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Börsenverein der
Deutschen
Buchhändler. ...
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Geſchichte
des
Deutſchen Buchhandels.
Im Auftrage
des
Börſenvereins der Deutſchen Buchhändler
herausgegeben
von der
Hiſtoriſchen Kommiſſion deſſelben.
Erſter Band.
Geſchichte des Deutſchen Buchhandels bis in das ſiebzehnte Jahrhundert.
Leipzig.
Verlag des Börſenvereins der Deutſchen Buchhändler.
1886.
Geſchichte
des
Deutſchen Buchhandels
bis in das ſiebzehnte Jahrhundert.
Von
Friedrich Kapp.
Aus dem Nachlaſſe des Verfaſſers herausgegeben
von der
Hiſtoriſchen Kommiſſion
des Börſenvereins der Deutſchen Buchhändler.
Mit drei lithographirten graphiſchſtatiſtiſchen Tafeln.
Leipzig.
Verlag des Börfenvereins der Deutſchen Buchhändler.
1886.
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Borwort.
Es ift eine jehmerzliche Pflicht, welcher die unterzeichnete Kommiſſion
nachfommt, indem jie in dem nachſtehenden Bande das in langjähriger,
mübevoller und ernjter Arbeit faſt zum Abſchluß gereifte Werk eines
Verſtorbenen in die Offentlichfeit einführt. In rüftigfter Schaffenstraft,
unter den denkbar günftigften Verhältniffen hatte Friedrich Kapp das
große Werf unternommen; inmitten der Arbeit, noch vor gänzlicher Voll—
endung des erften Bandes, hat ihn ein jchneller und uneriwarteter Tod
hinweggerafft. Es ijt ihm verjagt geblieben, die Gedanfen und Gefichts-
punkte darzulegen, welche ihm bei jeiner Arbeit vorjchwebten.
Das Fehlen diejer für das volle und richtige Verſtändnis des Werkes
eigentlich unentbehrlichen Darlegung ift eine jchwer zu beflagenve Lücke;
jie kann aber von feiner andern Seite ausgefüllt werben. Selbſt die
unterzeichnete Kommiffion, objehon fie eine längere Reihe von Jahren
mit dem Berjtorbenen im engjten Verkehr geftanden, mit ihm gemein-
ichaftlich gearbeitet hat, vermag dies nicht. Die Kommiffion muß fich
darauf bejchränfen, ven gefchichtlichen Verlauf der Entjtehung des Werfes
zu ſchildern und über ihre Thätigfeit bei der Herausgabe der unvoll-
endet binterlaffenen Arbeit Kappe zu berichten.
Schon frühzeitig Hat fich im Kreiſe der Buchhändler ein regeres
Intereffe für die Gefchichte ihres Berufes fundgegeben; wiederholt waren
jeit vem Beginn des vorigen Jahrhunderts Verſuche gemacht worden,
eine ſolche zu jchreiben. Aber Üüberſchätzung der eigenen Kraft, Unter:
ihätung der großen Schwierigkeiten der Aufgabe, mangelndes Verſtänd—
nis bei der Auffaffung verjelben und für den richtigen Weg der For:
schung ließen fie jcheitern; nur wertlofe Fragmente waren das jchlichliche
Refultat. Erft in den letten Jahrzehnten hatten einige wenige Mono—
vi Vorwort.
graphien und Speztalarbeiten auf den richtigen Weg bingewiejen, auf
dem zum erwünjchten Ziele zu gelangen wäre, Böllig brach aber hatte
auch da noch die archivaliiche Forſchung auf dieſem Gebiete gelegen; und
erjt mit ihrer Hilfe war eine wirfliche Sejchichte des Deutſchen Buch-
handel zu jehaffen. Sie fonnte überhaupt auch nicht gejchaffen werden
als das Propuft der Mußeſtunden ſelbſt des enthufiaftiichiten Liebhabers
derartiger Studien; die Yöjung der Aufgabe verlangte das Einfeten einer
vollen und ganzen Kraft, fie verlangte für die archivaliiche Forjehung
die Aufwendung größerer Mittel, als ein Einzelner auf die Vorarbeiten
verwenden fonnte.
Dieje Erwägungen veranlaßten Dr. Eduard Brodhaus in Yeipzig,
unter dem 8. April 1875 an den Vorjtand des Börjenvereins der Deut-
jchen Buchhändler den Antrag zu richten: die Abfajjung einer um-
faffenden Gejchichte des Deutſchen Buchhandels unter jeine Agive zu
nehmen. Wie jehr diefer Antrag vieljeitig gehegten Wünjchen entgegen-
kam, zeigte die Aufnahme, welche verjelbe bei dem damaligen Vorſtande
fand.
Der Antragjteller hatte worerjt nur befürwortet, daß zur weitern
Prüfung, in welcher Art die Aufgabe zu löſen jei, eine befondere Kom—
miffion ernannt werden möge. Der Borjtand des Börjenvereins ging
jofort darüber hinaus; er nahm den Antrag nicht nur jeinerjeits an,
er erweiterte jogar noch ven Wirfungsfreis der Kommiſſion. In dieſer
erweiterten Form wurde der Antrag ſodann am 14. Mai 1876 von der
Generalverjammlung des Börjenvereins einſtimmig genehmigt. Die Kom—
mijjion wurde alsbald unter dem Namen der Diftorijchen Kommiſſion
des Börjenvereins der Deutſchen Buchhändler gewählt; fie trat
jofort in TIhätigkeit und e8 gelang jchon am 4. Oktober 1376 auf einer
in Halle abgehaltenen Konferenz, eine Verſtändigung über den Plan des
weitern Vorgehens herbeizuführen. Die einzelnen Mitglieder hatten vorher
ihre Anſchauungen in bejonderen Gutachten niedergelegt.
Der Borjtand des Börfenvereins, und demmächit der Börjenverein
jelbjt in jeiner Generalverjammfung vom 29. April 1877, erteilten auch
diejem Plane ihre Zuftimmung, bewilligten die erforderlichen Mittel und
jegten nunmehr die Hiſtoriſche Kommiffion als eine dauernde nieder. Sie
hatte bis dahin aus Dr. Eduard Brodhaus in Yeipzig (VBorjigender),
Eduard Frommann in Sena, Dr. Ostar Haje in Yeipig, Dr. Albr.
Vorwort. vit
Kirchhoff in Leipzig und Dr. Guſtav Schwetſchke in Halle beſtanden; ſie
ergänzte ſich aber nunmehr auf Grund des ihr zugeſtandenen Kooptations—
rechts durch zwei weitere Mitglieder: Geh. Hofrat Dr. Guſtav Frehtag,
damals in Siebleben bei Gotha, und Geh. Hofrat Profefjor Dr. Fr.
Zarnde im Leipzig. Im Verlauf der Jahre unterlag diefer Mitgliever-
beitand verſchiedenen Wandlungen. Zuerjt wurde Eduard Frommann in
Jena der Kommijfion durch den Tod entriffen; fein Nachfolger, Adolf
Enslin in Berlin, der als früherer Vorjteher des Börfenvereind das
Unternehmen auf das ſympathiſchſte erfaßt und gefördert hatte, folgte
ihm ſchnell, noch ehe er eine Wirkſamkeit zu entfalten vermochte. Faſt
gleichzeitig jtarb auch Dr. Guſt. Schwetichte. Ihre Stellen wurden durd)
Otto Harrafjowig in Leipzig und Auguſt Schürmann in Halle ausgefüllt.
Schlieglih mußte im Jahre 1885 Dr. Oskar Hafe infolge feiner Wahl
in den Börjenvereinsporftand ven Statuten gemäß ausjcheiden. An feiner
Statt wurde Wilhelm Herk in Berlin fooptiert, der ſchon feiner Zeit
als treuer Freund und Genoffe Enslins im Vorftande den regjten Anteil
an der Begründung des Unternehmens genommen hatte.
Sp war die Kommifjion denn im Juli 1877 in der Yage, einen
öffentlichen Aufruf an alle deutſchen Gelehrten und Schriftiteller, deren
Studienrichtung die zu löjende Aufgabe nahelag, zu richten, ſich wegen
Übernahme eines die Gejchichte des Deutſchen Buchhandels von
Erfindung ver Buhdruderfunft an bis zur neueften Zeit um—
faſſenden Werkes, oder einer Beteiligung an demſelben, mit der Hijtori-
ſchen Kommiffion in Verbindung zu jegen. Das Werf jollte auf wiffen-
ſchaftlicher Forſchung beruhen und die Ergebniffe derſelben in einer ge-
meinverftändlichen und überfichtlichen Darjtellung geben. Der Inhalt
wurde im allgemeinen dahin umgrenzt, daß das Drudereigejchäft nur
nebenjächlich erwähnt, Yitteratur= und Kulturgejchichte in den Rahmen
der Daritellung gezogen, ihr Einfluß auf das buchhändleriiche Gewerbe,
und umgekehrt die Förderung oder Schädigung der Litteratur durch den
Buchhandel eingehend gejchilvert werden jollten. Als Hauptaufgabe des
Werfes wurde indefjen betont, daß dasjelbe „den Charakter des Bücher:
marftes hiſtoriſch zu verfolgen umd die Gejchichte des Gejchäftsbetriebes
in ihrer allmäblichen Entwidelung feitzuitellen habe‘. Der Buchhandel
im Altertum und Mittelalter, die ganze Zeit vor Erfindung der Buch—
druckerkunſt, jollte nur in der Einleitung in großen Zügen behandelt werden.
vıu Vorwort.
Die (eigentliche) Gejchichte jelbit dachte fih die Kommiffion in fünf
Perioden zerfallend: die erſte Periode bis zum Jahre 1564, dem Er-
icheinen des erjten Meßkatalogs; die zweite bis zum Weftfälifchen Frie—
den; die dritte bis zum Eingehen des Frankfurter Meßkatalogs und dem
entjchievenen Übergewicht Yeipzigs (1765); die vierte bis zur Gründung
des Börjenvereins der Deutſchen Buchhändler; die fünfte die Neuzeit
umfajjend. Der Umfang des Werkes jollte womöglich 100 Drudbogen in
groß Oktav nicht überjchreiten.
Die Kommifjion verhehlte fich nicht, daß die Vorarbeiten und vie
Sammlung des Materials für ein derartiges Werf einen längern Zeit-
raum erfordern würden, ja, daß e8 jogar fraglich jei, ob jo bald und
binnen welcher Friſt ſich ein geeigneter Bearbeiter für dasjelbe gewinnen
lajfen werde. Es wurde deshalb gleichzeitig die Begründung einer in
zwangloſen Heften oder Bänden erjcheinenven Zeitjchrift, des „Archivs
für Gejhichte des Deutjhen Buchhandels“, beſchloſſen, deſſen
Beitimmung es fein follte, durch Veröffentlichung ausführlicher Spezial-
arbeiten, jowie von Urkunden, Akten u. dgl., den eventuellen Bearbeiter
des großen Werfes zu umterjtügen und das Intereſſe an dem ganzen
Unternehmen inzwijchen vege zu erhalten und zu fördern.
Die Herausgabe dieſes Archivs wurde unverweilt in Angriff genom-
men; das erjte Heft erjchien bereits Ende des Jahres 1877. Aber ſchon
während ver Vorbereitungen dazu hatte die Kommijfion das kaum er-
hoffte Glück, in Friedrich Kapp die wiffenjchaftliche Kraft zu finden,
welche bereit und im Stande war, die große Aufgabe: eine Geſamt—
gejchichte des Deutjchen Buchhandels zu jchreiben, auf fich zu nehmen
und jich ihr voll und ganz zu widmen. Einſtimmig hatten der Borjtand
des Börjenvereins und die unterzeichnete Kommiſſion in einer am 25. Sep:
tember 1877 in Koburg abgehaltenen gemeinjchaftlichen Sitzung beſchloſſen,
Friedrich Kapp die Bearbeitung zu übertragen, und am 19. Mai 1875
wurde — nachdem die notwendigen Formalitäten (wie Genehmigung
jeitens der Generalverjammlung u. j. tv.) erledigt waren — der erforber-
liche Vertrag mit ihm abgejchloffen. In demjelben waren zehn Jahre für
die Sertigitellung des großen Werkes in Ausficht genommen; fünf davon
wurden auf die umfänglichen und zeitraubenden Vorarbeiten gerechnet.
Angeftrengt und unentwegt hat fich Kapp jeit dieſem Zeitpunft feiner
großen und jchiweren Aufgabe gewidmet, in ununterbrochenem engften
Borwort. 1x
Berfehr mit der Hiftorischen Kommifjion. In reichitem Maße bat dieſe
dabei Gelegenheit gehabt, den Ernſt und die jtrenge Gewiſſenhaftigkeit
jeines Arbeitens fennen zu lernen, den Eifer, mit welchem ev jich in
einen ihm zumächit fremdartigen Stoff einzuleben und zu vertiefen, deſſen
Bejonderheiten fich zu eigen zu machen beitrebt war. Seine liebens-
würdigen Gigenjchaften machten diejen VBerfehr zu einem wohlthuenven.
gern lag ihm der einfeitige Gelehrtenftol;, der ſtarr und ſelbſtbewußt
an der eigenen Anficht, an der durch den eingejchlagenen individuellen
Weg der Forſchung gewonnenen Anjchauung feſthält. Gern war er im
Gegenteil bereit, auf ven Ausgleich der fich etwa entgegenjtehenden Mei:
nungen einzugeben und fich in demſelben das unzueignen, was er als
das Nichtigere oder Begründetere anzuerkennen vermochte. Kapps uner—
wartet eintretender jäher Tod hat dieſe Beziehungen vorzeitig zerriffen.
Aber ven Freundespank für die wohlthuenden Erinnerungen und für jein
treues Arbeiten glaubte die Hiſtoriſche Kommiſſion dem Berjtorbenen
nicht beſſer abjtatten zu fünnen, als dadurch, daß fie für den Abſchluß
des unvollendet gebliebenen erjten Bandes eintrat, und zwar zu einen
Teil mit ihren eigenen Kräften: durch Geh. Hofrat Profeſſor Dr. Fr.
Zarnde und durch Dr. Albr. Kirchhoff.
Als Friedrich Kapp von der Arbeit abgerufen wurde, hatte er das
erjte, dritte und fünfte bis ficbente Kapitel beendet; aber nur das fünfte
bezeichnete er als völlig drudreif. Für die andern war der Abſchluß
der Arbeit nur ein vorläufiger; fie waren noch einer Schlufrevifion
zu unterziehen. Am zweiten Kapitel fehlte der verhältnismäßig nicht
ſehr bedeutende Schlußteil, für welchen jedoch das Material faſt voll-
jtändig bereit lag. Dem achten Kapitel mangelte die zweite größere
Hälfte, jowie ver Zuſammenſchluß mit dem fast fertigen Anhang. An—
deutungen hierfür, jowie für die Erläuterung der zu diefem Kapitel ge-
börigen graphifchen Tafeln fanden fich im Nachlaffe nicht vor; nur eine
furze Dispofition von vier Zeilen gab einen ſchwachen Fingerzeig dafür,
wie der Verfaſſer ſich den Abſchluß des Kapitels im allgemeinen vorge:
jtellt hatte. Ebenſo waren das neunte und zehnte Kapitel noch unvoll-
endet; doch war für jie wenigjtens das Material in jehr reichhaltigen
Altenanszügen größtenteils vorhanden. Zu diejen Yücen der Arbeit ift
es dagegen nicht zu zählen, daß im dem erjten Bande Yeipzigs, feiner
Stellung und jeiner Meſſe mur nebenher gedacht wird. Es lag viel-
x Vorwort.
mehr in Kapps Plane, den zweiten Band, die neuere Gejchichte, um
dieſen Mittelpunkt zu gruppieren.
Behufs Ausfüllung jener thatjächlichen Yücfen übernahm Geh. Hofrat
Profefjor Dr. Fr. Zarnde die Erläuterung der erwähnten graphijchen
Tafeln, deren Ausführung überhaupt ſchon auf jeinen Ideen und den von
ihm gelieferten Unterlagen berubte, Dr. Albr. Kirchhoff die Durchjicht
und legte Nevifion des ganzen Manujfripts, bei der hier und da noch
erforderlichen ftiliftiichen Abglättung auf das bereitwilligfte von Herrn
Geh. Ober-Regierungsrat Dr. Alfred von der Leyen, dem Schwieger-
john umd Neffen Kapps, unterjtügt, jowie die Sorge für den Abjchluß
der noch unvollendeten Kapitel, unter energiicher und verſtändnisvoller
Beihilfe des Herrn 3. Herm. Meyer, Bibliothefars des Börjenvereins
der Deutjchen Buchhändler.
Das Mandat zu diefer eingreifenden Thätigfeit hatte Dr. Kirchhoff
gewifjermaßen von dem Verjtorbenen jelbft erhalten; es ift gleichjam
ein Vermächtnis desjelben. Als Kapp im März des Jahres 1884 das
Borgeben bei der Drudlegung des Werfes mit der Hiftorifchen Kom—
miſſion beriet, hatte er jelbft den Wunſch ausgejprochen, daß Dr. Kirch—
hoff etwaige Bemerfungen u. j. w. auf einen Fahnenabzug eintragen möge,
um dieje Bemerkungen eventuell einer Erwägung unterziehen zu können.
Ob der hiernach von Kapp jelbit in Ausficht genommene Meinungsans-
tauſch Einfluß auf einzelne Teile der Arbeit ausgeübt haben würde und
welchen — das jteht dahin. Jetzt mußte jede etwa abweichende An-
ſchauung oder Auffaffung des Herausgebers unbevingt hinter der des
Berfafjers zurüdtreten.
Dagegen erſchien es nicht nur erlaubt und zuläffig, fondern jogar
wünjchenswert, noch mancherlei wichtige Daten und Ergänzungen ein-
zufügen, die fich größtenteil® aus Dr. Kirchhoffs jüngjten Arbeiten im
biefigen ſtädtiſchen Archiv ergeben hatten. Diejes Material wäre dem
Verfaffer zur Verfügung geftellt worden und er hätte es benutt, falls
ihm eine längere Lebensdauer beſchieden geweſen wäre, wie er ja auch
im Jahre 1884 aus Dr. Kirchhoffs ihm zur beliebigen Benutzung über-
lajfenen Ereerpten aus den Aften der ſächſiſchen Bücherkommiſſion nicht
weniger als hundert Foliojeiten in Abjchrift entnommen hatte; fie jollten
wahrjcheinlich im zweiten Bande Verwendung finden. Aber bei diejen
Nachträgen und Ergänzungen ift ſelbſtverſtändlich nur das benußt wor-
Vorwort. xi
den, was ſich zwanglos in die Darſtellung des Verfaſſers einfügen ließ,
was in dem feſtgefügten Rahmen der von ihm gewählten Diopoſition
des Stoffes eine Stätte finden fonnte und dabei mit der Auffafjungs-
weije des Verfaſſers im Einklang ſtand.
Eine Aufführung aller diefer Zuthaten wäre ermüdend und ziwed-
los. Wohl aber ift Rechenjchaft abzulegen über die von Dr. Kirchhoff
und F. Herm. Meder herrübrenvden größern Zuſätze und Ktapitelabjchlüffe.
Bom zweiten Kapitel hatte Kapp das Manuſkript bis zur Mitte von
Zeite 149, jowie den Abjchnitt: Wien (S. 160—165) fertiggeftellt; ver
Schluß des Abjchnitts: Yeipzig (S. 149 — 160) ift von F. Herm. Meyer,
und zwar größtenteils nach den von Dr. Kirchhoff gelieferten Unterlagen,
bearbeitet, ver Abſchluß des Kapitels (S. 165—179) von ebendemjelben,
teilweije nach Kappe Nohmaterial, dabei dieſes verpolljtändigend, teil-
weiſe jelbjtändig (die Abjchnitte: Magdeburg, Tübingen, Wittenberg).
Im achten Kapitel reichte Kappe Meanuffript bis zur Mitte von
2.468. Bon den Ergänzungen ftanınen ©. 468—479 (oben) von Dr.
Kirchhoff, S. 479—4% (die Gejchichte des Mepfatalogs) von 8. Herm.
Meyer, ver Abjchluß des Kapitels und der Anfang des Anhangs, ©. 491—
502, wieder von Dr. Kirchhoff her; nur zwei fleine Stellen find aus
Kapps fragmentarifchen Entwürfen entnommen. Der erwähnte Anhang,
die Biograpbien Plantins und der Eljeviere, ift wieder aus Kapps Feder;
doch bat Dr. Kirchhoff in erjtere die von jenem von jeiner letzten ant-
werpener Reiſe mitgebrachten gejchäftlichen Notizen und auf Grund von
deſſen Dispofition die S. 506 (vom letzten Abjat ab) bis 509 eingefügt.
Das neunte Kapitel lag bi8 ©. 578 fertig vor; von bier (Ulm) ab
bis zum Schluß, S. 607, ift e8 von F. Herm. Meyer bearbeitet, unter
Benugung einiger ſchon von Kapp flüchtig Fonzipierten Stellen (auf
S. 587, 588 und 591—594 oben: Brandenburg und der Anfang von
Zabjien).
Die umfänglichite Ergänzung machte ſich im zehnten Kapitel erforder-
(ih. Hier reicht Kapps eigene Arbeit bis zum Schluß der ©. 676;
fie lag bis dahin bereits im Anfang des Jahres 1884 vor. Zur Ver—
vollftändigung der Materialien, namentlich über die Frage der Bücher
tare, durchforjchte Kapp zumächt noch erſt das wiener Archiv; die von
ihm zur Cinfügung zurechtgelegten Excerpte find von Dr. Kirchhoff in
den Tert verwoben worden. Gleicherweije fand fih auch der Anfang des
xıu Vorwort.
Streites wegen der Büchertare ausgearbeitet vor. Aber teil® der Um—
jtand, daß Kapp auch hierzu noch Materialien in Wien ermittelt hatte,
teil8 der, daß ein glüdlicher Zufall noch weitern wichtigen Stoff unter
den franffurter Aktenabjchriften auffinden lieg — er war unter die Ab-
jhriften aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geraten — mach-
ten eine völlige Umarbeitung des betreffenden Teils des vorliegenden
Manufkripts notwendig; nur wenige Fragmente desjelben konnten er-
halten bleiben. So ift denn der weitere Teil diejes Kapitels, von ©. 677
bis Mitte 730, eine von 3. Herm. Meyer fajt ausfchließfih auf Grund
des Kappſchen Aftenmaterials gelieferte, den regejtenartigen Charakter ver
Kappſchen Anlage feithaltende Arbeit, ver Dr. Kirchhoff feinerjeits nur
einige Ergänzungen — namentlich das Eingreifen des Corpus Evan-
gelicorum — eins, und ven Abſchluß des Kapitels von der Mitte der
©. 730—735 angefügt hat. Im Zuſammenhang damit ift auch der
Erfurs über den Buchhandel der Juden in den Anmerkungen (S. 839—
842) aus der Jeder von 8. Herm. Meyer. Das Namen: und Orts-
vegifter haben die Angehörigen des Verſtorbenen eingejandt.
Sowohl Dr. Kirchhoff, als auch Meyer, find bei ihrer Arbeit be-
jtrebt gewejen, fich der Darjtellungs- und Behandlungsweife des Ver—
fafjers anzujchmiegen, joweit dies überhaupt andern Individualitäten
möglich iſt. Sollte die kritiſche Würdigung des Werfes ergeben, daß
ihnen dies einigermaßen gelungen ift, jo würden beide darin die wohl:
thuendite Anerkennung finden für eine derartige dornenvolle und an fich
die damit Betrauten nie voll befriedigende Thätigkeit.
So möge denn das fchicjalsreiche Unternehmen feinen Weg in die
Offentlichteit antreten und möge ein günftiges Geſchick es fügen, daß
die in langjähriger, angeftrengter Thätigfeit vorbereitete Arbeit Friedrich
Kapps der Ergänzung und Fortſetzung nicht allzulange zu harren babe,
Über diefe angeftrengte Thätigfeit Kapps jelbjt und über feinen Vebensgang
berichtet nachſtehend auf den Wunjch der Hiſtoriſchen Kommiffion Herr
Dr. von der Yeyen noch jpeziell in eingehender Weiſe.
Leipzig, im März 1886,
Die Hiftorifde Kommiſſion
des Börjenvereins der Deutſchen Buchhändler.
In deren Auftrag: Dr. Albrecht Kirchhoff.
Friedrich Kapp wurde am 13. April 1824 zu Hamm in Wejtfalen
als Schn des Gymnaſialdirektors Dr. Friedrich Kapp geboren. Er be-
fuchte dajelbjt das Gymnaſium, und hat vor allen Dingen den Unter:
richt jeines Vaters, eines hochbegabten Yehrers und eines politiich und
religiös frei denfenden Mannes, jein Yeben lang in danfbarer Erinnerung
behalten. Bon 1842 bis 1845 ſtudierte Kapp in Heidelberg und in
Berlin die Rechte und trat dann im Frühjahr 1845 in jeiner Vater:
jtadt in den praftijchen Juſtizdienſt, aus welchem er infolge ver politi-
jben Unruhen am 12. April 1848 freiwillig ausjchied. Er begab fich
nach Frankfurt a. M., wo er als parlamentariicher Berichterjtatter für
mebrere Zeitungen arbeitete. Der Septemberputſch nötigte ihn zur Flucht.
Die folgenden Jahre verlebte er in Brüffel, Paris und Genf; im März
1850 ſchiffte er fich nach Newyork ein. Dort hat er die nächjten zwanzig
Jahre jeines Yebens zugebract. Sein Yebensberuf war während der läng—
jten Zeit dajelbjt der eines Rechtsanwalts und Notare. Daneben be-
teiligte er jich eifrig am politifchen Yeben, vor allem während der Zeit
des Bürgerkriegs, und entwidelte eine veiche und fruchtbare jehriftitelle-
riiche Thätigkeit. Zwei jeiner dort verfaßten größern Werfe* jind der
Erörterung der Sflavenfrage gewidmet, die übrigen bilden die erſten ur-
fundlichen und quellenmärigen Unterjuchungen über die Sejchichte und die
Stellung der Deutichen in ven Bereinigten Staaten. ** Dieje Schriften
haben, wie feine andern vor und nach ihnen, zur Hebung des Deutjch-
* Die Sklavenfrage in den Bereinigten Staaten (Göttingen 1854), und: Ge:
ichichte der SHaverei in den Vereinigten Staaten (Hamburg 1861).
** Leben des Generals von Steuben (Berlin 1858); Leben des Generals
Johann Kalb (Stuttgart 1862 und [engliih]) Newyork 1884); Der Soldatenhandel
deutjcher Fürſten nach Amerifa (Berlin 1864, 2. Aufl. 1872); Geichichte der deut-
ihen Einwanderung in Newyork. 1. Bd. (1. bis 3. Aufl. Newyorl 1867— 69);
Immigration and the Commissioners of Emigration. (Newyork 1870.)
xıv Borwort.
tums in den Vereinigten Staaten beigetragen und damit dem gewaltigen
Umſchwung den Boden geebnet, welchen unter dem Eindrud des Deutjch-
Franzöſiſchen Kriegs die Stellung der Deutjchen in den Vereinigten
Staaten erfuhr. Dhre wifjenjchaftliche Bedeutung anerkannte die philo-
ſophiſche Fakultät der Univerfität Bonn dadurch, daß fie den Verfaſſer
im Jahre 1868 zum Ehrendoktor ernannte.
In Newyork bekleidete Kapp auch von 1866 bis 1870 das Ehrenamt
eines Mitglieds des Board of the Commissioners of Emigration.
Im Frühjahr 1870 kehrte er nach Deutſchland zurück, nahm ſeinen
Wohnſitz in Berlin und erwarb alsbald wieder das preußiſche Staats—
bürgerrecht. Schon während des Kriegs bot ſich ihm neue Gelegenheit
zu gemeinnützigem Wirken. Die in Amerika gebildeten Hilfsvereine zur
Pflege der Verwundeten und Unterſtützung der Witwen und Waiſen der
Gefallenen erſuchten ihn um ſeine Vermittelung bei Verwendung der auf—
gebrachten reichen Gelder, zu welchem Zweck er in das berliner Central—
komitee eintrat. Sogleich nahm ev dam regen Anteil an dem öffent:
lichen und politiichen Yeben. Er war furze Zeit Stadtverordneter in
Berlin und vertrat von 1872 bis 1878 und von 1881 bis 1884 als
Mitglied der nationalliberalen, ſpäter der veutjchfreifinnigen Partei den
Wahlkreis Salzwedel-Gardelegen im Neichstage, von 1874 bis 1877 ven-
jelben Wahlkreis auch im preußifchen Abgeorpnetenhaufe. Daneben war
er litterarifch zumächit auf vemjelben Gebiete, wie in Amerika weiter
thätig, wobei er auch auf eine Berichtigung der deutſchen Anjchauungen
über die amerifanijchen Zujtände hinwirkte.*
Seit dem Herbjt 1877 hatte er fich in ver „Sejchichte des Deutjchen
Buchhandels“, zu deren Bearbeitung, wie S. vı fg. näher ausgeführt, der
Börjenverein der Deutjchen Buchhändler die Anregung gegeben hatte, eine
neue Aufgabe gejtellt, und diejes Werk bildete von Jahr zu Jahr mehr
den alleinigen Mittelpunft jeiner wifjenichaftlichen Thätigkeit; um fich ihm
ausjchlieglich zu wiomen, hatte er im Sommer 1884 auch abgelehnt, fich
wieder um einen Sit im Reichstage zu bewerben. ** Wie dieje Arbeit
* Es erihienen: Friedrich der Große und die Vereinigten Staaten von Amerifa
(Leipzig 1871); Aus und über Amerika (2 Bde. Berlin 1876); Juſtus Erich Boll-
mann (Berlin 1880), Außerdem zahlreiche Abhandlungen in verjchiedenen Zeit-
ſchriften.
** Zwei eingehende Lebensbeſchreibungen Friedrich Kapps find bald nach feinem
Vorwort. xv
vom Abſchluß des Vertrags bis zu feinem Todesjahre fortgejchritten tft,
darüber hat er vom 1. April 1879 bis 20. Januar 1884 im ganzen
ſechs Berichte an die Hiftorifche Kommiſſion des Börjenvereins der Deut:
ihen Buchhändler erjtattet. Die fünf erften Berichte bilden die Eingangs:
artifel des 4., 6., 7., 8. und 9. Bandes des Archivs für Gejchichte des
Deutſchen Buchhandels; der lette Bericht ift abgedrudt in dem amtlichen
Teile der Nr. 78 des Börjenblattes für ven Deutſchen Buchhandel.
Gleich in dem eriten dieſer Berichte legt der Verfaffer die Grund:
jüke dar, von welchen er bei Bearbeitung ver Werfes auszugeben ge:
denkt und auch ausgegangen iſt. Nur zwei Gefichtspunfte können feiner
Meinung nach hierbei in Betracht kommen: „einmal der antiquarijch-
ftatiftifche, welcher bei der Natur jeiner Vorausſetzung notwendigerweiſe
jeine Hauptftärfe im Zahlen, Notizen und oft anjprechenvden, oft lang:
weiligen Cinzelheiten oder Yiebhabereien findet; dann aber die willen:
ichaftlihe Auffajjung und Durchführung des Themas, welche den orga=
nijchen Zujammenhang des Buchhandels mit der allgemeinen deutſchen
Kulturentwidelung nachzuweifen und den bleibenden geiftigen Gehalt, ven
dauernden nationalen Gewinn aus ven loje nebeneinander oder inein-
ander laufenden Thatjachen herauszujchälen jtrebt“. Kapp will jeine Auf:
gabe vom lettern Stanppunfte aus löjen: „In unjern Tagen“, jo jagt
er weiter, „wo die bisher zeriplitterten veutjchen Stämme faum erjt ihre
äußere Einheit wiedergefunden haben, kann nur diejenige Geſchichtſchrei—
bung anregend und nachhaltig wirfen, welche dieje vaterländiichen Strö—
mungen zu läutern und zu vertiefen jtrebt, welche, indem ſie jich ver
Einzelvarjtellung eines jo wichtigen Förderers unferer heimiſchen Bil-
dung, wie des Buchhandels, zuwendet, dem Geifte unjers Volles bis ins
A-B⸗C-Buch hinein, wenn ich jo jagen darf, nachgeht und welche ihn
von jeinen bejcheidenjten Regungen an bis zu jeinen Großthaten vem all:
gemeinen VBerjtänpnis näher rückt.“
Bor allem und zuerjt ging ver Verfaffer mit Eifer und Nachdruck
an die Durchforſchung ver Archive. Er begann mit dem Bejuche von
Nürnberg, Augsburg, Um, Zürich, Bajel und Karlsruhe im Frühjahr
Tode veröffentlicht worden: Friedrich Kapp, Gedächtnißrede von Georg von Bunſen
(49. Heft der Bollswirthichaftlichen Zeitfragen. Berlin 1885), und Friedrich Rapp,
von 9. von Holſt (im LV, Bande der Preußiihen Jahrbücher Het II.
©. 217— 264).
xvi Vorwort.
1878; im Herbſt des Jahres folgte der Beſuch von Düſſeldorf und Köln,
ſowie ſpäter von Bremen und Hamburg; der ganze Winter 1878 auf
1879 wurde den eingehendſten und ſorgfältigſten Studien in dem Ge—
heimen Staatsarchiv zu Berlin gewidmet. Daran ſchloß ſich im Mai
1879 ein Beſuch des ſtädtiſchen Archivs in Frankfurt a. M., welcher im
Mai des folgenden Jahres wiederholt werden mußte. Im Juni 1880
war Kapp in Dresvden, im Herbft 1881 zum zweiten mal in Augsburg,
Ente März und Anfang April 1883 in Wien, und den Abjchluß diejer
Thätigfeit machte der verhängnisvolle Bejuch des Musée Plantin in
Antwerpen am 15. bis 19. Oftober 1884, von welchem er zu Tode er-
krankt nach Berlin zurückkehrte. Der Zwed dieſes Beſuchs, über einige
dunkle Punkte des buchhändleriſchen Gejchäftsbetriebes und der Meſſen
in Frankfurt a. M. Klarheit zu jchaffen, wurde im wejentlichen erreicht.
Das leipziger Archiv hat Kapp nicht jelber burchforicht; die Akten
der ſächſiſchen Bücherkommiſſion wurden bier erjt zu einer Zeit gleich-
jam wieder entvedt, als er ſchon an die Ausarbeitung des Werfes jelbjt
ging. Er konnte ſich bier aber auf die Beihilfe Dr. Albr. Kirchhoffs
jtüßen.
In den Archiven bejchränfte fich Kapp meist darauf, alle vorhandenen
Akten einer genauen Durchficht zu unterziehen und diejenigen Aktenſtücke
ſodann zu verzeichnen, welche für die Arbeit von Bedeutung waren. Ab-
jchriften dieſer Aktenſtücke ließ er demnächſt anfertigen. Ein umfangreiches
Material iſt auf dieſe Weiſe geſammelt worden, welches teils bei Bear—
beitung des erſten Bandes benutzt werden konnte, teils dem einſtigen
Fortſetzer und Vollender des Werkes ſicherlich von großem Werte ſein
wird. Das Material iſt wohlgeordnet dem Börſenverein der Deutſchen
Buchhändler von den Hinterbliebenen übergeben worden. Bei Bearbei—
tung der reichen archivaliſchen Schätze von Zürich und Baſel wurde der
Verfaſſer in wirkſamſter Weiſe durch ſeinen Freund und Vetter Auguſt
Kapp in Zürich unterſtützt. Auch an der Ausarbeitung einiger Ab—
ſchnitte des Werkes wollte ſich dieſer beteiligen, als ihn ein ſchweres
veiden aufs Krankenlager warf, welchem er 26. Juni 1883 erlegen iſt.
Bei jeinen archivaliihen Studien fand Kapp überall das Tiebens-
würdigite Entgegenfommen und die nachhaltigite Hilfe jüntlicher Archiv:
beamten. Gr hat allen diejen Förderern feiner Arbeit in feinen Berich-
ten wiederholt den aufrichtigjten Dank ausgeiprochen.
Vorwort. xvri
Schon in jeinem dritten Bericht (vom 10. März 1880) konnte Kapp
mitteilen, daß er mit Anfertigung eines chronologiſchen und jachlichen
Inder an die Verarbeitung der geſammelten Materialien berangetreten
jet. Wie aus dem vierten Bericht zu erjeben, begann er im Sommer
1880, um fih, wie er jagt, Bedenken und Zweifel aus dem Kopfe zu
ichlagen und jeine Kraft zu erproben, an die Darftellung jelbjt zu gehen.
Im Sommer, während des Aufenthalts auf dem Yande, ward Die neuere
Gejchichte, vor allem die Ausbeute des berliner Archivs, in Angriff ge-
nommen, im Winter 1880 auf 1881 wurden die Anfänge der Buch—
druderfunft und der erjten Entwidelung des Buchhanvels bearbeitet. Eine
erjte Frucht diejer lettern Studien war ein Vortrag, welchen Kapp im
Februar 1881 vor einem zahlreichen und gewählten Publikum in ver
Singafademie zu Berlin „über Gutenberg” gehalten bat.
Bon jest an ging die Fortſetzung der Ausarbeitung mit der Fort—
jeßung der Quellen- und Yitteraturftndien Hand in Hand. Die Dar-
jtellung des erjten Dahrhunderts des Buchhandels machte befondere und
ſtets neue Schwierigkeiten, und doch mußte diefer Zeitraum am aus-
führlichjten behandelt werden, weil in demjelben die Grundlage für das
eigenartige Gejchäftsgetriebe des deutichen Buchhandels gelegt worden tft,
und weil die über venjelben vorhandenen Vorarbeiten, mehr als die über
die jpätern Zeiten, ſich nur auf Einzelheiten erjtredten und des organi-
jchen Zufammenhangs entbehrten. Gleichwohl hoffte Kapp in feinem
(am 1. April 1882 erjtatteten) vierten Bericht, gegen Ende 1883 den
Druck des erften Bandes in Angriff nehmen zu können, hielt an dieſer
Hoffnung auch noch in dem fünften Bericht (vom 14. Januar 1883) feit,
und teilte im jechjiten Bericht (am 20. Januar 1884) mit, daR infolge
des Todes von Auguft Kapp dieſes Ziel nicht habe erreicht werden können.
Kapp hatte fich nach und nad dahin jehlüffig gemacht, ven gejamten
Stoff jeines Werkes in zwei Bänden zu verarbeiten. Im fünften Be-
richt begründet er diefe Einteilung wie folgt:
„Der natürliche Schluß des erjten Bandes füllt in die zweite Hälfte,
gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Im 17. Jahrhundert erlebte ver
deutſche Buchhandel jeine bis dahin Höchjte Blüte und feinen tiefjten
Niedergang; jene unmittelbar vor dem Dreißigjährigen Kriege, dieſen
mit dem im Gefolge des (egtern auftretenden politischen, wiljenjchaftlichen
und wirtjchaftlichen Elend. Es jcheint mir deshalb auch das Beſte, den
Stopp. I. b
xvım Vorwort.
eriten Band bis zu dem lettern Zeitpunfte, aljo dem Ende des 17. Jahr—
hunderts, fortzuführen, wo die lateiniſche Sprache vor ver deutjchen zu—
rüctritt, wo Frankfurt jeine internationale Bedeutung verliert und Yeipzig
in bejchränfterm, nationalem Sinne die Aufgaben der frankfurter Buch—
händlermeſſen fortführt.‘
Als Kapp die Arbeit übernahm, hatte er jich vorbehalten, für ein-
zelne Abſchnitte Mitarbeiter binzuzuzichen, weil eine gewiſſe Teilung der
Arbeit notwendig fein werde. Einzelne Berjuche, Mitarbeiter zu ge-
winnen, über welche die Berichte fich äußern, find ſchließlich fehlgeſchlagen;
jevoch gelang e8, Herrn Negierungsrat Bucher in Wien und Herrn
Profeſſor Dr. Yewis in Greifswald zur Übernahme, und zwar ven
erjtern des vierten Kapitels (Äußeres des Buchs), den letztern des
Schlußkapitels (Nachdruck) zu bejtimmen. Das vierte Kapitel hatte
Kapp im Sommer 1884 erhalten und noch jelbit mit Freude und Ge-
nugthuung gelefen; das elfte Kapitel iſt erjt nach feinem Tode abge-
ſchloſſen, nachdem jich übrigens Kapp über den Plan und die Dar-
jtellung mit Herrn Profeſſor Yewis vollfommen verftändigt hatte.
Der Zuftand, in welchem fich die Handjchrift des erjten Bandes der Ge—
jchichte des Deutjchen Buchhandels an dem Todestage des Verfaffers, dem
27. Oftober 1884, befand, it in dem Borworte S. ıx fg. dargelegt, auch
ift dajelbjt berichtet, wie und von welchen Herren die vorhandenen Yüden
ausgefüllt wurden und die Arbeit drudreif fertiggeftellt ift. Ich kann nicht
unterlaffen, den Herren Geb. Hofrat Dr. Fr. Zarncke, Dr. Albr. Kirch—
boff und F. Herm. Meyer für diefe aufopfernde, mühſelige Thätigfeit
den aufrichtigen warmen Dank aller Hinterbliebenen auszufjprechen.
Auf den Vorjchlag der Hiſtoriſchen Kommiffion bat der Vorjtand
des Börjenvereins der Deutſchen Buchhändler bejchleffen, den erjten Band
ver Geſchichte des Deutſchen Buchhandels, ohne Rüdficht darauf, ob und
wann der zweite Band gejchrieben wird, drucken zu laſſen. Die jchönfte
Anerkennung für Friedrich Kapps Arbeit wäre es, wenn unter Benutzung
des von ihm gejammelten Materials recht bald eine Fortjekung und
ein Schluß der GSejchichte des Deutſchen Buchhandels in jeinem Sinne
geichrieben würde.
Charflottenburg-Berlin, im März 1886,
Dr. Alfred v. d. Leyen.
Inhaltsverzeichnis.
Vorwort.
Pe ee VE Be Tr TEE Ber SE Br Ber SEE Ze er Ser Bee Bee Zr Te Ze
Erftes Kapitel.
Gutenberg und feine Borläufer.
Erfinder und Entdeder am Ausgange des Mittelalters. — Anlehnung an
die gewohnten Gejtaltungen des Lebens. — Buchweſen und Handichriftenhandel
des Altertums. — In Athen und Alerandrien. — In Rom und den Provinzen.
Mafienproduftion. — Das frühe Mittelalter. Die Klöjter. — Stationarii und
Librarii der Univerjitäten. — Weltliche Schreiber. Brüder vom gemeinfamen
Leben. — Handichriftenhandel in Deutichland. — Bibliothefen. Wert der Hand—
ihriften. WBerwahrlojung derjelben. — Die Renaiffance. Erwachen der Bücher:
liebhaberei. Florenz als Hauptmarft des Handichriftenhandels. — Gutenberg.
— Abftammung, Jugend und Aufenthalt in Straßburg. — Seine mechaniſchen
Arbeiten (Steinichleifen, Spiegelfabritation). — Verträge mit Pritzehn und
Hellmann. — Die „Künfte und Afentur”, — Ende des Aufenthalts in Straf:
burg, Rücklehr nad Mainz. — Zeitpunkt der Erfindung der Kunſt. Wejen
derjelben. — Die erften Trude. — Gutenbergs weitere Schidjale, — Ted):
niiche Vollendung der erjten Drude. — Gutenbergs Tod, Sein Charakter. —
Bedeutung feiner Erfindung. — Äußeres der erften Drude. — Aufnahme der
Kunſt feitens der Gelehrtenwelt und Bücherliebhaber, — Anfängliche Stellung
der Kirche zur Kunſt
. a 8 2 Tr Tr Tr Tr Tr Tr Tr ehe
Zweites Kapitel,
Die Ausbreitung der neuen Kunjt in Deutichland.
Städte und Bürgertum. — Mainz. Johann Fuft und Peter Schöffer.
Tie andern mainzer Firmen bis 1622. — Bamberg — Straßburg.
Johann Mentel. Heinrich Eggeftein. Ihre Nachfolger. Adolf Ruſch. Johann
Grüninger. — Köln. Ulrich Zell. Druder des 15. Jahrhunderts. Gottfried
Dittorp. Franz Birdmanı und feine Nachfolger. Johann Gymnicus und
feine Nachfolger. — Bajel. Bedeutung der Stadt. Beteiligung des Kapitals.
xx Snhaltsverzeichnis.
Eeite
Berthold Ruppel. Buchdruckerſtrike. Michael Wenszler. Bernhard Nichel.
Johann Amerbadh. Kleinere Buchdrucker. Johann Froben. Frobens Nad)-
folger. Die Familie Petri. Johann Oporin. — Zürich. Chriſtoph Froſchauer.
— Augsburg. Günther Zainer und die älteſten Drucker. Johann Bämler
und Anton Sorg. Hans Schönſperger. Erhard Ratdolt. Johann Rynmann.
Heinrich Steiner. Ad insigne Pinus. — Ulm. — Nürnberg. Die erſten
Drucker. Anton Koberger. Die kleinern Buchdrucker. — Die „Brüder vom
gemeinſamen Leben“. — Leipzig. Kunz Kachelofen. Pantzſchmanns Buch—
handel. Nickel Wolrabe. Ernſt Vögelin. Henning Große. — Wien. Hie—
ronymus Vietor und Hans Singriner. — Magdeburg. Drucker der Refor—
mationszeit. — Tübingen. Thomas Anshelm. Slawiſcher Bücherdruck. —
Wittenberg. Melchior Lotter. Hans Lufft. — Die kleinern Druckſtätten. 65
Drittes Kapitel.
Die Berbreitung der neuen Kunſt im Auslaude.
Der Wanderzug der deutichen Buchdruder. — Schweinheim und Pannartz.
— Deutſche Druder in Rom, — In Venedig. — In den übrigen Städten
Italiens. — Die Wanderdruder. (Johann Neumeifter.) — Deutiche Druder
in Frankreich. — Neumeifters weitere Wanderungen. — Verbreitung der Kunft
in Frankreich. — Deutſche Druder in Spanien und Portugal. — Buchdruck
in den Niederlanden. — In England. — In Dänemark und Schweden. . . 180
Viertes Kapitel.
Das Äußere des Buchs.
Etymologie des Wortes. — Papprusrollen. Codices. Wachstafeln. —
Pergament. Balimpjeite. Schreibmaterialien. Pergamenter.. — Baumwollen—
papier. — Linnenpapier. Bapierinduftrie. — Waflerzeihen. — Illuſtration
der Handichriften. — Byzanz. — Jriſche Ornamentik. Abendländiihe Miniatur:
malerei. — Form- oder Holzichnitt. — Printer, Karten- und Briefmaler. —
Technik und erite Erzeugnilie des Formichnitts. — Der Holzichnitt als Buch—
illuſtration. — Signete und Ex-libris.. — Bucdilluftration in Stalien und
Frankreich. — Büchereinband im Mittelalter. — Ürnamentation der Leder:
bände. — Majoli und Grolier. — Der deutjche Büchereinband. Goldichnitt.
— Die Buchbinderrr. 222
Fünftes Kapitel.
Der buchhändleriſche Gejhäftsbetrieb bis zur Neformation.
Zahl der Inkunabeln. Was find Inkunabeln? — Verſchiedene Geſchäfts—
zweige des buchhändleriichen Betriebes. — Schriftgießer. Goldichmiede find
Schriftgießer. Beiipiele. Inpen Eigentum des Verlegers, — Buchdruder refru:
tieren fih aus allen möglichen Klaſſen: Studenten. — Schönſchreiber und
Miniaturmaler werden Druder, Bedingungen der Verſöhnung. — Kein Unter:
ſchied zwiſchen Schreiber und Druder in der Sprache. Beweife aus Augsburg.
Inhaltsverzeichnis. xxi
Seite
Straßburg. — Drucker und Verleger trennen ſich. — Kolporteure. Anſchlag—
zettel; Beiſpiele. — Buchführer. Jahrmarktsbeſuch. — Filialen. — Buchhändler
und Drucker verwechſelt. — Drucker ſelbſt beſtellen bei Dritten. — Aufträge
von Privatperſonen an Drucker. Verleger geben Druckern Aufträge. — Spezia—
litäten der einzelnen Druder und Verleger der verſchiedenen Länder. — Groß—
fapital; Aſſociation (verſchieden in Italien, Deutſchland und Frankreich). —
Buchläden (Verkauf von eigenem und fremdem Verlag). — Ültefter Sitz der
Sortimentsbuchhändler Augsburg. — Mitte des 16. Jahrhunderts der Buch:
handel entwidelt. UWiancen auf der Meile. Zahlung. — Honorar. Korrel:
toren. Tanner. — Honorar ſchimpflich (Erasmus und Hutten), jpäter annehm—
bar. — Barzahlungen. Goldaſt. — Dedifationen. — Höhe der Auflagen. Aus:
gaben (theologiſche Litteratur). — Juriſtiſche Litteratur nah Stinging. —
Koberger. Briefwechiel mit Amerbad. — Schluß . . . : 2 2 2 ern. 263
Schites Kapitel.
Der Buchhandel in feinem Berhältnis zum Humanismus.
Nenaifjance und Humanismus. — Phaſen des Humanismus, — Huma—
niftiich-theologiiche Periode. (Brüder vom gemeinfamen Leben.) — Humaniftiich-
wilfenjchaftliche Periode. — Erasmus. — Aldus Manutius. — Seine Verlags:
thätigkeit. — Verbindungen mit den deutichen Humaniſten. — Beziehungen zu
Erasmus. — Zu Reuchlin. — Geichäftsbezichungen zu Deutichland. — Ge—
Iihäftliche Leiftungen und Erfolge. — Johann Froben. — Humanismus in
Erfurt. — Pie humaniftiich-polemifche Periode. — Streit mit den Duntel:
männern. — Die Epistolae obscurorum virorum. — Schluß . . ... . 360
Siebentes Kapitel.
Luther.
(Die Reformation und der Buchhandel.)
Deutſch als werdende Litteraturſprache. — Maſſenproduktion und Abjag
von Luthers Schriften. — Wirkung derielben. — Yuther und feine Berleger.
— Die Bibelüberjegung. — Die Nahdruder. (Gegenreformation in ſterreich.)
— Die Buchführer. — Rolfstümliche Flugichriften. — Johann Herrgott. —
Die Prädilanten. — Balthajar Hubmayer. — Die Schulen...» 2... 405
Achtes Rapitel.
Die frankfurter Meſſe.
Alter der Meile. — Auftreten des Buchhandels. — Peter Schöffer und
die Bajeler. — Mittelpunkt des deutichen Buchhandels um 1500, — Teilnahme
der Xtaliener und Franzoſen am Meßverkehr. — Die Reife zur Meile. —
Leben und Weben auf derielben. — Beſuch feitens der Gelehrten. — Geihäfts-
verfehr auf der Meile. — Der Meßkatalog. — Die Bücherprodultion von 1564
bis 1765. — Die Wirkungen des großen deutjchen Kriegs. — Überwuchern
des Nachdruds. — Berfehrtheiten der Behörden. — Streben nad) lofalem
xxu Inhaltsverzeichnis.
Seite
Privilegienſchutz. — Übergewicht und Überhebung des holländiſchen Buchhandels.
— Verfall der deutſchen Buchausſtattung. — Der niederländiſche Buchhandel
in ſeinen Beziehungen zum Meßverkehr. (Chriſtoph Plantin. Die Elſeviere.). 448
Neuntes Kapitel.
Die Bücherceuſur und die Preßverfolgungen.
Hiſtoriſche Einleitung. Das Altertum, — Verhalten der Kirche. Cenſur—
recht der Univerfitäten. — Erftes Auftreten nach Erfindung der Buchdruder:
kunſt: Köln. — Vorgehen der Kirche ohne Nüdjicht auf den Staat: Mainz. —
Die Bullen Sirtus’ IV., Mleranders VI. und Leo's X. — Das Wormſer Edilt.
Eintreten des Staats. — Die Reichs - Preßverordnungen. — Der Begriff des
Libell3 und der Famosſchrift. — Schwächliches Verhalten der Protejtanten. —
Eenfur in Öfterreih. — An Bayern. Katalog erlaubter Bücher, Verfahren
gegen Schwendfeldianer. — Die proteftantiichen Reichsftädte. Straßburg. Nürn-
berg. (Hans Sachs.) Augsburg Ulm. Frankfurt a. M. — Baſel. Zürid.
— Die geiftlihen Kurfürftentümer. — Böhmen und Schlefien. — Kurpfalz. —
Brandenburg. — Sachſen. — Die Heinern Territorien. » » 2 522
Zehntes Kapitel.
Die frankfurter Bücherkommiſſion.
Weltlage im legten Drittel des 16. Jahrhunderts. — Die Jeſuiten. —
Erjte Andeutungen über die Kommiſſion. Zwed derjelben. — Kurzfichtigkeit
des franffurter Rats, — Definitive Einjegung durch Rudolf II. — Allmähliches
Hervortreten ihrer Ziele. — Refonftruftion im Jahre 1608. — Widerftand von
Kurfachien und Pfalz. — Weiterentwidelung der Übergriffe. — Perfonalien. —
Direftes Eingreifen des kaiſerlichen Hofs. — Die Pilihteremplare. — Neu:
beginn der Bedrüdungen nah dem Weftfäliichen Frieden. — Die Bücherkom—
mifjare Hörnigf und Sperling. — Die Büchertare. — Klagen über Schäden
im Buchhandel. — Steigerung der Chikanen. — Auftreten der evangeliichen
Neihsitände. — Der Bücherkommiſſar Vollmar und feine neue Inſtruktion. —
Vorbereitung einer Wandlung in den Seichäftsformen des Buchhandels... . 608
Elftes Kapitel.
Der Nachdruck.
Bedeutung des Urheberrehts für den Buchhandel. — Spuren ausdrüd:
licher Anerkennung des Urheberrechts bei den Römern fehlen. — Klagen über
den Nachdrud nad Erfindung der Buchdruckerkunſt; Verlangen nad einem
Schuß gegen den Nachdruck. — Schub gewährt durch Privilegien des Kaiſers,
wie der Territorialherrichaften. — Kein rechtlicher Schub des Urheberrechts
ohne Privilegium, — Rechtliche Natur der Privilegien gegen den Nachdruck.
— Bejepliches Verbot des Naddruds, — Charakter des vom Gejeh verbotenen
SEOCHEEEER ;: 1: sc ana aa te ee er ea ee 136
Anhaltsverzeichnis. xxiii
Auhang.
Dokumente: Seite
I. Beglaubigungsſchreiben des frankfurter Rats an den lübecker. 3. Juni
BR 2 0 er a ee Te at alter Fa in Ger, 159
II. Anzeige der Ausgabe von Hieronymi Epistolae, Moguntiae, Petr.
Schoiffer de Gernssheym, 1470 (welche im Herbit 1470 wirf-
II ORTEN. u. 6 50 a a a ee, wre 760
III. Schreiben des Rats der Stadt Frankfurt a. M. an den Rat zu Lübeck,
eine Schuldforderumg Peter Schöffers und Konrad Hendis an den
fübeder Bürger Hans Bit betreffend. 1. April 1480. .... 762
IV. Berfaufsbelenntnis Reinh. Tür . ». » 2.2 22er nenn. 763
V. Anzeigen Menteliher Drude . . - >»: 2 m 2 0 er ern nn 763
Anzeige Johann Bämlers in Augdburg - . 2 > vn nun 765
VI. Schreiben des Rats von Köln an die Stadt Balel. . . » >. 7165
VI. Ausgleihung des Gewinnes an der nach Vertrag vom 29. Dezember
1492 gemeinjam unternommenen Ausgabe der Hartmann Schedel-
ſchen Chronies mundE .. a a 766
VII. Berzeichnis der Drude von Aldus Manutius. (Chronologiſch geordnet.) 770
IX. VBerzaichnis der Buchdruder, Buchhendler und Buchfurer, jo Inn der
Herbſtmeß No. 1569 den 14. Septembris durd E. €. Rath für
beichieden worden » 2 2 2 vv 0 rer rer nen 77
X. Reichs-Preßverordnungen.. ren 77
Erläuterung der graphiſchen Tafeln zur Stattjtif des deutſchen
Buchhandels in den Jahren 1564 bis 1765. Bon Fr. Zarncke . . 786
Duellennahmweije und AnmerkungÄen.. 810
Namen⸗ und Ortsregiſterrr. a a ie 855
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Ey
w
Erſtes Kapitel.
Gutenberg und jeine Borlänfer.
Erfinder und Entdeder am Ausgange des Mittelalters. — Anlehnung an die ge-
wohnten Gejtaltungen des Lebens. — Buchweſen und Handichriftenhandel des Alter-
tums. — In Athen und Alerandrien. — In Rom und in den Provinzen. Maſſen—
produftion. — Das frühe Mittelalter. Die Klöfter. — Stationarii und Librarii
der Univerfitäten. — Weltlihe Schreiber, Brüder vom gemeinfamen Leben. —
Handichriitenhandel in Deutichland. — Bibliothefen. Wert der Handichriften. Ver—
wahrlojumg derjelben. — Die Renaifjance. Erwacen der Bücherliebhaberei. Florenz
als Hauptmarft des Handichriftenhandels. — Gutenberg. — Abſtammung, Jugend
und Aufenthalt in Straßburg. — Seine mechanischen Arbeiten (Steinjchleifen, Spiegel-
fabrifation). — Verträge mit Dritzehn und Heilmann. — Die „Künfte und Afentur“.
— Ende des Aufenthalts in Straßburg, Rüdfehr nad) Mainz. — Zeitpunkt der Er-
findımg der Kunft. Wejen derielben. — Die erften Drude. — Gutenbergs weitere
Schickſale. — Techniſche Bollendung der erjten Drude. — Gutenbergs Tod. Sein
Charakter. — Bedeutung jeiner Erfindung. — ÄAußeres der erften Drude. — Auf-
nahme der Kunſt jeitens der Gelchrtenwelt und Bücherliebhaber. — Anfängliche
Stellung der Kirche zur Kunſt.
Vier Männer: Gutenberg, Columbus, Luther und Kopernikus, ſtehen
an der Grenzſcheide des Mittelalters und bilden die Markſteine für den
Eintritt der Menſchheit in eine höhere und ſtolzere Epoche ihrer Ent—
wickelung. Es wäre ſchwer zu ſagen, wer von ihnen am meiſten dazu
mitgewirkt hat, den Umſchwung der Geiſter heraufzubeſchwören und der
neuen Zeit die Thore zum ſiegreichen Einzuge zu öffnen.
Der mainzer Bürger zunächſt entfeſſelt und beflügelt den Geiſt, ſendet
das Blei auf ſeinen Eroberungszug über den Erdball nicht als tod—
bringende Kugel, ſondern als lebenerweckenden, in tauſend Zungen reden—
den Buchſtaben. Der genueſer Seefahrer und Entdecker erweitert dann
die Welt des Raumes, führt Europa aus dem engen Beden des MDlittel-
Kapp. 1. 1
2 Anlehnung an die gewohnten Seftaltungen des Lebens. [Erjtes
meers und der Bejchränftheit der nächiten Küſten hinaus auf den unbe-
grenzten Ocean. Bald darauf zerreißt der wittenberger Reformator die
Bande, welche ven Geift in Feſſeln gehalten hatten, und fordert die Rechte
der fittlichen Selbitbeftimmung zurüd. Der frauenburger Domberr endlich
zertrümmert durch feine Entdeckung des fosmijchen Bewegungsgeſetzes den
Himmel kindlicher Überlieferung, welchen die Menfchheit bis dabin ge-
träumt hatte, und ruft Das Yicht berbei, fich von allen Seiten in das
bisherige Halbdunkel zu ergießen.
So ward es Yicht, jo drang das Picht in die Zwingburgen des Geiftes,
in die Zellen der Mönche, in die Köpfe ver Gelehrten und in das Dichten
und Trachten der Völfer.
Ein paar Jahrtauſende waren dabingegangen, innerhalb welcher die
denkenden Menjcben ſich nur mangelhaft mittel® Zeichen und Schrift
zu verftändigen und die Früchte ihres Denfens auf die Nachwelt zu
bringen vermocht hatten. Erſt Gutenbergs Erfindung, Die Vorausjeßung
und Grundlage des vorliegenden Werts, erweiterte in bisher kaum
geahnter Ausvehnung den geiftigen Verkehr der Völfer und bildete ihn
zur weltbeherrichenden Macht aus.
Große Entdeckungen und Erfindungen find nie die Stinder des Zu—
falls, jondern jtets die Ergebniffe jahrelanger Arbeiten und Beobachtun—
gen, erjt verunglücter und dann geglücter Berjuche, zahllojer durchwach—
ter Nächte, neuer Sorgen und Zweifel und endlicher Triumphe. Nur
im beitern Olymp ver Griechen jpringt Athene gewappnet und in voller
Jugendkraft aus dem Haupte des Zeus hervor; in der müchternen Welt
ver Thatjachen Liegt aber ein langer und banger Zeitraum zwijchen dem
eriten Gedanfenblig einer neuen Idee und der endlichen Verwirklichung
einer auf fie geftütten großen Erfindung. Erfinder und Entveder füh—
fen im Bewußtjein der Schwierigfeit ihres Beginnens und in ibrem
Streben nach Einbürgerung in die übertommenen Verhältniffe ftets das
Bedürfnis, fih an verwandte, längst anerkannte Seftalfungen des Yebens
anzulebnen. So fnüpft denn auch Gutenberg äußerlich ebenjo unmittel-
bar an die Schreibkunſt und den Handſchriftenhandel des Mittelalters
an, wie dieſes auf bemfelben Gebiete die Errungenjchaften des Alter-
tums ausbeutet und fortführt.
Es find aus letzterm nur vereinzelte Bruchſtücke und gelegentliche
Äußerungen über das Bücherweſen und den Handſchriftenhandel auf die
Kapitel.) Buchweſen und Handichriftenhandel des Altertums, 3
Nachwelt gelangt. Altertumsforjcher und Gejchichtichreiber haben, aus
demjelben lückenhaften Material ſchöpfend, veröffentlicht und wieder ver-
öffentlicht, was in den jpärlichen Überlieferungen fteht. Neue Ihatfachen
laſſen fi jchwerlich mehr herbeijchaffen, e8 müßten denn, was jehr un-
wahrſcheinlich iſt, bisher umdurchforjchte Quellen erjchloffen werben.
Somit bleibt für die Darftellung und die Erkenntnis jenes Zeitalters
nichts übrig als eine furze Zufammenfaffung der gewonnenen Ergebniffe.
Athen, Alerandrien und Nom find die drei großen Mittelpunfte
der Kultur, welche das geiftige Peben ver antifen Welt bejtimmen und
beberrichen.
Da die Griechen nicht vor dem 7. Iahrhundert ihr Papier aus Äghpten
erhielten, jo fann ihre Yitteratur auch erft mit und nach diefer Zeit
angefangen baben. Über ven Biücherhandel Athens find nur jpärfiche
Tuellen auf die Nachwelt gekommen. Zu ver Zeit, welche mit dem
Ende der Perjerfriege beginnt und mit dem Peloponnefijchen Kriege
aufhört, treibt der fich frei entfaltende griechifche Geijt jeine jchönften
Blüten, Athen aber wird erjt jpäter durch jeine großen ‘Dichter und
Shriftfteller zum litterarifchen Mittelpunfte Griechenlands. Es lieſt
dort alle Welt. Schon im 5. Jahrhundert blüht eine volkstümliche Yitte-
ratur. Man hat Anefootenjammlungen, Kochbücher und vergleichen
Schriften; Bücher werben in der Schule wie zu Haufe gebraucht. In
den Jahren 432 bis 425 wird zuerjt der Bücherverfäufer genannt. Ab-
ſchreiber vermittelten den gejchäftsmäßigen Betrieb des Handſchriftenhandels.
Aus dieſem Berufe find die Buchhändler hervorgegangen, und dieje
wieder haben jenen groß gezogen. Oft waren beide Gewerbe in Einer
Perjon vereinigt. Alexander ließ ſich durch feinen Freund Harpulus
von Athen aus neue Dichtungen und Gefchichtswerfe ins Yager nachſchicken.
Ein rechtliches Verhältnis zwijchen Schriftjteller und Verleger, na-
mentlich aber eine Honorarzahlung des legtern an den erjtern, gab es
übrigens jo wenig wie ein Geſetz gegen ven Nachdruck oder vielmehr ge-
gen die Nacjchrift. Dem gelehrten Griechen jchien es verächtlich, mit
jeiner jchriftftellerifchen Arbeit Geld zu verdienen: Autoren verkauften
wohl ihre Manujfripte, aber nicht an Buchhändler, jondern an reiche
Privatleute. Philoſophen, wie Plato und Ariftotele®, gaben einzelne ihrer
Schriften ibren Schülern oder Freunden, die fie entweber jelbjt ver-
vielfältigten, oder ven Buchhändlern überließen, welche ven aus dem
ı*
4 Buchhandel in Athen. [Erjtes
Bertrieb gezogenen Gewinn einjtedten. Hermodorus, vem Schüler Platos,
wurde e8 zum Vorwurf gemacht, daß er mit jeines Meifters Schriften
in Sicilien Handel getrieben habe. Reiche Bürger liegen ſich dur ihre
Sklaven Abjehriften machen oder jchrieben mit eigener Hand ein ihnen
wertvolfes Manujtript ab. Sp ſoll Demoſthenes ſelbſt achtmal die
GSejchichtsbücher des Thukydides fopiert haben. Schon vor dem Jahre
400 gibt es in Athen Bibliothefen. Möge jelbft die Eriftenz der angeb-
lich von Pififtratus und Polyfrates gegründeten auf gewagten Schlüſſen
beruhen, jo bleiben doch die eines Euripides, Euflives und Nikofratus
übrig, von welchen Athenäus berichtet.
Erjt jeit Alerander dem Großen entiwidelte ſich in Athen ein regel:
mäßiger gejcbäftlicher Betrieb des Handſchriftenhandels. Wie der gefrönte
Schüler des Ariftoteles Alerandrien zur politiihen Hauptſtadt feines
griechijch-afiatifch- afrikanischen Weltreichs erhob, jo ehrte er Athen als die
geiftige Ktapitale der damaligen Welt und machte e8 noch auf Jahrzehnte
hinaus zu deren litterarijcbem Meittelpunfte, bis die Ptolemäer durch ihre
jtolze Hauptſtadt und namentlich deren Bibliothek den Glanz Athens ver-
dunfelten. Trotz jeines politijchen Verfalls übte aber ver Ruhm jei-
ner Vergangenbeit noch immer einen jo mächtigen Zauber, vor allem
auf die Nömer aus, daß Athen noch jabrhundertelang, ſelbſt Aleran-
drien gegenüber, ein bedeutender Büchermarkt blieb. Die Händler bat-
ten ihren Stand auf dem Marktplag und führten von hier ihre Hand—
jchriften bis zu den fernen Barbaren aus, und zwar nicht allein jchön-
geiftige und philojophijche Werke, jondern auch Staatsjchriften.! Reiche
römijche Große, wie Yucullus und Sulla, kauften dort ganze Biblio-
thefen; junge vornehme Römer, welce in Athen Rhetorik und Philo—
jopbie jtudierten, betrachteten e8 als Sache des guten Tons und Ge-
ſchmacks, von dort mehr over minder anſehnliche Handſchriftenſamm—
lungen nach Hauſe zu bringen. Die Preije derjelben waren deshalb nicht
billig, weil Bücher bei der geringen Zahl brauchbarer Sklaven nicht
maſſenhaft hergeftellt werden fonnten und außerdem vielfach durch den
ſchwankenden Preis des Papiers vertenert wurden. Für Athen ijt kaum
ber Name eines berühmten Handſchriftenhändlers erhalten; nur aus
der Zeit des Untergangs jelbjtändigen griechifchen Yebens find Kallinus
und Atticus auf die Nachwelt gefommen, von denen jener ſich durch
jeine ſchöne Hanpdfchrift, diejer aber durch die jeinem Geſchäft gewidmete
Kapitel.) In Alerandrien. Pergamon. 5
Sorgfalt auszeichnete. Der Beruf war fogar ziemlich anrüchig, weil
Unredlichkeiten häufig in demſelben vorfamen, jchlechte und gewiſſenlos
angefertigte Danpjchriften jtatt forrefter oder betrügerifcherweiie neu her—
geitellte Abjchriften, durch künftliche Mittel gefärbt, ven Käufern als
werthvolle Driginale verfauft wurden. So werben denn auch von
Theopomp die Buchhänpler mit den Sardellen-, Obſt-, Feigen-, Yever-,
Mehl- und Yöffelhändlern auf dieſelbe Stufe geitellt. ?
Nachdem die Römer ven Orient erobert hatten, fand der römiſch—
aſiatiſche Hellenismus‘ feinen eigentlichen Brennpunkt in Nlerandrien,
welches einige Jahrhunderte lang die Weltherrichaft in der Yitteratur
fiegreih behauptete. Die Ptolemäer gründeten bier die größte Bibliothet
des Altertums, welche befanntlich vor ihrer endlich völligen Zerjtörung
durch die Araber bis 700000 Rollen gezählt haben joll. Die erftern
fauften, was fich nur an griechticher Yitteratur vorfand, in jolchen Maffen
auf, daß im manchen griechiichen Städten kaum noch Abjchriften übrig-
blieben und daß man fich in fpätern Zeiten nach Alerandrien wenden
mußte, um nur einen Text für neue Abjchriften zu erhalten. Von
dem Gejchäftsbetriebe der alerandrinifchen Rollenhändler, ihren Preifen
und Bezugsbedingungen iſt leider nichts befannt. Die zur Anfertigung
neuer Texte teilweie herangezogenen Schnellichreiber waren zwar jehr
berühmt, aber auch jehr wenig gewiffenhaft in ihrer Arbeit, während
die Thätigfeit der aleranprinischen Philologen und Bibliothefare fich als
gründlich und von nachhaltiger Bedeutung bewährte. Die vom König
Attalus im Pergamon geftiftete Bibliothek zählte, als Antonius fie
der Kleopatra fjchenfte, angeblich 200000 Rollen, konnte aber mit ver
alerandrinijchen nicht wetteifern, weil es, wenn auch nicht an Geld,
jo doch an litterarijchen Hilfsmitteln aller Art zu ihrer Herjtellung ge-
fehlt hatte. Auch Antiochia fonnte nicht gleichen Schritt mit dem
Beiipiele Aleranpriens und deſſen reichern Mitteln halten, und die für
den griechijch - Hleinafiatifchen und ägyptiſchen Handel jo günjtig gelegene
Inſel Rhodus vermochte ſich nur eine furze Zeit ala bedeutender Bücher—
marft zu behaupten.
Kom trat erft mit dem Kaiferreiche, nachdem fich die Urbs zum
Orbis, zur geſchloſſenen Nation erweitert und ausgebildet hatte, die Erb:
ihaft Athens an und entwidelte von num an mit jedem Jahre mehr das
Bedürfnis wifjenichaftlicher Ausbildung. Die nach der politifchen Nieder—
6 Biücherweien in Rom. [Erjtes
werfung ihrer Heimat in Scharen nad Rom ſtrömenden griechiſchen
Philojophen, Ahetoren und Sprachlehrer hatten namentlich einen mäch—
tigen Aufihwung der Echriftitelleret bewirkt, deren Erzeugniffe bald ein
ſelbſtändiger Schriftenhandel vermittelte. Die großen Bibliothefen, welche
die römijchen Sieger aus Alexandrien und Griechenland hinwegführten,
förderten zugleich das Studium der griechijchen Yitteratur. Der Bankier
Pomponius Atticus war der erite, der dieſe Bücherſchätze nicht bloß für
fih, ſondern auch für feinen Handſchriftenhandel benußte; er verlegte
unter andern verjchiedene Werfe von Cicero. Je mehr der Verfall des
politijchen Yebens fortjchritt, welches jo viele reiche geiftige Kräfte in
Anſpruch genommen hatte, deſto größere Bedeutung erlangte der littera-
riſche Verkehr. Seine Blüte begann mit Auguftus, wie vorher die in
Athen mit der ulerandrinifchen Periode. Hier wie dort beruht die
Herjtellung der Danpjchriften auf der Sflavenarbeit. In Rom wird
nur vollftändiger und reicher nachgebilvet, was in Athen in Heinern Ber-
hältniffen geleiftet worden war. Die Zahl der öffentlichen Bibliotheken,
deren erjte in Rom zur Zeit des Auguftus von Aſinius Pollio ge-
gründet ward, ftieg in ein paar Jahrhunverten auf achtundzwanzig. Mit
der Entwidelung des geiftigen Yebens unter den Kaifern aber ging auch
die entiprechende Bildung der Privatbibliothefen Dand in Hand. Es
wurde unter den Patriciern bald eine Forderung äußern Anftandes, im
Belite bedeutender Danpjchriftenfammlungen zu fein. Wenn Athen
schn Sklaven zur Abjchrift von Handſchriften hatte, jo fonnte Rom
ihrer Tauſende zu demſelben Zwed verwenden und num durch das ein-
malige Diktat eines Manuſkripts an eine große Zahl von fleifigen,
gleichzeitig ſchreibenden Händen einen Großbetrieb heritellen, bei welchem
man freilich die zahlreichen Hör-, Denk: und Schreibfehler mit in den
Kauf nehmen mußte. So kam die mafjenhafte Verbreitung einbeimijcher
und fremder Geifteserzeugniffe durch die Schrift ihrer heutigen ver—
mittelft der Preſſe vielleicht fast gleich; ſelbſt die Preife der gangbaren
Werfe ftellten fihb in Rom ſehr billig. Bei der Menge der Schreiber
aber war hier das Bedürfnis einer noch maffenhaftern Bervielfältigung
der Schriftwerfe gar nicht vorhanden, jo nahe die Römer, ja jelbjt die
Griechen, dem Grundgedanken ver Buchdruckerkunſt auch kamen.
Schon das frühefte Altertum kannte beiweglihe Buchftaben, ſowie
die Kunſt, Schrift und andere Zeichen verkehrt in Stempel von Hol;
Kapitel) Stempelfchnitt im Altertum. 7
oder Metall einzufchneiven und mittels einer Narbe abzupruden oder in
eine weiche Maffe einzuprüden; allein es verftand nicht, dieſe Kenntnis
folgerichtig weiter zu entwideln. Nach Herodot trug jeder Babylonier
einen Siegelring. Scipio Africanus ſoll der erite gewejen jein, welcher
jein Siegel in einen Sardonix fehneiden lief. Der Kaiſer Auguftus
verjiegelte jeine Briefe und Urkunden mit einer Sphinx. Ebenſo hatten
die Alten metallene Stempel, in welche die Worte in verfehrter Nich-
tung erhaben eingefchnitten waren, zum Zeichnen ver Sklaven, des Viehs,
des Brotes und ver Töpferwaren. Das Geſetz der Decempirn wurde
in zehn eherne Tafeln eingegraben. Daß fie ven anjcheinend fo leichten
weitern Schritt zum Druck nicht thaten, ift um jo mehr zu verwundern,
ald das Abprüden von verfehrter Schrift ſchon von Agefilaus, dem
König der Spartaner, in Anwendung gebracht und diefe Methove weit
und breit befannt wurde. Plutarch erzählt nämlich in den lakoniſchen
Sentenzen, daß der genannte König vor dem Beginn einer Schlacht den
Mut feiner Krieger durch folgende Yift belebt habe: er lieh das Opfer
zurichten, jchrieb fich heimlich mit jchwarzer Tinte das Wort „Steg in
verfehrter Richtung auf die flache Hand, trat dann zum Altar, um in
den Eingeweiden des Opfers zu forjchen, ergriff raſch die Leber bes
Tieres, prüdte fie mit der Hand und ſchien in tiefes Sinnen verjunfen,
als er plötzlich mit Begeifterung zu erwachen fich anftellte und feinen
Soldaten das Wort „Sieg“ auf der Yeber als ein Wumperzeichen ver
Gottheit vorwies.
Die Römer jchnitten außerdem einzelne Buchjtaben aus Elfenbein,
um jie den Kindern, die lejen lernen follten, zum Spielen zu geben.
Der beilige Hieronymus riet dieſelbe Methove noch gegen Ende des
4. Yahrbunderts der römischen Dame Laeta zum Unterricht ihrer
Tochter Paula arm. „Man mache ihr“, jagt er, „Buchitaben von Buchs
oder von Elfenbein und benenne fie mit ihren Namen. Mean laffe fie
mit denſelben fjpielen, damit das Spiel jelbft zum Unterricht werde.
Dan werfe die Buchjtaben oft untereinander, die fetten unter jene aus
der Mitte und mijche diefe unter die erjten, damit fie biejelben nicht
nur dem Namen nach, fondern auch der Form nad kennen lerne.’
Niemand aber verfiel auf den Gedanfen, daß man mit diejen einzelnen
Buchſtaben Worte zufammenfegen und diefe miteinander verbinden und
aberuden könne. Cicero läßt in jeinem Werfe über die Natur ver
8 Maffenheritellung der Handichriften. Erſtes
Götter? den Stoiker Balbus dem Epikuräer Vellejus entgegnen: „Da
ſoll ich mich dann nicht wundern, daß jemand ſich einbilden kann, eine
Anzahl von feſten und unteilbaren Körpern könne durch Schwerkraft zu—
ſammengebracht und aus ihrem zufälligen Zufammentreffen eine pracht-
volle und wunverjchöne Welt gebildet werden? Wer glaubt, daß Dies
habe gejchehen können, von dem begreife ich nicht, warum er nicht auch
glauben follte, pak, wenn man an irgend einem Plage unzählige Kormen
der 21 Buchjtaben (von Gold over anderm Stoffe) zujammenwürfe und
auf die Erde jchüttete, dadurch die Annalen des Ennius hervorgebracht
und lesbar dargejtellt werben könnten. Wahrlich, ich glaube, nicht ein:
mal einen einzigen Vers vermöchte der Zufall jo zuſammenzuwürfeln.“
Auch im Mittelalter jchnitt man lange Zeit Schrift erhaben in Holz,
Metall und Steine, che man auf den Gedanken geriet, ſolches Ein—
ichneiden in verfehrter Richtung vorzunehmen und zum Abprud zu be-
nutzen.
Wie bedeutend nun aber ſelbſt ohne den Buchdruck die handſchrift—
liche Herſtellung von Büchern war, mögen ein paar Beiſpiele beweiſen.
Als Auguſtus das geiſtliche Supremat mit dem weltlichen vereinigte,
konfiszierte er von einer einzigen, allerdings eifrig geſuchten Handſchrift,
den ſogenannten Pſeudoſibyllen, nicht weniger als 2000 Exemplare.“
Das dreizehnte Buch der Xenien Martials, welches aus 274 Verſen
und 127 Überjchriften bejteht, verkaufte der Verleger Tryphon für
4 Seſterzen oder 54 Pfennig. Martial findet das zu viel und ver:
jichert, es fünne füglich für vie Hälfte, alſo für 27 Pfennige verkauft
werden, und jelbit dann werde es dem Verleger noch einen beveutenven
Gewinn abwerfen. Dieje Xenien füllen im engen Drud der Teubner:
ſchen Stereotypausgabe gerade einen Drudbogen. Martial jagt von
jeinem zweiten Buche, welches 93 Epigramme, zujammen 540 Berje
enthält, daR der Berleger in einem Tage 1000 Eremplare fertig jtelle. ?
Hatte nämlich ein folcher über 100 Schreiber zu verfügen und rechnet
man von zehn täglichen Arbeitsjtunden je eine auf die Niederjchrift eines
fleinern Wertes, jo konnte allerdings innerhalb jener Zeit mittels Diktats
eine Zahl von 1000 Eremplaren angefertigt werben.
Auch in Rom erhielten die Schriftiteller von den Buchhänplern fein
Honorar, wenigitens gibt es feine Stelle, aus welcher man darauf
ſchließen könnte.“ Cicero erwähnt in feinen, ſelbſt die kleinſten Einzel—
Kapitel.) Honorar der Autoren. Einrichtung der Buchläden. 9
beiten berührenden Briefen nicht, daß er irgend welchen Vorteil aus jeiner
Verbindung mit Atticus gezogen habe. Inden Briefen Quintilians an
jeinen Berleger Tryphon fehlt jeve Anfpielung auf eine Honorarforde—
rung. Juvenal fchweigt im feiner fiebenten Satire ganz von dem Ehren:
jelde der Schriftiteller, während er die geringfügigiten Einnahmen ver
Rhetoren, Rechtsanwälte und anderer Berufsarten genau zuſammenſtellt.
Horaz meint, ein erfolgreiches Gedicht bringe nicht nur dem Verleger
Geld, ſondern auch, da es felbjt über das Meer gehe, dem Berfaffer
Ruhm. Bom Honorar aljo weiß er nichts. Cs ift daher der Schluf
wohl gerechtfertigt, daR die Tagesjchriftiteller mehr von der Gunft des
fatjerlihen Hofes, der Großen und Reichen einen klingenden Yohn für
ihre Schöpfungen erwarteten und erhielten, als von ihren Berlegern.
Dagegen ift es eine wohlbezeugte Thatjache, daß Privatperjonen von
den Schriftjtelleen Handſchriften fauften und dieje teuer bezahlten. So
gab zu Giceros Zeiten ein reicher Mann dem Grammatifer Pompilius
Andronicus für das Manuſtript jeiner Gejchichtstabellen 16000 Sefterzen
(etwa 2500 Mark), und ein anderer bot dem ältern Plinius für feine
Ercerptenfammlung 400000 Sefterzen (annähernd 62000 Mark).
In allen Staptvierteln Roms gab es jo zahlreiche Handſchriften—
bänpler, daß ihre Läden ganze Straßenteile einnahmen. Namentlich
fanden fie jich am Forum in ver Nähe ver Kurie, auf dem Argiletum
im Vicus Sandellarius, welchen Gellius als den Dauptbezirk der Hand—
ſchriftenhändler bezeichnet, und in der Sigillarie. Bekannte Firmen
find unter andern die Gebrüder Sofins, die Verleger des Horaz, und
Tryphon, der Freigelaffene des Julius Lucenſis, Atrectus und D. Va—
lerianus Pollius, Dorus und Secundus. Ihre Läden, an deren Thür-
pfoften fie die neuen Erſcheinungen anfündigten, waren bie Verſamm—
lungspunkte der Yitteraturfreunde, der Dichter und Rezenjenten, ber
vornehmen und gelehrten Welt, oder dienten auch als Yejefabinette. Das
Innere duftete nach Safran und Cedernholz, den Mitteln gegen die
Motten; die gebundenen Schriftrollen lagen in ven Fächern der Wand—
ſchränke, die befjern im Sehfreife der Käufer, die geringern aber zu
unterft. Hinter dem Yaden befand fich gewöhnlich die Offizin, in welcher
die Abjchreiber und Abjchreiberinnen, jowie die Rollenhefter und Binver
arbeiteten. Die Verleger bejchränften fich bereits auf einzelne Zweige
der Yitteratur. Staatsſchriften, juriftiihe Werke und Poeſie erſchienen
10 Buchhandel in den Provinzen. Erſtes
vielfach in verſchiedenem Verlage. Von einzelnen beliebten Dichtern,
z. B. Martial, wurden mehrere Ausgaben veranſtaltet. So war eine
für die Bibliotheken bejtimmte fchönere und teuerere bei Atrectus er-
ichienen, während die billige Tajchenausgabe bei Tryphon herausfam.
Auch in den übrigen Städten Italiens und der Provinzen gab es ſchon
vom erjten Jahrhundert der chriftlichen Zeitrechnung an Danpjchriften-
händler, welche ihre Artikel meift aus Nom bezogen und dem Berleger
zugleich bequeme Kunden für deren Abjat waren. Von ven italijchen
Stäpten, wie Mailand, Pornpeji, Neapel, Tarent und dem Einſchiffungs—
hafen Brundifium ganz zu jehweigen, jo jeten hier von den Provinzial:
ftädten erwähnt Athen, Smyrna und Alexandria im Oſten, Autun,
Vienne, Rheims, Lugdunum (Lyon) und Maſſilia im Weiten und Kar—
thago und MUtica im Süden. So umfpannte denn auf Grund ver
Sflavenarbeit der römische Danpjchriftenhandel die damalige civilifierte
Welt. ?
Troß dieſes ausgedehnten Gejchiftsbetriebes findet fich aber Feine
Spur der Anerfennung einer Art von Verlagsrecht, geichweige denn,
daß dieſes durch ein Geſetz geſchützt, der Nachvrud oder vielmehr vie
Nachichrift purch ein folches verboten gewejen wäre. Cs findet fich auch
nirgends eine Spur, noch weniger eine Klage, daß man bier eine etwaige
Verlegung von Cigentumsrechten für denkbar gehalten habe Einmal
fonnten einer ſolchen Verlegung große Auflagen vorbeugen; dann ließ
fich der mutmaßliche Erfolg und Abjat eines Buches ziemlich genau nach
dem Beifall berechnen, welchen es bei dem in Rom vor feiner Verviel—
fültigung üblichen öffentlichen Vorlejen fand; endlich aber may, wie Birt ®
jehr richtig vermutet, unter den Handſchriftenhändlern das freundichaft-
liche Übereinfommen beftanden haben, einander feine neuen Verlagsartifel
nachzujchreiben, wie ein folches bezüglich des Nachdrucks noch heutzutage
vielfach unter den Verlegern derjenigen Länder üblich iſt, welche ein-
ander feinen gejeßlichen Schuß gegen leßtern gewähren, wie 3. B. Eng:
land und die Bereinigten Staaten.
Die Herftellung der Handſchriften und ihr Vertrieb durch den Handel
erhielt fihb in Rom, als dem bisherigen beveutendjten Dandjchriften:
marft der Welt, ziemlich in verjelben Form und in derjelben Aus-
dehnung bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. Selbjt die erjten Einfälle ver
Barbaren in Italien vermochten noch nicht, die geiftige Herrichaft ver
Kapitel. Die Zeit der Verwüſtung. Die Klöſter. 11
Ewigen Stadt in einem einzigen Anſturm zu brechen, höchſtens daß ſich
allmählich die Herſtellung der Handſchriften der Maſſe nach vermindert,
weil die unruhigen kriegeriſchen Zeiten die Pflege geiſtiger Intereſſen
immer weniger gejtatteten. Erſt ver Sturz des Gotenreiches begrub
die reiche antife Welt von Schönheit, Pracht und Geift in Schutt und
Aſche; erſt jest zertwat der jchwere Fuß des Barbaren oder zertrümmerte
die rohe Kauft des eindringenden Eroberers die taufendjährigen geiftigen
Schätze Roms und mit ihnen zugleich diejenigen der ganzen damaligen
gebilveten Welt. Wie die Yehrer, die Schulen und die Wiffenjchaften,
jo gingen jeßt auch die reichen Bibliotheken in dem allgemeinen Ruin
mit unter. Denn in den furchtbaren Kataftrophen, welche Rom getroffen
hatten, fonnten jeine zahlreichen Bücherfanmlungen, welche noch vie
„Notitia Urbis“ bier aufzählte, fonnten vie Palatina und Ulia, over
die privaten Bibliothefen fürftlicher Paläfte, wie fie z.B. Boethius und
Symmachus bejaßen, nimmer verjchont geblieben fein. Und wie in Rom,
jo verjchlang der Vernichtungsfrieg der Goten und Byzantiner auch in
ganz Italien die koſtbaren Schäße der alten Yitteratur bis auf folche
Überbleibjel, welche die glücklicherweije bald entſtehenden Klöſter des
Benediktinerordens zu jammeln und zu retten vermochten.“
Natürlich lähmte diefer, Jahrhunderte dauernde Rüdfall in die Bar-
barei fait alle geiftige Thätigkeit. Ein Zeitalter, welches das nadte
Veben gegen die Barbaren verteidigt, bedarf feiner Hanpjchriften, ge
jchweige denn ihrer gewerbmäßigen Anfertigung zu Tauſenden. Am
längſten bielten ich die Nachwirkungen des Haffischen Altertums in Ita—
lien und gingen bier nie ganz verloren; allein ein halbes Jahrtauſend
verfloß, bis fih die Anfänge einer andern Ordnung der Dinge langſam
wieder aus den Ruinen erhoben. Zunächſt waren es die chriftlichen
Klöfter, welche die erjten Keime eines neuen geiftigen Lebens pflegten
und ihren VBermittlern eine gaftliche Stätte boten. Auch das Hand—
jchriftenwejen trat in den Dienjt der Kirche. Da fie von Anfang an
wenigſtens einige gejchriebene Bücher brauchte, jo beichäftigte fie ihre
jchreibfundigen Mönche mit der Anfertigung von Abjchriften, welche zu:
gleich dem zurücdgezogenen und einförmigen Yeben des Klofters ven Cha-
rafter der Muße und Unthätigkeit nehmen ſollte. Der Fleiß ihrer Federn
beichaffte allmählich die bejcheivenen Anfänge der Klofterbibliotheten, welche
den Danpicriftenhandel in der vom Altertum betriebenen Auspehnung
12 Biücherproduftion in den Klöſtern. Erſtes
gar nicht nöthig hatten. Der Ankauf einer Handſchrift durch die Klöſter
war eine Seltenheit, höchſtens, daß ausnahmsweiſe die Prachtliebe eines
Abts oder Biſchofs ſich den Yurus eines jchön geichriebenen und ver:
jierten Breviariums gönnte, Die Bücher jener Zeit bilveten deshalb
auch einen eijernen Bejtandteil des Kirchenjchages. Anvererjeits aber
erwarb ſich das Mönchtum des frühern Mittelalters dadurch ein großes
Verdienft um das geiftige Yeben ver ciwilifierten Welt, daß es auch
Werfe der klaſſiſchen Yitteratur verpielfältigte und vor dem Untergange
rettete. Die antife Maffenproduftion fehrumpfte jevoch immer mehr zur
Einzelpropuftion zufammen; dieſe aber jtand ganz vereinfamt und kaum
im Zujammenhang mit ven aufjtrebenven zeitgenöffiichen Geiſtern.
Der chriftliche Klerus wird jeßt der faſt ausjchliefliche Träger der
gelehrten Bildung, allein er handelt nicht mit feinen lediglich auf Be:
ftellung angefertigten Abjchriften, und verbrängt durch feine Thätigkeit
den eigentlichen Dandjchriftenhandel jahrhunvdertelang faſt ganz, denn der
auf den Berfauf einzelner Handſchriften bejchränkte Vertrieb ift noch
lange fein Handel, welcher ven Verlag und Abjag einer (damals nicht
einmal vorhandenen) litterariichen Maffenerzeugung hätte vermitteln
fönnen. Die Mönche leiften, namentlich vom 9. bis zum 14. Jahr—
hundert Vorzügliches. Dann aber werden fie mit der zunehmenden
Sittenverderbnis der Geiftlichkeit faul und faufen lieber die unentbehr:
lichjten Bücher over Laffen andere für fich abichreiben. „Sie ſchwelgen
heutzutage lieber im Ausleeren der Becher, jtatt in ver Verbeſſerung
der Bücher”, jagt der englische Biichof Richard de Bury im feinem
(1344 vollenveten) „Philobiblion“ von ihnen. In vielen Klöftern jchläft
die Schreibthätigfeit jogar ganz ein.
Erjt die Keime der neuen, in Italien gereiften Bildung und das
größere Bedürfnis der namentlich in der Yombardei rege emporblüben-
den gelehrten Schulen erzeugten eine Nachfrage nach Abjchreibern, welche
gegen Bezahlung die Vervielfältigung der Litterarifchen Hilfsmittel be-
forgten und dieſe auch verkauften. Wenn in Italien die erften Univer—
jitäten auch ſchon im 12. Jahrhundert entftanden waren, fo traten
dort die eigentlichen Anfänge des Danpjchriftenhandels nachweisbar Doc
erit im der zweiten Sälfte des 13. Jahrhunderts hervor. Unter
ven zahlreichen, aus den verjchieveniten Ländern berzuftrömenven Stu:
denten machte fich ſelbſtredend eine lebhafte Nachfrage nach forreften
Kapitel.) Handichriftenhandel auf dem italienischen Univerfitäten. 13
Abjchriften der Lehrbücher geltend. Bologna, als die damals bejuchtejte
Univerſität Italiens, fteht an der Spige dieſer Hochſchulen. Hier blühte
das Schreibergeiverbe vor allen andern und bejchäftigte jogar Frauen,
da die Männer zur Befriedigung des Bedürfniſſes nicht ausreichten.
Der große Yurift F. E. von Savigny bat im 25. Kapitel feiner
„Seichichte des römiſchen Rechts im Mittelalter‘ die gejetliche und that-
ſächliche Stellung der Handjchriftenhändfer ein für allemal klar geftellt
und iſt ſeitdem der zuverläffige Führer auf einem Gebiete geworden,
welches Kirchhoff in jeinen „Handſchriftenhändlern im Mittelalter” und
Wattenbach in jeinem „Schriftwejen des Mittelalters‘ durch reiche
Einzelheiten noch vielfach erweitert haben.
Damals alſo wurden Hanpdjchriften nur auf Bejtellung gejchrieben,
zu welchem Zwecke derjenige, welcher ihrer bedurfte, unmittelbar mit dem
Schreiber fontrabierte, Um nun einerjeits die Profefforen vor unbefugter
Nacjchrift ihrer Hefte zu jchügen, andererjeits aber die Studierenden vor
Übervorteilung zu bewahren, erließ die Stadt Bologna ſchon 1259
jtrenge Bejtimmungen über das Handſchriftenweſen und namentlich ven
Handſchriftenhandel. Diejem Vorgange folgten im Yaufe der Jahre die
übrigen italienifchen LUniverfitäten. Ziemlich übereinftimmend in ihren
Statuten wurden von ihnen die Schreiber und Hanpjchriftenverleiher
als Stationarii angeftellt und der Gerichtsbarfeit ver Hochſchulen unter:
werfen, dafür aber auch ihrer Privilegien teilhaftig. Der Name wird
ven Statio, der Werfftätte des Tabellio und Librarius, hergeleitet; das
Geſchäft aber umfaßt, wenn auch vielfach in bejchränftem Sinne, die
Ihätigfeit der alten Scriptores, Notarii und Librarii. Während in
Stalien bloß der Stationarius vorfommt, bezeichnet die parifer Univer—
jität den Stationarius zugleich als Librarius.
Die Stationarii nun waren Verleiher von Handjchriften, von welchen
jie einen Vorrat hielten, um fie gegen ein Mietgeld zum Abjchreiben
berzugeben; nebenher beforgten fie auch fommijfionsweile den Verfauf
alter Handſchriften. Sie durften aber feinen Handel mit Handſchriften
treiben, d. h. fie faufen, um fie mit Gewinn wieder zu verfaufen. Es
jeltte aljo überhaupt niemand Hanpdjchriften faufen, als wer fie entweder
jelbjt gebrauchen oder als Stationarius verleihen wollte. Dieje An-
ſchauung und zugleich gejeßliche Beftimmung entiprach ganz dem Zunft:
geifte der Univerfitäten, welche das, was man damals Wiffenjchaft
14 Die Stationarii in Bologna. [Erftes
nannte, monopolifieren zu fünnen wähnten. „eve Univerjität juchte fich
deshalb auch die in der Stadt vorhandenen Handſchriften zu erhalten.
Ein bolognejer Statut unterjagte jogar 1334 allen Scholaren, Bücher
aus der Stadt mit ſich hinwegzunehmen, wenn nicht vorher eine jchrift-
(ide Erlaubnis der Stadtobrigfeit erteilt worden jei. In dieſem Geifte
wurden denn auch die Stationarii von den Univerfitäten vorjorglich
jelbft in ihren geringiten Dienftleiftungen beauffichtigt. Das bereits
erwähnte Statut der Stadt und jpäter auch der Univerfitäit Bologna
bejtimmt z. B., daß fie forrefte Gremplare balten, dieſe nach feiner
andern Schule bin verkaufen, vie bisherigen Mietpreije nicht erhöhen
und fich nicht mit Doktoren verbinden follten, um ältere Gloſſen durch
neuere zu verdrängen. Die Gejeße der Univerfität Bologna enthielten
noch ansführlichere Vorjehriften. Sie machten nämlich 117 Werfe nam-
haft, welche jeder Stationarius vorrätig haben und in einem aufzulegen-
ven Kataloge als wirklich vorhanden nachweifen mußte, wie fie denn
auch Das Mietgeld für jenes einzelne Werf feititellten. Die Korreftheit
der Exemplare und den Wert der Hanpjchriften beauffichtigte das Amt
ver jechs Peciarii, welche zur einen Hälfte aus ultrameontanen, zur
andern aus cismontanen Scholaren gewählt wurden. Bei größern
Werfen lag der Berechnung des Mietgeldes der Maßſtab zu Grunde,
dag für die Quaterne 4 Denare, gleich 5 Pfennigen beutigen Gelves,
bezahlt wurden. Quaterne bieß eine Yage von vier imeinander ge-
jchlagenen ganzen Bogen oder acht Blättern (Quinterne von je fünf,
Serterne von je ſechs Bogen u. ſ. w.). Das Wort, welches zuerft unter
Dioeletian vorfommt, ift ins Franzöſiſche als Cahier und ins Engliſche
als Quire übergegangen. Die Hälfte der Uuaterne, d. h. zwei ganze
Bogen oder vier Blätter, beißen im jpätern Dlittelalter Pecia, welche
übrigens früher eine genau bejtimmte Zeilenzabl enthalten mußte. Die
Preije der Hanpichriften wurden anfangs nach der Serterne, fpäter nach
der Quaterne berechnet. Neben dieſem Hauptgeſchäft des Danpjchriften-
vermietens nahmen die Stationarii ven Nachlaß der Verftorbenen, ſowie
die Bücher abgehender Stuvdenten und der Juden in ihre Obhut, welch
letztern der Hanpjchriftenhandel verboten war; endlich aber durften fie
unter Wahrung gewiffer Förmlichkeiten den Verkauf von Hanpjchriften
gegen eine bejtimmte, jehr niedrig angejegte Kommiffion von 1'/, bie
21, Prozent des Kaufpreiſes vermitteln, je nachdem dieſer mehr oder
Kapitel.) Handfchriftenhandel in Paris, 15
weniger als GO Pire betrug. In Bologna ımd auch auf jüngern Uni-
verfitäten wurde das Geſchäft der Stationarii in der Regel von den
Pedellen (Bidellus) betrieben, deren Zahl jelten zwei überjtieg, ohne daß
übrigens andere Perjonen ausgejchlojfen geweſen wären.
Das italienijche Vorbild wurde zunächit von der parijer Univerfität
nachgeahmt. Bald gingen von hier aus die Beftimmungen über Her-
jtellung von Handſchriften jewie den Handel mit ihnen auf England
und die nach parifer Muſter errichteten veutjchen Univerfitäten über.
Schon im 14. Jahrhundert wählte die parifer Hochſchule vier De-
putierte (principales librarii) aus ven Stationarii und Librarii zu
deren Beauffichtigung und zur Abſchätzung des Wertes der einzelnen
Handſchriften. Keine derjelben durfte ohne Genehmigung der Univerfität
getauft oder verfauft werden. Nicht Erleichterung, jondern Erjehwerung
ver Beichaffung wijfenjchaftlicher Hilfsmittel bildete das auch von ver
parijer gelehrten Zunft unabläjfig ins Auge gefahte Ziel. So mußten
denn die parijer Stationarii und Librarii alle zwei Jahre oder erforver-
lien Falls öfter ſchwören, daß fie bei der Aufbewahrung, der Ausftellung
und dem Berfauf der ihnen anvertrauten Handſchriften fich treu und
redlich benehmen, daß ſie nicht zugleich Käufer und Verkäufer, daß ſie
innerhalb eines Monats von dem Tage an, wo ſie Handſchriften zum
Verkauf empfingen, feinen Kauf ſchließen over vorgeben wollten, um
ſolche Bücher in ihre Hände zu befommen; daß fie diejelben nicht ver-
jtefen, um fie wohlfeiler zu erhalten, ſondern vielmehr gleich als ver-
füuflibe Ware ausjtellen, und daß fie ferner den Verkäufern von Büchern
den wahren Preis verjelben auf Verlangen angeben und jowohl dieſen
Preis ald den Namen des Verkäufers an einer in die Augen fallenven
Stelle ver Hanpdjchriften bemerfen wollten. Die Stationarii jcbeinen
weniger die Handſchriften von den Berfaffern gefauft, als die Kunſt des
Abjchreibens im großen betrieben zu haben. Sie hatten ihre Diener,
welche für fie das Geſchäft verrichteten. Wer ſich ein Buch abjchreiben
laſſen wollte, wandte fih an fie; zugleich aber verliehen fie ihre Hand—
ichriften an Gelehrte.
In den Stiftungsurfunden und Statuten der deutjchen, mehr pro-
pinziell zugejchnittenen Lniverfitäten ijt zwar den Stationarien und
Handſchriftenhändlern dieſelbe Stellung angewiejen wie in Italien und
Paris, indefjen erlangte die ganze Einrichtung dert nie dieſelbe Bedeutung.
16 Handſchriftenhandel in Deutichland. Erſtes
Nur in Heidelberg, Wien und Köln läßt ſich eine Aufſicht über den
Handſchriftenhandel ziemlich ſicher nachweifen. 1° Sonſt fehlt es an
jedem Beleg dafür, obgleich das litterarifche Yeben und Treiben in Er-
furt und Yeipzig nicht unbedeutend war. Allerdings darf man nicht
außer Acht laffen, daß die deutjchen Studenten in ihrer Mehrzahl ven
unbemittelten Klaſſen angehörten, jogar meistens arm waren und fich
deshalb auch ihre wiffenjchaftlichen Hilfsmittel ſelbſt abjchreiben mußten
oder fie nach dem Diftat der Profefforen, wie in Prag und Wien, nach-
jchrieben, vielleicht gar um beides fich wenig fümmerten. Die reichern
deutjchen Studenten dagegen bejuchten, ſchon um in den Augen der Welt
mehr zu gelten, große kosmopolitiſche Hochjchulen, wie Bologna over
Paris, und brachten vielfach von bier aus die nöthigen Yehrbiücher mit
nach Hauſe.
Für die Anfänge und Entwidelung des deutſchen Hanpjchriftenhandels
find aljo die damaligen heimiſchen Univerfitäten von höchſt untergeorp-
neter Berentung. Die Befrierigung des gelehrten Bedürfniſſes bot hier
ein zu bejchränftes Feld, und jelbft dieſes war unnatürlich eingeengt von
fleintichen Zunftgeifte der Fakultäten. Urkundlich laffen fich die erjten
Spuren eines ausgebildeten dentjchen Handſchriftenhandels erjt zu An—
fang des 15. Jahrhunderts nachweiſen, allein es ijt feine leere Ver—
mutung, daß eine ausgedehnte Yohnjchreiberthätigfeit in eine wiel frühere
Zeit zurückreicht. Sie ift fogar eine der Folgen jener gewaltigen wirt-
ſchaftlichen Umwälzung, welche nach den Streuzzügen und bejonders in
der jtanfischen Zeit das weftliche Europa aus Bauernvölfern zu Böl-
fern mit Städten, Gewerben, Großhandel und Kolonien umjchuf. Je
mehr die Geld- und Kreditwirtſchaft über die bisherige Naturalwirtjchaft
fiegte, dejto mehr vervollfommmete fich auch die Kunſt- und Gewerb-
thätigfeit der Städte, dejto mehr gewann der VBürgerftand an Bildung
und Einfluß. Er verwandte nicht allein die Schrift gejchäftlich, jondern
begann auch Schulen zu errichten, für welche er Lehrbücher brauchte.
Yejen und Schreiben bürgerte fich namentlich in den Meittelflaffen ein,
für welche bald jogar eine populäre Yitteratur ins Leben trat. Auch die
Verbreitung des aus Lumpen bergejtellten Papiers lieferte ein billigeres
Material zum Schreiben und förderte in höherm Grade die Bervielfälti-
gung von Handſchriften. Die geiftlichen Schreiber fonnten die Bedürf—
niſſe der gefteigerten geijtigen Thätigfeit nicht mehr befriedigen. Es lag
Kapitel.) Die Brüder vom gemeinfamen Leben. 17
in der Natur ihrer Stellung, daß fie fich micht allzujehr anftrengten,
weil fie die gewöhnlichen Yebensbevürfniffe unentgeltlich geliefert erhielten
und ſich dadurch eines thatjächlichen Monopols erfreuten. Sie arbeiteten
deshalb auch nur jo viel, als fie Yuft hatten, und unterlagen jchließlich der
weltlichen Konkurrenz, welche durch ihre Arbeit für des Leibes Notdurft
jorgen und, wenn fie nicht untergehen wollte, ven Kampf bis zum Siege
durchführen mußte. Yeicht war dieſer Kampf nicht, denn namentlich gegen
Ende des Mittelalters nahmen einzelne Klöfter das Schreibergewerbe
und die Schönjchreibefunft wieder eifrig auf und lieferten ganz vor-
trefflihe Arbeiten. So zeichneten fich z. B. in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts die Klöfter St. Betri in Erfurt und St. Ulrich und
Ara in Augsburg durch ihre falligraphijchen Kunftwerfe aus. Im letzt—
genannten ſtehen die Schönfchreiber Yeonhare und Konrad Wagner in
ihren Yeiftungen unübertroffen da, haben aber nichts mit dem Bepürfnis
Des Tages zu thun.
Zwijchen ven geijtlichen und weltlichen Schreibern nahmen eine Art
Mitteljtellung ein die „Brüper vom gemeinjamen Yeben“ (Fratres de
vita communi, nach ihrer Kopfbedeckung auch Stogelherren over Frater—
berren oder auch Broevders van der Penne genannt). Wenn auch nach)
flöjterlicher Regel zujammen lebend, jo waren fie doch feine mönchijchen
Abjchreiber, weil fie, jtatt fi vom weltlichen Yeben abzuwenden, wit
ihrer Thätigfeit ausſchließlich Bildungszwede verfolgten, andererjeits aber
auch feine gewöhnlichen Yohnjchreiber, weil fie ſich auf ein bejtimmtes
Gebiet, die Herjtellung guter Lehr- und Andachtsbücher, bejchränften.
Diefer Orvden, von Gerhard Grote 1383 zu Deventer in Holland ge
jtiftet, zählte vorzugsweije ernjte Gelehrte und Yehrer, Männer von fitt-
Lihem Gehalt und lauterm Streben zu jeinen Mitglievern. Ausgehend
von einer ascetijchen Frömmigfeit, verwarfen fie die Scholaftif und alle
Wiffenjchaft des Mittelalters als unnütz für die Heiligung des Yebens
und arbeiteten ver Studienreform vor, welche ver Humanismus herauf—
führte. Um nachhaltig zu wirfen, wiometen fie jich mit Vorliebe dem
Volks- und dem gelehrten Unterricht der Jugend in ihrer Yandesiprache.
Die Koften ihres Unterhalts dagegen bejtritten fie durch gewerbsmäßige
Anfertigung von Schul- und Gebetbüchern. Jedes Fraterhaus hatte
jeinen Librarius, welcher, außer der Sorge für vie Bücher, die Aufficht
über das Schreibwejen, die Schreibmaterialien und die Buchbinverei
app. I. 2
18 MWeltliche Schreiber. Cleriei. Erſtes
führte, die Korrektheit der Abſchriften überwachte und zugleich deren
Preiſe beſtimmte. Die Brüder waren beſonders im Norden und Nord—
weſten Deutſchlands thätig und hatten unter anderm um die Mitte des
15. Jahrhunderts auf dem Mariä-Veuchtenhof in Hildesheim jo viel
Mepbücher zu jchreiben, daß fie daran einfchlieklich des Einbandes
über 1000 Gufven verdienten ’! (alje wenigftens 20000 Gulden nad
heutigem Gelowert).
Diejenigen Schreiber endlich, welche im jpätern Mittelalter Clerici
beißen, hatten mit dem eigentlichen Handſchriftenhandel nichts zu thun
und beffeiveten auch feine geiftliche Würde. Man gab ibnen einfach
viefen Titel, weil die Geiftlichen im frühen Mittelalter als die einzig
(itterarijch gebildeten Männer faſt ausſchließlich jchrieben und weil vie
Weltgeiftlicben oft jogar ihren Yebensunterhalt als Yohnjchreiber juchten.
Das ift der Urjprung des Namens. Später bezeichneten die Rechte:
gelehrten auch denjenigen als einen Clerieus, welcher nad ihrer An-
weifung jehrieb und abſchrieb. Gegen Ende der bier in Betracht fommen-
ven Periode wird der Stabt- und Gerichtsjchreiber, auch der Notar viel-
fach als Clerieus angeführt. In den Urkunden jener Zeit finden fich
häufig die Ausdrücke Cleriei uxurati over conjugati, alje verheiratete
Männer, welche mit geiftlichen Pflichten nichts zu thun hatten. Die
Angabe über ihren Eheſtand findet fich vielfach in der Beglaubigungs-
formel, mit welcher die notariellen Urkunden zu jchliegen pflegten. So
beißt e8 3.8. in einer jolchen vom 11. Mai 1330: „Albertus de Ryle,
dietus de Colonia, in Oppenheim commorans, clericus conjugatus,
publicus imperiali auctoritate elerieus.“ Unterm 11. November 1403
nennt ſich Heilmannus, genannt Grails von Drydorff: „elig clerig
Trierer Biſchtoms, von des Keiſers gewalt, eyn offenbar jchreiber”.
Vornehme und reiche Männer bielten fich ihren Clericus, Clerk, Clere,
Pfaffen oder Pagen, ver ibre Briefe las und jchrieb. Die letztere Be—
zeichnung jpricht dafür, daß urjprünglich der Geiftliche der alleinige
Schreiber gewejen war, und daß erjt jpäter das Geſchäft allmählich ganz
auf Nichtgeiftliche überging. Der demnächſt anzuführende Dr. Konrar
Humery in Mainz wird in ven Urfunven jener Zeit „ver Stadt Pfaff
und Juriſt“, auch Cancellor genannt. Anfnüpfend an jein früberes Ge-
werbe als Schreiber nennt fich Ulrich Zell, der erſte Druder in Köln,
auf verjchievenen feiner Werfe Clericus aus Hanau in der Diöcefe Mainz.
Kapitel] Screiberthätigfeit außerhalb der Univerfitäten. 19
Diejer letztere Zujat hat zu mancher jaljchen Annahme verleitet, ob-
gleich ver firchliche Sprengel im 15. Jahrhundert allgemein zur nähern
Bezeihnung der Heimat dient. Es beveutet das gerade jo viel, als
wollte ein heutiger Hanauer jeiner Baterftant noch die Worte „Re—
gierungsbezirf Kafjel” hinzufügen. Im Frankreich heißt noch heutzutage
der Advokaten- und Notariatsjchreiber Clere; in England ijt der Aus-
druck Clerk nicht allein für die Schreiber der Juriſten noch gebräuchlich,
jondern auch auf Handlungsdiener und Gehilfen aller Art ausgevehnt
werden. Die Stadtjchreiber enplich waren Männer, welche ſich mehr
oder weniger mit dem Studium des römijchen und kanoniſchen Rechts
abgegeben hatten und vem Rate als Rechtsbeiftände dienten, verunglückte
Studenten oder durchs Examen gefallene Kandidaten, welche micht fähig
waren, Richterjtellen oder höhere Poften in der ſtädtiſchen Verwaltung
und Rechtiprechung zu beffeiven.
Der Hanpjchriftenhanvel entwidelte jich jomit von zwei verjchievenen
Mittelpunften aus: einmal in ziemlich bejchränftem Umfange von den
italienischen Univerfitäten und Paris aus durch eine bejonvere Abjchreiber-
und Bücherverleiher- und VBerfänferzunft, dann aber in den Städten
durch die freie Ausübung des Yohnjchreibergewerbes und der ihm ver-
wandten Künſte. Urkundlich fanden nun die veutjchen Yohnjchreiber ſchon
im Anfange des 14. Jahrhunderts in den größern Städten und Meß—
plägen einen jelbjtändigen Wirfungsfreis oder verdienten ihr Brot au
Orten, welche durch Kirchen, Heiligtümer, Jahrmärkte und Meſſen vie
Maſſen anlodten. Wo Goldſchmiede, Briefmaler, Illuminierer und Buch—
binder blühten, da fehlten auch die Schönjchreiber und gewöhnlichen
Schreiber nit. Die foftbaren Breviarien und Meßbücher, Gebetbücher
und Evangelienbarmonien mit ihren golvenen und farbigen Initialen,
ihrem weißen oder blauen oder gar purpurnen Pergament wurden von
den umzünftigen Schreibern ebenjo ſchön, wenn nicht beffer angefertigt,
als früher ausjchlieplih von ven Mönchen over Weltgeiftlichen, und
ebenſo Foitbar von den verwandten Gewerben gebunden und mit Edel—
jteinen verziert. Im ganzen 15. Jahrhundert, welches für den vorliegen-
den Zwed vorzugsweife in Betracht fommt, bildete die Herjtellung der-
artiger Kımjtwerfe in Stäpten wie Brügge, Gent und Antwerpen, in
Aachen, Köln, Straßburg, Augsburg, Um und Wien einen nicht un—
bedeutenden Handels- und Erwerbszweig. Namentlich fürderten ihn vie
2*
20 Xibrariers-Gilden. Der unzünftige Handichriftenhandel. [Erjtes
funjtfinnigen Burgunder-Herzöge. Die „Yibrariers-Gilden“ zu Gent und
Brügge fahten die gejamten bei Herftellung von Handſchriften mit-
wirkenden Gewerbe in fih. Das jest in ver St. Markus-Bibliothef in
Venedig befindliche Breviarium Grimani wurde etwa 1478 von nieder:
ländiſchen Künjtlern, namentlich Johann Memmling, angefangen und 1489
vom Kardinal Grimani für 500 Dufaten gefauft. Ziemlich aus ver-
jelben Zeit (1468 oder 1469) und aus der nämlichen Schule ſtammt
die urjprünglich für ven Sohn Philipps von Burgund gejchriebene und
gegenwärtig der breslauer Univerjitätsbibliothef gehörige Froiſſardſche
Shronif. Das in dem Bruckenthalſchen Muſeum zu Hermannſtadt auf-
bewahrte Gebetbuch iſt ein ebenjo vortreffliches Erzeugnis niederländiſcher
Miniaturmalerei und kommt, wenigftens im feiner erjten Hälfte, durch
die Pracht jeines matten Golpgrumdes und den Glanz feiner Farben dem
Grimaniſchen Breviarium fat gleich. 1?
Indeſſen waren e8 nicht bloß Prachtwerfe, welche von einzelnen Künjt-
fern bergeftellt wurden. Es mwurzelt vielmehr das bereits gegen Ende
des 14. Jahrhunderts emporblübende Gewerbe ver Handſchriftenhändler
in der Befriedigung des täglichen Bepürfniffes, alfo in der Anfertigung
von Schul- und Andachtsjchriften, populärer und jogar politijcher Flug—
jehriftenlitteratur. Schon damals fommen in Köln, Frankfurt a. M.,
Augsburg, Wien und ſelbſt Nördlingen Handjchriftenhänpfer vor. Die
zünftigen Univerſitäts- und diejenigen Schreiber, welche nur auf Be-
jtellung thätig waren, hatten natürlich, da fie durch Monopole und Pri
vilegien gejhüßt waren, durchaus fein Interejje daran, ihren Wohnort
zu verlaffen und auswärts Geſchäfte aufzufuchen. Dagegen zogen vie
unzünftigen, ſchon früh auf Spekulation arbeitenden Schreiber mit einer
Auswahl oder dem ganzen Borrat der Propdufte ihrer Federn auf Jahr—
märften und Meſſen umher umd vermittelten als Handſchriftenhändler
einen, wenn auch bejehränften litterariichen VBerfehr. Sie hatten ihre Ver-
faufslager auf öffentlichen Plügen, namentlich am Markte, am Rathauſe
oder an den zu den beveutendften Kirchen führenden Stufen over an Por—
talen und in Nebenfapellen, ja in ven Kirchen jelbft, wie im benachbarten
Dänemark, an Stellen aljo, wo fie am ficherjten darauf rechnen konnten,
die größtmögliche Aufmerfjamfeit ver Vorübergehenden over Eintretenven
auf ihre Handjchriften zu lenfen. „Der Schreiber Peter von Hajelo, der
die Dücher verfauft uf ven Greven zu Unferer Frauen Münſter“ heißt
Kapitel.) Handichriftenhandel in Deutichland. 21
e8 1408 in einer jtraßburger Urkunde Im Köln hatten von alters ber
die Dandjichriftenhändfer ihre Bupven vor dem Dom; gegenüber Fetten:
hennen, in Münſter war das Paradies der Domfirche der Plat, wo die
Handſchriften verkauft wurden. In großen Städten verhandelten vie
Händler nicht allein ihre eigenen Waren, fondern auch die ältern Er-
jeugniffe ihrer Kunft: daher jchon frühe der Name „Antiquar“.
Urfundliche Zeugniffe über diejen Handel kommen in andern Yändern
ſchon viel früher als in Deutjchland wor. So berichtet ſchon Richard de
Bury in der erjten Hälfte des 14. Jahrhunderts von Handſchriften—
bändlern, welche fich weder durch weite Entfernungen, noch durh Sturm
und Wetter abjchreden Tießen, Frankreich, Deutjchland und Italien zu
bejuchen, und welche gegen bare Bezahlung die gewünjchten Bücher ſelbſt
brächten over überjchicdten. Während Venedig, Mailand und Florenz
iben in früber Zeit, namentlich aber zu Anfang des 15. Jahrhunderts,
als bevorzugte Site des Dandjchriftenhandels erwähnt werden, während
Paris noch früher ven Hauptmarkt Europas für den Handſchriftenhandel
bildet und fich in London bereits 1403 Stationers und Textwriters zu
einer Gilde vereinigen, fließen in Deutjchland die pofitiven Quellen über
diejen Handel ziemlich mager. Nur gelegentlich wird das Geſchäft er-
wähnt. So bradten 1439 fiebenbürger Kaufleute 13 werjchiedene auf der
Meile in Baſel gekaufte politifche und Kirchliche Flugſchriften mit nach
Sermannjtadt, wo fie, da fie über das Bajeler Konzil hanvelten, der
firblicben Genjur unterworfen wurden. Nördlinger Stadtjchreiber kauften
und verkauften um die Mitte des 15. Jahrhunderts Handſchriften. Der
angsburger Bürger Ulrich Frieſe befuchte um 1450 mit Pergament und
Sandjchriften die nördlinger Meife.
Dagegen hat A. Kirchhoff das Verdienſt, eine Thatfache nachgewiejen
su baben, welche durch ihre Bereutung Dutzende von Notizen aufwiegt
und auf einen ftarf entwidelten Danpjchriftenhandel in Deutjchland ein
Mares Licht wirft. Der genannte Forſcher hat nämlich überzeugend tar:
getban, daß in der Heinen eljäffischen Reichsitadt Dagenau um 1440—50
Schreiberſtuben thätig waren, und daß dieſe Die verjchiedenften Arten von
Handſchriften beritellten, wie 3. B. lateiniſche Werfe, Gedichte des Mittel:
alters, Bolts-, Gebet: und Wahrjagebücher, ja jelbjt populäre juriftifche
Schriften. Der bald als Yehrer, bald als Schreiber bezeichnete Diebold
Yauber beiorgte den kaufmänniſchen Vertrieb diefer und ähnlicher, wie es
22 Handſchriftenhandel in Deutſchland. Erſtes
ſcheint, handwerksmäßig hergeſtellter Artikel. Man könnte ſagen, er habe
ſchon 1447 förmlich Verzeichniſſe der von ihm zu beziehenden, von ihm
ſelbſt oder unter ſeiner Leitung angefertigten geiſtlichen und weltlichen,
lateiniſchen und deutſchen Werke herausgegeben; in verſchiedenen Hand—
ſchriften findet man nämlich derartige Verzeichniſſe eingeklebt. Die Aus—
wahl war auf die Befriedigung jedes Geſchmacks gerichtet und zeugt
zugleich von einer ausgedehnten und gebildeten Kundſchaft.
Ob fih aber, wie Kirchhoff annimmt, ein vielfach angeführter Brief,
welchen Rudolf Agricola als Bibliothefar des Kurfürften von der Pfalz
am 27. März 1485 an jenen Freund Adolf in Frankfurt a. M. jchrieb
(den ftraßburger Buchhändler Adolf Ruſch, vermutet GC. Schmidt), auf
Hanpichriften bezieht, ift wohl mehr als zweifelhaft. Agricola verlangt
nämlich die Beichaffung folgender Werfe: 1) „L. Columella de re rus-
tica cum aliis, illi adjunctis“, 2) „Cornelius Celsus de medicina“,
3) „Macrobii Saturnalia‘“, 4) „Statii Opera cum commentario“ und
5) „Silius Italicus“, jümtlih damals allerdings in Deutjchland noch
nicht geprudt; allein das jchlieft nicht aus, daß fie anderswo ſchon er-
fchienen waren. Und in der That war dem jo. Es wurde nämlich
nach Hain der unter 1 genannte Autor in einem Bande mit Cato, Varro
und Palladius — das find offenbar die alii adjuncti — ſchon 1472
in Venedig und 1482 in Reggio gedrudt; der unter 2 angeführte 1478
in Florenz und 1481 in Mailand, Macrobius in den Jahren 1472,
1483 und 1485 in Venedig und Brescia, Statius 1476 in Rom und
1483 in Venedig, Silius Italicus endlich 1471 in Rom, 1480 in Mai—
land und Rom und 1481 in Parma herausgegeben. Wenn auch die
franffurter Buchhändlermeſſe nachweisbar ſchon jeit Mitte der jechziger
Jahre von deutſchen Buchhändlern bejucht war, welche zudem Verbindungen
mit Italien haben mochten, jo ift doch immerhin möglich, daß dert zu
jener Zeit des Übergangs (1485) ebenjowohl noch alte Hanpjchriften
als neue Bücher verkauft wurden; allein wahrſcheinlich ift es nicht. Ab—
gejehen davon, daß die Vermutung mehr für die [egtern jpricht, jo weiſt
ver Zuſatz zu der Beitellung des Columella offenbar auf Bücher hin;
es müßte fich denn nachweifen laſſen, daß auch die Handſchriftenhändler
dieſen Schriftiteller zugleih mit den dort angeführten Autoren ver:
fauft hätten.
Wie dem aber auch jein möge, der Übergang vom Hanpjchriften-
Kapitel.] Bibliotheken im Mittelalter. 23
handel zum ſpätern Buchhandel vollzog ſich auf eine ganz natürliche und
einfache Weiſe. Letzterer knüpfte im wohlverſtandenen eigenen Intereſſe
an die äußere Form des bisherigen Verkehrs an und fand durch das
Betreten alter Geleiſe zugleich feinen eigenen Weg geebnet. Äußerlich
blieb alles beim alten; aber ver Inhalt wurde ein veicherer, ansgebreite-
terer und namentlich auspehnungsfähigerer. So hat fich von jeher aller
geſunde gejchichtliche Fortſchritt entwickelt. Jeder Erfinder und Entveder,
überhaupt jeder Weitergehende fteht auf den Schultern feiner Borläufer.
Er muß fi an die den Menjchen bereits vertraut und lieb gewordenen
Einrichtungen und Formen anfchmiegen, wenn er Beachtung und Erfolg
gewinnen will.
Übrigens hielten ſich die Yohnfchreiber trotz der Erfindung der Buch—
pruderfunft noch bis in die erften Pahrzehnte des 16. Jahrhunderts
hinein. So bat einer von ihmen noch 1525 den ftraßburger Nat um
eine Anjtellung als Yehrer '*, weil ihm durch den Drud der Bücher
jeine Nahrung als Schreiber entzogen worden jet.
Sammlungen von Hanpdjchriften waren während des ganzen Mittel:
alters bis zu deſſen letztem Jahrhundert Hein, aber jehr foftbar uno
deshalb jelten. Italien und Frankreich hatten allerdings ſchon Bibliotheken
aufzumeifen, als ſich in Deutjchland erft bejcheivene Anfäte zu ihnen
zeigten; aber es handelte fich bei jenen immer nur um einige Dutzend
Bände. Die vereinzelt als glänzende Beijpiele von mittelalterlichen
Bibliotheken angeführten Schäße beweijen höchſtens die Schwierigteit,
ja Unmöglichfeit der Beichaffung einer folhen Sammlung für das
Durchichnittsbepürfnis. Im einer wirtichaftlih und geiftig jo wenig
entwidelten Zeit, wo das Pergament den Wert des Silbers hatte,
fonnte ſich ein einzelner Keicher höchſtens ausnahmsweiſe einen Hand—
ihriftenlurus gejtatten, welcher Weinberge und ganze Yandgüter zu feiner
Befriedigung verichlang. Das Klofter Benediktbeuern rühmte fich im
8. und 9. Jahrhundert der koſtbarſten und reichhaltigiten Bibliothek in
ganz Bayern, weil es etwa 50 Danpjchriften befaf. Die Merovingerin
Giſela, welche nach dem Sturze ihres Haufes im Kloſter Kochel den
Schleier nahm, brachte ſelbſt 21 Hanpjchriften mit und unterhielt im
nahen Benediktbeuern unter Abt Waloram fünf Kapläne zum Kopieren
von Werfen. Der Mönch Ulrich wertaujchte mit Zuftimmung des Abtes
und Konvents 1054 ein Meßbuch gegen einen umfangreichen Weinberg
24 Koftbarkeit der Handſchriften. Erſtes
bei Bozen. Ähnlich erwarb die Nonne Diemuth von Weſſobrunn (1057
— 1130) für eine von ihrer kunſtfertigen Hand geſchriebene Bibel ein
Yandgut am Peißenberg. Die Bücherei am Tegernjee nahm unter den
Äbten Goßbert, Gotthart, Beringer u. j. w. jo anfehnlich zu, daß das
Klofter dem Kaifer Heinrich III. im Jahre 1054 eine Heine Bibliothek
zum Gejchent machen fonnte. Dabei waren viele Handſchriften mit
filbernen und goldenen Buchjtaben gejchrieben und die Einbände Pracht:
arbeiten von getriebenen Goldblech mit edeln ungejchliffenen Steinen,
Perlen und Elfenbeinſchnitzwerk bejegt. Friedrich Barbaroſſa machte in
Tegernjee eine anjehnliche Beftellung von Büchern; zugleich bezog er von
dort Handſchriften mit köftlichen Malereien. 5 Noch im 14. Jahrhundert
waren die Dandjchriften jo jelten und teuer, daß fie häufig, wie 5. B.
1332 in Paris, vor einem Notar verkauft um übergeben wurden, an—
dererjeits aber auch jo koſtbar ausgeftattet, daß man fich heutzutage faum
mehr einen Begriff von einem Derartigen übertriebenen Yurus machen
kann. Bier nur einige Beiſpiele aus dem jpätern Mittelalter.
Etienne de Conty zahlte für eine Yurusabjchrift und ven Pracht:
einband der 1345 verfahten Henri Bohicjchen Kommentare (‚In quin-
que decretalium libros Commentaria“) in parijer Währung 62 Yivres
11 Sous, eine Summe, welche einem heutigen Geldwerte von etwa
"25 Franken entjpricht. Davon kommen unter andern auf Gebühren
an ven Abjchreiber 31 Yinres 5 Sous, auf das Pergament 18 Yinres
18 Sous, auf jechs große vergolvete Initialen 1 Yivre 10 Sons, auf
die übrigen voten, ſchwarzen und blauen Illuminationen 3 Yivres 6 Sous,
auf Miete an den Pedell der purifer Univerfität 4 Livres und auf Ein-
band 1 Yivre 12 Sons.
Eine gute Abjchrift des „Corpus juris“ fojtete 1000 Goldgulden,
ſodaß der berühmte Juriſt Accurſius nicht im Stande war, fich eine
jolhe anzujchaffen. Der eichjtätter Domberr Hans Prabfel zahlte 1427
für einen Yivius 120 Goldgulden. Plutarchs ‚Parallelen‘ wurven
1470 mit 800 Goldgulden bezahlt. Der Bruver Jan van Enthuifen
aus Zwolle erhielt einjchließlich jeiner Bevorauslagen für ein Pracht:
eremplar der Bibel 500 Goldgulden; eine einfach gejchriebene Bibel
dagegen fojtete 100 Kronen. Die Gräfin von Anjon gab für ein Erem-
plar der „Homilien“ Haimons, des Biichofs von Halberjtadt, 200 Schafe,
5 Malter Weizen und ebenjo viel Reis und Hirſe. Im Jahre 1474
Kapitel.) Preiſe der Handichriften. 25
verpfändete Yudwig XI. als Sicherheit für ein ihm von der parijer
medizinijchen Fakultät geliehenes Manuffript des arabijchen Arztes Rhaſes
jein Silbergefchirr und ftellte außerdem noch einen Erelmann als Bürgen
für die Rückgabe. Ya, die Gräfin von Blois, die Gattin eines Barons
von Gajftellane, vermachte 1392 in ihrem Teftament ihrer Tochter ein
Manujtript des „Corpus juris“ auf Pergament, unter der Beringung,
daß fie einen Nechtsgelehrten heirate, damit dieſer koſtbare Schat in
bie rechten Hände fomme. Der große parifer Buchhändler Firmin Divot,
einer der gelehrtejten und praftiich erfahreniten Bibliographen der Neu:
zeit, berechnet die Höhe der Herftellungsfoften ver beiden in der parifer
Nationalbibliothef befindlichen lateiniſch-franzöſiſchen handſchriftlichen Bi:
bein auf faſt 82000, beziehungsweife 50000 Franten 1% heutiger Wäh—
rung und jehlieft von dieſer Berechnung jogar ven Preis des Pergaments,
den Yohn der gewöhnlichen Schreiber und die Koſten des Einbandes aus.
Es gibt aber auch wenig Werfe, welche, wie die teuerjte der genannten
Bibeln, 5122 in Gold und Farbe gemalte Bildchen enthalten. Didot
ihäßt jede diefer Illuftrationen auf nur 16 Franken, ihren Geſamtwert
aljo auf 81958 Franken.
Man darf aber von den erwähnten und fonftigen Prachtwerfen nicht
auf die Ausftattung und Preife der gewöhnlichen Handſchriften jchliefen,
da auch Damals jene die Ausnahme und diefe die Regel bildeten. An—
vererjeits ift e8 aber unmöglich, eine fichere Berechnung ver Preije ver
mittefalterlichen Handſchriften anzustellen, geichweige denn nachzuweiſen.
Dazu fehlt e8 an den nötigen Angaben. Man findet überhaupt nur
gelegentliche Aufzeichnungen, welche ein faum annähernd richtiges Bild
ju geben vermögen. Savigny und Kirchhoff führen zwar die Preife für
einige Hundert Danpjchriften vom 12. bis 15. Jahrhundert an, indeſſen
laſſen ſich aus dieſen Berzeichniffen feine allgemeinen Schlüſſe ziehen,
da die Art des Stoffes (Pergament, Papier u. ſ. w.) und der Schrift,
der Ort der Herftellung und die Zeit der Anfertigung bedeutenden Ein-
fluß auf den Preis ver einzelnen Handjchrift ausüben. Am Elarjten
laffen ſich die verhältnismäßig tenern Preife aus den für ven Elementar—
unterricht bejtimmten Schriften nachweijen; fie find in der That für den
fleinen Mann faft unerichwinglih. So koſtete nach der Schulordnung
von Baugen 1418 ein A-b⸗c-Buch und Paternofter 1 Grojchen, ein Donat
10 Groſchen und ein Doctrinale eine halbe Mark. Nun aber kaufte man
26 Sinken der Handſchriftenpreiſe. Erſtes
noch 1514 dort eine Henne für 1 Pfennig, ein Pfund Rind- oder Kalb—
fleijch für 2 Pfennige, Brot für drei Menſchen per Tag für 3 Pfennige,
ein Pfund Käſe für 3 Pfennige und ein Maß beften Weines für 1 Kreuzer.
Daß aljo die ſpätern Bücher bei ihrer mafjenhaften Herftellung beveutend
billiger waren, ift eine auf der Hand liegende Thatjache, allein Parallelen
und Vergleiche Laffen fich nicht ziehen. Die Ausbildung des Gejchäfts,
die gegen Ende der Periode täglich zunehmende Konkurrenz und die da—
durch bedingte veichlichere Berforgung des Marktes mit neuen Schriften
prüdte natürlich in erfter Yinie die Preife. Wenn 1279 eine in Bo-
fogna gejchriebene Bibel 80 Lire (gleih 343 Mark heutigen Geldes)
foftete, jo wurde 1493 eine „Biblia latina“, auf 319 Pergamentblätter
gejchrieben, in Breslau für 4 Gulden (im jeßigen Gelde 40 Gulden) ver—
fauft. Im 14. Jahrhundert betrug in Dtalien der Durchjchnittspreis
eines vollftändigen „Corpus juris“ 480 Mark; 1451 brachte ein jolches
in Florenz 14'/, Dufaten (gleich etwa 90 Mark nach dem Münzfuß von
1464). Um 1400 fojtete ein auf 115 Pergamentblätter in Folio ge-
jchriebenes Eremplar des Juſtin, Salluft und Sueten 16 florentinijche
Dufaten (gleih 100 Mark), 1467 dagegen wurden für Terenz' „Romö-
dien“, 198 Blätter in Folio (allerdings auf Papier), in Heidelberg
3 Gulden bezahlt, und 1499, wo die Buchdruckerkunſt ſchon überall blühte,
ward eine Handjchrift von Euripides’ „Hecuba“ und Theofrits „Idyllen“
(134 Blätter auf Papier, in Quart) für 2 Gulden verkauft. Dieje
Beijpiele werden hinreihen, um das allmähliche Heruntergehen ver Preife
nachzuweijen.
Bei derartigen Vorausſetzungen war alſo, wie bereits bemerkt, ver
Befig von nur einigen Dutzend Bänden auch in reichern Klöftern und
Stiften ſchon eine Seltenheit. Da wo eine Bibliothek bejtand, war jie
meistens durch Schenkungen und Yegate eines kunſtliebenden höhern Geift-
lichen oder jonftigen Gönners oder durch Gaben frommer Yeute ins
Yeben gerufen worden. Bejtimmte Mittel für Anjchaffungen waren gar
nicht vorhanden oder wenigitens nicht angewiefen, und nur jelten finden
fih in den Klofter- und Kapitelrechnungen vereinzelte Poſten über ven
Ankauf einer Handjchrift. Es war eben mit den Jahren der Sinn für
die Yitteratur immer mehr erjtorben. Biſchof Wernher von Strafburg
(1002 — 27) jchenfte der dortigen Münfterbibliothet etwa 50 wertvolle,
meift aus dem 10. Jahrhundert ftammende Codices, darunter einige
Kapitel.) Berwahrlofung der Bibliotheken, 27
Werfe Ciceros, Quintilians Inftitutionen, Boetins, Gregor von Tours
und andere. Im Jahre 1372 war diefe Zahl aber erjt auf O1 geitiegen,
ſodaß auf ein ganzes Jahrhundert etwa ein Dutzend neuen Zuwachſes
fommt. 1?
Auch die Geiftlichen, jelbit wenn fie reichen und vornehmen Familien
entjtammten, jchafften fich gar feine oder nur wenig Bücher an und be-
ſaßen höchſtens einige juriftifche oder liturgiſche Werke, welche fie bei
ihrem Tode dann wohl ihrem Stift oder Klofter vermacten. Es fommt
jelten vor, daß fie deren mehr als zwei oder drei binterliefen. Die
Yaien kauften erft recht feine Hanpjchriften; fie hatten gar fein Bedürfnis
dafür. Der Beſitz eines ritterlichen Yiebesromans oder einer Yegenden-
jammlung bildete jelbft unter den Kittern eine Ausnahme,
Je mehr das Klofterleben entartete und je weniger wiffenichaftlicher
Seift unter den Mönchen herrichte, deſto mehr wurden auch die fpär-
lichen Anfänge der noch jpärlichern Bibliothefen vernachläffigt. Der
Übergang vollzog fich, wie oben angedeutet, hen im 13. Jahrhundert;
infolge der im 14. aber einreigenden allgemeinen Verwilderung und
Roheit verjtanden die Mönche kaum mehr die Handjchriften zu lejen,
warfen fie aus ihren Zellen, in denen jie bis dahin meijt verjtrent
ftanden, und liefen fie vermodern oder mißbrauchten fie zu niedrigen
Grwerbsjweden. Als Boccaccio bei einem Bejuche der Benediftinerabtei
Monte Caſſino in der Bibliothek einige Codices prüfend öffnete, fand
er, daß bier die Ränder abgejchnitten over jonft verftünmelt waren, dort
ganze Yagen fehlten. Auf jeine Frage, warum man diefe herrlichen
Schätze jo ſchmählich behandle, erwiderte ein Mönch: einige feiner
Brüpder hätten, um 2—D5 Solidi zu verdienen, das ausgeriffene und
abgejchnittene Pergament zu Pjaltern und Brevieren verwendet, die dann
an frauen und Kinder verfauft würden. Gejchah das in dieſem Mutter:
hauſe ver Gelehrſamkeit, was war von andern Ktlöftern zu eriwarten?
Trotz der Ketten, welche die einzelnen Bände vor Entwendungen jchüten
jollten, wurden viele Handſchriften geftohlen oder vertrödelt. So ver-
faufte Nikolaus von Trier 1429 am den Karbinal Giordano Orfini in
Kom unter anderm einen Band mit 40 Komödien des Plautus, von
denen bis dahin nur 4 bekannt gewejen waren. Der Goder ſtammte
doch ficher in letter Stelle aus einem unbewachten Klofter over einer
Dombibliothef, vermutet mit Recht G. Voigt in feiner „Wiederbelebung
28 Berwahrlofung der Bibliotheken. [Erftes
des klaſſiſchen Altertums“ (I, 259). Franz Poggio, der bekannte itafie-
nische Humaniſt, befuchte von Konftanz aus, veffen Konzil er als päpit-
licher Abgejandter beiwohnte, das Benediktinerflofter St. Gallen, um
nach verloren gegangenen lateinijchen Klaffifern zu juchen. Er fand bier
die Bibliothek tief unten in einem finftern und feuchten Turme, in wel:
chem man anderwärts, wie er fich ausprücdt, nicht einmal zum Tode
verurteilte Verbrecher einſchließen würde. Unter den mit Staub und
Schmutz bevedten Bänden entdedte er unter andern ſechs bis dahin
unbekannte Reden Giceros, den ganzen unverjehrten, bis dahin für ver:
foren gehaltenen Quintilian in demjelben Grempfar, welches vom Bi-
ſchof Wernher dem jtraßburger Münſter geſchenkt worden und welches,
man weiß nicht wie, nach der Schweiz geraten war. Poggio nahm ven
Codex mit nah Konftanz und jchrieb ihn hiev — sede apostolica va-
cante, aljo zwijchen dem 24. Mai 1415 und 11. November 1417 —
in 53 arbeitjamen Tagen mit eigener Hand ab, nahm aber auch das
Driginal mit; dasjelbe befindet ſich jeßt im der Yaurentiana in Florenz.
Ähnliche Funde machte derjelbe gelehrte italienische Handſchriftenſammler
gerade zu jener Zeit in den Bencdiktinerabteien Reichenau, Weingarten
und Fulda. Nom hatte diefe Art von Raub fogar in ein fürmliches
Syſtem gebracht und trieb ihn noch ein volles Jahrhundert lang bis
zur Reformation. Der gelehrte Doktor der Theologie, Marino de Fri-
geno, der 1464 im Norden Deutichlands, in Dänemark und Skandi—
navien den Türfenablaß vertrieb, wurde darüber ertappt, daß er fich in
die Bibliothefen unter dem Vorwande des Stupdieneifers eingejchlichen
und fie dann ſchmählich beitohlen hatte. In Lübeck aber hielt man die
von ihm geranbten Bücher troß feines Drohens und Tobens gewaltfam
zurüd. Aus einer Empfehlung, welche der Kardinal Sadoletus am
1. Dezember 1517 im Auftrage des Papftes Yeo X. einem lütticher Kle—
rifer Johann Heytmers an den Kurfürften Albrecht von Mainz gab, geht
ſogar hervor, daß Die Kurie ihre bejondern Agenten nach Deutjchland,
den nordifchen Reichen und Dacien jandte, um in den dortigen Biblio-
thefen nach Dandjchriften von Klaffifern zu juchen und für die püpft-
liche Bücherfammlung zu fichern. Im vorliegenden Kalle wurde der ge:
nannte Heytmers mit dem Auftrage ausgejchieft, ven verlorenen Büchern
des Livius nachzufpüren. Die fünf erften Bücher des Tacitus waren
ichen in ven erſten Jahren des Pontififats Yeos X. in Corvey an der
Kapitel.) Entjtehen öffentlicher Bibliothefen in Italien. 29
Weſer gejtohlen, man weiß nicht genau, wann und wie, über die Alpen
gebracht und in die in Rom 1515 evjchienene „Editio princeps” des
Tacitus aufgenommen worden. Im obigen Briefe läßt der Papit der
Bibliothek des wejtfälifchen Kloſters als Entſchädigung für ihren jchweren
Verluft ein gedrucktes Exemplar des Tacitus anbieten und dieſes als
beveutend wertvoller, denn die Handſchrift preifen. Im Jahre 1522,
man weiß wieder nicht wie, tauchte die corveyer Handſchrift in Florenz
wieder auf, wo fie fich noch heute in ver Paurentiana befindet. 1°
Diejer die fernften Länder umjpannende und vielfach verbrecherijche
Zammeleifer hatte aber wenigjtens die gute Folge, daß er viele jehr
wertvolle Schäte des Altertums für die Nachwelt rettete und zugleich
die Grundlage für die jpätern großen Bibliotheken ſchuf. Wie Italiens
gelebrte Schulen ſchon im 13. Jahrhundert durch Wiederbelebung
namentlich des Rechtsſtudiums die Thätigkeit des Schreibergewerbes
mächtig gehoben hatten, jo ftellte auch die von dort ausgehende Re—
naijfance der Künſte und Wiffenjchaften ven reichen und vornehmen
Kreijen höhere geiftige Ziele und förderte zugleich durch Verallgemeine-
rung des Bedürfniſſes an Hanpjchriften das buchhändleriſche Gejchäft.
Schon Petrarca hatte durch jeine auserlejene Sammlung Hajjiicher Werte
für die jpätern Humaniften den Ton angegeben, und wenn die jeltenen
Handſchriften auch nach jeinem Tode, jeinem Wunjche zuwider, nicht
nach Venedig gelangten, jo fand jein Gedanfe doch bei andern gelehrten
und reichen Bücherſammlern, wie ſpäter beim Kardinal Beffarion, umd
ver allem in Florenz Nachahmung und glücliche Ausführung. Hier
wirkte der Geift Dantes, Petrarcas und Boccaccios lebendig fort; bier
bildete fich der erjte beventende Mittelpunkt des neuerwachten geiftigen
Yebens; bier traten die mit dem Adel verbindeten Gelehrten unter dem
Mäcenat der Medici für die Förderung wiffenjchaftlicher und fünjt-
leriicher Groberungen ein. Den greif- und fichtbarjten Ausorud gewann
diejes Streben durch Die Errichtung großer öffentlicher Bibliothefen,
deren Benugung jedem Gelehrten freiftehen müffe, ein Gedanke, vejfen
Kübnbeit bis dahin noch als eine unausführbare revolutionäre Neuerung
gegolten hatte. Von Privatbibliothefen war die von Niccolt (1364—
1437) gejammelte die beveutenpfte in Florenz. Als er jtarb, enthielt fie
SO Bände und wurde auf 4000 Zecchinen gejchäßt. Sie bildete in ber
Folge ven Anfang der Marciana, der erſten öffentlichen Bibliothet von
30 Florenz als Handichriftenmarft. Erſtes
Florenz. Als Coſimo von Medici die Yaurentiana dort gründete, fonnte
er die für fie bejtimmten Werke nicht kaufen und mußte fie abjchreiben
laſſen. So nahm denn ver von ihm beauftragte Buchhändler Veſpa—
ſiano di Bilticci jofort 45 Kopiften in jeinen Dienft und ſchuf innerbalb
22 Monaten eine Sammlung von 200 Bänden, welche alle bedeutendern
Werfe des römijchen Altertums und der firchlichen Yitteratur enthielt.
Nebenher ging die Anſammlung der Mediceiſchen Haus- und Privat-
bibliothef, welche an Berentung und Wert jene Stiftungen bald weit
überragte.
Seitdem bildete Florenz auch den Handjchriftenmarft für die gelehrte
Welt. In Rom waren die brauchbaren Kopiften jo gut wie ausgeſtorben;
wenn es deren dort noch gab, je waren e8 meijt Deutſche und Fran—
zojen. Selbit die jpäter von Papft Nifolaus V. erweiterte und eigent-
lich erjt begründete Baticana vermochte an diefem Verhältnis wenig zu
ändern. Buchhändler gab es in jeder größern Stadt; indeſſen handelten
fie vorzugsweije mit Pjaltern, Schulbüchern und den nächjten Berürf-
niffen des Klerus. Nur in Florenz wurden alte Handjchriften over won
gelehrter Hand redigierte Abſchriften der Klaſſiler in offenen Läden feil-
geboten; nur bier fonnte ein Veſpaſiano di Bifticci eriwachjen, ver erjte
Buchhändler im großen Sinne, welchen die Neuzeit fannte und Voigt
jo gut gejchifvert hat. Seine Bude wurde bald ver Sammelplat für
die Männer der Yitteratur, welche bier ihre Börje abhielten und zu be
jtimmten Tageszeiten ihre Streitfragen verbandelten. Er wußte immer,
was jelten und gemein, wo Exemplare zu entleiben und zu verkaufen
waren, welchen Umfang und welche Teile ein Buch hatte, und wie es im
Preife jtand. Für ſolche Fragen war er das Orakel, an welches man
fih aus allen Ländern ver Kulturwelt wandte, Päpften, Königen und
Gelehrten wies er darin die Wege. Ihm ftanden dafür, wenn eine
Abjchrift beftellt wurde, die beiten Gremplare aus den Bücherſchätzen
Niceolis und Coſimos zu Gebote. Sein Geſchäft wuchs immer groß:
artiger an; er hatte Schreiber in Menge zur Verfügung und vermochte
den größten Beftellungen in furzer Zeit zu genügen. Schen um die
Mitte des 15. Jahrhunderts war er der König der Buchhändler für
Italien und die andern Völker. „In Italien“, jagte damals der Dichter
Janus Bannonius, „kann man Bücher haben, joviel man will; ſchickt mur
Geld nach Florenz, Beipafiano allein wird für das Weitere ſorgen.“ So
Kapitel.) Privatbibliothefen in Deutichland. Gutenberg. 31
beitellte unter andern Matthias Corvinus, König von Ungarn, eine ganze
Bibliothek bei ihm und ließ fie unter jeiner Aufficht jchreiben,
Grit in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begann das von
den italieniſchen Humaniſten gegebene Beijpiel auch auf Deutjchland
jeinen Einfluß zu üben. Die Anlegung größerer Privatbibliothefen traf
bier aljo mit der Erfindung und Auspehnung der Buchdruckerkunſt zu-
jammen. Junge Juriſten, wie z. B. der Straßburger Peter Schott
(1480), welcder in Bologna jtudiert hatte, brachten wertvolle Hand—
ſchriften von klaſſiſchen, juriftiichen und theologijchen Werfen mit nach
Deutjchland. Nürnberger, augsburger und ftraßburger Patricier oder
Gelehrte, wie Chriſtoph Scheurl, Wilibald Pirfheimer, Konrad Peutin—
ger, Geiler von Kaijersberg und Sebaftian Brant, bejafen anjehnliche
Bibliotheken, ja jelbjt ver Adel begann jolche anzulegen, und Brant
fonnte in jeinem „Narrenſchiff“ ſchon die Biüchernarren vwerjpotten. —
Das ungefähr war die Yage der Dinge gegen Mitte und Ende des
15. Jahrhunderts, ald Deutjchland eben anfing zu neuem geijtigen Leben
zu erwacen. Da trat Gutenberg mit feiner Erfindung auf und bob die
Kultur, nicht allein jeines Baterlandes, jondern auch von ganz Guropa
auf eine höhere Stufe der Entwidelung. Der rechte Mann erjchien zur
rechten Zeit.
Yeider fteht der große mainzer Bürger in jo ſchwachen, ſchwer er-
fennbaren Umriffen da, daß es dem Forjcher faum gelingt, ihn jeiner
mythiſchen Umbüllung zu entkleiden und in fejter, leibhaftiger Geſtalt
dem Auge der Nachwelt zu zeigen. Nur wenige vereinzelte Thatjachen
find über ihn erhalten, fein Name wird nicht einmal unter einen ber
von ibm geprudten Bücher erwähnt. Wären nicht glücklicherweije in
Straßburg und in Mainz zwei Bündel alter Prozefaften über Guten-
berg wieder aufgefunden worven, jo würde es faum möglich jein, fich
ein nur annähernd richtiges Bild von dem äußern und innern Gange
jeiner Entwidelung zu macen. Dank den neueften Kritifen und For—
ſchungen, namentlich der bahnbrechenden vortrefflichen Werfe A. von der
Yindes, laffen fich jegt wenigjtens die Hauptmomente im Yeben des großen
Erfinvers nachweijen. 1?
Sobann Gutenberg entftammt dem alten mainzer Patriciergejchlecht
ver Gensfleifch, welches zu ven gelpprägenden Münzgenoſſen der Stadt
gehörte, Es ſtand länger als ein Jahrhundert mit an ver Spite des
392 Das Geſchlecht der Gensſleiſch. Erſtes
Adels in deſſen unaufhörlichen Kämpfen-mit den Bürgern und Zünften.
Mainz war bis zu jeiner, am 28. DOftober 1462 erfolgten Einnahme
und Zerjtörung die beventenpfte Freie Neichsjtant am Mittelrhein und
wetteiferte an Anjehen und Macht mit Straßburg am Oberrhein und
Köln am Niederrhein. Die mainzer Bürger fühlten fich in ihrer Kraft
und traten, wie auch die übrigen Reichsjtänte, gegen Ende des Mittel-
alters ven Herrichaftsgelüften des Adels mit Feftigfeit und ſchließlichem
Erfolg entgegen. So befiegten fie denn auch 1420 die Patricier in dem
Streite, welchen dieje wegen des Empfangs des neugewählten Kurfürjten
Konrad III. vom Zaune gebrochen hatten, und zwangen die im Kampfe
Unterlegenen zur Auswanderung. Verſchiedene Gensfleiich befanden jich
unter den Berbannten. Sie miüfjjen echt mittelalterliche Gejtalten ge:
wejen jein, dieſe Junker, voller Zapferfeit und Dingebung an den Freund,
dagegen voller Ruchlofigfeit und Treulofigfeit gegen den Feind. Schon
Sutenbergs Urgroßvater Frilo Gensfleiich hatte 1322 die Gejchlechter
jeiner Vaterſtadt gegen die ſich erhebenden Zünfte angeführt, nachdem
er furz zuvor von Kaifer Ludwig wegen Cinäjcherung von Kirchen und
Klöftern mit dem Bann belegt worden war. Frilos Sohn dagegen,
Peter, war ein minder unruhiger und gewaltjamer Charafter, da er jich
mit Mainz wiever ausjöhnte und in der Folge zu dejfen Bürgermeifter
erwäblt wurde. Gutenbergs Vater, der auch Frilo hieß und 1410 und
1411 in dem mainzer Ein- und Ausgabebuche als Rechenmeifter ver
Stadt vorfommt ?®, ſtand mit feinen Verwandten 1420 wieder an der
Spitze der gejchlagenen Patricier um mußte mit ihnen im die Ver—
bannung ziehen. Sonft ift nichts von ihm befannt. Gutenbergs Mutter,
Elſe, war eine geborene Leheymer. Wenn fie zugleich als eine Grb-
tochter des ſchon 1298 in Mainz verfommenven Gejchlechts zu Guten-
berg erwähnt wird, jo kann dieſe Verwandtjchaft offenbar nur auf
mütterlicber Abſtammung beruhen.
Über Johann Gutenbergs Kindheit und Jünglingsalter ift feine
Kunde erhalten. Sogar jein Geburtsjahr ſteht nicht einmal feit. Für
die Angabe, daß er 1397 over 1398 geboren jei, fehlt jeve gejcbichtliche
Beglaubigung, obwohl fie an fich nicht unwaährſcheinlich ift. Wenn jeine
Mutter 1430 einen Teil der väterlichen Erbjchaft für ihren Sohn Jo—
hann ordnete, jo folgt aus dieſem Umftande durchaus noch nicht, daß er
damals minderjäbrig, alſo unter 25 Jahren alt war. Frau Elſe muß
Kapitel. | Gutenbergs Jugend. 33
vielmehr auf Grund einer Vollmacht gehandelt haben, da c8 feftjteht,
daß Gutenberg fih damals außer Yandes befand und ba er als einer
politiſchen Partei angehörig angeführt wird. Die Nechtung (der Ver—
jehnungsvertrag) des Erzbiichofs Konrad von Mainz vom 28. März
1430 nennt nämlich Gutenberg „ytzund nit inlendig“ und gejtattet ihm
die Rüdfehr in die Heimat. ?! Hiernach müßte er jedenfalls vor 1405
das Yicht ver Welt erblidt haben; daß er übrigens vor 1409 geboren
war, beweiſt 1434 jein jelbjtändiges Auftreten in einem von ihm in
Straßburg angejtellten Prozeß. Man geht aljo wohl nicht fehl, wenn
man jeine Geburt um die Wende des Jahrhunderts jeit. *?
Jedenfalls aber fteht jo viel feſt, daß Gutenbergs Jugend gleichfalls
von den bürgerlichen Kämpfen feiner Vaterftadt bewegt und jein ganzes
ipäteres Peben jogar durch fie beftimmt wurde, Er folgte nämlich 1420
jeinen Angehörigen in die Verbannung. Wohin dieje fich wandten, läßt
ih nicht mehr ermitteln. Möglicherweiſe gingen fie nach Eltville im
Rheingau, two die Gutenbergs einen Hof und Güter bejaßen und wo
um 1433 ein Bruder von Johann wohnte Allein auch zu Straßburg
batten fie Beziehungen, wie eine 1429 von feinem Vater Frilo aus-
geitellte Urkunde beweiſt. Als Erzbijchof Konrad von Mainz am 28. März
1430 den oben erwähnten Berjöhnungsvertrag zu Stande brachte, wel-
ber die Rückkehr der Gejchlechter vermittelte, wurde ein Georg Gens-
Hleiich, offenbar als einer der verhafteften Patricier, von dieſer Erlaub-
nis ausgejchlojfen, während Henne (Johann) Gutenberg, wie bereits
bemerkt, ausprüdlich unter denen nambaft gemacht wird, deren Rückkehr
nichts im Wege ſtand. Er jcheint indes von der ihm bewilligten Gunſt
feinen Gebrauch gemacht zu haben, denn 1434 tritt er zuerjt in jenem
bereits erwähnten und in Straßburg angeftrengten Prozeß auf. Guten-
berg hatte nämlich von der Stadt Mainz eine jährliche Rente (‚etliche
Zinnje und Gülte“) zu beziehen, welche ihm eine Zeit fang nicht aus-
bezahlt worden war, und konnte im Nichtbezahlungsfalle Bürgermeifter
und Rat angreifen und pfünven. Er wohnte damals im Klojter Arbo-
gaft an ver U, dem heutigen Grüneberg, welches etwa eine Viertel-
jtunde vor dem Weißenturmthore liegt. Um zu jeinem Gelde zu fommen,
ließ er ven zufällig in Straßburg zum Beſuche weilenden Stadtjchreiber
Nilolaus aus Mainz als verantwortlichen Beamten des dortigen Rates
verhaften. Erſt auf Verwendung des Rates und Bürgermeifters der
Rapp. I 3
34 Gutenberg in Straßburg. [Erites
Stadt Straßburg — „inen zu even und zu liebe” — erbielt ver Schreiber
jeine Freiheit wieder, wie das Gutenberg jelbft in einer am 12. März
1434 ausgeſtellten Urkunde ausprüdlich erklärte, ja er befreite „Herrn
Nicolaufen” jogar von ver Zahlungspflicht von 310 Gulden, die er fi
durch deffen Verhaftung hatte fichern wollen. Es jeheint auch, daß ver
mainzer Nat durch gütliche Einfprache der Straßburger veranlaßt wurde,
jeine VBerbinplichfeiten gegen Gutenberg fortan bejjer zu erfüllen. Wenig-
jtens findet fih aus dem Jahre 1436 ein Eintrag in dem Nechnungs-
buche der Stadt Mainz, wonach dem „Henne Gensfleifch genannt Guden—
berg von Nichter Yeheymers (jeines Onfels) jeligen wegen von Anun—
ciacionis Mariä nebit vergangen zu widderker“ 10 Gulden an Golde
gezahlt wurden. 23
Ein paar Monate jpäter ließ fich Gutenberg fogar einen Abzug von
2 Gulden anf den jährlichen Zins von 14 Gulden gefallen, welche ihm
jein Bruder Frilo in Eltville aus dem väterlichen Erbteil zu zablen
hatte. Gründe für diefe Handlungsweiſe find nicht angegeben. Mög—
licherweiſe erjtattete Gutenberg damit VBorjebüffe zurück, die ibm Frilo
früher für feine mechaniſchen Berjuche gemacht hatte, denn daß er da—
mals jchon mit derartigen Arbeiten ſich bejchäftigt haben muß, beweijt
ein fünf Jahre jpäter fptelender Prozeß, welcher den erjten urfundlichen
Aufſchluß Über Gutenbergs Arbeiten in Straßburg liefert und eine be-
deutende Nolle in der Geſchichte der Buchdruckerkunſt jpielt,
Dieje jahrbundertelang begraben gewejenen Akten wurden zuerft 1740
vom ftraßburger Arcivar Jakob Wender, beziehungsweije 1745 vom
Arhivar Heinrih Barth und Profeffor I. D. Schöpflin im Rathauſe
und im Hellerturm von Straßburg entvedt und 1760 von dem zulekt:
genannten veröffentlicht. ** Sie enthalten den Nechtsftreit ver Gebrüder
Georg und Klaus Drisehn gegen Gutenberg und zeigen dieſen als einen
bereit3 bochangejehenen Künſtler und Grfinder, welcher feine Schüler
und die zur Herſtellung feiner Erfindungen erforderlichen Kapitalien
damals nicht zu ſuchen brauchte, ſondern fich von ihmen juchen lief. So
war denn auch ums Jahr 1436 oder 1437 der ftraßburger Bürger An-
preas Drisehn mit dem Antrage zu Gntenberg gekommen, von ihm
gegen Honorar „in etlicher Kunſt“ unterwiejen zu werden. Gutenberg
ging auf diefen Wunſch ein und lehrte den Drisehn das Steinjchleifen,
womit der leßtere viel Geld verdient zu haben zugibt. Bald darauf
Kapitel.) Seine mechanischen Arbeiten. Seine Gejellichafter. 35
ſchloß Gutenberg einen andern Vertrag mit dem Vogt Dans Riffe in
Yicbtenau und umterrichtete diejen im Spiegelmacen. Die GErzeugniffe
der gemeinjamen Arbeit, an welcher Gutenberg mit zwei Drittel, Riffe
mit einem Drittel beteiligt war, jollten auf der großen Meſſe verwertet
werden, dem jogenannten Bend, ver bei Gelegenheit der alle fieben
Jahre jtattfindenden anchener Heiltumsfahrt und Neliquienverehrung in
der alten Reichsſtadt gehalten wurde.
Als Dritehn von jenem Übereinfommen hörte, wünjchte auch er in
die Gemeinjcbaft aufgenommen zu werden. Gutenberg willfahrte feinem
Berlangen und räumte ihm die Hälfte feines Anteils ein, ſodaß jeder
der Geſellſchafter ein Drittel Gewinn oder Berluft am Gejchäft haben
jollte. Dritzehn teilte den mwejentlichen Inhalt dieſes Vertrags feinem
Zunftgenofjen Andreas Heilmann mit. Von dem in Ausficht ſtehenden
Gewinn mächtig angezogen, bat diejer jenen Bruder Anton Heilmann,
einen Seiftlichen, auch ihm zum Eintritt im die Gejellichaft behilflich zu
jein. Gutenberg wollte anfangs nicht auf den Vorſchlag eingehen, lieh
aber bald darauf den Andreas Heilmann doc zu, weil er, wie e8 jcheint,
inzwijchen erfahren hatte, daß diejer zugleich auch den Gejchäftseinjchuß
für den verjchuldeten Dritzehn leiſtete, und weil auch Riffe feinen Ein—
wand gegen bejjen Aufnahme erhob. Es wurde aljo ein neuer Vertrag
vereinbart, dem entſprechend Gutenberg zur Hälfte, Riffe zu einem Biertel,
Drisehn und Heilmann aber jever zu einem Achtel beteiligt jein jollten.
Die beiden leßtgenannten mußten zujammen 160 Gulden für ihre Unter-
weijung in der Kunſt am Gutenberg zahlen. Spiegel aus Glas, veren
Anfertigung den ausjchlichlichen Zwed des zweiten Vertrags bildet, und
die durchaus fein Geheimnis mehr war, waren zu jener Zeit noch eine
ebenjo große Seltenheit, als ein gejuchter Luxusartikel.
Die vier Unternehmer arbeiteten fleißig für die aachener Fahrt un
batten bald für den urjpünglich beſtimmten Termin ihr Yager im Stande.
Die „Ochevaart“ (Fahrt nach Aachen) war aber, wie e8 in den Prozef-
aften beißt, zu jener Zeit auf das Jahr 1440 verjchoben worden, eine
Angabe, die übrigens auf einem Irrtum beruhen muß, da die Wall-
fahrt von vornherein auf 1440 fejtgejeßt war und auch wirklich in
diejem Jahre ftattfand. So jcheint denn das für Die anchener Fahrt
beabjichtigte Geſchäft verunglüdt zu ſein. Was im der Folge aus
pen Spiegeln geworden, ob Gutenberg oder einer der übrigen Teil-
3*
36 Dritter Vertrag mit denjelben. [Erjtes
haber, over wer jonjt darüber verfügt bat, das ift aus den Aften nicht
erfichtlich.
Im Sommer 1438 aber wurde von Andreas Dritzehn ein neuer
und zwar dritter Vertrag mit Gutenberg abgejchlojfen. Drigebn er-
zäbfte auf jeinem Sterbebett dem Zeugen Mydehart Stoder, daß er mit
Andreas Heilmann einmal zu Gutenberg in deſſen Wohnung nach
St. Arbogajt gefommen jei. Da habe dieſer „etliche Kunſt“ vor ihnen
verborgen, die ihnen zu zeigen er nicht verpflichtet gewejen jei. Daran
aber hätten fie feinen Gefallen gehabt und an Stelle ver alten Gemein-
ichaft eine andere errichtet, nach welcher Gutenberg fortan nichts von
jeiner Kunſt vor ihnen verbergen durfte. Nach Anton Heilmanns Aus-
jage dagegen habe Gutenberg jeinen beiden Gejellichaftern zuerjt ein
jolches Anerbieten gemacht. Wie dem nun auch jein möge, die legtern
mußten dem Meiſter jeder noch 125 Gulven Yehrgeld in Terminen be-
zahlen, ‘Der Vertrag wurde auf fünf Jahre, aljo bis zum Sommer
1443 abgejchloffen. Starb einer der Gejelljchafter während feiner Dauer,
jo konnten jeine Erben, damit man ihmen nicht „die Kunſt zu weijen
umd zu offenbaren“ brauche, nur Anjpruch auf Herauszahlung von
100 Gulden machen, während „alle Kunſt, Gejchirre und gemacht Werk‘
den Überlebenden ohne jede Vergütung verblieb. Andreas Dritzehn ſtarb
aber ſchon in den letzten Tagen des Dezember 1438 und ſchuldete, da
er vor ſeinem Tode nur 40 Gulden auf jene 125 Gulden gezahlt hatte,
dem Geſchäft noch 85 Gulden. Seine Brüder und Rechtsnachfolger,
Georg und Klaus Dritzehn, traten jedoch als Kläger gegen Gutenberg
auf und verlangten von ihm, entweder als Teilhaber an des verſtorbenen
Bruders Stelle in die Geſellſchaft aufgenommen zu werden, oder die
100 Gulden zugeſprochen zu erhalten, welche deſſen Erben gezahlt wer—
den mußten. Gutenberg bejtritt in der Stlagebeantwortung den erſten
Anjpruch als durchaus unbegründet und erflärte fich nur zur Rück—
zahlung ver 100 Gulden bereit, verlangte aber, daß die ibm noch ge-
ſchuldeten 85 Gulden davon abgezogen würden. Der Richter Guno
Nopes erfanmte im feinem Urteil vom 12. Dezember 1439 den Aus-
führungen Gutenbergs gemäß, legte den überlebenden Gejelljchaftern ben
Eid darüber auf, daß der gejchriebene Vertrag (Zevel) in allen jeinen
Ginzelbeiten ausgeführt worden jet, Gutenberg aber darüber, daß An:
dreas Drisehn bei jeinem Tode ihm noch 85 Gulden gejchulvet babe,
Kapitel.) Die „Künfte und Afentur“. 37
und verurteilte den BVerflagten, nachdem derſelbe dieſen Eid geleiftet
hatte, zur Zahlung der von ihm nicht bejtrittenen 15 Gulden an bie
Kläger. i
Drisehn bat aljo drei verjchievene Verträge mit Gutenberg ab:
geſchloſſen. Zuerſt erlernte ev von ihm das Steinjchleifen, welches nur
gelegentlih zur Grläuterung des Verhältniffes zwiſchen Mleifter und
Schüler berührt ift, dann aber das Spiegelmachen, welches in ven
Vrozeßalten ausführlich erwähnt wird, und jchlieflich feine ſonſtigen
„Künfte und Afentur“ (Kenntniffe und Unternehmungen), über deren
Weſen die gerichtlichen Verhandlungen jchiweigen. Die beiden erſten
Verträge bedürfen, als ihren Zweck bejtimmt bezeichnend, feiner Er—
Härung, wohl aber fragt es fich, worin die in dem dritten Bertrage
genannten „Künjte und Afentur“ beitanden ?
In Ermangelung faft aller thatjächlichen Anhaltpunkte ift man bei
Beantwortung diefer Frage lediglich auf Vermutungen bejchräntt, welche
je nach dem Standpunkte des Urteilenden verſchieden find und fich meist
feindlich gegenüberjtehen. Da die Gejchichte des deutſchen Buchhandels
im wejentlichen nicht von den erſten mißglücten Berjuchen, jondern von
ter gelungenen Erfindung der Buchdruckerkunſt ihren Ausgang zu
nebmen bat, jo liegt es jelbitredend außerhalb ihrer Aufgabe, in eine
umftändliche Unterjuchung des obigen Streites einzutreten, Welcher die
Welt nur deshalb jo lange bejchäftigt und erbittert hat, weil won feiner
Entſcheidung die Anfprüche von Straßburg und Mainz auf die Ehre
des eriten Typendruckes bedingt waren. Die leidige Eiferjüchtelei zwi—
ſchen diejen beiden Städten hat die unbefangene Würdigung des Sach—
verbalts nur zu lange verhindert.
Kür den Zwed des vorliegenden Werts reicht alfo die Feſtſtellung
des heutigen Standes der Forſchung vollfommen aus. Abgeſehen von
den Altern unbedingten Parteigängern für und gegen Mainz oder Straf-
burg, welche meift erjt nach wirklichen oder Scheingründen für ihre
vorgefakte Meinung juchten, jo fünnen bier nur die fachlichen Unter:
ſuchungen unbefangener Geſchichtsforſcher in Betracht kommen. Der be:
deutendite von diejen, A. von der Linde, nimmt au, Gutenberg habe fich
in Straßburg überhaupt noch nicht mit der Erfindung des Typendrucks
beihäftigt, betrachtet aljo den zulest, im Sommer 1438 abgejchloffenen
Vertrag leriglich als eine Erweiterung des zweiten und bejchränft Guten:
38 Weſen derjelben. [Erites
bergs jtrahburger Thätigkeit auf die Anfertigung von Spiegeln und
Spiegelrahmen. Dieje Auffaffung jcheint jedoch nicht ganz zutreffend zu
jein; vielmehr iſt daran fejtzuhalten, daß der Meifter auch ſchon in
Straßburg mit Vorarbeiten und Verſuchen für den Bücherdruck bejchäf-
tigt gewejen iſt. Hütte er fich nämlich lediglich der Anfertigung von
Spiegeln und Spiegelvrahmen gewidmet, jo würden Dritehn und Beil:
mann gar nicht nötig gehabt haben, einen neuen Bertrag mit Gutenberg
abzujchließen, va dieſer ohnehin ſchon kontraktlich verpflichtet war, fie in
allen Einzelheiten jener, durchaus nicht als Geheimnis geltenden Fertig—
feit zu unterweijen. Anvererjeits geht aus den Zeugenausfagen unzwei-
deutig hervor, daß „die Künſte und Afenturen‘, zu deren Mitteilung
fih Gutenberg gegen Zahlung eines neuen Yehrgelves in jenem dritten
Bertrage anheiſchig machte, geheim waren und geheim bleiben jollten.
Ältere Foriher dagegen, wie A. E. Umbreit?5, oder die neueften, wie
A. Wyß?s, folgern aus den in den Zeugenausfagen vorkommenden tech-
niſchen Ausprüden, wie Blei, Drüden, Preſſe uud Formen, daß bier
typographiſche Arbeiten gemeint und jedenfalls von Gutenberg ſchon in
Straßburg in Angriff genommen jeien.
Es drängt fi hier zumächit Die Arage auf, was die Worte Dflei,
Drüden, Preſſe und Formen mit den dazugehörigen Stüden in der bier
gebrauchten Berbindung beveuten? Der Goldſchmied Dünne bekundet
nämlich, daß er vor etwa drei Jahren (wor dem Prozer), alſo um 1436,
von Gutenberg an 100 Gulden verdient habe für das, was zum Druden
gehöre. Bon der Linde erklärt bier mit Recht, daß Das Blei zum
Spiegelmachen ebenjo unentbehrlich ijt wie zum Zchriftgießen, und daß
Gutenberg es für feine Spiegel und Formen gebraucht babe, won welch
letztern ficherlich nicht einmal, ſondern häufig welche eingejchmolzen feien.
Dünne könne ebenjo gut, wenn nicht bejfer, einzelne Formen und Bilder
für Gutenbergs Spiegel geprudt haben, zu einer Zeit, wo die Bilver-,
Brief- und Nartenpruder jo oft den Beiltand der Goldſchmiede in An—
jpruch nahmen und wo dieſe zugleich Bildſchnitzer und Kormichneiter
waren. Tas Wort druden jei zudem im 14. und 15. Jahrhundert
längſt im Gebrauch gewejen und jpäter nur auf den Drud der Bücher
übertragen worven. Dann aber dürfe nicht überjehen werten, daß
Diünne ausprüdlich jeine Sejchäftsbeziehungen zu Gutenberg in das Jahr
1436 fete, alſo in eine Zeit, welche dem dritten und fetten Vertrage vom
Kapitel.] Preſſe und Fornten, 39
Sommer 1438 vorausging und der Periode des Spiegelmachens viel
näher Tiegt.
Größere Schwierigkeit verurfacht die Erflärung der Stellen, welche
von der vom Drechsler Konrad Saspach in der Krämergaffe angefertig-
ten (aljo jevenfalls hölzernen) Preffe und den dazu gehörigen Formen
handeln. Andreas Dritehn arbeitete in feiner Wohnung, in welcher
fib bei jeinem Tode auch dieſe Preife befand. Schon furz vor Weih-
nachten hatte Gutenberg jeinen Diener Lorenz Beilded dahin und zu
Andreas Heilmann mit dem Auftrage gejandt, alle Formen zu holen,
welche er dann in Gegenwart des Anton Heilmann einſchmolz (zerließ).
Kurz nachdem Andreas Dritehn gejtorben, erjchten der genannte Diener
mit dem Erjuchen jeines Herrn bei Nikolaus Dritzehn, dieſe Preffe nie:
manvdem zu zeigen, die daran befindlichen beiden Schrauben aber auf-
zupreben, wodurch die vier Stüde auseinanderfielen, und dieje dann
in oder auf die Prejfe zu legen, damit niemand fehen könne, was es
jet. Als aber Nikolaus nach den Stüden juchte, hat er, wie es heißt,
nichts gefunden. Won der Yinde bringt auch diefe Andeutungen mit der
Zpiegelfabrifation in Verbindung und denkt fich unter den vier Stüden
geprägte Metallwände eines Spiegelküftchens mit etwas freien, nach dem
herrſchenden Zeitgeſchmack jogar leichtfertigen Bildern?” Man muß
ihm allerdings in ver Annahme beipflichten, daß unter diefen Normen
fein aus gegofjenen Yettern gebilveter Sat eines abzudrudenden Buches
verjtanden werden kann. Einmal wäre diefer in Kolumnen abgeteilte
Satz ohne ein ihn zuſammenhaltendes Bindemittel auseinandergefallen,
dann läßt Gutenberg dem Drisehn nicht jagen, dieſe Stüde nochmals
in ihre Beſtandteile zu zerlegen, endlich aber verjtand man damals unter
Formen feite Tafeln, auf welche man Bilder einfchnitt, um fie mittels
Reibens abzudruden. Beim Tode Gutenberg wurden von Konrad
Humery Formen und Buchjtaben ausdrüdlich von einander gejchieden.
Bewegliche Buchjtaben, wie das die Altern Schriftiteller vielfach voraus-
jeken, werden nirgends genannt, können alſo auch nicht gemeint gewejen
jein; allein ebenjo willfürlich ift die VBorausjegung Yindes von dem
Auseinandernehmen der angeblichen Spiegehvände. Ohne dem Spiel ver
Phantaſie einen zu freien Flug zu gönnen, kann man angefichts ber
mangelhaften Zeugenansjagen nur beflagen, daß man über die eigentliche
Natur des Gejchäfts nichts weiß, vorausfichtlich auch nichts erfahren wir,
40 Weiterer Aufenthalt in Straßburg. [Erites
Ebenjo wenig geht aus den Prozeßakten hervor, zu welchem Zwed
die Preffe gebraucht wurde. Ein Streit darüber ift deshalb unnütz,
und es mag auch umentjchieven bleiben, ob fie zum Metallprägen jtarf
genug war oder welchen Zweden fie jonft diente. Wenn nun auch in
feiner der zahlreichen Zeugenausſagen des Dritzehnſchen Prozeſſes die
entferntejte Anventung dafür vorliegt, daß die Typographie etwas mit
Gutenbergs damaligen Arbeiten zu thun hatte, jo iſt es doch höchſt
wahrjcheinlich, daß er ſchon damals auf jeine Erfindung binarbeitete
oder daß ihm über jeinen Arbeiten jein Ziel und jeine Aufgabe immer
klarer wurde,
Mit dem Urteil in dem Dritehnjchen Prozejfe, alfo vom Jahre
1440 an, hören nun alle weitern Berichte über Gutenbergs Thätig—
feit in Straßburg auf. Es ift nicht einmal bekannt, ob überhaupt und
mit wen er jeine damaligen Arbeiten fortgefeßt, dagegen ſteht es feſt,
daß er wenigſtens bis 1444 in Straßburg gewohnt bat. Nach einer dort
gefundenen Urkunde vom 15. Januar 1441°° verbürgten ſich Johannes,
genannt Sensfleifch, anders auch Gutenberg von Mainz genannt, umd
Ritter Yenthold von Ramſtein ſolidariſch als Mitſchuldner für eine Rente
von fünf Pfund Hellern, welche ver Knappe Johann Karle für eine
gleihe Zumme dem Kapitel der St. Thomastirche verkauft hatte. Am
15. Dezember 1442 erhielt Gutenberg ferner gemeinjchaftlich mit dem
jtraßburger Bürger Martin Brechter von dem Zt. Thomasjtift ein
Darlehn von SO Pfund ftraßburger Pfennigen zu 5 Prozent Zinjen
und verpfündete zur Sicherjtellung von Kapital und Zinjen die ſchon
erwähnte, ihm von feinem mütterlichen Onfel Johann Yebeymer an—
erfalfene jührliche Rente von 10 Gulden. Obige Summe wırde an
Sutenberg allein ausbezahlt und nie wieder von ihm zurückerſtattet.
Endlich aber zahlte Gutenberg laut Ausweis des ſtraßburger Heller:
zollbuchs am 1. September 1443 und 12. März 1444 feine Weinftener.
Er wird hier im Gegenjat zu einem Sanpwerfer als Konſtabler be-
zeichnet, ward aljo entweder zu den reichen und edeln Bürgern gerechnet,
welche feiner Handwerkerzunft zugeteilt waren, oder gehörte zu denjenigen,
deren Gewerbebetrieb unzünftig war. *°
Erſt vier Jahre ſpäter tritt Gutenberg wieder urkundlich und zwar
diesmal in Mainz auf. Am 6. Oftober 1448 erhält er nämlich durch
Vermittelung eines Verwandten, des Arnold Gellhues zum Echtzeller,
Kapitel.) Zeitpunkt der Erfindung der Buchdruckerkunſt. 41
von den beiden Rittern Reinhard Brömjer von Rüdesheim und Henne
von Rodenſtein wieder einmal ein Darlehn von 150 Goldgulden zu
5 Prozent Zinjen. Die dafiir ausberungene Sicherheit ftellte der ge:
nannte Gellhues in der Weberweifung der Miete aus fünf Wohnhäufern,
weiche ibm in Mainz gehörten. 3° Es iſt aljo ziemlich Har, daR die
Berjuche des Erfinders in dem Zwijchenraum, innerhalb deſſen auch Die
leiſeſte Spur von ihm verloren gegangen it, eifrig fortgejegt, wenn auch
anjcheinend immer noch nicht von Erfolg gekrönt worden waren.
Endlich gelang der große Wurf. Gerichtsaften und jonjtige glaub-
würdige Ausjagen weijen auf 1450 als das Jahr der glüdlichen Erfin-
dung. Oder jollte fie jehon früher feſte Geſtalt gewonnen und greif-
bare Ergebniffe geliefert haben? Einem jo großen Ereignis gegenüber
iſt jede, jelbjt die unſcheinbarſte Thatjache oder Äußerung aus älterer
Zeit der Mitteilung und Beachtung wert. So möge denn wenigiteng
in den Anmerkungen eine bisher noch nicht veröffentlichte, ſehr pofitiv
auftretende Auferung des bafeler Auriften Dr. Peter Mengerlin an-
geführt werden; wenn ihr ohne weiteres Beweisfraft beigelegt werden
dürfte, jo wäre das Jahr 1446 das der Erfindung. 9
Gutenbergs Name ſteht auf feinem Titelblatt oder vielmehr in
feiner Schlußſchrift; allein die Thatſache, daß er ausſchließlich der
Erfinder der Kunſt ift, wird von feinen Zeitgenoffen Peter Schöffer,
Urih Zell, Abt Tritheim und Jakob Wimpheling in den wejent-
licbiten Punkten übereinftimmend betätigt. Die Prüfung ihres Zeug:
niffes im all jeinen Ginzelheiten gehört nicht hierher und möge bei
von der Linde nachgelefen werden. Dagegen jei e8 gejtattet, bier noch
zwei bisher unbekannte oder wenig bekannte Zeugniffe anzuführen. Das
erite verjelben findet jichb in der bis heute noch ungedruckten Zimmern:
ſchen Chronik über die mainzer Erzbifchöfe bis zum Jahre 1555. Ahr
Verfaſſer it Graf Werner Wilhelm von Zimmern (1485 bis 1575).
„Under der Regierung diejes Erzbiichoffs” — heift es dort wörtlich —
„wardt erjtlich die Edel Kunſt ver Buchtrudherei zu Maink im der- jtatt
erfunden durch einen habehaften reichen Bürger daſelbſt Hannes Guden—
berger genannt, ver alle feine guter und vermögen darauff wenden that,
biß er es zu wegen bracht.” Diejer 51. Erzbiſchof und 33. Kurfürft
von Mainz war Theodorih Graf und Herr zu Erbach, welcher von
1435 bis 1459 regierte. ??
42 Gleichzeitige Zeugniſſe für Gutenberg. Erſtes
Neuerdings hat der hochverdiente baſeler Oberbibliothekar Dr. Y. Sie—
ber einen ſchon Ende 1470 gebrudten, aber jeitvem in Vergeſſenheit ge-
ratenen Brief des gelehrten parifer Yeltors und Rektors, des Savoyarden
Wilhelm Fichet, wieder aufgefunden, den dieſer an den Hiſtoriker Robert
Gaguin gefchrieben hatte. Er findet fich auf der Rückſeite des zweiten
Blattes des in Paris geprudten und in Bajel aufbewahrten Buches
„Gasparini Pergamensis Orthographiae Liber“ und enthält eine be-
geifterte Verherrlihung ver in Deutichland erfundenen Buchdruckerkunſt
ſowie ihres Erfinders Johann Gutenberg. „Eine neue Art der Anferti-
gung von Büchern“, heißt es, „it in Deutjchland erfunden, und ihre Her—
jteller jtrömen von dort in die Welt, wie einft die Krieger dem Bauche
des trojanifchen Pferdes entjtiegen. Sie tragen won Deutjchland aus Das
Yicht in alle Teile der Erde. Dieje Fremden (Kranz, Freiburger und
Sering) erzählen nämlich, vdak ein Manı Namens Gutenberg jchen
lange und nicht weit von der Stadt Mainz die Kunſt erfunden habe,
Bücher, jtatt mit Griffel und Fever zu fehreiben, mit ehernen Buch-
jtaben zu drucken.“ Fichet ftellt Gutenberg noch über die Göttin Ceres
und deren den Menſchen erwiejene Wohlthaten, denen fie nur leibliches
Brot gegeben babe, und erhebt ihn zugleich über die übrigen Götter
und Göttinnen. Biel wichtiger als diefe Verhimmelung iſt aber Die
pofitive Thatjache, daß Fichet in ganz unzweideutigen Worten Gutenberg
als den Erfinder der Buchdruckerkunſt preift und daß er dieſe Thatjache
offenbar von obigen drei, durch ihn und Johannes a Lapide nad Paris
berufenen Drudern gehört hatte. Denn es waren faum zwei Jahre
jeit dem Tode Gutenbergs verfloffen; fie felbjt aber famen aus Baſel,
wo die Kunſt ſchon jeit des Hanauers Berthold Ruppel Ankunft blühte
und wo fie, die jpätern parifer Meifter, ihre Kunſt gelernt hatten. Daß
Gutenberg und fein anderer der Erfinder war, mußte die damalige ge-
bildete Welt ganz genau wiſſen. 33
Das geichichtliche Datum der Erfindung der Buchoruderfunit iſt aber
der 22, Auguft 1450. An diefem Tage nämlich ſchloß Gutenberg einen
Vertrag mit Johann Fuſt ab, einem reichen Bürger und Goldſchmied
von Mainz, welcher ihm 800 Goldgulden zu 6 Prozent Zinjen lieh.
Der Erfinder follte mit diefem Gelde das nötige Werkzeug (Gezüge) zu:
richten und machen, wogegen letteres bis zur Zahlung der Schuld das
Pfand des Darleihers bildete, Kerner hatte dieſer am Gutenberg jähr—
Kapitel.) Vertrag mit Fuſt. Weſen der Erfindung. 43
lich noch 300 Gulden zu zahlen, um ihn in den Stand zu jeken, ven
Hauszins und Gefindelohn zu berichtigen, jowie Pergament, Papier,
Tinte und was jonft zum Druden gehört, zu kaufen. Sollten fich Die
beiven Kontrahenten in der Folge entzweien, jo muRte Gutenberg dem
Fuſt das Kapital mit Zinfen zurüdzahlen und fonnte, wenn dies ge—
ichehen, das von ihm angefertigte Werkzeug als jein Eigentum behalten,
während es im NWichtzahlungsfalle dem Fuſt anheimfiel. Das Gel,
welches fie auf den Bücherdrud — „das Werk der Bücher“, wie Guten-
berg jih in der Klagebeantiwortung bezeichnend ausprüdt — und nicht
auf die Einrichtung der Offizin verwendeten, follte ald auf das gemein-
ichaftliche Unternehmen und für den beiderfeitigen Nutzen verausgabt an-
gejehen werden. Da die zuerjt gezahlten SOO Gulden zur Vollendung
der Erfindung nicht ausreichten, jo ſchoß Fuſt Ende 1452 dem Gejchäft
bon neuen 800 Gulden vor, über welche Gutenberg erſt ſpäter Rech—
nung ablegen jellte. Fuſt würde natürlich diefe Vorſchüſſe nicht gemacht
haben, wenn er nicht vorher von der Ausführbarfeit der neuen Erfin—
dung überzeugt worden wäre. Gutenberg andererjeits, nachdem er für
die Verwirflihung feiner Ideen den letzten Keft feines Vermögens zu—
geſetzt hatte, ſuchte jelbjt unter den lüftigiten Bedingungen bei einem
reichen Geldmann Hilfe, weil er nur mit ihr feinen großen Gedanken
endlich fiegreich ins Yeben führen konnte.
Worin beftand nun das Weſen und die Bedeutung feiner Erfindung,
welcher großen Yeiltung verdankt Gutenberg jenen unſterblichen Ruhm?
Sejchichtliche Unkenntnis und unkritiiche Methode, örtliche Eiferfüchte-
(eien und beſchränkte Yeichtgläubigfeit, ja Fälſchungen und Entftellungen
der Wahrheit haben wie auf Verabredung zuſammengewirkt, um Die ur-
jprünglich klare und einfache Sachlage zu verbunfeln. Es iſt das große
Verdienſt von der Linde's, das eigentliche Verhältnis für alle Zeiten
unumſtößlich klar geitellt und Gutenberg den ihm gebührenden ftolzen
Platz in der Geſchichte gefichert zu haben. Vor Yinde bewegte ſich Die
quantitativ reiche, aber qualitativ arme Gutenberg -Yitteratur in ben aben-
teuerlichiten Vorausſetzungen und den unbegründetiten Behauptungen.
Im wejentlichen liefen diefe darauf hinaus, daß man als erften Anfang
einen Drud mittels hölzerner Tafeln annahm, als Kortichritt über ihn
binaus aber die Herftellung hölzerner und beweglicher Buchjtaben als
das angebliche Verdienſt Gutenbergs pries, Peter Schöffer dagegen ben
44 Weſen der Erfindung. [Erjtes
Kern der eigentlichen Erfindung, die Herftellung gegoffener Yettern, zu-
ichrieb. Nun Hat Gutenberg die Kunft des Drudens überhaupt nicht
erfunden, weil die Druderfunft viel älter ijt als jeine Erfindung. Schon
das 12. Jahrhundert kennt den Zeugdruck, Buchbinder- und Tijchler-
prejjen. Im 14. Jahrhundert gibt es bereits Prenter — im Englijchen
heißt heute noch der Buchdrucker Printer — Briefpruder und Karten:
druder. Der ältefte befannte Holzichnitt, ver heilige Chriſtoph, trägt die
Jahreszahl 1423. Um dieſelbe Zeit, wenn nicht früher, fing man an,
Heiligenbilder auf Holztafeln einzujchneiden und abzudrucken. Auch die
gejchnittenen unbeweglichen Holztafeln wurden ſchon fange wor Gutenberg
zum Druck, wenn auch nur weniger Zeilen, meiftens zu Über: und
Unterjchriften benußt. Zur Herftellung ganzer Seiten, gejehweige denn
großer Folianten, genügt der bewegliche hölzerne Buchjtabe aber nicht.
Dazu iſt er zu weich und fein Segel zu wenig gleichförmig. Alſo auch
nicht die Beweglichkeit und Selbitändigfeit der Yettern, fondern die rich-
tige Art der Typenbildung war der Gedankenblitz der Erfindung Guten—
berge, wie das Mappen und von der Yinde überzeugend begründet
haben. 3? Bei der Herſtellung der Typen ift, wie das von der Yinde
näher ausführt, bekanntlich der Stempelſchneider die wichtigfte Perjon. Er
arbeitet mach einer gezeichneten Borlage den Buchſtaben verfehrt und er-
haben in Stahl aus. Dieſer Stabljtempel heißt Patrize. Die Patrize
wird in ein Kupferjtäbchen eingejchlagen, das dann den Buchjtaben recht
und vertieft zeigt. So entitcht Die Matrize, welche die Norm für den
zu gießenden Buchitaben bildet. Zu diefem Zwed wird die Matrize am
Grunde des Gießwerkzeugs eingelegt. Die Vervielfältigung der Typen
durch den Guß kann dann vor fich gehen. Die aus einer Metallmiſchung
— anfünglich wurde dabei Eiſen und Zinn mit verwandt — beftehenve,
gegoffene Druckletter zeigt ein Abbild ver Patrize; fie wird zuletzt durch
Abbrechen des Angufjes, Abhobelung bis auf die Kegelhöhe und Schleifen
jagtauglich gemacht. „Das Werk ver Bücher” alſo, d. h. die Möglich-
feit der unbegrenzten Vervielfältigung durch den Aborud von metallenen,
aneinander gejegten Typen von gleichem Kegel und die dadurch ge—
aebene Yeichtigfeit, Kolianten und alle Formate in taujend und mehr
Exemplaren berzuftellen, dieſe unſchätzbare Errungenjchaft verdankt die
Welt Gutenberg. Erjt jeitvem die Typen binfichtlich der Kegelgröße im
Verhältnis einer geometriichen Präzifion zueinander ftehen, kann man
Kapitel] Gutenbergs erjte Drude, 45
wirflih Bücher pruden. Wenn die Thypen jchlecht jufttert find oder auch
nur ein einziger Buchitabe einer beſtimmten Schriftgattung, 3. B. das a,
nur um ein Geringes größer ijt als die übrigen desſelben Gufjes, jo
werden fie ſämtlich bei der Zufammenjegung die Folgen dieſes Mangels
zeigen. Die Unregelmäßigfeit der Yinien, in der eriten Zeile kaum wahr-
zunehmen, kommt jchon im ver zweiten deutlich zum Vorjchein. Der
Fehler nimmt mit jeder Zeile zu, bis zulett die Typen einen Herentanz
ausführen, vejjen der Schriftjeger nicht mehr Herr werden kann. Cine
äußerjt geringe Ungenauigkeit aljo, welche bei einem andern Gegenjtande
ganz umbeachtet bleiben könnte, hebt beim Druden ven ganzen Vorteil
der beweglichen Typen auf. Linde gibt in feinem Werke ein Beiſpiel
von zwei Typen verjchievenen Kegels, eines a und e, welche beide nur
000 eines Zolles größer find als die übrigen und welche die Folgen
diejer Ungleichheit bereits in der 15. Zeile des höchſtens 4 cm breiten
Petitjages in ſolchem Maße zeigen, daß man fich beim Yejen kaum
berausfinden kann.
Gutenberg bat aljo die Kunſt erfunden, mit beweglichen gegofjenen
Typen Bücher zu druden, und mit der Ausübung diefer Kunſt um 1450
begonmen. So weit reicht die verbürgte Gejchichte. Die nächften Fragen:
Was bat Gutenberg gedruckt, und: welches ijt jein erſtes Werf? laffen
fih zur Zeit noch nicht beantworten. Das Zeugnis der befannten Köhl—
hoffſchen kölner Chronif aus dem Jahre 1499, welches ſich auf eine
angebliche Erzählung von Ulrich Zell aus Hanau, dem erjten kölner
DTruder, ftüßt, jagt zwar: „Und in dem Jahre unſeres Herrn, da man
ſchrieb 1450, begann man zu druden, und das erjte Buch, das man
drudte, war die Bibel in lateinifcher Sprache, und es ward geprudt
mit einer großen Schrift, mit welcher man Meßbücher druckt.“ Will
man aber jelbjt diefer nach mündlicher Überlieferung anfgezeichneten
Nachricht ohne weiteres Glauben ſchenken, jo tnucht Doch die neue Frage
auf, welche ver beiden Bibeln, die hier in Betracht fommen fünnen,
der Chronijt gemeint hat. Es gibt nämlich zwei Ausgaben, beide mit
Miſſalſchriften gedruckt, deren eine 36 Zeilen auf jever Seite hat und
deshalb Die jechsundpreifigzeilige oder nach ihrem Entdecker die Schel—
bernjchbe Bibel genannt wird, und die aus gleichem Grunde jo genannte
zweiundvierzigzeilige Bibel, die auch Mazarin-Bibel heißt, weil fie zuerſt
in ver Bibliothek dieſes Kardinals wieder auftauchte. Es gibt nun
46 Gutenbergs weitere Schidjale. Erſtes
Bibliographen, wie Madden, von der Linde, de Vinne, welche dieſe beiden
Bibelausgaben dem Erfinder Gutenberg zuſchreiben, aber es gibt auch
ſolche, welche dieſe Rieſenarbeit für einen Drucker für unmöglich halten
und ihm nur eine derſelben, die zweiundvierzigzeilige, laſſen. Thatſache
jedoch iſt, daß die Schriftarten, mit welchen beide Bibeln gedruckt ſind,
auch in andern Drud-Erzeugnijjen wieder vorfommen, die von andern
Dritdern bergejtellt wurden; die Schriftgattung der ſechsunddreißigzeiligen
Bibel nämlich bei Albrecht Pfiiter in Bamberg, die der zweiundvierzig-
zeifigen bei Peter Schöffer in Mainz. Ebenſo finden fich die Charaktere
des gleichfalls Gutenberg zugejchriebenen „Catholieon” von 1460 in dem
„vocabularium ex quo’ von 1467, welches die Bechtermünze in Elt-
ville drucdten, Helfen fih nun die Bibliographen diejer nicht wegzu—
feugnenden Thatjache gegenüber mit der Erklärung, daß die betreffenven
Schriftgattungen urfprünglich Gutenbergſche Typen geweſen, jpäter aber
in den Beſitz der genannten andern Druder gelangt und dann weiter
von diejen benußt worben ſeien, jo kann dieje Annahme ebenjo gut richtig
als Faljch jein; jedenfalls aber liefert fie feinen Beweis. Die Gejchichte
fennt zwar den Namen des Mannes, von welchem die Erfindung aus-
gegangen ift, fie kennt auch den ungefähren Zeitpunft und den Ort ihrer
Entjtehung; allein der große, That gewordene Gedanke des Erfinders ift
nicht in einem unzweifelhaften Werke in unbedingt greifbarer Geftalt
auf die Nachwelt gefommen. Die Gejchichtjehreibung fteht hier bis jetzt
zahlloſen Zweifeln gegenüber und ficht fich, vorläufig wenigſtens, darauf
angewiejen, die erjten Druckdenkmale nach ven erfannten Typengeſchlech—
tern zu prüfen und zu vergleichen, Gutenbergs Anteil daran aber auf
jich beruben zu laſſen.
Über das fernere Schiefjal des Erfinders geben zwei Urkunden Auf-
ſchluß, von denen die eine, das ſogenannte Helmaspergerjche Injtrument
vom 6. November 1455, von dem Prozek erzählt, welchen Johann Fuft
gegen Johann Gutenberg wegen Nüdzahlung eines ihm gegebenen, oben
erwähnten Darlehns angejtrengt hatte. Die andere, Dr. Konrad
Humerys Urkunde, bejteht aus einem von letterm ausgejtellten Doku—
ment vom 24. Februar 1468, wonach er ſich dem Erzbijchof Adolf von
Mainz gegenüber verpflichtet, das von dem verftorbenen Johann Guten-
berg binterlaffene und ihm gehörige Druckwerkzeug thunlichft nur in der
Stadt Mainz zu veräußern. Auf diefen beiden Urfunden beruben alle
Kapitel.) Gutenbergs Prozeß mit Fuft. 47
Nachrichten, welche jowohl über das Affociationsverhältnis Gutenbergs
mit Johann Fuſt für die erjte Druckerei, als auch über die Errichtung
von Gutenbergs zweiter Druderei mit den Mitteln des Dr. Humery
verbreitet find. Die Echtheit beider Urfunden wird in neuerer Zeit
aus mancherlei Gründen, bejonders wegen der zu damaliger Zeit un—
gewöhnlichen Schreibweife des Namens „Gutenberg“ und „Guttem—
berg“ ftatt des jonjt urfundlich vorfommenden „Gudenberg“, angezweifelt.
Sollten diefe Zweifel jemals durch jtichhaltige Bewetje ihre Bejtätigung
finden, jo würde dadurch allerdings der Gejchichte des ausübenden Buch—
pruders Gutenberg jeder tbatjüchliche Boden entzogen, während den—
noch der gejcbichtlich beglaubigte Erfinder Gutenberg unanfechtbar
ver Kritik ftanphalten wird.
Noch aber darf die Gejchichte jene zwar bezweifelten, jedoch nicht
als unecht erwieſenen Dokumente nicht verleugnen, und jo müſſen auch
notwendigerweije die weitern Schiefjale Gutenbergs im Zuſammenhange
mit ihnen erzähft werden. Zunächſt aljo enthält der Notariatsaft von
Ulrich Helmasperger eine furze Gejchichtserzählung famt dem Tenor des
Urteils. Danach jtellt ſich der Sachverhalt wie folgt: Auf Grund
eines fehriftlichen Übereinfommens hatte Fuft den Johann Gutenberg
auf Zahlung von zwei SKapitalien zu je 800 Gulden nebft Zinjen zu
390 Gulden und Zinjeszinjen zu 36 Gulden, im ganzen auf 2020 Gul—
ven (jtatt eigentlich 2026 Gulven) verflagt. Davon waren die erjten
800 Gulden, wie oben bemerft, zur Herftellung ver Druderei geliehen
und die andern SOO Gulden jpäter zur Vollendung des angefangenen
Werkes noch hbergegeben, beziehungsweiſe von Fuſt, wie er behauptete,
bei Ehriften und Juden gegen außerordentliche Opfer aufgenommen.
Gutenberg entgegnete, daß er den erjten Poften von 800 Gulden nicht
volljtändig erhalten habe, und berief ſich auf eine mündliche Zuficherung
des Fuſt, daß er feine Zinfen zu zahlen brauche. Sodann wandte er
ein, daß der Kläger fich verpflichtet habe, ihm jährlich 300 Gulden für
Miete und Pohn, jowie zur Anjchaffung von Werkzeugen, Papier, Perga—
ment und Tinte zum Druden zu zahlen. Er jei bereit, über die zuletzt
empfangenen 800 Gulden Rechnung abzulegen. Das Gericht, indem es
die verlangten Zinjen teilweije, die Zinjeszinjen aber ganz abwies, er-
fannte dahin zu Necht, daß Gutenberg feinem Antrag gemäß über feine
Einnahmen und Ausgaben bei dem zu beiderjeitigem Nuten unternom-
48 Gutenbergs Prozeß mit Fuft. Erſtes
menen Werk der Bücher Rechnung ablegen ſolle, und was er darüber
hinaus empfangen habe, das ſolle in Die SOO Gulden gerechnet werden
(als Abſchlagszahlung gelten); habe er aber laut Rechnung mehr als
800 Gulden ausgegeben und dieſelben nicht auf ven Betrieb ver Buch—
druderei verwandt, jo müfje er das zurüderftatten. Wenn endlich Fuft
durch einen Eid oder Kundſchaft ven Beweis liefere, daß er die betref-
jende Summe gegen Zinjen aufgenommen babe, dann jolle ihm Guten-
berg dieje Zinjen „laut des Zettels” zahlen. Over mit andern Worten:
Gutenberg hatte Rechnung abzulegen, nicht über die Verwendung jener
800 Gulden, die er zur Herftellung der Druderei erhielt, ſondern nur
über die von ihm geführte finanzielle Haushaltung beim Betriebe des
gemeinjchaftlichen, in der Ausübung der Druderei jelbft beftehenven Ge—
ſchäftes.“ Weiſe fih durch dieje Nechmungsablage aus, daß er nicht
alle die für das gemeinjchaftlichen Gejchäft erhaltenen Gelder in dasjelbe
verwandt babe, jo jolle er für das Minus Fufts Schuldner fein und
das Geld dann zu dem Stapital von 800 Gulden gejchlagen werten,
wofür Fuſt ein Pfand auf die Druderei hatte. Fuſt leiftete am 6. No-
veniber 1455 den ihm auferlegten Eid; Gutenberg erjehien nicht im
Termin. Ob, wie und wann jpäter die Auseinanderjegung erfolgte oder
wie der Prozeß jelbjt beendigt wurde, darüber ſchweigt die Helmasperger-
ſche Urkunde und darüber find auch feine jonftigen Angaben vorbanden.
Man nimmt aber an, daß Gutenberg feinem Gegner die als Sicherheit
zum Pfande bejtellte Druckerei babe lafjen müffen.
Saft allgemein hat man Fuſt wegen diejes Prozeffes als einen berz-
Iojen Wucherer angegriffen, Gutenberg aber als unjchuldiges Opfer jeiner
Gutmütigkeit oder gejchäftlichen Unerfahrenheit bemitleivet. Dieje Vor-
würfe und Klagen find jedenfalls übertrieben. Zunächſt hatte Fuſt jeinem
Schuldner durchaus feine unerjchwinglichen Beringungen gejtellt. Sechs
Prozent Zinjen waren zu jener Zeit am fich nicht hoch zu nennen und jo-
gar gering im Verhältnis zum möglichen Berluft. Wie nahe eine ſolche
Gefahr vom finanziellen Gefichtspunfte aus lag, wie Hein die Zahl ver
glüdlichen und einträglichen Erfindungen jtets gewejen und auch jekt
noch ijt, das wußte damals jo gut wie heute jever Kapitalif. Dann
machte Fuſt übrigens auch nicht gleich von jeinem Rechte Gebrauch, als
die neue Kunſt fich nicht zahlte, Ohne durch eine beſchränkende Klauſel
des Vertrages gebunden zu fein, wartete er vielmehr bis 1455, ebe er
Kapitel.) Fufts Verhalten als Gläubiger. 49
fich für jeine Forderung dedte. Er bat gehandelt, wie die große Mehr-
zabl ver Gläubiger ftet3 gebanvelt hat und handeln wird. Je genialer
ber Erfinder, deſto eher verrechnet er ficb in der Zeit und in der mate-
riellen Ausmugung jeiner Erfindung. Man jet nur zn oft diejen all-
gemeinen Erfahrungsjaß auch dann noch aus den Augen, nachdem jich
ver urjprüngliche Gefichtspunft geändert bat und ber greifbare Erfolg
an die Stelle ver Möglichkeit des Gelingens getreten ift. Kann man
mit Recht verlangen, daß ein Geldverleiher, um fich einen ihm völlig
gleichgüftigen guten Ruf bei der Nachwelt zu fichern, jein Kapital fahren
läßt umd fich jelbft, wenn nicht zum armen Manne, jo doch zur ftarf
verlierenden Partei macht? Man vergegenwärtige fich nur die That-
ſachen. Fuft hatte ſich als vorfichtiger Kapitalift mit Gutenberg affo-
ciiert, nicht um erjt eine Erfindung zu machen, ſondern um eine bereits
gemachte gejchäftlich mit ihm auszubeuten. Als er im Auguft 1450 das
Kapital bergab, war die Möglichkeit der gejchäftlichen Verwertung der
Kunft auch jchen erwiefen. Es dauert aber fünf Jahre, bis nennens-
werte, aber noch lange nicht einträgliche Erzeugniffe bergeftellt find.
Da klagt Fuft im November 1455. Wie oft mag Gutenberg in der
Zwijchenzeit jeinen Gläubiger vertröftet, ihm Zahlung verjprochen und
dieje nicht eingehalten haben! Dit es Fuft num jo jehr zu verdenken, daß
er, mißtranifch in den pefuniären Erfolg geworden, fich bei der erjten
günjtigen Gelegenheit für jeine Vorſchüſſe bezahlt zu machen jucht? Bei
einem anfangs jo zweifelhaften Gejchäft, wie dem vorliegenden, pflegt
zudem ein vorfichtiger Gläubiger nur im Falle der äußerſten Not zu
lagen. Wer binderte andererjeit8 Gutenberg, feine Erfindung, die er
mit Fuſts Gelve vervollfommmet und vollendet hatte, zu viel billigern
Beringungen an einen Dritten zu vwerfaufen oder mit dieſem auszu—
beuten? Wenn auch bier die Perjon des Schuldners eine derartige
Möglichkeit ausichließt, jo muß der Gläubiger doch ftets das Moment
ver Sicherheit in Rechnung ziehen. Fuſt beſchwört vor Gericht, daß er
bei Juden und Chriften Geld zu den, Gutenberg berechneten Zinjen auf-
genommen, um die ausbenungenen Vorſchüſſe leiften zu fünnen. Er hat
aljo offenbar aus dem Zinsfage feinen unerlaubten Vorteil für fich ge—
zogen. Endlich aber ijt es ein ganz legitimes Gejchäft, daß fich Fuſt
die, wenn nicht ganz, doch zum Zeil wenigftens von feinem Gelde an-
gefertigten Typen, Formen und Werkzeuge als Sicherheit für feine
stapp. I. 4
50 Gutenbergs Berbindung mit Gumery. Erſtes
Forderung verpfänden ließ. Wenn nun Gutenberg ſich über die un—
mittelbare finanzielle Einträglichkeit ſeiner Erfindung namentlich deshalb
täuſchte, weil fie anfangs höchſtens lotweiſe wieder einbrachte, was pfund—
weife an Herjtellungsfeften und beim Gejchäftsbetrieb daraufging, jo
fann man doch Fuft vom gejchäftlichen Standpunkte aus nicht zumuten,
daß er unter diefer faljchen Rechnung leiven joll.
Übrigens wurde es Gutenberg nicht ſchwer, einen andern Kapitalijten
für fich zu gewinnen, denn nach der obenerwähnten zweiten Urfunve
nimmt man an, daß er, nachdem er jo glänzende Beweije von der Aus-
führbarfeit feiner Erfindung gegeben hatte, einen ſolchen in der Perjon
des Dr. Konrad Humery fand, welchen er gleichfalls jeine Druderei
als Pfand verſchrieb. Man glaubt ferner, daß Gutenberg num ganz
nene Typen gegofjen und außer zwei fleinen undatierten Schriften von
Matthäus de Gracovia und Thomas von Aquino nur wenige Jahre
ipäter (1460) ein drittes Niejenwerf zu Stande gebracht babe. Es war
dies die berühmte erite Ausgabe des „Catholicon“, einer damals ſehr
beliebten und vielgebrauchten grammatikaliſch-lexikaliſchen Kompilation
des Dominikanermönchs Johannes Balbus aus Genua, ein Foliant von
373 zweiſpaltigen, enggedruckten Blättern, der übrigens im Schnitt der
Typen, der Regelmäßigkeit des Satzes und der Eleganz der Ausſtattung
bedeutend hinter der zweiundvierzigzeiligen Bibel zurückſteht. Die ſeit—
dem in den Wiegendrucken ziemlich allgemein gewordene lateiniſche Schluß—
ſchrift des Druckers lautet auf Deutſch wörtlich: „Unter dem Beiſtand
des Allerhöchſten, auf deſſen Wink die Zungen der Kinder beredt wer—
den und der oft den Kleinen offenbart, was er den Weiſen verbirgt, iſt
dieſes vortreffliche Buch Catholicon im Jahre der Menſchwerdung des
Herrn 1460 in der guten Stadt Mainz, angehörig dem ruhmreichen
deutſchen Volke, welches die Gnade Gottes mit ſo hohem Geiſteslichte
und freiem Gnadengeſchenke den übrigen Nationen vorzuziehen und be—
rühmt zu machen für würdig gehalten hat, nicht vermittelſt des Rohres,
Griffels oder der Feder, ſondern durch der Formen (Matrizen) wunder
volles Zuſammenpaſſen, Verhältnis und Ebenmaß der Patronen (Patri—
zen) gedruckt und vollendet worden. Darum ſei Dir, heiliger Vater,
dem Sohne ſamt dem heiligen Geiſte, als dem dreifachen und einigen
Gott, Yob und Ehre gegeben. In den frommen Lobgeſang der Gemeinde
ſtimme auch durch dieſes Buch mit ein, der es nimmer unterlaffe, die
Kapitel.) Technische Vollendung der erjten Drude. 51
fromme Maria zu loben, Gott jei Dank!“ Obgleich fich Gutenberg
nicht nennt, jo hält man es doch für feinem Zweifel unterworfen, daß
er der Druder war, denn man weiß von feiner andern Druderei, welche
1460 noch außer der Fujt und Schöfferjchen beftanven bat. Dieje hatte
auch feine ver im „Catholicon“ verwandten Typen, dagegen jtimmen
vie legtern, wie bemerkt, genau mit denen des „Vocabularium teuto-
nicum“ überein, welches laut Schlußjchrift die beiden Brüder Heinrich
und Nikolaus Becbtermünze 1467 in Eltville geprudt haben. Ihnen,
jeinen Verwandten, joll nämlich Gutenberg den Gebrauch jeiner 1465
nach diejem Orte verlegten Druderei überlafjen, er jelbjt aber wahr-
jcheinlich jeinen Namen deshalb nicht unterzeichnet haben, weil er noch
Schulden hatte und jich einer Beſchlagnahme jeiner Preferzengniffe nicht
ausjegen wollte,
Gleich im ihren erjten Yeiftungen tritt übrigens die junge Kunſt in
imuftergültiger Abrunvung, Reife und Vollendung auf. Was auch jpütere
Übung und Erfahrung in untergeordneten Einzelheiten an Typen, Preſſen
und Schwärze geänvert haben mögen, im Verhältnis zum Ganzen find
alle dieſe Berbejjerungen nur unbedeutende. Der bleierne Buchſtabe ift
noch heute derjelbe, wie vor mehr als vwierhundert Jahren in den Typen
Gutenbergs. Im den allererjten Druden war die Juftierung der Schrift
ungenügend gewejen, ſodaß diejelbe uneben und unrein ausjah. Dieſer
Fehler verjehwindet aber jchon nach ein paar Jahren. Wenn es auch
feines Beweijes dafür bevurft hätte, daß ſchon in den erjten Jahrzehnten
nach Erfindung der Kunft, ja von Anfang am nicht mit Holzbuchitaben,
jonvern mit bleiernen Typen gedruckt wurde, jo liefert ihm der wichtige
Fund des Bibliographen 3. P. A. Madden in Johann Nivers „Trac-
tatus de morali lepra“, welcher von Konrad Winters aus Homberg
zwiſchen 1476 und 1482 in Köln gedrudt wurde Mappen entdeckte
nämlich auf einer Seite diejes Werfes den Abdruck einer ausgefallenen
Metalitype mit ver Signatur (Einjchnitt an der Vorderſeite des Kegels)
für den Griff des Schriftjeßers, ganz wie dieſer fich heute noch unver-
änvert im täglichen Gebrauch findet. 3%
Das Pialterium von 1457 wird in vornehmer Würde und Schön:
beit kaum von den vorzüglichiten typographiichen Erzengniffen ver Gegen—
wart übertroffen. Wenn bei ven gewaltigen Kortjchritten, welche die Tech-
nif und der Dampf in unjern Tagen bewirft haben, auch die heutige
4*
52 Plünderung von Mainz. Gutenberg in Eltville. Erſtes
Buchdruckerpreſſe ſchneller und wohlfeiler druckt als die alte hölzerne
Handpreſſe, jo iſt das Weſen ihrer Benutzung doch ganz dasſelbe, Papier
und Schwärze ſind aber in den Inkunabeln viel beſſer und namentlich
dauerhafter als bei der Mehrzahl der heutigen Bücher. Heutzutage
werden die erften Denkmäler der mainzer Preſſe förmlich mit Gold auf:
getvogen. Ein Pergament-Eremplar der ziweinndvierzigzeiligen Bibel wurde
von Merlin de Thionville, als er ſich 1793 als franzöfifcher Negierungs-
fommifjar in Mainz anfhielt, aus der dortigen Univerfitätsbibliothef ge:
jtohlen und dem Buchhändler Nicol in Yondon verkauft, welcher es für
504 Pr. St. dem bekannten dortigen Bierbrauer Perfins überließ. Im
Fahre 1868 mit deſſen Bibliothef veräußert, brachte e8 3400 Pr. St.
oder 68000 Mark, während ein Papier-Erenplar derjelben Bibel für
2648 Pfr. St. oder 52960 Mark aus der genannten Sammlung ver:
fauft wurde. Das Pergament-Eremplar in der reichen Klemmſchen In-
funabeln- Sammlung in Dresvden hat 66000 Mar gefoftet. Wie bejcbei-
den man in Deutjchland noch vor faum fünfzig Jahren über den Wert
derartiger Schätze dachte, das beweift am beften der Cintrag einer
Schätzung Jakob Grimme in ein anderes Papier-Eremplar ebenverjelben
Bibel, welche der göttinger Univerfitätsbibliothef gehört und deren Wert
von dem berühmten Gelehrten auf nur 500 Thaler veranjchlagt wurde.
Nicht lange nach der Ausgabe des „Catholicon“ brab in Mainz
der offene Kampf zwijchen ven beiden einander befehvenven Kurfürften
aus, indem dieſe nach einem verworrenen Intriguenjpiel endlich zu den
Waffen griffen (1462). Adolf von Naſſau befiegte den Erzbifchof Dietber
von Iſenburg, nahm vie Stadt Mainz im Sturme und plünderte fie
nicht allein, jondern beraubte fie auch ihrer Freiheiten. Gutenberg jcbeint
jich erjt nach der Kataſtrophe nach dem benachbarten Eltville begeben zu
haben, wo er am 17. Januar 1465 vom Erzbiſchof Adolf „für die ihm
und jeinem Stifte geleifteten willigen Dienfte” zum Lebenslänglichen Hof-
dienjte angenommen wurde. In ſolchem erhielt er alle Jahre ein neues
Kleid, gleich dem übrigen gemeinen Hofgefinde, 20 Malter Korn und
2 Fuder Wein, ſodaß ev wenigjtens vor Nahrungsjorgen gejchütst
war. Die Worte der Beltallung deuten jedoch auf ein lediglich per-
jönliches Verhältnis des Erzbiſchofs zum Meifter und fchliefen die An-
nahme einer fargen Belohnung für feine große Erfindung unbedingt
aus. Yange genoß Gutenberg feine Ruhe nicht mehr, denn er jtarb zu
Kapitel.) Gutenbergs Tod. Sein Charatterbild. 53
Anfang des Jahres 1468, wahrjcheinlich in ven letzten Tagen des Januar,
68 befundet wenigftens Konrad Humery in feiner Erklärung vom 24. Fe—
bruar 1468, daß der Erzbifchof ihn im Befite ver Druderei des ver-
ftorbenen Johann Gutenberg gelaffen habe.
So jpärlich nun auch die Quellen über den äußern Yebensgang und
die innere Entwidelung des Erfinders berichten, jo liefern doch die ge-
ringen auf die Nachwelt gefommenen Bruchitüde die wejentlichiten Züge
zu jeinem Gharafterbilve. Gleich in den erften Zeugniffen feiner Zeit-
genofjen erjcheint Gutenberg im vollen Yichte feiner fpätern Bedeutung
als hervorragender Technifer, vieljeitiger Künstler und ein in feiner Bil-
dung bereits fertiger Menſch. Da ift feine Spur von jener weltſchmerz—
lihen Zerfahrenbeit oder übervorteilten Großmut, welche jentimentale
Sejchichtspilettanten und Romanjchreiber dieſem willensftarfen, eifernen
und ſchließlich alle Hinverniffe befiegenden Genius angedichtet haben;
nein, in ihm tritt von Anfang an fein bloßer Projektenmacher, wie heute
der Ausorud lauten würde, jondern ein ſelbſtbewußter Charakter auf, der
genau weiß, was er will und was er kann. Weit großem geiftigen
Können vereinigte er eine gründliche Beherrichung der technifchen Einzel-
beiten und einen freien, ungetrübten Blick. Aus einem alten und reichen
Patrictergejchlecht einer Freien Reichsſtadt ſtammend, nimmt Gutenberg
durch Geburt und bürgerliche Stellung einen höhern und unbefangenern
Stanppunft ein als die zünftigen Meifter und Handwerker feiner Zeit.
Auch Die damaligen Univerfitäten jtehen ihm ebenjo fern, als fie fich
gegen das außerhalb ihrer ſcholaſtiſchen Hörſäle auffeimende neue Yeben
ängftlich abiperrten. Die Buchdruckerkunſt geht deshalb auch nicht ven
einer Univerfität aus, ſondern wird in einer freien Stadt zuerit geplant
und jpäter erfunden, und blüht ſodann in Städten, in welchen bürger-
liches Gewerbe, Handel und Kunft vorzugsweiſe die Thätigfeit der Ein—
wohner bilden.
Mag er durch eigene, mag er durch fremde Schuld vom Schickſal
bin und her gejchleudert werden, mag er mehr Niederlagen als Siege
im Kampfe mit dem Leben zu verzeichnen haben, dieſer tapfere Mann
nimmt immer von neuem jeine Idee wieder auf, welche ihn jahrzehnte:
lang im ihrem Bann hält. Im allen, ſelbſt ven jchwierigiten Yagen
bält ihn der frohe Mut ver Überzeugung von ihrer Ausführbarteit
aufrecht. Der Stern in jeiner Bruft, an den er felienfeit glaubt,
54 Charakterbild Gutenbergs. Erſtes
läßt ihn nicht ruhen, bis er den Siegespreis errungen hat. Was
wollen einem ſolchen Erfolge des Genius gegenüber die Heinen Nacken—
ichläge des Schickſals bedeuten, was wollen der Unſterblichkeit gegenüber
ein paar in Sorgen und Not verbrachte Jahre jagen? Gutenberg batte
eben feine Zeit, Geld zu verdienen, ev hatte wiel Befferes zu thun.
Trotzdem, daß er von Haufe aus wohlhabend, ja reich war, befand er
fich fast immer in Nöten, brauchte natürlich immer mehr, als er vor:
ausgejegt und zu verausgaben hatte, weil er, wie jeder Erfinder, jene
Voranjchläge zu niedrig machte und durch feine nicht hoch genug ge-
griffenen Korverungen jelbitrevend das Mißtrauen der Geſchäftsleute er-
weden mußte. Seine Schüler find unbedingt von feiner geiftigen über—
legenheit durchdrungen und halten das Fehlſchlagen jeiner Pläne für
unmöglich. „Es kann uns (mit Gutenberg) nicht mißlingen‘, jo er-
widert Andreas Drisehn auf die Eimvendungen feiner Nachbarn. Hans
Riffe fett fein vollſtes Vertrauen in den Meifter; die Erben, Gebrüder
Drisehn, ſuchen ibm ihre Aufnahme in den Gejellichaftsvertrag aufzu-
drängen. Die Hochachtung, mit welcher die Zeugen im Dritzehnſchen
Prozek von ihm jprecben, beweift, dar er damals ſchon ein Mann von
anerkannten Charakter, ein geborener Führer war, der durch feine Arbeit
und Erfolge ſich eine bedeutende perjönliche Stellung eriworben hatte und
mit der Macht jeiner Beredſamkeit auch den Beiftand Dritter bei ver
Ausführung feiner Pläne fich zu fichern verſtand. Nachdem er fein Ber:
mögen oder wenigjtens feine bereiten Mittel aufgezehrt hatte, nabın er
auch wohl zu verwegenen, noch heutzutage üblichen Künften einer ge
wagten Geldbeſchaffung jeine Zuflucht, indem ev Waren auf Kredit kaufte
und jofort gegen bar wieder verkaufte, jeine veichen Verwandten in Mit
leidenſchaft zog, oder gegen Pfand lich, bis er endlich bei ein paar reichen
Yenten die zur praftijchen Durchführung feiner Erfindung nötigen Kapi—
talien auftvieb. Dabei war er durchaus nicht leichtfinnig. Ehe er auf
Kredit Fauft, um durch fofortigen Wiederverfauf gegen bar Geld zu be-
ichaffen, erkundigt er fich genau nach ven Artikeln, welche eine jolche
Operation mit dem gerinaften Schaden ermöglichen. Als ipekulativer
Kopf weiß er ein gewinnbringendes Geſchäft jehr aut zu würdigen, wie
das die Spiegelanfertigung für die aachener Heiltumsfahrt beweift ; aber
als echtes Erfindergenie ift er wieder jo gleichgültig gegen den eigenen
materiellen Vorteil, daß er ſich ganz auf diejelbe Stufe mit feinen Lehr—
Kapitel.) Gutenbergs Eharafterbild. 55
lingen ftellt, welche nur ein paar hundert Gulden zu ven Herſtellungs—
fojten beitragen. Wäre Gutenberg während des Gejellichaftsvertrags
mit Riffe, Drisehn und Heilmann geftorben, jo hätten dieje, gegen Aus—
zahlung ven 100 Gulden an feine Erben, das ganze Gejchäftsinventar
an fich nehmen und jeine Erfindung als die ihrige ausbeuten fünnen.
Auch Fuſt gegenüber fühlte er fich jo ficher, daß er nicht einmal einen
Termin bejtimmte, bis zu welchem das Geld zurüdbezahlt werden follte.
Im Geiſte ſieht er nach Art aller großen Erfinder feine Pläne jchen
verwirklicht und bis ins einzelne gelungen, während er zu ihrer prafti-
jchen Durchführung noch die jehwerften Hinvderniffe zu überwinden hat.
Dabei muß er ein friiches umd leichtlebiges Blut. gewejen fein, dieſer
mainzer Patricierfohn, der ſchon jung in die Verbannung wandert, aber
immer den Kopf voll ſtolzer und kühner Entwürfe behält, das Vertrauen
anderer gewinnt, weil er jelbit Vertrauen zu feiner Sache hat und jeinen
Glauben jogar nüchternen Gejchäftsleuten einzuflößen weiß. Daß er ven
Wein nicht verachtete, ſondern in guter Sejellichaft zu trinken liebte, zeigt
ihn auch von jeiner gemütlichen Seite. Seine beiden neuen Geſell—
jchafter Andreas Drisehn und Andreas Heilmann inachen ihm ein paar
Fäſſer Wein zum Geſchenk, welche ev mit ihnen in feiner damaligen
Wohnung im Kloſter Arbogaft leerte. Sie verkehren freundfchaftlich
mit ibm, eſſen ohne jede Vergütung an jeinem Tiſch, ruhen mit ihm
von des Tages Arbeit aus und verehren in ihm ftets den Höher—
jtehenven, den Meifter. Es gehört feine große Einbildungskraft dazu,
fich dieſes Zuſammenleben auszumalen, wie es denn auch ein Beweis
für die Milde und Freundlichkeit jeines Wejens ift, daß der erprobte
Diener Yorenz Beildeck troß aller Not und Sorge treu bei jeinem Herrn
aushält.
Sutenbergs Erfindung iſt — und das kann nicht genug hervor—
gehoben werden — nicht die Verbejjerung einer alten unvollfommenen
Einrichtung, fondern vielmehr eine ganz neue Kunft, aus welcher wieder
zabfreiche, bisher nicht gekannte Gewerbe und Gejchäfte mit den viel-
fältigften Intereffen hervorgehen. Es ijt nicht in erſter Yinie ein quans
titativer, als vielmehr ein wichtiger qualitativer Unterſchied, ob die ver:
einzefte mühjame Abjchrift des Sklaven over Mönche durch den Hand—
ichriftenhändfer ihren Weg in die nächſten Kreije findet, oder ob die
tanjendfache gleichartige Vervielfältigung eines und besjelben Buches
56 Bedeutung der Erfindung. [Erftes
durch die Preife in alle Welt dringt; es ift ein gewaltiger Unterjchied,
ob in ein paar Dutzend Welt: und Handelsſtädten, Klöftern und Univer:
fitäten einige taufend Schreiber arbeiten, oder ob dieje örtliche handwerks—
mäßige Gebundenheit durch eine univerjale, bis ans Ende der Welt
dringende, ungebundene Kunft millionenfach geiteigert und überflügelt
wird. Ding bis zum Ausgang des Mittelalters die litterariiche Pro-
duftion und ihre Verbreitung mehr von Yaune und Zufall ab, jo jchufen
Buchdruck und Buchhandel in verhältnismäßig furzer Zeit wie auf Ver:
abredung eine methodische Verteilung und Solidarität der geiftigen Ar:
beit, einen täglich wachjenven Grundſtock von Bildung und zogen all:
mäblich alle Gebiete des Wiffens in den Kreis des geiftigen Verkehrs.
Gerade die Einfachheit der Erfindung beweift ihre Größe, denn das
Einfachjte ift immer das Größte und Schwerjte. Gutenberg bezeichnet
deshalb durch maffenhafte Herftellung und Vertrieb von Büchern eine
noch viel tiefer einjchneidende Revolution in der Entwidelungsgejchichte
der Menjchbeit, als fie ver heutige Dampfer oder die moderne Yofo:
motive im Verhältnis zum Nuderboot, over zum homerijchen Fuhr—
mann, oder felbjt zum ſchnellſten Roß des Ritters bewirkt haben. Die
Preſſe läßt fich überhaupt ven VBervielfältigungsmitteln früherer Perioden
nur entgegenftellen, nicht damit vergleichen. Man darf von der Ähnlich
feit mancher äußern GErjcheinung nicht auf die Übereinftimmung und
Gleichheit ver Vorausſetzungen jebliefen, welche ven alten und mittel:
alterlichen Handſchriftenhandel beberricht haben und ven modernen Buch-
handel beherrichen. Die diefem voraufgegangene Epoche hatte nur Surro—
gute für den Buchdruck und Buchhandel.
Gutenberg und jeine erjten Schüler lehnten fich natürlich an ven
herrſchenden Geſchmack und das einzige für fie maßgebende Vorbild an,
indem ſie in ihren Dmuptoruden vie bejfern Danpjchriften jo täuſchend
als möglich nachahmten. In ihnen war die jogenannte Miffal: (große
gotische) Type fat ausjchlieflich vorberrichend, weil Priefter und Yaien
aller Länder jeit Hunderten von Jahren an die mit diefer Schrift ge—
ichriebenen Bibeln, SHoffarien, Poftillen und Meßbücher gewöhnt waren.
Das Format war bei Bibeln, Kirchenvätern und theologiſchen Schriften
meiftenteil® groß Folio (Regal), weil man auch in der äußern Gr:
ſcheinung die Größe des Autors anzudeuten ſuchte. Dieje Vorbilder
juchte Die neue Kunſt nicht bloß zu erreichen, ſondern durch ebenjo gute,
Kapitel.) Äußeres der erften Drude. 57
wenn nicht bejfere Ausführung, dasjelbe Format und einen geringern
Preis in den Schatten zu ftellen. Der Haupteinwand gegen gedruckte
Bücher ging nämlich anfangs dahin, daR Die gejchriebenen jchöner,
reicher und glänzenver jeien. Wollte der Buchorud Erfolg haben, fo
mußte er mit ver Schönheit der Hanpjchrift den Wettkampf aufnehmen.
Es fam aljo darauf an, einerjeits den vorurteilsvollen und vornehmen
Bücherfreunden den Beweis für die Trefflichfeit und Cbenbürtigfeit ber
neuen Erfindung zu liefern, andererjeits aber ärmern Käufern gegenüber
die größere Wohffeilheit und die Überlegenheit des Typendrucks dar—
zuthun. Diefem Kampfe mit den Handſchriften find die vorzüglichen
typographiſchen Yeiftungen der erjten Zeit zu verbanfen, welche noch
heute die Bewunderung des Kenners eriweden.
Der Schnitt der Buchftaben der jechsundpreißigzeiligen Bibel und
des Pialteriums z. B. ftimmt auch im Größe und Umfang mit den
Mepbüchern jener Zeit überein. Die diejen eigentümlichen prächtigen
Initialen in Gold und bunten Farben und die in Karmin ausgeführte
Yiniirung der einzelnen Zeilen dev Prachteremplare wurden, um fie an—
ziehender und verfüuflicher zu machen, ven Dandjchriften entnommen,
die Anfangsbuchitaben aber an der betreffenden Stelle durch Fleinern
Druck over Schrift für den Slluminator angedeutet. Man trifft des—
halb in jehr vielen Inkunabeln vielfach noch nicht ausgemalte Ini—
tialen. Wie die Schreiber nach Vollendung ihrer mühjamen Arbeit
bäufig in dem Kolophon (Schlußichrift) ihren Namen und einige Worte
ver Befriedigung oder des Danfes binzufügten, jo finden fich auch in
den erjten Büchern derartige Schlußbemerkungen, die über den Druder,
den Ort und die Zeit nähere, meift jehr ruhmredige, wenn nicht, wie
bei Schöffer, verlogene Auskunft geben. Das Format war meift groß
Quart oder Folio, das Papier jelbjt aber, ähnlich wie die mittelalterliche
Quaterne u. j. w., in eine Yage von Drei, vier oder mehr inein—
andergejchlagenen Bogen gefaltet. Wiewohl viele geichriebene Codices
des Mittelalters bereits Cuſtoden, Signaturen, Rubrifen und Blatt:
zahlen aufweijen, fannten die eriten Prekerzeugniffe weder bie einen
noch die andern: Custos (auch Reklame genannt, engliſch Catch-word)
nennt man das unten am Ende einer Blattſeite ſtehende erſte Wort ver
folgenden Blattjeite. Er deutet die Ordnung an, in welcher die Blätter
aufeinander folgen, und war fajt unentbehrlich, jolange man feine Signa-
58 Äußeres der erſten Drude. Erſtes
turen verwandte. Dieſe ſcheinen zuerſt von Johann Köhlhoff in Köln ſeit
1472 angewandt worden zu ſein und ſind numerierte Buchſtaben, ſpäter
Zahlen, welche unten auf der Schöndruckſeite der erſten Blätter einer
jeven Yage oder eines jeden zujammengefalteten Bogens ftehen; fie laufen
jtets bis zum eriten Blatt der zweiten Hälfte einer Yage, ſodaß eine
Tolioquaterne A mit A 1—5 figniert ift, während die drei lettten Blätter
feine Signaturen tragen. Sie bezeichnen die Ordnung, in welcher die
Bogen aufeinander folgen. Man findet jie zwar ſchon in den xylo—
graphifchen Bilderbüchern, fowie in Manuffripten, aber fie mangeln
in den älteften Druden, find bier nur manchmal, vielleicht oft, am
unterjten Rande der Blätter handjchriftlich Hinzugefügt worden; ver
Hobel des Buchbinvers hat fie beim Beſchneiden nur meist entfernt.
Vielfach brachte dann, und zwar bis in die Mitte des 16. Jahrhunderte
hinein, der Schluß des Bandes ein „Registrum chartarum“ (fran:
zöfijch Registre) mit Angabe, ob die Signaturen Quaternen, Quin—
ternen u. ſ. w. feien, um dem Käufer, beziehungsweife Buchbinder, Das
Kollationieren des Buchs zu ermöglichen. Unter Rubriken verftcht man
die Überjehriften und Inhaltsangaben ver Kapitel, weil diefelben in den
Manuffripten und den älteften Druchverfen mit voter Farbe eingejchrieben,
in den leßtern wenigitens noch markiert wurden. Das Yebtere gejchab
auch bezüglich der großen Verjal-Buchjtaben im Tert.
Wenpelin von Speier führte 1470 in Venedig ven Gebrauch der
Cuſtoden ein und Arnold Ter Hoernen 1471 in Köln (nach andern Anton
Sorg in Augsburg) die Blattzahlen. Dagegen brachten ſchon Die erjten
Druder in der Regel die Rubriken und jchloffen fich auch in der Inter:
punftion unbedingt dem Beijpiel und Vorgang der Handſchriften an.
In die jechsundoreifigzeilige Bibel der wiener Bibliothek find Die
Interpunftionen, zum Teil jogar erſt nachträglich, in den Jahren 1487
und 1580 eingejchrieben worden.
Es iſt ans allen Diefen Gründen ein Irrtum, wenn man heutzutage
vielfach annimmt, daß es mit jener Anlehnung an die Echönjchreiber
auf eine Täufchung der Bücherkäufer abgejeben gewejen fei, um fich von
ihnen die Drude ebenjo teuer wie die Danpichriften bezahlen zu laſſen.
Jedenfalls hätte ein jolcher Betrug nicht lange unentvedt bleiben können,
denn die Käufer waren durchaus nicht jo unerfahren in fünftleriichen
Dingen, als daß fie fih jo plump hätten betrügen laſſen. Zudem
Kapitel.) Aufnahme der Kunſt jeitens der Bücherfreunde. 59
liefern die Beftellungen, welche einzelne Klöſter ſchon Schöffer und
jpätern Drudern zur Anfertigung von Prachtimiffalen und Breviarien
erteilten, ven beiten Beweis für die Ihatjache, daß die bücherfaufenden
Kenner von Anfang an die Herjtellung der Yurusprude ſchon in ihren
fleinjten Einzelheiten kannten.
Wie aber verhielten fich die damaligen privifegierten Klaffen, die
Seiftlichen und der Adel, die Gelehrten und Reichen zur neuen Er—
findung? Die Bücherfreunde zumächit begegneten ihr mit demjelben
Miftrauen und Übelwollen, welches die in ihrem bisherigen Beſitz ge-
jtörten over bedrohten Gewerbe, namentlich die Schreiber, Formſchneider
und Kartenmaler jo lange gegen fie hegten, als fie fich noch nicht von
ver Semeinjamfeit ihrer Intereffen mit denen der Druder zu überzeugen
vermochten. Die reichen Biücherliebbaber zunächſt hatten gerade, wie
ſchon erwähnt, zur Zeit des erjten Auftretens der Buchdruderfunft und
noch bis gegen das Ende des 15. Jahrhunderts eine bejondere Vorliebe
für die Sammlung von koſtbaren Bibliotheken, für die Mufterleiftungen
ver Schönjchreiber. So fpotteten denn auch die Abgejandten des Kar:
dinals Beſſarion, als fie bei Konitantin Yasfaris Das erſte gedruckte
Buch jahen, über die bei „ven Barbaren in einer Stadt Deutſchlands“
gemachte Erfindung. Veſpaſiano de Bifticei jagt 1482 mit einer ge
wijjen gewerbsmäßigen Abneigung des alten Handſchriftenhändlers von
ven Schäten der Urbinifchen Bibliothek: „Im ihr find alle Binde von
untadelhafter Schönheit, mit zierlichen Miniaturen, jüntlich auf Perga—
ment mit der Hand geichricben. Kein gedructes Buch findet fi dar—
unter: der Herzog Federigo würde fich eines jolchen geſchämt haben.“ 37
Man verachtete eben zum Teil die neue Kunft als gewöhnliches Hand—
werf, welches nur Bücher ohne Schmuck zu liefern vermöge. Die Hand—
jcehrift galt deshalb, zugleich auch weil fie teuerer und weniger zugäng-
lih war, ald vornehmer, So kommen denn noch Jahrzehnte nach Aus:
gabe der erjten gedruckten Bücher reich ausgejtattete Manuffripte vor,
namentlich italieniſche und franzöſiſche Gebet- und Erbauungsbücher
(Horae, Heures). In der baſeler Bibliothek befindet ſich unter anderm
ein prachtvolles, auf Pergament geſchriebenes und mit herrlichen Minia—
turen und Initialen geſchmücktes Exemplar des Virgil, welches Johann
Heynlein de Lapide ſich hatte anfertigen laſſen, als die von Schweinheim
und Pannartz auf Pergament gedruckte Ausgabe desſelben Dichters ſchon
60 Anfängliche Stellung der Kirche zur Kunft. Erſtes
vergriffen war. Auch in Deutſchland wurden manche gedruckte Bücher,
wie z. B. die Werke der Roswitha, das „Chronicon Urspergense“
immer wieder abgeſchrieben, vorzüglich aber waren es die großen Chor—
bücher, welche noch lange Zeit, bis in das 18. Jahrhundert hinein, mit
der Hand angefertigt wurden, ſo z. B. 1489 und 1490 das berühmte,
in der augsburger Stadtbibliothek befindliche „Graduale pro choro“
von dem bereits erwähnten Leonhard Wagner, einem der bedeutendſten
Schönſchreiber aller Zeiten, oder das jetzt in der Ambraſer Sammlung
aufbewahrte prächtige „Graduale“, welches Jakob von Olmütz 1499 und
1500 anfertigte. ?° Johann Trithemius, Abt von Sponheim, jchreibt in
einem an ven Abt Gerlach von Deut gerichteten und 1494 in Main;
gebrudten Briefe „De laude scriptorum manualium”: „Die Ecrift
auf Pergament kann 1000 Jahre halten, dagegen ift es ſchon viel, wenn
das auf Papier Gedruckte 200 Jahre hält. Nicht alle Bücher find ge:
druckt; die nicht gedruckten müſſen abgejchrieben werden. Wer wegen
der Buchdruckerkunſt aufhört zu fehreiben, iſt nie ein wahrer Bücher:
liebhaber gewejen, weil er, nur die Gegenwart beachtend, nicht für die
Erbauung der Nachtommen forgt. Endlich vernachläffigt der Drud ge:
wöhnlich die Schönheit und ſchmuckvolle Ausstattung der Bücher, wäh—
rend die Schrift größere Sorgfalt darauf verwendet.” 3? Es dauerte
übrigens nur wenige Jahrzehnte, bis ver von diefer Seite kommende
Widerſpruch gegen die neue Kunſt durch deren vortreffliche Leiſtungen
zum Schweigen gebracht wurde.
Umgekehrt brachte Rom der Erfindung anfangs ein fürderndes Wohl:
wollen entgegen und trug mächtig zu ihrer allgemeinen Berbreitung bei.
Die katholische Kirche fühlte fich zu jener Zeit noch jo ficher im Beſitz
ihrer Derrichaft über die Gemüter und ihrer weltgebietenden Stellung,
daß ihr jeder Gedanke einer möglichen Gefahr fern lag. Die damaligen
Päpite, Väter und Söhne der Renaiffance, huldigten dem heitern Yebens-
genuß und ber Freigeiiterei, unterſtützten die Pflege der Künſte und Wiffen-
chaften und jchwärmten fir die Wiederbelebung des klaſſiſchen Alter:
tums, deſſen Werfe ſie jelbit und ihre Kardinäle durch die nenerfundene
Preſſe fürderten. „Die neuen Vorjtellungen (Stubium der Alten)“ —
jagt Hegel ©. 495 in feiner „Philoſophie der Geſchichte“ — „fanden
ein Dauptmittel zu ihrer Verbreitung in der eben erfundenen Buch-
druckerkunſt, welche, wie das Mittel des Schiehpulvers, dem modernen
Kapitel.] Anfängliche Stellung der Kirche zur Kunſt. 61
Charakter entipricht, und dem. Bedürfnis, auf eine iveelle Weije mit-
einander in Zujfammenbang zu jtehen, entgegengefommen ijt. Inſofern
jib in dem Studium der Alten die Yiebe zu menjchlichen Thaten und
Tugenden kundthut, bat die Kirche daran noch fein Arges gehabt und
jie bat nicht bemerkt, daß in jenen fremven Werfen ihr ein ganz fremdes
Prinzip entgegentrat.” Es war aljo ein jehr glüdlicher Umftand, daß
pie Buchpruderfunft unter dem Pontififat des gelchrten und umfichtigen
Sörderers der Wiffenjchaften, des eifrigen Bücherjammlers Nikolaus V.
(1447 bis 1455) erfunden und zuerjt ausgeübt wurde. Auch jeine un—
mittelbaren Nachfolger, darunter namentlich Pius II. (1458 bis 1464),
Sirtus IV. (1471 bis 1484), Alerander VI. (1492 bis 1505), Yulius LI.
(1503 bis 1513) und Yeo X. (1513 bis 1522), zum großen Teil pracht-
fiebende, freigeijtige, ja fittlich verworfene und verbrecherifche, aber ftets
flug ihren Vorteil berechnende, bedeutende Kirchenfürften, welche mehr
im Geifte römischer Imiperatoren, denn als Väter der Chriſtenheit
regierten, erfannten den hohen Wert der Preſſe, als des beiten Mittels
zur Behauptung und Ausbreitung ihrer Herrichaft, und fahten vorzugs-
weije die eine Ihatjache ins Auge, daß bei dem damaligen verderbten
Charakter des Klerus das geprudte Wort über die engen Mauern ber
Klöfter und Kirchen hinaus überzeugenvder und zündender zu weit größern
Maffen von Gläubigen veven könnte als das gejprochene.
Wenn num bereits die bildende Kunſt der Renaiſſance gezeigt hatte und
täglich mehr zeigte, daß der durch die Antife verevelte Geſchmack fich feines-
wegs von den Überlieferungen ver Kirche abgewandt, jondern, durch das
Studium der Alten gehoben, deren Helden und Mythen noch vergeiftigt
und veredelt hatte, jo fonnte auch der Buchdruck den oberflächlich und
leichtfinnig denfenden Würdenträgern der Kirche um jo weniger ernftliche
Berenfen erregen. Hatte er doch im jeiner erjten praftijchen Yeiftung,
den zu Anfang der fünfziger Jahre von Gutenberg geprudten Ablaf-
briefen, den vollgültigen Beweis für jeine Brauchbarfeit geliefert und lieh
er fich doch ebenjo gut zur Uniformierung des Gedankens, zur beffern
Beaufjichtigung der firchlichen Lehrſätze und zur Ausjchliefung fegerijcher
Anfichten, furz zur Förderung geiftlicher Zwede überhaupt verwenden,
Aber es fam anders!
Wie die Püpfte, jo erwieſen jich auch die damaligen Kardinäfe und
jenjtigen vornehmen italieniſchen Geiftlichen als eifrige Förderer der Budh-
62 Anerkennung jeitens des Klerus, [Erftes
drudereien; ja fie gehörten zu denjenigen, welche die erjten deutſchen
Druder nah Italien riefen, Auch der hohe veutjche Klerus ſtand den
römijchen Karpinälen an Anerkennung und Gifer für die neue Kunſt
nicht nach. Berthold von Henneberg, Kurfürſt von Mainz, nannte fie
die divina ars imprimendi. Sein Nachfolger, Albrecht von Branven-
burg, förderte namentlich vor der Reformation den Bücherdruck nach
Kräften. Die mittlere und niedere Geiftlichfeit ftand in der Würdigung
ver Erfindung, als Mittel ver Belehrung, hinter dem hoben Klerus
ebenfalls nicht zurüd. „Die in Mainz erfundene Buchdruckerkunſt“ —
jchreibt der Kartäuſermönch Werner Rolewind in jeinem Abriß der
Weltgejebichte (Fasciculus temporum) — „iſt die Kunſt der Künjte,
die Wiffenjchaft der Wiffenjchaften, durch deren rajche Ausbreitung die
Welt mit einem herrlichen, bisher verborgenen Schatze von Wiſſen be-
reichert und erleuchtet worden iſt.“ Johann Naucler, der erjte Rektor
der tübinger Hochſchule, preift die neue Kunſt, „weil jet jo zahlreiche
Autoren in drei Sprachen (lateinisch, griechiſch und hebräiſch), jo viele
Zeugniffe für den chrijtlichen Glauben, jo viele wie nen erjtandene Werfe
zu haben find, daR ich glauben möchte, ver Welt ſei dies Gejchenf von
Gott gegeben.” Felix Fabri, Dominifaner in Ulm, bemerkt in jeiner
„Historia Suevorum“ zum Sabre 1459, daß es feine Kunſt im ver
Welt gebe, welche würdiger, löblicher, nüßlicher, ja göttlicher und heiliger
jein fünne, als die in Mainz erfundene Buchdruckerkunſt.““ Kartäuſer—
und Minoritenmönche waren die gelehrten Mitarbeiter und Korreftoren
der erjten großen bafeler Buchoruder. Die Brüder vom gemeinjamen
Yeben gingen jehon 1468 vom Abjchreiben und Illuminieren von Hand—
jchriften zum Buchorud über; ihnen war die Kunſt die Yehrerin aller
Künfte zum Beten der Stirche. Um ven Bücherdruck für ihre Zwecke
wirkſam auszubeuten, lernten Mönche das Setzen und errichteten Drude-
reien in den Klöftern, wie 3. B. die Benediftiner, So fanden fich deutjche
Stlojterdrudereien in Straßburg bei ven Kartäuſern und in Augsburg
zu St. Ulrich und Afra, in Erfurt zu St. Peter, in Magveburg, Marien-
thal im Rheingau, in Nürnberg und Roſtock, alfo in Orten, wo bejon-
ders die Schreibfunt gepflegt und zu einem hohen Grade der Volltom-
menbeit gelangt war. Da mn die Druder des 15. Jahrhunderts faſt
ausſchließlich für die Befriedigung des litterarijchen Bedürfniſſes ver
Seijtlichkeit jorgten, da fie namentlich die Bibel, Katechismen, Mer:
Kapitel.] Wandlung nach Auftreten des Humanismus. 63
und Schulbücher abdruckten und ftets neu auflegten, jo ficherten fie fich
auch die Freundſchaft und Unterftügung des lehrenden Klerus und feiner
Schüler, der Stuventen und der Gelehrten, die fich fortan mit dem
mübjamen Abjchreiben der Terte und Handbücher nicht mehr abzumühen
brauchten. Wenn ſchon gleih im Anfang der Ausübung der Kunſt ein
Prachtdruck fünfmal und beim Eintritt in das letzte Viertel des 15. Jahr—
bunverts jelbjt achtmal billiger herzuſtellen war als eine ſchön illu—
minierte Hanpdjchrift vesjelben Werkes, jo verringerte fich dies Verhältnis
in den gewöhnlichen Ausgaben um das Zwanzig: und Dreifigfache; ver
Gewinn aber fam ver Bildung und Wiffenjchaft zugute.
Diejes für beide Teile günjtige Verhältnis änderte fich jedoch in dem
Augenblid, in welchen die Humaniften, länger als ein Menſchenalter
vor der Reformation, die Autorität der Kirche und die Unfehlbarfeit des
Papſtes angriffen. Natürlich blieb Rom die Antwort nicht jchulvig.
Fortan eiferten übereinjtimmend hohe und niedere Geiftliche „gegen die
boshaften oder unflugen Menjchen, welche die Buchoruderfunft zur Ver:
wirrung der Geifter mißbrauchten, gegen die faljchen Erflärer der Heili-
gen Schrift, welche nur ihr eigenes Yicht leuchten laſſen wollten“; jett
entdedten fie plößlich, daß alle Irrlehren durch die falſche Auslegung
der Bibel entjtanden jeien‘, und verboten deren fernere Verbreitung, da
Das umerfahrene Volk an der Lektüre der Heiligen Schrift Ärgernis
nehmen würde.“! Kurz, die berrichende Kirche bejann fich auf ihren
eigentlichen Charakter und verfolgte nun die von ihr unabhängige Preſſe.
Allein es war zu jpät. Als Nom die riefige Kraft der unſcheinbar
und bejcheiden ins Yeben getretenen Macht voll zu würdigen anfing, lieh
ſich ihr Siegeszug nicht mehr hemmen. Die vatifanijchen Blitze zün—
deten nicht mehr.
Im Gegenjat zu diejen vornehmen und nach außen hin jogar müch-
tigen Feinden war der Umſchwung der Geifter ein jo gewaltiger, ber
Lern- und Bildungstrieb infolge der Erſchließung des lateinijchen und
griechijchen Altertums ein jo veger, das Verlangen nach litterarijchen
Hilfsmitteln ein jo lebhaftes, daß auch äußerlich die Handſchriftenhändler
piejem allgemein gefühlten Bedürfnis nicht mehr genügen konnten und
dag alle in ihren Fleinen Intereffen nicht bedrohten Volksklaſſen der Er-
findung Gutenbergs freudig entgegenjauchzten. Die tiefe geiftige Um:
wälzung ließ ficb nicht mehr bannen. Die Menjchbeit fing am, fich
64 Der 28. Dftober 1462. [Erjte3 Kapitel.)
wieder auf fich jelbit zu befinnen und fich wiederzufinden. In diejem
Entwidelungsprozeß fiel dem Buchdrud gleich eine wichtige und ent-
jcheidende, wenn nicht die wichtigjte und entjcheidenpjte Rolle zu. Er
bethätigte fich von jeinem erjten Auftreten an als ver beveutenpfte Träger
der menjchlichen Gefittung, übernahm ven geijtigen Verkehr unter ven
verjchievenen Nationen der Erde und entwicelte eine, die Geifteserzeug:
niffe der ganzen gebildeten Welt umfaffende, vieljeitige Thätigkeit.
Der Buchdruck beruht auf der unbejchränften Thätigfeit freier Männer,
auf der Ausübung einer Stunt, welche vom Tage ihrer Erfindung an,
im Gegenſatz zum gebundenen Handwerk, jtets als eine freie und löb—
liche bezeichnet wurde. Es ift deshalb die Ehre und Würde ver freien
Arbeit, welche dem Buchdruck ſchon im Zeitalter der Zünfte jeinen be-
vorzugten Charakter verlieh; es ijt die hervorragende Mitarbeit an Der
geiftigen Entwidelung des Volkes, welche ihn ſchon in jeinen erjten An-
füngen über das Handwerk und zu einem gewaltigen Kulturförderer er-
bob. Als jolcher trug er denn auch im Verein mit andern jegensreichen
Erfindungen und Entvefungen mächtig dazu bei, das mittelalterliche
Europa einer freiern Auffaffung des geiftigen und firchlichen Yebens ent-
gegenzuführen, jowie neue Bildungsanjüge zu weden und zu fördern.
Auf Stunde, Tag und Jahr fogar läßt fich der Anfang feiner erfolg-
reichen Arbeit feitjegen. Es war am 28. Oftober 1462, als der neue
mainzer Erzbifchof Adolf von Naſſau durch die Plünderung der Stadt
auch die dortigen Setzer und Druder zur Flucht zwang. Wenn dieje
früher wirflich gelobt hatten, „ſolch edle Gab Gottes“ (Die Buchdrucker—
kunst) „jorgfältig geheim und vwerjchwiegen zu haften“, jo erachteten fie
ſich jest felbftrevdend durch ihren Schwur nicht mehr für gebunden, jon-
dern trugen ihr Wilfen und Können im alle Welt und lehrten alfe
Völker.
Zweites Kapitel.
Die Ausbreitung der neuen Kunſt in Dentichland.
Städte und Bürgertum. — Mainz. Johann Fuſt und Peter Schöffer. Die
andern mainzer Firmen bis 1622, — Bamberg. — Straßburg Johann
Mentel. Heinrich Eggeftein. Ihre Nachfolger. Adolf Ruſch. Johann Grüninger.
— Köln. Ulrich Zell. Druder des 15. Jahrhunderts, Gottfried Hittorp. Franz
Birdmann und jeine Nachfolger. Johann Gymnicus und feine Nachfolger. —
Bajel. Bedeutung der Stadt. Beteiligung des Kapitals, Berthold Nuppel. Buch—
druderftrife. Michael Wenszler. Bernhard Richel. Johann Amerbach. Kleinere
Buchdruder. Johann Froben. Frobens Nachfolger. Die Familie Petri, Johann
Dporin. — Zürich. Chriſtoph Froſchauer. — Augsburg. Günther Zainer und
die älteften Druder. Johann Bämler und Anton Sorg. Hans Schönjperger.
Erhard Natdolt. Johann Rynmann. Heinrich Steiner. Ad insigne Pinus, —
Ulm. — Nürnberg. Die erjten Druder. Anton Koberger. Die Heinern Buch—
druder. — Die „Brüder vom gemeinjamen Leben“. — Leipzig. Kunz Kachelofen.
Pantzſchmanns Buchhandel. Nidel Wolrabe. Ernft Bögelin. Henning Große. —
Wien. Hieronymus Bietor und Hans Singriner. — Magdeburg. Bruder ber
Reformationszeit. — Tübingen. Thomas Anshelm. Slawiſcher Bücherdrud. —
Wittenberg. Melchior Lotter. Hans Lufft. — Die Heinern Drudftätten.
Die Erfindung und Ausbreitung der Buchoruderfunft trifft mit der
Ylüte und dem Neichtum der veutjchen Städte zujammen. Seit bieje
von der Naturalwirtjchaft zur Gelpwirtjchaft übergegangen waren, hatten
jih ihre Gewerbthätigfeit und ihr Handel mit jevem Tage mehr ge-
hoben. Fürſten und Ritter, welche ihre Kraft im Kriegszügen und
ehren nutlos vergeudeten, verarmten und wurden finanziell täglich
mehr von ihnen abhängig. Zugleich verlor der Adel durch die neue
Kriegführung an militärijcher Beveutung und politiſchem Einfluß; das
Bürgertum aber entwidelte ſich dejto mächtiger und ftolzer. Die Folgen
per portugiefichen und jpanifchen Entdeckungen, welche die völlige Um—
Rapp. I 5
66 Die deutichen Städte. (Zweites
gejtaltung des Großbanvels herbeiführen jollten, wurden erſt im Yaufe
des 16. Jahrhunderts in Deutjchland fühlbar; die ſtädtiſche Politif aber,
welche, großen ftaatlichen Gefichtspunften unzugänglich, nicht über ihre
eigenen Stadt: und Standesgrenzen hinausging, war noch nicht auf Die
Probe geitellt worden. Die von tüchtiger, fittliher Gefinnung erfüllten
freien Männer der Reichsftänte mit ihrer Welterfahrung und ihrem
Weltverfehr, ihrem Kunſtſinn und ihrer Bildung ſtanden auch geiftig
über den fleinen Yandesherren, ven rohen Junkern und wenig gebildeten
Seiftlichen. Alles was damals in Kunſt und Wilfenjchaft Schönes und
Yebensfräftiges in Dentjchland hervorgebracht wurde, hatte im Bürger—
tum jeine Wiege und jeinen Stütpumnft.
Natürlich fand diefem Verhältnis entſprechend die neue Kunſt auch
den Boden für ihre Aufnahme in den Reichsſtädten bereits günftig vor—
bereitet. Das wirtichaftliche, politijche und geiftige Leben des deutſchen
Bolfes wurzelte damals in der ober- und niederrheinijchen Tiefebene,
namentlich im jüinweftlichen Winfel des Neiches zwijchen Baſel um
Mainz, und zweigte ſich von diejen Städten aus nach rechts und linfs ab,
während die Elbe jo ziemlich die öftliche Yandesgrenze bildete und Wien
nebjt Ofterreich nur in einem lojen Zuſammenhang mit dem eigentlichen
Deutſchland ſtand. Erjt infolge ver Reformation rüdte die Entwide-
fung allmählich in nordöſtlicher Richtung nach Sacjen und Branden-
Yandjtädtchen, und der größte Teil des heutigen Oſtens, das Königreich
Preußen, vegetierte noch in urjprünglicher Roheit dahin. Südweſtdeutſch—
fand lieferte eine der Dauptwaffen für ven geiftigen Kampf; allein Norv-
oſtdeutſchland handhabte fie auf die Dauer einfichtiger und nachhaltiger.
Zunächit drang die Buchdruderfunft auf ver alten Handels— und
Kulturſtraße des Rheins in die verjehiedenften Teile Deutjchlande. Von
Mainz aus erreichte fie, ftromanfwärts ziehend, zuerft Strakburg, ge
langte dann jtromabwärts nach Köln und bürgerte jich wenige Sabre
jpäter in Bajel, Augsburg, Ulm und Nürnberg ein. Ziemlich zu der-
jelben Zeit trugen fie aber Schüler Gutenbergs auch in das Ausland.
Es iſt werner möglich noch nötig, in der num folgenden Darftellung
die Namen und Peiftungen ſämtlicher Druder und Berleger einer Stadt
oder Yandjchbaft aufzuzäblen. Es gemügt vielmehr, die bedeutendſten aus
ihnen beranszugreifen und ihren Einfluß auf die Entwidelung des Se:
Kapitel.} Mainz: Fuft und Schöffer. 67
ſchäfts und das Zeitalter überhaupt nachzuweiſen. Diejer Nachweis aber
fann nur Da geführt werden, wo, wie bei den großen Firmen, bejtimmte
Thatſachen und Anbaltspunfte vorliegen, während die Namen der Kleinen
jo ziemlich alles find, was von ihnen auf die Nachwelt gefommen tft,
Nicht die bloße Quantität, die Zahl, ſondern die Qualität, der Geiſt,
iſt e8, welche den Gharalter einer Epoche bejtimmen. Zudem fommen
bier nicht jowohl die Drucder überhaupt, als vielmehr nur diejenigen
in Betracht, welche von Anfang an zugleich Buchhändler find.
In erfter Yinie jteht alje:
1. Mainz,
die Stadt, im welcher ver Buchdruck erfunden war und in welcher wäh—
rend des ganzen 15. Jahrhunderts Fuſt und Schöffer ihn gejchäftsmäßig
ausbeuteten.
Der reiche und unternehmenve Fuſt wirde jeinen Prozeß gegen
Gutenberg gar nicht angefangen haben, wenn er nicht gewußt hätte, daß
Geld in dem praftijchen Betriebe der neuen Kunſt ſteckte. Nachdem er
aljo durch Urteil vom 6. November 1455 in den Befit der Preſſen ge-
langt war, jette er dieje jofort in Thätigfeit. Einen äußerft brauch—
baren Gehilfen und Mitarbeiter fand er in Peter Schäffer, der zwiſchen
1420 und 1430 in Gernsheim a. Rh. geboren war und in Paris als
Schönjchreiber, Illuminator und Handſchriftenhändler vorgebilvet, furz vor
1455 nad Mainz zurücgefehrt jein muß. Noch während ver Verbindung
Gutenbergs mit Fuſt jcheint Schäffer als Setzer, Abjchreiber oder Zeichner
in deren Dienjten geitanden zu haben.! Fuſt gab, als er jelbitäindig
zu arbeiten anfing, dem fähigen Gehilfen nicht allein jeine Tochter zur
Frau, jondern nahm ihn auch als Teilhaber in jein Gejchäft auf, welches
er in ſein neuerworbenes Haus „Zum Humbrecht“ in der Quentinsgaffe
verlegte. Beide Männer waren natürlich Gutenberg als Gejchäftslente
überfegen und paften, von nicht zu großer Sewifjenhaftigteit, aber von
um jo regerm Grwerbjinn bejeelt, ganz vortrefflich zueinander. Gleich
das erjte Berlagswerf, welches am 14. Auguſt 1457 aus ihrer Offizin
bervorging, iſt das prachtvolle, mit großen Deiffaltypen auf Pergament
gevrudte „Psalterium“, eine typographijche Wiedergabe ver gejchriebenen
Chorbücher, und beweift jowehl ihren guten Geſchmack, als auch ihren
klugen Unternehmungsgeift, da es im Auftrage zweier mainzer Klöſter,
5*
68 Mainz: Fuſt und Schöffer. [Zmeites
aljo ohne Gefahr für die Druder, bergeftellt wurde. Der gejchäftliche
Erfolg diejes Werfes war ein jo glänzenver, daß bereits zwei Jahre
jpäter eine neue Auflage veranftaltet werden mußte. Während der Er-
finder Gutenberg verarmt war, verftanden es die beiden Gejchäftsleute
Fuſt und Schäffer ganz vorzüglich, die Früchte des Baumes zu ernten,
welchen ein anderer gepflanzt hatte. Das „Psalterium‘ ift übrigens
das erjte Druckwerk, auf welchem Tag, Jahr und Namen des Druders
angegeben find. Nach Fuſts Tode wurde e8 von Schöffer noch zweimal
in den Jahren 1490 und 1502 und fpäter von beffen Sohn Johann
ebenfalls noch zweimal in den Jahren 1515 und 1516 verlegt. Bis
zum Eintritt der mainzer Kataſtrophe druckten Fuſt und Schöffer noch
des Dominifanermönchs Guillielmus Durandus „Rationale Divinorum
Officiorum” (1459), ven „Codex Constitutionum Clementis Papaé“
(1460), die Bulle des Kaifers Friedrich III. gegen Diether von Iſen—
burg (vom 10. August 1461) und das Manifeſt des lettern gegen Adolf
von Naffau (1462). Daß fie als vorfichtige Gejchäftsleute für beide
Barteien arbeiteten, fann bei dem Charakter Fufts und Schöffers nicht
weiter auffallen. Ihr jchönjtes und bedeutendſtes Verlagswerk aus diejer
Zeit bildet die 1462 vollendete lateiniſche jogenannte achtundvierzig-
zeilige Bibel in zwei Foliobänden.
Nach diefem Bibelorud blieb die Firma faft zwei Jahre unthätig.
Vom fiegreichen neuen Kurfürften aus der Stadt gewiejen, müffen Fuſt
und Schöffer nach dem benachbarten Frankfurt gegangen und gegen
Ende 1463 zurüdberufen worden jein, denn ſchon 1464 lieferten fie ven
Ablafbrief des Papftes Pins II. vom 11. November 1463 gegen die
Türfen. Am 17. December 1465 folgte das fechfte Buch der Defre-
talen Bonifacius’ VII. in Folio, und in vemjelben Jahre zum erften
mal ein lateinischer Stlaffifer, „Cicero de Officiis“, in flein Folio, wel-
er bereits am 2. Februar 1466 zum zweiten mal aufgelegt wurde und
der legte Drud der Firma Fuft und Schäffer war.
Schon nad Beendigung der zweiundvierzigzeiligen Bibel von 1455
joll Fuſt nach Paris gereift jein, um fie dort zu verfaufen. Dieje An-
nahme iſt nicht erwiejen, bat aber viel Wahrjcheinfichfeit für fich.
Schöffer war als ehemaliger Bücherabjchreiber an der dortigen Uni-
verfität thätig geweſen, mit ven einjchlägigen Verhältniſſen, namentlich
aber ven hoben Preiſen für gejchriebene Bücher aus eigener Erfahrung
Kapitel.) Mainz: Fuſt und Schöffer. 69
genau befannt geworden und hatte höchit wahrjcheinlich dieſe Reife an-
geraten. Paris, als damals beveutenpfte Univerfität des Abendlandes,
bejtimmte auch die Richtung der Geifter und den Bedarf an Büchern.
Wer von fremden Klöftern, Gelehrten oder Yiebhabern eben konnte, be:
zog don dort feine größern oder geringern litterariichen Bedürfniſſe.
Nun erhielt aber Paris, wie das dritte Kapitel näher ausführen wird,
feine erſten Druder nicht früher als im Jahre 1470. Die ihrer An-
funft unmittelbar voraufgehende Periode war aber eine Zeit hoher litte-
rarifcher Blüte und fam dem Bücherverfauf bejonders zu ftatten: Grund
genug für Fuft, dieſen jo günftigen Markt im Intereffe feiner Firma
zu bejuchen und dort jo allgemein begehrte Artikel, wie die lateinijche
Bibel, zu verfaufen. Das Bedürfnis verband fich zugleich mit dem
Reiz ver Neuheit des erjten Drudes.
Es ift dagegen urkundlich nachgewiejen, daß Fuft in der erjten Hälfte
des Jahres 1466, bald nach dem Grfcheinen der zweiten Auflage des
„Cicero de Ofhiciis“, mit dieſem und verjchiedenen andern Verlags—
artifeln nach Paris reifte und fie dort verfaufte. Aus einem in der
Staptbibliothef von Genf befindlichen Exemplar diejer zweiten Auflage
des „Cicero“ geht hervor, daß Ludwig de fa VBernade es im Juli 1466
in Paris von Fuſt ſelbſt erhalten hatte, ?
Wie Paris, jo zog die Firma fchon frühe, wenn nicht früher, Deutſch—
land in ven Kreis ihrer Unternehmungen. Den Beweis für diefe That—
fache liefert ein Beglaubigungsjcreiben (j. Anhang unter I), welches
der franffurter Rat am 3. Juni 1469 an den lübeder richtete, worin
er dieſen bittet, dem Bevollmächtigten ver Fuſtſchen Erben, Konrad
Hendis, zur Eintreibung einer Forderung behilflich zu fein, welche Fuſt
und Schöffer an den lübecker Kaufmann Kurd Horlemann für verjchievene
ihm gelieferte geprudte Bücher hatten. Wenn dieje Forderung 1469
gerichtlich geltend gemacht wurde, jo mußte fie doch ſchon einige Zeit
früher entjtanden jein, und zwar in Frankfurt a. M., da nicht Mainz,
die PVaterjtadt Fufts, jondern Frankfurt a. M. für ihn eintrat.
Fuſt und Schäffer waren alfo nachweisbar die erjten Händler mit
den von ihnen geprudten Büchern und überhaupt die eriten Buchhändler.
Ihre Preife waren troß der Neuheit ver Kunſt niedrig im Verhältnis
zu den Hanpjchriften.? Mappen führt an, daß ein auf Pergament ge:
prudtes Eremplar der zweiundvierzigzeiligen Bibel zu jener Zeit in Paris
710 Mainz: Fuſt und Schöffer als Nadıidruder. Zweites
für 2000 Franken verkauft wurde. Für die Beurteilung des Preisverhält—
niffes der geprudten zu den gejchriebenen Büchern’ gibt Biſchof Johannes
von Aleria in einem jpäter mitzuteilenden Briefe an den Papſt Paul II.
einige zuwerläffige Zahlen. Er jagt nämlich, daß man heute (1467) für
20 Goldgulden und weniger in Rom Werfe kaufen könne, fin welche
man zu andern Zeiten 100 Goldgulden habe zahlen miüffen, und daß
Bücher, welche man bis vor kurzem faum für 20 Goldgulden babe er:
werben fünnen, jetzt zu 4 Gulden und noch wohlfeiler verfauft würden.
Demnach jtellte jich damals der Preis eines geprudten Buches fünfmal
niedriger als der eines geichriebenen. Zu dieſem ganz natürlichen Preis:
unterjchied zwijchen gedruckten und gejchriebenen Büchern kam mun gleich
mit dem erjten Auftreten der neuen Kunſt der die Preije drückende Nach-
prud, deſſen Anfang auch auf Fuſt und Schöffer zurüdzuführen tft. Sie
waren es nämlich, welche, wie Panzer nachgewiejen, den „Cicero de
Oftieiis” ſchon im Jahre 1465 einer Ausgabe von Ulrich Zell in Köln
nachdruckten. Fuſt ging jogar fo weit, daR er außer dem Tert auch
noch die Borreve zu der von Mentel furz vorher in Strakburg gegebenen
Schrift „De Arte Praedicatoria” (welche befanntlich nichts anderes als
das vierte Buch von Auguftinus’ „De Doctrina Christiana” iſt) etwa
1466 nachdruckte. Der Verfaffer diefer Vorrede erzählt, daß er Hand—
jchriften diejer Abhandlung in Heidelberg, Speier, Worms und Straf-
burg gefunden und Johann Mentel, incolam Argentinensem, impres-
soriae artis magistrum, bewogen habe, fie durch den Drud ven Kleri—
fern zugänglich zu machen. Fuſt als praftifcher Mann erjeßte einfach
den Namen Meentel durch feinen eigenen *: einen fchamlofern Schwindel
bat e8 wohl kaum in den Blütezeiten ſelbſt des ſpätern Nachdrucks ge
geben. Schöffer war eim nicht minder gewiffenlojer Gejchäftsmann und
bediente fich gleichfalls aller Meittel, welche dazu dienen fonnten, jeine
Unternehmungen möglichit allgemein anzupreijen. So drudte ev mit
unbedeutenden Abinderungen am Ende, namentlich feiner erſten Bücher,
die Gutenbergſchen Schlufjchriften nach; jo war er der erſte Verleger,
welcher eine von jeinem Korrefter, Johann Brunnen, einem ungebildeten
Mönch, gejchriebene ruhmredige Ankündigung über ein künftig erſcheinen—
des Werk veröffentlichte. Im Frübjahr 1470 machte er nämlich für die
erbſtmeſſe vesjelben Jahres das Erſcheinen der Briefe des heiligen
ö
Hieronymus bekannt, die dann auch wirklich pünktlich noch wor der be-
Kapitel. Mainz: Schöffer und feine Filiale in Paris. 71
ſtimmten Zeit, ain 7. September 1470, von ihm herausgegeben wurden.
Die lateiniſch geſchriebene Anzeige findet ſich in deutſcher Überſetzung im
Anhang unter II und beweiſt, daß ſich der erſte deutſche Verleger ſchon
ganz vortrefflich auf die „Reklame“ verſtand.
Fuſt ſtarb, wenn nicht in der letzten Hälfte des Jahres 1466, ſpä—
teſtens Anfang 1467, denn im März dieſes Jahres erloſch die Firma
Fuſt und Schöffer und es trat die neue Firma Peter Schöffer an ihre
Stelle, welche bis 1503 beſtand. Fuſt hatte zwei Söhne hinterlaſſen,
von denen der jüngere, Konrad, auch Hancquis, Henlich oder Henchins
genannt (verftümmelt aus „Johannes Sohn“), als Teilhaber, jedoch nicht
mit Namen, in die neue Firma Peter Schöffer eintrat. Die von Fuft
in Paris gegründete Filiale hatte ſich als höchſt einträglich eriwiejen.
Schöffer beeilte jih daher 1470, in der Perſon des Hermann von Stadt-
lohn over Stadtloe (nicht Stadthoe, wie fäljchlich ein Autor dem andern
nachjchreibt), einer in der Diöceſe Münfter, an der norpweftlichen Grenze
des gleichnamigen preußiſchen Regierungsbezirks gelegenen und durch eine
Stadt, einen neuen Bertreter in Paris und zugleich auch in Angers
anzuftellen. Unter diefem nahm das parifer Geſchäft einen noch bedeu—
tendern Aufſchwung. Schöffer und jein Gefellichafter Konrad brachten
jest nicht blok ihren eigenen Verlag, ſondern auch die Werfe anderer
Verleger aus Mainz dahin. Dieje Thatjache ergibt fich unter andern
aus einer Notiz, welche Schäffer in eine, der Bibliothek des parifer
Arjenals gehörige und 1474 von Anton Koberger in Nürnberg gedrudite
Ausgabe des Johannes Scotus eingetragen bat. „Ich, Peter Schöffer,
Buchdrucker aus Mainz“, heißt e8 dort, „befenne, von dem ehrwürdigen
Diagifter Johannes Henrici, Sänger aus Piſa, drei Scuta für den
Preis dieſes Buches erhalten zu haben, was ich hiermit eigenhändig be⸗
ſcheinige.“
Hermann verkaufte dieſe Bücher ſowohl in Paris als auch in
Angers und andern Städten Frankreichs, in welchen er Zweignieder—
laſſungen errichtet hatte. Dann trat er zugleich als Faktor bei dem
geſchworenen Univerſitätsbuchhändler Johann Guymier in Paris ein,
offenbar, um auch an der Univerſität Geſchäfte für Schöffer machen zu
tönnen. Am 5. April 1470 verkaufte er eine auf Pergament gedruckte
mainzer Bibel an den Erzpriefter Wilhelm von Tourneville zu Angers
12 Mainz: Schöffer und feine Filiale in Paris. [weites
für 40 Thaler. Die Bedeutung der Gejchäfte, welche Hermann in
sranfreich für Rechnung der Firma Peter Schöffer in Mainz gemacht
hatte, ftellte fich bei feinem Tode deutlich heraus. Da Hermann in
Frankreich nicht naturalifiert war, jo fiel nach dem Droit d’aubaine
jeine ganze Dinterlaffenichaft vem Staate anheim. Sofort eilten Schöffer
und Hancquis, mit wirkſamen Empfehlungsbriefen vom Kaifer Friedrich III.
und dem Kurfürften von Mainz an Ludwig XI. verjehen, nach Paris, um
die noch vorhandenen Bücher ausgeliefert und für die von ihrem Yager
bereit8 verfauften eine Entſchädigung zu erhalten. Ihre Bemühungen
hatten den günftigiten Erfolg, denn in einer Ordonnanz vom 21. April
1475 befahl Ludwig XL, „daß in Berücdfichtigung der Sorgfalt, mit
welcher die Bittjteller die Kunjt des Buchdrucks gefördert, und des
Nugens, welcher dem gemeinen Weſen aus diefer Kunft durch Berbrei-
tung der Wiffenfchaft erwachien, Konrad Hancquis und Peter Schöffer
(fie werben als marchands bourgeois de la cit@ de Mayence be-
zeichnet) vom 1. Oktober 1475 an in jährlichen Raten von 800 Livres
die verlangte Summe von 2425 Thalern 3 Sols tournois (nach heutigem
Gelde etwa 11000 Franken) ausbezahlt erhalten jollten.“
Schöffer jelbit führte in Mainz das Gejchäft weiter. Sein Gejell:
ichafter Hancquis blieb zur Betreibung des Buchhandels in Paris zu:
rück und erjcheint dauernd erſt 1480 wieder in Deutjchland. Wann die
parifer Filiale liquidiert wurde, ift unbekannt; jedenfalls beitand fie noch
bis 1477, wie das aus der Unterjchrift unter einem Gremplar des
Augujtinus’ „De Civitate Dei“ hervorgeht. Da jedoch jeit 1470 in
Paris Drucdereien beitanden und die neue Kunſt fih auch in Frankreich
rajch verbreitete, jo zog Schöffer vor, fein parifer Gejchäft nicht länger
fortzujeßen, und befchränfte jeine Thätigkeit auf die Heimat, wo die eben:
falls vajch zunehmende Konkurrenz auch höhere Anſprüche an feinen Unter:
nehmungsgeift ſtellte.
Im Jahre 1476 kaufte er zu dem ihm bereits als Erbteil feiner
Frau zugefallenen Haufe „Zum Humbrecht“ ein größeres Darangrenzendes
Gebäude, den „Hof zum Korb“. Unter den Urkunden, die jich leider
nur vereinzelt über Schöffer vorfinden, wirft ein Vertrag, den er am
24. Juli 1477 mit feinem Schwager Johann Fuft abſchloß, auch einiges
Yicht auf feine buchhändleriſche Thätigkeit. Fuſt, welchem als Erbteil
an der väterlichen Druderei 180 auf Papier und 20 auf Pergament
Kapitel.) Mainz: Schöffers Geichäftsbetrieb. 73
geprudte Eremplare der Defretalen von 1473 zugefallen waren, ließ
diejelben für jeine Rechnung durch Schäffer verkaufen und einen gericht:
lichen Aft über diejes nicht unbedeutende Gejchäft aufnehmen. Auf eine
buchhändleriſche Verbindung zwiichen Fuſt und Scöffer kann man je-
doch aus diejer Thatjache nicht fchliefen. Johann Fuſt war Kanonikus
am St. Stephans: Stift in Mainz und hoffte begreiflicherweiie, die ihm
gehörigen Werfe am ficherften und vorteilhafteften durch jeinen fachver-
ftändigen Schwager verwerten zu können. Bon viejem heißt e8 in dem
Bertrage ausprüdlih, daß er Handel mit Büchern treibe und daß er
die Defretalen zugleich mit jeinen eigenen Büchern vertreiben und ver:
faufen jolle.
Wichtiger aber erjcheint die am 6. September 1479 erfolgte Auf:
nahme Schöffers als Bürger von Frankfurt a. M. Da er Paris auf:
gegeben hatte, jo bedurfte er notwendig zur Ausbreitung und Sicherung
feines Gejchäftes in Deutjchland eines feitern Stüßpunftes, als Mainz
ihn zu bieten vermochte. Kein Ort konnte dieſem Zwed günftiger jein
als die nahegelegene Reichsſtadt, welche ihm durch ihre Meſſen die beite
Gelegenheit zum Abſatz jeiner Berlagsartifel und zur Anfnüpfung neuer
Verbindungen bot. In Mainz hatte er feine Druderei; dort führte er
die Beftellungen aus, welche ihm oder feinem Teilhaber Hancquis in
Mainz jelbit, hauptjächlich aber auf der für ven Buchhandel damals
chen wichtigen frankfurter Mefje erteilt wurden. Hancquis beforgte jeit
1480 wieder die Gejchäftsangelegenheiten der Firma in Deutſchland.
Dieje müſſen jehr ausgedehnt gewejen jein, denn um 1480 hatten Schöffer
und Dancquis einen Prozeß mit einem gewijfen Bernhard Inkus in
Franffurt, welcher jie bei dem Hofgericht von Kottweil auf Herausgabe
einer Anzahl von Büchern verflagte, während Schöffer und Konrad
Henki (jo wird Fuſts Sohn bier genannt) ihr Cigentumsrecht daran
verteidigten. Es geht aus den Akten nicht hervor, ob diefe Bücher von
ven Verklagten jelbit gedruckt, ob ſie Erzeugniffe anderer Preſſen,
over ob jie teilweiie eigenes, teilweije fremdes Eigentum waren. Die
Regierung von Baſel, welche dieſen Prozek in der Appellationsinjtanz
an ſich gezogen hatte, belegte den Streitgegenftand mit Bejchlag und
forderte die Parteien zum gütlichen Bergleih auf. Mitte Mat 1481
war der Beichlag noch nicht aufgehoben. Welchen Ausgang aber die
Sache genommen hat, darüber fchweigen die Akten. ine nicht unbe—
74 Mainz: Schöffers Geichäftsbetrich. [Zweites
deutende Forderung ferner, welche Schöffer und Hancquis an den lübeder
Bürger Hans Bis, beziehungsweife deffen Witwe hatten, veranlafte den
Kat der Stadt Frankfurt, am 1. April 1480 wieder, wie jchen 1469,
den Rat zu Yübel um wirkſamen Schuß für Schöffer zu erjuchen. ©
Außer diefem Schreiben, dejfen Entwurf im franffurter Stadtarchiv noch
aufbewahrt wird und im Anhang unter ILL abgedruckt ift, hat fich
feine Ginzelheit über die ganze Angelegenheit mehr erhalten. Auch mit
Ulm hatte die Firma Schöffer Gejchäftsverbinpungen, wie das eben-
falls aus einer Schulpforderung für gelieferte Bücher hervorgeht, welche
fie gegen die dortigen Bürger Dans Harjcher, Erhardt Rüwinger und
Berchtold Dfener geltend zu machen juchte. Sie jandte jogar mit dem
Schußjchreiben des Kurfürjten Diether von Mainz gleich einen Boten
mit, der das Geld einfaffieren ſollte. Es wurde ihm aber nicht aus-
gezahlt, da er nach Anficht ver Schuloner nicht hinreichend bevollmächtigt
gewejen jei?; „jobald er aber genugſame Gewalt vorweije, wolle man
ihm nach dem ulmijchen Stadtrechte zu dem Gelde verhelfen”.
Dieje Prozeffe und Klagen im äuferften Norden und Süden von
Deutſchland deuten auf eine hervorragende Mekthätigkeit und auf Ver-
käufe, die, in Fraukfurt abgejchloifen, fich über ganz Deutjchland er:
jtredten. Schöffer ſcheint jogar jeine Gelpgefchäfte nur von Frankfurt
aus bejorgt zu haben. Am Magpalenentag 1485 erjucht er den welt:
lichen Richter Gensfleifch in Mainz dringend, ihm feine Schuld in Frank—
furt auf der mächiten Meſſe zu zublen. Wäre Schöffer damals Be-
wohner von Mainz gewejen, jo hätte ev ja viel bequemer jeine Forde—
rungen dort einziehen können. Gegen Ende des Jahrzehnts erjcbeint er,
in jeiner gejchäftlichen Thätigkeit verhältnismäßig nachlaffend, wieder in
Mainz, denn er wird hier 1489 zum weltlichen Nichter ernannt. Den
damals wie Pilze aus der Erde jchießenden Drudereien, dem unver:
droffenen Fleiß der Berleger in Deutjchland, Italien und Frankreich,
den neuen Verbeſſerungen in ven Schriftgattungen, der fritiichen Methode,
mit welcher die alten Klaſſiker und Kirchenwäter zum Druck vorbereitet
wurden, furz, diefer auferordentlichen Thätigfeit und Konkurrenz fühlte
fich der alternde und inzwifchen wohlhabend gewordene Buchhändler nicht
mehr gewachjen, weshalb er fich denn auf Drude bejchränfte, für welche
jeine Schriften ausreichten.
m... +0
Kapitel.) Mainz: Schöffers Drude. Sein Eharafter. 75
feit, d. b. von Fuſts Tode 1466 an bis zu ſeinem eigenen Ableben, im
ganzen 59 datierte, bis jetzt belannt gewordene Drude. Die meijten der:
jelben find Folianten, enthalten 50 bis 60 Zeilen in gejpaltenen Kolumnen
und zählen jeder im Durchjchnitt etivas über 150 Blätter. Darunter
find theilweife auch neue Auflagen von Werfen, welche bereits früher
bei Fuſt und Schöffer erjchbienen waren, und bejonvders zu nennen „Cle-
metis V. Constitutiones cum Apparatu Joannis Andreae” aus ven
Jahren 1467, 1471 und 1476; „Justiniani Institutiones cum Glossa”
1468, 1472 und 1476; „St. Thomae de Aquino Expositio Senten-
tiarum‘‘ 1470; „Hieronymi Epistolae”“ 1470; „Bonifacii VIU. Liber
sextus Decretalium‘“ 1470, 1473 und 1476; „Gregorüi IX. Decre-
tales“ 1473 und 1479; „Joannis Torquemada Expositio Psalterii“
1474, 1476 und 1478, und „Justiniani Codex“ 1475; endlich aber,
wie bereits oben erwähnt, wiederholt das Pialterium. Außerdem druckte
Schöffer auf Bejtellumg verjchievene Breviarien und Miffale, jo für
Mainz 1483 und 1485, für Meißen 1485 und für Breslau 1499.
Zeine Hauptthätigfeit dauerte übrigens nur von 1467 bis 1480. In
dieſen 13 Jahren erjcbienen bei ihm 34 Werfe, während er von 1480
bis 1502, aljo innerhalb 22 Jahren, nur 15 Bücher verlegte. Arm
28. März 1485 veröffentlichte er fein erſtes in deutſcher Sprache geprudtes
und mit Holzſchnitten geziertes Buch: „Ortus Sanitatis, auff teutich: Ein
Gart der Geſundheit“. Am 21. Dezember 1502 erjchien jein letter
Drud: die vierte Auflage des „Pialteriums”.
Schöffer jtarb in Mainz, und zwar gegen Ende 1502 over zu An-
fang 1503. Am 27. März 1503 erichien das erjte von feinem Sohn
gedructe Buch: „Mercurius Trimegistus”. Peter's Tod füllt aljo kurz
vor dieſes Datum. Peter Schöffer war ein fleinlicher Charakter. Ledig—
lich jeine techniſche Schreibfertigkeit brachte ihn erjt in Berührung mit
ver Buchdruckerkunſt und mit Männern, welche hoch über ihm ftanven.
Auf feinem Gebiete war er groß und leiftete auch VBortreffliches; allein
dieſes Gebiet war eng begrenzt, indem ev nur die Technik eines genialen
Erfinders ausbeutete und hier und da vielleicht in Nebenpunften ver:
bejjerte. Er fonnte kaum Lateiniſch jprechen und Griechiich nicht einmal
lejen. So fehlte e8 dem ungebilveten und für ein Berlagsgejchäft jener
Zeit jchlecht vorbereiteten Manne an jeder Kenntnis der Yitteratur, deren
Bervielfältigung ihm Tauſende eingebracht haben würde, und natürlich
16 Mainz: Schöffers Charakter. [Zweites
auch am der Ginficht, fich neue, reichen Gewinn bringende Bahnen
zu eröffnen. Seine Richtung war deshalb auch eine rein hanpwerte:
mäßige, bei welcher der Vorteil im fleinen ver einzig leitende Geſichts—
punkt war. Wenn er troßdem mit der Zeit wohlhabend wurde, jo
danfte er jeine Erfolge der Vorficht und der Beichränfung feiner Thätig-
feit auf das, was ihm jeine priefterlichen Berater als praftifch und
deshalb bejonders empfehlenswert bezeichneten. Damals kam das Volt
als Käufer lateinischer Bücher jo gut wie gar nicht in Betracht; in ber
gelehrten Welt von Mainz und Paris aber überwog die jcholaftiich-
theologiſche Richtung, welche Schöffer geſchickt für ſich ausnützte. Unter
jeine Verlagsartifel verirrte fich nur ein alter Klaffifer, ver obenerwähnte
„Cicero de Officiis“, und auch dieſen druckte er lieber nach, als daß
er es ſich Geld für die Durchficht, Kritif und Korrektur der alten Texte
hätte often laſſen.
Im schroffen Gegenſatz zu dieſer Knauſerei und Gewöhnlichkeit ver
Sefinnung ſteht nun feine Selbitgefälligkeit und Ruhmredigkeit. Er bielt
fih zwei Korrektoren, Meifter Kranz und den oben bereits genannten
Sohann Brunnen, welche beide das fih und ihrem Herrn jo reichlich
geſpendete Yob weder durch fehlerfreie Drude noch durch tadelloſe Diftichen
rechtfertigten. Sie hatten eben bei jeder Gelegenheit Schöffer und feine
Druderet zu verherrliden, Gutenberg als Erfinder der Kunſt erft in
ben Hintergrund zu drängen, dann ganz zu Tode zu fehweigen, und
ſchließlich Fuſt und Schöffer als deren eigentliche Urheber auf den Schild
zu heben. So find denn perjünliche Yobpreifungen mit halbverftändlichen
Andeutungen, jachlihe Bemerkungen mit gleichgültigen Bücheranzeigen
geſchickt vermiſcht, wodurch zuleßt der Einprud erzeugt wird, daß Fuſt
der eigentliche Erfinder dev Kunſt und Schöffer ihr Verbefferer gewejen
jei. Die Entftellungen, welche Beter Schöffer’s armſeliger litterariicher
Diener verbreiten mußte, wurden von jeinem Nachfolger und Sohn
Johann Schöffer planmäßig und erfolgreich fortgefett. Wenn der Vater
wider befjeres Wiffen nur Johann Fuft als den „erjten Erfinder und
Urheber der Buchdruckerkunſt“ bezeichnet hatte, jo gejellte ver Sohn mit
dreifter Stirn jeinen Vater Peter ald verdienten und ebenbürtigen Ge:
hilfen dem angeblichen Erfinder Johann Fuſt zu, während er Guten-
berg mit feiner Silbe erwähnte. Und doch hieß es noch 1505 in ver
Widmung an Kaiſer Marimilian, welche Johann Schäffer felbft der
Kapitel.) Mainz: Schöffers Geſchäftsnachfolger. 77
erſten deutſchen Überjeßung des Livius vorgedruckt hatte, daß Guten—
berg 1450 die Kunſt erfunden habe, während ſie Fuſt und Schöffer
ſpäter teilweiſe verbeſſert hätten. In jener kritikloſen Zeit gewannen
aber die Johann Schöfferſchen Fälſchungen größern Kurs und verdräng—
ten bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts, ja darüber hinaus, ſelbſt den
Namen Gutenbergs aus dem Gedächtnis der Nachkommen. Die mythen—
bildende Phantaſie ſchuf ſich ſogar noch bis auf die neueſte Zeit ein
Dreigeſtirn von Erfindern, welches, wie in Frankfurt a. M. zu ſehen
iſt, Gutenberg, Fuſt und Schöffer auf einem Erzſtandbilde vereinigte.
Madden und nach ihm von der Yinde? gebührt das große Verdienſt,
daß fie die allmählichen Übergänge und Fortjchritte diejer werfeumderi-
jchen Kriegführung litterarijcher, im Intereffe Schöffer's gegen Guten-
bergs Ruhm arbeitender Yohnjchreiber aufgedeckt haben. Für ven Zwed
ver Gejchichte des Buchhandels genügt die Erwähnung der Thatjache,
ibre Begründung würde bier zu weit führen.
Im übrigen zeigen fich in der gejchäftlichen Thätigfeit Peter Schöffers
bereits die Grundlinien, auf denen der deutſche Verlags- und Sortiments-
buchhandel fich in der Folge weiter entwidelte: Auswahl der zu ver-
öffentlichenden Werke umter beſtimmter Rüdjichtnahme auf das Bedürfnis
und die Bildung der Käufer; Bejorgung von Drudaufträgen auf Koften
Dritter; Ausdehnung des Gejchäfts durch Errichtung von Filialen, nicht
bloß in Deutjchland, jondern auch im Auslande; Verbindung des Sorti-
mentsbuchhandel® mit dem Verlag; Beſuch der franffurter Meſſe; öffent-
fiche Ankündigung der VBerlagsartifel mit einer vielfach an Marftjchreierei
grenzenden Reflame und endlich Schädigung der Konkurrenten durch
Nachprud.
Das Fuft-Schöfferjche Gejchäft beſtand gerade 100 Jahre. Seinem
erjten Drud, vem 1457 erjchienenen „Psalterium“, folgte als fetter 1557
die zweite Auflage des deutſchen Yivius. Johann Schöffer ftarb im
Sabre 1531 und hatte feinen Neffen Ivo Schöffer, ven Sohn feines
jüngern Bruders, des zweiten Peter Schöffer, zum Nachfolger. vo
erlangte ein faiferliches Privilegium für den Drud der Reichstags-
abſchiede und jtarb 1556. Von dieſem Jahre an bis 1558 führte ein
Verwandter, Georg Wagner, unter der Firma „Ivo Schöffers jelige
Erben“ das Geſchäft fort. Yebteres war gegenüber dem jchnellen Auf-
blüben des Buchdrucks und Buchhandels der Nachbarjtändte in ver Ent-
78 Mainz: Johann Neumeifter. Jakob Meydenbad). (Zweites
widelung entſchieden zurüctgeblieben und ließ vesbalb auch bei jeiner
Auflöſung feine fühlbare Yüce zurüd. Überhaupt hatte Mainz bei und
unmittelbar nach Erfindung ver Stunt auf jeiner Höhe geitanden. Mit
jeinev Einnahme (1462) war jeine phyſiſche und geiftige Kraft gebrochen
und die goldene Moguntia von einer mächtigen und reichen Freien
Stadt zur Reſidenz eines Erzbiichofs herabgejunfen. Die Intelligenz,
der Wohlſtand und der daraus hervorgebenve Unabhängigkeitsſinn floben
zugleich aus der Stadt, welche fortan eine, wenn auch wielfach gegen
ven Stachel ledende, doch gehorſame ımd dem Prieftertum unterthänige
Bürgerjchaft bevölkerte. Das politiiche Unglück äußerte nur zu bald
jeine ververblichen Folgen auf dem Gebiete des Buchhandels. Der Ge-
burtsort Gutenbergs hatte 50 Jahre nach vejfen Tode kaum Arbeit ge
nug für mehrere Drudereien.
Als Schöffers erjter Konkurrent in Mainz gilt der Utrechter Gerhard
Renwich, welcher dort angeblich 1486 eine Druderei errichtete, nachdem
er den Dompechanten Breydenbach auf jeiner Reiſe nach Jeruſalem be—
gleitet hatte. Er gab allerdings deren Bejchreibung in ven Jahren
1436 bis 1488 in deutjcher, holländiſcher und Iateinischer Sprache ber:
aus, jeheint indeſſen einer der Maler gewejen zu jein, welche die Bilder
zu dem mit alten Gutenbergſchen Schriften geprudten Tert lieferten, ſo—
daß man mit ebenjo großem, wenn nicht größerm Rechte Schöffer ven
wirklichen Druck zujchreibt, zumal jonjt feine Renwichſchen Arbeiten
befannt find. Der Zeit nach würde bier ein beveutender Schüler Guten:
bergs folgen, der Wanverpruder Johann Neumeifter aus Mainz, der,
nachdem er die Kunſt in mehrern Städten Italiens ausgeübt hatte, 1478
im die Heimat zurücdfehrte und am 3. September 1479 in Mainz die
„Meditationes Johannis de Turreeremata“ vollenvete. Neumeifter ging
aber nach Herjtellung dieſes prächtigen Drudes wieder in die Fremde
und zeichnete fich jpäter in jeinem Fache bejonders im jüplichen Franf-
reich aus, wo von ihm noch ausführlicher die Rede jein wird.
Schöffers erjter urkundlich nachweisbarer Konkurrent Dagegen war
Jakob Meydenbach oder Mevenbach, ein angeblicher Schiller Gutenbergs,
deſſen Thätigkeit zwijchen 1490 und 1495 fällt. Die meiften feiner
Drude tragen weder jeinen Namen noch die Angabe des Jahres und
Ortes, ſodaß den Bibliographen nur drei Meydenbachſche Bücher befannt
jind, obgleich er deren mehrere herausgegeben bat. Seine Druderei be-
Kapitel.) Mainz: Die Heinern Druder. Franz Behen. 79
fand jich in dem zum Stadtviertel Kirſchgarten gehörigen Hofe, welcher
„der Saulöffel“ hieß. Diejes im gotijchen Stile erbaute Haus zeigt
über jeiner Eipgangsthür ein in Stein gehauenes offen liegendes Buch;
es diente auch im 17. Jahrhundert mehrern mainzer Drudern als Offizin.
Auf Meydenbach folgte Peter Friedberg, der von 1493 bis 1498 druckte.
Es find etwa 24 Stüde von ibm erhalten, welche in demſelben Fleinen
Quartformat und mit vdenjelben gotijchen Typen erjchienen. Im Jahre
1508 ließ fich Friedrich Heumann in dem „Saulöffel‘ nieder, war aber
nur bis 1509 thätig. Es iſt eine bis auf die neueſte Zeit von einem
„Gelehrten“ vem andern nachgejchriebene Fabel, daß er von den „Brü—
dern vom gemeinjamen Leben” im Kloſter Marienthal die Typen der
zweinndvierzigzeifigen Bibel gekauft, alſo mit den erſten Gutenbergjchen
Schriften geprudt habe. Dagegen ift er ver Verleger des jeltenen jatiri-
ſchen Werfchens „De Fide Meretricum in suos Amatores” (1508). Es
vergingen jeßt wieder mehr als 20 Jahre, bis Peter Jordan 1531 in
Mainz eine neue Druckerei errichtete; allein auch er hielt nicht lange
aus. In jeinem Berlag erjchien eine vwortreffliche, auf Iceljamerjchen
Grundſätzen fußende deutjche Grammatik: „Die Leyenſchul“. Er wurde
jwar auch, wie Johann Schöffer, zum Druder des mainzer Domfapitels
ernannt, fand jedoch in diefer Stellung jeine Rechnung nicht. Als jolcher
druckte er 1534 die deutſche Bibel Johann Dietenbergers gegen die
Yutherjcbe Überjegung, ein mit Holzſchnitten und überhaupt ſchön aus-
geitattetes Werf. Die große Mehrzahl feiner Bücher ift deutſch; Yatei-
niſches hat er dagegen nur wenig gebrudt. Außerdem übernahm er
Aufträge für fremde Buchhändler, wie 3. B. Peter Quentel in Köln.
Das leßte von ibm 1535 in Mainz veröffentlichte Werk ift eine neue
Ausgabe von Johann Stöfflers „Aſtronomie“, welche zuerit 1513 in
Oppenheim erjchienen war.
Yängern Bejtand Hatte die Druderei von Franz Beben oder
Böhme, einem Meißener. Er errichtete jie 1539 zwijchen den Häuſern
des St. BVictorjtifts vor Mainz diesjeit Weißenau und druckte dort
eine Reihe wertvoller, den Bücherliebhabern wohlbefannter Werfe, meift
tbeologijhen Inhalts. Auch das berühmte lateinische Yobgevicht auf
Gutenberg und jeine Erfindung von Johann Arnold von Bergel (Bergel-
lanus) ging im Jahre 1541 ans Behems Offizin hervor, in wel-
ber der Dichter vermutblich als Korrektor angeftellt war. Nach ver
80 Mainz: Die Familie Behem. Bamberg. [weites
Zerjtörung des Victorftifts durch Markgraf Albrecht von Brandenburg
(1552) verlegte Behem jein Gejchäft in die Stadt Mainz, ins Haus
„zum Maulbaum“, in welchem e8 unter dem Gründer der Firma bis
1558 und fpäter unter feinen Söhnen und deren Erben bis zum Bor:
dringen der Schweden zum Rhein blühte. Zwiſchen 1631 und 1635
wurde das Haus zerjtört und das Gejchäft ruiniert, während die Familie
des fetten Inhabers, Johann Albin, verjcholl. Diejer Albin (1594 bis
1622) war ein ebenjo tbätiger Buchhändler ald Buchdrucker. Zu An-
fang des 17. Jahrhunderts bejaß er zwei offene Buchläven in Mainz
und in Frankfurt. Franz Behem und jeine Söhne Ttanden in regem
Verkehr mit den bedeutendſten Buchhänplern und Buchdrudern der Zeit.
Semeinjam trieb Franz Gejchäfte mit den beiden mainzer Buchhändlern
Theobald Spengel und Niklas Geyer, jowie mit den Kölnern Arnold
Birckmann und Peter Quentel. Auch mit Sigismund Feyerabend, vem
rührigen franffurter Buchhändler, unterhielt er einen Briefwechjel. Über—
haupt muß der Gejchäftsbetrieb Behems ein jehr ausgedehnter gemwejen
jein. Ganz bejonders ſcheint zur Hebung desjelben das faijerliche Drud-
privifegium für die Neichstagsabichiede beigetragen zu haben, welches
ibm nach Ivo Schöffers Tode erteilt wurde. 10
Mit dem Untergange des Behemſchen Geſchäfts verliert Mainz auch
ven letzten Reſt von Bedeutung für den deutjchen Buchdruck und Buch—
handel. Ob auch das eine oder andere Geſchäft dort noch vegetiert und
theologiſche Schriften, Lehr- und Gebetbücher oder auch ausnahmsweiſe
einmal wiſſenſchaftliche Werke veröffentlicht, die Stadt fällt für die Ge—
ſchichte des Buchhandels gar nicht mehr ins Gewicht und muß ſich mit
dem Ruhm begnügen, für alle Zeiten als Geburtsort Gutenbergs und
als Wiege der größten Erfindung der Neuzeit geprieſen zu werden.
2. Bamberg
ſteht der Zeit nach an der Spitze derjenigen deutſchen Städte, in denen
die neue Kunſt zuerſt Eingang fand und wo man ſogar noch während
der Thätigkeit des Erfinders zu drucken begann. Ohne der vielfach er—
örterten Frage weiter nachzuſpüren, wo und wie Albrecht Pfiſter, Bam—
bergs Prototypograph, die Kunſt, mit beweglichen Schriften zu drucken,
ſobald nach Gutenbergs Erfindung gelernt hat, möge hier nur die un—
umſtößliche Thatſache aufgeführt werden, daß ſich Pfiſter in der Bonerſchen
Kapitel.) Bamberg: Albrecht Pfiſter. 81
Fabelſammlung von 1461, welche zu Bamberg als erſte deutſche Schrift
mit voller Bezeichnung des Ortes und Jahres herausgekommen iſt, ſo—
wie in dem „Buch der vier Hiſtorien“ ſelbſt als Drucker bezeichnet.
Beim Mangel aller andern urkundlichen Nachrichten über die Lebens—
verbältniffe diefes Mannes, und namentlich über feinen typographiſchen
Bildungsgang, läßt fib das Endergebnis aller über ibn verbandelten
Streitfragen in die wenigen Worte zufammenfaffen, daß damals eine
Reibe von Werfen mit einer und derſelben Schriftgattung bergeftelft und
daß in den beiden obigen Füllen durch das unumſtößliche gedruckte Zeng-
nis Pfiſters dieje Schriftgattung als die ihm gehörige erwiejen ift. Nie-
mals konnte andererjeits der Beweis dafür erbracht werden, daß bei
den übrigen, mit denjelben Typen geprudten Werfen ein anderer als
Pfifter der Druder je. Will man daher aus den Thatjachen ſelbſt
einen Schluß ziehen, jo kann man die gedachten Werfe nur als „Drucke
mit Pfiſterſchen Typen‘ bezeichnen; alles andere gehört in das Gebiet
der bloßen Vermutung. Dieje Erjtlingswerfe zerfallen in datierte und
undatierte, und zwar find zunächſt die undatierten: 1) die jechsundpreifig-
zeifige Bibel; 2) der (jogenannte) „Donat” von 1451, deſſen Jahres—
zabl fich, wie die befannte Scejchlange, durch alle ältern und nenern
bibliograpbiichen Werfe binzicht, während die parifer Originalblätter die-
jelbe gar nicht enthalten, vielmehr auf dem einen vderjelben nur das
Wort „Heydersheym“, auf dem anvern aber „Vffgerichter vertrag
wegen der aigen gauetter zu Heydersheim 1492 ſteht; 3) Alfegorie
auf ven Tod; 4) Nechtöftreit des Menſchen mit dem Tode; 5) und 6)
die Armenbibel in deutſcher und lateinischer Ausgabe; 7) „Belial oder
Troſt der Sünder” (mit dem Namen „Albrecht Pfifter zu Bamberg‘).
— Sorann die datierten: 8) und 9) die in 31 Zeilen gedruckten Ablaß—
briefe von 1454 und 1455; 10) „Eyn manung der chrijtenheit widder
die Durfen“ von 1455; 11) Kalender mit der Jahreszahl 1457;
12) Boners „Eveljtein over Fabelbuch“ von 1461 und 13) „Buch ver
vier Diftorien‘ von 1462.
Bamberg hat indeſſen eine große Bedeutung mur für die Gejchichte
ter Erfindung und ihrer unmittelbaren Verbreitung; für die ſpätere wach-
iende litterariiche Produftion dagegen und ven Buchhandel überhaupt
fommt es gar nicht im Betracht. Nach dem Tode Albrecht Pfiſters ver-
ſchwindet die Stadt beinabe 20 Jahre lang aus der Reihe der Drud-
Kapp. TI. 6
82 Bamberg. Straßburg. [Zweites
ſtädte, e8 jei denn, daR man einen legendenhaften Sohn Pfiiters, Namens
Zebajtian, als deſſen Nachfolger gelten läßt. Erſt 1481 erjcbeinen bier
Johann Senſenſchmid von Nürnberg und Heinrich Petzenſteiner; fie
wirkten bis 1490 vereint und leisteten bejonvders Dervorragendes im Drud
verjchiedener Chorbücher, unter welchen das „Missale ordinis S. Bene-
dieti“, 1481, und das von Johann Senjenjchmid zu Regensburg ber-
geftelfte „Missale Ratisbonense‘, 1485, hervorzuheben find. Als nächiter
bamberger Druder ijt Johann Pfeil, 1497 bis 1519, und nach ihm
höchjtens noch Georg Erlinger zu erwähnen.
Diejer furze Blid nach Bamberg, unerläßlich für ven chronologijchen
Yauf der Darjtellung, aber nicht weiter fürdernd für die Entwickelungs—
gejchichte der Kunft, möge zum Übergang in die nächſt Mainz größte
und beveutenpfte Buchpruderpflanzjtätte genügen, nach
3. Straßburg,
welches ſich ſchon zu Gutenbergs Yebzeiten durch jeine litterariſche Thätig-
feit und glänzenden Druderzeugniffe auszeichnete. Währenn m Mainz
die Schöfferſche Offizin bis zum Ausgange des Jahrhunderts faft fon-
furrenzlos fortbejteht und im bequemen Schritt alljährlich ein paar neue
Folianten veröffentlicht, ringe in Straßburg gleich im Anfang die raft-
(oje Energie zweier großer Buchdrucker und Verleger um den Preis.
Wie im Sturmlauf werfen ihre Prejjen einen Bücherkoloß nach dem
andern auf den Marft. Kaum ift ein Niejenwerf vollendet, jo wächſt
ein neues heran; jedes einzelne repräjentiert aber ein Kapital, welches
bei mangelnden Erfolge den Unternehmer zu Grunde richten mußte.
Indeſſen fließen ihnen immer neue Mittel zu, der Abſatz ſcheint faft
unerjchöpflich und hält fich mit der Produktion auf gleicher Höhe; ja
immer neue Unternehmer finden jich, welche die neue Kunſt mit großem
Erfolg gejchäftlich verwerten.
Wenn auch im 16. Jahrhundert an das mächtiger aufftrebenve Bafel
nicht hinanreichend, jo tritt doch Straßburg in der Wiegenzeit ver Kunſt
alfen andern deutſchen Städten tonangebend gegenüber, weshalb denn
auch jeine Bedeutung für die Sejchichte des Buchdrucks und Buchhan-
dels gerade in diejer Grjtlingsepoche ganz bejonders gewürdigt zu wer-
den verdient. Es jteht bier der Name Johann Mentel oder Mentelin
aus Schlettjtadt obenan. Er faufte im Jahre 1447 als Golpfchreiber
Kapitel.) Straiburg: Johann Mentel, 35
das jtraßburger Bürgerrecht; jeines Kumftgewerbes wegen wurde er, wie
jpäter alle Buchoruder, in die Zunft „Zur Stelz“ eingejchrieben. Er
gebört zu den erjten, welche die Bedeutung abnten, zu welcher die neue
Kunſt berufen war. Wo und wie er fie erlernt hat, weiß man nicht.
Cine Verbindung mit Gutenberg oder mit einem der ftraßburger Gejelf-
jchafter vesjelben iſt gejchichtlich nicht machzuweijen. Auch der Zeitpunft
für die Errichtung der Menteljhen Druderei kann nur annähernd be-
ſtimmt werden. Die freiburger Bibliothef befitt ein Eremplar der erſten
der lateinischen Bibeln Mentels in zwei Foliobänden; fie gilt wenigftens
jeit Panzer als Mentels Werf. Am Ende des erjten Bandes fteht von der
Hand des Rubrifators gejchrieben: „Explicit Psalterium 1460, am Enve
des zweiten aber: „Explicit Apocalypsis anno domini M°ccce’lxı1°“. !ı
Demnach batte Mentel ven erjten Band 1460 vollendet, und man kann
als gewiß annehmen, daß die Errichtung feiner Offizin mindeftens ein
oder zwei Jahre früher ftattgefunden habe, zumal hiermit die gleichzeitige
Chronif des Philipp de Yignamine (1474), eines römiſchen vornehmen
Buchdruckers und Berlegers, übereinjtimmt, welche in einer Notiz über
vie Buchdruckerkunſt die Wirkſamkeit Gutenbergs, Fufts und Mentels
in das Jahr 1458 ſetzt. Die obige Bibel enthält 427 Blätter, welche
zweijpaltig mit 49 Zeilen auf jever Seite gedruckt find. Sie ift zugleich
die erite Bibel, die mit fleinern gotijchen Yettern nach Erjcheinen der
mit Miffaljchriften bergeftellten zweiundvierzigzeiligen und jechsundpreißig-
zeifigen Bibeln herausfam, und jcheint den Mainzern Fuft und Schäffer
erjt ven Anſtoß zu ihrer achtumpvierzigzeiligen Bibel von 1462 gegeben
zu haben. Schon die Charaktere diejer jchönen Mentelſchen Bibel zeigen |
in ihrem flotten Zuge das Gepräge des beweglichen Geiftes ihres Schöpfers.
Für dieſen rührigen Gejchäftsgeift fprechen auch vor allem die von Mentel
berrübrenven älteften geprudten VBerlagsverzeichniffe, deren er ſich in ver
Art ver heutigen Proſpekte, ähnlich wie ſchon früher ver Hanpjchriften-
händler Diebold Yauber in Hagenau, zur Empfehlung feiner Bücher be-
diente und deren im fünften Kapitel ausführlicher gedacht werden muß.
Von bejonvderer Wichtigkeit find dieſe Berzeichniffe aber deshalb, weil es
durch ihre VBermittelung erjt möglich geworden tft, die Druckwerke Dientels
su erfennen; denn nur wenige verjelben hat er unter jeinem Namen
erjebeinen laſſen. Derjelbe findet ſich nur in vem von ihm heraus-
gegebenen vierten Buche von Auguſtinus' „De Doctrina christiana“
6*
84 Straßburg: Johann Mentel. [Zweites
unter dem Titel „Ars praedicatoria”, in des Vincentius Bellovacenfis
„Speculum historiale” aus dem Jahre 1473 und dem „Speculum mo-
rale” von 1476; jeine übrigen Verlagsartifel mußte man erjt nach dieſen
Berzeichniffen oder durch VBergleichung der Schriftgattungen herausfinden.
Grit jeit 1466 treten einige Daten für die Beſtimmung der Drucke
Mentels auf, welche ebenjo ficher find, als ob er fie jelbft angegeben
hätte. So bemerft ein Schönjchreiber zu einer lateinifchen Bibel Men—
tel8, daß dieſer fie 1466 geprudt habe. Die Jahreszahl 1466, ohne den
Namen des Druders, findet fich ferner in einer „Summa” des Thomas
von Aquino, welche, wie anderweit nachgewiejen, von Mentel geprudt it.
Es iſt eine erftaunliche Anzahl von Folianten, welche er beraus-
gegeben hat, indeſſen läßt fich ihre genaue Ziffer nicht beftimmen. Mappen
nimmt 21 unzweifelhafte Drucke Mentel® an, zujammen 41 Bände,
darımter 37 in Großfolio. Nach diefer Rechnung hätte er durchjchnitt-
lich drei Bände jährlich innerhalb jeiner, wie unzweifelhaft feitjtcht,
fajt wierzehnjährigen Druderthätigfeit (1465 bis 1478) geliefert. Nimmt
man aber mit Schmidt an, daß Mentel böchjt wahrjcheinlich jchon vor
1465 angefangen zu pruden, jo würde fich die Zahl feiner Ausgaben
und die jährliche Durcbjchnittsfeiftung nach diefem Kenner etwas niedriger
ſtellen.!? Bon jeinen Dauptiwerfen muß hier in erjter Yinie feine deutſche
Bibel (um 1466), Die zweite in der Reihe der deutjchen Bibeln, ge-
nannt werden. Sie zählt 405 Blätter in zweiipaltigem Druck mit
61 Zeilen auf ver Seite. Der Käufer eines in München bewahrten
Exemplars bat das Datum, den 27. Juni 1466, jeinen Namen, Hector
Mulich, und glücklicherweife auch den ftattlichen Preis, 12 Gulden für
ein ungebundenes Gremplar, bineingejchrieben; ſonſt trägt fie weder
Mentels Firma, noch Datierung. Seine Druderei hatte er in einem
„Zum Tiergarten‘ genannten Haufe in der Nähe des Fronhofs, bewohnte
aber das Haus „Zum Dorn’ in der Dornengafje Er gelangte zu
großem Wohlftande und wurde einer der reichjten Bürger Straßburgs.
Kaiſer Friedrich III. gejtattete ihm, al8 Wappen ven Löwen des jchlett-
jtadter Wappenjchildes anzunehmen, mit dem einzigen Unterſchied, daß
die Farben umgefehrt wurden. Der große Verleger ſtarb am 12. De-
zember 1478. Seine beiden Töchter aus erjter Ehe wurden die Gat—
tinnen zweier anderer nambafter jtraßburger Buchoruder: des Adolf
Ruſch und Martin Schott.
Kapitel.) Straßburg: Heinrich Eggeftein. 85
Der zweite Typograph Straßburgs, ein würdiger Genoſſe Mentels,
war Heinrich Eggeſtein, von Rosheim gebürtig. Er hatte auf einer
Univerfität den Magiftergrad erlangt. Nah Straßburg gefommen, be-
fleivet er nach 1427 bis 1463 das Aınt eines Infiglers, kommt jpäter
nur noch als Schreiber vor und hat fich alsdann der Buchdruckerkunſt
zugewandt. Für jeine anfängliche Verbindung mit Mentel fpricht ein
Zeugnis des Hieronymus von Sebwiler 3, der ein Dokument gejehen
haben will, nach welchem Eggeftein fih gegen Mentel verpflichtete, ihr
gemeinjames Berfahren geheim zu halten. Aus diefem Umftanve könnte
geichloffen werden, daß Mentel jenem die Kunft gelehrt habe. Wäre
diejes der Fall, jo würde die Genoffenjchaft von nicht langer Dauer ge
wejen fein, denn durch einen Schirmbrief vom 30. April 1466 nahın
Kurfürſt Friedrih von der Pfalz, als Yandaraf vom Elſaß, Eggeſtein
und dejjen Arbeiter in feinen befondern Schuß, ein Beweis dafür, daß
er in jenem Jahre!* bereits für fich allein arbeitete. Eins feiner ſchön—
jten, uns heutzutage wertwolliten Werke ift die erſte deutſche Bibel (ohne
Druderfirma und Jahreszahl erjchienen), von welcher durch mehrere
rubrizierte Exemplare erwiejen ift, daß fie mindeſtens 1466 gedruckt fein
muß; fie enthält 404 Blätter in zwei Spalten zu je 60 Zeilen. Mentel
jtellte erjt nach ihr die oben angeführte zweite deutſche Ausgabe ber.
Seinen erjten datierten, und zugleich ven eriten datierten jtraßburger
Druck überhaupt, lieferte Eggeftein in dem Rieſenfolianten des „Decre-
tum Gratiani“ von 1471, nachdem er bereits drei lateinifche undatierte
Bibeln hatte erjcheinen laffen. Trotzdem, daß Schöffer in Mainz viejes
„Decretum” nachzudrucken fich beeilte, gab Eggeſtein doch fchon 1472 eine
neue Auflage heraus, ein Beweis für den veißenden Abjat des Werkes.
In demjelben Jahre veranftaltete Eggeſtein noch eine Ausgabe der „Cle-
mentinae‘, in deren GErplicit er jeinen Namen nennt und binzufügt,
var von ihm ſchon zahlloje Werke über göttliches und menjchliches Recht
ausgegangen jeien. Man war bisher geneigt, dieſes Wort als ſtarke
Übertreibung aufzufaffen over den Ausdruck volumina im Sinne von
Fremplaren zu deuten; indeſſen hat neuerdings der Klemmſche Katalog
nachgewiejen !?, daß demjelben Typographen eine größere Zuhl von Wer-
fen angehört, die bisher einem „unbekannten ſtraßburger Drucker“ oder
dur Irrtümer und Berwechjelungen auch ven Typographen Georg Reijer
in Würzburg und Chriſtoph Valdarfer in Mailand zugejchrieben wurden,
86 Straßburg: Georg Huszner. Martin lad). [Zweites
ſodaß durch dieſen Zuwachs das ftolze Wort des Meifters Eggeftein im
eigentlichen Sinne wahr zu werden jeheint. Sein lebter datierter Druck
find die Decretalen Innocenz' IV. von 1478; jeine Thätigkeit jcheint
aljo zu gleicher Zeit mit der Mentels erlojchen zu fein. Sein Todes:
jahr tft unbekannt.
Der nächſte Buchdrucker Straßburgs ift Georg Huszner, urjprünglich
Goldſchmied. Er wurde jtraßburger Bürger, als er 1470 die Tochter
des Nikolaus von Honau heiratete, der als „aurifaber et pressor li-
brorum‘ mit jeinem Schwiegerjohn zujammen gearbeitet haben jolt. 1%
Teilhaber aber am erjten (1473) datierten Drude Huszners, dem „Spe-
culum judiciale” des Biſchofs Wilhelm Duranti, war der Mainzer
Johann Bedenhub, ver jich als Kleriker bezeichnet. Cs iſt ein Meifter-
werf der Typographie: der Drud von wundervoller Reinheit, die
Type ebenfo originell als gefällig. Im Explicit find die beſonders er-
wähnten metallenen Typen — exculptae aere literae — bemerfens:
wert. Huszners jpätere Drude von 1476 bis 1498 führen nur noch
jeinen Namen allein an. Er jtarb erſt 1505, wird aber, ungeachtet
daß er bis an jein Ende die Goldſchmiedezunft im Stadtrat vertrat,
in Urkunden immer noch als Druder bezeichnet. Beckenhub tritt jpäter
in Würzburg umd Regensburg als Teilhaber anderer Buchorudereien
auf; bei Koberger in Nürnberg und Amerbach in Bajel erjcheint er auch
als Korrektor.
Ein bedeutender Buchoruder war Martin Flach, 1475 bis 1500,
der fat überall mit dem Bajeler Martin Flach verwechjelt wird. Es
ift jedoch erwiejen, daß beide zwei verjchievdene Perfonen find. Er wurve
1472 ſtraßburger Bürger. Die Zahl feiner Drude iſt beträchtlich.
Schmidt hat deren mit jeinem Namen 7O gezählt; mit Einjchluß ver un—
Datierten mögen auf ihn wohl gegen hundert kommen, welche ihm jogar
das begeifterte Yob zeitzensffiicher Poeten eintrugen. Seine Thätigkeit
verdient Übrigens nur nach ihrer technifchen Seite Anerkennung; jeine
litterarifchen Verdienſte bleiben weit hinter denen feiner zeitgenöſſiſchen
Nebenbuhler Johann Prüf und Johann Grüninger zurüd, welch (ettere
mehr einen wiffenjchaftlichen Verlag pflegten. Man fennt von Martin
Flach, Alaccus oder Simus, wie er fich auch nennt, kaum ein Werk,
welches nicht dem jtarren theologiichen Dogma Hufdigte. Er ftarb am
26. Oktober 1500, 7
Kapitel.] Straßburg: Adolf Ruſch. 7
Adolf Ruſch von Ingweiler heiratete, wie bereits bemerkt, Mentels
Tochter Salome und wurde Teilhaber des Mienteljchen Gejchäfts, nach—
dem er vorher Gehülfe in demſelben gewejen war. Nach jeines Schwieger:
vaters Tode übernahm er 1478 die Offizin jelbftändig. Seit nicht allzu
langer Zeit fennt man erſt die genauern Daten über Ruſchs Thätigkeit
als Buchdrucker. Einem lateinischen Yobgedicht feines gelehrten weitfäli-
ſchen Zeitgenoffen Rudolf von Yangen, welches 1486 zu Münſter ge-
druckt erjchien!®, verdankt man die Kenntnis, daß die große wierbändige
‚„Biblia latina cum glossa ordinaria Walafridi Strabonis et inter-
lineari Anselmi Laudunensis“ von Ruſch für Anton Koberger gedruckt
worben ift. Diefes immensum opus — wie Yangen jelbjt es nennt —
ift ein bewundernswertes Denkmal der Ausdauer und Gejchicklichkeit
ihres funjtweritändigen Schöpfers. Zum Drud diejer glojfierten Bibel
wurden viererlei Typen benugt: 1) die Tertfchrift, 2) die Kleinere Stoffen:
ichrift, 3) die noch Kleinere Interlinear-Gloſſenſchrift und 4) die Miffal-
type für einzelne Worte, Überfchriften und die erjten Zeilen des Textes
von jedem Kapitel. Diejen umgibt auf jeder Seite die Gloſſe, während
ziwijchen feine Zeilen die Interlineargloife des Anjelm von Laon einge-
ichoben iſt. Ruſchs Perjönlichkeit bietet für die GSejchichte des Buch—
banvels jener Zeit ein mehr als gewöhnliches Intereſſe. Wie für
Koberger, jo übernahm er auch Aufträge von andern BVerlegern. Wenn
jeine eigenen Preſſen nicht ausreichten, jo gab er ven kleinen ftraßburger
Drudern Arbeit; man fennt überhaupt bis jet nur wenig Drude, welche
man mit Beftimmtheit als die jeinigen bezeichnen kann. In der bajeler
Bibliothek haben fich jüngst noch acht Briefe vorgefunden, welche Ruſch
an Johann Amerbach gerichtet und welche C. Schmidt zuerſt vweröffent:
licht hat.i“ Wenn auch in möglichjt jchlechtem Yatein geichrieben, jo
enthalten fie doch einen höchſt intereffanten Beitrag zur Kenntnis des
Sejchäftsverfehrs der damaligen Buchdrucker und Buchhändler, zumal
fie einem jo entlegenen Zeitraum, wie dem von 1480 bis 1485 angehören.
Rush machte zugleich bedeutende Gejchäfte in Papier und lieferte
jolhes häufig an Amerbach und andere Druder. Er war gewohnt, wenn
er Bücher für feinen Handel kaufte, diejelben mit Papier zu bezahlen,
derart, daß er zwei Ballen weißes für einen Ballen bevrudtes lieferte,
Einſtmals hatte er bei Jakob von Pforzheim eine ähnliche Bejtellung
gemacht. Diejer antwortete ihm aber, er habe ſich mit Papier genügend
88 Straßburg: Adolf Ruſch und ſeine Geſchäfte. Zweites
vorgeſehen und würde ihm die verlangten Bücher auf Kredit ſchicken,
wenn er ſie mit Geld begleichen wolle. Aber Ruſch erwiderte, „er kaufe
keine Bücher, ſondern ſei Papierhändler, und wenn jener ſein Papier
für ſein jetziges Werk nicht brauche, ſo ſolle er es auch ſpäter für die
andern nicht erhalten“. Ein anderes mal, am 22. Oktober 1482, ver—
wendet ſich Ruſch bei Amerbach für den ſtraßburger Buchhändler Peter
Attendorn, „Amerbach möge dieſen mit Typen für eine Preſſe verſorgen,
wofür er gebührend bezahlen würde“, denn „da er (Attendorn) aufs eif—
rigſte nach Arbeit trachtet, durch die er Frau und Kinder anſtändig er—
nähren und erziehen kann, ſo erſuche ich Euch, da Ihr an Typen Vor—
rat habt, ihm auf meine Bitte Hilfe zu leiſten. Ihr würdet mir da—
durch einen Dienſt erweiſen, den ich gern mit einem größern erwidern
werde“. Ruſch lieferte Amerbach zu wiederholten malen Handſchriften,
bewog ihn auch den Äſop, Auguſtins „De civitate Dei“, die „Ser-
mones discipuli” zu vruden, letztere in der Art, wie fie Flach gedruckt
hätte, „denn es iſt ein gutes Buch’, jchreibt er, „und eines großen Ab-
jates fühig“. Über Nikolaus Keßler und Jakob von Pforzheim beflagt
er fich, daß fie cs weniger eilig hätten, Bücher zu ſchicken, ala Geld ein-
zunehmen; ein andermal wieder, daß fie ihm ven „Meffreth” (vie „Ser-
mones’, welche Keßler 1457 drudte) nicht gejandt hätten. Zugleich be-
jtellte ev bei Amerbac 10—20 Exemplare ver „Summa praedican-
tium“, wofür er jofert 19 Gulden pro Eremplar nach Empfang ein-
jenden werde. — Die vieljeitige Thätigkeit eines Mannes wie Ruſch als
Buchoruder, Verleger, Buch: und Papierhändler muß in der That Be-
wunderung erregen. Nach dem Tode jeines ESchwiegervaters jcheint er
noch einen oder mehrere Sejelljchafter gehabt zu haben; wenigitens jpricht
er in dem erjten der genannten Briefe von „societas mea“. Cr jtarb
am 26. Mai 1480. Im jeiner Jugend ſchon hatte ihn enge Freund—
jchaft mit dem jungen Humaniſten Beter Schott verbunden, der in Straf:
burg die Pflege der Haffiichen Studien zu erweitern und zu vertiefen
trachtete. Kine Folge Diejer Berbindung war jedenfalls der von Ruſch
aufgenommene Plan ver Herausgabe eines mit Holzichnitten verzierten
Virgil, die leider infolge des Todes des tüchtigen Mannes unterblich.
Ein Vetter Peter Schotts war ver Buchdrucker Martin Schott,
der jene obengenannte zweite Tochter Mentels geheiratet hatte. Er
drudte von 1481 bis 1491. Sein Sohn, Johann Schott, wurde gleich:
Kapitel.) Straßburg: Johann Schott. Johann Prüf. Johann Grüninger. 80
falls Bucoruder und veranlaßte durch die Umjchrift des Mientelichen
Wappens, das er als Enfel des großen Prototypographen auf ven Titel
einiger von ihm herausgegebenen Werke ſetzte, daß das Mürcen von
einer durch Mentel erfundenen Buchoruderkunft fich weiter verbreitete und
den Ruhm Gutenbergs eine Zeit lang verpunfeln half. Seine Thätig—
feit ale Druder iſt höchſt bedeutend. Zu feiner Zeit ſchon erblühte der
vom Beſitz einer Druderei unabhängige ftraßburger Verlagsbuchhandel.
Im Jahre 1510 gab Johann Schott mehrere Werfe auf Koſten jeines Freun—
des Georg Übelin, genannt Maxillus, heraus; 1513 drudte er für den
Straßburger Johann Knoblauch, 1515 für Paul Göß, 1517 und 1518
für beide zuſammen, 1519 für Blafius Salomon in Yeipzig, 1536 für
Andrea Calvi zu Mailand. Er lebte noch 1545. — Sodanı find die ſchon
genannten Johann Prüf, 1480 bis 1510, und deſſen gleichnamiger Sohn
(bis 1527) zu nennen. Jener war ein geborener Wiürtemberger (geb.
1447) und machte ven Drud liturgifcher Werke zu feiner Speztalität.
Man bat von ihm Martyrologien mit Kalendern, Mefbücher, Graduale
und Piafter mit den Muſiknoten. Außerdem gab er Schriften aus fait
alten Gebieten der Yitteratur heraus. Als Buchhändler beſaß ev zwei
väden, einen im Hauſe „Zum Tiergarten‘, da, wo Mentels Offizin ge
weſen war, und einen andern am Gingang zum Münſter. Sein Sohn
druckte für Knoblauch und Paul Götz. Die feinen Namen allein tragenden
Bücher belaufen fich auf etwa 20 lateinische und 6 deutſche. Nach 1519
druckte er zahlreiche lutheriſche Schriften nad.
Einer der beveutenpften ſtraßburger Druder war Johann Reinhart
aus Grüningen in Wiürtemberg, gewöhnlich Johann Grüninger genannt,
ver zuerjt 1480 in Bafel als Druder auftritt und 1482 in Straßburg
das Bürgerrecht faufte. Im Jahre 1483 gab er in Glemeinjchaft mit
Heinrich von Ingweiler die „Historia scholastica” heraus, trennte jich
aber bald von ihm und drudte jpäter allein bis 1529. Seine Offizin
war eine bochangejehene. Theologiſche Werke, hauptjächlich in deutjcher
Sprache, Voltsbücher und poetische Yitteratur gingen veichlich aus der:
jelben bervor; jein Verlag erjtredte fich aber auf alle Teile ver Wiſſen—
ſchaft. Er war nebenbei zugleich ein großer Nachdrucker und juchte,
der eriten einer, ſich ſelbſt durch Privilegien gegen ven Nachorud zu
ſchützen. Seine Drude zeichnen fich vor allem durch zahlreiche Holz—
jchmitte und Verzierungen, wie ſchöne Aiphabete von Initialen und Titel:
90 Straßburg: Johann Grüninger. [Zweites
einfaffungen im Stil der deutſchen Renaiffance aus. Er ijt der einzige
jtraßburger Buchoruder, der nach der Reformation fortgefahren bat,
katholiſche Flugſchriften und Traftate herauszugeben. Seine vortrefflichen
Leiſtungen verjchafften ihm einen bedeutenden Ruf und zahlreiche Be:
jtellungen von auswärtigen Berlegern. So drudte er 1502 für Konrad
Hift in Speier, und in demjelben Jahre kaufte ihn Johann Schönfperger
in Augsburg das in 1000 Eremplaren gebrudte „Heiligenleben“ (28. Fe—
bruar 1502) unter der Beringung ab, daß Grüninger nur 200 Exem—
plare davon für ſich behalten, fie nicht außerhalb Straßburg und zu
feinem andern Preife, als einem Gulden das Exemplar verfaufen, vor
Ablauf von jechs Jahren das Buch nicht neu auflegen dürfe und bie
Holzitöde ver Bilder an Schönfperger abliefern müffe, als Beweis da—
für, daß dieſer der alleinige rechtmäßige Befiger der Ausgabe jei.?° Zu
wiederholten malen, 1510, 1524, 1525, vrudte Srüninger auch für
Koberger in Nürnberg. So führte er 1525 den Drud einer von Wili-
bald Pirdheimer bejorgten Überjeßung der Geographie des Ptolemäus
aus, deren Verlag und Koften Hans Koberger übernommen hatte. Über
den Drud dieſer Ausgabe find mehrere Driginalbriefe Grüningers,
Pirdheimers und Kobergers erhalten. Neben mancher andern interejfanten
Einzelheit geht aus denfelben hervor, daß die nürnberger Herren den ftraß-
burger Meifter nicht gerade glimpflich behandelten. Um ver Ausgabe
ein vecht jchönes Äußeres Gewand zu verleihen, ließ Grüninger kunſt—
volle Randleiften zu dem Werfe ſchneiden und verzierte damit die Zeiten
des Tertes. Allein bei Pirdheimer fanden Grüningers Bemühungen
werig Anklang. In einem böchit aufgebrachten Schreiben beflagt ev ſich
bei dieſem darüber, daß jein Tert micht im gehöriger Ordnung geprudt
jet, amd nicht genug damit, habe Srüninger dazwijchen jeine „Fabel und
gauklerrey gedruckt und aljo die ordnung verkehrt‘, ſodaß Anmerkungen
und Text nicht immer ſtimmten. „Wo ich mich deſſen verjehen hätte“,
jchreibt Pirckheimer weiter, „hätte ich cher mein Manuſkript verbremmen
mögen“ Weiter beſchwert er fich über zahlreihe Drudfehler und dar—
über, daß Grüninger bei dem fetten Teil e8 verfäumt babe, den zur
Korrektur bejtellten gelehrten Johannes Huttichius zu Rate zu zichen,
worauf er fortfährt: „Aber ich ſehe wohl, daß hr meint, wenn Ihr
nur viel Saufelei und alter Weiber Fabel mit Kartenmaler-Bildern in
das Buch bringt, jo habt Ihr es wohl gejchafft‘‘, „dans mag wohl jein
Kapitel.) Straßburg: Johann Grüninger. Kleinere Druder. 91
unter Kindern und unverſtändigen Leuten, aber unter den Gelehrten würde
ich mit ſamt Euch zu Spott und Schanden. Ich hätte gemeint, wo
Ihr etwas nicht verſtanden, hättet Ihr Meiſter Hanſen Huttich um Rat
gefragt; aber ich ſehe wohl, Ihr folgt nur Euch ſelbſt, es möge geraten,
wie e8 wolle. Meine Mühe und Arbeit habe ich nicht wohl angelegt.
Ihr hättet nur hören follen, wie mich Albrecht Dürer Eurer Malerei
halber, daran doch fein einziger guter Strich jei, verjpottet hat; wir
würden, meinte er, große Ehre einlegen, wenn wir damit im weljchen
Landen vor die verftändigen Maler fümen; da würde eben meine Über-
jetung ungelefen dem köſtlichen Bildwerk gleich geachtet und ich und
Ihr für «grob unverjtändige Yeut» gehalten werden.“ Natürlich blieb
Grüninger die entſprechende Antwort nicht ſchuldig. „Es hätten“, fügt
er, „pariſer und lyoner Buchhändler, die auf einer Meffe die Bogen
geſehen, jowie auch Spanier, denen er fie auf dem Reichstag zu Worms
vorgelegt, diejelben jehr ſchön gefunden.” Vielleicht jpielen bier Künftler-
GCiferfüchteleien, eine Abneigung gegen die elfaffer Schule mit hinein.
Die italienischen Buchilluftrationen jener Zeit waren ja auch nicht Kunſt—
werfe eriten Ranges. Schlieplich aber mußte Grüninger den Schmuck
Doch beijeite laffen und ven Herren zu Nürnberg noch gute Worte geben,
um von ihnen nicht Schaden zu erleiden. Er ſcheint zuleßt nur noch
als Verleger thätig geweten zu jein. Sein Todesjahr iſt nicht befannt.
Untergeorpneter als die bisherigen waren: Heinrich Knoblochtzer, 1478
bis 1484, der ſich durch jechs bejonvders jprachlich intereſſante veutjche
Werfe befannt gemacht hat und ſpäter nach Heidelberg überjievelte;
Thomas Anshelm von Baden, 1488, jpüter zu Pforzheim und Tübingen,
der zulegt in Hagenau jeine hauptjächlichite Bereutung gewann; Johann
Eber, 1488; Peter Attendorn, der obengenannte Schütsling Adolf Ruſchs,
1489; Matthias Hupfuff, 1492 bis 1520, hervorragend durch die
von ihm herausgegebenen populiren und deutichen Schriften. Sein
Umſatz muß bedeutend gewejen jein, denn Knoblauch ſchuldet ihm im
Sabre 1516 für gelieferte Bücher eine Summe von 1984 Gulden. Kerner
Bartholomäus Kiftler von Speyer, ein Maler, der eine Zeit lang die
Buchdruckerkunſt ausübte und von 1497 bis 1509 eine ziemliche Anzahl
meiſt deutjcher populärer Schriften berausgab; Matthias Brant, 1500,
ein Bruder des berühmten Sebaftian. Dann Johann Knoblauch; er
heiratete die Witwe Martin Flachs und tritt als deſſen Nachfolger auf.
92 Straßburg: Johann Knoblauch. Matthias Schürer. Nleinere Druder. [Zweites
Bis 1527 gab er gegen 200 lateiniſche und 70 veutiche allen möglichen
Gebieten angehörende Werfe heraus. Er hatte jehr ausgebreitete Ge—
ichäiftsverbindungen; jeine Prejfen arbeiteten jowohl für auswärtige Ver-
leger, wie 1505 und 1506 für Johann von Navensberg von Köln, 1515
für Urban Kaym von Ofen, 1516 für Johann Dajelberg von Reichenau,
als auch für andere Druder, wie Heinrich Gran in Dagenau, Johann
Prüf, Johann Schott, Martin Flach den Jüngern. Seine Nachfolger
waren jein Sohn Johann und Georg Meſſerſchmidt. — Auch der jüngere
Martin Flach, der eigentlich durch jeinen Stiefvater Knoblauch aus dem
väterlichen Erbe verprängt wurde, prudte bis zum Jahre 1525 felbitändig
in Straßburg. Ferner find zu nennen: Johann Wehinger, 1502 bis
1504; Thomas wor, 1504, deſſen Drude aber verjchwunden find, wenn
er überhaupt jelbjtändig geprudt hat; Hieronymus Greff, 1502; Matthias
Schürer, ein Better Martin Flachs des Jüngern. Er hatte gelehrten
Studien obgelegen und zu Erfurt al® Doctor artium promoviert; dem-
nächſt als Korrektor bei lach, Prüf und Knoblauch thätig, gab er 1508
jein erjtes jelbjtändiges Werk heraus. Eifrig für die Hebung der klaſſi—
ſchen Studien bemüht, wurde er von Beatus Rhenanus, Wimpheling
und jelbjt Erasmus hochgeſchätzt. Seine Thätigfeit war bedeutend; bis
1521 veröffentlichte er gegen 250 Werfe. Die Brüder Yeonhard umd
vukas Alantjee in Wien ließen bei ihm mehrere jchöne Ausgaben in ven
uhren 1513, 1515 und 1517 drucken. Renatus Bed aus Köln, 1511
bis 1522, — zuerjt des ältern Prüf Gehülfe, alsdann jein Schwieger—
john und endlich jein Nachfolger — drudte 1513 für Knoblauch und
Johann Rynmann in Augsburg, während Konrad Kerner von Steinfelo
1517 von Johann Haſelberg bejchäftigt wurde. Ulrich Morhard, 1519
bis 1522, druckte jpäter in Tübingen. Es folgen nun noch Johann
Herwagen, jpäter in Bajel, 1522 bis 1528; Jörg Kunnaſt, um 1520;
Wolf Köpfel, 1522 bis 1534; Johann Schwan, 1524; Peter Kornmann,
1526; Balthafar Bed, um 1528 bis 1531; Chriftian Egenolph, ver '
jpitere erfte franffurter Druder, 1529 und 1530; Heinrich Sybold, um
diejelbe Zeit; Georg Ulricher, 1529 bis 1536; Peter Schöffer, dev zweite
Sohn des alten Peter Schöffer aus Mainz, 1530 bis 1535; Matthias
Apiarius oder Bienenvater, der fich jpäter nach Bern begab, 1533 bis
1539; Johann Albrecht, 1533; Wendel, Theodofius und Joſias Rihel,
die Nachkommen des Bernhard Nichel in Baſel, von etwa 1535 bie
— — — —
Kapitel.) Köln: Handel, Induſtrie und Univerfität. 93
1621; Jakob Kammerlander, 1535 bis 1542; Crato Mylius, 1537 bis
1545; Paul und Georg Meſſerſchmidt, um 1560; Bernhard Jobin aus
Bajel und Erben, 1570 bis zum Ende des Jahrhunderts. Der legtere
war urjprünglich Kormjchneiver in Bajel. Durch Herausgabe ver geift-
vollen Satiren jeines Schwagers Johann Fijchart, welche in ganz Europa
großes Aufſehen erregten, begründete er jeinen Ruhm und Reichtum.
„Es war”, jagt A. F. Butſch in jeiner „Bücherornamentif ver
Renaiſſance“, „Ausgang des 15. und Cingang des 16. Jahrhunderts
überhaupt in Straßburg eine Elite von Trudern, wie fie feine andere
Stadt Deutſchlands aufweiſen konnte. Die Zahl ihrer Druchverfe (bis
zum Jahre 1500 etwa 750) war denn auch die größte aller deutjchen
Drudorte. Verſtand es gleichwohl ihre Nebenbuhlerin Bajel, fie eine
Zeit fang zu überflügeln, jo nahm in jpätern Jahren des 16. Jahr—
hunderts Doch wieder Straßburg die früher behauptete Stellung ein.“
4, Köln,
wohin die neue Kunſt zumächit gelangte, hatte ſchon im 11. Jahrhundert
näcjt Mainz als das Haupt und die Kürjtin von allen Städten des
Reichs geglänzt und fich jeitvem immer mehr gehoben. Seine günftige
Yage machte e8 zum Stapelplat zwijchen Mittelmeer und Norpiee, ?!
Hier trafen die großen Handelszüge zufammen, welche von Venedig und
Senna über die Alpen und den Rhein hinab, dann vom fernen Nowgorod
durch Vermittelung Lübecks und der weftfälifchen Städte dem Weſten
die Erzeugniffe des Oſtens zuführten; bier lagerten die Waren, welche
aus England, Franfreih und den Niederlanden für die Oſtſee bejtimmt
waren; von bier wurden Wein und Korn, flämifches Tuch und weit-
fäliſche Eiſenwaren vertrieben, So entwidelte ſich in Köln ein beveu-
tender Großhandel und in feinem Gefolge eine nicht unwichtige Induftrie,
ſodaß die Zahl und der Wohljtand der Einwohner jtetig wuchs. Die
gegen Ende des 14. Jahrhunderts errichtete Univerſität war einer der
nach parijer Mufter gegründeten Hauptſitze der mittelalterlichen Schofaftif
und prägte ſpäter diejen ihren Gharafter auch in den dortigen Drud-
werfen aus. Die Zahl der noch heute in der ſtädtiſchen Bibliotbef be-
findlichen fölner Wiegenprude beläuft fih nach Ennens Schrift ber
dieſen Gegenjtand auf 406 Werfe und enthält außer einigen juriſtiſchen
und jonftigen Lehrbüchern faſt nur theologijche mittelalterliche Yitteratur.
94 Köln: Ulrich Zell. [Zweites
Die Univerfität zählte gegen Ende des 15. Jahrhunderts an 4000 Stu-
denten und mußte, wenn jie nicht hinter andern gelehrten Schulen zurüd-
bleiben wollte, ven Bücherdruck möglichjt zu fördern juchen. Die Buch:
drucker und Buchhändler aber gingen aus den intelligenten kaufmännt-
jchen Streifen der großen Handelsſtadt hervor. Dieje Dittorp, Hornden,
Birdmann, umd wie fie alle heißen, waren unternehmende, vührige und
thätige Männer von weiten geiftigen Gefichtöfreife, große Kaufherren;
fie legten den Grund zur buchhändlerijchen Beveutung Kölns. Ihr Ge-
jchäftsbetrieb war damals jchon vielfach ein internationaler und lich be-
reits die ungemefjene Ausdehnung des geiftigen Verkehrs ziemlich deut—
lich ahnen.
Ulrich Zell von Hanau, der fich, wie Peter Schöffer, clericus Mogun-
tinensis nennt, brachte unmittelbar nach der Plünderung von Mainz die
Erfindung Gutenbergs nah Köln. Er gilt als einer der erſten Schüler
der mainzer Drudereien und gehörte, nach dem Duftus jeiner Schriften
zu Schließen, jpeziell der Fuſt und Schöfferjchen Schule an. Das Jahr
14656 bringt jeinen erjten batierten Drud, ven „Liber Joannis Chry-
sostomi super Psalmo quinquagesimo”; jedoch find ihm böchit wahr-
jcheinfich bereits andere umdatierte Druckwerke vorangegangen. Dafür
jpricht jeine Ausgabe ver „Officia” des Cicero *?, deren mannichfache
Fehler in die Fuſt und Schöfferjche Ausgabe des Cicero von 1465 über-
gingen, ſodaß jene noch älter jein muß, als dieſe. Leider geben vie kölner
Urfunden über den Zeitpunft jeiner Ankunft in Köln feinen nähern
Nachweis; die Koelhoffſche Chronik, deren Berfaffer nach eigenen Ans
gaben Ulrichs über die Buchdruckerkunſt berichtet, jagt darüber nur:
„stem von Mainz ift die fragliche Kunſt zu allererit nach Köln ge:
fommen, darauf nad) Straßburg und folgendes nach Venedig. Über Ur-
iprung und Fortjchritt dieſer Kunſt hat mir mundlich erzählt Meiſter
Ulrich Zell von Hanau, Buchdruder zu Köln noch zur Zeit anno 1499,
durch den die genannte Kunſt nach Köln gefommen iſt.“ Auf dieje dürf—
tige und unfichere Nachricht fan man um jo weniger etwas bauen, als
die Reihenfolge, in welcher die Städte hier angeführt werben, biftorijch
durchaus unhaltbar ift, da ebenſowenig wie Köln chronologiſch vor Straß—
burg geitellt wervden fann, Venedig den Rang vor Subiaco, Nom und
Bajel voraus hat.
Im Sabre 1473 erwarb Zell das nahe der gleichnamigen Kirche ge-
Kapitel.) Köln: Ulrich Zell. Arnold ther Hörnen, 9
legene Haus „Bei Lyskirchen“ und verlegte feine Druderei dabin, wie
das jeit 1484 der Zujat apud Lyskirchen auf mehrern feiner Drude
beweijt.2?° Seine Thätigkeit als Druder ſcheint nur bis zum Jahre
1494 gedauert zu baben, denn in diefem Jahre erichten das letzte da—
tierte Werf aus feiner Preffe: „Gerardi Hardervici commentarii in
quatuor libros novae logicae Alberti Magni.“ Indeſſen lebte Zeit
nob im Sabre 1507, wo er jein Haus „Alte Malzmühle“ auf dem
GFigelftein an Hermann Scharwächter verfaufte. Im Jahre 1492 ?* nannte
ſich Zell jelbft nochmals „erjter Drucker“ — protocharagmaticus —,
was ihm Johann Koelhoff das Jahr darauf nachmachte. Im ganzen ift
Zelle Thätigfeit eine beveutende und gewinnbringenve geweien. Man
fennt von ihm ungefähr 120 Drude, von denen jedoch nur jechs
ven Namen des Meiſters jelbjt aufweifen. Die meiſten feiner Werfe
waren fleinere Traftate in flein Quart. Im ganzen bat Zell nur 18
größere Folianten gebrudt, unter denen feine zweibändige undatierte
lateiniſche Bibel die erjte Stelle behauptet. Der Bibliograph Mappen
hat aus handjchriftlihen Notizen, die fich in mehrern Zelfjcben, im Be—
jig des Kloſters Weidenbach entvedten Druden finden, die Eriftenz einer
großen Druderei diejes Kloſters herzuleiten fich bemüht und Ulrich Zell
zu deren Yeiter gemacht. Dieje Vermutungen haben jedoch für die Ge—
jebichte feine Bedeutung.
Der zweite fölner Buchdrucker war Arnold ther Hörnen, über welchen
feiver alle perjönlichen Daten fehlen. Die eigentümliche Schärfe und
harafteriftiiche Geftalt ver Schriftgattungen dieſes Typographen deuten
auf jeinen holländischen Urjprung. Ther Hörnen war, wie jchon im
erften Kapitel erwähnt, ver erjte Buchoruder, welcher Blattzahlen in
Ammvenvung brachte und jie in arabijchen Ziffern austrüdte Sie fom-
men bereits in jeinem Drud „Sermo ad populum praedicabilis‘
von 1470 vor. Seine Thätigfeit erlifcht mit dem Jahre 1483; in-
deſſen fennt man doch gegen 60 verjchievdene Druchwerfe von ihm, und
zwar allein 25, die feinen Namen oder jein Druderzeichen tragen. In
welchen verwandtjchaftlichen Verhältnis ein Peter tber Hörnen, der 1486
vorkommt, zu dem obengenannten Arnold jtehen mag 25, ift nicht ermittelt.
Peter von Olpe drudte von 1470 bis 1477; es find indefjen nur vier
Werfe von ihm befannt. Ginmal nennt er fich Petrus in altis de
Olpe. Man glaubt daher, daß er Bergmann bie und von Olpe (Bro:
96 Köln: Johann Koelhoff Vater und Sohn. (Zweites
vinz Wejtfalen) gebürtig war, wie auch Johann Bergmann von Olpe zu
Bajel wohl ein Verwandter von ihm jein mag.
Einer der bedeutendſten Buchdruder Kölns war Johann Koelhoff aus
vLübeck, der ebenfalls von 1470 ab daſelbſt in Thätigkeit trat; er ftarb
im Jahre 1493. Unter ven 80 Druchverfen, die von ibm befamnt
find, befinden ſich 7 Werke in deutjcher Sprache, die für ven Sprac-
jorjcher wegen des darin vorberrichenvden niederdeutſchen Dialekts ein
hervorragendes Interejje bieten. Die Nachricht übrigens, daß Johann
Koelhoff jeine Typen aus Bajel vom Schriftgießer Yeonhart bezogen babe,
beruht nur auf einer oberflächlichen Prüfung ver Verje, vie am Schluſſe
von Franciscus de Platea „Opus restitutionum“ von 1474 jteben.
Die erjte und zweite Ausgabe dieſes Werfes druckte nämlich Bartholo—
mins von Cremona im Jahre 1472 (Hain, Nr. 13034, 13036). In
der zweiten find bereits viejelben Verſe, wie jie die Koelhoffſche Aus-
gabe von 1474 aufweift, nur mit einer Namensänderung enthalten, derart,
daß bier jtatt „Basileae” und „Leonardus“, „Cremonae“ und „Bartho-
lomaeus” jtebt. Weiter gibt es jedoch eine 1473 zu Papua erjchienene
Ausgabe, die genau diejelben Verſe und auch diejelben Namen, wie die
Ktoelhoffiche enthält. Demnach war es denn zumächit vLeonhard (Acha—
tes) aus Baſel, der Die cremonejer Ausgabe zu Papua nachorudte und
die betreffenden Berje auf ſich paſſend umgeftaltete. Ein Nachdrud diejes
Nachdrucks iſt dann die Koelhoffſche Ausgabe von 1474, in welcher die—
jelben Verſe gedanfenlos jteben gelaffen wurden. Derartige Beiſpiele
unverjtändigen Nachdrucks fennt die ältere Buchdruckergeſchichte ſchon von
Schöffer an nicht wenige. So enthalten 3. B. ein Dutend verjchievene
Ausgaben von Bartholomäus de Chaymis' „Confessionale” alle vie-
jelben Diftihen am Schlufje, welche Chriſtoph Valdarfer in Mailand
als Druder nennen, und doch ſtammt mur Eine Ausgabe von diejem
ber, während in allen andern die gedachten Verje mechanijch nachgeprudt
worden jind.
Auf Johann Koelhoff folgte im Geſchäft jein Sohn gleichen Namens.
Man verwechjelt fajt allgemein beide VBerfjönlichkeiten miteinander, da
der Jüngere fich ebenfalls Johannes Koelhoff Lubecensis nannte; man
muß jie jedoch trennen, da ver ältere Koelhoff bereits 1493 ftarb, die von
1494 bis 1500 gedruckten Werke alſo unbedingt einem jüngern ange
bören. Unter viejen Werken befindet ſich auch die berühmte „Cronica van
Kapitel.) Köln: Nifolaus Götz. Barth. von Unfel. Konrad Winters. 97
per billiger ſtat Coellen“ von 1499, die mehr noch wegen der jo oft
angeführten Nachricht von Grfindung der Buchdruckerkunſt, als wegen
ihrer Seltenbeit jo berühmt geworden ift. Gin Teil ver Typen und
Holzſchnitte Koelhoffs ging nach 1500 in den Befit Heinrichs von Neuß
auf dem Cigelitein über?®, ver bis 1521 daſelbſt als Buchoruder er:
jcheint.
Nikolaus Götz von Schlettjtant war nur in den Jahren 1474 bis
1478 zu Köln als Buchdrucker thätig; feine Drude find daher gering
an Zahl. Fälſchlich wird ihm die fölner Bibel in niederdeutſcher Mund—
art zugejchrieben; ebenjo behauptet man, Heinrich Quentel habe die Offizin
des Nifolaus Götz fortgejegt. Allein beive Annahmen entbehren ver Be:
gründung und find auf eine faljche Vermutung von Heinrich Yempert
in jeinen Beiträgen zurüdzuführen. Als Druder ver kölner Bibel iſt
ferner auch Bartholomäus von Unfel (1475 bis 1485) angenommen
worden, da in Druden feiner Firma?” Yettern von fajt ganz gleicher
Geſtalt vorfommen, die indeſſen etwas fetter und auch jchöner find ale
diejenigen der Bibel. Heinrih Quentel dagegen jtellte 1479 mit einer
ver Bibeltype genau entjprechenden Schriftgattung feinen erjten Druck,
die „Summa Astexani” ber; die Schluffolgerung ift deshalb auch wohl
nicht zu gewagt, daß er der Druder des großen Werfes war. Der eit-
jige dagegen angeführte Grund, der in der Bibel auffallennde Mangel
an Signaturen nämlich, die ſich in allen andern Druckwerken Quentels
vorfinden, ift gegenüber der Ihatjache nicht wohl ftichhaltig, daß Typen
und Holzjchnitte der Bibel vielfach in andern Quentelſchen Druden vor-
fommen. Das wichtigfte Werf des Bartholomäus von Unfel, von wel-
chem im ganzen etwa 20 Drude vorhanden find, ift der „Sachſenſpiegel“
von 1480 in niederdeutſcher Sprache.
Ein Jahr nach ihm beganı Konrad Winters von Homberg jeine
Thätigfeit. Die von ihm gebrauchten Schriftgattungen find denjenigen
Ulrich Zells jo ähnlich, daß fie Häufig damit verwechjelt werden. Im
Jahre 1479 erjchien bei ihm eine jchöne lateinische Bibel, worin es am
Schlufje heißt: „impressum in eivitate Coloniensi per Conradum
de homborch: admissum et approbatum ab alma universitate
Coloniensi”. Es iſt dies der erfte Genfurvermerf, ver fich auf einem
fölner Druckwerke findet; von bier ab bis zur Mitte ver achtziger Jahre
febren derartige Vermerke noch oftmals wierer. Die Wirfjamfeit Kon-
-
app. I. 4
98 Köln: Johann Guldenihaff. Heinrich Quentel. [Zweites
rads von Homberg dauerte nur bis 1482; man fenmt von ihm ungefähr
30 Drudwerfe.
Der nächite kölner Buchdrucker it Johann Guldenſchaff von Mainz.
Er ſtammte aus einem vornehmen Gejchlecht, das jeinen Namen von
dem dort noch ftehenden Haufe „Zum goldenen Schaf” führte. Die
Bibliographen Clement, Ban Praet und Ennen laſſen ihn anfänglich in
Mainz pruden; allein dies ift, wie jett aufgeklärt, ein Irrtum. Im Sabre
1477 fam er nach Köln und begann bier erjt feine Druderei, die er
bis zum Jahre 1487 behielt. Dann verjehwindet fein Name. Seine
Drude find nicht ſehr zahlreich, aber durch jchöne Schriften ausgezeichnet.
Yetstere jcheinen jpäter an die Druderei ver Retro Minores (Hinter ven
Minoriten) und Martins von Werden gefommen zu fein, denn man be-
merkt in Werfen des legtern Guldenſchaffſche Typen.?*
Der Begründer der berühmtejten fülner Offizin, die volle anderthalb
Jahrhunderte ihren beventenden Einfluß auf das wilfenjchaftliche VYeben
des niederrheinifchen Gebietes ausgeübt bat, ijt Heinrich Quentel. Er
war von Straßburg gebürtig und nennt jich zuerft in ver „Summa
Astexani” von 1479. Die fölner Bibel in nieverdeutjcher Mundart,
die, wie oben ausgeführt, ebenfalls als jein Werf bezeichnet werden muß,
hat er wahrjcheinlich jchbon vor ver „Summa“ fertig geitellt. Diejes
Bibelwerk iſt auch noch im fünftlerijcher Beziehung durch jeine Holzichnitte
bejonders wichtig. Heinrich Quentel lebte bis 1503. Gegen 200 Drud:
werfe geben ein rühmliches Zeugnis von feiner Thätigfeit. Die Druderei
wurde nach jeinem Tode zumächjt für Rechnung der Kinder fortgejett
(1503 bis 1520); daranf führte fie jein Sohn Peter Quentel ſelbſtändig
weiter. Dieſem folgte jein Sohn Johann, und bis in das 17. Yabr-
hundert hinein firmieren noch Johann Quentels Erben. Peter entfaltete
in den dreißiger und vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts eine nicht
zu unterjchäßende Verlagsthätigkeit Seiner Bejchäftigung der Preſſen
von Peter Jordan und Franz Behem in Mainz z. B. wurde ſchon
gedacht.
Unter den hervorragenden Buchdrudern gegen Ende des 15. Jahr—
hunderts find noch zu nennen: Ludwig von Renchen, aus dem Dorfe
Renchen in Yothringen, der von 1484 bis 1489 thätig war und ein
Haus an der Mearspforte bejaf. Er druckte einige Kirchenbücher und
das jehr geſchätzte und gejuchte „dytſche Paſſional“. Renchen lebte noch
Rapitel.| Köln: Kleinere Druder. Martin von Werden. Heinrih von Neuß. 99
1501; er gehört zu ven Buchorudern und Buchhändlern, welche in dieſem
Jahre die Hilfe des Papftes gegen die Genjurvorjchriften des erzbijchöf-
liben Offizials anriefen. Gornelins von Zyrichzee, aus der Stadt Zirif-
zee in Seeland, drudte von 1489 bis 1517 und wohnte in dem jekt mit
Nr. 2 bezeichneten Haufe in der Stockgaſſe. Johann von Yanden er-
jcheint von 1496 bis 1521. Bis 1507 befand fich feine Druckerei in der
Straße „Unter jechzehn Häuſern“ (fovrumpiert in die heutige Straße
„Sachſenhauſen“), im lettgenannten Jahre aber zog er im das ber
Artiftenfakultät der Univerfität gehörige Haus „Zur rothen Pforte‘ in
der Gereonsjtraße. Hermann Bongart aus Kettwig a. d. Nuhr druckte
von 1495 bis 1521 religiöje, Firchliche und Liturgijche Bücher in dem
Hauje „Zum wilden Mann’ (jest Nr. 43) auf dem Altenmarkt. ??
Martin von Werden jcheint Schriften und Inventar der Druderei
„Bei den Predigern“ füuflich erworben und leßtere erſt hinter die Mino-
riten (Retro Minores), dann 1504 nach der Bürgerftraße (Platea eivica)
verlegt zu baben, wo er wenigſtens von diejer Zeit an arbeitete, während
die Thätigfeit jener ganz erlojh. Cine Druderfirma Helisabet vidua
lieferte 1518 bis 1519 zwei Werfe. Panzer hält fie für die Witwe
Heinrich Quentels; da aber deſſen Gejchäftsnachfofger feine Kinder waren,
jeine Druderet fih auch „auf dem Dombofe” (va, wo bis jett das Dom-
hotel jtand) befand, während als Wohnung der Witwe Clifabeth die
Platea civica angegeben ift, jo ift anzunehmen, daß fie die Witwe
Martins von Werden war und defjen Druderei nach jeinem Tode noch
furze Zeit fortjegte. Die Thätigfeit des auf dem Eigelftein wohnhaften
Heinrib von Neuß, 1500 bis 1521, in deffen Beſitz ein Teil der Typen
und Holzichnitte von Johann Koelhoff jun. gelangte, zeichnete fich be-
jonvders durch feine zahlreichen deutſchen Drude aus; es erjcbienen bei
ihm wohl ein Dutend Heiligenlegenden und andere erzählende Gedichte,
die für die Gejchichte der deutſchen Yitteratur und Sprache ein noch nicht
hinreichend gewürdigtes Intereffe bieten. Heinrich von Neuß iſt auch ver
Druder der Pfefferfornjchen, gegen Reuchlin gerichteten Schriften.
Mit dem zweiten Decennium des 16. Jahrhunderts beginnen auch
in Köln, troß der hier für die Entwidelung einer freiern geijtigen Reg—
famfeit wenig ginftigen Verhältniſſe, die erjten größern Berlagsbuch-
händler eine erfolgreiche Thätigfeit. Wie bereits erwähnt, war die von
der Univerfität beeinflußte geiftige Richtung Kölns von jeher eine jtreng
7*
100 Köln: Der Buchhandel. Gottfried Hittorp. [Zweites
orthodoxe. Buchdruck und Buchhandel waren, wenn fie blühen wollten,
von Anfang an auf fie hingewiejen; ihr Wejen und Inhalt waren nur
ein Abbild des Willens einer hohen Geiftlichfeit, deren Schuts jene nicht
entraten konnten. Wie ängftlich vorjorgend aber der Klerus darauf be-
dacht war, fich dieſe dominirende Stellung der aufblühenden Kunſt gegen-
über zu beivahren, erſieht man aus der eben berichteten Einführung einer
förmlichen Büchercenjur, noch che er jelbjt durch das Aufleben ver huma—
niftijchen Studien fich ernftlich bevrängt jehen fonnte. Bei dieſem geift-
lichen Übergewicht erfcheint die Thätigfeit eines Mannes um jo auf:
fülliger, ver im Gegenfag zu allem Herfommen und zu jeiner ganzen
Umgebung Jahrzehnte hindurch von der Idee getragen wird, die Pflege
ver klaſſiſchen Studien auch in feinem engern Vaterlande zu verbreiten.
Diefer Mann war der 1485 zu Köln geborene Gottfried Hittorp,?®
Vom Beginn feiner Thätigfeit als Verlagsbuchhändler an, im Sabre
1511 zu Paris, bis 1525 war er unausgeſetzt ver Pflege der klaſſiſchen
Yitteratur zugethban. Was ihn dann für Die übrige Zeit jeines Wir-
fens abgehalten, auf der betretenen Bahn weiter fortzujchreiten, ijt wicht
erwiejen, bezeichnend genug iſt e8 aber, daß der einzige in Köln vor-
fommende humaniſtiſche Anlauf jebließlich doch im Sande verlief. Gottfriev
Hittorp num jegte eine große Zahl von Drudereien in Thätigfeit, über
deren Meitwirfung im Zujammenbang mit der Praris anderer großer
Verleger das fünfte Kapitel ausführlicher berichten wird. Für ven Ver:
trieb jeines Verlags umterbielt er anfänglich eine von jenem Geſell—
jchafter Yudwig Hornden (aus Grüningen gebürtig) geleitete Komman-
dite in Paris, dann von 1513 bis 1524 jolche in Yeipzig, Wittenberg
und Prag, zu deren Errichtung er, neben Hornden, mit Augustin Pantzſch—
mann in Yeipzig in ein Gejelljchaftsverhältnis getreten war. Am
intimften aber war er mit feinem engern Yandemann Cucharius Hirtzhorn
(Cervicornus) verbunden, mit welchen gemeinschaftlich er auch in einen
von den bajeler Buchhändlern Froben und Episcopins angeftrengten Nach-
prudprozeß verwidelt wurde. Es ergibt fich aber aus den einzelnen Daten
diejes Prozefjes faum ein greifbares Reſultat für die Gefchichte des Buch—
bandeld, da es an einer maßgebenden Entſcheidung über jeinen Inhalt
mangelt. Nebenher gewinnt man aber aus der Darftellung ver Einzel:
beiten manchen Aufichluß über den damals jchon gejteigerten Verkehr,
den die Buchhändler auf der Meſſe unter fich zu pflegen begannen. „Im
Kapitel.) Köln: Gottfried Hittorp. Franz Birdmanı. 101
Sabre 1534, heißt e8 z. B., „habe Hittorp den Hieronymus Froben
auf der Mefje geſprochen und gefragt, was er zur Meſſe wolle vruden
und ausgeben lajfen, worauf derjelbe geantwortet, er gevenfe ven «Jo-
sephum » zu pruden. Auf Hittorps Erwiderung: feine Exemplare ſeien
auch verkauft und er jet gleichfalls gewillt, dieſes Werf wieder zu drutden,
babe jener, ohne eines Privilegiums zu gevenfen, bemerkt: «In Gottes
Namen, Ihr mögt druden laffen, was Ihr wollt.» An anderer Stelle
verfichert Hittorp, „Froben habe viele Nahrung von ihm gehabt und
arofe Summen Geld erhalten”. Da Hittorp weder bei dem älterı,
noch bei dem jüngern Froben, foweit e8 aus den vorhandenen Drud-
denkmälern erfichtlich, irgend etwas hat pruden laffen, jo deutet dies gleich-
zeitig auch auf einen vegen Sortimentshandel mit andern Büchern hin,
per aber bei jenen jcbon erwähnten Kommanditen nicht von vornherein
beabfichtigt geiwejen war. Geachtet und geehrt lebte Dittorp noch im
Sabre 1565. Mit dem Schluffe des Jahres 1539 jcheint er fich jedoch
vom Buchhandel zurüdgezogen zu haben; wenigjtens findet fich nach diejer
Zeit fein Verlagsiverf mehr von ihm.
Eine zweite fölner Buchhändlergröße des 16. Jahrhunderts war Franz
Birdmann, gebürtig aus Gimbeck bei Venlo: der Begründer einer Buch:
bändlerfamilie, welche nahezu an 200 Jahre mit dem rühmlichſt be-
fannten Signet „in pingui gallina“ bejtanden und der noch heute
„Unter Fettenhennen“ genannten Straße ven Namen gegeben hat. Dieje
Strafe hatte bis Ende des 17. Jahrhunderts für die fölner Drucker
und Verleger etwa diejelbe Bedeutung, welche die Buchgaffe in Frank—
furt für den dortigen buchhänpferiichen Verfehr beſaß.
Die ältefte Abbildung dieſes Signets erblidt man auf einem 1517
von Wolfgang Hopyl in Paris für Franz Birdmann gebrudten nied—
fichen Sedezbändchen, dem „Hortulus Animae“. Das Birckmannſche
Geſchäft befand fich in Nr. 7 der genannten Straße.
Der Kanonikus Yudwig von Bülfingen von Cornely Münster, geboren
1771 auf dem Ritterſitz Rath bei Kempen und gejtorben 26. Juni 1848
in Köln, welchem dieje Stadt eine äußerſt wertvolle Drudergejchichte in
vier handſchriftlichen, im ſtädtiſchen Archiv aufbewahrten Bänven: „An-
nales Typographici Civitatis Coloniensis” verdankt, dieſer jorgfältige,
wenn auch wenig kritische Forſcher, gibt in jeinem Verzeichnis das Jahr
1507 als den Anfang der Thätigfeit Kranz Birdmanns an; in dieſem
102 Köln: Franz Birdmann, [Zweites
habe er fein erftes Buch: „Missale Coloniense”, zu Paris auf feine
Koften pruden laffen. Allein die Bibliographen kennen eine Ausgabe
diejes „Missale“ von 1507 gar nicht. Panzer citiert nach ver „Biblio-
theca Thottiana“ eine joldhe von 1506, ohne daß in dem kurz gegebenen
Titel Birckmanns Adreſſe vorfommt. Gewiß ift jedoch, daß Birdmann
bei demſelben Drucker, Wolfgang Hopyl, im Jahre 1514 eine den
meiſten Bibliographen unbekannte Ausgabe desſelben „Missale Colo-
niense“* in prachtvoller Ausſtattung mit vielen Metallſtichen hat her—
ſtellen laſſen und daß ſein erſtes erwieſenes Verlagswerk im Jahre 1513
bei demſelben Drucker zu Paris herauskam. Wenn je das Vorbild eines
tüchtigen Mannes auf einen noch in der erſten Entwickelung begriffenen
Geſchäfts- und Ideenkreis belebend und ſtärkend einzuwirken vermocht
hat, ſo muß die Beweglichkeit und Thätigkeit Franz Birckmanns einen
geradezu bahnbrechenden Einfluß ausgeübt haben. „Geſchäftstüchtig, unter—
nehmend und beweglich“, wie A. Kirchhoff ihn charakteriſiert, „Arbeit
und Mühſeligkeit nicht ſcheuend, bald in London und Canterbury, bald
in Löwen, Brügge, Frankfurt a. M., Köln, Antwerpen, Paris, Tübingen
oder Baſel, überall durch ſeinen Unternehmungsgeiſt, durch ſeine Thätig—
feit den einheimiſchen Buchhändlern, nicht ohne ihre Eiferſucht zu er—
regen, zuvorfonmend, den Austauſch ver litterarifchen Produkte Deutjch-
lands, Englands, Frankreichs und der Niederlande vermittelnd, bietet er
die intereffante Perſönlichkeit eines thätigen und verftändigen Buchhändlers
jener Zeit und ein anziehendes Beijpiel des Buchhandels durch Ber:
mittelung weiterer Reifen.” 33 Die Größe feiner Gejchäfte in England
geht aus einem Briefe des Erasmus von Rotterdam aus Canterbury
vom 21. Dezember 1520 an Andreas Ammonius hervor, worin er bei
Erwähnung Birdmanns von diefem jagt: er pflege fait alle Bücher da—
jelbjt einzuführen. ** In London jeheint Birdmann fogar ein jtehendes
Geſchäft gehabt zu haben, venn auf einem „Graduale ad usum Sarum“
von 1528, welches er zu Paris durch Nikolaus Prevoft drucken ließ,
heißt e&, daß es zu Yonvon bei Kranz Birdmann auf dem St. Paule-
Kirchhof zu haben' ſei. Yetterer ſcheint übrigens ein Buchhändler—
quartier, ähnlich wie zu Köln „Unter Fettenhennen“, geweſen zu ſein,
denn auch auf mehrern Werken, die der londoner Buchhändler Wilhelm
Bretton drucken ließ, befindet ſich dieſelbe Adreſſe.““ Erasmus bediente
ſich der Vermittelung Birckmanns nicht nur in ſeinen Geldgeſchäften und
Kapitel.) Köln: Franz Birdmann. 103
jeinem Briefwechjel, jondern auch zu Unterhandlungen mit Drudern für
die Herausgabe feiner Schriften. In dem oben jchon angeführten Briefe
an Peter Ammonius jchreibt Erasmus, er habe Birdmann das Manu:
jfript feiner „Proverbia“, des „Plutarch“ und „Yucian‘ mitgegeben,
um es an Jodocus Badius in Paris zum Drud zu übergeben. Bird:
mann zog 68 aber aus irgend einem Grunde vor, Badius zu übergehen
und die Werfe an Froben zu geben, wodurch die jpäter jo intime und
dauernde Verbindung des berühmten Gelehrten mit dem großen baje-
ler Buchdruder eingeleitet wurde. Birdmanns Verkehr mit Bafel blieb
ununterbrochen fortbejtehen und übte einen beveutenden Einfluß auf die
Berlagsthätigfeit Arobens aus. Als der Tod Wolfgang Yachners, des
Schwiegerpaterd Frobens, dieſem den eigentlichen Yeiter feines Geſchäfts
raubte, mag Birdimanns Beteiligung an Frobens Unternehmungen nod)
mehr verjtärft worden jein. Der Briefwechjel des Erasmus zeigt ſogar
deutlich, daß Birckmanns Teilhaberjchaft an Frobens Geſchäft nicht nur
bei einzelnen Unternehmungen, ſondern ziemlich allgemein bejtanden hat.
Für Die gemeinjchaftlichen Verlagsunternehmungen behielt Froben ven
buchhändferijchen Vertrieb für Deutjchland auf der frankfurter Meſſe,
während Birdmanı jeinen Abjatfreis in den Niederlanden, England
und Frankreich ſuchte. Daß diefer dabei oft größere Erfolge erzielte, als
Froben jelbit, it aus dem Briefwechjel des Erasmus mit Ludwig Vives
peutlich zu erjehen. Bezeichnend für den Unterſchied der Litterarijchen
Perhältniffe des Südens und Nordens iſt ein Vorkommnis, das ſich in
den Niederlanden an biefen Vertrieb Frobenſcher Druckwerke durch Franz
Birdmann fnüpfte und für diefen verbängnisvoll wurde. Er wurde
nämlich im Jahre 1526 von den antwerpener Behörden wegen des Ver:
faufs der Okolampadiſchen Überjegung des Chryſoſtomus, wodurch er
eine Übertretung der Genjurvorjchriften begangen haben ſollte, verhaftet,
und gelang es ihm erjt nach vielen Weitläufigfeiten und Kojten, ich
den übeln Folgen zu entziehen. 37 Kin jo thätiger Verleger wie Bird:
mann bejchäftigte natürlich viele auswärtige Druder. Über dieſe feine
Beziehungen wird das fünfte Kapitel ſich ausführlicher verbreiten. Hier
jet nur noch erwähnt, daß er jelbit 1526 in Köln eine eigene Druderei
errichtete, die er jedoch nicht lange mehr leitete, da fein lektes Verlags:
werf aus dem Jahre 1529 jtammt. So epochemachend diejer große
Buchhändler nun auch für die Entwidelung des Gejchäfts geworven it,
104 Köln: Die Firma Birdmann. Arnold Mylius. [Zweites
jo wenig Rühmliches läßt fich über jeinen Charafter jagen. Unzuver—
läſſigkeit und Geldgier werden von feinen Zeitgenoſſen und darunter jelbjt
von ihm günftig gefinnten Männern, wie Erasmus, als feine hervor-
ragendſten häßlichen Eigenjchaften getadelt, ſodaß jogar jeine Ehrenhaftig-
feit nicht unangefochten dafteht.
Nach Franz Birdmann übernahm das Gejchäft deſſen Bruder Arnold
Birdmann, ven Kirchhoff wertümlich für den Sohn des eritern hält.
Vom Jahre 1532 bis 1540 eriftieren einige teils in Köln, teils in Ant-
werpen gedrudte VBerlagswerfe mit Arnolds Firma, deſſen Thätigkeit
indejjen weder beveutend noch von langer Dauer gewejen zu fein jebeint.
Nah Büllingen ftarb ev 1542 und wurde zu St. Paul begraben. Im
Jahre 1548 und 1549 fommt alsdann die Firma feiner Witwe vor;
doch jchon Anfang der fünfziger Jahre änpert fich diejelbe von neuem
in „Arnold Birdmanns Erben“. Unter Yeitung der nun herangeivachjenen
Söhne entwidelte das Gejchäft jet wieder eine große, weit ausgreifende
Ihätigfeit; die Firma erſchien z. B. auf ver franffurter Meffe mit einer
Mehrzahl von Gehülfen, wahrjcheinlich Reijevienern, im Jahre 1565 mit
acht verjelben. Namentlich jcheinen auch vie gejchäftlichen Beziehungen
ju der Frobenſchen Familie, förmlich traditionell, jehr enge gewejen zu
jein. "Unter der genannten Firma wurde das Geſchäft bis zum Jahre
1585 fortgejeßt. Der „Codex nundinarius“ führt aus dieſem Zeitraum
116 Werfe auf, Doch ift es wahrjcheinlich, daß aufer dieſen noch manches
Bud ohne Angabe des Verlags erjebtenen jein mag. Der eigentliche
Yeiter des Geſchäfts war Johann Birdmann, während ver Bruder
Theodor jich dem ärztlichen Stande gewidmet hatte und nur ven jtillen
Teilhaber abgab. Mit dem Jahre 1585 erlojch die alte Firma für den
Buchhandel, indem Arnold Mplius, ver Barbara, die Tochter Johann
Birckmanns, heiratete, für die Buchhandlung feinen eigenen Namen ge-
brauchte, während für die Druderei noch die alte Birckmannſche Firma
beitehen blieb.
Arnold Mylius (eigentlich Müller) war geboren zu Meurs am
16. Oftober 1540 ale Sohn einer angejehenen Kamilie. Büllingen er:
zählt von ihm, er babe vor jeiner Thätigfeit in Köln zu Antorff (Ant:
iwerpen) gewohnt und daſelbſt den Buchhanvel betrieben. Einſtmals habe
die Inquiſition in jeinem Haufe ein Faß verbotener Bücher entvedt,
worauf Miller gefänglich eingezogen und gefoltert worven jet. In—
Kapitel.) Köln: Die Familie Mylius. Johann Heyl. Eucharius Hirkhorn. 105
jwifchen habe ein gewikigter Knecht das durch die Herren verjiegelte
Faß umgefehrt, die Bücher herausgenommen und mit andern damals
zufäjfigen angefüllt, worauf man Müller als unſchuldig erkannt und frei-
gelafjen babe. Er jei nun nah Köln gegangen und babe jeinen Namen
in Mylius verändert. Hier entfaltete er nach Übernahme des Bird-
mannſchen Gejchäfts eine außerordentliche Thätigfeit, wobei er auch bie
alten Verbindungen aufrecht erhielt, die namentlich mit dem großen
Verleger Chriſtoph Plantin von Bereutung wurden. Mylius jtarb
im Jahre 1604 over 1605 als wohlhabenver und angejehener Mann,
aus deſſen Geſchäft in ven 20 Jahren jeiner Thätigkeit über 200 Ver—
lagswerke hervorgegangen waren. Seine Berdienfte um das Wohl ver
Stadt hatten ihm die Ernennung zum Rathsherrn eingetragen. Ihm
folgte jein Sohn Hermann im Gejchäft; er zeichnete jich, wie jein Vater,
durch lebhafte Beteiligung am den jtäptijchen Angelegenheiten aus und
ſoll nad Büllingen 1667 geitorben jein. Yeßterer führt auch noch einen
Enfel und einen angeblich 1699 verjchievenen Lrenfel Hermann an und
jchliert mit Arnold Joſeph, mit deſſen Tode 1731 die letzte Spur des
blühenden Sejchäfts erlojch, das im ganzen über 200 Jahre bejtanven hatte.
Bon fürzerer Dauer, aber von großer Bedeutung für die Sejchichte
des fölner Buchdrucks und Buchhandels ijt die Verlagsthätigfeit von
Johann Heyl oder Zoter, aus Bensheim an der Bergſtraße. Er arbeitete
von 1518 bis 1562 mit jeinen beiden Söhnen Melchior und Jakob und
errichtete, um ſich der firdhlichen Cenſur möglichit zu entziehen, Kilinlen
in Solingen und Dortmund Wegen jeiner gründlichen Kenntnis der
fateinijchen und orientalischen Spracen jehr geſchätzt, druckte er viel für
arofe Firmen und bejorgte mit jeinem Berwandten Johann Pöllen aus
Schwerte in Weftfalen auch 1522 die Herausgabe eines in hebräifcher,
äthiopiſcher, chaldäiſcher und lateinischer Sprache gedruckten Pialteriums,
Die Söhne jeßten mach dem Tode des Vaters das Geſchäft fort, bie
piejes 1577 durch Erbichaft in andere Hände überging.
Eucharius Dirkhorn oder Gervicornus begann 1516 und hörte 1543
auf. Er war eim wiljenjchaftlich gebilveter Mann, veröffentlichte latei—
niſche und griechiiche Klaſſiker, die ſich durch Schönheit ver Typen,
Sauberkeit des Drucks, Stärke des Papiers und beſonders geſchmack—
volle Ausſtattung der Titel auszeichneten. Zugleich war er in Köln als
Humaniſt und Grammatiker wegen ſeiner religiöſen Grundſätze ver:
106 Köln: Eucharius Hirkhorn, Familie Cholinus. [weites
dächtig. Man fehalt ihn ven reformirten Buchhändler. Am 25. No—
vember 1535 lieh er fich in Marburg immatrifulieren, offenbar, um des
Schutzes ver Univerſität teilhaftig zu werden, denn er errichtete dort eine
Druderei, in welcher er die Schriften druckte, für welche er bei ver da—
maligen ftrengen kölner Genjur die Druderlaubnis nicht erhalten konnte.
„Coloniensis Typographus insignis et vir modestiae singularis“
nennt ihn die marburger Matrifel. Cine Zeit lang drudte Hirtzhorn
gemeinjchaftlih mit Hero Alopecius (Fuchs, vulpis, 1521 bis 1540),
trennte fich aber bald wieder von ihm.
Außer Kafpar van Gennep oder Genipäus, Johann var Kempen
oder Kempenfis waren in Köln noch die Brüver Nifolaus und Konrad
Cäſarius, 1518 bis 1524, thätig, aus deren Offizin zwar wenige, aber
wegen ihrer Korrektheit jehr gejchitte Werfe hervorgingen. Zu den be-
rühmtejten kölniſchen Handlungen gehört ferner die Cholinſche Offizin.
Der Stifter derjelben, Maternus Cholinus, 1555 bie 1587, ein Ge—
jchäftsfreund Chr. Plantins, ließ anfänglich auf feine Koften bei andern
druden, legte aber jpäter eine eigene Druderei an und wurde Mitglied
des fülnischen Rats. Sein Nachfolger war Goswin Cholinus, 1587 bis
1606; diejem folgte fein Sohn Peter, ver kurfürjtlicher Hofbuchdrucker
wurde, bis zum Jahre 1636, zu welcher Zeit die Firma „Vidua P. Cho-
lini“ lautet. Johann Arnold, ein Sohn Peters, zog ſpäter nach Frank.
furt a. M., wodurch die Firma in Köln erloſch. Schon vorher war
ein großer Teil des Geſchäfts an Bernard Wolter (Gualterus), 1599
bi8 1635, einen aus den Niederlanden gebürtigen Buchhändler, gekom—
men, der eine Tochter des Maternus Cholinus geheiratet hatte. Die
Buchdrucker- und Buchändlerfamilie Cholinus hat demnach Das Ber-
bienjt, eine mehr als bunvertjührige Thätigkeit entfaltet zu haben, in
welcher jie die gebildete Welt mit zahlreichen und würdigen Gaben aus
alten Fächern der Yitteratur bejchenft hat.
Das von allen kölner Handlungen aber durch die längſte Dauer ge:
frönte Sejchäft, welches noch bis auf den heutigen Tag, zwar unter
häufig veränderter Firma, aber in demſelben „Einhorn-Hauſe“, Unter
Fettenhennen Wr. 13, ale Rommerskirchens Buchhandlung und Buch—
pruderei (3. Mellinghaus), blüht, ift Die von Johann Gymnieus (Gym—
nich) 1516 begründete Druderei und Buchhandlung, die von 1529 ab
unter dem Signet des Einhorns geführt, im Jahre 1879 die eier des
Kapitel.) Köln: Johann Gymmicus und feine Nachfolger. 107
dreihundertundfünfzigiährigen Beftehens in jenem Haufe beging. Der
Stammpater, Johann Gymnicus I., wirfte von 1516 bis 1544; ihm
folgten jeine beiden Söhne Martin und Johann II, jowie des lektern
Sohn Johann II. bis 1596. Diejen vier Gymnichs ſchloſſen fich durch
Verheiratung und Verſchwägerung im 17. Jahrhundert die Familien
Hierat und Kind an. Heinrih Rommerskirchen I., Chriftian und Johann
Heinrih Simonis, Johann Wilhelm Krakamp und Heinrich Joſeph Simo-
nis bejaßen die Firma im Yaufe des 18. Jahrhunderts. Nachdem ver:
ihiedene Rommerskirchen (zuletst Peter Heinrich) bis 1868 ihre Eigen—
tümer gewejen Waren, übertrug ver lekgenannte das Geſchäft auf den
jetigen Inhaber, Julius Mellinghaus. Bon jenen Vorgängern jeien hier
namentlich hervorgehoben Anton Hierat (geitorben 1627), ein Verleger im
großen Stil, welcher in verhältnismäßig kurzer Zeit zahlreiche und wert:
volle Werke, darunter große Folianten — namentlich auf dem Gebiete der
katholischen Theologie — herausgab. Büllingen verzeichnet 250 Verlags:
artifel von ihm; fie zeichnen fich durch jchöne Yettern und gutes Papier
aus. Sein beveutendftes Verlagswerk bilvet jedenfalls der letzte Band
von Georg Brauns großem Städtebuch, ein Werk, welches fpäter von den
Merianſchen Topographien ſtark ausgebeutet und benußt wurde. Zeine
beiven Söhne (bis 1641) wirkten im Geiſte des Vaters fort und veröffent-
lichten binnen zwei Jahren das „Magnum Theatrum Vitae Humanae”
in acht großen Foliobänden. Johann Kind beſaß dann die Firma bis zu
jeinem 1656 erfolgten Tode. Die Zahl feiner (meift jejuitifch-theologi-
ichen) Verlagsartifel iſt ſo groß, daß fie weder von einem frübern noch
ſpätern fölner Berleger erreicht wird. Büllingen macht über 650 von
ibm veröffentlichte Bücher nambaft. Überhaupt waren alle Beſitzer der
jest Rommerskirchenſchen Buchhandlung tüchtige Männer, welche fich
nicht weniger durch Yeiftungen in ihrem Berufe als durch eine geachtete
Stellung im bürgerlichen Yeben auszeichneten. 3°
In dieſer Drudergejchichte Kölns ift der jpäter berühmt gewordene eng:
liſche erſte Druder William Caxton übergangen, nicht, weil er, wie
neuerdings vielfach behauptet wird, jeine Ausbildung als Druder in ven
Niederlanden erhielt, jondern weil er durch jeine Thätigfeit nach Eng—
fand gehört. Dort wird der Ort fein, den Nachweis dafür zu führen,
daß Garten die Kunſt in Köln erlernt und auch hier wenigjtens zwei
Bücher gedrudt hat.
108 Köln: Sinten feiner Bedeutung. | Zweites
Übrigens hielt ſich Kölns Bereutung als Drud- und Verlagsort nur
bis zum Dreißigjährigen Kriege auf ihrer alten Höhe. Von da ab finft
fie reißend jchnell. Die Thätigkeit der Fölner Preſſen bejchränft fich fortan
(einige Ausgaben von Kirchenvätern ausgenommen) auf den Drud recht-
gläubiger katholiſcher Schriften und ver entjprechenden Glementar- und
Handbücher für die katholiſche Univerfität und die Schulen. Auf diefem
Gebiete verjorgen fie Das ganze nordweſtliche und nördliche Deutjchland.
Die geiftliche Cenſur ift bier jo ftreng wie in Bayern. Die alleinjelig-
machende Kirche herricht in Köln unbedingt. Das Kurfürftentum ift über-
haupt fein weltlicher Staat, und ver Jejuitisinus unterdrückt jeden Kampf,
nachdem er den ihm durch den Proteftantismus bedrohenden Gefahren
mit fnapper Not entgangen ift. Der Übergang zur völligen Bedeutungs—
(ofigfeit vollzieht fich aber mur in allmählichen Abjtufungen. Die fölner
Preffen wollten Beichäftigung und fanden fie zunächit im Nachdruck. Die
günftige Yage trug mächtig zur Verbreitung, aljo auch zur Blüte diejes
Geſchäfts bei. Die Verhältnifje lagen bier jo bequem, daß jchon von
1587 bis 1594 ver Italiener Johann Baptift Giotti in Köln eine
Druderei errichtete, in welcher er die in feiner Heimat vergriffenen ober
jelten gewordenen Werfe neu herftellte, um fie mit Vorteil diesfeit, wie
jenjeit der Alpen zu verkaufen. Selbſt in den geiftig gejunfenften Zeiten
war die äußere Ausjtattung der Bücher, namentlich der Andachtsbücher,
immer noch leidlih aut. Man verjuchte wenigjtens, fich an gefällige
venetianifche, Plantinjche und Elſevieriſche Mufter anzulehnen und wer:
wandte namentlich viel Aufmerkfamfeit auf die Titelfupfer, deren ein:
zelne jelbjt in jpätern Zeiten noch in Venedig geftochen zu jein jcheinen.
Venetianiſche Kupferftich- und Bilverhändfer treten vielfach im 17. Jahr—
hundert in Köln auf. Billingen hat feiner Sammlung die Originaltitel
der Hauptwerke der von ihm angeführten Verleger beigefügt. Die
Stiche find vielfach, wenn in der Auffaffung auch zopfig, in ihrer Aus
führung doch von vollendeter Sauberkeit, Reinheit und Eleganz.
Der chronologiſchen Folge entiprechend, wendet fih die Darjtellung
nunmehr nad)
5. Baſel.
In der Inelyta Germaniae Basilea vereinigten fich alle Berin-
gungen, welche die naturgemäße Vorausjegung für das Aufblühen der
Kapitel.) Baſel: Günftiger Boden für die Kunft. 109
jungen Kunſt umd für einen bedeutenden Verlagshandel bildeten. An
einer der vorteilbafteften Stellen des größten jehiffbaren Fluſſes im da—
mals ciwilifierten Curopa gelegen, nach Norven bin Deutjchland, nach
Südweſten hin Frankreich und nach Süden hin die Schweiz faufmännijch
beherrſchend und ausbeutend, bildete Bajel die natürliche Brücde für drei
Kulturlänvder und behauptete zugleich eine hervorragende politiiche Stel-
fung in den damaligen Welthändeln. Wenn nım einerjeits der Groß—
banvel Bajels von einem ungewöhnlichen Unternehmumgsgeift getragen
wurde und reiche Schäte ſchuf, jo äußerte ſich andererjeits in den wohl-
babenven und unabhängigen Bürgern auch ein reger fünftlerifcher und
wifjenjchaftlicher Sinn, welch letzterer 1460 in der Gründung der Uni-
verfität jeinen Ausprudf fand. Begrüßten nun Gelehrte und Studenten
die neue Kunjt als Förderin der Wiffenjchaft und als die von der Ab-
bängigteit von Handſchriften und jonftigen Unzulänglichfeiten befreienve
Macht, jo erkannten die dortigen Großhändler mit dem ihnen eigenen
Scharfblid die großen gejchäftlichen Vorteile, welche ihnen eine im großen
geübte Ausbeutung der Druderfunft gewähren mußte. Dieſe zwei mäch-
tigen, wenn nicht mächtigjten Klaſſen der Stadt verfolgten von Anfang
an aljo gemeinjchaftlich dasjelbe Ziel, inpem fie ihr Geld und ihr Wiffen
zujammentbaten, um den Bücherdruck und den Berlagshandel zu einem
einträglichen Gejchäft zu machen. Natürlich zog nun diefer wieder junge
Gelehrte an, welche kaum in irgend welchem unmittelbaren Verhältnis zur
Univerjität jtanden, allein in diejen Streifen Vorſchub fanden und zu
Bereutung gelangten. Während in andern Teilen Deutjchlands anfüng-
lich höchjtens Einzelne fehüchterne Verjuche wagten und in der Kegel erft
die nur allmählich jich einftellende Konkurrenz an einem Orte mehrere,
meiſt nur ärmliche Gejchäfte entjtehen ließ, arbeitete in Bafel von vorn-
berein das mit der Gelehrjamfeit vergejellichaftete große Kapital und ver-
jtand e8 durch diejen großhändleriſchen Betrieb, die neue Kunſt geſchäftlich
in ausgiebigfter Weije zu verwerten. In feiner andern Stadt Deutſchlands
bot ficb deshalb dem Buchorud und Buchhandel ein jo günftiger Boden
als in Bajel. Als es (1501) vom Reiche abfiel, wurde es ein fosmo-
politijcher Mittelpunft, der über manche nationale Schranfen und Vor—
urteife binausragte. Um jene Zeit waren in Bajel an 20 beveutende
Drudereien vollauf bejchäftigt. In den drei Jahrzehnten von 1470 bie
1480, 1490 und 1500 werden in den bafeler Stenerliften je 26, 12
110 Baſel: (Beromünfter.) Berthold Nuppel. (Zweites
und 20 neue, aljo im ganzen 58 Namen, reſp. Firmen erwähnt, deren
Träger aber wohl in ihrer Thätigfeit zum Teil nicht ſelbſtändig gewejen
find, zum Zeil anonym gearbeitet haben.
Ob in der heutigen Schweiz vor Bajel jchon in Beromünfter ge-
drudt wurde, iſt eine ziemlich müßige Streitfrage, die höchſtens für
Antiguare einige, für die Entwidelung des dortigen Buchhandels und
Buchdrucks indeſſen gar feine Bedeutung bat; nach Siebers Forſchungen
iſt Baſel in der That der Zeit nach der erſte Druckort der Schweiz.
Denn wenn auch ein unbedeutender beromünſterer Druck (der „Mammo-—
trectus“) die Jahreszahl 1470 trägt, ſo beweiſt dieſe Thatſache doch
höchſtens, daß man dort früher begonnen bat, Ort und Jahreszahl zu
nennen. Es liegt deshalb auch für die Anfänge des jchweizer Buch—
drucks das Hauptgewicht auf Bajel, und fajt ein volles Jahrhundert
jteht Dieje alte Neichsftadt für ganz Deutjchland im Vordergrunde der
buchhändferijchen Thätigfeit und Bedeutung.
Das ältefte bis jegt entvedte Datum für den Anfang der Buch—
pruderfunft in der Stadt Bajel bildet der Eintrag der Jahreszahl 1468,
welchen ein Käufer in ein Gremplar von „Gregorii Magni Moralia in
Jobum“ (Hain 7926) machte. Das betreffende Eremplar befindet fich
noch heute in der Nationalbibliothef zu Paris. Indeſſen fest die Fertig:
jtellung der Schriften und der Drud des beträchtlichen Folianten 3? not-
wendig jebon einen Zeitraum von ein paar Jahren voraus, wenn man
jelbjt die Möglichkeit außer Betracht laffen will, daß das Werk nicht
gleich bei jeinem Erſcheinen gekauft wurde. Es jteht nicht einmal un—
bedingt feit, daß der umfangreiche Drud in der That der allererfte
Bote war, den die junge bajeler Preſſe entjandte, und es fragt fich, ob
nicht früher jchen Kleinere Vorläufer die Werkftätte des mainzer Gebilfen
verließen, der bier in Bajel als erfter Pionier die Kunſt Gutenbergs
ansübte,
Berthold Ruppel (Bertolff von Hanowe, auch Röpel und Rippler
genannt) iſt nämlich ver Mann, welcher die neue Erfindung nach Baſel
brachte. Im Jahre 1455 wird er zuerjt im Prozeß Fufts gegen Guten-
berg als des letttern Diener und „„Druderfnecht” genannt und mit dem
jpäter nach Nürnberg ausgewanderten Heinrich Stefer als Zeuge vor-
geladen. Wann umd wie er nach Baſel fam, läßt fich nicht bejtimmen.
Sei es, daß er ſchon im Jahre 1455, bald nach der Auflöfung der
Kapitel.) Bafel: Berthold Ruppel. 111
Gutenbergſchen Geſchäftsverbindung mit Fuſt nach Baſel zog, ſei es, daß
ihn die Gründung der Univerſität 1460 dahin lockte, oder ſei es endlich,
daß er nach der Plünderung von Mainz 1462, dem Beiſpiel vieler andern
folgend, ſeine Schritte in die Fremde lenkte und in Baſel blieb: genug,
Ruppel tritt ſchon gegen Ende der ſechziger Jahre hier auf, wenn er
auch das Bürgerrecht erſt am 14. Februar 1477 nach einem mehrjährigen
Aufenthalt erwarb. Bereits im „Repertorium Vocabulorum exquisito-
rum“ des Conradus de Mure (etwa 1466 veröffentlicht) wird der ehren-
werte „Bertoldus in Basilea” ala Druder bezeichnet. Einen andern
Bertboldo, der Druder war, gab es aber damals dort nicht (Bertoldus
nitide hunc impresserat in Basilea). Diejes Werk, das einzige, welches
Bertholds Namen anfweilt, bildet einen fleinen Kolianten von 147 Blät-
tern zu 36 Zeilen und ijt ohne jede Blattbezeichnung gedrudt. Mit
gleichen Typen hergeftellt, und deshalb als Berthold Ruppels Drud zu be-
trachten, find Gregors des Großen ſchon erwähnte „Moralia seu Ex-
positio in Jobum“. Sie enthalten 421 zweijpaltige Großfolioblätter
zu 48 Zeilen; Blattbezeichnungen fehlen ebenfalls. Die unvollfommene
Technif des Druds läßt dieſes Werf als älter erjcheinen, als das „Voca-
bularium“. Die Klemmſche Sammlung enthält Nr. 423) ein Eremplar
diejer Ausgabe, welches ein Verzeichnis der Drudfehler, das erfte be-
kannte Zinpdenbefenntnis diefer Art, aufweiſt. Darf man chen Zweifel
begen, daß ein jo umfangreiches Werk, wie das eben bejchriebene, als
erjtes Druckwerk eines Typographen erjchienen jein joll, jo muß fich ein
ſolcher Zweifel durch das Vorhandenſein diejes Drudfehlerverzeichnijjes
noch verjtärfen; es zeigt ſich im dieſer Beigabe das Streben nach tech-
nijcher Bervollfommmung. Um jo mehr hat man Grund zu der Annahnıe,
daß noch frühere Drude Berthold Ruppels eriftiert haben und entweder
verſchwunden find oder unerfannt in den Bibliothefen ruhen. Ohnehin
führen die Bibltographen, wenn auch im jehr unfichern Angaben, noch
fünf andere Drudwerfe ohne Firma und Jahreszahl an, welche ven Typen
nach ebenfalls Ruppelſche Erzeugniffe fein jollen. Aber auch dieje Werte
würden bei weitem noch nicht binreichen, Ruppels langjährige Thätigkeit
auszufüllen, welcher, wie aus dem bajeler Fertigungsbuch zu erjehen tft,
mit jeiner Frau Magpalena, geb. Meyger, im Mai 1482 fein Tejta-
ment machte und im Jahre 1490 erneuert. Nimmt man auch an, daß
Kuppel jeinen Yebensabend als vermögender Mann in Mufe verbracht
11? Bajel: Der Buchdruderftrife von 1471. Zweites
babe, jo mußte jolchen Erfolgen doch jedenfalls eine ausgedehntere Thätig-
feit vorangegangen fein, als fie die wenigen befannten Drude erfennen lafjen.
Übrigens wird der frühe Anfang des bafeler Buchdrucks durch feine
Thatjache im eim helleres Yicht geftellt, als durch jenen älteſten aller
Druderjtrifes, welchen die dortigen „Buchdruckerknechte“ im Jahre 1471
gegen „die Meifter, jo die Bücher drucken“ durchjeßten. *% Die Gejellen
verbanvden fich nämlich untereinander gegen ihre Meifter und verließen,
da fie fich im ihren echten beeinträchtigt glaubten, die Arbeit. So
entleerten fich denn die Offizinen, und es kam zu langwierigen Streitig-
feiten, die jchließlih im Güte beigelegt wurden. Die am Ende des
Jahres 1471 zu Stande gebrachte Vereinbarung lautet, ins Hochdeutſche
überjeßt, im Gerichtsprotofoll alſo: „Demnach ift zwijchen den Meeiftern,
welche Bücher drucken, einerjeits, jowie den Gejellen anvdernteils dur
die Herren Urteiljprecber folgende gütliche Vereinbarung und nachſtehen—
der Vertrag bejchlojjen werden: Die Gejellen jollen heute wieder an ihre
Arbeit geben, vdiejelbe zur ZJufrievenbeit ihrer Meijter und zur eigenen
Ehre verrichten, fich auch jonft im Dienſte gebührfich betragen und ſich
namentlich davor hüten, Bündniſſe unter fich einzugehen. Desgleichen
jollen auch die Meiſter vie Gejellen halten und ihnen zufommen (wört—
lich: jehen) laffen, was billig ift, mit Efjen, Trinfen u. ſ. w. Sollte es
fich ereignen, daß einer, zwei oder mehrere unter ven Gejellen fich auf-
rübhrerifch zeigten und Widerſtand leifteten (etwas umwilles fürnemen),
jo ſollen die Meiſter den Betreffenven, je nach Verhältnis des jährlichen
Yohnes, auszahlen und verabjchieven. Ebenſo jollen die Gejellen, wenn
ihnen von den Meiftern etwas überbunden (zugemutet) wird, das über
Gebühr ift, den Abſchied nehmen und jene haben ihnen den Dienjtlohn
(lidlon) ebenfalls nach Verhältnis (ded bedungenen) auszurichten. Bei
dieſem Entſcheid bat es zu bleiben, alles chrbar und redlich («ohne
Seführven).
Abgejehen davon, daß aus dieſer Urkunde das Beſtehen einer größern
Anzahl von Drudwerkftätten zu Bajel ſchon im Jahre 1471 hervorgeht,
liegt es auch auf der Hand, daß, bevor die Berbältniffe eines Gewerbes
zu jo großer Bedeutung heranwachſen fonnten, wie fie ein in allen Phajen
ausgebildeter Arbeiterftrife befundet, ihre Entwidelung von ven erjten An-
füngen bis zu ven Yebensäußerungen eines groß gewordenen Standes jebon
einen größern Zeitraum in Anfpruch nehmen mußte.
Kapitel.) Bajel: Michael Wenszler. 113
Zu den dort genannten Meiftern wird auch ver zweite befannte
Buchdrucker Bajels, Michael Wenszler, gebört haben, obgleich feine typo—
grapbijche Thätigfeit urkundlich erit vom Jahre 1472 an feftgejtellt ift.
In eins der drei Gremplare der von Michael Wenszler in Gemeinjchaft
mit Friedrich Biel herausgegebenen Briefe Gasparini's von Bergamo,
welche jicb auf der bajeler Bibliothek befinden, hat der Käufer Magijter
Jakob Yauber die Notiz eingetragen, daß er das Buch am 1. Dezember
1472 gekauft babe, ſodaß aljo deſſen Druck jpätejtens im dieſes Jahr
fallen kann. Michael Wenszler ift eine interejfante Perjönlichkeit, unter-
nehmend und geiftig hervorragend, vom Glück aber wohl durch eigene
Schuld wenig begünftigt. Er wurde in Straßburg geboren (wann aber,
ijt nicht befannt). Im Baſel befand er fich jchon 1463, denn in der
„Matrieula studiosorum Universitatis Basileensis” lieſt man unter
dem Monat Mai viejes Jahres „Michahel Wensenler de Argentina
dedit totum“ (die ganzen Immatrifulationsgebühren). Die Ausübung
ver Buchdruckerkunſt verlangte damals noch einen Bildungsgrad, welchen
man vorerjt nur auf Univerſitäten erreichen fonnte, welcher aber auch
von vornberein den Buchdruckern Anſpruch auf eine bevorzugte Stellung
gab. Die Buchpruderfunjt wurde daher auch zu den freien Künſten
gerechnet und die Buchoruder waren (wenn in Bajel überhaupt jchon
zünftig) bei allen Zünften. So zählt denn auch Wenszler zu einer
ganzen Reihe von Männern, die in den jechziger Jahren als afademijche
Bürger zu Bajel immatrifultert waren und jpäter einen großen Ruf ale
Buchdrucker erlangten. Nach Ludwig Sichere Mitteilungen gehören zu
ihnen außer Wenszler unter andern folgende: Hans Wurfter aus Kempten
(1460), ver 1472 in Mantua drudte und 1482 bajeler Bürger wurde;
Ulrich Gering aus Konftanz, der befannte erjte parijer Druder (1461);
Peter Metlinger aus Augsburg, jpäter in Dijon in jeinem Fache thätig;
Eberhard Fromolt von Bajel, in der Folge Druder daſelbſt; Heinrich
Turner von Bajel, jpäter in Toloja, jämtlich in vemjelben Jahre (1461);
Leonhard Acates (Eckardt) von Bajel (1466), Druder in Bicenza; Io-
bannes von Beſigheim (1469), jeit 1478 bajeler Bürger und Buchoruder;
Beter Kölfiter von Bern (1470) und Nikolaus Keßler von Bottwar (1471).
Als erjter Drud Wenszlers gilt der jehon angeführte „Liber Epis-
tolarum Gasparini Barzizii Pergamensis”“. Er ijt ver erſte bajeler
Berleger, ver fich zeitweije und für die Herjtellung einzelner Werfe mit
Kapp. I 8
114 Bajel: Michael Wenszier. (Zweites
andern affoctierte, bald wieder allein drucdte, bald wieder eine neue Ver—
bindung einging. In den Dijtichen, welche jenes Erſtlingswerk einleiten,
nennen fich Michael Wenszler und Friedrich Biel als Druder desjelben.
Ob die nächſten von Wenszler gepructen Werfe ebenfalls noch aus der
Semeinjchaft mit Biel hervorgegangen find, iſt nicht erweislich, da Fein
zweites Werf den Namen des legtern trägt. Gewiß ift nur, daß Fride—
ricus de Bafilen um 1485 in Burgos wiedergefunden wird, und jelbjt
von dort noch mit Michael Wenszler in Bajel in Korreſpondenz ge:
jtanden haben joll.*! Im Jahre 1475 drudte Wenszler mit Bernbarv
Richel zujammen das „Quadragesimale” des Robertus (Caracciolus
de Yicio, 1488 gemeinjchaftlich mit Jakob Kilchen ein „Graduale“. Im
ganzen fennt man von Wenszlers Thätigfeit in Bajel 28 Drudwerte,
die feinen Namen tragen, und 21, die wegen ver Geſtalt ihrer Charaktere
für Wenszleriche Drude gehalten werden. Hierzu fommt noch der Drud
eines Miſſale in 600 Exemplaren t?, welche von zwei Straßburgern,
Veit Farwenbürner und Arbogaft Mor beftellt und von Wenszler von
Ende 1489 bis Anfang 1490 bergejtellt wurden. Die bajeler Urfunven
liefern über ihn noch mehrfache interefjante Daten. So bat er 3.2.
ſchon 1478 mit Johann Amerbach die franffurter Büchermeſſe bejucht,
und fich hier wohl neben vem Vertrieb ver von ihm geprudten Bücher
anch mit dem Buchhandel überhaupt befaßt. Daneben jpefulierte er,
ftatt ſich auf ſein Gejchäft zu bejchränfen, in Bergwerfsaftien. Auf
einer feiner Sejchäftsretien hatte er von Hermann Napler (aus Franf-
furt oder Ajchaffenburg) „drei Gugkugs“ (Hure), d. b. drei Bergwerfe-
anteile des 1471 bei Schneeberg in Sachjen erſchloſſenen Silberbergwerts
für 350 Gulden gefauft, Fam aber durch diejen Ankauf in allerlei Un—
gelegenbeiten, da er Nadler zwar 100 Gulden geliehen, die ihm diejer
nicht zurüczahlte, er jelbft aber vollſtändige Dedung für den Reſt nicht
beſchaffen konnte. Indeſſen ging die Sache für Wenszler noch gut genug
ab.*? Im Jahre 1489 machte Wenszler mit zwei andern Bafelern
Namens Hans Wiler und Jakob von Kirchen (wohl identiſch mit dem
ſchon genannten Kilchen) eine Buchhändlerreife ven Rhein hinab nach
Flandern und England. +? Sie führten eine Menge Bücher, in vier
Fäſſer und ein feines Fäßchen verpadt, zum Verkaufe mit ſich. Um
ſich als rechtmäßige umd einzige Eigentümer ausweiſen und ihre Bücher
überall ungehindert zum Verkauf bringen zu fünnen, erflärten fie vor
Kapitel.) Bajel: Michael Wenszler. Bernhard Nichel. 115
ihrer Abreife vor dem Rat von Bajel auf ihren Bürgereid, daß die
mit ihrer Gejchäftsmarfe 2 verjehenen Fäſſer und deren Inhalt ihr
alleiniges Eigentum jeien und niemand jonjt Anteil daran habe. Der
Kat jtellte ihnen einen offenen Geleitsbrief ans und empfahl jeine Bürger
und ihre Habe jedermann aufs freundlichite zur beſten Förderung. Solche
Umftändlichfeiten bevingten die unruhigen, faſt rechtlofen Zuſtände ver
Zeit! Wenszler hatte perjönlich unter ihnen zu leiden; im Jahre 1490
wurde er auf einer GSejchäftsreife zu Rosheim im Elſaß durch einige
St. Gallener angehalten und ſtark gejchädigt. Bajel verlangte im Namen
jeines Meitbürgers Schadenerjaß und jandte jogar jeinen Staatsjchreiber
Nikolaus Rüſch perjönlih nah St. Gallen, um Wenszlers Forderung
zu betreiben. *° Der lette bajeler Drud Wenszlers ift vom Jahre 1491
datiert. Um jene Zeit kam er in allerlei finanzielle Ungelegenbeiten, die
ibn schließlich nötigten, Gerät und Daus zu verkaufen und Bajel zu
verlafjen. Er begab jich zunächſt nach Clugny in Frankreich, wo ver
Abt Jakob von Ambois ihm ven Drud eines 1493 beenveten „Missale
Cluniacense” übertrug, mwanverte aber dann nach Macon und bejchlof
jeine tbätige, aber dornenvolle Yaufbahn enplich zu Lyon.
Der vierte bajeler Druder ift der jchon erwähnte Bernhard Nichel,
weicher mit Michael Wenszler 1475 afjocitert war. Nach Fechters
Unterjuchbungen aus Chewiler, einem Dorf in ver Rheinpfalz, nach an:
dern aus Würtemberg jtammend, erwarb er 1474 das Bürgerrecht. Aus
diefem Jahre jtammen auch feine erjten datierten Drude; wahrſcheinlich
aber hat er jchen früher zu arbeiten begonnen. Bis zum Jahre 1478
vollendete er vier lateinijche Bibeln, wovon die erjte ohne Firma und
Datierung erjchienen und in ihrem erjten Teile mit Charakteren Berthold
Ruppels georudt tft, während ver zweite Teil feine eigenen Typen auf-
weilt, ein Kurioſum, welches im jeinen Urjachen zwar nicht aufgeklärt,
aber ein Beweis dafür ift, daß auch die genannten beiven Typographen
in Verbindung miteinander gejtanden haben müſſen. Richel iſt außer—
dem bejonvders deswegen hervorzuheben, weil er der erſte bajeler Druder
war, welcher Druckwerke in veutjcher Sprache brachte. Bon ihnen tjt
ver allen vie erjte Ausgabe des „Sachjenjpiegels“ von 1474 zu er-
wähnen, zugleich das erjte Buch, welches in Bafel mit Angabe des
Jahres und des Druders erjchien. Sie umfaßt 255 Blätter, zwei—
ipaltig zu je 46 Zeilen, und iſt won jolcher Seltenheit, daß ſie jelbjt in
8*
116 Bajel: Kleinere Druder. Johann Amerbad). [Zweites
der bajeler Bibliothek fehlt. Nichels Thätigfeit reicht nach den befannten
datierten Druden bis zum Jahre 1482, in welchem er vie lateinijche
Ausgabe des „Fasciculus temporum” von Werner Rolewind beraus-
gab. Seine Nachfommen Wendel, Theodoſius und Joſias Richel (Ribel)
waren in Straßburg thätig.
Nächſt Martin Flach, dem jpätern jtraßburger Druder, von deſſen
Thätigkeit in Baſel fein Werf auf die Nachwelt gefommen, und Yeon-
bard Achates, der wohl kaum ſelbſtändig in Baſel gearbeitet bat und
als Wanderdruder zu Benedig, Vicenza, St. Urjo und Padua wierer-
gefunden wird, ijt Eberhard Fromolt der folgende Typograpb, von dem
jedoch auch nur zwei Drude aus dem Jahre 1481 befannt geworden find.
Ihm folgte der berühmte Johann Amerbach 1478 bis 1514. Er
war 1444 in Reutlingen geboren, nicht 1434, wie Stodmeyer und Reber
angeben. *° Nicht bloß vorübergehend, wie Wenszler, Kepler u. a., hatte
er auf Univerfitäten einige Vorleſungen gehört, ev widmete fich der neuen
Kunft vielmehr erſt, nachdem er jeine Studien beendet und unter dem
Rektorat jeines Yehrers und Freundes Johannes Heynlin de Yapide in
Paris ven Grad eines Magifters erlangt hatte. Nach feiner Rückkehr
nach Deutſchland wurde er eine Zeit lang Korrektor Textesreviſor) bei
Anton Koberger in Nürnberg. Bon bier begab er ficb nach Bajel, wo
er wahrjceinlich jehon vor 1478 eine Druderei errichtete, da er, wie
erwähnt, bereits 1478 mit Wenszler die franffurter Buchhändlermeſſe
beſuchte. Amerbach war im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts ver
größte gelehrte Druder und Verleger in Bajel und überhaupt einer ver
beveutenpjten jeiner Zeit. Die Erzeugnifje feiner Preſſen, für welche er
fich zuerjt der Antiqua jtatt der gotischen Schrift beviente, zeichnen fich
bejonders durch die Korrektheit ihres Tertes aus, auf welche er als Ge-
lehrter das Hauptgewicht legte. Namentlich werglich er die verjchiedenen
Handjchriften, deren Herbeijchbaffung oft mit den größten Schwierigfeiten
verbunden war, und lieferte jene fritijch verbejjerten Ausgaben, vor allen
ver bervorragenpften Kirchenväter, welche jeinen Ruf begründeten. In
Bajel trat Amerbach in einen Kreis ausgezeichneter Gelehrten ein, eines
Beatus Rhenanus, Auguftinus Dodo, Johann Conon, Franciscus Ayler
und Konrad Bellifan, welche ihn bei jeinen Arbeiten wirkſam unter:
jtügten. Den fejtejten Halt aber gewährte ihm jein früherer Yebrer,
Johann Heynlin, der fi 1484 für immer nach Baſel zurüdgezogen
Kapitel.) Bajel: Johann Amerbach. Seine Familie. 117
hatte, 1487 in das dortige Kartäuferflofter im St. Margaretenthal
eingetreten war umd bier 1496 jtarb. Er trat Amerbach in berjelben
Weije helfend zur Seite, wie fpäter in noch höherm Grade Erasmus
jeinem ‚freunde Froben. Pellikan nennt Amerbacd einen jehr gelehrten
und bewunderungswürbig fleikigen Mann, welcher ebenjo große Koften,
als perjönlihe Mühe und Arbeit auf die Herftellung feiner Drucke
verwandte. Es halfen ihm dabei zwei oder drei Tertesreviforen, er
jelbjt aber verabjäumte nichts, was feinen Ausgaben nügen fonnte Cr
opferte lieber die ganze Arbeit eine® Tages und Geld dazu, als daß
er eine faljche Yesart auf einem kaum gepdrudten Bogen ftehen ge:
laffen hätte.
In bejonvers lebhaften Verkehr ſtand Amerbah mit Straßburg.
Wie er Adolf Ruſch daſelbſt für die von diefem im Auftrage Anton
Kobergers geprudte „Biblia Latina cum glossa ordinaria Walafridi
Strabonis” die Typen geliehen hatte, jo lieferte Rufch ihm dagegen große
Duantitäten Drudpapier, gab ihm wiederholt den Drud verjchievener
Werke in Auftrag, arbeitete auch ſelbſt für ihn, erhielt von ihm Bücher
zum Berfauf, beforgte ihm Manuffripte und pflegte überhaupt vege und
zugleich freundjchaftliche Beziehungen zu ihm. Auf Grund der Typen
find Amerbach noch neun Bibelausgaben zuzufchreiben, welche er in ven
Jahren 1479 bis 1489 vollendet hat. Der lebte mit feinem Namen
verjebene Drud ift Das „Decretum Gratiani” von 1512. Die von
ibm vorbereitete Herausgabe der Werfe des heiligen Hieronymus unter-
brach jein Tod (1514); fie wurde von feinem Schüler Johann Froben
1516 im Drud vollendet. Es find im ganzen 42 große Kolianten mit
Amerbahe Namen und 28 ohne denjelben, aber nachweisbar von ihm
gedrudte erhalten, welche ein rühmliches Zeugnis für die fruchtbare
Thätigfeit dieſes bepeutenden, im Sejchäftsverfehr aber nicht ganz ge-
wiſſenhaften Typographben und Verlegers ablegen. Bon 1500 an vrudte
Amerbach meistens gemeinfchaftlih mit Johann Petri von Yangendorf,
dem Stammpvater einer hervorragenden Druderfamilie, und mit feinem
nachmals jo berühmt gewordenen Schüler, Johann Froben.
Auch Amerbachs drei Söhne waren bedeutende Männer, kommen
aber, va fie das Gejchäft eingehen liefen, für die Geſchichte des Buch—
handels nicht in Betracht. Der ältefte, Bruno (1485 bis 1519), lebte
den Wiffenfchaften, ohne je in die Öffentlichkeit zu treten, und half nur
118 Baiel: Unbedeutendere Druder. Nitolaus Keßler. [Zweites
gelegentlich als Gelehrter in der Offizin ſeines Vaters; ver zweite, Ba:
jilius (1488 bis 1535), hatte fich den Magiſtergrad erivorben und jette
einige Jahre das väterliche Gejchäft fort; der dritte endlich, Bonifacius
(1495 bis 1562), war ein Freund von Grasmus und Dans Holbein
und Profeſſor ver Rechtswiffenjchaften an der bafeler Univerfität. Auch
als Politifer hat er feiner Baterjtadt große Dienfte geleiftet und fich
hohes Anjehen eriworben.
Bevor die glänzenden Yeiltungen der Petri und der Froben gewürdigt
werden, find zur Vervollſtändigung der chronologijchen Reihenfolge noch
einige andere Namen furz zu erwähnen. Zunächit Johannes de Be—
jidem oder Befiden, aus dem wiürtembergijchen Städtchen Befigheim,
von dem jedoch nur Ein Drud befannt ift, ven er 1483 zu Baſel lieferte,
nachdem er dort jchon 1478 Bürger geworden war. Er fievelte 1492
nach Rom über, wo er zuerjt mit Sigmund Mahr, dann mit Martin
von Amjterdam gemeinschaftlich druckte. Nikolaus Keßler von Bottwar
in Würtemberg wurde 1480 Bürger von Bajel, 1496 Meifter vom
Schlüſſel, 1500 TDeputierter. Er war ein bedeutender Druder, der von
1486 bis 1509 nicht weniger als 62 Trude mit feinem Namen lieferte;
von noch jieben andern gehören ihm ebenfalls die Thpen au. Von
mehrern Bibliograpben #7 werden einige Werke citiert, welche Keßler in
Antwerpen geprudt haben fol. Dieje Angaben wurden gewöhnlich für
faljch gehalten; man fand aber den Namen Nikolaus Keßlers um 1488
in der Mitglieverlifte der Brüderſchaft ver St. Lucas-Gilde zu Ant:
werpen erwähnt, auch Eonftatierte ver Bibliotbefar Abbe Flament in
einer bandjchriftlichen Note zu einer bezüglichen Stelle des Janſenſchen
Werfes, daR im Jahre 1812 im Haag fich in der That ein Eremplar
der „Opera Gersonis“ von Nifolans Keßler 1489 mit der Ortsbezeich-
nung Antwerpen befunden babe, von dort aber nach Paris transportiert
und nicht mehr zurückgekehrt jet. Cs tft daher jehr wahrjcheinlich, var
Kepler einen Teil der Eremplare feiner Publikationen, den er in Ant:
werpen verfaufen wollte, mit dem Namen diejer Stadt ald Drudort ver:
jehen lieh. Johann Meiſter und Peter Köllicker druckten gemeinichaftlich
in den Jahren 1484 und 1485 zwei Werfe, außer welchen nichts weiter
von ihnen befannt geworden tft. Jakob von Pforzheim, aus Kempten ge-
bürtig, erwarb 1452 das bajeler Bürgerrecht und drudte 1488 bis 1518
die ftattliche Reihe von 49 Werfen. Auf ibn folgt Michael Furter von
Kapitel.] Bajel: Johann Froben. 119
1490 bis 1517, ver bejonvders wegen mehrerer mit Holzſchnitten aus—
geitatteten Werke hervorzuheben ift und auch einige deutſche Bücher ge-
drudt hat. Von Yeonhard Yſenhut find zwei deutſche Werfe vom Jahre
1489 befannt geworden.
Johann Froben, um 1460 in Hammelburg, einem Städtchen in
Aranfen, geboren, ftubierte in Baſel, wo er fich zum gelehrten Yateiner,
Griechen und Hebräer ausbildet. Er lernte durch feiner Yandsleute
Johann und Adam Petri Bermittelung Johann Amerbach kennen, bei
welchem er eine Zeit lang als Korrektor eintrat. Im Jahre 1490 er-
warb er das baſeler Bürgerrecht und begann 1491 feine jelbjtändige
Wirkſamkeit als Druder und Berleger. Im ihm vereinigten fich praf-
tijcher Sinn, guter Geſchmack und gelehrte Bildung in wunderbarer
Harmonie. Sein erjter VBerlagsartifel iſt eine lateinijche Bibel in hand—
libem Oktavformat. Mit äufßerit zierlicher und feiner gotiicher Schrift
gedruckt, war fie darauf berechnet die allgemeinjte Verbreitung zu juchen
und zu finden. Er war ver erjte bajeler Buchhändler, welcher die Be:
deutung Dans Holbeins erkannte und ihn unausgeſetzt für die künſt—
ferijche Ausſchmückung jeiner Bücher bejchäftigte. *° Zugleich jorgte er
mit unermüdlichem Eifer für forrefte Ausgaben der Klaffiter und Kirchen-
väter. Mächtig diente Froben mit diefer jeiner Thätigfeit dem geiftigen
Leben Deutichlands und er war es bejonders, der Bajel zur Metropole
deutſchen Buchvruds und Buchhandels erhob. Seine langjährige Freund—
ſchaft mit Erasmus endlich zeitigte Früchte, welche der ganzen damaligen
gebildeten Welt zugute kamen. So iſt Froben einer der größten Buch—
händler aller Zeiten.
Er hatte 1500 Gertrud, die Tochter des gelehrten und wohlhabenden
bajeler Buchhändlers Wolfgang Yachner (aus Neuburg an der Donau),
geheiratet. Fortan arbeiteten beide gemeinjchaftlich; Yachner aber war die
Seele des Berlagsgejchäfte. Er wird von Crasmus nicht allein Offi-
cinae Frobenianae princeps genannt, jondern auch als derjenige be:
zeichnet #?, auf deſſen Koften das Frobenſche Geſchäft betrieben wurve.
Das Verhältnis zwifchen Erasmus und Froben wird im jechiten Ka—
pitel noch näher beleuchtet werden. Diejer jtarb im Oktober 1527. Er
hat in ven 36 Jahren jeiner Thätigfeit nie ein deutſches Buch geprucdt
und zuerjt mit vier, dann mit jechs und jchlieklich mit fieben Preffen 257
meijt jehr beveutende und umfangreiche Werfe teils jelbjtändig, teils in
120 Baſel: Wolfgang Lachner. Frobens Nachfolger. [Zweites
Gemeinſchaft mit andern hergejtellt. Bon ihm verlegt zu werden galt als
eine Ehre, nach welcher eifrig geitvebt wurde. Seine ſämtlichen Kor-
reftoren waren wiſſenſchaftlich gebildete Männer und jelbit hervorragende
Selehrte, wie außer Erasmus, Markus Heiland, Wolfgang Musculus,
Sigismund Gelenius und Johann Ofolampadius. Von feinem Verlag
find, außer den Crasmusichen Schriften, das erjte im Drud erjchienene
griechiiche „Neue Teſtament“ (welche Ausgabe Yuther jpäter als Unter:
fage für feine Überfegung diente) zu nennen, jowie die Werfe des Hiero-
nymus in neun Folianten 1516 erjchienen und die des Auguftinus 1529
in zehn Bänden, von welchen bei jeinem Tode allerdings erjt zwei Bände
fertig gejtellt waren.
Yachner, welcher Froben zehn Jahre im Tode vorangegangen war,
hatte neben der Sejchäftsführung für den gemeinjchaftlichen Verlag noch
Selegenheit zu mehrern andern Unternehmungen gefunden, indem er
1495 bei Michael Furter, 1504 bei Jakob von Pforzheim und 1509 bei
Gregorius Bartholomäus pruden ließ. Nach Yachners Tode trat Froben,
wie dies Kirchhoff erwiejen hat, zu Kranz Birdmann in Köln in engere
Beziehungen.
Nah Johann Frobens Ableben büfte die Druckerei ihre hervorragende
Beveutung teilweife ein. Der ältefte Sohn Hieronymus (1501 bis 1563)
hatte ſchon 1520 einige Werfe jelbitindig gedrudt; auf der „Rhetorica‘
des Ariftoteles von diefem Jahre erjcheint fein Name jogar zuſammen mit
den des Johann Derwagen. Yebterer begab ich jevoch bald darauf nach
Straßburg, druckte bier von 1523 bis 1528, fehrte aber daun nach
Baſel zurüd und heiratete nach Johaun Frobens Tode deſſen Witwe
Gertrud. Mit jeinem nunmehrigen Stiefjohn Hieronymus ging er von
1528 ab eine Affociation ein, welcher 1529 noch Nikolaus Episcoping,
oder vielmehr Nikolaus Bischoff aus Rittershofen bei Weißenburg (1501
bis 1554), infolge feiner Heirat mit der Schweiter des Hieronymus
beitrat. Aber ſchon 1531 ſchied Herwagen wieder aus der Firma aug,
Froben, reſp. deſſen Erben, und Nikolaus Episcopius, bis 1564 vereint
blieben. Über den Umfang und die Bedeutung ihres Geſchäfts gibt das
von R. Wadernagel 1881 in Baſel veröffentlichte Rechnungsbuch ber
Froben und Episcopius nähern Aufichluß. Es umfaßt, wenn auch
(üdenhaft, die Jahre 1557 bis 1564 und gewährt einen belehrenden Blick
Kapitel.) Bajel: Kleinere Druder. Die Familie Petri. 121
in die Thätigfeit einer großen Firma jener Zeit. Die Einzelheiten
daraus gehören in das fünfte Kapitel. Des Hieronymus Froben Söhne,
Ambrofius und Aurelius, fetten darauf bis zum Jahre 1603 gemein:
ſchaftlich das Gejchäft fort, während ver ältefte Sohn des Episcopius,
der ebenfalls Nikolaus bier, ſchon von 1553 an jelbitändig ald Buch:
druder thätig war und fich 1565 mit feinem jüngern Bruder Euſebius
affectierte. Im Jahre 1566 raffte aber auch ihn der Tod hinweg, ſodaß
Eujebius bis 1591 das Geſchäft allein fortführte. Auch Herwagen
hinterließ einen Sohn, der ebenfalls Johann hieß. Diejer hatte die
väterliche Offizin übernommen, jtarb aber fchen 1564 an der Belt.
Seine Witwe heiratete den berühmten Buchdrucker Johann Oporin und
ftarb gleichfalls nach wenigen Monaten, worauf die Offizin Herwagens
von Eujebius Episcopius angekauft wurde, ?0
Neben dem jchon erwähnten Johann Petri von Yangendorf (1494
bis 1517), der feine meisten Verlagsartifel mit Johann Amerbach und
Johann Froben gemeinjchaftlich oder auch nur mit letterm druckte, viel-
fach auch gewiſſenloſen Nachdruck trieb, begann um diejelbe Zeit (1494
bis 14090) auch Johann Bergmann von Olpe in Bafel feine Thätigfeit,
welche bejondere Bedeutung durch vie erite Ausgabe von Sebaftian
Brants „Narrenſchiff“ vom Jahre 1494 erlangte. Neben Nikolaus
Yamparter, von 1505 bis 1519, druckte auch zwiichen 1509 und 1522
Pamphilus Gengenbach, der Dichter und erſte Dramatifer des 16. Jahr—
hunderts, in eigener Druderei. Der befanntefte Typograph der folgen-
den Periode iſt jedoch Adam Petri von Langendorf, ein Neffe des vor-
erwähnten Johann Petri. Er war der unermüdliche Nachdruder Luthers,
wie Froben ver Berleger des Erasmus. Der reipende Abgang jeiner
Nachdrucke Yuthericher Schriften erwarb ihm Reichtum und zugleich
einen bedeutenden Ruf als tüchtiger Druder; von nah und fern wandten
ſich rührige Verleger an ihn, um beveutende Unternehmungen durch jeine
Preſſen herſtellen zu laſſen, ſodaß letztere Tag und Nacht nicht ftill-
ftanden.
Von Adam Petris Nachkommen wurde ebenfo berühmt Heinrich Petri
1508 bis 1579), ver 1556 von Kaiſer Karl V. in Anerkennung feiner
Bervienjte in ven Ritteritand erhoben wurde’! und fich zum Unterſchiede
bon den andern Petris fortan Denric- Petri nannte. Er war ebenjo
tbätig und unternehmend, wie fein Vater und fette auch das Geſchäft in
122 Baſel: Die Henricpetri. Johann Oporin. [Zweites
deſſen Geijte fort. Nach feiner Grabſchrift hat er 108 Buchhändler:
mejjen in Frankfurt bejucht. Unter feinen Verlagswerken finden jich
vorzugsweije alte Klaſſiker, über vierzig an der Zahl, eine von Sebajtian
Münfter beſorgte hebrätjch-Inteiniiche Bibel, Werfe von Petrarca, Poggio
und Ktopernifus. Auch in der Politik feiner Baterftadt nahm Heinrich
Petri eine bochangejehene und bedeutende Stellung em. Seine Söhne
Sirtus und Sebaftian Henricpetri führten noch bis in die erjten Jahr—
schnte des 17. Jahrhunderts die väterliche Druderei fort.
Außer den Genannten drudten in Bafel von 1518 bis 1536 An-
dreas Cratander, der als Verleger namentlih im Dienfte des Huma—
nismus und der Reformation wirkte; 1519 bis 1535 Thomas Wolf;
1521 bis 1535 Valentin Curio; ferner Johann Bebel von 1523 ab
(auch zujammen mit Gratander und Michael Iſengrin von 1531 ab);
Johannes Faber Emmeus, der ſpäter feiner katholiſchen Sympathien
halber aus Baſel hinausgemaßregelt wurde und nach Freiburg über:
jievelte, von 1526 bis 1529; Johannes Walder und Bartholomäus
Wejthemer, beive von 1536 ab; Nikolaus Brylinger, auch vereint mit
Bartholomäus Calybäus, von 1537 ab.
Seit Johann Froben hatte die bafeler Buchdruckerkunſt feine ſolchen
Erfolge gezeitigt, als mit dem Auftreten des Johannes Oporinus, zu
deutſch Herbiter, der von 1540 bis 1568 eine großartige Thätigkeit
entwidelte. Oporin, 1507 in Bafel geboren, war der Sohn eines ver:
dienten Malers, deſſen Werfe jevoch verloren gegangen oder heute nicht
als die jeinigen erfannt find. Johann widmete fich dem Studium ber
Medizin und Phyſik und wurde Famulus des berühmten Paraceljus;
ipüter erhielt er eime Profeffur der griechifchen Sprache und verband
fih um 1539 mit feinem Schwager Robert Winter, mit Thomas Platter
und Balthajar Huch zu einem Buchdrudergejchäft; fie brachten gemein-
ſchaftlich Gratanders Offizin gegen allmäbliche Abzablung des Kauf—
preife8 von 800 Gulden an fich.5? Thomas Platter bat in feiner
Selbitbiographie den traurigen Ausgang diejes Unternehmens mit rühren:
der Naivität gejchilvert. Es endete damit, daß Die Geſellſchaft fich nach
ein paar Jahren wieder trennte und Schriften und Werkzeuge teilte.
Operin blieb einftweilen mit jeinem leichtfinnigen Schwager Winter
noch zufammen, aber auch dieſes Verhältnis hatte feinen Beſtand. Als
bald danach Winter ftarb, nachdem er alles purchgebracht, übernahm
Kapitel.) Bafel: Johann Oporin. 123
Oporin für 700 Gulden die Offizin deffelben, wodurch er feine ſchon
beſtehende Schulvenlaft noch beträchtlich vermehrte. Seine Arbeitskraft
war eine wahrhaft ſtaunenerregende. Außer jeiner Thätigfeit als Yeiter
einer großen Druderei, die in den 28 Jahren ihres Beſtehens 750 Werte
brachte, und einer Buchhandlung mit ausgepehnten, bis nach Italien
reichenden Verbindungen, iſt er Verfaffer von mehrern gelehrten Schrif-
ten, darunter „Onomasticon propriorum nominum“ und „Annota-
tiones in questiones“, von Überjeßungen des Kenophon und Theofrit,
jowie großartiger Regifter zu Plato, Ariftoteles, Plinius und vielen
andern griechifchen und Iateinijchen Kiaififern, deren Ausgaben wegen
ihrer guten Ausjtattung und der Sorgfalt in der Tertesberichtigung
und bei der Korreftur zu dem Beſten zählen, was auf diefem Gebiete
geleiftet worden ift. Dennoch ftarb er 1568 in zerrütteten Vermögens:
umftänden, wozu die Verſchwendung jeiner vier Frauen, von denen eine
des jüngern Herwagen Witwe, eine geborene Froben, war, jowie eigene
ſchlechte Wirtjchaft viel beigetragen haben jollen. Seine Ziele waren
für einen Verleger jener Zeit vielleicht zu jehr dem Idealen zugewandt,
und feine großartigen Unternehmungen, die er faſt immer auf eigene
Rechnung begann, mögen oftmals in ihren Erträgen binter feinen Er-
wartungen zurüdgeblieben jein. Ging es doch feinem Yehrmeilter Johann
Froben nicht viel beffer. Gleichwohl aber bilvet vefjen und Oporins
Thätigfeit den Glanzpunkt und die beveutendite Stütze der Grofmacht:
ſtellung Baſels in der Gejchichte des deutſchen Buchdrucks und Buch—
handels.
Wie in Baſel die Blüte der jungen Univerſität (1460 bis 1500) mit
ven vielverjprechenden Anfängen der Buchdruckerkunſt zufammenfiel, jo
jtanden auch in feiner andern deutjchen Stadt ven Verlegern eine jolche
Fülfe von hervorragenden Gelehrten und Künftlern zur Seite, jo haben
Üch nirgends anderswo jo freudig die höchite geiftige Bildung (Gras-
mus) und darjtellende Kunft (Dans Holbein) mit dem Buchdruck zur
Serjtellung von Druckwerken vereinigt, deren Korrektheit und äußere
Ausftattung noch heute als mujtergültig daftehen. Wer jchöne und
forrefte Bücher haben wollte, wandte fich aus ganz Europa nach Bajel.
Wie Thomas Morus zu Anfang des 16. Jahrhunderts eine dortige
Offizin zur Herjtellung jeiner Schriften wählte, jo beabfichtigte gegen
deſſen Ente die römiſche Kurie dort druden zu laſſen, weil vie italie-
124 Baſel: Sinken feiner Bedeutung. Zürich. [Zweites
nischen Preſſen nur noch Tieverliche Arbeit Lieferten. Nah Oporins
Tode erichlaffte Bafel in feiner ſchöpferiſchen Thätigfeit; allein nie ſank
ed zur Beveutungslofigkeit herab, wenn es auch mit Ausnahme eines
furzen Auffchwungs im 18. Jahrhundert feinen alten Glanz nie wieder
erreichte. Obgleich politifch nicht mehr deutſch, teilte Baſel doch Das
Schickſal aller übrigen in fich abjterbenvden und verknöchernden deutſchen
Reichsſtädte. Seine Kinftler und Druder fuchten im Ausland Arbeit
und Ruhm, feine Gelehrten famen kaum mehr in Betracht. Die frühere
inclyta Basilea verfuchte gegenüber der Zerjegung der alten Ordnungen
deshalb auch vergebens durch Heinlichen Zunftgeiit zu retten, was von
großen freien Gefichtspunften aus einst jo glanzvoll gejchaffen und jo
gediegen ausgebildet worden war.
6. Zürich
fällt zwar nicht mehr in die ſogenannte Inkunabelnzeit, da fich hier ver
erite Drud nicht vor 1504 nachweifen läßt; indeſſen ift die Bedeutung
der Stadt für den deutſchen Buchhandel von Anfang an bis auf Die
Gegenwart eine jo hervorragende geweſen, daß fie unbedingt gleich hinter
Bajel eine Stelle verdient.
Der ältefte in Zürich ohne den Namen des Druders erichienene
Drud ift ein „Brief“, das Einladungesjchreiben des dortigen Rats vom
6. Januar 1504 zu einem Freiſchießen. Es folgt dann vier Jahre ſpäter
ein mit trefflichen Holzſchnitten ausgeftatteter Kalender, auf deſſen letter
Seite ſich Die Worte befinden: „Getruckt in der fatjerlichen | ftatt Zürich
durch Danjen | am Wajen am ſamzſtag nach jant Yurtag des iares da
man zalt tauffent fünff hundert und acht iar.“ Ein dritter Drud
(aber ohne Angabe des Druders und Jahres): „Diß ift der Pjalter |
oder Rofenkranz von unjer lyeben frowen, und ijt in der wiß als
man ſyngt der Herzog Ernſt“, ſcheint derjelben Zeit anzugehören. Er
wird vielfach Dans von Wafen zugejchrieben, da er mit den Typen des
Kalenders und der Cinladung gedrudt it.
Es dauerte jest etwa zehn Jahre, bis Chrijtoph Froſchauer ver Buch—
druckerkunſt und dem Buchhandel in Zürich eine bleibende Stätte jchaffte
und beide zugleich zu hoher Blüte entwidelte. Über feine perjönlichen
Beziehungen ift wenig befannt. Er ſtammte aus Neuburg bei Otting
in Bayern; wann er geboren tft, weiß man jedoch nicht, vermutlich
Kapitel.) Zürih: Chriſtoph Froſchauer. 125
zwiſchen den Jahren 1480 und 1490. Der Buchdrucker Johann Froſchauer,
welcher in den Jahren 1494 bis 1507 in Augsburg druckte, ſoll ſein
Vater geweſen ſein. Ebenſo wenig läßt ſich die Veranlaſſung und das
Jahr ermitteln, warum und wann er nach Zürich kam; auch fehlen
die Nachrichten über ſeine anfängliche Thätigkeit. Sie muß ihm aber
jofert Anerkennung erworben haben, da er ſchon 1519 laut Bürgerbuch
„Teiner Kunſt wegen“ das Bürgerrecht gejchenkt erhielt. Nur jo viel
ſteht feſt, daß er verheiratet war, aber finderlos am 1. April 1564 ſtarb.
Das erfte Wirfen Frojchauers im größern Kreiſe füllt ganz in biejelbe
Zeit, in welcher Zwingli mit der Rede, ver Feder und dem Schwerte
der neuen reformatoriſchen Richtung Bahn brad. Nicht leicht hätten
die Zeiten der rajchen Entfaltung der jungen Kunft auch in der Schweiz
günftiger jein können, und in der That diente diefe der Reformation als
wirfjamfte Waffe. Froſchauer als Mann von gediegener Bildung, praf-
tiſchem Blid und raftlofer Energie begriff den Geift feiner Zeit und
gewann durch jeinen rückhaltloſen Anſchluß an die Reformation als
Druder und Buchhändler einen jo außerorventlichen Erfolg, daß er ein
einflußreicher und wohlhabender Mann wurde. Er druckte und vertrieb
nicht weniger als 75 größere oder fleinere Schriften jeines Freundes
Zwingli und verlegte außerdem noch die Werfe eines Bibliander, Heinr.
Bullinger, Yeo Jud, Rudolf Gualterus, Konrad Pellifan, Peter Martyr,
xudwig Yavater, Konrad Geßner, Dans Stumpf u. a. Auf jeine Drude
verwandte er die größte Sorgfalt und jtattete fie äußerlich nicht allein
jauber und jchön, jondern im Texte auch fehlerfrei aus. Was aber vor
allem jeinen Ruf begründete und jein Gejchäft hob, das waren jeine
Bibelorude, bei welchen er feine Mühen und Koſten jcheute. Anfangs
verwandte er Antiqualettern, die er bald mit neuen, in jeinem Auftrag
gegofjenen deutſchen vertaufchte, und jtattete jeine Ausgaben nicht bloß
mit bübjchen Vignetten, jondern auch mit trefflichen Holzichnitten aus,
welche jelbjt beutigentags noch ala vorzügliche Yeiftungen vajtehen. So
jagt er jelbjt in einem Briefe, welchen er am 18. Januar 1545 an
Vadian, wenn auch über ein anderes Werk (Joh. Stumpfs Schweizer-
GEhronit) jehrieb: „Ich hab yetz ſider Martini ven beiten Maler, jo yet
it, bey mir im Huß, gib ihm alle Wochen 2 gr. und ejfen vnd trinfen, but
nündt anderſt als figuren riffen in Chronifa, mag ſy der figuren halb uff
ven berbit fum anfahen, daran wirt gar fein cojten geſpart.“
126 Zürich: Chriftoph Froſchauer. [Zweites
In den Jahren 1524 bis 1529 ging aus Frojchauers Prefjen vie
erſte Schweizerausgabe der ganzen Bibel in groß Folio hervor, nachdem
ſchon 1521 die von Yeo Jud verdeutjchten Paulinijchen Briefe in Qart
und 1522 vdiejelben noch einmal, jowie 1524 das ganze Neue Tejtament
in deutjcher Sprache bei ihm erjchienen waren. Von 1524 bis 1564
wurden num faft jedes Jahr, wenn nicht Die ganze Bibel, jo doch Teile
derjelben in vier verjchiedenen Sprachen von ihm herausgegeben. Inner—
halb vesjelben Zeitraums veranjtaltete Froſchauer nach ver Berechnung
jeines Biographen S. Vögelin 27 verjchievene Ausgaben der ganzen
Bibel, davon 20 in deutſcher, G im lateinifcher und 1 in englijcher
Spracde, jowie 15 Ausgaben des Neuen Teftaments, von denen 6 in
deutſcher, 5 in lateinifcher, 1 in griechtijcher und 3 in zwei Sprachen
(auch 1 im englifcher) erjchienen. Nah E. C. Rudolphi's Verzeichnis
jtellen jich Froſchauers Bibelorude noch zahlreicher heraus, ſodaß er
63 Ausgaben in verjehievdenen Sprachen geliefert hätte, nämlich 25 deutſche
(11 davon in Folio), 7 lateinifche (1 in Folio) und 1 englijche (in Unart),
während die Zahl ver Ausgaben des Neuen Teſtaments, wie von Bögelin,
auf 15 berechnet wird. Dieje Bibeln waren allgemein gejucht und fanden
zu Hunderttauſenden Abjaß; vor allen hochgejchätt aber wurden die Pracht-
ansgaben der deutjcben aus den Jahren 1531 und 1545. Ein Eremplar
der erjtern foftete, in zwei Teile gebunden, 31, Gulven. Im ganzen
führt Rudolphi 865 Nummern an, welche im Froſchauerſchen Geſchäft
bis zu feinem 1595 erfolgten Ende evrjchienen find. Davon fallen 616
auf Chriſtoph Frojchauer, während der Reſt auf jeinen Neffen Chriſtoph
ven Jüngern (gejtorben 1585) und deſſen Erben fommt. Bon lettern
erwarb der Buchdrucker Johannes Wolf das Gejchäft. Im Jahre 1626
gelangte es in den Bei der Familie Bodmer, 1723 an Heidegger und
Rahn und 1765 wurde e8 mit der Orelliihen Druderei, jest Orell
Füßli u. Comp., einer noch heute beſtehenden beveutenvden Druderei und
Berlagsanftalt, vereinigt. °?
7. Augsburg.
Die alte Auguſta, das Haupt des Schtwabenlandes, zählt zu den—
jenigen Städten, in welchen die Buchdruderfunft unter ven günjtigiten
Borbedingungen eine der erjten und fich vajch zur höchiten Blüte ent-
widelnden Stätten fand. Der Nangjtreit ver ältejten Druderfige um
Kapitel.) Augsburg: Günther Zainer. Johann Schüßler. 127
die Priorität der Cinführung der Kumft jucht deren Einzug auch in
Augsburg noch weiter zurüd zu datieren, als die Jahreszahl des erjten
dort gedruckten Buches rechtfertigt. Das erjte bis jest befannte zu
Augsburg mit Jahreszahl gedruckte Werf ſtammt nun aus dem Jahre
1468 und gebört Günther Zainer von Neutlingen an; es jind Die
„Meditationes vitae domini nostri Jesu Christi“, Günther Zainer
wird daher auch als erjter Typograph Augsburgs gelten müffen, ob-
gleib er 1472 in den Steuerbücern al8 „Schreiber vorfommt und
in diefen Jahre auch erjt Bürger der Stadt wurde, während er fich
vorher ſelbſt als „Commanens over Beiſäß von Augsburg‘ bezeichnet.
Zeine bis zum Jahre 1477 dauernde Thätigfeit war eine höchit be-
deutende. Obwohl man nur etwa 30 Werfe aus feiner Preſſe fennt,
jo ift doch deren technifche Ausführung eine derartige, daß man ihm
ein berporragendes Verdienſt um die Kunſt zugejtehen muß. Beſonders
erwähnenswert jind jeine beiden deutſchen Bibelausgaben, von denen
die mit ver Jahreszahl 1477 erjchienene zugleich Die erjte datierte
deutiche Bibel ift. Beide Ausgaben find im ihren jchönen Druck mit
großen fetten Typen, dem vortrefflichen Papier, prächtigen Initialen und
Bilderſchmuck wahre Monumentalwerke der Buchoruderfunft, welche alle
andern Bibelausgaben durch die Größe ihres Formats überragen. Zainer
gilt auch als derjenige Typograph, der zuterjt in Deutſchland mit römi—
ben Schriften (Antiqua) gedruckt hat, obwohl mit Unrecht, denn älter
als jeine Ausgabe der „Etymologiarum libri XX“ ves Iſidorus His:
palenjis von 1472, worin er dieſe Schriftgattung zuerjt brachte, find
unftreitig die Drude mit dem bizarren R, welche böchjtwahrjcheinlich
von Mentel in Straßburg berrübren. °*
Nach der Chronologie der datierten Drude ift der zweite Buchoruder
Augsburgs Johann Schüßler, von 1470 bis 1472. Nach einer ältern
Überlieferung ſoll er die früheften Typen Günther Zainers am fich ge-
bracht haben. In der That jtimmen die Schriften der wenigen von
ihm befannten Drude mit Zainers älteiten, den Gatholicon-Yettern, voll-
fommen überein; auch kommt dieſelbe Schriftgattung in feinem batierten
Trucdwerfe Zainers nach 1470 vor, in welchem Jahre ver erjte datierte
Trud Schüßlers, die erjte lateinijche Ausgabe des Flavius Joſephus
eribien. > Im Jahre darauf brachte er auch die Editio princeps
des Orofius. Nach einer Urkunde aus dem Jahre 1472 erwarb Das
128 Augsburg: Das Klofter St. Ulrich und Afra. Joh. Bämler. Ant.Sorg. [Zweites
Klofter St. Ulrih und Afra in Augsburg von Johann Schüßler fünf
Druderprejien mit allem Zubebör für ven Preis von 73 Gulden. Der
gelehrte Abt Melchior de Stainheim, Stamphain oder Stanham legte
damit eine die Intereſſen der Wiffenjchaft und des Stlofters zugleich
fördernde Druderei an.5° Das intereffantefte Moment aus der Ge-
ſchichte dieſer Klofteroffizin it eine von Denis aufgefundene Bücher:
anzeige, die zum Ankauf des im Kloſter geprudten wierbändigen „Spe-
eulum historiale“ von 1474 auffordert. Nach dem ſchon im Jahre
1474 erfolgten Tode ver Abtes Melchior ſcheint übrigens dieje Druckerei
nicht lange mehr bejtanden zu haben, wie man denn überhaupt nur etiwa
ſechs aus ihr berworgegangene Werfe fennt. Aber jelbft von diejen find
einige mit Schriftcharafteren anderer augsburger Druder, 3. B. Bäm—
lers, Sorge, gedrudt, ſodaß die Yeiftungen des Klofters weniger beträcht-
lich find, als man oft anzunehmen geneigt ijt. Ebenſo unbeveutend iſt
die Ihätigfeit des Buchdruders Chriftmann Heyny von 1471 bis 1481,
von dem man nur ein paar, mit Günther Zainers fetter Typengattung
gepructe Werfe kennt. Die Schrift muß aljo offenbar von diefem nur
entliehen gewejen jein; denn won einem Kauf kann nicht vie Rede fein,
va Zainer gleichzeitig und nachher dieſelben Typen weiter bemußte.
Ein viel beveutenderer Druder war dagegen der ſchon mehrfach er:
wähnte Johann Bämler, 1472 bis 1495. Kine in ver Bibliothef zu
Wolfenbüttel bewwahrte vdeutjche Bibel trägt am Ende des Pialteriums
die Notiz: „explieit Psalterium. Bamler 1466 Man bat infolge
vejjen früher Bämler für ven erjten Druder Augsburgs gehalten; allein
ſchon Panzer hat nachgewiejen ??, daß die betreffende Bibel feine andere
als die erjte deutjche Eggeſteinſche ſei. Die Notiz ſtammt aljo einfach
aus der Zeit ber, im welcher Bämler noch jeinem frübern Beruf als
Schreiber und Rubrikator nachging. Sein erjter datierter Drud gehört
erit dem Jahre 1472, jein leßter 1492 an. Bämlers HDauptvervienft ijt
jeine Pflege der deutſchen Sprache und Yitteratur; wenige jeiner ‚Zeit:
genofjen find ihm darin gleichgefommen. Bon jeinen Yeiftungen geben
etwa 60 größere und fleinere Werke der Nachwelt Kenntnis.
Ihm folgt zunächſt Anton Sorg 1475 bis 1493, einer der produftiv-
jten Druder Augsburgs, von dem das erjte geprudte Wappenbuch (1483):
„Coneiliumbuch gejchehen zu Conſtanz“ herrührt; es veranjchauficht im
jeinen 1200 Holzſchnitten bildlich 1156 Wappen aller im Jahre 1414
Kapitel.) Augsburg: Kleinere Druder. Hans Schönfperger. 129
auf dem Konzil verjammelten vornehmen Männer der ganzen Chriſten—
beit, während 44 weitere Holzjchnitte die Aufzüge, Seite und Begebniffe
des Konzils nach Zeichnungen eines Augenzeugen darftellen. Neben dem
Bervdienjt, in jeinen Erzeugnijfen bejonders ven Formſchnitt gepflegt zu
baben, bat Anton Sorg auch das, 1477 und 1480 zwei deutſche Bibeln,
die fiebente und achte in der Reihe aller überhaupt veröffentlichten, ge-
prudt zu haben. Auch ift von ihm ein Berlagsverzeichnis in deutjcher
Sprache befannt, das in Form und Ausorud ganz den früher erwähnten
Mentels in Straßburg und des Kloſters St. Ulrih und Afra in Augs-
burg gleichfommt; durch die Zahl der darin verzeichneten Werfe (35)
übertrifft eö jevoch alle anvern. Das interefjante Druckdenkmal befindet
fih in der öffentlichen Bibliothef zu Augsburg. ’®
Es folgte nun eine Anzahl Buchoruder, welche nur eine geringere
Thätigkeit entfalteten: Dodocus Pflanzmann, von dem die dritte deutſche
Bibel herrührt; Johann Wiener von Wien, 1475 bis 1479, von dem
es nicht gewiß ift, ob er mit Johannes de Vienna, der 1476 in Bi-
cenza eine Offizin hatte, identisch ift; ferner Johann Keller, 1478; Am-
brofius Keller, 1479; Johann Dlaubirer, 1481; Hermann Käjtlin, 1481
bis 1488. Dieje alle überragte jedoch Hans Schönfperger ver Ältere, von
1481 bis 1524, der fich während jeiner vierundvierzigjährigen Thätigfeit
ein unvergängliches Denkmal gefichert hat durch Druderzeugnifje, welche
mit vortrefflicher Ausjtattung ven reichjten vielleicht je aus einer Preſſe
bervorgegangenen Holzjchnittjehmud verbinden. Beſonders ragen dar—
unter hervor zwei deutſche Bibeln von 1487 und 1490 (die elfte und
zwöffte in der Reihe aller) mit jchönen Holzichnitten, das Neue Teſta—
ment von 1523 nach Yuthers Überjegung, mit Holzſchnitten von Johann
SZ chäufelein und mit den Charafteren des „Theuerdank“ geprudt, be:
jonders aber diejes berühmte Werk jelbjt, ein im jeiner typograpbijchen
Ausführung unübertroffenes Meiſterwerk, das nicht weniger durch feine
prachtvollen Holzjchnitte von Schäufelein, Burgfmair und Dieneder be-
rühmt ift. Die erjte Ausgabe dieſes Prachtwerts, das die Brautfahrt
und Abenteuer Marimilians zum Gegenftand bat und mach Aufzeich-
nungen des Kaiſers von Melchior Pfinzing dichteriſch bearbeitet wurde,
ift von Johann Schönjperger im Jahre 1517 zu Nürnberg geprudt
worden. Er wurde nämlich vom Kaiſer zur SHerjtellung des Werts
dabin bejchieven, um es unter den Augen des Dichters und der betreffen-
app. I. 9
130 Augsburg: Erhard Natdolt. [Zweites
den Künſtler um jo vollfommener erftehen zu laffen. Die zweite Aus-
gabe gab Schönfperger dann bereits 1519 zu Augsburg heraus. Sein
Sohn, Hans Schönfperger der Jüngere, widmete ficb ſpäter fajt aus-
ichließlich dem Verlagsbuchhanvel und ließ meiftenteils bei Johann Oth—
mar in Augsburg druden.
Ebenjo beveutenn wie Schönfperger, aber ihn an Geijt und Reichtum
ver Phantafie noch überragenn, war Augsburgs berühmtefter Druder,
Erhard Ratvolt. Er entftammte einer Künftlerfamilie, welche ſich durch
Anfertigung plaftifcher Figuren aus Gips auszeichnete, und fell urfprüng-
lich Kiftler (Armbruftichniger) gewejen ſein. Ratdolt ging 1475, wahr-
jcheinlich in der Abficht fich Fünftleriich auszubilden, nach Italien. Da er
in der Heimat auch die Kunſt des Bücherdruds fennen gelernt hatte, jo
wandte er fich ihr in Venedig ausjchlieglich zu und verband fich dort an-
fangs mit dem augsburger Maler Bernhard und mit Peter Loslein von
Yangenzenn. Er lieferte bier von 1476 an eine Menge von Prachtwerfen,
wie man fie bis dahin weder in Italien noch in Deutjchland gejehen hatte.
Seine ſchon im Renaiffancegejhmad ausgeführten Initialen und Titel-
blätter waren jowohl durch ihre Verzierungen als ihre Anordnung Kunjt-
werfe erjten Ranges. Selbjt unter ven erſten Künftlern der jtolzen Ya-
gunenjtadt nahm Ratdolt eine hervorragende Stellung ein und jein un-
erhörter Erfolg jpricht zugleich für feine außerorventliche Bedeutung. Die
Biichöfe Augsburgs drängten ihn lange vergebens zur Rückkehr in vie
Heimat. Endlich gab er 1486 ven wiederholten Aufforvderungen des
Grafen Friedrih von Hohenzollern nach und zog wieder in die Vater—
jtabt, wo er noch 30 Jahre mit gleichem Ruhme wie in der Fremde
arbeitete. Als Drucker der jehrwierigften mathematischen Werte erwarb
er fih den Namen eines Beſchützers und Vaters der Mathematifer.
In der berühmten Ausgabe des Euclid von 1482 vrudte er die Zu:
eignung an den Dogen Mocenigo von Venedig fogar in Gold. Ebenjo
widmete fich Ratdolt auch dem Druck mufitalifcher Werfe, wie er denn
auch der Erfinder des Notendrucks mit beweglichen Typen ift. In Augs-
burg wurde er durch den Drud jeiner unvergleichlich ſchönen Chorbücher
jo berühmt, daß ihm von weit umd breit Aufträge aus Stiftern und
Klöſtern zur Herftellung von Kirchenbüchern zuteil wurden, die er in
brilfantem Rot- und Schwarzdrud die 4O Jahre feiner Thätigkeit
hindurch gleich ausgezeichnet ausführte. Er ftarb um 1528, in welchem
Kapitel.] Augsburg: Johann Rynmann. 131
Jahre er zulegt Steuern zahlte, als jehr vermögenver und angejebener
Dann und foll ein Alter von 85 Jahren erreicht haben. 5°
Ein faſt ebenjo bedeutender Buchhändler ijt Johann Rynmann aus
Öhringen, urjprünglich Yeibeigener der Grafen von Hohenlohe, von
welchen er 1498 für 800 Gulden jeine Freiheit erfauftee Er muß um
die Mitte des 15. Jahrhunderts geboren jein. Zum erjten mal wird er
1475 in den augsburger Steuerbüchern als Goldſchmied erwähnt. Als
ſolcher bat er in ver Folge auch Stempeljchneiverei und Schriftgieherei
betrieben und nennt fich jelbit noch 1502: „Characterum venetorum
opifex’ (Kurfivjehrift). Im feinem Yosfaufbrief heißt es, daß er etliche
Jahre einen Handel und Gewerbe mit gebrudten Büchern und andern
Waren, in auswärtigen Königreichen und bei fremden Nationen, in
Ober- und Niederdeutſchland geführt und alle Jahre große und weite
Reiſen gemacht habe. Es ergibt fich aus diejer Bemerkung, daß Ryn—
mann in den neunziger Jahren, wenn nicht jchon früher, mit jeinen
Goldſchmiedewaren zugleich einen Sortimentsbandel verband, welcher ihm
beveutenden Gewinn abgeworfen haben muß, venn 800 Gulden bares
Geld, welche er, ohme jeine liegenden Gründe zu veräußern, für feine
Freiheit zahlte, waren für jene Zeit eine jehr beveutende Summe. Trotz
ihrer Zahlung war er gleichzeitig noch im Stande, ein großes Verlags:
geichäft zu begründen und bis zum Jahre 1522 immer mehr auszudehnen.
Rynmann beſchränkte fich auf die theologijche Yitteratur, namentlich homi-
fetijche und ascetiſche Werke, deren Abſatz lange ein glänzenvder war, bis
die Reformation fie plößlich umverfäuflich machte. Von den 146 Ver—
lagswerken, welche Kirchhoff einzeln angibt, hat Rynmann fein einziges
jelbjt gebrudt; die meiſten derjelben (112) find aus der Prejje von Hein-
rib Gran in Hagenau hervorgegangen, ſodaß die Annahme gerechtfertigt
erjebeint, daß Rynmann die Granjche Buchorucderei gehört habe. Seine
geſchäftliche Tüchtigfeit und Thätigfeit erregte mit Recht die Bewunde—
rung jeiner Zeitgenofjen, wie 3. B. des Konrad Celtis. Er ſelbſt nannte
fib mit Stolz: „ver teutjchen Nation nahmbafftigften oder fürtreffenven
Buchführer und Archibibliopola.” Bon 1522 an verſchwindet der Name
Rynmanns aus der Reihe der Verleger; er muß in diefem Jahre ge:
ftorben jein. 9 Das Gejchäft ging an feinen Schwiegerjohn, Wolf
Präunlein, über, welcher jeit 1524 auch die in Yeipzig unter der Firma
„Bansichmanns Buchhandel” arbeitende Verlagsaffociation bis zum Jahre
9*
132 Augsburg: Kleinere Druder, Die beiden Othmar. Siegm, Grimm. [Zweites
1528 leitete. Inwieweit Rynmann oder Präunlein bei ver Firma be
teiligt waren und ob erjterer bereits die Spekulationen in Zinn ein-
leitete, welche den legtern in ſchwere Verlegenheiten brachten, bleibt un—
far. Es darf aber nicht vergejfen werden, daß ja Rynmann ven
Scriftguß betrieb und bei diefem damals Zinn Berwendung fand.
Präunlein fievelte um das Jahr 1550 nach Öhringen über und muß
bier vor 1558 geftorben fein.
An den Ruhm dieſer hervorragenden Buchdrucker und Buchhändler
reicht der der folgenden, bier wenigitens mit Namen anzuführenven
Druder nicht heran, obgleich fie zum Teil manche ganz tüchtige Yeiftungen
aufzumeifen haben. Da jebeint zunächit Hans Schobjer, 1488 bis 1493,
mit Anton Sorg in Verbindung geftanden zu haben, da in jeinen Drud-
werfen die Charaktere diefes Druders vorkommen; Peter Berger, 1489;
Johann Froſchauer oder Schauer, 1494 bis 1519; Chriftoph Schaitter,
1493; Yufas Zaiffenmaber, 1495 bis 1502, und Georg Napler, 1508
bis 1521, der auch mit Erhard Oglin zujammen druckte, find mehr over
weniger unbedeutend. Von Jakob Wader, 1503; Hans Pirlin, 1506;
Johann Sittich, 1511; Bohannes Erphordianus, 1519; R. Chaim ben
David, 1534 bis 1536; Matthäus Elchinger, Philipp Uhlhard, Kafpar
Tag, um 1536, gibt e8 nur noch einige wenige Drude als Zeugen ibrer
Thätigfeit, dagegen ift bedeutend als erjter Druder hebräiſcher Schriften
Erhard Oglin von 1505 bis 1518. Auch Iohann Othmar, der wan—
dernde Typograph, welcher zuerjt in Reutlingen, ſodann in Tübingen
und jehlieklich in Augsburg arbeitete, entfaltete hier eine bemerfenswerte
Thätigfeit, wobei er ſich beſonders durch den Druck deutjcher Schriften
auszeichnete. Ein Sohn desjelben war wahrjcbeinfich Sylvan Othmar, ver
die Kunft von 1514 bis 1530 ebenfalls erfolgreich ausübte. Johannes
Miller, 1514 bis 1519, ift durch jeine Freundſchaft mit dem gelehrten
Konrad Peutinger bekannt, deſſen geiftiger Anregung man zum guten
Zeil die verdienftliche humaniftiiche Richtung des Millerſchen Verlags
zu danken bat.
Bon größerer Beveutung, als die bisher genannten find dagegen zwei
andere Buchdrucker oder wenigjtens Befiger von Preſſen, Siegmund
Grimm und Marx Wirfung. Jener war aus Zwidan gebürtig und
Doftor ver Medizin. Er fam gegen 1512 nach Augsburg, wurde in
das ſtädtiſche medizinische Kollegium aufgenommen und trat im folgenden
Kapitel.) Augsburg: Siegmund Grimm. Heinrich Steiner. 133
Jahre durch feine Berheiratung mit Magdalena Weljer zu einer ber
angejehenjten Familien in verwandtichaftliche Beziehungen. Bald dar:
auf errichtete er in feinem Haufe eine Apothefe und gegen 1517 eine
Buchdruckerei, an welch letterer fich im folgenden Jahre ver reiche Kauf:
mann Marx Wirjung beteiligte. Beide drudten bis 1522 gemeinjchaft-
ih. Bon diefem Jahre am verjchwindet Wirfungs Name und Grimm
jegt noch zwei Jahre lang allein das Geſchäft fort. Ob er 1524 ge-
ftorben ift oder ob er aus Mangel an Kapital hat aufhören müffen, ift
nicht befannt; doch weiß man, daß er durch Unglüdsfälle fein Vermögen
verlor. Die Druderei jcheint an Simprecht Ruf übergegangen zu fein;
fie hat übrigens auch noch bejonvders dadurch Bedeutung, daß fie in der
Reformationszeit lebhaft Partei nahm und einen großen Teil der Schriften
Ulrichs von Hutten veröffentlichte, wie denn auch Sylvan Othmar die
Werfe Yuthers vielfältig nachdruckte. 61
Als legte hervorragende typographiiche Größe Augsburgs in der Re-
formationgzeit ift endlich Heinrich Steiner zu nennen. Vermutlich aus
der Schweiz ums Jahr 1522 eingewandert, fing er im darauf folgenven
Jahre an, den Buchdrud auszuüben. Durch Fleiß und Unternehmungs-
geist und wohl auch vom Glück begünftigt, wurde er im Yaufe der Jahre
der größte Buchdrucker Augsburgs und blieb bis 1545 thätig. Die
Werfe, welche er herausgab, meift Überſetzungen griechiicher und Latei-
niſcher Schrifiteller neuerer und älterer Zeit, wie Vegetius, Cicero „Bon
ven Pflichten‘, Petrarca „Vom Süd“, Plutarch, Polydor Vergil „Von
Erfindung der Dinge‘, Xenophon, Johann Stobäus, Thucydides, De-
mofthenes, Boccaccio „Bon berühmten Weibern“ u. ſ. w. oder Gedichte
der ſchwäbiſchen Zeit find meift mit Holzjchnitten von den bekannten
Meiftern Dans Burgfmair, Urs Graf, Schäufelein u. a. verziert und oft
mit einer für jene Zeit aufßerorventlichen Pracht ausgejitattet, wie die
Beichreibung des Konzil von Konftanz vom Jahre 1536 und nament
ih eine Bibel vom Jahre 1535, von welcher Pergamenteremplare in
vier Foliobänden eriftieren. Das gleiche Yos wie Grimm traf aber
auch Steiner. Nachdem er bis 1545 mit Glück gearbeitet hatte, geriet
er in finanzielle Schwierigkeiten, von denen er fich nicht wieder erholte,
Er jcheint im Jahre 1548 gänzlich verarmt geftorben zu jein.*? Das
Druckergeſchäft hatte zu jener Zeit feinen golvenen Boden in Augsburg;
nur Ratdolt jtarb reich.
134 Augsburg: Georg Willer. Ad insigne Pinus. [Zweites
Augsburg erlangte jpäter noch einen bedeutenden Einfluß auf die Ent:
widelung des deutjchen Buchhandels dadurch, daß einer feiner bedeutend:
jten Buchhändler, Georg Willer, bedeutend namentlich als Sortiments-
buchhändler, 1564 den Grundftein zu dem „Meßkatalog“ legte. Ur—
iprünglich von Willer nur als Publifationsmittel für jeinen ausgedehnten
Sortimentsbetrieb gedacht, deshalb auch bald von andern Firmen, 3. B.
Portenbach und Yu in Augsburg, foptert, fand derjelbe einen folchen
Beifall in der bücherliebenden Welt, daß ih aus Willers Unternehmen
das offizielle Organ des deutſchen Verlagsbuchhandels entwidelte; vie
Sejchichte deſſelben wird das achte Kapitel bringen. Hier möge nur
noch die große Gejellichaftspruderei angeführt werden, welche unter ver
Firma „Ad insigne Pinus“ von dem gelehrten Stadtpfleger Markus
Welſer im Verein mit den angeſehenſten Männern der Stadt ins Yeben
gerufen wurde, Die VBeranlaffung dazu bot, daß jeit der Zeit des
Schmalkaldiſchen Kriegs Buchdruck und Verlagshandel in Augsburg
derart daniederlagen, daß Welſer fich wiederholt zu beflagen Veranlaſſung
hatte: fein Buchdrucker vajelbit könne auf eigene Koſten ein größeres
Wert in Angriff nehmen. Alles, was erſchien, waren polemijche und
ascetiihe Schriften und eine Menge von Traftaten über den Kalender:
jtreit, der damals die Gemüter erhitte. Weljer felbit hatte zum Drud
feiner eigenen Werfe wiederholt die Aldiniſchen Preffen in Anipruch
nehmen müffen. Deshalb veifte in ihm der Plan, ſelbſt eine Druderei
zu begründen, durch welche umfaſſendere wijjenjchaftliche Werfe gedruckt
werden könnten. Die Koften übernahm die fich bildende Geſellſchaft ge:
meinfam; über die Auswahl der zu verlegenden Werfe entſchied ein Aus-
ſchuß von Gelehrten, unter welchen fich außer Weljer auch der berühmte
Philologe David Höjchel, ferner Konrad Rittershaufen, Andreas Schott,
Heniſch, Deco, Stengel, Albicius, Pinicianus, Jakob Pontanus u. a.
befanden. Das Weljeriche Injtitut, welches als Zignet einen Fichten:
baum führte, wurde durch ein Eatferliches Privilegium vom 29. Novem-
ber 1594 und auch durch ein königlich franzöfiiches geſchützt. Seine
Thätigkeit ift bis zum Jahre 1619 nachweisbar, in welchem Jahre der
„Catalogus bibliothecae Antonii Welseri”“ herausfam. Zahlreiche
Werfe, zum Teil von bleibendem wiffenjchaftlichen Werte, find teils aus
der eigenen Preife der Geſellſchaft hervorgegangen, teils auf ihre Koiten
in andern augsburger Trudereien, wie 5. B. Johannes Prätorius, David
Kapitel] Um: Johann Zainer. 135
Frank, Chriſtohh Mang, Michael Manger, Andreas Aperger, Chryſo—
ſtomus Daberzhofer, Dominicus Cuſtos gebrudt worden. Noch von
einer zweiten litterarifchen Gejellichaft, ver „Sodalitas litteraria Danu-
biana“, jind einige Bücher bekannt, welche von ihrem Bejtehen Zeugnis
ablegen, obgleich jonft jehr wenig über viejelbe verlautet.
8. lm.
Die beiden alten Schweſterſtädte Augsburg und Ulm, Haupt und
Herz des Schwabenlandes, wie fie Hafler nennt, thun in ſchöner Ein-
tracht faft gleichzeitig den Schritt in die neue Kulturepocdhe. Günther
Zainer in Augsburg, Johann Zainer in Ulm, beide aus Reutlingen
gebürtig, beide mit gleichem Streben ihrer edeln Kunft zugethan, traten,
der eine bier, der andere dort, faſt gleichen Fußes ihre ehrenvolle Yauf-
bahn an; den einen führte jie zum frühen Ende, den andern in ein
ipätes, aber dornenvolles Alter.
Nach Haßler 6? galt bis auf die neuefte Zeit ein anderer Typograph,
Yudwig Hohenwang, als der erfte Buchoruder der Stadt Ulm, allein
neuerdings ift von genftein dargethan, daß Hohenwang weder eine jo
frühe Thätigfeit zufommt, noch daß er überhaupt zu den ulmer Buch-
prudern gebört, vielmehr nach Augsburg um 1477 zu verweifen ijt. 6*
Demnach gebührt aljo Johann Zainer die Ehre, in Ulm die Buchoruder:
kunt eingeführt zu haben und zwar nicht erjt um 1473, in welches Jahr
man nach feinem erjten datierten Drude bisher feine Anfänge jekte,
jendern jchen ver 1469, denn unter den in der Auktion Bearzi ver:
fauften Büchern trug ein Eremplar der von Johann Zainer ohne Da:
tierung gebdrudten „Legenda Sanctorum” des Jacobus de Voragine
(Nr. 476) die durchaus gleichzeitige Notiz des Rubrikators „Frater
Erasmus, 1469. Pictor Philocalus”.
Johann Zuiners Thätigfeit dauerte bis gegen 1520. Man fennt
ven ihm gegen SO Drude, meiftens mit Holzjchnitten und prächtigen
Randverzierungen in Holzſchnitt ausgeftattet; er verwandte eritere ſchon
1470°°, alfo früher als Johann Veldener in Utrecht, welchem wegen
jeines „Fasciculus temporum“ von 1480 bisher die Übertragung diefer
Art des Bücherſchmucks auf geprudte Bücher zugejchrieben wurde. Troß
jeiner Verdienjte um die Kunſt war Zainers Yaufbahn eine mühevolle
und jorgenreiche. Bereits vom Jahre 1487 an erjcheint jein Name im
136 Um: Johann Zainer. Leonhard Hol. [Zweites
ulmer „Einigungsbuch‘, einer Art von Schulchändelprotofoll, mit dem
Vermerk, daß er einem Diepolt Hutter 10 Gulden ſchulde und jedes
Quartal davon 1 Gulven abzuzahlen Habe. Das Jahr darauf fteht er
mit 70 Gulden bei zwei andern Gläubigern in der Schuld; er ver:
jpricht jedes Quartal 2 Gulden abzuzahlen. Und jo geht es fort, bis er
1493 jogar mit Konrad Dindmuth, einem andern ulmer Druder, ohne
Zweifel dieſer vielen Schulden halber, aus der Stadt verwiejen wird.
Seine Abwejenheit kann aber nicht lange gedauert haben, da in den
Jahren 1496 und 1497 bereitd wieder Drude von ihm vorliegen.
Intereffant für den engen Zunftgeift jener Zeit ift es, daß Johann
Zainer im Jahre 1515 ven Rektor ver Yateinischen Schule zu Ulm,
Dans Grüner, wegen feines Handels mit Schulbüchern vor dem Rat
verflagt. In der darauf bezüglichen Urkunde heißt es: Meifter Dans,
der lateinische Schulmeifter, habe Bücher feil und verbiete feinen Knaben,
fie anders als bei ihm zu kaufen. Dies bringe ibm Nachteil; er bittet
ihn als Bürger zu bevenfen. Dev Rat vergönnt hierauf jedem, Bücher
feil zu haben, aber Haufieren joll verboten fein. Der Schulmeifter ſoll
niemand brängen, feine Bücher und fonft feine zu faufen, und des Bücher—
verfaufend müßig ftehen; wenn ihn aber ein Biedermann bitte, feinem
Sohne ein Buch zu faufen, jo möge ev e8 wohl thun.
Der zweite Buchdruder Ulms iſt Yeonhard Doll, 1482 bis 1484,
der dort vorher jchen eine Spielkartenfabrif gehabt und auf feinen Bil—
bern mit beweglichen Typen gedrudte Infchriften angebracht hatte. Zein
erited Werk war die Geographie des Ptolemäus mit Yandfarten, welche
in Holz gejchnitten waren. Das jümtliche Werkzeug zu diefer Ausgabe
war er ſpäter genötigt, an den Venetianer Juſtus de Albano zu ver-
jegen, in veffen Verlag damit 1486 durch feinen Werfführer Johann
Reger eine neue Ausgabe gedruckt wurde. Holl aber wurde, wie Zainer
und Dinckmuth, Schulden halber ſchon 1484 aus der Stadt veriwiejen;
er bat, wieder eingelaffen zu werben, weil ev jonit jeine Gläubiger nicht
befriedigen fünne, da ihm jeine Habe vertragen, verjtoßen, verpfünvet,
verjeßt jei. Das Jahr 1492 bringt dann im Einigungsbuch eine neue
Entjcheidung, wonach Leonhard Holl aufer der Stadt jein joll, bis daß
er von Nürnberg aus feine Schuld bezahlt habe. Ob dies aber jemals
geichehben, darüber fehlen, wie überhaupt von ihm, alle fernern Nach-
richten.
Kapitel.) Um: Koncad Dinckmuth. Johann Grüner. 137
Auch der dritte Typograph Ulms hatte, wie ſchon oben mit erwähnt,
ein gleih trauriges Schidjal. Konrad Dindmuth war, ehe er Buch:
drucker wurde, Buchbinder und muß auch noch als Typograph als jolcher
weiter gearbeitet haben, denn er wird im ben Urkunden 1481 und 1484
als Buchbinder aufgeführt, und noch 1486 muß Lienhart Welfchwirt ge:
(oben, ihm in Zeit von einem Jahre in drei Terminen 150 vote Egrifche
Felle zu liefern. Sein erfter datierter Drud ftammt aus dem Jahre
1482. Nachdem er jchon früher ala Schuldner in dem fatalen Einigunge-
buche vorfam, führt ihn das Jahr 1487 wieder im drei verjchiedenen
Einträgen als jolhen auf. Im Jahre 1488 verpfändet er dem Papier:
fabrifanten Martin von Reutlingen wegen einer Schuld das Buch, das
er gerade drudte, und 1489 ift er genötigt, fein Haus an ver Ede ver
Ulmergaffe verganten zu laffen. Im nächften Jahre muß er geloben,
dem Bürgermeifter Hanſen Nythart, welcher im Jahre 1486 den Teren-
tins überjeßt und ihm in Verlag gegeben hatte, 28 gebundene Erempfare
des Werfes jowie 39 (in demſelben Jahre gedruckte Yirerfche) Chronifen
zur geben, over aus der Stadt und dem Zehenten zu gehen und nicht
zurückzukommen, bis er die Schuld entrichtet. Nachdem er 1494 und
1495 noch wiererhelt als Schuloner aufgeführt worden tft, zieht ev end—
(ih 1499 von Ulm fort, denn er zahlt die Nachiteuer, und fortan fehlen
die Nachrichten von ihm. Von Druden fennt man aus feinen Preſſen
etwa 20, in welchen, wie bei allen ulmer Druden, die Pflege der deut—
iben Sprache zu rühmen tt.
Der ſchon genannte Sehülfe des Juſtus von Albano, Johann Neger,
fommt won 1486 bis 1489 als Druder vor und veröffentlichte in dieſem
Zeitraum etwa ein Dutend Werte. Von 1403 bis 1499 iſt noch Johann
Schäffler zu nennen, dev auch in Freifingen und fpäter in Konftanz als
Drucker auftritt.
Bei dem traurigen Schickſal, das beinahe alle bisher genannten ulmer
Buchdrucker hatten, iſt e8 micht zur verwundern, daß mit dem Ausgang
des Jahrhunders die Kunſt daſelbſt allmählich ausftarb, um nie wieder
zu ihrer anfänglichen Bedeutung zu erjtehen. Außer dem Schulmeijter
Johann Grüner, der übrigens ein merkwürdig vielfeitiger Dann geweien
jein muß, da ihn zeitgenöffiiche Zeugniffe auch als Ökonom, Fürfäufler,
Geldſchauer und Wirt aufführen — und der jpüter felbft eine Offizin
(1522 bis 1532) errichtete, nachdem er vorher jchen bei Mare Wirfung
138 Nürnberg: Johann Senfenihmid und Heinrich Kefer. [Zweites
und Grimm in Augsburg verlegt hatte, wären im 16. Jahrhundert nur
noch wenige unbedeutende Vertreter der Kunft dort zu nennen.
9. Nürnberg,
die alte, reiche Stadt, noch heute der Schrein ungezäbhlter Denkmäler
der Kunft und Kultur des Mittelalters, die Geburtsſtadt eines Albrecht
Dürer und Hans Sachs, ift von den erften und beveutungsvolliten Pflanz-
ftätten der Buchdruckerkunſt und des Buchhandels eine der wichtigiten
und für deren Entiwidelung von epochemachendem Einfluß. Einem glück—
fihen Zufall ift e8 zu danfen, daß gerade von derjenigen Perſönlichkeit,
die umbejtritten der größte Buchdrucker und Buchhändler feiner Zeit ge:
nannt werben muß, von Anton Koberger, der Nachwelt jehr ausführliche
Nachrichten erhalten worden find und daß die Geſtalt diefes Mannes
das Bild des ganzen Standes in feinem Geſamtwirken neu beleuchtet.
Mit voller Berüdfichtigung der geichäftlichen Bedeutung Anton Kobergers
wird daher weiterhin im fünften Kapitel eine ausführlichere Darjtellung
jeines Wirkens gegeben werben, foweit es fich aus den nenejten Kunden
jeiner Briefe ausführen läßt. Seiner Bedeutung nach gebührt ihm ber
erite Rang im dieſem Abjchnitt, objchon der Zeit nach ihm andere feiner
Berufsgenoffen vorangehen.
Bon einem Gehilfen Gutenbergs, dem Mainzer Heinrich Kefer oder
Keffer, welcher in dem Prozeß Fufts gegen Gutenberg als Zeuge mit
Berthold von Hanau aufgeführt ift, wurde die Kunft nach Nürnberg
überführt. Kefer begründete hier in Gemeinfchaft mit dem Deutjch-
Böhmen Johann Senfenjchmid von Eger die erfte Buchoruderei. Der
erite nürnberger Drud von 1470 entbehrt zwar der Firma der Druder,
ift aber durch die Schriftcharaftere als Erzeugnis von Senjenichmid und
Kefer erkannt: e8 it entweder Das große „Comestorium vitiorum‘ des
Franciscus de Retza von 289 Blättern, oder noch wahrjcheinlicher ein
in bemjelben Jahre gedruckter fleinerer Traktat des Kanzlers Gerjon
über „Cantica canticorum” von nur 39 Blättern. Die Genoffenjchaft
der beiden Druder dauerte bis zum Jahre 1473, in welchem auch das
einzige Werk herauskam, das ihre gemeinjchaftliche Firma trägt; es tt
dies die große „Pantheologia” des Neynerus ve Pifis, ein Rieſenwerk
in zwei großen Koliobänden von 439 und 421 Blättern, zugleich ein
muſterhaft ſchönes Druckdenkmal, deſſen zierliche und geſchmackvolle Charaf:
Kapitel.) Nürnberg: Andreas Frisner. Anton Koberger. 139
tere die höchſte Bewunderung verdienen. Nach 1473 verjchwindet Hein-
rich Kefer vom Schauplagke, und Johann Senſenſchmid gewann einen
neuen Gejellichafter in der Perjon des Andreas Frisner aus Wunſiedel,
der von 1465 ab am der Leipziger Univerfität immatrifuliert gewejen
iwar und es zum Magister artium gebracht hatte. Als Senſenſchmids
Teilhaber übernahm er zunächſt die gelehrten Gejchäfte bei Herftellung
ver Bücher, wie er auch auf dem erften Drud der neuen Gejelljchaft,
„Ihomae Aquinatis Quodlibeta duodeeim 1474”, „Corrector” genannt
wird. Bis 1478 waren beide vereint thätig und gaben eine beträcht-
lihe Anzahl bedeutender Werfe heraus, unter welchen die unbdatierte
(vierte) deutſche Bibel eine hervorragende Stelle einnimmt. Alsdann
aber verließen fie beide den bisherigen Ort ihrer Wirkfamfeit, Senfen-
ſchmid, um nach Bamberg überzufiedeln, Frisner, um nach Yeipzig zurück—
sufehren, wo er Profeffor der Theologie und 1482 Rektor der Univer-
fität wurde. Daß er übrigens dort 1481 den Buchdrud eingeführt haben
joll, it eine durchaus nicht erwiejene Annahme, die in neuerer Zeit auf
das richtige Maß ihres Wertes zurüdgeführt worden tft. 6°
Faſt gleichzeitig mit den erjten Drudern Nürnbergs begann Anton
Koberger jeine raſch aufitrebende Thätigfeit. Er ſtammte aus einer alten
nürnberger Familie, deren Mitglieder bis dahin meift Bäder gewejen
waren, und muß um 1440 geboren jein, da er 1470 zum erſten mal
beiratete. Bon Haufe aus wohlhabend, „eroberte‘ er fich, wie fein Yande-
mann Johann Neudörffer jagt, durch Umficht und Thätigfeit ein großes
Vermögen. Was er vor jeiner Niederlaſſung als Buchhändler getrieben
bat, ift nicht befannt. Möglicherweife war er Juwelier, in welcher Eigen-
ihaft er jogar in feinen legten Yebensjahren gelegentlich noch thätig ift.
Er begann zumächit in nur maßvoller Weife zu arbeiten, venn faft ab-
gemejjen bringt von 1472 an jenes Jahr bis 1476 nur zwei Werte;
aber jhen 1477 verlaffen deren jechs jeine Preffen, 1478 ſogar zehn.
Bis dahin hatte er aber jchon vier lateinische Bibeln gedruckt. Da
mochten Senſenſchmid und Frisner allerdings einen jchweren Stand
baben und es vorziehen, ihr Geſchäft in Nürnberg aufzugeben und ihr
Beil anderwärts zu verjuchen.
Das erjte datierte Druckwerk Kobergers iſt „Boetii liber de con-
solatione philosophiae cum commentario Thomae de Aquino”“ vom
24. Juli 1473; fein legtes eigenes erichien im Jahre 1503. Yon da ab
140 Nürnberg: Anton Koberger. [weites
ift Koberger bis 1513 nur noch als Verleger thätig 7, bejchäftigte nur
noch die Preffen anderer Druder. „Dieſer Koberger“, jagt fein Zeitgenoffe
Johann Neudörffer, „hatte täglich mit 24 Preffen zu drucken; dazu hielt
er über 100 Gefellen, die waren einesteild Seker, Correctores, Druder,
Poffelierer, Illuminiſten, Gomponiften, Buchbinder.” Intereffant für
die Kenntnis der Kobergerjchen, dem modernen Fabrikweſen ähnelnden
Betriebsweije feines Gejchäfts, die ganz im Gegenſatz zu dem jonjtigen
Gebräuchen der Gewerbe jener Zeit ftand, ift auch die Angabe Neu:
dörffers: „Dieſe alle‘ — nämlich feine Arbeiter — „verfoftet er an
andern Orten, fie hatten eine gewiffe Stunde von und zu ber Arbeit
zu gehen, ließ feinen ohne den andern ins Daus, jo auf dem S. Gülgen—
hof war, jondern mußten einer des andern vor der Hausthür warten.“
Bon mehrern der großen Buchoruder des 15. und 16. Jahrhunderts
wird die Zahl der Kobergerjchen Verlagswerfe (etwa 220) wohl erreicht,
von einigen jogar noch bedeutend überholt, wie 5. B. von Johann Oporin
zu Bajel; von niemand aber wird Koberger in der Form und in der
Ausdehnung feines gejamten Gefchäftsbetriebs übertroffen. Das Ge—
heimmis feines großen Erfolgs lag in der allmählichen, planmäßigen Er:
mweiterung feines Abjatgebiets, in dem möglichit jchnellen Umſchlag feines
Kapitals, in der Verteilung des Riſiko. Seine Filialen in Frank—
furt a. M., Paris und Lyon, jeine Verbindungen mit den Niederlanden,
Italien, Ofterreich, Ungarn und Polen, feine ganz Deutjchland und bie
Nachbarländer beſuchenden Reiſediener oder Haufierer, fie alle bildeten die
Srundlage jeines großartigen Buchhandels, deſſen Gefchäfte von dem
Mittelpunfte Nürnberg aus geleitet wurden. Auch die damals beſonders
ichwierige Kontrolle führte Koberger durch ein großes Yagerbuch, in wel-
chem nach Neudörffers Zeugnis die einzelnen Faktoren oder Agenten be-
jondere Conti hatten, denen bei neuen Sendungen und bei Nachricht von
erfolgtem Abſatz zu: und abgejchrieben wurde.
Sp ſpiegelt fich denn in jeiner Thätigfeit bereits Die ganze jpätere
Entwidelung des Buchhandels und des Buchdrucks in ihrem Verhältnis
zu einander ab: der überwiegende Einfluß nämlich des Handels gegenüber
der probuftiven Kunſt. Koberger iſt nicht nur ver erite und größte Buch:
händler feiner Zeit, jondern jeine Geſamtthätigkeit erinnert bereits an die
jpätere Großmachtitellung des Buchhandels. Die Richtung des Koberger-
ſchen Verlags ift dabei eine völlig fonjervative, von dem aufſtrebenden
Kapitel. ] Nürnberg: Die Koberger. Johann Regiomontanus. 141
Humanismus oder gar reformatorijchen Ideen wenig beeinflußt. Neben
der von ihm jelbjt fünfzehnmal geprudten und außerdem noch viermal
auswärts verlegten Bibel find es das Recht, die Theologie ſowie die
Scholajtifer und großen Summijten, eine folofjale Koliantenlitteratur,
welche ven Beſtand feines Verlags ausmachten und mit dem Auftreten
Yutbers jehr bald veralteten. Allgemein befannt find feine mit Holz-
jchnitten verzierten Ausgaben der deutſchen Bibel 1483, des „Schaß-
behalters“ von 1491 und vor allem der (übrigens lediglich von ihm ge-
prudten) Schedelſchen Chronif von 1493, zu deren Illuſtrierung gegen
2000 Holzjtöde der nürnberger Künſtler Wohlgemut und Pleyvenwurf
gerient haben. Das Berlagsgejchäft wurde nach feinem Tode (1513)
von jeinem Neffen Johann und jeinem Sohne Anton noch bis 1525
rüjtig fortgejeßt.
Ein jüngerer Bruder Antons, Namens Melchior, verlegte noch 1540
eine böhmijche Bibel. Bon bier ab aber verjchwinvet ver Name Ktoberger
aus dem Buchhandel. Die Reformation bereitete dem Welthauje ein
unerwartet jcehnelles Ende. Fortan jeheint die Familie ſich ausjchlieglich
dem umeliergejchäft zugewandt zu haben; im Jahre 1629 jtirbt ihr
fetter Sproß.
Die auf Koberger folgenven oder gleichzeitig mit ihm wirfenden nürn-
berger Buchpruder find zumächjt der ausgezeichnete Mathematiker Johann
Regiomontanus, eigentlih Johann Müller aus Königsberg in Franfen,
auch Molitor, Kunsperg, Johannes Germanus oder Francus genannt.
Er errichtete 1471, aljo früher als jener, mit Unterjtüßung eines reichen
nürnberger Bürgers, Bernhard Walther, eine Druderei, welche aus—
jchließlich die Hebung der mathematischen Wiffenjchaften ins Auge fate.
Die erjten Erzeugniffe verjelben waren ein deutjcher und ein lateiniſcher
Kalender, die in Holztafelorud ausgeführt, dann mit Typen gedrudt wur-
ven, und mehrere mathematiſche Werfe, unter welchen die „Ephemeriden“
für 1474 bis 1506 die beveutenpfte Stelle einnehmen. Müllers wegen
der jeitens Papſt Sirtus’ IV. beabjichtigten Kalenderreform erfolgte Be—
rufung nah Rom machte ſchon 1474 jeiner Thätigfeit in Nürnberg ein
Enve. Zu erwähnen find ferner noch Friedrich Greußner, 1472 bis 1497;
die „Brüder des gemeinjamen Yebens“, die ſich bier aber „Brüder des
Drvens vom heiligen Augustin‘ nennen, 1479 bis 1491; Konrad Zeninger
von Mainz, 1480 bis 1482; Peter Wagner oder Currifer, ver Nachfolger
142 Nürnberg: Kleinere Druder. Friedrich Peypus. Joh. Petrejus. Zweites
Zeningers, 1483 bis 1499 °°, und der durch ven Drud feiner prachtvollen
Mepbücher ausgezeichnete Georg Stuchs von Sulzbach, 1484 bis 1515.
Kaſpar Hochfever, 1491 bis 1498, druckte jpäter in Krakau und Mes,
während fih Dieronymus Höltzel von Traunftein, 1496 bis 1525, eben-
fall® durch den Drud prachtvoller Chorbücher auszeichnete. Ein aus
dem geiftlichen Stande bervorgegangener Bucoruder ift Johann Weifjen-
burger, 1502 bis 1513, der ich jelbft in verſchiedenen Schlußſchriften
„sacerdos” oder „presbyter” nennt und von 1513 ab in Landshut
thätig war.
Friedrich Peypus (er nennt fich auch Artemifius, Beifuß), 1509 bie
1535, druckte nicht nur für eigene Rechnung, jondern wurde auch von
mehrern VBerlegern bejchäftigt, jo von Johann Koberger, von Yırfas Alantjee
in Wien und von Yeonhard von Aich. Sein erjter Nachorud des Luther—
chen Neuen Teftaments (von 1524) gilt als die ſchönſte von allen Aus-
gaben; fie ift mit ven Charafteren der Schedelſchen Chronik Anton Ko—
bergers gedrudt. Da die Koberger zu jener Zeit ihre Druderei ſchon
aufgegeben hatten, jo ift e8 wohl möglich, var Peypus jene Schrift von
ihnen erworben hatte. Vor allen andern Typograpben feiner Zeit aber
verdient Johann Petrejus, 1524 bis 1530, genannt zu werden, deſſen
forrefte und jehöne Arbeiten fich ungeteiltes Yob erwarben. Seine felbit-
gegoffenen Schriften jcheinen deshalb auch eine weite Verbreitung gefunden
zu haben. Die Sammlungen des Börjenvereins ver deutjchen Buchhändler
bewahren ein Blatt Schriftproben feiner Gießerei von 1525; jolche jcheinen
aljo jbon damals behufs Erlangung von Aufträgen verjandt worden zu jein.
Bei dem durch die reformatorische Bewegung gewedten und lebhaft
angefachten Interejfe für die Tageslitteratur ift ganz befonders in Nürn—
berg, wo geiftiger und gejcbäftlicher Verfehr in höchſter Blüte ſtanden,
die Zahl jolcher kleinerer Buchdruder beveutend, welche in Flugſchriften
die brennenden Fragen des Tages ausnutzten. Aus kaum einer andern
deutjchen Stadt find jo zahlreiche Beijpiele für den Drud der den Macht—
habern anftößigen Flugblätter und Schriften geſammelt und teilweije auch
veröffentlicht. Die Thätigkeit der Winfeldrudereien wurde bald eine jo
ausgedehnte, daß ver Rat fich ihrer faum mehr erwehren konnte. Ver—
gebens erließ er jtrenge Verordnungen und noch ftrengere Strafen da—
gegen. So ward Nürnberg bald ver Mittelpunft der volfstümlichen
Bewegung. Erſt wurde ven Bucorudern verboten, die Yutherjchen
Kapitel.) Nürnberg: Die Flugblätter. — Die Brüder vom gemeinjamen Leben. 143
Schriften zu druden, und den Buchführern eingejchärft, fie ja nicht zu
verfaufen, dann erging das gleiche Verbot gegen die Verbreitung ber
Büchlein Karlſtadts, Okolampadius', Zwingli's und ihrer Anhänger;
allein die jtrengen Drohungen jehürten nur das Feuer. Von allen Seiten,
aus Böhmen, Thüringen, Franken und Schwaben, famen Seftierer und
Wiedertäufer nah Nürnberg und ließen bier ihre Flugjchriften drucken,
denn fie fanden bier ftets willige Druder und Buchführer, vie jelbit
unter perjönlicher Gefahr die mißliebigen Blätter oder Werfchen ber-
jtellten und feilboten. Es half auch nichts, daß der eine Miſſethäter
ausgewiejen, ver andere in den Bod gejpannt, oder ver dritte im ven
Turin gejperrt und der vierte jogar enthauptet wurde, wie dies im Jahre
1527 Johann Herrgott auf einem feiner gejchäftlichen Streifzüge in Yeipzig
wiverfuhr. °? Die geheimen Drudereien gewannen im Gegenteil täglich
mehr an Einfluß. Schriften, wie die Dichtungen von Hans Sachs,
fteigerten natürlich die Bewegung, denn fie drangen in alle Klaſſen ver
Bevölferung und ließen fich trog der anfänglichen Verfolgung bald auf
die Dauer gar nicht mehr unterprüden.
Nürnberg blieb zwar in ver Folge auch eine bedeutende Drud- und
Verlagsſtadt, und namentlich entwidelten fich hier die dem Drud ver-
wandten Gewerbe, vie Supferjtecherei und Illuminierung zu einer ber-
vorragenden, wenn auch vielfach fabrikmäßigen Ausdehnung; allein jo
jeböne Yeiftungen es auch noch oft aufzumeijen hatte, die jtolze Stellung,
welche es bis in das NReformationszeitalter eingenommen hatte, hat es
jpäter nie wieder erreicht. —
In der bisher verfolgten chronologijchen Reihe der Druckſtädte ift
wegen des intimen Zuſammenhangs der drei jchwäbiichen Reichsſtädte
die dazwiſchenfallende Thätigfeit ver Prefje zu Marienthal im Rhein-
gau ausgelajjen worden. Im erjten Kapitel find bereits die Wirkſam—
feit und die Verdienfte der „Brüder des gemeinjamen vebens“ und ihr
Einfluß auf Jugenderziehung und Volksbildung erwähnt worden. Bejon-
ders in neuerer Zeit hat man auch die Buchdruderthätigfeit diefer Brüder—
jchaft an den verjchievdenen Stätten ihrer Niederlaffung vielleicht über
Bervienjt hervorgehoben. Madven hat unter andern den Brüdern im
Klofter Weidenbach zu Köln eine Unterjuchung gewidmet, durch welche
er ihnen eine bid dahin micht befannte typograpbiiche Wirkſamkeit im
größten Stil anerjchuf; nach ihm ſollten faft alle beventenpften Buch-
144 Die Brüder vom gemeinfamen Leben. Leipzig. [Zweites
druder der älteſten Zeit ver Pflanzftätte des Klofters am Weidenbach
entjprofien jein: Ulrich Zeil, Nikolaus Ienjon, Colard Manfion, Willtam
Garten, Mentel, die Zainer u. a. — eine Auffaffung, die, wenn auch
nicht unbedingt anerkannt, jo doch beachtet und eriwogen wird. Aber fie
ſteht auf feiner urfundlichen Grundlage und iſt eim Ritt ind Blaue
hinein, auf welchem Madden niemand ernftlich zu folgen wagen fann.
Wenn indefjen auch die „Brüder vom gemeinjamen Yeben“ an ver-
jchievenen ihrer Site, Marienthal (1468), Brüfjel, Roftod (1476), Nürn-
berg (1479), ſelbſtändige Druckereien errichteten, jo entwidelten fie in
ihnen doch feine jo beventende und folgenreiche Thätigfeit, daß man ihr
eine bejondere Wichtigfeit für die Entwidelung ver Buchdruckerkunſt und
des Buchhandels einräumen dürfte. Gin fo intereffantes Moment in ber
Kulturgejcbichte die Aufnahme varftellt, welche die Brüder der Bud
pruderfunft angeveiben ließen, jo kann bei ver Gejamtthätigfeit des Ordens
auf diefen Gebiete, die fich auf etwa 60 Druckwerke bejehränft, eine
nähere Wirdigung ihrer Verdienſte füglich umterbleiben.
10, Leipzig
hat, wie man neuerdings annimmt, jebon 1479 die erfte Druderei ges
habt; indeſſen ruht der Beweis für dieſe Annahme auf nicht ganz ficherer
Grundlage. In einem Zettel der Leipziger Stadtfaffenrechnungen von
1480 wird nämlich unter den im Dezember 1479 fjüumigen Steuer-
zahlern ein Buchoruder Yangnidel angeführt. Wenn nun — fo folgert
man weiter — dieſer Mann auch nicht im Befite einer Prefje gewejen
jein fann, jo muß er doch in einer leipziger Druderei in Arbeit ge-
jtanpen haben. Das it allerdings möglich, ja jogar wahrjcheinlich, aber
nicht erwiejen, und namentlich wird um jene Zeit und jelbjt einige Jahre
jpäter nirgendwo einer leipziger Druderei gedacht. Nun fehrte aller-
dings im genannten Jahre Andreas Frisner, wie unter Nürnberg jebon
erwähnt, zurück, um bier an der Univerfität zu wirken. Er ging dann
1491 nah Rom, wo ihn Papjt Alerander VL zum Primarius Sedis
apostolicae ordinarius ernannte. In jeinem 1504 errichteten Teſta—
ment vermachte er unter anderm „jeine Preſſe nebſt 20 rheinijchen Gul—
den” dem Dominifanerklofter zu Yeipzig. Dies ift der Grumd, warum
man Frisner für den erſten Druder Yeipzigs bielt; er ift jedoch nicht
jtichbaltig, weil hier eine gewerbemäßige Drudertbätigfeit jeinerjeits nicht
Kapitel] Leipzig: Der Buchdrudergejell Langnidel. Die beiden Brandis, 145
nachgewiejen werden kann. Ebenſo ijt nirgendwo gejagt, daR er die Preffe,
welche ven Gegenjtand jeines Legats bildet, bereits in Yeipzig beſeſſen,
nirgends, daß er 1479 fie mit nach Yeipzig gebracht habe. Auch ift aus
der ganzen Zeit von 1479 bis 1491 nicht ein einziger Drud erhalten,
der den Namen Frisners trägt, obwohl dieſer fich jchon während jeiner
nürnberger Thätigfeit in den Schlußjchriften zu nennen pflegte. Hatte
Frisner aber wirklich in Yeipzig eine Preſſe, jo gehörte er zu denjenigen
Gelehrten jeiner Zeit, welche wohl eine Druderei zu ihrem Vergnügen
bejaßen, aber nimmermehr fremde Drucdwerfe ausführten. Darf man
ihn nun nicht als gewerbsmäßigen Druder bezeichnen, jo kann auch der
oben erwähnte Yangnidel im feine Beziehung zu ihm gebracht werden.
Die Sache it jedenfalls nicht Kar, was jollte einen Buchorudergejellen
— ein jolcher war Yangnidel nach der Geringfügigfeit des von ihm
jebuldig gebliebenen Stenerbetrags — veranlaßt haben, an einem Orte
zu wohnen, wo er feine Gelegenheit zu Verdienſt hatte?
Der frübejte bisher ficher nachgewiejene Drud Yeipzigs ift eine im
Jahre 1481 am 5. Oftober daſelbſt vollendete Schrift des italienischen
Dominifaners Annius von Viterbo von 48 Quartblättern: „Glosa super
Apocalipsim.” Dieje auf die Unterwerfung der Türfen bezogene Aus—
legung ver Offenbarung Johannis ift der wörtliche Nachdruck eines ita-
lieniſchen Druds von 1480. Der Leipziger Drucker nennt fich nicht, ift
auch an feinen Typen nicht zu erfennen, da dieſe von allen Charakteren
ver leipziger Druder abweichen. Panzer nennt ebenfalls ohne Druder-
namen noch einen leipziger Drud, welcher dem Jahre 1482 angehört,
„Propositiones astrologicae XV“ von Martin Polih. Der erfte
nachweisbare leipziger Drud, der einen Drucdernamen trägt, wurde am
26. Auguft 1484 vollendet und ift aus der Preffe von Markus Brandis
bervorgegangen. Es ift eine der zahlreichen unter vem Namen „Regimen
Sanitatis“ und ähnlichen Titeln erſchienenen hygieiniſchen Schriften jener
Zeit und enthält 33 Blatt in Quart, deren VBerfaffer der Erzbiſchof von
Prag, Albieins (geftorben 1427), war. Die Überjehrift lautet: „Trac-
tatus de regimine hominis compositus per magistrum dnm. dnm.
Albicum, archiepiscopum Pragensem“, das Impreſſum aber: „Im-
pressum in Lipczk per Marcum brand. Anno dni. MecccLxxxIm],
xxvı, die Mensis Augusti.“
Des Namens Brandis (häufig Brandiß, auch Branpdisz) laffen ich
app. I. 10
146 Leipzig: Morik Brandis. Kunz Kachelofen. [Zweites
in den Jahren 1484 bis 1489 zwei leipziger Drucker nachweifen: Markus
Brandis und Morit Brandis. Sie jcheinen Brüder oder wenigſtens
Verwandte geweſen zu jein und einer aus der Nähe von Yeipzig Ttam-
menden, auch jonjt weit verbreiteten Buchdruckerfamilie angebört zu haben.
Fin Yufas Brandis aus Delitzſch drudte von 1473 bis 1475 in Merie-
burg, ein Yufas Brandis von Schaf (?), mit jenem vielleicht identiſch,
von 1475 bis 1499 in Lübeck, ein Matthäus Brandis 1486 ebenfalls
in Lübeck. Bon den beiden in Yeipzig tbätigen Brandis ift über Markus
jonjt nicht das mindeſte befannt. Er jebeint jein Gewerbe um Umber-
ziehen betrieben zu haben, denn er taucht 1498 und 1501 in Yeipzia
wierer mit einigen Druden auf, und Panzer nennt aus den Jahren
1484 bis 1487 aufer dem oben erwähnten Buche noch drei Drude von
ihm. Moritz Brandis it jedenfalls der erjte, welcher urkundlich als
gewwerbsmäßiger Druder in Yeipzig vorkommt. Nur jechs weitere Drude
find noch von ihm befannt; der letzte ijt ein „Zachjenjpiegel“, den er in
Gemeinſchaft mit dem magdeburger Buchführer Johann Yorr und einem
M. Ghriftophorus upper berjtellte. Aber er war mit Schulden über
lajtet; jein ganzes Hab und Gut wurde „mit rechtlichen Kummer be-
ſetzt“ (d. b. mit Beſchlag belegt), und nur mit richterlicher Dilfe ver
mochten Yorr und Kupper zu ihren Zachjenfpiegeln zu fommen. Dieſe
Überſchuldung, wie es febeint auch eine Einladung des Erzbiſchofs Ernſt
von Magdeburg, veranlaften Brandis nach Magdeburg überzufiedeln, wo
er von 1491 bis 1504 drutdte,
Konrad (Kunz) Kachelofen aus Wartberg, Leipziger Bürger jeit 1476,
ijt während des 15. Jahrhunderts Leipzigs beventenditer und erjter ſeß
bafter Druder. Man kennt von ihm etwa 50 Drude, welche größten
teils jeinen Namen tragen. Sein erjter datierter Drud iſt von 148.
Er muß ſich langjam im die Höhe gearbeitet haben. Während ver acht:
ziger Jahre läßt fich nur eine einzige unbedeutende Feine Type bei ibm
nachweien; im den Jahren 1490 und 1491 braucht er bereits eine etwas
bejjere daneben, 1495 aber war jeine Druderei nach allen Zeiten bin
gut affortiert. Er druckte namentlich theologiſche und liturgiſche Bücher,
einzelne mathematiſche und medizinische Zchriften, Daneben auch Lehr—
und Unterrichtslitteratur. Den Höbepumft feiner Thätigkeit bezeichnet
das Jahr 1494, in welchen er allein zehn mit jeiner Firma verjebene
Werke lieferte. Im Jahre 1495 war er mit Herftellung eines Miſſale
Kapitel.) Leipzig: Kachelofen. Buchhandel der leipziger Kaufleute, 147
für das meißener Bistum bejchäftigt, als die Pet in Yeipzig ausbrach,
die ihn mit jeiner Druckerei nach Freiberg trieb, we er den Drud voll-
endete. Die beiden hervorragendſten und merkwürdigſten Erzeugniffe ver
Kachelofenſchen Preſſe find dieſes Miffale, die Slanzleiftung unter ſämt—
liben leipziger Infunabeln, welche durch ihre Initialen und Noten, ſowie
die Schönheit und Sauberkeit des Druds den Vergleich mit den bejten
ſüddeutſchen derartigen Werfen aushält, und ferner das Faufmännifche
Rebenbuch von Johann Widmann („Behende und hübjche Rechnung auf
alten faufimanichafft‘) aus dem Jahre 1489, welches zum erften mal im
deutſchen Buchdruck nicht allein Die arabijchen Ziffern verwendet, jon-
dern auch im Druck überhaupt die bekannten Nechenzeichen für plus und
minus (-+ und —) gebraucht.
Kachelofen war ein angejebener Bürger, welcher allgemeines Bertrauten
genoß, verjcbiedene jtädtijche Ehrenämter beffeidete und fich auch des Wohl—
wollens des Kurfürſten von Sachſen erfreute. Er hatte ſich nämlich bei
dieſem bejchwert, daß ver Biſchof von Cammin einen mit ihm für ven
Trud von 100 Miffalen abgejchloffenen Vertrag nicht gehalten und ihm
Kachelofen) Durch feine ontraftbrüchigfeit viel unnütze Koſten für Papier,
Pergament und jonftige Anjchaffungen verurfacht babe. Der Kurfürft
bat infolge diejer Klage ven Herzog von Pommern, ven Bijchof zu ver-
anlaffen, daß er jeinen Teil des Vertrags gutwillig erfülle, „damit der
arm man mit zu weiterm jebaden geführet werde”. Stachelofens Thätig-
feit in Yeipzig ift noch bis zum Jahre 1516 nachweisbar, obgleich er
den um 1500 ven größten Teil jeines Gejchäfts jeinem Schwiegerjohn
Melchior Yotter übergeben hatte. Die offene Kramkammer, welche er
unter dem Rathauſe beſaß, jebeint er noch länger beibehalten zu baben.
Lon Dauje aus vermutlich Kaufmann, trieb er jein Warengejchäft neben
jeiner buchhändleriſchen Thätigkeit immer noch fort, eine Erjcheinung, die
nicht vereinzelt Dafteht. Mancher Kaufmann verfaufte nebenher auch
Bücher — das Buch war eine Handelsware, wie jede andere — und
mancer Buchhändler befaßte jich nebenher mit Handels- und andern Ge—
ſchaften. Kachelofens Schwiegerjohn Melchior Yotter betrieb neben jeinem
Trudereigejcbäft zugleich Weinſchank und Gaſtwirtſchaft. Bon leipziger
Kaufleuten bandelten beijpielsweije auch mit Büchern 1514 Hans Bin-
ter, 1523 Andreas Hornung, 1544 Matthes Klein, in den dreißiger
und vierziger Jahren Sebaſtian Reuſch. Dagegen betrieb 3. B. wiederum
10 *
148 Leipzig: Melchior Lotter, [Zweites
der Buchführer Peter Clement auch Warenbanvel: er handelte mit Wolle
und wird 1527 jogar Tuchmacher genannt. Ganz allgemein aber jcbeinen
die Buchhändler Papierbandel betrieben zu haben.“! Kachelofen jtarb
im Jahre 1529, aber in etwas zurüdgefommenen Berbältniffen.
Melchior Yotter, ver Nachfolger Ktachelofens, wird ſchon 1491 als
vielbejchäftigter leipziger Druder angeführt. Er war gebürtig aus Aue
im Erzgebirge und erwarb 1498 das Leipziger Bürgerrecht. Wann um
wie lange er mit jenem Schwiegervater gemeinjchaftlic und wie lange
er allein gearbeitet hat, ift aus ven Quellen bis jett nicht zu ermitteln
geweſen. Genug, er übernahm jedenfalls im erjten Jahrzehnt des neuen
Jahrhunderts das Geſchäft Kachelofens und brachte es durch Fleiß und
Gejchietlichfeit zu einer noch höhern Blüte. Einen Namen machte er
ſich zunächſt durch eine große Anzahl von Miſſalen, Breviarien und
Pjalterien, deren Typen und Holzichnitt- Initialen zu dem Beſten gebören,
was der Miffalorud überhaupt gejchaffen. Wegen der Schönheit jeiner
Austattung erhielt Yotter bis im die zwanziger Jahre unter andern alle
Drudanfträge, welche das Bistum Meißen zu vergeben hatte, deſſen
Vertrauen ibm weit und breit großen Ruf verichaffte. So vrudte er
im Jahre 1513 das Breviarium des Erzbiſchofs Ernjt von Halle, 1517
ein Miſſale für vie Diöceje Brandenburg, 1518 ein bavelberger Brevia-
rium und 1527 ein Pſalterium für das neue Stift in Halle. In Yeipzig
jcheint jich der Rat damals mit jeinen Drudaufträgen ausjchlieglib an
Yotter gewandt zu baben; alle jtädtijchen Verordnungen, Mandate und
Patente gingen ausjchlieglich aus jeinen Prefjen hervor. Großartig aber
war vor allem Yotters eigene Berlagsthätigfeit. Außer zahlreichen philo—
jophijchen und theofogifchen, auch einzelnen juriftifchen und mathemati
jben Schriften, Grammatifen, Poetifen und Wörterbüchern ließ er fich
namentlich den Drud der alten Stlaffifer mit forreftem Text und fauberer
Austattung angelegen fein, zu welchen Ende er vielfach die Hilfe ver
feipziger Profefjoren in Anſpruch nahm. Seinen offenen Laden batte
Yotter in Yeipzig unterm Rathauſe, der bis 1524 von Yorenz Fijcher
verwaltet wurde und im welchem er außer jeinen Büchern auch Perga-
ment und Papier verfaufte. Den auswärtigen Vertrieb jeiner Verlags—
artifel umd jeines Sortiments, bis auf Die Märkte von Poſen und Bres-
lau, bejorgten jtändige Buchführer: Urban Port, Achatius Glow. Nach-
weislich war Yotter auch der Kommiſſionär Ulrichs von Hutten. Diejer
Kapitel.) Leipzig: Melchior Lotter. Wolfgang Stödel. 149
jchidte nämlich im November 1518 aus Augsburg 200 Exemplare feiner
joeben gedruckten „Epijtel an Wilibald Pirdheimer”, 60 Eremplare jeines
„Seiprächs vom Hofleben“ und 50 von feiner „Ermahnung an die
Fürſten“ an Pirdheimer nach Nürnberg mit dem Auftrage, fie teils an
die Koberger zum Berfauf zu übergeben, teils fie an Potter nach Yeipzig
zum Vertrieb zu jenen. Ziemlich ym vdiefelbe Zeit trat diefer auch in
Verbindung mit Yuther und errichtete bald darauf eine Druderei in
Wittenberg, welcher er feine beiven Söhne Melchior und Michael vor:
jetste. Die Einzelheiten über deren Schickſale werden im fiebenten Kapitel
ausführlicher berichtet werden. Melchior Yotter der Ältere ging fpäter
in jeinem Geſchäft ebenfalls etwas zurüd, behauptete aber bis zu feinem
wahrſcheinlich 1542 erfolgten Tode fein großes perjönliches Anſehen,
welches ihn 1539 in den Rat ver Stadt geführt hatte; zwei Jahre
hindurch war er Ztadtrichter. Er war der erfte leipziger Buchdrucker
und Buchhändler, welchem eine jolche Ehre widerfuhr.
Von weitern Drudern Yeipzigs find zu nennen: Gregor Werman,
ver 1492 ein „Sacrarum historiarum opus” drudte. ? Im gleichen
Jahre und bie 1497 druckte Gregor Bötticher; von ihm find neun Drude
bekannt: theologiſche und juriftifche Yehrbiicher und Virgils „Bucolica“.
VBereutender war Martin Yandsberg aus Würzburg, 1492 bis 1522.
Er jtarb 1523; jeine Buchbruderei, 1525 von M. Erasmus Bachelbel
übernommen, verſchwindet ſpurlos. Bachelbel wird 1528 nur noch als
Buchführer genannt. Wolfgang Stödel (Moliter) aus München wirkte
in Yeipzig 1495 bis 1524. Außer Klaffiferausgaben drudte er bis 1520
vutherſche und andere Reformationsichriften, wurde dann aber, wenigſtens
dem äußern Scheine nach, ein beftiger Gegner ver Reformation und trat
num bejonvers als Druder ver Emſerſchen Schriften hervor. Wohl aus
diejer Veranlaffung wurde er, als er 1524 over 1525 wegen Schulden
nach Dresven gezogen war, von Herzog Georg zum katholiſchen Hof—
buchoruder ernannt. Während eines Aufenthalts in Wittenberg batte
er dert 1504 im Auftrage der Univerſität „Petri Ravennati Compen-
dium juris canonici” gedrudt. Ein anderer Würzburger, Jakob Thanner
Abiegnus), drudte von 1495 an in Yeipzig und lieferte beſonders gute
Zchulausgaben der Klaffifer. Seine Druderei wird noch 1528 erwähnt,
dann verjchwindet fie, ein Opfer des damaligen allgemeinen Vermögens—
verfalls im Leipziger Buchhandel. Valentin Schumann, 1501 bie in bie
150 Leipzig: Der Buchhandel, Aflociationen. [Zweites
vierziger Jahre, druckte treffliche Klaſſikerausgaben; aus feiner Offizin
ging 1516 das erfte in Yeipzig gedruckte griechifche Buch, Theodor Gaza's
griechische Grammatik, hervor.
Von Anfang des 16. Jahrhunderts an nahm, wie aus dem Vorber-
gehenden hervorgeht, vie Verlagsthätigfeit Yeipzigs einen bedeutendern
Aufſchwung, begünftigt durch die größere Verbreitung der Papierfabri:
fation in Sachen und Thüringen. Aber auch die meiſt aus Buchbin-
dern, dann auch aus Kaufleuten jich refrutierenden Buchführer zeigen eine
erhöhte Thätigkeit. Schon 1489 fommt Anpreas Hindenumb aus Mlitt-
weida vor, 1492 Albrecht Hofer aus Wafferburg. Schon in den nem
ziger Jahren des 15. Jahrhunderts zeigen fich weitreichende buchhänd
leriihe Berbinvungen, nach Magdeburg, Prag u. ſ. w. Zu Anfang des
16. Jahrhunderts bejuchen die Yeipziger die Meſſen und Märkte zu Bres-
(au und Poſen, haben geichäftliche Beziehungen zu Danzig, über Breslau
nach Polen, Ungarn, Siebenbürgen. Nun bebt ſich auch der Bejuch der
Meſſen durch die fremden Buchhändler in Yeipzig ſelbſt. Zeit 1493 als
Büchermeſſen nachweisbar, zeigen fie bereits einen jtarfen Verkehr, ſchon
früher ſogar feitens der mürnberger Briefmaler und Kartenmacher.
Es it erflürlich, dar jo günftige Umſtände ſpekulativ ausgebeutet
wurden. So ericheint im zweiten Jahrzehnt Des 16. Jahrhunderts cine
großartige Buchhanvelsaffociation, von deren Eriftenz die bibliograpbi-
ſchen Annalen bisher abjolut feine Kunde gaben; erſt die leipziger Akten
haben Yicht über dieſe merkwürdige Erſcheinung verbreitet. Im Jahre
1512 war Ludwig Dornden, wie ſchon bei Köln angedeutet, von Da oder
von Paris nach Yeipzig übergelievelt. Hier heiratete er eine Tochter des
Ratsherrn Auguftin Pantzſchmann, welcher Warenhandel, Weinjchant
und Gaſtwirtſchaft betrieb, und verſchwägerte ſich Dadurch mit angejehenen
leipziger Familien. Plötzlich taucht nun in Yeipzig eine große Verlags—
gejelljchaft auf, jpäter immer unter der Firma „Pantzſchmanns Buch:
handel” erwähnt, zu ver Gottfried Hittorp in Köln, Ludwig Horncken
und Auguftin Pantzſchmann, wahrjcheinlich auch noch andere achörten;
die Geſellſchaft arbeitete mit ſehr bedeutenden Kapitalien. Der Dittorp
Horndenjche Berlag trägt zwar einen ausgeprägt katholiſchen, überwie—
gend aber humaniſtiſchen Charakter, ev beiteht auch faſt nur ans ſchweren
Folianten; doch jcheint die Verbindung der Handlung mit Wittenberg
fie darauf geführt zu haben, fich energiſch an der jest üppig empor-
Kapitel.) Leipzig: Pangihmanns Buchhandel. Die Reformationszeit. 151
wuchernden Ktleinfitteratur des Beginns der Reformationszeit zu beteiligen.
Tie Handlung hatte Verlagslager in Wittenberg und Prag. Die Aus:
dehnung Des Verlagsgeichäfts wurde ihr Beranlaffung, den Sortiments:
betrieb aufzugeben; das Sortiment wurde 1518 an Gregor Jordan ver:
fauft, der auch der Agent von Pantzſchmanns Buchhandel blieb; ver
eigentliche Geſchäftsleiter jcbeint aber Ludwig Dornden gewejen zu jein.
Kach jeinem Tode trat bis zum Jahre 1528, anſcheinend aber mit längerer
zeitweiſer Unterbrecung, Wolf Präunlein von Augsburg an feine Stelle,
Geſchäftliche Mifbelligfeiten, wohl veranlaßt durch Spekulationen des
legtern in Zinn, waren Veranlaſſung, daß die Ajfociation, der Gottfried
Sittorp noch angehörte, ſich 1524 ihrer Verlagsniederlagen in Witten:
berg und Prag entledigte. Gregor Jordan übernahm die dajelbit liegen:
den Vorräte für 1300 Gulden auf Terminzahlungen. Die Firma jelbit
fann noch bis in den Anfang ver dreißiger Jahre verfolgt werven.
Verbängnisvoll für die Entwidelung des leipziger Buchhandels wurde
die Regierung Herzog George. Unter dem Druck dieſes ſtrengkatholi—
iben Fürſten ging die Verlagstbätigfeit Yeipzigs unabwendbar zurüd.
Refermatoriſche Schriften wurden verfolgt, katholische fanden feine Käufer.
Um ven unausbleiblichen Ungelegenheiten auszuweichen, druckten die Leip—
jiger der reformateriichen Richtung angehörende Schriften auswärts:
Melchior Yotter in jeiner neuerrichteten Druderei in Wittenberg, Wolf-
gang Stöckel in Eilenburg, diefer 1524 unter dem Namen Niclas Albrechts,
jeines Sohnes Jakob Stödel und Nidel Widemars. Anfangs juchte der
Rat ven Buchhändlern möglichjt Schuß zu gewähren; jpäter mußte er
aber auf vie Intentionen Herzog Georges eingeben und ließ Reviſionen
der Buchläden vornehmen, die Vorräte durch zwei Geiftliche, durch
Richter und Schöppen prüfen und Verzeichnijfe der anſtößig befundenen
Bücher nach Dresden gelangen. Die Gewölbe von Bartel Bogel, Morit
Goltz und Chriſtoph Schramm von Wittenberg wurden 1528 bis auf
weitere Befehle von Dresden aus gejchlojfen, dev Transport ihrer Vor-
räte auf die Frankfurter Meile wurde ihnen bis dahin unterjagt.
Die Folge dieſer vom Beginn der antireformatoriichen Beftrebungen
Serzog George, 1522 bis zu deſſen Tode 1539, dauernden Zuftände
war ein allgemeiner Vermögensverfall der feipziger Buchhändler. Selbſt
fatboliiche Verleger, wie Valentin Schumann, gingen zurid. Das Ent-
jteben neuer Handlungen ſtockt und vermindert fich jchnell; dagegen wenven
152 Leipzig: Sinken des Geſchäfts. Nidel Wolrabe. [Zweites
fih manche von Yeipzig weg. Simon Eckſtein geht nach Annaberg,
Georg Pfennig nach Pojen, Peter Hofer und Jakob Stöckel jieveln
nach Eisleben über, Hans Bergmann wird 1533 der Religion wegen
mit ausgetrieben. Gleichzeitig verfchwindet Pantzſchmauns Buchhandel
ijpurlos. Die Zahl der Drudereien mindert ſich auf die Hälfte. Er
wähnt find jchen Wolfgang Stödel, Martin Yandeberg und M. Erasmus
Bachelbel, Jakob Thanner. Melchior Yotter überfienelte feine Druckerei
mit feinem Sohn Michael nach Magdeburg und übergab allem Anfchein
nach 1537 jeine Buchhandlung an Henning Zofadt. Die Einführung
der Reformation in Yeipzig überdauern von ven ſchon bejtehenven äftern
Drudereien nur die von Nidel Schmidt, Michael Blum und Valentin
Schumann; eine einzige neue Druderei war daneben jeit ven zwanziger
Jahren entitanden: 1533 die Nickel Wolrabe's, vielleicht eine Abzweigung
der Yotterjchen.
Aus jener Zeit find noch zu erwähnen: Georg Kellner (fraglich), der
1511 mit einem bei Wolfgang Stöckel geprudten Werke vorkommt.
Blaſius Salomon ließ ein Werk bei Roh. Schott in Straßburg drucken;
ein Brief Frobens an Yuther erwähnt ibn als thätigen Buchhändler. Er
bejuchte die Frankfurter Meſſe und eriftierte, oder vegetierte ſchließlich
noch bis gegen 1539. Bon den nicht verlegenden Buchführern proſpe
vierte nur die Familie Glement. Bon Zebajtian Reuſch (1540 bis 1556)
wird fogleich Die Rede ſein.
Wenn jo die Regierungszeit Herzog George dem joliden Geſchäft
jchweren Abbruch that, jo zeitigte fie dagegen ein Schwindelgejchift, welches
ſich nach Einführung der Reformation 1539 zu faſt unglaublicher Aus:
dehnung entwicelte: Das des ſchon genannten Nidel Wolrabe. So be-
deutend verjelbe in ven Erzeugniſſen ſeiner Druderei erjcheint, je un
jolid zeigt er ſich im geſchäftlicher Hinſicht. Sein böfer Genius war
Sebaſtian Reuſch, ein bedeutender Handelsherr, der ven umnbemittelten
und doch unternehmenvden Mann durch Darlehne unterftüßte, nicht ohne
jeinen eigenen Vorteil dabei im Auge zu baben, der jich auch ftets zum
Schaden anderer Gläubiger berauszuzieben wußte. Noch zur Zeit der
Regierung Herzog Georgs batte Wolrabe den Drud von Georg Wizels
„Boftille‘ übernommen. Nach Georgs Tode erfolgte auf Andrängen des
Kurfürſten Johann Friedrich ein Verbot, weil nichts Antilutberiiches
mehr im Yeipzig geprudt werden jellte! Trotz dieſes Verbots ließ ver
Kapitel.) Leipzig: Nidel Wolrabe's Schwindelthätigfeit. 153
in firhlichen Dingen innerlich noch zwieipaltige Rat ver Stadt Leipzig
ed zu, daß der Drud, wenn auch heimlich, fortgejeßt wurde. Als bie
Sefahr wuchs, wurden die Gremplare jchleunigft nach Berlin ge:
ſchafft. Wolrabe wurde gefangen geſetzt, aber bald infolge der Pro-
teftion der Herzogin Katharina und des berzoglichen Rats Anton von
Schönberg der Haft wieder entlaffen, gegen Bürgichaft, daR er nichts
ohne vorherige Cenſur pruden Iaffen wolle. Es wurde ihm fogar auf
Teranlaffung derjelben allmächtigen Bejchüger der Drud und Verlag
der neuen Kircheneronung, der Apologie, des Pſalters und einer Bibel:
ausgabe übertragen, welche Werfe alle Pfarrer und Kirchenärare an-
juichaffen und nur direkt von Wolrabe zu beziehen hatten. Die witten-
berger Verleger ver Bibel, Bartel Vogel, Moritz Golg und Chriftoph
Schramm, konnten nicht hindern, daR dieſer Nachorud ins Werk gejekt
wurde. Denn wenn auch der Verkauf auf ein Jahr inhibiert wurde,
erging doch insgebeim ein Befehl an die Pfarrer u. ſ. w., bis nach Ab-
lauf diejer Friſt mit dem Ankauf der Bibel zu warten.
Trotz Diejer anfcheinend günftigen Umjtände kam Wolrabe aus den
Schulden nicht heraus. Sein ſchlimmſter Gläubiger, Sebajtian Reuſch,
drängte und Wolrabe wurde nur dadurch gerettet, daß ibn der Rat auf
einen Befehl von Dresven aus durch ein Darlehn von 800 Gulpen
unterftügen mußte.
Außerdem ſtand Wolrabe mit zwei andern Kapitaliftengruppen in
Verbindung; die eine wurde gebildet durch Andreas Wollenjüder und
andere, die zweite durch Merten Richter und Gregor Foriter. Die
Geſellſchaft Wollenſäcker hatte 1541 ſchon die bedeutende Summe von
SIOO Gulden (eva 160000 Mark) von Wolrabe zu fordern; dieſer
mußte nun feine ganze Babe verpfänden und die für die jchuldige
Zumme gerrudten Werke ver Geſellſchaft als Eigentum überweiien,
welche ihm einen Faktor (Sequefter) ins Haus fette Was Wolrabe
no verblieben war, zog 1542 die andere Gruppe, Richter und Forſter,
an fich; auch fie beftellte ihm in jeinem eigenen Diener Dans Maufer einen
‚weiten Sequeſter. Die Gruppe Wollenjüder verkaufte im Januar 1544
den Buchhandel an Dans Yöffler in Wittenberg, Ambrofius Kirchner in
Magveburg und Peter Schürer für 4787 Gulden. Trotz dieſer miß—
liben Umjtände gelang es Wolrabe, ein neues Opfer zu finden. Ce
war der reiche Kürjchner Damian Yundewis, ver gar nichts nom Buch—
154 Leipzig: Wolrabe und feine Geichäftsnachfolger. | Zweites
handel verjtand. Auch Reuſch jcheint wieder dahinter geſteckt zu haben:
er verfauft an Mauſer eine Partie Bücher für 1845 Gulden, welch
letzterer nun ein neues Zortimentsgejchäft errichtete. Dann verkaufen
Wolrabe und Reuſch weitere Partien an die YBuchführer Andreas Heil
und Konrad König, ohne alles liefern zu können. So ſchlecht war ver
Ruf Wolrabe's und Reuſchs, daß ſogar der Rat ſich veranlaft fand, Beil
und König vor dem Geſchäft zu warnen, allerdings ohne Erfolg. Luncke—
wig, der natürlich zu nichts kommen konnte, veräußerte feinen Buchhandel
wieder an Wolrabe's Diener Wolf Günther. Endlich fonnte ſich Wolrabe
nicht mehr in Peipzig halten. Er ging nach Frankfurt a. O., wo er es an—
fange ſogar zu Anjehen gebracht zu haben jcheint; die Herrlichkeit hatte
aber bald ein Ende. Er erjcheint von neuem in Yeipzig, beginnt bier
wieder zu drucken, ohne jedoch feine Unternehmungen zum Abſchluß bringen
zu fönnen. Er mußte jeine Dabe an Reuſch abtreten, der alles weiter ver-
kaufte. Im Jahre 1552 ging es mit Wolrabe zu Enve. Er ift verichollen;
jeine Frau erhielt Almofen von der Stadt. Die Ausführlichkeit dieſer
Schilderung rechtfertigt ſich damit, daß fich jelten Gelegenheit bietet, einen
Blick in das innere geichäftliche Getriebe jener Zeit zu thun. Nicht die
äußerlich wahrnehmbaren Propufte der Berlagsthätigfeit für fich allein
geben ein treues Bild des gedeiblichen over krankenden Geſchäftsganges.
Es ift nicht eben alles Solo, was glänzt!
Auch auf den durch Wolrabe und Reuſch neugeichaffenen Gejchäften
rubte fein Segen. Peter Schürer ftarb 1548 verſchuldet. Das Sejchäft
übernahm Wolf Günther, der Schürers Witwe geheiratet hatte, ohne
Mittel. Hans Mauſer geriet gleichfalls in üble Umſtände; jein Geſchäft
ging an Yorenz Finckelthaus über, ver in jeiner jpätern, beveutenven
Verlagsthätigteit in Beziehungen zu dent gleich zu erwähnenden M. Ernſt
Vögelin kam. Der Buchdrucker Jakob Bärwald ferner, ver Wolrabe's
Haus und wohl auch einen Teil ſeiner Druckerei übernommen hatte,
entging ebenfalls nicht argen Verlegenheiten und zu Wolf Günthers
Geſchäft wurde nach deſſen Tode (1557) der Konkurs eröffnet. Bald dar—
auf brach Gregor Jordans Sortimentsgeſchäft zuſammen. Die einzigen,
die vorwärts kamen, waren Heil und König; fie hatten es dem Umſtande
zu verdanken, daß fie neben dem Zortiment zleichzeitig das Verlags
geſchäft fultivierten und jo in der Yage waren, gewinnreicher zu operieren.
In erfreulichem Gegenſatz zu Wolrabe ſteht Valentin Bapſt. Schou
Kapitel.) Leipzig: Valentin Bapſt. Ernſt Vögelin. 155
1530 hatte er Dandelsgejchäfte (mit Garn) betrieben; 1541 wurde er als
Buchdrucker Bürger. Obgleich ebenfalls jein Yeben lang auf die Unter:
jtügung fremder Kapitaliſten angewiejen, blieb er doch ftets in geordneten
Berhältniffen und erfreute fich allgemeiner Achtung. Aus feinem Ge:
jchäft entitand das feines Schwiegerjohnes, des M. Ernſt Vögelin, eines
ver hervorragendſten und beveutenpiten Buchhändler Yeipzigs, von deſſen
Wirken erjt die eigentliche und dauernde Bedeutung Yeipzigs als Ver:
lagsſtätte datiert.
Vögelin war aus Konſtanz gebürtig; geboren 1528 oder 1529, jtu-
dierte er in Yeipzig und erlangte dajelbit die Magifterwürde. Im Jahre
1557 beiratete er Anna, eine Tochter Valentin Bapfts, und wurde 1559
Bürger. Die Truderei jeines Schwiegerpaters wurde nach deffen Tode
unter die Erben verteilt, während vie Buchhandlung zunäcit von Vö—
gelin für gemeinjchaftliche Rechnung verwaltet worden zu fein jcbeint.
Einen Teil ver Schriften erhielt die Witwe oder deren andere Tochter,
die rau des leipziger Stadtſchreibers Johann Krauß. Seinen Schwä-
aern, M. Melchior und Georg Bapit, faufte Bögelin erſt 1574 und 1576
ihren Anteil an dem Gejchäft ab und lieh nun Diejenigen Bapjtichen
Schriften, welche er nicht mehr gebrauchen wollte, durch den in jeiner
Truderei beichäftigten ausgezeichneten Schriftgiefer Thomas Wilhelm
umgieken. Gr brachte jeine Druderei auf eine jolde Höhe, daß er
jpäter als der ſächſiſche Aldus bezeichnet wurde. SKtorreftheit, Schönheit
ver Schrift und des Truds, Güte des Papiers, Das er von Meſſe zu
Meſſe von Frankfurt a. M. bezog, zeichnen jeine Drude aus. Seine
erlagstbätigfeit war jehr bedeutend und unter jeinen Autoren jteht obenan
Seachtn GCamerarius. Ihm reiben ſich an: der Philolog Greg. Bers-
mann, Matthäus Treffer, Bafılius Faber (mit dem „Thesaurus eru-
ditionis scholasticae” und andern Werfen), Georg Fabricius, Nifol.
Reusner, Victerin Strigel u.a. Bögelins Verlag umfahte größtenteils
theologiſche und philojophiiche Werke und gangbarere Schulbücher. Nach
Falkenſtein joll er von 1550 bis 1578 gerrudt haben. In Schwetſchke's
„Codex nundinarius“ findet fich fein Name von 1568 bis 1576 und
dann noch einmal, mit einem Werke, 1582. Es iſt zu bemterfen, daß
ver erite Meßkatalog nach ver Herbſtmeſſe 1564 erjchien und daß vie
Namen ver Berleger allgemein erſt von 1568 an genannt werben.)
Neben jeiner beveutenvden Druderei beſaß er Grundſtücke in und bei
156 Leipzig: Ernſt Vögelins Schidjale. [Zweites
Yeipzig und eine Buchhandlung, für deren Umfang fpricht, daß er von
der franffurter Faſtenmeſſe 1576 für 1550 Gulden Bücher ſchickte. Um
diefe Zeit aber brach Unheil über ihn herein. Die furjächfiiche innere
Politik ſchwankte damals in dem Streit der vermittelnden Melanchtben:
jchen und ver ortbovor-lutherifchen Richtung bedenklich hin und ber, der
Haß gegen alles, was mit dem reformierten Bekenntnis zujammenbing,
bejtimmte fie faſt ausjchlieklih. Wer des Kryptocalvinismus verdächtig
war, mußte für Leib und Leben fürchten. Wögelin war feiner Über—
zeugung nach reformiert, fein Freundes- und Autorenfreis zählte vor—
wiegend zu den Philippiften. Beſchuldigt, in einem Werfe Stellen im
reformierten Sinne interpoliert zu haben, wurde er in Unterjuchungs-
haft genommen und mußte, um nach feiner vorläufigen Freilaffung nicht
von neuem eingeferfert zu werden, in der eriten Hälfte des Jahres 1576
aus Yeipzig flüchten, um nie wieder dahin zurücdzufehren Möglicher-
weife war er während des Bejuchs der franffurter Meffe gewarnt wor:
den; jedenfalls hatte er die Kataftrophe geahnt und durch einen, allem
Anſchein nach jo gut wie fiftiven Geſellſchaftsvertrag mit feinem Haupt—
gläubiger Dr. Georg Roth jein Hab und Gut zu fichern geſucht. Er
wandte fich nach Heidelberg und jtellte jich, um wenigjtens die Frankfurter
Meſſen ungefährpdet bejuchen zu fünnen, unter furpfälziichen Schuß, der
ihm auch wenigitens die äußere Eriftenz ficherte. Schnell erfolgte nun ver
Zujammenbruch feiner Verhältniſſe. chen am 28. Juni 1576 wurde
Vögelins Buchhandlungsviener Nidel Bock, dem Faktor feiner Buch—
druderei Dans Steinmann, und feinem Schriftgiefer Thomas Wilhelm
durch den Biürgermeijter Hieronymus Rauſcher auf dem Rathaufe ein
furfürjtliches Mandat eröffnet, nach welchem, weil Vögelin fich nicht
wieder im Lande einitellen wollte und man nicht wüßte, ob er wieder—
zufommen gedächte, nun auch feine Kinder innerhalb 14 Tagen das
Yand verlaffen jollten. Dieſer Ratsfikung wohnten auch Vögelins zwei
beveutenpfte Gläubiger bei: der jchen genannte Dr. Georg Roth und
ver Buchführer Yorenz Nindeltbaus, der an Vögelin eine Forderung
von 2000 Gulven hatte, die aber erſt im Oſtermarkt 1578 füllig war.
Weide liefen jofort gemeinjchaftlich Vögelins ſämtliches Beſitztum mit
Arreft belegen und die drei genannten Diener desjelben durch Hand—
ichlag an Eidesſtatt verpflichten, nichts Davon zu „verrüden‘“ Um
Finckelthaus ficherzuftellen bejtimmte nun Vögelin, daß Nidel Bod
Kapitel.) Leipzig: Vögelins Schidjale. 157
diejem wöchentlich die bare Yofung und die eingehenden Aufenftände ver
Buchhandlung auszahlen und über die nötigen Ausgaben Rechnung ab-
legen ſollte. Trotz diejer Dedung, und obgleich Roth auch an Vögelin
zu zahlen hatte, erklärten beive Gläubiger, die mit Bögelin gejchloffenen
stontrafte nicht halten zu wollen; fie juchten vielmehr die Buchhandlung
zu verfaufen. Sehr richtig jchreibt hierüber Bod, 1. November 1576,
an Bögelin: „Es wundert mich aber gar jehr das Biaumeijter) Roth vnd
Finckelthauß jehr gewillet, vnd dareyn gewilliget das die Druckerey vom
bandell fompt, das num der handel gantz bloß, vnd nichts fortbin ver-
(egen noch etwas von gutten Büchern haben ſoll.“ Denn mit Wegfall
der Möglichkeit, gegen guten Berlag zu changieren, war der Buchhand—
fung an fich der Yebensnero unterbunden. Das war wohl auch ver
Grund, daß Findelthbaus von der ihm durch Raufcher, der jeinen Privat-
vorteil juchte, angebotenen Übernahme ver Handlung alfein nichts wiffen
wollte.
Inzwiſchen hatte der Kurfürſt auf Vermittelung des Bürgermeifters
das Ausweiſungsdekret zurüdgenommen. Die Kinder jollten vorläufig
in Yeipzig bleiben dürfen. Im Herbſt 1576 jtarben die beiven Töchter
Vögelins an einer in Yeipzig graſſierenden Seuche; die überlebenden vier
Söhne wollte niemand aufnehmen. Kin Unterfommen, das für fie in
ver Familie eines Handwerkers ausgemacht war, verbot der Bürger-
meister „jeiner eigenen Kinder wegen“ Da nahm fich Nidel Bod ihrer
an; er brachte fie in feine eigene Wohnung, verjorgte fie mit allem
Nötigen und bejtellte ihnen einen Yehrer.
Bei all diejem Elend ruhten die Feindfeligfeiten gegen Vögelin nicht.
Jetzt trat der Bürgermeifter Rauſcher, der gern die wertvolle Druderei
für fich billig erwerben wollte, in den Vordergrund. Er hatte den Kur—
fürjten dafür zu intereffieren gewußt, der geäußert haben jollte, er wolle
die Druderei nicht aus jeinem Yande laffen und fie cher jelbjt kaufen.
Raujcher hatte ibm zugeſagt, jeine Druderthätigfeit mit einem Werte
„In odium Calvinistarum“ zu beginnen. Auf Befehl des Kurfürften
ließ er im Oftober 1576 die Druderei jchägen (auf 4000 Gulven) und
Abdrucke aller Schriften, Yeiften und Stöde machen, damit nichts davon
entfernt werden fünnte. Dieſe Abprude jollten dem Kurfürjten als an:
geblichem Käufer zugejchieft werden. Zugleich verbot Raufcher, an Vö—
gelin das Geringjte zu jehiden, bis die Sache mit der Druderei ent-
158 Leipzig: Vögelins Ausgang. Henning Große. [Zweites
ichieden jei, und befahl im November Hans Steinmann, dem bisherigen
Yeiter der Druderei, Die ganze Druderei jamt allen Schriften und Ma—
trizen, nichts ausgenommen, aufs fürverlichite an Simon Hutter, den
frübern Affocie Sigmund Feyerabends in Frankfurt a. M., jekt in
Zwidan etabliert, den er als oberjten Inſpektor eingejeßt batte, aus-
zuliefern. Er wollte nun ein Haus bauen, um mit jechs Preſſen drucken
zu können. Vögelin wurde natürlich gar nicht gefragt und er wäre wohl
auch ſicherlich förmlich beraubt worden, wenn nicht Sindeltbaus und Roth
als Gläubiger dagegen Einſpruch erboben hätten, da die Druderei we-
nigſtens 5000 Gulden wert wäre. Nur ver plötliche Tod des allınäch:
tigen Biürgermeijters gegen Ende des Jahres 1576 rettete für Vögelin
diejen Teil feines Vermögens Vom Nurfürften von ver Pfalz erhielt
er die Stelle eines Yandjchreibers in Neuſtadt a. d. Hardt und ſtarb
1590 im Heidelberg. Zeine Söhne, Gotthard, Philipp und Balentin,
jetten das Verlagsgeſchäft anfänglich unter Yeitung von Hans Stein
mann, der jpüter nach Jena ging, fort. Die Firma „Bögelins Erben“
kommt bis 1599 vor, Valentin Vögelin allein 1591 bis 1604; er fievelte
dann ebenfalls nach Heidelberg über.
Die Thätigkeit der kleinern Druder dieſer und der jpütern Zeit zu
verfolgen wäre zwecklos; ihre Leiſtungen ſanken ſchnell auf ein jebr tiefes
Niveau herab. Dagegen verdient der leßte hervorragende leipziger Ver
leger des 16. Jahrhunderts, Henning Große (auch Groß oder Gros),
geboren 14. Auguſt 1553 in Halberftadt, noch einer bejondern Berüd
jichtigung. Gr faufte 1575 die von Konrad König in Yeipzig binter
lafjene Buchhandlung und heiratete defjen Witwe. Schon mit Beginn
jeiner Berlagsthätigfeit, 1581, erbielt er ein kurſächſiſches Generalprivi-
legium über alle von ibm zu druckenden Werke Bald gelangte er zu
Bereutung und Anjehen. Bereits 1500 wurde ev Ratsmitglied, ein Um
ftand, der ibm ſehr zu ftatten kam, als auch er ſich in die frbpte
calviniſtiſchen Wirren verwidelt jab; er hatte ficb nämlich 1592 ae:
weigert, die Bifitationsartifel zu unterjchreiben. Als nun am 19. Mai
1593 ein gegen die Neformierten und deren Anbänger gerichteter Auf:
ruhr ausbrach und durch eine Rotte von Stuvdenten, Handwerksgeſellen
und anderm Bolfe das Haus des Kaufmanns Adolf Weinhaus gejtürmt
und geplündert wurde, wurden mit andern auch Henning Große die
Fenſter jeines Daujes eingeworfen. So groß war der grimmige Haß
Kapitel.) Leipzig: Henning Große und jeine Nachfolger. 159
gegen die angeblichen Calviniſten, daß die zur Unterprüdung des Tu-
mufts angebotene Bürgerſchaft auf dem Rathauſe erklärte, fie wollte
wohl Hand anlegen, wenn die Galviniften ans der Stadt gejchafft wir:
ven, jenft aber nicht. Mit andern mußte num auch Henning Große die
Stadt verlafjen; doch jebeint man ihm die Rückkehr bald ermöglicht zu
baben. Zwar blieb er aus dem Rate ausgejchloffen, jeheint aber doc
fernerbin mebrfach begünftigt worden zu jein.
Henning Große's Gejchäft war eins der größten der damals bejtehen-
den, er ſelbſt gleichjam der Führer und Vormann der Leipziger Buch
händler in allen gemeinjamen Angelegenheiten. Zur Förderung ver buch
händleriſchen Bedeutung Yerpzigs trug er unwillkürlich dadurch bei, daß
er bebufs Grleichterung feiner auswärtigen Beziehungen von 1595 an,
teild allein, teils in Gemeinſchaft mit jeinem Sohne Friedrich, einen
Mepkatalog nach dem Muſter des in Frankfurt erjcheinenden berausgab.
Anfänglich vielleicht Genfurjchwierigfeiten feitens der Leipziger Univerfität,
dann aber Nachorucdeftreitigfeiten mit Abraham Lamberg, deren jpäter
Erwähnung gejcbehen wird, nötigten ibn, die Fortjeßungen 1596 und
1597 in Halle vruden zu laffen, jpäter aber in Eisleben eine eigene
Druderei anzulegen. In Veipzig ſelbſt errichtete er eine jolche 1604,
noch furz vor dem Zeitpunkt, wo die Bildung der Leipziger Buchdrucker—
innung (1606) dies unmöglich gemacht hätte.
Henning Große ftarb im November 1621. Er erjcheint im Meßkatalog
von 1581 bis 1621, jeine Erben 1622 bis 1627. Mehrfach kommen
Affociationen vor: Henning Große und Bögelin, 1594 und 1596; Hen-
ning Große und Bartholomäus Bogt, 1600 bis 1610; Henning Große
und Birnjtiel, 1604; Henning Große sen. und Zchürer, 1607 und 1610.
Die Firma jeines Sohnes Friedrich erjcheint jelbjtändig 1600 und 1620,
Friedrich Große's Erben 1605 (ev muß demnach jcbon vorher geftorben
jein. Ein Sohn von Henning Große war jedenfalls auch Henning
Große jun., 1605 bis 1622 (1615 in Gemeinjchbaft mit Bartholomäus
Voigt oder Vogt); jeine Erben fommen 1623 bis 1633 vor. Ob das Ge-
jchäft mit vem von 1634 an auftretenden Henning Große, neben dem
gleichzeitig Großens Erben vorfommen, iventijch ift, läßt fich nicht fejt-
jtellen. Daneben findet ſich 1634 Denning und A. M. Groß, 1638
Henning Groß, 1638 bis 1656 defjen Erben. Ein anderer Sohn, Gott:
fried, geboren 1501, wurde 1623 ebenfalls Ratsherr. Nach feinem Tode,
160 Leipzig: Die Familie Große. Wien. [Zweites
1637, ging feine Buchoruderei im Erbgang auf jeinen Schwager Fried—
rich Yandijch über, den Berfafjer ver befannten und früher jtarf ver:
breiteten Bibel-Konkordanz. Gottfried Große drudte und verlegte von
1618 bis 1636, jeine Erben und jeine Witwe finden ſich im Meßkatalog
mit Verlagsartifeln noch eine Reihe von Jahren von 1637 an. Bon
Aſſociationen treten auf: Gottfried Große und Kajpar Klojemann, 1620;
verjelbe und Barthol. Voigt, 1626; Gottfried und Henning Groß’ Jun.)
Erben, 1629 bis 1663; Gottfried Groß’ Erben und Jerem. Mampbrak,
1650; Gottfried Groß’ und Barthel. Boigts Erben, 1654. Yon 1665
an erſcheint Johann Groß, zum Teil in Gemeinjchaft mit Henning
Groß' jun. Erben, mit Friedr. Yandijch und deffen Erben, mit Kon—
jorten u. j. w.; es iſt wohl anzunehmen, daß auch er zu den Nach—
kommen Henning Große's des Ältern gebört.
11. Wien.
Deutſchland zählte jebon 25, Italien 40 und Frankreich 7 Druder-
jtäpte, als im Jahre 1482 die erjten fünf Preferzengniffe in Wien er-
jchienen. Sie gehören einem bis auf dem heutigen Tag unbekannt ge:
bliebenen Wanvderdruder an. Das umfangreichite von ihnen, ver „Ma-
nipulus curatorum“, enthält 172, das fleinfte, „Aegidii Errores
philosophorum“, zählt nur 10 unpaginierte Zeiten. Vier von ihnen
behanveln praftijche Fragen, wie Gerjons „Lehre von der Beichte“ um
die für das Volk beftimmte „St. Rochus-Yegenvde‘, welche gerade damals,
zur Zeit des Wütens der Pet, viel und gern gelefen wurde; aber nur
eins, der „Tractatus distinctionum Joannis Meyger“, nab M. Denis
Wiens erjter Drud, bewegt ſich auf wiffenjchaftlichem Gebiete. Sämt
liche fünf Schriften jcheinen aus derjelben Prefje hervorgegangen zu jein
und verraten ven unbeholfenen und unbemittelten Anfänger, der nur eine
Schriftart befigt und vergebens gegen die untergeorpnetiten Schwierig
feiten kämpft. Politiſch und geiftig war die Hauptſtadt der Habsburgi—
jchen Erblande in den legten zehn Regierungsjahren Friedrichs III. er-
jchlafft, und auch die dem bejchränfteften Scholaftizisinus huldigenve
Univerfität vermochte den Geijtern Feine Anregung zu geben. Noch
blühte in Wien eine mächtige Schreiberzunft, welche die Schüler Guten:
bergs nicht auffommen ließ. Die einheimijchen Gelehrten, wie Neger,
Peuerbach, Niver u. a., mußten ihre Werke auswärtigen Preſſen über:
Kapitel.) Wien: Joh. Winterburger. Hieron. Bietor. Joh. Singriner. 161
geben. Gin Bepürfnis für Drudereien war überhaupt in Wien kaum
vorhanden. Noch in den Jahren 1474 bis 1476 und 1478 fandte die
Suriftenfafultät der Univerfitit Magifter an den Rhein, nach Mittel:
deutjchland und Italien, um außer verjchiedenen Handſchriften auch neue
geprudte Bücher für die Bibliothek zu kaufen.
Aus den Jahren 1483 bis 1491 ijt fein wiener Drud befannt. Erft
1492 läßt ſich ein jtändiger Druder nieder, aljo ziemlich um dieſelbe
Zeit, in welcher dort der Humanismus jeinen Einzug bielt. Johann
Winterburger, jo beißt er, war gebürtig aus Winterburg in der Graf-
ſchaft Sponheim bei Kreuznach. Auch die Druder der erjten Hälfte
des 16. Jahrhunderts, mit Ausnahme von einem Wiener umd zwei Polen,
jind Deutjche aus vem Reich. Winterburgers Thätigkeit reicht von 1492
bis 1519, alſo bis zum Todesjahr Maximilians, unter deſſen Schuß
Bien eine bedeutende Stätte und Pflanzjchule des Humanismus ge-
worden war. Konrad Geltis, Cuspinian und Johann Vitez waren jeine
Gönner. Seine Yeijtungen erhoben jich bedeutend über die gewöhnliche
Gattung von Druden. Im ganzen find 106 Drudwerfe von ibm be-
fannt, darunter allerdings einblättrige Verordnungen und Mandate;
bezeichnend genug find Perſius' „Satiren“, jein eriter Verlagsartifel,
Borwiegend bejchäftigte ihn die Univerjitit, aber auch im Drud jchöner
Chorbücher ſchuf er Vorzügliches. Seine Druderei war gut eingerichtet,
ver Satz forreft, da ihn bei wiljenjchaftlichen Werfen gelebrte Seker
und Korreftoren unterjtüßten; aber griechiſche Typen beſaß er nicht,
mußte vielmehr für etwa einzelne vorfommende Gitate freien Raum laffen.
Trotzdem jtehen jeine beiten Werfe den Erzeugniffen ver Druderpreffen
von Bajel, Nürnberg, Augsburg und Straßburg kaum nad.
Siebenzehn Jahre hindurch hatte Winterburger als alleiniger Druder
Wiens dageftanden, als endlich 1510 Hieronymus Vietor oder Büttner
aus Liebenthal im jchlefiichen Fürftentum Jauer eine zweite Druderet
grünpete. Er batte in Strafau, der alten polnischen Königsſtadt, jtudiert
und dort 1499 die Baccalanreatswürde erhalten, fich aber van dem
Buchdruck und dem Buchhandel zugewandt. Noch im Jahre feiner Über-
fievelung nach Wien afjociierte er fih mit Johann Singriner aus Ot—
ting in Bayern und war mit diefem — fie nennen fich sodales labo-
rum et lucri socii — bis zum Dezember 1514 gemeinjchaftlich thätig 7°;
84 Werte find das Reſultat diefes gemeinjamen Schaffens. Ihr Buch-
app. I. 11
162 Wien: Hieronymus Bietor. Johann Singriner. [Zweites
(aden befand fich auf dem alten Fleiſchmarkt gegenüber dem Nonnen:
flofter St. Lorenz. Sie beſaßen ſchon griechiiche Typen und zeichneten
fich überhaupt durch guten Drud aus. Das erjte Erzeugnis ihrer
Preffe war ein Claudianus; im Jahre 1512 drudten fie unter anderm
Ulrich von Huttens „Ermahnung an den Kaiſer Marimilian“ (ale er
in den Venetianifchen Krieg zog). Doch ſchon zu Anfang 1515 trennten
fich beide, blieben aber gute Freunde. Vietor überfievelte 1517 wieder
nach Krafau und widmete fidh perjönlich, bis zu feinem 1546 erfolgten
Tode, ausjchlieklich jeiner dortigen Offizin, führte jevoch fein wiener
Geſchäft unter Leitung feines Bruders Benedikt und nad deſſen Tode
durch andere Faktoren bis 1531 fort. Vietor hat wenig in deutjcher, das
meifte in lateinijcher, einiges auch in griechijcher und polniſcher Sprache
gebruct; jeine griechijchen Typen verdienen ganz bejonderes Yob. Sein
Drud war forrekt, fein Papier gut und feine Holzjchnitte waren zierlich.
Sein jhönftes und jeltenftes Werk ift wohl das „Odeporicon‘ des
Karbinals Yang. Seine Drude gehören fajt alle der profanen, nur
wenige der theologijchen Yitteratur an; Schulbücher, Klajfiferausgaben,
medizinijche und aſtronomiſche Schriften, Yehrgedichte und Reden bilden
den Hauptteil des Verlags.
Singriner entwidelte nach feiner Trennung von Vietor bis zu
jeinem Todesjahre (1545) eine außerordentliche Rührigkeit. Mit Colti-
mitius, Gamers und Vadian befreundet, war er von der Bedeutung
jeiner Aufgabe für die Wiffenjchaft völlig durchdrungen, lieferte Forrefte
Klaffiterausgaben und arbeitete nicht allein eifrig in jeiner Offizin, ſon—
dern bejchäftigte fih auch mit dem Schriftguß und der Lieferung von
Holzjchnitten für andere; beſonders jchön und gejchätt war feine Antiqua.
Er ift zugleich der erjte wiener Druder, welcher hebräiſche Typen beſaß.
Seine jtaunenswertefte Peiftung ift der Drud des Verböczſchen „Tripar-
titum Opus juris hungarici“ (1517), deſſen 71 Bogen er mit einer
jehr großen Antiqua und mit gotifchen Rubriken in 40 Tagen beritelite.
Nah der Zahl, Mannigfaltigfeit und Ausstattung jeiner Drucke gebört
er zu den bervorragenpften und thätigſten Meeiftern feiner Zeit. Sein
erjter Drud ift des Albertus Magnus „Philosophia naturalis‘ und
fein letter das Gebetbuch des Biſchofs Nauſea für die Königin Anna,
die Gemahlin Ferdinande. Im übrigen gehören feine Berlagsartifel
der Theologie, Medizin, Jurisprudenz, polemifcben Yitteratur, Philologie,
Kapitel.) Wien: Egidius Ndler. Michael Zimmermann. Rafael Hofhalter. 163
Poetif und Rhetorif an; viele von ihnen zeichnen fich durch ihren Holz-
ſchnittſchmuck aus. Die Geſamtzahl feiner Drude — darunter allerdings
auch viele einblättrige Verordnungen, Patente, Erlaffe — betrug nad
Denis 253, eine Zahl, welche der neueſte Forjcher, Anton Mayher, noch
um 160 vermehrt bat. Singrinerse Erben, welce bis 1561 weiter
arbeiteten, fügten ihnen noch 92 hinzu; aber auch bier liefert das dem
Bater 1540 erteilte Privilegium, alle landesherrlichen Berorpnungen für
Nieveröjterreich zu druden, die bedeutendere Zahl.
Bon dem Bayer Johann Carbo (Hans Khol), 1548 bis 1552, tft
wenig befannt, mehr dagegen von Egidius Aquila (Adler) aus den
Niederlanden, welcher auch von 1548 bis 1552 in Wien tbätig war.
Bon jeinen tüchtigen Arbeiten find beſonders Plands „‚Institutiones
Grammatices Ebreae“ hervorzuheben. Aquila’s Witwe heiratete Mi-
chael Zimmermann (aus Augsburg?), einen der beveutendften Drucder
jeiner Zeit, welcher in den Jahren 1553 bis 1565 wirkte, die Offizin
auch für den Drud orientalifcher Werfe einrichtete und z. B. 1561
eine jprijche Bibel heransgab. Sein Zeitgenoffe Rafael Skrzeluſti,
der jeines proteftantijchen Befenutniffes halber aus Polen geflohen war,
in Wien den Namen Hofhalter annahm umd fich hier für einen Katho—
(ifen ausgab, vrudte von 1556 bis 1563. Er beichäftigte für feine
ilfuftrirten Werte Künſtler erjten Ranges, wie Yantenjad, Hübſchmann
und Hirjchvogel, ging jpäter aber nach Debregzin, wo er mit jeltener
Pracht die erjte ungarifche Überjegung der Bibel drudte; er ftarb 1568.
Um ziemlich diejelbe Zeit juchten fich die Jeſuiten der Druderpreffe zu
bemächtigen und die weltlichen Druder durch eine geiftliche Offizin un-
jchäplich zu machen. Der Kaifer ſelbſt gab zu dem Zwecke eine jühr-
liche Unterjtügung von 300 Gulden ber und auch der Adel beteiligte
ſich ſelbſtredend an den Unterjchriften für das von einem Spanier ge-
leitete Unternehmen. Die Offizin, deren erjten Verlagsartifel Peter
Ganifius’ fleiner Katechismus bildete, dauerte jedoch nur jo lange, als
vie milden Gaben reichten (1559 bis 1569).
Die Mitte des Jahrhunderts trug bereits die ausgeprägte Signatur
des Jeſuitenſtaates. Eigentlich geblüht hat die Buchoruderfunft mit den
ihr verwandten Zweigen nur unter Marimilian. Mit dem Augenblid,
daß König Ferdinand 1523 die Verbreitung der Yutherjchen Schriften
verbot, wurde der Rüdgang des geiftigen Yebens in ganz ÄÖſterreich
11*
164 Wien: Allgemeiner Berfall des Preßgewerbes. [Zweites
immer fichtbarer und verbängnisvoller. Die geiftlihe Cenſur arbeitete
methodisch auf die wiffenjchaftliche VBerövung des Landes hin. Mit ven
jechziger Yahren des Jahrhunderts hörte der Drud der alten Klaſſiker
ganz auf. Die überall eingejchränfte, gleichjam nur aus firchlicher und
obrigfeitlicher Gnade geduldete Pitteratur ſank zur willenlojen Magd des
Sejuitenftants herab. Die alten Gelehrten ftarben aus oder zogen in
die Fremde, neue aber famen nicht aus dem Reich. Techniſch macht Die
Kunft zwar Fortjchritte, aber geiftig wird fie täglich einflußloſer. Kaſpar
Stainhofer (1566 bis 1576), welcher die Witwe Zimmermanns geheiratet
hatte, drudte vortrefflih und war ein tüchtiger Gejchäftsmann, aber ein
dejto armjeligerer Verleger. Geiftloje Gelegenheitsjchriften bildeten jeinen
Verlag. Stephan Greußer (1572 bis 1594), der erjte Univerſitäts—
drucker, zeichnete ſich als gelehrter Druder und als Schriftgießer aus,
ftand jedoch im Verdacht proteftantijcher Gefinnung; er wurde deshalb
zur Unterjuchung gezogen und jeine Druderei eine Zeit lang geſperrt.
Der Hofbuchoruder Michael Apfel (1576 bis 1588) ftellte vorzugsweije
Feſtſchriften für die Jeſuiten, Weihrauch-Carmina an bochgeftellte Per—
jonen, Kalender-, Wunder- und dergleichen Gejchichten und neue Zeitungen,
aljo faſt nur jogenannte Riesjachen, auf jeinen Preffen ber. Dennoch
mußte er, wie auch Greuger, einen Eid leiten, nichts gegen die katho—
lijche Kirche und ihre Yehre zu druden. David de Neder oder Danneder
(1576 bis 1585), einer berühmten augsburger Künftlerfamilie entjtam-
mend, war zugleich Formſchneider und z0g von Augsburg über Yeipzig
nach Wien. Hercules de Neder, wabrjcheinlich jein Bruder, ſetzte das
Geſchäft bis 1587 fort. Bei jenem erjchien unter anderm Sebaftian
Münfters Erklärung der neuen Yanptafeln und des Inftruments ber
Sonne, ein prächtiges Gejellenbüchlein und der dritte Nachbrud ver
Softihen Ausgabe des „Todtentanzes“. Seine Holzichnitte find ganz
vortrefflih, jeine Drude jauber und ſchön; da er aber im Verdacht
protejtantijcher Gejinnung ftand, wurden viele feiner Bilder und Drude
fonfisziert. Biſchof Kaſpar von Wien lieh fie teilweije im Bijchofshofe
verbrennen, woraus fich zur Genüge ihre Seltenheit erflärt.
Bis zum Ende des Jahrhunderts, in deſſen Yaufe nach Mayers Be—
rechnung etwa 1600 Drude in Wien erjcbienen find, folgt ven hier nam-
haft gemachten Drudern etwa noch ein Dutzend. Indeffen wird an und
mit ihnen ver Rüdgang des litterarifchen Schaffens immer auffallender
Kapitel.) Magdeburg: Die erften Drucker. Morig Brandis. 165
und die Jejuitenlitteratur übermächtiger; fie fommen daher perjönlich gar
nicht in Betracht. Die Arbeiten der wiener Druder find fortan nur
noch auf das enge Abjatgebiet des wiener Marktes berechnet. Wien
zählt deshalb auch in der Gejchichte der Entwidelung des deutjchen
Seiftes in jenen Zeiten nicht mit. So hart das Wort auch Klingen
mag: Wien beveutet in der früheiten Geſchichte ver Buchdruckerkunſt und
des Buchhandels weniger, als die Heine Reichsſtadt Hagenau im Elſaß!
In der chrenologijchen Folge der Druckſtädte ſchließt fich nun
12. Magdeburg ’*
an, wo der Buchdruck durch den Einfluß des Erzbiichofs Ernft (aus dem
Haufe Sucjen) eingeführt wurde. Die erfte Anlage einer Druderei
wird den „Brüdern vom gemeinjamen Leben‘ zugeichrieben; die eriten
wirflich nachweisbaren Druder aber find Albert Ravenftein und Joachim
Weitfal, 1483 und 1484. Über den erjten ift Näheres nicht befannt;
Weitfal jtammte aus Stendal, wohin er fich auch 1486 over 1487
wieder wandte und wo er unter anderm einen niederdeutſchen und latei-
nischen „Sachſenſpiegel“ in Folio druckte. Das Hauptwerk ber genannten
Druder ift das mit zwei ziemlich mittelmäfigen Holzſchnitten verjehene
niederdeutſche Evangelienbuch von 1484 in Folio, zugleich die erjte nieder-
deutjche Ausgabe diejes Werks. Der nächjte Druder war Simon Roc
aus Weilburg, 1486, und wahrjcheinlich noch 1488. Zein erwähnens—
wertefter Drud iſt ein Mifjale von 1486 in Folie. Ihm folgte Simon
Menter, 1490 bis 1503, der nur belehrenve, unterhaltende und erbau—
fiche Volksſchriften gedruckt zu haben ſcheint; alle von ihm befannten
Drude find mit Holzichnitten ausgeftattet. Der bedeutendſte magdeburger
Druder war jedoch Morit Brandis, 1491 bis 1504. Früher in Yeipzig
thätig, wo jeiner bereits gedacht wurde, hatte er fchen von hier aus mit
dem Erzbiſchof Ernſt und mit Magdeburg überhaupt in Gejchäfte-
verbindung geitanven. Bon feinem gejchäftlichen Schiffbruch in Yeipzig
jcheint er fich in Magdeburg vollkommen erholt zu haben, venn er bejak
bier eine veihe Auswahl von Schriften und Initialen. Nur nieder-
veutjche und Lateinische Drude find von ihm befannt, fieben davon mit
Holzſchnitten ausgeftattet. Sein Hauptwerk ift die erjte Ausgabe des
„Miſſale“ von 1493 in Folie. Hervorzuheben ift ferner ver „Vocabu-
larids optimus Gemmula vocabulorum dictus“, ein lateiniſch-nieder—
166 Magdeburg: Die Neformationszeit. Michael Potter. Hans Walther, [Zweites
deutſches Wörterbuch, von dem er wenigitens zwei Ausgaben, 1495 und
1497, gedruckt hat. Seine Druderei iſt möglicherweiie an Jakob Winter
übergegangen, ver 1506 bis 1513 druckte.
Mit dem Tode des Erzbiichofs Ernft und unter jeinem Nachfolger,
dem jtreng katholiſchen Albrecht von Brandenburg (jeit 1514 auch Er;:
biichof von Mainz), erreichte ver Buchdruck in Magpeburg vorläufig
jein Ende. Das der Reformation abholde Domkapitel und die derjelben
günftige Bürgerſchaft ftanden fich feindfich gegenüber. Mit Beginn der
Reformationszeit tritt eine zahlreiche Flug: und Streitchriftenlitteratur
auf, die aber vorläufig nur von auswärts eingeführt werden konnte und
von 1520 bis 1523 meift durch Nickel Wivdemar, ven Strohmann des
Mantelträgers Wolfgang Stödel in Yeipzig, in Eilenburg gedrudt wurde.
Der Hauptkämpe ver Katholiichgefinnten war ein Paulinermönch aus
Magdeburg, der dejfauer Hofprediger Dr. Joh. Menjing, Vertreter ver
veforinatoriichen Richtung vor allem der einer adeligen Familie Kur-
jachjens entjtammende Nikolaus Amsporff, dann Johannes Fritzhans,
Eberhard Weidenjee und Dr. med. Wolf Cyclope. Die in Magpe:
burg gedruckten Schriften polemijchen Inhalts find bis 1530 mit nur
einer Ausnahme, offenbar unter dem Einfluß Luthers, bochveutich ge-
jchrieben. Erſt vom Ende der zwanziger Jahre an erſcheint auch eine
ganze Reihe Eleinerer, auf das gewöhnliche Volk berechneter Schriften in
niederbeutfcher Sprache. Das dauert bis zum Anfang der vierziger
Jahre; es waren bejonders Übertragungen Yutherfcher Schriften. Nur
der Druck niederdeutſcher Bibeln und Gefangbücher hielt das ganze Jahr—
hundert hindurch und bis zum Jahre 1631 an.
Auf Veranlaffung des Dr. Wolf Cyclops herbeigerufen, war Dans
Knappe der Jüngere 1524 nah Magdeburg gefommen, wo er in biejem
und dem folgenden Jahre vrudte. Ihm folgte Heinrich Ottinger, 1525
bis 1531 — er war der erjte, der in Magpeburg einen Zeil ver Bibel
(den Pentateuch, 1528) im niederdeuticher Sprache drudte — und Hans
Bart, vorher in Wittenberg, 1527 und 1528. Bedeutender war Mi-
chael Yotter, ebenfalls vorher in Wittenberg, der 1528 oder 1529 nad
Magdeburg kam; er ijt der erjte, der in Magdeburg die Antiqua ver:
wandte. In feinem Verlage erſchienen, neben einer jehr großen Menge
von Flugſchriften, viele theologische Sachen und die Schulbücher Georg
Majors. Sein Zeitgenoffe war Hans Walther (nieverdeutich Wolther),
Kapitel.) Magdeburg: Dänifhe Drude. Buchführer. Tübingen. 167
geberen 1500. Er übernahm die Druderei Heinrich Ottingers und
prudte, 1530 bis 1560, reformatorifche, meist niederdeutſche Yitteratur,
Chriftian Rödinger (Rodius) dagegen drudte nur wenige theologiſche
Schriften; fein eriter datierter Drud ift von 1545. Auf Veranlaffung
Aldert Rolevinfs zog er 1553 oder 1554 nad) Jena.
Bemerkenswert ift noch, daß von 1529 bis 1562 aus Magdeburg
eine ganze Reihe däniſcher Drude hervorging, teilweije hergeftellt auf
Beitellung von Buchbindern oder Buchführern in Roftod und Yübed.
Daneben nahm ver magdeburger Verlag dadurch eine charafteriftifche
Richtung an, daß eine Anzahl von Gegnern des Augsburger Interims,
Anhänger der jtrengften Tutherifchen Orthodorie, fih in Magdeburg
iammelte; neben dem ſchon genannten Nikol. Amsporff: Matthias Fla—
aus Illyricus, Nikolaus Gallus aus Regensburg u. a.
Die Buchführer in Magdeburg waren feine, arme Yeute, die fich
durch Haufieren und Feilhalten won Flugſchriften ihr Brot, nicht felten
unter Gefahr und Berfolgungen, zu verdienen juchten. Der einzige
bereorragende war ber ſchon im 15. Jahrhundert vorfommende Hans Yor,
Lorr oder Yorer, der fich bereits 1490 als an dem Verlage des Morik
Brandisichen „Suchjenfpiegels‘ beteiligt erweift und 1517 bei Melchior
Yotter in Yeipzig ein „Miſſale“ ver Brandenburgifchen Diöceſe drucken ließ. ?°
13. Tübingens 7*
eriter Buchdrucker war Johannes Otmar (Othmar, Ottmar) aus Reut—
lingen, in welcher Stadt er auch jeit 1482 als erjter gedruckt hat. Auf
Teranlaffung des Lektors des Franzisfanerflofters, Paul Seriptoris, in
Tübingen fievelte er gegen Ende des Jahres 1497 dahin über. Zu ben
gelehrten Drudern zählen, war er auch meijt jein eigener Korrektor.
Außer für fich ſelbſt — meist theologische Werke — druckte er auch für den
eriten tübinger reinen Berleger, Friedrich Meyenberger. Otmar blieb
bis 1501 im Tübingen, fievelte aber vann nach Augsburg über, wo er
uch von 1502 bis 1514 thätig war. Ihm folgte der beveutendjte unter
den tübinger Buchdruckern: Thomas Anshelm aus Baden-Baden. Einen
vereinzelten Druck hatte er aller Wahrjcheinlichkeit nach ſchon 1488 in
Strakburg geliefert, war dann von 1500 bis zum März 1511 Buch
truder und Buchhändler in Pforzheim, von wo er — vermutlich durch
Johann Reuchlin veranlapt — nach Tübingen ging. Gefördert durch den
168 Tübingen: Thomas Anshelm. Ulrich Morhart. (Zweites
(ettern, befreundet mit Philipp Melanchtbon, Michael Hummelberger
und den übrigen tübinger Dumaniften, in deren Kreife er fait ale Eben:
bürtiger erjchien, ftellte ev auch feine Preife faſt ausjchlieflih in den
Dienft des Humanismus, Tüchtige Korreftoren, erjt der Profeffor ar-
tium Johannes Hiltebrant, nach deſſen 1514 erfolgtem Tode Melauch—
tbon, verichafften feinen Druden ven wohlverbienten Ruf der Korreft-
heit. Dieje und die Sauberfeit jeiner Drude, denen er durch gut ge:
ichnittene Ranpfeiften auch jonft ein gefälliges Aufere zu geben wußte,
verbreiteten jeinen Ruhm weithin. Er bejah jogar, was damals eine
Seltenheit war, hebräiiche Typen. Bis zum Juli 1516 wirfte er in
Tübingen, dann wandte er fich nach Hagenau, wojelbft er aber dennoch
im Sanzen genommen ver Druder der ihm befreundeten tübinger Ge:
(ehrten blieb.
Erit nach einer mehrjährigen Paufe, zu Anfang des Jahres 1523,
kam wieder ein Druder nad Tübingen: Ulrich Morbart aus Augsburg,
der von 1519 bis 1522 in Straßburg geprudt hatte. Er war im Befit
einer gut eingerichteten Druderei, mit charakteriftiichen Randleiſten und
vielen Initialen, darunter ein Kinderalphabet. Die Richtung jeiner
Thätigfeit war eine ganz andere, als die Anshelme. Der Humanismus
tritt zurüd, an jeine Stelle ver polemifierende Katholizismus. Die
befannteften Gegner Yuthers und Zwingli's, Ed, Cochläus, Schatger,
Dietenberger, Tuberinus, Neudorffer, ließen ihre Streitichriften bei ibm
erjebeinen. Tübingen war eben damals, wie Steiff jagt, ein Haupt—
waffenplag der Neaftion gegen die von Nord und Süd eindringende
neue Lehre. Kaum mag jedoch Morhart aus Überzeugung jo gehandelt
haben. Er betrieb jein Gejchäft mehr handwerksmäßig und folgte der
herrſchenden Zeitſtrömung, ſobald fie ihm Vorteil zu bieten veriprac.
So nahm er auch thätigen Anteil an dem der veformatoriichen Richtung
entjtammenden jlawijchen Bücherdruck.““ Ein für die neue Yebre be;
geifterter ſüdſſawiſcher Prepiger, Primus Truber, fam, durch die Ber:
folgungen ver katholiſchen höhern Geiftlichkeit aus jeinem Vaterlande
Krain vertrieben, um 1540 nach Württemberg, wo ev dur ven Herzog
Chriſtoph zum Pfarrer in Urach berufen, jpäter nach Yaufen am Nedar
und dann nach Darendingen verjeßt wurde Um auch aus der ferne
unter feinen Yanpdsleuten für die Sache der Reformation zu wirken,
fing ev um 1550 an, Das im den ſüdflawiſchen Ländern weitwerbreitete
Kapitel.) Tübingen: Primus Truber und der ſlawiſche Bücherdrud, 169
jloweniiche Idiom nach deuticher Ausiprache mit fateinifchen (ſpäter auch
mit deutjchen) Yettern zu firieren und wurde damit der Gründer einer
bis dahin nicht beftehenvden jloweniichen Nationallitteratur. Nun ver—
fakte er ein jlowenijches Abecedarium und überjeßte Brenz’ und Luthers
Katechismen. Nach vergeblichen Berjuchen, die Schriften in Nürnberg
oder in Schwäbiih- Hall druden zu laffen, gelang es endfich, Ulrich
Morbart zur Herftellung, wenn auch heimlich und unter falicher Firma,
zu bewegen. Im Einverftänpnis mit Peter Paul Vergerius übertrug
dann Truber von 1555 an das Neue Tejtament meift nach Yuthers
Überjegung ins „Windiſche“. Dasjelbe wurde (Morhart war 1554 ge:
itorben) in der Offizin von Morharts Erben gedruckt. Aber diefe Ar-
beiten hatten die Mittel Trubers und bie teild von Herzog Chriftoph,
teils durch die Stände von Krain gewährten Unterftügungen erjchöpft.
Da trat Hans Freiherr von Ungnad, ein angejebener faiferlicher Be—
amter, der ebenfalls feiner religisjen Überzeugung wegen feine Heimat
hatte verlaffen müffen, mit feinen veichern Mitteln für die Sace ein.
Seit 1557 in Urach lebend, trat er 1560 mit Truber in Verbindung
umd verwandte von da an einen großen Teil feiner Einfünfte auf bie
Förderung der von Truber begonnenen Unternehmung. Man fing nun
auch an ins Kroatiſche zu überſetzen. Ungnad errichtete in jeiner Behaujung
in Urach eine eigene Druderei, welche neben der Morhartichen von nun
an die ſlawiſchen Drude lieferte. Durch nürnberger Stempeljchneiver
ließ man auch glagolitiiche und chrilliiche Schrift herſtellen und druckte
neue froatijche Bücher bisweilen in drei verjchievdenen Ausgaben: mit
lateiniſchen, mit glagolitifchen und mit chrillischen Yettern; in Ungnad
fing ſelbſt an, italieniſche Überſetzungen von Schriften veformatorifcher
Richtung zu druden. Aber auch jeine Mittel reichten nicht aus, bie
beveutenven Koften zu decken. Da gab neben ver fortlaufenden Unter—
ſtützung des Herzogs von Würtemberg der König von Böhmen, Erz-
berzog Marimilian (ver jpätere Kaiſer), eine anjehnliche Summe ber;
andere Beiträge wurden von verjchiedenen Zeiten gewährt: von den
Yandjchaften von Krain, von Steyer, von Dfterreich, von verjebiedenen
deutſchen Fürſten und Reichsftädten und von Privaten. Aber am 27. De-
jember 1564 ftarb Ungnad und von da an war Truber auf fich jelbit
angewiefen, und wenn er auch unabläjfig weiter arbeitete, jo lieh fich
doch ver bieherige großartige Gejchäftsbetrieb nicht mehr fortführen.
170 Tübingen: Slawiſcher Bücherdrud, Eberhard Wild. [Zweites
Der Vertrieb der jo hergeftellten Bücher erfolgte nicht auf dem gewöhn-
lichen Wege des Buchhandels. Privatleute, die für die Sache begeiftert
waren, nahmen denſelben in die Hand und beförberten unter Mühen und
Gefahren die Drude nach den jünjlawijchen Ländern und weit über bie-
jelben hinaus, wie fie auch die Vermittler mit den Buchführern abgaben.
Die italienischen Drude juchte man über Bafel zu verbreiten. Nach
Trubers im Juni 1586 erfolgtem Tode ſchlief das Unternehmen ganz ein.
Wohin die Vorräte an Druden gefommen find, it unbelannt. Die
glagolitiihen und cyrilliſchen Typen fielen im Dreikigjährigen Kriege
den Kuiferlichen als Beute in die Hände und famen durch Kaiſer Fer—
dinand III. in die Druderei ver Propaganda zu Rom.
Unter den jpätern Druck und Verlagsfirmen Tübingens zeichnet ſich
durch geſchmackvollen Drud Georg Gruppenbach und durch Intelligenz
und Rührigkeit Eberhard Wild (Wildt, Wilde) aus. Bald nach Beginn
ſeiner Gejchäftsthätigkeit (er erjcheint im Meffatalog von 1620 an)
wurde er wegen feines müjtiich-theofophifchen Verlags, den er in großen
Mengen nach allen Richtungen, insbejondere auch nach Ungarn ver-
breitete, der Schwendfelvihen Sektiererei verdächtigt und verfiel 1622
in eine Unterfuchung. Bei einer Hausſuchung fand man große Maſſen
von Schriften von Johann Arndt, Valentin Weigel und andern Schrift:
itellern, deren Richtung der damals herrichenden orthodoxen Partei ein
Dorn im Auge war, ferner die Schriften Schwendfelos, diefe unter fal-
ichem Namen. Außerdem ftellte fich heraus, dak in Wilde Haufe Kon-
ventifel der Seftierer abgehalten wurden. Er floh direkt aus feiner Ver:
nehmung vor dem akademiſchen Senat nach Rottenburg, mußte fich aber,
von allem entblößt, wieder in Tübingen ftellen. Neben Auferlegung einer
Seld- und Gefängnisjtrafe wurden ihm Druderei und Buchhandel ge-
jperrt, feine ganzen Vorräte weggenommen. Auf Verwendung eines
Grafen von Föwenftein wurde ihm jedoch ein Teil ver Strafe erlaffen
und er durfte fein Geſchäft wieder eröffnen. Es fpricht für jeine un-
gebeugte Energie, daß er fih in jeinem Gejchäftsbetriebe nicht ftören
ließ: fein Name findet fich mit einer nicht unbeträchtfichen Zahl von
PVerlagsartifeln im Meßkatalog bis zum Jahre 1631.
Die noch jet beftehenvde große Firma Johann Georg Cotta erhob
fich erft ſeit ver zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einer größern
Bereutung.
Kapitel] Wittenberg: Georg Rhaw, Hans Lufft. 171
Die Thätigkeit der Buchdrucker und Buchhändler in
14. Wittenberg ?°
ift jo fejt mit den durch die Reformation hervorgerufenen Bewegungen
verfnüpft, daß in dieſem Kapitel ein kurzer Überblick genügt. Als erfter
Buchdrucker erjcheint, 1509 bis 1522, Johann Grunenberg. Seine
Druderei befand fich in dem Auguftinerklofter, in welchem ja auch Luther
lebte. Es ift daher leicht erklärlich, daß er deſſen erjte Schriften und
die feiner Freunde drudte. Ihm folgte Melchior Lotter, 1519 bis 1524,
von dem im jiebenten Kapitel ausführlicher die Rebe jein wird. Daß
auch Nidel Schirleng, 1521 bie 1546, der reformatorifchen Sache diente,
üt jelbitverjtändfich. ine interejfante Erjcheinung ift Georg Rhaw, ver
ebenfalls 1521 in Wittenberg zu vdruden begann. Geboren 1488, war
er zuerit Kantor an der Thomasichule zu Yeipzig, ein vortrefflicher Mu—
fifer und Mathematiker. Für feine Tüchtigfeit zeugt, daß er viele Jahre
hindurch und bis 1547 Mitglied des Rats zu Wittenberg war. Aus
feiner Offizin gingen bie erjten Ausgaben von Puthers großem und
fleinem Katechismus, 1529, hervor. Ebenſo lieferte er, 1531, die beite
Ausgabe der Augsburgiichen Konfeffion. Außer Schriften Luthers druckte
er viel von Melanchthon, dann aber auch von andern Genoffen der Re-
formatoren. Seine eigenen Schriften waren theologischen, mathematischen
und mufifaliichen Inhalts. Nach jeinem am 6. Auguft 1548 erfolgten
Tode jegten die Erben das Gejchäft in gleichem Sinne bis 1566 fort.
Hans Yufft, geboren 1495, begann jeine Thätigfeit nicht, wie meijt
angenommen, 1524, ſondern ſchon 1523 mit vem Drud einer Schrift
des Johann Fritzhaus, der feiner Gefinnung wegen jein Klofter hatte ver-
lafjen müffen und nach Wittenberg gefommen war: „Johan: Fritzſchans
an ein Erbarn: Erjamen, weyßen rabt vnnd ganntze Chrijtliche gemeyne
der ſtadt Magdeburg, Gottis wort vnn jein abjchiet belangende, mit
euner jermon, wie man Gottis wortt predigen foll.? Von 1524 an
war er als Druder Yuthericher Schriften, beſonders der Bibelüberjekung,
ſehr thätig. Sein Name ift neben dem Melchior Yotters unzertrennlich
mit der Gejchichte der Reformation verbunden. Er ftarb am 2. Sep:
tember 1584.
Von andern wittenbergijchen Drudern find, abgejehen von ganz un-
bereutenden, zu nennen: Hans Weyß, 1525 bis 1539; Joſ. Kluge, 1525
172 Speyer: Peter Drad. Konrad Hift. [Zweites
bis 1552; die beiden Peter Seit, 1536 bis 1578; Dans, Zacharias
und Johann Krafft (Erato), 1549 bis 1615, deren erfter auch Melanch—
thons Werfe prudte.
Der Verlagsbuchhandel Wittenbergs blieb faft zwei Jahrhunderte hin—
durch ein jehr bedeutender und überragte bis gegen Ende des 16. Jahr—
hunverts ben Leipziger wejentlih. Er fand in der ftarf bejuchten Uni-
verjität, der Vormauer des Luthertums, und anfänglich in dem Pibel-
pruc eine kräftige Stütze. Zu Vebzeiten Luthers waren der Goldſchmied
Chriſtian Döring, der berühmte Maler Lukas Cranach, die Buchführer
Bartel Vogel, Chriftopp Schramm und Morit Goltz jeine Koryphäen,
am Schluffe des 16. Jahrhunderts Samuel Seelfiihb und die Familie
Schürer.
Es würde zu weit führen, wenn die Ausbreitung der Kunft in der
gleichen eingehenden Weiſe gejchildert werben follte; e8 genügt, wenn bie
fleinern Druditätten
in chronologiicher Reihenfolge furforiich behandelt werden. Schen im
Jahre 1471 fand die Buchdruderkunft in Speyer °° Eingang. Es ift
nicht feftgeftellt, aus welcher Preffe der erfte Drud, vie „Postilla Scho-
lastica super Apocalypsim et super Cantica Canticorum“, hervor:
gegangen iſt: ob aus der des 1477 mit feiner Firma auftretenden Peter
Drad, ob aus der des exit ſpäter genannten Konrad Hiſt, oder gar aus
der eines dritten Typographen. Peter Drachs des Altern Thätigfeit
icheint nur bis zum Jahre 1480 gereicht zu haben; in den folgenden
Jahren wenigitens zeigt fich wiederholt Peter Drach der Nüngere auf
Drudwerfen an, der bis zum Jahre 1517 eine beachtenswerte Wirkſam—
feit entfaltete und jeine gejchäftlichen Verbindungen bis auf Die leipziger
Meſſe eritredte. Dieje buchhändleriſche Thätigfeit dokumentiert fich auch
darin, daß die Drachſche Offizin, welche von verſchiedenen Diöcejen mit
dem Drud von Breviarien und Meßbüchern betraut wurde, das jchönfte
derjelben, das prachtwolle „Missale Olomucense“ von 1488, bei Johann
Senſenſchmied in Bamberg herftellen ließ und auch 1516 Johann Grü—
ninger in Straßburg bejchäftigte.
Der zweite Topograph zu Speyer, Konrad Hit, erjcheint jchon im
Jahre 1483 gemeinfchaftlich mit jeinem Bruder Johann ala Drucker
Kapitel.) Eßlingen. Merſeburg. VBlaubeuern. Breslau. 173
des „Philobiblon“ von Richard de Bury; feine Thätigfeit läßt fich bis
1515 verfolgen. Weniger beveutend zwar als Peter Drad, war doch
auch er ald Verleger thätig und bejchäftigte wiederholt Heinrich Gran
in Hagenau. Vermutlich ijt er auch iventijch mit jenem Konrad Hyſch,
ver 1519 bei Adam Betri zu Baſel drucken lieh.
In Eßlingen arbeitete jeit 1472 Konrad Fyner, der erjte, ber
bebräifche Typen bejah. Er ging ſchon 1481 nach Urach.
Mit dem Jahre 1473 fand die Buchdruckerkunſt ihren Weg nun
auch nach Norddeutſchland. Die erjte norddeutſche Druckſtadt ift die
ſonſt unbedeutende Bifchofsftant Merjeburg, wo ber ſpäter nach Lübeck
wandernde Lukas Brandis von Delisich bis 1475 thätig war.
Das kleine würtembergiiche Städthen Blaubeuern bat 1475 eben-
jalld ein typographiſches Erzeugnis aufzuweiſen und in demſelben Jahre
tritt auch Trient mit einem Druckwerke auf.
In demjelben Fahre folgte auch Breslau. Zwar hat das 15. Yahr-
bundert nur Einen Druder aufzuweifen, Kafpar Elyan, deſſen richtiger
Name erjt dur K. Dziatzko feitgeftellt worden tft. Elyan war eigent-
ih Suffanter, d. i. Afiftent eines Kantors, und wurde 1477 durch Ver—
zicht ſeines Vorgängers zu feinen Gunften Kanonikus und Präbendar
der breslauer Kathedralkirche. Nur wenige Drude legen von jeiner
Thätigfeit Zeugnis ab.
Grit 1503 bis 1504 findet fich die Spur eines zweiten Buchoruders:
Konrad Baumgarten, der einige Jahre vorher bereits in Olmütz thätig
geweien war und ſpäter nach Frankfurt a. DO. überſiedelte. Er druckte
1503 Yaur. Gorvins „Carmen elegiacum de Apolline et novem
Musis“. Aufßervem find im 16. Jahrhundert noch zu nennen: Adam
Dyon, 1518 bis 1531, der ſchon 1512 feine Thätigfeit in Nürnberg
begonnen batte; Kaſpar Lybiſch, 1520 bis 1540, und Andreas Windler,
1538 bis 1555. Yesterer hatte auf der Univerfität Krakau ftubiert, war
zu Wittenberg Magifter geworden und befleivete in Breslau das Amt
eines Rektors zu St. Elijabeth. Er ijt bis dahin der bedeutendſte
Druder Breslau’s und zugleich Gründer der noch blühenden „Stabt-
buchdruckerei/. Im Anfange des folgenden Jahrhunderts errichtete der
gelehrte Profeffor und Arzt Peter Kirften zu Breslau eine arabijche
Druderei, aus welcher eine ziemliche Anzahl von Bänden hervorging;
er nahm jpäter jeinen Drudapparat mit nach Upfala, wo er 1640 ftarb.
174 übel, Roftod. Erfurt. [Zweites
Wenn auch nicht die erjte überhaupt, jo doch die erſte bedeutendere
jtändige Druckerſtadt Norddeutſchlands wurde Lübeck, wo die Thätigfeit
von Lukas Brandis, 1475 bis 1499, von Bartholomäus Gothan, 1480
bis 1492 und bejonders von Stephan Arndes von Hamburg, 1487 bis
1519, eine beträchtlihe Anzahl von Druckwerken ſchuf. Yekterer, ein
früherer Gehilfe Johann Neumeifters, der im nächften Kapitel eine Rolle zu
jpielen haben wird, war von Foligno nach Perugia, dann nach Schleswig
umd zulett nach Yübe gefommen. Hier zeichnet ihn bejonders der Drud
der zweiten nieberjächfiichen Bibel von 1494 aus. Weitere Druder Lübecks
find noch Georg Richolff und der, wenn auch mit Unrecht, ſprichwörtlich ge—
wordene Johann Ballhorn, 1531 bis 1599. Auch vudwig Dietz von Roftod
fam 1533 zum Behuf des Druds feiner erften niederſächſiſchen Übertragung
von Luthers Bibelüberjeßung nach Yübed, begab fich aber nach Vollendung
dieſes Prachtwerfs 1534 wieder nach Roſtock zurüd, wo er 1559 ftarb.
Bon lübiſchen Buchführern find aus jener Zeit zu nennen Paul
Knufflock?? und Yorenz Albrecht. Erjterer, eigentlih Buchbinder, war
nebenbei auch Schriftiteller und Überjeger. Er verlegte unter anderm
1569 zuerſt ein oft wieder gedrucktes Gebetbuch (Bedebok) und jtand
in lebhafter Gejchäftsverbindung mit den däniſchen Gebieten. Ebenſo
ausgedehnt waren die buchhändleriichen Beziehungen Yübeds zu den Oft:
jeeprovinzen; fie datieren bereits aus dem 15. Jahrhundert.
Der Zeit nach folgen Roftod, 1476, wo die „Brüder vom gemein:
jamen Yeben’ eine fruchtbare Thätigfeit entwidelten, und Prag, wo
1478 vie „Articuli Statuum Utraquisticorum in comitiis Nim-
burgensibus conclusi” lateinifh und czechijch gedrudt wurden; dann
Eichſtadt und Würzburg, wo 1478 und 1479 die Kunſt durch Mi-
chael und Georg Reyſer eingeführt wurde.
In Erfurt fand die Buchdruderkunft 1482 eine Stätte. Der erjte
Druder ift Paul Wider von Hornbach, bis 1485. Weiterhin druckten
Heverih und Marx Ayrer, welch letterer vorher in Nürnberg und jpäter
in Ingolſtadt gearbeitet hatte; ferner Wolfgang Schenf (Lumpabulus
Ganymedes). Der jonftigen Druder und Berleger Erfurts in der Zeit
des Humanismus wird im jechjten Kapitel gebacht werden. Nach Ablauf
diejer Periode finft der Buchdruck Erfurts zur Unbedeutendheit berab
und liefert, außer populärer Yitteratur, meift nur Yohnarbeit für aus:
wärtige Verleger; erjt im 18. Jahrhundert blüht er wieder auf.
Kapitel.) Paſſau. Memmingen. Münden. Reutlingen. Heidelberg. 175
Für Paſſau findet fich zwar bereits 1481 ein Drud: ein „Missale
Pataviense“; jedoch fennt man nur ein Fragınent, ven Sommerteil, wel
ber den Namen des Druders nicht nennt. Erjt 1482 treten die Namen
zweier Drudergenoffen auf: Konrad Stahel und Benedikt Mair, von
denen erjterer jepoch jchon 1484 nach Venedig wanderte und dann 1491
wieder in Brünn thätig war. Mair verband ſich dann mit Johann Al—
frew, der zwar auch jchon 1484 nad Winterberg in Böhmen 309, bald
darauf aber nach Paſſau zurückkehrte und bier noch bis 1492 arbeitete.
Memmingen erhielt im Jahre 1482 die Buchdruckerkunſt durch
Albert Kunne aus Dupderftadt, der von Trient aus dorthin überfiedelte.
Während jeiner vierzigjährigen Thätigkeit (bi8 1519) gingen 60 Werte
aus jeinen Preffen hervor, welche meiftenteil® jeine Druderfirma tragen.
München jpielt in der Gejchichte ver Buchdruckerkunſt feine beveu-
tende Rolle. Der erjte dortige Drud iſt 1482 eine deutjche Ausgabe
ver „Mirabilia urbis Romae“; Johann Schauer joll fie angeblich mit
Güntber Zainerjchen Typen geprudt haben. Ihm folgten Johann Schobjer,
der bereits jeit 1488 in Augsburg thätig gewejen war umd als bayrifcher
Hofbuchpruder nach München berufen wurde (1497 bis 1520) und fein
Sohn Andreas (bi8 1531); fie druckten vornehmlich deutſche Werke.
Reutlingen ift der Ausgangspunkt einer Reihe berühmter Buch—
druder, wie der Zainer, Othmar, Gryphius u. a. Johann Othmar
begann bier jeine Laufbahn 1482 und zog, wie jchon erwähnt, 1497
nah Tübingen. Ein zweiter Druder Reutlingens, Michael Greiff,
wirfte von 1486 bis 1509. Aus ihren beiverjeitigen Preſſen find zu—
jammen etwa 60 Werfe philofophijchen und theologijchen Inhalts hervor:
gegangen.
Die nächte Stelle nimmt Heidelberg‘? ein. Der erfte unzweifel-
baft fichere beivelberger Drud find die „Sermones Hugonis de Prato
fiorido“ von 1485. Derjelbe trägt feinen Drudernamen und ift e8 bie
jegt noch nicht feftgejtellt, ob das Werf einem der beiden namentlich
befannten Eritlingspruder der Stadt, Heinrich Knoblochtzer und Fried—
rich Miſch, zugejchrieben werden darf, denn erfterer war 1485 bis 1488
in Straßburg thätig und fam dann erjt nach Heidelberg, letzterer aber
nennt fich erjt 1488 auf einem Drudwerf. Der von Aloys Schreiber **
titierten Grabjchrift eines angeblichen eriten heivelberger Druders im
Auguftinerflofter over Collegium Sapientiae zu Heidelberg: „Haus
176 Heidelberg: Hieron. Commelin. Philipp und Gotthard Vögelin. [Zweites
von Laudebach ijt mein nam, Die erjten Bücher trudt ich zu Rom, Bitt
vor mein Seel, Gott gibt dir fon, Starb 1514 auf Sankt Stephan“,
fann bei dem Mangel fonjtiger Nachrichten über dieſe Perjönlichkeit
vollends fein Gewicht beigelegt werden. Im Jahre 1513 erjcheint dann
zum erjten mal ein förmlich angenommener Univerfitätsbuchhruder, Jakob
Stavelberger, von dem man jedoch auch nur ein einziges Druckwerk
fennt.
Die Univerfitätsftant Heidelberg ſcheint fein für den Buchdruck und
Buchhandel günftiges Terrain gewejen zu fein, denn erjt 1561 zeigen
fich wieder Spuren eines Druders; in dieſem Jahre druckte Ludwig Yud:
„Plutarchi vitae parallelae”. Dann folgen Johann Majer, der von
1563 bis 1577 den heivelberger Katechismus, und Michael Schirat, der
1567 eine Schrift des unglüclichen Superintendenten Johannes Syl—
vanus (1572 wegen firchlicher Streitigfeiten enthauptet) druckte. Gleich—
zeitig erjcheint Martin Agricola, der aber ebenjo wie Jakob Müller,
1576 bis 1583; Johann Spieß, 1582 bis 1584; Abraham Smesmann,
1589 bis 1593, nur eine geringe Thätigfeit entwidelte. Erſt mit dem
Jahre 1587 bis 1598 tritt die Zierde der Buchdruder Heivelbergs in
dem gelehrten Hieronymus Gommelin, geboren 1560 zu Douay, auf.
Seine Klaffiferausgaben fteben den Eſtienneſchen an fritiichem Werte
nicht nach; der größte Teil verjelben trägt gar nicht den Ortsnamen,
jondern einzig die Unterjehrift „Apud Commelinum“ over „Ex offi-
cina Sanetandreana”. Die lettere Bezeichnung ift aus dem Namen
des Faftors der Druderei gebildet. Mit Übergehung anderer Druder,
die zum Teil zugleich Buchführer waren, feien noch die Gebrüder Philipp
und Gotthard Vögelin aus Leipzig (1599 bis 1629) genannt. Sie er-
hielten Drudprivilegien auf Schulbücher. Neben ihrer Druderei in
Heidelberg errichteten fie noch eine zweite in Yadenburg; aus beiven ging
eine große Zahl beveutender Schriften hervor, darunter die von Mar—
quard Freher verfaßten. Gotthard Vögelin (fein Bruder war wohl in-
zwiſchen gejtorben) erhielt 1612 die Bewilligung zum unbejchränften
Berlags- und Sortimentsbuchhandel. Aber wie feinen Vater, verfolgte
auch ihn das Unglück. Bei der Erjtürmung Heidelbergs durch Tilly
und bei der Verheerung der Umgegend fam er um jeine ganze Habe;
verarmt lebte er noch 1629 mit drei Kindern zu Worms.
Die alte NReichsftant Regensburg ift im Jahre 1485 mur mit
Kapitel.) Münfter. AIngolftadt, Hagenau. Hamburg. 177
Einem Drude aufzuführen; es ift dies ein Meiffale, welches Johann
Senſenſchmid in Gemeinjchaft mit Johann Bedenhub aus Mainz im
Auftrage Des Biſchofs Heinrich vollendete.
Miünfter, die Hauptftant Weftfalens, verdankt die Einführung des
Buchdrucks dem gelehrten Domherrn Rudolf von Langen, deſſen latei-
niſche Gedichte als erftes daſelbſt erjchienenes Buch von Johann Yimburg
im Jahre 1486 geprudt wurden. Zu einer größern Bedeutung hat fich
job die Preſſe Münfters nie erhoben. Im das gleiche Jahr (1486)
wird der Erftlingsprud von Stuttgart gejeßt.
Als erjte Druder in Ingolſtadt find Johann Kachelofen, 1490,
Marr Ayrer und Georg Wyrffel, 1497, zu nennen, während für das
16. Jahrhundert daſelbſt namentlich die Thätigfeit der Familien Weißen-
born und Sartorius bervortritt; fie entiwidelten eine ganz bedeutende Ver-
lagöthätigfeit.
Nach dem oben jchon erwähnten Stendal (1488) verdient Hagenau,
die fleine Neichsftadt im Eljaß und frühere Stätte eines ausgebreiteten
Handjchriftenhandels, wegen der überrafchenden Rührigkeit jeines erften
Druders Heinrih Gran, 1489 bis 1527, ganz bejonders hervorgehoben
zu werden; über 200 Drude gingen aus jeinen Prejfen hervor. Gran
war jedoch nur Yohndruder; die intellektuelle und materielle Triebfever
jeiner großartigen Thätigfeit war der Buchführer Johann Rynmann
in Augsburg, für welchen die meiften diefer Werfe gebrudt wurden.
Neben ihm wurde Gran auch noch von andern Verlegern mit Aufträgen
verjeben, jo von Johann Knoblauch in Straßburg und von Konrad Hift
in Speyer. Daß Thomas Anshelm im Jahre 1516 von Tübingen nad)
Hagenau überfievelte, wıirrde bereits erwähnt. Sein Nachfolger Iohannes
Secerius aus Yaucha, 1519 bis 1535, trat ebenbürtig in jeine Fuf-
ftapfen.
Im Jahre 1491 folgt Hamburg. „Fir Hamburgs Gejchichte”, jagt
Yappenberg ®?, „ijt neben dem 13. Jahrhundert, in welchem es feine
bürgerliche Freiheit und eine politijche Bedeutung erhielt, das 16. das
mwichtigite, und durch die manchen aus demſelben zu uns gelangten Kun—
den das anziehendfte. — Die Buchorudergefchichte Hamburgs, über deſſen
Kingmauern binausjchreitend, führt uns ein anfchauliches Bild feines
damaligen Horizonts vor. Der kraffefte Fatholijche Aberglaube, Bocca—
jens Zauberrede bis zu den Ohren der niederfächfiichen Bürger gedrungen,
Kopp. I. 12
178 Hamburg: Hans Borchardes. Joach. Löw. Georg Heinr. Froben. [Zweites
die Neformatoren und der intriguierende König von England, alle vie
stönige von Dünemarf, ihre Krönungen, VBermählungen und andere Felte
bis zur legten Feier, die Adiaphora und die Saframentierer, die geiſt—
lichen Lieder, die Peſtilenz und der Kircbenbrand, die Kalenderweisheit
und Ajtrologie, die dürftige Naturkunde und Medizin, die Rechtsbücher,
befjer redigiert, deren Druck das Recht dem myſtiſchen Dunkel und ver
Vergefjenheit entreißend, es vor jedes Bürgers Schwelle brachte, Die
auffeimende gründliche Philologie, die Kunde des längft entichwundenen
häuslichen Yebens und erjten Unterrichts, — dieſes und jo manches
andere, was die der Gegenwart frohen Enkel nicht ganz vergeffen jollen,
fieht das Auge in den Büchertiteln vor fich vorüberziehen.“ Dem gegen-
über find die Anfänge der Buchdruderei Hamburgs im 15. Jahrhundert
nur dürftiger Natur. Es waren die Brüder Hans und Thomas Bor-
chardes, welche dajelbjt 1491 mit einem Inteinifchen Gebetbüchlein, ven
„Laudes b. Marie virginis“, als ihrem Erftlingsoprud hervortraten;
Hans drudte bis 1510, in welchem Jahre noch einige Bücher in nieder-
jüchfiicher Sprache bei ihm erjchienen. Hamburg trat gleich in der
erſten Zeit eifrig für die Sache der Reformation ein, weshalb die dortige
Slugjebriftenlitteratur (meift ohne Namensangabe der Druder) eine aus-
gedehnte ift. Bedeutender war der Buchdruck Hamburgs im 16. Jabr-
hundert aber ganz bejonvders für die Verbreitung der niederſächſiſchen
Pitteratur. Es wirkten 1523 bis 1531 der ſchon feit Ende des 15. Jahr—
hunderts in Lübeck thätige Jürgen Nicholff, 1536 und 1537 Franz
Rhode, der aus Marburg gekommen war. Der beveutendfte Druder
der Stadt wurde aber Joachim Louwe, Lewe oder Yöw, deſſen Thätigfeit
von 1549 bis 1569 reicht. Ihm folgte fein Sohn gleichen Namens bis
zum Jahre 1589. Bis zum Ende des Jahrhunderts finden fich noch
ein Dutzend andere Druder, deren jpezielle Aufzählung aber zu weit
führen würde. Nennenswert iſt aus jpäterer Zeit nur noch der gelehrte
Georg Ludwig Frobenius (von 1602 an), ein Nachtomme des berühmten
bajeler Druders. Bon Buchführern ijt eine ziemliche Reihe bekannt,
ohne daR etwas bejonderes über fie zu berichten wäre.
Der Schluß des 15. Jahrhunderts bringt nun noch das Auftreten
der Buchdruckerkunſt in einigen Heinern deutjchen Städten, die aber des
Bemerfenswerten jo gut wie nichts bieten. In Freiburg im Br. ift
es Kilian Fiſcher oder Piscator, der 1493 das erjte Buch drudte,
Kapitel.) Kleinere Städte, 179
während neben ibm gleichzeitig auch Friedrich Riederer thätig war; letz—
terer gab 1493 das von ihm jelbit fompilterte populäre Rechtsbuch
„Spiegel der wahren Rhetorif” heraus. In dem gleichen Jahre, 1493,
trat envlib Yüneburg, 1494 Oppenheim, 1495 Freijingen und
1496 Offenburg in die Reihe der Drudijtädte.
So war der Boden befruchtet, das Haus bereitet, auf welchem fich
im 16. Jahrhundert der deutſche Buchhandel kräftig entwidelte, in wel-
chem er fich in gejcbäftlicher Cigenart einrichten konnte. Bevor aber bie
Schilderung dieſer Entwidelung gegeben wird, ift es erforderlich, erjt
noch einen Blid auf die Verbreitung der Kunſt außerhalb Deutjchlands,
ale Grundlage der Beziehungen des deutjchen Buchhandels zum Aus-
lande, und auf das Objekt, mit welchem er arbeitete, auf das „Buch“
jelbjt in feiner gejchichtlich gewordenen Form, zu werfen.
Drittes Kapitel.
Die Verbreitung der nenen Kunft im Auslande.
Der Wanderzug der deutichen Buchdrucker. — Schweinheim und Bannark. — Deutjche
Druder in Rom. — In Venedig. — In den übrigen Städten Jtaliens. — Die
Wanderdruder. (Johann Neumeifter.) — Deutiche Pruder in Franfreih, — Neu:
meifters weitere Wanderungen. — Verbreitung der Kunft in Frankreich. — Deutiche
Druder in Spanien und Portugal. — VBuchdrud in den Niederlanden. — In Eng:
fand. — In Dänemark und Schtweden.
Im Mittelalter zogen die deutſchen Kaijer, die Kräfte des Landes
in zu weit gegriffenen Zielen vergeudend, mit Roß und Reifigen über
die Alpen, um mit den Waffen in der Hand neue Reiche zu gründen
oder die Freiheit der Städte zu vernichten. Che aber noch das 15. Jahr—
hundert in jein leßtes Drittel getreten war, begannen deutjche Schrift-
jeger und Druder in frienlichen Groberungs- und Siegeszügen ſich über
ganz Italien zu zerjtreuen und als „Waffenjchmieve ver Bildung“, wie
der jpanifche Dichter Yopez de Vega fie nennt, der Erfindung Guten:
bergs in der Heimat der KRenaiffance Eingang zu verjchaffen. So ſühn—
ten die niedrig geborenen Söhne Deutſchlands doppelt, ja dreifach die
Fehler und Irrtümer ihrer Fürſten. Was dieſe fleinen Yeute, als fie
gen Süden wanderten, in ihren bejcheivenen Nänzlein trugen oder auf
einem zerbrechlichen Handwägelchen zogen, unjcheinbare, metallene Typen,
dürftige hölzerne Preffen, das jtahl ihnen fein Räuber, das nahm ihnen
fein Zöllner, und was fie im Kopf mit fich führten, die Kunſt, Taufende
und Millionen jolcher Fleinen Buchjtaben als geflügelte Herolde des Ge—
danfens in die Welt zu jenden, das ahnten weder vornehme Nitter,
noch jtolze Fürſten, weder hochmütige Kardinäle, noch unfehlbare Päpite,
[Drittes Kapitel.) Subiaco: Schweinheim und PBannark. 181
Ein berühmter Benediktiner, der Kardinal Johann Torguemada (Tur—
recremata), veranlaßte die Berufung der erjten deutjchen Druder nad
Stalien. Er war in feinen jüngern Jahren Kommendatarabt des etwa
14 Stunden öftlih von Rom gelegenen Benediktinerkloſters Subiaco ge:
wejen. Unter den dortigen Mönchen befand fich um 1462 eine Anzahl
Deutjcher, welche durch ihre Erzählungen von der neuerfundenen Kunſt
in Turrecremata nicht allein eine große Begeifterung für den Bücher:
druck erwedten, jondern auch den Wunſch in ihm rege machten, deutſche
Setzer und Druder nah Italien zu ziehen. Von ihm ermuntert, luden
denn auch die deutſchen Mönche zwei ihrer Landsleute ein, nah Subiaco
zu fommen und im dortigen Kloſter eine Druderei zu errichten. Es
waren dies Konrad Sweynheim (Zchweinheim aus Schwanheim, einem
am Main zwiichen Mainz und Frankfurt gelegenen Dorfe) und Arnold
Bannark aus Prag, jehr geichiete, fleißige und für ihre Kumft begeifterte
Schüler Gutenbergs. Schon 1463 oder 1464 müffen fie über die Alpen
gezogen und in Subiaco zu Anfang 1464 angefommen jein, da ihr erjter
Drud, der Donat, von welchem inveffen fein Eremplar auf unfere
Zeiten gefommen it, bereits gegen Ende 1464 erjchien, während ihr
Yactantius, ein Folioband von 368 Seiten, nur wenig fpäter, am
29. Dftober 1465, ausgegeben wurde Nach Fumagalli's! gründlichen
Forſchungen iſt es jogar gewiß, daß zu Anfang des Jahres 1465 zwi:
jchen vieje beiden Bücher noch ein Cicero „De Oratore” von 216 Seiten
fällt. Daß Schweinheim und Pannark ihre Typen nicht fertig gegoffen
mitgebracht haben, beweien ihre Drude, denn während in Deutjchland zu—
nächſt nur gotische Typen gebraucht wurden, bebienen fie fich zuerft latei-
niſcher Typen, der Antiguajchrift. Die Anfertigung der Matrizen, der
Guß der Schriften, die Herftellung der Preffe, kurz die vollftändige Ein-
richtung der Druderei muß unter diejen Umſtänden gewiß eine Zeit von
anderthalb bis zwei Jahren in Anfpruch genommen haben. Dem Eifer
diefer Männer und ihren ftaunenswerten Yeiftungen entiprach jedoch nicht
pie Aufnahme, welche ihre Drude in den litterarischen Kreifen Italiens
fanden. Die Bücherliebhaberei war damals noch nicht jo entwidelt, daß
Die Käufer, jelbjt wenn fie von der neuen Kunst gehört gehabt hätten, Die
bejchwerfiche Reife ins Gebirge gemacht haben würden. Sodann war
die Verbindung des Klofters mit der Außenwelt zu jpärlich, als daß ſich
von dort aus ein regelmäßiges Geſchäft hätte aufbauen laffen. Die Be:
182 Ihre Überfiedelung nah Rom. Mißerfolge. [Trittes
pürfniffe der benachbarten Klöſter aber, ſelbſt wenn jolche vorhanden
waren, ließen jich mit nur wenig Erempfaren befriedigen. So guben
denn die beiden deutjchen Druder, nachdem fie noch am 12. Juni 1467
des heiligen Auguftinus „De Civitate Dei” in Zubiaco vollendet
hatten, ihre Druderei dort auf und fiedelten mit ihr nach Nom über.
Hier fanden fie in dem Palaft ver Gebrüder Pietro und Francesco
ve Maffimi gaftliche Aufnahme und arbeiteten bis 1472 rüftig weiter.
Namentlich richteten fie ihr Hauptaugenmerk auf die Vervielfältigung
der römischen Klaffifer, einiger Kirchenwäter und Bibelfommentare. In
diejer verhältnismäßig kurzen Zeit druckten fie nicht weniger als 36 Werte.
Aber auch in der Ewigen Stadt entjprach der Abſatz nicht ihren Er-
wartungen. Schon im März 1472 fahen fie ficb gezwungen, ihre Thä—
tigfeit einzuftellen. Johannes Antonius de Buxiis, Biſchof von Aleria
und Sefretär der vatifanifchen Bibliothek, welcher Korrektor und Heraus—
geber fast aller bei Schweinheim und Pannark in Rom geprudten Werke
war, richtete deshalb am 20. März 1472 in der Vorrede zum fünften
Bande der von ihnen gedruckten Nikolaus de Lyra'ſchen Bibelerkflärung
an Sirtus IV. die Bitte, den um die Wiffenfchaft fo hochverdienten
und unverſchuldet in Not geratenen deutſchen Drudern bilfreich beizu-
jtehen, und legte dem Papft zugleich ein vollſtändiges Verzeichnis der
von ihnen in Subiaco und Nom geprudten Werfe vor. Beide Aften-
ftücfe find dadurch von bejonders hohem Wert, daß fie nicht nur das
ältefte Zeugnis eines bedeutenden Zeitgenojfen won der eriten Thätigkeit
und den Leiden beutjcher Druder in Italien enthalten, jendern daß fie
auch einen Blick in die gefchäftlichen Anfänge ver jogenannten Inkunabeln—
zeit gewähren. Leider finden fich die Preife der einzelnen Bücher nicht
angegeben; indejjen auch ohne dieje Zugabe find beide Urkunden jo wich
tig, daR fie wörtlich hier mitgeteilt werden müſſen:
„Allgemein und bekannt” — jo beginnt jener Brief Buſſi's an den
Papſt? — „war ehedem unter den Heiden die Meinung, allerheiligiter
Bater Sixtus IV., erhabenfter Pontifer, daß alles den Göttern, die
Götter jelbft, auch jene zwölf auserwählten obern und «die Srofen »
genannten, der Einen Notwendigkeit jtändig gehorcht und daß fie unter
allen Gottheiten ohne Berufung ihr mächtiges Herricheramt ausgeübt
haben. Damit dies nicht auch unter ven Chriften in Wahrheit ausge-
jprechen werde: dem kann Deine Weisheit und Milde vor allem be:
Kapitel.) Ihre Petition an Eirtus IV. Ihre Leiftungen. 183
gegnen und daß Du Dich gnädigſt berablaffeit pem zu begegnen, Das
erflehen von Dir die Diener Deiner Heiligkeit Konrad Sweynheim und
Arnold Pannark, unjere Druder und erjten Meifter dieſer ſehr nütz—
lichen bildneriſchen Kunft in Italien, die größten Arbeiter in der Stadt,
indem fie vor Deinen allerheiligiten Füßen den Deine Spuren tragenden
Staub küſſen. Denn ich, Dein Gejchöpf, habe die übrigen Briefe im
eigenen, diefen im Namen jener, jowohl früher an Deinen Vorgänger,
als auch ſpäter an Deine erhabene Majeftät gerichtet. Die Klage nun
der Buchdrucker, welche jett unter jo großen Papierftößen in Not find
und, wenn nicht Deine Freigebigfeit ihnen beifpringen wird, in Mangel
geraten, iſt, heiligjter Vater, folgende: Wir aus Deutjchland haben als
die erſten diefe jo nütliche Kunft an Deiner Römiſchen Kurie unter
vielen Mühen und Koften zur Zeit Deines Vorgängers eingeführt. Wir
Meifter haben die übrigen Buchhändler durch unfer Beifpiel angeregt,
ein GHeiches zu wagen. Wir haben den übrigen, welche fich wegen ber
Größe der Ausgaben bei einem jo großen Geſchäft entweder durchaus
oder größtenteils feinen Rat wußten, mit friſchem Mut und verdoppelten
Kräften unter den größten Schwierigkeiten widerſtanden. Jetzt endlich,
in unſerer Yebensfraft geknickt, flehen wir Deine erhabene Hilfe an.
Wenn Di das Verzeichnis der von uns gedrudten Werfe vurchgelejen
baben wirſt, wird ſich Deine apoſtoliſche Hoheit, ehrwürdigſter Vater,
wundern, daß für diefe Menge Bücher ſowohl Pergament als auch Papier
ausgereicht haben. Und damit Dur, ſchon genügend von Deinen ober-
birtlicben Sorgen in Anspruch genommen, diefen Brief durchlieſt, ſoll
er nichts anderes enthalten. Denn ſobald Du die Namen fo großer
Scriftitellee vernommen haft, wirft Du nicht umhin können (wenn
anders wir Dein Wohlwollen richtig beurteilen), daß Du uns jchleunigst
zu Dilfe kommſt und Dich durch feine Beſchäftigung oder Schwierigkeit
davon abichredfen läßt. Gedruckt find durch unſern Fleiß, allerbeiligiter
Bater, folgende Werfe, welche wir der Reihe nach hier unten für Dich
aufzüblen:
Donati pro puerulis, uumero 300°... 2 2 2 300
Lactantii Institutionum volumina 825
1465. In monasterio Sublacense . . 2 275
1468. In domo Petri Maximi . . 2 2 227
275
1470 » » » » 2 826
184 Schweinheim und Bannarp’ Berlagsverzeichnis. [Drittes
Ciceronis Epistolarum familiarium volumina 550.
BAG 0 rc ve ee ee an a
149 .... eb 550
Ciceronis Epistolarum * —— — 275 (1470) . . 275
Speceuli humanae vitae (Roder. Zamorensis) volu-
mina 300 (1468) . . . rt er ER
Augustini De Civitate Dei — 895,
1467. In monast. Sublac. . 2 2 2 2275
LEBU. 2 ana Sa a a a er
SEEN. 3-70 u nee 825
Hieronymi Epistolarum ii — — 1100.
1468 vol. J, II zu 2e238.. 550
1470 » LI» 2755. 550 1100
Ciceronis de Oratore cum caeteris volumina 550. —
In monast. Sublac. . . » 2 2 2 2275
BIBI: u a re 550
Cieceronis Operum omnium in nlälosophia — 550.
1469. De Ofücis -. - - » 2 2 22275
1471. Opera philosophica . . . . 275 550
Apulei Platonici cum Aleinoo volumina 275 (1468) RE;
Gellii Noctium Atticarum volumina 275 (1469). . . . . 275
Caesaris Commentariorum gall. et civil. bellorum volu-
mina 275 (1469) . . . 2... +27
Defensionis (Bessarionis) divi Platonis — 300
(1469) . . 300
Virgilii Maronis Dass omnium —— 550.
2. d. (ꝰ 146063... 2175
s. d. (7114711). . 275 550
Livii Patavini cum epitomate omnium ——— —
mina 275 (?1469). . . . nn ET
Strabonis Geographiei volumina 275 @ 1469) . ar ar BE
Lucani Volumina 275 (1460). . . . > 275
Plinii Veronensis de naturali historia — 300 a4 0) . ...300
Suetonii Tranquilli de XII Caesaribus volum. 275 (1470) . . 275
Leonis Papae Sermonum Volumina 275 (1470). . . .....275
Quintiliani Institutionum orator. volumina 275 (1470) . . 275
Thomae Aquinatis continui, id est Catenae Aureae
vol. 550 (1470).
2 partt. U ZB... 5 0 0 re ee MO
Kapitel.) Ihre Bittichrift an Sirtus IV. 185
Cypriani Epistolarum volumina 275 (1471). 2. 2 2.2...275
Bibliae cum opusculo Aristeae volumina 550 (1471).
2 partt. u 275 .... .....550
Silii Italici cum C. Calphurnio et Esiodo * 275 (1471) .:. 275
Ciceronis Orationum cum invectivis omnibus in Anto-
nium, Verrem, Catilinam et caeteris volumina 275(1471) . . 275
Ovidii Nasonis Metamorphoseon et Elegiarum omnium
vol. 550.
2 partt. zu 275... el Si, wer rn Dan ie 6 - OR
Nicolai de Lyra volumina 1100.
vol. 0 4, 5 zu 2785.. ee 1200
(vol. 2 erſchien erſt nad) vol. 5)
Summa 12475
„Die Zahl aller diejer Bände, heiligfter Vater, beläuft fich, wie Dein
Wohlwollen erjieht, auf 12475, wenn wir nicht irren: ein gewaltiger
und für und, Deine Druder, foweit er noch vorhanden ift, umerträg-
licher Ballaft, wegen jener Notwendigkeit, die wir zu Anfang unjers
Briefs erwähnten, denn der bedeutende Aufwand für den Lebensunter—
halt kann beim Mangel an Käufern nicht länger von uns getragen
werden. Und für den Mangel an Käufern gibt es fein gewichtigeres
Zeugnis, ald daß unfer ziemlich großes Haus voll von Quinternionen
it, leer aber von nützlichen Gegenftänden. Auf Dir aljo, gnädigſter
Vater, der Du jo weife und jo gelehrt bit, beruht unjere Hoffnung;
an Dir iſt's, unjerm Mangel an Mitteln abzuhelfen, damit wir nicht
untergehen. Gewähre uns von dem erhabenen Throne Deiner Majeftät
aus Hilfe. Wir find bereit, nach Deinem gnädigen Ermeffen an unjerer
Ware, d. h. von unſern gedrucdten Bogen, Dir jo viele und zwar die—
jenigen zu übergeben, welche Du wünſcheſt. Deine außerordentliche Güte
möge uns eine Anjtellung verleihen, von welcher wir uns umd die Unjeri-
gen ernähren können. Die Koften, welche wir allein durch die Heraus:
gabe ver Bünde des Nikolaus von Lyra gehabt haben, find jo groß ge:
weien, daß uns zum Yeben nichts mehr übrigbleibt. Wenn wir unfere
Werke verkaufen könnten, würden wir von Deiner Milde nicht allein
nichts erbitten, ſondern vielmehr in der gegenwärtigen Zeit, in welcher
Du, wie wir wiſſen, vieles entbehrſt, Dir ſelbſt das Unſerige anbieten,
und wir werden es thun, ſobald uns mit Deiner Unterſtützung das Glück
186 Rom: Schweinheim und Pannartz' Ausgang. [Drittes
freundlicher anlächelt. Inzwiſchen, heiligfter Vater, möge uns Dein Er-
barmen helfen, weil wir gar zu arım geworden find. Mögeft Du immer
gejund und glücklich fein! Nom, am 20. März 1472, im eriten Jahre
Deines erlauchten Pontifikats.“
Diefer Notjchrei des Biſchofs verhallte jedoch ungehört. Sirtus hatte
entwever fein Geld oder wollte feins hergeben. Schweinheim und Ban:
narg fonnten alſo ihr Geſchäft nicht fortjegen. Jener widmete ſich dann
im Rom der Nupferftecherfunft und machte mit Domitianus Calderinus
die erjten Verſuche, Yandfarten für die Buchoruderpreffe in Kupferhoch—
jchnitten berzuitellen, wie das aus der VBorrevde zu Ptolemäus’ „Geo—
graphie” hervorgeht, Beide Künstler jtarben aber ſchon drei Jahre ſpäter.
Die Weiterführung des Werfes übernahm alsdann Arnold Pannart, der
e8 1478 vollendete. In der Schlußfchrift nennt er ſich merkwürdiger—
weile Arnold Buding und gab dadurch zu dem noch heute verbreiteten
Irrtum Beranlaffung, daR ein anderer deutjcher Kupferftecher dieſes
Namens die Vollendung des Werkes übernommen habe. Raidel bat
jedoch ſchon 1737 ven Beweis der Identität beider Namen geführt. 3
Mit demſelben Jahre 1478 verliert fih dann auch die letzte Spur von
Pannartz.
Die reichſte, aus 21 Bänden beſtehende Sammlung der ſchönen
Schweinheim und Pannartzſchen Drucke findet ſich in der baſeler Univer—
ſitätsbibliothek, welche ſie, teilweiſe in prächtigen Pergament-Exemplaren,
von Johannes Heynlein de Lapide (vom Stein) geſchenkt erhalten hatte.
Austattung und Druck find gleich ſchön. Die gut gejchnittenen und ge:
goffenen Schriften ihrer Ausgaben von Subiaco erinnern zwar noch
etwas an die gotische Type, nähern jich aber jchon der römijchen, wäh—
rend die Thpen der von ihnen in Rom vollendeten Werke den reinen
Antiquajchnitt aufweiſen. Das Papier ift gut und vortrefflich geleimt,
die Echwärze ausgezeichnet; die Ränder find breit und groß. Für vie
griechiichen Stellen im Yactantius ift im Anfange dev Raum frei-
gelaffen, um ihn ſpäter mit der Never ausfüllen zu können; erſt jpäter,
gegen Ende des Buchs, finden ſich auch gebrudte griechiſche Stellen,
aber jtets von fleinerm Schriftgrade und noch ohne jeden Accent over
Spiritus. *
Tas Beiſpiel diejer erjten Pioniere fand zahlreiche Nachfolger, ebe
noch etwas Zuverläſſiges über ihren Erfolg oder Mißerfolg befannt fein
Kapitel.) Rom: Ulrich Hahn. Georg Lauer. 187
fonnte. Italien, das Yand des klaſſiſchen Altertums und die Wiege der
Renaiſſance, und Rom, der Sit des Oberhauptes der Chriftenheit, die
Ewige Stadt, die Schniucht aller Norbländer, zogen die Jünger der
neuen Kunft mit derjelben zauberhaften Gewalt an fich, welche fie feit
Jahrhunderten ſchon auf die deutjchen Ritter, Geiftlichen und Gelehrten
ausgeübt hatten. Natürlich ftanden Rom, Venedig und Mailand in erjter
Linie, allein auch nach den Hleinern Orten der Dalbinjel fanden die Schü—
fer Gutenbergs ihren Weg und arbeiteten Dort wenigjtens vorübergehend.
Wer nicht berufen wurde, kam aus freiem Antrieb und half den Bücher:
druck bis im die abgelegenjten Teile Italiens tragen.
In demfelben Jahre (1467), in welchem Schweinheim und Pannark
die erfte Ausgabe der Briefe Cicero's veröffentlichten, trat auch Ulrich
Hahn aus Ingolſtadt (Udalricus Gallus, Alamanus de Ingolftadt oder
de Bienna, wie er fich jelbit nennt), zuerit in Nom auf.? Er vollendete
bier am 31. Dezember 1467 vie „Meditationes Joannis de Turre-
cremata“ in großer gotifcher Schrift und verfah fie mit 34 Holzichnitten.
Dahn druckte in den folgenden Jahren noch verjchiedene Werfe und ſchloß
jpäter einen Gefellichaftsvertrag mit feinem Schüler und Gehilfen Simon
Nikolaus de Yucca. Beide arbeiteten dann eine Zeit lang gemeinfchaft-
ih. Wie lange der Vertrag gedauert Hat, das fteht nicht feit, doch
finden fich datierte Drude bis 1474. Hahn felbft arbeitete bis 1478;
wenigſtens geben feine datierten Drucke nicht über dieſes Jahr hinaus.
Der gelehrte Campanıs, Bijchof von Teramo, war fein Gönner und
zugleich fein jo eifriger Korrektor, daß er fih nur drei Stunden Schlafs
geitattete. Im der Hahnſchen Druckerei würde, wie Campanus in einer
Schlußſchrift die Nömer belcehrte, an einem einzigen Tage fo viel
Lehrſtoff fertig geitellt, als in eimem ganzen Jahre gefchrieben werben
könnte.
Auch der Würzburger Georg Yaner wurde 1469 von einem heben
geiftlichen Würdenträger, dem Kardinal Caraffa, nach Rom berufen und
prudte bier, anfangs im Klofter des heiligen Euſebius, von 1469 bis
1481. Seine erfte Arbeit war die lateiniſche Überjekung der „Homilien
des Chryſoſtomus“ von Franz Accolti von Arezzo. Am Jahre 1472
verband er ſich mit Leopold Pflügel und lieferte in Gemeinſchaft mit
ihm manches treffliche Werk, trennte fich aber nach Verlauf von kaum
zwei Jahren wieder von ihm. Zein letter datierter Drud ftammt aus
188 Nom: Schnelles Wachstum der Buchdruderthätigfeit. [Drittes
dem Jahre 1481. Gelehrte Männer, wie Pomponius Yaetus und Pla:
tina, waren feine Korreftoren.
Die Ewige Stadt zählte bereits bis zum Jahre 1500 nicht weniger als
199 Preſſen und 23 deutſche Druder. Bekannt gemacht haben fich unter
ven fettern namentlich Johann Schurener aus Boppard (1474 bis 1475),
Adam Roth, Glericus aus Meb (1471 bis 1474), Eucharius Silber
aus Würzburg, auch Argenteus und Frand genannt, welcher ſchon 1478
eine Druderei in lebhaften Gange hatte und 1490 die Gicerontanijchen
Briefe an Atticus berausgab; Stephan Pland aus Paffau (1479 bis
1499), früher Druder in Hahns Haufe, und ferner Theobald Schent:
becher (1473); Johann Reynard (Reinhard ?) von Ehningen (1473 bis
1476), der als Wanderdrucker vorher auch in dem Städtchen Trevi auf-
trat, wo er 1470 die Buchdruckerkunſt einführte. Auch Johann Gens-
berg (1473 bis 1474), Georg Sachjel von Reichenthal, zujammen mit
Bartholomäus Goltih won Hohenbart (1474), Johann Nikolaus Dans
heymer von Oppenheim (1474 bis 1475), Bartholomäus Guldinbeck von
Sult (1475 bis 1481), Veit Bücher (1475 bis 1478), Wolfgang Gallus
(1476), Johann Bremer over Bulle (1478 bis 1479), Georg Herolt
von Bamberg (1481), Johannes Hugo von Gengenbach (1482 bis 1485)
und beſonders noch der bereits in Bajel erwähnte Johann Beſiken aus
Befigheim, alle diefe Jünger der neuen Kunſt halfen jie in Italien
einbürgern,
Schon lange vor Ende des 15. Jahrhunderts hörte die Erfindung
auf, ausjchlieklich von Deutſchen ausgebeutet zu werden. Italiener, welche
bei deutſchen Drudern gelernt hatten, arbeiteten zumächjt allerrings zu
ihrer weitern Ausbildung bei diefen, affociierten ſich dann mit ihnen
und errichteten jchlieglich ihr eigenes jelbjtändiges Geſchäft. Derſelbe
Prozeß vollzog fich, wie in Italien jo auch in andern Yändern, wie in
Frankreich, Spanien und Portugal.
Der Zeit nach jünger als Druderftant, aber an Yeiftungen viel be-
beutender als Nom, ift Benedig. Auch bier waren es Deutjche, welche
die ars teutonica einführten und ausbilvdeten, aber ihre Vollendung bald
den Söhnen des Yandes überließen.
Venedig war damals die reichite Stadt Italiens, zählte mehr als
200000 Eimvohner und ſtand auf dem Höhepunkt feiner politifchen und
kaufmännischen Größe. Als alter Vermittler, namentlich des orientalt-
Kapitel.] Venedig: Seine Bedeutung. Johann und Wendelin von Speyer. 189
iben Handels mit Europa, als Sit des feinften Geſchmacks und geijt-
reich realiſtiſcher Kunſt, förderte e8 zugleich das Kunftgewerbe zu feltener
Tolffommenbeit und bot auch der wifjenjchaftlichen Thätigfeit einen freien
und günftigen Spielraum. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
hatte hier die Gelehrjamfeit eine bleibende Stätte gefunden. Der Kar—
dinal Beſſarion (gejtorben 1472) jchenfte dem Senat feine einzig da-
ſtehende Sammlung jeltener und wertvoller griechijcher Handſchriften und
legte damit den Grund zur großen Markus-Bibliothek. Die griechijchen
Slüchtlinge, welche ſich nach dem Falle des griechifchen Kaiſerreichs haupt-
jächlich nach der Dogenftadt, als dem ihnen am feichtejten zugänglichen
Hafen, gewandt hatten, fchufen bier dem Studium des Griechijchen einen
glänzenden Mittelpunkt, an welches die übrigen Gelehrten das des klaſſi—
ſchen Altertums anjchloffen. Es galt ihnen nicht allein, die alten Quellen
zu ftudieren, jondern auch neue zu erjchließen und aller Welt zugänglich zu
maden. Die Erfindung Gutenbergs kam diefem Bedürfnis jo ſchnell zu
Hilfe, als wenn fie ausprüdlich zu einem fo edeln Zweck bejtellt worden
wäre. Wie die deutjchen Kaufleute von Um, Augsburg, Negensburg,
Nürnberg und jelbjt aus dem Norden jchon vom 13. Jahrhundert an,
namentlich aber während des ganzen 15., einen lebhaften und gewinn-
reihen Handel mit Venedig getrieben, wie fie ihre Söhne dahin als
auf die hohe Schule des Handels gejandt hatten, jo lenkten jett auch
die deutjchen Druder ihre Schritte nach der reichen Handelsſtadt am
Adriatifchen Meere, deren märchenhafte Pracht den damaligen Deutjchen
in mächtigen, aber unbeſtimmten Bildern vorjchwebte. Schon 1469 druckte
bier Johann von Speyer „Ciceronis Epistolae ad familiares“ mit
römischen Typen und Plinius’ „Naturgeſchichte“, jene in einer Auflage
von 300, dieſe von nur 100 Eremplaren. Der Senat gab ibm ein
ausſchließliches Privilegium für die Ausübung der Buchdruderfunft, weil
er dieje durch jeinen Fleiß, jeine Beharrlichfeit und fein Genie eingeführt
und, wie es in ber Motivierung weiter heißt, die genannten Werfe in
einer großen Anzahl von Eremplaren mit Yettern von bewunderungs-
würdiger Form geprudt babe. Johann fonnte von diefem Privilegium
aber feinen Gebrauch mehr machen, da er ſchon 1470, unmittelbar nach
jeiner Berleihung, jtarb. Sein Bruder, Wendelin von Speyer, jeßte bie
von Johann angefangenen Werfe fort, prudte aber jelbftändig 1470 bereits
den Salluft in 400 Exemplaren, den er ſchon im folgenden Jahre neu
190 Venedig: Nikolaus Jenſon. Die weitern deutihen Druder. [Drittes
auflegen mußte, den Livius, Birgil u. a., darunter eine Editio prin-
ceps (erjte überhaupt geprudte Ausgabe) des Martial, Iuvenal, Salluft
und eine jolche des Tacitus. Sein legter Drud ftammt aus dem Jahre
1477.
Den beiden Brüdern folgte zunächſt der franzöfifche Formſchneider
Nikolaus Ienjon 1470 mit einer Ausgabe von Eufebins, „De Praepa-
ratione Evangelica“, Quintilian, Yuftin und verjchiedenen Schriften
Cicero's; 1476 drudte er dann eine Bibel mit gotischer Echrift und
1478 ein Breviarium in Quart, wegen bejjen vortrefflicher Austattung
er vielfach als der Fürft der zeitgenöſſiſchen Buchdruder gepriejen wurde,
während andere ihn wegen feiner fchönen und gejchmadvollen Typen den
neuen Daedalus nannten. An den bis 1482 thätigen Jenſon ſchloß fich
unmittelbar Chriſtoph Walvorfer (Valdarfer) aus Regensburg (1470 bis
1472) an, ver von 1471 an unter andern die Briefe des Plinius, die Kom-
mentare des Servius über Birgil, das Decameron von Boccaccio und
die Reden Cicero’s drudte, allein bald nach Mailand überjiedelte, wo er
ihon 1474 wieder in Thätigfeit trat. Nach Ilgenſtein ftimmen bie
Typen Waldorfers mit denen Johanns von Speyer überein, wonach alio
jener nach deſſen Tode dieſe Schriften erworben zu haben jcheint, wäh—
rend Wendelin von Speher noch in demſelben Jahre mit andern Typen
zu druden begann. Johann aus Köln (1471 bis 1487), ein Wander:
pruder, druckte 1474 mit Johann Manthen aus Gerresheim einen pracht-
vollen Foltanten: „Baldi Lectura super Codicem.” Als Druder einer
ſchönen Ausgabe des Yactantius (1471) wird von den Bibliographen
verjchieden Adam von Rotweil und Adam aus dem Ammergau genannt.
Namen von geringerer Bedeutung für Venedig find Yeonhard Achates
ans Bajel, Gabriel Petri, Chriftoph Arnold, Yeonhard Wild, jüntlich aus
Regensburg, Nikolaus aus Frankfurt, Johann Hammann, genannt Herzog,
Albert aus Stendal, Johann Yucilius Santritter aus Heilsbronn, Bern-
hard Dialer oder Pictor und Peter Yöslin, lettere beide aus Augsburg.
Sie alle beweifen, wie ftarf damals der Zug deutſcher Druder nach
Venedig war. Der beveutenpfte aber von allen bier namhaft gemachten
Männern und überhaupt einer der gefeiertjten beutjchen Druder war
Erhard Natvolt aus Augsburg, welcher, wie ſchon im vorigen Kapitel
erzählt wurde, von 1476 bis 1486 in Venedig wirkte. Eins ſeiner
ſchönſten hier gedruckten Werke iſt der Appian von 1477, welcher
ud:
Kapitel.) Venedig: Erhard Ratdolt. Mailand. 191
durch feine Vollendung jelbit ver Editio princeps Wendelins von Speer
den Rang ftreitig macht. Die Schriften diefer, mit Ausnahme Jenſons,
ausſchließlich deutſchen Druder zeichneten fich zum großen Teil, im Gegen:
jat zu den damals faſt allgemein noch üblichen gotiſchen Typen, durch
die Gefälligfeit ihres Schnittes aus, was die Verleger anderer Stäbte
veranlaßte, ausprüdlich zu betonen, daß auch ihre Ausgaben mit den
befiebten „wenetianijchen Typen“ gedruckt feien.
Aus den übrigen großen Städten Italiens ift verhältnismäßig weniger
über vie Ihätigfeit der deutſchen Druder zu berichten. In Mailand
führten Yanbesfinder die neue Kunſt ein, Philipp von Lavagna (1469 bis
1489) und Anton Zarot (1470 bis 1497). Deutjche ftehen wohl in ihren
Dienjten, find aber nicht am Gejchäft beteiligt, welches gleich in jeinen
erjten Anfängen, dem großhändleriſchen Charakter der Stadt entjprechend,
im großen Stil geführt wird. Erſt 1474 wanderte, wie jchon bei Venedig
angedeutet, der Regensburger Chrijtoph Waldorfer von Venedig aus ein
und dructe bier bis 1484. Zu gleicher Zeit etwa ließ ficb auch Johannes
Wurjter aus Kempten nieder. An ihn jchloffen fich Ulrich Sczinzenzeller
und Yeonhard Pachel, beide aus Ingolftadt, an, welche von 1480 bis 1500
druckten und bald mit ihren Borgängern in Trefflichfeit ihrer Arbeiten
wetteiferten. Im Jahre 1476 erjchien bei Dionyſius Paraviſino die erjte
Auflage von Yascaris’ griechiicher Grammatif, und 1493 drudte Henricus
Germanus, auch der Deutjche genannt, mit Sebajtian Pontremulo die
erite griechiiche Ausgabe des Iſokrates, ebenjo ausgezeichnet durch Schön-
beit der Schriften, als durch die Korrektheit des Druds. Überhaupt
war die Druderthätigfeit eine fo lebendige und die Teilung der Arbeit
eine jo wohlgeorpnete, dar fich ſchon 1472, wie jpäter näher erzählt
werden wird, eine Gejellichaft für die Herjtellung und den Vertrieb von
Drudwerfen bilden fonnte. VBorwiegend war es die Herausgabe von
Klaſſikern, juriftifchen und medizinischen Werfen, welche die mailänder
Preſſen beſchäftigte. In den Jahren 1498 und 1499 erſchien auch bei
den Gebrübern Munitianus die erjte Gejamtausgabe der verjchiedenen
Ciceronianiſchen Schriften in vier Kolianten. Gelehrſamkeit, Kunſtliebe
und große faufmännijche Gefichtspunfte trugen in Mailand viel dazu
bei, die Buchdruckerkunſt zu heben und den Buchhandel zu einem ge-
winnbringenden Gejchäft zu machen. Berjchievene Schlufjchriften zu ven
beventenpjten Druden Waldorfers, Sczinzenzellers und Pachels jagen
192 Florenz. Genua. Wanderdruder. [Drittes
ausprüdlich, daß edeldenkende Männer die Koften des Druds beitritten
hätten. Es liegen bier aljo offenbar Affociationen vor, zu welchen der
eine Teil das Geld, der andere die Arbeit gab, während der Ertrag ge-
teilt wurde.
Auch in Florenz finden fich zwar wiele Deutjche, indeſſen batten
ſchon vor ihrer Nieverlaffung daſelbſt die einheimischen Buchdrucker fejten
Fuß gefaßt. In erfter Yinie ift dies das Verdienſt des Goldſchmieds
Bernardo Gemini, welcher an Ghiberti's berühmten Thüren mit gear:
beitet hatte. Es ſchmerzte ihn, daß Italien in der Buchoruderfunft von
Deutjchland ganz abhängig fein jollte.” Er ftupdierte deshalb genau die
Drude und Manuffripte und ging dann ſelbſt daran, Stempel, Schrif-
ten, Preſſen u. |. w. berzuftellen; indeſſen Foftete ihn dieſe Arbeit jolche
Opfer, daß er bald wieder mit dem Drud aufhören mußte. Es dauerte
aber nicht lange, bis Funfterfahrene Deutjche nach Florenz famen, dar-
unter Nikolaus von Breslau, welcher 1477 Bellini’8 „Monte Sancto
de Dio“ druckte, das erjte Werf mit Iluftrationen in Metaliplatten,
da Schweinheims Ptolemäns noch nicht erjchienen war. Noch bedeuten:
der ijt feine Dante- Ausgabe. Außer Nikolaus Liegen ſich im Anfang
der florentiner Druderthätigfeit von Deutjchen noch Johann Petri aus
Mainz und Gerhard aus Haerlem dort nieder.
In Genua führten Mathias von Olmüt und Michael von Mün—
chen 1474 mit der „Summa Pisanella” gemeinjchaftlich die Druderei
ein. Die Schreiber waren jedoch damals in der großen Handelsſtadt
noch jo mächtig, daß ihre Einſprache gegen dieſe Konfurrenz durchdrang
und Mathias fich nach Neapel wandte, wo er von 1475 bis 1490
wirkte,
Es gab gegen Ende des 15. Jahrhunderts faum eine Stadt in Ita-
lien, wohin die deutſchen Druder ihren Weg nicht gefunden und wo
fie nicht fürzere oder längere Zeit gearbeitet hätten. Von der Yinde ver-
gleicht diefe Wanderdrucker jehr richtig mit den heutigen Jahrmarkt—
Photographen®, die mit ihrem Apparat von Ort zu Ort ziehen und jo
lange bleiben, als fie Arbeit finden. Johann von Köln z. B. arbeitete
zuerst 1471 in Venedig, von 1474 bis 1476 in Brescia, von 1478 bis
1485 in Bologna, von 1485 bis 1489 in Siena, von 1489 bis 1491
in Yucca, von 1491 bis 1493 in Nozani und 1493 in Urbino. Niko—
laus Betri von Haerlem war 1474 in Vicenza, um 1476 in Padua,
Kapitel.) Die Wanderdruder. Johann Neumeifter. 193
1482 in Bologna, 1483 in Venedig, 1486 in Siena, 1491 in Lucca
tbätig. Hermann Pichtenftein aus Köln (Pevilapis) ließ fich erjt in Vicenza
1475 bis 1476 nieder, zog dann nach Trevijo 1477 bie 1486, febrte
von dort 1486 nach Vicenza zurüd und arbeitete zuletst in Venedig, zu
deſſen vorzüglichiten Drudern er gehörte. Leonhard Achates aus Baſel
tritt zu Anfang der fiebziger Jahre ſchon vor Erhard Ratdolt in Venedig
auf und wendet fich 1473 nach Padua, it aber ſchon 1474 in St. Urfino
und 1475 in Vicenza. Auch in Neapel bürgerte ein deutſcher Druder,
Zirtus Rieffinger aus Straßburg, 1471 die Buchdruderfunft ein. Faſt
nur Deutjche find hier thätig, wie Mathias aus Olmütz (1475 bis 1490),
Berthold Reging aus Straßburg (1475 bis 1477), Jodocus Havenftein
aus der Diöcefe Speyer (1475), Heinrich Alding, der früher in Meffina
gewirft hatte (1476), Konrad Guldemund (1478) und Joſeph Gunzen-
baujer (1487 bis 1490); doch gelangte Neapel als Druckerſtadt erjt
jpäter zu einiger Bedeutung. Es würbe ermiüdend fein, die Namen der
bedeutendſten deutjchen Druder weiter einzeln aufzuzäblen. Einmal wären
über 100 Drudereien zu berüdfichtigen, dann aber ift von ihrer Thätig-
feit kaum eine einzige Thatjache erhalten. Soweit nicht Deutjche die
Buchdruckerkunſt eingeführt haben, tritt auch die Druderthätigfeit der
italienijben Städte aus dem Rahmen der gegenwärtigen Darftellung
beraus; jo 3. B. die alte Univerfitit Bologna, wo die Buchdruckerkunſt
iben 1471 durch Balthaſar Azzoguidi Eingang findet, indeſſen die
Deutjchen die Hauptarbeit thun.
Dagegen joll hier noch einer der bervorragenpften deutſchen Wander—
druder ausführlicher beiprochen werben. In ihm veranjchaulicht fich die
große Kulturmiffion dieſer bejcheivenen Männer für Italien und das
jüpliche Frankreich; erjt neuerdings ift er im feiner Bedeutung gewürdigt
worden. Es ift dies Johann Neumeifter (oder Numeifter) aus Mainz.
Der franzöfifche Bibliograph A. Claudin hat in einer vortrefflichen Kleinen
Schrift, welche gründliche Forſchung mit ficherer fritifcher Methode ver-
binvet, das trübe, aber zugleich Tehrreihe Bild des Lebens und Stre-
bens dieſes verdienten Mannes entworfen? Begeiſtert für feinen Beruf
und bingebend in ihm jchaffenn, wird er trotzdem von Nahrungsjorgen
verfolgt und zieht, vergebens eine bleibende Stätte für feine Thätigfeit
juchend, raftlos von Ort zu Ort, von Land zu Yand, bis er endlich, in
jeinen berechtigtften Hoffnungen getäujcht, won bitterer Armut verfolgt,
Kapp. 1. 13
194 Johann Neumeifters Wanderungen: Foligno. [Drittes
nach mehr als vierzigjähriger Wanderung den Kampf nicht mehr fort:
jegen kann und in hohem Alter wereinjamt jtirbt.
Neumeiſter gilt als ein Gehilfe Gutenbergs. Allerdings hat in neuerer
Zeit der Engländer Hejfels 19 erwiejen, daß die hanpjchriftliche Notiz am
Ende eines von Gotthelf Fijcher 1 bejchriebenen „Tractatus de Celebra-
tione Missarum“, welche Neumeijter als Gehilfen Gutenbergs bezeichnet,
eine Fälſchung iſt. Indeſſen ift trotzdem, daß der Angabe jede geichichtliche
Beglaubigung fehlt, die Annahme durchaus nicht unmwahrjcheinlich. Neu—
meifter nennt fich nicht immer mit feinem Familiennamen, oft nur Johann
den Deutſchen (Alemanus) von Mainz, oder nach einem feiner jpätern
Drudorte in Yangutedoc, „Johann von Aldi“. Nicht lange nach der Ein-
nahme von Mainz zieht er mit andern Yandsleuten und Gejchäftsgenofjen
nach Italien, um im Lande der Wiffenjchaft und Kunſt Arbeit und Ver—
dienst zu juchen. Ob er ſchon mit Schweinheim und Pannart nach
Subiaco gefommen war, oder ſich mit Ulrich Hahn in Rom niederließ,
ijt nicht erwiejen; dagegen taucht Neumeijter 1470 urkundlich zuerjt in
Foligno auf, einer Heinen Stadt in Umbrien. Er batte hier in Emil
Orſini, einem Angehörigen der berühmten Familie gleichen Namens, einen
einfichtigen und thätigen Gejellichafter gefunden, ver ihm die Mittel für
die Ginrichtung einer Druderei lieferte und ihm jamt feinen Gehilfen
bei fich unterbrachte, um von ihmen „vie Kunſt der Teutonen” zu er-
lernen. Das erjte aus diefer Druderei hervorgegangene Werf war „Leo-
nardi Bruni Aretini Historia Belli adversus Gothos“. Das Schluß—
wort zu demjelben lautet: „Emilianus de Ursinis Fulginas“ (in der
Mehrzahl der Eremplare jogar Orsinis Eulginas) „et Johannes Nu-
meister Theutunicus (sic) et ejusdem sotii (sic) impresserunt Ful-
ginei in domo ejusdem Emiliani anno domini Millesimo quadrin-
gentesimo septuagesimo feliciter.” Die Socien waren, wie fich aus
einem einige Jahre fpäter in Perugia angeftrengten Prozeß ergibt,
Stephan von Mainz und Johannes Ambracht von ebendaber, zwei
tüchtige Seßer und Druder, und Kraft (Grafto) von Mainz, der die
Schriften zu giepen und fertig zu ftellen, die Patrizen zu feilen und die
Matrizen zu adjuftieren hatte. Das zweite von Neumeijter in Foligno
vollendete Werk, in nur 200 Eremplaren gedruckt, waren „Ciceronis Epis-
tolae ad Familiares”, ein Nachorud der Schweinheim und Pannark-
chen Ausgabe von 1469. Neumeifter nennt im Kolophon Orfini ven
Kapitel.) Neumeiſters Gehiffen in Perugia. 195
„auctor‘, ven Urheber, des Buches, fich jelbjt aber, Iohannes Alma-
nus, ald Druder. Das dritte und beveutendjte Erzeugnis der foligna-
niſchen Preſſe war aber 1472 Dante’s „Göttliche Komödie”, „Das bin
ich“, ruft Neumeijter am Ende mit eigenartigem Stolze aus, „ich, ber
Meiiter Johannes Neumeifter, der ich meine Sorgfalt dem Druck diejes
ibönen Werfes gewidmet babe; es jtand mir aber dabei zur Seite der
Kolignaner Emil Orfini, der mein Evangelift gewejen ift, der meine An—
funft angefündigt und mich der Welt befannt gemacht hat.“
Nach 1472 hörte die Druderei in Foligno auf, da der Abſatz be-
deutend hinter den Erwartungen zurüdgeblieben war. Orfint hatte nur
zugejeßt und jeine Meittel ziemlich erſchöpft. So ging er denn nach Rom
und trat 1474 als Münzmeiſter in den Dienft des Papftes, in welcher
Stellung er die von Neumeiſter erlernten Kenntniffe verwertete. Die
Zeiten waren eben jchlecht, und gute Gejchäfte wurden um jo weniger
gemacht, als die Konkurrenz auf allen Seiten wuchs und den Markt
überall bejchränfte. In demjelben Fahre baten ja auch aus dem näm:
liben Grunde Schweinheim und Pannark den Papjt Sirtus IV., und
Philipp de Yignamine, ein anderer römiſcher Druder, ven Abt des Klofters
St. Placivus, Matthäus de Marche, vergebens um Unterjtütgung. Neu—
meister ging wahrjcheinlich zunächſt auf einige Zeit nach Rom, während
jeine Mitarbeiter, Stephan, Ambracht und Kraft dem Rufe eines reichen
Patriciers, Branco Braglione, nach Perugia folgten; auch ev wollte
jeiner Baterftadt die Vorteile „der teutonifchen Kunſt“ fichern. Die bier
errichtete und der Univerfität gehörende Druderei ſtand unter der Yeitung
des Deutſchen Johann Vydenaſt (Weidenaſt), Minister almae Universi-
tatis Perusinae, unter welchem jene drei arbeiteten. Nach Vermiglioli !?,
beiten Angaben Claudin bejtätigt, lieferten fie als erftes Werk 1473 den
lateiniichen Kommentar des perufinijchen Nechtsgelehrten Baldus zum
Suftinianeijchen Codex. Diejes Verhältnis Löfte fich gegen Ende 1476
oder Anfang 1477, da die in Perugia wiütende Belt die Druder nach
Rom trieb. Zudem klagte Stephan im September 1477 gegen Weivenaft,
weil er lange feine Zahlung erhalten hatte, Neumeiſter andererjeits ging
nah Deutjchland zurück und taucht hier erjt 1479 in Mainz wieder auf.
Ohne Angabe des Orts, doch, wie Schrift, Papier und andere Eigen:
tümlichfeiten ergeben, druckte er hier die mit 34 Metalljchnitten ausge:
ftatteten „Meditationes Joannis de Turrecremata”; die Schlußſchrift
15*®
196 Neumeifter wieder in Deutjchland. Paris. [Drittes
vom 3. September 1479 unterzeichnete er als Clericus Maguntinus
mit jeinem vollen Namen. Ob er die 1480 erjchienene „Agenda Ec-
elesiae Maguntinensis“ jelbft gedruckt, oder ob er nur jeine Schriften
dazu hergegeben hat, ift dagegen ziemlich zweifelhaft. Er blieb auch nicht
fange in Mainz, jei e8, daß er neben Schöffer nicht auffommen konnte,
jet e8, daß er wie Fuſt jeine Drude ſelbſt vertreiben wollte. Zunächit
ging er den Rhein hinauf bis nach Bajel. Hier, an einem Hauptplate
des Buchhandels, mochten ihm wohl von fern die VBerhältniffe in Yyon
verlockend winfen, denn dieſes jtand mit Bafel in fteter Verbindung und
bezog von bier aus das typographiſche Handwerkszeug. Es jehien den
von allen Seiten dahin ftrömenden ventjchen Buchdrudern reiche Be—
ichäftigung und lohnenden Abſatz zu verheißen. Aber erft auf weiten
Umwegen gelangte Neumeijter dorthin. Bevor jedoch die Reife Neu-
meifters nad Lyon und jeine dortige Thätigkeit näher gejchilvert wird,
it es am Plate, erjt die Einbürgerung der Buchpruderfunft in Frank—
reich überhaupt zu erzählen. Natürlich ſteht auf diefem Gebiet die Hanpt-
jtant im Vordergrunde der Entwidelung.
In Paris führte ver bereits genannte Johannes Heynlein de Yapide
die Buchoruderfunft ein. Er war 1467 und 1470 Prior der Sorbonne
und 1468 deren Rektor. Im Jahre 1469 verband er fich mit dem ge-
(ehrten Savoher Wilhelm Fichet, dem damaligen Bibliothefar verjelben
Anftalt, zur Berufung deutjcher Druder nach Paris. Es waren ihrer
drei: Martin Kranz, von welchem nur der Name und als engere Heimat
Süddeutſchland befannt iſt, Michael Freiburger aus Kolmar und Ulrich
Gering aus der Diöceſe Konftanz, wenn nicht aus der Stadt Konftanz
ſelbſt.ia Ihr erjter gemeinjchaftlicher Drud brachte die Briefe des
Kafpar von Bergamo (geftorben 1431). Er wırde etwa um die Mitte
des Jahres 1470 beendigt und umfaßte 118 Seiten zu je 22 Zeilen in
flein Quart, ward auch won Heynlein ſelbſt forrigiert. Dieſem Werfe
folgten jchon Ende Januar 1471 der Salluft in 105 Quartblättern zu
23 Zeilen auf der Seite und im Herbjt 1471 Yaurentius Valla's jechs
Bücher der Feinheiten ver lateinijchen Sprache in 281 Folioblättern und
32 Zeilen auf der Seite. Noch in demfelben Jahre ließ Fichet, wahr-
jbeinlih von dem ihm innig befreundeten Verfaſſer darum gebeten, die
Briefe, Neden und Rhetorik des Kardinals Beſſarion in der Sorbonne
druden. Daran ſchloſſen ſich 1471 und 1472 die Drude ſowohl ver-
Kapitel.] Paris: Martin Kranz, Michael Freiburger und Ulrich Gering. 197
ſchiedener Ciceronianiſcher Schriften (wie die Bücher vom Redner, von
den Pflichten, der Freundſchaft, dem Alter, Tusculanen), als auch des
Florus, des „Speculum Humanae Vitae” u. f. w. Im ganzen belief
fich die Zahl der von dieſen drei Deutjchen in der Sorbonne bergeftelften
Trude auf etwa 22. Gering und Genoffen waren durch Heynlein und
Fichet jehr gut beraten, weshalb fie auch mit großem Gewinn und Er:
folg arbeiteten.
Segen Ende 1472 oder zu Anfang 1473, als Beffarion eben ge:
itorben war und Fichet und Hehnlein Paris verlaffen hatten, zogen die
dentjchen Druder aus der Sorbonne aus und ließen fich in der Strafe
St. Iacaues im Haufe Ad solem aureum („Zur goldenen Sonne“,
jet Nr. 70) nieder. 1* Hier fingen fie an, populäre Werfe zu druden,
welche einen noch größern Abſatz veriprachen, wie die „Legenda aurea“,
die „Exempla Sacrae Scripturae“; 1476 verlegten fie auch eine latei-
nische Bibel. Bezeichnend für den damaligen Markt ift es, daß fie in
der „Goldenen Sonne‘ feinen Klaſſiker mehr druckten. Unter ven 21 Wer-
fen, die bier vollendet wurden, nehmen lateinifche, und unter ihnen vor:
zugsweiſe die für die Geiftlichfeit beftimmten theologiſchen Gloſſen, Kom:
mentare u. ſ. w., ven Hauptplatz ein. Gering und Genofjen druckten
eben rein geſchäftsmäßig, was dem Geſchmack der Zeit entſprach, ander—
wärts ſchon Beifall gefunden hatte, alſo Abſatz und Gewinn verhieß.
Kein einziges Buch in franzöſiſcher Sprache ging aus ihrer Offizin her—
vor. Daß die drei Deutſchen aber in Paris hochangeſehene Leute waren,
beweiſt der Umſtand, daß ſie im Februar 1475 in Frankreich koſtenfrei
naturaliſiert wurden.
Gering ſcheint der jüngſte und thätigſte unter ihnen geweſen zu ſein.
Er war bis zu ſeinem am 23. Auguſt 1510 in Paris erfolgten Tode
als Drucker thätig und ſtarb als ein angeſehener und reicher Mann,
welcher namentlich der Sorbonne bedeutende Legate hinterließ. Freiburger
und Kranz ſcheinen ſchon 1477 nach Deutſchland zurückgekehrt zu ſein
oder ſich ganz vom Geſchäft zurückgezogen zu haben; wenigſtens geſchieht
ihrer ſeit dem am 31. Oktober 1477 vollendeten Druck der Faſtenreden
des Leonhard von Udine feine weitere Erwähnung. So tragen die am
30. Januar 1478 erichienenen „Exempla Sacrae Scripturae“ nur noch
den Namen von Ulrich Gering als Drucker.! Diejer affociierte ſich
zumäcit mit Georg Maynyal, mit welchem ev am 29. April 1480 das
198 Paris: Ulrich Gering und feine Gejellichafter. (Drittes
erjte gemeinjchaftlich gedruckte Werk veröffentlichte, außer welchen Panzer
nur noch ein zweites verzeichnet. Das Berhältnis zwijchen beiven Män—
nern jcheint fich alſo jehr bald gelöft zu haben. Gering wohnte zwar
nach wie vor in der „Goldenen Sonne“, druckte aber von 1480 bis 1489
jo gut wie gar nichts. Der Grund für dieſe feine Unthätigfeit war ein
allgemeiner und ein perjönlicher. Gering hatte bisher ausjchlieflich latei—
nifche Bücher gedruckt und dem entiprechend auch nur eine für fie ein-
gerichtete Druderei zur Berfügung. Um jene Zeit aber erwachte die
Vorliebe für franzöfiiche Werke mit folcher Macht, daR fie die Nachfrage
nach lateiniſchen Druden zunächſt ganz in ven Dintergrund drängte. Dann
aber lähmten vie mit dem franzöfiichen Thronwecbjel (1483) verbundenen
politifchen Unruhen und Kämpfe, ſowie die Ungewißheit über die Stel-
fung des neuen, des Leſens und Schreibens unfundigen Königs Karl VIIL
zum Buchdruck und zur Yitteratur überhaupt den Unternehmungsgeiſt
und bejchränften die Thätigkeit der parifer Druder auf ein äußerſt ge:
ringes Maß. Erjt am 21. Oktober 14809 erjchien bei Gering wieder
ein anjehnlicher Quartband: Holfots „Super sapientiam Salomonis“,
Bon 1490 bis 1492 drudte dev Badenjer Georg Wolf für ihn; wenig-
ſtens bezeichnet dieſer feine Arbeiten als Parisiis ad solem auratum
opera M. G. Wolf Badensis impressae.!° Wolf ſcheint alſo Fein
Sejellichafter Gerings gewejen zu fein, ſondern nur in deſſen Auftrag
und auf deſſen Koſten gedruckt zu haben. Erſt 1494 affociierte fich lee-
terer mit Berthold Rembolt aus Straßburg, mit welchen er mehr als
ein Dugend Folianten für Seiftliche und Juriſten drudte, Darunter nament-
lich ein in drei Binden 1500, 1501 und 1504 ausgegebenes „Corpus
juris Canoniei cum glossis“. Das lette Bud, welches fie gemein:
ichaftlich drudten, trägt das Datum des 8. März 15085; das erjte von
Rembolt allein ausgegebene „Bruno in Epistolas Pauli“ erſchien 1509.
Diejer verband fich im Januar 1510 mit Johann Waterloes; fie führten
ihr Gejchäft im Haufe „Der Hahn und die Elſter“ fort, das fie in
„Goldene Sonne“ umtauften, offenbar, um fich deren Kundſchaft zu er-
halten. 17
Bei der Bedeutung des parifer Büchermarfts für die ganze gebilvete
europäiſche Welt war eine Konkurrenz natürlich nicht lange ausgeblieben.
Schon 1473 errichteten zwei deutſche Studierende, Peter Caeſaris Keyſers)
und Johann Stoll, im Haufe zum „Follis viridis“ (Soufflet vert, Grüner
Kapitel] Paris: Die übrigen deutichen Druder. Die Druderdynaftien. 199
Blajebalg), zwijchen den St. Benediktinern und Jakobinern, eine nette
Druderei, welche ganz ungejcheut das nachdruckte, was Kranz, Freiburger
und Sering ein Jahr vorher gebracht hatten. Ihre Thätigkeit füllt zwi—
ichen die Jahre 1474 und 1480 und umfaßt nach franzöfiichen Angaben 21,
nab Panzer aber nur 19 verſchiedene Werfe, davon 14 in Folio und
Din Quart. Darumter befinden fich nicht weniger als 11 Ciceronianijche
Schriften und drei römische Schriftiteller, nämlich Salluft, Seneca und
Valerius Marimus, aber fein Dichter. 5 Keyſers ftarb im Jahre 1509.
Bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts zählte Paris 66 Drudereien,
darunter neun ausjchließlich von Deutjchen begründete, wie 3. B. aufer
den bereits genannten die Druder Georg Mittelhaus aus Straßburg
1484), Johann Digman (1484), Wolfgang Hopilius (Hopyl), 1490,
Johann Philipp aus Kreuznach (1494), Anton von Nidel (1497), Thiel-
mann Kerver aus Koblenz (1498) und Nikolaus Wolf, Yutrienfis (1500)?
Unter den Setzern und Drudern der verjchiedenen Offizinen müſſen fich
natürlich mehrere hundert Deutjche befunden haben. Genug, Deutjche
bürgerten die Kunſt in Paris ein und brachten fie dort zur Blüte,
Ebenſo tief eingreifend in die franzöfiichen Buchdrucks- und Verlags—
verhältniffe erwies fich in der Folge auch die Verbindung der großen
deutichen und franzöfiihen Druderdynaftien. Sp verheiratete fich der,
jeinen &ejellichafter Gering um acht Jahre überlebende Berthold Rem:
beit, etwa zu Anfang des Jahrhunderts, mit Charlotte Guillard, welche
in der Schule ihres Mannes bald eine ausgezeichnete Druderin wurde
und die Kunst faft ein halbes Jahrhundert, bis zu ihrem 1566 erfolgten
Tode, ausübte. Im zweiter Che heiratete fie 1520 einen nicht minder
bedeutenden franzöfiichen Druder, Claude Chevallon, der aber auch vor
ihr (1542) ſtarb. Von da an bis zu ihrem Ableben gab Frau Char:
lotte ihre hervorragendſten Drude heraus: eine lateinische Bibel und die
Kirchenväter Gregor, Hieronymus, Chryſoſtomus, Bafilius, Auguftin
und Drigenes, in lateinischer Sprache natürlich, aber mit griechiichen
und hebräiſchen Verweiſungen.““ Ein Deutjcher, jagt Mappen, führte
die Buchdruckerkunſt in Frankreich ein, und die franzöfiiche Frau eines
Deutſchen entiwidelte fie zur böchiten Blüte. Der in yon eingewanderte
und 1498 daſelbſt geitorbene deutſche Druder Johann Trechſel verhei—
ratete jeine Tochter Thalia an feinen Korrektor, ven frühern Profeſſor
der parifer Univerfität, den Belgier Joſſe Bade (Badius) aus Ajche,
200 Die Druderdynaftien. Lyon und jeine Handelsbeziehungen. [Drittes
einen Schüler der „Brüder vom gemeinjamen Yeben‘, der bei jeinem ge-
fehrten Zeitgenoffen Gaguin librorum imprimendorum diligentissi-
mus admodum castigator heißt. Badius fievelte bald nah Paris
über, errichtete dort 1495 eine eigene Druderei und verlegte bis an
feinen 1535 erfolgten Tod an 400 Werfe, darunter eine große Zahl
griechijcher und römiſcher, von ihm ſelbſt vecenfierter Klaffiter. Trechſel
hatte der jpätern Frau Babius den Namen einer der neun Mufen ge:
geben, gleichjam um dadurch feine Hoffnungen für die Richtung ihres
fpätern Lebens anzudeuten. Sie entiprad den in fie gejeßten Erwar—
tungen vollauf und zeichnete fich, herangewachien, durch Gelehrſamkeit und
feine Bildung aus?! Die aus der Badiusſchen Ehe hervorgegangenen
drei Töchter heirateten wieder drei der bedeutendſten franzöfiichen Buch-
pruder und Verleger ihrer Zeit, und zwar die ältejte, Perrette, den be-
rühmten Robert Etienne (Stephanus, geitorben 1559), Katharina ven
Michael Bascofan (geftorben 1576) und Johanna den Johann von Roigny.
Perrette war noch hervorragender als ihre Mutter und nicht allein eine
vortreffliche Frau und Gattin, ſondern auch eine hochgebildete, des Yatei-
nischen mächtige Kennerin der Elaffiichen Yitteratur. Perrette's Sohn iſt
Henri Etienne (Henricus Stephanus, geboren 1532, gejtorben 1508),
der gelehrte Verfaffer und Verleger des „Thesaurus Linguae Graecae”.
Vorzugsweije den Verbindungen jo bedeutender deutſcher und franzöfi-
cher Druderfamilien und ihrer raftlojen, ſowohl gejchäftlichen als geiftigen
Thätigkeit verdankt denn auch Frankreich während des ganzen 16. Jahre
hunderts jeine hervorragende Bedeutung in der Gejchichte des Buchdrucks
und des Buchhandels. ??
Damals war aber noch nicht, wie jpäter, das geijtige Yeben des Lan—
des in Paris konzentriert; im Süden blühte namentlich die große Han—
delsſtadt Lyon als buchhändlerifcher und wiffenjchaftlicher Mittelpunft
nicht allein für dieſen Teil Frankreichs, jondern auch für Die angrenzen-
den Bölfer des Mittelmeeres bis tief nach Spanien hinein. Schon jeit
Ende des 14. Jahrhunderts hatte das alte Lugdunum eine wichtige und
bleibende Niederlage für die augsburger und nürnberger Kaufleute ge-
bildet; fie gründeten bier bald jelbjtändige Gejchäfte oder Filialen und
fanden in ihnen jpäter einen Hauptſtützpunkt bei ihrem Vordringen nach
Spanien und Portugal. Die Weljer hatten dort 3. B. 1498 eine jehr
bedeutende Faktorei, an deren Spite ein geborener Augsburger, Nareiß
Kapitel.) Lyon: Deutihe Druder daſelbſt. Johann Neumeifter. 201
Yauginger, ftand.?? Reiſende und Warenzüge zwijchen Nürnberg, Auge:
burg und Yiffabon bewegten fich geraden Wegs über Lyon, deſſen Verbin:
dungen mit dem Innern und mit Italien feine Bedeutung als eines ber
größten europäischen Handelsplätze noch erhöhten.
Natürlich hatten ſich alfo, wie bereits angedeutet, die Blide der deut:
ſchen Druder auf dieſen wichtigen Gentralpunft gerichtet; fie fanden in
ihm jelber ein verſtändnisvolles Entgegenfommen vor. Ein reicher Lyo—
nejer, Bartholomäus Buyer, war e8, der einen Jünger Gutenbergs,
Wilhelm Regis (Könige), nach Lyon kommen und von ihm in feinem
eigenen Hauſe eine Druderei einrichten lieh. Königs (1472 bis 1488)
brucdte bier im Jahre 1473 als fein erjtes Buch das „Compendium
breve‘ des Kardinals Yothar (des jpätern Papſtes Innocenz IIL). Er
fand ſchnell Nachfolger unter ven Wanpverluftigen. Schon in ben fieb-
jiger und achtziger Jahren finden fich unter ven jelbjtändigen Drudern
Lyons, ihrer zahlreichen Gehilfen und der andern Hilfsarbeiter des Buch-
gewerbes nicht zu gedenfen, die Deutjchen Nikolaus Philipp Piftoris aus
Bensheim (1477 bis 1488), Mathias Hus oder Huß aus Bottwar in
Schwaben, zu derjelben Zeit und jpäter Martin Huf, welch erjterer fich
mit Johann Schmidt (Faber) affoctierte, Johann Clayn oder Klein, ge:
nannt der Schwab, aus Ulm (1479 bis 1490), Sirtus Glogfengießer
aus Nördlingen (1480), Johann Syber, Siber oder Ciber (1482), der
auch eine Zeit lang mit Martin Huß zufammen arbeitete, wie dies ebenfo
Johann Schabeller oder Scabeler that, dev gewöhnlich der Battenfchnee
(1484) aus Bajel genannt wird, Johann Trechjel (1488), Michael Tobtä
aus Pyrmont (1488), Yazarıs David Großhofer (1489), Peter Martin
(1489), Johann Schmidt (Sean Faber, 1489), Johann Herrenbed (1489),
Engelhard Schults (1491), Reinhard aus Straßburg (1491), Michel
aus Baſel (1494 und 1495), Peter Schend (1495 bis 1499) und Nito-
laus Wolf (Yupus oder Yupi, 1497).
Unter den jchlieglich nach Lyon gelangten Drudern befand fich nun
auch Johann Neumeifter. Der Wandertrieb ſchien ihn zu beherrichen;
er hatte jich, wie bereits erwähnt, von Bajel aus von neuem auf die
Wanderung begeben, auf der er zahlreichen Buchhändlern, welche ihre
Preßerzeugniſſe vorteilhaft verkauften, begegnete. Im Verlauf dieſes
Herumjchweifens machte er in Albi einen längern Halt. Hier, in einer
reihen Stadt, dem Site eines Biſchofs und mehrerer Schulen, jchienen
202 Johann Nenmeifter in Südfranfreih und in Lyon. Drittes
die Verhältniſſe günſtig zu liegen. Er begann bier feine Thätigleit,
wenn nicht jchon 1480, jo doch bejtimmt im Jahre 1481 und blieb bis
1484. Mit nur geringen Mitteln verjehen, brauchte er eine ziemliche
Zeit, um feine beiden erjten Drude, die „Epistolae Aeneae Silvii de
Amoris Remedio“, ein Büchlein von nur acht Blättern, und die „His-
toria septem Sapientum”, eine Schrift von 48 Eeiten in Doppel:
ipalten, zu vollenden. Um fich der Geiftlichkeit gegenüber zu fichern,
erklärte ev am Schluffe als feinen Zwed bei der Herausgabe des zulett
genannten Werks: „Zur Verbefferung der Sitten der Männer und
rauen“ Das dritte Erzeugnis der Neumeifterjchen Preſſe in Albi
find bie „Meditationes Cardinalis Joannis de Turrecremata“, welche
Ausgabe, am 17. November 1481 vollendet, mit fajt allen Sticben Des
mainzer Druds von 1479 verjehen ift. Sein vierter und letzter Drud,
welcher Albi als Drudort angibt und Ende 1483 oder ſpäteſtens An—
fang 1484 erjchien: „Ordo missalis secundum usum Romanae Ec-
clesiae‘, enthält 304 zweiipaltige Seiten in Folio und iſt ein Meifter:
werf der Kunſt; e8 erinnert namentlich in feinen jchönen gotischen Typen
an die mainzer Schule. Das Miffnle fand in Lyon, wie auch im ganzen
ſüdlichen Franfreich, eine gute Aufnahme, weil c8 die dort im Gebrauch
befindliche Gregorianiſche Yiturgie, d. h. den uralten römiſchen Ritus,
abdruckte.“ Aber dem armen Neumeifter, ſelbſt won feinem Gönner,
dem Biichof Youis von Amboiſe, im Stich gelaffen, entging auch jett
wieder der chrlich verdiente Gewinn Schon 1485 bracdte Mathias
Huß in Lyon, duch den guten Abgang dev Ausgabe verlodt, einen
Nachdruck.
Neumeiſter ſtand nach vierjährigem fleißigen Schaffen neuen Nahrungs—
ſorgen gegenüber; in Lyon, das er wohl von Anfang an im Auge behalten
hatte und wo er nun vom Jahre 1485 an feine Thätigfeit fortjekt,
hoffte er eine bleibende Stätte zu finden. Der Erzbiſchof diefer Stadt,
Kardinal Karl von Bourbon, ein Mäcen der Wiffenjchaft, Freund des
Kardinals Beffarion und Gönner Wilhelm Fichets, gab ibm den Auf:
trag, eine neue Ausgabe des „Missale Ecclesiae Lugdunensis“ ber-
zuftellen. „Gedruckt“, heißt es in der Schlufjchrift, „auf Befehl des
Kardinals Karl von Bourbon, im Jahre 1487 von Johann von Mainz,
auch Jehan von Albi genannt.“ Das Werk erjchien 1487, zweiipaltig
in Folio, mit großer gotischer Schrift gedruckt. Die Ausführung ift
Kapitel.) Lyon: Johann Neumeifter, Die Filiale der Koberger. 203
ven jolcher Volltommenheit und Pracht, daß fie heute noch die Be:
wunderung aller Kenner erregt. Karl von Bourbon ftarb zwar jehon
im nächiten Jahre, aber Neumeiſter fand ſofort in Angelo Gattho, Erz:
biichef und Graf von Vienne in der Dauphine, einen ‚neuen Gönner,
weiber 1489 auf feine Koften das Breviarium der Vienner Diöceje bei
ibm druden lief. Fortan behielt Neumeifter feinen feiten Wohnfis in
non; im Jahre 1495 drudte er für den Bijchof Nikolaus Maugras
das Miffnle von Uzess. Aber feine Yage muß ſchon damals wieder eine
jebr ürmliche gewefen fein, denn er nahm nach dem Tode des ihm wohl:
wollenden Erzbifchofs Cattho einen Gejelljchafter in der Perjon des be-
reits erwähnten Michael Tobiä aus Pyrmont (franzöfiich verunftaltet
in Topie, auch Toupier und Touprier), um mit deſſen Hilfe neue Typen
für den Drud und die Beendigung des Miffale zu beichaffen. Dieſes
verrät im feiner Austattung ſchon eine gewiſſe Ärmlichkeit der Mittel
und ſteht bedeutend hinter den beiden ihm vworaufgebenden Druden
zurück. In der Folge ſcheint ſich Neumeifters äußere Yage immer mehr
verjchlimmert zu haben. Im Jahre 1498 bemerkt der ftädtifche Steuer:
einnebmer vem Namen Johann von Albi gegenüber: „Arm“ und zieht
feine Steuern von ihm ein; Neumeifter muR fogar feine Selbſtändigkeit
aufgeben und als Gehilfe in das Gejchäft feines chemaligen Partners
Tobiä eintreten. Im Jahre 1503 wird er im Verzeichnis der Kin:
wohner Lyons zwar wieder als Meifter geführt; allein ſchon im folgen:
den Jahre kennt ihn die Steuerlifte als jolchen nicht mehr. Zuletzt er:
jcbeint fein Name in einem Berzeichnis von 1507, dann verjchwindet
jede Spur von ihm. Neumeifter muß bochbetagt 1507 oder 1508 ge:
itorben jein.
In der Stadt yon waren bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts nicht
weniger ald 40 Drudereien in Thätigkeit, aus welchen viele hundert
Werke hervorgegangen und jogar noch 250 auf die Gegenwart gelangt
find. Anton Koberger in Nürnberg hatte ſchon in den neunziger
Jahren eine Filialbuchhandlung in Yyon errichtet und jtellte jeinen Neffen
Johannes an deren Spike. Wie in andern großen Drudereien, jo lieh
er auch in Lyon auf Beitellung druden: jo 1509 bis 1513 drei Werfe:
bei 3. Zucon (2) und I. Glein (1). Seine Nachfolger Johannes und
Anten junior folgten 1514 bis 1520 mit 7, rejp. 1515 bis 1522 mit
11 Nummern bei den beiden genannten Drudern, fowie bei B. Lescuyer
204 Lyons Buchhandel im 16, Jahrhundert. [Drittes
und 3. Marion. ?° Die lyoneſer Drude zeichneten fich von Anfang an
durch ſchöne Ausjtattung und forgfältige Korrektur aus, ſodaß e8 ihnen
fogar fpäter gelang, die Käufer der Aldiniſchen Ausgaben zu täufchen.
Es ift auch beachtensiwert und jedenfalls eine Folge der engen gejchäft-
lichen Beziehungen zu Deutjchland, daß der Gebrauch der Antiquafjchrift,
zu dem ja alle romanischen Völker jehr ſchnell übergingen, in ven Iyo-
nejer Drudereien erjt jehr jpät, nach der Mitte des 16. Jahrhunderts,
zu volfer Herrichaft gelangte. Lyons kaufmännische Meſſen zogen Danvels:
leute aus ganz Europa an, die fich bier auch mit den neuejten Erſchei—
nungen des Buchhandels verjahen. Mit einziger Ausnahme von Be:
nedig war Lyon der größte Büchermarft für das ganze ſüdliche Europa.
Andererjeitd gehörten die Inonejer Verleger ſchon früh zu dem regel:
mäßigen Bejuchern der franffurter Buchhändlermefjen und führten von
dort aus die neu erjchienenen Litterarifchen Erzeugniſſe bei fich ein, ſodaß
Buchdruck reſp. Verlag und Buchhandel einander ergänzten und fich zu
hoher Blüte entwicelten, eine Blüte, die fich auch während des ganzen
16. Jahrhunderts erhielt. Das deutjche Haus Trechjel, welches jchon 1487
ben erjten Band der Werfe des heiligen Auguftin gedruckt hatte, verlegte
auch einzelne Werfe des auf Betreiben Calvins 1553 in Genf verbrann:
ten Michael Servet. Der große deutjche Verleger Sebaftian Gryphius
(Sreiff), Bruder des bis 1540 in Paris drudenden Franz Gryphius,
ließ ſich 1528 in Lyon nieder, fing feine Thätigfeit mit einem Gebet:
buch in hebräiſcher, griechifcher umd lateinischer Sprache an und ſchloß
jie 1556 mit einer Ausgabe des Terenz. Maittaire ſchätzt die Zahl ver
von 1528 bis 1547 von ihm ausgegangenen Drude auf 300. Gryphius
verlegte unter anderm auch eine, wenn nicht mehrere Schriften für den
gelehrten lyoneſer Buchdrucker Stephan Dolet, der 1546 als Ketzer in
Paris verbrannt wurde. Jean, der erjte Chef ver großen, 240 Jahre
blühenden Buchhänplerfamilie de Tournes (von 1540 bis 1585 in vLyon
und bis 1780 in Genf thätig), bejtand feine Yehre bei genanntem Se:
baftian, deſſen Sohn Anton noch 1580 zu den bervorragenpiten Wer:
legern Lyons zählte. Kurz, überall zeigen fich hier deutjche mittelbare
und unmittelbare Einwirkungen, und e8 dauert jeit der erſten Einwande—
rung deutjcher Druder mehr als ein volles Jahrhundert, bis der Buch—
handel Yyons feinen jpeziftfch nationalen Charakter gewinnt. Die Einzel-
heiten dieſer Entwidelung gehören aber jelbitredend nicht hierher.
Kapitel] Rouen. Tours. 205
Bon ven übrigen franzöfiihen Städten ift während des ganzen
15. Jahrhunderts nur wenig und auch im 16. verhältnismäßig nicht
viel zu berichten. In Troyhyes, in dejjen Nähe fich viele Bapierfabrifen
befanden, wurde das erjte Buch, ein Breviarium, 1483 ohne den Namen
des Druders geprudt; in Rouen führte eine vornehme deutjche Familie
von Marneff, deren Glieder jchlechtweg vL'Allemand genannt werben und
jpäter jib auch an andern Orten einbürgerten, im Jahre 1494 vie
Druckerkunſt ein. Sie nahm nämlich einen gejchicten Techniker, Martin
Morin, unter ihren befondern Schuß, ließ ihn in Paris und Deutjch-
land ausbilden und verjah ihn mach feiner Rückkehr mit einer vollſtändig
eingerichteten Buchdruckerei. Er entwidelte eine erfolgreiche Thätigfeit
und bilvete in der Folge eine gute Schule von Sebern.?? Ein anderer
beteutender Druder aus Rouen war Peter Manfer, den die Marneffs,
wie es hieß, ebenfalls auf ihre Koften ausbilden ließen. Gr arbeitete
von 1474 bis 1477 in Papua, 1480 in Verona, 1483 in Venedig und
1491 in Modena. Ein dritter, Wilhelm Signere, drudte 1496 „Fran-
chini Garfurii Practica Musicae” in Folio und 1498 „Caelius Api-
cius de Re Coquinaria” in Quart. In Tours, welches heutzutage zu
den beveutenpften Drudorten Frankreichs zählt, erjchien zwar auch ſchon
1485 ein „Missale Turonense“; invejjen ift es fraglich, ob es bier
auch gedruckt ward. Es fehlt nämlich ver Name des Druders, und zu
derjelben Zeit taucht auch in der benachbarten Diöceſe Chartres ein mit
denjelben Typen zwei Jahre früher hergejtelltes Miſſale auf. Der erfte
namentlich befanmte Druder in Tours ift dagegen Simon Porcelet, ver
1494 mit einem Breviarium der Kirche St. Martin in Tours bervor-
trat.2° Gr verjchwindet aber jehr bald, und wenn er auch die Kunſt
in Tours eingeführt haben mag, jo bildete Mathias Latherac (1492 bis
1521) fie doch erjt aus. Im Jahre 1496 drudte er „Die Wunder des
heiligen Martin” für ven Buchhändler Iohann aus Püttich, Chef der
Familie Marneff, und 1497 ven „Manipulus Curatorum“. Das
16. Jahrhundert mit jeinen Bürgerfriegen legte die faſt ausjchließlich
tbeofogiiche Schriften liefernde Druderthätigfeit von Tours fo ziemlich
lahm, böchjtens verdient noch Johann Rouſſet (1535 bis 1562) genannt
zu werden. Bon ven beiden bedeutendſten Handelsſtädten Franfreichs
aber erhielt Bordeaux feine erfte Preffe nicht früher als 1529 und Mar—
jeille jogar erft im Jahre 1594.
206 Einführung in Spanien. Balencia. [Drittes
In Spanien bürgerte fich die neue Kunſt verhältnismäßig erjt jpät
ein amd erreichte auch in ver Folgezeit trotzdem, daß bier manche Flajfijche
Werfe geprudt wurden, feine irgendiwie bemerfenswerte Höhe. Als der
Buchdruck jich weiter zu verbreiten begann, ftanden die Kämpfe mit den
Mauren im Vordergrunde, dann ward die ganze Nation jahrzehntelang
von den transatlantiichen Entdeckungen berauſcht und vergendete ihre
bejte Kraft in ver Suche nach den amerikanischen Schäßen, oder in ver
Ausbeutung jener. Zu gleicher Zeit aber, und jpäter, jorgte die Inqui—
jition dafür, daß alles, was nicht im blinden Gehorjam gegen Rom
erjtarb, zum Schweigen gebracht wırde. Die Jünger Gutenberg fanden
auch ihren Weg nicht jofort in die Hauptſtadt des Yandes, jondern zogen
erſt von der Peripherie aus, von den öſtlichen Seeſtädten und den äußer-
iten Grenzen nah Madrid. Der Umjtand, daß 1494 und 1499 ver
Drud föniglicher Orvonnanzen und Geſetze von bier aus befohlen wurde,
jpricht durchaus nicht unbedingt für die Hauptſtadt als Drudort; jene
Sammlungen fünnen ebenjo gut in Sevilla hergejtellt fein, wo fich ver
Hof damals aufbielt, und wo es ſchon jeit 1477 eine Druderei gab.
Das erjte nachweisbare, Madrid angehörige Buch mit dem Namen des
Druders ſtammt aus ven Jahre 1528. Es war „Juliani Caesaris in
Regem Solem ad Sallustium Panegyricus, Madriti apud Petrum
Tazo.“
Valencia dagegen erhielt bereits 1474 die erſten Preſſen. In
dieſem Jahre veröffentlichte hier „der Cavalier von altem Adel“ und
Kanonikus Don Bernhard Fenollar eine Sammlung von 36 Gedichten
zu Ehren der unbefleckten Empfängnis Mariä, von denen eins in caſti—
lianiſcher Mundart, vier in italieniſcher Sprache und die übrigen 31 in
limuſaniſchem Dialekte gejchrieben find. Der Name des Druckers iſt
nicht angegeben, ver Titel jelbjt lautet: „Certamen poeticli en Lohor
de la Concecio, Les Obres ö Probes davall escrites, les quals
tracten de Lohor de la Sacratissima Verge Maria. En Valen-
cia 1474”, in Quart.?? Ebenfalls ohne Namen des Druders folgten
1475 die Werte Sallufts; erſt die „Biblia Sacra sermone Valentino
reddita“, auf Koſten des Kaufmanns Bhilipp Vizlant aus JIsny in
Oberdeutſchland bergeftellt, nennt als Druder Meifter Alfred Fernandez
de Gordova und Meifter Yambert Palomar (er hieß Palmart), Magiſter
der Künſte aus Dentjchland. Was der berühmte jpanijche Aſtronom
Kapitel.) Deutihe Druder in Spanien. 207
bet dent Drud zu thun hatte, ijt unanfgeflärt; jedenfalls aber jtebt feit,
dag ein jchwäbifcher Kaufmann die Koften der von einem andern Deut-
ſchen bergejtellten Ausgabe bezahfte. Begonnen im Februar 1477, ward
dieje Bibel im März 1475 vollendet; nur ihre vier legten Blätter find
in einem einzigen Eremplar im Dom von Balencia entdedt worden.
Es jcheint, daß die Auflage auf Befehl der geiftlichen Obern vernichtet
wurde, wie zu erjehen, mit gründlichen Grfolg. Bis zum Jahre 1500
folgten auf Valencia im den verjcbievenen Teilen des Yandes noch
20 Drudereien. Abgeſehen von den Fleinern Städten, wo die Kunſt
nur vorübergehend Fur faßte, find zu nennen: Barcelona und Sara-
goſſa 1475, Yeriva 1479, Salamanca 1481, Sevilla 1485, Burgos
1485, Tolula 1486, Toloja 1489, Balladolid 1493, Granada 1496
und Tarragona 1498. Überall waren es deutjche Drucker, welche die
Kunſt einführten; nicht allein ihre Namen, auch der Schnitt ihrer (goti-
ihen) Typen, welde bis 1520 ausjchlieffih in Spanien in Gebrauch
blieben, beweijen dieje Thatjache. Von der Yinde führt ?° eine lange
Reihe von Nieverlindern, deren Heimat damals noch zum Deutjchen
Reiche gehörte, und von Norddeutſchen an, welche in Spanien ihre
Kunſt ausübten. Die fpanijchen Quellen nennen unter andern folgende
Deutjche als die Männer, welche die Kunft zuerjt dort eingeführt oder
mit Zuzichung der Yandesangehörigen fortgebilvet haben: den ſchon er-
wähnten Yambert Palmart, gewöhnlich mit dem Zuſatz „ver Deutjche”
(1478 bis 1486), Peter Hagenbach (1493), Yeonhard Hut (1495) und
Chriſtoph Kaufmann aus Bajel (1500), ſämtlich in Valencia; Nikolaus
Spindler aus Zwidau (1478), Johann Gerling (1478), Johann Roſen—
bach aus Heidelberg (1492), Gerold Preuß und Johann Luſchner aus
Yichtenberg (1495) in Barcelona; Michael aus Flandern (1475), Johann
Hurns aus Konftanz (1489), Paul Hurus (1492), Georg Koch, Leon—
hard Hug und Wolf Appentegger „Germaniae nationis” in Saragoffa;
Heinrich Botel aus Sachſen (1479 bis 1495) in Lerida; Leonhard Ale-
manıs, Wolf Sanz (1481) und jpäter Hans Gießer aus Siligeftat
(Zeligenjtadt) in Salamanca; Johann Paris aus Heidelberg und Stephan
Clebatt (Kleeblatt, 1439) in Toloja; Johann von Köln und drei Ge—
nojjen in Sevilla, nämlich: Johann Pegniger aus Nürnberg, Jakob
Magnus (Groß) und Johann Thomas (1492), quatro alemanes com-
paneros, denen jchon ein Michael Dachauer vorhergeht und denen dort
208 Die Complutenſiſche Polyglotte. Columbus als Buchhändler. [Drittes
als bedeutendſter Vertreter der Kunft Jakob Cromberger folgt ?!; Fried—
rich Biel aus Bafel, von den Spaniern Maeftro Fadrique Aleman ge-
nannt (1485) in Burgos; Maeftro PYope de Ta Noca (Aleman) — Wolf
vom Stein? — (1487) in Murcia; Meinhard Ungut und Johann von
Nürnberg (1496) in Granada, zu denen Jakob Groß (Magnus) aus
Straßburg, Iohann aus Speyer und Jodocus aus Gerlichshofen fommen,
— endlich (1498) Johann Roſenbach aus Heidelberg in Tarragona.
Troß dieſes zahlreichen Einftrömens vdentjcher Künftler war die
Drudertbätigfeit in Spanien nie bedeutend. Die geiftliche Cenſur laſtete
zu jchwer; faum irgendwo in der ganzen Welt iſt es derſelben jo gut
gelungen, Schriften, die in großen Auflagen gedruckt waren, ganz oder
bis auf wenige Gremplare zu vernichten. Wiffenjchaft und Gelehrjam-
feit wurden nur jo weit in Ehren gehalten, als fie der Kirche dienten
oder ihr wenigjtens nicht feindlich gegenübertraten. So fam es denn
auch, daß ſpaniſche Gelehrte jpäter häufig in Paris oder bei Plantin
und deffen Nachfolgern in Antwerpen druden ließen. Die inländijchen
Druckereien beſchränkten fich meift auf Andachts- und Gebetbücher, In-
dulgenzbriefe und amtliche Veröffentlichungen.
Eine Ausnahme, und zwar eine glänzende, bildet allerdings die jo-
genannte „Complutenſiſche Polyglotte‘‘, welche von 1514 bis 1517 in
Alcala de Henares (Complutum) herausgegeben wurde. 3? Der Kardinal
Franz Ximenes de Cisneros, Minifter Ferdinands des Katholiichen, ließ
fie neben einer Anzahl won Klaffifern zum Gebrauch für die Studieren-
den auf der dort 1499 von ihm begründeten Univerfitit von Wilhelm
de Brocar in jechs Foliobinden druden. Sie ftellt eins der pracht-
volljten Erzeugnijfe damaliger Zeit dar und verurjachte einen Koſten—
aufwand von etwa 50000 Golpfronen. Zu ihrer Vollendung waren
15 Jahre erforverlih. Anfangs beanftandete Papft Yeo X. die all—
gemeine Verbreitung und geftattete fie erft am 22. Mär; 1520; vie
Übergabe des Werks in den Verfehr ſelbſt erfolgte jedoch ert im Jahre
1522.
Ein größeres Intereffe aber als dieſe Fojtbare Bibelausgabe bietet
die Thatjache, daß fein Geringerer als Chriftoph Columbus eine Zeit
lang dem ſpaniſchen Buchhandel angehört hat. In feinem Leben Tiegt
die Zeit von 1484 bis 1486 ziemlich im Dunfeln. Wie Herrera an-
gibt, wandte er fich im erjtgenannten Jahre von Portugal nach Spanien,
Kapitel.) Portugal: Die eriten jüdiſchen Druder. 209
trat aber bier erjt am 6. Januar 1486 in die Dienfte des Könige.
Es fragt ſich nun, was er in der Zwijchenzeit getrieben bat? Der
initere Entdeder genoß während dieſer Periode die Gaftfreundjchaft des
Herzogs von Medina-Coeli in der Stadt Cogolludo. Kin Palaftgeift-
liber des jpanifchen Königs, Andreas Bernaldes, berichtet num aus dieſer
Zeit von ihm’: „Es war da ein Manır aus den genuefischen Landen,
Hänpler mit gedrudten Büchern, welcher bier in Andaluſien feine Waren
feilbot und welcher Chriſtoph Columbus hieß.” Der Ausorud „in An-
dalufien feilbot‘ jpricht dafür, daß Columbus im Yande berummgezogen
jein muß, um etwas bares Geld zu verdienen. Freie Wohnung batte
er zwar in Cogolludo im Palaft des Herzogs, allein für feine übrigen
Bedürfniſſe mußte er jelbit jorgen. Es Liegt aljo die Schluffolgerung
nahe, daß ver Entdecker Amerikas einer ver erjten Kolporteure war.
Die Vorliebe für Bücher fcheint fich übrigens vom Vater auf den Sohn
vererbt zur haben, denn Ferdinand Columbus gründete eine Bibliothek
von 12000 Bänten, die Columbina, welche er dem Dominifanerflofter
Zan Pablo in Sevilla vermachte und regelmäßig durch Anfäufe in
ſechs, teftamentarisch nambaft gemachten Stäpten ergänzen lie.
Portugal erhielt jeine erſte Druderei auch nicht früher als in den
achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts. Bon ibm ift kaum etwas an-
deres, ja noch weniger ald von den jpanifchen Yeiftungen zu jagen.
Während in Spanien die Deutjchen die neue Kunſt einführten und jeden
damit befannt machten, der fie erlernen wollte, waren in Portugal die
gelebrten Juden die Vermittler, welche jedoch, um fich ein Monopol zu
fihern, ihre Kenntniffe jehr geheimbielten. ’*
Wenn fich Yeiria im portugiefiichen Eſtremadura auch rühmt, nach
Mainz die vierte Stadt der Welt gewejen zu fein, wo die Buchdruder-
hinft Eingang gefunden habe, jo ſteht thatjächlich doch nur fo viel feit,
daß Magijter Hortas 1484 in Yeiria den „Almanach perpetuus ecele-
siasticus Astronomi Zacuti” als vie ältejte portugiefiiche Inkunabel
drudte. Ihm folgten Rabban Eliezer und Sammel Zorba zu Yiffabon
mit dem „Sepher Orach Chaim” (1485), einem Kommentar zum Pen-
tateuch (1489), dann mit dem Text des Pentateuch (1491), jchlieklich
mit „Sepher Thephiloth”“ (1495). Um für ven Druch chriftlicher
Werke nicht anf jüdiſche Hände angewiejen zu fein, lieh die Königin
Yeonore, Gemahlin Johanns II, aus Deutjchland die Druder Valentin
app. I. 14
210 Liſſabon: Valentin Fernandes und die deutſchen Druder. [Drittes
von Mähren und Nikolaus von Sachſen nach Portugal fommen. Jener,
fenntnisreih und des Yateinischen mächtig, nannte ficb auch Valentin
Fernandes, mit dem Zujag Alemäo (Deutjcher), oder fpäter einfach Va—
(entin ber Deutſche. Selbſt Schriftiteller, war er zugleich Sefretär des
Königs Dom Mannel für deffen lateinische Korrejpondenz und Notar
der deutſchen Kaufleute zu Liſſabon, welche ihre Gefchäftsbriefe und
Kontrafte in lateinischer Sprache abzufaffen pflegten. Ob auch Johann
Gerling, welcher 1494 zu Braga im Auftrag des erzbiichöflichen Dom-
fapitels das „Breviarium Brachariensis ecclesiae” druckte, auf Ber-
anlaffung der Königin einwanderte oder einer jener vielen fahrenden Ge—
jellen ift, welche die neue Kunſt aus den deutſchen Werftätten nach den
ſüdeuropäiſchen Ländern trugen, läßt fich nicht beftimmen. Wahrjcheinlich
aber ift er verjelbe, welcher ſchon 1478 in Barcelona thätig war.
Valentin Fernandes arbeitete von 1495 bis 1513 in Yiffaben als
Druder und fand für jeine Preffe um jo mehr Arbeit, als das Dezember-
Dekret des Jahres 1496, das alle Nichtehriften unter Todesſtrafe aus
dem Pande wies, Die jüdijche Konkurrenz befeitigte. Überdies fam die
Erfindung Gutenbergs nach Portugal zu gelegener Stunde. Dom Ma-
nmel plante die Erjeßung der Rechtsordnungen Dom Affonjo's durch
einen neuen Goder; der rafch wachjende Handelsverfehr und die tolonial-
verwaltung erforderten manche gejeßliche Beftimmungen, Hafenordnungen,
Zolltarife u. ſ. w, und die in den Kolonien mit Erfolg betriebene Miffions-
thätigfeit machte das Bedürfnis nach einer zur Maffenverbreitung ge-
eigneten Darftellung der chriftlichen Yehre fühlbar. Che Balentin Fer—
nandes biejen praftijchen Aufgaben diente, drudte er eine Anzahl Werte,
die der Königin Peonore bejonders ans Herz gewachien waren.
So vollendete er in Gemeinjchaft mit Nikolaus aus Sacjen 1495
die „Vita Christi” des Kartäuſermönchs Ludolf, und, aufer einigen
Novellen, 1502 auch eine von ihm felbft beforgte Überſetzung der Reifen
des Marco Polo. Diejen Arbeiten folgte der Drud von Gerichts—
ordnungen, Katechismen, biblijchen Schriften und Gejegbüchern bis 1513,
in welchen Jahre fein Name völlig verjchwindet, ohne daß ermittelt wäre,
ob Tod, Rüdfehr in die Heimat, Aufgabe des Gejchäfts oder ander—
weitige Gründe den plößlichen Abbruch feiner Arbeiten herbeigeführt haben.
Im Jahre 1509 hatte fich zu Setuval an der Sadäomündung (vier Mei—
len ſüdlich von Yılfabon) Hermann von Kempen niedergelaffen, der dort
Kapitel.) Liffabon: Hermann von Kempen. Jakob Cromberger. 211
jeine Druderthätigfeit in Portugal mit der Derausgabe der „Statuten
des Ritterordend von Zantiago” begann. Später verlegte er jein Ge—
ſchäft nach Yilfabon und drudte ale Hofbuchdrucker eine portugieſiſche
Überjegung des „Flos Sanctorum“ (1513), dann bis 1516 zwei Re-
gierungsverordnungen und das „Kompromiß der Miſericordia-Bruder—
ſchaft“. Die „Regel des Ordens von Aviz” (1516) ift von Almeirim
am linken Tajo-Ufer datiert, wohin Dom Manuel den deutſchen Druder
ipeziell zur Bejorgung diefer Arbeit an jein Doflager berufen hatte. In
jeiner erjten Yeiltung nennt fich der Druder Herman de Kempis, jpäter
portugiejierte er nach dem Vorbilde der übrigen ausländiſchen Drucker
jeinen Namen, und jchrieb fich Herman de Gampos oder Armäo de Cam—
pos, durch den Zujaß Alemäo jeine Nationalität wahrend.
Ungertrennlich ijt ver Name Hermanns von Kempen mit der portu-
giefiichen Yitteratur durch den Druck des von Garcia de Reſende (1516)
herausgegebenen „Cancioneiro Geral” verknüpft, des berühmten Yieder-
buchs, das die Poefien von 275 böfifchen Dichtern enthält. Der Drud
iſt ſauber und geſchmackvoll, gotifch, mit zwei Holzſchnitten geziert, die
jih jofort durch Zeichnung und Ausführung als deutjche Arbeit kenn—
zeichnen. Bon diefer Ausgabe find nur noch 12 Eremplare vorhanden
und auch dieſe meijt verjtümmelt, da das Inguifitionstribunal die ihm
mißfälligen Verſe durch Herausreißen ver betreffenden Blätter entfernen
oder mittels Tinte auslöjchen lief. Seine letzte Arbeit gab Hermann
von Kempen 1518 beraus.
Da Valentin Fernandes aus unbekannten Gründen von 1505 ab
anf längere Zeit unthätig blieb, hatte Dom Manuel dem jeit Anfang
des Jahrhunderts in Sevilla etablierten Jakob Cromberger für die Her—
ausgabe des neuen Geſetzbuchs Vorſchläge gemacht. Gromberger fam
1508 nach Liſſabon und erhielt zunächſt ein Privileg ausgefertigt, das
ihm und alfen andern fremden Buchdrudern, die fich in Portugal nieder:
laſſen würden, in Anerfennung ihrer hoben Berdienfte um Staat und
Kirche, den Titel „Nitter des königlichen Hauſes“ (cavalleiro da casa
d’El-Rei) zuſprach. „Pferde und Wappenfnechte zu halten“, jagt das
am 20. Februar 1508 erlajfene Dekret, „wie die Ordonnanz für die
Ritter Unjeres königlichen Hauſes vorjchreibt, find die auslänpdijchen
Druder bei Annahme des Titels nicht verbunden; dagegen müſſen fie
ein Vermögen von mindejtens 2000 Dublonen Gold nachweiien.” Cha:
14*
212 Liſſabon: Jakob Eromberger. Johann Blavio von Köln. [Drittes
rafteriftijch für den Zeitgeift it Die weitere Bedingung: daß Die fremden
Buchdrucker „Altchriſten“ (christäos velhos) jeien, d. b. fie durften
früher weder Juden, noch Mauren gewejen jein, noch in irgend welchem
Verdacht der Härefie ftehen, „da andernfalls zu bejorgen ift, daß fie
pure ihre Drucwerfe Irrlehren in Unſeren Yanden ausſtreuen“. Die
Verhandlungen kamen damals zu feinem Abjchluß, wurden aber wieder
aufgenommen, als c8 fich um eine zweite Auflage der „Ordenacöes do
reino“ handelte. Jakob Cromberger bejorgte diejelbe 1521, und zwar
wurden das erjte und das vierte Buch des Coder zu Evora, Die drei
übrigen Bücher zu Yiffabon gedruckt. Der Druder nennt ſich auf dem
Titelblatt Jacobo Cronberguer Alemäo. Später trat die portugieftjche
Regierung noch einmal mit der Firma Gromberger in Gejcäftsverbin-
bung und lich die vierte Auflage ver „Ordenagöes do reino“ 1539 in
Sevilla bei Johann Gromberger pruden, ver 1528 die Druderei jeines
Vaters übernommen batte.
Die Reihe ver deutjchen Buchdrucker des 16. Jahrhunderts in Por-
tugal ſchließt Joäo Blavio de Colonia Agrippina, dev 1554 bis 1564
in Yiffabon als Hofbuchoruder (impressor regio) anjüjfig war umd
während dieſer Zeit 36 Werfe heransgab. Den Verbindungen Blavio's
mit der Heimat mag es zuzuſchreiben fein, daß Bernardim Ribeiro feine
berühmte Nitternovelle „Menina e Moca“, ver die Inquifition das Im—
primatur verjagt hatte, zugleich mit den Dichtungen des Bufolifers
Chriftoväo Falcko bei dem fülner Buchhändler Arnold Birckmann (1559)
ericheinen ließ.
Während des ganzen 15. Jahrhunderts ftanden die germanijchen
Bölfer Hinter den romanijchen an wifjenjchaftlichem Interejfe und in
deſſen Bethätigung durch die Buchdruckerkunſt entjchieven zurüd. Erſt
mit der Reformation ſchlug diefes Verhältnis in fein Gegenteil um.
Fortan nahm der Norvden Europas einen mächtigen geiftigen Aufihwung,
während der Süden, der fich gegen die neuen Ideen jchroff ablehnend
verhielt und abiperrte, zumächit ftehen blieb und mit jedem Jahrzehnt
mehr zurüdging. Deutjchland verlor allerdings infolge der nur halb
durchgeführten Reformation jeine frühere tonangebende politische Stellung,
indeffen war es immer noch ſtark genug, fich durch die geijtige Thätig-
.-_m. 0%
für ganz Europa die Oberherrichaft auf dem wifjenjchaftlichen Gebiete
Kapitel.) Die Niederlande. Ihre ſpätere Bedeutung. Utrecht. 213
zu jihern. Holland und England dagegen entwidelten mit dem vollen
Siege der Reformation ein reges wiffenschaftliches und politisches Yeben
und traten, wenn auch erſt ein Jahrhundert nach den veligiöjen Kämpfen,
an die Spike der europäiſchen Politik. Auch in den Niederlanden zeigte
ſich dieſelbe Erjcheinung. Der ſüdliche Teil, das heutige Belgien, hatte
anfangs einen mächtigen Borjprung vor dem nördlichen, dem gegen
wärtigen Holland, und jah einige der größten Meeifter der Kunſt zur
höchſten Bedeutung emporblühen, wie Chriftoph Plantin und feine näch—
ſten Nachfolger in Antwerpen. Mit der Wiederunterwerfung unter die
ſpaniſche Herrſchaft ſank dort aber bald das litterarifche Intereffe und
die wiffenichaftlihe Thätigkeit, alſo auch Buchdruck und Buchhandel,
während Holland das gedrudte Wort überall freigab und namentlich im
17. Jahrhundert ein reges geiftiges Yeben entwidelte, an deſſen Förde—
rung ver Buchhandel in erjter Linie mitarbeitete. Abgejehen von ans
dern berühmten Firmen iſt der Name Elſevier allein ein ſprechender
Beweis für diefe Thatjache.
Die Buchdruckerkunſt fand ihren Weg in die Niederlande über Köln.
Tiefe Stadt war der mächjte große Handels: und Stapelplaß, welcher
ſchon ſeit Jahrhunderten im regem gejchäftlichen Berfehr mit Brabant
und Holland geitanden hatte. Von Brügge umd Antwerpen aus ging
ver Warenzug über Köln nach dem Norden und Norvoften, ven Rhein
hinunter und herauf gelangten die Schiffe von Köln nach Rotterdam
und zurüd. Wie ſchon früher die alte nieverrheinifche Hafenſtadt, jo
zog im 15. Jahrhundert auch die Univerfitätsftant Köln einen großen
Teil der Niederländer an ſich und wandte fich ihnen mit ihrer Kunſt
und Wiſſenſchaft zu.
Die erjte niederländijche Stadt, im welcher fich ein beglaubigtes
Tatum für die Ausübung der Buchdruderfunft findet, ift Utrecht, und
das erjte miederländiiche, mit Angabe des Druders und der Iahreszahl
zedruckte Buch iſt die „Historia scholastica”, 1473 von Kettelaer und
Yeempt in Utrecht.
Man kennt 45 undatierte niederländifche Drude, die jedenfalls noch
früher bergeftellt find und als Urerzeugniffe der niederländiſchen Preſſen
gelten dürfen, allein Drudort und Druder verjelben find bis auf den
beutigen Tag noch unermittelt.°° Da fich aber die Holzichnitttafeln des
als älteſtes niederländiſches Drudwerf geltenden „Speculum humanae
214 Utrecht: Johann Beldener. Aalſt. Löwen: Johann der Weſtfale. [Drittes
salvationis“ in dem 1481 ebenfalls zu Utrecht von Johann Beldener
gebrudten „Epistelen ende Evangelien mitten Sermonen van al
den jaere‘ wiederfinden, und zwar dem Format des Werts angepaßt
in zwei Hälften geteilt, jo darf dies als weiterer Grund gelten, um ver
Stadt Utrecht den eriten Platz unter den niederländijchen Drudijtädten
zuzujprechen.
Wenn alfo auch die erjte holländiſche Druderjtadt, jo iſt Utrecht doch
von feiner weittragenden Bedeutung als ſolche; außer den erten dortigen
Typographen Kettelaer und Yeempt, welche in ven Jahren 1473 und
1474 dajelbit 26 Druckwerke heritellten, darunter drei datierte, trat 1475
noch Wilhelm Hees mit ſechs Erzeugniffen auf, während Johann Vel—
bener, der vorher jchon in Löwen thätig war und ſpäter nach Gulenborg
in Geldern überfievelte, hier von 1475 bis 1481 acht verjchierene Werke
druckte, unter welchen ver „Fasciculus temporum“ von 1480 lange
als das erjte Buch mit Nandverzierungen in Holzſchnitt gegolten bat.
Bon ihrem Hhauptjüchlichen ornamentalen Beltandteil, den Weinvanten,
„vignettes“ genannt, wurde dieje Bezeichnung für jeden ähnlichen Schmud
beibehalten. Dieje Angabe jet bier jedoch nur wiederholt, um ihrer
fangen Reife durch die Yitteratur endlich ein Ziel zu fegen; denn es
jteht feit, daß Johann Zainer in Ulm fich ſchon um 1470 eines gleich-
artigen Bücherichmuds bediente.
Der zweite niederländiiche Drudort tft Die oftflandrijche Stadt Aalſt,
in welcher 1473 und 1474 die berühmten Druderdiosfuren Johann ver
Seftfale, aus Hachen, im jetigen Negierungsbezirt Arnsberg in ver
Diöceje Paderborn, und Dierk Martens ihre Yaufbahı begannen. Wäh—
vend Martens daſelbſt bis 1490 thätig blieb und fich erſt dann nach
Antwerpen und Yöwen wandte, verlief Johann der Weitfale ſchon 1474
die Stadt, um die Kunſt nach Yöwen, der alten Hauptſtadt Süd—
brabants, welche durch ihre 1426 begründete Univerfität ſich eines be-
deutenden Rufs erfreute, zu tragen. Yöwen wurde die erſte Stadt ver
Niederlande, in welcher die Buchdruckerkunſt zu wirklicher Bedeutung
gelangte; fie verdankte dies vorwiegend der auferorventlichen Thätigkeit
Johanns. Er lieferte Dajelbjt von 1474 bis 1496 über 180 befannte
Drude, von denen 57 Firma und Datum aufweijen. Sein Verlag ver:
tritt alle Zeiten Des damaligen litterarifchen Yebens; Das Necht und bie
Theologie kommen zu gleicher Geltung, wie die Werfe der Alten und
Kapitel.) Löwen: Dierd Martens. Brügge: Colard Manfion. 215
der Grammatifer. Bon bejonderer Bedeutung iſt e8 ſogar, daß darunter
ſchon in den fiebziger Jahren Ariftoteles, Juvenal, Perfius, Birgil, Gi:
cero, Dvid, Poggius glänzen.
Bis zum Ausgange des Jahrhunderts waren in Yöwen noch acht
Typographen thätig, worunter auch die jchon genannten Johann Bel:
dener und Dierf Martens. Die Drude aller acht zujammengenommen
betragen num zwar an Zahl noch nicht die Hälfte der von Johann von
Weſtfalen gelieferten (did zum Jahre 1500 zählt man im ganzen etwa
250 löwener Drude); dagegen gelangte aber auch Dierck Martens’ Offi-
zin zu einer viel intenfivern Beveutung.?° Er war ein Gelehrter von
Kuf und nach dem Zeugnis des Erasmus ein Freund von Gelehrten
eriten Ranges. Martens jchrieb fertig Griechiſch und Hebräifch, ſprach
Yateinijch, Deutſch, Franzöfiih und Englisch und liebte den heitern Yebens-
genuß, namentlich den Wein. Seine Devife war: „In vino veritas!”
Er übte nicht allein in Pöwen, ſondern auch in Antwerpen feine Kunft aus
und hatte bis zu feinem 1534 erfolgten Tode eine ruhmvolle, faft jechzig-
jährige Thätigkeit Hinter fich, während welcher er etwa 150 griechifche,
hebräiſche und lateinifche Bücher gedruckt hatte. Seine Schriften find von
ihm jelbit und zwar jehr gut gejchnitten, feine Drude aber vortrefflich aus-
geführt. Sein erfter griechiicher Druck ſtammt aus dem Jahre 1501.
Dem berühmten flanprijchen Handelsplatz Brügge wurde die Ein:
führung der Typographie im Jahre 1476 durch Colard Manfion, einen
Schönjchreiber, zuteil; fein Name kommt ſchon von 1454 bis 1468 in
ven Regiſtern der St. Johammis- Gilde vor. Sein erfter Drad, un:
datiert, ift „Le Jardin de Devotion“ mit dem Kolophon: „Primum
opus impressum per Colardum Mansion, Brugis. Laudetur omni-
potens”, fein erftes datiertes Werk die franzöfiiche Überſetzung von Bo-
caccio's „Buch von berühmten Männern und Frauen“ (von 1476). Wahr:
jcheinlich hat Manfion die Buchdruderfunft in Köln, wo er mit William
Caxton zujammengetroffen fein mag, erlernt; aber verbürgt ift dies
feineswegs. Jedenfalls haben die Charaktere diefer beiden Typographen
eine außerordentliche Ähnlichkeit, die um jo bemerfenswerter ift, als in
ihren Yettern zum erſten mal der Charakter der franzöfifchen Bätarde—
thpe auftritt. Manfion druckte bis 1484 24 Werfe, von welchen nur
vier die Firma fragen, ein zweiter Druder in Brügge, Johann Brite,
um 1488 drei.
916 Deventer: Rich. Paffroet. Jakob von Breda. Die Heinen Städte. [Drittes
In Brüfjel wurde die Buchdruckerkunſt um 1476 durch die „Brüder
vom gemeinfamen Leben“ eingeführt; fie lieferten daſelbſt bis 1487
36 Druckwerke. Im übrigen aber blieb Brüffel, gleichwie Brügge, im
folgenden Jahrhundert ohne Bedeutung. Dagegen wurde Deventer,
die Hauptſtadt der Provinz Oberyſſel, wo die genannte Brüderſchaft
100 Jahre früher geftiftet worden war, durch die ausgedehnte Thätig-
feit zweier Männer während des 15. Jahrhunderts der Mittelpunkt
der litterarifchen Produktion Hollanps. Mitt dem Jahre 1477 beginnt
bier die großartige Betriebſamkeit Richard Paffroets oder Paffraets aus
Köln; bis zum Ausgange des Jahrhunderts hatte er über 260 Werfe
aus allen Fächern des Wiffens geliefert, darunter 145 mit Dinzufügung
jeiner Firma So entfällt auf jedes Jahr ein Dutend Bücher, vie
feinen Ruhm weit über die Grenzen des Yandes hinaus verbreiteten.
Bis zum Jahre 1511 bielten dieſe bedeutenden Yeiftungen an und wur:
den alsdann bis 1525 von Albert Paffroet, vermutlich einem Sohn Ri:
chards, fortgejett. Als jein würdiger Nebenbubler muß Jakob von
Breda bezeichnet werden, der von 1485 bis 1500 nicht weniger als
210 Werfe berausgab. Auch ev wirkte bis zum zweiten Jahrzehnt des
16. Jahrhunderts.
Wegen ihrer verhältnismäßig geringen Bedeutſamkeit ſeien die zu:
nächſt auftretenden Städte nur furz erwähnt: Gouda in Südholland
beherbergte von 1477 bis 1487 fünf Drudereien, aus denen 386 Werfe
bervorgingen. Gleichzeitig war Delf bis zum Ausgang des Jahrhunderts
mit nur vier Drudereien dennoch beveutenver, da es gegen 140 Drude
aufzumweifen bat. Die Heine Stadt S. Martinspyd in Zeeland iſt
1478 nur mit Einem Druckwerke zu nennen. Es folgen 1479 bis 1500:
Zwolle in Oberyſſel mit vier Offizinen und 100 Werfen; Nymegen
1479 bis 1481 mit einer Preſſe und vier Drudwerfen; die Heine
Stadt Dafjelt bei Zwolle 1480 bis 1490 ebenfalls mit einer Druckerei
und acht, vesgleihen Dupdenarde in Weftflandern 1450 mit jechs
Werfen.
Im Jahre 1482 tritt endlich auch Antwerpen in die Reihe ver
Drudjtädte Obgleich erſt im 16. Jahrhundert durch die rubmwolfe
Thätigfeit Chriſtoph Plantins die höchſte Stufe ihrer Bedeutung er—
veichend, nimmt dieſe große Handelsſtadt doch auch jchen im 15. Jahr—
bunvert eine uchtunggebietende Stellung ein. Ihr erjter Typograph war
Kapitel.) Antwerpen: Gerard Leeu. England. William Caxton. 217
Mathias van der Goes von 1482 bis 1492. Etwa SO Drude bezeichnen
feine fich meift in ven Bahnen ver Theologie und Scholaſtik bewegende
Thätigfeit. Die größere Bedeutung Dierk Martens, des zweiten Typo—
graphen der Stadt, ijt bereits oben gewürdigt worden. Die Führerjchaft
für das 15. Jahrhundert übernahm jedoch Gerard Leeu 1484 bis 1493,
der von 1477 an feine Kunſt jchon in Gouda mit großem Erfolge aus:
geübt hatte. Über 130, darunter viele mit Holzihnitten gezierte Werke
fegen von feiner Thätigfeit zu Antwerpen ein rühmliches Zeugnis ab;
bejonders erwähnenswert ift die erſte niederdeutſche Überjekung der „Fa—
bein des Äſop“ von 1485. Gerard Leeu zählte zu denjenigen Männern,
die Erasmus von Rotterdam mit jeiner Freundſchaft beehrte. Die übri-
gen acht Offizinen bis zum Ausgang des Jahrhunderts find von ge-
ringer Bedeutung, während der Beziehungen Nifolaus Keßlers in Baſel
zu Antwerpen ſchon gedacht worden ift.
Um die Reihe der niederländiſchen Druckſtädte des 15. Jahrhunderts
zu vervollftändigen, mögen bier noch kurz die betreffenden Angaben folgen.
Im Jahre 1483 waren es die Städte Gulenborg, Haerlem, Gent und
Leyden, die fih mit nur wenigen Werfen an der Ausübung der neuen
Kunst beteiligten. Als ganz unbeveutend vürfen jehlieklich die Ortichaften
Bois-le-duc (1484), Garpenitras? 1494, Schonhoven (1495), Schiedam
(1498) bezeichnet werben.
Englands erjter Druder war William Garten, geboren um 1421
in Yonbon, geitorben 1491. Er ging, nachdem er bier bei einem Wolf:
bändfer in der Yehre gewejen war, nach Brügge, damals ein Hauptmarft
für engliſche Wolle, und wird dort jchen 1450 als Kaufmann genannt.
Yange Jahre war‘er hier faufmännijcher Vertreter feiner Yandsleute und
ſchloß auch im Auftvage des Königs Eduard IV. einen Dandelsvertrag
mit Philipp von Burgund ab; er nannte ſich im Jahre 1469 ſelbſt:
„William Caxton marchant dangleterre maistre et gouverneur des
marchans de la nation dangleterre par deca.” 3? Bald darauf trat
er in die Dienjte der Gemahlin Karls des Kühnen, Margarete von York,
Schwejter des engliichen Königs, die ihm nach feiner eigenen Angabe
veranlafte, die damals jehr beliebten Ritterromane des Hoffaplans Raoul
de Fevre: „Recueil des Histoires de Troyes” insg Engliſche zu über:
jegen. Er fing damit, wie er felbit jagt, am 1. März 1468 (oder
vielmehr 1469, da das Jahr damals nicht vor Oftern begann) in Brügge
218 London: William Carton. Wynkyn de Worde. [Drittes
an, jette die Überſetzung in Gent fort und beendete fie in Köln am
19. September 1471. Der Beifall, welchen die Überſetzung fand, ver—
anlaßte Caxton, ſich der neuen Kunſt zuzuwenden; er ſagt am Schluß:
„Da ich verſchiedenen Herren und Freunden verſprochen habe, ihnen
dieſes Buch zu ſchicken, ſobald ich könnte, ſo habe ich mich der Er—
lernung und Ausübung der Buchdruckerkunſt mit großen Auslagen unter—
zogen, um dieſes Buch in Druck zu bringen.“
Die Anſichten über den Ort, wo Caxton die Kunſt erlernte und ſein
erſtes Werk druckte, ſind geteilt. Sein Biograph Blades hält aus typo—
logiſchen Gründen Brügge dafür und Colard Manſion für ſeinen Lehr—
meiſter; allein von anderer Seite find Gründe vorgebracht worden, welche
unbedingt nachzuweiſen jcheinen, daß Köln der Ort war, wo Garten fein
erſtes Drudiwerf, ven „Recueyll of the Histories of Troye‘, nad
1471 vollendete, 33
In die Zeit feiner Thütigfeit auf dem Kontinent, aljo bis 1476,
fällt noch ein zweiter Drud von ihm: „The Game and Play of the
Chess Moralized“, ebenfalls von ihm ſelbſt aus dem Franzöſiſchen
überjetst und mit denjelben Typen wie „The Recueyll“ gedruckt. Bald
darauf fehrte Caxton nach England zuvid und gab im November 1477
zu Weftminfter fein erjtes mit Namen und Jahreszahl gedrudtes Buch,
bie erjte Ausgabe jeiner „Dietes and Sayings of the Philosophers“
heraus. Da der Charakter feiner Typen fortan ein anderer, als der
der bisher verwendeten it, jo jchliegt man mit um jo mehr Recht, daß
er die alten, weil wahrjcheinlich das Eigentum feiner Gönnerin Marga—
vete von Torf, auf dem Kontinent zurücklaſſen mußte. In feinem Vater:
ande entwidelte Caxton von jeßt an eine ausgedehnte Thätigfeit. Fünf—
zehn Jahre wirkte er noch als Druder, zugleich als Überjeger und Be—
arbeiter eines großen Teils der von ihm gedruckten Schriften, deren
Sejamtzahl 94 beträgt.
Unter Caxtons Schülern zeichnet ſich namentlich fein Nachfolger
Wynkyn de Worde aus Yothringen aus. Als Druder übertrifft er
jeinen Yehrmeifter bedeutend. Über 400 Drude feiner Preffen, aus
allen Fächern der Yitteratur, geben rühmliches Zeugnis von feiner bie
zu feinem Tode, im Jahre 1534, andauernden Thätigfeit. Weniger
produftiv, aber ebenfalls geſchätzt und von Heinrich VIII jogar zum
Hofbuchoruder ernannt, war fein einjtiger College bei Caxton, Richard
Kapitel.) Ktopenhagen: Gottfried af Ghemen. 219
Pynſon, der bis 1529 über 200 Werfe aus feinen Preffen hervor:
gehen Tier.
Schlieklih muß bier noch, wem auch nur furz, der Einführung der
Bucodruderfunft in Dänemark und Schweden gedacht werden. Das
erite Buch, welches überhaupt in Dänemark erſchien, war eine lateiniiche
Beichreibung der Belagerung von Rhodus und wurde 1482 von Johann
Snell in Odenſe auf Fünen gedruckt. Man weiß nicht, woher er kam,
noch wohin er jehlieflich ging; denn nur einmal noch taucht er im fol-
genden Jahre als Druder eines einzigen Buchs in Stockholm auf.
Seinem Namen nad) zu urteilen war er ein Niederdenticher, deifen Schreib:
art nach ein Weſtfale. Offenbar war er einer jener Wanderdruder, die
bald bier, bald dort, mit ihrem fleinen Vorrat von Schriften unbedeu—
tende Schulbücher over Flugblätter beritellten und durch deren wohl nur
lanajam zu ermöglichenden Bertrieb eine kümmerliche Exiſtenz fanden.
Einige Jahre ſpäter fand Snell einen Nachfolger in Gottfried af Ghe—
men, der 1489 oder 1490 in Kopenhagen einen Donat drudte. Cr
gilt zwar als Holländer, wenigjtens hatte er, bevor er nach Dänemark
füm, in Gouda und Leyden gedrudt; aber Ghemen iſt eine Herrichaft
im nordweſtlichen Münfterlande und ſtammte ev möglicherweife von dort.
Zudem waren anfänglich die in Holland thätigen Druder und Setzer
fat ausſchließlich Deutſche aus den benachbarten Yandesteilen, und jo
mag auch Gottfried in derjelben Weife wie Smell zunächſt als ärm—
licher Wunderdruder begonnen haben, Im der dänijchen Dauptjtadt
wirfte er allerdings 20 Jahre lang (1490 bis 1510); indeſſen kann
man mit Zicherheit nur 19 Drude als aus jeiner Preffe hervorgegangen
bezeichnen. Einige davon find ganz verloren gegangen, andere wieder
erlebten mehrere Ausgaben. So erjchien die däniſche „Reim-Chronik“
von 1495 bis 1508 in vier Auflagen und im zwei (1506 und 1508)
die dänische „Sprichwörterſammlung“ von Peter Laale. Gottfried drudte
vor allem Schulbücher, gejcbichtliche und vichteriiche Schriften, veligiöfe
Werke und endlich die wichtigiten der damals noch geltenden alten Pro-
vinzialgejeke. Er war arm und lebte won der Dand in den Mund;
jeine Bücher waren voller Drudfehler, ärmlich, wenn auch vielfach mit
Holzſchnitten, doch nur mit herzlich jchlechten, ausgeftattet und mit nur
zwei Arten von Typen bergeftellt. Auch der Buchhandel, ven er mit
jeiner Druderei verband, mag ihm nur wenig eingebracht haben.
220 Schleswig: Stephan Arndes. Schweden. [Drittes
In Schleswig drudte der Hamburger Stephan Arndes 1486 das
„Missale Sleswicense“, Er fam aus Perugia, wo er bereit mit Neu—
meifter gearbeitet hatte, und ging über Yübe nach Dänemark. Arndes
war bis zu feinem 1519 erfolgten Tode einer der beveutenditen und
erfolgreichiten Buchbruder in Nordeuropa und muß auch Mittel bejeijen
oder erworben haben, denn feine Drude, namentlich jenes „Missale“,
zeichnen fich vorteilhaft durch wortreffliche Typen, jchöne Ausftattung und
guten Geſchmack aus. 3?
In Schweden druckte 1483 der aus Dänemark gefommene Johann
Snell in Stodholm das erjte Buch: „Dyalogus creaturarum morali-
zatus.“ Auf ihn folgte 1494 Johann Fabri mit dem „Breviarium
Strengnense‘, während Fabri's Witwe 1496 das „Breviarium Upsa-
liense” vollendete. Bon da an tritt eine Unterbrechung von 50 Jahren
ein, während welcher jih in Schweden von der Kunft feine Spur zeigt.
Erjt von der Mitte des 16. Jahrhunderts an fahte fie dort feiten Kup. #9
In beiden Yündern ward alſo anfangs faſt ausſchließlich für Die Zwecke
der Schule und Kirche gedruckt. Dieje find ihrer Natur nach zur Be—
friedigung ihrer litterarifchen Bedürfniffe auf die Heimat, auf die nächite
und billigjte Gelegenheit angewiejen. Für die gelehrten Studien dagegen
war der heimiſche Markt noch zu eng und zu abgeſchloſſen, vejjen Kauf:
fraft zu ſchwach, als daß ſelbſtändig Drude auf wiffenjchaftlichem Ge:
biete mit einiger Ausficht auf Erfolg hätten unternommen werden können.
Dan muß ſich deshalb auch hüten, aus jener bejchränften Druderthätig-
feit Schlüffe auf ven damaligen Bildungsjtand Dänemarks und Schwe:
dens zu ziehen. Ihre gebilveten Söhne gingen damals gern nach Ita—
lien, Paris und Deutſchland — Shafipeare läßt ſogar Hamlet in Witten:
berg ftudieren — und kauften ſich teils dort an der Quelle die Bücher,
deren fie für ihre Studien bepurften, teils führten deutſche Buchhändfer
fie ihnen zu; wittenberger Buchhändler bejuchten wenigſtens in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts faft alljährlich den fopenhagener Markt.
Ganz zu übergehen ift übrigens Ungarn, das jich ebenfalls einer
Inkunabelnzeit rühmt und jeine litterarichen Verdienſte im Jahre
1879 durch einen vortrefflich geprudten und ausgeftatteten Katalog von
751 Zeiten in groß Oftan*! darzulegen gejucht bat. Aber jonderbar
berührt es, wenn die Berfaffer jenes Katalogs zu diefem Behufe jelbit
die Titel ber zuerit mit ungarifchem Gelde gedruckten lateiniſchen und
Kapitel.) Ungarn. 221
deutſchen Bücher ins Ungariſche überjeßen, welches zu jener Zeit noch
keine Schriftjprache war. Die erfte und einzige wirkliche ungarifche In—
funabel ift die 1484 in Nürnberg gedrudte „Oratio et Cantilena de
Inventione dextrae S. Regis Stephani idiomate Ungarico”. Den
jweiten Drud bejorgte 1531 der deutſche Druder Hieronymus Bietor
in Krakau, wo auch die Nummern 3. 4. 5. 8. 10. 11. 12. 13 (des ge-
dachten Katalogs) geprudt wurden, während 6. 7 und 9 aus den Prefien
von Johann Zingriner in Wien bervorgingen und ver ältejte thatjäch-
ih ungarijche Drud, eine lateinifch-ungarifche Grammatif (Nr. 14), erft
1539 in Särvär im Eifenburger Komitat erjchien. Erſt 1550 (Nr. 22)
wird in Kolozsvär (Klauſenburg) ein kurzer Statecbismus von Kafpar
Heltb, Pfarrer daſelbſt, veröffentlicht. *
Biertes Kapitel.
Das Äußere des Buchs.
Etymologie des Wortes. — Papyrusrolfen. Codices. Wachstafeln. — Pergantent.
Palimpſeſte. Schreibmaterialien. Pergamenter. — VBaummollenpapier. — Linnen—
papier. PBapierinduftrie. — Waſſerzeichen. — Illuſtration der Handſchriften. —
Byzanz. — JIriſche Ornamentik. Abendländiſche Miniaturmalerei. — Form- oder
Holzſchnitt. — Printer, Karten- und Briefmaler. — Technik und erſte Erzeugniſſe
des Formſchnitts. — Der Holzſchnitt als Buchilluſtration. — Signete und Ex-libris.
— Budhilluftration in Stalien und Frankreich. — Büchereinband im Mittelalter. —
Drnamentation der Lederbände. — Majoli und Grolier. — Der deutiche Bücher-
einband. Goldichnitt. — Die Buchbinder.
Wie die deutjchen, gleichbeveutend gebrauchten, Wörter Schrift und
Buch weijen fajt überall die Ausprüde für das aus mehrern Blättern
zujammengefügte Schriftiverf entweder auf das Schreiben oder, häufiger,
auf den Schreibftoff zurüd. Im Arabiichen heißt das Buch Gejchric-
benes (kitäb), der Cover Abgejchriebenes (nus’cha); das ägyp—
tiſche tama wird auf die Nollenform, aber auch auf den Schreibſtoff
bezogen; das griechiiche biblos erinnert an die zur Papprusbereitung
benutste Pflanzenfafer, das lateinijche liber an Baumbaft, und Buch
jelbft an den Urahnen der Yetter, den Bucjtab oder Buchenzweig, in
welchen Runen gejchnitten waren. So muß man auch, um fich Die
Entwidelung der äußern Gejtalt des geprudten Buches zu vergegen=
wärtigen, auf das gejchriebene und Die zu deffen Derftellung benußten
Materialien zurücgreifen.
Hält man an dem Begriff des Buchs als einer Gejamtheit mehrerer,
miteinander verbundener Stüde des Schreibjtoffs feit, jo darf man Dazu
jben die Schriftrollen des Altertums rechnen, welche durch das Anein-
anverbeften von Blättern entjtanden. Den Aſiaten jcheinen dazu von
[Biertes Kapitel.) Bapyrus und Papyrusrollen. 223
jeher Tierhäute gedient zu haben (deren einzelne Stücke vermittelſt dünner
Lederriemen gewiſſermaßen zuſammengenäht wurden), den Agyptern Paph⸗
rus: alſo die beiden Arten des Schreibſtoffs, welche die Vorläufer des
Pergaments und des Papiers geworden ſind. Über die anfängliche Weiſe
der Bearbeitung des Leders zu dieſem Zweck fehlen die Nachrichten; allein
ſie muß, abgeſehen von der Koſtbarkeit des Materials, auch ein unvoll—
kommeneres Produkt geliefert haben, da erſt die Not, einen Erſatz für
den ägyptiſchen Papyrus zu ſchaffen, im 2. Jahrhundert v. Chr. zu
beſſerer Zurichtung der Häute führte. Dagegen iſt die Natur des Papy—
rus, über welche durch Plinius mancherlei irrige Vorſtellungen verbreitet
worden waren, gegenwärtig genau bekannt. Nicht aus dem Baſt der
Papyrusſtaude, ſondern aus deren Mark wurden Streifen geſchnitten,
und dieſe nicht, wie noch Marquard ! annahm, wie Flechtwerk, oder wie
Kette und Schuß eines Gewebes, miteinander verflochten, jondern in zwei,
jelten drei, fich freuzenven Yagen übereinander gebreitet, die man durch
Befenchten mit Nilwafjer, vielleicht auch mit einer klebenden Flüſſigkeit,
durch Prejien, Schleifen mit Bimsftein u. ſ. w. zu einer feiten, ebenen
Maife vereinigte. Ein jo gewonnenes Blatt, mit einer Urkunde oder
einem Briefe bejchrieben, wurde mehrmals zujammengefaltet, ſodaß es
einen jchmalen Streifen bilvete, und dann zu einem Knoten verſchlungen,
— ähnlich, wie man vor der fabrifmäßigen Herſtellung von Brief-
umjchlägen wohl Briefe zuſammenlegte, welche nicht durch die Poſt be:
fördert werden jollten. Für größere Schriftjtüdte aber wurden mehrere
Blätter aneinander geklebt, welche in Kolummen oder in langen Zeilen
bejchrieben und, behufs der Aufbewahrung, aufgerolit werden fonnten.
Auf der erjten oder der letzten Kolumne findet fich angegeben, wie viel
Kolumnen oder wie viel Zeilen die Rolle enthält, oder die Kolumnen
jind paginiert. Zum Schuß gegen Injekten und Wurmfraß bejtrich man
den Papyrus mit Gedernöl, Der Rand des fetten Blattes wurde an
einen dünnen Holzſtab, umbilicus, geflebt, um welchen der Papyrus
aufgewidelt wurde, um endlih in eine Schutzhülle von Paphrus over
Pergament getban zu werden, ans welcher nur ein Zettel mit dem Titel
des Buchs hervorragte. ?
Zahlreiche antife Bilpwerfe, zumal im Muſeo nazionale zu Neapel,
zeigen dergleichen Rollen, gejchloffen in der Hand von Rednern, oder,
von linfs nach rechts aufgewidelt, in den Händen Yejenver; der Sophokles
224 Volumen. Goder. Holz, Elfenbein- und Wachstafeln. Viertes
im lateranenſiſchen Muſeum zu Rom hat eine Kapſel mit Rollen neben
ſich ſtehen, gewiſſermaßen eine Handbibliothek. Die mit einem Deckel
verſehene Kapſel hieß serinium, woraus unſer Schrein geworden iſt.
Die Ägypter bewahrten Schriftrollen in Krügen auf. Und die Rollen—
form des Buchs, volumen, kam feineswegs außer Gebrauch, als vie
Erfindung des Pergaments eine andere, bequemere, ermöglichte; wielmebr
hatten die Nömer ausnahmsweije auch Pergamentroflen, wie andererjeits
Papyrus auch in einzelnen Blättern zu einem Buche im jegigen Sinne,
codex, zujammengeheftet wurde. Nur die größere Wohlfeilbeit des
Stoffs konnte hierzu veranlaffen, da demjelben ein Hauptvorzug des
Pergaments, auf beiden Seiten bejchreibbar zu jein, mangelte und er
außerdem mit der Zeit bricht und zerbrödelt. Deshalb find Papyrus-
bücher wenig erhalten, aber daß man fich des Stoffs noch in jpäterer
Zeit, wenn auch wohl nur ausmahmsweife, bediente, wird z. B. durch
den abwechjelnd auf Papprus und Pergament gejchriebenen „Codex
Augustinus” aus dem 6. Jahrhundert in Paris, ja jelbjt noch für
das 10. Jahrhundert durch das Breviarium eines Patriarden von
Ravenna in München bewiejen.
Erfunden zu werben brauchte übrigens die Codexform nicht erjt. Sie
war vorhanden in ven Holz: oder LKlfenbeintafeln, welcde auf einer
Seite mit Wachs überzogen waren und deren mehrere miteinander ver-
bunden werden fonnten; ja eigentlich ſchon in den römiſchen Militär-
diplomen aus Erztafeln, welche auf der Innenfeite den authentiſchen Tert
trugen. (Über ven Verbleib des von Montfaucon in „L’Antiquit6 ex-
pliquee” erwähnten Buchs aus Bleiblättern ift leider nichts befannt.)
Allein der Gebrauch ver Erztafeln war naturgemäß ein bejchränfter, und
die Wachstafeln dienten nur ala Notizbücher, zum Concipieren von Schrift—
jtücken, zu Schreibübungen. Das eigens präparierte Wachs behielt eine
gewifje Geſchmeidigkeit, ſodaß Die mit dem Meetall- oder Elfenbeingriffel
eingegrabenen Schriftzüige mit deſſen plattem oder abgerundetem obern
Ende wieder verwifcht, die Oberfläche wieder geglättet werden fonnte;
und eben desiwegen waren diefe Tafeln nicht fir Schriften geeignet,
welche Dauer haben jollten. Als Notiz und Schultafeln und zur Füh—
rung von Nechnungen haben fie fich übrigens bis in das 15. Jahrhun—
dert unjerer Zeitrechnung, in Salzwerfen als jogenannte Yehntafeln
noch länger erbalten.? In diefem Zujammenhang mögen auch die aus
Kapitel.) Pergament. Palimpſeſte. Schreibutenfilien. 23
dünnen Dolztafeln beſtehenden Skizzenbücher aus dem 15. Jahrhundert
erwähnt werden, von denen eins die berliner Bibliothef und eins die
ambrajer Sammlung befist. Auf die Bedeutung der foftbaren Elfenbein-
tafeln wird bei der Buchbindung zurückzukommen jein.
Zur Erfindung des Pergaments gab ein Ausfuhrverbot für Papy-
rus Anlaß, durch welches vie Ptolemäer den König Eumenes II. (197
bis 158 v. Chr.) verhindern wollten, jeine Bibliotbef zu Pergamen zu
einer Nebenbublerin ihrer alerandrinijchen zu machen. Die dünn und
glatt bergerichteten und mit einem freidigen Grund überzogenen Häute,
mit welchen man jich nun in Pergamon behalf, erhielten als charta
pergamena rajch weite Verbreitung. Die damalige Zeit jchäßte an
dem neuen Stoff die Haltbarkeit, die Benutzbarkeit beider Seiten und
bald auch die Eignung für Anwendung bunter Farben; und nur wegen
der größern Koftjpieligfeit fonnte das Pergament den Papyrus nicht
völlig verdrängen. (Eben die Koftipieligfeit des Materials verführte in
chriftlicher Zeit dazu, Handſchriften aus dem Altertum wegzulöjchen und
das Pergament neuerdings zu bejchreiben, Palimpjefte zu jchaffen.)
Hier ift es von Wichtigfeit, daß nunmehr die Form des Buchs gegeben
war, welches aus Yagen von Blättern bejteht, die beiverjeits Schrift
tragen, ſich umwenden lafjen u. ſ. w. Zum Schreiben bediente man fich
nach wie vor der Rohrfeder, calamus, welche noch auf mittelalterlichen
Miniaturen in der Hand fchreibender Evangeliften zu finden ift, und bie
auf dem Bimsjtein jpisgejchliffen wurde, wenn fie abgejchrieben war.
Die Tinte jcheint in ältefter Zeit nur aus Ruß und Gummi bereitet
worden zu jein; ſolche Schrift fonnte mit dem feuchten Schwamm weg-
gelöjcht werden, welcher als notwendiges Schreibrequifit oft Erwähnung
findet. Später werden Galläpfel, Dornrinde, Wein, Bitriol zur Tinten:
bereitung benugt. Als aber in Byzanz der Yurus auch in diefen Dingen
jtieg, die Pergamentblätter purpurn oder blau gefärbt und mit Gold- und
Silberjchrift bevedt wurden, verwandelte das Schreiben wertvoller Bücher
fihb mehr und mehr in Malen, — ganz abgejehen von der Schmüdung
der Hanpjchriften mit Bildern und Randverzierungen und der Ausmalung
der Initialen.
Im Mittelalter unterjchied man Pergament nach italienijch-jpanijcher
oder nach deutſcher Weije. Das erftere, meiftens Ziegen- oder Hammel:
fell, war auf der leifchjeite jehr weiß und glatt (album), auf ver
Kapy. I. 15
296 Herrichtung des Pergaments. Die Pergamenter. [Biertes
Haarjeite grau oder geld; das lettere, Kalbfell (vitulinum, woraus
velin entjtanden it), war auf beiden Seiten faſt gleih. Die lette
Hand mußte der fehreibende Mönch ſelbſt, oder ein ihm bilfreicher unge-
lehrter Bruder, an den Schreibjtoff legen. Und zwar gibt e8 dafür aus
verjchienenen Jahrhunderten ausführliche VBorjchriften.* Zuerſt jollten
mit dem Schabmeffer (rasorium) Überrefte von Fett, Knötchen ır. dgl.
entfernt, jorann mit dem Bimsjtein Unebenheiten, welche dem Schab-
eijen entgangen, Härchen u. f. w. weggerieben und endlich die Blätter
lintiert werden. Schadhafte Stellen im Pergament zeigen fich von Yinien
umgeben oder umnäht. Die Linien für die Zeilen wurden mit Blei (aber,
den Abbildungen zufolge, nicht mit einem Stift, fondern einer Platte
von freisförmiger Geftalt) gezogen, oder mit einem Holz- oder Metall-
jtift eingeprüdt. Von ven roten Einfafjungslinien u. ſ. w. wird weiter
unten die Rede fein.
Im jpätern Mittelalter wurde auch das Bereiten des Pergaments
bürgerliches Gewerbe, Die PBermenter, Permeter, Permpnter,
membranatores (membranae — Pergament) bilveten teils eine
eigene Zunft — 5. B. in Görlig, wo es im 14. Jahrhundert ein Thor
beim Permynter gab, — over jchloffen jich verwandten Gewerben an; jo
zählt Das Buch der prager Malerzeche von 1348 membranatores
und rasores als Mitglieder auf’, während fie fich in Yeipzig vielfach
mit den Weißgerbern verbunden zeigen. Für Urkunden, Stabtbücher,
Ritnalbücher u. j. w. war das Pergament noch zumeiſt in Verwendung,
und als es auch da allmählich verdrängt wurde, bemächtigte fich der
Buchbinder des Materials.
Der Pflanzenftoff aber, welcher der Konfurrenz des tierifchen erlegen
war, follte in anderer Geftalt, als Papier, dieſem abermals und für die
Dauer den Nang ablaufen. Man fett das erfte Auftreten des Baum—
wollenpapiers in Guropa in das 8. Jahrhundert unſrer Zeitrechnung,
und zahlreiche Fragmente davon unter den Hanpdjchriften von El-Fayum
in Oberäghpten, welche, Eigentum des Erzherzogs Rainer, im öfter-
reichijchen Muſeum zu Wien aufbewahrt werden, ftammen vem Charakter
der Schrift zufolge aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts.“ Ob vie
Araber jelbjtindig darauf verfallen fein mögen, anftatt anderer Pflanzen-
fafern die Baummolle zu verwenden, oder ob fie in dieſem, wie in man-
chem andern Falle lediglich die Nolle der Vermittler zwijchen dem äußerſten
Kapitel.) Papier aus Pilanzenitoffen. 227
Often und Europa gejpielt haben, muß vorläufig dabingejtellt bleiben.
Chineſiſche Quellen? laſſen vie Chinefen in äftefter Zeit auf Bambus—
täfelchen jcehreiben, deren noch eine Menge in Pagoden aufbewahrt wer-
den joll; und ganz dünne Holztäfelchen mit Schriftzeichen und Lackmale—
reiten dienen noch heute in Japan als Buchzeichen, während fich in
Cochinchina die primitive Sitte erhalten hat, auf Palmblätter zu jchrei-
ben.“ Aber auch Zeidenpapier, wirklich aus Seide bereiteter Schreib-
itoff, joll benußt worden fein. An die Stelle der jehwerfälligen Bambus-
tafeln und der teuern Seide brachte Tſai-lün im Jahre 153 n. Chr.
das erjte Pflanzenpapier. Er ließ Baumbaſt, Danffajern, ferner alte
Gewebe und Fiichnege in Waffer weichen und verwandelte fie endlich
durch Rühren und Stampfen in eine breiartige Maffe, aus welcher er
Papier formte. Im der Folge wurden die mannichfachiten Pflanzen-
bejtandteile in gleicher Weiſe ausgenutt, aber die größte Bedeutung hat
die unter der Rinde der Bambusjchöflinge liegende Faſer erlangt und
behalten, während in Japan ?, wohin die Kenntnis der Papierfabrifation
gegen Ende des 6. Jahrhunderts won Korea aus gelangt fein joll, eine
Maulbeerſtaude, Brussonetia papyrifera, vorzugsweiſe benußt wird.
Das Schöpfen des Papiers ift da wie dort noch ausjchlieflih Hand—
arbeit, und die Arbeiter befigen ein umnvergleichliches Gejchi darin, ge—
nau die erforderliche Menge der Maffe auf die Form zu bringen und
jenes Berfilzen der Fafern zu bewirken, welches vem Papier der Oft:
afiaten bei jo geringer Stärfe fo große Feſtigkeit verleiht.
Bon Verarbeitung der Baumwolle ift allerdings in China nicht die
Rede, weil dieje Pflanze dort erjt im 9. Jahrhundert akflimatifiert wor-
den ijt. Indien dagegen baute fie vor unvorbenklichen Zeiten an, und
dur Indien haben die Erzeugniffe und die Erfindungen der Chinejen
jo häufig ihren Weg genommen, daß eine Vertaufhung ver Rohſtoffe
ebenjowohl dert, wie in Arabien ſelbſt oder, wie andere wollen, in
Samarfand vorgenommen jein könnte.
Die Unterfuchungen über ven Zeitpunkt des Auftretens des Linnen—
rapiers haben bisher fein beſtimmtes Ergebnis geliefert und konnten dies
auch wohl kaum. Denn fobald man anftatt voher Baumwolle Gewebe-
abfälle, Hadern verarbeitete, mußte man Papier aus den verjchiedenften
Zertilftoffen erhalten und muRte erkennen, welche Vorzüge das aus der
Yeinfajer bereitete habe. Und wenn, ſoviel befannt, zuerjt Abt Petrus
15*
228 Baummwollen- und Linnenpapier. Die Papierinduftrie. [Biertes
Venerabilis von Cluny zwijchen 1122 und 1150 neben verjchiedenen
Papierarten auch ſolches aus alten Feen erwähnt, jo find doch ver-
gleichen Materialien gewiß ſchon viel früher in denjenigen Yändern ver—
arbeitet worden, welche die rohe Baumwolle aus weiter Ferne einführen
mußten.?° Da, es jebeint feineswegs alles, was bisher dem äußern An-
ſehen nach für Baummollenpapier gehalten worden ift, wirklich jolches zu
jein. Und wie Pergament und Baumwollenpapier nebeneinander noch im
13. Jahrhundert im Gebrauch blieben, jo ift ohne Zweifel auch die eine
Papierart nicht plößlich von der andern verbrängt worden. Arabijches
Baumwollenpapier ift ja in dem Funde von El-Fayfım !! noch aus dem
10. Jahrhundert zum Vorjchein gekommen. Die älteften Yinnenpapiere
find bisher aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts nachgetwiejen werden:
eine Rechnung von 1301 in yon, Unterfuchungsaften gegen ven Templer—
orden (1309) im parijer Archiv, eine von Breitfopf erwähnte Urkunde
des Biichofs von Cammin von 1315.'?
Baumwollen- und Pinnenpapier laffen fich zwar in der Regel un-
jchwer unterjcheiven, da das erjtere did, Loder, faferig, brüchig, von gelb-
licher Farbe und undurchfichtig zu fein pflegt, das lettere aber feiter
und glatter, durchjcheinend, von ins Graue fpielender Farbe und — aus
früher Zeit — mit zahlreichen dünnern Stellen (Wafferfleden) und für
das Auge und das Gefühl jehr wahrnehmbaren Eindrücken der Form:
drähte und jpäter des Kautſchfilzes; ift ein Wafferzeichen vorhanden, jo
erjcheint dies im Baumwollenpapier nur in unbejtimmten Umriffen.
Doch ift zur ganz ſichern Beſtimmung alter Papiere mifrojfopijche und
chemiſche Prüfung erforderlid. Im 15. Jahrhundert vervollfommnet
ſich das Yinnenpapier in jeder Beziehung, e8 wird förperhafter, gleich-
mäßiger und glatter.
Unficher ift auch noch unfere Kenntnis von dem Beginn der Papier-
induftrie in den verjchiedenen Yändern, Wohl find nach und mach viele
Notizen über die Anlage over das Bejtehen von Papiermühlen geſam—
melt worden; da aber beutjche Städte, in denen oder in deren Nübe
im 14. Jahrhundert jolhe Mühlen beftanven, ihren Papierbevarf noch
bis in das 15. aus Italien oder Frankreich verjchrieben, jo bleibt zweifel-
haft, ob die heimijchen Fabrifen damals überhaupt ſchon zum Schreiben
geeignetes Papier berzuftellen vermocten. Die Stadt Görlik, deren
älteftes Stadtbuch von 1305 noch auf Pergament, das ältefte Achts-
Kapitel.) Verbreitung der Papierinduftrie. 299
und Vergleichsbuch von 1342 aber auf Papier gejchrieben iſt, bezog
1376 bis 1426 Papier aus Venedig, anfangs das Buch zu 21, Grofchen,
jpäter das Ries zu 40 Groſchen. Strafburg, wo um die Mitte des
Jahrhunderts die Eriftenz einer Fabrik nachgewieſen iſt, deckte noch
lange jeinen Dauptbedarf aus Franfreih und Italien. Das Fardel
(fardeau) over der Ballen = 27 Ries aus den genannten Ländern
batte, wenn es durch das Stadtgebiet durchgeführt wurde, 5 Schilling
Tranfitgebühr zu zahlen; die Stadttare betrug für das Nies großen
Formats 4 Pfennig, Heinen Formats 2 Pf., bei deutſchem Fabrikat
für das Fardel 28 Pf. Der Schaffner von St. Thomas dajelbft zahlte
1387 für Buch großes ſtarkes Papier 2 Schilling, 1432 für 3 Bud
desjelben 18 Sch., für 1 Ries fleineres 1423 8 Sch., 1443 10 Sch,
1446 10 Sch. 6 Pf. Im der Frühzeit des Buchdrucks wurde 1 Ballen
berrudtes gleih 2 Ballen weißes Papier gerechnet. 13
Als Eike der manrifchen Papierfabrifation in Spanien werden
Kativa, Valencia, Toledo genannt. Nach Zirabojchi !* hätte Fabriano
in der Provinz Ancona die Induftrie, durch welche dieſes Städtchen fat
ebenjo berühmt geworben it, wie durch die Eigenjchaft als Geburtsort
des Malers Gentile da Fabriano, ſchon im letten Viertel des 13. Jahr—
hunderts bejejfen. Etwa 100 Jahre fpäter (1366) verboten die Vene—
zianer als Herren der Trevifaner Mark die Ausfuhr von Papierabgängen,
wie fie um diejelbe Zeit das alte Verbot der Ausfuhr von Ingredienzien
zur Glasbereitung und von Glasſcherben neuerdings einjchärften. Man
erfieht daraus, daß in der Gegend von Trevifo das Papier gemacht
wurde, welches Venedig ausführte, und daR andere Völker, wahrjchein-
(ich die deutſchen Nachbarn, die Abfälle von trewifaner Papier wie von
muraneſer Glas fich gern aneigneten, um aus denſelben die Maffe zu
bereiten, die fie aus den Grundftoffen noch nicht jo gut herzuftellen
wußten. In Frankreich beanfpruchen Eſſonne im Departement Seine et
Dife und Trohes die Ehre, am frühejten Papiermühlen bejeffen zu haben;
für Troyes werden die Jahreszahlen 1328 und fogar 1315 angeführt.?
Daß die zu Anfang des 14. Jahrhunderts zu Ravensburg von den Brü-
dern Frif und Hans Holbein eingerichtete Mühle wirklich ſchon eine
Papiermühle gewejen jet, ift nicht zu beweijen. Lim 1407 werben da—
jelbit die Papierer Cunrat, Peter und Stengeli und ein Papier:
bus (Bapierfabrif) erwähnt. Auf jeden Fall bleibt aber der Familie
230 Bapierinduftrie Deutjchlands. Waflerzeichen. |Biertes
Holbein, aus welcher auch die großen Maler diejes Namens hervor:
gegangen fein follen (ohne daß hierfür mehr als Mutmaßung vorläge !9),
das Verdienſt, die Papierfabrifation in Deutjchland in Schwung ge:
bracht zu haben. Ihr wird die Erfindung der Meffingfiebformen zu:
gejchrieben, ihrem Beiſpiel das rajche Entjtehen anderer Mühlen in Süp-
und Meitteldeutichland: 1347 in Au bet München, 1356 in Leesdorf in
Niederöfterreich, 1390 in Nürnberg (Ulrich Stromer), 1420 in Yiegnik,
1440 in Bajel (Dans Halbyſen), 1443 in Bauten, vor 1450 in Straf:
burg, 1468 in Augsburg, 1498 vorübergehend in Yeipzig durch Domi—
nieus Guthe oder Ponat aus Epinal, mit dem Beginn des 16. Jahr:
bunderts in Sachſen und Thüringen (durch die Familien Scaffhirt
und Steferjtein) u. 5. f. In Augsburg wurden 1519 von jeiten ver
Kämmerei an dortige Papiermacher gezahlt für 55 Ries ftarfes, 14 Nies
dünnes Papier und 4 Ries Median 79 Gulden 1 Pfund 15 Schillinge.
In England joll der Tradition zufolge John Tate zur Zeit Heinrichs VII.
(1485 bis 1509) in Hertford eine Papiermühle bejeffen haben. Doc
jcheint Caxton fich noch durchweg fremder Papiere bedient zu haben; von
Italien aus wurde wenigitens dorthin Papier ausgeführt.
Als ein Kennzeichen ver Provenienz eines alten Papiers kann unter
Umſtänden das Wafferzeichen dienen, doch hat es bei weitem nicht die
ihm früher häufig zugefchriebene Bedeutung.
Das Wafferzeichen 1° (engl. watermark, papermark, franz.
filigrane, ital. segno di cartiera), die Marke, welche im Bitten:
papier fichtbar wird, wenn man es gegen das Yicht hält, und welche von
einer auf dem Drabtgitter der Form angebrachten Figur herrührt, ijt
Segenjtand vielfacher Unterjuchungen geweſen, welche aber noch wenig
pofitive Rejultate ergeben haben. Anfänglich glaubte man, jedes be-
jondere Bild als das Zeichen einer einzelnen Papiermühle oder doch
einer einzelnen Stadt, im welcher Papierfabrifation betrieben wurde,
anjehen zu dürfen; und obgleich Breitkopf fchon vor hundert Jahren aus:
jprach, e8 fei „aus den Zeichen in den Papieren wohl unficher auf den
Ort der Fabrike zu jchließen‘‘!?, hat jene Anficht fich noch mehr als ein
halbes Jahrhundert lang erhalten und zu den trrigiten Schlüffen ge-
führt °°, deren Unbhaltbarfeit dann Sobmann überzeugend darthat, ?1
Gegenwärtig dürften die Meinungen dahin übereinjtimmen, daß die
Wafferzeichen wohl uriprünglich Fabrikmarken gewejen, aber bald Kenn:
Kapitet.] Wert und Haupttypen der ältern Waflerzeichen. 231
zeicen gewiffer Pupierforten oder auch Formate geworden jeien; den
die meisten jolcher Bilder kommen ganz gleich oder mit Veränderungen
oder Zufägen in allen den Yändern vor, in welchen am Ausgange des
Mittelalters induſtrielles Leben bejtand. Dieſe Thatjache und die Schwie-
rigfeit, feitzuftellen, ob ein Papier in demſelben Yande, in welchen es
beihrieben, bezeichnet oder bedruckt worden ift, auch fabriziert oder ob
es als Handelsartikel eingeführt worden jei, haben nach und nach zu
einer geringern Wertſchätzung, ftellenweije einer Unterſchätzung ver Waffer-
zeichen geführt. Als Behelf können fie immer von der Archäologie, ver
litterarifchen und Kunſtkritik benußt werden, wenn fie auch um jo weniger
ein untrügliches Mittel zur Zeit: und Ortsbeſtimmung oder zur Feſt—
jtellung ver Echtheit eines Dofuments gewähren, als Die Fälſchung fich
längit auch ver alten Papiere mit bekannten Wafferzeichen bemächtigt
bat. Und für die Induftriegefchichte werden fich durch fortgejegte Samm—
lung und Bergleihung alter Marken immerhin einige Anhaltspunkte ge=
winnen lajfen. Freilich lehrt auch dieje vergleichende Arbeit, wie ver:
ſchieden ein und dasjelbe Bild gedeutet werden fan, nicht nur je mach-
dem man Oben und Unten, Rechts und Yinfs annimmt. So wollte
Gutermann im einem Zeichen, welches ganz ohne Frage eine Glode vor-
jtellt, Die Klapper erfennen, durch welche im Mlittelalter die Ausſätzigen
ihr Nahen verkünden mußten; und da in Ravensburg ein Yeprojenhaus
beitanden hatte, betrachtete er die erwähnte als eine ausjchließlich ravens—
burger Marfe. Ebenderſelbe jah das häufig vorkommende P (das wahr:
ſcheinlich Papier in verſchiedenen Sprachen bedeutet hat??) auf den
Kopf geftellt und von der Rückſeite an und erhielt jo ein b, welches
abermals für Ravensburg zeugen mußte. Ein Zeichen, welches die Ita—
liner Tre monti (drei Berge) nennen: drei Bögen nebeneinander, über
dem mittlern und höhern gewöhnlich ein Kreuz, gilt in andern Yändern
as Mitra, und Sotzmann bezeichnet e8 ala Dogenmüge. Der Kardinals-
but italienischer und franzöfifcher Papiere wird zur Zeit der Puritaner
in England zum Freiheitshut, gelegentlich auch zur Narrenkappe.
Feſtern Boden hat man unter den Füßen, wenn eine Marfe dem
Wappenſchilde der Stadt oder des Yandes, in welchen fie fich am frühe:
iten oder doch am häufigsten nachweijen läßt, over dem Wappen eines
dert anjäjligen großen Gejchlechts entlehnt iſt. So jtimmt die furze,
nah oben jchmäler werdende Leiter in italienifchen Papieren des 15.
232 Haupttypen der ältern Waflerzeichen. [Biertes
und 16. Jahrhunderts genau überein mit dem Wappen ver von 1260
bis 1387 in Berona berrichenden Scaliger, an deren Grabmal es als
&ittermotiv vielfach verwendet worden ift. Daß jedoch dieſe Marfe nicht
einer einzigen Kabrif angehört hat, zeigen Die verfchiedenen Einrahmungen
derjelben in Ring: oder Schildform, die Dinzufügung eines Sterne u. f. w.,
bejonvers aber die im Papier einer Zeichnung Michel Angelo's aus der Zeit
von 1541 bis 1563 (in Oxford) befinpliche veränderte Korm einer langen
Yeiter von gleichbleibender Breite. 2? Ein Selm mit gehörnter oder ge-
flügelter Biüfte in dem Papier eines paduaner Dofuments deutet auf
Francesco Garrara, den Gapitano generale von Padua von 1355 bis
1388. Ein Brief Michel Angelo's vom 26. Oftober 1520 (im Britijh
Mufeum) zeigt in einer Kreislinie das Lichbäumchen des Hauſes Rovere,
welchen die Päpſte Sirtus IV. und Julius IT. entiproffen waren; ein
anderer, ebendajelbit befindlicher Brief dieſes Künftlers vom Jahre 1555
den Schild mit fünf Falbmonden: das Wappen der Piccolomini.?+ Die
ſchmale Schildform, die von jo vielen Bildwerken der italienischen Renaiſ—
jance, Trophäen u. j. w. allbefannt ift, darf an fich ſchon als charafte-
riftifch italienisch angejehen werden.
Andere Zeichen find unzweifelhaft franzöfiiche Sinnbilver. Die Lilie
kann nicht unbedingt hierher gerechnet werden, da dieje in Wappen ver-
jchiedener Länder erjcheint; aber am frühejten und häufigſten ift fie doch
in nordfranzöfiihen Dokumenten aufgefunden worven, jo in einfacher
Form, dann mit zwei Kleeblättern oder mit einem Halbmond aus ven
Jahren 1350 bis 1380. Ungefähr 1400 findet fih das franzöfiiche
Wappen, der Schild mit drei Yilien, welchen jpäter ein Kreuz mit den
Yeidenswerfjeugen, eine Ztreitart, ein Krummftab, ein Buchftab u. a.
beigefügt ift; daran reihen fich die Wappen einzelner Yandfchaften, häufig
mit der Yilie in Verbindung gebracht: der Delpbin ver Dauphine (1460),
der Yilienjchild mit einem fogenannten Qurnierkragen over Rechen am
obern Rande — Anjou (1465), die mit Antoniuskreuzen beſetzten Schräg-
balfen von Troyes (1468), das Wappen von Paris (1488), ein Schild
mit der Yilie und dem Worte file — Yille oder Ryſſel (ungefähr 1470).
Da Frankreich und Burgund durch lange Zeit die Nachbarländer mit
Papier verjorgten, erklärt jih das Vorkommen ſolcher oder ähnlicher
Wafferzeichen in Straßburg, im Haag, in Utrecht, und ebenjo wenig
auffallend ijt die Berpflanzung verjelben nach England durch Garten.
Kapitel.) Haupttypen der ältern Waflerzeichen. 233
In Papieren, welche Dürer zu Zeichnungen benukt bat, findet fich
das nürnberger Wappen (jenfrecht geteilter Schild, in der linfen Hälfte
der halbe Reichsadler, die rechte Hälfte ſchräg geftreift), ferner das Wap-
pen von Schrobenhaufen in Oberbayern (wagerecht geteilter Schild, oben
Bärenkopf, unten gewedt), das augsburger Wappen (ver Tannenzapfen),
ferner ein Schild mit einem Mohrenkopf — vielleicht Yauingen an der
Donau, der Geburtsort des Albertus Magnus. Ein Turm ift das Wap-
pen von Ravensburg. (Vol. Ann. 25.) Ob das Linborn dem Wappen
von Amiens entlehnt worden jet, wie Sotzmann wenigitens als möglich
zuließ, iſt wohl zweifelhaft, da dieſes Fabelweſen jchon wegen feiner Rolle
in der Yegende leicht an verjchievenen Orten als Abzeichen gewählt wer:
den fonnte. Der Einhornkopf findet fich auch bereits in einem pabuaner
Manuffript von 1355, 1357 in Holland, dann 1391 in Nordfrankreich
und ebenjo im 15. Jahrhundert jehr merkwürdigerweiſe zwei einander
den Naden weijende Einhornföpfe, die in ganz ähnlicher Art verbunden
find, wie an den altperfiichen Einhornfapitellen. Das ganze Tier fommt
jchreitend (Norpfranfreich, Utrecht, Köln), liegend (Züpdfranfreich), auf:
gerichtet (lorenz), mit einem Schwert, mit einem Gürtel u. ſ. w. im
ganzen 15. Jahrhundert vor.
In einzefnen — jeltenen — Fällen läßt die Art der Zeichnung auf
die Herkunft der Marke jchliefen. So können ein kniender Engel Gabriel
und ein gekrönter Profiltopf, welche in Briefen Michel Angelo's nach—
gewiejen worden find, nur fir italienisch angejehen werden; die Schild—
form wurde bereits erwähnt. In der Kegel aber ift auf die Heritellung
der Metallmarfe zu wenig Sorgfalt verwendet worden, als daß man
ſtiliſtiſche Schlüffe darauf bauen dürfte.
Daß der Ochſenkopf nicht auf das Wappen der Holbein zurüdzu:
führen jet, fteht längit feit, und am meijten Wahrjcheinlichkeit hat, daß
die Papierer, als Kunftverwandte der Maler u. j. w., fich jenes Symbol
des Patrons der St. Lukas-Gilde ungeeignet haben. Es fommt (nach
Zogmann) bereits 1310 am linken Rheinufer vor, 1312 in Nürnberg,
1315 in dem obenerwähnten Dofument von Cammin, 1340 in Nord—
franfreih, 1354 im Daag, 1355 in Papua, 1378 in Yucca, in dem:
jelben Jahrhundert auch in Belgien und im nächſtfolgenden überall.
Nah Unterjchieven an diefem Wafferzeichen in verjchiedenen Ländern iſt
eifrig geforjcht, aber wenig Sicheres ermittelt worden: die Hörner des
234 Haupttypen der ältern Wallerzeichen. |Biertes
italienischen Ochjen find an ver Wurzel weniger di als beim veutjchen ;
jpeziell venezianisch fcheint das Anbringen eines Buchitaben oder einer
Krone auf der Schnauze zu fein; der niederländifche joll meiſtens feine
bejonvere Nafenlinie haben. Doch dürfte der Wahrheit näher kommen,
daß man vom einfachiten Umriß ausgegangen, dann die Augen, die
Naſenlinie, im der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch Augen
braunen hinzugefügt und ebenjo in den beſondern Zuthaten fortwährend
Nenerungen geiucht habe, um Spielarten der großen Sippe des Ochſen—
fopfpapiers zu feunzeichnen: Stange mit Andreaskreuz, mit lateinischen
und Anpreasfreuz, mit Roſette, mit Krone, mit Stern, mit Kreuz und
Schlange u. ſ. w.
Das Zeichen der Wage iſt in Venedig befonders beliebt geweſen;
es kommt in frühen dortigen Druden am bäufigiten und im mannich—
faltigen Abwechſelungen vor: mit runden oder dreiedigen Schalen, mit
Kreuz, Stern, Krone u. j. w. Doch wird dasjelbe ſchon 1366 in Süd—
franfreihb und 1371 in Nordfrankreich Eonftatiert — wohin die Marke,
aber auch das Papier jelbjt, aus Italien gekommen jein mag.
All den verjchievdenen Marken nachzugehen iſt hier nicht der Ort;
zum Abſchluß genügt die Aufführung der noch aufer den genannten be—
jonders verbreiteten oder font merhvürbigen.
Die Blode: um die Mitte des 14. Jahrhunderts in Oberitalien,
dann in Südfrankreich, Deutjchland u. ſ. w. Schlüffel, einzeln, zwei
nebeneinander, zwei gefreuzte, kommen im 14. Jahrhunvert in Nord—
franfreich auf und werden im 15. allgemein. Die Armbruft, ferner
der geipannte Bogen mit einem Pfeil find zuerjt in Norpfranfreich nach-
gewiejen und jcheinen ſich won dort nach den verjchiedenen Himmels:
gegenven verbreitet zu haben, ebenjo der Anker, während ver Krug, im
14. Jahrhundert in einfacher Zeichnung beginnend, dann mit Blumen,
Kronen u. j. w. ausgeftattet und endlich unter Yupwig XIV. zu einem
reichverzierten Prachtgefäß fich ausbildend, vorwiegend franzöfiiche Marke
bleibt, doch aber auch in England vorkommt (pot-paper). Dem Rad be-
gegnet man um die Mitte des 14. Jahrhunderts in Oberitalien; in
Frankreich kommt es zumeift als das mit Widerhaken bejegte jogenannte
Katharinenrad vor. Die offene Fand over der Handſchuh — gewöhn—
ib in Verbindung mit einem Kreuz, einer Rojette, einer Krone —,
Kardinalshut, Königsfrone, Kaiferkrone, Stadtmauer, Stadttbor
Kapitel.) Benennung von Yormaten nad) Waflerzeichen. 235
(vielfah in Eachjen), Turm’, Stern, Schiff, Kleeblatt, Rofette, die
gebräuchlichiten Waffen und Werkzeuge, das Siftborn, Wappen= und
Faustiere, die Branatblüte mit Blättern, die Birne mit Blättern u. a. m.
find wohl in allen Yändern gebräuchlich gewejen. Von jeltenen und origi-
nelien Marken wären zu verzeichnen das DVeronicatuch (1399), die
Mönchskapuze, das Weberfchiffchen (14. Jahrhundert), ver Leopard
mit untergejchlagenem Schweif (1406), ver Zudelfad (1413), der tbro-
nende Papſt (1456) und die, wie es jcheint, letteres Bild karikierende
grinfende Figur mit einem Krummſtab (1499), der Schubkarren mit
einem Kreuz jtatt des Rades (1457), zwei fümpfende Affen (1457), ein
Satyr mit einem Scepter (1459), Blige unter einer Krone (1482) —
jämtlich franzöſiſch —, die Sirene (zuevjt norditalienifch, ungefähr 1361).
Einzelne Wafferzeichen haben für lange Zeit gewiſſen Papierjorten
ven Namen geliehen, wie Kronenpapier, Apferpapier, Raisin u. a. m.
In England werden noch jegt Bücherformate nach den ehemaligen Waſſer—
zeichen benannt, 3. B. post 3° — nah Denne?® ift dieſe Bezeichnung
ven dem Hifthorn hergeleitet, welches in jpäterer Zeit für ein Pojthorn
angejehben wurde —, erown 8°, foolscap; auch in Deutjchland war
dies bezüglich des Pro patria (das Wappen der Generaljtaaten von
Holland) noch bis in das laufende Jahrhundert hinein üblich.
Die Eitte, das Geichriebene mit Zeichnungen zu ſchmücken?', ijt jo
alt wie Das Bücherſchreiben. Und zwar gehen hier die lehrhafte Abjicht
und der fünftleriihe Schaffensprang teils nebeneinander her, teils ver:
einigen jich beide. Bei den Römern erkennt man, joweit Nachrichten
vorliegen, die erjtere Richtung: Naturhiftorifer lieferten Abbildungen der
Pflanzen oder Tiere, von welchen ihr Text handelte, Mathematiker gaben
die Figuren zu ihren Yehrjügen, und auch die 700 Bildniffe, mit denen
Marcus Terentius Barro (112 bis 28 v. Chr.) jeine „Hebdomades“
(in einer Art autographiſcher Vervielfältigung?) ausgeftattet haben fell,
würden ebenfalls dahin zu rechnen fein. Hier handelt es ſich mithin
um die JUuftration im eigentlihen Zinn, d. i. die bildliche Erläute-
rung des Wortes, Aber ſchon in dem Virgil aus dem 4. Jahrhundert
n. Chr., welcher eins ver foftbarjten Cimelien der vaticaniſchen Biblio-
thek bilvet, füllt der praftiiche Zwed fort: angeregt durch den Dichter,
236 Ältere Buchilluftration. [Biertes
ichilvert der Künjtler die Scenen, wie er fich diefelben vorftellt, oder
wie fie von alters her bargejtellt worden waren; und wenn ev den Ge:
jtalten die Perjonennamen beifügt, fo folgt er darin nur dem Beifpiel
der Vaſenmaler u. ſ. w. Noch Jahrhunderte fang nach ihm unter:
jtüßten die Maler ihre Kunft der Erzählung und Charakteriſtik durch
jolche Beifchriften. Im wejentlichen auf demſelben Standpunkt ftehen
die altbyzantinifchen Buchmalereien, von denen leider die Bilderftürmer
jo wenig haben auf die Nachwelt kommen laffen. Allein bier tritt be-
reits ein neues, für die weitere Gejchichte ver Buchausjtattung bedeutſames
Element hinzu. Die eigentlichen, felbjtändigen Bilvderbeigaben in Büchern
religiöfen Inhalts (und dahin gehört die große Mehrzahl) bejtehen in
porträtartig gehaltenen Darftellungen der Evangeliften, manchmal auch
des lehrenden Chriftus, ferner in Kompofitionen zu den erzählten Vor-
gängen; der Tert aber wird mit befonverer Auszierung verjehen: Rand:
einfaffungen der Ganonestafeln, welche ven Evangeliarien worausgejchict
zu werben pflegen, und großen farbigen oder vergoldeten Anfangsbuch-
jtaben. In beiden Richtungen hält die byzantiniſche Kunſt fich im ziem-
lich engen Grenzen, welche fich teils durch die bejchränfenden kirchlichen
Vorſchriften, teils durch die fozufagen fabrikmäßige Herftellung ver Codices
erflären läßt. Der durch Kaiſer Yeo III. 726 beraufbejchworene Bilver-
jtreit führte zunächſt die Zerjtörung unzähliger Kunſtwerke herbei und
hatte enplich zur Folge, daR jowohl die Typen der heiligen Perjonen
als auch die hiſtoriſchen Darftellungen immer wieder mechanisch fopiert
wurden, und ebenjo in den mit mufivischen Muftern bevedten und auf
dem Gebälk Vögel, Springbrummen, Vaſen u. a. m. tragenden Arkaden,
welche die Canones umrahmen, eine große Cinförmigfeit eintrat.
Viel freier bewegte fich die Buchmaferei im Abendlande. In den
Sfriptorien der Ktlöfter wurden unabläflig nicht nur die Bücher für
den Kirchendienft, jondern auch Schriften der römischen Klaſſiker kopiert.
Man umzog mit voten Yinien das zu bejchreibende Feld des Pergament—
blattes und zeichnete den Anfangsbuchitaben eines Kapitels over Abjates
durch Größe und rote Narbe aus. Von dem Rot (rubrum) jener
Yinten erhielten die Einteilungen des Blattes die Bezeichnung Rubriken,
nach der Farbe Mennig (minium) aber wurden Buchmaler und Buch
maleret Miniatoren und Miniatur genannt, welche Namen beiden blieben,
als jie längſt über dieje einfachen Mittel hinausgegangen waren.
Kapitel.] Iriſche Buchilfuftration. 237
Nicht übergangen werden darf hier eine Anwendung bilvlicher Dar-
jtellung im Gottesdienſte jelbjt, nämlich zu dem nach den Anfangsworten
eines Oſterhymnus: Exultet turba angelorum, es freue fich der Engel
Schar, benannten Exultet. Dies war eine lange Pergamentrolfe, welche
die vom Priefter in der Djternacht vorzutragenven Strophen in Worten
und Noten, und über jever Strophe ein den Inhalt derjelben verdeut—
lichendes Bild, aber in entgegengefetter Nichtung zeigte. Während aljo
der Priefter die Worte ablas, erblidte die Gemeinde auf dem von dem
Pulte berabbängenden Teil der Rolle das entjprechende Bild. Der:
gleichen Grultete befinden fih in Pija in der Opera del Duomo, in
Rom in ©. Maria jopra Minerva und in der barberinijchen Bibliothek.
Die jpezifiich nordifche Ornamentation der Bücher nimmt ihren Aus-
gang von Irland, Diejes Yand blieb unberührt von der gewaltigen Be-
wegung der Völfermaffen, welche von Oſten und Norden ber nach dem
Süden drangen und drängten; und während bie alten Staaten von
Grund aus erjchüttert, zertrümmert oder umgeftaltet wurden, ihre alte
Kultur für lange Zeit unter Schlamm und Trümmern verjchüttet blieb,
erfreute fich bei den Picten und Scoten das vom heiligen Patricius im
5. Jahrhundert eingeführte Chriftentum rubiger Pflege und wurden die
dortigen Klöfter Pflanzjtätten der Wiffenjchaften umd Künſte. Aus dieſer
Zeit des Friedens, aljo bis zur Herrjchaft ver Normannen im 9. Jahr:
hundert, jtammt eine anjehnliche Zahl irifcher Codices, an welchen fich
die Entwidelung der höchſt eigentümfichen Buchmalerei verfolgen läßt.
Iſt jchen die lateinische Tertichrift häufig von geradezu klaſſiſcher Schön-
beit, jo jpricht aus den Imitialen und Ranbverzierungen eine Begabung
für das Ornamentale und eine Freude daran, denen in ihrer Art wenig
an die Seite zu ftellen if. Aus Band- und Riemenwerk in den jinn-
reichften umd mit ftaunenswerter Geduld purchgeführten Verjchlingungen,
untermijcht mit Reptilien, langhalfigen Vögeln und Säugetieren, bejtehen
nicht nur die, mitunter eine Höhe von O,2+ m erreichenden Initialen, in
deren Windungen wohl aud gleich alle übrigen Buchjtaben des Anfangs-
wortes untergebracht find, und nicht bloß die freien Ornamente auf den
Dlatträndern: nicht jelten ijt dem einzelnen Buche, Evangelium u. ſ. w.
ein ganz mit vergleichen Kombinationen und geometrijchen Muſtern be-
dedtes Blatt, ohne allen Tert, vorgejegt. Sa, Haupt- und Barthaar
der — gewöhnlich jehr mangelhaft gezeichneten — Perjonen gehen oft
238 Weitere Entwidelung der Handichriftenilluftration. [Biertes
unmittelbar in das Ornament über. Ob dieſer eigenartige Stil als jelb-
jtändiges Erzeugnis der keltiſchen Bewohner Irlands zu betrachten, over
aus Beziehungen zum Orient berzuleiten ift: darüber bejteht noch feine
Stlarbeit. Doch wurde derjelbe von bejtimmendem Einfluß auf einen
großen Zeil des Abendlandes, da die von der Injel ausziehenden Glaubens-
boten, die Apostel der Franken (Columban), der Alemannen (Gallus) u. j. w.
mit der chriftlichen Lehre auch die heimische Miniatur zu den befehrten
Bölfern brachten. So bildeten fih Abzweigungen der iriſchen Kunſt in
England als angeljächjifche, auf dem Feſtlande als fränkiſche, Farolingijche,
jchweizerifche mit bejondern Zügen aus, und noch viele Jahrhunderte
jpäter flingt in den Arabesfen und Schnörfeln der Maler und Schreib:
meifter die irifche Weiſe nach.
Als bezeichnender Unterjchied zwijchen den beiden Hauptgattungen der
Buchverzierung im frühen Mittelalter kann feitgehalten werden, daß ver
iriſche Miniator mit der Nohrfeder zeichnet und dann mit Yeimfarben,
ohne Abjehen auf Yicht und Schatten foloriert, der byzantiniſche aber
mit dem Pinjel und Gouachefarben malt. Beide Stile und beide Arten
der Technik übten ihren Einfluß auf die deutſche Mliniaturmalerei, die
in den Klöſtern gepflegt wurde, aus; während die iriſche Art der nordi—
chen Natur verwandter war, wurde die byzantiniſche bejonvers unter
den jpätern Kaiſern aus dem ſächſiſchen Hauſe eingeführt und unbeholfen
nachgeahmt, bis fich im 12. Jahrhundert ein eigener germanijcher Stil
herausbilvete. Das Streben nach Charafteriftif und Individualiſierung
prägt fich in den energijch geführten Umvißzeichnungen aus; die Geberden
find ausdrucksvoll, wenn auch oft ungelenf oder im Widerjpruch mit der
Anatomie; Mehrfarbigfeit befteht nicht jelten nur infofern, als das Nackte
rot, alles übrige ſchwarz gezeichnet ift, doch kommt auch Fräftige Farben—
gebung wor. In den zierlichen Inittalen lebt die irifche Tradition fort.
Ausgezeichnete Werke diefer Periode find der auch fulturgejchichtfich wich-
tige „Hortus delieiarum“, von der Äbtiffin des Kloſters Hohen-
burg auf dem Opilienberge im Elſaß, Herrad von Yandsberg, im dritten
Viertel des 12. Jahrhunderts gejchrieben und gemalt (bei ver Beſchießung
Straßburgs 1870 zu Grunde gegangen), das „Leben der Maria’ von
dem Mönch Werinher von Tegernjee, gleichzeitig (in der föniglichen
Bibliothek zu Berlin), das Breviarium der heiligen Eliſabeth (im Kapitel-
archiv zu Cividale), zahlreiche Evangeliarien u. a. m.
Kapitel.) Miniaturmalerei der Gotif und Frührenaifiance. 239
Im folgenden Jahrhundert vollzieht ſich im ftiliftijcher Beziehung ver
Übergang zu den Typen der Zeit der Gotif, den geſtreckten, ſchmächtigen,
oft jich in unnatürlichen Körperwindungen baltenden Figuren, in tech-
nijcher ein allmähliches Fortjchreiten vom Solorieren mit ungebrochenen
Farben zum Malen mit Yichtern, Schatten und Dalbtönen, und füngt
die Miniaturmalerei auch ein bürgerliches Gewerbe zu werden an. Im 14.
und 15. Jahrhundert gedieh dann dieſe Kunſt zu hoher Blüte an ven Höfen
von Frankreich und Burgund. Flandern und Brabant waren die Haupt-
pflanzftätten. Gebetbücher und Dichtungen wurden mit Gemälden aus-
geftattet, welche in ihrer Art vollendet genannt werden müfjen, und ver
Text mit den prächtigften und grazisjeften Randeinfaffungen aus naturali-
jtiich behandelten Pflanzenmotiven umgeben. Die hervorragendſten Meijter
der altniederländiſchen Malerſchule haben fich jolchen Aufgaben gewidmet,
oder ihre größern Werke gemahnen doch durch die überaus jorgfältige
Ausführung und durch die naive Darftellung an jene Miniatorenjchule.
Und den Einfluß eben diefer Schule läßt das Befte, was in den fetten
Zeiten des Mittelalters auf dem Gebiete der Buchmalerei auch in andern
Ländern gejchaffen worden tft, auf das deutlichſte erfennen.
Eine je höhere Kunſtſtufe aber die Meiniaturmalerei erreichte, je
höhern materiellen Wert ihre Yeiftungen erhielten, um jo ausjchlieflicher
wurde fie höfiſche Kunft. Und in diejer Stellung behauptete fie fich noch
lange nah Erfindung der Buchdruckerkunſt — es ift dies bereits im
erjten Kapitel berührt worden —, wie die Gebetbicher fürftlicher Per:
jonen in unjern Bibliothefen (des Kaiſers Mar, der Maria von Bur:
gund, Karls V. in Wien, der Anna von Bretagne, des Königs Rene
in Paris, die 40 Blätter aus einem Gebetbuche von Jehan Foucquet
in der Brentano’schen Sammlung zu Frankfurt, Dürers Zeichnungen
zum Gebetbuche des Kaijers Mar in München — wozu neuerdings Er-
gänzungen von der Hand anderer Meifter in Beſançon aufgefunden
worden find, u. d. a.), das Breviarium Grimani in Venedig u. |. w. be-
zeugen.
Inzwiſchen hatte fich jepoch ein anderes, ein populäres Illuftrations-
mittel herausgebildet, der Vorläufer des Petterndruds: der Bolzſchnitt
oder Sormfchnitt, deſſen Vorläufer wiederum der Movelfchnitt für den
Zeugorud gewejen ift.
Die Frage, warn in China angefangen worden ſei, Schriftcharaftere
240 Der Holz- oder Formichnitt. Modeldrud. [Biertes
und Bilder derartig in eine Holzplatte zu jchneiden, daß fie höher als
der Grund jtehen blieben und, mit Farbe beftrichen, auf Papier abge-
druckt werden fonnten, iſt noch nicht endgültig beantwortet worden, da
die Angaben einheimijcher Schriftjteller zwijchen dem 6. und 10. Jahr—
hundert jchwanfen. Dagegen iſt die bisher nur als Vermutung ausge-
iprochene Anficht, daß der Zeugdruck vermittelft der Model bereits den
alten Völkern befannt gewejen jein möge, durch die Auffindung eines
auf folche Weife ornamentierten Yeinwandftücchens in einem äghpptijchen
Grabfelde beftätigt worden. ?° Gin Stüd Baummwollenftoff mit der auf-
gedruckten Darjtellung des Ganymed befitt das berliner Kunſtgewerbe—
Mufeum; vie Zeichnung iſt jchwarz, vot und golden, das in Pulverform
aufgeftäubte Gold haftet auf einem bräumlichen Klebeſtoff; ftiliftijche Ver—
wandtjchaft mit den aus dem Funde von Nagy-Szent-Miflos (im Banat)
herrührenden jogenannten jaffanidijchen Gefäßen im wiener Münz- und
Antikenfabinet hat diejen Zeugdruck ebenfalls als ſaſſanidiſch bezeichnen
und in das 6. bis 7. Jahrhundert ſetzen Laffen.?? Aus jpäterer Zeit
finden fich bedruckte Stoffe an liturgifchen Gewändern nicht jelten. Gin
italienischer Künftler zu Anfang des 15. Jahrhunderts, Cennino Gennini ?°,
bejchreibt das Verfahren hierbei jo, daß die mit Farbe beftrichenen Model
auf den in einen Rahmen gejpannten Stoff gejeßt und durch Reiben
mit einem hölzernen Schilde oder Schildchen (aljo wohl einer
runden Platte mit einer Handhabe) auf der Unterſeite des Stoffs ein
Gegendruck bergeftellt wurde. Und Fr. Yippmann 3! glaubt, daß die
frühefte Art des Bilddrucks auf Pergament oder Papier injofern mit
jenem Berfahren übereingeftimmt habe, als die Drudform auf die zu
beprudenve Fläche aufgejegt und aufgedrüdt worden ſei, jonac ber jo-
genannte Reiberprud bereits eine zweite Entwidelungsftufe bezeichne. Es
wird nämlich gewöhnlich angenommen, daß vor Erfindung der Buch—
druckerpreſſe alle Abvrüde von Bildformen durch Auflegen des angefeuch-
teten Papiers auf die Form und Bearbeiten der Rückſeite desjelben mit
dem Reiber, einem mit Kuhhaaren ausgejtopften Yeverballen, bewerf-
jtelligt worden jeien. Dergleichen Abdrücke find daran fenntlich, daß die
Linien der Form fich in das Papier förmlich eingeprüdt haben und da—
ber auf ver Nückjeite des Papiers ein wenig hervortreten, welche außer—
dem durch das Neiben merklich geglättet ift. Yippmann weiſt aber nach,
daß nicht wenigen ganz frühen Holzichnitten eben jene beiden Kenftzeichen
Kapitel.) Neiberdrud. Metallichnitt. 241
mangeln, und er macht e8 wahrjcheinfich, daß mit dem ältern Verfahren
(Auferüden ver Form auf das Papier) auch der Gebrauch „öliger
jchwarzer Farbe, welche häufig did, ungleichmäßig, abgeriffen und mit
unreinen Gontouren der Striche aufgetragen iſt“, zufammenfalle, wogegen
die dünnere, flüffigere, ins Braune oder Graue jpielende Farbe für die
Reiberprude charafteriftiich ſei. In jeiner citierten jeharffinnigen Unter-
juchung tritt er auch der Anficht entgegen, daß in der Frühzeit des Bild-
druds die Form häufig in Metall anftatt in Holz gejchnitten worden
jei. 8. Fr. von Rumohr, welcher in vieler Beziehung ald Bahnbrecher
für die Kunjtwiffenjchaft verehrt werden muR, hatte nämlich die Ver—
mutung geäußert ??, daß ſchon frühzeitig Abklatſche von Holzjchnitten
in Metall genommen worden jein möchten, und T. DO. Weigel ?? und
3. D. Pafjavant ?* Hatten, ohne dieſe Anficht zu teilen, angenommen,
daß eine dem Yetternmetall entjprechenve Kompofition in den Fällen von
dem Formjchneider ald Material verwandt worden jet, wo im Abdruck
ſich einzelne Yinien verbogen varftellen oder die Farbe fledig erjcheint.
Hiergegen wird von Yippmann außer anderm geltend gemacht, daß der-
gleichen Verbiegungen der Yinien auch auf Fehlern im Holz, auf Un-
geichicklichfeit des Schneidenden, auf Unebenheiten im Papier oder Ver—
ziehung vdesjelben beruhen fünnen; endlich, daß bisher nicht eine jolche
Metallplatte entvedft worden ift. Die wenigen befannten Abdrücke von
in Kupfer gejchnittenen Bildformen gehen kaum weiter als auf das Jahr
1500 zurüd. Im übrigen hat die Meinung, daß die Technif des Gli-
chierens ſchon in der Frühzeit ver Buchdruckerkunſt wenigitens Einzelnen
geläufig gewejen jein müjfe, purch die Wahrnehmung Anhänger gewonnen,
daß in Holz gejchnittene Initialen fich in einer und derſelben Drudforn
ganz genau übereinftimmend wiederholen, 3. B. bei Erb. Ratdolt in
Augsburg.
Wann man überhaupt angefangen habe, Heiligenbilver, Spielkarten
u. dgl. m. vermittelft des Holzmodels zu vervwielfältigen, wird wohl nie
feftgeftellt werden können, da dergleichen Einzeldrucke zu ihrer Zeit nicht
gejammelt, jonvdern nur durch Zufall auf uns gefommen find und dann
meijtens jeder Anhalt für ihre genaue Datierung mangelt. Die früheften
urfundlichen Nachrichten von Drudern ftammen aus den Niederlanden.
In Aktenjtüden won 1417 im ftädtifchen Archiv zu Antwerpen wird mehr-
mals Ian de printere erwähnt, und zwar einmal als Schuloner eines
Kapp. I. 16
242 Die niederländiichen Printer. Die Technif. Viertes
Pergamentmachers**; da man aber auch Altarbehänge und ähnliches aus
mit Moveln beprudtem Pergament beritellte, jo fan jene Erwähnung noch
nicht als vollgüftiger Bereis dafür angenommen werden, daß jener Jan
von Antwerpen ein eigentlicher Bilvdruder gewejen ſei. Dagegen zählt
die Yufasgilde zu Antwerpen im Jahre 1442 Druder als Mitglieder,
und in Verhandlungen, welche 1452 in Yöwen zwijchen ven Bertretern
der dortigen Holzarbeiterzünfte und dem Formjchneivder (printsnydere)
Yan van den Berghe wegen des Eintritts des lettern in die Schreiner-
zunft ftattfanden, ergibt fich aus den Reden beiver Parteien, daß jeine
Bejchäftigung das Schneiden von printen van letteren ende
beelden — Schrift und Bildformen — gewejen it. Er weigert fich,
in das Handwerk einzutreten, weil jeine Arbeit een sunderlinghe
const — eine eigene Kunſt — fei, während die Handwerfer fih darauf
berufen, daß er ja doch Holz mit Hobel und anderm Handwerkszeug be-
arbeite. 3° In Nürnberg wird 1428 ein Formſchneider H. Pömer, 1441
ein Startenmaler Michel Winterpef und 1445 ein Kartenmaler Dans
Paur erwähnt; der fettere Name findet fich auf Reiberdrucken in ver
Bibliothek zu Stuttgart und in der Kupferſtichſammmlung zu München,
ſodaß er auch Formſchneider geweſen zu fein jeheint.
Den Ruhm, in dem beifigen Chrijtoph mit der Jahreszahl 1423
den ältejten datierten Holzjchnitt zu befiten, behauptet noch immer Die
Spencerjche Bibliothef in Althorp Park (Northampton), obwohl in neuerer
Zeit Konkurrenten aufgetaucht find. Das Blatt wurde 1769 von dem
Kunftforjcher 8. 9. von Heineden entvedt, eingeflebt in ven Einband
eines um 1417 gejchriebenen Buche, „Laus virginis“, in dem Ktlofter
Burheim bei Memmingen.
68 darf als befannt vorausgeſetzt werben, daß die jeßige Technif des
Holzjehnitts erjt gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aufgefommen ift.
Dis dahin bediente man fich einer parallel dem Faſernlaufe zugejchnittenen
Platte von hartem, namentlih Birnbaumbolz, ale Material, und als
Werkzeug eines Meſſers mit ftarfer, kurzer, zugejpigter Klinge, mit wel-
chem der Ktünftler, die Hand in der Richtung gegen den eigenen Körper
bewegend, die Faſern durchſchneiden fonnte, während die von Thomas
Bewid (1753 bis 1828) eingeführte Berwendung des ſenkrecht auf Die
Safer gejchnittenen Hirnholzes das Eingraben oder Herausmeißeln ver-
mittelft eines Stichels mit fich gebracht bat.
Rapitel.] Die Briefmaler und ihre Erzeugniffe. Blockücher. 243
Heiligenbilver waren, wie jehen die noch vorhandenen frühen Blätter
beweiien, die Hauptaufgabe für den Bildjchneider. Sie zeigen gewöhn—
ih noch ziemlich dicke Umriſſe und feine Schraffierung, und da fie be-
ſtimmt waren, mit Wafferfarben ausgemalt zu werden, mangeln oft
Details im Schnitt, welche eben durch die Farbe angegeben werden
joltten: der Kormjchneider und der Briefmaler waren wohl meijtens
eine Perjon. Bald jprach das Bild jo deutlich, daß es feiner Erflä-
rung bevurfte, bald wurden die Namen der dargejtellten Perſonen over
Sprüche u. a. m. ebenfalls in den Holzſtock gejchnitten. Es finden fich
aber auch jchen aus der erjten Hälfte des 15. Jahrhunderts zujammen-
gebörige Reihen von Blättern, auf welchen die Hauptmomente einer bibli-
ſchen Erzählung, der Offenbarung Johannis, die Zehn Gebote oder
anderes mehr vargejtellt waren: Bücher für die ungelernte Leut,
wie es auf den Zehn Geboten in der Bibliothek zu Heidelberg heißt,
Armenbibeln, d. h. Bibeln für die (des Yejens Unkundigen) Armen
im Geifte, oder Blockbücher, wie der in der Kunftgejchichte gebräuch-
liche Gattungsname lautet.
Dieje in Bildern jprechende Volkslitteratur entwidelte ſich ausſchließ—
ih im Norden Europas und vorzugsweije unter den germaniſchen Völ—
fern, Deutjchen und Nieverländern; fie befriedigte zugleich deren leben—
digern und tiefer wurzelnden religiöjen Sinn und die Bilderluft, welcher
ih im Norden nicht, wie in Italien, große, allgemein zugängliche und
allgemein verſtändliche malerische Schöpfungen an den Wänden von Kirche
und Campo janto darboten; fie wurde von Einzelnen, wie von ber
ſchon wiederholt erwähnten religiöjen Senofjenfchaft ver „Brüder vom
gemeinjamen Leben“ in Holland als Mittel der Belehrung in großem
Umfange angewandt und erwies fich jpäter als mächtige Waffe in ver
bumaniftiichen und veformatorifchen Bewegung. 3° Und mit ihr wuchs
und gedieh der Holzſchnitt, ſodaß die junge Buchdruckerkunſt an ihm einen
bereits kräftig auf eigenen Füßen ftehenven Gehilfen vorfand. Den
funftreihen Schreibern entlehnte fie die großen verzierten Anfangsbuch-
ftaben, ven Rotorud einzelner Buchjtaben, Wörter und Zeilen, auch Nand-
verzierungen u. dgl.; das Figurenbild des Formſchneiders fonnte fie über-
nehmen, wie es war: es lieh fich in biejelbe Form fpannen mit dem
Yetternjaß, e8 gewann aber jelbjt dabei durch den Preſſendruck an Stelle
des primitiven Neibverfahrens.
16*
244 Gejchrotene Manier, Die Formjchneider. [Biertes
In technifcher Beziehung hatte der Formjchnitt fich ſchon erheblich
vervollfommmet, als er berufen wurde, die gedrudten Bücher zu illu—
jtrieren. Der Formſchneider vermochte getveuer und in feinern Yinien
der Borzeichnung zu folgen, durch Schraffierung, wenn auch noch jelten
in Sreuzlagen, die Figuren, Gewänver u. f. w. zu modellieren. Die
Spezialität der gejchrotenen Manier ging ebenfalls mit über in die Buch—
illuſtration, verjchwindet aber mit dem Ende des 15. Jahrhunderts. Die
deutjchen Ausprüde gejchrotene Manier, Schrotblätter müſſen zu-
rücgeführt werden auf das Schroten, Durchſchneiden der Schattenjtrich-
lagen, ſodaß im Abdruck weiße, abtönende Querlinien erjcheinen; bie
franzöfijche Bezeichnung maniere criblee bezieht ſich, wie die (atei-
niſche opus interrasile, und die englifche dotted plates, auf die
weißen. Punkte, Perlen, Blümchen oder vergleichen, mit welchen der
Grund oder auch die Gewandung ornamentiert zu ſein pflegt.
Die Illuftrationen der gedruckten Bücher erinnern in der erjten Zeit
noch injofern an ihre Abjtammung von fliegenden Blättern und Block—
büchern, als fie häufig nur die Rolle von Sinnbildern, Symbolen, all-
gemeinen Inhaltsangaben ſpielen: dieſelbe menjchliche Figur dient zur
Bezeichnung verjchievener Perſonen, diejelbe Stadtanficht joll einmal
diefe, einmal jene Stadt vergegenwärtigen, auch Handlungen, welche
häufig in den Erzählungen vorfommen, wurden nicht jedesmal indivi-
dualifiert: ein Verfahren, welches ſich in der wohlfeilen Volksbücher—
und Stalenverlitteratur bis auf unjere Tage erhalten hat. Und jolche
Okonomie ift bei den ältern Buchdrudern jehr verſtändlich, da fie zu-
meift ihre eigenen Formjchneider jein mußten, ein Verhältnis, welches
von jelbft aufböärte, als die mit dem Druden verbundene Verlagsthätig-
feit und der Vertrieb der Bicher immer größere Ausdehnung gewannen.
So ift im legten Drittel des 15. Jahrhunderts jchon die Teilung
der Arbeit durchgeführt: der Buchdrucker und Berleger bedient ſich bet
jeinen Unternehmungen des erfindenvden Künftlers und des Formſchneiders,
welcher mit jeinem Schneidemeffer den Blei- oder Federzügen des erjtern
zu folgen hatte. Schon die Grundverſchiedenheit diejer beiden Beſchäf—
tigungen macht es einleuchtend, daß fie nicht in derjelben Hand bleiben
konnten, als der Buchhandel beide in größern Maße in Anjpruch nahm,
und die lange Zeit mit großem Eifer vwerfochtene Anficht, daß ſogar die
großen Künſtler des 16. Jahrhunderts noch ihre Zeichnungen eigenhändig
Kapitel.] Dentihe Buchilluftration des 15. Jahrhunderts, 245
in Holz gefchnitten hätten, zählt gegenwärtig wohl feinen Anhänger mehr.
Unter anderm ift aufgeklärt, daR die neben dem Monogramm von jchweizer
Künitlern vorkommende Waffe keineswegs ein Schneidemeffer vorftellen
ſell, ſondern einen Dolch, und wahrjcheinlich auf den Kriegsdienſt des
Künstlers anſpielt. **
Die v„olzſchnittilluſtration gelangt zu wundervoller Blüte in Deutſch—
land und in Italien um die Wende des 15. und des 16. Jahrhunderts.
In den früheſten Erzeugniffen ver Buchdruderpreffe find noch die Räume
für große Anfangsbuchitaben frei gelaffen: der Formſchneider war noch
nicht im Stande, den Wettjtreit mit dem Schreiber und Briefinaler
in ver Herftellung zierlicher Züge und Schnörkel aufzunehmen. Daher
baben die „manung der criftenheit widder die Durken“ (Mainz
1455), Die zweinmdvierzigzeilige und die jechsundpreifigzeilige Bibel
noch gejchriebene, beziehungsweife gemalte Initialen. Aber in dem Fuſt—
Schöfferſchen Piulterium von 1457 zeigt fich jene Schwierigfeit bereits
überwunden, ja, Das Ornament, welches den Grund für die gejchnittenen
Bucitaben bildet und in eine vielfach verichlungene Randverzierung über:
gebt, und das Blattwerk, welches in dem eriten B ausgefpart iſt, über—
treffen an Sicherheit und Schwung die gemalten Verzierungen in den
verausgenannten Büchern. Außerdem ift der zweifarbige Drud diefer Zier-
buchjtaben eine mit Recht angeftaunte Meeifterleiftung. In den ficbziger
Jahren wandten dann Günther Zainer und Bänder in Augsburg und Jo—
hann Zainer in Ulm verzierte Initialen an. Die figürlichen Beigaben, 3.8.
in den Erzeugniffen Albrecht Pfijters in Bamberg (Boner’s „Epelitein‘)
blieben zunächſt noch auf gleicher Höhe mit den Formſchnitten der Block—
bücher, wenn auch hier und ba ein erhöhenver Einfluß der gleichzeitigen
Malerei, namentlihb Schongauers, wahrzunehmen ift. Cine neue Pe:
riode des Illuſtrationsweſens aber beginnt mit der Verlagsthätigfeit
Anten Robergers in Nürnberg. Der „Schatbehalter” von 1491 und
Sartnann Schevel® „Buch der Chroniken” mit den Illuftrationen
von Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff, 1493, find noch heute
eine Augenweide für den Kunftfreund. Wolgemuts Schüler, Albrecht
Türer, jevocb war es vorbehalten, der deutſchen Holzſchneidekunſt ven
Weg vorzuzeichnen, auf welchen jie nach allen Abirrungen immer wieder
jnrüdfehrt und zurücfehren muß. Denn jeine Manier entjpricht ebenjo
jebr der deutichen Art wie der Natur des Moaterials. Sie legt den
246 Blüte des deutichen Holzichnitts im 16. Jahrhundert. Viertes
Hauptwert auf die Charakteriſtik, die ſtrenge Linienführung, bewahrt auch
in der Modellierung und der Behandlung der Schattenpartien das Weſen
der Zeichnung, verzichtet alſo darauf, maleriſche Effekte anzuſtreben, wie
ſie z. B. der Radierung erreichbar ſind. Kann auch Dürer ſelbſt nur in
beſchränktem Maße zu den Illuſtratoren von Büchern gezählt werden, da
ſeine Werke zum allergrößten Teil als ſelbſtändige Folgen oder Einzel—
blätter erſchienen ſind, ſo wurde doch ſeine Weiſe durch Schüler und
andere Zeitgenoſſen die herrſchende während der ganzen, bis in das
17. Jahrhundert hineinreichenden Periode blühender Verlagsthätigkeit.
Dans Schäufelein und Lukas Cranach, die beiden Burgkmair, die Klein—
meiſter Hans Sebald Behaim, Altorffer, Aldegrever u. ſ. w., vor allem
aber Haus Holbein der Jüngere, ſtanden in den lebhafteſten Beziehungen
zu den gelehrten Autoren und den gelehrten und kunſtſinnigen Buch—
druckern. Sinniger Bilderſchmuck war den Leſern zum Bedürfnis ge—
worden und ſolchen anzubringen eine Ehrenſache für die Verleger, und
ausgezeichnete Formſchneider, wie Hieronymus Reſch, Joſt Dienecker,
Hans Lützelburger, Hans Broſamer, Virgil Solis und viele andere,
brachten die Technik zu hoher Vollendung. Neben den großen, ganze
oder halbe Blattſeiten füllenden Bildern bürgerten ſich die kleinern, von
Text umgebenen ein, welche zuerſt in venezianiſchen Büchern aus der
letzten Zeit des 15. Jahrhunderts angetroffen werden.
Hand in Band mit der Illuftration im eigentlichen Sinne geht die
Ausſtattung der Bücher mit allegorifchen und andern Titelumvahmungen,
Yeiften, Schlußftüden und Zierbuchitaben; fie nimmt immer mehr Raum
ein und gewinnt immer größere Fünftleriiche Beveutung. Auf die große
Publikation von Butſch verweifend, jet hier nur die hervorragende Thätig-
feit der Meifter Dans Burgkmair, Daniel Hopfer in Augsburg, Albrecht
Dürer (Bordüren, das große Kinveralphabet, zwei kleinere Alphabete),
Hans Springinklee in Nürnberg, Dans und Ambrofius Holbein, Urs
Graf in Bajel, Johann Wechtlin, Dans Baldung Grün in Straßburg,
Anton Woenſam von Worms in Köln, Lukas Cranach in Wittenberg
berührt.
Noch verdienen zwei Bejonderheiten erwähnt zu werden, welche je
recht darthun, wie unentbehrlich damals allen, die mit Büchern zu thun
hatten, das bezichungsreiche Ornament war: die Signete, Druder:
oder Berlegerzeichen, und die Ex-libris, Marten der Bücherbefiker.
Kapitel.) Signete der Buchdrucker und Buchhändler. Ex-libris. 9247
Dem Druder oder — falls nicht beide eine Perjon waren — dem
Terleger genügte nicht die Nennung feiner Firma, jelten auch die Bei:
fügung eines Monogramms oder einer Hausmarfe: dem Geifte der Zeit
gemäß ſchmückte er die Erzeugniffe feiner Preffen mit einem Gejchäfts-
wappen, welches zugleich ein Kunſtwerk und ein Symbol fein, womöglich
auch ein rvevendes Wappen vorftellen mußte. Ohne Zweifel wurden die
gelehrten Sejchäftsfreunde bei der Wahl eines beveutungsvollen Bildes
und Motto's zu Rate gezogen, die Ausführung, wie fich häufig nach-
weiſen läßt, oft ven bedeutendſten Künſtlern übertragen; und zwar ließen
manche Drucker fich immer neue Signete componieren, wenn auch ge
wöbnlich mit Beibehaltung der Symbole und Devifen. E83 eriftieren
eine Reibe von Signeten von der Hand Dans Holbeins 3°, zumal aus
der Zeit jeines Aufenthalts in Baſel (1515 bis 1526), in welcher er
überbaupt Die Buchdruckerkunſt mit einev Fülle von herrlichen Illuſtra—
tionen (zur Bibel, zum freiburger Stadtrecht u. ſ. w.), Titelblüttern,
Umrahmungen, Initialen u. ſ. w. beſchenkte; ferner dergleichen Arbeiten
Yufas Crauachs, Jobſt Ammans, Tobias Stimmers u. a., und noch
andere Druderzeichen laffen uns lebhaft bedauern, daß die Meifter fich
nicht genannt haben.
Sowohl den Signeten, wie den Ex-libris ift erſt in neuerer Zeit
größere Aufmerkſamkeit zugewendet worden; während aber die Bibliothek:
zeichen — Familienwappen oder Symbole mit einer Devife oder dem
Namen des Befiters der Bibliothek, zuerjt in Italien und Deutjchland
und zwar anfänglich ſogar als Dandzeichnungen und Malereien, jeit der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch in Frankreich im Gebrauch % —
zumeiſt nur eine Spezialität gewiffer Sammler bilden, werden die Sig-
nete als Dokumente zur Gejchichte der Yitteratur, der Kunſt, des Buch—
drucks und des Buchhandels auch öffentlichen Sammlungen eingereiht und
publiziert. Sie machen alle Wandlungen des Stils und Geſchmacks mit,
erſcheinen zuerjt gewöhnlich als einfache Schilde, Tafeln oder Wappen:
bilder, häufig Metallfchnitte, auch mit gejchrotenem Grunde, Schrift und
Ornament noch gotijch, werden zu immer veichern Kompofitionen im Geift
und Geſchmack ver Kenaiffance, und fommen in der Dochrenaiffance
faum ohne pompöje architeftonifche Umrahmungen vor.
As das frühefte Signet muß wohl das von Fuſt und Schöffer an—
genommene Druderzeichen angejehen werben: zwei durch eine Schnur
248 Deutsche Signete nad) namhaften Künftlern. [Biertes
verbundene Schilde hängen an einem Ajt, vechts (heraldiſch) derjenige
Fufts mit zwei ſchräg übers Kreuz gelegten, an den Enden Wider—
halen tragenden Stäben (Doppelhafen), lints der Schöffers mit einem
durch zwei Doppelhafen gebilveten Sparren und drei Sternen.“ Bei
Schöffers Schn Johann ericheint dasſelbe Zeichen nebſt feinen Initialen
bereits in eine figürliche Kompofition, Schäfer mit ihren Herden, ein:
gefüigt, *?
In der von Dürer für das Titelblatt von Pirdheimers „Plutarch“
gezeichneten Knotenbordüre findet ſich Das Zeichen des Friedrich Peypus
in Nürnberg: ein Würfel mit dem Motto Ratio vineit und vie
Jahreszahl 1522. ?
Für Johann Bebel in Bajel zeichnete Folbein die fogenannte Palma
Bebeliana, einen Palmbaum, auf deſſen Zweigen eine Platte lajtet;
die früheſte Form zeigt noch einen im den Zweigen auf dem Rüden
liegenden nackten Menſchen, ver jich gegen die Platte jtemmt, und an
der lettern die Worte: Verdrvck mich Armen mitt; — für Balentin
Curio daſelbſt mehrmals die jogenannte Tafel des Parrhafios mit der,
einen Pinjel führenden Hand #; — für Matthias Bienenvater in Bern
einen den Honigbaum beiteigenden Bären, zugleich Anjpielung auf ven
Namen und auf den Wohnort *°%; — für Chriftoph Froſchauer (Froſchover)
in Zürich mehrere Signete mit Fröjchen, die bald auf einen Baum klet—
tern, bald von Knaben geritten werden’; — für Thomas Wolff in
Bafel einen Gelehrten, welcher ven Finger auf den Mund legt*; —
für den vielleicht verjelben Familie angehörenden Reinhold Wolfe in
London ſpäter (1543) den von einem Schriftbande umfchlungenen Apfel:
baum, den Knaben plündern +’; — für Denric Petri in Bafel um 1528
einen Fels, aus dem eine Hand mit dem Hammer Funfen jchlägt, die
vom Winde angefacht werden ’° (Zebaftian Henric Petri der Jüngere
ließ ſich um 1576 dasjelbe Motiv von Tobias Stimmer zeichnen. >")
Das Signet Johann Frobens in Bajel: ein von zwei Händen ge
haltener, von zwei Schlangen umwundener Stab, auf dem eine Taube
jitst (Anfpielung auf Matth. 10, ı6), wird von Woltmann dem Dans
Holbein ab- und deſſen Bruder Ambrofius zugeiprochen. >?
Der Gegenſtand iſt intereffant genug, um ihn auch ohne Rückſicht
auf Die eriwiejene oder vermutete Mitarbeit berühmter Künftler zu ver-
folgen, joweit deutjche Druder und Verleger dabei ins Spiel kommen.
Kapitel.] Buchilluſtration in Italien. Deutiche Einflüfle. 249
In den Anmerkungen 5? ift daher die Bejchreibung einer Auswahl ber:
vorftechender Signete gegeben.
Bei ven lebhaften Wechjelbezichungen zwijchen Deutjchland und Ita—
lien ift e8 übrigens notwendig, auch einen flüchtigen Blid auf die Ent:
widelung der Buchilluftration in dem letztgenannten Yande zu werfen.
Deutihe Buchdrucker hatten zwar den Yetternjat und die Verzierung
desjelben durch Holzftöde dort eingeführt, aber die Formen der Yettern
und der Illuftrationen wurben bald italienisch und die Antiqua und
Kurfivjchrift, jowie das Renatffance- Ornament drangen im 16. Jahr—
bunvdert nach Deutjchland vor; und zwar dienten feineswegs nur bie
Buchornamente als Vorbilder. Noch Aldegrevers Yieblingsornament
erweijt, welchen Einfluß die deforativen Elemente in der veneziantjchen
Kunſt auf die nordiſchen Künftler ausgeübt haben.
Hatte Italten den Holzichnitt als unabhängige Kunft weniger ge
pflegt, als Deutjchland, fo fand er als Begleiter der Buchdruckerkunſt
um jo willigere Aufnahme Schon der frübefte italieniſche Drud,
Schweynheym und Pannark’ Yactanz von 1465, bat wenigjtens auf der
eriten Seite eine Randeinfaffung, der Zurrecremata Ulrich Hahns von
1467 aber bereits zahlreiche figürfiche Darftellungen, von welchen die
eine eine ganze, 33 eine halbe Seite beveden. Dchjenbrunners „Pris-
corum heroum stemmata” (Nom 1494) bei Johann Befiden und Sig:
mund Mapr, ijt mit phantaftischen Helvenbilpniffen und zierlichen Rand—
einfaffungen ausgeftattet, dev Äſop, welchen Franciscus de Tuppo
1485 in Neapel, wahrjcheinlih in der ehemals Rieſſingerſchen Offizin
druden ließ, zählt 87 große Illuftrationen zum Yeben und zu den Fa—
bein AÄſops, für die Zeit vorzügliche Arbeiten, mit ſchönem weißen Or—
nament auf ſchwarzem Grunde. Das Herausſchneiden weißer Yichter
aus jchwarzem oder jehraffiertem Grunde in einer an die Echrotblätter
erinnernden Manier findet ich in Foligno („Contemplationes‘ des
Turreeremata von Johann Neumeifter 1479) und ſpäter in Florenz.
Dieſe Illujtrationen erjcheinen zumeist noch als Ableger der nach Ita:
lien verpflanzten deutjchen Kunſt. Dagegen erhielt der Holzichnitt in Ober-
italien entjchieven nationales Gepräge. Verona fteht voran mit Balturio,
„De re militari“, 1472, doch gegen Ende des Jahrhunderts über-
flügelt Venedig, wo der Augsburger Erhard Ratdolt ſchon 1476 in
dem „Calendarium“ des Johann Regiomontan Zierleiften, und 1477
250 Der ältere Büchereinband. Diptychen. (Biertes
im Appian auch Initialen anbrachte, alle andern Städte durch Die
Schönheit der Zeichnung und die Korrektheit und Virtuoſität des Schnitte
der Bilder zu „Devote meditazione sopra la passione del Nostro
Signore” (1489, Drud von Matteo di code — i. e. Matteo Di capo
di cafa — da Parma), „Biblia volgata” des Nicolo de Malermi (1490,
mit kleinern, vignettenartigen Bildern, Drud von Giovanni Ragazzo
für Yucantonio da Giunta), „Hypnerotomachia Poliphili“ (1499, Aldo
Pio Manuzio) u. v. a. °*
Ganz ähnlich bewegt fich auch in Frankreich die Bucilluftration
zunächjt innerhalb ver Nachahmung deutſcher oder italienischer Vorbilder,
bis dann mit Geofrey Tory, dem ausgezeichneten wieljeitigen Künftler
(1480 bis 1533), ein eigener franzöfiicher Stil jich herausbilvet und
weiter nach den Niederlanden verpflanzt, >>
Zum Schutze des Befchriebenen dienten im Altertum, wie früber
erwähnt worden ift, die Pergamenthülle ver einzelnen Rollen und weiter
Kapjeln, oder serinia, für deren mehrere. ?° Das Diptychen, das Trip-
tychon u. f. w. bedurften bejonderer Vorkehrungen zum Schutze nicht,
da das Material, in welches die Schrift eingegraben war, oder welches
der Wachsſchicht als Unterlage diente, alfo Metall, Holz, Elfenbein, Hin-
längliche Solidität bejaf. So haben denn auch die mit Schnitzwerk
gezierten Aufenjeiten von Kffenbeindiptychen im frühen Mittelafter
als Vorbilder für eigene Bucheinbände gedient, wenn nicht dergleichen
Platten unmittelbar als Dedel verwandt wurden. Hierbei konnte es fich
ſelbſtverſtändlich nur um beſonders wertvolle Handſchriften handeln.
Solche wurden auch durch Überzüge der Holzdeckel mit Gold- oder
Silberblech ausgezeichnet und das Metall graviert, getrieben, emailliert,
mit großen, nicht geſchliffenen, ſondern nur polierten Edelſteinen oder
Kryſtallen beſetzt, welche zugleich als Knöpfe oder Buckel dienten, um
beim Aufſchlagen des Buchs die Berührung der getriebenen oder ge—
ſchmelzten Arbeit mit der Unterlage zu verhüten. Auch antike Kameen
haben nicht ſelten dabei Verwendung gefunden.
Solcher Prachteinbände (beziehungsweiſe Beſtandteile) Hat ſich glück
licherweiſe eine große Zahl erhalten. Diptychen aus Elfenbein, ganze
Tafeln oder Stücke davon zu Bucheinbänden benutzt, mit Umrahmungen
Kapitel.) Benennung von Büchern nad dem Einband. 251
oder Füllungen aus Metall verbunden, aus der Zeit vom 7. Jahrhundert
bis in das frühe Mittelalter ſtammend und ſowohl byzantiniſcher als
abendländiicher Herkunft, befinden fich befonders in den Schatsfammern
der Dome zu Aachen und Mailand, im Louvre und der National:
bibliothef zu Paris, in ver Bibliothek zu München, in der Marfus-
Bibliothek, im Britifh und South Kenfingten Muſeum u. ſ. w. Eine
Anzahl der beveutenditen hat die Arundel Society in Gips abformen
laſſen.
Metall war zum Befeſtigen von Elfenbein- oder Emailplatten wie
ſchon als Excipient der Schmelzfarben von nöten, aber auch zum Schutze
ver Eden und Ränder der Holzdedel, endlich für die Schließen oder
Klammern, welche die Dedel des gejchloffenen Buchs auf der Schnitt:
feite zufammenbielten. (Bücher mit wirklichen Schlöffern find Ausnahmen
von höchſter Seltenheit.) Won dem, wie erwähnt, gelegentlich vorkommen:
den völligen Überziehen dieſer Deckel mit Geld» oder Silberblech oder
mit anderm vergolveten Metall kommen meiſtens die Bezeichnungen:
goldenes Bub, — 3. B. jenes von Prüm (von 1105)?” in der trierer
Stadtbibliothek mit Kupferplatten, im welche figürliche Darftellungen gra:
viert find, Das goldene Buch Venedigs (Regifter dev dortigen Adels—
familien) —, „Codex aureus“ u. ſ. w.; doch bezieht fich auch manch:
mal ein jolcher Ausorud auf die Amvendung von Gold» oder Silber:
ihrift im Terte, wie bei dem „Codex aureus“ von S. Emmeran
zu Regensburg in der Bibliothek zu München, dem „Codex argen-
teus“ (einer in Gold und Silber auf Purpurpergament gejchriebenen
Bibelüberſetzung des Ulfila, welche aus Werden an der Ruhr im 16. Jahr—
beim gekommen ift’®), vielleicht auch bei vem „Psalterium aureum“
zu St. Gallen, deſſen urjprünglicher Einband nicht mehr vorhanden ift.’?
Das von Andrea Dandolo, Togen von Venedig, 1342 bis 1354, an-
gelegte „Weiße Buch“ („Liber blancus”), Urfundenfammlung im
dortigen Archiv, ferner der „Liber viridis“ aus Afti, ver „Liber
niger“ im Dom zu Breslau, die „Pancharte noire” des Martin:
flofters zu Tours u. a. tragen den Namen von der Farbe des Einbandes,
wieder andere von der Natur des Überzugs, wie ver „Liber crini-
tus“ zu Beromünfter in der Schweiz und „Die Bärenhaut” zu
Zwettl in Nieveröjterreich, 69
252 Schugmittel des Einbands: Camiſia, Buchbeutel, [Biertes
Die bejonders fojtbaren Einbände waren ohne Zweifel zu Gejchenten
an Kirchen und Klöfter beftimmt — von vielen läßt es fich noch nach:
weifen — und derartig ausgejtattete Bücher follten auch nicht ſowohl
gebraucht werden, ald zum Schmude des Hauptaltars dienen. Erwähnt
feien nur das Miffale im Dom zu Monza, von der Königin Theodo—
linde um 600 gewidmet, die von Papft Yeo III. bei jeiner Thronbefteigung
795 an verſchiedene Kirchen gejchenften Evangeliarien, ein folches um
855 vom Kaifer Michael Porphprogenetes an die Petersfirche in Nom
gejandt, das von der Kaiſerin Theophanu 973 der Abtei Echternac
verehrte (jet in Gotha), die in München befindlichen prachtvollen Chor:
bücher, welche Heinrich II. nach Bamberg ſchenkte u. ſ. w. Um wertvolle
Werfe gegen Diebjtahl zu wahren, befeftigte man fie durch Ketten an
dem Tiſche, dejien Platte drehbar eingerichtet war, werm das Buch zu
großes Gewicht hatte. Catenati, angefettete, war der Ausdruck für
ſolche angejchloffene Bücher. Die Anficht der Bibliothef zu Leyden bei
Yacroir, „Le Moyen-äge et la Renaissance“, gibt eine Vorftellung
von dieſen Einrichtungen. Allein auch gegen die Abnukung bedurfte ver
fünftlerijch bebandelte Einband eines Schutzes, und deshalb erhielt er
einen Stoffüberzug, das Demd (camisia) genannt, welches mit der
Zeit jelbft wieder Gegenftand des Luxus, aus Seide, Goldbrokat, Da:
maft, Cammet angefertigt oder mit Perlen bejetst, auch gefüttert wurde,
und endlich jelbjt wieder eine Hille oder Kapſel verlangte. Breviere und
(Sebetbücher von fleinerm Format wurden mit einer beutelartigen Ber:
lingerung der Dedelbekleivung verjehen, dem Bucbeutel, welcher es
ermöglichte, das Buch am Gürtel zu tragen. Einzelne jolcher Bücher mit
Beutel find noch vorhanden, jo eines in Yeder im Germaniichen Mu:
jeum, eines in Sammet in der ambrajfer Sammlung u. ſ. w. Aus Buch—
beutel, niederdeutſch Booksbüdel, wurde jpäter Bocksbeutel gemacht,
als Spottname für pedantiſche Gelehrſamkeit und altfränkiſches Weſen.*!
Die eigentliche Form des Buchbeutels iſt z. B. an dem Gebetbuche der
Jungfrau im genter Altarbilde erſichtlich. Der Stoff geht ringsum über
ven Dedel hinaus, auf der untern Seite breiter als auf den andern, an
den Zipfeln find Knöpfe angebracht und wenn dieſe Zipfel miteinander
verichlungen wurden, befand fich das Buch in der That wie in einem
Beutel. Dagegen endigt an dem Eremplar des Germaniſchen Diujeums®?
nur der obere Überfchuß des Yeverbezugs in einen Knopf aus Riemen.
Kapitel.) Buchzeichen. Elfenbein, Metall- und Emaildedel. 955
Der Aufenjeite des Einbandes entjprach der Überzug der innern mit
Seidenſtoff. Solcher oder Sammet wurde auch über die äußere Zeite des
Dedels geipannt, wenn die Metalldecke durchbrochen gearbeitet war, oder
wenn überhaupt nur metallene Mittel- und Eckſtücke aufgelegt wurden.
Um vie verjchiedenen Abjchnitte eines Buchs leicht auffinden zu
fönnen, befejtigte man an dem Blatte, auf welchen ein neuer jeinen
Anfang nahm, einen Pergamentjtreif, welcher über den Schnitt bervor-
ragte; derjelbe ift häufig am Ende zu einem zierlichen Knöpfchen ver-
ihlungen over zujammengedreht. Yodere Streifen der Art dienten als
Mertzeichen, und für Prachtwerfe wurden mehrere Merkbänder an einem
fojtbaren Halter, tenaculum, vereinigt. Für dieſe verſchiedenen Merk—
zeichen galt der gemeinjame Name NRegifter, auch wird die Bezeichnung
Kehrſchnur angegeben, An einem Pfalter in der Bibliothek der Her-
zöge von Burgund befand fich jogar ein filbernes Injtrument zum Um—
wenden der Blätter. ©?
In ftiliftifcher Beziehung iſt die ftreng ſymmetriſche Anordnung der
Verzierungen zu bemerfen. Die Mitte des Deckels firchlicher Bücher
aus dem frühen Meittelalter nimmt am häufigiten ein Bild des Ge-
freuzigten, oder des lehrenden Chriftus, oder der Madonna, manchmal
auch eine Reliquie, oder, falls Elfenbeindiptychen benußt wurden, die
Hauptvaritellung aus denjelben ein, auch umgeben fleinere Elfenbein—
platten als Bordüre das Mittelbild. Für die Eden waren bejonders die
Evangeliſtenſymbole beliebt. Ebenſo pflegen die Gmailplatten, die Edel-
fteine u. j. w. ſymmetriſch verteilt zu jein. Wie die Diptychen zer-
ichnitten werden mußten, fall deren Maße nicht der Größe des zu bin-
denden Buchs entiprachen, und wie man antife gejchnittene Steine mit
heidniſchen Darjtellungen unbefangen auf den Dedeln der Evangeliarien
u. ſ. w. anbrachte, jo nahm auch die jpätere Zeit feinen Anftand, einen
alten Band für ein nenes größeres Buch herzurichten, gewöhnlich durch
Anjegen neuer Umrahmungen und Bordüren. Daher darf das Vor-
fommen von Figuren und ornamentalen Motiven, welche den Stilen
verjchiedener Jahrhunderte angehören, an einem und demjelben Einbande
nicht befremden. So bat Yibri®* ein Lectionarium abgebildet mit
dem Gefreuzigten in Grubenjchmelz; aus dem 11. oder 12. Jahrhundert,
umrahmt won Heiligenbüjten in Elfenbein, die um 700 Jahre älter fein
mögen, ferner ein Liber deceretalium mit der Geburt Ehrifti in Elfen:
254 Die gewöhnlichen Einbände. (Holzdedel, Lederüberzug.) [Biertes
bein als Mittelſtück, Yeiften mit rheiniſchem Gmail, und Steinen und
Kameen auf dem Rande der Platte von vergolvdetem Kupfer.
Bücher, welche nicht jo Foftbar ausgeftattet, aber auch nicht auf den
häufigen Gebrauch berechnet waren, blieben oft ganz ohne Einband oder
erhielten doch nur ein Pergamentblatt als ſchützende Umhüllung 6°; man
fann fich hierbei der Umbüllung der Rolle, aber auch der heutigen Sitte,
Bücher nur in einen Papierumfchlag zu hängen, erinnern. Hoel Graf
von Gornouaille (geftorben 1034) ſah einjt in der Kathedrale von Quimper
(Departement Finijtere) auf dem Altar ein Buch ohne Einband, deſſen
Blätter ſich ablöften; das gab ihm Veranlaſſung, der Kirche die Felle
der auf jeinem Gute Quiberon getödteten Hirjche zu Büchereinbänden
zur ſchenken. Aber noch mehrere Jahrhunderte jpäter läßt fich die Eri-
jtenz ungebundener Bücher nachweijen.
Der gewöhnliche Einband beſtand aus Holzdedeln, die mit Yever der
verjchiedenften Tiere überzogen wurden. Daß Hirſchleder in Verwendung
jtand, beweift jchen die Schenkung des Grafen Gornouaille; die Abtei
St. Denis und das Kloſter St. Bertin übten mit Berufung auf Schen-
fungen Karls des Großen die Jagd in gewiffen Wäldern aus, um Yeder
zum Buchbinven, beziehungsweije auch zum Anfertigen von Gürteln und
Handjchuhen zu gewinnen. Im 12. Jahrhundert jchidte Graf Wilhelm
von Nevers den Startäufern, welche Gold und Silber abgelehnt hatten,
Rindshäute und Pergament. In Ermangelung neuen Pergaments griff
man nicht jelten zu alten Hanpjchriften, jowohl für die Einbanddecken
und die VBorjaßblätter, als auch für die Binde, für die Salze zwijchen
den Yagen, und für die Merfbänder. Bei dem Mangel an Pietät gegen
alte Schriftdenkmale ift es noch als ein Glück anzufehen, wenn ver
Buchbinder die Streifen, welche ev aus einem Blatte einer Handſchrift
gejchnitten hatte, mwenigjtens in einem und bemjelben Cinbanvde ver-
arbeitete, ſodaß deſſen Auflöſung die Wiederherſtellung des Blattes er-
möglicht. Bekanntlich ift auf dieſe Art manches wichtige Schriftfragment
wieder and Yicht gefommen.
Aber auch für die Dedel ſelbſt find nur zu oft alte Handſchriften
verbraucht worden. Die Holzplatten waren dem Wurmfraße ausgeſetzt
und die Schmaroger, welche fich dort eingenijtet hatten, geführdeten dann
auch das Buch. Da man außerdem auf die Herftellung feichterer Ein—
bände bevacht war, verfiel man auf das Zufammenkleben einzelner
Kapitel.) Ornamentation bed Ledereinbands. 255
Blätter, die primitivſte Art der Pappenbereitung. Durch Überziehen
eines jolchen Dedels mit Schweins- oder Ziegenleder erhielt man einen
dauerhaften, biegjamen und nicht jchwerfälligen Cinband, und bejonders
in Spanien bat ſich diefe Methode lange erbalten.
Im jpätern Mlittelalter wandte fich die Urnamentation dem Yeder
zu und zwar in zwei Dauptrichtungen. Der Yeverüberzug des Dedels
wurde gepreft, geprägt, gejchnitten, getrieben, mit Gold und Farben
(namentlich jebwarz und rot auf weißem Grunde) beprudt, oder diejer
Überzug wurde aus verjchiedenfarbigen Lederſtücken mufivifch zuſammen—
geſetzt.
Das Preſſen oder Prägen geſchah mittels metallener Stempel, Stan—
zen, Matrizen, das Bild, figürlich oder ornamental, wurde entweder ver—
tieft oder, durch Niederdrücken des Grundes, erhaben hergeſtellt. So
ſehen wir Heiligenfiguren, chriſtliche Symbole, in der Nenaiffancezeit
Allegorien, Helden und Heldinnen des Altertums u. dgl. m. dargeftellt,
umgeben von Yeijten oder Sriejen mit fortlaufenden Ornament, welches
mit einer gravierten Rolle aufgeprekt worden tft, oder von einzelnen
Irnamentmotiven aus der Tier- oder Pflanzenwelt, auch beralpijchen
Emblemen, die gewöhnlich verjegt, d. h. in dieſer Anordnung ', er-
jcheinen, oder enplich inmitten einer architeftonischen Umrahmung, die
ſich nicht jelten zu fürmlichen Tempelfaſſaden u. dgl. entwidelt.
Mitunter ift den Umriffen, welche durch das Preffen allein nicht
immer in genügender Schärfe herausfamen, durch Schneiden nachgeholfen
worden, wie an einem Bande aus dem 15. Jahrhundert in der Yeniperk-
jchen Sammlung, jest im Befiß des Deutjchen Buchhändlervereins; in
andern Fällen ift aber die Arbeit des Yederjchnitts, welche, mauriſch—
ſpaniſcher Herkunft, häufiger bei Seffelbezügen, Futteralen, Pulverhörnern
u. j. w. zur Anwendung gefommen ijt, vollftändig durchgeführt. Bei
diefer ijt die Überfläche des Leders im Gegenjaß zur Preffung mit
Meſſern, Meißeln und Punzen bearbeitet, jeltener, wenn es fich um hohes
Relief handelte, von der Rückſeite her wie Metall getrieben,
Für die Preffung mit Gold, Schwarz oder Not, beziehungsweife
mehrern Farben nebeneinander, find ſowohl Rollen als Stanzen benutzt
worden, welche beiden durch die, angeblich won Pierre Gaillard in Paris
(um 1600 bis 1615) erfundenen Fileten, die halbmondförmigen Stem-
pel, verdrängt wurden. Dieje leßtern gewährten der Phantafie des aus-
256 Einfluß des Buchdruds auf den Einband. (Biertes
führenden Künftlers größere Freiheit al8 die Rollen, da fib aus ven
einzelnen graben und gebogenen Yinien, Schnörfeln und jonftigen Orna—
mentmotiven die verjchiedenften Muſter combinteren liegen.
Zwiſchen den gepreßten und den Moſaikeinbänden in der Mitte ſtehen
die von den Antiquitätenhändlern gewöhnlich Emailbänvde genannten
vederbände, deren erhabene Verzierungen mit Yadfarben bemalt jinv.
Bon Einfluß auf dieſe allmählichen Ummwandlungen waren mannig—
fache Umftände. Die Buchoruderkunft, ver Humanismus, die Reforma—
tion hatten eine ungeheuere Vermehrung der Bücher und Anhäufung
jolber im Beſitz nicht nur von Kirchen und Klöſtern zur Folge. Für
die Ausftattung der Chorbücher war noch maßgebend gewejen, daß die—
jelben von dem Plate, welcher ihnen angewiefen worben, kaum wieder
entfernt werden würden. Bibliothefwerfe mußten jo eingerichtet werden,
daß fie gemeinjchaftlich aufbewahrt, daß einzelne jehnell erfannt und aus
dem Schranke herausgenommen werben fonnten. Man jcbichtete fie in
den Regalen auf, den Schnitt nach vorn, auf welden, wenn nicht auf
den überjchüffigen Rand des Yevers, Autorname oder Titel geichrieben,
anf den Schnitt gelegentlich jogar eingebrannt war, während die Titel-
angabe, wenn überhaupt vorhanden, jich früher höchjtens auf einem auf
ven Vorderdeckel aufgeklebten Papierjtreifen befand, den man öfter durch
ein durchſichtiges Hornplättchen jchütte. Beim Herausziehen eines ein-
zelnen Bandes würden nunmehr die Metalibejchläge leicht die Nachbarn
verlegt haben, auch fiel die Notwendigkeit der Edjtüde fort, weil anjtatt
des Holzes mehr und mehr Pappe benußt, das Format der Bücher all-
mählich Feiner wurde. Denn die alten Slaffiter in neuen Ausgaben,
die gelehrten oder erbaulichen Schriften der Zeit jollten „handlich“ fein,
wie das Brevier, und nicht unnötig vertenert werden. So wurden Die
Metallbeichläge und Schließen immer jeltener und erinnerten, wo fie noch
porfamen, in ihrer zierlichen Behandlung, in Filigran, mit Nielloſchmuck
oder eingejegten Steinchen, faum noch an ven urjprünglichen Zwed: ven
Einband zu ſchützen. Der Buchdruck beeinflußte aber noch ganz be-
jonders die Ornamentation des Cinbandes, indem dieſelben Zierſtöcke
ebenjo gut außen, wie in dem Buche zur Verwendung famen.
Bon nicht geringerer Bedeutung war das Vordringen des Prinzips
der orientalifchen Flächenveforation. Hatte dasjelbe bereits durch Jahr⸗
hunderte die Ornamentation der Seidengewebe beherrſcht, ſo bürgerte es
Kapitel.) Einfluß des Orients auf das Dedelornament. Maioli, 257
ib au in die Buchbinderornamentif ein, jobald dieſe in den Yändern
des Südens zum Bedürfnis geworden war. Die Orientalen jelbjt hatten
— und haben, wie man am den perfichen Lackbänden jehen kann, bis auf
unjere Zeit — Das gejunde Prinzip der Flächenverzierungen durch Yinien-
fombinationen, welche bei ſcheinbarer Regelloſigkeit doch einem fejten Plane
felgen, dasſelbe Prinzip, welches in den Moſaik- und Studbefleivungen
ibrer Wände zur Erjcheinung fommt, auch für ihre Buchdeckel beibehalten.
Hätte die ſpaniſche Inguifition nicht geglaubt, durch Verbrennen aller
ihr in die Hände fallenden arabijchen Bücher jamt ven fojtbaren Ein-
binden ein gottgefülliges Werk zu verrichten, jo würde wahrjcheinfich die
Senefis jener Buchbinperornamentif, welche wir nach Maioli oder Gro—
lier zu benennen pflegen, deutlich vor Augen liegen. So aber läßt fich
nur, fonjtatieren, daß in Stalien im 15. Jahrhundert ver Geſchmack an
rauten-, gitter- und bandartigen Verzierungen auf Buchdedeln auf:
gefommen ift. Aldus Manutius in Venedig, welcher Buchorudorna-
mente, und umter anderm jein Signet, auf Lederbänden abpruden lieh,
ſcheint auch zu ven erjten gehört zu haben, welche orientalische Muſter
fopterten; ob er, wie Cundall 66 meint, fich dabei arabijcher und griecht-
icher Arbeiter bedient babe, muß vahingeftellt bleiben. Derjelbe Autor
erwähnt ausprüdlich unter ven älteften Beijpielen von Büchern mit
geometrischen Muftern, Banpverjchlingungen u. ſ. w. ein neapolitanijches
Manujfript vom Ende des 15. Jahrhunderts im Britiſh Muſeum. Im
näcjtfolgenden Jahrhundert wurde die Yiebhaberei an ſchönen Einbänden
in Italien allgemein. Schon Nikolaus V. und andere hatten darauf
gehalten, daß Schrift, Auszierung und Einband eines Buchs des In—
balts würdig jei; fie „verlangten und duldeten nır Schönes“ Für die
Finbände in der Vaticana und in Urbino war Karmoiſinſammet mit
Zilberbejchlägen vorgejchrieben. 6° Die jpätern Päpfte, Karpinäle, Für-
iten, Barone und Gelehrten teilten dieje jchöne Neigung. Am meisten
Bereutung für die Entwidelung der Buchbinverfunft aber hatte ein
Mann, von deſſen Yebensverhältmiffen nichts befannt ift, Tommafo
Maioli, deſſen Name auch nur dadurch überliefert ift, daß er auf ven
Deckeln jeiner Einbände die ganz im Geifte des Humanisınus gedachte
Inſchrift jeten ließ: Tho. Maioli et Amicorum. Dieje Bände, Yever
— und zwar meijtens braun, oder olivengrün, oder jchivarz find in
der Regel von einem großen Band- oder Gartouchenmufter, in Blind—
Kap. 1. 17
258 Maioli und Grolier. [Biertes
prejjung, aber mit Golplinien contouriert, bevedt, durch welches fich reiches,
graziöjes golvenes Ranken- und Blattwerk hinjchlingt. Die Bücher aus
jeiner Bibliotbef werden heute mit Tauſenden von Franken bezahlt und
befinven fich zumeift im Beſitz reicher Sammler. Gin bejonders inter-
ejfantes Eremplar gehört der Bibliothek Brunets an; e8 bat auf dem
Dedel Maioli's Devife, auf dem Titel aber diejenige Jean Grolierg,
der, unverfennbar angeregt durch den Italiener, in der Gejchichte ver
franzöfiichen Buchbindung eine entjprechende Stellung behauptet.
Jean Brolier de Servin®*, Vicomte d'Aiguiſy (1479 bis 1565),
unter fünf Königen, Ludwig XIL, Franz I. und II., Heinrich II. und
Start IX,, in hoben Staatsämtern bejchäftigt, brachte wiederholt in fönig-
lichem Auftrag längere Zeit in Italien zu, und jcheint dort die noble
Paſſion der Bücherliebhaberei überhaupt und insbejondere den Gejchmad
am Stil Maioli's angenommen zu haben; er ahbınte ven lettern jogar
in der Bezeichnung: Jo. Grolierii et Amicorum nad. Sein Reichtum
geftattete ihm, durchweg die beften und jchönften Ausgaben anzujchaffen —
abgejehen davon, daß feine perjünlichen Verbindungen mit Autoren jeiner
Bibliothek viele Dedifationseremplare zuführten und die Einbände
durch die trefflichiten italieniſchen Kunſthandwerker mit Anwendung Des
teuersten Materials ausführen zu laffen. Da er jelbft Zeichner gewejen
ift, vermutet man bei ihm eigenen Anteil an den Entwürfen; doch war
auch Geoffrey Tory für ihn thätig. Seine Einbände nahmen frübzeitig
die Aufmerfjamfeit der Sammler in Anſpruch, und man findet diejelben
außer in den öffentlichen Bibliotheten zu Paris, Wien (aus dem Nach
laß des Prinzen Eugen von Savoyen), Wolfenbüttel u. j. w. vornehm—
lich bei reichen Privatleuten Englands und Frankreichs. Die meilten
Bände find in der Art Maioli's mit Band» und Rankenwerk ornamen—
tiert, mitunter mijchen fich bereits Gartouchen mit aufgerollten Endungen
ein. Seltener find rein geometrijche Mufter und vielleicht ein Unikum
iſt der von Yibri a. a. DO. abgebildete Dedel von Jamblichus, „De mys-
teriis Aegyptiorum“, welcher einen antififierenden Portikus in ornamen-
taler Umrahmung zeigt. Der Stoff ift in der Kegel braunes Yever, die
breitern Streifen häufig von anderer Farbe, olivengrün oder auch ſchwarz;
in der Anwendung des Goldes befindet fich jtets der geläutertite Ge—
ſchmack. Außer der obengenannten Devije fommen noch mehrere andere
vor: Aeque diftieulter mit einer Hand, welche einen Nagel aus einer
Kapitel.) Der deutjche Büchereinband im 16. Jahrhundert, 259
Vergipite zieht, Portio mea Domine sit in terra viventium, Tan-
quam ventus est vita mea, Nec herba nec arbor mit einem Stachel-
beerbujch (groseillier — grolier). Grolier ſoll auch zuerit ven Titel
auf dem Rüden eines Buchs angebracht haben, was durch die größere
Zahl der Bücher und das Aufrechtitellen, nicht mehr Legen, verjelben in
Bibliothefen notwendig gemacht wurde.
Direft und indirekt beeinflußte er den Bindeſtil feiner und ber
nächſtfolgenden Zeit in Franfreih, wo Diana von Poitiers, Hein-
rib 11.6? und faſt alle jpätern Regenten Bejchüger dieſes Kunſtzweigs
waren.
In Deutichland bielt die Vorliebe für geprägte und gepreite Leder—
einbände vor; namentlich übertrug man die in die Mode fommenven
Frontiſpice, architektoniſchen Umrahmungen u. j. w., jowie Bildniſſe aus
den Büchern jelbjt auf die Einbände. Auch hier machen jich verſchiedene
Fürſten als bejondere Schäßer der Einbindekunſt bemerflich, wie Kaiſer
Maximilian I., Herzog Albrecht V. von Bayern und unter den ſächſiſchen
Fürften vorzüglich Kurfürſt Auguft. In Sachjen wurden insbejonvere
die Einbände mit Lackmalerei in großer Vollendung bergeftellt, und es
it wohl nicht zufällig, daß dortzulande auch Thonfrüge mit farbigen und
vergolveten Bruftbilvern entitanden find, welche im Stil große Verwandte
ſchaft mit den Bilpniffen fürftlicher Perjonen auf ſächſiſchen Einbänven
Künfte des Friedens wieder gedeihen konnten, war inzwijchen die Herr:
ibaft der franzöfiichen Mode begründet worden. Merkwürdigerweiſe
febrte im 16. und 17. Jahrhundert noch einmal der Gejchmad zu den
durchbrochenen Metalldecken zurüd, welche in Yeipzig gegen Ende des
16. Jahrhunderts in vorzüglicher Goldſchmiedarbeit, in Wittenberg und
Dresden (?) in ausgejügten Meifingplatten, wie fie noch lange nachher
zum Belegen von Kaſſetten beliebt blieben, in Nürnberg aus gejchnittenem
Eiſen bergeitellt wurden. '°
In der Zeit der Hochrenaiffance fam ferner das Vergolven des
Schnitts in Übung, welchen man jedoch meift nicht glatt ließ, jondern
mitteld der Punzen mufterte; bald laufen Borbüren längs allen Seiten
des Schnitts bin, bald ift diejer gänzlich mit geometrijchen over Pflanzen-
ornamenten bevedt. Auch wurde die Malerei zu Hilfe gerufen und eine
bejondere Force darin gejucht, daß figurale und landjchaftliche unter dem
17?
260 Die Mönche als Buchbinder. [Biertes
Golde aufgetragene Kompofitionen erjt zur Geltung famen, wenn ver
Schnitt etwas verſchoben wurde.
Auch für die Buchbindung im frühen Mittelalter gilt das Wort: die
Mönche wurden Kiünftler und die Künftler Mönde. In den Sfripto-
rien mußten eben die Bücher völlig fertig geftellt werven, und ven Bene-
piftinern wurde das Einbinden nicht weniger zur Pflicht gemacht, als
das Leſen, Schreiben, Korrigieren und Ausmalen der Bücher. Aus der
Blütezeit der iriſchen Kunft find Namen jolcher geiftlichen Buchbinver
erhalten. So verjah Bilfrid oder Billfrith, der Einſiedler auf der Inſel
Yındisfarne an der Küſte von Northumberland, welcher das von ven
dortigen Biſchöfen Eadfrith und Aethelwald im erjten Drittel des
8. Jahrhunderts gejchriebene und gemalte Evangeliarium des heiligen
Guthbert (auch Evangeliarium von Yindisfarne oder von Durham ge-
nannt, jest im Beſitz des Britiſh Mufeum) mit einem foftbaren Ein—
band, welcher leider, wahrjcheinlich in der Reformationszeit, einem aus
Juchten bat weichen müſſen. Derſelbe Aethelwald (Ethelwold) rühmt
den iriſchen Mönch Ultan als gejchieten Buchbinvder. Bijchof Hermann
von Salisbury, um 1080, band jelbjt die von ihm gejchriebenen und
miniierten Bücher, und der Benediftiner Henry von Hyde Abbey bei
Winchefter, um 1178, vereinigte feine Abjchriften des Terenz, Boethius,
Zueton und Glaudian in einem Band, für welchen er die Metallbuckel
eigenhändig verfertigte. Auch die „Brüder vom gemeinfamen Leben“
befaßten ſich mit der Biücherberjtellung in ihrem ganzen Umfange; der
Rektor betrante einen Bruder mit der Yeitung der Buchbinderei und der
Aufficht über das Arbeitsmaterial, und als das Abjchreiben durch die Buch-
pruderfunft überflüffig geworven war, wandte fich die Brüderjchaft ins-
bejondere noch dem Einbinden zu. Auch ver berühmte Abt von Spon-
heim, Johannes Tritbemius (1462 bis 1516), bielt jeine Mönche zum
Schreiben und Binden an, desgleichen der Abt von St. Ulrich und Afra
zu Augsburg, Melchior von Stambeim, um 1472, und ein Kaplan von
Geislingen, Johannes Richenbach, nennt fich auf mehrern Büchern, z. B.
einem Hieronymus in der parifer Nationalbibliothef, als Verfertiger des
Einbandes, dazu das Jahr 1469.
Auch als das Einbinden längſt ein birgerliches Gewerbe geworden
war umd nur noch ausnahmsweiſe von Yaienbrüdern in Klöftern geübt
wurde — wie in Stremsmünfter noch im 18. Jahrhundert — blieben
Kapitel.) Deutihe Buchbinder des 16. Jahrhunderts, 261
die Buchbinder jozujagen Schukverwandte der Kirche und der Univer—
fitäten, genoffen, als zum Gelehrtenjtande gehörig, auch deifen Privilegien,
wie fie in der Zeit der Renaiffance häufig ale Hofhandwerker vorkommen.
Glücklicherweiſe haben deutſche Buchbinder häufiger als die anderer
Yinder ihren vollen Namen over doch Anfangsbuchitaben auf Arbeiten
angegeben, mit denen fie fich jehen Lafien fonnten. So fommt es, daß
während über die Meijter, die für Maioli, Grolier, Diana von Poitiers
u. ſ. w. gearbeitet haben, kaum eine Vermutung aufgeftellt werden kann 71,
für Deutſchland eine nicht geringe Zahl von Namen aus älterer Zeit
zur Verfügung ſteht: Heinrich Walram, Verfertiger eines gepreßten Leder—
bandes aus dem 17. Jahrhundert, im ftäbtifchen Archiv zu Köln 7?; An-
dreas Jäger im Augsburg, 15. Jahrhundert; Kaſpar Ritter, von welchem
die münchener Hofbibliothef fieben Bände in rotem, teilweis bemaltem
Maroquin bejitt; Johann Hagmayer in Ulm, welcher feinen Namen z. B.
auf einem geprägten Einband um 1480 auf zwei in regelmäßiger Ver—
jchlingung die Bordüre bildenden Bändern fortlaufend und in der Art
angebracht bat, daß immer oben der Familien- und darımter der Vor-
name zu ſtehen kommt 3; Dans Wagner zu Yauingen, Walter Kabricius
und Lazarus Zetzner zu Köln, Reußenholz zu Straßburg. Cine größere
Zahl von Künjtlern, welche am füchfiichen Hofe thätig und gelegentlich,
wie alle „Hofehandwerker“, Gegenftand der Anfeindung der Zünftigen
geweien jind, macht Steche’* namhaft; nach jeinen Mitteilungen hatte
Kurfürft Augujt feine Hofbuchbinderei im eigenen Schloffe zu Dresden
unterbringen laffen und beſaß ſelbſt eine Buchbinderlade nebſt allem Zu-
bebör, welche er gern benutte. Als die Kurfürften nod in Wittenberg
rejidierten, in der erjten Hälfte des 16. Yahrhunderts, war Theodor
Krüger der vorzüglichite Buchbinder. Kurfürſt Auguft berief 1566 Jakob
Kraufe von Augsburg und 1578 Kaſpar Meuſer. In der Folge ar-
beiteten Jakob Weidlich und veffen Sohn Chriſtoph, welcher vorher in
Dienften des Herzogs Friedrich von Würtemberg geftanden hatte, Mathias
Hauffe und Baftian Ebert aus Yeipzig, Kaſpar Krafft um 1597. Bei
ihnen allen iſt man, ihrer Stellung zufolge, berechtigt, eine hervorragen:
vere Yeiftungsfähigfeit vorauszuſetzen; weitere Namen anzuführen hätte
feinen Zweck. Es wären eben nur Namen; die Peiftungen ihrer Träger
find unbefannt. 7*
Geſchmack und Gediegenheit in der Ausftattung des Buchs im all:
262 Schluß. Viertes Kapitel.)
gemeinen waren mit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einem
ſchnellen Sinken begriffen, das mit dem 17. Jahrhundert für die Durch—
ſchnittsleiſtungen in eine förmliche Verwilderung überging, eine Ver—
nicht einmal ihren Höhepunkt erreicht hatte. Sieht man von dem Kupfer:
jtich ab, welcher im Zeitalter des Barodjtils den Holzſchnitt fait gänzlich
verdrängte, im 17. Jahrhundert namentlich ven fünjtleriichen Ausjchmud
des Büchertitels völlig beherrichte und dank der Begünjtigung durch
vudwig XIV. in der Move blieb, jo kann ſich von allen im Buchgewerbe
mitwirfenden Künſten und Handwerken allein das Buchbindergewerbe
rühmen, ſich bezüglich der Solidität der technijchen Yeiftungen auf
einem böhern Durchjchnittsniveau erhalten zu haben, wenn auch ven
ärmlicher gewordenen Yebensverhältniffen entiprechend das Äußerliche des
Einbandes an fünftlerifchem Gepräge, jowie an Glanz und Schönheit
der dabei verwandten Materialien Einbuße erlitt.
Fünftes Kapitel.
Der buchhändleriſche Gejchäftsbetrieb bis zur Reformation,
Zahl der Anfunabeln. Was find Anfunabeln? — Berichiedene Geſchäftszweige des
buchhändleriichen Betriebes. — Schriftgießer. Goldichmiede find Schriftgießer. Bei:
ipiele. Typen Eigentum des Verlegers. — Buchdruder refrutieren ſich aus allen
möglichen Klaſſen: Studenten. — Schönjchreiber und Miniaturnaler werden Druder,
Bedingungen der Verföhnung. — Kein Unterjchied zwiichen Schreiber und Druder
in der Sprache. Beweile aus Augsburg. Straßburg. — Druder und Verleger
trennen ſich. — Kolporteure. Anichlagzettel; Beiſpiele. — Buchführer. Jahrmarkts—
beſuch. — Filialen. — Buchhändler und Drucker verwechſelt. — Drucker ſelbſt be—
ſtellen bei Dritten. — Aufträge von Privatperſonen an Drucker. — Verleger geben
Druckern Aufträge. — Spezialitäten der einzelnen Drucker und Verleger der ver—
ſchiedenen Länder. — Großkapital; Aſſociation (verſchieden in Italien, Deutſchland
und Frankreich). — Buchläden (Verkauf von eigenem und fremdem Verlag). — ülte—
ſter Sitz der Sortimentsbuchhändler Augsburg. — Mitte des 16. Jahrhunderts der
Buchhandel entwickelt. Uſancen auf der Meſſe. Zahlung. — Honorar. Korreltoren.
Tanner. — Honorar jchimpflidh (Erasmus und Hutten), jpäter annchmbar. — Bar:
zahlungen. Goldajt. — Dedifationen. — Höhe der Auflagen. Ausgaben (theologische
Litteratur). — Juriſtiſche Litteratur nach Stinging. — Koberger. Briefwechſel mit
Amerbach. — Schluß.
Erſt um die Wende des 15. Jahrhunderts wird es möglich, einen
Überbfit über die jugendlichen Yeiftungen des Buchdrucks und Buch—
handel zu gewinnen. Leider find nur gelegentliche Äußerungen und
jerftreute Einzelheiten über das damalige Gejchäft erhalten; indeſſen
ergibt fich aus ihnen, daß es ſelbſt in der jogenannten Inkunabelnzeit
durchaus nicht unbedeutend gewejen jein kann.
Wenn Didot auf Grund einer Schätzung Daunou's annimmt!, daß
bis 1500 nur 13000 Bücher in einer Durchjchnittsnuflage von je
300 Eremplaren geprudt worden jeien, was im Jahre 1501 für ganz
264 Das Bücherguantum der Inkunabelnzeit. Fünftes
Europa einen Vorrat von etwa 4000000 Büchern ergeben würde, ſo
greift er viel zu niedrig. Hain führt in ſeinem Repertorium 16299
bis dahin gedruckte Werke an. Indeſſen iſt auch diefe Zählung nicht
hoch genug, denn einmal find viele hundert, wenn wicht wiele taufend
Bücher bis auf ihre legte Spur der Nachwelt verloren gegangen, dan
aber jeit Dains Tode auch Tauſende wieder aufgefunden worden, jodak
man die Sefamtzahl ohne Übertreibung auf wenigitens 25000 Drud:
jchriften veranjchlagen kann, won welchen etwa jechs Ziebentel aus jchola:
ſtiſchen umd religiöſen Werfen bejtehben. Bon ver Yinve berechnet vie
noch vorhandenen Bücher umd Alugjchriften jogar auf mehr als 30000
jelbjtändige Stücke. Ebenſo find die Auflagen viel höher zu berechnen,
als man, nach den Nachrichten betreffs einiger der erſten gedrudten
Bücher urteilend, zu thun pflegt. Statt auf 300 Exemplare, wie
Didot, fann man, wie der Verlauf diefer Darjtellung nachweiſen wirt,
die durchjchnittliche Auflagehöhe auf mindeſtens 500 GEremplare, wenn
nicht höher, annehmen Natürlich umfaſſen die angegebenen Zahlen
nicht allein die deutſchen, ſondern alle bis zum Jahre 1500 in Europa
veröffentlichten Preßerzeugniſſe. Überhaupt kennt ver Buchhanvel wäh:
rend des ganzen erſten Jahrhunderts jeit der Erfindung der Kunſt feine
nationalen Unterjchievde und Gegenſätze. Seine dem deutſchen Groß—
handel entnommtenen Uſancen find ziemlich überall die nämlichen, die
Sprache feiner Berlagsartifel it faſt durchgehends Die lateinijche, die
Sprache ver Kirche, der Yitteratur, der Regierungen und ver Gerichte,
und ſchon im legten Viertel des 15. Jahrhunderts dient die franffurter
Meile als Gentralpunft für ven europäiſchen Buchbanvel überhaupt. Cs
ijt Deshalb auch fein Notbehelf, jonvern ein Gebot der gejchichtlichen Un:
partetlichfeit, wenn in der Folge, um eine buchhändleriiche Erſcheinung zu
erklären, oder in das rechte Yıcbt zu Stellen, vorerſt ebenjo ſehr auf fran-
zöſiſche oder italieniiche, als anf deutſche Verhältniſſe verwiejen wird.
Man pflegt die bis zum Jahre 1500 geprudten Bücher Inkunabeln
oder Wiegendrude zu nennen: eine willkürliche vein äußerliche Bezeich—
nung und Begrenzung, für welche es kaum innere Merkmale und Gründe
gibt. Wenn z. B. Anton Koberger die Bibelerflirung des Kardinals
Hugo ſchon von 1493 an vorbereitet und die ſieben Folianten zwiſchen
1408 und 1502 vdruden läßt, jo wirft fich ganz natürlich die Frage auf,
ob denn diejes Werk eine Inkunabel ijt oder nicht, over ob bloß die:
Kapitel.) Herftellung und Vertrieb des Buchs in Einer Hand. 265
ienigen Bände jo genannt werden dürfen, welche vor dem 1. Januar
1500 gedrudt wurden? Außerdem bezeichnet der Anfang des neuen
Jahrhunderts durchaus feinen Kortichritt in der Gejchichte der Kunſt,
geihweige denn der Menjchheit, wohl aber thut es die große Kirchen:
tefermation, welche fir das ganze denfende Europa den Übergang aus
dem Mittelalter in die neue Zeit bildet. Es wäre aljo vielleicht viel
bezeichnender gewejen, wenn man überhaupt eine Inkunabelnzeit an:
nehmen und bejtimmt abgrenzen will, die Periode vor 1520 das Fo—
ltantenzeitalter zu nennen, weil bis dahin faft nur ausnahmsweije in
andern Kormaten als in Folio gedruckt wurde. Diefer Unterſchied ift
fein bloß äußerlicher. Der Verbreitung der Bildung im Volke hatten
eben die Folianten wenig oder gar nichts genügt. Die eigentliche welt:
beberrichende Bereutung des Buchhandeld beginnt vielmehr erjt mit dem
überwiegenden Auftreten der Fleinen Formate, welches in feinen Wir:
kungen eine volljtändige Revolution bedeutete.
Der buchhändleriſche Geſchäftsbetrieb bepurfte zur Heritellung und zum
Terfauf der Bücher ver im Anfang meift in einer Perjon vereinigten
Ihätigkeit des Schriftgiehers, des Buchdruckers, des Werlegers und des
Händlers. Mit dem größern Yejerkreife und dem durch ihn angeregten
Erſcheinen zablreicherer Preferzeugniffe zerfiel aber dieje Vereinigung
verſchiedener Sejchäftszweige allmählich wieder in ihre verjchiedenen Be—
ſtandteile, ſodaß jeder von ihnen nun das ihnen allen gemeinjchaftliche
Ziel jelbjtändig, aber den andern ergänzend, ins Auge fahte.
Es handelt jich hier zumächit um den Schriftguß. Gutenberg und Fuſt
bejorgten dieſen jelbit. Jener hatte fich als der Erfinder beweglicher
Bleitypen mit diefer Kunſt vertraut gemacht und fich jchen in Straf:
burg bei jeinen erjten Verſuchen im Zpiegelgießen der Hülfe von Gold—
ſchmieden bevient. Fuſt war von Haus aus ein jolcher und daher bejonvders
geeignet, die Traqweite der neuen Erfindung zu erfaffen. Die Goldſchmiede—
kunft ift in der That eine Art Vorfchule des Schriftguffes. Der Gold—
ſchmied mit jeinen technijchen Kenntniffen war dem erjten Druder un—
entbebrlich, va er Stanzen hatte, mit welchen er feine Ornamente aus
Metall vervielfältigt... Er mag jogar ſchon früher Imfchriften durch
Einſchlagen einzelner tanzen mit verfehrt gejchnittenen Buchitaben
bergeitellt haben.? Jedenfalls war es der Goldſchmied, welcher für die
eriten Druder die Stanzen anfertigte. Dieje fuchten deshalb auch zur
266 Schriftguß: Goldichmiede und Stempelichneider. Fünftes
Herſtellung ihrer Schriften die Goldſchmiede als Mitarbeiter zu ge
winnen, Schöffer ließ, um fich jo lange als möglich fein thatjächliches
Monopol zu bewahren, werer Matrizen noch Schriften füuflih ab. Nur
die hervorragenditen und bemitteltiten Dffizinen konnten untabelbafte
Typen liefern; die Kojten ihrer Serjtellung erforderten ein zu großes
Kapital und die Bejchaffung der unentbehrlichen Arbeiter ließ fich oft
nicht ohne bedeutenden Zeitverluft bewerfitelligen. Grit gegen Ente des
15. Yahrhunderts entjtanden jelbjtindige Schriftgießereien. So lange
dauerte es, daß der Goldſchmied, der oft genug zugleich ver Kapitaliſt
war, geneigt blieb, jeine Thätigfeit und feine Meittel, ſei es ganz, jet
es teilweife, der neuen Kunft zuzuwenden. Bis dahin vergingen oft
Jahre, ehe die Druder ihre Stempel graviert, ihre eigenen Typen ge—
goffen hatten, ehe fie aljo mit dem eigentlichen Drud von Büchern be>
ginnen fonnten. Ausprüdlich wird diefe Thatjache von Schweinheim
und Pannark erwähnt, die jogar zweimal (zuerjt in Zubiaco und dann
in Rom) eine jolche Eoftipielige Vorarbeit unternehmen muRten, — von
Wenpelin von Speyer in Venedig, von Johann Neumeifter in Ptalten
und Frankreich und von Kranz, Gering und Sreiburger in Paris. Unter
diefen Umftänden war e8 damals für einen Mann, ver fih als Druder
mit einem andern affociieren wollte, jchon eine ſchwerwiegende Empfehlung,
der Bruder eines Goldſchmiedes zu ſein.
Neben dieſem tritt dev Stempelſchneider, Formſchneider und Schön—
ſchreiber als Mitarbeiter für die Herſtellung der Typen auf. Schöffer,
als alter Schönſchreiber, lieferte dem Formſchneider neue Zeichnungen
und Modelle. König Ludwig XI ſandte angeblich ſchon 14583 feinen
Münzftempeljichneiver Nikolaus Jenſon aus Tours zur Erlernung der
Buchoruderkunft nach Mainz. Dieſer nämliche Künftler erjchien einige
Jahre jpäter, zwifchen 1470 und 1480, wieder in Venedig, wo er fich
zum berühmtejten Stempeljchneiver ſeiner Zeit emporarbeitete, ver jeine
geſchmackvollen Schriften an die bedeutendſten Drudereien des Inlandes
und Auslandes verfaufte Nach Didot muß Jenſon Typen an Eucha—
rins Silber in Rom abgegeben haben, da des letztern 1490 erſchienene
Ausgabe von Gicero’s Briefen an Atticus mit ganz denjelben Typen
gedruckt ift, mit welchen Jenſon 1475 jeinen Cicero bergeitellt hatte.
Jedenfalls muß er der erfte größere Händler mit Buchdruderjchriften
gewejen jein. In Straßburg goſſen Goldſchmiede, Formſchneider und
Kapitel.) Scriftguß: Beteiligung der Goldſchmiede. 267
Schönfchreiber oft in Gemeinjchaft, oft wieder jelbjtändig Typen für
eigenen Gebrauch, legten eine Druderei und einen Buchhandel an; das
zweite Kapitel brachte ja jchon zerjtreut Nachweife dafür. Der dortige
Goldſchmied Georg Husner, dejfen Schwiegervater Nikolaus von Donau
gleichfalls „Aurifaber‘ und „Pressor librorum” war, wurde Druder und
Verleger und redet im Jahre 1473 von jeinen „Literae aere exculp-
tae“.“ Der jpäter jo berühmt gewordene Buchhändler Johann Ryn—
mann wird im Jahre 1475 in den augsburger Steuerlijten als Gold—
ihmien angeführt, während er erjt 20 Jahre jpäter, 1495, als Buch:
führer bejteuert ward. Die ſtädtiſche Behörde nahm alſo erſt Kenntnis
von jeinem anderweitigen Sejchäftsbetrieb, als die Goldſchmiedekunſt auch
äußerlich in den Hintergrund feiner Thätigfeit getreten war. Rynmann
muß teils neben-, teils hintereinander Goldſchmied, Schriftgieker, Buch—
drucker und Buchhändler gewejen ſein.
In andern Yändern war es nicht anders. Des Aldus Manutius
Schriftgießer, oder wenigitens der Herjteller der nach dem Verleger ge:
nannten Kurjivichrift, Franz Raibolini oder auch Franz von Bologna
genannt, war der beveutendite Goldſchmied des damaligen Italien. Neu—
meifter verdanfte jeine Typen dem Goldſchmied Emilio Orfini in Fo—
ligne. Ziemlich zu derjelben Zeit blühte als jolcher Bernardo Cennini
in Florenz, der mit jeinem Sohne Dominicus jchöne Schriften ſchnitt
und goß. In einem 1561 dem franzöfiichen Goldſchmied Duvet in Lyon
verliehenen königlichen Privilegium heißt es noch: „Duvet maistre or-
fevre a portraict et figure en table de cuyvre et caracteres pour
imprimer ce volume.‘
Mit der zunehmenden Zahl der Drudereien wurde die Nachfrage
nach den verjchiedenjten Gattungen von Typen immer größer, ſodaß es
ich nunmehr ver Mühe Lohnte, ven Guß derſelben als jelbjtändiges Se:
ihäft zu betreiben. Ihr Verkauf an jich fam anfänglich jogar verhältnis-
mäßig öfter vor als jpüter, weil die Schriften vielfach, jamt den mit
ihnen bergeitellten Büchern, das Eigentum der Bejchüter ver Druder
oder der Verleger und Auftraggeber wurden. So ijt mit den Typen
der Gutenbergſchen Ablafbriefe fein Buch mehr geprudt worden, weil
fie in den Beſitz des Bejtellers übergingen®; jo druckten Schweinheim
und Rannark mit andern Lettern in Rom, als in Subiaco, die eriten
parijer deutſchen Druder Kranz, Freiburger und Gering mit andern
268 Schriftgießereien. Die erjten Buchdruder: Studenten. Fünftes
Schriften „in der goldenen Sonne“ als in der Sorbonne. Man über—
trug eben unwillkürlich, da man noch gar keine Ahnung von dem univer—
ſellen Charakter der Kunſt hatte, die eng beſchränkte Aufgabe dev Hand—
jchrift auf die geprudten Bücher, und lebte in ven Anjchauungen des
Mittelalters unbefangen weiter. Von deutſchen Städten waren es na-
mentlih Straßburg und Bajel, welche die eriten großen Schriftgieße—
reien einrichteten und deren GErzeugniffe bald nach Norden und Süden
hin verkauften. Bon tüchtigen Künftlern unterftüßt, waren fie jchen im
Anfang des 16. Jahrhunderts im Stande, nicht allein eine reiche Auswahl
geſchmackvoller deutſcher Typen, ſondern auch in Nachahmung der nenejten
venezianifchen Erfindungen Antigua und Aldiniſche Kurſiv zu liefern.
Augsburg und Nürnberg folgten dem Beifpiel jener Städte bald nad
und trugen das Ihrige dazu bei, den Buchdrud und Buchhandel un—
abhängig von der Selbjtheritellung ver Schriften zu machen.
Fortan alfo iſt es einzig und allein der Buchdruck, welcher die Vor:
ausfegung des Buchhandels bilvete. Beide find jogar jo eng verbunden,
daß fie vielfach miteinander verwechſelt werden; namentlich aber bat fich
bis in die neuere Zeit hinein der Begriff des Buchdruckers noch nicht
prinzipiell von dem des Verlegers geichieden.
Die Buchdrudereien nun bezogen ihre Arbeitskräfte — Setzer und
Druder — aus allen möglichen Klaffen und Gewerben, namentlich aber
aus den Kreiſen der Schreiber und ver ihnen verwandten Berufs—
gattungen, wie Kormjchneidern, Briefmalern, Illuminatoren und Mi-
niaturmalern. Der Zahl nach natürlich viel geringer und ver Zeit
nach jpäter jchliegen fich ihnen vwerdorbene Studenten und überhaupt
junge Männer der gebilveten Stände an, die ihren Beruf verfehlt oder
im Veben ſchon Schiffbruch gelitten haben. Seitdem nun gar das
Truden eine einträgliche Industrie geworden, fuchten Leute aller Stände
darin ihren Broterwerb. Damalige Schriftfteller, wenn fie fich über
die jchlechten Sitten der Studenten beflagen, erzählen, daß viele der—
jelben, unfähig einen Grad zu erlangen, fich zulett als Drudergebilfen
verdingten. Sie verjtanden gerade genug Yatein, um als Seter latei—
niſcher Bücher zu dienen. Sebaſtian Brant, der während feines Auf:
enthalts zu Baſel, wo er bei Amerbach und andern Korrekturen bejorgt
hatte, mehr als einen jolcher ehemaligen Studenten gejehen haben mug,
bejchreibt fie als ebenſo liederfich, wie auf den Univerfitäten. An einem
Kapitel.) Verhältnis der Schreiber zu den Buchdrudern. 269
Tage, jagt er, verpraffen fie einen ganzen Wochenlohn.? „Wenn die
Studenten wider beim kumen, jo fummen fie nüt (nichts) und werben
buchtruder darusz“, jagt Geiler in feinen Predigten über das Narren-
ſchiff.“ Daraus erklärt fich vielleicht das Hinübernehmen eines Stüds
des ſtudentiſchen PBennalismus, des Depofitionswejens, in die Zunft-
gebräuche der neuen Kunſt.
Die Schönjchreiber verhielten fih anfangs derjelben gegenüber feind-
(ich, weil jie fich von ihr in ihrem Erwerbe bedroht jahen. Ihre Gegner-
ichaft hielt aber nicht fange an, teils weil fie um des lieben Broterwerbs
willen alles aufbieten mußten, nicht nur Schriften formen und gießen,
jondern auch Bücher jegen und pruden zu lernen, teil weil fie ſich balv
überzeugten, daß auch für fie bei der tüglich wachjenden Ausdehnung ver
Kunjt noch genug zu thun und zu verdienen übrigblieb. Die gejcbeitern
Köpfe und tüchtigern Kräfte umter den Schreibern wirdigten aljo jehr
bald deren Tragweite und übertrugen in richtiger Erfenntnis der Folgen,
welche ver Buchorud für fie haben mußte, ihre Erfahrung, Kenntniſſe
und Einficht auf das immer mehr aufblühende Gejchäft. Wenn bei ver
frübern bandjchriftlichen Herſtellung ein paar, oder höchſtens einige
Dugend Bücher mit Initialen zu ſchmücken over zu rubrizieren gewejen
waren, verlangten jegt Hunderte und Zaujende von Werfen eine ber-
artige fünjtleriiche Zuthat. Die ehemaligen weltlichen Schreiber, welche
mit den geiftlichen Schreibern und teilweije auch mit den Stationarien
der Univerjitäten fonfurrieren mußten, hatten jett jo viel Arbeit als fie
wollten und verdienten mit einiger Gejchieflichfeit als Setzer und Druder
ebenjo viel, wenn nicht mehr. Der Verdienſt der Zeichner und Maler,
Illuminierer und Rubrifatoren vermehrte fich auch, ftatt daß er janf. In
diejer Thatjache lag das einigende und verjöhnende Moment für die alte
und neue Richtung, die allınähliche Annäherung und Verjchmelzung ihrer
Interefjen. Diejer Berjöhnungsprozeß vollzog fich ſchon in den erſten Jahr—
zehnten nach Erfindung der neuen Kunſt. Cs ift aljo fein Zufall, daß ge:
rade in den Städten, in welchen während des Mittelalters Schönjchrei-
berei, Miniaturmalerei und Handichriftenhanvel in Blüte geftanden hatten,
ſchon in den jechziger und fiebziger Jahren des 15. Jahrhunderts die erjten
und bedeutendſten Drucdereien entjtanden, welche fich zugleich durch bejon-
ders geſchmackvolle Austattung ihrer VBerlagswerfe und teilweife reichen
Bilderſchmuck derjelben auszeichneten. Straßburg, Bajel, Augsburg,
270 Vermengung der Begriffe: Schreiben und Druden. Fünftes
Um, Nürnberg und Köln ſtehen bier in erſter Linie. Die kleine Reichs—
ſtadt Hagenau im Elſaß gehört, weil fie, wie bereits im erſten Kapitel
erzählt wurde, von alters ber der Sit berühmter Schreibftuben und
Schreiber war, zu den ältejten Stätten der Buchdruderfunft und zog
jelbft noch 1518 einen jo bedeutenden Druder und Berleger, wie Tho—
mas Anshelm aus der Univerſitätsſtadt Tübingen an.
So fam es denn auch, daß die Volksſprache anfangs noch nicht
zwijchen Schreibern und Drudern zu umterjcheiven wußte, zumal fich
auch die Drucder ſelbſt über diejen Unterjchied nicht klar waren, ober ihn
nicht bervortreten faffen wollten. In den ältejten Preßerzeugniſſen wird
die alte Thätigfeit des Schreibens noch vielfach für den neuen Begriff
Druden gebraucht. So jagt der Druder Peter Adam in der Schluf-
jchrift zu des Angelus Aretinus' „Tractatus de Criminibus seu de
Maleficiis“, welche er 1472 in Mantua berausgab: „Petrus Adam
Mantue opus hoc impressit in urbe Illie nullus eo scripserat
aere prius.” Noch deutlicher tritt dieſe unwillkürliche oder abfichtliche
Verwechjelung im Schlußwort zu einer der älteften Ausgaben des Pe-
trarca'ſchen „Triumphs Amors“ hervor, wo es heikt: „Magister Joan-
nes Petri de Maguntia scripsit hoc opus die XXI Februarii”
(1472). In demſelben Jahre gebrauchte verjelbe Mainzer (12. Novem-
ber 1472) dasſelbe Wort „seripsit” ftatt „excudit” im Kolophon
zum „Philocolo“ von Florenz. Auch Kranz, Freiburger und Gering
wandten, als fie noch in der Sorbonne druckten, höchſt wahrjcheinlich im
Sabre 1473, die Falligrapbiichen Ausprüde auf den Drud an. In der
Scylufjchrift zu ver „Legenda Auren“ jagen fie: „pulchre «tran-
seripta» per nos impressoriae artis magistros“ (jtatt impressa).
Überhaupt wird in etwa einem Dutzend Schlußworte aus dem 15. Jahr—
bunvert der Druck mit „scribere“, „transcribere”“ und „exscribere‘
bezeichnet. ?
Übrigens wird die von den verjchiedenften Seiten, namentlich einem
io beveutenden Forſcher wie N. Kirchhoff, aufgeftellte Vermutung, daß
die erſten Drudereibefiger ans den Schreibern hervorgegangen jeien,
unter anderm auch durch die augsburger Stenerbücher zur vollſten Ge—
wißbeit erhoben. Es find diefelben von den Jahren 1346 bis 1717 für
jeden Jahrgang jauber auf Pergament gejchrieben und wohlgeorpnet im
dortigen ftädtifchen Archiv aufbewahrt. Je nach Strafen und Straßen-
Kapitel.) Die erften augsburger Druder früher Schreiber. 971
nummern geführt, enthalten fie die Namen ſämtlicher Steuerpflichtigen,
jowie die jedesimaligen Beträge der Kopf- und Cinfommenfteuer. D
die Wohnungen und Offizinen der erjten augsburger Druder aus den
Grundbüchern und vielfach auch aus den noch vorhandenen Kaufbriefen
nachgewwiejen find, jo läßt fich auch die Identität der einzelnen Steuer-
zahler leicht feſtſtellen.
Der erſte Buchdrucker, welcher als ſolcher bezeichnet wird, erſcheint
in den augsburger Steuerbüchern 1473; bis dahin hieß er vielfach
Schreiber, troßdem daß nachweisbar ſchon 1468 dort gebrudt worden
war, So wird Günther Zainer in den Steuerliften bis 1473 als
wohnbaft zu St. Anna (wo jegt die Sanderſche Fabrik fteht) nur als
Günther der Schreiber geführt. Im Jahre 1473 kaufte er von Johann
Schüßler das Haus in der Weismalergaffe (jeßt D, 213 Karolinenſtraße).
Als Beſitzer dieſes Hauſes wird er in den Jahren 1474 und 1475
Günther der Buchoruder, 1476 und 1477 aber einfach Günther Zainer
ohne jeden Zujat genannt. Wie jchnell jein Geſchäft gewachien jein muß,
gebt aus der Thatjache hervor, daß er von 1474 an bereits 28 Gulden
jährficher Steuern zahlte.
In derjelben Weife wird Johann Schüßler von 1453 bis 1484 in
den augsburger Steuerbüchern als Schreiber angeführt. Er wohnte bis
1464 am Bruperflofter und faufte 1464 von der Witwe Anna Kötzlin
und Konjorten das obengenannte Haus in der Weismalerftraße. Im
dem Kaufbriefe von 1464, deſſen Original ſich in dem Beſitz des hoch—
verdienten Yofalbiftorifere Dr. Robert Hoffmann in Augsburg, dem
gegenwärtigen Eigentümer desjelben Hauſes, befindet, wird Schüßler als
Buchbinvder bezeichnet. Es findet mithin feine frühere Thätigfeit und
auch jein jpüteres untergeordnneteres Gejchäft Erwähnung, nicht aber
jeine Druderei, durch welche er fich nicht nur einen angejehenen Namen,
fondern offenbar auch Wohlitand erwarb. Denn während er 1464 nur
23 Gros (Grojchen) Steuern bezahlte, ward er 1468 jebon auf 2 Gul-
den eingeſchätzt. Johann Bämler endlich erjcheint in den ſtädtiſchen
Stenerlijten zuerſt 1453 als Schreiber, 1457 ohne jeden Zuſatz als
Bämler, 1459 als Bämler, Schreiber, 1461 als Johann Bänder, 1462
bis 1472 als Bämler, Schreiber, und nur 1477 als Johann Bämler,
Druder. Erſt 1508 verſchwindet fein Name aus dieſen Yiften. Von
1477 bis 1508 war feine Wohnung „Bor den Predigern‘ (der jegigen
972 Kontingent aus Briefmalern und Buchbindern. Fünftes
Wintergaſſe). Bämler entrichtete 1460 nur 39, Gros Steuer, 1464
ſchon 2 Gulden und 1466 bereits 6 Gulden. Die verhältnismäßig be
deutende Steigerung diejes 1464 ſchon hohen Steuerjakes rührt jchwer-
lich aus jeinem Gewerbe als Schreiber ber!®, da ja die meijten reinen
Schreiber durch den Bücherdrud wenigjtens früher oder jpäter Einbuße
in ihrem Erwerb erleiden mußten, Es drängt fich aljo die Vermutung
auf, daß Bämfer das gejteigerte Einfommen feinem neuen Gejchäft als
Buchdrucker verdankte und er dieſes ſchon um die Mitte des fiebenten
Jahrzehnts ſchwunghaft betrieb.
Andererjeits lieferten aber auch einige der jonftigen verwandten Ge—
iwerbe ihre Vertreter zur neuen Kunſt. So namentlich die Holzſchneider
und Kartenmaler. Anton Sorg wurde von 1466 bie 1476 einjchliehlich
als Kartenmaler, faft gleichbedeutend mit Formſchneider, bezeichnet. Zu
jener Zeit, und noch fpäter, wurden Kartenmacher, Briefmaler und Brief-
händler, welche alle der Kramerinnung angehörten, ebenjo oft in eine
Kategorie von Gewerbtreibenden geworfen, wie Buchdruder und Buch-
binder. Die neuen Buchoruder brauchten aber außerdem nicht nur
Seter, zu denen die Schreiber wohl am beiten geeignet waren, jondern
zur Anfertigung ihrer Typen, Preſſen und jonftigen Werkzeuge auch
Kiftler (Schreiner), Schnigler (Armbruftmacher) und Holzjchneiver. Wenn
nun dieſe Yente noch des Schreibens fundig waren und jonjt Unter—
nehmungsgeift hatten, jo fonnten fie, nachdem fie die Werkzeuge her—
gejtellt hatten und mit deren Verwendung vertraut geworden Waren,
ohne zu große Schwierigfeit auch das Setzen und Druden lernen, wie
umgefehrt die Schreiber die Anfertigung der notwendigen Utenſilien.
Anton Sorg ging nun ald Druder aus den Briefmalern hervor. Noch
1457 zahlte er nur 7 Gros Einfommenftener, 1464 ſchon 7", Pfund
und 1466 jogar 10 Gulden. Er muß ſich alfo ebenjo früh wie Bämler
erfolgreich al® Druder emporgearbeitet haben, wenngleih aus jener
Zeit fein mit Jahreszahl und Namen bezeichnetes Druckwerk von ihm
mehr vorhanden it. Wieder andere traten zuerjt ala Buchbinvder auf.
So erjcheint der berühmte Erhard Ratvolt von 1469 bis 1473 nur mit
jeinem Namen in ven Steuerliften, 1474 aber als Buchbinder Erhard,
dann als Druder, von 1486 bis 1528 jei es als Meifter Erhard, jei
es als Erhard Ratvolt. Er zahlte zu Anfang des neuen Jahrhunderts be-
reits 30 Gulden Einkommenſteuer.
Kapitel.} Buchdrucker und Schreiber in Augsburg und Straßburg. 2753
Etwa zu Beginn der achtziger Jahre fangen die Unterjcheivungen
zwiſchen den verjchievenen, teilweife verwandten Gewerben an, und na—
mentlichb treten von da an die Buchdrucker und Buchführer in ven
Steuerbüchern zahlreich als jelbjtändige, voneinander gejonderte Gewerb-
treibente auf. Nur ausnahmsweiſe wird ein nambafterer augsburger
Buchdrucker, wie der Briefmaler Ktrapfenftein, welcher von 1475 bis
1479 bei Günther Zainer gearbeitet hatte, noch 1486 als Schreiber
aufgeführt; ein Beweis, wie lange noch einzelne Kreiſe an dieſer für da—
mals volfötümlich zu nennenden Bezeichnung der Buchoruder feithielten.
Was fich mun von Augsburg aktenmäßig nachweien läßt, das muß
auch Für andere große Städte Deutſchlands gelten, da die innere und
äußere Entwidelung der neuen Kunſt überall diejelbe war. So z. B. für
Straßburg, welches nicht nur der Mittelpunkt der elſäſſiſchen Druder-
thätigfeit, jondern auch noch im 16. Jahrhundert eine Art Buchoruder-
ſchule für Deutjchland, Frankreich, Italien und die Schweiz bildete. Der
bochverdiente ftraßburger Gelehrte C. Schmidt hat im feiner vortreff-
fihen Schrift: „Zur Gejchichte der älteſten Bibliothefen und der erjten
Buchoruder zu Straßburg‘, unter anderm eine Fülle von bisher un-
befannten Thatſachen veröffentlicht, welche das vom Berfaffer aus den
augsburger Akten gezogene Material beftätigen und zugleich vervollſtän—
digen. Mehrere der erjten ftraßburger Druder waren Goldſchmiede,
Maler, Kalligraphen. Als jolche gehörten fie zur Goldſchmiedezunft,
die damals alle irgend einen fFünftleriichen Charakter tragenden Ge—
werbe umfaßte und ihre Stube in der Münftergaffe, in dem Haufe
„Zur Stelz” hatte. Schon frühe trifft man auf Druder, Brefjores,
impressores librorum, von denen man nichts ald den Namen fennt.
Da nun die Verbreitung des Buchoruds das Gewerbe der Kalligraphen
beeinträchtigte, manche Drudereien auch zur Ausſchmückung ihrer Er—
zeugniffe eigene Zeichner und Illuminiſten in ihre Dienfte nahmen, jo
erlitt die Zunft „Zur Stelz“ durch Verminderung der Zahl ihrer Mit—
glieder jo bedeutenden Schaden, daß die Beiträge für den Stubenzins
erböht werden mußten. Nach Schöpflin ſoll ſchon 1472 im Stadtrat
„de lege et norma typographis praescribenda” die Rede gewejen
jein. Über ven Gegenftand dieſes Geſetzes erfährt man leider nichts;
es jcheint aber, daß man die Abficht hatte, die Druder zünftig zu
machen. Gin desfallfiger Bejchluß wurde aber erſt 1502 und auch nur
Rapp, I. 18
274 Abtrennung der Haufierer und Buchführer. (Fünftes
auf jo lange gefaht, bis die „Stelz“ von ihren Verlegenheiten befreit
jein würde. Doch aber kann diejer Vorgang mit einer beginnenven
zünftlerifchen Bewegung unter ven Buchorudern, die ja fpäter die ärg-
jten Zunftfanatifer wurden, zujammengehangen haben. Denn auch in
Yeipzig wollte der Rat im Jahre 1506 über eine Ordnung für die
Druder beraten. Leider fehlen, außer dieſer dürren Notiz, auch bier
alle weitern Nachrichten in den After.
Die in einer Perſon vereinigte Thätigfeit des Druders, beziehungs—
weije Verlegers, und des Händlers fonnte auch nur kurze Zeit dauern.
Solange die Zahl der Yejenden nämlich gering war und wenige Bücher
erjchienen, vermochte der Druder ohne Mithilfe Dritter die Erzeugniffe
jeiner Preſſe perjönlih ganz gut zu vertreiben. Als aber das Abſatz—
gebiet im Innern immer mehr eritarfte und auch nach außen bin fich
ausdehnte, war ein Einzelner nicht mehr im Stande, neben der Aufficht
über feine Druderei weite Neijen zu unternehmen und die verſchiedenen
Sahrmärkte oder Meſſen zu befuchen. Die Druder mußten deshalb, um
mit der Entwidelung des Gejchäfts gleichen Schritt zu halten und deſſen
faufmännijchen Betrieb zu fördern, jehr bald Verkäufer anftellen, Fi—
lialen errichten oder Gejellichafter annehmen. Zunächſt löfte ſich alſo
in den Verfäufern der Bücher eim anderer Zweig vom Hauptjtamm ab.
Dieje Verkäufer biegen anfangs Buchführer und umfaßten ſowohl den
heutigen Cortimenter, als auch den Kolporteur. Die beiden legtern Ge-
ichäfte find in ihrem erſten Urjprung qualitativ ganz diefelben und höch-
ſtens quantitativ voneinander verjchieven, gehen aber häufig ineinander
über. Der eine wie der andere widmet fich perjönfich dem Kleinhandel
mit den von ihm ſelbſt, meiſtens aber von Dritten geprudten oder er-
bandelten Büchern, Der Haufierer trägt diejelben von Ort zu Ort auf
Jahrmärkte und Meſſen, aber er verkauft neben feinen Büchern unter
Umftänden auch andere Waren. Der Buchführer bejchränft ſich an
jeinem ftändigen Gejchäftsfite mehr auf den ausjchließlichen Vertrieb
von Büchern und vermittelt, wie jener, ven Verkehr des leſenden Publi-
fums mit dem Druder und Verleger. Der Haufterer (bibliopola libros
venales deportans) ift ver Zeit nach der erjte und arbeitet dem Buch—
führer vor,
Als einer der ältejten Sortimentshändler (Buchführer) erſcheint Nein-
hard Türkhl, welcher 1474 in Wien einem fölner Franzisfanermönch
Kapitel] Anfängliches Verhältnis der Buchführer zu den Buchdrudern. 275
Hans fünf Eremplare ver „Summa Theologiae” over „Pantheologia“
in einer zweibändigen Ausgabe (offenbar der jehönen Senſenſchmid-Kefer—
ihen, 1473 in Nürnberg erjchienenen) verfaufte. Der Händler mit
öfterreichtich gejchriebenem Namen wird zwar nicht ausprüdlich ala Buch-
führer bezeichnet und ebenjo wenig findet fich Aufjchluß darüber, wie die
betreffende Urkunde ins augsburger Stadtarchiv geraten ift, wo fie der
Verfaſſer entdeckte und abjchrieb; allein es läßt fich wohl kaum daran
zweifeln, daß Türfhl ein wiener, und dabei jehr gewandter Buchhändler
war. Man bat es bier wenigftens mit einem Manne zu thun, welcher
ebei einem Zeitgejchäft ſowohl ſich, als auch jeinen Käufer ficherzuftellen
und diefen, der offenbar feine genügenden Barmittel hatte, auch für die
Zukunft an fich zu binden weiß. Türkhl bejcheinigt alfo in der vor-
liegenden Urkunde (j. Anhang Wr. IV) in Gegenwart eined Zeugen und
unter Siegel, daß er dem genannten Hans fünf Eremplare des erſten
Bandes der „Pantheologia” verkauft und von ihm bis auf drei unga—
rijhe Gulden Zahlung dafür erhalten bat. Zugleich aber verpflichtet er
ſich, ihm die rejtierenden fünf Eremplare des zweiten Bandes bis jpüte-
jtens zu nächſtem Martini (aljo vom 11. Auguſt, dem Tage des Ab-
ſchluſſes, an in drei Monaten) zu liefern. Sollte das aber nicht ge-
jcheben, jo möge Hans die erjten fünf Bände wieder verkaufen, um fich
für jein an Türkhl gezahltes Geld und etwa erlittenen Schaden bezahlt
zu machen.
Der Buchführer bezog num von einem oder von verjchiedenen Drudern
jeine Ware und handelte damit auf eigenen Gewinn und Verluſt, oder
er vermietete ihnen jeine Dienfte und arbeitete auf Koften und Gefahr
jeiner Auftraggeber. Er war den Drudern beſonders dadurch wichtig
und unentbehrlich, daß er, jelbjt mit ungejchlachten Folianten das ganze
Yand durchziehend, den Geſchmack und die litterariichen Bedürfniſſe ver
verſchiedenen Gegenden erforjchte, das Yejebenürfnis durch Borzeigung
und Anpreifung jeiner Bücher weckte oder fich auch an einem ihm günftig
erjcheinenden Orte nieverlieh, wodurch er natürlich auch zur Ausbreitung
des Buchhandels wejentlich beitrug. Den älteften beglaubigten Spuren
des Hauſierhandels begegnet man, wenn nicht Ende der jechziger, jo doch)
zu Anfang der fiebziger Jahre des 15. Jahrhunderts. Cs find nämlich
noch etwa acht der ſchon früher erwähnten von deutjchen VBerlegern aus-
gegangenen Bücheranzeigen oder vielmehr Proſpekte erhalten, darunter
18*
276 Geſchäftsbetrieb der Haufierer. Plafate, (Fünftes
drei von Johann Mentel in Straßburg, je einer von Günther Zainer,
Johann Bämler und Anton Sorg in Augsburg, einer von Johann Re:
giomontan und ein fpäterer (1486) von Anton Koberger. Der Haufierer
ftellte auf dem Jahrmarkt oder ver Meſſe einer Stadt, oder an öffent:
lichen Pläten, an den Kirchenthüren (den altberfömmlichen Verkaufs:
jtänvden der Handſchriftenhändler), in Univerſitätsſtädten vor ven Thüren
der Kollegien und Burjen, oder im Wirtshaus feine Vorräte aus und
fündigte zugleich deren Verfauf in Anjchlagzetteln an, wie dies vor ihm
ſchon die Handſchriftenhändler gethan hatten. Während die Anzeigen in
groß Folio als Manerplafkte dienten, waren andere in Oftav oder Quart
geprudte Ankündigungen wohl zur Verteilung aus der Hand, oder aud
zum Einfleben in die gebundenen Bücher beftimmt. Die älteften dieſer
Anzeigen ſtammen von Mentel ber und bieten verſchiedene von ihm ge-
druckte Werfe zum Verkaufe an: jo die 1469 erjchienene „Summa As-
texana“, die 1470 oder 1471 vollenveten „Epistolae Sancti Hiero-
nymi“ und das 1473 herausgegebene „„Speculum historiale“. Sie
beginnen übereinftimmend mit dem Worte „Cupientes“ over „Volentes
emere“ und jchließen mit dem Satze: „Veniant ad hospieium zu
dem... .“ und verjprechen dem Stäufer einen billigen VBerfäufer (habe-
bunt largum venditorem). Im Anhang unter V find die drei Men-
telichen Proipefte und ein Bämlerſcher wörtlich abgedrudt.
Die offen gelaffene Stelle am Ende der Mienteljchen Anzeigen beweiit
deutlich, daß feine Haufierer von einem Ort zum andern zogen und jedes
mal bei ihrer Ankunft ven Namen ihres Wirtshaujes einjchrieben; vie
lateiniſche Sprache aber läßt erfennen, daß er, wie auch die meiften ver
jeinem Beifpiel folgenden Verleger, vorzugsweije Gelehrte oder Klöſter
im Auge hatten. Das Gejchäft in legtern kann nicht unbedeutend
gewejen jein, da fie vielfach weit entfernt von der Heerſtraße lagen
und ſich ihren litterarijchen Bedarf durch dieſe Haufierer vermitteln
laffen mußten. So findet fih am Schuß eines Cremplars der Pojtille
des Nikolaus von Lyra folgende Bemerfung eingetragen !!: „Dieſes
Buch gehört der Benediktinerabtei Sancta Maria von Miontebourg in
der Diöcefe Conſtances, Provinz Rouen. Gekauft im Kloſter der ge
nannten Abtei von einem Haufierer (librario venales libros depor-
tanti) am 8. Auguft im Sabre des Herrn 1487. Es fojtet dreißig
tourainifche Sous. Bejcheinigt Janicart.“
Kapitel.) Die jehhaften Buchführer. Meßverkehr der Verleger. 977
Die deutjchen Projpefte bildeten dagegen damals anſcheinend, wie
überhaupt die deutſche Yitteratur, die bedeutende Minderheit. Außer
Günther Zainer, der etwa zwei Drittel lateinifcher und ein Drittel deut:
iber Bücher anbot, brachten allein Johann Bämler und Anton Sorg
nur deutſche Berlagsartifel auf den Markt. Es ift eine intereffante
Thatjache, daß Die erſte deutſche Volfslitteratur aus Augsburg fommt.
Sorg kündigt unter anderm die Volksbücher „Griſeldis“, „Die jchöne Me-
luſine“ u. j. w. an, Bämler aber populäre juriftiiche und theologiſche
Werte.
Aus dem Haufierer nun wurde der Buchführer in dem Augenblid,
wo ver Handel fich nicht mehr im Umherziehen bewältigen lieh, wo der
Seichäftsverfehr der wandernden Händler auf Meſſen und Jahrmärkten
untereinander begann und wo die Maffe ver neuen Ericheinungen auf
die weitere Teilung der Arbeit drängte. Nicht daß der Wanderverkehr
überhaupt in Wegfall gefommen wäre; er blieb vielmehr und wuche
jogar an Ausdehnung und Umfang. Aber es trat eine gleichjam ariſto—
fratiiche Scheidung ein: der Srofbetrieb der Buchführer bielt an den
Geſchäftsreiſen auf die großen Märkte und im fernere Gegenven feit,
der Kleinverkehr Dagegen, der eigentliche Hauſierhandel, bejchräntte jein
Feld immer mehr anf die Kleinlitteratur, auf die Flugſchriften und die
Zolfslitteratur, eine Umwandlung, welche ſich ſchon gegen Ende bes
15. Jahrhunderts zu vollziehen begann.
Um aber ven Abſatz ihrer Artikel noch wirkſamer zu betreiben, be-
juchten die Verleger ſelbſt die Jahrmärkte und Meſſen ver mittlern und
grökern Ztädte, boten dort im unmittelbaren Verfehr mit dem Publikum
die Erzeugniffe ihrer Prejfen aus. Es jeien bier vor allem erwähnt
Frankfurt a. M. und Yeipzig, Nürnberg, Straßburg, Bajel, Zurzach,
<t. Gallen, Augsburg, Nördlingen, Naumburg, Erfurt und Breslau.
Vie die Kaufleute hier jeit Jahrhunderten ihre Einkäufe gemacht und
unter anderm auch Handſchriften, ja Flugblätter politifchen oder theolo-
ziſchen Inhalts, jet es auf eigene Gefahr, jei e8 im Auftrag Dritter, ge:
fauft over verfauft hatten, jo dehnten fie jehr bald nach Erfindung ver
Buchdruckerkunſt ihre Kundſchaft auch auf Bücher aus. Das Bedürfnis
nach ihnen entſprang aus, und fußte natürlich auf dem bisherigen Hand—
ſchriftenhandel. Wenn ſchon, wie bereits erwähnt, 1439 die ſiebenbürger
Kaufleute ven litterarifchen Verkehr dieſer deutſchen Kolonie mit dem
278 Vermischung von Bud): und Warenhandel, Filialen. (Fünftes
Mutterlande vermittelt und Dandjchriften von Baſel nah Hauſe gebracht
hatten, jo zählte auch die im ganzen 320 Bände umfafjende Kapellen:
bibliothek in Hermannſtadt im Jahre 1500 jchen 167 deutſche Infunabeln,
darunter 11 aus Augsburg, 22 aus Bajel, 23 aus Köln, 28 aus Straf-
burg und 51 aus Nürnberg, jowie außerdem 114 aus Venedig. Auch
Kiga und Reval bezogen im jpätern Mittelalter ihren geringen littera-
rischen Berarf, namentlich an kirchlichen Hilfsmitteln, über Yübed. Seit
den erjten Anfängen ver Buchdruderfunft ftanden, dem frühern Verhältnis
entjprechend, die dortigen nicht unbedeutenden Kaufleute Konrad Hürle—
mann und Ambrofius Segeberg ſchon in unmittelbarer Gejchäftsverbindung
mit Frankfurt a. M., kauften bei Johann Fuſt ein und janpten 1467 an
Kord Romer in Riga und Marquard von ver Molen in Reval eine An-
zahl gedruckter Bücher zum kommiſſionsweiſen Verkauf, nämlich 2 Bibeln,
15 Pialter und 20 Kanon. Die Zahl diefer Bücher ift zu groß, als
daß fie für den eigenen Bedarf hätte bejtellt ſein können. Aus ihr
aber ergibt fich die Folgerung, daß, wie die übrigen Ausfuhrartifel, die
lübecker Kaufleute auch die litterariſchen Bedürfniſſe oder Aufträge für
ihre Geſchäftsfreunde in den Dftjeepropinzen vermittelt haben. 1? Die
jpärlichen Reſte der Leipziger Gerichtsaften erweiſen außerdem, daß dieſe
Vermiſchung des Buchhandels mit dem Warenhandel in Yeipzig und auf
der Leipziger Meſſe bis gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts an-
gedauert bat. Die fleinern Meßplätze treten dabei allmählich immer
mehr, und zuleßt ganz, vor der täglich wachſenden Bedeutung Frankfurts
und jpäter Yeipzigs zurüd. Die Einzelheiten über diefen Punkt müffen
den Kapiteln über die Buchhändlermeifen ver beiden zulett genannten
Städte vorbehalten bleiben.
Außerdem aber errichteten die Verleger Filialen, oder wenigitens
Niederlagen, in den bedeutendjten Städten des In- und Auslandes.
Auc bier find wieder Fuſt und Schöffer die erften, welche, ſchon ebe
die Buchdruckerkunſt eine heimijche Stätte in Paris gefunden batte, dort
eine Zweigniederlaffung gründeten. Gleich ihnen ijt bier auch Anton
Koberger in Nürnberg zu erwähnen, welcher in ver Perion des. Johann
von der Brud aus Flandern bereits 1476 einen Faktor in Paris hatte.
Nach des lektern bald erfolgtem Tode war er dort jpäter durch Jo—
hannes Blumenftod, genannt Heidelberg, vertreten. „Mich bat mein
Junckher uff Paris geſetzt“, berichtet der treue Mitarbeiter, „Bücher zu
Kapitel.) Kobergers und Anderer Filialen und Faktore. 279
verfauffen und zu Gelt zu machen. Ich hab zu verjorgen zween laden
buecher, die zu jortiren, collationiven und ſchön und füber und ordentlich
zu halten und darum gute Rechenſchaft zu geben, jo beit ich mag.”
Außerdem hielt Koberger an verjchievdenen Orten „offen Cräm und Ge—
mölbe“, wie z. B. in Ofen, Krakau und Breslau, in Frankfurt, Regens—
burg, Paſſau und namentlich in Lyon, wenn es ihrer auch nicht volle
jechzehn getwejen jein mögen, wie jein Biograph Waldau behauptet 13;
jpeziell von Lyon aus vermittelte Kobergers Neffe Johann die Ber:
bindungen mit Spanien und Oberitalien. Als feinen Bevollmächtigten
in Paſſau hatte Roberger mit Eluger Berechnung den Domprediger Men:
rath Zyndel (1504) angejtellt, eine Perjönlichkeit, die ganz anders auf
den Abſatz der Bücher wirfen fonnte, als ein gewöhnlicher ‚Diener‘;
wahrjcheinlich hatte er die gejchäftlichen Beziehungen zu dem Oſten zu
überwachen. Auch in Yeipzig bielt ev in der Perjon des Buchbinders
und Buchführers Peter Glement feit dem Beginn des 16. Jahrhunderts
einen förmlichen Kommiſſionär, einen „Faktor“, wie gleichzeitig auch
Johann Rynmann von Augsburg in der Perjon eben vesjelben Clement,
ipäter in der Blafius Salomons. Aldus wiederum hatte jeine Kommiſſions—
läger (?) in Wien, Bafel, Augsburg, Nürnberg und Paris. Für die be:
treffenden deutſchen Städte jteht die Thatſache längſt feit, für Paris
beweiit fie Erasmus in einem Briefe, welcden er am 27. April 1510
von dort an Andreas Ammonius richtete: „Meine Sprichwörter‘, heißt
es unter anderm, „werden bier von neuem gedrudt werden. Die Al:
dinijchen Ausgaben find käuflich und micht teuer; fie fojten männlich
1", Seudi, während fie in Nom teuerer verfauft werden. Wer welche
will, möge fie bei jenem Italiener holen, der allein die Aldiniſchen
Bücher verkauft” Auch Gottfried Hittorp und Ludwig Horncken in
Köln unterbielten bis zum Jahre 1512 eine Kommandite in Paris, nach
deren Aufgabe aber nicht weniger als drei: in Yeipzig, Wittenberg und
Prag, welche bis zum Jahre 1524 verfolgt werden können. Vereinzelt
findet ſich dieſer Gejchäftsgebrauch noch bis gegen Ende des 16. Jahr—
bunverts. Als Beiipiel möge Hans Spierind dienen, welcher die Offizin
des Antwerpeners Chriftoph Plantin von 1577 bis 1583 in Hamburg
vertrat. 1*
Tie älteften Buchdruder waren anfangs immer auch Verleger, da ſie
die Herftellung und Ausgabe ihrer Unternehmungen auf eigene Rechnung
280 Scheidung des Berlagshandel3 vom Buchdruck. (Fünftes
und Gefahr bejorgten. Mit der Verbreitung der Prefien, auch an
fleinern Orten, und mit dem fteigenden Bedürfnis der fich täglich er:
weiternden Leſewelt Löft jich jevoch auch ver Verlagshandel bald vielfach
vom Buchdruck ab und wird ſchon gegen Ende des 15. Jahrhunderts
ein jelbjtändiges Geſchäft, wenn auch noch jahrhundertelang, wie jchen
früher angedeutet, im Volksmunde, ja ſelbſt in amtlichen Schriftjtüden,
der Verleger und Druder gleichbeveutende Begriffe bleiben. Die Thätig-
feit ver Druder überwog auch noch für lange Zeit derart, daß beide Be
rufe nur ſchwer bejtimmmt gegeneinander abgegrenzt werden konnten. So
heißt es in einem Leipziger Ratserlaffe von 1526, den Kirchhoff mit:
teilt: „Buchdrucker und andere, jo pflegen Bücher zu verfaufen. Ale
troß bereits fünfzigjühriger Praris werden bier die Buchhändler noch
mit den Drudern zujammengeworfen. Ganz ebenjo ließ der Rat von
Nürnberg 1537 allen „Buchorudern‘ den Verkauf eines von der franf:
furter Mefje eingeführten Schmachbüchleins „Fama“ verbieten. Nun
it es von Nürnberg befannt, daß bier die Buchführer auf dem Markt,
vor den Kirchen und auf offener Straße ſchon vor der Reformation die
neuen litterarifchen Erſcheinungen feilhielten. Grit am 14. September
1569, als der franffurter Rat die zur Meſſe anweſenden Buchhändler
vor jich bejchied, bemerkte er am Schluß des Protofolls, „daß oberzeblte
Perjonen nit allein Buchtruder, jonvdern mehreren Theils zum Theil
Buchhändler, zum Theill Buchführer ſeint.“ „Weither feint auch vil
vnder ſolchen Typographis, die für jich ſelbſt nichts, ſondern allein
mercenarie anderen, zum Theill auch Buchtrudern, zum Theill aber
Buchhändlern und Verlegern truden und die getrucdten Exemplare ven
jelben zuftellen.“ Auch ver külner Rat unterjchbied 1573 die Buchhändler
von den Buchdrudern. 1°
Wie große Drudereien, um den Anforderungen des Markts zu ge:
nügen, Beltellungen bei andern machten, jo nahmen auch die Berleger
vielfach fremde Preffen in ihren Dienft. In Straßburg unterſchied man
ſchon gegen Ende des 15. Jahrhunderts zwijchen „revelichen“, d. h. großen
Drudereien, welche ausjchließlich ihren eigenen Verlag drudten, und
„gemeinen, dv. b. Keinen Drudereien, deren Preſſen für Dritte ar-
beiteten. Jene ftanden natürlich höher als dieſe.!“ Diejen durch Die
Sejchäftsentwidelung bedingten Fortſchritt förderten außerdem noch pral-
tiiche Erwägungen. Die eine Druderei war für einen bejtimmten Zweck
Kapitel.) Drude für Private. 981
beſſer geeignet, als die andere, hatte 5. B. paffendere Schriften, tüchtigere
Seter over Korreftoren, oder eine günftigere Yage. Sodann koſtete die
Frrichtung einer neuen gut ausgeftatteten Druderei viel Geld, weshalb
Heine Kapitalijten gegenüber den ältern Offizinen nur jehwer oder gar
nicht auffommen fonnten und ſich lieber auf den Berlag bejchräntten.
Was im eriten Viertel des 16. Jahrhunderts zur ſtehenden Praris
wurde, das prägt fich jchon gegen Ende des 15. in feinen erſten An-
ſätzen aus und verdient deshalb bejonders hervorgehoben zu werten.
Natürlich kommen bier diejenigen Drude nicht in Betracht, welche
Privatperjonen für beſtimmte Zwecke bei bedeutenden Drudern beitellten.
Solche Aufträge kommen ſchon in den erjten Zeiten vor. Fuſt und
Schöffer prudten ihr „Pſalterium“ für zwei mainzer Klöſter und aufer-
dem Breviarien und Miffale für Mainz, Meißen und Breslau. Erhard
Ratdolt in Augsburg !® vrudte, von 1486 oder 1487 an, Breviarien
und andere kirchliche Bücher für die Biihöfe von Augsburg, Konftanz
und Paſſau, Johann Neumeifter, wie ſchon im pritten Kapitel erwähnt,
1487 in Lyon ein Miſſale für ven Kardinal Karl von Bourbon, 1488
für ven Erzbifchef von Vienne ein Breviarium. 1? Die Abtei Mon-
jerrate von der neuen Kongregation der Benediktiner von St. Benito
von Valladolid nahm jogar einen Druder förmlich in ihren Dienft. Sie
lieh jchen im Mai 1498 nicht weniger als 18000 Indulgenzbriefe bei
Johann Yujchner in Barcelona vruden. Ende Mai kam verjelbe mit
Udalrich Belch von Ulm jelbit nach ver Abtei, wo er zufolge eines Überein-
kommens vom 7. Januar 1499 ſich verpflichtete, jo viele Breviarien und
überhaupt Bücher zu druden, als Prior und Konvent verlangen würden;
feterer hatte das Papier und die nötigen Materialien auf jeine Koſten
anzuschaffen, für Speife, Trank und Arbeitslöhne zu jorgen, die Druder:
ihwärze zu bezahlen und Yujchner, ſowie dejjen rau und Kind, freies
Quartier in dem Kaſtell von Otea einzuräumen. Dagegen veriprach
Yujchner, die nötigen Utenfilten, Yettern, Preſſe u. j. w. herzuftellen. Für
jeine Arbeit ſollte er monatlich 4, Dufaten erhalten. Nach Abjchluf
diejes Vertrags begann der Trud am 4. Februar 1499 und lieferte
bis zum 30. Aprit 1500, alſo im einem Zeitraum von 15 Monaten
1020 Breviarien auf Pergament, 398 auf Papier, 1012 Miſſale auf
Pergament, 128 auf Papier, 800 „Regulae“, 600 „Vitae Christi“, 800
„De spiritualibus ascensionibus“, 800 „Instructio noviciorum“ und
282 Die jelbjtändigen Verleger. [Frünftes
800 „Parvum bonum“.?° Dieje Beifpiele reichen hin, um einen Geſchäfts—
zweig näher zu beleuchten, der zwar mit dem Buchhandel nichts zu thun
hat, jedoch ven Anfang ver heutigen fogenannten Accivenzarbeit bilvet.
Bedeutſamer für die Gejchichte des Buchhandels iſt dagegen der
Nachweis, daß ſich, wie oben ſchon angedeutet, bereits im 15. Jahr—
hundert ein jelbjtändiger Verlegeritand neben ven Buchdruckern zu bilten
begann. So veranftaltete der ofener Bürger und Bucbändler Theo:
bald Feger auf feine Koſten 1488 bei Erhard Ratdolt in Augsburg
einen Abprud ver Ungarifchen Ehronif des Johann von Thwroz.?“
Man hat neuerdings zwar die Behauptung aufgeftellt, daß Neger ein
wohlhabender Privatmann und Bücherliebhaber gewejen jei, alſo auch
nicht im dieſe Kategorie aeböre; indeffen nennt ihn Denis in jeiner
Wiener Buchdruckergeſchichte, S. XVII, ausprüdlich einen Buchhändler
und führt zum Beweije vejfen zwei 1494 in Wien für Neger gedruckte
Schriften an, auf deren Titel e8 beißt: „Impressae cura et expensis
Theob. Feger, librarii et concivis Budensis.“ Auch in der Abrech:
nung, welche die Interejfenten an ver Schedelſchen Chronik am 22. Juni
1509 in Nürnberg aufitellten, wird Neger als ofener Buchhändler ge
nannt. Der in der Sorbenne thätige G. Wolff aus Baden vollendete
fir die parifer Buchhändler Philipp Pigouchet und Engelbert von
Marneff am 20. Oktober 1492 den Drud des „Terentius cum com-
mentario Guidonis Juvenalis“.““ Der feit 1489 in Paris jelbitindig
arbeitende Truder Wolfgang Hopyl drudte 1493 für den londoner Buchs
händler Nikolaus Yecomte?°; der parifer Buchhändler Jean Petit Klein
ans Um?), der übrigens 1496 auch jelbit eine Druckerei errichtet hatte,
bejchäftigte die Preffen von nicht weniger als 15 Drudereien. Dieſe
Angabe des ſonſt wenig zuverläſſigen Ya Gaille dürfte faum übertrieben
jein, da Petit in faft allen parifer Offizinen, zum Teil jogar Conto à
meta druden lief. So viel fteht unbedingt feit, daß Petit feiner Zeit
der beveutendjte Verleger in Paris war und fogar einem Mann wie Jo—
hann Froben ald Vorbild diente. Nikolaus Yuppi (auf Deutſch N. Wolf)
ans Yutter am Barenberge war von 1492 bis 1512 Schriftgieger und
Druder in Won. In legterer Eigenſchaft arbeitete er während des
legten Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts und bis 1505 für ven Bud
händler umd frühern Buchbinder Stephan Gueynard.““ Daß auch Anten
Koberger vom Anfang feiner Thätigfeit an verjchiedene andere Drude:
Kapitel.) Thätigfeit der Buchdruder für Verleger. 283
reien bejchäftigte, wurde bereits erwähnt. Nachdem ver große Verleger
mit vem Anfang des neuen Jahrhunderts jeine eigene Druckerthätigkeit
ganz eingejtellt hatte, ging er allerdings nur noch auf wenig neue Ver—
lagsunternehmungen ein. Nur drei Werke ließ er noch bei Johann Sa—
con in Lyon (1509, 1512 und 1513) und je eins bei Johann Glein da—
jelbit (1513) und Johann Grüninger in Straßburg (1510) druden.
Auch jeine Geichäftsnachfolger beichäftigten nur ausnahmeweije ihre
eigenen Preſſen, liegen ihren Verlag vielmehr in Bafel bei Adam Petri (5),
in Dagenau bei Theodor Anshelm (5), in Yhon bei Yescuyer (2), Sa:
con (11), Clein (2) und Marion (2), in Nürnberg bei Peypus (10) und
Stuchs (4), in Paris bei Jod. Badius (1) und Berthold Rembold (1)
und in Straßburg bei Johann Grüninger (1) beritellen.
Gleich zu Beginn des 16. Jahrhunderts mehren fich vie Beweije für
die Fortſetzung und Ausdehnung diejer Praris. Bor allen andern Städten
iind Straßburg, Bafel und Köln, etwa wie heutzutage Yeipzig, Berlin
und Stuttgart, die eigentlichen Brennpunkte ver damaligen Druder- und
buchhändleriſchen Thätigkeit. Das intereffantefte Beiipiel eines Be—
jtellungen ausführenden und jelbjt Beſtellungen erteilenden Buchdrucders
und Buchhändlers liefert ver Straßburger Johann Knoblauch. In den
Jahren 1505 und 1506 drudte er für Johann von Ravensberg in Köln,
1515 für Urban Kaym in Buda und 1516 für Johann Dafelberg aus
Reichenau. Da feine Prefjen für die an ihn gelangenden Aufträge nicht
immer gemügten, jo ließ er jelbft bei Heinrich Gran in Hagenau, bei
Johann Prüf, Johann Schott une Martin Flach dem Jüngern für fich
pruden. Im Buchhandel war er nicht minder thätig. Sodann ſei hier
nur furz an die Gebrüder Yeonhard und Lukas Alantjee in Wien er-
innert, welche, von 1505 bis 1522 blühend, für ihren umfänglichen
Terlag die verjehiedenjten auswärtigen Preſſen bejchäftigten: die von
Adam Petri in Baſel, Yazarus Schurer in Schlettitadt, Mathias Schurer
und Johann Schott in Strafburg, Thomas Anshelm in Hagenau, Ul:
rich Morhard in Tübingen, Friedrich Peypus in Nürnberg, jowie endlich
die von Peter Lichtenſtein, Jakob Pencio de Yucca, Yucantanio de Giunta
und Alerander de Paganinis in Venedig.?“ An dieje bedeutende twiener
Firma ſchließt fich die noch beveutenvdere des Buchhändlers Johann Ryn—
mann 1498 bis 1522 in Augsburg an, welcher teils bei den dortigen
Trudern Johann Ottmar, Sylvan Ottmar und Erhard Deglin, teils
284 Große Berleger int Beginn des 16. Jahrhunderts, Fünftes
auswärts drucken ließ, wie bei Adam Petri und Jakob von Pforzheim
in Baſel, Renatus Beck in Straßburg, Georg Stuchs und Hieronymus
Hölzel in Nürnberg, Peter Lichtenſtein in Venedig und vor allen bei
Heinrich Gran in Hagenau. Ganz ebenſo ließ Gottfried Hittorp in
Köln, außer in Gemeinſchaft mit Ludwig Horucken, nachweisbar ſchon
1518 bei Adam Petri in Baſel und ſpäter, in den zwanziger Jahren,
bei Berthold Rembold, Johann Philipp und Defiverius Maben in
Paris, Adam Petri und Andreas Gratander in Bajel, ſowie bei The:
mas Anshelm in Tübingen druden. Adam Petri kann übrigens fein
bemittelter Druder, muß vielmehr oftmals in Berlegenheit gewejen jein,
denn er verjette 1519 die mit Dittorps und Hornckens Geld gedrudten
Bücher an Dritte. Die beiden fölner Verleger jahen jich deshalb ge:
zwungen, die VBermittelung ihrer Vaterſtadt in Anfpruch zu nehmen,
durch deren Fürſprache fie auch die Auslieferung der an Dritte ver-
pfändeten Bücher erreicht zu haben jcheinen. (S. Anhang unter VI”)
Auch Kranz Birdmann in Köln bejchäftigte die auswärtigen Prefien
ebenſo jehr als jeine eigenen, umd zwar zwijchen 1513 und 1529 vie
von Wolfgang Hopyl, Berthold Rembold und Nikolaus Prevoft in
Paris, Heinrich Gran in Hagenau, ſowie die von Johann Sibaldäus,
Chriſtoph Endovicenfis, Chriftoph von Roermonde, Johann Graphäus,
Simon Cocus und Gerhard Nikolaus in Antwerpen. *’
Es war eine natürliche Folge der räumlichen Ausdehnung des Buch—
handele, daß die einzelnen Buchhändler durch Einhalten einer beitimmten
Richtung ein möglichit ficheres Feld der Berhätigung zu gewinnen und
auszubeuten juchten. Sie teilten die Arbeit, indem fie den Gejchmad
und die Bedürfniſſe der Leſer ermittelten. So bilveten ſich die Speziali-
täten verhältnismäßig ſchnell aus; jo deckten fich die Intereſſen der Ein-
zelnen mit den Forderungen des Ganzen, und namentlich trat Die Kon-
furrenz der Ausgaben in ver klaſſiſchen und theologiſchen Yitteratur zurüd.
Auferft lehrreich it ver Rückblick auf den erjten Gebrauch, welchen vie
verſchiedenen Völker von der Buchdruckerkunſt in ihren erjten Anfängen
gemacht haben. Es jpricht ſich überhaupt der Gharafter und der Bil—
dungsitand eines Yandes oder Gemeinweſens jo Elar in jeinen eriten
Druchverfen aus, daß die Bibliographie eines beſtimmten Zeitalters zu:
gleich die Sejchichte und Ziele des nationalen Geiſtes mit photograpijcer
Treue wiverjpiegelt.
Kapitet.) Beachtung der litterariihen Bedürfniſſe. 285
In Deutjchland verlangte der Findlich Fromme Sinn des Volks zuerft
Bibeln, Kirchenväter und Grbauumgsbücher; es übertwogen bier da—
ber auch im ganzen 15. Jahrhundert Werfe, welche der Theologie und
Scholaftif, der Erbauung umd dem Unterricht gewidmet waren. Man
ging auf das chriftliche Altertum zurüd und zog beſonders die Kirchen—
väter wieder hervor, einen Hieronymus, Auguftinus, Gregor und Ter-
tullian. Dann regte ſich das Bedürfnis bejjerer Ausgaben der Bulgata
und des Neuen Teſtaments. ie die lateiniſche Bibel in drei verjchie-
denen Ausgaben die Hauptwerke des Crfinders und jener Gejchäfts-
nachfolger bildet, jo drudten fie auch Mentel, Heinrich Eggeſteyn in
Straßburg, Günther Zainer und Anton Sorg in Augsburg, Bernhard
Kiel in Bajel, Ulrih Zell und Nikolaus Götz in Köln, Senjenjchmir
und Koberger in Nürnberg. Dazu famen deutſche Bibeln in Straß—
burg (1466), Augsburg (1469) und Nürnberg (1485) nebſt zwei platt:
dentjcben in Köln (1480) und Lübeck (1484. „Wir Deutjchen‘, jagt
Jakob Wimpheling in feinem Schriftchen über die Buchdruderkunft,
„beberricben faft den ganzen geiftigen Markt Europas. Was wir ihm
aber zuführen, das find meift edle Grzeugniffe, welche nur der Ehre
Gottes, dem Heile der Seelen und der Bildung des Volks dienen.”
In Italien trat die neue Kunſt jofort in den Dienft der wifjen-
icaftlichen Arbeit und wurde jogar von Biſchöfen und Kardinälen wejent-
(ich in ihrer klaſſiſchen Richtung gefördert. Wie Rom zuerjt vie lateini-
ſchen Klaſſiker druckte, jo ftellte Venedig die griechifchen in eleganten Aus-
gaben ſchon im 15. Jahrhundert ber. Auch die deutjchen Druder, welche
die Buchoruderfunft in Italien einführten, bequemten fich, wie die Dar:
itellung im dritten Kapitel bereits erfennen läßt, leicht dem dortigen
Geſchmack an. Gleich Schweinheim und Pannark widmeten ihre Thätig—
feit den Klaſſikern; Gicero war einer ihrer erjten Verlagsartifel. Wen—
delin von Speyer gab ſchon 1470 den Tacitus, Zalluft, Yivius, Virgil,
Cicero, Martial und Gurtius berans. Auch für die Verbreitung der
nationalen Dichter jorgten die deutſch-italieniſchen Druder. Es ift be-
zeichnend für die Heimat der Renaifjance, daß während Petrarca’s Sonette
und Boccaccio's „Decameron“ jebon 1470, Dante's „Göttliche Komödie“
aber 1472 (von einem Deutjchen in Foligno) gedruckt wurden, der als
bejonders fromm gerühmte Römer Aldus Manutius von theologiichen
Werfen überhaupt nur eine Bibel und ein Gebetbuch berftellte.
286 Charafter der in Frankreich u. |. w. erjcheinenden Litteratur. Fünftes
In Frankreich kommen lediglich Paris und yon in Betracht. In
der Hauptſtadt hatten fich die erjten von der Sorbonne berufenen deut:
ſchen Druder deren Aufficht und Befehlen zu fügen, durften nur bie
von ihr vorgejchriebene Yitteratur herausgeben. Die Nichtung dieſer
Fakultät war, nachdem Fichet und Heynlein Paris verlaffen, eine eng-
berzig jceholaftijche, weshalb die Preffen fich auf das Gebiet ver theolo-
giſchen und juriftijchen Yitteratur bejcehränfen mußten. Nur unter dem Ein-
fluß jener beiven Männer batten Kranz, Gering und Freiburger auch alte
Klaſſiker gedruckt; dagegen verlegten fie fein franzöfiiches Buch. Das erſte
in dieſer Sprache veröffentlichte — der burgundifche Roman „Recueil des
Histoires de Troie” — erjchien überhaupt nicht in Frankreich, fondern in
Köln a. RH.?° yon dagegen und mit ihm der ganze Süden des Yandes
jchlug eine der pariſer — wenn man von vereinzelten Ausnahmen, wie
3. B. Antoine Verard, abſieht — ganz entgegengejegte Richtung ein, indem
er die volfstümliche Yitteratur vervielfältigte und mittelalterliche, roman:
tiſche Erzählungen und jeherzbafte Gedichte durch ven Drud der Nachwelt
erhielt. Es erjchienen bier die erften Ausgaben des „Roman de la Rose“,
ver „Farce de Pathelin“, ver „Quinze Joies de Mariage“, des „Cham-
pion des Dames“ und einiger Stüce von Main Chartier, die erfte Über-
jeßung ver „Facetiae” von Poggio und eine Menge von furzweiligen
Schriftchen, welche ohne die lyoner Drucdereien wahrjcheinfich unter-
gegangen wären.??” Daneben aber ift für Lyon auch die Pflege ver
juriftifchen und medizinischen Litteratur beachtenswert.
Unter den 62 Werfen, welche William Garten feit 1477 in feiner
Heimat druckte, zählt die Theologie nur mit 10; der Reſt bingegen
gehört den Nitterromanen, oder andern mehr oder minder romantijchen
Sejchichten, jowie der Yitteratur und den Sitten der Zeit an. “9m
ganzen 15. Jahrhundert erſchien in England feine einzige Bibel; von
1526 bis 1600 aber wurden won ihr nicht weniger als 306 Ausgaben
veranjtaltet. Die Reformation hatte Diejen jo ungeheuern Umſchwung
der Anjchauungen im Gefolge. — In Spanien endlich handelte das erite
gedruckte Buch von der Empfängnis Mariä.
Und wie in ganzen Yändern, jo gejtattet auch in einzelnen Städten
der bloße Titel der dort gedrudten Bücher einen unverfäljchten Einblid
in die jeweilige Bildungsftufe ihrer Bürger. Die Zahl der von Köln
im 15. Jahrhundert ausgegangenen Drucke beläuft fich auf etwa 800. ?°
Kapitel.) Charafter des Verlags einiger wichtigen Drudorte. 987
Dem Charakter der dortigen Univerfität entjprecbend find fie meiſt theo—
logiſchen Inhalts; die Zahl der gejcbichtlichen Werke dagegen iſt ſehr
gering, und von klaſſiſchen Schriften find mur die Ausgaben einiger
Bücher Eicero’3, von Salluft, Terenz, Seneca, Plutarch u. f. w. zu
nennen. Während daher Köln, jolange e8 eine hervorragende Druder-
thätigfeit ausübte, die Hochburg ver katholiſch-litterariſchen Anjchauungen
und Bejtrebungen ivar, wurde Wittenberg, als Wiege der Reformation,
der Dauptverlagsort für proteftantijche Theologie und namentlich für ven
Drud der Bibel und der lutherijchen Schriften. In Straßburg bildeten
anfangs auch die theologiſchen und juriftifchen lateinischen Werfe, nament-
lich diejenigen über fanonifches Necht, die große Mehrzahl, während bis
zum Ende des 15. Jahrhunderts von deutjchen Drucken höchitens 40
erjebienen waren; allein mit dem Aufleben ver humaniftiichen Studien
trat eine wejentliche Veränderung ein.““ Vom Anfang des 16. Jahr—
bunderts an überwiegen deshalb auch die zur Verbeſſerung des Schul-
unterricht3 bejtimmten Schriften, ſowie die Ausgaben alter Autoren, die
Werfe neuerer Gejchichtichreiber und Dichter. Neben der Humaniſten—
(itteratur blüht immer mehr die populäre. Es erjcheinen in Menge
deutjche erbauliche, gejcbichtliche, rechtliche, mediziniſche, poetiſche, beluſti—
gende Bücher, Flugſchriften und fliegende Blätter, darunter auch ehren—
rührige Satiren. Erfurt und Yeipzig, teilweife auch Köln, find Jahr—
zehnte hindurch die Hauptpflegeftätten für die Rechtswiſſenſchaft und ven
Druck der ſich mit ihr bejchäftigenden Bücher. Im Baſel fommen zu:
erſt Nechtsbücher, Yegenden und romanhafte Erzählungen, ſpäter erjt
tbeologijche und fFritiich-philofophiiche Werfe heraus. So bleibt es zwei
Jahrhunderte hindurch der Sit des gelehrten Verlags. Nürnberg und
Augsburg zeigen gleich vom erſten Augenblid ihrer Berlagsthätigfeit an
eine encyklopädiſche und fosmopolitiihe Thätigkeit, indem fie als rege
Handelsſtädte jedem litterarifchen Geſchmack und Bedürfnis gerecht zu
werden ſuchen, namentlich aber auch die Volkslitteratur pflegen.
Auch bei den einzelnen Verlegern läßt fi von ihrer Spezialität
leicht auf ihre geiftigen Ziele jchliegen. Johann Froben z. B. drudte,
von jeinem Schwiegervater und Gejchäftsführer Yachner, ſowie auch von
Erasmus, mit beeinflußt, meist Kirchenväter und theologijche Werke, von
dieſen aber amt liebjten Folianten, und nur wenig Klaſſiker. Er jah
mit Geringjebätung auf die Heinen Bücher herab und wollte nur „gran-
288 Verlagsipezialiften. Beteiligung des Kapitals, (Fünftes
diosa volumina“ vruden ??, aber nicht unter die Zahl derjenigen ge
rechnet werden, welche „vernaculas catiunculas imprimunt“, fümmerte
fih auch nicht um die Flugſchriften-Litteratur. Wie Froben gegen die
Reformation wirkt, jo widmet ihr die Familie Petri ihre Prejien. Dem
befannten hagenauer Druder Heinrich Gran, der übrigens meift für Ryn—
mann drudte, mußte jein Korrektor Wolfgang Angſt 1514 geloben, fich
nicht wie die übrigen Deutjchen, die Bajeler ausgenommen, mit „libellis
semidoctorum“, jondern nur mit „autores prineipes et integra vo-
lumina“ zu befajjen.?? Thomas Anshelm dagegen, einer der bedeutend:
jten humaniſtiſchen Buchdrucker, verjchmäht auch das kleinſte Flugblatt
nicht ** und verlegt unter den von ihm gedrudten 56 Werfen nur drei,
welche der Theologie angehören. Dieje auf gut Glück beransgegriffenen
Beifpiele könnten natürlich leicht durch hundert andere vermehrt werden.
An den erjten Jahrzehnten ver Ausübung der Kunſt war die große
Mehrzahl ver deutſchen Druder mehr auf ihren Fleiß als auf ihre baren
Mittel angewiefen. Mit ihrem geringen Borrat von Typen konnten fie
immer nur ein Buch druden, muRten dies dann erjt vertreiben und oft,
nur von der Dand in den Mund lebend, ihre Preferzeugniffe um jeden
Preis losjchlagen. Dazu fam, daß nicht jelten in nächjter Nachbarichaft
dasjelbe Werf gedruckt wurde, und daß dieſe Konkurrenz mit ihrem viel:
feicht einzigen Verlagsartifel jie vielfach zwang, ſogar unter dem Selbſt—
foftenpreije zu verfaufen. Was fonnte da den Heinen Berlegern die fich
ihnen bald genug aufprängende Erfenntnis nüßen, daß bei größerm Ber:
lag ſich die Vertriebstoften verhältnismäßig verminderten, die Gin
nahmen dagegen wuchjen, da ein neuer Artikel zugleich den Abjat des
alten förderte? Diejer Not machte erſt die Beteiligung des Groß—
fapitals ein Ende. Die Kapitaliften jtehen einer neuen Erfindung an-
fangs meift ſcheu, wenn nicht ablehnend, gegenüber. In Mailand und
Venedig, den größten damaligen italienischen Handelsſtädten, fingen fie
zuerſt an, die Bedeutung und Entwidelungsfäbigteit des Verlagshandels zu
wirdigen, und trugen, indem fie ihr Geld dem neuen Geſchäftszweige zu—
wandten, mächtig zu deſſen Aufblühen bei; Deutſchland aber, mit Bajel,
Augsburg und Nürnberg an der Spite, folgte bald dem von Oberitalien
gegebenen Beifpiel. So traten denn ſchon in den fiebziger Jahren des
15. Jahrhunderts große Drudereien und Berlagsgejellichaften ins Yeben;
ſchon damals begann eine VBerlagsthätigkeit im modernen Sinne des
Kapitel.) Charakter der Geſellſchaftsverträge. lteſte Beifpiele, 289
Wortes. Derjelbe Verleger drucdte nicht mehr ein Buch nach dem andern,
jondern mehrere Heine und große zu gleicher Zeit. Es ift der auf den
Buchhandel übertragene Großgejchäftsbetrieb, welcher in der jchen wäh-
rend des jpätern Mittelalters blühenden offenen Handelsgejelljchaft jein
Vorbild fand. Anfangs ſchoß der eine Gejellichafter das Geld, der andere
jeine Arbeit ein, oder e8 gaben beide oder mehrere zugleich Geld und
Arbeit her. Später, als fich ein beftimmter Setzer- und Druderjtand
auszubilden anfing, legten die Kapitaliſten ausjchlieflich eine bejtimmte
Summe Geldes ein und nahmen die frühern Genoffen over Gehilfen
als Lohnarbeiter an. Der Vertrag ging unter gleichem Anteil an Ver:
luft und Gewinn auf ein bejonderes Unternehmen, oder auf die Betrei-
bung eines allgemeinen Berlagsgejchäfts, Tief auf eine beſtimmte oder
unbejtimmte Zeitpauer, und engagierte entweder des Gejellichafters ganzes
Vermögen oder nur einen Zeil desjelben.
Der ältefte Gejelljchaftsvertrag zwifchen einem SKapitaliften und meh—
rern Drudern, vom Jahre 1470, abgejchloffen zwifchen Emilio Orfini
in Foligno einerjeits und Johann Neumeifter, Stephan, Johann Am-
bracht und Kraft andererjeits, wurde ſchon im dritten Kapitel näher an-
geführt. Im einem andern ziemlich gleichzeitigen Gefelljchaftsvertrage
jteht ein Druder jechs Sapitaliften gegenüber. Am 20. Mai 1472 in
Mailand gejchlofjen, zerfällt er in einen Haupt- und Nebenvertrag und faht
die Pflichten und Rechte der einzelnen Gefellichafter jo beftimmt und
far ins Auge, daß mit einem Auszuge aus feinen Beftimmungen die
Natur aller derartigen Verträge erjchöpft werben pvürfte. Im dem Haupt:
vertrage find die Geſellſchafter: ver Druder Antonius Zarotus von Parma,
Gabriel de li Orfini, Priefter, Colla Montana, Profeffor an einer öffent-
(ihen Schule, Gabriel Pavero de Fontana, Profeffor, Pietro Antonio de
Burgo de Gajtilliono, Nechtögelehrter, und für den Zufatvertrag noch
Nicolao, der Bruder des letztern. 3°
Nah dem Hauptvertrag treten zumächit die zuerjt genannten fünf
Berjonen auf die Zeit von drei Jahren zu einer Gejellichaft zufammen.
Zweck verjelben ift die Errichtung einer Druderei mit vier Preffen, ven
nötigen Schriften und anderm Zubehör. Das Geld hierzu jchiegen
die vier Nicht-Buchoruder vor, während der Buchoruder die Anjchaf-
fung der Prejfen und der andern Utenfilien damit zu bejorgen bat.
Die Yokalmiete wird von allen fünf Mitgliedern gemeinjchaftlich be-
app. I. 19
290 Eine mailänder Verlagsgejellihaft von 1472. ſFünftes
ſtritten. Von dem Gewinn fällt ein Drittel dem Buchdrucker zu, zwei
Drittel gehören den andern Mitgliedern zu gleichen Teilen. Aus ſeinem
ein Drittel-Gewinn bat der Buchdrucker die für die erſte Einrichtung
gemachten baren Auslagen der vier andern Mitglieder wieder zu er—
ſtatten. Die andern Unkoſten werden aus dem gemeinjchaftlihen Berfauf
der gedruckten Bücher gevedt. Der etwa nötige Korrektor erhält als
Entſchädigung für feine Arbeit ein bis zwei Freiexemplare von jedem
Werke, welches er forrigiert hat. Über die Frage, ob ein Buch gedruckt
und zu welchen Preis es jpäter verfauft werden jolle, entjcheidet die
Geſellſchaft und zwar nur durch einſtimmigen Beſchluß. Über die Ge-
jelljchaft, und den Umftänden nach über die im Drud befindlichen Bücher,
ift Verjchwiegenheit zu beobachten, zu der fich alle Anzuftellenden eidlich
verpflichten. Auch darf Feines der fünf Mitglieder der Gejellichaft einer
andern Buchdruckerei mit Nat oder That beiftehen, noch etwas anderswo
pruden fafjen, e8 jei denn mit Genehmigung der vier andern Mitgliever.
Nah Ablauf der drei Jahre hört die Gejelljchaft auf und das Inventar
an Preſſen und Schriften verbleibt alsdann dem Buchdrucker, falls er
die dafür gemachten Auslagen wiedererftattet hat.
Zu diefem Hauptvertrag wird noch an demſelben Tage ein Zujat-
vertrag abgejchloffen, und zwar zwijchen dem einen der Kontrahenten,
Pietro Antonio de Burgo und Nicolao, feinen Bruder, auf der einen
und den vier übrigen Kontrahenten auf der andern Seite. Der erjt-
genannte war allem Anjchein nach der Kapitalift ver Geſellſchaft, denn
er ſchoß ihr gleich von Anfang an 100 Dufaten für die erjte Cinrich-
tung vor. Er juchte daher aus dem Gejchäft noch einen bejondern Vor—
teil zu ziehen umd die Kunſt des Buchdruders Antonius Zarotus für
fih und feinen Bruder neben der Gejelljchaft weiter auszunuten. Yeßterer
gehörte nicht mit zur Hauptgejellichaft. Es wurde alfo durch einen Zu—
jatvertrag noch Folgendes ausgemacht:
Pietro Antonio de Burgo und fein Bruder dürfen die neue Buch-
drucerei noch zu ihren jpeziellen Zweden, und zwar zum Druck von
Werfen aus den Gebieten des fanonifchen und Givilrechts und der Medi—
zin, benugen und ftelfen hierfür noch drei, nach Befinden auch mehr Preſſen
bereit, jchaffen Schriften, Farbe und andere Utenfilien dazu an, bezahlen
Papier, Yöhne und jonftige für ihre Zwede entitehende Unkoſten und
übernehmen die Hälfte der gemeinjchaftlichen Lokalmiete auf ihre Rech—
Kapitel.) Eine mailänder Berlagsgejellichaft. Aldus' Aflociationen. 291
nung. Der Bucoruder Antonius Zarotus joll auch dieſem Teil des
Geſchäfts vorjtehen. Für die Mitbenugung des ganzen Etabliffements
zahlen die beiden Brüder alsbald 25 Dufaten an die vier andern Geſell—
ibaftsmitgliever und veriprechen ihnen außerdem als Tantieme ven vier-
ten Zeil des Reingewinns aus den drei von ihnen bejonders aufgeftellten
Preſſen. Diejer Reingewinn wird jo berechnet, daß von dem Preiſe
jedes verfauften Buchs die dabei gehabten Auslagen an Papier, Farbe,
Yöhnen und andern Spejen (mit Ausnahme der Auslagen für Preffen
und Schriften) abgezogen werden und das Übrigbleibende als Gewinn
angejeben wird. Bon diejem tjt der vierte Teil zu entrichten und zwar
in barem Gelde. Außerdem erhält jeder der Stontrabenten ein Frei—
eremplar diejer Bücher. Den beiden Brüdern ift es nicht geftattet, ihren
Teil der Druderei anderswohin zu verlegen; auch müffen fie fich über
den Berfaufspreis der für fie gedruckten Bücher mit den übrigen Ge-
ſellſchaftsmitgliedern verjtändigen. Wie fie jelbft nichts für fich druden
dürfen, außer was in das Gebiet des fanonifchen und Civilrechts oder der
Medizin gehört, jo dürfen andererjeits die vier andern Mitglieder ohne
Genehmigung der beiden Brüder ihrerfeits, bei Strafe von 200 Dufaten
für jeden einzelnen Fall, nichts aus dieſen Gebieten druden. Sämt—
liche Kontrahenten verjprechen, fich gegenfeitig zu unterftügen und jede
Hlfsleiftung für andere zu unterlaffen. Ihr gejamtes eigenes Drudferei-
inventar überlaffen die beiden Brüder nah Ablauf von drei Jahren,
bis wohin der Vertrag läuft, an Zarotus nach einer dann vorzuneh—
menden Tare.
In Venedig war es Aldus, der nachweisbar teils auf eigene Koften,
teils in Gemeinjchaft mit Gejellfchaftern druckte, welche die Mittel zur
Herjtellung größerer Werfe bergaben. Schon das zur Begründung feiner
Druderei erforderlich gewejene Kapital hatten ihm feine Freunde und
Gönner, die Prinzen Carpi, vorgejchoffen; doch ergeben die Quellen nicht,
ob fie feine förmlichen Gejelljchafter waren, Gewinn und Berluft mit
ihm teilten. Auch die „Hypnerotomachia” druckte er 1499 nicht auf
jeine eigenen Koſten, wie die Vorrede dieſes Buchs bejagt; möglicherweije
war e8 aber nur ein Werforud für einen Dritten, ſodaß bier fein Gejell-
Ibaftsvertrag vorlag. Dagegen jchreibt Aldus jelbft am 28. Oktober
1499 an Marcellus Birgilius Adriani, den frühern Pehrer des berühm—
ten Machiavelli und jpätern Sekretär der florentiner Republif, daß er
19*
—N
292 Die Verlagsgeſellſchaft für die Schedelſche Chronik. Fünftes
ihm die gewünſchten Bücher nicht billiger verkaufen könne, da ſie ihm,
dem Aldus, nur in Gemeinſchaft mit verſchiedenen andern Perſonen ge—
hörten, weshalb er ihn bitte, einige ihm allein gehörige Bücher als Ge—
chen? anzunehmen. 37 Aldus bezeichnet übrigens einige ſeiner Verlags—
artifel als Ex Aldi Neoacademia hervorgegangen, deren Mitglieder
alfo an den Ausgaben und Ginnahmen beteiligt gewejen fein dürften.
Auch in feinem zweiten Briefe an Reuchlin vom 23. Dezember 1502
jpricht er von „unferer Geſellſchaft“, deren Berlag nicht billiger verkauft
werden könne, als er, Alvus, angegeben, und in der Vorrede zum Ori-
genes wird 1503 ausprüdlich bemerft, daß Aldus zwar den Zert be:
jorgt und gebrudt habe, allein nicht der DBerleger ſei.'s Aldus war
eben nicht veich, auch würden die Mittel eines einzigen, ſelbſt des reich-
jten Mannes nicht ausgereicht haben, eine folche ftattliche Neihe umfang:
reicher und koſtbar herzuftellender Eajfischer Werte in verhältnismäßig je
furzer Zeit auf den Markt zu bringen.
Selbſt Anton Koberger in Nürnberg verlegte einzelne teuere Werke
nicht immer mit eigenen Mitteln, fondern drudte fie nur auf Koften
von privaten Bejtellern. So gab er 3. B. 1492 die berühmte Schedelſche
Chronik „auf Anregen und Begern der ehrbarn und weyſen Sebalvi
Schreyer und Sebaftian Camermaifter” heraus. Der Vertrag zwijchen
ihnen und Koberger hat fich zwar nicht erhalten, indeſſen ift der wejent-
liche Inhalt des Übereinfommens auf die Nachwelt gefommen und geftattet
einen Karen Einblid in die Natur des Verhältniffes. Es vereinigten
jih alfo am 29. Dezember 1491 in Nürnberg die Künſtler Michael
Wohlgemut und Wilhelm Pleydenwurf einerfeits, welche Zeichnung und
Ausführung der Holzjchnitte innerhalb zweier Jahre, vom Tage des
Vertragsabjchluffes ab gerechnet, herftellen mußten, und die Kapitaliſten
Sebald Schreyer und Sebajtian Camermaifter andererjeits, welche das
Geld für jümtliche Herjtellungstoften einzujchießen hatten, zur Heraus—
gabe der Schedeljchen „Weltchronik“ in lateinischer und deutſcher Eprache,
mit gemalten und ungemalten Holzſchnitten. Schedel lieferte ben lateini-
ſchen Text; der Schreiber Alt aber überjette ihn gegen Honorar ine
Dentjche, Koberger endlich bejorgte den Drud. Bon Schedels und
Ktobergers Anteil am Gewinn wird im vorliegenden Vertrage nichts ge
jagt. Diejer Punkt wird wohl näher in einem Separatabkommen be
jtimmt worden jein, denn wie fich mit Recht annehmen läßt, daß Schedel
Kapitel.) Berlegerverbindungen in Baiel. 2953
nicht umſonſt gearbeitet bat, jo liegt es auch in der Natur des Geſchäfts,
daß Koberger den buchhändlerijchen Vertrieb nicht umfonft bejorgte. Die
Parteien und beren Erben machten am 22. Juni 1509 die Schluf-
abrechnung; auch in ihr ift von einer Abfindung Schedels und Kobergers
nicht die Rede. Aktiva und Paffiva wurden zu gleichen Raten unter ihnen
geteilt, Verfaffer und Druder mußten aljo damals ſchon für ihre Mühe-
waltung befriedigt gewejen fein. Hätte dieje lediglich in einem Honorar
und nicht in einem Anteil am Gewinn bejtanden, jo wäre e8 durchaus
überflüffig gewejen, Alts Verhältnis von dem ihrigen zu unterjcheiden.
Aus der betreffenden Urkunde ergibt fich zwar (ſ. Anhang unter VID,
daß das rohe und ungemalte Exemplar zwei Gulden foftete; indeſſen
fehlen leider die viel wichtigern Cinzelheiten über Rabatt und Kom—
miffion, jowie über die Anzahl der Exemplare, für welche die verjchie-
denen Buchhändler in Paris, Yyon, Straßburg, Mailand, Como, Florenz,
Venedig, Augsburg, Yeipzig, Prag, Graz, Ofen u. a. O. noch jchuldeten.
Die bloße Angabe des Schuldbetrags fann für diefe Lücke nicht ent-
ſchädigen, obſchon die einfache Aufzählung dieſer weit zerftrenten Schuldner
an ſich die Bereutung der in weite Ferne greifenden buchhänblerijchen
Verbindungen erkennen läßt.
In Bafel vereinigten fich fchon zu Ende des 15. Jahrhunderts die
beveutendern Verleger zur gemeinjchaftlichen Herausgabe großer und koſt—
barer Werfe. Der Bertrag bezwedte ven Drud auf gemeinjchaftlichen
Gewinn und Verluſt und endete mit der Fertigſtellung des betreffenden
Buchs, deſſen Eremplare meiftens im Verhältnis der Beteiligung an die
Sejellichafter verabfolgt ımb dann von jedem fir fich jelbjtändig ver:
trieben wurden. So drudte Johann Froben in Gemeinſchaft mit Johann
Petri von Yangendorf von 1494 bis 1509 fieben größere Folianten,
Johann Amerbach in Gemeinjchaft mit Johann Froben 1500 drei Kleinere
in Quart, und derjelbe in Gemeinfchaft mit Froben und Petri von 1502
bis 1512 13 Folianten, faft ausſchließlich theologiſchen Inhalts. Diefe
Genoſſenſchaften firmierten verjchteven, wie 3. B. Basileae per Johan-
nem Amerbach, Johannem Petri et Johannem Frobenium over
Basileae per Magistros Johannem Amerbachium, Petri et Froben
Collegas, over Consummatum Basileae per Magistros Johannes
Amerbachium, Petri et Froben, over envlich Johannes Amerbachius,
Johannes Petri et Johannes Frobenius Hamelburgensis, cives Basi-
294 Die Verlagsverhältniffe in Bafel. Frobens Geſchäftsweiſe. Fünftes
lienses, communi impensa Basileae excuderunt. Ron bajeler Ber:
(egern treten zu ihnen noch hinzu Gratander, Bebel, Iingriner, Brylinger,
Weitheimer, Herwagen, Epifcopius, Schott, Furter, Platter und Yafius.
Panzer, obwohl er jeit Erjcheinen jeiner Annalen vielfach ergänzt und
verbejjert ift, führt von 1501 bis 1536 28 bajeler Firmen an, welche
während dieſer Periode 1121 Werke gedruckt haben, und zwar 124 da—
von auf Koften und Gefahr buchhändlerifcher Gejellichaften, 862 auf
Gefahr eines einzelnen Berlegers, 126 ohne Angabe des Jahres und
des Druders und nur 9 mit Namen des Druders ohne Jahreszahl.
Jedenfalls ergibt fih aus diejen Zahlen ein wenigitens annähernd rich:
tiges Bild von der Ausdehnung dieſes Gejelljchaftsverhältnifjes unter
ben damaligen VBerlegern. Der Grund dafür liegt auf der Hand; denn
die Ausgabe von fieben Folianten innerhalb eines einzigen Jahres würde
jelbjt die Kräfte der größten damaligen Buchdruckerei überjtiegen haben
und in demjelben Maße das Rififo für einen einzelnen Berleger zu groß
gewejen fein. Daher die Teilung der Kojten und der Gefahr! Aber
gerade dieſe gemeinjchaftlichen Unternehmungen trugen nicht wenig dazu
bei, den Ruhm Bajels als Mittelpunkt der Druder- und Berlagsthätig-
feit zu befejtigen und zu erhöhen.
„Es gibt‘, jchreibt Erasmus 1523 über Froben an Polidorus Ver:
gilius, „eine dreifache Art der Herftellung des Druds. Bisweilen unter:
nimmt Froben das ganze Geſchäft auf eigene Gefahr. Dies thut er zu
seiten bei fleinern Werfen, bei welchen das Riſiko weniger gefährlich
iſt. Bisweilen bejorgt er das Gefchäft auf fremde Gefahr und bedingt
fich für feine Mühewaltung nur eine Vergütung aus. Bisweilen aber
wird das Geſchäft auf gemeinjame Gefahr der Gejellichaft unternommen.
Schon bei dem Vertrag über die Mübewaltung bietet Franz Birdmann
aus Köln eine überaus billige Bezahlung an. Jetzt wird in Krankfurt
darüber verhandelt, ob das Geichäft auf die ausfchliefliche Gefahr von
Franz oder auf die gemeinjchaftliche Gefahr der Gefellichafter übernom—
men werden joll. Sobald Froben von ver Meffe zurücgefehrt fein wird,
will ib Dir fchreiben, was gejcheben tft. Ich hoffe, daß fich die Sache
nach Deinen Wiünfchen geitalten möge. Wenn Du einen Gejchäftsfreunt
gewinnen fannjt, welcher 50 Eremplare nähme, jo würde ich das übrige
leicht mit Froben abmachen können.“ „Aus dem Ambrofius“, jehreibt
Erasmus am 30. April 1524 weiter an den Bijchof von Yincoln, „wird
Kapitel.) „Pantzſchmanns Buchhandel” in Leipzig. 295
in dieſem Jahre nichts werden. Die Sache jchwebt übrigens nicht bei
uns, jondern bei Froben.“ Einige Jahre fpäter, am 15. Oftober 1527,
endlich meldet Erasmus dem Ludwig Vives: „Auguftinus wird aufs
itattlichfte gedrudt. Die Gefellfchafter erklären, dak Dein Buch zur Zeit
nicht gedrucdt werden kann, weil fie Alle Überfluß an Büchern (nämlich
Vorräten von unverfauften) haben.‘ 3?
Ähnliche Verhäftniffe entwickelten fich auch in Peipzig. Ludwig Hornden,
der Gejellichafter Gottfried Hittorps in Köln, war nach Aufgabe ber
parijer Kommandite im Jahre 1512 nach Yeipzig übergefievelt. Hier be:
gründeten beide in Gemeinfchaft, wie jchon im zweiten Kapitel unter
Yeipzig erwähnt wurde, mit dem Ratsherrn Auguftin Pantzſchmann und
wabrjcheinlih noch andern ungenannten Gejellichaftern eine Verlags:
affociation, welche dann 1518 Niederlagen in Wittenberg und Prag er-
richtete. Nach Ludwig Hornckens im Jahre 1521 erfolgtem Tode über:
nabm bis zum Jahre 1528 Wolf Präunfein von Augsburg, „der Pantzſch—
mannin Diener‘, die Yeitung der Firma. Er war oder wurde bald ber
Schwiegerjohn Johann Rynmanns in Augsburg, ſodaß, wie ebenfalls
iben bei Augsburg mitgeteilt, die Vermutung ſich aufprängt, als möchte
auch leßterer zu der Gejellichaft gehört haben, zumal dieſe einmal bie
beveutende Forberung von 1000 Gulden gegen feinen Kommiſſionär
Blafius Salomon geltend macht. In den Leipziger Schöppen- und Ge—
rihtsbüchern tritt dieſe Affociation unter ber Firma „Pantzſchmanns
Buchhandel” auf; aber die bibliographijchen Annalen wiſſen nichts von
ihr, obſchon fie noch im Jahre 1524 mit einem Gejchäftsfapital von 7000
Gulden arbeitete. Möglicherweije find die Horndens und Dittorps Namen
tragenden Kolianten aus den Jahren 1512 bis 1520 als Verlagsartifel
dieſer Bereinigung zu betrachten. Yeider ift der Geſellſchaftsvertrag jelbit
nicht mitüberliefert; nur die Verträge vom Jahre 1519 und 1524 über
den Berfauf der Sortiments- und Verlags-Lagervorräte in Wittenberg
und Prag an ven bisherigen Gefchäftsführer Gregor Jordan im Yeipzig
find noch vorhanden. Doc find auch lettere von hohem Intereſſe, weil
ſie Einblicke in die Betriebsweije der. Kommanditen und in die Gejchäfts-
wancen gewähren. Die verkauften Sortimentsvorräte bejtanden aus den
Büchern „so obgedachte Gejellichaft im 18. Jahr vorgangen um Andere
zu Wittenberg gehabt”. Kin näheres Eingehen auf das gejchäftliche
Tetail aber iſt erjt jpäter am Platz; hier jei nur angeführt, daß bie
296 Nidel Wolrabe’3 in Leipzig Affociationen. Ausländische. Fünfſtes
Verkäufer ihrem Abkäufer Gregor Jordan jeden bireften Verfehr mit
den Verlegern umnterjagten, ihn völlig an ihre Vermittelung banden.
Später, in den vierziger Jahren, arbeitete dann Nidel Wolrabe in Leipzig
jogar gleichzeitig mit mehrern Affociationen: mit Andreas Wollenfäder
und feinen Mitverwandten — fie engagierten ein Kapital von 8000 Gul:
den —, mit Gregor Forfter und Merten Richter und mit Sebaftian
Reuſch. Dieſe verwidelten Beziehungen, deren Einzelheiten hier über-
gangen werben müffen, auch fchon im zweiten Kapitel berührt find, ge
jtalten fich zu einer fürmlichen Schwindelperiode im Leipziger Verlags:
handel, ins Yeben gerufen durch die Anregungen, welche die Einführung
der Reformation dem geiftigen und gejchäftlichen Yeben der Stabt ge:
bracht Hatte. Auch fpäter, in dem fünfziger und fechziger Jahren, fteht
hinter der ausgedehnten Verlagsthätigfeit von Lorenz Findelthaus und
M. Ernjt Vögelin der reiche Ratsherr Dr. Georg Roth 4%, worauf eben-
falls ſchon im zweiten Kapitel hingewiefen worden: ift.
In dieſer jelben Zeit berichtet der öfterreichiiche Jurift Tanner von
einer Hanpdelsgejellichaft, welche auf fünf Jahre zur Ausführung eines
einzigen beftimmten Zwecks beabfichtigt war. „Mehrere florentiner Kauf:
leute“, jchreibt er am 4. Februar 1554 an Bonifaz Amerbach, „wollen
eine gewiffe Summe Geldes auf fünf Jahre zufammenfchiegen, um fünf
Preffen des dortigen Druders Laurentius ZTorrentinus zu bejchäftigen
und das Corpus juris mit den Gloffen des Aceurſius, des Paelius
Zaurelius und anderer neuerer Kommentatoren zu drucken.“ Es er:
Ichienen übrigens nur die Pandeften. #1
Einen, diefem florentiner Unternehmen ähnlichen, auf einen beftimm:
ten Kreis von Büchern befehränkten Geſellſchaftsvertrag bildet das Über:
einkommen von fieben parifer Buchhändlern, welche gegen das Ende ber
Regierung Heinrichs III. vor den bürgerlichen Unruhen von Paris nad
Tours geflüchtet waren. Es waren Jamet Mettaher, Föniglicher Hofbuch-
bruder, Claude de Montreveil, George de Robet, Marc Orry, Sebaftien
Du Molin, Mathias Guillemot und Jehan Nicher. Am 6. Oftober
1591 gingen fie vor dem Notar Charles Bertrand in Tours einen Ver-
trag auf zwei Jahre, nämlich vom 1. Oftober 1591 bis 1593, ein, um
auf gemeinjchaftliche Koften und Gefahr folgende Werfe: die „Imita-
tions de Bonnefons”, die Schriften von Desportes, die Trauerfpiele
Garniers, die Briefe Seneca’s, „Diana“ von Georg Montemajor, „Legons
Kapitel.) PVerlagsgeiellichaften in Frankreich. Buchläden u. Sortimentshandel. 297
de Panigarolle”, „Geſchichte unferer Zeit” und „Rebe über ven Staat”
zu drucken oder bruden zu laſſen. Es ſtützte fich dieſer Vertrag auf die
Statuten einer biejer Vereinigung ziemlich ähnlichen, im Jahre 1586 in
Paris gegründeten „Compagnie dite de la Grande Nave”, welche den
Drud der Kirchenväter als ihren ausjchlieglichen Zwed ins Auge gefaht
und die Gebrüder Mettayer zu Drudern gehabt hatte. Die Verwaltung
jener neuen Geſellſchaft wechjelte alle zwei Monate unter den Mitgliedern.
Der jeweilige Verwalter hatte die Papiervorräte zu überwachen und ven
Drudern am Samstag für die folgende Woche einzuhändigen, die gedruck—
ten Bogen an fich zu nehmen und zu zählen. Er mußte ferner zweimal
in der Woche zwei Stunden lang im Bureau der Gefelljchaft anweſend
jein, dort die von den Sortimentern bejtellten Bücher ausliefern und
deren Quittungen in Empfang nehmen. Das Kapital der Gejellichaft
war in jechs gleiche Teile geteilt; Du Molin und Guillemot aber hatten
zufammen nur ein Scchetel, aljo jeder von ihnen nur ein Zwölftel Anteil,
Die Einlage erfolgte feitens des einen in Papier, feitens der andern in
baren Geld, oder auch in bereits gedruckten Büchern. Das ganze in diejer
Weiſe eingejchoffene Kapital belief fi auf 445 Franfenthaler in Gold,
alfo etwa 9000 bis 10000 Franken heutigen Geldes. Die Gejchäfts:-
bücher der Gejellfchaft durften unter feinem Vorwand aus dem Ge—
ibäftshaufe entfernt, jondern mußten mit ven Wechjeln und Wertpapieren
ſorgſam verjchloffen gehalten werben. Die Geſellſchafter machten übrigens
aute Geſchäfte und erwarben fich einen vorteilhaften Ruf.““ Es iſt (im
Borbeigehen bemerft) eine intereffante Thatjache, daß einer von ihnen,
George de Nobet, nicht jchreiben konnte und fich bei Unterzeichnung des
Aftes mit einem Kreuzeszeichen helfen mußte.
Im Anfang der Ausübung der Buchdruckerkunſt war der Buchladen
nur ein Mittel ver Verleger, ausjchließlich den Einzelverfauf ihrer eigenen
Berlagsartifel zu fürdern. Sie behandelten den Sortimentshandel als
ein Anhängjel und hielten höchitens, nach Gelegenheit und Bedürfnis,
außer ihrem eigenen Lager zugleich ein jolches für gangbare, nicht jelbft
verlegte Werke, beziehungsweife folche, die fie — wie das Beifpiel von
„Pantzſchmanns Buchhandel’ zeigt — im Intereſſe des Abjakes ihres
eigenen Verlags „um Andere“ (nämlich ihre eigenen) hatten annchmen
müſſen. Am Elarjten tritt dieſes Verhältnis in Straßburg hervor. Hier
werden bereitd 1408 die zum Münfter führenden Stufen. (Greven) als
298 Buchläden. Räumliche Konzentration derfelben. (Fünftes
der Verfaufsftand der Hanpjchriftenhändler erwähnt; ver Schreiber, ver
ihn innehatte, handelte nicht nur mit jeiner eigenen Ware, jondern auch
als Antiguar mit ältern Werfen. Seitdem man Bücher drudte, hatten
bier die Druder ihre eigenen Läden, teils in ihren Häufern, teils beim
Münfter oder bei ver Pfalz. 1? Die Erzeugniffe ver deutſchen Offizinen
aber bezogen fie von der franffurter Meſſe; anderes fam aus Italien,
noch anderes aus Paris. Schon 1492 bejak Peter Attendorn einen Bud
laden; Wimpheling nennt ihm um dieſe Zeit bibliopola, obgleich er
außerdem fih auch um Aufträge größerer Druder bemühte. Hans
Grüninger hatte im erjten Viertel des 16. Jahrhunderts eine der Münſter—
buden als Verfaufsjtand gemietet, während Mathias Dupfuff zwei folcher
Buchlävden eignete, den einen unter dev Treppe der Pfalz, den andern
bei dem Münfter, welchen er im Jahre 1509 dem bisherigen Inhaber,
dem Druder Barthold Kiftler, abfaufte.** Sein Gejchäftsumfang war
beveutend; oft verkaufte er für große Beträge an die Buchhändler. Im
Jahre 1516 jehulvete ihm z. B. Johann Knoblauch die Summe von
1984 Gulden für gelieferte Bücher. *° Johann Schott dagegen bot in
einer Bude bei ver Pfalz feine eigenen Berlagsartifel, aber auch andere
Bücher zum Verfauf aus.
Wie fich bier ein gewiffes Konzentrieren des Buchhandels auf ein-
zelne beſtimmte Punkte der Stadt ausprägt, jo it Dies für Die Anfange-
zeiten besjelben. für manche Städte, namentlich für Univerfitätsjtänte,
förmlich charakteriftiich. Auch hierin iſt teilweife ein Nachwirfen ver Ver—
hältniffe des Handſchriftenhandels und ver ihn im Uniwverfitätsjtädten
regelnden Statuten zu verfpüren. In Paris war es ja auch die Aue
St. Jacques, im der fich die beveutenditen Buchhandlungen vorfanden,
in Yonden — allerdings feiner Univerfitätsftabt, aber bier doch im An-
ihluß au die Benürfniffe der Kirche und den alten Brauch — Pater:
nojter Row und daneben St. Bauls Churchyard. Auch in Yeipzig waren
e8 die nächjten Umgebungen des Nikolaikirchhofs, in denen die bedeutend—
jten Rollegien und Burjen lagen, welche die Buchvruder und Buchführer
bejonders zur Niederlaffung anlodten. Ganz bejonders aber jpringt dieſe
Konzentration des buchbändlerifchen Verfehrs in Köln in die Augen.
Hier bildete die „Zur Fettenhennen“ genannte Strafe den Mittelpunft
desjelben. In der Fettenhennen (sub Pingui gallina) befand ſich fait
Jahrhunderte hindurch, wie jchen im zweiten Stapitel angeführt, das
Kapitel.) „Zur Fettenhennen“ in Köln. Buchhändler und Buchdruder. 299
große Birdmannjche Gejchäft; das von dem Begründer besjelben, Franz
Birdmann, erwählte Signet, eine Henne, hatte ver Strafe geradezu den
Namen gegeben. In Nr. 5 dverjelben Strafe, dem Haufe „Zum Hals:
bein” genannt, hatte die Choliniche Buchhandlung und Druderei von
1555 bis 1635 ihr Yager und ihre Offizin. Wr. 9, „Zum Hammer—
ſtein“, bildete bis 1609 zwei Häuſer, deren anderes die „Brothalle“
hieß; von da ab wurde e8 unter dem gemeinjchaftlichen Namen „Brot:
halle” von den Buchhändlerfamilien Mylius und Hierat teils als Mietern,
teils als Eigentümern benutt. Pr. 11, „Zum Greifen“, war 1613 von
Anton Hierat als Familienſitz angefauft worden und diente noch im
vorigen Jahrhundert dem Buchhandel. Nr. 13 und 15 biehen „Zum
Einhorn‘; urſprünglich zujammengehörig und nur ein großes Haus
bildend, trennten ſie fih um die Mitte des 16. Jahrhunderts in zwei
ſelbſtändige Wohnungen, von denen die nach der Hochſtraße hin gelegene
fih den Namen „Zum alten Einhorn‘ (sub Monocerote veteri) bei-
legte. Dieje Nr. 13 ift feit dem älteſten Gymnicus, von 1529 bis auf
den heutigen Tag, unausgeſetzt der Siß von Buchhändlern und Buch—
drudern geblieben. Nr. 17, „Zur Iſenburg“, jpäter „Im Roſenkranz“,
war noch im vorigen Jahrhundert im Beſitz der Buchhändler Buß und
Gottſchalk Yangen, während das angefichts der Fettenhennenftraße liegende,
jest zur Hochſtraße Nr. 149 zählende „Haus Rom“ an der hohen Schmiede,
auch lange Zeit Glieder der Familie Gymnicus als Bewohner hatte,
Fettenhennen behauptete ſich als Mittelpunkt des buchhändleriichen Ver:
fehrs in Köln, jolange diejer blühte, alfo bis gegen Ende des 17. Jahr:
hunverts,
Naturgemäß traten zumächit die Buchdrucker mit ihren in die Augen
fallenden Yeiftungen in den Vordergrund, die Buchhändler und ihre Be-
teiligung am Verlage dagegen jehr zurüd; fie werben anfänglich fogar
auf ihren eigenen Berlagsartifeln nur jelten genannt. Das Druderei:
gejchäft galt eben als das vornehmere, weil e8 das jchwierigere und an—
jcheinend auch Das gewinnbringendere war. So wird ſelbſt Anton Koberger
ftets nur als Buchdrucker erwähnt, obſchon er jpäter dies Gewerbe ganz
aufgab und von Anfang an auch in Nürnberg einen offenen Buchladen
für eigene und fremde Berlagswerfe hielt, die nicht auf Lager befind-
lichen Bücher, 3. B. die Alpinifchen Drude, verichried. Ganz ähnlich
verhielt e8 fich in Baſel; auch Froben (durh Wolfgang Yachner) und
300 Buchhandel der verlegenden Druder. Berpadung der Bücher. Fünftes
Oporin betrieben 3. B. bier zugleich den Sortimentsbuchhandel; bezüg-
lich des leßtern jchreibt 1543 Nikolaus Buffer an Beatus Rhenanus,
daß er ein 1541 gedrudtes Buch („Pasquillus exstaticus“) bei feinen
Buchhändler gefunden habe, ſelbſt nicht bei Oporin, bei welchem er
jeldft gewejen fei. Der Grund diefer bevorzugtern Stellung der Druderei-
befißer war wohl der, daß fie damals vielfach aus den Gelehrtenfreiien
hervorgingen, der Buchhandel dagegen, in der ſich zumächft vorwiegend
bemerflich machenden Betriebsform der kleinern Buchführer, in dem
Haufierhandel, feine höhern Kenntniſſe und feine größern Mittel erfor:
derte, als andere untergeoronete kaufmänniſche Gejchäfte, von denen er
jogar noch nicht einmal ftreng gejchieden war. Thomas Platter erzäblt
in feiner naiven Weife, daß er 1534 in Baſel Druder geworden jet,
„da ich gfach, wie Herwagius und andere Truderherren eine gütte ſach
hatten mit wenig Arbeit groß gut gewunnent”! Er fand auch einen
Sejelljchafter mit einer reichen Frau, welche winjchte eine Drudersfrau
zu fein, da fie jehe, eine wie große Pracht die Druderfrauen entfalteten.
Bald genug wollte fie freilich Verlegerfrau fein und mit der „Sudlerei“,
wie fie fagte, „nit mer umbgan“; die überhandnehmende zünftlerijche Über:
bebung und Unverſchämtheit ver Gejellen mochte ihr wohl nicht anftehen.
„Da hatt ich biecher auch feill, aber ich gewan daran nit vill.“*6% Die
jenigen Handlungen aber, die ausjchlieglich Sortimenter waren, werden
jelten nambaft gemacht, in ven bajeler Quellen überhaupt gar feine,
Und doch müffen in einer jo gewerbreichen und wiffenjchaftlich jo regen
Stadt die Sortimentshandlungen ſogar ſchon früher vorhanden gewejen
jein, als in andern Mittelpunften des Buchhandels.
Die Berpadung der Bücher, welche überwiegend nur roh verjandt
wurden, erfolgte von Anfang an faſt ausjchlieklich in Fäſſern. Dieſe
gaben zwar zu bejtändigen Klagen Veranlaffung, weil fie, nicht waffer:
dicht angefertigt, bei naffen Wetter das Papier der Beſchädigung ganz
oder teilweije ausjeßten; allein fie konnten andererjeits leichter auf: und
abgeladen und bequem gerollt werden. Offenbar hatten Die erften und
bedeutendſten Druckerſtädte, Mainz, Köln, Straßburg und Bafel, weil
jie am Rhein lagen, die nächite VBeranlaffung zu dieſer Art ver Ver—
padung gegeben; aber auch jolche Städte, wie Augsburg, Nürnberg und
Um, pflegten fich, wenn fie nur irgend fonnten, lieber ver Fäſſer für
den billigern Waffertransport zu bedienen. Nur ausnahmsiweije kommen
Kapitel.) Die Sortimentshändler: Buchführer. 301
bis zur Neformationszeit Ballen vor, deren Hülle aus Häuten beftand,
um den bejonders wertvollen Inhalt befjer zu ſchützen. Auch Kiften
(aften) werden gelegentlich erwähnt.
Wie in Deutjchland, jo verband fich auch im andern Ländern zu Ans
fang des 16. Jahrhunderts der Vertrieb der eigenen VBerlagsartifel zu:
gleich mit dem Verkauf der von andern Drudern verlegten Bücher, Sp
batte Aldus in Venedig in feinen offenen Yaden ein Yager griechiicher
Bücher, welche, wern auch von andern gedrudt, von ihm angekündigt
und verfauft wurden. Barthelemy Buyer und fein Gejelljchafter Ye Roy
(Königs) in Lyon hielten ſchon 1484 ein Lager in Toulouje und zahlten
bier Steuer für den Verkauf ihrer Bücher. +7 „Geftern hatte ich mir
vorgenommen‘, ſchreibt Budäus am 5. Februar 1516 aus Paris an
Erasmus, „zu meinem Vergnügen einige Nachmittagsftunden mit dem
Beſuch der Buchläden zu verbringen. Im Laden des Johann Parvus
traf ich den Wilhelm Parvus, einen Verwandten von jenem, wenn ich
nicht irre, welcher jett einer der Beichtwäter des Königs iſt.“
Die jelbftändigen, ſich auf Sortiment bejchränfenvden Buchhändler
traten natürlich zuerft in den großen Handelsſtädten auf, welche früher
iben die Mittelpunfte des Handjchriftenhandel® gebildet hatten. Ihnen
ſchloſſen ſich die Univerfitätsftidte an, wo das Kommen und Gehen zahl-
reiher Studierenden einen, wenn auch beſcheidenen, buchhändlerifchen Ab-
ſatz bedingte. Es handelt fich hier nicht um den Druder, der zugleich
die Erzeugniffe jeiner Preſſe im eigenen Yaden oder auf Meſſen ver-
fauft, jondern um den Sortimenter im heutigen Sinne des Worte,
welcher fein Druder (Verleger) ift und aus allen Wiffenjchaften einen
Heinern oder größern Vorrat von Büchern auslegt und zum Verkauf
anbietet.
Der ältefte nachweisbare Sit des Sortimentsbuchhandels als jelb-
ftändigen Gejchäfts iſt Augsburg, in deſſen Stenerbüchern von 1483 an
bis 1500 nicht weniger als zwölf Namen von Buchführern angeführt
werden. Es find dies: Claus Rächlin, Peter Haag oder Hagen, Simon
Oeglin, ſämtlich zuerft 1483; Siegmund (ohne Hausnamen) 1490, Chri-
ſtoph Schappelmann 1491, Jakob (ohne Hausnamen) 1492, Hans Ruoff
1494, Wohlgemutb (ohne weitere Bezeichnung) 1494, Hans Rynmann
und Hans Kaiſer 1495, Johannes Hermann over Harmann 1497 und
Yenbard der Buchführer 1499. Auch die Leipziger Bürgermatrifel er-
302 Die älteften Buchführer. Fünftes
wähnt zwiſchen den Jahren 1489 und 1530 die anſehnliche Zahl
von 30 dort als Bürger aufgenommenen Buchführern, von welchen 3
auf das 15. und 27 auf das 16. Jahrhundert kommen. Jene ſtammten
ans Mittweida (1489), Waſſerburg (1492) und Brixen (1494); dieſe,
joweit der Geburtsort angegeben ift, aus Karljtadt, Grüningen, Grimma,
Bärwalde, Köln, Augsburg, Eger, Grottendorf und Großenhule. Be—
reits im Jahre 1492 wird die Leipziger Meffe von fremden Buchfüh-
tern, wie Wilhelm Bel aus Köln, ja von nürnberger Briefprudern
und Kartenmachern bejucht. Alle jene leipziger Buchführer aber erweiſen
ſich ald am Verlagshandel völlig unbeteiligt, ja verdanfen (jeit der Mitte
der zwanziger Jahre) zum Teil jogar ihre Eriftenz dev Abtrennung ver
Sortimentsgejchäfte verlegenver Buchdrucker. In Hermannſtadt in Sieben-
bürgen erjcheint Johannes „Buchfyrer“ zuerit 1506 und zulett 1524.
Einem „Buchfyrer“ vesjelben Namens begegnet man auch 1522 in
Schäßburg.““ Als Sortimentsbuchhändfer nennt auch die Abrechnung
der Intereffenten an der Scheveljchen Weltchronif vom 22. Juni 1509
unter andern: Martin Huß (zugleich großer Druder und Verleger) in
"yon, Hans von Koblenz (Kerver), ebenfall® Druder, in Paris, Paul
Wagner in Straßburg, Dieronymus in Prag, Walter von Lebnitz in
Graz, Diebold Feger in Ofen, Mathias Walker in Pforzheim, Georg
Keffelmann in Augsburg u. a. In Nürnberg umfaßt jchon zu Anfang
des 16. Jahrhunderts die Bezeihnung „Buchführer“ jowohl den Sorti-
mentsbuchhandel als auch die Strafenkolportage. Es wird dem nürn-
berger Juriſten Scheurl zum bejonvern Verdienſt angerechnet, daß er
während feiner akademiſchen Thätigfeit in Wittenberg (1507 bis 1512)
die Errichtung des erften Buchladens bort veranlaft hatte. Auch in
Erfurt war der buchhändferifche Verkehr um jene Zeit ſchon jehr bedeu—
tend. In den Quellen werden Buchdruder und Händler, da ſich noch
fein feiter Sprachgebrauch in dieſer Beziehung entwidelt hatte, leider nur
zu oft durcheinander gewürfelt, ſodaß man fie jchlecht unterjcheiden kann.
Indefjen jchreibt Scheurl am 13. März 1518 an den erfurter Huma—
niften Trautvetter: „Euer Rektor Herebordus Margeritus ift mit feinen
Kollegen, unter welchen auch dein Buchhändler, gegen mich jehr
dienſtwillig.“ Die Ausbreitung der mit der Reformation namentlich den
Schulunterricht hebenden Buchdruderkunft vermehrte aber nicht allein die
Bildungsmittel, jondern erzeugte auch an bisher untergeordneten, kleinern
Kapitel.) Gliederung des Buchhandels. 303
Orten das Bedürfnis nach litterarijchen Hilfsmitteln und förderte durch
deren Maffenvertrieb die Entwidelung des Sortimentsbuchhandels in
ungewöhnlicher Weife. Außer Acht darf dabei allerdings nicht gelaffen
werden, daß für die charakteriftijchite Betriebsfform vesjelben, für ven
Haufierbandel, der Wohnſitz des YBuchführers jo gut wie Nebenjache
war; andernfalls müßten 3. B. Johann Nefe in Groß-Glogau mit feinem
ausgedehnten Berfehr, Hans Biſchof von Triptis und die beiden Buch-
führer Paul Ehrlich, zugleich Apotheker, und Johann in Yüterbog in den
zwanziger Jahren einiges Befremden erregen.
Übrigens war ſchon um die Mitte des 16. Jahrhunderts der deutjche
Buchhandel in feinen Hauptzweigen faft ebenjo entwidelt und gegliedert
wie heutzutage. Es gab Verleger, welche Drudereien bejaßen und nur
bei fich und für jich druckten, andere, welche troß ihrer eigenen Druderei
auch fremde Preffen bejchäftigten, und endlich Verleger, welche feine
Druderei hatten und nur in fremden Drudereien ihre VBerlagsartifel
beritellen ließen. Sodann fannte man auch damals ſchon Verleger, welche
nur an ihrem Wohnorte einen Buchladen hatten und bier ihre eigenen
Berlagsartifel feilboten, oder auch jolche, die einen allgemeinen Sorti-
mentshandel mit ihrem Berlage verbanden, wofür jchon Beiſpiele bei-
gebracht wurden; endlich auch Sortimenter, die feinen Verlag befaßen
und mit neuen oder mit alten, oder auch mit alten und neuen Büchern
banvelten. Das örtliche und perjönliche Bedürfnis erzeugte die indivi-
puellen Formen des Verkehrs, die fich erjt in fpäterer Zeit grundſätzlich
ſchieden.
Namentlich im 17. Jahrhundert, und ſogar bis in die zweite Hälfte
des 18. hinein, war der Sortimenter — wie dies ſchon im voraus an—
gedeutet werden mag — in größerer Ausdehnung zugleich Verleger als
zu irgend einer frühern oder ſpätern Zeit. Es war dieſe Thätigkeit aber
durchaus kein Beweis für die Blüte, ſondern vielmehr für den Nieder—
gang des Buchhandels, da fie durch die ſchlechten Münzverhältniſſe, die
Armut der Käufer und die Unficherheit des Verkehrs bedingt war. Der
Sortimentshändfer verlegte vielfach nur deshalb, um ein Tauſchobjekt mit
ven andern Buchhändlern zu befiten und um bei vem Tauſch ein verbältnis-
mäßig befferes Gejchäft machen zu können; er übernahm zu diejem Zweck
zum Teil fommiffionsweije oder zum Eigentum Partien, jpäter oft genug ſo—
gar von Nachdrucken, um nur nicht bar bezahlen zu müſſen. Diejer Kom:
304 Geſchäftsuſancen: Das „Stechen” (Changieren). Fünftes
miſſionsvertrieb läßt ſich in Leipzig ſchon in den fünfziger Jahren
des 16. Jahrhunderts bei dem Buchführer Wolf Günther konſtatieren.““
Man nannte jenes Tauſchen „verftechen“, gab Bogen für Bogen
oder auch, je nach dem Wert oder Umwert des Buchs, mehrere für
einen und bejchaffte jich auf diefem Wege feinen Bedarf für die ziwi-
jchen den Meſſen liegende Zeit. Natürlich leiftete eine ſolche Praris
nur zu häufig dem Verlage der armjeligften Erzeugniffe Vorſchub. Sie
mußte hier jchon Erwähnung finden, weil man allerdings auch oft der
Anficht begegnet, als ſei das Verftechen ſchon im 15. und im der größern
Hälfte des 16. Jahrhunderts die Negel geweſen. Der Tauſchhandel mit
Büchern dürfte vielmehr in ejne jpätere Periode fallen. Ob Koberger
und Schäffer ihre Verlagswerke miteinander ausgetaufcht und dann
verfauft haben, ift möglich, aber nicht völlig bewiefen, übrigens auch
gleichgültig. Es ijt ferner auch für das 15. Jahrhundert nur ein ver-
einzelt daſtehender Fall, wenn die Druderei des Klojters zu St. Ulrich
und Afra in Augsburg das von ihr herausgegebene „Speculum histo-
riale” des Vincenz von Beauvais und ihre jonftigen Preßerzeugniffe
nach dem Bericht des Klofterchroniften Sigismund Mevfterlin „per mo-
dum cambii“ (Taufch) vertreibt. Wenn endlich gegen Ende des Jahres
1500 Anton Koberger 300 Eremplare der „Glossa ordinaria” nad
Venedig ſchickt, um fie gegen dort gedrudte Bücher zu „verſtechen“ (diejer
Ausdruck wird bier wohl zum erjten mal gebraucht), jo ift dies eben
nur ein vereinzeltes Gejchäft, welches durch Kobergers augenblidliche Ver—
legenbeit veranlaßt wurde, immerhin nur eine Ausnahme von der Regel.
Das Gleiche dürfte wohl auch won dem bezüglich Pantzſchmanns Buch—
handel angeführten Faktum, des Annehmens von Büchern „um Andere‘,
gejagt werden fünnen,
Die Regeln und Ujancen des erften buchhändleriſchen Verkehrs find
übrigens nur höchſt lüdenhaft zur Kenntnis der Gegenwart gefommen und
fönnen deshalb nur annähernd aus einzelnen Beispielen gefolgert werben.
Diejer Sat gilt namentlich für die Verkaufspreiſe und die Bedingungen,
unter welchen die Verleger an die Sortimentsbuchbändfer abgaben.
Bis gegen Ende bes 15. Jahrhunderts, als die Mentel u. a. durchs
Yand zogen oder ihre Buchführer und Diener zum Verkauf ihrer Ver—
lagsartifel ausjandten, wird in den Katalogen jelbftredeud fein Preis er-
wähnt Das Buch war eben noch eine Ware, wie jede andere, welche
Kapitel.) Berlegerpreife. Rabatt der Buchhändler. 305
fih erft eine Stellung im Markte erobern mußte, und je nach Inhalt,
Ausjtattung und Yeichtigfeit oder Schwierigfeit des Vertriebs hier billiger,
dert tenerer zu ſtehen kam. Erſt mit der mehr methodijchen Ausbildung
ver Verlagsthätigfeit, der größern Zahl von Büchern und der Konkurrenz
der verſchiedenen Ausgaben desſelben Schriftjtellerd wurde, wenigſtens für
den Verfehr mit den Gejchäftsgenoffen, ein fejter Preis im Intereſſe des
Berlegers notwendig; jein Gejchäft bedingte ihn. Aldus Manutius ift !
ber erite große Verlagsbuchhändfer, welcher 1498 feinen erften Katalog |
mit genauer Beiſetzung des Preijes für jeden einzelnen Artikel ver—
öffentlichte. Er gibt als Grumd dafür an, daß er die zahlreichen
mündlich und ſchriftlich an ihn gerichteten Anfragen nach den Preijen,
namentlich feiner griechijchen Bücher, nicht habe genügend beantworten
fönnen.°° Deutjchlands größter damaliger Berleger, Anton Koberger,
gibt in feinen Katalogen feine Preife an, und ebenjowenig thun es die
großen Verleger von Bafel, Straßburg, Köln und andern Städten.
Selbſt die frankfurter Meßkataloge enthalten zwei Jahrhunderte hindurch
feine Preisangaben, Erſt in der Mitte des 18. Jahrhunderts entwidelte
fih der eigentliche fejtgeltende Yadenpreis zur ftehenden Regel. Bis da-
bin kaufte man am Verlagsort allerdings billiger al8 auf der Meſſe
und unterjchied auch zwijchen dem Verkauf eines einzigen Eremplars
oder einer größern Partie. Cinzelne Berleger räumten dem Buchhändler
günjtigere Preife ald dem Privatmann ein; andere, wie z. B. Sigmund
Feyerabend in Frankfurt, machten feinen Unterjchiev zwijchen ihnen.
Feyerabend hielt jich eben an feinen einmal feftgejtellten Nettopreis; das
nannte man jpäter die „Frankfurter Zar“.
Auch über die Verfauföbeningungen, welche der Verleger dem Sorti-
menter ftellte, werlautet in der erjten Zeit nichts, oder nur wenig. Daß
vie Buchhändler nicht umſonſt arbeiten fonnten oder wollten, bevarf
feiner Auseinanverjegung. Aber für die Quellen, aus denen die Dar-
ftellung dieſer Verhältniſſe meist zu jchöpfen hat, waren dies Nebendinge;
fie jchweigen fich darüber aus und von Gejchäftspapieren haben fich nur
fümmerliche Reſte erhalten. Es fehlt deshalb jehr an Material, um die
Frage erjchöpfend zu beantworten. Wenn aber noch irgend ein Zweifel dar:
über bejtehen könnte, daß fchon die erjten Verleger ihren buchhändleriſchen
Abnehmern Rabatt gewährten, jo würde ihn eine Stelle aus Alvus’ Brief
an Joh. Neuchlin vom 23. Dezember 1502 bejeitigen, worin er jagt,
tepp. I, 20
306 Rabattverhältnifie. Partiepreife. Fünftes
daß er und ſeine Geſellſchaft den Wiederverkäufern im großen günſtige
Nettopreiſe bewilligten. Die erſte zahlenmäßig belegte Angabe findet ſich
bei Anton Koberger, welcher in ſeinem Briefwechſel mit Johann Amer—
bach ſagt, daß er die Bibel mit der Poſtille des Kardinals Hugo zu
10 Gulden brutto und 8 Gulden netto abgebe, weil das Werk bis
dahin jo jchlecht gegangen jet. Er räumte aljo dem Sortimenter nur
20 Prozent Rabatt ein, ein verhältnismäßig jehr geringer Nuten, wenn
man namentlich die großen Spejen in Betracht zieht; allein fie beweilt
doc, daß, ganz abgejehen von der Höhe, auch in Deutjchland ſchon zu
Anfang des 16. Jahrhunderts der buchhändleriſche Rabatt fich ganz von
jelbft verftand. Im allgemeinen wurden aber unter Buchhändlern nur
größere Werfe zu Einzelpreijen und mit einem bejtimmten Rabatt ver-
handelt, Heinere und geringwertige Bücher aber — die fpätern jogenann-
ten „Riesſachen“ — nad der Bogenzahl zum Ries- oder Ballenpreije,
d. h. für 500 over 5000 Bogen. Hierbei war es gleichgültig, ob das
erhandelte Bücherguantum aus Gremplaren eines und desjelben Buchs,
oder aus den verjchiedenartigiten Werfen bejtand. Diejer Ballenpreis
trat übrigens auch beim Bezuge größerer Werfe ein, jobald es fich um
größere Partien berjelben handelte. Mit volljter Bejtimmtheit fpricht
fich dieſer generifche Umnterjchied bei der Verrechnung in den Beitim-
mungen des Vertrags der Befiger von Pantzſchmanns Buchhandel in
Yeipzig mit ihrem bisherigen Gejchäftsführer Gregor Jordan vom Jahre
1519 aus: „Was auch viel gedachte vorfäuffer von Quattern werg“ —
darunter ijt eben bie Ktleinlitteratur verftanden — „werden drucken laſſen,
daruon folfen ſy Gregorio 250 quatern, duern oder drittern, wie ſy dan
gedruckt jein vor ein Gulden geben. Yaffen fie aber große Bucher druden,
der eyns über ein gulden wert, jo follen fie ym diejelbigen an ehnem
gulden zwier grojchen mehr laſſen, dann einem frembven, uf daß er pren
druck zuvertreiben deſter mehr vleis bat.“ Dieſe zulett erwähnte Ertra-
provifion von nicht ganz 10 Prozent — für den ältern Berlag erhielt
er nur 5 Prozent — bezieht fich auf den Abſatz an andere Buchhändler.
Wie hoch der regelmäßige Nabatt war, wird nicht ausdrücklich gejagt.
Daraus aber, daß Jordan für fommijjionsweife zu vertreibende prager
Breviere nur 17 Prozent erhielt, darf fein Schluß gezogen werden, denn
biejen Artifel verhandelte die Geſellſchaft jelbft nur für Rechnung der Witwe
Johann Schmiedehofers, wollte daran jelbjt noch verdienen. Das ergibt
Kapitel.) Partiepreiſe. Aufſchlag ſeitens der Sortimenter. 307
ſich auch aus der Beſtimmung, daß Jordan verpflichtet war, das, was
er über den feſtgeſtellten Verkaufspreis an das Publikum hinaus zu er—
zielen vermochte, mit den Geſellſchaftern zu teilen.
Weiteres Material zur Aufklärung diejes Punktes bieten die Briefe
des lyoner Buchhändlers Jean Vaugris, der die Meſſen von Genf,
Paris, Straßburg, Frankfurt und Bajel regelmäßig bejuchte. Er jchreibt
am 29. Auguft 1524 an Karel, damals in Mömpelgard: „Ich ſchicke
Dir 200 «Pater» (Erflärung des «Vater Unjer») und 50 Exemplare
ber «Epistolae» (offenbar ein verloren gegangenes Werk von Farel);
aber ich weiß nicht, wie Du fie verkaufen oder verfaufen laffen willit.
Ich verfaufe das Eremplar des « Pater» im kleinen für 4 bajeliche Heller
und im großen ihrer 300 zu 2 Gulven, von ven «Epistolae » aber das
Stüd zu 6 Heller, was einen Gulden für 50 Eremplare ausmacht; aber
im großen gebe ich diefe zu 13 Sons.” Ein anderer Brief desjelben
Baugris, den er zwijchen 1510 und 1523 aus Lyon an Bonifaz Amer—
bach im Bajel jchrieb, wirft intereffante Streiflichter auf die Willkür,
mit welcher die damaligen Buchhändler die Preife der Verleger erhöhten.
So forderte Aldus für jede jeiner Oftavausgaben von Klaffifern 3 Mar-
celli (& 68 Centimes nach heutigem Geld, wenn auch nicht Kaufwert);
Vaugris dagegen verlangte nicht weniger als 5 Goldgulden (7Y/, Gul—
den) für das allerdings gebundene Exemplar. „Ich habe’, fchreibt er
nämlich, „Aldiner in Bafel. Ich werde fie zur Allerheiligenmeffe bier:
ber kommen faffen. Wenn Du welche haben willſt, jo laß es mich bei—
zeiten wijjen. Sie fojten gebunden in Bajel 5 Goldgulvden.“ 1 Chriſtoph
Froſchauer in Zürich bewilligt bei dem Bezug größerer Partien günftigere
Bedingungen. So jcehreibt er am 1. September 1540 an Joachim Vadian
über eine fleinere Schrift des lettern, er gebe fie denen, welche fie wieder
verfauften, zu 16 Baten per Gulden, aljo mit 25 Prozent. Konrad
König in Jena, der Kommiſſionär für den Vertrieb der jenaer Ausgabe
von Luthers Werfen, verkaufte jeden Band verjelben in Jena jelbit zu
18, auf ver leipziger Meffe zu 19 und auf der franffurter zu 20 Grojchen.
Bei größern Bezügen fanden dann Partiepreife ftatt; bei ganz großen
trat der ſchon erwähnte Ballenpreis ein, der hier 15 Gulden betrug. ®?
Der berühmte antwerpener Berleger Chriftoph Plantin, welcher von
1558 an die frankfurter Meſſe regelmäßig bejuchte und feine Haupt:
geſchäftsbeziehungen nach Deutjchland hatte, verkaufte die „Königs-Bibel“
20*
308 Schwanfen der Rabatthöhe, Zahlungsverhältnifie. Fünftes
für 60 Gulden an die Buchhändler und für 70 an das Publikum. Ein
vollſtändiger Topiarius ſteht für jene mit 24, für dieſes mit 30 Sous
notiert, eine flämiſche Bibel von 1566 koſtete 26 oder 35 Sous, ein
Miſſale in Folio 4 oder 4", Gulden, ein Chorbuch mit Noten 15 over
17 Gulven, je nachdem ein Buchhändler oder ein Privatmann fie fanften.
Durchſchnittlich bewilligte Plantin feinen Kollegen einen Rabatt von
15 Prozent. Als er daher im Jahre 1567 feinen für London beftellten
Agenten, Jean Defferans, beſonders bevorzugen wollte, verjprach er ihm
16?/, Prozent. Ausnahmsweije bewilligte er (offenbar wegen ver größern
Sejchäftsipefen und der Konkurrenz) jeinem parifer Dauptagenten Michel
Sonnins einen Rabatt von 40 Prozent. Es dauerte jedoch noch ein
volles Jahrhundert, che man zu dem jeßt noch beſtehenden Gebrauch des
feften und gleichen Rabatts überging. Zu dieſem Fortſchritt wirkten
unter andern namentlich auch die Eljeviere mit. ®3
Die Form der buchhänpleriichen Zahlung lehnte ſich an die feit-
ftehenven Gewohnheiten des Großhandels an und ift faſt ausſchließlich
die des Bar: und Zeitgeſchäfts. Wenn nicht bar bezahlt wurde, jo
war ein jechsmonatlicher, auf der nächiten Meſſe fällig werdender Ter-
min üblich und nur ausnahmsweiſe wurde ein längerer Kredit bis zur
zweiten Meffe gewährt. Dieſe Zahlungsweije iſt aus verjchiedenen im
franffurter Archiv befinplichen Aktenſtücken jener Zeit erfichtlich, läßt fich
aber auch durch andere Thatjachen nachweijen. So jehreibt der bereits
erwähnte Chriftoph Frojchauer am 18. September 1526 aus Frankfurt
an Ulrich Zwingli über jein damaliges Meßgeſchäft: „Verkouffens halb
hab ich nit ein böfje meßt gehapt, aber böje bezalung.” Später find
es die Abrechnungen großer Firmen unter einander, welche den Beweis
für jene Praris liefern, wie 3. B. das Nechnungsbuch der Froben und
Episcopius (von 1557 bis 1564) und die Mefregifter des Sigmund
Feyerabend, deſſen gejchäftliche Verbindungen Heinrich Pallmann in einer
vortrefflichen Schrift näher dargelegt hat.
Das buchhändleriiche Honorar kommt im ganzen 15. Jahrhundert
nicht vor umd tritt erjt tm zweiten Viertel des 16. auf. Es ift ein Kind
der jelbjtändigen geiftigen Produktion, wird aljo erjt im Gefolge ver
Reformation möglich. Bis dahin hatte es kaum Originalwerke zu ver:
öffentlichen gegeben. Das damalige Leſebedürfnis fand jo ziemlich in
dem Drud von Kircbenpätern und Bibeln, Klajfifern und Schulbüchern
Kapitel.) Honorar. Kaftigatoren und Korrektoren. 309
jeine volle Befriedigung. Dieje großen und fleinen Bücher bildeten das
Manujfript (Exemplaria) für die Preffen und die Druder hatten genug
zu thun, es zu vervielfältigen. Die Gewifjenhaften gingen es entweder
ſelbſt Fritiich durch, over ließen es von ihren gelehrten Kaftigatoren (heut:
zutage Rorreftoren) oft mit großen Koften und noch größerm Zeitaufivand
recenfieren, d. h. einer philologifchen Redaktion unterwerfen. In folchen
Fällen alſo trat ver Aufwand für diefe Hülfe an die Stelle des Hono—
rare, Die gewiffenlojfen Druder dagegen vervielfültigten das Manuffript,
wie es ihnen unter die Hände kam, und bezahlten natürlich nichts, oder
jie druckten, oft in derſelben Stadt, die gründlich durchgeſehenen Aus—
gaben anderer Verleger nach.
Die eriten veröffentlichten lateinischen Werfe wurden in der Regel von
Seiftlichen durchgeſehen; mit dem Ende des 15. Jahrhunderts traten
vielfach junge Humaniſten an ihre Stelle. Sie ſchrieben zugleich zur
Empfehlung der unter ihrer Aufficht gedrucdten Bücher Vorreden oder
fobpreijende Verſe, oder verfertigten auch Schlußnoten, im welchen fie
nicht verfehlten, fich als Kaftigatoren einzuführen. Schon Fuft und
Schöffer hatten, trotzdem daß fie von ihrem engen Handwerksſtandpunkte
aus lieber nachorudten, als jelbit zahlten, in ver Perſon des Johann
Brummen einen folchen, wenn auch liederlichen Kaſtigator. Die großen
Druder Dagegen in Nürnberg, Straßburg und namentlich in Baſel
wandten der Auswahl ihrer Tertkritifer und Kaftigatoren eine unermüd—
libe Aufmerkjamfeit zu. Ganz befonvers war Johann Froben berühmt
durch Die äußere und innere Verläßlichkeit feiner Berlagsartifel. 5 Er
juchte in ver Begeiſterung für feine Kunſt ſtets die vollenvetiten Drud-
werfe zu liefern. Bei feinem verjelben fehlte es, außer zierlicher Schrift
und gutem Papier, an ven tüchtigiten Korrektoren. Erasmus jagt
von ibm: „Froben wandte ungeheuere Geldſummen auf die Tertes-
fritifer und oft noch auf die Manuffripte” (aus denen er ven Tert end-
gültig fejtitellte). Beatus Rhenanus (1485 bis 1547) ließ fich, nachdem
er in Paris Philojophie ſtudiert und fich kurze Zeit in Straßburg auf-
gehalten hatte, in Bafel nieder und widmete feine ganze Thätigfeit der
Frobenſchen Druderei. Er war bier nicht nur Kaſtigator und Tertes-
fritifer, jondern auch Frobens Berater bei neuen Berlagsunternehmungen.
Erasmus würdigte ihn als ſelbſtändigen Schriftiteller und ſchätzte feinen
Einfluß auf Froben, jowie deſſen Schwiegervater Yachner, jehr hoc.
310 Berühmte Kaftigatoren und Korrektoren. Fünftes
Welche Mühen und Koſten Johann Amerbach für denſelben Zweck auf—
wandte, wurde ſchon im zweiten Kapitel angedeutet und wird am beſten
durch den intereſſanten Briefwechſel nachgewieſen, welchen er während
des Drucks der Bibel und der Poſtille des Kardinals Hugo mit Anton
Koberger führte; den Text der Werke des heiligen Auguſtinus ſtellte der
gelehrte Frieſe Auguſtus Dodo, Kanonikus an St. Leonhard, für ihn
wieder her. Als Amerbach 1509 eine Ausgabe der Werke des heiligen
Hieronymus plante (welche übrigens erſt 1516 erſchien) und eines
Mannes bedurfte, der alte griechiſche Handſchriften entziffern konnte,
wandte er ſich an Reuchlin und begründete ſeine Bitte um Unterſtützung
mit den Worten: „Wenn Du mich verläſſeſt, weiß ich keinen andern in
Deutſchland, der mir helfen könnte.““ Auch Sebajtian Brant beſorgte
während jeines Aufenthalts in Bajel Korrekturen für Amerbach, war
indefjen in dieſer Eigenjchaft auch bei andern Verlegern thätig. Der
jpätere Neformator Philipp Melanchthon trat, ein faum ſiebenzehnjähriger
Süngling, 1514 bei Thomas Anshelm in Tübingen gleichfalls als Kaſti—
gator und Korreftor ein und war bis 1516 anhaltend für deſſen Preſſen
thätig. So hat er acht Lateinische Werfe für ihn durchgeſehen und forri-
giert, darunter Nauclers Chronik und eine Ausgabe der Komödien
des Terenz von 1516. Auch fpäter noch ſtand Melanchtbon mit Ans-
helm in vegen Verfehr, bejuchte ihn in feinem Laden auf der frankfurter
Meſſe, gab feine Adreſſe dort an und ſetzte auch feine Beziehungen zu
ihm fort, als Anshelm 1518 nah Dagenau verzogen war. Melanch—
tbons unmittelbarer Vorgänger bei diefem war Johannes Hiltebrand,
Profeffor Artium an der tübinger Univerſität, welcher jich mit Stolz
Castigator Chaleographiae Anshelmitanae nannte und nennen ließ.
Er ſah mamentlich zwifchen 1511 und 1514 lateinijche und griechijche
Srammatifen, jowie auch die „Epistolae virorum clarorum“ durch. 6
Konrad Pellican (1478 bis 1556) erzählt mit rührender Bejcheidenbeit in
jeinem „Chronikon“, wie ver bafeler Druder Adam Petri und Frau ihm im
Frühjahr 1523 umſonſt Speife und Trank gegeben hätten. Dafür aber be-
zahlte Petri die wertvollen Dienjte nicht, welche ihm Bellican als Korrektor
bei drei verſchiedenen Nachdrucken von Yuthers Bibel leiftete, Auch Chri—
jtoph Frojchauer in Zürich verjtand es, wie die bajeler Druderherren, ganz
vortrefflich, Pellican gegen gar fein oder nur geringes Honorar für Tertes-
durchfichten, Korrekturen oder Inhaltsverzeichniffe auszubenten, 57
Kapitel.) Berühmte Kaftigatoren und Korreftoren, 311
Die Namen dieſer hervorragenden Männer werden genügen, um
die hohe Bedeutung ihrer Aufgabe zu würdigen. Es ließen ſich ihnen
leicht noch Hunderte anreihen, welche in derſelben Weiſe thätig waren,
und namentlich gute Klaſſikerausgaben herſtellten. Im Auslande machte
ſich ganz dasſelbe Verhältnis geltend; die lyoneſer und pariſer Kaſtiga—
toren ſtanden in keiner Weiſe hinter den deutſchen zurück. Daß Aldus
in Venedig Gelehrte erſten Ranges als Texteskritiker beſchäftigte, bedarf
feiner weitern Ausführung. Es genüge bier, einige feiner älteſten Mit:
arbeiter zu nennen, wie den fpätern Kardinal Hieronymus Aleander
(1480 bis 1542), denjelben, der 1521 in Worms die Reichsacht gegen
Luther mit wenig wählerifchen Mitteln durchſetzte, Pietro Bembo, ſowie
die Griechen Markus Mujuros, Demetrius Ducas, Johann von Kreta
und vor allen Erasmus’? Wie vornehm übrigens bedeutende Kaftiga-
toren ihre Stellung auffaßten, beweilt das Beifpiel des Prager Sigis—
mund Gelenius (1497 bis 1554). Diejer war bei Froben ſchon lange
Jahre für die Herausgabe klaſſiſcher und hebräiſcher Werfe thätig, als
ihn Melanchthon 1525 als Yehrer der griechifchen und lateiniſchen
Sprache für die in Nürnberg neu zu errichtende gelehrte Schule vor-
ihlug. Gelenius nahm aber trotzdem, daR ihm ein Gehalt von 100 Gold:
gulven geboten wurde, den Ruf nicht an. Erasmus jagt 1529 von ihm:
„Zigismund Gelenius ift ohne alle Prablerei ein ausgezeichneter gelehrter
Mann, und, was bei Gelehrten jelten ift, ein feiner Kopf von ſcharfem
Urteif, ver vieles glüdlich erfaßt bat, was andern entgangen ift.“ Die
Höhe des Honorars, welches die Kaftigatoren von den Verlegern für
ihre Mübewaltung erhielten, ift aus den Quellen nicht erfichtlich. Man
wird fich jo billig als möglich mit ihnen abgefunden und je nach Stellung
und berechtigten Anjprüchen dem einen mehr, dem andern weniger be-
zahlt haben. So jchreibt Beatus Rhenanus am 10. Mat 1517 an
Grasmus: „Lachner verjpricht, fih Dir für Deine Arbeiten dankbar zu
erweiien. Du wirft für Deine Textesreviſion der Werke des göttlichen
Auguftinus im nächiten September etwas erhalten, denn er berät fich
jetst in Frankfurt mit Koberger über dieje Angelegenheit.“
Mit den Fortjchritten der Reformation hörte aber die bisher auf
den forreften Text der Bücher verwandte größere Sorgfalt auf. Empört
über die täglich mehr einreipende Yiederlichfeit, ſchreibt Erasmus 1528:
„daß ein jolcher Autor mit folchen Kojten fo fehlerhaft herausgegeben
312 Fehlerhaftigfeit der Ipätern Drude. Honorar. Fünftes
iſt, kommt nur dem gleich, was uns jetzt aus Italien geboten wird.
Da ſiehſt Du, was die verfluchte Geldgier bewirkt. Welche Entweihung
wird um wenige Goldſtücke begangen, für welche man einen gelehrten
Terteskritifer haben könnte!“ Im Italien wurde das Übel fogar mit
jevem Tage ſchlimmer. Etwa ein Bierteljahrhundert jpäter, am 4. Fe—
bruar 1554, jchreibt der Juriſt Tanner an Bonifaz Amerbach, „der
Preis der italtenifchen Bücher ift fo hoch, daR viele dadurch vom Kaufen
abgejchredt werden. Man druckt in Italien und namentlich in Venedig
äußerſt fehlerhaft. Die dortigen Druder wollen nichts mehr an ge:
lehrte Korreftoren wenden. Der päpitliche Yegat will die ältejten Denk—
mäler der marcianijchen, florentinifchen und vatikaniſchen Bibliothek den
bajeler Drudern liefern, damit fie in Baſel jobald als möglich gedruckt
werden.?” Die Auflage ließe ſich dann in Deutjchland und Franfreich,
wo man diefe Werfe am eifrigiten jtudiert, leicht verbreiten.” Diejer
Unfug des fehlerhaften Druds, mit welchen gewöhnlich eine möglichit
ſchlechte Ausjtattung Hand in Hand ging, befchränfte fich aber nicht
allein auf Italien; Deutjchland Tief ihm und allen übrigen Ländern
leiver bald den Rang darin ab. Der Dreißigjährige Krieg drängte es
auf diefem Felde auf bie fette Stufe herab. Man fing eben am un-
rechten Ende an zu ſparen und ſchämte fich nicht, jeitenlange Druck—
fehlerverzeichniffe als Anhang zu ſelbſt wenig umfangreichen Büchern
zu bringen.
Wenn nun auch die Gelehrten fich ihre Dienfte als Kaftigatoren,
Zertesreviforen und Korrektoren hatten bezahlen laffen und bezablen
liegen, jo galt e8 unter ihnen doch lange für fehimpflich oder wenig-
ſtens — es jei bier ein fremder, aber äußerſt bezeichnender Ausdruck
geftattet — für ungentlemanfife, für ihre eigenen Schriften Honorar
zu nehmen. Natürlich wollten und konnten fie aber auch nicht ganz
umſonſt arbeiten. So wurden fie denn einerjeits von den Verlegern
mit Bewilligung einer bejtimmten Anzahl von Freieremplaren oder mit
Geſchenken von andern Büchern oder auch mit jonftigen nützlichen Din—
gen abgefunden; andererjeits aber rechneten fie auf Gejchenfe in barem
Gelde oder Gnadengehalte, welche jie von Fürſten oder jonftigen vor-
nehmen Perjonen, oder reichen Gönnern gegen Dedifation ihrer Werfe
zu erhalten pflegten. Grasmus rühmte fich wiederholt in dieſer Weiſe
honoriert worden zu fein, während er fich ängitlich von dem Verdacht
Kapitel.) Anfichten über das Honorar der Autoren. 313
einer Barbezahlung durch jeine Verleger zu reinigen ſuchte. Wie ver
große Gelehrte fih Scaliger und Carpi gegenüber, welche ihn wegen
eines ihm angeblich von Aldus gezahlten Honorars hart angegriffen
hatten, emergifch gegen einen ſolchen angeblichen Schimpf verwahrt hatte,
jo erwiderte er auch auf die Anklage Huttens, daß die Zueignungen
jeiner, der Erasmiſchen Schriften, nichts als Geldjägereien feien: ev
babe von Privatperjonen nicht einmal einen Dank dafür angenommen
und von dem Fürften kaum etwas dafür erhalten, gebettelt aber habe er
bei feinem. Und doch jei e8 in Betracht ver Bepürftigfeit des menjch-
lien Lebens verzeihlicher, durch ehrlichen Fleiß auf die Freigebigfeit der
Fürſten Jagd zu machen, als von den Freunden zu leihen, was man
ihnen nicht wiederzugeben gedenke. Hutten jei vom Ritter zum fißen:
den Arbeiter geworden und fertige Schriften, wie die gegen ihn (Eras—
mus) gerichtete, auf Erwerb an, und zwar auf einen doppelten, indem
er fich erit von dem Befteller für die Schrift, dann won denen, gegen
welche jie verfaßt, dafür bezahlen laffe, daR fie nicht gedruckt werde.
Bereits babe ihm auch, wie verlaute, der Buchdrucker für feine „Ex-
postulatio” etwas bezahlt. Es iſt zugleich charafteriftiich, mit welchem
Eifer Otto Braunfels, Huttens Verteidiger gegen die Erasmifche „Spon-
gia“ (Schwamm), den legten Punkt zu widerlegen jucht. Hutten, jagt
er, babe ven Druder jeiner Streitjchrift gar nicht gekannt, und diejer
fönne bejchwören, ihm nichts dafür gejchenft zu haben. Doch meint er,
wenn dies auch der Fall gewejen, jo liege darin immer noch nichts Un—
rechtes. Ob man fich denn für feine Arbeit nicht belohnen laſſen dürfe,
und ob nicht Erasmus jelbit zumeiit von folchem Erwerb lebe? Be—
tannt jei doch, dar fein Verleger Froben ihn für mehr als 200 Gulden
jährlich zu Baſel unterhalte. Ebenſo eifrig widerſprach nun aber fofort
Erasmus diefer Angabe, durch welche er ſeine Ehre für beeinträchtigt
hielt. °° Glücklicherweiſe haben fich ſeitdem die Anjchauungen geändert.
Yutber bat für jeine Arbeiten nie ein Honorar erhalten und nabın
höchſtens von feinen Berlegern einige Freieremplare in Anſpruch. Er
fand es ſogar unerhört, daß fich ein Überſetzer einen Goldgulden für
die Uuaterne zahlen ließ.“ Dagegen verfaufte Thomas Murner 1514
an ven Buchhändler Mathias Hupfuff in Strafburg jeine „Geuchmatt“
für 4 Gulden (nach heutigem Gelpwert etwa 4O Gulden). 6? Die Summe
üt nicht jo unbeveutend, wenn man bevenft, daß 1526 Bellican, aller:
314 Höhe und Verichiedenheit des Honorars, Fünftes
dings ein anſpruchsloſer Mann, mit 16 Gulden per Jahr [eben konnte 63
und daß Scheurl um 1506 den jährlichen Unterhalt eines wittenberger
Studenten auf 8 Gulden jcehätte. 6% Der berühmte Humanift und Juriſt
Ulrich Zaſius (1461 bis 1535) verlangte für feine 1526 erjchienenen
„Intellectus juris singulares” von feinem Verleger in Bafel 50 Gul-
den Honorar und erhielt diefe damals beveutende Summe, *° Dfolam-
padius jchreibt am 31. Yuli 1531 an Zwingli, daß er für 3 Bogen
jeiner Kommentare zur Bibel einen Gulden Honorar erhalten habe. ©®
Konrad Gesner hat ſchon um diefelbe Zeit im Auftrage ver Buch—
hänpfer gejchrieben und von dem ihm gezahlten Honorar gelebt. Seine
erſte Arbeit (ein griechiich-Tateinifches Yerifon unter Zugrundelegung des
Wörterbuchs Guarino’s von Favera, welches 1525 bei Zacharias Ka—
liergi in Rom erjchienen war) hatte er im Auftrag von Heinrich Petri
in Baſel unternommen, weil er mit feinem Stipendium nicht auskam.
Sodann jchrieb er 1539 von Lauſanne aus, wo er Profeffor war, daß
faum eine jeiner Schriften jo ausgearbeitet jei, wie es der Gegenjtand
erfordere und wie es hätte geichehen Tönnen, wenn er mehr Mufe ge:
Habt und mit feinen Studien länger zurückgehalten hätte. Das fei ihm aber
bei jeiner beprängten häuslichen Yage nicht vergönnt gewejen, „denn ich
und meinesgleichen‘, führt er wörtlich fort, „find genötigt, für das täg—
liche Brot zu ſchreiben“. In einem feiner fpätern Briefe an Bullinger
vom Jahre 1558 jagt Gesner unter anderm: „Warum läffeft Du venn
das Biücherjchreiben nicht beifeite, möchte mir jemand einwenden, und
begmügft Dich nicht mit Deiner Bejoldung ? worauf er mit der Gegen:
frage antwortete: „Wer hätte mich und die Meinigen erhalten, da Ihr
mir ziemlich lange nicht mehr als 30 Gulden jährlich zukommen lieket?
Woher hätte ich mir ein Haus gekauft, wie hätte ich meine Verwandten,
wie meine Neffen und Nichten, von denen die meijten jehr arm find,
wie meine teuere geliebte Mutter unterſtützen können?‘ Konrad Gesner
war allerdings ein für feine Zeit bedeutender und fruchtbarer Schrift-
jteller, deshalb auch ſehr geſchätzt, ſodaß man von ihm nicht auf andere
jchließen darf. Umfangreiche Werke von Autoren erften Ranges wurden
damals zwar jehr gejucht, allein auch ebenjo jchlecht bezahlt. Dieje That-
ſache erhellt aus einer Stelle desjelben Briefs, worin es heißt: „Buch—
druder verlangen nur große Bücher, Kleine wollen fie gar nicht verlegen,
auch wenn man nichts dafür fordert.‘
Kapitel.) Höhe und Verjchiedenheit des Honorars. 315
Der Juriſt Tanner jchreibt am 26. Oftober 1554 an Bonifazius
Amerbach ©, „daß Herwagen nur dann den Drud der «Juſtinianeiſchen
Novellen» in Angriff nehmen wolle, wenn er (Tanner) jich mit einigen
freieremplaren als Honorar begnügen werde. Für ſich perjönlich jei
er zwar damit einverftanden, indefjen werde es vorausfichtlich der püpit-
libe Yegat nicht fein, der ihm die Dandjchriften mitgeteilt habe. Er
erjuche deshalb Herwagen, daß er nach dem in ganz Frankreich unter
den Drucdern geltenden Gebrauch wenigftens 12 Exemplare bewilligen
möge.“
Bare Honorarzahlungen bilden bis zum 18. Jahrhundert die Aus:
nahme und find immer gering, ja demütigend. 6° Der Berleger und
Druder Cyriacus Jacob in Frankfurt a. M. zahlte laut Vertrag vom
27. November 1540 dem Johann Schwenter für eine Auflage von
1200 Erempfaren der von dieſem herausgegebenen deutſchen „Evangelien:
Surmonie” ein Honorar von einem Kreuzer per Eremplar, In einem
Prozeß, welcher fich zwijchen Peter Kopff in Frankfurt a. M. und Vö—
gelin’s Erben in Yeipzig wegen eines angeblichen Nachdrucks entſpann,
ichreibt der Verfaffer des betreffenden Buchs, ein Dr. Gregorius, 1594
über die Berlagsbedingungen: „Ich habe ſchon vorhin erklärt, dag viel
Mühe und Arbeit darauf gegangen, denn über 4O Jahre daran colli-
giert und gearbeitet habe, deswegen mir eine ehrliche Ergeglichkeit dafür
gebührt, weil das Werf nüglich und groß iſt. Und ob ich wohl mehr
denn 100 Thaler dafür befommen fann, will ichs Euch doch dafür zu—
fommen fajfen, wovon mir die Hälfte jchon in der Meſſe gewiß über:
jandt, auch nach dem Drud die andere Hälfte und 5 Gremplare auf
Eure Koften überjchit werden möchten.” In einem zweiten Briefe
wundert er fich, daß dieſe Forderung dem Peter Kopff zu viel fei, und
begnügt fich mit 50 Thalern und 10 Freieremplaren. Und dabei jollte
das Werf über 100 Bogen in Folio ſtark werben!
Für die meisten Gelehrten jener Zeit war eben die Schriftitellerei
ein Nebengejchäft, bei welchem ver Geldgewinn erſt im zweiter Yinie
jtand. Nur hieraus erflärt fich die geradezu jümmerliche Honorierung
ihrer Arbeiten. Natürlich hatten die Berleger ein jehr naheliegendes
Intereffe daran, die von ihnen gezahlten Honorare möglichjt niedrig zu
halten; das gelegentlich hervortretende Faktum einer wirklich anſtändigen
Honorierung erregte unter Umftänden Unbehagen, ja eine komiſche fitt:
316 Ärmlichkeit des Honorare. Stellung der Buchhändler dazır. Fünftes
liche Entrüftung unter ihnen: fie machten fich dann des Grasmus An—
ſchauungen zu eigen. Ein wahrhaft draftifches Beiſpiel bierfür bieten
die Leipziger Buchhändler in einem Gutachten vom 20. Januar 1600,
welches fie über das Gejuch Georg Gruppenbahs in Tübingen um ein
kurſächſiſches Privilegium gegen den Nachdruck abzugeben hatten. Grup-
penbach hatte zur Begründung feines Gejuchs mit angeführt, daß er
dem Dr. Mojes Pflacber für eim größeres theologiiches Werk ein Ho—
norar von 500 Gulden — allerdings eine jehr beveutende Summe —
gezahlt habe. Darauf bin bemerken die ſich wahrjcheinfich ſchwer ge
troffen Fühlenden, „das Gruppenbach jolches nicht mit geringem jchimpf
bemeltes fhurnemen Theologj anzeugt, als wurde mit des H. Geiftes
gaben Simon) getrieben, deſſen Chrijtliche Theologen ihnen nicht gerne
wurden nachjagen Laffen ‘16?
Bei der großen Konferenz gelang den PVerlegern denn auch das
Herabvrüden der Honorare nur zu gut. Die Periode, welche die Zeit
von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis zum Dreifigjährigen
Kriege umfaßt, iſt eine verhältnismäßig glücliche und reiche für dus
Erwerbsfeben des deutſchen Volks; Künfte, Gewerbe und Wiſſenſchaft
hatten jogar im den erjten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts
ihren Höhepunkt erreicht. Indeffen blieben von diejer günftigen Wen-
dung dev Dinge die Gelehrten jo gut wie ausgejchloffen. Der befannte
Polyhiſtor Melchior Goldaſt (von Daiminsfeld) fiefert in feinen und in
den an ihn gerichteten Briefen viele Beispiele dafür. So bot der jchen
erwähnte bedeutende Verleger Peter Kopff dem Duirinus Reuter einen
halben Thaler Honorar für dem Bogen, während dieſer lettere von
einem andern Frankfurter Buchhändler, Egenolph Emmel, für ein an-
deres Werk einen halben Gulden per Bogen forderte, da er einen ganzen
nicht zu erlangen vermöchte, Der Hiftorifer Marquard Freher bat am
27. Juni 1606 Goldaſt, bei dem Verleger Börner anzufragen, ob dieſer
für ihn ein Buch in Mittelichrift gegen 100 Freieremplare verlegen
wolle, die er, der BVerfaffer, feinen Freunden zu ſchenken beabfichtige.
„Wenn unfer Verleger Luſt hat“, fehreibt derſelbe Freher nochmals am
7. Februar 1607, „die vermifchten Schriften von Wilibald Pirdheimer
zu druden, deren Herausgabe mir anvertraut ift, jo werde ich jelbjt zu
beijern Beringungen mit feinem andern unterbandeln, da ich mit cen-
tum exemplaribus uff Schreibpapier contentus bin.“ „Si quid in-
Kapitel.) Die Dedifation und ihre Bedeutung. 317
super extorquere poteris, tibi cedat sinam“ lautet der Köder für
Goldaſt. Quirinus Reuter, derjelbe heivelberger Profeſſor, welcher feine
Werke zu einem halben Gulden per Bogen verfaufte, ruft am 22. No-
vember 1609 in einem Briefe an Goldaſt wehmütig aus: „Männer
uniers Standes pflegen den Buchhändlern zu dienen; dieſe haben ven
Gewinn, was aber haben wir?” „Bon meinem Verleger‘, Elagt Freher
endlich 1610 wieder, „babe ich bloß einen halben Reichsthaler für ven
Bogen erhalten fünnen und auch dies Honorar nur äußerſt widerwillig.“
nur noch jchlimmer, denn fortan war die Yage des Buchhandels eine
äußerſt gedrüdte, und wenn früher unter allen möglichen Vorwänden
nicht gezahlt wurde, jo war es im ber zweiten Hälfte des 17. Jahr—
bunderts beim beiten Willen meiftens faſt unmöglich.
Aus dieſen jümmerlichen Donorarbezügen entwidelte ſich ein anderes,
noch größeres Übel, der oben bereits angedeutete Dedifationsunfug, den
natürlich die Verleger begünftigten, weil er einen Teil der eigentlich
ihnen obliegenden Laſt auf andere Schultern wälzte. Wenn die Dedi—
fation urjprünglich lediglich die Bedeutung einer Chrenbezeigung oder
der Huldigung und der Verehrung gegen die Perjon des Bewidmeten
batte und dieſen Charakter in neuerer Zeit auch wieder erlangt bat, jo
war fie in der Mitte des fjechzehnten Jahrhunderts in der Regel nur
ein anfangs verjchämtes, ſpäter aber unverſchämtes Mittel, fich einen
Hleinern oder größern Nebenvervienft zu jchaffen. Natürlich wurde mit
diefen unterthänigiten und allerunterthänigſten Dedifationen auf die Eitel-
feit der Gönner jpefuliert und bejonders gern reichen Mäcenaten, vor:
nehmen Herren und dem Rate der großen Neichsjtänte gehuldigt. Der
Humanift Konrad Goclenius (Godeln aus Mengeringhanjen im Stifte
Paderborn, 1485 bis 1535) winmete dem englifchen Kanzler Thomas
Morus jeine lateiniſche Überjegung des Lukianiſchen Dialogs „Hermo—
tinios” und erhielt dafür einen vergolvdeten, mit Goldſtücken gefüllten
Beer. Als Kaſpar Stüblin 1558 dem Kaiſer Ferbinand feine Über-
jegung des Euripides ins Yateiniiche winmete, erfolgte die Verfügung,
daß er „mit einer ziemlichen Bejoldung zu Freiburg angejtellt werden
jolle, vie Rudimenta graecae linguae in universitate publice zu
Ichren“. Jener Widmung an Thomas Morus liegt offenbar feine ge-
winnjüchtige Abficht zu Grunde. Kine jolche läßt fich jelbitrevend auch
318 Entgelt für Dedikationen. [Fünftes
nicht bet Calvin vorausjegen, als er 1555 dem Rate der Stadt Frank—
furt feine „Harmonia Evangelistarum“ dedizierte und bafür eine „Ver—
ebrung” von 40 Goldgulden empfing. Ganz Kar liegt aber die Abficht,
einen Gewinn zu erzielen, vor bei Sigmund Feyerabend in Frankfurt
a. M., einem der beveutendjten, aber auch zugleich geriebenften Buch—
händler jeiner Zeit. Er hatte dem dortigen Rate am 2. April 1566 Rüx—
ners jocben bei ihm erjchienenes „Turnierbuch“ verehrt. Als er mehrere
Wochen lang von der Annahme des Gejchenfs nichts hörte, ließ er am
25. April anfragen, „ob man Ime Dagegen etwas ergetlichfeit thun wolle?“
Der Rat bejchloß jedoch, „man ſolle e8 damit verbleiben laſſen“. 7°
Allmählich bildete fich eine fejtftehende Praris für Behandlung diefer
Bettelei aus, die mit dem Jahre 1570 bejonders ftarf wurde. Ver—
feger oder Berfaffer behielten fich jogar vertragsmäßig die Derifation
vor. Ein im föniglich ſächſiſchen Geheimen Hauptjtaats-Archiv befind-
fiber Band (Loc. 7208) zählt von 1571 bis 1670 nicht weniger als 192
„von unterjchiedenen Antoribus bejchehene Devdifationes an die Kur-
fürjten von Sachſen“. Faſt jedes deutjche Archiv enthält derartige Ver:
zeichniffe. Im der Stadt Zürich find von 1670 bis 1685 nicht weniger
als 38 folcher Dedifationen erledigt. Adelige Schriftjteller erhielten eine
größere Verehrung als bürgerliche, Gelehrte von Ruf mehr als jonjtige
Schriftjteller, Glaubensgenoſſen wurden bejjer behandelt als die An-
gehörigen anderer Konfeſſionen. Unbedeutende Autoren wurden häufig
mit böchftens ein paar Thalern oder Gulden abgejpeift, oder auch be-
deutet, es mie wieder zur wagen, „Sich mit ähnlichen Anerbietungen un—
angenehm zu machen“ Die Fürften wurden bald jo gleichgültig gegen
ſolche Gejchenfe, daß fie nicht mehr darauf antworteten, im günftig-
jten Falle fich nach langer Verzögerung eines Beſcheids von ihren Mi—
niftern dazu drängen ließen, oder auch furzer Hand ablehnten. Die
Kurfürften von der Pfalz waren im 16. Jahrhundert wohl die frei-
gebigften unter ihren Stundesgenofjen, die von Sachſen als Yandes-
herren von Peipzig dagegen öfter beimgefucht und die Hohenzollern auf
diefem Ohr ziemlich taub. Im den Reichsjtänten behandelte man die
Dedifanten je nach Yaune und zahlte je nach dem Inhalt der Stabdt-
kaſſe. Beifpiele find beinahe überflüffig, wo Taufende von Büchern mit
ſolchen Widmungen verjehen find; indeſſen mögen doch einige charafteri-
ftijche Fälle aus Dresden und Zürich hier ihren Plaß finden.
Kapitel] Beiipiele aus Sachſen und aus Zürich. 319
Eine der ältejten, dem Kurfürften Auguft überreichten Widmungen
icheint die der „Aftronomie” des Joh. Emmenius zu fein (fie tft ohne
Datum). Am 24. Juni 1571 bat der Hurfürft Kafimir von der Pal;
Auguft, eine Devikation des Dr. Veit Poland: „De bello Partico”
anzunehmen. Die Witwe des Dr. Yorenz Span von Spans jchreibt
1575, „ihr Mann babe drei Büchlein «de peste» dem Kurfürſten
unterthänigft präfentieren laffen, darauf ſei ihm zum Beſcheid geworden,
daß er in zwei Monaten wiederum amfuchen folle, in welcher Zeit er
aber verftorben. Weil fie fih dann mit Franz Schönaichs Weib bier-
ber begeben, jo bitte fie demütigſt, Kurfürftliche Gnaden wolle fie noch—
mals gnädigft beantworten.“ Im Jahre 1597 fragten die Räte an, was
für die Dedifation der ehemals von Johann Pomarius in das Hoch—
deutſche überjegten und von Matthäus Dreffer vermehrten „Altſächſiſchen
Chronik” gezahlt werben jolle, und fahren fort: „So überjenden wir
E. 8. Gnaden hiermit jolh Buch unterthänigft, und weil der Autor
ein vornehmer gelchrter Mann zu Yeipzig iſt und E. F. Gnaden ge-
fehrten Leuten gnädigft wohlgewogen, jo ftellen zu E. F. Gnaden wir
biermit in Unterthänigfeit, was Sie Dr. Dreffero für jolche Dedikation
zu geben in Gnaden anorpnien und befehlen wollen.” Die Akten jagen
nicht, wie der Kurfürjt diefe Eingabe bejchier.
In den züricher Akten jteht als die erjte eine Widmung Konrad
Gesners verzeichnet, welcher dem Rate („Meinen Gnädigen Herren‘) im
September 1551 fein Buch von den vierfüßigen Tieren „verehrt hatte,
Er erhielt dafür als Gegengabe 10 Mealter Kernen (Roggen oder Wei-
zen) und 10 Eimer Wein jährlich. Im Februar 1589 nahm ver Rat
ein ihm vom bajeler Antiftes Grynäus dediziertes Buch am und jchenfte
ihm dafür ein mit dem Stabtwappen gejchmüctes Silbergejhirr von
60 Lot. Im April 1625 dagegen erhielt Nikolaus Sarer in Aarau
„ſeinen in einem offenen «Dedifationd» Zedull präjentierten Weltglobus
nebſt 4 Gulden Zehrpfennig wieder zugejandt, weil man mit vergleichen
Saden genug verjehen ift“. Am 20. Januar 1641 wurden dem
N. Obrecht von Straßburg für feine dem Rate verehrten „Consilia
politica” 6 Reichsthalfer aus dem Säckelamte zugejprochen, am 10. April
1643 dem Aovofaten Rudolf Faber aus Grenoble für Devifation feines
„Operis juridiei tripartiti” 30 Kronen gefchenft und die Dr. Ziegler,
Pannerträger Hirzel umd Profeffor Weiß angewiefen, ihm Gejellichaft
320 Verhalten des Nats in Zürich bei Dedifationen. [Fünftes
zu leiften und ihn gaftfrei zu halten. Dagegen befand man am 1. No-
vember 1645 „für thunlich, daß das Tractätli, jo der zu Genf fich auf-
haltende Herr Brios unter dem Titel: «L’homme hardy ä la France»
M. G. Herren präjentiert und ihres Rats begehrt, jupprimiert werde,
Ihme aber 10 Kronen zuzuſprechen und ein Schreiben an ven fran-
zöfijchen Ambaſſadeur zu bewilligen“. Im Juni 1652 nahm ver Rat
zwar von Friedrich Neiff in Tübingen deſſen Verdeutſchung der viel-
gedructen „Wundarznei‘ des Kabricius Hildanus an und danfte ihm pri-
vatim dafür, bejchloß aber, „Die Gegenverehrung mit Bern und Schaff-
baujen zu beratichlagen”. Dem Andreas Gojta wurden am 15. Januar
1659 für feine „Oratio de religione et gratitudine” nebit Zahlung
der Eremplare zugleich zu einer Hausjteuer „semel pro semper“ 3 Malter
Kernen, 3 Eimer Wein und 25 Pfund Geld zugefprochen. Dagegen er-
hielt Dr. Jakob Vollmar, auf der hohen Schule zu Marburg, für jeine
dem Rate überreichten und gnädig angenommenen „Theses de luxa-
tionibus” am 5. Januar 1663 den Bejcheid, „daß man ihme deſſen
ins Finftige werde genießen laſſen“. So geht es Jahr für Jahr fort.
Am 23. April 1670 aber heißt es im Natsprotofoll: „Weilen das De-
dizieren al® eine Species mendicandi zu gemeyn werben will, jo wurde
Hear N. N. von Heffen-Kaffel (Name im Original nicht genannt) für
jein präjentiertes Büchli: «Das Fried und Yiebesbandli» mit 2 Neichs-
thaler abgejpijen (abgejpeift) und ihm die Exemplare nicht abgenommen.’
Diefer Zorn hielt aber nicht lange an, wenigſtens den vornehmen Schrift-
jtellern gegenüber nicht, denn jchon am 4. März 1672 wurde die Wid—
mung der „Hiſtorie“ des Profeffor Ott mit Dank angenommen, wel:
chen man auch die verehrten Exemplare bezahlte; der „obrigfeitlichen
Verwahrung halber“ jolle er aber gleich den andern biefigen Autoribus
gehalten werden. Am 16. März 1674 erhielt der Pfarrer Bartholo-
mäus Anhorn in Biichoffszell für feinen, M. G. H. dedizierten Traftat:
‚don dem Aberglauben und der Zauberey“, wovon er 218 wohlgebundene
Exemplare verehrte, für jeine Unkoften und als Gegenverehrung 300 Fran:
fen zugejprochen. (Im Original undeutlich, ob e8 Fr. oder Fl. heißt.)
Dem obenerwähnten Profefjor Dit wurden am 21. März 1681 für
jeine Widerlegung des Anti» Barovius die Drudfoften für 1000 Erem-
plare bezahlt, wovon ihm 600 überlajfen blieben, während der Kat 400
für fich behielt. Profeſſor Schwizer Suicerus) fonnte ſich laut Beſchluß
Kapitel.) _ Erträgnifie von Melchior Goldaſts Debdifationen. 321
vom 7. Juni 1682 für feinen „Thesaurus ecclesiasticus”, an welchem
er X Iahre lang gearbeitet hatte, entweder Geld oder zwei vergolvete
Schalen wählen. Dagegen befam der Bibliothefar Georg Schielen in
Um, welcher dem Rate 40 Erempfare feiner politifchen und philoſophi—
ihen Kriegs- und Friedensgeſpräche eingefandt hatte, am 17. Februar
1683 den Bejcheid, „daß diejelben zu feiner Verfügung gehalten würden
und daß er künftig M. G. H. mit dergleichen Ungnad verjchonen möge”.
In einigen Ausnahmefällen beliefen fich übrigens die Verehrungen auch
auf viel höhere Summen, als ein Berleger fie damals ſelbſt dem be-
dentendften Schriftfteller zahlte. So bewilligte nicht allein Zürich am
30. Juli 1690 dem Ratsherrn Rahn für feine, ven evangelijchen Städten
dedizierte „Eidgenöſſiſche Hiſtorie“ 200 Reichsthaler, jondern Bern er-
kannte ihm „ohne jedes Bedenken“ die gleihe Summe zu, Bajel ein
Goldſtück von 20 Dukaten, Schaffhaujen 40 Reichsthaler und St. Gallen
40 NReichsthaler, alfo im ganzen 480 Thaler und 20 Dufaten.
Diefen Beijpielen mögen fich noch einige charafteriftiiche Angaben
aus der reichen Sammlung der an Goldaſt gerichteten Briefe anfchließen.
Unterm 7. Februar 1606 meldet Johann Kraft in Ulm dem Gofpaft,
daß er dem ihm gejandten „Codex“ dem Senat ber Freien Stadt über-
reiht und von biefem für den Verfaffer ein Gelpgejchenf von 10 unga—
riihen Dufaten bewilligt erhalten babe. David Lange in Memmingen
berichtet am 18. März 1606, daß die dortigen Natsherren große Aus-
gaben für den Türkenkrieg zu machen hätten, daß fie faft täglich mit
Devifationen heimgeſucht würden, jelbjt auch gar nichts von litterarijchen
Dingen verjtänden, weshalb fich Goldaft für die Überſendung feines
Kommentars mit einem Dufaten begnügen müfje. „Du wirft“, jchreibt
Freher am 23. Januar 1608 aus Heidelberg an Golvaft, „vie im Auf—
trage beider Fürſten in der Kanzlei für Di in Empfang genommenen
SO Gulden und zwar 50 Gulden in 20 Dufaten im Namen des Rur-
fürften und 30 Gulden in 20 Thalern im Namen des Prinzen dem—
nächit erhalten. Dan muß nie, ich vate Dir's“, meinte Freher am
Schluß, „Gnadenpfennige desperare.” Dieje reiche Spende ſchmeckte er-
Härficherweife befjer als der übrigens nicht zurückgewieſene memminger
Bettelpfennig. Goldaſt verfuchte bald darauf noch einmal fein Glück
beim pfälzer Kurfürften und zugleich auch beim Herzog von Würtem-
berg. Und wirklich, am 3. November 1609 gratulierte ihm der furs
Rapp. IL 21
322 Miffredit und Ende des Dedifationsunfugs. Fünftes
fürſtliche Rat Lingelsheimer zu der Freigebigkeit des Würtembergers und
ſchickte ihm zugleich wieder SO Gulden pro honorario im Auftrag des
Kurfürften. Am 4. Juli 1610 meldete der Theologe Rafael Eglinus
in Marburg, daß ihm ver Herzog Johann Adolf von Holftein für feinen
„Kommentar zur Apokalypſe“ ein Honorar von 100 Dufaten gejchentt
habe. ?!
Übrigens benutzten jchon gegen Ende des 16. Jahrhunderts Gauner
in betrügerifcher Weife die Gewohnheit, für die Überreihung von Büchern
Geſchenke zu geben, wie dies aus Samuel Dilbaums „Quadripartita
Historia Anni 1594 hervorgeht. In der Widmung an Biürgermeijter
und Rat von Kempten und Kaufbeuren jagt nämlich Dilbaum, er richte
diejelbe unter anderm deshalb am jene, „daß ich mich bei E. E. und 9.
purgiere und entſchuldige, da ich glaubwürdig berichtet worden, daß
dem ehrenhaften und wohlweifen Herrn Bürgermeifter der Stadt Kauf-
beuren ungefähr vor einem Jahre ein Traftätlein von dem hoben Ritter;
jtand in meinem Namen, jedoch außer meines Wiffens und Bewilligung
auch ohne einigen Gewinnt zugejchrieben, übergeben und präfentiert wor-
den iſt. Wahr ift, daß ich jelbiges Büchlein in Reimen gejtellt, aber
feinem Menjchen zugejchrieben noch verehrt habe, Weil dann joldhes
noch wohlvermeldter Stadt Kaufbeuren gejchehen, will ich nicht zweifeln,
e8 werde die benachbarte und berühmte Stadt Kempten (nad Art und
Gewohnheit jolcher fahrenden Gejellen, die ihre Namen, weil fie zu oft
famen, nicht brauchen dürfen) gleichfalls nicht überjchritten, jondern ihr
ebnermaßen unter meinem Namen ernanntes Traktätlein fäljchlicher-
weije zugejchrieben und präjentiert worden jein.‘ ??
Der Unfug dauerte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, we er
zulegt zum offenen Vettel ausartete, unter welchem allerdings die feinen
und großen Reichsſtädte mehr litten als die Fürſten, welche die Zurüd-
weifung der Bettler energijcher und folgerichtiger durchzuſetzen wußten.
Er möge auch hier mit dem wenigen, aber verjtändigen Worten abgethan
jein, in welchen ver Senat der Freien Stadt Hamburg am 6. Juni 1798
fortan das unliebjame Gejchäft von fich wies. „Der Senat der Reiche-
ſtadt“, heißt es in der betreffenden Bekanntmachung, „Sieht fich durch die
Menge der Einfendungen und Dedifationen litterarifcher Produfte von
jehr ungleichem Wert, womit er feither überhäuft worden, veranlaft,
hiermit öffentlich befannt zu machen, daß er künftig jede dergleichen ohne
Kapitel.) Höhe der Auflagen. 325
vorherige Anfrage an Ihn gelangende Mitteilung oder Devifation un-
beantwortet laſſen werde.‘ 73
Auch über die Höhe der Auflagen und die Preife der Bücher läßt
fich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts feine Regel aufftellen, va die
Angaben zu unvollftändig find. Es ift bei Darftellung diefer Frage
vielfach der Tehler begangen worden, daß man einzelne Daten zu jehr
verallgemeinert und aus ihnen Schlüffe gezogen hat, welche bei näherer
Prüfung aller in Betracht fommenden Verhältniſſe nicht jtichhaltig find.
Jedenfalls aber find Thatjachen genug vorhanden, um den Schluß zu
rechtfertigen, daß es damals jo wenig wie heutzutage allgemein fejte
Regeln gab, ſondern daß die Auflage durch den Charakter des Buchs,
den Unternehmungsgeift des Verlegers und den Stand des Markts be-
dingt war. Wenn, wie zum Zeil ſchon im dritten Kapitel angeführt
wurde, 1468 bis 1472 Schweinheim und Pannark im Durcjchnitt nur
eine Auflage von 275 Eremplaren drudten, wenn Johann von Speyer
die erjte Ausgabe des Plinius 1470 in nur 100 Eremplaren heraus-
gab, wenn ferner Johann Neumeifter 1471 oder 1472 nur 200 Erem-
plare von Gicero’8 „Epistolae ad familiares” abzog, und wenn endlich
Kranz, Gering und Freiburger 1472 die von ihnen in der Sorbonne
geprucdten Bücher, wie 3.3. Gicero’s Schriften, auch nur in 200 Erem-
plaren auf ven Markt brachten, jo mußten dem doch wohl ziemlich die—
jelben Urjachen zu Grunde liegen. Offenbar war die Zahl der Käufer
diejer gelehrten Yitteratur noch zu Hein, denn die reichen Bücherſammler
zogen ja zumächit vielfach noch das gejchriebene Buch dem geprudten vor.
Dagegen bereiteten die plötlich auftauchenden vielen Bücher fich gegen-
jeitig Konkurrenz, das Papier aber und die Herftellung waren teuer, ſodaß
die wenigften Druder das Rififo einer großen Auflage laufen fonnten.
So jpärlich aber auch die gelegentlichen Angaben über die Größe
der einzelnen Auflagen find, einen jo fichern und untrüglichen Schluß
geitatten andererſeits die bibliographiichen Verzeichnijfe auf die außer—
ordentliche Rührigfeit der erjten Verleger und auf die Größe des litte-
rariſchen Bepürfniffes der Bücherkäufer; ſchwerlich wird das letztere von
dem irgend einer andern Periode übertroffen. Mit dem 16. Jahrhundert
fangen die Quellen an reichlicher zu fließen, wie fich das bei der Dar-
ftellung der Thätigfeit der Preffe auf dem Gebiete ver allgemeinen, theolo-
giſchen und juriftifchen Yitteratur zeigen wird.
21*
324 Auflagehöhen. Starke Verbreitung einzelner Bücher. Fünftes
Aldus druckte im Durchſchnitt je 1000 Exemplare von ſeinen Ver—
lagsartikeln. Ein Heiligenleben (1502), die „Bucolica“ des Baptiſta
Mantuanus (1503), die lateiniſche Grammatik des Cochläus (1512) er—
jchienen in Straßburg in je 1000 Exemplaren; 1515 ließ Heinrich Gran
in Hagenau 1500 Abzüge von einem dien Folioband lateinifcher Pre-
digten machen. Johann Amerbach veranftaltete 1502 von den Werfen
des Auguſtinus eine Ausgabe in 11 Foliobänden zu 2200 Eremplaren.
Die fpäter noch näher zu erwähnenvden 7 Folianten der Bibel mit ver
Poſtille des Kardinals Hugo wurden ebenfalls 1502 von Anton Ko—
berger in 1600 Eremplaren ausgegeben und nach Verlauf von nur zwei
Jahren in einer zweiten Ausgabe von ziemlich derjelben Höhe bergeitelit,
allerdings nur widerwillig und unter jehr eigentümlichen Umſtänden.
In Kobergers Berlag erjchienen ferner 10 Auflagen ver „Sermones
Discipuli“, 5 Auflagen von Gritſchs „Quadragesimale” und 6 Auf:
lagen von Jakobs de Voragine „Historia Lombardica”. Bon Hein-
rich Bebeld Kommentarien (Sammlung von einzelnen Abhandlungen
grammatifchen, politischen und lexikographiſchen Inhalts) veröffentlichte
Thomas Anshelm in Tübingen von 1503 bis 1516 13 jtetS vermehrte
Auflagen. Daß diefes Werk, fowie die andern Schriften Bebels, für
Anshelm vortreffliche Berlagsartifel gewejen jein miüffen, gebt aus einem
Briefe des erftern an den Dumaniften Hummelsberger hervor, worin er
jagt, daß er durch feine Arbeiten Anshelm aus der Armut herausgerifien
und jogar bereichert habe. Bon Reuchlins „Augenſpiegel“ wurde auf die
franffurter Herbſtmeſſe des Jahres 1511 eine Auflage von 1000 Erem-
plaren gebracht, Die Gebrüder Mantjee in Wien ließen 1511 ven
Salluft in 1000 Eremplaren druden. In Baſel erjchien 1518 das
„Lexicon graeco-latinum“ des Craſton in ebenfalls 1000 Erem-
plaren. Heinrich Gran in Hagenau veröffentlichte 1515 das „Opus
coneinnatorium Sanctii de Porta“ in 1500 GErempfaren; mehrere
Predigtjammlungen erjchienen jogar mehreremal bei ihm in einen Zeit-
raum von wenigen Jahren. Der Abſatz der Yutherjchen Schriften über-
traf, wie im fiebenten Kapitel angeführt werden wird, alles, was der
Büchermarkt bisher erlebt hatte. Dieſem bis dahin umerhörten Erfolg
gegenüber trat jelbjt der früher fo gefeierte Crasmus ganz in den
Hintergrund. Noch am 17. April 1515 hatte ibm Beatus Rhenanus
gejchrieben, daß von den im März geprudten 1800 Gremplaren des
Kapitel.) Verbreitung von Erasmus’ Schriften. 325
„Yob der Narrheit“ mur 60 noch nicht vwerfauft feien, und daß jofort
eine neue Auflage gedrudt werden müſſe. Das Werk wurde bald ein
allgemein belichtes Volksbuch, ins Deutſche und Franzöſiſche überjett,
von Gerhard Lyſtrius mit einem Kommentar, und von Hans Holbein
mit Holzjchnitten verjehen und erlebte zu Erasmus' Yebzeiten im ganzen
27 Auflagen. Einen noch größern Erfolg batte jeine Sprichwörter:
ſammlung („Adagia”). Es verlegten fie der Deutiche Johann Philippi
und Jodocus Badius in Paris 1500 und 1502 zweimal, Aldus Ma:
nutius jeit 1503 achtmal, Froben 1513 bis 1539 zehnmal, Mathias
Schurer in Straßburg 1509 bis 1520 elfmal und andere Preſſen acht:
mal, ſodaß davon im ganzen 34 Auflagen zu je 1000 Eremplaren ver:
anftaltet wurden. Die „Colloquia” fanden einen Abjak von 24000
Exemplaren; er erfolgte doppelt jehnell, weil fich das Gerücht von einem
Verbote derjelben verbreitet hatte.
Der „Vocabularius breviloquus“ (ein lateiniſches Wörterbuch),
welches Reuchlin im Auftrag von Johann Amerbach bearbeitet batte
und welches dieſer wahrjcheinlich 1475 oder 1476 zuerjt berausgab, er-
lebte bis 1504 nicht weniger ald 25 Auflagen. Wenn auch das Muſter
aller jpätern Wörterbücher, jo wurde e8 von da ab doch nicht mehr ge:
prudt, weil Nachahmungen und bejjere Werfe an jeine Stelle traten.
Der Erfolg der von Reuchlin 1506 geichriebenen Anfangsgründe der
bebräiichen Sprache war dagegen äußerſt gering, ein Beweis dafür, wie
wenig verbreitet damals das Studium des Hebräiſchen war. Keuchlin
batte die „„Rudimenta” in wahrjcheinfich 1000 Eremplaren bei Anshelm
in Pforzheim auf feine eigenen Koſten pruden lajjen. Im „Jahre 1510
befanden fih davon noch 750 Eremplare auf Yager; Anshelm aber prang
auf Bezahlung. Da wandte fih Reuchlin an Amerbach und bot ihm je drei
Gremplare für einen Gulden zum Kauf an. Dieſer entſchloß fich endlich
zur Übernahme, Elagte aber bald über fchlechten Abſatz und bot Reuchlin
den Reſt für ven vritten Teil feiner Barauslagen wieder an. Der Ge-
lehrte aber hatte fein Geld und vertröjtete den Verleger auf die Zukunft.
Erſt im Jahre 1537 wurde eine zweite Auflage des Buchs nötig. Adam
Petri in Bafel drudte 1525 von Bugenhagens Pialmenauslegung 3000
Exemplare. Die Auflage war aber zu ſtark; man hatte auch von Witten:
berg aus von Anfang an nur 1600 verlangt, *
Biel günftiger geftaltete jih das Verhältnis für die Verleger ver
396 Verbreitung der Andachtslitteratur. Fünftes
Andachtsſchriften und der für den Jugendunterricht unentbehrlichen Bücher.
So erſchien das „Resolutorium dubiorum eirca celebrationem mis-
sarum occurrentium“ des Johannes de Yapide von 1488 bis 1500 in
20 verjchiedenen Auflagen in Rom, Paris, Bajel, Köln, Deventer, Yeipzig,
Straßburg und Antwerpen, während Thomas a Kempis' „Nachfolge
Chriſti“ bis 1500 99 Auflagen erlebte. ”° Bon Wimphelings pädago—
giichen Schriften brachte es im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts
die „Elegantiarum Medulla” zu raſch aufeinander folgenden fünf Auf:
lagen, „Idoneus Germanicus“ zu vier und „Oratio quaerulosa” wieder
zu fünf Auflagen.” An zwei Stellen von Wimphelings Schriften wird
die Höhe der Auflage auf 1000 angegeben. Die „Poſtillen“ (auch Ple—
narien genannt, weil fie die Evangelien und Gpifteln für das ganze
Jahr enthielten) wurden von 1470 bis 1520 in 99 verjchievenen Aus:
gaben gedruckt, meiftens in Folio oder groß Quart und vielfach mit
Holzichnitten geſchmückt. Sie fonnten aus diefem Grunde auch nicht billig
fein, bilveten aber trotzdem einen geiftlichen Hausſchatz in ver Familie.
Bon dem „Beichtbüchlein“ (Belehrung über die Beichte und Ermahnung
zum würdigen Empfang der Saframente) erichienen bis 1520 ohne An-
gabe des Drudorts 11 und mit Angabe vesjelben 34 Ausgaben. 7°
Kranz, Gering und Freiburger in Paris brachten zuerit die gegen
Ende bes 13. Jahrhunderts vom Bijchof von Genua, Jakob ve Voragine,
verfaßte und von Voltaire die Contes bleues du Christianisme ge
nannte Sammlung von Yebensbejchreibungen der Heiligen, die „Le-
genda aurea“; fie hatte einen jelbjt für die Gegenwart ungewöhnlichen
Erfolg. Die Höhe der einzelnen Auflagen iſt allerdings nicht angegeben,
man geht aber wohl nicht fehl, wenn man jede berjelben, da das Bud
jo vortrefflich z0g, auf wenigitens 1000 Exemplare ſchätzt. In ven
(etten 30 Jahren des 15. Jahrhunderts erichienen von berjelben (dem
„Paſſional“) mehr als 100 Auflagen, darunter 1485 eine veutjche
Überfegung von Ludwig Renchen in kölniſchem Dialekt’? („Gulde Legende
off dat Paſſional“), 3 engliſche, 5 franzöſiſche, 8 italieniſche, 3 böhmiſche
und 14 holländiſche (plattdeutſche) Überjegungen. Ebenſo druckten Kranz,
Gering und Freiburger 1473 den 1330 von Gui de Mont Rocher ge—
ſchriebenen „Manipulus Curatorum“ over „Enchiridion sacerdotum“,
welcher noch im 15. Jahrhundert 60 Auflagen erlebte. *° Des Domini—
kaners Johann Nider „Praeceptorium divinae Legis“ wurbe in
Kapitel.) Verbreitung der Wallfahrtslitteratur, 327
demjelben Jahrhundert fünfzehnmal aufgelegt. Vom „Speculum Vitae
humanae“ des jpanijchen Biſchofs Roverih von Arevalo wurden von
1468 bis 1500 15 Auflagen, und zwar 6 in Frankreich, 5 in Deutjch:
fand und 4 in Italien, gedruckt. Auferdem erichienen 7 Überjeßungen
ins Italienische, Franzöſiſche und Spanische. Hain zählt 43 Auflagen
er „Sermones aurei de Sanctis” auf, welche von verjchiedenen Firmen
gedruckt wurden. Anton Koberger verlegte von 1475 bis 1497 13 Folio—
ausgaben ver lateinifchen Bibel, daneben noch eine deutſche. Außer ihm
aber gab es gleichzeitig kaum einen großen deutſchen Verleger, welcher
nicht auch jeine Bibel gebracht hätte Man ſchätzt die Zahl der bis
1500 ven ihr veranjtalteten Ausgaben in runder Summe auf 100.
Allerdings muß man formell die Auflage wohl von der Ausgabe unter:
ſcheiden; indeſſen kommt für ven bier verfuchten Nachweis, daß populäre
Bücher stark gefauft wurden, diefer Unterſchied kaum in Betracht. Es
drängt fich von jelbit die Annahme auf, dar auch die Auflagen jo leicht
verfäuflicher Artifel nicht klein gewejen fein mögen.
Einen, wenn auch nicht jo grofen, doch immerhin reichen Gewinn
bringenden Abjat fanden manche weltliche Bücher, wie 3. B. die den
Wallfahrtsorten der Chriftenheit gewidmeten Pilgerfchriften und Reiſe—
beichreibungen. So das Werf des mainzer Domdechanten Bernhard von
Breidenbad über feinen Beſuch des Heiligen Yandes, welches urjprüng-
lich lateiniſch gejchrieben war. Ins Deutiche, Italieniſche, Franzöſiſche
und Spanijche überjett, wurde es von 1486 bis 1500 in 12 Auflagen
gedruckt, bis 1520 noch in 3 und bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts
nob in 19 italienischen Auflagen. Die Paläftina-Reife des Dans
Tucher aus Nürnberg erjchien von 1479 bis 1488 in 11 Auflagen.
Das 1481 in Nürnberg geprudte „Rom: Fahrt: Büchlein‘ (ein Führer
für Rom) fam in 2 Auflagen ohne Ortsangabe und in je einer in Mün—
chen und Nürnberg und fortan in Rom heraus. Im Jahre 1500 er:
lebte e8 jogar 8 verjchiedene, im ganzen aber bis 1500 nicht weniger
als 14 Auflagen und außerdem 1512 bis 1518 noch 2 in Rom.
Des größten Abjates aber erfreute fich namentlich jehon im 15. Jahr:
hundert die juriftiiche populäre Yitteratur. Das römiſche Recht war
ziemlich zu derſelben Zeit in Deutjchland eingedrungen, als fich bie
Buchdruckerkunſt in Europa ausbreitete. Die Unbekanntſchaft der deut:
ſchen Yuriften mit der Theorie und Praris des fremden Rechts rief in
328 Die populäre juriſtiſche Litteratur. [Fünftes
eriter Yinie in ihren, in zweiter aber auch in ven gebildeten Yaienfreijen
das Bepürfnis hervor, ſich an der klaſſiſchen Quelle vesjelben zu unter:
richten, und veranfaßte eine vege Nachfrage nach theoretiichen und pro—
zeifualiichen Schriften, Eummen, Regeln und Kommentaren, welche jeit
Jahrhunderten in Italien und Paris handichriftlich verbreitet waren und
als Grundlage für den afademijchen Unterricht gedient hatten. Selbſt
die Wiffenfchaft des Rechts ging dabei nicht leer aus. Von Juſtinians
Inftitutionen wurden noch vor 1500 über 50 Auflagen in Deutjchland,
Frankreich und Italien gebrudt, darunter 3 von Schäffer in Mainz
und 4 von Wenszler in Baſel. Die Digeften verlegte Baptifta de
Tortis 1494 und 1501 in je 1500 Eremplaren, außerdem auch vie
übrigen Teile des „Corpus juris“. Hauptſächlich handelte es fich aber
um die Beichaffung des für die Praftifer unentbehrlichen fogenannten
juriftiichen Handwerkszeugs, auf deſſen Vervielfältigung ſich nunmehr
die buchhändlerifche Spekulation naturgemäß mit beſonderm Eifer warf.
Es iſt diefer Gegenjtand neuerdings von einem ausgezeichneten Ge—
(ehrten, dem leider viel zu früh verjtorbenen Profeffor der Rechte
Dr. Roderih von Stinging in Bonn behandelt, der in jeiner „Ge:
ichichte der populären Yitteratur des römiſch-kanoniſchen Rechts in Deutjch-
fand am Ende des 15. und im Anfang des 16. Jahrhunderts‘ (Veipzig,
S. Hirzel, 1867) der Gejchichte der Jurisprudenz und des fie betreffen-
den Buchhandels fozufagen eine neue Provinz erobert und auch für bie
nachfolgende Darftellung die Zahlen und Thatjachen geliefert hat.
„Der durchichlagende Charakter ver populären Yitteratur liegt“, wie
Stintzing S. XXXVIII jagt, „varin, daß fie nicht auf wiffenjchaftliches
Verjtändnis, jondern auf Erfaffung des Pofitiven mit dem Gedächtnis;
nicht auf das Begreifen des innern Zuſammenhangs, jondern auf vie
Einprägung der äußerlichen Unterſcheidungen; nicht auf die Erkenntnis
des Weſens der Rechtsinftitute, ſondern auf die Erlernung ihrer fremden
Erjcheinung hinarbeitet.“ Sie erſtreckt fih auf das gejamte Gebiet des
bürgerlichen Rechts und des Prozeffes, berüdjichtigt aber das heimiſche
Recht nur in geringem Umfange, und hat faft ausjchließlich das fremde,
römiſch-kanoniſche Recht im Auge. Die Schriften zerfallen in 1) ein-
leitende und mehr theoretiſche; 2) alphabetiihe Sammlungen; 3) die
Bücher über die Stammbäume und VBerwandtjchaftverhältniffe; 4) pro-
zeffunfiiche und Notariatsjchriften. Es folgen ſodann der „Klagipiegel‘
Kapitel.] Die populäre jurijtiihe Litteratur. 329
und der „Yahenfpiegel” in Verbindung mit ben übrigen Arbeiten von
Sebaſtian Brant, Thomas Murner und Ulrib Meolitoris. Endlich
finden fich zablreihe Sammelwerfe und die Schriften der geiftlichen
Jurispruden;.
Soweit in Deutjchlanp und jeinen Nachbarländern in der zweiten
Hälfte des 15. und den eriten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts über:
haupt geprudt wurde, bejchäftigten fich die Drucdereien auch mit Her—
jtellung dieſer juriftiihen Werke. Die angejehenften Druckereien in
Bajel, Straßburg, Augsburg, Nürnberg, in Köln und Yeipzig, die in
Kom und Venedig, in Löwen, Paris und Lyon (vorzugsweiſe deutſche)
baben vie hauptjächlichiten Schriften in zahlreichen Auflagen heraus:
gegeben und einem ausgebreiteten Yejerkreife zugänglich gemacht.
In Bajel find nachweislich vom Jahre 1473 bis gegen 1520 faft
alle Hauptorudereien auf dem gejamten Gebiete der populären Jurispru—
denz beichäftigt. Das erite Werk ift das weitwerbreitete „Vocabularium
Juris utriusque‘, welches jedenfalls vor 1475, wahrjcheinlich 1473 bei Mi—
chael Wenszler und Fr. Biel gebrudt, und in den Jahren 1481, 1482,
1483 und 1488 in Baſel wiederholt aufgelegt wurde. Das „Reper-
torium juris“ wird 1474 bei Wenszler gedrudt; 1479 erjcheint in Bajel
eine Ausgabe ver „Casus summarii Decretalium”, 1484 eine ſolche
des „Modus legendi abbreuiaturas“, 1487 bei Keßler die einzige
vorhandene Ausgabe ver „Tituli juris civilis et canonici“. Bei dem—
jelben Druder find auch die einzigen vorhandenen, von Sebaftian Brant
beiorgten Ausgaben ver „Annotationes sive reportationes margari-
tarum omnium Decretalium” (ohne Jahreszahl) erichienen. Im Jahre
1488 fommen das „Repertorium Milis alias Absenti“, 1489 und
1493 zwei Ausgaben des „Formularium procuratorum et advoca-
torum curiae romanae”, 1490 ver „Processus judiciarius Panor-
mitani“ in Baſel heraus. Die „Expositiones omnium titulorum
legalium“, welche Sebajtian Brant bearbeitet hat, find bei Furter in
fünf Ausgaben (1490, 1500, 1502, 1504, 1505), in je einer Ausgabe
bei Jakob von Pforzheim (1508) und Adam Petri (1514) und in zwei
Ausgaben (1514, 1515) bei Gregor Bartholomaei de novo Angermundio
gedruckt. Furter ift auch der Druder der einzigen Ausgabe der bedeuten—
ven „Pannormia Ivonis“ (1499), bei ihm find drei von Sebajtian Brant
bejorgte Ausgaben des „Caccialupis de modo studendi” (1500, 1505,
330 Die populäre juriftiiche Litteratur. [Fünftes
1514) erjchienen. Yetteres Werk fam auch 1514 bei Adam Petri her—
aus, welcher außerdem zwei Ausgaben des bafeler Sammelwerts: „In
utriusque juris libros introductorium” (1513 und 1517), eine Aus-
gabe ver „Summa Johannis“ von Bruder Berthold (1518), und die
einzigen befannten Ausgaben der „Utriusque juris tituli et regulae‘
(1518, 1520) und ver (erſten) deutjchen Überjekung der „Inftitutionen‘
(„Snftituten, ein wahrer Uriprung und Fundament bes faiferlichen Rech-
tens‘) 1519 und 1520 veröffentlicht bat. ine Ausgabe des „Caccia-
lupi“ erjchien auch 1514 bei Bartholomaei. Die Drudereien von
Froben und Amerbah und Froben haben die von Sebajtian Braut be-
jorgten Ausgaben kanoniſcher Rechtsquellen, des „Decretum‘, ver „De-
fretalien‘“ und des „Liber sextus“ in den Jahren 1493, 1494 und
1500 in zujammen ſechs Ausgaben geliefert. Von der „Summa Anto-
nina‘ iſt eine Ausgabe (1511), von der „Lectura Johannis Andreae
super arboribus“ find (in Bajel) zwei Ausgaben (1513 und 1517), in
demjelben Jahre zwei Ausgaben des „Tractatus judiciorum Bartoli“
und von der „Summa Astexana“ ift eine der vorhandenen Ausgaben
ohne Ort und Jahreszahl vermutlich bei Bernhard Richel in Bajel ber:
ausgefonmen.
Eine ähnlich bedeutende Stellung nimmt Straßburg ein. Das erite
der bier verlegten Werke ift die, wahrjcheinlich bei Mentel (1469 und
1472) geprudte vorerwähnte „Summa Astexana“. Bei demſelben
Druder erjchien im Jahre 1477 eine der älteften Ausgaben des „Liber
plurimorum tractatuum“, welche auch 1488 (bei Flach), 1490, 1494
und 1499 gebrudt wurde. Ber Flach ift außerdem wahrjcheinlich eine
der ültejten Ausgaben des „Processus Luciferi contra Jesum“ ohne
Zeitangabe und 1521 der „Klagſpiegel“ geprudt. Der „Processus
Luciferi” erſchien in Straßburg außerdem im Jahre 1478 und 1488
(ohne Bezeihnung des Druders), in den Jahren 1477, 1478, 1481
und 1483, viermal bei Knoblochzer, und 1508 over 1507 in einer Aus:
gabe mit Holzichnitten bei Prüf. Dieje beiven Firmen haben weiterhin
auch andere Werfe der populären Yurisprudenz geprudt: Knoblochzer
1482 eine deutjche Bearbeitung der „Summa Joannis Andreae‘, 1483
die „Straßburger Formulare und Tutſch-Rhetorika“, welche in demjelben
Jahre auch bei Prüf erichienen, und von letzterm noch in den Jahren
1493 und 1502 wiederholt gedruckt wurden, wie derjelbe auch den
Kapitel.) Die populäre juriftiiche Litteratur. 331
„Zpiegel der wahren Rhetorik“ (1505 und 1509) zweimal drudte, und
1518 die einzige noch vorhandene Ausgabe des „Chartiludium Insti-
tutionum‘ veranjtaltete. Die „Straßburger Formulare“ wurden in
ven Jahren 1511 und 1519 auch von Johann Knobloch, im Jahre 1514
von Paul Götz, der „Spiegel der wahren Rhetorik” von beiden gemein
icaftlih (1517) geprudt. Die außerdem von Knobloch gedrucdten Werte
find das „Formularium instrumentorum sive ars notariatus‘” (zwei
Ausgaben, 1504 und 1516) und eine Ausgabe des „Klagſpiegels“ (1521).
Yegterer ift eins der in Straßburg am häufigften (feit 1516 unter Yei-
tung von Sebajtian Brant) geprudten Werke. Die frühefte befannte
Ausgabe erſchien wahrjcheinlih bei Grüninger im Jahre 1500, auch
Supfuff druckte eine Ausgabe; dagegen find die in den Jahren 1516
und 1518, 1529, 1530, 1532, 1533, 1538, 1550, 1553 und 1560 er:
ibienenen Ausgaben ohne Angabe des Druckers. Hupfuff tritt auch als
Truder einer der deutjchen Bearbeitungen der „Summa Johannis An-
dreae“ (1507) auf; zahlreiche Ausgaben des „Layenſpiegels“ von Ulrich
Tengler find aus jeiner Offizin hervorgegangen in ven Jahren 1510,
1511, 1514, 1518, 1527, 1530, 1532, 1536, 1538, 1544, 1550, 1560.
In den Jahren 1485 und 1493 erjcbienen in Straßburg zwei Aus:
gaben ber „Casus summarii Decretalium, Sexti et Clementinarum“,
in den Jahren 1486, 1489, 1493, 1494 und 1499 fünf Ausgaben der
„Margarita Deereti seu tabula Martiniana“, in ven Jahren 1486,
1490, 1494, 1499 und 1500 ebenfalls" fünf Ausgaben des „Vocabu-
larium juris utriusque“, im Jahre 1487 eine Ausgabe des „Modus
legendi abbreuiaturas”, in ven Jahren 1489, 1491, 1495, 1498,
1502, 1513, 1515 und 1520 acht Ausgaben der „Summa Angelica“;
zwei Ausgaben ver „Casus longi super Institutis“ (1490 und 1494)
find vermutlich, eine Ausgabe der „Flores legum“ aus dem Jahre
1496, zwei Ausgaben ver „Summula Raymundi“ aus ven Jahren 1504
und 1518, eine Ausgabe ver „Summa Antonina‘” (1508) und eine
Ausgabe ver „Summa Baptistiniana sive Rosella“ aus dem Jahre
1516 jedenfalls in Straßburg geprudt. Der Druder Johann Schott hat
um Jahre 1500 die einzige Ausgabe ver „Exceptiones Petri” und im
Jahre 1511 (wahrjcheinlich) ebenfalls die einzige Ausgabe — opus ra-
ritate carum — des „Speculator abbreuiatus“ des Joannes de
Stynna veranitaltet.
332 Die populäre juriftiiche Litteratur. (Fünftes
In Hagenau find die Druder gleichfalls mit der Ausgabe von Werfen
dieſer populären Yitteratur bejchäftigt. Heinrich Gran brachte 1497 und
1500 das „Opus septipartitum de contractibus pro foro conscien-
tiae‘“ zweimal und 1505 und 1506 das „Liber plurimorum tracta-
tuum juris‘ ebenfalls zweimal, Das „Formularium aduocatorum
et procuratorum“ iſt gleichfalls 1505 bei ihm gerrudt. Vom „Mo-
dus legendi abbreuiaturas“ erjchienen 1505 eine Ausgabe, von der
„Summa Angelica” 1505 und 1509 zwei Ausgaben, von der „Summa
Antonina” 1508 eine Ausgabe, von dem „Vocabularium juris utrius-
que‘ 1508 und 1513 zwei Ausgaben dajelbit.
Friedrich Riedrer, Stadtbuchdrucker in Freiburg i. Br., hat daſelbſt
den von ihm verfaßten „Spiegel der wahren Rhetorik“ im Jahre 1493
zuerit ſelbſt gedruckt. Die fpätern Ausgaben diejes Werks erjchienen aber,
wie bereits bemerkt, in Straßburg.
In Augsburg haben ſich die zahlreichen Drudereien ebenfalls mit
der Herausgabe der bier in Frage ſtehenden Werke beichäftigt. Der
„Processus Luciferi contra Jesum“ des Jacobus de Theramo in
jeinem urjprünglichen lateiniſchen Tert und in feiner deutjchen Über-
jegung ijt das älteſte Werk der populären Jurisprudenz, welches in fajt
allen augsburger Drudereien in zahlreiben Auflagen geprudt wurde.
Im Jahre 1472 veranftaltet Johann Schüßler die äftefte befannte latei—
nijche, in demjelben Jahre Günther Zainer die ältejte dortige deutiche Aus—
gabe, dieſe mit Holzjchnitten, und zwar zweimal. Es folgt 1473 eine
deutjche Ausgabe, gleichfalls mit Holzichnitten, bei Bämler; ferner er-
jchienen deutſche Ausgaben, meiſt mit Holzichnitten, in den Jahren 1478,
1482, 1484, 1487, 1488, 1490, 1493, 1497 und 1500 bei Schönfperger,
1479 und 1481 bei Anton Sorg, und lateinifche Ausgaben (ohne Be—
zeichnung des Druders) in den Jahren 1477, 1479 und 1482. Die
drei letztgedachten Drucder haben fernerhin die „Summa Johannis’ des
Bruder Berthold herausgegeben, Bämler in den Jahren 1472 und 1478,
Anton Sorg 1480 und 1482, Schönfperger 1489 und 1495. Von den
deutjchen Bearbeitungen ver „Summa Johannis Andreae de processu
judieis‘ erjchienen eine Ausgabe 1473 nachweisbar, zwei weitere ohne
Jahreszahl wahrjcheinlich gleichfalls bei Bämler, 1498 eine bei Schober,
während bei einer im „Jahre 1483 ericbienenen der Druder nit an-
gegeben ift. Bämler druckte 1474 eine der deutjchen Bearbeitungen ber
Kapitel.) Die populäre juriftiiche Litteratur. 333
„kectura Johannis Andreae super arboribus consanguinitatis”,
während einer der älteften beutjchen Drude ver lateinifchen Ausgabe
diejes Werks wahrjcheinlich bei Günther Zainer vor 1477, ein jpäterer
Drud der lateinifchen Ausgabe bei Froichauer 1486 erjchienen ift. Cine
Ausgabe ver „Summa Pisana” aus dem Jahre 1475 entjtammt gleich-
falls wahrjcheinlich der Offizin von Zainer. Die „Augsburger Formu—
fari” find 1482, 1483, 1484 und 1491 bei Anton Sorg gebrudt und
bet Schönſperger 1497 und 1500 zwei Ausgaben des „Klagſpiegels“ unter
dem Titel: „Klagantwurt und aufßgeiprocen urteyl“, bei Froſchauer aber
1516 die einzige nachweisbare Ausgabe des „Cantzeleibuchlein“. Bon
den übrigen Drudern find an der Herausgabe diejer juriftiichen Werfe
beteiligt Erhard Oglin, welcher die „Formulari und tutſch rhetorika“
1507 brachte, und Hans Otmar, welcher die einzigen rechtmäßigen,
von Johann Rynmann verlegten Ausgaben des Tenglerſchen „Layen—
ſpiegels“ in den Jahren 1509, 1511 und 1512 gedruckt hat. Die
Ausgabe aus dem Jahre 1511 enthält eins der eriten Nachdrudsprivi-
legien. Otmar drudte noch im Jahre 1508 das Buch „Bon den Un—
bolven over Heren“, und 1491 erichien in Augsburg eine Ausgabe des
„Confessionale Bartolomaei de Chaimis”, veren Druder nicht an-
gegeben wird.
Außerordentlich ſtark find auch die Drudereien Nürnbergs an der
Heransgabe von Werfen aus dieſem Gebiete beteiligt. Die äftejten
Ausgaben des „Vocabularium utriusque juris“ find dort (1475, und
die eine ohne Jahreszahl vermutlich bei Koberger) geprudt; weitere
folgten dann 1478, 1481 und 1496. Ebenſo erjchienen dort 1475,
1478 und 1488 Drude des „Supplementum“ ver „Summa Pisana“,
1476 eine Ausgabe des „Repertorium juris Petri de Monte“, 1476,
1482 und 1492 Ausgaben des „Modus legendi abbreuiaturas”, 1477
eine Ausgabe des „Confessionale Bartolomaei de Chaimis“. Be—
ſonders ſtark find aber die nürnberger Drudereien bei der Herftellung
der „Lectura Johannis Andreae super arboribus consanguinitatis‘
vertreten gewejen. Bei Greufner wurde eine ber ältejten Ausgaben (vor
1477) der erjten Klaſſe, von der zweiten Klaſſe drei Ausgaben 1477
und je eine 1478, 1481, 1483 und 1488, von der dritten Klaſſe (ver-
mutlich) eine Ausgabe 1498 gedruckt, bei Höfzel eine Ausgabe der jieben-
ten Klaſſe 1505 und in zweiter Auflage 1506; letzterer hat auch 1507
354 Die populäre juriftiiche Litteratur. Fünftes
die „Summa Johannis Andreae de sponsalibus et matrimoniis“ ge—
druckt. Koberger veröffentlichte: 1482 die „Summa Astexana“, 1483
bie einzige vorhandene Ausgabe der „Flos decretorum“ des Johannes
Diaconus, 1488 die „Summa Baptistiniana“, 1494 ven „Liber plu-
rimorum tractatuum juris“, 1498 die „Summa Johannis”. — Das
„Bepertorium utriusque juris“ des Joannes Bertachini erjchien 1483
in Nürnberg, die „Summa Angelica” 1488, 1492 und 1498, die
„Margarita Decreti seu tabula Martiniana“” 1496, die einzige Aus-
gabe von Ulrich Molitors „Lantfrids auch etlicher cammergerichtficher
Artifel diſputirung“ 1501, die „Summa Johannis Andreae de pro-
cessu judieis“ 1510 und 1512, ver „Processus juris defensorium“
in den Jahren 1510 und 1512 bei Weißenburger, und eine Ausgabe
des „Klagſpiegels“ im Jahre 1536.
Bermutlih in Eichſtädt von Michael Reyſer ift eine Ausgabe der
„Summa Astexana” (ohne Zeitangabe) gebrudt, während in Bamberg
Albrecht Pfifter die erfte der deutjchen Ausgaben des „Processus Luciferi
contra Jesum“ (ohne Angabe des Drudjahrs) veröffentlichte, in Ingol—
ftadt im Jahre 1497 die Druder Georg Wyrffel und Markus Ayrer
die einzige nachweisbare Ausgabe ver „Utriusque juris rubricae in or-
dinem alphabeti redactae” brachten. In demjelben Jahre wurden dort
auch die „Flores legum secundum ordinem alphabeti” getrudt. In
Memmingen erjchien 1483 das „Confessionale Bartholomaei de Chai-
mis’ (ohne Jahresangabe) und 1500 der „Modus legendi abbreuiaturas“,
bei Albert Kunne dafelbjt (ohne Jahreszahl) die „Differentiae legum
et casuum“, eine Ausgabe ver „Lectura Johannis Andreae super
arboribus consanguinitatis“, und das „Formularium instrumen-
torum”. Von der vorgevadten „Lectura Johannis Andreae” hat
auch Johann Zainer in Ulm 1483 eine Ausgabe geprudt. Im dem:
jelben Jahre erjchien dajelbft bei Konrad Dinkmut der „Processus Lu-
eiferi contra Jesum“ und 1484 die „Summa Johannis” des Bruder
Berthold. In Reutlingen kam (ohne Jahreszahl) eine Ausgabe des Buchs
„Don Unholden und Deren“, im Jahre 1487 die „Summa Rudium“
bei Johann Otmar, und zwar merfwirbigerweije in einem und bemjelben
Jahr preimal heraus, während 1482 daſelbſt das „Supplementum
Summae Pisanae“ erſchien. Cine deutſche Bearbeitung der „Summa
Johannis Andreae de processu judieis” ohne Ort umd Jahreszahl iſt
kapitel.] Die populäre juriftiiche Literatur. 335
vermutlich bei Konrad Fyner in Eplingen gedruckt, auch 1505 in Pforz-
beim, und 1490 in Heidelberg bei Knoblochzer erjchienen. In Speyer
veröffentlichte Peter Drach 1477 und 1478 Ausgaben des „Vocabula-
rium juris utriusque“, ohne Jahreszahl das „Formularium instru-
mentorum“, drei Ausgaben ohne Yahresangabe (eine davon vermutlich
1475) und eine vierte Ausgabe im Jahre 1486 von dem „Liber pluri-
morum tractatuum juris“, und — wie Stinging annimmt — eine
Ausgabe der „Summa Pisana“, In Speyer erjchienen auch 1488 vie
„Summa Baptistiniana” und die „Summa Angelica”. In Oppen—
beim wurde 1503 eine Duodezausgabe ver „Summa Johannis Andreae
de processu judicis, eine Ausgabe des „Processus juris defensorium‘
in demjelben Format, und 1515 eine Ausgabe ver „Lectura Johannis
Andreae super arboribus consanguinitatis” gebrudt. In Mainz ift
1478 das „Confessionale Bartolomaei de Chaimis” herausgefommen.
Wie Köln von Anfang an einer der älteften und bedeutendſten Site
der Druderei und des Verlagshandels war, jo bejchäftigten ſich auch
jeme Prefjen im weitejten Umfange mit der Herausgabe der Werfe der
populären Jurisprudenz. Peter von Olpe veranjtaltete daſelbſt im Jahre
1476 die ältefte der noch vorhandenen Ausgaben der „Casus summarii
Decretalium“, von welchen eine weitere Ausgabe 1485 ebenfalls in Köln
eribien. Der Druderei Peter von Olpe's entjtammt außerdem die ein-
jige befannte Ausgabe ver „Flores juris utriusque‘ von 1477 und im
Jahre 1479 wurden gar zwei Ausgaben der „Summa Astexana” in
Köln gedrudt. Eine andere hochangejehene Druderei bajelbjt, die Jo—
hann Kölhoffſche, druckte 1482 die einzige vorhandene Ausgabe des
„Summarium Institutionum“, 1491, 1494 und 1500 die noch er-
baftenen drei Ausgaben der „Expositiones titulorum utriusque juris“
des Sinnama und 1497 eine Ausgabe der „Casus longi super Insti-
tatis“. In den Jahren 1483 und 1484 erjchienen die Werke Gerſons,
welche die ältejten zu diefem Zweige der Yitteratur gehörigen Traftate
enthalten; von dem „Modus legendi” find ohne Zeitangabe, jowie 1487
und 1493 drei Ausgaben in Köln gebrudt. Im der Heinrich Quentel-
ihen Druderei erichienen 1495 und 1500 das „Formulare instrumen-
torum“, 1495 auch das „Repertorium aureum mirabili artificio
eontextum”, 1505 und 1506 zwei Ausgaben ver „Lectura Johannis
Andreae super arboribus” (von welcher auch eine weitere Ausgabe
336 Die populäre juriftiiche Litteratur, Fünftes
derſelben Klaſſe 1499 in Köln gedruckt wurde) und ohne Zeitangabe die
einzige bekannte Ausgabe der „Rubricae siue tituli juris canonici et
civilis secundum ordinem librorum redacti“. Bon ven zahlreichen
Ausgaben der „Summula Raymundi“ find jechs in den Jahren 1495,
1498, 1500, 1502, 1506 und 1507 in Köln gedrudt. Im Jahre 1497
fam dajelbjt heraus der „Libellus docens modum studendi” (einzige
Ausgabe), 1504 die „Ars notariatus‘“, 1507 bie „Flores legum se-
cundum ordinem alphabeti“, 1508 das „Alphabetum aureum Petri
Ravennatis“, 1576 eine der fpäteften Ausgaben des „Viatorium utrius-
que juris” des Johannes Berberii. Ohne Zeitangabe wurden gebrudt:
bei Cornelius de Zürichjee eine Ausgabe des Werts „De lamiis et phi-
tonieis mulieribus“, ferner (ohne Bezeichnung des Druders) der „Metho-
dus utriusque juris“, die „Casus breves super totum corpus legum“,
eine Quart- und wabhrjcbeinlich auch eine Oftanausgabe der „Summa
Johannis Andreae de processu judicis“, eine Ausgabe des „Trac-
tatus judieiorum domini Bartoli” und ber „Liber plurimorum
tractatuum juris“,
Auch in andern Städten Norddeutſchlands erjchienen vereinzelte Werfe
aus dieſem lohnenden Zweige der Yitteratur. So in Erfurt 1499 die
von Bernardus Brunsvicenfis verantaltete Ausgabe der „Tituli de
uerborum significatione et de regulis juris” und 1500 bei Wolf:
gang Schend ein Titularbüchlein. In Magveburg wurde 1491 und
1498 vie „Summa Johannis“ von Bruder Berthold gebrudt, von wel:
cher auch ſchon 1487 eine Ausgabe in Yübe veröffentlicht worden war;
1492 folgt eine veutjche Bearbeitung des Satansproceffes.
In Leipzig erjchienen 1489 und 1512 Ausgaben des „Processus
judiciarius“. Beſonders oft wurde dajelbft aber die „Lectura Johan-
nis Andreae‘, und zwar die von Stinking als fünfte Klaffe bezeichnete
Bearbeitung derſelben, gedruckt. Von den acht Ausgaben diejer Klaffe
erjchienen fieben in Leipzig, und zwar je zwei in ben Jahren 1492 und
1498, eine 1500 bei Melchior Yotter, und je eine 1502 und 1508 bei
Wolfgang Stödel. Die achte Ausgabe iſt vermutlich 1498 gebrudt;
der Drudort ift nicht genannt. Dieje vielen leipziger Ausgaben ver-
danfen ihre Herftellung der Sitte, an der dortigen Univerfität im den
Ferien Repetitionen vorzunehmen, welchen dann derartige Werfe als
Unterlage dienten. Weiter erjchien im Jahre 1494 in Yeipzig des
Kapitel.) Die populäre juriftiiche Litteratur, 337
„Johannis Andreae summa de sponsalibus et matrimoniis”, wäh—
rend tie Druderei des Arnold (Neumarkt) von Köln 1495 das Werf
„De lamiis et phitonieis mulieribus” herausgab. Dann wurde 1497
ver „Modus legendi” geprudt, 1499 bei Markus Brandis die einzige
befannte Ausgabe der „Declaratio titulorum legalium“ und bei
Martin Yandsberg (ohne Zeitangabe) die von Georg Alt unter dem
Titel „Ein nützlicher Gerichtshandel wor got dem almechtigen u. ſ. w.“
bearbeitete Überjeßung des „Processus Satanae”.
In Wien drudte Johann Winterburger 1500 und 1505, Hier. Vietor
1513 die „Lectura Johannis Andreae super arboribus consangui-
nitatis” (zweiter Klaſſe bei Stinking) und in Brünn erſchien 1488 das
Werk des Profeffor 9. 3. Canis: „De modo in jure studendi”, und
die „Expositio omnium titulorum juris ciuilis et canonici”.
Unter den italienijchen Städten nimmt die erfte Stelle Venedig ein.
Bon dem „Supplementum Summae Pisanae”“ erjchienen dajelbft in der
Zeit von 1471 (das Jahr diefer älteften Ausgabe fteht nicht ficher feſt)
bis 1499 nicht weniger als 14 Ausgaben, und zwar in den Jahren
1471, 1473, 1474, 1476, 1477, 1479, 1481, 1482, 1483, 1484, 1485,
1489, 1494 und 1499. Bon dem „Tractatus judiciorum‘ des Bar-
tolus ift die Ausgabe von 1472 vermutlich, außerden eine Ausgabe von
1487 in Venedig gedrudt, von der „Summa Angelica” aber erjchienen
dajelbjt von 1476 bis 1511 wiederum 12 Ausgaben, nämlich 1476, 1487
(zwei Ausgaben), 1489, 1490, 1491, 1492 (zwei Ausgaben), 1495, 1499,
1504 und 1511, und von ver „Summa Astexana” je eine Ausgabe
1478 und 1480. Gerardus de Flandria drudte 1478 den „Processus
Satanae“, 1481 erjchien die „Summa Pisana“ und ver „Vocabula-
rius juris utriusque“ in fünf Ausgaben 1483, 1485, 1487, 1491 und
1517, die „Margarita Decreti seu tabula Martiniana“ im Jahre
1486, in demjelben Jahre auch das „Confessionale Bartolomaei de
Chaimis”. Bon dem „Repertorium juris utriusque“ des Johannes
Bertachinus find vier Ausgaben aus den Jahren 1488, 1494, 1518
und 1519 befannt, von dem „Processus judiciarius Panormitani“
drei, von 1488, 1492 und 1499, von der „Summa Baptistiniana siue
Rosella” eine Ausgabe 1499, während auch eine im Jahre 1495 bei
Arrivabene ohne Ortsangabe gedruckte vermutlich ſchon Venedig zufonmt.
Andrea Torrefano druckte 1499 den „Liber sextus“; in vemjelben Jahre
ftapp. I. 22
338 Die populäre juriftiiche Litteratur, Fünftes
erſchien auch das „Repertorium Milis alias Absenti“, und ohne Zeit-
angabe eine Oktavausgabe der „Flores legum secundum ordinem
alphabeti“.
Padua lieferte 1480 das „Repertorium juris utriusque“ Petri ve
Monte's, 1483 und 1485 Ausgaben des Werts von J. J. Ganis, „De
modo in jure studendi”, Picenza 1482 ven „Vocabularius juris
utriusque”, 1506 den „Processus Luciferi contra Jesum“.,
Fine ftärfere Thätigfeit der Buchorudereien zeigt ficb in Mailand.
Es famen daſelbſt heraus: 1474 und 1478 das „Confessionale Barto-
lomaei de Chaimis“, 1479 und 1494 das „Supplementum Summae
Pisanae“, 1479 noch ver „Traetatus judiciorum“ des Bartolus,
1485, 1486, 1499 und 1500 das „Repertorium juris utriusque” des
Johannes Bertachini, 1493 ein „Dietionarium“ und vie „Margarita
Decreti seu tabula Martiniana“,
In Pavia erſchien 1477 ver „Traetatus judieciorum Bartoli“, 1489
bei Joh. Ant. de Birretis und Franciscus de Ghrardeghis Die „Summa
Baptistiniana siue Rosella“, 1498 und 1500 das „Dietionarium“
und 1511 die „Tractatus plurimorum doctorum“. Das „Decretum
abreuiatum‘” des Johann de Deo, von welchem eine Ausgabe ohne
Orts- ımd Zeitangabe befannt ift, wurde, wie Stintzing annimmt, 1474
in Turin in der Offizin von Johann Faber aus Yangres gedruckt.
In Vercelli erjchien 1485 das „Supplementum Summae Pisanae“,
in Bologna 1481 das „Dietionarium“, 1493 des Gaccialupi Bud
„De modo studendi“, 1499 des Petrus Jacobus „Tractatus de ar-
bitris“ und ein „Formularium diversorum generum“. Bon letterm
Werfe find auch, zum Teil mit etwas abweichenden Titel, drei Ausgaben,
eine ohne Zeitangabe, je eine 1483 und 1488 in Florenz gedrudt, wo—
jelbjt außerdem 1482 das „Supplementum Summae Pisanae“ beraus-
gekommen tft.
Die am Ende des 15. Yahrhunderts in Nom beſtehenden deutſchen
Drudfereien waren ebenfalls für den bier behandelten Zweig der Yitte-
ratur thätig. ine der angejehenjten verjelben it die des Eucharius
Silber al. Franck, in welcher das „Formulare instrumentorum“ 1481,
1482 und 1494 und das „Formularium procuratorum et aduoca-
torum curiae Romanae” 1481, 1482, 1489 und 1491 gedrudt wurde,
Beide vorgedachte Werke druckte auch, und zwar erjteres ohne Zeitangabe
Kapitel.] Die populäre juriftiiche Litteratur. 339
und 1482, 1484, 1487, 1490 und 1495, letzteres 1484 und 1491
Stephan Pland, welcher außerdem noch 1486 den „Processus Satanae‘
veröffentlichte. Diejer war bereits 1475 bei Barth. Goldinbeck de Sulg
eribienen, das „Formularium procuratorum“ im Jahre 1478 auch
bei Johann Bremer al. Bulle. Die Firma Hanheymer von Oppenheim
und Schurener von Boppard lieferte 1474 das obengedachte „Formu-
lare instrumentorum”“, Außerdem erjchienen in Rom folgende Werke:
1475 das „Repertorium Milis“, 1481 (vermutlich) das „Repertorium
Juris utriusque Johannis Bertachini“, ohne Zeitangabe (vermutlich)
des Johann Andreae „Summa de sponsalibus et matrimoniis” und ver
„Iractatus de arte notariatus“, und 1495 ein „Formularium uni-
uersale et modernum diuersorum contractuum”.
Auch in den Niederlanden und in Frankreich wiederholt fich die Er-
jheinung, daR die populäre Jurisprudenz einen hauptjüchlichen Stapel-
artifel der Drudereien bildet. In Yöwen begegnet man mehrern ber
bierber gehörigen Werke. Der „Processus judiciarius“ wurde daſelbſt
dreimal, einmal ohne Zeitangabe, dann 1475 und 1481 gedrudt, das
„Bepertorium Milis” 1475, vie „Casus summarii Decretalium”
1480, in demjelben Jahre bei Johann de Weitfalia eine Ausgabe der
„Leetura Johannis Andreae super arboribus” und die „Summa
Raymundi’, ohne Zeitangabe und 1488 ver „Modus legendi abbre-
uiaturas“, Die 1488 gedrudte Ausgabe des „Utriusque juris metho-
dus“ entjtammt wahrjcheinlich auch einer Offizin in Löwen, und ale
Druder einer der undatierten drei Ausgaben ver „Casus breues super
totum corpus legum“ wird ebenfalls Johann de Weſtfalia vermutet.
Vereinzelt begegnet man einer Ausgabe des „Processus Luciferi con-
tra Jesum” aus Gouda vom Jahre 1481, einer der „Summula Ray-
mundi“ aus Delft vom Jahre 1497, und zweien der „Summa Ange-
liea“ 1490 und 1496 in Aelſt (Aloit).
Auch in Franfreih, in Paris und Lyon, bejchäftigten fich die dor—
tigen deutjchen Druder mit der Herausgabe der in Deutjchland abjak-
fübigen Werfe. In Paris erjchienen 1489 die „Summa Johannis An-
dreae de sponsalibus“, 1496, 1513 und 1517 die „Flores legum
secundum ordinem alphabeti“, 1499 vie „Summa Baptistiniana“,
1500 vie „Summa“ und 1511 und 1516 die „Summula Raymundi“,
ohne Zeitangabe, 1500 und 1513 die „Margarita Decreti seu tabula
22*
340 Die populäre juriftifche Litteratur. Fünftes
Martiniana“, 1500 bei Thomas de Campanis und 1516 bei Jean Petit
und Romanus Morin das „Viatorium seu directorium iuris ex ui-
sceribus excerptum”, 1501, 1507 und 1514 der „Vocabularıus juris
utriusque‘, 1509 die „Tractatus plurimorum doctorum‘, 1514 und
1518 die „Expositiones omnium titulorum legalium“, 1515 bei Job.
und Aeg. Gourmont das bajeler Sammelwerf: „In utriusque juris
libros introductorium“, ohne Zeitangabe, wahrjcheinlich bei Jean Petit,
die einzige Ausgabe der „Rubricae totius juris ciuilis et canonici “,
und ferner eine Ausgabe ver „Summa Pisana“,
In Lyon prudten 1493 Johann Battenjchnee und Mathias Hus
das „Breviarium Decretorum et Decretalium‘, welches nur in diejer
Ausgabe erhalten ift. Im Jahre 1510 erjcbien daſelbſt das „Reperto-
rium Milis“, in demſelben Sabre, jowie 1515 ver „Tractatus judi-
ciorum Bartoli“, 1511 und 1517 das „Alphabetum aureum Petri
Ravennatis”, 1518 bei Jakob Sacon (im Berlage Johann Stobergers)
die „Summa Johannis“, 1519 die „Tractatus plurimorum doctorum‘‘
und die „Summa Astexana“, 1521 da® „Repertorium juris utriusque
Joannis Bertachini“, 1523 eine Ausgabe des „Vocabularius juris
utriusque”“, 1595 das „Viatorium utriusque juris“ und ohne Jahres—
zahl bei Petrus Baleti die „Summa Monaldina”. Bereinzelte Erjcei-
nungen find wiederum die Ausgabe des „Alphabetum aureum Petri
Ravennatis” vom Jahre 1508 in Rouen und die einzige befannte von
des Dinus „Tractatus de praescriptionibus“ in Caen (ohne Zeitangabe).
Es erübrigt noch eine jummarifche Aufzählung derjenigen Ausgaben
der im Vorſtehenden bejprochenen Werte, welche ohne Drudert, und zum
größern Teil ohne Zeitangabe erjchienen find. Unter Annahme ver bei
Stinting aufgejtellten Reihenfolge find derartige Ausgaben von folgenden
Werfen vorhanden: zwei Ausgaben der „Rubricae totius juris ciuilis
et canonici“, deren eine jehr alt ift, möglicherweije jchon aus dem Jahre
1460 ftammt; zwei Ausgaben des „Modus legendi” (veren eine aus
dem Jahre 1512); zwei Ausgaben von 1476 und 1484 des „Canis de
modo in jure studendi‘; zwei Ausgaben des „Caccialupi de modo
studendi“, davon eine vermutlich ſchon von 1467; die einzige befannte
Ausgabe des „Commentarius Institutionum“; zwei Ausgaben ver
„Casus longi super Institutis“; drei der „Casus breves“; die einzige,
im Jahre 1472 gedrudte Ausgabe ver „Differentiae inter jus cano-
Kapitel.] Die populäre juriftiiche Litteratur, 341
nicum et ciuile‘‘; neun Ausgaben ver „Margarita Decreti“, darunter
wei von 1481 und 1492; zwei Ausgaben des „Vocabularius juris
utriusque‘, davon eine von 1483; zwei Ausgaben des „Dictiona-
rium“, darunter eine von 1506; eine Ausgabe des „Repertorium
Petri de Monte“ von 1480; eine des „„Repertorium Milis“ von 1475;
eine des „Repertorium Joannis Bertachini”; acht Ausgaben der „Lec-
tura Johannis Andreae super arboribus“, darunter eine von 1482;
ichs Ausgaben der „Summa de sponsalibus” vesjelben Verfafjers,
darunter eine von 1492; drei Ausgaben der deutjchen Bearbeitungen des
„Processus juris defensorium‘; eine Ausgabe des „Viatorium“; eine
de „Processus juris’ des Panormitanus; eine des „Formularium pro-
euratorum“; die einzige Ausgabe des „Stilus et practica curiarum
spiritualium‘ ; drei Ausgaben des „Processus Satanae‘“, darunter
eine von 1473; fieben Ausgaben des „Processus Luciferi contra Je-
sum“, darunter eine von 1482 und eine von 1484; die einzige Aus:
gabe des „Tractatus praesumtionum” von 1472; drei Ausgaben ber
„Ars notariatus”; zwei des „Tractatus notariatus“; zwei des „For-
mularium universale‘; zwei des „Formularium instrumentorum“;
eine Ausgabe der „Augsburger Formulari“; drei Ausgaben der „Straß:
burger Formulare“ von 1486, 1488 und 1492; eine Ausgabe des
Titulaturbüchleins“; zwei Ausgaben des „Klagſpiegels“; eine Ausgabe
ver „Decreta coneilii Basiliensis“; drei Ausgaben der Werfe über die
Seren, davon zwei von 1489 und 1493; eine Ausgabe der „Summula
Raymundi“; eine der „Summa Joannis“ von 1476; eine der „Summa
Astexana”; eine der „Summa Pisana“ von 1473; zwei Ausgaben,
deren eine von 1474, des „Supplementum Summae Pisanae“; acht
Ausgaben des „Confessionale Bartolomaei de Chaimis“, zwei der—
jelben von 1480 und 1482; eine Ausgabe ver „Summa Angelica” vom
Jahre 1492.
Kür feinen Zweig der Yitteratur drängt fich eine jolche Fülle von be-
lehrenden Thatjachen auf einen doch nur furzen Zeitraum zujanımen, als
auf dem diejer Spezialität der eriten juriftifchen Verlagsthätigfeit. So dürr
und abichredend num auch die bier mitgeteilten Zahlen und Titel man—
dem Yejer erſcheinen mögen, jo konnten fie ihm doch nicht wohl erſpart
bleiben, weil nur die Kenntnis auch der unjcheinbarften Einzelheiten eine
neue gejcbichtliche Erjcheinung im ihrer ganzen Tragweite erfennen läßt.
342 Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Petri. Funftes
Dagegen wirkt die Hervorhebung des perſönlichen Moments und die
liebevolle Vertiefung in das friſch pulſierende Leben des einzelnen Men—
ſchen allgemein deſto erfriſchender und anregender, wenn ſich in ihm die
fortſchreitende Entwickelung unverfälſcht widerſpiegelt. Ein ſolcher Mann
iſt der bereits im zweiten Kapitel in ſeinem Geſamtwirken geſchilderte
Anton Koberger, der erſte deutſche, ja europäiſche Buchhändler im
großen Stil, ein ſchöpferiſcher Geiſt, ein unternehmender Kaufmann von
reicher Erfahrung und weitem Geſichtskreis. Die dort gegebene Charal—
terijtif möge bier ergänzt werden durch den Inhalt des Briefwechiels,
welchen er jahrelang mit Johann Amerbah und Johann Petri über ven
Drud der Hugo'ſchen Bibel ſamt Poftille führte; derjelbe wirft ein
bochintereffantes Yicht auf den damaligen Handel und Wandel, wie es
in gleicher Unmittelbarfeit auf buchhändleriſchem Gebiet kaum irgend
anderswo geboten wird. *1
Die Verhandlungen zwijchen den Gejchäftsfreunden begannen ſchon
im Jahre 1493. Johann Petri, der bafeler Druder, welcher vielfach in
Gemeinſchaft mit Amerbach arbeitete, befand ji) damals in Nürnberg
und jchrieb dieſem am 24. Dftober 1493, daß Koberger, wie mit Amer:
bach „des Hugo's halben‘ auch mit ihm geſprochen und daß er, Petri,
ihm feine Bedenfen über die Schwierigkeit eines jo großen und umfang:
reihen Unternehmens nicht verhehlt habe, weshalb man fich wohl ver:
ſehen müſſe. Es jcheint, daß Petri Arbeit haben wollte und deshalb
den Koſten worjchießenden Verleger in Nürnberg bejuchte. Die Terbant:
(ungen führten aber damals zu feinem Grgebnis; Koberger ſchwankte
noch. Er wollte Petri nicht abreifen Laffen, zugleich aber auch mit Amer:
bach die Sache beiprechen und bat biejen, nach Nürnberg zu kommen.
Aus diefem Grunde, meinte Petri, folle ſich Amerbach ein Pferd kaufen
und gen Nürnberg reiten, damit fie dort gemeinjchaftlich mit Koberger
das Weitere über den Drud des Hugo verabreden fünnten. Ob vieje
Zuſammenkunft wirklich ftattgefunven hat, ift aus der Korreſpondenz nicht
erfichtlich, da der zweite in der Sammlung enthaltene Brief erſt am
27. April 1495 gejchrieben wurde. Jedenfalls war der Bertrag ſchon
vor den leßtern Datum abgejchloffen, denn an diefem Tage jchreibt
Ktoberger an Amerbach, daß er ihm 18 Danpjchriften zur fritifchen Durch—
jicht des Textes überjandt habe,
Amerbah nahm erjt im Jahre 1498 den Drud in Angriff. Er
Kapitel.) Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Petri. 343
vergeupdete die Zwijchenzeit übrigens nicht mit unnützem Warten, jondern
benutste fie zu den mötigen Vorbereitungen, namentlich zur kritiſchen
Tertesrevifion, während Koberger die verſchiedenen Danpjchriften beichaffte
und das für die Deritellung erforderliche Papier in Bajel und Straf:
burg beiorgte. Die Vollendung des fiebenbändigen Werks nahm nicht
ganz fünf Jahre, 1498 bis 1502, in Anfpruch, ſodaß auf jedes Jahr
etwa 1", Bände fielen. Der erſte verjelben wurde fertig im Herbſt
1498, ver zweite und dritte in derſelben Jahreszeit 1499 und 1500, der
vierte im Frühling 1501 und ver fiebente um Martini 1502. Die
jieben Folianten enthalten durchjchnittlich je 1200 zweifpaltige Zeiten von
70 Zeilen und find auf ftarfem, ſchönem Papier geprudt, welches noch
beute wie neu aussieht. Gedruckt wurden 1600 Eremplare, welche Noberger
übrigens aus Furcht vor Nachdruck und der größern Sicherheit wegen
erit nach Vollenpung des Ganzen ausgab, wie er denn auch während
des Druds jeden Band ängitlich gehütet hatte. Jene Furcht war nur
zu jehr begründet. Driginalwerfe gab e8 damals nur wenige. Wenn
nun die Herftellung der damals vorwiegend gedruckten Bibelausgaben,
icholaftiichen Kommentare, Kirchenväter, Klaſſiker und Schulbücher nicht
als Nachdruck bezeichnet werben fonnte, jolange nur die Wiedergabe einer
wörtlich abgedrudten Originalhandſchrift in Frage fam, jo jtellte fich das
Verhältnis doch anders, wenn die Verleger, vielfach in derſelben Stadt,
wie z. B. in Baſel, die von ihren Kollegen kritiſch gefichteten und be-
arbeiteten Ausgaben nacdrucdten. Um nun diefem Unfug vorzubeugen,
trafen jchon damals — wie noch heutigentags in Ländern, welche unter
Umftänvden das Verlags: oder Autorenrecht nicht ſchützen — die größern
Buchhändler in ihrem eigenften Intereſſe Verabredungen untereinander,
wonach der eine fein Werk pruden follte, welches der andere bereits zu
druden angefangen hatte. So traf unter anderm auch Koberger durch
Vermittelung Amerbachs ſchon auf der franffurter Herbſtmeſſe des Jahres
1495 mit Nitolaus Keßler in Bafel ein Übereintommen dahin, daß feiner
von ihnen etwas druden jolle, was der andere bereits in Angriff ge:
nommen oder fertig gejtellt habe. Er lieh ihm deshalb am 17. Mai 1496
durch Amerbach jagen, daß er vor einem Monat den „Meffreth‘‘ („Ser-
mones Meffreth alias ortulus reginae”), welchen Keßler ſchon 1487
und 1488 verlegt hatte, zu druden angefangen babe, daß er aber jofort
einhaften werde, falls Kepler ihn lieber jelbit drucken wolle. Kepler trat
344 Anton Kobergers Briefwechlel mit Amerbach und Petri. Fünftes
jedoch Koberger nicht entgegen, wenigſtens iſt nach 1488 keine weitere
Keßler'ſche Ausgabe bekannt.
Ungünſtiger geſtaltete ſich natürlich das Verhältnis den Druckern
gegenüber, welche keine derartige „Richtung“ (Vereinbarung) eingingen.
Kobergers Ausgabe des Hugo war überhaupt die erſte, zugleich eine
jorgfältig von Amerbach kritiſch bearbeitete. Hier hätte es fich aljo even-
tuell nicht um ven kritikloſen Aborud eines vielleicht fchlechten Originals,
wie ihn jeder beliebige Drucker berjtellen konnte, gehandelt, jonvern um
den Raub geiftiger Arbeit und des Ergebniſſes von Forſchungen, deren
Quellen mit großen often und Mühen aus den verjchiedenften Klöftern
und Städten zujammengebracht waren. Koberger hatte fich im feinen
Befürchtungen nicht getäujcht; indejfen jollten ihm diesmal Schaden und
Berlujt von einer Seite fommen, gegen welche er fich nicht worgejeben
hatte: von feinen eigenen Drudern nämlich, wie dies die Folge ergeben
wird.
Überhaupt kann man ſich von den Schwierigfeiten, mit welchen er
von Anfang an fortwährend zu kämpfen hatte, heutzutage ſchwerlich einen
nur anmäbernd richtigen Begriff machen. Es jeien bier wenigitens die
bedeutendſten kurz hervorgehoben. Da verhinderten zunächſt die jchlechten
und unfichern Wege ven regelmäßigen Verkehr zwifchen Nürnberg und
Bajel, die Zahlungen gingen wegen dev verjchiedenen kleinen Kriege und
Fehden nur unregelmäßig und meijtens im jeblechten Geldſorten eur, ju
jtocten zu Zeiten vollftändig und machten c8 Ktoberger oft beim beiten
Willen unmöglich, feinen Berbindlichkeiten gegen Amerbach pünktlich nach—
zufommen. Das Papier entiprach vielfach nicht den gejandten Proben,
oder wurde in umngenügenden Quantitäten geliefert, ſodaß manchmal
monatelange Stodungen im Drud eintraten. Amerbach und Petri ſorg—
ten nur ungenügend für gute VBerpadung; jchlechte Fäſſer, die fie ver-
wandten, veranlaften bei ungünftigem Wetter die Durchnäſſung ganzer
Sendungen, ja, ließen dieſe zu Makulatur werven.
In erjter Yinie aber handelte es jich bei der Herjtellung einer mög:
lichft forreften Ausgabe um die Beichaffung guter Hanpjchriften (Exem-
plaria), welche meijtens mit größter Mühe aus Städten, wie Köln und
Lübeck, oder aus tlöftern, wie Heilsbronn (bei Ansbach), Maulbronn u. a.,
entlichen werden mußten. So zeigt Stoberger amt 27. April 1495 Amer:
bad an, daß er ibm durch Ruprecht aus Baſel in einem „Fäßlein“
Kapitel.) Anton Kobergers Briefwwechiel mit Amerbach und Petri. 345
18 Volumina jende, mit welchen ev fich eintweilen behelfen möge. In
der nächſten Zeit Hoffe er mehr zufammenzubringen; indeſſen möge
auch Amerbach in feiner Gegend fich nach „Exemplarien“ umthun. Gr,
Koberger, habe den ganzen Hugo ſchon beijammen gehabt, ihn aber wie-
der an das Ktlofter zurückgeben müſſen, da man ihn dort nicht entbehren
fönne und namentlich nicht erkauben wolle, daß man durch Hineinkorri—
gieren der Handſchrift ſchade umd nach derjelbe fee. Am 14. Dezember
1495 verfichert Koberger ferner, daß er jeit der leßten Frankfurter Meſſe
fortwährend nach „Exemplarien“ gejucht, die er früher jchen in Händen
gehabt babe. Es jet ihm die Zujage gemacht, daR er fie bald erhalten
werde; er wolle fie dann jofort abjchreiben lajfen und an Amerbach ſen—
den, damit es mit der Tertrecenfion um jo vajcher vorwärts gehe. End—
ih, am 17. Mai 1496, iſt Koberger in der Yage, Die weitern Quin—
ternen zu schicken, ſodaß er jet den erjten Teil des Hugo in Abjchrift
zuſammen babe. Auch jenve er das Original, von welchem abgejchrieben
worden jei, und bitte Amerbach nun, mit der Korrektur anzufangen. An
den andern Teilen würde täglich abgejchrieben; er habe prei gute Schreiber,
weiche jede Woche ſechs Quaternen abjchrieben. Es werde flott gehen,
nur befürchte er, daß Amerbach nicht jo viel forrigieren könne, als fie
täglich abjchrieben.
Wie bei diefem erjten, jo wiederholten fich auch bei ven folgenden
Binden die Schwierigkeiten für die Beſchaffung einer forreften Unter:
lage. Hier nur noch einige Beifpiele. Als fich der Drud dem Ende
näberte, verlangte Amerbach neue „Exemplaria”; Koberger antwortete am
13. August 1501, daß Amerbah nach Meldung der Mönche von Heils-
bronn die andern Teile bereits erhalten habe. Auch jei nach Lyon ge:
ihrieben; jomit hoffe er, dak man ihm die Bände bis zur Auguſtmeſſe
jenen werde. Wenn man fie aber nicht werleihe, jo werde er, Ntoberger,
fie auch abjchreiben laſſen. Am 22. November 1501 zeigte letsterer Amer:
bab an, daß er ihn „Hugonem super Danielem“ und „Librum Macha-
beorum“ in vier gebundenen Büchern gefandt habe, ſodaß er jett im
Beſitz des ganzen Hugo von Heilsbronn aus jein müſſe. Cinige Monate
ipiter, am 14. Februar 1502, bedauert dann aber SKoberger, daß die
ven ihm im Lübeck gelichenen „Exemplaria”“ Amerbach nicht dienlich
jeien, und teilt ihm mit, daß er, wegen der ihm in Eflingen als taug⸗
lich bezeichneten, ſofort ſeinen Neffen Hans Koberger dahin geſandt habe
346 Anton Kobergers Brieftwechjel mit Amerbah und Petri. Fünftes
und deren leihweiſe Verabfolgung erwarte. In dieſem Falle ſolle der
genannte Neffe ſie ſelbſt nach Baſel bringen. Am 21. März 1502 end—
lich bemerkt Koberger, daß Amerbach nach des jungen Koberger Mit—
teilung noch das Exemplar „Super Apostolum“ fehle. Er babe das—
jelbe hier in der „Yibrereh in Nürnberg” gefunden; es jei ſchön und
richtig gejchrieben und es werde für Amerbach hoffentlich brauchbar fein.
Er, Koberger, babe auch allenthalben in ven großen und „namhaftigen“
Klöftern im Schwabenland nachforichen laſſen, aber nichts bekommen;
doch jolle Amerbach feinen Mangel mehr an Eremplarien haben, damit
das Werk endlich zum Abſchluß komme,
Kaum geringer als dieſe Schwierigkeiten der Drudlegung waren vie,
die Fertigſtellung der Arbeit verzögernden Hinderniſſe. Wegen des Papiers
entitanden gleich von Anfang an unliebjame Stodungen, welche jelbit:
redend auf den gejanten Kortgang der Arbeit jtörend einwirkten. Zo
waren die eriten 25 Ballen, welche Koberger Anfang des Jahres 1497
durch Konrad Meyer aus Straßburg nach Bajel jenden lieh, dem Muſter
zuwider im Format zu Hein, furz nicht zur Zufriedenheit beider Ge—
ichäftsfreunde ausgefallen. Koberger bat deshalb Amerbach, Meyer vie
ganze Sendung gegen Erftattung aller Auslagen, einjchließlich des Zolls,
zurüczugeben. Auch Enve 1498 kam das bei Anton Bruder in Cpinal
beftellte Papier nicht rechtzeitig in Bajel an, da in jenem Orte die Reit
wütete umd infolge deſſen alle Arbeit ftodte. Um nun nicht eine zu
fange Verzögerung des Drucks eintreten laffen zu müſſen, kaufte Amer:
bacb zu Bajel auf Kobergers Rechnung Papier und war im Herbſt 1499
mit dem Betrage für 143 Ballen im Vorſchuß. Bon da an jchiekte
Koberger wieder regelmäßig, verwies aber Amerbach, falls jeine Zen:
dungen, meiſt 13 bis 14 Ballen, nicht rechtzeitig ankommen jollten, auf
Friedrich Brechter in Straßburg, der ſtets für jeinen Bedarf jorgen
werde. Nunmehr fam das Papier zwar regelmäßiger an, fiel aber
wiederum nicht immer nach Wunſch aus. So bittet 3. B. Brechter, als er
eine neue Sendung nach Baſel machte, in einem Briefe vom 17. Dezember
1501 Amerbach, er möge doch „eyn mytliden haben des bapiers halber“,
Diejer aber bejchwerte jicb bei Hans Koberger über die fchlechte Ware.
Anton Koberger entſchuldigte fichb am 21. März 1502, zugleich aber mel-
dete er Amerbach, daß er dem Brechter gehörig die Meinung geſagt babe
und daß diefer fortan ficher nur gutes Papier jchidden werde. Der Rüffel
Kapitel.) Anton Kobergers Briefwechlel mit Amerbad) und Petri, 347
icheint jevoch nicht gefruchtet zu haben, denn am 19. Auguft 1502 be-
auftragte Koberger jeinen Gejchäftsfreund, in Bajel gutes Papier zu
kaufen, falls es dort, wie fein Neffe Hans ihm jchreibe, zu jechs Gulden
für den Ballen zu baben jei. Anfang 1502 lieferte jedoch Brechter
wieder 25 Ballen Median an Amerbach, die diesmal als gut befunden
wurden.
Ebenſo wenig waren Abgang und Ankunft der verladenen Sendungen
mit Gewißheit vorher zu beitimmen und noch weniger der Zuſtand, in
welchem fie eintreffen würden. Da Handſchriften und Bücher, wie ge-
jagt, in Fäſſern befördert wurden, jo hing der unbejchädigte Cingang
der Ladung ſtets von der Sorgfalt des Fuhrmanns und der Gewiſſen—
baftigfeit des Faßbinders, von der Gunſt des Wetters und den politi-
ſchen Verhältniſſen ab. Faſt bei jever Sendung beflagte fich Koberger
über die fchlechte Bejchaffenheit der Fäſſer. Waren dieſe nicht feit oder
jtarf genug over regnete es viel, jo gingen die foftbarjten Bücher zu
Grunde und die einzelnen Werke mußten um einen viel geringern Preis
verfauft werden, wenn auch die durchnäßten Lagen auseinander genom:
men, getrodnet und dann wieder zujammengetragen und von neuem fol-
Iationiert wurden. Die Reife der Fuhrleute von Nürnberg über Straf-
burg nach Bajel und wieder zurüd dauerte damals volle fünf Wochen.
Dabei fuhren fie immer erſt vom jeweiligen Ausgangsplate ab, jobald
jie volle Yabung hatten, weshalb denn Koberger auch jtets mahnte, Amer-
bach möge für volle Ladung forgen, damit der Fuhrmann nicht aufge:
halten werde. „Er hoffe“, ſchreibt Koberger z. B. am 22. Oftober 1498
an Amerbah, „vaß er für den Fuhrmann Dans von Dorlach fo viel
geladen habe, als er laden könne; er, Koberger, eile und treibe jo ftarf,
weil er die Bücher gern bei gutem Wetter nach Nürnberg gebracht zu
jehen wünſche.“ Einige Tage jpäter, am 26. Oftober, melvet er vie
glückliche Ankunft einer Sendung in Nürnberg, erneuert aber jeine Bitte,
daß Amerbach ja für recht gute, jtarke Füffer forgen möge „Wenn
jet jchlechtes Wetter geweſen wäre, jo hätte ich einen großen Schaden
gehabt, denn die gejandten Fäffer ſind zu dünn von Holz, die Dauben
gingen auseinander und es drang das Waffer ein.” Am 1. Februar
1503 jchreibt Koberger an Amerbach, daß er noch fein Faß von ihm
erhalten babe; er wiſſe nicht, wo die Fuhrleute ſteckten, und höre von
großem Waſſer. Wenn fie noch lange ausblieben, jo würde er großen
348 Auton Kobergers Briefwechſel mit Amerbach und Betri. Fünftes
Schaden leiden. Bei Schluß des Briefs erhielt Koberger endlich fünf
Fäſſer, aber faſt ganz durchnäßt und „etliche ganz erdrunken“. Er bittet
deshalb dringend, daß Amerbach nur gute Fäſſer nehme, namentlich aber
für die „Exemplaria“. Auch am 17. Juni 1501, wie faſt bei jeder
ipätern Sendung, klagte Koberger wieder wegen ver zu leichten Fäſſer.
Schlieklich forderte er Amerbach auf, in Baſel Leder zu faufen und bie
Bücher darin zu verpaden, da fie in Ballen jicherer als in ſolchen
ſchwachen Fäſſern verjandt werden fünnten. Amerbach aber entzog jich
diefem Anſinnen dadurch, daR er von Koberger verlangte, er möge ihm
Yente jenden, welche jolche Ballen zu paden verjtinden. So blieb es
venn doch bei der gefährlichen Verjendung in Fäſſern.
Gab es aber erſt Krieg oder Fehde, jo wurde ein verbeißungsvoll
ausjehendes Faß einfach zerjchlagen, in ven Büchern nach Geld gejucht
und dabei der Inhalt jo zugerichtet, daß er unbrauchbar wurde An
derartigen Überrafchungen fehlte es namentlich zu jener Zeit und auch
ſpäter nicht. „Die drei Faß mit Auguſtinus“, ſchreibt Koberger am
9. Mai 1506 an Amerbach, „die mein Neffe zu Baſel hat aufgegeben,
ſind am heutigen Datum angekommen. Es iſt mir kümmerlich damit
ergangen. Als der Fuhrmann in die Nähe von Wimpfen gelangte,
wurde er gefangen und ſamt dem Wagen von der Straße weg in einen
Wald geſchleppt. Da haben ſie die Fäſſer aufgeſchlagen und darin nach
Geld geſucht. Nachher iſt Regenwetter eingefallen und ſind die Bücher
wohl halb ſchadbar geworden und erdrunken. Das iſt mein Gewinn,
der geht alſo weg. Ich muß Patienz haben.“ Wenn aber Fehden oder
anſteckende Krankheiten ſelbſt nur in einem kleinen Gebiet wüteten, ſo
lag der Verkehr ſo gut wie ganz danieder, und es fand dann gar keine
Warenbeförderung ſtatt. Zu all dieſen Fährniſſen geſellten ſich dann
noch die ſteten Schwierigkeiten der geſchäftlichen Korreſpondenz. Bei
wichtigen Beſprechungen beſuchten zwar Verleger und Drucker einander
oder verabredeten eine Zuſammenkunft auf der frankfurter Meſſe; in ge—
wöhnlichen Zeiten aber wechſelten ſie Briefe und Aufträge durch den
Fuhrmann oder ſandten ſich auch einen beſondern Boten, ſicherheitshalber
ſogar doppelte Boten, nach Baſel oder Nürnberg, die freilich Wochen
zur Beſorgung ihres Geſchäfts brauchten.
Natürlich bereiteten derartige troſtloſe öffentliche Zuſtände Koberger
auch große Schwierigkeiten in der rechtzeitigen Einziehung ſeiner Forde—
Kapitel.) Anton Kobergerd Briefwechiel mit Amerbach und Petri. 349
rungen und in der Beichaffung der Mittel zur Bezahlung feiner Verbinp-
lichkeiten. Troß aller Bemühungen, Amerbach pünftlich zu befriedigen,
war es ibm mehrmals unmöglich, bares Geld zu beſchaffen oder Wechjel
auf Baſel aufzutreiben. Bis zum Ende des Jahrhunderts ging alles
glatt ab; ja, Koberger zahlte Amerbah im Frühjahr 1499 jogar die
nicht unbeveutende Summe von 300 Gulden eine Meſſe früher, als ur-
jprünglich verabredet worden war, und in der Herbſtmeſſe 1499 hatte
er jogar 600 Gulden mehr bezahlt, als er damals jchuldete. Im Anfang
ihrer Verbindung deckte er feine Rechnungen bei Amerbach durch Iyoner
Wechſel auf Bafel, mit deren Anfauf bei der lebhaften und verbältnis-
mäßig jicbern Verbindung zwijchen beiden Städten geringere Gefahr und
deshalb auch ein wohlfeileres Agio verbunden war. Außerdem aber hatte
Koberger in yon auch eim großes, damals ftets bares Geld einbringen-
des Yager, deſſen Verwaltung nach einem Briefe vom 22. Oftober 1498
jein Faktor Siriacus Hochwerd (bei Hanffen von Michelſtadt zu Her-
berg) und jpäter jein Neffe Hans, Sohn des Bäckers Sebald Koberger,
des ältern Bruders Antons, bejorgte.
Im Frühjahr 1500 ſchrieb Koberger an Amerbach, daß er wegen
der in Frankfurt und im feiner Nachbarjchaft drohenden Fährlichkeiten
die dortige Meſſe nicht befuchen und auf ihr auch feine Zahlung leiten,
wohl aber zur Oſtermeſſe nach Lyon geben und ihm von hier aus 1000
Gulden auszahlen werde. Es war damals ficherer, das Geld von yon
nach Bajel, ald von Frankfurt nach Baſel zu fchaffen, namentlich konnte
man es zuverläſſigen Kaufleuten in Lyon einhändigen, welche es in Bajel
wieder auszahlten. Den Berluft an Agio mußte freilich Amerbach tra-
gen, denn Koberger jchrieb ihm: „Ich kann Euch nicht Gulden in Solo
zu Lyon geben, jondern foviel für einen Gulden, als ziemlich und wie
der gemeine Yaufft in der Zahlung ift. Ich bitte Euch, lieber Meifter
Hans, wollet zu diefem mal für gutnehmen und Patien; mit mir haben,
denn es wird mir wahrlich jegund jchwer. Demnächſt fommt die nörd—
linger und ftraßburger Meſſe, jo will ich aber thun, jo viel mir möglich
it. Es geht wahrlich allenthalben fümmerlich, auf dem Yand Bücher
zu werfaufen. Ich habe meine Werkftatt ganz abgeftellt und vrude gar
nicht.“
Bald darauf reifte Koberger wirklich nach Lyon und zahlte laut Brief
vom 19. Mai 1500 bei Konrad David 600 Gulden bar unter der Be—
350 Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Betri. [Frünftes
dingung für Amerbach ein, daß fie dieſem ohne Abzug in Gold bezahlt
werben jollten. Er hatte jeit der frankfurter Meſſe Mons (Bergen),
Antwerpen und Paris bejucht, ohne indeffen Gelder aufzutreiben, denn
es war, wie er jehreibt, ein jämmerlih Ding mit dem Buchhantel; er
fonnte für feine Bücher fein Geld befommen und hatte dagegen nur
„große Gzerung und Koſtung“. Wie er am 26. und 29. Mat 1501
ichrieb, hoffte Stoberger von Lyon nach Bajel bald 1200 Gulden jchiden
zu können; indeſſen ſchlug auch dieſe Berechnung fehl. Er batte näm—
lich jeinen Neffen Dans mit 300 Eremplaren ver „Glossa” nach Venerig
gejchiekt, um fie dort gegen andere Bücher zu „verftechen” (vertaujcen)
und die eingetaujchten in Lyon zu verfaufen. Da er aber noch 300 Gul—
den bar in das Unternehmen gejtedt und Dans Koberger feine Gejchäfte in
Venedig gemacht hatte, jo mußte diefer noch 300 Gulden auf Lyon ziehen,
von denen Anton Koberger die Hälfte in der Oftermefje zu deden hatte,
Zudem gingen von Lyon nach Venedig und zurüd allein 400 Gulden
für Fuhrlohn drauf, ſodaß Anton Koberger nach deren Bezahlung fein
Geld mehr Hatte. Der Neffe kam mit den 50 Ballen vwenezianijcher
Bücher zu jpät nach Lyon, weshalb er nur einen kleinen Teil davon
abjeste. So fehlte es überall an barem Gelde. Schließlich half ſich
Koberger damit, daß er am 28. Mai 1501 zu Gunften Amerbachs einen
Wechſel von 900 Gulden auf Straßburg ausjtellte und damit feine
baſeler Druder wenigitens auf einige Monate befriedigt. Bald ehren
jedoch diejelben alten Klagen über Geldmangel in faft jedem Briefe wieder.
Trotz feines guten Willens fonnte Koberger nicht rechtzeitig genug Dedung
nach Bajel jenden, zumal auch jeine Außenſtände aus Ofen, Wien, Bres-
lau, Yeipzig und andern Städten nicht eingingen. Im Mai 1502 be
auftragte er feinen Neffen Hans, alles Geld, welches er aus der lyoner
Dftermefje übrig habe, nach Bajel zu bringen. Für den Fall, daß dies
zur Dedung der Amerbah und Petri jehulpigen 900 Gulden nicht ges
nügen jollte, veriprach Koberger, jelbit nach Lyon zu gehen und auf ver
dortigen Auguſtmeſſe mehr Geld aufzutreiben, eventuell aber auf ver
nächjten franffurter Herbjtmefje den Reit aus den dortigen Eingängen
zu bejchaffen. Hans SKoberger jchrieb aus yon am 30. Augujt 1502
an Amerbach, er jei zwar beveit ihm das Geld zu jchiden, allein er
finde niemand, der es annehmen wolle; er jelbjt aber habe feine Zeit,
nach Bajel zu fommen, da er nach Mailand und Venedig müſſe, wes-
Kapitel.] Anton Kobergers Briefwechſel mit Amerbad und Petri. 351
balb die Zahlung nicht auf der franffurter Herbitmeffe, jondern erjt auf
der Iponer Alferheiligenmeffe erfolgen könne. Schließlich aber ergab fich,
daß in Lyon fein Geld zu bejchaffen war, da auch in Frankreich alles
Seichäft ftodte und „niemand nichtz ſchaffte“. Endlich wies Koberger
Amerbach an, fih von einigen nürnberger Kaufleuten, welche die Simons-
ud Judämeſſe (24. Oftober) in Bajel bejuchten, 200 Gulden gegen
Quittung zahlen zu laffen. Den Reft feiner Schuld aber vertraute er
laut Brief vom 24. Oktober 1502 „einem frommen, ehrbaren nürn-
berger Kaufmann“ mit 1000 Gulden in gutem Gelde an, die er bei dem
Fuhrman Stephan Clein in Straßburg für Rechnung Amerbachs ein-
zablen ſollte.
Die Beranlafjung übrigens, welche Koberger bejtimmte, feinen Neffen
Sans mit 300 Exemplaren der „Glossa ordinaria” nach Venedig zu
jenden, war eigentlich von der baſeler Geſellſchaft jelbjt hervorgerufen
worden. Aoolf Ruſch in Straßburg batte nämlich die erjte Ausgabe der
Bibel mit der „Glossa ordinaria”“ und zwar, wie im zweiten Kapitel
unter Straßburg ſchon angeführt, zum größten Teil für Anton Koberger
in Nürnberg gedruckt. Schon damals (in den achtziger Jahren) ging
Amerbach mit dem Plane um, die „Glossa ordinaria’” nachzupruden,
itand aber auf die Bitten Adolf Ruſchs, dem er jehr verpflichtet war, da—
von ab. Diejen Plan nun nahm die bajeler Gejellichaft unmittelbar nach
Beginn der Bibel des Hugo wieder auf. Als Amerbach eine Mitteilung
biervon an Koberger gelangen ließ, worin er indeſſen wohlweislich feinen
Partner Johann Petri als Unternehmer vorſchob, beklagte fich Koberger
bitter über das Unrecht, welches ihm dadurch zugefügt werde. „Es dünkt
mir diejes“, jagt er, „ein unziemlich und unerbares Vornehmen.“ „Ich
babe Euch und ihm oft gejchrieben, wie ich davon noch eine große
Summe unverfanft liegen habe, denn ein jo großes Werf läßt fich nicht
jo ſchnell vertreiben.” „Ich hab freundlich und erbarlich mit ihm ge-
bandelt und er will mir jolchen Schaden zufügen, wie e8 ein Jude dem
andern nicht thun jollt.“ Und fpäter, da Amerbach dem Petri das
Wort redet, fpricht fich Koberger noch entrüfteter über jenen Anjchlag
aus: Sein Werk (dad von Ruſch gebrudte) bleibe ihm liegen; denn
da er es immer hoch im Preiſe gehalten habe, jo habe er davon nicht
jo viel verkauft, ald wenn er es um ein Spottgeld bingegeben bitte,
Einer ſolchen That habe er fih von Meeifter Hanſen nicht verjehen,
352 Anton Kobergers Briefwechlel mit Amerbach und Petri. Fünftes
denn wenn jener ſchon die Abſicht gehabt hätte, das Werk neu zu drucken,
jo jet e8 jedenfalls jeine Pflicht gewejen, es ihm eine Zeit lang vorher
anzuzeigen, damit auch er, Stoberger, das Seine hätte zu Geld macen
fünnen. „Aber diefe Treue‘, ſchreibt er weiter, „bat er mir nicht be-
wiejen.“ „Ich habe es längſt von andern gebört, auch meine Diener
hatten mir davon gejchrieben, aber ich habe es nicht glauben wollen, bis
ich Euern Brief erhalten habe. Ich babe auch längſt gemerkt, daß er
(Petri) mir den Nuten und Gewinn an dem Werf nicht gegönnt bat,
obwohl ihm dies auch zugute fommt; denn bätte ich das Werf nicht je
teuer gehalten und wäre es gleich im Anfang in der Yente Hände ge
fommen, jo hätte Meeifter Hans es nimmermehr mit Nuten pruden
mögen.” Koberger verſchmäht cs, ſich an Petri zu rächen, was er durch
Abbruch feiner Gejchäftsverbindung mit ihm oder durch Borenthaltung
von Gelvern ſehr leicht gefonnt hätte, „Das wäre”, fagt Koberger, „ein
rechtes Salz zu dem Wildpret, das ich um Gottes willen nicht tbun,
jonvdern ihm erbar freundlich gute Zahlung leiften will, als ein frommer
Mann, ver e8 Gott anbefiehlt, was er mir fir Schaden zugefügt bat.“
Infolge dieſes Neudrucks num entſchloß fich Koberger jchnell, für die
vorrätigen Eremplare jeiner Ausgabe Abjat im Auslande zu juchen, ehe
er dort eine Konfurrenz zu fürchten hatte. Das war ein weiterer und
wohl der Hauptgrund, feinen Neffen Hans mit jenen 300 Erempfaren,
wie jchon erwähnt, nach Venedig abzujchiden.
Die Handlungsweife der bajeler Geſellſchaft war gegenüber dem ihr
vertrauenden und ihre Preſſen gewinnbringend bejchäftigenven Geſchäfts—
freunde geradezu eine jchmachvolle; fie wurde aber noch verächtlicher durch
den Umjtand, daß Amerbach that, als ob er dem ganzen Plane fern
ftehe. Nun aber druckten Amerbab und Petri gemeinjchaftlic und ent-
warfen jelbjtredend auch gemeinschaftlich ihre Pläne. Jenem lag die
Leitung des Ganzen und bejonders des wiljenjchaftlichen Teils des Ge—
ſchäfts ob, während dieſer der eigentliche Druder war und den technijchen
Teil leitete. Dieje ſchnöde Schädigung Ktobergers wurde fpäter in ähn—
ficher, ja in noch heimtückiſcherer und ſchlimmerer Weife wiederholt.
Amerbach gilt allgemein als ein vollendeter Chrenmann, deſſen edeln
Charakter, Uneigennütigfeit und Frömmigkeit Zeitgenofjen und Nachwelt
nicht müde werden in allen Tonarten zu preifen. Er jelbjt nennt ſich
einen frommen Statholifen, der nur die wahren, feujchen und göttlichen,
Kapitel.) Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Betri. 353
nicht aber die verlogenen objeönen und weltlichen Bücher liebe und durch
den Druck verbreite. Wenn er num in demſelben Briefe vom 28. Sep-
tember 1498 den ihm vertrauenven Koberger als einen edeln und ge-
rechten, vortrefflihen und wahren Dann feiert, jo finden, foweit man
nach jeinem beimtüdijchen Verrat am Gejchäftsfreunde urteilen fann,
dieje anerfennenden Worte auf ihn jelbjt feine Anwendung. Im Yichte
der quellenmäßigen Thatjachen betrachtet ift vielmehr Amerbachs Charakter
durchaus nicht rein. Man kann auch die pamaligen Anſchauungen über
den Nachorud nicht zu jeiner Entjchuldigung anführen, denn Amerbach
brach jeinem Freunde die Treite.
Koberger jeinerjeits trat dieſem jehimpflichen Gebaren vornehm, ja
vielleicht zu harmlos entgegen. Als Petri ihm jchlieklich feinen Nach-
druck ver „Glossa ordinaria” zum Kauf angeboten hatte, jchrieb Koberger
an Amerbach: „Es ift mir ſchwer, mit ihm (Petri) zu handeln, Ihr
wißt, wie cd mir mit ihm ergangen iſt und wie mir fein Nachbrud
großen Schaden bereitet hat; trotzdem aber, da der Handel in deut—
jben Yanden faft auf Euch, Ihm und mir ruht und ftebt, jo
wäre ich wohl geneigt, weiter mit Euch zu handeln, aber es müßte jo
zugeben, daß feiner von dem andern Schaden zu beforgen hätte. Dann
boffe ich, die Werke in folchem Wert zu halten, daß wir uns des Han—
dels umjer Yebtag mit gutem Nugen erfreuen und unjere Nachkommen
ihre Nahrung vielleicht auch beſſer davon haben möchten.” So wurde
denn die beſtehende Gejchäftsverbindung nicht abgebrochen, obwohl Ktoberger
wahrlich guten Grund dazu gehabt hätte.
Der lebte (fiebente) Band des Hugo wurde, wie ſchon gejagt, gegen
Martini 1502 beendigt. Bon der Auflage von 1600 Exemplaren gingen
in der Folge 300 nad Lyon, wo fie übrigens nur langjam Abſatz fan-
den — in Frankreich „ſtec (ſtockt) es allenthalben jere und ſchafft nie-
mand nichtz“, jchreibt Koberger —, 300 nad Spanien und 400 nad
Stalien, aus welch leßterm Yande jedoch der größte Teil zurüdgejandt
wurde. Die übrigen Exemplare ließ Koberger nach Nürnberg, Straf-
burg, Frankfurt und Paris fommen. In Bafel blieb von der ganzen
Auflage nichts. Am 26. Juli 1503 ſchickte er acht vollftändige Exem—
plare an Amerbach zurüd, va diejer gejchrieben hatte, er könne fie ver-
faufen.
Ktobergers Freude an dem endlich vollendeten Werfe jollte indeſſen
fapp. I. 23
354 Anton Kobergers Briefwechlel mit Amerbad und Betri. [Fünftes
nicht fange währen. Der Drud war nämlich noch nicht einmal beendet,
gejchweige denn das Buch ausgegeben, als Amerbab in mehrern Briefen
an Koberger ſchrieb, daß man ven Hugo nachzupruden gedroht habe. Seine
erite desfallfige Nachricht ftammmt aus dem Februar 1502. Yon wem und
von wo dieje Drohungen ausgingen, verichweigt er, trotz Kobergers wieber-
holter bejorgter Anfragen; vor der Hand wollte es Amerbach wobl mit
diefem nicht verderben und begnügte fich mit vunfeln Andeutungen. Dan
braucht aber nicht weit zu juchen, um die Urheber zu finden. Es waren
Amerbach und Petri jelbjt, welche Arbeit für ihre Preffen brauchten und
fich einen neuen Auftrag von Koberger erprefien wollten. Abgejeben da—
von, daß fie nach dem oben gejchilverten Komplot wohl die Männer waren,
zu denen man ficb der That verjehen konnte, jo deckten fie auch ihre Kar-
ten bald ganz offen auf. Zunächſt teilten fie jchon Kobergers Neffen
Hans zu Anfang 1502 mit fluger Berechnung mit, daß fie den Hugo,
die „Glossa ordinaria” und die Werfe des heiligen Auguftin, wenn
Anton Koberger damit einverjtanden ſei, auf gemeinjchaftliche Rechnung
beritellen und vertreiben wollten; zugleich aber erklärten fie fich bereit,
mit ihm die Einzelheiten des Plans zu vereinbaren. Natürlich war bieje
Mitteilung nur darauf berechnet, ven Verleger zu ködern, welcher, von
jeinem Neffen benachrichtigt, purch ein derartiges Conto-A-meta-Gejcäft
eher dem unbefugten Nachorud des Hugo vorbeugen zu können boffte
und umgehend won den Bajelern genaue Mitteilung ihrer Bedingungen
verlangte. Die Berhandlungen jchwebten während des ganzen Jahres
1502. Amerbach jpielte jest, nachdem Koberger feine Bereitwilligfeit er-
flärt hatte, den Zögernden und that, als ob er zu alt und gebrechlich
jei, um jolch weitausjehende Unternehmungen in Angriff zu nebmen. Se
länger er hinhielt, deſto higiger wurde Kloberger. Diejer juchte am 24. Of
tober 1502 die angeblichen Bedenken Amerbachs mit dem Vorſchlage zu
bejeitigen, daß man ja vorläufig nur mit einer Preffe anzufangen und erit
dann energiſch im Drud fortzufahren brauche, wenn Amerbach fich zu dem
Werke wieder geſchickt fühlen werde. Jetzt hatten die beiden bajeler Druder-
herren Koberger da, wo fie ihn haben wollten. Sie meldeten ibm, daß
fie zur mündlichen Verabredung über die gemeinjchaftlichen Pläne und
den Neudrud des Hugo demmächjt in Nürnberg eintreffen würden. „Das
jv mit jampt meifter Hanſſen peter (Petri) her uff Nurmberg kommen
wollt“, jehreibt Ktoberger an Amerbach am 20. November 1502, „das
Kapitel.) Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Petri. 355
bab ich gern vernommen und wil ewer beyder aljo warten und hoffend
jein. Doc jo e8 euch woll füglich iſt und ewer fach wol zw end gericht
band, de mit das jr mitt guter rwe (Ruhe) mogtt bie jein, So wollen
wir ob gott wil mit ein ander fröfich jein vnd all unjer rechenjchafft
mitt gutter muß jchlecht und eben machen. Und bitt euch beyd, So euch
gott berhilfft, Das jr an fein ander end wollet einreitten, den jn mein
Hauß vnd wollet bey mir für gut nehmen.” Dieje Zuſammenkunft fand
dann auch im Dezember 1502 oder im Januar 1503 ftatt, denn ſchon
in einem Briefe vom 9. Februar 1503 ſpricht Koberger von Amerbachs
Abſchied von Nürnberg. Sie hat offenbar nur zu einer Vereinbarung
über einen Neudrud des Hugo, und zwar auf Kobergers ausjchlieh-
liche Koften, geführt; von gemeinjamen Unternehmungen ſchweigen wenig-
jtens die Briefe für die nächſte Zeit, nachdem der gelchrte Amerbach
und Betri ihrem Gejchäftsfreunde (?) Koberger das Meſſer an die Stehle
gejett hatten. Es wurde bejchlojfen für den Sat neue Schrift und
für ven Drud gutes Papier anfertigen zu laffen.
Diejer unmittelbar nach Ausgabe der erjten Auflage des Hugo be-
gonnene Neudruck erwies fich, wie von vornherein faſt zu erwarten, jehr
bald als ein äußerst jchlechtes Gefchäft. Er brauchte zu feiner Vollen-
dung nur zwei Jahre und erjchien bereits im Herbſt 1504. Die erjte
Auflage war kaum halb vergriffen, als die eriten Bände der neuen ans
Ficht traten. Um das Werk verfüuflicher zu machen, ließ Ktoberger ein
ausführliches Anhaltsverzeichnis zur erjten Auflage anfertigen; indeſſen
wurde es wenig verlangt, weil die Käufer gleich die zweite haben wollten.
Diefe war übrigens viel weniger jorgfältig gedruckt. Koberger fand in
jeinem Briefe vom 14. Dftober 1505 die Arbeit „caduc und unfleißig,
.. . . jo wirt das werd noch unfewfflicher werden”. Der verzweifelnde Ver—
leger, ver gleichzeitig infolge des Daniederliegens des Gejchäftsgangs
mit jehweren Geldbedrängniſſen zu kämpfen hatte, tadelte jetzt Amerbach,
daß er ihm den Hugo zu jehr angepriejen und ihn dadurch zu biejem
Unternehmen bejtimmt habe, Überall im Lande herrſchte „Sterb, Tewe-
rung und Krieg“, ſodaß es auch ganz vergeblich war, wenn Koberger
jeine Faktoren anwies, den „Hugonem flur hinzugeben‘ Erſt im Som:
mer 1504 fing das Werf an allgemeiner befannt zu werden und größere
Berbreitung zu finden. Koberger überzeugte fich jet, daß er beffer ge-
than haben würde, wenn er mit dem zweiten Drud noch ein paar Jahre
23*
356 Anton Kobergers Briefwechſel mit Amerbach und Petri. [Fünftes
länger gewartet hätte. Seine ftändige Bitte aber an Amerbac ging
dahin, er möge mit dem Neudruck langſam vorgehen, lieber die Werte
Auguftins in der Zwifchenzeit vollenden und ibn zu Kräften kommen
faffen. Dieje Bitte fruchtete aber bei den bajeler Herren nichts. In der
jchweren Kriegszeit, Die auch ihr Gejchäft prüdte, war es ihnen natür-
lich doppelt bequem, in Koberger ven Mann zu haben, der ihre Brefien
in ununterbrochener Thätigfeit erbalten mußte und ihnen ſelbſt dadurch
zugleich indirekt Die Mittel für ihre jonftigen Unternehmungen lieferte.
Ununterbrocen ging der Neudruck von jtatten, ununterbrochen gelangten
Mahnungen über Mahnungen an Koberger, welche ihn die ganze Bitter:
feit der eingegangenen Verbindlichkeiten fühlen liegen.
Wahrhaft rührend find die Briefe Kobergers vom 12. Auguft, 9. Ch
tober und 20. Dezember 1504; fie laſſen feine verlegenbeitswolle gejchäft-
liche Page klar bervortreten und find bezeichnend für die damalige poli-
tische Yage. Amerbach hatte fich wieder einmal wegen der ausbleibenden
Geldſendungen beklagt. Koberger antwortete darauf: „Ich babe Euch
vor acht Tagen gejchrieben, dag Ihr jemand nach der franffurter Meſſe
jchiefen jollt, und babe mich zu derjelbigen Zeit verjehen, e8 ſollte Meſſe
zu Frankfurt worden fein. So find die Ktriegslewfft jeit der Zeit noch
heftiger worden, aljo daß ich mich verfieh, daß ganz feine Meſſe zu
Frankfurt werd und jonderlich niemand von bier aus diejer Stadt Nürn—
berg dahinfommen wird. Denn die Fürſten wollen nicht geleiten und
ijt ein jämmerlich Weſen in diefen Landen. Gott der Allmächtige wolle
und verleihen jeinen göttlichen Frieden. Alfo daß Ihr niemand von mein
wegen nach Frankfurt ſchicken dürft, wenn ich kann nicht dahin fommen,
noch feinen Diener dahin jenden. Auch kann ich feine Bücher dahin:
bringen, Geld Euch auszurichten in dieſer franffurter Meſſe ift mir
wahrlich nicht möglich. Ich verfieh mich nicht 1 Gulden aus dieſer Meſſe.
Ich bitte Euch, die Fäſſer bei Euch zu behalten, bis die Zeiten beſſer
werden umd fie nur gegen meine Anweiſung abzufenden. Ich bejorge
aber, daß das Ding noch lang fein Ende nehmen wird. Etliche, jo da-
bon reden, find der Meinung, es bab noch nicht recht angefangen.
Der allmächtige Gott verleihe uns jeinen göttlichen Frieden. Amen!“
Amerbach bejchwerte fih kurz nach Empfang dieſes Schreibens dar-
über, daß ihm der Diener Kobergers nur 300 Franken als Ertrag der
Iyoner Auguſtmeſſe geſandt habe, während letterer ihm 600 Gulden an-
Kapitel.) Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Petri. 357
zuweifen Auftrag gegeben hatte. „Ich weiß wohl‘, jehreibt der Berleger
an den Druder, „was unjers Vertrags Inhalt tft, und bevenfe das wohl
jo oft, als Ahr das mögt bevenfen, und iſt mir eine bejondere Bein,
daß ich Euch nicht halten fann und mag, als ich Euch vwerjchrieben bin,
aber es iſt ohne meine Schuld, jondern der jehweren Kriegslewfft, die
in mittlerer Zeit vorgefallen find, aljo daR der Handel allenthalben
niederliegt. Ich kann meinen Dienern nichts zujchiden, was jie von
Büchern noteürftig find. So fünnen fie nicht Geld löſen und iſt ein
weitlewfftiger Krieg, was niemand jo gut weiß als die, die im Handel
fine. Man jchafft allenthalben nichts, und darum, lieber Meijter Dans,
wollet Meitleiven mit mir haben. Altes das, jo ich kann und mag zu
Geld bringen, will ich Euch jehiden und Euch wiſſen laffen, was Ihr
von Geld auf mich nehmen mögt. So wißt, daß ich einen Diener zu
Frankfurt gehabt habe. Der hat 300 Gulden aus Schuld bracht, aber
nicht über 10 Gulden aus Büchern gelöft, denn es ift eine arme Meſſe
geweſen. Hab ich die 300 Gulven nicht heraus mögen bringen, jendern
ih habe fie müſſen auf Wechjel geben bis auf Weihnachten. Was mir
denn jetzund zu leybezig (Yeipzig) gelöft wird, muß ich ein ganz Jahr
Zeit Dazu geben, will ich Gold haben. Denn da zahlt man jedermann
mit Münze 21 Grojchen für 1 Gulden. Will ich Gulven in Gold haben,
jo muß ich geben 23%/, over 24. Das mag der Dandel nicht ertragen.
Auch iſt es aljo worden in dem Yand zu Polen und in Ungarn, daß
man 4 oder 5 Grojchen auf ein Gulden verlieren muR, wer Gold will
haben. Aber ih will Schaden leiden und thun, was ich mag, damit,
dar ich Euch zufrieden jtelle. Item jchrieb meinem Diener auff Frank—
furt, ob jemand von Euretwegen wäre zu Frankfurt, dem jollt er jolch
300 Gulden überantworten. Alſo iſt niemand dageweſen, aber auf Weib:
nachten mögt Ihr 300 Gulden auf mich zu Wechjel nehmen, die will
ich ausrichten. Aber mein Rat ift, dar Ahr ſolch Geld bar einnehmt,
nicht, daß die Kaufleute hier das Geld nehmen und Kaufmannſchaft kaufen
und Euch erjt darnach wollen Ausrichtung thun, jo fie die Güter auf
Bajel bringen. Denn es ift hier herum viel zu jorglich (gefährlich). Die
Wagen werden genommen und wenn die Güter genommen werben, jo
wollte man Euch vielleicht darnach nichts ausrichten. Das wäre nicht
für Euch noch für mich, und darum iſt nichts beſſeres, denn das Ge—
wiflejpielen (das Sichere zu wählen).
358 Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Petri. [Fünftes
„stem, lieber Meifter Hans, wifft, daß ein arm jämmerlich Wejen
bier ift Unfriepshalber und zu bejorgen, daß es täglich böfer werde, und
darum bitte ich Euch freundlich, wollet Patienz mit mir haben. Ich
will thun Alles, das jo mir möglich ift zu thun. Ich habe wohl Geld
su Wien, auch zu Ofen in Ungarn, zu Breslau, zu Cracau, aber es
ift mir nicht möglich, in dieſen Kriegslewfften einen Gulden auf Nürn:
berg zu machen oder zu bringen. So kann ich auch meinen Dienern
fein Buch an die End ſchicken.“
Überhaupt waren die Zeiten wenig dazu angethan, einen größern
Abſatz zu erzielen. Die neu erfcheinenden Bücher überftürzten ſich, die
Bücherkäufer aber vermehrten fich nicht, zumal die Haupterjcheinungen
der Yitteratur vorzugsweiſe dem theologifchen Gebiete angehörten. „Man
hatt‘, jchrieb Koberger 11. April 1503, „die pfaffen So ganz aufge:
(eret, mit den buchern jo vil gelcz (Geld) von jn czogen, das mit mer
dar an wollen.“ Dann aber zogen fich die Kriegsſtürme immer heftiger
zuſammen, ſodaß von ven Fürjten fein Geleit mehr zu den Meſſen zu
erlangen war. Wenn fpäter auch die äußern Konjunkturen bejjer wur:
den und infolge deffen ver Hugo für einige hundert Exemplare mehr
Käufer fand, jo blieb jein Abjat doch weit hinter den Erwartungen zu:
rück; namentlich aber ſtockte verjelbe ganz, als erft die Reformation fich
der Geifter bemächtigte und die alte theologijche Yitteratur fo gut wie
ganz verbrängte.
Koberger machte im Yaufe der Jahre noch manches große Gejchäft
mit Amerbach und Petri. Namentlich kaufte ev ihnen einige ihrer gang:
barjten Verlagsartifel ab, wie 5. B. 1000 Eremplare der Werfe des
heiligen Auguftin im Frühjahr 1506, um die Yager jeiner Filialen im
Paris, yon und andern Städten zu vervollſtändigen; indeſſen ließ er
bei Amerbah und Petri fein einziges Buch mehr drucken. Fortan be:
diente er ſich ausjchlieflich der Iyoner und ſtraßburger Preſſen; er war
gewitigt worden. Was Stoberger übrigens als Druder und Verleger
geleijtet hat, ift noch nicht überholt. Die Nachteile, unter welchen er
vielfach leiden mußte, wurden andererjeits eine Zeit lang durch jchwer-
wiegende Borteile wieder ausgeglichen. So drudte er, mit wenigen
Ausnahmen, im einer einzigen gelehrten Sprade und hatte einen und
venjelben Kundenkreis, deshalb auch ein und dasjelbe national nicht ge:
ichiedene Abjatgebiet, furz, einen großen internationalen Markt. Aber
Kapitel] Veralten von Anton Kobergers Verlag. 359
damit verfnüpfte er auch jein gefamtes Gejchäftsintereffe zu eng mit
einer alternden, ſich ausgelebt habenden Zeit. In Kobergers letzten
vebensjahren trat der junge Humanismus wühlend und umwälzend auf
den Nampfplaß; er, und noch weit mehr jeine unmittelbare Nachfol-
gerin, die Reformation, wollten nicht viel von Kirchenwätern, Gloſſen
und Poſtillen wiſſen. Sie legten den Abjat der mittelalterlichen theo-
logiſchen Yitteratur vollends Lahm,
Schites Kapitel.
Der Buchhandel in jeinem Berhältnis zum Humanismus.
Nenaiffance und Humanismus. — Phaſen des Humanismus. — Humaniſtiſch—
theologiiche Periode. (Brüder vom gemeiniamen Leben) — Humaniſtiſch-wiſſen—
ichaftliche Periode. — Erasmus. — Aldus Manutius. — Seine Berlagsthätigkeit.
— Verbindungen mit den deutichen Humaniſten. — Beziehungen zu Erasmus, —
Zu Reudlin. — Geichäftsbezichungen zu Deutſchland. — Geichäftliche Leiſtungen
und Erfolge. — Johann Froben. — Humanismus in Erfurt. — Die humaniſtiſch—
polemifche Periode. — Streit mit den Dunfelmännern. — Die Epistolae obsceu-
rorum virorum. — Schluß.
Die Morgenröte eines neuen Tages brach an, als Italien, die alte
Yehrerin Europas, durch Wiederbelebung der Elaffischen Studien eine
untergegangene jeböne Welt aus dem Schutt ansgrub und die jtrebjumen
Seifter zu edlern und ivealern Anjchauungen emporhob. Die Menjch-
heit fing eben wieder an, fich auf fich jelbjt zu befinnen und dem Gängel—
band des Prieftertums zu entwachien. Neben der Kirche, welche bisher
das Abendland zuſammengehalten hatte, entjtand jetst ein neues geiſtiges
Medium, welches — mit Jakob Burdhardt zu reden ! — von Italien ber
fich ausbreitend zur Lebensatmoſphäre für alle höher gebildeten Europäer
wurde, Dieje Richtung, welche in ihrem Geburtslande Renaiffance
hieß und dort die beiten Kreiſe durchdrang, entwidelte fich auf deutſchem
Boden ald Humanismus und fand namentlich unter den Gelehrten um
der jtudierenden Jugend ihre begeifterten Anhänger, welche durch grün:
liches Studium der Flaffiichen Sprachen eine höhere Bildung anzubahnen
und eine. Reformation der Wiffenjchaft hevvorzurufen juchten. Der Ita-
liener der Renaiffance it der vornehme Herr, welcher feine Schranten
für jein perjönliches Belieben fennt, den Ruhm als das höchite aller
Sechſtes Kapitel.) NRenaiffance und Humanismus. Perioden des legten. 361
Yebensgüter erjtrebt, heidniſch lebt und höchitens chriftlich jtirbt. Der
deutiche Humanift dagegen geht meiftens aus den wmittlern und untern
Volksklaſſen hervor, faßt, von tiefem Erkenntnisdrange ergriffen, ernſte
Erziehungszwecke, eine fefte religiöſe und fittlihe Bildung ins Auge und
jucht durch gewiffenhafte Arbeit das Yeben des Einzelnen zu verinner:
fihen und zu vereveln. Allmählich erweitert fih nun dieſes Streben
zum Kampfe des freien Geiftes gegen den Scholaftizismus, zur wifjen-
ichaftlichen Forſchung gegenüber leerer Verſtandesſpielerei und zum jelb-
jtändigen Denten gegenüber päpftlicher Autorität, um ſchließlich in der
Reformation aufzugeben. Auferlich einander vielfach ähnlich, nament-
lih aber in ihren Angriffen oft dasjelbe Ziel verfolgend, find Renaiſ—
jance und Humanismus jedoch innerlich weit voneinander verjchieden.
Italien spiegelt auch auf dieſem Gebiete den romanischen, wie Deutich-
fand ven germanijchen Geift wider. Im Gegenjag zur jehönen all
jeitigen Ausbildung des Menjchen umd ver gefülligen Form des Sta:
lieners bringt der unbeholfenere, aber ernjtere Deutjche auf Hebung des
innern geijtigen Lebens.
Für die vorliegende Arbeit kommt natürlich nur der deutſche Huma—
nismus in Betracht und auch dieſer höchſtens nur inſoweit, als ſeine
Wechſelbeziehungen zum deutſchen Buchhandel reichen. Ludwig Geiger,
deſſen vortreffliche Schriften dem Leſer auf dieſem Gebiete die eingehendſte
Belehrung bieten ?, unterſcheidet drei verſchiedene Phaſen, die ziemlich
gleichzeitig mit der Ausbreitung der Buchdruckerkunſt beginnen und bis
zur Reformation reichen (etwa von 1460 bis 1520), und zwar die huma-
niſtiſch-theologiſche, die humaniſtiſch-wiſſenſchaftliche und vie humaniftijch-
polemiſche Periode. Ziemlich gleichzeitig und vielfach unſcheinbar inein—
ander übergehend, verteilen ſich dieſe drei Perioden mit ihren verſchie—
denen Schattierungen über ganz Deutſchland. Die erſte derſelben fängt
au mit den Fraterherren in Holland, am Niederrhein und in Weſtfalen
und hat ihre Hauptträger in Alexander Hegius zu Deventer und Rudolf
von Langen zu Münſter. Edle und ernſte Geiſter, halten ſie einen Ver—
mittelungsverſuch der neuen Bildungsanſätze mit der damaligen Kirche
noch für ausſichtsvoll und erſtreben vorzugsweiſe die Erneuerung des
innern Lebens der letztern. Einen bedeutenden Schritt über ſie hinaus
thun die Wiener während der Regierung des Kaiſers Maximilian unter
Celtis', die ſüdweſtdeutſchen Humaniſten unter Erasmus' und Reuchlins
362 Perioden des Humanismus. Aufgabe des Buchhandels. Sechſtes
Führung; ſie drücken hauptſächlich der zweiten Periode ihren Stempel auf.
Die dritte, zeitlich kürzeſte, aber inhaltlich vielleicht bedeutſamſte, beginnt
mit dem Reuchlinſchen Streit gegen die kölner Dominikaner, und hat
ihren geiſtigen Mittelpunkt in der Univerſität Erfurt. Dieſe letzte Periode
endet mit der Reformation, etwa um das Jahr 1520, wo Wittenberg
an Erfurts Stelle die geiftige Führung Deutjchlands übernimmt und
die alten Kampfgenoſſen fich voneinander trennen. Ihre Dauptführer
waren Hermann von dem Buſche (1468 bis 1531) und Ulrich von Hutten
(1488 bis 1523). So verjcieden diefe Strömungen nun auch fein
mochten, fie trafen alle in demſelben Streben, in der Hebung des geijti-
gen Yebens zujammen. Wenn der Buchhandel anfangs vorzugsweiſe auf
den engen Kreis der Ktlöfter und einzelner Gelehrter beſchränkt war, jo
bahnte das Wirfen der Humaniften die Wege zu feiner gröfern Aus—
dehnung und zu feinem lebhaftern Betriebe. Durch den Drang nach
Bildung wurde jelbitrevend auch das Verlangen nach Büchern gewedt und
ihre Herſtellung ein täglich tiefer gefühltes Bepürfnis. Zu faum einer
andern Zeit ift deshalb auch die Aufgabe des Buchhandels eine jtolzere
und verantwortlichere gewejen, als um die Wende des 15. und 16. Jahr:
hunderte. Es galt vor allem die alte Elajfische Yitteratur ver Menjch-
heit neu zu erſchließen, zumächit die beiten ihrer noch erhaltenen Schätze
and Tageslicht zu fördern und durch den Drud wieder zum Gemeingut
der gebildeten Welt zu machen. So rührten fich denn auch bald alle
fleißigen Hände, und nicht allein in den verjchiedenen Städten, jondern
auch unter ven einzelnen Ländern entfaltete fich ein veger Wetteifer, um
den Nebenbubler im friedlichen Kampfe zu überflügeln. Der Buchhandel
fing an, eine internationale Bedeutung zu gewinnen und eine feite Grund:
lage zu erlangen, auf welcher er fich, unabhängig vom Zufall, methodiſch
weiter entwideln fonnte. Unter dieſen Umſtänden war es denn auch
nicht genug, dar die Verleger tüchtige Druder und große Kaufleute
waren; wenigitens die Führer unter ihnen mußten fich zum erfolgreichen
Betrieb ihres Geſchäfts eine jo umfafjende geiftige Bildung zu eigen ge:
macht haben, daß fie die litterariichen Schätze der Vergangenheit jelbit
zu verftehen und zu wirdigen wermochten. Solcher Verleger gab es da—
mals wiele, wie dies das zweite und dritte tapitel dargelegt haben; und
waren fie auch nicht ſelbſt Gelehrte, jo liefen fie es fich doch zum mins
dejten, wie auch jchon früher gezeigt, feine Mühen und Koſten verprießen,
Kapitel] Humaniftiich-theologiiche Periode, Brüder vom gemeinfamen Leben. 363
wiffenjchaftlich gebildete Männer in ihre Intereffen und Dienjte zu ziehen.
Es jei hier nur am die Koberger, Aldus und Froben erinnert, denen fich
jpäter die Oporin, Plantin und Etiennes würdig anſchloſſen. Die
Nachwelt iſt mithin in erfter Yinie nicht jowohl den Gelehrten, welche
feine Verleger, als den Berlegern, welche Gelehrte waren oder fie hoch
jchätten, für die Erhaltung der Klaffifer des Altertums und der mittel:
alterlichen Theologen zu ewigen Dank verpflichtet. Ohne die Druder:
prefje wären die glänzenden Ziege des Humanismus kaum jo entichei:
dend geworden, und ohne diejen hätte auch der Handel mit Büchern
nicht jobald einen jo hohen Flug genommen.
Als den Vorläufern und Gründern der neuen geiftigen Bewegung
gebührt der erite Pla im erlauchten Kreiſe deutſcher Dumaniften ven
„Brüdern vom gemeinjamen Yeben“, deren großer Verdienſte um die
Ausbreitung des Buchdrucks bereits im zweiten Kapitel gedacht wurde,
Sie führten ihn in ihre eigenen Anstalten ein und machten ihn vor
allem ihren Bildungszweden vdienftbar. Die neue Erfindung war ihnen
ein wirfjameres Mittel als die Schrift, ven Schelaftizismus durch grün:
lichen Unterricht zu bekämpfen und das faule Mönchstum durch fleißiges
Studium möglichft unschädlich zu machen. Unter ihrem Rektor Alerander
Hegius (aus Heck bei Horftmar im Münfterlanve, etwa 1433 bie 1408)
entwicelte fich die Schule von Deventer zum Mittelpunkt ver humanifti-
ſchen Bewegung, und nach deſſen Tode trat die münfterjche Domſchule
unter dem gelehrten Domherrn Rudolf von Yangen (geboren 1438 in
Everswinkel, gleichfalls im Münfterlande, und geftorben 1519 in Miüniter)
würdig an die Seite von Deventer. Radienförmig liefen von beiden Schu-
fen die Zweiganftalten der Fraterherren als Pflanzſtätten humaner Bil-
dung und gelehrter Forſchung aus. Die gelehrtejten Männer ver Zeit
buldigten Hegius und Yangen als ihren Meiftern; ihre Schulordnung
galt ein halbes Jahrhundert lang als unerreichbares Muſter, und ihre
Yehrbücher blieben ebenſo lange, wenn nicht noch länger, im allgemeinen
Gebrauch. Deventer und Münſter verjorgten ganz Deutjchland mit tüchtig
gebilveten Yehrern und machten das Studium der Klaſſiker zur Grund—
lage der gelehrten Bildung. Schlettſtadt im Elſaß (Dringenberg), ſpäter
Meißen, Porta und Merjeburg in Sachjen (Rivius) und Schwerin in
Medlenburg (Daber Kufius), ja jelbit Kopenhagen bezeichnen die äußerften
Grenzen, bis zu welchen die Schüler der hollänpifch-weitfäliichen Huma-
364 Humaniftifchstwiflenichaftliche Periode. Wien. Sechſtes
niſten wor und während der Reformation als Lehrer der Jugend thätig
waren. Dabei hat Langen Bibliotheken in kleinen weſtfäliſchen Land—
ſtädtchen, wie z. B. Lünen, gegründet oder gründen helfen, welche heut—
zutage nichts mehr jener Zeit Ähnliches aufzuweiſen haben; dauernd aber
war der Segen, welchen die Tauſende von Humaniſten aus der Schule
Hegius' und Langens im engern und weitern Vaterlande verbreiteten.
Es iſt kein Zufall, daß Münſter ſo bald mit der Reformation und ſeine
Söhne mit den Häuptern derſelben Beziehungen anknüpften. Langen
hatte den Boden vorbereitet und ſeine Stadt zum Herde des Humanis—
mus erhoben. Mit dieſem hielten auch die Buchdrucker und Buchhändler
ihren ſiegreichen Einzug in Münſter und lieferten die geiſtigen Waffen,
welche jetzt täglich unentbehrlicher wurden.
Auf dieſe Pioniere, welche trotz ihrer Begeiſterung für das klaſſiſche
Altertum noch feſt an ihrer Kirche hingen, oder von ihr abhingen, und
durch dieſe ihre Stellung vielfach in Zwieſpalt mit ſich ſelbſt gerieten,
folgte nun in der zweiten, in der wiſſenſchaftlichen Periode des deut—
ſchen Humanismus ein jüngeres Geſchlecht, welches ſich entweder ganz
gleichgültig gegen die Kirche verhielt oder ſie im geheimen erbittert be—
kämpfte, indeſſen vorſichtig genug war, es äußerlich nicht mit Rom zu
verderben. Es fing an, deſſen Anſprüche und Recht in Zweifel zu ziehen,
die kirchlichen Überlieferungen kritiſch zu widerlegen, den Klerus zu ver:
achten und ſich mit deſto ungeteilterer Yiebe der Heimat zuzuwenden.
Diefe Männer alſo eröffneten die zweite Periode des Humanismus.
Am beiten gediehen fie in Bajel und dem ganzen jünweftlichen Deutjch-
land, jowie ſpäter auch in Erfurt; inpefjen gelangte der Humanismus jelbjt
in Wien zu einer furzen Blüte, wenn auch, weil nur von fürftlicher Gunſt
gepflegt, nur zu einer kurzen. Kaiſer Marimiltan fchien durch jeine Kunſt
und Wiſſenſchaft gebrachten Huldigungen ein neues Zeitalter für Ofterreich
herbeigeführt zu haben; allein mit jeinem Tode (1517) ftarben alle von ihm
liebevoll gepflegten Keime wieder ab. Es war eben nur ein flüchtiger
Zwijchenaft, wie es deren auch jonjt noch in der öfterreichiichen Gejchichte
gibt. Übrigens wirkte die verftänpnisvolle Teilnahme diejes feingebil-
beten Fürjten an allen idealen Bejtrebungen jeiner Zeit und jein freund:
ſchaftlicher Verlehr mit Gelehrten und Künſtlern anvegend und veredelnd
auf jein Zeitalter und feſſelte die beveutenpiten Maler, Bildhauer und
Gelehrten an jeine Perſon. Der Kaiſer machte Grasmus, Pentinger
Kapitel.) Der Humanismus in Wien. 365
und Pirdheimer zu feinen Räten, berief Konrad Geltis (1459 bis 1508)
1497 an die wiener Univerfität, ernannte Guspinian (Spiekbeimer) zu
jeinem Sekretär und frönte Hutten zum Poeten. Es war bauptjächlich
jeine Gunſt und jein Verdienſt, daß während jeiner Regierungszeit der
Scholaftizismus an der wiener Univerfität fogar unterlag und daß bie
Hanptitadt einen der beveutendjten Site des Humanismus bildete. Zu
jeiner Verbreitung und Pflege rief Geltis in Verbindung mit Johann
Fuchsmagen und Peter Kracbenberger eine freie Vereinigung gelebrter
Männer ins Leben, die Donau-Gejelljchaft, welche ganz unabhängig von
der Univerfität daftand und eine Art Akademie mit einem von ihr jeldft
gewählten Präfivdenten und Gejchäftsleiter bildete. Biſchof Johann Vitez
war ihr eriter Vorſtand; ihm folgten Geltis und Guspinian. Später
wurde aus ihr eine eigene wiener Genoffenjchaft, Contubernium, welche
noch immer Donan-Gejellichaft hieß.“ Wie Wien Hunderte von wan—
dernden Humaniften anzog, jo herrſchte auch ein reger brieflicher Ver—
fehr zwijchen ven dort wohnhaften und den auswärtigen Geſinnungs—
genofjen. Cuspinian jchrieb wiederholt an Neuchlin und Pirdheimer, mit
welchen auch der Univerfitätsfanzler Berger, ferner Fuchsmagen, Krachen—
berger, Joachim Vadian, Simon Yaz u. a. im fchriftlichem Meinungs-
austaujch ftanden. Die Mehrzahl ver Yehrer (einige hundert) und ver
oft TOOO Studenten der wiener Univerſität gehörten dem Humanismus
an. Natürlich bejchäftigten dieſe reife auch die wiener Buchdrucker—
prefjen und jtanden mit ven beveutendern Buchhändlern auf vertrauten
Fuß. Mit der Blüte des Humanismus fiel auch die der Thpographie
zujammen, und dem innern Werte der von jenen bearbeiteten Klaſſiker,
Reden und Echulausgaben entjprach die jolive Arbeit und äußere Aus-
ftattung des Verlegerd. So herrichte beiderfeits eine fruchtbringenve
Thätigfeit. Während von theologijchen Schriften nur verſchiedene Werke
des Hieronyinus nen erjchienen und Jurisprudenz und Medizin ebenfalls
nur dürftig bedacht wurden, warf fich die Hauptthätigfeit der wiener
Humaniften auf die fritijche Bearbeitung der alten Klaffifer. So ver-
öffentlichte der Minorit Gamers Ausgaben ver beften Römer und Grie-
hen und lieferte einen Kommentar zu Plinius' Naturgejchichte; die
Dentjchen Vadian, Stregiger, Agricola, Aefticampius und Wimpheling
aber brachten tüchtige rhetorifche Arbeiten, die Italiener Berger, Valla,
Guarino endlich gute grammatifalifche Werke.
366 Schneller Berfall des Humanismus in Wien. Baſel. Sechſtes
So ſchnell aber, als unter Maximilian das geiſtige Leben in Wien
wuchs, ebenſo bald verlor es auch mit dem Tode des Kaiſers ſeine Herr—
ſchaft wieder. Unter dem Regiment des bigotten Königs Ferdinand und
feiner Prieſter welkte es ſogar ſchon dahin, che es nur, eine in Ögſter—
reich ausländiſche Pflanze, feſten Fuß gefaßt hatte. Wie unter den erſten
19 Druckern und Buchhändlern der Kaiſerſtadt ſich nachweisbar nur
ein Wiener, Johann Singriener der Jüngere, befand“, während die
meiſten aus den deutſchen Landen und zwei ſogar aus Polen gekommen
waren, ſo beſtand auch die größere Zahl der nach Wien berufenen Ge—
lehrten aus Deutſchen, ſodaß mit ihrem Weggang nur geringe Spuren
ihrer Thätigkeit zurückblieben.
So unbefriedigend num die hoffnungsreichen wiener Anfänge auch
ausliefen, jo kräftig entwicdelte jich dagegen der Humanismus in Süd—
weſtdeutſchland mit jeiner Hauptſtadt Bafel. Hier war es weniger bie
Univerfität, obgleich dieje den erjten humaniſtiſchen Lehrſtuhl gegründet
hatte, als die vereinte wifjenjchaftliche Thätigfeit der Berleger und Ge
(ehrten, welche ohne jede Unterjtügung von außen erfolgreich für die Be-
feftigung der neuen und freiern Geiftesrichtung arbeitete. Das meifte
zu diefem mächtigen Aufichwung trug Defiverius Erasmus bei, der von
1513, beziehungsweiſe 1521 bis 1536 in Baſel und Freiburg lebte, aber
ſchon zu Anfang des Jahrhunderts der eigentliche Träger der Bewegung
geweſen war. Er zog zugleich wifjenjchaftlich gebildete Männer und Stu-
denten an, welche ald Textesrevijoren oder torreftoren, oder auch als Setzer
in den bajeler Drudereien thätig waren und als Schüler der Inclyta
Germaniae Basilea, wenn fie dieje verliehen, ihre dort erworbenen Kennt—
niffe und Anſchauungen weiter trugen und, den Ruhm der Stadt überall
bin verbreitend, zugleich neuen Nachwuchs anlodten.
Erasmus ift der bedeutendſte und gefeiertfte Vertreter der wilfen-
ichaftlichen Periode des deutjchen Humanismus. Gin Gelehrter, deſſen
Stellung in der litterarifchen Welt nur mit Boltaire's Einfluß im 18. Jahr—
hundert verglichen werden fan’, ein Herricher im Reiche der Geijter
und eins „der Augen Deutjchlands“, hat er dem ganzen Zeitalter den
Stempel jeines Genius aufgedrüdt. Das andere Auge ift Johann Reuch:
(in, dejjen Streit mit den Kölnern die Brüde zur dritten und fetten
Periode des Humanismus bildet und in jeinen Anfängen jogar noch der
Ankunft des Erasmus in Bajel vorausgeht.
Kapitel.) Erasmus und feine fchriftitelleriiche Thätigkeit. 367
Im Jahre 1467 (nach ältern Quellen 1465) in Rotterdam geboren,
erbielt Erasmus jeine erjte gelehrte Bildung bei Aleranvder Hegius in
Deventer und lebte, nachdem er längere Zeit jeine Studien in Paris
fortgejetst hatte, fajt fünf Jahre im Kloſter. VBorübergehend hielt er fich
dann in ben Niederlanden, in England, Italien und Deutjchland auf
und wohnte von 1517 an bis zu jeinem Tode dauernd in Yöwen, Baſel
und Freiburg. in öffentliches Amt befleivete er nie, obgleich er gegen
äußere Ehren durchaus nicht unempfindlich war. Die politijchen Ge—
ſchäfte jeiner Zeit, bei denen er leicht hätte mitwirfen können, ließen
ibn gleichgültig. Dagegen war fein geiftiges Veben jo beveutend, daß
es entjcheidend in die Entwidelung jeiner Zeit eingriff und ven wiſſen—
ihaftlichen Bejtrebungen des Buchhandels ihre Bahn mit anwies. In
der Gejchichte desjelben nimmt Grasmus durch feine langjährigen Be—
ziebungen zu Aldus Manutius und Johann Froben eine ganz bejonders
hervorragende und vermittelnde Stellung ein. Es gibt faum einen Ge—
(ehrten, der anregender auf litterarijchem Gebiete gewirkt, beveutendere
wijjenjchaftliche Unternehmungen gefördert und durch fein perjönliches
Anjeben auf Gelehrte und Buchhändler einen gleich wohlthuenden Ein—
fluß ausgeübt hätte,
Der im vorigen Kapitel bereits erwähnte rieſige Abjat jeiner Schrif-
ten, um deren Verlag die angejehenften Firmen fich riffen, trug nicht un-
wejentlich zur Hebung des deutſchen Buchhandeld bei. Solche Erfolge
batte noch fein deutſcher Schriftjteller errungen; Erasmus fonnte unter
den beveutenditen Berlegern von Paris, Venedig und Bajel wählen und
zählte die Gelehrten alfer Yänder zu jeinen Bewunderern. Bon feinen
jelbjtändigen Werfen ® ijt dem Datum ver Beröffentlichung nach zuerjt
zu nennen jeine Sprichwörterſammlung — „Adagiorum Opus“ —,
welche 1500 von Johann Philippi, einem Deutjchen in Paris, geprudt
wurde, anfangs nur eine trodene Zuſammenſtellung von einigen hundert
Sprichwörtern enthielt, dann aber mit Tauſenden von Digreffionen ver-
mehrt, jeit 1515 zu einem ftarfen Folioband umgeftaltet, immer und
immer wieder in neuen Auflagen erjchien.
Das Buch beleuchtet und erflärt in eleganteftem Yatein die ver-
ſchiedenſten Yebensverhäftniffe, enthält witige Ausfälle gegen Prieiter,
Suriften, Adelige, Frauen und einzelne Stände, oder verjpottet die Eitel-
feit ganzer Klaſſen und Völfer. Überall getragen von dem bejeelen-
368 Erasmus’ ſchriftſtelleriſche Thätigfeit. Sein Charafter. Sechſtes
den humaniſtiſchen Gedanken erſchien dieſe Sammlung den Zeitgenoſſen
als ein Schatzkäſtlein der Weisheit, welches den innern Zuſammenhang
der antiken mit der modernen Welt vermittelte. Das Lob der Narr—
beit — „Moriae Encomium“ — war 1508 gejchrieben, erjchien zuerjt
1509 nad des Verfaffers Rückkehr aus Rom und ift gleichfalls eine
geiftreiche- Satire, in welcher dem Gejchmad ver Zeit entjprechend die
Thorheit revend auftritt umd die Schwächen der Welt mit feiner Ironie
und vornehmen Hohn lächerlich macht. Seine Hauptangriffe waren
gegen die Geiftlichfeit, vom Papfte an, namentlich aber gegen die Mönche
mit ihrer Bejchränftheit, ihrem niedrigen Treiben, ihrem Bildungsbajfe
und ihrer Verlogenheit gerichtet; fie trafen das alte Syſtem vernich—
tend. Das „Lob der Narrheit“ wurde denn auch noch ſpäter auf den
päpftlichen Inder (der verbotenen Bücher) geſetzt. Die BVBertraulichen
Geſpräche — „Colloquia familiaria” —, welche zuerſt 1519 ausgegeben
wurden, 1530 aber zu ihrer jetigen Geftalt gediehen, behandeln in leicht
dabinfließendem Stil und in wißigen fatiriichen Bemerkungen vie ver-
jchievenften Gegenftände und Erjcbeinungen des öffentlichen und privaten
Lebens, tadeln mangelhafte oder verfehrte Einrichtungen und geißeln pe-
dantische Grammatifer jowohl, als anmaßende Priefter oder Bettelmönche.
Das Werf erzielte eine durchichlagende Wirkung; in verhältnismäßig
furzer Zeit wurden 24000 Exemplare davon abgejett.
Außer jeinen eigenen Werfen erjchienen von Erasmus noch viele
Ausgaben von Klaffifern und Kirchenpätern. So gab er die Sentenzen
des Cato und Publius Syrus mit Schofien heraus, Seneca, Sueton
nebſt den übrigen Schriftjtellern zur römiſchen Kaiſergeſchichte und einigen
ergänzenden Schriften neuerer Gejchichtichreiber, Cicero „De Officiis‘‘
und „Quaestiones Tusculanae“, Plinius, Terenz, Yivius, Demofthenes,
Ptolemäus, ferner die Kirchenväter Cyprian, Arnobins’ Kommentare
über die Pjalmen, Hieronymus, Irenäus, Ambroſius, Augustin, Epipha-
nius, Laktanz, Chryſoſtomus, Baſilius Magnus und einen Teil des
Drigenes, ſodaß feine litterarifche Thätigkeit eine wahrhaft ſtaunens—
werte iſt.
Hochgelehrt und wißig, ſcharf und tronifch, geiftreich und boshaft,
heute fühn und verwegen im Angriff, morgen kleinlaut und verzagt im
Rückzug, höflich, ja unterwürfig gegen Hochjtehende und Mächtige, boch-
mütig, jelbft brutal gegen Schwache und Unglücliche: jo beherrſcht diejer
Kapitel.] Erasmus’ Charafter und Verhalten. 369
fleinliche und doch vornehme Mann die Geifter an der Wende von zivei
Jahrhunderten und gebervet ficb als Gegner des Humanismus und der
Reformation, obgleich er jein ganzes Leben lang für die Ideen gekämpft
batte, welche dieſe beiven gewaltigen Erſcheinungen bedingten. So bat
fein Humanift wuchtigere Diebe gegen ven römijchen Klerus, gegen das
faule Mönchsleben geführt, fein Neformator überzeugenver für die geijtige
Auffaſſung der biblischen Yegende und für die Berinnerlichung des Glau—
bens gejchrieben. Grasmus war eben, wie die Dunfelmännerbriefe ihn
charakterifierten, ein Mann für ficb und wollte e8 fein; er bat, wie ihn
jeine Gegner gern beſchuldigten, das Ei gelegt, welches Luther erſt aus-
gebrütet hat. Er war radifafer Humaniſt, dem die Bewegung vielfach
nicht weit genug ging, aber er hielt jich von der Gefahr fern und ſah
dem Kampfe Lieber von weiten zu. Als die Reformation auf den ihr
vom Humanismus bereiteten Plaß trat, zog er ſich ſcheu in jein Studier-
zimmer zurück, angeefelt won einer Bewegung, welche fich nicht an vie
gelehrte Welt, jonvdern an die Maffen wandte und dieſe zu Bundes—
genoſſen, ja zu Schiedsrichtern im Kampfe gegen Nom aufrufen mußte.
Grasmus war nicht für den Streit auf offenem Markte gejchaffen, jo
bitter er auch haffen und aus ficherm Hinterhalte vertwunden fonnte; er
wagte deshalb auch nicht ehrlich nach außen hin fiir feine Überzeugung
einzutreten. Es fehlte ihm jener Mut umd jene Treue der Gefinmung,
welche ſich bei entjchloffenen Charakteren gerade im Moment der Gefahr
bewähren. Er wid deshalb auch ängſtlich vor jeder entjchiedenen Partei-
nahme zurüd. So geriet er denn jehr bald zwijchen die jtreitenven
Parteien, veren feine ihm traute, ja nicht trauen konnte, wenn fie jeine
Stellung in der Gegenwart mit feiner Vergangenheit verglich. Nom
haßte ihn troß der wichtigen Dienfte, die er ihm geleiftet hatte, bald
ebenjo gründlich wie die Yutheraner. Allerdings konnte man einem jo
beveutenden vwaterlandslojen Selehrten, einem jo vorurteilslojen Denker
nicht zumuten, daß er fich für alle Einzelheiten ver Yutherjchen Yebre
begeiftern jollte; allein in revolutionären Zeiten muß der einzelne fich
in ragen zweiten Ranges unterordnen und troß feiner wielleicht beſſern
Einficht einer der ftreitenden Parteien ſich anſchließen, wenn er nicht
von der unaufhaltſam vorwärts drängenden Bewegung zermalmt werden
will. Grasmus aber iſt zugleich voll von Mißgunſt und nicht frei von
Neid und Bosheit. Wenn ihn perjönlicher Stolz verhindert hatte, feit
Kopp. 1. 24
370 Erasmus’ Charakter. Aldus Manutius. Sechſtes
zu Reuchlin zu ſtehen, da er ſelbſt ſich als Führer fühlte, ſo wurde er
in dem Augenblick der Feind Luthers, als dieſer den fortſchreitenden
Geiſt der ganzen Nation in ſich verkörperte und als in der Hitze des
Kampfes die Erasmiſchen Schriften kaum mehr genannt, geſchweige denn
gekauft wurden. Deutſchland hatte glücklicherweiſe anderes und beſſeres
zu thun, als ſich um den kleinlichen Gelehrtendünkel zu kümmern, der
die griechiſchen Kenntniſſe des großen Reformators bemängelte und
wegen ſeiner genauern Kenntnis des Altertums den Männern ver That
ſich überlegen dünkte. Endlich aber iſt es charakteriſtiſch für Erasmus,
daß er den ungeſtümſten Vorkämpfer der neuen Ideen, den todkranken
Ulrich von Hutten, verleugnet, von ſeiner Schwelle weiſt und bis zu
deſſen Ende boshaft verfolgt. Ein großer Gelehrter, aber ein ſchwacher,
halber Charakter — jo lautet der Wahrſpruch der Geſchichte über Erasmus.
Seine Werfe wären übrigens nicht gleich von Anfang an je glün-
zend aufgenommen worden und von jo durchichlagenden Erfolg begleitet
gewejen, wenn ihm nicht zwei ebenbürtige Geifter als Verleger zur Seite
geftanden hätten: der Benezianer Aldus Manutius und der Bajeler Io-
hannes Froben.
Jener gehört zwar durch ſeine Geburt und Wirkſamkeit zunächſt Ita—
lien an, indeſſen äußert ſich ſein Einfluß auch auf Deutſchland ebenſo
nachhaltig, wenn nicht noch nachhaltiger, als der irgend eines deutſchen
Verlegers jener Zeit. Seine freundſchaftlichen Beziehungen zu Reuchlin,
Erasmus und den hervorragendſten Humaniſten begründen ſogar eine
Gemeinſchaft der Intereſſen, welche die deutſche gelehrte Welt vielfach in
neue Bahnen lenkte. Wie dem ganzen Mittelalter, ſo war auch ſeinen
Ausläufern die beſondere Betonung der Nationalität fremd. Viel höher
jtanden ihm die Vereinigungspunfte, welche die Kirche oder jelbjt die
einzelnen Stände gewährten. Die fpätern nationalen Schranten beven-
teten zu Anfang des 16. Jahrhunderts auf geiftigem Gebiete kaum jo
viel, als heutzutage provinzielle Unterjchieve, denn das Yateinijche als
Gelehrten und Weltiprache jchlang ein einheitliches Band um die wifjen-
ſchaftlichen Bejtrebungen aller Völker. Auch als Verleger Reuchlins
und Erasmus' beanjpruchen Aldus und feine bahnbrechende Thätigkeit
einen Ehrenplag in der Gejchichte des Buchhandels des humaniftiichen
Zeitalters.
Geboren um 1450 zu Sermonetta bei Velletri im Römiſchen und
Kapitel.) Aldus umd feine Ziele. Venedigs Bedeutung. 371
geitorben 1515 in Venedig batte Aldo Manuzio Lateiniſch in Rom und
Sriebifh in Ferrara jtudiert, dann mehrere Jahre in den gelehrten
Kreiien des Johann Pico von Mirantola, jorwie des Fürjten Albert Pius
von Garpi verfehrt und der Erziehung von deifen Söhnen gelebt, 1490
aber in Venedig eine Druderei und Verlagshandlung errichtet, durch
welche er die Werfe ver Alten, jene Monumente des menjchlichen Geiſtes,
welche mehr und mehr von ven Abjchreibern verunftaltet wurden und
allmählich ganz zu verjchwinden drohten, vom Untergang zu retten be-
abjichtigte. „Ich babe’, jagte er ſchon zu jener Zeit von fich, „das Ge—
lübde getban, mein Yeben dem öffentlichen Wohle zu weiben. Einem
ruhigen Dajein babe ich ein arbeitjames und bewegtes vorgezogen. Der
Menſch ift nicht dazu geboren, fich den einer edeln Seele unwürdigen
Genüffen hinzugeben, ſondern fich ehrenvollen Arbeiten zu widmen. Über—
laſſen wir ver gemeinen Heerde die nieprige Griftenz! Gato bat das
menjchliche Dafein mit dem Eijen verglichen: es glänzt, fagt er, wenn
man ſtets thätig iſt; allein es roftet, wenn man es nicht gebraucht.‘
Wie ſchon diejer Wahlipruch zeigt, bat es faum je einen jo gelehrten,
iveale Ziele ficher verfolgenden, aber auch jelten einen ebenſo praftijchen,
jelbit den Heinften Vorteil nicht verſchmähenden, geichäftlich tüchtigen
Verleger als Aldus gegeben.
Die berühmte Handelsmetropole am Aoriatiiben Meere war ganz
der Plat, wo Aldus gedeihen mußte; wenigitens fonnten ihm bie äußern
Verhältniſſe nicht günftiger jein. Auf ven Schultern won Vorgängern,
wie ven Gebrüdern Johann und Wendelin von Speyer und Nikolaus
Jenſon, ſtehend, überflügelte der gelehrte und praftiiche Druder bald
alle jeine Vorgänger und wurde der Hauptträger von Venedigs Ruhm
als Druderjtadt. Venedig bot alle für eim großes Gejchäft erforderlichen
Hilfamittel, und jelbjt wenn dieſe vielleicht einmal zufällig nicht vor:
banden gewejen wären, jo hätten fie jederzeit jehr Leicht bejchafft werben
fünnen. Dabei waren feine Verbindungen mit dem Auslande die beit-
geregelten in ganz Italien. Bei dem fteten Zuftrömen von zahlreichen
Fremden aus allen Gegenden der Windroje eignete fich die Stadt auch
vortrefflich zum Sortimentshandel, und ſelbſt ver jpätere große Verleger
verichmäbte es nicht, einen öffentlichen Buchladen (bibliopolium) zu
halten, in welchem er auch ven DVerlag ihm wahlverwandter Firmen
verfaufte, wie z. B. den von Zacharias Caliergi, Nikolaus Blaftos, Jo—
24*
372 Aldus’ Wirken für die griechiiche Litteratur. [Sedites
bannes Biſtoli, Benedikt Maregi u. a. Die Kataloge über fein Yager,
nebſt teilweifer Preisangabe der einzelnen Werfe, find noch erhalten.
Aldus war unter dem mächtigen Eindruck des frifchen geiftigen
Lebens herangewachſen, welches die Ankunft der flüchtigen Griechen in
den gelehrten Kreifen feines Baterlandes hervorgerufen hatte. Es war
nicht mehr die junge Morgenröte des erjten Wiedererwachens der Wiffen-
ichaften, in der man anfing, die Alten zu jtudieren und fich ver Herrlich-
feit der bisher wenig gefannten Schätze zu freuen, nicht mehr die be-
geifterte Jugendzeit, in der man noch nach allen Seiten hin Gelehrte aus-
jandte, welche bisher noch unbefannte griechifche und römische Hanpjchriften
an das Yicht fördern follten; es war vielmehr die Zeit der Yeje umd der
Ernte, denn gegen das Ende des 15. Jahrhunderts waren jene Schüte
meiftens ſchon gehoben. So viel indejjen ſchon gejchehen war, jo blieb
doch noch viel mehr zu thun übrig. Um namentlich die Größe und
Schönheit des Haffijchen Altertums für alle künftigen Gejchlechter zu
erhalten und weitern Streifen zugänglich zu machen, dazu bepurfte es
der Herjtellung korrekter, Eritijch bearbeiteter Ausgaben der Schriftiteller,
die bisher nur im leicht zerjtörbaren, fehlerhaften Handjchriften vor-
handen waren. Und gerade hier ift es, wo Aldus einjegt. Seinem
begeifterten Streben ift es hauptfächlich zu danken, daß die Mehrzahl
der griechiichen Stlaffifer überhaupt erft ven Völkern des Abendlandes
zugänglich gemacht wurde. Selbjt ein vortrefflicher griechiſcher Philo—
(oge und Stritifer, wußte er am bejten zu beurteilen, welche griechijeben
Gelehrten er als Bearbeiter ver Texte, ald Korreftoren, Grammatifer,
Abſchreiber over auch als Buchbinver bejchäftigen jollte. Weit ihrer Hilfe
jtellte er die jchönen Folto-, Quart- und Oktavausgaben her, welche,
wenn jett auch zum großen Zeil veraltet, doch jahrhundertelang die
Grundlage für die griechiſchen Studien gebildet haben, und noch beute
zu den tüchtigjten Yeiftungen der damaligen Buchdruckerkunſt zählen.
Sein erjter Verlagsartifel war 1494 bie griechifhe Grammatik des
Konftantin Yasfaris (eines nad der Einnahme feiner Vaterſtadt nach
Italien geflüchteten Stonftantinopolitaners); ihr folgten von 1495 bis
1498 der kritiſch durchgeſehene Ariftoteles in fünf Folianten und
1498 Ariftopbanes. Bor 1495 waren im ganzen nur zehn griechijche
Bücher in ganz Dtalien gebrudt worden, darunter 1488 Homer zu
Florenz in einer jehr jchlechten Ausgabe; fortan aber vermehrten fich die
Kapitel.) Aldus’ Ausftattungsweile und Oftapausgaben. 373
griechiſchen Drucke mit jedem Jahr um zahlreiche Binde. Charakteriſtiſch
it e8, daß er anfünglich feine enge Verbindung mit den Kreifen der
vornehmen Förderer der Wiffenfchaften nicht verleugnete, in den Außer:
lichfeiten feiner Drude ver Vorliebe derjelben für Handſchriften und
deren Nusjtattungsweife Rechnung trug. Nur lanajam folgte er den
Berbefferungen, welche fih in den Drudereien bei jenen Aufßerfichfeiten
Bahn brachen. Noch 1497 empfahl er dem Leſer, das Griechifche Yeri-
fon zu paginteren, jtatt jelber die Seitenzablen zu druden, und ven
- Rünjchen und Bepürfniffen jener veichen Yiebhaber wurde er gerecht,
indem er öfter eine Heine Anzahl von Eremplaren auf Pergament oder
auf feinerm, wohl auch blauem — richtiger blaugrauem — Papier ab:
zog. Letzteres galt zu jener Zeit als bejonders jchön und vornehm.
Aldus' Hauptverdienft aber beſtand in der Schaffung bandlicher und
billiger Klaſſikerausgaben, durch welche er das Studium ber alten Litte—
ratur erſt in weitern reifen ermöglichte und thatjächlich auch verbreitete,
Bis zu jeiner Zeit überwogen meist die Folianten und Uuartanten mit
großer gotifcher oder Antiqua-Schrift gedrudt. Diefe jchweren Bände
waren nur mit Mühe zu handhaben und konnten felbjtredend nicht billig
bergejtellt werden. Aldus bewirkte eine förmliche Revolution, indem er
mit dem neuen Jahrhundert zumächit für die alten Klaſſiker das bequeme
Oktavformat einführte, eine Art von Volksausgaben für jene Zeit ſchuf,
etwa von der Größe der heutigen „Bibliotheca Teubneriana”, und
ihnen eine neue und gefällige, Kleine, von Francesco Naibolini aus Bo—
logna gejchnittene Schrift — die Kurſiv (Italique) — gab, für welche
Petrarca's Handſchrift das Vorbild geliefert haben fell. Zur Bequem-
fichfeit der Leſer ließ er dieje Ausgaben, die in einer Auflage von 1000
und mehr GEremplaren (mille et amplius) abgezogen wurden, mit
breitem Rand druden, damit jene, dem damaligen Gebrauche nach, ihre
Bemerkungen darauf machen fonnten, ganz ähnlich, wie gleichzeitig die
feipziger Artiftenfafultät die auf ihre Koſten bergeftellten Klaffiferausgaben
in Folio mit übermäßigem Durchſchuß zwijchen den Zeilen druden lieh,
damit die Studierenden den von dem bocierenden Lehrer mündlich wor:
getragenen Kommentar hineinzufchreiben im Stande waren. Der im April
des Jahres 1501 erjchienene Virgil eröffnete die Reihe jener typographi-
jchen Meifterwerfe. Daneben druckte Aldus zwar auch noch feine Klaſſiker
in Folio und Quart, aber gerade die Werfe der beliebtejten Schriftfteller
— —
374 Aldus' Bedeutung für Deutſchland. Seltenheit der Studienmittel daſelbſt. Sechſtes
(zum Teil auch moderner) ſtellte er in Oktav ber und gewann dadurch
für fie in ganz Europa einen dankbaren Yejer- und Käuferkreis, machte
jo die alten Klajfifer erit zum Semeingut aller Gebildeten. Der Preis
des Bandes betrug auch nur 3 Marcellt, oder, wie Nenouard und Didot
berechnen, 2,0 Franken over 1,53 Mark.” Abgejehen von neuen Abvrüden
folgten dem Virgil und andern im Jahre 1502 Werfe von Cicero, Lu—
cian, Horaz, Eophofles, Ovid, Catull, Tibull und Properz, 1504 Homer,
Plinius md Salluſt, 1507 Euripides, 1509 Cicero's Briefe, Balerius
Marimus und Martial und 1513 Cäſar und Pindar.
Wenn jih nun auch Aldus durch diefen Zweig jeiner buchhändleri-
ſchen Thätigfeit um die ganze gebildete Welt verpient gemacht hat, jo
äußerte fich doch fein mächtiger Einfluß insbejondere auf Deutſchland
günftig und nachhaltig, günſtiger und nachhaltiger als auf irgend ein
anderes Land. Während in Italien die Vornehmen und Reichen an
ver Spike der neuen Bewegung ftanden und jogar aus ariftofratiichem
Übermute noch ziemlich fange, wie im eriten Kapitel ſchon erwähnt, die
reich ausgejtattete Dandjehrift dem jehönften Drud verzogen, gingen die
deutjchen Humaniſten in ihrer Mehrzahl aus den ärmern Schichten der
Bevölkerung hervor, Ein gedrucktes Buch war für fie noch bis in den
Anfang des 16. Jahrhunderts hinein ein feltener umd jchwer erjchwing:
barer Schatz fie mußten ſich ihr Litterarifches Handwerkszeug zum Teil
mühſam abjchreiben. Yutber wurde, als er in Erfurt noch Rechtswiſſen—
ichaft ftudierte, ob feines juriftiichen Gifers ganz beſonders belobt, weil
er ich (etwa 1506) eine Ausgabe des „Corpus juris” aefauft hatte,
Thomas Plater erzählt in feiner Selbjtbiographie (Ausgabe von H. Boos,
S. 23) aus dem Jahre 1515: „In der ſchull zu St. Eliſabeth zu Bres-
lau lajen alwägen einsmals zu einer jtund in einer jtuben 9 bacca-
laurei. war doch graeca lingua noch nimmet (nirgendswo) im Land,
desgleichen bett niemand noch fein trucdte Bücher, alein der praccepter
hat ein truckten Terentium. was man liß, mußt man erjtlich dictieren,
dan diftingivieren, dan conftrnieren, zuleßt erſt erponieren, das die ba-
chanten groſſe jeartefen mit inen heim hatten zu tragen, wen ſy hinweg—
zugen.“ (Bier handelt es fich allerdings um arme fahrende Schüler.)
Joachim Camerarius batte, che ev 1518 nach Erfurt fam, bei einem
in Yeipzig entitandenen Aufſtand zuerſt feinen Derovot in Sicherheit
gebracht ®; das übrige machte ihm wenig Sorge. Als Melanchtbon
Kapitel.) Seltenheit und Koftipieligfeit der Studienmittel. 375
1524 in Wittenberg über die Reden des Demofthenes las, mußten die
Zubörer jein Eremplar abjchreiben, trogdem daß es dort ſchon jeit 1508
einen Buchladen gab. Konrad Paulus Scriptoris trug 1499 eine große
bebräiiche Bibel auf dem Rüden won Heidelberg nach Stuttgart, weil
er das Kleinod feinem andern anzuvertrauen wagte, Neuchlin war vom
Herzog Wilhelm von Bahern mit einem Gehalt von 200 Golpgulven
als Profefjor der hebräiſchen und griechischen Sprace nach Ingolitadt
berufen worden. „Da es bier fein einziges gedrucktes guiechiiches und
hebräiſches Buch gibt‘, jchreibt ev am 14 März 1520 an Hummels—
berger?, „welches im einer Zahl von mehr als 300 Erempfaren unter
jo viele Zuhörer verteilt werden kann, fo bin ich gezwungen, beide Spra—
en täglich auf vier Tafeln aufzujchreiben, fie täglich in zwei Stunden
zu lehren und öffentlich jo lange zu fejen, bis einmal durch einen glück—
lien Zufall derartige Bücher aus den Dandelsplägen zu uns gelangen.”
Der jüngere Baſilius Amerbad, Sohn des Bonifaz und bemittelt, ver:
juchte noch 1552 bis 1553, wo er in Tübingen ftudierte, vergebens, ein
„Corpus juris“ zu leihen. Im September 1553 ging ev zur Fort—
jetung feiner Studien nach Padua; bier ſorgte fein Prüzeptor für die
jurifttjchen Dandbücher, indem er die nötigjten unter der Bedingung bei
einem Juden faufte, daß derſelbe fie beim Weggange Amerbachs gegen
den Kaufpreis wieder annehmen und ſich mit einem Kronenthaler Zins
begnügen jollte. 1° Es war dort ein folcher mittelalterlicher Vertrag
noch immer die gewöhnliche Art, wie Ausländer fich Die zum Studium
nötigen Bücher verichafften.
Seit Aldus erjparten wenigitens die gedruckten Werfe der Klaſſiker
ten Studenten das mühjame Abjchreiben und machten ihnen vor allem
den Bejuch einer italieniſchen Hochſchule vielfach entbehrlich. Mit ver-
haͤltnismäßig wenig Geld konnte fich fortan auch Dev weniger Bemittelte
eine Fleine Handbibliothek kaufen. Ein jo großer italienischer Patriot
Aldus auch war, die Förderung der Wiffenjchaft und die Verbreitung
der alten Klaffifer ftanden ihm immer im erſter Yinte. Manche feiner
Yandslente hielten e8 für unflug, die Kenntnis der griechischen Autoren
durch ven Drud allgemein zugänglich zu machen; fie fürchteten, daß die
„Barbaren ſich dann zu Haufe unterrichten könnten umd weniger ge:
nötige jein würden, nach Italien, der Quelle der Bildung, zu kommen.
So erzählt Beatus Rhenanus in der Cinfeitung zu den Werfen des
376 Aldus verehrt jeitens der deutichen Gumaniften. Sechſtes
Erasmus: „Quidam Venetiis olim Aldo Manutio commentarios
graecos in Euripidem et Sophoclem edere paranti dixit: Cave,
cave hoc facias, ne barbari istis adjuti domi maneant et pau-
ciores in Italiam ventilent.“ Diejer engherzige Gejelle hatte aller-
dings Recht, denn die deutſchen Humaniften und Studenten zogen fortan
immer weniger über die Alpen, um an der bisherigen alleinigen Duelle
der Bildung zu ſchöpfen. Wenn fie aber mit geringern Koſten umd in
größerer Zahl in der Heimat diefelben Ziele erreichen fonnten, jo ver-
dankte fie eine jo bedeutende Erleichterung vorzugsweiſe dem uneigen-
nützigen Aldus. Mit gutem Recht wurde er alfo auch einer der an-
gejehenften und populärften Männer unter den deutſchen Humaniſten.
Sie juchten feine Freundſchaft, knüpften gejchbäftlich mit ihm an, fragten
ihn um Rat und wurden nicht müre, ihm ihre Bewunderung in meilt
bembaftiichen Wendungen auszujprechen. Sie verherrlichten das Zeit-
alter, in welchem dieſe Ausgaben erjchienen, waren jtolz daranf, fie zu
beiten, priejen den Meeifter bewundernd als die Yenchte des Jahrhunderts
und dankten ihm voller Hochachtung fiir ihre Fortichritte in den Wiſſen—
jchaften, da dieſe ihnen nur durch ihn und feine Ausgaben ermöglicht
worden jeien. Konrad Geltis hatte bereits im Jahre 1498 mit Aldus
Briefe gewechjelt und am 3. Oftober 1498 von ihm eine Einleitung in
das Studium der griechischen Sprache geſchenkt erhalten, welche ev zur
größern Berbreitung verjelben benugen jollte. Zwei Jahre jpäter feierte
Geltis und der mit ihm in Wien lebende Humanift Vinzenz Yonginus
den gelehrten Druder in Verſen. Aldus dankte in einem an beide ge:
richteten Briefe vom 9. Juli 1501 und jchenfte jevem von ihnen ein
Exemplar jeines Virgil, feines Horaz und feiner lateiniſchen Gram—
matik. „Wenn Ihr glaubt“, fährt er fort, „daß man bei Euch Ab—
ſatz für meine Verlagsartikel finden kann, jo ſetzt mich gefälligſt davon
in Kenntnis. Ich werde Euch dann die Zahl der Exemplare einjenden,
welche Ihr mir angeben werdet.” Zwei Monate jpäter, am 3, Sep:
tember 1501, jandte Aldus das erjte Blatt feiner damals beabjichtigten,
aber jpüter nicht ausgeführten Bolyglotten- Bibel an Celtis und bat
ihn um Mitteilung griechiicher Handſchriften, ſowie um die Schlußverje
der Ovidiſchen Faften, weigerte fich aber Geltis’ Yoblied auf Kaiſer
Marimilian zu druden, da er die Gefahr nicht laufen könne, ven von
ihm befiegten Böhmen und Ungarn zu mißfallen, von deren Gelehrten
-]
Kapitel.) Enthuftaftiihe Aufnahme der Ausgaben in Deutichland. 37
ibm viele jeltene, bisher unbekannte Handſchriften einjenveten. Sonſt
war Aldus ein großer Verehrer und Bewunderer Marimilians, der
jeinerjeits ihm wohlwollte. Die Rhapſodie erichien übrigens 1504 bei
Johann Otmar in Augsburg.
Und mit welchem Enthuſiasmus wurden diefe neuen Schätze in den
deutjcben Landen aufgenommen! Der Humaniſt Mutianus Rufus (1472
bis 1526) weinte wor Freuden, als ihm ein Freund einen Aldiniſchen
Cicero, Lucrez, Gurtius u. a. ſchenkte. Er und feine Freunde Urban
und Spalatin entzogen jih das Notiwendigfte, um mit vieler Mühe die
Aldinijchen und andere Ausgaben der klaſſiſchen Autoren über die Alpen
berbeisufchaffen. 1! Wilibald Pirdheimer und Johann Neuchlin gehörten
mit zu den eriten Käufern der venezianischen Ausgaben überhaupt. „Zu
jener Zeit“, jagt des erjtern Biograph, Nittershaus, „waren fie jehr
teuer, wie jie auch heute noch, wenn ſie überhaupt zu haben find, ver-
dientermaßen als Schätze aufbewahrt werden, vor allem aber diejenigen,
welche Aldus Manutius geprudt hat, welchen man mit Recht die Zierve
und den Schmuck der Buchoruderfunit nennt Seine jchönften Aus:
gaben faufte daher Wiltbald zu hohen Preifen und mit großen Kojten
an.” Michael Hummelsberger aber jchreibt am 11. November 1512
an Thomas Anshelm in Tübingen 1?: „Hebräiſche Bücher werde ich in
Italien erwerben, denn man jagt mir, daß dort einige mit den feinen
und schönen Aldiniſchen Buchitaben gebrudt find. Die Deinigen find
nicht weniger fein, kommen jenen vielmehr gleich, wenn fie viejelben nicht
übertreffen. Daher verbanft Div Deutjchland ebenjoviel als Latium
jeinem Manutius.“
Bon feinen zahlreichen Berbindungen mit europäiſchen Gelehrten hat
für Deutjchland feine eine größere Bedeutung, als jein Verhältnis zu
Grasmus. 8 fonnte nicht fehlen, daß fie bei gleicher wiffenjchaftlicher
Richtung ſchon früh einander nahe traten und auch jpäter, als fie fich
perjönlich fennen lernten, ein engeres freundfchaftliches Verhältnis unter-
hielten, welches bis zu Mous’ Tode ungetrübt fortdauerte. Daran zu
zweifeln liegt fein Grund vor, obſchon kleinlicher Klatſch das Gegenteil
behauptet. Undenkbar wäre es, daß Erasmus mit dem Sohne und den
Enfeln des Aldus nach wie vor auf dem beften Fuße hätte ſtehen können,
wenn wirklich ein Bruch ftattgefunden gehabt hätte.
Schon 1500 wird Erasmus als Mitglied dev Aldiniſchen Akademie
378 Beziehungen zwiichen Aldus und Erasmus. Sechſtes
aufgeführt. Im Jahre 1507 veröffentlichte er bei Aldus ſeine Über—
ſetzung zweier Euripideiſchen Tragödien. Was Erasmus in ſeiner Sprich—
wörterſammlung „Adagia“) über den Wahlſpruch feines Freundes „Fes-
tina lente“ ſchrieb, war Aldus ganz aus der Seele geſprochen. „Früher“,
io lautet die Stelle wörtlich, „widmete man der Genauigkeit der Manu—
jfripte eine ebenjo große Sorgfalt, ald der Redaction eines notariellen
Aftes. Dieje Sorgfalt galt als heilige Pflicht; jpäter wurde fie un—
wiffenden Mönchen und dann jogar Frauen anvertraut. Aber um wie
viel größer ift das Übel, welches ein Druder anrichten fann! Die Ge-
jete jagen wichts über diefen Punkt. Man ftraft ven, welcher engliiches
Tuch jtatt des venezianischen verfauft; aber derjenige, welcher an Stelle
guter Texte dem Yejer wahres Kreuz und wahre Qualen ſchafft, bleibt
unbeſtraft. Daher rührt auch, namentlich in Deutjchland, die unzählige
Maſſe entjtellter Bücher. Während es Verbote gegen die Düderet gibt,
fehlt ein folches gegen die Typographie, und Doc, wo tjt der entfernteite
Erdenwinkel, wohin nicht die geprudten Bücher gleih Bienenſchwärmen
fliegen?” Im Jahre 1508 kam Erasmus von Bologna nach Venedig,
um bei Aldus eine neue verbefferte und vermehrte Auflage feiner Sprich—
wörterjammlung auszjuarbeiten und drucken zu lajfen. Sie erjcbien denn
auch im September 1508. Aldus nahm den berühmten Gajtfreund
suporfommend auf und gab ihm Wohnung im Hauſe feines Schwieger-
vaters Andrea ZTorrefani di Aſula. Wie forgfültig der Drud überwacht
wurde, das beweilt die Thatjache, daß Erasmus jelbjt die erjte Korrektur
(as, ein Korrektor Seraphin die zweite, und Aldus die dritte, um, wie
letzterer auf Befragen erklärte, fich zu bilden. Cine zweite Aldiniſche
Ausgabe erſchien 1520, jedoch geitattete die italieniſche Geiftlichkeit nicht
ihre Berbreitung; ihre Neinpieligkeit gegen die Sammlung ging jo weit,
daß Paul Manutius jpäter nicht einmal den Namen des Crasmus als
des Berfaffers in feinen Verlagskatalogen nennen durfte, ihn mit der
Umfjchreibung: „Batavus quidam homo“ bezeichnen mußte,
Erasmus beſchäftigte fich übrigens damals in Venedig nicht bloß mit
der Herausgabe feines eigenen Werkes, bei welcher ihn, wie er jelbit jagt,
Italiener und Griechen — der jpätere Kardinal Dieronymus Aleander
war unter anderm Korrektor bei Aldus — zuvorfommend durch Mit:
teilung von Büchern und Handjchriften unterjtügten, jondern half auch
feinem Gaſtfreunde bei deſſen Arbeiten; ev forrigierte für ihn nach den
Kapitel.] Erasmus bei Aldus. Aldus und Reuchlin. 19
Handſchriften den Text verjchiedener Klaflifer, wie des Terenz, Seneca
und Plautus.!“ Auch brachte er für die beabjichtigte Ausgabe des
letzten die Verje in Oronung, wofür er nach feiner eigenen Angabe
20 Goldſtücke erbielt. Aber gegen die Annahme, als babe er einfuch
als Korrektor in Aldus' Druderei gearbeitet, jucht er ſich doch zu ver-
wahren. Als ver ältere Scaliger mit einem Anflug von Werachtung
behauptete, Erasmus jei eben Korrektor bei Aldus gewejen, fette dieſer
bet Erwähnung jener Belohnung ausprüdlich Hinzu, daß er für die
Ausmerzung von blofen Fehlern nichts erhalten habe, und ebenjo ent-
gegnete er jpäter dem Fürften von Garpi, ver ihn gleichfalls durch die
Benenmung Korrektor herabzuſetzen juchte, daß einer, der hauptſächlich
für jein eigenes Werk thätig geweſen jet, doch nicht als Korrektor be:
trachtet werden fünne.
Weiter bejorgte Erasmus im Jahre 1507 die Tertrecenjion der Al—
diniichen Ausgabe der „Moralia” des Plutarch, und drei Jahre fpüter
(1512) prudte Aldus jeine „Colloquia familiaria“. !° Ebenſo erjchien im
Auguſt 1515 bei dieſem jein „Moriae Encomium“ (Yob ver Narrheit).
Noch länger als mit Frasmus, ja am längſten unter allen Deutichen
bat übrigens Aldus mit Johann Neuchlin in Verbindung gejtanden. Es
iſt nur zu natürlich, daß der Begründer ber griechifchen Studien in
Teutichland gern zu dem Manne in Beziehungen trat, welcher die fie
fördernde Litteratur maſſenhaft verbreitete und eine griechiiche Akademie
in Benedig ins Yeben gerufen hatte. Der italienifche Verleger hatte
ihen im September 1498 die lateinische Rede gedruckt, welche ver deutjche
Gelehrte am 7. August desjelben Jahres zu Gunften des vom Bapite
jeines Inveſtiturrechts beraubten Pfalzgrafen Philipp vor Alerander VI.
erfolgreich gehalten hatte. Seitdem blieben beive Männer in regel:
mäßigem, auch gejchäftlichem Berfehr miteinander. Bei Bücherbeftellungen
— er beitellte unter anderm den Herodot, VBalerius Marimus und ui:
das — ſchickte Reuchlin in der Folge immer bares Geld ein; aber viel-
fach findet er die Bücher auch zu teuer. „Eins fann ich Dir nicht ver:
hehlen“, jchreibt er unter anderm 1502 an Alous, „zeige Dich mir
gegenüber nicht als Händler, jondern als Freund, damit ich mich nicht
zu ſchämen brauche, für Deine Bücher, Dir, dem berühmten Kaufmann,
mehr zahlen zu müſſen als unſern fleinen Händlern, Denn Deine Kon-
furrenten geben mir das höhniſch zu verſtehen.“
380 Aldus’ geichäftlicher Verkehr mit Reuchlin. Sechſtes
In den „Clarorum Virorum Epistolae ad Joannem Reuchlinum“,
jener Sammlung, welche dejjen Freunde während des Streits mit Dog:
jtraten veröffentlicht Haben, finden fich unter anderm auch zwei Briefe
von Aldus an Reuchlin. Im dem erjten verjelben, vom 28. Oktober
1502, gibt jener diefem ausführliche Auskunft über feine Verlagsunter:
nehmungen und bietet ihm am Schluß alle diejenigen zum Gejchenf an,
welche fein, des Aldus, eigener Verlag jeien und welche Reuchlin etwa
wünſchen jollte.
Welch hohen Wert übrigens Aldus auf des leßtern Yob legte, gebt
aus dem zweiten diefer Briefe vom 23. Dezember 1502 hervor, welcer
aljo lautet: „Ich kann Dir kaum jchreiben, wie glüdlich ich Darüber bin,
daß Du Dich über meine Briefe und meine Arbeit freuft. Es ift fein
geringer Ruhm, wenn der Kleine dem Großen zu gefallen wermag.
Jenes Yob, zumal wenn es von einem jo bedeutenden Mann wie Dir
berrührt, macht mich glauben, daß auch ich einigen Wert befite. Ich
bitte Gott, daß wir uns noch lange und von Tag zu Tag mehr, einer
an ven Werfen des andern erfreuen mögen. Ich halte Das nicht für
unmöglich, wenn wir jo lange leben als unjer dem Dienjte der Menſch—
beit gewidmetes Yeben müßen kann.“ Aldus meldet ſodann, daß mit
Ausnahme zweier, noch nicht fertig gedrudter Werke (des Nonnus und
Sregorius) die von Reuchlin gewünſchten Bücher deſſen Agenten be—
reits übergeben worden jeien. „Ich wundere mich übrigens darüber“,
führt er ob des obigen ihm gemachten Borwurfs gefränft fort, „daß
Du es für möglich hältit, unfere Bücher dort wohlfeiler faufen zu können,
als bier. Denn es ift eine Thatſache, daß fie hier nicht billiger, ja ic
kann jagen, daß fie in Venedig tenerer verkauft werden. Ich juche ven
Grund dafür in dem Kaufmann, welchen Du erwähnft. Er fauft offen
bar von unſerer Gefellichaft in Venedig im großen und erhält ujanzen-
mäßig die Bücher billiger, damit er bet ihrem Vertrieb etwas gewinnen
fann. Außerdem aber zahlt ev nicht bar, jondern wir geben ihm Krebit.
Sollte er fich deshalb vielleicht einbilvden, daß ihm die Bücher nichts
fofteten?” Aldus fpricht hier mit jchneidender Ironie, nicht von einem
wirklichen Buchhändler, deſſen Handelsbetrieb er natürlich auch im Aus-
druck jehr wohl von dem gewöhnlichen kaufmänniſchen zu unterjcheiden
weiß, jondern in der That von einem Kaufmann. Ob diejer „mercator“
ein Italiener war, der neben jeinen jonjtigen Waren auch mit Alpinen
Kapitel.] Benedigs Handelsitraßen nad Deutichland. 381
und andern Büchern die deutſchen Meſſen bezog, over ein Schweizer oder
Deutjcber, welcher die Bücher in Venedig kaufte und im Ausland mit ihnen
ſpelulierte, das läßt fich nicht feftitellen. Cine buchhändleriiche Verbindung
zwijchen Venedig und Stuttgart gab es damals noch nicht, ebenjo wenig
noch drei Fahre jpäter eine folche von erftgenannter Stadt nach Augsburg.
Dagegen beſtand ſchon damals ein regelmäßiger kaufmänniſcher und
Warenverfehr von Venedig nach Wien einerjeits und von Venedig nach
Augsburg und Nürnberg andererjeits. Die Straße für jenen ging durch
Krain, Kärnten und Steiermark nach Wien und führte für dieſen über
Berona, Trient, Bozen, Innsbrud und Füſſen nach Augsburg und Nürn-
berg. Die Poſt wurde durch die „Ordinari” (Poſtboten) vermittelt,
welche an jedem Samstag Abend von Augsburg rejp. Nürnberg nach Ve-
nedig abgingen und bier am darauffolgenden Samstag eintreffen mußten,
während fie Venedig an jedem Freitag verliefen und am nächitfolgenden
Samstag Augsburg erreichen follten; von bier gingen dann diejelben
vereideten Boten nach Nürnberg. Die lebhafte venezianijche Handels—
jtraße für das ſüdweſtliche Deutjchland zog fich über Mailand nördlich
in die Alpen, überjchritt ven St. Gotthard und teilte fich in Yuzern in
zwei Arme: nah Zürich und nad Bajel. So erklärt es fich, daß die
Aldiniſchen Drude bis etwa zum Ende des erjten Vierteld des 16. Jahr—
hunderts vorzugsweife in Wien, Augsburg, Nürnberg und Baſel ge
funden und gefauft, und erſt jpäter direkt nach Frankfurt auf die Meſſe
gejandt wurden. Der Zeitpunkt hierfür bat fich bisher noch nicht genau
feſtſtellen laſſen. Selbjt für jene erjterwähnten Städte waren oft nene
Zufuhren von Klaffitern durch die langjährigen Kriege mit Venedig ver-
hindert worden. „Der tägliche Zuſammenſtoß franzöfifcher und vene-
zianiſcher Soldaten”, jchreibt Mutianus Rufus an Urban, „bat die
Engpäffe der Alpen und die nach Italien führende rhätiſche Straße jo
völlig geſchloſſen, daß die ſchönen Wiffenfchaften, der Hilfe des Aldus
beraubt, daniederliegen. Ich Hatte ſchon gehofft, daß die nächſten franf-
furter Meſſen unſern Studierenden ausgezeichnete Autoren bieten wür-
ben. DO, der trügerifchen Hoffnung; es gab nichts Neues! Alterorten
find die Buchläden mit juriftiichen Werfen (wörtlich cum Bartolis)
angefüllt. Der Dann ift jelten oder gar nicht vorhanden, der die
Früchte der unermüdlichen Ihätigfeit des Manutius verfauft. Um die
Schulen Deutjchlands iſt's gejchehen! Was gibt es denn noch außer
382 Aldus' Gejchäftsverbindungen mit Deutichland. Sechſtes
kleinlichen und elenden Dingen?“ Im Jahre 1514 wandte ſich ſogar
der Kurfürſt Friedrich der Weiſe von Sachſen auf Veranlaſſung ſeines
Bibliothekars Georg Spalatin (1482 bis 1545) an Aldus, um von ihm
direkt die Klaſſikerausgaben für die wittenberger Bibliothek zu kaufen.
Der Brief war aber nicht angekommen, wie Aldus am 9. Mai 1514 an
Spalatin ſchreibt, der Auftrag alſo auch nicht ausgeführt worden, und
Wittenberg mußte ſich ohne Aldinen behelfen.
So viel ſteht jedenfalls feſt, daß Aldus ſelbſt zu Anfang des 16. Jahr—
hunderts noch keine regelmäßigen Verbindungen mit Deutſchland hatte,
und daß ſein Verkehr mit Augsburg und Nürnberg nur ein gelegent—
licher war. Obwohl ein ebenſo umſichtiger Kaufmann, als erfahrener
Berleger, hatte Aldus 1501 noch fein wirkliches oder dauerndes Lager
in Deutjchland. Hätte er ein folches z. B. ſchon damals bei den Ge—
brüdern Alantſee in Wien gehabt, jo würde er ficherfih, wie ſchon
früher erwähnt, ven dort lebenden Konrad Geltis nicht um jeine Ver-
mittelung für den Abjat einer Schrift gebeten haben. ° Er kann augen:
jcheinlich feine Gelegenheit zu einer direkten Verſorgung des wiener
Markts von fich jelbit aus gehabt haben, wohl aber muß jene Firma —
ohne fürmlich als Agent (Faktor) für Aldus beftellt gewejen zu jein —
ſich mit dem gelegentlichen Vertrieb feiner Drude auf ihre alleinige Ge—
fahr bin befaßt haben. Noch am 12. Dezember 1505 ſchickt Heinrich
Urban vier Dukaten an Aldus umd bejtellt Bücher dafür, welche durch
die Fugger nach Georgenthal gefandt werden jollten. Doch jeheint Aldus
die Vermittelung diejes Hauſes nicht befonders genehm gewejen zu jein;
neun Jahre jpäter, am 5. Mai 1514, jehreibt er wenigjtens an Spalatin,
daß die Fugger nicht einmal Briefe für ihn nach Deutjchland hätten
bejorgen wollen, wenn er fie nicht im voraus für deren Beförderung
bezahle. Am 19. Dftober 1516, als alles anfing fich zum Frieden zu
neigen, jchrieb Heinrich Glareanus aus Bajel an Zwingli: „Wolfgang
Yachner bat Leute nach Venedig gejchieft, welche die beiten Autoren in
aldinijchen Ausgaben hierher bringen ſollen. Willft Du welche baben,
jo jage e8 jofort und jchide mir bares Geld, denn es find immer dreißig
da, welche nach den Büchern langen, ohne nach dem Preiſe zu fragen.
Manche verftehen fie gar nicht, wollen fie aber doch haben.“ Eine jelche
Sendung brauchte damals je nach der Jahreszeit ſechs Wochen bis zwei
Monate, um an Ort und Stelle zu gelangen.
Kapitel.] Umfang von Aldus’ Verlagsthätigfeit. 383
Nun war ed aber Aldus jehr um den Abjat feiner Verlagswerfe
zu thun, und er wäre gewwiß ber lette gewejen, von Bajel aus Aufträge
abzuwarten, wenn jich inzwijchen der Charafter feiner gejchäftlichen Be—
ziehungen zu Deutjchland geändert, er nunmehr etwa ein ftehendes Yager
in Deutjchland zur Befriedigung jeiner Stunden gebabt hätte. Offenbar
baben vie faſt unmmterbrechenen Kriege des Kaiſers Marimilian mit
Stalien und die dadurch bewirkte Unficherheit der Strafen und der
Zahlungsverhältniſſe den großen vwenezianifchen Verleger von dem Be—
juche oder der Beſchickung der Frankfurter Büchermeijen abgehalten.
Nicht einmal der Name Frankfurts fommt in feiner umfangreichen Kor—
rejpondenz vor. Dagegen iſt es wahrjcbeinlich genug, daß manches in
Dajel, Augsburg oder Nürnberg erbandelte Werk jeines Verlags auf
Unmegen nach Frankfurt gelangte und dann dort auf der Meffe weiter
verfauft wurde. Erſt jeine Erben und Söhne gingen regelmäßig nach
Frankfurt. Das Gejchäft beftand bis 1597, dem Todesjahre des Enfels,
und veröffentlichte im ganzen 1049 Werke, worunter 137 tbeologijche,
21 juriſtiſche, 125 allgemein wifjenjchaftliche, 628 Klaſſiker und Wörter-
over Handbücher zur denjelben, jowie enplich 138 geſchichtliche.
Aldus war nur 20 Jahre in feinem Bernf thätig (1495 bis 1515)
und wurde während dieſer Zeit jogar vielfach durch Kriege (wie 1506,
1510 und 1511) und Gelvjorgen in feinen Arbeiten geftört; indejjen
bat er troßdem nicht weniger als 126 Werfe von jenen 1049 gebrudt,
von deren meiften er die bandjchriftlichen Quellen erſt bejchaffen und
fritijch revidieren mußte. Von diejen feinen Beröffentlichungen gehören
nur 2 der Theologie an, während 16 auf die Gejchichte, 20 auf die
ichönen Wifjenfchaften, 88 auf die alten Klaſſiker, Grammatifen und
Handbücher fallen. Ein juriftiiches Werf ift dagegen überhaupt nicht
von ibm verlegt worden. Ginzelne Klaſſiker, wie Homer und Euripides,
erjchienen in je zwei Kolianten, andere, wie Ovid, in brei Bänden und
Aristoteles jogar im fünf Folianten. Eduard Frommann bat im feinen
vortrefflichen „Aufjägen zur Gejchichte des Buchhandels im 16. Jahr—
hundert“ (II, 11 bis 51) aus Renouards „Annales de l’Imprimerie
des Aldes” (II, 343 bis 383) Aldus' hauptjächliche Drude und Verlags—
werfe alphabetiich zuſammengeſtellt. Da invejjen die Zeitfolge ihrer Ver—
öffentlichung ein überfichtlicheres Bild von Aldus’ planmäßiger Thätig-
feit bietet, jo möge dieſe Yifte im Anhange unter VIIL in chrenologticher
384 Aldus’ Kataloge. Sein Sortimentshandel. Sechſtes
Ordnung mit der Bemerkung folgen, daß die in Klammern angeführten
Jahreszahlen ſpätere Auflagen bei Aldus' Lebzeiten bezeichnen, die mit
einem * verſehenen Werke erſte Ausgaben alter Schriftſteller, und die
Jahreszahlen nicht in der venezianiſchen, ſondern in der gegenwärtigen
Zeitrechnung angegeben find. Ein Marcello iſt gleich einer halben Lira
Beneta (zu 20 Soli), ein Dufaten gleih 6", Lire (12%, Marcelli);
ein Marcello würde aljo etwa 1 Franken, 1 Yira 2 Franken, 1 Dufaten
12, Franken oder 10 Mark betragen.
Aldus that Übrigens alles, was im jeinen Kräften ftand, um Die ge—
lehrte Welt von den Fortſchritten feiner wifjenjchaftlichen Unternehmungen
in Kenntnis zu jeßen und zu erhalten. Er war ver erjte Buchhändler,
welcher überhaupt nach einem bejtimmten Plane bearbeitete Verlags-
fataloge berausgab. Der erfte derjelben, ein Plakat in Folio, erjcien
am 1. Oftober 1498 und ordnete die bei ihm erjcbienenen Werke in vier
Abteilungen, in Grammatif, Logik, Philojophie und beilige Schrift. Cs
war Aldus jchon damals jehr läſtig, wenn nicht unmöglich geworben,
die faft täglich bei ihm einlaufenden perjönlichen Anfragen eingehend zu
beantworten. Deshalb fügte er — hierin für lange Zeit vereinzelt da-
jtehend — jeinem Katalog die Preife bei; fie find aus dem Anhang VILI
zu erjehen. Im feinem zweiten Katalog vom 22, Juni 1503 führt er
auch verſchiedene, nicht von ihm jelbjt geprudte Bücher an, wie 3. D.
das vom Stretenjer Zacharias Galiergi auf Koften von Nikolaus Blajtos
1499 herausgegebene Prachtwerf „Etymologicon magnum“ zu 2',, Du-
faten, „Simplicius in praedicamenta Aristotelis” zu 1Y, Dufaten,
„Ammonius in praedicabilia Porphyri“ aub zu 1", Dukaten,
„Apollonius de Argonautis cum commentariis“ zu 1 Dufaten,
„Suidas” zu 3, Dufaten, „Homeri libri 48” (Florenz 1488), lettere
ohne Preisangabe. Den dritten und legten Katalog veröffentlichte Aldus
im November 1513; er umfaßt fünf zweifpaltige Folioſeiten und enthält
alle von ihm bis dahin gebructen Werke.
Gleichwohl erzielte Aldus feinen feinen Anftrengimgen und Arbeiten
entjprechenden Erfolg. „Seit fieben Jahren”, fagte ev 1503, „baben
die Bücher gegen die Waffen kämpfen müſſen.“!“ Unter biefen Um—
jtänden wollte es etwas beißen, wenn die monatlichen Ausgaben von
200 Dufaten 1° regelmäßig beftritten werden fonnten. Neben ven viel-
fültigen Kriegswirren jchädigten nicht nur vier, wenn ſchließlich auch
Kapitel.] Nachdruck der Aldinen in Lyon u. f. w. 385
energiſch unterdrüdte, Druderftrifes mannigfach den Gejchäftsgang und
den Abjat, — es bemächtigte ficb auch jehr bald ver Nachdruck des
Aldusſchen Verlags. Er ftürzte ſich auf die neuen handlichen Klaſſiker—
ausgaben und trieb jein unjauberes Gewerbe ungeſcheut nicht allein in
der ferne, wie in Lyon und in Tübingen, beziehungsweije Köln, ſondern
jogar im nächſter Nähe, wie in Nano und Florenz. Aldus hatte zwar
iben 1495 für ven eriten Band feines Ariftoteles ein Privilegium vom
venezianifchen Senat erhalten; indeſſen jcheint es mehr als Schredichuf
gedient und feine praftiiche Anwendung gefunden zu haben. Won wirf-
fiher Bereutung wurde die Frage erſt, als jene handlichen Ausgaben
zu erjcheinen begannen. Aldus erbat aljo im DOftober 1502 vom Senat
ein neues Privilegium und erlangte ein jolches auch am 13. November
desjelben Jahres auf zehn Jahre. Es findet ſich vollſtändig abgedruckt
in der Dvid-Ausgabe von 1502 und gewährt dem Nachjuchenden Schuß,
nicht allein gegen das Nachichneiden der von ihm erfunbenen Kurſiv—
jchrift, jondern auch gegen Nachorud eines jeden von ihm gedrudten
oder noch zu drudenden Werks. Den Zuwiderhandelnden traf Ktonfis-
fation des Werfs, oder der Erempfare, jowie eine Geldftrafe von 200 Du:
faten für jeden einzelnen Fall der Nachbildung. Papft Alerander VI.
beftätigte diejes Privilegium am 17. Dezember 1502, Julius II. er-
nenerte e8 am 27. Januar 1513 auf 15 Jahre und dehnte es unter
Androhung der Strafe der Erfommunifation auf die ganze Chriſtenheit
aus; Leo X. bejtätigte es endlich nochmals am 28. November 1513.
Leider halfen diefe Privilegien jo gut wie gar nichts. Venedig beſaß
ein zu Feines Gebiet, ald daR es fonderlich ins Gewicht gefallen wäre.
Der übrigen Staaten und Staatchen waren zu viele in dem damaligen
Italien, als daß e8 durchführbar gewejen wäre, bei jedem einzelnen um
ein Privilegium einzufommen; die Stirche aber hatte nur in außerordent—
lichen Fällen ein Intereffe am Cinfchreiten. Noch weniger vermochte
Aldus dem Übel durch fein „Monitum in Lugdunenses Typographos“
abzuhelfen, welches er am 16. März 1503 gegen die dortigen Nach—
druder erließ. Es geht aus demfelben hervor, daß damals jchon jein
Virgil, Horaz, Juvenal, Perfius, Martial, Lucian, Catull, Tibull, Pro-
perz und Terenz mit einer ber feinigen nachgejchnittenen, nur etwas
plumpern Kurfiv, ohne Angabe eines Drudorts, Verleger und der
Jahreszahl in Lyon nachgedruckt waren. Die wiederholt aufeinander:
faypr. L 9%
386 Thomas Anshelms Nachdrucke. Aldus' Nachfolger. Sechſtes
folgenden Auflagen dieſer Nachdrucke beweiſen, daß ſie beſſern Abſatz
fanden als die ſchönern Originalausgaben ſelbſt. Wenn zwar den un—
lauterſten Motiven ihren Urſprung verdankend, ſo haben doch auch dieſe
Nachdrucke das Studium der Alten mächtig gefördert und wenigſtens
die Anforderungen nicht wieder heruntergedrückt, welche ſeit den Aldinen
an Texteskritik und äußere Ausſtattung geſtellt wurden.
Auch Thomas Anshelm in Tübingen druckte im März 1514 unter
anvderm die Alvinijche Ausgabe der Erasmiſchen Spridwörterfammlung
für Ludwig Hornden in Kölm nad. Was Erasmus befonders dabei
jchmerzte, war der Umſtand, daß der weniger Erfahrene fie für einen
Driginaldrud des berühmten VBenezianers halten fonnte. Denn Ans:
beim bielt fich bei allen Nachdrucken Aldiniſcher Ausgaben ftets jflawijch
an die Vorlage; ftrebte er doch nach dem Ruhm, ver deutſche Aldus zu
heißen. 1? Außerdem hatte er im März 1512 die Yateinifche Glementar-
grammatif, Aldus' eigene Arbeit, und im Juli einen Teil der von dem—
jelben ſchon 1495 veröffentlichten Grammatik des Yascaris, „De literis
graecis ac diphthongis” nachgedruckt. Die 1508 erichienenen vier
Bücher der lateinijchen Grammatif von Alvus, welche Anshelm im
April 1516 ebenfalls herausgab, enthalten zwar zum Teil eine Be—
arbeitung für deutſche Studierende, find aber wiederum jo genau ab-
gedrudt, daR jelbit Das auf dem Titel mit angeführt wird (de literis
graecis), was Anshelm im feiner Ausgabe wegließ. Trotzdem bat fich
Aldus nie über Anshelms Nachorude bejchwert, fie anjcheinend gar nicht
beachtet, offenbar deshalb, weil fie ihm gar nicht oder nur wenig ge
ſchadet haben.
Nach Aldus’ Tode führte Andrea Torreſani aus Aſola, fein Schwieger—
vater, das Geſchäft bis 1529 für Nechnung der Erben unter der Firma
„In Aedibus Aldi et Andreae Soceri” fort. Andreas ftarb in dieſem
Jahre und Paul Manutius, der dritte Sohn des Aldus, übernabm nun
bei feiner im Jahre 1533 erreichten Grofjährigfeit das Geſchäft unter
der Firma „In Aedibus heredum Aldi et Andreae Asolani Soceri”.
Diejes Verhältnis, welches übrigens nur wenige Verlagswerfe entjtehen
jab, dauerte bis 1540, von wo ab „Aldi Fili“, Sohn und Enfel des
berühmten Gründers, die Druderei fortjekten. Beide waren Gelehrte
eriten Ranges. Paul ftand jahrelang einer in Rom errichteten großen
päpftlichen Offizin vor und ftarb 1578. Sein Sohn, der 1547 geborene
Kapitel.) Johann Froben, der Aldus der Deutichen. 387
jüngere Aldus, der ſchon mit zehn Jahren als Schriftfteller auftrat und
auch eine Zeit lang an der Spite der päpftlichen Druderei jtand, ſtarb
1597. Mit ihm erlojch dieje berühmte Familie von Druderherren und
Berlegern, welche wieder in dem letten Träger eine bedeutende littera-
riſche Thätigkeit entwickelt hatte,
Ein dem Aldus ebenbürtiger Geiſt und um die Förderung der Wiſſen—
ſchaft ebenſo hoch verdienter Verleger iſt der Deutſche Johannes Froben.
Erasmus war der Freund beider Männer und bildete die Vermittelung zwi—
ſchen ihnen. Froben hat mit ſeinem Zeitgenoſſen Aldus Manutius vieles
gemein. Beide veranftalten nicht allein korrekte Ausgaben und ſchöne
Drude, jondern jtellen auch ihren perjönlichen Vorteil in zweite Yinie, wenn
es gilt, einen bedeutenden alten Schriftjteller ver Nachwelt zu erhalten oder
einen neuen erjt einzuführen. Beide jahen fich jchließlich für ihre Thätig-
feit jchlecht belohnt und ftarben troß ihres unermüplichen Fleißes in
durchaus nicht glänzenden Verhältnijfen. Denis nennt Sroben den Alpus
der Deutjhen, Dorpius jtellt ihn jogar über den VBenezianer, welchem
ſich Froben ſelbſt dagegen beſcheiden unterordnet und welchem es gleich-
zuthun jein höchſter Ehrgeiz ift. Die Porbeern des Aldus und Johann
Parvus laſſen Froben nicht jchlafen — es it derjelbe Buchhändler Parvus
oder Johann Kleyn, Jean Petit, in Paris, welcher die Preſſen von
16 Druckern beſchäftigte — aber nicht aus Neid, ſondern in dem Streben
nach gleichen Leiſtungen, nach gleichem Ruhm. Aldus erfreut ſich der
Unterſtützungen der italieniſchen Großen, wurzelt in einem damals ge—
bildetern Volke, in einer Weltſtadt und verfügt über die reichſten Mittel.
Froben dagegen ſteht meiſt auf eigenen Füßen und hat einen beſchränkten
Kundenkreis. Aldus hat ſich zum Signet oder Symbol einen Anker
gewählt, um den ſich ein Delphin windet, während in der Mitte, zu
beiden Seiten des Ankers, geteilt der Name Aldus ſteht. Er will in
dieſem Symbol ſeiner Thätigkeit einerſeits das ſchnelle raſtloſe Schaffen,
andererſeits zugleich die Zurückhaltung und reifliche überlegung andeuten.
Frobens Signet bildet eine Stange, auf deren Spitze eine Taube ſitzt
und über deren Kopf hinaus fich von unten her zwei Schlangen ringelnd
eınporheben. „Wenn die Fürſten nördlich von den Alpen‘, jagt Eras—
mus, „Sroben gerade jo ermutigen wollten, wie Alvus, jo würden ihm
jeine Schlangen nicht weniger nutbringend fein, als dieſem fein Delphin;
Froben wird, indem er auf feinem Druderzeichen die Unſchuld der Taube
25*
3883 Vergleihung von Froben und Aldus. Sechſtes
mit der Klugheit der Schlange vereinigt, Ruhm und Reichtum erwerben.“
Leider aber traf dieſe Weisſagung nicht ein. — Aldus war ein mehr
ſchöpferiſcher Geiſt, der neue Erfindungen machte und manche Verbeſſe—
rungen einführte; Froben ein mehr bedächtiger Mann, welcher die Al—
diniſchen Eroberungen nachahmte und gewiſſenhaft im Intereſſe ſeiner
Kunſt ausbeutete. So ließ er nach dem Vorbild der meiſten italieniſchen
Drucker und des Aldus die eckige und ſchwerfällige ſogenannte gotiſche
Schrift fallen und druckte 1513 zuerſt die Sprichwörterſammlung des
Erasmus mit der neuen Kurfiv. Froben jowohl als Aldus können nicht.
genug wichtigen und lohnenden Stoff für ihre Prejfen befommen und
wünjchen nichts mehr als neue Kunde. Ihre Gelehrten können ihnen
nicht ſchnell genug arbeiten und nichts ift ihnen peinlicher als wenn
ihre Preſſen ſtillſtehen. Aus dem Briefwechjel des Beatus Rhenanus
(1485 bis 1547) geht hervor, daß die Offizinen Frobens, der Amerbachs,
Herwagens und Oporinus’ nicht nur die Sammelpunfte ver Gelehrten
waren, in welchen man alles erfuhr, was dieſe interejfierte an neuen
Funden und Ausgaben, allerlei Perjonalien und Skandalgeſchichten, jon-
dern auch wahre Zufluchtsftätten ärmerer Jünger der Wiffenjchaft un
wandernder Scholaren. Rhenanus 3. DB. genoß namentlich von Froben
und den Amerbachs vielfache Unterjtügung Meutianus Rufus lobt
Froben begeijtert ob jeiner wifjenjchaftlichen Peiftungen und ver durch fie
allgemein zugänglich gemachten alten Codices, wie er denn auch mit ver
höchjten Anerkennung ver „Autores Frobeniani’ gevenft.
Frobens buchhändleriiche Beveutung und Stellung in der wifjenjchaft-
lichen Welt ſpricht fich übrigens am Flarften in jeinen Verhältniſſen zu
Erasmus aus, mit welchem er von 1513 an bis zu feinem Tode in
inniger, ungetrübter Sreundjchaft verbunden war. Ihre Beziehungen zu:
einander waren berzlicher, als die zwijchen Erasınus und Aldus. Es ijt
der Bund „des Fürſten der Buchhändler“ mit dem Fürften der Wifjen-
ichaft, wie die beiderjeitigen VBerchrer Froben und Erasmus nennen.
Yebterer war 1521 zum zweiten mal zum Beſuch nach Baſel gefommen,
blieb aber, hauptjächlich durch Froben freumdjchaftlich angezogen und auch
gejchäftlich gefejfelt, bis 1529, aljo bis kurz nach defjen Tore, dort faſt
neun Jahre, und zwar Die längfte Zeit im Frobenjchen Haufe, wohnen. Hier
ſammelte fihb um ihn eine ganze Schar jüngerer und älterer Männer,
welche jüntlich der neuen Nichtung zugethan, ihn als ihren Führer und
Kapitel.) Erasmus’ Arbeiten für Froben. 389
Patron beiwunverten und verehrten, wie die Gebrüder Amerbach, Gla—
reanus, Okolampadius, Beatus Rhenanus, Gerhard Lyſtrius, Nikolaus
Serbellius, Fontejus und Eobanus Hefe. Dem leßtgenamuten, der ihn
un Bejorgung eines Verlegers gebeten batte, antwortete Erasmus am
6. September 1524: „Ich weiß noch nicht, was Froben mit Beatus
verhandelt hat, demm der bat Deine Gedichte. Die Druder ſuchen jetzt
mehr das leicht Verkäufliche als das Gute. Wenn Dur willft, werde ich
es bei den Franzoſen verſuchen.“““ Bon allen Seiten drängten fich Ge—
lehrte an ihn und fragten ihn perjönlich oder jchriftlich um Kat. So
wurde Bajel ver Sit der gelehrten Studien, für deren Förderung zu—
gleich die Prefjen von Froben und Amerbach eifrig arbeiteten. Grasmus
jelbft freute jich diefer angenehmen Gejelligfeit, fühlte fich, unabhängig
von äußern Sorgen, wohl im Kreiſe ftrebender Genoſſen, deren beleben-
der Mittelpunkt er war, Entzückt rief er aus, daß jein Vaterland
Deutſchland) ihn mehr und mehr anlächle, und daß es ihn gerene, es
erjt jo ſpät kennen gelernt zu haben,
Die beiden Frobenſchen Verlagsartifel, welche Erasmus zuerſt emen-
dieren half und in die gelehrte Welt einführte, waren das 1516 er-
jebienene erjte griechifche Neue Tejtament — der griechiiche Text der
Complutenſiſchen Polyglotte war zwar ſchon 1514 geprudt worden,
wurde aber erit 1520 ausgegeben — und eine Ausgabe ver Werfe des
heiligen Hieronymus, bei welch leßterer zugleich Konrad Bellican und Io:
hann Reuchlin als Korreftoren des Debräifchen, beziehungsweife Griechi—
jchen thätig waren. „Ich traf in Bajel”, jagt Erasmus im zwei Briefen,
welche ev am 31. März 1515 an die Kardinäle Grimanus und Raphael
richtete, „einige, welche das Werk (den Hieronymus) ſogar ſchon in
Angriff genommen haben: es jind dies Johann Aroben, durch vejfen
Kunft und auf deſſen Koften es zum großen Teil fertig geftellt wird,
und die drei hochgelehrten jungen Brüder Amerbach, die auch Hebrätich
gut verſtehen. Es arbeitet die ganze große Offizin an diejer, auf zehn
Bände berechneten Ausgabe. Sie wird mit den vorziiglichiten Yettern
und ſolchem Aufwande von Geld und Schweiß gebrudt, daß es dem gött-
fihen Hieronymus weniger Arbeit gefoftet haben muß, feine Bücher zu
jchreiben, als ung, fie wiederherzuftellen. Ich wage ſogar zu ſchwören,
dar in den letzten 20 Jahren fein Werf in irgend einer Offizin mit
gleichen Koften und gleichem Eifer vorbereitet worden iſt.“
390 Erasmus’ Arbeiten fir Froben. ESechſtes
An den Papſt Leo X. aber ſchrieb Erasmus am 29. April 1515:
„Es iſt Schon lange das große Werk in Arbeit. Im Baſel, im Yante
der Rauraker, entjteht von neuem der ganze Hieronymus und zwar
in Frobens Werfftatt, der zunerläffigiten von allen, aus der am meiften
Bücher hervorgehen, zumal jolche, die fich auf religiöfe Dinge beziehen.
Am meiften haben die Gebrüder Amerbach dazu beigetragen, daß auf
ihre Koften und mit ihrer Arbeit im Verein mit Froben das Werf voll:
endet wird. Dies Haus ſcheint zu diefem Zweck vom Schichkſal jelbit
dazu bejtimmt, den Hieronymus wieder aufleben zu macen. Der
wadere Bater hatte jeine drei Söhne zu dem Zweck im Griechijchen,
Pateinijchen und Hebräifchen unterrichten laſſen. Er jelbjt empfahl bei
jeinem Tode jeinen Kindern dies Studium gleichſam als Erbe; alle
feine Mittel wandte ev auf dies Werk. Die wadern Jünglinge bejorgen
das nom Bater empfohlene jchöne Werf eifrig.‘
Die Herausgabe des Hieronymus, welcher ein Mann wie Gras:
mus fördernd zur Seite ftand, bildete ein großes Ereignis in der da—
maligen gelehrten Welt. Man verfolgte die Fortichritte des Druds
mit der geipannteiten Teilnahme, berichtete einander davon wie ven
etwas Ungewöhnlichem umd fuchte nach außen hin dem mutigen Ber:
feger die Wege zu ebnen.
So jchreibt unter anderm Michael Hummelsberger am 30. Auguit
1516 an Froben: „Konrad Peutinger hat dem Ägidius Remus, feinem
Mitbürger und Verwandten, Beatus Rhenanus hat mir mitgeteilt, Daß
Du jett des göttlichen Hieronymus Werfe druckſt, des trefflichen Er—
flärers der heiligen Wiffenjchaften, die Du aus alfen Bibliothefen
Europas zufammengebracht haft. Zugleich haben jie mich dringend ge
beten, vom Papfte Yeo ein Privilegium zu erwirfen, wonach niemand
innerhalb fünf Jahren jene irgendwo druden darf. Wir haben es für
recht gehalten, Dich mit allen unfern Kräften zu unterjtügen, dem Peu—
tinger und Rhenanus den Gefallen zu thun und überhaupt bei jo einen
frommen, dev wiffenjchaftlichen Welt nütlichen Werk behilflich zu ein.
Bejonders wollten wir dem Grasmus von Rotterdam, dem gebilvetiten
Dann der Deutjchen, der nicht geringe Mühe auf dieſe Ausgabe ver-
wendet, zu Gefallen jein. Damit wir um fo leichter und mit geringern
Koften dies erreichten, haben wir uns der Hilfe ver bochgebilveten
Männer, Stephanus Rofirus aus Augsburg und des Jakob Uueftenberg
Kapitel.) Erasmus’ Arbeiten für Froben. 391
bedient, welche ven verehrten Kardinal Adrianus, den Förderer des wiſſen—
jchaftlichen und gebildeten Lebens, gebeten haben, beim Papfte ein gutes
Wort für Dich einzulegen. Nachdem diejer ein jehr zierliches Schreiben
von unjerm Rhenanus hierüber an mich angenommen hatte, hat er beim
Papite unſere Bitte durchgejeßt. Es iſt aljo ein päpſtliches Breve er-
langt und ausgegeben, welches wir anbei überjenden. Wir haben jechs
Dufaten dafür ausgelegt, Die wir von den Weljers in Augsburg empfangen
haben und die Du ihnen zurüderjtatten faffen wirft. Zei verfichert,
daß dieſe Ausgabe eine ſehr geringe iſt, aber unjerer Anjtrengung und
unjern Fleiß magit Du es zuichreiben, wenn wir weniger als an—
dere bezahlt haben. Denn jei verfichert, fein anderer hätte es jo billig
erlangt. Dies bezeugen auch die römijchen Buchhändler, die auch auf
unjer Befragen meinten, wir müßten etwa 30 Goldgulden daran wen-
ven. Uns aljo, die wir jo willfährig Deinen und der Freunde Bitten
oder vielmehr Ermahnungen nachgegeben, bift Du jett etwas verpflichtet,
damit Du die Div erwiejene Wohlthat bei Gelegenheit Deinerjeits zurüd-
eritatteft.‘ *!
Ziemlich um viejelbe Zeit, am 19. Auguſt 1516, melvete Erasmus
dem Papſte Yeo X.: „Der ganze Hieronymus, der unter den günftigiten
Aufpizien entjtanden iſt und von allen Gelehrten mit der größten Span—
nung erwartet wird, joll im mächjten Monat September herauskommen.“
Es dauerte indeſſen länger, dem noch am 5. Juni 1517 ſchrieb Gras:
mus, daß der vollftändige Dieronymus erft zur Herbſtmeſſe jenes Jahres
erjcheinen werde.
Die jümmtlichen mit Erasmus in Verkehr ſtehenden Gelehrten ur-
teilen nicht minder günftig über Frobens hervorragende Yeijtungen. „O,
daß es mir doch vergönnt wäre‘, jchreibt Nikolaus Beraldus am 16. März
1518 an Erasmus, „Diejes Neue Teftament vecht bald im ven jchönften
Typen gedruckt zu jehen, mit Frobenjchen nämlich; es kann nichts Glän—
zenveres, Angenehmeres und VBornehmeres als dieſe geben.“ Dorpius
aber bittet am 14. Juli 1518 Erasmus, den „Prinzeps“ aller Druder,
Froben, herzlich von ihm zu grüßen, da die Wilfenfchaft ihm jo viel wer-
danke. „Möge der Herr ihm noch viele und glückliche Jahre geben, damit
er jeinem jchönen Berufe, in welchem er jelbjt den Aldus übertrifft, noch
lange leben kann!’ Erasmus iſt damit einverjtanben, denn am 25. Auguſt
1518 jchreibt ev an Puccius, daR die Studien der heiligen Wiffenjchaften
392 Frobens Ruhm in den Gelchrtenfreiien. [Sedhites
feiner Offizin mehr verdanken als der Frobenjchen, und am 2. Februar
1525 lobt er in einem Briefe an Turzo in Olmüß die Schönheit und
den Slanz der Werfftatt Frobens, welch letterer ihm nur zur DVerberr:
fibung der Wijfenjchaften geboren zu fein ſcheint. Uno an Theobald
Fettichius richtet Erasmus am 5. Dezember 1526 die Worte: „Cs kann
niemanden zweifelhaft fein, wie viele Jahre Johann Froben, mit welden
Nachtivachen, Anftrengungen und Koſten er vorzügliche Autoren gefördert
bat und zwar mit größerm Ruhm als Vorteil. Er bat zu Hauje in
beiden Yitterativen einen ebenjo hochgelehrten als gewiffenhaften Mann,
welch letztere Eigenjchaft ich nicht zuletst vechne. Daher ift meines Er-
mejjens fein anderer würdiger Eurer Gunft, als Froben, denn durch
feine andere Werkjtatt wird für treffliche Autoren bejfer gejorgt werten;
endlich aber werdet ihr kaum einem andern ebenjo danfbaren und erkennt:
lichen Mann Eure Gejchäfte auftragen.”
„Wenn ich in der Schlacht Sterben ſoll“, jchreibt Erasmus an Johann
Vergura am 2. September 1527, „io wird Froben für mich der beite
Beiſtand fein, indem er mir die Waffen im Kampfe darreicht.“ Ten
ganzen Wert des Freundes und jeine eigene Trauer faßte aber Erasmus
nach Srobens Tode im die ergreifenden Worte zuſammen: „Johannes
Froben, ein in jeder Beziehung vorzüglicher Mann, bat ung, von einer
vähmung dabingerafft, zu meinem tiefen Schmerze verlaffen. Er war
zur Förderung der Studien gejehaffen und wünſchte fich Fein Lüngeres
Yeben, als bis er den heiligen Augustinus vollendet hätte, den er mit
großen Koſten worbereitet hatte und auf jechs Preſſen druckte. Der Hin—
gang diejes Freundes hat mich hart getroffen. Die Laſt ver Offizin
haben jein Schn Hieronymus und ich übernommen. Für die jieben
Preffen muß ich jchaffen, was fie drucken, aber vor allem erſchöpft mich
der Auguftin, den ich ganz verbefjere, während ich beim Hieronymus
nur die Briefe für mich genommen babe. Dieje Arbeit hat mir, ob-
gleich ich mich mit Händen und Füßen wehrte, der jelige Johannes
Froben aufgeladen, den ich fo liebte, daß ich ihm nichts abjchlagen
konnte, auch wenn er mir befohlen hätte, auf dem Marfte auf dem Seil
zu tanzen. Er ift über der Arbeit gejtorben. Ich fürchte, daß jie au
mich aufreibt; wenigjtens hat fie mir fehon die Augen verdorben.” „Zeit
15 Jahren‘, führt Erasmus am 16. September 1528 fort, „babe ic
mit Baſel in Verbindung geftanden; ich habe die Stadt oft auf der
Kapitel.) Erasınus’ Nachrufe bei Frobens Tode. 393
Rückreiſe von Brabant bejucht, endlich habe ich faſt acht Jahre fortwäh-
rend die bequeme Saftfreundjchaft jenes guten Mannes genofjen. Dort
war Johannes Froben mein Freund geworden, einen ehrlichern kann ich
mir von den Göttern nicht wünfchen: Diejelbe Gefinnung hatte die ganze
Familie gegen mich; daher iſt mein Wohlwollen gegen die Kinder auch
durch feinen Tod nicht verändert.“
„Ich hoffe“, jchreibt Erasmus weiter aus Freiburg am 7. Auguft
1529 an Nikolaus Episcopius, Frobens Schwiegerjohn, „binnen kurzem
Euch noch mehr beglüdwünfjchen zu können, wenn erſt der Heine Epis-
copilus im Hofe fpielt, der uns mit demjelben Geſicht Euch Beide vor:
führt und nicht Euch allein, jondern auch unfern nahen Freund, den
Johannes Froben; denn die Natur pflegt oft auch in den Enkeln das
Abbild ver Großväter abzumalen. Ich höre, daß Du in das Haus ein-
ziehen wirft, welches ich dort durch meinen Weggang freigemacht; in das
Sans, im welchem ich jo viele Jahre zugebracht, daß ich von Beginn
meines Yebens an in feiner Stadt länger gelebt babe, in welches mich
Dein Schwiegervater mit feinem Wohlwollen jo oft hineinzubringen ver-
jucht hat.
‚Diele Tugenden beſaß Johann Froben jeligen Angevenfens, die ihn
meiner Zuneigung ſehr empfahlen‘, heißt es in einem andern Grasıni-
ſchen Briefe vom 9. Auguft 1531 an den Sohn, „aber durch nichts hat
er mich jo anhalten und jtarf gefeffelt, als dadurch, dag er im ganzen
Yeben nichts Höheres fannte, als — wenn auch mit noch jo großem
Aufwand von Mühe und Geld — durch den Drud aller bewährten
Autoren die öffentlichen Bejtrebungen zu unterjtügen: eine Arbeit, über
welcher ver wadere Mann auch geitorben ült...... So fam es, daß er
die wilfenjchaftlihen Arbeiten mehr förderte als ſein Hauswejen, und
daß er jeinen Erben mehr ebrenvollen Ruhm als Reichtum binterliek.
Da ich nun jehe, daß Du nicht nur feine verehrte Witwe aufgenommen,
jondern auch das Erbe des Geiftes angetreten haft, den jener in der
Förderung und Hebung der Wiffenjchaft zeigte, jo kann ich nicht umhin,
das Wohlwollen, welches ich gegen jenen ſtets gezeigt babe, auch auf
Did zu übertragen.“
Erasmus begnügte fich den Erben feines verjtorbenen Freundes gegen-
über nicht mit bloßen Worten. Cr juchte für fie, wenn auch vergeblich,
um ein franzöfiiches Privilegium für den Auguftinus nad, da von dem
394 Erasmus und Frobens Erben. Der Humanismus in Erfurt, Eechſtes
Abſatz Diefes Werkes nach feiner Anficht Vermögen und Exiſtenz ver
Frobenjchen Kinder abhing. Er jelbjt aber hatte feine eigene Mühe und
Arbeit fait umſonſt dargebracht; wie er am 29. September 1528 jchreibt,
würde er für jeden Dritten eine jo ſchwere Arbeit nicht um 2000 Gul—
ven übernommen haben. Auch von Froben ſelbſt hatte er jchon bei vejjen
Yebzeiten nur jehr wenig erhalten, weil er faum ein Drittel von dem
annahm, was jener ihm angeboten, und auch das Eigentum des Hauſes
zurückgewieſen hatte, weiches Froben ihm wiederholt ſchenken wollte.
Natürlich bot Hieronymus Froben alles auf, fih Erasmus’ Gunſt
su fichern. In einem gegen Ende des Jahres 1530 gejchriebenen Briefe
erklärte er ihm ſchmeichelnd, feine Offizin hänge lediglich von Erasmus
ab, worauf diejer am 15. Dezember 1530 erwiderte, daß fie dann an
einem morjchen Seile hänge, indejfen doch auf neue VBerlagsanerbietungen
einging. —
In Meittelveutichland erlangte Erfurt eine hervorragende Bedeu—
tung. Hier hatte ver Humanismus ſchon jehr früh (um 1460) Eingang
gefunden und zunächit die Verſöhnung mit dem alten Kirchentum ge—
jucht; ſpäter winmete er dann der wifjenfchaftlichen Vertiefung der Stu:
dien die beiten Kräfte und jtellte jehlieglich die Fühnjten Kämpfer zum
Angriff gegen Nom. Alle drei Perioden des Humanismus find bier
aljo volljtändig vertreten, ja folgerichtig bis in ihre Konſequenzen ent-
wickelt, und zwar nicht bloß durch Die begeifterte Jugend, jondern auch
durch reifere Gelehrte und Zierden der Univerfität, wie Maternus
Piftoris und Nikolaus Marjchalf. Der Boden fand fich ſchon vorbe—
reitet, denn die reiche Stadt war ein alter Sig der Formſchneidekunſt
und verjchiedener Schreiberftuben und zählt daher auch zu den ältejten
Drud- und Berlagsorten Deutjchlands.?? Diejes künjtleriiche Yeben hatte
chen um die Mitte des 15. Jahrhunderts eine hohe Blüte erreicht.
In Erfurt machte ſich alſo der neue Geift in aller Form zuerſt eine
mittelalterliche Yehranjtalt dienjtbar. Was dieſer Sieg heißen will, das
wird erſt Har, wenn man jich vergegenwärtigt, daß alles wiffenjchaftliche
Yeben der vorreformatoriſchen Zeit von der Kirche bedingt war, daß
dementiprechend auch die Umiverfitäten, durch püpftlichen Machtipruch ins
Veben gerufen, in Urjprung, Form und äußerer Haltung ein entjchieven
firchliches Gepräge trugen. In erjter Yinie hatten fie die Verteidigung
ver kirchlichen Intereffen zu führen; deshalb bildete denn auch die Theo-
Kapitel.] Der Humanismus und Buchhandel in Erfurt. 395
logie, in der Form der Scholaftif, den Hauptinhalt der Lehrthätigkeit.
Paris, die Univerfität der Theologie, nicht aber Bologna, die Universität
ver Juriften, war das Vorbild der deutſchen Hochſchulen geweſen. Faſt
überall befand ich die Kanzlerwürde im Befig von Geijtlichen und bis
ins 16. Jahrhundert hinein waren alle Pehrjtühle ausſchließlich in den
Händen von Klerifern. Noch 1523 mußte der Rektor ein Stlerifer fein
md in Heidelberg wurde erjt mach jchwerem Kampfe durchgeſetzt, daß
ein Yaie eine Profejfur der Medizin erhielt.
Zu einer Zeit aljo, wo der Scholaſtizismus noch die Univerfitäten
beherrichte, fiegte der neue wiffenjchaftliche Geift in Erfurt. Seine Uni:
verjität war (1392) die Schöpfung einer freien Bürgerjchaft und trug
von Anfang an das Gepräge ihres Urſprungs an ſich. Der erfurter
Sumanisınus feierte 1520 in dem Rektorat des Humaniſten Grotus
Rubianus den vollenvetjten und letten Sieg. Publicius Rufus, ein
Slorentiner, war e8, der hier den erſten Samen klaſſiſcher Bildung aus:
ſtreute; hervorragende Profefforen an der Univerfitit, wie Gode und
Trutvetter, Yuthers Yehrer, vertraten die neue Richtung, und bedeutende
Männer, wie Johann von Dalberg, verpflanzten fie von bier aus weiter.
Zu Anfang des neuen Jahrhunderts, im September 1501, evjcbien auf
Teranlaffung des Nikolaus Marſchalk in Erfurt, zuerjt unter allen deut:
ſchen Städten, das erſte im griechifcher Sprache, aber noch ohne Accente
gedruckte Yuch „Prisciani grammaticorum facile prineipis lIsgr ouv-
ass. In demjelben Jahre folgten diefer Erjtlingsjchrift noch zwei
andere, während Wittenberg und Tübingen erjt 1511 und 1512 grie-
chiſche Drucke veröffentlichten. Der erfurter Verleger, Wolfgang Schend
(vorher im Yeipzig anfällig), nennt fich auf jeinen Verlagsartikeln auch
Lupambetus Ganymedes over Otveysov oder auch Pocitator.?? Diefe
Annahme Elaffiicher Namen beweilt, daß ihre Träger mit Bewuhtjein im
Dienfte der neuen Richtung ftanden; diefe hob den litterarischen Verkehr
von Tag zu Zag mehr und mehr, ſodaß ver erfurter Verlags- und
Sortimentshandel bald eine bejondere Bebeutung gewann. Außer dent
bereitd genannten Echend find jchon im Anfang des 16. Jahrhunderts
tbätig: Sartorius, Mathias Maler, Stribilita, Knapp, Goldhammer,
Melhior Sachs, Wolfgang und Servatius Sturmer. Sie führten faft
alle auch antikifierte Namen; Dans Knapp nannte fich z. B. Cr. Appius.
Welches der eigentliche Name von Stribilitn war, läßt ſich ſchwer er-
396 Ausgang des Humanismus in Erfurt. [Sedhites
raten. Es erjcbienen in Erfurt unter anderm Huttens „Nemo“ ohne
Jahreszahl (wahrjcheinlich 1512 oder 1513) bei Stribilita, und im Auguſt
1513 deſſen „Vir bonus“ bei Knapp. Ende 1520 ließ es fich Crotus
bejonders angelegen fein, durch nach allen Richtungen ausgeftreute au:
regende Alugichriften und Briefe die Nation im Sinne der Bewegung
zu bearbeiten. Er war damals, wie ſchon gejagt, Rektor der Univerfität
und vermittelte auch um dieſe Zeit den Verkehr zwijchen Luther und
Hutten. Auch für die Univerſitätsbibliothek gejchab viel. Eobanus Hefe
iſt umerjchöpflich in ihrem Yobe, ja er fett fie — gar zu überjchweng-
lich — ſogar über die große Ptolemäiſche Bücherſammlung.
Im neuen Jahrhundert wurde Erfurt der Sammel: und Mittelpunkt
der jungen, von ihren Gegnern Poeten genannten Humaniſten, die fortan
diefen Namen mit Stolz führten. Um Maternus Piſtoris zumächit ſchar—
ten ſich Konrad Geltis, Johann Jäger (Grotus Rubianus), einer der
vornehmsten Berfaffer der Dunfelmännerbriefe, Spalatin, Eobanus
Heſſe (1488 bis 1540), der oft vor 1800 Studenten jeine Nollegien über
römijche Alaffiter las, Mutianus Rufus, der begeifterte Anhänger Reuch—
lins (in Gotha), zeitweife auch Ulrich von Hutten, jowie die jpätern Re—
formatoren Yuther und Melanchthon. Aber manche von ihnen und gerade
diejenigen, welche anfänglich am lauteſten gegen das Papittum gekümpft
hatten, Eobanus Hefe, Mutianus Rufus und Grotus Rubianus, fanden
ſpäter nicht die Kraft in fich, Yuther zu folgen; die entſchiedenen Geiſter
jiedelten 1520 von Erfurt nach Wittenberg über, welches nun zumächit den
Mittelpunkt des geiftigen Yebens für Deutſchland, ja Curopa, bilvete.
Will man die reißend jehnellen Kortjchritte des deutſchen Humanis—
mus, die zum großen Teil von Erfurt ausliefen und hier wieder mün—
deten, recht verjtehen, jo muß man in erſter Yinie den Unmut und Ekel
im Auge bebalten, welche in allen Gemütern gegen das Alte und Be-
jtehende, namentlich aber gegen die Methode und den Inhalt ver mittel
alterlich- Höfterlichen Bildung herrſchten und alle Volksklaſſen für die
nenen Gedanken und Bejtrebungen doppelt empfänglich machten.
Allein mehr ald das, es war eine gewaltig beivegte Zeit. Cine Ent:
deckung drängte die andere, nene wiffenjchaftliche Probleme forderten zum
gründlichen Studium auch der alten Lehrmeinungen auf, und wie die
räumliche Welt fich in einem furz zuvor kaum noch geahnten Umfange er:
weiterte, jo fand auch die geiftige Bewegung feine Schranken und ftürmte
Kapitel.) Wandertrieb der jüngern Gumaniften. 397
ungejtüm vorwärts. Die beiden Feuerſeelen Ulrich von Hutten (1488
bis 1526) umd Hermann von dem Buſche aus Saſſenberg in Weftfalen
(1468 bis 1534), ein Schüler und Neffe Rudolfs von Yangen, ftanven
an der Spite derer, welche überall die Vertreter der Scholaftif zum
Kampfe herausforderten und diefen Kampf bis zur glüdlich durchgeſetzten
Reformation fortführten. Über ganz Deutjchland die neuen Ideen ver-
breitend, zogen fie von einer Univerfität zur andern und gewannen den
alten Zunftgelehrten zum Trotz die ftudierende Jugend für ſich. Das
nicht gelehrte Volt aber fühlte ſich mächtig zu ihnen bingezogen, weil es
in ihnen die geborenen Vertheidiger feines Nechts und die berufenen Vor:
fämpfer jeiner Ziele erblidte.
Die Begeifterung dieſer unftäten Gejellen ſteckte alle Kreife an. Ein
bisher nie gekanntes Imterefje für geiftige Fragen erfaßte Hoch und
Niedrig, jeder neue Gedanke, jede friiche That, jeder Schritt vorwärts
wurde mit Jubel begrüßt, jeder neue geiftige Hauch bis in die entlegen-
jten Winkel des Yandes getragen. Diefer Wandertrieb der jungen Huma—
niſten entiprach dem jugenpfrijchen Wejen der ganzen Zeit und ward
sunächit bedingt durch die mangelhaften Verkehrs- und Verbindungs-
mittel jener Tage. Zudem waren überall in der wifjenjchaftlichen Welt
neue hervorragende Kräfte aufgetaucht, ohne daß der Buchhandel ſchon
beweglich genug gewejen wäre, die geiftigen Beziehungen genügend zu
vermitteln. Wer den Umgang mit einem großen Gelehrten gewinnen
wollte, der mußte ihm in Paris, Padua, Bologna, Straßburg oder Bajel
aufjuchen; wer mit einem Gefinnungsgenojjen anzufmüpfen fjuchte, der
fonnte nichts Beſſeres thun, als nach dejfen Wohnort zu pilgern oder
an einem andern Punkte mit ihm zufammenzutveffen. Man venfe an
die Wander- und Irrfahrten eines Konrad Geltis oder Ulrich von Hutten,
die mit leichtem Gepäd und wenigem Geld in der ganzen damaligen ciwi-
kifierten Welt herumzogen und überall neue Freunde und Mitkämpfer
für ihre Sache gewannen. Die jungen Humanijten bildeten eine einzige
unfichtbare Gemeinde, welche wie auf Verabredung gemeinjchaftlich han—
deite und, wenn es galt, auch losjchlug. Die Solidarität der freien und
ſchönen Geifter jener Zeit bewährte fich einige Jahre jpäter glänzend in
den Reuchlinſchen Händeln mit den kölner Scholaftifern. Diejer Kampf
erſt Ichrte die räumlich voneinander getrennt lebenden Gefinnungsgenofjen
jich als Einheit fühlen und mit vereinigten Kräften tapfer bis zum glüd-
398 Johann Pfefferkorn und Johann Reuchlin. Sechſtes
lichen Ausgang ſtreiten. Er fand ſein Ende durch die Reformation und
bildete den Höhepunkt der humaniſtiſchen Bewegung, weshalb er auch
vollen Anſpruch auf die Hervorhebung ſeiner Hauptmomente machen darf.
Johann Pfefferkorn alſo, ein getaufter Jude, hatte es ſich mit dem
den Renegaten eigenen Eifer ſchon ſeit Jahren angelegen ſein laſſen, die
geiſtliche und weltliche Macht gegen ſeine ehemaligen Glaubensgenoſſen
einzunehmen, ihre Ausweiſung zu betreiben und die Vernichtung ihrer
Bücher, welche der Hauptgrund ihrer Verſtocktheit ſeien, zu erwirken.
Seine Schriften, der „Judenſpiegel“ (1507), die „Judenbeichte“ (1508),
das „Djternbuch” und der „Judenfeind“ (lettere beide 1509), machten
einen nur geringen Eindruck; Pfefferforn ging denn deshalb auch mit
Hilfe der fölner Dominikaner zur praftijchen Thätigkeit über.
Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts beanfpruchte diefer Orden ein
ihm durch päpitliche Vollmacht übertragenes oberjtes Genjurrecht in und
für Deutſchland. Da num unter den von Pfefferforn gegen die Juden
vorgejchlagenen Mafregeln die Unterdrüdung ihrer Bücher eine der wejent-
lichſten war, zeigte ficb ihm im diefer Vollmacht der Weg zur Erreidung
jeiner Abfichten. Die Juden waren noch immer Kammerfnechte des Kat-
jers, der aljo auch über ihr Eigentum verfügen konnte und deshalb in
dieſer Angelegenheit gefragt werden mußte. Maximilian verlangte dem
auch im Juli 1510, daß ihm ein Gutachten verjchievener nambaft ge
machter Gelehrten über die Thunlichfeit und Ausführbarkeit des Vor
ichlags durch den Kurfürften von Mainz eingereicht werde.
Unter diejen Gelehrten befand ſich auch Reuchlin, welcher bereits am
6. Oftober 1510 feinen Bericht erftattete. Er teilte darin die Bücher
der Juden in fogenannte Schmachbüchlein und nicht anftörige und ſprach
fih dahin aus, daß man nur jene und zwar erſt nach vorgängiger Unter:
juchung, wie auch rechtmäßig ergangenem Urteil vernichten jolle. Diejer
Antrag erregte den heftigen Unwillen ver „‚glaubenseifrigen“ Mönche,
denen es bei ſolchem ſchwerwiegenden Widerſpruch unmöglich wurde, die
Juden zu Ehren Gottes und der chriftlichen Kirche zu plündern. So
veranlaßten fie denn Pfefferforn zur Veröffentlichung einer Schmähſchrift
gegen KReuchlin, welche der Nenegat unter dem Titel „Handſpiegel“ —
in etwa 1000 Eremplaren — auf der franffurter Ojtermejje 1511 jelbit
baufierend verkaufte und „durch fein Weib im offenen Grempelkram jever-
mann feilbot, auch verſchickte und verſchenkte“. Pfefferforn jprach Darin
Kapitel.) Johann Reuchlind „Augenſpiegel“. 399
Reuchlin jede Kenntnis des Hebräiſchen ab und bejchuldigte ihn, daß er
fih von den Juden babe bejtechen laſſen. Diejer blieb die Antwort nicht
ſchuldig und gab für die Herbſtmeſſe 1511 bei Thomas Anshelm in
Tübingen den „Augenſpiegel“ heraus. Dieſes Büchlein trat jest in ven
Vordergrund der Debatte und des öffentlichen Intereſſes. Von den
Juden und ihren Büchern war fortan feine Rede mehr, denn in dem
Kampfe, der jett Deutjchland in zwei große Parteien jpaltete und die
Gebildeten von ganz Europa in Mitleidenjchaft z0g, handelte es fich um
viel Größeres und Wichtigeres, um das Recht der freien Meinungs:
äußerung gegenüber inguifitorischer Berfeßerung. Auf ſeiten Reuchlins
jtanden Männer wie Melanchthon, Spalatin, Eoban Heffe, Franz von
Sicdingen, Ulrih von Hutten, Pirdheimer, Hermann von dem Buſche,
Wolfgang Angft, Pentinger, Ofofampadius, Sebaftian Brant, Grotus
Rubianus u. ſ. w.; auf jeiten der Gegner der rechtgläubige, aber be-
jchränfte und verfolgungsjüchtige Klerus. Reuchlin weiſt in feiner Schrift
der Vorwurf der Beitechung unwillig zurüd, widerlegt 34 Yügen Pfeffer-
forns und namentlich deſſen Anſchuldigung, daß er, Reuchlin, fein Hebrätjch
verjtehe, ja, feine hebräiſche Grammatik nicht einmal jelbjt verfaßt habe.
Der Pleban Peter Meder, der von 1510 bis 1524 in Frankfurt a, M.
fih als Bücherfommiffar des Kurfürften von Mainz geberbete, verbot
den dortigen Buchändlern den Berfauf des „Augenſpiegels“ auf der
Meſſe. Hutten nennt diefen Meyer den unverjchämteften und ungelehr-
tejten Pfaffen von allen, welche NReuchlin übel wollten. ?* Aus ander:
weitigen Zänfereien mit der Stadt, dem Stift und dem Kurfürften iſt
er allerdings als ein auch fonft jehr zanf- und händelſüchtiger Priefter
unvorteilhaft genug bekannt. Als der Erzbiichof jenes Verbot nicht be-
jtätigte, ließ Meyer feinen Schügling Piefferforn vor der Kirchenthür gegen
den „Augenfpiegel” predigen, ver infolge diejer öffentlichen Angriffe, zu-
mal er in deutjcher Sprache und leivenjchaftlich gejchrieben war, nur
defto mehr Käufer fand. Des weitern jandte Micher ein Eremplar ver
angeblich anftörigen Schrift an die fülner theologische Fakultät. Diefe
aber übergab fie dem Brofeffor Arnold von Tungern zur Prüfung dar—
auf hin, ob etwas Ketzeriſches darin zu entpeden jei.
Mit diefem Schritt war der Streit auf den Boden der Slirchen-
gewalt und der Rechtgläubigfeit gezogen; im Hintergrund winfte jogar
der Scheiterhaufen. Reuchlin, anfangs eingejchüchtert, leiftete den ihm
400 Reuchlins Streit mit den Dunfelmännern. Sechſtes
zugemuteten Widerruf ſchließlich aber nicht, trat vielmehr im Gefühl
deſſen, was er ſich und ſeiner Sache ſchuldig war, entſchieden gegen ſeine
Feinde auf. Er gab zunächſt zur Oſtermeſſe 1512 bei Thomas Ans—
helm deutſch bearbeitete Erläuterungen zu ſeinem „Augenſpiegel“ heraus
und trug damit den Streit in viel weitere Kreiſe. Arnold von Tun—
gern dagegen, um nur das Verſtändnis für denſelben nicht weiter ins
Volk dringen zu laſſen, veröffentlichte darauf in Köln ſeine auf ſcholaſti—
ſcher Beweisführung beruhende Prüfung des „Augenſpiegels“ in lateini—
ſcher Sprache. Die kölner Theologen aber erwirkten vom Kaiſer bei
einem Beſuche, den er ihrer Stadt im Oktober 1512 machte, einen Be—
fehl, wonach Reuchlins „Augenſpiegel“ im ganzen Reiche, namentlich in
Frankfurt a. M., als ſeinem Hauptverkaufsplatze, unterdrückt und kon—
fisziert werden ſollte. Dieſer Befehl ſcheint jedoch wenig befolgt worden
zu ſein; der frankfurter Rat z. B. legte ihn einfach zu den Aften. Reuch—
(in aber befämpfte nunmehr feine Gegner im März 1513 in einer bef-
tigen, an den Kaiſer gerichteten, jede Rückſicht beifeite ſetzenden Vertei—
digung, welche unter dem Titel „Defensio contra Calumniatores suos
Colonienses” bei Thomas Anshelm in Tübingen erjchien. ?>
Nach den vwerjchiedenften Kreuz- und Querzügen gelang es enplich ven
fülner Dominifanern, am 9. Juli 1513 einen Befehl des Kaiſers zu
erwirfen, wonach die Erzbijchöfe von Köln, Mainz und Trier, ſowie
der Glaubensinguifitor Hogſtraaten die Reuchlinjchen und einige andere
Schriften wegnehmen und unterprüden, ihre weitere Feilhaltung ver:
hindern jollten. Jetzt hatten die Kölner, was fie wollten; die Kirchen-
gewwalt konnte nunmehr ihrem Gegner auch gerichtlich zu Leibe achen,
zumal die Univerfitäten Yöwen, Mainz, Erfurt und Paris ihr Verdam—
mungsurteil gegen den „Augenjpiegel” bereits ausgejprochen hatten. “Das
Buch roch nah Ketzerei: es mußte aljo vernichtet, fein Verfaſſer exem—
plarijch bejtraft werden. In dem nunmehr gehaltenen Ketzergericht ver-
hinverte aber der Erzbiihof von Mainz das Vorgehen Hogjtraatens;
Reuchlin wurde am 24. April 1514 von den beiden Untervelegirten des
Biihofs von Speyer freigefprochen, welch letterm die Sache von Mainz
aus übertragen war, Hogſtraaten appellierte an den Papft. Auch Reuch-
lin wandte fih im Juli 1514 nad Rom, wo der Prozeh zwei volle
Jahre ſchwebte.
Um zu befunden, welche ausgezeichneten Männer, welche beveutenden
Kapitel.) Die Epistolae virorum elarorum. Reuchlins Prozeh in Rom. 401
geiftigen Kräfte Neuchlin zur Seite ftanden, veranftalteten jeine einfluß-
reichen Freunde alsbald nach jeiner Ankunft in Rom eine Sammlung
von Briefen berühmter Männer: „Epistolae virorum clarorum“,
welche berühmte Zeitgenofjen an ihn gejchrieben hatten. Die Humanijten
lernten fich, wie Strauß ausführt, bei diefer Gelegenheit zuerjt als große
Macht fennen. Alle freifinnigen Deutſchen und Italiener ſcharten fich
um Reuchlin; fie betrachteten feine Sache als die ihrige, und Neuchlinift
oder Arnoldist (nach Tungerns Vornamen) wurde das Feldgefchrei in beiden
Yagern. Männer wie Peutinger, Pirdheimer und Erasmus verwandten
fih beim Papjte und den Kardinälen für ven Verfolgten. Am 2. Juli
1516 endlich fand die Schlußſitzung des Gerichtshofs ftatt, deſſen ſämt—
liche Mitglieder fib, mit Ausnahme eines eifrigen Dominifaners, für
Reuchlin und gegen feine Ankläger erklärten. Der Papſt wagte aber
nicht, das Urteil zu verkünden, fondern erließ ein Mandatum de super
sedendo, welches den Prozeß bis auf weiteres nach Belieben der Kurie
bemmte und ein ferneres Vorgehen unterfagte. So blieb die Sache vor-
läufig in der Schwebe. Erſt am 23. Juni 1520 wurde durch einen
päpftlihen Beſchluß die Ungültigfeitserffärung der ſpeyerſchen Enticheidung
wiederholt, welche Hogſtraaten ſchon früher unter dev Hand durchzuſetzen
gewußt hatte, ohne daß jeboch die Humaniften fich bis dahin irgendivie
darıım gekümmert hätten. Es war alfo jett offiziell der „Augenjpiegel“
als ein ärgerliches, frommen Chriſten anftößiges, den Juden im uner—
laubter Weiſe günftiges Buch für den Gebrauch unterfagt und zur Ver—
nichtung verdammt, Reuchlin aber zu ewigem Stillichweigen und in die
Kojten des Prozeffes verurteilt.
Der römische Donner kam zu jpät. Als er verkündet wurde, nahm
faum jemand Kenntnis von ihm, denn andere, jchwerer wiegende Inter-
ejfen und Kämpfe ftanden im Vordergrund. Neuchlins Streit mit den
Obffuranten war eine längſt abgethane Sache, zumal auch Sicdingen
1519 und 1520 die fölner Dominikaner zum Frieden mit Neuchlin ge-
zwungen hatte, jener aljo thatjächlich nicht weiter geftört wurde. Wenn
auch jchlieglich verurteilt, fo ftand der edle Mann doch in den Augen
der Mehrzahl des deutjchen Volks als Sieger da. Und mit ihm hatte
die neue Richtung gefiegt, welche einen Blif in den Sumpf von Be—
ihränftheit und Unwiſſenheit ver Scholaftifer und ihrer Anhänger eröffnet,
der firchlichen Autorität aber einen empfindlichen Schlag verjett hatte.
Rapp. I. 26
402 Die „Epistolae obseurorum virorum“. [Sedjites
Der Hauptanteil an diefem Siege gebührte den Titterarijchen Waffen,
unter ihnen vor allen jener unfterblicben Satire, den im Gegenjaß zu
den eben erwähnten Briefen jogenannten „Epistolae obscurorum
virorum‘, deren eviter Teil Ende 1515 und deren zweiter Anfang
1517 erjebienen war. Sie gingen von dem erfurter Humaniſtenkreiſe,
den Freunden des Mutianus Rufus, aus. Obwohl ficb über ihre Ber—
fafjer nichts Bejtimmtes jagen läßt, jo fann man doch mit ziemlicher
Sicherheit annehmen, daß Crotus Rubianus bauptjächlic den erſten
Band gejchrieben hat, während an dem zweiten offenbar Ulrich von
Hutten, Petrejus Eberbach und Eobanus Heſſe vorzugsweiſe gearbeitet
baben. Der pritte, gegen Ende des 17. Jahrhunderts erjchienene Band
iſt feine Originafarbeit und tritt bloß den Wit feiner beiden Vorläufer
breit. Auch über Druderei und Druder find die Yejer durch abſichtlich
faliche Angaben irregeführt worden. Die erjte Sammlung (in Quart
gedruckt) jagt, daß fie in Venedig bei Aldus Manitius (abfichtlich fe,
jtatt Manutius) erjchienen jei: auch ein Beweis dafür, welch hoben An-
ſehens ſich die Alpinifche Firma unter den deutjchen Humaniſten erfreute;
Die zweite nennt in leichtverftändlichen Hohn die römiſche Kurie als ven
Verleger. Die Annahme, daß die Editio princeps in Köln, Main;
oder Tübingen gedrudt jei, ijt neuerdings von Steiff ?° ſchlagend wiverlegt
worden. Sie wurde vielmehr 1515 durch W. Angfts Bermittelung von
Heinrib Gran in Dagenan (nicht von Thomas Anshelm) und die zweite
Sammlung von Johann Froben in Baſel gedruckt. Die Briefe fanden
einen jo reißenden Abjaß, daß in dem einen Jahre 1516 vom erjten
Zeil drei Auflagen erjchienen, deren legte noch eine nicht unbeträchtliche
Vermehrung durch acht Briefe enthält, wie denn auch der zweite Teil
verſchiedene Ausgaben erlebte.
Die Satire war in Anlage und Durbführung trefflich gelungen.
Ihre Dauptabficht ging dahin, ven Objfurantismus in jeiner ganzen Ohn—
macht an den Pranger zu ftellen und ver Bildung und Geiftesfreibeit
den ihr gebührenden Sieg über Barbarei und mittelalterliche Verketze
rumgsjucht zu fihern. Das jchlechte Mönchslatein, die jelbjtgejchaffenen
Wörter und Redensarten, die unnützen, lächerlichen und doch mit großer
Wichtigkeit behandelten Streitfragen, die albernen Spiefindigfeiten, ge
juchten Erklärungen und Allegorien, die kraſſe Umwifjenheit, der thörichte
Aberglaube, die hohle Aufgeblafenheit und findijche Eitelfeit, der Miß—
Kapitel.) Der litterariiche Kampf gegen die Dunfelmänner. 403
brauch zujammengeraffter und jchlecht veritandener Stellen aus Ariftoteles
und der Bibel, die zur Zeit herrichende Roheit und Schamlofigfeit ver
Sitten, wenn auch mit einem geijtlichen Gewande umhüllt, waren in diejen
Briefen jo treffend nach dem Yeben gejchilvert, daß jedermann die Origi-
nale zu erfennen glaubte. Die Bettelmönche in England jubelten im guten
Glauben, eine Schrift zu ihren Gunften und gegen Neuchlin in Hän-
den zu haben, und in Brabant faufte ein Dominifanerprior eine Anzahl
von Gremplaren zujammen, um feinen Obern ein Geſchenk damit zu
machen. Erſt ver lette Brief des zweiten Teils, der aus dem Ton der
‚ronie in den der Invektive füllt, öffnete den guten Leuten die Augen. ?7
Männer wie Thomas Morus dagegen äußerten ihr Entzücken über vie
Briefe; Erasmus hatte eine jolche Freude über den erjten Teil und las
ihn unter Freunden fo oft vor, daß er ihn beinahe auswendig wußte,
Ja ſelbſt am päpftlichen Hofe war man längere Zeit ehrlich und geijtreich
genug, das Treffende dieſer Satire anzuerfennen. Luther dagegen, dem
freilich jeder Sinn für Humor fehlte, fand die Angriffe übertrieben und
nannte fie jogar albern.?®
Übrigens beſchränkte ſich die litterariſche Bewegung im Reuchlin—
Streite nicht auf diefe hervorragende Yeiftung. Die publiziftiichen Waffen
bieben überall jchneidig und wuchtig darein. Die zahlreichen Schriften
zur Verherrlichung Reuchlins und die auch der Zahl nach unbeveuten-
dern Gegenjchriften ver Kölner beweijen, wie mächtig diefer Streit nament-
ih von 1512 bis 1517 alle Kreife ergriffen hatte und wie tief er in
weitere, nicht bloß gelehrte Kreije eingedrungen war. Böding führt
4 Schriften an, welche von 1515 bis 1521 im Kampfe für und wider
eribienen. Gleichwohl hatte dieje umfangreiche Thätigkeit der humaniſti—
ſchen Kreife feine einjchneidende und zindende Wirfung auf das Gejamt-
(eben, aufs Bol. Der Grund diejer Erfolglofigfeit liegt darin, daß
jme Männer fich faft nur der lateiniſchen Sprache in ihren Schriften
bedienen und ausjchließlich auf humaniſtiſch gebilvete Yefer rechnen. Tun-
gern, der wohl nicht deutjch venfen, aljo auch nicht jchreiben konnte, gab
gegen Reuchlins deutjchen „Augenſpiegel“ jeine angebliche Widerlegung
lateiniſch heraus, „damit die Sache nicht ins Volk dringe“, forderte
alſo jeine Gegner förmlich heraus, fich gerade ver für ihre Zwede
am beiten geeigneten Waffe zu bedienen. Indeſſen verjtanden fie ihren
Vorteil nicht. Wenn nun auch die Humaniftifchen Schriften ins Deutjche
26 *
404 Der Humanismus und die deutiche Pitteratur. [Sechits Kapitel.)
überjeßt wurden und im dieſer Gejtalt jogar in größere Kreiſe eindrangen,
jo vermochten fie durch ihren vornehm ffeptifchen oder derb jatirifchen,
aber immer blos fritiihen Ton doch nicht zur Begeifterung zu entflam—
men. Cine Bewegung, deren beite jehrifttelleriiche Yeiftung in Mönchs—
latein verfaßt wurde, fonnte höchſtens Härend und vorbereitend wirfen.
Die bibliographiſche Statiftif beweift, daR die deutjche Yitteratur dem
Humanismus eine nur geringe unmittelbare Förderung zu danken bat
und daß fie höchitens mittelbar durch die Entwidelung feiner beveutend-
jten, jpäter deutſch jchreibenven Bertreter, wie Hutten und von dem Buche,
gehoben worden it. Als bald nachher der Humanismus von ver Refor-
mation überflutet wurde, griff dieſe, wie die folgende Darftellung ergeben
wird, gleich von vornherein, im Intereſſe der Selbiterhaltung, zur deut-
jchen Flugjehrift und gewann bauptjächlich durch fie das Volk für ihre
Sade. Ohne diefe mächtige Bundesgenoffin wäre fie möglicherweije in
ihrer Wiege noch unterprüdt worden.
em diefe Anficht etwa zu weitgehend erſcheint, der möge Doc ein-
mal die Anfänge der huſſitiſchen Bewegung mit der fntberifchen ver:
gleichen. Wäre die Buchoruderkunft ſchon zu Anfang, jtatt in der Mitte
des 15. Jahrhunderts erfunden worden, jo würde vie geiftliche und welt-
fihe Macht jehwerlich im Stande gewejen fein, Huß ein jo jchnelles
Ende zu bereiten. Daß Huf einen mächtigen Eindruck auch auf das
deutſche Volk machte, wird mehrfach erzählt und ift leicht erflärfich. Als
er auf dem Wege nach Konſtanz durch Nürnberg kam, bildeten die Bür-
ger Spalier in den Gaffen, welche der böhmijche Reformator berührte,
und die Mütter brachten ihm ihre Kinder, um fie „von dem heiligen
Mann“ jegnen zu laffen. Alles Volk jauchzte ihm entgegen, weil es
von jeinem mutigen Vorgehen die Niederlage Roms erwartete, eine Hoff—
nung, welche ſchon damals die innerjte Volksſeele aufwühlte. Selbjt vie
Seiftlichkeit jauchzte ihm zu, als er jeine Yehrjüte offen verteidigte, ja
er war, wie er erzählt, bis dahin noch feinem ausgejprochenen Wider—
ſacher begegnet. Huß fonnte jedoch über feine Preſſe, die jeine Sache
führte, über feine Buchführer, welche ihn verteidigten, und folglich auch
über feine Yejer, die jelbft dachten, verfügen.
Siebentes Kapitel,
Luther.
(Die Reformation und der Buchhandel, )
Deutſch al3 werdende Litteraturiprache. — Maffenproduftion und Abſatz von Luthers
Schriften. — Wirkung derfelben. — Luther und feine Verleger. — Die Bibelüber-
jegung. — Die Nachdruder. (Gegenreformation in Ofterreich.) — Die Buchführer. —
Vollstümliche Flugichriften. — Johann Herrgott. — Die Prädifanten, — Balthafar
Hubmayer. — Die Schulen,
„Die Buchdrucker befommen zu thun“, jchrieb Hutten an den Grafen
Hermann von Neuenar, als er vom erjten Auftreten Puthers gegen den
Ablaßkram gehört hatte; „es werden Streitfäße und Gorollarien, Schlüffe
und, was manchem übel befommten iſt, Artifel verkauft. So hoffe ich,
werden fie (die Pfaffen) fich gegenfeitig zu Grunde richten.“ In dieſem
legtern Punkte täuſchte ſich Hutten damals gründlich, werm auch die
Druder mehr zu thun befamen, als wielleicht ver Hoffnungsreichite von
ihnen zu erwarten gewagt hatte. Wie Yuthers Streit mit Teßel mehr
als ein fleinliches Mönchsgezänf war, über welches die Humaniſten
ſchadenfroh jubelten, jo entitand aus dem tapfern Angriff Yuthers jehr
bald ein Weltbrand, der das mittelalterliche Rom niederſtreckte, Püpite,
Kaifer und Fürjten jahrhundertelang ängftigte und noch ängſtigt und Die
Prefjen aller Völker in Bewegung feste. Die Seele des deutjchen Volks
wurde bis in die tieften Tiefen aufgeregt: Yeidenjchaft und Zorn, Hoff:
nung auf befjere Zeiten und das Streben nach ihrer Herbeiführung,
jelbjtloje Hingabe an die von Yuther zuerjt angeregten Ideen und todes-
mutiged Wagen bilveten die Signatur der Zeit,
Der unjcheinbare Mönch, dem Hutten gewünjcht hatte, daß er feine
Gegner freie, damit fie alle zuletst won einander gefreſſen würden, trat
Er
406 Luther ald Schöpfer der hochdeutichen Litteratur. [Siebentes
an die Spike der täglich mehr anjchwellenden Bewegung und wurte
gleichjam über Nacht ein gewaltiger Volksmann, ja, eine europätice
Macht, mit welcher die größten Herricher rechnen mußten. Yuther war
mehr wie jeder andere der bewußte Ausdruck deſſen, was die Maſſen in
ihrem dunkeln Drange bewegte, aber er war mehr als das, er ver:
förperte zugleich in fich das Dichten und Trachten jeiner klarer und beiler
jehenden Zeitgenoffen und wurde durch die Bereinigung biejer beiden
Eigenjchaften jehr bald der mächtige Führer im Streit.
Es kann jelbjtredend nicht die Aufgabe des vorliegenden Werks je,
die Entwidelung der Reformation zu erzählen. Dagegen liegt ihm als
einer Geſchichte des Buchhandels die Pflicht ob, die MWechjelbeziehungen
hervorzuheben, in welche jene gewaltige Bewegung zum deutjchen Bud-
druck und Buchhandel ſteht, und durch die Schilderung der äuferlichen
Erfolge der Werfe Yuthers jowohl, als der gleichzeitigen Bolfs- und
Flugſchriften die Geiſtesbewegung jener Zeit und die ungewöhnlich jehnell
wachjende Macht der Preſſe dem Verſtändnis näher zu rüden.
Außer jeinen übrigen Nuhmestiteln hat fich Yuther auch das große
Verdienſt um das deutjche Volk erworben, daß er der Schöpfer der hoch—
beutjchen Yitteratur ift. Wenn man die Ausbreitung der Buchdrucker—
funft in ven Anfang des fetten Drittel des 15. Jahrhunderts jet, ſo
war fie bei Luthers erſtem öffentlichen Auftreten gerade ein halbes Zi-
fulum lang in Thätigfeit geweien, indeffen immer noch dem Volke ziem-
lich fremd geblieben. Bis dahin hatten in der Yitteratur die Schofaftifer
und Humaniſten faſt die ausjchließliche Herrſchaft behauptet; der Be-
friedigung ihrer Bedürfniſſe hatten Buchdrucker und Buchhändler fait
ausschließlich gedient. Jene aber jchrieben nur ausnahmsweiſe Deutſch;
das Yaternifche galt ihnen als vornehmer, zog es doch zwifchen ihnen
und dem profanum vulgus eine unüberfteigbare Scheivelinie! Yutber
aber war gerade in der größten Zeit feines Lebens (1517 bis 1524) der
demofratiiche Agitator, der ſich auf die große Maſſe des Volks ſtützen
mußte, wenn er fiegen wollte Er fonnte die Menge aber nur auf
rütteln und anregen und zum jelbjtändigen Denfen und geiftigen Yeben
entporheben, wenn er fich in der ihr allein verftändlichen, in ver deut:
ihen Sprache an fie wandte. Die Schneivigfeit feines Wejens, die
Kraft feiner Worte, die Beredfanfeit jeiner Beweiſe zündeten und
machten überall, jelbit auf die Gegner einen mächtigen, ſchwer zu über:
Kapitel.] Statiftif der deutjchen Pitteratur bis 1517, 407
windenden Eindruck. Feſſelnder, ergreifender und padenvder bat fein
Dentjcher geichrieben. Dabei beherrichte er jeine Mutterſprache mit
jolcher Gewalt, daß er fie zur Schriftiprache zu erheben vermochte,
Deutjche Bücher gab es damals verhältnismäßig wenige; höchſtens
daß ausnahmsweije ein paar Schriften über Kräuter: und populäre Heil-
funde, jogenannte Arzneibücher, Yaienjpiegel, Volksbücher oder ſatiriſche
Erzählungen und Dichtungen in Straßburg, Augsburg oder Nürnberg
für das Rolf genrudt wurden, oder einige humaniſtiſche Flugſchriften,
welche übrigens jo ziemlich mit Yuthers eritem Auftreten zujammenfallen.
Wenn Ranfe in feiner Gejchichte der deutſchen Reformation nur
auf ven durch Panzerd Vorarbeiten gegebenen Stanppunft ver Biblio:
grapbie zurücgreifen fonnte, und wenn man bdiejen heutzutage durch
neuere Arbeiten um mehr als das Doppelte überholt fieht, jo fann man
mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß das, was heute gilt und gelten
muß, von der nächjten Generation noch wejentlich erweitert und vermehrt
werden wird. Bietet die im „Jahre 1864 erſchienene verbienjtvolle
Arbeit E. Wellers ſchon beveutend mehr als das, was Ranke nach
Panzer anzugeben vermochte, jo ergibt die 1870 veröffentlichte und von
A. Kuczynski vortrefflich katalogifierte Weigelſche Sammlung von etwa
3000 Flugichriften Yuthers und feiner Zeitgenoffen, daß über ihre Zahl
das letzte Wort noch nicht geiprochen werden kann. Obgleich dieſer
Katalog das ganze 16. Jahrhundert umfaht, jo enthält er für die kurze
Zeit von 1518 bis 1523 ſchon wieder an Hundert neue von Panzer und
Weller noch nicht gefannte Ausgaben. Das Verhältnis wird am flar-
jten durch die Bergleichung der Panzerichen Gejamtzahl mit ven Er-
gebniffen der neuern Forſchungen veranjchaulicht. Der Zeitraum jelbit
möge auf die von Ranke ausgezogenen Jahre bejchränft bleiben, weil
Dieje die ausſchlaggebende Periode für die Entwidelung der reformato—
rijhen Bewegung im fich fchließen. Bon den innerhalb viejer 11 Jahre
gedruckten veutjchen Schriften verzeichnet
für das Jahr Panzer ergänzt Weller zuſammen aljo
1513 35 55 90
1514 47 59 106
1515 46 99 145
1516 55 50 105
1517 37 44 81
Gelamtjummen: 220 307 527.
408 Die deutiche Litteratur von 1518 bis 1523. Die Flugichriften. |Siebentes
Nach Yuthers Auftreten jteigert fich die Zahl der deutjchen Schriften
wie folgt: e8 verzeichnen, beziehungsweiſe ergänzen
für die Jahre Panzer Weller Kuczynsfi in Summa
1518 71 74 1 146
1519 111 138 3 252
1520 208 353 10 571
1521 211 294 18 523
1522 347 307 23 677
1523 498 418 28 944
Geſamtſummen: 1446 1584 83 3113.
Der Druck dieſer Werke verteilt ſich über ganz Deutſchland unter
etwa 50 verſchiedene Städte, Auf das vorher als Verlagsort ganz
unbedeutende Wittenberg kommen allein in den Jahren 1518 bis 1523
an 600 verſchiedene Drucke.
Bis auf Luther waren die in Deutſchland gedruckten Bücher in der
Regel große und teuere, meiſt vornehm ausgeftattete Folianten over auch
Quartanten, welche man bequem in den Bibliotheken nach damaligem
Brauch an die Kette legen, aber nicht in die Welt hinausſchleudern
konnte, wie die handlichen Oktavbände. Er vorwiegend führte zuerſt dus
demokratiſche Flugblatt in Quart, die billigen Duodez- und Oftawjchriften
von wenig Bogen mafjenhaft in die veutjche Yitteratur ein. Auch das war
eine revolutionäre That, die wielleicht ebenjo entjcheivend auf die Ge
ihide der Menſchheit einwirkte, wie im Kriege der leichte Fußſoldat, der
den gepanzerten Ritter verbrängte, umd wie im modernen Wirtichafte-
(eben die Siebenmeilentiefel der Eiſenbahn, welche ven alten Frachtiwagen
überflügeln. Wenn auch früher jchon oft genug, wie von den Huma—
nijten, derartige kleine Drude veröffentlicht worden waren, jo geht Yuther
doch planmäßig vor und it vielleicht, fich jelber unbewuht, durch Aldi—
nische Einflüffe bejtimmt worden. Cine jolche Verwendung jeines band-
lichen Formats für firchenfeinoliche Zwede hatte fich der gläubige vene-
zianische Verleger ficher nicht träumen laffen. Indem Yuther das heftige
Kleingewehrfeuer der politischen und Firchlichen Flugſchrift gegen das
ſchwere Geſchütz der Quartanten und Folianten eröffnete, erhob er erſt
die Buchdruckerkunſt zu ihrer eigentlichen Beveutung und gewann in ibr
einen taufendzüngigen Herold, den feine mündliche Propaganda erjegen
fonnte. Lehre und Predigt allein thun es nicht. Sie dringen im
Kapitel.) Hebung der allgemeinen Bildung des Bolfs, 409
günftigften Ball an das Ohr von Hunderten und Taufenden; die Preſſe
dagegen vermag Hunderttauſende und Millionen zu gleicher Zeit für eine
neue Idee zu gewinnen und bat denn auch im erjter Yinie die Reforma—
tion zur heiligen Angelegenheit des ganzen Volks erhoben.
Yuther war von feinem erſten öffentlichen Auftreten an von ber Er:
fenntnis der Macht der Prefje durchdrungen. So iſt denn auch jeine
Thätigkeit auf litterarifchem Gebiet eine wahrhaft ſtaunenswerte. Wenn
ſchon feine bis 1520 Inteinijch gejchriebenen und nur teilweije ins Deutjche
überjeßten Predigten und Abhandlungen eine begeifterte Aufnahme fan-
den, jo erfrenten fich feine deutſchen Schriften einer bis dahin gar nicht
für möglich gehaltenen Berbreitung und wurden von allen Volksklaſſen
förmlich verjchlungen. Erſt Knaake's neue kritiſche Geſamtausgabe ver
Werfe Luthers wird eine genaue Kenntnis der verjchievenen Cinzel-
ausgaben ermöglichen und die Geijtesbewegung jener Zeit gründficher
als bisher erfennen laffen. Bon dieſer bedeutenden Arbeit ift leider bis
jet (bei Nieverjchrift diejes Kapitels) nur der erjte Band erjchienen;
indejfen liefert er, trotzdem daß er bloß bis 1518 geht, die wichtigiten
Bauſteine auch zu einer Sejchichte des Buchhandels jener Zeit.
Auch Fand Yuther jehon den Boden vollikindig vorbereitet für jein Auf:
treten und Vorgehen. Die Volfsbildung war durchaus nicht in dem Maße
vernachläffigt, wie dies mit bejonderer Vorliebe von der ſpätern luthe—
riſchen GSeiftlichkeit gejchilvert ward. Man vergegemvärtige fich zur Wider—
legung diejer irrigen Anficht z. B. nur die lange Jahre bejtehenven ver-
dienjtlichen Unterrichts: und Erziehungsanftalten der „Brüder vom ge:
meinjamen Leben“, die Yehrthätigkeit auch der übrigen Humaniſten, die
Kloſter- und Domjchulen und jtädtijchen Anftalten in faſt ganz Deutſchland.
Es gab ferner allerorten auch jogenannte Schreib- und Rechenmeifter, ja
jelbjt Yejefrauen, welche eben nur lejen und allenfalls jchreiben und vechnen
(ehrten. Aus diefen Gründen war denn jchen wor der Reformation im
deutjchen Bürgertum eine große Schicht vorhanden, welche lebhaften An:
teil am der geiftigen Bewegung nahm, Bücher faufte und las. Wäre
der allgemeine Bildungsjtand ein jo tiefitehenper und nicht einmal der
Anja zu litterarijchen Bedürfniffen vorhanden gewejen, wie hätte dann
die ſchriftſtelleriſche Thätigleit Luthers die mächtige Wirfung ausüben
fönnen, welche jie in allen Volkskreiſen thatjüchlich ausgeübt hat, und
zwar nicht nur auf dieje, jondern auch auf ven Buchhandel?
410 Aufnahme von Luthers Erjtlingsichriften, [Siebentes
Froben fchrieb am 14. Februar 1519 an Yuther, daß er zahlreiche
Eremplare jeiner Werfe in Franfreid, Spanien, Italien, Brabant und
England abgejett babe. Es handelt jich bier um die erjte Samunlung
von Yuthers Werfen, welche ver bajeler Verleger in erſter Auflage im
Oftober 1518 geprudt hatte, in zweiter im Auguſt 1519 und in britter
im März 1520 drudte.? „Deine Schriften‘, beftätigt Capito (Köpflin
aus Dagenau) einige Tage jpäter, „haben wir hintereinander gebrudt,
wie Du aus der Gabe Frobens gleich nach ver frankfurter Meſſe er:
jehen wirft, und mit großem Glück innerhalb jechs Monaten verbreitet.‘
Auf diefe Nachrichten geftütt meldete Yuther am 14. April 1519 dem
Kardinal Yang, daß feine Schriften viel von den Theologen der parijer
Sorbonne gelejen würden und daß Froben alle Exemplare in Italien,
England, Franfreih und Brabant verkauft habe. Spalatin, der im
September 1520 aus Frankfurt a. M. an Mutian jchrieb, jagt, daß
nichts häufiger gekauft, begieriger geleſen und fleißiger beiprochen werte,
als Yuthers Schriften. Eine Hauptniederlage derjelben war in Bajel
(bei wen? wird nicht gejagt). Ein berner Buchhändler wurde zur
Weihnachtsmeife 1519 dahin geſandt und kaufte am Weihnachtsabend
eine große Anzahl. ? Am 23. Mat 1519 jchrieb ein Freund an Agrippa
von Nettesheim: „Ich bin durch ganz Baſel gewanvert, babe jedoch fein
Exemplar von Yuthers Schriften mehr auftreiben fünnen, da alle ver-
fauft find. Es heißt aber, daß fie in Straßburg neu gebrudt werden
jollen.”* In Siebenbürgen waren es wieder Kaufleute, welche 1519
die leipziger Meſſe bejucht hatten und einige von Yuthers neuen Werfen
mit nach Hauſe brachten, wo fie eifrig gelejen, jtudiert und erklärt wur-
den.? „Wir haben“, meldet Albert Burer aus Bajel am 30. Septem—
ber 1519 an Beatus Rhenanus, „alle Offizinen bejucht, aber nirgends
etwas ter der Preſſe gefunden, außer Luthers Schrift über die Ehe,
welche Adam Petri druckt.““ „Wenn Du den veutjchen Yuther haft“,
ſchreibt Jean Vaugris aus yon am 22. November 1520 an Amerbach,
„io jehide ihn mir hierher, denn ich habe hier gute Freunde, welche ihn
lejen wollen.“ „Schon weiß’, jchreibt auch ver konſtanzer General-
pifar Johann Faber 1521 im Mai an Badian, „durch die Schuld der
Buchdrucker jeder Ungelehrte von dem Yutherjchen Handel, und alle alten
Weiber reden auf offener Straße davon.‘
Eine der erjten deutjchen Flugſchriften Yuthers war feine Anjprache
Kapitel.) Unmälzung auf dem Gebiete des Buchhandels. 411
an ven Adel deuticher Nation, welche am 18. Auguſt 1520 ausgegeben
und jofort in 4000 Eremplaren verfauft wurde, ſodaß ſchon fünf Tage
ſpäter, am 23. Augujt 1520, eine neue Auflage veranjtaltet werden
mußte. Bon jeiner Dieputation mit Ef wurden auf der franffurter
Herbitmefje des Jahres 1518 in ein paar Tagen 1400 Eremplare ab-
geſetzt. Auf dem Gebiete des Buchhandels bereitete fich ein mächtiger
Umſchwung vor. Kirchenväter und Klaſſiker, profane und geitliche Ge—
lehrſamkeit traten plögßlih auf dem Büchermarkt in den Hintergrund,
ſanken zum Zeil zu Yadenhütern herab. Selbſt die bis dahin vorzugs-
weije gejuchten Werfe des Erasmus waren feit 1518 weniger begehrt.
Kaum war dagegen eine Yutherjche Flugichrift erfchienen, jo wurde fie
in Bajel, Augsburg und Nürnberg, oft auch in andern Städten ohne
Angabe des Drudorts, von einem Dutend, wenn nicht mehr Drudern
sur jelben Zeit und in verjcbievenen Auflagen nachgedruckt. Alte hoch—
jtehende Firmen, wie 3. B. Froben in Bafel und Koberger in Nürn—
berg, wurden von jungen aufitrebenden Buchhändlern, wie Adam Petri,
überflügelt, Erſterer Tieß fih von Erasſsmus einjchüchtern und druckte
jeit 1520 nichts mehr von Yuther, wie fi denn auch ver gelehrte
Rotterdamer dieſes Einfluffes in jeinen Briefen an Papſt Leo X. um
an den Fürſten Carpi rühmt Die Koberger verbielten fich jogar ab-
(ehnend gegen Yuthers Anerbietungen und zogen ihnen ihre alten Fo—
lianten vor, auf denen fie dann jchlieglich fiten blieben. So warfen
fich die jungen und jtrebfamen Händler bald ausjchließlich auf Yuther,
da er mit jedem Tage mehr eine Goldgrube für fie wurde. Die Schriften
der Gegner der Reformation jeien unverfäuflich, Elagten die leipziger Buch:
händler, und es jei nur dann ein Verleger für fie zu finden, wenn ber
Berfaffer die Drudkojten trage, meinen Johann Cochläus und Georg Wizel.
Dieje allmäbhliche, kaum in die Augen fallende friedliche Umwälzung
geht jchen aus dem Nachweis hervor, welchen die kritiſche Gejamtausgabe
der Werke Yuthers über deſſen erjte Schriften gibt. Es mögen deshalb
über die Verbreitung verjelben hier auf Grund des eriten Bandes die
nähern Einzelheiten folgen.
Luthers erſter Druder war Johann Weifenburger aus Nürnberg,
welcher fich 1513 in Landshut in Bahern niedergelaffen und hier für
den Humaniften Chriſtoph Scheurl, des Reformators damaligen Freund,
gedruckt Hatte. Scheurl jcheint den Landsmann an Yuther empfohlen
412 Drude und Druder von Luthers Erftlingsichriften. (Siebentes
und deſſen Manuftript jogar nach Landshut gejchict zu haben, wo es
zweimal, 1517 und 1520 aufgelegt wurde. Das Schriftchen war eine
firchenrechtliche Abhandlung über das Eirchliche Ajylrecht („Traetatus de
his qui ad ecclesias confugiunt”) und bejchränfte fich jeiner Natur
nach auf die gelehrten Kreife. Die ihm folgenden „Sieben Bußpſalmen“
dagegen, deren Inteinifches Original Johann Grunenberg in Wittenberg
1517 und bald darauf noch einmal drudte, äußerten beveits eine tiefe
Wirkung anf die gebildeten Kreife und fanden einen jo reißenden Abjat,
daß, che noch der erite Drud vollendet war, die erjten Bogen ſchon
wieder aufgelegt wurden. Außer jenem Original brachte Grunenberg noch
zwei Ausgaben der Überfegung; Jakob Thanner in Yeipzig folgte mit
vier deutjchen Ausgaben in ven Jahren 1518, 1519 und 1520, denen
fich noch eine Ausgabe in Erfurt anſchloß, ſodaß im ganzen neun Auf:
lagen von den „Bußpſalmen“ veranftaltet wurden. Bon den berühmten
95 Theſen, welche Luther am 31. Oftober 1517 an die Thüren der
wittenberger Schloßkirche genagelt hatte, erſchienen dort in demjelben
Jahre unter dem Titel „Disputatio pro declaratione virtutis in-
dulgentiarum“ noch drei Auflagen und eine in Nürnberg, die erite auf
einem Folioblatt in zwei Spalten, die andern aber in Buchform auf
vier Blättern in Quart geprudt. Erſt im folgenden Jahre kam dann
eine deutſche Bearbeitung unter dem Titel „Ein Sermon von Ablak und
Gnade“ heraus. Dieje deutfche Ausgabe wurde dann in den Jahren
1518 bis 1520 nicht weniger als zweiundzwanzigmal aufgelegt und nach-
geprudt. Es erjchienen nämlich im Jahre 1518 folgenne Ausgaben:
1) Wittenberg bei Johann Grunenberg, 4 Blätter in Quart, 2) bei
demjelben, 3) bis 6) ohne Drudort, wabrjcheinlich bei Valentin Schu-
mann in Yeipzig, 7) bei Jobſt Gutknecht in Nürnberg, 8) bei demſelben
(ohne Jahreszahl), 9) bei Dans Froſchauer oder Georg Nadler in Augs—
burg, 10) ein augeburger Drud, wahrjcheinlich von Georg Napler, 11) und
12) bei Pamphilus Gengenbach in Bajel, 13) vielleicht bei Johann Fro—
ben? Ferner 1519: 14) bei Melchior Yotter in Yeipzig, 15) bei Wolf:
gang Stödel in Yeipzig, 16) wahrjcheinlich bei Martin Landsberg in
Yeipzig, 17) bei Adam Petri in Baſel, 18) bei Adam Dion in Breslau
und ſchließlich 1520: 19) bei Wolfgang Stödel in Yeipzig, 20) wahr-
jcheinlich bei Georg Nadler in Augsburg, 21) desgleichen und 22) wieder
bei Johann Grunenberg in Wittenberg.
Kapitel.) Drude und Druder von Luthers Erftlingsichriften. 413
Tenn auch nicht in derjelben Auspehnung, jo erfrenten ſich doch alle
Flugſchriften Luthers jelbit zu der Zeit, als er nur Yateinifch jchrieb und
böchjtens Überjetungen davon erſchienen, einer jo begeifterten Aufnahme
und alfjeitigen Verbreitung, daß ſelbſt die ſpätere deutſche Yitteratur dieſer
Erſcheinung nichts Ähnliches an die Seite zu ftellen vermag. Zum Be-
weije deſſen mögen bier noch die Alugjchriften dienen, welche ver Refor—
mator 1518 herausgab. In der Neibenfolge fommt zumächit der „Sermo
de poenitentia” im ganzen in acht Auflagen, zuerft, wie alle aus dieſem
Jahre ftammenvden Lutherſchen Drudwerfe, von Hans Grunenberg in
Wittenberg veröffentlicht, dann in Yeipzig, Augsburg und Bajel wäh:
rend der Jahre 1518 und 1519 nachgeprudt. Dann folgt der „Sermo
de digna praeparatione cordis“ und die deutſche Überfegung „Unter-
weiſung, wie man jich würdig auf den Empfang des heiligen Abend—
mahls vorzubereiten habe‘. Das Original erlebte 1518 und 1519
acht Auflagen in Wittenberg, Yeipzig und Augsburg, die Überjetung aber
von 1518 bis 1520 dreizehn und zwar außer in dem Originalverlagsort
Bittenberg, in Augsburg, Yeipzig, Nürnberg, Bafel und Halberftadt.
Nicht weniger volkstümlich wurde die von Yuther herausgegebene und ein-
geführte Schrift: „Ein Theologia teutſch“ (kurzweg „Die deutjche Theo-
logie‘). Im Sabre 1854 zählte Franz Pfeiffer 70 verjchievene Auf:
lagen davon auf, und doch kannte er nicht alle bis 1520 erjchienenen
Ausgaben. Auch bier find wieder Yeipzig, Augsburg und Straßburg
die Hauptmachorudsorte. Von der im Juni 1518 verfaßten Streitichrift
gegen Tebel: „Eine Freiheit des Sermons päpftlichen Ablaß und Gnade
belangend‘ famen zwifchen 1518 und 1520 zehn Auflagen heraus, dar-
unter acht Nachdrucke in Yeipzig, Nürnberg und Augsburg, während vie
„Decem praecepta Wittenbergensi praedicata populo“ inmerbalb
derjelben Zeit im Original fünf und in der Überjegung fieben Auflagen
erlebten. Auch bier find wieder Yeipzig, Augsburg und Bajel die Nach-
drudsorte. Neu ift, daß von diefem Büchlein 1520 in Prag auch eine
Überjegung ins Böhmiſche veranftaltet wurde. Die „Resolutiones
disputationum de indulgentiarum virtute‘ erlebten 1518 und 1519
fünf jelbftändige Auflagen und wurden von Johann Froben in die be-
reits erwähnte Sammlung der Yutherjchen Schriften aufgenommen; jein
Nachbar Adam Petri drudte fie schen 1520 nad. Von der „Auslegung
des 109. Pſalms“ famen 1518 bis 1520 im ganzen fieben Auflagen
.
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414 Die Überjegung des Neuen Teftaments. [Siebentes
heraus. Der „Sermo de virtute excommunicationis“ endlich erfebte
zehn Auflagen und zwar außer einer wittenberger neun in Yeipzig und
Augsburg; außerdem aber ging er auch wie die vorhergehenden „Reso-
lutiones“ in die Frobenſche Gejamtausgabe über.
Die große reformatoriihe Bewegung gewann übrigens erſt innern
Halt und Angriffs: und Widerftandsfraft durch die Überjegung des
Neuen Teftaments und die ihr von Jahr zu Bahr bis 1534 folgenden
einzelnen Teile der ganzen Bibel. Jene Überjegung, welche Luther auf
der Wartburg vollendete, wurde am 22. September 1522 von Melchior
Potter in Wittenberg ausgegeben (die fogenannte September - Ausgabe).
Die erjte Auflage war 5000 Eremplare jtarf, wurde jedoch ſchon inner-
balb dreier Monate abgejett, ſodaß bereits im Dezember 1522 eine neue
Ausgabe veranftaltet werden mußte. Natürlich fielen die Nachdrucker
gleich über diefe willfommene neue Beute her. Adam Petri in Bajel
war zuerjt bei ver Hand. Er gab feinen erften Nachorud — eine groß-
artige Yeiftung! — ſchon zu Ende des Jahres 1522 heraus und ver-
öffentlichte im ganzen in den Jahren 1522 bis 1525 fieben Ausgaben
des Neuen Teftaments, nämlich vier in Oktav und drei in Folie. Der
Bajeler Thomas Wolf drudte zwijchen 1523 und 1525 fünf Auflagen
und Hans Schönfperger in Augsburg jtellte von 1523 bis 1524 deren
auch zwei ber. Selbjt im Auslande verlangte man nach ber Über-
jetung. „Wenn es möglich wäre, das Neue Tejtament nach Luthers
Überjegung ins Franzöftjche zu überſetzen“, ſchreibt der ſchon öfter genannte
Vaugris aus Bajel am 20. Auguft 1524 an Wilhelm Farel, damals
in Mömpelgard, „jo würde es eine große Wohlthat für Franfreih, Bur—
gund und Savoyen jein. Die franzöfiichen Typen (une letre francayse)
würde ich nötigenfalls von Paris oder Won kommen laffen. Sollte es
aber jolche in Baſel geben, jo wäre das bejto befjer.‘ ®
Die Begeifterung des Volks für den Reformator hatte jchon jeit
1517 mit jedem Tage mehr alle Klaffen und Stände ergriffen und
jchien zu Anfang des dritten Jahrzehnts kaum noch einer Steigerung
fühig zu fein. Selbjt Ritter und Geiftliche ftanden auf feiner Zeite.
Dieſe waren ihm jehr gewogen, teilten feine Anfichten, bezeugten ihm
jogar öffentlich ihren Beifall und jegneten ihn. Scheurl erflärne dem
Johann Ed, daß er Luthers Yehre (1518) für feſt, aufrichtig, katholiſch,
unüberwindlich und unmwiderjprechlich halte. In Nürnberg wurden Luthers
Kapitel] Begeiſterung fir Luther, Wirkung des Neuen Teftaments. 415
Schriften ſchon 1520 verkauft und Huttens Kommentar zur päpftlichen
Bannbulle in den Strafen umbergetragen. Während des Reichstags
zu Worms fündigte ein Anjchlag am Rathauſe den Päpftlichen und vor
allem dem Erzbiichof von Mainz die Feindſchaft von angeblich 4OO Rit—
tern an, da man Ehre und göttliches Recht zu unterprüden fuche. Sogar
unter den Augen der ſpaniſchen Striegsfnechte wurden bier Yutberjche
Schriften und Yobpreifungen jenes Thuns verkauft und Spottliever auf
jeine Gegner gejungen. Die Geſandten der Städte, die Großen, die
Herren und das ganze Volf waren Yuther günftig und jauchzten ibm
als dem neuen Mojes, dem zweiten Paulus zu. Nur die Bilchöfe und
einige Herzöge dachten anders. Während jeines Aufenthalts auf der
Wartburg erjcbien jein Bild von einem Heiligenjebein umgeben, welches
namentlich in den Reichsſtädten verfauft, aber dann verboten wurde. Da-
gegen verlachte und verjpottete man den päpftlihen Bann.? In Mainz
weigerte ſich 1520 jogar der Scharfrichter, die Schriften vLuthers zu ver-
brennen, Die päpftliche Bulle, welche Ed 1520 in Erfurt gegen diejen
anjchlagen wollte, wurde dem Druder geraubt, dann bejebimpft und ins
Waffer geworfen !°; jet es doch eine Blaſe (bulla), jo möge fie auf dem
Waſſer jchwimmen („Bulla est, in aqua natet“). Eck jelbjt aber ware
von den ergrimmten Studenten in jeinem Haufe belagert und war faum
jeines Yebens ficher. Fortan drängte ein Greignis das andere. Das
mannbafte Auftreten Yuthers in Worms, feine geheimnisvolle Weg—
führung nach ver Wartburg und vor allem die große geiltige That, vie
Berdeutjchung des Neuen Teſtaments erhoben ihn auf den Gipfel jeiner
Popularität und ſeines Ruhms. Die Wirkung dieſer Überjegung aber
war noch viel nachhaltiger umd tiefer, al8 der Eindruck, den jeine Flug—
jchriften gemacht hatten. Mit Bligesjchnelle drang das Neue Tejtament
in die Burgen der Ritter, in die Klöfter ver Mönche, in die Häuſer der
Bürger und jogar in die Hütten der Armen.
Alle Welt leje, jo berichtet Cochläus, das Yutherjche Neue Teſta—
ment, ja fünne es infolge wiederholten Yejens faſt auswendig; jelbit
Schufter und Frauen disputierten über das Evangelium und trügen die
Überfetung in der Brufttajche mit fich herum. Hier noch ein paar
andere, die Angabe des Cochläus bejtätigende Thatjachen! In Konſtanz
fanden die erften Nachrichten von Yuthers Auftreten unter den Bür-
gern den freudigiten Anklang; feine Schriften wurden dort Ffolportiert
— _-r-
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pw 7) ER FFE
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416 Verbreitung von Luthers Schriften in Süddeutichland. [Siebentes
und gaben Anlaß, der Sache weiter nachzuforichen, namentlich aber,
die Bibel gründlicher zu leſen. Um viejes Beifpiel aus dem Süden
durch eins aus dem Norden zu ergänzen, jo ſchickten ſchon im Jahre
1522 Rat und Biürgerjchaft von Bremen einen Buchhändler nach
Wittenberg, damit er von bort Lutherſche Schriften mit nach Haufe
bringe. Die Bürger von Speyer liebten Luther ſehr, laſen feine Bücher
während der Abenpmablzeit vor und fchrieben fie nachts ab. Auch in
Memmingen bewirkte das Wormjer Edikt gegen Yuthers Schriften das
gerade Gegenteil von dem, was es bezwedt hatte. Die, welche ſich bis-
ber um diejelben wenig gefümmert hatten, wurden erſt durch das Verbot
angereist, fich näher mit der neuen Yitteratur befannt zu macen,. So
fanden denn bier die verbotenen Bücher allmählich Eingang, man las
fie in den Bürgerhäufern, man redete davon in den Zrinfituben ber
Zünfte, und jchon 1521 follen Yutherihe Schriften von einem mem—
minger Buchhändler in Bieberach feilgeboten worden fein. Später fand
die Bibelüberjetumg rajche Verbreitung, das Neue Tejtament war in ven
Händen vieler und man pflegte, wie dies in den dortigen Landgemeinden
zum Teil noch heute üblich ift, die von dem Prediger angeführten Bibel-
jtelfen jchen in der Kirche oder daheim machzufchlagen. Im Juni 1523
wurde im Rate der Antrag geftellt, die Anjchaffung der übrigen Schriften
Luthers und feiner Anhänger zu verbieten; diefer Antrag wurde aber
ſchon damals, in der Zeit des Übergangs, verworfen. Am 15. Novem-
ber 1523 dagegen wurde in der Stabtfirche die erfte lutheriſche Predigt
gehalten. ! In Ulm war jchon 1523 alles lutheriſch, trotzdem daß die
fathofijchen Priefter die Käufer der Lutherſchen Werfe denunzierten und
Briefe erbrachen, um Beweife gegen die Verdächtigen beizubringen.
„Dan bat fie (die Lutherſchen Bücher)‘, jchreibt der Previger Matthäus
Zell in Straßburg 152312, „auch öffentlich laſſen feil haben, auch ob
und an dem Ort, da oben an das päpftlich und kaiſerlich Mandat ge-
ſtanden iſt. Es find auch wenig der Gelehrten, die dieſer Yehr nit an-
bangen, zum mindeſten heimlich. Es find auch durch das ganze deutſche
Yand wenig nambaftiger Stett darin mit viel der Beten dieje Yehr leſen
hören und ihr gönnen, indem man fie läßt öffentlich verkaufen.“ Der
nürnberger Juriſt Ehriftoph Schenrl!3 bezeichnete die Stimmumg ganz
richtig, wenn er in einem Gejpräche mit dem päüpftlichen Nuntius, Kar—
dinal Yorenzo Gampeggi, am 15. März 1524 äußerte, daß der gemeine
Kapitel.) Der Büchermarkt durch Luther beherricht. 417
Mann jest nur Schrift (Gedrudtes) fordere und an einem Tage mehr
leſe als ſonſt in eimem Jahre Die Nürnberger liegen fich Luthers
Schriften auf offenem Markte vorlefen, vürjteten ordentlich nach ihnen,
wie der Rat jagt, welcher auf die Dauer deren Verkauf nicht verhindern
fonnte. Die dortigen Geiftlichen baten bereits 1524 den Rat um Er-
laubnis, des Studierens halber Luther in Wittenberg bejuchen zu dürfen.
Die zünftige Gelehrjamfeit war aber außer fi. Erasmus flagte
namentlich jeit dem GErjcheinen des Neuen ZTejtaments wiederholt dar—
über, daß der ganze Büchermarkt von Luther und feinen Anhängern be-
berricht jei, daß niemand etwas für den Papſt drucken wolle, und daß
man alles, was gegen Luther fei, als nicht vorhanden behandle. „Hier
(in Bajel)“, jebreibt ev unter anderm 1523 an König Heinrich VIII von
England, „it niemand, der e8 wagte, nur ein Wörtchen gegen Yutber
drucken zu laffen, während man gegen ven Papjt jehreiben darf, was
man will.“ „Bei den Deutjchen‘, jchreibt er am 24. Juni 1524 weiter,
„iſt jezt kaum etwas verkäuflich außer den Schriften Yuthers und feiner
Gegner.” Während des heiligen Auguftinus Werf „De civitate Dei“
jonft einer der gangbarjten Artifel und bisher in zahlreichen Ausgaben
verfanft worden war, feßte Froben auf der franffurter Herbſtmeſſe des
Jahres 1524 fein einziges Gremplar davon ab. Andererſeits weigerten
ih die Verleger allerorten, andere als lutheriſch-theologiſche Schriften
zum Drud zu befördern. So war ſelbſt Eobanus Heffe, deſſen Namen
früber zur Empfehlung eines Buchs bingereicht hätte, nach verjchiedenen
iehlgeichlagenen Verſuchen genötigt, für eine neue Ausgabe feiner einst
mit dem größten Beifall aufgenommenen „Heroiden“ Melanchthons Ver:
mittelung in Anjpruch zu nehmen. „Ich werde mir Mühe geben‘, ant-
wertete Diejer, „daR fie entweder bier oder am Rhein gedruckt werden,
denn nach der Vollendung des Kommentars zum Neuen Tejtament wer:
den die lutheriſchen Prejjen einige Muße haben.“ 1*
Luthers jchrifttelleriiche Thätigkeit ſchuf eigentlich erft den norddeut—
iben Buchhandel und erhob das bisher Heine Wittenberg in wenig
Jahren zu einem der beveutenditen deutſchen Verlagsorte, veffen Offi-
jinen an Yeiftungsfäbigfeit mit den äfteften, bis dahin allein maßgeben—
den Häufern Süddeutſchlands wetteifern fonnten. Das Verhältnis des
Reformators zu feinen Verlegern ijt erſt neuerdings auf Grund zeit-
genöffticher Urkunden von G. Wuſtmann ins rechte Yicht geſtellt worden;
Sapp. 1. 27
418 Luthers Verleger in Wittenberg. Johann Grimenberg. [Siebentes
jeinen Unterjuchungen ?> jchließt fich die folgende Darftellung im wejent-
lichen an.
Die erjte ftändige Druderei in Wittenberg bejaß jeit 1509 Johann
Srunenberg, bei welchem, twie bereits angeführt, 1517 die Bußpjalmen
Yırtbers und feine demnächſt folgenden Erftlingsjchriften erjchienen. Von
dem Cinblatt-Drud der weltgejchichtlichen 95 Theſen, der ja nur afa-
demijchen Zweden dienen jollte, wird das zwar nicht ausprüdlich gejagt,
die Mahrjcheinlichfeit fpricht aber unbedingt dafür; einmal gab es in
Wittenberg noch feinen zweiten Druder, dann aber bejorgte jpäter
Grunenberg die beiden erjten, für die eigentliche geſchäftsmäßige Ver—
breitung beſtimmten Ausgaben. Yuther war indeffen auf die Dauer mit
Grunenbergs Yeiftungen unzufrieden. Derſelbe beſaß feine griechijcben
Typen, feine deutſchen waren unſchön, feine Drucke jelbjt aber fehlerhaft
und unſauber. Luther jpricht fih darüber in einem Briefe aus, welchen
er von der Wartburg aus am 15. Auguſt 1521 an Spalatin richtete,
Diejer hatte ibm nämlich den zweiten und dritten Ausbängebogen jeiner
Schrift über die Beichte zugejchicht, worauf Luther jebreibt: „Ich wollte,
ich hätte nichts Deutjches geſchickt, jo abjcheulich, jo nachläffig, je un—
ordentlich iſt es gedrudt, von der Nbjcheulichkeit der Typen und des
Papiers ganz zu jchweigen. Buchdrucker Hans bleibt noch ewig Hans.
Ich bitte Euch inſtändigſt, forget dafür, daß er ja nicht Die deutſche
Poſtille drucke, ſondern daß lieber aufgehoben und mir wiedergejchiet
werde, was ich davon geſchickt habe, damit ich es anders wohin jebide,
denn was hilft es, jo gearbeitet zur haben, wenn durch jolche abſcheuliche
Nachläjfigkeit ven andern Drudern Gelegenheit gegeben wird, die Fehler
noch zu vergrößern umd zu vermehren? Ich möchte nicht, daß man
fih nach diefem Beiſpiel an den Evangelien und Epijteln verjündigte;
jie bleiben bejjer ‚ungedrudt, als dap fie jo berausfommen. Deshalb
jchicfe ich auch nichts weiter, obgleich ich etwa noch zehn große Bogen
darin fertig habe. Daß dieſe abjcheulichen Scharrhänje beim Buch—
drucken doch weniger um ihren Gewinn, als um den Vorteil der Yejer
jorgten! Denn was jeheint ein ſolcher Druder anders zu denken als:
Es iſt genug, daß ich Geld verdiene, die Yejer mögen ſehen, was und
wie fie leſen.“ So ſah ſich Luther gezwungen, einen andern Druder zu
juchen, der jeine Anjprüche befjer befriedigte. Dies that er ſchon im
Jahre 1518. Der bedeutendſte Buchdrucker Yeipzigs war damals der
Kapitel.) Luthers Berleger in Wittenberg. Melchior Lotter. 419
bereits genannte Melchior Yotter, welcher dort unter anderm ſchon 1511
die Antigua angewandt hatte An ihn wandte fich Yuther zumächit mit
fleinen Drudaufträgen von Wittenberg aus. Yotters Drude waren vor-
trefflich und jeine Schriftworräte mehr als ausreichend affortiert. So
erwarb er fich denn auch Yuthers Zufriedenheit in jo bobem Make, daß
in diefem bald ver Wunjch rege geworben fein mag, den geichidten Mann
mehr in jeiner Nähe zu haben und ibn ganz fir Wittenberg zu gewinnen.
In einem Schreiben, das Yuther in Gemeinjchaft mit dem Rektor und
einigen andern Profefforen der wittenberger Uniwerfität am 23. Februar
1519 an Kurfürſt Friedrich richtet, beißt e8 unter anderm: „Auch iſt's
bei Bielen für gut angejchen, jo wir mochten einen redlichen Druder
bie zu Wittenberg haben, denn das jolt nit wenig der Univerfität Für—
derung und E&. ©. Ehr einlegen. Den Text Arijtotelis und ander
Yection künnt man damit fürdern, die ſonſt ohne Bücher gehört nit fo
begreiflich und nütßlich fein mögen.” Der Zujage des Kurfürſten wobl
gewiß, knüpfte inzwiichen Luther ſchon Unterbandlungen mit Melchior
Potter betreffs deſſen Überfievelung nach Wittenberg an. Sie führten
auch bald zur einem günftigen Ergebnis; denn fen am 8. Mat 1519
jchreibt er hocherfreut an Spalatin: „Melchior Potter fommt mit treff-
lichen Matrizen verjehen, die er von Froben befommen hat, und it be-
reit, bei uns eine Druderei einzurichten, wenn unfer durchlauchtigiter
Fürft geruben wird, feine Zuftunmung dazu zu geben. Nun ergeht an
Eure Dienftfertigfeit die Bitte, dak Ihr ums zum gemeinen Nuten mit
Rat und Hilfe beifteht. Wir glauben, daß dies für uns, injonderheit
für unſere Univerfität eine Zierde fein werde, aber ayıch ein Vorteil für
die Hörer, zumal der Philippus (Melanchthon) zugegen tit, der die grie-
chiſche Sprache gern treufich und reichlich ausbreiten möchte.“ Doc erit
Ende des Jahres 1519 jcheint die Überſiedelung thatjächlich ftattgefunden
zu haben, venn am 18. Dezember meldet Yuther den Auguftiner-Bilar
Yange in Erfurt: „Votter aus VYeipzig errichtet bei uns eine Druderei
in drei Sprachen.‘
Indeffen ging Potter nicht in eigener Perjon nach Wittenberg, jon-
dern fandte zwei feiner Söhne dahin, Melchior und Michael, die dem
Bater ſchon in Peipzig im Gejchäft beigeftanden hatten. Zunächſt war
es erjt der ältere von beiden, Melchior der Jüngere, wie er fib in
Wittenberg nannte, der zur Führung der dortigen Filiale des Leipziger
27*
-!!. I— N re a TE ee — — te TEE ET Te en
420 Melchior Lotter in Wittenberg und Leipzig. [Siebentes
Sejchäfts herüberfam. Ihn begleitete der tüchtige Korrektor Yotters,
Hermann Tulich (Dulichius), der bald darauf in Wittenberg eine Pro-
feffur erhielt. Der erjte nachweisbare wittenberger, im Februar 1520
vollendete Druck aus der Lotterſchen Offizin ift eine afademijche Feſtrede
Melanchtbons auf ven Tag des heiligen Paulus. Sie trägt die Unter:
ichrift Melchior Yotters des Düngern. Im diefer Offizin nun wurde ber
größte Teil aller Schriften Yuthers aus dem Anfang der zwanziger
Jahre gedrudt. Zwar lieR es die Gutberzigfeit des Neformators nicht
zu, daß darüber der arme, leider unfähige Örunenberg ganz außer Brot
gejett wurde. Ab und zu gab er auch ihm immer wieder einzelne Auf:
träge, wie auch aus dem oben mitgeteilten Brief an Spalatin vom
15. Auguft 1521 hervorgeht. Kommt er Doc jogar zu Ende jenes
Briefs noch einmal auf den Drud ver Poſtille zurück und jchreibt: „Ich
babe mich anders bejonnen und jebide den Reſt ver Poſtille, weil ich
denke, e8 möchte das, was ich früher gejchict, ſchon angefangen jein zu
pruden, ſodaß fein Aufichub oder inhalt werden kann. Ich möchte
aber, daß es auf Negalpapier und mit Yotters Typen gebrudt würde.‘
So räumt er, nachdem jein erjter Zorn fich vwerflüchtigt, dem verzweifeln:
den Meifter Hand wieder den Weiterdrud der Poſtille ein, nur jellte
diefer — Grumenberg — ich von Yotter die Yettern dazu borgen.
Auch in Yeipzig drudte der alte Yotter zu Anfang der zwanziger
Jahre einzelne Lutherſche Schriften neben feinen Söhnen in Wittenberg.
Doch mögen das allerdings Nachdrucke gewejen fein, zu denen er nicht
beauftragt war. Auf feinen Fall hätte er fich wundern dürfen, wenn
ihm Yuther nichts zu druden gegeben hätte, da er fich kein Gewiſſen
daraus machte, auch Gegenjchriften gegen Yuther herzuftellen. Das brachte
aber num einmal, wie die Buchoruder und Buchführer meinten, das Ge
jchäft jo meit fich. Derb und fräftig ſchildert Johann Eberlin von Günz
burg dies Treiben in jeinem Schriftchen „Mich wundert, daß fein Geld
im Yand iſt“ (Eilenburg 1524, Jakob Stödel). Er jagt: „Bet ſein fie
gefallen auff die lutheriſche buchlein, auff heilige gejchriefft, auch allein
vmb genieß .... vnn wan der euangeliich handel ynen mit wil mebr
gelten, jo fallen fie jo vajt auff den Pebjtiichen als fein Papijt, darauf
volgt pr verdammiß, der bauch iſt yr got, fie juchen gelt vnn gat durch
gottis wort .... vnd dam zu ſchyrm yres abfals jprechen fie, Dieweil
jo grofjer zangk jey zwijchen predigern, wöllen fie beyde parthehen leſen,
Kapitel.) Melchior Lotter und das Neue Tejtament, 421
truden vnd verfeuffen biR zu einem außtrag dev fache.” Und in Peipzig
„galt der Evangelifche Handel“ nichts mehr, nachdem Herzog Georg
nach Bublifation des wormſer Edikts eine entichiedene Stellung gegen—
über der reformatorischen Bewegung eingenommen hatte und den Drud
und Vertrieb der betreffenden Yitteratur zum größten Kummer und Scha—
den der Leipziger Buchdruder und Buchführer unterdrückte. Meiftenteils
waren jie inmerfich und aus Überzeugung der neuen Lehre anhängig,
wenn auch der Drud der äußern Verhältniffe einzelne — darunter auch
Melchior Lotter — zur Mantelträgerei verleitete.
Außer den zahlreichen und bochbeveutenden Schriften, welche Yuther
im Anfang der zwanziger Jahre in die Welt ſandte, drudte nun Yotter
auch die Überjetung des Neuen Tejtaments. Der Drud hatte im Früh—
jahr 1522 begonnen und wurde, wie jchon erwähnt, am 22. September
1522 vollendet. Am 10. Mai ſchickte Yuther die erjten Aushängebogen
an Spalatin. Di gleichzeitig die Evangelien und die Apoftelgefchichte
einerjeits, Die apoftolischen Briefe andererjeits in die Preſſe famen, fo
waren im der erjten Hälfte des Juli bereits das Matthäus, Marfus:
und Lukas-Evangelium und zugleich der Römer: und Korintherbrief fertig.
Vie vollendeten Bogen jandte Yuther fort und fort Spalatin mit der Bitte,
fie auch dem Kurfürſten mitzuteilen. Ende Juli arbeiteten drei Preſſen
gleichzeitig, Da jetzt wahrjcheinlich auch die Offenbarung Johannis neben
den beiden andern Reihen gejondert in Angriff genommen wurde, und
je kamen nun täglich 10000 Bogen, oder vielleicht nur Normen, aus
der Preſſe. Die Ausgabe erjchien in Folio mit dem einfachen Titel:
„Das newe Tejtament, Deutzſch, Vuittenberg.“ Weder Ueberjeker, noch
Truder, noch Jahreszahl find genannt; erſt auf ver zweiten Auflage, der
Dezember-Ausgabe, nennt ſich Melchior Potter der Jüngere als Druder.
Troß der Höhe der Auflage (5000 Eremplare) und des hohen Preifes (bis
zu 1", Gulden, etwa 25 Mark heutigen Geldes) war dieje erſte Aus-
gabe bon innerhalb dreier Monate vergriffen. Das Alte Tejtament lieh
Yutber demnächſt allmählich in mehrern einzelnen Teilen folgen; er fürch-
tete, das Buch würde, wenn es auf einmal erichiene, zu umfänglich und
zu teuer werden. Im Januar 1523 war der Drud der fünf Bücher
Moſe im Gange. Sie erichienen für fich allein noch in demſelben Jahre,
wieder ohne Angabe des Druders, aber ohne alle Zweifel von Melchior
Yotter dem Jüngern gedruckt. Anfang 1524 wurde der zweite Teil des
422 Ausgang der Lotterihen Druderei in Wittenberg. Siebentes
Alten Teſtaments ausgegeben, der die Geſchichtsbücher von Joſua bis
Ejra und Nehemia umfaßte; das Buch Eſther jtand Damals vor dieſen
beiden. An der Herjtellung diefer Teile arbeitete Melchior Yotter Jun.
bereits in Gemeinſchaft mit feinem Bruder Michael. Schon eine zweite
Ausgabe der Bücher Moſe von 1523 ift von beiden gemeinjam unter-
zeichnet. Bon beiden Brüdern zujammen wurde dann auch im Jahre
1524 noch der dritte Teil des Alten Tejtaments gedrudt, in welchem
Yuther den Hiob, den Pjalter, die Sprüche, den Prediger und das Hohe—
fied zuſammengefaßt hatte. Die urfprüngliche Abficht, auch die Propheten
in diejen Abjchnitt mit aufzunehmen, Hatte er wieder fallen laffen. Wohl
aber erjchienen won den bisher ausgegebenen Teilen noch mehrfach neue
Auflagen — alle das Werk der Yotterjchen Preffen. Mit ver Heraus:
gabe des dritten Teils vom Alten Teitament erlitt die Arbeit einen
längern Stillſtand.
Einer der beiden Söhne Lotters hatte ſich nämlich ein „Vergehen“
zu jcehulven kommen laffen, das den Vater Melchior Yotter beim Nur:
fürjten in Ungnade fallen ließ und ihm die vatenweife Zahlung einer
jchweren Buße aufnötigte. Welcher Art dies Vergehen war, iſt bisher
nicht nachzuweiſen gewejen. Anbaltspunfte dafür bieten jedoch die Briefe
Yuthers und eine ausführliche, aber erfolglos gebliebene Bittjchrift, welche
der alte Melchior Yotter am 11. September 1524 am den Kurfüriten
richtete. Schon am 13. Juni 1520 hatte Yuther an Spalatin gejchrie-
ben: „Wegen Yotters glaubet den Angebern nichts, mein Spalatin; es
ift Menſchenwort, welches zu Euch gedrungen ift:*ich weiß es anders —“,
und im Mai 1524: „Um Chrifti Willen bitte ich Euch, jehet zu, daß
Yotter nicht in jo böjem Leumund ftehe beim Fürſten. Ihr glaubet wicht,
wie jeher der Mann fich ängftigt, weil er gehört, daß er jo ſchlimm ans
gegeben worden. Es iſt gewißlich ein guter Mann und jebon mehr als
genug bejtraft für jein Vergehen —“, und am 13. September aber-
mals: „Ich höre, daß es Melchior Yotter bei dem Fürſten jehlecht er-
gangen. Was ift cs not? Ich bitte Euch, einem Betrübten nicht noch
mehr webe zu thun. Laßt uns feiner doch einmal fchonen, er hat Strafe
und Unglück genug. Darum jeid ein guter Mittler, und jo es nötig iſt,
daß ich jelber für ihm jchreibe, will ich's gern thun.“ Wahrjcheinlich
war auf die zwei Tage früher eingereichte Bittſchrift Yotters ſchon ein
günjtiger Bejcheid eingetroffen. Aus allem geht hervor, daß Yotter Neiver
Kapitel.) Die wittenberger Verlagshändler. 423
in Wittenberg batte und daß er durch eiferſüchtige Konkurrenten beim
Kurfürſten angefehwärzt worden war. Übrigens kann er nicht ganz ſchuld—
(08 geivejen fein, denn ſonſt hätte der jo nachjichtig und milde denkende
Luther ihm in dev Folge jeine Aufträge nicht ganz entzogen.
Bon 1525 ab ift von Melchior Yotter, Bater und Sohn, in Witten-
berg feine Spur mehr zu finden; wahrjcheinlich ging auch der jüngere
nach Yeipzig zurück, wo fich das Gefchäft noch bis Ende der dreißiger
Jahre nachweifen läßt. Dagegen blieb Meichael einftweilen noch in Witten-
berg, wo er noch von 1525 bis 1528 drudte und auch noch von Yuther
Aufträge erhielt, bis er gleichfalls die Stadt verlief und zu Anfang
1529 in Magdeburg eine Druckerei errichtete, wo er 1554 ftarb.
Nunmehr fam ein anderes VBerlagsgejchäft in Wittenberg zu Stande.
Zu den Freunden Luthers gehörten der Goldſchmied Chriftian Döring
und ver berühmte Maler Lukas Cranach. Erſterer bejaß ſchon 1518
eine eigene Druderei, und auch Cranach errichtete eine jolche im Jahre
1524, die der vieljeitige Künstler noch neben feiner Malerwerfſtatt, jeiner
Apothefe, jeinem Papier: und Buchhandel beforgte. Diefen beiden nun
wurte der Verlag der Yutherichen Schriften gemeinjam übertragen. Nach—
dem fie troß Yutbers abermaliger Verwendung ein Anerbieten Yotters,
ven Drud für fie zu umternehmen, ausgejchlagen hatten, jahen fie ich
nach einem andern Druder um und fanden ihn in der Perjon des Dans
Yuft. Diejer war vermutlich ein Gehilfe Grunenbergs geweſen und hatte
auch wahrjcheinlich deſſen Offizin übernommen, da des lettern Thätig—
feit mit dem Jahre 1523 abjchließt, während diejenige Yufts mit 1524
anfängt.
Nun begann dieje neue Sejelljchaft zu arbeiten, in welcher Hans Yuft
nur der von feinen Berlegern abhängige und von ihnen bezahlte Druder
iſt. In Yuthers Briefen aus den mächiten Dahren ijt daher immter mur
von Dörings und Lukas' Offizin die Rede, während Yufts Name nie
erwähnt wird, obgleich diejer ihn jchon 1524 auf die Drude fette. Als
im Jahre 1534 die erjte Gejamtausgabe der Bibelüberjeßung unternom:
men wurde, ging der ganze Verlag durch Kauf an eine andere Geſell—
jchaft über, nur blieb Yuft wie bisher ver Druder. Das neue Geſchäft
bejtand aus den drei wittenberger Buchführern: Moritz Golß, Chriftoph
Schramm und Barthel Vogel, die vom Kurfürften Johann Friedrich
ein Privileg auf die Bibel erhielten, übrigens auch Melchior Yotter für
424 Verbreitung von Luthers Schriften: Die Nachdrucker. |Ziebentes
jeinen Verlagsanteil an der Bibel entſchädigt zu haben jebeinen, beſtimmt
aber ibm die Cranachſchen Dolzichnitte zur Apofalypje abfauften. Von
Dans Yuft aber, welcher num allerdings auf lange Zeit der einzige Druder
der Luther-Bibel in Wittenberg blieb, beißt es, daß er Davon bei Yeb-
zeiten de8 Reformators nicht weniger als 100000 Exemplare gedruckt babe.
Die mafjenhafte Verbreitung dev Yutherichen Werfe und ber durch
ſie hervorgerufenen Bolfslitteratur wäre übrigens nicht in jo groß—
artigem Maßſtabe erfolgt, wenn ſich nicht drei ſtarke Bundesgenoſſen
— jeder im eigenen Intereſſe und ſich doch untereinander ergänzend —
in die Hände gearbeitet hätten. Es waren dieſe Bundesgenoſſen die
Nachdrucker, die Buchführer und die Prädikanten, die beiden
letztern den Machthabern deshalb jo gefährlich und verhaßt, weil fie
überall und nirgends auftauchten und, wenn bier ergriffen und grauſam
unterdrückt, dort wieder erjchienen und vorfichtiger auftraten.
Man darf den Nachdrud jener Zeit nicht mit dem Maßſtab ver
beutigen Anfchbauungen meſſen. Das elfte Kapitel wird diefen Unfug und
die allmähliche Entwidelung der dabei fich zeigenden Gewohnbeiten und
zum Schuße dagegen fich ausbildenden Rechtsnormen näher darlegen. Hier
daher nur jo viel, daß für die damaligen Anſchauungen der Nachdruck
eigentlich als ein ganz legitimes Geſchäft galt und daß, wie z. B. im
fünften Kapitel gezeigt wurde, jelbjt Männer wie Johann Amerbach oder
Johann Petri in diefer Beziehung ein jehr weites Gewiſſen hatten. Ja,
auch die staatlichen Behörden fanden, wie der demnächſt mitzuteilende
Erlaß der Stadt Nürnberg zeigen wird, nichts Arges in dem Nachdruck.
Ebenſo wenig verftändlich für die Gegenwart ift der naive Ausdruck des
Kummers Wolfgang Stöckels in Yeipzig vor dem Rate der Stadt — bei
Gelegenheit des 1524 von nenem erfolgenden Berbots der Reformations-
literatur — darüber, daß in Yeipzig nichts verfauft und gedruckt wer-
den jolle „das zu Wittenberg oder ſuſt gemacht“. Yutber jelbit war
auch weniger ob der That des Nachdrucks feiner Schriften überbaupt,
als ob der rüdjichtslojen und Frechen Art erbittert, in welcher derſelbe
betrieben wurde.
In der Berwahrung vom September 1525 wendet er fich zumächit
an die Druder und fragt fie, ob fie Diebe und Straßenräuber geworden
jeien, weil fie ibm jein Eigentum ftählen? „Ach habe“, führt er näher
aus, „die Poftillen angefangen von der heiligen drei Nünige Tage an,
Kapitel.) Tie Nachdrucker und ihr Treiben. 425
bis auf Titern, jo führet zu ein Bube, ver Zeker, ver von unſerm
Schweiß ſich nähret, jtiehlet meine Danpjchrift, ehe ich's gar aus mache,
und trägt's hinaus und läßt es draußen im Lande drucken, unſer Koſt
und Grbeit zu verbruden..... Nu wäre der Schaden dennoch zu lei-
den, wenn fie doch meine Bücher nicht jo falſch und ſchändlich zurichten.
Nu aber drucken jie diejelbigen und eilen aljo, daR, wenn fie zu mir
wiorer fommen, ich meine eigene Bücher nicht fenne. Da ift etwas
augen, da iſt's verjeßt, da gefälicht, da nicht korrigivt. Haben auch vie
Kunst gelernt, dar fie Wittenberg oben auf etliche Bücher druden, die
zu Wittenberg nie gemacht noch gewejen find. Das find ja Bubenitüd,
ven gemeinen Mann zır betriegen..... Es ift je ein ungleich Dina,
daß wir erbeiten und Koſt jollen drauf wenden, und andere jollen ven
Genieß und wir den Schaden haben.” Zchlieklich meint der Reform:
tor, ein Druder jolle aus chriftlicher Yiebe doch wenigitens ein oder zwei
Monate warten, ehe er einem andern ein Buch nachdrucke.
Ein zweites Schreiben Yuthers, vom 26. Zeptember 1525, it an
den Rat von Nürnberg gerichtet und enthält die Klage, daß jeinen witten-
berger Drudern ein Teil der noch in der Preffe befindlichen Poſtille,
wohl über die Hälfte des Buchs, geitohlen, nach Nürnberg gebracht, mit
Eile nachgedruckt und nun vor Gricheinen des wittenberger Originals
verfauft würde, wodurch feinen Drudern ein merkliber Schaden zu-
gefügt jei. „Wenn ev nicht irre“, jagt Yutber, jo jolle „das Herrgettlein“
dabei beteifigt fein. Er meint hiermit den durch jein tragiiches Ende be-
fannt gewordenen nürnberger Buchdrucker und Buchführer Johann Herr—
gott, von dem noch weiter unten die Rede jein wird. Anvere Städte
am Rhein thäten das nicht, und ſelbſt wenn es geichehe, jo brächte cs
doch feinen direften Schaden, denn am Rhein bergeitellte Nachdrucke
würden nicht bis nach Wittenberg vertrieben, wohl aber die aus dem
nahe gelegenen Nürnberg. So werde ev jetst durch die Beraubung jeitens
nürnberger Bürger daran verhindert, die Überjetung der Propheten in
Angriff zu nehmen. Die Nachdrucker wendeten weder Geld noch Mühe
auf jeine Arbeit, die ihm Herzlich jauer werde; fie hätten fie durch
Diebitahl erlangt und er müſſe ftill herhalten. Es jei gerade jo, als ob
er im Hauſe oder auf der Strafie beraubt werde. Yutber bittet nun
ven Rat, auf feine Druder einzwwirfen, daß fie doch wenigftens fieben
oder act Wochen warten jollten, ehe fie jeine Werke nachdrudten. Ob
26 Luthers Auftreten gegen die Nacdruder. [Siebentes
jie aber jagten, fie müßten ſich nähren, ja! aber ohne des Andern
Schaden. Sollte jedoch jeine Bitte nichts helfen, jo müſſe er Durch
öffentliche Schrift joldhe Räuber und Diebe ermabnen, wenn es ihm
auch Lieber ſei, daß er die Stadt Nürnberg nicht zu nennen brauche.
Der Rat beichloß in jeiner Sitzung am 7. Oftober 1525: „stem auff
Tocter Martin Yuthers jehreiben ſoll man fich bei den puchtrudern er—
faren, was jeiner gemachten pucher durch ſy nachgedrudt und geenvert
ſeyen und darinnen ein ordnung geben, damit feiner pucher feins in
ainer bejtimpten zeit nachgedruckt auch bei den puchfüerern vwerichaffen,
nichtzt neus zu verfauffen vor und eche ſolchs befichtigt werd.“
Der Rat veripricht alfo nur den Erlaß einer Verordnung, wonach
die nürnberger Buchdruder innerhalb einer bejtimmten Zeit Luthers
Bücher nicht nachdrucken follen, ſcheint aber mit diefem Beſchluß vie
Bejchiwerde für abgethan erachtet zu haben. Yuther aber bat, wie es
jcheint, einige Jahre jpäter feine Klagen erneuert, denn unterm 11. Mat
1532 findet fich im Ratsbuch folgender Beſchluß: „Allen Buchorudern
alhie ſoll bei iren pflichten bewohlen werden, wann fie binfür Doctor
Yutbers und andre Buchlein nacoruden wollen, das fie den namen
Wittenberg zu drucken unterlaffen und die ftat Nürnberg und ihre namen
dafür jegen, auch fich beſſer correctur befleyffen, over ein rat müſt mit
eruftlicher traf gegen inen handeln.“ Die Strafanprohung — wegen
faljcber Ortsangabe — ift allerdings nur auf die Reichsverordnungen
bafiert und findet ihre Begründung nicht im einer fittlichen Berurtheilung
des Nachdruds an fich.
In einem dritten Briefe, welcher ſich den obigen beiden Schreiben
anjchließt und am 7. November 1525 an den nürnberger Syndikus Yaza-
rus Spengler gerichtet wurde, wiederboft Luther feine Beſchwerden und
zeigt ihm an, daR fich etliche Buchoruder am Rhein erboten hätten, mit
ven Wittenbergern gemeinjchaftlich zu arbeiten, um jolcher Büberei ſdein
Nachdruck) zu ftenern. Da nun unlängjt der Koberger fich ihm gegen-
über in ähnlicher Abficht geäußert habe, jo jchlage er den andern Drudern
vor, Ktoberger mit in den Bund aufzunehmen. Seine Bitte gebe aljo
dahin, Spengler möge mit jenem und jeinen (Yuthers) Abgefandten dieſe
Angelegenheit beraten. „Ich achte es“, jchreibt er wörtlich, „cs ſolle
dem Koberger wicht ſchädlich jeyn, weil (jolange) wir lebten, jo er ven
Vordruck und Laden bey ums zu Wittenberg überkäme, jamt meinen
Kapitel.) Bedeutung des Nachdruds in der Reformationszeit. 427
Drudfern, davon fie jelbit weiter wohl werden ſich bevatichlagen und
unterreden.“ Dieſer Plan hat fich übrigens in der Folge nicht ver-
wirflicht; auch ift es mehr als fraglich, ob durch jeine Ausführung dem
Nachdruck wirffam geftenert worden wäre. Denn wenn auch Die Stel:
lung Kobergers eine mächtige und hohe Achtung gebietende war, jo blieb
er doch dem Nachdruck gegenüber ebenfalls wehrlos, ja doppelt wehrlos,
weil dieſem bei der leichten Nlugfchriftenlitteratur viel cher, als ven
ſchweren Folianten gegenüber nachgeſehen werden konnte.
Kurz, der Nachdruck nahm Yutber gegenüber nicht ab, ſondern griff
immer weiter um fich und wurde, wenn er Yuther perjönlich auch ſchä—
digte und ärgerte, durch jeine täglich wachſende Betriebjumteit der be-
deutendſte Hebel zur Ausbreitung der Reformation. Die Entwickelung
der buchhändferiichen Verbindung des deutjchen Nordens mit dem Süden,
und des Dftens mit dem Weiten, war in ihren vielverfprechenden An—
füngen gehemmt, der buchhändlerische Verkehr auf der leipziger Meile
durch Die Haltung Herzog Georgs von Sacjen gegenüber der Refor:
mation ſchwer gejchädigt worden. Der gefamten Reformattonslitteratur
war diejer geichäftliche VBermittelungspunft verichloffen. Aber der Nach—
druck überbrücdte die gewaltjum gerijfene Kluft und vermittelte auf die—
jem Gebiete für das ganze Volk die Einheit der geiftigen Intereſſen.
Das ift feine Übertreibung, jondern bis zum Edikt von Regensburg
(Juni 1524) eine unbejtreitbare Thatjache.
Die Bibliographie der Reformationslitteratur hat bis jett nur die
Nachdrucke aus den größern Offizinen verzeichnet und zu verzeichnen
vermiocht; fie weiß jo gut wie nichts von den Winfelorudereien zu be-
richten, welche aus einem oder dem andern Grunde mit ihrem Namen
nicht bervorzutreten wagten, oder fich zur Irreleitung dev Behörden einer
erdichteten Firma bevdienten. Ihre Thätigkeit kann indeffen nicht unbe:
deutend gewejen jein, da fie ihre Ware nantentlich an die Eleinen wan—
vernden Buchführer verkauften, vielleicht gar vorwiegend für fie arbei-
teten. Wolfgang Stödel, dev Buchdruder, betont in feiner Ausjage vor
dem leipziger Rate im Jahre 1524, daß Yutheriche Schriften unter an:
derm in Grimma, Zwickau und Eilenburg gedruckt und nach Yeipzig ein:
geführt worden jeien, verſchweigt aber unter den gerade obwaltenden Ver—
bältniffen natürlich, daR dies z. B. an dem letztgenannten Orte wohl
unter fingierter Firma für feine eigene Rechnung geſchehen jein dürfte
428 Drud der Flugichriftenlitteratur im Geheimen, Siebentes
— unter dem Namen ſeines Sohnes Jakob und ſeines Geſellen Nile—
laus Wydamer (Meidener); unter des letztern Namen gebt allerdings
auch ein Originalorud. Wenig mag von derartigen Nachdrucken erbal-
ten geblieben, oder als jolche jeßt noch erfennbar jein. Wenn aber un
Yeipzig eine haufierende Frau 1523 das Yutherfche Neue Tejtament für
15 Groſchen (9, Gulden) ausbot, dasjelbe in Meifen um diejelbe Zeit
vor dem „Freiburger Keller“ auf dem Domplak für 20 Groſchen (1 Gul—
den) verfauft wurde 16, jo darf man darum, gegenüber dem ſonſt ange:
führten üblichen Preis von 1Y, Gulden, nicht gleih an Nachoruds:
eremplare denfen, Der Nachdruck Adam Petri's konnte kaum feinen Weg
nach Sachjen gefunden haben. Feſtſtehende Yarenpreife aber gab es ja
noch nicht, und Yotters Agenten und Haufierer mochten je nach Gelegen-
beit mit größerm oder geringerm eigenen Verdienſt verfaufen. In Nürn—
berg müffen außer den nambaften, zahlreiche Eleine und unbedeutende
Druder den Nachdruck Lutherſcher Werke eifrig betrieben haben. Abge—
ſehen von dem lebhaften Berfehr in der Stadt und Nachbarjchaft, be:
zogen von bier die Vuchführer von Franken und Thüringen, ja einem
Zeile Schwabens und Böhmens, ihren Bedarf und bejuchten von Zeit
zu Zeit die alte Neichsjtadt, um bier ihre litterarijchen Vorräte zu ver:
vollſtändigen. Denn die Schriften aller Sekten und Parteten wurden
bier gedrudt, und faum an irgendeinem andern Orte Deutſchlands fan—
ven fich jo bedeutende Yayer, namentlich ver theologischen Tagestitteratur.
Schen 1517 wurde dem Hieronymus Hitzel verboten, „in bebemiicher
Gezung gar nichet mer zu drucken“, und noch in demſelben Jahre das
Geſuch Des jungen Kaſchauer abermals abgelehnt, „die Bibel und ander
pucher in Behemiſcher ſprach allbier druden zu laffen und darbei ſtatlich
underjagt, wo er darüber ain rath mit weittern anfjuchen over für-
ichrifften überziehen werd, will man im von Hinnen wepjen“ Im OF
tober 1524 kam Heinrich Pfeiffer, zuweilen auch Echwerdtfeger genannt,
der jpätere Statthalter Thomas Münzers in Mühlhauſen, von diejer
Stadt nach Nürnberg und lie hier des leßtern Schriften drucken. Wenige
Tage ſpäter ließ fich ein fremder Buchführer aus Mellerſtadt ebenfalls
eine Münzerſche Flugſchrift ohne Wiffen des Rats und von diejem um:
befichtigt druden; derartige von vornherein bedenklich erjcheinende Sachen
wurden, um fie durchzuſchmuggeln, mit andern zufammen vwerbeftet und
verkauft. 17° Unterm 27. Juni 1526 wurden die mürnberger Yuchtruder
Kapitel.] Magdeburg, Luthers Vorort für Norddeutichland. 429
und Buchführer bei „ernftlicher eines erbarn Rats ſtraff“ angewiejen,
fih des Druds und des Berfaufs „ver Karljtädtiichen, Ecolampadifchen,
Zwingliihen und irer anhänger büchlein zu enthalten“. Der Drud ver
Yutberichen Schriften dagegen wurde mir des Scheind wegen und mur
jo lange verboten, als die päpftlich=faiferliche Politik noch einen Drud
auf den Rat ausübte,
In Norodentichland war Magdeburg der Lutherſche Vorort und Aus-
gangspunft für den vftlichen Zeil Nieverfachjens geworden. Es ent-
widelte als jolcher eine lebhafte Ihätigfeit für die Verbreitung und
Befeftigung der Lehre Yuthers, namentlich Durch den Druck jeiner und
anderer reformatoriicher Schriften im niederdeutjcher Sprade, Außer
zahlreichen Streitjchriften erjchienen bier die Lutherſchen Auslegungen und
Epifteln, namentlich aber erwarb ſich Magdeburg jehr bald einen hoben
Kuf wegen jeines Bibel- und Gejangbuchoruds und behauptete venjelben
bis zu jeiner Zerftörung (1631). Auch mit Dänemark ftanden die magde-
burger Druder und Buchführer lange Zeit in Verbindung (1529 bis
1562), ganz ebenſo wie die Wittenberger. Namentlich beteiligte fich der
Drucker Hans Walter jeit 1530 an dem Verlage Kleiner Schriften, welche
Yuther zur Zeit des augsburger Reichstags ſchrieb; er Lie fie ins Nieder—
deutjche übertragen und nur wenige Wochen nach dem Erjcheinen der Ori—
ginale verbreiten. Während der Flacianiſchen Streitigkeiten (1549 bis
1552) erjcbienen in Magdeburg weit über hundert Streitjchriften, ſodaß
es auf Grund diefer umfangreichen Litteratur „unſers Herrgotts Kanz—
lei” genannt wurde. Vielleicht gelingt e8 der neuen fritifchen Geſamt—
ausgabe der Yutherichen Werfe, ven vollen Anteil der Stadt auch an
deren Berbreitung feitzuftellen. Bisjetzt iſt das noch nicht werjucht wor—
ten, zum Teil aber mag es fich auch gar nicht nachweilen laffen, da
Krieg und Feuer dort wiederholt arg gewütet und die wichtigften Spu-
ren vielfach verwiſcht haben.
Noch jehwerer iſt das für jene Gegenden feitzuftellen, welche von ver
Reformation im Anfang ihres Auftretens erobert waren und jpäter dem
mächtigern Andrängen der alten Mächte wierer unterlagen. Das war
;. B. im Nordweiten in Münfter und im Süpoften in ganz Oſterreich
der Fall. Das verhältnismäßig unbedeutende Münſterland zunächit
war bis zum Ausbruch der Wiedertäuferunruben jo gut wie futherijch.
Einige feiner beveutendften Söhne, wie z. B. Rottmann und Clans
430 Katholische Neaftion im Münfterlande. [Siebentes
dorf, hatten die neue Yehre von Wittenberg aus in ihre Heimat getragen
und bier mit jo großem Erfolg verbreitet, daß die Hauptitadt dev Mittel-
punft des Lutherthums für ganz Weftfalen geworden jein würde, wenn
ſich die Wievertäufer ihrer nicht für ein paar Jahre bemächtigt hätten.
Das Ende it befannt. Die nunmehr eintretende Reaktion richtete fich
ſelbſtredend auch gegen die Lutherſche Yehre, aus welcher in ihren Augen
jene Seftirer erwachien waren; mit den gewaltiamjten Mitteln wurde
die Herricbaft der katholiſchen Kirche wieverhergeftellt. In dem Wüten
gegen die Preffe, und vor allem gegen bie Putherjchen Werke, waren
beive feindlichen Parteien, die Befiegten und Sieger, einig. Zuerſt hatten
die Wiedertänfer, mit Ausnahme der Bibel und ver Flugſchriften Rott -
manns, alles vernichtet und verbrannt, was fie an gedrudten und un—
gedructen Büchern auftreiben fonnten. Sie entleerten außer ver feit-
baren Dombibliotbef die Buchläden im Paradiefe des Doms und Die
Dritdereien, ja fie zwangen die Bürger, alles, was fie an geprudten
Werken batten, auf dem Domplatz abzuliefern, damit es dort den Flam—
men übergeben werde. Daß fich eine Menge Putberjcher und reforma-
torijcher Streitjchriften darunter befand, darf wohl um jo eber angenom—
men werden, al® der Boden des damaligen Münſter ſchon jahrelang von
den religiöjen Parteien unterwühlt war und Rottmann — der noch vor
der Kataftrophe and einem Yutheraner zum Anhänger Zwingli's gewor-
den war — Sicher die Kenntnis und den Befits der Streitjchriften beider
protejtantiichen Parteien vermittelt und ihren Vertrieb beförvert batte.
Als dann die wieder zurüdgefehrten bifchöflichen Behörden ernſtliche Vor-
fehrungen gegen das Wicheranfleben der gefunden veformatorijchen Rich-
tung trafen, auch bald darauf in den auch in Münfter auftretenden Je—
jniten ihre bejte Stütze fanden, jehritten fie natürlich in erjter Linie
gegen alle feterifchen Bücher ein. So ordnete ein Landtagsbeſchluß vom
24. Juni 1562 an, daß Bücher, welche über die Calvinſche oder Zwingli-
jche Lehre handelten, von den Unterthanen weder zu faufen noc zu
fejen, vielmehr anzuzeigen und zu vernichten feien. Es jeheint, dar
man einen ſolchen Befehl gegen die Lutherſchen Schriften für überflüſſig
erachtete, jei es, daß die Wievertäufer bereits genügend aufgeräumt
hatten, oder daß man ihn für ſelbſtverſtändlich hielt, weil die Ausrottung
des Yuthertums die erſte Voransjekung der Wiederherftellung der katho—
fischen Kirche bildete,
Kapitel.) Die Evangelifierung Öfterreichs, 431
Die übrigen geiftlichen Staaten, wenn man den vornehmen Begriff
Staat auf dieje politijchen Mißbildungen und römiſchen Filialen an-
wenden darf, fommen bier deshalb nicht in Betracht, weil fie auf dem
Gebiete des Glaubens nur ultramentane Befehle auszuführen und kaum
tief eingreifenve ketzeriſche Unruhen zu verzeichnen hatten. Es iſt darum
auch ziemlich gleichgültig, ob diefe Bistümer oder Erzbistümer 100 over
1000 Bücher verbrannten, oder ebenjo viel und mehr Ketzer aus dem
Yande trieben. Biel jehlimmer ift es, daß die litterarifche Thätigfeit bier
bald ganz aufbörte, daß das Volk des Denfens entwöhnt und einer jtren-
gen priefterlichen. Dreſſur unterworfen, auch die Yuft am geiftiger Er—
bolung verlor und infolge deilen auch das Bedürfnis des Leſens ganz ein-
büßte. Das Herzogtum Bayern fette feinen Stolz darein, ſogar noch
püpftlicher zu jein, als die geiftlichen Kurfürftentümer, und fann deshalb
nicht einmal Anfpruch auf die Ehre einer bejondern Erwähnung machen,
Was aber eine volljtändig durchgeführte Gegenreformation in einem
großen Lande heißen will, das zeigte fich nur zu bald in Öfterreich. Hier
iſt es den Jeſuiten in verhältnismäßig furzer Zeit gelungen, die won
Yuther eingeleitete Bewegung bis auf die bejcheidenjten Yebensäußerungen
zu bejeitigen und jabrhundertelang ein begabtes Volk von der Entwide-
fung des deutjchen Geiſteslebens vollſtändig auszuſchließen. Luthers Yehre
fand von Anfang an im Wien und ganz Öfterreich einen wohlvorberei—
teten und empfänglichen Boden vor und gewann troß der Verfolgungen
der Regierung und der fatholiichen GSeiftlichfeit im 16. Jahrhundert eine
jo große Verbreitung, daß man neun Zehntel der ganzen Bevölferung
den Proteftantismus mit der Wurzel auszurotten. Schon im April 1518
wurden verjchiedene in religiöfer Beziehung verdächtige und anftögige Bücher
in Wien veröffentlicht und verbreitet, gegen deren Druder, VBerfäufer und
Käufer der Biſchof vorerft nicht einzujchreiten wagte. Johann Ce ftellte
Ende 1520 lange vergeblich das Anfinnen an die wiener Univerfität,
daß fie die päpftliche Bannbulle gegen Luther veröffentliche und alle Yuther-
ſchen Bücher und Schriften von den Univerſitätsangehörigen einfordere
und dann vernichte. Ehemalige Priefter predigten 1522 ſelbſt mit bijchöf-
licher Erlaubnis für die Ehe ver Geiftlichen und vertheidigten in ber
Stephansfirche Yuthers Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben.
Ferdinand I. hatte zwar am 12. März 152513 verboten, die Werke
432 Die Evangelifierung öſterreichs. [Siebentes
Luthers, Okolampadius', Zwingli's und anderer dergleichen „never ver—
füeriſch lerer pücher anzunehmen, zu halten, zu kaufen, zu verlaufen, zu
leſen, abzuſchreiben, zu drucken noch drucken zu laſſen“, allein das Ver—
bot reizte nur noch mehr zum Studium derſelben. Jakob Peregon, Pfar—
rer am Bürgerſpital, rühmte ſich, 50 Lutherſche Schriften zu beſitzen
und ſie fleißig zu leſen. Eifrig wurden dieſelben auch nachgedruckt, z. B.
„Ain Schöne Predig von zwayerlay gerechtigkeit“ (1520) und „Aine
predig von dem Eeligen ſtand“, ebenſo lutheriſierende Schriften, wie
z. B. die Eberlins von Günzburg. Öſterreichiſche Studenten beſuchten
deutſche Univerſitäten, namentlich Wittenberg, gegen den Willen der heimi—
ſchen Regierung. Von Luthers erſtem Auftreten an bis unmittelbar nach
ſeinem Tode, zwiſchen 1522 und 1548, ſtudierten hier 66 Djterreicher,
darımter 38 Wiener und verjchievene Angehörige des ſtändiſchen Adele.
Natürlich brachten fie von der Duelle des Yuthertums auch deſſen ge=
prudte Lehren und Schriften nach Haufe und verbreiteten fie bier, jei
es im Original, ſei es im Nacprud, unter die Maffen. Während des
ganzen 16. Jahrhunderts fümmerte man jich nicht um das Verbot des
Studierens im Auslande. So planmäßig Ferdinand und jeine Nach-
folger auch worgingen, jo zielbewurt ihnen die feit 1551 ins Yand ge—
rufenen Jeſuiten bei ihren gegenreformatorifchen Angriffen balfen, die
neue Yehre griff während der eriten fünfzig Jahre nach ihrem Aufkom—
men immer weiter um ſich. Die lutheriſchen adeligen Stände fanden
zugleich ihren Borteil in der Aneignung des Kirchenguts und brachten
es im Anfang des 17. Jahrhunderts bis zur Anerfennung der vollen
Gewifjensfreiheit, die natürlich mit dem Dreißigjährigen Kriege wieder
zu Grabe getragen wurde. Dieſe Zeit gehört nicht mehr hierher, allein
in der ganzen ihr voraufgehenden und auch im der jpätern Periode tft
die jpftematische Verfolgung der Lutherſchen Yitteratur bis in den engen
Kreis der Familie das erſte Augenmerk der weltlichen und geiftlichen
Behörden, die nur zu gut wußten, daß fie ihren Gegnern die Wurzeln
der Kraft raubten, wenn fie ihnen auf die Dauer die geiftige Nahrung
entzogen. Die katholifchen Gegenreformatoren fiegten mit ihrer zähen
Energie, aber ihr „perinde ac cadaver” war nur durch Vernichtung
des Buchhandels zu erzwingen.
Auf die Nachdruder folgten die Buchführer. Jene würden fich der
Tageslitteratur nicht jo zahlreich bemächtigt haben, wenn dieſe nicht den
Kapitel.] Die Buchführer, die Haufierer und die Flugichriften. 439
maſſenhaften Abjat der nachgedruckten Preßerzeugniffe allerorten vermit-
tet hätten. Die Buchführer und Haufierer überſchwemmten bald ganz
Deutſchland und vertrieben nicht allein die fatholijchen Werfe, jondern
auch die durch das Vorgehen des Reformators hervorgerufenen Streit-
ihriften und Gejprächbüchlein (Dialoge). „Unzählig find die Schmach-
büchlein und Yäfterreden‘, jehreibt Johann Cochläus aus Wendelſtein
1479 bis 1552), „die unter das Volf ausgehen wider päpftliche und
weltliche Autorität, wider alle, welche Macht und Neichtum haben und
nicht abfallen wollen vom Glauben ihrer Väter.“ „Die Schmachbüch-
fein und Läſterreden“, von welchen diejer unflätigite Gegner Yuthers
bier jpricht, waren Flugſchriften auf Flugſchriften in Reim und in Broja,
in lyriſchem Erguß und in lebendigem Dialog, welche Kunde davon
geben, daß Yuthers Wort an das Ohr des Volks erflungen, in jein Herz
eingedrungen war und daß es dort flares Verjtändnis und jubelnde Auf-
nabme gefunden hatte. Das deutjche Volk verfnüpfte fich ſelbſt mit des
Reformators Perfon und Geſchick aufs engfte: feine Feinde find auch
des Volkes Feinde, und diejes, welches in ihm den Klaren und beredten
Ausdruck feiner Schmerzen und Freuden gefunden hatte, verfolgte und
vernichtete fie alle, vom Papjte herab bis zum Bettelmönch, mit den
Waffen der Polemif, mit fittlicher Verachtung und überjprudelndem
Humer, mit derbem, jehonungslojem Spott und nationalen Beweis—
gründen. Anfangs verbot und nahm die Polizei jolche Schriften noch
in Beichlag; allein vom wormjer Reichstag ab wurde das immer mehr
unmöglih, und wird jogar die Gewalt mit Gewalt, am liebjten aber
durch Yift vereitelt. Je verpönter aber eine Schrift war, deſto leichter
wurde fie verkauft, deſto teuerer bezahlt und deſto gewinnbringenver ab:
geſetzt. Selbjt Gefängnis und harte Yeibesftrafen vermochten den gewinn-
jüchtigen Händler nicht abzujchreden. Die Berbote der Obrigkeit jeblug
er meist in den Wind; fie waren auch häufig nicht jo ftreng gemeint.
Nur ab und zu wurde bitterer Ernjt gemacht. So bildete fich denn der
Haufierbandel mit Flugjehriften zu einem einträglichen Gejchäft aus, das
feinen Mann gut nährte, das vielfach auch von Frauen und jelbit von
Knaben betrieben wurde. Es waren darin wohl vielfach junge Männer
tbätig, die ihren Beruf verfehlt und nichts zu verlieren hatten, Men—
ſchen, die nicht vwiel arbeiten, aber doch ihr Yeben genieken wollten,
Abenteurer, die jib von den aufgeregten Wogen der Zeitftrömung tragen
Rapp. I. 28
434 Die Buchführer, ihre Barteiftellung, ihr Geichäftsbetrieb. [Siebentes
ließen, einerlei, wo und ob fie dereinſt landeten, und endlich catilinarijche
Grijtenzen, welche das Leben für faum mehr als einen jchlechten Wit
nahmen, oder durch alle denkbaren Hinverniffe möglichjt glatt hindurch—
zugleiten wußten. Beſonders geführlich aber wurden ſolche von Haß
gegen das Beftehende bejeelte Buchführer durch die zielbewußte Auswahl
der von ihnen vertriebenen Schriften. Unermeßlich war daber ver von
ihnen auf die Gemüter ausgeübte Einfluß. Wo während ver Reforma-
tionszeit „etwas los war”, da tauchten auch die Buchführer wie die
Sturmvögel auf und wieder unter, Der Kampf und die Revolution
waren das Clement, in welchem fie fi am wohlſten fühlten. Man
hört nur ausnahmsweiſe von katholiſchen Alugblättern, welche von Bud-
führern vertrieben wurden, meiftens nur von Verbreitern Yutherjcher oder
Lutherifierender Schriften. Wo nur einer diejer Leute genannt wird, ba
gehört er zur revolutionären Partei, umd in der That gibt es faum
einen Sit der Bewegung, wo man ihrer nicht einen oder mehrere findet.
So tritt 3. B. in Rothenburg a. d. Tauber 1524 ein Buchführer und
Buchdrucker Kunz Kern auf, der nach dem Siege über die Bauern mit
40 Gulden gejtraft und aus der Stadt verwiejen wird. Ein anderer Auf-
rührer, auch Buchführer, Bernhard Schmidt, teilt dasſelbe Schidjal mit
ihm und darf als „ausgetretener” (entflohener) Bürger nicht wieder:
fommen.!?” Auch in den ſpätern Wiedertäufer-Unruben im Norven
Deutjchlands jehüren die Buchführer das Feuer und drängen das Bolt
zur That, jo 5. B. 1533 und 1534 in Weftfalen ein Peter aus Lipp—
jtabt, welcher als Buchführer durch das Yand zog und den Maſſen die
wiedertäuferifchen Yehren verfündigte.
In ihrem Gefchäftsbetrieb knüpften dieſe haufierenden Buchführer gan;
an die Gewohnheiten der alten Handjchriftenhändler und erſten Buch
führer an. Auf Märkten und vor den Kirchen, in Schenfen — bier
jelbft, wie in Breslau geklagt wird, ihre Ware ausjpielend — und auf
offener Yandftraße, in Univerfitätsftädten an den Thüren der Kollegien
und Burfen juchten fie ihre Käufer. Dabei hatten’ fie wieder ihre Ge
hilfen, ungen und Frauen, welche mit den Flugſchriften in die Häuſer
liefen oder fie auch, mit unverdächtigen Büchern zujammengebeftet, in
den Gaffen verfauften. Guftav Freytag hat in feinem „Markus König“
ein recht anjchauliches Bild dieſes Haufierhandels gegeben, welches ven
Charafter des Gejchäfts treu widerjpiegelt.
Kapitel. Das Treiben der Buchführer in Stadt und Land, 435
Für den ftäbtifchen Handel bietet Nürnberg einzelne jehr lehrreiche
Beifpiele. Die dortigen Buchdrucker Stuchs und Arbogaft hatten 1523
eine vom Barfüßermönd SKettenbach verfaßte „Praktika“ veröffentlicht, in
welcher Bapjt und Kaifer mit Schmähungen überhäuft wurden. Der Rat
ließ den Verkauf, wie auch den von Luthers Büchlein gegen Heinrich VIII.
von England bei allen Buchführern, Bürgern und Inwohnern am
14. September verbieten und die vorhandenen Eremplare wegnehmen.
„Das alte Fräulein im Tuchſcherergäßchen“ büfte den Verkauf, wie
iben früher erwähnt, vier Tage und Nächte an eine Bank angejchloffen.
Unter dem Rathauje aber jollte man in Zufunft weder gedruckte Bücher
noch Briefe oder Gemälve feil haben dürfen. werner verbot der Nat
im September 1524 den Verkauf der andern Lutherſchen Büchlein, in
welchen Kaiſer und Fürften Narren genannt wurden. Die Buben, welche
ſolche Büchlein am Marke feil hatten, ließ der Nat vorladen. Einer
derſelben hieß Johann Fauft; er hatte Pırthers neuen Traftat „Über zwei
faijerliche widerwärtige Mandate” feilgeboten. Obſchon nun Faiferfiche
Majeftät darin jehr geſchmäht wird, erhielt der Knabe doch nur einen
itarfen Verweis und den Befehl, fih in Zukunft des Verkaufs jolcher
Schmähbüchlein zu enthalten. Er hatte übrigens auf Befragen Wolf
(PBräunlein?) von Augsburg als den Buchführer genannt, der ihm jolche
Büchlein zum Verkauf übergeben. Aber Leonhard Fink, Buchführer in
der Mendlin Hinterhaus, wurde ftrenger behandelt; er wurde zur Strafe
vier Tage und vier Nächte in den Turm gefeßt. Dem Fremden, der
in Pirckheimers Hofe gemalte Tüchlein feil hatte, fieß der Rat den Ver—
fauf unterfagen, weil ſich jehändliche Gemälde über ven Papft darauf be-
fanden. Frau Agnes, Stephan Hammers des Briefmalers Weib, hatte
etliche Büchlein zum Verkauf ausgeboten, welche gegen die vom päpit-
lichen Legaten in Regensburg erlaffene Reformation gerichtet waren; die
Biihöfe wurden darin gejchmäht und „Fladenmacher“ genannt. Hier-
für warb der Frau Agnes zur Strafe auferlegt, drei Tage und ebenfo
viel Nächte an einer Bank zu büfen. ?°
Ebenjo eifrig trugen aber die Buchführer die Flugjchriften auch auf
das Sand. Sie laſen den Bauern Kraftitellen daraus vor, machten über-
triebene Anpreifungen vom Inhalt oder fagten ihnen plumpe Schmeiche-
leien, um fie der Anfchaffung des neueften, „in diefem Jahr gedruckten“
Büchleins defto eher geneigt zu machen. Im Durchjchnitt foftete ein
28*
436 Berbreitung der Flugichriften im Volk. [Siebentes
jolches, drei bis vier Bogen ftarfes Heft einen Groſchen. Wenn e8 für
einen zu teuer war, jo fauften e8 mehrere gemeinjchaftlih. Ebenſo
häufig nahm aber der Bauer dieje Schriften auch aus der Stadt mit
nah Haufe. Waren fie dann im Korbe unter eingefauften Hausbal-
tungsgegenftänden over Gartenerzeugniffen, welche feinen Abnehmer ge-
funden hatten, zum beimatlichen Dorf gewanvert, jo traten fie ihren
Gang durch diefes an. Mit beſonderer Vorliebe benutzte die lutheriſch
werdende Bauernjchaft die Wirtsjtuben, um fich das Neuejte vorzulejen
und über das Gelejene zu verhandeln. Als die öffentliche Verbreitung
gefährlich wurde, flüchtete ſich dieje Yitteratur auf einen unverfünglichen
Boden. So brachten ver Kalender, die „Praftita“, auf ihren fetten Blaͤt⸗
tern die großen Fragen der Zeit in Proſa oder gutgemeinten Reimen zur
Beſprechung, die man hier bei der herkömmlichen Inhaltsloſigkeit der
Wetterbüchlein nicht erwartete. Da der Bürgersmann und der Bauer
der ſchweren Kunſt des Leſens nicht immer oder vielleicht in den jelten-
ften Fällen mächtig war, jo ergänzten ihn, wie den Dann des Mlittel-
alters, fahrende Yeute, die vom Vortrage fremder und eigener Werfe
lebten und die eben in jenen Jahren, von der reformatorischen Bewegung
erfaßt, als Vorlejer der Streitjchriften von Yandjchaft zu Yandjchaft zogen
und das neue Yicht in die fern entlegenjten ſtillen Wald- und Gebirgs-
dörfer trugen. Dieſe Sendboten im zerjchliffenen Wams beveuten an
mancher Stelle des Vaterlandes mehr, als der Magifter, der jein Wiſſen
auf einer hohen Schule geholt hatte und nun vor feiner ländlichen Ge—
meinde das fehlichte Wort nicht fand, das fie erwartete,
So wurde denn die Flugjchrift und das Gefprächbüchlein (Dialog)
ein treuer Mithelfer Yuthers und feiner Anhänger.
Die Zahl der volfstümlichen Flugjchriften aus der Reformationszeit
ijt jehr bedeutend, aber heutzutage faum mehr feitzuftellen. Viele find
ebenjo jehnell wieder verſchwunden, als fie aufgetaucht waren, die einen
durch die jpätern Kriege vernichtet, andere von Geiftlichen verbrannt,
wieder andere von der Polizei unterdrüdt, viele auch jonjt zu Grunde
gegangen oder verwahrloft. Denn das BVolf verbraucht die Bücher,
welche es fich fauft, es bat kaum Plaß für deren Aufbewahrung; der
Gelehrte hingegen behütet jeine Bücher jorgfültiger. Im vorliegenden
Falle aber jchrieb man eben nur für das Volk. Sodann dachte ſonſt
niemand daran, das, was von Diejer anjcheinenden Kintagslitteratur in
Kapitel.) Teilweije politifcher Charakter der Flugichriftenlitteratur. 437
jeinen Kreis gefallen war, zu jammeln; das Titterariiche Interejfe war
bis zum Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht ſtark genug oder zu
einfeitig, um folchen Erjcheinungen bei ihrem befcheidenen Äußern irgend—
welhe Aufmerkſamkeit jchenfen zu können. Was alfo von ihnen erhal:
ten it, das hat mit wenigen Ausnahmen, wenn nicht ein berühmter
Name dahinter ftedte, der Zufall, ein Aktenheft, der verjtedte Winkel
einer Bibliothek, ein planlos zujammengeftellter Sammelband, wie man
fie damals Tiebte, oder ein fiir nichts geachteter Einband gerettet. Allen
diefen Tagesjchriften gemeinfam ift die Anonymität des Berfaffers und
Verleger. So treten fie mit dem Reiz des Geheimmisvollen, mit dem
Schein einer doppelten Autorität vor den damaligen Yejer und machen
einen um jo größern Eindrud. Nur einmal heißt es im „Karſthans“
(wahrjcbeinlich zu Anfang 1521 von Ulrich von Hutten gejchrieben), Karit-
bans jolle beim Buchdrucker Srüninger in Straßburg deſſen beide Büch—
lein „Yom Bapftthumb‘ und „Nin chriftliche und brüderliche ermanung“
faufen und lejen. Aus den verdienftwollen Arbeiten von Karl Hagen,
8. David Strauß und Oskar Schade u. a. weiß man, daß die hervor:
ragenditen und ebelften Geifter ver Nation vor allem auf dieſem Gebiete
tbätig waren und fich zum Theil hier ihre erjten litterariſchen Sporen
verdient haben.
Troß alledem find aber noch jo viele jener Flugſchriften auf die
Gegenwart gekommen, daR fie eine der wichtigften Quellen zur Kenntnis
ver Volfaftimmung und des innern Ganges der Bewegung bilden. Sie
weiten ven Reflex der Ereigniffe im Gemüt und Bewußtjein des Volfes
nah, begleiten jedes nene Ereignis mit ihren Kommentaren und lehren
vor allem ven Charakter der Reformation viel tiefer und höher, denn ale
einen nur theologifch-vogmatischen Kampf gegen die alte Kirche auffaffen.
Es handelt ſich nämlich von Anfang an für das Volk nicht nur um die
Abſchüttelung des römischen Jochs, fondern auch um die Befreiung von
weltfichen Yaften, um die Beſeitigung des weltlichen rohen Druds und
einer in gejeßliche Formen gebrachten Ausſaugung durch heimifche Herren
und Machthaber. In vielen dieſer Schriften gingen die leßtern Beſchwerden
jelbit den gegen Rom gerichteten voran; für alle aber war das Papſttum
der Inbegriff jeder Art von Gewalt und Niedertradht. So iſt e8 denn
ziemlich auch derſelbe Grundgedanke, welcher in der Tageslitteratur der
Reformationgzeit von immer neuen Gefichtspunften aus behandelt wird.
438 Johann Herrgott als Typus der revolutionären Buchführer, [Siebentes
Bei der Würdigung diefer Erfcheinungen hat die Gejchichte des Buch—
handels ein doppeltes Interejje. Einmal weckt dieſe allgemeine Verbrei-
tung von Flugjchriften die Luft am Yejen und verſtärkt damit die natür-
liche Grundlage für die Entwidelung und Kräftigung des Buchhandels,
dann aber bereitet die faſt vegelmäßige Mitbefprechung und Erklärung
der Zeitereigniffe den Boden für die politiichen Flugblätter, „die newen
Zeitungen‘ vor, im welchen bei verringerten geiftigen Interejfen wenig—
ſtens die Neugier der Peer ihre Befriedigung fand. Das Flugblatt des
Reformationszeitalters ijt eben die Mutter dev neuen Zeitung, dev Zei-
tung überhaupt.
Johann Herrgott und feine Fran Kunigunde find bie echten Typen
wanbernder Buchdruder und Buchführer aus der Mitte der Reforma—
tionszeit, eifrig und betriebfam, wo fie eine qutziehende Schrift druden
oder nachdruden und vertreiben fonnten, einander ergänzend, indem bie
Frau das Gejchäft zu Haufe bejorgte, wenn ver Mann auf Meſſen und
Jahrmärkte, oder auf Agitationsreifen in die Weite wanderte. Sie hatten
zur Zeit, als fie zuerft genannt werden, manche, vielleicht viele von
Yuthers Schriften nachgebrudt und vertrieben — darunter auch wenigitens
zweimal das Neue Tejtament und zwar in Partnerjchaft mit einem au—
bern Eleinen Buchführer, Michael Kuder von Wiejenfteig bei Ulm —,
weshalb der Reformator auf das „Herrgettlein‘ auch gar nicht gut zu
jprechen war, Später waren fie auf die rabifale Seite getreten, wie
dies der Drud Thomas Münzericher Schriften (1524) und die längere
Anwejenheit Herrgotts in Rothenburg, einem der Dauptjike dev „Self:
tirer“ und der Bauernbewegung, beweijen. Er arbeitete hier und ander:
wärts für die Ausbreitung der extremſten Richtung, der jozialen Revo:
fution. Im Jahre 1526 taucht er plößlih in Sacfen auf und ver-
breitet dort eine Slugichrift von 18 Seiten in Hein Oktav, welche ohne
Angabe des Drudorts, der Jahreszahl, des Berfaffers und Berlegers
den Titel führt: „Von der newen wandlung ches Chriftlichen Lebens‘.
A. Kirchhoff Hat fie im leipziger Stadtarchiv gefunden und auch ver-
öffentlicht. Der Umjchlag, in welchem fie lange im Archiv eingejchlagen
gelegen hatte, trägt die Aufichrift: „Hans Hergots von Nurmberg vff-
ruriſch buchlein, vmb welchs willen er mit dem Schwerte alhir gericht.
Montag nah Cantate (20. Mai) Anno Dom. 1527.” Diefe Bemer:
fung kann allerdings ſoviel heißen, daß Herrgott auch dev Verfaffer des
Kapitel.) Johann Herrgotts tragiiches Geſchick. 439
Schriftchens geweſen jei — der zeitgenöffiiche Petrus Sylvius fcheint ihn
auch dafür zu haften —, muß es aber nicht unbedingt bedeuten, zumal,
joviel jonft befannt, Herrgott fi nur mit dem DBertrieb der von ihm
gedruckten Bücher abgab und das vorliegende Schriftchen, um jene Be—
merfung zu vechtfertigen, nur in jeinem Beige gefunden zu jein braucht.
Jedenfalls wurde e8 von ihm, und in Yeipzig von einigen Studenten,
verfauft. Yebtere Thatjache it bezeichnend für die Ausdehnung und Ein-
träglichkeit des Hauſiergeſchäfts, fie zeigt, welche Hilfstruppen dem wan—
dernden Buchführer zur Verfügung ſtanden. Yange Zeit bat fich durch
die einichlägige Yitteratur die Sage fortgejchleppt: Herzog Georg der
Bärtige von Sachjen, ein ebenjo erbitterter Feind Yuthers als der auf-
ftändischen Bauern, habe Johann Herrgott im Jahre 1524 feiner reli—
gisjen Überzeugungen halber hinrichten laſſen. Dieſe Annahme ift ſchon
um deswillen hinfällig, weil die Herrgottſche Flugſchrift gar nicht gegen
den Papſt, „unjern heiligen Vater‘, gerichtet ift, fich vielmehr gegen
alle Sekten, aljo auch gegen die Reformation wendet. Seit den Kirch-
bofficben Forſchungen und dem durch fie befannt gewordenen Inhalt des
Büchleins fteht vielmehr feſt, daß Herrgott den Tod wegen jeiner jozial-
agrariichen Propaganda erlitt. Akten über den Prozek find nicht mehr
vorhanden. Nur einige kurze Notizen werfen ein büfteres Yicht auf den
Fall. Einmal nämlich findet fih auf Blatt 127 ver leipziger Stadt:
faffenrechnung von 1527 die Ausgabe verzeichnet, welche die Überfüh-
rung der die Flugſchrift vertreibenden beiden Studenten von Yeipzig nach
Tresden und zurüd verurjacht hatte. Dann wurde dem Ratszimmer:
meifter in der Woche nach Gantate der Lohn für zwei Hilfsarbeiter an
einem Tage ausgezahlt, was auf das Auffchlagen des Schafotts hin—
deutet, endlich aber heißt es ganz pofitiv auf Blatt 114 der bereits er-
wähnten Stadtkaffenrechnung: „Sabbato post Cantate. Vom Hergot
zu begraben dem Todengräber 6 gr.“ Koftbar war, wie man fieht,
das Degräbnis nicht. Fünfundſiebzig Pfennige! ſoviel wie etwa heute
drei Mark! Die beiden Studenten aber famen mit leichter Strafe davon.
Die Prädifanten, die Dritten im Bunde mit den Nachdruckern
und Buchführern, erlangten dadurch eine jo hohe Beveutung für den
Buchhandel, daß fie mittel8 des gejprochenen Wortes den Bildungstrieb
in die Maffen trugen, fie geiftig hoben, aljo auch das Bedürfnis nach
Büchern wedten. Während aber die Buchführer nur gejchäftlich mit
440 Die Prädifanten und ihr Auftreten. [Siebentes
dem Wolfe verfehrten und mit dem Vertrieb ihrer Ware möglichjt leicht
und jchnell Geld zu gewinnen juchten, machten die Prädikanten dagegen
fediglich geiftige Propaganda für ihre Überzeugung und juchten durch die
Berteilung von Flugſchriften, wenn fie überhaupt welche bei fich führten,
neue Anhänger für ihre Anfichten zu gewinnen. So wenig font auch
Buchführer und Prädifanten geiftig miteinander gemein hatten, jo traf
die Thätigkeit diejes leichten Fußvolks der Reformation doch in dem
einen Punkte zuſammen, daß fie die im Dienjte der neuen Ideen jtehende
Yitteratur mächtig fürderten und Hunverttaufende für die neuen An—
ſchauungen gewannen.
Die Prädikanten nun waren teils ehemalige Priefter, teils Yaten und
beuchelten oft noch jogar eine gewiffe Unbildung, um ihres Eindrucks
auf die Maffen deſto ficherer zu jein. Sie juchten, das Yand durch—
ziehend, durch ihre Predigten die Gemüter für die neue Lehre zu ent-
flammen und wußten ſehr geſchickt die Saiten anzujchlagen, welche bei
ihren Zuhörern begeifterten Anklang fanden. In der Kegel hielten jie
fich nicht zu lange an einem Orte auf, prebigten dort, bis fie für ihre
Auffaffung des Evangeliums Boden gewonnen zu haben glaubten, oder
bis fie durch Gewalt vertrieben wurden. Nach dem Zeugniſſe der Zeit:
genoffen jind fie von unermeßlichem Einfluß auf das Volk gewejen, da
jie, jelbit aus ihm hervorgegangen, jeine Bepürfniffe, Beſchwerden und
Yaten genau fannten und feine Yeidenjchaften anzuftacheln wußten. Weil
fie zudem nirgends lange blieben, zeigten fie ſich überall in ihren glän—
zendſten Gigenfchaften. Das Ungewohnte, Neue und Geheimnisvolle,
welches dieſe Männer umgab, konnte nicht werfehlen, einen tiefen Ein—
vrud auf die Maſſen hervorzubringen. Natürlich gab es unter dieſen
Prädikanten edle und gemeine Charaktere, einerjeits Männer von idealer
Yebensauffaffung und jchwärmerifcher Begeifterung, welche ihre ganze
Perjönlichkeit freudig für ihre Sache einfeßten, wie namentlich die erjten
jogenannten Wiedertäufer, und anvdererfeits niedrige Demagogen, die in
ihrer bisherigen Yebensftellung Schiffbruch gelitten Hatten, oder jelbjt-
jüchtig im Trüben Vorteile für fich evjtrebten. Dem Einen waren fie
Engel, dem Anvern Teufel. Der Erfurter Mechler erblickt in ihnen die
wichtigjte Stüße des Evangeliums, der katholiſch gebliebene Priejter
Ufingen dagegen will alle Prädikanten als Falſchmünzer verbrannt wiffen;
und dabei war er einer der Gemäßigtften. Zu den geiftig bebeutendften
Kapitel.) Balthajar Hubmayher. 441
und wirfjamften unter dieſen Männern gehören unter andern die be-
geifterten Anhänger Yuthers, wie die beiden großen Volfsprediger Eber—
lin von Günzburg und Heinrich von Kettenbach, Jakob Strauß aus
Bajel, Urbanus Rhegius, Paul von Spretten und Diebold Schuſter,
ernite, für ihre Suche begeifterte Männer, die jpäter als Iutherijche Geift-
liche in angejehenen Stellungen über ganz Deutjchland zerjtreut wirkten.
An geiftiger Bedeutung ftanden übrigens die Präpifanten der lutherifchen
Oppofition, ein 3. Dend und Thomas Münzer, bedeutend über ihnen.
Während die Vertreter des Alten fih den Weg zu den Gemütern
des Volks verjperrten, weil fie nur lateinifch jchrieben und jchlecht deutſch
iprachen, bejaßen die Präpifanten alle die Eigenfchaften, welche zu einem
guten Volksredner erforderlich find: Vertrautheit mit ihrem Stoff, wirf-
liche oder zur Schau getragene Begeifterung für die Süche, eine energifche,
mit jich fortreißende Sprache und daneben jene volksmäßige Derbheit und
meiftens auch jenen gefunden Mutterwit, welche, wenn auch Gründe
nicht einjchlagen jollten, niemals die gewünjchte Wirkung verfehlen.
Dieſe Präpifanten tauchen meteorartig auf, verjchwinden fo jehnell
wieder, als fie fommen, oder fallen auch in die Hände ihrer Gegner und
finden bier ein unglücliches Ende. Namentlich trifft diefes Schickſal die
Anhänger der ertremen Parteien, welche mit dem Banernfriege handelnd
in die Politif eintreten und auch noch ein Jahrzehnt nach deſſen Nieder:
werfung zerjtrent im ganzen Reiche heimlich und öffentlich wühlen.
Als eines der bedeutendſten, aber auch unglüclichjten diefer Wander:
prediger ſei hier des Balthafar Hubmayer aus Friedberg bei Augsburg ge-
dacht. Er wurde wahrfcheinfich in den achtziger Jahren des 15. Jahrhun—
verts geboren, am 1. Mai 1503 in Freiburg immatrifuliert und war ein
Zeitgenoffe Johann Eds, als deſſen Nachfolger er Vorſtand der Burfe „Zum
Pfau’ auf der genannten Univerfität wurde. Hubmayer nahm energijch
für Ed Partei bei dejfen Streit mit der Fakultät, ſchloß fich ſpäter der
neuen Yehre an und trat entjchieven auf die Seite Münzers, als diefer
im Herbſt 1524 den Stlettgau und Hegau für feine Pläne zu gewinnen
juchte. Hubmayer wirkte damals in Waldshut an der jchiveizer Grenze
und übte einen gewaltigen Einfluß auf feinen engern Kreis und die ganze
benachbarte Schweiz aus. Er gilt vielfach als der Berfaffer der zwölf
Artifel der Bauern, eine Annahme, zu welcher jein politifcher Radikalis—
mus wohl berechtigt; der Chronift Andreas Lettſch nennt ihn jogar den
442 Balthafar Hubmayer und fein Ende, [Siebentes
Anfänger und Aufwiegler des ganzen bünerifchen Kriegs. Religiös ftand
Hubmayer ganz auf dem damaligen Standpunft der Wiedertäufer und
von ihm aus predigte er mit ſtarken fommuniftischen Zuthaten die Hand—
habung des Evangeliums und des göttlichen Rechts. Nach der „Nieder:
werfung“ des Bauernaufjtandes wandte ſich Hubmayer zu Anfang des
Jahres 1526 nah Mähren und ließ fich in Nitolsburg nieber, wo er
unter dem Schute des Eigentümers ber Herrichaft, Leonhard von Yichten-
ftein, anfänglich unbehelligt lebte und lehrte. Er hatte eine Druderei
aus der Schweiz her mitgebracht, welche dev aus Zürich gefommene
Buchoruder Frojchauer leitete und in der währen ver zwei Jahre ihres
Beitehens zahlreiche Schriften der „Brüder“ in beutjcher Sprache ge:
prudt wurden. Die größte verjelben erichien 1526 unter dem Titel:
„Ein Gejpräch Balthajar Hubmör’s von Friedberg, Doktors, auf Meijter
Ulrich Zwinglens zu Zürich Taufbüchlen von dere Kinvdertauf. Die Wahr—
beit iſt untödtlich. Erd, Erd, Erd höre das Wort des Herrens‘ (9 Bo:
gen in Quart). Hubmayer gewann eine große Zahl Anhänger, welche
den König Ferdinand um jo mehr beunruhigten, als jie zu Gewalt:
thätigfeiten übergingen, Heiligenbilver verbrannten, Sakramentshäuſer
und Altäre niederriffen und die Priefter verjpotteten ober gar verfolgten.
Der König trat daher mit jeiner ganzen Macht dagegen auf. „Welcher
oder welche‘, heißt es in feinem Mandat vom 20. Auguſt 1527, „die
Gottheit oder Menjchheit Chrifti, oder auch vesjelbigen Geburt, Yeiden,
Auferftehung, Himmelfahrt und vergleichen Artikeln mit frewentlichen
Reden und Predigten antaften over verachten, die jollen ohn Gnad mit
dem Teuer geftraft werden.” Da Hubmaher feine Yehren nicht wider—
rief, ſogar verteidigte, jo forderte und erlangte Ferdinand vom Herrn
von Yichtenftein feine Auslieferung. Der Keger ward nach Wien ge-
bracht und zuerjt hier, dann in dem nahen Greifenftein gefangen ge
halten. Die Theologen der wiener Univerfität, welche unter dem Bijchof
der Stadt als „Inquisitores haereticae depravitatis“ ein eigenes Ge—
richt bildeten, fuchten ihm bei wiederholten Bejuchen vergebens zum Wider—
ruf zu bewegen. So warb Hubmaher denn nach Wien zurüdgebradt, in
das Schanzenhaus gejett, dajelbft unter Anwendung der Folter exami—
niert und am 10. März 1528 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die
zeitgenöſſiſchen Quellen erzählen mit großem Behagen von feinem jchweren
Gange und geben die kleinſten Einzelheiten über jein Ende,
Kapitel] Hubmayers Ende. Wandelung bei Luther. 443
In Scharen begleitete ihn „das gemeine Volk“ auf feinem Tovesgange.
Dagegen waren „das ehrjame Volk“, die Bürger, jeine Gegner und hatten
jih bewaffnet; auch bewaffnete Söloner jtanden in Bereitjchaft. Nachdem
ihm die Kleider ausgezogen und Hände und Füße gebunden waren, rieb
ihm der Scharfrichter Bart und Haare mit Schwefel. Als diefe brann-
ten, rief Hubmaher: „Jeſus, Jeſus!“ Der Rauch erjtickte feine Stimme.?!
Sein Tod aber machte einen derartig überwältigenden Eindrud, daß die
weltlichen und geiftlichen Behörden fich gezwungen jahen, ihr Verfahren
zu rechtfertigen. Selbſt feine Gattin, ein fühnes, ftarfes Weib, das
ihren Gatten zum männlichen Ausharren ermahnte, ward nicht verjchont
und drei Tage ſpäter mit einem Stein am Halje in die Donau geftürzt.
Die Buchoruderei in Nikolsburg aber, die eine jo wichtige Rolle in
dieſem düſtern Drama fpielt, gab nunmehr fein Ärgernis mehr, da bie
Wiedertäufer aus ganz Mähren und Öfterreich vertrieben wurden. Zwei
andere Geſinnungsgenoſſen Hubmayers teilten gleich darauf in Wien
ſein Los.
Die Schilderung des Endes Hubmahers hat übrigens ſchon über vie
Grenzen der bier in Betracht fommenven Zeit hinausgeführt, da ver
große Bauernfrieg den Wendepunkt in der Gejchichte der Reformation
bildet. Hatte bis dahin troß fürftlicher und päpftlicher offener Angriffe
und heimficher Gegenarbeit ihr Siegeslauf nicht unterbrochen werden
fünnen, jo war mit der blutig-graufamen Unterbrüdung des Aufftandes
der Bauern der gewaltigen lutheriichen Bewegung als einer national
firchlichen der Lebensnerv durchichnitten. Die Jahre des ungeſtümen
Stürmens und Drängens von 1517 bis 1521, die Zeiten des freubigen
Schaffens und Aufbauens von 1521 bis 1525, in welchen fich wie im
Anfang jeder großen weltgefchichtlichen Epoche der Geift und das ideale
Ziel am reinjten und deutlichiten aussprechen, traten fortan ſelbſt in der
Erinnerung der Mithandelnden zurüd. Yuther war durch die Revolu—
tion über Nacht ein anderer geworben und trat in bewußten Gegenjat
zu jeinen ftürmifchern Anhängern. Er rief die Polizei zu Hilfe, um den In-
dividualismus der veligiöjen Empfindung in feſte Ordnungen zu zwängen,
und juchte mit Hilfe der Yandesfürften, die auch gern Kleine Päpſte wer-
den wollten, fein kirchliches Werf unter Dach zu bringen. Durch diejes
despotiſche Verfahren wurde allerdings das, was von feiner Lehre
noch übrigblieb, vom Zerfall gerettet; allein die theologiichen QTüfteleien
444 Die deutjche Volksſchule. Ickelſamer. [Siebentes
und Dogmatifchen Streitigfeiten vermochten niemand mehr zu erwärmen
und liefen die Maffen kalt, während ſich das Volk dem fürftlichen
Kirchenregiment mit paſſivem Gehorſam fügte Nach der Niederlage
verfiegen auch die Quellen der Begeifterung, des Wites, der Yaune und
Satire; in der Gefangenjchaft ſingt man nicht. Die Volksſchriften—
litteratur erlischt deshalb auch nach dem Bauernfriege, die Polemik der
Gegner aber wird einfeitiger, perjönlicher, gereizter und zulett auch bei
täglich zunehmender Inhaltloſigkeit ziemlich gleichgültig.
Der Geiſt dev Bewegung war aber doch von Anfang an eim zu ge-
waltiger, als daß er in lahme Klopffechterei der Theologen hätte ver-
laufen können. Cine religiöje oder politifche Richtung kann und muß
jich allerdings erfchöpfen, und das vielleicht um jo eher, je jtürmijcher
fie anfangs aufgetreten tft; allein eine große fittliche und geiſtige Um—
wälzung, welche, wie die Reformation, das ganze Volf ergreift und durch—
zittert, durchdringt auf Jahrhunderte hinaus mit veinigender und neu-
belebender Kraft alle Klaffen der Benöfferung, alle Gebiete des wirt-
ichaftlichen und öffentlichen, des fittlichen und geistigen Lebens.
Das beveutendjte diefer Gebiete ift die Erziehung und der Unter—
richt. Die deutſche Volksfchule zumächit ift das Kind der Reformation
und bewegt ſich ein volles Bierteljahrtaufend in den von dieſer vor:
gezeichneten Bahnen. An ihrer Wiege ftand ein geiftig hervorragender
Gelehrter, Valentin Ickelſamer aus der Nähe von Rothenburg a. T.,
deſſen Geburts: und Sterbejahr völlig vergeffen find. Er hat die erite
deutjche Grammatik nicht etwa geiftlos den Lateinischen Schulbüchern
jener Zeit nachgebilvet, ſondern auf Grundlage der lateinijchen frei auf
bauend, durch „Eine Teutſche Grammatica“ die Jugend zuerjt in ihrer
Mutterfprache methodisch leſen und venfen gelehrt. Er wollte durch fein
Buch, deſſen erſte Auflage um 1534 und deſſen dritte 1537 erjchien,
das Seine zur Förderung des Unterrichts im Deutfchen beitragen. ??
Ickelſamer war, wie er fih voll Selbftgefühl nannte, der erſte „teutjche
Schulmeiſter“ und jtand mitten in der geiltigen Bewegung jener Zeit.
Anfangs ein warmer Verehrer Luthers, ſchloß er fich eine Zeit lang
Karlſtadt an, wurde, da er fich in Rothenburg an der Bauernbewegung
beteiligt hatte, nach der Einnahme diejer Stadt aus ihr verbannt und
ging dann nach Augsburg, wo er von menem in ein perjönlich freynd
Schaftliches Verhältnis zu Yuther trat. Seine Grammatik ſowol, als jeine
Kapitel] Die Lehrmittel. Melandhthon, der Praeceptor Germaniae. 445
frühere Schrift „Die rechte weis auffs kürtziſt lefen zu lernen“ (1527
und 1534) waren für ihre Zeit vortreffliche Yeiftungen und fanden bald
jo zablreihe Nachbildungen und Nachahmungen, daß fie nicht lange im
Gebrauch blieben. Weiter über ganz Deutjchland verbreitet gewejen,
länger — Jahrhunderte hindurch — im Gebrauch und noch heute, gleich-
jam jprichwörtlich, befannt ift dagegen Adam Rieſe's Rechenbuch. Rieſe
war 1492 zu Staffelftein bei Yichtenfels in Franken geboren und ftarb
1559 ald Bergbeamter und Brivatlebrer zu Anmaberg in Sachſen. Sein
Buch erſchien zuerjt 1518, und in zweiter Auflage 1525, zu Erfurt. Beide
Dinner, Ickelſamer und Rieſe, find die Neubildner des erften Jugend—
unterricht3 und die Vertreter einer Richtung, welche ſich im Yaufe der
Jahre nicht allein über das proteftantijche, jondern auch über das fatho-
liche Deutjchland ausgebreitet bat. Zu den von ihnen gejchaffenen un-
entbehrlichen Yehrmitteln der Volksſchule fam nun noch im Yaufe des
16. Jahrhunderts der Katechismus, welcher die Glaubenslehre in fort-
laufenden Fragen und Antworten behandelt, und zwar für die Yuthe-
raner der Feine Yutherjche (1529), für die Reformierten der heidelberger
(1563) und für die Katholifen in erſter Yinie der „Catechismus par-
vus“ des Pater Caniſius (1563).
Diejelbe Aufgabe, welcher ſich Ickelſamer und Rieje für die Elemen—
tarihule gewidmet hatten, löſte Philipp Melanchtbon, ver Freund Yuthers,
ver Praeceptor Germaniae, für ven höhern Unterricht. Er veranlafte
und jchrieb jelber die maßgebenden Yehrbücher für lateiniſche Schulen und
Unwerfitäten: griechifche und lateinische Grammatif, Rhetorik und Dia-
lettit, Theologie, Ethik, Phyſik und Pſychologie, Yehrbücher, die fich länger
als zwei volle Jahrhunderte im Gebrauch erhalten haben. Er drang über-
all auf klares Syſtem und war ein ordnender, aber fein bahnbrechenver
Seift. Mean hat ihm mit Necht ven Vehrer Deutjchlands genannt, Die
großen wifjenjchaftlichen Fortfchritte um ihm her find von andern ge-
macht worden; dagegen hat das deutſche Schulwejen, wie es vom 16.
bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts bejtand, durch Melanchthons Hand
die entjcheidende Organijation erhalten und auch ven Jeſuiten zum Vor—
bild gedient. 2? Wittenberg wurde für das ganze lutheriſche Deutſchland
die Pflanzſchule der Nektoren und Yehrer, umd im Südweſten gewann
Straßburg eine Zeit lang diefelbe Bedentung für die Reformierten.
Unmifjenheit und Dünkel wähnen vielfach, dah es in „ven bar-
446 Entwidelungsgang der Stellung der Schule. [Siebentes
barijchen Zeiten des Mittelalters” feine Schulen gegeben babe, und redh-
nen deren Einrichtung überhaupt erft der Reformation als mwejentliches
Berdienft an. Diefem Irrtum fchlagen die Thatfachen überall ins Ge—
ſicht. Die Kirche errichtete wielmehr und förderte in ihrem eigenen Inter:
eſſe Unterrichtsanftalten aller Art, von den Glementar- (Pfarr- oder
KüfterJSchulen an bis hinauf zu den oft vortrefflichen Domſchulen und
Univerfitäten. Bereits im 13. Jahrhundert mußten die Küjterjchulen
nach einem bejtimmten Lehrplan die Jugend im Yejen und Schreiben
unterrichten; aus den lateinischen Schulen aber find die ältern, zum Teil
noch bejtehenden deutſchen Gymnaſien hervorgegangen, und die jpätern
Hochſchulen bilden in ihren wejentlichen Einrichtungen vielfach die Fort-
jegung der mittelalterlichen Univerfititen. Natürlich dienten jene Schu-
fen in erſter Linie Firchlichen Zweden. Das Kind mußte der Mutter
gehorchen und deren Einfluß auf das Volk verftärfen helfen, ein Ver—
hältnis, welches ſich um fo natürlicher entwicelte, als zu jener Zeit die
Kirche die einzige geiftige Meacht war, welcher man fich gern unterwarf.
Auch die proteftantifche Kirche behandelt die Schule als ein ihr von
Rechts wegen gehörendes Gebiet und jucht jelbjtredend in ihrem eigenen
Geiſte auf fie zu wirken. Sie tritt alfo in diefer Frage nicht in be-
wußten Gegenjat zum Katholizismus, fondern geht nur infofern über ihn
hinaus, als fie die Schule als Selbftzwed gelten läßt und durch fie dem
Schüler eine Mitgift fürs ganze Yeben gibt, während bie katholiſche
Kirche den Unterricht als bloße Beigabe zur Seeljorge anfieht und in
diefem Sinn den Schüler für ihren Zwed modelt. Der Proteftantis-
mus erweitert den Begriff der bisherigen begrenzten, firchlichen Schule
zur nationalen Volksſchule. Das ift der mächtige Unterſchied zwijchen
ven beiden Weltanſchauungen! Wie die lutheriſche Kirche fich der Staats-
gewalt unterorpnet, fo muß ihr auch die Schule folgen. Der Staat
veralfgemeinert im Laufe der Jahre den Unterricht und führt teilweife
jogar für das ganze Volt den Schulzwang ein. Die proteftantijche
Schule erhält eine von der Kirche mehr unabhängige und freiere Stel-
lung und wird nationale Bildungs: und Erziehungsanftalt. Ihre fatho-
liſche Schweiter hingegen bewegt fich nur innerhalb der von Rom ge:
zogenen Grenzen und begünftigt eine mehr fehablonenartige Bildung,
welche vielfach das individuelle Yeben verwiſcht. Der Katholizismus
ſtützt ſeine Herrjchbaft auf ein möglichit großes Yaientum, welches in
Kapitel.) Der deutiche Buchhandel ein Produft der geiftigen Bewegungen. 447
jeinem Denken und Thun von den Prieftern abhängig ift; der Pro-
teftantismus kennt eigentlich feine Paten und will jeden Menjchen zu
einem ſelbſt Denkenden erziehen. Dieje äußerlich oft verblaßten, aber
nie ganz vermwijchten Ziele laſſen fich überhaupt nicht ausrotten und be-
dingen auf protejtantifcher Seite die Maffenprobuftion der Bildungs-
mittel, namentlich der Bücher. Sie erweitert fich mit jedem Jahre mehr
ju einer reichern und umfaffendern Yitteratur. Die Pädagogik wird eine
Wiſſenſchaft und die Verbreitung der gelehrten Erziehung eine Art natio-
naler Gigentümlichkeit, welche durch mancherlei politifche Rückſchläge ſo—
gar noch gefördert wird.
Putber ift der Ausgangspunkt für alle dieſe Strömungen des geijti-
gen Lebens. Er bat zuerjt die Kräfte entfeffelt, in deren Wechjelwir-
hung das ABE-Buh von Ickelſamer ven berechtigten Anfang bildet.
Buchdruck und Buchhandel verdanken Luther ihren großartigen Auf-
Ihwung. Bis zur Zeit des Humanismus und der Neformation batte
allerdings ſchon in Deutichland ein bedeutender Bücher handel geblüht.
Aus diefen beiden mächtigen Bewegungen heraus entwidelte fich aber
ein für das Veben des beutjchen Volks und den Fortjchritt der ganzen
gebildeten Welt noch viel beveutenderer Faktor — der deutſche Buch—
handel.
Achtes Kapitel.
Die Frankfurter Meile.
Alter der Mefje. — Auftreten des Buchhandels. — Peter Schöffer und die Bajeler.
— Mittelpunft des deutfchen Buchhandels um 1500. — Teilnahme der Staliener
und Franzofen am Mefverfehr. — Die Reife zur Meſſe. — Leben umd Beben
auf derjelben. — Beſuch feitens der Gelehrten. — Geſchäftsverkehr auf der Meile.
— Der Meßkatalog. — Die VBiücherproduftion von 1564 bis 1765. — Die Wir
fungen des großen deutjchen Kriegs. — Überwuchern des Nachdruds. — Berfehtt:
heiten der Behörden. — Streben nach lokalem Privilegienihuß. — Übergewicht und
Überhebung des holländischen Buchhandels. — Verfall der deutichen Buchausſtattung
— Der niederländiihe Buchhandel in feinen Beziehungen zum Meßvertehr.
(Ehriftoph Plantin. Die Elſeviere.)
Frankfurt a. M. ift ſchon in alten Zeiten als einer der bedeutend
jten deutjchen Markt- und Meßplätze berühmt. Kaiſer Friedrich II. nimmt
e8 bereits 1240 unter jeinen mächtigen Schuß; jpätere Kaiſer, wie Lud—
wig von Bayern, Karl IV. und Ruprecht, verleihen der Stadt zu den
ihr früher eingeräumten VBorrechten neue und wertvolle Privilegien, und
jelbft die Päpfte Bonifacius IX. und Sirtus IV. erweifen den dortigen
Mefjen ihre Gunſt, ſodaß dieje gegen Ende des Mittelalters einen der
wichtigjten internationalen Märkte Europas bildeten.
Zwei Umftände wirkten zufammen, um diefe Bedeutung Frankfurt
für den damaligen Großhandel zu befeftigen und noch zu erhöhen. Ein—
mal war e8 die günftige Yage der Stadt. Ziemlich im Mlittelpunfte
der damaligen civilifierten Welt gelegen, ja faſt gleichweit von Yübed,
Wien, Venedig, Lyon, Paris, Antiverpen und Amfterdam entfernt, fmüpfte
Frankfurt in erſter Yinie mittels des Rheins, der im Mittelalter bedeu—
tendſten Waſſerſtraße des Kontinents, ebenjo leicht Verbindungen mit
Achtes Kapitel.) Franffurt a. M. ald Handelsplak. 449
Straßburg und Bajel und von da mit dem Süden an, als es über
Köln rege Beziehungen mit dem Norden, Norboften und Nordweſten
unterhielt. Daran ſchloß fich der lebhafte Verfehr mit dem Binnenlande,
namentlich den Hauptſitzen deutſchen Gewerbfleißes und faufmännifcher
Unternehmungen, wie Ulm, Augsburg und Nürnberg, welche teils zu
Waffer, teils zu Lande ihre Waren nach Frankfurt jchafften. Zu den
von der Natur gebotenen Borzügen Fam nun aber noch die NRührigfeit
der Bürger, welche für die Vergrößerung und gleichzeitige Sicherheit
ihres Handels feine Opfer jeheuten und bei ihren Bündniſſen mit den
Nachbarn für ven vollen Schuß der Meſſen zu forgen wußten.
Nach diefem natürlichen Bereinigungspunft zwifchen Nord- und Süd—
deutſchland ſandten nun jehon im 14. und 15. Jahrhundert Augsburg
jeine Zeuge, Ulm feine Yeinwand, Nürnberg jeine Kunfterzeugnifje, die
übrigen veutjchen und ſchweizer Städte aber Tuch, Teppiche, Gold-⸗ und
Silbergeräte, ſüße italienische Weine und Ole. Vom Rhein famen Wein
und Tuch, Handſchuhe und Hüte, die See- und Hanſeſtädte brachten
Fische und Pferde, Hopfen, Metall» und Rauchwaren, Böhmen bot jein
Glas, während Steiermark fein Eifen, Sachjen fein Silber und Zinn,
Thüringen Kupfer, Pech, Theer und Waid jchieften. Auch koftbare Manu—
jfripte, wie die für den firchlichen Dienjt und die Andacht beſtimmten
Mepbücher und Breviarien, und weniger gut ausgejtattete, aber gelehrte
Yitteratur haben hier ſchon früher einen lohnenven Markt gefunden. Wenn
bereits zu Anfang des 15. Jahrhunderts Kaufleute aus dem Welten und
Norden Europas derartige Werfe in Bafel, Augsburg oder Nördlingen
fauften, jo liegt der Schluß nahe, daß eine jo reich beſchickte Meffe in
einer jo funftfinnigen Stadt wie Frankfurt auch auf litterariſchem Ge:
biet ähnliche, wenn nicht größere Schäte bot. Bon Gerhard Groote
(1340 bis 1384), dem Begründer der Brüpderjchaft vom gemeinjanten
Yeben, wird ſogar ausdrüdlich erwähnt, daß er vorzugsweife jeine Bücher
in Frankfurt gekauft habe, !
Während in der Folge die übrigen Binnenftädte faſt ausnahmslos
durch die Auffindung des Seewegs nach Indien und die Entdeckung
Amerikas verloren, zog Frankfurt aus beiden Greigniffen noch Gewinn,
weil fie ven Welthandel nach dem Weſten Europas lenften und nament—
(ich gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts Antwerpen in immer leb—
baftere und gewinnreichere Beziehungen zu der Freien Neichs- und Krö—
app. I. 29
450 Die Anfänge der franffurter Büchermeſſe. Achtes
nungsſtadt am Main brachten. Schon die Schriftſteller des Mittel—
alters erſchöpfen ſich im Lobe ihrer Meſſen. Einer nennt ſie das Haupt
aller Jahrmärkte auf Erden, der andere den kleinen Inbegriff der Welt,
der dritte das Kaufhaus der Deutſchen, der vierte den berühmteſten
Markt Europas.
Dieſem blühenden Verkehr führte die nach der Einnahme von Mainz,
alſo ſeit 1462 ſich ausbreitende Buchdruckerkunſt gegen den Anfang des
letzten Drittels des 15. Jahrhunderts einen neuen einträglichen und den
für die Geſittung der Welt bedeutendſten Meßartikel zu. Es war der
Buchhandel mit ſeinen Erzeugniſſen, nicht nur von Deutſchland und den
angrenzenden Ländern, ſondern auch von Italien, Frankreich, England
und Spanien.
Man hat bisher in Ermangelung quellenmäßiger Nachweiſe faſt all—
gemein angenommen, daß die erſten Bücherumſchläge auf der frankfurter
Meſſe etwa um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts begonnen
haben fünnten; indeſſen fteht nach den inzwijchen aufgefundenen Akten
fejt, daß fie jedenfalls jebon in den jechziger Jahren des 15. Jahrhun—
derts ftattgefunden haben. Das ergibt fich Mar aus der jchon im zwei—
ten Kapitel erwähnten Interzejfion des franffurter Nats vom 3. Juni
1469 für Fuſt und Schöffer bei dem Magiftrat von Lübeck. Die be:
treffende Schulpforderung fonnte nicht vor 1462 entſtanden jein, da die
achtumdvierzigzeilige Bibel erit am 14. Auguft 1462 vollendet wurde,
auch nicht nach 1466, da Fuſt in diefem Jahre ftarb und Schöffer erit
von 1467 an das Gejchäft für fich allein weiter führte. Man kann
aljo mit einigem Recht jagen, daß bereits die erjten Buchoruder, welche
ihre Kunſt geſchäftsmäßig ausbeuteten, daß Fuft und Schöffer die große
franffurter Meſſe zugleich zur Buchhändlermeſſe prüpeftinierten. Die
aus der Ferne herzuſtrömenden Stauflente, wie jene bier in Betracht
fommenden liübeder, konnten wohl in Frankfurt in die neuen Buchläden
fommen, wirden aber jchwerlich den Lmmeg über Mainz zum Verleger
gemacht haben, um einige verhältnismäßig unbedeutende Artifel einzu-
faufen. „Früher over jpäter hätten allerdings die Erzeugniffe der neuen
Kunft wohl den alten bewährten Markt aufjuchen müffen; aber fraglich
fann e8 dennoch jein, ob Fuſt und Schöffer ihr Samentorn im vollen
Bewußtjein der jpätern Tragweite ihres Vorgehens ausftreuten. Denn
befannt iſt ja, daß beide, obſchon fie es mit beiden Parteien gehalten
Kapitel.) ruft und Schöffer gleichſam Begründer derjelben. 451
hatten, ebenjo wie die andern Druder Ende 1462 von dem fiegreichen
Adolf von Naſſau aus Mainz gemwiefen wurden und fich ihrerjeits nach
Frankfurt wandten. Erft 1465 brachten fie wieder neue größere Verlags-
artifel. Zunächit geborchten fie alfo vielleicht nur dem Gebote des Zwanges
wenn jie, wie in Paris, jo auch in Frankfurt ihr buchhändleriiches Ge:
jebäft fortzubetreiben und bier mittels der Meſſen möglichit auszudehnen
juchten. Dadurch aber hat jene mainzer Kataftrophe, wie zur Ausbrei-
tung der Buchdruckerkunſt im allgemeinen, jo auch jpeziell zur Entwicke—
(ung des eigentlichen Buchhandels unbeabfichtigt mitgewirkt.
Es war eim glüdlicher Zufall, daß die Wiege der neuen Erfindung
jo nahe bei einem ver bejuchteften Mittelpunkte des europäiſchen Han—
dels jtand. Jeder andere große deutſche Meßplatz, wie z. B. Straf-
burg, Bajel umd Augsburg, hätte den Erzeugniffen der Buchoruderkunft
ebenſo gut ald Vermittler dienen können. Paris, der bisherige beveutenpfte
Sit des Handſchriftenhandels, nahm erit 1470 deutſche Druder in jeine
Mauern auf; jeine damaligen litterarijchen Bedürfniſſe aber fonnten
ganz gut von einer Filiale, wie Fuſt fie dort errichtet hatte, befriedigt
werben. Zufall und Notwendigkeit alfo führten gleich den erjten und
Dabei unternehmenven Verleger, Fuſt, nach Frankfurt, welches auch ven
neuen Handelszweig zu ſchützen umd für jeine Meffen feitzubalten wußte.
Es war eine ebenjo natürliche Folge diejer Verhältniffe, daR die über
ganz Europa fich zerjtreuenden deutſchen Jünger Gutenbergs, namentlich
aber die, welche in ven rheinijchen Städten und in den benachbarten
Yandichaften ihre Druckereien gleich von Anfang an auf großem Fuße
einrichteten, dem von Fuſt gegebenen Anftoke folgten und gleichfalls in
Frankfurt Käufer für ihre Bücher juchten. Die aus allen Weltgegen-
ven zu den Meſſen zujammenftrömenven Kaufleute und neuerſtehenden
Bucführer konnten hier aber bequemer und leichter kaufen, weil fie mit
jedem Jahre eine größere und mannigfaltigere Auswahl von Büchern
verfanden und ebenjo günftige, als fichere Zahlungsbedingungen hatten.
Zudem fonnte das, was auf der einen Meſſe gerade nicht vorrätig war,
auf der mächiten leicht genug geliefert, alſo auch jeve feite Beftellung
übernommen werden.
Bon Peter Schöffer werden im Jahre 1480 wieder zwei Forderungen
gegen Fübeder erwähnt, eine nämlich gegen Friedrich Pfennighudel und
Dietrib von der Beeke, welche ihm Waren und Briefe vorenthielten,
29*
452 fremde Buchhändler auf der Meſſe jeit 1478. Achtes
die ihm von ſeinem Geſchäftsführer Gotman Ravensburg aus Schweden
nach Lübeck geſchickt ſeien, und eine andere gegen die Erben des in Lübeck
verſtorbenen Hans Blitz. Auch in dieſem Falle trat der frankfurter Rat
in einem Schutzbriefe vom 1. April 1480 (ſ. Anhang Nr. III) energiſch
für Peter Schäffer, der allerdings im Jahre 1479 Bürger von Frank—
furt a. M. geworden war, und deſſen Partner Konrad Henfis ein. Wenn
auch über die Natur der Waren nichts gejagt wird, jo fünnen es kaum
andere als Bücher gewejen fein, da über eine Beteiligung der Firma
am jonjtigen Warenhandel nichts befannt ift. Auch über ven Ausgang
der Sache ſchweigen die Akten. Schöffer betrieb jevenfalls ſein Gejchäft
in Frankfurt, wenn er auch jeine Druderei in Mainz beibehielt. Wel—
hen Grund hätte er wohl font gehabt, fich unter die Bürger ver Mer:
ſtadt aufnehmen zu laffen, wenn ihm nicht wichtige Gejchäftsinterejjen
bejtimmt hätten? Dafür, daß er während ver Meßzeit ftets dort an-
weiend war, jpricht noch eine andere gelegentlich angeführte Thatjache,
wonach er 1485 einen ſäumigen Schuloner mahnt, ihm auf der nächjten
frankfurter Meſſe jein Guthaben zu zahlen.
Nach ven älteften, urkundlich beglaubigten Angaben waren, joweit
jegt befannt, von andern deutſchen Drudern die beiden Bajeler Johann
Amerbach und Michael Wenszler 1478 die erften weitern fremden Ber:
(eger, welche die franffurter Meſſe bejuchten. 3. J. Amiet hat dieſe
Thatjache in den bafeler Gerichtöprotofollen aus den Jahren 1469 bis
1483 entdedt. Derartige Aufzeichnungen finden ſich leiver überhaupt nur
gelegentlich; man hielt es offenbar für faum der Mühe wert, vergleichen
ansprüdlich zu erwähnen. Johann Amerbach bejuchte in der Folge die
franffurter Meſſe fogar ziemlich regelmäßig. Am 10. März 1480 oder
30. März 1481 (im Original nicht far, ob 6 post Oculi 1480 oder
1481 gemeint ift) Ind ihn unter anderm ver ſtraßburger Buchhändler
Adolf Rufch ein, er möge doch auf dem Wege dahin bei ihm wohnen. ?
Auch die bereits im erjten Kapitel erwähnten Bücher, welche Rudolf
Agricola am 27. März 1485 bei dem in Frankfurt ſich aufhaltenden
AR. (nah Schmidt der ebengenannte Adolf Ruſch) beftellte, liefern,
wie man ben Brief auch erflären möge, den Beweis dafür, daß Frank—
jurt gegen Ende des 15. Jahrhunderts entweder noch ein befannter
Markt für ven Handſchriftenhandel, over ſchon eine junge Mefje für ven
Berfauf gedrudter Bücher war. Das Datum weift auf die Faſtenmeſſe
Kapitel.) Wahlen der Büchermeſſe. Die mainzer Verordnungen. 453
bin, und es fmüpft fich an diefen Umftand vie weitere Wahrjcheinlichkeit,
dag U. R. ein die frankfurter Meſſe bejuchender Handſchriften- oder
Buch-Händler war. Wenn die oben vertretene Auffaffung der Beftellung
die richtige ift, jo handelte es fich jogar ſchon zwölf Jahre früher, als
die urfundlichen Nachrichten veichen, um den Ankauf einzelner in Italien
gedrudter Bücher, und es müſſen damals ſchon italienische Buchhändler
die Frankfurter Meſſen beſchickt, wenn nicht befucht haben. Übrigens
jtand bereits zu jener Zeit der Sinn der Biücherfreunde — und folche
waren jowohl die Pfalzgrafen wie auch Agricola — mehr nach den Er:
jeugniffen der neuen Kunft, als nach alten Hanpjchriften.
Wie beveutend aber der buchhänplerische Meßverkehr ſchon im Jahre
1485 in Franffurt entwidelt war, beweift ein Schreiben des mainzer
Erzbiichofs Berthold von Henneberg vom 24. März 1485 an den franf:
furter Rat, worin er diefen auffordert, die zur Faſtenmeſſe zum Ver:
fauf auszulegenden Bücher vorher durchſehen und auf ihren Inhalt hin
prüfen zu laffen.® Es ift derjelbe Kurfürft, ver auch am 4. Januar
1486 ein Mandat gegen Überjegungen ins Deutſche erließ und fich fo-
gar herausnahm, zur Durchführung jeines Verbots eine Kommiffion
für Frankfurt einzufegen. Es muß zu diefer Zeit in der That auch
ſchon eine ziemliche Zahl von Buchorudern und Buchhändfern zur Meffe
gekommen jein, denn im Jahre 1488 trugen nach Ausweis des ſtädtiſchen
Rechnungsbuchs „die Buchdrucker am Main“ zu den während ver Faften-
mefje gezahlten 248 Hellern Haus- (für ven Verfauf von Mefwaren
in den Häufern) und Marktgeld 19 Heller und 4 Schillinge, alfo etwa
8 Prozent der Gefamteinnahme bei. Num erhielt Frankfurt viel ſpä—
ter, 1530, in ber Perjon Chriftian Egenolphs feinen erten jtändigen
Druder; e8 fünnen alfo nur fremde Druder, beziehungsiweije Verleger
gemeint fein, zumal einheimiſche ihre Offizinen doch in der Stadt zer:
jtreut gehabt und faum außerdem noch Läden am Main — d. i. in der
Meßlage — gemietet haben würden. .
Für das legte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts iſt nun endlich die all—
gemeine Bedeutung der franffurter Buchhändlermeſſen durch mancherlei,
mit jedem Jahre fich häufende Zeugniffe erwiejen. Im Herbft 1495 wurde
dort der ſchon im fünften Kapitel erwähnte Vertrag zwifchen bafeler und
nürnberger Berlegern über Nachorudsunterlaffung gejchloffen (Brief Anton
Kobergers an Johann Amerbach vom 17. Mai 1496). Koberger jelbft be—
454 Frankfurt um 1500 Mittelpunkt des Buchhandels, Achtes
ſuchte die frankfurter Meſſe im Herbſt 1495, 1498 und 1499 und Oſtern
1503, hatte jedoch ſtets einen Diener (Faktor, Vertreter) dort. Amer—
bach konnte krankheitshalber die Herbſtmeſſe 1496 nicht beſuchen, traf
aber in der Herbſtmeſſe 1498 mit dem nürnberger Geſchäftsfreund dort
zuſammen. Wenn ſie beide verhindert ſind, einander in Frankfurt zu
ſehen, ſo melden ſie es ſich vorher unter Mitteilung des Grundes: ſo
im Herbſt 1496, Oſtern 1500, Herbſt 1501 und Oſtern und Herbſt
1502. „Item, lieber meiſter Hans“, heißt es in Kobergers Brief vom
19. Auguſt 1502 an Amerbach, „jch fug euch zu wiſſen, das jch auff
die künfftig Herbſtmeß nicht wird komen, urſach das jch wiſſen hab,
das es über die meß here da ſtirbt.“ Einmal ſind es alſo Epidemien,
dann wieder unruhige Zeiten, wie Krieg oder auch mangelndes Geleit,
welche allein den regelmäßigen Meßbeſuch verhindern. Wenn aber der
ſonſt jo beſcheidene Koberger mit gerechtem Selbſtgefühl (21. März 1502)
ſchreiben kann, daß auf ihm, Amerbach und Johann Petri faſt aus—
ſchließlich der deutſche Buchhandel ruhe, jo läßt ſich doch vorausſetzen,
daß die kleinern Verleger und Buchführer, ſchon damals ſo gut wie
ſpäter, dem Beiſpiel der großen gefolgt ſind und regelmäßig die Meſſe
beſucht haben; denn obgleich der buchhändleriſche Meßbeſuch ebenſo gut
den Verkehr mit dem großen Publikum, anfänglich wohl ſogar aus—
ſchließlich, ins Auge faßte, ſo mußten doch jene Kleinen immerhin die
Hauptabnehmer für dieſe Großen ſein. Frankfurt tritt alſo ins neue
Jahrhundert als der allgemein anerkannte Mittelpunkt des deutſchen, ja
des europäiſchen Buchhandels ein, und Koberger ſpricht von dieſer ſeiner
Bedeutung als einer ſich ganz von ſelbſt verſtehenden Thatſache; von
ihrem Ausfall hängt — wie ſich das ſchon aus der Darſtellung im fünf—
ten Kapitel ergibt — gewiſſermaßen das Geſchäft überhaupt ab. Auf
die Meſſe richten ſich die Verleger ein, ſtreben danach, ihre neuen Ver—
lagswerke rechtzeitig für dieſelbe fertig zu ſtellen; auf den Meßbeſuch auch
der Buchdrucker und Buchführer ſpekulieren bereits die frankfurter Haus—
beſitzer. Unterm 15. Februar 1506 weiſt Koberger Amerbach an, 100 Exem—
plare des von dieſem gedruckten Hugo nebſt 300 bis 400 Regiſtern nach
Frankfurt zu ſenden, weil ihm ſein Wirt ein gutes Gewölbe habe bauen
laſſen, in welchem die Bücher ſo ſchön und ſicher lägen als in Nürn—
berg. Wenn aber ein Hauswirt einen Teil ſeines Hauſes zu einem Ge—
wölbe einrichtet, ſo muß der Handelszweig, für den es geſchieht, ſich doch
Kapitel.) Beilpiele für die wachſende Bedeutung der Meſſe. 455
ſchon feſt und dauernd eingelebt haben. In dem Erplicit des „Epitome
rerum Germanicarum” Wimphelings, welches am 11. März 1505 bei
Johann Prüf in Straßburg erichien, jagt ſchon der Korreftor Martin
Schürer +, wenn Drudfehler ſtehen geblieben jeien, jo möge man fie zum
Teil damit entjchulpigen, daß „wir gezivungen waren, wegen der bevor-
ſtehenden franffurter Meſſe pas Werk in möglichit kurzer Zeit zu drucken“
(coacti sumus ob imminentes nundinas Francofordenses intra
brevissimum tempus id opus formis excudere). Thomas Anshelm
bejucht noch von Pforzheim aus zuerſt im Jahre 1507 die franffurter
Meife’, wird aber dort auch, als er nach Tübingen und fpäter nach
Hagenau gezogen war, 1513 und 1518 angetroffen und fcheint überhaupt
feine einzige Meſſe verfäumt zu haben. Im leßtgenannten Jahre muß
er von dem berüchtigten Pleban Peter Meyer demunziert worden fein,
denn diejer jehreibt an ven Rat: „Es ift ein buchfuerer heift mit namen
Thomas Anshelmi oder antzel von Hagenaw der veil hodt ynn ber
Brünnen Hauß bey fant Lienhart (St. Leonhard) welger vbertretthen
hadt das mandat vnnſeres g. H. von Meint famoſes libelles veilgehabt,
den gib ich ewren Erſamen und vorfichtigen weijheit an, welt den jelbi-
gen mit leib vnd gut alhie verhafften oder wie jr wyſte handlen bis
zu erfentenes der jach vff das jr vnd ich bey vnſerem g. H. mit werben
gejpürdt als verachter vnſeres g. D. vnd jeiner (1517 erlaffenen) mandat.“
Es jcheint aber, daß Rat und Kurfürft ven Demunzianten zur Genüge
fannten; wenigftens blieb Anshelm unbehelligt.
Vom zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts an fliefen die Nach—
richten über Frankfurts Bereutung als buchhänpleriicher Mittelpunkt
Europas viel reicher, ſodaß cd genügen mag, nur noch einige hervor—
tragende Beijpiele anzuführen. Als mittelbarer Beweis für das Anfehen
jeiner Buchhändlermeſſen spricht jchon der Umſtand, daß in ven Reuch—
linſchen Hänveln ver befannte Pfefferforn fich beeilte, jeinen „Hand—
ipiegel‘ auf die franffurter Faſtenmeſſe 1511 und von hier aus unter
die Leute zu bringen, während Reuchlin jeine Antwort, ven „Augen:
ſpiegel“, für die Herbſtmeſſe vesjelben Jahres fertig ftellte, damit ev möge
(ichjt bald jeinen Weg durch Deutjchland finde. Der Befehl des Kaiſers
Marimilian vom 7. Oktober 1512, Reuchlins Streitjchriften zu fonfis-
jieren, wurde jofort an der St. Leonhardskirche im Buchhändlerviertel
angejchlagen. Auch die auswärtigen Städte, wie 5. B. Nürnberg, und
456 Die Mefie als Erjcheinungstermin der Neuigkeiten. Achtes
Staaten, wie Würtemberg oder Braunſchweig, wandten ſich, wenn ſie
eine ihnen unbequeme Schrift unterdrückt ſehen wollten, ſpäter ſtets in
erſter Linie nach Frankfurt, denn wenn irgendwo, ſo wußten ſie, daß
man hier wegen der Meſſen ganzer Auflagen habhaft werden, alſo den
beabſichtigten Zweck am leichteſten erreichen konnte.
Auch der berühmte kölner Verleger Franz Birckmann iſt ſchon von
1516 an und ſpäter ein eifriger Beſucher der frankfurter Büchermeſſen;
ebenſo verſäumte ſie Johann Froben aus Baſel ſelten. Der Züricher
Chriſtoph Froſchauer erwähnt die frankfurter Büchermeſſen zuerſt 1522
und zuletzt 1551; er hat ſie innerhalb dieſer Zeit nur ausnahmsweiſe
nicht beſucht. Immer wichtiger werden ſie als Erſcheinungstermin der
Neuigkeiten, je mehr der Jahrmarktsverkehr ſeitens der größern Verleger
in den Hintergrund tritt. Manchmal ſoll die unerwartete und unver—
mutete Veröffentlichung überrafchen oder die Neugier reizen, manchmal
einer zu erwartenden Gegenichrift oder einer Konkurrenzausgabe gegen:
über wenigftens eine Zeit lang das freie Feld fichern. „Die beiden Werte“,
jchreibt Erasmus am 11. Juni 1521 (nämlich die „Adagia” und das
Werk des Polydorus Vergilius über die Erfinder der Dinge), „werden
auf meinen Antrieb von Froben gedrudt und zur nächiten frankfurter
Meſſe unter günftigen Aufpizien erjcheinen‘, und in jeiner Verantwor—
tung wegen Übertretung des Faftengebots entſchuldigt fich Froſchauer 1522
vor dem züricher Nate damit, daß er in ven fetten Monaten unaufhörfich
babe arbeiten laſſen müffen, um die Epiftel St. Pauli für die franffurter
Meſſe fertig zu ftellen. „Jene (Schriften) find fromm und gelehrt“, ant-
wortet Zwingli dem Vadian am 31. März 1525, „allein die Preffe mußte
bis zur franffurter Meffe dieje notwendigen Arbeiten fertig jtellen.“ „Ich
bitte alſo“, jchreibt ähnlich Zafius am 9. Juli 1530, „dieſe zweite Aus:
gabe‘ (der „Intellectuum juris“) „möglichft zu beſchleunigen, damit fie
zur franffurter Meſſe ericheinen fan“, und ferner am 9. Auguft 1530:
„Dieje und andere Werke werden zur nächſten Frankfurter Faſtenmeſſe
ericheinen.” „Das ganze Werk (Auguftinus)”, meldet Erasmus am
27. März 1530, „wird zur frankfurter Herbſtmeſſe fertig werben‘, und
fährt am 30. März 1530 fort, daß er zur Zeit der frankfurter Meſſen
jtets mit gelehrten Arbeiten überhäuft ſei, weil danı bei Froben nicht
weniger als ſechs Preſſen unabläffig arbeiteten. Endlich vertröftet
Erasmus am 13. April 1530 aus Freiburg ven Johann Choler damit,
Kapitel.) Beſuch jeitens der nichtdeutichen Verleger. 457
daß über jein Verlagsanerbieten entjchieven werben folle, jebald die
Druder (froben und die bafeler Berleger) von der franffurter Meſſe
zurücdgefehrt fein würden.
Von jet an reicht es volljtändig hin, wegen Frankfurts Bedeutung
als buchhändleriſchen Mittelpunfts für Deutjchland auf die zeitgenöffische
Yitteratur, die Schriften der Reformatoren, den Briefwechjel Gelehrter,
wie des Erasmus, Vadian und Zafius, oder auf teilweije buchhändferijche
Aufzeichnungen, wie die Selbitbiographie Thomas Platters, zu verweifen.
Nah Jahr und Tag läßt fih dagegen nicht nachweifen, wann bie
nichtdeutſchen Buchhändler zuerft die Frankfurter Meſſe befucht haben; es
icheint aber, daß die Italiener, Franzoſen, Belgier und Holländer etwa
um die Wende des Jahrhunderts dahin gekommen find. Die üfteften
buchbändlerifhen Beziehungen zu Deutſchland hatten die italieniſchen
Buchhändler; fie haben aber wahrjcheinlih früher mit Wien, Augsburg,
Nürnberg und Bajel in Gejchäftsverfehr gejtanden, als mit Frankfurt.
Juſtus de Albano in Venedig beſaß jchen in den achtziger Jahren des
15. Jahrhunderts Filialen in Regensburg und Um. Die venezianifchen
Berlagsartifel waren früher in Augsburg, Nürnberg und Bajel zu haben,
als in Frankfurt, weil zwijchen jenen Städten und Venedig, wie bereits
im jechiten Kapitel des nähern ausgeführt wurde, feit Jahrhunderten ein
direfter und regelmäßiger Handelöverfehr beitand. Erſt 1497 jcheinen
die venezianifchen Drude überhaupt nab Frankfurt gekommen zu fein.
Wenigftens erwähnt ver franffurter Kanonifus Johann Rohrbach unter
jeinen Ausgaben auf den Faftenmefjen 1497 und 1498 ven Ankauf einiger
diefer Bücher. Ob aber die Verleger Baptifta de Tortis und Petrus
de Ferrariis jelbit zur Meſſe anweſend waren, das bleibt noch zweifel—
haft.” Daß Aldus Manutius zwar jeine Bücher in alle Welt jandte,
doch aber feine geregelten Verbindungen mit Deutjchland unterhielt, daß
jelbft der Name Frankfurts in feinem ausgedehnten Briefwechiel gar
nicht vorkommt, wurde jchon im jechiten Kapitel betont. Zum Teil lag
dies wohl mit daran, daß bie äftern Kriege Marimilians mit den Vene-
jianern im Beginn des 16. Jahrhunderts, dann auch Epidemien bie
venezianer Buchhändler vom Bejuch der frankfurter Meſſen zurüdhielten ;
Konrad Brunner und Frobens Korrektor Wilhelm Nejenus heben dies
ausprüclich in den Jahren 1510 und 1516 in Briefen an Ulrich Zwingli
bervor. Zwar wundert fi Johann Yocher (Philomuſus) bereits in
458 Beziehungen zu Stalien, Achtes
der Vorrede zu ſeiner Ausgabe dreier Tragödien Seneca's (Nürnberg
1520), daß Venezianer und Franzoſen ſo große Maſſen Bücher in
Deutſchland einführten; aber ſelbſt noch um die Mitte des Jahrhunderts
wurden die Verbindungen mit Italien noch teilweiſe durch perſönlichen
Verkehr, ſpeziell von Baſel aus, unterhalten. Peter Perna, ſelber ein
Italiener, aus Yucca gebürtig, und Johann Herwagen reiſten z. B. nach
Italien, und andererſeits beſorgte Pietro Antonio Seſſa in Mailand per—
ſönlich ſeine Einkäufe in Baſel.“ Die buchhändleriſche Führerſchaft
Frankfurts war eben in Bezug auf das Ausland damals noch keine un—
bedingte, ſondern wurde es erſt infolge der Nachwirkungen der Refor—
mation.
Ein im dieſer Beziehung intereſſantes Beiſpiel liefert auch das Teſta—
ment des 1539 geitorbenen Admirals Ferdinand Columbus, welcher unter
anderm ein Yegat für eine in Sevilla zu begründende öffentliche Biblio—
thef, die jpätere Columbina, ausjeßte und ſechs Städte: Nom, Venedig,
Nürnberg, Antwerpen, Paris und yon, für den Ankauf von Büchern
beftimmte. Obgleich Frankfurt damals ſchon unbejtritten jeine maß—
gebende Stellung für den deutjchen Buchhandel einnahm, jo jeheint Co—
(umbus es nicht einmal dem Namen nach gefannt zu haben, währent
zu jener Zeit Nürnbergs Handel ſich über ganz Spanien erjtredite und
der Ruhm jeines Gewerbfleiges alle Welt erfüllte. Es war aljo fein
Wunder, wenn der Apmiral, vielleicht auch von einigen jchönen Koberger—
ichen Ausgaben der Kirchenväter, der Bibel, der Schevelihen Welt
chronif, oder auch von der Erinnerung an den nürnberger Geograpben
Martin Beheim am portugiefiihen Hofe bejtochen, Nürnberg zugleic
für ven größten deutſchen Büchermarkt hielt und bier jeine Zwecke
am beiten erreichen zu können glaubte,
Noch jehwerer, wenn nicht unmöglich iſt es, da bier jo ziemlich alle
zeitgenöffiichen Urkunden fehlen, ven Zeitpunft genau feitzuitellen, in wel-
chen zuerjt die übrigen fremden Buchhändler mehr oder weniger vegel-
mäßige Bejucher ver franffurter Meſſen wurden. Es liegt aber vie
Bermuthung nahe, daß fie fich ſchon frühzeitig eingeftellt haben. Die
franzöfiiche, belgijche und holländische Druderthätigfeit entwidelte fich näm—
(ich, wie aus dem dritten Kapitel mit zu erjehen it, jeben gegen Ende
des 15. Jahrhunderts zu einer jolcben Blüte, daR fie auch im Ausland
für ihre Erzeugniffe Abſatz ſuchen mußte. Die fremden Verleger hatten
Kapitel.) Beziehungen zu Franfreih. Eingehen der dortigen Kommanditen. 450
deshalb auch ein großes Intereffe daran, mit deutſchen Kollegen anzu—
fnüpfen, mit beutjchen Gelehrten in Verbindung zu treten und einen
Teil ihrer Einnahmen in deutjchen Berlagswerfen anzulegen. In wel-
cher Stadt hätten fie das beſſer thun können als in Frankfurt a. M.?
Waren doch auch die Kommanditen deutſcher Verleger im Auslande,
3. B. die Kobergers und Hittorp- Horndens in Paris, vor dem Jahre
1520 eingegangen. Johann Schabeler aus Bottwar, früher Druder in
Bafel und yon, dann Vertreter von Johann Amerbach in Paris, war:
derte von einer Meſſe zur andern und bejuchte zu Anfang des Jahr:
hunderts auch Frankfurt. Hans Koberger ritt 1504 von Lyon zur
Meſſe dahin — allerpings im Interefje des mürnberger Haujes — und
Jean Baugris, ein Iponer Buchhändler, war dort in der Herbſtmeſſe
1524 ebenfalls anwejend. Jakob vu Puys von Paris bejuchte in ven
vierziger Jahren zweimal im Jahre die bajeler und franffurter Meffen
und faufte 1548 unter anderm Thomas Platter in Bafel deſſen Bücher:
vorräte ab; noch 1565 ftand er mit Sigismund Feyerabend in Frank—
furt a. M. im Gejchäftsverfehr. „Er jpricht veutich, welches er in Bajel
gelernt bat“, jo jchilvert ihn Tanner, „it ein gewandter, verjchmißter
Kerl, der fich auf jeve Weiſe einzuſchmeicheln weiß und fein Vertrauen
verdiente, wenn die Früchte, die er täglich aus den bajeler Büchern ge:
nießt, ihm nicht vieten, fich den Bajelern gegemüber billiger zu benehmen.“
Wenn num jchon in der Mitte des Jahrhunders Iyonejer, parijer, genfer,
antiverpener und löwener Firmen im Frankfurt auf den Meilen ver:
treten find, jo deutet dieſe Thatfache auf eine alte Praris, deren An:
fünge vorausfichtlich bis in die früheften Meßzeiten zurücreichen.
Den erjten feiten Anhaltspunft für diejen Rückſchluß bietet das Rech:
nungsbuch der bajeler Firma Froben und Episcopius aus den Jahren
1557 bis 1564. Es erjcheinen gleich im Herbit 1557 und noch in den
folgenden Meffen, foweit die Unterlagen erhalten find, im den Büchern
dieſes Haufes: Clemens Baudouin und G. Roville aus Lyon (eriterer hatte
gleichzeitig auch in Yeipzig eine durch Jakob Apel vertretene Niederlage);
Joh. Fouchier, Jakob Dupuys, Sebaſtian Nivelle und Andreas Wechel
aus Paris; Nic. Barbier und I. Guychette aus Genf; Johann von Loe,
Johann Steels, Johann Beller, Martin Nutius und vor allen Chriftoph
Plantin aus Antwerpen, jowie Buchhändler aus PYöwen, Amſterdam und
Utrecht.
460 Die Reife zur Meſſe. Das Geleit. Achtes
Schon der Briefwechſel Kobergers mit Amerbach hat gezeigt, wie
übel es damals mit den Landſtraßen beſtellt, wie unſicher der Werfebr
und wie groß namentlich die Gefahr ver Überfälle und Plünderungen
friedficher Warenzüge, des „Werfens“ der Fuhrleute, war. Auch in jpä-
tern Zeiten trieb fich infolge der zahlreichen Kriege, jahrein jahraus, und
borzugsweije in den Mefzeiten, viel unnützes Gefindel im Yande umber.
Ja, ſelbſt die Truppen der Kriegführenvden betrachteten geraubtes frem:
des Privateigentum als vechtmäßige Kriegsbeute. Während des Schmal—
faldifchen Kriegs wurden auf Herzog Moritz' Befehl jogar in Yeipzig zur
Mepzeit die Güter des wittenberger Buchführers Johann Löffler mit
rechtlichen Kunnmer (Arreft) bejchlagen. Es dauerte Jahrhunderte, bis
dieſem öffentlichen Unfug wenigftens in feinen Dauptauswüchjen das all
gemein erjehnte Ende bereitet werben Eonnte. So groß war die allge:
meine Gewaltthätigfeit, vak man an vielen Orten, über welche die Meß—
reifenden ziehen mußten, für ihre glüdliche Ankunft in Frankfurt betete.
Die Verleger ſelbſt ritten vielfach in Gefelljchaft und bis an die Zähne
bewaffnet auf die dortige Meſſe. Wie gegen Ende des 15. und zu An-
fang des 16. Jahrhunderts Anton und Hans Koberger, Amerbach une
Petri jih zu Pferde auf den Weg nach Frankfurt machten, jo tbaten es
etwa hundert Jahre ſpäter Heinrich Ejtienne (Stephanus) aus Paris und
Shriftoph Plantin aus Antwerpen. Moretus, der Schwiegerjohn Plan:
tins, ging jogar auf feiner Neife zur Meſſe 1566 noch zu Fuß von Ant-
werpen nach Köln, von wo er das Schiff bis Frankfurt nahm. Und
das war feine etwa auffällige Ausnahme Zur Oftermefje 1543 wan—
derte auch der Buchführer Heinrich Altingf won Greifswald zu Fur „gen
Leybtzig Bucher einzufauffen‘; bei ver Heimfehr wurde er zwiſchen Anclam
und Stralfund erjchlagen.” Mean denke nur, welch fojtbare Zeit mit
jolhen langen Kitten und Wanderungen verloren ging! Indeſſen waren
die Herren für ihre Bücherjendungen auf den gewöhnlichen Frachtverfehr
angewiefen und konnten für dieſen und ihre eigenen Neifen nur inner:
halb einer gewiffen Zeit und gewiſſer Grenzen freies Geleit beanſpruchen.
Urjprünglich ein ausjchließlich faijerliches Hoheitsrecht, hatten es fich mit
ber Zeit auch die Heinen Yandesherren angemaßt. Regelmäßig in jedem
Jahre juchte daher das ganze 16. Jahrhundert hindurch ver Leipziger
Kat bei dem Kurfürften von Sachjen, jpäter bei den thüringijchen Her-
zögen und ven Pandgrafen von Heffen, um das Geleit für jene Kauf:
Kapitel.) Das Geleit. Empfang der Mehfremden in Frankfurt. 461
fente zur franffurter Meſſe nach; im Jahre 1595 zogen fünf leipziger
Buchhändler in dieſem Geleit nach Frankfurt. Vielfach wurde das Ge—
[eitsrecht jogar zu perjönlichen Vorteilen und jelbjt zu Erpreſſungen miß—
braucht. Heute verfügten es die Herzöge von Bayern, morgen die von
Würtemberg und ein andermal die Pfalzgrafen. Ober fie kündigten
es auch unmittelbar vor einer Meffe und ließen dann den Überfall un:
geſchützter Kaufleute ftraflos geſchehen. Am jchlimmften trieben es vie
Heinen Dynaften in der nächſten Umgebung von Frankfurt, die zum
Teil förmlich von derartigen Raubzügen lebten und wenn fie nicht in
Feindſchaft zu den Kaufleuten ftanden, doch als Freunde von ihnen ge-
füttert fein wollten. Diejer Zuftand dauerte hier bis in die Nefor-
mationszeit hinein. Bor und nach dem Dreißigjährigen Kriege wurde
das Übel durch die zahfreichen Marodeure und entlafjenen Soldaten noch
iblimmer. Sp fagt 3. B. Tobias Ruprecht in der Yeichenrede auf ven
am 17. Mai 1659 verftorbenen Buchhändler Wolfgang Endter ven Altern
in Nürnberg !?: „Er war ein kluger und verjtändiger Mann, ver feine
Sachen weißlich angefangen, wohlbedachtiam fortgeführt, und glücklich
vollendet, hat ſich auch nicht leichtlich eine Mühe dauern laffen, ſondern
jugebracht, und darüber von den Soldaten vielmalen angefallen, ausge-
plündert, und einsmals gar gefünglich weggeführt worden, da er denn
etliche Wochen in nicht geringer Yeibs und Yebensgefahr geſteckt, zu ge-
ihweigen des viehnaligen Verluſtes, jo er durch Plünderung auf ven
Straßen erlitten.”
Aus diefem Grunde war das Geleit eine Forderung der Sicherheit.
Yangten nun die Geleitstruppen glücklich vor Frankfurt an, jo wurden
fie an einem beftimmten Tage eingeholt. Die Neifigen und die welt:
lichen Richter ver Stadt trafen mit ven Gäſten an der ſtädtiſchen Grenze
zuſammen und boten ihnen hier ven Willfommentrunf. Der große Markt
wurde zur Bezeichnung des Anfangs und Endes der Meſſe mit ver
großen Glode ein- und ausgeläutet. Das Einläuten bezeichnete ven Be—
zum des Meßverkehrs und ver vollen Marktfreiheit, welche darin be-
itand, das Käufer und Verkäufer im offenen Gewölbe miteinander han-
dein durften. Die Reichsfahne auf dem Turm oder ein Schild auf
einem Turm oder Thor waren die fichtbaren Zeichen dafür, daß dieſe
Freiheit unbejchränft herrichte, während das Einziehen der Fahne over
462 Mefprivilegien. Das Buchhändlerviertel. [Adıtes
die Wegnahme des Schildes den Befehl enthielten, mit allem Geſchäft
aufzubhören. Schuloner und Güter durften wegen alter Schulden nicht
arrejtiert werben und vwerfielen erjt nach dem Ausläuten, d. h. nach vem
Ende der Mefje, dem orventlihen Richter; nur die Abfuhr der Güter
fonnte bis zur Ginigung der ftreitenden Parteien inhibiert werden. Das
Fehde- und Weprefjalienrecht ver Ritter und adeligen Schnapphähne
ward während ver Dauer ver Meſſe nicht anerfannt. Selbit Geächtete
purfte man im diefer Zeit beberbergen, und im Umkreiſe ber Stapt
waren fie ficher vor Verfolgung.
Das Buchhändferviertel lag im Süden der Stadt und ftier unmittel-
bar an den jeßigen Mainkai (vamaligen Weinmarft), von welchem aus
die jchweren, mit Büchern gefüllten Fäffer bequem durch das Thor in
die Straßen und in die Häuſer gerollt werden fonnten; dieje Verpadungs-
weije bildete damals, wie ſchon wiederholt bemerft, die Regel. Froſchauer
bittet einmal förmlich um Entſchuldigung, daß er wegen Mangel an Zeit
Kiften verwandt habe. Der Mittelpunkt jenes Viertel® war derjenige
Teil der früher Kornmarkt, jpäter aber Buchgafje genannten Strafe,
welcher von der Peonhardsfirche aus nördlich bis zum feinen Kornmarkt
läuft. Indeſſen darf man diefe Begrenzung nicht zu wörtlich nehmen.
Während fie heutzutage nur von der genannten Kirche aus bis zum
großen Kornmarkt bei der Einbiegung in die Paulsgaſſe Läuft, erjtredte
fie fich zur Zeit der buchhändferiichen Blüte Frankfurts in öftlicher Rich—
tung in die Mainzer Gaffe zwijchen Leonhards- und Fahrthor. Der
Name Buchgaffe kommt zuerft 1518 vor. Neuchlin jehrieb nämlich in
jenem Jahre, dar Melanchthon auf der mächjten Frankfurter Meſſe um
des heiligen Krenzes-Erhöhungstag in der „Büchergaſſe“ bei Meifter
Thomas Anshelm, Druderheren und Buchverkäufer von Dagenau, zu
finden jein werde. Auch ver kaiſerliche Fiskalprokurator und Frankfurter
Bücherkommiſſar Dr. Veit in Speyer jpricht in einem Briefe, den er
am 16. Auguft 1593 an ven Rat der Stadt Augsburg ſchrieb, nod
von der Büchergaffe in Frankfurt aM. Der Name Buchgaffe bür-
gerte fich erft zu Anfang des 17. Jahrhunderts allmählich ein. Cine
Zeit lang lief er neben der alten Bezeichnung Mainzer Gaſſe ber, je
daß beide Namen willfiürlich nebeneinander galten. Bis zum Ende des
16. Jahrhunderts jcheint die Strafe übrigens auch allgemeinen Meß—
zwecken gedient zu haben. So findet fi in dem Haufe Nr. 15 Buch—
Kapitel.) Das Buchhändlerviertel in Frankfurt. 463
gaffe, Ede der Schippengaffe, noch heute ein großes Wandgemälde von
einem Strauß aus Tunis, der, wie die Unterjchrift meldet, 1577 zuerſt
in Frankfurt als große Naturmerkwürdigfeit befannt und gezeigt wurde.
Vom Anfang des 17. Jahrhunderts an bediente fich aber der Nat in
jeinen amtlichen Erlaffen jtets des Namens der Buchgaſſe. Thatjächlich
bildete dieje übrigens ſchon von den erjten Anfängen des buchhändferi-
ſchen Meßverkehrs an die Hauptnieverlage der fremden Buchführer und
Verleger. Hier hatten fie ihre Yager im alten feiten Gebäuden, die noch
zu Anfang des laufenden Jahrhunderts (Kirchner, der dieſe Thatjache
meldet, jchrieb 1810) die jeitvem verblichene Injchrift „Officina libra-
ria” führten. Jahrein jahraus lag bier zur Erſparung der Fracht und
ſonſtiger Speſen ein Theil der nach Frankfurt gebrachten Verlagsartikel.
Am 17. November 1569 weigerte ſich 3. B. der Rat dem faijerlichen
Anfinnen gegenüber, Bürgſchaft von den fremden Buchführern zu ver:
fangen, weil dieje „von einer Mefje zur andern in ihren Buchläden und
Gewölben Bücher für viele hundert Gulden zu binterlaffen pflegten“.
Die Wahl diejer Gegend war eine jehr verftändige, da namentlich in
der erjten Zeit die Bücherſendungen faft ausjchließlih zu Waffer an-
famen und mit verhältnismäßig geringer Mühe aus: umd eingeladen
werden fonnten. Grit jpäter dehnten ſich dann die Niederlagen weiter
von bier aus. „Auch haben‘, jchreibt ver Rat der Stadt Frankfurt am
2%6. Juli 1690 an den Kaiſer, „unjere Vorfahren zur Erhaltung viejes
(Buch) Handels allhier den Buchführern und Händlern abjonderliche,
von andern Commercio etwas feparirte, aber doch nahegelegene Gaſſen
eingeräumt, damit fie Buchhändler beyſammen und umb jich deſto beifer
correspondiren, und die füufer und gelehrte, felbige ohne ſondere mühe
und nachfrage finden und eim gutes genügen darob haben konnten. Es
it aber mit ihnen Buchhändler dahin gerathen, daß in vielen Jahren
feinerley Buchhändler auß obgedachten Königreichen mehr anbero ge-
fommen und die Mefjen bejuchen, und dadurch unjere in gebachter Buch-
gaſſen wohnende Bürger nit geringen abgang dero einfünfften, welche
Ihre Heußer getragen, empfinden.‘
Natürlich war auch für den Genuß und die Bequemlichkeit ver Mef-
gäfte reichlich gejorgt. In der wohlhabenden Stadt, von welcher e8 im
Spribwort hieß, daß fie mehr Wein in den Kellern als Waffer in ven
Brummen habe, durften in ver Regel Fremde feinen Weinhandel treiben.
464 Henry Etienne über die franffurter Meſſe. Achtes
Während der Meſſe aber war es dieſen gejtattet, an Nichteinheimiſche
Wein zu verkaufen, wenn er unverfälſcht war. In den Weinſtuben gab
es zu dieſer Zeit auch keine Polizeiſtunde, überall ging es hoch her, und
Gelage und Zechereien dauerten meiſtens bis zum Morgen. Heinrich
Stephanus (Henry Eſtienne, 1528 bis 1598) aus Paris (jpäter in
Senf und zeitweife in Augsburg), gleich berühmt als Buchoruder wie
als Gelehrter, war jeit 1572 ein ziemlich regelmäßiger Bejucher der
franffurter Meſſen. Sie gehörten jo jehr in jeine gefchäftlichen Berech—
nungen, daß er noch 1571, im Jahre vor dem Erjcheinen feines „The-
saurus linguae graecae” an den Arzt Grato von Krafftheim jehrieb:
das Werf werde nicht vor der nächiten franffurter Meſſe herausfommen.
Er verherrlichte den Frankfurter Meßverkehr auch in einer feinen, 1574
erichienenen Schrift: „Francofordiense Emporium s. Francofordienses
Nundinae“, und jehilvert darin die günftige Page der Stadt für ven
Mepverfehr, das liebenswürdige Entgegenfommen der Frankfurter, die
Annehmlichkeit des dortigen Aufenthalts, die Unparteilichfeit der Gerichte
und den großartigen Verkehr der aus aller Herren Yänder bier zu
jammenjtrönenden Fremden. Gibt er auch mehr allgemeine Gejichte-
punfte als Thatjachen, jo macht er doch den Eindruck eines zwar be
geifterten, aber immerhin wahren Berichterftatters, deſſen Angaben aud
anderweitig bejtätigt werden. Aus der poetijchen Sprache des Stephanus
in die nüchterne Proſa des täglichen Yebens überjett, erfährt man alje,
daß die Schriftfteller, Dichter und Gelehrten zur Zeit der Meſſen mit
ven Buchhändlern und Buchorudern nach Frankfurt ſtrömten und fi
namentlich in dem der Yitteratur bejtimmten Stadtteil (der Buchgaſſe
zuſammenfanden. „Daher fommt es“, möge jet Stephanus jelbit das
Wort ergreifen, „daß man auf diejer litterarijchen Meſſe über Dinge
unterrichtet wird, über die man jonjt auf allen Bibliotheken vergeblid
Nachrichten jucht. Jever vernimmt das lebendige Wort der vielen Yehrer
von den verjchiedenften Univerſitäten, man hört fie mitunter im den Läden
der Buchhändler ebenjo ernthaft philojophieren, wie früher Sofrates um
Plato mit ihren Schülern inmitten des Lyceums. Aber nicht nur Phil:
jophen entjenden die berühmten Aniverfitäten von Wien, Wittenberg,
Yeipzig, Heibelberg, Straßburg und unter den ausländijchen Yöwen,
Padua, Orford und Cambridge hierher nach Frankfurt, ſondern auch
Dichter, Renner, Gejchichtichreiber, Mathematiker und ſolche, welche in
Kapitel.) Beſuch der Meffen durch die Gelehrten. 465
allen diefen Disziplinen bewandert find und, wie die Griechen fich aus—
prüden, die Enchklopädie zu ihrem Studium gemacht hatten. Die Ita-
(iener haben daher ganz Unrecht, wenn fie jagen, die Deutjchen hätten
ihren Berftand in den Fingern, als wenn fie fich nur im Handiverf
und in den mechaniſchen Künften auszeichneten. Wahrlich, fie mögen
doch einmal die Frankfurter Meſſe bejuchen! Beim erjten Eintritt in
das Bicherviertel werben fie einjehen, daß das Sprichwort fügt und
diejem Volke großes Unrecht thut. Auch übertrifft diefe Meffe ver Muſen
die des Merkur nicht allein vurch Würde und Anjehen, jondern, was
noch merfiwürbiger ift, fie macht ihr auch durch die Menge des Ge-
botenen gewiffermaßen den Rang ftreitig. Denn die litterarijchen Ar-
beiten der Deutjchen fommen an Zahl ihren andern Arbeiten beinahe
gleih, an denen die Italiener ven Geift ver Hände bewundern, und
ebenjo fünnen es die Studierenden der Zahl nach mit den Kaufleuten
aufnehmen.’
Biel jchwerer als diefe allgemeinen Yobpreifungen, welche eine ge—
nauere Ortsfenntnis vermifjen Laffen, wiegt die Thatjache, daß Frank—
furt fich bald auch als Gelehrtenmefje entwidelte. Melanchthon wird
1518, wie ſchon angeführt, als ver erjte genannt, welcher mit jeinem
Verleger und Freunde Thomas Anshelm dort zujammentraf; ihm aber
folgten bald andere. So verfehrten denn in der Buchgafje alljährlich
immer mehr Gelehrte, welche mit der Abficht nach Frankfurt famen,
fih den Berlegern als Korreftoren und als eine Art litterarifcher Be—
rater anzubieten, oder um mit ihnen zu verhandeln, ſei es zur An—
rüpfung neuer Beziehungen, ſei es, um fich nach den neueften litterari-
ihen Erjcheinungen umzufehen. Auch kauften fie hier an ver Quelfe fir
ih over ihnen befreundete Biicherliebhaber ein und fanden, namentlich
vor dem Grjcheinen des Meßkatalogs (1564) Gelegenheit, in fonft kaum
zu ermöglichender Weije eine größere Auswahl neuer Werfe kennen zu
fernen. Ein vereinzelt daſtehender Fall ift der Bejuch des Herzogs
Johann Albrecht von Mecklenburg in Frankfurt, der bier 1552 einer
Buchhändlerwitwe ihren ganzen, mit vielen und koſtbaren Büchern aus-
geitatteten Buchladen abfaufte und mit ihm die Grundlage zur jpätern
roſtocker Univerfitätsbibliothek legte.!! Als Marimilian II. im Jahre 1562
in Frankfurt zum deutſchen König gekrönt wurde, trafen im Gefolge des
Kaifers Ferdinand unter andern auch damals namhafte Gelehrte dort
Rapp. I. 30
466 Büceranfänfe der Bibliotheken auf der Meile. Achtes
ein, wie Seld, Zaſius, Agricola, Prätorius, Johannes Sturm, Johann
Lauterbach, Michael Beuther u. a., deren Wohnung bei den Buchführern
zu erfragen war. Aus dem allerdings einer ſpätern Zeit angehörenden
Briefwechſel Melchior Goldaſts geht hervor, daß er und andere jür-
deutſche Gelehrte fich während ver franffurter Buchhändlermeſſe oft dert
trafen und miteinander abredhneten, oder auch Verträge abjchloffen und
ihre Werfe austaufchten. Ebenſo jundten öffentliche Bibliothefen ibre
Bibliothefare nach Frankfurt, um ſich durch deren Berichte auf dem
Yaufenden zu erhalten, oder durch größere Ankäufe einzelne Lücken billi—
ger auszufüllen, als beim heimijchen Sortimente. So batte jeit 1569
der ſtraßburger Bibliothefar Die Pflicht, jih auf den franffurter Meſſen
nach ven nenerjchienenen Büchern umzuſehen, durfte jedoch nichts kaufen
ohne die Genehmigung der Scholarchen. Der erfte neue Bibliothekar
war der Profeffor der Rechte und Gejchichte, Michael Beutber, ver
früher an der heivelberger Bibliothek angeftellt getwejen war und gleich
im erjten Jahre jeiner neuen Amtsführung 21 tbeologijhe Bücher,
7 juriſtiſche, 2 gefchichtliche, 2 matbematijche, 1 geographiſches und
7 Klaſſiker anjchaffte. Nom Jahre 1609 ab wurde auf Anoronung des
Rats jeitens der Scholarchen eine jührlide Summe jpeziell zu dieſen
Bicheranfäufen auf der franffurter Meſſe angewiejen, und 1616 be
jtimmte die neue Bibliothekordnung unter anderm: „Der Bibliothekar
joll den Buchhändlern infinuiren, auf den franffurter und ftraßburger
Mefjen die neuen Bücher aufzubringen. Er jelber ſoll jährlich einmal,
im Frühling oder Herbjt, nach Frankfurt veifen und alle officinas typo-
graphicas perlujtrieren, nicht nur nach neuen, jondern auch nach alten
Sachen” Dem 8. Artikel find einige Bemerkungen über die Mittel
angehängt, wie man die auf der franffurter Meſſe gekauften Bücher am
wohffeifjten nach Straßburg bringen fünne.1? Als Iſaak Eljevier 1620
zum Univerjitätsoruder in Leyden ernannt wurde, mußte er ſich unter
anderm auch verpflichten, diejenigen Bücher, welche die Profejjoren over
afademifchen Würdenträger von Frankfurt zu beziehen wünjchten, auf
jeine eigene Gefahr von dort kommen zu laffen und zu demjelben Pretie
zu berechnen, den die übrigen Buchhändler forderten. ? Überhaupt ließen
8 ſich die Univerfitätsbehörven, da feititehende Verkaufspreiſe (Yaden-
preife) ja noch nicht bejtanven, vielfach angelegen fein, fich über vie
„Frankfurter Tax“, d. h. über ven Preis zu informieren, welchen vie
Kapitel.) Kredit von Mefle zu Meile, 467
Bücher im Verkehr ver Buchhändler untereinander auf der Meſſe hatten,
um wirflichen oder angeblichen Übertenerungen jeitend ihrer Sortiments-
buchhändler vorzubeugen. Georg Gruppenbach in Tübingen wurde 5. B.
im Jahre 1597 unter Anprohung einer Strafe von 10 Gulden durch
die Univerfitätsbehörden gezwungen „ein Tarzettel einzugeben‘. Pur
mit Widerſtreben gab er jein Verzeichnis, „in was gelt hedes Buch zu
Franckfort eingefaufft worden“, ein.!* Auf diejer franffurter Tar baſier—
ten denn auch im Anfang des 17. Jahrhunderts die Verjuche der ſäch—
fischen Regierung, die Höhe des den Buchführern zu verftattenden Auf
ichlags zu regeln, beziehungsweije zu bejchränfen.
Es liegt in der Natur jedes gefunden Werdens, daß es fich auf ver
Grundlage bereits beſtehender Satzungen und Gebräuche entwidelt. So
lehnten jich denn auch die Verleger und Buchführer, als die jpäter Ge-
kommenen, an die bewährten Gejchäftsujancen der ſchon vor ihnen nad
Frankfurt gezogenen Kaufleute, und namentlich der Großhänpfer, an. Zeit
den ältejten Zeiten gewährten dieſe Kredit und rechneten von Meſſe zu
Meſſe ab. Um aus zahlreichen Beijpielen nur ein paar berauszugreifen,
jo faufte 1446 Otto Ruland, ein reicher Handelsherr aus Ulm, in der
Woche nah Mittfaſten Waren, welche er auf ver Frankfurter Herbitmejje
zu zabfen fich verpflichtete, orer er machte eine Bejtellung von 50 Stüd
Arras gen Frankfurt auf jein Wagnis, und was fie in der Herbſtmeſſe
gelten würden, das ſollte er zahlen in der Faſtenmeſſe. Weitere urfund:
liche Beweije für die Abrechnung von Meffe zu Mejie liefern, neben
mancherlei vereinzelt berichteten Daten, das bereits erwähnte Rechnungs:
buch ver Firma Froben und Episcopius in Baſel und die gleichfalls
publizierten Meßregifter Sigismund Feyerabends und des Agenten Michael
Harder in Frankfurt aM. Das erjtgenannte Rechnungsbuch trägt auf
der zweiten Seite die Überjchrift: „Bejchreibung der Schulpnerenn jo
in Gmeind findt ſchuldig wordenn umb Buocher die jey zu Franckfort
in jeptembri 1557 von uns guummen hant undt in der faſtmeß
1558 zalenn follenn von welcher ſum ift Nicolai Episcopit f. der
achtejt theyll.“ Darunter find links die Namen der Schuldner jeden
Jahres mit ven betreffenden Beträgen angeführt, vechts aber die geletjte-
ten Zahlungen gebucht — wie „dedit nobis in Martio Franckforti
1558” over „Heruff hat zahlt ver 1559 — und wird dann die Rech—
nung unter den Teilhabern ſelbſt ausgeglichen. Grundſätzlich wird alje
30 *
468 Das geichäftliche Treiben auf der Meſſe. Achtes
— worauf ſchon im fünften Kapitel hingewieſen wurde —, wenn nicht
bare Zahlung erfolgte, noch immer ein Kredit von Meſſe zu Meſſe
gewährt, und es verdient beſonders hervorgehoben zu werden, daß die
Schuldner nur ſelten im Rückſtand blieben. Abnehmer, welche unge—
wöhnlich großen Bedarf hatten, wie z. B. Georg Willer in Augsburg
und Arnold Birckmann in Köln, erhielten unter Umſtänden auch wohl
teilweiſe Jahreskredit.
Auch aus den andern glücklich vom Untergang geretteten Meßregiſtern
geht hervor, daß der Buchhandel in Frankfurt auf die Meſſe beſchränkt
war und daß nicht nur auswärtige, ſondern auch frankfurter Verleger
für die Meßgeſchäfte innerhalb und in nächſter Nähe der Buchgaſſe eigene
Gewölbe hatten, welche außer der Meßzeit geſchloſſen blieben. Nur wenige
Handlungen — und dies waren hauptſächlich frankfurter erhielten
zwiſchen den Meſſen Bücher ausgeliefert, welche in der nächſten Meſſe
bezahlt wurden. Von Tauſchgeſchäften (Verftechen) iſt erſt häufiger in
und nach dem Dreißigjährigen Kriege die Rede.
Es war eine große Mannigfaltigkeit von Geſchäften, welche während
der kurzen Zeit der Meſſe erledigt werden wollten; ſtreng und energiſch
war alſo das Arbeiten, groß das Haſten in ihrer Bewältigung. Joſua
Maler, der ſchweizeriſche Grammatiker — ein Stiefbruder der Neffen
Chriſtoph Froſchauers in Zürich —, ſchreibt darüber in ſein Tagebuch
vom Jahre 1551: „Am 18. September fuhrend wir von Maynz uff
dem Mayn bis gen Franffurt die wytberümpte und in allen Yanven
wolbefante Statt. In derjelben fanden wir den Ghrenhaften Herrn
Ehriftoffel Srojchauer, den alten, Burger und Truderherrn vonn Zürich,
ver hielt uns by ihm uff zehen ganzer Tag im ſyner Herberg. Und
wyl ich im im ſynen Buchladen nit unnütz war, als der ich von Kinds—
wejen uff im Buchladen glych als ufferzogen war, gar fommlich aud
frömden Yeuten in Yatein und Sranzöfiich antworten und Beſcheyd geben
fonnt, wolt er mich gar nit von im lafjen, bis das die Mich wölt enden.
Ih bat übel Zyt mit Bücher uff und abtragen, konnt nienenhin ent:
rinnen die Statt zu bejeben, als dann in järlichen Märkten fich mancher—
(ey da jehen läßt.” '?
Dereitd aus der Heimat hatten die fremden Buchhändler noch be-
jondere Kommiſſionen mitgebracht: fie vermittelten vielfach den briei-
lichen Verkehr der Gelehrtenwelt, nicht nur auf den Meſſen, jonvern
Kapitel.) Briefaustaufh. Herrichtung der Gewölbe. 460
auch auf ihren größern Gejchäftsreifen. Der wittenberger Buchführer
Loft Sturkfopff 3. B., welcher von 1545 bis 1555 regelmäßig von Zeit
zu Zeit Dänemark mit einem Bücherlager bejuchte, bejorgte dabei die
Korreipondenz und die Gejchäfte zwijchen Bugenhagen und Ehriftian III.,
war jogar eine Art von Vertrauensperjon, welche dem König mündlich
über kirchliche Berhältniffe und Vorkommniſſe Bericht erftatten mußte. 16
Derartige Kommiffionen wollten bei der Ankunft in Frankfurt erledigt
werden, vielleicht wurden die Briefe auch wohl von perjönlich anweſen—
ven Gelehrten bei ven Überbringern abgeholt. Unzählig find die Noti-
jen darüber in den gebrudten Briefwechjeln des 16. und 17. Jahrhun—
derts; der jenaer Buchhändler Konrad König jagt im Jahre 1558, daß
er „viel briev die meſſe pflege hinabzuführenn‘ und „warn es meffe Zeit
ime von vwilen orthenn brieve hinabzuführen zugeſchickt wurdenn“. 17 Bis
in die neuefte Zeit hat dieſer Poftvienft des Buchhandels gedauert; erjt
das billige Porto hat ihm ein Ende bereitet.
Die Läden oder Gewölbe mußten dann in Orpnung gebracht, die
Yagervorräte revidiert und in Stößen zurechtgejett werden; bevenfliche
Artifel oder Nachdrudsjachen, bei denen man eine Bejchlagnahme be:
fürchten konnte, oder berenthalben vielleicht gar ſchon ein Verbot ftatt-
gefunden hatte, wollten unter andere verjtedt fein, oder mußten mög-
lichſt hoch oben oder in finftern Ecken des Gewölbes den ſpähenden Augen
bes Fiskals (anfänglich des mainzijchen [des Plebans zu St. Leonhard),
ipiter des fatjerlichen) entzogen, eventuell doppelte „Regiſter“ Lager—
inpenturen) — das eine für den Gejchäftsgebrauc, das andere für das
Auge der Behörde — vorbereitet werden.1? An Thür und Fenſter
wurden die Titelblätter der neu zur Mefje gebrachten Bücher angejchla-
gen, daneben die Verlagsfataloge in Plafatform; Sigismund Feyerabend
und Theodor de Bry in Frankfurt ſchmückten die ihrigen, an fich ſchon
elegant ausgeftatteten, gar mit ihren eigenen von Raphael Sadeler und
Matthäus Merian geftochenen Bilpniffen. Daneben hingen dann bald
kurze Auszüge aus den neuerhaltenen Privilegien (Tenor privilegii) zur
ihnellern Information für die Gejchäftsgenoffen, in jpäterer Zeit auch
förmliche Profpefte über künftig erſcheinende Bücher. Flugſchriften und
Klein-Litteratur boten fich wohl auch in bejondern Auslagen felber an.
So harrte das worgerichtete Gewölbe der Einkäufer. Große Hand—
lungen, mit ftarfem in die Ferne ſich ausdehnendem Sortimentsbetrich,
470 Der Einkauf und die Einfäufer. Achtes
gaben ihren die verſchiedenen Gebiete bereiſenden Dienern wohl gar ein
förmliches Rendezwous auf der Meſſe. Arnold Birckmann von Köln
z. B. erſchien auf der Faſtenmeſſe 1565 mit nicht weniger denn acht
Reiſedienern; jeder einzelne verjelben entnahm für fich jenen Bedarf von
Sigismund Feyerabend. Sie genoffen wohl einer gewifien Selbjtändig-
feit und das auch mit Necht, denn fie fannten das von ihnen bereijte
Terrain am bejten. Nach beendigter Mefje zogen fie dann mit ergänz-
ten und neuafjortierten Vorräten — gleich ven kleinen Buchführern, Die
allein dieſe Abficht zur Meffe führte — wieder von bannen in die Weite,
wohl auf die Meffen im den Niederlanden, nach Straßburg, nach Zur:
zach u. ſ. w., vielleicht gar nad Italien; denn ein Philipp Junta be:
fand fich unter ihnen.!“ Namentlich die zurzacher Meſſe jcheint von
Bedeutung gewejen zu fein; fie war wenigftens für Birckmann ein wich-
tiger Saldierungstermin gegenüber der Firma Froben-Episcopius. Im
Jahre 1563 hatte er am demſelben nicht weniger als 2000 Gulden zu
zahlen!
In den Gewölben aber drängten und hafteten, wie Jojua Maler an:
deutet, die Einkäufer, um ſchnell ihre Gefchäfte zu beenden und wieder
heim, auf die Jahrmärfte over auf die Leipziger Meſſe ziehen zu fünnen.
Denn dicht folgten die leipziger Ofter- und Meichaelis- auf die franf:
furter Faften- und Herbjtmeffen, und die Reife dahin währte lange, und
noch langjamer fuhren die Frachtwagen. Eilig wurden die Vorräte durch
muſtert, was notwendig gebraucht wurde, was von den Neuigkeiten Ab:
ſatz verjprach oder durch ven Titel lodte und reizte, das wurde „aus-
geſetzt“, „eingejchlagen‘ (verpadt) und fortjpediert. Als im Jahre 1557
die leipziger Buchhändler vor dem Rate wegen des Vertriebs der von
dem Dr. Bafilius Monner in Jena unter dem Pjeudonym Chriftian
Aleman bei Nikolaus Brylinger in Baſel verlegten Schrift über ven
Schmalkaldiſchen Krieg vernommen wurden, rechtfertigten fich die In—
quifiten mit dem Drange der Mefgeichäfte, daß fie „solch buch zu Frangk—
furt nicht gelejen, jondern wie es pflegt imm Meſſen in gedreng und eil
zuzugehen, nicht mehr dann ven Titel gejehen, umd ein anzahl Erem-
plaria hingeſetzt und alſobald eingejchlagen und aufladen laffen, un
nicht ehe inn erfarung kommen ſeind, was inn gemeltem Buche ftehet,
bis das fie die Buecher anher gebracht, und aus den Faffen genommen“. ?°
Dann waren Kommiffionen zu erledigen: Aufträge auf Bejorgung
Kapitel.) Bejorgungen. Die Abrechnung. Lauter und unlauter. 471
fremdlänpijcher Yitteratur, die nicht immer jofort ausgeführt werden
fonnten; das Gejuchte war eben nicht auf den Meflagern. Da mufte bei
franzöfijchen und italienischen Buchhändlern herumgefragt und gefucht,
die eventuelle Yieferung für die nächſte Meffe verabredet werden; „Moreto
dabis curam“, heißt es in Chriftoph Plantins Notizen für die Herbft:
meſſe 1575, „agendi in proximis nundinis cum Veneto aliquo biblio-
pola, ut afferat nobis librum magnum: Moses Aegypticus, quod
quatuordecim libris divisus est.”
Dabei mochten fich alle dieſe Gejchäfte auch nicht jo ganz glatt und
einfach abwideln. Denn in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
waren die buchhändleriichen Uſancen bezüglich des Rabatt: und Rech:
nungswejens noch keineswegs völlig geregelt und feſtſtehend. Der eine
Verleger lieferte, wie dies ſchon im fünften Kapitel erwähnt worden ijt,
nur zu feinem bejtimmten (Netto-)Preis, der „Frankfurter Tax“, der
andere gewährte Rabatt, aber willfürlich, von verſchiedener Höhe, je nach
dem Bedarfsquantum der Gejchäftsfunden; Grokjortimenter erhielten
einen wejentlich höhern. Andere Verleger wieder vechneten nach dem Ries:
preis, So gab Chriſtoph Plantin, worauf gleichfalls ſchon hingewieſen
wurde, an Herwagens Erben in Baſel 12",, an Claudius Meig in
Bajel 12, an Konrad Waldkirchs Erben ebenpajelbjt 15, an Nikolaus
Bod (d. i. Vögelin) in Yeipzig 16, an Hans Stern in Lüneburg 12%/,, an
Willer in Augsburg anfünglich 20, jpäter 25, an Jacques de Better in
Frankfurt 162,, am feinen Agenten in London jogar 40 Proz. Rabatt.
Weiter mußten die halbjährlichen Rechnungen abgejchloffen, die Zah—
fungen geleijtet werben. Erſteres aber beganı vertwidelter zu werden,
denn bie gleichzeitige Ordinär- und Netto-Rechnung, die vielfach noch
bis zum Ende der vierziger Jahre des laufenden Jahrhunderts be:
jtanden hat, fing an fich zu bilden. Die Conten wurden nicht mehr
ausjchliegfich „lauter“ (netto) geführt, vielfach auch — eben wegen ver
Sraglichfeit der Nabattgewährung und des Schwanfens in der Höhe der:
jelben — „unlauter“ (ordinär), wie man fih im 16. und 17. Jahr—
hundert auszudrücken pflegte. Chriſtoph Plantin führte feine Frankfurter
Schuloregifter „unlauter“; evt bei der Abrechnung und Zahlung wurde
der von Anfang an oder nachträglich bewilligte Rabatt in Abzug ge:
bracht. So heißt es bei ihm im September 1578 „A M®. Willer qui
doibt fl. 140 s. 16 voyeres le rabat que on luy est accoustum& de
472 Der Bücherfiskal. Preßmaßregelungen. Achtes
faire au grand livre“, und als mit Claude Marne in Frankfurt a. M.,
ber von 1580 bis 1586 für 2783 Gulden von Plantin bezogen Hatte, in
der Faftenmejfe 1587 die Schlufabrechhung vorgenommen ward, wurde
erft jett ein Rabatt von 721 Gulden 16 Kreuzer (aljo etwa von 26 Pro;.)
in Abzug gebracht; bis dahin war der Betrag im Hauptbuch voll fort-
geführt worden. Da mochte denn wohl um den Rabatt und um bie
Höhe desjelben, ſowie beim Stechen genug gemarftet und gefeiljcht werden!
Unterbrechungen dieſes gefchäftigen Treibens brachten nur die Be-
ſuche von Gelehrten, die Abwidelung der Gejchäfte mit Buchdrudern und
Papiermachern oder -Händlern, die Infinuationen faiferlicher Bücher:
privilegien, die Bejuche des Fisfals, der nach verbotenen Büchern, nach an-
geblichen Libellen und Famosſchriften jpähte, Unterbrechungen, von denen
die beiden zuletzt erwähnten recht unbehaglich empfunden wurden, Waren
doch mit jenen Infinuationen zugleich auch die Mahnungen an endliche
Ablieferung der für die Privilegien ftipulierten Pflichteremplare und an
Bezahlung der hohen Transportipefen nah Wien (mit einen Grojchen
für das Pfund) verbunden und fnüpften fi doch an den Beſuch des
Fiskals oft genug Citationen vor den Rat, jpäter gar vor ven Fiskal
jelbjt, oder vor den Bücherkommiſſar. Solche Citationen trugen von
vornherein einen etwas unheimlichen Charakter an fich, denn die Hand:
habung der Prefpolizei war regellos, rein willfürlich. Ging die Be-
jchwerbe, die zu dem Verbote Veranlaſſung gab, von hoher und einfluf:
reicher Seite aus, jo begann das etwa eingeleitete jogenannte Rechts:
verfahren meist mit Bejchlagnahme des Yagers, mit Beitridung der An-
geflagten auf das Gebiet der Stadt bis zum Austrag der Sache, wenn
nicht gar fofort mit Verhaftung der vermeintlichen Delinquenten. Die
aber einmal Eonfiszierten angeblichen Famosſchriften blieben Fonfisziert,
auch wenn die Behörde anerkennen mußte, daß fie voreilig gehandelt
habe. Nur zwei Beifpiele hierfür aus der jüchfiichen Meßpraxis in
Yeipzig; fie fünnen bier angezogen werden, da die VBerhältniffe am den
beiven Meßplätzen ſich völlig gleich geftalteten. Abraham Lamberg in
Yeipzig gab feit 1605, in Nachahmung der franffurter Mefrelationen,
ähnliche von Hieronymus Megifer redigierte herans. Die vierte Rela—
tion wurde für anſtößig erachtet und mit Bejchlag belegt, Yamberg dann
aber doch für unfchuldig befunden; trogdem erfolgte am 9. April 1607
die Schlußrefolution, daß es „auf beweglichen Urjachen bey der bejchehenen
Kapitel.) Das Treiben auf den Gaſſen. 413
Gonfiscation verbleiben jolle‘. Im zweiten Fall waren zweien erfurter
Buchhändlern, Johann Birckner und Andreas Michael, in der Oſter—
meife 1623 drei angebliche Kamosjchriften fonfisziert worden; Michael
hatte feine Kaution bis zum Austrag der Sache zu beitellen vermocht
und war beshalb in Haft genommen worden. Erſt auf Drängen bes
Rats von Leipzig erfolgte am 27. Mai der von Kurfürft Johann Georg 1.
eigenhändig unterzeichnete Beſcheid: „Nun befindet ſich gleichtwohl fo viel,
daß die drey Schrifften nicht alle Famos jchrifften, jondern nur Die Er-
leuterung wider unjern Ober Hoffprediger D. Matthien Hoen vergleichen,
die andern beide aber Hiftorifche Relationen ſeyen, Jedoch laßen wir es
bey der beichehenen confiscation bewenden, Undt jeindt zufrieden, daß
Andres Michel mit einem verweiß, und fegen angelobung hinfüro der—
gleichen famos jchrifften nicht zuführen, wider uf freyen Fuß geitellet
werde”. ?! Andreas Michael mußte noch dankbar jein; er fam bejjer
und jchnelfer aus feiner Klemme, als 1557 Nikolaus Brylinger aus
Bajel in Frankfurt a. M.
So geftaltete fich das gejchäftliche Treiben in den Gewölben. Draußen
auf den Gaffen aber herrichte ein ebenfo veges Yeben. Hier haufte und
herrſchte das ſchon erwähnte leichte Fußvolf des Buchhandels, die Hau-
fierer: Männer, Weiber und Knaben. Flugjchriften, Neue Zeitungen,
Morde und Wundergejchichten, Kalender, Schöne neue Lieder in alt:
befanntem Ton (Melodie) u. dgl. wurden feilgeboten, mit großem Ge:
ichrei ausgerufen. Sigismund Feherabend fügt darüber bei Gelegenheit
jeines Streites mit den wittenberger Bibelverlegern in jeiner letten Ver-
teidigungsichrift vom Jahre 1570 gegen Chriſtoph Walther, ven litterari-
ſchen Klopffechter der erjtern: „wie oben gemeldt, iſt jein Schandgeticht
bie in Srandfurt allein heimlich undergejchoben worven, zu Yeipzig aber
in offenem Markt durch alle Gaffen von den Jungen als Freyharten
hin unn wider mit großem Triumph und froloden, ja mit ſolchem jubileo
(daß fie e8 auch in henden auffgeiworffen) außgeſchryen, gegepffert, ge:
ipeyt und geplaudert haben, Nemblich: Hie hie neuwe Zeitung von
Feyerabends faljchnachgedrudten Biblien.” ??
Wie fih aber der Hauptumschlag der Bücher im Verkehr ver Bud):
händler untereinander, wie bereits erwähnt, jo gut wie ansjchließlich auf
die Meffen konzentrierte, jo waren auch die jonftigen gefchäftlichen Be:
jiehungen der Verleger auf ven Meftermin und die Meffe zugejchnitten;
474 Die Buchdrucker ebenfalls auf der Meile. Achtes
ſelbſt die Autoren wurden ſchon in den zwanziger Jahren des 16. Jahr—
hunderts oft genug mit ihren fünmerlichen Honorarbezügen auf die Meſſe
vertröftet.?? Für die bei der Herjtellung der Bücher beteiligten Gewerbe
war daher die Mefje von gleich großer Bedeutung; auch ihre Vertreter
jtrömten zu ihr bin. Waren doch jchon in den Anfangszeiten des jungen
Bücherhandels manche, und jelbft namhafte Buchdruder nach Frankfurt
geritten, weniger um die Erzeugniffe ihrer Preffen im einzelnen an das
Publikum und die fremden Buchführer zu verfaufen, als um womöglich
ganze Auflagen en bloc an den Mann zu bringen, Aufträge und neue
Beichäftigung für ihre Preſſen zu finden, oder, wie man ſich ausprüdte,
Buchführer aufzujuchen, welche „sie (vie Buchdrucker) verlegten‘.
Sie famen auch fernerbin, und nicht nur, um Arbeit für ihre Prejjen
zu juchen — ſpeziell die Heinern Buchdrucker aus den Provinzialorten
jetst auch noch, um zugleich ihr bischen Verlag an Buchführer zu ver-
handeln, ihmen venjelben zum kommiſſionsweiſen Vertrieb zu übergeben,
über den erzielten Abjag mit ihnen abzurechnen. Denn faft alle kulti-
vierten zur Bejchäftigung ihrer Preffe oder ihrer Prefjen, falls Aufträge
fehlten, wenigftens etwas den Verlag von Schriften von lofalem oder
vorübergehenden Intereſſe, vor allem von ſogenannten Scholaftifalien:
Schulbühern, wie ABE- und Rechenbüchlein, Donat, Katechismus, Evan:
gelien und Epiften, Gejangbüchlein u. dgl. Buchführer, welche feinen
eigenen Verlag bejaßen, übernahmen derartige Kleinfitteratur gern in
Kommiſſion; hatten fie dann doch wenigitens etwas Material zum Stechen
in der Hand, wenn fich die Gelegenheit dazu bot, brauchten jie doch —
zur Genugthuung für ihre Yandesherrjchaften — nicht das bare Geld aus
dem Yande zu führen. Als im Jahre 1558 der Konkurs über die Hinter-
fajfenjchaft des Buchführers Wolf Günther in Yeipzig ausgebrochen war,
meldete fich in der Oſtermeſſe 1559, neben Privatperjonen, welche ibm
ihren Selbitverlag in Kommiſſion gegeben hatten, auch der Buchdrucker
Johann Wolrabe der Jüngere von Baugen, der eine ganz anjehnliche
Partie „Scholasticalia” bey „Guntern zuvorfauffen eingejaßt, welches
Yorenz des unters knabe wohl wiſſe“.
Dieje Arbeit und fällige Zahlung ſuchenden Buchdrucker zogen aber
wieder die Schriftgießer nach fi. Die großen und berühmten Gieße—
reien in Bafel, Nürnberg, Wittenberg bepurften des Meßbeſuchs wohl
weniger; fie konnten vuhig der Kunden und Auftrige am Zige ihrer
Kapitel.) Der Bapierhandel. 475
Sejchäfte warten; aber die Heinern mußten ihre Kundſchaft unter ven
weniger bedeutenden Buchprudern, die Zahlung zu der Zeit und an dem
Orte juchen, wo letztere größerer Einnahmen gewärtig jein durften: auf
der Meije. Bis von Köln ber famen Schriftgießer zur leipziger Meile;
1558 und 1559 wurden von jolchen auf ihr die feinen Buchdrucker
Urban Gaubiſch von Eisleben und Georg Baumann von Erfurt mit
Kummer beichlagen.
Bor allem aber wurde gleichzeitig auf der Meſſe ver Papierhandel
ſchwunghaft betrieben; die Gejchäfte darin bildeten ein wichtiges Item
unter ven Aufgaben der meßfremden Verleger. Bei der jteigenden Bücher:
produftion mußte ganz natürlich die Beichaffung des erforderlichen Papiers
viel Mühe, Sorge und Verdruß verurjachen. Zwar ſank der Preis des-
jelben mehr und mehr, dabei aber auch die Güte des Fabrikats; jeit
vem Jahre 1540 wird ſchon von „Drudpapier” (ungeleuntem) gejprochen,
und das jchon wiererholt angeführte Froben-Episcopiusſche Rechnungs:
buch fennt bereits das „Planieren“. Die Yeiftungsfäbigfeit der einzelnen
Papiermühlen aber war immerhin nur eine bejchränfte; dem großen,
viel druckenden Verleger bot die Gejchäftsverbindung mit einer einzelnen
feine Sicherheit vechtzeitiger Dedung jeines Bedarfs. Meift lagen auch
die Mühlen fern von den Verlagsorten, der benötigten Wafferkraft halber
im Gebirge, namentlich im Oſten und Nordoften Deutjchlands nicht allzu
jtarf verbreitet und hier namentlich im ihren technifchen Yeiftungen am
wenigjten hervorragend. So war denn der direkte VBerfehr der Verleger
mit den Fabrifanten nur ein jchwacher; jeit den Anfangszeiten der Buch-
pruderfunft und des Buchhandels hatte der Papierhandel eine große
Rolle gejpielt und fpielen müffen. Das bat ſchon die Schilderung des
Seichäftsbetriebs Anton Kobergers im fünften Kapitel gezeigt; fie hat
auch ſchon zur Genüge vie Ungelegenheiten und Verdrießlichkeiten er-
fernen laffen, welche ven Verlegern dabei erwuchjen. Mit ver fortjchrei-
tenden Entwidelung und dem Erjtarfen der franffurter Büchermeſſe jcheint
diefelbe nun aber auch der Mittelpunkt des Papierhandels geworden zu
jein. „Die Ingolter” aus Straßburg, „die Dürren” aus Nürnberg —
dieſe Stadt und neben ihr Augsburg hatten bereits im 15. Jahrhundert
die beſſern Papierjorten nach Yeipzig geliefert — waren auf ver Mefje zu
finden, ſchloſſen bier ihre Yieferungs: oder Kontantgefchifte mit Zwiſchen—
bändlern und Buchführern ab; über Nürnberg und Yeipzig gingen die
476 Der Papierhandel, Hauptbezugsquellen. Achtes
Sendungen tranſito nach dem Oſten. Schon ſeit den zwanziger Jahren
des 16. Jahrhunderts brachte Melchior Potter in Leipzig „ravensburger“
Papier für den leipziger Rat von ber franffurter Meffe mit nach Haufe,
ſchon vor ihm hatte Dominifus Ponat (jelbft Papiermüller, anfänglich
in Leipzig, dann in Mühlhauſen i. Th.) jolches in vorzüglicher Quali—
tät, ja ſelbſt — die leipziger Stadtkaſſenrechnungen zweier Jahre er-
weiſen e8 durch den Augenjchein — italienisches Fabrikat geliefert. Nickel
Wolrabe in Yeipzig bietet 1539 wegen des bedeutenden Bedarfs für feine
weitausjehenden Unternehmungen alles auf, um Kredit bei den Ingoltern
in Straßburg zu erlangen; in den fünfziger Jahren ſchießt der leipziger
Rat Valentin Bapſts Witwe jogar 200 Gulden ausprüdlich zu dem
Zwed vor, um auf der frankfurter Meſſe Papier einkaufen zu können,
bringt Lorenz Finckelthaus in Yeipzig feinen Papierbevarf von dort mit.
Zwölf Ballen „verfaulen“ letterm das eine mal allein auf dem Trans-
port, ſodaß fie faum zu „Mackelthur“ zu gebrauchen find. ?* Auch der
Papierbedarf für die jenner Ausgabe von Yuthers Werfen wurde, jeden:
falls über Frankfurt, von Barbirius und Gabriel Friß in Genf und aus
andern Quellen jener Gegend bezogen.
Die Hauptbezugsquellen für die Papierhändler bildeten aber Thann
im Elſaß, Epinal in Burgund und dann Lothringen. Alles aus und
über Frankfurt bezogene Papier wurde dabei, jelbft von norddeutſchen
Sejchäftsleuten, zu 12 Ries pro Ballen gehandelt, nur norddeutſches zu
10 Ries. Fraglich bleibt e8 dabei, wann fich der Unterſchied in der
Bogenzahl des Ries Schreib- oder Drudpapier (480, beziehungsweie
500) gebilvet hat, oder ob das Kies in der Zeit, in der man nur ge-
leimtes Papier kannte, auch ſchon nur 480 Bogen enthielt. Die Ab-
widelung der Zahlungsverpflichtungen für diefe Gefchäfte bildete natür-
(ich auch einen Teil der Mefarbeit.
Aber manche Buchhändler fauften das Papier nicht nur für den
eigenen Bedarf, fie trieben vielfach jogar einen nicht unanjehnlichen
Zwiichenhandel damit, ein Nebengejchäft, welches von alters ber mehr
oder weniger mit dem Buchhandel verbunden geweſen war; die Buch—
führer in Breslau betonen dies ausprüdlich in ihren Streitigkeiten mit
dem dortigen Buchdruder Georg Baumann. ?° Sehr beveutend war dies
Nebengeſchäft 3. B. bei Nidel Nerlih in Yeipzig und dem nambafteften
Berleger Wittenbergs im fetten Drittel des 16. Jahrhunderts, bei Sammel
Kapitel.) Abſchluß der Mehgeichäfte. 477
Seelfiſch; auch Johann Oporin in Bajel pflegte es. Seelfiſch hielt Yager
in Franffurt aM. und Wittenberg, Yager von jolhem Umfang, daß er
Abſchlüſſe bis zu 100 Ballen eingehen konnte. Die Abjchlüffe und Liefe-
rungstermine aber waren die Mefjen: wiederholt vwertröftet er Leonhard
Thurneyſer in Berlin, einen jeiner Hauptfunden, für weitere Yieferungen
auf die nächte Meſſe. Spejen oder Verdienſt waren bei dieſen Trans-
aftionen jo beveutend, daß für Yeipzig die doppelten Papierpreije galten,
wie für Frankfurt. ?*
Waren aber alle dieje Gejchäfte abgewidelt, dann galt es noch, das
eigene wieder in die gehörige Ordnung zu bringen: das zurückbleibende
Lager wieder in Stand zu jegen, die Mefregifter in alphabetijcher Folge
der Konten der einzelnen Firmen ind Keine zu fchreiben; denn in ber
Haft der eigentlichen Meßwoche wurde wohl nur eine fliegende Klappe
geführt. Das Mefregifter Sigismund Feyerabends von 1565 läßt dies
deutlich erfennen; es nennt fich jelber „Copey over Abſchrift“. So ver:
fängerte fich denn der Aufenthalt der fremden Buchhändler an den Meß—
plägen wohl oft genug über die eigentliche Meßzeit hinaus und wurde
dann der Sortimentsvertrieb, der vdirefte Verkehr mit dem Publikum,
gern fortzufeßen gejucht, obſchon er — wenigftens in Yeipzig — ber:
fömmlich auf eine einzige Woche bejchränft war. Frühzeitig entwidelten
fih daraus ſchon Streitigkeiten. Es muß dahingeftellt bleiben, inwie—
weit dies auch für Frankfurt zutveffene ift; im Yeipzig aber traten be
reits 1556 die einheimischen Buchhändler deshalb gegen Clemens Bau-
douin aus Lyon mit Bejchwerven bei dem Rat ver Stadt auf. Nur
im verſchloſſenen Laden (camera clausa) durfte er fernerhin nah Schluf
ver Meſſe vom Yager abgeben, und noch hundert Jahre jpäter erging es
Clemens Scleih von Frankfurt und Hanau ganz ebenjo, als auch er
jeinen Gejchäftsbetrieb in Yeipzig über die Meßzeit auszudehnen ver-
juchte, Durch Erwerbung des Bürgerrechts zu jeinem Ziele zu gelangen, "
war für ihn unmöglich; er war „differenter Religion“, nämlich ein Re—
formierter.
Was die Frequenz der Mejjen und ven Umfang ver Gejchäfte auf
denſelben anbetrifft, jo fehlt e8 leider an genügendem Material, um fich
davon ein auch nur annähernd treues Bild geftalten zu fünnen. Das
im Dofumentenanhang unter IX abgedruckte Verzeichnis ver in der
Herbitmefje 1569 vor den franffurter Rat befchievenen „Buchdrucker,
478 Die Frequenz der Meſſe. Abſatzverhältniſſe. Achtes
Buchhendler und Buchfurer“ kaun unmöglich alle zur Meſſe anweſend
geweſenen umfaſſen; das zeigt ſchon eine einfache Vergleichung mit der
Zahl ver Geſchäfte machenden Meßfremden, welche ſich aus den erhaltenen,
faſt gleichzeitigen Gejchäftspofumenten, dem Rechnungsbuch ver Firma
Sroben-Episcopins, den Mefregiftern Michael Harvers (des Agenten ver
Witwe Gülfferih) und Sigismund Fehyerabenns ??) ergibt. Hier erjcheinen
mehr Firmen und namentlich ift ver Oſten Denutjchlands in ven beiven
fetten Quellen ftärfer vertreten. Daneben ift im Auge zu behalten, daß
e8 jich bei diejen gejchäftlichen Reliquien nicht um vie Nechnungsbücher
ganzer großer Gejchäfte, vielmehr nur um Separatfonten bejonderer
Ajjociationen innerhalb jolcher, oder neben ihnen, handelt. Als aber
jene Borladung in der Herbſtmeſſe 1569 erfolgte, mochten auch ſchon
manche Fremde abgereift gewejen jein, manche der Citation auch feine
Folge gegeben haben. Immerhin finden fich unter ven Erjchienenen 5
aus Antwerpen, 4 aus Won, 3 aus Genf und 3 aus Venedig, unter
(ettern allerdings auch Pietro VBalgrifi, ver ſchon jeit 1564 eine ſtehende
Kommandite in Yeipzig errichtet und dort das Bürgerrecht erivorben
hatte.
Jene Rechnungsbücher und Mefregifter gejtatten aber aus dem ſchon
angegebenen Grunde ebenjo wenig Schlüffe auf den Gejamtumjat ver
in Frage fommenden Firmen zu ziehen; in dem Feherabendſchen Meß—
vegijter handelt es fich auch überhaupt nur um 18 Werfe. Dagegen
find die Reſultate nicht uninterefjant, welche Heinrich Pallmann durch
eine jtatiftijche Bearbeitung des lettern gewonnen hat. Der Gejamtabjat
in der Faſtenmeſſe 1565 hatte 2627 Gulden betragen; Davon entmahmen
Süddeutſchland (ver Handverfauf an Private bleibt außer Beachtung)
1684 Gulden, Norddeutſchland 742 Gulven, das Ausland (einjchlieflich
der Schweiz) nur 135 Gulden. Mit dem größten Bedarf treten auf:
Augsburg (mit 413), Frankfurt a. M. jelbjt (mit 352), Nürnberg (mit
275), Köln (mit 192), Yeipzig (mit 205) und Wittenberg (mit 131). Die
Berhältniszablen vwerjchieben fich aber nicht unmejentlich, wenn man —
was nötig ift — beachtet, daf Simon Hütter mit 245 Gulden unter
Frankfurt erjcheint. Diejes Bücherquantum übernahm er aber von ver
Aſſociation (Sigism. Feyerabend, Georg Rabe und Weigand Hahn), um
es anf jeinen für eigene und für Feyerabends Nechnung ausgeführten
Handelsreiſen im deutſchen Dften, jpeziell in Yeipzig zu vertreiben. Im
Kapitel.] Die Entjtehung des Mehfatalogs. 479
Jahre 1568 wurden ihm auf der dortigen Neujahrsmeije jeine geſamten
Vorräte wegen eines gegen Feyerabend jchwebenden Preß- und Nach-
druckprozeſſes Chronicon Carionis) mit Bejchlag belegt. ?*
Erſt von dem Zeitpunft ab, aus welchem obige Daten ftammen, füngt
man an, fichern Boden unter den Füßen zu gewinnen. Zwei beveutjame
Greigniffe find es, die faſt gleichzeitig eintreten, gleich beveutjam und
von folgenjchwerem Einfluß auf den Gang der Entwidelung ver Ver—
bältmiffe im deutjchen Buchhandel: die Errichtung der kaiſerlichen
Bücherkommiſſion in Frankfurt a. M. und die Entjtehung des Meß—
fatalogs. Beide Ereignifje bejiegeln gleichjam und beglaubigen zugleich
den Sieg der Gentralifierung des buchhändleriſchen Verkehrs, die Er-
bebung der Meſſe — zumächit der franffurter — zum Angelpuntt, um
welchen fich dieſer Verkehr fortan ausjchlieplich dreht, von welchem die
Cigenartigfeit feiner Organijation in ihrer Weiterentwidelung bedingt
wird, Die Gejchichte der kaiſerlichen Bücherfommiffion wird ihre aus—
führliche Schilverung in dem zehnten Kapitel finden; fie deckt fich fürm-
lib mit ver Gejchichte des deutjchen Buchhandels des 17. Jahrhunderts.
Die äußere Gejchichte des Meßkatalogs aber bilvet noch eine notwen—
dige Ergänzung der Schilderung des Mefverfehrs überhaupt.
Der franffurter Merfatalog ??, im Anfang nur umeigentlich jo zu
nennen, verdankt jein Entftehen einem gejchäftlichen Bedürfnis des jchon
mehrfach genannten augsburger Grofjortimenters Georg Willer, eines
der beveutenpften, vielleicht des beveutenpften derjenigen Buchführer, welche
für eigene Rechnung Lager von Büchern fremden Berlags bielten und
auch außer ven Meſſen an Eleinere Gejchäftsleute, wie an Private liefer-
ten, natürlich auch, um ihren eigenen feiten Kundenkreis verjorgen zu
fünnen. Wilfer, ein regelmäßiger Bejucher ver franffurter Meſſe, unter
bielt eine Filiale in Tübingen und einen Faktor in Wien 3% und batte
jo Gelegenheit, die litterarijchen Bedürfniſſe Süddeutſchlands nach ver-
ſchiedenen Richtungen hin kennen zu lernen und zu verjorgen. Wie aus-
gebreitet jeine Kundichaft war, geht unter anderm daraus hervor, daß
der laibacher Buchbinder Leonhard Stegmann in der Mitte des 16. Jahr:
bunderts nach Augsburg ritt, um dort Einkäufe zu machen. >? Durch
Reifediener, wie der Kölner Arnold Birckmann, ſcheint Willer jein Ge-
ſchaft nicht betrieben zu haben; dagegen ſchlug er einen andern Weg ein:
er druckte und verbreitete Kataloge derjenigen Bücher, welche von ibm
480 Georg Willerd Privatunternehmen. Achtes
auf der frankfurter Meſſe „ad exterorum Bibliopolarum, omniumque
rei Literariae Studiosorum gratiam et usum co@mpti” waren, wie
es auf dem Titel feines erſten Meßkatalogs?? heißt, und die er nun
neben ältern Werfen jeines Yagers zum Verfauf darbot (venales ex-
positi Augustae in officina libraria Georgij Vvilleri),, Wenn Nifo-
(aus Baſſe in der Praefatio dedicatoria zu jeiner jogenannten „Col-
lectio in unum corpus” — einer Zujammenfafjung der Willerjchen
Mepkataloge von 1564 bis 1592 — erzählt, Willer jei auf der franf-
furter Büchermefje mit großen Büchervorräten erjchienen, welche er durch
feine Kataloge habe wollen verbreiten helfen, jo jeheint vem ver oben
eitierte Hinweis auf das augsburger Yager zu widerjprechen. Die Zahl
der außer den neuen Erſcheinungen ver Meſſe aufgeführten ältern Werte
ift jehr Fein, umd die bald. jo genannten Meßkataloge follten eben ein
Bertriebsmittel für diejenigen Bücher jein, welche Willer erft auf der
Meſſe ſelbſt hatte anfchaffen fönnen. Die jpätern Kataloge, von der
Faſtenmeſſe 1568 an, jprechen allerdings auch von ſolchen neu oder ver:
ändert herausgegebenen Werfen, welche in den Zwijchenräumen zwijchen
den Meffen erjchienen waren; diefe bildeten aber damals eine verſchwin—
dende Minderheit, und gerade auf dem Katalog der Faſtenmeſſe 1568 iſt
ausprüdlich gejagt: „Newe Bücher, jo zum theil inn Augſpurg, ſeidt
der nechſt verjehinen Frandfurter Herbftmek, zum theil in der Faſtenmeß
dieß Jars zuſammen gebracht worden vnd zu Augfpurg bey Georgen
Willer zunerfauffen fein.“ Auch ver Umſtand, daß faft ohne Ausnahme
der Drud ver Willerfchen Kataloge (wie jpäter auch der Portenbach- und
Lutzſchen) bis dahin, wo der frankfurter Rat den Drud von Privat:
mehfatalogen verbot, in Frankfurt ausgeführt wurde, widerjpricht dem
nicht. Ein jo bedeutender Kunde, wie Willer, wurde jevenfall® vor allen
gefördert, und da die Buchführer ſchon in den erften Tagen der erjten
Meßwoche ihre Einkäufe machten, „ausjesten und einfauften‘‘®?, jo fonn-
ten Manujfript und Drud des Katalogs in Frankfurt ſelbſt jo jchneli
hergeftellt werden, daß die Verbreitung noch während ver übrigen Zeit
der Meſſe ftattfinden konnte, während dagegen die VBerpadung der Bücher
und ver Transport derjelben nach Augsburg und die nachher erjt erfol:
gende Verfertigung des Katalogs viel mehr Zeit erfordert und damit
der beabfichtigten Wirkjamfeit vesjelben beveutend gejchadet hätten. Dieje
Haft bei Herjtellung der Meßkataloge zeigt ſich beſonders in mehrern
Kapitel.) Überhaftung des Drucks. Entwidelung des Unternehmens, 481
auffallenden Drudjehlern. Herbſtmeſſe 1567 fteht in einer großgedruck—
ten Überjchrift: Trologen; auf dem Titel von Herbitmeffe 1572 lieſt
man jtatt nundinarum: nuntinarum; der Tert desſelben Katalogs
beginnt, großgedrudt, mit Partes (für Patres) orthodoxi; Herbſtmeſſe
1569 lautet der Titel: Catalogus librorum a nundinis quadragesi-
malibus Francofurti anno MDLXIX celebratis ad nundinas autum-
nales eiusdem anni, tum recens editorum, tum accessione qua-
dam auctorum Index. (Auf dem in der Bibliothek des Börfenvereins
ver deutſchen Buchhändler vorhandenen Eremplar it das Wort Cata-
logus — eins von beiden, Catalogus over Index, war überflüjfig —
durditrichen, wohl jeitens der Verlagshandlung, die ven Fehler erjt nach
dem Drud bemerkt haben mag.) Wie ftörend dagegen die, wenn auch
nur unbedeutende, Entfernung vom Drudort jein konnte, zeigt eine An—
merkung zu dem ausnahmsweiſe in Lauingen gedrudten Herbitmeßfatalog
von 1565. Derjelbe enthält einen kleinen Nachtrag mit der Bemerkung:
Hi libri sub titulo artium &c. collocandi erant. sed quia in im-
primendo Typographus aliquantulum acceleraret, nobisque copia
eorum eo tempore non esset, hie subijcere voluimus.” Die Bücher
waren zu ſpät in Willers Beſitz gelangt, um unter der betreffenden
Kubrit eingejchaltet werden zu fünnen, und fonnten nun nur noch nach—
täglich als Anhang aufgeführt werden. Nach dem Verbote des Katalog—
druds in Frankfurt mußte der danı nicht mehr zu vermeidende Übel-
ſtand freifih in den Kauf genommen werden.
Bis zur Faftenmejje 1570 jprechen die Mepfataloge von den erjchie:
nenen Büchern überhaupt; dann aber tritt zuerjt die Bemerkung auf:
„Neuwe Bücher .... So vil deren in Georgen Willers Yiberey eyn—
taufft vd zu handen gebracht.” ine ähnliche Beichränfung findet jich
auf dem Katalog von der Herbjtmeffe 1573: „Catalogus .. librorum,
... quorum maxima pars Augustae ... venalis habetur. Ver-
jeihnus der neuwen Bücher, welche ſeidher der nechjtuerjchienen Faſten—
meh, jo viel mir bewuſt, in offentlichen Trud aufgangen, vnd zu
Srandfurt dieſe Herbitmeß mehrer theils feil gehabt worden find“;
oder Faſtenmeſſe 1574: „Catalogus .. librorum .., quorum plerique
Augustae ... venales habentur. Verzeichnuß vaſt aller newer Bücher,
welche jeivher der nechituerjchtenen Srandfurter Herbitmeß in offentlichen
Trud außgangen“. Dieje und ähnliche mehrfach wiederkehrende Zuſätze
Rapp. 1. 31
482 Nachahmungen des Willerjipen Unternehmens. Achtes
zeigen, wie ſchnell ſich die Willerſchen Meßkataloge aus einfachen Ver—
triebsmitteln zu wirklichen, auf den ſelbſtändigen Verkauf berechneten Ver—
lagsartikeln entwickelt hatten, zu dem, was der Meßkatalog ſpäter ſein
ſollte: ein allgemeines Neuigkeitenverzeichnis. Dieſer Beſtimmung ent—
ſprach auch die Einrichtuug der Kataloge. Im Anfange ſind die Titel
ohne Angabe von Verlagsorten und Verlegern aufgeführt, ſpäter findet
ſich die Angabe des Verlagsorts in der Regel, die des Verlegers nur
vereinzelt; es war immer noch das Intereſſe des Sortimenters, welches
vorwog. Daß nirgends Preiſe angegeben ſind, verſteht ſich nach dem
früher Angeführten von ſelbſt.
Das neue Vertriebsmittel muß ſofort Anklang gefunden haben; denn
Willer ſetzte dasſelbe von ſeinem erſten Beginn, Herbſtmeſſe 1564, an
faſt ohne Unterbrechung (nur von den Faſtenmeſſen 1566 und 1567 ſind
keine Kataloge bekannt) mit jeder der folgenden frankfurter Büchermeſſen
fort. Nach ſeinem Tode wurde das Unternehmen durch ſeine Söhne
und Erben fortgeführt und ſind Willerſche Meßkataloge bis zum Jahre
1627 nachweisbar.
Ebenſo fand das Unternehmen bald genug Nachahmung. Die erſte
Konkurrenz erſtand Willer in den von 1577 bis 1616 durch die augs—
burger Firma Johann Portenbachs Erben und Tobias Lutz, dann Hans
Georg Portenbach und Tobias Lutz, ferner nacheinander Hans Georg
Portenbach, Tobias Lutz und Hans Georg Lutz allein herausgegebenen
Meßkatalogen, die ihrem Charakter nach ven gleichzeitigen Willerjchen
durchaus entjprechen. Inwieweit dies der Fall war mit dem von Chrijtian
Egenolphs Erben in Frankfurt für die Faſtenmeſſe 1594 herausgegebenen
Katalog, der feinen Nachfolger fand, muß dahingeftellt bleiben. Dagegen
gilt dies unbedingt von dem Unternehmen von Paul Brachfeld in Frank—
furt, der von 1595 bis 1598 Konkurrenzkataloge herausgab. In einer
Anfprache „An den Leer” jagt er, er habe, weil bisher nach gehaltenen
oder zwijchen den Meſſen viel hohe und anderes Standes Berjonen ihre
Yente vergeblich nach Frankfurt a. M. abgefertigt, weil daſelbſt von nic-
mand von allerlei Materien offene Buchladen gehalten würden, für
gut angejehen, damit die Studien. defto mehr gefördert und folche ver—
gebliche Koften und Reifen verhütet würden, einen wohlbeftellten Buch-
laden daſelbſt aufzurichten, in dem man «allerlei Materien und Bücher
jo viel möglich um die Gebühr auch außerhalb der Meſſen finden fünne.
Kapitel.) Peter Schmidts Verſuch eines vollftändigen Meflatalogs. 483
Da übrigens die Brachfelvjchen Kataloge mit den Portenbach -Yußjchen
im Texte genau übereinftimmen, beive auch bei einem und demjelben
Drucder bergeftellt find ’*, jo darf man vielleicht an ein gemeinfchaftliches
Unternehmen venfen und das um fo mehr, als auch diejes Unternehmen
nicht nur hiernach noch den Charakter eines rein privaten gejchäftlichen
Vertriebsmitteld trägt, jondern Brachfeld jelber noch dieſen Zweck direkt
auf dem Titel andeutet, indem er ausdrücklich von den verzeichneten
Büchern jagt, „qui plerique apud Paulum Brachfeld Bibliopolam
Francofurtensem, Lipsiae et Francofurti ad Viadrum vena-
les habentur“. Der Statalog war alfe in aller Form mit zum Ver—
teilen auf feinen Handelsreiſen bejtimmt.
Den erjten Anlauf aber, wirflih einen Katalog aller erjchienenen
Neuigkeiten herauszugeben, nahm zur Faſtenmeſſe 1590 Peter Schmidt
(Sabricius) in Frankfurt a. M. Gr motiviert jein Unternehmen damit,
daß „offtermal mancherley vnnd fürneme Bücher bißhero in Catalogis
jeind aufßgelaffen worden, mehr auf wolbedachten muth, dan hinderläſſig—
feit derjenigen, jo die Catalogos verlegt haben (dann dieweil diejelbigen,
an end vnd orten, wohnen, da nicht alferley Bücher offentlich dörffen
verfaufft werden, haben fie nicht vnbillich jren Nutzen vnn Reputation
zu vorderjt und erjten bedacht, wiewol die Buchteuder und Buchhändler
darvon großen ſchaden litten)“. Schmidt fann bier nur Augsburg im
Auge haben, und er verjpricht nun die Herausgabe folder Kataloge,
welche die Titel aller erjchienenen Bücher, „es jeyen groß oder flein,
fürnem oder gering‘, enthalten ſollen. In ähnlicher Weije fpricht fich
auch Baffe in ver erwähnten „Epistola dedicatoria” aus. Sehr viele
nicht unbedeutende Bücher, jagt er, fehlten in den Katalogen — zunächit
in den Wilferfchen, denn nach ihnen und für Willer ift die „Collectio in
unum corpus“ bearbeitet —, weil fie entweder gar micht nach Frank—
furt gefommen oder durch Nachläffigfeit ver Sammler nicht in die Kata—
(oge aufgenommen worden feien — ein Übeljtand übrigens, der dem Meß—
fatalog befanntlich bis zu Ende feines Erjcheinens vorgeworfen worden
it. Aber dennoch iſt e8 bei dem einen Schmidtjchen Meßkatalog ges
blieben; jedenfalls fehlte Schmidts, wie auch wohl dem Egenolphſchen
Unternehmen, welches lettere vielleicht an das feinige anzufmüpfen ſuchte,
die Gunst der Buchhändler, die an die bisherigen Kataloge gewöhnt
waren. Auch Schmidts Katalog dürfte übrigens an dem bei andern ge—
81*
484 Der offizielle Meßkatalog ſeit 1598, Achtes
rügten Fehler gelitten haben: in einer Schlußſchrift beklagt er ſich dar—
über, daß ihm die Titel nicht rechtzeitig genug zugekommen ſeien.
Die Meßkataloge waren inzwiſchen nach und nach zu einem Hilfs—
mittel des litterariſchen Verkehrs von ſolcher Bedeutung herangewachſen,
daß die wieder erſtarkte und immer kühner auftretende katholiſche Partei
ſich ihrer zu bemächtigen, ſie unter ihre Aufſicht zu bringen ſuchte. In
den Jahren 1596 und 1597 waren Irrungen entſtanden (welcher Art
iſt nicht klar), die den frankfurter Rat vorſorglich bewogen, den Druck
von Privat-Meßkatalogen in Frankfurt hinfort nicht mehr zu geſtatten,
vielmehr ſelbſt einen einzigen, angeblich vollkommenen Katalog drucken
und publizieren zu laſſen, der von Obrigkeits wegen gefertigt werden ſollte.
Die Buchführer ſollten zu dem Ende angehalten werden, ihre Bücher—
titel in die Ratskanzlei zu liefern?* (anfänglich die Titelblätter ſelbſt,
ſpäter wurden nur Titelabſchriften, in duplo, verlangt), Motiviert
wurde diejer Beſchluß durch die Rückſichten auf die Genjur; es waltete
dabei, wie jih das des Nähern aus dem zehnten Kapitel ergeben wird,
die Abficht ob, dem Andrängen der immer jelbjtherrlicher jich geberdenden
faiferlihen Bücherkommiſſion die Spite abzubrechen. Nachdem nun im
Herbit 1597 dieſer Ratsbeichluß in der Buchgaffe (ven Buchhändlern)
publiziert worden war, erjchien der jogenannte Ratsmeßkatalog, zuſam—
mengeftellt durch den Syndikus Dr. Kajpar Schacher, wahrjcheinlich von
Herbitmefje 1598 an, und zwar, während bis dahin der Titel vielfach
gewechjelt hatte, unter der von nun am feſtſtehenden Benennung „Cata-
logus universalis“.
Die beiden erjten dieſer Meßfataloge erjcbienen bei Johann Feyer—
abend in Frankfurt a. M., ver dafür dem Bearbeiter zu Ausgang der
Meſſen durch Geld oder Bücher entjchädigte. „Vnd ift damit“, jagt
Schacher, „einem E. Rath, ein Werk erhalten worden, daß derjelbige in
das obrigfeitliche Amt der Infpection vm jo viel tiefer impatronirt
vnd die Jeſuiten durch dies Mittel abgehalten worden, daß fie auch
bis auf diefe Stunde nichts weiter tentiren oder wnterjtchen können.“
Nach Feyerabends Tode übertrug Schacher den Verlag an ven Buch—
pruder Johann Sauer, der ihm dafür ein Honorar von mejjentlich
60 Gulden gewährte — der Verlag des Meßkatalogs muß demnach recht
einträglich gewejen jein — und der num die Mehkataloge von der Herbit-
meſſe 1599 bis zur Faſſenmeſſe 1608 druckte. Infolge von Differenzen
Kapitel.) Intrigen von fatholifcher Seite gegen den Katalog. 485
Sauer mit Schacher ging dann der Verlag an Sigismund Latomus
(Meurer) über, der ihn von ver Herbitmejje 1608 bis dahin 1617 behielt.
Einer der Sauerjchen Kataloge, der von der Herbitmeffe 1602, erhält
dadurch ein bejonderes Intereffe, daR er angebrudt (nicht, wie jpäter
mehrfach vorkommt, angehängt) wohl zum erjten mal eine Buchhändler:
anzeige enthält. Dem Schluß des Katalogtertes folgt nämlich unmittel-
bar noch ein Abjchnitt: „Catalogus ver Newen Bücher, jo in dem Ingol-
ftäter Laden dieje Herbitmeh 1602. gefunden werben.” Es ift dies lauter
Verlag von Elias Willer in München, Ingolſtadt und Freiburg. Diefer,
ein Sohn Georg Willers, hatte in Gemeinschaft mit feinem Bruder Georg
das väterliche Gejchäft in Augsburg fortgeführt, wie es ſcheint bis Oftern
1598. Am 8. April diefes Jahres hatte er die Buchhandlung ven Jo—
hann Wolf Wiederhold in Frankfurt a. M. gekauft 3%, wo er bis zum
Jahre 1602 geblieben zu jein feheint.
Es iſt Schon aus dem Vorftehenden zu erjehen, daß die Hofpartei
im Wien, oder die Jeſuiten, fich des Meßkatalogs zu bemächtigen, den—
jelben ihren Zweden vienftbar zu machen ftrebten. Der Plan jcheint von
langer Hand ber vorbereitet worden zu fein. Bereits feit dem Jahre
1606 erichienen in Mainz fatholifche Meßkataloge, ob als Privatunter-
nehmen, ob von jeiten der erzbijchöflichen Kurie veranlaßt oder beein-
flußt, Steht dahin. Die mainzer Erzbifchöfe beanfpruchten als Erzfanzler
des Neichs ein Auffichtsrecht über den Buchhandel, jpeziell über ven
auf der frankfurter Meffe, und von letsten Jahrzehnt des 15. Yahr-
hunderts ab bis zum Jahre 1524 laſſen ſich die Verſuche verfolgen,
biejes angebliche Auffichtsrecht zur faktiſchen Geltung zu bringen. Es iſt
daher wohl fein blofer Zufall, vielmehr ein Glied in der Kette der ge-
planten Mafregeln, wenn gleichzeitig mit dem Hauptanfturm vom Jahre
1608 gegen die Hoheitsrechte des franffurter Nats in Biücherfachen ver
Verſuch gemacht wurde, die katholiſchen Meßkataloge nach Frankfurt zu
verpflanzen und ihnen, und zwar ihnen ausschließlich, einen offiziellen
Charafter aufzuprüden. Ein Geſuch des fathofifchen Buchdruckers Niko—
(aus Stainius in Frankfurt im wiener Archiv — es iſt leider undatiert,
muß aber notwendigerweife vor Erlaf der Konftitution Kaifer Rudolfs II.
„von Vifitation der Drudereyen ꝛc.“ d. d. 15. März 1608 eingegangen
jein — bittet nämlich um Bewilligung eines Privilegiums für den Drud
des franffurter Meßkatalogs. Die katholifchen Bücher, heißt e8 in dieſem
486 Der katholiſche Meßkatalog. Achtes
Geſuch, würden teils ausgelaſſen, teils unvollſtändig aufgenommen. Der
frankfurter Rat habe den Advokaten Dr. Schacher mit Anfertigung des
Kataloge beauftragt, was fowohl den fatholifhen Buchhändlern, als der
katholischen Religion jelbjt zum Präjudiz gereiche, Er bitte aljo um ein
Privilegium, den Katalog aller zu jeder Meſſe einkommenden Bücher zu
bruden; Dagegen jei er erbötig, nicht nur den Katalog unter Rat und
Borwifien des Bücherfommiffars Dr. Val. Yeucht (Rei librariae Re-
visor et Commissarius), oder wen font der Kaiſer dazu anftellen würde,
zu drucken, jondern auch 50 Freieremplare an den kaiſerlichen Hof ein:
zuliefern.
Die Spuren diejer Beftrebungen zeigen fich denn auch im ver eben
angeführten Konftitution, im welcher jene Beſchuldigung des teilweiſen
Weglaffens der fatholifchen Yitteratur in dem nunmehr amtlichen Mer:
fatalog wiederholt werden, noch deutlicher aber in ven „Punkta, welcde
an den Nat zu Frankfurt zu jehr den“, welche jedenfalls als Direktive
für die Beantwortung der Vorjtellungen des letztern gegen die angeort-
neten Mafregelungen dienen follten. Der frankfurter Rat ſoll danach
bedeutet werden: „auch die Ausfertigung des catalogi librorum nicht
allein vor und ahn fich zu ziehen und dardurch fich zu mechtigen Ihres
gefallens Bucher in denfelbigen zu feßen und andere auszulaſſen, jen-
dern die verordnete Commissarios in deme mit zuzulaſſen“.
Der ganze Plan fcheiterte aber zumächit, wie die ausführliche Dar-
jtellung im zehnten Kapitel zeigen wird, an dem energijchen Auftreten
von Kurpfalz im Intereſſe des freien litterarifchen Verkehrs, welchem
Auftreten ſich Kurſachſen etwas zagbafter anfchlof. Der katholiche Mer
katalog mußte zunächſt jein Domizil in Mainz behalten und erjcien
bier unter Leuchts Aufficht und Redaktion. Er follte nun wenigitens
einen Sewiffensberater der fatholifchen Buchhändler, einen Index ex-
purgatorius des amtlichen franffurter Meßkatalogs bilden. In ver
aus Frankfurt datierten Vorrede zu dem Katalog der Herbſtmeſſe 1611 °
jagt Leucht, er ſei vom Papft und Kaiſer wiederholt beauftragt, den
Buchhandel jorgfältig zu überwachen und vor allem halbjährlich einen
Index expurgatorius ver nenerjchienenen Bücher berzujtellen und zu
veröffentlichen; jo habe er denn an die meiften Buchdrucker und Bud
händler ein Cirkular verſchickt, um die Titel ihrer neuen Publikationen
zu erhalten, und aus den ihm zugejandten jet der vorliegende Inder zu-
Kapitel.) Privilegierung des Meßkatalogs. Der Notar Kröner. 487
jammengeftellt; ev ermahne nun alle Buchhänvler, bevor fie Bücher von
andern fauften, diefen Index zumächit zu Rate zu ziehen, um nicht aus
Unkenntnis zu ihrem Schaden jchädliche Bücher zu verbreiten.
Erjt jpäter, während der Fettmilchjchen Unruhen, gelang es dem Kur:
fürften Johann Schweidard von Mainz, dieſen mainzer Fatholifchen Meß—
fatalog nach Frankfurt zu verpflanzen. Gin in der Bibliothek des Börfen-
vereing vorhandenes Exemplar ?° datiert von 1615. Später jcheinen die
katholiſchen Meßkataloge nach München übergefievelt zu jein, wo beſtimmt
von 1625 an ein „Catalogus universalis catholicus” erjchienen ift. 3°
In der Herbftmeffe 1616 und in der Faftenmefje 1617 gab aufer-
dem auch der Notar Heinrich Kröner einen Mefkatalog in Frankfurt
heraus. Kröner, der wohl nebenbei mit Büchern handelte, hatte jchon
in der Herbſtmeſſe 1611 ein Bücherverzeichnis herausgegeben. *% Jetzt
hatte er fih „per sub- et obreptionem”, wie e8 in einem franffurter
Ratsprotokoll heift *!, ein faiferliches Privilegium verichafft; fein Unter:
nehmen wurde jedoch, als dem Rate präjudizierlich, unterdrüdt. Jeden—
falls ift auch dieſes ſchnell jcheiternde Unternehmen als ein Glied in der
Kette ver Verſuche zu betrachten, welche dem Rate jeden Einfluß auf
die Herausgabe des Meßkatalogs aus der Hand zu winden bezwedten.
Mit dem Jahre 1618 beginnt dann die Reihe derjenigen franf-
furter Meßkataloge, die bis zum Jahre 1749 bei Sigismund Yatomus
und deſſen Nachfolgern mit faijerlichem Privilegium erjchienen. Wie
ſchon früher in einzelnen Fällen, wiederholt fih nun häufiger die Er-
ibeinung, vaß Meßkataloge „mit Firma’ der ausgebenven, im Befit
einer großen Partie befindlichen Handlung erjchienen, wie das ja bis
zum heutigen Tag bei manchen Publifationen häufig vorkommt. Einer
der erjten Latomusſchen Mepkataloge, der von der Faſtenmeſſe 1625,
bietet die bejondere Erſcheinung, daß neben der im fich wollftändigen, aus
Bogen A—E bejtehenden und mit „Finis“ jchliefenden Ausgabe noch
eine andere eriftiert, welcher ein Bogen F angefügt ift mit der Über—
ihrift: „Catalogi librorum appendix. Hoc est. Consignatio illo-
rum librorum, qui cüm ex nundinis Francofurtensibus vernalibus
1625. peregreque aliunde comparati sint, quamvis Catalogo cer-
tas quasi ob caussas non inserti, venales nihilominus reperiuntur.
Anhang des Frandfortiichen Catalogi: Darinnen diejenigen Bücher, welche
in verfchienener Faſtenmeß 1625. zu Frandfort vnd fonften von andern
488 Vorübergehende Beeinfluſſung. Einrichtung des Katalogs. Achtes
Orthen gern zu wegen gebracht, aber (vielleicht auß vrjachen,) dem Cata-
logo nicht fein einverleibt worden.” Gin Grund hierfür ift aus dem
Inhalt des Anhangs felbft nicht zu erjehen *?, wielleicht aber war es in
jener Zeit, in welcher die faiferlichen und Tigiftischen Heere fiegreih am
Rhein ftanden, dem damaligen Bücherfommiffar Ludwig von Hagen —
fein herriſches Auftreten ift im zehnten Kapitel nachzulefen — dennoch
gelungen, den Meßkatalog vorübergehend in feine Gewalt zu befommen,
und jener Anhang könnte dann als ein von protejtantiichen oder nord—
deutschen Buchhändlern veranlaftes Supplement aufgefaßt werben.
Ebenſo wenig zu erklären ift zumächit das, allerdings aus wejentlich
jpäterer Zeit ftammende Faktum, daß Dagens Adjunkt Hörnigk bei ver
Piquidation feiner Auslagen vom 8. September 1651 der Hofburg eine
Rechnung des Buchdruders Siegfried vom 10. Februar desjelben Jahres
einreichte, worin die Pofition vorfommt: „Vom Catalogus libr. ift die
Auflage wie allezeit gewejen 1200 Eremplare, übrig geblieben 400. Reit
800, die zu 1 fl. für 12 Erempfare verkauft worben fl. 66. 32. Wie
fommt Hörnigk zur Abrechnung über den Meßkatalog?
Im Anfang behalten dieje Kataloge auf dem Titel den bis dahin
gebräuchlichen Ausdruck bei: Bücher .. welche .. in der Buchgaffen ver:
faufft worden; erjt fpäter heißt es regelmäßig: verkaufft werden.
Sonft ift über diefelben nichts Bejonderes zu bemerfen; wie die franffurter
Buchhändlermeſſe ſelbſt, ſanken auch fie unabläffig an Bedeutung und jelbit
in der äußern Ausjtattung, bis fie endlich, faſt unbeachtet, einjchliefen.
Frankfurter Meßkataloge des 18. Jahrhunderts find jett fat unfindbar.
Die Einrichtung aller diefer Kataloge tft der von Anfang an dur
Willer angenommenen, abgejehen von Fleinen Abweichungen, nachgebilvet.
Die Anordnung nach wiffenjchaftlichen oder vielmehr bibliograpbiichen
Rubriken wechjelt jo oft, wie die Faſſung des Titels. Hierauf mäher
einzugehen, würde hier zu weit führen. Nur die Folge der Kon—
fejfionen bei der theologiſchen Yitteratur bietet bei der alles beberrichen:
den Stellung der religiöfen Parteien zueinander interefjante Momente.
Willer Tier fich dabei entſchieden won vein gejchäftlichen Geſichtspunkten
leiten; jo lange er feine Kataloge in Frankfurt drucken lafjen und bier
noch auf der Meſſe jelbit einen wejentlichen Abjat damit erzielen konnte,
jolange jtellte er auch die protejtantijch-theologijche Pitteratur voran, nur
jelten die futherifche und reformierte trennend. Mit der Verlegung des
Kapitel.) Anordnung der Kataloge. Der leipziger Meßkatalog. 489
Drucks nach Augsburg aber, von wo ab ſein Hauptabſatz wahrfcheinlich
für katholiſche Yitteratur ein überwiegenderer wurde, nimmt dieſe auch
ven Bortritt, zeigt fich die proteftantifche immer fchwächer und jchwächer
vertreten, obſchon der Titel des Katalogs unverändert bleibt. Im den
Ratsmeßkatalogen erjcheint ſelbſtverſtändlich die futherifche Theologie voran;
erit umter dem wachjenden Druck ver kaiferlichen Bücherkommiſſion fieht
fihb der Rat, wie im zehnten Kapitel näher ausgeführt werben wird, ge:
nötigt, die katholische voranzuſtellen. Aber fonfenuent fteht die reformierte
theologische Yitteratur erft in dritter Yinie. Die Anordnung der Titel
innerhalb der einzelnen Abteilungen ift Dagegen nirgends ſyſtematiſch oder
alpbabetiih. Was die Willerjchen Kataloge betrifft, jo ſcheint es, als
ob vdiejelben nach Ordnung des Yagers nach den Bichertiteln aufgenom:
men twären; bei ven Ratsmeßkatalogen und ihren offiziellen Nachfolgern
läßt ver Umstand, daß faft immer der Verlag eines und desjelben Ver—
legers in derſelben Rubrif hintereinander aufgeführt ift, darauf ſchließen,
daß die betreffenden Bearbeiter einfach die eingelieferten Titelblätter oder
die auf Zettel gejchriebenen Titel jedes Verlegers zuſammen auf die die
betreffenden Rubrifen enthaltenden Pädchen gelegt une jo das Manu:
jfript für den Drud gebildet haben.
Es erübrigt noch, die Entitehungsgeichichte des Teipziger Meßkata—
logs zu beiprechen #3, da diejelbe nicht füglich von der des franffurter
getrennt werden fan. Der im zweiten Stapitel erwähnte Henning Große
hatte zur Oſtermeſſe 1595 (eigentlich für vie Michaelismeffe 1594) aus
den verichiedenen Frankfurter Katalogen einen einzigen zufammengeftellt,
jeiner in einem Aetenjtück gegebenen Erklärung zufolge, um feine Kun—
den billiger befriedigen zu können, Möglicherweife hatte ihm ſogar vie
gewiß ſchon länger befannte oder beiprochene Abficht des Frankfurter Rats,
die Herausgabe des Meßkatalogs an fich zu ziehen, ven Anlaß zu feinem
Unternehmen gegeben; er mochte der Meinung fein, mit der Begründung
einer Konkurrenz in Yeipzig nicht nur jeine eigenen Intereffen, jondern
auch die des Leipziger Platzes zu fördern. Nachdem er jein Unternehmen
mehrere Jahre fortgejett hatte, trat Abraham Yamberg als Konkurrent
auf, indem er in der Michnefismeffe 1598 ebenfalls einen Meßkatalog
druckte, zunächit ohne Privilegium, während dagegen, wie ſchon erwähnt,
Große im Beſitze eines Generalprivilegiums fich befand. Im nächſten
Jahre wußte fi Yamberg aber ein eigenes. furfächfiiches Privilegium
40 Der Leipziger Meßkatalog. Achtes
(vom 24. März) zu verſchaffen und verklagte num im April Henning
Großes Schu, Friedrib Große, unter deſſen Firma des erjtern Diter:
meßkatalog von 1599 erjchienen war, durch VBermittelung ver Univerfität
— der fir fich allein eigentlich nur die Aufficht über die Cenſur zu:
jtand — wegen Nachdruck des feinigen bei dem Nominiftrater von Kur:
jachjen. Henning Große wurde auch, trots feines moralijchen Vorzugs—
rechts, verurteilt, fich des Druds und Vertriebs des Meffatalogs zu ent:
halten und die Strafe von 30 rheinifchen Gulden Gold wegen Verletung
von Yambergs Privilegium zu bezahlen. Um jein Unternehmen aufrecht
erhalten zu können und das Verbot des Weiterdruds zu umgehen, ver:
anftaltete er nun in aller Eile und zwar angeblich als Fortſetzung
der obenerwähnten in Frankfurt erjchienenen „Collectio in unum corpus“
einen „Elenchus“ aller jeit 1593 bis 1600 (richtiger 1594 bis 1599)
erjchienenen Bücher, für welchen ev nun feinerjeits ein kurſächſiſches
Spezialprivilegium erhielt, und gab nun feinen Meßkatalog unter den
Titeln von „Continuationes Elenchi” heraus, deren ſechs erfchienen find.
Die erjte „Continuatio“, ver Sicherheit wegen in Eisleben gedruckt, iſt
von der Neujahrsmeſſe 1600 datiert, aber in Wirklichkeit nichts als ein
Michaelismeßkatalog von 1599 und zugleich der einzige Neujahrsmeßkatalog,
der, abgejehen von den Jahren 1703 bis 1709, überhaupt erjchienen iſt.
Yamberg juchte nun zwar Große auf Grund feines Privilegiums
wenigjtens an dem Cinzelverfauf dieſer fogenannten „Continuationes“
zu verhindern, erreichte jein Ziel aber nicht. Die füchfiiche Regierung
wußte fich nicht anders aus der fich ſelbſt gejchaffenen Sadgafje heraus:
zubelfen, ald daR fie entſchied: jeder Teil ſei bei feinem Privilegium zu
ihügen. Die Parteien waren verſtändig genug, fich zu einigen. Große
gab den felbftändigen Drud feiner „„Continuationes” auf, während Lam—
berg eine Verlängerung feines Privilegiums auf weitere 15 Jahre, bie
Michaelis 1619, erlangte und nun den Meffatalog ſowohl für ſich als
für Große derart drudte, daß jede Partei ihre Eremplare mit der eigenen
Firma erhielt und vertrieb. Nach dem Erlöfchen von Lambergs Privi-
legium blieben Große und feine Nachfolger im unbejtrittenen und un—
gejtörten Beſitz des Meßkatalogs. Diefe Andeutungen müſſen bier ge
nügen; das Weitere würde in die Gejchichte des leipziger, reſp. nord—
deutjchen Buchhandels gehören.
Keins der Kulturvölker Europas fann eine jo ununterbrochene ſyſte—
Kapitel.) Die Wirkungen des Dreißigjährigen Kriegs. 491
matische bibliographiiche Aufzeichnung feiner litterariſchen Produftion auf:
weijen, in feinem derſelben reichen die Originalquellen jo weit zurüd,
als in Deutſchland — ja, in dem anfänglich internationalen Charafter
der frankfurter Büchermejjen und in der Aufnahme auch dev fremdlän—
diſchen Yitteratur in die Meffataloge bat jelbit letztere, ſpeziell die fran-
zöfiiche, die Anfänge ihrer bibliographiichen Annalen zu ſuchen. Kann
man die Meffataloge auch aus verjchievenen Gründen nicht als un:
bedingt zuverläffige Quelle für den vollen Umfang der litterarijchen Pro-
duftion anerfennen, jo entrollt ſich doch in einer jtattjtijchen und graphi-
ſchen Bearbeitung des in ihnen nievergelegten Materials ein annähernd
entiprechendes Bild der Bewegungen des litterarichen Verkehrs und dieſer
PFroduftion im allgemeinen und des Ganges und Charakters der wiſſen—
ibaftlichen Studien im bejondern, ein Bild, wie ſich ein jolches kaum
durch Das gejchriebene Wort geben ließe. Dieſes finnliche Bild vorzu—
führen bezweden die biefem Bande beigegebenen graphiſchen Tafeln ver
Bücerproduftion in dem Zeitraum won 1564 bis 1765; fie werden am
Schluſſe von berufenjter Hand ihre Erläuterung finden.
Mit kräftigen und deutlichen Zügen, mit erjchredender Stlarheit prä—
gen jih im ihnen und in ihren Zahlen die verhängnisvollen Einflüffe
Bid, wie auch auf dem Gebiete der litterarijchen Produktion die Ent:
widelung in Deutjchland zurüdgeworfen, um ein volles Jahrhundert auf:
gehalten wurve. Der bei dem Beginn des großen Kriegs blühend und
kräftig daſtehende deutſche Buchhandel wurde halb zu Grunde gerichtet.
Mögen die beteiligten Kreiſe zumächit ſelber jprechen.
In einem Bittgefuch vom 31. März 1648 um ein kaiſerliches Privi-
legium jagt Johann David Zunner in Frankfurt a. M.: „Bei diejem
jerrütteten Zuſtand des heil. R. Reichs ift bald fein Handelsverfehr
rüdftelliger worden als eben die Truderey und das Bücherverlegen.“
Ganz ähnlich drücken fich die Leipziger Buchhändler in einer Eingabe
vom 9. November 1671 an den Kurfürften von Sacjen aus; fie be
baupten, daß dem Buchhandel der völlige Untergang drohe, „daß gegen
die vorigen Zeiten, da bier in Yeipzigk allein ftatlihe Handlungen undt
Wohlhabende Yeuthe unter Unß geweſen, Wir anitzo (aber) jo ruiniret,
daß nicht allein in Unſern Mittel viel arme Leute ſeyn, ſondern auch
ingefampt jährlich kaum jo viel erwerben fünnen, daß Wir Unß kümmer—
492 Klagen der Buchhändler über Geichäftsverfall, Achtes
lich davon erhalten mögen“, — und in einer andern aus dem September
1683 nennt der Buchhändler Johann Chriſtoph Tarnovius die damaligen
Zeiten noch immer ſolche, „da von allen andern Handlungen leider! dieſe
(nämfich der Buchhandel) erepiren muß, einem ehrlichen Buchhändler
anuszufommen unmöglich. * Bierzig Iahre nach Beendigung des ver:
heerenden Kampfes — allerdings wieder während der unglüdlichen Reiche:
friege mit Frankreich — ein ſolcher Ausſpruch, aber verſtändlich und
wahr! Denn nur aus idealen Beltrebungen und aus einem, damals
durch den Krieg begrabenen, frifchen geiftigen Yeben kann ver Buch—
handel jeine Kraft fchöpfen.
Deutfchland aber hatte nur das nadte Yeben aus dem Schiffbruch ae-
rettet, und entmutigt, gebrochen und verarmt war es in ben Trieben einge:
treten. Es war ja zumächit die Stillung des Hungers, der Wiederaufbau
der zerjtörten Häuſer, die Nenbeftellung der verwüfteten Felder, welche das
Dichten und Trachten der Menjchen auf Jahrzehnte hinaus ausichlieklich
in Anjpruch nahmen. Wer aber feine Fenſter mit einem Stück Papier
oder einem alten Strumpf ftatt einer Glasſcheibe ausfliden muß, um
fich gegen Regen und Froſt zu ſchützen, der kann nicht an die Behag—
lichkeit des Dafeins denfen. Und Bücher waren jchen damals, wie no
heute, Yurusartifel, ein Luxus, deſſen man jich zuerft entjchlug, wenn
Berlufte, wenn die Sorgen und Schreckniſſe der Zeit an vie Thür pochten.
Der Sinn für geiftigen Genuß mußte unter dem Drud der Not des
Lebens eriterben, — dem Buchhandel die Kraft erlahmen, dem ſelber
dahinſiechenden litterariichen Schaffen Genüge zu leiften. Wer jolite denn
auch Bücher kaufen, wenn es an Brot mangelte? Höchſtens Gebet- und
Erbauungsbücer; nur in ihnen juchte und fand das fast verzweifelnde
Gemüt gläubiges Vertrauen und Hoffnung auf eine beſſere Zeit, Stärke
zum Ausharren in ver leiblichen Not der Gegenwart. Dieje Produktion
blühte alſo allenfalls fort in Nürnberg, VYeipzig, fand eine neue Frucht:
bare Pflegeftätte in dem ſonſt unbedeutenden Yüneburg. *° Faſt die ganze
zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts verging mit jener täglichen Sorge
für des Yeibes Notourft. Und doch hatte jelbft der materielle Jammer
dieſer troftlojen Zeit den deutjchen Buchhandel nicht ganz zu brechen ver—
mocht. Seine Kraft wurzelte zu feit im eigentlichen Geifte der Nation,
der im Proteftantismus jeinen Ausorud fand, jein Anjehen im Aus:
lande jtand zu hoch, feine Verbindungen mit der europäiſchen Gelehrten:
Kapitel.) Folgen der Gegenreformation in Ofterreich. Lage Leipzigs. 493
.-...
Kriegs gelungen wäre, ein jo müchtiges Getriebe mit einem Schlage
gänzlich ſtillzuſtellen.
Yangjanı, aber unaufhaltſam, hatte fich vielmehr im Verlaufe des Kriegs
diejer Niedergang des Buchhandels entwidelt; e8 war ein langjames Ver-
bluten, jeweilig verjchärft noch durch bejondere, ven gejchäftlichen Verkehr be-
jonvers ſchädigende Einflüffe. Gleich die erjte Periode des Kriegs brachte
den Sieg der Gegenreformation in den öfterreichiichen Erblanven. Gegen
über dem ſonſt im den Buchhändlerdenkſchriften älterer Zeit oft genug
nur zu stark auftretenden Farbenauftrag jagen die Leipziger Buchhändler
verhältnismäßig jehr gemäßigt darüber in einer Eingabe vom 3. März
1667, daR „vor den Kriegs Zeiten und do in dem Königreich Böh—
men, Dejterreih, Schlefien, Mehren und andern Keyſerlichen Yanden, das
Babjtumb noch nicht eingeführet gewejen, ein großer Abgang von guten
Lutheriſchen Büchern gewefen, jeithero aber alles reformiret, iſt ohne
Unjern erinern hieraus auch zu jchließen, daß auch hierdurch Unſere Nah—
rung nicht wenig gejehtwächet worden.” 1% Anfänglich zwar war es noch)
möglich, die betreffende Yitteratur auf Um: und Schleichwegen einzu—
ihmuggeln; die Gebrüder Johann und Heinrich Stern in Yüneburg be—
merken noch im Jahre 1637, daß jelbjt damals noch „auf Dejterreich Ao.
1626 bey jperrung der Donau über Salzburgf auch auff Sawm Straßen
durch Tyrol vnſere Verlage zutragen, von hieraus auf Nürnberg gefor-
dert” worben jeien. +" Aber lange danerte dies nicht mehr: der Sieg der
Jeſuiten ward zu einem unbejtrittenen, dem norddeutſchen Berlagsbuch-
handel war definitiv ein großes Abſatzgebiet verloren.
Es iſt ſchon darauf hingewieſen worden, daß fich jeit dem letten
Drittel des 16. Jahrhunderts der gejchäftliche Verkehr der Buchhändler
untereinander auf die Meffen centralifiert hatte. Im dem das ganze
Reich wild und wüjt durchtobenden Kriegsgetünmel war derſelbe bald
in Sranffurt, bald in Leipzig gehindert, wurde er bald hier, bald dort
von der gerade herrichenden Partei gemaßregelt, wurde der Handelsver—
fchr gelegentlih ganz zur Unmöglichkeit oder auf weite Umwege ge-
wiejen, die Reife zur Meſſe, wie das bereits erwähnte Geſchick Wolf-
gang Endters des Ältern von Nürnberg zeigt, gefährlich. Selbſt die be-
deutendſten Berlagsfirmen mußten da in Verfall geraten, und beweglich
genug ſchildern Thomas Schürers Erben in Yeipzig, eine der beveutenditen
494 Überhandnahme des Nachdruds. Achtes
leipziger Firmen, dieſe direkte Wirkung des Kriegs in einer Eingabe an
den Kurfürſten vom 14. Oktober 1652. Sie weiſen darauf hins, in
welchen „vnwiederbringlichen ſchaden dero arme Yande und Yeute durch
die leidigen Kriegszeiten“ gebracht worden; auch fie jeien „bey vnſerer
ſchweren Buchhandlung, der vielen plünderungen und Straßenraubereyen
zu gejchweigen, nicht allein durch die harten und vnertreglichen Kriegs—
beſchwerungen und Contributiones, die fih vber 5000 Thlr. erjtreden,
jehr mittgenommen vnd befftig ausgejauget worden”. Jetzt, im Frieden,
wirden ihnen nun von „machgriffiichen” Yeuten gar noch ihre privile-
gierten Bücher nachgeprudt, ja auf Schleichwegen von Andern Privile-
gien über ebendiejelben erwirkt, 3. B. von Wolfgang Endter in Nürn—
berg, Chriftian Klein in Frankfurt a. M., Zilliger in Braunfchweig,
„end noch andere mehr mit vnſerm eigenthümlichen Verlag zuverfahren
fürhabens ſeyn jollen‘‘; nur durch Fräftigen, landesherrlichen Schutz fünne
„vnſerm zwar weitbefandten, aber die warheit zubefennen, ziemlich ein-
gegangenen Buchhandel” wieder aufgeholfen werben.
Die lettterwähnte Plage des Buchhandels, der Nachdruck, entwickelte ſich
in der That im Verlaufe des Kriegs zu einem faft unerträglichen Krebs—
ichaden. Der Erwerbstrieb und der Eigennuß einerjeits, der Kampf um
das gejchäftliche Dajein andererjeits, hießen nach allen Mitteln greifen,
welche unter den obwaltenden trojtlofen Erwerbsverhältnifjen eine Ver—
beſſerung dieſer leßtern zu verheiken jchienen, und dies um jo mehr, als
ja der Nachdruck an fich noch feineswegs allgemein als ein Unrecht aner-
fannt, er als folches vielmehr nur von denen betrachtet wurde, welche
er gerade traf; von Nechtsbegriffen über Berlagseigentum oder gar
Antorenrechte hatten ſich kaum erjt jchüchterne Keime zu entwickeln be-
gonnen. So haben denn die Leipziger Buchhändler ficherlich recht, wenn
fie jagen, daß „das Bücher nachoruden bei vergangenen Krieges Zeitten
gar gemein worden“, und ſchildern die Verhältniffe in der ſchon erwähn-
ten Eingabe von 1667 wohl verjtändlich genug und zutreffend *?:
„Sünftens thut der ſchädliche Nachtruff vergleichen Schaden, welcer
weder zur genüge kan ausgejprochen noch bejchrieben werden, Maßen
denn nur die Endter zu Nürnberg und Sterne zu Lüneburg, die wich-
tigften Buchhandlungen in Churf. Durch. Yanden, jonderlichen zu Yeipzig
und Wittenberg, zu Grunde ruiniret, Und entgegen fich in derofelben
Yanden jtattlichen bereichert, worzu fie auch leichtlichen haben können ge-
Kapitel.) Der Nahdrud. Mangel an Schub. 495
langen, Im dem Sie diejenigen Beichwehrungen, jo andere Buchhändler
in dieſen Yanden, jo wohl nebenjt anderen Einwohnern als vor fich jelb-
jten, haben ausjtehen müßen, Im geringjten nicht gefühlet, Alle Nuzungen
bingegen an fich gezogen, und das Geld hauffenweife aus dem Yande
geführet, Maßen denn zu Wittenberg, da vor diefen die Teuzſchen Bie-
bein mit großen Nuzen jelbiger Stadt, ja dieſes ganzen Landes, feynd
getruffet worden, in vielen Jahren feine getruffet.“
„Mit denen Teuzſchen Gebet-Büchern, uf welche meiftenteil® die Yeip-
jiger privilegiret ſeynd, iſt es gleichesfals aljo hergangen, Und haben,
jowohl die Sterne al8 die Enter, bierinnen mit dem Nachtrüffen grofe
Excesse begangen, diejelben Teils ganz, Teils in etwas verändert, nach:
getruffet, ja Ihre Herren Geiftlichen, ob gleich Herr D. Lutherus in
jeiner Borrede über die Teutzſche Biebel, den Nachtruff vor eine grofe
Sünde wieder das 7! Gebot ausgiebet, haben ſelbſt Vorreden, Geſänge,
Predigten und anders dazu trukken laken, blos zu dem Ende, daß man da—
vor halten jolle, als wenn e8 neue Werffe weren, Wenn man aber eines
und das andere collationiret, hat fich dann befunden, daß die meiſten
Gebet aus dem Habermann, Brandenburgiichen Gebetbuch, Kegel's zwölf
Andachten, ver Waßer Quelle und anderen Teuzfchen alten Gebetbüchern,
worauf die Yeipziger Buchhändler privilegiret, ausgejchrieben geweſen.
Do Wir gleich haben flagen wollen, ift c8 doch Uns alfenthalben ſchwehr
germachet worden, Im dem die Verbrecher Uns ein disputat und Pro-
cess daran gegeben, welcher lang gnug gewehret, Und wenn es zur
Execution fommen, ift doch wenig daraus worben, Und haben die Ver—
brechere Ins nachmahls andere privilegia vorgeleget, jo Sie jowohl als
Kir überfommen gehabt.’
In den Privilegien, als Ausfluß eines wunderjam erjormenen faijer-
lichen, beziehungsweife landesherrlichen Biücherregals lag nun aber der
einzige Schuß gegen dieſen Krebsſchaden. Doc auch fie waren nur
ein Palliativ; im ihrem Schutzbezirk eng begrenzt — die faijerlichen
hatten eigentlich nur für die Neichsjtädte Bedeutung, wurden ſelbſt in
den faiferlichen Erblanden nicht beachtet, die landesherrlichen nur in
den betreffenden Territorien — verjagten fie in den rechtloſen Zeiten
des Dreißigjährigen Kriegs völlig den Dienft. In dem allgemeinen
Wirrjal jtodte die Negierungsmajchine: der verheißene und bezahlte
Schub wurde nicht gehandhabt, der Nachdruck privilegierter Bücher wurde
496 Verkehrtes Verhalten der Behörden, Achtes
nicht gezügelt, ja — die leipziger Buchhändler deuten mit gutem Recht
darauf hin — zum Schaden vieler berechtigten Verleger wurden in ſchmäh—
licher Voranſtellung des finanziellen Intereſſes nur zu viele Privilegien
an Unberechtigte gegeben, die erſtern einiger Sporteln halber von Staats
wegen geradezu ihres rechtmäßigen Eigentums entäußert. Sprächen die
feipziger Buchhändler dies auch nicht im Jahre 1667 mit dürren Wor—
ten jelber aus, jo müßte fich dasfelbe ſchon einfach aus dem Umjtande
ergeben, daß die furfürftlich ſächſiſche Bücherfommiffion in dem langen
Zeitraum von 1633 bis 1651 nur fpärliche, von 1643 ab überhaupt
gar feine Vebenszeichen mehr von fich gab, ihre Thätigfeit geradezu ein-
gejtellt gehabt zu haben jcheint. Erſt mit dem Abzuge der Schweven
aus Yeipzig im Jahre 1650 erwacht fie zu neuem Yeben; die alten Ver—
ordnungen werben „aufgejucht‘‘!
Statt aber bei ver Wiederfehr georbneterer Verhältniffe ihr Haupt-
augenmerf auf die Gejundung des baniederliegenden Gejchäftsgangs, auf
Hebung des Vertrauens auf beffere Zeiten, auf treue Handhabung des
verheifenen Nechtsjchußes zu richten, zielt das Streben der Behörden
im wejentlichen nur auf die Sicherung und Steigerung der fisfalijchen
Erträgniffe jenes behaupteten Bücherregals hin; nur hierin zeigt ſich Eifer
und Energie. Statt den Buchhandel von unnützen und ungerechten
Yaften zu befreien, werden die alten verjtärkt: die Pflichteremplare für
faiferliche Privilegien werden auf drei erhöht, die für jüchjiidhe von 15
auf 18, dann von 18 auf 20; in Frankfurt wird die Ablieferung eines
Eremplars von jedem neuen zur Meffe gebrachten Buche verlangt und
ichlieglich erzwungen, gleichviel ob es als Propre- oder als Kommiſſions—
gut dorthin gelangt. Statt die Verhältniffe einer natürlichen Geſun—
dung entgegenreifen zu laffen, werben behörblicherjeits Gewaltfuren zu
infcenieren verfucht, wird von der Einführung einer ſchematiſch aufge
jteliten Biüchertare das vermeintliche Heil erivartet, fat zwei Jahrzehnte
hindurch der gejamte Buchhandel durch diejes über feinem Haupte jchwe-
bende Damoklesjchwert beunruhigt. Und das gefchieht in jo gevanfen-
loſer Weife, daß während der ganzen Verhandlungen darüber — fie wer:
den im zehnten Kapitel eingehend gejchildert werben — e8 niemand ein-
füllt, daß mit einer tarmäßigen Negelung der Bücherpreije doch zum min-
deſten auch eine folche bezüglich der Drudpreife Hand in Hand gehen müſſe;
eine jolche hinfichtlich der Papierpreije faßt nur die ſächſiſche Regierung,
Kapitel.) Streben nad) Privilegien. Der holländiſche Buchhandel. 497
und anch diefe nur vorübergehend im Beginn der Verhandlungen, ins
Auge.
Zu verwundern ift e8 aljo nicht, wenn in jo gedrückter alfgemeiner
Geſchäftslage fich vielfach ein Streben der Buchhändler nad Sicherung
konkurrenzfreier Abſatzgebiete durch örtliche Beichränfung der Zahl ver
Sejchäfte zu entwickeln beginnt, ein Streben, welches fich auch unter den
Buchdruckern, 3. B. in Yeipzig, bemerflich macht. Aus der Initiative
der Buchhändler hervorgehend — in jeinen Anfängen bis vor den Be—
mit einem fürmlich vertragsmäßigen Verjprechen, fich der mehr und mehr
geregelten Cenſur zu unterwerfen, verfnüpft — bahnt es gleichjam die
erit viel jpäter auftretende jtantliche Konzeifionierung an und mag des-
halb Hier nur flüchtig angedeutet werden. Hand in Hand damit ging
die Schaffung gejchügter Abjaggebiete für die einer größern Verbreitung
fühige Kleinlitteratur, wie Schulbücher, Kalender, Gejangbücher u. dal.,
für welche einzelne Buchoruder und Buchhändler privilegiert wurden, —
Begünftigungen, welche zu ſchweren Unzuträglichfeiten, jpeziell im Meßver—
fehr führen mußten. Gleicherweiſe fand auch die Einführung der Bücher:
auftionen zunächjt in den Buchhändlerkreiſen lebhaften Widerſtand, ein
Widerjtand, der jedoch nur betveffs der Abhaltung jolcher mit neuen
Büchern zur Meßzeit von Erfolg gefrönt wurde.
Die Bücherauftionen aber waren ein aus Holland überfommener
Brauch. Deutjchland hatte feinen Anteil an der Führerichaft in Kunſt
und Wilfenjchaft eingebüßt; fie war ganz auf Franzoſen, Holländer und
Engländer übergegangen. Wie fonnte es auch anders fein, da das Kapital
ſich ſcheu aus dem Gejchäft zurüdzog, wenn der Krieg e8 nicht ſchon völlig
verjchlungen hatte! Dagegen war der holländische Buchhandel im Yanfe
des 17. Jahrhunderts zur tonangebenden und herrſchenden Macht für
die den internationalen Büchermarft vertretende Frankfurter Meſſe heran-
gewachjen. Die Niederlande hatten allerdings in ihrem Kampfe gegen
das ſpaniſche Joch auch jchwere und trübe Zeiten zu durchleben gehabt,
aber dieje Kämpfe hatten doch nicht in dem Maße verwüſtend und fultur-
ſchädigend eingewirft, wie dies betreffs des Dreißigjährigen Kriegs be-
züglih Deutjchlands der Fall war. Als dieſe Prüfungszeit für Deutjch-
land begann, war die Freiheit und Selbſtändigkeit der vereinigten Pro-
vinzen jo gut wie gefichert, fie winden von den Schreden des Kriegs
app. I. 32
498 Holland, die Stätte der Preffreiheit. Achtes
verhältnismäßig nur noch wenig berührt. Während in Deutſchland die
Verwüſtung und Verödung immer weitere Kreiſe zogen, blühten in Holland
Handel und Gewerbe, Künſte und Wiſſenſchaften, es wurde der Sit
und der Zufluchtsort voller Glaubensfreiheit, eine Stätte, wo unbedingte
Preffreiheit herrſchte. Die freiere Publiziftit, namentlich in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, die liberalen theologifchen Richtungen und
die Pitteratur der Sekten, 3. B. der Socinianer und Myſtiker, fanden
hier eine fichere Zufluchtsftätte, eine Stätte, von der aus fie umter ven
Fittichen des gefchäftfichen Übergewichts und des berechtigten Anjehens
des bolländiichen Buchhandels eine um jo fräftigere und gefichertere Ver—
breitung gewinnen fonnten und auch thatjüchlich gewannen.
Für jehr viele diefer Bublifationen wurden zwar ein fingierter Drud-
ort und eine fingierte Firma gewählt; aber ihr holländiſcher Urſprung
war meift unzweifelhaft, jchon ver Charakter ver Ausjtattungsweije deutete
ihn an. Typiſch wurde die Firma: Cologne, chez Pierre Marteau,
in allen Sprachen wurde fie variiert, deutſch als Köln, bei Peter Ham—
mer, und jpeziell in Deutjchland bis in das 19. Jahrhundert hinein
gern und viel ausgenugt. Dabei war die Wahl des Ortsnamens als
fingierter Drudort feine rein wilffürliche gewejen, fie hatte vielmehr
einen gewiffen biftorijchen Hintergrund. Schon im Anfang des 17. Jahr—
hunderts war es nicht ungewöhnlich, daß Werfe, deren Drud in Bel-
gien ſeitens der jpanifchen Genjur beanjtandet worden war, in Köln
erjchienen, oder daß ihnen wenigitens Köln als Verlagsort aufgedruckt
wurde, 50
Aber die ausländifche Yitteratur war in Holland vogelfrei; fein aus—
ländiſcher Autor oder Verleger erhielt von den Generaljtaaten ein Privi
fegium gegen ven Nachdruck. Namentlich wurde letterer hinfichtlich der
franzöfifchen Yitteratur in ausgedehnter Weiſe geübt, ganz ſyſtematiſch
gepflegt. Doch die Beliebtheit der holländischen Ausgaben war ber ge:
ihmadvollen und zierlichen Ausführung halber eine jo große, daß jelbit
in Franfreich die Schädigung der rechtmäßigen Verleger weniger betont
und empfunden wurde, ald man annehmen jollte; die Autoren fanden
jogar eine Ehre darin, wenn ihre Werfe „Jouxte la copie de Paris“
in Amſterdam nachgeprudt wurden. Neben ven Ausgaben der Efjeviere
waren und find noch jett befonders gejchäßt Diejenigen Abraham Wolf-
gangs, Sambir’ und die a la Sphere.
Kapitel.] Der Nachdruck jeitens der Holländer. 499
Wenn auch nicht in dem Maße, wie der franzöfiiche Verlagshandel,
jo doch in weit ftärferm, al® man gewöhnlich annimmt, wurde auch ver
deutſche durch dieſe planmäßig betriebene Piraterie der Holländer be-
troffen. In die Augen jpringen meift nur die Nachorude aus der theo-
logiſchen und aus der deutjchen Nationallitteratur, hier befonders die ver
Werke von Opitz, Moſcheroſch, Zinfgref, Harspörfer, Zejen u. j. w., aber
viel beveutender umd umfangreicher war jene Nachpruderthätigfeit auf
dem Gebiete der Erbauungslitteratur und wurde gerade bier von den
dadurch betroffenen VBerlegern um jo jehwerer empfunden, je weniger ge-
rade der Abſatz dieſer Yitteratur an ſich in den trüben Zeiten gelitten
hatte. Bereits im Jahre 1629 heben die Gebrüder Stern in Yüneburg
hervor, daß, wenn man fich in Deutjchland einer beſſern Ausjtattungs-
weile der Bücher befleißigt hätte, „die Amjterdamer vnd Lehder nicht
verurjachet, unjer Evangelische Bücher zu drücken“, und acht Jahre jpäter
(1637), daR e8 dem beutjchen Yande wenig Ehre gebracht haben würde,
wenn man — falls fie nicht ſelbſt, wie fie jehr ſelbſtbewußt und doch
nicht ganz zutreffend jagen, mit ihrer guten Austattung eingetreten
wären — „auß Hollandt jolche gemeine Teutzſche Bücher hette holen
müßen“. Sie wurden aber doch geholt, denn natürlich wagten jich, wenn
überhaupt, diefe Nachprude nur verjtohlen in den Meßverkehr; ihr Ver—
trieb erfolgte meift auf dem Korreſpondenzwege. Aber der Schaden ver
deutjchen Berleger blieb doch ein ganz umberechenbarer. Im Jahre 1653
betont Wolfgang Endter von Nürnberg in einer umfünglichen Bejchwerve-
jchrift an das Oberfonfiftorium in Dresden, wie er und andere Buch—
händler bereits früher dem Pate zu Frankfurt a. M. dargelegt hätten,
„wie großen Schaden vns Teutjchen Buchführer durch frembve und be-
namtlichen durch dießen Holländer mit nachtendung vergleichen privile-
girten und anderer Bücher zugefüget werde‘. >!
So hatte denn alles dazu mitgewirkt, ven bolländifchen Buchhandel
während der troftlojen Zeit des Dreißigjährigen Kriegs zu einer domi-
nierenden Macht im allgemeinen Gejchäftsgetriebe und auf ber franf-
furter Mefje heranwachjen zu Laffen, zu einer Macht, der fich alles beugen
mußte und beugte. Schmerzlich genug empfanden die deutjchen Buch:
händler diejes Übergewicht. Denn die Holländer waren ſich ihrer Macht-
jtellung bewußt und verjtanden es, fie zu voller Geltung zu bringen,
die Deutjchen aber litten unter ihren Folgen, fühlten ihre Interejjen
32*
500 Dominierende Stellung des holländischen Buchhandels. Achtes
dadurch bei den im Scene geſetzten nationalökonomiſchen Experimenten
empfindlich bedroht und mußten mit anjehen, wie ihnen von der Reichs—
regierung im Meßverkehr angejonnene Yaften den Holländern erlaffen
wurden, ſobald letztere fich zu fügen ablehnten, mit dem Fernbleiben von
ver franffurter Meffe drohten. Die Holländer weigerten jich dabei nad
dem Dreißigjährigen Kriege Bogen gegen Bogen zu ftechen (zu changie:
ren); fie wollten e8 nur noch im Verhältnis von 1 zu 3 oder 4. Selbit-
verjtändlich mußte aljo der Verkaufspreis des holländischen Verlags in
Deutjchland ein verhältnismäßig hoher jein; nichtspejtoweniger jollte die
im Reich und in Sachen geplante Bichertare eine jchematijch ganz gleiche
werden. Den Berrüdungen und Quälereien des kaiſerlichen Bücher—
fommiffars gegenüber waren die deutjchen Buchhändler in Frankfurt fait
ſchutzlos, wurden bei ihren Vorjtellungen von ihren Yandesregierungen
nur zaghaft, wenn überhaupt, unterjtügt. Die Weigerung der Holländer,
jich zu fügen, fand fofortige Vertretung durch den Reſidenten der General:
itaaten in Wien und war dann von Erfolg.
Dieje Verhältniſſe blieben jchlieglich nicht ohne Einfluß auf den Niever-
gang der franffurter Meſſe. Aber zunächit war das Selbftbewußſein, mit
welchem die holländijchen Buchhändler auftraten, ein gerechtfertigtes, ıbr
Übergewicht ein erflärliches. Es war nicht allein erlangt durch die domi-
nierende Bedeutung ihres wifjenjchaftlichen Verlags, es wurde auch ge-
tragen und erhalten durch die Überlegenheit ihrer Yeiftungen, durch die
um die Mitte des 17. Jahrhunderts unbeftritten als faft umerreicht da—
jtehende Borzüglichkeit der technischen Austattung ihres Berlags.
Das wurde in den beteiligten Streifen Deutjchlands jelbft erkannt
und anerkannt; Johann und Heinrih Stern in Yüneburg betonen ja
ichon 1629 die Überlegenheit der holländischen Nachdrucke, fie beflagen
e8 1637 und empfinden es jchmerzlich, daß „der Jeſuit Tannerus in
jeinem Antichristo zu Ingolſtadt 1630 geprudt, in praefatione je
jhimpflich die Evangeliſchen Drückereyen anftechen bürffen, alg Er mit
diejen Worten thut, (Charta nigra, bibula, sordida, flaceida, nec
Institorum cucullis apta: atramentum sutorium, infiguratum, ma-
culosum: typus et Impressio neglectissima, cui vix lyncei etiam
oculi legendae sufficiant, ita belle seriptoris editionisque operi
operae Typographicae respondent, dignum scilicet patella oper-
eulum) Wann mann vechtjchaffen arbeit gemacht hette, Aber vnſer
Kapitel.) Verfall der deutihen Buchausſtattung. 501
viele (nämlich Buchoruder und Buchhändler) haben unterm Schuß deß
Privilegij den vnfleis zu marck geführet, vnndt hat doch an hoben tart
nichts gemangelt, darüber dann gnug geclagt, vndt mügen wol etliche
jein, jo wiüntjchen, e8 were nimmer ein guter bogn gebrudt, damit Ihr
vnfleis nur vor Verftendigen nicht geichoften werde, da c8 doch ber
Drückereyen großer fpot, daß ſoviel vornehmer Evangelifcher Herren
Theologen nußbare seripta durch fo elenden druck durch gank Teutzſch—
landt außgeſtreuet worben jein, alß hette man nicht von Gott auch nicht
joviel grade, vndt gabe, jo wol alß Papiften vndt Calviniſten (die Hol:
länder), Vnſere Bücher mit einem guten druck zuziehren”. 5? Aber vieje
Erkenntnis brachte feine Einkehr in fich und feine Ilmfehr. Immer ver:
wahrlofter und erbärmlicher wurde im allgemeinen während des langen
Kriegs die deutiche Buchausſtattung, immer ſchlechter und brauner das
Papier, immer liederlicher der Sab, immer verguetjchter und unſauberer
der Drud; höchitens wurde mit dem Blendwerk eines in Kupfer ge:
itochenen Titel® die Hüßlichfeit der Gejammtausftattung zu verbeden
geiucht. Die Kunſt des Holzichnitts war völlig in Verfall geraten, wurde
faum noch geübt; der Kupferftich trat für den Schmud der Bücher an
jeine Stelle, man kann jagen, zum Glück. Noch während des Kriegs
feiftete er für die Buchausftattung VBorzügliches, verfiel aber dann im
allgemeinen für dieſe ebenfalls dem Verhängnis. Denn mit dem Ab—
ichluß des großen Kriegs war die auf diefem Gebiete herrichenve Gleich:
gültigfeit und Verwilderung noch feineswegs auf dem tiefiten Stand:
punft angelangt: die Nachwirkungen vesfelben auf alle Verhältniſſe des
Lebens fteigerten fie nur noch in verſtärktem Maße bis in das 18. Jahr—
hundert hinein, und kläglich find die Verfuche, ven Holländern Gleiches
mit Gleichem zu vwergelten, ihre Ausgaben gar mit ihren Firmen nach:
zubruden, das Publiftum damit täufchen zu wollen. Erbärmlich fallen
die findlichen Verjuche aus, der nunmehr wuchernden fchönwiffenjchaft:
lichen und Unterhaltungslitteratur, fowie der populär-hiſtoriſchen, durch
Bilderſchmuck einen erhöhten Reiz zu geben, oder, wie der Buchhändler
Heybey in Yeipzig 1695 ſich auszudrücken beliebt, dieſen beizugeben °*,
„damit es deſto befer abgehen möchte, wie insgemein wor Romanen
allerhand inventiones pflegten gemacht zu werden‘.
Aber die Yerftungsfähigfeit war noch nicht ganz verloren gegangen,
das zeigen die während dieſer Zeit der Verwilderung und Verfumpfung
502 Ehriftoph Plantin in Antwerpen. Achtes
fort und fort vorlommenden erfreulichen und Hoffnung erweckenden Aus-
nahmen. Mit dem Ende des 17. Jahrhunderts beginnt fich auch hierin
eine Reaktion zu entwideln; dev Verlagshandel fängt wieder an, eine
energijche Thätigfeit zu entfalten, eine Verjchiebung ver hervorragendern
Propduftionsjtätten macht fich bemerklih, und fichtlich blüht Der deutjche
Buchhandel wieder empor unter der fortgejeßten Führung der Endter in
Nürnberg, unter der Führung der Gotta in Tübingen, Veith in Augs-
burg, Zunner in Frankfurt a. M., Metternich in Köln, Weidmann,
Gleditſch und Fritſch in Leipzig, Zimmermann in Wittenberg.
Aber der alten Herrlichkeit der frankfurter Büchermeffe grub dieſe
Renaiffance pas Grab.
Den Abſchluß des fünften, ven buchhändleriſchen Sejchäftsbetrieb ver
älteften Zeit behandelnden Kapitels bildete das geichäftliche Yebensbile
Anton Kobergers; ev brachte dies, um in der Hervorhebung des perjön-
lichen Moments frijcher und anvegender Die fortjchreitende Entwickelung
zu verfinnlichen, als fich dies in der trodenen Vorführung und Grup:
pierung ber fachlichen Ginzelheiten des Geſchäftslebens ermöglichen läßt.
So mögen denn in gleicher Weife hier zwei kurze Yebensjtizzen aus dem
Kreife des mit dem beutjchen Buchhandel zwei Jahrhunderte hindurch
jo eng verfnüpften niederländischen folgen, das eine aus dem 16., Das
andere aus dem 17. Jahrhundert, — das eine den unter fpanifcher Herr:
haft und Eatholifch verbleibenden belgischen Provinzen, das andere den
ihre Freiheit erfämpfenvden proteftantischen holländischen entnommen:
Chriftoph Plantin und die Ramilie Elfevier. Die voraufgebente
Darftellung hat die dominierende Stellung des holländischen Buchhan—
dels auf der franffurter Meſſe währenn des 17. Jahrhunderts anzuden-
ten verjucht; mit dem Schluffe diejes Zeitraums ſchied er fich mehr und
mehr von dem beutjchen. Um fo gevechtfertigter dürfte hier aljo dieſer
Abſchiedsgruß fein. —
Chriftoph Plantin war 1514 in St. Avertin bei Tours geboren
und bei der Armut feines unfteten Vaters ſchon früh umbergejchleuvert
worden. Diefer zog mit ihm nach Lyon, Orleans und Paris, bis fpäter
der bereits herangewwachjene Sohn bei Robert Mace in Caen als Druder:
(ehrling eintrat. Hier aber jcheint ev es nicht lange ausgehalten zu haben,
Kapitel.) Plantin als Buchbinder, Erfte Verlagsthätigfeit. 503
da er, nachdem ev 1545 oder 1546 „geheiratet hatte, fich bald darauf
in Paris als Buchbinder und Saffiangerber nieverließ. Aber auch hier
bfieb er nur wenige Jahre, denn ſchon 1549 begab er fich nach Ant:
werpen, welches damals die zweitbedeutenpfte Stadt des weitlichen konti—
nentalen Europas war und unter anderm 30 Drudereien in voller
Ihätigfeit zählte. Hier erwarb er fich durch jeinen Fleiß und feine Ge—
jchieflichfeit einen guten Namen als Buchbinder und Portefenille-Arbeiter,
namentlich übertrafen jeine eingelegten und vergolveten Yederarbeiten alles,
was bisher auf diefem Gebiete in ven funftfinnigen und funftfertigen
Niederlanden geleijtet worden war. Infolge eines Förperlichen Unfalls
ſah fih Plantin jebodh 1555 außer Stande, fein Geſchäft fortzujeken,
weshalb er fich wieder dem früher erlernten Buchorud zuwandte. Noch
1555 gab er feine erjten vier VBerlagsartifel heraus, denen im Yaufe der
nächiten jechs Jahre noch 55 folgten. Zugleich trieb Plantin einen Heinen
Buchhandel und erweiterte dieſen allmählich; ſelbſt jpäter, als er jchon
wohlhabend geworden war, hielten jeine Töchter während ber antwer—
pener Meſſe noch einen Buchladen im Kreuzgang von Notre-Dame, wäh-
rend feine Frau Yeinwand verkaufte.
Im Jahre 1562 wurde der junge Verleger angeklagt, ein fekerijches
Bud, „Briefve instruction pour prier“, gebrudt und verbreitet zu
haben. Die Statthalterin ließ eine Unterfuchung gegen ihn einleiten,
mußte fie aber wegen mangelnder Beweife niederjchlagen, während da—
gegen brei jeiner Arbeiter fchuldig befunden und zu den Galeeren ver:
urteilt wurden. Plantin fühlte fich jett in den Niederlanden nicht mehr
ficher, ging nad Paris und blieb dort ein Jahr. Sei es, daß er noch
weitere Beläftigungen fürchtete, jei es, daß er durch mächtige und an—
gejehene Gejellichafter feine wirtjchaftliche Stellung und zugleich jeine
politiſche Sicherheit verbeffern wollte, genug, nach feiner Rückkehr ließ
er jein ganzes Befittum, einjchlieflich ver Druderei, von jeinen angeb-
lichen Gläubigern mit Bejchlag belegen und öffentlich verjteigern. Im
Jahre 1563 ſchloß dann Plantin einen Gefelljchaftsvertrag mit Cornelius
und Karl de Bomberghe, deren erfterer zu feinen angeblichen Gläubigern
gehörte, mit dem Venezianer Jakob Schotti und dem Dr. Goropius
Becanus. Er jelbjt ftand, wie man heutzutage jagen würde, als per:
jönlich Haftender Gejellichafter an der Spite des Unternehmens, welches
offenbar die Auspehnung feiner Verlagsthätigteit fördern jollte und in
504 Plantins Wandlung. Prototypograph des Königs. [Achtes
per That auch förderte. Plantin drudte während ver Dauer diejes Ber:
hältnifjes eine große Anzahl alter Klaſſiker, lateiniſche, griechifche und
hebräiſche Bibeln, juriftiiche, philologijche und medizinische Werfe, vie
durch ihren korrekten Text, ihr handliches Format, meift in Oktav, Due:
dez und Sedez, und ihre hübſche Ausftattung allgemeinen Beifall fanden
und fich eines veichlichen Abjates erfreuten. Es ſcheint, daß er 1567
jeinen Zweck bereits erreicht hatte, da er in dieſem Jahre mit feinen
Partnern brach, indem er — ver bis dahin felbit mehr zu ven protejtanti-
ſchen Seftirern hingeneigt hatte — fie fetserifcher Anfichten bejchulpigte.
Eine jolche gehäffige Anklage erjchien damals in den Augen der miß—
trauiſchen jpanifchen Behörden als ein bejonderes Verdienſt, konnte ihrem
Urheber auf alle Fülle nützen, während fie das Opfer nur zu leicht auf
ven Scheiterhaufen brachte.
Diefer überlaunte Eifer, mit dem jich Blantin auf die fönigliche Seite
jchlug, trug feine Früchte; ev gewann ihm die Gunſt des Kardinals Gran-
vella und des füniglichen Sefretärs Gabriel de Cayas und durch fie 1570
den Titel eines Prototypographen des Könige. Schon zwei Fahre vorher
hatten ihm die genannten beiden Gönner im Namen Des Königs ven
Drud der Polyglottenbibel (im hebräiſcher, chaldäiſcher, ſyriſcher, Tateini-
jcher und griechijcher Sprache) übertragen.
. Die Herftellung der acht Foliobände diejes großen Werks nahm fait
ſechs Jahre (won 1568 bis 1573) in Anfpruch; die Auflage belief fich
auf 1400 Exemplare, deren teuerfte Ausgabe 200 und deren billigite
70 Gulden foftete. Außerdem wurden noch zwölf zu Sejchenfen bejtimmte
Exemplare für den König auf Pergament gedruckt, welcher in der Folge
dafür 21200 Gulden an Plantin zahlte. Diefe Bibel, jo manche finan
zielle Berlegenheit fie zunächit auch für den Verleger im Gefolge hatte,
legte den Grund zu dem ſpätern Weltruhm und Reichtum des Haufes
Blantin-Moretus.
Bon jest an widmete Plantin auch einen bedeutenden Teil feiner
Thätigfeit der Herftellung von Breviarien und Miffalen in dev Norm,
welche won dem Zriventiner Konzil feftgeftellt worden war, von ſpani—
ſchen Yiturgien, Palmen und Antiphenarien, ohne dabei feine frühern
Unternehmungen wejentlich einzufchränfen. Trotzdem daß Philipp II. ihm
die verſprochene Unterſtützung nicht zahlte, trotzdem daß der Bürgerfrieg
das Yand zerriß und Antwerpen 1576 der Wut der fpanifchen Solda—
Kapitel. Umfang des Verlags. Reiſe zur franffurter Meſſe. 505
teska zum Opfer fiel, gelang es Plantin, ſein Geſchäft mit jedem Jahr
ſogar noch mehr auszudehnen und es bis zu ſeinem am 1. Juli 1589
erfolgten Tode zu einem der größten der damaligen Zeit zu erheben.
Während der höchſten Blüte desſelben beſchäftigte Plantin 22 Preſſen.
Seine Verlagsartikel werden von Ruelens und de Backer auf 1030, von
Rooſes auf etwa 1500 angegeben, ſodaß während der 35 Jahre von
1555 bis 1590 im Durchſchnitt etwa 30, beziehungsweiſe 42 Bücher auf
jedes Jahr kommen würden.
Zu dieſem großartigen Erfolge trug weſentlich ſein geregelter Verkehr
mit allen Ländern Europas, namentlich Paris und Frankfurt, bei, deſſen
Meffen er von 1558 an regelmäßig beſchickte. Wenn er jelbft nicht hin-
ging, jo unternahmen feine jpätern Schwiegerjöhne Johann Moretus oder
Franz Raphelingen — Söhne hatte Plantin nicht — oder einer feiner
Mitarbeiter die Reife dahin. Plantin pflegte die in Frankfurt gemachten
Sejchäfte, wie dies übrigens allgemein bränchlich war, in bejondere Bücher
einzutragen. Das erjte noch erhaltene derjelben ftammt aus dem Jahre
1579; von 1586 bis 1631 befindet fich die volljtändige Sammlung ver-
jelben im Muſeum Plantin-Mioretus in Antwerpen. Alles ift in diejen
Regiftern auf Heller und Pfennig berechnet, ſodaß man ein genaues und
getreues Bild von den Einnahmen und Ausgaben des Meßbeſuchs erhält.
Pantin und Moretus aljo, um bier ein paar Beijpiele zu geben,
reiften zur Faſtenmeſſe 1566 nac Frankfurt. Jener nahm einen Wagen
von Antwerpen nach Köln und bezahlte dafür 4 Gulden 10 Sous. Auf
ver Fahrt verausgabte er 3 Gulden. Bon Köln bis Frankfurt fuhr er
im Boot und entrichtete für feinen Plat und jonftige Ausgaben 5 Gulden
5 Sons. Jean Moretus ging zu Fuß bis Köln und gab auf der Reife
5 Gulden 15 Sons aus. Während der Meffe brauchten fie im ganzen
11 Gulden und 2 Sous. Die Ladenmiete betrug 10 Gulden. Sie fehrten
miteinander zu Waffer bis Köln zurück und bezahlten mit Einjchluß aller
Ausgaben 5 Gulden 14 Sous. Von Köln wanderten fie zu Fuß nad)
Maeftricht und brauchten 1 Gulden 18 Sous. Bon hier nach Antwerpen
nahmen fie einen Wagen und vwerzehrten bis dahin 4 Gulden 17 Sons.
Ihre gefamten Reijefoften beliefen fich aljo auf 57 Gulden 13 Sons.
Hierzu famen nun die Fracht für die Biicherfäffer, ver Zoll bei ver Hin—
und Herfahrt und die Trinfgelver der Arbeiter, ſodaß jümtliche Koften
diejer Meßreiſe 131 Gulden 5%, Sons betrugen. Im April 1567 fuhr
506 Sendungen zur Mefle. Geichäftsumfang dajelbit. [Adıtes
Plantin wienderum im Wagen bis Köln und von da zu Waffer; bei
jeiner Rückkehr fuhr er ebenfalls ven Rhein hinunter, ritt aber von Köln
über Yüttich nach Antwerpen. Diesmal hatte er in Frankfurt 9 Gulden
4', Sous für die Mahlzeiten zu entrichten. Von 1571 bis 1576 be-
gab ſich Johann Moretus ohne jeinen Herrn nach Frankfurt, nur im
Jahre 1574 von Franz Rapheleng begleitet. Die Herbſtmeſſe 1577 be:
juchte dann wieder Plantin jelbit, und zwar allein, während 1579 und
1580 der Gehilfe Peter van Tongheren ganz allein nach Frankfurt ging.
Später, 1586, wurde der leßtere einmal, als er zur Faſtenmeſſe reiſte,
von Solvaten beraubt und gefangen genonmten.
Seine Mefgüter ſchickte Plantin gewöhnlich an feinen Kollegen Mater:
nus Cholin in Köln, welcher fie ven Rhein hinauf zu jpedieren hatte.
Zur Faſtenmeſſe des Jahres 1579 gingen 3. B. jechs Fäſſer mit Büchern
nach Frankfurt, enthaltend 67 verjchievene Werke in zufammen 5212 Erem:
plaren. Natürlich find darunter die Neuigkeiten am ftärkften vertreten, jo
500: „Sommaire annotation des choses plvs memorables aduenues
es XVII. provinces du pais bas“, 200: „Goltzii Thesaurus rei anti-
quariae“, 200: „Jani Lernutii carmina“, 130: „Poemata Francisci
Haemi“, 121: „Bizari Senatus populique genuensis historia”, 140:
„Numismata Occonis“, 90: Bafino, „L’architecture de guerre‘, 160:
„Aitsingeri Pentaplus regnorum mundi“, 175: „Cantiques de Na-
vieres” u. ſ. w. Der Abjat betrug 1809 Gulden, eingefauft wurde für
1625 Gulden, an Zahlungen eingenommen 1831 Gulven und jelbjt gezablt
1644 Gulden. Nach Beendigung der Meſſe blieb nunmehr in der frant:
furter Niederlage ein Yagerbeitand von 240 Werfen in insgeſamt 11617
Exemplaren in Kiſten verjchloffen zurüd. Der Gejchäftsabjchluf ergab
dabei, daß von der „Sommaire annotation“ 75 Eremplare verkauft
waren, von „Goltzii Thesaurus” 98, von „Lernutii“ 25, von „Haemi
poemata“ 101, von „Bizarus“ 16, von „Numismata Occonis“ 24,
von Paſino's „Architecture“ 20, von „Aitsingeri Pentaplus“ nur 2
und von den „Cantiques de Navieres” 20.
Neben jeinem eigenen an jich ſchon jo umfangreichen Verlage vertrieb
Plantin aber auf der Meffe noch fommijfionsweije den des berühmten
Kupferſtechers Hubert Goltzius, außerdem Karten, Kupferftiche (ichwarz
und gemalt), Bilder auf Leinwand geprudt, jelbjt Globen von Gemma
Friſius. Bezüglich des erftern bejagt das Hauptbuch: „Le 11 jour
Kapitel] Kommiffionshandel. Berlagsthätigfeit (nad dem Meßkatalog). 507
d’Aoust 1558 regu de Hubert Goltz pour porter a Francfort les
livres suivants et accord fait que je lui payerai 55 patards pour
chacun livre ou les lui rendrai. Regu 44 Vitae imperatorum ima-
gines.” „Recu le 17 jour de Juin en commission du dit Hubert
Goltz 18 Empereurs (frangais) a 2 fl. 10 pat. (blancs — b. i. roh,
in albis), 4 en allemand relies, 6 en italien (blanes).” Zur Faften:
meſſe 1557 ſandte Plantin eine größere Partie Karten (darunter 100 Cartes
de Vermandois eigenen Berlags), Ornamentftiche von Jacques du Ger:
ceau, zur Faftenmeffe 1561 aber „10 Roulleaux les Hist. de Cock,
dont il y en a qu’un pour sorte au Roulleau, qui font dix Rou-
leaux. Item encore 57 autres pieces d’une feuille de Coq lavces.”
Plantins Buchführung über jeinen ausgedehnten Sejchäftsbetrieb war
eine jehr forgfältige; er führte Memorial und Kladve, Journal und Haupt-
buch (Grand Livre). Die franffurter Mefje hatte ihr bejonderes Haupt:
buch (Le Grand Livre de Francfort); das über die Jahre 1570 bis
1599 enthält übrigens nur die Generaffumme der Beträge, welche die
einzelnen Buchhändler ſchuldeten oder gezahlt hatten, dagegen feine Einzel:
heiten. Bezüglich diejer verweiſt es auf das Journal.
Am greifbarften prägt ſich Plantins und feiner Gefchäftsnachfolger
Bedeutung bezüglich ihrer Beziehungen zu Deutjchland und zum frank:
furter Meßverkehr aus in den Zahlen der nenen Verlagsartifel, mit wel-
chen fie in den Meffatalogen auftreten. Das Jahr 1565 weiſt nur
einen, 1566 deren drei, 1567 deren jechs auf. Dieje niedrigen Zahlen
bejagen jedoch zunächſt nur, daR Plantins Gejchäfte mit Georg Willer
vorerft nur unbedeutende waren und erläutern damit zugleich anſchaulich
genug die Entftehungsgejchichte des Meßkatalogs. Mit vem Jahre 1568
ändert fich dies aber plößlich; der Meffatalog verzeichnet in demſelben
39 Plantinſche Verlagswerfe, 1569 deren 18, 1570: 15, 1571: 18,
1572: 38, 1573: 19, 1574: 20, 1575: 24, 1576: 17, 1577: 15, 1578:
21, 1579: 36, 1580: 34, 1581: 21, 1582: 19, 1583: 23, 1584: 22,
1585: 34, 1586: 17, 1587: 19, 1588: 22, 1589: 25, 1590: 24,
1591: 17. Daß für das Jahr 1592 eine ſchnell vorübergehende Stodung
eintrat — der Meffatalog führt nur vier Artikel auf — kann wohl
faum als eine verjpätete Nachwirkung von PBlantins im Jahre 1580 er-
folgtem Tode betrachtet werden, denn ſchon das nächte Jahr bringt be-
reits wieder einen energijchen Aufjchwung mit 20 Werfen. Die folgen:
508 Verlagsthätigkeit der Nachfolger Plantins. Finanzielle Erfolge. Achtes
den Jahre zeigen dann wiederum ein ftarfes Schwanfen in ven Be:
ziehungen zur franffurter Meffe; das Jahr 1594 bringt 14 neue Wer:
fagsartifel dorthin, 1595 deren 19, 1596: 15, 1597: 9, 1598: 11,
1599: 21, 1600: 17, 1601: 27 (wovon 2 in Nürnberg gebrudt), 1602:
25, 1603: 10, 1604: 18, 1605: 21, 1606: 8, 1607: 25, 1608: 17,
1609: 23, 1610: 20, 1611: 33, 1612: 21, 1613: 21, 1614: 14, 1615:
23, 1616: 12, 1617: 18, 1618: 25, 1619: 16, 1620: 20, 1621: 30,
1622: 6, 1623: 14, 1624: 18, 1625: 14, 1626: 19, 1627: 14, 1628:
21 und 1629: 25. Die Höhepunfte bilden die Jahre 1630 mit 53 Ar-
tifeln und 1638 mit deren 47, während infolge des Ganges der Kriegs:
ereigniffe in der Zwijchenzeit überhaupt nur die Jahre 1631 mit 35,
1633 mit 16, 1634 mit 20 neuen Werfen vertreten find. Wenn auch
— allerdings ſtark ſchwankend — zum Teil noch ganz anfehnliche Zahlen
aufweiſt, jo finkt doch von nun ab die Firma Plantin-Moretus für ven
deutſchen Buchhandel zur Beventungslofigfeit herab. Für den ganzen
Reſt des 17. Jahrhunderts weifen nur noch die Jahre 1660, 1661, 1666
und 1670 einen oder zwei Mefnenigfeiten auf; die Mekfataloge des
18. Jahrhunderts kennen Die Firma gar nicht mehr.
Diejer großartigen Verlagsthätigfeit während des 16. Jahrhunderts
entjprechen denn auch die von Plantin erzielten aejchäftlichen Rejultate.
Ber jeinem Tode hinterließ er ein Vermögen von 135718 Gulden, heut.
zutage einer Summe vom nicht unter 1200000 Franfen entſprechend;
darumter war die Druderei mit 18000 Gulden veranjchlagt. Die Yager:
vorräte in Frankfurt a. M. waren mit 8024 Gulden 9%, Sous be
ziffert und wurden von Johann Moretus für 4824 Gulden, alje für
etwas über die Hälfte, übernommen; auf ebenvenjelben ging auch das
Biücherlager in Antiverpen über, und zwar der eigene Plantinjche Ver—
(ag mit 4O Proz, das Sortimentslager mit 30 Proz., ein jehr hoch
zu nennender Übernahmepreis. Das Plantinjche Zweiggejchäft in Ley—
den war ſchon früher, wohl infolge ver politischen VBerhältniffe, in ven
Befit des andern Schwiegerjohns, des gelehrten Kranz Rapbelengien
(Raphelengiusi, übergegangen.
Glänzend find dieſe Erfolge zu nennen, aber fie waren der gerechte
Lohn gejchäftlicher Tüchtigfeit und technijcher Peiftungen. Plantin nimmt
unbeftritten einen der erſten Pläbe in ver Gejchichte der Buchoruder-
Kapitel.) Plantins Charakter. 509
funjt ein. Er begann jeine Laufbahn mit nur geringen Hilfsmitteln;
aber mit ſcharfem Verjtande, Unternehmungsgeift und gewinnenden Eigen-
ihaften begabt, auspauernd und auch bei Rücjchlägen nie ven Mut
jinfen laffend, verjtand er e8, alle Hinvderniffe zu überwinden. In Ge:
jbäften von größter Gewiffenhaftigfeit und Goulanz, war er allen Strei-
tigfeiten abbold, gern zu Kompromiſſen geneigt und gab lieber nach, als
daß er ſich in Prozeſſe eingelaffen hätte. Bon dem weit ausgedehnten
Selehrtenkreife, mit welchen er in Verbindung ftand, wurde er gejchätst
und geachtet; das belegen jeine gejchäftliche Korreſpondenz, jeine lang-
jährige Freundſchaft mit Juſtus Yipfius.
Aber neben diejen Yichtjeiten weit fein Yebensbild auch eine dunfle
Schattenjeite auf, deren richtige Würdigung jett faum mehr möglich ift.
Cine Andentung darüber iſt jchon weiter oben gegeben worden. Plantins
Verhalten gegen jeine anfänglichen ſektireriſchen Glaubensgenoſſen erjcheint
mehr als bevenklih und unehrenhaft, ſcheinheilig und fragwürdig feine
jpätere Beteuerung der Anhänglichfeit an die fatholifche Kirche. Die
Yeiter jener Sefte ernteten zwar, was fie jelbjt gejüet; aber daraus, daß
jene gleichjam zur Heuchelei erzogen, kann Plantin fein Entjchuldigungs-
grund erwachſen. Daneben kann ihm der Vorwurf der politijchen Mantel—
trägerei nicht erjpart werben ; er ſuchte fich einerjeits gut mit der Patrioten-
partet zu ftellen und floß andererjeits über von Verficherungen ver Treue
gegen Philipp IL. Zur Erklärung diefer Charafterichwäche kann höchſtens
darauf bingewiejen werden, daß Plantin ja eigentlich Franzoſe und wohl
nicht völlig verwachjen mit jeiner neuen Heimat, innerlich gleichgültig
gegenüber deren Bejchwerden und Yeiden war. Er gehörte in diejer Din-
jicht wohl zu den Millionen jchwächerer Geifter, die fich in ihren Mei—
nungen und in ihrem Verhalten gefügig den jeweiligen Machthabern
beugten und eine kümmerliche Entjchädigung in den materiellen Erfolgen
des Berufslebens juchten und fanden. Daß dies aber Plantin in hohem
Grade gelang, das erweifen die oben mitgeteilten Thatjachen. °*
Das Haus Plantin-Moretus bietet, wie nach dem Voraufgehenden
erflärlich, in feinen jpätern Schidfjalen fein Interefje mehr für die Ge-
jbichte des deutjchen Buchhanvels. Es tft, wie hier kurz bemerft werben
mag, das einzige in Europa, welches 1876, als es von feinem. letten
Befiger Eduard Johann Hyazinth Moretus mit feinem ganzen Beſtande
an die Stadt Antwerpen verfauft wurde, volle 320 Jahre gewirkt
510 Ausgang der Firma Plantin-Moretus, Achtes
hatte und für die Überreſte ſeines Glanzes noch die Summe von
1200000 Franken einbrachte. Seine eigentliche Bedeutung bewahrte
das Geſchäft übrigens, wie aus der gegebenen ſtatiſtiſchen Überficht ſeiner
Berlagsthätigfeit zur Genüge hervorgeht, nur unter den beiden nächiten
Nachfolgern des Gründerse. Schon Johann Moretus, von 1590 bis 1610,
vernachläffigte den alten klaſſiſchen und gelehrten Berlag über Andachts-
büchern, Firchengejchichtlichen und philofophifchen Werfen. Bon jeinen
Söhnen war Balthafar I. (1610 bis 1641) der bedeutendſte. Er nahm
den Berlag im Geifte Plantins wieder auf und war die Seele des
Geſchäfts, dem er jeine ganze, überall energijch eingreifende Thätigfeit
widmete. Wie e8 aber immer bei alt und reich gewordenen Gejchäften
zu gejchehen pflegt, die jüngern drei Balthafars, ihre Söhne und Enkel
wurden vornehm und bequem, fümmerten fich wenig oder gar nicht um
den Buchorud und Buchhandel, nahmen nur noch jogenannte Accidenz—
arbeiten der ſtädtiſchen und Firchlichen Behörden an und ließen im übri-
gen das Geld für fich arbeiten. Balthajar II. (1641 bis 1674) berech—
nete 1662 fein Vermögen, nachdem die Gejchwijter abgefunden waren,
anf 341000 Gulden. Balthajar III. (1674 bis 1696) wurde 1692 vom
König von Spanien geabelt und machte von der ihm erteilten Erlaub-
nis, troß jeines Adels den Buchhandel zu betreiben, wenn überhaupt,
einen nur mäßigen Gebrauch. Bon Balthajar IV. (1696 bis 1730) an
jinft die Firma buchhändlerifch immer mehr zur Unbeventenpheit herab
und nimmt die öffentliche Aufmerkſamkeit nicht mehr in Anſpruch. Cs
ift aber bemerfenswert, daß bis 1876 ſtets ein Moretus an der Spike
des Hauſes ſteht und daß ſeit Plantin acht Generationen in unmittel-
barer Abſtammung von ihm einander ablöfen. Auch dieſe ungewöhn-
liche Erjcheinung zeigt fich bei feiner andern Firma, welche die Gejchichte
des deutjchen Buchhandels fennt. Die Romersfircheniche Buchhandlung
in Köln ift zwar älter und befindet fich ſelbſt heutigestags noch in dem—
jelben Haufe, welches fie 1529 bezogen hat, allein ihre Inhaber gehörten
nicht alle demjelben Stamme in abjteigender Linie an.
An Stelle der im fatholifchen Süden der Niederlande gejchäftlich
verjumpfenden Familie Plantin-Moretus blühte aber im protejtanti
ichen Norden, in den Vereinigten Provinzen, ein anderes Geſtirn des
niederveutjchen Buchhandels empor, das allerdings auch mit dem Ende
des 17. Jahrhunderts, alje mit dem Ende der dominierenden Stellung
Kapitel.) Die Familie Effevier. Ludwig Elſevier. 511
des holländischen Buchhandels gegenüber dem deutjchen überhaupt, er-
loſch: die Familie Eljevier (Elzevir).
vLudwig Eljevier, der Stammesältefte diefer Geſchäftsdynaſtie, geboren
um 1540 in der Umgegend von Löwen und gejtorben im Februar 1617
in Leyden, taucht zuerjt im den jechziger Jahren als Buchbinder in Ant-
werpen auf. Ketzeriſcher Anfichten verdächtig, muß er unter Alba ins
Ausland fliehen und wendet jich nach Wejel, dem Zufluchtsort der da—
mals vertriebenen niederländijchen Protejtanten, wo auch fein dritter
Sohn Ägidius um 1570 geboren wird. Einige Jahre jpäter fehrt er,
von der jpanifchen Amneſtie Gebrauch machend, nach Flandern zurück
und läßt fih als Buchbinder in Douai nieder, deffen neuerrichtete Uni—
verjität Ausficht auf Beichäftigung bietet. Elſevier will aber nicht in
den Schoß ver fatholifchen Kirche zurücfehren, was man noch nachträg-
lich von ihm verlangte, jett deshalb jeit 1580 jein Gejchäft als Buch—
binder in Leyden fort und verbindet damit nach einem Aufenthalt von
-wenigen Jahren einen Heinen Buchhandel. Sein bejcheidener Yaden jtand
auf dem Grund und Boden gegenüber der Univerfität, welche ihm die
Bauerlaubnis gegeben hatte, und enthielt hauptjächlich ein Sortiment
von Handbüchern zum afademijchen Gebrauch. Am 15. September 1583
ſchuldete Ludwig Elſevier dem damals hochberühmten Chriftoph Plantin,
für welchen er früher in Antwerpen als Buchbinder gearbeitet hatte, einen
Betrag von 1270 Gulden und verpfändete ihm dafür jein ganzes Hab
und Gut, welches Plantin, va der Schuloner jpäter nicht zahlen fonnte,
auch im der That an fich z0g. In demſelben Jahre 1583 wird Ludwig
Elſevier auf dem Titel einer fleinen leydener akademiſchen Schrift zuerft
als Buchhändler genannt; aber e8 dauert noch neun Jahre, bis er 1592
jeinen erjten eigenen Verlagsartifel, einen Eutrop, veröffentlicht. Grit
von 1594 an folgen mit einer gewiſſen Negelmüßigfeit andere Werfe,
doch aber nur in bejchränkter Zahl.
Es erjchienen bei Ludwig Eljevier von 1592 bis 1617 im ganzen
101 Bücher und zwar bis 1600 in feinem Jahre mehr als 4, von 1600
bis 1613 nie mehr als neun, 1614 10 und 1616 12. Eine Druderei
bat er nie bejeffen, dagegen ließ er bei jeinem Enfel Iſaak, Sohn von
Mathins, arbeiten; diefer hatte 1616 eine jolche gekauft, veräußerte jie
aber 1625 an die Gejchäftsnachfolger feines Großvaters für 9000 Gulden.
Dieſe Druderei bildete die Grundlage ver glänzenden Elſevierſchen Druder-
a a
512 Ludwig Elſeviers Geichäftsausdehnung. (Achtes
thätigfeit und wurde mit jedem Jahre mehr vergrößert. Ludwig Elſe—
viers Mittel waren indeß zu gering, als daß er fich in gemagte Unter:
nehmungen hätte einlaffen können. Gr bejchränkte jich deshalb vorwie-
gend auf den Sortimentshandel, dehnte diefen aber auf Belgien (Ant-
werpen und Löwen) und Sranfreih aus. Schon gegen Ende des Jahr—
hunderts war er ein in Paris gern gejehener und allgemein gejchäßter
Buchhändler. Gleichzeitig war er ein faft regelmäßiger Bejucher ver
franffurter Meffe; das erfte mal bezog er fie im Jahre 1595, von 1601
ab — mit Ausnahme einer Unterbrechung von drei Jahren (1604 bie
1606) — aber ganz regelmäßig. „Deine Briefe‘, jehreibt Johann Grüter
am 29. November 1601 an Adrian var der Meer, „werden mir bebün:
Digt werden, wenn Du fie dem Buchhändler Eljevier mitgibjt, welcer
zwei mal im Jahre auf die Frankfurter Meffen reift.” Da Ludwig Elſe—
vier die Bedürfniſſe des franzöfiichen und niederländiichen Marktes ge-
nau fannte, fein Yager in Frankfurt ſtets vervolljtändigen fonnte, je
machte er um jo gewinnbringendere Gejchäfte, als er zugleich ven Ber:
fag holländiſcher und teifweife auch parifer Buchhändler auf der Meile
fommiffionsweife vertrieb.
Schon im Anfang des neuen Jahrhunderts hatte Eljevier feine frant-
furter Niederlage mit Georg Willer dem Jüngern von Augsburg gemein
ichaftlich in einem Gewölbe Im Faftenmeßfatalog von 1603 ift jegar
eine Abteilung den Büchern Willers und Elſeviers allein gewidmet. Von
da ab trat aber letterer jelbitändig auf. Die Verleger, welche er in
Frankfurt vertritt, find unter andern Michael Sonnius in Paris, der
Befiger eines urjprünglich von Chriftoph Plantin dort errichteten Ge-
ihäfts, Johann Patius, H. van Haeftens, Jean I. Orlers, A. Clouc—
quius und B. van der Bild, ſämtlich in Leyden, Ägidius Ravaens in
Leuwarden, Timäus Faber und Franz Foppens in Franefer, Salomon
de Roy in Utrecht, 3. Ch. Flavius in Yöwen, Fr. Belletus in Ypern,
R. Schilders in Middelburg und Yaurent in Amſterdam.““ Im Jahre
1614 nahm er 15 ihrer Verlagsartifel mit nach Frankfurt. Dieje That
jache jpricht für das Vertrauen, deſſen ſich Ludwig Elſevier bei jeinen
Berufsgenoſſen erfreute, und läßt zugleich annehmen, daß er gute Ge
ichäfte gemacht haben muß. Er zog aus allem Vorteil für jein Gejcäft
und war der erjte größere Buchhändler, welcher ſchon von 1609 am nicht
nur ganze Bibliothefen jelbjt kaufte und die Bücher dann in öffentlicher
Kapitel.) Ludwig Elſeviers Geichäftämanipulationen, 513
Auftion wieder verfaufte, ſondern dieſes Gejchäft auch für Rechnung
Dritter betrieb; „qui auctione publica distrahentur in aedibus Lu-
dovieci Elzevirii ad diem“ u. ſ. w., oder „quorum auctio habebitur
in offieina Elseviriana die” u. j. w., heißt es in den Satalogen. ’®
Dieje Auftionen bildeten auch während des ganzen 17. Jahrhunderts eine
Spezialität der Firma und warfen namentlich in deſſen erſter Häffte
großen Gewinn ab. Übrigens war Ludwig Efjevier auch um die Wahl
jeiner Mittel durchaus nicht verlegen. So wandte er alle die Künſte
und Mittelchen an, deren fich nicht gerade gewiffenhafte Buchhändler be-
dienten, um ben Abjaß ungangbarer Bücher zu befördern. Er machte
neue Titelausgaben, wie den Ariftoteles von 1616 und den Meurſius
von 1615, und folgte darin einem Brauch, der jehon vor 1550 in Sta:
lien zu beobachten ift und der auch in Deutjchland, z. B. bei Johann
Gymnicus in Köln bezüglich der Verlagsrefte der Werfe Leonhard
Thurneyſers vorfommt; er drudte jogar den Namen eines andern Ver—
fegers auf den Titel oder erweiterte eine alte Ausgabe um ein paar
Seiten und nannte fie eine vermehrte”, wie 5.8. die „Chronique de
Carion“, oder er fingierte auch dadurch neue Werfe, daß er einfach
deren zwei zuſammenbinden ließ, wie den Gluverius von 1611 und
„Les Tactiques d’Elien et de Leon“ 1613. Kurz, er ift ein erfin-
dungsreicher, nie um Auskunft verlegener, ſchlauer und heller Kopf. Sein
Fleiß, jeine Pünklichkeit, Ausdauer und Sparjamfeit verjchafften ihm übri-
gens trotzdem die Achtung und das Vertrauen jeiner Mitbürger, die ibn
zum Borfteher jeines Quartiers (Biertels) in Leyden wählten, und ficher-
ten ihm die Yiebe und das Wohlwollen feiner gelehrten Freunde, wie
Gruterus, der ihn den „vortrefflichen‘ Eljevier nannte, und des Putea—
nus (De But), welcher von ihm als feinem Freunde fpricht.
Bei jeinem Tode war Ludwig Elſevier einer der bedeutendſten Buch—
händler Holland. Neben jeinen großen Verdienſten verhalf ihm allerdings
auch das Glück zu jo ungewöhnlichen Erfolg: er hatte feine Zeit getroffen.
Holland war damals, wie ſchon oben flüchtig angedeutet, nicht allein
eben erjt durch Abjchüttelung des jpanijchen Jochs der freiefte Staat
Europas geworden, wie es denn auch bald der reichjte wurde, jondern es
blühte auch auf als Sit der klaſſiſchen Gelehrſamkeit und wiffenjchaftlichen
Kritif und entwidelte jene überlegene buchhändleriſche Thätigfeit, welche
bisher Deutjchland ausgezeichnet hatte. Als Yupwig Eljevier unmittelbar
app. I. 33
514 Hollands Blüte, Die verichiedenen Elfevier- Firmen. [Achtes
‚me ru
in den Glanzpunkt diejer neuen Ära ein, denn es zählte 1626 bereits
19 Druder und Buchhändler und 1651 deren jogar 35 (9 Druder mit
23 Prefien und 26 Buchhändler). Amfterdam war nech bedeutender,
während Frankfurt damals jchwer unter den Kriegswirren, unter deren
Folgen und umter dem Drud der faiferlichen Bücherkommiſſion zu leiden
hatte. Der wirtjchaftliche und politiſche Ruin Deutichlands war eine
der Vorbedingungen der Blüte Hollands. Je mehr jenes von jeiner
einstigen Höhe herabſank, deſto mehr ftieg dieſes auf wifjenjchaftlichen
Gebiet empor und deſto größer wurde auch das Elſevierſche Gejchäft.
Mit der Veröffentlichung des Cäſar, Terenz und Plinius im Jahre
1635 erreichte diejes jeinen Höhepunkt und behanptete venjelben bis 1680;
jenes Jahr aber war für Dentjchland eins der unglüclichiten des Kriegs,
und das auf diejen folgende Menjchenalter das armfeligfte und jümmer-
lichjte der deutjchen Gejchichte, °*
Ludwig Eljevier war indeß nicht allein jelbft ein bedeutender Buch—
händler, jondern erzog auch eine ganze Dynaſtie von großen Verlegern,
welche zu den hervorragenpften aller Zeiten gehören. Die Firma Elſe—
vier bejtand unter verſchiedenen Heinen Änderungen won 1583 bis 1713,
alſo volle 130 Jahre; aber ihr Geift und ber Charakter ihrer Unter—
nehmmmgen blieb ziemlich bis zu Ende unverändert derſelbe. Die eigent-
liche Bedeutung der Firma bejchränft fich jevoch auf das 17. Jahrhundert,
oder noch genauer auf die Periode von 1630 bis 1680. Dem Vater
folgten fünf Söhne, bis auf einen gleich tüchtig und thätig im Geſchäft,
vier Enfel, darunter Männer erjten Ranges, wie Daniel, drei Urenfel und
ein Ururenkel. Die beiden Hauptgejchäfte blühten in Leyden von 1583
bis 1712 und in Amfterdam von 1638 bis 1681; verhältnismäßig unter:
geordneter Natur waren die Firmen im Haag von 1590 bis 1636 und
in Utrecht von 1667 bis 1675. Es ift natürlich nicht die Aufgabe dieſes
Buchs, die einzelnen Phajen im Gejchäftsfeben ver Elſeviere näher zu
ichilvern, fie fommen hier vielmehr nur fo weit in Betracht, als fie
den deutſchen Buchhandel berühren. Es genüge deshalb, für Leyden,
außer dem Gründer Yubwig (1583 bis 1617), deſſen Söhne Matbias
und Bonaventura (1617 bis 1622), fowie Bonaventura und Abrabam
(Söhne von Mathias, 1622 bis 1652) zu erwähnen, und für Amfterdam
Daniel (Sohn des Bonawventura, zwijchen 1655 und 1680) anzuführen.
Kapitel.) Ehrgeiz, Kleinlichfeit und Geiz im Geſchäftsgebaren. 515
Alle diefe Männer hatten natürlich ihre Neider umd Feinde und waren
bis auf den zuleßt genannten wenig beliebt, aber in dem einen Punkt
groß: in der Piebe zu ihrer Kunſt und zu ihrem Beruf, welchem jie vom
erjten Auftreten ver Familie an einen wahren Kultus wiometen. Sie
betrachten es als ihre Yebensaufgabe, techniſch möglichit vollendete Drude
zu liefern, und arbeiten mit einer Ausdauer und Geduld auf diejes Ziel
bin, welches jelbft den Hintergedanfen eines faufmännifchen Gewinns
auszujchließen ſcheint.““ Stolz auf ihre Arbeit, rühmen fie fich ihrer mit
vornehmen Selbjtgefühl und rufen nicht allein das Urteil ihrer Zeit-
genofjen, jondern auch der Nachwelt an: „Libenter quicquid opus est,
judieio doctorum ac posteritatis maxime remittimus.” So wird
denn ihr ganzes Thun auch von einem edeln Gefühl perjönficher Ehre
und Verantwortlichfeit getragen, und jelbjt ihre Heinen Schwächen fallen
ihren großen gejchäftlichen Tugenden gegenüber faum ins Gewicht. Nament-
lich ift e8 Bonaventura, welchem jogar von feinen Freunden ſchmutziger
Seiz, Mangel an Aufrichtigfeit und Ablehnung jeder moraliichen Ber:
binplichfeit vorgeworfen wird. So berechnete er 1639 dem Johann
Friedrich Gronovius 15 Sous für Porto eines Briefs, welcher von Sel-
den einem an die Elſeviere gehenden Paket beigejchloffen gewejen war.
Und doch enthielt diefer Brief nur Mitteilungen über eine Ausgabe des
Yivius, welche Gronovius auf Bitten der Elſeviere für fie jogar ohne
jedes andere Honorar als 12 Freieremplare vorbereitete. Nikolaus Hein-
fins, auch ein Freund der Firma, bittet 1643 in deren Namen Grono—
vins die Vorrede zum Yivins zu beenden und fügt höhniſch hinzu: „Was
nun die Winmungseremplare betrifft, jo glaube ich fait, daß die Geiz-
hälſe ſich dieſe jelbjt vorbehalten wollen‘ (v. h. daß der Verleger nicht
allein nichts zahlt, jondern die für jene Widmungsexemplare etwa ein-
gebenven, dem Berfajfer gebührenden Ehrengejchenfe in die Tajche ſtecken
will). Heinſius las dem Johann Eljevier eines Tags in Paris auf
offener Straße den Tert wegen Zurüdhaltung eines für einen ihrer
Sejchäftsfreunde beftimmten Freieremplars, ſodaß der Verleger errötete
und das bisher Verſäumte noch nachträglich zu erfüllen verſprach. Nir-
gends genoß deshalb auch die leydener Firma Yiebe und perjönliche Zu:
neigung. Wenn jelbt die befreundeten Gelehrten fie homines avari,
astutissimi mortales nannten, wie werden da erft die Bejchuldigungen
der Gegner gelautet haben.
33*
516 Umfang und Charakter ihres Verlags. Achtes
Die Leiſtungen der Elſeviere aber waren erſtaunlich und bis dahin
unerhört. Abgeſehen von 2737 lateiniſchen Differtationen, welche fie als
Univerfitätsoruder in Leyden von 1654 bis 1712 drudten, veröffent-
fichten fie im ganzen 2093 Berlagsartifel, deren Hauptzahl mit 462 auf
Bonaventura und Abraham in Leyden und deren höchſtnächſter Betrag
mit 415 Werfen auf Daniel in Amfterdam fällt. *° Und was für Werte!
Sie ſtehen heute noch mit ihren feingeftochenen Titeln, ihrem nieblichen
Duodez- und Sedezformat, ihrem vortrefflicen Papier, ihren reinen
Schriften und ihrem forreften Text unübertroffen da. Ihr Typengießer
Chriſtoph van Dyd ift einer der größten Meifter jeiner Kunſt, ihre
Tertkritifer gehören zu den erjten Gelehrten des damaligen Europa, wie
Daniel und Nikolaus Heinfins, Holftenius, Voß, Gruterus u.a. Die
Elſeviere druckten in allen, am liebjten aber in Heinen sormaten. Ihr
Cäſar in Folio (1635) ift ein Prachtwerf erjten Ranges, ihre Quart-
und Oftavansgaben find ebenjo mufterbaft wie ihre Klaſſiker in Duodez.
Die erfte (Folio) Ausgabe des „Corpus juris” gilt als das ſchönſte
aus den Preffen des amfterbamer Haufes hervorgegangene Bud. Zu
den alten Klaſſikern, welche eine Bibliothek für fich bilden, kamen num
noch Werfe der jchönen Pitteratur, wie Boccaccio, die franzöfijchen Dichter
Gorneille, Racine und Moliere, Romane und Schriften von Balzac x.,
ftaatsrechtliche Unterfuchungen von Machiavelli, Hugo Grotius und Mil-
ton, Gejchichtswerfe von Brantome, Froffard und Sleidan, politiihe Pam—
pblete, religiöfe und philoſophiſche Schriften von Erasmus, Melanchtben
und Galvin, Baco, Descartes und Hobbes, holländiſche und franzö—
fiiche Prachtbibeln in Folio, Wörterbücher und Grammatiken, zehn ver-
jchievene Ausgaben ver Juſtinianiſchen Inftitutionen und zwei Ausgaben
des vollftändigen „Corpus juris, deren erjte oben angeführte in Folie
und deren zweite in Octav innerhalb eines Jahres (1663/1664) auf:
einander folgten. Jeder neue Verlagsartifel der Efjeviere galt als ein
Ereignis in der gelehrten Welt, und wurbe e8 daher — troß ihrer ſchon
betonten Schäbigfeit betreffs des Honerars — als eine große Ehre an
gejehen, von ihnen verlegt zu werben.
Während die alten Pevanten in Holland und Deutjchland, wie De
Put, Nifolans Heinfins und Job. Fr. Gronovius, die Eljevierjche Aus-
ftattungsweife als zu glänzend und üppig tabeln, fönnen ſich andere
hervorragende Schriftteller in ihrem Yobe über den Geſchmack und vie
Kapitel.) Preis und Auflage ihrer Verlagswerke. 517
Handlichfeit diejer Ausgaben faum erjchöpfen. So nennt der ſtraßburger
Profeffor Mathias Bernegger 1635 in der Vorrede zu feiner Überjegung
des Galilei'ſchen Weltſyſtems die Eljeviere die größten und verbienteften
alfer Buchdrucker, und Galilei ſelbſt huldigt 1638 in der Vorrede zu
jeinen „Discorsi” der Einficht und dem feinen Kunftfinn jeiner bolländi-
ſchen Verleger.
Die Preife ihrer Verlagswerfe, namentlich der alten Klaffifer, waren
übrigens durchaus nicht hoch. Ein Bändchen von etiwa 500 Seiten, wie
der Birgil von 1636, der Plinius von 1640 und jeder Band des Cicero
von 1642 koſtete nur einen bolländifchen Gulden (1 Mark 70 Bfennige).
Diefer Preis fteigt und fällt natürlich, je nach dem Umfang des Buche.
So wurde der Curtius von 1633 zu 1 Marf 36 Pfennige, der Salluft,
Terenz und Florus zu je 1 Marf 25 Pfennige verfauft, während fich die
größere Ausgabe des Plinius von 1635 und die des Livius in je brei
Bänden zu je 4'/, Gulden angejegt finden. Selbjtredend darf man bei der
Umrechnung dieſer Preife die jeitvem verringerte Kauffraft des Geldes
nicht überjehen. Über die Höhe ver Auflagen fehweigen die Quellen; fie
war natürlich verjchieden. Als 1677 Heinfins eine neue Ausgabe des
Vellejus Paterculus herauszugeben wünfchte, antwortete ihm Daniel
Elſevier: er babe zwar noch 500 Exemplare ver alten vorrätig, wolle
diefe aber möglichft ſchnell abzujegen fuchen; Heinfius möge nur inzwifchen
die Tertrezenfion fertig ftellen. Nun war die erjte Ausgabe des Vellejus
1664 auf den Markt gefommen‘!; fie muß aber in hoher Auflage
geprucdt worden und babei jehr gangbar gewejen fein, wenn einerjeits
"13 Jahre jpäter noch 500 Erempfare davon vorrätig waren, andererjeits
Daniel fich trotzdem bereit fand, einen Neudrud zu bringen.
Deutjcbe Bücher haben die Eljeviere im ganzen mur 20 verlegt, aber
deito mehr in lateiniſcher Sprache von deutſchen Gelehrten veröffentlicht.
Die Verhandlungen des Weftfäliichen Friedens waren zwar in Osna—
brüf gedrudt worden, aber in jo jämmerlicher Ausstattung, daß die Elſe—
viere 1651 eine beffere Ausgabe davon veranftalteten. Ebenſo drudten
fie 1672 im Auftrage des Funftfinnigen paderborner Fürftbiichofs Ferdi—
nand von Fürftenberg die „Monumenta Paderbornensia” muftergültig
in Quart. Deutjchland war ja damals politijch und geiftig jo tief ge-
junfen, jeine Sprache galt als fo roh, daß das Ausland fie gar nicht
als wollberechtigt anerkannte, zumal auch die deutjchen Duodezfürften
518 Ausdehnung ihrer Geihäftsverbindungen. Achtes
und die vornehm ſein wollende Geſellſchaft lieber Franzöſiſch radebrechten.
Letzteres fing gerade an, bie Geſchäfts- und Umgangsjprache ver diplo—
matischen und jogenannten gebildeten Welt zu werben, Yateinifch und
Franzöſiſch find daher auch die Sprachen ber großen Mehrzahl ver Ver-
lagsartifel der Eljeviere.
So trug ihr Verlag einen internationalen Charakter und verlangte
zu feinem Bertriebe weitgreifender Verbindungen, wobei aber wiederum
ihr gleichzeitig in ausgevehntem Maßſtabe betriebener Sortimentshandel
eine wejentliche Hülfe und Förderung gewährte. Sie bejuchten nicht nur
die benachbarten Märkte, die Meffen von Frankfurt und Paris, jondern
dehnten ihre Verbindungen bis in den Norden Europas aus und gründeten
eine ftändige Nieverlaffung in Kopenhagen. Bis zu den erjten Jahren
des Dreißigjährigen Kriegs hatten die dänischen Buchhändler ihren Be-
barf faft ausfchlieflich von den frankfurter Meffen bezogen, oder er war
ihnen von Dentjchland ans zugeführt worden; der Krieg unterbrach dieſe
Verbindungen. Die Holländer aber kannten die Einträglichkeit des fopen-
hagener Büchermarfts und fuchten ihn jetzt nicht nur für ihren Verlag,
jondern auch für ihr Sortiment auszubenten. Es gelang ihnen dies um
jo eher, al$ fie den Wafferweg zur Verfügung und nicht unter den Ge-
fahren des Landwegs zu leiden hatten. Johann Janſſon, ein amfterdamer
Buchhändler, ſchickte zunächit in der Perfon David Zunners (jpäter einer
der bedeutendſten Verleger in Frankfurt a. M.) einen Agenten nach Kopen—
hagen und machte dort jo bedeutende Gejchäfte, daß die angejeffenen Buch—
händler 1624 über die ihnen gemachte Konkurrenz Klage erhoben. Wann
die Eljewiere zuerjt nach Kopenhagen kamen, läßt fich nicht genau feit-
jtellen; e8 ift aber eine unbeftreitbare Thatjache, daß fie in dem von
König Chriftian IV. in Kopenhagen errichteten neuen Börjengebäude einige
Läden mieteten und im dieſen ein großes Sortiment ausftellten. Dieje
Filiale beftand bis etwa 1652; fie gab vortrefflihe Spezialtataloge aus,
von denen einer aus dem Jahre 1642 noch vorhanden ift. Auch bie
Königin Chriftina won Schweden machte den Elſevieren glänzende An-
erbietungen, um fie zur Errichtung einer Buchhandlung in Stockholm zu
bewegen. Daniel reifte 1650 in Gejellichaft von Nikolaus Heinfius dabin;
indeffen jebeint er das Unternehmen nicht lohnend genug gefunden zu haben
und ging nicht darauf ein, ſondern bediente fich jpäter für die gejchäftlichen
Beziehungen ver Vermittelung des ſtockholmer Buchhändlers Curio.
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Kapitel.) Beziehungen der Eljeviere zu Paris und Frankfurt. 519
Kurz, die Eljeviere hatten überall ihre Augen, two es etwas zu ver:
dienen gab; aber jo groß auch ihre Energie und Einficht war, der innere
Grund ihres Erfolgs beitand doch darin, daß fie über dem Kleinſten nie
das Größte und über dem Größten nie das Kleinſte überjahen. Ihr
Blick baftete nicht Ängftlih am Einzelnen, jondern wurde von allgemeinen
Geſichtspunkten geleitet. So behandelten fie denn auch den unbedeutend:
ſten Vorteil mit derjelben eingehenden Sorgfalt, wie das wichtigste Unter:
nehmen. Einer neuen Ausgabe des Cornelius Nepos 3. B. widmeten
fie verhältnismäßig dieſelbe gewiſſenhafte Aufmerkfjamfeit, wie ber Vor:
bereitung der 1637 im Ausficht genommenen Veröffentlichung ver Werfe
des Profopius, für deren Lateinische Überjegung fie lange mit Hugo Gro-
tins verbandelten, oder ven jchon 1638 getroffenen Vorbereitungen für eine
Geſamtausgabe der Werke Galilei's. Wenn fie diefe und andere groß:
artige Pläne in der Folge nicht ausführten, jo lag die Schuld an äußern,
nicht zır bewältigenden Hinderniffen. Indeſſen ließen fie fich ſelbſt durch
teilweife Mißerfolge nicht abjchreden, ſuchten vielmehr jtets einen Fehl—
ihlag durch ein erfolgreicheres Unternehmen wieder auszugleichen.
Wie die leydener Söhne und Enfel Ludwig Elſeviers, jo bejchidte
au jein amfterdamer Enfel Daniel regelmäßig die frankfurter Meffen.
Daniel blieb diejen auch dann noch treu, als fie ſchon anfingen in Ber:
fall zu geraten. Der Beſuch derjelben förderte nämlich feine Interejjen
viel befjer, als ſelbſt ver Verkehr in Paris, wo der Buchhandel noch in
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lange nicht die Gerechtiame ge-
noß, deren er fich in Frankfurt erfreute, und wo die fremden Buchhändler
nur zu jehr drückenden Verationen ausgefegt waren. So war ihnen
unterfagt, die Märkte von St. Germain und St. Yorenz überhaupt zu
beziehen; jo durften fie nur ein einziges mal im Jahre fommen, nicht
länger als drei Wochen bleiben und ausjchlieglih nur an Buchhändler
verfaufen. Im April 1640 wurden die Elſeviere der Übertretung dieſer
Beitimmungen angeklagt; Johann Elſevier mußte fein Yager fchlieken
und bei Strafe von 100 Yivres und unbedingter jofortiger Konfisfation
jeiner Waren den Berfauf an Nichtbuchhänpler einftellen. Daniel war
durch den Schaden feines leydener Vetters vorfichtiger geworden, ver:
faufte gar nicht jelbjt in Paris, jondern vermittelte jeinen Verfehr mit
Frankreich durch einen Faktor, der die an ihn geichieten Sendungen von
Bordeaux und Ya Rocelle aus an die Beitimmungsorte beförderte, 62
520 Daniel Elfevier, Erlöjchen der Firma. Achtes
Daneben beſuchte aber Daniel wiederholt Paris, wohin ihn ſeine alten
Beziehungen zogen, hielt ſich ſogar kurz vor ſeinem Tode noch ſechs
Wochen dort auf.
In der franzöſiſchen Hauptſtadt gebildet und im geiſtigen Verkehr mit
dortigen wiſſenſchaftlichen Größen herangewachſen, vereinigte er die beſten
Eigenſchaften des Gelehrten mit der Umſicht und Erfahrung des Kauf—
manns. Als Schriftgießer, Drucker, Sortimenter und Verleger ſtand er
(1655 bis 1680) an der Spitze eines der größten buchhändleriſchen Ge—
ichäfte und bob dieſes durch feine überall eingreifende Fuge Thätigkeit
troß der Kriege auf eine noch ftolzere Höhe, al c8 vorher eingenommen
hatte. Im den Jahren 1665 bis 1667 jpielte der Krieg zwiſchen Eng:
(and und ben vereinigten Provinzen; 1672 aber fiel Ludwig XIV. in
das Yand ein und erft 1678 fam es zum Frieden. Daniel ließ fich je:
doch durch diefe dem Büchermarkte jo ungünftigen Zeiten nicht abjchreden
und verlegte zwiſchen 1667 und 1672 mehr als 100, von 1675 aber bis
1680 an 90 Werfe. Ihm zur Seite jtanden allerdings tüchtige Mit-
arbeiter, wie ver Deutſche Jakob von Zetter (Zetterus), welcher noch nad
dem Tode des Chefs bis zur Auflöfung des Gejchäfts in dieſem anshielt,
und der Bafeler Heinrich Wetttein, welcher fieben Jahre, 1669 bis 1676,
in Elſevierſchen Dienften jtand, im leßtgenannten Jahre heiratete, fich
dann jelbjtändig im Amſterdam niederließ und fich zu großer Bedeu:
tung emporarbeitete. Dieje beiden Gehilfen bejuchten abwechjelnn over
auch gemeinjchaftlich die Frankfurter Meſſen, welche das Erlöjchen ver Elſe—
vierfchen Firma empfindlicher fühlten al8 manche andern harten Schläge,
die fie jhon um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts mehr und
mehr zur Bedeutungsloſigkeit herabdrückten.
Sohn Yode nannte mit Recht ven Tod Daniel Elſeviers einen öffent:
lichen Verluſt. Mit ihm wurde zugleich das Preftige und die unberingte
Überlegenheit ver holländifchen Drucferthätigfeit zu Grabe getragen. Ziem-
(ich gleichzeitig mit Daniel Elfevier jtarben nämlich Johann Blaeu (1673),
die Steuder und Janſſon von Waesberghe (1681), Abraham Wolfgang
(1693) und wenig jpäter der legte Dad. Der Elfevierjche Verlag brachte
auf der im Juli 1681 abgebaltenen Auktion 120000 Gulden = 204000
Mark, während das aus 20000 Binden beſtehende Sortimentslager
(Bibliopolium, Librairie ancienne et moderne) ein ziemlich befrie-
digendes Ergebnis lieferte. Der Glanz des Elſevierſchen Namens erloid
Kapitel.) Kläglicher Ausgang der Firma Effevier. 521
mit ihm. Abraham, der fette Buchhändler feines Namens (1681 bis
1712), vernachläffigte Das ererbte Gejchäft. Er verlegte fein größeres
Wert mehr und ließ feine Druderei verfallen. Als Univerfitätspruder
jtellte er zwar vom Juli 1681 bis zu feinem 1713 eintretenden Tode
die große Zahl von im ganzen 1899 Differtationen ber, aber bei dem
nun erfolgenven Berfaufe brachte die Druderet mit ihren abgenußten
Schriften kaum 2000 Gulden. 6? Kin Fläglicher Abſchluß für die einft jo
große und berühmte Firma!
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Neuntes Kapitel.
Die Bücercenfur und die Prefverfolgungen.
Hiftorifche Einleitung. Das Altertum. — Verhalten der Kirche. Cenſurrecht der
Univerfitäten. — Erjtes Auftreten nad Erfindung der Buchdruderkunft: Köln. —
Vorgehen der Kirche ohne Rüdjicht auf den Staat: Mainz. — Die Bullen Sir-
tus’ IV., Mleranders VI. und Leo's X. — Das Wormſer Edikt. Eintreten des
Staats. — Die Neichs + Prefverordnungen. — Der Begriff des Libells und der
Famosihrift. — Schwächliches Verhalten der Proteftanten. — Cenſur in Dfter:
reich. — In Bayern. Katalog erlaubter Bücher. Verfahren gegen Schmwend:
feldianer. — Die proteftantischen Neichsitädte. Straßburg. Nürnberg. (Hans Sachs.)
Augsburg. Um, Frankfurt a. M. — Bajel. Zürich. — Die geiftlichen Kurfürften-
tümer. — Böhmen und Schlefien. — Kurpfalz. — Brandenburg. — Sadien. —
Die Heinen Territorien.
Die Büchercenfur ift das bequemfte Mittel, unbequemen, durch vie
Schrift ſich äußernden Widerſpruch oder Tadel zu untervrüden. Sie
wurzelt in der Willfür und Gewalt und ift deshalb faft jo alt als die
Geſchichte ver Menjchheit ſelbſt. So tritt fie denn auch in verjchiedenen
vändern und zu verfehiedenen Zeiten, höchſtens äußerlich in andern Kor:
men, auf. Der Unterjchied vor und nach Gutenberg ift nur der, daß
in der Handjchriftenzeit die Yitteratur fich auf Fleine und wenige Kreiſe
beſchränkt, alfo kaum im die Öffentlichkeit dringt, während die Buch—
druckerkunſt jahraus jahrein die Erzeugniffe der Preffe zu Taufenden in
die Welt jendet umd das ganze geiftige Yeben des Volks zu einem öffent-
lichen macht, Qualitativ zeigt fich deshalb die Schreibfreiheit bei den
Alten und im Mittelalter in demſelben, wenn nicht böhern Grade be-
jchränft wie in der Neuzeit, und nur quantitativ übertrifft die lektere
ihre Vorläufer an ſyſtematiſcher Berfolgungsjucht.
Neuntes Kapitel] Mahregelungen der Autoren im Altertum. 523
Beweise für diefe Thatjache finden fich fast in jedem klaſſiſchen Schrift-
fteller. So wurde das erjte Buch, von deſſen gewaltjamer Unterbrüdung
die Gejchichte berichtet, Faum 20 Jahre nach dem Tode des Perifles
in Athen dem Scheiterhaufen überliefert. Der Philofoph Protagoras
batte nämlich in einem gelehrten Werke die Eriftenz der griechtichen
Götter bezweifelt: Grund genug für die priefterlichen Pächter des Olymp,
ihren Zorn ob des zerftörten Befitftandes durch die Konfiszierung und
Verbrennung des Buchs und durch die Bejtrafung des BVerfaffers zu
fühlen. Diejer floh, um dem Scirlingbecher zu entgehen, und fand,
wie e8 beißt, auf offenem Boote in den Meeresfluten den Tod: das
erite Einjchreiten des Staates auf Betrieb ver Kirche! ! Bei ven Römern
enthielten jchon die Zwölf Tafeln jtrenge Beſtimmungen über öffentliche
Schmähungen und Pasquille. Auguftus war nach Tacitus der erite,
welcher das gejchriebene oder geiprochene Wort ftrafte Während das
Majeſtätsgeſetz der Republik bisher nur ftrafbare Thaten gekannt hatte,
debnte der Kaiſer die gerichtliche Unterfuchung und Strafe auch auf
Shmähjchriften und Spottgedichte (libelli famosi) aus. So befahl er
denn auch, die Schriften des Yabienus üffentlich zu verbrennen. Sein
Nachfolger Tiberius verfolgte mit noch größerm Haß das gejchriebene
Wort. „Für Worte werde ich zur Verantwortung gezogen, jo wenig
fallen Handlungen mir zur Laſt“, ſagte Cremutius Cordus, dev ob der
bloßen gegen ihn gerichteten Anklage bereits auf jein Leben verzichtet
hatte und ben freiwilligen Hungertod ftarb. Und doch hatte er bloß ven
Gajus Caſſius den letzten Römer genannt. Seine Schriften jollten durch
die Adilen verbrannt werben, erhielten fich aber im Publikum unter dem
Schute der Berborgenheit. „Um jo mehr möchte man“, ſagte Tacitus?
bei diefer Gelegenheit mit vornehmen Hohn, „über die Bejchränftheit
derjenigen lachen, welche für ven Augenblid im Beſitze ver Macht, auch
das Andenken bei der Nachwelt austilgen zu können wähnen. Im Gegen-
teil, man verhänge nur Strafen über die Geifter und es wächft ihre
Geltung; und nichts anderes haben auswärtige Könige und andere,
welche die gleiche Tyrannei gebt, erzielt, als ihre eigene Schande und
den Ruhm des Verfolgten.” Als die von Nero verbotenen Schriften
des Vejinto nachmals wieder herausgegeben wurden, meinte Tacitus:
„So lange ihre Anjchaffung mit Gefahr verbunden war, wurden fie eif-
rig gefucht und gelejen; durch die Erlaubnis, fie zu befigen, gerieten fie
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524 Verhalten der Kirche im Mittelalter. Neuntes
bald in Vergeſſenheit.“ Domitian ließ den Geſchichtſchreiber Hermogenes
und alle Buchhändler, welche ſich mit der Vervielfältigung des dem Kaiſer
anſtößigen Werks befaßt hatten, an das Kreuz ſchlagen.
Dieſe Beiſpiele, aus hundert ähnlichen herausgegriffen, werden ge—
nügen, um bie Feindſeligleit der erſten Kaiſer gegen den freien Gedanken
feſtzuſtellen. Wenn in den ſpätern Jahrhunderten der Imperatorenzeit
nicht mehr ſo arg und oft gegen die Schriftſteller gewütet wurde, ſo
unterblieb es bloß deshalb, weil die Litteratur längſt unterdrückt oder gar
getötet war. So erwieſen ſich denn auch ſpezielle Cenſurgeſetze als über—
flüſſig. Die römiſche Geſetzgebung, welche ſo fruchtbar an Beſtimmungen
über libelli famosi, carmina famosa und epigrammata geweſen it,
hätte ficherlich die Erzeugniffe der Buchoruderkunft zu unterdrücken ver:
jtanden, wenn fich der Staat von ihr für bedroht gehalten hätte.
Juftinian fette mit andern Bijchöfen auch den Severus ab, weil
diejer, abgejehen von verjchiedenen gegen ihn vorgebrachten Beſchwerden,
das Reich mit verjchievenen Schanpjchriften und verbotenen Büchern über:
ſchwemmt habe, deren Vernichtung zugleich den Befigern anbefohlen und
deren fernere Vervielfältigung bei Strafe des Verluſtes der rechten Hand
verboten wurde,
Das päpftliche Nom trat die Erbichaft des fatjerlichen auch als oberjter
Cenſor der Chriftenheit an. Es gründet feine Berechtigung zur Über:
wachung der Geijtes- und Denffreiheit auf die oberſte dogmatiſche VBoraus-
jegung der fatholischen Kirchenlehre. Der Papft hat nach ihr nicht allein
das Recht, fondern auch die Pflicht, alle diejenigen Einflüffe von ven
Gläubigen fern zu halten, welche fie in ihrem Glauben beunrubigen oder
erjchüttern können. Der Laie ſoll überhaupt nicht jelbftändig denken und
nur das leſen, was ihm zu erlauben der Geiftliche für gut befindet. Die
Kirche nimmt deshalb auch von jeher die Genjur fittlich fchlechter und
ketzeriſcher Bücher als negatives Mittel zur Erhaltung des Glaubens in
Anfpruch und unterbrüdt alle ihr feindfeligen Äußerungen und Schriften.
Diefe Aufgabe war bei den firchlichen Machtmitteln jehr leicht, jolange
der Gedanke nur durch Wort over Schrift in die Öffentlichkeit drang
und jolange die ganze Chriftenheit ven Papſt als ihr Oberhaupt ver-
ehrte; fie wurde aber jehr jchwierig, jobald die Buchdruckerkunſt die tauſend—
fache Vervielfältigung der Geifteserzeugniffe ermöglichte und der Abfall
von Rom immer größere Kreife ergriff. Daß nun Gutenbergs Erfin-
Kapitel.) Cenſurrecht der Univerſitäten. 525
dung das alte Verhältnis ändern und die kirchliche Autorität auf dem
Gebiet der theologiſchen und profanen Wiſſenſchaft untergraben könne —
dieſe der heutigen Erkenntnis nahe liegende Beſorgnis ſcheint den hohen
geiſtlichen Würdenträgern anfangs gar nicht in den Sinn gekommen
zu ſein.
Der Papſt hatte ſein Recht der Überwachung des Schriftenweſens
iben im 13. Jahrhundert einzelnen Univerfitäten übertragen. Letztere
beauffichtigten deshalb nicht allein die Gejchäftsführung der unter ihrem
Schutze tbätigen Stationarii, Schreiber, Buchbinder, Pergamenter, Papier-
händler und Illuminatoren, jondern auch den Inhalt der von ihnen an-
gefertigten und an den Markt gebrachten Handjchriften und bejtraften
nötigenfalls den Schuldigen. Die Statuten der Univerſität Paris bewei—
jen, daß dort ſchon 1323 eine Präventivcenjur bejtand. Je nach der
Wiffenjchaft, welcher ein Buch angehörte, mußte ver Librarius, ver ein
ſolches abjchrieb oder abjchreiben ließ, e8 dem von der betreffenden Fakultät
eingejegten Univerfitätsprofeffer vorlegen, der dann als Genjor den Ver—
fauf geftattete oder verbot. Der Übertretungen waren übrigens im Mittel-
alter nur wenige; darum urteilte die Genjur auch milde und ermahnte
lieber, als daß fie ftrafte. Große firchliche Verbrechen aber, wie Keterei,
fonnten mittel® der Prefje nicht begangen werden, da eine jolche über-
haupt noch nicht eriftierte.
Natürlich wurde die Yage der Dinge durch Erfindung der Buchoruder-
kunſt mit einem Schlage eine andere. Abgejeben von einem vereinzelt
daftehenden Fall aus dem Jahre 1475, wo Konrad Fyner in Eßlingen
„Petri Nigri Tractatus contra perfidos Judaeos” mit der ausdrück—
lichen Genehmigung des Biſchofs von Regensburg verjehen berausgab,
war es in Deutjchland Köln, von welchem die erften Schritte zur Ein-
führung der Genjur ausgingen. Die dortige Hochſchule übertrug zuerjt
die firchlicherjeits bisher gegen die Hanpjchriften geiibte Überwachung des
geiftigen Lebens auf die gedruckten Bücher. Diejelbe war am 21. Mai
1388 von Papft Urban IV. „zum Yobe Gottes und zur Verbreitung des
wahren Glaubens“ als ein Studium generale nach dem Mufter ver
parijer Univerfität gegründet worden. Als die Buchdruckerkunſt jehr bald
nad ihrer Erfindung feiten Fur in Köln faßte, ftanden bier die jcholafti-
ide Philofophie und die ftreng katholiſche Theologie in vollfter Blüte.
Die Univerfität betrachtete e8 deshalb auch als ein Gebot der Pflicht,
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526 Univerfitätscenjur in Köln. Die Bilchöfe. [Neuntes
durch eine jtrenge Genjur die ihr feßerifch und unchriftlich erjcheinenden
Bücher dem Marfte fernzuhalten,
So erlangten denn auf ihren Antrag Rektor und Defane der Uni-
verfität am 17. März 1479 von Papſt Sirtus IV. die Befugnis, mit
firchlichen Genjuren gegen Druder, Käufer und Yejer häretijcher Bücher
vorzugehen. Es jcheint, daß Werner Rolewinfs 1474 zuerjt erſchienener
„Fasciculus temporum“ die Mafregel hervorgerufen bat, weil er frei-
mütig über den Berfall der Kirche und über das anftörige Yeben der
Päpfte und Geiftlichen geklagt hatte. Seit diefer Zeit, namentlich bis
jur Mitte ver achtziger Jahre des 15. Jahrhunderts, tragen verſchiedene
Bücher den Bermerf, daß fie von der Univerfität gebilligt und zugelafjen
worben jeien. Dieje Druderlaubnis ift ausprüdlich in ven Worten
„Admissum et approbatum ab alma Coloniensi universitate”, over
auch: „Temptatum admissumque et approbatum ab alma univer-
sitate studii eivitatis Coloniensis, de consensu et voluntate spec-
tabilis et egregii viri pro tempore rectoris ejusdem“, zuweilen noch
mit dem Zuſatze „examinatum“, enthalten. Kirchhoff und Ennen? er-
wähnen 12 ſolcher Werfe, darunter die Bibel aus dem Verlage von
Konrad von Homberg, 5 Drude von Heinrih Quentel, 2 von Gulven-
ihaff und 1 von Bartholomäus von Unkel. Die kölner Univerfität
geht hier weit über die Ausübung einer blos firchlichen Genjur bin-
aus und maßt fich Nechte am, welche ver Papſt gar nicht vergeben
fonnte. Nivers „De contractibus mercatorum” und Werner Rolewints
„Faseiculus temporum“ haben, wie ihre Titel bejagen, nichts mit der
Theologie gemein; außerdem aber beweift die Druderlaubnis für die
Bibel und ein Werf von Thomas von Aquino, daß die Cenfur eine all-
gemeine war, Das 1480 in Heidelberg erjchienene „Jodoci Galli opus-
culum Nosce te ipsum“ weit jogar vier bijchöfliche Approbationen
auf. Es geht hieraus hervor, daß jchon damals verjchiedene geiftliche
Würdenträger ihre Genjurvorjchriften im Verordnungswege erlaffen haben
mußten; in den Gejeten und Erlaſſen jener Zeit findet fich jedoch nichts
darüber.
Einen Schritt weiter ging Berthold von Henneberg, Erzbiſchof und
Kurfürſt von Mainz, ein ehrgeiziger Mann von zäher Energie, der ſeine
Macht auf Koſten des Reichs überall zu erweitern wußte; er war der
erſte deutſche Fürſt, welcher die Cenſur als ein weltliches Hoheitsrecht be—
Kapitel] Die mainzer Cenfur. Übergriffe auf das ftaatliche Gebiet, 527
anfpruchte und fie auch durchführte. Obgleich jchon jeit Juſtinian das
Verbot und die Unterdrückung von Büchern als unantaftbares Recht
ver faijerlichen Macht gegolten hatte, jo kümmerte ſich der mainzer Erz-
biichof im feinem Genjuredift vom 4. Januar 1486, das er kurzerhand
Strafmandat nannte, auch nicht im geringjten um die fatferlichen Rechte
und begegnete auch nicht einmal einem Widerſpruch Friedrichs III. Bei
der immer bewußter und täglich entjchiedener in der Dffentlichfeit
auftretenden Oppofition gegen die päpftliche Herrichaft mußte ver Kirche
alles daram gelegen jein, die Verbreitung jolcher ketzeriſcher Lehren zu
unterdrüden. Im der Erfenntnis dieſes ihres Intereſſes war fie dem
mittelalterlichen Staate voraus, der zumächit unberührt vom Streite ver
kirchlichen Parteien blieb, ſomit auch vorläufig feine Beranlaffung zum
Einjchreiten fand. Dennoch gelang es dem Kurfürſten, das benachbarte
Frankfurt auf jeine Seite zu ziehen und allem Anjchein nach gemein-
Ihaftlich mit ihm gegen die Prejfe vorzugehen. Was den jpätern großen
europäiſchen Büchermarft bewog, dem Erzbiſchof die hilfreiche Hand zu
bieten, it aus den After micht erfichtlich. Wenn Frankfurt damals auch
frhlih zur mainzer Erzdidceje gehörte, jo war es als Reichsſtadt in
alten Beziehungen zum Reiche doch ebenjo jelbjtändig, wie deſſen Erz-
fanzler. Es konnten fich daher auch für beide Teile die gegenjeitigen
Beziehungen nur durch Vertrag regeln laffen. Daß ein jolcher abge-
ihloffen worden it, dafür fjpricht eimmal die Beſtimmung über vie
von Frankfurt zu ernennenden und zur bejoldenden Genjoren; dann aber
liefert den ausdrüdlichen Beweis für dieſe Ihatjache ein Eintrag im
DBürgermeifterbuche, in dem es unterm 29. März 1486 heißt, daß in
der Beantwortung der Zujchrift „Unjers gnedige Herre von Mencze (was
er gejchrieben hat der geprudten Bücher halber“) ver Nat zu dem vom
Kurfürjten ernannten mainzer Kommiffarien Pleban Konrad Henſel und
Kanzler Georg von Hell, genannt Pfeffer, als die von der Stadt zu er-
nennenden Genjoren die franffurter Bürger Wycker Froſche, Wigand von
Heringen und Johann von Kebel vorjchlug.
Der genannte Erlaß nebjt Ausführungsverordnung vom 10. Januar
1486 faßt übrigens feine allgemeinen Gefichtspunfte ins Auge, jonvdern
beichränft fich auf die aus dem Lateinischen und Griechifchen ins Deutjche
überjegten Codices und verbietet deren Verkauf, wenn nicht vorher eine
Erlaubnis dazu eingeholt jei. Deutjche ketzeriſche Schriften, wie die Pre-
528 Erzbiſchof Bertholds von Mainz Cenſurerlaß von 1486. [Neuntes
dDigten der Myſtiker, z. B. Taufers, waren damals noch nicht durch den
Drud vervielfältigt, geſchweige, daß firchenfeindliche lateinische Werke ins
Deutſche ſchon überjegt worden waren. Der Erzbiſchof kann alje nur
die Überfegungen der Bibel ins Deutjche gemeint haben, won denen bis
zum Jahre 1485 jchon 10 in hochveutjcher und 2 in plattveutjcher Sprade
erichienen waren.
„Die göttliche Buchdruckerkunſt“, jo lauten im wejentlichen die Beftim-
mungen, „macht aller Welt den Gebrauch von Biichern zur Belehrung und
Erbauung zugänglid. Viele aber mißbrauchen, wie wir gefehen haben, dieje
Kunft aus Ruhmesfuht und Geldgier, ſodaß fie die Menſchheit verderben,
ftatt fie aufzuflären. So finden fid) zur Herabfegung der Religion und ihrer
Spiten Schriften in den Händen des Volls, welche aus dent Pateinifchen
ind Deutsche überjett find (libri de divinis officiis et apieibus religionis
nostrae). Die heiligen Gefete und Canones find aber von weifen und be-
redten Männern mit fo großer Sorgfalt und Gefchielichkeit zufammengeftellt
und ihr Berftändnis ift jo fchwierig, daß zu ihrer Bewältigung die Dauer
des menjchlichen Lebens felbft fiir den Einfichtigften faum ausreicht. leid):
wohl haben einige freche und unwiſſende Peute es gewagt, jene Schriften in
jo jchlechtes gewöhnliches Deutſch zu überjegen, daß jelbft Gelehrte durch
ihre Arbeiten zu großen Misverftändniffen verführt find. Sodann erſcheinen
von Irrtümern wimmelnde Bücher aus andern Gebieten des Wiſſens unter
lügneriſchen Titeln, welche mit verdienftvollen Schriftftelern als angeblichen
Verfaſſern prahlen, um dadurch defto mehr Käufer zu finden. Diefe Über:
jeger num, ob fie in gutem oder ſchlechtem Glauben handeln, können nicht
behaupten, daß die deutſche Sprache fähig ſei, das genau wiederzugeben, was
jene ausgezeichneten griechischen und lateinischen Autoren mit der jorgfältig:
ften Oenauigfeit des Ausdruds und der vollften Kenntnis des Gegenftandes
über die erhabenen Spekulationen des chriftlihen Glaubens gejchrieben haben;
fie müſſen vielmehr einräumen, daß die Armut unferer Sprache ihre Be—
miühungen vereitelt und daß fie aus diefem Grunde gezwungen find, ihr
Hirn zur Erfindung neuer Ausdrüde zu martern, oder bei einzelnen alten
Schhriftftellern den Sinn zu entftellen, was Wir wegen der damit für die
heiligen Schriften verbundenen Gefahr nod mehr fürchten, denn Wir befor-
gen fehr, daß, wenn fie nur die alten gebrauchen, fie den Inhalt der ge:
offenbarten Wahrheit ändern, woraus eine ungeheuere Gefahr für die heili-
gen Schriften entfteht. Wer aber gibt den ungebildeten Männern und Frauen,
welchen die heiligen Bücher in die Hände fallen, die Fähigkeit, den richtigen
Sinn herauszufinden? Wenn man 3. B. den Tert des Evangeliums oder die
Briefe des heiligen Paulus prüft, fo wird jeder unterrichtete Menſch fich leicht da-
von itberzeugen, daß viele Stellen durch andere Schriften ergänzt werden müffen.”
Kapitel.) Erzbifchof Bertholds von Mainz Cenſurerlaß von 1486, 599
„Sa aber jene göttliche Kunſt — und diefer Titel gebührt ihr — in
Unferm goldenen Mainz erfunden ift, wo fie beftändige Fortfchritte gemacht
hat, fo haben Wir das volle Recht, ihren Ruhm zu verteidigen und erfüllen
nur Unfere Pflicht, wenn Wir die Reinheit der göttlichen Schriften vor
jeder Beſchmutzung bewahren. Um alſo aud) den bezeichneten Irrtümern
vorzubeugen und unbejonnene Unternehmungen ſchamloſer und verderbter Men-
ſchen zurüdzufchreden und im Zaume zu haften, verordnen Wir, daß jeder
Unfrer Gerichtöbarfeit unterworfene oder innerhalb derjelben wohnende Geift-
liche oder Paie fid) unbedingt enthalte, ein Werk über Wiſſenſchaft oder Kunft
oder irgendeinen andern Gegenftand aus der griechifchen, Tateinifchen oder
einer andern Sprache in gemeined Deutfc zu überfegen, weder heimlich nod)
öffentlich, weder direft noch indirekt eine ſolche Überſetzung zu kaufen, wenn
der Verkauf nicht vorher geſtattet worden iſt durch die Erlaubnis und zwar
Unferer Doktoren und Profefjoren der Univerfität Mainz: Johann Bertran
aus Naumburg für die Theologie, Alerauder Dietridy für die Jurisprudenz,
Theodorich (Greſemund) von Mejchede für die Medizin und Andreas Eler
für die artiftiiche Fakultät, ferner Unferer Univerfität Erfurt durch die zu
diefem Zwed dort ernannten Doktoren und Profefforen, in Frankfurt aber
müflen die zum Berfauf ausgeftellten Bücher vorher eingefehen und gebilligt
fein von einem ehrenwerten Theologen und einem oder zwei zu diefem Zweck
vom Rat angeftellten und bejoldeten Doktoren und Yicentiaten. Wenn aber
jemand diefe Unfere Verfügung unbeachtet läßt oder ihr ausdrücklich direkt
oder indirekt zumiderhandelt, fo verfällt er ohne weiteres der Exkommuni—
fation und erleidet außerdem nicht allein den Berluft der ausgeftellten Bücher,
jondern auch eine Strafe von 100 Goldgulden, welche Unferer Kammer ein-
zuzahlen find. Bon diefer Strafe kann ihn außer der befonders beftellten
Behörde niemand befreien.“
Die Cenſur der kölner Univerfitäit währte nur bis zum Ende des
15. Jahrhunderts. Auf Grund der Bulle, welche Innocenz VIII 1486
gegen die Druder jchlechter Bücher erlaffen hatte, nahm der Offizial
des Erzbifchofs in deſſen Auftrag die Beanffichtigung der Preßerzeugniffe
in die Hand. Seit 1496 durfte bei Strafe der Exkommunikation fein
Buch mehr geprudt werden, welches nicht vorher die erzbifchöfliche Ap-
probation und Druderlaubnis erhalten hatte. Die letztere Beſtimmung
ſtützte ſich auf die päpftliche Bulle von 1496, in welcher Aleranver VI.
zugleich das Yejen umd die Verbreitung feßeriicher Schriften verboten
batte; der Offizial Heinrich von Irlen veröffentlichte jeinen dieje Ver:
bote enthaltenden Erlap am 12. November 1499. Der Geift ver Un:
jufriedenbeit und jcharfen Kritik ließ ficb aber nicht mehr bannen, und
Aapp. 1. 34
530 Die geiftliche Cenſur und die päpftlichen Bullen. Neuntes
der Papſt muß bald darauf von Deutſchland aus um neue Straf—
androhungen gegen die der Geiſtlichkeit mißliebige Preſſe angegangen
worden fein, denn in ſeiner Bulle vom 1. Juni 1501 dehnte Alexander
zwar die Genjur auf Schriften jedes Inhalts, auf die gefammte Yittera-
tur aus, bejchränfte fie aber auf die drei geiftlichen Sturfürftentümer und
das Erzbistum Magpeburg, in welchem jo viele ketzeriſche Bücher und
Abhandlungen geprudt würden.
Dieje Bulle bildet ven Anfang einer mehr methodiſch durchgeführten
Prüventivcenjur und die Grundlage für alle jpätern Bullen, Reichstags-
abjchiede und landesherrlichen Erlaffe gegen die Preffreiheit. „Da Wir
erfahren haben“, jo heißt es wörtlich in ihr, „daß durch die Buchdrucker—
funft jehr viele Bücher und Abhandlungen in den verjchiedenen Teilen
der Welt, namentlich im kölniſchen, mainzijchen, trierichen und magde—
burgijchen Sprengel gedrudt worben find, welche verjchiedene Irrtümer
und verderbliche, ja jelbft der chriftlichen Religion feindliche Yehren ent-
halten, und daß vergleichen von Tag zu Tag allerwärts gedrudt werden, jo
verbieten Wir — von dem Streben bejeelt, einer derartigen verabſcheuungs—
würdigen Ververbnis ohne weitern Aufjchub entgegenzutreten — allen
Buchdruckern insgefammt und denen, welche ihnen irgendwie behilflich find
und fich als Druder in irgendeinem Orte der vorgenannten Sprengel auf-
halten, bei Strafe der Erfommmnifation und bei einer Gelpftrafe, welche
durch unjere ehrwürdigen Brüder, die Erzbijchöfe zu Köln, Mainz, Trier
und Magdeburg oder deren geiftliche Generalvifare oder Offizialen und
zwar durch einen jeden von ihnen im jeinem Sprengel nach eigenem Gut—
dünfen aufzulegen und zu vollziehen ift, ernſtlich, daß fie in Zufunft fich
irgendwie unterjtehen, Bücher, Abhandlungen oder irgendwelche Schriften
zu druden oder pruden zu laffen, ohne zuwor darüber die Erzbijchöfe
oder obengenannte Stellvertreter und Offizialen um Nat zu fragen und
ohne die bejondere und ausprüdliche, unentgeltlich zu erteilende Erlaubnis
ausgewirkt zu haben. Wir machen es ferner jenen zur Pflicht, bevor fie
ſolche Erlaubnis geben, das zu Druckende jorgfältig zu prüfen over von
Sacverftändigen und Strenggläubigen prüfen zu laſſen und darauf fejt
ihr Augenmerk zu richten, daß nichts gebrucdt werde, was dem jtrengen
Glauben zuwider, gottlos und Ärgernis erregend ift.” Der Papit ver-
ordnet außerdem, damit nicht durch die ſchon worbandenen Bücher noch
mehr Unheil angerichtet werde, daß alle Bicherverzeichniffe und ſchon
ed by Google
— — — * — — — — — ——
Kapitel.) DOppofition der fülner Buchführer. 531
vorbandenen Bücher durchgejehen und die, welche etwas wider die fatho-
liſche Religion enthielten, verbrannt werden ſollten.
Daß fich gegen diefe, ven Buchhandel im höchſten Grade lähmende
Bulle Widerſpruch und Vorjtellungen erhoben hätten, davon vwerlautet
je gut wie nichts. Nur aus Köln wird etwas derartiges berichtet, denn
bier war wohl, in Konſequenz des frühern Verhaltens der Univerfität,
eine faftijche Durchführung der Vorjchriften der Bulle verſucht worden.
Das Gejchäft der fülner Druder war ſchon damals ein blühendes; fie
gebörten zu den rührigſten und erfolgreichiten VBerlegern im Reich. Natür-
ib war es aljo, daß fie alle Mittel aufboten, um derartige, den gejchäft-
liben Verkehr hindernde Genjurvorjehriften nicht zur Ausführung kom—
men zu laffen. Am 3. September 1501 beitellten die Buchhändler Ludwig
von Renchen, Johann von Solingen, Heinrich von Neuß, Wilhelm von
Belle (der ſchon 1492 die Leipziger Meſſe bejucht hatte), Johann von
Dorften, Johann von Yanvden, Hermann von Bongart, Cornelius von
Zürichjee, Peter Vogel, Wilhelm von Aeſten, Chriftian von Nürnberg,
Heinrich Friefe, Dietrich von Berje und Gerhard von Amersford den
Propit der Petersfirche zu Goslar, Magifter Neinarus von Stodede,
den römiſchen Profurator Defiverius de Angariis und ven Dr. jur.
Yudolf ten Broid von Steimwich zu ihren Bevollmächtigten und Sach—
waltern, um in Nom gegen das Vorgehen des Offizials Heinrich von
Iren und des Fisfalprofurators Urban von Vierfjen zu appelfieren.
Über den Ausgang diejes Prozejfes iſt indeſſen nichts bekannt.
Im übrigen Deutjchland beachtete man diefe Verfügungen wohl wenig,
oder fügte ſich äußerlich, Teiftete aber pajfiven Widerſtand, der bei dem
Mangel an Exekutivmitteln und jolange der Staat der Kirche nicht
bilfreich zur Seite trat, in den gewöhnlichen Fällen auch half. Die
mittelalterliche Kirche und jpäter der mittelalterliche Staat juchten durch
Wiederholung und Verſchärfung der papierenen Drohungen zu erſetzen, was
ihnen an wirklicher Macht fehlte. Daher rühren auch die ftets wieder—
fehrenden Bullen, die jpätern Eaiferlichen Erlaſſe und landesherrlichen
Verfügungen. Kirche und Staat jehritten nur ein, wenn fie ausdrück—
lich darum angegangen wurden. Die Kteterei war aber jchon im jener,
der Reformation unmittelbar voranfgehenden Zeit jo allgemein verbreitet,
der Widerſpruch umd offene Ungehorfam gegen Nom jo groß, der Eine
fluß der Humaniften, namentlich in den gebildeten deutjchen Streifen jo
34 *
4
532 Ausbreitung ketzeriſcher Anſichten. Leo's X. Bulle von 1515. Neuntes
bedeutend, daß Yeo X. ſchon im ver fich erjt vorbereitenden veligiöjen
Reformbewegung eine Gefahr für die päpftlichen Einnahmen erblidte und
ein Einjchreiten gegen die humaniſtiſche und religiöſe PYitteratur für ein Ge—
bot ver Selbiterhaltung erachtete. Seine desfallfige Bulle vom 4. März
1515 ift das Vorbild für alle fpätern. Die väterliche Sorge für ven
wahren Glauben und die Sittenveinheit der Chriftenbeit ftehen natürlich
im Vordergrumde, während die püpftliche Herrſchaft und namentlich ver
päpftlihe Schatz den eigentlichen Schwerpunft der Genjurverbote des-
jelben heiligen Vaters bilden, dem ber finnliche Genuß der höchſte Zweck
des Yebens war.
„Beil die Klage Bieler Uns und dem apoſtoliſchen Stuhl zu Ohren ge
fommen ift“, heißt es dort, „daß einige Meifter der Druderkunft in ver-
fchiedenen Teilen der Welt fowohl aus dem Griechiſchen, Hebräijchen, Arabi-
chen und Chaldäifchen ins Yateinifche übertragen, als auch andere in der
lateinifchen und Umgangsiprache herausgegebene Bücher, welche Irrtümer
int Glauben umd verderbliche, fogar der chriftlichen Religion feindjelige Lehren
enthalten, zu druden und zu verkaufen fich unterftchen, durch deren Yektüre
nicht allein die Pefer nicht erbaut werden, fondern vielmehr fowohl im Glan:
ben als im Leben und in den Sitten in die größten Irrtiimer verfallen, woraus
oft Ärgernis verfchiedener Art (wie die Erfahrung, die Lehrerin der Dinge,
gezeigt hat) entftanden ift und größeres von Tag zu Tag zu entitehen droht,
fo haben Wir, damit nicht das, was zur Ehre Gottes und zur Vermehrung
des Glaubens und zur Verbreitung guter Kiünfte als heilfam erfunden ift,
ind Gegenteil verkehrt werde und dem Heile der Getreuen Ehrifti Schaden
bereite, über den Drud der Bücher Aufficht zu führen geglaubt, damit nicht
in Zufunft die Dornen mit dem guten Samen erwachſen oder Gift unter
die Heilmittel gemifcht wird.“
„Wir verordnen demnad) und jegen feft, daß fernerhin niemand ein Bud)
oder irgend eine andere Schrift weder in Unferer Stadt, nody in irgendwelchen
andern Staaten oder Didcefen zu druden oder druden zu laſſen fich unter:
fange, bevor es oder fie nicht in der Stadt (Rom) durch Unfern Bilar,
Magister Sacri Palatii (Biichercenfor), in andern Staaten und Diöcelen
aber durch den Biſchof oder einen andern im Biicherdrud erfahrenen und
vom Bifchof beftellten Mann, oder durch den Inquiſitor für fegerijche Ver:
derbtheit in dem betreffenden Drudort des Staats oder der Diöcefe ſorg—
fältig geprüft und durd) ihre eigenhändig, unentgeltlich und ohne Aufichub
zu erteilende Unterjchrift gebilligt worden ift, Wer aber anders zu handeln
ſich unterfteht, der fol, außer dem Berluft der gedrudten Bücher und ihrer
öffentlichen Verbrennung, fowie der Bezahlung von einhundert vollwichtigen
Kapitel.) Mandat Erzbiichof Albrechts von Mainz von 1517, 533
Dufaten ohne Hoffnung auf deren Erlaß, mit der Strafe der Exkommuni—
fation belegt und zuletzt, wenn die Halsftarrigfeit zunimmt, durd feinen
Bischof, beziehungsweife Unfern Vikar, mit allen Rechtsmaßregeln geftraft
werden, damit andere feinem Beifpiel nicht zu folgen wagen.”
Mit diefen Bullen wurde der Grund für die päpftliche Präventiv-
cenjur und ihre Weiterbilvung gelegt. Alle jpätern Erläuterungen und
Ergänzungen ſchließen ſich an fie an und berühren böchitens ven einen
oder andern untergeordneten Punkt, ſodaß es überflüffig ift, fie ſämmt—
lich im ihrem Wortlaut wiederzugeben. Der Kurfürft Albrecht von Mainz
war der erjte umd, wie es jeheint, einzige deutſche Fürſt, welcher, in vie
Fußſtapfen jeines Vorgängers Berthold von Henneberg tretend, durch
jein Manpat vom 17. Mai 1517, aljo am Vorabend der Reformation,
ven wejentlichen Inhalt der päpſtlichen Beitimmungen auch für feine
Diöceje einführte. „Da die Erfahrung, die Yehrerin aller Dinge, lehrt”,
jagt Albrecht in der Einleitung, „daß durch die Buchdruckerkunſt viele
Bücher unter dem Schein des Guten veröffentlicht werden, welche dem
katholischen Glauben und den guten Sitten zuwiderlaufen, zugleich aber
den Geiſtern ſchädlich und jelbft manchen durch äußere Stellung bervor-
ragenden Männern verderblich find, jo ernennen wir Euch, Dich Unjern
Vikar Biihof Paulus von Ascalon und Dich Kanonikus Dr. Jodocus
Trutfetter einzeln und gemeinjchaftlich zu Cenſoren der in der Erzdiöceſe
Mainz gedrudten und zu druckenden Bücher und zu Inquifitoren aller
in derjelben entjtandenen oder entjtehenven feßerifchen VBerverbtheit.” Sie
jolfen letterer demnach in allen Ständen fleißig nachforfchen, die damit
Befledten, wenn nötig, durch die Tortur ermitteln, jtrafen, ausrotten
und vertilgen. Zugleich jollen fie die zu druckenden Bücher prüfen, die
zufäjfig befundenen zulaffen und mit ihren Namen verjehen, die zu ver:
werfenden verbieten und überhaupt alles und jedes thun, was den In—
quifitoren nach allgemeinem oder Statutarrecht zu thun obliegt. Wenn
fie gedruckte Bücher oder Schriften finden jollten, welche dem Glauben
oder den guten Sitten zuwiderlaufen, jo jolfen fie deren Befit, Ankauf
oder Berfauf verbieten und die Zuwiderhandelnden durch weltliche Gen:
jur, Geldbuße und andere Rechtsmaßregeln ftrafen. Zeugen, welche ich,
jei es aus Haß, Viebe, Gunft oder Willfährigfeit ihrer Zeugenpflicht ent—
ziehen, jollen durch die firchliche Cenfur gezwungen werden, Zeugnis für
vie Wahrheit abzulegen. Das im achten Kapitel berührte Auftreten des
534 Wirkungsloſigkeit der firchlichen Cenfurmandate. [Neuntes
Plebans Peter Meyer gegen Thomas Anshelm im Jahre 1518 beweift,
daß wenigftens der Verſuch gemacht wurde, dieſe Verordnung thatjächlich
durchzuführen.
Aber alle dieſe Drohungen halfen in Deutſchland nichts, ja, ſtatt die
Bewegung der Geiſter einzufcbüchtern, fachten fie Diejelbe nur um jo mehr
an. Als gäbe e8 gar feinen Papft und feine kirchlichen Würdenträger,
entwidelte fi gerade damals eine täglich herausfordernder auftretende
Alugichriftenlitteratur, welche das ganze Volt in den Kampf gegen Rom
auf die Seite Yuthers, des Führers der Oppofition, zog. Der Tebeliche
Ablaßſtandal machte die Stimmung gegen den Bapft nur noch Schlimmer.
Das deutſche Volk jubelte in jeiner großen Mehrzahl dem kühnen Refor-
mator begeiftert zu. Die Bannbullen wurden verlacht und hoben nur
den Mut jeiner Anhänger, ftatt ihn zu beugen; die zweite, vom 3. Januar
1521, in welcher Luther und jeine Anhänger als rändiges Vieh bezeichnet
und als Neter verflucht wurden, ward ſogar öffentlich verfpottet und Yuther
täglich mehr ver Held des Volks. Zablloje Flugblätter, aus heimlichen
Drudereien hervorgegangen, fanden ungeſtörte Verbreitung. Seine kirch-
liche Behörde vermochte gegen die revolutionären Erzeugniffe des in feinem
innerſten Wejen verlegten und erregten Volfsgeiftes einzufchreiten, verm
die Hilfe der weltlichen Behörden blieb ihr zunächſt noch verſagt; ſelbſt
der firchlich jo treue Herzog Georg von Sachjen verhielt ſich paifiv und
abwarten. .
Damm fam im April 1521 der Neichstag von Worms. So wenig
waren die Freunde Yuthers eingejchlichtert, daß fie unter den Augen des
Kaiſers und der Reichsſtände jelbjt eine Druckerei errichteten, deren Flug—
blätter den Gegner nicht ichenten. Spanische Soldaten übten in Worms
auf ihre Art die Cenjur aus. Hier nahm einer die von Hutten mit
Anmerkungen verjehene päpitliche Bulle einem Buchführer weg, zerrif
fie und trat fie mit Füßen; dort bemächtigte fich ein Haufen ſpaniſcher
Trabanten eines ganzen Ballens von Luthers Schrift über die babylo—
nijche Gefangenjchaft, bis das Volk zujammenfief und die Spanier in
die Flucht jagte.* Die Verhandlungen führten, wie bekannt, namentlich
in den kirchlichen Aragen zu feinem Ergebnis. Karl V. blieb der alten
Ordnung treu und hielt zum Papft, Luther wiverrief nicht und warb
daher in des Neiches Acht und Aberacht erklärt. Das Wormſer Epift
(angeblich vom 8., in Wirklichkeit vom 26. Mat 1521) war vom päpit-
—— — — — — — — — —
Kapitel.) Bündnis zwifchen Kirche und Staat, Das Wormier Edikt von 1521. 535
lichen Pegaten Aleander verfaßt und verfündigte in den vohejten, das
faiferliche Anjehen ſchädigenden Ausprüden der Welt die Verurteilung
Yuthers. Es ijt dadurch für Deutjchland jo verhängnisvoll geworden,
weil es die Verbindung der weltlichen mit der geiftlichen Macht zur Auf:
rechterhaftung der bisherigen Berfaffung der Kirche, jomit auch zur Unter:
drückung der Reformation begründet. Ergänzt wurde diefer Bund durch
den wirklich am 8. Mai 1521 zwijchen Kaiſer und Papft abgejchloffenen
Vertrag, worin fie einander verjprachen, diefelben Freunde und diejelben
“Feinde, dasjelbe Wollen und Nichtwollen zum Angriff und zur Verteipi-
gung zu haben? Alſo politiſch gemeinjchaftlibe Sache gegen die Fran:
zoſen in Italien und firchlich gegen die Neformbeftrebungen in Deutjch-
fand! Im dieſem Edikt feierte die römijche Politif einen ihrer beveu-
tendjten und dauerndſten Triumphe. Bis dahin hatten weder Friedrich III.
noch Marimilian I. fich für das Neich zum Erlaß von Cenſurmaßregeln
verstanden, Karl dagegen ließ ſich jekt vom Papſt beftimmen, die päpft-
fihen Bullen gegen die Preffe nicht allein im feine Politit mit aufzu-
nehmen, ſondern jene auch in beichränfendem Sinne zu erweitern. Wäh—
rend noch Leo X. dem Biſchof allein die Cenſur aller theologiichen Schrif-
ten übertragen hatte, bejtimmte das Wormſer Evift, daß dem Bijchof
noch die theologiſche Fakultät der mächitgelegenen Univerfität beigeorpnet
werden müſſe. Rom hatte jetzt erlangt oder glaubte erlangt zu haben,
was es jo lange jchmerzlich entbehrt hatte, ven weltlichen ftarfen Arm
nämlich, welcher jeine bisher nur auf dem Papier ftehenden Strafen
gegen die von der Kirche Abgefalfenen vollziehen ſollte. Das gelang in
der folge freilich nicht, dagegen war fortan das deutjche Kaiferthum un-
auflöstich mit dem Papfttum im Kampfe gegen ven freien Geiſt des deut:
ihen Bolfs verbunden.
„Der Römiſchen Kaiferlihen Maieſtat Ediet wider Martin Yuther
Bücher vnd lere jehne anhenger Enthalter und nachuolger vnnd Etlich
annder jchmeliche jchrifften. Auch Geſetz der Druckerey.“ zerfällt, wie
ſchon jein Titel andentet, in zwei Teile. Der erjte und gröfere wendet
fih von Seite 1 bis zur Mitte von Seite 16 gegen Yuther jowie jeine
Anhänger und thut fie mit den damals üblichen, auf Einjchüchterung
berechneten Drohungen und Schmähungen in des Reiches Acht und Aber:
acht; der zweite und letzte Teil dagegen enthält auf Seite 16 bis 21,
an Yuther und jeine Verbrechen anknüpfend, zugleich die Cenſurbeſtim—
536 Das Wormfer Edift von 1521. [Neuntes
mungen Karls. Auffallenderweije ift dieſe wichtige Urkunde bisher noch
von feinem &ejchichtichreiber noch Staatsrechtslehrer als der Anfang ver
veutjchen Büchercenſur erwähnt worden, es gilt ihnen vielmehr als jel-
cher erjt der nürnberger Reichstagsabjchied vom 18. April 1524. Wegen
dieſer Unterlaffung ift e8 doppelt geboten, die den Zweck dieſer Arbeit be:
treffenden Stellen wörtlich wiederzugeben. Sie lauten nach dem Original:
druck, der die fakfimilierte Unterjchrift des Kaiſers trägt — ein gleich
zeitiger Nachdruck weicht in einigen Lesarten und in der Ortbograpbie
etwas ab — wie folgt:
„Ferrer gebieten wir Eüch allen vund Cr yedem In fonders: bey den
vorgefchriben peenen. Das Ewr fainer des obgenannten Martin Luthers
ichriftten von vunjerm hayligen Vater Babft: wie obftet, verdambt: vnd all
annder jchrifften. die im Latein vund Deütſch: oder in ander Sprach bikher
durch jne gemacht fein: oder Hynfür gemacht werden. Als Böß: Argwenig
und verdechtlich. Vnd von eynem offenbarn hartneggidhen Ketzer aufge:
gangen. Kauff: verfauff, leſe, Behalt: Abſchreyb, Drud: oder abſchreyben,
oder Druden laffe, noch feiner Opinion zufall, die aud nit halt, Predig
noch beichirme, noc; das in ainicy ander weg, wie Menſchen Synn das be-
denden fan vnderftee. Vnangeſehen ob darinn etwas guts den Ainfeltigen
Menſchen, damit zu betriegen, eingefürt were. Dann wie die aller pefte
Speyf, fo mit ainem clainen tropfen giffts vermiichet: von allen Menſchen
gefcheiihet, ſouil mer, follen foliche jchrifften und Bücher, in den: jo manig
der Seelen gifft und verdambnus: eingefürt fein, von vns allen nit allein
vermitten fonder auch die: von aller Menfchen gedechtnus: abgethan vnd
verdilgt werden, Damit Sy nyemands fchaden, oder Ewiglich tödten. Die:
wen! dod) ſonſt vormals alles das, fo gut in feinen Büchern gefchriben, von
den heyligen Vätern, die von der hayligen Chriftenlichen Kirchen angenom:
men vnd Approbiert jeyn, zumermalen angezaigt ift, vnd on alle forg vnd
Ardweniglait eynichs vbels, mag gelefen vnd gehalten werden. Dartu ſollet
Ir all und Ewr yeder, in was wirden ftats oder weſens der fen, vnd fon-
derlich die, jo Oberfeyt vnnd gerichtßzwang haben vnd gebrauchen, bey ver:
meydunng vorberürter Peen. Allennthalden Im hayligen Römiſchen Reiche.
Auch vnſer Erblichen Fürſtenthumben vnnd Panden, mit der That, Exrnitlich
ordnen, Straffen. Gepieten: vnd beftellen, al vnd yegklich folich Obbeftimpt
des Yuthers vergifft fchrifften und Bücher als die fo dienen zu ainem grofien
auflauff. Schaden. Zertrennung vnd Ketzereyen, In gotes Kirdjen, mit dem
Feür zuuerbrennen, vnd in den, vnd ander weg, gennglichen abzethun, zuuer-
nichten: vd zuuerdilgen. Deßgleychen ſöllet Ir der Bäbſtlichen hahyligkeit
Botſchafften, oder Iren verordenten Commiſſarien, in ſöllichem auff ir an—
Kapitel.) Tas Wormfer Edift von 1521. 537
fangen vnd Erfuchen mit allem vleys vnd Trewen beyfteen. Vnd nichtdeſt—
minder, in derfelben abweſen, dijs alles vnd yedes, aljo zugefchehen: zu Exe—
quiern, vnd zuuolbringen aus vnſerm geheyis und beuelich: thut und handelt.
Daneben gebieten wir allen andern, vnſern vnnd des Reichs: Auch vnnſer
Erblihen Fürſtenthumb vnd Lande, vnderthanen vnd Getrewen. Ernſtlich
mit diſem brief. Das Ir den obgemelten Stenden, vnd Oberkayten, gleich
ons ſelbs, im ſolichem hilfflich beyſtendig, gehorſam vnd gewertig ſeyt, bey
vermeydung der angezaygten Penen. Straffen vnd Puſſen. Und nad) dem
die mercklich notturfft Erfordert, fürzefumen vnd zuuerhuten. Das des Luthers
Bücher, oder Böß Auſszug derſelben, jo in annderer Namen darjnn ſeyn, als
des Dichter namen nit gemeldet wirdet, aufigeen, noch ſunſt vil annder
Bücher, die, als wir mit befchwerung vnſers gemüts, bericht, den Merern
tayl, in Deütſch Landen gemacht, und Gedrudt, und böfer leren vnnd Erempel
vol ſeyn, hinfür mit mer gejchriben, noch gedrudt werden, damit die Chrift-
glaubigen weyter, aus verlefung derjelben, nit in gröffern Irrfall des Glau—
benns, lebenns, vnnd Güeter ſytten, fallen vnnd Ergerung. Neyd vnd haſs,
in Gotes Kirchen, daraus entſpringe, wie ſich bißher Augenſcheinlich erzaygt
bat. Daraus täglichs Ye lennger ye mer. In Künigreichen, Fürſtenthümben,
vnd Landen: Aufflauff: Zertrennung, vnd Vngehorſam zubeforgen iſt. Dem—
nach ſoliche ſchedliche, verderliche ſucht außzudilgen. Gepieten wir abermals,
mit Rat vnd willen, vnſer vnnd des Reichs Churfürſten: Fürſten, vnd
Stennde, bey vorgedachten Sweren Penen: Straffen vnd Puſſen: Eüch, den
ſelben vnſern vnd des Reychs, vnnd vnnſer Erblichen Fürſtenthumb vnd
Lande, vnderthanen allen vnd Ewer yeden, als Römiſcher Kayſer vnd Erb—
licher Herr, das hynfür: Ewr kainer, ſoliche Smach vnd vergiffte Bücher,
noch ander zedl oder abſchrifften, als die, ſo vnſerm hailigen Glauben Irr—
ſal gepern. Vnd dem, das die heyligen Chriſtenlich kirch bißher gehalten
hat, widerwertig fein. Dartzu auch vheinds vnd ſchmachſchrifften: wider
vnſern hailigen vater Babſt. Prelaten. Fürſten. hohe ſchulen: vnd derſelben
Faculteten vnd ander Erſam perſonen, vnd was jnhaltet: das: ſo ſich von
den guten ſyten, vnd der heiligen Römiſchen kirchen abwendet: nit mer
dichte: ſchreib: druck: Male: verkauff: kauff: noch heimlich oder offenlich be—
haltet: noch auch nit drucken, abſchreiben oder malen laſſe, noch das in
lein ander weyſe: wie ymmer erdacht werden mag, nit geſtat: verhenge noch
verſchaffe. Deßgleichen gepieten wir ernſtlich, bey angezaigten peenen: allen
den: ſo zu der Juſticy: verordent vnd geſetzt ſein: das ſy alle yetzgemelte
ſchrifften Bücher: zedl: vnd malerey, fo bißher gemacht fein: vnd hynfür
geſchriben: gedrückt: vnd gemalet werden. Sy ſeyen: wes ſy wöllen. Wo
man die findt, durch das gantz heilig Reiche vnd vnſer Erblande: jn krafft,
ditz vnſers gebots: von vnſern wegen annemen: zerreiſſen vnd mit offen—
lichem Feür verprennen. Auch der Dichter: Schreiber: drucker, vnd Maler
DIS Das Wormſer Edift von 1521, [Neuntes
auch verfauffer vnd kauffer folicher fchentlichen, jchrifften, Bücher: zedeln,
und Malereyen die darjnn nad) verfündung vnſers gegenwitrtigen Keiſerlichen
gebots verharren: oder defhalben jchts fürzenemen vnderſteen, wo das offen
bar ift: leib: güter: vnd gerechtigkeyten, wo jr die befumen mügt. Annemet.
Fahet. vnd behaltet. Vnd damit nad) Eürm geffallen handelt, des jollet jr
gut fueg vnd recht, vnd damit wider nyemands gethan, nod) gehandelt haben,
noch yemands darumb weder jnner: noch auſſerhalb Rechtens zeantworten nit
ichuldig fein. Damit aud) folichs alles, vnd ander vrſachen künfftiger jrr—
fal, abgefniten, vnd die gifft, der, fo foliche jchrifften dichten und machen:
ferrer nit aufgeprait: vnd die hochberiimbte funft der Druderey, allein in
guten und löblichen ſachen gepraucht vnd geübt werde. So haben wir
weiter: aus Kaiſerlicher vnd Künigklicher oberkeit vnd Rechtem wiſſen: auch
mit ainhelligem Rat: vnnſer vnd des Reichs Churfürſten. Fürſten: vnnd
Stennde, bey vnnſer vnnd des Reychs Acht vnd Aberacht, vnd andern vor—
berürten Peenen, Geboten. Gebieten auch ſolichs wyſſentlich in Crafft ditz
vnnſers Edicts. Das wir hiemit für ayn vnzerbrochenlich geſetze Zehalten.
Erkennen. Das hynfüro keyn Buchtrucker, oder yemands annder. Er je
wer, oder wo Er wölle: in dem Hayligen Nömifchen Reyche. Aud) in
vnſern Erbfihünigreychen. Fürſtenthumben vnd YPannden: kayn Bücher nod)
ander jchryfften, in den Etwas begriffen wirdet, das den Chriftenkichen
Glauben wenig oder vil Anrüret. Zum Erften drud: nit Drude: on wyſſen
vnd willen des Ordinarien deffelben Orts: oder feins Subftituten, vnnd ver-
ordenten, mit zulaflung der Facultet: in der hayligen Geſchrifft eyner der
negftgeleguen Bninerfitet. Aber ander Bücher. Sy feyen in welicher Facultet
vnnd begrenffen was ſy wöllen, die follen mit wyſſen vnnd willen des Ordi—
narien, vnd aufferhalb deffelben kains wegs, Gedrudt. VBerfaufft: noch zes
druden oder zunerfauffen vnnderſtanden: VBerfchaffet noch Geftatet werden,
in kayn weyſe. Ob aber yemands: in was Würden: Stats oder Wejenns
der were. Wider dife vnnſer Chriftennliche vnd Kayſerliche Maynunng:
Deeret: Statut: Gefeg: Ordination, vnnd Gebot, die aud) gannt vnnd pn:
zerſtörlich jollen gehalten werden, In ainem oder mer vorgejchriben Artideln,
jo die Materj des Yuthers oder der Druderey betreffen In Einichen weg,
wie Menfchen Synn das erdenden möcht, Freuentlich hanndelt, vnd thete,
Bber das, wir, ſolichs vernichten, vnnd Krafftlos machen. Wider die jelben
wellen wir, das, mit den vorgefchryben. Auch den Penen, In den Rechten
eingeleibt: Vnnd nad) Formm vnnd geftalt des Panns. Vnund Kayſerlichen
Acht vnnd Aberacht. Gehandelt: Procediert: vnnd fürgefaren werden ſolle.
Darnach wyſſe ſich Menigklich zurichten.“
Dieſes kaiſerliche Edikt ergänzt die ihm voraufgehende päpſtliche Bulle
von 1515 und erweitert ſie in ihren auf einheitliche Durchführung der
Kapitel.) Weiterentwidelung der Cenſur. 539
Cenſur gerichteten Zielen. Bisher hatte fich der Papit allein die Ober-
aufficht über die Preſſe angemaft, fortan aber reichten fich die weltliche
und geiftliche Gewalt brüberlich die Hand, um im größten Teil der da—
maligen civilifierten Welt Denfen und Glauben in ihrem Ausdruck durch
die Yitteratur ihrem Machtgebote zu unterwerfen. Was dem Papft nicht
gefiel, das war einfach Kekerei, und was dem Kaiſer mifliebig war,
das lieh er als Schmäbjchrift oder Famoslibell verfolgen.
"Die bisher rein kirchlichen Genfurvorjchriften würden für die Pro-
teftanten beveutungslos geblieben jein, nur auf dem Papier gejtanden
haben, wenn der Kaifer nicht dem Papft jest jeinen mächtigen Arm ge-
lieben hätte. Wie Rom die Wiege der Biüchercenfur für die ganze Welt,
jo ift Worms ihre Geburtsftätte für Deutjchland. Spätere Regenten
baben höchitens mehr Methode in deren Ausübung, mehr Syſtem in die
Verfolgung der Prefvergeben gebracht; neue Sefichtspunfte aber konnte
jelbjt der Abjolutismus des 18. und 19. Jahrhunderts beim beften Willen
auf dieſem Gebiete cäfarospapiftiicher Politik nicht mehr aufftellen. Nament-
lich aber bilvete ſich fortan ftatt des bisherigen gelegentlichen Einjchreitens
mehr und mehr eine allgemeine, wenn auch immer noch willfürliche Praris
aus, welche mit ganz bejonverer Härte auf die Protejtanten drückte, venn
während dieje fich von der fatholifchen Kirche losgeſagt hatten, beanjpruchte
(etstere fie immer noch als ihre, wenn auch ungehorjamen, Kinder und
behanvelte fie bementjprechend. Unter jolchen Umſtänden war es ein großes
Süd, daß die Reichsftände in ihrer innern Politif jo gut wie unab-
bängig vom Kaifer waren, und daß namentlich die lutherifchen Freien
Städte jeinen Cenſurerlaſſen, joweit dieſe fich auf theologiſche Gegenſätze
und Streitigkeiten erjtredten, jahrzehntelang eine meifterhafte Unthätig-
feit, einen zähen paffiven Widerſtand entgegenjegten.
Es dauerte übrigens bis zum Jahre 1577, che die Neichsprefigejek-
gebung in der revidierten Reichspolizeiorpnung vom 9. November 1577
ihren Abjchluß fand. Die einzelnen Akte und Bejchlüffe finden ſich in
ihrem Wortlaute im Anhang unter X abgedrudt; es reicht alſo bin, ihre
Hauptbeftimmungen bier kurz zufammenzufaffen.
Kaiſer Karl hatte im Mat 1522 Deutjchland verlaffen und ſich nach
Spanien zurücdbegeben, wo er munmehr fieben Jahre blieb. Während
jeiner Abwejenbeit lieh er fich von dem in Nürnberg refidierenden Reichs-
regiment vertreten. Abgejehen davon, daß eine jolche Körperſchaft bei ver
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540 Weiteres Vorgehen des Neichsregiments, [Neuntes
Schwerfälligfeit ihres Vorgehens weniger ausrichten kann als ein ein-
zeiner Mann, jo hatte auch die Bewegung der deutſchen Geiſter nach
dem wormſer Reichstag einen immer größern Aufjhwung genommen,
namentlich aber war die Thätigfeit der Preffe eine jo aufreizende und
ihre Sprache eine jo wilde geworden, wie fie nur in innerlich erregten,
einer Revolution voranfgehenden Zeiten fich zu äußern pflegt. Unter
dieſen Umſtänden mußte jelbjtredend die Verfügung des nürnberger Reichs»
tagsabſchieds vom 8. Aprit 1524 ungehört im Winde verhallen, wonach
jeve Obrigfeit dafür ſorgen jollte, daß „Schmachjchriften und -Semäblve
hinfürder gändzlich abgethan werd umd nicht weiter ausgebreitet”. Dieje
Worte lauten äußerſt harmlos und unverfänglich; indeſſen enthalten fie
ein ganzes Nejt von juriftiichen Schlingen, in welchen fich die Yutbe-
raner nur zu bald zu ihrem Schaden fangen jollten. Im Gegenjaß zum
Wormſer Edikt fündigt fich hier nämlich völlig unvermittelt eine ganz
neue Bezeichnung für die zu bejtrafenden Bücher und Schriften an.
Sprach jenes, an den bejtimmten Fall anfnüpfend, nur von Yutherjchen
„Schmach- und vergifteten Büchern“, welche unterdrückt werden follten,
weil fie den chriftlichen Glauben und ven heiligen Vater beleidigten, jo
war das ein faßbarer juriftiicher Begriff. Nun aber verlangt der nürn—
berger Reichsabſchied von 1524 in ganz allgemeinen Ausdrüden, daß
„Zchmachjchriften und -Semälde gänzlich abgethan“ werden jollen.
Man muß, um fich über ven Sinn dieſer Worte Har zu werden, zu:
nächit den Rechtsbegriff feitjtellen, der die Auffaffung jener Zeit be-
herrſchte. Das gemeine deutjche Strafrecht bezeichnet (Berner, „Straf-
recht“, 9. Aufl., ©. 444. 445) zunächſt als Pasquill jeve Ehrverlekung,
die durch bleibende Zeichen (Schrift, Drud, Schnit-, Bild- oder Gußwerk)
veröffentlicht wird, und als Schmach- oder Schmähjchrift, oder Famos—
libell: die anonyme oder pſeudonyme Anjchuldigung eines peinlichen Ver—
brechens, zu deſſen Thatbejtand natürlich auch das Bewußtſein des be-
leidigenden Charakters ver Handlung gehört. Die vielfach vorkommenden
Ausprüde jpäterer Erlaffe und Geſetze, wie „teuffliich Pasquill, Yafter-
md Schanpjchrift, Famos-Gedicht und Yafterbüchlein, ehrverletzendes Ge—
mälde und Schmachfarten”, find nur andere Bezeichnungen für denjelben
Begriff.
Es iſt allerdings eine bekannte Thatſache, daß im Deutſchen Reich zu
keiner Zeit die Spott- und Schmähſchriften mehr geblüht und einander
Kapitel.) Die Schmäh- und Famosichriften im Privatleben. 54
überboten baben, als in der erjten Hälfte des 16. Jahrhunderts und
zwar im öffentlichen Peben noch mehr, als im privaten. Die Menjchen
waren damals naturwüchſiger, verber und vober als heutzutage. Unmut,
Haß und Verachtung machten fih darum auch viel eher in Schimpfen
und Schmähen Luft. Wiürdige, ernjte Männer vom böchjten perjönfichen
Anjehen und fittlichen Gehalt, wie 5. B. Reuchlin und Luther, hatten
in dem Stil der päpftlichen Kurie ein jo gutes Vorbild gehabt, daß
fie, nach dem heutigen litterarifchen Geſchmack gemeffen, oft geradezu
pöbelbaft fchrieben. Wie jehr das Schimpfen — um bier zumächit die
private Seite der Trage zu beleuchten — dem deutſchen Bolfe eine
Herzenserleichterung und ein Bedürfnis war, beweift die aus dem Mlittel-
alter ſtammende und bis in die nenefte Zeit noch im einigen Schweizer:
fantonen vechtsfräftige Bejtimmung, wonach es dem in einem Prozeß
Unterliegenden gejetlich gejtattet war, volle 24 Stunden lang nad Ber:
kündigung des Urteils nach Herzensluft auf das Gericht zu jebimpfen.
Der Gläubiger zwang häufig jeine Schuloner dazu, daß fie ſich im Falle
der Nichterfüllung ihrer Berbinplichkeit gefallen ließen, von ihm durch
Verbreitung von Schmäbjchriften und Spottbilvern angegriffen und ver-
folgt zu werden. Der jehlimme Brauch war jo feit gewurzelt, daß fich
jelbft die Behörden dagegen wenden mußten. So verfügt der $. 7 des
35. Titels der reformierten Reich: Polizeiordnung von 1577: „Wenn
Wir auch berichtet worden find, daß in etlichen Yanden dieſer Brauch
oder vielmehr Mißbrauch eingeriffen, da dem Gläubiger auf jein Ange
finnen von jeinem Schuldner oder Bürgen nicht bezahlt wird, daß er
derentwegen diejelbigen mit ſchändlichen Gemählds und Brieffen öffent-
ih anjchlagen, jchelten, bejchreien und berufen läſſet. Dieweil aber gant
ärgerlich, auch viel Zanfes und Böjes verurjacht, darumb es ja in feinem
Gebiet, darinnen Recht und Billigfeit adıniniftriert werden fann, zu ver:
ftatten; jo wollen Wir dasjelbig anjchlagen, auch ſolcher Gedung und
Pacta ven Verjehreibungen einzuwerleiben, hiermit gäntlich verbotten und
aufgehoben, auch allen und jeven Obrigfeiten in ihrem Gebiet mit ernit-
liher Straff gegen denjenigen, jo noch des Anjchlagens fich gebrauchen
würde, zu verfahren befohlen haben. Selbſt ver Kirchenbann, wie er
z. B. noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Straßburg
von der Kanzel herab gegen die Übertreter des Verbots verfündigt wurde,
vermochte dem allgemein verbreiteten Übel nur in vereinzelten Fällen zu
542 Tie Schmäh- und Famosichriften im öffentlichen Leben. Neuntes
ſteuern. Die Miſſethäter wurden wohl in ven Thurm geſetzt, in ven Bod
gejpannt oder an den Pranger gejtellt; allein ſelbſt dieſe harten Strafen
fonnten den rohen Hang im Volke nicht ausrotten, der erjt allmählich unter
beffer erzogenen und gebildeten Gejchlechtern in Vergeſſenheit geriet.
Nicht anders war es im öffentlichen Yeben. Der gewaltige, dur die
Reformation bervorgerufene Kampf hatte die Yeidenjchaften im Kirche umd
Staat entfeffelt und mußte austoben. Seine Niederlage durch die Waffen
fenerte ihn zu verdoppelten Anftrengungen auf geiftigem Gebiete an. Haß,
Zorn und Berachtung erzeugten Schmäbung, Spott und Hohn, die ſich,
dem Charakter der Zeit entjprecbend, meift in rohen Kraftausdrücken Yuft
machten. „In erjter Yinie wurden der Papft, der römijche Hof und vie
höhere Geiftlichkeit in Pasquillen, Spottlievdern und Schmäbjchriften, bald
mit Wit und jatiriicher Yaune, bald mit bitterjtem Zorn und tiefitem
Ingrimm oder mit einer Verachtung, welche dem Innerſten ver Seele
entquolf, in ihrer fittlichen Entartung, ihrer Geldgier, Herrſchſucht, Un—
zucht, Ummäßigfeit und überhaupt in ihrer ganzen Unjauberfeit im Denten
und Handeln, Wollen und Streben dem Bolfe zur Schau geftellt. Auf
fie entlud ſich in jolchen Schriften im volljten Maße alles, was nur
irgendeine Seele, glühend von Haß und Erbitterung, unverjöhnlicer
Feindſchaft und tiefftev Verachtung irgendwie auszufprechen vermag, gleich
als hätte fich dies alles jahrbundertelang durh Bann und Interdikt,
durch Scheiterhaufen und Kerfer nievergehalten und zurüdgedrängt, im
vollften Maße ſammeln jollen, um mit einem mal fich über Rom und
jeine Briefterjchaft wie im wildeſten Strome zu ergießen.“ Nächſt Rom
war der Kaiſer Stark V. jelbjt, von feinem erjten Auftreten im Reiche au,
den jteten Angriffen der Spott- und Schmachjchriften ausgeſetzt. Jede
jeiner Mafregeln wurde von jeinen Gegnern der rücfichtslojejten Kritif
und häufig auch ungerechter Berbächtigung unterzogen. Das Wormjer
Edikt, feine Verſuche zur Beilegung der veligiöfen Streitigkeiten, nament-
(ich das Interim und feine unwürdige Behandlung der gefangenen pro:
tejtantijchen Fürften, vor allem aber feine Begünftigung der Spanter
und fremden Völker bildeten den Gegenftand zabhllojer überall und zu
jeder Zeit wiederfehrender Anflagen und Schmähungen. Der Kaiſer nabm
offenbar einen jehr bedeutenden Einfluß diefer Schmäbfchriften auf Die
Meinung und Stimmung des Wolf wahr umd fuchte fie deshalb auch
mit Nachdruck und Strenge zu unterdrüden.
Kapitel] Übertragung des Libellbegriffs auf das öffentliche Recht. 543
Natürlich muß jede Regierung ſchon im Intereſſe ver Selbjterbaftung
derartigen Überjchreitungen des Geſetzes energiſch entgegentreten; allein
Karl und feine Nachfolger gingen wiel zu weit, indem fie jede von ven
Segnern Roms ausgegangene Schrift, ja jelbjt wifjenjchaftliche Werfe
als Schmähſchriften verfolgten. Indem alfo der nürnberger Reichsabichied
die privatrecbtliche Definition ver Echmachjchrift auf das öffentliche Recht
übertrug, ſchuf er ein ganz neues Verbrechen, welches die Preſſe ver
Yutheraner und jümtlicher Afatbolifen von vornherein vogelfrei machte.
Mit jedem Fortjchritt der jogenannten Gegenreformation wurde durch
dieſe abfichtliche Begriffsverwirrung die Yage der proteftantijchen Yittera-
tur mißlicher und immer mebr dem Belieben faiferlicher Genjoren und
Bücerfonmiffare überantwortet. Gelehrte Werke hervorragender Intbe:
riſcher Theologen, wie z. B. jelbit Luthers und Melanchthons oder jpüter
die des berühmten tübinger Profefiors Bengel, oder anerfannte Sejchichts-
werke, wie des Sleidanus’ „De Statu religionis et reipublieae Ca-
rolo V. imperatore Commentarii“, wurden troßdem daß fie mit Pri—
vilegien gedrudt und jahrzehntelang mit dem Namen des Berfalfers im
Handel waren, von den franffurter Bücherkommiſſaren auf Befehl der
Jeſuiten der Hofburg als Schmachjchriften mit Bejchlag belegt und ver-
folgt. Zunäcft alſo ließen die Yutheraner ohne jeden Widerftand ein
Strafgejeß willfürlich auf fich ammwenden, das ganz andere Vergeben und
Verbrechen zu abnden hatte, dann aber liegen jie diejes auf fie über-
tragene Geſetz wieder willfürlich auslegen und ändern, jtatt es emergiich
zurüdzuweijen. Fürſten und Freie Städte berubigten fich offenbar mit
dem Troſte, daß vie faijerliche Politit nicht bis zu ihnen reiche, und
baffen ihr ſchon 1529 ſelbſt die Ketten ſchmieden, welche fie jpäter um
ihren Hals warf, jedenfalls aber gingen fie dem Kampfe aus dem Wege,
welcher zwijchen der neuen und alten Weltanſchauung unvermeidlich ge—
worden war. So ließen fie ſich denn zu ſchmähenden Querulanten, zu
boshaften Prozeffrämern berabvrüden, ihre Preſſe aber, welche die beite
BVerteidigerin ihrer Sache war, als unnügen Pasanillanten verfolgen und
untervrüden. Allenfalls gewährte es ihnen eine Art von Senugtbuung, daß
die Unbeftimmtbeit der Ausprudsweiie der Reichsverordnungen leßtere zu
einer zweijchneidigen Waffe machte, welche für jeden politiichen oder firdh-
lichen Standpunkt, aljo auch dem Angreifer gegenüber, verwendbar war.
Ein Jahr nach dem nürnberger Reichsabſchied zog der Bauernkrieg
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544 Die ftaatliche Präventivcenfur jeit 1529. MNeuntes
mit jeinen Schrecken und Greueln durch das fünliche und mittlere Deutjch-
land; eine furchtbare Reaktion, ein granjamer Rachefrieg war die natür-
liche Folge. Allein die Bewegung der Geifter fonnte durch Blut und Fol—
ter nicht erfticht werden. Der ſpeyerſche Reichstagsabjchien vom 22. April
1529 juchte die Flut zu ſtauen; ev brachte ein vorläufiges Cenſurgeſetz,
das bis zum mächjten Konzil in Kraft bleiben jolltee Es waren aber
nur einige allgemeine Bejtimmungen, ohne eine einzige Ausführungs—
anweifung; fie hatten als ſelbſtverſtändliche Voransjegung die Anjtel-
(ung verjtändiger Männer zu Genjoren. War bier die Cenſur zugleich
von den Fürſten und Ständen des Reichs im Prinzip anerkannt, jo lie
ferte der augsburger Reichstagsabichied vom 19. November 1530 die
nähern Ausführungen zu ihrer Handhabung. Gr bezeichnete jeine Ver-
erdnungen zwar auch wieder mur als zeitweife, d. b. bis zum nmächiten
Konzil, erlaffen; indeſſen ließ dies den durch die Reichsgeſetze geichaffenen
Zuftand des Preßrechts unverändert fortbeftehen. Der augsburger Ab
ſchied jchritt logijcher und energijcher ein als jeine Vorgänger. Die
politijche und joziale Revolution war faft im ganzen Yande in Blut er-
jtieft, Eleinere Bewegungen Fonnten den vereinigten Fürſten auf die Dauer
nicht mehr gefährlich fein, und die Sicherung deſſen, was die religiöje
Reform ihr an Vorteilen gebracht hatte, lag der damaligen Mehrbeit ver
Neichsftände am nächjten. Um jo eher gab fie auch das freie Wort
preis, das auch ihr ſchaden fonnte, und jah es jogar nicht ungern, wenn
der freien Kritik ein faiferlicher Kappzaum angelegt wurde. So wird
denn mit der niedergehenden Bolfsbewegung ganz Deutjchland von einem
theoretiſch vollftändig ausgebildeten Cenſurſyſtem beimgejucht, deſſen faf-
tijche Handhabung glüclicherweije zumächjt nur noch wenig entwidelt war.
Zuvörderſt verbietet der Naifer dem Nurfürjten von Sachjen und feinen
Mitverwandten, den ſächſiſchen Fürften, irgendeine neue, den Glauben
betreffende Schrift in ihren Gebieten druden, feilhalten over verlaufen
zu laffen; dann befiehlt er ven Nurfürjten, Fürften und geiftlichen und
weltlichen Ständen des Reichs, nichts Neues ohne Cenſur druden zu
(ajjen, ven Drudern aber ihren vollen Vornamen, Zunamen und Wohn-
ort auf dem Druckwerk anzugeben. Echmäbjchriften und dergleichen Bücher
werden natürlich verboten. Der Zuwiderhandelnde ſoll von jeiner Obrig-
feit an Yeib und Gut gejtraft werden. Sollte aber eine jolche läſſig be-
funven werben, jo ſoll fie der Fatjerliche Fisfal zur Beobachtung der
Kapitel.) Anwachien der polemifchen Litteratur, 545
Cenſurvorſchriften anhalten und beim Kammergericht verklagen. “Die
Strafbeftinnmung gegen Schmachjchriften wurde denn auch in Kaiſer
Karls V. Peinlicher Halsgerichtsordnung von 1532 unter Artikel 110
aufgenommten.
Mit der fortjchreitenden Nieverwerfung der Revolution und der Er—
jtarfung der fürftlichen Yanveshoheit werden natürlich die Verbote der
Schmähſchriften verjchärft. Sp jagt der regensburger Reichstagsabjchien
vom 29. Juli 1541, daß der Kaiſer fich mit Kurfürften, Fürſten und
gemeinen Ständen dahin verglichen habe, „var hinfüro feine Schmäh-
Shrifften gedruckt, feyl gehabt, kaufft noch verfaufft, jonder wo der
Tichter, Druder, Kauffer oder Verfauffer betretten, darauf eine jede
Oberfeit fleißig Aufjehens haben jolle, daß dieſelben nach Gelegenheit
der Shmäh-Schrifften, jo bei ihnen erfunden, ernftlich und bärtiglich
geitraft werben ſollen“. Indeſſen erwiejen fich dieſe Beitimmungen zu—
fegt doch wieder nur als Schläge ins Waffer. Die alte Gejelljchaft
wanfte in ihren Grundfeſten und jtrenge Gejege konnten ihren Zuſam—
menbruch nicht abwenden. Wenn ver bewaffnete Widerſtand der jchmal-
faldenerv Bundesgenoffen auch durch ihre Niederlage bei Mühlberg 1547
und durch die Gefangennahme ihrer Führer gebrochen war, jo juchte und
fand die gejchlagene Partei doch andere Waffen in dem erbitterten Kampfe
gegen den Sieger. Nie griff fie feder, rückſichtsloſer und leidenjchaft-
liher mit gelehrten Büchern, wiffenjchaftlichen Werfen, Flugſchriften und
Spottgedichten an, und noch nie zuvor hatte die volfstümliche Pitteratur
einen ſolchen Grad der Erbitterung, eine jolche Bedeutung im Yeben der
ganzen Nation erlangt. Stand die Schmähjchriftenlitteratur auch ſchon
vor der Niederlage der Protejtanten in großer Blüte, jo erreichte fie ihren
böchiten Punkt doch erft in den Jahren 1546 bis 1549. Überall im Lande
tauchten dieſe Flugſchriften namenlos oder mit Namen erdichteter Druckorte
oder Verfaffer auf. Im Jahre 1544 erjchienen ſogar gleich zwei Bände
Schmähſchriften, deren erfter die poetifchen und deren zweiter die in Proja
geichriebenen Pasquille enthielt. Der Kaifer ftand auf dem Gipfel jeiner
Macht, als er auf dem Reichstag zu Augsburg in jeiner Reichspolizei-
ordnung vom 30. Juni 1548 der Preſſe neue Beſchränkungen auferlegte,
Er begründete jein Vorgehen in $. 1 des Titel 34 mit der Erwägung,
daß „ob derjelben Unſer Satung (vom Jahre 1541) gar nichts gehalten,
jendern daß jolche jchmählichen Bücher, Schrifften, Gemählds und Ge—
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546 Die Neichspolizeiordnung von 1548. [Neuntes
mächts je länger je mehr geticht, gebrudt, gemacht, feyl gehalten und
ausgebreitet werben.“ Demnach verfügt Karl am Schluß diejes erjten
Paragraphen die ſtrengſte Cenſur (Vorlegung der zu druckenden Schrift,
Nennung des Verfaffers, Druders und Drudorts) und erläutert im
zweiten Paragraphen „die Pflanzung und Erhaltung chriftlicher Yieb und
Einigfeit und Verhütung von Unruhe und Weiterung“ dahin, „daß nichts
jo der catholijchen allgemeinen Lehr, der heiligen chriftlichen Kirchen un—
gemäß und wiberwärtig oder zu Unruhe und Weiterung Urjach geben,
desgleichen auch nichts ſchmählichs pasquillifches oder anderer Weiß, dieſem
jetzo allbie aufgerichteten Abjchied und anderen Abjchieven, jo demſelben
nicht entgegen ſeynd, ungemäß in was Schein das gejchehen möchte, ge-
dicht, gejchrieben, in Drud gebracht, gemahlt, gejchnigt, gegoffen und ge-
macht werde”. Die Druder, Verkäufer, Käufer und jelbjt Befiter ſolcher
ohne Cenſur veröffentlichten Schriften und Gemälde jollen gefänglich ein-
gezogen und peinlich, oder im Notfalle fogar unter Anwendung der Folter
gefragt und der Schwere des Verbrechens entiprechend geftraft, die Ver-
abjäumung der vorgejchriebenen Formen aber mit Unterbrüdung der ver:
botenen Schriften, harten Strafen und Unterjagung des Gewerbebetrichs
geahndet werben. Alſo der unſchuldige Befiger eines mißliebigen Buchs
fonnte jogar der Folter verfallen, mochte er deſſen Inhalt fennen oder
nicht! Dem Kaiſer jcheint nach jeinen Siegen die Klugheit der Mäßi—
gung abhanden gekommen zu fein. Selbſt in Ofterreih und Bayern
jtrafte man böchftens Verfaffer, Druder und Verbreiter verbotener Bücher
mit der Folter! Wenn die betreffende Obrigfeit gegen die Übertreter
diefer Beftimmungen nicht energiſch einjchritt, jo follte der Reichafisfal
gegen die jäumige Obrigfeit ſowohl, als gegen die Übelthäter beim Rammer-
gericht klagend vorgehen. In einem Edikt vom gleichen Datum befiehlt
der Kaiſer endlich den Kurfürſten, Fürften und Ständen die jofortige
Veröffentlichung und ftrenge Ausführung der vorftehenden Polizeiordnung
und ſetzt als ſchwere Pön gegen die ungeborjamen Buchdrucker außer
Nieverlegung ihres Gewerbebetriebs eine Strafe von 500 Goldgulden
fejt, welche fie ihrer orbentlichen Obrigfeit „unabläßlich“ zu bezahlen
haben.
Der erfurter allgemeine Streistagsabjichied vom 27. September 1567
dehnt in mehr jammerndem und bittendem, als befehlendem Tone vie
Beſtimmungen der augsburger NReichspolizeiorpmung von 1548 auf vie
Kapitel.) Der fpeyerer Neichsabichied von 1570. 547
Neuen Zeitungen, die aljo Damals eine größere Beveutung erlangt haben
müſſen, aus und beklagt, daß durch zu langmütiges Zujehen der Obrig-
feiten es den faljchen, üppigen Dichtern gelungen jet, „ein ſolch Miß—
vertrauen und Verhetzung zwijchen allerjeits hohen umd niedern Ständen
zu erweden, welches wohl unverjehenliche Empörung und viel Unheyls
verurjachen möchte”. Höhere Strafen konnten jelbjt von der üppigften
Fhantafie nicht mehr erdacht werden; man war aljo gezwungen, ven Ton
wieder berabzujchrauben.
Es halfen inbeffen weder gütliche Zureven noch fchroffe Drohungen.
Die Preſſe mit den in ihr wurzelnden Intereffen nahm bereits eine zu
mächtige Stellung im Leben des Volks ein, ald daß ihre Erzeugniffe
erfolgreich hätten unterdrüdt werden können. Der Gewinn aus dem Ver:
trieb verbotener Schriften lodte mächtig zu ftet3 neuen Unternehmungen
an; überall entjtanden in den fleinern Städten neue Buchdrudereien,
deren Überwachung von Tag zu Tag fehwieriger wurde. Der ſpeyerer
Reihsabfchied vom 11. Dezember 1570 ſuchte dem, wie ev jagt, durch
ſie angejtifteten Zanf, Aufruhr, Miftrauen und Zertrennung alles fried-
lichen Wejens durch neue ohnmächtige Verordnungen abzubelfen. Des—
balb ſollten binfüro im ganzen römijchen Reiche Buchorudereien an feinen
andern Orten als in fürftlichen Nefivenzen, in Univerfitätstibten oder
in anfehnlichen Reichsſtädten geftattet fein, alle Winfelorudereien ſtracks
abgejchafft werden. Natürlich konnte man dort die obrigfeitliche Aufficht
bequemer durchführen, wogegen dieje in den Fleinen Orten, wo Drude:
reien bejtanden, jchwer, ja unmöglich zu handhaben war. Beachtung fand
diefe gejetliche Beftimmung aber wohl wenig; nur Kurfürſt Auguft von
Sachſen ging ihr entjprechend vor. Sodann wurde die Zulaffung eines
Buchdruckers von einer vorherigen Prüfung jeiner Ehrbarfeit und Zu—
verläffigkeit durch die Obrigfeit abhängig gemacht, worauf er fich eidlich
an die Beobachtung der gejetlichen, in dem Reichsabſchied vorgejchriebe-
nen Beitimmungen binden mußte. Im übrigen wurden die alten Ver—
ordnungen men eingejchärft. Den Zuwiderhandelnven traf aufer Gefüng:
nis und eventueller Folter auch Konfisfation der Bücher und den Druder
außerdem noch Verluſt jeiner Druderei. Enplich aber wurde unter Ans
drehung faiferlicher Ungnade und willfürlicher Strafe den Ständen und
Obrigkeiten befohlen, ihre Drucdereien „unerwarteter Ding” zu vifitieren
md gebührenven Ernſt und Strafe gegen die Übertreter vorzunehmen.
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548 Verfahren gegen die Schmähichrift „Die Nachtigall”, [Neuntes
Kaiſer Marimilian II. war ein milder Herr, welcher den Dingen
ihren Yauf ließ und an fleinlichen VBerfolgungen feinen Gefallen fand.
Nur einmal, und zwar drei Jahre nach dem ſpeyerer Reichsabſchied, ver-
folgte er mit einer ihm ſonſt nicht eigenen Erbitterung eine Schmäb-
jhrift, die „Nachtigall“, welche durch die Grumbachichen Händel und
die Belagerung Gothas hervorgerufen, 1567 in Frankfurt a. M. geprudt
und gegen den Kaiſer gerichtet war. Je günftiger die Stimmung im
Volke dem fleinen Häuflein der Belagerten, defto größer war ver Ab-
jat des unbedeutenden Gedichts und das Aufjehen, welches dasjelbe er-
regte. Vierzehnhundert Eremplare wurden in vier Stunden verkauft und
in wenigen Tagen vier Nachdrude davon veranftaltet. Doch machte es
auf niemand größern Eindrud, als auf den Kaijer ſelbſt, der jogleih an
den franffurter Rat jchrieb, er habe die „Nachtigall“ durchgelejen, die in
den Meſſen öffentlich feilgetragen und von dort aus in alle Lande ver-
jchieft worden jet. Solche Beleidigung jeiner Perjon und geheiligten
Macht könne ev, ohne fich jelbjt zu entehren, nicht hingehen laſſen. Des-
wegen gedenfe er die Gunftbriefe, namentlich und bejonders die, welche
die freiheit der Meſſen beträfen, zurüdzunehmen und fich dann erft vie
Strafe vorzubehalten. Indeſſen jolle der Rat, bei unausbleiblicher Strafe
der Acht, den Drucker angefichts dieſes in Eijen jchinieven, jein Hab und
Gut verfiegeln, ihn jelbft aber unter ftarfer Bedeckung dem Stadtrichter
in Wien überliefern laffen. Die Ratsherren, welche die Aufficht über
die Bücher hätten, jollten in den Turm gelegt, ihre Güter eingezogen
werden. Der Rat jolle nach dem Verfaſſer forjchen, aber den Drucker
deswegen nicht erjt auf die Folter legen, um unnügen Zeitverluſt zu ver-
meiden. Der flüchtige Verfafjer gab ſich alsbald freiwillig an, um ven
Druder zu retten. Es war ein armer Gelehrter, Wilhelm Clebitius,
der zu Frankfurt, als dem Sik des Buchhandels, gleich andern jeines-
gleichen von Korrigieren, Vorredenſchreiben und Nativitätenftellen ein
färgliches Brot fand und dieje „Nachtigall unter den Bäumen des Fel—
des an einem Bächlein bei einem Zweipfennigbrot gejchrieben hatte, um
ſich, wie er verficherte, durch das Unglück eines jo großen und ſtand—
haften Fürften, wie der Herzog von Sachen jei, über ven eigenen Kum—
mer zu erheben. Dem Druder Hans Schmidt, einem ebenjo armen,
ledigen Gejellen, hatte er Ehre und Reichtum verjprochen, wenn Johanu
Friedrich durch diefe Schrift, die nicht ermangeln könne, Deutjchland in
Kapitel.) Verfahren gegen die Schmähſchrift „Die Nachtigall”. 549
Flammen zu jegen, Hilfe gewinnen ſollte. Heimlich war das Büchlein
auf einer Kammer mit geborgten Schriften gebrudt worden.
Nachdem der Rat den Druder mit Ketten beladen und won fünf
Reijigen begleitet nach Wien geſandt, bot er alles auf, den Kaiſer zu
verjöhnen. Dieſer ließ jedoch, obgleich die Strafe unterblieb, feine Un:
gnade nicht fallen. Umſonſt jtellte der Rat vor, wie ver Drud ohne fein
Wiſſen erfolgt jei; wie der Bürgermeifter ven Verkauf unterbrochen, ſo—
bald er die erjte Kunde davon erhalten; wie er feine eigenen Boten in
alle Städte des Reichs, bis nach Gengenbach und Isny in Schwaben,
geſchict habe, die vorrätigen Eremplare anzuhalten; wie er einen feiner
Bürger, ven Buchdruder Martin Lechler, dem Clebitius nachgefandt, der
fih aber Jahr und Tag zu verbergen gewußt, bis endlich die Nachricht
von jeinem Tode aus Paris eingelangt ſei. Umſonſt erwarb die Stabt
die Fürjprache des Yandgrafen Wilhelm von Heffen, des Pfalzgrafen
Kaſimir und des Ffaijerlichen PVicefanzlers Zaſius. Maximilian wollte
ſich nicht bejänftigen laſſen, beſonders weil Clebitius furz vor feinem
Tode eine neue Flugſchrift: „Grabjchrift der ehrlichen ritterlichen Leut
die in Gotha geblieben‘, in die Welt gejandt hatte, von welcher wieder
einige Exemplare auf den Meffen verkauft worden waren. Diejer Zu-
fall fachte den Zorn des Kaiſers von neuem an. Sie hätten, fchrieb er
dem Rat, großen Ernſt gezeigt, als ein geringes Büchlein gegen bie
Juden ausgegangen; wenn aber Schmähjchriften gegen ihn und das Reich
feilgehalten würven, blieben Bürgermeifter und Rat Faltblütige Zufchauer.
Enplih gelang es dem franffurter Gefandten in Wien, Karl von Glau—
burg, das Mittel zu entdecken, durch welches der Zorn des Kaifers zu
belänftigen war. Der Rat borgte 30000 Goldgulden von Juden und
Chriften, von Fremden und Bürgern und lieb — auf deutjch ſchenkte —
ie dem Kaifer unter Rückbürgſchaft ver Stifter. Nach einem zweijäh-
rigen harten Gefängnis wurde auch der Druder Hans Schmidt in rei:
beit gejeßt, ja, der Kaifer felbft verwandte fich bei dem Nat für feine
Aufnahme in das Bürgerrecht. O rara temporum felicitas!
Daß übrigens der lettere, wie er Maximilian meldete, wirklich alles
zetban hatte, was in feinen Kräften ftand, um bie dieſem mißliebige
Schrift zu unterbrüden, ergibt fich unter anderm auch aus den fölner
Ratsprotofollen aus den Jahren 1566 bis 1568, fol. 115 und 116, wo
es am 7. Mai 1567 heißt: „Das faijerlich als auch deren von Franf-
550 Die verbefferte Polizeiordnung von 1577. [Neuntes
furt Schreiben, den Tractat des Nachtigals betreffend, iſt verlejen une
befohlen die Herren Jakob von Siburg und Gajparen Geilenkirchen
die Buchdruder zu bejchiden, bei denen und ſonſt fleißige Nachforichung
su thun, damit jolliche Traktatlein hinder einem erbaren Kat zu bringen.
Sollihs ſoll auch den von Frankfurt gejchrieben werden.“ Die Genann—
ten referierten dann am 9. Mai: „Nachtigall, libellus famosus betref:
fend, wie fie alle Boichfeilhaber, Häujer und Gadombe bejucht, uff das
Kaiferlih Schreiben das Schanpgedicht Die Nachtigall intitulirt, gejucht
und doch feins finden mögen; ein Jeder auch mit dem ide fich pur:
giret, daß Kleiner einichs hinter ihnen habe; jondern es jey vergangene
Gotsdracht der Wilhelmus Clebitius, jo zu Frankfurt fitt, bie geweſen
und bey etlichen Boichbrudern begerte, der Erempflaren etliche von ihnen
zu faufen. Iſt vur rathſamb angeſehen, jollihe vem Rath zu Frankfurt
anzuzeigen.’
Indeſſen teilte auch der Neichsabjchien von 1570 das Schidjal jener
Borgänger und blieb ein toter Buchjtabe. „Die reformirte und gebeſſerte
Polizeiorpnung vom 9. November 1577” erkannte dieſe Thatjache und
die der Nichtbefolgung ſämtlicher bisher von Kaiſer und Reich getroffe
nen Beitimmungen offen an, indem fie in ihrem $. 1 (Titel 35) unter
anderm erklärte: — — „jo befinden Wir doch, daß ob denjelben Satungen
gar nichts gehalten, jondern daß jolche jehmähliche Bücher, Schriften,
Semälds und Gemächts je länger je mehr gedicht, gebrudt, gemadt,
feyl gehabt und ausgebreitet werben.“ Im übrigen wiederholt Die refor-
mierte Polizeiordnung meift wörtlich den wejentlichen Inhalt der Reichs
polizetorpnung von 1548 und des fpeyerjchen Reichsabſchieds von 1570,
joweit es fich um die Beichränfung der Buchdrudereien auf Fürſtenſitze,
Univerfitäten und anjehnliche Reichsjtänte, jowie um Zulaffung ver Druder
ſelbſt handelt.
Bei dieſer verbeſſerten Polizeiordnung behielt es lange Zeit, über
das 16. Jahrhundert hinaus, ſein Bewenden. Der Erlaß neuer Geſetze
war auch um ſo weniger erforderlich, als die vorhandenen vollauf hin—
gereicht hätten, die mißliebige Preſſe mit Stumpf und Stiel auszurotten.
Kaiſer Rudolf II. legte als praktiſcher Mann das Hauptgewicht nicht
auf Vereinbarung neuer Maßregeln mit den Fürſten, ſondern auf eine
rückſichtsloſe Durchführung der in Kraft befindlichen Beſtimmungen und
fand in den Jeſuiten, welche ihm mit Feuer und Schwert die Gegen—
Kapitel.) Auftreten Rudolfs II. und der Jeſuiten gegen die Preſſe. 551
reformation in ſeinen Erblanden durchſetzen balfen, vortreffliche Werk:
zeuge in ſeinem Feldzuge gegen vie Schmähſchriften und Famoslibelle,
aus welchen in ihren Augen bie ganze proteſtantiſche Litteratur beſtand.
Das nächte Kapitel wird den Beweis bafür liefern, wie flug berech—
nend die faiferliche Politik durch Einjegung von Bücherfommiffarien pie
Art an die Wurzeln des Buchhandels zu legen wußte Als Schn einer
eifrig katholiſchen Mutter und jpäter amt Hofe feines Vetters Philipp II.
von Spanien erzogen, bejchränft und kleinlich, kannte Rudolf nur ein
Ziel, die gründliche Ausrottung des Protejtantismus und zugleich ber
jtändifchen Freiheiten, deren Träger jein lutheriſch gewordener Adel war,
furz, die unbedingte Unſchädlichmachung und Unterwerfung aller Wiver-
jacher ver fatholifchen Kirche. Rom und Madrid beftimmten fein poli-
tiiches Denken, die Jejuiten und ihre Schüler fein politijches Handeln. Die
erjten Jahre feiner Regierung waren vollſtändig von feinen Arbeiten für
die Gegenreformation in Ofterreich in Anfpruch genommen. Im Jahre
1579 ließ er 12000 veutjche und 2000 windiſche Bücher, meift Bibeln
oder jolche, die den Grundſätzen des fatholifchen Glaubens widerjtrebten,
in Graz durch den Henker verbrennen. Die Verſuche zur Herftellung
ber Stircheneinheit begleitete überall eine grauſame Verfolgung der Preffe.
In Wien wurde ben proteftantiichen Buchorudern und Buchführern ver
Aufenthalt verboten und eine „Bücher-Inquifitionsfommiffion‘ eingeſetzt.
Die Reichsgeſetzgebung gegen die Preſſe hatte alfo ein volles Jahr—
hundert gebraucht, um fich in ihren äußern Umriffen auszubilden, und
wurde jelbjtverftändfich zugleih pas Vorbild für Die Geſetzgebung der
einzelnen Fürſten, Stände und Städte. Cs iſt überflüffig, die von
den Territorialregierungen erlaffenen Beitimmungen, jelbjt die der be-
deutendſten, bier wörtlich over auch nur auszugsweiſe mitzuteilen, da
fie in ihrem Wejen jo ziemlich übereinftimmen und ver Reichhaltigkeit
des in den Reichsabjchieven gebotenen Materials gegenüber fich höchitens
durch Anordnung nutzloſer Graufamfeiten, oder auch umgekehrt durch
größere Milde, alfo mit einem Worte, nur durch die Stellung vonein-
ander unterjcheiden, welche die betreffenden Gebiete zu den geiftigen Strö—
mungen ber Zeit einnahmen. Dementjprechend trat die Cenſur bier nur
ihüchtern und zögern, leije ihren Weg taftend, dort herausfordernd
und brutal auf, aber nirgends blieb fie aus und überall jeßte fie fich
endgültig feſt. Wenn in der erjten Hälfte des 16. Jahrhunderts bie
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552 Verkehrtes Verhalten der Proteitanten. [Neuntes
Behandlung der Preffe eine in den einzelnen Teilen Deutſchlands ver:
jchievene war, jo wurde fie mit dem Eintritt in deſſen zweite Hälfte
von Tag zu Tag gleichmäßiger, weil die Jejuiten in dieſer Zeit ihren
unbeilvollen Einzug in Deutjchland hielten und, mit kluger Vorſicht
Schritt vor Schritt vorgehend, ihre jogenannte Gegenreformation, wo
fie eben fonnten, durchſetzten. Der Sieg wurde ihnen im allgemeinen
nur zu leicht gemacht. Statt wie ein Mann dem gemeinjchaftlichen Feinde
gegenüberzutreten, zerfleifchten vie Protejtanten einander jelbjt in ihrem
Unfrieden und Zanf, in ihrer Wortklauberei und Mifgunft — und das in
einem Augenblid, wo fie ver Wolf bereits an der Kehle padte! Schon
die Reformatoren verfolgten ihre frühern, weiter gehenden und die Er-
neuerung des fittlichen Yebens ſtürmiſcher anftrebenden Anhänger. So
juchte Luther ein Verbot ver Karlitadtichen Schriften in Sachſen zu er-
langen: derſelbe Yuther, welcher das Papfttum für noch lange nicht ge:
nug zerjcholten, zerjchrieben, zerjungen, zerdichtet und zermalet hielt, rief
ſchon 1525 die Genjur für jeinen nunmehrigen Stanppunft zur Hilfe.
Die Yutheraner haften die Zwinglianer ärger als die Katholifen, beide
aber wüteten gegen die Wiedertäufer und jogenannten Schwarmgeijter.
Die proteftantijhen Fürften ihrerjeits liebten und förverten die Cenſur,
weil fie mit ihrer Hilfe die wohlverdienten Anflagen wegen ihres Raubes
von Kirchengut und Beijpiele jonftiger Sonverzwede over gar Mifjethaten
unterbrüden konnten. Die Patricier der Städte endlich fanden in ver
Cenſur eine mächtige Waffe zur Behauptung ihrer Herrichaft, kurz, vie
Protejtanten hatten auch auf diefem Gebiete gar feine Ahnung von ver
Wirkung einer gejchloffenen Oppofition gegen den Kaifer, ja nicht einmal
von den Folgen eines methodiſch durchgeführten paſſiven Widerſtandes.
Während nun im größten Teil von Deutjchland der Übergang vom
Katholizismus zum Luthertum fich leicht vollzogen hatte, ſtießen in ben:
jenigen Yanbesteilen, in welchen die Fürſten dem alten Belfenntnis treu
geblieben, die Einwohner aber zur Reformation übergetreten waren, vie
Gegenjäge mit größter Erbitterung und jelbft mit Grauſamkeit aufein-
ander, Am ſchroffſten gejtaltete fich dies Verhältnis in Ofterreich und
in Bayern, deren Regenten alle Mittel in Bewegung fetten, um ihre
abgefallenen Unterthanen zur alleinjeligmachenvden Kirche zurüdzuführen.
In den habsburgiichen Erblanden hatte Luther, jofort nach jeinem Auf:
treten in Worms, begeijterte Anhänger gefunden; noch bis zum Jahre
Kapitel.) Cenſur in Ofterreich unter Ferdinand I. 553
1551 gehörte dort der größte Teil der Bevölferung dem Proteftantismus
an. Kein Verbot und feine Verfolgung des Erzherzogs (jpätern Kaiſers)
Ferdinand 6, der hier ſeit 1521 regierte, vermochte die tiefgehenvde Volks—
bewegung zu unterbrüden, welcher fich außer ven Bürgern größerer Städte
auch vielfach der Adel angejchloffen hatte. wFerbinand. betrachtete die
Büchercenjur von Anfang an als einen Ausflug Tandesherrlicher Macht,
die Biichöfe und Geiftlichen aber nur als feine Delegierten, denen er
die Cenſur geiftlicher und weltlicher Schriften lediglich im Staatsintereſſe
übertrug. Schon 1521 ſah er fich veranlaßt, die Lutherſchen Schriften
zu verbieten und die etwa betroffenen dem Teuer zu übergeben. Das
von ihm erlaffene Mandat vom 12. März 1523 juchte rückſichtslos vie
Strafen des Wormjer Edikts zu erzwingen, und verbot, wie ſchon im
jiebenten Kapitel berührt, von neuem jowohl die bereits erjchienenen als
auch die Fünftig erjcheinenden Schriften Yuthers. Jedermann wurde ver-
pflichtet, zur Ausrottung der feterijchen Schriften mitzuwirfen. Den
Buchdruckern, Buchführern und Krämern follten fie mit Gewalt weg—
genommen, bei verjuchter Einfuhr an der Grenze angehalten und ver-
uichtet werden. In den fünf Herzogtümern wurden der Großfanzler
und Hofrat an die Spike der Bücherpolizei gejekt, ihnen mußte Bericht
erftattet werden über die ob Verletzung dieſer Vorſchriften verhängten
Strafen. Im Tirol wurden die Mandate gegen Luther und feine, ſowie
jeiner Anhänger Schriften 1524 öffentlich von der Kanzel verkündet und
an den Kirchenthüren angeſchlagen. Aber bier jo wenig, wie anderwärts,
trugen derartige Mafregeln die erwünſchten Früchte,
Um diejelbe Zeit brach auch in Oberöjterreich ein bedeutender Bauern-
aufjtand aus, der nur mit Mühe bewältigt werben fonnte. Gegen bie
Drudichriften ver Aufrührer wagte Ferdinand aber, um das Feuer nicht
zu ſchüren, nicht öffentlich einzufchreiten; er befahl deshalb, fie „im Stillen
mit gutem Fug und Glimpf einzuziehen“. Die Nachforſchung und Über-
wacung richtete fich demmach „mit aller Vorſicht gegen ſolche Artikel
und Bibeln‘; ſie jollten weder gedruckt noch handjchriftlich verbreitet
werden. Die religidje Bewegung aber eritarfte immer mehr. Bald fan—
den auch die Schriften ver jogenannten Saframentierer und Wievdertäufer
und mit ihnen deren Berfaffer Eingang ins Yand, jo namentlich in Tirol
und Mähren. Dieje Männer, welche fich apoftolifche Brüder nannten,
waren erfüllt won den höchften fittlichen Idealen und ftellten die ftrengften
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554 Ausbildung der Cenfurmaßregeln. Harte Strafen. [Neuntes
Anforderungen an fich und andere. In eine Welt voll Sinnlichfeit und
Trägheit brachten fie eine Yehre, welche die Entjagung und Selbftver-
leugnung nicht allein als oberften Grundſatz aufftellte, jondern ihre Ver—
treter auch Yeiden jtandhaft ertragen lieh und in ven Tod trieb.
Ihr Hauptrepräjentant ift Balthaſar Hubmaier. Sein tragifches Ende
ift bereits im fiebenten Kapitel geichildert worden; feine Gattin und zwei
feiner Sefinnungsgenoffen hatten jein Yos geteilt. Aber ungeachtet diejes
grauſamen Vorgehens ließen fich „die verdammten ſektiſchen Yehren und
Opinionen“ nicht jo leicht vertilgen. Am 24. März 1528, nur 14 Tage
nach der Verbrennung Hubmaiers, äußerte Ferdinand in einem neuen
Mandat feinen Unwillen darüber, „daß die Lehre Luthers, Zwingli's,
Karlſtadts und Ofolampads noch nicht abgeftellt jei, jondern wie augen:
ſcheinlich am Tage, je länger je mehr einveiße, wachſe und fich mehre“.
Auch die Berichte „ver ambulanten Bifitatores und Inquiſitores“ Tiefen
feinen Zweifel parüber beſtehen, daß troß aller Bemühungen die fee:
riſchen Schriften nicht abgeliefert, ſondern eifriger als vorher gelejen
wurden. So verordnete Ferdinand denn noch in demjelben Jahre, am
24. Yuli, daß man Buchdrucker, welche jektirerifche Schriften druckten,
und Buchführer, die fie verfauften, als Hauptverführer und Vergifter
aller Länder bei ihrer Betretung in den Erblanden unnachfichtlich er-
tränfen, ihre verbotenen Bücher aber verbrennen follte. Zugleich befabl
er — jogar 42 Jahre früher als die Neichspolizeiorpnung —, daß Buch:
drudereien nur in ben Hauptftädten der Provinzen geduldet werben jolt-
ten und berief in Niederöfterreich ven Statthalter und Negenten, in den
andern Provinzen die Yandeshanptleute zu Vollftredern der angeordneten
Mafregeln. Keine Schrift jollte ohne vorläufige Genehmigung von jeiten
diefer Beamten in Drud gelegt werden. Nicht zufrieden mit dieſer Schuk-
maßregel, ſetzte Ferdinand wieder einige Monate fpäter, am 5. November
1528, eine Genjurbehörbe ein, zu welcher als erjtes Mitglied der Biſchof
und als zweites ver Bürgermeifter von Wien gehörten. Sie jollte alle
zu brudenden und zu werfaufenden Bücher vorher erit einjehen und even-
tuell zulaffen und konnte Übertreter jogar am Leben ftrafen, auch die
Bücher verbrennen laſſen. Indeſſen febeint die neue Behörde gar nicht
in Thätigfeit getreten zu fein, wenigftens läßt fich Fein Beleg dafür nach-
weijen.
Im folgenden Jahre, 1529, machte die Gefahr, welche won ven bis
Kapitel.) Die Jefuiten. Verhalten Marimilians U. 555
Wien vorbringenden Türken drohte, dem Kampfe gegen die Preſſe eine
Zeit lang ein Ende. Die verbotenen Schriften mehrten fich troß der
angedrobten jehweren Strafen, ja, die Stände verlangten 1532 ſogar
Religionsfreiheit und wiederholten dieſes Gejuch 1541 und 1547. Mit
dem Einzug der Iejuiten in Wien begann aber eine neue Prefverfolgung.
In dem Mandat vom 1. Auguft 1551 wurden die alten Erlaffe neu
eingejchärft; es galt, den Proteftantismus völlig auszurotten. Unterm
18. Februar 1559 und 30. Auguft 1560 wurde zuerſt die Abfafjung
und Berbreitung von Pasquillen und Schmachichriften verboten und dem
Angeber eine Prämie von 300 Gulden aus dem Vermögen des Ver—
brechers oder, im Fall der Zahlungsunfäbigfeit desjelben, aus der könig—
lichen Kammer ausgejegt. Von ketzeriſchen Schriften, welche in den öfter:
reichijchen Yanden die Hauptveranlaffung zur Bücherpolizei geboten hatten,
it hier gar nicht mehr die Rede. Dffenbar find fie unter jenen zugleich
mit verftanden, wenn auch dem Charakter ver Periode entiprechenp mans
ches wirkliche Pasquill mit untergelaufen fein mag.
Natürlich wurden die verjchievenen Reichsabſchiede und faiferlichen
Bolizeiorpnungen auch in Ofterreich zur Nachachtung eingejchärft, ſodaß
nur einzelne Ausführungsbejtimmungen für die Handhabung der Genjur
erlaffen zu werden brauchten. Ferdinand, der anfangs mit den jchärfiten
Strafen gegen die Prefje vorgegangen war, wurde mit jedem Jahre mil-
der, während fein Bruder Karl anfangs milde Beitimmungen traf und
in der letten Hälfte feiner Regierung mit wahrer Grauſamkeit gegen bie
Übertreter jeiner Prefgejege vorging. Ihr Nachfolger Marimilian II.
begnügte fich mit dem methodischen und konſequenten Ausbau ihrer Man—
date, unterwarf jede in den Erblanden zu druckende Schrift einer ſorg—
fültigen, in ihren verjchiedenen Stadien peinlich durchgeführten Genfur
und behielt fih in allen Fällen ſelbſt die ſchließliche Entſcheidung vor.
Marimiltan war allerdings, wenn gereizt, doch nicht jo gutmütig und
milde, wie er gewöhnlich gejchilvert wird, dennoch aber toleranter und
namentlich gerechter gegen Andersdenkende, als jein Vorgänger Ferdi:
nand und fein Nachfolger Rudolf II. Wenn für jene TIhatjache die be:
veits erwähnte erbitterte Verfolgung des Gedichts „Nachtigall“ ſpricht,
jo fiefert für diefe das Dekret des Kaifers vom 2, Oftober 1573 an
den Hofrat Georg Ever den erjchöpfenden Beweis. Beſagter Ever hatte
in der Jeſuitenkolonie Dillenburg in Nafjau eine Schmachichrift gegen
556 Marimilians II. mildere Braris. [Neuntes
die evangeliſchen Stände, bejonders aber die augsburger Religionsver:
wandten, veröffentlicht und auf dem Titel jogar fäljchlich angegeben, daß
das Buch mit faijerlichem Privilegium und mit Genehmigung der wiener
theologischen Fakultät erſcheine. Der Katjer führte dem Ever darauf hin
zu Gemüte, daß er es nie und nimmer dulden werde, wenn einer jeiner
Untertbanen einen andern an Ehren, Würden, Stand und Gewiſſen an:
greife, beleidige oder verjchimpfe. Eine ſolche Vermeſſenheit und Unbe-
icheidenheit, fuhr der Erlaß fort, zieme am allerwenigiten einem feiner
Räte. Zudem hätte Eder das Buch nicht außer Landes druden Laffen
pürfen. Diejer wiſſe recht wohl, daß „der Kaijer feinen nieberöfter:
reichijchen Regierungen, ver Univerfität, denen von Wien, allen Buch—
vrudern und ſonſten menniglich mehr venn einmal bei höchiter Straff
befohlen, in diefem Lande weber in Religion noch in anderen Sachen,
vom wenigjten zum meyhſten, nichts drucken oder gedruckt ausgeben zu
faffen, e8 jei denn zuvor gen Hof übergeben, durch die Regierung und
Univerfität überjehen und von der Raiferlihen May. bewilligt”. Allem
biefem habe Ever wifjentlich zumwidergehanvelt, weshalb ihm denn auch
aufgegeben werde, fich zu rechtfertigen und in Zufunft nichts mehr in
Religionsſachen drucken zu laffen.
Leider dauerte dieſe mildere Praris nicht lange, denn unter Rudolf
und feinen Nachfolgern gewannen die Jeſuiten täglich mehr die Ober:
band und engten von Jahr zu Jahr die Preffe immer mehr ein. Die
faijerliche Politit unter Rudolf, Mathias, den Ferdinanden und Leopold
und die öfterreichijche Yandespolizei dedten einander in Prekangelegen-
heiten volfftändig. Die lettere jchritt nur viel ſchärfer und energiſcher
ein, weil die Jeſuiten als treibende und hetzende Kraft hinter ven faijer-
lichen Erlaffen jtanden und dieſe in den Erblanden rückſichtslos aus—
führten. Eine bejondere Darftellung der öfterreichiichen Cenſur würde
aljo nur eine ermüdende Wiederholung der im Neiche auf diefem Ge-
biete fich abjpielenden Vorgänge fein.
Nur eines Punktes jei hier noch gedacht. Die Reichsgewalt hatte die
praftiiche Handhabung der Prefpolizei den Territorialobrigfeiten zuge:
wieſen, fich eigentlich nur ein ſubſidiäres Eingreifen des faiferlichen Fis-
kals gewahrt. Ganz ähnlich überliegen auch die Xerritorialobrigfeiten
diefe Handhabung vielfach mehr oder weniger autonomen Korporationen
innerhalb ihres Staatsgebiets. Je nach dem Mafe ver Selbftänpig-
Kapitel.) Eigentümlichkeiten in der öfterreichiichen Preßpolizei. 557
feit und der firchenpolitijchen Stellung diejer letztern vollzog fich dann
jene Handhabung im Einklang mit der Staatsgewalt und unter ihrer
thatjächlichen Direktive, oder im direkten Gegenjaß zu ihr, ja im förm—
fihen Kampfe mit verjelden. So zum Teil fogar in Ofterreich. Nicht
ohne einen jolchen emergijchen Widerſtand vermochte die Jeſuitenpartei
die Oberhand zu gewinnen und die Prefpolizei am fich zu reifen. Die
ſteiriſche Landſchaft 3. B., Überwiegend dem protejtantiichen Glauben zu-
getban, hatte jchon jeit 1571 das Recht der Ausübung der Cenſur für
fih in Anjpruch genommen, auf dem Yandtage zu Brud 1578 auch for:
male Bejtimmungen darüber getroffen. In ven darüber mit der Staats—
gewalt entjtehenden Differenzen juchte fie nach Möglichkeit ihre Rechte
gegenüber ver Regierung, welche die Beauffichtigung ver Preffe und des
Drudergewerbes erklärlicherweife als ein überall anerkanntes landesfürft-
liches Regal bezeichnete, zu wahren. Nach hüben und drüben wurde mit
Verboten vorgegangen, und die Nachwehen dieſes Antagonismus zeigen
fih noch bei Gelegenheit der Einführung des Gregorianifchen Kalenders.
Erit Die definitive Austreibung der Proteftanten aus Steiermark machte
diejen eigentümlichen Verhältniſſen ein Ende.“ In Breslau bewahrte
fih der protejtantiiche Magiftrat jogar bis weit in das 17. Jahrhundert
hinein das Cenſurrecht. Noch im Jahre 1666 bethätigte er fein Selb-
ftändigfeitsgefühl, indem er eine als Pasquill charakterifierte Schrift
Johann Schefflers (Angelus Silefius) gegen den leipziger Profeffor ver
Theologie Johann Adam Scherzer unterprüdte, und zwar, wie Scherzer
rübmend betonte, „ohnerachtet er einen Päpftlichen Herren recogno-
seiret”. ?
Ähnlich wie in Ofterreich lagen die Dinge in Bayern. Hier wie
dort herrſchten der Kirche blind ergebene Fürften, deren Politik Religion,
und deren Religion wieder Politif war. Bayern unterjchied fich höch-
ftens dadurch von Dfterreich, daß jeine Herzöge, außer eigenfüchtigen
Hausinterejfen, faum einen politiichen Gedanfen hatten und bei dem be-
ihränften Umfang ihres Gebiets auch nicht zu haben brauchten, währen
Ofterreich als Großſtaat eine jelbitändige Politik verfolgte, auch ab und
zu mit Rom zerfiel und auf die Dauer nicht hermetifch verjchlofjen wer:
den konnte. Oſterreich benußte vielfach die römifche Kirche für jeine
Zwede, Bayern aber ließ fich von der römischen Priefterichaft gehorſam
für deren Interefjen ausbenten. Yetteres war deshalb jahrhunvertelang
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558 Bayerns Preßpolizei ganz unter kirchlicher Herrſchaft. Neuntes
nichts als eine römiſche Provinz in Deutſchland und rottete den Pro—
teftantismus mit Stumpf und Stiel aus, OÖſterreich dagegen duldete
wenigftens zum Teil die Andersgläubigen, wenn es ihnen auch das Yeben
jauer genug machte. Am 16. Jahrhundert, ja bis nach dem Ende des
Dreißigjährigen Kriegs waren es darum auch feine politifchen Gefichts-
punkte, jondern war es lediglich die Verteidigung des katholiſchen Glau—
bens und die Abwehr jeder religiöjen Neuerung, welche die bayrijche
Genjur bejtimmten. 1° Schon 1523 erließen die bayrijchen Herzöge, um
die Ausbreitung der Yehre Yuthers zu verhindern, ein ftrenges Verbot
gegen die Einjchleppung ver beutjchen Bibelüberſetzung. Am 6. Januar
1540 folgte ein ähnliches „gegen Verbreitung von mannicherlay erger-
(ich und verfüerifch büecher, gedicht und chmachichrifften darauf dann erger-
nuß, verfüerung und ander übel ervolgt”; allein die angebrohte Strafe
der Wegnahme jchüchterte damals niemand ein. Im Religionsmandat
vom 15. Juli 1548 wurde wiederholt eingejchärft, Bücher und Schriften,
jo „von bäbftlicher Hailigfeit und dem Stuel zu Nom als verfiteriich
erfhendt over jonft unjers chriftlichen glauben, hailjamen leeren und ſatzungen
ver heiligen Coneilii zugegen fein möchten‘, nicht zu verkaufen, noch in
den Häufern zu dulden. Wer dawider handelt, joll „als Verachter der
chriftlichen Kirchen, der Kayſerlichen Majeftät und des Landesfürſten“ an
Yeib und Gut geftraft werden. Als 1564 ber erjte römijche Index li-
brorum prohibitorum berausfam, ließ Herzog Albrecht V. jofort das
päpftliche Verbot jowie das Verzeichnis der von Nom verworfenen Bücher
in feinem Yande nachpruden und verbreiten, ja er belegte die wegen ver:
botener Lektüre mit dem Interpift Bedrohten auch mit weltlicher Strafe.
Defjenungeachtet, erzählt Karl Theodor Heigel in jeiner „Cenſur in Alt-
bayern‘, mußte ein Mandat des Herzogs vom 1. März 1565 konſta—
tieren, daR die bisher ergriffenen Maßregeln nichts gefruchtet, da nad
wie vor „die jectifchen unjer wahren alten Gatholifchen Religion wider:
wertige bicher, tractätl, famose jchrifften und ergerlich ſchändliche gemäll“
ins Land eingejchmuggelt würden. Da fich die Buchführer, bei denen
verbotene Ware gefunden wurde, „mit ihrem Unverſtandt entjchuldigen
und durchbringen wollen, als ob fie, was gutt oder bös, oder wo das
Catholiſch oder widerwertig herzunemen, nit wiſſen, noch verſtehen“, ſo
greift die Regierung zu einem draſtiſchen Mittel, indem gewiſſermaßen
eine geiſtige Demarkationslinie gezogen wird: es dürfen nur theologiſche
Kapitel.) Der bayriiche Katalog erlaubter Bücher. 559
Schriften fernerhin verkauft werden, die in München oder Ingolftadt,
ferner in Dillingen, Mainz, Köln, Freiburg im Breisgau, Wien, Inns-
brud, Baris, Löwen, Venedig, Rom, Florenz, Bologna oder in Spanien
gedrudt find. Wer andere Tractätl, Gebet- oder Gejangbücher ins Yan
bringt, joll von der bürgerlichen Obrigkeit in Haft gejeßt werben, feine
Büchervorräte find wegzunehmen, eventuell kann auch, „va die Verbrecher
jo gar freventlich“, Landesverweiſung „mit oder ohne öffentliche Schandt“
verhängt werden. Noch genauer wurde durch einen „Catalogus der
Büecher und Schrifften, unfer Heilige Religion und Geiftliche jachen be-
langendt, welche im Yandt zu Bayın, offentlich feyl zu haben und zu
verfauffen, erlaubt ſeindt“ fejtgejtellt, welche Bücher und Schriften fürder—
bin in Bayern als verbotene Ware anzujehen. Dabei wird auch ange:
ordnet, daß ſich die Buchhändler zum Drud erlaubter Bücher nur ver
katholischen Drudereien in Bayern bedienen follten. Die Sorge und
das Verbot der Regierung erjtredten fich aber nicht bloß auf geiftliche
Schriften: „damit aber auch die Buchhandler iren vortl, der weltlichen,
als infonderhait Hiſtoriſcher Bücher nit zu weit ziehen, als in deme fie
permainen wolten, jie möchten vergleichen Weltliche Ding, e8 were ge-
truckht, wo es wölle, ohne jcheuch oder forg ainiger ftraff, in Bairn
berein und undter die Leuth jchlaichen‘‘, jo werben die Chronif des Slei—
danus, die Türkifchen Hiftorien des Heinrih Müller, die Werfe von
Johann For, Sebaftian Frand, Flacius Illyricus u. a. verboten, des—
aleiben auch die neuen Tractätl, die in Teufels Namen intituliert find,
als Hofenteufel, Spielteufel u. a., „danne ob und wohl alle die das an-
ieben haben, als ob fie alferding politifch und allain gueter zucht halben
gejchriben ſeyen, jo fjeindt fie doch der ergerlichen Erempel und anzug
balben nit zu leiden und fait aljo gejchaffen, das fie veme, deſſen Titl
fie tragen, zu jeinem Reich am maiften dienen‘,
Die Anfhaffung von Büchern wurde überhaupt möglichit erjchwert;
jogar Prälaten durften nur nach dem vom berzoglichen Inquifitiong-
gericht, das natürlich faſt mur mit Jeſuiten befett war, gutgeheißenen
Verzeichnis die Auswahl treffen. Noch ftrengere Vorſichtsmaßregeln traf
der Jeſuitengönner Wilhelm V.; durch Mandat vom 1. Augujt 1580
wurde ausgejprochen, daß jeder, bei dem ein fegerijches Buch befunden
würde, „mit einer ſolchen Straf belegt werde, darob andere vil Tau—
jendt ein abſcheulich Erempel empfachen“. „So wir... aus teglicher er:
560 Verfügungen Wilhelms V. Aventins Chronif. [Meuntes
farung, fleiffiger Nachforjchung und warer erfundigung tm werkh lauter
befünden, daz joldhe jchödliche verbambte Irrthumben, Ketzerehyen, Zwb:
jpalt, Aufruern und Abfaal won unjerer waaren Catholiſchen Religion
auch erbarmlicher, verberblicher undergang und verwüeſtung viler König-
reich, Fürftenthbumb und Yandt merern thailg und ſchier allein aus ven
verbottenen faljchen Ketzeriſchen Püechern, Tractätlen und jchrifften, welce
Gott und feiner heiligen Kirchen zuwider, allen Chriftglaubigen zu böc-
jtem jchaden und verderben irer Seelen entjpringen und heerflüeßen une
durch diejelben dem menjchen gleichjam durch ein Instrumentum over
Trachter ein ſüeſſes gifft und ewiger jchaden an Leib und Seel einge
jchleicht und eingegofjen wierdet, welchem wir bey zeiten mit allem vleis
zufürfhommen nit allein genediclich bedacht, ſondern es für die höchite
notturfft halten“, wird aufs ernftlichjte bei Vermeidung „unlöslicher Straf
und Ungnad“ befohlen, alle feterifchen und verdächtigen Bücher am vie
weltliche Obrigkeit oder den Pfarrer des Orts abzuliefern, damit fie je-
fort an die Regierungen und durch dieſe an den Herzog jelbjt eingejandt
würden. Ausprüclich wird auch hervorgehoben, daß von jolchem Ber:
bot, ſchädliche Bücher zu leſen, auch der geiftlihe Stand, Prälaten,
Pröpjte, Dechanten, Pfarrer und gemeine Priefterjchaft nicht ausgenom-
men jein jollten.
Auch Aventins Chronif gehörte jett zu den verbotenen Büchern; da
fie aber doch nicht gänzlich dem Gebrauch entzogen werben fonnte, griff
man zu einem andern Mittel, um die unverfänglichen Partien dem Publi-
fum zugänglich zu machen. „Zu Befürderung der ehrn Gottes, unjerer
heiligen Gatholifchen Religion und gemeines Nutz und wolſtandts des
vatterlandts“ bejchloß der Herzog „ein Werdh verfertigen zu laßen, wie
vor diſem ungeverlih Johannes Aventinus, jo aber aus rechtmefigen
urjachen verbotten und hin und wider manglhafft gejchriben.” Der ber-
zoglihe Archivar Michael Arrodenius wurde mit diefer Aufgabe, die
ſich im wejentlichen auf Herjtellung einer faftrierten Ausgabe Aventins
bejchränfen jollte, betraut. Arrodenius erhielt zu dieſem Zwed vom päpft-
lichen Inquifitionsgericht durch eine fürmliche Urkunde (3. Oftober 1589)
Erlaubniß, „ven verfluchten Gejchichtichreiber Aventin“ frei von Sünde
und fanonijcher Strafe, wie auch behufs der ihn vom Herzog anbefob-
lenen Arbeit noch einige andere verpönte Schriftfteller zu fejen, jedoch
unter der Bedingung, fich nicht länger als fünf Jahre und ganz allein
Kapitel.) Die Schulbücher. Cenſurkollegium Marimilians 1. 561
damit zu bejchäftigen und nach Ablauf dieſer Friſt alle Bücher dem
Biſchof von Freifingen auszuliefern, damit fie jogleich verbrannt würden.
In ven Schulen wurde natürlich noch jorgfültiger auf Unverfänglichkeit
des Vehritoffs gejehen, und ver kaſuiſtiſchen Moral der Väter Jeſu paß—
ten auch die heinnifchen Autoren nicht. Die 1569 von Jeſuiten ent-
worfene Schulorpnung jchreibt vor, daß ſtatt des Birgit: Hieronymus
Vida und Baptifta Mantuanus, jtatt des Horaz: Prudentius, Flami—
mins und Johannes Pedioneus, jtatt des Ovid: Ambrofins Novidius
gelejen werden jollten. Auch unter dem glaubenseifrigen Maximilian I.
gab man jolche Bevormundung nicht auf. Da noch immer verbotene
Bücher duch Schleichhanvel im Publikum verbreitet wurden, erging jo-
zleih nah Maximilians Kegterungsantritt eine ernjte Warnung (13. März
1598), dar demnächſt ftrenge Hausdurchſuchungen bevorftänden und alle,
bei venen fich verbotene Schriften finden würden, „daraus dann eines
jeven feßeriiches, verftocdtes und halsjtarriges Gemüt unfehlbar abzu-
nehmen“, andern zu abſcheulichem Exempel geſtraft werden jollten. Die
Verbote wurden in der nächſten Zeit mehrfach wiederholt und es blich
auch nicht bei der bloßen Drohung. Es fanden in ver That häufig Vifi-
tationen jtatt; namentlich die fremden Bücherballen in den Buchläden
wirden eifrig durchjucht und man wandte dabei jelbit dem dazu ge:
brauchten Padpapier Aufmerkfamfeit zu. Auch bei Todesfüllen wurven
Die im Nachlaß vorgefundenen Drucjchriften unterjucht und eventuell die
den Befitern verbotener Bücher angedrohte Strafe über die Erben ver-
bängt. Die Inftruftion für den geiftlichen at vom 20. Dezenber 1608
ihärfte wiederholt ein, die Buchführerlävden namentlich auf Dulten und
Jahrmärften zu vifitieren und die vorgefundenen jektiichen Bücher zu
fonfiszieren; alle in Bayern zu drudenden Werfe waren vorher ver Gen:
jur zu unterwerfen und ohne Imprimatur durfte feins in den Buch-
bandel fommen. Grläuternd wurde in einem Generale vom 24. Janıtar
1609 hinzugefügt: „Zur Genjur der in Miinchen gedrucdt werdenden
Bücher find zwar jedesmal einige aus den geiftlichen Räten zu deputie-
ven; wenn aber jolche Tractätl und Sachen, zum Drud bejtimmt, vor-
gelegt werden, die etwas wichtig und disputierlich find, jollen auch andere
Seiftlihe und gelehrte Perſonen beigezogen werden. Es joll auch ferners
der Dechant bei U. l. Frau alle und jede cenfierte Traftate und Schrif-
Kapp, I. 36
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562 Drganijation der Cenſur. Gewerbspatente für den Buchhandel. [Neuntes
ten cum solita attestatione und Beijeßung jeines Tauf- und Zunamens,
wie e8 zu Ingolſtadt gebräuchlich, unterjchreiben, welche Atteftation von
den Buchorudern jedesmal entweder zu Anfang oder am Ende der cen-
jierten Schrift bei Vermeidung unausbleiblicher Strafe mitgeprudt wer:
ven ſoll.“ Da unter ven „Geiftlichen und gelehrten Perjonen“ nur Je—
jniten verjtanden waren, jo bleibt nicht zweifelhaft, in welchem Zinne
die Verordnung gebanphabt wurde. In die berjogliche Bibliothek wur—
den zwar auch feßerijche Bücher aufgenommen, aber nur Feltgläubige,
welche einen eigenen Dispens vom Papft oder von der römischen Inquiſi—
tion bejaßen, erhielten Zutritt zu dem wie ein Gefängnis jorgfältig be
wachten und verſchloſſenen Schranf ver Remota.
Neue Genjurfollegien wurden dur ein Mandat vom 6. Juli 1616
eingeführt. In jeder Stadt und in jevem Markt jollen zwei verjtändige
und eifrig katholische Bürger als herzogliche Kommifjare nebjt dem Pfarrer
oder Prediger jährlich zweimal zu Markt: over anderer Zeit bei allen Bud
führern und Briefträgern unvermutet wijitieren und über die Verkäufer
verführerifcher oder feterijcher Bücher und Yiever eremplariiche Strafe
verhängen. „Überhaupt ijt der Buchhandel in Zukunft ohne Spezial-
erlaubnis und Grteilung eines offenen Patents niemand mehr zu ge—
jtatten und den ausländiſchen Krämern verboten, vor gejchehener Biji-
tation auszulegen.“ Als auch dieſe Mafregeln nicht den gebofften Er—
folg hatten, wırde am 22. Februar 1639 eingejchärft, auf die Einjchwär-
zung unzuläffiger Prognoftifen, Kalender, Praktifen „und wie man andre
verley Scartechen zu nennen pflegt“, ein achtſames Auge zu haben, und
dieje Mahnung durch Dekret vom 7. April 1644 wiederholt. „Der geiit-
liche Rat ſoll jtets ein eigenes Mitglied des Gremium mit dem Bifi
tationswejen betrauen, insbejondere jollen die BVifitatoren nicht nur vie
Stübchen der Buchführer, jondern auch ihre Felleiſen, Badete und Truben
durchjuchen, worin jene gemeiniglich diejenigen Scartechen, deren wegen
fie fich zu fürchten haben, verbergen, desgleichen auch das Einjchlagpapier
wohl beachten, da von Augsburg und Nürnberg viele Ballen jolcben
Papiers eingeführt würden, welche gemeiniglich nichts anderes als unzu—
läſſige und verbotene Drudjchriften jeien. Eine Verordnung vom 22. Mär;
1645 bedeutete die Buchpruder, daß fie neben dem faijerlichen Privilegio,
wenn fie ſolches haben, allzeit auch das furfürftliche juchen und in fron-
tispieio beider Privilegien Meldung thun jollen, widrigenfalls man die
Kapitel.) Verfolgung der Schwendfeldichen Schriften. 563
Bucoruder lehren würde, was jie gegen ihren Kur- und Yanvesfürjten
vor Reſpekt zu bezeugen haben.” So weit Heigel.
Seit um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Jeſuiten in Bahern
Eingang gefunden und in Ingelitadt 1557 ihr erites Kollegium errichtet
batten, war dieje Univerſität ihre feite Burg geworden, von welcher aus
jie einen Kampf auf Yeben und Tod gegen die Reformation eröffneten
und jchlieklich fiegreich durchführten. Namentlich ging von dert auch
die Verfolgung der Prefje aus. Hier nur ein Beifpiel, welches bis jetzt
im Ztaube des augsburger Ztadtarchivs vergraben gelegen hat und
einen Haren Einblid in die Genjurverbältniffe des von ven Vätern Jeſu
beherrſchten Herzogtums Bayern gejtattet.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts gab es in ganz Deutjchland
wohl kaum einen gebaktern umd gefürchteten „Sektierer“ als Kaſpar
Schwenckfeld (1490 bis 1561), der durch jeine Tauf- und Abenpmable-
lebre, jowie durch die von ihm angeftrebte Berinnerlichung der Reli—
gion, jewohl ven katholiſchen als ven protejtantijchen Gewalthabern
äußerſt unbequem war und auch ven bejondern Zorn Yutbers gegen
ſich beraufbejchworen hatte. Seine Anhänger, wenn auch frienfertige
und jtille Yeute, waren jo gut wie vogelfrei; mamentlich aber hatten
jie in den ſüddeutſchen Neichsjtänten, in Ztrafburg, Augsburg und
Um, wo Schwendfeld die lebten Jahre jeines Yebens zubrachte, Miß—
bandlungen und Unbilden aller Art auszuftehen. In der Berfolgung dieſes
„greulichen Irthumbs“ ſtimmten Katholifen und Proteftanten brübderlich
überein, ja lettere übertrafen womöglich jene noch in ihrem Glaubens—
eifer. So erjuchte Herzog Chriftoph von Wilrtemberg am 20. Auguit
1563 ven Nat von Nürnberg um Beichlagnabme verſchiedener Schwend-
feldſcher Schriften, die dort geprudt jein jollten. Der Rat antivortete am
18. November 1565, daR er dieje Sektierer und ihre Nonventifel unter
feiner Beringung dulde, daß er in allen Drudereien und Buchläden
nach jolcben Büchlein gefragt umd gejucht, aber feine gefunden babe,
und daß auch von der lebten Frankfurter Meſſe keine in die Stadt
gebracht worden jeien. Ebenſo beſchwerte ficb im Jahre 1571 Graf
Albrecht von Hohenlohe beim Rat von Aranffurt über die dort ge
druckten Schwenckfeldſchen „Famosſlibelle“. Yetterer lieh die Buchgaffe
nach ibmen durchjtöbern, fand indeſſen, wie bei ſolchen Bifitationen
meift ver Fall, feine dergleichen. Daß in Augsburg verjchievene Schriften
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564 Prozeß gegen Hans Wegler (Gögerer) in Ingolſtadt. [Renntes
Zchwendfelos geprudt waren, vermutete man zwar jeben lange, fand
aber feinen Beweis dafür. Endlich lieferte ihn Herzog Albrecht von
Bayern.
Ein Bürger von Augsburg war als Drucker Schwenckfeldſcher Schrif—
ton durch einen andern Druder, Namens Tanneder, angegeben worven.
Non einem Freunde, dem befannten Buchhändler Georg Willer, gewarnt,
job der Unglüdliche, um ver Unterjuchung zu entgeben, gegen Faſtnacht
1559 nad Ingolſtadt und arbeitete hier bei dem angejehenen Druder
Weißenhorn als Gejelle, wurde aber durch den Herzog erwijcht und ge-
fangen gejeßt.
Wie der Mann eigentlich hieß, geht aus den Aften nicht hervor;
von jeinen Ausſagen ift feine unterjchrieben. In dem ohne Zuziehung
eines Schreibers und ohne Angabe eines Datums aufgenommenen Pro-
totell wird er zuerjt Hans Wegler, dann Wegeler, jpäter und zulett
(Nögerer genannt; doch findet fich ein Gögerer over Wegler nicht in den
augsburger Stenerliften. Aus den Akten erhellt, daß Wegler (möge er
nach dem erjten Verhör jo beifen) um die Mitte ver dreißiger Jahre
bei Philipp Ulbart in feiner Vaterſtadt Augsburg in der Lehre war,
dann mach Ulm ging, wo er mit den Schwendfelvianern befannt wurde,
und endlich, nach größern Reifen wieder in jeine Heimat zurüdgefebrt,
eine eigene Druderei in Augsburg errichtete. Es muß im Herbit 1559 -
geweſen ſein, daß Wegler wegen des Drudens Schwenckfeldſcher Schriften
in Ingolſtadt zur Unterfuchung gezogen und einem peinlichen Berbör
unterworfen wurde, in welchem er unter Drohung „der Gichtigung (Fol-
ter) bei der ftrengen Frag” auf fieben Punkte zu antworten hatte. Die
Drohung gelangte in jpätern Verhören auch wirklich zur Ausführung.
Zweimal wurde dem Angejchuldigten das Gedächtnis durch die Folter
aufgefrijcht.
Die fieben Fragen lauteten in ihrem wejentlichen Inhalte: 1) Wie
lange er eine eigene Offizin gehabt und welche deutſchen und lateinijchen
Bücher er in jolcher Zeit gedrudt habe? 2) Ob und von welchen Skri—
benten er bejtellt worden jei, ihre Schriften zu druden, und ob Schwend
jeld fich micht auch unter ihnen befinde? 3) Wenn er befennen jollte,
dar er für den Schwendfeld gedruckt, wie deſſen Bücher bieken, wer jie
ibm zugebracht, wer mit ibm über das Druderlobn paktiert, wer es ibm
bezahlt und wohin er, Angeflagter, die Eremplare getban babe? 4 Ob
Kapitel.) Prozeß gegen Sans Wegler (Gögerer) in Ingolſtadt. 565
er nicht ven deutſchen Dialog gedruckt, „des Titel ſei: Warumb nit nütz—
lich geweſt, das Herzog Johannes Friedrich Churfürſt wider Kaiſer Caro—
lum geſiegen möge”, der vor 1", Jahren erſchienen; wer ihm dasſelbe
befoblen oder verowegen mit ihm unterhanvelt, wer das Druderlohn
bezahlt, wer der Autor jei, wie viel Eremplare er gebrudt und wem er
fie zugejtellt habe? Warum er die Jahreszahl poftponiert, des Autors
und jeinen, als des Druders, Namen nicht dazu gejett habe? 5) O
er nicht auch das Paifional vom gefangenen Kurfürften, in weifen Auf:
trag und im welches Autors Namen geprudt habe? 6) Von wen das
Spiel von der Zerftörung des Papfttums ausgegangen? 7) Ob er das
ſchandbare und aufrühreriiche Pasquill, ver Jägerteufel genannt, gedruckt
eder ob er jenft wilfe, wer und welcher Andere der Druder und wer
der Autor jei?
In dem eriten Verhör beantivortete der Angejchulvigte die obigen
ragen wie folgt: Ad 1. Er befite jeine Werfitatt jeit prei Jahren, aber
mar deutjche und feine lateinischen Schriften. Er habe meiftens deutjche
Yieder, aber auch von Schwenckfeld jechjerlei gegen Illyricum gerichtete
Skripta geprudt, welche ihm dieſer jelbft zugeſchickt. Der Titel erinnere
er ſich nicht; die Auflagen jeien Hein gewejen, ettwa 300 bis 400 Erem-
plare ſtark. Bor 24 Jahren babe er bei Philipp Ulhart in Augsburg
gelernt, vor 18 Jahren in Ulm bei Sebajtian Franck gearbeitet und in
jener Zeit verjchievene Schriften gedrudt, wie von der Sünde, von Adam
und Chrifto und andere mehr, veren Namen ihm entfallen. Man fünne
die Büchlein noch bei Ulhart finden. Ein Präpifant, Bonifactus ge—
nannt, habe ihm joldhe Bücher gebracht. Ad 2. Andere Skribenten
habe er nicht, die er drudte, oder die ihm Bejtellungen gäben. Ad 3.
Er wife, wie ad 1 bemerkt, die Titel nicht mehr, aber die Schriften
jeien ihm zugebracht worden von einem Kürfchnergejellen, Namens Abel
Werner, deſſen Vater Prädifant in Schleim (Schlefien?) geweien jet.
Diejer habe eine Poftille, des Werners Poftille genannt, in Pforzheim
pruden laſſen. Genannter Abel habe fich mit ihm, dem Angeklagten,
um das Drückerlohn geeinigt, ihm das Papier zugetragen, ihn für das
Wert bezahlt. Das böje Büchlein, jo er gedruckt, jei ibm noch wohl
wißlich; es heiße „Das chriftliche Bedenken“. Im diejer Zeit jet Schwend:
feld beim Grafen von Pla (im Original nicht ausgejchrieben) gewejen.
Derielbe babe ihm öfter, aber ohne Datum gejchrieben und nie gemeldet,
ori. en not on ein, 2.20.20.
566 Prozeß gegen Hans Wegler (Gögerer) in Angolitadt. Neuntes
we er ſei. Die Titel ſeien mit Schwenckfelds Namen bezeichnet ge:
weſen; genannter Abel Werner habe die Bücher jtets gebracht und fie
wieder weggetragen. Wo verjelbe jetzt jet, wiſſe ev nicht; ev babe ihn
jeit einem halben Jahre nicht mehr gejeben. Ad 4 gejtehe er, daß er
den Dialogum gedruckt und daß David Pannuke ihn unter dem Per:
jprechen darum gebeten habe, daß er ihn werer zu Augsburg, noch anderswo
als in Frankfurt verkaufen wolle. Derſelbe babe ihm auch die Young
für die ganze Auflage von etwa 1000 Exemplaren bezahlt. Angeſchul—
digter kenne den Berfaffer nicht, Abraham Schaller, Sohn ves Dans
Schaller in Augsburg, babe ihm die Drudvorlage zugetragen und ge:
wünſcht, daß er die Jahreszahl poſtponiere und eines Druders Namen
nicht dazu jeße. Add. Er habe auch die Paſſion vom gefangenen Kur:
fürjten gedrudt, die ihm obgedachter Abraham Schaller zugebracht, wäh—
vend Diejer ihm den Namen des VBerfaffers nicht genannt habe. Ad
habe er das Spiel von der Zerjtörung des Papſttums für Parnmuten
ſelbſt gedruckt und die Formen dazu gejehnitten, allein nichts davon ac
wußt, dar er's feil haben wollte. Pannuke jet deshalb auch bis im vie
17 Wochen gefangen gejeßt und ein Schuhmacher, des Namens Gott.
lieb Wytt, jet auch darob einfommen Ob aber gevachter Schuhmacher
jolches gemacht, gebeſſert over geändert babe, wiſſe er nicht. Derſelbe
jet auch bald aus dem Gefängnis entlaffen worden und noch ein Bürger
in Augsburg. Ad 7 wiffe er von dem Pasquill, „Der Jägerteufel“ ge—
nannt, nichts und beteuere jeine Unjchule. Wenn man ihm aus dent
Gefängnis entlaffen wolle, jo würde er fein ganzes Yeben lang nur als
Sejelle arbeiten und fich alles verbotenen Drudens enthalten. Gr bitte
unterthänig um Gnade und Entlafjung aus dem Gefängnis.
In dem zweiten (peinlichen) Berhör ergänzte Wegler jeine bisherigen
Ausjagen dahin: Er habe die veutjchen Yiever (Boltsbücber ?) rieswetie
für Georg Willer in Augsburg geprudt, aber feine Schriften, noch beim-
liche Bücher ihm drucken helfen; ev erinnere ſich unter den für denjelben
gebrudten des „Rollwagen“, des „Gejellichaftsgarten“ (Gartengeſell—
ſchaft?), des „Neichsteufel“, der „Zehn Alter“, des „Gehörnten Sieg—
fried“ und vergleichen Fabeln. Er wiſſe nicht, wer in Augsburg beim:
liche Bücher drucke und könne auch nicht jagen, ob Philipp Ulhart und
Valentin Ottmar es thäten. - E8 jeien ihm andere jeltijame Bücher zu
drucken auch nicht zugekommen, außer den zweien, welche ihm der Abraham
Rapitel.! Prozeß gegen Hans Wegler (Högerer) in Ingolſtadt. 567
Schaller zugetragen. Es ſei auch ſonſt niemand bei ihm geweſen außer
dem Abel Werner, welcher ihm die ſechs Schwenckfeldſchen Büchlein,
gegen Illyricum geſchrieben, zugetragen. Er ſei zur Zeit im Land Sach—
ſen geweſen, der (da?) Herzog Heinrich von Brandenburg (Braunſchweig?)
gefangen genommen, habe aber fein Büchlein weder vom Schmalkaldijchen
Krieg noch von andern Dingen berausbracht. Auch habe er in Sachſen
over Magdeburg feine Gejellen, die ihm folche Büchel herausjchidten,
dergleichen auch weder in noch außerhalb Augsburg verjchidt. In jener
Druderei helfe ihm jein Knabe Victor Klein und der Jakob Grunver-
haus und Sichel Pannaus aus Altenburg, der ihm den Dialogus babe
druden helfen. Er wiſſe wohl, daß ihm die Obrigkeit verboten, „Schmach—
teufel” zu drucken. Er jei aber durch ven Abraham Schaller mit guten
Vorten berevet worden, auch von Pannuke, der jamt Bieren zu ihm
in jein Haus fommen, jo mit Namen Matthias Hofer, der in Briefen
aber Erhard Eyller und einer Sammel genannt, jo gejchrieben. Dieje
bätten ihn gebeten, jolcbes zu drucken, fie wolltens in der Stille halten
wm aus dem Yande verführen, er aber jei durch jeine große Armut
dazu beiveget worden. Bon Augsburg jei er feiner andern Urſach wegen
geflohen oder ausgetreten, allein von der zwei Schmähbüchlein wegen,
jo er gedruckt. Auch habe ihm niemand Hilfe noch Vorſchuß gethan,
denn der Georg Willer babe ihn gewarnt und deshalb jei er jtrads gen
Ingolſtadt zum Weißenhorn gezogen.
„Iſt letztlich angeredt, was er zu Augsburg für Geſellſchaft hab, ſo
dergleichen Schmachbüchel drucke oder denen er dazu geholfen; auch darauf
drei Mal mit Gewicht aufgezogen und ziemlich lange hangen laſſen ſdieſer
dritte Grad der Folter beftand im Ausreden des Körpers mit rückwärts
ausgerenkten Armen auf einer Peiter, wobei Gewichte an die Füße ge:
bängt wurden), aber er will nichts befennen, daß er einen heimlichen
Sejellen hab, alſo auch ftrads dabei verharrete. Dit auch auf die hier:
orts gejchriebenen Artifel deren drei Mal leer aufgezogen worden (weil er
es mit den Gewichten nicht mehr aushalten fonnte), aber mereres oder
anderes nichts befennen wollen.“
Hier enden die Verhöre. Sie müſſen im Oftober 1559 jtattgefunven
haben. Am 28. Dftober 1559 wenigjtens teilte fie Herzog Albrecht dem
augsburger Rate nur deshalb mit, weil er den jungen Schaller noch be:
fragt haben wollte und mehr berauszubringen hoffte. Welchen Anteil
568 Die lutheriſchen Neichsitädte. Straßburg. Neuntes
der Rat an der ganzen Unterſuchung genommen hat, iſt nicht erſichtlich;
ein Antwortſchreiben von ihm findet ſich nicht bei ven Akten. Doch dürfte
die gefüngliche Einziehung Georg Willers in Augsburg am 10. Oktober
1559 und die vorläufige Bejchlagnahme und darauffolgende Durchſuchung
jeines Bücherlagers nach Famosſchriften mit diefer Angelegenheit im Zu-
jammenbhang jtehen. Was ans Wegler geworden tft, darüber jchweigt die
Sejchichte. Sein Fall war eben zu jener Zeit kein jeltener, weshalb man
auch fein Aufhebens davon machte.
Die Iutherifchen Reichsſtädte bieten ein von den bisher gejchilverten
Zuftänden ganz verjehievdenes Bild. Statt ſich zur Zurüchveifung ver
ihre Intereſſen ſchädigenden faiferlichen Erlaſſe und Befehle über eine
gemeinjchaftliche Politik zu verjtindigen, handelten fie jede für jich und
ichwächten dadurch ihren Einfluß, der bei ihren reichen Mitteln und aus:
gedehnten Verbindungen durchaus micht zu umterjchäten war. Gleichwobl
tritt im ihnen allen faſt zu derſelben Zeit und zwar ımmittelbar nad
dem Wormſer Edikt eine, wem auch läſſig durchgeführte Preßpolizei,
aber noch feine Präventivcenfur auf. Nur in wenigen Städten reicht
dieſe Anfficht über die Preffe bis ins 15. Jahrhundert zurüd, jo ;. 2.
in Straßburg, wo jchon 1488 ein Einfehreiten gegen mißliebige Bücher
jtattfand. In dieſem Jahre nämlich ſchrieb Friedrich TIL, wie C. Schmitt
erzählt !, an den Magijtrat, ev babe in Erfahrung gebracht, es jolle zu
Straßburg eine Schrift Über den Krieg des Königs von Ungarn gegen
das Reich gedruckt werden und es jei darin des Kaiſers „ettlicher Maffen
jchimpflich gedacht“; er verlange daher, dar fie „abgethan“ werde. Es tt
nicht8 von einer jolchen Schrift bekannt; war fie aber dort gedruckt, jo wurde
fie auf Befehl des Rats vernichtet. ine Cenſur im modernen Sinne
des Wortes hat weder damals noch jpäter in Strakburg erijtiert; der
Meagiftrat griff nur ein, wenn irgend jemand durch eine jüngjt erichienene
Publikation beleidigt zu jein glaubte. Er übertrug dann die Prüfung
bald dem Ammeiſter over einigen Ratsherren, bald dem jeit 1500 als
Stadtjchreiber und Syndikus angeftellten Sebaftian Brant. Das erjte
verbotene Buch war, 1502, Murners „Germania nova“, die Wimphe
lings Groll erregt hatte und über die ein ungenauer Bericht an Kater
Marimilian gelangt war. Den 24. Februar 1504 ließ deshalb ver Aut
durch den Ammeifter Peter Arg neun Buchdrudern eröffnen, fie jellten
weder etwas gegen den Papft, ven Kaiſer, den römijchen König, Die
Kapitel.) Negellojes Einjchreiten in Straßburg. Nürnberg. 569
andern Fürjten und Reichsſtädte, noch „jchändfiche und üppige Lieder
ausgehn laſſen, ohne Wiſſen und Willen Meifter und Rats‘. Letztere
blieben aber trotzdem bei der frühern Praxis, nicht cher einzufchreiten,
als bis man fie deshalb anſprach; jo unterjagten fie 1514 den Drud
von Murners „Geuchmatt“ erſt, nachdem die Barfüßer, die einen An
griff auf ihre Lebensweiſe argwöhnten, ſich darüber beſchwert hatten;
Murner erhielt jedoch ſein Manujtript zurüd. Im die Verbote zu um:
gehen, jeßten die Druder bald ihre Namen nicht unter die bevenklichen
Traftate, bald verbargen fie fich unter erdichteten. In der hieraus für
den Magiftrat entjtehenven Berlegenheit berief ev, wen eine namenloje
Schrift als beleidigend angegeben wurde, jümtliche Druder und forderte
fie auf, bei ihrem Eid den Schuldigen zu nennen. Im Jahre 1515
liefen Klagen ein über „ichantliche Sprüche und Lieder“ gegen die Eid—
genoffen, 1516 über ein „würtembergiſch Lied“ gegen die Kaiſerlichen.
Ter Rat erneuerte die alten Verbote umd fügte hinzu, man jolle nichts
neues derart herausgeben, e8 jet denn zuvor „durch ven Ammeijter oder
den Doktor (Brant) befichtigt und zugelaffen”: offenbar eine ſchwer aus:
zuführende Mafregel. Weder der Ammeiſter noch der Stabtjchreiber
hatten die nötige Muße, um felbit kleinere Schriften zu unterjuchen, be-
vor jie unter die Preſſe kamen. Im Jahre 1520, als die religiöje Po-
lemik begonnen hatte, erließ dann der Rat abermals ein Verbot, nicht
um die Beiprecbung der theologischen Kragen zu verhindern, jondern nur,
um groben Beleivigungen Einhalt zu thun. Er ftrafte nie die Berfaffer,
er hielt jich an die Buchdruder und Buchhändler, und dieſe wurden,
ſummariſch genug, durch Konfisfation und VBernichtung der noch nicht
verfauften Exemplare beitraft.
In Nürnberg dagegen zeigen ſich jehen vor ver Reformation ver:
einzelte Anſätze von Repreſſiveenſur. So wurde im Jahre 1513 der
Druder Wolfgang Huber vom Rate dafür gejtraft, daß er gegen deſſen
Verbot eine lugjchrift über ven Auflauf zu Köln gedruckt und ver:
breitet hatte; man jeßte ihn vier Tage auf einen Turm „in eine ver:
jperrte Kammer”. Zugleich ward bei diefer Gelegenheit bejchlofjen, daß
in Zukunft die „in eines Raths Verwandtnuß und underthenigfeit jtehen-
den” Buchdrucker alle Jahre von neuem Pflicht und Gehorjam ſchwören
jollten. Im Jahre 1517 wurde allen Buchdruckern verboten, irgend ein
neues Werk, groß over klein, unangeſagt und ohne Erlaubnis des Rats
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570 Schwankendes Verhalten des Rats in Nürnberg. |Neuntes
pruden und ausgehen zu laffen. Veranlaßt ward dieſer Erlaß durd die
faijerliche Beſchwerde, daß die nürnberger Preſſen an ver Heritellung
huifitiicher Bücher arbeiteten, weshalb denn auch zu derjelben Zeit ven
Andreas Kafchauer und Jeremias Hebel aufgegeben wurde, weder Bibel
noch andere Bücher in böhmifcher Sprache zu druden, widrigenfalls fie
ausgewieſen und anderweitig bejtraft werden jollten.
In dem bald darauf beginnenden Siegeslauf der Reformation durch
Deutjchland waren die Freien Städte, Nürnberg voran, Luther günftig
geftimmt. Schon 1518 batte der Buchoruder Friedrich Peypus ohne
Wiffen und Crlaubnis des Rats, aber auf Begehren der nürnberger
Auguftinermönche, Yutbers deutſchen Traktat gegen den Ablaß druden
laffen. Der Rat wagte Peypus nur mit einem leichten Verweis zu
jtrafen. Der ausgedehnte Vertrieb der Neformationslitteratur in Nürn—
berg iſt im übrigen bereits im jiebenten Kapitel gejchilvert worden. Zwar
veröffentlichte der Rat nach langen Beratungen das Wormjer Edikt, doch
erjt im Dftober 1521. Er verbot außerdem allen Buchführern das Feil—
halten und den Verkauf „ver Yutherjchen Büchlein und anderer Schmäb-
ichriften“, erließ auch 1522 zwei neue Verbote: das eine im März gegen
ven Verkauf von Yuthers Bildniffen mit dem heiligen Geift, jowie des
Büchleins vom neuen Glauben und anderer eben erſt zu Wittenberg neu
erſchienenen Schriften, das andere im Augujt gegen Yuthers Angriff auf
den König von England, welches Büchlein auf Verlangen des Erzherzogs
Ferdinand aus allen Buchläden weggenommmen werden jollte. Im Ja—
nuar 1523 wurde den Drudern ausprüdlich gejtattet, gegen Luther alles
das zu druden, was ihnen während des dort tagenden Reichstags zum
Drud übergeben werden mochte, und im darauffolgenden März mußten
die Stadtfnechte bei allen Buchführern nach verbotenen Büchern und
Bildern ſuchen. So fügte fich der Rat; aber nur jcheinbar. Er jehritt
eben höchſtens in flagranten Übertretungsfälfen und nur auf das äußere
Anprängen der Reichsregierung hin wirklich ein und ließ im allgemeinen
die Anhänger Yuthers jo ziemlich thun, was fie wollten.
Im fiebenten Kapitel find bereits einige Beiipiele für dieſes ſchwan—
fenvde und binterhältige Auftreten des Rats beigebracht worden; fie mögen
bier noch eine weitere Ergänzung finden. Als Erzberjog Ferdinand und
der piüpitliche Nuntius Campeggi ji im Frühjahr 1524 darüber be
jchwerten, daß ver Rat die Lutherſchen Schriften banfenweije vruden
Kapitel.) Einichreiten gegen Münzers Anhänger, Unficheres Auftreten ſeit 1525. 571
und verfaufen lafje, während er den Papiften für ihre Bücher nicht die—
jelbe Gunſt erweiſe, behauptete ver Rat, daß jeit Jabren feine Bücher
mehr für Yuther gedruckt ) und daß die gegen dieſen gerichteten Zchrif-
ten zwar nicht verboten, allein in Nürnberg nicht verfäuflich feien. Da—
gegen verhinderte er dan wieder, um ſich das Mißfallen des Kaiſers
nicht zuzuziehen, im September vesjelben Jahres den Verkauf ver neuen
Yutbericben Bücher, in welchen Kaiſer und Fürſten Narren genamut
wurden.
Konjequenter, immerhin zum Teil in patriarchalijcher Weiſe, jchritt
der Rat gegen Prekerzeugniffe der Münzerſchen Anhänger ein. in
fremder, zu ven „Schwärmern“ gehörenvder Buchhändler, Heinrich von
Mellerſtadt, wurde verhaftet!?, weil er bei Johann Herrgott heimlich
eine Münzerſche Schrift in 500 Eremplaren hatte vruden laſſen. Ein
Teil davon war nach Augsburg gejchit worden, 400 wurden jedoch noch
bei ihm mit Bejchlag belegt, wofür er aber am 2. November 1524 vie
Drudfoften unter dem Namen eines Almoſens bezablt erhielt. Die vier
„Knechte“ (Sehilfen) Herrgetts aber, welche in deſſen Abweſenheit den
Drud heimlich bejorgt hatten, mußten dafür zwei Tage und zwei Nüchte
im Turm büßen und „die Atzungskoſten“ bezahlen. Um viejelbe Zeit
wurden Heinrich Pfeiffer, auch Schwertfeger genannt, und Martin Rein—
hard, zwei begeifterte Anhänger Münzers, ausgewwiejen und ihre Bücher
als unchriſtlich und verführerijch verdammt, ferner auch vie bei dem
Buchoruder Hieronymus Hitel erjchienenen Schriften Münzers und Karl:
ſtadts weggenommen.
Erſt im Frühjahr 1525 erklärte fich ver mürnberger Rat offen für
ven Übergang zur neuen Yehre, ſodaß fortan ganz Nürnberg lutheriſch
war, Trotz diejes Wechſels blieb aber in ver innern Verwaltung un
ver äußern Bolitit ver Stadt alles beim Alten; ja der Nat trat jogar
in vielen Mafregeln rückſichtsvoller und jelbit Ängftlicher auf, als zu der
Zeit, wo er noch ven Schein ver Anbänglichfeit an ven alten Glauben
retten zu müſſen meinte, Zunächſt beſchloß er am 27. April 1525, „alle
diejenigen, jo geprudte Büchlein in vie Häuſer zu verkaufen umbtragen,
jo viel man der erfaren mag, zu bejebifen und zu verpieten, ſich ſolch's
Daufirens mit Püchern gänzlich zu enthalten, jondern was fie zu ver:
faufen vermeinen, jollen fie zuvor in der Kanzlei befichtigen laffen und
dann mit Erlaubnuß öffentlich fait haben. Und welcher alſo gewarnt
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572 Verbot gegen Narljtadt u. d. Schweizer. Wolfg. Vogel von Bopfingen. [Neuntes
darüber betreten wird, daß er fein Pücher baufiret, jell man ven oder
diefelben in's Yoch ſchaffen“. Zugleich aber wurde dem Buchführer unter
dem Rathaus für drei Jahre die Stadt und deren Umfang auf fünf
Meilen verboten, weil er troß der an ihn ergangenen Warnung ein
Schmähbüchlein gegen Martin Yuther verkauft hatte. Dagegen erhielten
die Buchdruder und Bucführer am 10. Juli 1526 ven Befehl, ſich bei
ernftlicher Strafe des Druds ver Karlſtadtſchen, Zwingli'ſchen, Okolam—
pabiusjchen und ihrer Anhänger Büchlein vom Saframent zu enthalten,
„dieweil darin nichts als Berführung und Teufelswerf erfunden worden;
Dazu was in Baden und Aargau bisputiret, weder zu druden noch fail
zu haben“.
Unter den nach Nürnberg gezogenen fremden Pfarrern befand ich
auch Wolfgang Vogel aus Bopfingen in Schwaben. Der Rat von
Nürnberg gab ihm eine Predigerftelle in Eltersdorf, zog ihn aber zur
Unterjuchung, weil die von Bopfingen durch eine heftige Schrift ihres
frühern Seeljorgers ſich jehr verlegt fühlten umd weil dieſer vie in
Regensburg verjammelt geweſenen Kürten „tolle Göten“ genannt hatte.
Die Bejchwerde war im Januar 1527 eingelaufen. Am 22. März be
fand ſich Vogel ohne Angabe" von Gründen im Gefängnis, und am
26. März wurde. er zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der Kat
hatte, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, bei dem Gange des Unglüd:
lichen zum Richtplag 10 Schügen befohlen. Der „Lochhüter“ durfte des
„Pfaffen“ Rod, ven er entlehnt hatte, ohne Wiffen des Rats niemand
ausbändigen. Denen von Bopfingen wurde die Antwort, dem Wolf:
gang Bogel jei wegen feiner Handlungen jein Recht erwieſen worden,
weshalb fie num vor ihm ficher ſeien.!“ Vogels Weib bat um Aus—
händigung der Bibel und anderer ihrem Manne gehörigen Bücher; allein
der Rat verweigerte fie, weil ihr Inhalt gefährlich fei und von Schwär:
merei handle, gab aber der Frau eine „Ergötung“ dafür. Heller in
jeinem „Yeben Lukas Cranachs“, ©. 113, jagt, daß Vogel ein Bündnis
zu bilden gejucht babe, um alle Obrigfeiten abzujeken und ein neues
Reich in Chriſto zu gründen, wo nur Gleichheit herrichen jollte, eine
Angabe, welche, wenn auch übertrieben, das Berfahren des Rats ver:
ſtändlicher macht.
Andererjeits vermied der Nat mit jo ängitlicber VBorficht, es mit
Kaiſer und Papft zu verderben, daR er in einem ziemlich unſchuldigen
Kapitel.) Sans Sachs' Mahregelung durch den nürnberger Nat. 573
Falle einſchritt, der nur deshalb hervorgehoben zu werden verdient, weil
der Dichter Hans Sachs bei dieſer Gelegenheit der Miſſethäter iſt und
weil in ihm zugleich das nürnberger Cenſurverfahren mit des Rats
eigenen Worten dargelegt wird. Es war nämlich zu Anfang 1527 „ein
gedruckt Büchlein mit Bildern, ven Fal des Babſtums anzeigend, zu
fatlem Kauff auff vem Markt vertriben werden, bei welchen Figuren et
libe Auslegung unter Herr Andreas Dfianders (lutberiichen Pfarrers
zu St. Yorenz) Namen auch etlich veymen, die Hanns Sachs, Schufter,
gemacht und welches Alles Hans Güldinmunt verfertigt babe“. Da nun
genug von diefen Dingen gejagt und gejchrieben worden und dies Büch
fein mehr „ein Anzündung und Verbitterung des gemehnen Mannes,
denn was anderes verurjache, auch allerley Nachtheil und Feindichaft bei
Vielen verurjachen könne“, dabei wider des Rats Wiffen und Willen
ausgegangen und ebenjo wenig den Verordneten, die den Drud zu be-
auffichtigen beauftragt find, zugebracht worden jei, jo habe der Rat am
6. März 1527 bejchlofien, nachfolgender Geſtalt in dieſer Sache zu han-
deln: „1) Herr Ofianver jolle befchieft und unter Darlegung des Sach—
verhafts bedeutet werden, daß der Rath fich einer größern Beſcheidenheit
zu ibm verſehen babe. Darum laſſe er ihm mit Ernſt anjagen, fich hin-
füro dererleyer Zuſätze und Gpifteln zu enthalten. Def wolle jich ver
ehrbare Rath zu ihm verjeben, denn wie das mehr geichehen, müſſe er
jeine Notbourft gegen ibn bedenken.“ 2) jolle dem Güldinmunt gejagt
werben, „er babe etliche Figuren und daneben etliche Zufäge in einem
Büchlein verfertigt, welches eines chrbaren Rathes Veroroneten zu be
fichtigen nicht zugebracht, des babe ver Rath fein Gefallens von ihm,
Darum jolle er alle jolche Büchlein, jo er noch bei Hänven babe, zur
Stund auf das Rathhaus antworten, desgleichen die gejehnittenen Korn,
dergleichen Drudens auch binfür müßig ſtehen, und nichts mehr verfer—
tigen, es jet dem zuvor in der. Kanzlei befichtigt. Die Strafe aber, je
ein Rath um diefe Handlung gegen ihn zu üben fürbabe, wolle er zu
=
dieſem Mal anftellen mit eigener offener Hand“. 3) Item „Hanns
Sachſſen Schufter ift gejagt, es jei diefe Tag ein Büchlein ausgegangen,
ohne Wiſſen und Willen eines chrbaren Raths, welches beſſer unter:
wegen gelaffen wäre; an jelhem Büchlein habe er die Reymen zu ven
Figuren gemacht. Nun ſeye jolches jeines Amtes nicht, gebühre
ihm auch nicht, darum eines Natbes erniter Befehl, dar er ſeines
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574 Volljtändige Negelung der Eenjur in Nürnberg. [Neuntes
Dandwerfes und Schuhmachens warte, ſich aud enthalte,
einige Büchlein oder Reymen binfür ausgeben zu laſſen (die
geiperrt geprudten Worte find im Original des Ratsbuchs unterftrichen);
ein ehrbarer Rath würde jonjt in Nothdurft gegen ihn handeln, und um
dieje geübte Handlung wolle der Rath die Strafe diesmal bei jich be-
halten, doch mit einer offenen Hand, die nach ihrer Gelegenbeit für zu
nehmen“. Endlich aber bat der Rat unterm 27. März 1527 „vie von
Frankfurt, in dieſer Mefje Achtung durch die Ihren auf jolches Büch—
lein haben zu laſſen und wie fie eines zum Kaufe ausgejtellt fänden, es
anf des Nürnberger Rathes Koſten aufkaufen zu laffen“. Der frant-
jurter Rat that übrigens nichts in der Sache und hat entweder nichts
gefunden oder bei der damaligen Stimmung jeiner Bürger nichts finden
wollen. Zu gleicher Zeit wurde den Kobergern ein Befehl ähnlichen In-
halts gegeben; indeſſen enthalten die Akten auch über jeine Ausführung
feine Auskunft.
Aus diejen Erlaffen geht aljo hervor, daß Nürnberg ſchon beim Ein:
tritt in das zweite Viertel des 16. Jahrhunderts vollftändig georpnete
Genjurvorjchriften in jein Strafrecht aufgenommen hatte. Indeſſen fine
fie auch bier jo wenig, wie ähnliche Beſtimmungen anderwärts befolgt
worden. Der Rat jah fich deshalb in ven Jahren 1535 und 1545 ge
zwingen, namentlich ven Befehl zu erneuern, wonach Buchdrucker, Form—
ſchneider und Briefmaler fich eidlich verpflichten mußten, jedes ihnen zur
Veröffentlichung übergebene Schriftjtüc vorher der Aufjichtsbehörde vor-
zulegen und die Erlaubnis des Rats einzuholen. Zugleich wurden vie
Buchhändler bedeutet, feine verbotenen Bücher von der frankfurter und
andern Meſſen, wie z.B. Naumburg, einzuführen und nicht allein ein
Verzeichnis der von ihnen dort gekauften Bücher einzureichen, ſondern
08 auch vom Rate genehmigen zu laffen. Aber auch diejer Bejchlur blieb
jo gut wie ein toter Buchjtabe. Zudem waren die Nürnberger viel zu
gute Kaufleute, als daß fie ein gewinnbringendes Geſchäft, wie den Buch—
bandel, unnötigerweije geitört hätten. Die Buchhändler und Bucoruder
erfreuten ſich daher auch einer verhältnismäßig milden Behandlung, wur-
ven mehr bedroht als energijch verfolgt und hatten nie graujame Stra—
fen zu gewwärtigen. Die religiöjen Kämpfe und Gebäjfigfeiten griffen
bier auch micht jo jtörenn ein als anderswo, weil die ganze Stadt das
Intberijche Bekenntnis angenommen batte und fich namentlich deſſen Geg—
Kapitel.) Niürnbergs Eintreten für jeine Buchhändler. 575
nern gegenüber eins fühlte. Wenn nun hier und da eine Verfolgung
mißliebiger Bücher oder Schriftſteller ſtattfand, ſo geſchah das in der
Regel mehr infolge der Anträge des Kaiſers oder auswärtiger Stände,
als aus eigenem Antriebe. Sodann aber bildete Nürnberg inſofern
einen wohlthuenden Gegenſatz zu manchen andern Reichsſtädten, als es
ſich ſeiner Buchhändler und Drucker nach Außen hin energiſch annahm
und ſie vor Schimpf und Schande ſchützte.
So war der Buchführer Andreas Eſchenberger im Herbſt 1562 in
Wien gefänglich eingezogen und bedroht worden, an den Pranger geſtellt
und mit Ruten ausgeſtrichen zu werden, weil er ſich, trotzdem, daß er
ſchon einmal ausgewieſen worden war, zum zweiten mal mit lutheriſchen
Schulbüchern, Bibeln und Poſtillen in Krems und in Niederöſterreich
hatte betreffen laſſen. Für Kaiſer Ferdinand war dies ein Verbrechen,
obgleich er als Reichsoberhaupt eigentlich nichts dagegen thun durfte.
Um nun einen Rechtstitel für ihr Vorgehen zu haben, behandelten ſeine
Beamten und die Geiſtlichen derartige Fälle als erzherzogliche, als Lan—
des- und nicht als Reichsbehörden. Der nürnberger Rat hatte kaum
die Beſchwerde Eſchenbergers erhalten, als er ſich am 26. September
1562 an ven Kaiſer wandte, für die Ehrbarfeit und Unbeſcholtenheit
ieines Bürgers eintrat und deſſen Necht zum Verfauf derartiger Bücher
für zweifellos erklärte. Zugleich aber beantragte er, daR ihm „die ſchmäh—
liche Strafe des Prangers, des Ruthenausſchlagens und anderer öffent-
liber Schande” erlaſſen würde. Die Erledigung der Sache zog fich
lange bin. Der Rat beauftragte deshalb am 19. November 1562 jeinen
Agenten in Wien, Georg Stümpfl, energiiche Schritte zu thun, daß „ver
arme unſchuldige Mann wieder mit Gnaden ledig gelafjen werde”. Das
ibeint denn auch gejchehen zu jein; wenigjtens kommt der Eſchenberger—
ſche Fall fortan nicht mehr in den nürnberger Akten vor.
Ganz um diejelbe Zeit hatte auch der Erzbifchof von Salzburg dem
nürnberger Buchführer Nikolaus Bogel ein Faß Bücher in Salzburg
öffnen und den ganzen Inhalt durchſuchen laffen, aber nur einen an-
jtößigen gemalten Brief gefunden, weshalb der Beſitzer, der behauptete,
das anſtößige „Gemälde“ nicht in das Faß gepadt zu haben, gefänglich
eingezogen wurde. Seine Frau Elijabeth führte wegen der Behandlung
ihres Mannes beim Nat Bejchwerve, und diejer verlangte am 28. Sep—
tember 1562 deſſen Freilaſſung beim Erzbiſchof, der fie auch ſofort verfügte,
576 Preßpolizeiliche Praxis in Augsburg. [Neuntes
In Augsburg laffen ficb die älteſten Genjurverorpnungen bis in
ven Anfang des 16. Jahrhunderts, wenn nicht noch weiter in das Ende
des 15. hinein verfolgen. Aus einem Ratsprotokoll vom 9. Auguſt 1515
ergibt ſich, daß fich Die Buchdruder ſchon damals eidlich verpflichten ımuF-
ten, obne Wiſſen und Willen des Rats nichts zu druden, was jemand
zur Schande oder zur Schmach gereiche. Es heißt ausdrücklich im Ein—
gang, daß die Druder Dans Elchinger und jein Sohn gejchworen hätten,
wie andere Buchdrucker; dieſe Ginrichtung muß alſo ſchon von früberer
Zeit her datieren. Unterm 28. Auguft 1520 bedeutete der Kat die in
der Stadt thätigen 10 Druder 4, in den „Irrungen zwiſchen ven Geift-
lichen und Doftoren der heiligen Schrift” nichts ohne jein Wiſſen und
Willen zu druden und am 7. März 1523 wurden fie — den mm bald
auftretenden Reichspreßordnungen gleichjam vorgreifend — dahin ver-
eidigt, feine Schmäbbücher, Yieder oder andere Gedichte pruden zu wollen,
e8 jet denn, daß fie zuper dem Bürgermeifter Anzeige gemacht und dejien
Erlaubnis erhalten, den Namen des Dichters desjelben Buchs oder ven
Namen dejjen, der es ihnen übergeben, genannt und auch ihren, der
Druder, eigenen Namen hinzugefügt hätten. Später mußte ſich Augs-
burg dem allgemeinen Berfahren anjchließen, wie es die Reichsabſchiede
allmählich ausbilveten. So wird in den geheimen Ratsdekreten von 1551,
1552, 1589, 1618, 1670, 1681, 1682, 1690, 1715 u. j. w. wiederholt
den Buchdruckern und Buchhändlern eingejchärft, fich den ergangenen
Borjehriften entiprechend zu verhalten; allein ſchon die große Zahl diejer
Verordnungen beweilt, daß fie nur wenig Beachtung fanden. 1’
Hart umd grauſam verfuhr die alte Neichsjtadt in dieſen Dingen
übrigens nie, wenn fie auch im einzelnen Fällen die Übertretung ihrer
Gebote jtreng ahndete. Ihre Praxis in Eonjurangelegenheiten ftand gegen
die Mitte des 16. Jahrhunderts ziemlich feit und behauptete fich fait
unverändert bis zum Berluft der Neichsunmittelbarfeit (1803). Sie be
ſchränkte ficb eben darauf, an jene oft wiederholte Vorſchrift, dar alles,
was gedruckt, oder auf andere Weije vervielfältigt werden jollte, vor dem
Druck den zur Büchercenjur verordneten Herren vorzulegen jei, zu er—
innern, doch aber nur gelegentlich wirklich einzufchreiten. So ward Geora
Willer am 10. Oftober 1559, jedenfalls im Zuſammenhang mit der Unter
ſuchung gegen den Buchdrucker Wegler in Ingolitadt, ins Gefängnis ab-
gerührt und jein ganzer Büchervorrat wegen angeblichen Druds und
Kapitel.) Geniurpraris in Augsburg im 17. Jahrhundert. 577
Verkaufs einer Famosſchrift mit Bejchlag belegt; doch erhielt jeine Frau
auf ihr Anfuchen alle diejenigen Bücher zurüd, welche „mit famoß vnd
des authors vnnd Buchtruders namen“ trugen. In einem Natsprotofoll
vom 7. April 1554 heißt es jogar recht wäterlich, man babe „Die Buch—
fürer eruordert und ihnen zugeiprochen, nichts zu verfaufen, es jei denn
zuvor approbiret und zugelaffen“. Ziemlich gegen Ende der in dieſem
Bande behandelten Periode, am 27. November 1618, jebärfte der Nat
allen Buchdruckern und Buchführern der Stadt wiederholt nachdrücklich
ein: „hinfüro faine vergleichen ebrenrüerige, ärgerliche, ſchmachhaffte,
Yeichtfertige, unzüchtige Bücher, Schrifften, Tractatlein, Pasquill, Yiever,
Zeitungen, Gemählde, Zedulen und Stich, von wer Religion diejelben
jeven, bie zu pruden, bierher zu bringen, fürzulegen, baimlich over öffent-
lich zu verfauffen over einzujchteben, Und welcher Buchdrucker, Buchführer,
Brieffmabler, Rupferitecher, Novellant over Yiederverfäuffer des verſtands
nit were, daß er gebührlichen vnterſchied, war er bie drucken, ftechen, fait
baben, von jich jehreiben vnd verkauffen möchte oder nit, zu halten wüßte,
der mag und joll die verorpnieten Herren über die Buchdruckereyen um
Bericht fragen, jeine Bücher, Yiever Schrifften, Stib und Gemählde
jeben laffen und ſich Bejcheivs erholen, was ihnen zu vruden, zu ftecben,
fail zu haben und zu verfauffen gebühre over nit“.
Als der Buchhändler Audreas Asperger wegen Übertretung diejes
Erlafjes die Stapt am 24. Juli 1652 16 verlaffen mußte, wurden jogar
die beiden Genjoren Dans Felix jung und Dans Wolff-Zceb „vmb
deßwillen, daR fie als geweifene Genjores vergleichen Inn allen echten,
Reichsabſchieden vnd Polizeyordnungen boch verbottene Famoßſchrifften
truckhen laſſen vnnd dieſelben ſogar auch nachdem fie den Abtruckh zu
Iren Handen Empfangen und erſehen, mit alſbald abgeſchafft, ſondern
öffentlich fail haben laſſen, auch dadurch Iren Willen vnd Conſens ge—
nugſamb zur erkennen geben, Ihr Jeder vmb 50 Reichsthaler Inn All—
mueſenſeckhel geſtrafft“. Dieſes Beiſpiel der Beſtrafung eines Cenſors
wegen zu großer Milde ſieht in der Geſchichte der Cenſur ziemlich ver—
einzelt da. Noch durch eine andere Eigentümlichkeit unterſchied ſich Augs—
burg in der Folge von ſämtlichen übrigen Reichsſtädten. Während und
unmittelbar nach ver Reformation faſt ganz lutheriſch, wurde im Laufe
ein jehr großer Teil ver Bürger ver Stadt zum Katholizismus zurüd:
Happy. I. 37
578 Parität der Konfeſſionen bei der Cenſur. Ulm, Neuntes
geführt, ſodaß mit dem Ende des 17. Jahrhunderts beide Bekenntniſſe ſich
in ziemlich gleicher Stärke gegenüberſtanden. Auf Grund dieſes Verhält—
niſſes mußte darum auch won den zwei Mitgliedern des Rats meiſt ge—
weſenen Bürgermeiſtern) und den zwei ihnen ſpäter beigeordneten Rechts—
verſtändigen, die eine Hälfte dem proteſtantiſchen und die andere dem katho—
liſchen Bekenntnis angehören. Dieſe teilten ſich denn auch bei der Cenſur
der ihnen unterbreiteten religiöſen Werke in zwei Ausſchüſſe, deren jeder
die ſeine Kirche betreffenden Schriften cenſierte, während ſie alle übrigen
Bücher und Kunſtwerke gemeinſam beurteilten. Es war hier alſo nach
Möglichkeit für Unparteilichkeit bei Handhabung der Cenſur vorgeſorgt
und das thatſächlich durchgeführt, was gleichzeitig die evangeliſchen Reichs
jtände vergeblich für die Organifation der faiferlichen Bücherkommiſſion
in Rranffurt a. M. erjtrebten.
In Ulm galt, ven Reichsordnungen entjprechend, das allgemeine Ge
bot, daß niemand etwas dajelbjt oder anderswo druden oder publizieren
laſſe, ohne Conſens und Genjur des Rats. Da dasjelbe, wie gewöhn—
(ih, in Bergefjenbeit geraten war, wurde es im Jahre 1619 erneuert.
Für spezielle Fälle hatte der Rat 1560 nad Entſcheid der Herren ver
Religion die Prädifanten Johann Willig und Kajpar Kürchner und ven
„alt Yat. Schulmeifter” beauftragt, die Buchdruder und Buchführer „zu
ihrer Gelegenheit” des Jahres etlihemal zu vifitieren und die Bücher,
jo wider die Augsburgiſche Konfeſſion, als ſchwenckfeldiſch u. dal., „item
die Schmachbüchlein, darinnen hohe Potentaten angezogen werden“, auf-
zubeben und „auf die Hütte“ zu liefern. Einen ähnlichen, aber weiter
gehenden Auftrag erhielten 1621 Dr. Frieße, Mag. Schmid, Albr. Schlei—
cher und Dr. Fingerlin, „damit das Einjchleichen der verdächtigen Bücher
bei den biefigen Buchführern und Hänplern binfüro für fommen werde“.
Sie follten, wenn neue Bücher von der franffurter Meſſe oder von andern
Drten bergebracht würden, diejelben befichtigen umd, wenn ſie ketzeriſche
Pasquille, Famos- oder andere im Reiche verbotene oder jonft leichtfertige
Bücher, durch welche die Jugend leichtlich verführt werden fünnte, fün
den, jelbige nicht feil haben lafjen, jondern alsbald aufheben und zum
Baupflegamt liefern laffen. Im Jahre 1615 beſchloß der Nat vann
weiter auf die „Zeitungsfürger‘ jollten die Gafjenfnechte gut Achtung
geben, und two fie jolche in der Stadt anträfen, jie gleich abjebaffen und
ihnen das Singen nicht geftatten.
Kapitel.) Ängftliche Rüdfihtnahme der ulmer Eenfur. 579
Obgleich nun die Genjur in Ulm ziemlich mild gebandhabt worden
zu jeim scheint, jab ver Nat ficb doch umter Umſtänden durch die berr-
jchenven Zeitumftände veranlakt, recht vworfichtig zu verfahren. So fin:
det ſich 1619 die Verfügung, die von der Bürgerſchaft ſtark begehrte
Neujahrsprevigt Dr. Dietberichs jolle durch die Herren des Neligions-
und Baupflegamts durchgegangen und ihm angezeigt werden, was er
berauslafien jelle. In demſelben Jahre wurde bejchloffen, daß desjelben
Geiſtlichen Gratulationspredigt zur Kaiſerwahl in Frankfurt durch die
Keligionsbhüttenherren vor dem Druck cenfiert und was Darin nicht zu
pajfieren, ausgelöſcht werden jellte, Man batte fich gewiß ſchwer dazu
entſchloſſen, den angejebenen Seiftlichen derart zu bevormunvden; aber die
Prediger jprachen ficb damals über die politiichen Zuftände auf ver
Kanzel jo ungeniert aus, daß wohl jtarfer Grund zu Befürdtungen
vorgelegen haben mag.
Doch nicht allein auf Anhalt und Geſinnung der zur Genjur vor-
gelegten Manujkripte ſah man, es fommt jogar der merfwärdige Beichluf
vor, wonach der Rat dem Buchoruder des „Gronidlins” halber, „von
Urjprung der alten Herzöge von Töckh“, Mag. Jakob Aröjchlinus, an-
deuten lieh, dem Berfafjer zu verfteben zu geben, dasſelbe etwas beffer
durchzugehen und in gebührende Ordnung zu bringen, bernach aber mun—
viert einzujcbiden, „alsvann der Drud verfertigt werden mag”.
Ein jo unmächtiges Staatsweſen batte natürlich nach allen Eeiten
Rüdjichten zu nebmen, in vem Maße, daß in gewiſſen Fällen jogar ein
Berſtoß gegen die Vorjchriften der Reichspreßordnung vorgejchrieben
wurde, jelbjt in Fällen, wo es ſchwer ift, die Möglichkeit eines Anſtoßes
voranszufegen. Im Sabre 1615 wurde verfügt, der Buchdrucker Johann
Meder jolle des Jeſuiten Johann steiler „Epistolae” und Dr. Heit-
bronners Antivort darauf drucken dürfen, „doch ohne benambjung Des
orts und des Buchdruckers Namens“ Ein weiterer Bejchluß von 1640
lautet: „Dem Buchdrucker ift vergännt, das Tractätlein, wie und welcher
Geſtalt Die neuerbaute evangeliſche stirche zu Preßburg in Ungarn sole-
nissime inaugurirt und eingerichtet worden, zu pruden, doch mit Aus—
laffung des Orts und Buchdruckers Namens”. Schwer erflärlich ift ein
anderer von 1634: Zohaun Faulhaber jelle jeine „Fortifikationslunſt“
druden lafjen vürfen, aber die Worte, daß cs mit des Rats Bewilli—
gung gejchebe, weglaſſen. Solche ängſtliche Rückſichtnahme war jepen-
31?
580 Eingriffe in den Geichäftsbetrieb. [Neuntes
falls auch Veranlaffung, daß im Jahre 1637 dem Buchpruder Baltbajar
Khüene „aus erheblichen Urjachen‘ nicht geftattet wurde, wöchentliche Zei-
tungen vruden zu laſſen.
Selbſt in ven Gejchäftsbetrieb griff die Aufficht über die Preſſe ein.
So war im Jahre 1645 eine „Dysenteria” ausgebroden. Das Col-
legium medieum batte einen Bericht über vie Krankheit erjtattet und
der Nat beſchloß nun, die Stättrechner jollten den Buchdrucker vorfor-
dern und ihm „anbefehlen‘, vas 1622 in Drud ausgegangene Traktät—
(ein wegen der Dysenteria wieder aufzulegen und zu druden und zwar
auf jeine Koſten, weil die Exemplaria unzweifelhaft wohl abgeben würven.
Sollte er ſich deſſen weigern, jo jollten fie vernehmen, was er dafür be
gehren wollte, und dem Rat Bericht erjtatten. Eigentümlich ift auch ein
Beſchluß von 1645. Die von Saat und Abraham Hojenneftel, Danvels-
(enten in Augsburg, und Jeremias Yivel, Bürger zu Ulm, überſchickten
drei Designationes (Proipefte, eines zu Amſterdam verkäuflichen großen
Drudwerts jollen den beiven Buchführern und dem Buchoruder mit ver
Beitimmung zugejtellt werden, jelbige an ihren Tafeln anzujchlagen und
alle Tage öffentlich auszubängen.
Von bejonverer Ängjtlichkeit zeugt ein Ratsbeichluß von 1639. Auf
Bericht ver Prediger im Münjter, Mag. Yurwig Pijchoff und Mag. Johann
Merkhel, joll das von Johann Permeier in Wien dem Rate zugejchidte
Büchlein „Begier und Seelenſchatz“ nicht nachgedrudt, jonvern jamt dem
Bericht zur Bibliothek geliefert, vajelbjt verwahrt, auch von den Herren
zum Baupflegamt fleißig Obacht gegeben werden, daß vergleichen ſchäd—
liche Startefen von dem Buchdruder nicht angenommen, nachgedruckt
und jpargiert werden. Da das Buch von Wien eingejchiett war, wagte
man offenbar weiter nichts, als dasjelbe totzujchweigen und wenigitens
dadurch dem eigenen protejtantijchen Bewußtſein genugzuthun.
Eine ganz bejondere Stellung nimmt Frankfurt a. M. in der Ent-
widelung der Genjurverbältniffe ein. Je mehr jeine Meſſen an Bedeu—
tung gewannen, um jo ſchwieriger wurde es fir den Rat, ſich der Rekla—
mationen und Einflüſſe mächtigerer Reichsſtände und der Neichsgewalt
jelbjt zu erwehren; der Rat unterlag ihnen ſchließlich geradezu, da er von
vornherein nicht genügende Energie entfaltete und unbedachtjam jeine
Hoheitsrechte preisgab. Das zeigt ſich ſchon bei den eingangs Diejes
Kapitels geſchilderten Übergriffen des Erzbiſchofs Berthold von Mainz.
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Kapitel.) Frankfurt a. M. Die mainzer Bücherfommifiton. 581
So rückſichtslos und eigenmächtig dieſer ehrgeizige Kirchenfürſt auch vor—
zugehen pflegte, jo hatte er ſich doch vor Erlaß ſeines öffentlichen Straf—
mandats vom 4. Januar 1486 der ſchwächlichen Willfährigfeit des franf:
furter Rats zu vergaiviffern gewußt. Jenem Ztrafmandat war bereits
am 22. März 14851 ein Erlak an ven Pfarrer zu Zt. Bartbholomäi,
Dr. Konrad Henſel, vorangegangen, ein Erlaf, ver fih von jenem Man—
dat nur dadurch unterjcheidet, daß in ihm die vier mainzer Genjoren nicht
mit Namen genannt ſind. In dem veutichen Bealeitichreiben vom 24. März,
mit welchem Berthold viejen Erlaß von 1485 an Bürgermeiiter und Rat
von Frankfurt überjandte, verlangte er bereits ansprücdlich von dieſem
die Ernennung jener zwei frantfurter Gelehrten (Doftoren oder Yicen-
taten), welche in Gemeinſchaft mit dem Pleban in ver laufenden Meſſe
une jpäter alle zum Verkauf ausgelegten Bücher befichtigen und nach In—
halt jenes Erlaſſes verfahren jollten. Erſt uachdem ver franffurter Rat
jich gefügt hatte, erfolgte vie formelle Veröffentlichung des jogenannten
Ztrafmandats vom 4. Januar 1486. Erzbiſchof Albrecht won Brandene«
bura) trat dann jpäter mit feinem Mandat von 1517 in Bertholds Fuß—
Itapfen. Die aus der Zeit des Neuchlinjchen Ztreites im fechiten und
achten Kapitel mitgeteilten Daten beweifen, daß dieſe mainzer Bücher:
kommiſſion, wenn man ſie jebon je nennen will, thatjächlich ungefähr bis
zum „Jahre 1524 fungiert bat, wenn auch ver fraukfurter Rat nach Be:
ginn dev Reformation ven Denumnziationen des Pleban Peter Meder gegen:
über taub geblieben zu jein ſcheint. Die Durchführung der Reformation
in Frankfurt Dürfte nun zwar der Wirkiamfeit diefer mainzer Auffichts-
bebörde unberingt ein Ende bereitet haben. Aber nur eine verbältis-
märig furze Spanne Zeit war dem Nat eine freiere Bewegung auf pref-
polizeilichem Gebiete beſchieden, auch Diefe oft genug beeinträchtigt durch
den jeitens mächtigerer Fürsten ausgeübten Drud, wie ſich bei Beiprechung
der ſächſiſchen Genjurverbältmiffe in einem drastischen Beiſpiel zeigen wirt.
Die Errichtung ver kaiſerlichen Bücherkommiſſion jebte ven Nat auf vie
ſem Gebiete bald völlig matt. Die Weiterentwidelung ver Genjurverbält-
niffe im Frankfurt durchichlingt fich im übrigen jo ſehr mit ver Geſchichte
dieſer Kommiſſion, daß dieferhalb anf Das verjelben gewidmete zehnte
Kapitel verwiejen werden muß.
Von ven übrigen Neichsftänten bevarf böcitens nech Hamburg
einer beſondern Erwähnung. Bier finvet fich die erſte lofalgejetliche Ber
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582 Der Niederſächſiſche Kreis. Baſel; Erasmus als Denunziant. Neuntes
fügung über die Regelung ver Cenſur in einem im Juli 1562 erlaſſenen
Mandat, das feinen Urjprung einem auf dem lübecker Kreistage Des
Nieverjächfiichen Kreifes zu Stande gekommenen Beſchluß verdankt. Der
Anhalt iſt kurz folgender: es ſoll fortan im Kreiſe ſich niemand
unterjteben, ein Buch oder eine Schrift in dieſem Kreiſe, oder anderswo,
im Drud ausgehen zu laſſen, es jet denn, daß er vorher jeiner Obrig—
feit ſolches und die Urjachen, warum er es im Drud ausgeben laffen
wolle, anzeige und der Drud durch die Obrigfeit zugelaffen ſei. Anvern-
falls folle der Betreffende ausgewieſen und aud von andern Obrigfeiten
des Kreifes nicht aufgenommen werden,
Beim Beginn der in dieſem Bande behandelten Periore jtand die
Schweiz noch in einem lodern Verbande mit dem Deutichen Reiche; erit
der Weftfüliiche Friede löſte ftantsrechtlih das Scheinverbältnis. Es
rechtfertigt fich daher, ver Entwidelung ver Genjurverhältniffe in ven be
beutendern Kantonen im Anjchluß am die in ven Reichsſtädten zu ge
denken. Das erſte auf Prefipolizei bezügliche Aktenſtück, welches ſich in
Bajel findet, jtammt von niemand Geringer als Erasmus. Es iſt
eine Denunziation! In einem undatierten lateiniſchen Schreiben teilt
er ten bajeler Rate mit, ev babe aus Lyon erfahren, daß eine von
Wilhelm Pharel (Karel) gegen ihn verfahte franzöfiiche Schrift vort-
hin gebracht worden jei. Auch in Koſtnitz Konſtanz) jeien zwei gegen
ihn gerichtete Yibelle Farels vorgefommen. Diejer jet ein bosbafter
Menſch; außer andern werde vorzüglich ver Papft angegriffen. Zwar
jeien weder Berfaffer noch Druder genannt; doch halte man allgemein
Farel für den Berfaffer und einen gewiffen Welshaus für ven Druder.
Das wäre leicht zu erfahren, wenn Gratander und Watißneve (Batten
ichnee), die die Schrift öffentlich verkauften, eidlich befragt würden,
von went fie diejelbe hätten, und wenn Welshans darüber vernommen
würde, was er im dev letzten Zeit gedruckt habe. Karel rühme ſich,
jeinen, des Erasmus, Ruf zu beinträchtigen, wo er nur könne. Ihm
perjönlich ſei dies gleichgültig; aber ver Rat möge ſich worjeben, daß
nicht unverjebens eine ſolche Peſtilenz in jeinen Staat einbrece.
„Si quis favet Lutero, hos ut hostes evangelii Luterus ipse
detestatur, quos seribit cacare in castra Israhel” Es gebe
Yeute, welche fich verſchworen hätten, durch Schriften ohne over mil
fingiertem Titel alle Welt anzugreifen; was fie jetzt gegen ihn wagen,
Kapitel.) Entwidelung der bajeler Cenſurverhältniſſe. 583
würden jie auch bald gegen ven Rat wagen, wen dem nicht Einhalt
geſchähe.
Es iſt nicht erſichtlich, daß der Nat auf dieſe Anregung bin einge—
ſchritten wäre; vielleicht iſt ſie aber Veranlaſſung zu einem am 12. De—
zember 1524 gefaßten Beſchluß des alten und neuen Rats, daß hinfüro
alle Drucker der Stadt Baſel nichts drucken laſſen oder ſelber drucken
ſollen, ehe es durch die dazu Verordneten beſichtigt und zugelaſſen,
auch ſollen ſie zu den Drucken ihren Namen hinzuſetzen. Dieſe Ver—
ordnung wurde 1542 bei Strafe von 100 Gulden erneuert.
Eingehendere Anordnungen erließ der Rat im Jahre 1550. Weil
bisher ohne Wiſſen der Obrigkeit allerlei Büchlein in italieniſcher und
andern fremden Sprachen heimlich in Baſel gedruckt und „hingeführt“
worden, darum der Stadt viel Nachrede und Schaden geſchehen mag,
ſollen die Drucker in Sachen die Heilige Schrift und Religion anlangend
nur in lateiniſcher, griechiſcher, hebräiſcher und deutſcher Sprache, in
andern fremden Sprachen, als italieniſch, franzöſiſch, engliſch und ſpa—
niſch, aber ganz und gar nichts drucken. Doch wich man ſchon nach drei
Jahren, wenigſtens in einem Fall, hiervon ab. Am Jahre 1553 hatten
Simon Sultzer, Prediger am Münſter, und Dr. Bonifactus Amerbach
beantragt, daß eine Überjekung des Alten Teftaments aus dem Hebräi-
hen ins asranzöftiche durch Johann Herwag gebrudt werden dürfe. Der
Rat beſchloß, daß man ſolche, wenn fie druckfertig, befichtigen jolle, und
jofern dann fein Schmuß-, Schand- und Schmachtwort darin, möge ie
zum Druck zugelaffen werden. Die erfte eigentliche Cenſurordnung er-
ging 1558: die Buchdrucker jollen fein Buch druden, es jet denn das
Manuffript zuvor bejehen und approbiert; fie wurde erneuert und wieder
eingejchärft unter dem 15. Februar 1665.
In eine eigentümliche Yage geriet 1676 der Univerfititsbuchoruder
Sans Jakob Deder (L). Er wurde eingeferfert, weil er in dem Dorfe
Hälingen für den Prälaten zu Murbach und Luders eine Druckerei errichtet
und jeit zwei Jahren verichtevene „papifttiche‘ Bücher gedruckt hatte. Ein
langes Rechtsgutachten des Dr. Peter Megerlin jpricht fich dahin aus,
daß Deder das Yeben verwirft habe, es jet denn, daß der Rat ihn von
Stadt und Yand auf ewig velegieren und hinwegſchaffen wolle, über Deders
Kinder aber, damit diefer fie nicht mit fich ins Papfttum führe, jeine
väterliche Hand halte und fie ins Watjenhaus aufnehme, auch in unjerer
584 Maßregelung Hans Jakob Deckers in Baſel. Zürich. Neuntes
chriſtlichen Religion getreulich informieren und aufziehen laſſe. Zu dem
Unterhalte ver Kinder könnte man vielleicht die von ihrem Vater ſo viel—
fältig mißbrauchte Druderei verwenden. Die gedrudten „papiſtiſchen“
Bücher aber jollten öffentlich verbrannt wervden. Ganz jo ſchlimm fiel
num die Sache nicht aus, obgleich, over weil, gleichzeitig ver in Yuzern
reſidierende päpftliche Numtius eine Verfolgung Deders eifrig betrieb,
weil dieſer und andere bafeler Buchhändler die Iuzerner Märkte mit
reformierten Büchern bezogen und dadurch die dortigen Bürger ange:
lich ſehr ſchädigten. Man fonfiszierte jchließlich 8944 Exemplare „papiiti-
jcher” Schriften und verurteilte Deder zu einer nambaften Geldſtrafe.
Troß dieſes engberzigen Verhaltens kann die bajeler Cenſur im
ganzen aber doch nicht jehr ſtreng aufgetreten ſein, denn 1698 jaben
jih Schultheiß und Rat von Bern veranlaft, Bürgermeifter und Kat
von Bajel zu erſuchen, die Cenſur bejjer zu handhaben und die Bud-
führer zu verwarnen, auf die Jahrmärkte nur ſolche Bücher zum Ver:
fauf zu bringen, von denen fie vorerſt einen Katalog in ihre Kanzlei
überichieft hätten, bei Strafe der Konfisfation nicht allein derjenigen
Bücher, deren Vertrieb man nicht geitatten könnte, ſondern auch aller
übrigen Ware und bei anderer Strafe.
Auch in Zürich ergingen anfangs nur einzelne Verordnungen be
treffs der Bücherpolizei. Im Jahre 1523 werden Ulrich Zwingli, Hein—
rich Utinger von den Vorherren, Meifter Heinrih Walder und Meiſter
Binder, verordnet, alles zu befichtigen, was in der Stadt Zürich im
Drud erjcheinen joll; der Druder ſoll ſich nicht unterjtehen, ohne veren
Wiſſen und Willen etwas zu druden. Ein Ratsbeſchluß von 1524 be
jagt, daß Meifter Walder und Meifter Binder, die die züricher Buch—
händler beauffichtigen, bejehen jollen, wem fremde Buchoruder feil baben,
daß fie nichts Ungeſchicktes verkaufen, ſondern dasjelbe abjtellen. Im
Jahre 1595 wird bejchloffen, den Druckerherrn zu beſchicken und ihn zu
ermahnen, mit drucken ver Bibel und anderer Bücher allen Fleiß anzu
wenden, daß ſauber, fleißig und aut lejerlich gedruckt werde, ein Be
ſchluß, der mehr einen gewerbepofizeilichen, als prefpolizeilichen Charakter
trägt. Daneben foll außerdem der Papiermüller beſchickt und ihm an—
gezeigt werden, daß ev gut jauber Papier made; jo er das nicht tbue
und ven Mangel verbeffere, werde man ihm nicht weiter bejchäftigen.
Im Jahre 1649 werden speziell auch die Kalender der Cenſur unter
Kapitel.| Gewerbe: und Prefpolizei in Zürich im 17. Jahrhundert. 585
werfen, „weil in einer Anzahl neuer Kalender für 1650 ſolche Worte
jteben, über welche die Eidgenoſſen ver andern Religion Verdruß und
Umwillen empfinden möchten“,
Fine fürmlice Cenſurordnung war aber erit die Beſtimmung von
1650, nach welcher alle Bücher, die von Bürgern oder Schirmverwand—
ten in offenen Druck gegeben werden follten, ſamt ven dazu gehörigen
Kupfern, in Zürich oder anderswo geprudt, den zur Genjur Verordneten
vorher vorgelegt werden mußten. „Bon jevem Buche, deſſen Drud er:
(aubt, joll der Druder jevem ver verordneten drei Herren allwegen ein
Exemplar für jeine Mühe und Arbeit zu geben ſchuldig jein, Dagegen
zu des Herrn, jo etwas in Drud gibt, Gefallen jtehen, vie drei Ver—
erpneten auch, wie bisher etwan geſchehen, ſonſt zu verehren und ſich
danfbar zu erzeigen“. Das Jahr 1660 brachte dann noch an Neue:
rungen, daß „ver Tax ver Kirchen- und Schulbücher halber” ſich vie
Druder mit ven Genjoren verftändigen ſollten, damit die Bürger und
Landſchaft jich nicht über zu hohe Preife zu beklagen bätten, und daß
ein weltlicher und ein firchlicher Genfer die fremden Buchführer und
„Liederträger“ fleißig zu wifitieren hätten.
Gegen Ende des Jahrhunderts, 1698, ſchloſſen ſich daran endlich noch)
folgende bevenfliche und engberzige Anordnungen: Die Buchbinver jollten
bei ihren bürgerlichen Pflichten befragt werden, was für „irrige“ Bücher
und Schriften Heinrich Pocher ibmen einzubinden übergeben babe, „mit
Befehl, var fie für das Künftige Nichts, was unſerer heiligen Religion
entgegen, in Arbeit nehmen, jonvern, wenn vergleichen ihnen zufommten
würde, jolches unverzüglich dem Genjer binterbringen jollen“. Die zur
Cenſur Verordneten jollten außerdem nicht allein die Läden der Buch—
führer, ſondern auch die ver Buchbinder alle Jabre zu verichievenen
malen fleißig vifitieren und jergfältig verbüten, var feine „irrgeiſtigen“
Bücher und Schriften darin feil gehalten oder eingebunden würden.
In ven deutſchen Neichsftänten hatten fich die Genjurverbältniffe, wie
aus allem diefem zu erjeben, in engem Anjchluß an vie Reichsverord—
nungen entwickelt. Zeigt fich in ihnen größere Stvenge und eine eigene
Verorpnnungsthätigfeit, jo ſind dieſe meiftenteils auf ven Druck mächti-
gerer Reichsſtände zurückzuführen. Selbftändiger und eigenartiger geital-
teten fich natürlicherweiſe die Verhältniffe in ven größern Territorien; unter
ihnen jei, neben den Murfürftentiimern, mw Würtemberg hervorgehoben.
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586 Würtemberg. Die Cenſur in Tübingen. Neuntes
Für Würtemberg kommen die Cenſurverhältniſſe nur in Betracht,
ſoweit fie in Verbindung mit der Univerſität Tübingen ſtehen.!s Hatten
chen die Umiverfititsitatuten von 1500 das Ausgehenlaffen von „Libelli
famosi“ verboten, jo bejtinmmten die von 1537 in dem „Passus de fa-
moso libello“, daß es niemand erlaubt jein jolle, etwas, in welcher
Sprache und welchen Inhalts e8 jei, drucken zu laffen, aufer nach Durch—
ficht und mit Erlaubnis des Rektors und der vier Defane (permissu
ectoris et Decanorum quatuor; bier iſt wohl unius ausgefallen).
Ein Rejtript des Herzogs Chriſtoph vom 25. April 1557 verbietet dann
den Buchdruckern bei harter Strafe ven Drud alles Neuen, beſonders
in ver Theologie, ohne des Herzogs Vorwiſſen. Auf vie Befolgung diejes
Gebots jollen fie bei ihrer Annahme an der Univerſität wereidet werden.
Die Buchführer jollen, wenn fie die Bücherfäfler aufichlagen, die fie von
Aranffurt und andern Meffen gebracht haben, die Bücher, namentlich
die theologijchen, den Viſitatoren vorweiien und ohne Genehmigung ver:
jelben nichts verfaufen, bei Eid und ernftlicher Yeibesjtrafe; daneben jollen
die Buchläden periodisch durchſucht werden. Am Anfange jeven Semeſters
wurden die Buchführer (nebit ven Apothefern u. j. w., cives academici
illiterati honoratiores) und die cives vulgares Buchdrucker, Buch—
binder, Illuminierer, Maler u. j. w.) zuſammenberufen und ihnen vie
Statuten, darunter die Genjurbeftimmungen, unter Ermahnungen deutſch
vorgelejen.
Ein Erlaß des Herzogs Yudwig vom 15. Januar 1593 an die Uni—
verfitit Tübingen !? trifft daun folgende weitere Beftimmungen. Seltiſche
Bücher und Yälterfchriften und Famoslibelle der Jeſuiten dürfen nicht
feil gehalten und verfauft werden; nur dem Buchhändler Georg Sruppen-
bach ſoll erlaubt und befohlen jein, von jedem ſolchen Sfriptum auf ber
Mefje ein over zwei Eremplare zu kaufen und ver Univerſität zu über-
‚antworten, um den Brofefforen Gelegenheit zu geben, die Argumente
und Kalunmien ver Gegner fennen zu lernen und zu widerlegen. Solche
Pfarrer und Kirchendiener, von denen nicht zu bejorgen, daß ihnen ver-
gleihen Bücher „Unrat jchaffen‘, ſollen jich won ihren General: over
Spezialjuperintendenten einen Schein ausſtellen laſſen, auf ven bin ihnen
ver Buchhändler dergleichen Bücher liefern kann. Es find dies Beſtim—
mungen, die fich ähnliche, in katholischen Ländern übliche, förmlich zum
Vorbilde genommen zu haben jcheinen. Herzog Friedrichs Orpination
Kapitel. Die geiſtlichen Kurfürſtentümer. Ratscenſur in Köln. 547
der Univerſität vom Jahre 1601 bringt dann endlich im Kapitel 16 die
erſte eigentliche Buchdruckerordnung. Nach derſelben war vor allem ver
Verkauf ſektiſcher Bücher verboten; dieſe find vefiniert als calwiniftiiche,
papiftiiche, wiedertäuferijche, jchwendfelviihe u. vgl. Wie dieſe Beftim-
mung gehandhabt wurde, dafür kann als Beiſpiel das bereits im zweiten
Kapitel mitgeteilte Berfahren gegen Eberhard Wild dienen.
Bon den damaligen Kurfüritentümern kommen zunächit vie vrei geilt-
liben Mainz, Köln und Trier für eime ſelbſtändige Entwidelung des
Buchhandels, alſo auch ver Kenjur, gar nicht im Betracht, da fie jchen
im Intereffe ihrer Selbiterbaltung gezwungen waren, ſämtlichen cäjaro-
papiftiichen Anregungen und Befehlen unbedingt nachzufonmen. Was
tort „mit Bewilligung ver Obern“ geprudt wird, hat jehr wenig wiffen-
ichaftlihen Wert und noch weniger allgemeine Berentung. Die Stadt
Köln war allerpings ein beveutender Verlagsort; allein ev zeichnete fich
jtets durch vie Rechtgläubigkeit ſeiner Geſinnung und ven philologiſch—
theologiſchen Charakter ſeiner Drudwerfe aus, die höchſtens einmal aus—
nahmsweiſe der Cenſur verfielen. In allen geiſtlichen Städten decken
ſich kirchliches und politiſches Leben, oder jenes läßt vielmehr dieſes nicht
aufkommen. Indeß bat doch auch gerade in der Stadt Köln ver Rat,
neben ver ſchon geſchilderten geiſtlichen und Univerſitätscenſur, eine ſelb—
ſtändige politiſche ausgeübt, vie außerdem, wenigſtens in ſpätern Zeiten,
ziemlich ſcharf war, beſonders wenn es ſich um Angriffe auf den Rat
ſelbſt handelte. Wenn bereits am 15. Februar 1525 im allgemeinen
verfügt worden war, daß die Buchdrucker keine Bücher ohne Erlaubnis
des Rate veröffentlichen ſollten, ſo wurde am 3. Dezember 1535 noch
beſonders geboten, Bücher auf Fürſten und Herren nicht anders, als mit
Erlaubnis des Rats zu drucken. Der Vertrieb angeblicher Pasquille
wurde mehrfach unterſagt, 1555 aber ſetzte der Rat, da allerlei Schand—
ſchriften und Pasquille auf ihn und beſondere Perſonen erdichtet und
ausgebreitet würden, 100 Gulden Belohnung darauf, wer ſolche Dichter
melden würde. Aber ſchon ein Jahr ſpäter hatte Antonius Keiſer doc
wieder ſchändliche Lieder unter fremdem Namen gedruckt; man legte
ihn in Ketten und ſtellte Hausſuchung nach den Schriften und For—
men an. Unter dem 29. Mat 1581 wurden dann die Preßverhält—
niſſe Durch Aufitellung einer Buchdruckerordnung feiter geregelt, und im
Jahre 1505 ver Buchdrucker in ver Yinviguffe und Fran Geirtgen be
| 588 Böhmen. Natscenfur in Breslau. Neuntes
f itraft, weil fie einen Calviniſchen Katechismus gedruckt hatten, der Buch—
Erre alt Ih pruder als unberachtjam um 10, bie Frau um 50 Ihaler. Noch am
HH —— 4 7. Januar 1678 beſchloß der Rat, die Abſchrift eines famoſen Reim—
HEN: IT gerichte, anfangend „Floreant privilegia civium et pereant iniqui
Arm air Judices“, durch die Diener ver Gewaltrichter nachmittags auf dem Alt-
IK mt markt am „Kärx“ Kaak) öffentlich verbrennen zu laffen.
1 ai 9 Unter ven weltlichen Kurfürſtentümern ſpielt Böhmen, als habe—
"HR 3 burgiſches Kronland, keine ſelbſtändige Rolle. Zudem blutete es zunächſt
i J —P noch an ven furchtbaren Wunden, welche die Huſſitenkriege ibm ae
t Bar 3 ichlagen hatten. Die niedergeworfenen Anhänger von Johann Huf und
NE H 4 die aus ihnen hervorgegangenen Sekten vegetierten zwar heimlich fort,
Beh ITeRarT wagten ſich aber gar nicht mehr an die Öffentlichkeit, höchſtens, daß fie
9 (#: Ep] A im deutjchen Auslande, wie in Nürnberg over Augsburg — und jelbjt in
a Dresden unter Konnivenz Kurfürſt Augufts, wenn auch auf ausprüd-
8 fr 4 lichen Befehl vesjelben ohne Namensnenmumg des Druders — eine ihrer
Re 44 Belkenntnisſchriften drucken zu laſſen wagten, denn überall wachten vie
Ei Spüherangen ver Häſcher Ferdinands und ſchufen mit ihren bereits ge—
et Et ichilderten Mitteln die Ruhe des Graben.
182 Merhvürdigerweije durfte ſich das benachbarte Schlejien noch längere
4 er + Zeit einer gewwiffen Freiheit auf geiſtigem Gebiet erfreuen, obaleich ee
lee)" 4 noch im Verlauf der in dieſem Bande geſchilderten Periode völlig unter
F 5 dasſelbe ſtrengkatholiſche Regiment gelangte. Vor allem gilt dies von
+ ! der Dauptitadt Breslau, wo die proteftantijche Obrigfeit, bei der zu:
{ STR nächſt Die Handhabung ver Prefpolizei lag, den Prinzipien des Biſchofs
2 aber Ts il und der fpitern Regierungsgewalt geradezu Direkt entgegen verfubr.?o
2 7 4 Es iſt hierauf ſchon weiter oben hingedeutet worden, aber einiger Einzel—
ie f beiten muß bier noch mäher gepacht werden. Im Sabre 1558 batte
, = TEE Andreas Winfler, der erjte Rektor des breslauer Eliſabethgymnaſiums,
nit Unterſtützung des Rats eine Buchdruckerei neben der bereits be-
itehenvden des Kaſpar Yobifch errichtet, für welche ſich nach und nach ein
förmliches Monopol des Buchdrucks in Breslau entwidelte. Das Jahr
Darauf wurde vom Rate bejchloffen, dar Yobijch deſſen Druderei nun
ſchnell in Verfall geriet) feine Inteinijchen Bücher, mit Ausnahme von
mathematischen, und feine Diftorien und Sermone ohne Vorwiſſen Wint-
(ers drucken jollte, welchem lettern dagegen der Drud und Verlag ver
“ Schulbücher, zumächit auf 10 Jahre, privilegiert wırde. Dafür ımter-
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Kapitel.) Eigenartige Cenſurverhältniſſe in Breslau. 584
warf Winkler ſich der Cenſur des Rats. Es wurde ihm vorgeſchrieben,
daß er alles, was er zu drucken beabſichtigen würde, zuvor denjenigen
Perſonen, welche der Rat als Cognitores dazu beſtellen würde, genug
ſam anzeigen ſolle, damit nötigenfalls dem Rate darüber Bericht erjtattet
werde, Der Yanpesherrichaft wird dabei in feiner Weiſe gedacht. Anverer-
jeits beziebt fich ein ven Nönig Ferdinand IL am 4. Dezember 1541 er-
teiltes Privilegium nur auf den Drud beſtimmter Bücher, nicht auf vie
von dem Rate berwilligten Gerechtſame. Dieje, von Zeit zu Zeit immer
wieder ernenert, gingen mach und nach auf Criſpin Scharfenberg, Johann
Scharfenberg und Georg Baumann über. „Johann Scharfenberg hatte
jib jchen 1577 eine kaiſerliche Beſtätigung jeiner Privilegien verſchafft
und in gleicher Weiſe verfuhr Georg Baumann im Jabre 1596. Yet-
term gegemüber hatte ver Rat vie Verpflichtung zur Unterwerfung ımter
jeine Cenſur ernenert und durch bejendere Dervorhebung der Famos—
jchriften erweitert. Auch ver Witwe Georg Baumanns wurden dieſe
Privilegien 1612 vom Rate verlängert und 1614 vom Kaiſer Matbias
neu beitätigt.
Nach ven betreffenden Attenſtücken handhabte nun ver Nat Die Gen-
jur derart, daß er den Vertrieb reformierter und anderer „ſektiſcher“
Yitteratur jtveng verpönte, während er den ver katholiſchen zwar auf
Grund ver Beſtimmungen des Augsburger Religionsfriedens geitatten
mußte, den Druck verjelben in Breslau aber verhinderte. Und dennoch
bejtätigte der Kaiſer die Privilegien, die den Druder an eben diefe Be—
jtimmungen des Rats banven. Ja, als ver Nat dem jüngern Georg
Baumann jein Privilegium für ſich und jeine Erben 1621 erneuert, auch
auf Kalender und Prognostica ausgedehnt und 1630 neu beftätigt hatte,
fonfirmierte Ferdinand III. 1643 nicht allein dieſe Privilegien, jondern
erweiterte jie gewiſſermaßen noch durch vie Beitimmung, daß Baumann
neben den gewöhnlichen Schul- und andern Büchern, Kalendern und
Prognostieis alle andern am ſich gebrachten Scripta, tractatus und
opera superiorum facultatum, cs jet in Theologie, Jurisprudenz,
Mepizin ever Philoſophie, wie ſolche auf berühmten hohen Schulen zu
pruden und zu verkaufen zugelaffen, ungehinvert durch vie Buchoruder
und Buchbinver in Djterreih und inforporierten Yanden, und durch
andere fremde Buchoruder, Buchführer, Buchbinder u. ſ. w. zu druden,
öffentlich feil zu haben, auch zu verführen Macht und Recht baben jollte,
590 Intriguen gegen das Cenſurrecht des breslauer Rats. [Neuntes
Der Kaijer ging bier auffallenderweije jtilljchweigend darüber hinweg, daß
Baumann nach ver jtäptiichen Genjur ausjchließlich nur jolche Bücher
aus dem Gebiete der Theologie druden durfte, welche in ven kaiſerlichen
Erblanden jtreng verpönt waren.
Wenn dies eine Kolge der den ſchleſiſchen Ständen noch zuſtehenden
Privilegien war, jo begann doch nun der Kampf ver Jeſuitenpartei gegen
diejelben bald auch bier. Nach einem Bericht des Föniglichen Fiskals
in Oberjcblefien, Auguftus Frank, batten jehen vor 1657 die Erben des
breslauer Buchbändlers Johann Perfert bei den kaiſerlichen Behörden,
nicht bei dem Rate, die Erlaubnis zur Errichtung einer zweiten Buch
pruderei in Breslau nachgefucht. Als aber nach vem Tode des leßten
Nachkommens Georg Baumanns, des Buchhändlers Kaſpar Kloſemann,
deſſen Witwe eine zweite Ehe mit dem Syndikus der Stadt, Dr. An—
dreas von Aſſig und Siegersdorff, einging, wurde durch genannten Frantz,
jicher auf Veranlaſſung des Rektors des Jeſuitenkollegiums, Baltbajar
Conrad, die Frage angeregt, ob es ſich nicht thun laffe, in Breslau noch
eine andere Buchoruderei aufzurichten, ob Königl. Majejtät verbunden
jei, das beſtehende Privilegium zu achten, oder ob fie nicht nach Be
lieben noch eine andere Buchoruderei in Breslau verjtatten fünne, Die
Genjur bei jolcher Buchoruderei gehöre wohl auch zu den boben Rega-
libus. Ein beigelegtes Gutachten des genannten Jejuitenrektors weilt
darauf bin, daß es jehr müßlich und notwendig jei, eine Buchoruderei
in Breslau zu errichten, in welcher vor allem katholische und dann Bücher
neutralen Inhalts (indifferentes) geprudt werden fünnten. Denn ob:
gleich daſelbſt ſchon eine Buchdruckerei bejtehe, jo mare fich doch der Kat
die Genjur an und dulde, unter dem Vorwande ver Erhaltung des öffent
lichen Friedens, den Drud fatholifcher Bücher nicht, wie auch in ganz
Schleſien feine leiftungsfähige katholiſche Buchpruderei eriftiere, ſodaß
die breslauer Katholiken entweder auswärts drucken oder ihre Bücher von
auswärts kommen laffen müßten. Der König brauche ſich um jo weniger
an das von dem Rate erteilte Privilegium zu jtoßen, weil die Breslauer
dasjelbe durch Das Berbot des Druds fatholifcher Bücher gemigbraucht
hätten. Es wäre daher Löblich und mügßlich, in Breslau eine gute fatbe-
liſche Buchdruckerei zu errichten, die jedoch der Genjur des Jeſuiten
tollegiums oder einer andern durch den König zu verordnenden zu unter
werfen wäre. Wenn nun auch vorläufig das Privilegium der Baumann
Kapitel.) Die Rheinpfalz und Brandenburg. 591
ſchen Erben noch beiteben blieb, jo wurde doch jchlieklih 1702 eine
katholiſche „biſchöfliche Druckerei auf dem Dome“ vurd Andreas Franz
Pega errichtet.
Die Rheinpfalz batte als proteſtantiſcher, und namentlich refor—
vie Preſſe zu beſchränken; ihr einziger geiſtiger Mittelpunkt, Heidelberg,
übte nur in der theologiſchen Litteratur die gewöhnliche Univerſitäts—
cenſur aus, die unter Umſtänden ſogar gegen den eigenen Landesherrn
in Anwendung kam. Der im Sommer 1561 in Pflicht genommene
Univerſitätsbuchdrucker Ludwig Luck (Yucius) erhielt im September des—
ſelben Jahres von Kurfürſt Friedrich den Auftrag, das letzterm gewid—
mete „Judicium Philippi Melanchthonis de controversia coenae do-
mini“ innerhalb zwei Tagen zu pruden und die ganze Auflage an ven
Kurfürſten abzuliefern. Yud, der umter andern verpflichtet worden war,
nichts ohne Wiffen und Willen des Rektors und der Umiverfität zu
Heidelberg zu druden oder zu vertreiben, bat um Verhaltungsmaßregeln
für diefen Kal. Der Rektor Nafpar Agricola legte jofort die Sache
dem Zenat vor und es wurde nach Berlejung des Briefs und der Schrift
Melanchthons aus vielen Urjachen einftimmig beſchloſſen, es jei nicht
zu gejtatten, daß der Univerſitätsbuchdrucker Luck dieſe Schrift zur Zeit
drude. Zwar berubigte ſich ver Kurfürſt dabei nicht und übergab vie
Schrift dem Vorjigenvden jeines Geheimen Rats, Georg Grafen von
Erbach; aber auch viejer ſprach fich gleichfall® gegen den Drud aus, *!
Brandenburg war bis zum Ende des 17. Jahrhunderts noch zu
wenig entwidelt, noch zu jehr dur vie Befriedigung des nadten Be—
dürfnifjes in Anjpruch genommen, als daß es während der zwei erjten
Jahrhunderte nach Erfindung der Bucornderfunit von irgend welcher
litterariſchen Bedeutung bitte jein können. Es bleibt alje für die bier
zu behandelnde Periode nur noch Sachſen übrig.
Einige Jahre nach der Zeit, in welcher die Buchdruckerkunſt hier
feſte Wurzeln faßte (1485), batten ſich Kurfürſt Ernſt und Herzog Al—
brecht in den Beſitz des ganzen Landes geteilt. Der Kurkreis und Thü—
ringen verblieben den Erneſtinern, während Meißen mit den wichtigen
Städten Dresden und Leipzig den Albertinern zufiel. Hier folgte dem
erſten Herzog Albrecht dem Beherzten ſein Sohn Georg der Bärtige
(1500 bis 1539), ver in der Folge ein ebenſo erbitterter Gegner der
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592 Sachſen. Hartes Verfahren Herzog Georgs. Neuntes
Reformation wurde, als ſein Vetter, Kurfürſt Friedrich ver Weije (1468
bis 1525), ſich von Anfang an als ihr eifrigjter Körderer erwies. So
verbot Georg die neue Vehre jofort bei ihrem erjten Auftreten in ſeinem
Yande, vertrieb jeden, der nur dem lutheriſchen Gottesdienſte beiwohnte,
umd rief feine in Wittenberg jtudierenden Untertbanen von dort zurüd,
damit fie das lutheriſche Gift nicht einfügen. Schon 1522 verlangte er
von den benachbarten Fürften gemeinjame Mafregeln gegen das Umſich—
greifen der Reformation und vief die Hilfe des Kaijers gegen dieſelbe
an. Sein Hauptzorn aber traf die Leipziger Buchdruder und Buch
führer, welche lutheriſche Schriften vertrieben; unverzügliche Austreibung
war ihre Strafe. Der leipziger Buchdrucker Michael Blum bat in jol-
genvem rührenven Briefe, ihm umd jeinen Kindern ven Aufenthalt in
Yeipzig nicht zu verbieten. Er iſt am Tage ver heiligen Katharina
(25. November) 1525 gejchrieben und erklärt jich jelbit:
‚Nachdem ich im jüngft vergangenen Sommer ein deutſches Büch—
lein, jo Martin Yuther gegen ven Canonem gemacht, aus Unverſtänd—
nis und unwiſſend, daß jolches E. Fürftlichen Gnaden entgegen jei, ge-
drudt babe, verohalben E. F. G. einem Rat allbier zu Yeipzig mich
in Straf zu nehmen gmädigen Befehl getban, welches venn gejcbeben,
alſo daß mich der Rat bis in die dritten Wochen im Gefängnis ge-
haften bat, Und jo ich nunmehr nach GErforderung meiner Nahrung
mich von Yeipzig zu wenden geurjacht, und hat auf E. F. Gn. weitern
Befehl ein Rat allhier mir gejagt, daß ich, wie ich mich von binnen
wend, die Stadt Yeipzig fortan meiden joll, welches nicht allein mir,
jondern auch meinen armen Kindern umd ander meiner Freundſchaft an
ihren, auf Handwerkszünften, und alſo auch an unjrer Nahrung zum
wirflicben Nachtheil und Schaden gedeihen möchte, derohalben wage ich
an E. 3. ©. als meinen barmherzigen und milden Yandesfürften meine
ganz demüthige, unterthänige und fleißige Bitte, E. 8. ©. wollen an
gejehener Strafe des Raths allhie zu Yeipzig gnädige Sättigung baben,
das Übrige, jo ich vielleicht verwirft, mit E. F. ©. mildern Barmberzig-
feit urtheilen und mir, allen den Meinen und mir zu wirklichem Nach-
theil die Stadt Yeipzig nicht zu verbieten.“
Aus Yeipzig, der damals großen und fat einzigen ſächſiſchen Druder-
jtadt, vertrieben zu werben, hieß für einen dortigen Druder ziemlich jo-
viel als ins Elend wandern, denn in den Heinern Städten der Nachbarjchnit
Kapitel.] Preßpofizeilicher Drud auf den feipziger Buchhandel. 593
war die Druderfunft noch kaum heimisch und jelbjt in ven größern Orten
nur dürftig vertreten. Mochte die leipziger Univerfitit auch noch lange
in ven Bahnen der Scholaftif fortwandelu, jeine Bürgerjchaft, nament-
lich aber die große Mehrzahl ver Bucoruder und Buchhändler, fielen
troß der Verfolgungen des Herzogs der neuen Yehre zu. Zwar für Dies-
mal fand Michel Blum Gnade, wenn es nicht jein Anfang 1526 ein-
tretender Top war, der die Ausführung des harten Befehls verhinderte;
aber die Gejamtheit ver wohl ebenjo ſchuldigen leipziger Gejchäftsgenoffen
jcbeint mit einer jchweren Geldbuße belegt worden zu jein. Denn bei
ver von ihmen betonten gedrückten Geichäftslage ift es mehr als un—
wahrſcheinlich, daß es ein reiner Aft ver Wohlthätigfeit war, „wenn bye
Bucoruder und fuhrer“ im Jahre 1526 100 Gulden im das „Reiche
Almoſen“ ftifteten.
Unter Herzog Georg blieb daher Yeipzig in der Folge ein Haupt-
verlagsort für katholische Yitteratur; die Leipziger Buchhändler bezeichnen
dieſe aber jelbjt als jo gut wie unverfäuflich. Den wichtigften Handels—
artifel für die Buchhändler jener Zeit bildeten Dagegen die Schriften
ruthers und ver Neformatoren; durch jein Vertrieböverbot ſchädigte Der-
zog Georg aljo nur die Intereffen der Yeipziger aufs empfindlichſte.
Bejonders gefährlich wurde ihnen Wittenberg durch die Thätigfeit jeiner
Verleger, welche jogar in Yeipzig Mehniederlagen und Kommanditen er:
richteten und das früher blühende Leipziger Geſchäft am fich zu reißen
drehten. Dem Herzog balfen jedoch auf die Dauer jeine ftrengen Maß—
regeln nur wenig. Ob er die Buchläden nach Lutherſchen Läſterſchriften
durchſuchen, wittenberger Buchhändler einjperren oder ausweilen, oder
die umter fingierter Firma bergeftellten Nachornde ver wittenberger Preffe
mit Bejchlag belegen, oder endlich jeine eigenen Bürger mafjenhaft als
Anhänger der Reformation aus Yeipzig verjagen fie, es half alles
nicht: der heimliche Bertrieb ver Reformationslitteratur fonnte nicht
unterdrüdt werden. Selbft Michel Blum ver Jüngere, der Sohn des
Semafregelten, ließ fich nicht abſchrecken. Es machte auch feinen Eindruck,
daß in Dresren ver Verfaffer einer Yutherichen Schmähſchrift verurteilt
wurde, „jein erdicht Schandtbuch zu frejfen” und daß Schänder ver
Heiligenbilver zum Thore hinausgepeitjcht wurden. Das Gebot, alle Exem—
plare von Luthers Bibelüberjekung gegen Erftattung des Preifes abzulie-
fern, brachte im Amte Meißen mir vier Stüd ein; die Überjegung des
Stopp. I. 38
594 Freiheit der Bewegung in Wittenberg. Meuntes
Neuen Tejtaments aber, die der Herzog 1527 ſelbſt durch Emjer heraus
geben ließ, um der Welt zu beweijen, daß er nicht, wie Yuther ihm vor-
warf, wider das Evangelium und das Wort Gottes jei, erwies fich, ab-
gejehen von einigen Verjchlechterungen, als eine Kopie der Lutherſchen,
ſodaß num dieje unter Emjers Namen von Obrigkeits wegen in die Hände
der Yaien fam.
Wenn nun auch Herzog Georg die Beitimmungen des Wormjer
Edikts ſtreng und unerbittlich bandbabte, die ver jpätern Reichsordnungen,
bejonvers die gegen die Sektierer, wiederholt energiſch einjchärfte — wie
gezeigt jelbjt mit Nichtachtung der materiellen Intereſſen feines Yandes,
denn der aufftrebende Buchbandel Yeipzigs, die raſch emporblühende leip-
ziger Büchermejfe wurden unter jeinev Regierung faft dem Untergange
zugeführt —, jo bat doch unverdienterweiſe drei Jahrhunderte bindurd
der Makel auf ibn gelaftet: es babe ibn diefe Härte in Glaubensſachen
jelbft zum Blutvergießen getrieben, er babe den nürnberger Buchführer
Johann Herrgott im Jahre 1524 (richtiger 1527) wegen des Vertrichs
Lutherſcher Schriften in Yeipzig binrichten laſſen. Neuere Forſchungen
haben mit Sicherheit feitgeftellt ??, daß Derrgott nicht ein Märtyrer der
kirchlichen Bewegung war, jondern als agrariſch-ſozialiſtiſcher Agitater,
als ein Epigene der Führer int Bauernfriege mit dem Leben büßte. Das
Nähere darüber ift bereits im ſiebenten Kapitel gebracht worden.
In Wittenberg dagegen, in ver Reſidenz des damals Furfürjtlichen
Theils von Zachjen, veröffentlichte Yutber alle jeine Schriften, jelbjt die
beftigjten, ungebinvert von jever Genjur, höchſtens, daß ihn gelegentlich
freundliche Bitten des Nurfürjten zur Mäßigung mahnten, wenn jeine
urfräftige Ausdrucksweiſe ſelbſt fürſtlicher Perſonen nicht jchente. In
cenſur- richtiger im preßpolizeilichen Aırgelegenheiten entſchied eben zur
Zeit noch nicht das klar formulierte Geſetz, ſondern lediglich das Be
lieben des jeweiligen Landesherrn oder Machthabers. Erſt nach George
Tode, infolge dejien fich auch Yeipzig ganz ungehindert ver lutheriſchen
Yehre zuwenden fommte, ihr zum Teil ſogar etwas gewaltjam zugeführt
wurde, zeigen ſich unter Herzog Heinrich und unter den jpätern Kur:
fürjten Morit (1542 bis 1553) und Auguſt (1553 bie 1580) die An-
fünge einer rechtlichen Ordnung diejer Verhältniſſe, zumächft durch ge
logentliche Mandate, erjt jeit ver zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
in Anlehnung an Die Reichsordnungen in Geſetzesform.
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Kapitel.) Organiſation der Cenſur in Leipzig. 595
In Yeipzig, welches ja bier bauptjächlich in Betracht kommt, wurde
die Genjur zumächit durch den Rat ausgeübt. ?* Nachdem, wie jeben im
zweiten Kapitel erwähnt, Nikolaus Wolrabe ver Genjur des Bürger:
meilters und des Zuperintendenten (der Rat war an der Stircheninjpef-
tion beteiligt) unterworfen worden war, wurde jchon furz nachher, am
10. Mai 1539, auch ven übrigen leipziger Drudern eingejchärft, nichts
Neues drucken und ausgehen zu laffen, jie hätten es denn zuvor dem
Rate angezeigt. Am 9. Auguſt vesjelben Jahres wurde dann jogar ver:
ordnet, daß alle acht Tage zwei Ratsherren zu ven Buchorudern geben
und zujeben jollten, daß nichts, denn dem Gvangelio Gemäßes geprudt
werte. Dieje Berfügungen bafieren natürlich auf Anoronungen Herzog
Heinrichs; aber auch viejer gehorchte zum Zeil nur dem herrijchen Drud,
welcen Kurfürſt Johann Friedrich von Wittenberg aus auf ihn aus—
übte. Johann Friedrich, der Yuther frei gewähren lieh, war unduldſam
gegen deſſen Gegner. Bei alledem war aber ver Rat im der Negel ge-
neigt, das gejchäftliche Intereſſe ſeiner Bürger zu jchonen und es be-
durfte gewöhnlich einer bejondern Anregung won Dresden, um ihn zum
KEinjchreiten zu veranlaffen. Cine Verordnung des Herzogs Moritz
vom 9. Mai 1546 verbietet, ohne Strafanprohung, den Berfauf gewifjer
dent Kaiſer verdächtiger und verdrießlicher Reime, eine andere vom 8. Of-
tober desjelben Jahres, und zwar bei erniter Strafe, ven Nachdruck eines
nicht bejonders nambaft gemachten Senpbriefs; beive Verordnungen ſchwei—
fen bereits auf das politifche Gebiet über, das erjt mit der Seit ver
Grumbachſchen Händel eine größere Bereutung gewinnt. Im ganzen
aber war die Cenſur noch erträglich, wenn fie überhaupt regelmäßig aus:
geübt wurde. Noch ein Mandat vom LO. Januar 1549 richtet fich allein
gegen ven Vertrieb jolcher Bücher, Yiever, Reime oder Gemälde, darinnen
andere Yente bejchiwert werden, oder ſolche, die feinen oder einen unbe:
fannten oder erdichteten Namen anfweifen oder die Angabe des Druck
orts vermiſſen laſſen; die Verkäufer ſolcher Schriften jollen vorgeforvert,
ihnen die Waren abgenommen und fie verwäarnt werden, und erjt wenn
jie mit jolchen Büchern wiederfonmen, joll man fie gefänglich einziehen
und Bericht darüber eritatten. Bon einem Verbote, jolche Yibelle im
Lande zu druden, ijt dabei noch nicht die Rede.
Weiter geht ſchon eine Verfügung vom 1. Februar 1558. Da viele
Zchmähbücer, Yiever, Reime u. dal. unter falſchem Namen und jonit
88 *
5% Einfluß der firhlihen Wirren auf die Verſchärfung der Cenſur. [Neuntes
ausgingen und feil gehalten würden, jo ergebe der ernjtliche Befehl, ver
Rat wolle hinfüro feine neuen Bücher, Yieder, Reime noch jenjt etwas
Neues druden oder feil haben laſſen, fie ſeien denn zuvor durch den
Rektor der Univerfität, den Zuperintendenten und den Rat mit Fleiß
überjehen worvden. Dieje wahrjcheinlich auch nach Wittenberg erlaffene
Verordnung zieht zum erjten mal auch die Uniwverfität zur Beauffichtigung
der Preſſe mit herbei.
Als aber nach dem Tode Melanchthons die fryptocalviniftiichen Strei
tigfeiten ausbrachen, hatte dies auch auf das Prefgewerbe merflichen Ein-
fu. Schon am 1. April 1560 hatte Kurfürſt Auguft das Rejfript von
1558 nen eingejcbärft und zwar mit jpezieller Bezugnabme auf Bücher
und mit der auffallenden Änderung, daß ver Rat als Genjurtelle nicht
mehr erwähnt wird. Es wird demjelben nur aufgetragen, die Buch—
druder vorzufordern, fie zu befragen, was fie in Druck haben, und jol-
ches von ihnen zu fordern und dem Rektor und den vier Defanen zur
Durchficht zu übergeben, auch, wenn dieje etwas Bedenkliches fänden,
den Drud zu verhindern.
Eine weitere Verjchärfung brachte jchon ein Rejkript vom 14. Sep—
tember 1562, welches jogar möglicherweije öffentlich werlejen worven iſt.
Trotz früherer Verbote fehrten ſich doch einige unruhige Yeute nicht an
diejelben — jo drüdt es fihb aus —, vielmehr wolle fich fajt ein jeder
unterjteben, in Neligionsjachen nach jeinem eigenen Kopfe Bücher zu
jchreiben und ausgehen zu laffen, wodurch die Leute irre umd der reinen
Yehre abwendig gemacht würden. Cs ergebe daher ver Befehl, ver Kat
wolle ernjtlih Verfügung thun, daß ſich männiglich, wer es auch jei,
aller Schimpfreven, Yiever, Reime, Gedichte u. dal. enthalte, auch fein
Buch, welches der Heiligen Schrift, der Augsburgiichen Konfeſſion und
der allgemeinen chriftlichen Yehre entgegen, ins Yand eingeführt und ver-
fauft oder verbreitet werde, desgleichen, daß niemand mehr ein Bud
oder jonjt etiwas in Neligionsjachen drucke over herausgebe, es ſei denn
zuvor den Univerſitäten zu Wittenberg und Yeipzig untergeben, durch—
gejehen, für hriftlich und tüchtig erfannt und approbiert worden. Ebenſe
jolle der Rat auf alle im Yande gedrudten Schriften, welche in Yeipzig
feil gehalten würden, mit allem Fleiße jeben, und wenn Schmäbjchriften
u. ſ. w. oder Bücher, die nicht won beiden Univerſitäten approbiert wären,
vorkimen, ſolche einzieben und ven Thäter zu gefänglicher Verwahrung
Kapitel.) Definitive Organijation der Preßpolizei in Yeipzig 1569. 597
und ernjter Strafe nehmen, auch bierüber Bericht eritatten. Seinem
bisherigen paſſiven Verbalten getreu, ſchob der Nat aber in vorkommenden
Fällen alles „ad Theologos”; er wollte fich bei Hofe, des dort waltenden
kirchlichen Meinungsftreites halber, „nicht verbrennen‘!
Inzwiſchen waren die Srumbachichen Händel ausgebrochen, dazu die
Flacianiſchen Streitigkeiten, jodar die Stimmung des Kurfürſten August
immer gereizter wurde. Sein damit und mit den jpätern kryptocalvi—
niſtiſchen Wirren zujammenbängendes hartes Verfahren in Sachen Ernit
Vögelins ift im zweiten Kapitel erwähnt worden. Unter vem 1. Oktober
1564 gelangte num wieder ein Reſkript an ven Rat: durch die verbor-
benen Buchdrucker würden allenthalben mancherlei ſchädliche und ärger-
libe Traftätlein gedrudt und unter das gemeine Volk gejprengt, was
nur Verwirrung der Gewiſſen und Aufwiegelung gegen die Obrigkeit
bervorriefe. Der Rat ſolle daher etliche aus feinem Mittel zu allen
Buchführern, welche diefen Markt in Leipzig feil bätten, ſchicken, um
ihnen bei Berluft aller ihrer Bücher ven Verkauf jolch ſchädlicher Traf-
tätlein und Bücher, injonderbeit, was Wilhelm von Grumbach und jeine
Anbänger in Drud geben, und dann was etliche Theologen zu Mans—
ield und anderswo gegen die Theologen der beiden Univerfitäten und vie
Yandesfirche ausgeben lajjen, ernitlich zu verbieten.
Die Übertragung der Preßpolizei aber an Univerfitit und Rat zugleich
findet jich zum erjten mal in dem furfürftlichen Reſkript vom 25. April
1569; es liegen darin die Heime der kurſächſiſchen Bücherkommiſſion, wenn
auch diefe Benenmung erſt viel ſpäter auftritt. Übrigens behielt der Rat
dabei die Grefutive, während in Wittenberg Buchdruder und Buch:
bunvler völlig der Jurisdiktion der Univerſität unteriworfen wurden.
Wenn dieſes Reifript eine Vifitation der Buchläden auch nur für
die betreffende Meſſe angeorpnet batte, jo wurde eine regelmäßige Be-
auffichtigung des Mefverfehrs doch ſchon am 20. Dezember vesjelben
Jahres verfügt. Endlich wurde dann am 26. Mai 1571 dur ein fur:
fürtliches Mandat eine Art von Negulativ für die Preßgewerbe feit-
geitellt, welches die Reichspreßordnungen gegen Schmäbjchriften, gegen
Bücher ohne Angabe des Verfaffers und Drudorts und gegen Winfel-
drudereien einjchärfte, die landesgejeßlichen Genfjurbeftimmungen mit ent-
bielt und beſtimmte, daß nur in Dresden, Wittenberg und Yeipzig (und in
Annaberg beim Hoflager) Drudereien bejteben dürften. Kine Verord—
598 Streitigkeiten innerhalb der Behörde. Praxis der Cenſoren. Neuntes
nung von 1588 verfügte zwar noch weiter, daß auch für die durch die
Univerſität approbierten Bücher die Druckerlaubnis erſt in Dresden
eingeholt werden ſollte; doch ſcheint dem keine Folge gegeben worden
zu ſein. Dagegen wurden die Buchdrucker nun darauf vereidigt, ohne
Cenſur der Univerſität und des Rats nichts zu drucken. Aber ebenſo, wie
die dresdener Supercenſur — jedenfalls am Widerſtande der Univerſi
tät — ſcheiterte, ließ ſich auch der Rat zu der erforderten regelmäßigen
Viſitation der Buchläden nicht herbei, „va ſich niemand dazu gebrauchen
laſſen wollte”. Daneben ſuchte ſich die Univerſität außerdem vie Cenſur—
befugniſſe immer mehr allein anzueignen und beanſpruchte ſogar 1508
die Cenſur über die Ratsmandate, wogegen ſich ver Rat — der ſich die
Yofalcenjur, bejonders auch über die Neuen Zeitungen, vworbebalten
hatte — natürlich energiſch ſträubte.
Gegenſtand eines weitern Streitpunfts, defien Erledigung — neben
der des joeben erwähnten — die Zeit eines ganzen Jahrhunderts erforderte,
war die Vereidigung der Buchdrucker. Die Univerfitit beanjpructe die
Mitwirkung dabei, weil die diejelbe anordnenden Nejkripte an Univerſität
und Rat gemeinjchaftlich gerichtet waren und erjtere allem Anſchein nad
gern die in Wittenberg beſtehenden Verhältniſſe auf Yeipzig übertragen
hätte. Der Rat hingegen juchte ſich mit Fug und Recht vie Gewerbe
polizei und die Jurisdiktion über feine Bürgerjchaft mit Entſchiedenheit
zu wahren, fiegte auch jehlieflih ob. Es würde jedoch zu weit führen,
hier näher auf derartige Kompetenzftreitigfeiten einzugeben.
In der ganzen nachfolgenden Periode und bis zu Ende des Dreifig
jährigen Kriegs jebeint die Prefpolizei, joweit fie fich auf Verfolgung
mißliebiger Schriften eritredt, in Sachſen faſt ganz gerubt zu baben:
nur wenige, ganz vereinzelte Fälle davon werden berichtet. Grit von
der Michaelismeffe 1651 am beginnt das Fahnden auf Schmählarten
und heterodoxe Schriften von neuem. Nach und nach wird auch in ein—
zelnen Fällen eine genauere Beſtimmung des bisher unflaren Begriffe
von „Libell“, „Famosſchrift“ und „Charteke“ gegeben. Verſchiedene Man
date verbieten Schriften, die „wider die Ordentliche Obrigkeit lauffen“,
oder die „ven landesfürjtlichen Regalien nachtheilige und gefährliche
Dinge” enthalten oder gegen „Unjere Jura und Unjer Hohes Anjeben“
verſtoßen. Den Schriftjtellern und dem Preßgewerbe überhaupt war da—
mit natürlich nicht gerade viel geholfen; das Belieben des Cenſors, um
Kapitel.) Praxis der Cenſoren. Die Generalverordnung von 1686, 599
über vdiejen hinaus das der Behörden, blieb ja doch die ultima ratio,
Und dies Belieben ver Cenſoren, d. h. ver Dekane und Brofefforen, be:
ſchränkte fich dabei nicht auf die Beurteilung: ob eine Schrift gegen
Recht und gute Sitte veritiehe, oder nicht, — es maßte fich oft genug
auch eine fachliche Kritit des zu cenfierenden Bude an. Es waren auch
nicht allein die Theologen (worüber noch jpäter), die fo zu handeln fich
für berechtigt hielten, nein, auch die Hiſtoriker, Die Mediziner jahen fich
gemüßigt, je aufzutreten. Der Genfer von Schneiders „Chronicon Lip-
siense‘” forrigierte dasjelbe gründlich, die medizinische Fakultät verhin—
derte ven Drud eines Werfes über Chirurgie, und der Professor Poeseos
Dr. Seller hielt jich für berufen, den Stil ver zu druckenden Hochzeits—
carımina 1. j. w. von Obrigfeits wegen zu verbeffern!
So berrjehte denn immer noch eine ſolche Unklarheit, daß die Regie:
rung ſich nochmals veranlaft ſah, unter dem 27. Februar 1686 eine
Generalverordnung zu publizieren, welche das Preßgewerbe für Einhei—
miſche nun Auswärtige gründlich vegeln jollte. Indeß iſt auch dieſe Ver—
ordnung faft nur eine Wieverholung früher erlaffener, nur daß neben
Nennung des Druders auch die des Berlegers vorgeichrieben wird. Aber
alle dieje Verordnungen fruchteten jo wenig, wurden jo häufig umgangen
oder ignoriert, daß ſich die Regierung ſogar in einem Reſkript vom
3. Januar 1698 zu Androhung von Yeibes- und Yebensitrafen bei Um—
gehung der Genjur veranlakt fand.
Die Befolgung der beftchenven drückenden Genjurvorjeriften, auf
welche zunächit die Buchoruder verpflichtet waren, war allerdings jehwieria
und ven üblem Einfluß auf die gefchäftlichen Verhältniſſe. Hatte ja
doch neh am 26. Februar 1697 das Oberfonfijterium eine neue Ver—
eidigung der Buchdrucker angeorpnet und beftimmt, daß bei namhafter
Strafe „auch das Geringſte nicht” ohne Genfur des Defans oder des
von ihm dazu Beauftragten geprudt werde, „diejenigen Seripta aber,
je ven Statum publicum betreffen“ — damals hatte Auguſt der Starfe
die polnische Königstrone erworben —, jeien „allein von dem Ordinario
Unjrer Juriſten Facultät” zu cenfieren. Alle neuen Auflagen, mit over
ohne Zujäße, jeien ebenfalls vorzulegen, ebenjo die Kataloge, welche. die
Buchhändler in Mefzeiten druden ließen, obgleich deren Grundlage, der
Meßkatalog, bereits mit Genjur gedruckt war.
Aber vie Thätigkeit ver prefpolizeilichen Bebörve, der Bücherkommiſſion
600 Stellung der Preßpolizeibehörde. Neuntes
— ihre Geſchichte wird der zweite Band bringen —, wurde dadurch ge—
hemmt, daß ſie lange Zeit hindurch nur ſolche Schritte thun durfte, die
von Dresden aus ausdrücklich anbefohlen waren. Selbſt bei Vorkommen
von Schriften, die der Aufſichtsbehörde unbedingt „bedenklich“ erſcheinen
mußten, bittet dieſelbe unter dem 1. Mai 1675 um Erteilung eines Spezial
befehls over eine generelle Anweifung fir folche Fälle. Das Oberkonſiſto—
rium geftattete nun zwar eine vorläufige Konfisfation, verlangte aber
Einſchickung ber betreffenden Schrift, ſodaß es ſich immerhin die Ent:
jcheivung vorbebielt. Doch jcheint es, als ob das jtärfere Hervortreten
der objcönen Yitteratur dasjelbe bald eines Beſſern belehrt hätte, denn
ſchon unter dem 24. Mai 1676 wurde das eben erſt nur balb und balb
proviſoriſch geftattete Vorgehen gegen „ärgerliche Sachen“ in aller Form
eingejchärft, jodak die Bücherkommiſſion wie ver Rat allein — diejer für
politiihe Pampblete — nun energijcher und jehneller einjchreiten konnten.
Daneben tritt vorübergehend jeit 1661 das Beſtreben bervor, die
Aufficht über das Preßgewerbe dem Konſiſtorium, alſo der Firchlichen
Behörde, zu übertragen. Veranlaſſung bierzu batte jedenfalls die bei ver
Bücherkommiſſion jeit langer Zeit eingewurzelte Gejchäftsverjchleppung ge
boten; Rat und Univerfität, die beiden Teile ver Kommiſſion, wendeten
ihre Aufmerfjamfeit mehr dem Austrage ihrer nicht abreikenden Kom
petenzftreitigfeiten zu, al8 der Erledigung ver eigentlichen Amtsgeſchäfte.
Der Berſuch aber, die Buchdruder und Buchhändler dem leipziger Kon-
fiftorium dadurch unterzuorpnen, daß fie vor ihm erjcheinen und em
Berzeichnis der von ihnen publizierten und zu publizierenden Artifel, ſamt
Nachweis über erfolgte Cenſur verjelben, vorlegen jollten, jebeiterte an
dem pafjiven Wiverftande des Rats, als der betreffenden Erekutivbebörte.
Ebenſo hatte letterer mehrfach gegen das Beftreben ver Univerſität an
zufämpfen, fich die Preßpofizei allein und mit Übergehung der Rechte
des Rats anzumaßen. Cs fam dahin, daß leßterer in einzelnen Fällen
jeinen Bürgern geradezu verbot, ven Gitationen der Univerfität folge zu
feiften, obgleich dieſe ich varauf bezog, daß die ihr von Dresden aus
ausdrücklich erteilten Befehle ein Ausfluf des Jus superioritatis ſeien,
daß e8 zu ben Regalibus gehöre, jo zu verfahren, wie gejcheben.
Es genügt nun aber nicht, dargethan zu haben, wie und nach wel:
hen Richtungen hin fich die Aufficht über die Preſſe entwidelt bat; an
einigen wenigen Beifpielen muß auch noch nachgewiejen werden, wie die
Kapitel.) Willfürlihes Verfahren in Preßſachen. Nifolaus Brylinger. Hol
Ausführung der Verordnungen und gejetlichen Borjehriften ſich geitaltet
bat, wie aud in Sachjen oft nur perjönliches Belieben, ja felbjt Hein:
lie Giferjucht, Beranlaffung zu Verfolgungen in Prefjachen geboten
haben.
Mas zumäcit das Verfahren in Fällen des Verbots einer Schrift
betrifft, jo fieß jelbjt Herzog Georg noch öfter in patriarchalijcher Weiſe
die verbotenen Schriften auffaufen; jpäter handelte man anders, Man
fonfiszierte die beanftandeten Schriften und darauf folgte daunn das prefi-
gerichtliche Berfahren. Mochte dieſes aber ausfallen, wie e8 wollte, was
einmal fonfisziert war, blieb konfisziert, jelbjt wenn Freiſprechung er:
folgte und alje fein rechtlicher Grund zur Bejchlagnahme vorlag; es tft
das ſchon im achten Kapitel an einem Beifpiel aus der Zeit des Dreifig-
jährigen Kriegs dargethan werden. Man ging jogar jo weit, daß z. B.
in ver Michaelismejje 1675 fünf aus Dalberjtadt zur Weiterbeförverung
nach Frankfurt geſchickte Ballen mit Schriften ver pietiftiichen Richtung,
aljo reines Tranfitgut, auf Betrieb des Profeffors Scherzer, des Uni-
verfitätspepntierten zur Bücherkommiſſion, in Yeipzig angehalten und zu
fernerer Durchjebung zurüdbehalten wurden. Obſchon aber Scherzer jelbit
nur eins der darin enthaltenen Werfe einigermaßen bedenklich fand, je
mußte doch noch nach Jahren der Eigentümer um Rüdgabe jeines Eigen-
tums reflamieren und bat es wohl niemals zurückerhalten.“
Zunächſt ein Beijpiel aus dem 16. Jahrhundert. Auf der frank:
furter Faſtenmeſſe 1557 war eine pſeudonyme Schrift: „Bedencken von
dem Kriege ver Anno ſechs, fieben- vnd viertzig Im Yandt zu Meißen
vnnd Sacjen gefurth ift, geitelt durch Chriftian Aleman, mit einer furken
Vorrede Chriftef Cunrads. Gedruckt zu Baſel 1557, durch Bartb. Sthele‘,
verfauft worden. Kurfürſt Auguft, der fich dadurch verlett fühlte, daß
jein Bruder Moritz und die jüchjischen Stände in ver Schrift heftig an-
gegriffen wurden, batte anfangs einen thüringijchen Urſprung vermutet.
Da fich dies, wenigitens betreffs des Berlegers, als unbegründet beraus:
ftellte, wied er ven Rat zu Yeipzig an, die dortigen Buchhändler, welche
das Pampblet von Frankfurt ber auf die leipziger Oſtermeſſe gebracht
hatten, vorjufordern und ernftlich nach ihrer Bezugsquelle zu befragen.
Hierdurch wurde der richtige Verfeger ermittelt: Nikolaus Brylinger in
Baſel, der die Schrift durch ſeinen Schwiegerjohn Zthele hatte drucken
faffen und ohne jeine eigene Firma zur Meſſe nach Frankfurt gebracht
602 Willtürlices Verfahren in Preßſachen. Nikolaus Brylinger. |Neuntes
hatte, Die Yeipziger zogen ſich aus der Schlinge durch Hinweis auf vie
durch ven Drang der Mengeichäfte bepingte Unkenntnis des Inhalte.
Um nun aber Brylinger beizufommen, was nur auf der Frankfurter
Meſſe geicheben konnte, ſchickte der Kurfürſt ven Sekretär (jpätern Geh.
Rat) Georg Cracau nach Frankfurt, „auch aufn Fall am ven Kath zu
Oppenheim, Wormbs und Speier“ mit dem Auftrag, zumächit die An-
weienbeit Brylingers auszjufundjchaften und dann ficb mit dem frant-
furter Bürgermeifter Klaus Brunner in Verbindung zu jeßen, um dieſen
für das Verlangen des Kurfürften zu gewinnen, nämlich: Brylinger in
Daft zu nehmen und in Cracau's Gegenwart über Verfaffer u. ſ. w. der
Schrift zu verbören und zur Verſchwiegenheit über jeine Ausjage anzu—
halten. Verweigere Brylinger die Ausjage, jo möge man ihn peinlich be
fragen; leugne er aber, jo jollten ihm die befannten leipziger, witten:
berger und magdeburger Buchführer, die von ihm gekauft, vorgeſtelll
und unter Berrohung mit der peinlichen Frage zum Zeugnis veranlaft
werden. Zollten nur Brylingers Faktor oder jeine Diener zur Meſſe
fommen, jo möge gegen fie in gleicher Weife verfahren werden. Der Rat
entiprach nur zu gefügig dem Verlangen des Kurfüriten und nahm am
8. September den tags zuvor eingetroffenen Brylinger ins Verhör. Diejer
geitand ven Drud zu, erflärte aber, ven Berfaffer nicht zu kennen. Nun
wurde er auf Koſten und Gefahr des Kurfürsten gefangen geſetzt. In
zwiſchen war dieſer nach Dänemark gereift, und jeine Räte wagten im ver
Sache nicht jelbftändig vorzugehen. So geichah es, daß Brylinger — obgleich
er fich erbot, die noch übrigen Vorräte der Schrift auszuliefern und tus
Originalmannjfript berbeizujchaffen, und obgleich er ſich auf Die Merfreibeit
berief, auch der franffurter Rat jelbit für eim ordentliches Verfahren ein—
trat — trog mehrfacher Interventions- une Vermittelungsverjuche, deren
Aufzählung bier zu weit führen würde, bis zum 26. November 1557
in Haft behalten wurde. Ev wurde erjt wieder freigelaflen, nachdem er
Urfehde gejchworen und ſich verbindlich gemacht hatte, ſich auf kurſächſi
ſches Verlangen jederzeit innerbalb eines halben Jahres in Frankfurt zu
jtellen. Gegen den durch Einſendung ver Briefe und des Manuffripts
ermittelten Berfafjer, Dr. jur. Monner in Jena, wurde num auf Be
trieb des Kurfürſten in Weimar eine Kriminalunterfuchung eröffnet; doch
jcheint jener vor Beendigung derjelben im Januar 1558 geftorben zu jein.’*
Im Jahre 1638 fiel gar der Eiferfucht zweier Spruchkollegien falt
Kapitel.) Willfürliches Verfahren in Preßſachen. Carpzow und Schleich. 03
die ganze Auflage eines wertvollen Verlagsartifels zum Opfer. In
Sachſen wurden feit dem 16. Jahrhundert die Akten in Kriminaljachen
von den furfürftlichen Gerichten zum Verſpruch an den Schöppenftuhl in
veipjig oder den in Wittenberg verjcbict, während viele Patrimonial:
und Stadtgerichte jolche an die Juriſtenfakultäten jandten. Der leipziger
Scöppenftuhl, der fich hierdurch unangenehm berührt fühlte, ſuchte fich
mm auf Veranlaffung eines jeiner Beifiter, des hochangeſehenen Juriſten
Benedikt Carpzow, ein Monopol des Rechtſprechens in Kriminalfachen
zu vindizieren und gab dadurch VBeranlaffung zu heftigen Reibungen
zwischen Schöppenftuhl und Univerſität. Als nun aber auch bie leip-
tiger Advokaten in einer Eingabe an den Kurfürſten das Recht in An-
ſpruch nahmen, in Striminaljachen Sprüce zu fällen, außer, wenn jolche
bei furfürftlichen Gerichten anbängig wären, wurde der Streit durch zwei
Rejfripte des Kurfürſten Johann Georg vom 26. Juni 1638 entjchienen.
Während aber die Sache noch der furfürjtlichen Entſcheidung barrte,
batte Karpzow feinen „Peinlichen Sächſiſchen Inquiſitions- und Achts-
prozeß“ im Berlage von Clemens Schleihb und Mitverwandten in Trank:
furt a. M. anonym erſcheinen laffen, da jeinem Manufkript in Witten:
berg die Genfurgenehmigung verweigert worden war. In dieſem Buche
batte er Tit. 9, Art. 3) den Juriftenfafultäten die Berechtigung abge-
ſprochen, in eriminalibus zu erfennen und Urteil zu jprechen; ihre Ur:
teile hätten feine größere Kraft, als wenn fie von privatis Doctoribus,
denen das rechtliche Verſprechen nicht zugelaffen, gefällt wären, Wenn
aber Richter und Beamte jolche Akten anderswohin, als an einen Schöppen-
ftubl, verſchickten, hätten fie fich gerichtlicher Zufprüche und Prozeſſe höch-
lichit zu befürchten. Daß Carpzow der Verfaffer des anonymen Werte
jet, war ein öffentliches Geheimnis. Die Rückſicht auf den berübntten
und bochgeitellten Mann war wohl auch VBeranlaffung zu einer außer:
gewöhnlichen Milde des Kurfürjten, während andererjeits gegen ben Ver—
leger mit aller Strenge vorgegangen wurde. Die Juriſtenfakultät hatte fich
nämlich wiederholt bejchwerenn an ven Kurfürjten gewandt, indem fie
ausführte, wie lite pendente eine ungenannte Privatperfon gewagt hätte,
durch eine öffentlich verfaufte Schrift die Sache entjcbeiden zu wollen.
Hierauf erfolgte unter dem 9. Auguſt 1638 ein weiteres Reſkript des
Kurfürjten an Univerfität und Rat zu Yeipzia, welches befagt: weil vor
allen Büchern „des Authoris und Tichters“, wie auch des Druders
604 Willkürliches Verfahren in Preßſachen. Carpzow und Schleich. [Neuntes
Name und Zuname ꝛc. ausgedrückt werden jolle, ſonſt aber das Bud
nicht Feil gehabt, jondern, zumal wenn ehrliche Leute dadurch bejchimpft
oder ihnen ſonſt Schaden zugefügt werden jollte, zu fonfiszieren, ver
Buchhändler aber am Gute oder jonjt unnachfichtig zu beitrafen jet, une
dann die Facultät ſich durch gedachten Tractat bochlädirt finde, babe fie
gebeten, nicht allein jolche Konfisfatton gnädigſt anzuordnen, jondern auch
wider diejenigen Buchführer, die ficb des Werfes durch distraction tbeil:
baftig gemacht, mit gebührenvder Strafe zu verfahren. „Nun bätten wir
wohl leiden mögen, daß der Author (wer ver auch jei) ingleichen ver
Druder, die Reichsabſchiede beſſer, als gejcbeben, in Acht genommen,
jonderlich aber der Decisio und Erörterung der zwijchen unfer Facultät
und Schöppenftubl vorgefallenen Controvers (die wir feinem privato
einräumen fönnen) eviwartet, und nicht zu unnötbigem Zank Anlaß ge
geben bätte, wiren auch wohl befugt, bei jo bejchaffenen Sachen und
Umftänden wicht allein die Confiscation gebetener Mafen anzuordıen,
jondern auch des Druders und Verlegers halben, an gehörigen Oertern
Ahndung zu thun. Wenn wir aber noch zur Zeit den gelinden Weg zu
gehen entichloffen“, jo werde hierdurch angeoronet, daß alle in ven leip—
iger Buchlävden noch vorhandenen Eremplare von ven Buchführern ab:
zufordern, in Verwahrung zu nehmen und verfiegelt beizulegen jeien;
der Verleger aber, oder jein Faktor, jei vorzufordern und ihm aufzugeben,
den Autor, Druder und Cenſor zu nennen, ferner, dar, falls ibm over
andern, die etwas von ihm erfauft, Die abgenommenen Exemplare wierer
veftituiert werden joltten, er vor allen Dingen ven Titelbogen auf jeine
Koften umzupruden, Autor, Druder und Ort zu benennen, ſodann Die
Bogen Rund S aus allen Exemplaren nebmen und anftatt deren eine
vorgejchriebene Anderung jesen müſſe. Außerdem ſeien von beiden, forri
gierten und unforrigierten, Exemplaren wenigſtens acht Stüde an vie
geheime Kanzlei einzujebiefen. Auch folle das alles dem Nate zu Arant
furt mitgeteilt und ev erjucht werden, die bei Schleich befindlichen Exem—
plare abzufordern und vor ver verlangten Korrefur micht wierer aus
geben zu laffen, ihn auch anzubalten, die betreffenden kurfürſtlichen Re
jfripte jeinen bisherigen Abnehmern durch auf jeine Ktoften berzuitellende
Abdrucke mitzuteilen, andernfalls man die konfiszierten Exemplare nicht
wieder herausgeben und ſich un Schleichs in den furfürftlichen Yanven
befinpliches Vermögen halten wiirde. Auch in dieſem Kalle willfebrte
Kapitel.) Verhalten der theologischen Fakultät bei der Genjur. 605
der franffurter Rat dem Verlangen Kurſachſens ohne weiteres, und Ele—
mens Schleich Erben — er jelbft war während der Unterjuchung im
Auguft 1638 in Yeipzig an der Wafferjucht geftorben — fügten fich um
jo bereitwilliger, als fie nur durch jolche Fügſamkeit einen ſchwerern Ver—
mögensverluft abzuwenden vermochten. Infolge der anbefohlenen Konfis-
fation ift von der eriten Ausgabe (jpäter erjchienen noch fünf von 1662
bis 1733) faſt fein Exemplar mehr aufzufinden. ?*
Schlieglich noch ein Beijpiel für das Verfahren der orthodorslutheri-
iben Genjoren. Im Jahre 1697 Hatte der fopenhagener Buchhändler
Erythropilus Auftrag gegeben, in Leipzig eine neue Auflage der aus
dem Engliſchen überjetten Predigten und Schriften Thomas Watjons
zu druden. Der Dekan der theologijchen Fakultät, Dr. Alberti, zugleich
Mitglied ver Bücherkommiſſion, lehnte die Cenſur ab, da ihm nicht zu-
gemutet werden fünne, ein Calviniſch Buch zu cenfieren. Die Buch—
druder bejchwerten jich bei dem Rate: das Werk ſei jebon mehrmals in
Sachſen geprudt, öffentlich verfauft und nie verboten worden; auf jolche -
Art würde ihnen die Arbeit für fremde Buchhändler entzogen. Auf eine
Eingabe des Rats entjchien diesmal dag Oberfonfiftorium doch — der Über:
gang zu einer mildern Praris war jchon eingetreten —, dar Alberti das
Verf cenfieren, etwaige bedenkliche Stellen und ſolche contra ortho-
doxiam jtreichen und dann den Drud verjtatten jolle. 27 Jenes Ver-
haften Alberti's war jedoch fein ausnahmsweiſes oder vereinzeltes; im
Gegenteil, e8 entjprang dev Methode ver tbeologijchen Fakultät, auf dieje
Weiſe das Erjcheinen eines jedweden ihrer dogmatiſchen Stellung nicht
entiprechenden Werks in Yeipzig zu verhindern. Denn da Leipzig als
Verlagsort nur auf ſolche Werke gejett werden durfte, welche daſelbſt
die Cenſur pajffiert hatten, jo war mit der Verweigerung der Genjur
nicht nur der Drud, jondern auch das Erjcheinen nicht orthodox-lutheri—
iber Werke unterdrückt. Aus dieſem Mißbrauch des Kenjurrechts, nicht
aus der Bedeutung Frankfurts als Meßplatz, erklärt es jich denn auch,
dag um die Wende des 17. Jahrhunderts jo manche bedeutende theolo-
giſche Werke zwar mit der Firma leipzigev Buchhändler, aber mit der
alleinigen Bezeichnung Frankfurts als Verlagsort erjchienen. Beiſpiele
bierfür bieten die Firma Johann Friedrich Gleditſch, und namentlich
Thomas Fritſch. Letzterer lieh 3. B. die Kirchen und Ketzerhiſtorie
Gottfried Arnolds und andere Werke desjelben Verfaffers in dieſer Weije
606 Die Cenſur in den Heinen Staatögebieten. Meuntes
ericheinen. Obſchon mit jüchliichem Privilegium begnadigt, hatten jie
nicht in Yeipzig gedruckt werden fünnen; die Vorräte lagerten in Frank
jurt, nur von bier aus wurden die Sejchäfte mit ihnen gemacht. Und
doch war ihr Vertrieb nicht verboten!
In den kleinen Staatsgebieten erfolgte die Handhabung der
Preßpolizei fajt allein auf Grund der Reichsverordnungen, jo gut es
eben ging und zum Teil im recht patriarchaliicher Weiſe. Beijpielshalber
mag bier nur eine Beſtimmung aus ver Polizeiorpnung des Herzogs
Wilhelm von Jülich, Kleve und Berg, datiert Düfjeldorf 1608, ibren
Plat finden. ?° Unter der Rubrif „Buchtruder, Berfauffer vnd Fürer“
wird verboten, Bücher, jo den Wievertäufern, Saframentierern, Gottes:
lüfterern und Aufrühreriſchen anbängig, oder ſonſtige Schmäh- um
Schandbücher, «Schriften oder Gemählde feilzuhalten und zu verkaufen.
Wer nach Publizierung dieſes Edikts mit jolcben betreten würde, dem
jolften jolche Bücher, Schmäb- und Schanpdjchriften oder Gemählde ab-
. genommen, dieje dem Herzog eingejchieft und den Verkäufern wicht mebr
verjtattet Werden, im den Fürſtentümern Bücher feil zu baben. Die
Paftoren, Schultheißen, Vögte und Nichter jeden Orts jollten fleißig
darauf Acht haben, dar feine Bücher verkauft würden, fie jeien denn
vorher durch die Paſtoren und Kirchendiener zugelaffen. Desgleichen
jolften jolche Bücher u. ſ. w. nicht gefauft und behalten, jondern den Amt
leuten und „Obriſten“ unverweilt ausgeliefert werden, alles bei Ztrafe
der Winfelprediger, d. b. bei Strafe an Yerb und Yeben und im all des
Entweichens bei Konfisfation aller Güter der Straffälligen.
Im Anſchluß bieran ſei beiläufig eine ganz ähnlich lautende Berorr-
mung König Chrijtians IV. von Dänemark mit erwähnt. ?? Es würven,
beißt e8 darin, auswärts gedrudte däniſche Bücher eingefübrt, welde
teils einige Punkte und Artifel gegen chriftlicbe Sitte und Religion, je
wie unnütze Materien behandelten, teils politische präjudizierliche Irrungen
veranlafjen fünnten. Es werden darum die früher deshalb ergangenen
Befehle eingejchärft und alle Vögte, Amtleute, Bürgermeifter u. |. w.
ermahnt, ſtreng auf veren Befolgung zu halten. Dabei werven die
Superintendenten angewiejen, ihre Stifter gehörig zu imfpizieren und
ihre Priefter anzubalten, fleißig auf ſolche Bücher Acht zu baben und
vorfommendenfalls jofort Anzeige zu erjtatten.
Während jo überall mit größerer oder geringerer Strafe gegen al
Kapitel.) Väterliche Fürſorge in Medfenburg. 507
weichende Meinungen auf tbeologiicben over politiſchem Gebiet einge:
jchritten wurde, macht es einen faſt anbeimelnden Eindrud, zu jeben,
ivie eine ver fleinern Regierungen gleichſam wäterlich auch für das leib-
libe und moralische Wohl ihrer Unterthanen beforgt war. ?° Herzog
Guſtav Adolf von Medlenburg batte 1682 und unter dem 1. Mai 1684
Edikte gegen abergläubiiche Bücher und namentlich gegen die „varauff
gegründete verdächtige Curen an Menjeben und Viehe“ erlaffen und vie
Konfiskation jolcber Bücher anbefohlen. Es war beienders auf Das be
liebte, vielfach aufgelegte Colerſche Hausbuch abgejeben; binnen 14 Tagen
jollten bei jtrenger Strafe alle Eremplare desjelben an die Inſtizkanzlei
eingejchieft werden. Das Editt jebeint jedoch feinen Erfolg gebabt zu
haben; denn eine neue Verordnung vom 23. Auguſt 1698 ſchärft Die
beſtehenden Verfügungen von neuem ein und richtet fich beſonders gegen
eine „genrudte Charteque unter ver Rubrie: Etliche jonderbare und
Merkwürdige Propheceyhungen jo ſich auff das 1680. bie zu dem 1700ften
Jahr erſtrecken“. Dieſe ohne Benennung von Drudort oder Verfaſſer
erjchienene Schrift werde im Yande berumgetvagen und vielleicht auch in
ven Buchläden öffentlich verfauft. Es wird mm befehlen, dieſe Schrift
abzuthun oder dem Buchführer wieder einzuliefern. Zugleich wird allen
Buchhändlern ernitlich verboten, ſolche Schrift weiter zu verkaufen, wiel-
mehr jellen alle Exemplare ſofort in die Aultizkanzlei eingeliefert und
das Geld, was fie wert jeien, den Einjendern bezahlt werden.
Die politifch und friegertich bewegte Zeit des letzten Biertels des
17. Jahrhunderts zeitigte eine Flut von Gelegenbeitsichriften und Pam—
phleten, Kriegsberichten und Satiren, welche bei der wieder geweckten Yeje-
luſt der großen Maffen eine weite Verbreitung fanden. Der Hauſier—
verfebr lebte — wenigjtens in Norddeutſchland — wierer in einer Weile
und Ausdehnung auf, die lebbaft an die Zeiten der Neformation erin:
nert. Die Thätigfeit der Prekpolizei wurde eine angeipanntere, die
Strenge womöglich eine größere, ibre Willfür wuchs. Aber die Schil:
derung diejer Wandlung muß des Zuſammenhangs halber ven zweiten
Bande dieſes Werts vorbehalten werben,
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Zehntes Kapitel.
Die frankfurter Bücherkommiſſion.
Weltlage im legten Drittel des 16. Jahrhunderts. — Die Jeſuiten. — Erſte An
deutungen über die Kommiſſion. Zwed derjelben. — Kurzlichtigfeit des franffurter
Rats. — Definitive Einjegung durch Rudolf II. — Allmähliches Hervortreten ihrer
Ziele. — Rekonftruftion im Jahre 1608. — Widerjtand von Kurjachjen und Pfalz.
— Reiterentwidelung der Übergriffe. — Perjonalien. — Direftes Eingreifen des
faijerlichen Hofs, — Die Pilichteremplare. — Neubeginn der Bedrüdungen nad
dem Wejtfäliichen Frieden. — Die Bücherlommiffare Hörnigk und Sperling. —
Die Bücertare. — Klagen über Schäden im Buchhandel. — Steigerung der Ehi-
fanen. — Auftreten der evangeliihen Neichsitände. — Der Bücherkommiſſar Boll-
mar und jeine neue Inſtruktion. — Vorbereitung einer Wandlung in den Ge-
ihäftsformen des Buchhandels.
Man wird die eigentlichen Beweggründe für die Cinführung ver
fatjerlichen Bücherfommiffion in Frankfurt a. M. nur dan richtig ver-
jtehen, wenn man die allgemeine europäiſche Weltlage der legten vierzig
Jahre des 16. Jahrhunderts in Betracht zieht.
In Deutjchland war jeit dem Augsburger Keligionsfrieden (1555)
ein leidlicher Friedenszuſtand eingetreten, und es ſchien eine Zeit lang
jogar möglich, daR fich die feindlichen Gegenſätze verjühnen liegen. Unter
der glatten Oberfläche tobten aber die wildeiten Yeidenfchaften fort und
namentlich bereitete ſich vie Fatholiiche Kirche zur Wiederaufnahme ves
Kampfes vor. Sie faßte nämlich auf dem Triventiner Konzil alle ihre
bisher zerjplitierten Kräfte in einen einzigen einheitlichen und zielbewur:
ten Willen zuſammen, ftellte die püpftliche Autorität an die Spitze aller
Gläubigen, kannte fein Schwanken mehr in ihrem Verhältnis zu ven
Protejtanten und arbeitete auf unbedingte Verfolgung aller Ketzer bin.
Wenig gewiſſenhaft in der Wahl ihrer Mittel und von den Jeſuiten,
(Zehntes Kapitel.) Beginn des Kampfes der Jeſuiten gegen die Preſſe. 609
den fühigften Politifern ihrer Zeit, geführt, entzündete fie den offenen
Kampf, wo er bisher noch nicht gewütet hatte, und brachte unter andern
Mafregeln auch eine jtrenge Bücherpolizei nebft einem Inder (verbotener
Bücher). Rings um Deutjchland herum [oderte ver Glaubensfrieg. In den
Niederlanden erjticte Alba die Bewegung der Protejtanten in einem
Meere von Blut und ließ ziemlich zu derjelben Zeit, als der erſte Plan
einer Biücherfommiffion aus der faiferlichen Hofburg nach Frankfurt ge-
langte, die Führer Egmont und Horn enthaupten. In Franfreich er-
litten 1569 die Hugenotten die fetten Niederlagen im offenen Felde, und
drei Jahre fpäter juchten die Guiſen ihre hier gewonnene Macht durch
die Pariſer Bluthochzeit zu befeftigen.
In Deutjchland fühlte damals feine der beiden Parteien, weder Re—
formation noch Rejtauration, weder Augsburger Bekenntnis noch Tri-
dentiner Satzung, bejondere Neigung zum blutigen Waffenipiel. Der
Kampf wurde aljo auf geiftigem Gebiet eröffnet. Bis dahin war ver
Proteſtantismus dadurch im Übergewicht, daß er, was die fathofifche
Kirhe jo lange verſäumt, fich mit burchichlagendem Erfolg des ganzen
geiſtigen Lebens bemächtigt, die Litteratur, die neue humaniſtiſche Bil-
dung, Erziehung und Schule ganz in die Hand genommen hatte. Die
angejebenften Namen im jedem Zweige der Gelehrjamfeit und Schrift-
ſtellerei entſtammten in überwiegenver Zahl dem Kreiſe der Protejtanten
und zu ihrem Publikum gehörte jo ziemlich die ganze geiftige Arifto-
fratie der Nation. Seit den fechziger und fiebziger Jahren entjteht eine
Art Gegenwirfung, der Jeſuitismus füngt an, mit den Mitteln dev neuen
Zeit zu arbeiten, feinem Prinzip gemäß, ganz anders wie die Mönche-
orden, die von Welt und Wiffenjchaft jehlieglich nichts mehr wußten.
An Talenten, Kenntniffen, jchlagfertiger Dialeftif fehlte es ibm nicht,
und in dieſer neuen Richtung erjchien er jett auf dem Kampfplate, den
Gegner mit den eigenen Waffen zu jchlagen. !
Erleichtert wurde den Jeſuiten diefer Kampf und der endliche Sieg
durch zwei Umftände: einmal durch ven Haß und die jteigende Erbitte-
rung, mit welcher die „rabies theologica” der Lutheraner und Refor-
mierten fich untereinander verfolgten und zerfleifchten, dann aber durch
die weltliche Macht, welche wohl oder übel ihnen ihren Arm lich over
gar leihen mußte. Es war fein Geringerer als der veutjche Kaifer
jelbjt, welcher, wie fich das im Yaufe diefer Darftellung zeigen wird, im
app. 1. 39
610 Die Einfegung der Bücherlommiffion 1569. [Behntes
Dienfte und auf Befehl des römischen Papftes Polizei: und Häjcherdienfte
gegen Yitteratur und Buchhandel verrichten lieh.
Die fatholifche Kirche oder die Jeſuiten — denn dieje find fortan
die treibenden und ausführenden Kräfte des päpftlihen Stuhls nad
außen bin — gingen natürlich äußerſt vorfichtig zu Werke. Sie beob-
achteten jcharf und ficher und brauchten fich auch nicht zu übereilen, va
die Protejtanten durch ihre innern Zwijtigfeiten jo in Anjpruch genom-
men waren, daß fie nicht einmal jahen, was fich um fie her vorbereitete.
In jenen auf die Stürme der Reformation folgenden Tagen der Rube
hatte fich der deutjche Buchhandel zu einer bisher noch nicht gefannten
Höhe emporgejhwungen, und nicht er allein, nein, Handwerk und Ge-
werbe, Handel und Kunſt waren herrlich erblüht und feierten noch ein-
mal eine kurze Renaiſſance. Die bürgerlichen und veligiöjen Kämpfe in
Frankreich und in den Niederlanden hatten Taufende von gewerbfleißigen
Franzoſen und Belgiern nach Deutjchland getrieben und namentlich zog
Deutjchland aus ben antwerpener Flüchtlingen große Vorteile für feinen
Handel. Im dieje Zeit ver höchſten Blüte des franffurter Meßverkehrs
einerſeits und der Überlegenheit der Waffen katholischer Mächte anderer:
jeits fällt nun der Erlaß, durch welchen der Kaifer Marimilian IL am
1. Auguft 1569 eine Bücherfommiffion in Frankfurt einſetzte. „Indeme
die truderherren bis dermohlen noch nit jo ftark im Schwunge waren“,
jagt ein dem franffurter Rate über die Bücherfommiffion unterbreitetes
Gutachten vom Jahre 1696. ?
Der Kaijer verfolgte mit jenem Erlaß ein doppeltes Ziel: einmal
bie Verhinderung der Verbreitung „derjenigen vntawglichen und verbotte-
nen jectijchen Schriften, welche unter Mißbrauch des Namens der Maje-
jtät mit deren Freiheiten verjehen waren, und durch dieſe Täufchung vie
armen einfeltigen Leute verfüret und betrogen“, ſodann aber die Wah-
rung jeiner Rechte auf die Freiexemplare, welche er für die Privilegie-
rung einzelner Bücher beanjpruchte. Das leßtere, ziemlich harnılos er-
icheinende Verlangen geht dem bier zuerjt erwähnten voran und tritt
auch jpäter in ven faiferlichen Reſtripten mehr und mehr in den Vorver-
grund; indeffen darf man aus dieſer bejondern Betonung nicht jchließen,
daß das Verbot und die Unterbrüdung der dem Papft und Kaiſer miß-
liebigen Schriften nur ein Nebenpunft gewejen jei. Man jtellte ihn
lediglich jo Hin, um den Mafregeln gegen ven Inhalt ver Bücher ein
Kapitel.) Die Aufgaben der Bücherfommiffion. 611
meniger gehäſſiges Anjehen zu geben. Man achtete natürlich in der Hof-
burg die Freiexemplare feineswegs gering, forderte fie jogar mit unnach-
fichtiger Strenge ein, allein noch mehr ftrebte man nach Knebelung ver
Preffe. Auf vireftem Wege fonnte man ihr nicht beifommen, ba bie
Freie Stadt Frankfurt, wie jeder Reichsftand, die Genfur bei fich zu
handhaben hatte und die auswärts gebrudten Bücher am Orte ihres
Erſcheinens bereits cenfiert waren oder doch cenfiert jein jollten. Man
juchte fich deshalb in ver Folgezeit der Gejamtheit der neuerjchienenen
Bücher zu verfihern und erreichte dadurch allerdings weit mehr.
„Da nun‘, beißt e8 in dem Erlaß vom 1. Augujt 1569 an ven
frankfurter Rat wörtlich weiter, „aus jolchen bochfträflichen und Uns
ganz unleidlichen Urſachen Unjerer Neichshoffanzlei an dero Herkommen
und Gerechtigfeiten Abbruch gejchiebt, jo befehlen Wir Euch, daß Ihr
zur jegt angehenden Herbitmeffe aller Buchoruder und dero Führer die
Buchhändler jo viel dero diefelbe bejuchen und gebrauchen, Gewölbe over
Buchläden, feinen ausgenommen, durch Etliche aus Eurem Mittel oder
ſonſt Euch dienjtwerpflichtete Perjonen unerwarteter Dingen erfuchen und
befichtigen, auch von denen jeden ein eigentlich orventliches Verzeichniß
alfer deren Bücher, Traftate und Mappen innerhalb ver letzten fünf
Jahre während Unjerer Kaijerlichen Regierung gedruckt, jonderlich aber
derjenigen, jo unter Unſerm SKaiferlichen Privilegio oder Freiheit ausge-
gangen, zufammt vemjelben Privilegio erfordern und geziemender fleißig
befichtigen und fonferiren laffet. Falls Ihr aber Bücher, Traftate oder
Meappen findet, für welche Unjer Privilegium nicht jofort beigebracht
oder für deſſen Beibringung auf der nächiten Meſſe feine Bürgjchaft
geftellt werben kann, jo jollt Ihr alle dieje Opera an Unſrer Statt
in Eure Verwahrung nehmen und Unſerm Neichsjefreter und Tarator
Chriſtoph Ungelter von Teiffenhaufen ſammt Verzeichniß und Eurer An—
zeige überjenden. Diejenigen endlich, welche ein Privilegium vorlegen
fönnen oder es auf nächiter Meſſe vorlegen wollen, jollt Ihr anhalten,
nachzumeijen, warn und wie viel Eremplare fie Unſrer NReichshoftanzlei
überjandt haben, oder aber Ihr ſollt jogleich jo viel Exemplaria zu
Handen nehmen, auch wie viel Jahre Ihr das ausgebrachte Privilegium
geftellt befinden werbet, und folche ebenmäßiger Gejtalt Unſrer Reichs—
fanzlei überjenden. Im diejer Ordnung jollt Ihr mit den men ausge
gangenen Büchern und Überjchidung dero Anzahl Eremplare von Meffe zu
39*
612 Publikation des Neikripts an die Buchhändler durd den Nat. [Fehntes
Meſſe vorgehen und in Unjerm Namen ven Buchhändlern und Trudern,
auch zu halten umd fich ſelbſt vor Schaden zu hüten, werfünden.‘
Der Rat erhielt diefen Erlaß erſt am 11. September 1569, alfe zu
einer Zeit, wo die Meſſe ſchon angefangen hatte, kam aber bereits am
14. ej. dem fatjerlichen Befehle nach und beſchied die in Frankfurt an
weſenden einheimifchen und fremden Buchhändler auf ven 16. und 18. Ser
tember 1569 vor fih, um fie zur Vorzeigung ihrer Privilegien und Ab-
fieferung ihres Katalogs, jowie zur Einjendung der verlangten Freiexem—
plare zu veranlaffen. Es waren im ganzen die Vertreter von 87 Firmen
borgeforbert, darunter 14 aus Köln, 5 aus Antwerpen, 7 aus Nirn-
berg, 5 aus Straßburg, 8 aus Bajel, 15 aus Frankfurt, 3 aus Venedig,
4 aus on und 5 aus Genf; es erjchtenen im ganzen aber nur 29.
Da nun die meiften der jo unerwartet Beſchiedenen ihre Privilegien
oder deren Bejcheinigung nicht bei jich hatten, jo verjprachen fie, die
jelben auf der nächiten Faftenmefje vorzulegen. Der Kaiſer batte jogar
verlangt, fie unter Bürgſchaft zu jtellen, ver Nat aber jab daven ab,
weil die fremden Buchhändler von einer Meſſe zur andern für viele
hundert Gulden Bücher in ihren Gemwölben und Buchläden zu binter-
(affen pflegten. Er bemerkte ferner erläuternd bei Überjendung ver Liſte
an den Kaiſer, daß die „oberzelten“ Perſonen nicht alle Buchdruder,
fondern mebrfah zum Zeil Buchhändler, zum Teil Buchfübrer jeien,
daß ferner unter ven Buchorudern nicht alle Privilegien hätten, weshalb
diefelben denn auch am zweiten Tage (18. September) nicht wieder vor
dem Ratsversroneten erjchienen jeien. Sodann drudten von denjenigen,
welche Privilegien hätten, viele Bücher für fich jelbft, ohne ſolche Privi-
(egien zu erwähnen. Außerdem gäbe e8 auch viele von ven Typographis,
die für fich jelbjt nichts, ſondern allein mercenarie andern, zum Teil
auch Buchdruckern, zum Zeil cber auch Buchhänplern und Berlegern
druckten und die gedruckten Exemplaria venjelben, jobald das Werl
fertig jet, zuftellten. Solche bevürften ver faijerlichen Privilegien gar
nicht. Endlich "aber druckten viele Typographi sub Privilegio Caesareo,
welches doch nicht fie, jondern ihre Autoren auswirkten und binter ſich
behielten, damit fie repetitas editiones sub tali privilegio, welden
Druder fie wollten, libere zuftellen möchten. Solche Unterjcheidungen
müßten aber in diefem Handel wohl objerviert und bedacht werden.
Bon den Firmen, welche im September 1569 jenes Verſprechen ge
Kapitel.] Berhalten der Buchhändler. 613
geben hatten, machten es im der nüchitfolgenden Faſtenmeſſe, zwijchen
ven 18. und 25. März 1570, nur 11 gut. Der Rat behelligte jie nicht
weiter, vielleicht weil der Kaiſer entweder die ganze Angelegenheit ver-
geilen hatte, oder aus dem Grunde auf fich beruhen ließ, weil er einjah,
daß größere praftiiche Schwierigkeiten mit ihrer Ausführung verbunden
waren, ald er vorausgejeßt hatte. Von den nachjtehenden Buchhändlern
baben nur diejenigen, deren Namen gejperrt gedruckt find, ihre Privi-
fegien nachzuweifen und Verlagskataloge einzureichen für gut befunden;
ob jie die verlangten Freiexemplare eingejfandt haben, darüber findet fich
fein Beleg in den Akten. Im Faſtenmeßtermin erjchienen aus Frank—
rt a M. Ehrijtian Egenolphs Erben, Sigismund Feyer—
abend und Johannn Wolff; aus Bajel Balth. Hahn in Gemein-
ibaft mit Polyfarp und Hieronymus Gemujaeus, Vertreter der Firma
Oporinus, Peter Perna, oh. Herwagen, Hieronymus Froben, Euje-
bins Episcopus und Heinrich Petri; aus Straßburg Joſias und
Theodoſius Rihel; aus Köln Gerwin Galenius für fih und die
Erben Duentel, Maternus Cholinus, Theodor Graminaeus, Johann
Pirdmann und der SKartenverleger Dans Goſſel; von Nürnberg
für Johann von Bergs Erben Dietrich Gerlach und ver Kartenpruder
Sans Woldran; von Wittenberg Samuel Seelfiſch; von Ingoljtadt
Aerander Weißenhorn; von Augsburg Iſaac Keller für Georg Willer;
von Heidelberg Mathias Harniſch und von Mainz Martin Behem.
Ton Antwerpen werden Chriftoph Plantin und Cornelius Caimor nam:
baft gemacht. Diejer lettere, Bürger in Nürnberg, jeine Brüder Hubert
und Heinrich Caimor, Bürger zu Speyer, und Dans Goffel von Köln
zeigten bei ihrer VBernehmung am 18. März 1570 unter anderm an,
„das Sy nur ain cosınograpbiihe Mappam, So Sy Vniversalem de-
scriptionem totius mundi nennen, Und den 1. Augufti jüngjt zu Teyfi-
burg (Duisburg) und Cöln under Kayſ. Dit 14 und der Kön. Mt in
Hispanien Privilegio vf 10 Jar nit nachzutruden, getrudt, So Sy von
Serarden Mercatore Mappentrudher zu Teyſſburg, erfaufft.“
Der Rat hatte Marimilian feinen erjten Bericht am 17. November
1569 eritattet. Er war politifch jo furzfichtig, am Ende desjelben dem
Kaiſer eine verfängliche und in der Folge verhängnisvoll gewordene
Herausforderung zu jtellen, welche die eigentliche Grundlage für die ſpä—
tere Bücherfommiffion wurde. Er erflärte nämlich, dev ihm gewordene
614 Kurzfichtiges Verhalten des franffurter Rats. Zehntes
Auftrag koſte zu viel Zeit und noch mehr Arbeitskräfte, weshalb er bitte,
von der Prüfung der Bücherprivilegien und dem Beſuche ver Buchhänpler-
gewölbe entbunvden zu werben. Der Kaiſer möge nicht allein jeinen Rat
Jakob Ochjeln von Schlettftabt, ver zur Herbitmeffe 1569 ſonderlich ander
verordnet worden, fondern auch etliche feiner gelehrten Räte nach Frank—
furt ſchicken, mit gnädigftem Befehl, nach Befindung dieſes Handels nütz—
fiche Ordnung, wie e8 hinfür mit vielgedachten Buchbrudern und Buch—
händfern gehalten werden jolle, zu geben, wobei er, der Rat, dam ınög-
liche Aſſiſtenz leiften wolle. Mearimiltan dankte ver Stadt am 1. März
1570 für den von ihr beiviefenen Eifer, meinte, fie übertreibe ihre Ver-
antiwortlichfeit und Arbeit und erflärte, daß dieje jehr leicht durch zwei
Perjonen in ganz furzer Zeit verrichtet werden fünne. Inden er nicht
weniger als fünf Freiexemplare verlangte, bejchränfte er jeinen erjten
Befehl dahin, daß dieſer in Zukunft nur für die neuen, während des
legten Jahres erjchienenen Bücher gelten ſolle. Wenn der Rat die Trag—
weite jeines Verhaltens hätte vorausfehen fünnen, jo würde er mit beiden
Händen nach diefer Vermittelung gegriffen und durch Anftellung von
einem oder zwei Beamten die fernere Einmiſchung des Kaiſers verhin—
dert haben. Aber er hatte unglüclicherweije feine Ahnung von dem, was
fommen würde, und bejehränfte fich in feiner Rückäußerung vom 7. Juli
1570 darauf, dem Kaifer die ausführlichen Protofolle jeiner Verband:
lungen einzujenden und feine Dienjte auch für die Zukunft anzubieten.
Marimilian aber antwortete nicht einmal und ließ es bis zu ſeinem
Tode bei ven von ihm befohlenen, aber vom frankfurter Rate jpäter
nicht wieder ausgeführten Mafregeln bewenden.
Auch unter Rudolf II. wagte ſich die von den Jeſuiten geleitete habs-
burgiſche Politik anfangs nur jchüchtern und verjuchsweiie vor, erhob ſich
aber bald zu kühnern Anläufen und ging jchließlich zu entjchloffenen Ein:
griffen in die Nechte ver Stadt erfolgreich über. Der neue Kaijer jak
faum drei Jahre auf dem Thron, als er mit viel größerer Energie denn
jein Vater einen Feldzug gegen die Frankfurter Büchermeſſe eröffnete.
Als er jeine Aufmerkfamfeit dem Reiche zuzuwenden anfing, ſtreckten 1579
jeine Ratgeber mit ganz richtiger Witterung ihre Hände nach derjelben
aus; fie erichien ihnen mit Necht als ver gefährlichite Sit der Kekerei.
Im ftillen war fie allerdings wohl ſchon einer Überwachung unterworfen
gewejen. Schwerlich hatte die Sammlung von Verlagskatalogen und
Kapitel.) Rudolf IT. Herbortreten der eigentlichen Ziele. 615
Mefplafaten aus den Jahren 1557 bis 1578 — worunter fogar ein
bandjchriftlicher Katalog von Andreas Wedel in Frankfurt a. M. —,
womit die Akten über die Bücherkommiſſion im wiener Archiv beginnen,
ausfchließlich ven Zwed, eine Kontrolle der Ablieferung der Pflichterem:
plare zu ermöglichen; bezeichnend genug überwiegen vie Kataloge prote:
ftantifcher Verleger. Rudolfs II. erfter Befehl, welcher ausprüdlich an
die Verfügung Marimilians von 1569 und 1570 anfnüpft und aus
Prag, 23. März 1579 datiert ift, tadelt zumächft ven Rat dafür, daß
er in dem löblichen Werfe, wie es 1569 und 1570 begonnen worden,
nicht fortgefahren jet, noch gegen die Buchhändler ven gebührenden Ernit
gebraucht habe, denn dann würden der „unnügen Tractätlein und Schandt:
bücher” längſt weniger geworben fein. Im Unterlaffung folcher guten
Ordnung aber jei fein und feiner Vorfahren Namen und Autorität mehr
als jemals und zwar „wider Uns ſelbſt“ mißbraucht worden. Von ven
einzufendenden zsreieremplaren ift in diefem Schreiben gar feine Rede
mehr. Um aber feinen Zweifel darüber zu laffen, daß e8 in erfter Linie
auf Unterbrüdung der proteftantijchen Yitteratur abgejehen war, heift es
dann weiter, alle Läden und Gewölbe jeien mit unnüßen verführerijchen
Büchern, Schmähichriften, Gedichten und „Mallwerckhs“ angefüllt, wo—
durch viele Yeute verwirrt, verführt und verbittert würden, weshalb zeiti-
ges Einſehen mehr als je von Nöten fei. Aus diefem Grunde habe er,
der Kaifer, feinem Rammerfisfalprofurator, vem Dr. Johann Beft (in
Speyer) befohlen, fich mit diefem Schreiben nach Frankfurt zu verfügen
und mit des Bürgermeifterd und Senats Rat und Beiftand bie zuvor
ihon angeftellte Inguifition der Drudereien und Buchläven in die Hand
zu nehmen und fortzufeßen. „Ir wollet alfo unſerm faiferlichen Fiskal
in jolcher ihm anbefohlenen Verrichtung nit allein alle guete Anweifung
Hilff und Beförderung erzaigen, Sondern auch Im eine Perfon oder
zwo aus Eurem Mittel zuordnen, Und denjelben auferlegen, mit und
jambt Ime alles dasjhenig, was ob angezogene weilland unſers Vatters
ichreiben und unfer bemelten Fiskal gegebener beuelch außweiſen, noch—
mals beftes Vleiß fürzunemen und zu bandlen. Daneben auch was un—
geuerlich hierinnen noch weiters fruchtbarlich anzuftellen und zu verordnen
jein follte, bevendhen zu helffen. Sonjten aber für Eure Perjonen mit
der Erecution gegen den ungehorjamen und ubertrettern dermaffen Ernit-
(ih und aufrichtjam erweifen, daß wir Eur miffallen, jo Ir ob ber-
616 Bervollftändigung der Kommiffion. Die Stellung des Rats. [Zchntes
gleihen unordnung der Truder und Buechhendler traget im Werdh
jpuren mögen.“ Der Rat fam dem Befehl ohne jene Widerrede nach.
Der Kaifer ſprach ihm ein Jahr fpäter, 9. März 1580, jeine volle Zu-
friedenheit mit der dem Dr. Bet geleifteten Hilfe aus und ermabnte
ihn, ſich auch in Zukunft feines Allerhöchiten Vertrauens würdig zu
zeigen. Zugleich ernannte er am 9. März 1580 zur bejjern Unter:
prüdung der Kamosjcriften und Schmäbgedichte ven Domdechanten zu
St. Bartholomäus, Johann Steinmeg, zum zweiten Biücherfommiffar.
Der Rat erntete jet, was er vor 10 Jahren gejüet hatte, um
Rudolf I. nahm nur an, was feinem Vater freiwillig angeboten worden
war. Bon Friedrich III. an hatten die Kaiſer zwar die Prefgejetsgebung
als ihr Hoheitsrecht betrachtet, allein die Handhabung der Preßbeſtim—
mungen und der Genjur, wie dies ſchon in dem vorigen Kapitel ausge:
führt worden, ven Yandesbehörden überlafjen. Bon jetzt ab maßte fich
der Kaiſer die Cenſur der einzelnen in Frankfurt erjcheinenden Schriften
nicht allein an, ſondern unterbrüdte jofort auch durch jene Kommiſſare
am Hauptfiß des deutjchen Buchhanvdeld die geſamte ihm nicht genchme
Yitteratur. Frankfurt war nicht mehr Herr im eigenen Hauſe, jondern
hatte fremdem Willen zu gehorchen und der Politif der Hofburg war
der Punft gegeben, an welchen fie ihre Hebel anjegen fonnte, um ihre
romantischen und antiveutjchen Ziele zu erreichen. Anfangs wurte der
Kat noch geichent; allein jeder neue Bücherfommiffar trat anmaßender
und herrichjüchtiger auf. Und doch wäre es jo ſchwer nicht geweſen, mit
dem Hofe in Wien und Prag fertig zu werben. Es hanvelte fich um
eine Angelegenheit, welche die protejtantiihen Stände in ihren wohl-
erivorbenen Rechten beeinträchtigte und welche auch jpäter die Kurfürften
von der Pfalz und von Sachſen vorerſt fiegreich gegen den Kaifer aus:
fochten. Wenn man aber nicht ven Mut hatte, prinzipiell für eine ge-
rechte Sache einzutreten, jo hätte eine dilatoriſche Politik, noch dazu,
wenn fie von einem ab und zu erneuerten Geldgeſchenk unterftütt wor-
den wäre, volljtindig ausgereicht, die fatjerliche Einmiſchung zu bejeitigen.
As Marimilian 1567 bei Gelegenheit des bereits erwähnten Falls mit
dem angeblichen Yibell „Die Nachtigall” mit Entziehung der Meßprivi—
legien gedroht hatte, war ja die faijerliche Gnade auch durch eine Summe
von 30000 Goldgulden wiedergewonnen worden. Aber als ſich 1570 ver
drohende Schlag ankündigte, wähnte der Rat ſchon genug Opfer gebradt
Kapitel.) Entwidelung der Verhältniſſe im allgemeinen. 617
zu haben und ſich durch Preisgebung feiner politifchen echte vetten zu
fönnen. Es war ein in fich verfnöcherter, lediglich feinen Kleinen per-
ſönlichen Intereffen lebender Stadtabel, roh gegen jeine Mitbürger und
feig gegen die Mächtigen, deſſen ganze Politif im Ausweichen vor oder
im Unterfriechen bei den Stärfern bejtand; ein jchwächliches Patriciat,
welches, wie jpäter bei dem Fettmilchſchen Aufſtand (1612 bis 1616),
dem erjten energiichen Anfturm wich und nach enplichem, durch Hilfe
Dritter errungenem Steg mit grauſamem Rachedurſt gegen bie unter:
liegenden Feinde wütete.
Natürlich ift e8 unter diefen Umſtänden auch fein Troft, daß das
Übel fih nur langjam entwidelte und daß erjt mit dem Anfang bes
17. Jahrhunderts, als die feindlichen Gegenſätze zwijchen Katholizismus
und Proteftantismus fich immer jchärfer zufpisten, die Bücherkommiſſion
fih in ihrer ganzen Gehäſſigkeit und Verderblichkeit geltend machte.
Rudolf II. griff die Sache methodisch an und bereitete jeine Schritte
gründlich vor. Sein Nachfolger Mathias folgte ihm auf dem betretenen
Wege und ſchlug der Freiheit des Handels, ſowie dem ganzen wifjen-
ichaftlichen Yeben Deutjchlands die tiefften Wunden. Die Regierungen
der Ferdinande und Yeopolds verpollfommmeten womöglich noch die flein-
lichiten Verfolgungen, die Unterbrüdung des freien Gedankens und bie
völlige Yahmlegung des einſt großartigen franffurter Mefverfehre. Es
dauerte volle 8O Jahre, bis zum Jahre 1662, daß die Bücherfommijfion
ven franffurter Rat als willenlojes Werkzeug in ihren Händen hatte,
und wieder vergingen 60 Jahre, bis fie völlig triumphiert und ven
franffurter Mepbuchhandel vernichtet hatte.
Doch zurüd zu den Anfängen! Während des 16. Jahrhunderts find
feine ernjten Berwidelungen zwijchen Rat und Kommiſſion vorgekommen,
denn ſonſt würden die vollftändig erhaltenen ftädtifchen Akten davon
berichten. Erſt in den neunziger Jahren taucht die alte faiferliche Be—
jchwerde wegen ber an die Reichöhoffanzlei zu Liefernden Freieremplare
privilegierter Bücher wiever auf. Aus den franffurter Meßkatalogen
ginge, wie der Kaifer in einem Erlaß an den obengenannten Johann
Beit unterm 20. März 1596 rügt, hervor, daß einzelne Verleger ihrer
Pflicht nicht nachkämen und daß andere ihren Büchern angebliche kaiſer—
liche Privilegien vorprudten, die fie nie erbeten und erhalten hätten.
Um diejem Unfug für die Zukunft zu fteuern, „befehlen Wir Dir bier:
618 Ernenerte Mafregeln wegen der Pflichterempfare feit 1596. [Zehnter
mit von Römifcher Kaiferlicher Macht”, heißt es wörtlih, „und geben
Dir hierku vnnſeren volfommenen gewalt vnd willen, das Du entweder
ſelbſt Perſönlich oder durch andere hierku treulich deputierte fürbin auf
vorangebeute vngebuer aller ortten guethe achtung gebejt, vnnd bevorab
vff Itzt herbey nahender Frandfurter Meß, alffo aud außerhalb verjelben
wan vnd wo eR dich nöttich zu jein bevundet, In vnſeren nahmen und
an vnnſerer Stadt bei allen Buchtrudher vnnd Buchhenplern bierüber
vlaiſſig vnnd ernftlich Inquirireſt, vonn Inen ein vwerzeichnuß der Neuen
zeithero in allen profejfionen sub titulo privilegij nostri Caesarei, auf-
gangenen operum abpfordren vnnd bei den pflichtenn vnnd aiden, damit
fie vnnß vnnd dem heiligen Reich verwandt fein, befrageft, auch zu edi—
ren vnd fürzuelegen anhalteft, ob jy Impressoria vonn vnuß, wie lang
vnnd auf viell Jar habent; Item, ob fie dem Impressorio zuevolg
jeder Zeit vonn folchen Buechern, vnnß etliche Exemplaria auf Iren
Coſtenn auch wann, wieniel vnnd durch wen zugeſchickt vnnd vnnß als
dann derjelben Authores, Buchtrudher und Buchhändler Namen, jammt
einer Defignation folcher Bücher vnnd Schriefften, daruf dem fachen hal—
ben nach zu denckhen vberſendeſt. Befindt fich aber bei einem oder
mehreren in Set fpezifizierten oder anderer vergleichen dieſen Dingen an
hengig puncten, die Vbertrettung notorie vnd wiffentlich zue jein, je
jolfeftu nicht allein vonm denfelben ſtrackhs vnſer Impreſſorium (wofern
fie eins haben) abvorderen vnnd vnß daffelbig zuefertigenn, jondern aud
all dieje verftandtnermaßen clandestine under vnnſerm privilegio ge—
brudten, ober auch verjchwiegene exemplaria biß vff weitere vnnſere
verorbtnung, mit vorbehalt vnnſerer ftraff in Arreft nehmen, oder da
du fonnften, außer dieſes einen andern fueglichen procef vnnd modum
alß diefe weißt, dordurch dieſe jtreffliche gemeinjchedtliche arglift und be
trug abgejtelt vnnd die vberfohrer an tag bracht werden müegen, Solleſtu
oder der von beinetwegen hiertzu jubvelegirt fein würdt, auff dem:
jelben vns alle hiergu dienefame vnnd eriprießliche mittel vnd weg fol
ches erequieren, verrichten vunnd ins Werckh ſetzen, dich daran auch nie
mandts einredt oder verhinderung abhalten Laffen, Sonndern vielmehr
Burgermeifter vnd rath zu Frandfurtt, wie auch alle Obrigfeitten, wel-
cher enden es von nöthen, vnnß vnd dem rechten zue Steuer vnnd Hülff
von vnnſert wegen vnnd in vnnſerm nahmen erjuchen vnd anfprechen.“
Veit fubftituierte fich in einer aus Speyer vom 22. März 1597
Kapitel.) Der Bücherfommiffar Dr. Leucht. Schwache Thätigkeit desfelben. 619
datierten öffentlichen Ankündigung, „Yeibesblödigfeit halber“, ver päpſt—
lichen Protonotar und kaiſerlichen Pfalzgrafen Dr. Valentin Yeucht, Nach—
folger des inzwijchen verftorbenen Steinmeß an der Domfirche, und den
werthheimjchen Rat, Dr. Johann Baptijt Eyſen. Yebterer trat über:
haupt nicht handelnd auf, Veſt aber erjcheint fortan nicht mehr in den
Akten und ftarb jedenfall vor 1608. Yeucht war bis zu feinem 1618
erfolgten Tode thätig, jchritt aber jelten ein. So beantragte er erft
1606 bei dem Bürgermeifter die Konfisfation eines „Famospatents“
wider die päpftliche Meſſe und 1607 einiger „Rupferftüde und Famos—
gedichte” gegen das Haus Ofterreich, welche ungeftraft in der Buchgaffe
umgetragen, verkauft und angejchlagen würden. Yeucht handelte hier wie
in andern Fällen übrigens nicht eigenmächtig, jonvdern nahm erfolgreich
die Hilfe der ſtädtiſchen Behörden in Anſpruch.
Nach einem energijchen Anlauf war alfo bald wieder ein völliger
Stillftand eingetreten, wenigftens dem äußern Anfchein nach. Im ſtillen
aber jcheint doch ein Minieren ftattgefunden zu haben, over es müßte
ein Phrajenmachen zur Kaptivierung des faijerlichen Hofs gewejen jein,
wenn bereits im Anfange des 17. Bahrhunderts, 5. B. unter dem 8. Of:
tober 1601, Leucht regelmäßig berichtet, daß die Arbeit der Kommiſſion
täglich mehr der chriftlichen (das will fagen: der fathofifchen) Religion
zur Wohlfahrt und Aufbefjerung gereiche. Dffen hervor trat allerdings
die Thätigkeit derjelben nur in der Einſammlung der bewußten Frei—
eremplare, betreffs welcher die Kommiffare faſt von Meſſe zu Mefje in
ihren Berichten wieverhofen, daß die Buchhändler fich der Ablieferung
derjelben nah Möglichkeit zu entziehen juchten; jo noh am 24. Mai
1610. Das, was davon zujammengebracht werden fonnte, wurde in
größern Sendungen durch Vermittelung von Buchhändlern an den kaiſer—
lichen Hof eingefhidt. In der Herbſtmeſſe 1608 gejchah dies z. 2.
durch Theodofius Rihel von Straßburg; „Dieſe ferner gejchriebenen Bücher
jeind Hans München, dem Fuhrmann, in einem Faß nachher Prag zu
führen und dem Seren Vice-Cancellario, Herrn Yeopoldo von Stralen-
dorff zu liffern mitgegeben und das Fubrlohn darfür aufgericht worden“,
heißt e8 im den Wiener Akten. Später trat Chriftoph von der Heyden
an jeine Stelle.
Die regelmäßigen Büchervifitationen hatten jchon ein volles Viertel:
jahrhundert lang aufgehört, als der Kaifer endlich wieder einmal „dem
620 Die kaiſerliche Konftitution vom 15. März 1608, [Zehntes
unleivfihen Mißbrauch und ver täglich mehr überhand nehmenden Un:
ordnung“ ein Ende zu machen beichlof. So ernannte er denn am
15. März 1608 eine neue Kommifjion, welche aus drei Mitgliedern,
nämlich dem bereits in Thätigfeit befindlichen Domdechanten Dr. Valen—
tin Leucht, dem Lic. theol. Georg Erjtenberger von Freyenthurm une
dem Lic. juris Karl Seiblin, dem Amtsnachfolger von Veſt in Speber,
bejtand. Ihre Aufgabe jollte darin bejtehen:
1) die Bifitation „Fruchtbarlich” wieder einzurichten (wie? wird nicht
gejagt);
2) die auf allen Meffen in großer Menge herausfommenven hoc:
verbotenen Famosſchriften gänzlich abzuschaffen (zu unterbrüden), damit
dem Kaifer und dem heiligen Reich fein Schaden gejchehe;
3) nur die von der zuftändigen Obrigfeit cenfierten und mit ven
Namen des Berfaffers, des Druders und Drudorts verjehenen Bücher
zuzulaffen, zu welchen Zweck jever Druder, che er jein Gewölbe over
jeinen Yaben öffnen dürfe, die erforderlichen Nachweife, Privilegien und
Druderfaubnis beibringen müffe;
4) mit Hilfe von Bürgermeifter und Rat diejenigen Bücher zu fon-
fiszieren, welche zivar das kaiſerliche Privilegium oder die Worte „cum
gratia et privilegio“ auf dem Titel trügen, allein ein jolches nicht
ausgenommen hätten und dadurch nicht allein „vie kaiferliche Reputation
lädirten, ſondern fich auch ven gebührenden Taxen entzögen‘;
5) dafür zu forgen, daß die fatholifchen Bücher, die bisher oft in ven
Meßkatalogen ausgelaffen worden jeien, vegelmäßig eingetragen würben;
6) darauf zu achten, daß die Reihsfammergerichts-Geheimniffe, Rela—
tionen und Vota nicht ohne ausdrückliche vorherige Genehmigung ge-
druckt, öffentlich feil gehalten und überhaupt geführt würden; jowie endlich
7) von allen privilegierten Büchern die dem Kaifer jchuldigen Exem—
plare (damals zwei) und von den nichtprivilegierten ein Eremplar ein-
zufordern und einzujenden.
Auf Anjuchen der Kommifjarien veröffentlichte der Rat den Inhalt
des faiferfichen Grlaffes in einem Anfchlage vom 13. September 1608,
weigerte ſich aber, ihre Bifitation der Buchgaffe am 20. September zu
geftatten, da fie ihre faiferliche Bejtallung nicht vorlegen wollten. Erſt
als fie diefem durchaus berechtigten Verlangen nachgefommen waren, lich
ihnen der Rat jeinen Arm zur Ausübung der Pflichten ihres Amts.
Kapitel.) Die eigentlichen Zielpunkte derjelben. 621
Er hatte jich immer noch nicht Far gemacht, welche jchwer wiegenven
Folgen fih an jeine Hilfeleiftung fmüpften, denn es handelte ſich bier
nicht mehr um bloße Ablieferung der dem Katjer angeblich gebührenven
Freiexemplare, jondern im wejentlichen auch um die Unterprüdung der
ihm mißliebigen Yitteratur.
Ganz unbegreiflich würde dieje Kurzfichtigfeit aber erjcheinen müfjen,
wenn eine Regiftratur in den wiener Akten — fie ift zwar unbatiert,
hängt aber unberingt mit dem obigen Patent vom 15. März 1608 zu-
janmen — wirklich zur Ausfertigung gelangt ift; in den franffurter
Akten findet fich allerdings legtere nicht vor. Dieſe Regiftratur für ven
erpebierenden Sefretär lautet nun:
„Punkta, welche an den Rath zu Frankfurt zu jchreiben.“
„Daß demnach 3. Kai. Maj. gegen Ihren Commiffarien wegen ver
Hochnotwendigen BVifitation der Bücher die bis daher gehapte Com—
miffionen wieder erneut, wie fie davon Abjchrift zu empfangen; daß Sy
fich ſolchem Befelch nicht widerjegen, noch Einigen Weg, alß biebevor ge-
ichehen Eintrag thun wolten”,
„Und ferners, daß ſy fich in bie inspection Rei librariae weiter
nicht einmijchen jollen, denn Ihnen die Reichs Abſchied und Policey-
ordnung gegen Ihren eingejejjenen Bucorudern und Burgern im
Buchſtaben zugeben, jondern in deme, waß I. M. wohlbenächtlich Ihren
Commiſſarien anbepbolen, die freye Verwaltung überlaffen und in All—
weg Ihnen gegen den Ungehorſamen und VBerführern die Hand bieten
wollen, Sodann alle ſchmachkarten und gevicht deßgleich Kupferſtück und
vergl. helffen abreißen und vertilgen.‘
„Ueberdieß aber ſich der Gameraljachen, jo in Trud gefertigt, im
Wenigſten anzunehmen, allvieweils fie deßwegen fein erfenntnuß haben,
waß in Truck zu verfertigen oder nicht, ſondern es bey der Sail. Mai.
beſchehener Verordnung verpleiben zu lajfen; auch die Ausfertigung des
Catalogi Librorum nicht allein vor und ahn fich zu ziehen und dar-
durch fich zu mechtigen Ihres gefallens Bücher in denfelbigen zu jeten
und andere auszuſchließen, jondern die verordnete Commiſſarios im deme
mit zuzulaſſen“;
„And dann bejchließlichen waß vor Streitigfeit jich wegen ertheilter
Privilegien und Nachdruckens halben eraignen, keineswegs nec audiendo,
nec decidendo anzunehmen, jondern den aufichlag und die Verrichtung
622 Dppofition der jächfifchen und venezianer Buchhänbfer. [Zehntes
Ihr Kai. Maj. Commiffarien allein zu überlaffen und wie vorgemelt
Ihnen die Hand allezeit nach Erforderung und uff erfuchen zur bieten.“
Mag nun der franffurter Nat eine Ausfertigung diefer Punktation
erhalten haben, oder nicht, gleichwiel: intereffant iſt fie, weil fie einer-
jeit8 die bald genug deutlicher hervortretende Abficht, der Bücherkom—
miffion die Beauffichtigung der Herausgabe des Mehfatalogs in die
Hände zu jpielen, hindurchbliden läßt, — andererjeits, weil fie erfennen
läßt, wie man fich in Wien die Rechtöbegründung für das angeorbnete
Borgehen ver Bücherkommiſſion zurechtzuftußen bemüht war. Der faifer-
liche Hof beanſpruchte auf Grund des jpäter erft jehärfer betonten an-
geblichen Bücherregals im Reich — mit welchem auch fpäter der An-
jpruch auf Pflichterempfare alfer neu erjcheinenden Bücher begründet
wurde — die prefpolizeiliche Beauffichtigung der fremden Buchhändler
und Buchoruder auf der Mefje und interpretierte in gezwungenſter Weije
die Keichsgejeße dahin, dag auf Grund verjelben dem franffurter Kate
nur das Aufjichtsrecht über die betreffenden einheimijchen, ihm mit Pflicht
verwandten Gewerbetreibenden zuftünde, eine kunſtvolle Interpretation,
welche bei den jpätern Vorkommniſſen nicht wieder jo unverbliimt zu
Tage tritt. Das erklärt es denn auch, daß — es ergibt fich dies aus
ven gleich ausführlich zu berichtenden weitern Verhandlungen — fein
Buchhändler „jo unter des Rhats zue Frandfurtt bottmäßigfeitt” von
den Bücherfommiffaren beläftigt wurde.
Die große Mehrzahl der nach Frankfurt zur Mefje gefommenen frem-
den Buchhändler fügte fih. Nur die ſächſiſchen Lutheraner (aus Leipzig,
Wittenberg und Jena) und die VBenezianer machten eine Ausnahme. - Die
letztern zeigten fich, wie der Bericht jagt, „ganz trutzig und widerſpenſtig“
und weigerten fich nicht bloß, die verlangten Freierempfare herzugeben,
„ſondern haben auch von der Commiſſion fich etwas fchimpflich vernehmen
laffen und gegen die Commiffion den Schnips gejchlagen“. Es ſcheint
nicht, daß fie wegen ihres offenen Ungehorſams weiter behelligt wurden,
denn die Aften erwähnen die Venezianer nicht weiter und ſprechen erit
dann wieder von ihnen, als fie infolge der ihnen zuteil gewordenen Be-
handlung umd des jpäter ausgebrochenen Kriegs vom Anfang der vrei-
Biger Jahre an nur noch vereinzelt nach Frankfurt kamen.
Die ſächſiſchen Buchhändler waren noch weiter davon entfernt, fich
dem kaiſerlichen Machtgebot in feiger Ergebung zu umnteriverfen. Für
Kapitel.) Beunruhigung der Buchhändler. 623
fie ftanden viel höhere Intereffen auf dem Spiel, als ein paar Frei—
eremplare. Drangen die Bücherfommiffare mit ihrem Anfinnen burch,
je war überhaupt der lutheriſche Verlag vogelfrei, jo war ihr Gejchäft
vernichtet. Hätten jene Männer fich das nicht jelbft gejagt, jo würde
es ihnen in Frankfurt auch auf anderm, als amtlichem Wege klar
geworben fein. Natürlich erregte die Sache in der ganzen Stabt großes
Anfjehen, ja fie bildete tagelang das öffentliche Gejpräch der Meß—
beſucher. Es war bis dahin noch nicht vorgefommen, daß zwei franf-
furter Priefter und Ganonici im Namen des Kaiſers in die Gewölbe
der Buchgaffe drangen, dort Kiften und Fäſſer jich öffnen liegen, Bücher
nach Belieben herausgriffen und mit Bejchlag belegten, und daß vie
Beamten des Rats ihnen Hilfreihe Hand leijteten. Unheilvolle Gerüchte
durchſchwirrten die Yuft, man jah im Hintergrunde — und wohl nicht
mit Unrecht — die Jeſuiten, man ängftigte und fürchtete fich um fo
mehr, als man nicht wußte, ob man nicht erit am Anfang derartiger
Sewaltmaßregeln jtünde. Nach einem gleichzeitigen Bericht des befannten
Vielſchreibers Melchior Goldaſt (von Haiminsfeld) lag zu jener Zeit
‘im Herbft 1608) ein Mann im Karmeliterflofter „zur Herberge, ver
ich Johann Bürgig nannte und päpftlicher Fisfal jein wollte. Diejer,
heißt es, habe einftmals über Tijch die faiferliche Bücher-Kommiffion
über die Infpeftion der Buchgafje böchlich gerühmt umd dabei gemeint,
man jolle nicht nachlaffen, viejelbe von Meſſe zu Meſſe zu kontinuiren,
bis man es recht in Schwang bringe und fich des nicht irren laffen,
daß fich Etliche ungehorſam widerſetzt hätten. Er wolle, von der päpſt—
lihen Heiligkeit wegen hierzu beputiert, die Anftellung thun helfen, daß
die Ungehorſamen noch wohl dazu gezwungen werden müßten. Und
jeten das eben die Wittenberger Buchführer. Wenn fie fich verweigern
würden, die begehrten Gremplare zu liefern, daß man benjelben ihre
Bücher und Waaren an den Orten, da e8 katholiſch wäre, im Durch—
führen niederwerfen und anhalten jolle, bis jo lange fie der Kommiffion
Gehorſam geleijtet hätten.‘
Kaum nach Haufe zurücgefehrt, führten die ſächſiſchen Buchhändler
energijche Beſchwerde und rubten nicht eher, als bis fie den ihnen ge=
bührenden Sieg errungen hatten. Es find noch ſämtliche Aften über
dieje wichtige Angelegenheit vorhanden, welche deshalb eine ausführliche
Darftellung verdient, weil hier nicht allein Privatperfonen klagend auf-
624 Schritte der ſächſiſchen Buchhändler in Dresden. [Zehntes
treten, jondern auch jtäptiiche Behörden, wie der Rat von Yeipzig, Das
furjächfiiche Miniſterium, die beiden Kurfürften Chriftian II. von Sachſen
und Friedrich IV. von der Pfalz einander berichten, jchreiben und an
den Kaiſer jelbft ihre Klagen gelangen laffen. Es ift alje über ven
ungejeglichen Eingriff der Bilcherfommiffion ein vollftändiger Beweis
aus den in Dresven und Frankfurt aufbewahrten zehn Briefen und Be-
richten erbracht. Während von dieſen übrigens nur ber lette vom
19. Juli 1609 fih in Frankfurt findet, find die neun erjten im dres-
dener Hofſtaatsarchiv aufbewahrt. ?
In der erjten Eingabe, welche die Buchhändler von Yeipzig, Witten-
berg und Jena am 17. Februar 1609 dem Kurfürften unterbreiten,
reichen jie zunächft das auf der Herbſtmeſſe 1608 ihnen mitgeteilte
faiferliche Mandat ein und bejchweren fich darüber: „daß ein jever Buch—
druder, Buchführer over Buchhändler, ebe er jein Gewölbe over jeinen
Laden eröffnet, auch einiges Buch distrahiret, aller feiner neuen Bücher
einen Indicem fürweijen, darüber glaubliche Anzeige thun, wie und
welcher Gejtalt ihm jolche Bücher zu drucken erlaubt, und da er darüber
fein kayſerlich Privilegium habe, alsdann Ihrer Kayſerlichen Majeſtet
Reichs-Hof-Kanzlei ein Exemplar überjchiden und unmeigerlih ven
Kayſerlichen Kommiſſarien überreichen ſolle.“ Gegen dieje Bejtimmung
wenden die Buchhändler ein, daß wenn fie bei den privilegierten Büchern
auch leicht ihre Privilegien vorlegen und damit den verlangten Nachweis
über die bewirfte Cenſur erbringen fünnten, lettere® doch bei nicht
privilegierten unmöglich ſei. Dieſe jeien zwar jelbftverjtändlich in Sachjen
cenfiert, wie das jedesmal die Beicheinigung ber betreffenden Genjoren
beweije, deren Unterjchriften aber den faijerlichen Kommiffaren nicht be-
fannt, abgejehen davon, daß auch das Mitbringen der von den Cenſoren
unterjchriebenen Originalmanuffripte ihnen, ven Verlegern, viele Unge—
(egenheiten und Koften verurfachen würde. Die Kommifjarien würden
vermutlich jolche Bejcheinigungen einfach fir nichtig erflären und ven
Berlegern verbieten, ihre Verlagsartifel zu führen, oder diefe gar in
Frankfurt mit Bejchlag belegen, zu ihrem, der Verleger, unwiederbring—
lihem Schaden. Zudem jeien die Kommifjare auch manden Schrift-
jtelfern nicht gewogen, ſodaß man die SKonfisfation vieler Bücher,
namentlich aller derjenigen befürchten müſſe, welche etwa gegen die
römijch-fatholijche Religion gerichtet fein möchten. Sodann jei die For—
Kapitel] Bitten der ſächſiſchen Buchhändler in Dresden um Schub. 625
berung eines Pflichteremplars von den faiferlicherjeits nicht privilegierten
Büchern eine unbillige und den Handel lähmende. Yeichtfertige und
Fumosichriften feien in Sachjen nie in Übung gewejen, weshalb man
auch nirgends eine Klage darüber gehört habe. Aus diefen Gründen
möge der Kurfürſt jowohl im eigenen Namen, als auch als Vormund
jeiner Bettern, für jeine Buchhändler (und die in Jena) beim Kaiſer da—
bin intercedieren, daß von ihnen feine Genjurbejcheinigung und fein Frei-
erempfar gefordert werde, zumal fie erbötig jeien, auf ihre Koften für
jede franffurter Meſſe einen bejondern Katalog aller in Sachjen neu erfchie-
nenen Bücher anzufertigen, damit ihrethalben wegen Fanıos- und an-
derer verbotenen Schriften im heiligen Reich nichts zu befürchten jei.
Dieje offizielle Bittjchrift — vorfichtig jo eingerichtet, daß fie dem
erbetenen Interceifionsjchreiben an den faiferlihen Hof nötigenfalls ab-
jbriftlich hätte beigefügt werben fünnen — war zugleich von eimem
Schreiben gleichen Datums an das furfürtlihe Minifterium (Kanzler,
Präfidenten und andere Geheime Räte) begleitet, im welchem fich vie
Dittfteller offener ausjprechen (va fie „aus allerhand urjachen etliche
umbjtände und motiven nicht gevenden mögen‘) und ficherlich die An-
ſchauungen vortragen, welche unter ven fremden Buchhändlern auf der franf-
furter Herbitmefje die herrſchenden geweſen waren. Die Petenten bitten
darin, dem Kurfürjten „vorgezeigte Umftände und Motiven” und „dar—
neben anzumelden und fürzutragen, nämlich, daß jolche Kaijerliche Kom—
miſſion Niemanden denn Päbjtijcben aufgetragen, und ſich barneben
etliche andere fremde unbekannte Bifitatores befunden, welcher in ber
Kommiſſion nicht gedacht worden, daher allerlei Argwohn verurjachet.
Hernach als von uns nicht allein die Exemplaria vermöge des Man—
dats abgefordert, jondern darneben ein Buch vorgefeget, damit ein Jeder
die Bücher, jo er uberreichen würde, mit eigenen Händen einjchreibe,
baben wir uns zwar wieviel möglich darwidergeſetzt und wider jolche
Neuerung mit der Freiheit des öffentlichen Markts jchuten wollen.
Derweil aber ſie von mehreren theils der päbjtiichen Religion zuge:
thanen Buchhändlern jolches allbereit erlangt gehabt, jo find auch wir
gedrungen worven, ihren Willen zu vollbringen und zu Ehren ver
Kahjerlichen Majeftät auff jelbiges Mahl zu gehorjamen; haben doc
daneben protejtiret, Unſerer gnädigſten Herrichaft jolches unterthänigſt
zu erfennen zu geben. Weil e8 dann faſt augenjcheinlich, daß uns an
Kapp. 1. 40
626 Offizielle Begutachtung der Bittjchriften. [Zehntes
denjenigen Büchern, jo der päbjtiichen Religion zuwider, allerlei Ver—
hinderung und Gefahr wurde zugezogen werben, indem wir endlich jolche
auff öffentlichem privilegirten Markt wegen der fürftehenden Gonfiscatien
nicht führen pürften und wir auch der churfürftlich privilegirten Bücher,
jowohl derer jo von Ihrer churfürftlichen Gnaden wolverordneten Censo-
ribus jubjcribiret, einer neuen Genjur oder Approbation erwarten jollen:
Welches Alles in eflectu fat diejes Anjehen gewinnen will, als ob Ihre
Churf. Gn. jowohl andere Fürften im Reich zuwider des heiligen Reichs
Ordnung verbotene Schriften in Ihren Yanden zu pruden gejtatteten,
da doch männiglich diefer Yande bewußt, was für Ernft und Fürfichtig-
feit Unſere gnädige hohe Obrigkeit bierinnen jeder Zeit gebraudet, da
alle Buchoruder ohne Approbation einiges Buch nicht zu druden eid-
(ich ſich verpflichtet. Überdies ift ſolche Anoronung zuwider der öffent-
lichen Mearftfreiheit und gereicht zu Hinderung der Gommercien auch
großem Abbruch des Buchhandels.” Die Bittjteller ſchließen ihr Ber
langen nah Schuß mit der Bemerkung, daß jene Mafregel micht zum
Nugen des Kaiſers, jondern lediglich der Jeſuiten angeoronet werden,
‚welche ihre Bibliothefen zu bejjern, ihren Tandt auszubreiten und da—
gegen die reine Yehre verdedter Weiſe zu verhindern vermeinen“.
Der Kurfürſt übergab die obige Bejchwerde feinem Oberfonfiftorium
zur Begutachtung und erhielt von ihm eine aus ſechs Punften be:
jtehenvde und am 3. März 1609 abgefaßte jtantsrechtlihe Ausführung.
Nachdem die Räte anerkannt haben, daß die Schmäbjchriftenlitteratur
zum Nachteil des gemeinen Wejens mächtig überhband genommen babe
und nur burch eine jtrenge Genjur unterbrüdt werden fünne, erflären
fie die Neichsverfaffung und namentlich den ſpeyerſchen Reichsabſchied
von 1570 und die Reichspolizeiordnung von 1577 für völlig ausreichend,
dem Unfug zu jteuern. Sie vermuten deshalb, daß „das obenberegte
Mandat nicht von Kaijerliher Majeftät, jondern vielmehr auff Anftiff-
tung und zum Behuf der Jejuiten, den Churfürjten, Fürjten und Stän-
den des heiligen Reichs jamımt allen Augsburgijchen Religiensverwandten
zu merklichem Abbruch ihrer Reputation, Hohheit und wahren Glaubens,
jowohl den Buchführern zu großem Nachtheil verfaffet, publiciret und
zu Werfe gerichtet worden”, Sodann führt der Bericht näher aus:
1) daß die faijerliche Verordnung der Büchervifitation ohne Kenntnis
der Kurfürften und Reichsſtände erfolgt jei, da fie beide angenommene
Kapitel.) Dffizielle Begutachtung der Bittjchriften. 627
Religionen betreffe und doch früher deren Beſchwerden auf allgemeinen
Reichdtagen verhandelt und erledigt worden jeien;
2) daß jolche Visitationes nicht ausjchlieklich der römiſch-katholiſchen,
jondern auch der augsburgiſchen Konfeifion zugetbanen Kommifffarien
hätten aufgetragen werben dürfen, und daß auch andere im -faiferlichen
Mandat nicht benannte Perfonen fich dabei befunden hätten;
3) daß die Keichspoflizeiorpnung von 1577 nur das Verbot aller ver
hriftlichen allgemeinen Yehre und der im augsburger Religionsfrieden
aufgerichteten Konfeifion widerwärtigen Schriften ausfpreche, daß aber
das faiferfihe ‚Mandat darüber nichts ſage, vielmehr nur die Famos—
ichriften erwähne, welche Bezeichnung die Kommiffarien bejorglich nur
auf die lutheriſchen Theologen oder was wider den römijchen Antichrift
und jeinen Anhang in den Drud gefertigt, beziehen, dagegen ven Je—
juiten und anderen durch die Finger jehen würden;
4) daß in dem faijerlihen Mandat den Kommiffarten troß der
Polizeiordnung von 1577 latissima potestas gegeben, die Inquifition
und Konfisfation neben weiterer Beftrafung sine respectu vorzimehmen,
und daß mit Umgehung der ordentlichen Obrigfeit der kaiſerliche Fisfal
auf gebührliche Strafe prozedieren und handeln jolle, welch’ letztere ewen-
tuell nur das Kaiferliche Kammergericht zu moderieren Macht und Be-
fehl haben jolle;
5) und 6) jei e8 endlich unbillig, daß die Bittjteller nicht bloß nach»
weiſen jollten, wo und wie fie die Druderlaubnis erhalten hätten,
jondern daß fie auch gezwungen würden, ohne Unterjchied ver Fakultäten
„ein Eremplar jeves Buchs (damit ja die Jeſuiten in ihren Collegiis
itattliche bibliothecas anrichten fünnen) umſonſt abzuliefern“.
Die anbefohlene Büchervifitation, jo jchließen die Räte, habe aljo
ein jehr nachvenfliches Anjehen und es wäre, wenn man überhaupt die
verbotenen Schriften im Weiche habe abjchaffen wollen, viel beſſer
geweien, ſich an die gejetlichen Beftimmungen des Jahres 1577 zu
halten. Sieg eben anbeim, fih wirkſam der bevrängten Buchhändler
anzunehmen, mit den andern Kurfürſten, Fürſten und Ständen beim
Kaifer für ihren Schub einzutreten und die Bittiteller zugleich an den
Rat zu Frankfurt zu „verſchreiben“ — ein jchwacher Helfer! — fie auch
zu bejcheiden, daß fie fich zu ihrer beffern Verwahrung won den Univer-
jitäten beglaubigte Scheine über die Genfur der zur Meſſe mit binaus-
40*
628 Zögerndes Verhalten von Kurfachien. [Zehntes
zunehmenden Bücher ausfertigen ließen und „Sich deren zu ihrer Nothdurft
bedienten“.
Über dieſen Schreiben war der Winter dahingegangen, ſelbſt ein
Schreiben des Kurfürften Friedrich IV. von der Pfalz; an Kurfürft
Shriftian II. hatte den ſtets Feinmütigen ſächſiſchen Hof nicht zu einem
Entſchluß aufzurütteln vermocht, jo daß bei der Eröffnung der Faſten—
meffe 1609 die Sache noch auf dem alten Fleck ftand. Die Leipziger,
wittenberger und jenaer Buchhändler erfuhren aljo in Frankfurt wieder
diejelbe Behandlung wie im vorhergehenden Herbft. Erft am 21. April
gewannen die furfürftlichen Räte Zeit, fich weiter mit der Angelegenbeit
zu befchäftigen und zwar auch nur injoweit, daß fie dem leipziger Rat
aufgaben, fich in der bevorſtehenden Dftermeffe bei einheimijchen ung
fremden Buchhändlern zu erfunbigen, wie die Sache ferner in Frankfurt
verlaufen jei. Auf Grund ver erhaltenen Aufforderung berichteten denn
die Buchhändler der gedachten drei Städte unter dem 17. Mai 1609
an den leipziger Nat wie folgt: „Der Doktor Valentin Leuchtius,
Protonotarius Apostolicus, und Herr Picenciat Erftenberger, beide
Janonici zu Frankfurt a. M., find neben dem Kayſerlichen Fiscal
jüngft verjchienene Faftenmeffe daſelbſt abermahl in allen, ſonderlich ver
Evangelifchen Buchhändler Läden umgegangen und erinnert, was fie und
vorige Herbitmefje wegen Abfolgung eines Eremplars von allen neuge:
drudten Büchern angebracht und begehret. Darauf injtindigk angehalten,
daß wir uns nochmals endlich und rund erflären wollten, ob wir uns
faijerfihem Mandat gemäß zu erzeigen bedacht over nicht? Hiergegen
wir aus dem Kur: und Fürſtenthum Sachjen alle faft gleich auf dieſe
Meinung geantwortet, daß wir uns deſſen gar wohl entjinnen, bättens
aber unſeren Pflichten nach nicht unterlaffen fönnen noch fjollen, an
unjere gnädigſte Herrſchaft zu bringen und Bejcheidt zu erholen, zweifel-
ten auch nicht, Ihre Churfürftlichen Gnaden werdens, wo es nicht allbereit
gejchehen, jo doch fürderlichit an S. Kayſerliche Majeſtät untertbenigit
gelangen laffen und uns gnädigften Beſcheid ertheilen, was wir uns
zu verhalten.
„Hierbei habens ermelvete Kayſerliche Abgeorpnete zwar bewenden
laſſen, (nicht) ohne daß fie einem unſers Mittels in Herrn Theodoſii
Richel's Yaden anf angeregte Erklärung zur Antwort gegeben, e8 wurde
nicht eher beffer, man citirte denn ein paar nad Speyer (zur Unterfuchung
Kapitel.) Bericht der ſächſiſchen Buchhändler über den weitern Verlauf, 629
vor dem Reichskammergericht). Er hat aber ſolche Bedrohung mit Still-
ihweigen und Geduld aljo hingehen laffen, jonverlich, weil man weder
ihm noch jonften Jemanden ber Unſerigen dies Mal weiter nichts zu—
gemuthet, wie wir denn auch micht erfahren, daß Demand von denen
Buchführern, jo unter des Raths zu Frankfurt Botmäßigfeit fein, einig
Eremplar auszuantworten gebrungen ſey, daß es alfo zu vermuthen, ber
Rath dajelbft werde fie bißher hierwieder gejchüget haben. Desgleichen
werden wir von dem churfürftlich pfälziichen Buchdrucker Gotthard
Vögelin berichtet, er jei von feinem gnädigſten Churfürften ausdrücklich
befehligt und gleichfam darauf inftruirt, daß er fein Exemplar geben
jolle. Dies ift alfo iso fürgelaufen.“
Um num für die Zukunft vor derartigen Zumutungen gefichert zu
jein, bitten die Buchhändler jchlieklich ven Nat, daß auch er den Kur:
fürjten veranlaſſen wolle, dieje wichtige Sache mit dem Kaifer zu ordnen.
Es jei das um jo nötiger, als die Freiheit der franffurter Meffen Zu—
fuhr und Abfuhr der Waren ficher ftelle, weshalb man lettere bis zu
ihrem Berfauf ohne jede Gefahr dort laſſen könne; das neuerliche Vor:
geben der Bücherfommiffarien gereiche aber nicht allein ven lutheriſchen
Buhhändlern und ihren Waren, fondern auch allen augsburgijchen
Religionsverwandten und namentlich dem Kurfürſten, als vem vornehmften
proteftantifchen Neichsftand, zu merklichem Präjudiz.
Die Willfür der franffurter Bücherfommiffion hatte fich ſelbſtredend
nicht auf die jächfifchen Buchhändler bejchränft, vielmehr auf alle ihre
proteftantischen Kollegen ausgedehnt. Dieje lettern fügten fich ohne
age der Übermacht; nur der heidelberger Verleger und Drucker Gott-
hard Bögelin bildete die einzige — wenigftens nach den Alten einzige —
Ausnahme von der Kegel. Auch er Hatte fich bei feinem Landesherrn
beichtwert, von diefem aber, wie obige Eingabe erwähnt, den beſtimmten
Beiehl erhalten, fich den Anforderungen nicht zu fügen. Kurfürft
Friedrich IV. von der Pfalz (1592 bis 1610) war ein eifriger Pro-
teftant und ein klarer politifcher Kopf, der nichts von ber engherzigen
tbeologisch-ängftlichen Kleinigkeitskrämerei ber meisten bamaligen proteftan-
tiichen Fürften an fich hatte und ſchon als junger Fürft die Vereinigung
der einander heftig befämpfenden reformierten und lutheriſchen Religions-
parteien erjtrebte. Während Sachjen fich darin gefiel, alle Bejorgniffe
für den Proteftantismus als Hirngefpinfte abzuweiien, fi den von
630 Energifches Auftreten Rurfürft Friedrichs IV. von der Pfalz. [Zehntes
Wien ausgehenden Übergriffen gegenüber jchwächlich erwies, nahm
Friedrichs jcharfer Blick ſchon damals die erften Anfänge einer natio:
nalen Ummälzung wahr, wie fie faum zehn Jahre jpäter der Dreikig-
jährige Krieg brachte. Es war die Zeit, die unmittelbar auf die Ein-
nahme von Donauwörth (1607) folgte, die furze Periode zwifchen dem erjten
und zweiten Unionsvertrage (1608 und 1610). Es lag alſo Grumd
genug zum „Mißtrauen gegen die im Reiche fürgehenden Praftifen‘ vor.
Der pfälzer Kurfürjt erfannte deshalb auch in den ganz unverſehens
auf der franffurter Meſſe beliebten Maßregeln gegen die Preffe einen
wohlberechneten und weit tragenden Angriff der damals allmächtigen
Jejuiten auf die eigentliche Yebensbedingung des Protejtantismus, die
freie Wiffenjchaft und Yitteratur überhaupt. Unter den obwaltenven
Umftänden that er alfo ganz das Rechte, indem er feinem ſächſiſchen
Bruder gemeinjchaftliches Vorgehen vorſchlug. Diefer Brief vom
18. März 1609 ift ein wichtiger politiicher Beitrag zur Gejchichte ver
Zeit. Er lautet wörtlich:
„Welcher Maßen in nächſt verjchienener Meß zu Frankfurt zwei
allda gejeffene papiftiiche Priejter, beneben dem Fiskal zu Speyer, bei
den Buchführern, jammt und jonders, mit Vorweifung einer gedrudten
offenen Kayſerlichen Kommiſſion Anfinnens gethan, ihnen deren von
jevem in ſolcher Meſſe neu ausgefertigten Büchern ein Verzeichnif, fol:
gende auch jedes neu gedrudten Buches ein Eremplar vor die Kayſer—
liche Reichshof- Kanzlei zu liefern, zu dem Ende, damit diejelbe jolche
Bücher nachjehen, cenjurire und was jonften oder ferners gefährlich und
nachtheilig unterlaufe, abgejchafft und die daran Schuldigen zur Strafe
gezogen werben, mit dem fernern Vermelden, dag jolche neue Anftellung
und Bifitation nicht allein auf die Buchdrucker, jondern auch auf die
Verbreiter jelbiten, damit diejelbigen, was fie nicht vecht cenfurirt hätten,
darum mit Ernft angejehen würden, gemeint wäre; Injonderheit was bie
hrijtlichen Sachen anlangt, darunter die meilten Famosſchriften aus-
gangen und begriffen wären, und darüber die weltlichen Obrigfeiten fich
feiner Genjur mächtigen oder anmaßen könnten: Solches wird E. L. frei
nicht weniger denn uns von den unjrigen (jo gleichwohl jehr fpät ge:
jchehen) von dero angehörigen Buchführern zu ihrer Heimfunft referirt
und angebracht worden ſein.
„Wiewohl nun ſolche neue Kommiſſion in äußerlichen Buchitaben
Kapitel.) Schreiben Friedrichs IV. an Kurfürft Chriftian IL. von Sachſen. 631
faft dahin lautet, als ob ſie allein und fürnemlich zu Abjchaffung ver
an ſich jelbft ftraflichen Kamosichriften angejehen und gemeint, in welchen
Fall der Kayſerl. Majeftät wie auch dem Kammergericht gebührliches
Einjehen in des Reichs Abichieven ausprüdlich vorbehalten. Dieweil
aber jedoch feine rechte famosi libelli und pasquilli ſonderlich in fo
großer Anzahl und Menge alle Meffen und täglich (wie in gedachter
Kommiſſion gemeldet wird) berfür fommen und in den Buchladen zu
Frankfurt feilgeboten werden, jo will e8 ung nicht unzeitig das Anſehen
haben, daß bier nur weit umb Bücher und Schriften, welche ven Pa—
piften wehe in den Augen thun, im Grund gemeint und unter folchem
praetextu eben dieſes gefucht werde, wie man ber evangelijchen Theo—
logen und anderer wider bie papiftiichen Greuel und Irrthum ftreitende
und jonften in Neligionsfachen ausgehende seripta mit einander, unter
dieſem Scheine und Anzeige, daß darin die Fatholifche Kirche, deren
Haupt und Glieder, geiftliche Fürften und Prälaten, Clerijei und Priefter-
jchaft, auch alle jolcher alten Religion zugethane ſowohl Herrichaften als
Untertbanen, hohen und nievern Stande angegriffen und injuriirt feien,
dämpfen und unterbrüden, und derweil e8 mit ihrer der Papiften ge—
wöhnlichen Berfehrungen fein Anjehen und Nachdruck mehr haben will,
anigo ex capite de famosis libellis ausmuftern und verbieten möge,
Dergeftalt, daß man ſolche evangeliſche Bücher durch dieſe Triumviros
und vermeinte Commissarios bei dem Kayſerlichen Hof für unzuläffig
angeben und alldafurders unter mißbrauchtem Namen und Autorität der
Kayſ. Majeftät pro calculo Jesuitarum dafür erffärt und damnirt
würden, alsdann derſelben Feilhabung und Verhantirung und in der
Meſſe zu Frankfurt (in welchem emporio fürnemlich diefe Waare bie
dahero ganz ihren Yauf durch Europam genommen) noch auch andern
Orten nicht ftatthaben jollten; auf welche Weife denn, da die Genfur jo
bis dahero vermog obangezogener Reichsabichieve allein jedes Ortes
Obrigkeit obgelegen, anito dem Papft und feinem Anhang über alle
Bücher gebüren follte, hinfüro fein gut Buch, darin die antichriftlichen
Irrthümer wiverlegt, im Reiche würde ausgehen fünnen, und bergegen
die Jeſuiter der Arbeit folche Bücher zu widerlegen (jo ihnen ohne das
unmöglich), überhoben und durch diefen Streich ein gewonnenes Spiel
haben würden.
„Dieweil denn hieraus genugjam zu merken, womit die Widerſacher
632 Schreiben Friedrichs IV. an Kurfürjt CHriftian II. von Sachſen. Zehntes
der Wahrheit umgehen, aber doch dieſer neue Fund und gefährliche
conatus den vorigen Reichsordnungen, wie auch dem Keligionsfrieven
und altem Herkommen ſtark zuwider, auch keineswegs zu leiden, daß
dieſe angemaßte papijtiiche Bifitation und Cenſur der Bücher in einer
freien offenen und dem "ganzen Reich gemeinen Meſſe und Emporio
ohne der ſämmtlichen Stände Wiffen und Willen eingeführt und eine
neue Bejchwerlichkeit ven Bücherfchreibern und Drudereien, jo den Oberen
und Herrichaften jelbiten aufgetragen werde, welches dann alle ewange-
fischen Kurfürften und Stände, dero Kirchen, Schulen und Univerfitäten
mit einander berühren und angeben will. Alſo haben wir ver eine
hohe Nothourft erachtet, jolche Ding dero Wichtigkeit nah mit E. v.
und anderen, der Augsburgijchen Confeſſion Genoffen freundlich zu
communiciren und dero verftündiges Bedenken hierüber zu vernehmen,
wie biefer Neuerung und Praftif ſowohl bei dem Kayſerlichen Hof mit ge:
bührlichen Widerjprüchen zu begegnen, als auch bei der Stadt Frank—
furt deren Execution zu verhindern.
„Und mehr unſers unvorgreiflichen Ermeſſens nicht umdienlich, dar
inmittelft und vor allen Dingen unjeren allerſeits angehörigen Biblio-
polis befohlen würde, da ihnen in fünftiger Meß vergleichen neuerliche
Dinge von obgedachten Commissariis zugemuthet und abgefordert wür-
den, daß fie nichts einzuwilligen hätten, jondern mit gutem Glimpf und
Beicheivenheit fich zu entjchuldigen, daR fie weder Famosſchriften oc
einige andere Bücher ohne genugjam vorgehende Approbation (nach Aus:
weis der Reichsordnung) ihrer Herrichaften jemals gebrudt, daß ihnen
auch dieſes Alles ohne deren Borwiffen und Beſcheid um Verhütung
allerhand Eingangs und Praejudicii willen nichts zu handeln gebühren
will, und dagegen, daß die Stadt Frankfurt gegen den Einen over den
Andern exequendo etwas vornehmen jollte, im Namen jeiner Herrichaft
protejtiven thäte, welches wir E. L. freundlich nicht bergen wollen.‘
Wenn bisher irgend ein Staat durch fein laues und ſelbſt häufig
feindfiches Verhalten das gemeinjchaftliche Fräftige Handeln der Pre-
teftanten unmöglich gemacht hatte, jo war es Kurſachſen, die erfte luthe—
rische Macht im Reiche; ja es ſchien im der gleichgültigen Kälte gegen
die Gefährdung proteftantifcher Nechte, in dem engherzigen Verfolgunge:
geilte gegen alles nicht Starr Yutherifche einen wenig beneidensiwerthen
Ruhm zu fuchen. Diesmal aber ging Kurfürſt Chriftian IL, wenn
Kapitel.) Endliches Auftreten Kurſachſens. 633
auch zögernd und langjamer als Friedrich IV., doch anſcheinend ent-
ſchieden vor. In der legten Stunde muß ihm endlich die Einficht ge-
fommen jein, daß die Sache ver Yutheraner und NReforimierten dem
Kaiſer und der katholiſchen Kirche gegenüber denn doch eine und diejelbe
jei und daß man fich mit vereinten Kräften wehren müßte, wenn man
nicht vereinzelt unterorüdt werden wollte. Zudem ftanden die höchjten
gewerblichen Intereſſen dreier bedeutender Univerſitätsſtädte auf dem
Spiele. Chriftian richtete aljo dody noch im eigenen Namen und als Bor:
mund der Herzöge Johann Georg und Auguft am 19. Juni 1609 eine
Beichwerveichrift an den Kaifer. Nachdem er den mit den obigen An-
gaben übereinftimmenden Thatbeitand kurz wiederholt hat, erklärt er fich
jelbftrevdend damit einverftanden, daß die Reichsgeſetze gegen Yibelle und
Famosſchriften ftreng ausgeführt, betheuert aber, daß jolche in feinen
und feiner Mündel Yanden überhaupt nicht gebrudt würden, und führt
dann fort: „Allvieweil aber diejes Vifitationswerf bei mir und anderen
evangelischen Reichsſtänden, welche mit mir hierorts communiciret, faſt
das Anſehen gewinnen will, ala wäre obbemelte Kommijfion ohne
jonderbaren E. K. M. Vorbewußt, jondern vielmehr auf Anstiftung und
zum Behuf der unruhigen Jeſuiten, den Chur», Fürften und Ständen
des heil. röm. Reichs ſammt allen Augsburgiichen Konfeffionsverwandten
zu merflichem Abbruch ihrer Hoheit und Reputation, wie auch wahren
Glaubens und dann den Buchführern zu großem Nachtheil ausgewirfet,
als bin ich unumgänglich werurfacht worden, E. 8. M. nachfolgenver Ur-
jach willen hierunter zu erjuchen und anzulangen, daß jolche allgemeine
Bifitation, weil e8 ein Werk, welches beide angenommenen Religiones
betrifft, mit ven Churfürften, Fürſten und Ständen des Reichs Einwilligung
und Borbewußt hätte geichehen; auch da jolches aljo bewilliget und ge-
jchlofjen, alſo dann folche Viſitation nicht allein den römischen Catho—
lifchen jondern auch zugleich ver Augsburgifchen Confejfion zugethanen
Commifjarien aufgetragen werben jollen.
„Ums Andere, ob auch wohl bei jüngjter Reichsverſammlung von den
proteftirenden Chur: Fürften und Ständen mit großer Bejchwer ange:
bracht und gejucht worden, daß vermöge der zu Frankfurt Anno 1577
publicirten Polizeiordnung nichts, jo der chriftlichen allgemeinen Lehre
und dem zu Augsburg aufgerichteten Keligionsfrieden ungemäß und
iwideriwartig oder zu Unruhe und Weiterung Urſach gebe, gejchrieben
634 Schreiben Chriftians II. an den Kaijer. [Zehntes
oder gedruckt werden jollte, jolches doch in diefem Viſitationsmandat diß—
falls gar nichts, jondern alleine der verbotenen Kamosjchriften Erwähnung
geichehen, welches denn die jegigen Commissarii jonder Zweifel auf die
evangelifchen Theologen und andere Yeute, welche wider die römische Kirche
etwas haben ausgehen laffen, müſſen ziehen und accommodiren werden.
„Über dieſes und fürs Dritte ift den Commissariis latissima po-
testas, die Inquifition, Confiscation und Beftrafung sine respectu
vorzunehmen eingeräumet worden, da doch oben angezogene Polizeiord—
nung klar bejaget, daß der ordentlichen Obrigfeit jedes Ortes die Ber-
brecher zu ftrafen, nachgelaffen jein oder im Tall des Verbleibens der
Kapjerliche Fisfal zu procediren Macht haben jolle.
„Und weil endlichen fich aud die Buchdruder und Händler meines
Erachtens nicht unbillig bejchweren, daß unangejehen fie nicht allein mit
glaubwürdiger Anzeige, wie und welcher Geftalt ihnen die Bucher zu
bruden erlaubt worden, fie geführet, jondern auch allbereit fie contra
jJustitiae regulas et nundinarum privilegia jedes Buchs ein Exemplar
ohne allen Unterſchied der Fakultäten, damit ja die Jeſuiten jtattliche
Bibliothefen errichten könnten, umfonft ausantiworten follten, welches
denn zu ihrem fonderlich großen Schaten und Nachtbeil, auch zu ver
DOrts-Obrigfeit Präjudiz und im ganzen römiſchen Reich zu einer Neue-
rung und Einführung gereichen wollte, als babe ich nicht unterlaffen,
jolhes E. 8. M. zu erfennen zu geben,
„Und gelangt an E K. M. mein alleruntertbänigftes Bitten, E. K. M.
wolle meine und anderer Chur-Fürſten und Stände des Reichs Unter:
thanen, von Buchdrudern und Händlern mit diejen Vifitationsmandaten,
darbey zugemutheten Poftulaten und beprohlichen Gommunicationen
Allergnädigſt verjchonen, es bei voriger deßhalben aufgerichteten Polizei:
ordnung bewenden und hingegen das Mandat gänzlich caffiren und dies
Alles bis zu einer Fünftigen allgemeinen Reichsverſammlung verjchoben
und eingejtellt fein laſſen.“
Unterm 19. Juli 1609 ließ der Kurfürft die ſächſiſchen Buchhändler
durch den leipziger Nat und die Univerfititen Wittenberg und Jena
dahin bejcheiven, daß jeine Beichwerde an den Kaiſer abgegangen jei,
und ihnen auferlegen, daß fie, ‚wenn in Zufunft von den vwermeinten
Sommiffarien etwas Weiteres gejuchet und bei ihnen gemutbet oder
einig Eremplar gefordert würde, fi mit Glimpf entjchuldigen und
Kapitel.) Druck Kurſachſens auf den franffurter Rat. 635
auf die Interceſſion des Churfürjten bei ver Kayſerlichen Majeftät und
hoffentlich gewirige Reſolution veferiven und auch was künftig deß—
wegen weiter fürlauffen mochte, jedes Mal berichten jollten”. In ihrem
Danfjchreiben vom 14. Auguft 1609, welches fie fur; vor der Ab—
reife zur franffurter Herbſtmeſſe abjandten, baten die Buchhändler ihren
Yandesherrn, er möge den ihnen erteilten Beſcheid auch dem Mate zu
Frankfurt notificieren, damit „wir für unſere vechtmäßige Declinato-
rien genugjamen Schein haben, dabei vom Rathe ohne Weitläufigfeiten
geſchützt und alſo Anderen ehrlichen Handelsleuten gleich, bei fahjer:
lichen Privilegien der Mefjen, ja bei aller Völker Rechten, darauf
die Gommercien, Handel und Wandel bejtehen, gehandhabt werden
mögen“. Diefem Wunjche hatte der Kurfürft jchon am 17. Juli, alfo
an dem Tage entjprochen, am welchem ev im Interejfe ver bejchwerbe-
führenven Buchhändler an den leipziger Nat gejchrieben hatte. Er
trat in dieſem aus Eibenſtock datierten Schreiben energijch für die Rechte
jeiner Unterthanen ein, beftritt mit den bereits geltend gemachten Grün—
ven der Bücherfommiffion die Berechtigung zu ihrem Vorgehen und er-
Härte, daß er eben wegen deren Unvechtmäßigfeit feinen Buchhändfern
verboten habe, den Anordnungen der Kommiffion Folge zu leiften.
Namentlich aber jprach er dem Rat darüber jein Miffallen aus, daß
man auf den franffurter Meffen vorzüglich die lutheriſchen Buchhändler
beläftigt, und nicht allein Freieremplare von Büchern, jondern auch deren
Kevifion und Genfur beanjpruche, nachdem in Sachſen alle gejetlich ev:
forderlichen Förmlichkeiten erfüllt worden jeien. Er wünſche und babe
ein Recht zu verlangen, daß fich der Nat der ſächſiſchen Buchhändler
annehme und jie in Zukunft vor derartigen Zumutungen ſchütze, damit
jie ihren Handel ungehindert treiben fünnten. Am Schlufje jeines
Schreibens bemerkt der Kurfürjt, daß er fich gegen dieſe unerhörte Neue-
rung beim Kaiſer beichwert habe und daß er dem Kat die Antwort,
welche nicht anders als günftig ausfallen könne, ihrer Zeit mitteilen
wolle. Diejes Schreiben wurde, wie ein Kanzleivermerk jagt, in ber
Herbitmeffe 1609 „durch etliche Wittenbergiiche, Jeniſche und Leipziger
Buchführer auf dem Römer präjentirt“. Ein Beſcheid darauf findet
fih in den franffurter Akten jo wenig, als die Antwort des Kaiſers
auf die furfürjtliche Bejchwerde im dresdener Archiv. Indeſſen hatte
Diefe Doch die gute Folge, daß man fürs erjte die proteftantijchen
636 Heranziehen des Sturmes. Neue Flut von Flugichriften. | Behntes
Buchhändler weder mit Beichlagnahmen noch mit jonjtigen Strafen
behelligte.
Inzwiſchen mehrten ſich von Tag zu Tage die Anzeichen des auf—
ſteigenden Sturmes, der Deutſchland für ein Menſchenalter in ſeine
Wirbel reißen ſollte. Mit dem Tode Rudolfs II. (1612) nahm die
politiſche und religiöſe Spannung immer ſchroffere Formen an. Bis in
die unterſten Schichten der Bevölkerung ſtieg die Aufregung. Jede
Waffe galt zwiſchen den ſtreitenden Parteien als recht: Spott und Hohn,
Schimpf und Lüge. Bänkelſänger zogen durch das Land und boten in
Städten und Dörfern, auf Meſſen und Jahrmärkten ihre „Drei oder
bier neue Lieder, gedruckt in dieſem Jahr“ feil. So gab es kaum ein
Ereignis der großen Politik, von der Einnahme von Donauwörth an
bis zu den aachener Vorgängen des Jahres 1614, das nicht durch Preſſe
und Geſang ind Volk getragen worden wäre, Allen dieſen Erzeugniſſen
der Parteiwut war ſelbſtredend ein bitterer und gehäſſiger Grundton
eigen; in feinem von ihnen drang ein gutmütiger, milder Zug durch:
fie muten noch heute den Yejer an, als ob die Gegner fich bereits mit
den Waffen in der Hand gegemüberftänden. In Frankfurt mifchten fich
die Bücherfommiffare jogar in die dem Rate zuftehende Genjur über
diefe Art untergeorbneter Yitteratur ein und fahndeten auf die Bänkel—
fänger. Sp hatte Yeucht Shen am 19. September 1611 den Bürger—
meister aufgefordert, dem Unfug ein Ende zu machen, ven etliche un—
ruhige Perjonen mit dem Dichten und Abfingen von ärgerlichen Famoe—
lievern und Schmähfarten auf den öffentlichen Plätzen ver Stadt trieben.
In folchen Yiedern würden nicht allein ver geiftlihe Stand, ſondern
auch die faiferliche Meajeftät, andere hohe Potentaten und Reichsſtände
verfleinerlich und zum jchmählichiten wngetaftet, wie fie denn auch dem
Religionsfrieden zuwiverliefen. „Alſo gelanget an E. E. von Anıpte-
wegen mein dienftlihes Suchen, Sie wollen durch Ihre Diener jolce
nicht allein alsbaldtt abjchaffen, jondern auch die Dichter und Singer
mit gebührlichem Ernſt und Strafe anſehen.“ Es waren allerdings
Schmählieder gegen den Papft, den Herzog von Bayern, die katholiſche
Kirche, die Meffe, die Beichte, die Jejuiten und fatholifche Übergriffe,
wie fie herausfordernder jelbjt in jener erregten Zeit nicht gedruckt
worden waren; indeſſen erjchienen fie auf der gegneriichen Seite nicht
milder, ja ſogar noch gröber. Bon diejen letteren nahmen vie Bücher:
Kapitel.) Berhalten des frankfurter Rats. 637
fommifjare natürlich feine Kenntnis, weshalb fie fich mit Recht dem
Borwurf der Willkür und Ungerechtigkeit ausjeßten.
Übrigens ließen fich auch troß aller Strenge die Schmäbhjchriften gar
nicht mehr unterprüden. "Gejtern verboten, wurden fie heute wieder
öffentlich oder heimlich in den Gaffen berumgetragen und tauchten
morgen in verboppelter Zahl wieder auf. Am 21. Januar 1615 ging
Peucht wieder den Bürgermeifter an, eine Anzahl von Basquillen und
Famosjchriften zu verbieten und zu vernichten, in deren einer die kaiſer—
liche Majeftät, das Haus Ofterreich, bejonvers aber der Erzherzog Yeo-
pold jchmählich verunglimpft und angetaftet werde. An der Fahrgaſſe
bingen die Händler gar ein jehr ärgerliches Patent und Kupferſtücke öffent-
(ih zum Verkaufe aus, „worin der ganze geiftliche Stand hochläfterlich
depingiret und angetaftet werde”. Ohne Zweifel fürchteten fich die
ftädtifchen Behörden — es war die Zeit des Fettmilchjchen Aufſtandes
und der Macht feines Führers —, die Aufregung der in ihrer Mehrzahl
protejtantischen Bevölkerung noch mehr zu jteigern, denn ſonſt ließe fich
die Wirfungslofigfeit der polizeilihen Maßregeln kaum erflären.
Es jcheint, daß die revolutionäre Bewegung in ver Stabt dem franf:
furter Rat jchon 1613 und 1614 eine tiefere Einficht in den eigent-
lichen Charakter der faijerlichen Politik verjchafft gehabt hätte, als ihm
bisher eigen geweſen war. „Jedenfalls zeigte er fich ven Bücherfommiffaren
gegenüber nicht mehr jo zuvorfommend als in frühern Jahren. Der
Kaifer Mathias hatte am 4. März 1613 die Bejtallung Leuchts und
Seiblins, der hier Seublein, genannt Böll, angeredet wird, erneuert, ihnen
am 2. September 1615 Johann Ludwig von Hagen beigeorpnet und fie
zugleich bevollmächtigt, fich auf der nächjten und allen folgenden Meffen
eine oder mehr taugliche Perſonen zu jubjtitwieren. Wie fein Vorgänger,
juchte auch Mathias die dem Papfte und Kaiſer feindliche Yitteratur
durch die Bücherfommiffion ohne viele Umftände aus der Welt zu
ichaffen. Im Sommer 1613 waren einige derartige Schriften erjchienen.
Die eine hieß: „Supplicatio ad Imperatorem, Regem et Principes
super causis convocandi coneilii generalis contra Paulum V.
Pontificem“, die beiden andern behandelten die donamvörther Angelegen-
heit in einem der wiener Politik feinpfeligen Sinne und führten den
Titel: „Informatio facti et juris wider die Relation Donauwerthiſcher
Sachen“ und „Traftat in gleicher Materia Donauwertbifcher Hand—
638 Einmifhung des päpftl. Nuntius. Übergriffe der Kommiſſion. [Zehntes
fung” zu Amberg gedrudt. Auf die erfte der genannten Flugſchriften
hatte der päpftliche Nuntius den Kaifer in einer undatierten Eingabe
aufmerkſam gemacht. Es iſt das erfte mal, daß fich in ven franffurter
Akten die direkte römische Einmifchung in die deutjchen litterarifchen An—
gelegenheiten zeigt, und daß ein Nuntius den Kaifer bei feinen, dem
Papſte ſchuldigen kindlichen Gehorfam ermahnt, ein derartiges ketzeriſches
Fibell im ganzen Reiche und in ben habsburgifchen Erbländern zu ver-
bieten. Mathias jandte denn auch am 5. Oftober 1613 dieje „ſchand—
und läfterliche‘ Schrift am Leucht ein und bemerfte, daß wenn er auch
von deffen Eifer im voraus überzeugt fei, er es doch in einem jo
außerorventlichen Falle für angezeigt gehalten habe, ihm eine aufer-
ordentliche Erinnerung zugehen zu laffen. Zugleich befahl er aber auch
dem Kommiffar, auf andere derlei böſe und ärgerliche Bücher, nament-
ih auf die zweite und britte der genannten Flugſchriften fleißig zu
achten, „damit biejelben alsbald abgejchafft und aufen Weg geräumt
werden“. Leucht gelang es denn auch, mehrere Eremplare dieſer Schriften
bei Ichann Berner, Chriftoph Bruder, Nikolaus Rode und Peter
Schinkel abzufaffen und an fich zu nehmen. Unterm 15. Januar 1614
verlangte der Kaiſer vom franffurter Rate gar die Mitteilung der
Namen aller unter deffen Botmäßigkeit ſtehenden Schriftiteller, Buch—
händfer und Buchverfäufer, da er mit Mißfallen und Befremden vwer-
nommen, daß dort jchon lange „ichmachhafte und Läjterliche Bücher“
von verjchiedenen Autoren gegen die uralte katholiſche Religion und deren
Vorsteher gedrudt, öffentlich feilgehalten und verkauft worden ſeien.
Dur ſolche Schriften würde nur das Miftrauen und die allgemeine
Erbitterung genährt und neu erwedt, abgejehen davon, daß fie ftrafbar
und verboten feien, aljo billiger Weife nicht geduldet werben dürften.
Als der Kommiſſar Seiblin die obenerwähnte „Informatio juris et facti
wider die donauwörthiſche Relation” bei dem Buchhändler Johann Berner
fonfisziert hatte, forderte er diefem auch eine Strafe von 30 Thalern
ab. Berner bejchwerte fich deshalb beim Nat, ver am 22. April 1614
in Berathung über die Sache trat. Dr. Raſor erinnerte bei diejer Ge—
(egenheit daran, daß durch jolche Verfolgung der Verkauf der evange-
fiichen Bücher nicht allein gehindert, ſondern auch den ewangelijchen
Ständen benommen würde, ſich gegen die fatholischen zu verteidigen,
wie auch, daß dem Senat die Konfisfation und Strafe allein zuftebe
Kapitel] Widerftand des frankfurter Rats, ermuntert durch Kurpfalz. 639
und von ihm bisher auch ausgeübt worden, worauf denn bejchloffen
wurde, den Bücherfommiffarien entgegenzutreten. Auch im Jahre 1616
hatte ver päpftliche Nuntius wieder einmal dem Kaijer ein Werf als feke-
riſch und Samosjchrift denunziert und jeine Konfiskation in Frankfurt ver-
fangt. Es war „Marei Ant. de Dominis, Archiepiscopi Spalatinensis
Apostatae, consilium sive caussae suae profectionis ex Italia‘, welches
Mathias daraufhin am 3. September auf der Mefje in Beichlag zu nehmen
befahl. Der Rat erhielt auf Nachfrage bei Billius aus Yondon übrigens
nur zwei Exemplare davon, verftand fich aber micht zur SKonfisfation,
jondern beichloß am 7. Januar 1617, daß man dieſe Sache und was
Cäſar und Kurpfalz an ihn, den Kat, gejchrieben, bei bevorjtehendem
Städtetag anbringen und fich deshalb Rats erholen wolle. Kurfürſt
sriedrih V. von der Pfalz hatte fich nämlich am 4. Januar 1617 in
derjelben Angelegenheit an den Rat gewandt. Bei feiner getreuen Sorge
für das gemeine evangelische Wejen hatte er ihn erjucht, die Sache reif-
(ih zu überlegen und das betreffende in Frankfurt auch nachgedruckte
Buch nicht zu fonfiszieren, zumal e8 feine boshaften Angriffe gegen hobe
oder niedere Standesperjonen enthalte. Andererſeits aber jei doch be—
fannt, „waß für vielfeltige Samosjchriften und dazu noch in neulicher
Zeit von dem andern Theil im offenem Drud ausgejprengt und unge-
ſcheut nachgedruckt, darinnen hohe Stande Perjonen zum Giftigſten
an ihrer Reputation umd Ehren mit höchſter Unwahrheit angegriffen,
aber dagegen einige Ahndung bis jett noch nicht verjpürt worden, und
jei fein Zweifel zu machen, daß auf Antrieb des am faijerlichen Hof
fich aufhaltenden päftlichen Nuntii ſolcher Konfiskations-Befehl erlangt
und ausgebracht worden“, wie es ja auch thatſächlich der Fall war.
Bereits auf der Herbſtmeſſe 1617 verlangten die Bücherkommiſſarien
vom Rate wieder die Konfiskation einer andern in England ge—
druckten Schrift desſelben Verfaſſers: „DDe Republica Ecelesiastica“,
allein auch jetzt weigerte ſich der Rat, dieſem Anſinnen nachzukommen,
da er vom Kurfürſten von der Pfalz und andern evangeliſchen Stän—
den gewarnt und bedeutet ſei, daß eine Konfiskation zum Präjudiz der
Protejtanten gereiche. „Der Befehl des Kaiſers“, jchreibt Friedrich noch
am 26. Dezember 1617 an den Rat, „ift an Euch erlaffen unter dem
Namen und Schein eines ehrenrührigen Buches, weil darin des Papites
angemaßte Hohheit und Primat widerfochten wird. Nun halten wir dieſe
640 Gelbjtändiges Auftreten desjelben. [Zehntes
und vergleichen Confiscationes, damit man zeither umgegangen, einer
jehr weit ausſtehenden Confequenz, als es dadurch enplich dahin gerathen
möchte, daß alle ver Evangeliichen Bücher, welche wider das Papittum
gejchrieben, umter die Zahl derer, die für ehrenrührig und verdammt
gehalten werben wollen, kommen und der Gonfiscation teilhaftig umd
alfo gar nicht mehr zugelafjen werden dürfen, darım denn auch Wir
und Unfere mitverwandten Stände jüngfthin um des ſchädlichen Indicii
willen von Heilbronn aus Euch wohlmeintlich gerathen, bierinnen ein
wachendes Auge zu haben und nicht zuzulaffen, daß Euch hierin an
Eurer habenden Jurisdiction nachtheiliger Eintrag gejchebe, dazu Ihr
Euch guter Maßen erboten, und wie Wir berichtet, die jetzige vorge
habte Konfiscation verhindert habt, welches Ihr auch fernerhin ins
fünftig zu thun nicht unterlaffen, und aljo hierdurch Euch und dem
gemeinen evangelifchen Wejen feine bejchwerliche Nachfolge geitatten
wolfet, und worin Wir Euch mit Rath und hüffreicher Beförderung in
vergleichen Fällen die Hand werden bieten fünnen, find Wir dazu um
des gemeinen Beſtens willen erbietig und geneigt, wie auch andere Unſere
mituntirten Stände, wenn fie darunter angelangt, gern thun werden.”
Sei e8, daß der männlich bewußte Ton in den Briefen Friedrichs,
ver in ſehr vorteilhaften Gegenjag zu jeiner fpätern Unentſchiedenheit
und Schwäche fteht, oder jet cs, daß die Teilnahme der evangelijchen
Mitftände dem Rat Mut machte: genug, er wagte e8 jet jeit fünfzig
Jahren zum erften male, feine Rechte wieder jelbftändig gegen den Kaiſer
und jeine Kommiffarien geltend zu machen. Ein fülner Buchhändler,
Johann Gritti, hatte, wie die Akten jagen, „ein Schand: und Yäfterbuch
eines teufliſchen Gejprächs betitelt: «Evangelium reformatum», und
mehrere andere Famosbücher in puncto religionis” auf die Faſtenmeſſe
1617 gebracht. Sie waren mit fölnifcher Cenjur und Approbation, jedoch
ohne den Namen ihrer Berfaffer gedruckt. Der Rat lich fie als ärger
lich und zum Unfrieden führend fonfiszieren, trotzdem daß Gritti ſich
mit anzüglichen und trogigen Worten auf die Mechfreiheit ſtützte und
die Berechtigung des Rats zu einer ſolchen Maßregel bejtritt, twelcher, wie
er ausführte, viel beſſer gethan haben würde, die gegen den Papſt ge
richteten Schmähjchriften wegnehmen zu laffen. „Darneben bat venn
Senatus jein Exereitium jurisdietionis, inspectionis, confectionis
catalogi, confiscationis et executionis, der Polizey- und Reichsord—
Kapitel.) Die Haltung der Kommiſſion im Wechlel der Kriegsläufte. 641
nungen zu conjerpiren, und dagegen die faijerlichen Commissarios von
Extension ihres exereitii inspectionis dejte mehr amzubalten, aber-
mals ein offen Patent wegen der Büchermängel anſchlagen laſſen.“
vesteres enthielt nichts als eine Wiederholung der alten Beſtimmungen,
wenach fein Buch auf die Meſſe gebracht over verkauft werden dürfe,
welches nicht den Namen des Verfaſſers, des Druders ımd des Ver—
lagsortes trüge. Das hier genannte Gritti’jche „Evangelium Refor-
matum‘ iſt übrigens bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts das einzige
im katholiſchen Intereſſe veröffentlichte Werk, welches in Frankfurt fon
fisgiert wurde und lediglich durch dieſen Umſtand bemerkenswert.
aus. Es würde ermüdend jein, Die einzelnen Eingriffe in die Freiheit
des buchhändleriſchen Verkehrs mit der bisherigen Ausführlichkeit weiter
zu erzäblen, zumal fie ſich im wejentlichen nicht viel von den bereits
angeführten Einzelheiten unterjcbeiden. Es iſt aber unerläßlich, die
neuen Anmaßungen der Bicherfommiffare gegen die politifchen echte
und die Bichermeffen Frankfurts, ſowie die Ausdehnung der immer
unbeſchränkter auftretenden kaiſerlichen Machtanjprüche genau zu ver-
folgen, zumal fie auf einem von der Geſchichtſchreibung bisher vernach—
läſſigten Gebiete neue charakteriftiicebe Beiträge zum Kenntnis der Politif
der Hofburg liefern. Sobald die kaiſerlichen Waffen fiegreich find, tritt
die Kommiſſion ungeſtümer fordern und befeblend auf; ſobald fie da
gegen unterliegen, hört ma kaum etwas von einer Behörde, die ihren
unbeilvollen Einfluß täglich mehr auf Koſten der geſetzlichen und freibeit-
lien Entwidelung Deutſchlands ausdehnt.
Vie ſchon in den dem Kriege vorausgehenden Jahren Mathias den
deutſchen Prefverbäftniffen eine ftetigere und ftrengere Aufmerkſamkeit
jugewandt hatte, jo unterwarf auch Ferdinand nach dem Ausbruch des
Kampfes, und wihrend desjelben, ven Buchhandel einer viel jorgfältigern
und methodifchern Behandlung. Die päpftlicben Yegaten und Jeſuiten
ver Hofburg wußten nur zu gut, welch ein gefübrlicher Feind ihnen die
Prejfe war und welche Macht ein Reichsſtand auszuüben vermochte,
wenn er jeine verfaffungsmärigen echte energiſch zu behaupten vwer-
ſtand. Der franffurter Rat brauchte fich feinen Gingriff vom Kaiſer
gefallen zu lafjen, denn als magistratus ordinarius entſchied er in
allen Prefangelegenbeiten jelbjtändig und jouwerän. Man batte ihm
Kapp. I. 41
642 Syſtematiſche politiiche Schwächung des franffurter Rats, [ Zehntes
deshalb auch von Wien aus bis dahin nur meittelbar beizufonmen ge:
ſucht und bis zum Kriege höchſtens zugemutet, daß er ven Bücherkom—
miſſarien zur Bollziehung ihrer Aufträge jeinen Arm lieh, oder aud
im eigenen Namen verfündigte, was jene von ihm verlangten. Sie
brauchten aljo nur auf diefem Wege fortzugehen, um zum Ziele zu ge
langen. Die politische Yage Frankfurts war für fie zu jener Zeit jo
günftig, als fie nur jein fonnte. Dev 1616 nur mit fatjerlicher Hilfe
bewältigte Fettmilchſche Aufftand jteefte dem wieder and Ruder gelangten
Stadtadel noch in allen Gliedern. Ohne Wurzeln im Volke und ohne
jede innere Kraft fonnte ev anf feine andere Hilfe als vie faijerliche
rechnen und mußte ſich zum Dank für diejelbe manche Zumutung ge
falten laffen, welche unter günftigern Verhältniſſen ſelbſt ein jo verrottetes
Patriciat, wie das frankfurter, entrüftet zurüdgewiejen hätte. Natürlich
liegen die übeln Folgen, welche eine jolche ſelbſtverſchuldete Hilfloſigkeit
nach ſich ziehen mußte, nicht lange anf fich warten. Obwohl durch vie
jeitherige faiferliche Polttit durchaus nicht verwöhnt, blidte ver Kat doc
ſchon nach ven erjten zehn Jahren des Krieges auf den Zujtand vor vem-
jelben mit wehmütiger Sehnſucht als auf eine goldene Zeit zurück und
verjtieg ſich jeitvem zu feiner höhern Bitte mehr, als um die Wieder—
bertellung der früher Yage ver Dinge.
Natürlich wußte man in Wien jehr gut, mit wen man es zu thun
hatte und handelte dem entjprechene. Die Kommiſſarien mußten fich
bei jeder Gelegenheit in die Handhabung der Cenſur und die Zulafjung
von Büchern einmijchen, unerfüllbare Forderungen jtellen, Drohungen
ausſtoßen und jelbjt widerrechtliche Eingriffe veranlaffen, um den Rat
immer mehr einzujcblichtern und zum jehrittweijen Nachgeben zu zwingen.
So gewann denn die fatjerliche Politik kaum zehn Jahre nach Ausbruch
des Krieges eine feite Grundlage, auf welcher fie bequem weiter bauen
und ſich befejtigen fonnte. Schon 1629 war es ganz Har, daß die
Tage der frankfurter Buchhändlermeſſe gezählt waren; man fonnte fich
höchjtens über das Jahr ihres völligen Abjterbens irren, Fortan tritt
jeder Kommiſſar ſtrenger und anmaßender auf als jein Borgänger. Je
größer jeine Nüdjichtslofigkeit gegen Frankfurt it, deſto beſſer jtebt er
in Wien angejchrieben. Hier jchreibt man ihm jeine Politif vor und
belohnt man jeine Dienjte durch Titel und Avelsverleibungen, jelbjt
durch pekuniäre Erleichterungen und Zuwendungen.
Kapitel.) Berjonelles über die Bücherkommiſſion. 643
Mit leßtern war man allerdings in Wien jtets etwas zurückhaltend.
Zchon 1620 hatte ver Bücherkommiſſar Joh. Ludwig von Hagen wegen
gebabter Arbeit und Koſten „um ein geiftliches oder weltliches Done
rarium“ gebeten, aber evjt am 19. Auguſt 1631 erbielt er eine Penſion
von O0) bis 6000 Gulden zugebilligt. Er mußte die „unter Lebensge—
fahr“ bemwältigte Arbeitslaft ins Gefecht führen, jeine Sorgfalt in Vor-
bereitung der faiferlichen Mandate, bei der Unterprüdung ver Famos—
ihriften, jein Berdienjt um die nene änßere Geftaltung des Meßkataloges
und daß ev Die Pflichteremplare auf feine stojten nach Wien habe jenden
müjjen, was übrigens, Fir die frühere Zeit wenigſtens, eine IImwahrbeit war.
Die Decbanten ver frankfurter Domkirche (Bartholomäns) bfeiben jelbit-
redend nicht hinter ven Beitrebungen ihrer weltlichen stollegen, der ſpeyer—
iben Fiskale, zurüd. Bon diejen folgte auf den bereits erwähnten Karl
Zeiblin 16525 Dr. Gerhard Ebersheim, ver jein Amt in Gemeinjchbaft mit
dem bereits 1615 ernannten Domdechanten Johann Yıdwig von Dagen
betleivete. Während er fich aber wenig um die Gejchäfte befümmerte,
war leßterer bis zu jeinent Tode, der erjt gegen 1654 erfolgt jein muß,
um je thätiger. Bon 1637 an wirfte der ſpeyerſche Fiskal Dr. Jakob
Bender mit ibm. Der Dr. med. Hörnigf, ver jpäter zum Katholizis—
mus übertrat, hatte zwar ſchon 1649 an den Kaiſer in buchhändleriſchen
Angelegenheiten berichtet, wide aber erſt 1655 nach dem Ableben
Hagens an deſſen Stelle zum wirklichen Bicherfommiffar ernannt. Der
Fistal Dr. Philipp Werner von Emmerich folgte 1656 dem Dr.
Bender. Hagen und Hörnigk waren die gehäffigiten ver bisher im Amte
befindlichen Kommiſſare. Sie wurden aber bald noch überboten von
Georg Friedrich Sperling, der 1661 jeine Beltallung als Adjunkt erbielt
und als Nachfolger Hörnigfs in Ausficht genommen war. Diejer jtarb
1667; jener aber blieb zwanzig Jahre im Amt und wurde 1637 „aus
erheblichen Urjachen” entlaffen. Er war ein gemeiner, zanfjüchtiger und
verächtlicber Menſch, ven eine jo glimpfliche Behandlung ficherlich mie
zuteil geworden wäre, wenn ev nicht aufs rückſichtsloſeſte und heraus:
fordernpfte die Jeſuiten umterftütt hätte. Sein Nachfolger war Kaſpar
Bollmar, Dechant zu „Unſrer lieben rauen“. Die genannten Kom—
miffare bethätigten entweder auf Befehl des Kaiſers oder im Einver—
jtändnis mit ihm ihren Dienjteifer nach zwei Zeiten bin: einmal in
der Anmaßung einer jtraffen Genjur, dann aber in eigenmächtigen Ein—
41*
644 Verfolgung der protejtantiichen und politiichen Yitteratur. [ Jehntes
griffen in die politifchen Rechte des Frankfurter Notes. Nebenbei be
nutzten fie auch Die vielfach bejtrittene Frage der ven Kaiſer abzu—
liefernden Freieremplare zur Erweiterung ihrer Macht; fie bot ftets einen
bequemen Anlaß zur Einmiſchung in die buchhändleriſchen Interejien.
Die Cenſurverfügungen werden zunächſt mit dem bejtimmt ausge
jprochenen Zweck erlaffen, die Protejtanten zu jebwächen und zu demü—
tigen, ven Katholizismus aber zu beben und zu ftärfen. Kaum war
der böhmiſche Aufftand nienergeworfen und Tilly ſiegreich in der Pfal;
vorgedrungen, ala am 2. September 1622 ein an fich umnbeanjtandetes
größeres Werf, Joh. Dan. Mylius' „„Philosophia reformata“, vom
Hate Fonfisziert werden mußte, weil ver Verfaffer es einem Rebellen,
dem Kurfürſten Ariedrich von der Pfalz und König von Böhmen, ge
widmet hatte. Am 24. Juni 1626 erging der Befehl an den Nat, auf
einen „böchjtargerlichen intitulirten Catalogunı etlicher Famosbücher
und Tractätlein, jo dem Hauß Dfterreich et Catholieis prejudicirlich,
zu inquiriren und fie zu confiseiren“. Dieſer „Catalogus librorum
mystico-politicorum, qui autumnalibus Nundinis Franeofordien-
sibus anni 1626 in lucem prodiebunt” (übrigens wohl nur ale
Satire und Fiktion anfzufaffen, in Wien aber ernjt genommen, entbielt
nicht weniger als 46 amftörige Bücher mit fingierten Druckorten und
Firmen, wie 3. B. Neapel, bei ven Erben Franz des Wabren, Madrid,
im Hauſe der verlegten Gerechtigkeit, Paris, im Zeichen des aufgebläbten
und fahlen Adlers, Yöwen, im Hauſe der Verleumdung und im Zeicen
des Ochſen im Himmel, Benedig, bei Juſtus im Zeichen des öffentliden
Wohles, Wien, im Hauſe des öſterreichiſchen Lutheraners Martin und
im Zeichen der nadten Wahrbeit, und endlich Antwerpen beim Päperniten
Prädico, im Zeichen der ſodomitiſchen Feuersbrunſt. Die Jeſuiten,
Spanier und Habsburger find der ausjchliekliche Gegenſtand des Haſſes
und der Verachtung aller diefer Schriften. Neben ven politiicben My
jterien des Hauſes Dfterreich mit angeblichen Kommentaren von Cam
panella, Stantsrechtlicben Unterſuchungen über die Nachfolge Ferdinand,
dejjen Sohn (dev jpätere Ferdinand III.) jebon als Austriacissimus regie
rungsunfähig jei, und einer Abhandlung über das Haus Habsburg, welcher
dadurch jeines Anjpruchs auf die Kaiſerkrone verluftig gegangen jei, daß
e8 das Reich ven Türken tributpflichtig gemacht und die Spanier ins
Yand gerufen babe, findet jich ein Werf angefündigt über die Kunſt des
Kapitel.) Fortgeſetzte Preßbedrückungen. 645
Yügens, des Verleumdens, der Verbreitung faljcher Gerüchte und ver
Angeberei nebjt Kommentaren an den Kardinal Spada, an welce Aus—
führung Sich die Frage fnüpft, ob die Ausüber dieſer Kunſt auch die
Hohe Meſſe leſen dürfen. Daran reiht fich eine Apocalypsis Jesuitica,
ferner die angeblich von einem Jeſuiten beantwortete Frage, ob die
Lues Venerea wahrhaftig und gejchichtlich eine franzöfiiche oder jpa-
nische Krankheit genannt werden müſſe, und endlich ein Buch über die
ſpaniſche Tyrannei.
Am 28. Januar 1628 wurde Jakob Auguſt de Thou's (geb. 1533 in
Paris und geſtorben 1617) Geſchichte jeiner Zeit (von 1543 bis 1607)
als jehr ſchmählich und ärgerlich in ver deutſchen Ausgabe des frank:
furter Verlegers Peter Kopf fonfisziert, weil die Editio princeps in
Paris verboten werden war. Das Werf viejes gelehrten und hochge—
achteten Barlamentspräfidenten und Bibliothefars Heinrichs IV. war
ungehindert zwanzig Jahre lang in Deutjchland und noch länger in Franf-
reich verkauft worden. Am 27. März; 1629 befahl ver Kaiſer dem Hagen
weiter, „in catalogum librorum nur zwo celasses al® 1, Catholicorum
non tamen sub Titulo Pontificiorum, uti hactenus factum; Aca-
tholiecorum aber hernacher ohne abjenverliche Specification der Galvi-
niſchen zu bringen und zu jeßen, Senatui aber, ihm vie hülffliche Handt
zu bieten“. Bisher hatte vie proteftantiiche Theologie vor der katho—
liſchen geſtanden. Der Rat gab jofort nach und erhielt für jeinen Ge—
borjam ein Belobungsjchreiben won Hagen. Jetzt bleibt nur noch übrig,
jagt er in demjelben am 6. April 1629, daß die Calviniſtiſchen Theologen
gar nicht mehr aufgeführt werden. Wenn es gegen die Keformierten
ging, je froblodten natürlich die Yutheraner; fie gönnten jenen wo—
möglich noch Schlimmeres, als den Katholiken.
Daneben war ver faiferliche Hof jedoch nicht müßig, zur Durchfüh—
rung feiner Pläne auch noch direkt einen Drud auf Kleine Reichs—
jtände, und namentlich auf die Reichsftäpte, auszuüben. Während es
in Frankfurt in Bezug auf das Hinaufjchrauben der Zahl der Pflicht:
erenplare jtill war, verjuchte ver Kaifer 5. B. am 28. Januar 1625
den Rat von Köln zu einer Anweiſung an die dortigen Buchoruder und
Buchhändler zu drängen, dem kaiſerlichen Patent zufolge vier Erempfare
von jedem privilegierten und eins von jedem neugenrudten Buch an vie
faiferliche Bibliothek zu liefern. Namentlich aber jeheint es der ſchwäbiſche
646 Beeinfluſſung der ſchwächeren Reichsjtände, | 3ehntes
Kreis gewejen zu jein, welcher Ende der zwanziger Jahre ven Drud
ver kaiſerlichen Prefpolizei zu Gunsten ver katholiſchen Kirche in ganz
bejonderm Make zu fühlen batte. Im Sabre 1627 mußten fich auf
Antrag des Dofgerichtsfisfals Immendorff Theodor Thumm, Prediger
und Profeffor in Tübingen, Eberhard Wild und noch zwet andere
Druder daſelbſt wegen einer Streitichrift gegen das Papſttum, jowie
auch bie tübinger theologiiche Fakultät wegen der erteilten Druderlaubnis
verantworten. Herzog rierrich von Würtemberg — obſchon er das
beantragte Verfahren einleitete — hatte aber doch den Mut, am kaiſer—
lichen Hofe Vorftellungen zu erheben und kräftig zu betonen, dar man
bei dem betrübten Zujtande des Heiligen Römiſchen Reichs doch nichts zur
Beſchwerung des Glaubens der lutherischen Konfeſſionsverwandten thun
und nicht in unzeitigem Eifer friedſäſſige Perſonen bedrängen möge. Der
Rat zu Frankfurt war gleichzeitig (13. Februar 1627) angewieſen wor
den, die Buchführer namhaft zu machen, bei welchen Thumms Schriften
vorrätig geweſen ſeien, Die Schriften ſelbſt aber zu konfiszieren; der
letztere Befehl erging auch an verſchiedene Reichsſtädte. Nur Augsburg
entſprach demſelben; Ulm, Straßburg, Nürnberg und ſelbſt Frankfurt
thaten aber nichts.
Beſonders gewaltſam war das Vorgehen gegen den evangeliſchen
Prediger Dr. Georg Zehmann (Zeltmann?) in der Reichsſtadt Kempten:
er jollte angeblich im offenen Predigten und durch in Druck gegebene
Schriften die Mutter Gottes, den heiligen Franciscus und hohe Prü-
laten „faſt ſchmählich biasphemirt und hechärgerlich tractirt“ haben. Cr
wurde im Dezember 1628 durch Erzherzog Yeopold ohne weiteres auf
gehoben und auf vejjen Bergſchloß Ehrenberg gebracht, Da man wegen
der in Kempten herrſchenden Seuche den Bejchuldigten nicht nach Inne—
brud zu transportieren wagte. Die Anterzeifion des Rates zu Nempten,
und jpäter der ewangelifchen Stände des ſchwäbiſchen Kreiſes, blieb er
folglos. Das Unterfuchungsverfahren wurde von den faijerlichen Kom—
mifjarien unter Affiftenz und vermutlich thatjächlicber Leitung Des
Jejuitenpaters Elias Graf, Zuperiors in Naufbeuren, mit großer Weit
läufigfeit behandelt; die Akten umfaſſen 300 enggejchriebene Zeiten.
Troß aller diejer aufgewandten Mühe vermochte der Reichshefrate-
agent Jeremias Pifterius von Burgdorf den Angeklagten dennech
nicht der Verbrechen, veren ev bezichtiat war, für ſchuldig zu befin
Kapitel.) Beginn des einſeitigen Vorgehens der Bücherkommiſſion. 647
den; aber erſt am 3. Januar 1630 erlangte Zehmann ſeine Freiheit
wieder.
Der Kaiſer ſtand eben jetzt auf der Höhe ſeiner Erfolge; 1629 fand
jich kaum mehr ein ernſter Feind gegen ihn im Felde Solange da—
gegen aber von 1630 ab die ſchwediſchen Waffen fiegreich waren, ſteht
feine wiener Mafregel gegen die Preſſe un den frankfurter Akten. Die
Bücherkommiſſion teilte ſich todt. Erſt fieben Jahre jpäter, am 22. April
1636, kam Hagen noch einmal anf die äußere Anordnung des Meß—
fatalogs zurüd. Er babe, jagt er, in Erfahrung gebracht, daß en
rRatsſchreiber die jeit einigen Jahren eingeführte Reihenfolge umſtoßen
und die protejtantifche Yitteratur wieder an die Spite jtellen wolle, wo—
gegen er, Hagen, nur warnen könne. Der Rat beſchloß darauf denn
auch gefügig im jeiner Sitzung vom 13. April, „daß man zur Berhütung
von Offenſion nit wol vorüber fünne, der Catholiſchen theologiſche
Bücher im Catalogo voranzujeßen, doch follte die Rubrie dergeſtalt
formirt werden: Libri Theologiei Romanorum Catholicorum, Augus-
tanae Confessionis et protestantium.‘
Wenn in den bisher aufgezäblten Füllen die Kommiſſarien ſich
meistens auf die ausprüdlichen Befehle des Kaiſers ſtützen konnten, jo
vermochten fie Dies doch nicht, wenigſtens nicht offenkundig, als ſie eigen-
mächtig gegen den Nat der Stadt Frankfurt vorzugehen begannen. Der
erite Eingriff diefer Art fand 1628 ſtatt; jeine Abjicht lag klar zu Tage.
Dem Kaifer jollte das ſchon 1608 vorſpukende Negal über den deutſchen
Sejamtbuchbandel nunmehr unverbohlen windiziert, der Rat aber von
der Kognition über privilegierte Bücher, Famosſsſchriften und Läſterkarten
gänzlich ausgejchloffen und bei jeder Art von Veröffentlichung, Strafman—
dat und Erefution umgangen werden. Denn nur jo war es möglich, den
unter die Famosſchriften gevechneten polemijchen Schriften der Evangeli—
jben im rein proteftantijcben Frankfurt beizufommen und fie obne Zu-
ziehung des Rates zu fonfiszieren. Auf der Herbſtmeſſe 1628 legte
daher Hagen dem Rate ven Entwurf einer Bekanntmachung vor, den er
druden und anjchlagen Laffen wollte, indeſſen auf des letztern Ein—
wendungen hin zur Zeit zurüdzog. Der Rat erfannte allerdings jofort
die Tragweite diejes einjeitigen Vorgehens. Er jah ein, daß er dadurch
nicht allein in jeinen wejentlichiten Machtbefugnifien bejchränft und be-
jeitigt, jondern auch, vak bei Duldung jolcher Anmaßung der Mefbejuch
648 Unbeionnene Gefügigkeit des franffurter Rats. [ Zebntes
empfindlich geſchädigt werden, ſomit auch der Wohlftand ver Stadt be-
veutend leiden würde. Gleichwohl wagte ev wicht energiſch vworzugeben.
Aus Kurt, „Ihro Kaiſerlichen Majeſtät höchſten Autborität zu nabe
zu treten‘, beſchloß er nämlich am 21. September 1625, ven Anſchlag
im eigenen Namen zu machen. Er gab ibm folgende Faſſung: „Im
Namen der Röm. Kayſerlichen Majeſtät vernichten und verbieten Wir
gänzlich hiernächſt unten angemeldete Bücher in specie Alfen und Jeg—
lichen wer Standes, Hoheit und Weſens diejelbige fein mögen, biermit
ernjtlich anbefehlene, daß dero feiner gedachte Bücher binfüro entweder
im Drud ausgeben laſſe, leje oder jonften aus waſſerley Geftalt bei
jich aufzuhalten unterjtehe, jondern alle obberührte Bücher Uns jebalr
nach eingenommener Diejes gegemwärtigen Decreti Wiffenjchaft, jo deren
bei ſich haben werden, offenbarlich worzuzeigen und einzubindigen bier-
mit verpflichtet ſein ſollen.“ Es folgen dann die Titel von zwölf Büchern
im franzöfiicher, italienischer und lateiniſcher Sprache, vie fat alle gegen
die Jeſuiten und die Kurie gerichtet waren; darımter z. B. Tractatus
inscriptus: Discorso del P. Giovanni Mariana Giesuita Spagnuolo,
intorno A grand’ errori, che sono nella forma del governo de i
Giesuiti; Dominici Baudi Orationes; Lexicon Philologicum prae-
eipue Etymologieum, autore Mathia Martinio in scola Bremens!
(was hat denn der bremijche Yehrer mit feinem Lexikon verbroden?;;
Miscellaneorum Theologicorum libri tres.
Frankfurt alſo beanfpruchte nicht mehr, wie es gemußt ud gejellt
hätte, die ausſchließliche Eutſcheidung über ſeine eigenen Angelegenheiten,
jondern war zufrieden, wenn cs im Schlepptau der Bücherkommiſſare
nachrüden durfte. Zeine völlige Unterwerfung unter ven Willen des
Kaifers war nur noch eine Frage der Zeit, mur aufgehalten in ven
folgenden Jahren durch den zeitweiſen Triumph der ſchwediſchen Waffen.
Von 1630 bis 1636 kommt vesbalb in ven Akten much fein Berbet,
feine Beichlagnabme, ja wicht einmal eine Anfrage oder Anzeige der
Bücherfommifjare vor. Sobald aber ver ſchwediſche Kriegsruhm zu a
blafjen anfängt, beginnen auch die alten Mafregelungen in af
furt wieder, und jchen das Jahr 1657 bietet vie willkommene Gelegen—
heit, ven Rat im allen wichtigen buchhändleriſchen Fragen beijeite zu
ichteben.
Der Buchhändler Wolfgang Endter in Nürnberg batte durch ven
Kapitel.) Beanipruchung der Jurisdiktion in Privilegieniachen. 649
franffurter Buchdruder Anton Dumm ein größeres Werk des berühmten
Juristen Johann Oldendorp: „Practica actionum forensium absolu-
tissima“, gewöhnlich als „Classes Oldendorpii’ citiert, drucken laſſen.“
Die Töchter des Frankfurter Berlegers Peter Kopf behaupteten, ein kaiſer—
liches Privilegium auf diefes Werk zu befißen und enwirften auf Grund
diefer Angabe die gerichtliche Beſchlagnahme des Hummſchen Drudes.
Die Bücberfommiffare Hagen und Benver verlangten in ver Faſtenmeſſe
des Jahres 1637 vom Rate, daß er ihnen die mit Bejchlag belegten
Exemplare ausantivorte, forderten den Dumm — ohne nur defjen zuſtän—
diger Behörde, dem Rate, Anzeige zu machen — vor ſich und nahmen ihn
in eine Geldſtrafe von 1000 Thalern. Die bereits gedruckten Erempfare
waren vorläufig in Humms Verwahrung geblieben, wo fie am 18. April
1637 von Dagen und Bender fraft „des ihnen anbefohlenen perpetuirten
kaiſerlichen Commiſſariats“ fonfisziert wurden. Sie rechtfertigten fich
am 30. April in einer ausführlichen Denkſchrift und hoben hervor, daß
der Kaiſer nicht beabfichtige, in Die Rechte und Gerechtigkeiten dev Stadt
irgend welchen Cingriff zu thun; Dagegen jet die Ertheilung von Im:
prejiorien und Privilegien em aus dem Brunnquell aller Gnaden
fliekeudes Fatjerliches Regal, weshalb denn auch dem Kaiſer ausſchließ—
(ich, und nicht mit Andern fonfurrirend, die Kognition über die Wahrung
diejer Privilegien gegen Übertreter zuſtehe. Somit habe der Kath ſich
aller Einmiſchung in Privilegienſachen zu entſchlagen und höchſtens als
magistratus loci auf ergangene Aufforderung bin hilfreiche Hand bei
Vollziehung kaiſerlicher Befehle zu leiſten, wie er denn auch zur Arreſt—
anlage nicht befugt geweſen ſei. „Er ſolle alſo von ſeiner unbefugten An
makung abjteben, das Neichsoberhaupt in jeinen hoben Regalen nicht
turbiren auch rem sacram nicht teuchiven, ſondern die mebrgedachten
von uns, den Bücherfommuifjarien, confiscirten Eremplare Oldendorps
jofort verabfolgen umd die kaiſerliche Majeſtät in ihren juribus wider
uraltes Herkommen nicht bemmen“ Dev Rat gab Diesmal ven
Bücherkommiſſarien auf ihre ermüpend lange und unbegriündete Aus.
führung eine jchneidige und kurze Antwort. Er jebrieb am 22. April 1637
durch jeine Kanzlei, dar fich die Nommiffarien bet ihm überhaupt noch
nicht legitimiert hätten, — Ferdinand II. war am 25. Februar 1637
geftorben — daR der Nat in allen Arreftjachen privilegiert jei, daR Die
Sache aber in Frankfurt ausgetragen werben müſſe, weil es noch gar
650 Vorläufiger Widerjtand des Rats, Zehntes
nicht feſtſtehe, ob die Töchter Kopfs ein Privilegium für die gedachten
„Classes“ hätten. Wenn nun auch in frühern Jahren von den Kommiſſarien
faijerliche Konfistationsrejfripte erwirft worden ſeien, jo ſei dadurch doch
dem Rate nichts an jeinem Stand und feinen Serechtigkeiten benommen
worden, denn früher hätten ihm die Kommiſſare die zu fonfiszierenden
Schriften namhaft gemacht und ihn gebeten, die Buchhändler zur Rede
zu Stellen und ſolche Sachen zu unterdrücken; ja ver Kaiſer jelbit babe
zuweilen am den Rat gejchrieben und ihm angejonnen, gegen jeine Bür—
ger mit Konfisfattion vorzugehen. Die Herren Hagen und Benver
hätten jo wenig Necht, gegen franffurter Bürger ohne Vorwiſſen ihrer
Obrigfeit einzujchreiten und fie in Handgelübde zu nehmen, als er, ver
Rat, ich beigehen laſſe, ſich in die fnijerlichen Befugniffe ver Privilegien-
erteilung zu mijchen. Und weil er dergleichen jtarfe Erinnerungen und
Verweiſe nicht vwerjchulvet, auch nie zuvor vergleichen erfahren over
gehört, jo würden die Herren erfucht, falcem in alienam massem
ferner micht einzubringen, die Stadt bei ihren Rechten und Gerechtig-
feiten vielmehr ruhiglich verbleiben zu Laffen, während die faijerliche
Hoheit und Präeminenz am bejten durch die Städte und Mitglieder
des Reichs konſerviert und gehandhabt werde.
Der junge Kaiſer fand es diesmal denn doc noch für aut, Die
Rechte des Frankfurter Rats wenigftens formell zu jehonen, denn in dem
Patent, welches er am 3. September 1637 an Hagen und Bender als
Kommifjarien für die privilegierten Bücher ausstellte, räumte ev ihnen
feineswegs das von ihnen geltend gemachte Recht des jelbjtändigen Bor:
gehens ein, jondern twies nur den Rat an, ihnen mit Arreften und andern
Frefutionsmitteln an die Dand zu geben. In der Sache jelbit aber gab
ver letstere Doch nach, indem er den Kommiffarien die Genehmigung zum
Einſchreiten anfangs nur ausnahmsweiſe verjagte und ihnen jogar geitattete,
zugleich im eigenen und in des Rats Namen jelbitändig zu verfahren. Trek.
dem waren die Kommiſſarien jchwer zu befriedigen. Ste beflagten ſich
namentlich im legten Jahrzehnt des Kriens vielfach beim Kaiſer, daß ver
Kat ihre Schritte durch paffiven Widerſtand vereitele, jo daR 1640, 1645
und 1647 wiederholte Ermahnungen zur energiſchen Dilfeleiftung an ibn
ergingen. Noch 1650 bejchwerte fich Hagen, daß der Rat infolge des
Übergewichts der ſchwediſchen und franzöfiichen Waffen nicht dazu zu
bringen gewejen jei, bei Erefutionen hilfreiche Hand zu reihen. Man
Kapitel.) Betreibung des Anspruchs auf Pilichteremplare. 651
nannte in Wien diefe Art der Beteiligung des Rats an der Verfolgung
ver Preſſe „eine fonkurrivende Gerichtsbarkeit“.
Kine andere umd nicht minder ſchwere, ſchon weiter oben berübrte
Norm des Druds übte der Kaifer dadurch auf Frankfurt aus, daß er
den Rat zur Beitreibung und Ablieferung der ihm gebührenvden Frei—
eremmplare zwang. Dieje Auflage machte ſich anfangs in einer durchaus
sticht auſtößigen Weiſe geltend. Sie war einfach eine dev Gegenleiftungen
für ein kaiſerliches Privilegium gegen Nachdruck. Schon vor dem Jahre
1569 batten die Kaiſer einen Privatmann oder auch den Rat beauftragt,
ven den die Meſſe beziebenden Buchhändlern vie Freieremplare einzu:
fordern und nach Wien zu jehiden; zeitweije übernahm dieſe Aufgabe
auch wohl, wie bereits erwähnt, einer ver fremden Buchhändler, ob aber
auf Grund eines von Wien over von der Bücherfommiffion erhaltenen
Auftrags, oder ob auf Grund freier Bereinbarung, ift nicht erfichtlich.
„Bis dahin war der Buchhandel noch nicht jo blühend“, heift cs in
einer jpätern Denkichrift vom Jahre 1696, „Die Dirudereien waren noch
nicht jo ftarf im Schwung und die Bosheit des Nachdruds war noch
nicht jo bech geitiegen, alfo auch nicht jo viel Privilegien nöthig.” Maxi—
milian II. hatte 1560 bei Einjeßung ver Biücherfommiffion jo viel Exem—
plare von privilegierten Büchern verlangt, als noch Jahre fir das (auf
fünf bis zehn Jahre) bewilligte Privilegium liefen und 1570 von jeden
privilegierten Buche fünf Eremplare gefordert, während von nichtprivi-
legierten Büchern fein Freiexemplar abgeltefert zu werden brauchte. Dieje
Zahl wurde aber jelten oder nie eingejandt. Der Kaiſer ging deshalb
von jeiner urjprünglichen Forderung herunter und beanjpruchte für die
Folge nur zwei Eremplare von einem privilegierten und eins von jedem
nichtprivilegierten Buche. Indeſſen war es ſchwer, wenn nicht unmög—
lich, ſelbſt dieſe Zahl einzutreiben. Mahnung folgte auf Mahnung, allein
es half nichts, und gegen Ende des 16., wie zu Anfang des 17. Jahr—
hunderts geriet Die ganze Angelegenheit in Vergeſſenheit; der Wider:
jtand in den Jahren 1608 und 1609 war doch nicht erfolglos geblieben.
Mathias vernabm mit Befremden und Mißfallen, daß von einer großen
Anzahl privilegierter Bücher, welche nicht nur auf der Frankfurter Meſſe
verfauft, jondern auch dem Meßkatalog einverleibt würden, die ſchuldigen
drei Eremplare nicht an die Reichskanzlei eingejandt jeien, und befahl
deren nachträgliche Ablieferung bei Strafe ver Konfisfation und des
652 Hinaufihrauben der Zahl der Pilichteremplare. Zehntes
Verluſtes des Privilegiums. Auch Ferdinand II ließ es anfangs in
ſeinen Patenten vom 1. Oktober 1621 und 30. März 1622 bei dieſen drei
Exemplaren bewenden, welche ihm mach dem ausprüdlichen Inhalt der
faijerlichen Privilegien gebührten, verlangte aber, daß dieſelben einjchliek-
lich ver Frachtunkoſten bei Strafe der Sperrung ver Gewölbe, auch Kon-
fisfation und Verluſt aller neuen Werke unfehlbar an Dagen eingejchidt
würden. Zwei Jahre jpäter aber wurde diefe Zahl nicht mebr für ge—
nügend befunden. Am 26. Auguft 1624 befahl ver Kaiſer allen Buch—
händlern, nicht allein die berfömmlichen drei Gremplare privilegierter
Bücher frei an die Hofkanzlei zu liefern, jondern auch zur Vermebrung
ver faijerlichen Hofbibliothef von allen neuen Büchern, fie ſeien privi—
(egiert oder nicht, und gedruckt, wo fie wollten, eins, „wie ſolches andere
Rotentaten auch yracticiren thäten“; zugleich aber wurde dem frant:
furter Rat befoblen, zur Erzwingung dieſer Maßregel eventuell dem
Bücherkommiſſar mit ver Erefution behilflich zu jein. Am 28. Januar
1625 wurde diejer Befehl, vier Exemplare abzuliefern, faſt mit denjelben
Worten wiederholt. Trotzdem waren die Buchhändler „norosi in ver
Einſendung ver jchulvigen Bücher“ und mußten immer won neuem, wie
am 26. April 1629, 4. Juli 1640 und 19. Oktober 1648 beveutet wer
den, die beanjpruchten vier Eremplare an der St. Yeonbardstirche, ver
Amtswohnung Hagens, abzuliefern. Aber das half nur wenig; nur ver:
einzelte Buchhändler famen aus freien Stüden ımd ohne Zwang ven
jelbjt übernommenen Berpflichtungen nad. In ven Jahren 1638 bis
1648 trafen nach Ausweis der Wiener Akten nur wenige Sendungen
(1640, 1641) bei Hofe ein, ja Hörnigf behauptet jogar in einem Be—
richt vom 8. Mat 1649, daß nach Angabe des fniferlichen Bibliothekars
Rechperger vom 4. April 1639 bis zum Mai 1649, alfe in 10 Jahren,
„Nicht ein einziger Autor weder cum noch absque privilegio Caesareo’
an die fatjerliche Bibliothek überjenvet worden jei. Bet ſolcher Sachlage
bebt es denn auch Dagen, als im Dezember 1648 Henning Große's
Erben in Yeipzig um die Erneuerung eines Privilegiums einfamen, vüb-
mend und Die Bitte empfeblend hervor, dar die Bittjteller „semper debi-
tam obedientiam sacrae Caes. Maj. constanter exhibuerunt”.
Offenbar, um die Buchhändler wenigftens etwas williger zu machen,
nahm man damals von der Sendung dev Pflichteremplare nac Wien
auf Koſten der Berpflichteten Abſtand und wälzte Dagegen dieſe Fracht—
Kapitel.) Kampf und Streit um dieſelben. 653
foften auf die Schultern Hagens ab, worüber letzterer ſchon im Jahre
1631 famentierte, fie aber evjt im Jahre 1649 in der Yiquidation ber
jeime von 1619 bis 1648 gemachten Auslagen (1043 Gulden) verrechnen
fonnte. Bei dieſer umwejentlichen Grleichterung behielt es jedoch nur
bis ummittelbar nach dem Kriege jein Bewenvden. Schon 1662 bejchiweren
ih die Buchhändler wieder über die großen Koſten, welche mit der Ver—
jendung in die Reſidenz des Kaiſers verbunden jeten. „Dem Pfund
nad zu rechnen“, jagen fie, „wie wir es bezahlen, müſſen wir von jeg-
libem Zentner 20 Gulden erlegen, da man hingegen jolche (Bücher)
umb ein weit und wiel Seringeres dabin bringen fan. Wohinzu kommt,
daß Die Commissarii aus bloßem Wahn und der Sachen umberichtjame
vor Eröffnung der Yüden eine Defignation der fremden und newen Bücher,
vor Ausgang der erſten Wochen aber die Yiefferung der Eremplarien
begehren und daranf oder nach Gelegenheit vff verwirfte Ztraff dringen
wollen.
Es folgte eine weitere Steigerung der Belaftung. Am 16. März
1650 und 31. Auguſt 1651 verlangte der Kaiſer zum erjten und am
9 März 1654 zum zweiten mal fünf Areieremplare von jedem privi-
legierten und eins von jedem nichtprivilegierten Buche. Welchen Wert
man bei Hofe anf die pünktliche Einlieferung verjelben legte und wie
wenig regelmäßig diejelbe erfolgte, Das beweist Die Thatjache, daß immer
balb ver nächſten jechs Jahre von 1655 bis 1661 nicht weniger als
ſechs faijerliche Befehle, und zwar am 4. September 1655, 11. April 1656,
1. Auguſt 1658, 24. März 1660, 30. März 1661 und 6. Sep—
tember 1661, darüber ergingen. Dieje Erböbung im ver Zahl ver zu
liefernden Exemplare jebeint auf dem Verlangen des Reichskammerge—
richts zu Speber zu beruhen; dasſelbe hatte am 30. Juli 1650 von
jedem in Deutſchland ericheinenven privilegierten Buche — von dem
ausländischen Verlage nicht — ein Exemplar für jeine Bibliothek be:
anſprucht.
Der frankfurter Nat ſuchte auch jetzt wieder durch ſeinen Erlaß vom
27. Januar 1657 ven kaiſerlichen Mandaten Nachdruck zu vwerleiben;
allein die Buchhändler wußten jich dennoch der ihnen auferlegten Ver—
pflicbtung, wo fie nur fonnten, zu entziehen, oder jandten nur Schriften
„von geringen und fleinen authoribus ein“, während „was bauptjäch-
libe Bücher ſeyn, zurücblieben und zu dem Ende ganz dolose aus dem
H54 Anſprüche für den Kurfürjten von Mainz und den Bücherkommiſſar. Jehntes
Kataloge gelaſſen würden“. Darauf deutet auch Naifer Leopold bin,
als er ſich am 4. März 1662 — und fajt wörtlich ebenjo am 3. Okto
ber 1684 — von neuem darüber bejebwerte, daß Die Buchhändler ibm
entweder gar feine Bflichteremplare einjenvdeten, oder nur „jolche ſchlechte
authores, je des Fuhrlohns nicht werth“. Aber nicht geung mit Diejer
Bejchwerde an den Ratz ev lieh zugleich, mit Beijeitejchiebung des letz—
tern, an der Decbanei zu St. Yeonbard ein gedrucktes Patent anjchlagen,
in welchen ev zur Abjtellung dieſer Mißbräuche bei Strafe von jeche
Mark löthigen Goldes, nicht weniger Sperrung ver Biichergewölbe,
Ktonfisfation ſämtlicher Yagervorräte und Erjaß der verurjachten Koſten,
unter anderm befahl, „won allen neuen, anf dev Frankfurter Meſſe zum
Berfanf gebrachten Büchern an den fatjerlichen Bücherkommiſſar ſtets
ohne Aufforderung die für die fatjerliche Bibliothek beſtimmten Eremplare
abzuliefern”“. Damit dies aber befjer geſchehe, babe jener Buchhändler
vor Beginn der Meſſe dem Bicherfommifjariat ein volljtindiges Ver—
zeichnis jeiner neuen oder nen anfgelegten Bücher, jeien fie eigener over
Kommiffionsverlag, vor Schluß der erſten Meßwoche zu überreichen.
Ber es verſäume, babe in der zweiten Meßwoche die doppelte Anzabt
zu entrichten; die verjehwiegenen Bücher jeien aber eo ipso zu konfis—
jieren.
Die Steigerung der Yeiftung nabm aber noch weitern Fortgang.
Im März 1678 batten jich die einheimijchen ımd fremden Buchhändler
beim frankfurter Rat darüber zu bejcehweren, daß ihnen der Biücherfom-
miffar Sperling nunmehr noch eim jechites Pflichteremplar für ven
Kurfürjten von Mainz und ein jiebentes für den jeweiligen Bücher:
fommiffar abforvere. Der Rat, welcher gleichzeitig jelbjt beim Kaiſer
Beichwerde zu führen batte, beſchied die Buchhändler dahin, daß jie
ihre Notvurft bei dieſem direkt einbringen jollten, alsvanı wolle man
jich ihrer zugleich auf gebührendes Anjuchen intercedendo annehmen.
Die Buchhändler erbielten jedoch feinen Bejcheid, obwohl fie näher aus
führten, „var alle Handlungen varnieverligen, Papier, Frachten und an
dere Unfojten weit höher im Preiſe ftänden, als Abgang und Bertrieb ver
Bücher jich beliefen, alſo und vergejtalt, daß bei jo geitalten wahrbaften
eircumstantien und da der Buchhandel mehr bejchweret werben jollte,
reipublicae literariae, worinnen salus publica vependire, fein geringer
Abbruch gejcbeben dürfte. Noch 1690 war dieſe Beſchwerde umerledigt
Kapitel.) Die Anſprüche des Rurfürjten von Mainz. 655
und 1695 wird die Zahl von ſieben Pflichteremplaren als feſtſtehend
erwähnt. Dabei behielt es auch jein Bewenvden, bis denn Artikel 7
der kaiſerlichen Verordnung vom 10. Februar 1746 über den jranf-
furter Buchhandel bejtinmmte, daß „dem bisherigen Derfommen gemäß
von privilegirten Büchern fünf Prlichteremplare zur Neichshofrathe-
Kanzlei, eins für des Kurfürſten zu Mayntz Liebden, als ErtzCantzlern,
und eins dem zeitlichen Bücher Commiſſario vor deſſen mit denen Buch—
führern, Händlern und Druckern habende Bemühung; dagegen von den
unprivilegirten Büchern eins Unſerer Bibliothek, eins des Churfürſten
von Mayntz Liebden und eins dem Bücher Commissario eingeliefert
werden ſollten“.
Die erſten Bemühungen des genannten Kurfürſten zur koſtenfreien
Beſchaffung einer Bibliothek reichen in die letzten Jahre des Dreißig—
jährigen Krieges zurück. Sie liefern zugleich einen ſchlagenden Beweis
dafür, mit welch fadenſcheinigen Gründen man damals im Reiche ein
wertvolles Recht ertrotzen fonnte, ohne nur die geringſte Gegenleiſtung
dafür zu bieten. Kurfürſt Anſelm Kaſimir erließ alſo am 26. Sep—
tember 1642 und 28. September 1643 zwei offene Patente an die
Bücherfonmmifjare Hagen und Bender, jowie an die in Frankfurt zur
Mejje anwejenden Buchhändler. Im ven erſten derſelben erklärte er,
daß ihm als Erzfanzler des Reiches und kraft des in diejer Eigenjchaft
ibm ummiderjprechlich zujtehenven Regals die Bifitatton über die Bücher
gebühre, dag von ihm alle diejenigen, welce in ven Meßkatalog gebracht
würden, vifitiert werden müßten und daß deshalb die faijerlichen Kom—
mijjarien dafür jorgen jollten, daR auch ihm behufs jolcher Bifitierung
zu ver Erzfanzlei nach Mainz ein Exemplar von jedem privilegierten und
nicht privilegierten Buche, jedoch ohne Abgang und Präjudiz des faijer:
lichen Fiskals, geliefert werde. In jeinem zweiten Grlaß verlangte der
Kurfürjt, „weil Er wegen tragenden Erzfanzlerampts durch Germanien
cumulative anklebender Bifitirung und Inquirirung über die im ver
Stadt Frankfurt befindliche Buchdrudereien und Buchläven, ſonderlich
dem Katalog jedes Mal einverleibten Bücher, umd damit durch jeine
Aſſiſtenz alle und jede zeitber eingerijienen Mängel, Mißbräuche und
Ungebühr von Meſſe zu Meſſe verbefert werden mögen, daß ihm auf
ver Buchhändler Koſten ein Gremplar zum Wenigjten von jedem
verlegten Traktate zu jeiner Hoffanzlei überſchickt und Daß die Buch:
656 Die Anſprüche durch Ausdauer erzwungen. Zehntes
führer dazu vom Rathe der Stadt ermahnt“ und angehalten werden
ſollten.
Der Nat teilte dieſes kurfürſtliche Begehren den zur Herbſtmeſſe 1643
in Frankfurt anweſenden Buchhändlern mit; dieſe aber wieſen es einſtim—
mig und entrüſtet zurück. Außer dem, was ſie an Exemplaren dem Kaiſer
gäben, führten ſie aus, könnten ſie ihre Bücher mit mehreren anderen
Primitiis nicht belegen laſſen. Es ſei hier eine freie Meſſe und Com-
mercium und ſonderlich ver Buchhandel ratione studiorum privilegiert;
der Rat aber wolle ſie jure magistratus in ihrem Beſitzrecht ſchützen.
Der Buchhandel ſei beſonders bei den jetzigen noch kontinnirlichen Kriegs—
fünften im ſolchen Abgang und Rückgang gerathen, daß die Keije- und
Zehrungskoſten nicht zu erſchwingen, noch der Ladenzins bezahlt werden
könne, ſondern dafür den Hausherren oft die Bücher zugeſchätzt werden
müßten; zu geſchweigen, daß hinfüro wegen dazu erforderlichen großen
Unkoſten und der Buchführer notoriſcher Unvermöglichkeit ſo bald keine
nenen Bücher in Druck ausgehen möchten. Durch die beabſichtigte
Nenerung müßte aber der Buchhandel noch mehr ins Stocken geratben.
Sie bäten deshalb bei ihrer Yibertät gelaffen und mit jolchen un—
practicirlichen Zumutbungen lieber verſchont und in ihrem bisberigen
Stand in der Buchgaſſe quiete befaffen zu werden. Wegen der großen
Kriegsgefahr und des allgemeinen Stodens des Buchhandels waren da—
mals nur wenige fremde Buchhändler zur Meſſe gekommen. Die von
ihnen abgejandten Diener befanden ſich aber ohne nähere Inſtruktion
und fonnten feine Antwort geben, weshalb fie die Sache ad referen-
dum nahmen. Die Erklärung der Buchhändler wurde vom Rate am
2. Oftober 1643 dem Bücherkommiſſar Hagen mitgeteilt umd am
14. Oktober ej. bei dem Nurfürften nicht allein bevorwortet, jendern
namentlich auch im ihren Auslaffungen über das jchlechte Geſchäft unter—
ſtützt. Dieſes kurfürſtliche Anfinnen, führte der Nat aus, jei über alle
Maßen beſchwerlich, da durch das leidige Kriegsweſen der Buchhandel
ohnehin im jolches Stoden ımd ſolchen Abgang geratben jei, daß fait
Keiner mehr etwas nach Frankfurt bringen, noch wenn es dennoch ge
ſchehe, den geringjten Vorteil noch Gewinn davon haben fünne, vielmehr
großen Verluſt und Schaden erleiden müffe Zudem erjcheine das Ver—
langen des Kurfürſten als eine unerhörte Neuerung, welche zum Nach
teil der befveieten franffurter Meſſen gereiche und auch andere Kurfürſten
Kapitel.) Weitere Übergriffe des Kurfürſten von Mainz. 657
und Reichsſtände betveffe, welche ihre Unterthanen nicht jo Leicht in
diejer Weiſe würden bejebweren faffen. Deshalb möge der Kurfürft bei
jeinent Begehren nicht bebarren, ſondern das bisherige Derfommen nicht
jtören und lieber den leider mehr als darniederliegenden Buchhandel
fördern helfen.
Hier bricht der Schriftenwechjel zwijchen beiten Staaten ab. Wenn
indejfen auch vie Akten feine weitern Verhandlungen über dieſe Frage
aufweiſen, jo vubte fie doch fortan nicht mehr. Mainz war durchaus
nicht gewillt, von jeiner Forderung abzufaffen, der Nat von Frankfurt
aber fügte fich und befahl, wie aus einer beilänfigen Notiz hervorgeht,
am 12. April 1652 Buchführern und Bucorudern an, dem Kurfürſten
von Mainz als Neichserzfanzler ein Gremplar von jedem ihrer neuen
Witcher abzuliefern. Dieſer Befehl ſcheint aber bis zu Sperlings Ver-
fügung vom März 1678 ein todter Buchitabe geblieben zu fein, denn
am 12. April 1679 ernannte Nurfürft Karl Heinrich von Mainz ven
franffurter Buchhändler Peter Zubrodt zu feinem Unterbibliothekar in
Frankfurt, „damit ibm fein Schaden oder Nachtheil zugefügt, viel weni—
ger befugter Anlaß gegeben werde, gegen die Vertreter mit beliebigen
Ahndungsmitteln zu verfahren‘ Im Cingang erwähnt der Kurfürft
unter andern auch, dan er „ans abjonverlicher faijerlicher Conceſſion bei
dem Buchhandel merklich intereffirt jei, alfo auch mit allem Fleiß zu
verbüten ſuchen müſſe, daß er benachtheifigt werde”. Üübrigens gelang
es Mainz evit von 1685 au, die Anerfennung dev Ablieferung jeines
erpreßten Exemplars zu erlangen; allein bis ins 18. Jahrhundert binein
ſträubten fich die Buchhändler gegen dieſe Abgabe.
Nur vier Sabre nach jenen Berbandlimgen von 1643 griff der Kur
fürjt von Mainz, ermuntert durch den ſchwachen Einſpruch, den er er-
fahren, ven franffurter Nat aufs empfindlichjte in einem jener wejent-
lichſten Rechte am, welche jeit Jahrhunderten von der Keichsverfaffung
anerfannt und bisber noch von feiner Seite beitritten worden waren.
Er mutete nämlich einem ihm politiich vollftändig cbenbürtigen Reichs
jtande zu, Befeble von ibm anzımebmen ımd auszuführen Gr war
ſelbſtredend jo wenig dazu befugt, als etwa heutzutage Oldenburg der
Freien Hanjeftadt Bremen, oder Medlenburg der Freien Hanſeſtadt Ham—
burg Verhaltungsregeln zu geben bat. Der Kurfürſt Anjelm Kaſimir
verlangte nämlich am 19. September 1647, daß der franffurter Rat
flapvp. I. 42
658 Kurmainz läht päpftliche Judices anſchlagen. Zehntes
bei ver eben angefangenen Herbſtmeſſe dem Herkommen gemäß ein Ver—
zeichnis verbotener Bücher durch den kurfürſtlichen Scholaſtikus und
Büchercenſor Hagen ſofort anſchlagen laſſe. Das in Plakatform ge
druckte Verbot zählte 51 verſchiedene Schriften auf und war urſprüng—
lich von der päpſtlichen Kanzlei am 13. Dezember 1646 mit der Unter—
ſchrift des Kardinals Spada erlaſſen worden. Dieſer hatte es kurzer
Hand an den Kurfürſten von Mainz mit dem Auftrage der Veröffent—
lichung überjandt. Das Verzeichnis war nichts als eine der gewöhnlichen
Fortjegungen des „Index librorum prohibitorum“ und enthielt unter
andern auch 12 Schriften, welche nicht einmal unbedingt, jondern nur
„donee corrigantur‘ verboten wurden. Der einzig formell zuläffige
Weg zur Erreichung ihrer Abficht wäre für die Kurie der gewejen, dak
fie fi am den Kaiſer gewandt und biejen um jeine VBermittelung ge
beten hätte; indeffen war es ihr bequemer, unmittelbar den mainzer
Kurfürſten jelbit anzugeben. Bei der bisher bewiejenen Schwäche Franf-
furts jah dieſer nicht das geringfte Bedenken darin, fich dem Auftrage
zu unterziehen, und jpielte Dagen als jeinen Büchercenjor auf, währen?
vderjelbe doch nur als Faiferlicher Beamter handelnd auftreten konnte.
Hagen aber hatte nichts Eiligeres zu thun, als, ohne nur eine Mitteilung
des Nats abzuwarten, das püpftlich-furfürftliche Verbot an die Kirchen
thür von St. Yeonhard und der diejer Kirche gegenüberliegenden Dechanet
anznichlagen. Statt das Schriftſtück jofert wieder abreißen zu lafjen
und Hagen wegen jeiner Frechheit zur Unterjuchung zu zieben, begmügte
jich ver Nat damit, gegen deſſen Verfahren als einen Eingriff in jeine
Rechte zu proteftieren und Dagen zu erjuchen, „ſolches Decretum ent-
weders von jelbjten abzuthun oder zuzuwarten, daß ſolches authoritate
magistratus reficiret würde”. Hagen gab dem Proteſt erhebenden Stadt-
jehreiber Wolfgang Hoffmann am 21. September 1647 zur Antwort:
„1) Was er dißfalls getban, babe er im Grafft tragenden officii und
lengit hierbevor dem Rathe inſinuirten faiferlicher General -Kommiffion
in rem librariam verrichtet; 2) daß im Eingang des Patents Ihr
Churfürſtliche Gnaden zu Maintz fich inferibiret, je jey ja befanndt,
daß derjelben als Mrchi-Cancellario in Teutjeblandt, welches hohe Offi-
cium dem Chur Maingifchen Electorat unzertrennlich anbange, der Buch—
bandel und was von demjelben dependire, eingetban und Ihr Chur f. Gn.
die Ober Injpection darinnen haben: dejjen Befehl alß Archi-Cancellarii
Kapitel.) Meitere Gefügigkeit Des Rats. Der Friede, 659
ja bilfich zu pariven babe; 5) jo ſey cs nichts newes, ſondern vor:
mals mehr jonderlich im September 1628 befoblen; 4) jehe ev mit,
wie er dem Rath hiermit zu nahe gegangen oder deſſen Jurisdietion
violirt hätte, angejeben jolches Deeretum nicht in loco aliquo Magis-
tratus, jendern an jeiner Kirchen und am feiner Dechaney angejchlagen
worden, und 5) feinen einzigen Buchführer zu Schaden angejchen, jon-
dern allein denen Gatholifchen zur Warnung gejchehen, gant ohne, daß
einige Confiscatio dadurch gejucht würde. Wolle nun der Rath ver
alten unerachtet de facto zufabren und diejes Patent abthun, müſſe er
es zwar geſchehen Laffen, wolle aber demjelben tragenden Aınptes halben
in befter Norm contradiciren.”
Der Rat gab ſich mit diefer Antwort zufrieden und ließ nicht ein-
mal den unbefugten Anjchlag wieder abreigen. Durch jeine ewige Nach:
giebigfeit, jeine unſelige Feigheit hatte er den Hohn und die Angriffe
der Bücherkommiſſare jo ſtark berausgeforvdert, daß dieje ihn zuletzt aufs
unwürdigſte behandeln zu fünnen glaubten.
Endlich war der langerjehnte Frieden zu Stande gefommen. Wenn
andere Gewerbe und Geſchäfte jetst leife und allmählich wieder aufzu—
athmen begannen over wenigjtens feine offenen Gewalttbaten mehr zu
fürchten batten, jo hörte für den Buchhandel der Kriegszuſtand nicht
auf und zwar war es in erſter Yinie der Kaiſer, welcher die Feind—
ſeligkeiten mit nie erlahmender Erbitterung und ſtets friſchen Kräften
erfolgreich fortſetze. Frankfurt mußte jetzt dafür büßen, daß es den
Siegen der Schweden und ihrer Verbündeten zugejauchzt und ſich in
den Augen der Jeſuiten der Hofburg bei ver Unterdrückung antikatho—
licher, over vielmehr antijeſuitiſcher Bücher zu läſſig gezeigt hatte.
Bereits im achten Kapitel ift der traurigen, fat vernichtenden Ein—
wirfungen des langen Krieges auf ven deutjchen Buchhandel gedacht
worden. Was troß derjelben von letterem noch übrig blieb, joweit er
nämlich in Frankfurt und auf deſſen Meſſen zur Erjebeinung kam, das
rottete der Kaijer nach und nach gründlich aus. Hatte die Bücherkom—
miſſion jelbjt während des Krieges bedeutende Grfolge für ſich errungen
und neue wichtige angebahnt, je war die Hofburg jest nach dem Abſchluß
des Friedens erſt recht nicht gewillt, bei dem geringen Widerſtand, ven fie
in Frankfurt fand, auf balben Wege ftehen zu bleiben. Der Weg war
ihr vielmehr klar vworgezeichnet: fie mußte den Kampf, welchen fie durch
42*
660 Panmähiges Vorgehen der Hofburg. [Zehntes
Einſetzung der Kommiſſion klug bevechnend eingeleitet hatte, fiegreich zu
Ende führen und ihren Sieg vüdfichtslos ausbeuten. Das gelang ibr
denn auch vollftändig, wenngleich ihr freilich der Kampfpreis ſchließlich
wie Schnee in der Hand zerrann. Frankfurt aber mußte den Kelch
jeiner Selbjterniedrigung bis auf den fetten Tropfen feeren, wobei nur
zu beklagen ift, daß das protejtantijche Deutjchland mehr oder weniger
jein Unglüdsgenofje wurde. Im Wejentlichen war die Niederlage ſchon
mit dem Ablauf des Jahrhunderts fo gut wie entjchieven.
Zunächit lieh c8 fich der Biücherfommiffar Hörnigk bejonders ange—
(egen jeim, jtets fünftliche Zwijtigfeiten zwijchen Kaiſer und Rat da zu
jchaffen, wo in der That feine Veranlaffung dazu vorlag, den Rat als
ungeborjam zu verbächtigen und jo binzuftellen, als jei lediglich ſein
böjer Wille jehuld daran, wenn der Buchhandel nicht feinen georpneten
Sarg nahme und wenn die Befchle des Katjers feine Beachtung fünden,
namentlich aber wenn die für ven legtern bejtimmten Freiexemplare aus-
bfieben. Vorwände zur Anflage waren immer vorhanden, denn Hörnigf
brachte — bald diejen, bald jenen Punft mehr betonend — drei in
ten bejonders ſchwer ins Gewicht fallende Anklagen vor. Demgemäß
verbehft venn auch der Katjer fortan dem franffurter Rate jein Miß—
fallen darüber nicht, dar er dem umerlaubten Nachdruck der mit faijer-
lichen Privilegien erjehienenen Bücher nicht fteuere, daß er die dem fetten
Friedensſchluß und andern Neichsfonftitutionen zuwiderlaufenden Names:
bücher, Pasquille und Zcartequen nicht unterprüde und daß er nicht
energiicher anf Ablieferung der jebuldigen Pflichteremplare beſtehe, ſowie
endlich daR er den Bücherkommiſſar bei jeinem Ginjchreiten nicht
jofort biffreibe Sand feibe. Dieſe Vorwürfe febren oft mebreremal
in einem und demjelben Jahre wieder, ſei es einzeln, ſei es vereinigt.
Hörnigk batte ein jebr nabeliegendes Intereſſe daran, fie nicht erfalten
zu laffen, denn ſolange fie in ver Yuft jebwirrten, je lange jeinen, des
übereifrigen Nonvertiten, Inſinuationen geglaubt wurde, fonnte er um
jo rückſichtsloſer gegen den Rat vorgeben. Zwar bet diejer in Wirf-
lichfeit gar feinen Anlaß zu Klagen und VBerdächtigungen; im Gegenteil,
er war gar zu ängftlicb und jegte, worauf ſchon wiederholt bingewieien
wurde, dem Maier nicht einmal den durch die Neichöverfaifung ibm er
möglichten Widerſtand entgegen. Höchſtens ſchwingt er jich, wie z. B.
20. März 1655, zu dem Einwand auf, „Daß den Übrigfeiten jedes
Kapitel.) Unterwürfigfeit des Rats. Selbitändiges Auftreten der Kommiſſion. 661
Orts, da einige Bücher gedrudt over feil getragen oder verkauft werden,
die Genfur und Obficht über jolhe Bücher gebühre und obliege, daß
darinnen nichts wider des beil. Reichs Satzungen und Ordtnungen
eingerüdet oder wider E. K. M. hohe Reputation geprudt werde”, aber,
fügt er ängitlich gleich hinzu, mit der in diefen Ordnungen begründeten
Rejervation, „var im Fall die Obrigfeit hierinnen fich ſäumig erzeigen
würde, E. 8. M. alspanı entweder jelbiten oder durch dero kaiſerliches
Fiscal-Ampt gebührendes Einjehen verfügen möchten“. Um jeinen Eifer
und jeine Unterwürfigkeit zu beweijen, lieh der Rat ſchon jeit langem
bei jeder Mahnung des Kaiſers dejjen Befehle in Plakatforn überall
bereitiwilligft anfchlagen und vedte ſeune territoriale Autorität notdürftig
"nur dadurch, daß er in jelbjtändigen, gleichzeitig erlaffenen Gejegen jeinen
Bürgern und den Fremden die gewiſſenhafte Befolgung jener kaiſerlichen
Erlaſſe anbefahl. So finden jih in dem Corpus legum Francofur-
tensium mit den faijerlichen Erlaffen aus dem Dreikigjührigen Kriege
faft wörtlich übereinftimmend noch Die franffurter Gejete vom 18. Ja—
nuar 1621, 5. September 1622, 10. September 1628, 21. November
1659 und aus jpäterer Zeit die vom 11. April 1650 und 27. Ja—
nuar 1657.
Um jedoch den Faden der Erzählung in der Mitte der fünfziger
Jahre wieder aufzunehmen, jo liegen es die Bücherkommiſſarien nun
nicht mehr bei falſchen Denunziationen in Wien bewenden, jondern
jchritten, ohne ven franffurter Rat nur zu fragen oder jelbjt nachträg—
lich im Kenntnis zu jegen, eimjeitig gegen Buchhändler und Preßerzeug—
niffe ein. Auf der Herbſtmeſſe 1654 belegte unter anderm ver jpeherer
Fiskal Philipp Werner von Emmerich den Engelbert Gymnicus (Gym:
nich) aus Köln und Nikolaus Weingarten aus Amfterdam mit einer
Strafe von zehn Mark löthigen Goldes dafür, daß ihre Patrone in den
Niederlanden, Brabant ꝛc. kaiſerlich privilegierte Bücher nachgedrudt
hatten; aber fein einziger diefer Nachdrucke war ins Reich gebracht, noch
dort verfauft oder vertaufcht worden. Der Laden Weingartens wurde
gejchlejfen, weil diejer fich weigerte, jene Summe zu zahlen oder eine
Kaution von 500 Thalern zu jtellen; ein Wächter wurde bineingejegt,
welcher ven fernern Gejchäftsbetrieb verhinderte. Beide Buchhändler be-
jtritten in ihrer Bejchwerde an den Rat dem Fisfal jede Befugnis
zur Arveftanlegung und zu jonftigen Zwangsmaßregeln, ohne vor:
662 Zahme Vorftellungen des Rats. [3ehntes
herige Genehmigung ver Urtsobrigfeit, und baten, während ver freien
Meſſe gegen derartige Sewalttbaten geſchützt zu werden, „Die Sache jelbit
aber ad viam juris ordinariam zu verweilen“. Sollte es nicht ge
ſchehen, ſo würden viele Buchhändler billiges Bedenken tragen, die franf:
furter Meffen in Zukunft zu bejuchen. Hörnigk trieb es noch schlimmer,
indem er fich die Büchercenjur anmaßte, einzelne die Meſſe bejuchenre
Buchhändler vor ſich beſchied, Strafen auferlegte und that, als ob über-
haupt feine Stadtobrigfeit worbanden jet.
Nach ſechs Monaten ermannte ſich endlich der Kat zu zwei Be
jchwerven an den Kaiſer, deren eine vom 20. März und deren andere
vom 15. April 1655 datiert iſt. „Die von Ew. Majeftät je zu Zeiten
verordnet geivejenen Commissarii‘, heißt e8 in der erjten, „unterfangen
jich zuweilen ohne Zuziehung Unſerer als des ordinarii magistratus
dieſes Orts über Bücherangelegenbeiten und Buchhändler, auch unſere
eigenen Bürger allein zur cognosciren und zu ſich zu nehmen, trafen zu
Dietiven, zu exequiren und anders zu verfügen, wie dies auf jüngit ab
gerücter Derbitmeh von E. M. Fiscal generalis bei dem hochlöblichen
Gummergericht zu Speyer gegen die Buchführer Engelbert Gymnicus
und Niclas Wingarden von Amſterdam gejchehen und won dieſen ge
Hagt worden. Wenigers nicht unterſtehet ficb der Ludwig v. Hörnigk
unter dem Vorwande, Daß E K. M. ihm allein und ohne Gehülfen
das Bicher-Kommtifjarint aufgetragen und gleichwohl dieſe gerümbte
Commiſſion werer in originali, wever in copia vidimata uns vorge
zeiget, noch fich dazu legitimirt bat, von unſrem Bürger Johann Conrad
Vürtern zu begehren, daß er ihm nach Meng ven Mercurium une Re-
lation, darinnen was von Meſſen zu Meſſen fich begeben, veferiret
wird, md je in vorſtehender Meſſe ausgeben jell, ebe fie zum Trud
verfertiget werven, zu jeiner ohne Zweifel vorhabenden Genjur hinüber
ſchicken ſoll. Bor diefem, wenn es nothwendig gewejen, dem im Trud
überhand nehmenden Unweſen gebührlich zu begegnen, wurde es von
E. K. M. Borfahren den hierzu verorpneten Fiscalen und Commiſſarien
eingebunden und befohlen, daß fie jelches mit unjerm Rath und Bei
ſtand thin, weßhalb denn auch die vorhin gewejenen Commiſſarien, im
Fall einig Buch oder seriptum in oder außerhalb biefiger Meſſe zu
confisciren befunden worden, ſich ver Erecution gar nicht unternommen,
daß fie vielmehr diejelbe ung als ordinario aufgetragen und verrichten
Kapitel.) Aufjteigende Bejorgnilie wegen des Meßbeſuchs. 663
lafien. Auch zu bejorgen, wenn von E. K. M. Commissarlis ein und
andere Cognition und Execution in obberührten Füllen jeßo oder hin-
künftig eimfeitig vorgenommen werden jollte, daß Dadurch dieje gefrehte
jehr in Abgang gefommene Meſſe und jonjten hochnütliche Commercien
ferners merdlich gehindert und geftodet werden dürften, wie dies Gym—
nicus und Wyngardten in ihrer Supplication non obscure zu ver:
ſtehen gäben.“ Die Beſchwerde ſchließt mit der Bitte, daß der Katjer
dem Hörnigk befehlen möge, e8 in diejen Buchhandelsjachen bei dem vor
dem leidigen Krieg üblich gewwejenen Herkommen bewenden zu laſſen,
der jeitherigen Neuerungen fich zu enthalten und daß er „jodanı was
in denjelben, zumal bei hiefigen gefreyten Meſſen vorzunehmen und
zu verrichten, dafjelbe mit Zuziehung unjerer, aus unſerer Mitten darzu
Deputirten vornehmen und verrichten, die Erecution und Strafen aber
ung als ordinarium alleinig verfügen laſſen ſolle“. |
Die zweite Beſchwerde ift fürzer und im wejentlichen nur eine
Wiederholung der erjten; fie klagt zunächſt über die Steigerung in der
Zahl der beanjpruchten Pflichterempfare, erhebt dann die gleichen Be—
ſchuldigungen gegen die Bücherfommiffare und ift nur um deswillen
noch beachtenswert, weil jie die in ven Buchhänplerkreifen auftauchenven
Andeutungen über die Folgen eines derartigen Vorgehens für den Flor
der frankfurter Büchermeſſe gewiſſermaßen als die eigenen des Rats hin:
zujtellen ſcheint: „weilen jolches zu Verhinderung dev Commercien, ge
meinen Nutzens, Abbruch ver Meſſen und obrigfeitlichen jurium gereiche“.
Zunächit fand es der Kaiſer für gut, die eigentliche Streitfrage zu
umgehen, da ihre Löſung im Sinne ver Hofburg denn doch zu jehroff
gegen Die Reichsgeſetze verſtoßen und leicht eine der beabjichtigten ent-
gegengejekte Wirkung geäußert haben würde, Statt aljo überhaupt auf
die Beichwerde des Rats einzugehen, befahl ev dieſem am 4. September
1655 nur kurz und ſachgemäß, dem Bücherfommiffar Dr. Y. v. Hörnigk
— er war unter Wiederholung der bisherigen Injtruftionen und Ver-
ordnungen am 17. Februar 1655 definitiv zum Nachfolger Hagens er-
naunt worden — auf vorheriges Anfuchen bei allen jeinen prefpolizei-
lichen Obliegenheiten die obrigfeitliche bilfreihe Hand zu bieten. Aber
ibeon ein zweiter Erlaß vom 11. April 1656, der übrigens erſt am
20. September 1656 in Frankfurt einfief, ſtellt jich thatjächlich völlig
auf die Seite Hörnigfs und jchiebt dem Rate böfen Willen unter. „Ob—
664 Neue Verſuche den Nat bei Seite zu jchieben, Zehntes
wohlen wir Uns nun keines Anvern verſehen“, heißt es wörtlich, „denn
daß jolchen Unſern Enijerlichen Befelchen allerdings wäre gelebt und
nachgejetst worden, jo müſſen Wir doch mit ungnädigſtem Miffallen
vernehmen, daß zu deren wirklichen vollſtändigen Execution um deß
willen noch zur Zeit nicht zu gelangen gewejen, weil theils Euere zum
Buchhandel Deputirte obbejagtem Fiscal die erforderliche Executionshülff
wicht alle Mal gedeihen laffen, jondern die Sachen disputirlich gemacht
und jelbige zur Cognition vor uch verwiejen und gezogen werden
wollen. Wann nun gleichwohl jolches Alles zu Präjudiz und Schmäle—
rung Unſerer Enijerlichen Autorität, Privilegien und Rejpect gereicht und
dadurch die höchſt nothwendige Remedirung der eingeriſſenen ſchädlichen
Mißbräuche nur geſtecket wird: Alſo befehlen Wir Euch hiermit ned»
mals gnädigſt und ernjtlich, daß Ihr zu gehorjamfter Folg Unſers veri-
gen Kaiſ. Befelchs erineltem Unjeren Fiscalen und Bücher-Commifjario
Dr. Hörnigk auf jevesinaliges bloßes Anjuchen wider die Schulohafftigen
und Übertretter, jo ſich denjelben, als welchen Wir Unſere Kaiſ. weitere
Commiſſion dißfalls ſammt und jonders aufgetragen haben, in enge
Weg widerjeßen, over in Yeiftung dev Gebühr ſäumig erzeigen, vie bilf
reihe Hand ohne einige Verweigerung oder Einrede viel weniger neue
Cognition oder Disputat bietet, und Ihnen zu Vollziehung ver Dies
Falls von Uns anbefohlenen Grecution kräftig verhülflich jeyet.“
Was der Kaiſer wollte, lag alſo Hav zu Tage: das Opfer jellte
jich abjchlachten laſſen, ohne zu Klagen, oder gar ſich zu wehren; ver
franffurter Rat jollte den Bücherfommiffarien als willenlojes Werkzeug
an die Hand gehen und die Pläne dev Hofburg fördern, ohne daß dieſe
dem Verdachte einer Untergrabung, gejchweige denn Zerſtörung der
Reichsverfaſſung ausgejett getvejen wäre. Noch glaubten die Stapteäter
den Schlag Durch die weitgehendſte Nachgiebigfeit von ſich abwenden zu
können. Sie befahlen alje zu Anfang November 1656 dem Notar und
Dberftrichter Johann Hartmuth Greff, „auf jeweilen ergangene Navi.
Erinnerungs- und Befelchichreiben die Drudereien in halben und viertel
Jahren unverſehens vifitiven und auf die unter Händen gehaltenen
Drude inquiriren zu laffen und wann fich etwas Verbotenes gefunden,
hinwegzuräumen umd wider die Contravenienten und Frevler ſelbſten mit
Geld: und Thurmjtrafen zu verfahren, allermafen, da es nöthig, parti—
tieular Exempel erzählet und beigebracht werden fünnten“. So begab
Kapitel.) Palliativmittel des Rats. Überwachung der Prudereien, 665
fih denn auf Geheiß des erjten Birgermeifters Dr. Erasmus Seyfart
der genannte Greif am 5. November 1656 zuerjt zum Druder Fivett
und von ibm zu allen ander, „jo eilend, als nur möglich geweſen,
damit ja fein Buchdruder den andern diejer meiner Commiffion wegen
nit bat aviſiren können“, und nahm von jedem in jeiner Gegenwart ge—
druckten Bogen einen friich abgezogenen mit, den er jofort auf der
Rathskanzlei ablieferte. ES gab damals nur acht Drudereien in
Aranffurt, deven Namen und von der Preſſe genommenen (in Paren—
thejen genannten) Drude Greff in folgender Ordnung aufzählt: 1) Du:
niel Fivett („Repertorium latinum“ und „Comenius“, beide in 89),
2) Johann Nicolaus Humm („Agricolae Concordanz“, in Fol.,
„Analysis Dieteriei” und „Roderiguez Exereitations“, in 4°, und ein
hebräiſch Buch in 8%, 3) Doffmann („Gottfrievs Chronica” und
„Galliae descriptio“, von MeriansZeiller, in Fol. und „Analysis Die-
teriei, in 49, H Matthäus Kempffer („Hortus pastorum“, in 4°,
und „De purgatorio‘‘, in 89), 5) Joh. Philipp Weis (Ayrers Prozeß,
in 8%, 6) Rödell (,„Zoesius in Libros Decretalium“, 4°, und geijt-
lihe Reißkunſt), T Yatomijche Erben (Kalender, 16°) und 8) Daus
Georg Spoerlin Diebshiſtorien, in 3%. Es jet hier der Vollſtän—
digfeit wegen erwähnt, daß Greff jeine Bejuche in den ſtädtiſchen Drude-
veien noch neunmal wiederholte, und zwar am 17. Mär; 1660,
22. Januar 1661, 5. Auguft 1661, 3. Januar 1662, 3. Juli 1602,
16. Februar 1663, 7. Auguft 1663, 6. März 1664 und 9. Februar 1665.
Die Zahl der Drudereien ftieg vom 5. November 1655 bis zum
7. Auguft 1663 von acht auf vierzehn und in den legteru wurden im
ganzen 32%, Prejien bejchäftigt, wie Greff dieſe Zahl näher nachweift.
Einen jchärfern Erlaß, als den jpütern vom 27. Januar 1657,
hätte übrigens der Kat zur Wahrung der faiferlichen Rechte nicht ver-
öffentlichen können; allein ev mochte thun, was ev wollte, es gelang ihm
nicht, die Hofburg von ſeiner Willfährigkeit und Nachgiebigfeit zu über:
zeugen. Die ängftlichite Überwachung der Prefien, Beſchlagnahmen, Geld—
und Gefüngnisitrafen wurden ihm nur als Abjchlagszahlungen und Be:
weiſe eines jchlechten Gewiſſens ausgelegt. Hörnigk jorgte für immer
neue Reibungen und griff bei jever Gelegenheit mit immer größerer
Willkür in die Rechte Frankfurts ein. So verhallten denn auch alle
Klagen des Rats ungehört. Als er unter Betonung jeiner ausſchließ—
666 WVergebliche Vorftellungen des Rats. Neue Übergriffe Hörnigfs. Zehntes
lichen Serichtsbarfeit am 28. Februar 1657 dem Kaifer auf deſſen Er-
laß vom 11. April 1656 antwortete und jeine Beſchwerde über vie
Dücherfommiffare näher begründete, wurde nicht einmal eine Unterfuchung
der einzelnen Punkte angeorpnet. Und doch ging aus dieſer vielfach mit
Beijpielen befegten Darftellung klar hervor, daß die Bücherfommiffarien
in den lebten Jahren oft „einjeitig und allein zugefahren waren und
fih Da Eingriffe erlaubt hatten, wo ver Rath ala ordinarius magis-
tratus loci fi der Buchhändler anzunehmen um jo dringender ver:
pflichtet fühlte”, als es ihm mehr und mehr darauf ankommen muRte,
den Beſuch „dieſer alten gefreyeten Meſſen“ zu fichern, nachdem vie
Buchhändler jhon wiederholt gedroht hatten, „ihn zum unwiderbringlichen
Abbruch des boni publiei und derer agonifirenden Commercien zu
quittiren“.
Aber dieſe Eingabe war kaum in Wien angekommen, als ſich Hörnigk
einen neuen Übergriff herausnahm. Er verlangte vom Rate nämlich
am 28. März 1657 die Beiordnung eines Kichters, um 32 Gremplare
der „Meditationes Augustini“, 49 ver „Confessiones” vesjelben und
9 Thomas a Nempis zu fonfiszieren, welche Werke der holländiſche
Buchhändler Janſon einem andern nachgedruckt haben jollte. Der
Bürgermeijter trug in Ermangelung jedes Beweijes Bedenken, dem An—
trag zu willfahren, jchiefte aber zum Janſonſchen Diener und lieh ibn
in Handgelübde nehmen, feins dieſer Exemplare bis auf weitern Be
fehl zu verkaufen. Inzwiſchen fuhr Hörnigk eigenmächtig dazwijchen und
ließ die Bücher verfiegeln. Damit aber jeiner Jurisdiktion fein Ein—
trag gejchebe, bejchloß der Rat jedoch nun, was er in ähnlichen Fällen ſchon
längſt hätte veranlaffen jollen, die Hörnigkſchen Siegel, weil ohne jeine
Genehmigung angelegt, wieder abnehmen, die Bücher im Laden auf ven
Kornmarkt verzeichnen und es jonit bei dem vom Janſonſchen Diener
geleifteten Handgelübde bewenden zu laſſen. So geſchah es denn auch
und Hörnigf, als er Ernſt ſah, fügte fich ohne Widerſpruch.
Der neue Kaiſer Yeopold trat mit jehr weitgehenden Anjprüchen auf
und bewies gleich durch jeinen erjten Erlaf vom 7. Auguft 1658, dar
er auf Wahrung aller angeblich von jeinen Vorfahren ererbten Rechte
eifrig bedacht war. Wiewohl der Rat fich im März 1659 bereit er
flärt hatte, „einen der kaiſ. Maj. und dem erzherzoglichen Haufe Diter-
veich ſchimpflichen und verfleinerlichen Stich“, ven König Karl X. Guftav
Kapitel.) Nutzloſigkeit der Gefügigfeit ſeitens des Rats. 667
von Schweden vorjtellend, bei ven Buchhändlern Clemens ve Jonghe
aus Amjterdam und Dans Doffmanı aus Nürnberg zu fonfiszieren, die
beiven Miſſethäter aber mit Geldſtrafe und Gefängnis zu belegen, fand
ſich der Kaiſer am 5. April 1659 dennoch wieder veranlaßt, den Rat aus:
prüdlich aufzufordern, dem Bücherfommiffar Hörnigk in feinem Arte
hilfreiche Hand zu leiften. Er, ver Kaiſer habe jett erfahren — verfügt
er am 20. März 1660 weiter —, daß der Kat wegen Vollziehung diejes
Befehls verichiedene Bedenken gehabt hätte und fich „über die causas
der Beriperrung und Arrejtirung eines oder andern Buchladens zu in-
quiriren aungemapet“ Dadurch würden nur die ungehorjamen Buch:
händler beitärft und die Biücherfommifjare in ihren Amtshandlungen
gehindert werden. „Er, der Kaiſer, befehle deßhalb ein für alle Mal
ven Ruth, den Bücer-Kommiffar ohne Anmaßung eingiger Cognition
alle erfordernve und nothwendige Hülfe und Aſſiſtenz zu leiten.‘
Hörnigk, der natürlich einfeitige Berichte an die Hofburg geſaundt
hatte, wußte jetzt, Dar er fich fortan ungejcheut gegen den at hervor:
wagen und damit zugleich in Wien angenehm machen konnte und handelte
dieſer Erfenntnis entſprechend. Die erfte Gelegenheit ergab fich ſchon
auf ver Herbſtmeſſe 1660; doch wurde ihm auch Diesmal noch dev Erfolg
durch die ganz ungewöhnliche Energie des Rats vereitelt. Die fonfej;
ſionellen Fehden ver Geiſtlichen und Profeſſoren der verjchievenen Be—
fenmtniffe wucherten zu jener Zeit ebenſo ſchlimm, wenn nicht noch
ſchlimmer, als vor dem Dreißigjährigen Kriege. Lutheraner und Ktatho-
liken wetteiferten miteinander in gejchmadlojen und rohen Angriffen
und gaben jich in Gehäſſigkeit und im Schimpfen nichts mach. Auf
jeder Meſſe vegnete es förmlich Kontroversichriften. Zur Herbſtmeſſe
1660 erſchienen unter anderm eine katholiſche Schmähſchrift: „Das
Kohlſchwartze Lutherthumb“ von Laubenberger, die in Würzburg ver—
öffeutlicht war, und eine lutheriſche Gegenſchrift Chriſtian Kortholts:
„Schwarzes Papſtthum“, deren Verleger der Buchhändler Johann Lud—
wig Neuenhahn in Jena war. Während Hörnigk jene unbeachtet ließ,
wandte er ſeine ganze Aufmerkſamkeit dieſer als „einem gar zu famoſen
zcriptum“ zu, drang in das Gewölbe Neuenhahns ein und nahm ohne
vorherige Anzeige an ten Nat eigenmüchtig 150 dort vorgefundene
Exemplare mit fich, ja muthete dem Rate zu, eine nachträgliche Haus—
juchung vorzunehmen und ihm, Hörnigk, die etwa noch vorgefundenen
668 Hörnigks Gewaltthätigfeit gegen Neuenhahn aus Jena. Zehntes
Exemplare auszuantworten. Der Rat fühlte ſich jedoch diesmal jo tief
verletzt, daß er am 21. September 1660 peremtoriſch die ſofortige
Ablieferung der konfiszierten Bücher an ſeine Kanzlei verlangte. Hörnigk,
vom Stadtſchreiber zur Rechtfertigung aufgefordert, ſtellte natürlich die
ganze Sache als reinen Zufall dar. Er ſei zufällig in Neuenhahns
Yaven gekommen, gab ev entjchuldigend vor, babe zufällig dort vier
Exemplare auf dem Tijche Liegen gejehen, dann zufällig im ganzen
150 Gremplare entdedt und natürlich mitnehmen laffen. Jetzt aber
könne er die durch Zufall in jeinen Bejiß gelangten Bücher nicht ohne
ausprüdlichen Enijerlichen Befehl herausgeben.
Wie fih die Sade aber in Wirklichkeit verhielt, das möge ver
wahrhafte Bericht erzählen, ven Hans Ziegler, Neuenhahns Buchhand
lungsbedienter, am 22. September 1660 dem Rate erjtattete. „An
jüngft verwichenem Dienftag, den 18. huj.“, jagt Ziegler wörtlich, „it
eine Kurze Mannsperſon, jo auch im anderen Buchlävden gewejen und
herumgegangen, zu mir in meine Bücher-Gammer gekommen, gejagt, Ich
jollte zum Herrn Commiſſario gehen und meine Sachen richtig machen.
Hierauf habe ich drei neue Büchlein mitgenommen, al$ Marvii Anato-
miam, Item Kortholtens Grörterung und ejusdem Kohlihwarkes Pabit-
thumb, nicht anders vermeinend dieweil diejes lektere bey uns ſchon
zwei Mal in Meßzeiten verfaufft, es gleich den beiden vorigen, meine
Herrſchaft vorhin auch im ven Catalogum gebracht haben werte, wor:
auf Herr Dr. v. Hörnigk dieſes Buchlein gewogen, darvon ich drei
Abus geben müſſen, Er das erſte bejehen, beyieits gelegt, darauf vie
anderen beide auch durchſehen, jobalten zu fluchen angefangen, das Bud
habe em Schelm gemacht, ein Schelm getruckt und ein Schelm anhero
geführt. Hierüber bin ich als ein junger Menjch heftig erjchroden. Er
weiters gejagt, wo ih ei einziges Exemplar werde verbehlen und cs.
3. 8. Maj. werde erfahren, jo jollte ich die Tage meines Lebens fein
Eremplar von einigem Buch mehr anhero bringen bürfen, auch gefragt,
wie viel ich deren Exemplaria hätte, Ich geantwortet, ich hätte über
vier nit mehr. Hierauf hat Herr Dr. v. Hoernigk mir einen Notariun,
den er bey fich Hatte, zugegeben, ihm etwas in die Ohren gejagt, jo ic
nicht hören können, der jobalden mit mir in die Cammer nach Hauß
gehen müſſen. Ich als eim junger Menſch ging mit Bejtürzung nac
Hauß, dedte die Exemplaria eilendts zu, jo gut ich fonnte,. Der No:
Kapitel.] Zwangsmahregeln des Rats gegen Hörnigf, 669
tarins jtöberte in der Cammer berumb, fand die Exemplaria, jagte
wer num Jemand bätte der fie weg trüge; fie mußten confiscirt ſeyn.
Wenn ich wollte einen Schein darüber haben, daß fie mir wären abae-
nommen worden, jo follte ich zu dem Heren Commissario gehen, würde
jolchen jebalven befommen. Hat darauff all die Exemplaria auf jeinen
Arm gefaßt und ift mit darvon gegangen. Des Rieſe Diener von
Veipzig und die allhiefigen Schöntwetterjchen Diener haben das Fluchen
von Herrn Dr. v. Hörnigf auch gehört.“
Als der Rat aber Hörnigf mit Beichlagnahme jeiner in Frankfurt
itehenden Kapitalien drobte, gab leßterer jchon am 22. September flein
bei. Nach einem kurzen Scbeingefechte lieferte er die mitgenommenen
Bücher in der Kanzlei ab. Noch am Mittag wollte er dies nur ımter
der Bedingung thun, daß der Jenger Buchführer und fein Diener wegen
zu groben Ärgernifjes mit ein paar Tagen Gefängnis abgeftraft wür—
den, erflärte auch nichts dagegen einwenden zu wollen, wenn der würz—
burger Buchoruder wegen des „Kohlſchwarzen Lutherthum“ auch in
Strafe genommen werde, vorausgejett, daß der Nat dies auf jeine eigene
Berantwortlichfeit bin verfüge, wozu letterer jenoch feine Veranlafjung
zu haben erklärte, Aber die Furcht vor dem Verluſte feiner KRapitalien
und die ganz ungewohnte Energie des Rates wirkten jo kräftig auf
Hörnigf, daß er, ohne nur eine Antwort abzuwarten, jebon am Abend
- desjelben Tages die bei Neuenhahn weggenommenen Bücher einjandte.
Er bedauere, erklärte er, daß der Rat ficb über ihn alteriert babe und
von ihm einen Eingriff in jeine echte befürchte; das jei niemals jeine
Abjicht gewejen. Er habe nur noch wenige Jahre zu leben und wolle
ſich gegen den Rat alſo verhalten, daR derjelbe feine Urjache haben jolfe,
ſich über ihn zur bejchweren. An vemjelben Tage noch lud der Nat
jamtliche in Frankfurt anmwejende Buchhändler wor fich, teilte ihnen das
eigenmächtige Verfahren Hörnigfs mit und forderte fie auf, demjelben
feinen Gehorſam mehr zu leiten, falls ev nochmals jo handeln jollte.
Unter den 29 erjcbienenen Firmen waren vertreten: A. Janſon, ob.
Blaenw und Elſevier aus Amſterdam, Ich. Anton Kind, Meichacl
Demen, Jodocus Kalcovins, Peter Metternich und Wilhelm Friſſemins
ans Köln, Ariedr. Spoor und die Eberhard Zetnerjchen Erben aus
Straßburg, Sammel Chouet aus Genf, Johann Görlin aus Um und
Johann Ludwig Neuenhahn aus Lena.
670 Der Bücherkommiſſar Georg Friedrich Sperling. Zehntes
Im Dezember 1660 verſicherte daun Hörnigk wiederholt ver franf:
furter Bücherdeputation, daß ihm alles daran Liege, den Verleger von
Yanbenbergers „Schwarzem Lutherthum“ zur Rechenſchaft zu ziehen, une
bedauerte nur, daß er ihn nicht finden könne. Vielleicht ſei er in der
Neuenhaähnſchen Sache etwas zu weit gegangen, im übrigen wünſche er
mit dem Nat gut Freund zu bleiben. Dagegen balte ev „firmissime
darfür“, daß die Bücherkommiſſion für Einziehung der dem Kaiſer ge
bührenden Pflichteremplare und in allen Privilegienjachen die einzig zu-
jtändige Behörde fer, während der Rat ſich auf Ausführung ihrer Be
jchlüffe zu bejchränfen habe. Daß dieſe Auslegung der Neichsgejege eine
ganz willfürliche und nach ven frühern Erflärungen der Kaiſer jelbit
durchaus ımbaltbare war, bedarf nach der voraufgehenden aktenmäßigen
Darftellung feiner nähern Ausführung.
Die Amtsführung Hörnigfs neigte fich ihrem Ente zu. Er erbielt
am 16. Juli 1661 in Georg Friedrich Sperling einen Adjunften, mit ver
Anwartſchaft auf die Nachfolge im Amte, Der Kaifer jagte in dem
Patente Sperlings, daß „zeithere im BücherKommiſſariat jolche Unord—
mungen und Nachlüffigfeiten verfpüret worden“, daß ein fräftigeres Ein—
greifen nötig geworden; leßteres war Die Sperling zugewiejene Aufgabe.
Das im ihn gejegte Vertrauen der Hofburg vechtfertigte er in vollem
Make; er überbot in der Folge alle jeine Vorgänger an Rückſichtsloſigkeit
und Frechheit und verjtand es, jich während feiner vierundzwanzigjährigen
Amtsführung perjönlich dermaßen verhaßt zu machen und die fatferlichen
KFingriffe in alle Interejfen jo verleßend zuzuſpitzen, daß die Frankfurter
Büchermeſſe darüber zu Grunde ging. Als Sperling am 16. März 1585
„aus erheblichen Urſachen“ jeines Dientes entlaffen und der Dechant
am Yiebfranenftift, Kaſpar Bollmar, zu jeinem Nachfolger ernannt wurde,
lag Aranffurts Blüte als Buchhändlermeßplatz jebon im Ztaube; nur
wenige Jahre noch — und Yeipzig trat auch äußerlich an die Spitze des
dentjchen Buchhandels. Sperling war ganz der Mann nach dem Herzen
der Hofburg. Er jebeute vor feiner Gewaltthätigfeit zurüd, griff rüd-
jichtslos an und wußte ftets Nat, wenn es galt, Frankfurt die legten Reſte
jeiner Selbjtändigfeit zu nehmen. Was fortan dem Bücherweſen Nach—
teiliges geſchah, it entweder unmittelbar auf jeine Initiative zurückzu
führen oder mittelbar von ibm gefördert worden.
Schon am 6. Zeptember 1661 befabl der Kaijer, inden er, die
Kapitel.) Die alten Vorwürfe und Klagen werben erneuert. Der Mehfatalog. 671
—
üblichen Themata variierend, auf ſeine Erlaſſe vom 7. Auguſt 1658,
24. März 1660 und 30. März 1661 verwies, eine ſehr bedeutende und
folgenſchwere Neuerung. Der frankfurter Rat wurde nämlich angewieſen,
dem kaiſerlichen Bücherkommiſſar den Meßkatalog vor ſeinem Druck mit—
zuteilen, damit der Kommiſſar „ſolchen vorher mit allem Fleiß durch—
ſehen und was darinnen etwa für Bücher verzeichnet ſein möchten, welche
in dem Religion und Prophan (!) auf dem letzten Münſterſchen Frieden,
der Polizeyordnung und den beyljamen Reichsiatungen verbotten, ent:
weder zu verbejfern oder geitalten Sachen nad abzuſchaffen“. Es ver:
geht jest faum eine Meſſe, welche nicht ein altes Rejfript des Kaijers
nen einjchärfte, oder ein neues weiter als jeine Vorgänger gehenves,
eder auch beides zujammen brächte. Der paſſive Widerjtand, welchen
die Buchhändler der Kinlieferung der Pflichteremplare entgegenjetten,
bot ja auch jtets einen jchr bandgerechten Ausgangspunkt. So erlich
Peopold, um „dem bisherigen Unwejen abzuhelfen“‘, am 4. März; 1662
ein neues „Mandat“ an die Buchhändler und erteilte dem Fiskal Em—
merich in Speber, wie Hörnigf und jeinen neuen Adjunkten gemejjenen
Befehl, gegen die Übertreter mit aller Strenge vorzugehen; dem Nat
aber gab er auf, „dafür Sorge zu tragen, daß dieſes Mandat bejjer
als vorher befolgt werde, indem er (ver Nat) dem Bichercommiffar
jowohl als auch dem Fiscal und deſſen Adjuncten jeden Buchdruder und
Author jolcher verbotenen Schriften zur Anzeige bringen und nicht mehr
verjuchen jolle, die Erecution unter dem Schein einer anmaßlichen neuen
Kognition zu hindern, jondern . . . . ſich deren allerdings zı enthalten
und ihnen vielmehr aufgefordert alle hilfreihe Hand zu bieten habe“.
Der faijerliche Erlaß an jümtliche einheimiſche und fremde Buchhändler
trägt dasjelbe Datum und ſchärft „bei Strafe von ſechs Marf löthigen
Goldes, nicht weniger Sperrung der Büchergewölbe, Confiscation ſämmt—
licher Yagervorräte und Erjeßung der verurjachten often” die ſchon jo
vielfach, aber faft immer vergeblich ergangenen Befehle ein. Es um:
faffen diejelben wieder einmal: 1) das Verbot des Nachdrudes, 2) das
Berbot des Drudes aller dem jüngjten Reichsfriedensſchluß, den Reichs—
abſchieden und Polizeiordnungen zuwiderlaufenden und ſonſt vom Kaiſer
verbotenen „Famosſchriften, Pasquille, Scartequen und in Neligions- und
politijchen Regimentsjachen zu großer Ärgernuß gereichenden Materien“,
jowie Unterwerfung unter die Cenſur, 3) Yieferung der dem Kaiſer ge
172 Das Mandat vom 18. März 1602. [Behntes
bührenden Pflichterempfare und vechtzeitige Eintragung der neu erſcheinen—
den Bücher in den Meßkatalog und enplih 4) Befolgung der Bücher—
Tarerdnung vom 7. Anguft 1658, welcher noch erjt ausführlich zu ge—
denfen jein wird. Diejes gedrudte Patent wurde am 18. März 1602
von den Bicherfommifiarien obne vorheriges Befragen des Rates an
der Dechanet zu St. Leonhard angejchlagen und jedem Buchhändler de
von ein Eremplar in jeinem Gewölbe eingebändigt. Auch ver Nat er-
hielt nur in diefer Weiſe Kenntnis davon; die geſchriebene Vererbung
des Kaiſers findet ſich nicht im Frankfurter Archiv.
„Zänmtliche im beiligen Röm. Reich einheimiſch geſeſſene und
theils dieſer Stadt mit Bürgerſchaft zugethane, theils hierher negotiirende
Buchhändler“, deren Namen ſich jedoch nicht verzeichnet finden, waren
übrigens nicht gewillt, die ihnen ſchuld gegebenen Übertretungen zuzugeben
und fich den zugemuteten Bejchränkungen ohne Widerrede zu unterwerfen:
jie ſuchten am 8. April 1662 in einer ausfichtslojen Eingabe an ven Katjer
jeine Beſchuldigungen zurückzuweiſen. Auch der Rat lieh fich diesmal
dieſe neue Beeinträchtigung feiner Nechte nicht ruhig gefallen und ſchwieg
nicht dazır, daß deren Ausübung in Wien als Anmaßung bezeichnet wurde.
Er machte fich in jeiner Denkichrift vom 19, Auguſt 1662 zugleich zum
Fürſprecher ver Buchhändler, wurde aber jowenig wie Dieje einer Ant
wort jeitens des Kaiſers gewürdigt.
Da die Einzelheiten der Kontroverje in der frühern Darſtellung
teils ſchon berührt find, teils erjt näher erörtert werden müffen, je möge
es an dieſer Stelle genügen, die Gefichtspunfte bervorzubeben, welde
auf die fatjerliche Politif gegen die Famosſchriften ein charakteriſtiſches
Yicht werfen und welche jchliehlich zum Ruin des Frankfurter Buchbanvels
führten. Sie finden ficb in der erſtgenannten Deukſchrift mit über:
rafcbender Offenheit und Klarheit dargelegt.
„Das Mandat gegen die Pasquille und deſſen Tragweite‘, jagen die
Buchhändler, „wird unjers Erachtens von dem Biücher-Kommiffariat all
zuweit ansgedehnt. Bon den unjerer, der Augsburgiſchen Confeſſion
Verwandten Büchern find 3. B. Werke wie Wivers Poſtille bei Fobann
Tauber von Nürnberg und Nuber’s „Lutherus redivivus’ bei Jobann
Berlin in Ulm unter dem unerfindlichen Vorwand confiseirt und ein—
gezogen worden, daR fie injuriös und famos wären. Gbenje bat man
einzelne Titel von den Läden weggeriffen, trogdem daß der Inhalt der
Kapitel.) Remonſtrationen dev Buchhändler. 675
m
Biber nicht ſtrafbar und fie auch an den Orten, wo fie genrudt wur:
ven, ſolchem allergnäpdigiten Befehl gemäß vorher der ordentlichen Cenſur
unterworfen worpen find. Dich jolches mero odio entſprungenes Be
ginnen werden leider die Verleger unſchuldig im Noten und Schaden
geſtürzt und ebenſo unſchuldig in Ztrafe gezogen. Daraus ergibt jich
von jelbjt, dag wenn ſolchem Berfahren nicht bei Zeiten gejtenert werden
jollte, wir Goangelifchen fein Geſang- over Gebet- Buch, viel weniger
eine Dieputation oder einen Danpttractat von unſerer Religion drucken
und verkaufen dürfen. Solcher Geftalt haben vie Katholifen gewonnenes
Spiel, wann das Arbitrium aus eimem oder höchftens zwei ver katho—
lüchen Religion zugethanen Commiſſarien bejteben jellte, und es ſich um
ragen handelt, ob diejes oder jenes Buch, jo etwa Die controversias
de missa, purgatorio, indulgentiis ete. enthält, für injuriös, famos
oder pasquilliſch zu erachten, demnach zu unterprüden und confisciven
over die Titel, noch che die Bücher eingejehen over gelejen, aus dem
Katalog zu ftreichen jeien. Es liegt deßhalb am Tage, daß unjer Keiner
dergleichen Materien zum Druck befördern und zu verlegen over, falls
jofcbes bereits geſchehen, im offenen Kauf feil zu halten ſich unterjtehen
dürfte. Air fünnen darum auch nicht glauben, daß dieſe allzu weit ge-
juchte, dem Religionsfrieden und dem allgemeinen Friedensſchluß zu—
wiverlaufende Explication der Famosſchriften und Pasquille der faijer-
lien Abficht und dem Mandate gemäß zu erachten jei. Wofern wir
uns aljo der Genjur wegen recht gehorſamlich verhalten, boffen wir aller
weiteren Gonfiscationen und Beſtrafungen enthoben zu ſein. Da 08
unjeres Thuns und VBerjtandes nicht tft, über Die Bücher und deren In—
balt zu juvieiren, jonvern uns nur anf die ordentliche Genjur jedes
Ortes, wo die Bücher gedruct werden, verlaffen, jo dürfen wir auch
nicht ganz unverdient, unſchuldig und umwiffend in Schaden und Ber:
derben gejett werden, wie das bei Fortſetzung des jeßigen Verfahrens
unfehlbar geſchieht.“
In derjelben überzeugenden Sprache, wie die Buchhändler ihre Sache
führen, weift auch ver Nat ven Vorwurf einer Pflichtverſäumnis zurück
und vermag fich nicht zu erinnern, daß er fich im Bücherwejen „einige
nene Gognition angemaßt umd die eine oder andere rechtmäßige Exe—
cution ohne rechtmäßige erhebliche Urſache gebinvert baben jollte“, bes
bauptet. vielmehr, immer dem nachgefommen zu jein, was ibn des
kapp. I 43
674 Sorglihe Vorftellungen in Wien feitens des Rats. [Zehntes
heiligen Neiches Sutungen und der vorigen Kaiſer Gebot und Befehls—
briefe geheißen und die uralten Objervanzen mit jicb gebracht hätten.
In jeiner Rechtsausführung begründet der Kat, wie jchon bei frühern
Selegenheiten, jeine ausjchließfichen Befugniffe zur Bicherpolizei mit
jeiner Neichsftandfchaft, ven Reichsabſchieden und der Reichspolizeiord—
nung, wie ihn denn auch des Kaiſers Vorfahren al® ordinarium ma-
gistratum loci ſtets anerfannt und nie jeinen Pflichteifer in Zweifel
gezogen hätten. „Wenn nun die faiferlichen Bücher-Commiſſarii und
Fiscales vor fich allein und unbegründet unjer als ordinarii magistratus
nicht allein auf die in biefigen Meſſen befindliche fremde, jondern auch
auf hiefige Buchhändler und Bürger inquiriret, cognosciret und theil—
weije erequiret und die Buchhändler uns als ihre ordentliche Obrigfeit
um Hülfe angehen, da wir in Straft habender anſehnlicher Mefprivi-
legien ſchuldig und gehalten find, nicht allein den Bürgern, jondern and
den Fremden in den Meffen Schub zu halten, damit Niemand wider
Recht und Billigfeit und zumal auch gegen die Meffreiheit bejchwert
werden möge, jo haben wir nicht umbin gefonnt, uns derjelben injoweit
anzunehmen, ihre Beichwerven anzubringen und daranf mit den Fiscalen
und Commiſſariis zu conferiven und fich zu vergleichen.“ Die Stadt
jet weit entfernt davon, heißt es weiter, im die fnijerlichen echte ein-
greifen zu wollen; indeſſen erjcheine die Bejorgnis nur zu begründet,
daß, wenn den Bejchwerden der Buchhändler nicht abgeholfen werde,
das Vorgehen ver Hofburg nicht allein diefen zum Schaden, Verderben
und Untergang dienen, „jondern auch zu noch mehrerer augenjcheinlichen
Schmälerung und Schwächung biefiger, zwar jo hoch befreiten, aber
multis modis abgenommenen Meſſen, deren nicht geringſtes Stüd, jons
dern eins der vornehmften, dev Buchhandel mit den ihm gewinmeten
großen Gaſſen und Straßen jei, ja auch dem bono publico literario
jelbft zum umwviverbringlichen Präjudieium und Nachtheil gereichen
und ausjchlagen würde‘. Der Rat wendet fi dann an die faijer:
liche Gnad und Hulde, „damit fie den Beſchwerden der Buchhändler
abhelfe und dieſe jowohl bei ihrer Handlung bleiben als auch biefige
Meſſen in einigem Flor auch wegen gedachten Buchhandels erhalten
werden und deſſen nebenſt biefiger Bürgerjchaft zumal auch das bonum
publicum literarium zu geniehen und zu erfvenen haben möge‘. Die
jchlieplicbe Bitte an den Kaiſer gebt nun dahin, „ven Zuftand, wie er
Kapitel.) Zu ſpätes Befinnen des Nats. Die Büchertare, 675
vor dem leivigen Kriege gewejen (vor welchem der Buchhandel allbier
im böchjten Fler geitanden) im Einklang mit den Neichsjatungen wic-
derberzuftellen und den Bicherfommiffarten zu befehlen, daß was fie bei
hiefigen gefreiten Meffen vorzunehmen haben, mit Zuziehung umjerer
Deputirten vornehmen und auch uns die confiscationes und execu-
tiones allein verfügen Taffen jollen“. Die Einficht und Energie war
leider dem Rat zu jpät gefommen und er mußte für die Unterlafjungen
jeiner Borgänger büßen. Es behielt natürlich bei den alten, oder vicl-
mehr bei den neuerdings getroffenen Beitimmungen fein Bewenden.
Die Freie Reichsſtadt Frankfurt wurde in ihren eigenen Mauern aus
feinem andern Grunde, als um die Herrichaftsgelüfte der Jeſuiten der
Hofburg zu befriedigen, depoſſediert und mußte froh fein, wenn ibre
getreuen Herren ihr nur gejtatteten, den äußern Schein zu wahren und
untergeordneten Mafregeln gegen die Preſſe zuzuſtimmen.
Inzwiſchen hatte aber die faiferliche Politik ſchon um die Mitte der
fünfziger Jahre den deutjchen Buchhandel, neben den bier gejchilverten
Pladereien, noch mit einer neuen Beläftigung heimzuſuchen verſucht,
welche — wenn wirflich durchgeführt — den Lebensnerv der freien lite-
rariſchen Bewegung zerjehnitten und Frankfurts Bedeutung als Bücher:
meßplatz unfehlbar ſchon jett zerjtört haben würde. Es war dies Die
jogenannte Büchertare. Die Beftrebungen zur Ginführung einer jolchen
tauchten in Frankfurt zuerjt im Sabre 1655 anf, wirbelten jebr viel
Staub auf und riefen — in Verbindung mit den gleichartigen Kur—
jachjens im Leipzig — zwei Jahrzehnte hindurch große Beftürzung und
Befürchtungen hervor, um dann, nachdem die bervorgerufene Unruhe
und Unficherheit Schaden genug angerichtet hatten, im Sande zu ver-
laufen umd auf immer vom Schauplaße zu verſchwinden.
Dean verfteht unter der Biüchertare die obrigfeitliche Feſtſetzung eines
und vesjelben Preijes für Bücher eines bejtimmten Kormates. Ganz un-
abhängig von der geijtigen Arbeit des Verfaffers und dem Inhalt eines
Buches, von der größern oder geringern Höhe der Herftellungstoften,
jowie von der Abſatzfähigkeit desjelben ſollte alſo ein bedruckter Oktav—
oder Duartbogen nur je zu einer fejten Taxe auf dem Meßplatz ver-
kauft werden, einerlei ob Original oder Überjetung, ob Nachdruck over
Auszug. Im ähnlicher Weije ſollte auch — wenigitens in Sachſen —
die Höhe des Gewinnes fetgeftellt werden, welchen die Sortiments:
43 *
676 Wefen der Bichertare. Vorläufer derjelben, | Zehntes
händler beim Weiterverkauf auf die franffurter Meßpreiſe aufjchlugen.
Solche Tarorpnungen find von alters her auf den verſchiedenſten Wirt-
ichaftögebieten nichts jeltenes gewejen. Je größer die geiftige Unbildung
und wirtjchaftliche Verwahrloſung, je ſchlimmer die Zeiten und je trojt-
(ojer die Ausfichten für die Zukunft, je heftiger der Neid und die Miß—
gunft find, deſto häufiger treten derartige ökonomiſche Irrtümer in ver
Geſchichte der verjchiedenen Völker auf. Die Jeſuiten ver Hofburg, mit
ihrer oberflächlichen, rein mechanischen Auffaffung ver Dinge, glaubten
vermutlich einen ganz neuen fühnen Griff gethan und das bejte Mittel
zur Unterbrüdung dev ihnen unbeyuemen Thätigfeit der Preſſe gefunden
zu haben, als fie mit dem Plane ihrer Taxe zuerjt bervortraten. Aber
die frommen Väter folgten doch mir älteren Vorbildern. Schon ver
wejtgotijche König Chindaswind hatte bejtimmt, daß der Verkäufer eines
oder der Lex Visigothorum nicht mehr als 12 Solidos für den
jelben fordern, ver Käufer aber nicht mehr dafür zahlen durfte, wenn
jie nicht beide vom Richter zu hundert Beitjchenbieben vwernrteilt werden
wollten. Auch die Beitimmumgen des kanoniſchen Nechts gegen ven
Wucher entipringen ganz verjelben Grundanſchauung und ſelbſt vie beu
tige Geſetzgebung enthält noch manche. Spuren diejer veralteten Auf—
faſſung. Vielleicht aber diente gar das feterifche Zachjen den Jeſuiten
als Vorbild, denn bier jette das Münzmandat mit angefügter Taxord—
mung vom 31. Juli 1623 die Preiſe für alfe Damals betriebenen Zweige
wirtjchaftlicher Ihätigfeit, namentlich auch für Buchdruck und Buch
handel, feit.
In der Hofburg kannte man recht gut Das Elend und den verkümmerten
Zuftand, in welchem der deutjche Buchhandel bei Beendigung des Dreißig—
jübrigen Strieges darnieder lag, man fannte ebenjo gut die Gründe, aber
man fing, um die eigentliche Urjache zu verbeden, ſchon jeit Anfang ver
fünfziger Jahre an, über die Mißbräuche zu Elagen, welche ſich in ven
Buchhandel eingejchlichen hätten, und die Verleger zu beſchuldigen, daß
jie ihre VBerlagsartifel zu wucherijchen Preiſen verkauften. Alſo, hieß
es, müſſe man ihrer Gewinnſucht und Willkür ein Ziel feten, zu welchen
Ende die obrigfeitliche Fixierung der Preife das geeignetite Mittel jei.
Sp entjtand denn im den Köpfen der faiferlichen Ratgeber ver Plan
einer Büchertare, die als Univerjalmittel zur Bejeitigung aller Schäden
und Herbeifübrung bejjerer Zuftände dienen jollte,
Kapitel.) Dunkelheit betreffs der Vorſtadien. Rublifation im Jahre 1656. 677
Yeider find die Akten ver Bicherfommiffion über dieſe interejfante
und wichtige Epijede in der Geſchichte des deutſchen Buchhandels jeiner
Zeit nach Wien gejandt worden und find dort bis jeßt nicht Wieder
aufufinden gewejen. Was jich aber aus ven vorliegenden franffurter
Akten zujammenftellen läßt, it Folgendes.
Es iſt zumächit klar, daR die Buchhändler ſchon früher ven den in
der Hofburg geplanten Mafregeln Kenntnis erlangt hatten. Dennoch
wurden allem Anjchein nach Die auf der Herbſtmeſſe 1656 in Frankfurt
Terjammelten durch die Kunde von dem ihnen nunmehr thatjächlich
drohenden Unheil überrafcht. Im jeinem Bericht an den Kaiſer, d. d.
Spever 13. Dezember 1656, jagt der mit dem Betriebe ver Suche be-
auftragte Reichsfiskal Philipp Werner von Emmerich über die Umftände
bet Publifation ver Büchertare: Nachdem er „mit etlichen auf den
Handlungs verjtändigen‘ über die gemachte Tare nochmals Eonferiert
und von ihnen jelbit vernommen, daß feiner derſelben fich füglich darüber
zu beſchweren habe, habe er vie „Vornehmſten von der Buchhandlung‘
auf den 15. September vorbeſchieden und denjelben ven Faijerlichen Be—
ich! vom 2. September 1654, die Anordnung einer gewiſſen Büchertare
betreffend, pann die am 11. April 1656 gefertigte Tare vorgeleſen, auch
ihnen eröffnet, daß auf ihren Borjchlag von 1655 Nückficht genommen
und die Tare danach geſtaltet worden jei. Hierauf babe zwar der
Ültefte, Gottfried Schönwetter — ein Arankfurter! die Frankfurter Buch—
bindler gehörten ſpäter zu den entjchiedenjten Gegnern jeder Taxe —,
für fih und die Übrigen für allergnädigſte Sorgfalt Dank gejugt; es
jeten aber jogleich einige aufgetreten, welche behauptet hätten, bei dieſer
Tare nicht bejtehen zu fünnen. Er habe ihnen dagegen „mit Bejcheiden-
beit“ eingehalten, es jei ihnen ja nach Abzug des Druderlohns, des
Papiers und aller andern Untojten auf 100 Fl. Kapital 60 8. Gewinn
gelajfen worden und zwar, weil, wie fie jelbit gejagt hätten, die Verlags:
artikel nicht gleich an ven Mann gebracht und zu Geld gemacht werden
löunten, ſodaß Das angelegte Kapital ruhen müßte. walls fie ſonſt
noch etwas Grhebliches vorzubringen hätten, jollten fie es than.
Sie hätten fich aber nicht weiter auslaffen wollen, bis auf einen Teil
der Ausländer, welche auf den Unterſchied zwijchen ihnen und ven
Sranffurtern in Anjehung der Koften für Papier und Drud und der
Fracht hingewieſen und gebeten hätten, bis fünftige Oftermeffe (in dem
678 Borjtellungen der Buchhändler bei dem franffurter Rat. Zehntes
Schriftenwechſel zwiſchen Wien und Frankfurt heißt es ſtets Oſter- und
nicht Faſtenmeſſe) ihre Gegenvorſtellung einbringen zu dürfen. Da in—
deß die Meſſe zu Ende gegangen, habe er dieſes Petitum unbeantwortet
auf ſich beruhen laſſen, dagegen nochmals ermahnt, der publizierten Taxe
künftig nachzuleben. Daneben habe er verſprochen, daß, wenn der eine
oder der andere unter Umständen bei der publizierten allgemeinen Tare
ohne Nachteil nicht beftehen könnte, deſſen Anbringen gehört und ihm
„in allweg befindlichen Dingen nachgeholfen werden ſollte“. Hierauf jeien
die Buchhändler abgetreten; es jcheine aber, als wenn die Meiften nach
wie vor freie Hand behalten und fich ohne anderweite ernitlichere Wer:
ordnung der Taxe nicht anbequemen wollten.
Der erſte Schritt der in ihren Intereffen jo jehwer Bedrohten war
die Anrufung dev Interceffion des jet leider ſchon einflußloſen franffurter
Rats. In der am 16. September 1656 in letzterm vorgelejenen Bitt-
jchrift jümtlicher zur Meſſe anweſenden in- und ausländischen Buch—
händler führten Zacharias Hertel von Damburg, Wolfgang Endter von
Nürnberg, Kaſpar Wachtler von Frankfurt, Hermann Mylius von Köln,
Chriſtian Gerlach und Simon Bedenftein von Magdeburg und Helm:
jtädt, jowie endlich Johann Joachim Bodenhoffer von Strapburg aus:
Der kaiſerliche Generalfistal habe den in- und ausländischen Buchführern
(aljo nicht nur den vornehmiten derjelben) vor wenig Tagen ganz um:
vermutet einen jchriftlichen Eniferlichen Befehl vorgelejen, kraft deſſen alle
Verlags: und Sortimentsbücher („Berlags- und Handelß-Bücher“) dem
Ballen nad in einem gewiffen Preis tariert und angejchlagen werden
jollten, „mit angehengter jcharffer beprohung, falk wir Vnß deme nicht
bequemen, ſondern in verkauffen darwieder handeln würden, die Wahren
und Bücher zu confisciren und einzuziehen“. Hierdurch fühlten ſie ſich
in hohem Grade beſchwert, und wenn es dabei bleiben ſollte, würden ſie,
beſonders die Ausländer, gezwungen ſein, ihre Handlung in die frank—
furter Meſſe gänzlich einzuſtellen. Der Preis des Papiers und anderer
zum Verlag der Bücher gehörender Materialien variiere und ſteige oft,
ſodaß die Bücher einer feſten Taxe nicht unterworfen werden könnten.
Zudem würden die Bücher gemeiniglich auf Kredit gegeben, außerdem
bleibe bekanntlich ein guter Teil unverkauft und werde zu Makulatur.
Sodann müßten ſie, vor allem die Ausländer, ihre Bücher zehn, zwanzig,
dreißig, vierzig, fünfzig und mehr Meilen herführen und resp. zu dreißig
Kapitel.) Unerwartet jchnelle Schritte desfelben. 679
und mehrinalen, auch wohl doppelt verzollen und verfrachten. Sie könnten
ih daher zu einem feiten Preife nicht verpflichten, es jei denn, daß
man fie ruinieren wolle. Sie bitten deshalb für fie dahin einzutreten,
daß der kaiſerliche Befehl auf jo lange juspendiert werden möge, bis fie
ih umjtändlich darüber geäußert haben würden.
Bon bejonderm Intereſſe ift in diefer Beſchwerde die Thatjache, daß
die fremden Buchhändler hier zum eriten mal offen mit dem Wegbleiben
von Frankfurt drohen, während Engelbert Gymnich und Nikolaus Wein-
garten anderthalb Jahre vorher diefe Möglichkeit nur jchüchtern hatten
durchblicken laſſen. Won jett an gewinnt aber diefe Drohung täglich feftere
Seftalt. Der Rat weiß recht gut, was fie für Frankfurt bedeutet, kann
aber die Sünden der Väter nicht wieder gut machen; in der Hofburg
dagegen erkennt man gar nicht die Tragweite der Verwirklichung eines
jolhen Plans und wirtjchaftet ruhig weiter, als ob der Buchhandel gar
nicht todt gemacht werben könne oder als ob wenigjtens Frankfurt die
einzige Meßſtadt fei, in welcher er zu gedeihen vermöge.
Obgleich nun der Rat der Erfüllung jener Bitte entjprochen hatte,
war Emmerich dennoch dabei geblieben, daß der faijerliche Befehl uner—
wartet der im Ausficht gejtellten Eingabe alsbald ausgeführt werben
müſſe. Es lag aber im eigenften Intereffe des Rates, daß er fich ver
Buchhändler in diefer Angelegenheit annahm und ihnen umgehend feine
unberingte Beihilfe zuficherte, wofür ihm am 23. September 1656
dreißig Buchhändler aus allen Teilen Deutichlants ihren Dank aus-
ipraden. Dem Rat fam das Tarmandat jelber unerwartet, wie ein
Schlag aus heiterm Himmel. Mit ganz ungewohnter Schnelligkeit zu
einem Entjchluß gelangend — aber immerhin nur zu einem halben —,
forverte er, „da ihm jehr viel daran gelegen”, jchon am 21. Septem:
ber 1656 feinen wiener Agenten Johann Grooß auf, zu ermitteln, auf
weijen Antrag hin das faiferlihe Mandat ausgewirkt worden jet. Grooß
founte aber am 1. November 1656 nichts weiter berichten, als daß
weder in der Kanzlei, noch in der Regiftratur, weder von den beiden
Regiſtranten, noch vom Reichshofratsſekretär etwas zu erfahren gewejen
jei, daß jedoch die Tare vom Neichsvizefanzler und Geheimen Nat aus-
gegangen zu fein jcheine, daß ein Geb. Sekretär fie ausgefertigt habe
und dag er den Entwurf davon nicht zu erlangen vermöge. „Sub rosa
ad notitiam” teilte aber Grooß noch mit, wie ihm ein Herr zu ver-
680 Frankfurts Sondiren in Wien, Drängen der Buchhändler. Zehntes
ſtehen gegeben babe, dar in Frankfurt in dem Buchhandel je Länger
deſto mehr große Mißſtände einriſſen, welche die Ortsobrigfeit nicht
geitatten ſollte, „da fie jonjt eine Verantiwortung und fatjerliches Ein—
jehen verurjachen würden“. „Da wir uns dergleichen nicht erinnern,
noch wenn es bejtände, willen können‘, antwortete der Rat am 11. Ne:
vember 1656, „alſo wirde der Herr uns eine jonderbare, augenehme
Freundſchaft erweifen, wenn ev bei ermelvetem Herrn penetriren und
erfuhren fönnte, was denn dasjelbe in specie jei. Es joll der Herr
übrigens verfichert fein, daR es am Abſchaffung auch an anderweiter
ernſter Animadverſion unjers Orts nicht ermangeln werde”. Natürlich
lag bier wieder eine Denunziation von Hörnigk vor, über deren Einzel:
heiten Grooß jelbftverjtändlich nichts ermitteln fonnte.
Man erfenmt aus der Angſt des Rats, wie jehr ihm darum zu thun
war, in Wien feinen begründeten Anlaß zur Klage zu geben. Aber in
feiner nun einmal herkömmlichen Unterwürfigfeit und Schwächlichkeit
fürchtete ev ebenjo jehr durch Vorftellungen Anſtoß zu erregen, jelbit
wenn dieje noch jo berechtigt waren. Obſchon ihm aus ver offenen Aus-
jprache ver fremden Buchhändler doch Far genug geworden ſein mußte,
welche Folgen die in Aussicht genommene Mafregel fir die Frankfurter
Büchermefje haben könnte, ließ er dennoch den Winter hingehen, ohne
irgend welche weitere Schritte in dieſer Angelegenheit zu thun, ſodaß
jich Die zur Faſtenmeſſe 1657 in Frankfurt anwejenden Buchhändler —
diesmal fehlen Die Unterjchriften — von neuem veranlaft jaben, amt
7. April den Nat zu bitten, jich beim Reichshofrat für die Nichtein:
führung der Büchertare zu verwenden. In diefem Schreiben jagen fie
— aber jedenfalls irrtinnlich — der Seneralfisfal habe ihnen in ver
Dftermejje 1656 eine Tare vorgelefen, mit dem Hinzufügen, var, falls
jie fich dem nicht anbequemen und ein oder das andere Buch teurer ver-
faufen würden, ev faiferlichen Spezialbefehl habe, gegen Tie zu exequieren,
die Bücher zu fonfiszieren umd die Läden zu verjchliehen. Nach Wie:
derholung und teilweifer Erweiterung der jebon früher geltend gemachten
Gegengründe beift es Damm noch, daß fie auf den unverhofften Be—
harrungefall ihre Negotien auf Aranffurt und feine Meſſe notwendig
einstellen mürten. Andere Kauflente, deren Waren lange nicht einen
jolchen Unterichied im Einkaufe hätten, und die faft alles baar verkauften,
fünnten ja auch ihre Preiſe jtellen, wie fie wollten,
Kapitel.) Wiederaufnahme der Frage 1658. Die ſächſiſche Taxe von 1623. 681
Als dieſe Schrift eingereicht wurde, war Kaiſer Ferdinand III. ſchon
einige Tage vorher (2. April 1657) gejtorben. Erſt nach harten Kämpfen
wurde Leopold I. am 18. Juli zum Nachfolger feines Vaters erwählt.
Um jo erflärlicher ift 8, wenn bei dem allgemeinen Widerſtande dieſe
Bücertare nur wenig, wenn überhaupt irgend welche Beachtung gefuns
den hatte. Kaum aber hatte Leopold I., ein bigotter Jeſuitenzögling,
den Thron bejtiegen, als ev auch ſchon von Frankfurt, jeiner damaligen
Reſidenz, aus mit VBerfolgungsmandaten gegen Preſſe und Buchhandel
vorging. Ein Reſkript vom 7. Auguft 1658 an den Bücherfommifjar
Yurwig von Hörnigk — Das diesbezügliche Mandat des Keichsfisfals
war durch den Akt der Publizierung erledigt — erinnerte an das Be-
jtehen der ſchon Halb vergeffenen Lüftigen Taxverordnung. Gleichwohl
icheint fie auch damı noch nur wenig Beachtung gefunden zu haben,
denn als vorläufig lette Spur ihrer Exiſtenz zeigt fih in einem Schreiben
des Frankfurter Rats an jeinen Wiener Agenten Tobias Sebaftian Praun
vom 23. Februar 1664 die Bemerkung, der Bücherkommiſſar habe jich
darüber bejchiwert, daß „ver Kayſerl. Biicher-Tar mit allzu großem
Ueberſatz vnd gewin violirt“ werde.
Leider findet ſich der Wortlaut der Taxe ſelbſt nicht bei den Akten.
Aber ſo belehrend auch ein Einblick in die einzelnen Beſtimmungen dieſer
Urkunde ſein würde, ſo iſt ihr Verluſt doch aus dem Grunde nicht ſo
ſehr zu beklagen, als Material über ein ziemlich gleichzeitiges ſächſiſches
Gegenſtück zur kaiſerlichen Taxe im dresdener Archiv vorhanden tft.
Das Vorgehen der ſächſiſchen Regierung in Prefangelegenheiten beſtand
ja auch — worauf ſchon gelegentlich hingewiejen wurde — nur zu oft
in einem gewohnheitsmäßigen Nachhinfen Hinter den Preßmaßregeln ver
Reichöregterung.
Schon im Jahre 1625, zur Zeit der Kipper und Wipper, war Die
kurſächſiſche Regierung in ähnlicher Weiſe vorgegangen, jedoch nicht ein-
jeitig und ans Mißgunſt gegen das Preßgewerbe, jondern ganz allgemein.
Dieje alte ſächſiſche Taxordnung vom 31. Juli 1623 Hatte in Bezug auf
den Buchhandel folgenden Wortlaut:
Buchführer. Sollen jehuldig jeyn, ievere Mer, den Frankfurter
Taxt, ides Orts Obrigfeit zu ediren, nach welchen fie ihnen den Tax
der Bücher jeßen, und mehr nicht, als auff ven Gülven, an dem Auß—
ländiſchen Drud 5. Groſchen, von dem Inländiſchen aber 2. Grojchen
682 Rorverhandlungen in Sachſen über die Büchertare. [Zehntes
von Deuticher, 3. in 4. Groſchen von Yateinijcher Materia, zum Ge—
winſt verjtatten jollen.
Die gemeinen Scholasticalia, ſeynd vor vielen Jahren, der Ballen
zu 10. Gilden in 10. Thaler verfaufft.
Die diejes Orts verlegte Bücher, warn fie auff gemein Drudpapier,
und gemeiner Drud, der Bogen 3. Heller.
Was aber auff weiß, groß, Cronen oder auch auff Median-Rapier,
groß format, mit fleinen Schrifften gedruckt, weil die Autorn wegen
ihrer Mühe, und angewandten Fleifes recompensation haben müfjen,
auch auff Erlangung und Erhaltung der Privilegien zimliche Untoften
gehen, der Bogen nach Gelegenheit 2. in 3. Pfennige.
Indeſſen ift auch diefe Taxordnung nur wenig oder gar nicht befolgt
worden.
Erit als nach Beendigung des Dreifigjährigen Krieges wieder Ord—
nung in die jo lange ftodende Regierungsmajchinerie gebracht werten
jollte, wurde auch diefe Frage in Sacjen wieder aufgenommen. Faſt
gleichzeitig mit den erften Verhandlungen in der Wiener Hofburg jpufen
auch im Anfange der fünfziger Jahre in Dresden und Yeipzig ähnliche
Beftrebungen vor. Die wieder zur Thätigfeit angejpornte kurſächſiſche
Bücerfommiffion in Yeipzig wurde angewieſen, Erörterungen mit den
Buchhändlern über den, der Taxordnung von 1623 widerjtreitenven
hohen Preis der Bücher, gleichzeitig aber auch über den jpefulativ in
die Höhe getriebenen Preis des Papiers anzuftellen. Aber die Arbeits:
unlujt dev Kommiſſion einerjeits, der pajfive Widerftand der Buchhändler
andererjeits ließen fein Rejultat aus dieſen Crörterungen erwachien; die
Regierung fam zunächſt jelbjt nicht weiter darauf zurüd. Erſt die in
Frankfurt zumächit jo gut wie im Sande verlaufenden Verhandlungen
jcheinen der ſächſiſchen Regierung ven Gedanken eingegeben zu haben,
dieſe Erörterungen oder Vorbereitungen wieder aufzunehmen. Ohne daß
aus den Akten eine jpezielle Veranlaffung zu erſehen iſt, erhält vie
Bicherfommiffion in Yeipzig plößlich die Anweifung, in der Michaelis—
mejje 1666 die Buchhändler zu einer Erklärung über die Tarfrage auf-
jufordern.?® Infolge davon reichten die Leipziger Buchhändler (die frem:
den, zwölf morbdeutiche, drei franffurter und ein nürnberger, waren
vor der Bücherkommiſſion gar nicht erjchienen), aber erſt am 22, April
1667, ein vom 30. März diejes Jahres Datiertes Gutachten ein, worin
Kapitel.) Toritellungen der Leipziger Buchhändler dabei. 683
fie fich dahin ausjprechen, daß es unmöglich jei, eine „durchgehende“ Tare
für alle Bücher aufzuftellen, indem unter dieſen ein jo großer Unterjchied
bejtebe, wie bei wenig andern Waren. Bet ver Taxe von 1623 könne
es überhaupt nicht bleiben, denn es hätten fich die Zeiten ſeitdem jehr
verändert: die frühern Steuern jeten erhöht worden, neue hinzugefommen,
alle Handwerker und Arbeiter hätten ihren Lohn bedeutend gejteigert.
Dagegen ſei ver Getreidepreis lange Jahre hindurch jo niedrig gewejen,
daß die landbauende Bevöfferung, der größte Teil der Einwohner Sach—
jens, derart zurückgegangen fei, daR fie fich feine Bücher anjchaffen könnte,
außer was die höchite Notourft erforder. So ſei die Nahrung faft
aller Stände gejunfen und demnach auch ver Abſatz der Bücher jehr ge
hindert worden. Da hätten denn auch die Buchhändler ihre Preife
etwas fteigern müſſen, um bejtehen und ihre Abgaben bezahlen zu
können. Dazu fümen für den Buchhandel noch bejonvere Laſten. Die
Pupiermacer hätten das Papier jeit 1623 um mehr als ein Drittel
geteigert und fteigerten es immer noch unter dem VBorwande, daß die
Hadern nicht mehr in ſolcher Menge zu bejchaffen wären, wie wor dem
Kriege. Auch die Druder jeien mit ihren Preifen im die Höhe gegangen
und ſchöſſen noch dazu oft heimlich eine große Anzahl nach, welchen Zu:
ſchuß fie dann billig verfauften, ſodaß dem Verleger feine rechtmäßigen
Exemplare liegen blieben, wenn er fie nicht zu demjelben billigen Preije
abgeben wollte. Ebenſo wollten Genjoren und Autoren ſich mit den
frübern Verehrungen nicht mehr zufrieden geben. Die Autoren ver:
(angten wohl gar bis zu einem Dufaten für den Bogen und außerdem
noch Freiexemplare, während ver Verleger ſtets das Wagnis eingehen
müſſe, feine Artikel zu Mafulatur werden zu jeher. Dazu fomme ver
Nachdruck; bejonders die Endter in Nürnberg und die Stern in Yüne-
burg druckten ven ſächſiſchen Buchhändlern die beiten Artikel nach; ferner
die große Konfurrenz, hauptjächlich jeitens der Buchdrucker und ver Buch-
binder, der Einfluß der Gegenreformation in den öfterreichiichen Yanden und
der Mißbrauch, ven die fremden Buchhändfer auf ven Meffen dadurch trie-
ben, daß fie fich mit ihren Gejchäften nicht auf die gejetlich für den freien
Berfehr mit dem Publikum gejtattete Zeit beſchränkten. Und da endlich die
fremden Buchhändler, bejonders die Hollänver, fich an feine Tare bänden,
fondern oft für einen Bogen deren drei oder vier verlangten, jo müßten
bie Yeipziger ebenfalls etwas auf die fremden Bücher fchlagen.
684 Gegenvorichläge der Leipziger Buchhändler. Zehntes
Obgleich es ſomit nicht möglich ſei, zu einer beſtimmten Taxe zu
gelaugen, erklärten ſie ſich doch zur Annahme folgender Punkte bereit:
In Zukunft ſolle „1) der gemeine Truck auf gemein Pappier das Alpha-
bet vor 4 gr. angeſchlagen werden. 2) Was beßer Pappier, auch kleinere
oder unterſcheidliche Schrifften hette, könnte nach proportion der Koſten,
das Alphabet pro 5. 6. oder meher Groſchen taxiret werden, der
Authoren recompens, privilegien- und Censur-Koſten würden auch
Dazu gerechnet. 3) Könten ein paar Buchhändler erwehlet oder auc von
der Obrigfeit dazu ernennet werden, welche ieder Zeit die Taxa nad
proportion der Kojten eimrichteten. 4) Die Wiederjpenitigen, jo etwann
in Meßen bieher handelten, fünten durch Zwang der Obrigfeit, in be
bürffenvden Fall, darzu angehalten werden. 5) Könten, over müjten,
verinittelft Dero Keyſerl. May: weswegen umb alleruntertbenigjte In-
tercessionales an Churf. Durchl. gehorſambſt anzujucben, zu Frand:
furt am Meyen vie Taxa auf vergleichen Art eingerichtet werden. 6, So
dann wolten wir mit dem, In der alten Tax-Ordnung zugelafenen ge
winn, 5 oder 6 gr. auf Jedem ausländ. Gulden wohl und gerne zu:
frieden ſeyn.“ Die Kommiffare möchten nun bei dem Kurfürſten dahin
intervenieren, daß den erwähnten Gravaminibus abgeboffen, „injonver:
heit aber die Pappiermacher, Truffer, Censores” auch in ven Schranken
und bei der Billigkeit gehalten, dev Nachdruck gänzlich abgeſchafft, ein
Jeder bei jeinen Privilegien erhalten, und diejenigen Privilegien, welche
einer Handlung entfremdet wären, derſelben wieder zugewendet würden;
daneben müßte der Buchhandel weder Buchdrudern, noch Buchbindern
oder andern „Die darbey nicht her kommen“, erlaubt, das Hauſieren
verboten, auch dem Fremden fernerhin nur in der erſten Meßwoche
mit „vergattirten” Büchern (Sortiment) zu handeln gejtattet und die—
jelben ebenſowohl zu Yeipzig, wie zu Frankfurt a. M. zu einer gewiſſen
Taxe angehalten werden.
In einem Berichte an ven Kurfürſten vom 11. April 1568 — je
lange dauerte es, bis die Bücherkommiſſion zu einem jolchen gelangte —
jpricht ſich Ddiejelbe nun dahin aus, daß es troß der angegebenen
Segengründe bei der Taxordnung von 1623 bleiben könnte, daß auc
die Buchhändler dabei zu bejtehen vermöchten, nur wäre es nötig, daR
der Kaiſer um eine gleichmäßige Anordnung für Frankfurt gebeten würde,
weil ſonſt auch in Yeipzig fein Erfolg zu erwarten wäre. Übrigens jei
Kapitel.) Vorſchläge der nichtſächſiſchen Buchhändler, 035
nicht einzujehen, wie fich die Buchführer gegen die Buchdruder, Buch:
binder und andere mit Grund ein VBerbietungsrecht anmaßen und dieje
in ihren bergebrachten Gewerbebefugniffen jtören dürften.
Hierbei beruhigte fich jedoch die jüchfiiche Negierung noch nicht; auf
ihr Verlangen mußten auch die fremden Buchhändler zu einer Meinungs—
äußerung veranlaßt werden und dieje reichten denn auch einen „Vnvor—
greifflichen Vorſchlag, welcher gejtalt die Bücher forthin fünten den For-
maten und Schrifften nach Tariert werden“, und zwar direkt nach
Dresven, ein. Die Bejtimmungen vesjelben find folgende:
„U) Doppelt + Papier mit der mitteljchrifft ven Pallen (Ballen) zu fl. 65
Mit Schiltle Papier mitteljchrifft den Ballen. . . 2. „ 70
Hoch Cron Papier, mit mitteljchrifft den Pl. . . .. „7
Median und Carre ven Pallen mit der mitteljchr. . „ 80
Mit ver Cicerojchrifft.
2) Doppelt Eden Ballen u. » - » + 2 2 22.2. fh ©
Schiltle Papier den Pallen 51... 2 2 2 2 75
Hoch Cron Papier ven Ballen zu . „80
Median und Carre Papier den Pallen zu „ 8
Mit Garmond Schrifft.
3) Doppelt den Pallen 1. - » : 2 2 2 2 2: cc HD
Mit jehiltle ven Ball. zu . SE ER, |
Mit hoch Eron ven Ballen u. 2 2 2 2 nenn Bd
Mit Median und Garre . „ %
Mit ver petit. Schrifft.
4) Doppelt & ven Ballen a. » >» 2 2 2 fl. 80
Mit jchiltle ven Ball. a. 85
Hoch Cron den Ball. A Er te rar > 90
Merian und Err . .» 2: 2 2 2 4224100
5) Was aber grobere Schrifften und Scholasticalia jeind jollen noch
weniger und geringer als fl. 45 den Pallen gejchezet werden, hergegen
was Griechijche, hebreiiche und andere orientaliihe Sprachen jeind, noc
umb etwas höher als der Ballen a 105 over 110 fl. geftellet werden.
6) Weile aber iziger Zeit viel Bücher auf jchreibe Papier getrudt
werden, iſt dieſer Vorjchlag, daß dem Papier und der jehrifft nach ver
686 Borichläge und Erklärungen der nichtjächfiichen Buchhändler. Jehntes
Pallen umb einer tertz, wo es aber gar auf jchön Poſt Papier over
mit der nonpareille, etwa auf daß Höchſte ver halbe theil darauf ge
ichlagen werde,
T) Und weilen aljo die Bücher ven Ballen nach wohlfeiler ange:
jchlagen werben, jo müfte man fich des rabats oder abzugs halber ver-
gleichen, und forthin nicht mehr als 5 rabats gegeben, gegen baare
bezahlung aber 6 fl. gelaßen werben.”
Diefer Eingabe war ein Schreiben, datiert Yeipzig 15. Oftober 1668,
und unterzeichnet „Sämbtliche nacher Yeipzigt handelnde Buchführer“
beigefügt gewejen, welches der Biücherfommiffion durch das Oberkonſiſto—
rim mitgeteilt wurde. Die fleine Anzahl der im Jahre 1668 die
Leipziger Michaelismefje befuchenden Buchhändler belief ficb auf nur 16,
nämlich Friedr. Arnt von Bauten, Chriftian Bergen von Dresden,
Sg. Beuter von Freiberg, Joh. Cundiſius von Görlik, Veit Jak. Drejcber
und Eſaias Felgiebel von Breslau, oh. Yiederwalt von Magpeburg,
Mart. Müller von Naumburg, Joh. Michel Pabſt und Delert Schub-
macher von Wittenberg, Chrijtian Saar von Erfurt, Ich. Stern von
vüneburg, die Frankfurter Simon Beckſtein, Joh. Beyers Diener und
Thom. Mathias Götze und Paulus Fürft von Nürnberg. Es wird in
diejem Begleitjchreiben ausgeiprocden, daß eine Biüchertare nur dann
eingeführt werden fünnte, wer „mit zuziehung des Raths zu Frankfurth
am Mayn und der dajelbft vorhandenen Buchführer, welche Ew. Churf.
Durchl. Iahrmärdte in Yeipzigk nicht bejuchen, vor allen Dingen denen
Ausländiſchen Buchführern, welche aus frembden Königreichen und Herr-
ichaften ihre Buchwahren Jährlichen nach Frankfurth am Mahn auf die
Märckte daſelbſt zu feihlen Kauffe bringen, und ſolche auf das theüerſte
an Uns verhandeln, ein billiger und leiptlicher Preiß, wie fie ihre bücher
in dem Heil. Röm. Reich verfauffen jollen, gemacht werde. Denn we
jolches nicht gejchieht, So ift es micht möglichen, daß wir die bücher
wohlfeiler geben können, alß wir fie jelbit von denen Außländiſchen
buchführern erhandeln und annehmen müßen, daß uns ein oder das
andere exemplar liegen bleibet, und zu maculatur wird.
Nah Empfang diefer Mitteilung richteten dann die Kommiffare am
6. November 1668 ein anderweites Schreiben an den Kurfürſten, worin
jie fihb auf das in ihrer Eingabe vom 11. April desj. Jahres Geſagte
bezogen und nochmals bervorboben, daß es bei der Taxordnung von
Kapitel.) Wiederaufnahme der Tarfrage in Wien. 687
1623 wohl verbleiben könne, nur müſſe, dem zuletst gejtellten Berlangen
der Buchhändler entiprechend, überall im Reiche und bejonders in Frank—
jurt ebenfalls eine entjprechende Taxordnung eingeführt werden.
Hiermit war die Angelegenheit fir Sachſen begraben; wenigſtens
jind feine Spuren von weitern Schritten der ſächſiſchen Regierung zu
finden. Aber ihre Experimente in diejer Richtung durchichlingen fich
in jo merkwürdiger Weiſe mit denjenigen der Hofburg, die Mafregeln
der ſächſiſchen und der Reichsregierung löſen einander derart fürmlich
ab, daß ſich ummillfürlich ver Gedanfe aufprängt: beide Regierungen
fönnten im einer gewiffen Übereinftimmung gehandelt, over eine felbjt-
jüchtige und interejfierte Fraktion aus dem Kreiſe der Buchhändler jelbjt
fönnte an beiden Stellen hinter den Couliffen intriguiert haben. Denn
unmittelbar nachdem man in Dresven und Yeipzig die Angelegenheit
dem Anjcheine nach fallen gelaffen hatte, eigentlich gleichzeitig damit, be—
ginnt auch von neuem wieder von Wien aus die Aktion,
Bereits am 26. November 1668 hatte nämlich Simon Yorenz Leutner,
ein Anwalt, — angeblich „im nahmen vnd von wegen meijt, wenig auß—
gejonvert, deren nach Frandfurt handlender Buchhändler” — bei dem
Keichshofrat ein Memoriale eingereicht, durch welches er daran erinnert,
wie der Kaiſer ſich ſchon früher babe angelegen jein lajfen, nicht nur
die jo vielfältig bei dem Buchhandel eingejchlichene Unordnung gänzlich
abzujchaffen, jondern auch die Bücher in einen gewijfen und billigen
Preis zu bringen; zu diefem Zweck jet auch eine Kommiſſion an den
Fisfal und den Biücherfommiffar zu Frankfurt ergangen. „Gleichwie
aber alles gutes jchwehrlich hergehet, aljo hat es auch biß dato mit jol-
cher zu einem beftändigen guten end nicht mögen gebracht werden.” In
verwichener Oſtermeſſe jeien nun die Buchhändfer ſelbſt in Frankfurt
zujammengetreten und hätten eifrig unterjucht, woher doch ſolche Unord—
nung entjtanden und wie ihr abzuhelfen wäre. Da hätten fie denn gleich
im Anfang gefunden, daß jolche daher entiprojfen, weil im dieſen ihren
Buchhandel unterjchienliche Yeute, als etliche Buchdrucker, Kupferjtecher,
Kunftführer, Buchbinder ind andere, ja gar fremde Handwerksgeſellen aufer
allen diefen Profejfionen, fich einmijchten und Buchhandel trieben. Weil
jie dieſen aber nicht erlernt hätten, jondern zum Teil bei ihrer Profeifion
verdorben wären, hätten jie allerlei fleine von einem und andern er-
baltene und „zuſammengeraffelte“ Skarteken drucken lajfen, ja manchmal
038 Die Eingabe des Anwalts Sim, Lorenz Lentner von 1668. Zehntes
aus den „Föjtlichen‘ Werfen den beiten Kern herausgezogen und dadurch
die fatferlichen Privilegien expracticiert und jolches Alles noch zu hohem
Preije äftimiert. Wenn nun ein andrer ehrlicher Buchhändfer die Nach—
frage nach einer jolchen Skarteke befriedigen jolle, jo ſei er gezwungen,
ſolchen Yenten jeine Bücher nach altem Preife gegen deren nun ge
jteigerte Preife zu geben oder neue Tractate druden zu laffen und eben:
falls jo hoch anzujegen. Daher fomme es, daß gar wiele von den alten
und wertvollen Büchern nicht mehr abzujegen ſeien. So hätten auch
die Buchoruder, Kupferftecher und Kunſtführer im Gebrauch, ſehr viel
Jungen zu haften, welche, nachdem jie zwei, drei oder höchſtens vier
Jahre bei ihnen geweſen, alsbald anfingen, jelbjt Prinzipale zu werden
und mit eben jolcher Sudelei zu handeln, wie diejenigen, von denen fie
jolches erlernt, da doch den Buchhandel vom Fundament aus richtig zu
erlernen wohl fieben, acht, ja neun Jahre nötig. Überdies jei es auch
jonnenflar, daß „die meiſt ohnerfahrene Buchhändler aller orten berumb
vagiren vnd neben deme, jo etwa tauglich, das Yand mit Scartequen,
pasquillen vnd dergleichen hochſchädlichen jacden anfüllen, welches Sie,
als ohnerfahrene theils nicht zu unterjcheiden wiffen, und da Sie es Ja
wüſten, ohne chr und respect gleich wohl führen“ Dadurch jehnitten
fie den alten Handlungen das tägliche Brod ab, welches in VBerjebung
der neuen Sachen beftehe, jo daß nun auch dieje jich nicht mehr mit teu—
rem ausländijchen Verlage verjehen fünnten; denn diejer bliebe zu Zeiten
viele Jahre liegen. Weil außerdem bisher unterſchiedliche Buchdrucker
zwar große Werfe zu druden unternommen, aber das Kapital Dazır nicht
gehabt — „jolche nicht zu verlegen vermocht“ —, jo hätten fie das Geld
bei andern auf unchriſtlichen Wucher aufnehmen müſſen, wodurch eben
falls die Bücher vertenert wirden. Es jei jogar den Juden nachgejeben
worden, fich auf diefe Weife in den Buchhandel zu mifchen, indem fie
den Drudern Geld vorgeſtreckt und, weil diefe dann die Zahlung nicht
innehalten konnten, die Bücher an fich genommen und jo verkauft hätten,
dag nicht allein die Schuloner zu Grumde gingen, jondern auch andere
Buchhändler Schaden litten. Daneben hätte auch „theils dieſer Leute“
den Gebrauch, jchlechtes Papier und jchlechte Typen zu nehmen; daber
rührten vornämlich die Klagen über einige ausländische Buchhändler, die
ihre Bücher etwas teurer verkauften, weil fie auf gute Austattung
jüben und ihre fojtbaren Bücher nicht gegen „verjtümpelte und unſau
Kapitel.) Entwurf einer „Neuen Ordnung fir Buchhändler x.” 689
bere“ Werke vertanjchen könnten. Gin weiterer Schade jet endlich der
Nachdruck. Mean bitte nun den Kaiſer, „dero Bätterliche jorgfalt fir
das gemeine Wejen auch hierinn zu bezeugen, vnd jolche Verordnung zu
tbun, damit der täglich ie mehr und mehr zerfallende Bücerhandel
restauriret vnd widerumb in vorigen flohr gebracht werde“. Die Buch—
händler wären es auch zufrieden, wenn Verordnung erlaſſen würde, daß
durch verjtändige Buchhändler eine rechte und billige Taxe gemacht
würde, Nur wäre aller Berzug zu vermeiden.
Beſtimmt formulierte Borjchläge find mit diefer Supplik wohl nicht
verbunden gewejen; man darf aber jicher annehmen, daß ein bei ven
franffurter Akten befindliches Schriftjtück, welches die Überjchrift führt:
„Reue Ordnung und Artikel für Buchhändler, Buchdrucker
und Buchbinder, welche vom Reichstag zu Negensburg betätigt wer—
ven ſollen“, darin jeinen Urſprung zu juchen hat, vielleicht auf Veran—
lajfung des Neichshofrats aufgefeßt worden tft. Dieſes Aftenftüd, auf
deſſen Adreßſeite der Natsjchreiber bemerkt hat: „Dem anjehen nach ift
diejes eine ohnmangeblich vorgejchriebene Ordnung, jo die Commissionen
außwurcken vffgeſetzt. Lect. in Sen.: ven 8. Aprilis 1669%, (autet
folgendermaßen,
„Budhtruder Kein Buchtrucker foll einiges Buch, weldes Er für
ſich trucket und verleget, verftechen, ſondern felbige eingig oder Pallenweife,
jedoch in billigem Preiß, an Buchhändler, gegen Gelt, alß gut er fann
und mag verfauffen,
Deßgleichen follen Sie die Zahl der Aufflage, jo Buchhandler bey ihnen
truden laſſen, völlig lieffern, alle übrige Exemplarien, jo auf den Zufchuß
Büchern Können oder mögen ergänzet werden, nebenft den defecten gegen
einer Discretion gleichermaßen dem Verleger einzuhändigen ſchuldig ſeyn
und aljo Kein einig Exemplar, weder fir fi), noch gefellen zurück behalten.
Buchbinder. Die Buhbinder folen ebenmäßig feine Bücher verlegen,
oder truden laſſen, jondern bey ihrem Band bleiben, welche aber nebenft
ihrem Handwerd eine Krähmerey haben, und mit Kleinen Büchlein, al
Evangelien, Catechismus, Bet- und Geſangbüchlein handeln, die jollen ſchuldig
feyn, die rohen Materien von den Buchhändlern vnd Buchtrudern zu Fauffen
und jelber zu binden.
Kunſthändler und Formſchneider. Den Kunfthändlern und Form—
Ihneidern mag wohl erlaubet werden, daß fie ſolche Bücher, welche Kunſtſachen
oder nothwendige Kupffer, oder Holgsfiguren erfordern, verlegen vnd truden
laſſen, jedod) daß fie folche nach) Buchhändler Ordnung taxiren vnd verfauffen,
app. I. 44
HN Entwurf einer „Neuen Ordnung für Buchhändfer ꝛc.“ Zehnles
Kupfferſtecher. So viel die Kupfferſtecher betrifft, ſollen ſie bey ihrer
Kupffer-Truckerey nicht anderſt, alß mit eintzelen Kupfferſtücken, oder gantzen
Bilder- und figur Büchern handeln, Getruckte Bücher aber zu verlegen und
damit zu handeln, ihnen allerdings verwehret fein.
Gelährte Geift- und Weltlihe. Was Gelehrte, jo wohl Geiſt—
alß weltliche betrifft, und Biicher auff ihre Uncoften, (mehrern Gewins und
eigenen Nutens halben, al8 dem gemeinen Wejen damit zu dienen) ver-
legen und trucken laffen, jollen nicht mehr, wie bifhero, wenig oder viel,
felbften oder auch durd; andere beym Handel außgeſchloſſene Perjonen, ihre
Bücher verfauffen, oder verkauften laſſen; doc) foll ihmen nicht gewehret oder
verbotten fein Ihre eigene Schrifften und Werde, auff ihren Uncoften truden
zu laffen, wofern Sie diefelbige Bücher eintel oder Pallenweiß in bilfigem
Preiß wicderumb an Buchhändler verfauffen wollen.
Buhhandlungsverderber. Alle die übrige, jo weder vom Buch—
handel, Buchtruckern oder Buchbindern herkommen, auch feine Kunſthändler,
Kupfferftecher, oder Formenſchneyder, jondern von andern Handwerckern ſich
abthun, und mit Büchern zu handeln fc, unterftehen, follen gäntzlich cassiret
werden.
?ehr Yungen, Diener, und Budhhändlers Söhne Was die
Lehr ungen betreffen thut, jo jollen felbige, weldye nicht fünff biß feche
Fahr, nad) der annehmenden Knaben auff ſich habendem alter, jedoch nicht
unter fünff Jahren, bey einem vechten Buchhändler, alß ein Yung feine Zeit
und Lehr-Jahr aufgeftanden, und nachgehend, zum wenigften 2 Jahr alß
ein Diener gedienet, denen jolle nicht zugelaffen werden den Buch-Handel
zuführen;
Was aber Buchhändlers Söhne find, follen nicht verbunden fein, noth—
wendig bey andern die Handlung zu lernen, gleich wohl aber nicht ehe eine
Handlung anfangen, fie hetten dann 2 Fahr bey einem frembden Buchhändler
ſich auffgehalten, er feye gleich ein Yehrjung oder Diener geweſen. Jedoch
jollen alle Buchtruder, Buchbinder und Kunfthändler, die bißhero neben ihrer
Kunft und Handwerd ein Sortiment von Büchern haben, verbunden fein,
ihre Bücher (sie!), jo zur Zeit der erlangten Ordnung und Articul für
feine Handlungs Diener fünnen passirt werden, bey einem rechten Bud):
händler zum wenigften für einen Lehr Yungen in Dienften zu thun, wofern
derjelbe mit der Zeit einen Buchhandel zu führen und fortzufeßen gefinnet,
auch nad) verflofienen Yehr Jahren ebenmäßig zwey Jahr gleich, denen Bud)
händlers Söhnen in der frembde bey rechten Buchhändlern fich auffgehalten
hette;
Erbſchafft und Heurath. Dafern auch ein gelehrter, oder ſonſt
einige Perfohn durch Heurath oder Erbichafft, zu dem Buchhandel gelangte,
joll derjelbe nicht befugt fein, feine Handlung zu führen, Sondern wofern er
Kapitel.) Entwurf einer „Neuen Ordnung für Buchhändler ꝛc.“ 691
ſich ſolches unterftehen wolte, joll er verbunden fein, einen Buchhaudlers
Diener, alß einen Handelß provisorem in feiner Handlung zu halten, da-
mit joldye nicht in abgang fomme, jondern nad) denen gemachten Artieuln
erhalten und geführet werde.
Juden. Weilen die Juden ohne ſchew mit Büchern, jo wohl Geijt-
alß weltlichen, nicht ohne der Chriften höchiten Despect, handeln, aud) nad)
abgang eines und deß andern Buchs daſſelbe wieder (doch unter frembden
Rahmen) aufflegen lafjen, und die nötigfte Vncoften, welche die Buchhändler
anwenden müßen, erfpahren, und ſehr viel verfälichte Editiones herfür bringen,
alio da dem gemeinen Weſen durch ſolche übel getrudte Bücher leicht eine
Verwirrung veruhrſacht wird, und aljo ein vnwiederbringlicher Schaden ent-
ftehet, der Buchhandel aucd am ſich felbften in großen Despeet geſetzet wird,
alß joll ihnen durch auf, ferner mit Büchern zu handeln nicht vergünftigt,
jondern bey willführlicher Strafe hiemit außtrücklich benommen und ver-
botten fein.
Nahtruder. Damit aber auch fein Buchführer künfftiger Zeit dem
andern mit dem jchändlichen Nachtrucken fernern Schaden zufiigen möge,
joll feiner fein getrudtes Buch aufs newe verlegen, oder truden laſſen, Er
habe fi) dann zuvor mit den Jenigen Erben verglichen, fo das Bud) vor:
hin verlegt gehabt, und deßwegen auff begebenden fall glaubwürdig zu be=
iheinen jchuldig fein jolle, dag Ihme von den rechten Eygenthumbs Herren
joldyes zu verlegen, jeye cedirt worden.
Damit nun manniglichen jo mit Büchern handeln oder damit umbgehen,
Kund möge gethan werden, daß fie fid) vor Schaden fürzufehen, und vnge-
(egenheit zu hüten haben, find vorige Ordnungen und Artieul auff bevor:
jtehendem Reichstag zu Negenipurg angenommen, jelbige fteet und feft zu
halten bewilliget und contirmiret worden.‘
Ein in derſelben Ratsſitzung vorgetragenes anderweites ergänzendes
Aktenſtück lautet:
„Wann vnter denen Buchhändlern, Buchbindern, Buchtruckern vnd
obrigen Bücher verfauffern eine ordnung gemacht fein wird, die ordnungen
feft vnd fteet bey anjegung einer nahmhafften ftraf vnd vermeidung Kaifer-
licher Ongnade zu halten, fo wird es ſich auch gar leicht jchiden, daß mann
die Bücher inn billigen Preiß wird ftellen fünnen, zumahlen, wann die
Auctores vermerden, daß man ein ander, wegen wider aufflegung der Zweiten
dritten vnd mehrer Edition des abgangenen Buchs nicht verfteigern dörffe,
dann durch ſolche verfteigerung die Bücher vnmüglich wohlfail fünnen geftellet
oder verfaufft werden, fonderlich, da man Bogenweiß vielen Auctoribus die
Arbeit allzu Hoch und vnerträglich bezahlen muß.
Wodurd es dahin gekommen, daß theils vngeſchickte und eigenmüzige
44*
502 Entwurf einer „Neuen Ordnung für Buchhändler ꝛc.“ Zehnles
Perſonen, durch allerhand wiederlich zuſammengeflickte Chartequen, Paß—
quillen vnd Schmähe ſchrifften ihr Lebens auffenthalt ſuchen, dardurch die
vnbillige vnd gleichſamb vnChriſtliche hohe taxen ihren vrſprung erlanget,
welche nicht wider kann abgeſchafft werden, man richte ſich dann nad) vff-
gerichteten Ordnungen oder articula.
Da auch Ihro Kaiferl. Maytt. die allerhöchſte Kaiſ. Gnad vnß erzeigen,
vnd die Privilegia, fo von dero Vorfahren am Reich inn vorigen Zeiten
dem Buchhandel zum beften feind mitgetheilet worden, daß nemlich die Bücher
allerfeits im ganzen Heyl. Röm. Reich zollfrey Hin vnd her find passiret
worden, allergnädigft zu widerhohlen geruhen wolten, dardurd) würde der
löbl. Buchhandel mit der hülff Gottes wider inn flor vnd auffnehmen
fommen.
Wie aber insgemein bey allem guten vornehmen auch das böje vnd
arge ſich pfleget zu erzeigen, fo ift, laider zu beforgen, daß Sich etliche
nicht wirden bequemen, einen billigen Preiß zu machen, ſonderlich die ienigen,
jo da gewohnet find, täglich ihre Bücher zu erfteigern, defwegen bittet mann
allerfeits allergndgft zu zulaſſen, daß etliche Buchhändler von vnterſchied—
lichen orten, erlaubuns haben mögten, iede Frand furter und VYeipziger Meffen,
alle Bücher, jo fünfftiger Zeit allhier inn Srandfurt vnd Yeipzig möchten
verhandelt werden, vnd bey etlichen Jahren hero, von vnterſchiedlichen Jon:
derlid new angefangenen Bicher-verfauffern gar zu hoch taxiret worden
nad) befindlichen Zuftand, vnd angewendten nöthigen koſten, ein iedes Bud)
im einen gewiflen preiß vnpartheyiſch zu ftellen, auff daß foldye Bücher
an männiglichen vmb einen billigen Preiß könnten verkauffet werden.
Da auch iemand den Preiß welder ihnen von vorbemelten vnparthehi-
ſchen Buchhändlern gegeben worden, nicht annehmen wolte, daß jelbige De-
putirte die wiederjpänftige der Obrigkeit ſchrifftlich zu vberlieffern ſchuldig
jein jollen, welche verhoffentlich durdy) Ihre autorität denenjelben bey ftraf
verbieten wird, feine exemplar hoher zu verhandeln, als der Preik von
denen H. deputirten vupartheyifch gemacht worden.“
Aus einem Protofoll des Reihshofrats vom 8. Januar 1669 gebt
hervor, daß dieſe Eingabe durch Alexander Harttung Teilhaber ver
wiener Buchhandlung Johann Blaeu und Alexander Harttung, veran
laßt worden, oder — wie man aus den ſpätern Äußerungen der Buch—
händler in Frankfurt zu ſchließen berechtigt iſt — je ziemlich von ibm
allein ausgegangen war. Nach der im Berlaufe der Verhandlungen
hervortretenden intriguanten Haltung Harttungs, von welcher noch die
Rede ſein wird, möchte man ſogar faſt annehmen, daß er nur vorge—
ſchoben worden ſei; ob durch die Wiener Hofpartei, oder vielleicht durch
Kapitel.) Neue außerordentliche Kommiſſion. Schritte der Buchhändler. 693
die Eudter in Nürnberg, die etwa im ihrem eigenen Intereſſe die
Sache angeregt baben könnten und eine eigentümliche Rolle jpielen, ift
nicht zu entjcheiven. Sicher ift daß der „Blamvijcher Gemeiner‘, über
den die Frankfurter Buchhändler 1671 ſich beflagen, daß er „faſt die
größte Virgelegenheit des Buchhandels halben am Kayſ. Hoffe zu wegen
gebracht” ®, fein anderer ift, als eben dieſer Alerander Harttung; und
anffälliger Weife war er gerade ein geborener Holländer.
Bon Wien aus wurde denn auch mit jehr freundlicher Bereitwillig-
feit eine außerordentliche Kommiſſion, bejtehend aus dem Reichshofrat
Niklas GChriftopb von Hünefeld und dem fatjerfichen Generalfisfal
Philips Ludwig Arbogaft, eingejeßt; fie hatte ven Auftrag, in der näch—
ſten Oſtermeſſe die Buchhändler vorzuforvern und von ihnen gründliche
Information über diefen ihren Vorſchlag einzuziehen,
Jedenfalls war die Kunde von dem, was bevorjtand, bereits in die
beteiligten Sreife geprungen. Schon vor Beginn der Verhandlungen
famen die Bedrohten bei dem franffurter Rate um Beijtand ein. So
die Buchoruder in einer Eingabe vom 8. April 1669, unterzeichnet won
Daniel Fievet jun, Johann Georg Spirlin, Johann Georg Walther,
Johann Görlin, Pieronymus Polih, Paulus Humm, Henrich Frieß,
Johann Gottfried Kempffer, dem gräflich Hanauiſchen Buchoruder Jakob
Yaiche, Johannes Kuchenbecker, Blafius Ilßner, dem furf. mainziſchen
Buchdrucker Chriſtoph Küchler und Markus Gloß von Würzburg. Schon
ver einem Jahre, ſagen fie, ſeien verjchiedene ausländiſche und einhei—
mische Buchhändler privatim zuſammengetreten, um der ihrer Meinung
nach in Frankfurt eingeriffenen Unoronung im Druden und Berlegen zu
ſteuern, und bei dem Rate darum eingefommen, daß den Buchdrudern nicht
verjtattet jein follte, Bücher zu verlegen. Sie, die Buchdrucker, hätten
den damals biergegen proteftiert. Jetzt wären aber die Buchhändler
von dem Pate abgejprungen und hätten fich direkt an den Kaiſer ge
wendet, Der Rat möge nun für die Buchdrucker eintreten, damit die
erichlichene Kommiſſion nicht zu ihrem Schaden und ohne fie zu hören vor:
gebe. Kine andere Eingabe machten Dan. Fievet und Ich. Bapt. Mader
im Namen der ausländischen Buchführer, Buchdrucker und Buchbinder.
Ihnen folgten am 13. April mit einem kurzen Schriftjtüd die bol-
ländiſchen Buchhändler Joachim Nojche von Amfterdam, Johann Friedrich
Haagen von Arnheim, Andreas Fries von Amfterdam, Peter Dad von
694 Eingabe der Holländer, Verhandlungen vor der Kommiſſion. Zehntes
Leiden, Cornelis Dad von Leiden, Hendrik van Aden von Amſterdam,
Arnold Yeers der Jüngere von Rotterdam, Hendrick und Dirk ı Theodor)
Boom von Amfterdam, Reinier Smetius von Nymwegen, Johann Jan—
Bon van Wuesberge, Johannes van Someren und Daniel Eljevier
von Amfterdam, Daniel und Abrahanı var Gaasbeek von Yeiden und
Peter Eljevier von Utrecht. Sie geben an, gehört zu haben, daß von
etlichen Buchhändlern bei dem Kaiſer eine Kommiſſion, den Buchhandel
betreffenp, ausgewirft worden jei. Da fie nun von allen diefen Sachen
feine vollkommene Wilfenjchaft hätten, ihnen auch mit jolchen Weitläufig-
fetten keineswegs gedient jet, je bäten fie, fie bei ven berfömmlicen
Mefprivilegien und Freiheiten zu ſchützen.
Nun trat auch die Kommiffion in Thätigkeit. Am 14. April batte
der Fiskal Arbogaft ven Buchhändler Johann Baptiſt Schömwetter auf-
gefordert, andern Tags früh 8 Uhr im Weiten Roß auf ver Galgen—
gaffe mit den übrigen in- und ausländiſchen Buchhändlern zu erjcheinen.
Am andern Tage erichtenen auch im Namen ver Frankfurter und frem
den Buchführer Johann Friderici und ver genannte Schömwetter als
dazu jpeziell Bevollmiüchtigte vor der Kommiſſion, als Bevollmächtigte
der holländischen Buchhändler aber Noſche und Frieß, beide Parteien
mit ihren Beiſtänden; die Antragiteller jelbft blieben aus. Hünefeld
machte nun den Grichienenen die befvemdliche Mitteilung: fie würven
wohl wiſſen, daß jüntliche nach Frankfurt und Yeipzig handelnde
Buchführer den Kaiſer um Abſtellung der Unordnungen im Buchhandel
gebeten hätten. Da nun aber dem Vernehmen nach einige Buchhänd—
ler abgefallen wären, möchten ſie, die Anweſenden, dazu helfen, daß
die Abſicht des Kaiſers erreicht werde.
Sowohl die deutſchen als auch die holländiſchen Buchhändler ſprachen
ſich natürlich ſehr reſerviert aus; ſie ließen ſich durch ihre Beiſtäude
dahin vernehmen: ſie hätten zwar „äußerlich zum Theil vernommen,
war eine- und andere Buchhändler ver Röm. Kayſ. Maytt. vorgetragen,
vnd Wie darauff eine Nabjerl. Commiſſion erfand worden jene, hätten
aber der Sachen feine gründliche Nachricht, inmittelſt käme Ahnen be
fremplich vor, daß Sie jolches alles im Nahmen der gejampten Buc-
händler gethan hätten, da doch Ihrer Viel in jolches Ihrer Meinung
nach unpracticirliche Borbaben niemals conjentirt, noch weniger mit ihnen
verbunden, jondern vielmehr die Unmöglichkeit und wiel daraus entjpringen
Kapitel. Schritte der Buchhändler bei dem franffurter Rat. 695
des Unheil remonjtrirt hätten“ Sie baten aljo nur um Abjchrift der
Zupplif und der Gravamina, mit der Juficherung, das aus Diefen Be-
jtrebungen ficher entjtehende Unheil klar demonftrieren zu wollen. Nach-
dem bierauf noch ein von ven piljentierenden Buchführern eingeveichtes
Memoriale verlefen worden war, wurde die Konferenz ohne Berlejung
der „Commiſſion“, und ohne dar etwas protofolliert worden wäre, ge
ichloffen. Nachmittags beſchickte dann der Fiskal Schönwetter, ftellte ihm
die Gravamina zur Abjehrift zu, verweigerte aber Mitteilung ver übrigen
Schriftjtücde und fügte hinzu, man jollte beiderjeits zujammentreten, ſich
vergleichen, und das, worüber man fich nicht vergleichen könnte, der
Kommifjion vortragen. Da aber jchon Viele abreijten, erinnerte Hüne—
feld nochmals an die verlangte Zuſammenkunft; man jolle wenigjtens
andere Expedientia vorjchlagen, „dann die Röm, Kayſerl. Maytt. wolten
einmablen haben, daß ſolchem Bbel in dem Buchhandel gejteuert würde;
worzu durch vnnötiges disputiren nicht, jondern durch heiljame Beraht-
ichlagung zugelangen jeye“.
Die Zwijchenzeit bis zur nächſten Meſſe wurde von den jelbjtver-
ſtändlich im höchſten Grade erregten Gegnern der geplanten Mapregeln
— und fie bildeten die weitaus überwiegende Mehrzahl unter ven Buch—
hänplern — zu Verſuchen bemußt, die Unterſtützung und Vertretung des
franffurter Rats zu gewinnen. Im Juni gingen bei letzterm zwei Protejte
ein, der eine jeitens jieben frankfurter, der zweite jeitens der geſamten
nach Aranffurt handelnden niederländiſchen Buchhändler. Dieſe bitten
durch ihre Bevollmächtigten Lie. jur. Johann Chriftopb Uffenbach und
Johann Martin Porß um Intercejjion bei dem Kaiſer, damit alles im
vorigen Stande und bei den Menfreiheiten gelaffen werde, jie auch un—
beunruhigt bleiben möchten, um jo zu werhüten, daR fie, die bisher die
Meſſen in großer Menge gebaut und ven Yiebhabern ver Studien, wie dem
gemeinen Nuten gedient, fünftig, wenn dergleichen Unerträgliches ihnen
aufgedrungen werben jollte, von ihrer Löblichen und minniglich profitabeln
Intention nicht abzuftehen und die Handlung in die franffurter Meſſe
einzustellen ſich gemüßigt jehen müßten.
In zwei Beilagen bejprechen fie dann die wiener Denkſchrift von
ihrem Stanppunfte aus, d. h. mit Übergehung derjenigen Punkte, welche
ausschließlich den deutſchen Buchhandel betreffen. In erjter Linie jteht
der Proteft gegen die Bebnuptung, daß die LeutnerHarttungſche Ein:
6965 Borftellungen der Holländer bei dem Kate. Zehntes
gabe von den meiſten Buchhändlern unterſchrieben worden ſei. Ein am
14. April den Kommiſſaren übergebenes Memorial habe nur die Namen
von Wild in Roſtock, Kinckius in Köln, Endters Erben in Nürnberg,
Götz in Frankfurt, Fuhrmann in Yeipzig, Treſcher in Breslau, Ders
dorf in Frankfurt, Mevius' Erben und Schuhmacher in Wittenberg une
Dolbopf in Strafburg getragen, während doch aus Frankreich, aus Eng:
land, aus Genf, aus Brabant und den Bereinigten Niederlanden, jewie
aus andern dem Römiſchen Reich zugehörigen und angrenzenden Pro:
vinzen allezeit eine anfjebnliche Zahl von Buchhändlern zur Meſſe an
wejend geweſen wäre. Damm wendet fi die Schrift zumächit gegen
die angeregte Taxe. Unter anderm wird ausgeführt: wenn ein bollän:
diſcher Buchhändler ein bei ibm beitelltes Buch durch einen italtentichen
Buchhändler aus Italien, wie gebräuchlih auf Maultieren, nach Holland
kommen laffe, um es dann auf die Frankfurter Meſſe zu bringen, und es
jolle ibm dann ein gewiſſer Tax geſetzt werden, jo würde er Durch jchrift-
liche und glaubbafte Urkunden darthun müffen, was ibm das ud
eigentlich im Italien gekoftet hätte, was für Speſen darauf gegangen,
um es nach Dolland und von da auf die frankfurter Meſſe zu bringen;
dann erſt könnte durch verftändige Yeute eine Schätzung erfolgen. Wenn
aber die Antragiteller vermeinten, die Ausländer durch die Tare zu
zwingen, ihre Bücher Bogen um Bogen mit ihnen zu verftechen, je wäre
dus ein umbilliges Verlangen. Ein Holländer nebme nur pures Schreib.
papier und wende große Koften auf ven nitorem, damit ein Buch ſchön
jauber und forreft gedruckt werte; was aber größere Arbeit und Koſten
verurjache, müſſe auch böber bezahlt werden. Außerdem fojte der Trans-
port eines Ballens Bücher von Holland nad Frankfurt 20 bis 50
Thaler, abgejehen von ver Zehrung für Prinzipal und Perjonal, wo-
gegen andere feine jo hohe Koſten aufzuwenden hätten.
Wenn aber den Buchdrudern, Buchbindern u. ſ. w. der Buchhandel gar
verboten werden jollte, jo würde auch dies zur Verteuerung der Bücher
rühren und, gleich den andern Punkten, nur für wenige ein ſchädliches
Monopol ſchaffen. Die wenigen dann eriftierenden Buchhändler könnten
z. B. zuſammentreten und ſich verabreden, einem Ausländer jeine guten
Bücher nur zu einem gewiffen Preife abzunebmen, widrigenfalls er fie
gar nicht abjegen würde. Man finde auf Neijen oft zebn Städtlein
nach einander, wo fein Buchhändler jei, jondern nur Bucheruder over
Kapitel.) Rroteit der deutichen diffentierenden Buchhändler. 497
Buchbinder, die dann erit mit großen Kojten die Bücher durch die dritte
oder vierte Hand mühten kommen laſſen. Was dann die Steigerung
gegen die alte Tare (d. h. gegen die früher übliche Preisberechnung
betreffe, jo beviene man ſich ja unter den Buchhändlern jchen der Ge—
gentaren. Dadurch wirden gerade die Preife verringert, in Anbetracht,
daß Dam, wie die Erfahrung lehre, der Rabatt oder Abzug deſto größer
und höher gemacht werde. „Und lehret der heut zu tag vbliche gebrauch,
daß man auf jolche weiß zwar alle von newem aufgelegte Bücher taxirt,
hingegen aber eine gleichheit wegen erjteigerung des rabats in acht
nimmet, daß alje, wofern der Tax fteiget, auch ver rabat erhöhet wird.‘
Über ven Vorſchlag, durch verftändige Leute die Bücher tarieren zu laffen,
heißt es jchließlich: „Das würden feine Taxatores fein, die Bücher
ihrer mitgenoffen würden Sie wohl zu ihrem Bortheil taxiren, allein
wer Sie ihnen widerumb, wann Site joldhe andern verfauffen wollen,
taxiren jolle, davon jehweigen fie ganz jtille.“
Gleichzeitig ging der Nommiffion ein Proteft dev andern bifjentieren-
den Buchhändler zu, unterzeichnet von Johann Friderict (Sriederich) und
Johanu Baptift Schönwetter als Bevollmächtigten. Es heißt darin: es
jet nicht möglich, vie aus allen Ländern nach Frankfurt handelnden
Buchhändler unter einen Hut zu bringen. Viele würden genötigt wer:
den, die Meſſen zu guittieren, die Ausgejchloifenen aber ihres Stücklein
Protes, jo fie etwa daſelbſt gewinnen könnten, zum Abbruch ihrer
Nahrung und der ihrer Kinder entbehren, während doch Quachkſalber,
Komödianten, Gaukler, überhaupt Jedermann daſelbſt frei hantieren und
etwas gewinnen möge, Überhaupt gereichten die Vorſchläge nicht zum
gemeinen Bejten, vielmehr feuchte das Streben nach Monopol und nac
Förderung von Privatintereffen durch Unterprüdung vieler überall hervor.
Wenn die Beſtimmungen, die Buchdruder betreffend, zur Geltung
kämen, dann würden diefe den Handel gar bald quittieren müffen; denn
wenn jie ein verlegtes Buch nicht verjtechen, ſondern blos um Geld ver-
faufen dürften, die wenigſten Bücher aber befanntlich um Geld verkauft,
ſondern eben meiftens verjtochen würden, jo müßten ihnen notwendig
ihre Bücher liegen bleiben, "oder fie wären gezwungen, fie mit Schaden
wegzugeben, zumal wenn fie nur an Buchhändler verkaufen bürften,
welche gewiß wenig genug dafür zahlen würden. Nach Unteroridung
der Buchdrucker wirden aber wegen Verminderung der Zahl der Ver—
BAUS Proteſt der deutichen diifentierenden Buchhändler. Zehntes
käufer die Bücher im Preiſe ſteigen, während die Buchdrucker, nur noch
auf den Druck angewieſen, der Gnade der Buchhändler anheim fielen.
Die Buchbinder betreffend, bleibe es ſich doch gleich, ob ein Privater
das Buch faufe und einbinven laſſe, ever ob ein Buchbinver das von
ihm jelbjt gekaufte Buch gebunden verkaufe. Und warum jollten fie z. B.
nicht aus Bibliotheken oder jonit von Yenten, die ihrer Bücher müre
wären, kaufen, beſonders da binterlaffene (alte; Bücher eher bei ven Buch—
bindern geſucht würden. Dazu fomme, var dann an vielen Orten aroker
Mangel an Büchern entjtehen würde, wie in Weftfalen und anderswo,
wo wegen geringen Verdienſtes feine Buchhändler fich halten fünnten, we
vielmehr die Buchbinder die nötigen Bücher von fremden Orten beiten
und fich damit neben ihrem Handwerk nährten. Anvernfalls müßten
jich Die Yente in jolchen Gegenden mit lauter Evangelien, Kutechismen,
Bet: und Geſangbüchlein behelfen, oder die Bücher durch dritte Perjenen
mit großen Koſten von weiter ber verjchreiben oder ſelbſt holen.
Wenn dann ferner die Gelehrten ihre auf eigene Noten gedrudten
Bücher nur an Buchhändler zu billigem Preiſe verkaufen dürften, ie
müßten fie freilich dafür nehmen, was diefe ihnen gäben, oder ihre Sachen
würden ihnen liegen bleiben. Infolge deſſen vürften die herrliciten
Werke dem Baterlande zum Schaden ausbleiben und dafür Lauter Star
teten geichrieben werven, wozu ſich freilich, weil man fie meiftenteils aus
jchriebe (aus andern zujunmenitelle), wiele Autoren gegen eine geringe
Ergößlichteit finden würden.
Zollten aber alle Händler, die werer von Buchhandel noch von Bud:
druckerei herfämen, auch weder Nunfthändter noch Kupferſtecher wären,
jondern von andern Handwerkern ſich abjeßten, ſich des Buchbanvels
begeben und gänzlich cajfiert werben, jo wäre es doch gegen die Freiheit
der Handlung und wiver Die Natur und Gottes Willen, einem Menicen
Das verbieten zu wollen, wozu ihn doch jein Schöpfer durch Berleibung
von Gaben und Verſtand berufen babe. Kin ſolcher Menjch könne mit
Zuziehung gelebrter Leute eben jo gut, wie eim alter Buchhändler, ei
gutes Buch verlegen.
Die Pehrjungen und Diener betreffend, jo jet die vorgejchlagene Maß—
regel wohl für Handwerker gut, paſſe aber nicht für die Handlung.
Wenn ein Buch dem Inhalte nach gut und im Drude tadellos je,
fümmtere es das Publikum nicht, wie der Verleger ſolches jamt der Ma
Kapitel.| Proteſt der Deutichen diſſentierenden Buchhändter. 699
terie einhaudle, mit Vorteil drucken laſſe und verdinge und hernach mit
Nutzen in der Geſchwindigkeit an ſeine Korreſpondenten verſchicke, ver—
ſteche, verkaufe und verhandle. Nun babe jeder, dev guten natürlichen
Verſtand und die Mittel beſitze, die Capacität, ein gutes Buch zu ver—
legen, und es bedürfe dazu feiner Yehrjahre oder des Dienens. Gar man—
ber würde ſich dann abſchrecken laffen, ſich, beſonders in jpätern Jahren,
in die Lehre zu begeben, „zumal da mancher verſtändige Menſch öfter
bei einem dergleichen zum Meiſter geſchlagenen Herrn dienen muß, der
etwan ſeine Lehrzeit mit Collationiren, Inventiren, Einpacken, Ordiniren,
vadenkehren und wenn's hoch kommt in die Bücher eintragen, ſeine Lehr—
jahre passirt, hingegen in den Arcanis lucrandi, die man gemeiniglich
aus dem Handel jelbjten mit Schaden lernen muß, wenig erfahren hat“.
Die Beitimmung wegen der Buchhändlersjöhne anlangend, lehre die
tägliche Erfahrung, daß Kinder bei ihren Eltern am wenigiten lernten
und verftändige Kaufleute viejelben nach Belieben anderswohin jchieften.
Den Juden aber eine neue Ordnung zu machen, jet nicht nötig, weil
ihnen ver Buchhandel ohnehin verboten jei. (Über die Stichhaltigteit
diefer Behauptung vergl. Anmerkung 8. Cs wäre beſſer geweſen, den—
ſelben nicht durch Aufnahme wucheriſcher Gelder die Bücher in die Hände
zu ſtecken, die ſie dann heimlich nachdrucken ließen, und zwar beſonders
in Fraukfurt.
Ausführlich läßt ſich die Schrift über die „Zfartefen‘ — in ver
Bedeutung von Broſchüren oder Ktleinliteratur im Gegenſatz zu großen,
ſchweren Büchern — aus. Der Druck jolcher bedeute feine Berverbung
des Buchhandels, noch weniger Des gemeinen Weſens. Es gebe gute
und müßliche Skarteten, wie auch große Bücher, die gut oder jchlecht
jeien. Wie man nun um der jehlechten großen Bücher willen den Ber
lag ver guten wicht unterlafjfen werde, jo könne man auch um der ge-
ringen Startefen willen die guten nicht ausmuftern. Gerade durch jolche
Nompendien werde das Studium jeher beförpdert und viel Zeit erjpart,
die jonjt zur Durchlejung großer Bücher gebraucht würde. Der VBerfauf
ver großen Bücher werde durch die Sfartefen befördert, weil durch
jelche Kompendien vdiejelben befaunter und dadurch ihrer Site wegen
verfäuflicher würden. Der hohe Preis ver Sfartefen treffe auch für
große Bücher zu. Die alten Buchführer brauchten von ihrer alten Tare
nicht abzugeben, jondern wenn die Verkäufer von Skarteken ihre Preije
700 Interceſſion des franffurter Rates in Wien. Zehntes
allzu hoch ſpannten, müßten ſie mit ihnen auch ſteigern. Daß gute
große Bücher ſchlecht abgingen, läge an der Geldklemme; die Gelehrten
könnten nicht viel teuere Bücher kaufen, viele verſähen ſich auch mit
Büchern aus alten Bibliotheken, welche man öfters nach der Gelehrten
Tode von den mit Kindern und Büchern beladenen Witwen um ein
Geringes haben könne. Auch das ſei nicht ſtichhaltig, daß die großen
Opera liegen blieben, weil die Skarteken vagierend bin und wieder ae
tragen würden. Warum follte denn der Fleine Mann nicht ebenjo gut
etwas verdienen dürfen, wie der Groſſiſt?
Gegen Einführung einer Tare werden dann die gewöhnlichen Gründe
aufgeführt: ungleiche Natur der Bücher, Verſchiedenheit des Honorars,
der Papier: und Drudpreife, der Auflagen, Koften der Privilegien, ver-
jchiedene Entfernungen, Zölle und Frachten, Unficherheit des Abſatzes,
Höbe der Gejchäftsipefen u. ſ. w., wie jolches jchon die ſächſiſchen Buchhänd—
lev vorgebracht hatten. Die Taxe ſei eben unmöglich, unbillig und jehwer
erfindlich und Das Ganze gehe darauf hinaus, Wenigen ein Monopel
zu ſchaffen.
Unter dem 6. Juli 1669 intercedierte venm auch der Nat in ver
Ihat bei dem Kaifer zu Gunſten der Buchdrucker, Buchhändler une
Konjorten, Nach der gewöhnlichen Bezugnahme auf die alten Privilegien
und Freiheiten wies er auf die Wichtigkeit des Bucrruds und Buch
handels und der Buchhändlermeffen fir Frankfurt bin; man babe ibnen
deshalb „große jonvderbahre gaffen zugewießen und jelbige die Buchgaſſen
genennet“. Irrungen, die während ver Mefjen vorgefommen wären,
babe der Rat ſtets durch einige aus jeiner Mitte Deputierte „in enge‘
geſchlichtet. Jetzt aber jei einerjeits die betreffende Kommijfion mit Um—
gehung jeiner, des Rats, Gerechtjame und ohne daß er genauere Kennt-
nis davon erhalten habe, eingejett worden, andererjeits von den meilten
Buchhändlern Beſchwerde eingelaufen, daß dieſe Kommiſſion nur von
einigen wenigen Buchhändlern nicht zur Beförderung des öffentlichen
Wohles, ſondern allein ihres Privatvorteils halber ausgewirkt worden
ſei, einzig zur Erlangung eines allen Rechten und Reichskonſtitutionen
zuwiderlaufenden Monopols. Es ſei zu beſorgen, daß ſolches Gebaren
auch bei andern Kaufleuten Nachahmung finden und dadurch der Gang
der Meſſen in weitere Abnahme kommen würde, ſodaß die Stadt in Zu—
kunft die Reichsanlagen und andere Laſten nicht mehr würde tragen können.
Kapitel.) Der Rat gibt wieder nach. Borjchläge der franffurter Buchhäudler, 701
Die vom 14. Auguſt datierte kaiſerliche Antwort juchte den Nat zu
beruhigen und erklärt: die Kommiſſion jei auf feine Inquiſition oder
jolcbe Dinge gerichtet, durch welche der Jurisdiktion des Rats präju—
Diziert würde; der Zwed jet nur, ven zerfallenen Buchhandel durch zu-
längliche gütliche Mittel zu veftanrieren. Da jolches zur Beförderung
des boni publiei gereiche, werde der Rat angewiejen, die Seinigen zur
Rejpizierung der kaiſerlichen Kommiſſion mit Nachorud anzubalten. Seiner
Gewohnheit nach fügte fich denn ver Nat auch jchleunigjt; er lieh vie
ſämtlichen franffurter Buchhändler durch jeine Deputierten alles Ernites
auffordern und ihnen anbefehlen, nicht allein die faijerliche Kommiſſion
zu vejpizieren, jondern auch zur Beförderung derjelben, noch che die
Meſſe eintrete und die fremden Buchhändler ankommen wiürben, zujanı-
menzutreten, die vorgejchlagenen Mittel zu beraten und ſich darüber zu
vergleichen, welche Punkte fie dann entweder den fremden Buchhändlern
vorhaften, oder der Kommiſſion übergeben jollten, damit man ihnen des-
halb feine Mora oder Culpa beimeſſen könnte,
Diejer Befehl war die Veranlafjung, daß die Frankfurter Buchhändler
in der That behufs einer zu erzielenden Cinigung zuſammentraten. Aber
troß mehrerer Ktonferenzen vermochten fie, wie fie an den Rat berichte-
tert, nicht zu der Überzeugung zu gelangen, daß der zerfaltene Buchhandel
durch Setzung gewiſſer Schranfen in eine jonderliche Aufnahme gebracht
werden fönnte; fie erklärten es vielmehr für zuträglicher, wenn es bei ven
bisherigen Freiheiten, die alle Handlungen ohne Unterſchied genöſſen,
jein Berbleiben behalte. Daneben hätten fie ſich aber über einige
Pnntte geeinigt, welche den Meffreiheiten nicht widerfprächen und die
ſich auch die Buchdrucker, Buchbinder u. a. gefallen laſſen könnten,
Diejem von jüntlichen franffurter Buchhändlern, mit Ausnahme von
Kaſpar Wächtler und Gottfried Seyler, unterzeichneten Übereintommen
vom 2. September 1669, den „Bereinigten Punkten“, lag die Hart—
tungſche „Neue Ordnung“ zu Grunde; c8 enthält jedoch folgende Ab—
weichungen:
Abſchnitt: Buchtrucker, Abſatz 2 hat folgende Faſſung erhalten: „Def-
gleichen jollen jie die Zahl der Aufflage, jo Buchhändler bey Ihnen truden
lagen, völlig lieffern, Sein einziges Exemplar, ohne des Berlegerö consens,
vor jemant zufcießen, weder vor dem Author felbft oder jonften vor jeman—
den, fondern es jollen alle übrige Exemplaria, fo aus den Zufchuß Büchern
102 Tie „Bereinigten Punkten“ von 1669, Jehntes
Können und mögen ergänzet werden, nebenſt den Defeeten gegen einer dis-
eretion gleicher maßen dent Verläger einzuhändigen ſchuldig fein, und alſo
Kein einzig Exemplar weder vor ſich noch die Geſellen zuriidbehalten, und
da einiger darwieder handeln jolte, joll Er von Einem Hochl. Magistrat
der Statt, alwo Er ſich befindet und geſeßen, nicht allein hochſträfflich an-
gefehen, fondern aud) feines Ehrlichen Nahmens entfezet und Keine truderen
mehr zu führen tüchtig geachtet werden.“
Abſchnitt: Buchbinder, lautet: „Die Budbinder follen Keine Bücher
verlegen oder truden laßen, fondern bey Ihrem Band bleiben, welche aber
nebenft Ihren: Handwerdh einen Yaden haben, die follen fchuldig fein, die
rohe Materien von den Buchhändlern zu kauffen.“
Abſchnitt: Kunſthändler und Kormidneider, am Ende lautet
dermaßen geändert: „— — jedod) daß ſie ſolche gleich den Buchtrucdern
nicht verftedyen, jondern in billichem Preiß verlauffen.‘
Abfchnitt: Gelehrte, Geift- und Weltliche, lautet am Schlufie
jeßt jo: „— — in billidem Preiß verfauffen, aber mit andern Büchern
zu handlen und in frembde Handlungen fid) einzumiſchen, wie bikhero ge-
fchehen, fol Ihnen allerdings verbotten umd ganz und gar nicht geftattet
werben.’
Abschnitt: Buhhandlungsverderber, it am Schluſſe noch beige:
jest: „und zu der Buchhandlung nicht gelaflen werden‘,
Abſchnitt: Yehr Jungen, Diener x. Abjag 2 hat folgende Zuſätze
erhalten: „— — die Handlung zu lernen; Ebenmäßig mögen und Können
der Buchhändler hinterlagene Wittiben und Töchter respective Ihre Männer,
Suecessores und Erben, ob fie fid) jchon an andere dem Buchhandel nicht
zugethane Perfonen verhenrathen, wie aud) diejenige, auff welche eine Hand-
fung durch Suecessionem vel universalem vel Singularem zufombt, ple-
nissimo Jure die Handlung fortführen und die Ihrige continuiren. Aber -
Buchtrucker, Buchbinder und Künſtler, welde ins Kiünfftige neben Ihrer
Kunft und Handwerdh ein Sortiment von Büchern haben wollen, follen
verbunden fein, Ihre Söhne, fo zur Zeit der erlangten Ordnung vor Steine
Handlungsdiener Können passirt werden, bey einem Buchhändler zum wenig:
ften fiir einen Pehrjungen in Dienft zu thun, woferne derjelbe mit der Zeit
einen Buchhandel zu führen gefinnet, auch nad) verfloffenen Yehr Jahren
2 Jahr in der frembde bey Buchhändlern ſich auffhalten.“
(Infolge diefes Zufates fällt der nächſte Abſchnitt weg.)
Abſchnitt: Juden, ift am Ende beigefügt: „— — mit Büchern zu
handeln und truden zu laßen“ :c., ferner nad) „verbotten fein“; „welche
aber nothhalber Bücher an jchulden, oder underpfand an Zahlung, annehmen
müſſen, die follen den ordentlichen weg des Rechtens brauchen, ſolche auf:
flagen und öffentlich subhastiren, und im geringften nicht ander der Hand
Kapitel.) Die „Bereinigten Punkten“ von 1660, 03
J ‘
ftüdweiß verhandeln und verkauften, auch jollen Zie von denen Büchern, jo
albereit in Ihren Händen find, eine ordentliche und auffrichtige Specification
uns zuftellen‘.
Abſchnitt: Nahtruder iſt in „Nacdtrudung alter Bücher‘ geändert
und am Schlufle noch Folgendes beigejeßt worden: „Dafern aber ein Bud)
in 10 bi 20 Jahren gemangelt, die rechtmäßige Erben nit zur Hand
oder befant, und jemand ſolches Bud) wieder zu trucken und auffzulegen
vorhaben, mag es wohl mit diefer condition gefchehen, daß, woferne das
Buch verfertiget, und die rechtmäßige Erben ſich alßdann angeben folten,
fol der Verleger ſchuldig fein, denfelben einen billigen recompens davor zu
tun, oder Ihnen ſolches gegen erftattung feiner angewendeten Auflagen und
Unfoften nebenft einem Recompens vor feine gehabte mühe und aufgelegte
gelder zu überlaßen.“
Dann find nod) folgende neue Abſchnitte Hinzugejegt: „Nadtruden
neuer Bücher. Nicht weniger jolle es einigen Buchhändlern erlaubt fein,
einiges Bud), dag Ein, Zwo, oder mehrmahl getrudt worden von dent
Authore, ift er noch am leben, abzuhandlen, joferne denen Erſten Verlegern
folhes verſprochen, jondern alle Contracte, fo die Erften Berleger mit denen
Authoribus, wegen aufflegung derer Bücher, gemachet und geichloffen, follen
allerſeits unverbrüchlich gehalten werden, und niemant befugt fein, denfelben
zuwieder ſich einzumijchen oder ſolche werde auff art und weiß, wie die auch
außgeſonnen werden mögten, an ſich zu bringen.
Weilen wir auß allerunderthänigften gehorfamb, jo wir Ihrer Kay.
Maytt. ſchuldig, alle Privilegia, fo diejelbe an Aufländifcdye und außer dem
Römiſchen Reich gejehene, ertheilen, allergebührlichit respectiren ımd denen-
jelben gehorfambft nachgeleben müßen, hingegen aber jehen und erfahren,
daß dergleichen Außländifche diejenige Privilegia, jo unß von Ihrer Kay.
Maytt. ertheilet werden, nicht adjten, jondern zu Ihrer Kayſ. Maytt. alß
höchſtem Dberhaupt höchften verunehrung und unfern großen fchaden dar-
wieder handlen; Alß ift unfere nothtringende Pitt, Hierin diefe nadıtriid-
liche Verordnung thun und ergehen zu laßen, daß, jo Künfftig darwieder
gehandelt werden jolte, wir Uns unjeres ſchadens halber gegen die thäter
jo wohl an Perjon alß Ihrem gutt, wo fie im Römiſchen Neid; zu be-
tretten, erholen mögen, damit jedermann bey feinen erlangten Privilegio
ficher jein möge.
Büher-Anctioned Nachdeme die Bücher Auctiones zur Mefzeit
ichr schädlich und bey den Buchhändlern in Teutichland niemals üblichen
geweien, in dem diejenige, jo die andern wegen außgenommener Bücher (Zah-
fung) zu thun jchuldia, ſolches gelt mehrentheils bey den Auctionen anwenden
und aufgeben, hingegen Ihrem rechtmäſſigen Creditoren welche Ihre Rechnung
darauff gejtelt gehabt Ihre fchuldforderung einzunehmen, entweder gar nichts
704 Bericht der Kommiſſion nach Wien, Herbſtmeſſe 1669. [Zchntes
oder aber ſehr wenig auff abſchlag bezahlen, dadurch dann leichtlich eine
ohngelegenheit entftehen Kann, alß jollen ſolche Bücher Auctiones zur Meß—
zeit nicht allein allerdings gäntzlich abgeſchafft, ſondern es jollen diejenigen,
jo umb folder Auction erlaubnus anhalten, mit einer wilkührlichen ſtraff
angefehen und bey andern rechtmäßigen Buchhändlern nicht geduldet werden.
Tar der Bücher. Die Tax der Bücher betreffend, weil von vielen
Buchhändlern ſchon vor etlichen Jahren, neben alhieſigen Yöbl. Magistrat
ift gründlich dedueiret worden, daß ein Tax zu machen nidht practicirlid,
der Freyheit der Meß nachteilig, alß läft mans nochmals darbey bewenden.
Schlüßlichen contestiren wir daß gar nicht unfere meinung durd) vor—
geſetzte puncta diejenige, jo bißhero zum Buchhandel Kommen und dar:
innen albereit würcklich jeind, davon zu tringen und aufßzuftogen, jondern
nur dahin zu fehen, wie ind Künfftige die abusus mögten verhindert
werden.”
Dieje „Bereinigten Punkte” find es nun, die allen folgenden Ver—
handlungen als Grundlage dienen. Auf fie hin bildeten auc die Frank
furter eine inmungsartige Vereinigung, eine Art Yokalverein, der längere
Zeit bejtanden haben muß’; wie fange läßt fich ſchwerlich ermitteln,
Noch gegen Ende des Jahrhunderts finden fich gemeinjchaftliche Eingaben
ver franffurter Buchhändler an ven Rat; als ihr Vertreter fungierte
jpäter Johann David Zunner.
SHeichzeitig mit dem Reſkript am ven Rat war aber auch ver Be-
fehl am die faijerliche Kommiffion ergangen, die Sache in der nächiten
Herbitmejje wieder aufzunehmen. Über die daraus erwachienen Ber
banplungen berichtete Hünefeld unter dem 1. Dftober 1669 an ven
Kaijer. Die erwähnten „Punkte“, die Biichertare jedoch völlig ausge
jchlojjen, wären von den vorherigen Kontradicenten jelbjt, wie von allen
übrigen einmütig „placitirt, eingewilligt und subseribirt“ worden. Die
Büchertarordnung anlangend hätten zwar die erjchienenen Buchhändler,
mit Ausnahme von Johann Friderici (Friedrich), Johann Baptiſt Schön
wetter und deren Beiftand L. Uffenbach (als Vertreter der Nranffurter),
dafür gehalten, daß „jelbige den gemeinen Wejen nicht allein nutz- und
vorträglich, jondern auch zu Verhüetung vieler im Buchhandel vorgehen-
den betrieglichfeiten gereiche und wohl practieirlich jein mögte. Doc
haben etliche Frankfurter und aus deren Antrieb noch mehr andere im
heyl. Reich geſeſſene jolches theils aus angegebener forcht und rejpect
gegen biefigen Magiftrat, theils aber zu ihrem jelbfteigenen Nugen und
Kapitel.) Verhandlungen der Buchhändler mit den Kommiſſaren. 705
Vortbeil, damit fie noch vorderhin ihre Bücher in eben jo hohen Preis
ald diejenigen, jo von weitentlegenen Orten mit jchweren Koſten ver
Fracht und Zölle auch anders halben anher gebracht, verkaufen möchten,
das Vorhaben für eine purlautere Unmöglichkeit angegeben und nicht
einmal zu Anhörung künftiger Borjchläge fich verbinplich machen wollen!“
So jagt Hünefeld; der Hergang im Kreiſe der Buchhändler war
aber folgender gewejen. Die Frankfurter, vertreten durch Johann Friede:
ib, Thomas Mathias Götz, Simon Bedenjtein und Johann Baptijt
Schönwetter, hatten die „Vereinigten Punkte‘ ven fremden zur Meſſe
handelnden Geſchäftsgenoſſen vorgelegt, beſonders auch Alexander Hart—
tung. Dieſer hatte das Schriftſtück mehrere Tage an ſich behalten —
wahrſcheinlich um ſich mit den Kommiſſaren darüber zu beſprechen.
Dann hatte man ſich ſchließlich dahin geeinigt, dieſe Punkte entweder
ſelbſt, oder durch Bevollmächtigte, einſchließlich Harttungs, eigenhändig
zu unterzeichnen und nach erfolgter Beſtätigung durch den Kaiſer zu
halten. In dem Begleitſchreiben, mit welchem die „Punkte“ den Kom—
miſſaren übergeben wurden, war geſagt: die Buchhändler ſchlügen die
beifolgenden Satzungen vor, dafern ja die vorige Freiheit nicht zu erhal—
ten wäre, gleichwie ſie fänden, daß ohne höchſten Nachteil des Buchhandels
nichts (die Büchertaxe) hinzugethan werden möge. Sie bäten, die Ein—
gabe an den „hochvermögenden Ort“ zu befördern, „daß es bey dieſen
verglichenen vnd wohl erwogenen puncten, dafern Sie jedoch dieſer Statt
privilegien vnd Meßfreiheiten nicht zuwieder lauffen, vnd wir mit den—
jelben .... nicht verſchohnet bleiben können, ſein Verbleiben haben, Vnd
wir zu einem andern zu des Buchhandels ohnfehlbaren ſchaden vnd ruin
nicht adstringiret werden mögen‘.
Die Kommiſſare erflärten jedoch, der Pafjus über die Privilegien und
Mepfreiheiten dürfte von dem Keichshofrate übel aufgenommen werden,
da man denjelben ja nicht präjudizieren wolle; jie thaten dies mit jolchem
Ernjt, daß Götz und Bedenjtein, ängstlich geworden, ihre Unterjchriften
zurüdzogen. Es beturfte einer zweimaligen Änderung, um die Kom—
miffare zufrieden zu jtellen. Im dritten Entwurfe lautet die betreffende
Stelle, deren Faſſung Hünefeld an die Hand gegeben hatte, denn auch
dabin: fie (die Buchhändler) hätten der Punkte ſich mit einander ver-
glichen und dabei zu bleiben jich einmütig verbunden, der unterthänigen
Zuwerficht, „nachdem allerhöchitgedachter Röm. Kayſerl. Mahtt. an den
Rapp. I. 45
706 Amweideutiges Verhalten Harttungs dabei. [Behntes
Rath diefer Statt rescribirter maßen intention nicht it, dieſer Ztatt
Juribus in dieſer Sache einiger wege zu praejudieiren, daR dieſe
Puncten Bemelten diejer Statt Privilegien und Meßfreyheiten, alß
welchen wir zumabl die albiefige Bürger feines wegs derogiren wollen
noch fünnen, zu feinem Nachtheil gereichen werden“.
Nachdem viefes Memorial endlich mühſam zu Stande gefommen,
hatten die Unterzeichner dasjelbe in Friederichs Laden Harttung zu lejen
gegeben, welch letzterer denn auch verſprach, es nach erfolgter Mundierung
ebenfalls für fich und jeine Auftraggeber zu unterjehbreiben. Der Fisfal,
dem das Schriftjtüd am andern Morgen noch vor feiner Ausfertigung
vorgelegt wurde, erklärte fich ebenfalls damit zufrieden gejtellt. Als
aber Harttung nach erfolgter Mundierung jeine Unterjehrift geben ſollte,
machte er Winfelzüge. Zuerſt jchlug er vor, ihn zum Generafbevoll-
mächtigten der Gejamtheit zu ernennen, und als man bierauf nicht ein-
ging, verweigerte er jeine Unterjchrift zumächit unter dem Vorwand von
Gejchäften und äußerte, daß er erft hinter ven andern unterjchreiben
werde. Seinem Verlangen wurde gewillfahrt, er aber bemutte dieſe
Nachgiebigkeit dazu, daß er die Schrift an fich nahm und einen Nach—
jat hinzufügte, dem zufolge er und jeine Genofjen (Meichael und Friedrich
Endter, Ludw. Neuenhahn, Michael Dehme und Johann Fritich) nicht
allein die Punkte halten, ſondern auch dahin bepacht jein wollten, zwiſchen
dieſer Meſſe und der Oftermefje 1670 ein Projeft wegen ver Tare aus-
jufertigen. Erſt bei der Zujammenfunft am Nachmittag in Hünefelds
Wohnung erlangten die andern Buchhändler Kenntnis von der vorge:
nommenen Änderung. Sie protejtierten zwar ſofort ernftlich dagegen;
aber Harttung und feine Anhänger bejtanden auf ihrem Kopf, ſodaß bie
andern ihre Unterjchrift zurüdzogen. Da jedoch Hünefeld inzwijchen
Beſuch erhalten hatte, gewannen die Buchhändler Zeit, das Memorial
noch einmal zu fopieren umd durch alle Anweſenden, mit Ausnabıne
Harttungs und feines Anbanges, unterjchreiben zu laſſen. Vergeblich
verjuchte Harttung die Anweſenden durch die Worte: „Ihr Herren, das
it der Frankfurter Memoriale, damit haben wir Nichts zu thun, Ihr
Herren, die den Tax defiveriren folget mir“, von der Unterzeichnung ab-
zubalten.
Damit war dieje Angelegenheit endlich formell erledigt. Es ſcheint
allerdings die Abficht vorhanden geweſen zu fein, das Übereinfommen
Kapitel.) Auftreten der Endter in Nürnberg für die Büchertare, 107
der Buchhändler zum Gegenftande ver Neichsgejeßgebung zu machen; denn
am 26. Februar 1671 verlangte der Kaifer von Hünefeld Bericht dar-
über, ob nicht durch die vereinbarten Punkte andern hin und wieder im
Reiche gejeffenen Buchdruckern, Buchbinvern, Kunjthändlern und Kon:
jerten, welche darüber nicht vernommen worden, wie auch den Stänven
jelbjt präjudiziert werde und wie jolcher Infonventenz vorgebeugt werben
möge. Die Kommifjare waren aber der Anficht, daß denjenigen, welche
über die Punkte nicht vernommen worden, ein bejonderes Präjudiz nicht
fönne zugefügt werden; wegen etwaiger Malfontenten dürfe das für ven
Buchhandel erjprießliche Werf nicht erfigen bleiben. Ebenjowenig fünnten
jie einfehen, mit welchem Fug fich ein oder der andere Stand dadurch
graviert finden fünnte, da ja feinem das Geringjte an jeinen Privilegien
dadurch derogiert werde. Sie hätten auch nicht vernommen, daß irgend
ein Stand, außer dem frankfurter Rat, der fich der fatjerlichen Intention
in Aufrichtung einer Bücherordnung allein opponiere, viel weniger aber
Buchdrucker und andere fich darüber beſchwert hätten.
Obgleih nun die Satungen von allen angenommen und unterzeichnet
waren, hatten fich doch Yudwig Neuenhahn, Michael und Friedrich Endter,
Johann Fritſch, Michael Debmen und Alexander Harttung vorbehalten,
die Büchertare, die in Wien jtets als der vornehmjte Punkt angejeben
wurde, bei der Kommiſſion wieder in Anregung zu bringen. Demge—
mäß traten im November 1669 die Endter (Johann Andreas, Wolfgang
des Yüngern Erben, Michael und Wolfgang Friedrich) noch einmal für
ich allein dem Kaifer gegenüber zu Gunften der Harttungjchen Vor—
ihläge ein. Den Borwand gab der Umſtand ab, daß die beiden Grit:
genannten Unpäßlichkeit und Gejchäfte halber ven Verhandlungen in
Arankfurt nicht hätten beiwohnen fünnen. Im ganzen wiederholen fie
aber nur das in der Harttungichen Eingabe Gejagte; hervorzuheben ift
böchftens die Auferung betreffs des Kunſthandels, daß man nämlich
viele theologijche, hiſtoriſche und pofitifche Bücher mit unnötigen Kupfern
anfülle und venjelben dadurch ein ſcheinbares Anjehen gäbe, einzig zu
dem Zwede, damit die Kunfthändler ven Buchführern jo ihr Stüdlein
Brot entziehen und fich in den Buchhandel einjchleichen fünnten. Das
zwinge vielfach die Buchhändler, auf Kupferinventionen zu benfen und
ein Werf dadurch nolens volens zu verteuern. Dies war ein Argus
ment pro domo, denn die Endter hatten jelbit viele illuftrierte Verlags:
45*
708 Oppoſition in Frankfurt dagegen. Hervorhebung der Motive der Endter. [Zehntes
artifel verlegt, darunter z. B. die jogenannte Kurfürftenbibel. Ihre
Abficht jei es übrigens nicht, den Kunſthändlern, Kupferſtechern ı. dal.
den Berfauf jolcher Kupferjtiche, welche eine Bejchreibung erforderten,
zu verwehren, nur müßte diefer Text ausſchließlich in Kupfer gejtochen
und dürfte nicht durch Typendruck bergeftellt jein. Damit wäre aber
geradezu dev zu jener Zeit und noch jpäter jehr jehwungbafte Verkehr
nit Gelegenheitsjchriften und zeitgejchichtlichen Einblattdrucken vernichtet
worden. Als Dauptjache bezeichnen jie aber wieder die Einführung einer
rechten und ordentlichen Tare. Die vor einigen Jahren vorgejchlagene
jet teils durch Diskrepanz, teils durch den Eigennutz Ciniger hinter:
trieben worden; ſeitdem jeien aber die Preije in unverantwortlicher Weiſe
noch weiter in die Höhe getrieben worden, ſodaß der gegenwärtige Zuſtand
alfen gewifienhaften Buchhändlern unerträglich erſcheine. Der Kaiſer
möge nur allen deutſchen Buchhändlern bei Vermeidung faijerficher Un—
gnade und bei Strafe anbefehlen, fich ohne weitere Entſchuldigung zu
einer billigen Taxe zu verjtehen.
Obſchon nun dieſer Echritt der Endter fich jo völlig den bisher von
der Reichsregierung vertretenen Anjchauungen anjchmiegt und ihnen —
als von jo beveutenden Berlagsfirmen ausgehend — ein jeheinbar größeres
Gewicht geben konnte, jo jcheint die Sache auffälligerweije doch längere
Zeit gerubt zu haben; wenigjtens jchiweigen die jet noch zu Gebote
jtehenden Akten darüber. Erſt am 3. Januar 1671 kommt auf An-
regung der franffurter Buchhändler der dortige Rat bei dem Kaiſer da—
gegen ein. Er betont, daß Harttung und Yeutner gar fein allgemeines
Mandat gehabt hätten. Wenn aber ver einzige Endter dieſes Werf in
Widerſpruch gegen alle Frankfurter und nach Frankfurt handelnde Buch-
händler durchtreiben und erzwingen wolle, jo gejchehe dies nur zu jeinem
eigenen Vorteile. Zu Nürnberg jeien wenig Buchhändler, welde vie
Mittel zu einem großen Verlage hätten oder die Bücher in Frankfurt
in großen Mengen einfaufen und in den bahrijchen und öfterreichiichen
Kreis, nach Böhmen und in andere faijerliche Erblanve führen könnten,
wie Endter dies thäte, der zwar die Bücher nach dem Preije, wie er
gern wollte, in Frankfurt in der Mefje einfaufe, an abgelegenen Orten
aber nach jeinem Belieben wieder verfaufe und jo Vorteil auf Vorteil
bäufe, andere aber unterdrücke.
Diejes einjeitige Vorgehen der Endter führte — was bier vorweg
Kapitel.) Kontroverje mit ihnen vor dem nürnberger Rat. 709
zu nehmen ift — zu längeren Weiterungen für fie Die franffurter
Buchhändler, deren Bejorgniffe wegen einer etwaigen Schädigung des
Mepverfehrs von neuem erregt wurden, gaben jedenfalls den Anſtoß
dazu, denn auf Veranlafjung des franffurter Rats wurden die Endter
von ihrer Obrigkeit zur verantwortlichen Vernehmung gezogen. Der
Abgefandte Frankfurts hatte fich auf dem engern Stüdtefonvent zu Ulm
bei dem mürnberger Ratsfreunde über den von den Endtern gethanen
Schritt beſchwert. Auf Vorhalt behaupten fie, daß ja Harttung bei
jeinem Vorgehen im Jahre 1668 als Mandatar verjchievener Buch:
bändler nur das Beſte gewollt habe. Die damaligen Motive hätten
auch noch jett Geltung, Nachdruck und Preisfteigerung nähmen immer
mehr überhand; es jei dahin gekommen, daß man die guten Bücher erit
zu Frankfurt unter der Judenſchaft juchen müffe Darum hätten fie fich
mit andern Buchhändlern zufammengetban, um vereint die Aufgabe der
Kommiffion zu unterftügen, was ja nur zum Nuten Frankfurts gereichen
fünne. Geſchickt verwandten biergegen die Frankfurter in einer langen
Auseinanderjegung der alten Gründe gegen die Tare den Umftand, daß
gerade bie Endter fich 1657 vor Allen gegen die Tare ausgejprochen hätten;
was jollte auch eine Taxe nügen, wenn fie bloß für Frankfurt, nicht auch
für Yeipzig, Pinz, Hamburg und Köln und andere Orte Geltung habe.
Nah Anficht des Frankfurter Rats war eigentlich, wie er an
die Nürnberger jchreibt, Feine Urjache zu Klagen vorhanden, wenn
nur alle Buchhändler an dem gefchloffenen Vergleiche fefthielten, und
wäre daneben zu winfchen, daß nicht allein die Frankfurter, jondern
auch gar viele fremde Buchhändler die Judengaſſe nicht jo wohl hätten
fennen lernen, daß man auch deren gute Bücher in der gedachten Gaſſe
juchen und er, der Rat, die Fremden ad videndum distrahi pignora
citieren müßte. Jetzt handle es fich aber nur darum, daß die Endter
und Harttung faft allein die neue Faiferliche Kommiſſion in Thätigfeit zu
erhalten fuchten, um die Tare durchzuſetzen, obgleich fie ven Vergleich mit
unterjchrieben hätten. Die Endter jollten um jo eher gutwillig die Hand
von ihrem Vorhaben zurücziehen, weil ihr Vater und fie in den franf-
furter Meſſen ihren Buchhandel mehrenteil® erworben und verjtärft
hätten.
Auf weitern Vorhalt ihrer Obrigkeit erboten ſich endlich die Endter
im Februar 1672, für den Fall, daß der franffurter Rat in der bevor-
T10 Ausgleich mit den Endter. Neue Verhandlungen in Frankfurt 1671. [Zehntes
jtehenden Faſtenmeſſe jümtliche Buchhändler zujammenberufen, über ihre
Beſchwerden vernehmen und von ihm ſelbſt Anftalt gemacht würde, dem
Buchhandel jo aufzuhelfen, daß er auch aufrecht ſtehen bleibe, dann ihrer-
jeits das Werf auf fich beruhen und die Kommiffion ferner ungetrieben
lafjen zu wollen. Dabei fonnten fie ſich aber nicht enthalten, höhniſch
zu bemerken: ob freinde oder franffurter Bücher in der Judengaſſe ge-
jucht würden, und wer ad videndum distracta pignora bisher citiert,
fiegen fie dahingeftellt fein; fie hätten ftets nur kontante Bücher in ver
Judengaſſe gejucht, weil fie in der Buchgaffe nicht zu finden gewefen,
am alferwenigiten hätten fie jelbjt Bücher da verjegt. Ihren erworbenen
Buchhandel hätten fie und ihre Väter nicht ven franffurter Meſſen, jondern
Gott und ihrer Vaterftadt zu, danken. Jenes Verfprechen der Enter
aeceptierten die Frankfurter im April 1672 bejtens unter der, nach dem
Vorausgegangenen leicht erflärlichen, Vorausſetzung, daß die Thaten der
Endter auch ihren Worten entjprechen würden.
Inzwiſchen hatte die einmal angeregte Sache von Wien aus ihren
Fortgang genommen. Behufs Betreibung der Aufftellung einer allge-
meinen Büchertarorpnung war abermals eine außerordentliche Kommiffion
ernannt worden, deren Mitglieder wieder Hünefeld und Arbogajt waren.
In der faiferlichen Antwort an den frankfurter Rat auf feine Eingabe
vom 3. Januar 1671, datiert vom 13. April, wurde jener angewieſen,
jeine Buchhändler anzuhalten, ſich auf erfolgte Notififation hin vor dieſer
Kommiffion einzufinden und derſelben in allem ſchuldigſt nachzuleben.
Sie nahm auch ihre Ihätigfeit in der Faftenmeffe 1671, die von 155
Firmen (einjchlieflich der Frankfurter) — darunter 15 Niederländer, 4
Franzoſen, 10 Schweizer und 2 Dünen — gebaut wurde, in der That auf.
Nah dem Protokoll vom 14. April (wohl alten Stils) waren die
meisten Buchhändler erſchienen, die Holländer fehlten aber ganz. Uffen—
bach, der Rechtsbeiftand der Frankfurter, erklärte, feine Kommittenten
jeien noch immer ver Meinung, „daß fein durchgehender Büchertar prac-
tteirlich fei“, während von andern Anweſenden, jpeziell von ven fülner
und ſächſiſchen Buchhändlern — von diejen fir ſich und die übrigen
Sachſen — dem widerſprochen und die Büchertare als durchführbar be-
zeichnet wurbe.
Jedenfalls durch Bejorgniffe für den Beſtand der Meſſe bewogen,
juchte der Rat den weitern Fortgang der Verhandlungen am 17. April
Kapitel.) Andauernder Widerjtand der Frankfurter und Ausländer. 711
durch einen Proteft zu hindern. Sich an Formalien klammernd, wollte
er erſt jett, jedoch nicht durch fchriftliche Mitteilung, vernommen haben,
daß die faijerlichen Commissarii eine anberweite Kommiſſion erhalten
haben jollten: dahin zu jehen, wie bei jetziger Meſſe von ven frankfurter
und dahin negociierenden Buchhändlern eine gewiffe Taxordnung ver-
glihen und dadurch ver Buchhandel möglichit retabliert werde. Be—
fanntlich aber hätten jchon vor zwei Jahren die Buchhändler einmütig
dafür gehalten, und mit Gründen ausgeführt, daß ein jolches Werk un:
praftizierlich jei, wider ihre freie Handlung und die Mehfreiheiten liefe.
Sie hätten ſich auch bereits vor zwei Jahren über alle Punkte, welche
im Buchhandel Konfufion und anderes verurjacht haben follten, ver-
lichen, mit Ausnahme der Frage der Büchertare. Dieje Sache jchwebe
bei Kaifer und Neichshofrat und würde der Nat bei dem Kaiſer
Proteft und Bejchwerde erheben, fall® die Kommiffion jo fortführe.
Die Kommiffare beantworteten dieſen Einſpruch jofort durch den Rats—
boten: e8 handle fih um gar feine neue Kommiffion, jondern um bie
Fortſetzung der alten; der Rat möge nur feine Buchhändler anhalten,
fich dem faiferlihen Willen zu fügen. Gleichzeitig übergab Zacharias
Uffenbah im Namen ver frankffurter Buchhändler die abermalige jehrift-
fihe Erflärung: fie könnten nun einmal nicht finden, daß in biefer
freien Meffe unter allen Buchhändlern Europas, welche hier negociierten,
eine allgemeine Taxordnung praftifabel ſei, „hingegen fie aber wohl dieſes
jeheten, daß hierdurch viel privati nothwendig laedirt, die negotien ge-
iperrt, herrliche Tractatus gehindert” und die Meſſe zerftört werben müßte.
Beveutjamer war die Eingabe der zur Meſſe anweſenden Nieder:
länder. Sie wollten ſich durch vergleichen Vorladungen nicht bemühen
und fich neuerdings einjchränten lafjen, jondern begehrten auch ferner den
Genuß freier Handlung und freier Meffe, wiorigenfalls fie ihre Hand—
(ung in die franffurter Meffen nicht Fontinuieren fünnten. Ihnen
folgten am 25. April mit einem faft wörtlich gleichlautenden Proteft
Arnaud und Borde von Lyon, Yeonard und Pierre Chouet von Genf,
Antoine Lamy von Paris, Laurent Aubin von Lyon, Jean Antoine de
Tournes, Samuel de Tournes und Johann Hermann Wiederhold von
Genf, Catharina Braffart und Johann Buſaei Witwe von Köln.
Ebenjo protejtierten am 27. April 18 franffurter und 57 fremde beutjche
Buchhändler gegen eine Tare.
112 Vorgänge in Frankfurt im Frühjahr 1671. [Behntes
Dagegen erichienen an demfelben Tage Thomas Henrich Hauenftein
von Hannover, Johann Friedrich Endter von Nürnberg, Elert Schu:
macher von Wittenberg, Johann Eberhard Zetner von Straßburg,
Georg Wolff von Hamburg, Michael Volk von Yübek und Alerander
Harttung von Wien, für ſich und im angeblichen Auftrage der in gegen-
wärtiger Meſſe fich befindenden fremden Buchhändler, um ein von ven-
jelben unterjchriebenes Memorial und eine Erflärung des Inhaltes vor-
zulegen, daR fie eine Taxordnung jo gar unmöglich nicht, jondern leicht
ins Werf zu jeken erachteten; fie büten aber um einen Termin von
Sahresfrift, um in ihren Orten, Provinzen und Streifen fich brieflich zu
beraten, die ergangenen Gutachten zu fonferieren und endlich ihre aus-
gebrachte einhellige Meinung, wie der Sache abzubelfen, ver Kommiſſion
zu notifizieren.
So konnte denn in einem fpätern Berichte Hünefeld dem Kaiſer
einigermaßen glaubhaft mitteilen, daß faft alle in die Meffe negociteren-
den fremden Buchhändler, „yedoch die Holländijch- vnd franzöfiiche aus-
geſchloſſen, welche ohngezweiffelt auf eingenohmmener übeln information
nicht einmahl der Kayſerl. Commission ſich submittiren oder darbey
einfinden wollen‘, einverftanden fjeien und nur um Friſt zur Bera—
tung bäten.
Noch einmal, unter vem 21. Mat 1671, machte ver Kat ven Ber:
juch die Tare durch jeine Vorftellungen abzuwenven. Er berichtete an
den Kaifer, die Kommiſſion babe, ohne ihm, dem Rate, Mitteilung zu
machen, ſchon in der erjten Meftwoche fremde und einbeimijche Buch—
händler vor ſich bejchieden une mit ihnen wegen Anordnung einer ge
wiffen Büchertare verhandelt. Der Rat refapitulierte den Inhalt ver
eben erwähnten Protefte, wies auf die Tragweite der Grflürung der
außerdeutichen Buchhändler hin und betonte namentlich, daR eine gegen-
teilige Cingabe feinesweges von der Mehrzahl ver Buchhändler, viel-
mehr allein von wenig Perjonen, dem Alerander Harttung und den
beiden Endtern, zur Förderung ihrer Privatvorteile ausgegangen jet.
Aber wie gewöhnlich hatte diefe Eingabe feinen Erfolg; die Büchertaxe
wurde eben in Wien als Stedenpferd geritten. Ilnter dem 24. Auguft
wurde Hünefeld trog der Intervention des Rates angewiejen, diejenigen
Buchhändler, welche fih für die Tare erklärt hätten, nächte Oſtermeſſe
ihre Borjchläge einbringen zu laffen.
Kapitel.] Erneuerte Borftellungen des Rats im September 1671. 713
Einen letten Verſuch am wiener Hofe machte ver Rat am 30. Sep-
tember. Die frankfurter Buchhändler hatten abermals einen ſummari—
ichen, jedoch gründlichen Bericht eingeſchickt, deſſen Wortlaut fich leider
nicht bei den Akten befindet. Alexander Harttung hätte zwar feine ur-
jprüngliche Eingabe im Namen jämtlicher Buchhändler eingereicht, die
Einfichtnahme in jeine Vollmacht habe aber ergeben, daß in fine nur
von zehn Buchhändlern im eigenen und von zwei andern in anderer Namen
unterjchrieben gewejen jet. Nach Inhalt des Ratsjchreibens hatte man
ſich namentlich darauf geftügt, „daß der Buchhandel im Neich faft zu
Boden gejunfen jeye und derowegen restablirung bevörffe. Es bezeugen |
aber die Reichdnotorietät und infonderheit die Yeipziger, Straßburger
und Frandfurter Mefjen, daß der Buchhandel bey jetigen Friedenszeiten
in einem weit beſſern Zuftandt jeye, weder er bey vorigen Kriegszeiten
gewejen, ja daß er im ſolchem Flor jtehe, daß jeverman von Büchern,
was Ihnen beliebet, vmb einen billigen Preiß, wann er fie vmb baar
geldt kaufen und mit Bücher gegen Bücher taufchen over techn will, wie
fie Buchhändler unter fich im Brauch haben und folcher geitalt ihre
meifte Handlung verrichten, befommen fan“. Den etwa vorhandenen
Übelſtänden fei durch den 1669 abgejchloffenen Vergleich abgeholfen wor-
den. Obſchon nun die Sache damit eigentlich abgethan gewejen wäre,
jo hätte doch die Heine Zahl der Anftifter die kaiſerliche Kommiffion für
Aufftellung einer Tare zu fontinuieren gejucht. Aber Harttung und die
Enter hätten fein Mittel vorjchlagen fönnen, auf welche Weije eine
ſolche Taxordnung einzurichten fei; troßdem hätte die Kommiffion in der
letzten Herbſtmeſſe die Buchhändler abermals zufammengefordert und
inquietiert, eine Bemerkung für welche fich fein Beleg in den Akten
findet. Nach wiederholter Bezugnahme auf die Eingabe der nieder:
ländifchen, franzöfifchen und anderer Buchhändler fährt ver Nat dann
fort: „Gleichfalß ift Teichtlich die Rechnung zu machen, daß die Schweiger,
Italiener, Dähnen, Schweden, Königliche Poln-Preußiſche Buchhänd—
(er ſich hinkünftig von den beharrenden Kayſerlichen Kommiſſionen nicht,
noch viel weniger einer Anordnung eines allgemeinen Büchertaxes unter
werffen und Ihre Freyheiten dergeſtalten einſchränken laſſen, ſondern in
eventum auch lieber hieſige Meſſen quittiren werden. Nicht weniger
ift zur bejorgen, daß auch andere im Reich, vorab in Ober: und Nieder:
jachjen gejejfene Buchhändler mit dem vorhabenden Büchertar nit zu:
714 Klägliher Ausgang der ganzen Frage. [Zehntes
frieden fein und beromegen Ihre Handlungen nach Leipzig, allwo fie jo:
wohl mit Kayſerlichen Commissionen als auch dem Büchertar etwa
verfchonet bleiben dörfften, transferiren mögten. Darzu alle obermelte
Buchhändler umb jo viel mehr anmgefrifchet werben, dieweil ohne dem
auch Euer Kayſerl. Mt. Biiher-Commissarius Sperling extra et con-
tra limites officii mancherley Irrung im Buchhandel verurjacht.”
Dann würden nicht nur die Häufer jehr vieler franffurter Bürger, die
in den dem Buchhandel gewidmeten Gaffen gelegen, entwertet, jondern
auch der Stadt Renten und Einfünfte derart gejchmälert werben, daß —
das immer wiederkehrende Argument — der Stadt dann die Reichsanlagen
und andere Lajten zu tragen unmöglich fallen würde. Auch wäre zu
beforgen, daß andere Handelszweige dem Beiſpiele folgen und die Meffen
vollends zu nichte gemacht werben bürften. Ebenſo fünnte e8 dem bono
literario nicht zuträglich fein, wenn die fremden Buchhändler twegblieben
und man ihre Bücher bei ihnen abholen laffen müßte, „und müßte man
doch darbey ihr Liedlein fingen und die Bücher nach ihrem Anfchlag be-
zahlen“. Deshalb bittet ver Rat dringend, zugleich für die jümtlichen
franffurter Buchhändler, von der Büchertare abzujehen „und es bey
deme unter ihnen Buchhändlern vormahls unanimo consensu placi-
tirten und verglichenen puncten bewenden zu laſſen“.
Sicherlich würde auch dieje Eingabe, wie die frühern, ohne Erfolg
geblieben fein, wenn die Sache nicht bald von ſelbſt ein Hägliches Ende
genommen hätte, Am 22. April 1672 mußte Hünefeld dem Kaiſer be:
richten: obgleich in ber laufenden Oftermeffe jüntliche anweſende Buch:
händler auf einen gewiffen Tag und Stunde vorbejchieden worden wären,
um ihre Vorjchläge zu machen, ſei einzig und allein Wilhelm Serlin
von Frankfurt, und zwar mit einer unbejcheinigten Vollmacht der übrigen
dortigen Buchhändler, erjehienen und habe erklärt, daß fie aus oft er:
wähnten Urjachen noch der Meinung jeien, daß feine durchgehende Bücher:
tare praftizierlich, „jondern eine pur lautere Ohnmöglichkeit“ ſei. Das
war der Flägliche, ja heitere Abjchluß einer Epifode, die jahrelang Be-
unruhigung und Unbehagen in die Reihen des Buchhandels getragen
hatte. Der Anfturm auf den zur Zeit noch führenden Vorort des Buch—
handel8 war abgejchlagen.
Aber nicht für lange Zeit. Denn die orbentliche Bücherkommiſſion
hatte auch während des Beftchens der auferordentlichen Kommiſſionen
Kapitel.) Fortgang der Berationen jeitens der ordentlichen Bücherfommilfion. 715
ihre unbeilvolle Thätigkeit fortgejeßt und wenige Jahrzehnte danach
waren die franffurter Biüchermefjen zu Grunde gerichtet.
Am 16. Juli 1661 war ja, wie ſchon berichtet, Georg Frieprich Sper-
fing vom Kaifer zum Adjunkten des bisherigen Bücherfommiffars Hörnigk
ernannt worden, mit der Beitimmung deſſen künftiger Nachfolger zu wer:
den, „weil daſelbſt eine Zeit her jolche Umorpnungen und Nachläjfigfeiten
verjpürt worden“. Im Jahre 1667 jtarb Hörnigk und damit begann,
wie ſchon früher angedeutet, die ſchlimmſte Zeit für den Buchhandel.
Wiederholter Einbruch in die Gerechtjame des Rats, willfürliche Maß—
regelungen der Buchhändler, Herabdrückung der evangeliſch-theologiſchen
Yitteratur faft bis zur Kechtlofigfeit kennzeichnen das gewaltthätige und
maßloje Vorgehen Sperlings, aus deſſen Amtsthätigkeit nur einzelne
Beijpiele berausgehoben werden fünnen.
Wie rückſichtslos er die Einlieferung der Pflichteremplare betrieb, it
jhon weiter oben im Zuſammenhange mit der Behandlung ver ganzen
frage berichtet worden. Wie veratorisch das Verfahren dabei von nun ab
war, dafür jei nachträglich nur noch als Beijpiel angeführt, daß in der
Herbſtmeſſe 1685 — allerdings jchon unter dem Amtsnachfolger Sper-
lings — der Waesbergiche Bediente aus Amſterdam befragt wurbe, ob
er nichts Neues im Drud babe; vergangene Oftermefje jet etwas heraus—
gefommen, aber nicht in den Katalog gebracht worden. Er erhielt einen
jcharfen Verweis und wurde ermahnt, von allem, was er im diejem
Jahre gebrudt und aus dem Meßtkataloge ausgelaffen, die gehörigen
Exemplare zu entrichten. Die Holländer liegen eben ſchon ihre Bücher
meist nicht mehr in den Katalog aufnehmen, um die jehuldigen Exem—
plare nicht liefern zu müſſen, fie, „welche doch gemeiniglich die beiten
Bücher in die Meffe bringen“.
Fruchtlos war e8 natürlich auch jet, daß fich der Nat infolge ver fort-
währenden Bejchwerven der Buchhändler gelegentlich zu Vorſtellungen er:
mannte. Schon am 25. Februar 1686 hatte er in jeinem Verantwortungs-
jchreiben an den Kaiſer — 08 erging in Beranlaffung dev ihm gemachten
icharfen Vorwürfe, die den neuen Angriff vom 25. Oftober 1685 auf feine
Hoheitsrechte bezüglich der Herausgabe und Cenſur des Meßkataloges
und ber Gerichtsbarkeit in Preffachen begründen jollten — bejorglich
und warnend darauf bingewiejen, daß wenn von feiten der Bücherkom—
miffion in dieſer und anderer Beziehung „je stricte verfahren werden
716 Langſamer Verfall der franffurter Büchermefle. [Zebntes
jolte, Sie (vie Buchhändler) biefiger Meß Freyheiten gar nichts, oder wenig
genieken fönnten, fondern gemüßiget wirdten, Ihre Bücher an andern
orth zu ſchicken, allwo Sie jelbige wider Ihren willen nicht anzeigen undt
in Cathalogum bringen laffen, auch feine Exemplaria und Frachtkoften
von felbigen geben vörfften, noch jonderliche Confiscationen zu bejorgen
hetten“, fie auch feine „„urjach haben mügen, von biefigen Meßen abzu-
bauen und Ihre Handlung anderft wohin zu transferiren, womit €.
K. M. interesse und dann unfere befreyte Meße (fo ohne dem bev
diefen vorgewejenen Kriegszeiten in merdlichen abgang geraten) nachtbeil
undt Schaden verhüttet werden und bfeiben können“. In ganz ähnlicher
Weiſe wie der Rat ferner am 26. Juli 1690 darauf bin, daß die
Venezianer ſchon 1608 und nachher andere Ausländer mehr erklärt hätten,
daß fie die von ihren großen und foftbaren Büchern geforberten Erem:
plare nicht geben fünnten und wollten, — daß die Holländer fich alle
Meffen dariiber beſchwerten und fich ſchon jeit längerer Zeit dahin ver-
nehmen ließen, wenn barauf beharrt werden follte, würden fie ebenfalls
die Meſſen gänzlich quittieren, und fich anderswohin wenden, wo fie der:
artigen Bejchwerden und Laften nicht unterworfen wären. Die Antwort
gab gewiffermaßen die Faiferliche Verordnung vom 7. Februar 1693:
die Bücherkommiſſion jolle von allen Buchführern die Duittungen über
die Pieferung ihrer feit zehn Jahren gedruckten privilegierten Bücher
vorlegen — ein Berlangen, dem natürlich gar nicht mehr nachzufom-
men war.
Mit dem herannahenden Schluß des 17. Jahrhunderts nebmen, wie
jich hieraus deutlich genug ergiebt, dieje Andeutungen und Drobungen
der fremden Buchhändler eine immer fejtere Geſtalt an; die fich in feinen
Remonftrationen ausprägende gejteigerte Ängſtlichkeit des Frankfurter
Rates zeigt, daR dieſe Drohungen fich bereits zum Zeil verwirklicht
hatten und daß feine ftolze Zumerfichtlichkeit auf die umerjchütterbare
Stellung feiner Biüchermefjen jtarf ins Wanfen gefommen war. Cs it
dies feinem am 15. Februar 1696 an den Kaiſer gerichteten Schreiben
zu entnehmen. „Nechſtdem“, heißt es darin, „können Ew. Kayſ. Mabt.
Alfergehorjambft vorzutragen, wir feinen vmbgang nehmen, welcher ge
italten, der vor dieſem allbier in höchſtem flor gejtandene Buchhanvel
durch eingeführte, verſchiedene beſchwerde bey vemjelben (alß daß von
benn privilegirten Büchern anftatt ver vormahligen drey over vier
Kapitel.) Steigerung der Anzeichen diejes Verfalls. 717
Exemplaria iezo Sieben jampt denn Verichietungsohnfoften und von
denn in den Mefentlichen Cathalogum librorum fommenben Büchern,
die doch vor dem Teutſchen dreyßigjährigen Krieg ganz frey gewejen,
zwey Exemplaria eingefordert werben) fat gänzlich darnieder Tiege,
vnd daß mehr gedachte Herrn Commissarij von denen Jenigen ohn-
privilegirten Büchern, welche nicht in den Cathalogum librorum ge-
jet werden, nicht der wenigerd auch zwey exemplaria annoch abgeftattet
haben wollen, wozu Sie Buchführer aber als eine ganz neue Bejchwe-
rung bis iezo jich nicht verjtanden, jondern dabey fich entſchuldiget haben;
Obwohlen nun jolches als eine nicht viel auf ſich habende Sach ange-
jehen werden möchte, jo wird doch dieſe fernere Beſchwerung denen
Buchhändlern zum äußerten jehaden, jowohl als zum endlichen ruin
des allbier noch vorhandenen wenigen Buchhandels gereichen,
wann jolche annoch eingeführt werden jolte, indeme die große tractaten
vnd Bücher hoch in das gelt lauffen, und ein Buchhändler offtmahlen
von dergleichen tractaten nur zwey oder drey Exemplaria vnd zwar
auf fernen und wohl gar auß frembden Yanden anhero bringet, dahero
Sie Buchhändler, und zumahlen die aufländifche, alßdann von biefigen
Mepen ehe gänzlich abzubauen, und an andern orth vnd nach Yeipzig,
allwo Sie diejer gifft nicht unterworfen, fich zu ziehen bewogen werden
ehe Sie ſolche ober fich ergehen laſſen würden.‘
Aber in der Hofburg hatte man taube Obren für dieje immer be-
denflicher werdenden Andeutungen, fein Auge für den immer fichtbarer
werdenden Verfall der franffurter und für das fteigende Übergewicht ver
leipziger Meſſe. Man fcheute jelbjt vor Gewaltmaßregeln nicht zurüd,
Am 1. Mai 1696 jchlug das Bücherkommiſſariat — damals der faijer-
liche Fisfal Franz Erasmus von Emmerich, der Bücherfommiffar Kajpar
Bollmar und deffen Subjtitut Herm. Andr. Hohfeldt — dem Kaiſer
gar vor, die Holländer, die zu Waffer nach Frankfurt zu fommen pflegten
und fich zur Yieferung der jchuldigen Eremplare nicht verſtehen wollten,
mittelft Grefutionsedifts an den Kurfürſten von Mainz daſelbſt in
Perjon, oder doch ihre Effekten anhalten zu laſſen, da fie in Frankfurt
jo leicht feine Erefution zu befahren hätten.
Das bequemfte Hilfsmittel, um behufs Grlangung der gewinjchten
Pflichteremplare Kenntnis von allen neuen Erſcheinungen zu erlangen,
war natürlich der Meßkatalog; auf ihn hatte die Bücherkommiſſion des-
7118 Neue Attentate auf den Meßlatalog. [Zehntes
halb fortdauernd ein jcharfes Augenmerf. Sperling nahm die alten Ver-
juche, dem Rate die Redaktion des Katalogs zu entwinden und der Bücher-
fommijjion zuzumenven, mit jeiner ganzen Unverſchämtheit wieder auf.
Schon am 25. Dezember 1678 beantragt er wieder einmal bei dem Staijer,
daß die Titel für den Mehfatalog wegen Mißbräuchen, Fehlern une
Unordnungen, welche bei der frankfurter Gerichtsjchreiberei im „Setzen
der Bücher, jo in den Catalogis heraustommen“, künftig nicht mehr dem
Ratsſchreiber, jondern ihm eingeliefert werden jollten. Man babe Bücher
als erſchienen verzeichnet, welche von den Buchführern nicht an die Bü—
cherfommijfion geliefert worden wären, und als fünftig erjcheinende jolche,
die gleichwohl bereits verkauft würden. Dann jtehe bei vielen Büchern
im Kataloge: apud authorem, ohne Angabe der Verkäufer, wodurch
der faiferlichen Bibliothek fein geringer Abbruch, und zwar vorjäglic,
zugefügt werde. Dieſe Infinuation trug auch ihre Früchte; am 25. Of
tober 1685 wurde von Wien aus neuerdings der Verjuch gemacht, ver
Bücherkommiſſion die Herausgabe des Meßkatalogs und die Cenſur über
denjelben zuzumweijen. Kaum vermochte der franffurter Rat — und mur
mit Unterftügung des Corpus Evangelicorum — ven berrijchen An-
dringen durch eine Verordnung an die Buchhändler, die ein jehnelleres
Gricheinen des Mepfatalogs herbeiführen jollte, auszuweichen.
Und dabei umfleiveten fich dieje meijt in rein fiskaliſchem Intereſſe
ergebenden Maßnahmen mit dem jcheinheiligen Deckmantel väterlicher
Fürforge für das Wohl des Buchhandels! So wurde am 2. Mat 1685
dem verjammelten Ausjchuffe der Buchhändler vom Reichsfiskal u. a.
vorgetragen, fie möchten zujammentreten, ihre Einwendungen (gegen
frühere faiferliche Manpate), „befindende Gravamina und Nothourften“
eingeben, um venjelben jo viel als möglich abhelfen und ven Buchhandel ver-
maleinjt „in beper Ordnung und erwünjchte Aufnahme‘ bringen zu können.
Die in dem Buchhandel eingeriffenen Unordnungen und Betrügereien
fünen baher, daß der Meßtkatalog nicht zu rechter Zeit verfertigt, die
Buchhändler die Bücher dem Rate oder Stadtjchreiber und nicht, wie
es doch „mutmaßlich“ ſein jollte, bei dem faijerlichen Bücherkommiſſa—
riatsamt angäben, und dann die Exekution vom Rate verzögert würde.
Der Rat dagegen wurde bedeutet, wegen des Katalogs künftig beſſer
Aufſicht zu führen, denſelben zeitiger zu expedieren, keins der Bücher
ohne des Buchführers, Verlegers oder Verkäufers Offizin- und Hauſes—
Kapitel.] Sceinbare Fürjorge der Reichsregierung für den Buchhander. 719
namen in jelbigen jegen zu laffen, wie nicht weniger Schmäh-, Famos—
und ſtandalöſe Schriften nicht bineinzubringen.
Ebenjo fann man es faum anders als ein jcheinheiliges Gebaren
nennen, wenn in dem faijerlichen Patent vom 25. Dftober 1685, das
ih an „Al und jede in und außer des Heyl. Röm. Reichs gejeßene
Buchführer, welche die Frankfurter Meſſen bejuchen, oder ſonſt Ihre
Bücher auf des Heyl. Röm. Reichs Boden verhandeln, wie auch alle
die, jo fich zum Buchtrud und Handeln in eigene Weis oder weg ge-
prauchen laßen‘ wendet, gegen den Nachdruck überhaupt, nicht bloß
gegen den Nachdruck privilegierter Bücher, geeifert wird, nämlich gegen
die Übelthäter, welche „einer dem andern fein von (Vnso) Privilegirt
oder aber vom Authore mit Köften erhandeltes Buch, zu deßen
äußersten jehaden und verderben, frevelmüthig nachzutruden“ fich unter-
jtänden. Dieje offene VBervammung des Nachdruds im allgemeinen war
jwar nur eine leere Phraſe, denn gehandelt wurde ihr entiprechend nicht,
ebenjo wenig wie jeitens der kurſächſiſchen Regierung, die im ihrem
Generale vom 27. Februar 1686 natürlich mit einer gleichartigen Ver—
dammung des Nachdrucks hinterdrein hinkte; aber fie wurde gejchidt,
gleichjan als Reklame für die doch wäterliche Fürjorge der Neichsregie-
rung, zu verwerten gejucht, wie 3. B. in einem Anterzejfionsjchreiben
Vollmars an die leipziger Bücherfommiffion bei Gelegenheit eines Nach-
drudsjtreites.
Gegen die Neuerung wenigjtens, wonach ſelbſt das Gejchäftslofal
im Meffataloge angegeben werden jollte, machte der ſchwache Nat übri-
gend doch eine Einwendung. „Daß ein Jeder Verleger‘, läßt er fich ver-
nehmen, „jeinen Nahmen bey zufegen gehalten werde, Läft jich wohl thun,
allein wann die officin und behauſung jollte varbey benahmt werben,
wo ein Jever Buchhändfer anzutreffen, wirde ver Catalogus nicht allein
zu weithläuffig fallen, jondern fich auch ſchwerlich practiciren laſſen,
dann die meiften Buchhändler kommen erftlich zu Außgang der Erjten
Meßwochen alihier an, Theils haben Zwahr ihre bejtändige Läden,
Theils Kammern in die Häufer, allein Changiren jelbige zum öffteren,
auch noch wohl in der Me, Theils frembde, jo wohl gar noch nicht hier
gewehen, wißen noch Kein logiment, und müßen ſich erſtlich nach einer
gelegenheit umbjehen, Können aljo unmöglich vorher jagen, wenn ber
Catalogus jo zeitlich verfertiget wird, wo fie Ihre officinen haben und
720 Herriiches Auftreten des Bücherkommiſſars Sperling. Zehntes
anzutreffen. Wann auch“, führt das Ratsſchreiben fort, „jo gar Striete
auff dergleichen gehalten würde, jo werden die wenigſte Bücher fünftig
in den hiefigen Catalogum fommen, jondern die meilten und Zwahr
Koftbahrjten gar darauf pleiben, und im den Leipziger Catalogum ge
bracht werden, umb jo viel deito mehr, weillen daſelbſten fein Eremplar
und unfoften börffen gegeben werden, dahingegen allhier zwey, nehm:
lichen eins an Kay. Hoff mitt erlegung drey Baten vom A Fracht,
und eins an Chur Mayntz, Jedoch diejes chne Bezahlung der Fracht
(Berjtehe von unprivilegirten Büchern) müßen geben und Zahlt werden.“
Mit Eigenmächtigfeiten und Fleinlichen Chikanen war Sperling glei
vom Beginn feiner Amtsführung an vorgegangen. So nahm er 1663
vom Rate fonfiszierte und unter Verſchluß gelegte Bücher, trog Pro
teftes des Rats an ich; den ZTitelbogen des Herbitmeßfataloges von
1669 befahl er umzudruden, weil darin die Überſchrift: „Libri Ponti-
ficiorum‘ umd nicht, wie das bisher gewöhnlich: „Libri Catholico-
rum“ lautete. Übergriffe Sperlings, Störungen des Gejchäftsbetriebs
durch ihm und Protejte des Rats, die natürlich immer erfolglos blieben,
jtehen von da ab auf der Tagesorbnung. Im Jahre 1669 nimmt
Sperling, wie bereits oben berichtet, dem ſtraßburger Buchhändler An
dreas Dolbopf die Tafelweg, welche diejer „üblichem Gebrauch nah“
mit den Titeln jeiner Bücher vor jeinem Yaden aufgehängt batte,
angeblich wegen eines jfanvdalöjen und ärgerlichen, d. h. protejtantt:
ſchen Buchs. So inguiriert ev ferner im der Faſtenmeſſe 107%
nach Urjprungsort und Bezugsquelle des Traftätleins: „Alt- und neuer
treuberziger und tiefgefinnter franzmanntjcher Politicus“. Bon einigen
vorgeforderten Buchhändlern brachte er heraus, fie hätten es von Georg
Sonleitner (von Bern?) gekauft. Da aber Hermbstorff, „ver Ne
Commission über Sonleitners Dandlung bat“, Autor und Druder nit
angeben fonnte und Sonleitner nicht zur damaligen Meſſe gekommen
war, jo machte Sperling furzen Prozeß und ließ Hermbstorff in eigen:
mächtigjter Weije jcharf anbefehlen, „daß er dieje Meſſe des Sonleitners
Yaden mit öffnen oder etwas von jeinen Büchern verhandeln joll, biß
Ihro Röm. Kay. Mt. in ver Sachen ferner allergnädigit resolvirt
haben und er fünftig jelbft anhero kommen würde‘. Von einem freien
Meßverkehr konnte da nicht mehr die Rede jein!
Der frankfurter Nat war ja längſt zur Ohnmacht beraßgeprüdt;
Kapitel.) Heftiger Konflift des Rats mit Sperling 1678. 121
über papierne Protefte ging er nicht mehr hinaus. Nur einmal kam es
zwiſchen ihm und Sperling zu einem jchärfern Konflikt, als endlich das
protejtantijche Gewiſſen des Rats gegen des lettern ſyſtematiſche Unter-
drüdung der protejtantiichen polemifchen Yitteratur, als angeblicher
Schmähſchriften, und gegen jeine Beſchützung der entſprechenden fatho-
lijchen aufbäumte. Im der Herbitmejfe 1678 hatte der Rat 300 Erem-
plare einer bei Johann Wiedenfelots Erben in Köln erjchienenen katholischen
Schmäbjchrift: „Ephemerides over furke Jahr- und Taggejchichte von
Auff- und Untergang des Lutheriſchen Erften Evangelii von G. W.
Philo-Germano“ fonfisziert und den weiteren Vertrieb unterjagt. Sper-
ling war dreiſt und unverſchämt genug, die Herausgabe der Eremplarc
zu verlangen; fie wurde verweigert, weil der Traftat lauter anzügliche
Schmähſchriften und Sachen enthalte, e8 auch nach Neichsfapitulation
und Abjchiev jeder Ortsobrigfeit gebühre, vergleichen Schartefen zu ver-
bieten und einzuziehen. Übrigens aber, und weil dem Herrn Commis-
sario mit Weitläufigfeit gedient fei, werde der Nat jolches nicht allein
vem faijerlichen Reichshofrat, ſondern auch den jümtlichen Ständen des
Reichs zu Regensburg binterbringen. Dbgleih das Pamphlet anonym
erjchienen und ſchon deshalb der Reichspreßordnung gemäß jtrafbar war,
nahm Sperling doch feinen Anftand, bei dem Kaiſer unter dem 26. Fe—
bruar 1679 bitter Bejchwerve zur führen. Der Rat habe entgegen ver
fatjerlichen Bücherfommijfion „ganz vermejjentlich und höchſt jtrafbar-
lichſt“ das Buch fkonfisziert. Wenn nun die Nonfisfation der Bücher
dem faijerlichen Biücheramt immediate allzeit gebührt habe — reiche-
gejetlich aber war fie Sache des Rats! — auch der Rat vor vielen
Jahren und bis in die neueſte Zeit antikatholiiche Schriften habe öffent—
(ih und unbeanftandet verfaufen laffen, jo rufe er, Sperling, des Kaijers
Hilfe „nieend und in tieffter Demuth“ an und bitte inftindigft, ven
Rat wegen begangenen höchſt unverantwortlichen, freventlichiten Exceſſes
abzuftrafen und daß der Magiftrat die fonfiszierten Bücher alsbald in
das Bücerfommifjariat einliefere, dem Buchführer ven erlittenen Scha—
den vergite und ſich dergleichen „Erorbitanzen und freventlichiter Atten-
tate, jo ihrer Gewohnheit nach fie fich gebrauchen, zu ewigen Zeiten
enthalte und das kaiſerliche Bücher-Commiſſariat unbeſchimpft und un-
molejtirt laſſe, per mandatum poenale anzubefehlen, und more con-
Kapp. I. 46
122 Einjchreiten der Evangeliſchen Neichsjtände. [Zehntes
sueto ſich contumax erzeigen jollte, die Erecution dem Churfürjten von
Maink an die Hand zu geben‘,
Sperling hatte eigentlih nur im Geifte feiner Inftruftionen ges
handelt; er wußte jehr wohl, daß er ſich durch Herbeiführung derartiger
Konflikte in Wien zu einer Persona gratissima machte. Man hatte
dann Gelegenheit, den franffurter Rat — ohne den fonfreten Fall
überhaupt näher zu erörtern — in hohem und jtrengem Tone abju-
fanzeln und ihn noch weiter in jeinen Gerechtjamen zu bejchränfen. Der
Verſuch wurde auch diesmal gemacht. Der Kaiſer erließ unter dem
6. März 1679 ein geharniſchtes Rejfript an ven Kat; bei Vermeidung
fchärferer Anordnung wird ihm fernerhin jede Konfiskation ernſtlich
unterjagt.
Aber diesmal entwidelte jich die Sache denn doch etwas anders.
Der Rat wandte ji in der That an den Konvent der Cvangelifchen
Reichsſtände zu Regensburg; e8 war auch nicht das erjte mal, daß dies
geſchah. Schon einmal, am 6. Dezember 1669, hatte das Corpus
Evangelicorum gegen das gewaltjame Einjchreiten Sperlings vemon-
jtriert, doch nur in ziemlich zaghafter Weije: man hatte fich nicht be-
jchwert über das gewaltthätige Auftreten Sperlings überhaupt und über
jeine Eingriffe in die Rechte eines jelbjtändigen Reichsſtandes, — nein,
nur dagegen vemonjtrierte man, daß er einjeitig vorgebe und zielte
zur Lahmlegung dieſes einfeitigen Vorgehens äußerſtenfalls nur auf
eine paritätiſche Organijation der faiferlichen Bücherfommiffion ab; von
einer eigentlichen Vertretung der Nechte des Reichsſtandes Frankfurt war
gar nicht die Rede gewejen. Die Evangeliihen Stände hatten ſich näm—
(ih dahin ausgedrückt, daß es „eine jehr weit ausſehende unleidentliche
Beichwerlichkeit nach jich ziehen dörffte, wann jolche Bücher-Inspection
allein von etwa unzeitigen Affecten und Privat-Religions-Eifer eines
Yücher-Commissarii dependiren müßte, auch jolchen Falls, da gleich—
wohl unter Catholifchen und Evangelifchen über gewiſſe ins Religions-
Weſen lauffenden Angelegenheiten, wil cognoseiret und erfannt werden,
unjern hohen Herren Principalen auch Committenten und Obern nicht
zu werdenden noch zu verjagen jeyn würde, wann jie gebührend anjuc-
ten und darauf bejtünvden, daß, nach ausdrücklicher Disposition ves
Instrumenti Pacis“ — nämlich res Weftfälijchen Friedens — „bey
Beitellung vergleichen Aemter vie Religions-Parität hinführo möchte
Kapitel.) Geheime Beeinfluffung des ſächſiſchen Hofes. 123
conserviret- und Dadurch dem böchitbejchwehrlichen Mißtrauen und Par-
theylichkeit möglichit vorgefommen werden”. Derartige zahme Remon—
jtrationen hatten natürlich feinen Eindruck zu machen vermocht.
Diesmal ging das Corpus Evangelicorum energijcher und vor allen
Dingen wunderbar jehnell vor. Bielleicht bot dazu der Umſtand ven An—
laß, dag um diejelbe Zeit verjchievdene protejtantische Neichsftände jeitens
des faijerlichen Hofes mit mehr oder weniger jcharf gehaltenen Bejchwer-
den über mangelhaft gehandhabte Genfur und Anjchwellen ver Famos—
Yitteratur direkt behelligt wurden; im Jahre 1681 geſchah dies förmlich
ſyſtematiſch. Genug, ſchon am 22. April 1679 ging die Beſchwerde
nach Wien ab; e8 wurde darin ein energijches Vorgehen des kaiſerlichen
Fisfals gegen Johann Wiedenfeldts Erben auf Grund der Reichskon—
jtitutionen verlangt: neben empfindlicher Strafe, Unterfagung des Be-
triebs der Buchdruderei und des Buchhandels, und zwar um jo mehr,
als es verlaute, daR ein Neuprud des betreffenden Werkes beabfichtigt
werde. Und noch mehr; jevenfalld gewitigt durch die ſchon gedachten
Behelligungen, erhoffen die Evangelifchen Stände diesmal vom Kaiſer,
er werde auch an feinen „Biücher-Commissarium zu Srandfurt ernftlich
rescribiren, daß er weder die Stadt Frandfurt, noch einigen Reichs—
Stand und Obrigfeit an Bollziehung deſſen, was ihr jure Status et
territoriali gebühret, und die Reichs-Constitutionen, wie auch Policey:
Ordnung wegen vergleichen Confiseirung erfordern, nicht hindern, jon-
dern vielmehr der Reichs-Ständen ihre disfalls habenden Jura unange-
fochten lafjen werde‘.
Bei ven Verhandlungen innerhalb des Corpus Evangelicorum
jcheint leider Kurjachien eine etwas zweideutige, jedenfalls ebenjo wie in
ven Jahren 1608 und 1609 eine jchwächliche Rolle gejpielt zu baben.
War es Deferenz gegen ven fatjerlichen Hof, oder war es Ausfluß
einer Politik, die vielleicht die Schädigung der franffurter Büchermefie
im Intereſſe der leipziger gern jah, genug, Kurjachjen hätte allen An-
jchein nach das Zujtandefommen dev gemeinjamen Beſchwerde gar zu
gern verhindert, wenigftens jeine Unterjchrift verjagt. Intereſſante Ans
deutungen gibt hierüber ein an den Kaiſer gerichteter Brief eines Abtes
Dtto — wer er war und was er in Dresden zu ſuchen hatte, ift nicht
erjichtlih —, datiert won da am 6. Juni 1679. Otto berichtet, daß
die jümtlichen proteftierenden Stände bejchlofjen hätten, vurch „Gemein—
46*
724 > Erneutes Auftreten der Evangelischen Stände. Zehntes
ſchreiben und Supplik“ bei dem Kaiſer einzukommen, ſich über die Sache
zu beſchweren und um Remedierung und Einhalt ſolcher Bücher zu
bitten. Doc ſei wegen der Subjfription, ſonderlich zwiſchen Medien.
burg, Baden und andern, einiger Disput entjtanven. Nun babe Otto
fich zwar sotto mano bemüht, wo nicht das ganze Werf ins Stoden
zu bringen, jo doch dazu zu helfen, daß Kurſachſen die Zubjfription dekli—
nieren oder davon abjtrahteren möchte; der Kurfürſt jet auch dazu ge-
neigt geweſen, doch jet ihm, dem Briefjchreiber, von einem und andern
vertrauten dresdener Minifter jo viel eröffnet worden, daß man zwar
diejes Werf jo jehr am fich jelber nicht apprebendieren thäte, weil wahr
und unleugbar wäre, daß jeitens der Protejtanten ebenfalls genugjam ge
gen die katholische Religion gejchrieben und gedrudt würde; aber es
fönnte ſich Kurjachien in diejem Falle der Meitunterjchrift nicht ent-
ziehen, damit es nicht den Anjchein hätte, ala ob es mehr mit ver
katholiſchen, als mit der proteftantiihen Seite halten wollte, dann
aber auch das Directorium inter Protestantes bei vergleichen Fällen
verlieren würde, was ſich Kurbrandenburg bald zu Nutzen machen
würde,
Jedenfalls jcheint diefes Eintreten der Evangeliſchen Reichsſtände für
Frankfurt den Erfolg gehabt zu haben, daß in dieſem Falle Die Rechte
des dortigen Rates nicht weiter beeinträchtigt wurden, das Konfisfatione
recht ihm verblieb. Aber nur jeheinbar. eve Gelegenheit wurde von
der Bücherfommijfion ergriffen, neue Cingriffe zu verjucen; und jtets
brödelte etwas von den Rechten und von dem Anjehen des Rates ab.
So von neuem in der Herbitmejie 1685. Der Rat hatte auf Ver:
langen des Bücherkommiſſars Vollmar und des Neichsfisfals den bei
Johann Philipp Richter in Bajel erjcheinenden Traftat Jobann Zwingers
„De festo corporis Christi“, ein angeblich ärgerliches, läfterliches, james
und jcommatiiches Buch, fonfisziert. Die Schöffen erfannten jedoch,
daß das Buch nicht Fonfisfabel jei und gaben es zurüd. Sofort be-
jchwerte jih Bollmar am 12. November 1685 bei dem Kaiſer, und diejer
befiehlt jchon unter dem 28. dem Rate ernftlich, „daß, wann binfüre
der Bicher-Commiffarius ein oder anderes Buch wieder eure Meimung
für confiscabel halten jollte, ihr jolchenfalls die Sache zu unjerer gnä-
digen Entſcheidung allber an den faiferlichen Hofratb berichten und in-
mitteljt jolcbe Bücher bis zu dem Austrag in jicbere Berwahrung auf
Kapitel.) Verhalten des ſächſiſchen Hofes dabei. 123
behalten over aber gewärtig jein jollt, daß man fich wienrigenfalls deſſen
unfeblbar gegen euch erheben werde“.
Aber diejer erneute Angriff war im Grunde genommen fein ijoliert
daſtehendes Faktum; er bildete vielmehr nur das Probeglied in einer
zuſammenhängenden Kette von Maßregeln, welche alle bisher errungenen
Erfolge und bis dahin gejcheiterten VBerjuche in der Bedrückung des
frankfurter Meßverkehrs zujammenzufaffen und durchzudrücken ftrebten.
Er hängt zufammen mit dem Erlaß des jchon angeführten faiferlichen
Patents vom 25. Oftober 1685 in. St.), welches dem frankfurter Rut,
jamt dem Begleitjchreiben von gleichem Datum, merhvürdiger Weije erft
am 5. Februar 1686 (15. m. St.) behändigt wurde. Glücklicherweiſe
waren auf Anregung des franffurter Neichstagsgejandten bereits in
Beranlaffung des Falls mit dem Werfe Zwingerd im Schofe des
Corpus Evangelicorum Beratungen über Schritte am faiferlichen Hofe
im Gange, vie num ein bejchleunigteres Tempo annahmen und dem
franffurter Nat Zeit gaben, das Drängen des faiferlichen Hofes durch
eine ZScheinkonzejion in Sachen des Meßkatalogs vorläufig in etwas
zu befriedigen.
Der kurſächſiſche Geſandte, Otto Heinrich von riefen, hatte zwar
von vornherein Das „Anmuthen‘ des Frankfurter Abgeorpneten oſtentiös
abgelehnt, da es die Schrift eines reformierten Theologen war, welche
den Anlaß zu dem Interceſſionsgeſuch gegeben hatte. Er wollte zumächit
erit die andern lutherischen Reichsſtände jondieren, berichtete aber doch
vorläufig am 17. Dezember 1685 über die Suche nach Dresden. Ob—
jchon er nur Die von jeiten Frankfurts bevvorgehobenen bevenflichen
Konjequenzen für vie Gerechtſame ver Reichsſtände, für die Protejtanten
und ven „außer der Stadt Yeipzig, zu Frankfurt faſt allein floriren:
den Bücherhandel“ referierte, ließ er doch jchen jeine eigene günstige
Auffaffung des Geſuchs durchblicken. Dennoch berurfte es zweier wei:
terer Berichte Frieſens vom 4. und 15. Februar 1686), bis Kurfürſt
Johann Georg II. fich jo weit aufraffte, um jein Oberkonſiſtorium zu
einer Begutachtung der Frage aufzufordern. Der faijerliche Hof war
von vornherein darauf bedacht gewejen, etwa bei ihm aufjteigende Be—
jorgnijje durch jofortige höfliche Mitteilung des Patents vom 25. DE:
tober 1685 unter bejonperer, ja alleiniger Betonung jeiner angeblich
nur gegen politiiche Schmäbjchriften und verbitterte Polemik gerichteten
126 Schreiben der Evangeliichen Reichsitände vom 31. März 1656. FJehntes
Tendenz, einzufchläfern. Johann Georg hatte auch nichts Eiligeres zu
thun gehabt, als in gewohnter jächfifcher Weiſe mit jeinem Generale
vom 27. Februar 1686, mutatis mutandis, einen förmlichen Abllatſch
jenes Patentes für Sacjen zu publizieren.
Glücklicherweiſe überging der Bericht des ſächſiſchen Oberkonſiſto—
riums vom 25. Februar 1686 — vielleicht unter dem Eindruck, welchen
der erſt kurz zuvor erfolgte Widerruf des Edikts von Nantes ſelbſt auf
den verbiſſenſten Lutheraner machen mußte — den Zwiſchenfall mit dem
Werke Zwingers, faßte nur die große Gefährdung der proteſtantiſchen
Litteratur und des ſächſiſchen Buchhandels ins Auge und befürwortete
deshalb die Unterſtützung des frankfurter Rats.
Dem entſprechend fand denn endlich unter dem 31. März 1686 die
Interceifion der Evangeliſchen Reichsſtände ftatt. Sie tritt energiſcher
auf, ald in frühern Jahren, ja geht zu Anflagen über und zeigt, daR
die Keflamanten infolge des immer erneuerten Andringens des kaiſer—
lihen Hofes bedenflich geworden waren. Das KReflamationsichreiben
zeichnet fich der Zaghaftigkeit gegenüber, welche in der Führung „Kur
ſachſens und in den Vorjchlägen jeiner Räte unverkennbar ift, wortetlbaft
aus. Diefe hätten am liebjten den faiferlichen Hof durch die Zuſiche—
rung energijcher Handhabung der Genjur im eigenen Yande und bes Cr:
laffes neuer Genjurverordnungen — durch eben jenes Generale vom
27. Februar 1686 allein — begütigt und Frankfurt feinem Schidjal
überlaffen.
Das Schreiben der Evangelifchen Stände iſt für den Abſchluß ver
hier zu ſchildernden Periode beveutfam genug, um es im jeinen weient
lichen Teilen in extenso einzufügen:
„Alldieweilen doc aber fonften insgemein die Cognition und Contis-
cation der Bücher, vermög der Meich8-Constitutionen . . . . denen Stän-
den des Reichs und jedes Drts hoher Obrigkeit zuftehet, aud) in specie
dev zu Franckfurt bis daher guten theils alleine nod) im Röm. Reich
Hlorirende Bücher: Handel einen nicht geringen Auftoß leiden wiirde, wenn
auf bloßes Begehren des Bücher-Commissarii ein Bud) zu confisciren, der
Magistrat fofort darein condescendiren, oder doch, da er widriger Meynung,
ab executione anfangen, die Bücher verarrestiren und in Verwahrung
nehmen, und die Sache fodann an Em. Kayſ. May. Reichs: Hof-Rath zu
deffelben Entſcheidung berichten folte, indeme ſolchen falls wohl fein Bud)
führer es mit feinen und zumafen denen Evangeliſchen Büchern auf eines
Kapitel.) Schreiben der Evangeliſchen Reichsitände vom 31. März 1686, 127
Römiſch-Catholiſchen und ſonderlich Geiftlihen Bücher -Commissarii (deffen
Approbation beforglich fein Evangelisches scriptum finden wird) verbädhtige
Censur, oder auf einen ungewiflen Ausgang und decisum hazardiren, wagen
und auf mehr vorjeyenden Berluft und befchwerliche distrahirung, als ehr-
liche Young, felbe mehr zu freiem Kauff bringen dörffte? So wirde dem
nad zuvorderift dem gangen Evangeliſchen Weſen damit am allerweheften
geſchehen . ... wenn über Polemica et Religionis Evangelicae Funda-
menta ex sacro Codice darthuende seripta ein eingiger und zwar der ans
dern Religion zugethaner Mann zu cognoseiren Macht haben, und ob ein
oder anders folcher Bücher zu verfauffen oder zu confisciren, oder aud) mit
in den Bücher-Catalogum, als bey welchem fi biß daher noch von feinen
der vorigen Bücher-Commissariorum etwas angemaffet worden, zu bringen
von jeinem ob diversitatem Religionis nicht wenig suspecten deciso de—
pendiren ſolte. Weilen nun gleichwohl die Reichs-Constitutiones und in
specie die Religions:Verträge fambt den Weftphälifchen Friedens: Scjlitffen
„ein anders erheiſchen . . . Als leben unſere . .. Herren Principalen, Obern
und Committenten der allerunterthänigften Zuverſicht. . . Ew. K. M. wer:
den .. . obangeführte Ungleichheit nicht allein nicht zulaſſen ... fondern viel:
mehr die Stände des Keiche, und in specie aud) den Magistrat zu Franck—
furt bey denen hergebradjten juribus, und Befugnuffen in Cognition und
Contiseirung aller und jeder und fonderlich der Evangelifchen Bücher, aud)
Verfertigung des Catalogi nundinalis, und was demfelben allen mehr ans
hängig, geruhiglicd zu laffen, und Dero Bücher-Commissario ſich weder zu—
gleich, in obbefagtem fich einzutringen, amı wenigften aber einfeitigen und
alleinigen Gewalt dabey anzumaflen, ernft: und nachdrücklich zu inhibiren
allergnädigft geruhen. ..“
„Aldieweilen aber auch, allergnädigfter Kayfer und Herr, öffters er-
wehnte unfere Herren Prineipalen . . . . ein Zeithero wahrgenommen,
weldyer geftalt von theil® Scriptoribus bi® daher die geziemende modestia
calami in ihren Schriften nicht gehalten, fondern fich vielmehr von denen—
jelben, und infonderheit von denen Römiſch-Catholiſchen, einer ſolchen har-
ten Schreibens-Art und allerley invectiven gegen die Evangeliſche Yehr und
Vehrer dabey bedienet werden, wordurd die Gemüther nur mehr erbittert
. wie damı der von vielbefagter Stadt Franckfurt Em. K. M. Gamer:
Fiscal unterm 6./16. Oetobr. jüngſthin bengelegte Extractus allerhand heff-
tiger und ſehr ehrenrihriger von umterichtedlihen gar neuen Catholifchen
Seribenten audgeftoffener Schmähungen und Calumnien, nad) der Copia
sub A. folches Härlich bezeugen fan, mehrers vor jeßo nicht anzuführen,
Als erjuhen Ew. K. M. fie auch defienthalben allerunterthänigft und ge—
horjamft, Dero Kayferl. Amt und höchſte Autorität dahin allergnädigft zu
interponiren, daß ſolchem ungebührlichen Unternehmen mit Nahdrud ge—
128 Inſtruktion für den Bücherkommiſſar vom 22, Februar 1685. Zehntes
fteuret, und die denen Sanctionibus publicis ſchnur-ſtracks zuwider Lauffende
Vehemenz unterlaffen werden möge... . . aljo zweifflen unſere gmädigite
und guädige Herren Principalen .... um defto weniger, Ew. K. M.
werden, Dero zur Gerechtigkeit höchſt-geneigteſten Gemüth nad, auf diele
allerunterthänigfte Vorſtellung zu retlectiren, und die in tieffftem Gehorſam
gebettene allergnädigfte Anordnung zu verfügen geruhen.‘
Ob dieje allergnädigſte Anordnung erfolgt ift, daran dürfte zu zweifeln
jein; Die in der Inſtruktion von 1685 für ven Bücherkommiſſar enthaltene
hatte fich ja ſchon als eine leere Phraſe eriwiejen.
Alles dies geichah jedoch jchon unter dem Amtsnachfolger Sperlinag,
denn diefer war am 16. März 1685 feines Amtes entjekt worden.
Kriechend feinen Obern gegenüber, brutal in feiner Amtsführung, un
ehrenhaft in jeinem Privatleben, hatte ev ſich jo verbaft gemacht, dar
ihn jelbjt jeine Gönner in Wien nicht mehr zu halten vermochten.
Sperlings Nachfolger war ver jchen genannte Kaſpar Vollmar,
Dechant des Stiftes bei Unjerer Yieben Frauen in Frankfurt, geworden.
Wie fich bei dejjen Ernennung die Pflichten und Befugniffe des Bücher—
kommiſſars geitaltet hatten und geftalten jollten, erhellt aus jeiner am
22. Februar 1685 ausgefertigten proviſoriſchen Inftruftion.
Die Abjüke 1. bis 4. derjelben handeln von der Übernahme des amt
lichen Inventars aus den Händen Sperlings. Damm wird dem neuen
Bücherkommiſſar ferner aufgetragen:
5. bey ieder Meß die bifheriger obseruantz gemäß gewohnliche exem-
plaria von allen priuilegirt vnd vnpriuilegirten Büchern neben der vectur
bey denen Kauffleuthen einzufordern, vndt ohme deren Lieferung don Fraud—
forth mit zu erlaffen, mit deren vberſchickhung er mit einer ordentlichen
zweyfachen speeification derfelben (dauon eine zur ReichsCanzley die andere
aber zur Kayſ. bibliothee gehörig) die bejchaidenheit zu gebrauden, daß
waß zur Kayf. Bibliothee vndt Reichs Cantzley gehörig, indeß abgefondert
einballirt vndt jeines orths eingefendet werden folle, vmb dardurd alle vn-
richtigfeit vndt confusion zunerhitten. Sollten aber wider verhoffen einige
Kauffleuthe bey einer oder andern meß auß billichen vrſachen zum thaill in
auſſtand verbleiben, jollen hieruon ebenmeſſig erftgedacdjter mafjen zwey gleich
(authende verzaichnußen zur Reichs Canzley vndt Bibliothee eingefendet
werden, vnd gleich bey negſt darauf erfolgenden Men die Rüchſtände allen
Fleiſes eingebracht vndt obbefohlener maßen hiehero beftellt werden, vudt
damit von denen fchuldigen exemplarien nichts möge verhallten vndt vnnter—
ſchlagen werden, jo folle er ſich befleiffenn von iedem Buchhändler einen
Kapitel.) Inſtruktion für den Bücherkommiſſar vom 22. Februar 168. 129
getrudhten oder gefchriebenen Catalogum jeiner in Verlag Habender Bücher
zur handt zu bringen, darauf die Buchladen vndt andere haimblidye Ge—
wölber vndt behalltnufen allen fleifes zu visitiren und darob zu fein, daR
aller betrug verhütet, vnd die Verbrecher der gebühr abgejtraffet werden
mögen,
6. Erſtgedachte visitation jolle aud) vndt vornemblic dahin dienen, daf
wieder die Reichs constitutiones infonderheit dem Religions friden vnd daß
gemaine wejen feine verpothene vndt andere onzuläjfige famosichrifften ge:
trudhet vndt verfauffet werden mögen, gegen deren authores, Typographos
vnd Bibliopolas neben confiscirung der Bücher, dem herfonmen gemäß mit
anderweither Rechtsſtraffe vnnachläſſig verfahren werden jolle, geftallten auch
zwischen vndt auffer denen Meilen vmb ſolchen ſchädlichen miſbrauch gänz:
lich einzuftellen, er Bolmar bey denen Buchtruckher vndt händlern zu Frauck-
forth fothane vnuerjehene visitationes oder haimbliche vnuermerckte nad):
forihungen fürzunemben, vndt daß dergleichen bey andern Reichs- vndt
handlsStätten beſchehn, vertraute zuuerläffige correspondenz zu bejtellen,
vndt daß befinden ieberzeuth fleiffig zu berichten.
7. Erfordert die notturfft im alle wege, daß er mit Ihro Mayt. Cam—
mergerichtS Fiscalen zu Speyer in» vndt auffer der meſſen erhaiichender
notturfft nad) vertramlich coneurrire vndt correspondenz pflege vndt feiner
assistenz vndt ambtshilff fi) auf alle weis bediene.
8. Solle er hinfiiro nad) einer ieden Meß nit allein einen generalem,
fondern auch von jedem Buchhändler specialem Catalogum derer dahin ge—
brachten Bücher nebenft einem ordentlichen protocoll vndt Bericht alles deſſen,
wah bey ieder Meß in dem Bücher Commissariat vorgeloffen vnd abge:
handlet worden zue Reichshofrath einshidhen, damit diefes dent gemainen
weien fo hoc) nuzliche werdh einft in feine beftändige ordnung vndt richtig:
feit gefezet, vndt fürohin dabey erhallten werden möge. Waß aber außer
vndt zwilchen denen Meſſen passiret, dauon hat er iedesmahlen abjonderlic)
Bericht zu erftatten.
9. Mit dem Kayſ. Kammergerichtstiscalen hat er ſich zu vnterreden vnd
nebenſt ihme geſambten Bericht zu erjtatten, wie die bisherige patenten vndt
verordtnungen gehalten worden, oder fonften zu aufnembung dei Bücher
Commissariats vndt gemainen wejens füglich zuuerbeffern; wie auch welcher:
geftalten
10. der catalogus generalis hinfüro beifer eingerichtet, ingleichen ob
11. eine Büchertax vnd war für eine gehalten, auch wie vndt welcher
geftalten jelbige etwahe mit guten muzen vndt beftand zu melioriren vndt
feftzuftellen, wie nit weniger wie weith
12. der Magiftrat zu Srandforth in visitirung aud) jperrung der Bud):
läden, contiscirung der Bücher, beftraffung der delinquenten, aiustirung
130 Vollmars erjtes Auftreten. Beeinfluſſung durch die Geiftlichkeit. Zehntes
deren zwifchen denen Buchhändlern entitehenden differentien, cumulativam
ve] privatam iurisdietionem hergebradht habe vndt behaubten wolle, vnd
waß dergleichen in daß Bücher Commissariat influirende Sadjen mehr jein
möchten, worüber allerhöchftged. Ihre Kayſ. Maytt. hernegft förterlichen voll»
ftändigen Bericht erwarthen, vndt ſich allergnedigit verjehen, er Bolmar
werde allem diefen mit underthänigiter ſchuldigſter trewe fleiffigft nachkommen,
vndt benebenft darob fein, daß er der religion halber wieder die constitu-
tiones Imperii et Instrumentum Pacis feinen vnzeutigen eyfer werde vor-
tringen laffen oder denen Augipurgifchen confessions Verwandten zu be:
ſchwerungen Vrſach geben, dauor er fich in alle weeg zu hüten.
Schon am 3. Mai 1685 leitete Vollmar feine, im allgemeinen nicht
jo jchroff, wie die Sperlings, auftretende Thätigfeit in Gemäßbeit ver
Inftruftion damit ein, daß er in Gemeinſchaft mit dem fatferlichen Fis—
fal Emmerib — der Bücherfommiffar fonnte ja nun nicht mehr allein
vorgehen — einen Erlaß an jümtliche Buchhändler veröffentlichte. Es
hätten fich verſchiedene Gebrechen und Mängel eingeichlichen; vor allem
jollten die Buchhändler fich erklären, ob die fchon vor mehr als zwanzig
Jahren verfaßte und publizierte Taxordnung nicht zur Obſervanz zu
bringen oder aber eine neue mit Nutzen und Beſtand einzurichten und
fejtzuftellen jei. Auch hierüber ift weiteres in den Akten nicht zu fin:
den. Jedenfalls ift die galvaniſierte Yeiche ohne Dinterlaffung von Spuren
wieder in ihrem Aftengrabe beigejeßt worden.
Zum Abſchluß der Darftellung der unheilvollen Wirkjamfeit dev Bü—
cherkommiſſion bis zum Schluß der hier zu behandelnden Periode mögen
nur noch einige Notizen über ven Einfluß ver Geiftlichkeit auf jene Be
hörde Plaß finden. Sehr bald nah dem Antritte Bollmars erbielt
diejer ein von Wien, 11. Mai datiertes Schreiben der Societas Jesu.
Es ſei in Salzburg eine von Peter Fiſcher verfaßte Schrift, betitelt:
Jesuiticum Nihil, erjchienen, die auch in Frankfurt verfauft werde und
jehr nachteilig von den Jeſuiten ſpreche. Es werde ihm nun bierburd
befohlen („benigne serioque jubemus”), jeiner Pflicht gemäß das
genannte Buch genau zu prüfen und wenn er etwas darin finde, was
die Ehre der alma Societas beeintrüchtige, alle aufzufindenvden Exem—
plare einzuziehen und eins davon an dem faiferlichen Reichshofrat be-
hufs weiterer Weiſung einzuſchicken. Daß eine verartige Schrift zu
jener Zeit bereits in Salzburg erjcheinen fonnte, ift eine Thatjache von
hohem Imtereffe. Sie zeigt, daß fich ſchon zu jener Zeit eine Oppo—
Kapitel.) Berinfluflung von Rom aus. Sinfen der franffurter Meile. 731
jition gegen die Preßbevormundung jeitens der Jeſuiten zu vegen begann,
eine Oppofition, welche im Jahre 1720 in Graz zu einem ſehr ſcharfen
Kampf zwiichen ven weltlichen und den Jeſuitencenſoren führte,
Inwieweit die Biücherfommiffion im jtillen nicht gar direkt won
Rom aus beeinflußt worden jein dürfte, läßt fich nicht klar überjehen;
nur Andentungen treten darüber hervor. So nahm VBollmar am
19. Aprit 1695 Veranlaffung, infolge einer Anfrage von Wien, dem
Kaifer zu berichten: Der Titel eines „päpftlichen Büchercommiſſars“
jet dem faijerlihen Bücherfommiffar zu zeiten won einem oder andern
von Kom aus beigelegt worden, uriprünglich deswegen, weil dem Papjte
nach jeder Meſſe eine gedrudte Defignation aller erichienenen katholischen
Bücher auf ſeine Koften und gegen einen freiwilligen Recompens ver-
fertigt und zugejchieft werde, um ihn von der betreffenden Pitteratur in
Kenntnis zu jeten, wie nicht weniger, damit, wenn etwa „Romantjche‘
Bücher, wie zu zeiten gejchebe, dem frankfurter Bücherfataloge einzu-
verleiben wären oder aber von bier aus etwelche neue Bücher dahin ver:
langt würden, man wüßte, an wen dergleichen Wünſche zu adreifieren.
So hatte die fatjerlihe Bücherfommijfion ihr Werk jo ziemlich voll-
bracht: fie hatte Früftig und umentwegt daran mitgearbeitet, die Blüte
der franffurter Bichermeffe zu untergraben. Der langjame Verfall ver:
jelben hatte, wie ſchon früher gejagt, dem Faiferlien Hofe nicht bie
Augen zu öffnen vermoct, die Warnungen und halben, immer deut:
liber jprechenvden Drohungen der fremden Buchhändler: bei Fortdauer
der Berationen „abzubauen“, vie ängjtlichen, gegen Ende des 17. Jahr:
hunderts aus voller Überzeugung entjpringenden Andeutungen des frank:
furter Rates über jeine Bejorgniffe nach dieſer Richtung hin, hatten
taube Obren gefunden. Daß der frankfurter Meßkatalog immer mehr
zuſammenſchrumpfte und zu Bedeutungsloſigkeit berabjanf, wurde in
jeinen Urjachen verfannt; für die Bicherfommijfion war died nur ein
neuer Beweis für die Schlihe und Ränke der böjen Buchführer, denen
alle Mittel gerecht wären, fich der behördlichen Kontrolfe betreffs ihrer
Verpflichtung zu WBiücherlieferungen nach Wien zu entziehen, — nicht
ein Miene-Tefel, fein augenjcheinlicher Beleg dafür, daß die franffurter
Meſſe in ihrer Bereutung für die mehr und mehr eritarfende und jelbit
antitativ das Übergewicht erlangende Produktion Nord: und Mittel-
deutſchlands fchwere Einbuße erlitten hatte, daß ein großer Teil diejer
132 Sinfen der Frankfurter, Aufiteigen der leipziger Meſſe. Zehntes
Produktion gar nicht mehr nach Frankfurt, nur noch auf die leipziger
Meſſe gebracht wurde. Die Venezianer waren ſchon lange in Frank—
furt ausgeblieben. Die Holländer folgten ihnen darin mehr und mehr
und ſelbſt die Nord- und Mitteldeutſchen fingen an, ſich zurückzuziehen.
Im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts kamen nur noch fünf,
dann nur noch zwei leipziger Firmen zur Meſſe. Die Verſchiebung
der frankfurter Faſtenmeſſe um vierzehn Tage drängte dieſe jo nahe au
die Leipziger Oftermefje heran, daß die nordveutjchen Buchhändler es
num wicht nur ihrem Intereſſe, jondern auch ihrer Bequemlichkeit zu-
träglicher fanvden, ficb auf den Beſuch von Yeipzig zu beſchränken.
Zwar hatte die kurſächſiſche Regierung den Buchhandel auch nicht
immer mit gerade vwäterlicher Fürjorge behandelt und mit Sammethand—
ſchuhen angegriffen, ver Verationen kamen auch in Yeipzig genug vor —
das 9. Kapitel ift darüber einfach zu vergleichen — die gejchäftlichen
Yajten waren bier, wenigitens was die Pflichterempfare für erlangte
Privilegien anbetrifft, jogar höher als in Frankfurt, konfejfionelle Eng—
berzigfeitt und Berrüdung, namentlih in Rückſicht der reformierten,
myſtiſchen und pietijtijchen Yitteratur, trat auch in Yeipzig nur zu jehr
zu Tage. Aber beides wurde nicht mit der Schwere empfunden, wie
die ſyſtematiſch angejtrebte Unterprüdung der gejamten protejtantiichen
polemijchen Yitteratur überhaupt; hierbei wurde der fich in dieſem falle
Eins fühlende Protejtantismus in jeiner Gejamtbeit getroffen, in Yeip-
zig nur eine verhältnismäßig feine Fraktion desjelben. Zudem legte
auch gegen Ende des 17. Jahrhunderts der 1697 erfolgenve Übertritt
Kurfürſt Auguits des Starken zum Katholizismus eine nie wieder aus-
gefüllte Brejche in die Feſtung des engherzigſten lutheriſchen Konfeſſio—
nalismus. Die von diefem ausgehenden prefpolizeilicen Berationen
waren damit lahmmgelegt, nur die pietiftiiche Yitteratur, und jpäter die
der Herrnhuter, verblieb zunächſt noch vogelfrei.
Aber es kann auch nicht bejtimmt genug betont werben, daR Die
Bücherkommiſſion doch nur, wennjchen in hervorragender Weije, mit:
gearbeitet hat an dem Niedergang der frankfurter Büchermeife; es war
auch jchlieglich nicht die Verjchiebung des Schwerpunftes der litterari-
ichen Produktion allein, welche der leipziger zum Übergewicht und end—
lich zur Alleinherrichaft verhalf: e8 war zugleih eine fich langſam vor:
bereitende Wandlung in der Betriebsform des Buchhandels, eine jich
Kapitel.) Anzeichen einer Wandlung in den Betriebsformen des Buchhandels. 733
vorbereitende Wandlung in der Art des gejchäftlichen Verkehrs ver Buch-
händler untereinander, welche dabei jchwer ins Gewicht fällt. Es
mehren fich nämlich die Anzeichen, daß fich diejer lettere von jeiner Ge—
bundenbeit an die Meſſen, d. h. am dieſe allein, zu löſen anfängt.
Yangjam und allmählich beginnen die Meppläge ſich aus Kauf- und
Zahlungsftätten, die den gejamten internen Verkehr des deutſchen Buch—
handels im jich ſelbſt bejchließen, zu Kommiſſions- und Abrechnungs-
plägen umzugejtalten, beginnt der Changeverfehr jeine jonjt ausjchliep-
liche Herrichaft zu verlieren und in den Dintergrund zu treten. Das
Bedürfnis eines jchnellern Vertriebs, namentlich auch der wieder in uns
gemejfener Weiſe anfchwellenden ephemeren Yitteratur läßt die nur zwei—
malige Gejchäftsvermittelung im Jahre als ungenügend erfennen: die
„Verſchickung“ der Bücher, die Verſendung pro Novitate beginnt fich
zu entwideln und jich neben dem feiten Rechnungs- und Changever-
fehr herauszubilden.
Aber für jolche Zeichen ver Zeit hatte die kaiſerliche Bücherkommiſſion
fein Auge; fie hatte ebenjo wenig ein Verſtändnis für das fich fteigernde
Mißbehagen im Gejumtbuchhandel, das ja jchen in den langjährigen
Verhandlungen über die Büchertare immer deutlicher und jchärfer her-
vortritt. Es iſt nicht mehr allein der Nachdruck, ver den Gejamtinhalt
der Klagen der Buchhändler ausmacht, es find die Klagen über innere
Schäden und Gewerbebeeinträchtigungen, welche fich in den Vordergrund
ju drängen beginnen. Zur Bejeitigung diejer innern Schäden jind die
Buchhändler bereit ein Abkommen zu treffen, eine Bereinigung zu bilden,
ein Abkommen, deſſen Grundzüge ja auch, wie gezeigt, wenigftens ven
Anſtoß zu einer Art von franffurter Yofalverein gaben. Und dieſe Ver-
bandlungen der jechziger und ſiebziger Jahre hatten Samenkörner geſteckt,
Gedanken an Selbſthilfe und Aſſociation geweckt und Erinnerungen zu—
rückgelaſſen, die langſam aufkeimten, wenn auch ſpäte Früchte zeitigten.
Die Akten der ſächſiſchen Bücherkommiſſion in Leipzig enthalten den
Hinweis auf das Faktum, daß im Jahre 1696 die Gründung eines
Buchhändlervereins geplant worden iſt, leider aber auch nur den nackten
Hinweis darauf; die darüber ſprechenden Akten aufzufinden, iſt bis jetzt
noch nicht gelungen. Zur Förderung derartiger Beſtrebungen die Hand
zu bieten, war die kaiſerliche Bücherkommiſſion natürlich nicht die geeig—
nete Behörde: für ſie waren nur Preßpolizei, Pflichteremplare und Bücher—
734 Erſte Spuren des Strebens nad) Selbjthilfe gegen innere Schäden. [Zehntes
tare geeignete Mittel, ven deutjchen Buchhandel „in Aufnahme und Flor“
zu bringen.
Dieſe ſich vorbereitende Wandlung in den Betriebsformen des deut:
jchen Buchhandels inauguriert gleichjam die „neue Geſchichte“ ves-
jelben. Den natürlichen Mittelpunkt diefer bildet Yeipzig und die leipziger
Meſſe, und dies um jo mehr, als jene Anvdentungen — wenigjtens joweit
die Forſchung fie bis jett zu erfafjen vermochte — fajt ausnahmslos
von Norpventjchland ausgehen. Die Darftellung wird daher im zweiten
Bande ihren Ausgangspunft von einer ausführlichen gejchichtlichen
Schilderung der Entwidelung ver leipziger Meſſe nehmen und retroſpek—
tiv alles das damit zu verbinden haben, was fich als Steime jener Wand—
(ung erfennen läßt und geeignet ift, die Grundjteine und VBorbevingungen
der neuen Betriebsformen zu bilven.
Mit dem Schluß der hier dargeftellten Periode beginnt aber au
jenes bisher nur in Aften und im Kreiſe der Gejchäftsgenoffen fich
äußernde Mißbehagen über die zur Zeit herrjchenden Zuftände, beginnen
jene zunächft noch verunglüdten Beitrebungen an die Offentlichkeit zu
treten. Die leßten Jahre des 17. und der Anfang des 18. Jahrhunderts
zeitigen eine buchhändlerifche Jeremiadenlitteratur, die zwar inbaltlich
wenig Ihatjächliches und Greifbares bietet, jich vielmehr phrajenbaft
mit allen möglicen Kümmerniſſen, wie Pfujcher- und Bönhajentum,
Nachdruck, Bücherauftionen und Bücherlotterien u. vergl., beichäftigt,
die aber auch eine Signatura temporis ift.
Den Yöwenanteil an dieſer Ieremiadenlitteratur nimmt die Frage
des Nachdrucks in Anfpruch; lettere beherricht fortan gewifjermaßen vie
Geſchicke des deutſchen Buchhandels, it von dem einfchneidenpiten Ein—
fluß auf die Neugeftaltung jeiner Betriebsformen und auf die Verſuche
zu jeiner äußern und innern Organifation. Hat doch auch noch im
laufenden 19. Jahrhundert der Börjenverein der Deutſchen Buchhändler
auf jenem Gebiete feine erjte und erfolgreichite Thätigkeit entwidelt!
Yange Zeit wogte der Streit der Anfichten verjhwonmen bin und ber.
Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein Kammern ich
die Anſchauungen und Vorjchläge noch frampfhaft an das NRechtsinftitut
der Privilegien an und nur mühſam vingt ſich aus den Verhandlungen
über die nachgejuchte jtaatliche Anerkennung des „Grundgeſetzes der neu-
errichteten Buchhandlungs- Sefellichaft für Deutſchland“ von 1765, aus
Kapitel.) Schluß. 135
denen fich das jüchjiiche Mandat ven Buchhandel betreffend vom 18. Des
zember 1773 entwidelt, vev Begriff des „Verlagsrechts“ heraus. Die
Borgejchichte dieſes Streites, die gejchichtliche Schilderung der verworrenen
Berhäftniffe ver frühern Zeit bringt das nächjte und legte Kapitel, wel-
ches jo den geeignetften Übergang zur Gejchichte der Neuzeit des deut—
ſchen Buchhanvels bildet.
Elftes Kapitel.
Der Nachdruck.
Bedeutung des Urheberredts für den Buchhandel. — Spuren ausdrüdlicher An-
erfennung des Urheberrechts bei den Nömern fehlen. — Klagen über den Nadı
drud nach Erfindung der Buchdruderkunft; Verlangen nach einem Schuß gegen den
Nachdrud. — Schuß gewährt durd; Privilegien des Kaifers, wie der Territorial:
herrichaften. — Kein rechtliher Schuß des Urheberrechts ohne Privilegium. —
Nechtliche Natur der Privilegien gegen den Nachdrud. — Gejepliches Verbot des
Nachdrucks. — Charakter des vom Geſetz verbotenen Nachdrucks.
Die Grundlage des Buchhandels, wie fich diejer jeit Erfindung ver
Buchdruckerkunſt entwidelt bat, ift das Urheberrecht, die vom Recht an
erkannte und geſchützte Befugnis des Urhebers eines Geiſtesprodukts,
ausſchließlich und beliebig über deſſen Vervielfältigung und Veröffent—
lichung zu verfügen. Hat der Autor kein ausſchließliches Recht an ſeinem
Geiſtesprodukt, deſſen Anerkennung er Dritten gegenüber klagweiſe er—
zwingen kann, jo kann er auch ein ſolches Recht auf niemand übertragen.
Anvererjeits wird niemand durch ein Nechtsgejchäft fich in die Yage ver-
jeten laffen, das Geijtesproduft eines andern zu verwerten, wenn ev
dazu bereits ohne weiteres befugt ift. Der eine Zweig des Buchhandels,
ver Verlagsbandel, ließe ſich alſo ohne Urheberrecht überhaupt nicht
denken.
Ob im Altertum em Bedürfnis für den Schuß des Urheberrechts
vorhanden gewejen und ob ein Urheberrecht durch das Recht anerfannt
worden, muß dabingeitellt bleiben, wennjcon die Frage nicht einfach
unter Dinweis darauf, daß die Bücher Lediglich durch Abjchriften ver-
vielfältige wurden, verneint werden kann, da die Sklavenhände fajt die
Eiftes Kapitel.) Sachlage im Altertum. Verlangen nad) Schuß im 16. Jahrh. 737
Druderprejje erjegten und thatjächlich Auflagen von 1000 und mehr
Gremplaren zur Römerzeit vorfamen.! Kine ausdrückliche Anerkennung
des Urheberrechts finden wir im Altertum und fpeziell bei ven Römern
nidt. Daraus würde fich freilich nicht ohne weiteres jchließen laſſen,
daß das Römiſche Recht vemjelben überhaupt unter feiner Form einen
Schuß hätte angedeihen laffen — reichte doch die actio injuriarum ex
generali edieto zur Ahndung jeder Verlegung des Urheberrechts aus;
allein man hat auch andere Momente geltend gemacht, aus denen fich
das Fehlen eines Schußes des Autorrechts ergeben foll.? Wie dem
aber auch jein mag, gleich nach Erfindung der Buchoruderfunft ſtand
der Nachprud in höchiter Blüte. Das zeigen unter anderm die Not:
ichreie des Erasmus? und Yuthers.* Sie beklagen fich darüber, daß
die Hanpjchriften umd eben gedruckte Exemplare verkäuflicher Werfe aus
den Druckereien gejtohlen und dann nachgeprudt würden, und zwar in
der liederlichiten Weije. Dar dem Nachdruck nach dem beſtehenden Recht
entgegengetreten werden fünnte, wird in feiner dieſer Erpeftorationen
ausgejprochen. Doch verbindet fich mit diefen Klagen das Verlangen
nach einem Schuß der Autoren und Verleger gegen den Nachorud. Und
jwar ſtellen dieje entweder ganz im allgemeinen das Anfinnen an bie
Obrigkeit, Mittel und Wege ausfindig zu machen, daß die Früchte ihrer
Arbeit nicht andere ſich ameigneten, over fie verlangen den fpeziellen Er-
laß, daß beſtimmte Werke oder auch alle von einem Berleger heraus—
gegebenen von feinem andern während eines gegebenen Zeitraums nache
gedrudt werden dürften. Die öffentliche Gewalt ließ ihren Schuß in
der zuletzt erwähnten Geftalt eintreten. Es geſchah dies vermitteljt Pri-
vilegien, welche einem Schriftjteller, einem Buchhändler, over einem Bud)
druder erteilt wurden. Es fommen jolche bereits im 15. Jahrhundert
vor und zwar iſt das ältejfte dem Wortlaute nach befannte ein vene-
zianiſches, nämlich das Privilegium, welches die Republif Venedig dem
Kanoniften Petrus von Ravenna für fein „Phoenix“ genanntes Werf
unter dem 3. Januar 1491 erteilte? In Deutjchland ijt das Vorkom—
men von folchen erſt für den Anfang des 16. Jahrhunderts ficher ver-
bürgt, wennjchon eines von Reichs wegen im Jahre 1498° und eines
von einem Zerritorialheren im Jahre 14907 erteilten Privilegiums Er-
wähnung geſchieht.
Die deutſchen Privilegien ſind teils von der Reichsgewalt, teils von
Kapp. I. 47
138 Die Nachdrudsprivilegien. Älteſte Beiſpiele derjelben. Elftes
den Territorialherrſchaften erteilt worden. Das älteſte bekannte Privi—
legium der erſtern Art iſt nicht vom Kaiſer ſelbſt, ſondern vom Reiche:
regiment gegeben. Es iſt dies das im Jahre 1501 ver Sodalitas Rhe-
nana Celtiea erteilte Privilegium für die von Konrad Geltis veran-
jtaltete Ausgabe ver Werfe der Hroswitha von Gandersheim.“ Dagegen
it uns eine ganze Anzahl von unmittelbar vom Kaijer jelbit erteilten
Privilegien noch aus dem erjten Viertel des 16. Jahrhunderts erhalten.
Sp unter andern ein Privilegium für die von Johann Schott geprudte
„lectura aurea semper Domini abbatis antiqui super quinque
libris deeretalium“ von 1510°; ein Privilegium für den kaiſerlichen
Hifteriographen Johann Stabins, und zwar fir alles, was er drucken
fajfen würde, von 1512'%; für des Johann Geiler von Kayſersberg
Predigten und andere Schriften (gedruckt 1514) von 151411; für eine
Anzahl von dem ftraßburger Buchdrucker Mathias Schurer gedruckter
Schriften (darunter die Gejchichte des Otto von Freifingen, die „Noctes
Atticae” des Gellius) aus demjelben Jahre 1?; für die erjten Abdrücke
des Theuerdank aus dem Jahre 1517 und 1519 '°; für ven von Johann
Schöffer zu Mainz geprudten wormjer Reichsabjchied von 1521. '*
Von den Territorialberren erteilte Privilegien jcheinen zu verjelben
Zeit aufgefommen zu fein, wie die vom Kaiſer ausgehenden, wennſchon
die Verleihung von Privilegien zu den Rejervatrechten des Kaiſers ge-
hörte. Sp wurde von den Herzögen Wilhelm IV. und Yubwig ven
Bayern ein Privilegium für eine Heine Schrift des bahrijchen Hiſtorio—
grapben Johannes Thurnmayer von Abensberg im Jahre 1518 erteilt '®;
vom Herzog Georg von Sachjen für das von Emjer herausgegebene und
zuerjt in Dresden von Wolfgang Stödel 1527 geprudte Neue Tejtament;
vom Kurfürſten Johann Friedrich von Sachjen 1534 für die bei Hans
vuft in Wittenberg geprudte erite vollftändige Ausgabe der Yutherjchen
Bibelüberſetzung. !*
Auch von den Obrigfeiten von Territorialftädten wurden frühzeitig
Bücherprivilegien erteilt, jo vom Leipziger Magiftrat bereits im Jahre
1518 für „Petri Moselani Paedologia‘“ 17; nom Rate der Stadt Bres-
lan im Jahre 1538 dem Andreas Winfler für ven Terenz, einige aus-
gewählte Briefe des Cicero und einige andere Bücher. !*
Die Privilegien wurden zum Zeil dem Verfaffer, reip. Derausgeber,
zum Zeil dem Berleger, zum Teil dem Druder gegeben. Es wird da—
P
Kapitel.) Wirkung und Geltungsbereich der Privilegien. 139
durch jedem andern verboten, das Werk nachzupruden, reſp. das nach:
gedruckte Buch von auswärts einzuführen und innerhalb des von dem
Privilegium betroffenen Gebiets, namentlich auf den Mekplägen, zu ver:
treiben. Dies wird zuweilen in dem Privilegium ausprüdlich hervor:
gehoben °; aber auch aus dem bloßen Verbot des Nachdrucks ergaben
jih die andern hervorgehobenen Wirkungen von jelbjt.?° Durch ein
faijerliches Privilegium wurde daher der Nachdruck noch während des
16. Jahrhunderts, ja, bis in das 17. hinein, im ganzen Gebiet des
Dentſchen Reichs verboten, da in dieſer Zeit noch das Recht des Kai-
jers, Privilegien für ganz Deutjchland zu erteilen, unbeftritten war. Co
wird denn auch in den frühern Privilegien das Verbot des Nachdrucks
wohl ausdrücklich hinfichtlich des ganzen Reichs, reſp. aller Orte des
Reichs ausgeſprochen (jo z. B. in dem im Jahre 1514 dem Mathias
Schurer zu Straßburg, wie in dem dem Johann Echöffer zu Mainz
im Jahre 1521 gegebenen Privilegium). Doch kommt es auch vor, daß
die Geltung des Privilegd eine engere if. So wird durch das für die
von Celtis veranjtaltete Ausgabe der Werfe der Hroswitha gegebene
Privilegium der Nachdruck nur in den Reichsſtädten unterfagt.?! Ein
fatjerliches Privilegium galt auch für die faijerlichen Erblande, wenn:
gleich viejer nicht ausdrücklich Erwähnung gejchehen war. Die von den
Yandesberrjchaften und Stadtmagiſtraten ausgehenden Privilegien bezogen
ſich natürlich nur auf das betreffende Territorium, vejp. das Stadtgebiet.
Dies gilt jelbftverftändlich nicht nur für den Fall, wo das Privilegium
einem Angehörigen des Yandes, jonvdern auch im dem, wo basjelbe
einem Answärtigen erteilt wurde. 2? Wenn trogdem von Ausländern
Privilegien nachgejucht wurden, jo hatte dies jeinen Grund darin, daß
das Privileg nicht mur gegen den Nachdruck innerhalb des betreffenden
Yandes ſchützte, ſondern auch gegen den Vertrieb des — wenn auch aus—
wärts — nachgeprudten Werks. Bei Erwirfung kurjächfijcher Privile-
gien hatte man es daher darauf abgejehen, ven Nachpruden der privi-
legierten Werke die leipziger Büchermeffe zu verjchliegen. ??
Seitvem die Yandeshoheit immer mehr einer vollftändigen Souve—
ränetät gleich wurde, hörte die Geltung der faijerlichen Privilegien für
die einzelnen Territorien auf. Es fonnte jeit diejer Zeit ein Schuß
gegen Nachdruck in ven einzelnen Ländern durch Privilegien nur erwirkt
werden, wenn jolche von den betreffenden Yandesberren erteilt wurden.
47*
74) Spätere Einſchränkung des Geltungsbereichs der kaiſ. Privilegien. Elftes
Und daraus erklärt es fih, dag in der jpätern Zeit für ein und das—
ſelbe Buch neben einem faiferlichen Privilegium ein landesherrliches,
namentlich furjächfiiches ausgewirft wurde; wie denn auch die Yandes-
herrichaften Died wegen der damit verbundenen Gebühren und Bücher:
lieferungen durch die Drohung erzwangen, Bücher, die nur mit faijer-
liben Privilegien ausgejtattet, ebenjo behandeln zu wollen, wie jolde,
die überhaupt nicht privilegiert wären. ?* Die frühere Publiziftif brachte
dies einmal in Verbindung mit der Auffaffung, welche im deutſchen
Staatsrecht von der landesherrlichen Gewalt berrichend geworden und
mit der Wahlfapitulation von 1653, wonach der Kaiſer niemandem
„einige Privilegien auf Monopolien erteilen“ jollte. Dies hätte nun an
jich ebenfo für vie Fürjten, wie für die Reichsſtädte gelten jollen, da ven
(ettern in demjelben Maße die landesherrlichen Rechte eingeräumt waren,
wie den erjtern. 2° Trotzdem wurde noch in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts die Wirkſamkeit fatjerlicher Privilegien in den Reichs—
ſtädten anerfannt. Jedenfalls wurde diejelbe in Frankfurt a. M. im
17. Jahrhundert nicht in Frage geftellt. So heißt es in einer Berorv-
nung des Rats vom 27. Januar 1657: ... „wollen ... ernftlichen ge
botten haben, ... auf die Bücher, einig Kayſerlich privilegium, wann fie
dasjelbe nicht bereits würdlich in händen haben, nicht jegen oder truden,
zumal aber auch die von Ihrer Keyſerl. Maj. privilegirten Bücher werer
in albiefiger jtatt nachtruden zu laffen, noch auch jolche anderer ortben
nachgetrudte exemplaria in biefige mejjen zu bringen vnd zu dijtrahi-
ren, jondern fich deſſen allen gänslich zu mußigen vnnd zu enthalten.
. alles vnd jedes rejpective bey verluft der exemplarien vnnd vermei—
dung der im den Kahſerl. privilegiis vnnd befelchen angejetten aud
anderer hoben und nach befindung, leibesſtraff.“?*
Die Zeitdauer, für welche das mit dem Privilegium verjebene Wert
gejchligt wurde, war eine verjchiedene, jo von einem, zwei, drei, jeche,
zehn Jahren. Mafgebend für die Bemeffung des Zeitraums war Die
Erwägung, ob der Buchhändler durch den ausjchließlichen Vertrieb des
Werks während des hervorgehobenen Zeitraums genügenden und im Ver
hältnis zu den von ihm gemachten Aufwendungen jtehenden Nutzen zu
erzielen im Stande wäre und zwar wohl direft die Erwartung, daß
innerhalb der in Rede jtehenden Zeit die Eremplare der betreffenven
Ausgabe verkauft fein würden ?7, wie dem Papſt Julius IL vem Bud
Kapitel.) Zeitdauer der Privilegien. Strafen bei Verlegung derjelben. 41
bändler Euangeliſta Zofino zu Rom im Jahre 1506 für die Geographie
des Ptolemäus geradezu ein Privilegium erteilte, per spatium sex an-
norum vel donec dieti libri venditi fuerint.?°_ Mitunter fehlt es
freilich an der Angabe eines bejtimmten Zeitraums, jo in dem zweiten,
von Herzog Georg zu Sacdjen für das Emſerſche Neue Teftament ge:
gebenen Privilegium von 1529, in dem vom Kurfürjten von Sachjen
für die bei Yufft gedruckte Yutheriche Bibelüberjegung von 1534. Im
Yaufe ver Zeit ſcheint e8 Sitte geworben zu jein, daß bei einem Regie:
rungswechjel dev Nachfolger in der Regierung um Erneuerung der Pri-
vilegien angegangen werden mußte Jedenfalls wird im Kurjachjen die
Eriftenz dieſes Herkommens fonftatiert und durch eine furfürftliche Ver-
ordnung vom 9. Juli 1612 deſſen Beobachtung eingejchärft, die Unter:
laffung des Geſuchs um Ernenerung aber mit dem Verluſte des Pri-
vilegiums beproht. ??
Auf Übertretung des Verbots des Nachdrucks und des Vertriebs
nachgevrudter Werke ftatuieren die Privilegien Strafen, und zwar Geld—
bußen, deren Beträge jedoch jehr verjebieden find. So beträgt die an—
gedrohte Strafe in dem eben erwähnten Privilegium für die Yutherjche
Bibelüberjegung 100 Gulden; in dem Privilegium für das Emferjche
Neue Teftament 200 vheinijche Gulden 3%; in dem dem Mathias Schurer
und in dem dem Johann Schäffer erteilten Privilegium 10 Mark Solo ?1;
in einem Privilegium, welches der König Stephan Bathori von Polen
für das von Mathias Fronius zujammengeftellte Rechtsbuch „Der Sach—
jen in Siebenbürgen Statuta oder eigen Yandrecht jenem im Jahre
1583 erteilte 500 ungariſche Dufaten.?? Ganz erorbitant ift die Strafe
in einem dem Hermann Yichtenjtein und deſſen Erben gegebenen vene—
zianiſchen Privileg von 1494 fir „Vincentii Bellovacensis speculum
historiale”, nämlich 10 Dufaten pro unoquoque libro ita impresso. 33
Ein Teil der Strafe wird zuweilen dem mit dem Privileg Bepdachten
jugeiprodhen, wie 5. B. in dem dem Johann Schöffer erteilten Privile:
gium; ebenjo in vem dem Fronius gewährten, durchgehende auch in
Sachſen. Neben ver Geldſtrafe findet fich meift auch Verluft der nach:
gedrudten Bücher. So heift es in Johann Schöffers Privileg: „bey Ver-
lterung oben gemelter Boen, und verjelben eurer nachgedruckten Bücher, die
auch genannter Johann durch fich jelbjt over einen andern von jeinetiwegen,
wo er die bey einem jeden finden wird, aus eigner Gewalt ohne Verhinde—
742 Vermerk der erhaltenen Privilegien a. d. Büchern. Infinuation derjelben. Elftes
rung männiglich für fich zu nehmen und damit nach jeinem Gefallen
handeln und thun“ mag, während in dem dem Fronius erteilten ver
entjprechende Paſſus lautet: sub poena confiscationis librorum et 500
ungaricalium aureorum, quorum tam librorum quam aureorum
pars dimidia fisco, altera parti laesae applicetur.3* In päpftlichen
Privilegien findet fich wohl (als einzige Strafe) die Strafe der Exkom—
munilation. (Sub excommunicationis poena heißt e& in dem dem
Euangeliſta Tofino für Die Geographie des Ptolemäus erteilten Privileg.)
Die Privilegien wurden den Werfen vorgedrudt, oft freilich auch
nur auf dem ZTitelblatte erwähnt; doch galt bei ven kaiſerlichen ver Ab-
druck des ganzen Privilegs für obligatorisch. Und es wurde dies burch
das im franffurter Archiv befindliche Patent Kaifer Yeopolos I. vom
4. März 1662 den Buchhändlern von neuem bei Strafe (6 Mark löthi—
gen Goldes) eingejchärft. Auch ift in manchen Fällen die Thatjache,
daß auf dem Titelblatt des Privilegiums nur Erwähnung geichab, dar—
aus zu erklären, daß der Verfaffer, Verleger oder Druder ver Schrift
ein faijerliches oder landesherrliches Privilegium auszuwirken gedachte,
auch dazu bereits die von jeiner Seite erforderlichen Schritte getban
hatte, die Verleihung jelbft aber zur Zeit des Druds noch nicht erfolgt
war, vielleicht auch überhaupt nicht erfolgte. 3° Noch häufiger freilich
ift wohl die Faſſung „mit kaiferlihem Privilegium“, „mit faiferlicher
Freiheit“, „cum gratia et privilegio“ (ohne Dinzufügung von Caesareo
und ähnliches, ein Kennzeichen dafür, daß die Worte betrügerijcherweiie
auf das Titelblatt gejetst waren, wie denn auch die Verordnungen, wo-
durch dies mit Strafe beproht?° oder ein Ginfchreiten dagegen anbe-
fohlen wird 37, ſich wohl gerade gegen ein folches betrügeriiches Verfahren
richten. Außerdem war es, und zwar in Frankfurt a. M. ſchon jeit
den jechziger Jahren des 16. Jahrhunderts Sitte geworben, daß die Pri-
vilegien an allen Orten, wo diejelben ihre Wirkjamfeit äußern jollten,
von Obrigfeits wegen den übrigen Buchhändlern mitgeteilt wurden, und
zwar auch den fremden, nur während der Meſſe anweſenden. Anfangs
wurden die Buchhändler wohl zu diefem Behuf auf das Rathaus citiert,
woſelbſt die zu infinnierenden Privilegien verlejen wurden. Später da—
gegen fand jedenfalls im Yeipzig eine Infinuation durch die Notare in
den Gejchäftlofalen der Buchhändler ftatt; endlich wurde dieſelbe daſelbſt
dem jeit dem 15. Dezember 1673 fungierenvden Bücherfisfal ausſchließ—
Kapitel.) Urheberrecht nicht anerfannt. Nur Privileg gibt Ausichliegungsredht. 743
lib übertragen. Dieje Infinuation wurde im Yaufe ver Zeit als wejent:
ih für die Wirkſamkeit des Privilegiums angejehen, und in ven Ge-
iuhen, wodurch obrigfeitliher Schub für ein Privilegium erbeten wirt,
wird wohl ausprüclich hervorgehoben, daß dieſes debite et legitime
insinuatum jei. 3®
Nach allgemeiner Rechtsanſchauung wurde aljo während ves 16. und
17. Jahrhunderts ein Recht auf ausjchliegliche Vervielfältigung und Ber:
breitung eines Werfs nur durch em Privilegium gegen den Nachdruck ge—
währt. Bei feinem der Altern Schriftiteller wird die Möglichkeit eines
Schutzes des Urheberrechts ohne ein derartiges Privilegium angedeutet.
Allerdings nennt Yuther 3° die Nachoruder Diebe und Straßenräuber, und
auch von anderer Seite ift der Nachdruck als furtum over als eine Ver—
letzung des jiebenten Gebots bezeichnet worden. *? Allein es handelt fich
bierbei lediglich um eine Verurteilung des Nachdrucks vom moralifchen
Standpunft aus, und es iſt niemandem eingefallen, durch die gedachten
Bezeichnungen den Nachorud als Verletzung fremden Eigentums hinftellen
zu wolfen.*T Ebenſo wenig läßt fich aus dem Verlangen, welches Yuther
in jeinev VBermahnung an die Druder ausjpricht, daß man wenigjtens
mit der Beranftaltung des Nachoruds eine kurze Zeit nach Ausgabe des
Originalwerfs warten möge, und welches auch jonft noch wiederkehrt *?,
en Schluß darauf ziehen, daß man dem Autor oder Berleger an dem
Geiſtesprodukt ein zeitlich begrenztes Niefbrauchsrecht zugeiprochen habe;
denn auch bier wird lediglich der Billigfeitsanjpruch erhoben, daß dem
Autor, Druder over Verleger durch den eine beftimmte Zeit hindurch
fortgefetsten alleinigen Vertrieb des Werfs ein Äquivalent für die ge-
babte Arbeit und Unkoſten zuteil werde, ein Gefichtspunft, von dem bei
Erteilung der Privilegien gleichfalls ausgegangen wird. Daß einmal in
Nachprudsitreitigfeiten ein anderer Standpunkt eingenommen wird von
einer der ftreitenden Parteien, die dadurch ven Vorwurf des ftrafbaren
Nachdrucks von ſich abweijen will, ift nur zu natürlich, beweiſt aber
nichts für die Rechtsauffaffung ver betreffenden Kreife. *?
Selbitverjtändlich konnte die Obrigkeit nicht nur ein förmliches Pri-
vilegium gegen ven Nachprud erteilen, ſondern auch ein Verbot des Nach:
pruds eines beitimmten Werks ohne vorangegangenes Privileg erlaffen.
Ein ſolches Verbot wirkte wie ein Privilegium. Das Berbot erging
nicht auf Grund des bejtehenden Rechts, jondern durch das Verbot wurde
144 Belegentliches Berbot des Nahdruds aud ohne Privilegium. Elftes
das Recht gejchaffen. Beiſpielsweiſe mögen hier ein paar auf Albrecht
Dürers Werke bezügliche Verbote des Rats von Nürnberg beigebracht
werden. Ein Verbot bezieht ji auf Dürers Schrift von der Propor—
tion, welche der Formſchneider Iheronimus und der Maler Sebalv Be-
ham im Drud erjcheinen laffen wollten. Dagegen verorbnete der Kat
unter dem 22. Yuli 1528, aljo nach Dürerd Tode, „das fie bei ains
rats jtraff, die man an leib und guet gegen ine woll fürnemen fich ent:
halten das abgemacht büchlein von der proporeion das aus Albrecht
Dürers funft und büchern abbendig gemacht worden in Drud ausgeen
zu laffen, jo lang pis das recht werk, jo Dürer vor feinem abjterben
gefertigt vnd im drud ift ausgee vnd ins licht pracht werd“. Unter dem
1. Oftober 1532 bejchließt der Rat, „die puchfürer allhie zu bejchiden
vnd fie zu warnen, Albrechten Thürers gemachte vnd nachgedrudte pücher
nit fail zu haben oder ein vatt mus der Thurerin vergönnen in kraft
iver freihait gegen inen zu handeln. Item der Thurerin an Straßburg,
Frankfurt vnd Leiptzk jolcher fachen halben furdrung mitteilen”. In
einem andern Verbot handelt e8 fi um Dürer „Triumphwagen“, ver
nach deffen Tode von Dans Guldenmund nachgejchnitten wurde. Nach:
dem der Kat unter dem 2. Mai 1532 diefem aufgegeben, „ainem vate
jeinen furgenommenen triumpfivagen jehen zu laſſen“, verbietet er dem—
jelben unter dem 4. Mai 1532, „Albrecht Turers wittiben irs hauß—
wirts gemachten triumpfivagen nit nachzumachen“.“ Allerdings iſt bier
die Möglichkeit nicht ausgejchloffen, dak Albrecht Dürer over deſſen Witwe
Privilegien gegen Nachdruck, reſp. Nachbildung für die in Rede jtehenven
Sachen erteilt waren; ja dadurch allein würde es eigentlich zu erflären
jein, wie dieſen ein Schuß in Straßburg, Yeipzig, Frankfurt zuteil wer—
den konnte, und auch der Umſtand fpricht dafür, daß von einem Vor:
gehen der Witwe Dürers „kraft ihrer Freiheit” die Rede ift.
Welchen Charakter das durch die Erteilung eines Privilegiums gegen
den Nachprud gewährte Recht habe, wird von den ältern Schriftitellern
nicht unterjucht. Nur hin und wieder hält man es gegenüber dem Grund:
jut, daß das Staatswohl im allgemeinen der Einräumung eines Monopols
entgegen jei, für nötig, die Erteilung von Privilegien gegen ven Nach-
druck zu rechtfertigen. Dabei wird denn zu Gunjten der Buchhändfer,
welche jich durch Privilegien dagegen zu fichern juchten, daß ihre Verlags:
artifel von andern nachgeprudt würden, geltend gemacht, daß ich im
Kapitel.) Rechtscharafter der Nahdrudsprivilegien. (Gemwerbsprivilegien.) 745
Buchhandel der von einem Buche erwartete Gewinn häufig erſt jpät und
langſam einftelle. Zur Rechtfertigung ver Erteilung jelbjt, daß die im
jus naturale begründete Billigkeit e8 nicht zulaffe, ut quisquam alteri
noceat malitiose, was dann gejchehen würde, wenn ein Buchhänpler,
der, um einen Gewinn von feiner Arbeit zu erzielen, große Kojten auf:
gewendet hätte, durch die Dandlungsweije eines andern um feinen Ge:
winn gebracht würde und in Armut geriete. *°
Die Art und Weife aber, wie die Privilegien erteilt wurden, zeigt,
daß man diejelben als Gewerbsprivilegien auffahte, die ſich durchaus
nicht von den Privilegien unterjchieden, durch welche jeit dem Ausgange
des Mittelalters das ausfchliekliche Recht auf den Gewerbebetrieb irgend-
einer Art in einer bejtimmten Gegend an einzelne Perjonen oder Gejells
ichaften von Staats wegen evteilt wurde, wie ſich dadurch allein die
Möglichkeit erklärt, die Erteilung der Privilegien als Ausflug eines
Bücherregals darzuftellen — ein Bejtreben, welches mehrfach bei ver
faiferlichen Regierung fich geltend machte. *° Privilegien gegen den Nach-
druck werden nämlich nicht nur für eigene Geijtespropufte des Impe—
tranten oder deſſen, der durch einen Vertrag die Vervielfältigung und
Verbreitung dem Impetranten übertragen hatte, gegeben. Es jind zum
großen Teil die Schriften der Stlaffiter und fonftige ältere Werfe, für
welche ein Privilegium gefordert und gegeben wird, und zwar oft genug
für den Drud des betreffenden Werks jchlechtiveg, nicht etwa bloß für
eine beſtimmte Tertesrecenfion *’; und trotzdem mitunter Werfe, die ſchon
vorher geprudt waren. Weiter find es Schriftwerfe, bei denen von einem
eigentlichen Autor nicht die Rede fein kann, wie Geſetze, Staatsjchriften
und Ähnliches. Hier jollte das Privilegium ein Yohn jein für bie der
Wiffenjchaft und dem gemeinen Weſen geleifteten Dienfte, wie denn Pri-
vilegien viel häufiger Verlegern und Drudern, ald ven Herausgebern
erteilt wurden. Bei den Klaſſikern wollte man dem, welcher zuerjt unter
immerhin erheblichen Koſten Handjchriften herbeigejchafft, für die Her:
jtellung eines forreften Textes gejorgt und auf den ungewijjen Gr:
folg hin ven Drud unternommen hatte*®, gewiffermaßen durch die Er:
teilung eines Monopols für das betreffende Buch auf eine bejtimmte
Zeit die Möglichkeit gewähren, daraus einen der aufgetwandten Arbeit
und ven aufgewandten Koften entjprechenven Gewinn zu erzielen und
dadurch Gelehrte, wie Buchhändler und Druder ermutigen, ſich die Ver:
746 Die Nahdrudsprivilegien als jtaatliche Einnahmequelle. Elftes
vielfältigung und Verbreitung der Schätze des Altertums und der frühern
Jahrhunderte unter ihren Zeitgenoſſen angelegen ſein zu laſſen.““ Bei
gleichzeitigen Geſetzen und ähnlichen Schriftwerfen jollte die Gewährung
eines Drudprivilegiums eine Belohnung, vielleicht auch einmal geradezu
eine Bezahlung für den Druder oder Buchhändler für den von ibm
unternommenen Drud jein ®, wie denn überhaupt in ver Mehrzahl ver
Fälle die Erteilung eines Privilegiums als eine reine Gunftbezeigung
erjcheint und oft genug ohne jede Prüfung der Berechtigung (nach heuti-
gen Begriffen) dem erjten Bewerber zuteil wird. ?! Dagegen wurde aller:
dings ben Impetrauten von Privilegien, wenn dieſe Buchhändler oder
Buchdrucker waren, im Intereſſe des Publiftums zur Pflicht gemacht, ven
Werfen eine entjprechende Ausitattung zuteil werden zu lafjen, für gutes
Papier, gute Typen und forreften Saß zu ſorgen.“— In der jpätern
Zeit machte ſich noch ein ganz anderes Moment bei der Erteilung ver
Privilegien geltend. Mean gewöhnte ſich mehr und mehr daran, bie
jelben als eine Einnahmequelle zu betrachten. Regelmäßig mußten für
die Privilegien gegen den Nachdruck Gebühren entrichtet und Freierem-
plare im nicht geringer Zahl abgeliefert werden. Gifert doch die In—
jtruftion des Kaiſers Rudolf II. für die fatjerliche Bücherfommiffion vom
15. März 1608 gegen die Buchdrucker und Buchhändler, welche auf ihre
Bücher die Worte cum gratia et privilegio (unter Auslaffung des
Wortes Caesareo) jegten und dadurch das Publikum zu dem Glauben
verleiteten, daß für dieſe Bücher ein kaiſerliches Privilegium gegeben,
„da doch feines von ihnen gejucht, weniger erlangt worden‘, nicht nur
deshalb, weil unter dieſem „Schein viel vngereumbte Sachen eingejchleifft
und in Truck gefertigt werden“ und dadurch die kaiſerliche „reputation’
(ädirt, jondern auch, weil dadurch die „gebührende Taxa’ gejchmälert
würde. °? Und von der jenenjer Juriſtenfakultät wird in einem Be—
denfen vom November des Jahres 1722°* die NRechtswidrigfeit des Nach—
drucks nichtprivilegiertev Bücher unter anderm auch deshalb in Abrede
geitellt, weil „in foro humano hohe Potentaten nicht leichtlich zugeben,
wenn privatı ohne erhaltene Privilegien fich jo viel herausnehmen, und
anderen Yeuten das Nachmachen, Nachdrucken und Berkaufen verbieten
wollen, wodurch die privilegia und monopolia, welche hochgedachten
Potentaten merkliche Summen eintragen, nur geringjchäßig werten“. Cs
wurde denn auch mit faiferlichen Privilegien ein förmlicher Handel ge—
Kapitel.) Willfür bei Erteilung devielben. Die Generalprivilegien. 147
trieben. Es kommt vor, daß für ein und dasſelbe Buch mehrern Ver:
legern Privilegien gegeben werden ’°, ja jogar, namentlich in der jpätern
Zeit, daß ſolche Nachdrucken zuteil werden ?®, wie denn die Regierungen
geradezu das Recht Für fi in Anfpruch nehmen, die Privilegien auf
beliebige andere Petenten zu übertragen, wenn die urjprünglich damit
Beraten es nicht für nötig hielten, nach dem Erlöſchen des urjprüng:
lichen Privilegs die Erneuerung desfelben nachzujuchen 57, oder die ihnen
obliegenvden Yeiftungen nicht erfüllen wollten. ®*
Beachtenswert ift, daß Privilegien nicht nur in dem Sinne erteilt
werden, daR dadurch ein einzelnes Buch?? oder zwar mehrere, aber nament-
lich aufgezählte Bücher gegen Nachdruck gefichert werden jollen, ſondern
auch jo, daß ver Schuß allen von dem mit dem Privilegium bevachten
Buchhändler oder Druder herausgegebenen, reſp. gedrudten oder noch
herauszugebenden, reſp. zu drudenden Werfen zuteil werden joll®®, over
wenigitens allen Büchern einer gewiffen Art.“! Zwar machte ſich im
Yaufe der Zeit gegen dieſe Sitte, bei welcher Kollifionen nicht ausbleiben
fonnten, eine Reaktion geltend ©, die auch in Kurſachſen im Jahre 1504
zu der Verordnung führte, daß die Generalprivilegien, da fie Anlaß ge-
geben, „viel vnnötiger vnd vntüchtiger Bücher zu drüden, auch mono-
pola vnd Steigerung des Bücherfauffs anzuftifften‘‘, cafjiert jein und
fernerhin nur noch Spezialprivilegien erteilt werden ſollten.““ Nichts:
dejtoweniger find noch in der jpätern Zeit nicht nur außerhalb Sad):
jens 6*, jondern auch im Kurſachſen jelbft 6° Generalprivilegien gegeben
worden.
Daß die Generalprivilegien aber nur Gewerbsprivilegien jein können,
liegt auf ver Hand. Wird ein jolches Privilegium gegen den Nachdruck
einen Buchhändler oder Buchdrucker erteilt, und zwar für feine ſämt—
(ichen gegenwärtigen und zukünftigen Verlagsartifel, reſp. von ihm ge—
prudten Werke, jo gewährt es dem Bedachten in ganz berjelben Weije
das ausichliehliche Recht des Betriebs des Buchhandels, reſp. des Buch—
drudereigewerbes, geradezu ein Monopol für dieſe Gewerbszweige in
einem beſtimmten Bezirk, als wenn ausprüdlich das ausjchliefliche Recht
des Buchhandels, reſp. des Buchorudereibetriebs für eine bejtimmte Segen
— was gleichfalls vorkam 6° — gewährt wurde. “Der Charakter des Pri-
vifegiums fann num aber fein anderer jein, wenn das Seneralprivilegium
ih nur auf gewiffe Artikel bezieht. Es iſt lediglich dev Kreis der Gegen:
748 Kein Nachdrud, falls andern Formats als das Original. [Eiftes
ſtäude des Betriebs ein bejchränfterer, ver Betrieb it derjelbe. Daraus
folgt weiter, daß das Spezialprivilegium gegen den Nachorud ganz den:
jelben Charakter hat. Es wird dadurch eben das ausſchließliche Recht
auf gewerbliche Erploitierung eines Gewerbsartikels gegeben. Dieje Auf-
faffung tritt denn auch geradezu in dem Kreijen der betreffenden Gewerb-
treibenden jel6jt hervor, jo wenn von diejer Seite geltend gemacht wird,
daß der Buchhandel „ein freyer Handel“ jei, „und feiner ſich ein meh—
reres als was durch obrigfeitliche privilegia erhalten hoc in passu
attribuiren fonne‘, 67
Mit diefer Natur des durch die Nachdrucksprivilegien gewährten Rechts
ſtimmt es denn auch überein, daß die Identität des nachgedrudten Werks
und des Originalwerfs ſchon dadurch als ausgejchloffen galt, daß das
eritere ein anderes Format oder eine andere Drudeinrichtung als das
(eßtere zeigte, wie dem auch Privilegien an verſchiedene Perjonen er-
teilt wurden auf ven Drud eines und vesjelben Werks, aber mit verjchie-
dener Drudeinrichtung. °° So macht der leipziger Buchhändler Henning
Große in jeiner dem Rat von Yeipzig eingereichten Verteivigungsichrift
vom 12. Mai 1602 6° geltend: „es wirdt unter Buchführern alfo ge:
halten, Wenn einer ein Buch in einem Format, alf fol. ver ander in
ander, alß 4. drudet, werden fie ſchon für vnterſchiedene werd gehalten,
wie mit der Deudtſch Bibel H. Yutherj zu Frankfurt vnd in diejen Yan:
den geſchieht.“ Und auf denjelben Stanppunft hatte fich die weimariſche
Regierung bereits im Jahre 1564 in einem an den leipziger Rat ge:
richteten Schreiben geftellt. *° Sollte ein derartiger Nachdruck gleichfalls
als umerlaubt gefteinpelt werden, jo mußte das Privilegium entweder
auf ven Drud in verjchiedenen Formaten, reſp. Drudeinrichtungen, lau:
ten ”!, oder der Nachdruck auch in andern Format und anderer Drud:
einrichtung verboten werden. ??
In gleicher Weije ift lediglich bei der hier vertretenen Auffaffung
erflärlih, daß ein dem Autor gegebenes Privilegium feineswegs ohne
weiteres dem DBerleger zugute fam. So lehnt (im Jahre 1662) ver
roſtocker Buchhändler Johann Wilde die Verbindlichkeit zur Yieferung von
18 Erempfaren von Johann Jani „Sternenhimmel“ an die kurſächſiſche
Regierung unter Dimveis darauf ab, daß er fein Privilegium nachgejucht
babe, jondern allein der Autor; daß er auch feines ſolchen auf dem
Titel Erwähnung gethan. Der Autor allerdings babe „vie 2 förver:
Kapitel. Übertragung von Privilegien durch Rechtsgeſchäft. 749
bogen zu feinen 30 exemplarien, jo ihm zur recompens gegeben
werden, bei Timotheo Ritjchen alhier cum privilegio Electorali vruden
laffen“. 7° Auf der andern Seite war die Übertragung eines Privile-
giums durch Nechtsgejchäft von jeiten des damit Bedachten auf einen
andern möglich. So verkauft (nach einem im Leipziger Schöppenbuch
enthaltenen Vertrag vom 20. Dezember 1560) der merjeburgifche Kanzler
Lie, jur. Paul Kretſchmar zugleich mit 895 Exemplaren des „Sächſiſchen
Weichbilds“, das er in Gemeinſchaft mit ſeinem Bruder hatte drucken
lafjen (wohl dem Reſt der veranftalteten Auflage) zugleich das Privile-
gium an den Buchhändler Yorenz Findelthaus in Yeipzig und händigt
diejem dasjelbe vor den Schöffen aus. Deswegen — jo heißt es in
dem Protokoll — „hat ermelter Yicentiat und Cantzler Lorentzen Findel-
thaus das Staiferliche prinilegium im Originalj vor gedachten Herrn
Schöppen vberanthwort vnd vor fih vnd in vormundſchafft feines ob-
gedachten verjtorbenen Bruders jeligen Erben fich deßelbigen binfüro
weiter nicht antzumaßen noch zu gebrauchen, vorgichen vnd begeben,
welches prinilegium Lorentz Finckelthaus auch alßobaldt zu jeinen Han—
den genommen”,
Auch die Art und Weife, wie gegen Privilegienverleßungen einge:
jchritten wurde, jteht mit diefer Auffaffung im Zuſammenhang. ‚Freilich
war der Rechtsweg nicht geradezu ausgejchloffen, allein verjelbe trat doch
dem Berwaltungsverfahren gegenüber jehr in den Hintergrund. ’* Alter:
dings berubte es Lediglich auf den faktiſchen Meachtverhältniffen, wenn
in Frankfurt a. M. ſchon jeit dem 16., bejonvers aber während des
17. Jahrhunderts die kaiſerliche Bücherfommiffion die Überwachung des
Bücherwerfehrs auf den Meeffen unter Mißachtung der dem Rat zu:
jtehenven (in der hier in Betracht fommenden Beziehung noch ausprüd-
(ih durch den Weſtfäliſchen Friedensſchluß anerkannten) obrigfeitlichen
Rechte an fich zu ziehen juchte, vejp wirflich an fich 309 °°, wie die:
jelbe — allerdings mit weniger Glück — auch den Berjuch gemacht zu
haben jcheint, fich gleichfalls in die Oberaufficht über die leipziger Meſſe
einzudrängen.’* Es war reine Willfür, wenn der Kaiſer den frauf-
furter Rat, joweit das Biücherwejen in Betracht fam, geradezu in bie
Stellung herabdrückte, wie fie die Magiftrate der Territorialjtäidte in
jener Zeit einnahmen, reine Feigheit der Stadtverwaltung, wenn dieje
ſich in eine ſolche Stellung herabdrücken lieg.” Thatjüchlich gerierte ſich
150 Form des Verfahrens gegen Nachdrud in frankfurt. (Eiftes
ver Rat zu Frankfurt — abgejehen von einigen ſchon früher berichteten
Fällen, wo fich derjelbe zu einem energijchern Handeln ermannte und feine
ſelbſtändige obrigfeitliche Stellung auch der fatjerlichen Bücherfommiffion
gegenüber geltend machte — lediglich als faiferliche Exekutivbehörde, der
die bevingungsloje Ausführung der Anordnungen des Kaijers, rejp. ver
Bücherfommiffion, in Nachdrucksſachen obläge, während die Kognition
darüber lediglich der Bücherfommiffion zufäme. So wird in einem (tm
franffurter Archiv befinplichen) Anjchreiben des Kaiſers an den Rat zu
Frankfurt vom 4. Juni 1640 hervorgehoben, daß der Rat den Antrag
wegen Nachoruds der „Summa Theologieca Divi Thomae Aquinatis“
einzujchreiten, abgewiejen und am die kaiſerliche Bücherkommiſſion ver:
wiejen habe. Und in einem (gleichfalls im frankfurter Archiv befind-
lichen) Schreiben des franffurter Rats an den Nat der Stadt Amſter—
dam vom 1. Februar 1657 und einem jolhen an den Rat der Stadt
Rotterdam von demſelbem Tage heißt e8 in Betreff des Cinjchreitens
wegen Nachdrucks der von Johann Zwocelffer herausgegebenen „Pharma-
copoea Augustana”, „daß wir Vnß diejer Sachen anderſt nit alf...
Ihrer Kayſ. May. zu allerunderthänigjtem Respect vndernehmen müfjen,
gant ohne, daß wir hiebey einiges Interesse haben oder juchen, jon:
dern vnſersorts das alleintzige abſehen darauff berubet, ne ex aliena
lite faciamus nostram“. Ausführlicher iſt diefe Stellung des frant:
furter Rats bereits im zehnten Kapitel gejchilvdert worden; der Abrım-
bung der Darftellung halber fonnte aber dieſe Wiederholung bier nicht
vermieden werden.
Allein auch die Bücherfommiffion erjcheint nicht etwa als eine richter:
liche, jondern als reine Berwaltungsbehörne. Der Bücherfommiffar, over
an jeiner Stelle als Exekutivbehörde der ſtädtiſche Rat, geht auf einge
gangene Beſchwerde des angeblich Bejchädigten jelbftändig oder auf faijer-
liche Anweifung gegen die Kontravenienten, wenn vein äußerlich die That—
jache, daß ein privilegiertes® Buch noch von einem andern, ald dem
Privilegierten gedrudt war und vertrieben wurde, durch das blofe Vor—
handenjein von Eremplaren diejer legtern Art oder in anderer Weije
dargethan war, mit Konfisfationen und Beitreibung der Geldſtrafen (wie
fie durch das Privilegium ftatuiert waren) und zur Sicherung der lek-
tern mit Schließung der Gewölbe, auch wohl Arreftierung der jümtlichen
Bücher vor. 3 Und in ganz vderjelben Weiſe machte ſich bei der fur:
Kapitel.) Form des Verfahrens in Frankfurt und Leipzig. 71
ſächſiſchen Regierung das Beſtreben geltend, ein gevichtliches Verfahren
auszujchließen. So weift diejelbe geradezu ven Rat zu Yeipzig oder die
Bücherfommiffion dajeldft an, auf Anrufen des mit der Überwachung
des Privilegienwejens betrauten Bücherfisfals oder der privilegierten Ver-
feger gegen die angeblichen Nachdrucker jofort mit der Erefution vorzu-
geben, d. h. die nachgedrudten Bücher zu fonfiszieren und die im deu
Privilegien angedrohten Strafen einzuziehen.” Ja, fie nennt es nicht
minder deutlich, ald es der Kaiſer dem Frankfurter Rat gegenüber
that °®, eine Kompetenzüberjchreitung des Leipziger Stabtgerichts, wenn
diejes auf die Beſchwerde eines Buchhändlers wegen des jeinem Privi-
legium zumiderlaufenden Vertriebs nachgedruckter Bücher gegen den an—
geblichen Kontravenienten nicht jofort mit Erefution vorgeht, jondern ein
fontradiktorisches Verfahren eröffnet, und betont ausprüdlich, daß die
Kognition und Entjcheidung über die Bedeutung und Tragweite eines
Privilegiums lediglich dem Kurfürften, d. h. dem Oberfonfiftorium in
Dresden, zuftände. 9! Freilich war für eine derartige Behandlung ver
Sachen das fisfalifche Intereffe mit maßgebend. *? Auch wurde die Statt:
baftigfeit desjelben wohl in Frage gefteltt. 3° Übrigens war auch gegen
die Verfügungen der faiferlichen Bücherbehörden ein Bejchtwerdeverfahren
geitattet, welches vor dem Reichshofrat ftattfand, — jeitens deſſen freilich
in der jpätern Zeit auch die Erteilung der Privilegien erfolgte — und
jwar in den Formen eines gerichtlichen Berfahrens von ftatten ging.
So weiſt Kaiſer Yeopold I. in einem an den Rat zu Frankfurt in der
Nacorucdsangelegenheit des Joh. Friedr. Spoor gegen Wiederholt ge-
richteten Mandat vom 14. April 1671 (im frankfurter Archiv), worin
der Rat aufgefordert wird, dem Bücherfonmiffar Beiltand bei der Kon—
fisfation der nachgedrudten Werfe des Limnäus zu leiften, darauf bin,
daß Wieverholt „pro cassatione ged. Vnſern Befelchs (seil. die nachge-
druckten, am Ort befindlichen Eremplare zu fonfiszieren und die verwirkte
Strafe beizutreiben) bey Vnſerm Reichshoffrath eingefommen, jolche cas-
sation aber prioribus inhaerendo iure abgejchlagen worven“. Um—
gefehrt erklärt derſelbe Kaiſer in einem (ebendaſelbſt befindlichen) an ven
Rat zu Franffurt in der Nachdruckſache des Buchhändlers Johann Lud—
wig Neuenbahn zu Iena erlaffenen Anjchreiben vom 28. Januar 1670,
Neuenhahn habe, nachdem ihm jeitens des Biücherfommiffars wegen Ver:
letzung des Privilegiums jein Buchladen gejperrt, die exemplaria weg-
152 Prozeßgang in Nachdrucksſachen. [Eiftes
genommen und eine Strafe von 600 Reichsthalern diftiert, Widerſpruch
erhoben, gegen das Privilegium gehandelt zu haben, und fügt hinzu,
daß „Wir jelbiten (d. i. natürlich der Neichshefrat) in der Sachen zu
erfennen vndt mithin jolche feine Glag dem Gegentheil vmb deſſen Be-
richt sub termino Zweyer monathen einzujchließen für gut erachtet
haben‘,
Die Prozeffe in Nacdrudsjachen während des 16. und 17. Jahr—
hunverts bieten mir wenig Material dar, um daraus einen Schluß zu
ziehen auf die in jenen Jahrhunderten herrſchende Auffaffung vom Nach—
prud, rejp. von dem durch die Privilegien gegen den Nachdruck begrün-
deten Recht. Nur natürlich ijt es, daß die ftreitenden Parteien fich in
dieſer Beziehung ſtets auf den entgegengejeßten Stanppunft jtellen. Se,
daß der wegen Nachdruck Belangte ale Einwand geltend macht, die
Druckeinrichtung und das Format der von ihm gebrudten Bücher jei
eine andere als in dem Originalwerk*, während von klägeriſcher Seite
darauf Gewicht gelegt wird, Daß andere Form und Ordnung für das
Buch lediglich gewählt jei, um den Nachorud zu verdeden *°; daß der
Bellagte ſich darauf ftüßt, er fei im Befige eines Privilegiums, wonac
er bereits gedrudte Bücher nachoruden dürfe, wofern er fie „gemehret‘ °*,
wogegen der Kläger behauptet, daß die Erteilung eines derartigen Privi-
(egiums als contra jus et publicam utilitatem unmöglich jei*”; daß
ver Beklagte ſich darauf beruft, die Infinuation des für das Original-
werk erteilten Privilegiums ſei nicht vorjchriftsmäßig erfolgt und daber
fönne das Privilegium jelbjt feine Wirkjamfeit nicht äußern °°, während
der Kläger dies wohl als eine „liederliche entjebuldigung vnd simulirte
ignoranz vnd Bnwiſſenheit“ bezeichnet. °? Bon einer einheitlichen Judi
fatur in dieſen Sachen läßt fich nicht jprechen; nur der Einwand des
Mangels der Infinuation jcheint in Kurſachſen regelmäßig als ftichhaltig
angejeben zu jein.?° In den allerwenigften Sachen läßt ſich überhaupt
irgend eine Entſcheidung ermitteln. Vielmehr weifen die Aften meijt ledig—
(ich prozepleitende Defrete auf, vermittelft welcher fich die Sachen dur
eine Reihe von Jahren binjchleppen, bis die mürbe gewordenen Parteien
fich vergleichen oder der Kläger die Klage zurüdnimmt, oder die Sache
auch einfach einjchläft. Und zwar war es fo nicht nur bei den Terri-
torialgerichten ®', jondern auch bei ven Neichögerichten. ??
Hin und wieder ijt bereits im 16. und 17. Jahrhundert durch die
Kapitel.] Direktes Verbot des Nachdruds überhaupt im 16. und 17. Jahrh. 753
Sejeßgebung ein direktes Verbot des Nachdrucks, d. h. unabhängig von
einem für bejtimmte Bücher erteilten Privilegtium, erlaffen worden. Das
ültefte gejetsliche Verbot dieſer Art gehört jchon dem erjten Drittel des
16. Jahrhunderts an. Es iſt enthalten in einer Verorpnung des Rats der
Stadt Bajel vom 28. Dftober 1531. Hier wird mit Rüdficht auf ven Scha—
den, den die Druder durch das Nachpruden ihrer Werfe fich gegenjeitig
zufügen, beſtimmt, „das dan hinanfur fhein truder difer ftat Bajel dem
anderen jine werd und bücher im dryen jaren, die nechjten nachdem vie
uhgangen und getwudt worden, nachtruden ... bu peen 100 Rhiniſcher
aulden, die von einem jeden, der das uberfart oder furgat, zu rechter
Buß unableßlich genommen jollen werden“ Im ähnlicher Weije defre-
tiert der nirnberger Rat unter dem 10. Auguft 1633 9° unter Hinweis
darauf, daß „die Buchtruder undt Formjchneider inn dießer Statt fich
bißhero unterftanden haben, ihre Formen, Schrifften, Büechlein undt Ge-
mähl aneinander nachzuedrudhen; welchen aber denen, die jolliche Büech—
fein, Gemähl und Schrifften anfänglich erfunden, gedicht, gejchnitten undt
mit Berfegung vderojelben viel Coſten darauff verwendet haben, zum großen
ſchaeden, verderb und abbruch ihrer Nahrung geraichet hat, Solches aber
zuefürkgommen“, ... „daß nun hinfüro fein Buchdruckher, Formſchneider,
Buchführer, Verleeger oder Jehmandt anders, jo Einem Rath verwandt
und zugehörig, dem andern jeine Bücher, gedichte, gemählte, Schrifften
und formen, die Er jelbften gedicht ... erfunden, gejchnitten geriffen, oder
auff jeinen Gojten verlegt hat, und die Ihme von Eines Edlen Ehren-
veiten Rhats darzue verordtneten zu trudhen, aufgehen und fail haben
zu laßen, zugelaßen fein, in einem halben Jahr dem nechjten nach auf:
gehung derjelben, weder heimlich oder öffentlich nachtrudhen, jchneiden
oder reißen, oder bei anndern auff jeinen Coſtung und Berlegung zu—
thun verfüegen joll. Dann welcher jolches überfahren und Einem Edlen
Ehrenveſten Rhatt von Jehmandt alß ein verbrecher angezeigt wirbt, der
jolle Ihren Herrligfeiten darumb ohne gnadt zu Pueß geben und ver:
fallen jein zeben Gullvden Rheyniſch und darzu die gejchnitten oder ge-
trucfhten formb Eremplar unnd Bücher verfallen haben“. Während aber
nach dieſer Verordnung Druder und Buchhändler nur für eine ganz
furze Zeit in der ausjchließlichen Verwertung der Werfe gejchügt waren,
jo wird in der nürnberger „Erneuerten Ordnung und Artifeln, wie e8
fürterhin auf denen Buchorucdereyen auch mit Verlegung der Bücher
app. I. 48
154 Der Nachdruck auch in dieſem Fall Gewerbefontravention. Elftes
dieſer Stadt gehalten werden ſolle“, vom 7. Februar 1673 die zeitliche
Beſchränkung des Schutzes fallen gelaſſen, indem zugleich die Künſteleien
der Praxis in Nachdrucksſachen abgeſchnitten werden. Es heißt nämlich
hier“ im Satz 6: „Weilen des Nachdruckens halben, viel Ungelegenheit
und Klagen verurſacht worden; als ſollen ſich die Buchdrucker und Ver—
leger, alles Nachdruckens, ſowol privilegirter, als unprivilegirter Materien
enthalten, wie auch des Vortheils, daß ſie andere Format nehmen, die
Figuren und Kupfer in etwas ändern oder neue verfertigen laſſen, einen
anderen Titul und Namen des Autoris gebrauchen, neue und andere
Summaria machen, Scholia und anders dazu thun, noch dergleichen
vorzunehmen, einem Fremden Anlaß neben: Alles bey Strafe eines Sul:
dens von jedem Bogen, Gonfiscirung der Eremplarien, und Abtrag dee
erjten Verlegers hierdurch verurſachten Schadens.” Gin für ſolchen Nach—
druck „subreptitie” ausgewirftes Privilegium joll zu Gunſten des Im—
petranten feine Wirkung baben, dem erjten Verleger aber an „fernerer
Auflegung des Buchs“ nicht hinderlich jein. Nur für den Fall, daß ver
erjte Druder den Berlangen des Autors, eine neue Auflage zu unter-
nehmen, nicht nachfäme, kann der Drud von jeiten eines andern Druders
vorgenommen werden, der allerdings mit dem erjten Druder binfichtlich
der vorhandenen Exemplare ein billiges Arrangement zu treffen bat.
In dieſen Beftimmungen erjcheint ver Nachdruck ganz ebenjo, wie in
der Privilegienpraris der damaligen Zeit als eine Gewerbefontravention.
Wie einer bejtimmten Perjon das ausjchliekliche Recht der Bervielfälti-
gung "und des Vertriebs eines einzelnen Buchs oder einer Anzabl be-
jtimmter Bücher oder auch aller Bücher, die dieſelbe druden oder ver-
legen würde, durch eine Konzejfion verliehen werden konnte, jo fonnte
das gleiche Recht jemand auch durch Nechtsjaß eingeräumt werden, in-
dem dasjelbe an eine beftimmte Vorausjekung geknüpft wurde. Und je
räumt denn die bajeler Verordnung dem Buchdrucker, der zuerjt ein
Buch gedrudt, das Recht ein, aus dem Bertriebe des Buchs für eine
bejtimmte Zeit ausjchlieglichen Vorteil zu ziehen. Der gleiche Gedanke
liegt den nürnberger Verordnungen zu Grunde In dieſen, wie in der
bajeler handelt es ſich um die ansjchliekliche Drud- und Vertriebs
gerechtigfeit, welche durch ven eriten Drud des Werfs erworben wirt,
mr daß Diejelbe in dem mürnberger Erlaß von 1633 auf ein bafbes
Jahr bejehränft wird, im der Buchdruckerordnung von 1673 zeitlich un—
Kapitel.) Unterfagung des Nachdruds überhaupt 1685 und 1686, 755
begrenzt ift und nur in dem Intereſſe des Autors ihre Schranfe findet.
Hier wie dort handelt es fich lediglich um eine Berechtigung der Drucker
und Berleger, wie dies gerade aus der joeben erwähnten zu Gunſten
der Autoren getroffenen Bejtimmung der nürnberger Buchdruckerordnung
flar hervorgeht. Die ſämtlichen Verorpnungen haben gewerbepoflizeilichen
Charakter. Ganz ebenjo verhält es jich mit der bier einjchläglichen Be—
ftimmung des fir die frankfurter Meſſe beftimmten Patents des Kaiſers
Leopold I. („an ſämmtliche einheimifche und fremde Buchhändler‘) vom
4. März; 1662 (im frankfurter Archiv). Nachdem der Kaiſer voran-
geichift, er habe mit Befremven vernommen, daß verjchievene Buch—
händler unerlaubte Nachbrude veranftalteten, verbietet er, „um biejen
Mipbräuchen abzubelfen“, bei „einer Strafe von 6 Mark löthigen Gol—
des nicht weniger jperrung der Bücher-Gewölbe, Confiscation ſämmt—
licher Yagervorräthe und Erjetung der verurjachten Koften“, „privilegirte
Bücher und jolche anderer Verfaſſer“ nachzudrucken. Auf einen ganz
andern Standpunkt jtellt fich dagegen die dem faijerlihen Mandat
vom 25. Oftober 1685 nachgebilvete furjüchfische Generalveroronung vom
27. Februar 1686. Dieſelbe bejtimmt:
„Welchergeftalt Wir zeithero wahrgenommen, wie bey dem Buch—
druck und Handel umterjchievliche Mißbräuche einreißen wollen, indem
etliche fih unterfangen, des heil. Reichs heilfamen Constitutionen, auch
Unferen undt Unferer in Gott ruhenden Borfahren öffteren Verordnungen
zuwieder, allerhand ügerliche Schrifft ... zu drucken und zu verfauffen,
ingleichen des verbotenen eigennüzigen nachbrudens, auch wohl von Uns
privilegirter Bücher fichb zu unternehmen ... befehlen Wir... hierdurch
ernjt- und endlich, auch bey Vermeidung Confiscation der Bücher, Sper-
rung der Gewölbe ... und nach Gelegenheit anderer jchwerer ftraffen,
daß hinführo fich feiner, wer der auch jey, unternehmen jolle, ärgerliche
Scrifften ... in Drud zu bringen ... und fich des verbothenen Nach-
drucks, zum höchften Schaden derer, welche Bücher von den Authoribus
redlicherweiſe an fich gebracht, auch wohl darüber Privilegia erlangt, zu
enthalten.”
Dieje Verordnung, in welcher zwar auch von dem Nachdruck privi-
legierter, aber nicht bloß von dem Nachdruck jolcher Bücher die Rede
ift, legt für den Schuß, der dem Verleger eines Buchs gewährt wird,
entſchieden Gewicht auf ven Umſtand, daß derſelbe das Buch bona
48 *
156 Theorie vom geijtigen Eigentum inauguriert. Elftes Kapitel.)
tide vom Autor erworben. Und e8 wird damit, wie das ausprüdlich
in einem kurſächſiſchen Rejkript vom 4. Juli 1798 hervorgehoben wirt,
das Recht der ausjchlieglichen Bervielfältigung auf ein vom Auter er-
worbenes Eigentum an dem Geiftesproduft zurüdgeführt und jomit vie
Theorie vom geijtigen Eigentum, welche jo lange Zeit in Deutſch—
land geberricht hat, gewiſſermaßen inauguriert.
Anhang.
Dofumente.
J.
Beglaubigungsſchreiben des frankfurter Rats an den lübecker.
3. Juni 1469.
Zeitſchrift des Vereins für lübeckiſche Geſchichte. III, no, 601.)
Dem furfichtigen, erfamen und weifen burgermeiftern, fcheffernn und rat
der ftat Lubecke entbieten wir burgermeifter, fcheffenn und vat der Stat
Frankfurt unfern freuntlichen dinft. Erſamen guten frunde Es fin vor
ung fomen die erbare rede Fuften, etzwan Johannes Fuften, feligen bur—
gers zu Menge, eliche husframı was, und mit er Petrus von Gernsheim,
der vorgenannten reden und Johannes Fuſten feligen dochterman, uns
berichtende, wie Conrat Horleman, uwer mitburger zu Yubede, dem vor:
genannten Johannes Fuften jeligen und finen erben ſchuldich ſy von etlicher
gedrudter bucyer wegen und anders. Darumb dan die itgenante Grede
und Peter vor fi) und alle Johannes Fuſten nachgelaffen erben ganten
vollen gewalt und macht gegeben han hie vor uns und geben in crafft diefes
brieff8 Conraten Hendis von Gudensperg, der vorgenannten reden elichen
huswirte, zeiger dieſes brieffs, foliche jchulde und offerftorben gut an den
obgedadhten Conrat Horlemanen oder jine erben inzufordern und inzubringen
rechtlich oder gutlih. Und was der genannte Conrat Hendis in diefen ſachen
alfo rechtlich oder gutlich Handelt, dut oder leſſet, des habe er gantzen vollen
gewalt zu gewynne und zu verlufte und zu allem redjten. Bitten wir frunt—
lichen uwere erfamfait, dem vorgenannten Conrat Hendis an furderunge ſo—
ficher vorgefchrieben fchulde furderlic und behofffen zu fin, das im die von
uwerm egeichrieben burger gehantreicht und bezahlt mogen werden und, was
recht i8, whderfare. Verdienen wir umb uwere erfamfeit allezyt gerne. Steben
und veften glauben und eyn gange zuverficht zu haben, was dem vorgenann—
ten Conrat Hendis von folder forderungen und ſchulden uberantwort wirt,
760 Schöffers Proipeft über Hierouymi Epistolae 1170. Dokumente.
das ir noch der umer keyner furter namaninge darumb Iyden zullen in allen
zufomenden zyten, dar wullen die vorgenannte Grede und Petrus vor fie
und ire erben umer erſamkeit gut vor wefen, als fie vor und zugejagt umd
verjprochen han. Zu urfunde han wir unfer ftat ingefegel umb irer bede
willen an diefen brieff tun henden. Datum anno Domini millesimo qua-
dringentesimo sexagesimo nono, sabato post festum Corporis Christi.
11.
Anzeige der Ansgabe von Hieronymi Epistolae, Moguntiae,
Petr. Schoiffer de Gernssheym, 1470 (welcde im Herbſt 1470
wirklich erjchien).
(Abgedruckt im „Serapeum”“. 17. Jahrgang 1855, ©. 238. — Überjegung des lateinifhen Originals.)
Allen denjenigen, welche von der vorliegenden Anpreifung hören, welche
dem ruhmreichen Hieronymus ergeben find und fich feiner herrlichen Lehren
erfreuen, jet hiermit fund und zu willen, daß diefes ruhmreichen Mannes,
Doktor und tapferften Vorkämpfers der Kirche Buch der Briefe oder das
hierongmifche Buch in Mainz durdy Peter von Gernfheim zum Drud vor:
bereitet und unter dem Scute des Spenders aller Gitter, jowie unter dem
Beiftand des heiligen Hieronymus felbft in der nächften Michaelismeffe, wenn
und das Leben bleibt, glücklich vollendet werden wird, Der Borzug diefer
Hieronymus Ausgabe vor allen übrigen, weldye bi8 auf den heutigen Tag
hervorgetreten find, oder vielleicht inzwilchen während ihrer Herftellung auf-
tauchen fönnten, wird durch die jorgfältige Zufammenftellung, durch gefällige
Anordnung und beftmögliche Korrektur leicht erwiefen.
Was nun den erften Punkt betrifft, jo hat man an verfchiedenen Orten
einen Hieronymus. Doc, ift einleuchtend, daß die Zahl feiner Werke ver-
fchieden angegeben wird, denn Einige bringen 7O Briefe, Andere 100, Dritte
130, wieder Andere etwas mehr, Andere endlich etwas weniger. Die gegen-
wärtige, eben erwähnte Ausgabe des Hieronymus aber wird, wenn Gott will,
dem Blid der Frommen über 200 Briefe und Bücher bieten, für deren
Herausgabe möglichjt viele Bibliotheken von Kirchen und Klöftern befonders
nachgejehen worden find. Auch ift dem Sammler dieſes jo foftbaren Werkes
nicht verborgen geblieben, was Johannes Andreae, des ruhmreichen Hierony:
mus bejonderer Verehrer, noch aud), was der Karthäufer Guido, der be:
rühmte Tertrecenfent der Briefe des Hieronymus, uns in ihren Schriften
zur Verarbeitung überlaffen haben; aber darauf muß im Cingange des Werkes
ganz bejonders eingegangen werden.
Dotumente.|] Schöffers Proipeft über Hieronymi Epistolae 1470. 761
Was nun den zweiten Vorzug, nämlich die gefällige Anordnung, betrifit,
jo muß man willen, daß man nur mit Echwierigfeit, wie wohl zugegeben
wird, eine foldye Menge von Briefen und Büchern auf eine Feine Zahl von
Abtheilungen hat einſchränken fünnen, ſodaß die Briefe ſelbſt oder die Bücher,
jelbftverftändlich mit Nitdficht auf die Perfonen oder Materien, unter ver-
ichiedenen Gefichtspunften geordnet aufeinanderfolgen. Wie z. B. die zwiſchen
Damafus und Hieronymus veröffentlichten Briefe, welche den wahrhaften
Glauben, die erlittenen Berfolgungen und den errungenen Sieg jchildern,
welche insbejondere den Drigenes und deflen Verteidiger Rufinus betreffen ;
welche die iibrigen Häretifer, den Helvidius, Jovinianus, Vigilantius, The-
fifon, den teufliichen Pelagius, den Helvidius Montanus und die Novacianer
ftarf in Verwirrung ſetzen und den frevelhaften Mund feiner Neider ver:
ſchließen. Alsdann die Briefe, welche fid) Auguftinus und Hieronymus gegen:
jeitig fchrieben, die auch zur Einführung in ein befjeres Yeben dienen follen;
ferner die, welche auf die ihnen vorgelegten Fragen antworten; ſodann die,
welche zur Ertragung förperlicher Yeiden ermahnen und welche neue Freunde
ihaften ſchriftlich anfniipfen und alte wiederherftellen jollen; welche gelehrt
über verfchiedene Gegenftände handeln und welche fir beſtimmte Feierlichkeiten
Predigten enthalten. Und ſolche endlich, welche das fromme weibliche Geſchlecht
ſowohl im Mädchenalter als aud) im Eheftand belehren jollen, je nad) dem
Unterfchied der Stufen der Yungfräufichkeit, der Witwenfchaft und der Ehe;
von diefen Briefen, jage ich, ſollen die einzelnen Arten in befondere Abtei:
lungen eingefchloffen werden. Dies find ein Dutend Körbe von Fragmenten,
welche angenehme SHlaubensftüsen fiir Fromme enthalten. Da jene zu An:
fang des Bandes geordnet find, fo werden fie alles Folgende gefällig machen,
indem das, was der Peer fucht, ſich leicht finden läßt.
Was aber den dritten Vorzug, nämlich die möglichſt befte Korrektur, be-
trifft, To genüge die Bemerkung, daß auf diefes Geſchäft viel Arbeit ver:
wandt worden ift. Und wenn wir itberhaupt alle andern Punkte, jo wünfchte
diefen gewiß der Korrektor für feine Berfon fpeziell gut beforgt. Wenn aber
dies nicht der Fall fein follte, da anerfanntermaßen nichts Menfchliches voll:
fommen ift, jo möge der Umftand als Empfehlung und zum Troſte dienen,
daß es wohl faum ein Buch geben wird, dem diejes in jeiner Korrektur nach—
ftehen möchte. Dies jei einftweilen unfern freunden, deren Billigung, wie
wir zuverfichtlic hoffen, unſere Arbeit finden wird, vertrauensvoll mitgetheilt,
damit nicht etwa inzwifchen, während der Herftellung unſers Werkes ein
fremdes Buch als das unfrige, aber doc) ohne, wie das unjere, nad) einer
genau oben bejchriebenen Reihenfolge eingetheilt zu jein, zum Schaden der
Käufer untergeihoben werde.
Gegeben zu Mainz im Yahre des Herrn MCCCCILXX.
162 Deglaubigungsichreiben für Konrad Hendis 1480. (Dokumente.
Id.
Schreiben des Rats der Stadt Frankfurt a. M. an den Nat zu Lübed,
eine Schuldforderung Peter Schöffers und Konrad Hendis an
den lübecker Bürger Hans Bit betreffend. 1. April 1480.
Unfern fruntlichen dienft mit fliffe zuuor, Erſamen, furfichtigen und wifen,
befunder guten frunde, vns haben furbradjt, Petrus Schefer von Gernsheim,
vnſer burger, vnd Conrad Hendus, buddrudere, wie Gotman Rauenspurg,
Ir diener, Ine uß Sweden etlid) gut vnd briefe In uwer ftad uberfant
ſolichs Friderich Phenningbudel Diederih von der Beke und Ire anhengere
bij ud) behenicht vnd furbehalten haben Iczunt vier Jarlang vngeverlich, jo
daz fie darczu nit haben komm mogen, des fie In merglichen Schaden komm
fien vnd noch komm, vnd furter, wie fie Hans Biszen jeligen, uwerm bur—
ger, do er lebete, uff ein mergliche ſumme ettliche gutere gelt vnd gewar
geliebert vnd uberfant haben, dauon Ine biß noch rechenſchaff und bezalung:
verhalten werde, al8 der genante Gotman follicher zu berichten wiſſe, vnd
han vns gebeten, Ine In dem zu dem Irem furderlic zu fin vnd umer
liebe fruntlic fur fie zu fchriben, dem nad) als wir vnſern burgern billid)
auch dem Fauffmann willig zu Irem rechte fin furderniß zutun, So bitten
wir uch fruntlich mit fliffe, Ir wollent die obgenanten Friderich, Diederid,
vd die des mit zutun han fruntlid daran wilen, das fie den obgenanten
Petern vnd Conraden oder rem diener von Yren wegen jolid) obgemelt
offgehalten gut, das Ir Peters vnd Conrads eigen proper gut fij ale ſie
jagen mit den briefen, fo darbij waren, one lenger uerczichen zu Iren han
den ftellen, fomen vnd folgen laißen mit befferunge, koſten vnd ſcheden, An-
gefchen daß fie ſprechen Ine nichtes willen zutun oder fchuldig zufin, Auch
das Ir mit Hand Biszen feligen erben oder wer des zutun hatt darczu qut-
lich wifen vnd uermogen wollent den genannten Petern vnd Conraden oder
Iren darczu Sendeboten fur erbern fauffluden nad) redelicher billichkeit rech—
nunge auch des ufftandes vnd reſtes vnuerlengt bezalunge zu thun und
wollent hir Inne uch bewifen vuferm burger vnd Conraden egenant zu Irem
rechte und dem Iren furderlich und hulfflic fin, als wir uch funderlid wol
getruen, wollen wir fruntlid) gerne verdienen vnd was hir Inne den ge
nanten Petern vnd Gonraden zu gute widderferet vnd widderfaren mag,
bitten wir uwer fruntlich befchriben antwurt.
Datum In vigilia pasce. Anno etc, LXXXmo. (1480.)
Tofumente.] Reinhard Türkhl. Mentels Bicheranzeigen. 163
IV.
Ich Reinhart Türkhl bekenne mit dem brief das ich verfauft hab fünff
gank pantheologiam* den geiftlichen herrn bruder Hanſen von Kölln predig.
ordend und pin der betalt pis auff drey ungarn. guldin und hab jm geben
die vordern funff tail der pücher und die anderen finff tail gelob ich jm
zu geben uff martiny ſchierigſt kommende geſchich das nit fo mag er die
püher die er zu fein hannden hat, verfauffen damit er fo viel geld bezalt
wird als vil ich von jm empfangen Hab und was jm fchaden darauf ge:
gangen ift, treulich und ungeverlih. Des zu urkunt geb ich jm den brieff
mit meinem fürgedrudten petſchafft. Dabey ift gewefen der erbar meifter
martin Golfmid, Bürger zu Ofen, datum Wien am Pfingstag (Donnerstag)
nach Sanct Torengens tag auno Di. 1474 (11. Auguft).
(1. S.) Keinhard Türkhl.
nicht mehr vorhanden.
V.
Anzeigen Mentelſcher Drucke.**
(Anzeige der im Jahre 1469 erſchienenen Summa Astexana.)
Volentes emere summam vere amabilem cunetorum aspectibus gra-
tiosam, vulgariter summam astensis nuncupatam, compilatam per r. et
religiosum patrem astexanum ... (Folgt eine ausführliche Angabe des In—
halts; dann:) Utilissima est pauperibus qui, inopia pressi, neque possunt
sanctorum orginalia neque scolasticorum doctorum questiones et sum-
mas innumeras comparare, hie enim in summa quiequid reete digestum
est ab optimis quibusque viris et saluti proficuum breviter extat exara-
tum. Accomoda est divitibus qui, etsi multitudine librorum gaudeant,
quia tamen respersio in diversa memoriam gravat, et ordinata in unum
eolleetio memoriam juvat, presens summa in qua quasi in quodam promp-
tnario queque utilia coadunata sunt, aspernanda ab ipsis non est, qui-
* Hier ift offenbar, wie fchon vorm im Tert angedeutet, diejenige Ausgabe von Rayneri de Piſis
„Samma Theologiae seu Pantheologia” gemeint, welde Senfenihmidt und Kefer in Nürnberg
turz zuvor (1473) in zwei Bänden in Groffolio gedrudt hatten. Dieſes Werl (Hain 13015) von
17290 FFoliofeiten bildet den berborragendften Drud ber Firma Senſenſchmidt und Kefer und zugleich
rins der frübeften und jchönften Erzeugniffe der nürnberger Kunft überhaupt. Mit ber Heinen Senfen-
ſchmidtſchen Type bergeftelit, enthält es eine alpbabetiihe Sammlung alles defien, was die berühm—
teiten Theologen, Schriftausleger und Kanoniften bis auf bie Zeit des Verfaſſers gefchrieben batten,
der um die Mitte des 14. Jahrhunderts als Dominikaner lebte. Gflemms Katalog, S. 338.)
* Abgedruckt aus C. Schmidt, „Zur Geſchichte der älteften Bibliothelen und der erften Bud-
druder zu Straßburg‘. Straßburg 1882. ©. 147-149,
164 Mentels Bücheranzeigen. Dokumente.
uynmo affectu placido amplexanda, certis namque ingeniis immorari scio-
lum faeit.
Veniant ad hospieium . . et habebunt largum venditorem.
2.”
Volentes emere Epistolas Aurelij Augustini Yponensium presulis
«dignissimi. In quibus nondum humane eloquentie facundia sonat. verum
etiam plurimi sacre scripture passus difficiles et obscurissimi: Incide
exponuntur. Hereses quoque et errores a recta fide deuij: quasi malleo
solidissime veritatis conteruntur. et totius vite agende norma in ipsis
perstringitur. virtutum monstrantur insignia. et vicia queque ad ima
mergentia: iusta racione culpantur.
1. Fortalieium fidei (von Alphonfus de Spina, Hain 872).
2. Item Epistolas quoque beati Jeronimi.
3. Josephum de antiquitatibus et bello iudaico.
4. Virgilium.
5. Tereneium.
6. Serutinium seripturarun (von Baulus de S. Maria, Hain 10762).
7. Librum confessionum beati Augustini.
8. Valerium Maximum.
Veniant ad hospieium zu dem...
3. vr
Cupiens igitur pretactum volumen (dev Titel follte mit der Feder bei-
gefügt werden) emere cum ceteris subseriptis bene emendatis veniat ad
hospieium infra notatum et habebit largum venlditorem.
Item speculum historiae Vincencii
Item summam Astaxani (sie!)
Item archidyaconum super deecretis
Item Ysidorum ethymologiarum.
* Das Driginal befand fid auf der Hoi- und Staatsbibliothek zu Münden. Gin Falſimile de
von enthält Th. F. Dibdin, „Supplement to the Bibliotheca Spenceriana“ (London 189), S. BU:
Abdrüde gaben 3.8. Bernhart in ‚Neuer Literariicher Anzeiger‘ 1807, Spalte 302, und Angırt
Bernard, a.a.D., II, 86. Für feine Priorität als ältefter Katalog tritt ein: Warad, „Beilage sur
Gemeindezeitung für Elſaß Lothringen, Beiträge zur Landestunde“, Nr. 5, 31. Juli 1880; er ſcheim
aber den vorhergehenden Proſpelt nicht gefannt zu haben.
** Der Driginaldrud befindet ſich in der parijer Nationalbibliothet.
Tofumente.) Bämlers Bücheranzeige. Interzeſſion für Hittorp 1519. 165
Anzeige Johann Bämlers in Augsburg. *
Wär yemant der ſölicher gejchrifft tewtſche bücher fauffen wölt Nämlich
1. Summam Yohannis, die aufs dem heyligen Decret buch gezogen
ift Darinne iſt begriffen Nechtliche ordnung geyftlicher und welt-
licher ſachen:
2. Item mer die vier und zweinczig guldin harpffen Die durch einen
hochgelerten Doctor Meyſter Hanſen Nider aufs Collationibus
patrum, das iſt auſs der heyligm altvätter buch gezogen ſeind.
3. Item ein ſchön buch von dem groſſen Alexander, mit ſeinen figuren.
4. Item die ſyben weiſen meyſter mit xv hybſchen beyſpilen auſs den
geſchichten der Römeren.
5. Item von widerſten ſchnöder liebin, als das Papa Pius geſchri—
ben hat.
6. Item gute moralia, das iſt ein büchlin von guten ſyten Melibeus
genant.
7. Mer ein gut buch Belial genant, mit ſeinen figuren ꝛc.
8. Mer ein büchlin Procefius juris genant, das weifst, wie man ſich
in ein recht ſchicken ſülle.
VI.
Schreiben des Rats von Köln an die Stadt Baſel.
(Stadtarchiv Köln; Kopienbuch 50, fol. 154*. Abſchrift des ausgeſandten Schreibens. )
Unnfern ꝛc. Eirfamen, weißen, befunder gutten frunde. Unnfer burger
Gildart (Gottfried) van Hyttorp, zeiger diß brieffs, hatt unns clagende zu
fenmen geben, wie er und Ludwych Hornken, fein mitgejelle, Adam Peter,
uwer eirfamheiden mitburger, etliche buechere uff iren coften haben thun
druden, darvan fi) die ſumme uber duyſent gulden belouffen feulle, und yn
derhalben luyde ſyner eygener hantjchrifft gelobt und zugefagt die vurfchreven
buechere zu iren gefynnen zu lieveren; jo wurde er dod) wenlangs bericht,
das gedadhter Adam der vurfchreven buechere eynsdeils verfatt und in andere
frembde hende geftelt fulle haben, wilchs ym und ſynem mitgefellen nyet cley=
nen finder groiffen fchaden gebern folte. Und hait unns derhafben umb
furſchrifft vur ine an uwer eirfamheiden zu thun gebethen, der wyr ym dan
Zuerſt abgedbrudt von Am Ende in „Wllgemeiner Literarifher Anzeiger“ (Xeipzig 1798),
Spalte 1990 fa,, nach dem im feinem Befipe befindlichen Original, Wo diejes jept aufbewahrt wird,
iſt unbelannt.
7166 Abrechnung über Schedels Chronif 1509. (Dokumente.
myt feymen reden affjlagen funnen. Und jo wyr dan benfelbigen an innen
guebderen ungern verfurgt oder dermayffen in Schaden gefoirt feyen, ift darumb
unnfer fruntlich bit und gutlich beger genanten Adam myt ernfte daran zu
halten umd zu vermoigen, foliche obgeichreven boccher zu fryen und weder an
ſich zu erlangen, umb diefelbigen alendlid) und zumaile genanten unnjerm bur-
ger zu luyde ſyner gleublicher zufagung und eygener hantſchrifft, als billic,
zu fieberen. Und willen fid) ure eirfamheide unns zu eren und gefallen
genanten unnfern burger zu troifte hierinnen fo gutwillich und furderlid
ergeigen, a8 diefelven weulden, den iren im gleichem valle by und van unns
gefchege, und bemeltes unnfer burger dieß unnß furſchrifft erfunden moege
genosfen zu haven by denfelven uren eirfanıheiden, die unnſer herre got zu
langen zyden in gludjieligem vegimente froelich gefrifte. Datum die Cathe-
rine, XXV. novembris anno XIX.
v1.
Ausgleichung des Gewinnes an der nad) Vertrag vom 29. Dezember
1492 gemeinfam unternommenen Ausgabe der Hartmann Scyedeljchen
Chronica mundi.
Nürnberger Stadtardiv Litterae 11 (auch L. 120), fol. 306 fg. (Abgebrudt aus: Mittheilungen des
Inſtituts für öſterreichiſche Geſchichtsforſchung. V, 1, S. 14—137.)
Seboldt Schreyer für fich felbft und mitfampt Yazaro Holtzſchucher von
ir umd irer mitvormund wegen Sebaftian Gamermeifters jeligen gejchefts an
einem und Michel Wolgemut für ſich ſelbſt aud) als ein vormund junffrauen
Magdalena, Wilhelm Pleidenwurffs feligen verlafine tochter, Helena, etwa
des gemelten Wilhelm Pleidenwurffs und igo Simon Zwelffers eliche haus-
frau, aud) derjeld Simon Zwelffer, iv hauswirt, und die obgemelt Magda:
(ena, ir tochter bei gemeltem Pleidenwurff geboren, am andern teil befennen
verfamentlih und unverfcheidenlih: Nadydem vergangner jar die gemelten
Screyer, Gamermeifter eins und Wolgemut und Pleidenwurff andertails
einen vertrag und gemainſchaft eind truds einer neuen croniden mit figuren
mit einander gemacht hetten, laut und inhalt derfelben befantnus zwiſchen
inen am pfinztag nad) dem heiligen crifttag den neunundzwainzigiten tag des
monats decembris im taufent vierhundert und im dem zweiundneunzigiſten jar
darum ausgangen und im gerichtöbud) mit einem I, bezeignet am zwaihun—
dertiften und zwaiundachzigſten plat eingejchrieben, das fie ſich ſollicher ge
meinfchaft halb entlich vertragen, vereint und die gewinung, jo uber dem
abzug des, jo darauf gangen ift, daran erftanden were, getailt hetten; und
in ſollicher teilung ift worden dem gemelten Schreyer und Gamermaiftere
Tofumente.] Abrechnung über Schedeis Chronif 1509, 167
vormunden an parfchaft adjtundneunzig guldin veinifch; item mer ift im von
ſchulden plieben neunundzwainzig guldin, fo fie fir verſchenkte pücher im
handel ſchuldig geweien find, und die fchuld, jo Mathes Fusz (wohl Husz?)
zu Lyon ſchuldig blieben der bei hundertundachzehen guldin ift, auch zwen
guldin, jo Hanns Wetmann, ratjchreiber feligen, jchuldig bliben ift, welche
drei poſten thun Hundert und neunundvierzif guldin reiniſch. Item mer von
dulden, nad) dem losz geteilt, find im worden die ſchulden, jo die hernad)-
gejchrieben perjon ſchuldig find, nemlih: Hanns von Kobolentz zu Paris;
bei zwaihundert und achtunddreißig guldin reiniſch funfzehen jchilling, Yorig
Keflelmann zu Augspurg für pitcher und fcheden achzig guldin reiniſch fiben
ihilling ein heller, her Mathes Walfer zu Pfortheim dreiumdfiebenzig gul-
din, Walther von Yebnit zu Cretz, des Ernft eiden, finfundfiebenzig guldin,
Diebolt Feger zu Dfen fechsundfünfzig guldin, Criſtoff Grünhofer fünfund—
zwainzig guldin, Michel Worin bei achzehen guldin umd vier ſchilling, Jero—
nimus, puchfürer zu Prag fünfzehen guldin fünf jchilling, Yinhart Streber
acht guldin, die Staufferin fech8 guldin, Hanns Gerber zu Nürmberg fünf
guldin zehen jchilling, Contz Schnell zu Nürmberg eilf guldin ein fdhilling
ſechs heller, Conradt Schred par reft ein guldin, Jeronimus puchbinder,
zwen guldin, Paulus Wagner zu Straszpurg vier guldin, Conradus Geltis,
poet, zwen guldin zehen ſchilling — jumma der jchulden nach dem los; ge-
tailt in ſechzehen poften begriffen, thun fechshundert und einundzwainzig
guldin reiniſch zwelf jchilling fiben heller in golt. „tem mer ift ine darzı
worden auch nad) dem losz getailt die piicher, jo gen Meyland und Kum
(Como) geſchickt und von denjelben noch unverrechent find, außerhalb des,
jo daran bezalt und davor in rechnung fumen ift, nemlich: Jorigen Eyſelein
gen Meyland geſchickt latein rod) ungebunden 44 pücher, mer eingebunden
gemalt Latein ein puch; daran hat er geantwort Peter Viſcher zu Maylannd,
fo der gemelter* Viſcher hie verrechet hat, einundzwainzig guldin ſechs pfund
7'', denare; jo hat Peter Viſcher zu Kum und Meyland gelaſſen von piichern,
jo er mit im gefürt hat und unverfauft find gewefen: latein roch ungebunden
hundert und neunundfechzig und teutſch roh ungebunden eilf pücher, mer
(atein roh eingebunden acht und latein gemalt eingebunden drei pücher; da—
von hat der, dem Viſcher die bevolhen hat, verkauft und gelöft auch zalt, jo
auch verrechet ift, für zehen guldin reiniſch. Item jo ift in gemelter teilung
worden dem gemelten Micheln Wolgemut und Wilhelm Pleidenwurffs feligen
erben, nemlich Helena, feiner verlafien wittwen, it Simon Zwelffers eelicher
hausfrauen, und Magdalena, irer tochter, an parfchaft aud) achtundneun-
zik guldin reinifch, item mer von ſchuld vierundfechzig guldin, jo fie fir ver-
ſchenkte pücher in handl ſchuldig bliben find, mer fechzehen guldin zehen
* den gemelten.
768 Abrechnung über Schedels Chromit 1509. Dokumente.
ſchilling für ein latein und zwai teutſch roch ungebunden und ſechs latein
roch eingebunden pücher, ſo durch ſie zu Leiptzigk verrechent pliben ſind, und
einundzwainzig gulden zehen ſchiling, jo Wolgemut für drei teutſch gemalt
eingebunden und ein teutſch ungemalt eingebunden pücher ſchuldig worden iſt,
mer ſechzehen guldin zehen ſchilling, ſo Symon Zwelffer zu Leiptzigk Conntzen
Humel geborgt hat, und achtzehen guldin zehen ſchilling für pücher, ſo Hanns
Schmidhoffer (ein Buchführer in Yeipzig und Prag) von pücher, im durch den
Zwelffer geantwort, verkauft hat und gemelten Zwelffer zu verrechen gebüren,
auch zwelf guldin für drei latein und drei teutſch alle roch ungebunden pücher,
jo gemelter Schmidhoffer für fid) felbft von Zwelffer gekauft hat: ſuma der
ſechs poften thun hundert und neumumdvierzig guldin reiniſch. Item mer
von Schulden mad) dem losz geteilt find im worden die fchulden, jo die her-
ach gejchrieben perjon ſchuldig blieben find, nemlich: her Friderich Lindtner
in etlichen poften tuth zwaihundert und funfzig guldin reiniſch vier ſchilling
drei heller, Hanns Huftlein zu Wien tut ein reſt ſechundachtzig guldin zehen
ihilling, Yohannes Petri zu Paflau ſechsundſechzig guldin, Hanns Rumel
wechjelgelt und jcheiden (sie) achtundfunfzig guldin, Jorig Wald) zu Wien
funfzig guldin vier jchilling ein heller, meifter Kiltan Bifcher zu Baſel ein—
undzwainzig guldin zehen Schilling, Degerbed tut an zwaien tuchen zwainzig
guldin dreizehn Schilling neun heller, Gedort Wigerid zu Lübeck ſechzehen
guldin fünfzehen jchilling, Peter Klug an zwaien poften vierzehen guldin,
Jorg Würfel zu Ingelftat ſechs guldin, Steffen Zwideff zu München zwen
guldin, Heinrid; Ingweiler drei guldin, Wolff Sorg zu Augspurg fiben
guldin zehen ſchilling, Merten Schweringer zu Wien fünf guldin, Yorg
Espenloer zu Aisftet drei guldin, Hanns Had zu Dantzko vier guldin zehen
ſchilling, Heinrich Kepner ein veft drei guldin fieben ſchilling neun heller,
Jorg Mettelbach zwen guldin, Johann Faber zu Frankfort ein guldin zehen
ihilling: ſumma der jchulden nad; dem los} geteilt in neunzehen poften be-
griffen, thun jechshundert einundzwainzig gulden reiniſch vierzehen ſchilling
zehen Heller in gold. „tem mer ift ihnen darzu worden aud) nad) dem los;
geteilt etliche pucher, jo an etliche ende geſchickt worden find, foviel derjelben
unverfauft, unuberantwort und unbezallt daran blieben ift, umd nemlich jo
ift Pinhard Tafchner gen Bajına (jedenfalls Poſen, denn die pofener und
breslauer Märkte wurden auch von Yeipzig aus beſchickt) und Breszlam ge:
ihidt, jo im nod) zu verrechen geburen, Latein roch ungebunden fibenund:
fibenzig und teutſch roch ungebunden vierundzwainzig, mer latein roch einge:
bunden vier umd teutſch roch eingebunden vier und latein gemalt gebunden
pücher (?) am den iggemelten und umiüberantwort zwei pücher, hat er auf
rechnung gegeben Hundert und ſechsundzwainzig guldin reiniſch; mer Merten
Schmid zu Bamberg hat noch par reft fünfzehen guldin, latein und teutſch
rod) ungebunden pücher zu verrechen; Niclas Zalman zu Crafaw hat nod)
Tohrmente.] Abrechnung über Schedels Chronik 1509. 769
zu verrechen latein roch ungepunden neun, latein gemalt eingebunden ein,
latein ungemalt eingebunden ein und teutſch roch eingebunden vier pücher;
Hannszen Auchers diener gen Lyon geſchickt latein roch ungebunden pücher
einumdvierzig, daran hat er auf rechnung gegeben bei fünfundachzig guldin
zehen ſchilling; Anthoni Kolben gen Venedig geſchickt latein roch ungebunden
zwenundzwainzig, teutfch roch eingebunden ſechs, Latein roch eingebunden zwen,
teutjch rod) eingebunden zwen, latein gemalt unbunden zwai pücher, daran
hat er verfaufen anno neunumdneunzig verrechet latein roch ungebunden zwelf,
latein gemalt eingebunden zwai, teutſch roch ungebunden zwai und teutich
roch eingebunden (?) und daraus geloszt auf abzug alles uncoftenen fo er
ausgeben hat, einundfunfzig duccaten achtzehen pfening fechzehen heller und
hat noch unverfauft gehabt latein roch ungebunden zehen, Latein eingebunden
zwai, teutjch roch ungebunden vier und teutſch roch eingebunden ein cronida;
daran hat er zalt Hannjen Geiger vierzig ducaten, der hie darfür zallt hat
am freitag nad) Corporis Christi den adjten jumit negftvergangen fünfund-
fünfzig guldin veinifch, die in der parjchaft ausgetailt find; Petern Werner
gen Bononien gejchidt vierzig latein roch ungebunden pücher, daran er zalt
hat zwainzig guldin reiniſch: Hanneſen Firleger gen Florentz geſchickt latein
roch ungebunden achtundjechzig, latein roch eingebunden ein und latein ge-
malt eingepunden ein cronida; joliche pücher find laut feiner vechenzettel
verfaufen unz an funfundzwainzig pücher; fo ift er uber das, fo er daran
zalt hat, an den verkauften püchern noch jchuldig bei vierzig guldin reiniſch;
Iheronimus Rotmunden gefchidt gen Genua latein rod) ungebunden zwen—
undzwainzig, latein roch eingebunden ein und latein gemalt eingebunden ein
cronida: daran hat er Petern Viſcher zu Gena geantwort vierzig guldin
reiniſch acht pfund.
Solliche obgemelte teilung haben auch bede teil in irem wert, als ein
jedes ſtuck oder ſchuld erfunden würt, als gnügig angenommen, alſo das kein
tail dem andern werſchafft oder verrer anzeigung darumb zu thun ſchuldig
ſein ſoll, ſunder ein jeder ſage dem andern teil und ſein erben für ſich und
ſein erben umb alle vergangner handlung und ſachen, ſo ſich des trucks und
der pücher halben verlaſſen haben, ganz quit, ledig und losz, kein klag noch
vordrung nit mer zu haben noch zu gewinnen. In forma meliori testes:
Kaspar Kresz und Bernhardin Bollmeyr. Actum sexta Achacy den zwen-
undzwainzigiten tag des monats junii anno etc. nono etc.
stapp. 1. 44
770 Verzeichnis der Drucke von Aldus Manutius. Dokumeule.
VIII.
Verzeichnis der Drucke von Aldus Manutius.
(Chronologiſch geordnet.)
1495 Lascaris Erotémata e. interpret. lat. ete. 4°. (1508 [?] 1512.)
4 Mare.
1495/8 *Aristotelis Opera graece 5 Voll. fol. 11 Due.
1496 Gazae, Th., Introductionis grammatices (gr.) libb. IV. fol. 1 Dur,
1496 Theoeriti Eelogae triginta etc. Hesiodi Theogonia. Ejusdem
Scutum Hereulis. fol. 8 Marcell.
1498 *Aristophanis Comoediae IX (gr. e. scholiis |graeeis] Marei
Musuri.) fol. 2°, Due.
1498 Bolzani, Urbani, Institutiones graeene grammaticae. 4". 4 Mare.
1498 Politiani Opera. fol. 1 Due.
1499 *Dioscoridis de materia mediea libri VI ete. Nieandri Theriaca
et Alexipharmaca (gr.) fol. 1 Due.
1499 Epistolarum Graecarum collectio. 2 Partt. 4°. 1 Due.
1499 Firmici Astronomicorum libri VIII. *Manilii Astron., *Arati
Phaenomena ete,, *Procli Sphaera, Th. Linaerdo _ interprete.
(Astronomi graeci.) fol.
1499 Perotti, Nicolai, Cornucopiae s. Linguae lat. Commentarii. fol.
(1503, fjpäter 1517 und 1527.)
1500 Catharina da Siena, Epistole devotissime. fol. 1 Dur.
1500 Lueretii Cari libri VI. 4%. 1 Lir.
1501 Vergilius. 8°. (1505, 1514, 2 mal.) 3 Mare.
1501 Horatius. 8". (1509 mit Aldus’ Abhandlung de metris Horatii.)
3 Mare.
1501 Juvenalis. Persius. 8°. 3 Marc.
1501 Martialis. 8°. 3 Mare.
1501 Petrarcha, Cose volgari. 8°. (1514.) 3 Mare.
1501/2 Poetae Christiani Veteres. Tom. 1. I. 4°. 6 Lir.
1502 Aldi Manutii Rudimenta grammatices linguae ete. Introduetio
ad hebraeam linguam. 4°. 1 Lir. 10 Soldi.
1502 Giceronis Epistolae familiares. 8°. (1512.) 3 Mare.
1502 *Herodoti libri IX (gr.) fol. 1 Due.
1502 Lucanus. 8" (1515.) 3 Mare.
1502 Dante, le terze rime. 8°. (1515.) 3 Mare.
1502 *Pollueis Onomasticon (gr.) fol. 1 Due.
1502 Statii Sylvarum libri V ete. 8°. 3 Mare.
1502 *Sophoclis Tragoediae VII c. eommentariis (gr.) 8", 3 Lire.
Dokumeunte.] Verzeichnis der Drucke von Aldus Manutius. 771
1502 *Thucydides (gr.) fol. 1 Due.
1502 Valerius Maximus. 8°. (1514.) 3 Mare.
1502 Ovidii Opera. 3 Tomi (einzeln erſchienen). 8%. 3 Marc. (1515
Nach Aldus’ Tod.)
1503 Ammonii Hermei Commentaria in librum peri Hermeneias etc.
(gr.) fol. 1 Duc.
1503 Bessarionis, Cardinalis Nic., in calumniatorem (Georgium Trap-
zunt.) Platonis libri IV. 3 Lire.
1503 Catullus. Tibullus. Propertius. 8°. (1515.) 3 Marc.
1503 Florilegium Diversorum epigrammatum (gr.) 8°. (1521 und 1551.)
Ohne Preis,
1503 *Stephanus Byz., de urbibus (gr.) fol. 3 Lire.
1503 *Xenophontis ÖOmissa quae et graeca gesta appellantur etc.
*Herodiani hist. (8°.) fol. 1 Duc.
1504 Aristotelis de natura animalium libri IX. Theophrasti de
historia plantarum libri IX ete. Theod. Gaza interpr. (lat.) fol.
(1514.) 1 Duc. 3 Lir.
1504 *Demosthenis Orationes (gr.) fol. 3 Duc.
1504 *Euripidis Tragoediae XVII (XVII) 2 Voll. 8°. 1 Due. 3 Lir.
1504 Homeri Opera omnia (gr.) 2 Tomi. 8°. 1 Duc. 3 Lire.
1504 Joannis Grammatici in Posteriora resolutoria Aristotelis com-
mentaria (gr.) fol. 1 Duc.
1504 Origenis Homiliae, divo Hieronymo interpr. (lat.) fol. 5 Lire.
1504 Poetae Christiani. Tomus III. Gregorii Nazianzeni carmina, e.
versione lat. 4°. 3 Lire.
1505 Aesopi Vita et fabellae c. interpr. lat. *Ori Apollinis hiero-
glyphica, etc. fol. 1 Duc.
1505 Pontani Opera. 8°. 3 Marc. (1515, fpäter 1533. in zweiter
Band 1518.)
1505 (?) Quinti Calabri (Smyrnaei) derelictorum ab Homero libri XIV.
8°. 3 Lire.
1507 Euripidis Hecuba et Iphigenia in Anlide in lat. translatae,
Erasmo Rot. interprete. 8°.
1508 Erasmi Roterodami adagiorum chiliades tres, etc. fol.
1508 Plinii Secundi epistolarum libri X. 8°. (Zum erften mal die ver-
einigte Yirma: In aedibus Aldi et Andreae Asolani soceri.)
1508/9 *Rhetores graeci. 2 Tomi. fol.
1509 *Plutarchi Opuscula (moralia) (gr.) fol.
1509 Sallustii de conjuratione Catilinae libb. 8°,
1509 Sallustii de bello Jugurthino etc. libb. 8°.
1512 Chrysolorae Erotemata etc. (gr.) 8°,
49*
772 Frequenz der frankfurter Herbſtmeſſe 156%, Dokumente
1513 *Alexandri Aphrodisici in topica Aristotelis commentarii
(gr.) fol.
1513 Caesaris Comm. de bello gallico, de bello eiv. ete. 8".
1513 Ciceronis Epistolarum ad Atticum, ad Brutum, ad Quintum
- fratrem libri X. 8°,
1513 *Platonis Opera omnia (gr.) fol. (Musurus et Aldus edidd.)
1513 Rhetorum graecorum ÖOrationes. (*Aeschines, *Lysias etc.)
2 Tomi in 3 Partt. fol.
1514 *Athenaeus (gr.; ed. Musurus). fol.
1514 Ciceronis Rhetorieorum libri IV, ete. 4".
1514 *Hesychii Dictionarium (gr.; ed. Musurus). fol.
1514 *Pindari Olympia, Pythia, Nemea, Isthmia etc. (gr.) 8".
1514 Quintilianus (Institutt. orat.; ed. Navagerus). 4".
1514 Sannazarii Arcadia. 8".
1515 Aldi Manutii Grammaticae Institutiones graecae (ed. Musurus).
4%. Mach Aldus’ Tod.)
1515 Erasmi Opusculum, eui titulus est Moria. 8°. (Nach Aldus’ Tod.
1515 Laetantii Divinarum Institutionum libri VII (ed. Egnatio). Rad
Aldus’ Tod.)
1515 Suidas. fol.
IX.
Verzaichnis der Buchdrucker, Buchhendler vnd Buchfurer, jo Jun der
Herbitmeß Ao. 1569 den 14, Septembris durch E. E. Rath für
beſchieden worden.
Göllen.
Heinrich Nutins. — Yohannes Gymnicus. — Geruinus Calenius. —
Maternus Colinus. — Peter Horft. — Johann Greiffenbrud. — Johann
Birdınan. — Jacob weyß. — Theodosius Gramineus. — Arnoldus Bird‘
man et frts. — Dieterich Baum. — Engel Diegen.
Antorff.
Philips Nutius. — Franeiseus Steltzius. — Joannes Bellerus, —
Christophorus Plantinus. — Ruprecht Caimox.
Augspurg.
Martin Schrot. — Georg Willer.
Dokumente. Frequenz der franffurter Herbſtmeſſe 1569.
—
—
N
we
Nürmberg.
Dietherich Gerlag fo des vom Bergen feligen ITruderey vberlommen. —
Vlrich Neuber. — Belten Furman. — Hannß Popp. — Margaretha
Sabifin. — Cornelius Caimox. — Hannß Woldran.
Straßburg.
Shriftian Müller. — Theodofius Rühel. — Joſias Kiehel. — Thiebaldt
Dietherih. — Haunß Heinrich.
Bajell.
Eusebius Episcopius Bnnd Samuel Gryneus Doctor. — Balthafar Han,
Bund Mittuerwandten, jo die Operiniſch offieinam befommen. — Aure-
lius Frobenius. — Thoman Guerin. — Henricus Petri, — Petrus Perna
— Brillingers Erben.
| Zürch.
Chriſtophorus Froſchauer. — Jacobus Geſnerus.
Tübingen.
Georg Gruppenbach. — Morhardts ſeligen Erben.
Ingolſtat.
Alexander Weiſſenhorn.
Freyburg in Preyßgaw.
Stephan Graue.
Altſteden Inn Schweytz.
Gall toll ih)
Veipzig.
Ernft Vögelin.
Wittenberg.
Conradt Riehell (Rühl). — Samuel Selfifd.
Erfurt.
Jeorg Bauman. — Conrad Dreher.
Jene.
Wolff Hayll.
174 Frequenz der frankfurter Herbſtmeſſe 15h!. [Tofumenie.
Speyer.
Heinrich) Caimox. — Hanf Gartenman. — Hubertus Caimox.
Menk.
Frantz Vnd Caſpar Behemen.
Heydelberg.
Matheus Harniſch.
Franckfurt.
Sigismundt Feyerabendt Vnd Mittuerwandten, Georg Raab Vnd Weigand
Hans Erben. — Sigiſmund Feyernabendt für ſich allein. — Johann Kip—
pius anftat der Egenolffiſchen Erben. — Symon Hueter. — Peter Fabrj. —
Peter Breubachs Erben. — Nicolaus Baſſe. — Thomas Rebart. — Yacob
Guiſchet. — Baſtian Mais von Maſtricht. — Thomas Drechſel. — Conrad
Hochgeſang. — Paulus Reueller. — Johann Wolffius. — Martin Lechler.
Marpurg in Heſſen.
Auguſtin kolb.
Veſel bei künigſtein.
Niclaß Heinrich.
Welſchen.
Venedig.
Caſpar Bindonj. — Petrus longus. — Petrus Valgrisius.
Lion.
Johann Frellon. — Clement Baudin. — Petrus D. Auanti. — Johan
de Puis.
Genff.
Johannes Criſpinus. — Salomon von Normandj. — Barthel Bincenk.
Michel Spiek Bon Bechun. — Florentz Würt Bon Mufleburg.
|
|
Pr
wit
Dokumente. Reichs Preßverordnungen.
X.
Reichs⸗Preßverordnungen.
(Neue und vollſtäundige Sammlung der Reichsabſchiede. 2. Teil. Frantſurt a. M. 1747. Abgedruckt
auch in I. A. Collmann, „Quellen, Materialien und Kommentar des gemeinen deutſchen Vreßrechts“,
Berlin 1844.)
1:
Abjchien des Reichstags zu Nürnberg
auffgericht Anno 1524 am 18. April.
8. 28. Nachdem im Eingang vermerkt worden, daß die Stände als
Schüger und Schirmherren des Glaubens das wormſer Mandat mit Ge—
horjam beobadjten werben, fährt der $. fort:
Darzu daß eine jede Obrigkeit bei ihren Drudereyen, und jonft
allenthalben nothdürfftig Einfehens haben jollen, damit Schmadjichrifft und
Gemählde hinfürter gäntzlich abgethan werd umd nicht weiter ausge—
breitet: Und daß fürter der Druderey halben, Inhalt unfers Mandate ges
halten werde.
Ob aber jemands derjelben Bejchwerung oder Berhinderung begegnet
oder zuftiinde, mag ſolches Unferm Statthalter und Regiment anzeigen, die
haben von Uns Befehl, wie Wir ihnen auc, hiermit ernftlich befehlen, den
Anfuchenden Hülff und Rath mitzutheilen, darob zu halten und daifelbig
Unfer Mandat mit allem Fleiß zu erequiren.
>
Abſchied des Reihstags zu Speyer.
Anno 1529 auffgericht. (22. Aprit.
8. 9. Darzu follen und wollen wir, aud Churfürſten, Fürften und
Ständ des Reichs, mittlerzeit des Coneilii, in allen Drudereyen
und bey allen Buhführern, eines jeden Obrigkeiten mit allem mög—
lichen Fleiß Verſehung thun, das weiter nichts neues gedrudt, und
jonderlih Schmähſchrifften, weder öffentlid oder heimlich ge—
dicht, gedrudt, zue kauffen feilgetragen oder ausgelegt werden, ſon—
dern was derhalben weiter gedicht, gedrudt oder feil gehabt wird, das joll
zuvor von jeder Obrigkeit durd) dazu verordnete verjtändige Perjonen be=
fichtiget; Und fo darin Mängel befunden, daſſelbig zu druden oder feil
zu Haben bei großer Straff nicht zugelaffen, ſondern alfo ftrenglid)
verboten und gehalten, aud der Dichter, Truder und VBerfauffer,
jo ſolch Gebot vberfahren, durch die Obrigkeit, darımter fie gejellen oder u
treten, nad) Gelegenheit beſtrafft werden.
776 Reichs Preßverordnungen. Dokumente.
3.
Abſchied des Reichſtags zu Augsburg
vom 19. November 1530.
8. 2. Als nemlich, daß Unfer ernftliher Will, Meinung und Befehl
fen, daß der Churfürft zu Sachſen fanıt feinen Mitverwandten mittler Zeit
diefes gemeldten 15. Tages des Aprilis verordnen, daß nichts Neues,
der Sachen des Glaubens halben in ihren Fürſtenthumen, Yanden
und Gebieten getrucdt, feilgehabt noch verfaufft werde: und daß alle Chur:
fürften, Fürſten und Stände des heiligen Reichs mittler Zeit diefes Be—
dachts gut Fried und Einigkeit halten follen.
8. 58. Und nachdem durdy die unordentlihe Truderey biß ans
hero viel Ubels entftanden, feten, ordnen und wollen Wir, daß ein jeder
Churfürft, Fürft und Stand des Reichs Geiftlid und Weltlich, mittler Zeit
des fünftigen Coneilii in allen Trudereyen, au bei allen Bud-
führern mit ernftem Fleiß Verfehung thun, daß hinfürter nichts Neues,
und ſonderlich Schmähſchrifft, Gemählets, oder dergleichen, weder öffent:
lich) noch heimlich gedicht, getruct oder feilgehabt werden, es jet demm zuvor durch
diefelb Geiftlich oder Weltlich Oberkeit darzu verordnete verftändige Perſonen
befichtigt, des Truders Nahmen und Zunahmen, aud die Stadt,
darinnen ſolches getrudt mit nehmlichen Worten darinnen gefegt Und wo
alfo darinn Mangel befunden, joll daſſelbig zu druden oder feil zu haben,
nicht zugelafien, was aud) folder Schmähe- oder dergleichen Bücher hier—
vor getrudt, joll nicht feil gehabt oder verfaufft werden. Und wo der Tid)-
ter, Trucker und Berfauffer fold Ordnung und Gebott überfahren, joll er
durch die Obrigkeit, darımter er gefeffen oder betretten, nad) Gelegenheit an
Leib oder Gut geftrafft werden. Und wo einige Obrigfeit, fie
wäre wer jie wolle, hierinn fäffig befunden würde, alsdann mag und joll
Unfer Kayſerlicher Fiscal, gegen derfelben Obrigkeit um die Straff pro-
cediren und fortfahren, welde Straff nad; Gelegenheit jeder Oberkeit, und
derjelben Fahrläffigkeit, Unfer Kayſerlich Kammergericht zu fegen und zu tari-
ren Macht haben joll.
4.
Kaiſer Karl des Fünften Beinlih Hals-Gerichts-Ordnung
von 1532.
(Ausgabe von H. Yöpfl.” Heidelberg 1842.)
Art.110. Strafffhrifftliher unredtliher peinliherSchmehung.
Item welcher jemandt durch Schmachſchrifft, zu Yatein libel famosus
genant, die er aufbreittet umd fi nad) Ordnung der Recht mit feinem red).
Dokumente. Reichs Preßverordnungen. 777
ten Tauff- und Zunamen nit unterſchreibt, unrechtlicher unſchuldger Weiß
Laſter und Ubel zumiſt, wo die mit Wahrheit erfunden würden, daß der
geſchmecht an feinem Yeib, Yeben oder Ehren peinlich geftrafft werden möcht,
derjelbig bofhafftig Pefterer fol nad) Erfindung folder Übelthat, als die
Necht jagen, mit der Veen, inn welche er den unſchuldigen gefchmechten durd)
jein böſe unwahrhafftige Yefterfchrifft hat bringen wöllen, geitrafft werden.
Und ob ſich auch gleichwol die aufgelegt Schmach der zugemeſſen That inn
der Wahrheit erfünde, foll dennoch der Außruffer folder Schuach nad) ver—
mög der Recht und Ermeſſung des Richters geftrafft werden.
.
Abſchied des Reichstags zu Regensburg.
Anno 1541 auffgericht. (29. Juli.
8. 40. Ferner haben Wir befunden, dar die Schmähichrifften, fo
im H. Reid Hin und wieder an mehr Orten ausgebreitet werden, gemeinem
Frieden nicht wenig verhinderlidy und verletzlich ſeynd, auch zu allerhand
Unruhe und Weiterung gelangen mödjten: Und demnach Uns mit Chur:
fürften, Fürften und gemeinen Ständen verglichen, daß hinfüro im dem Heil.
Reich keine Schmähichrifften, wie die Namen haben mogen, getrudt, feyl
gehabt, faufft, noch verfaufft, fondern wo die Tichter, Truder,
Kauffer oder Berfauffer betreten, darauf eine jede Obrigkeit fleißig
Aufſehens zu haben verfügen, daß diejelben unach Gelegenheit der Schmäh—
ihrifften, jo bey ihnen erfunden, ernſtlich und härtiglich gejtrafft werden
jollen.
6.
er Römiſch Kayſerl. Majeſtat Ordnung und Reformation
guter Polizei,
zu Beförderung deß gemeinen Nutzens auff dem Reichsſtag zu Augspurg
Anno D. 1548 auffgericht. (30. Juni.)
XXXIV. Bon Schmähichrifften, Gemählden und Gemächten.
8. 1. Wiewohl Wir auch auff hiebevor gehaltenen KReichstägen Uns
mit Churfürften, Fürften und Ständen des H. Reichs und der Abwejenden
Bottichafften vereinigt und verglichen, aud) Satung und Ordnung im Drud
ausgehen, und verkünden laffen haben, daß in allen Drudereyen, aud) bey
allen Buchführern, mit ernſtem Fleiß Fürſehung gethan, daß hinführo nichts
Neues, und ſonderlich Schmähſchrifften, Gemählds oder dergleichen, weder
öffentlich noch heimlich gedicht, gedruckt, noch feil gehabt werden ſollen, wie
T
—
778 Reichs-Preßverordnungen. Dokumiente.
deun dieſelben Abſchied ferner mitbringen: So befinden Wir doch, daß ob der—
ſelben Unſer Satzung gar nichts gehalten, ſondern daß ſolche ſchmähliche
Bücher, Schrifften, Gemählds und Gemächts je länger, je mehr
gedicht, gedruckt, gemacht, feil gehabt, und ausgebreitet werden.
Wenn wir nun zu Pflantzung und Erhaltung Chriſtl. Lieb und Einigkeit
und Verhütung Unruhe und Weiterung ſo daraus folgen möchte, Uns ſchul—
dig erkennen, indem gebührlichs Einſehens zu thun: So ſetzen und orduen
Wir, auch hiemit ernſtlich gebietend, daß hinführo alle Buchdruder, wo und
an welchen Ort die im Heil. Neid; gefeffen find, bey Niederlegung
ihres Handwerks, aud) einer ſchweren Pön, nämlih N. Gilden,
ihren ordentlichen Obrigfeiten, unabläßlich zu bezahlen, feine Bücher, Hein
oder groß, wie die Namen haben möchten, im Drud ausgehen lajjen
follen, diefelben feyen denn zuvor, durch ihre ordentliche Obrigkeit,
eines jeden Orts oder ihre dazu Verordnete befichtiget, und der Lehr der
Chriſtlichen Kirchen, dergleichen dem Abfchied der Reichstags allhie, aud)
andern hievor auffgerichten Abjchieden, jo demjelben jego allhie gemachten
Abſchied mit zuwider find, gemäß befunden: Darzu daß fie nicht auffrüh—
reriſch oder ſchmählich, es treffe gleich hohe, niedere, gemeine oder jon-
dere Perjonen an, und defhalben approbirt und zugelaffen. Bei gleicher Poen
jollen auch alle obgemeldte Buchdrucker ſchuldig und verpflidt feyn, in alle
Bücher, fo fie aljo mit Zulaſſen der Oberfeit hinführo druden werben, den
Autorem oder Dichter des Buchs, auch feinen des Druders Nahmen, def:
gleichen die Stadt oder das Ort, da es gedrudt worden, unterſchied—
lid und mit Namen zu benennen, und zu vermeiden.
8. 2. Ferner fegen, ordnen und wollen Wir, daß alle und jede Obrig-
feiten Uns und dem heil. Reich unterworffen, ernftlih Einjehens thun
und verfchaffen jollen, daß nicht allein dem, wie obgemeldt treulich nachkom—
men und gelebt werde, jondern daß aud nichts, jo der Catholiſchen
allgemeinen Lehr, der heiligen Chriſtlichen Kirden ungemäf und
widerwärtig, oder zu Unruhe und Weiterung Urfad geben, desgleichen
auch nichts ſchmählichs, pafquillifches oder andrer Weif, wie das
Namen haben möcht, dieſem jetzo allhie aufgerichten Abjchied und andern
Abfchieden, jo demjelben nicht entgegen jeynd, ungemäß, in was Schein
das gefchehen möchte, gedicht, geſchrieben, in Drud gebracht, gemahlt,
geſchnitzt, gegoſſen oder gemacht, jondern wo foldye und dergleichen Biicher,
Schrifften, Gemählde, Abgüß, Gefchnist und Gemächts im Druck oder jonft
vorhanden wären, oder Fünfftiglicd ausgingen und an Tag fünten, daß die:
jelbe nicht feil gehabt, gefaufft, ungetragen, noch ausgebreitet, jondern den
Verfänffern genommen, und fo viel immer möglich untergedrudt werden,
und joll nicht allein der Verkäuffer oder Feilhaber, fondern auch der Käuffer
und andere, bei denen ſolche Bücher, Schmäh-Schrifften oder Gemählds-
Dofumente.) Reichs⸗Preßverordnungen. 779
Pasquills oder andere Weiß, ſie ſeyen geſchrieben, gemahlt, gedruckt, befunden,
gefänglich angenommen, gütlich oder, wo es die Nothdurft erfordert,
peinlich, wo ihm ſolche Bücher, Gemähld oder Schrifft herkommen, ge:
fragt, und ſo der Author oder ein anderer, wer der wäre, von dem er,
der gefangen, ſolche Schrifft, Gemähld oder Bücher überkommen, unter der—
ſelben Oberkeit geſeſſen, der ſoll alsbald auch gefänglich eingezogen: wäre
er aber unter einer andern Herrſchaft wonhaftig, derſelben ſoll ſolches als—
bald durch die Oberkeit, da der erſte Feyl- oder Inhaber ſolcher Schrifften
betretten, angezeigt, die abermals, wie vor laut, handeln, und dem alſo fang
vorgefchriebener Maß nachgefragt und nachgegangen, biß der rechte Author
befunden, der alsdann jampt denjenigen, jo es alſo ungetragen, feyl gehabt
oder ſonſt ausgegeben, vermög der Recht und je nad Gelegenheit
und Geftalt der Sachen darumb gejtraft werden.
$. 3. Wo aber einige Oberfeit, wer die wäre oder wie fie Namen
haben möcht, in Erfundigung joldyer Ding, oder jo es ihr angezeigt, darinnen
fahrläffig handeln und nicht ftraffen würde: Alsdann ſoll Unſer Kaifert.
Fiscal wider diefelbig auch den Tichter, Truder oder die Buchführer und
Verfäuffer auf gebührliche Straff procediren und handeln, welde Straff
nad) Gelegenheit und Geftalt der Sachen Unfer Kaiferl. Kammer: Gericht
zu fegen und zu moderiren Macht und Befehl haben ſoll.
8. 4. Doch wo vor diefer Zeit etwan dergleichen Bücher, Gemähld
und Schrifften Hinter einen kommen und alfo hinter ihm blieben wären, der
joll darum nicht gefährd werden: Aber dennoch jchuldig ſeyn, jo er die be-
fünde, diefelbige nicht weiter auszubreiten, zu verjchenfen oder zu verfauffen,
und alfo vorige Schmach wieder zu erneuern, fondern abweg zu thun oder
dermaßen zu verwahren, daß fie niemands zu Schmach reihen oder gelangen
mögen,
T.
Katjer Rarls V. Ediet vom 30. Juni 1548.
(Chr. Biegler, Corpus sanctionum pragmaticarum S, R. Imperii, Franeof. adM. 1713. ©. 1132.)
Wir Karl der Fünffte von Gottes Gnaden Röm. Kayfer ıc.
Entbieten allen und jeglichen Churfürften, Fürſten ꝛc. Unfer Gnad und
alles Guts. Ehrwitrdig und Hohgebornen, Liebe Neven, Oheim, Churfürften
und Fürften, Wohlgeborn, Edel, Ehrfam, Andächtig und Yiebe Getreuen.
As Wir in Unfer Volicei- Ordnung, an diefem Unferen gehaltenen
Reichs-Tage allhier mit euer Lieb und euer And, und der Abwejenden
Bottichaften und Geſandten Rath und Zuthun beratichlaget, geſchloſſen
und auffgericht, unter andern geordnet md geſetzt haben, daß hinfüro alle
Buchdruder, wo und an welchen Enden die im heil. Neid) geſeſſen ſeyn, bei
780 Reichs Preßverordnungen. Dotumente.
Niederlegung ihres Gewerbs auch einer ſchweren Peen, nehnilich fünffhundert
Gulden in Gold, ihren ordentlichen Obrigkeiten unabläßlich zu bezahlen,
feine Bücher, flein oder groß, wie die Namen haben möchten, in Trud auß—
gehen laſſen jollen, diejelben ſeyn denn zuvor ꝛc. (dev Polizei-Ordnung ganz
entiprechend) Alles laut und Inhalt derjelben Unjer Ordnung und Satung,
die Wir alfo durch di Unser offen Edict auch allen umd jeden verfündigen,
hiermit von Römiſcher Kayferl. Macht ernſtlich gebietend, und wollen, daß
ihr ſolche obberührte Unfer Kayferl. Ordnung und Satzung allenthalben in
Unfer, des Reichs und euren Fürſtenthümern, Yanden, Städten, Flecken,
Obrigfeiten und Gebieten von Stund an offentlich auch verfündiget, derielben
alles Ihres Inhalts Volziehung thut, und gegen den überfahrnen mit ob-
beftimmten Beenen eruftlic; verfahret und handelt, und hierin niemand ver:
ſchonet, auch in dem allen nicht ungehorfam noch ſäumig erſcheinet, im feine
Weiſe noch Wege, jo lieb euch ſey Unfer und des Reichs jchwere Ungnade,
und obbeftinnmte Peen und Straffe zu vermeiden, das meinen Wir ernftlid.
Geben in Unfer und des Reichs Stadt Augipurg am legten Tag des Monats
Junii nad Chrifti unfers Herrn Geburth funffzehenhundert und im achtund—
viergigften, Unfers Kayferthums im acht und zwanzigften, und Unferer Reihe
im drey und drenkigften Jahre.
Carol. v. A. Perenot.
Ad mandatum Caesarcae et Catholicae Majestatis proprium.
Joh. Obernburger.
8.
Abſchied des Kreistages zu Erfurt
vom 27. September 1567.
$. 61. Demnach audy in diefer Verordnung Unfere Kaiferlihe Come
miffarien, der Churfürften, Fürften, Bottfchafften und andere Crayß-Oberſten,
Zu: und Nachgeordnete, auch an dero ftatt die deputirte Crayß-Räthe und
Geſandte wohlbedächtlich zu Herzen und Gemüth geführet, welchermaſſen
nunmehr eine gute Zeit von Jahren hero allerhand umruhige, leichtfertige
und üppige Leut inn- und außerhalb des Reichs fich nicht gefchenet, vielfäl-
tige Schmadjichrifften, Gemählde und aufrührifche Iractaten zuwider Unferer
Vorfahren, Unferer und des heil. Reichs derwegen nothwendiglidyen publi—
cirten Satungen und Ordnungen in offenen Trud ausgehen zu laffen, und
zu gemeinen Märkten zu feilen Kauf zu bringen, oder fonften in andere
guthergige Yent, und jonderlich dem gemeinen Mann zuzufcieben, darzu
dann nicht weniger andere hochjchädliche unwahrhaffte Gedichte entweder unter
dent Schein neuer Zeitungen oder Pasquillen, hin und wieder spargirt wer:
Tofumente.| Reichs Preßverordnungen. 781
den, darinn je länger je mehr nicht allein die ringere Perſonen durch lang—
müthiges der Oberkeiten Zuſehen, ſondern auch ſie die Obrigkeiten zugleich
auch andere Churfürſten, Fürſten und Ständ, ja auch Unſere Kaiſerliche
Perſon ſelbſt angetaſtet, auch wohl zu beſorgen, ſo dieſen falſchen üppigen
Dichtern alſo ohn gebührliche ernſtliche Straff länger zugeſehen werden ſolte,
daß dadurch ein ſolch Mißvertrauen und Berhetzung zwiſchen aller—
ſeits hohen und niedern Ständen erwecket, welches wol unver—
ſehenliche Empörung und viel Unheyls verurſachen möchte.
8. 62. Wann ſie Uns nun hierauf deſſen, was vermelte Unſere Vor—
fahren am Reich statuirt, und derentwegen weiter in der zu Augſpurg Anno
viergig acht aufgerichteten Polizeiordnung gefett worden, in Unterthänigfeit
erinnern lafjen, Wir auch ob ſolchem allem billich ungnädiges Miffallen
tragen, und zu Handhabung Unferer und des heil. Reichs Geboten und Ord-
nungen mit Gnaden geneigt dahin zu fehen und zu tradhten, wie demnächſt
diefen Leichtfertigen böjen leuten, als fondern Anftifftern aller Unruhe und
jelbft Auffrührern, beizufommen und fie zu wohlverdienter Straff vermög
gemeiner bejchriebener Recht und jetermelter des heil. Reichs Constitutionen,
Abfchied und Ordnung gebradjt werden mögen: So wollen Wir auf ſolche
vorige Reichs: Abjchied und Constitutionen deren aud) der jegtgemelten flie—
genden Zeitungen und deren Ding Abtruder und Verkauffer halben Unfere
offene Mandata ins Neid; publieiren und ausgehen lajien.
8. 63. Setzen, ordnen und wollen hierauf, daß alle und jede Obrig—
feiten, fo Uns und dem heil. Neid; umterworffen, ernftlichen Einfehens thun
und verſchaffen follen, daß nicht allein folhen unfern Mandaten treulid)
nachkommen und gelebt werde, fondern daß aud nichts ſchmähliches,
pasquillifch oder anderer Zeitungsweife, wie das Namen haben,
oder zu einem folchen obvermelten Miftrauen, Empörung und
Unheyl im heil. Reich zu erweden, verjtandeu werden möchte,
in was Weife das Gedicht gefchrieben, in Trud bracht, gemahlt, geſchnitzt,
gegofien oder gemacht wäre, im ihren Churfürftenthumen, Fürſtenthumen,
Yanden, Städten und Gebieten keineswegs feil gehabt, gefaufft, umbgetragen
noch ausgebreitet werden, alles bei Poen und Straff der obgemelter ge:
meiner bejchriebenen Recht und des Reichs Ordnungen.
9.
Abſchied des Reihstags zu Speyer
Anno 1570 auffgericht. (11. Dezember.)
8. 154. Wiewol auch auff etlichen vorigen gehaltenen Reichs-Tägen
bei fchweren Poenen ftatwirt und gebotten worden, daß die Obrigfeiten bei
782 Reichs⸗Preßverordnungen. Dokumente.
ihren Druckereyen, Buchführern und ſonſten ernſtliche Vorſehung thun
ſollen, damit keine Schmähbücher, Gemählde oder dergl. (dardurch nichts
gutes, ſondern nur Zanck, Aufruhr, Mißtrauen und Zertrennung
alles friedlichen Weſens angeſtifft) offentlich oder heimlich gemacht,
gedruckt, verkaufft, oder ſonſten ausgehen: So kommen Wir doch in gewiſſe
Erfahrung, daß ſolchem Unſrem und des Heil. Reichs Gebot an vielen Ortern
nicht gelebt, ſondern zugeſehen werden will, daß hin und wieder allerley
ſchamloſe Schmehichrifiten, Bücher, Karten und Gemählde gedrudt und ge-
mahlet, ohne alles ftraffen, zuvorab auff den gemeinen Jahrmärkten, Mefien
und in anderen Berfanmlungen umbgetragen, feil gegeben, verfaufft und
ausgebreitet, darunter dann auch niemand, es ſei Obrigkeit, Herr oder Unter:
than verjchonet werde.
8.155. Dieweil dann ſolche vermeflene ungejcheute Frechheit des läfter-
lien Drudens, Mahlens und Schmähens, umb fo viel mehr zu coerciren,
und allenthalben abzuftellen, haben Wir uns mit gemeinen Ständen und den
Abgefandten dahin verglichen: Darauff jeken, ordnen und wollen Wir, daf
hinfüro im gangen Römischen Reid; Buchdrudereien an keine andere Orter,
denn in denen Städten, da Churfürften und Fürften ihr gewöhnliche Hoff-
haltung haben, oder da Universitates studiorum gehalten, oder in anjehn-
lichen Reichsſtädten verftattet, aber jonften ale Winfel- Druderenen ftrads
abgeichafft werden follen.
$. 156. Zum anderen joll aud) kein Buchdrucker zugelaſſen werden, der
nicht zuforderft von jeiner Obrigkeit, da er häußlich fiet, darzu redlich, ehrbar
und aller Ding tuglich erkennt, auch dafelbft mit jonderm leiblichen Eyd
beladen, in feinem Truden jegigen und andren Neichsabjchieden, ſich ge-
mäß zu verhalten. Zum dritten follen einem jeden alle fafterliche ſchmähliche
Bücher, Schrifften, Karten oder Gedicht in Trud zu geben oder zu truden, durch⸗
aus bey hoher Straff, fowohl bey Berluft der Bücher und Trudereien verboten
jeyn. Zum vierten foll feiner etwas zu truden Macht haben, das nicht zu—
vor von feiner Obrigkeit erfehen und alfo zu truden ihme erlaubet wäre.
Zum fünfften ſoll derjelbe alsdann auch def Dichters oder Authoris, gleich—
falls feinen Namen und Zunamen, die Stadt und Yahrzahl darzu jegen.
$. 157. Da aber deren Ding eines oder mehr unterlafien, follen nicht
allein die getrudte Bücher, Schrifften oder Karten alsbald von der
Obrigkeit configcirt, fondern auch der Truder, und bey weme die zu Fauffen
oder ſonſten augzubreiten begriffen, an Gut oder fonften nad) Geftaft und
vermog gemeiner Necht, unnachläßlich geftrafft werden.
$. 158. Mit gleihen Straffen und Ernft foll auch gegen denjenigen,
jo fäfterlid ſchmähliche Gemählde machen, zu verfauffen, oder ſonſten
zu divulgiren umführen.
$. 159. Darumı gebieten und wollen Wir, daß alle und jede Stände,
Dokumente. Reichs-Preßverordnungen. 783
und Obrigkeiten, ob dieſem Unſrem Gebott mit allem ernſtlichen Fleiß hal—
ten, auch ſonderlich ihre Truckereyen unverwarnter Ding viſitiren,
denn fie da in dieſem jemand überſehen, colludiren oder feinen gebuhrenden
Ernſt und Straff gegen die Übertretter fürnehmen wirden, jollen fie da-
mit in Unfere fchwere Ungnad gefallen jeyn, und nad) geftalten Dingen pro
arbitrio von Uns geitrafft werden,
10.
Kaiſerliche und des Reiche reformirte und gebejjerte
Bolizei-Ordnung, zu Frankfurth,
Anno 1577 auffgericht. (9. November. |
Der XXXV. Titul.
Bon Budtrudern Shmähidhrifiten ſchmählichen Semähls,
Gedichten und Anſchlägen.
8. 1. Wiewohl auff vielen hievor gehaltenen Reichstägen, weyland
Unſre loblichen Vorfahren, ſich mit Churfürſten, Fürſten und Ständen des
heil. Reichs und der abweſenden Bottſchafften vereiniget und verglichen,
auch Satzung und Ordnung im Druck ausgehen und verkündigen laſſen
haben, daß in allen Trudereyen, auch bey allen Buchführern und
Händlern, mit ernftem Fleiß Verfehung gethan, daß Hinfitro nichts neues,
fo Oberkeit wegen nicht erjehen, infonderheit aber, daß Feine Schmäh—
ihrifften, Gemählds oder dergleichen weder offentlid noch heimlich
gedicht, getrudt und feyl gehabt werden jollen, wie dann diefelbe
Abjchied, Tonderlicd aber der in Anno ꝛc. fiebengig zu Speyer auffgericht
worden ift, ferner mitbringen: So befinden Wir doch, daß ob denjelben
Satungen gar nichts gehalten, jondern dar ſolche ſchmähliche Bücher, Schrifi-
ten, Gemählds und Gemächts, je länger, je mehr gedicht, gedrudt, gemacht,
feyl gehabt und ausgebreit werden.
$.2. Wenn wir nun zu Pflansung und Erhaltung Chriftl. Yieb und
Einigfeit und Verhütung Unruhe und Weiterung, jo daraus erfolgen möcht,
Uns ſchuldig erkennen, in dem gebührlichen Einjehens zu thun: So feten
und ordnen Wir, and) hiermit ernftlich gebietend, das hinfüro Bucdhtruder,
Verläger, oder Händler, wo und an welchen Orten die im Heil. Reid)
geſeſſen jeyn, bei Niederlegung ihres Handwerks, aud) einer ſchweren Peen,
nach Ermäffigung ihrer ordentlichen Oberkeit unnachläſſig zu bezahlen, Feine
Bücher, flein oder groß, wie die Namen haben möchten, in Trud
ausgehen lajjen follen, diefelben ſeyen dann zuvor durd) ihre
ordentliche Oberkeit eines jeden Ortes, oder ihre darzu Ver—
ordnete, bejichtiget und der Pehr der Ehriftlichen Kirchen, dei:
784 Reichs Preßberordnungen. [Dofuntente.
gleichen den auffgerichten Reichsabſchieden gemäß befunden, darzu
daß ſie nit aufrührifh oder ſchmählich, es treff gleich Hohe und
niedere Stände, gemeine oder jondere Perfonen an, und deßhalb approbirt
und zugelaffen. Bei gleicher Peen follen aud) alle obbemeldte Bucdruder,
Berläger und Händler jchuldig und verpflicht jeyn, in allen Büchern jo fie
alfo mit Zulaſſen der Oberfeit hinfiiro truden werden, den Authorem oder
Dichter des Buchs, auc) feinen des Truders Namen, defgleichen die Stadt
oder dei Urt, da es getrudt worden, unterjchiedlid; und mit Namen zu be=
nennen und zu vermelden,
8.3. Und jegen, ordnen und wollen Wir, daß alle und jede Überfeiten,
Uns und dem H. Römiſch Reid) unterworffen, ernftlich Einfehens thun und
verſchaffen follen, daß nit allein dem, wie obgemelt, treulih nadfommen
und gelebt würde, jondern dag aud) nichts, jo der Chriftl. allgemeinen
Yehr und zu Augspurg auffgerihten Keligion Frieden ungemäß
und widerwärtig, oder zu Unruhe und Weiterung Urſach geben, noch aud)
feine Famosbücher oder Schrifften, es habe der Author feinen Nanıen
darımter gefetet oder mit, dengleihen auh nichts ſchmählichs oder
Paßquilliſch, oder in andrer Weif, wie das Namen haben, und in was
Schein das befchehen möcht, gedicht, gefchrieben, in Trud bracht, gemahlt, ge-
ſchnitzt, gegoſſen oder gemacht, fondern wo ſolche und dergleichen Bücher,
Schrifften, Gemählde, Abgüß, Gefchnig und Gemächts, in Trud oder fonft
vorhanden wären, oder fünfftiglicd aufgingen, und an Tag kommen, daß
diefelbe nicht feyl gehabt, gefaufft, umbtragen, noch aufgebreit, ſondern den
Berfauffern genommen, und fo viel immer moglich, untergetrudt werden.
Und fol nicht allein der Verkauffer, oder Feylhaber, fondern aud) der Käuffer,
und andere, bey denen folde Bucher, Schmähjcdrifften oder Gemälde, Paf-
quills oder andere Weiß, fie jeyen gefchrieben, gemahlet oder getrudt, befun—
den, gefanglidy angenommen, gutlid) oder wo es die Nothdurfft erfordert,
peinlich, wo ihm ſolche Bücher, Gemälde oder Schrifft herfommen, gefragt,
und fo der Author oder ein ander, wer der wäre, von dem er, der gefangen,
ſolche Schrifft, Gemähld oder Bücher überkommen, unter derjelben Oberfeit
geſeſſen, der fol alsbald auch gefänglich eingezogen: wäre er aber unter
einer andern Herrſchafft wonhafftig, derjelben fol folder zur Stund durd)
die Oberkeit, da der erft Feyl-, oder Inhaber ſolcher Schrifften betretten, an:
gezeigt, die abermals, wie vor laut, handeln, und dem alſo lang vorgeſchrie—
bener Maß nachgefraget und nachgegangen, bis der rechte Author befunden,
der alsdann ſampt denjenigen, fo es aljo umbgetragen, feyl gehabt oder
fonft aufgeben, vermög der Recht, und je nach Gelegenheit und Geftalt der
Sachen, darumb andren zum abſcheulichen Erempel, mit fonderm Ernſt ge-
itrafft werden.
$.4. Wo aber einige Oberfeit, wer die wäre, oder wie fie Namen
Tofumente.] Reichs⸗Preßverordnungen. 785
haben möcht, in Erkundigung ſolcher Ding, oder ſo es ihr angezeigt, darinn
fahrläſſig handeln, und nicht ſtraffen würde, alsdann wollen Wir entweder
ſelbſt, wider dieſelbige auch dem Dichter, Truder, oder die Buchfuhrer, Händ-
fer und Berfauffer, ernftliche Straff fürnehmen laſſen, oder aber foll Unfer
Kayſerl. Fiscal Amtswegen, dargegen auff gebührliche Straff procediren und
handeln, welche Straff nad) Gelegenheit, und Geftalt der Sachen Unfer Kayſerl.
Sammer Gericht zu feten und zu moderiren Macht und Befeld haben foll
8.5. Doch, wo vor diefer Zeit etwan dergleichen Bücher, Gemählds
oder Schrifften Hinter einen kommen, und alfo Hinter ihme bliben wären,
der joll darumb nicht gefährt werden, aber dennoch jchuldig ſeyn, fo er die
befinde, diefelbige nicht weiter außzubreiten, zu verſchenken oder zu verfauffen
und aljo vorige Schmach wieder zu erneuern, jondern allweg zu thun oder
dermaßen zu verwahren, daß fie niemands zu Schmach gereichen und ge-
fangen mögen.
$.6. Und damit folhem allen defto fteiffer und eigentlicher nachgeſetzt,
und dergleichen Famosbücher, Schrifft oder Gemälds umb fo viel mehr ver-
mitten werde; So ordnen und fegen Wir nochmals, daf im ganten Römi-
ſchen Reich die Buchtruckereyen an feinen anderen Örtern, dann im den
Städten, da Churfürften und Fürſten ihre gewöhnliche Hoffhaltung haben,
oder da Universitates feyn, oder in anſehnlichen Neichsftädten verftattet, aber
fonften alle Windeltrudereyen geftrads abgeſchafft werden jollen: Deßgleichen
fol auch kein Buchdruder zugelaffen werden, der nicht zuvorderſt von feiner
Oberkeit, darunter er häußlich figet, darzu redlich ehrbar und allerdings
tauglich erfennt, auch daſelbſt mit fonderlichem leiblihem Eyd beladen ift,
in feinem Trucken fi obberührten jetigen und fünfftigen Reichsabſchieden
gemäß zu erzeigen und fich aller Läfterlichen und jchmählichen Bücher, Ge-
mählds und Gedicht, gäntzlich zu enthalten.
8.7. Dann Wir aud) berichtet worden find, daß im etlichen Panden
diefer Brauch oder vielmehr Mißbrauch eingerifien, da dem Glaubiger auff
fein Angefinnen von feinem Schuldner oder Bürgen nicht bezahlt wird, daß
er derentwegen diefelbigen mit [händlihen Gemähld oder Brieffen,
öffentlicd anfchlagen, ſchelten, befhreyen und beruffen läffet. Die:
weil aber auch gant ärgerlich, auch viel Zanks und Böſes verurſacht, darumb
es ja in feinem Gebiet, darinn Recht und Billichfeit adminiftrirt werden
fann, zu verftatten: So wollen Wir dafjelbig anſchlagen, auch ſolche Geding
und Paecta den Verfchreibungen einzuverleiben Hiemitt gäntzlich verbotten und
auffgehoben, auch allen und jeden Oberkeiten in ihrem Gebiet, mit ernftlicher
Straff gegen dem jenigen, fo hernach des Anſchlagens fid) gebrauchen würde,
zu verfahren befohlen haben.
app. I. 0
Erläuterung der graphiichen Tafeln
zur Statiftif des deutſchen Buchhandels
in den Jahren 1564 bis 1765.
Von
dr. Zarnde.
(Bal. bierzu Tafel I—I11.)
Als im Jahre 1850 Schwetſchke's „Codex nundinarius“ erſchien, der
eine GStatiftif des deutſchen Buchhandels nad) den Meßkatalogen von 1564
bis 1765 unter mannigfachen Geſichtspunkten darlcgte, widmete ich demſelben
alsbald ein eingehendes Studium, und die vielfachen überrafchenden Nejultate
desjelben erregten mein lebhafteftes Interefie. Aber bald ftellte ſich mir das
Beditrfnis heraus, die Sprache der Ziffern beredter und deutlicher zu machen,
und ich entwarf eine Reihe graphifcher Tafeln, wie fie damals noch wenig
in Übung waren, feitdem zur Veranſchaulichung ftatiftiicher Berhältniffe ganz
gewöhnlich geworden find. Dieje Arbeit ward nur fiir mid) felber unter-
nommen, an eine Veröffentlichung dachte ic nicht. Andere wiffenfchaftliche
Intereflen verdrängten dann dieje, und fo haben die von mir entworfenen
Tabellen länger als 30 Jahre verworfen und vergeflen dagelegen, bis das
Interefje an unfers Areundes Kapp „Geſchichte des Buchhandels“ mid) ver-
anlafte, fie wieder hervorzufuchen und dem Genannten zur Einfichtnahme zu
überfenden. Zu meiner Freude erregten fie feine Teilnahme in hohem Grade;
er ſprach den Wunſch aus, eine Anzahl derfelben feinem Werfe beizugeben,
und ließ die von ihm ausgewählten und von Neuem genau durchgerechneten,
auch hier und da nod) vervollftändigten* in jaubern Zeichnungen zur Bor:
(age für die Bervielfältigung herridhten.** So find die diefem Werle bei
* So hat Kapp einigemal fünfjährige Durchichnittsiummen beredynet, wo ic
mich mit zehnjährigen begnügt hatte.
** Leider ift Napp zu der von ihm geplanten Weiterführung nicht gelangt, Mir
lag im Jahre 1850 nur die Statiftif bis zum Jahre 1765 vor, während Schwetichfe
-
Erläuterung der graphiichen Tafeln. 187
gegebenen drei Tafeln zu Stande gelommmen, über die nun mir die Pflicht
zugefallen ift, die Pefer kurz zu orientieren, nachdem unfer Freund fo jäh-
lings aus feiner Arbeit herausgeriffen ift.
Voranfenden muß ic einige Bemerkungen, durch die die Angaben der
Meßkataloge auf ihren richtigen Wert zurüidgeführt werden follen. Diejelben
find feineswegs angethan, ein abfolut ficheres Bild von dem in jedem Jahre
wirklich Gedrudten zu gewähren. In fie fand nur die Pitteratur Aufnahme,
die an dem Meßverkehr teilnahm, alles rein Yofale, wenn es nicht in die
Nähe der Meforte fiel, ift wohl meiftens ganz ausgeſchloſſen geblieben, ge—
wiß auc manches andere, nur von den Meforten allzu Entlegene. Am
meiften ift dies der Fall gewefen zu Beginn des Meffatalogs (1564 fg.),
als derjelbe nod) ein rein privates Unternehmen eines umfichtigen Sorti-
menterd war, der nur feinem und feiner Kollegen buchhändleriſchen Vertriebe
dienen wollte. Später, ald der Meßkatalog eine offizielle Bedeutung erlangte,
ward es befjer. Aber ganze Kategorien von Werfen, jo die gefamte Star:
tefenlitteratur, die Bamphlete, Satiren u. a., wenn man ihnen nicht eine all:
gemeinere Anziehungskraft zutraute, fanden aud) dann feine Aufnahme, ober
nur eine ganz zufällige. Bon den fümtlichen Werken 3. B. Chriftian Reu—
ters, des Berfaflers des „Schelmuffsky“, hat Fein einziges einen Plaß im
Meßkatalog erhalten. Dieje Werke erjchienen als zu niedrig und unwürdig
eines amtlichen Verzeichniffes. Auch Bücher, die, wenn aud) nur in gewiffen
Gegenden, mißliebig ericheinen mochten, ließ man gern fort, um die Ver—
breitung des Meflatalogs nicht zu hemmen. Auch Parteiftandpunfte machten
fich, geltend. So haben die Katholiken fich mehrfach beklagt, daß ein großer
Teil ihrer Pitteratur feine Aufnahme finde u. ſ. w. Andererfeits ift aud)
frühe Schon manches in dem Mefßkatalog als erſchienen aufgeführt, das nie
gedruckt herausgefommen ift oder erft fpäter und in ganz anderer Geſtalt.
Schon in den fiebziger Jahren des 16. Jahrhunderts griffen die Gelehrten
gern nach dem Mefkatalog, um fid) nad) den Neuigkeiten der wiſſenſchaft—
lichen Pitteratur umzufehen; wer fid) daher mit einem neuen Plane trug und
ehrgeizig die Blide der Fachgenoſſen und der Welt auf ſich lenfen wollte,
der lief es fein Erftes fein, jobald er mit einem Berleger abgeſchloſſen hatte,
diefen zu veranlaflen, den Titel des Buchs in den „Katalog“ zu bejorgen.
Etwas bejfer ward dies, als man fpäter anfing, die fünftig erjcheinenden
ipäter den „Codex nundinarius” bis zum Jahre 1846 fortgefebt hat. Allerdings
hätte bei dieler ein anderer Maßſtab gewählt werden müſſen, denn bald nadı 1765
nimmt der Buchhandel relativ riefige Verhältnifie an. Unjere Tafel geht bis zur
Höhe von 1800, aber bereits im Jahre 1770 betrug die Geſamthöhe 1807, im
Jahre 1780: 2642, im Jahre 1800: 4012, im Jahre 1820: 7308, im Jahre 1840:
11151 u. ſ. w.
Hu *
TS8 Erlänterung der graphiichen Tafeln.
Bier in einer befondern Rubrif zufammenzuftellen. Aber aud) dann noch
fahen manche Verleger und manche Schriftſteller den Titel ihres bevorftehen-
den Werfes lieber in den Neihen der erfchienenen als der künftig erſchei—
nenden Bücher. Dazu kommt nod), dar auch manche Werke wiederholt in die
Ktataloge aufgenommen wurden, ohne daß es fid) um neue Auflagen handelte.
Kurz, die Ziffern müſſen einigermaßen in Bauſch und Bogen verftanden
werden. Da aber ziemlich die gleichen Störungen Jahr für Jahr eingetreten
fein werden, fo wird das relative Berhältmis im Auf- und Abfteigen der Zif—
jern doch ein leidlich richtiges Bild geben.
Nur Ein Umftand muß nod in Betradht gezogen werden. Die Meß—
fataloge gaben in erjter Yinie ein Verzeichnis des am Meforte zur Stelle
befindlichen Büchermaterials oder der von den ammwejenden Buchhändlern ein—
gefandten Titel. In Kriegszeiten aber, wo die Straßen unficher oder ge:
radezu unpafjierbar waren, mußten Manche von den Meſſen fortbleiben, auch
wenn fie Werke verlegt hatten, die fie hätten zur Stelle bringen können.
Dieje fehlten mum im Katalog. Auf diefe Weife haben wir meines Grad):
tens 3. B. den koloſſalen Abfall im Jahre 1635 zu erklären. Daß die ge-
ſamte verlegerifche Thätigkeit wirklidy in diefem Jahre in dem Maße herunter-
gegangen fein follte, wie es die Ziffern des Meßkatalogs ergeben, halte id;
jir eine bare Unmöglichfeit. Aber der Meßverkehr war in dieſem Yahre
der Nriegsläufte wegen auf ein Minimum reduziert.
Wir dürfen es wohl fir möglid) halten, daß es noch einmal gelingt,
and) fiir die frühern Jahrhunderte ein vollftändiges Verzeichnis der in jedem
Jahre in Deutſchland gedrudten Bücher herzuftellen, wie dies ja bis zum Jahre
1500 annähernd bereits von Hain gefchehen ift. Ein ſolches Verzeichnis wird
dann eine viel ficherere Grundlage abgeben, als der Meßkatalog, und auf ihm
wird dann eine neue und zuverläffigere Statiftif des gefamten Buchhandels
und Buchdrucks aufgebaut werden fünnen, während die gegemvärtige wejent
lid) nur den Meßverkehr darzuftellen vermag.
Auch das wolle man beachten, daß das Jahr des „Codex nundinarius“
von Michaelis bis Midjaelis geht, alfo fich nicht mit den Kalenderjahre
deckt, ferner daß jedes Bud) als eine Einheit gilt, mag es nun eine Brofchüre
von einem Bogen, mag es eim mehrbändiges Wert in Folio fein, mag ed in
Taufenden von Exemplaren gedrudt fein, oder in wenigen Hunderten.
Nach diefen nötigen Nejerven* wollen wir jest kurz die einzelnen Tafeln
ins Ange fallen.
* Natürlich treten hierzu auch noch die Ungenanigfeiten in der Ausarbeitung
des „Codex nundinarius“ Selbjtverftändfih mu man Nachſicht üben, wo es
jih um Hunderttauſende von Zahlen handelt, aber der „Codex“ iſt wirklich oft recht
jlüchtig gearbeitet und ungenau forrigtiert, Als ein Beiſpiel Häufig vorfommtender
Erläuterung der graphiichen Tafeln. 780
Tafel I.
1) Die Gefamtentwidelung des Buchhandels.
Die fefte Yinie (—) gibt die Ziffer der Sefamtjunme aller in den Meß—⸗
tatalogen verzeichneten Bücher an, die gebrochene Linie mit drei Punkten
.. — ) den fünfjährigen Durchſchnitt, bei den erſten beiden Jahren
natürlich nur den zweijährigen. Richtiger wäre es vielleicht gewefen, die Durd)-
ſchnittslinie al8 eine Horizontale in gleicher Höhe durd) alle fünf Durchſchnitts—
jahre zu ziehen, ftatt fie anfteigen, refp. fallen zu laſſen, denn es findet inuer—
halb diefer Jahre fein Anfteigen oder Abfallen ftatt, fondern alle fünf Jahre
find, da eben die Durchſchnittsſumme gegeben werden fol, gleid) hoch zu denken,
und zwar ift das letzte der Yahre das fiir die relative Höhe maßgebende. Aber
das hier eingehaltene Verfahren fteht in Übereinftinumung mit dem gewöhnlid)
beliebten und ift jedesfalls anfchaulicher als die balkenförmige Darftellung.
Die erfte Zeit bis etwa zum Jahre 1592 bietet wenig Zuverlaf. Im
Jahre 1564 liegt nur ein Natalog, der Herbtfatalog vor. Dod war es
nicht geftattet, die Ziffer etwa doppelt zu nehmen, da diefer Katalog als der
erfte Feineswegs erft mit Schluß der Oſtermeſſe einfest, fondern auch weiter
zurüdgreift. Auch aus den Jahren 1566 und 1567 ift nur der Herbſtlatalog
befannt, und man darf vermuten, daß gar feine Ofterfataloge erſchienen find,
weil ein Grund für das tiefe Herabfinfen der Ziffer nicht erfindlich ift.
Bis zum Jahre 1592 find überdies im „Codex nundinarius“ gar nicht die
Differenzen wähle ich das Jahr 1658, Als auswärts erichienen werden hier 120
Werke aufgeführt; das ftimmt zu der Summe der unter Il (Nuswärtige Orte) auf
gezählten Bücher, nicht aber zu der am Kopfe der Berlagsorte und Verleger ge
gebenen Aufzählung nad Fächern, denn bier ergibt ſich nur die Ziffer 115. Der
Fehler liegt in den lateinischen Schriften: diefe belaufen ſich an erjterer Stelle auf
12, an legterer Stelle nur auf 67. Außerdem findet ſich in diejem Jahre noch cin
zweiter Fehler. Das Verzeichnis der auswärtigen Orte (II) gibt 27 italienische
Schriften an, das Verzeichnis nach Fächern nur 18, alfo 9 weniger; dagegen gibt
jenes nur 5 franzöfifche, dieſes aber 14 an, alio I mehr. Man möchte auf den
eriten Blick meinen, daß diefe beiden Differenzen von 9 wohl auf demielben Fehler
hinausliefen, aber ich glaube, das ift nur ein Schein. Die Ziffer 14 wird für die
franzöjiihen Bücher bei austwärtigen Verlegern die richtige fein, und in Genf wird
für „I fr.“ fälichlih „I d.” gedrudt fein, denn aus Genf find in diejen Jahren ftets
franzöfiiche, ie deutiche Bücher auf die Meſſe gebracht. (Ebenfo ift es ein Fehler,
wenn im Jahre 1626 bei Senf „20 d.“ ftatt „29 fr.” angegeben wird.) Das Feh—
len der 9 italieniichen in der Aufzählung nad Fächern wird fich verteilen; auch
hier wird die höhere Ziffer 27 richtig fein, denn Ferrara lieferte allein 25 italieniſche
Werke. In der Haft der Arbeit wird der Anfertiger des „Codex nundinarius“
ſich durch die Antiquaichrift hier und da zur Verwechſelung des Franzöfiichen und
Italieniſchen haben verleiten laſſen.
790 Erläuterung der graphiichen Tafeln.
Kataloge der einzelnen Jahre zu Grunde gelegt, fondern die „Colleetio in
unum corpus” von 1592; das letzte Jahr wird im diefem Buche weniger
Berũdſichtigung gefunden Gaben, und wenn aud der Herbſtmeßkatalog diefes
Jahres zur Ergänzung herbeigezogen ift, wie und die Vorrede belehrt, To
läßt doch das fonft unmotivirte Herabfinfen der Ziffer auf die Hälfte ver-
muten, daß hier die Quellen ungenau find. Bon da an fteigt die Zuver—
fäffigfeit der Unterlagen, zumal feit Herbftmefle 1598, wo der offizielle „Cata-
logus universalis“ erfchien. Auch die Zuverläffigfeit der Arbeit im „Codex
nundinarius“ nimmt feit 1593 zu, da fortan wirflid die Meffataloge felbft,
und zwar die verfchiedenen Ausgaben einander fontrollierend, benutzt worden find.
Schon ein flüchtiger Überblid ergibt recht intereflante Beobachtungen.
Man ficht, wie im Anfang des 17. Yahrhunderts genau bis zu dem Jahre,
in welchem der Dreifigjährige Krieg ausbricht, eine fräftig entwidelte buch:
händlerifche Produktion mächtig anſteigt — zu einer Höhe, die felbft am
Schluſſe der Tabelle, im Jahre 1765, nod) nicht wieder erreicht ift —, wie
fie dann nad) mancherlei Zudungen im Jahre 1635 auf ein Minimum ein:
ſchrumpft, dann unter manden Schwankungen bis zum Yahre 1710 fteigt,
darauf, wohl infolge der damaligen Kriege, wieder abfällt und dann erft
allmählich wieder fi) zu heben beginnt. Deutlich ift auch der Einfluß der
ichlefifchen Kriege, deutlic der des Stebenjührigen Krieges erkennbar. Nach
den Hubertusburger Frieden geht es fröhlich aufwärts. Leider bricht die
Tabelle bereits mit dem Jahre 1765 ab; gern verfolgte man wenigftens, wie
die nun folgenden Friedensjahre bis zu den Stürmen der Franzöfiichen Revo—
lution ſich darlegten: ich will die Hauptziffern angeben, im Jahre 1775 wird
die Ziffer 2000 überfchritten, im Jahre 1783 die Ziffer 3000, das Yahr
1790 gibt 3560 gedrudte Werke.
2) Die Beteiligung der Spraden: der lateinifhen, der
deutfhen und der lebenden.
Die drei untern Pinten unferer Tafel geben die Sprachen an, in denen
die aufgeführten Werke abgefaßt waren. Die gebrochene Linie — — — — — )
bezeichnet das Yatein, die Linie Strich-Punkt (— .— — ) das Deutfche. Man
fieht, wie gewaltig das Yatein anfangs itberwiegt, bis es feit dem Jahre
1680 mit dem Deutſchen zu ringen beginnt, um feit 1692 diefem für immer
den Vorrang abzutreten und fortan immer weiter herabzufteigen. Die unterfte
Linie, Strich-Kreuz (- + — +— +-—), deutet die Summe der in fremden
Sprachen abgefahten Schriften an. Zu verfchiedenen Zeiten haben verichiedene
Sprachen prädominiert, am Ende des 16. und im Anfang des 17. Jahr—
hunderts das Italieniſche, beim Herannahen des Fridericianischen Zeitaltere,
jeit circa 1735, das Franzöſiſche, das 1762 nahezu den Umfang des Latei—
nischen erreicht. Im Jahre 1647 erſchienen auch perfiiche und türkiſche
Schriften, zu andern Zeiten ſporadiſch auch arabiſche.
Erläuterung der graphiichen Tafeln. 191
Überfichtlicher wäre es vielleicht gewefen, bei den Sprachen von den Jahres—
ihwanfungen abzufehen und ſich auf den fünfjährigen Durchſchnitt zu be:
icränfen, denn wir haben es hier mit langſam und ftetig vor ſich gehen:
den Kulturerſcheinungen zu thun, bei denen die, allein durch die Jahres—
ihwanfungen des Geſamtbuchhandels bedingten Dezillationen der einzelnen
Jahre ohne Wert find. Noch anfchaulicher würde es gewejen fein, die Kon—
furrenz der Sprachen nad) Prozenten zu berechnen und dementiprechend gra-
phiſch darzuftellen. Die Rechnungen find feiner Zeit von mir gemacht, aud)
die Tabellen entworfen worden; vielleicht Laffen ſich diefelben einmal an einem
andern Orte veröffentlichen. (Wie mir nachträglich mitgeteilt wird, hat aud)
Rapp jelber die Abficht gehabt, ſolche Tabellen beizufügen, ift aber durd den
Tod an der Ausführung behindert worden.)
Ic Laffe nunmehr die Ziffern folgen, die, dent „Codex nundinarius“
direft entnommen oder aus demjelben gewonnen, der graphifchen Darftellung
auf Tafel I zu Grunde liegen. Diefe Zufammenftellung enthält neben der
Jahreszahl zunächſt die Geſamtziffer der in dem betreffenden Jahre in den
Meßkatalog aufgenommenen Drudwerfe; daran chliekt ſich die fiinfjährige
Durchſchnittsziffer. Die drei folgenden Kolumnen enthalten die Summe 1) der
lateinifchen, 2) der deutjchen, 3) der in fremden Sprachen verfahten Werfe.
— — — — — - _ — — — —
Summe der Bücher
Geſamtſumme
demreeebinnne Bäntläteiger I — —
Drudwerte, “Tin Tateinifcher in deutfcher in fremden
| Sprache. Sprache. Sprachen.
* Nur Herbſtmeſſe.
Belamtfumme |; _
Erläuterung der graphiſchen Tafeln.
Summe der Büder
Jahreszahl. —* Hünfjähriger
D t. 1. 2. 4.
Drucwerle. WEN in lateinifcher in deutfcher in fremben
| Sprade. Sprade. Epradıen.
| rs
1581 | 15 965 138 12
152 | 4% | 301 118 19
1583 | 600 560,6 405 184 11
184 598 | 4) 167 11
1585 722 497 305 3
- a | 459 188 18
587 50 407 183 11
1588 645 7244 436 171 38
15890 836 | 531 262 43
1590 5 545 297 33
1591 9% 605 ! 35
1592 452 * | 959 18 2
1593 898 , 7618 575 305 18
1594 | 659 | 427 215 17
596 r 23 g
1507 | © 457 + *
15668 680 803,8 495 231 4
1599 897 | 519 246 62
1600 1059 700 292 67
1601 137 | 7 ! 7 333 87
60: 24 | 187 264 98
1603 1409 1334 6 815 478 116
| | ||
801 1 92
1606 1350 804 457 89
1607 1396 853 456 87
1608 1349 . 141136 789 477 83
1609 1462 ' 931 455 76
1610 1511 961 464 86
1369 | 835 496 58
1: 505 982 482 4
1613 | 1780 15442 1134 516 130
1614 | 1506 | 962 479 65
Be | | 8 | *
5 8 98
1617 1665 | 1046 524 95
1618 1757 1604,s 1118 550 9
1619 1668 | 1105 482 81
1620 1377 908 413 56
1621 | 1363 | 016 34 3
22 | 9m 5 303 2
1623 | 1056 . 1216,8 716 312 28
164 | 1299 | 833 419 7
1625 | 1391 809 509 13
* Wohl nicht vollftändig. Die „Colleetio in unum corpus” iſt hier zwar aus
dem Willerihen Katalog ergänzt (vgl. „Codex nundinarius“, S. VI), aber die
„Colleetio“ (1592) hat den Herbſtmeßlatalog wohl nur angeblich noch berüdfichtigt.
Erläuterung der graphiihen Tafeln. 105
Gefamtiumme
Jahreszahl. ber Fünfjähriger I 5 =
: Durdichmitt. | l er —
Drucwerle. in lateiniſcher in dentſcher in fremden
Sprache. Sprache. Sprachen.
1626 1105 626 401 78
1697 1060 648 340 72
1628 1111 11504 —* 389 55
1629 1131 | 31 373 297
1630 | 1346 832 461 3
1631 1106 718 355 35
1632 729 | 408 306 15
1633 726 731 413 383 30
1634 1787 | 47 Ri 29
1635 307 * 164 142 1
1636 0 |, 412 275 20
1637 4108 || 213 167 10
1638 7179 652,8 174 380 25
1639 640 | 377 946 17
1640 * 416 276 38
1641 188 510 2 28
1642 819 | 40 398 51
1643 | 1024 BTRA 618 330 67
164 | 767 | 476 y58 33
165 | 9 594 376 24
1646 949 599 338 14
1647 1002 | 647 315 40
1648 961 10145 588 348 95
1649 1214 | 772 421 21
1650 948 613 305 30
1651 1159 133 398 38
1652 1057 650 389 18
1653 1158 10345 729 390 39
1654 | 980 | 666 289 95
1655 | 819 507 300 12
1656 ! 776 492 268 16
1657 1 74 4133 271 20
1658 | 772 169,5 445 285 12
1659 | 766 | 448 976 4
1660 811 45 987 79
1661 | 841 479 306 56
1662 861 | 540 231 30
1663 | 956 914,6 565 353 38
1664 | 959 | 566 343 51
1665 956 548 348 60
1666 | 740 109 293 38
1667 908 549 319 Mn
1668 793 780 475 289 29
1669 761 | 437 286 38
1670 698 391 268 39
* Katholiich-theologiiche Bücher wurden weder im Oſtermeß- noch im Michaelis:
mehlatalog angeführt.
194 Erläuterung der graphiichen Tafeln.
Summe ber Büder
Geſamtſumme
Jahreszahl. | ber he j > :
ur itt. J
—— | in Tateinifher | im deutfher | im fremden
Eprade. Sprache. Sprachen.
1004,6 36
333 777 13
1715 1139 362 755 22
1716 1001 292 686 23
1717 1183 347 820 16
1718 1068 330 707 31
1719 1071 340 125 6
1720 979 291 664 2
Erläuterung der graphiichen Tafeln. 795
Summe der Büder
t —
Jahreszahl. ai age Bünfjäbriger 1 2 3
© itt, r . 1 .
Drudwerfe. a in lateinifcher in deutiher | in fremden
Sprache. Sprache. Sprachen.
1095 345 1% 24
1722 1006 | 280 710 16
1723 1038 104,5 3ll 708 19
1724 1052 | 316 2115 21
1725 1033 327 683 23
1726 1175 409 749 17
1727 1053 360 671 22
1728 1010 1050 319 674 17
1729 1019 | 310 695 14
1730 993 260 703 30
1731 1156 340 788 28
1732 1144 300 826 18
1733 1147 |( 1138 308 812 27
1734 1138 | 303 801 34
1735 1105 259 823 23
1736 1174 28) 836 49
1737 1271 | 331 875 65
1738 1129 1219,4 283 776 70
1739 1197 | 306 814 77
1740 1326 349 873 104
1741 1162 320 768 74
1742 1090 | 291 121 78
1743 1174 156,6 290 798 86
1744 1126 | 287 784 55
1745 1231 309 836 86
1746 1403 309 1002 92
1747 1405 | 317 1004 84
1748 1273 1346, 284 09 80
1749 1357 | 283 957 117
1750 1296 261 878 157
1751 1299 253 941 105
1752 1282 | 246 926 110
1753 1319 1321 240 942 137
1754 1421 | 240 1052 129
1755 1284 216 933 135
1756 1485 241 1098 146
1757 1105 | 207 768 130
1758 1144 1208,8 191 823 130
1759 1112 | 155 850 107
1760 1198 188 877 133
1761 1281 175 937 169
1762 1283 | 160 944 179
1763 1360 1375 179 1028 153
1764 1431 | 182 1103 149
1765 1517 270 1061 186
796 Erläuterung der graphiſchen Tafeln.
Tafel II.
Dieſe Tafel bietet im Maßſtabe der Tafel I einen Überblick über das
Berhältnis der einzelnen Disciplinen zu der Geſamthöhe des Buchhandels
und untereinander. Cie find nad) ihrer nähern Zufammengehörigkeit in drei
Öruppen geteilt. Die erfte umfaßt die proteftantiiche und katholiſche Theo:
logie, die zweite die übrigen Fakultätswiſſenſchaften. Yurisprudenz und Medi:
zin bebürfen feiner Erläuterung; unter die philoſophiſchen Wiſſenſchaften find
alle die Disciplinen gerechnet, die noch heute der philofophifchen Fakultät in-
forporiert zu fein pflegen, aljo aufer der eigentlichen Philofophie auch Philo-
logie, Mathematif, Naturwiljenfchaften, Geographie u. f. w. Hier werden
auch wohl in der Hauptſache alle die Bücher untergebracht fein, die in den
Mefkatalogen unter der Rubrik „Bon allerlei Büchern“ (oder ähnlich) zu—
jammengeftellt zu fein pflegen. Ausgenommen von diefen philojophiichen Dis:
ciplinen ift die Geſchichte, die als felbftändige Disciplin auftritt. Bei der
Poeſie vermift man fehr, daß es an einem orientierenden Worte iiber den
Umfang diefer Gruppe ganz gebricht. Ich vermag z. B. nicht Feitzuftellen,
ob die Ausgaben lateinischer Gedichte (3. B. Ovids, Virgils u. |. w.) mit
hierher gerechnet find, oder ob fie unter den philofophifchen Disciplinen ihren
Platz gefunden haben. Was die deutfche Poeſie betrifft, fo wird diefe Gruppe
nur ein Farges Bild gewähren, da viele in dies Gebiet fallende Erſcheinungen
überhaupt gar nicht Aufnahme in den Meffatalog gefunden haben.
E8 folgen nun die Ziffern.
Theologie Juris: ... 1 Bhile: Ge: i
Jahreszahl. Brotefl. | Rattel. prubenz. Medizin. fophie. | fchichte. Voeſie. Munt.
1564 | 62 42 37 24 46 28 8 9
1565 168 99 52 34 75 46 43 33
1566 52 23 28 18 34 32 - 18 19
1567 44 66 33 16 45 45 10 3
1568 130 101 43 29 84 53 42 12
1569 106 117 59 27 76 43 23 26
1570 141 79 64 23 79 52 18 19
1571 154 93 75 39 69 59 28 16
1572 135 108 75 27 68 85 27 22
1573 109 59 74 22 68 67 4 25
1574 96 710 66 34 81 79 37
1575 110 30 68 21 76 49 24 25
1576 99 71 74 39 64 65 28 25
1577 120 106 58 25 103 87 38 16
1578 127 66 47 21 717 7 33 18
1579 116 60 57 29 83 60 20 27
1580 131 78 55 32 90 67 25 15
1581 141 58 29 30 12 58 20 7
1582 167 63 51 37 68 40 26 16
1583 186 39 53 44 117 68 26 17
Erläuterung der graphijchen Tafeln. 197
Philo: Ge⸗
| Theologie Juris: *
Jahres zahl. Vroteh. | ftathot. | prudenz. Medizin. fophie. | ihichte. | Boefie. | Mufit.
1584 191 12 13 4 97 83 31 11
1585 215 113 100 49 111 81 32 21
1586 204 104 94 43 97 84 22 17
1587 | 189 90 75 43 75 63 43 23
15788 || 156 93 106 32 96 81 48 33
1589 | 231 147 94 49 138 111 50 16
150 | 256 103 103 39 169 117 54 34
1591 267 126 89 56 223 104 42 23
1592 : 159 12 51 32 63 61 9 5
1503 28380 105 110 66 166 88 60 23
1544 , 172 102 79 46 122 89 34 15
10h 229 127 121 50 135 123 61 24
1395,18 84 87 57 146 114 +4 22
1547 | 203 70 108 56 127 100 28 23
1598 2085 90 98 40 108 100 33 8
1599 | 213 125 117 37 123 138 58 16
1500 5290 155 164 51 199 123 42 35
1601 272 161 150 70 205 168 so | 31
1602 8353 191 121 13 227 196 47 41
1603 1427 203 126 19 227 221 68 58
1604 448 250 133 79 325 169 39 61
1605 437 230 107 87 206 184 90 33
1606) 386 156 140 54 296 174 102 42
1607 429 214 15 82 236 168 13 4)
1608 449 169 121 13 239 177 83 38
1609 416 231 152 13 267 207 71 45
1310 484 213 130 T: 282 230 58 41
11 | 465 2261 0 | 227 | 19 51 |
1612 528 240 119 46 238 298 68 33
1613 45 288 155 68 251 318 116 39
1614 447 260 157 55 220 240 86 41
1615 | 486 246 123 68 335 181 13 24
16516 440 271 147 65 332 171 6 35
1617 | 477 246 161 66 391 225 70 29
1315 547 316 149 84 381 181 65 34
1619 | 414 >51 152 69 4% 195 101 36
1620 1 390 224 128 82 268 177 62 46
1621 349 26 123 62 278 163 65 55
1622 300 158 73 41 227 98 38 37
1623 309 166 99 67 200 131 47 37
1624 403 209 102 61 298 139 50 37
1625 |! 380 356 101 103 260 165 4 52
1626 321 240 84 77 181 119 60 23
1627 295 238 68 75 189 111 49 35
1628 312 214 87 9 182 154 44 22
1629 274 277 113 61 201 135 43 27
1630 365 307 108 80 211 179 65 a1
1631 250 282 99 55 191 144 61 24
1632 297 27 53 42 124 120 45 21
1633 248 80 54 27 142 128 37 10
1634 258 85 63 Al 121 156 34 19
1635 | 123 * 24 31 65 39 25 7
198 Erläuterung der graphiſchen Tafeln.
Theologie
Jahreszahl. '
Proteft. | Rathol,
1636 279 98
1637 166 45
1638 246 157
1639 | 204 145
1640 242 102
1641 242 129
1642 250 133
1643 258 155
1644 206 100
1645 256 151
1646 257 171
1647 || 236 159
1648 | 255 | 167
1649 | 310 | 238
1650 |
1651 | 208 | 210
1652 | 340 | 165
1653 | 9327 179
1654 254 188
1655 250 122
1656 209 105
1657 235 9
1658 | 24 100
1659 232 115
1660 230 92
1661 222 114
1662 244 102
1663 308 100
1664 336 68
1665 272 102
1666 208 96
1667 263 82
1668 232 84
1669 267 56
1670 199 76
1671 192 69
1672 218 55
1673 224 39
1674 248 18
1675 268 66
1676 277 64
1677 293 58
1678 221 57
1679 || 2367 43
1680 178 46
1681 283 9
1682 234 69
1683 272 76
1684 242 71
1685 254 54
1686 277 59
1687 221 61
Juris⸗
prudenz.
Medizin,
Bhilo:
ſophie.
132
55
138
105
116
127
108
167
148
165
143
Ge
ſchichte.
Borfie.
Wunt,
Erläuterung der graphiihen Tafeln. 799
1735
1736
1737
1738
1739
Theologie Juris Bhilo- Ge»
Jahreszahl. Westef. | tathot, | prudenz. Medizin fopbie. chichte. Poeſie. Muſik.
1688 327 59 85 79 139 144 20 13
1689 303 36 97 91 168 129 39 18
1690 301 57 92 87 206 133 26 5
1691 288 832 102 75 198 94 48 14
1692 283 88 96 54 192 105 19 7
1693 316 99 93 65 194 109 23 9
1694 323 80 66 78 162 113 24 7
1695 370 s1 90 63 222 156 31 17
1696 | 42 57 87 97 245 147 50 11
1547 374 74 106 66 182 196 47 12
1698 418 70 157 sl 247 202 80 10
1699 | 418 46 103 86 231 165 98 15
170) 378 52 85 13 197 157 28 18
1701 | 44 55 122 94 213 101 21 10
1702 463 59 87 60 244 150 26 10
1703 420 59 129 18 249 154 33 5
1704 478 43 102 73 280 117 21 9
1705 493 77 96 56 277 174 14 12
1706 442 89 141 56 232 143 27 1
1707 529 75 143 81 270 219 30 6
1708 15 63 146 95 239 196 29 11
1709 20 95 170 91 294 219 28 10
1710 | 463 126 149 111 272 194 50 3
1711 386 74 119 74 214 153 20 3
1712 431 58 98 63 241 156 29 1
1713 447 2 95 12 225 153 36 7
1714 480 27 84 104 266 148 32 12
1715 | 45 18 101 104 274 163 25 9
1716 416 8 80 108 220 127 30 12
1717 445 14 107 96 298 176 32 15
1718 427 23 94 94 256 141 29 4
1719 427 31 107 92 217 165 31 1
1720 348 26 86 79 198 209 2) 4
1721 440 22 87 83 253 176 31 3
1722 06 14 56 76 259 162 ji 2
1723 379 12 102 84 269 164 25 3
1724 409 20 110 69 213 173 41 17
1725 398 15 110 89 208 174 36 3
1726 418 16 148 88 277 187 38 3
1727 —342 12 135 90 273 166 30 5
1728 342 15 108 80 241 183 35 6
1729 378 19 114 77 241 155 31 4
1730 398 17 s1 12 199 1% 34 2
1731 441 14 127 82 238 199 47 8
1732 488 6 128 78 217 181 4l 5
1733 402 17 135 94 214 215 37 3
1734 382 22 123 89 284 175 55
\
800 Erläuterung der graphiichen Tafeln.
Theologie
SURERIERN: Broteit. | ſtathol. * ie, — voeſie. Rufit.
M 221 48 14
nn 234 5 | 10
14 206 59 8
1742 224 |»
1743 210 4113
1744 174 79) 16
1745 266 | 124 a
1746 204 | 112 6
1747 179 98 | 15
1748 214 | 120 | 14
1749 2310 | 113 | 86
1750 2316 | 15 21
1751 196 130 | 16
1752 231 8 | 9
1753 2318 | 117 28
1754 171 128 | 15
1755 259 | 105 | 28
1756 192 6 | 2
1751 208 89 | 33
1758 10 80 2)
1759 277 | 108 | 30
1760 282 | 160 | 30
1761 253 | 170 | 4
1762 7 | 15 | 8
1763 266 | 12 | 17
u 231 |) 14 | 4
„>
Tafel IN.
Dieje Tafel bedarf faum einer befondern Orientierung; die Bedeutung
der Pinien ift diefelbe wie auf Tafel I. Die Tafel erfüllt einen doppelten
Zwed; einmal läht fie abermals, diesmal aber in fünfjährigem Durchſchnitt,
die Anteilnahme der einzelnen Disciplinen an der Gejamtentwidelung des
Buchhandels erkennen und ift ſomit eine willfonmene Ergänzung zu Tafel II,
fodanı innerhalb jeder derfelben die Anteilnahme der drei Sprachgruppen.
Tabelle 1 bietet nichts Neues; fie ift nur, der Vergleihung wegen, eine
Wiederholung der Spradenftatiftif, die ſchon Tafel I bietet. Die feſte Linie
fehlt: ein Blick auf Tafel I erfett fie mit Leichtigkeit.
Die folgenden Tabellen, 2 bis 9, bieten ein Bild der einzelnen Willen:
ichaften und des Verhältnifies der drei Sprachengruppen innerhalb derjelben.
Überall bedeutet die fefte Yinie (—) die Gefamtentwidelung der betreffenden
Disciplin.
Auf Einiges mag auch hier aufmerkſam gemacht werden, So ſieht man
in Tabelle 2, wie in der proteftantifchen Theologie von allem Anfang an
Erläuterung der graphiichen Tafeln. 801
die deutfche Sprache das Übergewicht hat, und feit 1710 das Lateiniſche all—
mählih ganz zu verſchwinden beginnt; in der Fatholifchen beginnen erft am
Ende des 17. Yahrhunderts die beiden Sprachen einander die Wage zu
haften. In der Yurisprudenz hält ſich das Patein lange dominierend, erft nad)
dem Jahre 1750 tritt das Deutſche in gleichem Umfange hervor. In der
Medizin ift die Differenz zwifchen Latein und Deutjc nicht groß; bis 1700
überwiegt das Patein, feitdem das Deutſche. In der Geſchichtswiſſenſchaft
und Gejchichtserzählung wird feit dem Jahre 1685 das Deutjche vorwiegend
in den philoſophiſchen Disciplinen feit 1715, dann bald mächtig anfteigend,
während das Yatein ftetig ſinkt. In der Pochie, deren Oszillationen mini—
mal find, überwiegt das Deutjche jeit den Ende des Dreißigjährigen Kriegs;
jeit dem Ende des 17. Yahrhunderts verjchwindet das Latein faſt ganz, mit
dem Beginn der Fridericianifchen Zeit fteigt das Deutſche Fräftig empor. Die
mufifalischen Werke find jo gering an Zahl, daß ein Vergleich faum mög-
lich ift.
Die fremden Spraden, die in feiner der aufgeftellten Kategorien ganz
ichlen, haben es nur im zwei Discipfinen zu nennenswertem Umfang ge
bracht: 1) in der Gefchichtsdarftellung, zumal in den erften Decennien des
17. Jahrhunderts und dann ſeit den Jahre 1740; und 2) nod) etwas mehr
in den philofophifchen Dieciplinen; ihr Höhepunkt liegt aud) hier da, wo
wir ihm in der Gefchichtsdarftellung beobachten. Ähnlich fteht es auf dem
Gebiete der Poeſie.
Der Umfang der poetifcdyen und muſikaliſchen Werke ift übrigens ein fo
geringfügiger, daß die graphifche Darftellung gar fein Bild gewährt. Bei
der Poeſie kommt dies zum Teil aus dem ſchon beſprochenen Grunde, weil
lange nicht alles in den Meßkatalog Aufnahme fand, was erſchien. Befon-
ders hier wäre eine Darftellung nad) Prozenten wohl die willfommenfte ge—
wejen.
Ich laſſe nun die Ziffern zu den 9 Tabellen der Tafel III folgen.
1. Sejamtheit des Buchhanvels.
Lateinische | De ut ſche
Fremde
Geſamtziffer. |
Jahreszahl. Sprade. Sprade. Sprachen.
1564-1565 | 403 280,5 122 05
1566— 1570 392,8 u, 118,2 | 8,2
1571—1575 495,8 325,8 144,8 | 25,2
1576— 1580 487,8 330,4 128,6 | 28,8
1581—1585 560,6 377,6 168,4 | 14,6
1586—1590 724,4 475,6 220,2 28,6
1591— 1595 761,8 490,4 245,4 26
1596 1600 | 803,8 5172 249 37,4
app. 1. 51
802 Erläuterung der graphiſchen Tafeln.
EEE
Re as gr
Jahreszahl. | Geſamtziffer. an — —
Is — — —
1601-1605 | 1334,6 812,4 49, 9
1606 — 1610 | 1413, 807,6 461,8 | st.
1611-1615 | 154482 961 504 792
161651620 | 1604,8 1025 4% Ra
1621163 | 12168 183, 383,4 49
1526--1630 11504 702,2 391,4 Bi
1631— 1635 | 731 436 2734 2a
1636— 1640 | 652,8 382 248,8 29
1641-1645 | 8784 527,0 310,2 du
1646— 1650 | 10145 643,8 345 %
1651—1655 | 10344 657 353,2 PR)
1656 — 1660 769,6 452,6 2774 394
1661— 1665 414,6 530,4 328,2 47
1666 — 1670 780 452,8 291 JA
1671— 1675 762,8 417,2 321,4 2,6
1676— 1680 794,8 412,5 354 *
15811685 812,6 396,6 386,4 2,
1686 — 1690 861,2 415,6 412,6 3
1691— 1695 309 414,4 448,4 46,2
16496 — 1700 1103 461 620 2
1701—1705 1115 439 661,6 144
1706— 1710 1315,8 555,8 743 17
171—1715 \ 1094 u 392,6 674 | 35
1716—1720 | 10604 320 720,4 au
1721-1735 | 104,8 315,8 708,4 20,
1725—1730 | 1050 331,a 548,4 %
1731—1735 | 1138 302 s10 | %
17361740 | 1219,4 3114 834,8 13
1741— 1745 | 1156 299,4 781, | 15,8
1746 —- 1750 1340,8 20 950 106
1751— 1759 | 1321 239 IH8,8 | 123,2
1756 — 1760 1208,8 196,4 883⸗ 19,
1761-1765 | 1375 1092 101 | 10
2. Proteſtantiſche Theologie.
1564—1565 | 115 41 4 —
1566-1570 || 3,6 30 1,4 "2
1571— 1975 120,8 MR 70 -_
1576— 1580 118,6 | nA 52,4 28
1581-—- 1085 180 12,6 4,6 18
1986— 150 27,2 19,2 125 3
1531 - 1655 221,4 SU,6 138,6 22
1596 — 1600 218,6 19,8 135 44
1501 — 1609 3874 146,2 237,8 DA
15065--1610 4328 156 204 iA
1611— 1615 414,2 105,2 23
1616 — 1620 453,6 170,4 244,6 1%
1621— 1625 348,2 141 RIEF: Wi
1626-— 1630 313,4 1064 1994 iA
11-10 | 2208 7,6 15244 ir
Jahreszahl.
1636 —1640
1641— 1645
1646— 1650
1651 — 1655
1656 — 1660
1661— 1665
16566— 1670
1671—1675
1676 — 1680
1681 — 1685
1686 — 16%
1691— 1695
1696 — 1700
1701 — 1705
1706— 1710
1711— 1715
1716—1720
1721— 1125
1726—1730
1731—1735
1736 — 1740
1741— 1745
1746 —1750
1751—1755
1756 — 1760
1761 — 1765
1564 — 1565
1566 — 1570
1571—1575
1576— 1580
1581—1585
1586— 1590
1591 —1595
1596— 1600
1601—1605
1606 — 1610
1611—1615
1616— 1620
1621 —1625
1626 — 1630
1631—1635
1636 — 1640
1641—1645
1646 — 1650
1651 —1655
1656 — 1660
1661— 1665
1666 — 1670
|
|
Erläuterung der graphiichen Tafeln.
Gefamtziffer.
Lateiniſche
Sprache.
Deutſche
3. Katholiſche Theologie.
55
51*
803
Fremde
Sprachen.
no4 Erläuterung der graphiichen. Tafeln.
I F Lateiniſche Dentiche Srend⸗
Jahreszahl. weſamtziffer. — Sprace. Eprachen
110 | ; 35 Te
167116105 i Gl a Wi ou
Im | B88 ir Mi )
1681— 1085 65,8 3 24 |
; 1 28 26 "A
1686 — 1690 an * *
1691⸗ 1695 Zn =. a us
15965 —1 100 ne RG u, N
1701-1705 8,6 32,6 = *
— J AI in 8 2
| | | |
1711-1715 40,6 21,
* 7 * 3 5
1710 —1 4 20 20,4 * m
1721—1 (20 | 16,6 58 * 04
1726— 1730 | 15, * 3 *
1731 —1135 15,4 2: | * F
1736 1740 ve * * u8
m; mar J D,
ons | 15 6,2 3,2
1 Ium | a. 6 12,s Ir
| 2 Y 10,4 12
6100 N 21 9 * J
1761-—- 1765 17 1,8 ;
4. Surispriven;.
56 62 4 | 38 5,0 —
1564 — 1565 | a | 2 j * =
1966 — 1570 Er | re * J
71-1577 | il, ! ‚
1556 - Lan | 8,2 51,8 ba u
181-1585 | 61,2 * <a u
1586— 150 "A 2 ı% = | u
11 | la 2 | 3%
16501—1605 | 127,4 | 114,2 Y, Y
16 139,4 | 126,8 10,8 | j
1606 — 1610 a 1184 194 ya
1611 —1615 | 135 8 *
1616— 1620 140 En 5 us
1621— 1625 je J = u8
1626 — 1630 ] ring * 508 8. 08
1631 — 1635 us 348 4 : u:
#iyj* * sy 3.
1636— 1640 | er 2 *
1641 1645 — s] . 6,6 u2
46 MH b a —
1511030 | A Sr 6,4 -
56 so 694 64,6 4,8
1656 — 1660 | , * ge ve
161 — 1665 | 2,2 8
1666 16 70 86 a y8 02
1671 1675 | N6 ae 2 | u
1676 1680 | So,‘ 1 . Ep u
1581— 1085 Mi 7 * 2
. —— * 6 ° =
1641 _ 1605 le 83,6 1,6 —
16506 — 1700 li 7,6 — 2 us
1701-1705 N 107,2 2,0 ‚
Erläuterung der graphiichen Tafeln. 05
zen | arm | Mr | Zmiee | um
1706-1710 ET er 27 =
1711—1715 | 0, 76,4 23 B
1716—1720 | ‘H,s 68* 26 ar
1721— 1725 an HA,8 27,2 =
1726— 1730 | 117,2 17,8 39,4
1731-1735 | 121,2 65,8 5
1736— 1740 | 147,4 83 644 —
1741— 1745 1174 619, 47 —
1746170 | 1218 658 36 |
171-1755 || S0,6 10,4 19 0,8
1756 — 1760 | 694 36,2 32,8 (14
1761— 1765 | 15 26,2 —*
5. Medizin.
la64t—1565 | 24 23 b —
1566 — 1570 | 22 17,4 4,8 0,4
1571-1575 | 28,6 IS 8
15761580 | 20,8 23,6 A (1,2
1581— 1585 | 4) 29,8 9 0,6
1586— 15% 412 31,8 Y _
1591— 1595 | 50 10,8 * ee
1596— 1600 18,2 32,2 15 l
1601— 1605 11,6 56,6 19,2 1,3
1606-1610 71 1) 20 2
1611— 1615 bl,i 10,8 19,2 l,s
1616 — 1620 19,2 554 17 0,8
1621 — 1625 66,8 154 21 0,4
1626 —1630 17,8 2,1 2,4
1631— 1635 H,e 20,6 11,6 =
1636 — 1640 33,5 23,8 | 0,2
1641— 1645 64,2 19,8 13,2 | L,2
1646 — 1650 65,6 19 15, (1a
1651 — 1655 2A 11,4 10,8 —
1656— 1660 19,4 32,8 16,4 0%
1661 — 1665 59,6 19,4 10,2 -
1666— 1670 HT,s H, 13,2 0,2
1671— 1675 55,8 10,6 14,6 0,6
1676— 1680 67,2 11,3 25,4 —
16811685 72,4 4 27 0,4
1686— 1690 s1 15 35,8 0,8
1691 — 1695 67 35 204 2,6
1696 — 1700 78,6 tH1,a TA —
1701 - 1705 12,8 36,2 36
1706 — 1710 Sh,s 35,8 I *
1711 -1715 NA 33,6 19,s |
1716 — 1720 NR 30,6 6,2 —
1721- 1725 SU,2 25,8 4 (4
1726 — 1730 Sl, 30,8 0,6 =
1731— 1755 Ss 2N,2 2,8 0,2
1736— 1740 784 36 41,6 0,8
806 Erläuterung der graphifchen Tafeln.
Jahres zahl.
Geſamtziffer.
Lateiniſche Deutſche Fremde
Sprache. Sprache.
1741 - 1745 764 32,2
1746— 1750 105,8 42,2 62,2 08
1751 —1755 91,* 324 58 0,8
1756 — 1760 Sl, 28.4 bla ls
1761—1765 86,2 30,6 5l,s 38
6. Geſchichtswiſſenſchaft.
1564— 1565 37 26 10,5 0,5
1566— 1570 45 31 11,6 24
1571—1575 | 67,8 40,6 17 10,2
1576— 1580 1A 38,8 18,6 14
1581—1585 66 42,2 18,6 5,2
1586—15W | 91,. 51,6 31 8,6
1591— 1595 | 93 57,6 29 64
1596— 1600 115 714 374 6,2
1601— 1605 187,6 110 52,6 25
1606— 1610 191,8 115,6 52,4 23
1611—1615 2198 138,4 57A 24
1616—1620 | 1898 123,2 47a 19,2
1621— 1625 139,8 92,8 36,6 10,4
1626— 1630 139,6 95,4 33,2 11
1631 — 1635 109 69 33 7
1636—1640 | 93 62 25A 5,6
1641—1645 | 144 97,4 34,2 12,4
1646-1650 165,2 117,4 41,8
1651-1655 | 165,8 121,6 39,2 5
1656— 1660 | 121,6 794 36,6 54
1661— i66 136 85,8 42,6 16
1666— 1670 117 68,8 384 9,8
1671-1675 120,8 716 43,8 5A
1676— 1680 125,8 75,6 43,6 64
1681— 1685 126,8 54,6 64,8 14
16861690 141 614 69,8 10,4
1691— 1695 115,4 45,2 60 10,2
1696— 1700 1734 64,4 106,2 28
1701—1705 139,2 384 998 1
1706— 1710 194,2 64 128,4 1,8
1711—1715 154,6 44,6 107,8 2,8
1716-1720 | 1636 33,6 126,4 3,6
1721--1725 | 169,8 40,8 124,6 44
1726-1730 | 176,8 47 124,8 4,6
1731-1735 | 19 39,4 150,6 5
1736— 1740 1924 29,6 138,8 24
1741— 1745 209,8 39,6 147,2 22,8
17461750 214,8 36,6 153,4 242
1751— 1755 206,4 33,4 143 30
1756— 1760 225,2 24,8 162,8 37,8
1761— 1765 265,8 39,8 201,6 30,4
Erläuterung der graphiſchen Tafeln. 07
T. Philoſophie.
Yateinifche | Deutiche | Fremde
Aahreszahl. Gelamtziffer.
| Spradie. Spradr. Sprachen.
15641565 | 8 | =
1566— 1570 63,6 1 55 TA 1,2
1571— 1575 724 57,6 | 8,8 | b
1576— 1580 | 834 | 71 8,6 3,8
1581— 1585 93 8We | 10,8 | 2
1586 — 15% 115 ON,2 | S,s | N
1591— 159% 141,s 114,8 | 2,2 | 6,8
1596-— 1600 110,6 116,1 15,1 | Ns
1601-1605 338 174 38 | 20,8
1606— 1610 264 103 | 47,2 | 23,8
1611— 1615 267,6 201,* 47 104
1616— 1620 644 2504 844 1,6
1621-—- 1625 252,6 196, tl,s 11,s
1626 — 1630 102,3 130,8 IN,s Ih,
1631— 1635 135,6 102,4 IN,“ 1,6
1636 —1640 109,2 Ru, 19,2 I,
1641— 1645 143 6 4 10
1646— 1650 176,8 127,2 2a = Ta
1651 - 1655 195,4 115 IH, 5,8
1656 — 1660 142,8 0, 36,6 b,6
1661-1665 194,8 131,8 56,2 74
1666— 1670 157 ' 101 82* 18
1671— 1675 161,s 105,2 IR | N,“
1676— 1681) 176,2 1m, 63,2 12,6
1681—1685 || 174 102,8 Kl | 10,2
1686— 160) 174 102,8 | 57 | Ile
1691— 1695 1,6 1104 58,6 2,6
1696— 1700 2204 110 7 12,5
1701-— 1705 252,6 123,1 120,8 SA
1706— 1710 2614 1344 114 13
1711-1715 24 107 116 21
1716— 1720 237,8 224 1334 12
1721— 1125 2m, SR, | 130,4 12,2
1726 1730 | 246,2 5,8 137,5 12,6
1731—1735 216,6 W 142,2 15,6
17365 —1710 | 312 7% 180 | 31,8
1741— 1745 | 24 | Rh, 171,1 3,6
1716-1750 | 315,* N2,2 212,6, 2
1751—1755 | 116,* 11,6 | 270,6 HN
1796 — 1760 | 385, | 58 Hl, 2,8
1761 - 1165 DUS,S 71 | 359 78,5
1 l
8. Poeſie.
1536-1565 | 25,5 25 25 | —
15661570 | 228 IN 31 | 0,5
1511-1575 | 3,1 228 | 3
15761580 | Ss ! 25,8 2,8 2
1581— 1585 | 27 | 24 2,6 | 04
ROS Erläuterung der graphiichen Tafel,
N .
: Lateiniſche Deutſche Fremde
Jahreszahl. | Gejamtziffer. | Sprade. | Sprache. | Epraden.
1586— 1590 7 1,2
1591—159 4A 34
1596— 1600 2 38
1601—1605 98 14
1606— 1610 13 10,4
1611—1615 12,4 IA
1616— 1620 11 11,
1621—1625 11,3 ba
1626-1630 1 6
1631— 1635 11 0,6
1636— 1640 12,8 1,2
1641-1645 26,8 8
1646— 1650 30,6 24
1651— 1655 19,4 3
1656 — 1660 17,2 2,8
1661— 1665 23,6 3
1666— 1670 15 3,8
1671— 1675 16 0,
1676— 1680 21,4 3,4
1681— 1685 25,8 1a
1686— 1690 17,8
1691 — 1695 16,4 4,6
1696— 1700 38,8 3A
1701— 1705 194 0,
1706— 1710 23,6 04
1711—1715 23,6 22
1716— 1720 25 3
1721—1725 30 2
1726— 1730 30,6 1,4
1731— 1735 394 3,8
17361740 8 10,4
1741—1745 494 13,2
1746— 1750 91 19,
1751—1755 96,8 16,8
17561760 70,6 14.
1761— 1765 123,8 38,4
1564— 1565 — au
1566— 1570 3,8 0,s
1571—1575 6,4 14
1576— 1580 BR" 4
1581—1585 2,2
1586— 15% b,6 3A
1591— 1595 6,6 32
1596— 1600 5,2 72
1601— 1605 14, 7,8
1606— 1610 18 5
1611—1615
Erläuterung der graphiichen Tafeln. 809
—⸗ ⸗ñ —e —ñe ñ— —
—
Jahreszahl. | Geſamtziffer. | u | er | —
—— — ſſ — — — —
1616— 1620 36 16,8 17,6 1,6
1621— 1625 43,6 22 20,6 1
1626— 1630 27,6 11 15,4 1,2
1631— 1635 16,2 5,2 10,2 0,8
1636 — 1640 8,8 1,4 12 0,2
16411645 | 23,6 6 16,3 0,3
1646— 1650 | 27,6 10 16,3 0,8
1651 — 1655 17,4 2,6 14,6 0,2
1656 — 1660 19,6 3,2 16 04
1661— 1665 15 44 10,4 0,2
1666— 1670 19,4 6 13,2 0,2
1671— 1675 16,2 | 3 13 0,
1676— 1680 SA 2.8 5,8 04
1681— 1685 | 12,4 2,6 9,6 0,2
1686— 1690 | 12,2 3,2 8,8 0,8
16549 1— 1695 10,8 2,8 b,8 l,g
1696 — 1700 | 13,2 2,6 ),6 1
1701—1705 9,2 2,8 5,6 0,8
1706— 1710 TA 1 6 04
1Mm11—1715 | 64 — 6 0,4
1716— 1720 1,2 — 6,8 0A
1721—1725 5,6 0,2 5,2 0,2
1726— 1730 4 — 4 —
1731 - 1735 6,6 —E 5,6 0,4
1736— 1740 Be, | 0,4 TA 0,8
1741— 1745 14,4 1,6 11 L,s
1746— 1750 16 0,6 10 54
1751— 1755 18 0,4 12,6 5
1756— 1760 26,6 0,2 16,4 10
1761— 1765 29,8 — 184 11,4
Duellennadweije und Anmerkungen.
Erjtes Kapitel.
Gutenberg und feine Vorläufer.
i) Shoemann, ©, F., Griechiſche Altertümer, Berlin 1853. 1,
2) Meineke, A., Fragmenta poetarum Graecorum comicorum. Il, 82.
3) Cicero, De Natura Deorum. IH, 37.
4) Schmidt, Ad., Gejchichte der Denl- und Glaubensfreiheit in dem eriten
Jahrhundert der Kaiferherrichaft und des Chriftentums. Berlin 1847. ©. 118.
5) Dajelbft ©. 131.
6) Marquardt, 3, Das Privatleben der Römer im 7. Bande des Hand—
buch8 römischer Staatsaltertümer. Berlin 1882, II, s06.
) Shmidt, Ab., a. a. D. ©. 123,
8) Birt, Th, Das antile Buchweſen in feinem Verhältnis zur Litteratur.
Berlin 1882. ©. 104—106. 109,
9) Gregorovius, Ferd., Geichichte der Stadt Rom im Mittelalter. Stutt-
gart. I, 459.
10) Wattenbah, Wilh.,, Das Schriftenwejen de3 Mittelalters. 2. Auflage.
Leipzig 1875. ©. 384 und fpäter 320 u. 473; ſowie die Schriften von I. B. Nord
hoff (Münfter 1874) über den münfterjhen Humanismus und A. Parmet über
Rudolf von Langen. Münſter 1869.
u) Kirchhoff, Albr, Die Handichriftenhändler des Mittelalters. Leipzig
1853. ©. 110—123 und: Weitere Beiträge dazır.
12) Die beiden Breviarien in Benedig und Dermanjtadt wurden vom Berf.
im April 1881 und Auguft 1883 eingejchen. ©. audy über das Ießtere „Sicben-
bürgen“ von Rud. Bergner. Leipzig 1884. ©. 295, und über das erjtere: „Un
coup d’oeil au Breviaire du Cardinal Grimani a Venise“. Venedig 1881.
31 ©.
13) Teutſch, Fr, im Archiv für die Geſchichte des deutichen Buchhandels.
IV, 16 u. 26.
14) Schmidt, Garl, Zur Geichichte der ältejten Bibliothelen und criten
Buchdrucker zu Straßburg. 1882. S. 41 u. 75,
5209.
Quellennachweiſe und Anmerkungen. 811
15) Sepp, Feſtſchrift bei Stiftung der Gedächtnisfenſter am Erfindungsort der
Glasmalerei zu Tegernjee. Münden 1878, ©. 4.
16) Le Livre, Revue du Monde Littéraire. Paris, Mai 1882. ©, 168;
ferner Wattenbad) a. a. O. ©. 383. 464. Didot, F., Typographie. ©. 715, und
Vetter, 3. J., Kritiihe Gejchichte der Buchdruckerkunſt. Mainz 1836. ©. 6— 20.
m) Shmidt, C., a. a. O. S. 7 u. 8.
1) Potthaſt, A., im Anzeiger für Kunde der deutſchen Vorzeit. Jahrg. 1863.
Nr. 10, S. 358—360. P. hat den von ihm in der Berliner Bibliothek zuerft aufge:
fundenen Brief des Sadoletus wörtlich mitgeteilt. Voigt, G., Die Wiederbelebung
des Haffiichen Altertums. Berlin 1880. I, 236. 241. 300. 403. 410 u. IL, 314.
19) Linde, A. v. d., Gutenberg, Geſchichte und Erdichtung aus den Quellen
nachgewiejen. Stuttgart 1878,
20) Heffner, 2, Zur Geichichte der Erfindung der Buchdruderkunft im: Archiv
des hiſtoriſchen Vereins für Unterfranken und Aichaffenburg. XIV. Würzburg 1858,
©. 168—174.
21) Linde a. a. D. Urfundenanhang S. VIL
22) Wyß, A, Zur Geihichte der Erfindung der Buchdruderfunft in: Quartal:
blätter des hiftoriichen Vereins fiir das Großherzogthum Heffen. Darmftadt 1879,
Nr. 14. ©. 11.
23) Heffner a. a. O. S. 171. 3) Linden aD. ©. 514.
35) Umbreit, W. €, Die Erfindung der Buchdruderkunft. Kritiiche Abhand-
lungen zur Orientierung auf dem jegigen Stand der Forichung. Leipzig 1843. ©. 42.
26) Wyß a. a. O. ©. 14. 27) Linde a. a. O. ©. 30 u. 31.
28) 29) 30) Linde a. a. D. ©. 35 und die Urkunden im Anhang.
31) Bajeler Staatsarchiv, St. 106-118, Abteilung Schmähſchriften. — Mengerlin
thut diefe Äußerung in einer Anklagefhrift gegen den Buchdruder Hans Jakob
Deder in Bafel. Diejer hatte fich nämlich der nad) bafeler Gejegen damals ftraf-
baren Handlung des Druckes verjchiedener Fatholifcher Schriften ſchuldig gemadıt.
Mengerlin beantragte deshalb unter dem 22. Juli 1676 feine Beftrafung und führte
unter anderm aus, daß früher die mittefalterlihen Buchabichreiber nach kaiferlichen
Rechten bejtraft worden feien. „Anſtatt der gedachten Schreiber aber“, fährt er
dann wörtlich fort: „ift vor zweihundert dreißig Jahren die Truderei erfunden
und auflommen.” Nach diefer Angabe wäre aljo 1446 nicht allein das Jahr ber
glüdlihen Erfindung, jondern auch ihrer Ausübung. Es fann in der That auf:
fallen, daß der Jurift bier jo bejtimmt das Jahr angibt. Er jagt nicht, „vor
etwa 230 Jahren‘, auch nicht „vor 226 Jahren“, jondern jpricht in einer amtlichen
Eingabe an den bajeler Rat mit voller Bejtimmtheit von dem Zeitpunfte, den man
in einer jo alten und bedeutenden Druderjtadbt wie Bafel, in der die Kontinui-
tät der Entwidelung nie unterbroden worden war, allenfalls wohl noch hätte
fennen können. Die gewählten Worte „230 Jahre“ bezeichnen im Bollsmunde
feinen der gewöhnlichen, häufiger zitierten Zeitabfchnitte, mie man in runder Summe
von 100, 200 oder 300 Yahren, oder auch jelbit von viertel und halben Jahrhun—
derten zu jprechen pflegt. Mengerlins Ausdrucksweiſe könnte daher wohl ftußig
machen und immerhin die Annahme nicht ausgefchloffen zu werden brauchen,
daß Gutenberg jchon 1446 feine Erfindung gelungen war, daf er aber doch nod)
812 Quellennachweiſe und Anmerfungen.
vier Jahre mit Verjuchen und Verbefferungen verbrachte. Zudem darf man nicht
außer Acht laſſen, daß Fuſt wie jeder andere Kapitalift fein Geld erit dann in die
neue Erfindung geftedt haben dürfte, als er fich von deren Vollendung und Leiftungs-
fähigfeit überzeugt hatte, daß aber von den erjten Proben bis zum Abſchluß des
Vertrages ſehr leicht noch einige Jahre vergangen fein fünnten.
2) Von der Zimmernjchen Chronik über die Erzbiichöfe von Mainz bis 1555
befinden ſich ſechs verjchiedene Handichriften in Mainz, Weimar, Bommersfelde,
Miltenberg und Wolfenbüttel. Tas Eremplar in der mainzer Stadtbibliothek ge-
hörte früher den dortigen Augujtiner-Eremiten, wurde während der Franzöſiſchen
Revolution von dort verichleppt, kam dann nad Ansbach, jpäter an einen frank:
furter Antiquar und wurde von diefem durch Prof. Dr. Julius Grimm in Wies-
baden angetauft, der es am 6. Oktober 1876 der mainzer Stadtbibliothek jchentte.
Ein zweites Eremplar gehört dem dortigen Altertumsvereine. Zu der obigen An,
gabe Zimmerns befindet fih in jenem Eremplar der Zulag: „Dans Gudenberg
wohnt in der Algesheimer Burſch (bursa)“, der weder im weimarjchen angeblichen
Driginal, noch in der wolfenbütteler Handichrift ſteht. Die übrigen Handichriften in
Miltenberg und PBommersfelde hat der Verfafler nicht verglichen. „Zum Alges-
heimer“ ijt ein großes Haus mit Hofraum hinter der St. Ehriftophsficche und
war im 14. Jahrhundert dad Familienhaus der Patricier diejfes Stammes. Nadı
Eroberung der Stadt durch Erzbiichof Adolf (1462) wurde es mit den übrigen
Batricierhäufern eingezogen und von ihm einem feiner Anhänger, Ludwig von Lich—
tenberg, als ein Burglehn, 1463 aber auf Lebenszeit übertragen. Im Jahre 1478
ichenfte es Kurfürſt Diether feiner neuen Univerfität als Burfe oder Kolleg. Nun-
mehr erhielt e3 den Namen die „große Burſe“, und es fanden hier die Verjanm.
lungen der Univerfität ftatt. Man nannte das Haus auch das „Kolleg zum Alges-
heimer“, 1562 übergab es Kurfürjt Daniel den in die Stadt aufgenommenen
Jejuiten. Daher heißt es in der erſten Stadtaufnahme von 1568 das Kollegium
zum Algesheimer, die Jeſuitenburſch. (Schaab, Geſchichte der Stadt Mainz. I, 440.)
Das Gebäude liegt an der Ede der Hintern Chriſtophsgaſſe und des Chriſtophs
gäßchens Lit. C. Nr. 380',, neue Nr. 3, gegenüber dem Anvalidenhaufe, nimmt
eine Grumdfläche von 638,,,;, DM. ein und dient allen möglichen Geichäften. Die
Keller find zum Teil an große Weinhandlungen vermietet. Groß genug find die
Räumlichkeiten für mehrere Drudereien. Die Angabe des mainzer |
klingt aljo durchans nicht unmwahricheinlich.
33) Magnum lumen — jo lautet wörtlich die betreffende Stelle des im Terte
angeführten Briefes — novorum librariorum genus attulit quos nostra me-
moria (sicut quidam equus Trojanus) quoque versus efludit Germania. Fer-
unt,enim illic, haut (sie) procul a civitate Maguntia, Joannem quendam (sic)
fuisse, cui cognomen Bonemontano, qui primus omnium impressoriam artem
excogitaverit, qua non calamo, (ut prisci quidem illi) neque penna (ut nos
fingimus) sed aereis litteris libri finguntur, et quidem expedite, polite et
pulchre. Dignus sane hic vir fuit! quem omnes Musae, omnes artes, omnes-
que eorum linguae, qui libris delectantur! divinis laudibusque ornent, eoque
magis Diis Deabusque anteponat! ... Atque ut prima Ceres unco glebam
dimovit aratro, prima dedit fruges alimenta micia terris, At Bonemonta-
Duellennachweiie und Anmerkungen. 815
uus ille, longe gratiora divinioraque inoeuit, quippe qui litteras ejusmodi
exseulpsit! quibus quidquid diei, aut cogitari potest! propediem seribi, ac
transseribi, et posteritatis mandari memoriae possit. Neque praesertim
hoc loeo nostros silebo, qui superaut jam arte magistrum, quorum Udalrieus,
Michael ac Martinus (®ering, rreiburger und Kranz) principes esse dieuntur,
qui jam, pridem Gasparini Pergamensis epistolas impresserunt! quas Joannes
Lapidanus emendavit ... Aedibus Sorhonae raptim # me Kalendis Jan-
uariis diluculo seriptum.
Der von A. Claudin in: Le Livre, Novemberheft 18%, ©. 369 — 372 ver
öffentlichte Abdruck ift nicht forreft; ein diplomatifch treuer nad Eiebers Abjchrift
findet jich im Gentralblatt f. Bibliothefswejen. 2. Jahrg. Leipzig 1885, ©. 89, 90,
3) Linde a. a. O. S. 15 md Madden, J. P. A. Lettres d'un Biblio-
graphe. Paris.
») Umbreit a. a. O. S. 76-78.
36) Madden a. a. O. IV. Serie. Paris 1878. ©. 231.
27) Burckhardt, Jak, Die Kultur der Renaiſſanee. 3. Auflage von Ludwig
Geiger. Leipzig 1877. 1, 230. 2. Geiger in Sybels hiſtor. Zeitichrift XXXIII.
5.58. A. Reumont, Lorenzo de Medici Il Magnifico. I, 584.
3) Wattenbad a. a. D. ©. 380. Bei einfacheren Chorbücdern wurbe die
Herſtellung übrigens mittel® Patronen vorgenommen; auch die nannte man nod)
im 18. Jahrhundert: Druden (Imprimere).
Schneegans, ®., Abt Johannes Trithemius und Klofter Sponheim,
Kreuznach 1882. ©. 142.
+0) Falk, Franz, Die Druckerkunſt im Dienfte der Kirche. Köln 1879, ent-
hält noch zahlreiche derartige Beilpiele, bricht aber mohlweisfih 1520 ab, wo die-
jelbe Kirche infolge der Reformation der erbitterte Feind und Verfolger der
Preſſe wird.
4) Worte desjelben mainzer Erzbiichofs Berthold dv. Henneberg in jeinem
Genjurerlaß vom 4. Januar 1486, der die göttliche Erfindung der Buchdruderfunft
tobt. Guden, Codex Diplomatieus. IV, 569,
Zweites Kapitel.
Die Ausbreitung der nenen Kunſt in Deutfchland.
ı) Lange, Ad, Peter Schöffer von Gernsheim, der Buchdruder und Buch—
händler. Leipzig 1864. 20 ©.
2) Wetter, 3, Kritiſche Gejchichte der Erfindung der Buchdruckerkunſt. Mainz
1836. ©. 483. Die Stelle lautet: Hie liber mihi Ludovieo de la Vernade,
Militi Cancellario Domini mei Dueis Bourbonii et Alvernie, ac Praesidenti
Parlamenti lingue Oceitanie, quem dedit mihi Jo Fust supradietus Parisiis,
in mense Julii MCCCCLXVI, me tune existente Parisiis pro generali totius
Franeorum regni.
x) Madden, J. P. A., Lettres d’un Bibliographe. III, 60.
814 Duellennachweife und Anmerkungen.
9 Schmidt, C., Zur Geſchichte der älteften Bibliotheken in Straßburg.
1881. ©. 9.
5) Catalogue de la Bibliotheque de la Valliere, Addit. p. 26, und Lam-
binet, Origines de l’Imprimerie, p. 228.
6) Range a. a. O. ©. 18.
7) Haßler, 8. D., Die Buchdrudergeichichte Ums. Ulm 1810. ©. 139.
s) Linde, U. v. d., Gutenberg. ©. LVI.
9) Madden a.a.D, I, 88 fg. und v. d. Linde a. a. D.C. 285-287.
10) Mep, Fr., Geſchichte des Buchhandels und der Buchdruckerkunſt. Darm-
jtadt 1834. ©. 241—245,
u) Linde, v. d. a. a. O. S. 65.
12) Madden a. a. D. IV, 40- 122. Schmidt, C. a. a. O. ©. 90-94.
ı3) Panegyris Carolina. Straßburg 1521. ©. 19,
14) Linde, v. d. a. a. O. ©. 65.
15) Katalog der Klemmſchen Sammlung. S. 104—106.
16) Shmidt, C., a. a. O. ©. 105; ferner für die nädhjiten Seiten 99 Anm. 2
und 106 u. 107,
17) Schmidt, C. a. a. D. ©. 108.
18) Serapeum, Jahrgang 1852, ©. 137, und Jahrgang 1853, ©. 236 in den
Auflägen von Strampff, der auch das Gedicht mitteilt, welches jpäter E. Schmidt
in feinem bereits vielfach angeführten Werte ©. 160 abdrudt.
Schmidt, C. a. aD. ©. 100-105; 152—159,
20) Archiv für die Geſchichte des deutichen Buchhandels, V, 83.
21) VBarrentrapp, C., Hermann vd. Wied und fein Reformationsverjuh in
Köln. Leipzig 1878. ©. 14 u. 15.
22) Panzer, Annales. IV, 492, Nr. 396,
25) Ennen, 2, Katalog der Inkunabeln der Stabtbibliothef zu Köln. ©. IL
24) Banzer, a. a. D. I, 304 Nr. 199. I, 306 Nr. 212.
3) Ennen a. a. O. ©. VI. 26) Daſelbſt ©. XI.
27) Hain a. a. O. Sachſenſpiegel 1480 (Nr. 14081) und Cordiale (Nr. 5703).
2) Klemms Katalog. ©. 181 u. 188,
29) Ennen, 8, Gejhichte der Stadt Köln. Köln und Neuß 1869. III,
1041—1043.
0) Kirchhoff, A., Beiträge zur Gefchichte des deutjchen Buchhandels. Leipzig
1851. I, 41 fg.
sı) Nach einem erjt während des Druds veröffentlichten Vortrag von A. Kird-
hoff.
32) Klemms Katalog. Nr. 809, 33) Kirchhoff aa. O. ©. 90.
3) Erasmi Opera. Lugduni Bat. 1703. Vol. III, 105.
5) Banzer.a. a. D. VII, ©. 118. Nr. 1742.
36) Dafelbjt VII, ©. 518. Nr. 155; ©. 543, Nr. 374,
37) Kirchhoff a. a. ©, 1, 103—110 u. 112,
39) Merlo, J. J., Die Buchhandlungen und Buchdrudereien „Zum Einhom“
vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Köln 1879, ein Büchlein, weldes an
innerm Wert die gewöhnlichen Jubiläumsichriften hoch überragt und bei der
Duellennahweije und Anmerkungen. 815
obigen Darftellung bejonders für die VBezeichung der betreffenden Örtlichfeiten ge-
dient hat.
39) Sieber, 8, „Ein Basler Drud von 1468” im Feuilleton der Basler
Nadhrichten vom 2, März 1879 (Bericht über einen Vortrag, den der gelehrte
Bibliothelar am 20. Februar 1879 in der Hiftoriichen Geſellſchaft in Baſel gehalten
hatte.) Der Eintrag lautet: „Hune solvi anno MCCCCLXVIII Joseph de Virgers
praesbiter ecclesiae St. Hylarii Moguntini“ und zeigt nad Sieber eine dem
15. Jahrhundert angehörige Handichrift.
40) Basler Tajhenbud) auf das Jahr 1863, S. 20 in dem Aufjaß des Her—
ausgebers D. A. echter: „Beiträge zur älteften Geſchichte der Buchdruderkunft in
Bajel“, ©. 29-28.
41) Nee de la Rochelle, Recherches sur l’etablissement de l’art typo-
graphique en Espagne et en Portugal. Paris 1830. ©. 43.
2) Staatsarchiv Bajel Stadt, Miſſivenbuch 14R8—1491. ©, 328.
43) Dafelbft 1481—1483,. ©. 131.
4) Daſelbſt HHRS— 1491. S. 228, Dbige Auszüge find zuerſt von J. J.
Amiet in Solothurn mitgeteilt.
#5) Daſelbſt Miſſivenbuch 1458°—1401,. ©. 281, Urkunde vom 23. April 1490.
6) Beiträge zur vaterländichen Geſchichte. Baſel 1845. II, 169.
47) Maittaire, M,, Annales typographici. Hagae 172%, I, 200; Le Long,
Bibliotheca Sacra. 1,253. Jansen, Notice des Livres imprimes avant l’annde
1501 dans les Pays Bas. Paris 1000. ©. 304; Campbell, Annales de la Typo-
graphie neerlandaise. ©. 222.
4) Butſch, U. F., Bücherornamentik der Renaifjance, Leipzig 1878. ©, 39,
49) Erasmi Opera. III, 1673 u. 1674.
so, Stodmeyer, J. und B. Reber, Beiträge zur Basler Buchdruderge-
ſchichte. Bafel 1841, ©. 89. In diefer äußert wertvollen Feitichrift zum Jubi—
läum des Jahres 1840 findet jich die beſte Zufammenjtellung der Basler Druder
und ihrer Werfe.
sı) Dajelbit S. 147,
52) Blatter, Thomas, Selbjtbiographie, bearbeitet von Heinrich Boos.
Leipzig 1878, ©. 89-92.
53) Nudolphi, E. C., Die Buchdruderfamilie Froſchauer in Zürih. Zürich
1869, ©. XI.
54) Katalog der Klemmſchen Sammlung. ©. 9 u. 9.
55) Ilgenſtein, M., Die ältefte Buchdrudergeichichte Ulms im: Centralblatt
für Bibliothefweien. 1884,
ss) Zapf, ©. W., Augsburgs Buchdrudergeihichte. Augsburg 1786, I,
3. XII; I, ©. VII.
>) Banzer, ©. W., Beichreibung der ältejten Augsburger Musgaben ber
Bibel. ©. 1-11.
ss) Mezger, ©. C., Augsburgs ältefte Druckdenkmale. Augsburg 1840. ©. 7.
s9) Herberger, Th, Zur Geichichte der Einführung der Buchdruckerkunſt in
Augsburg. Dafelbft 1865. ©. 14, umd Augsburger Steuerbücher, vom Berfajier
im Januar 1882 eingejehen.
816 Duellennahmweife und Anmerfungen.
6) Kirchhoff, A, Beiträge. I, 8—40; das Weitere nah einem inzwiichen
erſt gedrudten Vortrag desjelben.
cı), Meyer, 8. E., Die Buchdruderfunft in Augsburg bei ihrem Entftehen.
Augsburg 1840. ©. 25.
2) Dafelbit S. 26 und Butſch, N. F., Die Bücher-Ornamentif der Renaii-
jance. Leipzig 1878. ©. 24.
3 Haßler, K.D., Die Buchdrudergeichichte Ums. Ulm 1840, ©. 10-87.
#4) Gentralblatt für Bibliothefswejen. Leipzig 18°4. Heft 6. ©. 231 fg. und
Heft 8. ©. 513. Es fteht nach Jlgenfteins Ausführungen jejt, daß von Hohenwang
mer ein einziges Druckwerk eriftiert, welchem er feinen Namen als Druder beifegte;
es ijt Died die „Summa Hostiensis“ von 1477 (Hain Nr. 861). Da in dieſem
Werke die Angabe des Ortes fehlt, dagegen in einem zweiten, mit denjelben Tupen
hergeitellten Werke, der Guldin Bibel (Hain Nr. 13690), die gedrudte Schlußichrift
bejagt: „Hie endet die guldin Bibel gedruckt zu Augsburg“, jo ift es Mar,
daß der Drud beider Werke in der leßtern Stadt vor id) gegangen if. Während
ferner Haßler auch den deutfhen Vegetius, als deſſen Überjeger ſich Hohenwang
in der Vorrede fund gibt, dem letztern als Druder zufchreibt, zeigt Ilgenſtein,
daß diejes Werk die gleihen Typen aufweift, wie jie Johann Wiener in Augsburg
angewandt hatte, daß mithin auch hier ein augsburger Drud vorliegt. Schließlich
aber stellt jich auch noch heraus, daß ebenfo noch ein anderes Hauptwerk, das nad)
Haßler von Hohenwang gedrudt fein joll, von ihm nur herausgegeben ift, während
der Drud ſelbſt in Baſel bei Michael Furter jtattgefunden hat. Aus einer an—
dern Ausgabe diejes legtern Werkes, Wimphelings „De fide concubinarum“, find
die intereffanten Holzichnitte in Rich, Muthers Werke: „Die deutihe Bücherilluftra-
tion der Gothik und Frühremaiffance” (Taf. 94—108) reproduziert worden. Man
hat ohne Kritit auch dieſe Ausgabe Ludwig Hohenwang zugeichrieben, der jedod
auch hier nur der Verfaſſer der darin enthaltenen deutichen Verſe und Motti ift,
während als Druder vielleiht Johann Grüninger in Straßburg angefehen werden
darf. Das Ergebnis diejer Unterfuchungen, die von dem genannten Verfaſſer am
Schluſſe jeiner Abhandlung tabellariih zujammengetragen find, ift, dab Ludwig
Hohenwang nur als Druder der beiden obengenannten Werfe und zwar zu Augs
burg gelten darf, während es mehr ald zweifelhaft bleiben muß, ob er auch iden
tiich mit dem Verfertiger der Holzichnitte iſt, welcher jich in einer Ausgabe der
„Ars moriendi” dajelbit „Ludwig ze vlm“ genannt hat.
65) Klemms Katalog. ©. 328— 330.
e) Buftmann, G., Die Anfänge des leipziger Bücherweſens. Leipzig 1879,
©. 11.
6) Hase, D., Die Koburger Buchhändlerfamilie zu Nürnberg. Leipzig 1869.
Eine vortrefffihe Arbeit, unentbehrlich für die Kenntnis und Würdigung U. Ko
bergers, leider zur Zeit vergriffen. Vom Verfaſſer vielfach benugt. (Eine neue,
volljtändig umgearbeitete Muflage ift während des Drudes erichienen.)
3) Klemms Katalog. ©. 353.
6 Kirchhoff, A., Johann Herrgott, Buchführer von Nürnberg, und jem
tragiiches Ende, im Archiv f. Geſch. d. Deutichen Buchhandels. 1, 15-56.
—
Quellennachweiſe und Anmerkungen. 317
0, Wuſtmann, ©., Die Anfänge des leipziger Bücherweſens. Leipzig 1879,
wonach auch das Zunächſtfolgende.
zu Der Stoff zu dem meiſten hier von Herrn F. Herm. Meyer gemachten
Zuſätzen und zu einem großen Teil des Abſchluſſes des Abjchnittes Leipzig ift
dem Mannjkript des ſchon erwähnten Vortrags von N. Kirchhoff entnommen.
2) Haiu, kepertorium. Nr. 15923; fehlt aber im Juder.
3) Mayer, A., Wiens Buchdrudergejchichte. Wien 1883. I, 32.
9 Böße, L., Altere Gejchichte der Buchdruckerkunſt in Magdeburg. 1. Abteil.:
Die Druder des 15. Jahrhunderts. Magdeburg 1872. — Hülße, F., Beiträge zur
Geihichte der Buchdruderkunft in Magdeburg. 1. Tie Druder von 1H00— 1552.
In: Gejichichts - Blätter für Stadt und Land Magdeburg. 15. 16. Jahrgang.
1880, 1881.)
75) Kirchhoff, Beiträge. I, 143.
6; Roth, R., Tas Büchergewerbe in Tübingen von Nahr 1500 bis 180,
Tübingen 1880. — Steiff, 8, Der erite Buchdrud in Tübingen (1498— 1534),
Tübingen 1881.
Meyer, F. H., Primus Truber, Hans Freiherr von Ungnad und Ge:
nofien. (In: Archiv für Geichichte des deutichen Buchhandels VIL.)
»°; Eichsfeld, E. G., Nelation vom Wittenbergiihen Buchdruder-$ubiläo
1740, nebjt einer hiſtoriſchen Nachricht, von allen Wittenbergiichen Buchdrudern,
welche jeit Erfindung der Buchdrucker Kunſt, jonderlid zur Zeit der Reformation
Lutheri, allhier Drudereyn gehabt haben. Wittenberg 1740,
9) Hülße a. a. D. ©. 27.
so) Vergl. G. Reichhart, Die Drudorte des 15. Jahrhunderts. Augs
burg 1853.
1) Zeitichrift des Vereins für Gejchichte und Altertum Schlefiens. XV, 1.
2) Wiehmann-Nadomw, Paul Knufflock, Buchhändler zu Lübeck. In:
Zeitichrift des Vereins für Lübeckiſche Geichichte und Altertumsfunde. IL, 2. 1865.)
8) Zum Gedächtniß der vierten Säcularfeier der Erfindung der Buchdruder-
kunſt zu Seidelberg. Heidelberg 1840. 4. Abſchnitt.
8) Schreiber, W., Heidelberg und feine Umgebungen. Heidelberg 1811.
85) Zappenberg, J. M., Zur Geichichte der Buchdruderfunjt in Hamburg.
Damburg 1840.
Drittes Kapitel.
Die Berbreitung der neuen Kunſt im Auslande.
ı) Fumagalli, C. Dei primi libri a stampa in Italia. Lugano 1875.
2) Dajelbft S. 19—29.
3) Raidel, Commentatio eritiea literaria de Claudii Ptolemaci Geo-
graphia. Nürnberg 1757.
#) Das intereffante Eremplar von Cicero’s De Oratore (Subiaco 1465) mit
app. I 52
"18 Unellennadnveile and Anmerkungen.
der wichtigen Schlußichrift des Antonio Tridentone ijt mittlerweile aus dem Be-
jige feines Entdeders Fumagalli in die reiche Klemmſche Sammlung in Dresden
(für den Preis von 6275 Mark) übergegangen.
5) Didot, Firmin, Histoire de la Typographie. Paris 1882. ©. 632.
6 Katalog der Klemmichen Sammlung. Nr. 5%.
7) 2ord, C. B., Handbuch der Geichichte der Buchdruderfunit. Leipzig 182.
I, 60 u. 61.
sı van der Linde's Gutenberg. ©. 9.
», Claudin, A.. Antiquites Typographiques de la France. Origines de
Imprimerie à Albi en Languedoc (1480-1485. Les Peregrinations de
J. Neumeister, Compagnou de Guteuberg, en Allemagne. en Italie et en
France (1463—1484). Paris 1880. 104 Geiten.
10) Hessels, Gutenberg. Is he the Inventor of Printing? ©. 108-112.
11) Fischer, G., Essai sur les Monumens de la Typographie. ©. 79.
12) Vermiglioli, G. B., Prineipj della Stampa in Perugia e suoi pro-
gressi per tutto il secolo XV. Perugia 1820. ©. 209.
13) Madden, I. P. A., Lettres d'un Bibliographe. V. Paris 1878. ©. 10a.
14) Dajelbit ©. 201.
15) Didot a. a. O. ©, 139. 16; Maddena. a. O. ©. 24H.
17) Daſelbſt ©. 229. 18) Dafelbit ©. 231.
13) Dafelbit S. 245— 217. Madden jchlieht fich übrigens bier im wejentlichen
an Panzer aıt.
20) Daſelbſt 202. 21) Didot a. a. O. ©. 38.
22) Madden a. a. O. ©. 263.
23) Greiff, B., Tagebuch des Lukas Rem aus den Jahren 149— 11.
Ein Beitrag zur BHandelsgeihichte der Stadt Augsburg. Im 26. Jahresbericht
bes hijtorischen Kreisvereins Schwaben und Neuburg. Augsburg 1861. ©. 6 u. 82.
24) Claudin aa. D. ©. 67.
23) de Vinne, Th. L., The Invention of Printing. Newyork 1876. 5. Mıw.
3) Hase, D., Die Koburger. ©. 25. 7) Didot a. a. O. ©. 89.
23) Giraudet, E. Les Origines de l’Imprimerie a Tours (167— 150.
Tours 1881. ©. 29—34 u. 4148.
) Didot a. a. O. S. 705. 30) van der Linde a. a. O. Vorrede ©. V.
sı) Falkenſtein, K. Geſchichte der Buchdruckerkunſt. Leipzig 1840, S. 2%.
a2) Didot a. a. O. ©. 704.
3) Don Fernando Colon, Historiador de su Padre, Ensayo eritie
por el autor de la Biblioteea Americana Vetustissima (H. Harisse). Madrid
1871. ©. 79.
34) Deutſche Buchdruder des XV. und XVI Jahrhunderts in Portugal.
Augsburger Allg. Zeitung vom 18. Februar 1878. Nr. 49, die hier vielfach be
nutzt it.
35) Campbell, F. A. G. Annales de la Typographie Neerlandaise an
XV. Sieele. La Haye 1874. ©. 517 u. 518,
3) Lambinet, Origine de l’Imprimerie. IL, 97--170. — Bernard, De
P’Origine de l’Imprimerie en Europe. II, 401. — Van Iseghem, La Bio-
A
Quellennachtweife und Anmerkungen. 819
graphie de Thierry Martens. Malines 1852. — Holtrop, Thierry Martens
d’Alost. La Have 1867.
3) Blades, W., The Biography and Typography of William Caxton.
Newyork 1882. ©. 26—32,
38) Jlgenjtein, M., William Caxtons Thätigfeit in Köln im Gentralblatt
für Bibliothefswejen. 18%4. Der Schüler und Nachfolger Cartons, Wynkyn de
Worde, jagt in der Vorrede jeiner engliihen Ausgabe von Bartholomäus von
Slanvilla’s, „De proprietatibus rerum“, daß jein Meijter Carton zuerft das la-
teinifche Driginal in Köln gedrudt Habe. Hat man nun auch bis heute Fein Erem
vlar diefer Ausgabe aufgefunden und ift ihre Eriftenz daher noch zweifelhaft, jo darf
man doch nicht ohne weiteres die daraus wohl hervorgehende Thatjache, daß Caxton
überhaupt in Köln gedrudt habe, für falſch erflären. Denn müßte auch angenommen
werden, Wynkyn de Worde jchreibe jeinem Meifter irrigerweife den Drud zu, jo konnte
er, Caxtons Schüler und zwar höchſt wahrjcheinlich ſchon auf dem Kontinent, un-
möglich darin irren, ob Carton zuerjt in Köln oder in Brügge gedrudt habe. Da
num aber auch Garton jelbft in der Borrede jeines „Recueyl” jagt, da er die
Überfegung zu Köln beendet, und in der Schlußrede, daß er darauf die Ausübung
der Buchdruderkunft auf eigene Koſten erlernt habe, jo fann es wohl faum einem
Zweifel unterliegen, daß Köln der Drudort war. Ohnehin jtünde auch der gegen:
teiligen Anficht, welche Brügge dafür hält, entgegen, daß deflen erjter Typograph
Colard Manfion die Kunſt erit im Jahre 1476 auszuüben beganı, während die
Überjegung des Werkes durch Karton ſchon am 19. September 1471 in Köln voll-
endet war. Naturgemäh geht alio aus diefen Erwägungen hervor, daß nur Köln
die Lehrjtätte Caxtons geweien jein kann, denn in feiner Stadt der damaligen
burgundiichen Staaten wurde zu jener Zeit die Buchdruderkunft bereits ausgeübt.
39) Nyrop, C., Bidrag tilden danske Boghandels Historie. Kopenhagen
1870. I, 59—66.
40) Lord a. a. O. 1 ©. 75, und Falkenſtein a. a. D. ©, 208.
41) Szabö, K., Regi Magyar könyntär az 1531—1711. Budapest 1879,
S. 1—11.
Biertes Kapitel.
Das Äußere des Buche.
1) Marquardt, Römiſche Privatalterthimer. Leipzig 1864— 1867. II, 390.
2) Birt, Das antike Buchwefen. Berlin 1882. ©. 46 fg. — Egger (Histoire
du Livre, 3. Ed. Paris s. d. p. 57 fg.) führt mehrere Beifpiele von Bapiernot
in Zeiten des Mißwachſes der Rapprusjtaude in Ägypten an. Zur Zeit des Tibe-
rius war vorübergehend ein jolher Mangel an Schreibjtoff in Rom, daß, wie bei
einer Hungersnot, der Vorrat rationenweile zugeteilt wurde. Derjelbe Autor er-
innert daran, daß in Paris gegen Ende der Belagerung von 1870/71 das Papier
auszugehen anfing. Häufiger fommt es in der Gegenwart vor, daß die Fabriken
außer Stande find, mit der Drudthätigfeit Schritt zu halten,
52*
820 Quellennachweiſe und Anmerkungen.
s) Wattenbad, Tas Schriftwejen im Mittelalter. Leipzig 1871. ©. 61.
4) Wattenbad a. a. D. ©. 129 fg.
5) Pangerl, Tas Buch der Malerzehe in Prag. (Quellenſchriften f. Kunſt
geichichte und Kunſttechnik. XIIL) Wien 1878.
6) Karabacel, Die TH. Graf’fchen Funde in Negnpten. — Derſ., Katalog
ber Th. Graf’ichen Funde. Wien 1883.
) Stan. Julien etP. Champion, Indnstries anciennes et modernes
’Empire Chinois. Paris 1869,
sı Egger. Le papier. Paris 1866.
») (Matsugata,} Le Japon a V’Exposition universelle. Paris 1878,
10) Vallet-Viriville, Notes pour servir a l’histoire du papier. (Gazette
des beaux-arts 1859.) Dafelbjt heißt es ©. 224: „Vers 707 les Arabes etablis
à Samarkand prirent le papier aux Chinois, mais seulement a titre d’em-
prunt ... D’un autre cot& les Grecs trouverent le papier en Asie, ils le
donnerent ä la Sicile et a V’Italie.e En outre par Venise et par les ports
des Pays-Bas le papier penötra en France, en Angleterre et en Allemagne.
Le papier des Grees remonte bien au IX. siécle. Ä partir de 1050 on en
a des specimens dates et suivis, — Belege werden zu dieſer Darftellung nicht
gegeben. Bergl. auch: Wehrs, Bom Papier ꝛc. Sannover 179. — Peignot,
Essai sur P’'histoire du parchemin et du velin. Paris 1812,
11) Bergl. ©. 226.
ı2) Delandine, Manuscripts de la Bibliotheque de Lyon. 1812. —
Vallet-Viriville a. a. DO. — Breitfopf ij. Anm. IS), ©. 9.
13) Gutermann, j. Anm. 18; Schmidt, Zur Gejchichte der älteften Biblio
theten 2. Straßburgs. Straßburg 1582. ©. 37 fg.
14) Storia della letteratura italiana. Venezia 1823 —1825.
15) Ballet-Ririville a. a. ©. — Lacroix, Les arts au moyen-äge.
Paris 1869,
16) „Der Name Holbein war im jüdlichen Deutichland ziemlich verbreitet, zu
Ravensburg fommt er im 14. und 15. Jahrhundert vor, in Bajel iſt er ebenfalls
ihon im 14. Jahrhundert zu finden, im 15. tritt er in Kaufbeuren und in Grün
ftadt an der Hardt auf. Ob und inwieweit die Malerfamilie Holbein mit diejen
Familien verwandt ift, läßt fich nicht ermitteln, doch führte Hans Holbein dasielbe
Wappen twie die ravensburger und grünftädter Namensgenofien, einen Ochſenkopf.“
BWoltmann, Holbein. ©. 42.
17) Stetten, Kunft-, Gewerbs- und Handwerkfögeichichte von Augsburg. Augs
burg 1779 — 1788.
18) Bon der jehr umfangreichen Ritteratur über die Waflerzeichen des Papiers
mögen erwähnt werben: J. G. Breitfopf, Verſuch, den Uriprung der Spiel-
farten, die Einführung des Leinenpapiers und den Anfang der Holzichneidekunft in
Europa zu erforſchen. Leipzig 1784—1801. — 8. Denne, Observations on
paper marks. (Archaeologia XII.) London 1796. — Jansen, Origine de la
gravure en bois et en taille douce. Paris IS08. — Koning, Bijdragen tot
de geschiedenis der boekdrukkunst. Harlem 1816. — Haßler, Die ältejte
Geſchichte der Fabrikation des Leinenpapiers. (Verhandl. des Vereins f. Kunſt und
de
—
Suellennachweiie und Anmerkungen, 821
Alterthum in Ulm und Oberſchwaben. II. Ulm 1544.) — Derſelbe ıebend. IV.
15465). — Gutermann, Die ältefte Gejchichte der Fabrication des Linnenpapiers.
Serapeum 1845. ©. 257 fg., 273 fg.) — Sotzmann, Über die ältejte Papierfabri
cation. (Serapeum 1846. ©. 97 fg., 123 fg.) — Sotheby, Prineipia typographica,
to which is added an attempt to elucidate the character of the paper marks.
T. III. London 1858. — La Fons-Melieog, Noms des diverses sortes de
papiers employes au moyen-üge dans le nord de la France etc. (Bulletin du
Bouquiniste 1858.) — Ballet-Biriville a. a. ©. — Midoux et Matton.
Etude sur les filigranes des papiers employ@s en France au XIV" et XV"
sieele, accompagnee de 6X) dessins. Paris 1868, — Urbani de Gheltof,
Segni di cartiere antiche, Dieci tavole. Venezia 1870. — Hausmann,
Albrecht Dürers Kupferitiche, Radirungen, Holzichnitte und Zeichnungen, unter be>
jonderer Berüdjichtigung der dazu verwandten Papiere und deren Wajlerzeichen.
Dannover 1861. — Robinson, A critical account of the drawings by Michel
Angelo and Raffaello in the university galleries Oxford. Oxford 1870,
1») Breitfopfa. a. ©. ©. 11m,
so, Gutermann und Haßler a. a. O.
21) Serapeum 1846.
22) Für diefe Deutung ſpricht unter andern der Umſtand, daß das Zeichen in
Deutſchland, den Niederlanden und Frankreich gebräuchlicd war, nicht aber in Ita—
lien, wo Papier befanntlih carta heißt.
23) Urbani a. a. D.; Robinjon a. a. D. Bergl. Anm. 18,
24), Robinion a. a. DO. Vergl. Anm. 18.
25) Ein Turm von eigentümlicher Form: oberhalb des Fußes eine Ausbauchung,
drei Zinnen, ijt nach Sopmann die Marke der beiten ravensburger Papierſorte.
6) Vergl. Anm. 18,
2) Wattenbad a. a. O. ©. 196 fg. — Unger, Griechifche Kunft in Eric
und Gruber, Encyflopädie, I. Sekt. 84. Teil. — Bastard, Peintures et orne-
ments des manuserits. Paris 1835 fg. — Westwood, Facsimiles of the
ininiatures and ornaments of Anglo-Saxon and Irish manuscripts. london
18658. — Wahn, Das Psalterium Aureum von St. Gallen. St. Gallen 1878.
- Echnaaje, Gejchichte der bildenden Künfte. Düſſeldorf 1866 fg. — Wolt-
mann, Gejchichte der Malerei. Leipzig 187% — Labarte, Histoire des arts
industriels. Paris 1872 fg. — Kugler, Kleine Schriften. Stuttgart 1853 fg.
— Bucher, Geſchichte der technischen Künfte. Stuttgart 1875 fg.
2°) Rarabalef, Katalog der Grafihen Funde. Wien 1883. Nr. 47. 448,
2») 3. Lejling, Mittelalterliche Zeugdrude im Kunftgewerbemufeum, (Jahr:
buch der fönigl. preuß. Kunſtſammlungen. I, 119 fg.)
30) Trattato della pittura. Rom 1821. — Dasjelbe deutih: Das Buch von
der Kunſt ... überjeßt von A. Ilg. (Quellenichriften f. Kunſtgeſch. u. Runfttechnif.
Il.) Wien 1871.
31) Über die Anfänge der Formſchneidekunſt und des Bilddruckes. (Neperto-
rim für Kunſtwiſſenſchaft. I, 215 fg.)
32) Zur Geſchichte und Theorie der Formichneidefunft. Leipzig 1837. ©. 96 fg.:
„Vom Alter des Gebrauches, Formichnitte durch den Guß zu vervielfältigen.”
822 Quellennachweiſe und Anmerkungen.
33) Weigel und Zeftermann, Die Anfänge der Buchdruderfunft in Bild und
Schrift. 2 Bde. Leipzig 1866.
34) Le Peintre-graveur. 6 Bde. Leipzig 1860 — 1861.
3) Leon de Burbure, Sur l’anciennet£& de l’art typographique en Bel-
gique. (Bulletin de l’Academie de Belgique. VIIL)
3) Van Even, L’ancienne école de Louvain. Bruxelles 1870.
37) Vergl. Lippmann, Der italienische Holzichnitt im XV. Jahrh. (Jahrbuch
der königl. vreuß. Kunſtſammlungen. II, 3 fg., 168 fg. V, 3fg.) — Springer,
Bilder aus der neuern Hunjtgeichichte. Bonn 1867,
38) Vergl. Rumohr a. a. D. — Umbreit, Über die Eigenhändigfeit der
Malerformichnitte. Leipzig 1840. — NR. Weigel, Holzichnitte berühmter Meiſter.
Leipzig 18511897, (Sämtlich für die Eigenhändigfeit.) — 3. ©. Unger, Fünf
in Holz geichnittene Figuren x. Berlin 1779, — Bartsch, Peintre-graveur.
VII, 19. — Derfelbe, Anleitung zur Rupferftichfunde. 1,596 fg. — Passavant,
Peinte-graveur. 1,66 fg. — Thaufing, Dürer. Leipzig 1876. ©. 198 fa.
— Woltmann, Holbein. Leipzig 1874. ©. 184 fg.
39) Woltmann, Holbein und jeine Zeit. 2. Aufl. I, 201 fa. I, 195 — 108.
213. 221.
w) (A. Perraud-Maynand,) Les Ex-libris francais. Paris 1874. -
F. de Chanteau, Etude sur une eolleetion d’ex-libris. Bar-le-Due 1884.
In Lempertz' Bilderheften iſt eine Anzahl deuticher Er-libris, z. B. von Kurfürit
Johann Friedrich dem Großmütigen und deifen Gemahlin, von Pirdheimer, Job.
Ed, Wolfgang Yazius ꝛc. reproduziert.
1) Häufig reproduziert, 5. B. in Falkenſtein, Geichichte der Buchdrucker
funft, S. 144, mit der Schlußſchrift P. Schöffers zu feiner Ausgabe von Auftinians
Anftitutionen von 1468. Direlte und indirekte Nahahmungen diejes Signets be
gegnen häufig, fo bei Gerard Leeu in Gouda und Antwerpen, 1477—1492 (Abbild.
in Silrestre, Marques typographiques. Paris 1853, 1867, Wr. 120), und
das Befeftigen eines oder zweier Schilde an einem Aſt blieb lange im Gebrauch.
42) Abbildung in Butich, Die Bücherornamentik der Renaiffance. I, 7%.
3) Abbildung in Butih a. a. O. 1,5.
4) Abbildungen in Dibdin, Bibliographical Deeameron. London 1817.
IL, 191. — Butſch a. a. O. 1, 50,51. — Eine rohe Nachahmung diejes Signets
bei Anton Bonnemere in Paris, 1507— 1544, mit der Tevife: Nosce te ipsum.
Abbild. in Silveftre a. a. D. 1150. Eine Palme mit einem Felsſtück und der
Deviſe: Inelinata resurgo war das Emblem des Francesco Maria TI. von Urbino,
1571-1631.
5) Von Parrhaſios, aber auch von Apelles, wird ein Wettjtreit mit Protogenes
erzählt, welcher daranf hinausläuft, dab der eine Künſtler eine feine Linie gemalt,
der andere auf dieſe eine noch feinere gelebt habe, oder daß zwiſchen zwei fait um
mittelbar aneinander gezogenen Linien noch eine dritte angebracht worden jei. —
Abbildungen in Dibdin a. a. O. IL, 189; Butſch a. a. ©. I, 0,
se) Abbild. Tibdin a. a. O. Il, 202.
a7) Abbild, Dibdin a. a. O. II, 200; Butſch a. a. ©. l, mm.
48) Abbild. Dibdin a. a. O. IL, 29%.
Quellennachweiſe und Anmerkungen, 823
49) Abbild. im Archiv für die zeichnenden Künſte. II, 1383; Woltmann, Hol—
bein. 1, 402,
so, Abbild. Butſch a. a. O. 1, 61.
sı) Abbild. Butih a. a. O. 1, 93; Silveitre a. a. O. 1246. 1274.
2) Abbild. Butich a. a. ©. I, 63. Das Signet Hieronymus Frobens: das-
jelbe Emblem an einem Baume mit KRugelichnüren, Butten ꝛc. bei Lemperg,
Bl. VII
53) Augsburg. Joh. Miller, um 1514: ſchwarze Tafel mit Monogramm. —
Erhart Ratdolt: nadter Mann, in der Rechten zwei Schlangen haltend, auf der
Scham ein roter Stern. — Sympert Ruf: Herkules und Gerberus, — Heinrich
Steyner: weibliche Figur auf einem Delphin jtehend, ein Banner als Segel aus-
geipannt. Eine ähnliche Figur mit der Devije: Audaces fortuna juvat war das
Emblem des Erzherzogs Karl, Sohnes des Kaifers Ferdinand. — ©. Willer, 1560
bis nach 1592: eine Cypreſſe mit Früchten und dem Spruchbande: Honor erit huie
quoque pomo.
Bajel. Joh. Bergmann von Olpe, 1494—1499: von einem Löwen gehaltener
Schild mit einer Lilie über ſechs Bergipigen, dazu: Nihil sine causa. — oh.
Bebel, ſ. ©. 248. — Andr. Eratander: die Glücksgöttin auf der rollenden Kugel. —
V. Eurio, ſ. S. 248. — Nifol. Episcopius, 1564, und Eufebius Episcoptius, 1560 —
1580: eine Hand hält einen Biſchofsſtab, auf dem ein Kranich jteht. — oh. Faber,
1527 in Baſel, um 1535 in Freiburg im Breisgau: der vom Schwert durchhauene
gordiiche Knoten,
Sigmund Feyerabend gehört zu denjenigen Berlegern, von welchen die zahl»
teihiten Signete befannt find. Sein Symbol war die Fama, welche er von Joſt
Amman, Tob. Stimmer, Birgil Solis, Melchior Lord u. a. immer aufs neue
(unter andern auch als Brunmenfigur) mit umd ohne feine Deviſe: Si cupis ut
celebri stet tua fama loco pervigiles habeas ocnlos animumque sagacem,
fomponieren ließ und für feine verichiedenen Vergeſellſchaftungen in Frankfurt und
Bajel mit den Symbolen feiner Genoffen kombinierte. So für die Firma Feyer—
abend und Johann Oporinus (Herbft) in Bafel mit Arion auf dem Delphin; für
F. und Simon Hütter in Frankfurt mit Amphitrite; für F. Weigand Han und Georg
Rab mit Hahn und Rabe (als in die Firma W. Hanen Erben eingetreten waren
erichienen zwei anjtatt eines Hahns); für F., Heinr. Tad und Bet. Fiſcher wurden
Fama, Fides und Labor um die Weltkugel gereiht und mit dem Diſtichon ver-
fehen: Sedulus instar apum si sis fideique probatus, Spes bona quod super hine
aethera notus eris. Amman ift der Verfertiger der Mehrzahl diefer Zeichnungen.
Froben in Bafel, ſ. ©. 248. — Michael Furter, um 1509: Monogrammtafel
bon gefröntem Löwen und Bären gehalten, in Umrahmung von gotiſchem Blatt:
werl; ferner zwei Schilde, der eine mit den Monogramm, der andere mit dem
Bajelitab, an einem Baum befeftigt und von Drachen gehalten. — Thom. Guarinus:
1571: eine Palme. — Joh. Herwagen, 1529 —1563 (vorher in Straßburg): eine
Säule mit dreifacher Merkursherne. — Balth. Lafius und Thom, Platter, 16. Jahr
hundert: das Signet Rob. Winters (j. unten) im Gegenſinne fopiert. — 5. Petri,
1. ©. 248. — Paul Queck: eine Doppelherme. — oh. Tichabler, gen. Wattin-
ſchnee: zwei Butten befeftigen den Schild mit Monogramm an einen Baum, Motto:
s24 Quellennachweiſe und Anmerkungen.
Durum patientia frango. — Konrad Waldkirch, um 1585: ein Weib mit der
Yampe, Motto: Lucerna pedibus meis verbum tuum. — Mich. Wensler, 1470—
1491, in Macon 1493: zwei Schwarze Schilde an einem Aſt hängend, links vier
ſchräge Wellenlinien zwijchen zwei Sternen, rechts Richticheit. — Barthol. Weithemer:
aus dem W mwädjlt eine Feder, um die fich ein Mal windet. — Nob, Winter, um
1538: Minerva mit Schild und Lanze zwijchen Ölgebüfchen. — Th. Wolff, 1. ©. 24.
Bern. Math. Bienenvater, |. ©. 218.
Franffurt a M, Mit, Baſſe (Bafläusı), 1596: Fortuna auf dem Rade. —
Joh. Bringer, 1613: Altar mit brennendem Herzen. — Chrift. Egenolph, 1533—
1555: wie das vorhergehende, vielleicht von 9. S. Beham gezeichnet (vergl. Marburg). —
Feyerabend und feine Genoſſen ſ. unter Bajel. — Pet. Filcher, ungefähr 1582 — 15:
Saturn auf einem geflügelten Strich mit dem Motto: Res age prudenter ete. —
Nik. Hoffmann: Sanymed auf dem Adler, In Deo laetandum. — Matth. Merian:
1593— 1650: ein Storch, Beilchrift: Cieonia Meriani, Umfchrift: Pietas eontenta
lucratur. — oh. Saur, vor 1600: Feyerabends Fama und Devije (weil für ihn
drudend). — Koh. Theob. Schönwetter, Verleger, 1601— 1605: Aupiter auf dem
Ndler, in Druden von Matthäus Beder und Wolfg. Richter. — Andreas Wedel,
1535 —1573 in Paris etabliert, dann als Hugenot ausgetvandert und bis in die
neunziger Jahre in frankfurt thätig: der Caducens mit zwei Füllhörnern, darüber
der Pegaſus; dasjelbe Signet führen Wechels Erben in Aranffurt und Hanau um
1597 und ſpäter. — Joh. Wolff, um 1565: Noahs Opfer.
Senf war vornehmlich Zufluchtsort protejtantiicher Drucker aus Frankreich:
jo jeßten dort ihre Thätigkeit fort Konrad Bade, 1546-1561: die Zeit, melde die
Wahrheit aus einer Felienkluft hervorziceht; Jean Erespin, 15590 —1571: ein Anter,
um den fich eine Schlange windet ; Rob. und Heinr. Ejtienne, 1525 — 1559: unter einem
Fruchtbaum, von welchem abgebrochene Äſte fallen, fteht ein Mann in antififieren-
der Tracht mit dem Spruch: Noli altum sapere; Jean Le Preux, 1561-1587:
die Druderei des Holle Bade mit Benugung der Aufichrift: Prelum typeographi-
eum und der Umichrift: Quiequid agas sapienter agas et respice finem zu einem
Wortipiel, indem nad Stellung der Wörter typographicum auch auf finem be-
zogen werden kann; Euftache Vignon, 1571—1591: Anter und Schlange. Tod
fommt ſchon 1479—1509 ein Franzoſe Loys rufe, genannt Sarbin oder Guerbin,
vor, welcher zuerft eine fchwarze Tafel mit den Buchſtaben LU S, dann ein dem
Druderzeichen der Penoirs in Paris ähnliches führt: einen von zwei Mohrimen
achaltenen Schild mit Mohrenfopf und drei Jakobsmuſcheln. — Einen Schild mit
drei Zafobsmuicheln und Monogramm hat Wygand Köln in Senf, 1523 — 12.
Hagenau. Thomas Anshelm, 1517-1526 (früher in Tübingen und Por;
heim): Tafel mit Monogranım, ferner diejelbe von zwei Putten gehalten mit einem
Spruchbande, auf welchem das Wort Jejus in griechiicher und hebräiicher Schrift,
eine Kompofition 5. Baldung Grüns. — Peter Brubach, 1533 —1536: Schild mit
Januskopf. — Amandus Farcallius, Colmar und Hagenau 1523 — 1526: zer
Putten halten einen das Monogramm umgebenden Blumenfranz oder ein om den
Schild befeitigtes Gewinde. — Heinrich Gran, der erjte Druder in Hagenau, 148%
1527, vorwiegend von Rohann Rynmann im Augsburg beichäftigt: Heiner ſchwarzer
Schild mit den Initialen und Fujts Zeichen. — Joh. Setzer (Scecerins), 1919-1:
Dnellennachweile und Anmerfungen. 825
Januskopf. — Wilh. Seltz, 1528 —1529: ein umgekehrter Anker mit den Ini
tialen.
Hamburg. Gottfried Schultz, um 1676: Altar der Friedensgöttin mit der
Deviſe Sie pace beamur propitioque Deo.
Nena. ob. Bielde, im 17. Jahrhundert: ein Belifan mit der Deviie In
beatifico verbo vivo tuo. -— Sal. Schmid, um 1690: Michael, den Drachen unter
fich, zwei Schilde, auf dem einen Schwert und Schlüflel gefreuzt, auf dem andern
ein Tazenfreuz.
Ingolſtadt. Wolig. Eder, um 1599: Juftitia— David Sartorius (Schneider),
1550-1502: die Religion auf der Weltfugel, Devife: Sapiens dominabitur astris.
— Mer. Weißenhorn, um 1542: die Friedensgöttin verbrennt Rricgsgeräte.
Köln. Franz Birckmann, bis 1530, jowie deſſen Nachſolger Arnold Birdmanı,
Roh. Birdmann jun, und Arnold Mylius, deren Geſchäftslokal ſich in der „fetten
Henne” befand: eine Henne unter einer Birke, zuerjt mit der tegende: In pingui gallina.
— Gerwinus Calenius und Quentels Erben: Simjon mit dem Löwen, angeblich
fomponiert von Johann von Eſſen. — Koh. Erithius, um 1619: ein Hahn mit der
Devife Iterum vigilantia custos. — Walter Fabricius, um 1562: ein Seepferd
nit einer Säule, auf welcher ein Kranich, eine Schlange haltend, iteht. — J. M.
Heberle, 1775 — 1840: Merkur und Minerva mit Emblemen; Heberle und Mennig,
1805: eine andere Allegorie de3 Handels. — Eucharius Hirkhoru (Kervicornus),
um 1521: zwei Haſen halten ein Bund. — Koh. Kind, um 1626: ©. Juſtina mit
dem Einhorn.
Yeipzig. „af, Berwald: Bär im Wald. — Mich. Blum, bis 1550: von
Butten gehaltener Schild mit drei Blumen. — Henning Große: der heil. Chriftoph.
— Ernſt Bögelin, 1559 —1578: die Stiftsfade oder Erucifir, vom Tode, der Welt
und der Schlange geftüßt. — E. Vögelin und Söhne: dasjelbe Emblem größer und
als Mittelftüd einer großen architektoniſchen und figürlihen Kompofition.
Mainz. Franz Beham (Behem), 1540: Pelifan mit der Devife Sie his qui
diligunt.
Marburg Raul Egenolph, 1611: die Hoffnung, manchmal auch mit einem
brennenden Herzen auf der band. Bergl. Frankfurt.
Mes. Abrah. Faber, 1587--1615: Herkules und Gerberus, Umjchrift: Labor
onınia vincit improbus.
Mülhauſen. Peter Faber, 1558 1561: im einem Kranze ein Weib mit
einer Geige und zwei Herzen über Inſtrumente hinfchreitend: Ut in velabro olearii.
Nürnberg. Fr. Peypus, ſ. ©. 248.
Tppenheim. af. Köbel, um 1500: eine Eule auf gotiſchem Ajt- und
Blumenwerk.
Prag. Mic, Peterle, Ende des 16. Jahrhunderts: zwei von Händen gehaltene
Kerzen, die eine brennend, Umichrift: Praelueeamus. — Daniel Adam von Weles
lavin: Wappen mit dem Hippogryphen.
Sclettjtadt. Lazarıs Schürer, um 1520: Wappen mit einer Garbe. Vergl.
Straßburg.
Speyer. Konas Roſa, 1612: Jonas und der Fiſch mit dem Spruche: Fata
viam invenient.
326 Quellennachweiſe und Anmerkungen.
Stettin. Joach. Rhete, 1608: Belifan.
Straßburg. Leouh. und Lukas Alantiee, 15314 —1516: von zwei Greifen ae
haltener Monogrammſchild, dahinter ein Baum; fie waren als Buchhändler in Wien
etabliert. — Joh. Albert, 1532 —1536: Schild mit I und zwei Sternen, von Adam
und Eva unter dem Baum der Erkenntnis gehalten; aud ohne Adam und Eva,
die Schlange hält den Schild an einem Bande. — Mathias Apiarius (Bienen-
vater), 1533 —1536: einen Honigbaum erjteigender Bär, am Boden eine aufge
ichlagene Bibel, der Drud wie Waben gebildet, an denen Bienen nafchen. — Renatus
Bed, um 1513: Wildpark, inmitten eine Tafel mit einem wilden Manne, der den
Monogrammihild an einen Baum befejtigt, wahricheinfich eine Rompofition von
oh. Wechtling. — Ant. Bertram, 1584—1619: zwei verbundene Hände mit einer
Sonnenblumenftaude. — Wolfgang Cephalaeus Köphel 1514: ein Budelftein, ziwei mit
dem Leib nach oben gerichtete und Sich umſchlingende Schlangen, auf denen die
Taube des heil. Seiftes; auch ein überedgeftellter boflierter Steinwürfel mit der
Umſchrift Oranium longe fortissime virtus ete. — Jakob Cammerlander, 1534—
1548: Fortuna mit verbundenen Augen, einen Schild mit fünf Sternen haltend. —
Sam. Emmel, 1561—1567: bärtiger Mann mit Bogen und Pfeilen und Spruch
band: Scopus vitae meae Christus. — Blafins Fabricius, 1549: ein römiſcher
Krieger hält einen Schild mit den Buchjtaben BF K, Umſchrift: Pietas et alma
seientia hasta est men et clipeus meus. — Martin lad, 1475 —1522: wilder
Mann und wildes Weib halten einen Schild mit dem Monogramm. — Martin
Flach jun., 1501: eine Frau in bürgerlicher Tradıt hält eine Fahne mit den Ini—
tialen, vor ihr der Schild M. Flachs des Ältern. — Hans Grüninger, 1483 — 1529:
ichwarze Tafel mit den Anitialen in einem reife, daraus emporwaclend ein Kreuz
mit der Lilie. Auch diefelbe Hausmarfe in einem offenen Buche, welches ein Adler
hält, Spruchband: Sanctus Johannes. — Mathias Hupfuff, 1499—1520: Schild
mit Monogramm. — Bernhard Kobin, um 1580: eine Amperatorenbüfte. — Jac.
Jucundus, 1531— 1597: ein geigender Schwan mit dem Hexameter: Musae noster
amor duleesque ante ommia Musae als Umſchrift. - Roh. Knobloch, 1504— 1528:
die Wahrheit aus einer Kluft emporfteigend, Umjchriften: HAAHPEIA — Verum,
yuum latebris delituit diu, emergit ete.; auch ein Schild mit drei Knoblauch
pflanzen und den Initialen. — Erato Mylius (Kraft Mylleri, 1537—1549: ein
Löwe, der eine Säule auf der Schulter trägt, hält einen Schild mit Simfon. Auch
mit der Deviſe: Hostibus haud tergo sed forti peetore notus. — Koh. Pryß
oder Preys, 14835— 1527: Schild mit Monogramm, auch lepteres ohne Schild. —
Wendelin Rihel, 1535 —1555: die Sophroſyne als geflügeltes Weib mit Winter
mas und Zaumwerl, Monogramm und Grabicheit im Schilde. Deſſen Erben, jo
wie Joſias Rihel, 1562 —1612, und Theodofius Nihel, 1966 — 1505, wenden das
jelbe Symbol in neuen Kompofitionen an. — Martin Schott, 140W—1498: ein
Kohlkopf zwiſchen den Initialen. — Joh. Schott, 1500 —1536: eine ſchwarze Tafel
mit den Initialen, das J durch einen Querbalfen als lateiniſches Kreuz gebildet ;
auch die Initialen in einem Kreiſe, aus welchem ein päpftliches Kreuz aufjteigt. —
Koh. Schott, um 1593: Schild mit fteigendem Löwen. — Math. Schürer, 1506—
1521: Wappenjchild mit einer Garbe (vergl. Schlettftadt), dazu: Vivat Maxi. C.;
ferner Schild mit dem Reichsadfer am Kreuzesſtamm von zwei Yöwen gehalten. —
Quellennachweiſe und Anmerkungen, 827
Georg Ulrider, 1529-1539: Pomona mit dem Füllhorn, auch mit der Legende:
Cornu copiae — Nik. Wyriot, 1573 —1581: ein Greif auf der Glückskugel. —
Yaz. Zegner, 1591 — 1620: Büfte der Minerva auf einer Quader mit der In
ihrift: Scientia immutabilis.
Tübingen. Thom, Anshelm, |. Hagenau. — Georg Gruppenbach, 1587: das
Gotteslamm.
Wien Lukas Alantſee, 1505 -1523, ſ. Straßburg. — Joh. Carbo (Hanns
Khol, 1548 -1552: durch Kränze verbunden rechts das öſterreichiſche Bindenſchild,
links ein Schild mit Schrägballen, auf welchem das Flugwerk eines Pfeils. —
Stephan Creutzer, 1572 — 1594: die Steinigung des heil. Stephanus. — Blaſius
Eber, 151-1575: Baum mit Schlangen, welche Spruchbänder halten: Estote
prudentes et simplices. Vergl. Froben, ©. 248. — oh. Bapt. Hacque, 1663 —
1678: von einer Hand gedrehte Spindel mit der Tevife: Ingenio et virib(us). —
David Hault, um 1650 und 1657: vom einer Schlange umringt das Monogramm,
aus dem eine Hausmarke mit zwei Ähren herauswächſt, Devife: Aeternitas. —
Haph. Hofhalter (Skrzeluskt), 1556 — 1563: ein umfriedeter Apfelbaum, an dem fich
ein Weinftod aufrankt, am Fuße desielben: Spes, als Umfchrift der PBentameter:
Omnia spe florent prospiciente Deo. — Jeſuitendruckerei, 1559 — 1565: IH S
in einem Strahlenfrange, Umichrift: Societas Jesu, auch mit dem Namen Jelus
in lateinischen, griechiichen, hebräiichen und fyriichen Charakteren. — Nicol. Pierius
(Bierer), 1589 — 1603: die Wiſſenſchaft als Königin, auf der Bruft die Ägis, die
Linfe auf ein Buch geftüßt. -- Koh. Syngrenius (Zingriener), 1510 — 1545: Heiner
Schild mit Monogrammt, auch größer und von den iymboliichen Thieren umgeben. -
Hieronymus Vietor, 1510 — 131: Schild mit dem aus den Initialen und einem
Kreuz gebildeten Monogramm. — Bet. Baul Vivian, 1676— 1683: Phönix mit dem
Spruchbande: Neseit occasum. — Joh. Winterburg (Winterburger), 142 —1519;
ein abwärts gewandter Pfeil von einer Schlange ummunden, darüber ein fateiniiches
Kreuz, zu den Seiten die Initialen. — Mich. Zimmermann, 1553 — 1565: deſſen
Wappen, und zwar das ältere, geiparrter Schild mit Kleeblatt im mittlern und je
einem Stern in den äußern Feldern, und das jpätere, im welchem das Kleeblatt
durch einen Löwen erſetzt it.
Wittenberg. oh. Erato Kraft), 1540 —1577: Schild mit Monogramnmı,
jpäter: die Dreieinigfeit. — Joh. Grünenberg, 1509 —1522: bewachjener Berg und
die Initialen. — Koh. Lufft, 1525 — 1584: ein Schwert von zwei Händen gehalten
und von zwei Schlangen umringelt, an der Spite desfelben ein Herz. — Georg
Rhau Mhamı, 1520 — 1548: ein Schild mit dem von einer Schlange umwundenen
Kreuz, in einer Titelumrahmung von 2. Cranach. Auch Arion auf dem Delphin. —
Sam. Selfiih: Samuel jalbt David, dabei ein aus Pfeil und S gebildetes Mono
gramm, welches auch auf Gabriel Schnellbolz gedeutet wird,
Zürich. Chr. Froſchauer, ſ. S. 248, — Andr. Gehner, 1535 — 1560: Schild
mit Monogramm, darüber Totenkopf und Sanduhr, das Ganze von Schlangen um—
ringelt.
54) Yippmann, Der italienische Holzſchnitt. Berge. Anm. 37.
5) Auf die, namentlich von Silveitre für Frankreich und die Niederlande in
ſehr großer Zahl geſammelten, Buchdruder- und Verlegerzeichen in andern Ländern
828 Quellennachweiſe und Anmerkungen.
iſt hier nicht näher einzugehen. Nur die Signete einiger der berühmteſten Firmen
und ſolcher mit deutichen Namen mögen erwähnt werden.
Aldus Manntius in Benedig führte einen Anker, um den jich ein Delphin
windet; er beklagte ſich, daß ihm alles, jogar das Signet, nachgemacht werde, und
in der That finden wir noch bei einem parijer Druder im 17. Jahrhundert, Rob.
Coulombel, das Zeichen des Aldus. Die Giunta bedienten fi der Yilie von
Florenz, auch in ihrer Niederlafiung zu Lyon, und auch dieies Symbol fand den
Beifall verichiedener Nahahmer. — Gabriel Giolito de Ferrari in Venedig, um
1556: aus einer mit den Jmitialen bezeichneten Vaſe jteigen Flammen auf, über
denen Phönix und Spruchbänder mit De la mia morte eterna vita i vivo md:
Semper eadem.
Wolfgang Hopyl in Paris, 1459 — 1517: ein von zwei Bären gehaltener Schild
mit einer Eiche, einem Kranich und dem Monogramm, darum reiches gotiiches
Blatt: und Blumenwerk, Umſchrift: Venus munere vivit ete. Auch zwei große
durch Wetten verbundene Reifen von Adlern gehalten, über dem obern eine Krone. —
Yıdwig Horncken in Paris, 1511 -1512, der Aflocid Gottfried Hittorps in Röln,
von 1513 bis 1525 in Leipzig: das Wappen Kölns von Löwe und Greif achalten,
auf zwei Sprucdhbändern: O felix Colonia und Lodovievs Hornken. — Thiel
man Nerver in Paris, 1497— 1522: Schild mit Monogramm und Hausmarke ven
einem oder zwei Einhornen gehalten. — Jacques Kerver in Paris, 15955 — 158:
Monogrammihild an einem Poftament, auf welchem eine Ähre zwiichen zwei Häh
nen; auch ein Einhorn mit Schild. — Georg Mittelhus in Baris, 1184 - Im:
Herz mit Kreuz und Monogramm. — Berthold Hembolt in Paris, 1491-- 118:
zwei Knappen halten einen Flammenſtern, reiche Vegetation, Unterichrift: Berthul-
dus R.; aud eine Monogrammicheibe, aus welcher das Jupiterzeichen empor—
wächſt. — Konrad Reih in Paris, 1518—1523: von zwei Traden gehaltener
Schild mit dem Bajeljtab. — Dasjelbe Wappen von einem Bajilisfen gehalten hat
P. Bouchier in Bourges. — Geoffroy Tory in Paris, 1525 — 1550: eine zer-
brochene Vaſe auf einem Buche ftehend, Devife: Non plus. Dieſes Signet findet
ji) in den mannigfachiten Kompofitionen. — Georg Wolf in Paris, 1489 — Lam:
die Buchitaben des Familiennamens in einem & (gotiich), aus welchen ein geometri
iches Zeichen auffteigt. Gebrüder Bering in Yyon, 1545 —1552: zwei verichränfte
Hände, die einen Fingerring halten, in letztern: Bona fide; auch ohne die Hände
und mit: Sine fraude. — Johannes Clein, genannt Schwab, in Lyon, 1478-
1519: Schild mit Monogramm und Doppelfreuz von zwei Löwen gehalten. —
Mathias Husz in Lyon, 147871 — 1506: Schild mit Monogramm von einem wil
den Mann und einer wilden Frau gehalten, gotiiches Blattwerf, — Jehan Trechſel
in Lyon, 1488— 1498: jchwarze Tafel mit den Juitialen in einem Kreiſe mit Dop
pelfreuz. — Nicolas Wolf in Lyon, 1498 —1512: ſchwarze Tafel, worauf weih ein
herzförmiger Schild mit den Initialen.
Chriſtoph Plantin in Antwerpen bediente jih am häufigiten und in vielfachen
Kombinationen des Zirfels mit der Devije: Labore et constantia; doc fommt
auch ein Weinftod mit dem Spruchbande: Christus vera vitis vor, ferner ein
Baum, deilen Waſſerzweige ein Mann fappt, mit dem Herameter: Exerce imperia
et ramos compesce Huentes,. — Ludwig I. Eljevier in Leyden, 1583 — 1617: ein
Quellennachweiſe und Anmerkungen. 829
Adler mit dem Pfeilbündel und Spruchband: Concordia res parvae ereseunt. —
Bonaventura und Abr. Eljevier in Lenden, 17. Jahrhundert: Rebe um einen Baunt-
ſtamm gewunden, Deviie: Non solus. — Daniel Eljevier in Amfterdam, 1654
1680: Minerva unter einem Baume, Spruchband: Ne extra oleas.
Joh. Roſembach in Barcelona, 1495 — 1498, in Tarragona 1499, in Berpignan
1500, dann abermals in Barcelona: ſchwarze Tafel mit den Initialen und drei
Sternen.
56 Vergl. ©. 224.
57) Thanfing und Folk, Tas goldene Buch von Prüm in: „Mittheitungen
des k. k. Inſtit. f. öſterr. Geſchichtsforſchung“. 1. 1. Heft. Innsbrud 1879. Dajelbit
ein Abdrud von der vordern Platte. Abbildungen beider Dedet bei Aus'm Weerth,
Kunſtdenkmäler des chriftl. Mittelalters in d. Nheinlanden. I, 61: Nambour,
Beiträge 3. Kunitgeich. d. M. A., T. 4,5: Chr. W. Schmidt, Kirchenmöbel und
Utenfilien, T. 17. >») Wattenbad a. a. D. ©. NT fa. 12. Aufl. ©. 109.
ss), Hahn, Das Psalterium Aureum von Sanct Ballen. St. Ballen 1878,
S. 25. o) Wattenbad a. a. O. S. 220 fg.
sc Wattenbadh a. a. O. S. 22,
2) Abbild. Anzeiger des Germ. Muſeums 1884. Nr. 6, T,
3, Wattenbadh a. a. O. ©. 227, Anm. 6. — Cundall, On bookbindings
ancient and modern. London 1881. S. 23.
6) Monuments incdits. 2. Ed. London 18614,
Wattenbadh a. a. O. ©. 222 fa.
“Ma O. ©. 27.
7) Burdhardt, Kultur der Renaiſſance. 3. Aufl. 1, 259.
68) Le Roux de Liney. Recherches sur Jean Grolier, sur sa vie et
sa bibliotheque. Paris 18606.
6) HDD verichränft und cin Halbmond oder drei verichränfte Halbmonde,
die häufig auf franzöfiichen Einbänden aus diefer Zeit zu Sehen find, werden auf
Henri deur und Diana von Poitiers gedeutet, H und € verichränft auf Henri deur
und Gatharine Medicis, doch jind die Erflärungen diefer auch in der Dekoration
des Schlofies Anet, auf TCiron-Gefäßen und anderweitig vortommenden Monogrammte
nicht ganz jichergeftellt. Vergl. über franzöfiiche Buchbindung: Marius Michel.
La reliure francaise. Paris 1880,
0) Steche, Zur Gejchichte des Bucheinbands. Dresden 1877.
71 Die berühmten Gefäße von Diron Henri deny) find in ganz ähnlicher
Weiſe deforiert, wie die Einbände Groliers, ımd, wie H. Macht nachgewieſen hat,
mit Benutzung von Buchbinderjtanzen entjtanden; unter den Perſonen, welche aller
Wahricheinfichfeit nach bei der Herftellung der Gefäße mitgewirkt haben, wird auch
der Bibliothefar der Schloßherrin von Diron, Jean Bernart, namıhaft gemacht,
leider aber nicht der Buchbinder. Bergl. Bucher, Die Faiencen von Diron.
Wien 1878,
2) Abbild. Kemper a. a. O. 1858. IV.
3) Abbild. Lempertz a. a. O. 1857. V. 74) A. a. O. ©. 27—33,.
75) Aus der reichhaltigen Litteratur über Buchbindekunſt können außer den be-
reits citierten Werfen noch erwähnt werden:
830 Duellennachtweile und Anmerfungen.
Fritsch, Tractatus de typographis, bibliopolis, chartariis et bibliopegis.
Jena 1675. Dasjelbe deutich, Regensburg 1750. — La Caille, Hist. de l’im-
primerie et de la librairie. Paris 1689. — Baumgarten, Nachrichten von
einer Halliichen Bibliothef, und: Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Halle
1748 — 1758. — Dudin, L’art du relieur doreur de livres. Paris 1712. —
Beyichlag, Beiträge zur Kumftgeichichte von Nördlingen. Nördlingen 1718—
1800, — Dibdin, Bibliotheca Spenceriana. London 1814—1s815. — Teri., A
bibliographiecal ete. tour in France and Germany. london 1821. — Ebert,
Geſchichte und Beichreibung der K. Bibliothef zu Dresden. Yeipzig 1822, —
Peignot, Essai hist. et archtol. sur la reliure des livres ct sur l’etat de
la librairie chez les Anciens. Dijon 1834. — J. A. Arnett (G. Hannett).
Billiopegia or the art of bookbinding. London 1835. — Derj., An inquiry
on the nature and form of the books of the ancients with a history of the
art of bookbinding. London 1837. — Shaw, Eneycelopaedia of ormament.
London 1842. — Cahier et Martin, Melanges d’archtologie. Paris 1147—
1856. — Uahier, Nouveaux melanges d’archcologie. Paris 1877. — La-
eroix et Ser&, Le moyen-äge et la renaissance, Paris 1848-—1851. — La-
eroix et Sere, Le livre d’or des metiers. Paris 1890-184. — Petzholdt,
Urkundl. Nachrichten zur Geich. der ſächſiſchen Bibliothefen. Dresden 1855. —
l,aeroix (le Bibliophile Jacob}, Curiosites de l’histoire des arte. Pari—
I858. — J. et L. Techener, Histoire de la bibliophilie. Reliures ete. Paris
1861 — 1864. — Waring. Masterpieces of industr. art at the internat. ex-
hibition. London 1863, — Labarte, Hist. des arts industr. Paris I1864—
1866; 2, Ausg. Ebd. 1872 fg. — Fournier, L'art de la reliure en France
aux derniers sieeles. Paris 1866. — Die byzantinischen Buchdedel der St. Marcus
Bibliothek in Venedig. Wien 1867, — Valentinelli, Di aleuni legature an-
tiche di eodiei della Marciaua di Venezia. (Atti dell’ Istituto veneto di
scienze ece.) Benedig 1867. — Brade, Illuſtr. Buchbinderbuch. 2. Aufl. von J. R.
Herzog. Xeipzig 1568. — Lacroix, Les arts au moyen-äge et à V’epoque
de la renaissance. Paris 1869. — Julien, Album de reliures artist. et bist.
Paris 1869 — 1872. — Brunet, Etudes sur la reliure des livres. Bordeaux
1873. — Bucheinbände aus der kunſtgewerbl. Ausjtellung in Brag. 1876. — Tooke.
History of the art of bookbinding. (Art Journal.) London 1876. — La re-
liure aneienne et moderne; planches, introduction par G. Brunet. Paris
1878. — Michel, Essai sur la décoration extcr. des livres. Paris 1878. —
Zähnsdorf, The art of bookbinding. London 1880. — Wheatley, Book-
binding, considered as a fine art, mechanical art and manufacture. London
IS80, — Blanc, La reliure. (Gazette des Beaux-Arts. I8&0, Olibr., Novbr. —
Bauer, Handbuch der Buchbinderei. Weimar 1881. — Stodbauer, Abbil
dungen von Muftereinbänden. Leipzig 1881. — Michel, La reliure francaise
commerce. et industr. Paris 1881.
Ferner die offiziellen Berichte über die Induftrieausftellungen jeit 1851, die
Beitihriften: Art pour tous, Das Kunſthandwerk, Kunſt und Gewerbe ꝛc.
Duellennachweiie und Anmerkungen. 831
Fünftes Kapitel.
Der buchhändlerijche Gefchäftsbetrieb bis zur Neformation.
ı) Didot, Firm., Histoire de la Typographie, Paris 1882. ©. 715,
und van der Linde, Gutenberg. ©. 94.
2) Falk, %., Die Druckerkunſt im Dienfte der Kirche. Köln 1879. ©. 8,
u. 9, wo dieje Stelle von Eſſenwein angeführt ift.
3) Didot, Firm.. Alde Manuce. ©. 51, und Typographie ©. 633, Anm.
) Schmidt, E., Zur Beichichte der älteften Bibliotheken in Straßburg. ©. 7
su. 105. — Mayer, Ant, Wiens Buchdrudergeihichte. l, IH.
5) Didot. F.. Alde Manuce. &. 163, und Kirchhoff aa. ©. l, 18.
s, Faulmann, K., Illuſtrirte Gejchichte der Buchdruderfunit. Wien
1882. ©. 90.
7 Schmidt, C. a. a. O. S. 79 u. 80.
5) Zarncke, F. Die deutſchen Univerſitäten im Mittelalter. Leipzig 1857. ©. 60.
») Madden, I. P. A., Lettres d'un Bibliographe. V, 204 u. 205. 214
ıt. 215.
10) Herberger, Th., Zur Geſchichte der Einführung der Buchdruderfunit in
Augsburg. Augsburg 1865. ©. T—1V,
1) Madden a. a. O. V, 240; Kirchhoff a. a. O. II, 32.
12) Archiv für die Geſchichte des deutichen Buchhandels. IV. Yeipzig 1881.
S. 114. (Aufjap von W. Stieda, Zur Gefchichte des Buchhandels in Riga.)
Zeitichrift des Vereins für Lübeckſche Geichichte. TIL, 254. 600,
13) Haje, D., Die Koburger. Kapitel: Gejchäftsbetrieb und Verlag. ©. 21
bis 57 u. 69.
14) Rooses, M.. Christophe Plautin, le Typographe Anversois. An-
vers 1882, ©. 229.
15) Archiv. I, 51, und Soden, Fr. von, Beiträge zur Geſchichte der Refor—
mation. Nürnberg 1855. ©. HT.
16) Franffurter Stadtarchiv. Schreiben und Handlungen der Bücherinjpeftion
zu Frankfurt a M. Meun Bände Mitpt. Folio. I: von 1569 bis 1617, 65 und
»2—93 Ennen, 2, Seihichte der Stadt Köln. V, 376.
17) Schmidt, C., a. a. O. S. 78 u. 7.
18) Meyer, C., Die Buchdruckerkunſt in Augsburg. Augsburg 1840. ©. 20.
19) Claudin, A. Origines de l’Imprimerie à Alhe. ©. 72 fg.
20), van der Lindea. a. D. ©. 94, dem Mendes’ „Typographia Espanola“,
©. 348—368, ald Quelle gedient hat.
21) Archiv, B. IV, Aufſatz von Fr. Teutſch: „Deutiher Buchhandel in
Siebenbürgen”. ©. 12—25.
22) Madden.a. a. O. V, 244. 23) Dajelbit ©. 22.
2) Claudin a. a. O. ©. 67.
35) Kirchhoff, Beiträge. I, 70, und Didot, Alde Manuce. ©. 180.
2) Stadtarchiv Köln, Kopierbuh 50. Fol. 154. Das Schreiben ift datiert:
2.
7,
832 Quellennachweiſe und Anmerkungen.
Der ſtat Baſell, 1519 Nr. 25. Der Verfaſſer verdankt dieſes intereſſante Aften-
ſtück der Güte des kölner Stadtarchivars, Herrn Dr. V. Höhlbauer.
27) Kirchhoff a. a. O. J, 118.
»s) Madden a. a. O. IV, 19 und V, 226.
29 Claudin a. a. O. S. 80.
3», Ennen, L., Katalog der Inkunabeln in der Stadtbibliothef zu Köln.
Köln o. J. ©. XXI.
1) Schmidt, C., a. a. O. S. 85. 32, Derſelbe a. a. O. ©. 79.
3) Derjelbe ©. 140 u. 141,
3) Steiff, 8., Der erite Buchdrud in Tübingen (498-1534. Tübingen
1881. ©. 4.
35) Claudin a. a. O. ©. 45—53. Vermiglioli, G. B. Prineipj della
Stampa in Perugia e suoi Progressi. Perugia 1820. ©. 65 fg.
so) Frommann, Ed., Aufſätze zur Geſchichte des Buchhandels im 16. Jahr
hundert. Xena 1881. IL, 90 fg., bearbeitet nadı Publicae Tabulae foederis initi
inter primos Typographos Mediolani anno 1472 die 4 Junii in: Argelati,
Bibliotheea seriptorum Mediolanensium. Mediolani 1745. J, 447 fg.
37) Didot, F., Alde Manuce. ©. 233 u. 238. 35) Dajelbit ©. 258.
9) Stodmeyer und Reber, Beiträge zur Basler Buchdrudergeichichte. Baſel
1840. ©. 48 u. 49,
40) Leipziger Rats-, Schöppen- und Gerichtsbücher. Nach einen erjt neuer
dings gedrudten Vortrag von A. Kirchhoff.
4) Stinking, H., Georg Tanners Briefe an Bonifacius und Baſilius Amer
bad. Bonn 1879. ©. 22 u. 29.
42) Giraudet, E., Une Association d’Imprimeurs et de Lihraires a Tours.
Tours 1877. ©. 20 u. 50.
Schmidt, E, ©. 45. M Daſelbſt ©. 117. 45) Dajelbit S. H. 124.
4) Boos, H., Thomas uud Felir Platter. Leipzig 1878 ©. 88 u. 8;
Kirchhoff, Beiträge. IL, 20.
) Claudin a. a. O. ©. 5.
48) Augsburger Stadtarchiv Steuerliſten. Archiv für die Geſchichte des
deutſchen Buchhandels: Aufſatz von Kirchhoff L, 23; Aufſatz von Fr. Tenutſch
IV, 22,
4) Nach dem citierten erft jetzt gedrudten Bortrag von A. Kirchhoff.
50) Didot, F., Alde Manuee. S. 114. Die betreffende Stelle lautet im Ori
ginal: „Haec sunt graecorum voluminum nomina quae in Thermis Aldi Ro-
mani Venetiis impressa sunt ad hunc usque diem seu primum octobris MIID
Nam cum quotidie aliquis peteret quinam graeeci libri formis exeusi sint,
ac quanti veneant ad minimum quod vel ipse seire cuperet, vel ad amicos
id eupide efflagitantes mitteret, pertaedebat toties idem seribere oecupa-
tissimum hominem.“
51) Une Visite a la Bibliotheque de l’Universit® de Bäle par un Biblio-
phile Lyonnais. Lyon 1880. &, 41 u. 42,
52) Kirchhoff im Archiv für die Gejchichte des deutjchen Buchhandels. 11,
©. 41 u. 0.
Quellennachweiſe und Anmerkungen. 833
>53) Rooses, Max, Christoph Plantin. S. 254— 256.
>) Stodmeyer und Reber a. a. O. ©. 91 u, 9.
55) Geiger, %., Nenaiflance und Humanismus in Jtalien und PDeutichland.
Berlin 1882. ©. 482.
56) Roth, R., Das Büchergewerbe in Tübingen von 1100 1800. Tübingen
1880. 5. 63, und Steiff, K., Der erſte Buchdrud in Tübingen. ©. 21 u. 22 fg.
>”) Das Chronifon des Konrad Pellikan, herausgegeben von Bernd. Riggen-
bad. Bajel 1877. ©. %.
ss) Didot, F,, Alde Manuce, ©. 414. >) Stintzing a. a. O. © 20,
so) Strauß, D. F., Ulrich von Hutten. Leipzig 1885. Il, 295 u. 296.
sı) Zeltner, G. G., Kurzgefaßte Hiſtorie der gedruckten Bibelverſion und
anderer Schriften D. Mart. Lutheri. Nürnberg und Altdorf 1727. ©. 37, Anm. k,
s) Schmidt, C., a. a. O. S. 118. 63) Chronikon Pellikans. ©. 107,
6 Soden a. a. O. S. 14. 65) Kirchhoff a. a. ©. II, 111,
6) Herzog, I. Z., Leben des Ofolampadius. Baſel 1843. Anm. ©. 256.
6) Stinging a. a. O. ©. 29.
63) Kirchhoff, Beiträge. IL, 110—112.
69) Derſ. im Archiv f. Geichichte d. deutichen Buchhandels. IX, 33.
0) Ballmann, Heinrih, Sigmund Feyerabend. Frankfurt a. M. 1881.
5. 2, 8, 31.
zu) Meyers Promptuarium im Archiv der Stadt Zürich, und: Virorum cla-
rorum et doetorum ad Melch. Goldastum Epistolae, Francof. et Spirae 1688,
S. 137, 147. 162. 216. 362, 374. 406 u. 407,
72 Stieve, F. Über die älteften halbjährigen Zeitungen oder Mefrelationen
und insbejondere über deren Begründer Freiherrn Michael von Wiging. München
1881. ©. 24.
3) Jubiläumszeitung des Hamburgiichen Korreipondenten. 1880,
74) Die hier angeführten Fälle finden jih in: C. Schmidt a. a. D. ©, 81
u. 140; Bellifan a. a. ©. S. 27 u. 75; Sale a. a. O. ©. 40; Steiff a. a. O.
>. 76; Kirchhoff a. a. O. ©. 70; Glarean an Zwingli unterm 1. November
1520; Kirchhoff im Archiv. I, 49; Stodmeyer und Reber a. a. D. ©. 39; Hagen, K.,
Deutfchlands litterarische und religiöfe Berhältniffe. Erlangen 1841. S. 417; Didot,
Alde Manuce. ©. 303 u. 331; fowie Geiger, L., Johann Reudlin. Sein Leben
und feine Werke. Leipzig 1871. ©. 68—T4. 132,
5) Hain, L., Repertoriam Bibliographicum. Stuttgart 1831—1837, III,
23T 20,
6) Daſelbſt III, 119—124. 7) Daſelbſt IV, 507—511.
5) Falk, F., Die Drudkunft im Dienfte der Kirche. ©. 30. SO—8.
9, 104— 107.
9») Madden a. a. D. V, 20%. so) Dajelbit V, 210,
sı) Kobergers Bedeutung als Buchhändler it durch Oskar Hajes vortrefi-
liche Schrift: „Die Koburger, Buchhändlerfamilie zu Nürnberg“ der Mitwelt wie-
der vor die Augen geführt worden. Der Verfaſſer des vorliegenden Werkes ver-
dankte der Güte des Dr. %. Sieber, Oberbibliothefars in Baſel, die erfte Ein-
fiht in die im Archiv dieſer Stadt anfbewahrte Sammlung von 123 Briefen,
app. 1. 53
— — —
834 Duellennachweife und Anmerkungen,
welche die Herjtellung des erwähnten großen, auf Kobergers Koſten von Amerbadı
und Petri gedrudten Werkes beiprechen und, wenn auch ımvollitändig erhalten,
doch einen jelten reihen Schaß von authentischen Thatjachen über die damalige
Buchdruder- und Verlagsthätigkeit in jich bergen. Dr. Haje, vom Verfaſſer dar:
auf aufmerfiam gemacht, hatte diplomatiich genaue Abjchriften dieſer Briefe von Dr.
Sieber erhalten und diejelben — als Anhang zur zweiten, während des Druds
diefes Bandes erichienenen zweiten Auflage feines Werkes beſtimmt — bereits 188]
feßen laſſen.“ Diejer Abdruck bildet auch die Grundlage für die Darftellung im Terte.
Sechſtes Kapitel.
Der Buchhandel im Berhältnis zum Humanismus.
ı) Burdhardt, J., Die Kultur der Renailfance in Stalien. 3. Auflage
von 2. Geiger. Leipzig 1877. I, 220,
2) Geiger, 2, Renaifiance und Humanismus in Italien und Deutichland.
Berlin 1882. ©. 323 fg.; Neuere Schriften zur Geichichte des Humanismus von
demjelben, in Sybels Hiftorischer Zeitichrift. XXXIII, 49—125, und Johann Reuchlin,
Sein Leben und jeine Werke von demjelben. Leipzig 1871.
3) Mayer, A., Wiens Buchdrudergeihichte. Wien 1883. J, 161.
4) Mayer a. a. O. ©. 21.
5) Geiger, Renaiſſanee und Humanismus. ©. 528,
6) Geiger a. a. O. ©. 537-599.
?) Didot, F., Alde Manuce, S. 220, ®) Kampichultea.a. O. I, 236.
s Horamig, Zur Biographie Reuchlins. ©. 68.
10) Bajeler Taſchenbuch von echter. 11. Jahrgang. ©. 174 u. 187.
11) Kampſchulte a. a. O. I, 82. Didot a. a. D. ©. 2m.
12) Horamwiß, Der Humanismus in Schwaben. ©. 23,
3) Didot aa. D. ©. 29.
1) Schück, J., Aldus Manutius und jeine Zeitgenofjen in Italien und Deutich
land. Berlin 1862. ©. 82.
15) Didot a. a. O. ©. 331. 16), Didot a. a. ©. 180,
17) Didot a. a. O. ©. 240. 241. 18) Didot a. a. O. ©. 2%.
19) Steiff, K., Der erfte Buchdrud in Tübingen. Tübingen 1881. S. 106.
20) Hor awitz, Erasmiana. II, 30.
21) Horamwiß, Humanismus in Schwaben. ©. 58.
22) Kampſchulte a. a. D. I, 2583. 257. 23) Dajelbit I, 64.
24) Strauß, Ulrich von Hutten. I, 289. 2), Steiff a. a. O. S. m.
26) Daſelbſt S. 218. ar) Strauß a. a. O. Jl, 235. 25) Dajelbft I, 237.
Quellennachweiſe und Anmerkungen. 835
Siebentes Kapitel.
Luther. (Der Buchhandel und die Reformation.)
ı) Herzog, 3. J. Das Leben Johann Öfolampads. Baſel 1843. I, 80.
*ı Yuthers Werke. Kritiſche Sefamtausgabe. Weimar. I, 1883. II, 1885,
3) Zwinglii opera; eur. M. Schuler et J. Schulthess. Vol. VIH. Turiei
1830. p. 61.
ı) Agrippae a Netterheim, Corn., opera. 1, 748.
>) Teutſch, F., im Archiv f. Geſchichte des deutichen Buchh. IV, 24.
6) Petzholdts Anzeiger f. Bibliographie u. Bibliothekswiſſenſchaft. 1882. ©. 59.
7) Une visite ete. p. #2. s, Dafelbit ©. #3.
Soden a. a. O. ©. 75. 123. 127. 142.
ı0) Kampſchulte a. a. O. IL, 4.
n) Dobel, F., Memmingen im Reformationgzeitalter. Augsburg 1877.
©. 2—31.
12) Hagen, K., Deutichlands religiöfe und litterariiche Verhältniffe im Re—
formationgzeitalter. Erlangen 1841—1844. II, 159.
13) Soden a. a. D. ©. 170, 1) Kampſchulte a. a. O. II, 19.
15) Grenzboten 1878. Nr. 34. ©. 281-301.
16) Kirchhoff im Ardiv. I, 20. 2) Soden a. a. D. ©. 202. 209.
ıs) Wiedemann, T., Die kirchliche Büchercenſur in der Erzdiözefe Wien.
Wien 1873. L, 31.
is) Baumann, F. L., Alten zur Geichichte des Bauernfrieges in Ober:
Schwaben. Freiburg 1877. ©. 58. 144. 41. 616,
20) Sodena. aD. ©. 22-204. 21) Wiedemann a. a. D. I, 50.
22) Fechner, H., Bier jeltene Schriften des 16. Jahrhunderts. Berlin 1882,
23) Scherr, %., Geichichte der deutichen Litteratur. ©. 29%. j
Achtes Kapitel.
Die franffurter Meſſe.
ı) Wattenbach, W., Das Schriftwefen des Mittelalters. 2. Aufl. Leipzig
1875. ©. 416,
2) Schmidt, E., a. a. O. ©. 155.
3) Ballmann, 9. im Arhiv IX, 240. 241.
ı) Schmidt, C. a. a. O. ©. 81. ») Steiffa. a. O. S. 13. 14.
6) Archiv f. d. Geſchichte d. deutichen Buchhandels. IL, 50. 60.
7) Dajelbjt IV, 215. #) Dajelbit IL, 58. 59. 9) Dajelbjt II, bl.
10) Kirchhoff, Beiträge. Il, 148.
53 *
836 Quellenuachweiie und Anmerkungen,
11) Tychſen, Gejchichte der Univerfitätsbibliothef in Roftod. Rojtod 17%. 2.2.
22) Schmidt, E., a. a. O. S. 172. 182. 191.
ı3) Willems, A., Les Elzevier. Bruxelles 1880. S. XLVU.
14) Schott, Th., im Archiv UI, 214— 251.
15) (Bögelin,) Ehriftoph Frofchauer, erfter berühmter Buchdruder in Zürich.
Züri 1840. ©. >.
16, Shumader, A., Gelehrter Männer Briefe an die Könige in Dänemart,
vom Jahre 1522 bis 1665. 1. Tl. Kopenhagen 1758. S. 201.
17) Archiv. IL, 57. 18) Dajelbjt IX, 97.
13; Ballmann, D., Ein Meßregiſter Sigismund Feyerabends aus dem Jahre
1565, im Archiv. IX, 5—46, und Bemerkung von W. Kirchhoff dazu S. 242. 249.
20) Archiv II. 38. 21) Dajelbit VIII, 41—43. 2) Dajelbjt VI, 269. 36.
3) Dajelbit II, 62.
24) Nach Ercerpten U. Kirchhoffs aus dem leipziger Stadtarchiv. In der
Bibliothef des Börfjenvereins.
3) Ardiv VI, 112. 26) Dajelbjt II, H7—62.
27) Das Driginal befindet ſich jegt durch die Liberalität des Herrn Kom
miffionsrat H. Klemm in Dresden in der Bibliothef des Börſenvereins der deu
ſchen Buchhändler.
28) Archiv II, 48. 51. >.
29) Über die Mefkataloge überhaupt vergl. Guſt. Schwetichfe, Codex nundima-
rius Germaniae literatae bisecularis. alle 1850. Fol.
30) Archiv VII, 84. 1) Dafelbft VI, 74.
32) Der Titel diejes erjten Meffatalogs lautet: Novorum librorun, quos
nundinae autumnales, Francoforti anno 1564 celebratae, venales exhibuerunt.
Catalogus. Adexterorum Bibliopolarum, omniumque rei Literariae Studio-
sorum gratiam et usum coëmpti, & venales expositi: Augustae in offieina
libraria Georgij Vvilleri, eivis & Bibliopolae Augustani. Inserti sunt his
nonnulli, ijdemque perpauci vetustioris editionis libri, ob raram eorum &
insignem utilitatem commendabiles & iam multoties a doctis viris expetiti.
Anno a salutifero Virginis partu, M. D. LXIIII. (19 Seiten 4.) Eins der be
fannten 4 Eremplare diejes Katalogs bejibt die Bibliothet des Börjenvereins der
deutſchen Buchhändler in Leipzig, deren Sammlung von Meflatalogen wohl die
bis jegt vollſtändigſte jein dürfte.
s) Ballmann, 9., Sigismund Feyerabend. ©. 82.
») Schwetſchke aa. O. 5. XV.
35) Vergl. den betreffenden Bericht des Syndikus Dr. Kaſpar Schacher bei
Schwetſchle ©. KV—XVI.
s) Ballmann a. a. O. S. 86.
37) Index novus librorum in primis eatholicorum theologorum, tum
aliorum quoque celebriorum auctorum quarumque facultatum & linguarum.
causas religionis tamen non tractantium. Qui in isto semestre undecunque
vel omninö novi, vel denuo Forma, seu Loco, à prioribus editionib. diversi.
vel accessione aliqua locupletiores, in lucem prodierunt, pro Italia, Hıs-
pania, lIaponia, Francia, Polonia, Hungaria, Bohemia, Ke. aliisque Catholieis
Duellennachweife und Anmerkungen. 837
Regnis & Provinciis recens confeetus: Mandato speciali S. Sedis Apost. &
Sacrae Caes. Maiest. Impressus Moguntiae apud Balthasarum Lippium,
Anno Christi M.DC.XI 34 Seiten 4., die lebten 4 Seiten ein alphabetiiches
Namenregiſter der Autoren enthaltend. (In der Bibliothek des Börjenvereins der
deutichen Buchhändler.)
38) Index autumnalis librorum (u. ſ. f. wie vorstehend, bis tractantium). Qui
a tempore vernali usque ad hoc autumnale, Anni Christi 1615 undecumque
vel omnino novi, vel denuö forma seu loco à prioribus editionibus diversi,
vel accessione aliqua locupletiores prodierunt: ad commodum Reipub.
Christianae, et pleraramque Provineiarum utilitatem confeetus. Mandato
speeiali Superiorum. Impressus Francoforti apud Wolfigangum Richterum.
M.DC.XV. 19 Bl. 4.
3) Schwetſchke a. a. O. ©. XIX.
40) Catalogus. Hoc est designatio omnium librorum qui hisce nundinis
et sequentibus in nova Offieina Henriei Kröneri prostabunt. (4 Seiten 4.
In der Bibliothek des Börſenvereins der deutſchen Buchhändler.)
a) Schwetſchke a. a D. S. XX, Anm. 23,
2) Beide Ausgaben in der Bibliothek des Börfenvereins, Über Näheres vergl.
Arhiv IX, 24-250.
3 Kirchhoff, U, Die Anfänge des leipziger Meßkatalogs. (Archiv VII,
101—122.) Derfelbe, Weiteres über die Anfänge bes leipziger Meßkatalogs.
(Archiv VII, 22—27,)
4) Archiv IX, 171. 96.
#5) Die Gebrüder Johann und Heinrich Stern in Lüneburg fagen in einer
Eingabe an den Herzog von Braunjchtweig vom 29. Auli 1637, daß fie fih „alß
ehrliche handelsfeuthe, ohne Ruhm, Gott zu ehren, vndt dem Evangelifchen weſen
zu Dienjt, der Kunjt Drüderey bejliegen“, und in einer frühern vom 16. Februar
1630: „Weiln nun gleihwol einmahl gewiß, das wir, ohne vppigen rhumb zu—
melden, alle vnſer vermögen auff die Buchtrüderei gewandt, alles auff guet Papir,
in bequemer form, gar correct, mit offt vmbgegoßen, vnd verenderten jcharffen
Typis, zu Mennigliches satisfaction, leſerlich, vnd ſchön trüden Taken, auch dar-
bei mit ungeziemender vnChriftlicher vberfegung vnſers negften, vnſere vnuerandt⸗
tworttliche zugenge nicht, jondern vielmehr aus Ehriftfiher Deuotion, und Tiebe der
Kirchen, Schulen, vnd des gangen Euangelifchen weſens nuß, vnd frommen geſuchet,
und, vnſerm jchlechten, geringen vermögen nad, vortgeftellet, Inmaßen wir dan
ſolche vnſere Ehriftliche jntention, noch vmb fo viel defto mehr öffentlich zu con-
testiren, die vnß biß anhero häuffig angeftalte Politiiche Bücher, die vnß fünften,
gleichſamb unter den henden, wol hetten wegfgerißen, vnd wir vnß dadurch inner-
halb kurtzer Zeitt nicht weniger alß andere gethan, mit ehren, vnd guetem titul],
bereichen können.“ (Archiv VIIL, 68.)
46) Archiv 1, 83. #7) Daſelbſt VIII, 69. 43) Dajelbft IX, 171.
4) Daſelbſt I, 82. 50) Kirchhoff, Beiträge. II, 126.
51) Archiv VIII, 67. 69. 73. 52) Dafelbft VIII, 66— 73.
53) Dajelbft VIII, 88.
>54) Rooses, M., Christophe Plantin. imprimeur anversois. Anvers 1882,
838 Quellennachweiſe und Anmerkungen.
5) Willems, A., Les Elzevier. Bruxelles 1880. p. X—XIL
56) Daſelbſt S. XLVI—XLVII. 57) Daſelbſt S. CXXXIX.
380) Daſelbſt S. CLVIII. 53) Daſelbſt S. CLXXXII.
6) Daſelbſt S. LI. 61) Daſelbſt S. (XVIII.
62) Daſelbſt S. LXXIII. LXXIV. 3) Daſelbſt S. CCXLVI. CC. LL
Neuntes Kapitel.
Die Büchercenfur uud die Preßverfolgungen.
1) Zeller, Philoſophie der Griechen. I, 4. Aufl. ©. 946.
2) Annales. IV, 34. 35.
3) Kichhoff, Beiträge, I, 42. Ennen, %., Katalog der Inkunabeln der
Stabtbibliothef zu Köln. ©. XXII.
) Rapp, &, IL, 48.
5) Ranke, 2. von, Deutſche Geſchichte im Zeitalter der Reformation. 1, 38.
6) Bawel, %., Die litterarifchen Reformen des 18. Jahrhunderts in Wien.
Wien 1581. ©. 19,
7) Wiedemann a. a. O. ©. 4.
8) Schloffar, A., Grager Buchdrud und Buchhandel im 16. Jahrhundert.
Im Archiv IV, 62-68.
9) Archiv IX, 148.
ww) Heigel, 8. Th., Cenfur in Altbayern. Jm Archiv II, 6—10,
ı1) Geſchichte der älteiten Bibliotheken und eriten Druder in Strahburg.
©. 86 fg.
12) Soden a. a. D. ©. 24. 13) Dafelbft ©. 278. 14) Archiv IV, 251.
15) Meyer, F. L., Die Buchdruderkunft in Augsburg bei ihrem Entjtehen.
Augsburg 1840. ©. 73,
16) Dajelbit S. 79. 17) Mitgeteilt im Archiv IX, 238 fg. —
15) Roth, R., Das Büchergewerbe in Tübingen vom Jahre 15000 180.
Tübingen 1880, 8. Steiff, Der erfte Buchdrud in Tübingen (1498— 1534.
Tübingen 1881.
19) Archiv II, 242. 249.
20) Kirchhoff, A., Beitrag zur Geſchichte der Entwidelung der Cenſurver
hältniffe. Im Archiv V, 165 fg.
21) Zum Gedächtniß der vierten Säcularfeier der Erfindung der Buchdruder
funft zu Heidelberg am 24. Junius 1840, Heidelberg 1840. ©. 78. 79.
22) Kirchhoff, A., Johann Herrgott, Buchführer von Nürnberg, und jein
tragiiches Ende 1527. Im Archiv I, 15-55.
23) Die Darftellung der ſächſiſchen, ipeziell der Leipziger Cenſurverhältniſſe
gründet ſich faſt ausſchließlich auf die Mitteilungen von A. Kirchhoff im Archiv,
vor allem auf deilen „Die kurſächſiſche Bücher Kommiſſion in Leipzig. I. Bis zum
Abſchluß ihrer Organijation“. (IX, 47—176.)
Quellennachweiſe und Anmerkungen. 839
24) Archiv VIII, 104 fg.
»5) Kirchhoff, A, Beiträge zur Geſchichte der Preßmaßregelungen und des
Berfehrs auf den Büchermeſſen im 16. und 17. Jahrhundert. Im Archiv I, 33 fg.
26) (Günther, €. F.,) Commentatio de fatis libelli Carpzoviani, eui
inseribitur: Peinlicher Inquiſitions- und Achtsprozeß caet. Leipzig 1850.
Programm.)
27) Archiv IX, 142 fg. 25) Archiv IX, 242.
29) Forordning om Danste Böger ſom paa fremmede Steder tryckis oc her
vdi Riget indföris. Slot Schanderborg, 23. Januarij, Anno 1617. (In der
Bibliothek des Börfenvereins der deutichen Buchhändler.)
30) Archiv VIL, 267. 268.
Zehntes Kapitel.
Die fraukfurter Bücherkommiſſion.
11Häußer, L., Geſchichte des Zeitalters der Reformation. Berlin 1868,
S. 478.
2) Die ganze Darſtellung in dieſem Kapitel beruht faſt ausſchließlich auf den
Alten des frankfurter, wiener und zum Teil des dresdener Archivs.
3) Auch bei Kirchhoff im Archiv IV, 105 fg.
) Stinping a. a. O. 1, 333.
3) Vergl. Kirchhoff, Ein Neformveriuc aus dem Jahre 1668, (Archiv I, 78
ig. und Archiv VIIL, 76— TA.)
6) Archiv IV, 161.
7) Bergt. auch: Kirchhoff, Ein „Localverein“ im 17. Jahrhundert. Frankfurt
am Main 1669. (Archiv IV, 151—161.)
») Verboten war den Juden der Handel mit Büchern nicht. Sie hatten die
nen auflonmende Waare ebenfo in ihren Geichäftskreis gezogen, wie die chriftlichen
Raufleute, und wie aus dieſen, entwidelten jich nad) und nach aus den mit Büchern
handelnden Juden auch jüdiihe Buchhändler. Gab es doc ſogar jüdiiche Buch-
drudereien; eine in Ols bejtchende wurde 1536 durch Sturm verwüfte. Speziell
in Frankfurt, von dem hier hauptſächlich die Rede ift, finden ſich mehrfach jüdische
Buchhändler. So lieh der Jude Simon zum Gembs in den Jahren 1578 fg. bei
Ambrofius Froben in Bafel den Talmud druden, wie es jcheint jogar als Ber:
treter einer jüdiſchen Verlagsgenoſſenſchaft. (Vergl. 9. Pallmann, Ambrojius
Froben von Bafel als Druder des Talmud. Im Archiv VIII, 4—61.) — In
der Natur der Sache lag es, daß die jüdiichen Buchhändler ſich auf Verlag und
Bertrieb jüdifcher Pitteratur legten, für die fie ja bei ihren Glaubensgenofien ein
fruchtbares Feld der Thätigfeit fanden. Erft nach längerer Zeit jcheinen ſie ſich
auch mit andern Zweigen der Litteratur befaßt zu haben. In Frankfurt war es
1614 den Juden ausdrüdlic; verboten worden, mit eingebundenen Büchern zu
handeln — implicite ein Beweis, daß ihnen der Buchhandel an fich nicht verboten
840 Duellennachweije und Anmerkungen.
fein konnte. Mber mit der Zeit jcheint dieſe Beltimmung, jedenfalls aud wegen
Seldbedürftigfeit mancher chriftlichen Buchhändler, in Vergeſſenheit geraten zu jein,
und auch die im Terte erwähnten Klagen dürften vorläufig feinen Erfolg gehabt
haben. Erit lange nachher, am 19. September 1686, richteten die franffurter
Buchhändler eine Eingabe an das Bücherfommiflariat, worin fie die Urjachen der
eingerifienen Übelftände folgendermaßen darftellen. „Die Practiquen aber Vnd
verbotten Weg“, heit e3 darin, „Durch welche die Juden jo hoch geitiegen, beitchen
vornemlich darinn, daß Sie dürfftige Druckgeſellen vnnd Jungen dahin bereden und
verführen, dab Sie verbottenerweiß Ahnen bey auflegung der Bücher einen jchr
großen nachſchuß auff 200 biß 300 Exemplaria Thuen lajjen, und weil Sie jolche
wohlfeil haben und weith geringer geben fünnen alß der Verleger, jo wird ſolcher
in jehr großen Schaden gejezet, ia wohl gar ruiniret. 2) jo willen Sie der Buch:
händler Gefinde zu verleithen, daß Sie viel Bücher Jhren Herrn entwenden, und
Ihnen den Juden vmb ein geringes zu bringen, und weil Sie ſolche wieder ver-
fauffen, jo wächſet dehnen Buchhändlern gedoppelter Schaden Zue. 3) verleithen
Sie verarmbte Buchführer, daß Sie auf eredit ziembliche anzahl Bücher ben an
dern Buchhändlern nehmen, jo jie den Juden ſehr wohlfeil wieder zujchlagen, Jene
aber betrügen, 4) weilen jehr Biel von denen Buchhändlern Vnnd Drudhern, ben
ichlechten Mitteln jeind, Vnnd geld bedürfen, jo müßen Sie den Juden 40 biß
50 pro Cento geben, wie Sie dann dergleichen Interesse abzuführen nicht ver
mögen, jo befommen Sie nody Vber dißes dero Bücher vor ein jpott, oder obli-
giren Sie dahin, daß Sie Sie unter der Spedition Ihres Nahmens Jhr ohn und
Privilegirte Bücher Drudhen laßen müßen, wordurch Sie zu gleih Kayſerliche
Privilegia mißbrauchen, dero genuß Ihnen alfo Verbottener weil; zu wächſt. Ja
Sie vnterſtehen ſich heimblidh große und importaute Bücher mit fälihlih auf-
trudung des Kaykerlichen Adlers und Brivilegien nadı zu Truckhen und auf Zu—
fegen, welche über diß Sich ſehr vitios befinden, der geftalt daß mehrmahlen der
ganze Sensus turbiret und eorrumpiret ift, und Zwar jolde Bücher, woran dem
ganzen Römiſchen Reich viel gelegen, daß ſolche wohl und recht corrigiret wer-
den mögen. Bey andern nach Trudhen aber, behalten Sie je zu weihlen die
alten Jahr Zahlen und jezen daß auf ſolche Zeit ertheilte Brivilegium mit bey, wie
mit etlichen Topographieen, Hornaei Ethica, Josaei Medulla und andern mehr
beihehn wordurch das Kayſ. Commissariat nicht wenig defraudirt und die Kani.
Privilegia mißbraucht werden.” Beranlaffung zu diefer Eingabe gaben die damals
wieder einmal auftauchenden Klagen über den Verfall des Buchhandels, die nächte
vielleicht eine Bittichrift der Frankfurter Bücher Juden, wie fie fih einmal unter
zeichnen, an den Kaifer. Am 28. Mai 1685 waren nämlich die Kinder und Erben
des Anjelm (Ambjel, Amſelleß) zur Menien und David zum Schiff bei dem
Kaiſer darum eingefommen, daß ihnen das dem Amſel und David erteilte Buch—
handelsprivilegium nach dem Tode des Erjtern bejtätigt werden mödte. Die
Bücherkommiſſare waren jedenfalls beauftragt geweien, über dieſe Angelegenheit
Bericht zu erjtatten. Unter dem 14. Juli 1685 jchreiben fie nach Wien, die Buch—
führer (natürlich die Frankfurter) beffagten ſich faſt allgemein, daß ihnen von den
Juden großer Eintrag im Haubel gejchehe, indem dieſe es durch einen großen
Vorrat von Büchern, die fie mittels allerhand Praktiken an jich brächten, folglich
Ouellennachweile und Anmerkungen, 841
.
wohlfeiler verkaufen könnten, dahin brächten, daß den Buchführern ihre Bücher
liegen blieben. Aber, fügen die Bücherlommillare Hinzu, die Buchführer ſeien jelbft
daran ſchuld; Mancher unternehme den Verlag foftipieliger Werte, ohne die Mittel
dazu zu haben, und juche diefe dann bei den Juden; wenn dann, wie es oft ge:
ichehe, der Buchführer nicht jolvent jei, jo mülle der Jude, um zu jeinem Gelde
zu gelangen, nolens volens Bücher anjtatt Geld annehmen, deren Berlauf ihm
dann micht wohl zu verbieten fein würde. Es jollte, meinen fie, den Juden ver-
boten werden, Buchführern ferner Geld vorzuſchießen, dieſen aber, bei jenen Geld
aufzunehmen oder jelbige heimlich zu fih in den Buchhandel zu ziehen, und zwar
bei namhafter Strafe. Im folgenden Jahre erftatteten dann die franffurter Buch-
händler den oben angezogenen Bericht an die Bücherkommiſſion. Wenn nun aud)
hier, wie in den meijten jolchen Schriftitüden, die Farben ziemlich ſtark aufgetragen
jein mögen, jo war doch gewiß die Konkurrenz der Juden jo drüdend geworden
— vielleicht wirkte auch hier und da der Wunjch mit, fich der den Juden gegen:
über eingegangenen Berbindlichfeiten möglichjt leicht zu entledigen — dab die
iranffurter Buchhändler ſich erboten, den Juden die bereits in ihren Händen be-
findlichen Bücher ballenweije gegen den üblichen Preis abzunehmen. Wenn ihnen
dies nicht anftünde, möchten fie diejelben in ein bejonderes Magazin jtellen, darüber
ein Inventar aufnehmen und jie in einen gewillen Preis fegen und durch dafige
Buchhändler verkaufen lafien. Wollten jie aber jelbige jelbjt verfaufen, jo müßten
jie ein gerichtliches Inventar der Vorräte aufftellen fafien und dann Buch und
Rechnung darüber führen, an wen und wann fie ein jedes Stüd verkauft hätten.
Verlauften fie dagegen irgend ein in dem Inventar nicht enthaltenes Buch, jo müßten
fie jedesmal eine hohe Strafe verwirft Haben. Übrigens follte den Juden der
Buchhandel dergeitalt verboten werden, daß ihnen nicht erlaubt jei, mit jemand
öffentlich oder heimlich einen Handel betreffend Bücher zu ichließen, ſolche zu ver:
legen, Geld darauf oder auf Drudereien vorzujhießen, und wann jie in Verluſt
gerieten, jollten fie mit dem Erlöje der etwa zu verfaufenden Bücher zufrieden fein.
Den Buchhändlern jefundierte durch einen Bericht an den Kaijer vom 10. Januar
1687 der Kurfürjt von Mainz — ob durch Sewillensbedenfen dazu gedrängt, oder
duch die Buchhändler veranlaßt, muß dahingeftellt bleiben. Die Frankfurter
Juden, jchreibt er, hätten fich ſeit einiger Zeit unterftanden, ji) den Handel mit
allerhand mweltlihen und geiftlihen Büchern anzumaßen. Hierdurch hätten fie mur
mehr Gelegenheit die chriftliche Religion zu läftern und derjelben zu jpotten, audı
ihädigten ſie dadurch des Kaiſers Interefle und Rechte. Er bitte daher, denjelben
den Bücherhandel allerdings und völlig zu verbieten und niederzulegen. Vor—
läufig aber blieb es beim alten. Nach einem Bericht des NWatsichreibers von
14. Juni 1688 hatten jih die Buchhändler deshalb abermals bejchwert, „dieweil
die Juden in der buchgahen Läden und gewölben bejtanden, mit büchern angefüllet,
und die leut in diejelbe in jebo angegangener Meß rufeten und jchleiffeten“, Cs
möchte denjelben vorläufig wenigitens anbefohlen werden, „daß Sie obgedadhte
Ihre Läden und gewölber räumen, dei bücher fchleppens und aufftellung der jchild-
wachten, an jich zieh: und verführung der fauflent gänklic enthalten jollen“. Troß
einem Geſuche der Juden Beyfuß zum Hinterhecht und Löjer zum Strauß beſchloß
der Rat am 15. Juni 1688, daß den Auden bei 300 Thaler Strafe anferlegt
842 Quellennachweiſe und Anmerkungen.
=
werden jolle, die Läden und Gewölbe, welde fie um und in der Buchgaſſe härten,
innerhalb 14 Tagen zu räumen, die Bücher in ihre Gaſſe zu transferiren, weder
für ſich jelbft noch für andere haufieren zu gehen, feine Bücher mehr, fie jeien ge-
bunden oder ungebunden, und was dem Buchhandel angehörig an ſich zu bringen
oder Geld darauf zu leihen, im Gegenteil aber die verpfändeten Bücher ohne Ent:
ihädigung herauszugeben. Wie gewöhnlih, wurde dieje Vorjchrift natürlich ent-
weder nicht befolgt, oder umgangen. Ein neuer Streit entbrannte im Jahre 16%.
Unter dem 7. Januar famen Nathan zum güldenen Strauß (der Sohn von Anjelm
zur Meifen) und David zum Schiff abermals mit der Bitte bei dem Kaiſer ein,
fie bei dem ihnen erteilten Buchhandelsprivilegium zu ſchützen, da die Buchhändler
von neuem gegen fie vorgegangen wären oder vorgehen wollten. Sie lichen fein
Buch druden, hätten alfo feinen andern Verlag als, was die Buchführer bei ihnen
verjegt und weil jie es nicht wieder eingelöft, al$ Zahlung anheim gegeben hätten,
oder auch gar verkauften, und wenn fie ja etwas Neues drudten, geihähe es nur,
um alte ihnen verjeßte und anheim gegebene Bücher an den Mann zu bringen.
Nach einem Bericht an den Kailer vom 23. Mär; 1695 hatte aber der Kat den
Juden anbefohlen von dato an feine Bücher mehr zu kaufen oder ſonſt an fich zu
bringen, auch des Buchhandels außerhalb ihrer Gaſſe ſich zu enthalten und zu dem
Ende ihre Kammern“ und Gewölbe, die fie jonjt in der Stabt hätten zu räumen
oder doch, jo viel jie zum Bertriebe an Büchern nötig hätten, in ihre Häufer zu
bringen. Hierauf jollten erwähnte Niederlagen und Gewölbe geichloflen werden,
doch jo, daß fo oft fie etwa eines Buches bedürftig, folches ihnen verabfolgt werden
jollte. Mitten in der Zahlwoche war diejer Beſchluß aud unter Aſſiſtenz mehrerer
Buchhändler ausgeführt worden. Nach Vorichlag der hriftlihen Buchführer jollten
dann die Juden innerhalb Jahresfriſt jich der in ihren Händen befindlihen Bücher
entledigen, Die dann noch übrigen aber durch Auktion verfaufen. In einer aber
maligen Eingabe an den Kaifer, vom 2%, April 1695, jagen die Juden, jte hätten
für mehr als 10000 Gulden Bücher annehmen müſſen; fie jeien aber nochmals
erbötig, wenn die Buchführer ihnen alle ihre Bücher zu dem Preiſe, wie jte joldıe
an diejelben verhandelten, gegen bare Zahlung Zug um Zug abnehmen, auch was
jie Schuldig mit barem Gelde bezahlen würden, alsdann des Buchhandels jich
gänzlich zu enthalten. Dieſen Vorſchlag acceptierte man in Wien. Am 20. Sep
tember erhielt endlich der kurpfälziihe Kammerpräfident Freiherr von Sidingen
den Auftrag, in Gemeinſchaft mit dem Reichsfisfal, der Bücherkommiſſion und dem
frankfurter Rate einen gütlichen Vergleich zu verjuchen, falls diejer aber nicht zu
Stande komme, den Buchführern und Konforten aufzugeben, daß Nie den Juden
ihre vorhandenen Bücher gegen billigen Preis auf einmal ablaufen, wenn fie ji
aber dazu nicht verjtehen wollten, denjelben den freien Verkauf während der Meile
und bis auf weitere Verordnung verjtatten jollten. Die Berhandlungen fcheiterten
aber an der Renitenz des Rates und an dem Koſtenpunkte. Der NReichsfisfal ver-
langte nämlich für Reife und Aufenthalt in Frankfurt 200 Thaler Entichädigung,
und dieſe jollten die Juden vorſchießen. Dieſe erflärten fih endlich zu Hergabe
der Hälfte bereit, während die chriftlichen Buchführer, die die andere Hälfte tra
gen jollten, fich deflen weigerten. So blieb die Sache auch diesmal ohne Rejultat.
Quellennachweiſe und Anmerkungen. 245
Elftes Kapitel.
Der Nachdruck.
ı) Plinii epistolae 4, 7, 2: Eundem (seil. librum) in exemplaria mille
transeriptum per totam Italiam provineiasque dimisit,
2) Marquardt in jeinem und Mommijens Handb. der röm. Altertümer,
vl, 2. ©. 805 fg. Die bloße Thatjache, daß die Werke des einen und andern
Schriftjtellers gegen deſſen Willen von andern vervielfältigt und verwertet worden
jind, beweist doch nicht, daß dies nicht als Rechtöverlegung angejehen worden wäre,
und dab es dagegen feine Remedur gegeben hätte.
3) Erasmus, Brief an Bilibald Pirdheimer d. 27. Jan. 1522: Ubi quid
novi operis prodit, quod putent fore vendibile, mox unus atque alter suflu-
ratur ex ipsius Frobeni officina exemplar, exeudit ac venditat minimo.
Interim Frobenius immensam pecuniam impendit in eastigatores, frequenter
et in exemplaria,. (Erasmi opera T. III. Lugd. Bat. 1703. p. 707.) Umge-
fehrt war das bei dem (aus dem Fehlen eines Schußes des Autorrechts hervor-
gehenden) Mangel eines Schußes der Verleger mögliche Verfahren des Erasmus,
verichiedene vermehrte reſp. veränderte Ausgaben feiner Werfe bei verichiedenen
Buchhändlern ericheinen zu lalien, bevor die Eremplare der frühern Ausgaben ver
griffen tvaren, nicht nur eine arge Unbilligfeit gegen die Berleger, jondern audı
geradezu eine Kalamität für das Bücher kaufende Publikum. Bergl. darüber die
Notiz von Albr. Kirchhoff, Beiträge zur eich. des deutichen Buchhandels. 1,
56 fg. Anm. *,
#) Luther in „Borrhede und vermanunge an die Drucder“ vor der „Aus:
fegung der Epijteln und Evangelien von der heyligen drey fünige feit bis auff
Ditern“ 1525. Der hier wejentlihe Teil des Inhalts ift bereit3 im jiebenten
Kapitel wiedergegeben worden.
>) Das Privilegium ift abgedrudt in St. Pütter, Beyträge zum deutjchen
Staatd- und Fürſtenrecht. I, 251 fa.
6) Nach den Angaben von Ludewig in den gelehrten Anzeigen. Halle 1749.
II. ©. 78, trägt die Jahreszahl 1498 cin Privilegium, welches von dem „Kanier-
lich verordnneten eneralfuperattendenten der Drudereyen im heiligen Römiſchen
Reiche” Doktor Jakob Oßler ausgefertigt worden. Vergl. St. Pütter, Der Bücher:
nachdrud. ©. 174. Gegen die Richtigkeit diefer Notiz macht jedoh Hoffmann,
Bon denen ältiften Rayferlihen und Landesherrlihen Bücherdrud- oder Verlag
Privilegien, 1777, ©. 53—58 jehr gewichtige Bedenken geltend.
7) Röjiig, Handbuch des Buchhandelsrechts, Leipzig 1804, S. 240, gibt an,
daß im %. 1490 der Biſchof Heinrih von Bamberg ein Privilegium für ein
Miſſale der Bamberger Kirche erteilt habe.
8) St. Pütter, Der Büchernadydrud. ©. 170; Beyträge zum deutichen Staats-
und Fürſtenrechte. I, 258.
») Hoffmann a. a O. ©. 16 — 18; vergl. ©. 19 über die Perfon des
Verfaſſers.
844 Tuellennachweile und Anmerkungen.
a. S. 7-10. u) Pütter, Vüchernahdrud. S
12) Pütter a. a. O. ©. 171 fa. is) Bütter a. a. O. S. 172 —
14) Bütter a. a. 178; 15) Hoffmann a. a. O. S. 15-50
is) Pütter, Bücernahdrud. € S. 167.
1) Wächter, D., Das Berlagsredht. I, 10. Note 15.
is) Kirchhoff, A., Beitrag zur Geichichte der Entwidelung der Genjurver-
hältniffe. Im Archiv für Gefchichte des deutichen Buchhandels. V, 166 fg.
19) In einem (im Frankfurter Archiv befindlichen) Anſchreiben Kaifer Ferdi—
nands III. an den Rat zu Frankfurt a. M. vom 4. Juli 1640 wird erwähnt cin
weiland Arnoldi Hierats gewejenen Buchhändler zu Köln nachgelaflener Wittib
Catharina von Berchem über die Summa Theologiea Divi Thomae Aquinatis
erteiltes Privilegium des Inhalts, „da niemandt ſolche Bücher, alt Sie innerhalb
zehen Jahren, in keinerley form weder ganz noch zum Theil nachdruckhen, ver:
fauffen, noch anderßwo gedrudht ins heyl. Reich einführen folle“.
20) In einer Verordnung des frankfurter Rats vom 27. Januar 1657 wird
verboten: „die von Ihrer Kaiſerl. Maj. privilegirten bücher weder in albiefiger
ftatt nachtruden zu lafien, noch auch folche anderer orthen nadgetrudte eremplaria
in hieſige meſſen zu bringen vnd zu diftrahiren”. (Kirchhoff, A, Zur Geſchichte
der kaiſ. Bücherkommiſſion in Frankfurt a M. Im Archiv IV, 134.)
21) Pütter, Bühernahdrud. ©. 170 fg.
22) So heißt es in einer Erflärung der leipziger Buchhändler vom 5. Mär;
1616 bei A. Kirchhoff, Zur Geſchichte der kurſächſ. Privil. gegen Nachdruck, im
Archiv VILS.155: „Gleichwohl helffen uns ſolche privilegia außerhalb landes nichts
iondern werden vnſer gute, onndt von Ahr. Churf. Gn. (Kurfürften von Sachſen
privilegirte Bücher an andern örtten, als zu Köln am Rhein, Magdeburgf, Ham-
burgt, Lübed, Frandfurt am Meyen vnndt an der Oder, Stettin, Gießen vnndt
ſonſten vngeſcheuet nacgedrudt, Hiergegen wirdt noch heutiges tages von den
Keyſerlichen privilegien, deren man doch durch das gante Römiſche Reich geniehen
thut, mehr nicht als drey exemplaria dem alten tar nach gelieffert.“ Vergl.
auh A. Kirchhoff im Archiv II, 51
23) Vergl. die Ausführungen von WA. Kirchhoff im Ardhiv VII, 28 ig.
IX, 73.
24) Vergl. Kirchhoff, Die fur. ſächſ. Bücherkommiſſion zu Leipzig. Im Archiv
IX, 95. 169 fg. Anm. 74, 80.
25} Bergl. Eihhorn, Deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. IV, 8. 525.
26) Abgedrudt bei Kirchhoff im Archiv IV, 154
7) Pütter, Bühernahdrud. ©. 22. as; Pütter a. a. O. S. 2
w Kirchhoff, Zur ältern Geſchichte der Privilegien. Im Archiv VII, 150 ig.
furfürftl. ſächſ. Bücherkommiſſion in Leipzig. Im Archiv IX, 74.
, Pütter a. a. O. 1) A. a. O. ©. 172 fe.
»2) Teutſch, Zur Geichichte des deutichen Buchhandels in Siebenbürgen. Jm
Archiv VI, 26 jg., 58, Anm. 60.
3 Pütter a. a. O. ©. 28. 34) Archiv VI, 56, Anm. 60.
36) Dieſe Thatſache tritt in ein paar Ausgaben von Ulrich Tenglers Laven-
ſpiegel deutlich hervor. Die beiden augsburger Ausgaben dieſes Werfes von 1511
In
—2
10; Hoffmann a.
Nano
ur
=)
=
Duellennadyweile und Anmerfungen. S45
und 1512 haben auf dem Titelblatt die Notiz: Cum privilegio ne quis audeat
hoe opus intra tempus determinatum imprimere sub pena in eo promul-
gauda. Daß es ſich Hier um ein noch nicht impetriertes, jondern nur erwartetes
Privileg Handelt, geht daraus hervor, daß die Zeitdauer des Privilegiums nicht
firiert, und die Strafe für den Nahdrud nicht genau angegeben, ſondern als eine
erit zu jtatuierende bezeichnet ift. Bergl. Stinking, Geſchichte der populären
Litteratur des röm.-fanon. Rechts in Deutichl. Leipzig 1867. S. 128—4530,
7, Patent ftaifer Leopolds 1. vom 4. März 1662.
3) Mandat Kaiſer Marimilians Il. von 1569 4. Note 545; Inſtruktion
Kaiſer Rudolfs LI, für die failerliche Bücherfommisjion vom 15. März 1608. (1. 21:
39) Vergl. Kirchhoff, Zur ältern Geſch. der kurſächſ. Privil. Im Archiv
Vu, 149 fg. VIII, 46 fg. Die kurf. jächl. Bücherkomm. zu Leipzig. Archiv IX,
77— 79. 119— 121. So wird in einem «im Frankfurter Archiv befindlichen)
failerlihen Anſchreiben an den franffurter Nat vom 4. Juli 1640 gejagt, das für
die Summa Theologica Divi Thomae Aquinatis weylandt Arnoldi Hierats zu
Köln nachgelaſſener Wittib Katharina von Berchem erteilte PBrivilegium jei „ſowol
allen Buchdrudhern vnnd Buchführern in Cölln; alß auch ſonnſten aller Ortten‘
infiniiert worden.
#) In der Vermahnung an die Drucker ſ. oben Anın. 4.
a1) Vergl. Mahnruf an die Nahdruder von Michael Shmüd in Scmal:
falden, Druder und Verleger von Eyr. Spangenbergs Adelsipiegel, von 1591, ab-
gedrudt im Arhiv V, 310 fg. — „AS wil ich jeden Druder vnd Buchhändler
freundlich gebeten, auch zugleich trewlich gewarnet haben, ſich des nachdrückens oder
verlags diejes Buchs, zu abbrud vnn verhinderung meiner Narung zu enthalten,
damit er jm nicht von Bott das vndeyen vnd mißſegen zuziche, vnd ich aljo jn
wie reich vnd anſehnlich er auch ſey, für einen Dieb öffentlih achten vnn procla=
miren mühe, weil er fidy mit jeiner gewinftfucht wider Gottes verbot vnd jein
eigen Gewiſſen, im augenichein vnn mit der that für einen jolchen jelbit dargibt.“
42) Sehr Mar tritt dies hervor in dem betreffenden Paſſus der im franft.
Archiv befindlichen) „Beichwerde jämmttlicher hier (in Frankfurt) anmejenden Bud)
händler gegen die ihnen jüngſthin zugemuthete liefferung der exemplarien vnd
tarordnnung” (verlejen im Rat am 8. April 1665). Hier wird Klage geführt, „dal;
big anhero viele ſich kecklich vnd frevelmüthig vnterjtanden, anderen Ddieienige
Bücher, jo etwan berühmbt oder im gutem abgang jeien boßhaffter weiße, dem ge-
bott Gottes Chriſtlichen liebe vnd aller erbarfeit jchnurftrafs zu entgegen, nachzu
truden vnd andern das jeinige abzujchneiden, ohnangejehen jie darzu das geringite
recht nicht haben vnd der rechtmeſſige befiger folche dem Autori thewer abfauffen
oder fonjten eum onere an ſich bringen vnd die erſte gefahr, ob joldhe bücher ab
gehen, oder zu jeinem höchſten ſchaden liegen bleiben, vnd maculatur werden mög
ten, außftehen müſſen, daß alſo ſolche nachteuder, welche nicht weniger als ein
erimen furti damit begehen, gedoppelten vnd mehr vorteil von dem redhtmejligen
befiger genieſſen, welches verantwortlichen vorteils ſich abjonderlid bi anhero die
aufländiichen vnd in specie etlihe Holländer bedienet, welche, nad) deme fie wohl
willen, und bey jich jelber vberzeugt, daß ſolches nachtrucken ahn jich jelbjten vn
recht, vnd zwar jo viel die privilegirten antrifft, der autorität jolher hohen Poten-
846 Quellennachweiſe und Anmerkungen,
taten, daher die privilegin dependiren, zu wider, der vnprivilegirten aber Gottes
befehl und erbarkeit entgegenlauffet, iedannoch jolches laſters ſich gelujten laſſen“ —.
3) So heben die wittenberger Verleger der von Luft gedrudten Lutherſchen
Bibelüberjegung, Golg, Schramm und Vogel, in einer wegen des Nahdruds, den
ber leipziger Buchdruder Nidel Wolrabe von diejer Bibel veranftaltete, an Herzog
Heinrih von Sachſen unter dem 20. November 1530 gerichteten Eingabe hervor,
daß, da Wolrabe „ſonnſt one dieſes Buch feine narung danon zu fuchen andere
viel geichriebene und getrudte bucher haben mag, die Im onverhindert .. . Nachzu
trucken erlaubet vnnd zugelafien‘‘, er „ſich der bibel, welche wir unterhanden haben,
Noch wol 'eine Zeit lang enthalten, vif das einer den andern nicht mntwillig in
ichaden thue“, und bitten daher, der Herzog möge verordnen, daß in feinen Landen
von feiten des Wolrabe oder von irgend einer andern Seite „An 2 oder 3 Jahren
mit nachtrud der ganzen bibel vnns Feine hinderung oder ichaden zugewandt wer-
den“, (Rad) einer Mitteilung von W. Kirchhoff.)
4) Bergl. U. Kirchhoff, Die Anfänge des leipziger Meffatalogs im
Archiv VII, 103. Dies gilt unter anderm von der Auslaſſung des Buchhänd-
lers Henning Große zu Leipzig in deſſen auf die Denunciation Abraham Lambergs
wegen angeblihen Nachdruds jeines Meßkatalogs dem leipziger Rat eingereich-
ter Verteidigungsichrift vom 12. Mai 1602 (mitgeteilt von A. Kirchhoff im
Arhiv VII, 104 fg). Hier wird geltend gemacht, daß „im Weich vnter den
Buchhendlern vnd Prüdern dieſe gewonheitt ift, wenn ihr Zwei zu vnterſchiedenen
jtundenn bey der Obrigfeit, fo die inspeetion hieruber hatt, fi) angeben, vnd ein
Bud druden zulaſſen zunorjtatten, anjuchen, dab alß denn der ienige, jo zum
erjtenn angefucht, darbej geſchutzet, vnd der ander abgewiejen werde, vngeachtt daß
weder der Erjte noch der and. einig privilegium vorzuzeigen hatt, Auff welche Ge—
mwonheit aud ein Erbar Nath zu Frandfurt am Mayenn ohne alles wiederredenn
zuerfennen vndt zu decretiren pflegett, Wie ich berichtet wordenn aus den
grunde, weil das Werk vorhinn in nullius typographi aut bibliopolae bonis,
das ed demmac des occupantis werde‘. Wenn es weiter heißt: „Sa mas
noch mehr ift, Wenn einer ein Buch vorhinn fren vnd ficher, doch ohne privilegien
gedrudtt und vorhandelt, Vnd ein anderer hernach daruber Kayſerlich privile-
gium auswirdett, Pflegtt ermelter Rath zu Frandfurt die erfternn bey feiner
possess neben den privilegio zuichußen“, jo liegt dem wohl nur die Thatſache
zu Grumde, daß gegen den, welcher ohne Privilegium ein Buch gedrudt hatte,
normalerweife nicht von dem wegen Nachdrucks vorgegangen werden fonnte, der
erſt jpäter eben dasjelbe Buch drudte, dafür aber ein Privilegium gegen den Nach—
drud auswirkte; obwohl vom fisfaliichen Standpunft aus mehrfach eine andere
Praxis beobachtet wurde.
5) Mitgeteilt im Archiv IL, 237 fg.
4) Carpzov, Bened., Jurisprudentia ecelesiastica L. II, P. 25 def. 414.
Mevius, Deeisiones super causis praeeipuis ad supr. Regium Tribunal Wis-
mariense delatis p. 8 deeis. 433, will die Frage, ob es recht ſei, über Schul-
bücher einen Berleger allein in einem Lande zu privilegieren, nicht umbedingt be
antworten, jondern meint, es hänge dies ganz von den Umftänden ab.
ar) Vergl. A. Kirchhoff, Die kurf. ſächſ. Bücherkommiſſion. Im Archiv IX, 9.
Quellennachweiſe und Anmerfungen, 847
4°) Bergl. das dem breslauer Buchdruder Georg Baumanı am 8. Auguit 1500
vom Rat der Stadt Breslau erteilte Privilegium; ſ. Anm. 62,
+) So begründet Erasmus in einem Briefe an Bilibald Pirdheimer von
27. Januar 1522 (Erasmi opera T. III, pars 1. p. 707) das Berlangen nad)
einem imperatorium interdietum, ne quis librum primum a Frobenio excu-
sum ...excudat intra biennium, durch den Hinweis darauf, daß Froben im-
mensam pecuniam impendit in eastigatores, frequenter et in exemplaria.
50; So erteilt Kaiſer Marimilian I. dem Druder Mathias Schurer das Pri
vilegium — mie es in diefem heit — ex innata benignitate. qua eos eomple-
etimur, qui pro eommuni studiosorum utilitate eontinuo insudant, und er
begründet dasjelbe damit, daß nemini offieium suum damnosum esse debeat,
et ne desiderium tuum huiusmodi iaeturae et fraudationis metu (nämlich
durh den Nachdrud Berlufte zu erleiden) refrigeseat. (©. das Privilegium bei
Pütter, Büchernahdrnd. ©. 172.;
51) Dies ift ganz unumwunden ausgeiprochen in dem Privilegium Karls V.
für den von Johann Schöffer zu Mainz bejorgten Drud des Neichsabjchieds von
1521. Hier heißt es, nachdem der Kaiſer hervorgehoben, daß er „aus beweglichen
Urſachen“, dem Johann Schöffer den jchleunigen Drud des Reichsabichieds aufge:
tragen, „dieweil er fih nun des uns zu unterthänigem Gehoriam und Gefallen
etwas mit Unjtatten unternommen, damit er dann desjelben wiederum, wie billig,
ziemliche Ergeplichkeit empfange” u. ſ. w. ©. das Privileg bei Püttera. a. D,
©. 173,
52) Bergl. A. Kirhhoff, Zur ältern Geſch. der kurſächſ. Privil. Im Archiv
VIL, 147.
53) So heißt es in einer Erklärung, welche die leipziger Buchhändter auf die
Aufforderung der kurfürſtl. Bücherlommiffion, die Pflichterempfare von den pribi-
legierten Büchern einzufenden, unter dem 5. März 1616 abgeben und worin jie
über die Höhe der Unkoſten des Verlagsgeichäftd Hagen, „dannenhero zu vnjern
nicht geringen fchaden verhindert wirdt, daß wir inhalts höchjt beiagter Ehurf.
privilegien die bücher auff gut weiß vndt gleiches pappier nicht können drücken
laſſen“. (A. Kirchhoff, Zur ältern Geſch. der kurjächl. Priv. Im Archiv VII,
155) Auch in dem auf diejfe Erflärung erlaflenen furfürftlichen Beicheid von
3. Juli 1616 wird der Bücherfommilfion aufgegeben, den Buchhändlern einzu-
Ihärfen, „das in künfftige Sie bey verluft vnſerer privilegien zu den Büchern
guth Pappier, reine Schrifften vnd fleißige correctores gebrauchen” (a. a. O.
©. 159. Vergl. das Interceſſionsgeſuch der Gebrüder Stern in Lüneburg an den
Herzog von Braunichweig vom 29. Juli 1637, mitgeteilt von A. Kirchhoff,
Aus den Alten der kurf. ſächſ. Bücherfommiifion. Im Archiv VIIL, 68 fa.; i.
auch daſ. ©. 70. j
54) Die Inſtruktion ift abgedrudt in dem Archiv IV, 102 fg. (A. Kirch—
hoff, Zur Geſch. der faif. Bücherkommiſſion in Frankfurt a. M.), aber auch jchon
früher öfter, jo bei Pütter, Büchernachdruck. S. 178 fg. Übrigens hatte bereits
Kaiſer Marimilian II. im Jahre 1569 dem Rate der Stadt Frankfurt a. M. aufge-
geben, „auf diejenigen zu inquiriren, jo feit fünf Jahren entweder für die Bücher
jeßeten, mit faiferl. Freiheit, deren fie doch feine hätten, oder auch jonft unter
SIR Duellennachweife und Anmerkungen.
defien Scheine, allerlei untüchtige Sachen druden ließen, noch den in den Privi-
fegien enthaltenen Bedingniffen nachkämen, noch die Erempfarien lieferten“. (Orth,
Bon den berümten zwoen Reichsmeſſen, jo in der Reichsitadt Frankfurt a. M, jähr-
lich gehalten werden. Frankfurt a. M. 1765. ©. 505. Auch bei Rütter, Bücher
nahdrud. ©. 176. U. Kirchhoff a. a. O. ©. 100.)
>») Abgedrudt bei Bütter, Büchernaddrud. ©. 120— 122.
6) Darüber wird geflagt in dem Gutachten der leipziger Buchhändler über
eine Reform des Buchhandels vom 30. Mär; 1667 sub 5, abgedrudt bei 9.
Kirchhoff, Ein Reformverſuch. Im Archiv I, 82. Doc kommen jolde Klagen
bereits im 16. Jahrhundert vor. iM. a. O. Anm. **) Und in einer Verordnung
des Kaiſers Leopold I. an den Bücherfommiflar von Hörnigt vom 13. März 1662,
worin diefer angewiejen wird, dem Bertriebe franzöliicher und holländiſcher Nad-
drude entgegenzutreten, „gegen die übertretter auch mit ziemblichen ftraffen der
Confiscationen der Bücher oder Exemplarien und in andere Weeg, allermaiien
mit andern mehrmalen beſchehen“ vorzugehen, wird eine Ausnahme gemacht für
den Fall, „daß den Außländern gleichfal® von unjern vorfahren Röm. Kauſern oder
uns darüber privilegia impressoria ertheilt worden ſeyen“. Nm frankfurter
Archiv.)
57) Vergl. A. Kirchhoff, Beiträge. 1, 59%. In der Nachdrucksklage des
Buchhändlers Wendel Rihel von 1536 (Archiv V, 88—93) hebt der Kläger ber
vor, daß der Beklagte ſich auf ein kaiſerliches Privilegium ſtütze, welches ihm das
Recht einräume, „auc der vorgetrudten Bücher nachzutruden, jo er fie gemehret
habe“ (a. a. O. ©. 88. ©. auch A. Kirchhoff, Die Anfänge des Leipz. Meh
fatalogs. Im Archiv VIIL, 119.
5s) So wird in der furlächiiichen Verordnung vom 9. Juli 1612, welche die
Bücherkommiſſion anweiſt, die Buchhändler und Verleger zum Nachjuchen der Er:
nenerung der Privilegien beim Regierungswechſel anzuhalten, angedroht, „do einer
oder der ander inn gejazter frijt Solchem nicht würdlichen nachſetzen wurde, das jie
alsdan berurter Privilegien genzlich verlujtig, vnd wir diefelben andern zuertheilen
wißen wollen“. (Bei A. Kirchhoff, Zur äftern Geſch. der kurſächſ. Priv., im
Archiv VII, 152.)
59) In einem auf Beitreibung der Bflichteremplare gerichteten Reſtript der
furlächl. Regierung vom 29. November 1695 heißt es: „So habet ihr deswegen ge
nauere Erkundigung einzuziehen auch da jie jich der Lieferung, indem doch wegen des
Privilegij ihnen diefe Bücher Niemand nachdruden dürfen, ferner verweigern, es
durch den Bücher Fiscal, daß folche Privilegia eassiret und aufgehoben ſeyn jollen,
den andern Buchhändlern notifieiren zu laßen, damit wo ein oder der andere dar-
umb anhalten wolte, er jich des wegen bey Unß gehorjambit anzumelden hätte.”
(Ber A. Kirchhoff, Die kurf. ſächſ. Bücher-Komm. Archiv IX, 169, Anm. 4:
vergl. daſ. ©. 127.)
o Da die Privilegien auch für in Zukunft ericheinende Bücher gegeben wur—
den, jo fam es vor, daß mehrere Jahre nad) Auswirkung des PBrivilegiums ver
gingen, che das Buch herausfam. Zwar jollte nach den Anordnungen der hır
lächfiichen Behörden (Bericht der kurjächjiichen Büchertommifjion vom 20. Januar
1657) darauf gedrungen werden, daß die privilegierten Bücher inmerbalb zweier
Quellennachweiie und Anmerkungen. 849
Jahre nad Ausfertigung des Privilegiums erichienen, indem andernfall® der Ber:
fuft des Privilegiums eintreten jollte. Allein durchgejeßt wurde diejfe Anordnung
nicht; denn im Ausgange des 17. Jahrhunderts erflärt der kurſächſiſche Bücher—
jistal David Bittorff, das Privilegium werde nur nachgefucht, „damit ſolches Bud)
bey ihrer Handlung, damit fich ein anderer daran nicht vergreiffen dürffe, eonser-
virt wird“. (Bei U. Kirchhoff, Die kurf. ſächſ. Bücher Kommiſſion. Im Archiv
IX, 93.)
sı) So heißt es in einem Briefe des Buchhändlers Simon Hütter an den Buch—
druckergejellen Adam Seydel vom 25. Mai 1576: „was anlanget das Brivilegium,
jo der Herr Thurneyſer feines darüber hette, hab ich ein General Brivilegium, ſonſt
würde er (se. der Kalender) mir alsbald nachgedruckt“ (abgedrudt bei U. Kirch—
hoff, Beiträge zur Geſchichte der Prepmaßregelungen und des Verfehrs auf den
Büchermefjen im 16. und 17. Jahrhundert. Im Archiv IL, 67, Anm. 57). Ebenſo
verleiht der ftraßburger Rat im Jahre 1669 dem Buchdruder Joſias Städel das
Recht, auf die von ihm verlegten Bücher „Cum gratia et privilegio senatus Argen-
tinensis“ zu jeßen. (Zur Geſch. des Straßburger Buchdruds und Buchhandels.
Im Archiv V, 62. Bergl. auch die von A. Kirchhoff, Die Anfänge des Leipz.
Meßkatalogs, im Archiv VII, 104 fg., publizierten Aktenſtücke.)
62) So heißt es in dem von dem Nat der Stadt Breslau am 8. August 1590
dem breslauer Buchdruder Georg Baumann erteilten (vom Kaifer Rudolf IL. in
feiner Eigenschaft als König von Böhmen und Herzog von Sclefien am 26. Ja-
nuar 1596 bejtätigten) Privilegium: „Gleicher gejtalt wollen wier Ihme auch ver-
gunft vnd zugelaffen haben, daß er für die gemeine Studierende Jugennt allerley
Schuelbücher und Traetetlein, Alß den Donatum vnnd Grammaticam beyjammen,
So wolf Terentii Comediae vnnd etliche außerleßene Epistolas Ciceronis, ſowoll
den Catechismum vnnd anndere jo der Schüllern notturfft erfordert würde, in der
bequemjten Form, wie e3 ihme anı beften gelegen, drudenn, vnnd zu freyem kauff
jegen möge, dann Ihme die alhiegen vnnd andere Buchführer fein einhalt thun,
vielwenniger Jhnne mit fremden Exemplarien zuüberführen oder diejelben alhie
oder ſonnſten in vnnſer Jurisdietion zunerfhauffen vnnd zu Distrahirn befuget
jein follen, doch daß er, warn Er auf obgedachten ftüden waß druden will, folches
den Buchführernn, darmit fie ſich in derjelbten Materien mit frembden Exempla-
ren zur Vnnoth nicht belegen anzaige“ (Bei A. Kirchhoff, Die Breslauer
Buchhändler und der Buchdruder Georg Baumann. Im Archiv VI, MW.) Zugleich
mit der Bejtätigung diejes Privilegiums gewährt der Kaifer dem Baumann nod)
das weitere Brivilegium, „daß Ihme fein Buchdrüder, vnnd Buchführer, die Alma-
nach oder Calennder jowol Richardi Bartholini Austriatum Libros. Item Con-
radi Celtis Casparij Vrsinj Velij Gregorij Logij, welche er mit jonnderlichen
Koften erfauffenn vnnd erlanngen würde, nicht nachdruden vnnd Ihme zu jchaden
einnführen jolle.”
3) A. Kirdhoff aa, O. ©. 54.
6 Bei A. Kirchhoff, Zur Gefchichte der kaiſerl. Bücher-Kommiffion in
Tranffurt a. M. Jm Archiv IV, 111.
65) So erteilte König Guſtav Adolf am 7. November 1621 dem rigaer Buch—
händler Nikolas Mollyn ein Generalprivilegium für alle in deifen Druckerei ge-
Kapp. I. 54
850 Duellennachweije und Anmerkungen.
drudte und in Zufunft zu drudende Bücher, worin allen Beamten und Unterthanen
des jchwediichen Reichs anbefohlen wird, „daß fie nicht verftatten, den Buchdrudern,
Buchhändlern und Buchbindern aber jelbiten, daß fie feine Bücher, jo von Nicolas
Mollyn ... oder jeinen Erben, in was Sprachen diejelben auch gedrudet weren,
ufs Neue uflegen, umb- und nachdruden oder, da fie außerhalb unjers Reichs von
Andern uferleget und nachgedrudet weren, feineswegs in unjerm Reich und zu-
gehörigen Provincien verfaufen, noch durch Andere verkaufen lajien“. (Stieda, Zur
Seichichte des Buchhandels in Riga. Im Archiv VI, 131.)
66) Im Fahre 1612 wird dem mittenberger Theologen Leonhard Hutter ein
Privilegium gegeben für feine fämtlichen nicht nur bereits erfchienenen, fondern auch
noch erjcheinenden Werte. (U. Kirchhoff, Zur ältern Gefchichte der kurſächſiſchen
Privilegien, Im Archiv VII, 147.) Erft gegen das Jahr 1616, meint Kirchhoff
(Archiv VII, 47), jcheinen in Sachſen die Generalprivilegien ganz außer Gebrauch
gelommen zu fein; Henning Große in Leipzig verzichtete freiwillig auf das jeinige.
7) In Riga war z. B. im Jahre 1591 Nikolaus Mollyn zum Buchdruder
und Buchhändler der Stadt beftellt und erhielt zugleich ein Privilegium auf den
ausjchließlichen Betrieb des Buchhandels unter Schonung und Anerkennung aller-
dings des Weiterbetriebs eines bejtimmten bereits bejtehenden Geſchäfts. („Und
weil er Mollyn auch eine beftalte Bibliotheeam, darinnen ein Jeder diejer Statt
gelegenheit nach jeine Notturft an Büchern, Calendern, Bildern und gemalten Brie-
fen wird haben fünnen, als jol nunmehr und vortan, außerhalb Hillebranden (Geth-
man), von benenten Barcelen oder jonjten allem mas zum Buchladen gehören möchte
noch heimlich oder öffentlich feyl zu haben noch lengſt die Gallen oder in die
Hänfer zu bringen und zu verkaufen nicht zugelaflen und geitattet werden.“ Stieda,
Zur Geicichte des Buchhandels in Riga. Beil. III im Archiv VI, 131 fg.) Und
dieſes Privilegium wurde im Jahre 1597 (unter dem 25. Juli), als Mollyn feinen
Schwiegerfohn Peter van Meren mit Genehmigung des Nats als Gefchäftsteil-
nehmer angenommen, für dieſe beiden mit der Maßgabe wiederholt, daß die frem-
den Buchhändler während des Jahrmarkts 14 Tage lang dem alten Gebrauch ge-
mäß Bücher und jonjtige Gegenjtände des Buchhandels feil haben dürften. (Stieda,
a. a. O., Beil. I ©, 130 fg.)
63) A. Kirchhoff, Die furf. ſächſ. Bücher-Kommiſſion zu Leipzig. Im Archiv
IX, 168 fg., Anm. 73. Es handelt fi) um ein Buch, welches Johann Große's
Erben in Leipzig mit faiferlihem und kurſächſiſchem Privilegium verlegt hatten.
Nachdem, wie es jcheint, das Buch eine Zeit lang vergriffen, auch das Faijerliche
Privilegium abgelaufen war, erwirft Hermann Dehme in Köln ein faijerliches Pri—
bilegium für dasjelbe Bud. Nun ftellt der Leipziger Magiftrat auf Bitten der
feipziger Buchhandlung, die jeßt ſich entichloffen hatte, eine neue Auflage zu ver-
anftalten und das Privilegium erneuern zu laſſen, an den kölner Rat das Anfinnen,
den Dehme von feinem Unternehmen abzubringen. Der kölner Rat weift in feiner
Antwort (vom 24. Juni 1691) darauf Hin, daß in dem Unternehmen des Dehme
fein Grund zu einer Beichwerde für Große's Erben zu finden. In den dieſem
Schreiben beigefügten Auslafjungen Dehme’s, in welchen geltend gemacht wird, daß
er das faijerlihe Privilegium ausgewirkt habe, weil jeine an Große's Erben ge
Quellennachweiſe und Anmerkungen. 851
richteten Mahnungen, das Buch neu zu druden, erfolglos geblieben, wird die im
Tert hervorgehobene Äußerung gethan.
69) So teilt A. Kirchhoff (a. a. D. ©. 147) mit, daß die Firma Endter
in Nürnberg im Jahre 1655 im Beſitz eines Furfächfiichen Privilegiums auf ein
Gebetbuch, die Firma Stern in Lüneburg im Befig eines ſolchen auf ebendasjelbe
Bud, doch nur für den Drud in gejpaltenen Kolummen geweſen.
0) Archiv VII, 109; vergl. über die Verteidigungsichrift Note 44.
1) Bei A. Kirchhoff, Zur ältern Geſch. der kurſächſ. Privilegien. Im
Archiv VII, 148.
2) So in einem faiferlichen Privilegium, welches Joahim Rhete's Erben in
Stettin für David Herlitii Calendaria und Prognostica im Anfang des 17. Jahr-
hundert3 verliehen war.
73) So geichieht in einem Anjchreiben des kaiſerlichen Bücherkommiſſars Lud—
wig von Hagen zu Frankfurt a. M. an den Rat zu Leipzig vom 4. Dftober 1627
eines Privilegiums Erwähnung, welches „inhibirt, daß einiger Buchtruder, oder
Buchführer, an feinem ort, weder in groffer, noch Heiner Form, vnder was Schein
das gejchehen möchte, die jelbige nachtruden, oder wo die von andern nachgetrudt,
diftrahiren ſolle“ (abgedrudt bei A. Kirchhoff im Archiv VII, 265).
7) Bei U. Kirchhoff, Die kurf. ſächſ. Bücher-Kommilfion, im Archiv IX,
164, Note 53.
75) Bergl. U. Kirchhoff, Weiteres über die Anfänge des Leipz. Meßlatalogs.
Im Archiv VII, 24; Die furf. ſächſ. Bücher-Kommiffion. Im Archiv IX, 82 fg.
76) Bergl. darüber Pütter, Büchernachdruck. ©. 177 fa; U. Kirchhoff,
Beiträge zur Geſch. des deutſchen Buchhandels. IT, 58 fg.; Zur Geld. ber kaiſ.
Vücher-Kommifl. in Frankfurt aM. Im Archiv IV, 96 fg.; befonders ©. 114 fg.
77) Bergl. hierüber Pütter a.a.D. ©. 186, Note a, und das neuerdings von
N. Kirchhoff (im Archiv VII, 264 fg.) mitgeteilte Schreiben des Faijerlichen
Bücherkommiſſars Joh. Ludw. von Hagen an den Rat der Stadt Leipzig vom
4. Oftober 1627,
78) Vergl. darüber Kapitel 9.
19) So heißt e8 in einem an den Rat zu Frankfurt und den Bücherkommiſſar
Hörnigf gerichteten Schreiben de3 Kaijers Ferdinand III. vom 23. März 1655 (im
frantfurter Archiv): Der Neichshof-Fisfal Veit Sartorius von Schwanenfeld habe
dem Kaifer berichtet, daß die von Johann Zwölffer herausgegebene und mit kaiſer—
lichem Privilegium verjehene Pharmacopoea Augustana von dem Buchdruder
Arnold Leers zu Rotterdam nachgedrudt und von defien Faktor Lambert Paßport
im Reiche verfauft worden jei. Der Kaifer befiehlt deshalb dem Nat bei feinen
Bürgern nachzuſehen, wo Leers ober deſſen Faktor während der Meſſe ihre Bücher
niederlegten, Wenn fich der betreffende Nachdruck vorfinde, jo habe man jämtliche
Eremplare desjelben zu fonfiszieren und die im Privileg erwähnte Nachdrudsftrafe
einzuziehen. Werde diejelbe nicht jogleich bezahlt, jo habe man folange die übrigen
Bücher mit Beichlag zu belegen. Dies folle auch gejchehen, wenn fich fein Eremplar
des betreffenden Buchs vorfände, Leers aber des Nachdrucks überwiejen werden
fönnte. Die fonfiszierten Bücher und das erhaltene Strafgeld jollen an den Bücher-
fommijjar Dr. Hörnigf abgeliefert werden. In einem hierauf vom Rat dem Kaiſer
54 *
852 Quellennachweiſe und Anmerkungen.
unter dem 28. April desjelben Jahres erjtatteten Bericht (gleichfall3 im Frankfurter
Archiv) Heißt es, daß fich die zum Bücherweſen beftimmten Deputirten des Rats
mit dem Bücher-Kommiſſar in den Laden des Leers begeben hätten, dajelbit zwar
feine Eremplare des fraglichen Buchs vorgefunden, vom Faktor des Leers aber den
Beicheid erhalten hätten, daß jolche im vorigen Jahr vorhanden geweien, jeitdem jedod
nicht mehr nad Frankfurt gebracht würden; weshalb in Gemäßheit des erhaltenen
Befehls ſämmtliche Bücher mit Beichlag belegt wären. Noch deutlicher tritt uns
das ganze Verfahren entgegen in einem Anfchreiben des Kaiſers Leopold am den
Bücherkommiſſar Sperling vom 3. September 1669 (franff. Archiv). Dasielbe
lautet: „Lieber gethreuer. Aus hiebey gefügter Abſchrift erfiehejtu mit mehreren,
welcher geftalt, Vnſer auch lieber getreuer Hannß Friedrich Spoor, Buchführer zue
Straßburg uns Klagent hinterbradht, wie Philipp Andreas Oldenburg vnnd Hanns
Hermann Wiederholt die opera Limnaei (worüber Er noch in Ao. Sechzenhundert
vier vnnd Sechzig Vnſer Kayſ. Privilegium Impressorium auf zehen Jahr er
halten) under dem auch Hiebey liegenden veränderten titulo ießgedadhtem vnßerem
Kay. privilegio jchnurrftradhs zuewieder und zue feiner des Spoors unwieder—
bringlichen ſchaden nachzuetruckhen fich freuentlich underjtanden haben jollen; Mit
onderthenigfter Pitt, das wir Ihme wieder folche attentata bey ſeynem erlangten
Privilegio gnädigjt handthaben, vnnd die Contraventores in die dietierte ftrafl
würckhlich gefahlen zue fein Deelarieren wolten. Gleich wie nun wir anderft nicht be
finden können, als dz folche des Oldenburgs vnnd Wiederholt3 angezogene Auflag in
substantia eben die ienige opera feyen, über welden vorermelter Spoor von dns
gnädigſt privilegirt worden, vnnd derjelbe ſolchem nad ſowohl ermelten Vnſerem
Privilegio als dem Klagenden Theill zum nadjtheil vorgenommen, vnnd dahero
feinesmwegs nachzueſehen ſeye. Alſo vnnd damit dz Bücherweſen umb jo mehr in
gutter ordnung ımd ein ieder bey jeinem erlangten Privilegio econservirt vnd jhad-
loß gehalten werde; befehlen wir Dir hiemit gnädigft vnnd ernftlich, dz Du bier:
über ein wachſambes Aug halteft, Vnd dafern obbedeuteter nachtruckh dorthin nader
Frandfurth oder der orthen gebracht, alda distrahirt oder feil gehalten werden
wolte, Du ohne ferneres ruedjehen joforth nicht allein alle Exemplaria wecknehmeſt;
Sondern zuegleich auch von dem Trudher oder Führer jolcher nachgetrudhten ope
rum die in borangezogenen Vnſerem privilegio enthaltene ftraff zwölff Mardh
lötigen goldes würchhlich eintreibeft und zue handen bringeft. Allermaßen wir dan
zue den ende im hiebey liegenden (wie Du aus der Nbjchrifft erjehen wirft) dem
Magistrat der Statt Frandfurth gnädiglich anbefehlen, dz er Dir dabey die handt
vnaufgezogen nachtrudlich bietten vnnd reichen jolle.” Ein dieſem entſprechendes
Anjchreiben erging unter demjelben Datum an den Rat von frankfurt.
0) Kurſächſ. Rejkript vom 13. Mai 1620 (ſ. U. Kirchhoff a.a.D. IX, 8.
81) Vergl. oben Kapitel 9.
s2) Kurſächſ. Nejtript vom 5. Nov. 1636 (Codex Augusteus. I, Sp. 411 ig,
im Auszuge mitgeteilt von A. Kirchhoff a. a. D. ©. 75 fg). Das Neitript
war hervorgerufen durch die Beſchwerde des durch den Vertrieb der Nachdrudi
eremplare beeinträchtigten Buchhändlers über das Stadtgericht, weil dieſes „ihme
feine Execution mitgetheilet, jondern er von ihnen in weitläufftigen Process ge
zogen werben wollen“, und es heißt in demjelben:; „Rum befremdet Uns jolde
Duellennahweije und Anmerkungen. 853
Begünftigung derer Stadt: Gerichte bey euch nicht wenig, fintemahl über unfere,
zumahl eigenhändig unterfchriebene, und mit Unferem Chur-Secret befiegelte Privi-
legia, weder euch noch ihnen, oder iemand anders, ohne Unjere Concession feine
Cognition und Deeision, fondern Uns allein, euch und ihnen aber nur die bloße
Execution zuſtehet.“
3) So war ein zwiichen dem Sefretär Chriſtoph Mylius in Halle und
Kohann Hoffmann zu Nürnberg wegen der Epistolographia correcta ausge:
brochener Nahdrudsftreit durd einen Vergleich der Parteien beendet. Das Ober:
tonfiftorium zu Dresden erffärt jedoch (in einem Neffript vom 19. Dezember 1679),
daß dieſer Vergleich ohne Einfluß auf die durch den Nahdrud verwirkte Strafe
wäre, indent es hervorhebt: „jeind wir doch nicht gemeinet, Unjere privilegia und
darinn enthaltene jtraffe nad) eines ieden gefallen eludiren zu laſſen.“ (Bergl, U.
Kirchhoff a. a. D. ©. 166 fg., Anm. 61—63.)
s) In einem Bericht der kurſächſiſchen Bücherlommiffion in Leipzig vom
23. Juni 1679 an das Oberkonfiftorium in Dresden heißt es: „bejage vorhandener
gndſtr. befehliche, acten und registraturen über hundert Jahr her von Uns, dem
Rathe und nun eine Zeit lang conjunctim von der gdgjt. angeordneten Com-
mission, nad möglichkeit fleißig gehalten worden, alfo ift an dem, und bezeugen
ebenfalls die ergangenen acta, daß mit wegnehmung der bücher nicht alfofort zu—
verfahren, noch denen leuten zu beobachtung ihrer Nothdurfft die in E. Ch. Durchl.
landesordnung gdgſt. verjtattete mittel abzujchneiden, jondern, bevorab wenn des
wegen von einem privato, oder aud von Ew. Chf. Durchl. allhier verordneten
bücher Fiscal geklaget wird, die Partheien genugiam zu hören, folgends von uns
unterthänigiter bericht zu erjtatten, ingleichen was jonften zu erinnern von denen
Commissarien eonjunctim, oder auch von uns, dem Rathe allein, gehorjamft zu
verrichten, geftalt ſolches vor ein ftüd unjerer des Rathes jurisdietion zu achten.“
(Abgedrudt bei A. Kirchhoff a. a, O. ©. 124.)
8) So in der Verteidigungsichrift des Leipziger Buchhändlers Henning Große
auf die Denunziation Abraham Lambergs wegen angeblichen Nahdruds feines Meß—
fatalogs vom 12, Mai 1602 (bei A, Kirchhoff, Die Anfänge des Leipziger Meß—
fatalogd. Im Archiv VII, 109).
s) So in der Denunziation des Abraham Lamberg gegen Große vom 18. April
1599 (bei. Kirchhoff, Weiteres über die Anfänge des Leipz. Mehlatalogs. Im
Archiv VIII, 23).
7) So 5.8. erwähnt in der Klage des Buchdruderd Wendel Rihel von 1536,
abgedrucdt im Archiv V, 88.
8) Klage des Wendel Rihel, a. a. D. ©. 89.
89) Vergl. A. Kirchhoff, Zur ältern Geſchichte der kurſächſ. Privil. gegen
Nachdruck. Im Archiv VIII, 46; Die kurf. ſächſ. Bücher Komm. zu Leipzig. Im
Archiv IX, 161 fg., Anm, 44. In einer „Exception vnd Information jchrifft wegen
der Flanisae Poeticae in Sachen Peter Metternich etra Peter Henningh vnd
Consorten gejtellt von Peter Henningh an die Bücher: Commifläre‘ vom Fahre
1643 (im franff. Archiv) wird geltend gemacht, ein erft nah von den Be-
ihwerbdeführern fertiggeftelltem Druck infinuiertes Privilegium fönne „in prae-
judicium nostrj juris quaesiti utpote tempore prioris nicht gezogen werden
854 Quellennachweiſe und Anmerkungen.
quod esset contra jura Privilegiorum quae nullam eiusmodj extensionem
in praejudieium tertij possessoris permittunt, quod nec Imperator nisi ex
justissima expressa causa facere censetur“,
0) Vergl. A. Kirchhoff, Die furf. ſächſ. Bücher-Kommiſſion. Im Archiv IX,
162, Anm, 44.
m) A. a. O.
92) Vergl. A. Kirchhoff a. a. O. S. 90.
3) So in den drei vor dem Reichslammergericht verhandelten Nachdrucks
prozeffen, welche in den Weglarichen Beiträgen für Geichichte und Rechtsaltertümer
(heraudg. von Paul Wigand) I, 227—240, mitgeteilt werden. Bei zweien diejer
Prozeſſe (Buchdruder Schott zu Straßburg gegen Buchhändler Egenolph zu Frank—
furt, 1533, und Hieronymus Froben und Nifolaus Episcopius zu Baſel gegen Eucha—
rius Hirtzhorn und Gotthard Hittorp zu Köln, 1535) ift aus den Alten der ſchließ—
lihe Ausgang des Prozeſſes nicht erlichtlih. In dem dritten Prozeß (Beter Kopf
zu Frankfurt gegen Vögelin zu Leipzig, 1595) zeigt nach Ablauf von zwei Jahren,
während welcher nur prozeßleitende Defrete erlaffen waren, der Anwalt des Ap-
pellanten an, dab fein Mandant geftorben und die Erben einen Vergleich einge-
gangen wären.
Bei dem Strafverfahren, welches im Jahre 1575 gegen Obertus Giphanins
und den jtraßburger Buchhändler Rihel eingeleitet wurde, fteht weniger der aller-
dings begangene Nahdrud — von welchem Geſichtspunkt Stobbe, Handbuch des
deutichen PBrivatrechts, ILL, 79, Note 2, darauf aufmerfjam macht —, als das da—
mit konkurrierende Preßvergehen in frage. Vergl. darüber die Rhedigerſche Brief-
ſammlung (auf der breslauer Stadtbibliothel), Bd. IX, Nr. 26—28. 46—49. 68— 71
und die TFejtichrift der breslauer Univerfität zum vierhundertjährigen Jubiläum der
bafeler Univerfität — Oberti Giphanii epistolae 15 ex Cod. Mt. Rhedigerano
ed. — von Th. Schirmer, Breslau 1860, ©. 3 fq., ©. 15-22.
9%) Aus dem nürnberger Kreisardhiv.
9) Abgedrudt bei Siebenkees, Beiträge zum teutichen Recht. I, 222— 224.
Namen- und
Drtsregifter.
N.
YHadhen. 19, 35, 25L
Aalſt, ſ.: Aelft.
Achates, Leonhard (Eckardt), aus Baſel.
113, 116. 19.
Aden, Hendrid von. 64,
Adam aus dem Ammergau. 190.
Adam von Rotweil. 190,
Adam, Peter. 270,
Adler, Aegidius, j.: Aquila.
Adolf von Nafjau, Erzbiichof von Mainz.
46. 52. 64. 68, 45L
Aelſt (Aalſt, Aloft). 214. 339.
Aeiten, Wilhelm von. D3L
Aeſticampius. 365,
Aethelwald, Bilchof. 260.
Agricola, Kajpar. 591,
Agricola, Martin. 176,
Agricola, Rudolf. 22. 365, 452, 453, 466,
Aich, Leonhard von. 142,
Alantjee, Leonhard. 92, 283, 324, 382,
826
2ulas. 92, 142, 289, 324, 382,
Albano, Juſtus de. 136, 139, 457
Albert aus Stendal. 190,
Albert, Johann. 826,
Alberti, Dr. 605.
Albi, Fohann von, ſ.
Albin, — 80,
Albrecht V ‚peraog von Bayern. 250.
DD8, 564 567,
nn von Brandenburg, Erzbijchof von
Mainz. 28, 62, 72, 80, 166, 2 DSL
Aubredt Herzog von Sachſen. SOL
Albrecht, gobann, Druder. 92,
Albrecht, Lorenz. 174.
Alcala de Henares. 208,
: Neumeijter.
Aldegrever. 216, 240.
Alding, Heinrich. 193,
Aldus, ſ.: Manutius,
Aleander, Hieronymus, Kardinal.
Aleman, Ehriftian. GOL
Alemanus, Leonhard. 207,
Aleria, Johann von, Biſchof. TO.
Alerander VI., Papit. GL LH. 379. 385,
529, HU.
Alerandrien. 3. 4 2 6 10.
Alfonfo, Dom. 210.
Alkrow, Johann. 175,
Alopecius, Hero (Fuchs). LOG.
Aloſt, ſ.: Aelit.
Alt, Schreiber. 292, 203.
Altenburg. 567,
Altingk, Heinrich. 460.
Altorfer. 246.
Amberg. 638.
Ambois, Jakob von, Abt.
Amboife, Louis von, Bot. 3 202.
Ambradt, Johannes, aus Mainz. 104.
195. 289.
Amerbach, Bafılius. 118,
Amerbah, Baſilius (Sohn des Boni:
facius). 375.
Amerbah, Bonifacius. 118, 296. 307,
312. 315. 389, 390.
Amerbach, Dr. Bonifacius. 583,
Amerbah, Bruno. 117,
Amerbah, Johann. 86. 87. 88. LIE 116.
117, 119. 121. 268. 293, 306. 310.
3ıl,
390. 410. 424, 452, 453, 454. 459,
460,
Amiens, 233,
86
Amman, Kobjt. 247,
Namen: und Ortsregifter.
Atticus, Pomponius. 6. 9
Amfterdam. 448. 459, 498 514. 516.| Au. 230,
520, 580. 661. 662, 666. 669. 693
694. 715. 750,
Anelam. 460.
Angers. TL.
Angit, Wolfgang. 258, 399, 402,
Anhorn, Bartholomäus. 320,
Anjou. 23:
Anjou, Gräfin von. 24,
Anna von Bretagne. 239,
Annaberg. 152, 445. 597,
Anjelm Kafimir, Kurfürft von Mainz.
653. BT 658 UT
Anjelm zur Meyien. 840,
Anshelm, Thomas. UL 167, 168, F
270, 283 284, 288, 310, 324, 325,
377 386. 399, 400, 402, 455,
465, 534, 824,
Antiocdhia. 5.
Antwerpen (Antorff). 19. 102. 104. 118,
208. 213. 214. 215. 216. 217. 24L
284, 326. 350. 118, 419, 458, 459,
b12, 612, 613, Ti2,
Apel, Jakob. 459,
Aperger, Andreas. 135,
Apfel, Michael. 164,
Apiarius (Bienenvater), Mathias,
248, 826,
Appentegger, Wolf. 207.
Aquila (Adler), Aegidius. 163,
Arbogaft, Klofter. 33. 36, DD.
Arbogaſt, Bucdruder. 435.
Arbogait, Philips — 693, 694. TIO,
Arevalo, Roderich von, Biſchof. 2
Argeſilaus. 7
Arnaud von yon. TIL,
Arndes (Arndts), Stephan. 174. 220,
Arnold (Neumarkt) von Köln. 337,
Arnold, Ehriftoph. 190.
Arnold, Gottfried. 605,
Arnt, Friedrich. 686,
Arrivabene. 337,
Arrodenius, Michael. 560,
Ascalon, Paulus von. 533,
Aichaffenburg. 114,
Aſola. 378, 386,
—
2
a, Dr. Andreas. 577,
ru Andreas von. D00,
Alti. 251
Athen. 3. 4 3. 6 10. 523.
Atrectus. 9, 10,
Attalus. 5,
Attendorn, Peter. 88. IL 208,
Attieus (in Athen). 4.
Aubin, Laurent. TIL,
Aucders, Hans. 769,
— 17. 19. 20. 58. 62, 66. 90.
167. 16x. 175 177. 180. 190. 2uL
269, 271. 273. 216. 277. 2I8. 279,
281. 2832, 283, 280, 287, 288, 299,
295. 300. 30L 302, 304. 329, 332,
4TL, 475, IR 479, 480. 483, 485,
489, 502, 512, 545, 562, 563, 564,
580. 588, 613. 634. 646. 765. 167.
168, 712, 776, 780. T8L 823,
Auguft L, Ku rl jr von Sachſen. 259,
J
Auguft II. (der Starke), Kurfürft von
132.
Sadjen. 599.
Auguftus. 6. Z 8. 523,
Autun. 10.
Avanti, Petrus D. 774
Aventinus, Johannes. 560.
Ayrer, Marr. 174. 177. 334.
Azzoguidi, Balthajar. 193.
B.
Bachelbel, A. Erasmus. 149. 152,
a — (Joſſe Bade). 103. 199.
—8 Konrad. 824,
Baleti, Petrus. 340,
Ballhorn, Johann. 174,
Bamberg. 46, 80. 81, 82, 139. 172, 245,
252. 334. 768,
Bämler, Johann. 128, 245. 271. 272,
276, 277. 332, Zah,
Bapſt, Valentin, und feine Familie. 154.
Barbier, Nikolaus. 459.
Barbirius. 476,
Barcelona. 207. 210. 281.
Bart, Hans. 166,
Barth, Heinrich, Archivar. 4,
Bartholomaei, — * Novo Anger:
mundio. 120. 329, 33
Bartholomäus von — 2.
Bartholomäus von Unckel. M 526,
Namen: und Ortsregifter.
Bärwald, Jakob. 154.
(®
Baſel. 21.42. 66. 72 32 86. 89
93, 94. 96. 102. 103, 108. 109, 110,
111. 112, 113, 114. 115, 116, 118
119. 120. 121. 122. 123. 124, 140.
161, 170. 173, 188. 196, 217, 230.
246. 217, 248. 268, 260. 277, 278.
279. 283. 254, 285, 287. 288 209,
204, 209. 300. 305. 307. 309. 310.
3418. 3109, 350. 35L 353. 357 364
366. 367. 38L 382, 383. 388, 389,
39%, 392, 397. 402, 410. 411. 412,
457, 458. 459, 467, 468, 470. 4TL,
473, 414 477 482. 588, 58 601.
ee ee
Baſſe, Nikolaus. 480. 483, 774 824
Battenſchnee, Johann. 340. —
Baudouin, Clemens. 459, 477, TZ4
Baum, Dieterich. 772,
Baumann, Georg. 450. 476, 589, 773,
847. 549.
Baumann, Georg, der Jüngere. 289, 590.
Baumgarten, Konrad. 1T
Baugen. 25. 230. 474. 686,
Beauvais, Vincenz von. 84. 304
Bebel, Zohann. 122, 248. 294.
Becanus, Dr. Goropius. 503.
Bechtermünze, Nikolaus und Heinrich. 46.
DL
Bed, Balthafar. 92,
Bed, NRenatus. 92, 2834. 826,
Bedenhub, Johann. 86, 177
— Beckſtein), Simon. 678, 686,
)
Beetle, Dieterich von der. 4öL. 762,
Behaim (Beham), Hans Sebald. 246, 744.
Beheim, Martin. 458.
Behem, Franz. 70. 80. 98. 774, 825,
Behem, Martin. 613,
Beilded, Lorenz. 39. 55.
Bel (Belle), Wilhelm. 302, D3L,
Belch, Udallrich. 281.
Beller, Johann. 459, 772,
Belletus, Fr. 512,
Bellovacenfis, Vincentius, ſ.: Beauvais.
Bembo, Pietro.
Bender, Dr. Jakob. 643. 649. 650. 655,
Benediktbeuern, Klofter. 23.
Berdhem, Katharina von. 844. 845,
Berg, Johann von (Erben). 613.
Bergamo, Kaſpar von. 196.
Bergel (Bergellanus), Johann Arnold
‚19,
857
Bergen, Chrijtian. 636.
Berger, Peter. 132.
Berghe, Jan van dem. 242,
.| Bergmann, Hans. 152,
Bergmann, Johann (von Dfpe). 96. 121
82.
Bering, Gebrüder. 828,
Beringer, Abt. 21
Berlin. 66. 153. 238, 289, 477,
Berlin, Johann. 672,
Bern. 92. 248. 320. 321, 584.
Bernaldes, Andreas. 309,
Bernegger, Mathias. 517,
Berner, Johann. 638,
Bernhard, Maler. 130.
Beromünjter. 110. 251.
Berje, Dietrid) von. DIL.
Berthold (von Denneberg). Erzbiſchof von
Mainz. 453. 526, 3 580, DSL
Berthold bon Hanau. 138,
Bertin, St., Kloſter.
Bertram, Anton. 826.
Bertran, Johann. 529.
Befancon. 2.30,
Beſickem (Befiden), reg de, aus
Befigheim. 113, 118. 188. 249,
Bellarion, Kardinal. 29. 59. 184 189,
196. 197, 202,
Beuter, 9 686.
Beuther, Michael. 466.
Bewid, Thomas. 242,
Beyer, Johann. 686.
Beyfuß zum Hinterhecht. S41.
Bieberadh. 416,
Biel, Friedrih, aus Bajel (Maestro
Fadrique Aleman),. 113,114, 208, 329,
Bielde, Johann. 825,
Bienenvater, Mathias, ſ.: Apiarius.
Bild, van der. DI2,
Bilfred Giufrith). 260.
Billius.
Binder, Hans, 147.
Binder, Meifter. 584
Bindoni, Kaipar. 774
Birdmann, Arnold. 80. 104, 212, 468
470. 479, TI2,
Birdmanns, Arnold, Erben. 104. 105.
Birdmann, Franz. 94. 101 102, 103.
104. 120. 284, 294, 299, 456, 825,
Birdmann, Johann. 613, 772,
Birdmanns, Johann, Erben. 104.
Birdmann, Theodor. 104,
Birdner, Johannes. 473,
Virretis, Joh. Ant. de. 338.
Biſchof, Hans, von Triptis. 303,
Biſticci, Veſpaſiano de. 30. 59,
858
Biftoli, Johannes. 372,
Bittorff, David. 849,
Biß, Hans. 74. 452, 762,
Blaeu (Blacumw), Johann. 520. 669. 692,
Blajtos, Nikolaus. 371. 384,
Blaubeuren. 173,
Blaubirer, Johann. 129,
Blavio, Yoao. 212,
Blois, Gräfin von. 25,
Blum, Michael. 152, 592, 593. 825,
Blum, Michel, der Jüngere. 593,
— gen. Heidelberger, Johann.
Bock, Nidel. 156. 157
Bodenhoffer, Johann Joachim. 678.
Bodmer, Familie. 126,
Bois-le-duc. 217.
Bologna. 13. 14. 15. 16. 26. 31, 192,
338. 373. 378, 395, 397. 559.
— Cornelius und Earl de. 503.
Boner. 81. 245,
Bongart, Hermann. 99, 531
Bonifacius, Prädifant. 565.
Bonifacius VIIL 68,
Bonifacius IX. 448.
Bonnemöre, Anton. 822,
Boom, Dirk (Theodor). 644.
Borchades, Hans. 178,
Borchades, Thomas. 178,
Borde (von Lyon). ZIL.
Bordeaur. 205. DIN,
Börner, Johann. 316.
Botel, Heinrich. 207,
Bötticher, Gregor. 149,
Boten. 23. —
Bouchier, P. 828,
N Erzbiichof von Lyon. 202, 203,
—** Paul. 482. 483.
Braga. 210,
Braglione, Branco. 195,
Brandis, Lufas. 146. 173. 174
Brandis, Markus. 145. 146. 337,
Brandis, Matthäus. 146,
Brandis, Morik. 146, 165. 167,
Brant, Sebaftian. 31 31. 121, 268, 310.
329, 330. 331 390. 568. 569.
Brafjart, Katharina. 711,
Braun, Georg. 107.
Braunfels, Otto. 313,
Brechter, Friedridh. 346. 34T
Brechter, Martin. 40.
Breitfopf. 228, 230,
Bremen. 416. 657
Bremer (Bulle), Fohann. 188. 339,
Brescia. 22. 192,
Namen: und Ortsregifter.
277. 219. 281. 350. 358, 412, di
Bretton, Wilhelm. 102.
Breydenbadh, Bernhard von. 78.
Brios. 320.
Brito, Johann. 215.
Brocar, Wilhelm. 208,
ten Broid, Ludolf. 531.
Brömjer von Rüdesheim, Reinhard. 41.
Brojamer, Hand. 246,
Brubach, Beter. 774. 824,
Brud, Johann von der. 278,
Bruder, Anton. 346,
Bruder, Chriftoph. 638,
Brüder vom ae Leben. 17, 62,
79. 14L 143 444 174 230.
216. 243. 260. 263. — 449,
ränge. 19. 20. 102, 213. 215. 216. 217.
Brundifium. 10,
Brünn. 175. 337
Brunnen, Johann. 70. 76.
Brunner, Klaus. 602,
Brunner, Konrad. 457.
Brüſſel.
Bry, Theodor de. 469,
Brylinger, Nikolaus. 122, 204. 470, 479.
601. 602, 793.
Buding, Arnold, ſ.: Pannartz.
Buffer, Nikolaus. 300.
Bugenhagen. 325. 469.
Bulle, Johann, f.: Bremer,
Büllingen, Ludwig von. LoL 104. 1.
107. 108.
Bullinger, Heinrih. 125, 314.
Burer, Albert. 410.
Bürgig, Johann. 623,
Burgkmair, Hans. 129. 133. 216,
Burgo, Nicolao de, 289. 2%.
Burgo, Pietro Antonio de. 289, 20.
Burgos. 114. 207. 208,
Bury, Richard de. 12, 21. IR
Buſaei, Johann, Witwe in Köln. ZI.
Buſche, Hermann von dem, 362 3.
399, 404,
Buriis, Johannes Antonius de. IX.
Buyer, Bartholomäus, 201. 301.
Byzanz. 225,
C.
Caen. 340. 502,
Caeſaris (Keyſers), Peter. 198. 19,
Namen: und Ortsregijter.
—22 Konrad. 106,
Caejarius, Nikolaus. 106.
Caimox, Cornelius. 613. 772,
Caimor, Heinrid. 613. 774
Caimor, Hubert. 613. 774,
Baldarinus, Domitianus. 186.
Calenius, Gerwin. 613. 772, 825,
Caliergi, — 314. 371 34
Calvi, Andrea. 89,
Calvin. 204, 318. 516.
Calybäus, Bartholomäus. 122.
Cambridge. 464,
Camerarius, Joahim. 155. 374.
Camermaifter, Sebaftian. 202. 766.
Gamers. 162, 365.
Cammin, Biſchof von. 147. 228. 233.
Campanis, Thomas de. 3410,
Campanus, Biichof von Terano. 187,
Campeggi, Lorenzo, päpftlicher Nuntius,
416, 570.
Caniſius, Peter. 163, 445.
Canterbury. 102,
Capito, ſ.: Kopfel.
Caraffa, Kardinal. 187
Carbo (Khol), Hans. 163, 827,
Garpenitras?). 217.
Carpi, Fürft Albert Pius. 291. 313. 37L
379, 411,
Carpzow, Benedikt. 603,
Carrara, Francesco. 232,
Caſſius, Gajus. 523,
Cattho, Angelo, Erzbiichof. 203.
Earton, William. 107 14. 215, 217
Cayas, Gabriel de. SOLL
Eeltis, Konrad. 131. 161. 361. 365. 376.
382. 396. 397, 738. 139, 767.
Eennini, Bernardo. 192, 267.
Eennini, Cennino. 240.
Cennini, Dominicus. 267,
Cervicorn, ſ.: Hirkhorn.
— Alain. 286,
Chevallon, Claude. 199.
Ehindafivind (König der Weftgoten). 676.
Cholinus, Goswin. 106,
Eholinus, Johann Arnold. 106.
u Maternus. 106, 299, 506. 613.
ChHolinus, Peter. 106,
Chouet, Leonhard. TIL.
Chouet, Pierre. ZIL
Chouet, Samuel. 669,
Epriftian II., Kurfürft von Sachſen. 624.
628, 632. 633,
Ehriftian III, König von Dänemarf,
469,
899
Ehriftian IV., König von Dänemarf.
518. 606,
Ehriftian von Nürnberg. 531,
—33 — Königin von Schweden. 518,
Ehriftoph, Herzog von Würtemberg. 168,
Ciotti, Johann Baptift. 108, i
Cividale. 238,
Clayn, Johann, ſ.: Clein.
Clebitius, Wilhelm. 548. 549, 550,
Cleebatt (Kfeeblatt), Stephan. 207.
Clein, Johann. 201. 203. 283. 528,
Clein, Stephan. 351,
Element, Peter. 148. 152." 279.
Eloucguius, U. 512,
Elugny. 115,
—— Johann. 168 324, 41 415.
Coeus, Simon. 284.
Eogolludo. 209.
Eohler, Johann. 456,
Gollimitius. 162,
Eolumban. 238.
Columbus, Chriftoph. L 208, 209,
Columbus, Ferdinand. 209, 458,
Commelin, Hieronymus. 176,
Como. 293, 167
Eonon, Johann. 116,
Eonrad, Balthafar. 590,
Conty, Etienne de. 24
Gordova, Fernandez Alfred de. 206,
Gordus, Cremutius. 523,
Cornelius von Bürichjee. 99. 336. DIL
Gornouaille, Graf. 254.
GCorvey. 28. 20.
Corvinus, Mathias. 31.
Coſta, Andreas. 320,
Cotta, Johann Georg. 170,
Cotta (Firma). 202,
Eracau, Georg. 602,
Erafto. 194. 195.
Cranach, Qucas. 172, 246, 247. 423,
Grajton. 324.
Gratander, Andreas. 122. 284. 291. 582
82
Crato (Kraft), Kohann. 827.
Erespin, Johann. 774, 324,
Ereußner, Friedrich. 141, 333,
Ereuger, Stephan. 164. 827,
Erithius, Johann. 825,
Eromberger, Jakob, 208, 211, 212,
Eromberger, Johann. 212,
Erotus Rubianus. 395. 396, 399, 402,
Eruje, Loys. 824.
Eulenborg. 214. 217.
Eundall. 257,
860 Namen: und Ortsregifter.
Cundiſius, Joh. 686,
Eunrad, Chrijtoph. 601.
Cunrat (Bapierer). rn
Curio (in Upfala). 518.
Eurio, Valentin. 122. 248,
Euftos, Dominicus. 135,
Guthbert. 260,
Eyclops, Wolf. 166,
D.
Dabertzhofer, Chryſoſtomus. 135.
Dachauer, Michael. 207.
- Dalberg, Johann von. 395.
Danneder, j.: Dieneder, de Neder.
Danzig. 150.
Darendingen. 168,
David, R. ben Chaim. 132,
David zum Sdiff. 840. 842,
David, Konrad, 339,
Debreszin. 163.
Deder, Hans Yatob. 583, 584. SIL
Degerbed, 768.
zehn, Hermann. 850,
Dehme, Michael. 669, 706, 707,
Deif. 216,
Dend, 3. 441
Denis, St., Abtei. 254,
Deo, Kohann de. 338,
Deſſerans, Jcan. 308.
Deventer. 17, 216, 326, 361, 363. 367,
Didot, Firmin. 25. 263, 264. 266. 374.
Diegen, Engel. 772,
Diemuth, Nonne in — 24.
Dieneder, Koft. 129%. 246,
Dietenberger, Johann. 79, 168,
Dietherich, Thiebold, 773,
Dietrich, Alerander. 529,
Dieß, Ludwig. 174,
Dijon. 113.
Dillenburg. 555.
Dillingen. 559,
Dindmuth, Konrad. 136, 137. 334.
Dion, Adam, ſ.: Dyon.
Dodo, Auguftinus, 116. 310,
Dolet, Stephan. 204,
Dolhopf, Andreas. 696. 720,
Domitian. 524,
Donau-Gejellichaft. 135. 365.
Donauwörth. 181. 183,
Döring, Ehriftian. 172, 423,
Dorpius. 387. 39L
Dorjten, Johann von. 531.
Dortmund. 105.
Dorus. 9,
Douai. L
Drach, Peter. 172. 173, 335,
Diechſel, Thomas. 774,
Dreher, Konrad. 773,
Dreicher, Veit Jafob. 686.
Dreiler, Matthäus. 155. 319.
Dringenberg. 363,
rn Andreas. 34. 3. 37389.
bh.
—— Claus. 34. 36. 309. 51
Drigehn, Georg. 34. 36. 54.
Ducas, Demetrius. 311.
Du Gerceau, Jacques. 507,
Du Molin, Sebaftian,. 296. 7
Dünne. 38,
Dupuys, — 459, 774,
— Al — 138, 233, 239. 245.
an die. 475,
Duvet. 267.
Dyd, Ehriftoph van. u.
Dyon, Adam. 173, 412,
E.
Eadfri en
Eber, (afius. 827,
Eber Johann. F
Eberbach, Petrejus. 02
Eberlin, Johann. 420, 432, 41
Ebersheim, Gerhard. 643,
Ebert, Baftian. 261
Echternach.
Ed, Johann. 168, 411. 414 415. BI.HI.
Edardt, Leonhard, J. Achates.
Editein, Simon. 152,
Eder, Georg. 555. 556.
Eder, Wrfgeng 82h.
Egenolph, Chriftian. 92 453. 824. SL
Egenotph8, Chriftian, Erben. 482, 613.
Egenolph, Paul. 825.
Gageitein, Heinrich. 85. 86. 128. 28
Eglinus, Raphael. 322,
Ehrlich, Paul. 303,
Eichitädt. 174. 334. 768,
Eilenburg. 151. 166. 420, 427,
Eisleben. 152, 475. 4%.
Elchinger, Hans. 576,
Eldyinger, Matthäus. 132.
Eler, Andreas, 529,
Namen- und Ortäregifter.
El-Fayüm. 226, 228,
Eliezer, Raban. 209.
Elifaberh, die heilige. 238,
Elisabeth vidua (Druderfirma). 99.
Elfevier, die fyamilie. 213. 308, 498. 602,
511, 516, 517. 518, 519. 520.
Eljevier, Abraham (Sohn des Mathias).
514. 516. 521, 829,
Elfevier, Agidius. 5IL.
Eljevier, Bonaventura. 514. 515.
Eljevier, et (Sohn des Ma-
thias). 514. 516. 829,
Eljevier, Daniel (Sohn des Bonaventura).
314. 514. 516. DIT. 518.
519. 520
694. 829,
Eljevier, Johann. 515. 519. 669,
Eljevier, Iſaak (Sohn des Mathias). 466,
511.
Eifevier, Ludwig. SIL. 512, 513, 514,
h19. 828,
Eljevier, Mathias. 511.
Eljevier, Peter. 694.
Eltville. 33. 34. ” 61. 02,
Elyan, Kaipar. 173.
Emmel, Egenolph. 316.
Emmel, Samuel. 826.
Emmenius, Johann. 319.
Emmeran, ©t., in Regensburg. 251.
Emmerid, Franz Erasmus von. 717. 730,
— Werner Philipp von. 643, 661.
671. 677, 679,
Emijer. 594. 738.
Endovicenfis, Chriftoph. 284,
Endter. 696. 708, 709, 710, 712, 713,
Endter, friedrid. 706. 707, 712,
Endter, Michael. 706. 707.
Endter, engen. zu2 494, 495. 499,
502, 648, 678, 682. 693.
Enfhuijen, Jan van. 24.
Epinal. 230. 346. 576.
Episcopius, Eujebius. 121. ul 172. 823,
861
396. 400, 412, 2 419, 445, 475,
529, 686. 773. 780
Erlinger, Georg. 82,
Ernft, Kurfürft von Sachſen. 591.
Ernit, Erzbiihof von Magdeburg. 146.
Erphordianus, Johannes. 132,
Erjtenberger, Georg. 620, 628,
Erythropilus. 605,
Eichenberger, Andreas. 575.
Eipenloer, Jorg. 768,
Ehlingen. 173. 335. 345, 525.
Eifonne. 229,
. | Ejtienne. 176.
Eitienne, Henry (Henricus Stephamus).
200. 460. 464, 324.
Ejtienne, Robert. 200. 824.
Eumenes II. 225.
Evora. 212,
Eyſelein, Jorg. 767,
Eyſen, Dr. Johann Baptiſt. 619.
F.
Faber, Abraham. 825.
"aber, Bajilius. 155,
Faber, — (Frankfurt). 768.
Faber Emmäus, Johannes. 122, 823.
aber, Johann (aus Langres). 338. 410.
aber, Beter. —
Faber, Rudolf. 319,
Faber, Timäus. 512,
Fabri, Felix. 62,
Fabri, Johann. 220,
Fabri, Peter. 774.
Fabriano. 229,
Fabrieius, Blaſius. 826.
Fabricius, Georg. 155,
Fabrieius, Walter. 261. 825.
Fadrique Aleman, f.: Biel.
Episcopius, Nitolaus. 100, ww Faleaõ, Chriftophaö. 212,
Bon oh 59. AGT, AGB AD. 475, | ano. 385,
478, 823, 84,
Episcopius, Nitolaus (Sohn). 121,
Erasmus von Rotterdam. 92, 102,
Erbady, Georg Graf von. 591.
Erfurt. 1 iz. &2 92 110 977. 287.
302. 336. 362. 364, 374. 394. 395.
Tarcallius, Amandus. 824.
Farel, Wilhelm. 307, 414. 582,
Farwenburner, Veit. 114.
Faulhaber, Johann. 579,
Fauſt, Johann (Haufierer). 435.
Feger, Diephold (Theobald). 282.302, 767.
Trelgiebel, Eſaias. 686.
Teller, Dr. 599,
Tenollar, Don Bernhard. 206.
Ferdinand L 162. 163. 317. 366. 431,
432, 442, 553. 555. 556. 570. 57
BB,
Ferdinand II. 589. 641. 649. 652.
862 Namen- und Ortsregijter.
Ferdinand II. 170. 589. 616. 644. 650,] 474. 476. 477. 478, 479, 480. 41L
b5l, 6566. 658. 659, 660. 661, 662,| AS2, 483, 484, 485, 486. 487, 488
663, 664, 666, 681. 750. 491. 403, 494, 496. 499, 500. 502.
Ferdinand der Katholijche. 208. 505. 506. 507. 512, 514. 518,
Fernandez, Balentin, j.: Valentin von) 519. 527. 529. 548, 549, 550. 563.
ähren. 566. 574. 578. 579. 580. 58L 60L
rerrara. 371. 602, 603, 604. 605. 606. 600 610
Ferrariis, Petrus de, 457, 611. 612, 613, 614. 615. 616, GIR,
Feſtichius, Theobald. 392, 621, 622, 624. 627, 628. 629. 630
Fevre, Raoul de. 217. 631. 632, 633. 635. 636. 639, 641
Feyerabend, Kohann. 484. 642, 645. 646. 647. 648. 649, KL
Feyerabend, Sigismund. 80. 158. 305,
308, 318, 459, 469. 470. 473, 477.
478, 479. 613, 774, 823,
Fichet, Wilhelm. 42, 196. 197. 202, 286,
Fievet jun., Daniel. 665. 693.
öinderihaus, Lorenz. 154. 156. 157, 158.
296. 476, 749,
Fingerlin, Dr. 578,
Fink, Leonhard. 435.
Firleger, Hans. 769,
Fiſchart, Johann. W.
Fiſcher (Piscator), Kilian. 178
Fiſcher, Lorenz. 8
riicher, Peter. 730. 823. 824.
Fivett (Fievet), Daniel. 665.
Flach, Martin, in Bajel. 86. 116.
sta, Martin, in Straßburg. 86. 88. 91.
Sud, Martin, der Jüngere. 92, 283,
). 826.
— wu Mathias. 167. 559,
Flament, Abbe. 118.
Flandria, Gerardus de. 337.
Flavius, X. Ch. 12,
Slorenz. 21. 26, 28. 29, 30. 192, 292.
249. 267, 270. 295. 238, 372, 385
559, 169.
Foligno. 174. 194. 195. 249. 267. 285,
280,
Foppens, Franz. DI2,
Foriter, Gregor. 153, 29%.
Foucquet, Jehan. 239,
For, Johann. 559,
Franck, Sebaftian. 559. 565,
Franeker. 512.
Frank, David. 135,
126
162, 768, 774. 783. 824,
Frankfurt a. DO. 154, 173,
Frank, Auguftus. 590.
Franz, Korrektor. 76,
Freher, Marquard. 176. 316. 317, 321
sreiberg. 147. 317. 686.
Sreiburg i Br. 122, 178. 332, 366, 367,
Freiburger, Michael. 42. 196. 197. 19,
freilingen. 137. 179.
Sreifingen, Biſchof von. 561
Frellon, Johann. 774.
Friderici (Friedrich), Johann. 694, 697.
704, 705. 706,
Triedberg, Peter. 79.
Friedrich Barbaroffa. 24.
Friedrich II. (Kaifer). 448,
Friedrich III. (Kaifer). 68. 72, 84. 160,
ns der Weiſe, —— von Sachſen.
147. 382, 419, 592.
Friedrich I., Kurfürjt von Pfalz. 85,
Friedrich iii. „Kurfürſt von der Pfalz. 8
Friedrich IV., Kurfürſt von der Pfalz.
624. 628, 620, 630. 638,
Friedrich V., Kurfürjt von der ala,
König von Böhmen. 639. 640. 644.
riedrich, Herzog von Würtemberg. 261.
586, 646,
Frankfurt a. M. 20. 68. 69. TI. 74, 80.
101, 102. 106. 14 122. 140. 155. | Fries, Andreas. 693,
158, 159, 181 239. 277. 278. 279 Frieſe, Heinrich. DIL
294, 305, 307. 308. 31L 312, 318. Frieſe, Ulrich. 21
349, 303 3b6. 357 383, 399, | riefen, Otto Heinrich von. 725,
400. 410. 448. 449. 450. 4bL 452. Frieß, Heinrich. 693. 694,
453, 454. 455. 466. 45T 458 4509 | Frieße, Dr. 578,
460, 461. 462. 463. 464. 465. 466. | FFrigeno, Marino de. 28.
467. 468, 469, 470. ATL 42, 473, Srius, Gemma. 506.
Namen- und Ortsregiſter.
Frisner, Andreas. 139. 144, 145,
—8 Wilhelm. 669,
Se 2 ohann. 706. 107,
Fritſch, Thomas. 502, 605.
Fritz, Gabriel. 476,
Fritzhans, Johannes. 166, 171,
Froben, Ambrofius. 121. 839.
Froben, Aurelius. 121. 773,
Froben, Johann. 117. 118. 119. 120,
121. 122, 123. 248. 282, 287, 288,
293, ET 230. zu. 308. 309, 31
Froben, — 100. 101. 103. 11T
120. 121. 392, 394. 613. 854,
Frobenius, Georg Ludwig. 178.
Frommann, Eduard. 383.
Fromolt, Eberhard. 113. 116,
Fronius, Mathias. 741. 742,
Froſchauer, —— 124, 125. 126, 307,
308, 310. 338. 456, 468,
Bro, —— der Jüngere. 126,
248. 7
—— (S Schauer), Johann. 412. 442,
462,
Froſche, —— 627.
Fröſchlin,) Yafob. 579,
Fuchs, — Alopecius.
Fuchsmagen, Johann. 365.
Fugger, die. 382.
Fuhrmann. 696,
Fulda. 28.
Fumagalli. 181.
Furmann, Velten. 773.
Fürſt, Paulus. 686,
Fürjtenberg, Ferdinand von, Fürſtbiſchof
von Paderborn. 517.
Furter, Michael. 118. 120, 239. 294, 816,
Füßen. 38L
Fuſt, Grete. 813.
alt, Johann. 42. 42.
67T. 68
83 94
244 ST 248,
450. 4L 759,
Fyner, Konrad. 173. 334.
.
4.
70, 11
F11,
12.
138,
278. 281
G.
Gaasbeck, Abraham von. 694.
Gaasbed, Daniel von. 694.
Gaguin, Robert. 42. 200.
Gaillard, Pierre. 255.
Galilei. 517. 519,
Gallen, St. 28, 251, 277. 321.
Gallus. 238,
Gallus, Nikolaus. 167.
Gallus, Wolfgang. 188.
Garlin, Sohann. 693.
Garnier, 296,
Sartenmann, Hans, 774,
Sasparini von Bergamo. 42. 113,
Gaubiſch, Urban.
Gaza, Theodor. 150,
Sebwieler, Hieronymus von. 85.
Geiger, Hans.
Beilenfirhen, Kajpar. 550.
—— von Kayſersberg, Johann. 31. 269,
Geirtgen, Frau. 587
Gelenius, Sigismund. 120. 31L
Gellgues, Arnold. 40, 41,
Gemuſaeus, Hieronymus. 613,
Gemujaeus, Polyfarp. 613.
Genf. 69. 204. 307, 320. 459. 464, 476,
478. 612, 669. 6%, 774. 824
Sengenbadh, Pamphilus. 121. 412,
— Kaſpar von. 106,
Sensberg, Johann. 188.
Gensfleitt mager) al 32,
Gensjleiih, Frilo.
Sensfleiich, rn (Sutenbegs Bruder). 34.
Gensfleiſch, Georg. :
Gensfleiſch, Peter Sohn Frilo’s). 32
Gensfleiſch, Richter.
Gent. 19. 20. 217 Fer
Gentile da Fabriano. 229,
Genua. 50. 93. 192. 769,
Georg, — re er 149, 151
234. 691. 592,
Bas. 59%. 601, 738. 741,
Gerbellius, Nikolaus. 389,
Gerber, Hans. 767.
Serbard von Amersford. 531
Gerhard aus Haerlem. 192.
Gering, Ulridh. 42, 113. 196. 197. 198,
813,
Gerlach, Abt von Deuß. 60,
Gerlach, Ehriftian. 678.
Gerlach, Dietridh. 613, 773,
Serling, Johann. 207. 210,
Sermanus, Henricus. 191.
Gesner, Jakob. 773,
re Andreas. 827.
Geßner, Konrad. 125. 314. 319.
Geyer, Niklas. SU.
864
Ghemen, Gottfried af. 219.
Gießer, Hans. 207.
Siolito, Gabriel. 828.
Giunta, en da. 250. 283, 828,
Slandorf. 429.
Glareanus, Heinrich. 332, 389,
Slauberg, Karl von. 540.
Gleditſch, Johann Friedrich. 502. 605.
Slodengieher, Sirtus. 201.
Sof, Markus. 693,
Glov, Achatius. 148,
Soclenius, Konrad. 317,
Gode. 295.
Goes, Mathias von der. 217.
Soldait von — Melchior.
317. 321, 466. 623,
Soldhammer. 395.
Goldinbeck de Sul, Barth. 339,
Soljmid, Martin. 763.
Soltih, Bartholomäus. 188,
Goltz, Morig. 151.
Goltzius, Hubert. 506. DOT.
Sörlin, Kohann. 669,
Görlitz. 226. 228, 686,
Soßbert. 24
Goſſel, Hans. 613,
Sotha. 252, 396. 548, 549,
Gothan, Bartholomäus. 174,
Gotthardt. 24,
Götz, Zune von Schlettjtadt. 97. 285.
9, 331
Götz, Paul. 89,
Götz, Thomas Mathias. 686. 696. 705,
Gouda. 216. 217. 219, 339,
Gourmont, Agidius 340.
Gourmont, oh. 340,
Graf, Elias, Superior. 646.
Graf, Urs. 133. 246,
Graminaeus, 3 613. 772,
Gran, Heinrid. 92. 173. 177. 283. 284
288. 324, 332, 402, 824,
Granada. 207. 208,
Sranvella, Kardinal. 504,
Sraphäus, Johann. 284,
raue, Stephan. 773,
Graz. 293, 302, H5L DL
Greff, Johann Hartmuth. 664 665,
$regorius, Dr
Greiff, Michael. 175.
Greiffenbruch, Johann. 772,
Sreifswald. 460.
Grefemund, Theodorid. 529.
Grimani, Breviarium. 20, 239,
Grimani, Kardinal, 20. 389.
Grimm, Siegmund. 132. 132 188,
Grimma. 427,
Gritſch. 324.
153, 172, 423, 846,
Namen- und Ortöregifter.
Gritti. GEL.
Gritto, Johann. 640,
Grolier, Jean. 257. 258. 259. 261
Far Johann Friedrid. 515. 516,
Grooß, Johann. 679. 680.
Sroote, Gerhard. 17, 449,
Große Gro ), Friedrich. . 400.
Große (Groß), Gottfried. 159. 160.
Große, Gottfried, und Gejellichafter. IM.
Große, Henning, Gejellichafter und Er-
ben. 158, 159, 160, 489, 490. 652, 748.
825 846. 850.
Große, Henning jun. 159%. 160.
Großhofer, David Lazarus.
Grotius, Hugo. 519.
Grumbad), ilhelm von. 597,
Grün, Hans Baldung. 246.
Grunderhaus, Jakob. 567.
Grunenberg, Johann. 171. 412, 413. 418,
420. 423. 827.
Grüner, Johann. 136. 137,
Srunhofer, Chriftoph. 767.
Grüninger, Johann. 86. 8 M, 9, 172,
283. 298, 331. 437, 816. 826.
Gruppenbach, Georg. 170. 316. 467, 586,
Grüter, Johann. 512. 513. 526,
—— ern 204
ryp ius, ara
Gryphius Gh, Sei ), Sehaftian. 204,
Grynäus, Antijtes, 319. 773,
Sualterus, Rudolph. 125.
Suarinus, Thomas. 773, 823,
Gueynard, Stephan. 232,
Suillard, Charlotte. 199,
Guillemot, Mathias. 296. 297,
Guiſchet, Jakob. 774
Guldemund, Konrad. 193.
Guldenmund, Hans. 573. 744.
Buldenichaff, Johann. 98.
Suldinbed, Bartholomäus. 188.
Günther, Wolf. 154 gr 474,
Gunzenhaufer, Jojeph. 193.
Guftad Adolf, Herzog von Medlenburg.
607,
Gutenberg, Frilo. 32, m
Gutenberg, Johann. 1. 2, 31 32 3.
3 30. 36. a7. 28. 29,40. ILS
812,
Guthe (oder Ponat), Dominicus. 2.
Gutknecht, Zobjt. 412,
Namen: und Ortsregifter.
Guymier, an 1
Guychette, om
—— ymnich), Engelbert. 661.662,
663. 679,
—— I., Johann. 106, 107. 299.
5 72,
Gymnicus IL, Johann. 107
Symnicus III, Johann. 107.
Gymnicus, Martin. 107,
Gyrardeghis, Franciscus de, 338.
9:
Haag. 232, 233. D14.
Yang (Baagen), Beter. 301.
Haagen, Johann Friedrich, von Arnheim,
693.
Had, Cornelius. 520, 694.
Had, Hans (Danzig) 768.
Had, Peter. 693.
Hacquet, oh. Bapt. 327.
Haerlem, 217.
Haeftens, 9. van. 512,
Hagen, Johann Ludwig von. 488. 637
643, 645. 647, 649. 650. 652, 653
655. 666. 658. 663
Hagenau. 21. 83. 91 168. 172. 117. 270,
283. 284. 310. 324. 332, 402, 455,
462, 824,
Hagenbach, Peter. 207.
Hagmaier, Johann. 261.
Hahn, Balthajar. 613. 773,
Bo Ulrid. 187. 188. 194 24
Hahn, Weigand. 478. 774, 823.
Haimon, Bilchof. 24.
Halberjtadt. 413.
ie hi Hans. 230.
amburg. 174. 177. 178. 279, 322, SL
657, 678, 709. 825.
Hammann, gen. Herzog, Johann. 10.
Hammer, Peter. 498,
Hammers, Agnes. 435.
Hammers, Stephan. 435.
— Balthajar. 773,
andis, Henequis, j.: Hendis.
Hanheymer, Johann Nikolaus. 188. 339,
Hans, Franzisfanermönd. 274. 275,
Hans von Dorlad). 347.
Dans von Koblenz, ſ.: Kerver.
Darder, Michael. 467. 478,
Harniſch, Mathias. 613. 774
Harpulus, 3.
Harſcher, Hans. 74.
Harttung, Alerander. 692, 693. 705, 706,
107. 708. 9. 2. 3.
Rapp. I.
Haile, Oskar. 816. 833,
Hajelberg, Johann. 92. 283,
Hajelo, Beter. 20.
Haſſelt (bei Zwolle). 216.
Hauenjtein, Thomas Heinrich. 712,
Hauffe, Mathias. 261.
Hault, David. 827,
Havenjtein, Yodocus. 193.
Hederich. 174
Hees, Wilhelm. 214.
Hegius, Alerander. 361. 363. 364. 367,
Heidegger und Rahn. 126.
Heidelberg. 16. 26. 70. 91. 156, 158. 175,
176, 243, 321, 335. 375, 395. 464.
526. 519, 613. 774
Heil, Andreas. 154.
Heil (Hay, Wolf. 773,
Heiland, Markus. 120,
Heilmann, Andreas. 35. 36, 38. 39, 55.
Heilmann, Anton. 35. 36, 39.
Heilmannus, gen. Grails von Dreydorff. 18.
Heinrich III. Kaijer. 24,
Heinrich, Herzog von — 594. 595.
Heinrich (Bifchof). 77.
Heinrich von Mellerjtadt. 428. 571.
Heinrich von ei 97. 99. 531.
Heinrich, Hanf. 773,
Heinrich, Niflasz. 774
Heinfius, Nikolaus. 515. 517. —
Hell, Georg von, (gen. BR
Helmasperger, Ulrich. 46. 47. 80
van Konrad. 69, TZL 72.73. 7A. 452.
162,
Henneberg, Berthold von, j.: Berthold,
Erabifchof.
Henningh, Peter. 353.
Henrici, Johannes. TL
Henricpetri, Sebajtian. 122. 248,
Henricpetri, Sirtus. 122,
Henry, Benedictiner von Dube Abbey. 260.
Henſel, Konrad. 527. 528
Heringen, Wi igand von. 527.
Hermann von Stadtlohn (Stadtloe). 71. 72,
Hermann (Harmann), Johannes. 301,
Hermannjtadt. 20, 21, 278. 302
Hermogenes. 524,
Hermsdorf —
Herold, Geor
Herrad von — 238,
Herrenbed, Johann. 201,
Herrgott, "Sohann. 143. 425, 438. 439,
h7L, 594.
—— Kunigunde. 438.
Hertel, — 178
Hertford. 230,
Herwagen, Johann. 92. 120, 121. 123,
55
696. 720.
866
294. 300. 315. 388, 458, 583, 613.
823,
Herwagen, Johann (Sohn). 121.
Herwagen’s Witwe und Erben. 123, 471,
Hefie, Eoban. 389, 396. 399, 402, 417,
Hebel, Jeremias. —
Heumann, Friedrich. 79,
Heybey. 501.
a ern von der. 619.
Heyl, Jato . 105,
Heyl (Soter), Kohann. 105,
Heyl, Melchior. 109.
Heynlein de Lapide, Johann. 42, 59, 116.
186. 196. 197, 286. 326.
Heyny, Ehriftmann. 128,
Heytmer, Johann. 28,
Hierat, Anton. 107. 299, 844, 845,
Higman, Johann. 199,
Hildanus, Fabricius. 220,
Hilfebrand, Gethmann. 850,
Hiltebrant, Johannes. 168, 310.
Hindenumb, Andreas. 150.
Hirihmoger. 163.
Hirkhorn ae): Eucdharius. 100,
105, 106. 825. 854.
Hift, Fohann. 172,
Hiit (Byich), Konrad. 90. 172. 173, 177
Hittorp, Gottfried. 94. 100, 101. 150.
151, 279, 284. 295. 459, 765, 854
Hißel, Hieronymus. 428, DIL
Hochfeder, Kaspar. 112,
— 25 Konrad. 774
Hochwerck, Siriacus. 34%,
Hofer, Albrecht.
Hofer, Peter. 152.
Hoffmann, Johann. 667, 853,
Hoffmann, Nifolaus. 824.
Hoffmann, Wolfgang. 668 665,
Hofhalter, Nichard, 1 : Skrzeluski.
Hogjtraaten. 380. 400, 401,
Sopenfohe, Graf Albrecht von. 131.
5
ohenwang, Yudwig. 135. B16.
oh Hermann Andreas. TIT,
olbein, Ambrofius. 246, 248.
Hans, Papierer. 130. 229, 233,
Holbein, Hans, der Ültere. 118, 119. 123,
247, 248, 325,
Holbein, Hans, der Jüngere. 246, 248,
Holbein, Frile. 220, 230. 233,
Holl, Leonhard. 136,
Hölßel, Hieronymus. un 284, 333,
Homberg, Konrad von, j.: Winters,
— Nitolaus von. 86. 267,
dopfer, Daniel. 246,
Namen- und Ortsregifter.
Hopyl, Wolfgang. 101. 102, 199, 282.
284, 828,
— (Hurlemann), Kurd. 69. 278
Hornden, Ludwig. 94. 100, 150. 151
279. 284, 295, 386. 459. 765, 828.
ther Hörnen, Arnold. 58. 95,
ther Hörnen, Peter. B.
Hörnigk, Dr. £, von. 488, 643, 652, 660
662, 663, 664, 665 666. 66T, 668
669, 670. 6TL, 680. 68L. 715.
Hornung, Andreas. 147,
Horft, Peter. 772,
Hortas, Magijter. 209,
Hofenneftel, Jiaaf und Abraham. 580.
Huber, Wolfgang. 569
Hubmayer, Balthajar. 441. 442. 443, 554,
Hugo, Johannes. 182.
Humel, Kong. 768,
Humery, Konrad. 18. 39, 46.47, 50, 53,
Humm, Anton. 649,
.. Johann Nifolaus. 665.
Humm, Paulus, 602,
— Michael. 168 324, 375,
Hünefeld, Niklas Ehriftoph von. 693, 694.
69h, 104. Tun, 106. 707, Tio, ZI2,
114
Supfuff, Mathias. 91, 298, 313, 331. 826,
Hurus, Johann.
Hurus, Paul. 207,
Hus, Mathias. 201. 202, 340.
Huf, Johann. 404. 588,
Huf, Martin. 201, 302, 767, 28
Hußner, Georg. 86, 267
Huftlein, Hans. 768,
Hutten, Ulrich von. 133. 148. 162. 313,
362, 36h. 370, 396. 397, 399, 402,
404, 405. 415. 437. 534,
Hutter, Leonhard. 850.
Hütter, Simon. 158, 470, 774. 822, 849,
Huttichius, Sohannes. 90, 91
Hutz, Yeonhard. 207,
Hyſch, Konrad, j.: Hift.
J.
Ickelſamer, Valentin. 444. 445, 44T
Ilsner, Blafius. 693,
Slfung, Hans Felir. T
Zumendorff. 646.
Zugoifiadi 174, 177. 191. 334. 375, 485,
500. 559, 562, Dei Did. 56T, 576
613, 168, 773, 825.
Ingolter. 475.
Namen- und
Ingweiler, .... bon. 89, 768,
ar Bernhard.
nnocenz VIII. on
Selen, Heinrich von. 529. HL.
Sienburg, ee von, Erzbijchof von
Mainz.
Siengriner, Dichael. 122, 294,
Säger, Andreas. 261.
Jäger, Johann, 396.
Jakob, Buchführer.
Jakob von Breda. 216.
Jakob von Olmüß. 60.
Safob von Pforzheim. 87. 88. 118. 120,
2R4. 329,
Jakob, Eyriacus. 315.
Jan de Printere (von Antwerpen). 241.
242
Jani, Johann. 748.
Janſon, WU. 666. 669,
Janſſon, Johann. 518. 520, 694,
Jena. 158, 167. 307, 470. 602, 622, 024,
Senjon, Nikolaus. 144. 190, 191, 206,
371.
Jeronimus, Buchbinder. 76T.
Jeronimus, Buchführer. 767.
Sobin, Bernhard. 43. 826.
— aus Gerlichshofen. M
ohann II., König von Portugal. 209,
Johann, Buchführer in Jüterbock.
te von Köln. 190. 192, 207.
Sohann aus Lüttich.
Johann von Nürnberg. 208.
Johann von Ravensburg, j.: Ravensburg.
Johann von Solingen. DL
Johann von Speyer. 189. 190, 208. 323.
37
Johann von Wejtfalen. 214. 215. 339.
Johann Adolf, Herzog von Holjtein. 322.
Johann Albrecht, Herzog von Medlen-
burg. 465.
Johann — Kurfürſt von Sachſen.
423. 5 *
Johann eh Kurfürft von Sadjen.
473. bu.
Sohann Georg Il., Kurfürjt von Sachſen.
[it I
Johann en Kurfürjt von Sadjen.
— Buchführer. 302.
Johannes de Vienna. 129,
Jonghe, Clemens de. 667,
— LBL. 154. 294 2%.
— Beter. 79, 38.
Jucundus, Jakob. 826.
Ortsregiſter.
Jud, Leo. 126
Julius IL, Papft. 232. 385. 740,
unta, Zucantonio, ſ.: Giunta.
unta, Philipp. 470.
8.
er Johann. 177,
Kachelofen, Konrad. 146, 147, 148.
Käferjtein. 230.
Ktalcovius, Jodofus. 669,
Kaiſer, Hans. 3UL
Kaliergi, Zadjarias. 314. 371. 384
Nammerlander, Jalob. 93, 826,
Kammermeiſter, Sebaftian. 292, 766.
Karl V. 121. 234. 534 Dh. 336. 539,
42, 543. 545, 546, 555. 774, 776,
Karl Heinrich, ar. von Mainz. 657,
Karlftadt. 143. 302, 444, Did. D7L
Kajchauer, Andreas. 428. 570,
Kajimir, Kurfürjt von der Pfalz. 319.
Ktalpar von Wien. 164.
Katharina, Herzogin von Sadjen. 153.
Kaufmann, Chrijtoph. 207.
Kaym, Urban. 92. 283
Kebel, Johann von. 527.
Kefer, Heinrich. 110. 138. 139,
Keijer, Antonius. 587.
Keller, Ambrofius. 129,
Keller, Iſaak. 3
Keller, Johann. 125, 579,
Kellner, Georg. 152.
Kempen, eg von (Armao de Kam—
pos, Nempis). 210.
Kempen (Kempenis), — von. 106,
Kempffer, Joh. Gottfried. 693,
Kempffer, Matthäus. u65,
Ktepner, Heinrich.
Kern, Kunz.
Kerner, Konrad. 92,
Kerver, Hans, von Koblenz. 302. 767
Kterver, Jacques. 828,
Kterver, Thielmann. 199,
Keſſelmann, Georg. 302. 767.
Kepler, Nikolaus. 83. 113. Lies. 118. 217.
329, 343.
Kejtlin, Hermann. 129.
Kettelaer. 213. 214
Kettenbach, Heinrich. 435. 44L,
Keyſere, Beter, ſ.: Caejaris.
Khol, Hans, j.: Carbo.
Khuene, Balthafar. 280.
Kilhen (Kirchen), Jalob. 114.
Kind, Johann Anton. 107, 669. 696, 320,
Kippius, Johann, 774.
55*
868
Kirchhoff, A. 13. 21. 22. 25, 102. 104,
120. 131. 270. 280. 438, 526.
Kirchner, Ambrofius. 153,
Kirſten, Peter. 173,
Kifter, Bartholomäus. 91. 298,
Kianjenburg. 221.
Klein, Chriftian. 494,
stlein, Matthes. 147.
Klein, Victor. D67Z
Kloſemann, Kaſpar. 590,
Klug, Peter. er
Kluge, Jofeph. 171,
Knapp (Appius). 395. 396,
Knappe, Dans. 166.
Knobiauch, — 89, 931. 92, 177. 283.
298, 331.
Snoblochker, ehıric, 31 175, 330, 335,
Kinufflod, Paul. 174.
Köbel, Johann. 825,
Koberger, Anton. 71. 86. 87, W, 116,
117, 138. 139. 140, 142, 203, 245,
344. 346. 347, i
Bl, 352, 353, 354. 355, 356, 358,
2359, 363. 411. 426, 427, 459, 454,
Ktoberger, Anton, der Jüngere. 141, 203,
Koberger, Johann. 141, 142. 149. 203,
279, 340, 345. 346, 347, 349, 350,
352, 354. 460.
Koberger, Melchior (Sohn). 141
Koberger, Sebald. 349,
Koch, Georg. 207,
Koch, Simon. 165.
Köhlhoff, — Vater und Sohn. 45,
28, 95. 26. 97, 99. 330.
Kolb, Auguftin. 174,
Kolbe, Anthoni. 869,
Ktöllifer, Peter. 113, 118.
Köln. 16, 18. 19, 20, 21, 32, 58, 66,
70, 79, 93. 94. %. 97. 29. 100, 101
ERERRE|
FEEREFEBE
REERBEREEE!
468. 470. 475. 478, 508,
8 ys 587 612 613 2
sfr, Wygand. 824.
Kolozsvar — 221.
König, Konrad. 154, 158. 307, 469,
Namen» und Ortöregifter.
Königs (Regis, Le Roy), Wilhelm. 201,
301.
Konftanz. 28, 133, 137 155, 2SL 404
415. D82,
Kopenhagen. 219. 363, 218.
Kopernicus. 1. 122.
Kopf, Peter. 315. 316, 645. 649. 650. 824.
Köpfel (Tephaläus), Wolf. 92, 326,
Köpflin (Eapito). 410,
Kormann, Peter. 92,
Kortholt, Ehriftian. 66T, 668
Krachenberger, Peter.
Kraft (Erato), Hans Zacharias. 172.
Krafit (Erato), Johann. 172,
Krafft, Kaipar. 261. 289, 321,
Krafamp, Johann Wilhelm. 107.
Ktrafau. 142, 161. 162, 173, 221, 279, 358
Kranz, Martin. 196. 197, 199. 266,
Strapfenjtein. 273,
Krauſe, Jakob. 261.
Kiremsmünjter. 260,
Kresz, Kaspar. 769,
Kreta, Johann von. 311.
Kretihmar. 749.
Kröner, Heinrich. 487,
Krüger, Theodor. 261.
Kuchenbeder, Johannes. 693.
Küchler, Chriftoph. 693,
Kuder, Michael. 438.
Kunaft, Jörg. 92.
Kunne, Albert. 175. 334,
Kupper, Chriſtophorus. 1406,
Kürchner, Kaipar. DIS
Kufius, Daber. 363,
2.
Raale, Peter. 219,
Labienus. 523,
Lachner, Gertrud. 119, 120.
Lachner, Wolfgang. 103,
Lamberg, Abraham. 159. 472, 489, 490,
816,
Lamparter, Nikolaus. 121.
Samy, Antoine. TIL.
Lanckiſch, Friedrich. 160,
Landen, Johann von. 99, 531
Landsberg, Martin. 412, 149. 152, 337,
Landshut. 142. 411. 412.
Langen, Gottichalt. 299,
Langen, Rudolf von. ST, 117, 361. 363,
364, 397,
Langnidel. 144. 145,
Lapide, Johannes Heynlin a., ſ.: Heynlein.
Namen- und Ortsregijter.
2a Rodelle. 519,
Lajche, Jakob. 693,
Yafius, Balthajar. 204. 823.
Laskaris, Konstantin. 59. 1OL 372,
Latherac, Mathias. 209.
Yatomus, Siegismund. 485. 48T 665,
Laubenberger. 667. 670,
Zauber, Diebold. 21. 33.
Yauber, Nafkob. 113.
Laudebach, Hans von. 175.
Lauer, Georg. 187,
Lauginger, Narcih. 20L
Lauingen. 233. 481.
Laurent. 512,
Laurentiana. 28, 21. 30.
Yautenjad. 163.
Lauterbach, Johann. 466.
Lavagna, Philipp von. EI FE
Lebnitz, Walther von. 302, 767,
Lechler, Martin. 549. 774
Yecomte, Nikolaus. 282,
&cempt. 213. 214
Leers, Arnold. 604. SL 852,
Leesdorf. 230,
Leeu, Gerard. 217, 822,
Keheymer. 34. 40,
Leheymer, Paar (Mutter Gutenbergs). 32,
131. „139. 143, 144,
Yeipzig. 100,
145, 6 147, 148. 149, 150. 151
152. 153, 151 155 156. 157, 158.
259, 261 2 27T. 278. 279. 283,
287, 2093. 295, 296. 208, 304. 306,
315. 318. 319. 326. 328. 320, 336,
418. 419. 420. 421 42% 424, 427.
428, 439. 459. 460. 464. 4IL 472,
501. 502, ñ01 592, 593, 594 590
596. 597, 598, 601. 603. 604. 606.
606. 622, 624, 652, 669, 670, KTh.
682. 684. 686. 687, 692, 694. 70
714. 716. Do 725 732 733 748
749. TAL 768. 773. 825.
Leiria.
Lenhard, Buchführer. 201.
Leo X. Fe 61. 208, 285. 390. 391 41L
———— Schönſchreiber. T
Leonore, Königin von Portugal. 209, 210,
= l,, Kaijer. 586. 6DE 666. 667
ra 672, KIT 681, 684 68T
.2übed. 23. 74. 93, 9%.
Le Preur, Jean. 324
Lerida. 207.
Le Roy, ſ.: Königs.
Lescuyer. 203, 28
Leucht, Balentin. 512, 618. 619. 620,
b28, 636, 637, 688,
Leutner, Simon Lorenz. 687,
Leuwarden. 512,
enden. 217. 219, 252, 466, 508. 31L
b12, 513. 514, 516. 694,
— (Levilapis), Hermann. 193,
Lichtenstein, Leonhard von. 442,
Lichtenftein, Beter. 233. 281
Lidel, Jeremias. 580.
Liederwalt (Lüderwald), Joh. 686.
Liegnig. 230,
Lignamine, Philipp de. 83. 195,
Limburg, Johann. 177.
Lindtner, Friedrich. 768.
Lingelsheimer. m,
Lipſius, Juftus. 509,
Litfabon. 201. 209. 210, 211. 212.
Locher (Philomofus), Johann. 457.
Loe, Johann von.
Xöffler, Dans. 153, 460.
London. 21, 52, 102, 217. 248. 248. 308.
471, 6309.
Longinus, Vincenz. 376.
gongus, Betrus. 774
Loon, Anjelm von. 87.
Lorr, Johann. 146.
Löfer zum Strauß. SL
Yöslin, Peter. 190,
Kotter, Melchior. 147. 148. 149. 151
152. 167. 17L 336. 412, 414. 419,
420, 421. 422, 423, 428, 476.
Lotter, Melchior, der Jüngere. 149, 419,
Lotter, Michael. 149. 166. 419, 422, 423,
Louwe (Lewe, Löw), Joachim. 178,
Löwen. 102. 214. 215. 242, 320, 330,
367, 400, 459, 464, L 512, 559,
146. 167. LIE
178. 220. 278, 285, 336. 344. 245.
448. 450. 455, 759, 762, 768,
Lucas, St., Gilden. 118.
Lucca. 192. 193, 233. 458,
Yucca, Simon de. 187
Luck, Ludwig. 176. 591
Yudiwig, Herzog von Würtemberg. 536.
Ludwig XI. 25. 72. 266,
Lufft, Dans. 171. 423, 424, 738, 741, 827,
Lundewig, Damian. 153. 154,
Lüneburg. 179, 471, 492. 493. 494. 499,
500. 683, 686.
Namen: und
870
Luſchner, N erg 207, 28L,
Luther, Martin. 1. 120, 121. 129. 133,
140. 149, 166. 168. 169, 171. 122,
174. 307 310. 311 313. 324. 369,
370, 374, 395. 396. 403, 405. 406.
407, 408. 409.
414, 416,
431, 3:
Ir a 443. e
536,
Fr Bir 554. 558,
572, 592, 593, 54, 737
Lügelburger, Hans, 246,
= ern. 4
pbilch, Kajpar. 173. 588,
Son, (Lugdunum). 10, 115. 140.
200. Zul zur 203, 204,
286.
340,
385.
M.
Mace, Robert. 502,
Machiavelli. 292, 516.
Macon. 115.
Madrid. 206. 55L. 664
Magdeburg. 62, 150. 152, 153, 165. 166.
167, 171. 336, 423, 429, 530. 567
678. 686.
Magnus, Jakob. 207, 208,
Nahen, Deliderius. 284,
Majer, Johann. 176.
Mailand. 10, 21, 22, 8. 89, 9%. 187.
350. 167.
Mein, 18 SL 28 33, 34. 37, 40. 41,
42, en
1 74. 75. 76. 78. 79. 80.
). 93. 94. 98, 111. 141. 181
194, 195, 209, 245. 266. 270.
335. 400. 402, 415,
468, 485, 486. 487,
738. 739. 7159. 760.
Maioli, Tomafo. 257, 258, 261,
Mair, Benedikt. 175.
Mais, Baſtian. 774
Maler (Bictor), Bernhard. 190
Maler, Jojua. 468. 470.
Maler, Mathias. 395.
Drtsregifter.
Mang, Ehriftoph. 135,
Manger, Michael. 135.
Mantion, Eolard. 144. 215. 218
Manthen, Johann. 190.
Mantua. 113, 270.
Manutius, Aldus. 155. 204 250.
267, —* 285. * ur 239.
257,
30L
363,
375,
382
39 ⸗
408, FE 770. BD8. 39.
Manutius, Aldus (der Enkel). 387
Manutius, Paul. 378, 386.
Marburg. 106, 178, 320. 321. 774. 825
Marciana. 29,
Maregi, Benedikt. 372.
Maria von Burgund.
Marienthal (im Rheingau).
144,
Marion, %. 204. 283,
Marne, Claude. 472.
Marneff, Engelbert von. 205. 282
Marichall, Nitolaus. 391, 395,
Marieille. 10. 205,
Martens, Dierd. 214 215, 217,
Martin von Amfterdam. 118,
Martin von Reutlingen. 137.
Martin von Werden. 98, 99,
Martin, Peter. 201.
Martinsdnd. 216.
Maflimi, Pietro und Francesco. 182,
Mathias, Kaifer. 556. 589, 617, 637,
Mathias von Olmüß. 192. 193.
Matthäus di code da Parma. 250,
Matthäus de Eracovia, 50.
Maufer, Beter. 205,
Maulbronn. 344.
Maufer, Hans. 153, 154.
Marimilian L 62, 76. 129. 161. 168,
2309, 259, 361. 364. 366. 376. 377
383, 398, 455, 457, 535, 568,
Marimilian IL 169, 465. 548. 549, 355.
610. 613, 614, 615, 616, Höl,
Marimilian J. Herzog von Bayern.
bl,
Mayer, Joh. Bapt. 693,
Maynıyal, Georg. 197.
Mayr, Siegmund. 118. 249.
Meder, Kohann. 579,
Medici, Coſimo. 30.
Medina Eoeli, Herzog von. 20%,
Megijer, Hieronymus, 472,
Meig, Claudius. 371,
Meilter, Johann. 118,
62, 79, HI
Namen: und Ortsregifter.
871
Melanchthon, Rbitipp. 168, 171. 172, 310. | Moretus, Johann. 505. 506. 509. 510,
3il. 374. 396. 309. 417. 419, 420. | Morhart, Ulrich. 92, 168. 169, 283. 773,
445, 462, 465, 516, 543. 591 506.
Melleritadt, Heinrich von. 428, DIL
Mellinghaus, Julius. 107,
Memmingen. 175. 334. 416,
Memmling, Johann. 20.
Mengerlin, Beter. 41 582. SIL
Mentel, Johann. 70, 32. 83. BL 85 86,
87,89, 127, 129, 144.276, 285, 304, 330.
Menger, Simon. 165.
Mercator, Gerhard. 613,
Meren, Peter van. 350.
Merian, Matthäus. 469, 824,
Merkhel, Johann. 580,
Merjeburg. 146. 173. 363.
Meflerihmidt, Georg. 92, 33.
Metierihmidt, Johann. 92,
Meſſerſchmidt, Paul. 93.
Meiiina. 193.
Metlinger, Peter. 112.
Mettayer, James. 296, 297.
Mettelbach, Jorg. 768,
Metternich, Peter. 502, 669. 853,
Mep. 142. 825,
Meujer, Kajpar. 261.
Mevius’ Erben. 696,
Meydenbach (Medenbadh), Johann. 78, ZI.
Meyenberger, Friedrich. 167,
Meyer, Konrad. :
Meyer, Peter. 399, 455, 334 DSL
Menger, Magdalena (Ruppel's Frau). 111.
Mepiterlin, Siegismund.
Michael aus Flandern. 207.
Michael von München. 192,
Michael, Andreas. 473,
Det aus Bajel. 201.
Michel Angelo. 232, 233,
Middelburg. 512.
Miller, Johannes. 132,
Miich, Friedrich. 175.
Mittelhaus, Georg. 199. 328,
Modena. 205,
Molen, Marquard von der. 278,
Molitor, Ulrich. 329. 334
Mollyn, Nikolaus. 849. 80.
Mömpelgard. 307. 414,
Monner, Dr. Bajilius. 470, 602,
ns, 350,
Mons
Monferrate, Abtei. 281
Montana, Colla. 28
Monte, Petrus de. 338.
Monte Caſſino, Klojter. 27.
Meontreveil, Claude de. 296.
Mor, Arbogajt. 114.
Moretus, Balthafar. (I—IV.) 510,
Morin, Martin. 205,
Morin, Romanus. 340,
Moris, Herzog und Kurfürft von Sachſen.
460, 594, 595. 60OL
Morus, Thomas. 123. 317. 403,
Miühlhaufen in Th. 476, 825,
Mulid, Hektor.
Müller, Chrijtian. 773,
Müller, Jakob. 176.
Müller, Martin, 686,
Münden. 84 175. 224, 230. 239, 242,
Munitianus, Gebrüder. 191,
— 21, 71 87. 177, 361, 363, 364.
—* Sebaftian. 122, 164.
Münzer, Thomas. 428. 441, 571,
Mure, Conradus de. 111.
Murner, Thomas. 313. 329. 568. 560.
Musculus, Wolfgang. 120.
Mylius (Müller), Arnold. 105. 825,
Mylius, Arnold Kojeph. 105. 200,
Mylius, Erato. 93, 826,
Mylius, Hermann. 105. 678,
Mylius, Johann Daniel. 644,
N.
Nadler, Georg. 132. 412,
Nadler, Hermann. 114
Nantes. 726,
Nathan zum Strauß. 842.
Naucler, Johann. 62,
Naumburg. 277. 574, 686,
Neapel. 10. 105. 10 DDR 2u0. 644,
Neder (Danneder), David de. 164.
Neder, Herkules de. 164.
Nefe, Johann. 303.
Nerlich, Nidel. 476,
Neienus, Wilhelm. 457
Neuber, Ulrid. 773,
Neudörffer, Johann. 139. 140,
Neuenar, Hermann von. 405,
Neuenhahn, Johann Ludwig. 667. 668,
669, 706, 707. T5L,
Neumarkt, Arnold, j.: Arnold von Köln.
Neumeifter, Fohann. 78. 174, 193, 194,
195, 19%. 201. 202, 203, 220, 249.
266. 267. 281. 289, 323
Neuftadt a. d. Hardt. 158.
Nevers, Graf Wilhelm von. 254.
Niccoli, 29. 30,
872
Nidel, Anton von. 199,
Nikofratus. 4
Nikolaus V. 30. 61 257.
Nikolaus von Breslau. 192,
Nikolaus von Frankfurt. 190,
Nikolaus aus Mainz. 33, 31
Nikolaus von Sacdıjen. 210,
Nikolaus von Trier, 27.
Nikolaus, Gerhard. 284
Nikolsburg. 442. 443.
Nivelle, Sebaftian. 459.
Noppes, Kuno. 36,
Nördlingen. 20. 249, 277,
Normandj, Salomon von. 774,
Noſche, Joachim. 693. 694,
Nozani. 102,
Nürnberg. 62. 66. TL 832. W, DL 116.
129. 136. 138. 130. 140, 141. 142,
2
*
708. 744,
12 71h.
Nutius, Martin. 159. T
Nymegen. 216. 604,
Nythart, Hans. 137,
ö
Dbernburger, Johann. 774
Obrecht, N.
Ochſeln, Jakob. 14
Odenſe.
Ofen. 279. 293, 302, 350, 358, 163, 167
Dfener, Bechtold. 74
Offenburg. 173,
Oglin, Erhard. 132. 283. 333,
Ohringen. 132,
DOfolampadius, Johann. 120, 143. 314.
589 399 132 55 4
Oldenburg. 657
Dldendorp, Johann. 649,
Namen: und Ortsregüter.
Dlpe, Peter von. 35.
Öle. 839.
DOporin, Johann. 121, 122, 125, 124
140. 300. 363, 388. 477, 823,
Oppenheim. 79. 179. 335, 602, 325
Orel, Füßli u. Comp. 126,
Drlers, Jean J. 512,
Orry, Marc. 296,
2 Emil. 194. 195, 267. 289,
Orſini, Gabriel de. 289,
Orfini, Giordano. 27.
Dfiander, Andreas. 573,
Öfler, Zafob. 843.
Dthmar (Ottmar), Johann. 130, 132.
Dthmar, Sylvan. 132. 133. 28
Dtt. 320.
DOttinger, Heinrich. 166. 167.
Dttmar, Valentin. 566,
Dtto. 723. 724,
Dudenarde. 216.
Drford. 232, 464
p.
Pabſt, Joh. Michel. 686.
Pachel, Leonhard. 19L,
Padıra. 96, 116. 192, 193, Zub, 233. 338.
375, 397 464.
Raffroet, Albert. 216.
Raffroet, Nichard. 216.
.| Baganini, Alerander. 285,
Balatina. 11.
Palomar (Balmart), Lambert. 206. 207
Bannarg, Arnold. 59. 181 182, 18.
Ur
Bannaus, ®ichel. 567.
Bannufe, David. 566. 567. i
Bangichmann, Auguftin. 100. 131. 1.
151, 295. 297, 304. 306,
Paraviſino, Dionyfius. 191,
Paris, Johann. 207, _
Paris. 15. 16. 19, 2L 67 68. 69. il
72. 73. 76. 100. 102. 103, 110. 116.
118, 140. 150. 196. 197, 12. an.
204. 208, 220. 224, 232, 239, 31.
255. 258, 266. 278. 279, 282 28.
284. 286. 293. 296. 297, 298, WI.
350, 353. 358. 367. 387 3%. 39.
400. 414. 448. 451 458 459. I.
464. 502. 503. 505. 512, Al. 5IM
520, 525. 549. 559, 644. 685.
er 173, 392,
Dlpe, Johann Bergmann von,j.: Bergmann. | Barma, 22. 250.
Namen: und Ortsregijter.
Baffau. 175. 279. 281 768,
Patius, Johann. 512.
Baur, Hans. 242,
Bavero de Fontana, Gabriel. 239,
Bavia. 338
Pega, Andreas Franz. DIL
Regniter, Johann. 207,
Bellifan, Konrad. Lie. 117 125 310,
Bencio, Jakob de. 283,
Beregon, Jakob.
Berenot, A. 774
Perfert, Johann. 590,
PBergamon. 5. 225,
Permeier, Johann. 580,
Rerna, Peter. 458. 613, 773,
Berugia. 174. 194. 105, 220,
Reter von Lippftadt. 434.
Beter (Bapierer). 220.
Peterle, Michael. 325.
Petit (Klein), Jean. 282. 30L 340, 387
Betrarca. 2. 22. 133. 270, 285. 373.
Retrejus, Johann. 142,
Petri, Adam. 119. 121. 173. 283, 284
288. 310. 325, 320. 330. 410. ALL
412, 413, 414, 428, 160. 765, 7üb,
Betri, Gabriel. 190.
Petri (Henrie Petri), Heinrich. 121, 122,
248, 314. 613. 173
Petri, — 117. 118 119, 121 293.
342, 344. 350. 2L 2352, 353, 34
355. 358. 424. 454. 168.
Betri, Johann (aus Mainz). 102, 270,
Betri, Nikolaus (von Haerlem) 192,
Petri, Sebajtian, j.: Henricpetri.
Begenfteiner, Heinrich. 82,
Beutinger, Konrad. 31, 132. 364, 390.
399, 401,
Peypus, Friedrich 142, 248, 283. 570.
Pfefferforn, Johann. 99. 398, 399, 455,
Pfeiffer, Heinrich. 428, 5 DIL
Pfeil, Johann. 82,
Piennig, Georg. 152,
Piennighudel, ‚Friedrich. 451, 162,
Pfinzing, Melchior. 129,
— Albrecht. M 80. SL 82 245
Pfiſter, Sebaftian. er
Pflacher, Dr. Mojes. 316.
Pilanzmann, Jodokus. 129.
Pilügel, Leopold. 187.
un 91. 167. 302, 325, 335. 455.
565, 767,
Philipp II. von Spanien. 504. 509, 551.
Philipp, Johann. 199, 284, 325, 367,
875
Pico von Mirandola, Johann. 3TL.
Bierius, Nifolaus. 827
Pigouchet, Philipp. 282,
Pinus, ad Insigne. 134.
Birdheimer, Willibald. 31. 90. 149, 248,
Birlin, Hans. 132,
Bila. ZL 237
Piſchoff, Mag. Ludwig. 580,
Biltoris, Mathernus. 394 396,
Rijtoris, Nikolaus Philipp. 201,
Rijtorius, Jeremias. 646,
Pius II. 6L 68
Band, Stephan. 188, 339,
Plantin, Chrijtoph. 105. 106, 208. 213.
216. 279. 307. 308, 363, 459, 460,
471, 472. 502, 503, 50L 505, 506,
507. 508, 510. 5IL 512 613.
Blater (Blatter), Thomas, 122, 204, 300,
Pleidenwurff, Wilhelm. 141 245. 202,
Poggio. 28. 122, 215, 286.
Boitiers, Diana von, 259. 26L 820,
Roland, Beit. 319,
Bolih, Hieronymus. 60%,
Bollen, Johann. 105,
Bollio, Ajinius. 6,
Pomarius, Johann. 319,
Pömer, 9. 2412,
Bonat, Dominifus. 230. 476,
Bontremulo, Sebaftian. LOL
Ropp, Dans. 773.
Rorcelet, Simon. 205.
Porß, en Martin. 695,
Port, Urban.
Bortenbadh und Zuß. 134 482,
Bojen. 150. 152,
Prag. 16. 100. 150. 151 174, 251 279.
Prahſel, Hans. 24,
Prätorius, Johannes. 134.
Praun, Tobias Sebajtian. GSL
BEN Wolf. 131, 132, 151, 295,
Preuß, Gerold. 207.
Prevoſt, Nikolaus. 102, 284
Prüß, Johann. SG. 80. 2, 330
Ptolemäer. 4 5.
Pücher, Veit. 188,
But. 299,
Pynſon, Richard. 219,
374
Queck,
Q.
Paul. 823,
Quentel, Öeinrih. 97. 98, 99, 335, 526,
Quentel, Johann. 98.
Quentel, Beter. 79, 80. 98.
Quentels Erben. 613.
Rabe, Georg. 478, Ti4. 823,
N.
Rächlin, Claus. 301.
Ragazzo, Giovanno. 250,
Rahn.
ee Franz (Franz von Bologna).
D 6 —
Ramſtein, Leuthold von. AD.
Raſor, Dr.
Namen- und Ortsregiſter.
Reueller, Paulus. 774.
Reuſch, Sebaftian. 147. 152, 153, 154
26,
Neußenholz. 261.
Reuter, Quirinus. 316. 317,
Reutlingen. 132. 135. 175, 3341
Reval. 278,
NReynard, Johann. 188.
Reyſer, ſ.: Reiſer.
Rhaw, Georg. 171. 27
Rheims. 10.
Rhenanus, Beatus. 92, 116. 300. 309,
0,
Rhete, Johann. 826. XL
NHode, Franz. 178,
Nichel, Bernhard. 92. 114. 115, 116. 285,
Richenbach, Johannes. 260.
Nicholff, Georg. 174. 178.
u a a 505, 506. 507. Ai Jehan. 296.
ANatdolt,
241 :
Erhard. 130. 133, 190. 193. | gi
249, 212. 281. 282. 823,
Raujcher, Hieronymus, 156. 157
Ravaens, Agidius. 512,
Ravenna, Petrus von. 737.
Ravensberg, Johann von (von Köln). 32,
283,
Ravensberg. 229. 231. 233,
Ravensburg, Gotman. 452, 762,
-
Ravenftein, Albert. 165,
Nebart, Thomas. 774.
— 176,
427, 525,
177
Neger, Johann. 136. 137. 160.
Neggio. 22,
*8 Berthold. 193. |
Regiomontanus, Zohann. 141. 249, 276.
Regis, Wilhelm, j.: Königs.
Reiff, Friedrich. 320.
Rein
189. 190. 251 279,
572. 689, 691 722,
are aus Straßburg. 201,
ard, Martin. SL
Reinhart, Johann, j.: Grüninger.
Neifer, Georg. 85, 174
Reijer, Michael. 174. 334.
— Berthold. 198, 199, 28. 284.
Renchen, Ludwig. 98. 326, 331.
Nenwich, Gerhard. 78,
Reich, Hieronymus. 246,
Reich, Konrad. 328.
Reuchlin, Johann. 99. 167. 202. 308,
310. 324, 325. 361. 362. 36. 366.
370. 375. 377. 379, 380. 389, 396.
>4l,
ter, Johann Philipp. 724.
Richter, Merten. 153. 296,
Niederer, Friedrich. 179, 332,
Nieje, Adam. 445.
Rieljinger, Sirtus. 193. 249.
Riffe, Hans. 35. 4. 5
Niga. 278,
Rihel, Jofias. 92, 115, 613, 773, 826.
Rihel, Theodofius. 92, 115. 613. Kl
628. 773. 826
826.
Rihel, Wendel. 116. 326. 848.
Nitter, Kaſpar. 261
Ritzſch, Timotheus. 749.
Rivius.
Robet, George de. 296, 297,
Nocha, Lopez de la. 208.
Node, Nikolaus. 638,
Nödell. 66h.
Nodenjtein, Henne von. 41
Nödinger, Chriftian. 167.
Noermonde, Chrijtoph von. 234,
Rohrbach, Johann. 45T
Noigny, Kohann von. 200,
Rom. 32.5.6829 10.11 2 27 23
30. 60. 63. 70. Us 14L 44
170. 176. 181. 182, 186. 187. 188
329, 338, 339, 364. 368. 369. 371
394, 400, 40L 404 405, 437 446.
re ie
Romer, Kord. 278.
Rommerskirchen. 106. 107. 510,
Noja, Jonas. 825,
Namen- und
Roſenbach, Kohann. 207. 208, 829.
Roftod. 62. 144. 167 174
Roth, Adam. 188,
Noth, Dr. Georg. 156. 157. 158. 296.
Rothenburg a./Tauber. 434. 438, 444,
Rotmunder, Jheronimus, 769,
Rottenburg. 170,
Rotterdam. 213. 367, 3%. 694. 750.
Rottmann. 429. 430,
Rouen. 205. 340.
Rouffet, Johann. 205,
Roville, ©. 459.
Roy, Salomon de. 512,
Ruch, Balthajar. 122.
Rudolph II. 485. 550. höl. 555, 5ö6.
614. 615. 616. 617, 636, 746,
Nuf, Simpredt. 133, 823,
Rufus, Mutianus. 377, 381. 388. 3%6.
402, 410.
Rühel, Conrad. 773,
Ruland. 467.
Rumel, Hans. 768,
Ruof, Hans. 301.
Ruppel, Berthold. 42. 110. 111. 115.
Ruprecht aus Bajel. 34L
Ruh, Adolf. 22. 84 SZ 88 IL UZ
351 452,
Rüfch, Nikolaus. 115.
Rüwinger, Erhard. 74.
Rynmann — 92, 131, 132,
267. 279, 283. 288, 295. 301.
177,
333,
S.
Saar, Ehriftian. 686.
Sabifin, Margarethe. 773.
Sachs, Hans. — 143. 573,
Sadıs, Melchior. 395.
Sachſel, Georg. 18
Sacon, Jakob. 203. N 310,
Sadeler, Raphael. 469,
Salamanca. 207.
Salisbury, Hermann Biſchof von. 260.
Salman, Nidlas. 768,
Salomon, Blafius. 82. 152. 279, 295,
Salzburg. 730.
Sambir. 498,
Santritter, en Lucilius. 190.
Sans, Wolf. 207.
Saragofja. 207.
Sartorius (Erfurt). 395,
Sartorius, David. uß 825,
Särvar. 221
Saspach, Konrad. 39.
Sauer, Johann, 484. 485, 824.
Drtsregifter. 875
Sarer, Nikolaus. 319.
—— (Scabeler), Johann. 201. 459.
er, Dr. Kajpar. 484. 485. 486,
Scaffhirt. 230.
er — er
Scaitter, Chrijtoph. 132,
Scaller, Abraham. 566. 567,
Schaller, Hans, 566,
w elmann, — 30L,
enberg, Erilpin. 589.
——— Johann. 589,
Scharwächter, Hermann. 95,
Schäfburg. 302,
Schauer, Fohamn. 175,
Schäufelein, Hans. 129, 133, 246,
Scedel, Hartmann. 245. 282, 202, 293,
302, 766.
Scheffler (Angelus Silefius), Johann. 557,
Scend, Beter. 201,
=. (Lumpabulus Ganymedes), Wolf:
174, 336. 395.
Shen becher, Theobald. 188,
Scherzer, Johann Adam. 557. 6OL
Scheurl, Ehriftoph. 31. 302, 314. 411,
414, 416.
Sciedam. 207.
Scielen, Georg. 321.
Schilders, N. 12,
Schinkel, Peter. 638.
— Michael. 176.
Schirlentz, Nidel. 171.
Schleich, Clemens. 477, 603, 601
feicher, Albrecht. 578.
Se titadt. 82, 283, 363, 825,
Schmid, Mag. 578.
Schmid, Merten. 768.
Schmid, Salomon. —
Schmidt, Bernhard. 434.
Schmidt, Hans. 548, 549,
Schmidt (Faber), Johann. 201.
Schmidt, Nidel. 152,
Schmidt (Fabricius), Peter. 483,
Schmiedehofer, Johann. 306, 768,
Schmück, Michael. 845.
Scobjer, Andreas. 175,
Scobjer, Johann. 132, 175. 332.
Scöffer, Johann. 68. ZI. 76, 79,
28. 139. 741 847,
Scöffer, Jvo. 77. 80,
Scöffer, Peter. 41. 43.
67. 68, 69, 70. TL 2
247. 248. 266. 278. 281. 304. 309,
328, 450. 4öl, 452, 759, 760, 762,
Schöffer, Beter (der Jüngere). 77,
Schöffer, Beter —* ohn des Johann). 92,
z
BE
376
Schönberg, Anton von. 153.
Schongauer. 245,
Schonhoven. 217,
— Kohann. 90, 129, 130, 332,
Schönfperger, Rohann, der Jüngere. 130
Schönwetter, Gottfried. 677,
Schönwetter, Joh. Bapt. 64. 60h. 607
704, 105, 824
Schott, Johann. 88. 8. 92, 152, 285,
208, 331. 738, —
Schott, Martin. 54. . 2 826,
— Ehrijtoph. 151, 153. 172, 423,
46
Schred, Konrad. 767.
Screyer, Sebald. 212, 766,
Schrot, Martin. 772.
Schuhmacher, Elert..686. 696. TI2,
Schults, Engelhart. 201.
Schultz, Gottfried. 825,
Schumann, Valentin. 149, 151. 152, 412,
Schurener, Johann. 188, 339,
Schürer, Familie. 172,
Schurer, Lazarus. 283, 825,
Scürer, Martin. 455,
Schürer, Mathias. 92, 283. 32 738
Z4L 826, 847,
Scürer, Peter. 153, 154
Schürers, Thomas, Erben. 493,
Schüßler, Johann. 127. 128. 271, 332,
Schujter, Diebold. 44L
Schwan, Johann. 92,
Schweidard, Johann, Kurfürſt von Mainz.
Scwendfeld, Kaſpar. 70. 563. 564, Did.
Schwenger, Johann. 315,
Schwerin. 363.
Schweringer, Merten. 768,
Schwetichte, Guftav. 155.
S Sczinzenzeller Ulrich. 191
Secerius (Seßer), Johannes. 177 824
Secundus (Verleger). U
— Samuel. 172, 477. 613. 773,
Segeberg, Ambrofius. 278,
Seiblin (Seublein), genannt Böll. 620,
637 638. 643,
Seiß, Beter. 12.
Seltz, Wilhelm. 325.
Senjenichmid, Johann. 82, 138. 130. 172,
177. 275, 285, 763,
Seraphin (Korrektor). 378.
Serlin, Wilhelm. 714.
Servet, Michael. 204.
Seſſa, Pieiro Antonio.
Setuval. 210,
Namen- und Ortsregifter.
Severus, Biſchof.
Sevilla. 206. 207, 209, 211. 212, 458,
Seydel, Adam. 549,
Seyler, Gottfried. TOL,
Sibaldäus, Johann. 284.
Siburg, Jakob von. 550,
Siegfried, Buchdruder. 458
Siegmund, Buchführer. 30L
Siena. 192, 193,
Signere, Wilhelm, 2u5.
Silber (Argenteus, Frand), Eucharius.
Simon zum Gembs. 839,
Simonis, Buchhändlerfamilie. 107.
Simus, ſ.: Flach, Martin.
—A— Johann. 161, 162, 163. 221
Singriner, — der Jüngere. 366,
Sittich, Johann. 132,
Sirtus IV., Zum 61 141. 182 186.
195, 232. 448, 528,
Skrzeluſti (Hofhalter), Raphael. 163. 827,
Smesmann, Abraham. 176,
Smetius, Reimer, 694
Smyrna. 10,
Snell, Johann. 219, 220,
Sodalitas litteraria Danubiana. 135.365.
Solingen. 105.
Solis, Virgil. 246,
Someren, Johannes van.
Sonleitner, Georg. 720,
Sonnius, Michael. 512,
Sorg, Anton. 58, 128, 129. 132. 272,
Sorg, Wolf. 768,
Soſadt, Henning. 152.
Sofius, 4
Spada, Kardinal. 658,
Spalatin, Georg. 377. 382. 396,
410, 418. 419, 420, 421, 422
Span, Dr. Lorenz. 319.
Spengel, Theobald. &0.
Spengler, Lazarus. 426,
— a. Friedrich. 643. 654. 657
14. 715. 718 720. 7121. 722,
300
1730,
Speyer. 70. WW.
Spierind, Hans, 279,
Spieß, Johann. 176,
Spindler, Nikolaus. 207,
Spoor, Friedr. 669, ZL 2
Spoerlin, Hans Georg. Ghh, 693,
Springinklee, Hans. 246.
Stabius, Johann, 738,
Namen-
Städel, Jofias. 849,
Stadelberger, Jakob. 176.
Stahel, Konrad. 175,
Stainhofer, Kaſpar.
Stainius, Nikolaus. 485,
Stamheim (Stainheim), Abt Melchior von.
128, 260,
Staufferin. 767,
Steels, Johann. 459, 772,
Stegman, Leonhard. 479.
Steiner, Heinrich. 133, 823,
Steinmann, Hans. 156. 158,
Steinmeg, Johann. 616, 619.
Stendal. 165. 177.
Stengeli, Bapierer. 229,
Stephan von Mainz. 194, 195, 289,
Stephanus, j.: Ejtienne.
Stern, Johann und Heinrich. 471, 493,
847.
Stettin. 826.
Steuder. 520,
Sthele, Bartholomäus. 60,
Stimmer, Tobias. 247. 248.
Stodede, Neinarus. DBL
Stödel, Jatob. 151, 152, 428.
Stödel (Molitor), Rolfgang. 149, 151
152. 166. 336, 412, 420, 424, 427,
138,
Stoder, Mydehart. 36,
Stodholm. 219. 220, 251,
Stoll, Johann. 198,
en Leopold von. 619,
Straßburg. 19, 26. 31. 32, 33. 34 37,
38, 40, 62, 66. 70. 82, 84. 86. 88,
eure 113, 117. 120,
266, 268, 260. 273. 276, 277, 278,
280, 283, 284, 285, 287, 293, 297,
325. 326. 2329, 330. 331. 332, 343,
346. 347, 350, 351 353, 397, 407,
455. 464, 466. 470. 475. 541, 563.
138, 744, 167, 773. 826.
Streber, Linhart. 767,
Stribilita. 305. 396,
Stromer, Ulrich. 230,
Stüblin, Kaſpar.
Stuchs, Georg. 142. 283, 284, 435,
Sturmer, Servatius und Wolfgang. 395.
Sturklopff, Joft. 469.
Stuttgart. 177, 242, 285, 375, 381.
Cubiaco. 94, 181. 182. 156, 194. 266. 267,
und Ortsregifter.
877
Sulger, Simon. 583,
Sweynheim, Konrad. 59, 181. 182. 183,
186. 187. 192, 194. 195. 249, 266,
Swop, Thomas. 2,
Syber (Siber, Eiber), Johann. 201,
Sybold, Heinrich. 92.
Sylvanıs, Johannes. 176,
T.
Tack, Heinrich. 823.
Tanneder. 564
Tanner, Jejuit. 500,
Tanner, Yurift. 236. 312, 315, =
Tarnovius, Johann Ehriftoph. 492.
Tarragona. 207. :
Tajchner, Yienhard. 768,
Tate, John. 230.
Tat, Najpar. 132,
Tauber, Johann. 672.
Tazo, Pedro. 206.
Tegernjee, Bücherei. 24
Tengler, Uri. 331 333. SH.
Tegel, Johann. 405. 413.
Thann i Elſaß. 476,
Thanner, Natob. 119, 152, 412,
Thomas, Johann. 207,
Thou, Jakob August de. 645.
Thumm, Theodor. 646,
Thurneyjer, Leonhard. 477. 513, 849,
Tiberius. 523,
Tobiä (Topic, Toupier, Touprier), Michael.
201. 203,
Toledo. 229,
Toloja. 207,
Tolula. 207,
Tongheren, Peter van. 506.
Torquemada (Turrecremata), Johannes,
131. 187, 195. 202, 249,
Torrentinus, Laurentius. 296.
Torrejani di Njola, Andrea. 337. 378,
386,
Tory, Geofrey. 250. 258. 828,
Toſino, Evangelifta. 741,
Touloufe. 301,
Toupier, ſ.: Tobiä.
Tournes, Jean de. 204, TIL,
Tournes, Samuel de. 711,
Tours. 205, 251, 266, 296,
Trechjel, Johann. 199, 200. 201, 204,
828,
Treicher. 696,
Trevi. Ins,
Trevijo, 193, 229,
878 Namen- und Ortöregifter.
Trient. 173. 175. 381 Valencia. 206. 207. 229,
Trier. 400. 530. 587 Valentin (Fernandez) von Mähren, 09.
Trithemius, Johann, Abt von Sponheim.| 210. 211.
41. 60. 260, Balerianus PBollius, DO. 4
Troyes. 205. 229, 232, Balgrifi, Pietro. 478. 774,
Truber, Primus. 168. 169. 170. Valladolid. 207. 281.
Trutfetter, Jodofus. 532. Vascoſan, Michael. 200,
Tryphon. 2. 10. Baugris, can, 307. 410. 414. 459,
Tai-fün. 227, Vega, Lopeʒ de. 180.
Tübingen. 91. 92, 102, 132, 167, 168. | Bejinto. 523,
J
316. 320, 324. 375. 377, 385. 386. | Veldener, Johann. 135. 214. 215.
29, h
306. 399. 400. 402 Abb, Az 479 |@enedig. 20. 21. 22. 28, 32
202, 586, 646. 773, 827. 108. 116. 130. 175, 187, 188. 1%
Juli (Dulihius), Hermann. 420, 191. 192. 193. 204. 2u5, 22, 234
Tungern, Arnold von. 399, 400. 401. 403.| 249, 2DL 257 266, 278 282 284
Tuppo, Franciscus de, 249, 285, 288. 291. 293. 300. 351 352
Turin. 338. 367. 371. 378. 379. 381 382 385
Türkhl, Reinhard. 274. 275. 768, 402, 448, 457, 458, 478, 559. ül2.
Turner, Heinrich. 113. 644. 737. 769, 774,
Verard, Antoine, 286,
Bercelli. 338,
u. Vernade, Ludwig de la. 69. 812.
. Verona. 205. 232, 249, 38L
Ibelin (Marillus), Georg. 89. Vespafiano de Bilticci, ſ.: Biſticci.
Uffenbadh, ame Ehriftoph. 695, 704, | Bet, Johann, 462, 615, 616, 617, 618.
210, UL 619. 620.
Ulhart, Philipp. 132, 265. 566, Vicenza. 113, 116. 192, 193. 338.
Um. 19. 62 66 74 135 136, 137 | Vienne. 10.
189, 214. 245, 261 270. 281 2300, | Bietor, Benedikt. 162,
321 334, 416, 438. 120 457, 467, Victor (Büttner), Hieronymus. 161 221,
669. 672, 70 Bignon, Euftadhe. 824
Ulrich und Afra, St., Nlofter. 17, 128, BVincentz, Barthel. 774.
12u, 304 Bilcher, Kilian. ZES.
Ulrich, Mönd. 25. Bilder, Beter. 767. 769,
Ulridyer, Georg. 2. 827. Vivian, Beter Baul. 827,
Ultan, Mönd). 260. Vizlant, Philipp. 206.
Ungnad, Hans von, 169, Vogel, VBartel. 151. 153. 172, 423, 346.
Ungut, Meinhard. 208, Vogel, Nikolaus. 575,
Upjala. 173. Bogel, Beter. DL
Uradı. 168. 162. 173, Bogel, Wolfgang. 572,
Urbino. 192, 257, Vögelin, Ernft. Is 1 — 156, 157. 158.
Ucbino, Fredrigo Herzog von. 59, 2iW, 597. 172. 825,
un er 116, 18 Vögelin, Gotthard. 158, 176, 629
1ca, 3 n wili 5
ge, Bei A a SR
treat. 214. 202 28 400 DIR | Wogetins Erben. 18. ZI. 84.
Bolt, Michael. ZI2.
Bolkmeyer, Bernhardin. 769,
BR Vollmar, Jakob. 320,
Vollmar, Kaſpar. 643, 670. ZIL 719.
Vadian, Joachim. 162. 307. 410, 456.457. | 121. 126, 129, 730. DIL
N (Waldorfer), Chriftoph. 85. 96, | Vürter, Johann Konrad, 662,
190. 191 | Bydenaft (Weidenajt), Johann. 195.
*
Namen- und Ortsregijter.
®.
Wachtler, Kaſpar. 678. 701.
Wad, Jakob. 132,
Waesberge, Johann Janſſon van, 694. 715.
Wagner, Georg. 77.
Wagner, Hans. 261
Wagner, Konrad. 17.
Wagner, Leonhard. 17. 60,
Bee, Paul. 302, 767,
ER (kureifer), Beter. 141,
orig. 768,
— Johannes. 122,
Waldturch Konrad. 4
Waldorfer, ſ.: Valdarfer.
Walker, Mathias. 302, T
Walram, Heinrich. 261.
Walter, Hans. 429,
Walther, Ehriftoph. 473,
Walther (Wolther), Hans. 166,
Walther, Johann Georg. 693.
Wajen, Hans am. 124,
Waterloes, Johann. 198,
Watißneve (Battenjchnee). 340. 582. 823,
Watjon, Thomas. 605.
Wedel, Andreas. 459. 615. 824,
Wechtelin, Johann. 246.
Wegler (Wegeler, Gögerer), Hans. D64.
Wehinger, Johann. 120,
Weidenſee, Eberhard. 166,
Weidlich, Ehriftoph. 261.
Weidlich, Jakob. 26L
Weidmann. 502,
Weingarten (Wingarden), Nikolaus. G6L.
662, 663, 679.
Weiß, Johann Philipp. 665.
Weißenburger, Johann. 142. 334, 411
Weißenhorn, Alerander. 564. 67 613
173, 825,
Weleslavin, Daniel Adam von. 825.
Weljchwirt, Lienhart. 137.
Welfer, Markus. 134. 200, 391
Welshans. 582,
Wendelin von Speyer. 58. 189. 190, 191.
266. 285. 371
Wenszler, — 113. 114. 115. 116.
328, 329, 452, 824,
Werinher von Tegernjee. 238.
Werman, Gregor. 149,
Werner, Abel. 565. 566, 567,
Werner, Beter. 769.
Wernher, Bilchof von Straßburg. 26. 28.
Weitfal, Joachim. 165.
Wejthemer, Bartholomäus. 122, 294, 824,
Wetmann, Hans. 767
Weyß, Hans. 171,
Weyß, Jakob. 772.
Widemar (Wydamer), Nidel. 151. 166.
428,
Wiedenfeldts, Johann, Erben. 721, 723,
Wieder, Paul. 174,
Wiederhold, Johann. 485. TIL. TL 852,
Wien. 16. 19. 20, 66. 92, 129, 142,
and Heinrich. 520.
827,
Wiener, Johann. 129, 816,
Wigerid, Gedard. 768,
Wild (in Roftod). 696,
Wild, Eberhard. 170. 587 646,
Wild, Leonhard. 1.
Wilde, Johann. 748.
Wiler, Hans. 114,
Wilhelm IV., Herzog von Bayern. 738,
Wilhelm V., Herzog von Bayern. 559,
Wilhelm, Herzog von Kleve.
Wilhelm, Thomas. 155. 156.
Willer, Elias. 48h.
Willer, Georg. 134. 468. 471, 479, 480,
Willer, Georg, der Füngere. 485, 512,
Willig, Johann. 578,
Wimpheling, Jalob. 41. 92, 286. 297.
326. 365. 4hh, 468,
Windler, Andreas. 173. 588, 098. 738,
Winter, Jakob. 166,
Winter, Robert. 122. 823, 824,
Winterberg in Böhmen. 175.
Winterburger, Johann. 161 337. 827,
Winterped, Michael. 242.
Winters, lonrad, von Homberg. DL. 97.
y8, 526,
Wirjung, Marr. 132, 133, 137
Wittenberg. 100. 149, 150, 15L 166,
279 387 295 302 325 302 374
116 417 418 419 420, 421 422
445, 464, 474. 476, 417, 478, 494,
495 AU2, 570 "DD 593. 594 59
880
596. 597. 598. 603. 613. 622, 624
634, 686. 738, 773, 827
Wizel, Georg. 152, 41
Woenjam, Anton. 246,
—— Michael. 141. 245. 301, 766,
oT
Woldran, Hans. 613, 773,
Wolf, Kohann. 126. 77A. 824,
Wolf (Lupus, Lupi), Nifolaus. 199. 201.
Wolf, Thomas. 122, 248, 414,
Wolfe, Reinhard. 248,
Wolff, Georg. 198, 282, 712, 828..
Wolff-Zech, Hans. 577.
Wolff, Johann. 613,
Wolfgang, Abraham. 498. 520,
Wollenfäder, Andreas. 153. 296,
Wolrabe, Johann. 474,
Wolrabe, Nikolaus. 152, 153, 154, 296,
476. 595,
Wolter — Bernhard. 106,
Worin, Michel. 767
Worms. 70. 9L 176. 246. 311. 415.
Wurjter, Hans. 113. 191,
Wirt, Florenz. 774,
Würzburg. 85, 175, 667 693,
Wynkyn de Worde. 218, 819,
Wyrffel, Georg. 177, 334, 768,
Wpriot, Nilolaus. 827,
Wytt, Gottlieb. 566.
&
Xativa. 229,
4 3
XZimenes de Cisneros, Franz, Kardinal.
2U8,
„.
Npern. 512,
Mienhut, Leonhard. 119,
Namen- und Ortsregifter.
3.
Bainer, Günther. 127, 128 1235 144.
175. 245. 271. 273. 276. 277. 288.
332, 338,
— Johann. 135. 136. 144. 214. 245,
Baiffenmayer, Lukas. 132,
Barot, Anton. 191, 289, 290. 291.
Zaſius, Ulrich. 314. 456. 457, 466, 549,
an re Georg. 646. 647,
= 41 45. 70, 9. 9. 97.
I
— Konrad. 141, 112.
etter, Jakob von. 271. 520.
Zetzners, Eberhard, Erben. 669.
Beßner, Johann Eberhard. 712,
Beßner, Lazarus. 261, 827.
Biegler, — 668,
Billig er.
— Michael. 163. 164. 27T
immern, Werner Wilhelm Graf von.
4L 812.
Borba, Samuel. 209,
Aubrodt, Peter. 657,
m Sohann David. 491. 502, 518.
Züri. 124. 125. 248, 307. 310. 318,
urzad). 277. 470,
Ywelffer, Simon. 766. 767. 768,
Swidau. 158. 427,
Zwickeff, Stephen. 768.
Swinger, Johann. 724, 725, 726,
wingli, Uri. 125. 143, 168, 308, 314.
382, 430. 432, 442, 456. 457. Db4
584,
Zwoelffer, Johann. 750. 851.
wolle,
Zyndel, Menrath. 279,
Syrichzee, Cornelius von. 99, 336. 531
Drud von F. A. Brodhaus in Leipzig.
Verzeichnis der Subjfribenten
anf die
Geſchichte des Deutſchen Buchhandels
bis in das fichzehnte Jahrhundert
von
Friedrich Kapp.
Mitglieder des Börſenvereins der
Abel, Ambr., Leipzig.
Abeudroth, M. ‚ı Ra:
Nachf., Frankfurt a. M.
Adermann’s Nadıf., A., München.
Adermann, Theodor, Miinchen.
Carl Fügel’s
Albanus'ſche Buchhdlg. (Chr. Teid)),
Dresden,
Alberti, G. M., Hanaı.
At, Johannes, Frankfurt a. M.
Anders, Hugo, i. Fa.: Aug. Helmich,
Bielefeld.
Anton, Mar (Ed, Anton), Halle.
Aruoldiſche Buchhandlung, Dresden.
Arnoldiihe Buchhandlung, Yeipzig.
Attenkofer, E. P. Yandshut i. Bay.
Babenzien, Mar, Rathenow.
Baedeler, Karl, Yeipzig.
Baedeler, G. D., Eſſen.
Baer & Go., Joſeph, Frankfurt a, M.
Baerecke'ſche Buchhandlung, Eijenad).
Vagel, Anguft, Düffeldorf.
I.
Deutſchen Buchhändler.
Bagel, Felix, Düſſeldorf.
Bahr, Hermann, Berlin.
— & Schmitt (Otto Petters), Heidel—
er
—* Joh. Ambr. Yeipzig.
Barth, Rudolf, Aachen.
Barthol & Co. W. Yobed), Berlin.
Baumann, Paul, i. Ka.: Emil Barth's
Hofbuchhandlung, Delfan.
Baumgärtners Buchhandlung, Yeipzig.
Bed, C., Athen.
Betjer’ iche, Ehr., Berlagshandlung (E.
Walder), Stuttgart.
Benede, 9., i. Fa.: Amelang'ſche Sort.-
Buchhandlung (H. Benede), Berlin.
Benziger: Benziger, Nicolaus, Einfiedeln.
Benziger- von Schnüringer, Carl, Ein—
fiedeln.
Berger, Alb. (Serig’iche Budjdlg.), Yeipzig.
Berger-Pevrault & Co., Naucy.
Bergmann, 3. F. Wiesbaden.
Bergfträßer, Arnold, i. Fa.: Diehl's Sor—
timent, Darmſtadt.
2
Bermann, David, (Bermann & Altmann),
Wien.
Bertelsmann, E., Gütersloh.
Bejold, Ed., Erlangen.
Beyer, Ottomar (8. ©. Calve'ſche Hof:
n. Univ, » Buchhandlung), Prag.
Vibliographiiches Inftitut, Leipzig.
Bielefeld's Hofbuchhandlung, Karlsruhe.
Bielefeld's Verlag, I., Karlsruhe.
Boas, M., Berlin.
Böhlau, Herm., Weimar.
Boiſſerée, I. & W., Köln.
Bonde, Dscar, Altenburg.
Bonz, Ad., & Co., Stuttgart.
Borgineyer, Franz, Hildesheim.
Bornträger, Gebr., Berlin.
Boyjen, E., Hamburg.
Braun & Weber, Königsberg 1./Pr.
Bredow, R., Feipzig.
Bredt Nadıf., 9. (3. Müller), Greiz.
Bremer, Sigmund, Stralfund.
Brodhaus, Alb., i. Fa.: F. A. Brodhaus,
Leipzig.
Brockhaus, Dr. E., i. Fa.: F. A. Brodhaus,
F. A. Brockhaus,
Leipzig
Neu⸗
Brodhaus, Rud., i. %a.:
Leipzig.
Brünstowfche Hofbuchhandlung,
brandenburg.
Buchhandlung des Waijenhaufes, Halle.
Burdad), Hofbuchhandlung, Dresden.
Burkhardt, R. i. Fa: Haeſeler'ſche Buch—
handlung, Kiel.
Burow's, Carl, Buchhdlg. (Carl Baud)),
Gera.
Burſik & Kohout, Prag.
Buſchbeck, E.,i.Fa.: R. Frievländer& Sohn,
Berlin.
Gallmey, Georg D. W,, Münden.
Calvör, G., Akad. Buchhdlg., Göttingen,
Campe, Jul. (Hoffmann & Campe's Ber-
lagi, Hamburg.
Clemm's Buchhandlung, F. (H. Engelde),
Gent.
Cohen, Mar, & Sohn (Fr. Cohen), Bonn.
Cohn's Verlag und Antiquariat, Adolf,
Berlin.
Coppenrath, Alfred, Megensburg. (2 Er.)
Koftenoble, Hermann, Sena.
Creutz'iche Bud» & Mufifalienhandlung
(R. & M. Kretihmanm), Magdeburg.
Cruſes Buchhandlung, Fr. (Oft & Georg),
Hannover,
Verzeichnis der Subifriventen.
Daheim +» Expedition, Leipzig.
Damtöhler, R., Berlin.
Dale, Julius, Trieft.
Deiftung’s Buchh., Dtto Herm. Dabis),
Jena.
Detloff, Adolf, Frankfurt a. M.
Detloff. C. Bafel. (2 Er.)
Deuerlih’ihe Buchhandlung, Göttingen.
| Deutide, Franz, Wien.
Devrient, A., St. Petersburg.
Diemer, J., Mainz.
Dieterihfche Sortbh., Göttingen.
Dobberfe & Schleiermacher, Berlin.
Dominicus, 9., Prag.
Döring, Eduard, tat. Hofbuchhändlet
(Horvath'iche vuchhdig Potsd. (2Er.).
Drugulin, W. Leipzig.
Dürr, Alphons, Leipzig.
Ebenhöch'ſche Buchhandlung (Heinr. Korb),
Linz a. D.
Ebert, A., i. Fa.: Carl Grädener, Hamburg.
v. Ebner’ sche Buchhandlung, H. Balldorn,
Nürnberg.
Edftein, 5. A., Neu - Stettin.
Ehlermann, Erid, i. Fa.: Ls. Ehlermann,
Dresden.
Ehrhardt's, Oskar, Univerfitäts-Budhdlg.,
Marburg.
Eifenichmidt, R., Berlin.
Elwert'ihe Univerſitäts-Buchhandlung,
N ‚, Marburg.
Engelmann, Wilhelm, Leipzia.
Ente, Ferd., Stuttgart.
Faßbender, Johs., Elberfeld.
Feeſche, Heinr.. Hannover.
Ferber'ſche Univerfitätsbuchhdf.
ber), Gießen.
Fiſcher, Guftav, Jena.
Flemming, Carl, Slogan.
Robert, Leipzig.
ournier & Haberler, Znaim.
Franck's, Eugen, Buchhandlung Geoth
Masle), Oppeln.
Franzen & Große, Stendal.
Franz'ſche, G, Verlagshandlung (I. Rod),
t. b. Hofbuchhändt., Münden.
Freyſchmidt, N., Safe.
W. Rev
Frid, Wilhelm, . Hofbuchhändler,
Wien. (3 Er.)
Friedrich, Wilhelm, Leipzig.
Frieſe & Lang, Wien.
Frohberg, Banl, Yeipzig.
Berzeihuis der Subjtribenten. 3
Fromm, A. (Bittler'ſche Buchhandlung),
Bromberg.
Frommbold, G., Büdeburg.
Gärtuer's, R., Berlag (H. Heyfelder),
Berlin.
Sarıns’ihe Buchhandlung, Dortmund.
Gaßmauu'ſche Sort.Buchhandlung, i. Fa.:
A. Frederling, Hamburg.
Gecks, L., i. Fa.: Feller & Geckse, Wies—
baden.
Geelhaar, M., Fürſtenwalde.
Geering, Adolf, i. Fa.: Felix Schneider,
Baſel. (2 Er.)
&eibel, Earl, i. Fa.: Dunder & Humblot,
Yeipzig.
Geiger, Emil, i. Ra.: v.
Buchhandlung, Nannitatt.
Georg, H., Baſel.
Gerold & Comp., Wien.
Geſenius, Hermann, Halle a. S.
Geſtewitz, Ad., Verlag, Fraukfurt a. M.
Giegler, Nudoli, Leipzig.
Gilhofer & Ranſchburg, Wien,
Goar, Ludolph St., Fraukfurt a. M.
Goldſtücher, E., Berlin.
Goeritz, Benno, Braunſchweig.
Göſchen'ſche Berih., G. J., Stuttgart.
Gottſchick-Witter's Buchhandlung, A. H.,
Neuſtadt a. H.
Gracklauer, O., Leipzig.
Gräfe, Lucas, Hamburg.
Graeſer, Carl, Wien.
Grau & Comp., G. A., Hof.
Graveur'ſche, J. Buchhandlung, i. Fa.:
Guſt. Neumann, Neiffe.
Große, Mar, Halle. (2 Er.) |
Groteſche Buchhandlung, &., Hamm i. W.
Grüninger, Karl, Stuttgart.
Seltins’ihe Buchhandlung, Berlin.
Gude, Julius, Hildesheim.
Guttentag, 3. (D. Collin), Berlin.
Haad, A., Berlin.
Dabel, Carl, Berlin.
Hahn'ſche Bucdhandinng, Hannover.
Hahn's, W, Buchhdlg, Johs. Perthes, Plön.
Salem, ©. 4. v., Bremen.
Händde & Lehmluhl, Hamburg.
Hanemann, W., Raftatt.
Harneder, G. & Co., Frankfurt a. O.
Hartleben, A., Wien.
Hartmann, B., Elberfeld.
Hartmann, Rudolf, Yeipjig.
Dale, Dr. Ostar, i. Fa.: Breitlopf & Hätte,
Yeipzig.
Bosheuyers
(2 Er.) |
Haude- & Spener’iche
(F. Weidling), Berlin.
Hedenaft, G., Nachf. (R. Drodtleff), Preß—
burg.
Heinemann, E., Darmftadt.
Buchhandlung,
Heinrichshofen's Buchhandlg., Magdeburg.
Hemmpel, H., Marienburg.
Heudſchel, Mar, i. Ka: Erped. v. Hendſchel's
Telegraph, Frankfurt a. M.
Herbig, F. A., Berlin.
Herder'ſche Verlagsbuchhdlg., Freiburg.
Hermann, Bernhard, Leipzig.
Herold'ſche Buchhandlung, Hamburg.
Herroſe's, R., Verlag, Wittenberg.
Hertz, G. 1. Fa.: Stuber's Buchhandlg., A.,
Würzburg.
Her, Hans, Berlin.
Heß, J., Ellwangen.
Hierſemann, Karl W,, Leipzig.
Hildebrand, A., Schwerin.
Hilgenberg, Alb., i. Fa.: Herm. Schultze,
Leipzig.
Sinrihs’iche Hofbuchhandlung, Detmold.
Hinſtorff'ſche Hofbuchhandlung, Berlags-
Conto, Wismar.
Breslau.
Hirzel, S., Yeipzig.
Höckner, E., Dresden.
Hölzel's, Ed., Verlag, Wien.
Hofmann, A., & Eo., Berlin.
Hofmann, Theodor, Berlin.
Hofftetter, Yudwig, Dalle a. ©.
Höpli's, U., Buchhandlung (F. Furch—
heim), Neapel.
Huber, J. Frauenſeld.
Huber & Co., St. Gallen.
Huber & Lahme, Wien.
Sud, 9. C., Quedlinburg.
Hude, Hermann, Yeipzig.
Hühn, Ernft, Kaſſel.
Hufchke, Alerander, Weimar.
Jacobi, M., Aachen.
Jacoby, Robert, Neuſtrelitz.
Jäger, Albert, Gleiwitz.
Jäger'ſche Buchhandlg., Frankfurt a. M.
Jänſch, Emil, i. Fa.: v. Zahn & Jänſch,
Dresden.
The International News Comp., New—
ort.
Jonghaus'ſche Hofbh., Verlag, Darmitatt.
Rafemann, A. W., Tanzig.
4
Kaibel, Mar, i. Fa.: E. 9. Karom,
Dorpat.
Kasprowigz, E. Y., Leipzig.
Kerber, H
Kerber, Th., i. Fa.:
&othenburg.
Kern's, 3. U, Berlag (Mar Müller),
Breslau.
Kieſchke, Morit, Winterthur.
Kindermann, R., Gera.
Kirſch, Heinrich, Wien.
Kittler, X. A., Yeipzig.
erm. Salzburg.
Wettergren & Kerber,
Klafing, A., i. Fa.: Velhagen & Klafing,
Bielefeld.
Klafing, Zohs., i. Fa.: Belhagen & Klafing,
Bielefeld.
Kleinmayr, Ig. v., & Fed. Bamberg,
Laibach.
Klemm, C. A. Leipzig.
Klemm, H., Dresden.
Ktingelhöfier, Aug., Tarmftadt.
Klingenftein, Guft., vorm. Franzen & Große,
Salzwedel.
Klindjied, E., Paris,
Knapp, W., Halle,
Koch, Albert, Stuttgart.
Koch, Arnold, i. Fa.: Wilh. Kod) & Reimer,
Königsberg.
Koch, Rud., Hofbuchhandlung (G. Trübe),
Brandenburg.
Köbner, Wilheln (X. 5. Maste's Auti-
quariat), Breslau.
Kochler, K. F. Yeipzig.
Koehler's, K. F., Antiquariat, Yeipzig.
Könitzer's, L., Buchhandlung (Reitz &
Köhler), Fraukfurt a. M.
Köppen'ſche Buchhandlung (Otto Uhlig),
Dortmund.
Körber, Hans, Bern.
Korn, Wilh. Gottl., Breslau.
Kornfeld, Heinrich, Berlin.
Krabbe, Carl, Stuttgart.
Kräuter'ihe Buchhandlung (Jul. Stern),
Worms.
Kriſche, Th. Erlangen.
Kröner, Adolf, i. Fa.:
Stuttgart.
Kröner, Paul, i. Fa.:
Stuttgart.
Krüll'ſche, Ph., Univ.Buchhandlg., Yande-
hut.
Kuczyneli, A, Augsburg.
Kühtmann's, J., Buchhandlung (Guftav
Winter), Bremen.
Kymmel's Buchhandlung, N.,
Gebrüder Kröner,
Gebrüder Kröner,
Niga.
Berzeichnis der Subikribenten.
Laupp’ihe Buchh. H., Tübingen. (2 Er.)
Yauterborn, Aug., Yudwigshafeı.
Fechner, R., Univerfitäts-Buchhdig., Wien.
te Monnier's Nachfolger, Florenz.
Lengfeld ſche Buchh., M. (A. Ganz), Köln.
Lenner’ihe Buchhandlung, I. I. (Eruft
Stahl), München.
Levyſohn, W., Grünberg.
Liebiſch, Bernhard, Yeipzig.
Lieſching & Comp., Ad., Stuttgart.
Yiefegang's Berlag, Ed., Tüffeldorf.
Fimbarth, Ehr., Wiesbaden.
Lincke'ſche Leihbibliothek u. Buchh., Yeipzia.
Lindauer'ſche Buchhdlg., I. (Schöpping),
München.
Lintz, Friedr. Val., Trier.
Lipperheide, Franz, Berlin.
— G. H., i. Fa.: Lipſius & Tiſcher,
eit E Francke, Yeipzig.
Löffler, Tobias, Mannheim. .
Löhner'ſche Buchhandlung, M. (F. Sfter-
reicher), Krems a. D.
Yöning, Gottfried, i. Fa.: Literarische An-
ftatt, Rütten & Yöning, Franfi. a. M.
Löicher, Hermann, Turin.
Löſcher & Co,, Rom.
Löwe's, F., Verlag (W. Gffenberger),
Stuttgart.
Löwenſtein, Dr. ©,
Berlag), Berlin.
Lunig, B., Brandenburg.
(Earl Heymanı'z
= — — — — — — — — — —
Mähnert, O., Eisleben.
Maier, Otto, i. Fa.: Torn’sche Buchhand⸗
lung, Biberady u. Ravensburg.
Manz, G. 3., Regensburg.
Marcus, J., in Fa.: A. Marcus, Bonn.
Matthes, Heinr. (9. Voigt), Leipzig.
Maute Söhne, W., Hamburg.
' Maurer, Adolf, Kalkan.
Mayer & Comp., Wien.
Mayer & Müller, Berlin.
Meidinger, Herm. J., Berlin.
Meißner, C., Elbing.
Meißner, Otto, Sortiment, Hamburg.
Mendelsſohn, Hermann, Leipzig.
Merkel, Rudolf, Erlangen.
Metzler'ſche Sortiments-Buchhdl.,
Stuttgart.
Meyer, Carl (Guſt. Prior), Hannover.
Meyer, Yonis (Peiſer's Sort.), Berlin.
Meyer & Zeller, Zürid).
Michaelis, Kranz, Hermannftadt.
ı Michels, Hermann, Düfjeldorf.
3. 8.
Berzeihnis der Subikribenten. 5
Miticher, Raimund, Berlin.
Mitſcher & NRöftell, Berlin. (2 Er.)
Mohr’s Sortiment E. (G. Köfter), Hei-
delberg.
Mofche, Louis, Meißen.
Moſer'ſche Buchhandlung, A.(Frz.Piegder),
Tübingen.
Mofer’s Buchhandlung, Uri (I. Meyer»
Hoff), Graz.
Müller, E. Ed. Bremen.
Müller, G. W. $., Berlin.
Müller, 9. W., Berlin.
Miller, Johannes, Amfterdam.
Müller, Leopold, Leipzig.
Nauhardt, D. (C. F. Fleiſcher), Leipzig.
Naumann, Juſtus, eipzig.
Neſtler K Melle (G. C. Temps), Ham—
burg.
Neubner, Paul, Köln.
Neugebauer, Guſtav, k. k. Hofbuchhand—
lun
Leipzig
ira Buchhandlung (Borftell & Reis
marus), Berlin.
Niemeyer, Mar (Lippert'ſche Buchhand-
fung), Halle.
Nieſe, E., Saalfeld.
Noodt, Chr. Aug., i. Fa.: Hoffmann
& Campe, Hamburg.
Nutt, D., London.
Oldenbourg, R., Münden.
Opitz, E., 1. Fa.: Opit & Comp., Güftrow.
Oppenheim, Rob., Berlin.
Sfiander' ſche Buchhandlung, Tübingen.
Oswalt, Heinrich, i. Fa.: Anftalt, Lite:
rarische, Rütten & Yönig, Frankfurt a./M.
Palm's, J. Hofbuchhandlung, (Aug. Dehr-
lein), Münden.
Palm & Ente, Erlangen.
Parey, Baul, Berlin.
Parker & Comp., Orford.
Pätel, Dr. Herm. (Allg. Berein f. D
Literatur), Berlin.
Pätel, Gebrüder, Berlin.
Peppmüller, R., Göttingen.
Verthes, Bernhard, Gotha.
Perthes, Friedrich Andreas, Gotha.
Peter's Berlag, Ed., Leipzig.
Pau, Karl Fr., Ceinzig.
ng, Prag.
Neumann’s Berlag (Auguft Fr. Lucas),
Pfeiffer, Paul, i. Fa.: Th. Kaulfuß'ſche
Buchhandlung, Lieguitz.
Pichler's Witwe, A., & Sohn, Wien.
Pierer, 9. A., Altenburg.
Pohan’s Nadıf. ‚ Earl Ct. Zablaudil),
Wien.
Pörzler, E., Teplitz.
Prager, R. L., Berlin.
Prausnitz, Alvin, Berlin.
Preuß & Jünger, Breslau.
Prey, Richard, Augsburg.
Puttlammer & Mühlbrecht, Berlin.
Radhorft'iche SE a (Aug. Rad-
horft), Osnabr
Raſch, ae Belmer.
Rath's, Wilh., Antigu., Eflingen.
Nathte, Albert, Magdeburg.
Reichardt Verlag, Georg, Yeipzig.
Reimer, Dietricdy (Reimer & Höfer), Berlin,
Reimer, Georg, Berlin.
Reisland, R.,i. Fa.: ne 8 Berlag, Leipzig.
Keisner's Nachfolger, H . (Alb. Hoffmann),
Slogan.
Reiß, P., Worms,
Rettig, Georg, Dornad).
Nevat, Leo, Budapeft.
ı Nevai, S., Eperies.
| Rivai, Gebrüder, Budapeft.
Richter, Hugo, Davos.
Ricker, C., St. Petersburg.
Ricker. 3., Gießen.
Kari iche Buchhandlung (E. Voß), Pots-
dan,
ı Niegeriche Buchhandlung, M. (Guftav
Himmer), Münden.
ı Niemann, E., Coburg.
Rieſel, Earl, "Berlin.
Riiel, Hermann, & Co,, gs en i. W.
Ritter'ſche Buchhadl., P. G —— Soeſt.
Rivnäc, Fr., Prag.
Römke & Komp., Köln.
Rommerskirchen ſche Buchhandlung (I.
Mellinghaus), Köln.
Rojenberg & Sellier, Turin.
Roßberg'ſche — Leipzig.
Roſt, H. J. C. Hinrichs'ſche Buchhdlg.),
Leipzig.
Roth, Rud., Leutkirch.
Rothermel, Friedrich, & Comp., Schaff—
hauſen.
Nühe, Fig (Georg Naud), Berlin.
| Rühle & Schenker, Bremen.
| Sachſe & Heinzelmann, Hannover.
6 Berzeihnis der
Süngewald, Mar, Yeipzig.
Salomon’s, G., Antiqu., Dresden.
Saunier, Yeon, Buchhandlung, Stettin.
Saunier's, L., Buch- und Kunfthandlung, |
Danzig.
Schad, D., i. Fa: Weiß & Schad,
Leipzig.
Schäfer's, L., Buchhandlung, Magdeburg.
Sceible, J. Verlag und Antiquariat,
Stuttgart.
Scellenberg, Paul, Dresden.
Sceller'8 Buchhandlung, Paul ©. (Kiüften-
macher), Berlin.
Schindler, Bernhard, i. Fa.: Auftus Naus |
mann’s Buchhandlung, Dresden.
ES chirrmeifter, Morig, i. Fa.: Barth &
Schirrmeiiter, Dresden.
Schlüter'ſche Buchhandlung (Wilh. Halle),
Altona.
Schmerſahl, Edm., Llibed.
Schmid, Frande & Eo., Sort.-Eto. (vorm.
3. Dalp’ihe Buchhandlung), Bern.
Schmidt, Carl, Döbeln.
Schmidt, C. F., Univerfitäts- Buchhand-
lung, Straßburg.
Schmidt, Hermann, i. Fa.: A. Schmale,
Schwerin i. M.
Schmitz, Ferd., Antiquariat (Ed. Hil-
verfus), Eiberfeld.
Schmitzdorff, H., Kaiſerl. Hofbuchhandlung,
St. Petersburg.
Schneider, Friedr., Leipzig.
Schneider, F., & Co., Berlin.
Schoch, Carl, Schaffhauſen,
Scholtz, H., Breslau.
Schorer, J. H., Berlin.
Sara, 9., fgl. Hofbuchhändler, Nürn—
er
g.
Schulbuchhandlung, Braunſchweig.
Schultheß, F., Zürich.
Schultz & Co., R., Sortim. (Bouillon &
Buffenius), Straßburg.
Schulze, Aug., Celle.
Schulze, Otto, Köthen.
Schulze, Rid., i. Fa.: G. E. Schulze,
Leipzig.
Schulze, Theodor, Hannover.
Schwabe, Benno, Bafel.
Schweitzer, Ign., Aachen.
Scweizerbart'jhe Verlagshandlung
Koh), Stuttgart.
(E.
Schwetſchle, €. N, & Sohn (Wiegandt |
& Appelhans), Braunfchweig.
Scriba, ©., Met.
Seehagen, Oswald, Berlin.
Seel, C., Dillenburg.
Subifribenten.
Seemann, E. U., Leipzig.
Seidel, L. W. & Sohn, Wien.
Senf, Bartholf, Leipzig.
Serbe, &. Herm., Yeipsig.
Siemenrotbh, Frz., Berlin.
Siever, Ludwig, Afcherslebeıt.
Silbermann, Alfred, Effen.
Silomon, H. W., Bremen.
Simmel & Co., Leipzig.
Simon, ©. Heinr. (S. Calvary & Eo.),
Berlin.
Soeding, Emil, Wien.
Spaeth, 3. M., Berlin.
Spamer, Otto, Leipzig.
Spemann, ®., Stuttgart.
Speyer'ihe, 4, Buchhandlung
Schmidt), Arolien.
(®.
| Speyer, Hans, i. Fa.: Speyer & Peters,
Berlin.
Springer, Julius, Berlin.
Stahel’iche Univerfitäte-Buch- und Kunft-
handlung, Würzburg.
Staude, Elwin, Berlin.
Steffen, Louis, Hildesheim.
Steiger, E., & Co., New-V)orf.
Steinader, €. F., Leipzig.
Stephanus, Heinr,, Trier.
Stettner, Joh., i. Fa.: Craz & Gerlad,
Freiberg.
| Steyer, Karl, Kannftatt.
Stieda, Alerander, Riga.
Stillerihe Hof» und Univerſitäts-Buch—
handlung (E. Kahl), Roitod.
Stiller’iche Hofbuchhand!., Schwerin i. M.
Stollberg, H., Merjeburg.
Strauß, Emil, Bonn.
Strider, R., i. Fa.: Pfeffer'ſche Buch—
handlung, Halle,
Ströhm, Arthur, i. Fa.: Kluge & Ströhm
u. F. Kluge's Verlag, Reval.
Stuber's, Adalbert, Verlagshaudlung,
Würzburg.
| Tempsky, F., Prag.
Thiel, Fr., Friedenau.
Thiele, Theodor, Berlin.
Thomas, Th., Leipzig.
Tienten, Chr. G., Bremerhaven.
Titze, Adolf, Leipzig.
Töche, Dr. Theodor, i. E.
Mittler & Sohn, Berlin.
— Paul, Univerfitäts-Buchhandlung,
iel.
‚ Trewendt, Eduard, Breslau.
Trewendt & Granier, Breslau.
‚ Trübner, Karl 3., Straßburg.
—
Eu
+7
Fa.:
Berzeihnis der Subjfribenten. 7
Ulmer, Eugen, Stuttgart.
Urban, Adolf, Dresden.
Bandenhoed & Ruprecht's Berlag, Göt-
tingen.
Beit & Co., Leipzig.
Belhagen, U., Bielefeld.
Belhagen, Wilhelm, Bielefeld.
Berlags-Anftalt, Deutiche, Stuttgart.
Berlagsanftalt für Kunft und Wiſſenſchaft,
vorm. friedr. Brudmann, Münden.
Vieweg, F. Paris.
Bieweg & Sohn, Friedr., Braunſchweig.
Bogel, F. €. ®., Leipzig.
Boigt, B. F., Weimar.
Boigtlaender, R., Kreuznach.
Bölder, Georg, i. Fa.: 8. Th. Bölder,
Frankfurt a. M.
Boldmar, F. Leipzig.
Volkmann, Wilh., i. Fa.: Breitlopf &
Härtel, Leipzig.
Vomhoff, C. A. Straßburg.
Voß, Leopold, Hamburg.
Boß' Sortiment, Leipzig.
Wagner, Friedrich, Braunſchweig.
Wagner'ſche k. k. Univerſitäts-Buchhand—
lung, Innebrud.
Wagner, Franz, Yeipzig.
Wagner & Debes, Yeipzig.
Wahlftab, L., i. Fa.: Herold & Wahlftab,
Lüneburg.
Waldheim, R. v., Wien.
Wallmann, 9. ©., Leipzig.
Leber, W., Berlin.
Weber's Buchhandlung, F. A. (E. Scharff),
Danzig.
Wehberg, B., Osnabrüd.
Weidmann’ihe Buchhandlung, Berlin.
Weigel, T. D., Leipzig.
Weiß, ©., Heidelberg.
Weiß, Hermanı, zeipzig.
Weiß, R., i. Fa.: Kluge & Ströhm, Reval.
Weißbach, Herm., Weimar.
Wellerihe Buchhandlung (D. Nocsger),
Bauten.
Welter, H., Paris.
Weſtermann, George, Braunjchweig.
Widel, 8., Wiesbaden,
Wider, Georg (Reisner'ſche Buhhandlung),
Liegnitz.
Wiebe, Emil, Lyck.
Wiedemann, Paul, Meuſelwitz.
Wiedemann’fhe Buchhandlung, W.
Dürlop), Saalfeld.
Wigand, Georg H., Kaſſel.
Wigand, Otto, Yeipzig.
Wilhelmi, Richard, Berlin.
Wiliſch, F., (Mar Weftphal), Schmal-
falden.
Williams & Norgate, London.
Wilpert, A., Groß-Strehliß.
Winter’iche Sortiments-Buchhandlung, C.,
Heidelberg. (2 Er.)
Wohlfahrt, Emil, i. Fa.: E. Morgenftern,
Breslau.
Wolffiihe Buchhandlung, 3. (M. Geißen-
dörfer), Augsburg.
Wolff & Hohorft, Hannover.
reden, Friedrid, Braunſchweig.
Wunſchmann, B., Wittenberg.
(A.
Zahn, Rob. v. (v. Zahn & Jänſch),
Dresden.
Zeidler's Hofbuhhandlung, H.
Saft), Zerbft.
Bidel, ©., New-Nort.
Zudichwerdt, A., Weimar.
Zwißler, Julius, Wolfenbüttel.
(Fried.
Berzeihnis der Zubffribenten.
II.
Nichtmitglieder des Börſenvereins der Deutſchen Buchhändler.
Abt, Rud., Gehilfe im Hauſe Joſ. Bucher,
Paſſau.
Ackermann, Ed., i. H. Photogr. Gei.,
Berlin.
Agricola, Verein, Innsbruck. (2 Er.)
Albreht, R. F., Gehilfe im Haufe
E. Steiger & Comp. ., New- Jar,
„Alte Hallenfer“, Verein, Leipzig. (2 Er.).
Andelfinger, Carl, Gehilfe im Haufe Rud.
Roth, deutirch.
Anger, Gilbert, Wien.
Auer, L., Donauwörth.
Bachmann, Franz, Gehilfe im Hauſe
G. Grote'ſche Verlagsbuchhdlg. Berlin.
Pär, Alfr., Gehilfe im Haufe Mar Kor |
nider (Mar Ruef), Antwerpen.
Barth, Wilh., i. H. Wilberg'ſche Buch—
handlung, Athen.
Baſch, J. A., im Haufe A. Ruſſell's Ver—
lag, Münſter i. W.
Bauhof, Hermann, Regensburg.
Baumgärtel, Mar, im Haufe G. Grote'ſche
— buchhandlung, Berlin.
Bayer, Anton, Iglau.
Bayer, E. J., Gehilfe im Haufe Gebrüder
Bettelheim, Arad.
Beder, Ernft, Heilbronn.
Vehrend, A., Berlin.
Benede, "Sohn, Gehilfe des Amelang’ ihen |
Sortiments, Berlin.
Benziger - Dietichn,, Martin, Einfiedeln.
Beran, Mar, Gehilfe im Haufe R. F. |
— Rawitſch.
Beſſer, Neuhaldensleben.
Be Ferd. Mitau.
Bieringer, Fr., ðehiije im Hauſe M. Wald⸗
bauer, Baffaı.
Biller, Theophil, Prenzlau.
Blau, Johannes, Sehilfe im Haufe Karl
Rocco, Bremen.
Blazek, Anton, Gehilfe im Haufe Otto
Hendel, Halle.
Dlazet, Procurift im Haufe €. Rider,
St. Petersburg.
Bloch, Hugo, Sehilfe i. 9. K. F. Köhlers
Antiquarium, Leipzig.
Rod, A., Rudolſtadt.
Bollmann, Georg, Gehilfe im Hauſe Dietr.
Reimer, Berlin.
| Bormann, Gehilfe im Haufe Verlag des
fol. ftatift. Bureau, Berlin.
Bothe, Adolf, Gehilfe im Hauſe Julius
Hermann, Maunheim.
Braun, 3., Gehilfe i. 9. Carl Billaret,
Erfurt.
Braune, A., Gehilfe im Haufe Ed. Hölzel,
| nz
' Briefe,
—
— Verein, Wien. Deutſche Buch—
handlung, Metz.
Buchhandlungsgehilfenverein, Karlsruhe.
Procuriſt i. H. Guſtav Fochk,
Grüger, Adolf, Gehilfe im Haufe Wilh.
Ißleib, Berlin,
Czerny, Emil, im Hauſe Friedr. Ehrlich's
Buchhandlung, Prag.
Degenmann, P. A., Gehilfe im Haufe
Sotſcheck & Comp., Bulareſt.
| Drefiel, Albert, Gehilfe i. H. Adolf Tike,
ı Yeipzig.
Dümichen, H., Gehilfe im Haufe Creutzſche
Bruchh., Magdeburg.
Dunfnann, Adolf, Geh. i. H. G. Grote'ſche
Berlagsbuchhandlung, Berlin.
| Dworjaf, Anton, Mies.
Ebbede, Hermann, Gehilfe i. H. Friedrid
Ebbede, Liſſa.
Ebner, Th., Bibliothels - Secretär,
gart.
Edardt, 9, Gehilfe im Haufe E. Mohr,
Heidelberg.
des ſche Buchhandlung, Budapeſt.
Eggert, Guſtav, Gehilfe im Haufe
6 Grote'ſche Verlagsbuchhandlung,
Berlin.
Ehlers, H., Gehilſe im Haufe Rühle &
Schlenker, Bremen.
Eiſenſtein, Jacques, Wien.
Stutt:
Berzeichnis der
Elsner, C. v., Gehilfe im Haufe Alb. König, |
Guben.
Eltzner, Clara, Gehitfin i. H. A, Borne⸗
buſch, Lippſtadt.
Eugel, Curt, Gehilſe i. H. J. €. Her
mannſche Buchh., Frankfurt a. M.
Felber, Emil, Gehilfe im Hauſe Th. Thiele,
Berlin.
Fiala's, Mar, Buchhandlung (Dito Kaeſer),
Bern.
Firnhaber, Carl, im Hauſe Mor. Diſter—
weg, Frankfurt.
Frauke's Buchhandlung, 3. CB. Franke
& Wolf), Habelichwert.
Fröhlich, Theodor H., Schilfe im Haufe |
Akad. Buchhandlung, Göttingen.
Bunde, Curt von, Gehilfe im Haufe |
F. Volckmar, Yeipzig.
Gabory, Wilh., Gehilfe im Haufe H. Zeid-
ner, Kronftadt,
Gebhardt, Friedrich, Gehilfe im Haufe
Franz Bahlen, Berlin.
Geißler, Oskar, Gehilfe im Haufe Franz
Yeo & Comp. Wien.
Gerlach, Eduard, Gehilfe im Haufe Emil |
Richter, Tresden.
Giegler's, G. 3., Buchhdlg, Schweinfurt. |
Haejer, Carl (Herm. ang), Gotha.
Sohn, F. C. B. (U. Siebe, Freiburg.
Gotthardt, Moritz, Gehilfe im Haufe
D. Reimer, Berlin.
Grand, Henri, Gehilfe im Hauſe Yeopold
Voß, Hamburg.
Graflau, E., im Haufe Trübner & Comp.,
Yondon.
Grevel, H., & Comp., Pondon.
Grohmanı, H., Gehilfe im Haufe of.
Bätz & Comp., Frankfurt a. M.
Grüzmacer, Eruft, Gebilfe im Dauie K.
F. Köhler, Antiquariat, Peipzig.
Günther, Eduard, Schiffe im Haufe Oskar
Bonde, Altenburg.
Sünther, Guftav, Procurift im Hauſe
Ewald Scholz, Yiegnik.
Guſtorff, Karl, im Haufe Herm. Michels,
Tüſſeldorff.
Hafner, D., Gehilſe im Haufe Attenkofer,
Straubing.
Hatnauer, J. Breslau.
Sambredt, Herm., Geichäftsführer des
Schweiz. Vereins: Sortiment, Olten.
Harrwitz, Dar, Berlin.
Subifribenten. 9
Hartmann, Panl, Gehilfe im Hanfe Ed.
Hölzel, Neutitfchein.
Hartung, Albert, Gehilfe im Hanſe Franz
Bahlen, Berlin.
Heinrich, Otto, Schiffe im Haufe R- Keit,
Rudolitadt.
Heiß, 3.9. Ed. (Heitz & Mündel Nadıf.),
Straßburg.
Henze's Verlag, Adolf, Neuſtadt Leipzig.
Hermes, Hch. im Hauſe Hedenhauer'jche
Buchhandlung, Tübingen.
Herrig, E. Gehilfe im Haufe Sam. Lu—
cas, Elberfeld.
Himeſch, Wilh., Schiffe im Haufe 9. Zeid—
ner, Kronſtadt.
Hinſch, Aug., Schiffe im Haufe E, Winter:
berg, Bergedorf.
Hirſch, Otto, Gehilfe im Haufe Breitfopf
& Härtel, Yeipzig.
Hoch, Wilhelm, Gehilfe im Hauſe 4.
Scheuerlen, Heilbronn.
Soffmanı, Karl, Sehilfe im Haufe Alfr.
Lorentz, Yeipzig.
Hoffmann, Richard, Forſt.
Hölſcher, &., Gehiffe im Hauſe
Bachem, Köln.
Hold, Ang, Gehilfe im Haufe R. Hoſch.
Neutitichein.
Huttler, Dr. M., Augsburg.
J. P.
Jacobi, Bruno, Gehilfe im Hauſe Buch—
handlung des Waiſenhauſes, Halle a. S.
Jäger, B., Proluriſt im Hauſe E. F
Steinader u. i. Fa: E. H. Mayer,
veipzig.
Scheber, Fr. H. Gehilfe im Hauſe N. Lo—
rentz, Leipzig.
Jenke, Louis, Baſel.
Johansmann, Alb., Gehilſe im Haufe
J. J. Heine'ſche Buchhandlung, Poſen.
Juuge's Buchhandlung, Karl, Ansbach.
Juszynsli, Andreas, Gehilfe im Hauſe
H. Pardini, Czernowitz.
Keil, K., Rudolſtadt.
Keimling, Adolf, Gehilfe im Haufe Dob—
berke & Schleiermacher, Berlin.
Kellner, Carl, im Hauſe Roſenthals Antiqu.
München.
Kemink & Zoon's Sortiment, C. H. E.
Breiger, Utrecht.
Keßler, E. Gehilfe im Haufe S. Bremer,
Stralfund.
Kehler, Ferdinand, Gehilfe im Haufe 9.
Bechthold, Frankfurt a.ÄM.
10
Keßler, Ferd., Kaſſel.
Kieſewetter, Bernhard, Gehilfe im Haufe
Yeopold Bof, Hamburg.
Kilian, F. Budapeſt.
Kiſtner, O., im Haufe F. A. Brodhaus,
Leipzig.
Klödner, Carl, Gehilfe im Haufe Pet.
Klödner, Friblar.
Klodt, Franz Heinrich, Procurift in der
Leipziger Lehrmittel-Auſtalt v. Dr. 2.
Schneider, Yeipzig.
Knothe, E., Gehitfe im Haufe Schmorl &
von Seefeld, Hannover.
Knothe, G., Gehilfe im Hauſe Schmorl
& von Seefeld, Hannover.
Köhler, Albert, Procurift der k. k. Hof
buchhandfung Wild. Frid, Wien.
Kohl, Brumo, Gehilfe im Haufe Fr. Geiß—
ler, Leipzig.
Kohlihmidt, Mar, Gehilfe im Haufe Stiller’
ſche Hofbh., NRoftod.
Koller, Otto, Gehilfe im Haufe O. Harraſſo—
witz, Yeipzig.
Kölin, Mathias, Gehilie im Haufe Gebr.
Carl Nie. Benziger, Einficdeln.
König, Albert, Guben,
König, Hubert, Procurift der Soltau'ſchen
Buchhandlung, Norderney.
Korell, Wilheln, Ziegenhain.
Korff, Heinrich, Gehilfe im Haufe Herder &
Comp., Münden.
Kornider’s, Mar, Hofbuchhandlung, Mar
Ruef, Antwerpen.
Kreyenberg, Georg, Gehilfe im Haufe
Georg Reimer, Berlin.
Krüger, €. L., Dortmund.
Kubel, E., Gehilſe im Haufe Amelang'ſche
Buchhandlung, Berlin.
at W., Gehilfe im Haufe R. Georg,
enf.
Kundmüller, Richard, Gehilfe im Haufe
Heinrichshofen, Magdeburg.
Kundt, E., Karlsruhe.
Kunze, Otto, Gehilfe im Haufe Ernſt
Lambeck, Thorn.
Kürſchner, Joſ., Stuttgart.
Laber, Wilh., im Haufe Du Mont Schau—
berg, Geichäftsführer und Procurift,
Köln.
Fandesbibliothet, Kgl., Wiesbaden.
Yang, A., Moskau.
Fangen, Aug.,i. Fa.: Math. Broder, Crefeld.
Lehmann, Fritz, Gehilfe im Haufe Dietr,
Reimer (Reimer & Hocfer), Berlin.
Verzeichnis der Subjlribenten.
Leſſen, Heinrich im Haufe Schletter' ſche
Buchhandlung, Breslau.
Liaunig, Hans, Gehilfe im Haufe Ferd.
v. Kleinmayr, Klagenfurt.
Linſener, Heinrich, Gehilfe im Hauſe Frauz
Siemenroth, Berlin.
Lukaſchik, Hermann, Gehilfe im Hauſe
Wilh. Frick, Wien.
Lüſtenöder, J., Gehilfe im Hauſe Wilh.
Frick, Wien.
Manitius, Reinh., im Hauſe B. G. Teub—
ner, Leipzig.
Manz. Carl, Gehilfe im Haufe Carl Meyer
(&. Prior), Hannover.
Marder, E., im Haufe The International
News Company, Neav->)ork.
Mards, A. F. Berlagshdlg., St. Peters:
burg.
Marquardien, Chr., Gehilfe im Hauſe
Lipſius & Tiſcher, Kiel.
May, Guft., im Haufe Trübuer & Comp.,
London.
Mayr’iche Buchhandlung, G. (P. Schön),
Kaufbeuren.
Merfeburger, H., Gehilfe im Haufe X.
Devrient, St. Peteräburg.
Merieburger, Mar, Gehilfe im Haufe €.
Merfeburger, Yeipzig.
Meßerſchmidt, Paul, Gehilfe im Haufe
Franz Wagner, Leipzig.
Meyer, Philipp, Geichäftsführer in der
Hojbuhhandlung Prohasfa, Teſchen.
Micaelis, Mar, Gehilfe im Hauſe ®.
Grote'ſche Berlagsbuchhandlung, Berlin.
Mieck, A., Prenzlau.
Mirauer, Max, Gehilfe im Hauſe E. J.
Brill, Leiden.
Mohr, Louis, Gehilfe im Haufe R. Schult
Cie., Verlagsbuchhdlg., Straßburg.
Movius, Theodor, Gehilfe im Hauſe A.
H. Gottſchick-Witter, Neuſtadt a. d. Hdt.
Muͤckenberger, Rudolf, Gehilſe im Hauſe
G. Grole'ſche Verlagsbuchhdlg., Berlin.
Müller, Emil, Gehilfe im Haufe Schriften—
Niederlage des ev. Vereins, Frank—
furt a. M.
Murjahn, Adolf, Gehilfe im Haufe Georg
Neimer, Berlin.
Neff, Paul, Stuttgart.
„Netto“, Berein jüng. Buchhändler (Borft.
N. Friedrich), Mannheim.
Berzeihnis der Subjfribenten.
Neumeyer, Johannes, Gehilfe im Haufe
Heinr. Feeſche, Hannover.
Nickel, Procuriſt im Hauſe C. Nider,
St. Petersburg.
Niederländ. Buchhändler-Vereins, Biblio—
thek des, Amſterdam.
Niemeyer, G. Gehilfe im Haufe B. Göritz
Braunſchweig.
Nijhoff, Martinns, Haag.
Noack, G., Gehilſe im Haufe H.
Müller, Berlin.
W.
Oldenbourg, Martin, im Hauſe Gebrüder
Paetel, Berlin.
Opitz, Carl, Prokuriſt im Haufe Gebr.
Hug, Bafel.
Beppmüller, Herm., im Haufe Joh. Faß—
bender, Elberfeld.
Peterion, Eugen, Leipzig.
Petzold, Rud., Gehilſe im Haufe Franz
Kempner, Dresden,
Pflugmacher, Xaver, Gehilfe im Haufe E.
A. Koch's Berl., Leipzig.
Piper & Kühn, Schw. Hall.
—
Pötzelberger, S., Meran.
Quitzow, Richard, Lübechk.
Hahnid, Mar, im Hauſe C. J. Kreiml,
Trautenan.
Rath, Philipp, Gehilfe im Hauſe K. F.
Koehler's Autiquarium, Leipzig.
Rees, Chr., Gehilfe im Haufe C. F. Rees,
Heidenheim a. Br.
Richter, im Haufe Guſt. Hempel, Berlin.
Riedel, F. Gehilfe im Haufe Friedr. Vie—
weg & Sohn, Braunschweig.
Rocholl, H., Gehilfe im Hauſe G. D.
Baedeker, Eſſen.
Rohrmüller, J., Gehilſe im Hauſe M.
Waldbauer, Paſſan.
Röhrſcheid, Ludwig, Gehilfe im Hauſe
Emil Strauß, Bonn.
Roſenbaum, S., Procuriſt im Hauſe A.
Aſher & Comp., Berlin.
Roth's, W., Buchhandlung (H.
firchen), Wiesbaden.
Roufjell, C. W., Bremen.
Ruf, Otto, Gehilſe im Haufe Gebrüder
Carl EN. Benziger, Einfiedeln.
Rützow, Th., Gehilfe im Haufe P. ©.
Philipſen, Kopenhagen.
Litzen⸗
—11
Sad, Mar, Köln.
Salzer, E., Gehilfe im Haufe Scheurlen,
»Heilbronn.
Samion & Wallin, Stodholnt.
Sander, H., Gehilfe im Haufe Alb. König,
Guben.
Sattler, Chr., Gehilſe im Haufe Belhagen
& Klajing, Bielefeld.
Sauer, A., Gehilfe im Haufe E. Thiel-
man's Buchh., Kreuzburg.
Saunier, Pon (A. Het), Elbing.
Schatke, R., Lodz.
Schelosky, Paul, Gehilfe im Hauſe S.
Schottländer, Breslau.
Schepe, Carl, Gehilfe im Hauſe v. Idzi—
fowsti, Kiew.
Schiener, Theodor, Gehilfe im Haufe DO.
Deiſtung's Buchhandlung, Jena.
Schindler, Oslar, Prokuriſt im Hauſe R.
Hartmann, Leipzig.
Schmerſow, Mar, Brocurift in Carl Hey—
manns Berlag, Berlin,
Schmid'ſche, B., Bud und Kunſthand—
lung (N. Derzer), Augsburg.
Schmidt, Georg, im Haufe Carl Niefel,
Reife-Kontor, Berlin.
Schmidt, Karl, Gchilfe im Haufe Br. F.
Goeche'ſche Buchh., Schneeberg.
Schmitt, Wm., Gchilfeim Haufe E, Stei-
ger & Komp., New-York.
Schnock, W., Gehilfe im Hanse L. Schnock's
Buchh., Aſchersleben.
Schönlein, Franz Herm., im Hauſe G.
Rod, Leipzig.
Schöntag, Georg, Gehilfe im Hauſe E.
Baenſch jun., Magdeburg.
Schubert, E., Gehilfe i. H. W. Weber, Berlin.
Schubert, Paul, Gehilfe im Haufe 8. F.
Ktoehler, Yeipzig.
Schuchardt, E., Gehilfe im Haufe of.
Bär & Comp., Frankfurt a. M.
Scdyufter, Arthur, Gehilfe im Haufe P.
Baumann’s Berlag, Deilau.
Seefeld, Hermann, im Haufe I. H. Born,
Eiberfeld.
Seit, Mich., Gehilfe im Yitterar. Anftitut
von Dr. Dt. Huttler, Augsburg.
Senff, A. Berlin.
Sieler, Friedr., Profurift im Haufe Franz
Wagner, Yeipzig.
Sluzewski, Alfred, Gehilfe im Haufe Ed.
Bote & G. Bod, Poſen.
Somolif, Hans, Gehilfe im Hanje ©.
Grote'ſche Berlagsbuchhandlung, Berlin.
Spitzel, Valentin, Gehilfe im Hauſe Os—
far Bonde, Altenburg.
12 Berzeichnis der
Spühr, E., Gehilfe im Hauſe 3. Deubner,
Mostan.
Ztampfel, C., Preßburg.
Steiger, Ernſt, im Hauſe K. F.
Leipzig.
Steinthal, Alfred, Gehilfe im Hauſe G.
W. F. Müller, Berlin,
Stodum, W. PB. von, & Zoon, Haag.
Stritter, Fri, Gehilfe im Hauſe Abd,
Neubert, Ludwigsburg.
Stülpnagel, A., Gehilfe im Hauſe 1.
Hoepli, Mailand.
Szemezikiewiez, P., gen. Schimmelwitz,
Gehilfe im Hauſe Simon Schropp,
Berlin.
Koehler,
Tamm, Alfred, Procurift im Haufe Weid—
mann'ſche Buchhandlung, Berlin.
Thelemann, %., Weimar.
Zichenticher, &., Gehilfe im Haufe v.
Zahn & Jaeuſch, Dresden,
Beith, Bernh., Gehitfe im Hauſe Leo
Woerl, Würzburg.
Voigt, Nobert, Schiffe im Haufe Breit
fopf & Härtel, Yeipzig.
Boltening, Eduard W., Sehilfe im Haufe
Simmel & &o., Yeipzig.
Bollert, Ernft, Procuriſt im Haufe PBanl
‘Barey, Berlin.
Subfkribenten.
Wagner, Gebhard, Gehilfe im
S. Schottlaender, Breslau.
Weber, R. O., Geſchäftsführer in
Faber'ſche Buchdr., Magdeburg.
Weg, Mar, Gehilfe im Haufe
Weigel's Antiquariat, Yeipzig.
Weiſe, H., Gehilfe im Haufe 3. C
richs'ſche Buchhandlung, Leipzig
Weiß, Karl, Dresden.
Wendeler, Dr. Camillus (S. Calvary
Berlin.
Werner, Baul, Gehilfe im Haufe H
Friedrich, Leipzig.
Werſich, Rob, Ed.,
Karl Junge, Ansbach.
Wiedling, A., Gehilfe im Hauſe —
Schenk, Wien.
Wildens, Matth, im Haufe J.
richs'ſche Buchhandlung, Leipzig.
Wilde, 9.3. de, Gehilfe im Haufe '
& Zoon, Utrecht.
Wolansky, Bernh.,
ripſius & Tiſcher, Kiel.
Zenfer, Joſ., Gehilfe im Hauſe
‚ Kühn, Berlin.
Ziegenbalg, Hevm., Brocurift im
F. N. Brochaus, Yeipzig.
Zillich, Hffrich, Gehilie im Hau
manı Kerber, Zalzburg.
Gehilfe im ©
aß
Sehilfe im —
Digitized by Google
UNIVERSITY OF Michigan