentum gewonnen war, auch des Landesbistum anheim. 
Boleslaw III. von Polen ging seit dem dritten Jahrzehnt 
des 12. Jahrhunderts an die Christianisierung Pommerns, 
dessen Abhängigkeit von Polen er so zu stärken hoffte. 
Da er im eigenen Lande aber keine geeigneten Missionare 
fand, so wandte er sich an den in Polen bekannten deut- 
schen Bischof Otto von Bamberg. Durch die Art, wie dieser 
das Missionswerk betrieb, wurde aus dem geplanten pol- 
nischen Unternehmen ein deutsches 3 . Dauernd jedoch war 
die Mission nicht von dem entfernten Bamberg aus zu leiten. 
Das nächste deutsche Erzbistum, dem die junge Kirche unter- 
stellt werden konnte, war Magdeburg, dessen Anrecht zu- 

1. Für das Folgende vgl. im Allgemeinen Hauck, a. a. O. IV 
(1904), 564 fr. 

2. Heinrich, der Sohn Gottschalks, hatte seine Macht über 
Pommern ausgedehnt, Helmold, chronica Sclavorum (MG. SS. rer. 
Germ.) I, 36 pag. 77. 

3. Hauck, a. a. O. IV, 573 hebt hervor, dass vor Ottos erster 
Missionsreise im Mai 11 24 zu Bamberg zum letzten Male von 
Kaiser und Reich über ein Missionsunternehmen beraten wurde. 

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- 31 - 



nächst auch von der Kurie anerkannt wurde; von polnischer 
Seite erhob Gnesen Ansprüche. Den Streit der Erzbischöfe 
unentschieden lassend gründete Innocenz II. im Jahre 1140 
ein pommersches Landesbistum unter dem direkten Schutz 
der römischen Kirche 4 ; von einer Beteiligung des deutschen 
Königtums, obwohl Pommern seit der Regierung Ld- 
thars III. im Bereiche der deutschen Interessensphäre 
lag, war nicht die Rede. So ohne den Rückhalt einer 
benachbarten, gefestigten Kirchenorganisation machte das 
Christentum in Pommern nur langsame und sehr äusserliche 
Fortschritte. Anders wurde dies erst, als die Einwanderung 
einer christlichen, deutschen Bevölkerung in grossem Stile 
in die Wege geleitet wurde 5 . Wiederholt machte Magde- 
burg Versuche, sein natürliches Recht auf die Oberhoheit 
über die pommersche Kirche zur Geltung zu bringen. Der 
törichte Ehrgeiz der Bischöfe von Kammin, denen es gefallen 
hatte, ohne erzbischöfliche Zwischeninstanz direkt unter Rom 
zu stehen 6 , Hess es dahin kommen, dass die Kurie, der ein 

4. Jaffe-L. 8102. Da das Bistum ein Landesbistum sein 
sollte, so war eine Grenzumschreibung im Allgemeinen nicht nötig, 
weil die Grenzen der Diözese mit denen von Pommern zusammen- 
fallen sollten; nur der Grenzfluss gegen das Erzbistum Gnesen 
wurde besonders bezeichnet. 

5. W. von Sommerfeld, Geschichte der Germanibierung des 
Herzogtums Pommern oder Slavien (1896), 67 ff. 

6. Es unterliegt keinem Zweifel, dass durch einen festen 
Anschluss Kammins an Magdeburg das Christentum in dem 
pommerschen Bistum raschere Fortschritte gemacht haben würde, 
als dies in der exempten Stellung möglich war. Mit Recht wundert 
sich Hauck, a. a. O. IV, 593 Anm. 4 über die seltsame Blüte von 
Lokalpatriotismus, die sich darin zeigt, dess alle pommerschen 
Historiker den unverständigen Ehrgeiz der Bischöfe von Kammin 
loben. Sie haben es ihrem Streben, von Magdeburg loszukommen, 
gewiss in erster Linie zu danken, dass sie es im 13. Jahrhundert 
nicht zum Range von Reichsfürsten gebracht haben, vgl. J. Ficker, 
vom Reichsfürstenstande I (1861), 277 § 205. 



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solcher Zustand schliesslich nur erwünscht sein konnte, das 
Vorrecht Kammins 1188 in aller Form bestätigte 7 . Das deut- 
sche wie das polnische Erzbistum freilich fochten diese Ent- 
scheidung an. 

Wird die Geschichte Kammins in unserem Zeitalter einer- 
seits durch die letzten Versuche Magdeburgs gekennzeichnet, 
die Metropolitanrechte in Pommern zur Geltung zu bringen, 
so zeigt sich auf der anderen Seite, wie gleichzeitig mit dem 
Andringen der Nachbarn gegen die Grenzen von Pommern 
auch das pommersche Bistum von allen Seiten sich in der 
Behauptung seines Diözesangebiets bedroht sieht*. Viel- 
mehr noch als in Meklenburg ergibt sich in Pommern eine 
natürliche Interessengemeinschaft zwischen Landesfürsten 
und Landesbischöfen, eine Gemeinschaft, die in den Bischofs- 
wahlen ihren sichtbaren Ausdruck findet. Ehe wir auf diese 
eingehen, noch einige Bemerkungen über das Verhältnis zu 
Magdeburg. 

Eine Zusammenstellung der verschiedenen Entscheidun- 
gen, welche die Päpste in der ersten Hälfte des 13. Jahr- 
hunderts betreffs der Stellung des Kamminer Bistums ge- 
troffen haben, zeigt in typischer Weise, wie unsicher auch 
im Geschäftsgang der Kurie man bei der Behandlung fernab 
liegender Verhältnisse war. Nachdem im ausgehenden 12. 
Jahrhundert Klemens III. 9 und Coelestin III. 10 die exempte 



7. Jaffe-L. 161 54. 

8. Ueber die Streitigkeiten Kammins mit seinen deutschen 
Nachbarbistümern vgl. die Zusammenstellung S. 23, Anm. 43; da- 
neben verweise ich für die Grenzkämpfe gegen Gnesen auf M. 
Wehrmann, Camin und Gnesen, Zeitschr. der histor. Gesellschalt 
für die Provinz Posen XI (1896), 140. Auch hier gehen die An- 
griffe der Herzöge von Pommerellen auf Pommern Hand in Hand 
mit denen Gnesens auf Kammin. 

9. Jaffe-L. 161 54. 

10. Pommersches UB. I, 93 nr. 122. Die Urkunde ist nur au» 
der Nachurkunde Honorius' III., Potth. 5654, Press. 442 = 954 von 



- 33 - 



Stellung Kammins sanktioniert hatten, verfügte Innooenz III. 
auf die ihm persönlich vorgetragene Bitte des Onesener Erz- 
bischofs, dass der Kamminer Bischof sich seiner Metropoli- 
tangewalt zu unterwerfen habe 11 . Siegwin von Kam- 
min, in die Notwendigkeit versetzt, seine Unabhängigkeit 
aufzugeben, zog es nun aber doch vor, sich dem deutschen 
Erzbischof unterzuordnen, und leistete Albrecht von Mag- 
deburg den Gehorsamseid 12 . Der Druck, den damals Bran- 
denburg auf Pommern ausübte, mag diesem Anschluss an 
die deutsche Kirche etwas nachgeholfen haben 13 . In Rom 
nahm man auch diese Wendung der Angelegenheit hin, ob- 
wohl sie den päpstlichen Weisungen nicht entsprach, und 
Innocenz hatte gegen Ende seiner Regierung Anlass, Siegwin 
zur Erfüllung des dem Magdeburger geleisteten Gehorsams 



12 17 März 20 bekannt. Da die Urkunde HonorW, welche die 
Unabhängigkeit bestätigt, als Vorurkunden neben der verlorenen 
Urkunde Coelestins auch die Clemens' DI. (Jaffe-L. 16154) nennt, 
so hat zweifellos auch in der verlorenen Urkunde ein derartiger 
Passus gestanden. 

11. Potth. 2958. Der über censuum des Cencius, ed. P. Fahre 
(1004) 15I1 abgefasst 1192, zählt den episcopatus Pomeraniensis 
oder, wie die zweite Redaktion einige Jahrzehnte später hinzufügt, 
Caminensis, zu den SufTraganen von Gnesen. Vgl. M. Tangl, die 
päpstlichen Kanzleiordnungen (1894) 12. 

12. R. Klempin, die Exemption des Bistums Camin, Baltische 
Studien XXIII (1869), 216. 

13. F. Zickermann, das Lehnaverhältnis zwischen Brandenburg 
und Pommern, Forsch, zur Brandenb. u. Preuss. Gesch. IV (1891), 
23 fr. bestreitet, dass 1 198— 12 n Pommern von Brandenburg ab- 
hängig war. Ich glaube aber nach den Ausfuhrungen von F. Rach- 
fahl, der Ursprung des brandenburgisch-pommerschen Lehnsver- 
hältnisses, in der gleichen Zeitschrift V (1892), 409«"., dass damals 
doch der brandenburgische Einfluss der entscheidende in Pommern 
war, und dass mit ihm Hand in Hand der magdeburgische vordrang ; 
vgl. von Sommerfeld, a. a. O. 96 Anm. 1. 



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- 34 - 



anzuhalten 14 : man sieht, ernst war es dem Bischof mit seinem 
Schritte nicht gewesen; er hatte die Unterwerfung unter 
Magdeburg im Vergleich zu der unter Gnesen zwar für das 
geringere Uebel gehalten, aber doch immer für ein Uebel, 
dessen er sich gern entledigte. Dazu bot sich ihm Gelegen- 
heit, als 1216 Innocenz III. starb und ziemlich gleichzeitig 
das brandenburgische Uebergewicht in Pommern gebrochen 
wurde 15 . Sofort Hess er sich durch den neuen Papst Hono- 
rius III. wieder seine Unabhängigkeit bestätigen 10 , die nun 
auch zunächst von der Kurie anerkannt blieb 17 . Aber auch 
Albrecht von Magdeburg bestand auf seinem Recht und er- 
reichte, dass Honorius III. 18 und nach ihm Gregor IX. 19 
Siegwins Nachfolger Konrad II. wiederholt aufforderten, sich 
Magdeburg zu unterwerfen. Entscheidend aber bei den wie- 
derum nach Albrechts Tod 20 erneuerten Bestrebungen Kam- 
mins war, dass sie sich schliesslich mit den Wünschen Roms 
deckten ; Gregor war geneigt, dem nächsten Bischof Konrad 
III. wieder Unabhängigkeit zuzugestehen 21 ; noch unter sei- 
nem Pontifikat hat man, wie es scheint, in Magdeburg die 



14. Potth. 5061 (1216 Februar 3). 

15. Seit 121 1 machten die Dänen wieder Fortschritte in 
Pommern ; nach mehrjährigen Kämpfen musste Markgraf Albrecht II. 
ihnen das Streitobject überlassen. 

16. Potth. 5654, Press. 442 = 954, MG. epp. saec. XIII., I. 
14 f. nr. 19 (1217 März 20). 

17. Potth. 5833, Press. 144 1. Honorius III. führt beim Auf- 
ruf zur Unterstützung der Preussenmission den Bischof von Kammin, 
nicht unter den Suffraganen von Magdeburg, sondern gesondert auf 
(1218 Juni 15). 

18. Potth. 6987 (1223 April 8), Potth. 6995 (1223 April 12). 

19. Potth. 8224 (1228 Juli 1), Potth. 8248, 8249 (1228 August 
3 und 4). 

20. 1232 Oktober 15; vgl. Mülverstedt, Magdeb. Regesten II 
(1881), nr. 982. 

21. Potth. 10122 (1236 März 20). 



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- 35 - 



undurchführbaren Ansprüche fallen gelassen 22 . Für Papst 
lnnocenz IV. vollends war es von vornherein entschieden, 
dass Kammin nur direkt unter dem römischen Stuhl stehen 
durfte 23 , dachte er doch einen Augenblick sogar daran, die 
po mm ersehe Kirche zum Erzbistum zu erheben 2 *. 

Bischof Siegwin, unter dessen Regierung der Kampf gegen 
die Ansprüche Magdeburgs entbrannt war, legte, nachdem 
er denselben, wie er glauben mochte, schon endgültig zu 
Gunsten seiner Kirche entschieden hatte, wegen Alters- 
schwäche sein Amt in die Hände des Papstes zurück 25 . Ho- 
norius beauftragte den preussischen Bischof Christian, der 
in Pommern nicht unbekannt war 26 , für eine Neuwahl Sorge 
zu tragen. Aus dieser ging Bischof Konrad II. hervor, ein 
Mitglied der regierenden herzoglichen Familie 27 : deutlicher 
konnte die Solidarität der weltlichen und geistlichen Inte- 
ressen in Pommern nicht dokumentiert werden. Der Wei- 

22. Das zeigt eine Urkunde Wilbrands von Magdeburg für 
das Domkapitel von Brandenburg von 1238 April 2 (Riedel, cod. 
dipl. Brandenb. A VIII, 149 f. nr. 65), in der der Erzbischof schreibt: 
„provincia nostre metropolis penthapolim habet quinque sedium 
quinque civitatum cathedralium, quas Parthenopolis nostra tanquam 
filias in Christo carissimas paternis affectibus et maternis amplexibus 
amplexatur". Als Suffraganbistümer galten dem Erzbischof also nur 
die 5 von alters her Magdeburg unterstehenden Bistümer Branden- 
burg, Havelberg, Merseburg, Naumburg-Zeitz und Meissen. 

23. Berger 800, gedruckt cod. dipl. Saxoniae regiae II, I, 
117 f. nr. 128 (1244 Dezember 24). . . prepositus et capitulum 
Caminensis ecclesie ad nos nullo medio pertinentis . . . 

24. Potth. 12680, Berger 3238 (1247 September 2). 

25. Das Folgende nach Potth. 6070. 

26. Nebenbei sei darauf hingewiesen, dass die Behauptung, 
Christian selbst stamme aus Ostpommern, für abgetan gelten darf, 
vgl. H. Hockenbeck, Kloster Leckno und die Preussenmission von 
1206— 12 12, in Festschrift zur Erinnerung an die 250 jährige Jubel- 
feier des Gymnasium Laurentianum zu Arnsberg (180,3), Soff. 

27. Wiesener, a. a. O. 201. 



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- 36 - 



sung, sich Albrecht zu unterwerfen, wird er zunächst nach- 
gekommen sein, jedenfalls ist er nach Empfang derselben in 
Magdeburg nachweisbar 28 . Die wiederholten Befehle, die 
ihm dann aber in gleicher Angelegenheit Gregor IX. zu- 
gehen liess, zeigen, dass sein Schritt ebenso wenig aufrichtig 
gemeint war, wie früher der Siegwins. Als er 1233 starb, 
befanden sich Pommern und Kammin in arger Verlegenheit: 
es ist die Zeit, wo die Mecklenburger und Bischof Brunward 
von Schwerin immer stärker von Westen her andrängten 29 . 
So schlössen sich die Pommern in ihrer Not, vielleicht nicht 
ganz freiwillig, an die brandenburgischen Markgrafen an 30 , 
eine Verbindung, die schon drei Jahre später dazu führen 
sollte, dass einer der Herzöge, Wartislaw von Pommern- 
Demmin, sein Land von den Askaniern zu Lehen nahm 31 . 
Im Todesjahr Konrads II. bereits hatten die gleichen poli- 
tischen Verhältnisse dazu geführt, dass Dobroslawa, eine 
Schwester der pommerschen Herzöge, einen edlen Branden- 
burger Jaczo, (Jen Vogt von Salzwedel, heiratete, der nun 
nach Gützkow kam, dicht an die bedrohte Grenze. Dessen 
Bruder Konrad, bisher Domherr in Magdeburg, ist der neue 
Bischof 32 . Wieder genügt vollständig die Kenntnis der Per- 
son des Bischofs, um uns weitere Nachrichten über die Wahl 



28. 1225 September 22, Chron. montis Sereni, MG. SS. 
XXIII, 222. 

29. Siehe oben S. 25. 

30. Ifland, Geschichte des Bistums Camin unter Conrad III. 
(Programm Stettin 1896). 

31. BFW. 11 187. 

32. Ifland, a. a. O. 5 f. Ueber die Wahl vgl. Auvray 1633 = 
Potth. 9296 (1233 Dezember 16). Die Adressaten der Urkunde 
sind die Bischöfe von Meissen und Merseburg und der Propst von 
Neuwerk (Halle}. Die Urkunde ist auch als Formel überliefert, 
mit veränderten Eigennamen, Quellen zur bayerischen und deutschen 
Geschichte IX, I (1863), 273 f. nr. 5 = fontes rer. Austriac. B 
XXV (1866), 25 f. 



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— 37 — 



nicht vermissen zu lassen: sie ist ein Resultat der branden- 
burgischen Uebermacht in Pommern. An sich sollte man eine 
gleichzeitige Stärkung des magdeburgischen Einflusses durch 
die Wahl des dortigen Domherrn erwarten ; davon zeigt sich 
jedoch nichts, und die Gründe hierfür liegen zu Tage. Ein- 
mal waren die Askanier seither zu Gegnern der Erzbischöfe 
von Magdeburg geworden 33 — dieser Zwist wurde auf Men- 
schenalter hinaus traditionell 31 — und hatten deshalb keine Ur- 
sache, ihres Gegners Arbeit zu leisten; und dann waren die 
Ansprüche der kriegsgewaltigen Markgrafen auf Pommern 
überdies durch das Reich anerkannt 35 , während das Interesse 
der Kurie sich nicht mit den Wünschen Magdeburgs, son- 
dern mit denen Kamm ins deckte 36 . 

Aus unbekannten Gründen verzögerte sich nach Kon- 
rads III. Tod (1241) die Neuwahl längere Zeit 37 . Die Form, 
in der sie schliesslich vollzogen wurde, beweist, dass sich 
mittlerweile der Sieg des päpstlichen Einflusses in Kammin 
vollständig entschieden hatte. Das Kapitel wählte nicht 



33- "Vgl* unten S. 43 ff. Der erste Kampf zwischen den Askaniern 
und dem Erzbistum Magdeburg fallt in das Jahr 12 17 ; vgl. F. Rachfahl, 
Forsch, z. Brand, u. Preuss. Gesch. V (1892), 419. 

34. Vgl. G. Sello, Brandenburgisch-Magdeburgische Beziehungen 
1266— 1283, Magdeburgische Geschichtsblätter XXIII (1888), 71 ff. 

35. BF. 19 18 (1231 December). 

36. Siehe oben S. 34 f. 

37. Gegen die Annahme Aldingers, a. a. O. 28, dass die Postu- 
lation Wilhelms schon bald nach dem Tode Konrads HI. (1241 
September 20) erfolgt sei, wendet sich, wie mir scheint, mit gutem 
Grunde M. Wehrmann, Monatsblätter der Gesellschaft für pommersche 
Geschichte XV (1901), 74, da sich 1241 — 1244 nie ein electus Wilhelm 
findet. Man wird eine längere Sedisvakanz annehmen müssen. Die 
Notiz der Anna!. Colbacenses (MG. SS. XIX, 716) zum Jahre 1244, 
„Wilhelmus episcopus ordinatus est" wird besser mit Wehrmann, 
a. a. O. 75 auf die Bischofswahl, als mit Aldinger, a. a. O. 29, Anm. 6. 
auf die Priesterweihe bezogen. 



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— 38 

seinen Mitkanoniker Wilhelm zum Bischof, es postulierte 
ihn vielmehr demütig vom Papste, obwohl kein gesetzlicher 
Grund zur Postulation vorlag: man wird also in dieser 
Handlung der Domherren einen Ausdruck ihrer tiefsten Er- 
gebenheit gegen den Papst zu erblicken haben 38 . Die von 
Innocenz dem Bischof von Meissen übertragene Weihe des 
Erwählten verzögerte sich wiederum, so dass schliesslich 
der auf der Durchreise durch das Land befindliche Erzbischof 
Albert von Preussen Wilhelm am 23. Dezember 1246 weihte 39 . 

Noch stärker zeigt sich bei der durch den Rücktritt Wil- 
helms im Jahre 1251 nötig gewordenen Neubesetzung, die 
den Grafen Hermann von Gleichen auf den Kamminer 
Stuhl brachte, dass jetzt der päpstliche Einfluss der allein 

38. Aldinger, a. a. O. 30. 

39. Aldinger, a. a. O. Warum der Bischof von Meissen die 
ihm aufgetragene Weihe nicht ausführte, ist unbekannt. Aldinger 
nimmt unter Berufung auf Berger nr. 2336 an, der Grund sei ein 
Streit zwischen Kammin und Meissen über ihre Diözesangrenzen 
gewesen. Obwohl in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts der 
Sprengel von Meissen weiter nach Norden reichte, als in späterer 
Zeit — er umfasste damals noch Köpenik und Mittenwalde — , so 
wurden Kammin und Meissen doch auch damals durch Branden- 
burg und Lebus von einander getrennt. Somit können Kammin 
und Meissen auch keine Grenzstreitigkeiten gehabt haben. Der 
Wortlaut der Papsturkunde, auf die sich Aldinger beruft (Berger 
2336): Cum sicut accepimus, inter . . . Caminensem ex parte una 
et Misnensem ac Brandenburgensem episcopos ex altera super 
limitibus eorum episcopatuum sit orta materia questionis . . , 
erhärtet die auch sonst hinlänglich bekannte Tatsache, dass man 
an der Kurie von der geographischen Lage dieser Grenzgebiete 
der katholischen Christenheit nur sehr ungefähre Vorstellungen hatte. 
In Wirklichkeit wird der um sich greifende Bischof von Branden- 
burg einerseits mit seinen Kollegen in Meissen und Kammin 
andererseits in Konflikt geraten sein. — Vgl. über die Grenzen von 
Kammin auch W. Wiesener, die Grenzen des Bistums Camrain» 
Baltische Studien XLIII (1893), 117fr. 



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- 39 - 



herrschende in der pommerschen Kirche war 40 . Innocenz 
nannte dem Kapitel einfach seinen Kandidaten, der dann 
auch Bischof wurde. Von einer Mitwirkung des Landes- 
fürstentums zeigt sich keine Spur; auch die Markgrafen von 
Brandenburg, obwohl sie eben wieder politisch neue Er- 
folge in Pommern errungen hatten 41 , wandten dem Kamminer 
Bistum offenbar kein weiteres Interesse zu. 

Das Hauptergebnis der pommerschen Kirchengeschichte 
in unserem Zeiträume ist; dass das Erzbistum Magdeburg 
von der Ostseeküste abgedrängt wurde und damit die Mög- 
lichkeit verlor, seinen Machtbereich in den Kolonialländern 
zu erweitern. Verständlich aber ist der für einen Augen- 
blick auftauchende Plan Innocenz' IV. 42 , Kammin zum Erz- 
bistum zu erheben. Die kirchliche Organisation der dem 
Christentum neu gewonnenen nordöstlichen Küstenländer 
des baltischen Meeres, von denen noch zu reden sein wird 43 , 
hatte das Papsttum allein in die Hand genommen. Wollte 
man nun diesem Gebiet ein eigenes Erzbistum geben, so 
boten sich zwei Möglichkeiten. Entweder man errichtete das 
Erzstift in der neuen Kirchenprovinz selbst; dieser Weg wurde 
später beschritten, er bot den Vorteil, dass der Erzbischof 
allen Teilen seines Sprengeis verhältnismässig nahe war, 
und -entsprach den natürlichen, allgemein in der Kirche 
bestehenden Zuständen; er hatte aber den Nachteil, dass 
das Erzbistum, welches doch allen Suffraganen einen Rück- 
halt bieten sollte, dessen sie im Missionsgebiet dringend 
bedurften, selbst auf noch nicht gefestigtem Boden stand. 
So erwog man wenigstens vorübergehend auch die andere 
Möglichkeit, das Erzbistum selbst in Deutschland zu errich- 
ten. Bremen und Magdeburg kamen natürlich nicht in Be- 



40. Aldinger, a. a. O. 157 ff. Vgl. dazu Wehrmann, a. a. O. 76fr. 

41. Riedel, cod. dipl. Brandenburg. B. I, 31 nr. 44. 

42. Potth. 12680, Berger 3238 (1247 September 2). 

43. Siehe unten Abschnitt VU. 



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- 40 - 



tracht, die durften nicht gestärkt werden, lagen auch nicht 
günstig für eine schnelle Verbindung mit Preussen und Liv- 
land. Hierfür aber empfahlen sich gut die in unmittel- 
barer Nähe der Ostsee gelegenen Btschofsstädte Lübeck und 
Kammin. Es zeugt also von richtigem politischen Blick, den 
die Ratgeber des Papstes in dieser Frage, in erster Linie 
wohl Erzbischof Albert von Preussen selbst, bewiesen, wenn 
sie ihn auf die Zweckmässigkeit aufmerksam machten, eins 
dieser Stifter zum baltischen Erzbistum zu erheben 44 . Lü- 
becks Vorzüge bestanden darin, dass es der erste deutsche 
Ostseehafen war, eine grosse Flotte besass und als Haupt- 
ausgangspunkt für die deutsche Kolonialbewegung nach Liv- 
land seit langem in ständigem Verkehr stand mit der Haupt- 
masse der Länder des neuen Erzbistums. Dazu kam der 
weitere, in dem Augenblick, wo der Plan erwogen wurde, 
bestehende Vorteil, dass der derzeitige Inhaber des lübischen 
Bistums kein anderer war, als eben der neue Erzbischof 
von Preussen und Livland. Eine Schwierigkeit freilich hätte 
sich ergeben ; die bremische Kirche, die ohnehin schon durch 
die Abtrennung Livlands von ihrer Provinz tief verletzt war, 
würde, wenn man ihr auch noch das Suffraganbistum Lübeck 
hätte nehmen wollen, dies mit allen ihr zur Verfügung stehen- 
den Mitteln bekämpft haben und begann auch schon, sich 
gegenüber der drohenden Gefahr zur Wehr zu setzen 45 . Eine 
solche verfassungsrechtliche Schwierigkeit hätte in Kammin 
nicht bestanden. Keinem erzbischöflichen Verbände ange- 
hörend, dem Papste direkt unterstellt, hätte es von diesem 
ohne weiteres zum Erzbistum erhoben werden können; 
aber, wie gesagt, über das Stadium der Erörterungen ist der 
ganze Plan nicht hinausgelangt; die Hauptstadt der neuen 
Kirchenproviriz wurde schliesslich Riga; doch davon später. 



44. Siehe oben S. 29. 

45. UB. des Hochstifts Lübeck I, 93 nr. 100 (1247 December 1). 



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IV 



Das Erzbistum Magdeburg und seine Widersacher. 

Zu derselben Zeit, wo Heinrich der Löwe Deutschtum 
und Christentum über Mecklenburg bis nach Pommern hin- 
eintrug, war in gleichem Wirken weiter südlich Albrecht 
der Bär 1 tätig. Während aber der Sachsenherzog sein Werk 
im Gegensatz zu Erzbischof Hartwig von Bremen in die 
Wege leitete, ging der Markgraf durchaus Hand in Hand 
mit Wichmann von Magdeburg 2 vor. Der gemeinsame Ge- 
gensatz zu Heinrich dem Löwen war es nicht zum mindesten, 
der die beiden Männer zusammengeführt hatte und zusam- 
menhielt; dazu war auch das durch Kolonisation zu er- 
schliessende Gebiet jenseits der Mittelelbe so weit, dass zwei 
so tatkräftige Fürsten wie Albrecht und Wichmann neben 
einander wirken konnten, ohne dass einer des anderen Kreise 
störte. Endlich griff der Markgraf nicht, wie der gewalt- 
tätige Sachsenherzog, ohne weiteres in kirchliche Rechte ein. 
Unter Albrechts ältestem Sohne und Nachfolger in der Mark- 



1. Vgl. über ihn und seine Bedeutung für die Kolonisation 
O. v. Heinemann, Albrecht der Bär (1864): F. Curschmann, die 
Diözese Brandenburg (Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte 
der Mark Brandenburg II [1905]) 85 fr. 

2. Ueber Wichmann handelt zusammenfassend am besten 
K. Uhlirz, Allgemeine Deutsche Biographie XLU (1897), 780—790, 
für seine Kolonialpolitik kommt in Betracht J. Harttung, die 
Territorialpolitik der Magdeburger Erzbischöfe Wichmann, Ludolf 
und Albrecht, Magdeburger Geschichtsblätter XXI (1886), 1—58. 



— 42 - 



grafschaft, Otto I., bestanden die freundschaftlichen Bezie- 
hungen zu Magdeburg weiter: Wichmann und die Askanier 
arbeiteten gemeinsam am Sturze Heinrichs des Löwen 3 . Je- 
doch zeigte sich bereits unter Ottos Regierung deutlich, dass 
die Markgrafen von Brandenburg keineswegs gesonnen wa- 
ren, den beherrschenden Einfluss auf die in der Mark belege- 
nen Bistümer dem Metropoliten in Magdeburg allein zu über- 
lassen 4 . Die Markgrafen waren es, nicht etwa die deutschen 
Könige 5 , die die Sprengel von Brandenburg und Havelberg 
den Slaven abrangen, den Markgrafen allein hatten es die 
Bischöfe zu danken, wenn sie in die Städte, von denen sie 
den Namen führten, die ihnen aber seit Jahrhunderten ver- 
schlossen waren 6 , wieder einziehen konnten. Nach Westen 
ragten die Grenzen der Bistümer kaum über den Machtbe- 
reich der Askanier hinaus, nach Osten aber konnten sie sich 
nur infolge der Eroberungen vorschieben, die die Markgrafen 
machten. War es da zu verwundern, wenn die Nachkommen 
Albrechts es als ihr gutes Recht ansahen, die obersten Herren 
in den Bistümern zu sein, die von ihrer Gnade existierten. 
Hiermit war das Problem gestellt, welches die politische 
Geschichte der Bistümer Brandenburg und Havelberg für 
die Zukunft beherrschen sollte: die Markgrafen strebten da- 
nach, dieselben rechtlich sich Untertan zu machen, die Bi- 
schöfe aber wollten Reichsfürsten bleiben und sich nicht zu 



3. H. Hahn, die Söhne Albrechts des Bären, Otto I., 8iegfried, 
Bernhard (Programm der Louisenstädtischen Realschule Berlin 1869). 

4. Vgl. unten 8. 44 über die Wahl Siegfrieds I. zum Bischof 
von Brandenburg. 

5. Seit 11 57 (schlesischer Feldzug Friedrichs I.) hat kein 
staufischer König die mittlere Elbe wieder überschritten. 

6. Seit dem grossen Slavenaufstand von 983; vgl. Curschmann, 
a. a. O. 38 ff. Die Reihe der seither meist fern von ihren Amts- 
sitzen lebenden Bischöfe von Brandenburg und Havelberg stellt 
H. Bresslau, Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen 
Geschichte I (1888), 386fr. her. 



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- 43 - 



Untergebenen der Markgrafen herabdrücken lassen 7 . Ihr 
natürlicher Rückhalt in diesem Kampfe musste in Magdeburg 
bei ihrem Metropoliten sein, dem es nicht einerlei sein konnte, 
ob die Stellung seiner Suffragane geschädigt würde. Er- 
gab sich hier also ein Feld, auf dem die bisherigen Verbünde- 
ten in Magdeburg und der Mark über kurz oder lang zusam- 
menstossen mussten, so entstanden weitere Reibungspunkte, 
wenn die beiden Mächte ihre Eroberungspolitik auf dieselben 
Gegenden richteten, und auch dieser Fall musste in abseh- 
barer Zeit eintreten; denn das zur Kolonisation einladende 
Gebiet war nicht unerschöpflich gross und bot nicht dau- 
ernd Raum für den Ehrgeiz zweier Erobererstaaten. So spielt 
während des 33. Jahrhunderts in der Geschichte des Erzbis- 
tums Magdeburg politisch und kirchenpolitisch die Haupt- 
rolle das Verhältnis zur Mark Brandenburg 8 . Die märki- 
schen Askanier waren in ihrer Mehrzahl durchaus weltlich 
gesinnt, es kam ihnen nicht an auf einen Konflikt mit den 
kirchlichen Gewalten und sie schreckten nicht zurück, wenn 
etwa ihre Gegner in Magdeburg nach dem bewährten Vor- 
bild der Päpste den politischen Kampf mit geistlichen Waffen 
führten. Diejenigen aber unter ihnen, die den ab und zu 
in diesem Geschlechte scharf hervortretenden Zug kirch- 
licher, ja bigotter Frömmigkeit aufweisen 9 , haben die Po- 
litik der Markgrafschaft niemals allein geleitet. 

7. H. Hädicke, die Reichsunmittelbarkeit und Landsässigkeit 
der Bistümer Brandenburg und Havelberg (Programm der Kgl. 
Landesschule Pforta 1882). 

8. Zusammenfassend handelt über die Beziehungen zwischen 
den Markgrafen und den Erzbischöfen seit Albrecht dem Bären und 
Wichmann G. Sello in der Einleitung zu seinem Aufsatze Branden- 
burgisch-Magdeburgische Beziehungen 1266 — 1283, Magdeburgische 
Geschichtsblätter XXIII (1888), 71 ff. 

9. Ich denke an Heinrich von Gardelegen, Otto III., Albrechtlll., 
Otto VI. Vgl. über sie Chronica marchionum Brandenburgensium 
ed. Sello, Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen 



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- 44 - 



Schon die erste Bistumsbesetzung, die nach dem Tode 
AlbrcriitH des Bären in der Mark notwendig wurde, zeigte 
deutlich genug, dass hier der Wunsch und Wille des Mark- 
grafen ein gewichtiges Wort mitzusprechen hatte: den Stuhl 
von Brandenburg bestieg 1173 Siegfried 10 , der dritte Sohn 
Albrechts, der Bruder des regierenden Markgrafen Otto I. 

Kinige Jahre später erfahren wir von einem Plane, der 
bezeichnend ist für die märkische Kirchenpolitik: einer der 
Sohne Ottos l„ Oraf Heinrich von Gardelegen, beabsich- 
tigte ans seinem (iebiet, der Altmark, ein Bistum zu machen 11 . 
Du er unter der Oberhoheit seines älteren Bruders, des Mark- 
grafen Otto II., regierte 1 -, so kann der Plan nur mit dessen 
Wissen verfolgt sein 11 '. Zuerst sollte Tangermünde der Sitz 
des Bistums werden, später entschied sich Heinrich für 
Stendal. IX>rt errichtete er eine Kollegiatkirche mit zwölf 
I Hnuherreupfründen, und Papst Klemens III. verlieh der 
neuen Oniudung sofort die weitestgehenden Rechte, nament- 
lich eine grosse Selbständigkeit gegenüber dem Bischof von 
Malherstudt, /u dessen Diözese Stendal gehörte 14 . Hierin 

t«e«ehiehte I ^>8S8\ ng, 1.25, 128; die ersten Citate - Chronica 
pruutpum Savoniae ed. Holder- Kg ^er, MG. SS. XXX, 32. 34. 
kv IL Hahn. a, a. O. S. 8. 

w. O\ron. march. Brand. I.e. 119, chron. princ. Sax. I.e. 32. 

t .* W. wn Sommerfeld. Beiträge rur Yertassungs- und Stände- 
ge^lnehte der Mark Brandenburg im Mittelalter I .VerötTer.tiichungen 
des Verein« tur Vle>vhvhte der Mark Brandenburg 1 [1904] . 122. 

»3 V S 1 die Urkunden Ottos II tur das Dorren* von 11 88, 
WsN\ »Vvj* November i4 .Riedel, eod. dipL Brandenb. AV. 21 f. 
nr *. nr. ur it>V 

U Ouam ewiesiam . . - a iundwvwne Halberstadereis epbeopi 
d>\sx«A«>e\uuij>rvs~ura\\t. ^ hron. nvm-h. Brand, i.e. Papstv letnens III., 
uv.re* vieler, kurje Re^eru.!'.£ d:e ».irunviut ^ drt >tecdil-er Doro- 
«fctfc* tiei. bwvs iu .v.x.W::~.aLb Uhreo clurva sechs Krluüje demseibea 
e<ae t^e>\ % rre\ rxte^e S^r ur^: \^>r-"*er.. Tatre»^ ro^Oev t?^50, 1^57. 
iCvja:, i?vu-\ 1*4*^ 



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— 45 — 



aber liegt offenbar der springende Punkt bei dem ganzen 
Plan. Die Altmark gehörte zu den Diözesen Halberstadt und 
Verden 15 ; gelang die Errichtung eines altmärkischen Bis- 
tums» so hatten die Markgrafen auch hier die kirchlichen 
Leiter ihres Gebiets im eigenen Lande. Selbstredend konnte 
aber ein Bischof von Stendal, der seine Ausstattung nicht 
vom Reiche erhielt, sondern aus der Hand des brandenbur- 
gischen Markgrafen, nicht Reichsfürst sein, und die Existenz 
eines solchen den Markgrafen untergebenen Bischofs von 
Stendal musste diesen den Gedanken nahe legen, zu ver- 
suchen, die Bischöfe von Brandenburg und Havelberg zu 
ähnlich abhängiger Stellung herabzudrücken. Der Plan des 
Bistums Stendal ist aus unbekannten Gründen nicht zur Aus- 
führung gekommen; einmal mag nach dem frühen Tode des 
Grafen von Gardelegen (1192) Niemand ihn mehr mit so 
grossem Eifer verfolgt haben, und dann werden sicher die 
Bischöfe von Halberstadt und Verden gegenüber der dro- 
henden Verkleinerung ihrer Diözesen sich zur Wehr gesetzt 
haben; und vor einem derartigen energischen Widerstand 
hatten bei ähnlichen Gelegenheiten schon Könige zurück- 
weichen müssen 16 . Wie sich Magdeburg zu dem Plane ge- 
stellt hat, lässt sich bei dem absoluten Schweigen der Quellen 
nicht sagen. Vermutlich sollte doch wohl das neue Bistum 
dem Erzstift Magdeburg unterstellt werden, vielleicht haben 
also auch die Erzbischöfe Wichmann und Ludolf eine Rolle 

15. Stendal, Tangermünde und der Sitz des Grafen Heinrich, 
Gardelegen, gehörten kirchlich zu Halberstadt: dieses Bistum 
musste also unter allen Umständen durch die geplante Neugründung 
geschädigt werden. Es ist zwar nicht ausdrücklich überliefert, aber 
doch wahrscheinlich, dass dann auch die zum Sprengel von Verden 
gehörende Nordecke der Altmark zum Bistum Stendal geschlagen 
werden sollte. 

16. Die von Otto I. geplante Gründung des Erzbistums Mag- 
deburg verzögerte sich durch den Einspruch der dadurch geschä- 
digten Bischöfe um 13 Jahre, von 955—968, vgl. E. Dümmler, 



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- 46 — 



bei dem leider so im Dunkel liegenden Plane gespielt. Es 
folgt die für die Beziehungen zwischen dem Erzbistum und 
der Markgrafschaft so bedeutsame Lehnsauftragung von 
1196 17 , die, in ihren Ursachen unaufgeklärt, jedenfalls mehr 
dem Wortlaute des darüber geschlossenen Vertrages nach 
als tatsächlich eine Stärkung des magdeburgischen Einflusses 
in der Mark bewirkte. 

Die Regierung Markgraf Albrechts II., die uns in die 
Zeit Friedrichs II. hineinführt, zeigt, wie mächtig schon dem 
Bischof von Brandenburg gegenüber die markgräfliche Stel- 
lung war: Albrecht 18 beanspruchte in den von ihm und seinen 
Vorgängern eroberten, aber brach liegenden Ländern, die 
zum Sprengel von Brandenburg gehörten, zwei Drittel des 
Zehnten und erhob ihn schliesslich wohl ganz, ja er plante 
Massregeln, durch die diese Gebiete dem Bistum Branden- 
burg so ziemlich entfremdet werden mussten 19 . Da Bischof 
Balduin diesem seiner Kirche offenbar schädlichen Vorge- 
hen Albrechts zustimmte, befand er sich sicher in einer voll- 
ständig vom Markgrafen abhängigen Stellung. 

Otto der Grosse 270 fr., 442 fr.: ähnlich ging es Heinrich II. bei 
der Gründung des Bistums Bamberg, vgl. S. Hirsch, Heinrich IL, 
Bd. II (1864), 48 fr. Vgl. auch unten Kap. VI die Schwierigkeiten, 
an denen der Plan Herzog Leopolds VI. zur Errichtung des Bistums 
Wien scheiterte. 

17. Vgl. darüber J. Harttung, Magdeburger Geschichteblätter 
XXI (1886), 118— 135: G. Sello im gleichen Bande dieser Zeit- 
schrift 272—282; W. von Sommerfeld, a. a. O. 104 Anm. 1. 

18. Ueber die hier zu berührende Vorgeschichte zum branden- 
burgischen Zehntstreit vgl. G. Sello, Forschgen z. Brand, u. Preuss. 
Gesch. V (1892), 193 fr., und neuerdings F. Curchmann, die Diözese 
Brandenburg (= Schriften des Vereins für Geschichte der Mark 
Brandenburg II [1905]) 337 fr. 

19. Es sollte ein dem Papste direkt unterstelltes Kollegiatstift 
errichtet werden, dem das vom Margrafen nicht beanspruchte Drittel 
des Zehnten zufallen sollte. 



* 



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— 47 — 



Das Domkapitel hatte es deshalb bei seinem Tode (1216, 
nach November 16) sehr eilig mit der Wahl eines Nach- 
folgers 20 . Schon am 28. Dezember desselben Jahres finden 
wir den bisherigen Dompropst Siegfried als geweihten Bi- 
schof, und er nahm alsbald dem Markgrafen gegenüber eine 
kampfbereite Stellung ein: im Einverständnis mit seinen 
Domherren betonte er nachdrücklich das Recht seiner Kirche 
auf die strittigen Gebiete. Albrecht war damals zu sehr in 
auswärtige Kriege verwickelt, als dass er auch in dieser 
Frage, die zur Zeit nicht brennend war — handelte es sich 
doch zum Teil um Gebiete, die er 1210 21 zwar besessen, seit- 
her aber wieder verloren hatte — , sich in weitausschauende 
Streitigkeiten mit Bischof Siegfried hätte einlassen können. 

Siegfrieds Pontifikat war nur von kurzer Dauer: er starb 
schon zu Ende des Jahres 1220 oder zu Anfang 1221. lieber 
den Amtsantritt seines Nachfolgers Gernand und die ihm 
voraufgehenden Streitigkeiten besitzen wir ein, für branden- 
burgische Verhältnisse wenigstens, ungewöhnlich reiches Ma- 
terial an Nachrichten 22 . Nach der bisher geschilderten Lage 
des Bistums sollte man erwarten, bei einer umstrittenen 
Neubesetzung etwas von Eingriffen seitens des Markgrafen 
zu hören. Nichts davon ist der Fall; vielmehr wissen wir 
nur von zwischen den Wählern ausbrechenden Streitigkei- 
ten ganz lokaler Natur, höhere politische Gesichtspunkte feh- 
len. Das liegt daran, dass Markgraf Albrecht II. am 24. Fe- 
bruar 1220 gestorben war 23 . Seine Söhne und Erben Johann 
und Otto standen noch in zartem Kindesalter. Zum Vor- 



20. F. Curschmann, a. a. O. 370 f. 

21. Damals plante er die Errichtung des Stifts, Potth. 3947. 

22. Vgl. darüber meinen Aufsatz in den Forschgen z. Brand, 
u. Preuss. Gesch. XVII (1904), 1 ff., zu dem im Folgenden einzelne 
Nachträge zu geben sind. 

23. A. Bauch, die Markgrafen Johann 1. und Otto III. von 
Brandenburg (1886) 5. 



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- 48 - 

mund der jungen Fürsten hatte König Friedrich II. den Erz- 
bischof Albrecht von Magdeburg ernannt 2 *, der gewiss bei 
einem Zusammenstosse markgräflicher und bischöflicher In- 
teressen die ersteren nicht vertreten haben würde, da er 
mit seinem Herzen auf der anderen Seite war. Bei der Bi- 
schofswahl von 1216 hatte die Gefahr, die dem Bistum von 
Seiten des Markgrafen Albrecht II. drohte, die Wähler zu 
raschem Vorgehen getrieben. Derartige Besorgnisse lagen 
1221 nicht vor, und so brach bei der Neuwahl ein alter 
Zwist, der schon seine lange Geschichte hatte, mit erneuter 
Heftigkeit aus; die Domherren von Brandenburg und die 
Chorherren von Leitzkau rangen um das Wahlrecht 25 . Die 
Ansprüche der Leitzkauer datierten aus der Zeit, als Branden- 
burg noch in den Händen der Heiden war. Seit es in der alten 
Bischofsstadt aber ein Domkapitel gab, suchte dieses natür- 
lich sich allein das Wahlrecht zu sichern ; nach verschiedenen 
Reibungen war auf der Magdeburger Generalsynode von 
1187 bestimmt worden, dass beide Konvente gemeinsam wäh- 
len sollten 26 . Es wird sich schwer sagen lassen, ob Siegfried 
1216 nach dieser Vorschrift gewählt worden ist. Nicht un- 
wahrscheinlich ist, dass er nur dem Domkapitel seine Wahl 
verdankte. Einmal ist die Zeit, innerhalb deren die Wahl 
erfolgt ist, so knapp 27 , dass kaum Raum bleibt für eine Ver- 
ständigung der beiden rivalisierenden Körperschaften über 
die Person eines geeigneten Kandidaten; der brandenbur- 
ger Dompropst Siegfried wird sicher der Erwählte seines 
Kapitels gewesen sein: direkt nach der Wahl, als Siegfried 
seinen Domherren alle ihre Besitztitel bestätigte, nannte er 
darunter auch ausdrücklich das ihnen allein zustehende Recht 



24. Vgl. Bauch, a. a. O. 6. Anm. 4. 

2 5' ^gl« meinen Aufsatz, Forschgen z. Brand, u. Preuss. 
Gesch. XVII, 2 ff. 

26. Riedel, cod. dipl. Brandenb. AX, 76 ff. nr. 10. 

27. Siehe oben S. 47. 



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der Bischofswahl 28 . In der grossen Urkunde Siegfrieds für 
das Domkapitel 29 , die diese Verfügung enthält, ist zunächst 
sein Dank zu erblicken für die Wahl, es ist eine nachträglich 
ausgestellte Wahlkapitulation; sodann wäre es aber nicht 
der erste Fall, dass man eine dem bestehenden Recht gegen- 
über unregelmässige Wahl nachträglich dadurch zu legali- 
sieren suchte, dass man den Modus, nach dem sie erfolgt war, 
nunmehr zum geltenden Recht erhob 30 . Die Leitzkauer mö- 
gen sich 1216 in die ohne ihre Mitwirkung erfolgte Wahl 
gefunden haben, in der Erkenntnis, dass ein Widerspruch 
ihrerseits das ganze Bistum in schwere Gefahr gestürzt hätte; 
dass sie jedoch das neue Wahlreglement nicht anerkannten, 
zeigt ihre Haltung beim Tode Siegfrieds, als, wie bemerkt, 
die Besorgnis vor markgräflichen Eingriffen geschwunden 
war. Die Brandenburger wählten 31 natürlich nach der neuen 
Ordnung von 1216 einen Magdeburger Domherren Ludolf; 
die Leitzkauer glaubten jetzt ihr bedrohtes Recht am besten 
durch Aufstellung eines eigenen Kandidaten zu wahren: sie 
erkoren den Propst Wichmann vom Kloster Unser lieben 
Frauen in Magdeburg, einen Herrn von Arnstein. Da Erz- 
bischof Albrecht den Streit nicht schlichten konnte, kam er 
vor das Forum des Papstes. Dieser aber verwarf beide Ri- 
valen und ernannte den ihm vom Magdeburger Erzbischof 
vorgeschlagenen Dekan des magdeburgischen Domkapitels 32 , 

28. Riedel, cod. dipl. Brand. A VIII, 135 nr. 48. 

29. Vgl. F. Curschmann, die Diözese Brandenburg (1905), 
erster Exkurs, S. 369—384: Das Privileg Bischof Siegfrieds II. für 
das Brandenburger Domkapitel. 

30. Wiederholt tritt dieser Fall ein in der Geschichte der 
Papstwahlen, ich erinnere an Nikolaus II. und Alexander III. 

31. Für das Folgende vgl. meinen citierten Aufsatz, Forschgen 
z. Brand, u. Preuss. Gesch. XVII, 4 ff. 

32. Dass Geroand durch Albrecht von Magdeburg für den 
brandenburger Bischofsstuhl empfohlen wurde, geht aus dem Frag- 
ment der chronica episcopatus Brandenburgensis, MG. SS. XXV, 



- 50 - 



Magister Gernand; für die Zukunft wurde den Leitzkauem 
ihr Wahlrecht garantiert. Albrecht wird wohl gewusst haben, 
warum er gerade diesen Mann für den Brandenburger Stuhl 
empfahl. Gernand hatte einen wohl begründeten Ruf als 
Gelehrter 33 , Erzbischof Albrecht selbst hatte einst zu seinen 
Schülern gezählt 34 und kannte daher den festen Charakter 
und die stramm kirchliche Gesinnung seines Lehrers. Jung 
war Gernand sicher nicht mehr, als er 1222 zum Bischof 
geweiht wurde; denn Albrecht, der als der Schüler wahr- 
scheinlich der jüngere von beiden war, hatte schon 1205 den 
Magdeburger Stuhl bestiegen; 1208 war Gernand bereits so 
bekannt als zuverlässiger Parteimann der Kirche, dass ihm 
sein alter Gönner, Papst Innocenz III. 35 , in einer hochwich- 
tigen politischen Angelegenheit brieflich einen persönlichen 
Auftrag erteilte 36 . Albrecht sorgte dafür, dass der neue Bi- 



485 f. hervor. Da ich diese für die Charakteristik Gernands 
wichtige Stelle für meinen in voriger Anmerkung citierten Aufsatz 
leider übersehen habe, lasse ich sie hier im Wortlaut folgen: Hic 
(nämlich Gernand) bone literature mogister fuerat Alberti archie- 
piscopi Magdeburgensis; qui propter morum et scientie elegantiam 
ipsum ad decanatum et episcopatum creditur promovisse. Fuit 
enim homo mundus, dulcis, aflfabilis, Studiosus et disciplinatus, 
adeo ut et ipsi filii nobilium mitterentur ad eum disciplina et 
moribus imbuendi. Cotidie pauperes et scolares ad mensam coram 
se posuit comedentes. 

33- v gl. S. 2 Anm. 1 meines citierten Aufsatzes. 

34. Siehe oben Anm. 32. 

35. Ueber Gernands Leben bis zum Jahre 1221, namentlich 
über seine Beziehungen zu Innocenz III., handelte ich kürzlich im 
Jahrbuch für brandenburgische Kirchengeschichte II (1905), 1 ff. 

36. Potth. 3547, 1208 Dezember 5. Gernand erhält den Auf- 
trag, an der Seite König Ottos zu bleiben und ihn ständig zu gott- 
gefälligem Wandel zu ermahnen. Albrecht von Magdeburg muss 
damals also Gernand mit an den Königshof genommen haben, 
wahrscheinlich, damit seine beredte Zunge auf des Königs Ohr ein- 



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schof, ehe er ihn nach Brandenburg entliess, sich in den 
Gedankenkreis eines Reichsbischofs hineinlebte: noch an- 
derthalb Jahre hat Gernand nach seiner Weihe im Gefolge 
seines Metropoliten Italien im Dienste des Reichs bereist 37 . 
Und um ihm für alle Fälle in seiner neuen Würde einen 
starken Rückhalt zu gewähren, verfügte der Papst, gewiss 
auch auf Albrechts Antrag, dass der Bischof von Branden- 
burg nach wie vor Mitglied des Magdeburger Domkapitels 
bleiben sollte 38 ; Gernand hat sogar später seinen erzbischöf- 
lichen Freund, der oft im Reichsdienst abwesend von Mag- 
deburg war, dort vertreten. 

Der Zehnstreit brach, sowie die markgräflichen Brüder 
Johann und Otto zu Jahren gekommen waren, mit grösster 
Heftigkeit aus 39 und der Bischof war der Angreifer. Die 
einzelnen Phasen dieses Kampfes, der durch ein Kompro- 
miss beendigt wurde, brauchen hier nicht verfolgt zu werden ; 
es ist nur festzustellen, dass Albrecht von Magdeburg die 
Gelegenheit, wo es keinen erwachsenen Markgrafen in Bran- 
denburg gab, so gut wie möglich ausgenutzt hat, um dem 
in seiner Selbständigkeit bedrohten Bistum durch eine mög- 
lichst enge Verbindung mit Magdeburg den Rücken zu 
stärken. 

Ueber die Wahl von Gernands Nachfolger Rotger wis- 
sen wir nichts; er war, ehe er Bischof wurde, Dompropst 40 . 

wirke; von dort aus hat Gernand an den Papst geschrieben und 
der im Register überlieferte Brief ist dessen Antwort. 

37. Vgl. die Regesten zur italienischen Reise Gernands, die 
ich S. 15 ff. meines citierten Aufsatzes zusammengestellt habe. 

38. 1222 Mai 17; ich teile die Urkunde des Papstes S. 18 Nr. 2 
in dem citierten Aufsafze mit. 

39. Vgl. F. Curschraann, a. a. O. 340 ff. 

40. Da er nach dem Fragment der brandenburgischen Bis- 
tumschronik (MG. SS. XXV, 485) schon 5 Tage nach dem Tode 
Gernands gewählt wurde, wird schwerlich eine Mitwirkung der Leitz- 
kauer bei der Wahl stattgefunden haben. 



— 52 — 



Einer alten Nachricht zufolge war er moralisch minderwertig 
und durchaus eine Kreatur der Markgrafen 41 ; mit ihm be- 
ginnt die Reihe der stark von den Askaniern abhängigen 
Bischöfe von Brandenburg. Wir hören unter Rotgers Re- 
gierung von vielerlei Bedrückungen des gänzlich verarmten 42 
Bistums durch die askanischen Brüder; wenn dieselben 1244 
dem Spolienrecht beim Tode von Geistlichen im Bistum ent- 
sagten 43 , so zeigt gerade dieser Verzicht, an den die Mark- 
grafen sich übrigens nicht hielten 44 , wie beherrschend ihre 
Stellung gegenüber dem Bischof war 45 . Der Rückhalt, den 
Gernand an Magdeburg gehabt hatte, schwand, da die Mark- 
grafen mit Albrechts Bruder und zweitem Nachfolger, Erz- 
bischof Wilbrand, meist für die Mark glückliche Kriege 
führten 46 . 



41. Vgl. G. Sello, Forschungen zur Brandenb. u. Preuss. Ge- 
schichte V (1892), 52$. 

42. E. Berger, les registres d'Innocent IV. nr. 372, 1244 
Januar 7. Riedel, cod. dipl. Brandenb. A VIII, 155 f. nr 70 druckt 
die Urkunde mit falschem Datum. 

43. 1244 Januar 26, Riedel A VIII, 156 f. nr. 71. 

44. Potth. 12062, 1246 April 20. Curschmann weist a. a. O 
360 Anm. 1 darauf hin, dass die Laien in der Diözese Branden- 
burg, die die Spolien der verstorbenen Geistlichen einzogen, viel- 
leicht die Herzöge von Sachsen waren, da diese erst 1377 auf 
das Spolienrecht verzichteten, Riedel A VIII, 312 f. nr. 310. Das 
wird richtig sein, aber in Potth. 12062 wird auch von dem Bestehen 
des Missbrauches in der Stadt Brandenburg gesprochen. Hier 
konnten doch wohl nur die Markgrafen von Brandenburg die Spolien 
der verstorbenen Geistlichen einziehen; also hielten sich Johann 
und Otto schon 1246 nicht mehr an ihr erst vor zwei Jahren ge- 
gebenes Versprechen. 

45. Eine Anzahl von Urkunden, die Innocenz IV. für das Bis- 
tum Brandenburg erliess, erweist, wie gedrückt dessen Lage unter 
dem Pontifikat Rotgers war, vgl. namentlich Potth. 11747, 12652, 

13815. 14377. 

46. Siehe unten S. 56. 



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Viel weniger ist über das Bistum Havelberg zu sagen. 
Bischof Wilhelm, der 1219 die Regierung antrat 47 , empfing 
wohl ordnungsmässig vor seiner Weihe die Regalien durch 
Friedrich II. 48 . Ueber die Wahl seines Nachfolgers Hein- 
rich ist gar nichts bekannt 49 ; zu verdanken hatte er seine 
Stellung den Markgrafen; er stand zu ihnen als Bischof in 
so engen freundschaftlichen Beziehungen, dass er ausserhalb 
der Mark wohl mit Recht einfach als politischer Diener der- 
selben galt 50 . 

Alles in allem lässt sich von den beiden Bistümern sa- 
gen, dass zwar zur Zeit Kaiser Friedrichs II. niemand ihren 
Inhabern den reichsfürstlichen Rang streitig gemacht hat. 
Zu einem abgeschlossenen Territorium aber, das die reale 
Grundlage für diesen Titel hätte sein können, brachten sie 
es nicht. Wohl aber schloss sich die Mark unter den As- 
kaniern zu einem festen Staatsgebilde zusammen, und in- 
dem die Askanier das politische Uebergewicht über die Bi- 
schöfe errangen, schufen sie die Vorbedingungen, allmäh- 
lich die Bistümer dem Reiche zu entfremden 51 . Gernand 
von Brandenburg ist der letzte Bischof, der energisch gegen 
die weltliche Uebermacht angerungen hat. 

Wenn das geplante, nicht vom Reiche gegründete und 
daher nicht reichsfürstliche Bistum Stendal zustande gekom- 
men wäre, so hätte, wie bemerkt 52 , seine blosse Existenz 

47. Fragment einer Chronik des Bistums Havelberg, Riedel 
cod. dipl. Brandenb. D I, 290 f. 

48. Er erscheint als Zeuge bei Friedrich II. 1220 April 26 zu 
Frankfurt (BF. 11 14), er wird also dort die Regalien empfangen 
haben und von seinem gleichfalls anwesenden Metropoliten geweihtsein. 

49. Vgl. Aldingen a. a. O. 36. 

50. UB. der Stadt Lübeck I, 173 f. nr. 188. 

51. Vgl. darüber H. Hädicke, Reichsunmittelbarkeit und Land- 
sässigkeit der Bistümer Brandenburg und Havelberg (Schulprogramm 
Pforta 1882) 20 ff. 

52. Vgl. oben S. 45. 



- 54 - 



eine Gefahr für die Selbständigkeit der Bistümer Branden- 
burg und Havelberg bedeutet. Obgleich aber aus dem alt- 
märkischen Bistum nichts wurde, so war doch für die Bi- 
schöfe von Brandenburg und Havelberg nicht viel gewonnen, 
denn es gelang den Markgrafen einige Jahrzehnte später, 
ein anderes Bistum zu erwerben, das nicht vom Reiche die 
Regalien trug. Wir wenden uns hiermit dem Bistum Le- 
bus zu. 

Das Land Lebus 53 war im 11. Jahrhundert, wo es in 
den Gesichtskreis der Deutschen kam, ein Teil von Polen; 
mit dem politischen Verwaltungsbezirk fielen vermutlich die 
Grenzen des Bistums Lebus zusammen 54 ; dieses unterstand 
wie alle polnischen Kirchen, dem Erzbistum Gnesen. Als 
mit dem Beginn des 13. Jahrhunderts die deutsche Kultur 
bis an die Grenze des Landes Lebus heran vorgedrungen 
war und bald auch über dieselbe hinausgriff, begann die 
polnische Landschaft in den Augen der deutschen Nachbarn 
ein begehrenswerter Besitz zu werden : 1209 unternahm Mark- 
graf Konrad II. von der Lausitz einen Feldzug gegen Le- 
bus und eroberte die Feste 55 ; dieselbe blieb jedoch nicht 
in deutschen Händen, einige Jahre später ist ein polnischer 
Teilfürst, Heinrich I. von Schlesien, Herr von Lebus. Von 
neuem eroberte die Stadt im Jahre 1224 Ludwig IV. von 
Thüringen, der Vormund Heinrichs (des Erlauchten) von 
Meissen und der Lausitz 56 ; ein Jahr darauf schaltete hier je- 
doch wieder Heinrich von Schlesien. Wurden nun zwar von 
Seiten der Lausitzer Herren keine weiteren Versuche ge- 
macht, das Land zu gewinnen, so trat dafür ein anderer 



53- Vgl. für das Folgende W. Wohlbrück, Geschichte des ehe- 
maligen Landes und Bistums Lebus I (1829) und namentlich 
Breitenbach, das Land Lebus unter den Piasten (1890). 

54. Breitenbach, a. a. O. 19 Anra. 2. 

55. Chron. montis Sereni, MG. SS. XXIII, 176. 

56. Cron. Reinhardsbrunnensis, MG. SS. XXX. 600 f. 



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kraftvoller deutscher Fürst als Bewerber um Lebus auf: 
Erzbischof Albrecht von Magdeburg. Dieser hatte schon ei- 
nen älteren, bisher aber offenbar noch nicht geltend gemach- 
ten Rechtstitel : schon König Philipp hatte ihm Bistum, Feste 
und Stadt Lebus verliehen 57 . Damals also betrachtete man 
am deutschen Königshofe Lebus bereits als ein im Macht- 
kreise des Reiches belegenes Land, über das verfügt werden 
konnte. 1226 bestätigte Kaiser Friedrich II. dem Erzbischof 
diese Schenkung seines Oheims 58 ; jedoch musste sich Al- 
brecht die kaiserliche Gabe erst erobern. Nach anfängli- 
chen Erfolgen wurden die Magdeburger doch wieder durch 
Heinrich von Schlesien aus dem Lande verdrängt, das unter 
seiner Fürsorge und der des Bischofs Lorenz von Lebus 
in steigendem Masse mit Deutschen besiedelt wurde 69 . 

Nachdem Heinrich I. von Schlesien 1238 gestorben war, 
begann Wilbrand von Magdeburg die Eroberungspolitik sei- 
nes Bruders gegen Lebus wieder aufzunehmen. Mittler- 
weile aber hatten auch die Markgrafen von Brandenburg 
ihren Machtbereich bis an die Grenze der Landschaft aus- 
gedehnt, und sie waren kaum gewillt, östlich von der Mark 
eine magdeburgische Enklave zu dulden. Im Jahre 1239 
machten die beiden Rivalen merkwürdiger Weise den ge- 
meinsamen Versuch, die Feste Lebus zu erobern. Das Un- 
ternehmen schlug jedoch fehl, vielleicht infolge der aus- 
brechenden Uneinigkeit zwischen den Verbündeten 60 ; bald 
traten noch weitere Differenzen zwischen ihnen zu Tage, 
und das Ende des kurzen, unnatürlichen Bündnisses war 



57. BF. 167. 

58. BF. 1629. 

59. Breitenbach, a. a. O. 64 ff. Vgl. für diesen Abschnitt auch 
C. Grünhagen, Geschichte Schlesiens I (1884), 46 ff. 

60. Breitenbach, a. a. O. 73 f. G. Sello, halberstädtisch- 
brandenburgische Fehde 1238—1245, Zeitschrift des ;Harzvereins 
für Geschichte und Altertumskunde XXIV (1891), 204 ff. 



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- 56 - 



ein Krieg zwischen den Markgrafen und dem Erzbischof. 
Diesem kamen die zahlreichen Gegner der aufstrebenden 
Askanier zu Hilfe, namentlich der Bischof von Halberstadt 61 , 
der Markgraf von Meissen, der Graf von Anhalt. In mehr- 
jährigem Kampfe erwehrten sie sich jedoch glücklich aller 
Feinde, 1240 und wieder 1244 brachten sie den Magde- 
burgern schwere Niederlagen bei. Trotzdem gelang es 1249, 
als wieder Friede bestand, Wilbrand, das Land Lebus durch 
Vertrag von Boleslaw, dem Enkel Heinrichs I. von Schle- 
sien, zu erwerben : die Hälfte von Stadt und Land wurde dem 
Erzbischof ganz abgetreten, die andere Hälfte nahm Bo- 
leslaw von Wilbrand zu Lehen; zu diesem Anteil gehörte 
auch der Patronat über das Bistum Lebus 62 . Die bisherigen 
Verbündeten Wilbrands, die Anhahiner, traten jetzt auch in 
Beziehungen zum Lebuser Bistum: Graf Magnus von An- 
halt wurde Propst von Lebus und Domherr in Magdeburg« 3 . 

Da jedoch die Macht des andauernd in die polnischen 
Wirren verstrickten schlesischen Herzogs trotz seiner An- 
lehnung an Magdeburg zusammenbrach, so hielt es Wil- 
brand, der allein den entfernten Besitz nicht gut behaupten 



61. Mit diesem befanden sich die Askanier bereits seit 1238 
im Kriege, vgl. den in Anm. 60 citierten Aufsatz von G. Sello, 
201 fT. 

62. Riedel, cod. dipl. Brandenb. A XXIV, 336 fr. nr. 17, 1249 

April 20 sibi (seil. Wilbrando) et ecclesie sue unum de 

castris Lubus inferius videlicet et finale, medietatem medii neenon 
medietatem civitatis et districtus tocius tantum pertinentis ad 
Castrum ex utraque parte Ödere fluminis cessimus equa lance. 
Aliud autem finale superius et medietatem medii nobis et nostris 
heredibus reseruantes, que in feodo tenebimus de manibus suis et 
successorum suorum. Ius etiatn, quod habuimus in patronatu epis- 
copatus, prepositure et officio castellanie nobis sicut hactenus sal- 
uum erit, tenebimus tarnen in feodo hec ab ipso cum supanis et 
attinentiis quibuscunque. 

63. Hierauf weist Breitenbach, a. a. O. 98 f. hin. 



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- 57 - 



konnte, doch für geraten, sich wieder mit den Markgrafen 
zu verständigen, die nun die andere Hälfte des Landes für 
sich in Besitz nahmen 64 , und damit war entschieden, dass 
das schon stark germanisierte Land brandenburgisch wurde: 
denn der askanische Teil von Lebus verwuchs ohne weiteres 
mit der Mark, während die magdeburgische Hälfte, von der 
Hauptmasse des erzbischöflichen Territoriums getrennt, die- 
sem allmählich wieder entfremdet wurde. 

Von grosser Bedeutung musste es sein, wem von den 
beiden deutschen Rivalen der entscheidende Einfluss bei der 
Besetzung des Bistums Lebus zufallen würde. Der erste 
unter deutscher Herrschaft eingesetzte Bischof Wilhelm war 
ein Schützling Wilbrands von Magdeburg 65 ; da er bis 1282 
regierte, so hatten die Markgrafen vorerst keine Gelegen- 
heit, ihre Macht auch auf diesem Gebiete zur Geltung zu 
bringen. Kirchlich blieb das Bistum ein Teil der Provinz 
Gnesen ; Spuren, dass die Bischöfe, seit sie politisch in den 
Verband des Reiches eingetreten waren, danach strebten, 
Reichsfürsten zu werden 66 , finden sich nicht; wie sie früher 
Untertanen der schlesischen Herzöge gewesen waren 67 , so 
wurden sie jetzt Untergebene der Markgrafen von Bran- 
denburg. Noch vor Ablauf des 13. Jahrhunderts entschied 



64. Vgl. Breitenbach, a. a. O. 86 Anna. 2, wo die nötigen 
Quellencitate zusammengestellt sind, und 101. 

65. Wilbrand von Magdeburg schreibt 1252 März 7 (Riedel, 
cod. dipl. Brandenb. A XX, 183 nr. 10): Sane cum nos venera- 
bilem in Christo dominum Willelraum, episcopum Lubusanum, ad 
pontificalis nominis dignitatem omni quo potuimus deuocionis stu- 
dio domino promouimus annuente, 

66. J. Ficker, Vom Reichsfürstenstande I (1861) § 206. 

67. Für die Stellung der Bischöfe im Polenreiche vgl. das 
Zeugnis des Papstes Paschalis II., der an den Erzbischof von 
Gnesen schreibt: Quid super episcoporum translationibus loquar, 
que apud vos non auctoritate apostolica, sed nutu regis presu- 
muntur. Cod. dipl. maioris Poloniae I (1877), 7 nr « 5J Jaffe-L. 6570. 



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— 58 - 



es sich endgültig, dass die Askanier die alleinigen Herren 
im Lande und im Bistum Lebus wurden 68 . 

Der kühne Anlauf, den das Erzbistum Magdeburg ge- 
nommen hatte, an der Kolonialbewegung des 12. und 13. 
Jahrhunderts teilzunehmen, scheiterte in der Hauptsache. 
Weder gelang der Versuch, das Bistum Kammin der Magde- 
burger Kirchenprovinz einzuverleiben, noch hatten die Be- 
mühungen Erfolg, Land und Bistum Lebus für das Territorium 
Magdeburg zu gewinnen. In Pommern siegte der territori- 
ale Sondergeist, unterstützt von den geistlichen Waffen des 
Papsttums und den weltlichen der Askanier, in Lebus er- 
fochten diese allein den Sieg über das Erzbistum. Seit das 
Land Lebus eine Beute der weltlichen Nebenbuhler gewor- 
den war, verliert die magdeburgische Politik den grossen 
Zug, von dem sie im Jahrhundert der Erzbischöfe Wich- 
mann, Ludolf, Albrecht 69 und Wilbrand geleitet war. Fortan 
beschränkten sich die Erzbischöfe darauf, die verhassten As- 
kanier, die immer weiter nach Osten vordrangen, nach Mög- 
lichkeit im Rücken zu belästigen, bis es schliesslich den 
Söhnen Johanns I. nach langen Kämpfen gelang, ihren Bru- 
der Erich auf den Stuhl des heiligen Moritz zu bringen 70 . 

* * 

* 



68. Erich (1283 — 1295) ist der letzte Erzbischof von Magde- 
burg, der landesherrliche Rechte in Lebus ausübt; Riedel, cod. 
dipl. Brandenb. A XX, 195 f. nr. 23. 

69. J. Harttung, die Territorialpolitik der Erzbischöfe Wichmann, 
Ludolf und Albrecht 1152 — 1232, Magdeburger Geschichtsblätter 
XXI (1886) 1 fF., 113 ff., 217 fr. Die zwischen den Pontifikaten der 
Brüder Albrecht und Wilbrand liegende Regierung Burchards ist 
zu kurz, als dass ein Urteil über die Ziele seiner Politik erlaubt 
wäre. 

70. Ueber die Beziehungen zwischen den rivalisierenden 
Staaten im 13. Jahrhundert handelt lehrreich G. Sello, Branden- 
burgisch-Magdeburgische Beziehungen, Magdeburger Geschichts- 
blätter XXIII (1888), vgl. namentlich S. 71 ff. und 181 ff. 



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— 59 - 



Der Höhepunkt der magdeburgischen Bestrebungen, den 
Askanierstaat nach Osten zu überflügeln, fällt unter die Re- 
gierung Erzbischof Albrechts II. Er hat sich von König 
Philipp und wieder von Kaiser Friedrich II. den Besitz- 
titel auf das Land Lebus erteilen lassen, er hat in zähem 
Kampfe danach gestrebt, Pommern seiner Kirchenprovinz 
einzuverleiben. Sein Ehrgeiz ging aber noch weiter; hatte 
er erst mit dem Bistum Kammin die Ostsee erreicht, so 
hoffte er von da aus auch zum Vorteil seiner Kirche teil- 
nehmen zu können an dem grossen Bekehrungswerk, das 
Deutsche und Dänen wetteifernd in Livland begonnen hat- 
ten. Deutschlands dort wirkende Kolonisatoren und Missi- 
onare hatten damals einen doppelten Kampf zu führen, gegen 
die um ihre Freiheit ringende heidnische Bevölkerung des 
Landes und gegen die Nebenbuhlerschaft der Dänen 71 . Un- 
ter diesen Umständen mussten sie nach festeren Stützen 
in der Heimat suchen, ats sie das Königtum Friedrichs II. 
ihnen bot. Da wird der Blick Bischof Alberts von Riga 
auf den hochstrebenden Erzbischof von Magdeburg gefallen 
sein 72 , der gewiss sofort einging auf den lockenden Ge- 
danken, die deutsche Mission in Livland unter seine Fittiche 
zu nehmen; denn die Tätigkeit Gerhards von Bremen war 
gelähmt, seit Lübeck, der in seiner Provinz gelegene Haupt- 
hafen für die Fahrt von Deutschland nach Livland, den Dä- 
nen ausgeliefert war 73 . An der Odermündung war die dä- 
nische Oberherrschaft weniger fühlbar, von Magdeburg Hess 
sich also vielleicht über Pommern eine neue deutsche Strasse 



71. R. Usinger, Deutsch-Dänische Geschichte 1 189—1227 
(1863), 185 ff.; G. Dehio, Geschichte des Erzbistums Hamburg- 
Bremen II (1877), 160 ff. 

72. E. Winkelmann, Kaiser Friedrich IL, Bd. I (1889) 419 
wird Recht haben, wenn er in Bischof Albert von Riga denjenigen 
«ieht, der die Verbindung Livlands mit Magdeburg angeregt hat. 

73. Siehe oben S. 13 f. 



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eröffnen für die Livlandfahrten. Es konnte einem überall 
so hochangesehenen Fürsten wie Arbrecht nicht schwer fallen, 
sich die Vollmachten zur Verwirklichung solch stolzer Pläne 
zu verschaffen: 1217 verfügte Honorius III., dass die von ihm 
oder mit seinen Mitteln bekehrten livländischen Gebiete der 
Kirchenprovinz Magdeburg eingeordnet werden sollten 74 . 
Auch Friedrich II. unterstützte ebenso bereitwillig, wie er 
1214 den Danen Nordalbingien abgetreten hatte, jetzt die 
dänenfeindliche Politik des Erzbischofs in den entfernten 
Ostseeländern, die ganz jenseits seines Interessenkreises la- 
gen: er schenkte Albrecht alles Land der Heiden in Livland 
und jenseits seiner Grenzen, soweit er hier die Bekehrung 
in die Wege leitete; er übertrug ihm ferner die bereits 
christlichen Länder, die dort dem Reiche — von den Dänen 
natürlich — entfremdet waren, er verfügte endlich, dass alle 
Erzbischöfe und Bischöfe, die dort eingesetzt würden, ihre 
Regalien von der Magdeburger Kirche empfangen sollten 75 . 
Die ganze Schenkung war selbstredend nur ein Wechsel 
auf die Zukunft, Friedrich vergab mit vollen Händen, was 
er selbst nicht besass; die Bedeutung seiner Urkunde ist, 



74. MG. epp. saec. XIII, I, 24 nr. 30 (Potth. 5532a — 25928). 

statuimus, ut terra, quam in Livonia tuis et tuorum sumptibus 

et laboribus ad Christi fidem ipso adiuvante convertes, Magde- 
burgensi ecclesie metropolitico iure subsit. 

75. BF. 1001. — — eidem archiepiscopo et successoribus eius 
ac predicte Magdeburgensi ecclesie in perpetuum regia auctoritate 
donamus omnes terras et provintias paganorum ultra Livoniam et 
citra ipsius terminos constitutas, que ipso presente vel cooperante 

ad fidem converse fuerint christianam. — . Quod si 

archiepiscopos aut episcopos in terris ipsis contigerit ordinari, a 
Magdeburgensi archiepiscopo regalia illi suscipiant reverenter. 
Omnes quoque terras christianas a Romani imperii dominio alienas, 
que in illis finibus prefato archiepiscopo presente vel promovente 
fuerint imperio subjugate, ipsi ac ipsius nichilominus ecclessie sub- 
icimus et donamus cum omni plenitudine iuris predicti. 



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- 61 — 



dass sie uns die hohen Pläne Albrechts enthüllt. Alsbald 
wurde auch ein Anfang gemacht, das stolze Programm zu 
verwirklichen: der neue Bischof von Estland, Hermann, ein 
Bruder Alberts von Riga, wurde in Magdeburg geweiht 76 . 
Doch weiter kam man nicht; im Grunde war Honorius III. 
den Dänen stets geneigter als den Deutschen ; gerade da- 
mals stieg die dänische Herrschaft an der deutschen Küste 
am höchsten. Ueberdies ging Albrecht im Jahre 1221 auf 
längere Zeit nach Italien 77 , und als es ihm dort 1223 endlich 
gelang, vom Papste fdie Anerkennung seiner Rechte auf das 
Bistum Kammin zu erwirken 78 , begann gleichzeitig und ohne 
die Mitwirkung Magdeburgs die dänische Herrschaft an den 
deutschen Ostseegestaden zusammenzubrechen. Albrecht von 
Magdeburg stand unbeteiligt zur Seite, Gerhard von Bre- 
men aber kämpfte in vorderster Linie, als es galt, die Dänen 
aus Deutschland zu verjagen. Seit der Hafen von Lübeck 



76. Heinrici chronicon Lyvoniae XXIII, 11, MG. SS. XXIII, 308. 

77. Zuletzt vor der Reise ist er in Magdeburg anwesend 1221 
September 21 (von Mülverstedt, Magdeb. Regesten III nr. 374), 
nach derselben wieder seit 1224 December 3 (Magdeb. Regesten II 
nr. 719). 

78. Dreimal wurden, wie oben S. 33 f. erzählt ist, die Rechte 
Magdeburgs über Kammin von der Kurie ausdrücklich anerkannt, 
1216 Februar 3 (Potth. 5061) durch Innocenz III., 1223 April 8 
und 12 (Potth. 6987, 6995) durch Honorius HI., 1228 Juli 1, 
August 3 und 4 (Potth. 8224, 8248, 8249) durch Gregor IX. Die 
beiden letztgenannten Päpste erkannten das Recht Albrechts mit 
Magdeburg jedoch nur an, als er sich persönlich bei ihnen darum 
bemühte ; vorher und nachher traten sie für die Unabhängigkeit 
Kammins ein. Ueber die wiederholten Begegnungen Albrechts mit 
Papst Honorius III. in den Jahren 1222 und 1223 vgl. meine 
Regesten zur italienischen Reise Gernands von Brandenburg, der 
sich im Gefolge Albrechts befand, Forschgen zur Brand, u. 
Preuss. Gesch. XVII (1904), 15 f. Ueber den Aufenthalt Albrechts 
im Sommer 1228 bei Gregor IX. vgl. BFW. 6726a. 



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- 62 - 



wieder in deutschen Händen war, lag Magdeburg von Neuem 
weitab von der Strasse nach Livland; seit es entschieden 
war, dass die pommersche Kirche dem Papste direkt unter- 
stellt sein sollte, war die ganze magdeburgische Kirchen- 
provinz wieder deutsches Binnenland. Damit aber löste sich 
der Plan einer Herrschaft Magdeburgs in Livland von 
selbst in ein Nichts auf. Die letzte Spur eines kirchlichen 
Zusammenhanges zwischen Albrecht und den fernen Ost- 
seeländern zeigt sich vielleicht in der Wahl des Bischofs Ni- 
kolaus von Riga 79 , von der später die Rede sein wird. 

* * 
* 

Ein ähnliches Schicksal, wie es in späteren Jahrhunderten 
die Markgrafen von Brandenburg den Bistümern Branden- 
burg und Havelberg bereiteten, indem sie dieselben dem 
Reiche entfremdeten, blieb auch den drei übrigen Suffragan- 
bistümern Magdeburgs nicht erspart. Die Hochkirchen von 
Merseburg, Meissen und Naumburg wurden schliesslich ein 
Opfer der Markgrafen von Meissen 80 . In der Zeit Kaiser 
Friedrichs II. freilich ist davon noch nichts zu merken und 
deshalb sind diese Bistümer hier nur flüchtig zu streifen. 
Wenn sich auch schon damals zwischen Markgraf Heinrich 
dem Erlauchten und den Bistümern mancherlei Reibungen 
ergaben, die bei den verwickelten rechtlichen und territori- 
alen Zuständen dieser Gebiete nur natürlich waren 81 , so 
sind doch, soweit wir sehen, die Bischofswahlen im allge- 
meinen ohne markgräfliche Einwirkung erfolgt. 



79. Im Gegensatz zu dem in Bremen zum Bischof von Riga 
nach dem Tode Alberts I. {122g) ernannten Bischof Albert wählten 
die Domherren von Riga einen Magdeburger Geistlichen, den 
Praemonstratenser Nicolaus vom Marienstift; dieser erhielt auch 
das umstrittene Bistum. Vgl. Näheres in Kapitel VII. 

80. j. Ficker, Vom Reichsfürstenstande I (1861) § 204. 

81. F. W. Tittmann, Geschichte Heinrichs des Erlauchten I 
(1845). 45 ff. 



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— 63 — 



In Merseburg wurde Ekkehard 1215, wie es scheint, ord- 
nungsmässig gewählt 82 ; immerhin ist zu bemerken, dass er 
vor seiner Wahl ein Vertrauter des Markgrafen Dietrich von 
Meissen war 83 ; es ist also nicht ausgeschlossen, dass mark- 
gräflicher Einfluss bei seiner Erhebung mitgewirkt hat. Als 
Bischof überwarf sich Ekkehard übrigens mit seinem bis- 
herigen Gönner, dem es nicht passte, dass er seine Bischofs- 
stadt Merseburg befestigte 8 *. Die Wahl seiner beiden Nach- 
folger Rudolf (1240) 85 und Heinrich (1244) 8 « scheint ordnungs- 
mässig verlaufen zu sein, jedenfalls ist von Unregelmässig- 
keiten nichts bekannt. Ebenso werden sich die Wahlen Hein- 
richs (1228) 8 ? und Konrads (1240) 88 von Meissen in den 
gewöhnlichen Formen vollzogen haben. 

82. Vgl. meine Arbeit über die Besetzung der deutschen Bis- 
tümer unter der Regierung Kaiser Friedrichs Tl. (12 12 — 1250) I 
(1901), 46 f. 

83. Chronica epp. Merseburg. MG. SS. X, 190. 

84. A.a.O. MG. SS. X, 190; daselbst wird auch 190 f. be- 
richtet, dass Ekkehard später in Lehnsstreitigkeiten mit Markgraf 
Heinrich von Meissen geriet. 

85. Vor seiner Wahl, welche concorditer erfolgte, war Rudolf 
Domherr in Merseburg, MG. SS. X, 191. 

86. Vgl. über die Wahl Heinrichs von Warin P. Aldinger, 
a. a. O. 35 f. 

87. Wir sind sehr genau unterrichtet über die Cession Brunos, 
welche der Wahl Heinrichs von Meissen vorausgeht; vgl. Potth. 
8223 (1228 Juni 30) und zwei Briefe der Kommission, die die 
Cession entgegennahm — an ihrer Spitze stand Gernand von 
Brandenburg — an Albrecht von Magdeburg, Cod. dipl. Saxoniae 
regiae II, 1, S. 98 f. nr. 108, 109. 

88. Auf seine Wahl bezieht sich eine nur als Formel im 
Baumgartenberger Formelbuch, ed. H. Baerwald = fontes rer. Au- 
striac. B. XXV (1866), 25 f. überlieferte Urkunde Gregors IX. 
Die Eigennamen sind vielfach verändert Nach dieser Quelle war 
Konrad Magister und Kantor, ob freilich, wie die Formel sagt, im 
Magdeburger Domstift, muss unsicher bleiben. Dort lässt sich ein. 
Domkantor seines Namens nicht nachweisen. 



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— 64 - 



Um so bemerkenswerter aber ist die einzige Neube- 
setzung, die während unserer Periode in Naumburg statt- 
fand 89 ; 1242 war der Bischofsstuhl erledigt. Die meisten 
Domherren wählten den Magister Peter, der zurzeit in Paris 
studierte. Es gelang jedoch dem Markgrafen Heinrich von 
Meissen, einige Stimmen für seinen Bruder Dietrich zu ge- 
winnen, den Naumburger Dompropst. Wilbrand von Magde- 
burg Hess sich bereitfinden, den Bruder des Markgrafen zu 
bestätigen, ehe der mit besserem Recht erwählte Peter aus 
Paris herbeigeholt werden konnte. Hatte die Kandidatur Diet- 
richs wenn nicht das Recht, so doch die Macht für sich, so 
bestand trotzdem eine Schwierigkeit: Dietrich war ein ausser- 
ehelicher Sohn des verstorbenen Markgrafen Dietrich von 
Meissen; nach kirchlichem Recht war ihm also der Weg 
zum Bischofsstuhl versperrt. Das Hindernis konnte nur der 
Papst beseitigen, und Dietrich erkaufte dessen Zustimmung 
durch den Uebertritt von der staufischen zur kirchlichen Par- 
tei 90 . Da Erzbischof Wilbrand von Magdeburg dem Kaiser 
treu blieb 91 , erteilte Innocenz seinem Vorkämpfer in Deutsch- 
land, Siegfried von Mainz, den Auftrag, die Schwierigkeiten 
zu beseitigen, die der Weihe Dietrichs, des unregelmässig 
Gewählten und unehelichen Kandidaten, entgegenstanden 92 . 
Dieser Fall ist zwar vereinzelt, er zeigt aber doch, dass auch 
in Meissen die Tendenz schon bestand, die im Bereiche der 



89. Aldinger, a. a. O. 17—20 giebt eine sorgfältige Darstellung 
der Doppelwahl und ihrer Geschichte. 

90. Das9 Dietrich zunächst zur staufischen Partei gerechnet 
wurde, ergiebt sich aus seiner Erhebung durch seinen Vater und 
Erzbischof Wilbrand ; beide waren überzeugte Anhänger des Kaisers, 
Aldinger, a. a. O. IQ Anm. 1, u. 168. 

91. Siehe vorige Anm. 

92. 1243 Juli 21 (Berger 687) Zulassung der Postulation; am 
gleichen Tage (Berger 595) Erlaubnis zum Empfang der höheren 
Weihen, beide Urkunden an Siegfried von Mainz. 1244 Dezember 9 
(Berger 748) Bestätigung dieser Erlaubnis, an Dietrich. Der 



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- 65 - 



Mark belegenen Bistümer dem Willen des Markgrafen zu 
unterwerfen. Wenn diese Bestrebungen hier zunächst jedoch 
weniger erfolgreich zu Tage traten als in Brandenburg 93 , so 
liegt das gewiss in erster Linie daran, dass die Bistümer 
Merseburg, Meissen und Naumburg immerhin, dank ihrem 
ununterbrochenen Bestand seit dem 10. Jahrhundert 94 , gegen 
weltliche Machtgelüste etwas widerstandsfähiger waren, als 
die im 12. Jahrhundert tatsächlich doch neu gegründeten 
Hochstifter Brandenburg und Havelberg. 

Schreibfehler des Registers, durch den Dietrich aus dem Naum- 
burger zum Meissener Propst gemacht wird, ist leicht erklärlich, 
1245 Februar 3 (Berger 104 1) Auftrag an Siegfried von Mainz, 
Dietrich zu weihen. 

93. Berger 2369 (1247 Januar 22). 

94. Ich sehe ab von der kurzen Unterbrechung im Bestände 
des Bistums Merseburg 981 — 1004. 



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V. 

Die Bistümer Prag und Olmütz. 

Unter den Reichsfürsten nahmen die Herzöge von Böhmen 
eine ganz eigenartige Stellung ein. Böhmen war von Slaven 
bewohnt, wie die Länder zwischen Elbe und Oder; es galt 
aber doch niemals gleich diesen den Deutschen als ein zur 
Kolonisation einladendes Gebiet Durch den frühzeitigen Ein- 
tritt der böhmischen Herzöge in ein Lehnsverhältnis zu den 
deutschen Königen war Böhmen und mit ihm Böhmens 
Nebenland Mähren trotz ihrer durchweg slavischen Bevöl- 
kerung ein Teil des deutschen Reiches geworden. 

Von einer Grösse, wie sie sonst von keinem Reichsfürsten- 
tum erreicht wurde, nach aussen durch natürliche Grenzen 
abgeschlossen, bot Böhmen seinen Herzögen eine besonders 
starke und selbständige Stellung. Schon Kaiser Heinrich IV. 1 
und nach ihm wieder Kaiser Friedrich I. 2 hatten dem Rech- 



1. Heinrich IV. erhob auf der Mainzer Synode von 1085 
Herzog Wratislaw von Böhmen zum König von Böhmen und Polen; 
über den Zeitpunkt der Synode, die A. Bachmann, Geschichte 
Böhmens L (1899), 268 zum Jahre 1086 ansetzt, vgl. neuerdings 
G. Meyer von Knonau, Heinrich IV., Bd. IV (1903), Exkurs III, 
die Mainzer Synode des Jahres 1085, S. 547—550. 

2. Friedrich I. erhob Herzog Wladislaw II. zum König n 58; 
zwar verlieh der Kaiser den Reifen Herzog Wladislaw, et per eum 
omnibus successoribus suis in perpetuum (MG. CC. I, 236 nr. 170, 
Stumpf 3795); da jedoch nach Wladislaws Tod der Königstitel, 
von dem auch in der citierten Urkunde mit keinem Worte die Rede ist, 



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- 67 - 



nung getragen, indem sie die treuen Dienste des jeweiligen 
Böhmenherzogs durch Verleihung des — freilich' nur persön- 
lichen, nicht erblichen — Königstitels belohnt hatten. 

Ganz eigenartig war die Stellung, welche in diesem Reiche 
die Bischöfe einnahmen. Das böhmische Bistum Prag ver- 
dankt vielleicht 3 , das mährische Olmütz sicher seinen Ur- 
sprung einem Regierungsakte der Herzöge von Böhmen 4 , 
Jedenfalls waren beide Hochkirchen durchweg von den Lan- 
desfürsten ausgestattet worden. Die Bischöfe von Olmütz 
wurden denn auch bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts von 
den Herzögen von Böhmen ernannt 5 . Die Prager Bischöfe 
wurden im 10. und 11. Jahrhundert von Klerus und Volk, 
später vom Klerus aHein unter Mitwirkung des Herzogs ge- 
wählt Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts suchten die Her- 
zöge auch hier die aktive Mitwirkung der Wähler zur passiven 
Anwesenheit herabzudrücken: sie erstrebten die Herstellung 
des Zustandes, wie er in Olmü^a bestand, die Ernennung 
der Bischöfe durch den Landesfürsten 6 . 

Aber wie Böhmen feum Reiche gehörte, So war auch die 
böhmische Kirche der deutschen angegliedert: die beiden 
Bistümer unterstanden dem Erzbischof von Mainz; wie die 
deutschen Bischöfe, so empfingen auch die von Prag und 
Olmütz ihre Regalien vom deutschen König. Das war früher 



von den Herrschern Böhmens nicht weitergeführt wird, so ist er 
abermals, wie 1085, nur als persönliche Auszeichnung verliehen. 

3. Die neuere Literatur über die umstrittene Frage der 
Gründung des Bistums Prag fasst zusammen K. Uhlirz, Otto II. 
(1902), Exkurs II, S. 226 f.; vgl dazu neuerdings noch A. Breiten- 
bach, die Besetzung der Bistümer Prag und Olmütz bis zur Anerkennung 
des ausschliesslichen Wahlrechts der beiden Domkapitel, Zeitschr. 
des deutschen Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens 
Vin (1904), 4 ff 

4. A. Breitenbach, a. a. O. 28. 

5. A. Breitenbach, a. a. O. 28 ff". 

6. A. Breitenbach, a. a. O. 15 rT. 



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- 68 - 



so rechtens und so blieb es auch während des 12. Jahr- 
hunderts: vor ihrer Weihe mussten sie die Belehnung sich 
am deutschen Königshofe holen 7 . Diese merkwürdige 
Doppelstellung, Ausstattung durch den Herzog von Böh- 
men und Regalienverleihung durch den deutschen König, 
war widerspruchsvoll und musste notwendig zu einem Kon- 
flikt führen; denn während der Böhmenherzog die Hoheit 
über die auf Herzogsgut gegründeten Bistümer erstrebte, 
wollten die vom Könige investierten Bischöfe gleich ihren 
deutschen Amtsbrüdern Reichsfürsten sein, das heisst, dem 
Herzog gleichberechtigt gegenüber stehen. Of.en brach der 
Streit 1187 aus zwischen Herzog Friedrich von Böhmen und 
Bischof Heinrich von Prag*. Letzterer brachte die Sache 
vor das Reichshofgericht; hier fand er natürlich die Unter- 
stützung seiner bischöflichen Kollegen aus dem Reiche, und 
der Spruch lautete, dass der Bischof von Prag nicht dem 
Herzog, sondern nur dem Kaiser unterworfen sei, zu dessen 
Reichsfürsten er gehöre, von dem er die Regalien empfange 
und dessen Hoflager er besuche 9 . Dasselbe Rechtsverhältnis 
bestand auch für das Bistum Olmütz 10 . 

Die Verwirrung, in die das deutsche Reich nach dem 
Tode Kaiser Heinrichs VI. gestürzt wurde, hatte wie auf 
vielen anderen Gebieten, so auch hier den Sieg der territoria- 
len Sonderbestrebungen über das Reichsinteresse zur Folge. 
Im November 1197 ernannte Herzog Wladislaw seinen Ka- 

7. A. Huber, Böhmen und das Wormser Concordat, Mit- 
teilungen d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung II (1881), 
386-388. 

8. A. Bachmann, a. a. O. 369 f. 

9. Contin. Gerlaci, MG. SS. XVII, 693. 

10. Das ergibt sich daraus, dass die deutschen Könige Philipp 
(BF. 20) und Friedrich II. (BF. 671) Ottokar gegenüber verzichten auf 
das Recht investiendi episcopos regni sui; die Bischöfe sind die von 
Prag und Olmütz; also galt auch der letztere bis 1198 als Reichs- 
fürst. 



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- 69 — 



plan Daniel zum Bischof von Prag, und dieser, ein Werkzeug 
des Herzogs, nahm von seinem Gönner die Regalien 11 : die 
Rechte des Reiches und die der Prager Geistlichkeit waren 
gleichermassen missachtet. Einer der Domherren, Arnold 
von Saaz, machte in Rom einen Prozess gegen Daniel, dessen 
Persönlichkeit und Lebenswandel, wie es scheint, mancherlei 
Angriffspunkte boten, anhängig 12 . Er erreichte immerhin, 
dass der Papst für die Zukunft dem Prager Domkapitel 
das Wahlrecht garantierte 13 , den Prozess gegen Daniel freilich 
schlug Innocenz nieder 14 . Musste also in einem Punkte 
wenigstens die herzogliche Gewalt zurückweichen, so hatte sie 
um so vollständigeren Erfolg mit der Verletzung der Reichs- 
rechte. Der verhängnisvolle Kampf um die deutsche Krone 
war ausgebrochen, und beide Gegenkönige, Philipp wie Otto, 
bewarben sich um den wertvollen Anhang Böhmens. Der 
Nachfolger Wladislaws in der Herzogswürde, sein Bruder 
Ottokar, schloss sich, getreu der Politik seines Hauses, der 
staufischen Partei im Reiche an, freilich liess er sich seine 
Hilfe von Philipp sehr teuer bezahlen. Er erhielt von ihm 
die Königswürde, die aber nicht, wie früher zweimal, per- 
sönlich, sondern erblich verliehen wurde. Dazu wurde auch 
der Rechtsbruch von 1197 sanktioniert: die Könige von Böh- 
men erhielten das Recht, die Bischöfe ihres Reiches zu in- 
vestieren 15 ; damit wurden, entgegen der Entscheidung von 
1187, die Bistümer Prag und Olmütz aus der Reihe der 
Reichskirchen gestrichen, und es war ein schwacher Trost, 



11. Contin. Gerlaci, MG. SS. XVII, 708. 

12. Contin. Gerlaci 708 f.; vgl. Potth. 75 (1198 April 8), 
Potth. 1672 (1202 Mai 5). 

13. Potth. 75: Canonicis etiam Pragensibus eligendi sibi 
pastorem idoneum iuxta formam canonicam concedas auctoritate 
nostra liberam facultatem (an den Erzbischof Ludolf von Magdeburg). 

14. Potth. 1672. 

15. ßF. 29. 



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— 70 - 



Wenn Philipp hinzufügte, es sollten ihnen im übrigen die 
gleichen Rechte und Freiheiten erhalten bkiben, die ihnen 
Ibisher zugestanden hätten 16 . 

Der grosse Erfolg, mit dem so Ottokar seine Regierung 
begonnen hatte, war aber erst dann vollkommen, wenn er 
auch die kirchliche Anerkennung gefunden hatte. Der neue 
Böhmenkönig verstand es, Innocenz III. zu behandeln; er 
wusste, dass der Papst in jenen Jahren einem deutschen 
Fürsten alle Wünsche erfüllte, wenn er sich nur zu König 
Otto hielt, während die Anhänger Philipps sich von der 
Kurie alles Schlimmen versehen konnten. Nachdem Ottokar 
mit Innocenz ins Reine gekommen war, nachdem der Papst 
den Bischof Daniel bestätigt und seinem Herrn die An- 
erkennung seiner Königswürde gegebenen Falls in Aussicht 
gestellt hatte, trat dieser von der staufischen zur weifischen 
Partei über 17 . Am 19. April 1204 hatte der Böhme erreicht, 
was er wollte; der Papst redete ihn als König an 18 . Ein 
siegreicher Feldzug Philipps nach Böhmen überzeugte ihn 
jedoch, dass der staufischen Partei in Deutschland die Zu- 
kunft gehörte 19 . Zum Märtyrer für Otto IV., dem er nur aus 
selbstsüchtigen Gründen sich angeschlossen hatte, fühlte sich 
Ottokar nicht berufen: so wurde er wieder Philipps Partei- 



16. Wir kennen nur die Urkunde Friedrichs II. für Ottokar 
von 1212 Septemher 26 (BF. 671), die sich als Bestätigung der 
Urkunde Philipps Riebt; schon in dieser wird sich bei Aufgabe der 
beiden Bistümer der Zusatz gefunden haben, dass dies geschehen 
sei ita tarnen quod ipsi (die Bischöfe) ea gaudeant übertäte et se- 
curitate, quam a nostris predecessoribus habere consueverunt (MG. 
CC. II, 54 nr. 43). Erst mit dem nächsten Satz beginnen die Ver- 
fügungen, die Friedrich über die Urkunde Philipps hinaus erlässt 
(de nostre autera liberalitatis munificentia statuimus etc.). 

17. E. Winkelmaun, Philipp von Schwaben (1873), 283 fr. 

18. Potth. 2186. 

19. Winkelmann, a. a. O. 327 ff. 



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- 71 — 



mann. Da es jetzt mit dem welfiseheni Königtum so rasch 
bergab ging, dass selbst der Papst seinen Schützling aufzu- 
geben gedachte, so schadete dem Böhmenkönig seine aber- 
malige Schwenkung nicht ; er blieb nach wie vor, auch in den 
Augen der Kurie, ein König. 

Zu den Bedingungen, welche Ottokar dem Papste als 
Preis für seinen Abfall von Philipp von Schwaben genannt 
hatte, gehörte neben der Bestätigung des Bischofs Daniel 
und der Anerkennung seines eigenen Königstitels noch ein 
weiterer Wunsch: der neue Böhmenkönig wollte den Glanz 
seines Reiches dadurch mehren, dass es künftig eine eigene 
Kirchenprovinz bilden sollte. Die Bistümer Prag und Olmütz 
sollten von dem Erzbistum Mainz abgetrennt werden unter 
gleichzeitiger Erhebung Prags zur Metropole. Daniel von 
Prag, der in Sachen seines Prozesses 1202 in Rom erschienen 
war 20 , wird auch in diesem wichtigen Punkte mit dem Papst 
verhandelt haben; ausserdem unterstützte König Emmerich 
von Ungarn das Gesuch seines Schwagers Ottokar 21 . In der 
Tat konnte Ottokar eine Anzahl von Gründen ins Feld füh- 
ren, um die Berechtigung seines Begehrens nachzuweisen 22 . 
Die Diözese Prag war ganz besonders umfangreich und 
übermässig weit von ihrer jetzigen Metropole Mainz ent- 
fernt. Dazu kam, dass in Mainz eine andere Sprache ge- 
sprochen wurde als in den beiden slavischen Bistümern. 
Gerade dieser Grund musste geeignet sein, in Rom Eindruck 
zu machen. Schon öfters hatte man früher die Gelegenheit, 
die mächtigen deutschen Erzbistümer zu schwächen, er- 
griffen, wenn sich in den ihnen untergebenen Gebieten nicht- 
deutscher Zunge Selbständigkeitsgelüste regten 23 . Rom allein 
wollte international sein, alle dem Papst untergeordneten 



20. Potth. 1672. 
2t. Potth. 2191. 

22. Potth. 2188, 2 191. 

23. Siehe oben S. 3 f. 



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- 72 - 



Kirchengewalten waren an nationale Grenzen gebunden. End- 
lich meinte Ottokar, der ihm vom Reiche verliehenen Königs- 
würde müsse doch naturgemäss ein vom Papsttum geschaffe- 
nes böhmisches Erzbistum entsprechen. 

Es ist nicht ganz leicht, sich ein klares Bild davon zu 
machen, wie sich Innocenz zu diesem Ansinnen stellte. Prin- 
zipiell dürfte er einverstanden gewesen sein, da der Plan 
durchaus den Grundsätzen römischer Kirchenpolitik ent- 
sprach. Sicher aber ist, dass ihm in dem Augenblick, wo die 
Sache an ihn herantrat, der Vorschlag Ottokars ungelegen 
kam. Geschädigt wurde bei der Durchführung das Erzbis- 
tum Mainz. Um den Mainzer Stuhl rangen damals Lupoid 
von Worms, der staufische Parteigänger, und Siegfried, des 
Papstes Kandidat 24 . Wenn nun jetzt Innocenz Siegfried, 
mit dem allein er natürlich in der Sache verhandeln konnte, 
zumutete, er solle seine Kirchenprovinz um zwei wertvolle 
Bistümer verkleinern, und wenn Siegfried, wie er es dem 
Papste schuldig war, sich dieser Forderung fügte, so war 
sicher, dass er damit die wenigen Sympathien, die er damals 
in Mainz besass, vollends verscherzen würde 25 . Darauf 
musste Innocenz ebenso Rücksicht nehmen, wie auf die 
Wünsche des Böhmenkönigs. Demnach behandelte er die 
Frage hinhaltend. Ottokar forderte er auf, mit ihm weiter 
über den Plan in Rom zu verhandeln, ausserdem kündigte er 
die Absendung eines besonderen Gesandten an 26 ; Siegfried 
von Mainz benachrichtigte er von den böhmischen Anträgen 27 , 
ohne zu denselben Stellung zu nehmen. Gleichzeitig aber 



24. R. Schweiner, Innocenz III. und die deutsche Kirche (1882), 
33 ff., 39 ff , 45 ff. 

25. Schwemer, a. a. O. 47 f., vgl. Potth. 2192; aus dieser Ur- 
kunde geht hervor, wie gering der Anhang, den Siegfried damals 
in Mainz hatte, war. 

26. Potth. 2 191 (1204 April 21). 

27. Potth. 2i 88. 



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benutzte der schlaue Politiker die Waffe, die Ottokar gegen 
das Mainzer Erzstift geschmiedet hatte, um mit ihr einen 
Druck auszuüben auf die grösstenteils staufisch gesinnten 
Mainzer Domherren und Ministerialen. Er drohte ihnen, 
wenn sie sich nicht von Lupoid zu Siegfried wenden woll- 
ten, so würde er zur Strafe die Mainzer Kirchen provinz 
verkleinern 28 . Es wird wohl niemand in Mainz an diese 
Worte des Papstes ernstlich geglaubt haben, denn durch 
die angedrohte Massregelung des Erzbistums wäre doch auch 
der Erzbischof, für den Innocenz kämpfte, geschädigt worden. 

Die auf die Hinausschiebung der Entscheidung hinarbei- 
tende Politik des Papstes war von Erfolg; für ein Jahrzehnt 
fehlt jede weitere Nachricht über den Plan des Erzbistums 
Prag. Die stürmischen Jahre 1204 bis 1214, die den Böhmen- 
könig fortwährend in die deutschen Kämpfe hineingezogen, 
waren auch wenig geeignet zur Durchführung einer so ein- 
schneidenden Aenderung der hierarchischen Gliederung 
Deutschlands. Ottokar bewies abermals richtigen politischen 
Blick, indem er als einer der ersten unter den deutschen 
Fürsten sich von Kaiser Otto abwandte und zu Friedrich II. 
übertrat 21 *, der ihm zum Dank die Urkunde bestätigte, durch 
die einst sein Oheim Philipp von Schwaben die beiden Bis- 
tümer dem Böhmenkönig ausgeliefert hatte 30 . Erst als das 
weifische Kaisertum für überwunden gelten konnte, als sich 
die Zustände Deutschlands unter dem Königtum Friedrichs II. 
wieder beruhigten, nahm man in Böhmen die Versuche wie- 
der auf, die kirchliche Selbständigkeit zu verwirklichen. In 
einem Punkte unterscheidet sich aber die jetzt beginnende 
zweite Phase dieser politischen Aktion wesentlich von der 
ersten : während damals durchaus König Ortokar der treibende 
in den Verhandlungen war, ist jetzt der vorwärts drängende 



28. Potth. 2192. 

29. E. Winkelmann, Otto IV. (1878), 279 f. 

30. BF. 671 (12 12 September 26). 



— 74 — 



vielmehr der Bischof von Prag. Die Ursache dieser Aende- 
rung liegt in dem Bischofs Wechsel, der in Prag stattgefunden 
hatte. 1214 War Daniel gestorben; wie er dem Herzog 
Wladislaw allein seine bischöfliche Würde zu danken ge- 
habt hatte, so blieb er der gehorsame Diener König Otto- 
kars 31 . Auch sein Nachfolger Andreas wird das Bistum durch 
den Einfluss des Königs erhalten haben, dessen Kanzler 
er bisher War 32 . Um die Notwendigkeit, sich durch Sieg- 
fried von Mainz weihen zu lassen, zu umgehen, begab sich 
Andreas nach Rom zum Papst, wo er während des grossen 
Laterankonzils am 22. November 1215 die Bischofsweihe 
empfing 33 . Dort legte er auch den Plan wieder vor, Prag 
zum Erzbistum zu erheben und gleichzeitig Suffraganbistümer 
der neuen Kirchenprovinz in Böhmen einzurichten 3 *. Was 

31. Vgl. über ihn und die Zeit seiner Regierung die panegy- 
rische, aber quellenmässige Darstellung von A. Frind, Kirchen- 
geschichte Böhmens II (1866), 2 ff. 

32. Dafür, dass die Wahl unter königlichem Einfluss stattge- 
funden habe, spricht, dass der Erwählte der königliche Kanzler 
war; B. Dudik, Mährens allgemeine Geschichte V (1870), 92 glaubt 
die Ernennung'des Bischofs durch den König annehmen zu müssen; 
vgl. dagegen Frind, a. a. O. 12 f. 

33. Canonicor. Prägen, contin. Cosraae, MG. SS. IX, 170. Das 
Konzil dauerte von November 11—30. 

34. Das geht hervor aus einer Urkunde Honorius' III. von 
1221 Juni 19 (Potth. 6689), in der der Papst seinem Legaten über 
den Plan des Erzbistums Prag schreibt: Sic enim, ut episcopus 
ipse (nämlich Andreas) proponit, Status libertatis ecclesiastice in 
terra illa roborari valebit; quod attendens felicis recordationis In- 
nocenlius papa predecessor noster, suis supplicationi huiusmodi au- 
ribus inclinatis, in parte super hoc procedere procuravit. Zur Zeit 
Bischof Daniels war Innocenz III. aus den oben angegebenen 
Gründen dem Plane weder ausgesprochen geneigt, noch wurde ihm 
dieser von König Ottokars Boten damals empfohlen als eine Mass- 
regel zur, Stärkung der kirchlichen Freiheit in Böhmen. Diese 
Motivierung stammt offenbar erst von Andreas; hat er sich aber 



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- 75 — 



zunächst aus der Sache wurde, ist unbekannt Nach Böhmen 
zurückgekehrt, begann der neue Bischof, dem es wohl passen 
mochte, Erzbischof zu werden, der aber nicht Erzbischof 
von des Königs Gnaden sein wollte, gegen die Machtstellung, 
wie sie Ottokar in der böhmischen Kiirche dan|k der Schwäche 
Bischof Daniels errungen hatte, vorzugehen. So entstand 
rasch ein heftiger Kampf zwischen dem weltlichen und dem 
geistlichen Machthaber in Böhmen 35 . König Ottokar mochte 
jetzt einsehen, dass ein Erzbistum Prag doch eine Macht 
war, die ihm leicht über den Kopf wachsen konnte. Er Hess 
daher seine Pläne falten und ist wohl nicht auf sie zurück- 
gekommen. Im Gegenteil, um sich seines widerspenstigen 
Bischofs besser erwehren zu können, knüpfte er direkt wieder 
die Verbindung mit Siegfried von Mainz an, den er seit 
Jahren aus der böhmischen Kirche hatte aussthliessen wollen. 
Siegfried war kein Fremdling in Böhmen; in jungen Jahren 
hatte er als Propst von Wyssehrad eine der ersten kirchlichen 
Würden in Böhmen bekleidet 36 ; so geTang die Verständigling 
mit Ottokar rasch und vollständig. Als am 10. April 1217 
Andreas im Kampfe mit dem König das Interdikt auf Böhmen 
gelegt hatte 37 , hob es Siegfried schon im Mai wieder auf 38 , 
was ihm heftige Vorwürfe seitens des Papstes eintrug 39 . 
Während des jahrelangen böhmischen Kirchenstreites 



Innocenz gegenüber derselben bedient, so kann dies nur 1215 auf 
dem IV. Laterankonzil geschehen sein. 

35. Vgl. A. Bachmann, Geschichte Böhmens I (1899), 456 ff ; 
A. Frind, a. a. O. II., 14 ff. 

36. Böhmer-Will, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erz- 
bischöfe II (1886), S. XVI. 

37. Canonicor. Prägen, contin. Cosmae, MG. SS. IX, 170 
fälschlich zum Jahre 12 16. 

38. 1207 Mai 29; MG. SS. IX, 170. 

39. 12 17 Juli 20 (Potth. 5582); Siegfried erhielt Befehl, binnen 
20 Tagen das Interdikt wieder herzustellen, 



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— 76 — 



schwand vollständig die Aussicht auf Errichtung des Erzbis- 
tums Prag, und es war ganz vergeblich, wenn 1221 Papst 
Honorius III. darauf zurückkam 40 . Ottokar wollte offenbar 
von der Sache nichts mehr wissen. Einigen Gewinn aus den 
böhmischen Wirren zog die Kurie, deren Einfluss im König- 
reich während dieser Jahre zunahm. Das zeigen die nächsten 
Besetzungen des Prager Bistums deutlich. 1224 starb An- 
dreas als politischer Verbannter zu Rom 41 . Honorius er- 
nannte nun eine Kommission, nach deren Anweisungen die 
Prager Domherren einen neuen Bischof wählen sollten, und 
dieser sollte sich dann samt einer Abordnung seiner Wähler 
dem Papste vorstellen 42 . Eine derartige Beaufsichtigung der 
Wahl bedeutete einen Eingriff in die Rechte Siegfrieds von 
Mainz: man darf trotz des 'Beschwichtigungsschreibens, das 
der Papst ihm schickte 43 , schliessen, dass man an der Kurie 
noch hoffte, Böhmen von Mainz zu lösen, das Prager Erz- 
bistum zu verwirklichen. Ehe jedoch die päpstlichen Wei- 
sungen eintrafen, war man in Prag schon zur Wahl ge- 
schritten, die auf den Prager Domherrn Peregrin fiel, und 
Siegfried hatte den Erwählten sofort bestätigt 44 . Darum 
konnte ihn Honorius eigentlich nicht tadeln, wenngleich ihm 



40. Potth. 6689 (1221 Juni 19). 

41. MG. SS. IX, 171. 

42. Potth. 7302 (1224 Oktober 4) Ernennung der Kommission; 
Potth. 7303 (desgl.) Anweisung betreffs der Wahl an das Domkapitel 
von Prag. 

43. Potth. 7304 (1224 Oktober 4). Am 7. Oktober schrieb 
Honorius in gleicher Angelegenheit auch an König Ottokar von 
Böhmen (Potth. 7306). 

44. Vgl. Potth. 7383. Uebrigens war Peregrin schon Bischof, 
ehe die päpstlichen Weisungen betreffs der Neuwahl aus dem 
Lateran abgegangen waren; vgl. seine Erwähnung zu 1224 Oktober 1 
bei C. J. Erben, Regesta Bohemiae et Moraviae I (1855), 312 
nr. 677. 



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- 11 - 

Peregrin vielleicht nicht gerade genehm war 45 ; wohl aber 
erregte es des Papstes höchsten Zorn, dass Siegfried, nach- 
dem er erfahren hatte, dass die Kurie sich die Prüfung der 
Prager Wahl vorbehalten hatte, dennoch zur Weihe Pere- 
grins schritt 46 . Es lag dem deutschen Erzbischof offenbar 
daran, vor aller Welt zu zeigen, dass er nacht daran dachte, 
sich seiner Rechte in Böhmen zu begeben. Peregrin wurde 
sofort nach Rom vorgeladen; er zog es jedoch vor, sein 
Bischofsamt in die rtände des in Deutschland weilenden 
päpstlichen Legaten Konrad von Porto niederzulegen 47 . Der 
nunmehr gewählte Budislaus starb schon im Jahre 1226 zu 
Rom 48 , wohl ohne sein Amt angetreten zu haben 49 . 

Die Neuwahl nahm wieder der Papst in die Hand; er 
verfügte, dass eine Kommission der Wähler zu ihm kommen 



45. Er hatte zu den Gegnern des verstorbenen Bischofs gehört, 
vgl. A. Frind, a. a. 0. II, 23. 

46. Potth. 7383 (1225 März 20). 

47. So berichtet Frind, a. a. O. I, 23 f. Ich habe eine 
Bestätigung seiner Angabe in den Quellen nicht finden können, 
halte dieselbe aber für durchaus glaubhaft. Conrad von Porto 
weilte im Sommer 1225 in Prag, wo er nachweislich am 26. Juni 
mit Bischof Peregrin zusammentraf (BFW. 10033a), der also kurz 
darauf sein Amt niederlegt haben muss. Auch Gregor IX., der 
sich des ehemaligen Bischofs annahm, berichtet nur, er hätte auf 
das Bistum verzichtet itonorii pape consilits humiliter acquiescens 
(Potth. 8894); wäre dies in Gegenwart des Honorius geschehen, so 
würde sich Gregor vermutlich einer anderen Wendung bedient haben. 

48. Potth. 7602 giebt als Todestag des Bischofs den 10. Juli an. 

49. Vermutlich doch war er, wie es Honorius für die Neuwahl 
nach dem Tode des Andreas vorgeschrieben hatte, als electus nach 
Rom gegangen, empfing dort vom Papste die Weihe und starb 
dann, ohne als Bischof Böhmen betreten zu haben. Die Dar- 
stellung bei Frind, a. a. O. II, 24 f. ist fehlerhaft; der zu 1225 Juni 26 
erwähnte Bischof von Prag (siehe oben Anm. 47) ist nicht 
Budislaus, sondern Peregrin. 



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- 78 - 



sollte 50 . An der Kurie wurde der Prager Scholastikus Jo- 
hann gewählt, jedoch erst nach dem Tode Honorius' III. 51 . 
Sein Nachfolger Gregor IX., nicht wie der Verstorbene inter- 
essiert für den Plan des Prager Erzbistums, suchte die böh- 
mischen Ausnahmezustände zu beseitigen 52 . Er übertrug der 
Passauer hohen Geistlichkeit die Prüfung der Person des 
Gewählten, und nach dem günstigen Ausfall derselben Sieg- 
fried die Vornahme der Weihe 63 . Entsprechend der päpst- 
lichen Weisung wurde Bischof Johann am 19. Dezember 1227 
durch den Erzbischof von Mainz geweiht 54 ; und damit darf 
der Plan des Prager Erzbistums als beseitigt gelten. Bei 
der wenige Wochen später erfolgten Krönung von Ottokars 
Sohn Wenzel durch Siegfried bekannten die beiden böhmi- 
schen Könige ausdrücklich, dass den Mainzer Erzbischöfen, 
als den Metropoliten Böhmens, für alle Zeiten das Recht, 
die Könige von Böhmen zu weihen und zu krönen, zustehen 



50. Potth. 7602 (1226 Juli 21). Der schon hier vom Papste 
geübte Brauch, dass die Neubesetzung einer apud sedem apostolicam 
erledigten Pfründe ihm zustehe, wurde allmählich in den nächsten 
Jahrzehnten zur Gewohnheit; Clemens IV. machte endlich 1*65 
August 27 (Potth. 19326) aus dem Gewohnheitsrecht ein Gesetz. 
Seine Verfügung fand Aufnahme in das Kirchenrecht, c. 2 in VI* 0 
de praebendis et dignitatibus III, 4. 

51. Die Wahl verlief nicht sehr glatt; vgl. Urkunde Gregors IX. 
von 1227 April 30; Auvray, les registres de Gregoire IX. nr. 69. 
Honorius III. war 1227 März 18 gestorben. 

52. Er nahm sich auch des früheren Bischofs Peregrin an 
indem er ihm aus den Mitteln des Bistums Prag eine Rente von 
120 Mark anwies, die er später, um den Seckel des Bistums nicht 
zu sehr in Anspruch zu nehmen, auf 100 Mark herabsetzte; Potth. 
8894 (1232 März 10). 

53. Auvray nr. 69. 

54. Annal. Erphord. fratr. praedic. in Monumenta Erphesfurt. 
(MG. SS. rer. Germ.) 81; die Weihe fand in Erfurt statt. 



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- 79 



sollte 55 . Deutlicher konnte Ottokar nicht erklären, dass er 
von einem Prager Erzbistum nichts mehr wissen wollte. 
Die Schuld am Scheitern des Planes wird man in erster Linie 
der Unverträglichkeit des Bischofs Andreas beimessen 
müssen, durch die König Ottokar von der Prager Kirche, 
die er erhöhen wollte, abgestossen wurde. Ein Uebriges 
wird die geschickte Politik Siegfrieds getan haben, der be- 
strebt war, das Band zwischen dem König von Böhmen und 
der Mainzer Kirche wieder zu festigen. Innocenz III. durfte 
aus Gründen der Politik in der Angelegenheit nicht Farbe 
bekennen, Honorius III. trat für den Plan ein und holte sich 
dabei eine Niederlage, die nicht aufgewogen wurde durch 
die beherrschende Stellung, die es ihm vorübergehend ge- 
lang, bei den Prager Bischofswahlen zu erringen. 

Entsprechend der konservativen Politik, die Gregor IX. 
in dieser Angelegenheit einschlug, trägt die nächste Bistums- 
besetzung wieder ein friedliches Gepräge. 1236 starb Bischof 
Johann 50 . Zu seinem Nachfolger wurde der Prager Scho- 
lasticus Bernhard gewählt 57 . Seine Bestätigung vollzogen im 
Auftrage Siegfrieds III. von Mainz drei Erfurter Geistliche 58 . 
In Erfurt nahm dann auch am 10. Mai 1237 Siegfried die 

4 

55. Die Krönung erfolgte am 6. Februar 1228 zu Prag; 
canonicor. Prägen, contin. Cosmae, MG. SS. IX, 171; Ottokar und 
Wenzel urkundeten für Siegfried von Mainz (BFW. 11007): confi- 
teraur et publice protestamur, quod tarn nos quam'omnes successores 
nostri consecrationem regalem et diadematis impositionem de sacro- 
sanctae sedis Moguntinae archiepiscopo, terrae nostrae metropolitano, 
in perpetuum'tenemur recipere. Die Urkunde ist unter Zustimmung 
der Bischöfe von Prag und Olmütz ausgestellt 

56. Er starb am 17. August; MG. SS. Dt, 171. 

57. Die Angabe Frinds, a. a. O. II, 28, die Wahl habe statt- 
gefunden am~io. September und in Anwesenheit König Wenzels, 
finde* ich nicht quellenmässig belegt. 

58. Annal. Erphord. fratr. praedicat. in Monum. Erphesfurt. 
(MG. SS. rer. Germ.) 92. 



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- öo - 

Weihe des neuen Bischofs vor 59 . Bemerkenswert ist, dass 
unter den Bischöfen, welche bei der feierlichen Handlung 
assistierten, auch der ehemalige Prager Bischof Peregrin sich 
befand. Der Mainzer Erzbischof erkannte also dem Manne, 
den einst sein Amtsvorgänger und Oheim Siegfried II. geweiht 
hatte, der dann aber dem päpstlichen Unwillen hatte weichen 
müssen, nach wie vor den bischöflichen Rang zu 60 . 

Auf Bernhard folgte schon vier Jahre später der Prager 
Domherr Nikolaus von Riesenburg. Immerhin zeigte sich, 
dass man den Plan, Prag vom Mainzer Erzbistum zu lösen, 
noch nicht ganz vergessen hatte: Nikolaus begab sich nach 
Rom zu Papst Gregor IX., dieser bestätigt« seine Wahl, 
weihte ihn eigenhändig 61 und erteilte ihm die Vergünstigung, 
dass er ihn für vier Jahre von der geistlichen Zensur Sieg- 
frieds von Mainz befreite 62 . Diese wunderliche Bestimmung 
bringt offenbar zum Ausdruck, dass die Bestrebungen zur 
Errichtung des Erzbistums Prag noch einmal auflebten, denen 
der Papst, vielleicht nur zum Schein, entgegenkam. Unent- 



59. Annal. Erphord. 92 f. 

60. Es kommt auch sonst vor, dass ein ehemaliger Bischof, dem 
sein Rang und Titel natürlich nur dann bleiben konnte, wenn er 
sein Amt freiwillig niedergelegt hatte, nicht aber desselben entsetzt 
war, später derartige Amtshandlungen, wie sie nur ein Bischof vor- 
nehmen durfte, ausführte. So beteiligte sich z. B. der ehemalige 
Bischof von Halberstadt, Konrad von Krosigk, 121 6 an der Weihe 
Ekkehards von Merseburg; vgl. meine Arbeit über die Besetzung 
der deutschen Bistümer unter der Regierung Kaiser Friedrichs II., 
S. 46 f. 

61. Contin. Cosmae, MG. SS. IX, 171; vgl. den Brief Gregors IX. 
an König Wenzel, 1241 Mai 29 (Potth. 11022). 

62. Potth. 11023 (1241 Mai 30): concedimus, ut venerabilis 
frater noster . . archiepiacopus Maguntinus, metropolitanus tuus, in 
te interdicti vel suspensionis aut excommunicationis sententiam ferre 
non valeat absque nostra licentia speciali, presentibus post quadri- 
ennium minime valituris. 



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- 81 - 



schieden muss bleiben, wer die Sache nochmals 1 anregte; 
jedenfalls war die päpstliche Vergünstigung ohne weitere Fol- 
gen: das Prager Erzbistum wurde erst ein Jahrhundert späler 
verwirklicht 63 . — 

Viel weniger ist über das Bistum Olmütz zu berichten. 
Zusammen mit Prag verlor es 1198 seine Stellung als Reichs- 
bistum. Robert, der 1201 den Bischofsstuhl bestieg, wurde, 
wie bisher alle Bischöfe von Olmütz, durch den Landesherrn 
ernannt. Dass Olmütz der geplanten Erzdiözese Prag ange- 
gliedert werden sollte, ist zwar nirgends ausdrücklich be- 
zeugt, aber wohl nicht zu bezweifeln. 1207 trug König Otto- 
kar dem Geiste der Zeit Rechnung, indem er auf das Recht, 
die Olmützer Bischöfe zu ernennen, verzichtete und dem 
Domkapitel die freie Bischofswahl zugestand 64 . Im böhmi- 
schen Kirchenstreit stand Robert von Olmütz auf Seiten Otto- 
kars 65 . Fast 40 Jahre regierte der Bischof, dessen Lebens- 
wandel nicht gerade der beste war 66 , seine Diözese. Alt 



63. Clemens VI. erhob Prag 1344 April 30 zum Erzbistum. 

64. Regesta ßohemiae et Moraviae I (1855) 228 nr. 501 ; liber- 
tatem etiam in episcoporum electione, quam quidam prineipes 
impedire solebant, canonicis ipsius ecclesiae secundum iura canonum 
libere et absolute concedimus. 

65. 12 18 März 29 macht Honoriu9 III. dem Bischof von Olmütz 
Vorwürfe, weil er trotz des auf Böhmen ruhenden Interdiktes feier- 
lichen Gottesdienst in Prag gehalten hatte (Potth. 5737). 

66. 12 19 Januar 18 ernennt Honorius III. eine Kommission zur 
Untersuchung der dem Bischof zur Last gelegten schweren sittlichen 
Vergehen (Potth. 5964). Das Cölibat war damals in Mähren so 
wenig durchgeführt wie in Böhmen; Andreas von Prag setzt« sich 
durch seine rücksichtlosen Versuche, die Ehelosigkeit der Geist- 
lichen zu erzwingen, in Gegensatz zu seinem Klerus, während 
Robert von Olmütz sich nicht versagte, was viele andere Geistliche 
seiner Diöcese taten: vgl. über die Zustände im Olmützer Dom- 
kapitel Potth. 11 129 (1243 September 11). Uebrigens scheint 
Robert, wie er es mit den Sittlichkeitsvorschriften nicht gerade 



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- 82 - . 

und krank bat er endlich den Papst, sein Amt niederlegen zu 
dürfen 67 ; Gregor gewährte die Bitte und der Metropolit 
Siegfried III. von Mainz, der die Gelegenheit der Sedisvakanz 
benutzte, die ihm unterstellte Diöeese zu visitieren, fand 
mancherlei bedenkliche Missstände, die unter dem Regiment 
Roberts eingerissen waren 68 ; er exkommunizierte den Dekan 
und einige Domherren. Spaltungen, die dadurch im Dom- 
kapitel entstanden, bewirkten, dass der gesetzliche Wahl- 
termin verstrich, ohne dass das Bistum neu besetzt war. 
Siegfried nahm auf Grund des Devolutionsrechtes die Bestel- 
lung eines Bischofs jetzt für sich in Anspruch und ernannte 
den Hildesheimer Kanoniker Konrad Von Friedberg; die Ant- 
wort der frondierenden Domherren war, dass 1 sie nunmehr 
ihrem Kollegen Wilhelm ihre Stimmen gaben 69 . Der dadurch 
ausbrechende Streit um das Bistum Olmütz steht unter dem 
Zeichen des Vernichtungskampfes der Kurie gegen Friedrich II. 
Konrad war in der Oberhand und begann tatsächlich die Re- 
gierung seiner Diözese anzutreten. Massregeln, die seine 
Widersacher gegen ihn, den Schützling des staufisch gesinnten 
Böhmenkönigs, bei Gregor IX. erwirkten 70 , waren erfolglos. 

streng nahm, auch sonst manchmal dem Dogma der Kirche gegen- 
über eine freiere Meinung sich erlaubt zu haben. Am 31. März 1237 
machte ihm Gregor IX. heftige Vorwürfe, weil er es für unerlaubt 
erklärt hatte, den heiligen Franz mit den Wundmalen Christi dar- 
zustellen (Potth. 10308). 

67. Vgl. Potth. 10842 (1240 Januar 17). 

68. Vgl. für die Neubesetzung des Bistums Olmütz Aldinger, 
a. a. O., 22 — 27. 

69. In der so versuchten Weise werden sich am besten die 
beiden aus Potth. 11 129 bekannten, einander widersprechenden 
Parteiberichte über den Ausbruch des Schisma vereinigen lassen; 
möglich ist auch, dass trotz eingetretener Devolution das Kapitel 
zur Wahl schritt, und dass nun Siegfried, um sein Recht zu wahren, 
den Hildesheimer Domherrn ernannte. Vgl. die Darstellung bei 
Aldinger, a. a. O. 23. 

70. Potth. 11002 (1241 April 13). 



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- 83 - 



Unter Papst Innocenz IV. begannen sie aufs Neue für ihren 
Kandidaten Wilhelm zu arbeiten 71 . Da Konrad durch die Ver- 
folgung derer 72 , die des Papstes Hülfe anriefen, in Gegensatz 
zu Innocenz geriet und sich nicht um die kirchlichen Zwangs^ 
mittel kümmerte, die dieser gegen ihn anwandte 73 , so erklärte 
der Papst seine Ernennung, da sie nicht ganz gesetzlich zu 
Stande gekommen war, für ungültig 74 . Er bestritt also das 
von Siegfried von Mainz 'behauptete Devolutionsrecht, obwohl 
der Erzbischof sich mit seiner Auffassung auf das geltende 
Kircbenrecht berufen konnte 75 . 



71. Potth. 11 129 (1243 September 11). 

72. Potth. 1156g (1245 März 3); vgl. Potth. n 570. 

73. Innocenz hatte Konrad von Olmütz zweimal vergeblich nach 
Lyon citiert, 1243 September u (Potth. n 129) und wieder 1245 
März 11 (Potth. 11 587); am gleichen Tage wurde Konrad auch 
vom Papste suspendiert (Potth. 11588). 

74. Potth. 11 891 (1245 September 20). 

75. Das IV. Laterankonzil hatte 1215 bestimmt (cap. XXI II 
quod ecclesia cathedralis vel regularis ultra tres menses non vacet 
= cap. 41 de electione X, 1, 6), dass die Bischofswahl an eine 
Frist von drei Monaten gebunden sei; verstrich diese ungenützt, so 
devolviere das Recht, einen neuen Bischof zu bestellen, an den 
nächsthöheren kirchlichen Vorgesetzten des Bistums, der seinerseits 
in Ueberein Stimmung mit dem Kapitel zu handeln habe. Siegfried 
von Mainz war also durchaus im Recht, wenn er die Ernennung 
des Bischofs nach Verstreichung der Frist für sich beanspruchte; 
eine Uebereinstimmung mit den Domherren, die er eben zum Teil 
hatte exkommunizieren müssen, war nicht zu erzielen. Innocenz 
legte denn auch wenig Wert auf die angebliche Ungesetzlichkeit 
der Ernennung Konrads, die er nicht eben schroff nur minus 
legitime zustande gekommen nannte, Potth. 11 891. Wilhelm, der 
tatsächlich ungesetzlich gewählte, musste verzichten; Konrads Ver- 
brechen war, dass er mit dem staufisch gesinnten König Wenzel 
zusammenging, deshalb wurde er abgesetzt. Aldinger, a. a. O. 25 
behauptet zu Unrecht, Siegfried habe auf Grund der Devolution 
ein ihm nicht zustehendes Recht beansprucht. 



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84 — 

Die Rücksicht auf den Böhmenkönig, den man von der 
staufischen Partei abzuziehen hoffte, Hess es aber nicht ge- 
boten erscheinen, Wilhelm, der bisher in schroffem Gegensatz 
zu Wenzel gestanden hatte, an Stelle Konrads zu setzen. So 
musste dieser seinen Ansprüchen auf das ersehnte Bistum 
entsagen und nunmehr ernannte der Papst seinen Kaplan, 
den Grafen Bruno von Holstein, einen Schaumburger, bisher 
Propst von Lübeck und Hamburg 76 . Trotzdem der Papst alles 
aufbot, seinem Kandidaten die Besitzergreifung des Olmützer 
Stuhls rasch zu ermöglichen 77 , gelang dies doch nicht eher, 
als bis Wenzel aus politischen Gründen seinen Abfall von der 
Stauferpartei für zweckmässig erachtete 78 . Zum Papste über- 
tretend, hatte er keine Ursache, sich gleich wieder mit ihm 
über die Person des Bischofs von Olmütz zu entzweien. So 
Hess er jetzt Konrad fallen, sorgte indes dafür, dass seine Stel- 
lung für die Zukunft gesichert blieb 79 , und dass die Geist- 
lichen, welche in dem bisherigen Kampfe der päpstlichen 
Partei für Bruno von Strafsentenzen getroffen waren — an 
ihrer Spitze stand Bischof Nikolaus von Prag 80 — von diesen 
zum Teil wenigstens, befreit wurden 81 . Der Papst konnte also 
erst in idem Augenblick seinen Willen in der Olmützer Diözese 
durchsetzen, wo es Wenzel passte. Sieben Jahre war Konrad 
durch des Königs Gnade Bischof gewesen 82 . — 



76. Potth. ii8qi. 

77. Er Hess zu Gunsten Bruno3 „eine Flut von Schreiben" 
aus seiner Kanzlei hervorgehen, vgl. Aldinger, a. a. O. 26. 

78. Aldinger, a. a. O. 26 f. 

79. Potth. 12514 (1247 Mai 

80. Potth. 12544 (»247 Juni 1). 

81. Potth. 12531 (1247 Mai 25). 

82. B. Dudik, Mährens allgemeine Geschichte V (1870), 345 
Anm. 2 behauptet, im Reichsarchiv zu München befinde sich eine 
Originalurkunde, in der Bischof Konrad noch am 3. Juni 1259 
apud Grunenha^en dem Kloster Waldsassen Indulgenzen erteile; 
sollte das nicht ein Irrtum sein? 



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- 85 - 



Die letzten Jahrzehnte hatten also die kirchlichen Ver- 
hältnissie in Böhmen und Mähren von Grund aus verändert 
und zwar in der Hauptsache zu gunsten des Landesherrn. 
Die beiden Hochkirchen waren von Reichsfürstentümern zu 
Landesbistümern herabgedrückt, in ihren Angelegenheiten 
hatte neben idem König; von Böhmen nur noch der Papst mitzu- 
reden. Kaiser und Reich waren vollständig ausgeschaltet 
Der Plan des Erzbistums Prag scheiterte zwar; nicht aber, 
weil ihm unüberwindliche Hindernisse im Wege gestanden 
hätten, sondern weil die Sache dem König Ottokar, der die 
kirchliche Neugründung hatte durchführen wollen, nachher 
wieder leid wurde. Und gegen seinen Widerstand vermochte 
Honorius III., der den ursprünglichen Gedanken des Königs 
aufgenommen hatte und Verwirklichen wollte, nichts aus- 
zurichten. 

Wenn den beiden Domkapiteln das freie Wahlrecht zuge- 
billigt wurde, so war doch nach wie Vor 'bei den Neube- 
setzungen der Bischofsstühle — abgesehen von den zeit- 
weiligen Prager Ausnahmezuständen — der königliche Ein- 
fluss gross genug.Andreas von Prag ist der ehemalige könig- 
liche Kanzler, Bernhard von Prag ist vielleicht in Gegenwart 
König Wenzels gewählt 83 . In Olmützfcann sich, auf den König 
gestützt, Bischof Konrad Jahre lang gegen seine Feinde 
halten; er unterliegt erst, als Wenzel die Hand von ihm ab- 
zieht. Robert von Olmütz kann in den böhmischen, Nikolaus 
von Prag in den mährischen Wirren im Bunde mit dem König 
ungestraft dem päpstlichen Willen trotzen. Das Ergebnis 
der ganzen Zeit ist also ein fast vollständiger Erfolg der 
Landesfürsten in ihrem Streben nach Beherrschung der 
Bistümer. 

83. Wenn die Angabe Frinds, a. a. O. II, 28 richtig ist; vgl. 
oben S. 79 Anra. 57. 



VI 



Salzburg, Passau und die babenbergischen 

Länder 1 . 

Die südöstlichen Marken des Reiches, einst den Slaven ab- 
gerungen, dann in langen Kämpfen mit den Avaren und Un- 
garn dauernd gewonnen, waren schon viel früher als das sla- 
vische Kolonialland zwischen Elbe und Oder christianisiert. 
Diese Arbeit wurde von zwei alten und reichen bayrischen 
Hochkirchen geleistet, von Salzburg und Passau. So ver- 
wuchsen die bayrischen Marken kulturell mit der Hauptmasse 
des deutschen Landes viel rascher als das sächsische Marken- 
land. So lange in den bayrischen Kolonialgebieten die christ- 
lich-deutsche Kultur noch dünn gesät war, so lange der Plan, 
diese Kultur über die Grenzen der Marken noch weiter nach 
Osten zu tragen, noch nicht 'bestand, bot der Anschluss an die 
alten, mächtigen bayrischen Bistümer überwiegend Vorteile; 
hierdurch war dem Christentum in den bayrischen Marken 
stets der feste Rückhalt gesichert, dessen es im sächsischen 
Vorlande entbehren musste, weil dort die Bischofssitze selbst 
im Kolonialgebiet lagen, und, statt einen Rückhalt gewähren 



i. Soweit die Erörterungen dieses Abschnittes sich auf die 
kirchenpolitischen Verhältnisse der babenbergischen Länder beziehen, 
beruhen sie auf den Resultaten einer kürzlich von mir veröffent- 
lichten Sonderuntersuchung: Die Versuche der Babenberger zur 
Gründung einer Landeskirche in Oesterreich, Archiv für österr. 
Geschichte, Bd. 93 (1903), 1 ff.; ich citiere die Abhandlung auf 
den folgenden Seiten abgekürzt: Krabbo, Babenberger. 



- 87 — 



zu können, vielmehr selbst eines solchen entbehrten. Diese 
Vorteile mussten aber von Wem Augenblicke ab in ihr Gegen- 
teil umschlagen, wo die bayrischen Marken zu vollständig 
deutschen und christlichen Ländern geworden waren. Denn 
nun musste naturgemäss der Wunsch entstehen, eigene Bis- 
tümer als kirchliche Mittelpunkte in den Ländereien zu haben, 
deren Grösse ein solches Begehren ohne weiteres recht- 
fertigte. Eine Verstärkung der bischöflichen Organisation des 
deutschen Südostens rief aber notwendig den Widerspruch der 
bestehenden Bistümer Salzburg und Passau hervor, deren 
Sprengel dann verkleinert werden mussten, sofern nicht etwa 
solche Pläne von 'den bayrischen Hochkirchen selbst in die 
Wege geleitet wurden. Von diesen lag Salzburg entschieden 
weniger günstig für eine starke, nach Osten gerichtete Kir- 
chenpolitik als Passau, dem die bequeme Donaustrasse zur 
Verfügung stand 2 . Von Passau ging denn auch der erste Ver- 
such aus, ostwärts vorzudringen. Bischof Piligrim fasste den 
kühnen Plan, seinen Sitz nach Lorch zu verlegen; dieser 
sollte gleichzeitig, so hoffte er, zum Erzbistum erhoben 
werden. Die künftigen Suffragane der neuen Kirchenprovinz 
dachte er sich in der «weiten ungarischen Ebene, die er christia- 
nisieren und germanisieren wollte 3 . 

Darin gleichen sich fast alle Pläne, die in der Zeit nach 
Karl dem Grossen zur Erweiterung der deutschen Kirche ge- 
fasst wurden, dass sie nicht den Verhältnissen der Gegenwart 
entsprachen, sondern kühne, oft undurchführbare Zukunfts- 
träume waren. Karl hatte erst, als die Unterwerfung der 
Sachsen unter das fränkische Joch eine vollendete Tatsache 



2. Vgl. für die geographischen Verhältnisse des deutschen 
Südostens, soweit sie hier berührt werden, die Kartenskizze, die 
ich meiner in der vorigen Anm. genannten Untersuchung bei- 
gefügt habe. 

3. E. Dümmler, Piligrim von Passau und das Bistum Lorch 
(1854), 38 ff. 



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- 88 - 



war, begonnen, ihr Land mit einem Netze von Bistümern 
zu überziehen: deren Bestand war so von vorn herein ge- 
sichert 4 . Anders war schon die Gründung seines Sohnes, 
Ludwigs des Frommen; das Erzbistum Hamburg wurde er- 
richtet als eine Metropole, die sich ihre Kirchenprovinz erst 
erwerben sollte. Freilich, je weniger man der nordischen 
Hochkirche an tatsächlichem Herrschaftsgebiet zuweisen 
konnte, um so grössere Hoffnungen auf die Zukunft gab 
man ihr mit 5 . Die ganze Geschichte dieses Erzbistums im 
früheren Mittelalter ist denn auch ein Widerspruch zwischen 
hochgespannten Ansprüchen und einer Macht, die auch nicht 
entfernt ausreichte zur Verwirklichung derselben 6 ; der Kon- 
flikt zwischen dem Wollen und Vollbringen, in den alle 
Hamburger Erzbischöfe durch die Lage ihrer Kirche ge- 
raten mussten, tritt am tragischsten bei Adalbert, dem 
grössten unter ihnen, zu Tage. 

Etwas weniger unsicher, aber auch schwankend genug, 
war die Lage der von Otto dem Grossen ins Leben gerufenen 
Bistümer. Rein äusserlich genommen konnte der Kaiser ge- 
wiss mit Befriedigung auf diesen Teil seines Lebenswerkes 
zurücksehen; ein neues Erzbistum mit einer stattlichen An- 
zahl von Suffragankirchen hatte er errichtet, aber diese lagen 
nicht, wie Karls Gründungen, auf einem im gesicherten Be- 
sitze des Reichs befindlichen, von Deutschen bewohnten 
Boden, sondern im rasch und oberflächlich eroberten Slaven- 
land. Die erste schwere Niederlage, die seither das Kaisertum 
in einem entfernten anderen Grenzgebiet erlitt 7 , genügte, 

4. A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands II 3 (1900), 388fr. 

5. A. Hauck, a. a. O. II, 670 ff. 

6. G. Dehio, Geschichte des Erzbistums Hamburg -Bremen 
bis zum Ausgang der Mission I, II (1877), bringt diesen tragischen 
Konflikt klar zur Darstellung. 

7. Die Niederlage, die Kaiser Otto II. bei Colonne in Süd- 
italien durch die Araber im Jahre 982 erlitt. 



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- 89 - 



hei den Elbslaven einen Aufstand zu entfesseln 8 , der meh- 
rere von Ottos Bistümern einfach wegfegte, und es dau- 
• erte Jahrhunderte, bis sie neu aufleben konnten. Zunächst 
musste die Vorbedingung zu ihrer Existenz geschaffen wer- 
den; der Boden, auf dem sie lagen, musste in den festen 
Besitz des Reichs gelangen und an die Stelle der slavischen 
Einwohner deutsche Kolonisten treten. 

Etwa nach dem Vorbild der Magdeburger Kirchenprovinz, 
die er ja noch vor ihrem teilweisen Zusammenbruche gesehen 
hatte, mag sich Piligrim auch sein geplantes Erzbistum Lorch 
gedacht haben. Eine auf deutschem Boden, nahe der Reichs- 
grenze gelegene Metropole, deren Provinz weit über das 
Gebiet deutscher Zunge hinausgriff. Es blieb Piligrim erspart, 
erleben zu müssen, dass eine solche Gründung nicht lebens- 
fähig sein konnte. Die Mittel, zu denen der ehrgeizige Bischof 
griff, seinen Plan zu verwirklichen — berüchtigte Urkunden- 
fälschungen spielten eine Hauptrolle dabei — waren nicht 
stark genug, den Gegendruck zu überwinden, den die beste- 
henden Verhältnisse <der kühnen Neuerung entgegenstemmten. 
Namentlich am Widerstande Salzburgs, das den drohenden 
Verlust des Suffraganbistums Passau und die Gründung eines 
günstiger gelegenen neuen Erzbistums fürchtete, scheiterten 
Piligrims Pläne 9 , von denen jedoch die Erinnerung in Passau 
lebendig blieb. 

Einen Schritt nach Osten tat man ein Jahrhundert später 
von Salzburg aus. Der Südosten der Diözese war durch die 
Hohen Tauern so vollständig von Salzburg abgeschnitten, 
dass der Erzbischof im Interesse dieser Gebiete einen stän- 
digen Vertreter mit bischöflichen Funktionen zu ernennen 
für nötig hielt. Seit 1072 gab es Bischöfe zu Gurk in Kärnten 10 ; 

8. Ueber die Folgen des Slavenaufstandes von 983 vgl. 
F. Curschmann, die Diöcese Brandenburg (1905), r 3Q ff. 

9. F.. Dümraler, a. a. O. 49 ff.; K. Uhlirz, Otto II. (1902), 05 ft. 
10. Vgl. über das Bistum Gurk die' Einleitung, die A. von Jaksch 

dem Bd. I seiner Gurker Geschichtsquellen (1896) vorausschickt. 



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- 90 - 



die Salzburger Erzbischöfe ernannten sie, deren Stellung ur- 
sprünglich eigentlich der von Archidiakonen mit bischöflichen 
Amtsbefugnissen näher kam, als der von wirklichen Bischöfen. • 
Die Ourker Bischöfe standen, weil auch lehensrechtlich von 
ihrem Metropoliten abhängig, nicht im gleichen Range mit 
ihren übrigen reichsfürstlichen Kollegen in Deutschland; ihr 
Ziel musste fortan sein, Gleichberechtigung mit ihnen zu 
erringen. 

Nicht zürn mindesten dadurch, dass es in den babenber- 
gischen Herzogtümern Oesterreich und Steiermark überhaupt 
keinen Bischofssitz gab, hatte sich gerade hier die Macht des 
Landesherrn ungestört entwickeln können, und es ist deshalb 
nicht verwunderlich, dass die Herzöge es waren, die auf 
eigene Faust schliesslich versuchten, ihrem Lande das Bistum 
zu geben, dessen Fehlen je länger je mehr empfunden wurde. 
Das nachbarliche Beispiel Ottokars von Böhmen, der die 
Kirchenpolitik seines Landes selbst in die Hand nahm, mag 
den Babenbergern diesen Entschluss noch besonders nahe 
gelegt haben. Der erste Anstoss freilich zu dem Versuche, 
in Oesterreich ein Bistum zu errichten, ging wiederum von 
Passau aus. 

Man ist über die Pläne, die Wolfger von Passau in dieser 
Richtung verfolgt hat, eigentlich nur auf Vermutungen an- 
gewiesen 11 ; denn die Behauptung, die Herzog Leopold VI. 
spater aufstellte 12 , Wolfger habe vom Papste eine Teilung 



11. Vgl. Krabbo, Babenberger 12 — 15. 

12. Innocenz III. schreibt an Bischof Mangold von Passau auf 
Grund der Angaben Leopolds VI. von Oesterreich über die Pläne, 
die Patriarch Wolfger von Aquileja in seiner Passauer Zeit gehegt 
haben sollte, am 14. April 1207 (Potth. 3085): Quod u'ique 
venerabilis frater noster . . Aquilegensis patriarcha, dum Pataviensi 
eccle3ie presideret, provide circumspiciens, in votis dicitur habuisse 
fei. rec. C. pape predecessori nostro cum instantia supplicare, ut 
in provincia seu potius provinciis tarn dimisis alium preter sc 



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91 - 



seines Bistums Passau erbitten wollen, weil dasselbe für 
eines Mannes Arbeitskraft zu gross sei, kann in dieser 
Fassung nicht richtig sein; so hätte sich eine Herrscher- 
natur, wie sie Wolfger eignete, niemals verleugnen können. 
An der Tatsache freilich, dass Wolfgter, vermutlich in den 
Jahren 1195—1198, irgend einen Plan in Bezug auf die Ver- 
änderung seines Bistums gehegt hat, ist nicht zu zweifeln. 
Es wird immer am nächsten liegen, anzunehmen, dass er an 
die für seinen Ehrgeiz gewiss verlockenden Traditionen Pili- 
grims anknüpfte, dass er aus dem umfangreichen Passauer 
Sprengel eine eigene Kirchenprovinz zu machen hoffte, deren 
Metropolit er werden wollte und deren neu zu errichtende 
Suffraganbistümer natürlich im östlichen Teil der Passauer 
Diözese, in den babenbergischen Ländern liegen mussten. 
Mit Herzog Friedrich von Oesterreich, der gewiss als erster 
um derartige Pläne wissen musste, war Wolfger eng be- 
freundet; so erhielten die Babenberger Kunde von seinem 
Vorhaben. Auch dem Papste Cölestin III. hat er den Plan 
mitgeteilt. Der Tod Herzog Friedrichs im Jahre 1198, der 
gleichzeitig ausbrechende deutsche Bürgerkrieg waren ein- 
greifenden Aenderungen, wie sie Wolfger vorhatte, gewiss 
nicht günstig. Als er vollends 1204 Patriarch von Aquileja 
wurde 13 , wird er sich für den Ausbau der Diözese Passau nicht 
weiter interessiert haben. 

Aber auf die Notwendigkeit, die bischöfliche Versorgung 
Oesterreichs Zu verbessern, hatte er hingewiesen, und der 



antistitem ordinaret, quibus ut expertus agnoverat per unum imme- 
diate paslorem spiritualia sacramenta non posse congrue ministrari. 

13. Als Patriarch von Aquileja starb Wolfger 12 18 Februar 10; 
er bat also die kirchenpolitisehe Aktion Herzog Leopolds VI., von 
der gleich zu handeln sein wird, noch ganz miterlebt und konnte 
an der Kurie jeder Zeit Zeugnis davon ablegen, was für Änderungen 
in der Einteilung seines Bistums Passau ihm früher vorgeschwebt 
hatten. 



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- 92 - 



(Nachfolger Herzog Friedrichs, sein Bruder Leopold VI., bisher 
Herzog von Steiermark, ging daran, diesen Gedanken zu ver- 
wirklichen, freilich in »einer Weise, die sicher weit abwich von 
den Plänen Wolfgers. 

Etwa zu Beginn des Jahres 1207, als man annehmen 
konnte, dass der endgültige Sieg Philipps von Schwaben und 
damit der Friede im Reich nahe bevorstand, trat Leopold- an 
Papst Innocenz III. mit der Bitte um Errichtung eines Bistums 
in Wien heran. Wir kennen die Gründe, mit denen er seine 
Bitte rechtfertigte, aus dem Briefe, durch den der Papst dem 
Nachfolger Wolfgers in Passau, Mangold, den herzoglichen 
Vorschlag mitteilte 14 . Leopold wies darauf hin, dass die 
Pfarren im Bistum Passau so weit verstreut lägen, dass ein 
einziger Bischof seine Pflichten in dem weiten Gebiet nicht 
zur Genüge erfüllen konnte ; hierbei nahm er auch Bezug auf 
den Wunsch Wolfgers, die Diözese zu teilen, denselben in 
seinem Sinne deutend. Er erörterte weiter, dass den Haupt- 
schaden bei diesen Missständen sein Herzogrum Oesterreich 
habe, dessen entfernteste Gebiete erst in sechs Tagen von 
der Bischofsstadt aus erreicht werden konnten. Die bischöf- 
lichen Amtshandlungen müssten deshalb in diesen Gebieten 
oft auf lange Zeit hinausgeschoben werden, manchmal unter- 
blieben sie auch ganz, wenn nicht zufällig durchreisende 
Bischöfe hier Abhülfe schüfen. Und zu alledem hätten ketze- 
rische Irrlehren in dem nicht genügend versorgten Sprengel 
weite Verbreitung gefunden 15 . 

Als Sitz des Bistums, das er aus allen diesen Gründen zu 
errichten wünschte, schlug Leopold seinle Landeshauptstadt 
Wien vor; er rühmte, dass sie nächst Köln zu Deutschlands 



14. Potth. 3085 (1207 April 14). 

15. H. Haupt, Waldensertum und Inquisition im südöstlichen 
Deutschland bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Deutsche Zeitschrift 
für Geschichtswissenschaft I (1889), 285fr. 



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- 93 - 



schönsten Städten zähle 16 und rudern ein alter Bischofssitz sei ; 
denn von Wien sei einst vor den Angriffen der Heiden das 
Bistum erst nach Lorch und dann nach Passau zurückverlegt 
worden 17 . Wenn sich Leopold auf dies Argument berief, mit 
dem man in Passau die Pläne, den Bischofssitz donauabwärts 
vorzuschieben, begründete, so darf auch daraus geschlossen 
werden, dass sein Vorhaben angeregt war durch den vor 
einem Jahrzehnt erörterten Plan Wolfgers, dessen Argumente 
der Herzog für seine Zwecke umgeändert haben wird. 

Die Gründe, die Leopold für seinen Vorschlag ins Feld 
führte, waren durchaus stichhaltig 18 ; da «er auch ziffernmässig 
angab, in welcher Höhe er aus seinen Mitteln die neue Hoch- 
kirche dotieren wollte, da er als Sprengel des künftigen Bis- 
tums Wien nur ein Drittel bis ein Viertel des Herzogtums 
Oesterreich forderte und in jeder Weise die Rechte Passaus 
zu schonen versprach, so mochte er hoffen, dass der Wider- 
stand, der von Seiten Mangolds von Passau, dessen Sprengel 
um den Umfang der neuen Diözese verkleinert werden sollte, 
zu erwarten war, nicht unüberwindlich sei. 

Innocenz war mit den Vorschlägen des Herzogs sehr 
einverstanden und beauftragte Erzbischof Eberhard von Salz- 



16. Kennen gelernt hatte Leopold VI. die Stadt Köln kurz 
vorher im Jahre 1205, als er König Philipp bei einem Zuge gegen 
diese Stadt, das Hauptbollwerk Ottos IV., unterstützte; als einziger 
Fürst aus dem Gefolge des Staufers hatte er zwecks mündlicher 
Verhandlungen mit dem Gegenkönige Köln betreten, vgl. Krabbo, 
Babenberger 16 f. 

17. Der Herzog machte sich hier die schon durch Otto von 
Freising, Gesta Friderici imperatoris I, 32, MG. SS. XX, 370 auf- 
gestellte irrtümliche These zu eigen, dass Wien mit dem alt- 
römischen Favianiae identisch sei; vgl. G. Juritsch, Geschichte der 
Babenberger und ihrer Länder (1894) 386, Anm. 1. 

18. Ueber die Richtigkeit der Ausführungen Herzog Leopolds 
vgl. Krabbo, Babenberger 18 f. 



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- Q4 - 



bürg, den Plan zunächst an Ort und Stelle zu fördern. Gewiss 
Jioffte Leopold, in ihm einen Freund seiner Oedanken zu 
finden; sollte doch durch sie Passau, Salzburgs alte Rivalin, 
geschädigt werden ; sicher sollte auch das neue Bistum kirch- 
lich dem Erzbistum Salzburg unterstellt werden. Dennoch 
kam das Bistum Wien nicht zu stände. Der vornehmlichste 
Widerstand ging natürlich vom Bischof von Passau aus, der, 
nachdem ihm die seiner Kirche drohende Verkleinerung be- 
kannt geworden war, eine lebhafte Tätigkeit entfaltete, dem 
Herzog entgegenzuarbeiten. Zunächst ging er an den Hof 
Philpps von Schwaben, dann reiste er nach Rom, um dort 
seine Sache selbst vor dem Papste zu führen 19 . Hier aber ver- 
schlechterten sich die Aussichten des babenbergischen An- 
trages, da es sich bei den weiteren Verhandlungen ergab, 
ilass Leopold für seine geplante Neugründung bedeutend 
grössere Forderungen als zuerst stellte. Namentlich war jetzt 
schon davon die Rede, dass die Diözese Wien halb Oester- 
reich umfassen sollte 20 . Innocenz schritt deshalb noch nicht 
zur Errichtung des neuen Bistums, sondern trug zwei Kar- 
dinälen, die wegen anderer Aufträge nach Deutschland 
gingen, auch auf, in dieser Angelegenheit weiter zu ver- 
handeln und sie, wenn möglich, zum Abschluss zu bringen 21 . 



19. Neben Mangold war ein Gegner des herzoglichen Planes 
der Abt Marcus vom Wiener Schottenkloster. Als es bekannt ge- 
worden war, dass eben dies Kloster von Leopold zum Sitze des 
künftigen Hochstiftes ausersehen war, dass also die Schotten aus 
ihrem bisherigen Wohnort verdrängt werden sollten, Hess er sofort 
sich und seinen Nachfolgern die Rechte und Besitzungen des 
Klosters feierlich vom Papste bestätigen, Potth. 3365 (1208 April 11). 

20. Auch in seinen Anerbietungen betreffs der Dotierung des 
neuen Bistums erwies sich Leopold beim Fortgang der Verhand- 
lungen, über die Potth. 3427 unterrichtet, viel weniger entgegen- 
kommend, als zu Anfang. 

21. Instruktion des Papstes betreffs der Wiener Bistumsfrage 
an seine Legaten, die Kardinäle Hugo von Ostia und Leo von 



- 95 - 

Natürlich konnte das Wiener Bistum, welches nicht vom 
Reiche, sondern vom Herzog von Oesterreich ausgestattet 
werden sollte, kein Reichsbistum werden; es musste dem 
Herzog Untertan sein, Wie Gurk dem Erzbischof von Salzburg, 
Prag und Olmütz König Ottokar von Böhmen gehorchten. 
Indem nun aber im Laufe der Verhandlungen die Ansprüche, 
die Leopold in seinen Ländern für seinen künftigen Hof- 
bischof stellte, gewaltig wuchsen, mochten den Bischöfen, 
deren Sprengel mit den Herzogtümern zusammenfielen, die 
Augen aufgehen über die Gefahr, dass Leopold nach böhmi- 
schem Vorbild in ganz Oesterreich und Steiermark Herr über 
die Kirche werden wollte. Dadurch war neben Mangold vön 
Passau namentlich Eberhard von Salzburg bedroht: wir 
wissen denn auch trotz des päpstlichen Befehls nichts von 
irgend welchen Schritten, die er zur Förderung des herzog- 
lichen Planes getan hätte 22 . Zudem kamen auch die beiden 
Kardinäle, die mit der weiteren Verfolgung der Angelegenheit 
beauftragt waren, infolge der Ermordung König Phi ipps nicht 
nach Deutschland, und es nützte Leopold nichts, dass er 
seinen Plan durch einen neuen Boten, seinen Vertrauten, 
den Magister Gerhard, an der Kurie zu fördern suchte 23 . Im 

S. Croce, von 1208 Mai 31 (Potth. 3427). Im Hauptauftrage 
sollten die Legaten an den Hof König Philipps gehen. 

22. Neben diesen beiden konnte schliesslich auch der Patriarch 
Wolfger von Aquileja geschädigt werden, wenn Herzog Leopold an 
die systematische Errichtung einer Landeskirche ging; denn Steier- 
mark südlich der Drau gehörte zur Diöcese Aquileja. Auch sonst 
dürfte Wolfger kein Freund der herzoglichen Pläne gewesen sein, 
die zunächst auf die Verkleinerung des Bistums abzielten, dem er 
Jahre hindurch seine Kräfte gewidmet hatte, und besonders musste 
es ihn gegen Leopold einnehmen, wenn dieser sich dabei noch 
ausdrücklich, aber ohne Berechtigung, auf seine, des früheren 
Bischofs von Passau, Zustimmung berufen wollte. 

23. Gerhard war des Herzogs Leibarzt; über seine Mission 
vgl. das Schreiben des Papstes an Leopold von 1208 Dezember 5 



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- 06 - 



Herbst 1209, bei der Kaiserkrönung Ottos IV., erschien 
Mangold von Passau abermals in Rom und wird geeignete 
Schritte getan haben, seiner Kirche ihren ungeteilten Besitz 
zu erhalten. Hauptsächlich an seinem Widerstand scheiterte 
der Plan. 

Nach seinem Tode jedoch, im Jahre 1215, gelang es dem 
Herzog, die Wahl seines Kanzleichefs Ulrich zum Bischof 
von Passau zu erzwingen 21 ; er mochte hoffen, dort nunmehr 
grösseres Entgegenkommen für seine Gedanken zu finden. 
Jetzt aber erhob sich gegen ihn ein anderer Gegner, der die 
Macht hatte, den Kampf gegen den Herzog mit aktiveren 
Gegenzügen zu führen, als Mangold, der sich in der Haupt- 
sache doch auf passiven Widerstand beschränken musste. 
Dem Erzbischof Eberhard von Salzburg war durch das Be- 
stehen des Bistums Gurk der Weg vorgezeichnet, wie es für 
ihn möglich war, innerhalb seiner Diözese die bischöfliche 
Organisation zu verstärken, ohne doch an direkter eigener 
Macht etwas aufzugeben. Seit 1213 schon hatte er die Grün- 
dung einer Hochkirche in Chiemsee bei König Friedrich II. 
und an der Kurie betrieben, 1216 kam dieselbe, in der Haupt- 
sache nach dem Muster von Gurk, zu stände 25 : dem Erz- 
bischof von Salzburg stand das Recht zu, die Bischöfe zu er- 
nennen und zu belehnen. Als nun 1217 Herzog Leopold 
für anderthalb Jahre sein Land verliess, um gegen die Un- 
gläubigen in Palästina und Aegypten zu fechten, erhob Eber- 



(Potth. 3549); dieser Brief ist zugleich die letzte direkte Nachricht 
über den ersten babenbergischen Plan zur Errichtung des Bistums 
Wien. 

24. Mangold starb 12 15 Juni 10 in Wien, die Neuwahl fand 
zu Eferding, also im herzoglichen Machtbereiche, statt. Ulrich, der 
neue Bischof, war Domherr in Passau; vgl. über ihn Krabbo, 
Babenberger 27 Anm. 7. 

25. Ueber die Gründung des Bistums Chiemsee vgl. unten S. looff. 



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— 97 - 



hard auch die Propstei Seckau zum Bistum 26 . So gab es, als 
der. Herzog heimkehrte 27 , in seinen Landen einen Bischof, 
aber er sass nicht in Oesterreich und empfing die Regalien 
nicht von ihm, sondern sein Sitz lag in Steiermark und er war 
Lehnsmann des Erzbischofs von Salzburg. 

Zudem starb Bischof Ulrich von Passau, mit dessen Hülfe 
das Bistum Wien vielleicht doch noch hätte verwirklicht 
werden können, schon 1221 ; sein Nachfolger Gebhard wurde, 
ohne dass sich herzoglicher Einfluss dabei geltend machte, 
gewählt. So hat wohl Leopold jetzt endgültig auf seine Pläne 
verzichtet Er Hess es ruhig geschehen, dass Eberhard von 
Salzburg 1228 ein Bistum zu Lavant in Kärnten errichtete und 
zu dessen Diözese wieder einen Teil der Steiermark schlug 28 . 
1230 starb Leopold VI., ohne noch «einmal versucht zu haben, 
ein von ihm abhängiges Bistum zu errichten. 

* 

Ehe zu schildern ist, wie des Herzogs Sohn den kirchen- 
ipolitischen Plan seines Vaters wieder aufnahm und in erwei- 
terter Form zu verwirklichen trachtete, ist näher auf die 
schon erwähnten, zur Zeit Kaiser Friedrichs 11. gegründeten 
Salzburger Suffraganbistümer einzugehen, die eine ganz eigen- 
artige verfassungsrechtliche Stellung unter den Hochkirchen 
Deutschlands einnahmen. Das Vorbild für seine Schöpfungen 
fand Eberhard von Salzburg im Bistum Qurk, das 1 , wie be- 



26. Die Erlaubnis zur Errichtung des Bistums Seckau erteilte 
Honorius III. 12 18 Juni 22 (Potth. 5843). 

27. Als Eberhard am 17. Februar 1219 dem neuen Bistum 
Ausstattung und Diözese überwies — vgl. A. von Meiller, Regesten 
zur Geschichte der Salzburger Erzbischöfe (1866), S. 219 nr. 213 — , 
erhob die Herzogin Theodora von Oesterreich in Vertretung ihres 
abwesenden Gatten Einspruch bei der Kurie, vgl. Potth. 6055 
(1219 Mai 7)« 

28. Siehe unten S. 106 f. Betreffs des steierischen Umfangs der 
Diözese Lavant vgl. die Kartenskizze bei Krabbo, Babenberger. 



- 08 - 

merlrt, schon im 11. Jahrhundert gegründet war als ein Bistum 
ohne Diözese und Domkapitel, als ein von Salzburg-, nicht 
vofti Reiche gehendes Lehen. Der Kampf der Gurker Bischöfe 
um eine reichsfürstliche Stellung wurde mit allen Mitteln, 
unter denen die üblichen Urkundenfälschungen nicht fehlen, 
geführt. Das 12. Jahrhundert endigte nach anfänglichen Er- 
folgen jedoch mit einer Niederlage Gurks 29 . Die ersten Jahr- 
zehnte des neuen Jahrhunderts waren von abermaligen 
Kämpfen erfüllt zwischen dem Erzbischof und seinem 
Suffragan. 1206 strengten die Gurker, die mittlerweile (1124) 
ein eigenes Kapitel 30 und auch (1131) eine kleine Diözese 31 
erhalten hatten, einen Prozess bei der Kurie gegen Salzburg 
an, um die freie Bischofswahl zu erringen 32 . Dieser endigte 
wenigstens mit einem halben Erfolge für Gurk 1 : Innocenz III. 
entschied 1208 33 , beim Tode des Gurker Bischofs habe der 
Erzbischof von Salzburg nach Gurk au kommen ; er habe dem 
Kapitel drei Kandidaten zu nennen, von denen einer aus dem 
Schosse der Kirche selbst stammen müsse 34 , von diesen dreien 



29. A. von Jaksch, die Gurker Geschichtsquellen I (1896), 7 ff. 

30. Jaksch, a. a. O. I, 90 ff. nr. 54. 

31. Jaksch, a. a. O. I, 97 ff. nr. 61. 

32. Potth. 2744 (1206 April 11), vgl. Potth. 3050 (1207 März 19). 
Auf Grund letzterer Urkunde vermutet Eubel, hierarchia catholica 
medii aevi I (1898), 280 Anm. 1 zu Gurk, dass entweder vor oder 
hinter Bischof Walter ein unbekannter Bischof in die Reihe der 
Gurker Bischöfe einzuschieben sei, da in der betreffenden Urkunde 
von einer Gurker Bischofswahl die Rede sei. Die Vermutung ist 
irrtümlich; denn Potth. 3050 gehört zu den Akten des Prozesses, 
den Walter in Rom führte, bezieht sich also nicht auf einen konkreten 
Fall der Bistumsbesetzung. 

33. Potth. 3435 (1208 Juni 5); vgl. Jaksch, a. a. O. I, 313 fr. 
nr. 420. 

34. Die betreffende Stelle lautet (Jaksch, a. a. O. I, 318) in 
der Ausfertigung für den Erzbischof: — ut episcopo Gurcensi 
defuncto Salzburgensis archiepiscopus a capitulo Gurcensi vocatus 



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- 00 - 



habe das Kapitel dann einen zu wählen, jedoch stehe bei der 
Watil «die erste Stimme dem Erzbischof von Salzburg zu. 
Ermutigt durch das Entgegenkommen des Papstes suchte 
Bischof Walter von Gurk nun auch die (ersehnte Anerkennung 
seiner Stellung als Reichsfürst durchzusetzen. Jedoch wurde 
dieser unberechtigte Anspruch vollständig abgewiesen: 1209 
bekundete Otto IV. den vor ihm ergangenen Rechtsspruch, 
dass nicht ihm, dem Könige, wie Bischof Walter behauptet 
hatte, sondern dem Erzbischof von Salzburg die Verleihung 
der Gurker Regalien zustehe 35 . Immerhin war trotz dieser 
Schlappe die päpstliche Entscheidung von 1208 geeignet, die 
Begehrlichkeit der Gurker auch weiterhin wach zu halten. 
Umfder nach 'wie vor seiner Kirche von dieser Seite drohenden 
Gefahr zu begegnen, beschloss Eberhard nach dem Muster 
von Gurk ein zweites Bistum innerhalb Her Diözese Salzburg 
zu gründen. Dadurch wurde einmal die Sonderstellung Gurks 
weniger auffallend und dem Wunsche, sie zu ändern, wurde 
ein Argument, wenn nicht entzogen, so doch geschwächt. 
Sodann aber wurde der Machtstellung Gurks direkt Abbruch 
getan; neben der Versorgung der eigenen kleinen Diözese 
stand dem Gurker Bischof die Vertretung des Erzbischofs im 
Iganzen weiten Sprengel Salzburgs zu: das musste anders 
werden, eine Teilung dieses Gurker Rechtstitels musste ein- 
treten, wenn Eberhard in Zukunft statt eines Vikars 
deren zwei erhalten würde. 

Die Gelegenheit, den geplanten Schlag zu führen, bot 
sich, als Bischof Walter am 18. Januar 1213 36 starb. Ehe 
Eberhard sich zur Neuwahl nach Gurk begab, Hess er sich 



ad ecclesiam Gurcensem accedat et tres persona» : unara videlicet 
de gremio eiusdem ecclesie quam utiliorem bona fide crediderit 
tarn ad regimen presulatus quam etiam officium vicarie ac duas 
exlraneas canonicis Gurcensibus denominare procuret. 

35. BF. 269 (1209 Februar 20). 

36. Jaksch, a. a. O. I, 337 nr. 440. 



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- 1Ö0 - 

vön'König Friedrich II. seine Lehenshoheit über das Suffragan- 
bistum bestätigen 37 , und gleichzeitig erhielt er die Zustim- 
mung des Reichs, einen zweiten Vikar für das Gebiet diesseits 
der Berge, das heisst der Tauern, in Chiemsee zu ernennen 38 . 
Ein Blick auf die Karte zeigt, dass die Errichtung dieses 
Bischofssitzes geographisch nicht notwendig war; Chiemsee 
liegt dicht bei Salzburg 39 und ist durch keinerlei natürliche 
Hindernisse, wie etwa Gurk, von dem Hauptort der Diözese 
abgeschnitten. Es handelte sich offenbar ausschliesslich um 
einen Schachzug g>egen Gurk, und wenn der künftige Bischof 
von Chiemsee der Vikar des Erzbischofs diesseits der Berge 
sein sollte, so war damit ausgedrückt, dass für die Zukunft 
der Gurker seinen Metropoliten nur jenseits derselben ver- 
treten sollte. 

So gewappnet zog Eberhard nach Gurk. Er nannte dort 
seine drei Kandidaten für die Neuwahl, aber es war kein 
Gurker Geistlicher darunter 40 . Der Erzbischof deutete das 
päpstliche Wahlreglement entgegen seinem offenbaren Sinne 
so, als ob einer der drei Kandidaten nicht aus der Gurker, 
sondern aus der Salzburger Kirche genommen werden 
müsse 41 . Er beging eine zweite Perfidie gegen die Gurker, 
Ändern er bei dem Prozess, der darüber in Rom entstand, 
behauptete, er sei zu seiner Interpretation der päpstlichen 
Verfügung durch die Ueberlegung gekommen, er müsse doch 
in dem Gurker Bischof einen Mann haben, der geeignet sei, 



37. BF. 699 (12 13 März 27). 

38. BF. 698 (12 13 März 27). 

39. Die Entfernung Salzburg -Chiemsee beträgt in der Luft- 
linie 49 km. 

40. Das Folgende nach Potth. 4762 (1213 Juni 17). 

41. Bona fide kann Eberhard diese Interpretation nicht auf- 
gestellt und verteidigt haben, da sie dem vollkommen klaren Wort- 
laut der päpstlichen Verfügung, der jede Missdeutung einfach aus- 
schloss, schnurstracks zuwiderlief; vgl. oben S. 98 f. Aura. 34. 



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- 101 - 



ihn in der ganzen Diözese Salzburg zu vertreten, und dazu — 
so wollte er 1208 auch des Papstes Meinung verstanden haben 
— sei nur ein Salzburger Geistliche* geeignet : und dabei hatte 
er sich schon vorher der Zustimmung König Friedrichs ver- 
sichert, die Vikarie des Bischofs von Gurk auf das Gebiet 
jenseits der Berge zu beschränken! 

Innocenz bestätigte natürlich den Gurkern, dass sie 
seine Urkunde richtig interpretiert hatten, dass also einer der 
drei vom Erzbischof zu nennenden Kandidaten ein Gurker 
Domherr sein müsse; sollte die Wahl nicht binnen einem 
Monate zu stände kommen, so sei sie in Rom vorzunehmen 42 . 
Es war gewiss ein grosser Erfolg Eberhards, wenn der nun- 
mehr gewählte Bischof nicht der Gurker Kandidat war, den 
er zu nennen gezwungen War, sondern sein Salzburger Dom- 
propst Otto ; dieser starb jedoch ganz kurz nach seiner Wahl 43 

Unterdessen hatte sich Eberhard von Friedrich II. die Ur- 
künde Ottos IV. des Inhalts, dass das Gurtoer Bistum nicht 
vom Reiche zu Lehen ginge, bestätigen lassen 44 . Mit Hülfe 
des Königs erreichte Eberhard auch, dass bei der zweiten 
Gurker Wahl des Jahres 1214 die Gurker seinen Kandidaten 
wählten, für den Friedrich selbst eintrat 45 . Heinrich, der 
neue Bischof, früher Propst von Maria Saal, starb 1217 46 . 

Die seit 1213 wie beim Reiche 47 , so auch an der Kurie 48 
betriebene Errichtung des Bistums Chiemsee kam endlich 



42. Potth. 4762. 

43. Annal. S. Rudberti, MG. SS. IX, 780; Jaksch, a. a. O. I, 
344 f. nr. 448, 449. 

44. BF. 717 (12 14 Februar 19); die Abweichungen der Be- 
stätigung vom Wortlaut der Vorurkunde veranschaulicht der Druck 
bei Jaksch, a. a. O. I 341fr. nr. 445. Vgl. BF. 720. 

45. BF. 744 (12 14 September 1). 

46. Jaksch, a. a. O. I, 357 nr. 468 (12 17 September 7). 

47. BF. 698 (1213 März 27). 

48. Potth. 4768 (12 13 Juni 20). 



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— 102 — 



1216 zu stand«. Nachdem 1215 der König" die Regalien- 
verleihung der schon früher von ihm gebilligten meuen Stif- 
tung dem Erzbischof von Salzburg bestätigt hatte 49 , nachdem 
im gleichen Jahre auch Innocenz III. auf dem LateranlkonziJ 
seine Zustimmung zu der Neugründung erteilt hatte 50 , ging 
zu Anfang des nächsten Jahres die offizielle päpstliche Er- 
laubnis aus Rom ab 51 . Ganz so, wie Eberhard gewünscht 
hatte, war allerdings der römische Bescheid nicht ausgefallen. 
Eine Schmälerung der Rechte Gurks, auf die es dem Erz- 
bischof angekommen war, liess die Kurie nicht zu: sie ver- 
fügte ausdrücklich, dass dem Bischof von Gurk die Stell- 
vertretung seines Metropoliten auch im Bistum Chiemsee 
zustehen sollte. Damit war also die geplante Beschränkung 
Gurks auf die Vikarie jenseits der Berge vereitelt. Man 
möchte annehmen, hierin einten Erfolg Heinrichs von Gurk 
zu sehen, der 1215 die Kosten nicht gescheut hatte, zum 
Laterankonzil nach Rom zu reisen 52 . Dann hätte sich also 
Eberhard in ihm getäuscht, als er 1214 mit Hülfe des Königs 
seine Wahl durchsetzte. Zum ersten Bischof von Chiemsee 
ernannte der Erzbischof seinen) Getreuen Rudiger 53 , der später 

- — 

49. BF. 789 (1215 April 5). 

50. Annal. S. Rudberti, MG. SS. IX, 780. 

51. Potth. 5056 (12 16 Januar 28); vgl. Jaksch, a. a. O. I, 348fr. 
nr. 456. 

52. Bischof Heinrich hatte, um die für die Reise nach Rom 
nötigen Gelder aufbringen zu können, Schulden machen müssen, 
vgl. Jaksch, a. a. O. I, 346f. nr. 453 (1215 Juni 5); noch seinem 
Nachfolger erwuchsen hieraus schwere Sorgen, a. a. O. I, 360 f. nr. 473. 

53. Annal. S. Rudberti, MG. SS. IX, 780. 1217 December 30 
weist Eberhard II. dem Bischof Rudiger die Grenzen seines Bis- 
tums zu, A.. v. Meiller," Salzburger Regesten 215 nr. 197. 1218 
Februar 24 bekundet Eberhard II. die Rechtsverhältnisse des Bis- 
tums Chiemsee. 12 18 Oktober 26 ordnet Friedrich II. die reichs- 
rechtlichen Verhältnisse der Bistümer Chiemsee und Seckau (BF. 958). 



— 103 — 



als Bischof von Passau noch eine grössere Rolle spielen 
sollte. 

Heinrichs Nachfolger in Gurk, der bisherige dortige Dom- 
herr Udalschalk, legte seine 1217 übernommene Wörde schon 
1220 wieder nieder 54 , da er erblindete. Er war also als der 
Gurker unter den drei Kandidaten Eberhards gewählt worden': 
man sieht, den rüstigsten Mann) hatte der Erzbischof offenbar 
nicht aus dem widerspenstigen Domkapitel vorgeschlagen. 
Während seines kurzen Pontifikates errichtete Eberhard das 
Bistum Seckau 55 ; diesmal galt es, wie erwähnt, dem Herzog 
von Oesterreich einen Strich durch die Rechnlung zu machen. 
Dem Gurker Bistum erwuchs aus dieser Neugriindung kein 
Schaden, da Papst Honorius bei seiner Errichtung, ent- 
sprechend der Regelung der kirchenrecht'icheni Stellung von 
Chiemsee, anordnete, dass auch im Bistum Seckau dem Bi- 
schof von Gurk das Recht der Vikarie erhalten bleiben solle 56 . 

Auf Udalschalk folgte in Gurk Graf Ulrich von Ortenburg. 
Einstimmig postuliert wurde er, wohl der eigentliche Kandidat 
Eberhards 57 , von Honorius als Bischof bestätigt. 58 . Bald 
genug aber entpuppte sich dieser Bischof als der energischste 
und verschlagenste Vorkämpfer, den die Gurker Bestrebungen 

54. Pressutti, registrum Honorii papae III. nr. 2820, Jaksch, 
a. a. O. I, 374f. nr. 48g (1220 Dezember 4). Udalschalk starb 1231 
Mai 22, Jaksch, a. a. O. I, 414 nr. 534. 

55. Siehe oben S. 96 f. 

56. Potth. 5841, 5843 (12 18 Juni 20, 22). 

57. Dass der Erzbischof den Grafen Ulrich hochschätzte, schliesse 
ich aus einer Urkunde Eberhards, die am 4. August 1220, also 
kurz bevor der Gurker Stuhl frei wurde, ausgestellt ist (Meiller, 
a. a. O. 227 f. nr. 255). An der Spitze der Zeugenreihe steht 
Ulrich, der damals nur Akolut war, & h. nur die niederen Weihen 
empfangen hatte, vor zwei Magistern und zwei Kaplanen. 

58. Pressutti nr. 3731, Jaksch, a. a. O. I, 375f. nr. 492 (1222 
Januar 1 5). Ulrich musste postuliert werden, weil ihm die höheren 
Weihen fehlten, cap. 22 X. de electione I, 6. 



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— 104 — 



gegen Salzburg bisher gehabt harten. Eberhard wird doch 
sicher unter seinen Kandidaten, zumal unter den beiden 
Nkrhtgurkern, nur solche Männer vorgeschlagen haben, bei 
denen er sicher zu sein glaubte, dass sie ihm seine Rechte 
in Gurk nicht bestreiten würden. Wenn er sich hierbei 
wahrscheinlich in Heinrich, sicher in Ulrich täuschte — Otto 
starb zu früh, als dass er in seiner Kirchenpo'itik hätte Farbe 
bekennen können und Udalschalk war wohl schon ein alter 
Mann, als er Bischof wurde 59 — , so zeigt das, wie stark die 
Stimmung für den Freiheitskampf in Gurk war: Män'ner, 
die für das Bistum in Aussicht genommen waren!, weil sie 
als getreue Diener des Erzbischofs galten, stellten sich, rtach- 
dem sie Bischöfe von Gurk geworden waren, an! die Spitze 
der gegen ihren bisherigen Gönner gerichteten Bestrebungen. 
Bischof Ulrich nahm die Regalien nicht vom Erzbischof in 
Empfang Und brachte diese rein weltliche Angelegenheit 
schliesslich 60 vor das Forum Papst Gregors IX., der die Ge- 
legenheit ergriff, sich in die Sache, die ihn nächts langing, 
einzumischen 61 . Des Kaisers Sohn, König Heinrich, trat für 
die Rechte Salzburgs ein 62 , und fünf der vornehmsten Reichs- 
fürsten verwendeten sich für Eberhard bei dem In Italien 
weilenden Friedrich II. 63 , der, der Entscheidung seines Sohnes 
beitretend, zugleich frühere Urkunden bestätigend, dem Erz- 
bischof das ftecht zuerkannte, den Bischof von* Gurk zu 



59. Bereits 1 197 Oktober 31 (Jaksch, a. a. O. I, 271 ff. nr. 369) 
findet sich ein Gurker Domherr Wlscalcus, der mit dem späteren 
Bischof identisch'sein dürfte. 

60. Erst 1227; Ulrich muss also Jahre lang der Forderung des 
Erzbischofs, die Regalien von ihm zu nehmen, auszuweichen ver- 
standen haben, ohne dass es zu offener Feindschaft kam. 

61. Auvray nr. 13, 14 (1227 April 6). 

62. BF. 4040 (1227 März 29). 

63. BF. 4041, vgl. BF. 1706. 



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- 105 - 



wählen, mit den Regalien zu investieren und zu weihen 64 . 
Indem so das Reich, dem Wortlaut der früheren Privilegien 
entsprechend, über die Ernennung der Gurker Bischöfe ver- 
fügte, ohne auf das päpstliche Wahlregiement von 1208 Rück- 
sicht zu nehmen, indem es fernler eine Bestimmung über die 
Bischofsweihe traf, griff es seinerseits in die Rechte der 
Kirche über. König Heinrich führte die Sache Eberhards 
weiter: er befahl Bischof Ulrich, die Regalien vom Erz- 
bischof zu nehmen 65 ; er beklagte sich bitter darüber, dass 
sich der Papst in die Rechte des Reiches einmische 66 . Ulrich 
dagegen glaubte seiner Sache am besten zu dienen, indem er, 
der selbst noch gar nicht Belehnte, erledigte Gurker Kirchen- 
lehen weiter vergabte 67 . 



64. BF. 1706 (1227 September). Der entscheidende Satz in 
der Urkunde lautet: Suis (des Erzbischofs Eberhard) igitur suppli- 
cationibus iuste et favorabiliter inclinati sententiam pro eo et 
ecclesia sua renovatam per Henricum dilectum filhim nostrum 
Romanorum regem illustrem super iure electionis concessionis et 
investiture regalium et consecrationis episcopi quod in Gurcensi 
ecclesia et eius episcopo prenominatus Salzeburgensis archiepis- 
copus se habere dicebat, quam per iudices magne curie nostre 
diligenler inspectara aeeepimus iuste latam imperialis auetoritatis 
munimine confirmamus. 

Ficker ühersetzt in seinen Regesten die verliehenen Rechte: 
T .Recht der Wahl des Bischofs, der Verleihung, der Investitur mit 
den Regalien und der Weihe u . Unklar ist, was das Recht der Ver- 
leihung sein soll. In der Urkunde Ottos IV., die die Ansprüche 
Salzburgs Gurk gegenüber 1209 festgelegt hatte (BF. 269), werden 
diese formuliert als electio episcopi et concessio sive investura (sie) 
regalium ac consecratio. Daraus ergiebt sich, dass BF. 1706 sich 
nicht ganz klar ausdrückt ; die concessio ist kein besonderer Rechts- 
titel, sondern nur ein Synonymon für investitura. 

65. BF. 4093 (12 28 Januar 1). 

66. BF. 4120 (1228 September 6). 

67. Jaksch, a. a. O. 402 ff. nr. 52a 



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— 106 — 



1230 -endlich, als Kaiser und Papst, die seit drei Jahren 
verfeindet waren, Frieden schlössen!, fand auch dieser Streit- 
punkt seine ^Erledigung durch ein Nachgeben von beiden 
Seiten. Friedrich bestätigte der Salzburger Kirche nur die 
Investitur des Bischofs von Gurk 68 ; auf die Regelung von' 
Wahl und Weihe verzichtete er also. Andererseits befasste 
sich die Kurie nicht weiter mit der lehensrechtlichen Seite der 
Frage und Hess es geschehen, dass Ulrichs Trotz mit Waffen- 
gewalt gebrochen wurde 69 . 1232 endlich wurde Frieden ge- 
schlossen; Eberhard setzte es sogar noch durch, dass er 
in Zukunft dem Kapitel bei einer Neubesetzunig drei Männer 
seiner freien Wahl vorschlagen dürfe 70 : die ihm lästige 
Bestimmung, dass einer der drei Kandidaten! ein Ourker 
Domherr sein müsse, wurde also beseitigt. 

Während des Streites mit Bischof Ulrich von Gurk hatte, 
wie bemerkt, Eberhard im Jahre 1228 zu Lavant noch ein 
drittes Bistum nach dem Muster von Chiemsee und Seckau 
gegründet 71 : dass zu dessen Diözese abermals ein Teil von 

68. BF. 1828 (1230 September). 

69. Vgl. Jaksch, a. a. O. I, 33 fr. 

70. Jaksch, a. a. O. I, 4i8ff. nr. 538 (1232 Oktober 9); vgl. 
4i7f. nr. 537. 

71. 1225 Juli 14 resp. 25 ordnete Honorius III. bereits Er- 
hebungen über den Plan an, in Lavant ein Bistum zu errichten 
(Potth. 7449, Pressutti 5557). Das Register des Papstes bringt die 
Urkunde zu 1225 Juli 14 (II. id. Jul.) im neunten Jahre, welches 
mit dem 23. Juli 1225 endigt. Die erhaltene Originalurkunde tragt 
das Datum 1225 Juli 25 (VIII. Kai. Aug.), ebenfalls mit dem 
neunten Regierungsjahre, obwohl bereits das zehnte begonnen hatte. 
Zur Erklärung liegen zwei Möglichkeiten vor: die Urkunde wurde 
entweder nach einem datierten Konzept oder nach einer Original- 
ausfertigung zum 14. Juli registriert, nachher jedoch aus irgend 
welchen Gründen einer Revision unterzogen. So verzögerte sich die 
Herstellung der Reinschrift oder der zweiten Reinschrift um elf Tage. 
Der Schreiber, der sie herstellte, änderte dementsprechend das 



— 107 — 



Steiermark gezogen wurde, konnte den Plänen der Baben- 
berger nicht förderlich sein; je besser die kirchliche Ver- 
sorgung ihrer Länder wurde, um so weniger erschieni die 
Errichtung eines herzoglichen Bistums geboten». Freilich 
dienten Seckau und Lavanit immerhin nur einem ^kleinen 
Teil von Steiermark als kirchliche Mittelpunkte 72 . 

Sein Recht, die Bischöfe der drei von ihm gegründeten) 
Hochkirdien zu ernennlen, hat Eberhard gewahrt. Für 
Lavant bestellte er in der Person Ulrichs d;nl ersten Bischof 73 , 
der ebenso wie Ulrich von Gurk seinen! Metropoliten und 
Kaiser Friedrich überlebte 7 *. 

Rudiger, der erste Bischof von Chiemsee, wurde 1233 
von Papst Gregor IX. auf den Stuhl von Passau befördert 75 . 
Zu seinem Nachfolger ernannte der Erzbischof den Salzburger 
Dompropst Albert. 76 . Wie er ihn erhoben hatte, so veranlasste 
er Albert auch, sein Amt 1244 niederzulegen, als er ihm 
wegen Alters nicht mehr tauglich dafür schien 77 . 



Tagesdatum, vergass aber, dass mittlerweile auch ein neues Ponti- 
fikatsjahr angebrochen war. 

1228 Mai 10 ordnet Eberhard Tl. die kirchenrechtlichen Ver- 
hältnisse des Bistums Lavant auf Grund der von Honorius III. ge- 
stellten Bedingungen (Meiller, Salzburger Regesten 241 nr. 317). 
Ueber das Verhältnis zu Gurk wird nichts gesagt; man darf an- 
nehmen, dass die Regelung hier ebenso geschah wie bei Chiemsee 
und Seckau, dass also dem Bischof von Gurk die Vertretung des 
Erzbischofs auch in der Diöcese Lavant vorbehalten wurde. 

72. Vgl. die Kartenskizze bei Krabbo, Babenberger. 

73. Ulrich von Lavant wurde 1228 Mai 14 (Pfingsten) zu 
Straubing durch Eberhard zum Bischof geweiht; Annal. S. Rudberti, 
MG. SS. IX, 784. 

74. Ulrich von Lavant starb 1256, Ulrich von Gurk 1253 
September 14 (Jaksch, a. a. O. II, 65 nr. 612). 

75. Auvray nr. 1444 (1233 Juni 27). 

76. Annal. S. Rudberti, MG. SS. IX, 786. 

77. Annal. S. Rudberti, MG. SS. IX, 788. 



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- 103 — 

Dazu, einen Nachfolger zu ernennen, kam Eberhard bei 
den Kämpfen, die seine letzten Lebensjahre erfüllten, nicht 
mehr; am 18. Dezember 1246 starb er 78 . Auf den unentwegt 
zur Partei des gebannten Kaisers haltenden alten Erzbischof 
glaubte Papst Innocenz IV. zuletzt kein« Rücksicht mehr 
nehmen zu brauchen. Das erledigte Bistum Chiemsee erschien 
ihm besonders geeignet, an päpstliche Parteigänger, die geld- 
bedürftig waren, zur Hebung ihrer Einkünfte so nebenbei 
vergeben zu werden. Ein wahlberechtigtes Domkapitel hätte 
sich solche Eingriffe in die eigenen Rechte schwerlich ruhig 
gefallen lassen: derartiger Widerstand war inl Chiemsee nicht 
zu befürchten. So übertrug Innocenz kurz vor Eberhards 
Tod dem Erzbischof Albert von Preussen, dem seine eigene, 
erst im Entstehen begriffene Kirche nicht genügenden Unter- 
halt gewährte, die Verwaltung von Chiemsee 7 * 9 . Bald darauf 
wurde dem preussischen Erzbischof jedoch an Stelle der 
kleinen Hochkirche in den) Alpen die Administration des 
für sein Amt als Metropolit der Ostseeländer ungleich gün- 
stiger gelegenen Bistums Lübeck verliehen 80 . Der frühere 
Bischof Albert von Chiemsee, der 1244 wohl nicht ganz frei- 
willig auf seinen Posten) verzichtet hatte, machte den Versuch, 
den erledigten Stuhl wieder zu erringen? 1 . Innocenz dagegen 
überwies die Einkünfte des Bistums jetzt auf Bischof Heinrich 
von Bamberg 82 ; dies passte aber dem neuen Erzbischof von 
Salzburg, dem eigenwilligen Philipp von Kärnten 83 , nicht; 



78. Meiller, Salzburger Regesten 303 nr. 617 ff. 

79. Vgl. für das Folgende P. Aldinger, die Neubesetzung der 
deutschen Bistümer unter Papst Innocenz IV. S. 33 f.; Potth. 12041 
(1246 März 30). 

80. Siehe oben S. 18 f. 

81. Aldinger, a. a. O. 94 fr. 

82. Berger nr. 3361, 3362 (1247 October 19). 

83. Vgl. über Philipps Person und Wahl Aldinger, a. a. 0. 63—69. 



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— 109 



er erreichte 84 durch Drohung und Ueberredung, dass der 
Bischof von Bamberg seinen Ansprüchen entsagte, und er- 
nannte nun seinerseits den Salzburger Dompropst Otto zum 
Bischof. Innocenz aber trat mach wie vor für Heinrich von 
Bamberg ein und erkannte Bischof Otto nicht an. Dieser 
Zwist zwischen Innocenz und Heinrich auf der einen, Philipp 
und Otto auf der anderen Seite hatte zur Folge, dass der 
von keiner der Parteien anlerkannte ehemalige Bischof Albert 
sich bis 1252 im tatsächlichen Besitz des Bistums halten 
konnte 85 ; so ganz altersschwach wird er also 1244 noch nicht 
gewesen sein, als ihm Eberhard unter Anljabü dieses Grundes 
das Bistum abgenommen hatte; er mag wohl noch andere 
Bedenken gehabt haben, die ihm die Enitfernung dieses Suf- 
fragans geboten erscheinen! Hessen. — 

Der erste Bischof von Seckau war Propst Karl von 
Friesach; er hatte schon im Auftrage des Erzbischofs die 
Unterhandlungen! in Rom geführt, die der Errichtung des 
Bistums vorausgingen, War also wohl schon damals von! 
Eberhard zum Bischof ausersehen 86 . Sein Nachfolger 
Heinrich, von 1231 bis 1243 87 regierend, trat in ein nahes 
Verhältnis zu Herzog Friedrich II. von Oesterreich und Steier- 
mark 88 , ein Anzeichen, dass manl sich jetzt am Wiener Hofe 

84. Das Folgende nach Berger 3798 (1248 April 9). 

85. Aldinger, a. a. O. 95 f. 

86. Potth. 5841, 5843 (1218 Juni 20, 22); Annal. S. Rudberti, 
MG. SS. IX, 781. Bischof Karl von Seckau starb 1230 Dezember 14 
(Meiller, Regesten der Erzbischöfe von Salzburg 251 nr. 367). 

87. Heinrich von Seckau starb 1243 October 7 (Meiller, a. a. O. 
287 nr. 540). 

88. Ueber die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Herzog 
Friedrich II. von Oesterreich und Bischof Heinrich von Seckau vgl. 
A. von Meiller, Regesten zur Geschichte der Markgrafen und Herzoge 
von Oesterreich (1850), 265 Anm. 441. Eine Bestätigung der Be- 
hauptung Meillers, Regesten der. Erzbischöfe von Salzburg 561 
Anm. 198, dass bereits die Ernennung Heinrichs zum Bischof von 



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110 



mit dem Bestehen des Bistums Seckau, dessen Gründung 
man einst mit Recht übel genommen, hatte, aussöhnte. Noch 
intimer wurden diese Beziehungen! unter Heinrichs Nach- 
folger Ulrich; seine Ernenmung steht schon im Zusammen- 
hange mit dem erneuten Versuche, denl der letzte Baben- 
berger machte, die bischöfliche Organisation seiner Länfder 

auf eigene Hand zu verbessern. 

* * 

Die Regierung Herzog Friedrichs II. von Oesterreich und 
Steiermark hatte infolge des eigenwilligen, persönlichen Re- 
giments, das der junge Herzog führte, mit starken! Unruhen 
und Erschütterungen begonnen, die dem Babenberger beinahe 
seine reichsfürstliche Stellung gekostet halten 89 . Doch seine 
Vorfahren hatten die Macht ihres Hauses so fest gefügt, 
dass sie diese Stürme überstand. 

Seit 1239 kämpfte die Kurie auf Tod und Leben gegen 
Kaiser Friedrich II.; dem Staufer, wie den Päpsten erschien 
der Herzog, der über eine besonders geschlossene Macht 
verfügte und in der Nähe der wichtigen Verbindungslinien 
zwischen Deutschland und Italien gebot, ein hoch zu schät- 
zender Bundesgenosse: beide Parteien suchten ihn durch 
reich gespendete Gnaden für sich zu gewinnen. Getreu der 
Politik seines Hauses hielt sich Friedrich gleich seinen Nach- 
barn, Eberhard von Salzburg und Rudiger von Passau, zur 
Reichspartei, und glänzender Lohn! winkte ihm dort: die 
Heirat seiner Nichte Gertrud mit dem Kaiser und, was 
schwerer wog, eine Königskrone. 

Die offensichtliche Aehnlichkeit, die zwischen den) Plänen 
Herzog Friedrichs einerseits, Ottokars von Böhmen andere r- 

Seckau auf Verwendung Herzog Friedrichs erfolgt sei, habe ich 
nicht finden können. 

89. Im Jahre 1236 wurde über Herzog Friedrich II. die Reichs- 
acht verhängt; drei Jahre befand er sich darauf im Kriege mit dem 
Kaiser; vgl. G. Juritsch, Geschichte der Babenberger und ihrer 
Lander (1894), 5550: 



- 111 — 



seits besteht, dazu die Ueberlegung, dass der Babenberger 
zweifellos über die kirchenpoiitische Entwicklung im benach- 
barten Böhmen, das in Krieg urtd Frieden fortwährend leb- 
hafte Beziehungen zu Oesterreich unterhielt, gertau unter- 
richtet war, legen die Annahme so nähe wie möglich, dass 
die in Aussicht stehende Rangeserhöhurtg es war, die den 
Herzog auf den Gedanken brachte, die kirchenipolitischen 
Pläne seines Vaters wieder aufzunehmen); jedoch ging 
Friedrich darin weiter als Leopold, dass er von vornherein 
mehrere Bistümer errichten wollte 90 . Während er mit dem 
Kaiser über das künftige babenbergische Königreich ver- 
handelte, legte er Papst Innocenz seine kirchlichen Pläne 
vor. Sein Vater hatte einst das ersehnte Bistum Wien, gegen 

90. Ueber die Gründungspläne Herzog Friedrichs II. sind wir 
unterrichtet durch Berger 1102, 1103 (1245 März 8). In der letzt- 
genannten Urkunde steht deutlich, dass der Herzog Bistümer 
gründen wollte; E. Michael, Zeitschrift für katholische Theologie XIV 
(1890), 303 und mit Vorbehalt auch Juritsch, a. a. O. 63+ schliessen 
daraus, dass Leopold seines Vaters Plan in erweiterter Form durch- 
führen wollte. G. Ratzinger, Forschungen zur Bayerischen Geschichte 
(1898), 390 nimmt dagegen an, es habe sich nur um ein Bistum 
gehandelt, da in Berger 1102 nur von einem in Aussicht ge- 
nommenem Schutzheiligen die Rede sei ; ihm schloss sich an 
H. Ritter von Srbik, die Beziehungen von Staat und Kirche in 
Oesterreich während des Mittelalters (1904) im Nachtrag, sich da- 
bei gegen meinen Aufsatz im Archiv für österr. Gesch. Bd. 93 
wendend. Ich glaube jedoch auch jetzt noch, dass man Berger 1103 
ohne Gewalt nicht anders interpretieren kann, als dass Friedrich 
wirklich mehrere Bistümer hat gründen wollen; auch spricht der 
Parallelismus der kirchenpolitischen Entwicklung in Oesterreich und 
Böhmen dafür. 

Dass über die Rangeserhöhung Herzog Friedrichs II. bereits 
vor 1245 April (BF. 3478 b) verhandelt sei, habe ich (Babenberger 
31 Anm. 3) angenommen; ob man aber, wie Michael a. a. O. tut, 
schon den Brief des Kaisers an den Herzog von 1240 Juni (BF. 
3126) in dieser Hinsicht verwerten darf, scheint mir doch zweifelhaft 



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den Widerstand von Salzburg un»d Passau nicht durchzusetzen 
vermocht. Derartige Hindernisse hatte Herzog Friedrich nicht 
zu befürchten; denn der alte Eberhard von) Salzburg und 
Rudiger von Passau waren völlig mit Papst Inniocenz zer- 
fallen, da sie trotz aller Massregelungen ohne Schwanken zum 
Kaiser hielten: dass sich für sie diesmal an der Kurie in 
Lyon keine Hand regen] würde, dafür sorgte schon ihr 
Todfeind, der Passauer Archidiakon Albert 91 . 

Die Errichtung des Bistums Seckau war einst eine Gegen- 
mine gewesen, die Eberhard von Salzburg gelegt hatte, um, 
die Gründungsplänie Leopolds zu bekämpfen; das Bestehen 
dieser Hochkirche musste auch von Herzog Friedrich um so 
unangenehmer empfunlden werden, in je grösserem Stile er 
auf den Gedanken seinies Vaters zurückkam. Doch auch hier 
war ihm das Glück hold. Hatte er schon zu Bischof Heinrich 
von Seckau gute Beziehungen unterhalten, so konnte er 
für die Zukunft noch Besseres erhoffen. Im Oktober 1243 
starb Heinrich, und der Herzog bewog den greisen' Erzbischof> 
zum Nachfolger des Verstorbenen den Magister Ulrich zu 
ernennen, den Vorsteher der herzoglichen Kanzlei. Friedrich 
beschritt also denselben Weg, wie sein Vater, der 1215 die 
Wahl seines ersten Kanzleibeamt. zum Bischof von Passau 
durchsetzte, um so in diesem Bistum den Widerstand gegen! 
»eine Kirchenpolitik zu brechen. Auf Bischof Ulrich von; 
Seckau konnte sich der Herzog bei Durchführung seinle^ 
Ideen verlassen. Es war ein Akt der Höflichkeit, wenn er 
Eberhard den erbetenen Revers ausstellte, es solle kein Prä- 
judiz geschaffen werden durch die Ernennung des herzog- 
lichen Protonotars zum Bischof der steirischen Hochkirche 92 ; 
an der Tatsache, dass der herzogliche Ein luss jetzt über den 
• ■ ' • • .■ . 

91. G. Ratzinger, a. a. O. 175 fr. 

92. J. von Zahn, Urkundenbuch des Herzogthums Steiermark II, 
546 nr. 432 (1244 April 24). 



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- 113 - 



erzbischöflichen im Bistum Seckau obgesiegt hatte, änderte 
diese billige Erklärung nichts, und dass Eberhard sie sich 
überhaupt ausbat, zeigt, was er, gewiss der sachkundigste 
Beurteiler, für die Zukunft von der Kirchenpolitik dieses 
Herzogs erwartete. 

Der neue Protonotar Leopold, Ulrichs Nachfolger in dieser 
Würde, und Gottschalk, bald Inhaber desselben) Postend, 
gingen nach Lyon? 3 , wo sie, vom Papst mit Auszeichnung" 
behandelt 94 , die Pläne ihres Herrn förderten'. Mehrere Bis- 
tümer sollten ins Leben gerufen! werden, für eins derselben 
hatte man sogar schon einen) dama's eben in Oesterreich 
populärer gewordenen Heiligen», den zu Anfang des 11. Jahr- 
hunderts erschlagenen Wallfahrer Koloman, als Schutzpatron 
in Aussicht genommen 95 . Von) den geplanten Hochkirchen 
sollte eine, wie nicht anders zu erwarten! ist, mit ziemlicher 
Sicherheit nach Wien verlegt werden 96 ; im Uebrigenf wird 
man über Vermutungen, wie der Herzog seinie Länder kirch- 
lich einzuteilen gedachte, nicht hinlauskommen 97 . 



93. Krabbo, Babenberger 33 f. 

94. Berger 1046, 1047 ( I2 45 Februar 22). 

95. Berger 1102 (1245 März 8). 

96. Hierfür spricht einmal, dass Wien bereits von Leopold VI. 
zum Bistum erhoben werden sollte; es bestand somit schon eine 
gewisse Tradition, und die Gründe, die 1 207 für Wien geltend 
gemacht waren, hatten ihre Bedeutung natürlich auch noch 1245. 
Sodann ist zu beachten, dass die Schottenmönche in Wien, wie 
1208 (vgl. oben S. 94 Anm. 19), so auch wieder am 7. März 1245 
unter päpstlichen Schutz traten : sie fühlten sich offenbar durch den 
wieder erörterten Plan, in Wien ein Bistum zu errichten, abermals 
in ihrem Besitzstande bedroht (Potth. 11579). 

97. Ich habe (Babenberger 36) den Versuch gemacht, den 
Plan, nach dem Friedrich II. seine Landeskirche zu organisieren 
gedachte, zu rekonstruieren, und nahm dort an, dass dieselbe in 
vier Diöcesen zerfallen sollte,^ nämlich Wien (Oesterreich), Seckau 
(Steiermark), Kremsmünster (Traungau), Wiener-Neustadt (Püttener 



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- 114 - 



Der Sommer 1245 schien die Verwirklichung der stolzen 
Pläne bringen zu sollent Friedrich zog nach Verona zum 
Kaiser, um dort die Verhandlung!! über seinle Rangeserhöhung 
zum Abschluss zu bringen 98 , während sein Vertrauensmann, 
Bischof Ulrich von Seckau, gleichzeitig in Lyon den Papst 
aufsuchte, auch er dort mit Aufmerksamkeiten bedacht", 
wie die früheren Boten Herzog Friedrichs. 

Vielleicht wollte der Babenberger zuviel auf einmal; in- 
dem er gleichzeitig mit zwei Mächten, die unversöhnlich 
waren, verhandelte und von beiden eine Förderung seiner 
Pläne erhoffte, erreichte er weder hier noch dort im ersten 
Anlauf sein Ziel. Er unterhielt jedoch auch fernerhin zu 
Kaiser und Papst gute Beziehungen und es traten keine Er- 
eignisse dazwischen, die die Aussichten des grossen) Planes 
verschlechtert hätten. Jedenfalls konnlte Friedrich eher ho'fen, 
seine Absichten zu verwirklichen, als sein! Vater; denn die 
Gewalten, an denen jener gescheitert war, Salzburg und 
Passau, waren durch innere Kämpfe zerrüttet und fanden 
Iceinen Rückhalt an der Kurie, wollten) sie sich einer Beein- 
trächtigung ihrer Rechte widersetzen. Da wurden mit einem 
Schlage die hohen babenbergischen Plärte vernichtet: am 
15. Juni 1246 fiel Herzog Friedrich, der letzte männliche 
Spross seines Hauses, im Kampfe gegen die Ungarn'«. Um 
sein materielles Erbe, die Herzogtümer Oesterreich und 
Steiermark, entstand Jahre langer Streit, und in ihm ging 
verloren, was Friedrich an geistigem Eigentum hinterlassen 
hatte in seinen politischen; und kirchlichen Entwürfen. Wir 
hören nichts mehr von ihnten; erst 1468 kam ein Bistum 
in Wien zu stände. — 

Stärker als in einem der vorher besprochenem Gebiete 

Mark. Ich wiederhole jedoch ausdrücklich, vgl. a. a. O. 36 Anm. 2, 
dass dieser Rekonstruktionsversuch eine unbeweisbare Hypothese ist. 

98. G. Juritsch, a. a. O. 642 f. 

99. 1245 Juni 22, J. von Zahn, Urkundenbuch des Herzogtums 
Steiermark II, 567 nr. 455. 



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— 115 — 



drängt es in der Kirche des deutschen Südostens zu Neu- 
bildungen während der ersten» Hälfte des 13. Jahrhunderts. 
Zweimal machen die Herzöge von Oestsrreich einen! kräftigen 
Anlauf, ihrer landesherrlichen) Macht eine wettere Stütze zu 
geben durch Gründung einer von ihnen abhängigen Landes- 
kirche. Dreimal unternimmt es Eberhard von Salzburg, zur 
Verstärkung seiner politischen Stellung ein von ssiner Metro- 
pole nicht nur kirchlich, sondern auch staatsrechtlich ab- 
hängiges Bistum ins Leben zu rufen. Der Kaiser, zu dessen 
vornehmlichsten Aufgaben früher die Erweiterung der bischöf- 
lichen Organisation gehört hatte, ergreift weder hier noch 
dort die Initiative; alles ist das Werk der Territorialmächte. 
Nur um Bestätigung seiner Neugründun(gen, die dem direkten 
Einflüsse des Reiches entrückt sind, geht der Erzbischof 
seinen kaiserlichen Herrn an, und seine Bitte wird bereit- 
willigst gewährt. An frühere Zeiten erinnert es höchstens, 
dass in der Qurker Streitfrage aruasslich der offenbaren 
Uebergriffe des Papstes in die lehnsrechtlichen Reichssachen 
des Kaisers Sohn, König Heinrich, ein Wort der Abwehr 
findet. In der babenbergischert Angelegenheit ist von einer 
amtlich dokumentierten Stellungnahme von Kaiser und R^ich 
überhaupt nichts bekannt. Die entscheidenden Verhandlungen 
führen Eberhard wie die Herzöge Leopold und Friedrich 
mit den Päpsten; sie sind die alleinige Instanz, durch deren 
Machtwort neue Bistümer ins Leben gerufen werden können. 

Wie gegenüber dem Plane, Prag zum Erzbistum zu er- 
heben, Mainz eine bemerkenswerte und erfolgreiche Wider- 
standskraft entwickelt, so vermag auch Herzog Leopold nicht, 
gegen den Einspruch der mächtigen bayrischen Hochkirchen 
Salzburg und Passau sein Bistum Wien durchzusetzen. Ob 
die beiden Bistümer auch dem erneuten und verstärkten An- 
sturm des letzten Babenbergers auf die Dauer standgehalten 
haben würden, lässt sich schwer sagen ; der Tod Herzog 
Friedrichs überhob sie dieser Kraftprobe. 



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VII 



Das Erzbistum Riga. 

Die Bekehrung der heidnischen Anwohner des Ostsee- 
beckens hatte zu den grossen Aufgaben gehört, deren Lösung 
Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen durchzuführen ge- 
hofft hatte. Doch seine Kirchenproviniz, die den ganzen 
Nordosten von Europa umfassen sollte, brach auseinander, 
und es musste sich nun zeigen», welchem Teile des ehemaligen 
Oesamtorganismus es gelingen würde, den* entscheidenden 
Einfluss an den östlichen* Küsten des baltischen Meeres zu 
gewinnen; es enltspann sich von selbst eine Nebenbuhler- 
schaft zwischen der alten Bremer Mutterkirche und ihrer 
Tochter, der dänischen Metropole Lund. 

Zu diesem kirchlichen Wettstreit kam ein kommerzieller 
und politischer. Seit durch die Lebensarbeit Heinrichs des 
Löwen das Slaventum aufgehört hatte, als selbständiger poli- 
tischer Faktor an der Ostseeküste eine Rolle zu spielen, 
gab es nur noch zwei Völker, die einanlder als Bewerber um 
die Herrschaft auf dem Binnenmeere, dessen Küsten zum 
Handel einluden, gegenüberstanden : wiederum, wie im kirch- 
lichen Widerstreit, die Deutschen und die Dänen 1 . Die 
Kräfte waren so ungleich nicht verteilt, wie es auf den 
ersten Blick erscheint: stand den Deutschen die weit grössere 
Menschenmasse zur Verfügung, so litten) sie doch an un- 

i. Ueber die Stellung beider Völker zu einander in Bezug auf 
die Ostsee vgl. G. Dehio, Geschichte des Erzbistums Hamburg- 
Bremen II (1877), iöoff. 



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— 117 — 



heilvoller Zersplitterung ihrer Kräfte, während das kleine 
Dänemark gerade damals unter der straffen Leitung eines 
starken Königtums einen/ raschen Aufschwung nahm. 

Die deutsch-dänischen Beziehungen! sind bereits wieder- 
holt berührt worden; die gleichgültige Stellung Friedrichs II. 
trat hervor, als er Nordalbingien und Meklenburg einfach an 
Dänemark abtrat 2 . Die an der Grenze lebendige Kraft des 
nationalen Gedankens zeigte sich, indem sein Impuls stark 
genug war, die auseinanderstrebenlden deutschen Territorial- 
mächte in der Stunde der Gefahr zusammenzuführen!, so dass 
bei Bornhöved den Dänen ihre Beute wieder endgültig abge- 
nommen wurde 3 . Auch in den kirchlichen Angelegenheiten 
konnte schon auf die leidige Teilung der deutschen Kräfte hin- 
gewiesen werden, wenn neben Bremen auch Magdeburg als 
Bewerber um die Leitung der von Dänemark bedrohte«! 
deutschen Missionskirche auftrat 4 . 

Der Kampf der Deutschen und Dänenl um Holstein, 
Meklenburg und Pommern war nächt blos ein Grenzkrieg; 
das Ziel, um das gerungen wurde, war ein viel höheres, 
es war die Ostseeherrschaft; so wird jedes Schwanken des 
Streites an der deutschen Ostseeküste auch in Livlanid mit 
empfunden. 

In Iden bisher besprochenen ostdeutschen Gebieten zeigte 
sieh stets gegenüber dem Drang nach Neubildungen in den 
Beziehungen zwischen geistlichen und weltlichen Mächten 
die konservative Kraft des historisch Gewordenen. Anders 
ist es auf dem Boden Livlands und Preussenls ; hier war bisher 
unerschlossenes Missionsland, hier war keine Gewalt, vor der 
man Halt zu machen brauchte; hier traten Staat und Kirche 
von vornherein mit ganlz gleichen Chancen auf den Plan. 
Aus dem Machtverhältnis, das hier zwischen den beiden ein- 
treten würde, musste sich zeigen, welche der Mächte den 

2. Siehe oben S. 12 ff. 

3. Siehe oben S. 17. 

4. Siehe oben S. 59fr. 



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- 118 - 



massgebenden Einfluss übte bei der Aufrichtung einer neuen 
Kirchenorganisation. 

Die Missionsarbeit, die Männer wie Bischof Albert von 
Livland und Bischof Christian von Preussen geleistet haben, 
die organisatorische Tätigkeit, die der päpstliche Legat 
Wilhelm von Modena entfaltete, die Anfänge des deutschen 
Ritterordens in Preussen uiud Livland, das alles sind Dinge, 
die zu oft erzählt sind 5 , als dass es geboten wäre, sie in 
diesem Zusammenhange vollständig zur Darstellung zu 
bringen. Hier wird nur ani der Hand der Haupttatsachen 
d-er Missionsgeschichte Livlands und Preussenls darauf hin- 
zuweisen sein, wie weit den Päpsten), den deutschen Königen, 
den übrigen Mächten der -entscheidende Einfluss zuzuweisen 
ist. Livland, obwohl den Deutschen geographisch ferner lie- 
gend, als Preussen, trat früher in ihren» Gesichtskreis ein; 
darum ist auch zunächst auf die Inländischen Verhältnisse 
einzugehen. 

Der erste Versuch, den im 12. Jahrhundert Erzbischof 
Eskil von Lund und d-er vont ihm geweihte Bischof Fulko 
machten, das Christentum an die Küste von Estland zu tragen, 
scheiterte 0 ; da man von dänischer Seite nicht wieder an diese 
vereinzelte Unternehmung anknüpfte, so blieb die Arbeit 
Fulkos eine Episode, die ohne Zusammenhang mit der später 
durchgeführten Christianisierung der Ostküste des baltische« 
Meeres steht. Diese beginnt vielmehr mit der Arbeit eines 
deutschen Geistlichen, des Augustiner-Chorherrn Meinhard 
aus dem lübischen Kloster Segeberg. Seine als private Un- 
ternehmung begonnenen Missionsversuche in Livland wurden 
vom Erzbistum Bremen zur eigenen Sache gemacht, indem 
dort 1186 Meinhard zum Bischof der von ihm gegründeten 
Kirche Uexkuell in Livland geweiht wurde 7 . Schon zwei Jahre 

5. Die wichtigste Literatur wird im Folgenden citiert werden. 

6. Dehio, a. a. O. II, 163; A. Ilauck, Kirchengeschichte 
Deutschlands IV (1903), 628 fr. 

7. Heinrici chron. Lyvoniae I, 8; MG. SS. XXIII, 241. 



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- 119 - 



später wurde von Rom aus die Zugehörigkeit des livlän- 
dischen Bistums zur Bremer Kirchenprovinz und damit die 
seit Erzbischof Adalbert von Bremen beanspruchte Ober- 
leitung über die nordöstliche Mission ausdrücklich an'erkannt 8 . 
In Bremen wurden denm auch nach Meinhards Tode erst 
Bertold, und als der gefallen war, Albert zu Bischöfen von 
Uexkuell ernannt und geweiht. 

Mit Albert kommt ein grosser Zug in die deutsche Liven- 
mission; die Handlungen) seiner ersten Jahre enthüllen das 
stolze Programm, nach dem er die politischen und kirch- 
lichen Zustände seines Bistums zu gestalten! gedachte. Im 
Frühling 1199 war ihm das Bistum übertragen; schon im 
Oktober desselben Jahres hatte er sich von Papst Inno- 
cenz III. einen Aufruf am die Sachsen und Westfalen zur 
Unterstützung seiner Kirche erwirkt 9 ; im Niedersachsen er- 
kannte er also den niatürlichen Nährboden, aus dem die 
junge Pflanzung des Christen/tums in Livland zunächst ihre 
Kräfte saugen müsste. Zu Weihnacht desselben Jahres Hess 
er sich in Magdeburg durch König Philipp bestätigen, dass 
das Eigentum der Livlandkämpfer ebenso uniter besonderem 
päpstlichen Schutz stehe, wie das der Kreuzfahrer 10 . Albert 
versicherte sich also, ehe er seine eigentliche Arbeit antrat, 
der wohlwollenden Zustimmung von! Papst und König, behielt 
aber im Uebrigen die Häjnde frei 11 . Fast jedes Jahr zog er 
nun nach Livlanld an der Spitze der Kämpfer, die er in 
Deutschland geworben hatte. 1201 gründete er als festem 
Stützpunkt die Stadt Riga, 1202 verlegte er den Sitz seines 

8. Jaffe-L. 16325 (1188 September 25). 

9. Potth. 842 (1199 Oktober 5); gleiche Aufrufe des Papstes 
ergingen übrigens auch in die ostelbischen Länder, an die Christi 
fideles in Sclavia und an die trans Albiam constitutos. 

10. Heinr. chron. Lyvoniae III, 4t; MG. SS. XXIII, 244; vgl. 
BF. 32 a. 

11. Auch dem König von Dänemark machte er seine Auf- 
wartung, ehe er nach Livland ging, Heinr. chron. Lyv. III, 3; a. a. Q. 



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- 120 - 



Bistums dahin ; im gleichen Jahre wurde nach dem Vorbild 
des Templerordens der Schwertorden organisiert, die Brüder 
der Ritterschaft Christi, die als im Lande ansässige Untertanen! 
des Bischofs ihm für die Behauptung seiner Eroberungen' eine 
bessere Gewähr bieten sollten, als dies die zu- und ab- 
flutenden Heere der Livlandfahrer konlnten 12 . Albert wollte 
also ein geistliches Fürstentum errichten, im dem er Herr 
der weltlichen wie der kirchlichen Angelegenheiten war; 
der Nationalität des Gründers und seinler Helfer entsprechend 
musste der neue Staat politische Anlehnung an das deutsche 
Reich suchen, wie auch das Bistum Riga kirchlich Bremen 
unterstand. 

Es war ein Unglück, dass die Entstehungsjahre der 
deutsch-livländischen Kirche mit dem Tronstreit zwischen) 
Philipp und Otto zusammenfielen; damals gelang es den 
Dänen, die beherrschende Stellung" in Holstein zu erringen. 
Das Erzbistum Bremen, das schwerer als alle anderen Terri- 
torien des Reiches unter der dänischem Invasion zu leiden 
hatte, verlor, seitdem Lübeck in den Händem des Feindes 
war, die Fühlung mit seinem Suffragan' in Livland. Das 
hatte zwei Folgen. Einmal wurde so Bischof Albert der 
Gedanke nahe gelegt, sich von seimem fernen Metropoliten 
zu emanzipieren; auf der anderem Seite aber musste es 
die Dänen reizerf, zu den alten Suffraganen des deutschen 
Erzbistums, zu Lübeck, Ratzeburg und Schwerin, auch Riga 
für sich zu erwerben. Von Seiten der Kurie wurde die 
jetzt sich entspinn entde deutsch-dänische Rivalität um das 
Missions- und Koloniallanid vom ersten Augenblick an ge- 
fördert; denn es entsprach dem Grundsätzen römischer 
Staatskunst, zwischen den verschiedenen Nationen nach Mög- 
lichkeit ein Gleichgewicht der Kräfte, eine wesentliche Vor- 
bedingung für die Erhaltung der päpstlichen.' Suprematie, 
herzustellen. 1206 verlieh Innoceniz III. dem Erzbischof 



12. Alles nach Heinr. chron. Lyv. Vf., a. a. O. 245k 



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121 - 



Andreas von Lund das Recht 13 , unter den Heiden an der 
Ostseeküste, die -er unterwerfen würde, ein Bistum aufzu- 
richten ; im gleichen Jahre unternahm König Waldemar seinen 
ersten Zug nach der Insel Oesel, die denl Seeweg nach Riga 
beherrscht. Als anschliessend an diese Expedition» der 
dänische Erzbischof den Winter in Riga zubrachte, wurde 
klar, was der jungen Kolonie drohte. Der Gefahr zu be- 
gegnen, begab sich Albert an denl Hof König Philipps; im 
April 1207 zu Sinzig nahm er sein Lanld von ihm zu Lehen 14 
und wurde so deutscher Reichsfürst. 

Die traurigen Zustände Deutschlands Hessen' es jedoch 
nicht dazu kommen, dass der lehnsrechtliche Anischluss Liv- 
lands praktische Folgen hatte. In Rom gin|g man derweilen 
über die früher anerkannten! Rechte Bremens als der Me- 
tropole von Riga hinweg, indem mani das bisher bestehende 
Rechtsverhältnis einfach leugnete. 1211 erhielt Albert von 
Riga das Recht, im Missionslande gleichwie ein Erzbischof 
neue Bistümer zu errichten 15 . Dasselbe Recht nahm aber 
Innocenz auch für sich selbst in Anspruch: er behielt sich 
also unmittelbare Eingriffe in Livland ausdrücklich vor 16 . 

13. Potth. 2652 (1206 Januar 13). 

14. Heinr. chron. Lyv. X, 16 f.; MG. SS. XXIII, 258: vgl. 
BF. 143 a. König Philipp verpflichtete sich auch zu einer jährlichen 
Unterstützung von hundert Mark für Albert; gezahlt scheint aber von 
dem Gelde kaum etwas zu sein, wohl weil Philipp schon im 
nächsten Jahre ermordet wurde; der Chronist ruft bei der Er- 
wähnung der versprochenen Subvention aus (a. a. O. 258): si pro- 
missis quispiam dives esse poterit. 

15. Im Jahre 12 10 erhielt Albert noch päpstliche Befehle als 
Suflfragan von Bremen, Potth. 4118 (1210 Oktober 30); im nächsten 
Jahre war er jedoch schon im Besitze der päpstlichen Vollmacht, 
vice archiepiscopi neue Bischöfe einzusetzen (Heinr. chron. Lyv. XV, 4 ; 
a. a. O. 277). 12 14 Februar 20 (Potth. 4899) werden die Bistümer 
Riga und Estland für exemt erklärt, cum in memoria hominum 
non existat, dass dieselben alicui metropolitico iure subesse. 

16. Vgl. Potth. 4104 (12 10 Oktober 20). 



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- 122 - 



Schon im Jahre 1211 ernannte Albert auf Grund des päpst- 
lichen Privilegs den ersten Bischof für Estland, Dietrich 17 . 
Als ein Jahr später vom Schvvertorden, der je länger, je mehr 
versuchte, sich der bischöflichen Oberhoheit zu entziehen 18 , 
für seine Besitzungen im Estland ein besonderer Bischof 
gefordert wurde, übertrug Innocenz mach einigem Zogern 19 , 
getreu der internationalem römischen Politik, die Errichtung 
dieses Bistums der Erzkirche von Lund 20 ; er bewies seine 
völlige Unkenntnis der Geographie des Landes, wenn er 
gleichzeitig Dietrich, der ebenfalls von jeder erzbischöf- 
lichen Oberhoheit befreit wurde 21 , ganz Estland als Sprengel 
bestätigte 22 . Durch ihre Anwesenheit auf dem Laterankonzil 
1215 erreichten Albert von Riga und Dietrich von» Estland, 
dass das in Aussicht genommene dänische Bistum in Est- 
land einstweilen fallen! gelassen wurde; doch war dies nur 
ein Augenblickserfolg 23 ; man vergass im Rom die Zusage, 
als die deutschen Bischöfe abgereist waren. Auf der Rück- 
reise suchte Albert König Friedrich II. in Hagenau auf; der 
livländische Chronist weiss nur von! dieser Zusammenkunft 
zu berichten, der Bischof sei von Friedrich getröstet worden 24 . 

17. Heinr. chror. Lyv. XV, 4; a. a. O. 277. 

18. Ueber die Reibungen zwischen Bischof und Orden vgl. Dehio, 
a. a. O. II, 173 fr.; E. Seraphim, Geschichte Liv-, Est- und Kur- 
lands (Livländische Geschichte) P (1897), 56 fr. 

19. Zunächst hatte der Papst die Bitte der Schwertritter ab- 
gelehnt, Potth. 4372 (12 12 Januar 25). 

20. Potth. 4823 (1213 Oktober 11). 

21. Potth. 4841 (12 13 November 2); vgl. Potth. 4899 (12 14 
Februar 20). 

22. Diesen Widerspruch betont mit Recht Dehio, a. a. O. II, 176 f. 

23. Dehio, a. a. 0. II, 177 f., daselbst auch die Nachweise aus 
Heinr. chron. Lyv. 

24. Heinr. chron. Lyv. XX, 1 ; a. a. O. 294. Auch Dietrich von 
Estland ist 1216, vom Konzil heimkehrend, in Deutschland nach- 
weisbar, er weiht am 27. April die St. Pantaleonskirche in Köln 
chron. regia Colon. MG. SS. rer. Germ. 237. 




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- 123 — 

Materielle Hilfe gegen seine Bedränger — uniter ihnen taten 
sich die Dänen hervor — wird Albert also nicht bei dem 
König gefunden habend der wenige Jahre vorher Nordal- 
bingien an König Waldemar abgetreten hatte. Die deutsche 
Kolonie war nach wie vor auf sich selbst angewiesen^ und 
ihre Lage wurde allmählich bedenklich. Der Dänenkönig 
versperrte den deutschen Livlandfahrerm den Weg; in 
gleichem Sinne, aber aus anderen Gründen, war Erzbischof 
Gerhard von Bremen tätig 25 , der durch seine Massregeln den 
Bischof Albert zwingen wollte, seine Metropolitanrechte 
wieder anzuerkennen!. Dass der Bischof von Selonien, den 
Albert 1218 bestellt hatte, Bernhard, zur Lippe 26 , einst ein 
Parteigänger Heinrichs des Löwen, später Geistlicher und 
Abt von Dünamünde, der Vater des 1219 gewählten neuen 
bremischen Erzbiscbofs war, und Gerhard II. vonJ Bremen 
unter Mitwirkung seines Vaters geweiht wurde, war für die 
Beziehungen Bremens zum Missiomslande ohne Belang; denn 
Bernhard von Selonien beteiligte sich an der Weihehandlung 
ebensowenig als bremischer Suffragani, wie der andere as- 
sistierende Bischof, Otto von Utrecht, auch er ein Sohn 
Bernhards. Die Weihe Gerhards trug also einen ganz un- 
politischen Charakter, sie war ein Familienfest des Hauses 
Lippe. — 

In seiner Bedrängnis musste sich Albert schweren Herzens 
entschliessen, um der Existenz seiner Kirche willen dem 
Dänenkönig entgegenzukommen ; auf dem Hoftage, den König 
Waldemar am 24. Juni 1218 abhielt und auf dem wohl auch 
die Bischöfe von Lübeck, Ratzeburg, Schwerin und Kammin/ 



25. Vgl. die päpstlichen Verbote an Gerhard I. von Bremen, die 
Livlandfahrer zu belästigen und sich erzbischöfliche Rechte über 
Livland anzumassen, Potth. 5768, 5769 (12 18 April 30); an das 
Bremer Domkapitel, Potth. 6139 (12 19 Oktober 26). 

26. Vgl. über ihn P. Scheffer-Boichorst, Herr Bernhard zur 
Lippe (1872). 



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— 124 - 



sich um ihren neuere Herrn versammelt hatten 27 , erschien 
Albert und mit ihm sein Kollege Dietrich von Estland. Sie 
erkauften das Versprechen dänischer Unterstützung mit dem 
Zugeständnis, die Eroberungen!, die die hülfeleistenden Dänen 
in Estland machen würden, anzuerkennen 28 . 

Aber schon im nächsten Jahre machte eine erfolgreiche 
Heerfahrt des Herzogs von Sachsen seinen Landsleuten in 
Livland etwas Luft 29 , und Bischof Albert sann nun, wie er 
der bedrohlichen, dänischen Nebenbuhlerschaft wieder ledig 
werden könnte. Die Dänen unternahmen derweilen einen 
grossen Zug nach Nord-Estland — dies Gebiet hatten! sie 
ja schon seit langem mit päpstlicher Genehmigung erwerben 
wollen 30 . In einer blutigen Schlacht an der Stelle, wo damals 
Reval gegründet wurde, schlugen sie die Esten ; unter den 
Toten des Tages war der deutsche Bischof Dietrich von Est- 
land, der sich Waldemar ganz angeschlossen hatte 31 . Sofort 
ernannte der Dänenkönig zum Nachfolger seinen Kaplan 
Wescelin. 1220 wurde für Wirland und Jervcni ein zweites 
dänisches Bistum errichtet 32 . 

Jedoch Albert gab den Kampf für seine bisherige unab- 
hängige Stellung nicht verlorene Von Rom erwirkte er sich 

27. Dieser Hoftag zu Schleswig bezeichnet vielleicht den Höhe- 
punkt der dänischen Machtstellung; vgl. R. Usinger, deutsch-dänische 
Geschichte 1189—1227 (1863), 227. Ueber die wahrscheinliche 
Anwesenheit der genannten vier Bischöfe vgl. F. C. Dahlmann, 
Geschichte von Dänemark I (1840), 365 Anm. 5. 

28. Für die hierdurch hervorgerufenen intensiveren Beziehungen 
Dänemarks zu Estland .vgl. die Monographie von R, Hausmann, das 
Ringen der Deutschen und Dänen um den Besitz Estlands bis 
1227 (1870). 

29. Heinr. chron. Lyv. XXI1T, iff.; a. a. O. 302 ff.; vgl. 
Hausmann, a. a. 0. 21 ff. 

30. Neuerdings hatte Honorius III. die dänischen Ansprüche be- 
stätigt, Potth. 5908 (12 18 Oktober 9). 

31. Heinr. chron. Lyv. XXIII, 2; a. a. O. 302. 

32. Heinr. chron. Lyv. XXIV, 2; a. a. O. 310. 



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— 125 — 



•eine Bestätigung seiner Uniabhängigkeit von Bremen und 
einen Befehl an das dortige Domkapitel, dies anzuerkennen 33 . 
Alberts Bitte freilich, Riga zum Erzbistum zu erheben, lehnte 
Papst Honorius ab 34 , die Kurie hegte wohl damals schon die 
Absicht, bald viel unmittelbarer als bisher in die Geschicke 
der Kolonie einzugreifen, und Hess deshalb die kirchliche 
Organisation Livlands einstweilen in der Schwebe. Für den 
gefallenen Dietrich von Estland bestellte Albert auch seiner- 
seits einen Nachfolger in der Person' seines Bruders Her- 
mann, war ihm doch noch kürzlich die Befugnis, Bischöfe 
zu ernennen), von Honorius III. bestätigt worden 35 . Auch die 
locker gewordene Verbindung mit Deutschland suchte er 
neu zu festigen: 1219 liess sich, wohl auf seine Veranlassung, 
Albrecht von Magdeburg vom Reiche die weitestgehenden 
kirchlichen und territorialen Rechte bestätigen, und der neue 
Bischof Hermann Von Estland wurde in Magdeburg geweiht 36 . 

Die Folge dieser gegen Dänemark gerichteten Politik 
war, dass König Waldemar dem Bischof Hermann die Ueber- 
fahrt nach Estland verwehrte 37 . Positive Förderung wurde 
Livland auch durch die Verbindung mit Magdeburg nicht zu 
Teil, und der unermüdliche Bischof Albert machte sich des- 
halb nach Italien zu Friedrich II. auf; er erinnerte den 
eben zum Kaiser gekrönten am die Zugehörigkeit Livlands 
zum Reiche. Es war umsonst, Friedrich gab ihm, getreu 
seiner bisherigen Politik, den billigen Rat, sich mit seinen 

33. Siehe oben S. 123 Anm. 25. 

34. Potth. 6151 (12 iq November 7); dagegen wurde Albert 
immerhin eine überragende Stellung den übrigen deutschen Missions- 
bischöfen gegenüber zugesichert, Potth. 0142 (12 19 Oktober 28). 

35. Potth. 5604 (1217 September 21). 

36. Siehe oben S. 61 Anm. 76. 

37. Ueberhaupt sperrte er den deutschen Livlandfahrern voll- 
ständig den Weg; vgl. die päpstlichen Abmahnungsschreiben, Potth. 
6143 (1219 Oktober 29), 6230 (1220 April 19). 



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- 126 - 

"Feinden, den Dänen und den Russen, zu vertragen 38 . So 
von allen Seiten verlassen, gaben Albert und Hermann ihre 
Länder Livland und Estland in König Waldemars Gewalt und 
erkannten ihn als ihren Herrn an; sie machten jedoch die 
Bedingung, dass ihre bisherigen Untertanen diesem poli- 
tischen Wechsel zustimmten 39 . 

In diesem Augenblick aber wendete sich das Blatt. Der 
dänische Statthalter in Reval, Erzbischof Andreas von Lund, 
geriet in Not, und gleichzeitig erhob sich in Livland ein 
Sturm der Entrüstung gegen die zugemutete Dänenherrschaft. 
So konnte Albert auf ganz anderer Basis den Dänen gegen- 
übertreten. Zu Reval schloss er 1221 einen Vertrag mit An- 
dreas des Inhalts, dass Deutsche und Dänen in der Kolonie 
als gleichberechtigte freie Völker sich verbündeten ; den Dänen 
fiel Nordestland mit Reval zu, während Südestland und Liv- 
land freier deutscher Boden blieb. König Waldemar, der 
1222 selbst übers Meer kam und sich von der Unmöglichkeit, 
in den deutschen Gebieten eine tatsächliche Herrschaft zu 
behaupten, überzeugte, stimmte dem Vertrage zu 41 ; indem 
er jedoch die Insel Oesel besetzte, glaubte er auch so das 
Uebergewicht über die Deutschen zu behaupten. Aber im 
folgenden Winter verloren die Dänen Oesel wieder an die 
heidnische Bevölkerung und dazu auch ihre ganlze festlän- 
dische Stellung bis auf die Burg Reval. Um ihr Unglück 
voll zu machen, erfolgte am 18. Mai 1223 die Gefangen- 
nahme König Waldemars durch den Grafen 1 von Schwerin; 
damit war entschieden, dass die deutsche Kolonie, das Werk 
des Bischofs Albert, auch deutsch bleiben würde. 



38. Heinr. chron. Lyv. XXIV, 4; a. a. O. 310. 

39. Heinr. chron. Lyv. XXIV, 4; a. a. O. Seraphim, a. a. O. 1, 75 
bezweifelt die Richtigkeit der Erzählung Heinrichs in diesem Punkte, 
wozu aber bei der Glaubwürdigkeit des gewissenhaften Bericht- 
erstatters begründeter Anlass nicht vorliegt. 

40. Heinr. chron. Lyv. XXV, 1; a.a.O. 312 f. 

41. Heinr. chron. Lyv. XXVI, 2; a. a. O. 316. 



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- 127 - 



Mit dem gefangenen Körnig suchten sich die bischöflichen 
Brüder zunächst in Güte zu einigen 1 ; Hermann erhielt jetzt 
die Erlaubnis zur Ueberfahrt 42 . Gleichzeitig aber wurde be- 
reits das zerschnittene Band, das die Kolonie mit dem 
Reiche verbunden hatte, neu geknüpft. Der Kaiser nahm 
im März 1224 alle Völker des Kolonialgebiets in seinen 
Schutz 43 , nur dem Reiche und der Kirche sollten sie dienen, 
keinem weltlichen Fürsten umtertan sein. 

Auch die Unterstützung des Papstes suchte Albert bei 
der Neuordnung der Dinge, die jetzt in) der Kolonie not- 
wendig wurde; auf seine Bitte entsandte Honorius eineta 
Legaten nach Livland in- der Person des Bischofs Wilhelm 
von Modena, der sich selbst zu der Mission erboten! hatte 44 . 
Mit der Ankunft dieses bedeutendem Mannes beginnt die 
Zeit der direktesten päpstlichen Eingriffe für das Neuland 
an der Ostsee. Die Deutschen hatten die günistige Lage, die 
durch die Gefangennahme des Dänienkönigs geschaffen war, 
ausgenutzt und waren gegen Norden vorgedrungen; auf 
Reval und Harrien allein beschränkten sie das dänische Ge- 
biet 45 . So sah es aus, als der Legat Wilhelm im Sommer 
— , 

42. Heinr. chron. Lyv. XXVIU, 1 ; a. a. O. 322. 

43. BF. 15 17 (1224 März); die Urkunde bezieht sich auf die 
gentes ... in Livonia, Escovia, Prussia, Sernigallia et in aliis 
provinciis convicinis, der Kaiser nimmt dieselben sub nostra et 
imperii protectione et speciali defensione, und eximiert sie a Servi- 
tute et iurisdictione regum, ducum et prineipum, comitum et ceterorum 
magna tum, presenti sancientes edicto, ut non nisi sacosanetre matri 
ecclesie ac Romano imperio . . . teneantur. Die Fassung der Ur- 
kunde ist also so unklar wie möglich; ihr positiver Inhalt dürfte die 
erbetene Bestätigung sein, dass alle Rechte Dänemarks in den 
Kolonien erloschen seien. 

44. Die Regesten Wilhelms von Modena stellt zusammen 
E. Strehlke, scriptores rerum Prussicarum II (1863), 116— 134, vgl. 
auch BFW. 10086 c. ff. 

45. R. Hausmann, das Ringen der Deutschen und Dänen um 
den Besitz Estlands (1870) 59 f. 



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- 128 - 



1225 in Livland eintraf. Politisch waren die Dänen ganz 
ins Hintertreffen geraten!, kirchlich behaupteten sie wenig- 
stens noch ihre beiden Sprengel Reval und Wirland. Die 
Absichten der Kurie enthüllten sich, indem Wilhelm die 
zwischen den siegreichen Deutschen und den geschlagenen 
Dänen strittigen Gebiete von beiden Parteien dem Papste 
abtreten Hess; unter direkter päpstlicher Verwaltung sollte 
ein neuer kirchlicher Staat gebildet werden 46 . 

Im November 1225 ging von Rom der Auftrag an den 
Legaten ab, die Gründung eirf*s Erzbistums für Livland vor- 
zubereiten, eventuell auch vorzunehmen 47 ; jetzt, unter den 
Augen des Legaten, konnte dies unter Wahrung der rö- 
mischen Interessen geschehen, Damit schien der Wunsch 
Alberts von Riga, den man von Bremen gelöst, dem man 
erzbischöfliche Befugnisse verliehen hatte, ohrie ihm jedoch 
den entsprechenden Titel zu geben, endlich der Verwirk- 
lichung entgegen zu gehen. Dennoch kam es nicht zur Er- 
richtung der Metropole. Wilhelm wird es also im Interesse 
seines Auftraggebers für richtiger gehalten haben, vort seiner 
Vollmacht keinen Gebrauch zu machen. Zudem befanden 
sich Albert und sein Bruder Hermann nicht an Ort undi 
Stelle, als die päpstliche Weisung eintraf. Sie waren art 
den Hof König Heinrichs VII. gegangen, um dort die ver- 
änderte politische Lage auszunutzen. Notgedrungen hatten 
sie auf den Anschluss an das Reich verzichten müssen ; jetzt 
Hessen sie sich ihre Bistümer von Neuem als Reichsfürsten- 
tümer bestätigen 48 , zugleich wurden dieselben zu Marken 
erhoben und zwar einschliesslich eines Gebiets, das der 
Legat für die römische Kirche beansprucht hatte 49 . 

46. Heinr. chron. Lyv. XXlX, 6; a. a. O. 328. 

47. Potth. 7498a (1225 November 19). 

48. BF. 3995, 3996 (1225 Dezember 1), vgl. BF. 3991 (1225 
November 6). 

49. Unter den Gebieten, von denen der Legat für die römische 



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129 



Kaum hatte Wilhelm der Kolonie den Rücken gekehrt, 
als der Zwist zwischen Deutschen und Dänen erneut aus- 
brach. Es war die Zeit, wo die beiden Völker auch in 
Nordalbingien zum Entscheidungskampfe sich rüsteten. Der 
künstliche Kirchenstaat, den Wilhelm errichtet hatte, war zu 
schwach, um als Puffer zwischen den feindlich aufeinander 
stossenden Gewalten zu dienen. Der römische Statthalter 
lohannes erkanmte das und übertrug die Verwaltung seines 
Gebietes für den Papst den Deutsch ea Im Sommer 1227 
waren die Dänen samt ihren Bischöfen völlig vom Boden 
der Kolonie vertrieben 50 . — 

Blicken wir zurück, in welcher Weise bisher das Reich 
und die Kurie in den Gang der Ereignisse eingegriffen hatten. 
Die junge Kolonie, die zunächst politisch ganz auf eigenen 
Füssen stehend sich gebildet hatte, suchte von dem Augen- 
blick an, wo sie sich von der Feindschaft der Däroen bedroht 
sah, Anschluss ans Reich. König Philipp zeigte Verständ- 
nis für die Lage und nahm das Bistum Alberts im den 
Reichsverband auf, verpflichtete sich auch zu einer jährlichen 
Unterstützung Livlands 51 . Die Erweiterung der deutschen 
Machtsphäre war also dem Reiche fast wie eine reife Frucht 
zugefallen, es hatte nur seit 1207 die Pflicht, zu erhalten, 
was es übernommen hatte. Aber Friedrich II. bewies hier die- 
selbe Gleichgültigkeit für die deutschen Interessen, wie in 



Kirche Besitz ergriffen hatte, befand sich auch die Küsten- 
landschaft (die Wiek), Heinr. chron. Lyv. XXIX, 6: a. a. O. 328. 
Wie es scheint, hatte er gerade auf diese Landschaft schon früher, 
als auf die anderen die Hand gelegt (XXIX, 3, a. a. O. 327; vgl. 
Hausmann, a. a. O. 64 Anm. 1), also wahrscheinlich zu einer Zeit, 
als Bischof Albert noch in Livland war. In BF. 3995 wird vom 
Reiche wiederum das Küstenland als Teil des Bistums und Fürsten- 
tums Riga bestätigt. 

50. Ueber den Untergang der dänischen Kolonie vgl. Hausmann, 
a. a. O. 62—82. 

51. Vgl. oben ö. 121 Anm. 14. 



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- 130 - 

der holsteinischen Frage: er wusste dem Bischof von Riga, 
der ihn an den Schutz des Reichslandes mahnte, nur zu 
raten, er solle sich mit seinen/ Feinden vertragen. Von ihm 
verlassen, mussten sich die deutschen Bischöfe unter Däne- 
mark beugen; ohne kaiserliche Unterstützung errangen sie 
nachher die Freiheit wieder. Wenn Friedrich 1219 de"m 
Magdeburger Erzbischof die Anwartschaft auf alle Inlän- 
dischen Eroberungen verlieh und fünf Jahre später dieselben 
Gebiete in seinen direkten. Schutz nahm, ausdrücklich ver- 
fügend, sie sollten nur dem Reiche und der Kirche Untertan 
sein, so zeigt auch das, wie er ohne irgend eine eigene Ini- 
tiative nur bestätigte, was man gerade von ihm verlangte. 
Etwas mehr Verständnis bewiesen wohl die Ratgeber seines 
Sohnes Heinrich, der 1225 an. die Traditionen König Philipps 
anknüpfend die Bistümer Riga und Dorpat für Marken des 
Reiches erklärte. Und darüber hinaus verlieh 1228 König 
Heinrich dem Schwertorden die Gebiete zu eigen, die der 
päpstliche Statthalter Johannes den Deutschen nur übergeben 
hatte, damit sie dieselben für den Papst verwalteten 52 . 

Ganz anders, konsequent vom ersten Augenblick an, 
ging man von Rom aus vor. Früh schon» war man erfolgreich 
bemüht, ein Gleichgewicht der Kräfte herzustellen, um so 
leichter herrschen zu könnert. Die Verbindung Livlands mit 
Bremen wurde zerschnitten, aber ndcht die Konsequenz ge- 
zogen, Riga zum Erzbistum zu erheben. Vielmehr erhielt 
Bischof Albert nur gewisse erzbischöfliche Befugnisse, gleich- 
zeitig aber wurde der Norden der Kolonie der dänischen) 
Kirchenprovinz Lund zugewiesen. Ebenso hielten auch im 
Inneren des deutschen Gebiets die Päpste nach Möglichkeit 
die Macht der Schwertritter und die der Bischöfe gegen ein- 

52. BF. 4105 (1228 Juli 1). Der König verlieh dem Orden zu 
Eigen die Landschaften Reval, Jerven, Harrien, Wirland. Die drei 
letztgenannten Gebiete hatten zu dem von Wilhelm von Modena 
errichteten Kirchenstaate gehört. 



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- 13t - 



ander in der Schwebe 53 . Misslang auch der Versuch, emen 
unter direkter römischer Verwaltung" stehendem Staat zu 
schaffen, so war doch die Kurie in der Lage, jederzeit 
wieder entscheidend einzugreifeni, indem die Kirchenprovinz 
Riga, zu ideren Bildung die Verhältnisse drängten, einstweilen 
noch nicht errichtet wurde. Der päpstliche Legat erhob die 
Hauptstadt nicht zur kirchlichen Metropole, obwohl er es hätte 
tun dürfen, er trat vielmehr selbst mit erzbischöflichen Be- 
fugnissen im Lande auf 51 . Er bewahrte der Kurie so auch 
für die Zukunft die als zweckmässig erkannte Möglichkeit 
entscheidender direkter Eingriffe in die Geschicke des Missi- 
onslandes. 

Nach dem Tode Bischof Alberts, 1229, versuchte Bremen 
sein gutes Recht geltend zu machen 55 . Erzbischof Gerhard 
ernannte einen Bremer Domherrn Albert zum Bischof von 
Riga. Das dortige Kapitel wählte jedoch einen Magdeburger 
Geistlichen, Nikolaus vom Liebfrautenkloster. Damals eben 
traf Wilhelm von Modena zum zweiten Male als römischer 
Legat an der Ostsee ein 56 ; er verfügte, dass die Besetzung 
des direkt unter Rom stehenden Bistums dem Papste zustehe. 
Vor dem von der Kurie bestellten Schiedsrichter drang das 
Domkapitel natürlich eher mit seinem Kandidaten durch, als 
der Bremer Erzbischof, dem nicht zugestanden! werden durfte, 
was man ihm und seinem Vorgängern seit zwei Jahrzehnten 
bestritten hatte: so wurde Nikolaus als Bischof anerkannt. 

Im Uebrigen schritt die päpstliche Politik auf der einmal 
beschrittenen Bahn fort, konkurrierend mit den Bischöfen von 
Riga beteiligten sich die Päpste direkt an der Regelung der 

53. Vgl. hierüber besonders Seraphim, a. a. O. II, 56 fr. 

54. Potth. 7345 (1225 Januar 9); Honorius ermächtigt Wilhelm, 
in seinem Legationsbezirk Bistümer zu errichten und zu besetzen; 
diese Vollmacht hatte bisher Albert von Livland innegehabt. 

55. Ueber das Schisma in Riga vom Jahre 1229 vgl. Hauck, 
a. a. O. IV, 639 f. 

56. Diesmal war Wilhelm nur Legat furPreussen, BFW. 10135 a ff. 



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- 132 - 

kirchlichen Verhältnisse. Als das Bistum Semgallen erledigt 
war, ernanrtte Gregor in der Person eines Franzosen Balduin 
einen -neuen Bischof 57 , dem er die weitestgehenden Voll- 
machten gab 58 ; als päpstlicher Legat und Statthalter trat er 
auf, von Neuem die Gründung einler direkten, weltlichen 
Herrschaft versuchend. Von den Rechten) des Reichs war über- 
haupt keine Rede mehr. In seiner Stellung als Legat löste 
1234 wieder Wilhelm von Modena den unfähigen Balduin 
ab 59 ; er, nicht etwa der Bischof von Riga, hat Engelbert, 
den ersten Bischof von Kurland 60 und Bischof Heinrich von 
Oesel 61 ernannt. Es schien noch einmal, als ob die deutsche 
Kolonie ein päpstlicher Staat werden sollte. 

* * 
* 

Die Gründung Bischof Alberts unterscheidet sich in einem 
Punkte sehr wesentlich von den übrigen ostdeutschen Kolo- 
nien: während in den Gebieten der Elbslaven der Strom der 

57. Ueber Balduin vgl. Hauck, a. a. O. IV, 640; Seraphim, 
a. a. O. I, 89fr.; seine Regesten bei BFW. ioi36dff. 

58. Potth. 8856, 8857, 8861-8865, 8867, 8875 (1232 Januar 30, 
Februar 3, 4, 5, 11). Bemerkenswert ist die Behauptung des 
Papstes (Potth. 8865) über den verstorbenen Bischof Albert von Riga, 
qui instituendi episcopos auctoritatem solummodo. non substituendi 
in terris de novo conversis, et ecclesiis cathedralibus iam edificatis 
habebat. Albert hat jedoch, ohne Widerspruch seitens der Kurie 
zu finden, die im Missionsgebiet erledigten Bistümer neubesetzt, er 
hat seinen Bruder Hermann zum Bischof von Estland gemacht, 
nachdem Dietrich 12 19 gestorben war, er hat auch Bischof Lambert 
von Semgallen nach dem Tode Bernhards zur Lippe bestellt. 

59. BFW. 7008, Potth. 9413 (1234 Februar 9, 21). 

60. Das sagt Wilhelm in einer Urkunde von 1245 Februar 7 
(BFW. 10168). Wahrscheinlich wird er, der von 1234 bis 1242 in 
seinem Legationsbezirk weilte, auch Bischof Arnotd von Semgallen, 
den Nachfolger des 1236 zurücktretenden Balduin (Chron. Albrici, 
MG. SS. XXIII, 940), ernannt haben. 

61. BFW. 10141 (1234 September 10). 



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deutschen Einwanderer alle Bevölkerungsschichten umfasste, 
Geistlichkeit und Adel, Städter und Bauern, fehlt der deutsche 
Landmann unter den Eroberern Livlands. Das liegt daran, 
dass die Besiedelung Livlands auf dem Seewege geschehen 
musste. Den Kaufleuten und Städtern war das nichts Un- 
gewöhnliches; die Ritter und die Geistlichen hatten auch 
im Zeitalter der Kreuzzüge gelernt, weit übers Meer zu fahren. 
Aber die Masse der bäuerlichen Bevölkerung bewegte sich 
nur zu Lande vorwärts, und der Landweg war noch versperrt 
durch weite heidnische Gebiete, als Albert von Riga seine 
Landsleute zur Besiedelung Livlands aufrief. Zwar wurde 
diese Lücke bald genug wenigstens zum Teil ausgefüllt durch 
die Eroberung und Germanisierung Preussens; aber dadurch, 
dass Livland eher von dem Deutschen erobert wurde als 
Preussen, ist es doch wesentlich mit bedingt worden', dass 
das Land um Riga und Dorpat nicht vollständig hat ger- 
manisiert werden könnten. 

Der Ausgangsort der Preussenmission ist ein Cister- 
cienserkloster in Polen, Lekn/o 62 . Dessen Abt Gottfried holte 
sich 1206 die päpstliche Erlaubnis, unter den Preussen zu 
predigen 63 ; er scheint bischöfliche Funktioniert ausgeübt zu 
haben, ohne doch geweihter Bischof zu sein 64 . Von Erfolgen 
seiner Arbeit ist so gut wie nichts bekanfnt. Aufgenommen 
wurde sie durch einen anderen Cistercienser, Christian; wie 
Gottfried arbeitete er im speziellen Auftrag der Päpste und 
empfing 1215 die Bischofs weihe 65 . Aehnhch wie in Livland 



62. H. Hockenbeck, Kloster Lekno (Wongrowitz) und die 
Preussenmission von 1206— 1212; in der Festschrift zur Erinnerung 
an die 250jährige Jubelfeier des Gymnasium Laurentianum zu 
Arnsberg^ 1893), 69—90. 

63. Potth. 2901 (1206 Oktober 26). 

64. Chron. Albrici, MG. SS. XXIII, 887; vgl. Hockenbeck, 
a. a. O. 7 2 f. 

65. Chron. Moni Sereni, MG. SS. XXIII, 186; vgl. jedoch 
Hockenbeck, a. a. 0 75 f. 



- 134 - 



vollzog sich auch hier die Entwicklung, friedliche Predigt und 
Kampf lösten einander ab. Doch fehlte der Missionisarbeit 
und den Heerfahrten in) Preussen, an denen sich Deutsch« 
nur in zweiter Linie beteiligten, durchaus der national-deutsche 
Charakter, von Haus aus war die Bekehrung der Preussen 
eine polnische Unterntehmung 66 . Heftige Rückschläge traten 
ein: die Preussen waren widerstandsfähiger als die Liven, 
die Polen nicht besonders gute Kolonlisatoren, und die Deut- 
schen folgten nicht so leicht dem Rufe des polnischen 
Bischofs, wie dem Werben ihrer Landsleute aus Riga. 

Als sich das Idritte Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts sei- 
nem Ende zuneigte, war das Werk Christians wieder ganz 
zerstört; weder war mehr die Rede von regelmässiger 
Missionsarbeit, noch konnte der Bischof daran denken, die 
Eigentumsansprüche, die er mit grösserer oder geringerer 
Begründung in Preussen und im Kulmerland erhob, durch- 
zuführen 67 . 

Die entscheidende Wendung trat dadurch ein, dass der 
Herzog Konrad von Masovien, ein polnischer Teilfürst, der 
besonders schwer unter der Nachbarschaft der heidnischen 
Preussen zu leiden hatte, 1228 den Deutschen! Orden zu 
Hilfe rief und ihm dafür das Land Kulm verlieh 68 . Der 
Deutsche Orden war, wenn auch sein) damaliger Hochmeister 
Hermann von Salza zu den Vertrauten Kaiser Friedrichs ge- 



66. Der erste Aufruf Innocenz' III. zur Unterstützung der 
Preussenmission (Potth. 2901) richtet sich ausschliesslich an die 
polgische Geistlichkeit. 

67. Vgl. für das Folgende P. Reh, das Verhältnis des Deutschen 
Ordens zu den preussischen Bischöfen im 13. Jahrhundert, Zeitschr. 
d. westpreussischen Geschichtsvereins XXXV (1896), 35 ff.; hier 
besonders 43 ff. Der Aufsatz von Reh wendet sich gegen A. Lentz, 
die Beziehungen des Deutschen Ordens zu dem Bischof Christian 
von Preussen, Altpreussische Monatsschrift XXIX (1892), 364fr.; 
Lentz ist ein Apologet Bischof Christians. 

68. BFVV. 11012 (1228 April 23). 



- 135 



hörte, doch seinem Wesen nach einte geistliche, dem Papst 
direkt unterstehende Ritterschaft; indem er die Führerrolle 
in der Bekämpfung der Preussen übernahm, verstärkte sich 
der unmittelbare Einfluss der Kurie in den Ostseeländern; 
gleichzeitig brachte es allerdings auch der national-deutsche 
Charakter des Ritterordens mit sich, dass die Christianisierung 
Preussens jetzt nicht mehr, wie es zuerst schien, ernte Poloni- 
sierung, sondern einte Germanisierung des Landes bedeutete. 
Seine schon früher bewiesene Tendenz, unabhängig von der 
landesherrlichen und bischöflichem Gewalt zu sein 69 , führte 
den Orden bald in Konflikt mit Bischof Christian. Deshalb 
war es den deutschen Rittern sehr bequem, dass der Bischof 
1233 von den Heiden gefangen genommen wurde; sie taten 
nicht nur nichts zu seinler Befreiung, sondern nützten die 
ihnen gegebene Frist von) fünf Jahren — erst 1238 erlangte 
Christian die Freiheit wieder — , um die kirchlichen Verhält- 
nisse Preussens in ihrem Sinme zu ordnen. 1234 wurde der 
Orden vom Papst mit Preussen belehnlt 70 : also auch hier 
sollte sich ein päpstliches Territorium verwirklichen, ähnlich 
wie es in Livland angestrebt wurde. 1236 erhielt Wilhelm 
von Modena den Auftrag, Preussen in Diözesen zu 
zerlegen ; die Bistümer sollten mit Dominikantern besetzt 
werden 71 ; der Orden muss der Kurie wohl, was er hoffte, 
Bischof Christian würde nicht aus seiner Gefanlgenschaft 
zurückkehren, als Tatsache mitgeteilt haben. Aber der pol- 
nische Bischof wurde frei und seine früheren' Rechte konnten 
jetzt nicht einfach übergangen) werden ; Wilhelm von Modena 
bemühte sich um eine Vermittlung zwischen den) Gegnern, 
bei der dem Orden freilich doppelt so viel Land zugewiesen 



69. Bei der versuchten Gründung eines deutschen Ordensstaates 
im Burzenlande (Siebenbürgen); vgl. darüber Reh, a.a.O. 42. 

70. Potth. 9501 (1234 August 3). 

71. Potth. 10173 (1236 Mai 30). 



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— 136 — 



wurde, wie dem Bischof 72 ; die befohlene Teilung Preussens 
in verschiedene Diözesen wurde einstweilen vertagt. 

Christian aber verschloss sich der Erkenntnis, wie sehr sich 
die Situation während seiner Gefangenschaft zu seinen Un- 
gunsten verschoben hatte urid nahm an der Kurie den Kampf 
mit dem glücklicheren Rivalen auf; er hoffte auf Erfolg, weil in 
dem ausbrechenden Kampf zwischen Kaisertum urtJ Papsttum 
die Ritter zögerten, sich von ihrem Gönmer Friedrich II. sofort 
ganz loszusagen 73 . Seine Hoffmung trog. Der Kurie war 
der mächtige Orden doch ein zu wertvolles Werkzeug; durch 
Entgegenkommen zog mam ihn vom Kaiser ab. 1243 zer- 
legte Wilhelm von Modena Preussen und das Kulmerland 
wirklich in vier Diözesen ; die überlegene Stellung des Ordens 
im Lande wurde gleichzeitig aufs neue statuiert; ihm fielen 
zwei Drittel des Bodens zu, wie es früher schon bestimmt 
war, die vier Bischöfe zusammen bekamen nur ein 1 Drittel 74 . 
Es war nur eine Konsequenz seiner bisherigen Haltung, 
dass Bischof Christian der Aufforderung, sich eine der vier 
Diözesen zu wählen, nicht nachkam 75 . Zerfallen mit dem 
Papste ist er gestorben 76 . Gewiss entbehrt sein Leben nicht 
der Tragik; aber er vertrat gegenüber dem Orden, hinter 



72. Vgl. die Urkunde Wilhelms von 1251 Februar 21, Preuss. 
Urkundenbuch ed. Philippi u. Woelky I (1882), 174 nr. 238. Ueber 
die wahrscheinliche Zeit des Vergleichs (123c)) vgl. Reh, a. a. O. 57 
Anm. 7 und vorher in Altpreussischc Monatsschrift XXXI (1894), 363 fr. 

73. Ueber die Spannung, die seit 1239 zwischen dem Orden 
und Gregor IX. bestand, vgl. Reh, a. a. O. 59 fr. Mit der Thron- 
besteigung Innocenz' IV. 1243 wurde das gute Verhältnis zwischen 
der Kurie und den deutschen Ordensrittern wieder hergestellt. 

74. BFVV. 10161 (1243 Juli 29;. 

75. Er wurde hierzu wiederholt vergeblich von Innocenz IV. 
aufgefordert Potth. 1 1 103 (1243 Juli 30), 11509 (1245 Januar 16), 
"535 (1245 Februar ö). 

76. Sein Todesdatum ist unbekannt; man nimmt an, dass er 
1245 starb; vgl. Lentz, a. a. O. 394 f. 



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- 137 - 



dem die Gunst der Kurie stand, in dessen Gefolge die deutsche 
Kolonisation vordrang, eine verlorene und für die Zukunft 
unfruchtbare Sache. Nicht nur die Rücksichtslosigkeit der 
Gegner, auch die eigene Halsstarrigkeit hat den polnischen 
Bischof aus Preussen verdrängt 77 . 

Es -erübrigt noch, einen kurzen Blick zu werfen auf die 
von Wilhelm von Modena neu geschaffenen Bistümer und auf 
die Errichtung des baltischen Erzbistums. 

Wilhelm zerlegte das ehemalige Missxmsgebiet Christians 
in die Sprengel Kulm, Pomesanien, Ermland und Samland. 
Da Kaiser und Reich mit der Gründung der Bistümer nichts 
zu schaffen hatten, so konnte auch keine Rede davon sein, 
dass die Bischöfe Reichsfürsten wurden 78 . Sie empfingen ihre 
Ausstattung direkt vom Papste; ihr weltliches Gut war 
nicht Eigentum des Reichs, sondern der Kirche. So kann 
also in unserer Zeit nur in beschränktem Sinne von deutschen 
Bistümern gesprochen werden; es handelt sich vielmehr um 
Bistümer in einem Missionslande, das erst allmählich einen 
deutschen Charakter annahm deshalb, weil der Herr in dem 
grössten Teile dieser Gebiete der deutsche Ritterorden war 
und weil durch ihn die Besiedelung Preussens mit Deutschen 
betrieben wurde. Während die Ritter in der Hauptsache, 
ihrem Berufe entsprechend, mit dem Schwerte in der Hand 
vorgingen, wurde die eigentliche Mission von einer anderen 
unbedingt zuverlässigen päpstlichen Truppe betrieben, den 
Dominikanern, die Hand in Hand mit dem Orden arbeiteten : 
die Cistercienser, Christians Ordensbrüder, wurden zurück- 
gedrängt; schon 1236, als Wilhelm von Modena zuerst den 
Befehl erhalten hatte, Preussen in Diözesen zu zerlegen, 
war ja verfügt worden, dass die neuen Stühle den Prediger- 
mönchen übergeben werden sollten. So wurde auch jetzt 



77. Das hat Reh in seinen gegen Lentz gerichteten Ausführungen 
erwiesen. 

78. Vgl. J. Ficker, Vom Reichsfürstenstande (1861) 281 § 207. 



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- 138 — 



ihnen ein Vorrecht eingeräumt, als die Bistümer zu be- 
setzen waren. 

Diese Aufgabe fiel dem Erzbischof von Preussen und 
Livland zu, den es seit 1245 gab 79 . Den neuen Posten übertrug 
InnoeenzIV. demselben Albert, der 1229 durch Gerhard von 
Bremen zum Bischof von Riga ernannt war, aber die Zu- 
stimmung der Kurie deshalb nicht hatte finden können; 
seither hatte er sich jedoch in Irland als ein besonders ge- 
sinnungstüchtiger Vertreter des päpstlichen We'.therrschafts- 
gedankens bewährt 80 . 

Zunächst ist noch mit einem Worte auf Livland zurück- 
zukommen. Hier hatte sich mittlerweile eine folgenschwere 
Aenderung vollzogen; seit die Schwertritter sahen, wie all- 
mächtig im benachbarten Preussen der Deutsche Orden ge- 
genüber dem Bischof Christian dastand, wurde in ihnen der 
längst bestehende Wunsch verstärkt, die Abhängigkeit von 
den Bischöfen von Livland und Estland abzuschütteln 81 . Der 
einfachste Weg dazu war, wenn sie sich mit dem Deutschen 
Orden verschmolzen : denn dann wurden dessen Prätentionen 
ohne weiteres auch in die nördliche Kolonie verpflanzt. Eine 
vernichtende Niederlage, die der Schwertorden 1236 erlitt, 
beschleunigte diesen Prozess. Im Mai 1237 kam die Ver- 
einigung zu stände 82 , freilich unter der vom Papst gestellten 
Bedingung, dass Nordestland mit Reval wieder den Dänen 
zurückgegeben würde 83 . So nahm also die Kurie den 



79. Die Ernennung zum Erzbischof erfolgte gegen Ende des 
Jahres 1245, vgl. Potth. 11989 (1246 Januar 9). Den ersten Auf- 
trag als Erzbischof erhielt Albert 1245 November 8 (Potth. 11957) 
vom^ Papste. 

80. Vgl. über ihn P. von Goetze, Albert Suerbeer (1854). 
Innocenz nennt Albert (Potth. 1 1989) virum utiquc secundum cor 
nostrum. 

81. Vgl. Seraphim, a. a. O. I 95 fr. 

82. Potth. 10344, 10348, 10349 (1237 Mai 12, 14). 

83. Vgl. Hartmanns von Heldrungen Bericht über die Ver- 



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Lieblingsgedanken, ein Gleichgewicht zwischen den um die 
Ostseeherrschaft kämpfenden Völkern herzustellen, wieder 
auf. Nach der Vereinigung beider Orden wuchsen die 
Kolonialländer herab von Estland bis nach Preussen von 
selbst zu einer Einheit zusammen, indem in allen Gebieten 
der grösste Grundherr der Deutsche Orden war. Leider gelang 
weder jetzt noch später die Eröffnung eines sicheren deutschen 
Landweges zwischen Preussen und Kurland, so dass die 
nördliche Kolonie nach wie vor nur zu Schiff von Deutsch- 
land zu erreichen war. Für Kurland wurde ausdrücklich 
bestimmt, dass hier der Orden unabhängig und mit grösserem 
Lande ausgestattet neben dem Bischöfe stehen sollte 84 ; in 
Livland und Estland bestand zwar noch das von den Schwert- 
rittern überkommene Abhängigkeitsverhältnis des Ordens von 
den Bischöfen, aber da es den tatsächlichen Verhältnissen 
nicht mehr entsprach, geriet es bald in Vergessenheit 85 . 

Unter solchen Umständen musste es sofort zu Reibungen 
kommen, als Albert sein erzbischöfliches Amt antrat; er 
fand neben dem allmächtigen Orden nicht genügend Raum 
für seinen Ehrgeiz. Zwar der Versuch, den der alte Gerhard 
von Bremen machte, jetzt noch einmal seine Ansprüche auf 
Livland zur Geltung zu bringen, tat ihm keinen Abbruch. 
Wie bemerkt, wurde Albert erst Chiemsee 86 , dann Lübeck 87 
übertragen, um ihm, dem Erzbischof ohne festen Sitz, ge- 
sicherte Einnahmen zu verschaffen. Als Verwalter des lü- 
bischen Bistums stand er in einem Suffraganverhältnis zu 
Bremen, und deshalb fand Gerhard Gelegenheit, einen Druck 
auf ihn auszuüben, um die Rechte Bremens in Livland wieder- 
herzustellen. Dass seine Bemühungen erfolglos waren, 

einigung des Schwertbrüderordens mit dem Deutschen Orden, 
Scriptores rer. Prussicarum V (1874), 171. 

84. BFW. 10168 (1245 Februar 7). 

85. Seraphim, a. a. O. I, 109. 

86. Siehe oben S. 108. 

87. Siehe oben S. 18 f. 



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braucht kaum betont zu werden ; Bremens Ansprüche waren 
längst verjährt 88 und konnten nicht durch das Stück Perga- 
ment wieder hergestellt werden, das Gerhard dem Erz- 
bischof von Preussen und Livland abpresste 89 . Ja, einen 
Augenblick schien es gar, als ob ihm auch das Suffragan- 
bistum Lübeck entzogen werden sollte : der Plan hat vorüber- 
gehend bestanden, den Sitz des baltischen Erzbistums dort 
oder in Kammin zu errichten 90 . Schliesslich kam man aber 
doch auf den richtigeren Gedanken zurück, das Bistum zur 
Metropole zu erheben, das seit den Tagen des grossen 
Missionsbischofs Albert die natürliche Anwartschaft auf 
diesen Posten hatte, Riga. Hier aber sass noch Bischof 
Nikolaus; so lange er, einst sein glücklicher Rivale im 
Schisma von 1229, unter den Lebenden weilte, residierte 
Albert in Lübeck 91 . 

Die Hauptschwierigkeit für das neue Erzbistum lag 

88. Die letzte Untersuchung der bremischen Ansprüche war von 
Gregor IX. am Tage nach seiner Weihe angeordnet, Potth. 7863 
(1227 März 22); über ihr Ergebnis verlautet nichts, sie wird ebenso 
wenig Erfolg gehabt haben, wie der zwei Jahre später unternommene 
Versuch Gerhards, sein Recht durchzusetzen; vgl. oben S. 131. 

89. Unter den eidlichen Versprechungen, die Albert am 
29. November 1247 dem Erzbischof von Bremen machte, finden 
sich auch folgende: Item numquam ponemus sedem archiepiscopalem 
in nostrae legationi commissis in praeiudicium Bremensis ecclesiae 
sine consensu eiusdem archiepiscopi supradicti. Item bona fide 
laborabimus nostris laboribus et expensis cum nuntiis archiepiscopi 
et ecclesiae Bremensis ad obtinendam primatiam in provincia nobis 
commissa (UB. des Bistums Lübeck I, 94 nr. 100). Es bedarf 
nicht erst eines Nachweises, dass ein solcher Eid nur erzwungen 
sein kann; er blieb denn auch ohne jede rechtliche Folge. Vgl. 
Dehio, Geschichte des P2rzbistums Hamburg-Bremen II (1877), 190 f. 

90. Siehe oben S. 19, 39 f. 

91. Dass Riga Sitz des Erzbistums werden sollte, wurde 1251 
März 3 an der Kurie bestimmt; Preussisches UB. I, 177 nr. 241. 
Bischof Nikolaus von Riga starb 1253. 



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nicht in der etwas provisorischen Stellung", die Albert zu- 
nächst einnahm, sondern in den Beziehungen zum Deut- 
schen Orden. Das Recht des Erzbischofs, die neuen Bis- 
tümier zu besetzen 92 , wfurde von vornherein dadurch be- 
schränkt, dass ihm mehrfach vorgeschrieben war, Domini- 
kaner, Freunde des Ordens, zu befördern. Der erste Bischof 
von Kulm, der Dominikaner Heidenreich, ist vom Papste 
selbst eingesetzt; zu Lyon empfing er die Bischofsweihe 93 . 
Dem gleichen Orden entstammte Warner, ein Vertrauter 
des Landgrafen Heinrich von Thüringen, der bald auf päpst- 
liche Anordnung Gegenkönig in Deutschland ward. Wieder- 
holt, aber vergeblich erging an Albert die päpstliche Weisung, 
Warner eines der Bistümer seiner Provinz zu übertragen 94 . 
1249 sitzt auf dem Stuhl von Pomesanien wieder ein Domini- 
kaner, Ernst 95 . Der Franziskaner Johann, Kaplan des Gegen- 
königs Wilhelm von Holland, wurde von der Kurie auf den 
Stuhl von Samland befördert, ihm musste wohl der von 
Albert ernannte Thetward weichen 96 . 



92. Für das Folgende vgl. M. Perlbach, die ersten preussischen 
Diöcesanbi8chöfe, Altpreussische Monatsschrift IX (1872), 639fr.; 
P. Reh, a. a. O. 76 fr. 

93. Vgl. Urkunde Heidenreichs von 125 1 Juli 22 (Philippi- 
Woelky, Preuss. UB. I, 181 nr. 250). Cum dorn, papa terre 
Culmensi . . . nos curasset preficere, propriis manibus consecrans 
in episcopum . . . 

94. Potth. 11957 (1245 November 8) Albert soll Warner zum 
Bischof von Kurland oder Pomesanien befördern; BFW. 7632 
(1246 Mai 5) Wiederholung desselben Befehls; Potth. 12289 (1246 
Oktober 6) desgl. zum Bischof von Pomesanien oder Ermland. 
Nach dem Tode Heinrichs von Thüringen (1247 Februar 16) verlor 
der Papst das Interesse an der Beförderung Warners, die unterblieb. 

95. Zuerst genannt 1249 Januar 10 (Preuss. (JB. I, 157 nr. 217). 
Ueber seine Ernennung ist nichts bekannt. 

96. Da die Besetzung des Bistums Samland jenseits des hier 
zu behandelnden Zeitabschnittes liegt — Johann erscheint 1252, 
Thetward mit Sicherheit erst 1253 als Bischof — , so begnüge ich 



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- 142 - 

Noch drückender musste es für den Erzbischof sein, 
wenn er wiederholt aus Lyon die Weisung erhielt, einen der 
Bischofssitze an ein Mitglied des Deutschen Ordens zu ver- 
geben. Heinrich von Strittberg, der Kandidat des Ordens, 
erhielt so das Bistum Ermland» 7 , und als er auf die Würde 
verzichtete, übertrug die Kurie die Neubesetzung des Postens 
nicht Albert, dessen Einfluss durch den mächtigen Orden 
ganz lahmgelegt wurde 98 , sondern dem Kardinallegaten Peter 
von Albano, der wiederum ein Mitglied des Deutschen Ordens, 
Anselm, zum Bischof weihte". Die Besetzung dieser Bis- 
tümer ist also eine rein kirchliche Angelegenheit, die Konflikte, 
die sich ergeben, werden zwischen dem Papst und dem 
päpstlichen Orden einerseits, dem vom Papst eingesetzten 
Erzbischof andererseits ausgefochten. Der Kaiser und das 
Reich haben schlechterdings nichts mit der ganzen Sache 
zu tun. — 

So ist also unter der Regierung Friedrichs II. eine neue 
Kirchenprovinz deutscher Zunge, Riga, entstanden, mit acht 



mich mit dem Hinweis auf die Literatur; Perlbach, a. a. O. Ö42f., 
648fr. (Regesten Johanns); Reh, a. a. O. 77 f. Thetward war 
Dominikaner; Albert hatte also Entgegenkommen beweisen wollen 
und einen Predigermönch ernannt: nun musste er es erleben, wie 
derselbe durch den päpstlichen Günstling Johann beiseite geschoben 
wurde. lieber Johanns spätere Schicksale vgl. Aldinger, a. a. O. 
171, I7«f- 

97. Potth. 12101 (1246 Mai 5); Potth. 13213 (124p Februar n), 
hier unter Nennung Heinrichs von Strittberg als Kandidaten des 
Ordens; Albert hatte schon früher nachgegeben, Heinrich erscheint 
schon 1249 Januar 10 als Bischof von Ermland (Preuss. UB. I, 
157 nr. 217). 

98. Potth. 14066 (1250 September 27). Der Papst schreibt 
an Albert betreffs seiner Legatenwürde, quatinus — — ab huius 

officii laboribus requiescas et desinas uti eo nec in Pruscia, 

Livonia vel Estonia episcopum quemquam instituas. 

99. BFVV. 10241 (1250 August 28), Potth. 14084 (i25oOctober 7). 



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- 143 - 

Suffraganbistümern, Dorpat (Estland), Oesel 100 , Semgallen, 
Kurland und -den vier preussischen Bistümern. Aber weder 
ihre Errichtung noch ihre Besetzung ist unter Beteiligung des 

Reiches vorgenommen. 

* * 

* 

Auf der ganzen Linie der ostdeutschen Bistümer, die 



100. Hauck, a. a O. IV, 932 in seinen Bischofslisten nennt 
Oesel nicht unter den Suffraganen von Riga; es ist von diesem 
Bistum nur vorübergehend die Rede gewesen. Doch wie Oesel bei 
der politischen Teilung der Kolonie zur grösseren deutschen Hälfte 
kam, so gehörte es dahin, nicht etwa zu Lund, zweifellos auch 
kirchlich. Der erste Bischof Gottfried war Prior von Schulpforta; 
Alberich spricht von seiner Bestellung gleichzeitig mit der Hermanns 
von Estland und stellt die beiden den dänischen Bischöfen von 
Reval und Wirland gegenüber (MG. SS. XXIII, 902): das Alles 
macht Ernennung durch Albert von Livland wahrscheinlich. Gesehen 
hat Gottfried übrigens nach Angabe Wilhelms von Modena (BFW. 
10142, 1234 November 10) sein Bistum — wenigstens als Bischof 
— nie und ist nach wenigen Monaten wieder zurückgetreten. Vgl. 
über ihn F. Winter, die Cistercienser des nordöstlichen Deutschlands 
I (1868), 245 fr., 309 fr. — die dort abgedruckten Papsturkunden 
haben verderbte Datierung, ich wage sie nicht für Gottfried zu ver- 
werten — ; UB. des Klosters Pforte ed. P. Boehme I (= Geschichts- 
quellen der Prov. Sachsen XXXIII [1893]), 5 50 f. nr. LXXXI. Sein 
Nachfolger Heinrich, dem auch sonst begünstigten Dominikaner- 
orden angehörend, wurde 1234 September 10 zu Riga durch 
Wilhelm von Modena zum Bischof ernannt und erhielt als Sprengel 
ausser der Insel Oesel auch die bisher zum Bistum Riga gehörige 
Wiek zugewiesen (BFW. 10141). Er tritt in den Urkunden, in 
welchen wir von seiner politischen und kirchlichen Tätigkeit erfahren 
(von Bunge, Livländisches UB I nr. 156, [169], 170, 201 [vgl. die 
Regesten im gleichen Bande nr. 233], 223, 234, 248, 289), stets in 
Verbindung mit Angelegenheiten der Deutschen in der Kolonie 
oder im Mutterlande selbst auf. Die politische Unabhängigkeit von 
Dänemark wird ihm ausdrücklich durch König Abel bestätigt (nr. 
228). Seine Zugehörigkeit zur Kirchenprovinz Riga ist so gut wie 
erwiesen durch nr. 277. 



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- 144 - 



wir betrachtet haben, musste festgestellt werden, wie der 
Einfluss des Reiches unter der Regierung des letzten stau- 
fischen Kaisers durch die Territorialmächte abgelöst wurde. 
Am allerstärksten" zeigt sich der Verzicht der weltlichen 
Zentralgewalt auf dem Boden des Neulandes, das jetzt dem 
Deutschtum erschlossen wurde. An dieser Tatsache ändern 
auch die Urkunden nichts, in denen von Zeit zu Zeit fest- 
gestellt wurde, dass die dem Deutschtum erschlossenen Ge- 
biete in Livland und Preussen zum Reiche gehörten 101 . Prak- 
tischen Wert hatte diese Zugehörigkeit nicht, weil das Reich 
nichts tat, seine behaupteten politischen Oberhoheitsrechte 
zu verwirklichen. Da aber auch kein deutsches Territorium 
stark genug war, hier entscheidend einzugreifen, so fiel die 
politische und kirchliche Machtstellung in Livland und 
Preussen, die dem Reiche und der deutschen Kirche gebührt 
hätte, dem Papsttum zu. Der deutsche Ordensstaat und das 
Erzbistum Riga waren die stolzesten Denkmäler, die den 
Sieg der Päpste des 13. Jahrhunderts über die kirchen- 
politische Machtstellung verkündeten, die die grossen Kaiser 
Karl und Otto einst dem Reiche hinterlassen hatten. 

101. J. Ficker, vom Reichsfürstenstande 281 § 207 urteilt über 
die reichsfürstliche Stellung, die dem Bischof von Livland 1207 
(BF. 143a) und 1225 (BF. 3995), dem von Estland 1225 (BF. 3996 
vgl. 3991) verliehen war, dass für ihre reichsfürstlichen Rechte in 
jenen Zeiten so sehr alle Zeugnisse fehlten, dass dieselben durch- 
aus als ruhende zu betrachten seien. 

Dem Hochmeister des Deutschen Ordens war 1226 (BF. 1598) 
und 1245 (BF. 3479) seine Zugehörigkeit zum Reiche bestätigt 
worden; entscheidend aber für die Stellung des Ordens in Preussen 
war doch, dass er dies Land im Widerspruch zu den Kaiserur- 
kunden von der Kurie zu Lehen trug, Potth. 9501 (1234 August 
3), 11142 (1243 Oktober 1). Und Livland galt ja in noch höherem 
Masse als päpstliches Eigentum, wie dies am stärksten während 
der dritten Legation Wilhelms von Modena (1233 — I2 4 2 ) zum 
Ausdruck kam. 



— 145 — 



Im Kampfe mit dem Kaisertum des letzten Hohenstaufen 
hat auf dem Gebiete der Bistumpolitik das Papsttum einen 
Sieg errungen, wie er glänzender nicht hätte sein können. 
Dennoch hat es schliesslich die Früchte seines Sieges nicht 
recht geniessen können. Die Verbündeten des Papstrums im 
Streit gegen die Kaiser waren vielfach seit den Tagen 
Heinrichs IV. die deutschen Laienfürsten gewesen. Mit dem 
Niedergang der Zentralregierung in Deutschland erstarkte 
nicht nur die Macht des Papsttums, sondern auch die seiner 
Verbündeten. Und so traten schon im 13. Jahrhundert auch sie 
neben den Päpsten die Erbschaft des zusammenbrechenden 
Kaisertums an. Zwar in Livland und Preussen, wo es keine 
starken, historisch gefestigten Territorien gab, als das Reich 
aus den Fugen ging, war der Triumph der Päpste vollkommen ; 
in den übrigen ostdeutschen Gebieten aber, die unter dem 
Regiment starker weltlicher Landesherren standen, errangen 
diese jetzt die entscheidende Macht über die Bistümer. In 
ihrem blinden Hass gegen das Kaisertum haben die Päpste 
der zunehmenden Macht der aufstrebenden ostdeutschen 
Territorien nicht genügende Beachtung geschenkt. So konnten 
hier Kräfte heranwachsen, von denen spätere Versuche zur 
Neugestaltung Deutschlands ausgingen. Hier suchten die 
Nachfolger der Hohenstaufen in der deutschen Königswürde 
die Bausteine zur Errichtung einer neuen starken Zentral- 
gewalt. — 



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Nachträge. 

S. 19 Zeile 13. Der Bischof Heinrich von Ratzeburg harte sich 
schon 1204 um seine Wahl bemüht, damals war er gegen den dänen- 
feindlichen Philipp unterlegen. Seine Wahl 1215 nach Philipps Tod. 
wird also einen direkten Erfolg des Königs Waldemar bedeuten. 
Vgl. Usinger, deutsch - dänische Geschichte 1189-1227, S. 240, 246.— 
S. 67 Zeile 7 lies . statt ,. — S. 68 Zeile 19 lies Hoftage statt Hoflager. 



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Verzeichnis 
der besprochenen und erwähnten Bistumsbesetzungen. 



Brandenburg: 
Chiemsee: 



Ermland: 



Estland: 



Gurk: 



Havel berg; 
Kammin: 

Kulm: 

Kurland: 
Lavant: 



Seite 


— ■ 


Seite 


Siegfried 1216 47 


Lebus: 


Wilhelm 




Gernand 1222 47 ff. 




ca 1252 


57 


Rotger 1241 61 f. 


Lübeck: 


Johannes 1230 


18 


Rudiger 1217 102 




Er*b. Albert 1247 18 


Albert 1233 107 


Meissen : 


Heinrich 1228 


63 


Erzb. Albert 




Konrad 1240 


63 


1246 108 


Merseburg: 


Ekkehard 1215 


63 


Heinrich von 




Rudolf 1240 


63 


Bamberg 1247 108 




Heinrich 1244 


63 


Heinrich 


Naumburg : 


Dietrich 1242 


64 


1248/49 142 


Oesel: 


Gottfried 1219 




Anselm 1260 142 




143, Anm. 100 


Dietrich 1211 122 




Heinrich 1234 




Hermann 




132, 143 Anm. 


100 


1219/20 61, 125 


Olmütz: 


Bruno 1245 


82 


Otto J214 101 


Passau: 


Ulrich 1215 


90 


Heinrich 1214 101 


Pomesanien: 


Ernst 1249 


141 


Udalschalk 


Preussen: 


Christian 1215 


133 


1217 103 


Prag: 


Andreas 1214/15 74 


Ulrich 1221 103 




Peregrin 1224 


76 


Wilhelm 1219 63 




Budislaus 1225/26 77 


Heinrich 1244 53 




Johann 1227 


78 


Konrad 1219 35 f. 




Bernhard 1236 


79 


Konrad 1233 36 f. 




Nikolaus 1240 


80 


Wilhelm 1244 37 f. 


Ratzeburg: 


Heinrich 1216 




Hermann 1251 38 f. 




19, Nachtrag 


Heidenreich 




Lambert 1228 


19 


1245 141 




Gottschalk 1228 


20 


Engelbert 1234 132 




Peter 1235 


20 


Ulrich 1228 107 




Ludolf 1235 


20 



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Seite 




Seite 


Riga: 


Nikolaus 1229 


131 


Semgallen: 


Lambert 1224 




[Erzb. Albert 






132 Anm. 58 




124Ö] 


138 




Balduin 1232 132 


Samland: 


Johann 1252 


141 




Arnold 1236 


Seckau: 


Karl 1218 


109 




132 Anm. 60 




Heinrich 1231 


109 


Schwerin: 


Friedrich 1238 25 




Ulrich 1244 


112 




Dietrich 1239 26 


Semgallen: 


Bernhard 1218 


123 




Wilhelm 1247/48 27 



Druck von E. Ebering, G.m.b.H., Berlin NW., Miltelstrasse 29. 



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Historische Studien. 



28. Gerber, Dr. P., Die Schlacht bei Leuthen Mk. 3,20 

29. Sc h rohe, Dr. H., Der Kampf der Gegenkönige Ludwig und 
Friedrichu m das Reich bis zur Entscheidungsschlacht bei Mfihl- 

dorf Mk. 8,- 

30. Kunze, Dr. J., Zur Kunde des deutschen Privatlebens in der 

Zeit der salischen Kaiser - Mk. 3,60 

31. Christmann, Dr. C, Metanchthons Haltung im schmalkaldi- 
schen Kriege -v'. Mk. 4,— 

32. Chone, Dr. H., Die Handelsbeziehungen Kaiser Friedrichs II. 

zu den Seestädten Venedig, Pisa, Genua Mk. 3,60 

33. S ü s s h e i m , Dr. K., Preussens Politik in Ansbach-Bayreuth 
1791—1806 Mk. 11,20 

34. Koch, Dr. G., Manegold von Lautenbach und die Lehre von 
c^bgder Volkssouveränität unter Heinrich IV. Mk. 4,40 

35. Schmeidler, Dr. B., Der dux und das comune Venetianum 

von 1141—1229 £• Mk. 2,80 

36. Sehütze, Dr. P., Die Entstehung des Rechtssatzes: Stadtluft 
macht frei Mk. 3,20 

37. Gräber t, Dr. K., Erasmus %'on Manteuffel, der letzte katho- 
lische Bischof von Kamm in (1521—1544) Mk. 2,40 

38. Batteiger, Dr. J., Der Pietismus in Bayreuth Mk. 4,50 

39. Ro I o f f , Dr. O.j Probleme a. d. griechischen Kriegsgeschichte Mk. 4,80 
der Stadt Strassburg Mk. 3,60 

40. Dettmering, Dr. W., Beiträge zur filteren Zunftgeschichte 

41 . Grabner, Dr. A., Zur Geschichte des zweiten Nürnberger 
Reichsregimentes Mk. 3, — 

42. Scheffer-Boichorst, Prof. Dr. P., Gesammelte Schriften. 
I. Bd. Kirchengeschichtliche Forschungen. Mit einem Bilde des 
Verf. und einer Schilderung seines Lebens Mk. 7,50 

43. Scheffer-Boichorst, IL Bd. Mk. 7,50 

44. Pfeiffer, Dr. Ernst, Die Revuereisen Friedrichs des Grossen Mk. 4,80 

45. Lehmann, Dr. A., Johann ohne Land Mk. 6,80 

46. Heil, Dr. A., Die politischen Beziehungen zwischen Otto dem 
Orossen und Ludwig- IV. von Frankreich (936—954) Mk. 2,80 

47. Schmidt, Dr. E., Deutsche Volkskunde im Zeitalter des Hu- 
manismus und der Reformation Mk. 3,— 

48. Keller, Dr. E., Alexander der Grosse nach der Schlacht bei 
Issos bis zu seiner Rückkehr aus Aegypten Mk. 2,— 

49. Meyer, Staatsarchivar a. D. Dr., Preussens innere Politik in 
Ansbach und Bayreuth in den Jahren 1792—1797 Mk. 6.— 

50. Fellncr, Dr. R., Die fränk. Rittersch. von 1495—1521 Mk. 8,— 

51. Wolf, G., Kurköln Im 16. Jahrhundert Mk. 9,— 
62. S t e r n f e 1 d , Prof. Dr. R., Der Kardinal Johann Gaötan Orsini 

(Papst Nikolaus III.) 1244—1277 Mk. 10,— 



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