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Full text of "Geschichte des deutschen buchhandels"

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Börsenverein der 
Deutschen 
Buchhändler. ... 


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Geſchichte 
des 


Deutſchen Buchhandels. 


Im Auftrage 


des 
Börſenvereins der Deutſchen Buchhändler 
herausgegeben 
von der 


Hiſtoriſchen Kommiſſion deſſelben. 


Erſter Band. 


Geſchichte des Deutſchen Buchhandels bis in das ſiebzehnte Jahrhundert. 


Leipzig. 
Verlag des Börſenvereins der Deutſchen Buchhändler. 


1886. 


Geſchichte 


des 


Deutſchen Buchhandels 


bis in das ſiebzehnte Jahrhundert. 


Von 


Friedrich Kapp. 


Aus dem Nachlaſſe des Verfaſſers herausgegeben 


von der 
Hiſtoriſchen Kommiſſion 


des Börſenvereins der Deutſchen Buchhändler. 


Mit drei lithographirten graphiſchſtatiſtiſchen Tafeln. 


Leipzig. 
Verlag des Börfenvereins der Deutſchen Buchhändler. 


1886. 


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Borwort. 


Es ift eine jehmerzliche Pflicht, welcher die unterzeichnete Kommiſſion 
nachfommt, indem jie in dem nachſtehenden Bande das in langjähriger, 
mübevoller und ernjter Arbeit faſt zum Abſchluß gereifte Werk eines 
Verſtorbenen in die Offentlichfeit einführt. In rüftigfter Schaffenstraft, 
unter den denkbar günftigften Verhältniffen hatte Friedrich Kapp das 
große Werf unternommen; inmitten der Arbeit, noch vor gänzlicher Voll— 
endung des erften Bandes, hat ihn ein jchneller und uneriwarteter Tod 
hinweggerafft. Es ijt ihm verjagt geblieben, die Gedanfen und Gefichts- 
punkte darzulegen, welche ihm bei jeiner Arbeit vorjchwebten. 

Das Fehlen diejer für das volle und richtige Verſtändnis des Werkes 
eigentlich unentbehrlichen Darlegung ift eine jchwer zu beflagenve Lücke; 
jie kann aber von feiner andern Seite ausgefüllt werben. Selbſt die 
unterzeichnete Kommiffion, objehon fie eine längere Reihe von Jahren 
mit dem Berjtorbenen im engjten Verkehr geftanden, mit ihm gemein- 
ichaftlich gearbeitet hat, vermag dies nicht. Die Kommiffion muß fich 
darauf bejchränfen, ven gefchichtlichen Verlauf der Entjtehung des Werfes 
zu ſchildern und über ihre Thätigfeit bei der Herausgabe der unvoll- 
endet binterlaffenen Arbeit Kappe zu berichten. 

Schon frühzeitig Hat fich im Kreiſe der Buchhändler ein regeres 
Intereffe für die Gefchichte ihres Berufes fundgegeben; wiederholt waren 
jeit vem Beginn des vorigen Jahrhunderts Verſuche gemacht worden, 
eine ſolche zu jchreiben. Aber Üüberſchätzung der eigenen Kraft, Unter: 
ihätung der großen Schwierigkeiten der Aufgabe, mangelndes Verſtänd— 
nis bei der Auffaffung verjelben und für den richtigen Weg der For: 
schung ließen fie jcheitern; nur wertlofe Fragmente waren das jchlichliche 
Refultat. Erft in den letten Jahrzehnten hatten einige wenige Mono— 


vi Vorwort. 


graphien und Speztalarbeiten auf den richtigen Weg bingewiejen, auf 
dem zum erwünjchten Ziele zu gelangen wäre, Böllig brach aber hatte 
auch da noch die archivaliiche Forſchung auf dieſem Gebiete gelegen; und 
erjt mit ihrer Hilfe war eine wirfliche Sejchichte des Deutſchen Buch- 
handel zu jehaffen. Sie fonnte überhaupt auch nicht gejchaffen werden 
als das Propuft der Mußeſtunden ſelbſt des enthufiaftiichiten Liebhabers 
derartiger Studien; die Yöjung der Aufgabe verlangte das Einfeten einer 
vollen und ganzen Kraft, fie verlangte für die archivaliiche Forjehung 
die Aufwendung größerer Mittel, als ein Einzelner auf die Vorarbeiten 
verwenden fonnte. 

Dieje Erwägungen veranlaßten Dr. Eduard Brodhaus in Yeipzig, 
unter dem 8. April 1875 an den Vorjtand des Börjenvereins der Deut- 
jchen Buchhändler den Antrag zu richten: die Abfajjung einer um- 
faffenden Gejchichte des Deutſchen Buchhandels unter jeine Agive zu 
nehmen. Wie jehr diefer Antrag vieljeitig gehegten Wünjchen entgegen- 
kam, zeigte die Aufnahme, welche verjelbe bei dem damaligen Vorſtande 
fand. 

Der Antragjteller hatte worerjt nur befürwortet, daß zur weitern 
Prüfung, in welcher Art die Aufgabe zu löſen jei, eine befondere Kom— 
miffion ernannt werden möge. Der Borjtand des Börjenvereins ging 
jofort darüber hinaus; er nahm den Antrag nicht nur jeinerjeits an, 
er erweiterte jogar noch ven Wirfungsfreis der Kommiſſion. In dieſer 
erweiterten Form wurde der Antrag ſodann am 14. Mai 1876 von der 
Generalverjammlung des Börjenvereins einſtimmig genehmigt. Die Kom— 
mijjion wurde alsbald unter dem Namen der Diftorijchen Kommiſſion 
des Börjenvereins der Deutſchen Buchhändler gewählt; fie trat 
jofort in TIhätigkeit und e8 gelang jchon am 4. Oktober 1376 auf einer 
in Halle abgehaltenen Konferenz, eine Verſtändigung über den Plan des 
weitern Vorgehens herbeizuführen. Die einzelnen Mitglieder hatten vorher 
ihre Anſchauungen in bejonderen Gutachten niedergelegt. 

Der Borjtand des Börfenvereins, und demmächit der Börjenverein 
jelbjt in jeiner Generalverjammfung vom 29. April 1877, erteilten auch 
diejem Plane ihre Zuftimmung, bewilligten die erforderlichen Mittel und 
jegten nunmehr die Hiſtoriſche Kommiffion als eine dauernde nieder. Sie 
hatte bis dahin aus Dr. Eduard Brodhaus in Yeipzig (VBorjigender), 
Eduard Frommann in Sena, Dr. Ostar Haje in Yeipig, Dr. Albr. 


Vorwort. vit 


Kirchhoff in Leipzig und Dr. Guſtav Schwetſchke in Halle beſtanden; ſie 
ergänzte ſich aber nunmehr auf Grund des ihr zugeſtandenen Kooptations— 
rechts durch zwei weitere Mitglieder: Geh. Hofrat Dr. Guſtav Frehtag, 
damals in Siebleben bei Gotha, und Geh. Hofrat Profefjor Dr. Fr. 
Zarnde im Leipzig. Im Verlauf der Jahre unterlag diefer Mitgliever- 
beitand verſchiedenen Wandlungen. Zuerjt wurde Eduard Frommann in 
Jena der Kommijfion durch den Tod entriffen; fein Nachfolger, Adolf 
Enslin in Berlin, der als früherer Vorjteher des Börfenvereind das 
Unternehmen auf das ſympathiſchſte erfaßt und gefördert hatte, folgte 
ihm ſchnell, noch ehe er eine Wirkſamkeit zu entfalten vermochte. Faſt 
gleichzeitig jtarb auch Dr. Guſt. Schwetichte. Ihre Stellen wurden durd) 
Otto Harrafjowig in Leipzig und Auguſt Schürmann in Halle ausgefüllt. 
Schlieglih mußte im Jahre 1885 Dr. Oskar Hafe infolge feiner Wahl 
in den Börjenvereinsporftand ven Statuten gemäß ausjcheiden. An feiner 
Statt wurde Wilhelm Herk in Berlin fooptiert, der ſchon feiner Zeit 
als treuer Freund und Genoffe Enslins im Vorftande den regjten Anteil 
an der Begründung des Unternehmens genommen hatte. 

Sp war die Kommifjion denn im Juli 1877 in der Yage, einen 
öffentlichen Aufruf an alle deutſchen Gelehrten und Schriftiteller, deren 
Studienrichtung die zu löjende Aufgabe nahelag, zu richten, ſich wegen 
Übernahme eines die Gejchichte des Deutſchen Buchhandels von 
Erfindung ver Buhdruderfunft an bis zur neueften Zeit um— 
faſſenden Werkes, oder einer Beteiligung an demſelben, mit der Hijtori- 
ſchen Kommiffion in Verbindung zu jegen. Das Werf jollte auf wiffen- 
ſchaftlicher Forſchung beruhen und die Ergebniffe derſelben in einer ge- 
meinverftändlichen und überfichtlichen Darjtellung geben. Der Inhalt 
wurde im allgemeinen dahin umgrenzt, daß das Drudereigejchäft nur 
nebenjächlich erwähnt, Yitteratur= und Kulturgejchichte in den Rahmen 
der Daritellung gezogen, ihr Einfluß auf das buchhändleriiche Gewerbe, 
und umgekehrt die Förderung oder Schädigung der Litteratur durch den 
Buchhandel eingehend gejchilvert werden jollten. Als Hauptaufgabe des 
Werfes wurde indefjen betont, daß dasjelbe „den Charakter des Bücher: 
marftes hiſtoriſch zu verfolgen umd die Gejchichte des Gejchäftsbetriebes 
in ihrer allmäblichen Entwidelung feitzuitellen habe‘. Der Buchhandel 
im Altertum und Mittelalter, die ganze Zeit vor Erfindung der Buch— 
druckerkunſt, jollte nur in der Einleitung in großen Zügen behandelt werden. 


vıu Vorwort. 


Die (eigentliche) Gejchichte jelbit dachte fih die Kommiffion in fünf 
Perioden zerfallend: die erſte Periode bis zum Jahre 1564, dem Er- 
icheinen des erjten Meßkatalogs; die zweite bis zum Weftfälifchen Frie— 
den; die dritte bis zum Eingehen des Frankfurter Meßkatalogs und dem 
entjchievenen Übergewicht Yeipzigs (1765); die vierte bis zur Gründung 
des Börjenvereins der Deutſchen Buchhändler; die fünfte die Neuzeit 
umfajjend. Der Umfang des Werkes jollte womöglich 100 Drudbogen in 
groß Oktav nicht überjchreiten. 

Die Kommifjion verhehlte fich nicht, daß die Vorarbeiten und vie 
Sammlung des Materials für ein derartiges Werf einen längern Zeit- 
raum erfordern würden, ja, daß e8 jogar fraglich jei, ob jo bald und 
binnen welcher Friſt ſich ein geeigneter Bearbeiter für dasjelbe gewinnen 
lajfen werde. Es wurde deshalb gleichzeitig die Begründung einer in 
zwangloſen Heften oder Bänden erjcheinenven Zeitjchrift, des „Archivs 
für Gejhichte des Deutjhen Buchhandels“, beſchloſſen, deſſen 
Beitimmung es fein follte, durch Veröffentlichung ausführlicher Spezial- 
arbeiten, jowie von Urkunden, Akten u. dgl., den eventuellen Bearbeiter 
des großen Werfes zu umterjtügen und das Intereſſe an dem ganzen 
Unternehmen inzwijchen vege zu erhalten und zu fördern. 

Die Herausgabe dieſes Archivs wurde unverweilt in Angriff genom- 
men; das erjte Heft erjchien bereits Ende des Jahres 1877. Aber ſchon 
während ver Vorbereitungen dazu hatte die Kommijfion das kaum er- 
hoffte Glück, in Friedrich Kapp die wiffenjchaftliche Kraft zu finden, 
welche bereit und im Stande war, die große Aufgabe: eine Geſamt— 
gejchichte des Deutjchen Buchhandels zu jchreiben, auf fich zu nehmen 
und jich ihr voll und ganz zu widmen. Einſtimmig hatten der Borjtand 
des Börjenvereins und die unterzeichnete Kommiſſion in einer am 25. Sep: 
tember 1877 in Koburg abgehaltenen gemeinjchaftlichen Sitzung beſchloſſen, 
Friedrich Kapp die Bearbeitung zu übertragen, und am 19. Mai 1875 
wurde — nachdem die notwendigen Formalitäten (wie Genehmigung 
jeitens der Generalverjammlung u. j. tv.) erledigt waren — der erforber- 
liche Vertrag mit ihm abgejchloffen. In demjelben waren zehn Jahre für 
die Sertigitellung des großen Werkes in Ausficht genommen; fünf davon 
wurden auf die umfänglichen und zeitraubenden Vorarbeiten gerechnet. 

Angeftrengt und unentwegt hat fich Kapp jeit dieſem Zeitpunft feiner 
großen und jchiweren Aufgabe gewidmet, in ununterbrochenem engften 


Borwort. 1x 


Berfehr mit der Hiftorischen Kommifjion. In reichitem Maße bat dieſe 
dabei Gelegenheit gehabt, den Ernſt und die jtrenge Gewiſſenhaftigkeit 
jeines Arbeitens fennen zu lernen, den Eifer, mit welchem ev jich in 
einen ihm zumächit fremdartigen Stoff einzuleben und zu vertiefen, deſſen 
Bejonderheiten fich zu eigen zu machen beitrebt war. Seine liebens- 
würdigen Gigenjchaften machten diejen VBerfehr zu einem wohlthuenven. 
gern lag ihm der einfeitige Gelehrtenftol;, der ſtarr und ſelbſtbewußt 
an der eigenen Anficht, an der durch den eingejchlagenen individuellen 
Weg der Forſchung gewonnenen Anjchauung feſthält. Gern war er im 
Gegenteil bereit, auf ven Ausgleich der fich etwa entgegenjtehenden Mei: 
nungen einzugeben und fich in demſelben das unzueignen, was er als 
das Nichtigere oder Begründetere anzuerkennen vermochte. Kapps uner— 
wartet eintretender jäher Tod hat dieſe Beziehungen vorzeitig zerriffen. 
Aber ven Freundespank für die wohlthuenden Erinnerungen und für jein 
treues Arbeiten glaubte die Hiſtoriſche Kommiſſion dem Berjtorbenen 
nicht beſſer abjtatten zu fünnen, als dadurch, daß fie für den Abſchluß 
des unvollendet gebliebenen erjten Bandes eintrat, und zwar zu einen 
Teil mit ihren eigenen Kräften: durch Geh. Hofrat Profeſſor Dr. Fr. 
Zarnde und durch Dr. Albr. Kirchhoff. 

Als Friedrich Kapp von der Arbeit abgerufen wurde, hatte er das 
erjte, dritte und fünfte bis ficbente Kapitel beendet; aber nur das fünfte 
bezeichnete er als völlig drudreif. Für die andern war der Abſchluß 
der Arbeit nur ein vorläufiger; fie waren noch einer Schlufrevifion 
zu unterziehen. Am zweiten Kapitel fehlte der verhältnismäßig nicht 
ſehr bedeutende Schlußteil, für welchen jedoch das Material faſt voll- 
jtändig bereit lag. Dem achten Kapitel mangelte die zweite größere 
Hälfte, jowie ver Zuſammenſchluß mit dem fast fertigen Anhang. An— 
deutungen hierfür, jowie für die Erläuterung der zu diefem Kapitel ge- 
börigen graphifchen Tafeln fanden fich im Nachlaffe nicht vor; nur eine 
furze Dispofition von vier Zeilen gab einen ſchwachen Fingerzeig dafür, 
wie der Verfaſſer ſich den Abſchluß des Kapitels im allgemeinen vorge: 
jtellt hatte. Ebenſo waren das neunte und zehnte Kapitel noch unvoll- 
endet; doch war für jie wenigjtens das Material in jehr reichhaltigen 
Altenanszügen größtenteils vorhanden. Zu diejen Yücen der Arbeit ift 
es dagegen nicht zu zählen, daß im dem erjten Bande Yeipzigs, feiner 
Stellung und jeiner Meſſe mur nebenher gedacht wird. Es lag viel- 


x Vorwort. 


mehr in Kapps Plane, den zweiten Band, die neuere Gejchichte, um 
dieſen Mittelpunkt zu gruppieren. 

Behufs Ausfüllung jener thatjächlichen Yücfen übernahm Geh. Hofrat 
Profefjor Dr. Fr. Zarnde die Erläuterung der erwähnten graphijchen 
Tafeln, deren Ausführung überhaupt ſchon auf jeinen Ideen und den von 
ihm gelieferten Unterlagen berubte, Dr. Albr. Kirchhoff die Durchjicht 
und legte Nevifion des ganzen Manujfripts, bei der hier und da noch 
erforderlichen ftiliftiichen Abglättung auf das bereitwilligfte von Herrn 
Geh. Ober-Regierungsrat Dr. Alfred von der Leyen, dem Schwieger- 
john umd Neffen Kapps, unterjtügt, jowie die Sorge für den Abjchluß 
der noch unvollendeten Kapitel, unter energiicher und verſtändnisvoller 
Beihilfe des Herrn 3. Herm. Meyer, Bibliothefars des Börjenvereins 
der Deutjchen Buchhändler. 

Das Mandat zu diefer eingreifenden Thätigfeit hatte Dr. Kirchhoff 
gewifjermaßen von dem Verjtorbenen jelbft erhalten; es ift gleichjam 
ein Vermächtnis desjelben. Als Kapp im März des Jahres 1884 das 
Borgeben bei der Drudlegung des Werfes mit der Hiftorifchen Kom— 
miſſion beriet, hatte er jelbft den Wunſch ausgejprochen, daß Dr. Kirch— 
hoff etwaige Bemerfungen u. j. w. auf einen Fahnenabzug eintragen möge, 
um dieje Bemerkungen eventuell einer Erwägung unterziehen zu können. 
Ob der hiernach von Kapp jelbit in Ausficht genommene Meinungsans- 
tauſch Einfluß auf einzelne Teile der Arbeit ausgeübt haben würde und 
welchen — das jteht dahin. Jetzt mußte jede etwa abweichende An- 
ſchauung oder Auffaffung des Herausgebers unbevingt hinter der des 
Berfafjers zurüdtreten. 

Dagegen erſchien es nicht nur erlaubt und zuläffig, fondern jogar 
wünjchenswert, noch mancherlei wichtige Daten und Ergänzungen ein- 
zufügen, die fich größtenteil® aus Dr. Kirchhoffs jüngjten Arbeiten im 
biefigen ſtädtiſchen Archiv ergeben hatten. Diejes Material wäre dem 
Verfaffer zur Verfügung geftellt worden und er hätte es benutt, falls 
ihm eine längere Lebensdauer beſchieden geweſen wäre, wie er ja auch 
im Jahre 1884 aus Dr. Kirchhoffs ihm zur beliebigen Benutzung über- 
lajfenen Ereerpten aus den Aften der ſächſiſchen Bücherkommiſſion nicht 
weniger als hundert Foliojeiten in Abjchrift entnommen hatte; fie jollten 
wahrjcheinlich im zweiten Bande Verwendung finden. Aber bei diejen 
Nachträgen und Ergänzungen ift ſelbſtverſtändlich nur das benußt wor- 


Vorwort. xi 


den, was ſich zwanglos in die Darſtellung des Verfaſſers einfügen ließ, 
was in dem feſtgefügten Rahmen der von ihm gewählten Diopoſition 
des Stoffes eine Stätte finden fonnte und dabei mit der Auffafjungs- 
weije des Verfaſſers im Einklang ſtand. 

Eine Aufführung aller diefer Zuthaten wäre ermüdend und ziwed- 
los. Wohl aber ift Rechenjchaft abzulegen über die von Dr. Kirchhoff 
und F. Herm. Meder herrübrenvden größern Zuſätze und Ktapitelabjchlüffe. 

Bom zweiten Kapitel hatte Kapp das Manuſkript bis zur Mitte von 
Zeite 149, jowie den Abjchnitt: Wien (S. 160—165) fertiggeftellt; ver 
Schluß des Abjchnitts: Yeipzig (S. 149 — 160) ift von F. Herm. Meyer, 
und zwar größtenteils nach den von Dr. Kirchhoff gelieferten Unterlagen, 
bearbeitet, ver Abſchluß des Kapitels (S. 165—179) von ebendemjelben, 
teilweije nach Kappe Nohmaterial, dabei dieſes verpolljtändigend, teil- 
weiſe jelbjtändig (die Abjchnitte: Magdeburg, Tübingen, Wittenberg). 

Im achten Kapitel reichte Kappe Meanuffript bis zur Mitte von 
2.468. Bon den Ergänzungen ftanınen ©. 468—479 (oben) von Dr. 
Kirchhoff, S. 479—4% (die Gejchichte des Mepfatalogs) von 8. Herm. 
Meyer, ver Abjchluß des Kapitels und der Anfang des Anhangs, ©. 491— 
502, wieder von Dr. Kirchhoff her; nur zwei fleine Stellen find aus 
Kapps fragmentarifchen Entwürfen entnommen. Der erwähnte Anhang, 
die Biograpbien Plantins und der Eljeviere, ift wieder aus Kapps Feder; 
doch bat Dr. Kirchhoff in erjtere die von jenem von jeiner letzten ant- 
werpener Reiſe mitgebrachten gejchäftlichen Notizen und auf Grund von 
deſſen Dispofition die S. 506 (vom letzten Abjat ab) bis 509 eingefügt. 

Das neunte Kapitel lag bi8 ©. 578 fertig vor; von bier (Ulm) ab 
bis zum Schluß, S. 607, ift e8 von F. Herm. Meyer bearbeitet, unter 
Benugung einiger ſchon von Kapp flüchtig Fonzipierten Stellen (auf 
S. 587, 588 und 591—594 oben: Brandenburg und der Anfang von 
Zabjien). 

Die umfänglichite Ergänzung machte ſich im zehnten Kapitel erforder- 
(ih. Hier reicht Kapps eigene Arbeit bis zum Schluß der ©. 676; 
fie lag bis dahin bereits im Anfang des Jahres 1884 vor. Zur Ver— 
vollftändigung der Materialien, namentlich über die Frage der Bücher 
tare, durchforjchte Kapp zumächt noch erſt das wiener Archiv; die von 
ihm zur Cinfügung zurechtgelegten Excerpte find von Dr. Kirchhoff in 
den Tert verwoben worden. Gleicherweije fand fih auch der Anfang des 


xıu Vorwort. 


Streites wegen der Büchertare ausgearbeitet vor. Aber teil® der Um— 
jtand, daß Kapp auch hierzu noch Materialien in Wien ermittelt hatte, 
teil8 der, daß ein glüdlicher Zufall noch weitern wichtigen Stoff unter 
den franffurter Aktenabjchriften auffinden lieg — er war unter die Ab- 
jhriften aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geraten — mach- 
ten eine völlige Umarbeitung des betreffenden Teils des vorliegenden 
Manufkripts notwendig; nur wenige Fragmente desjelben konnten er- 
halten bleiben. So ift denn der weitere Teil diejes Kapitels, von ©. 677 
bis Mitte 730, eine von 3. Herm. Meyer fajt ausfchließfih auf Grund 
des Kappſchen Aftenmaterials gelieferte, den regejtenartigen Charakter ver 
Kappſchen Anlage feithaltende Arbeit, ver Dr. Kirchhoff feinerjeits nur 
einige Ergänzungen — namentlich das Eingreifen des Corpus Evan- 
gelicorum — eins, und ven Abſchluß des Kapitels von der Mitte der 
©. 730—735 angefügt hat. Im Zuſammenhang damit ift auch der 
Erfurs über den Buchhandel der Juden in den Anmerkungen (S. 839— 
842) aus der Jeder von 8. Herm. Meyer. Das Namen: und Orts- 
vegifter haben die Angehörigen des Verſtorbenen eingejandt. 

Sowohl Dr. Kirchhoff, als auch Meyer, find bei ihrer Arbeit be- 
jtrebt gewejen, fich der Darjtellungs- und Behandlungsweife des Ver— 
fafjers anzujchmiegen, joweit dies überhaupt andern Individualitäten 
möglich iſt. Sollte die kritiſche Würdigung des Werfes ergeben, daß 
ihnen dies einigermaßen gelungen ift, jo würden beide darin die wohl: 
thuendite Anerkennung finden für eine derartige dornenvolle und an fich 
die damit Betrauten nie voll befriedigende Thätigkeit. 

So möge denn das fchicjalsreiche Unternehmen feinen Weg in die 
Offentlichteit antreten und möge ein günftiges Geſchick es fügen, daß 
die in langjähriger, angeftrengter Thätigfeit vorbereitete Arbeit Friedrich 
Kapps der Ergänzung und Fortſetzung nicht allzulange zu harren babe, 
Über diefe angeftrengte Thätigfeit Kapps jelbjt und über feinen Vebensgang 
berichtet nachſtehend auf den Wunjch der Hiſtoriſchen Kommiffion Herr 
Dr. von der Yeyen noch jpeziell in eingehender Weiſe. 


Leipzig, im März 1886, 
Die Hiftorifde Kommiſſion 
des Börjenvereins der Deutſchen Buchhändler. 
In deren Auftrag: Dr. Albrecht Kirchhoff. 


Friedrich Kapp wurde am 13. April 1824 zu Hamm in Wejtfalen 
als Schn des Gymnaſialdirektors Dr. Friedrich Kapp geboren. Er be- 
fuchte dajelbjt das Gymnaſium, und hat vor allen Dingen den Unter: 
richt jeines Vaters, eines hochbegabten Yehrers und eines politiich und 
religiös frei denfenden Mannes, jein Yeben lang in danfbarer Erinnerung 
behalten. Bon 1842 bis 1845 ſtudierte Kapp in Heidelberg und in 
Berlin die Rechte und trat dann im Frühjahr 1845 in jeiner Vater: 
jtadt in den praftijchen Juſtizdienſt, aus welchem er infolge ver politi- 
jben Unruhen am 12. April 1848 freiwillig ausjchied. Er begab fich 
nach Frankfurt a. M., wo er als parlamentariicher Berichterjtatter für 
mebrere Zeitungen arbeitete. Der Septemberputſch nötigte ihn zur Flucht. 
Die folgenden Jahre verlebte er in Brüffel, Paris und Genf; im März 
1850 ſchiffte er fich nach Newyork ein. Dort hat er die nächjten zwanzig 
Jahre jeines Yebens zugebract. Sein Yebensberuf war während der läng— 
jten Zeit dajelbjt der eines Rechtsanwalts und Notare. Daneben be- 
teiligte er jich eifrig am politifchen Yeben, vor allem während der Zeit 
des Bürgerkriegs, und entwidelte eine veiche und fruchtbare jehriftitelle- 
riiche Thätigkeit. Zwei jeiner dort verfaßten größern Werfe* jind der 
Erörterung der Sflavenfrage gewidmet, die übrigen bilden die erſten ur- 
fundlichen und quellenmärigen Unterjuchungen über die Sejchichte und die 
Stellung der Deutichen in ven Bereinigten Staaten. ** Dieje Schriften 
haben, wie feine andern vor und nach ihnen, zur Hebung des Deutjch- 


* Die Sklavenfrage in den Bereinigten Staaten (Göttingen 1854), und: Ge: 
ichichte der SHaverei in den Vereinigten Staaten (Hamburg 1861). 

** Leben des Generals von Steuben (Berlin 1858); Leben des Generals 
Johann Kalb (Stuttgart 1862 und [engliih]) Newyork 1884); Der Soldatenhandel 
deutjcher Fürſten nach Amerifa (Berlin 1864, 2. Aufl. 1872); Geichichte der deut- 
ihen Einwanderung in Newyork. 1. Bd. (1. bis 3. Aufl. Newyorl 1867— 69); 
Immigration and the Commissioners of Emigration. (Newyork 1870.) 


xıv Borwort. 


tums in den Vereinigten Staaten beigetragen und damit dem gewaltigen 
Umſchwung den Boden geebnet, welchen unter dem Eindrud des Deutjch- 
Franzöſiſchen Kriegs die Stellung der Deutjchen in den Vereinigten 
Staaten erfuhr. Dhre wifjenjchaftliche Bedeutung anerkannte die philo- 
ſophiſche Fakultät der Univerfität Bonn dadurch, daß fie den Verfaſſer 
im Jahre 1868 zum Ehrendoktor ernannte. 

In Newyork bekleidete Kapp auch von 1866 bis 1870 das Ehrenamt 
eines Mitglieds des Board of the Commissioners of Emigration. 

Im Frühjahr 1870 kehrte er nach Deutſchland zurück, nahm ſeinen 
Wohnſitz in Berlin und erwarb alsbald wieder das preußiſche Staats— 
bürgerrecht. Schon während des Kriegs bot ſich ihm neue Gelegenheit 
zu gemeinnützigem Wirken. Die in Amerika gebildeten Hilfsvereine zur 
Pflege der Verwundeten und Unterſtützung der Witwen und Waiſen der 
Gefallenen erſuchten ihn um ſeine Vermittelung bei Verwendung der auf— 
gebrachten reichen Gelder, zu welchem Zweck er in das berliner Central— 
komitee eintrat. Sogleich nahm ev dam regen Anteil an dem öffent: 
lichen und politiichen Yeben. Er war furze Zeit Stadtverordneter in 
Berlin und vertrat von 1872 bis 1878 und von 1881 bis 1884 als 
Mitglied der nationalliberalen, ſpäter der veutjchfreifinnigen Partei den 
Wahlkreis Salzwedel-Gardelegen im Neichstage, von 1874 bis 1877 ven- 
jelben Wahlkreis auch im preußifchen Abgeorpnetenhaufe. Daneben war 
er litterarifch zumächit auf vemjelben Gebiete, wie in Amerika weiter 
thätig, wobei er auch auf eine Berichtigung der deutſchen Anjchauungen 
über die amerifanijchen Zujtände hinwirkte.* 

Seit dem Herbjt 1877 hatte er fich in ver „Sejchichte des Deutjchen 
Buchhandels“, zu deren Bearbeitung, wie S. vı fg. näher ausgeführt, der 
Börjenverein der Deutjchen Buchhändler die Anregung gegeben hatte, eine 
neue Aufgabe gejtellt, und diejes Werk bildete von Jahr zu Jahr mehr 
den alleinigen Mittelpunft jeiner wifjenichaftlichen Thätigkeit; um fich ihm 
ausjchlieglich zu wiomen, hatte er im Sommer 1884 auch abgelehnt, fich 
wieder um einen Sit im Reichstage zu bewerben. ** Wie dieje Arbeit 


* Es erihienen: Friedrich der Große und die Vereinigten Staaten von Amerifa 
(Leipzig 1871); Aus und über Amerika (2 Bde. Berlin 1876); Juſtus Erich Boll- 
mann (Berlin 1880), Außerdem zahlreiche Abhandlungen in verjchiedenen Zeit- 
ſchriften. 

** Zwei eingehende Lebensbeſchreibungen Friedrich Kapps find bald nach feinem 


Vorwort. xv 


vom Abſchluß des Vertrags bis zu feinem Todesjahre fortgejchritten tft, 
darüber hat er vom 1. April 1879 bis 20. Januar 1884 im ganzen 
ſechs Berichte an die Hiftorifche Kommiſſion des Börjenvereins der Deut: 
ihen Buchhändler erjtattet. Die fünf erften Berichte bilden die Eingangs: 
artifel des 4., 6., 7., 8. und 9. Bandes des Archivs für Gejchichte des 
Deutſchen Buchhandels; der lette Bericht ift abgedrudt in dem amtlichen 
Teile der Nr. 78 des Börjenblattes für ven Deutſchen Buchhandel. 

Gleich in dem eriten dieſer Berichte legt der Verfaffer die Grund: 
jüke dar, von welchen er bei Bearbeitung ver Werfes auszugeben ge: 
denkt und auch ausgegangen iſt. Nur zwei Gefichtspunfte können feiner 
Meinung nach hierbei in Betracht kommen: „einmal der antiquarijch- 
ftatiftifche, welcher bei der Natur jeiner Vorausſetzung notwendigerweiſe 
jeine Hauptftärfe im Zahlen, Notizen und oft anjprechenvden, oft lang: 
weiligen Cinzelheiten oder Yiebhabereien findet; dann aber die willen: 
ichaftlihe Auffajjung und Durchführung des Themas, welche den orga= 
nijchen Zujammenhang des Buchhandels mit der allgemeinen deutſchen 
Kulturentwidelung nachzuweifen und den bleibenden geiftigen Gehalt, ven 
dauernden nationalen Gewinn aus ven loje nebeneinander oder inein- 
ander laufenden Thatjachen herauszujchälen jtrebt“. Kapp will jeine Auf: 
gabe vom lettern Stanppunfte aus löjen: „In unjern Tagen“, jo jagt 
er weiter, „wo die bisher zeriplitterten veutjchen Stämme faum erjt ihre 
äußere Einheit wiedergefunden haben, kann nur diejenige Geſchichtſchrei— 
bung anregend und nachhaltig wirfen, welche dieje vaterländiichen Strö— 
mungen zu läutern und zu vertiefen jtrebt, welche, indem ſie jich ver 
Einzelvarjtellung eines jo wichtigen Förderers unferer heimiſchen Bil- 
dung, wie des Buchhandels, zuwendet, dem Geifte unjers Volles bis ins 
A-B⸗C-Buch hinein, wenn ich jo jagen darf, nachgeht und welche ihn 
von jeinen bejcheidenjten Regungen an bis zu jeinen Großthaten vem all: 
gemeinen VBerjtänpnis näher rückt.“ 

Bor allem und zuerjt ging ver Verfaffer mit Eifer und Nachdruck 
an die Durchforſchung ver Archive. Er begann mit dem Bejuche von 
Nürnberg, Augsburg, Um, Zürich, Bajel und Karlsruhe im Frühjahr 
Tode veröffentlicht worden: Friedrich Kapp, Gedächtnißrede von Georg von Bunſen 
(49. Heft der Bollswirthichaftlichen Zeitfragen. Berlin 1885), und Friedrich Rapp, 
von 9. von Holſt (im LV, Bande der Preußiihen Jahrbücher Het II. 
©. 217— 264). 





xvi Vorwort. 


1878; im Herbſt des Jahres folgte der Beſuch von Düſſeldorf und Köln, 
ſowie ſpäter von Bremen und Hamburg; der ganze Winter 1878 auf 
1879 wurde den eingehendſten und ſorgfältigſten Studien in dem Ge— 
heimen Staatsarchiv zu Berlin gewidmet. Daran ſchloß ſich im Mai 
1879 ein Beſuch des ſtädtiſchen Archivs in Frankfurt a. M., welcher im 
Mai des folgenden Jahres wiederholt werden mußte. Im Juni 1880 
war Kapp in Dresvden, im Herbft 1881 zum zweiten mal in Augsburg, 
Ente März und Anfang April 1883 in Wien, und den Abjchluß diejer 
Thätigfeit machte der verhängnisvolle Bejuch des Musée Plantin in 
Antwerpen am 15. bis 19. Oftober 1884, von welchem er zu Tode er- 
krankt nach Berlin zurückkehrte. Der Zwed dieſes Beſuchs, über einige 
dunkle Punkte des buchhändleriſchen Gejchäftsbetriebes und der Meſſen 
in Frankfurt a. M. Klarheit zu jchaffen, wurde im wejentlichen erreicht. 
Das leipziger Archiv hat Kapp nicht jelber burchforicht; die Akten 
der ſächſiſchen Bücherkommiſſion wurden bier erjt zu einer Zeit gleich- 
jam wieder entvedt, als er ſchon an die Ausarbeitung des Werfes jelbjt 
ging. Er konnte ſich bier aber auf die Beihilfe Dr. Albr. Kirchhoffs 
jtüßen. 

In den Archiven bejchränfte fich Kapp meist darauf, alle vorhandenen 
Akten einer genauen Durchficht zu unterziehen und diejenigen Aktenſtücke 
ſodann zu verzeichnen, welche für die Arbeit von Bedeutung waren. Ab- 
jchriften dieſer Aktenſtücke ließ er demnächſt anfertigen. Ein umfangreiches 
Material iſt auf dieſe Weiſe geſammelt worden, welches teils bei Bear— 
beitung des erſten Bandes benutzt werden konnte, teils dem einſtigen 
Fortſetzer und Vollender des Werkes ſicherlich von großem Werte ſein 
wird. Das Material iſt wohlgeordnet dem Börſenverein der Deutſchen 
Buchhändler von den Hinterbliebenen übergeben worden. Bei Bearbei— 
tung der reichen archivaliſchen Schätze von Zürich und Baſel wurde der 
Verfaſſer in wirkſamſter Weiſe durch ſeinen Freund und Vetter Auguſt 
Kapp in Zürich unterſtützt. Auch an der Ausarbeitung einiger Ab— 
ſchnitte des Werkes wollte ſich dieſer beteiligen, als ihn ein ſchweres 
veiden aufs Krankenlager warf, welchem er 26. Juni 1883 erlegen iſt. 

Bei jeinen archivaliihen Studien fand Kapp überall das Tiebens- 
würdigite Entgegenfommen und die nachhaltigite Hilfe jüntlicher Archiv: 
beamten. Gr hat allen diejen Förderern feiner Arbeit in feinen Berich- 
ten wiederholt den aufrichtigjten Dank ausgeiprochen. 


Vorwort. xvri 


Schon in jeinem dritten Bericht (vom 10. März 1880) konnte Kapp 
mitteilen, daß er mit Anfertigung eines chronologiſchen und jachlichen 
Inder an die Verarbeitung der geſammelten Materialien berangetreten 
jet. Wie aus dem vierten Bericht zu erjeben, begann er im Sommer 
1880, um fih, wie er jagt, Bedenken und Zweifel aus dem Kopfe zu 
ichlagen und jeine Kraft zu erproben, an die Darftellung jelbjt zu gehen. 
Im Sommer, während des Aufenthalts auf dem Yande, ward Die neuere 
Gejchichte, vor allem die Ausbeute des berliner Archivs, in Angriff ge- 
nommen, im Winter 1880 auf 1881 wurden die Anfänge der Buch— 
druderfunft und der erjten Entwidelung des Buchhanvels bearbeitet. Eine 
erjte Frucht diejer lettern Studien war ein Vortrag, welchen Kapp im 
Februar 1881 vor einem zahlreichen und gewählten Publikum in ver 
Singafademie zu Berlin „über Gutenberg” gehalten bat. 

Bon jest an ging die Fortſetzung der Ausarbeitung mit der Fort— 
jeßung der Quellen- und Yitteraturftndien Hand in Hand. Die Dar- 
jtellung des erjten Dahrhunderts des Buchhandels machte befondere und 
ſtets neue Schwierigkeiten, und doch mußte diefer Zeitraum am aus- 
führlichjten behandelt werden, weil in demjelben die Grundlage für das 
eigenartige Gejchäftsgetriebe des deutichen Buchhandels gelegt worden tft, 
und weil die über venjelben vorhandenen Vorarbeiten, mehr als die über 
die jpätern Zeiten, ſich nur auf Einzelheiten erjtredten und des organi- 
jchen Zufammenhangs entbehrten. Gleichwohl hoffte Kapp in feinem 
(am 1. April 1882 erjtatteten) vierten Bericht, gegen Ende 1883 den 
Druck des erften Bandes in Angriff nehmen zu können, hielt an dieſer 
Hoffnung auch noch in dem fünften Bericht (vom 14. Januar 1883) feit, 
und teilte im jechjiten Bericht (am 20. Januar 1884) mit, daR infolge 
des Todes von Auguft Kapp dieſes Ziel nicht habe erreicht werden können. 

Kapp hatte fich nach und nad dahin jehlüffig gemacht, ven gejamten 
Stoff jeines Werkes in zwei Bänden zu verarbeiten. Im fünften Be- 
richt begründet er diefe Einteilung wie folgt: 

„Der natürliche Schluß des erjten Bandes füllt in die zweite Hälfte, 
gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Im 17. Jahrhundert erlebte ver 
deutſche Buchhandel jeine bis dahin Höchjte Blüte und feinen tiefjten 
Niedergang; jene unmittelbar vor dem Dreißigjährigen Kriege, dieſen 
mit dem im Gefolge des (egtern auftretenden politischen, wiljenjchaftlichen 
und wirtjchaftlichen Elend. Es jcheint mir deshalb auch das Beſte, den 

Stopp. I. b 


xvım Vorwort. 


eriten Band bis zu dem lettern Zeitpunfte, aljo dem Ende des 17. Jahr— 
hunderts, fortzuführen, wo die lateiniſche Sprache vor ver deutjchen zu— 
rüctritt, wo Frankfurt jeine internationale Bedeutung verliert und Yeipzig 
in bejchränfterm, nationalem Sinne die Aufgaben der frankfurter Buch— 
händlermeſſen fortführt.‘ 

Als Kapp die Arbeit übernahm, hatte er jich vorbehalten, für ein- 
zelne Abſchnitte Mitarbeiter binzuzuzichen, weil eine gewiſſe Teilung der 
Arbeit notwendig fein werde. Einzelne Berjuche, Mitarbeiter zu ge- 
winnen, über welche die Berichte fich äußern, find ſchließlich fehlgeſchlagen; 
jevoch gelang e8, Herrn Negierungsrat Bucher in Wien und Herrn 
Profeſſor Dr. Yewis in Greifswald zur Übernahme, und zwar ven 
erjtern des vierten Kapitels (Äußeres des Buchs), den letztern des 
Schlußkapitels (Nachdruck) zu bejtimmen. Das vierte Kapitel hatte 
Kapp im Sommer 1884 erhalten und noch jelbit mit Freude und Ge- 
nugthuung gelefen; das elfte Kapitel iſt erjt nach feinem Tode abge- 
ſchloſſen, nachdem jich übrigens Kapp über den Plan und die Dar- 
jtellung mit Herrn Profeſſor Yewis vollfommen verftändigt hatte. 

Der Zuftand, in welchem fich die Handjchrift des erjten Bandes der Ge— 
jchichte des Deutjchen Buchhandels an dem Todestage des Verfaffers, dem 
27. Oftober 1884, befand, it in dem Borworte S. ıx fg. dargelegt, auch 
ift dajelbjt berichtet, wie und von welchen Herren die vorhandenen Yüden 
ausgefüllt wurden und die Arbeit drudreif fertiggeftellt ift. Ich kann nicht 
unterlaffen, den Herren Geb. Hofrat Dr. Fr. Zarncke, Dr. Albr. Kirch— 
boff und F. Herm. Meyer für diefe aufopfernde, mühſelige Thätigfeit 
den aufrichtigen warmen Dank aller Hinterbliebenen auszufjprechen. 

Auf den Vorjchlag der Hiſtoriſchen Kommiffion bat der Vorjtand 
des Börjenvereins der Deutſchen Buchhändler bejchleffen, den erjten Band 
ver Geſchichte des Deutſchen Buchhandels, ohne Rüdficht darauf, ob und 
wann der zweite Band gejchrieben wird, drucken zu laſſen. Die jchönfte 
Anerkennung für Friedrich Kapps Arbeit wäre es, wenn unter Benutzung 
des von ihm gejammelten Materials recht bald eine Fortjekung und 
ein Schluß der GSejchichte des Deutſchen Buchhandels in jeinem Sinne 
geichrieben würde. 


Charflottenburg-Berlin, im März 1886, 


Dr. Alfred v. d. Leyen. 


Inhaltsverzeichnis. 


Vorwort. 


Pe ee VE Be Tr TEE Ber SE Br Ber SEE Ze er Ser Bee Bee Zr Te Ze 


Erftes Kapitel. 
Gutenberg und feine Borläufer. 


Erfinder und Entdeder am Ausgange des Mittelalters. — Anlehnung an 
die gewohnten Gejtaltungen des Lebens. — Buchweſen und Handichriftenhandel 
des Altertums. — In Athen und Alerandrien. — In Rom und den Provinzen. 
Mafienproduftion. — Das frühe Mittelalter. Die Klöjter. — Stationarii und 
Librarii der Univerjitäten. — Weltliche Schreiber. Brüder vom gemeinfamen 
Leben. — Handichriftenhandel in Deutichland. — Bibliothefen. Wert der Hand— 
ihriften. WBerwahrlojung derjelben. — Die Renaiffance. Erwachen der Bücher: 
liebhaberei. Florenz als Hauptmarft des Handichriftenhandels. — Gutenberg. 
— Abftammung, Jugend und Aufenthalt in Straßburg. — Seine mechaniſchen 
Arbeiten (Steinichleifen, Spiegelfabritation). — Verträge mit Pritzehn und 
Hellmann. — Die „Künfte und Afentur”, — Ende des Aufenthalts in Straf: 
burg, Rücklehr nad Mainz. — Zeitpunkt der Erfindung der Kunſt. Wejen 
derjelben. — Die erften Trude. — Gutenbergs weitere Schidjale, — Ted): 
niiche Vollendung der erjten Drude. — Gutenbergs Tod, Sein Charakter. — 
Bedeutung feiner Erfindung. — Äußeres der erften Drude. — Aufnahme der 
Kunſt feitens der Gelehrtenwelt und Bücherliebhaber, — Anfängliche Stellung 
der Kirche zur Kunſt 


. a 8 2 Tr Tr Tr Tr Tr Tr Tr ehe 


Zweites Kapitel, 
Die Ausbreitung der neuen Kunjt in Deutichland. 


Städte und Bürgertum. — Mainz. Johann Fuft und Peter Schöffer. 
Tie andern mainzer Firmen bis 1622. — Bamberg — Straßburg. 
Johann Mentel. Heinrich Eggeftein. Ihre Nachfolger. Adolf Ruſch. Johann 
Grüninger. — Köln. Ulrich Zell. Druder des 15. Jahrhunderts. Gottfried 
Dittorp. Franz Birdmanı und feine Nachfolger. Johann Gymnicus und 
feine Nachfolger. — Bajel. Bedeutung der Stadt. Beteiligung des Kapitals. 


xx Snhaltsverzeichnis. 

Eeite 
Berthold Ruppel. Buchdruckerſtrike. Michael Wenszler. Bernhard Nichel. 
Johann Amerbadh. Kleinere Buchdrucker. Johann Froben. Frobens Nad)- 
folger. Die Familie Petri. Johann Oporin. — Zürich. Chriſtoph Froſchauer. 
— Augsburg. Günther Zainer und die älteſten Drucker. Johann Bämler 
und Anton Sorg. Hans Schönſperger. Erhard Ratdolt. Johann Rynmann. 
Heinrich Steiner. Ad insigne Pinus. — Ulm. — Nürnberg. Die erſten 
Drucker. Anton Koberger. Die kleinern Buchdrucker. — Die „Brüder vom 
gemeinſamen Leben“. — Leipzig. Kunz Kachelofen. Pantzſchmanns Buch— 
handel. Nickel Wolrabe. Ernſt Vögelin. Henning Große. — Wien. Hie— 
ronymus Vietor und Hans Singriner. — Magdeburg. Drucker der Refor— 
mationszeit. — Tübingen. Thomas Anshelm. Slawiſcher Bücherdruck. — 
Wittenberg. Melchior Lotter. Hans Lufft. — Die kleinern Druckſtätten. 65 


Drittes Kapitel. 
Die Berbreitung der neuen Kunſt im Auslaude. 


Der Wanderzug der deutichen Buchdruder. — Schweinheim und Pannartz. 
— Deutſche Druder in Rom, — In Venedig. — In den übrigen Städten 
Italiens. — Die Wanderdruder. (Johann Neumeifter.) — Deutiche Druder 
in Frankreich. — Neumeifters weitere Wanderungen. — Verbreitung der Kunft 
in Frankreich. — Deutſche Druder in Spanien und Portugal. — Buchdruck 
in den Niederlanden. — In England. — In Dänemark und Schweden. . . 180 


Viertes Kapitel. 
Das Äußere des Buchs. 


Etymologie des Wortes. — Papprusrollen. Codices. Wachstafeln. — 
Pergament. Balimpjeite. Schreibmaterialien. Pergamenter.. — Baumwollen— 
papier. — Linnenpapier. Bapierinduftrie. — Waflerzeihen. — Illuſtration 
der Handichriften. — Byzanz. — Jriſche Ornamentik. Abendländiihe Miniatur: 
malerei. — Form- oder Holzichnitt. — Printer, Karten- und Briefmaler. — 
Technik und erite Erzeugnilie des Formichnitts. — Der Holzichnitt als Buch— 
illuſtration. — Signete und Ex-libris.. — Bucdilluftration in Stalien und 
Frankreich. — Büchereinband im Mittelalter. — Ürnamentation der Leder: 
bände. — Majoli und Grolier. — Der deutjche Büchereinband. Goldichnitt. 

— Die Buchbinderrr. 222 


Fünftes Kapitel. 
Der buchhändleriſche Gejhäftsbetrieb bis zur Neformation. 


Zahl der Inkunabeln. Was find Inkunabeln? — Verſchiedene Geſchäfts— 
zweige des buchhändleriichen Betriebes. — Schriftgießer. Goldichmiede find 
Schriftgießer. Beiipiele. Inpen Eigentum des Verlegers, — Buchdruder refru: 
tieren fih aus allen möglichen Klaſſen: Studenten. — Schönſchreiber und 
Miniaturmaler werden Druder, Bedingungen der Verſöhnung. — Kein Unter: 
ſchied zwiſchen Schreiber und Druder in der Sprache. Beweife aus Augsburg. 


Inhaltsverzeichnis. xxi 

Seite 
Straßburg. — Drucker und Verleger trennen ſich. — Kolporteure. Anſchlag— 
zettel; Beiſpiele. — Buchführer. Jahrmarktsbeſuch. — Filialen. — Buchhändler 
und Drucker verwechſelt. — Drucker ſelbſt beſtellen bei Dritten. — Aufträge 
von Privatperſonen an Drucker. Verleger geben Druckern Aufträge. — Spezia— 
litäten der einzelnen Druder und Verleger der verſchiedenen Länder. — Groß— 
fapital; Aſſociation (verſchieden in Italien, Deutſchland und Frankreich). — 
Buchläden (Verkauf von eigenem und fremdem Verlag). — Ültefter Sitz der 
Sortimentsbuchhändler Augsburg. — Mitte des 16. Jahrhunderts der Buch: 
handel entwidelt. UWiancen auf der Meile. Zahlung. — Honorar. Korrel: 
toren. Tanner. — Honorar ſchimpflich (Erasmus und Hutten), jpäter annehm— 
bar. — Barzahlungen. Goldaſt. — Dedifationen. — Höhe der Auflagen. Aus: 
gaben (theologiſche Litteratur). — Juriſtiſche Litteratur nah Stinging. — 

Koberger. Briefwechiel mit Amerbad. — Schluß . . . : 2 2 2 ern. 263 


Schites Kapitel. 
Der Buchhandel in feinem Berhältnis zum Humanismus. 


Nenaifjance und Humanismus. — Phaſen des Humanismus, — Huma— 
niftiich-theologiiche Periode. (Brüder vom gemeinfamen Leben.) — Humaniftiich- 
wilfenjchaftliche Periode. — Erasmus. — Aldus Manutius. — Seine Verlags: 
thätigkeit. — Verbindungen mit den deutichen Humaniſten. — Beziehungen zu 
Erasmus. — Zu Reuchlin. — Geichäftsbezichungen zu Deutichland. — Ge— 
Iihäftliche Leiftungen und Erfolge. — Johann Froben. — Humanismus in 
Erfurt. — Pie humaniftiich-polemifche Periode. — Streit mit den Duntel: 
männern. — Die Epistolae obscurorum virorum. — Schluß . . ... . 360 


Siebentes Kapitel. 
Luther. 
(Die Reformation und der Buchhandel.) 


Deutſch als werdende Litteraturſprache. — Maſſenproduktion und Abjag 
von Luthers Schriften. — Wirkung derielben. — Yuther und feine Berleger. 
— Die Bibelüberjegung. — Die Nahdruder. (Gegenreformation in ſterreich.) 
— Die Buchführer. — Rolfstümliche Flugichriften. — Johann Herrgott. — 
Die Prädilanten. — Balthajar Hubmayer. — Die Schulen...» 2... 405 


Achtes Rapitel. 
Die frankfurter Meſſe. 


Alter der Meile. — Auftreten des Buchhandels. — Peter Schöffer und 
die Bajeler. — Mittelpunkt des deutichen Buchhandels um 1500, — Teilnahme 
der Xtaliener und Franzoſen am Meßverkehr. — Die Reife zur Meile. — 
Leben und Weben auf derielben. — Beſuch feitens der Gelehrten. — Geihäfts- 
verfehr auf der Meile. — Der Meßkatalog. — Die Bücherprodultion von 1564 
bis 1765. — Die Wirkungen des großen deutjchen Kriegs. — Überwuchern 
des Nachdruds. — Berfehrtheiten der Behörden. — Streben nad) lofalem 


xxu Inhaltsverzeichnis. 
Seite 
Privilegienſchutz. — Übergewicht und Überhebung des holländiſchen Buchhandels. 
— Verfall der deutſchen Buchausſtattung. — Der niederländiſche Buchhandel 
in ſeinen Beziehungen zum Meßverkehr. (Chriſtoph Plantin. Die Elſeviere.). 448 


Neuntes Kapitel. 
Die Bücherceuſur und die Preßverfolgungen. 


Hiſtoriſche Einleitung. Das Altertum, — Verhalten der Kirche. Cenſur— 
recht der Univerfitäten. — Erftes Auftreten nach Erfindung der Buchdruder: 
kunſt: Köln. — Vorgehen der Kirche ohne Nüdjicht auf den Staat: Mainz. — 
Die Bullen Sirtus’ IV., Mleranders VI. und Leo's X. — Das Wormſer Edilt. 
Eintreten des Staats. — Die Reichs - Preßverordnungen. — Der Begriff des 
Libell3 und der Famosſchrift. — Schwächliches Verhalten der Protejtanten. — 
Eenfur in Öfterreih. — An Bayern. Katalog erlaubter Bücher, Verfahren 
gegen Schwendfeldianer. — Die proteftantiichen Reichsftädte. Straßburg. Nürn- 
berg. (Hans Sachs.) Augsburg Ulm. Frankfurt a. M. — Baſel. Zürid. 
— Die geiftlihen Kurfürftentümer. — Böhmen und Schlefien. — Kurpfalz. — 
Brandenburg. — Sachſen. — Die Heinern Territorien. » » 2 522 


Zehntes Kapitel. 
Die frankfurter Bücherkommiſſion. 


Weltlage im legten Drittel des 16. Jahrhunderts. — Die Jeſuiten. — 
Erjte Andeutungen über die Kommiſſion. Zwed derjelben. — Kurzfichtigkeit 
des franffurter Rats, — Definitive Einjegung durch Rudolf II. — Allmähliches 
Hervortreten ihrer Ziele. — Refonftruftion im Jahre 1608. — Widerftand von 
Kurfachien und Pfalz. — Weiterentwidelung der Übergriffe. — Perfonalien. — 
Direftes Eingreifen des kaiſerlichen Hofs. — Die Pilihteremplare. — Neu: 
beginn der Bedrüdungen nah dem Weftfäliichen Frieden. — Die Bücherkom— 
mifjare Hörnigf und Sperling. — Die Büchertare. — Klagen über Schäden 
im Buchhandel. — Steigerung der Chikanen. — Auftreten der evangeliichen 
Neihsitände. — Der Bücherkommiſſar Vollmar und feine neue Inſtruktion. — 
Vorbereitung einer Wandlung in den Seichäftsformen des Buchhandels... . 608 


Elftes Kapitel. 
Der Nachdruck. 


Bedeutung des Urheberrehts für den Buchhandel. — Spuren ausdrüd: 
licher Anerkennung des Urheberrechts bei den Römern fehlen. — Klagen über 
den Nachdrud nad Erfindung der Buchdruckerkunſt; Verlangen nad einem 
Schuß gegen den Nachdruck. — Schub gewährt durch Privilegien des Kaiſers, 
wie der Territorialherrichaften. — Kein rechtlicher Schub des Urheberrechts 
ohne Privilegium, — Rechtliche Natur der Privilegien gegen den Nachdruck. 
— Bejepliches Verbot des Naddruds, — Charakter des vom Gejeh verbotenen 
SEOCHEEEER ;: 1: sc ana aa te ee er ea ee 136 


Anhaltsverzeichnis. xxiii 


Auhang. 
Dokumente: Seite 
I. Beglaubigungsſchreiben des frankfurter Rats an den lübecker. 3. Juni 
BR 2 0 er a ee Te at alter Fa in Ger, 159 


II. Anzeige der Ausgabe von Hieronymi Epistolae, Moguntiae, Petr. 
Schoiffer de Gernssheym, 1470 (welche im Herbit 1470 wirf- 
II ORTEN. u. 6 50 a a a ee, wre 760 
III. Schreiben des Rats der Stadt Frankfurt a. M. an den Rat zu Lübeck, 
eine Schuldforderumg Peter Schöffers und Konrad Hendis an den 


fübeder Bürger Hans Bit betreffend. 1. April 1480. .... 762 

IV. Berfaufsbelenntnis Reinh. Tür . ». » 2.2 22er nenn. 763 
V. Anzeigen Menteliher Drude . . - >»: 2 m 2 0 er ern nn 763 
Anzeige Johann Bämlers in Augdburg - . 2 > vn nun 765 

VI. Schreiben des Rats von Köln an die Stadt Balel. . . » >. 7165 


VI. Ausgleihung des Gewinnes an der nach Vertrag vom 29. Dezember 
1492 gemeinjam unternommenen Ausgabe der Hartmann Schedel- 
ſchen Chronies mundE .. a a 766 
VII. Berzeichnis der Drude von Aldus Manutius. (Chronologiſch geordnet.) 770 
IX. VBerzaichnis der Buchdruder, Buchhendler und Buchfurer, jo Inn der 
Herbſtmeß No. 1569 den 14. Septembris durd E. €. Rath für 
beichieden worden » 2 2 2 vv 0 rer rer nen 77 
X. Reichs-Preßverordnungen.. ren 77 
Erläuterung der graphiſchen Tafeln zur Stattjtif des deutſchen 
Buchhandels in den Jahren 1564 bis 1765. Bon Fr. Zarncke . . 786 
Duellennahmweije und AnmerkungÄen.. 810 
Namen⸗ und Ortsregiſterrr. a a ie 855 


d 


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w 


Erſtes Kapitel. 
Gutenberg und jeine Borlänfer. 


Erfinder und Entdeder am Ausgange des Mittelalters. — Anlehnung an die ge- 
wohnten Gejtaltungen des Lebens. — Buchweſen und Handichriftenhandel des Alter- 
tums. — In Athen und Alerandrien. — In Rom und in den Provinzen. Maſſen— 
produftion. — Das frühe Mittelalter. Die Klöfter. — Stationarii und Librarii 
der Univerfitäten. — Weltlihe Schreiber, Brüder vom gemeinfamen Leben. — 
Handichriitenhandel in Deutichland. — Bibliothefen. Wert der Handichriften. Ver— 
wahrlojumg derjelben. — Die Renaifjance. Erwacen der Bücherliebhaberei. Florenz 
als Hauptmarft des Handichriftenhandels. — Gutenberg. — Abſtammung, Jugend 
und Aufenthalt in Straßburg. — Seine mechanischen Arbeiten (Steinjchleifen, Spiegel- 
fabrifation). — Verträge mit Dritzehn und Heilmann. — Die „Künfte und Afentur“. 
— Ende des Aufenthalts in Straßburg, Rüdfehr nad) Mainz. — Zeitpunkt der Er- 
findımg der Kunft. Wejen derielben. — Die erften Drude. — Gutenbergs weitere 
Schickſale. — Techniſche Bollendung der erjten Drude. — Gutenbergs Tod. Sein 
Charakter. — Bedeutung jeiner Erfindung. — ÄAußeres der erften Drude. — Auf- 
nahme der Kunſt jeitens der Gelchrtenwelt und Bücherliebhaber. — Anfängliche 
Stellung der Kirche zur Kunſt. 


Vier Männer: Gutenberg, Columbus, Luther und Kopernikus, ſtehen 
an der Grenzſcheide des Mittelalters und bilden die Markſteine für den 
Eintritt der Menſchheit in eine höhere und ſtolzere Epoche ihrer Ent— 
wickelung. Es wäre ſchwer zu ſagen, wer von ihnen am meiſten dazu 
mitgewirkt hat, den Umſchwung der Geiſter heraufzubeſchwören und der 
neuen Zeit die Thore zum ſiegreichen Einzuge zu öffnen. 

Der mainzer Bürger zunächſt entfeſſelt und beflügelt den Geiſt, ſendet 
das Blei auf ſeinen Eroberungszug über den Erdball nicht als tod— 
bringende Kugel, ſondern als lebenerweckenden, in tauſend Zungen reden— 
den Buchſtaben. Der genueſer Seefahrer und Entdecker erweitert dann 
die Welt des Raumes, führt Europa aus dem engen Beden des MDlittel- 

Kapp. 1. 1 


2 Anlehnung an die gewohnten Seftaltungen des Lebens. [Erjtes 


meers und der Bejchränftheit der nächiten Küſten hinaus auf den unbe- 
grenzten Ocean. Bald darauf zerreißt der wittenberger Reformator die 
Bande, welche ven Geift in Feſſeln gehalten hatten, und fordert die Rechte 
der fittlichen Selbitbeftimmung zurüd. Der frauenburger Domberr endlich 
zertrümmert durch feine Entdeckung des fosmijchen Bewegungsgeſetzes den 
Himmel kindlicher Überlieferung, welchen die Menfchheit bis dabin ge- 
träumt hatte, und ruft Das Yicht berbei, fich von allen Seiten in das 
bisherige Halbdunkel zu ergießen. 

So ward es Yicht, jo drang das Picht in die Zwingburgen des Geiftes, 
in die Zellen der Mönche, in die Köpfe ver Gelehrten und in das Dichten 
und Trachten der Völfer. 

Ein paar Jahrtauſende waren dabingegangen, innerhalb welcher die 
denkenden Menjcben ſich nur mangelhaft mittel® Zeichen und Schrift 
zu verftändigen und die Früchte ihres Denfens auf die Nachwelt zu 
bringen vermocht hatten. Erſt Gutenbergs Erfindung, Die Vorausjeßung 
und Grundlage des vorliegenden Werts, erweiterte in bisher kaum 
geahnter Ausvehnung den geiftigen Verkehr der Völfer und bildete ihn 
zur weltbeherrichenden Macht aus. 

Große Entdeckungen und Erfindungen find nie die Stinder des Zu— 
falls, jondern jtets die Ergebniffe jahrelanger Arbeiten und Beobachtun— 
gen, erjt verunglücter und dann geglücter Berjuche, zahllojer durchwach— 
ter Nächte, neuer Sorgen und Zweifel und endlicher Triumphe. Nur 
im beitern Olymp ver Griechen jpringt Athene gewappnet und in voller 
Jugendkraft aus dem Haupte des Zeus hervor; in der müchternen Welt 
ver Thatjachen Liegt aber ein langer und banger Zeitraum zwijchen dem 
eriten Gedanfenblig einer neuen Idee und der endlichen Verwirklichung 
einer auf fie geftütten großen Erfindung. Erfinder und Entveder füh— 
fen im Bewußtjein der Schwierigfeit ihres Beginnens und in ibrem 
Streben nach Einbürgerung in die übertommenen Verhältniffe ftets das 
Bedürfnis, fih an verwandte, längst anerkannte Seftalfungen des Yebens 
anzulebnen. So fnüpft denn auch Gutenberg äußerlich ebenjo unmittel- 
bar an die Schreibkunſt und den Handſchriftenhandel des Mittelalters 
an, wie dieſes auf bemfelben Gebiete die Errungenjchaften des Alter- 
tums ausbeutet und fortführt. 

Es find aus letzterm nur vereinzelte Bruchſtücke und gelegentliche 
Äußerungen über das Bücherweſen und den Handſchriftenhandel auf die 


Kapitel.) Buchweſen und Handichriftenhandel des Altertums, 3 


Nachwelt gelangt. Altertumsforjcher und Gejchichtichreiber haben, aus 
demjelben lückenhaften Material ſchöpfend, veröffentlicht und wieder ver- 
öffentlicht, was in den jpärlichen Überlieferungen fteht. Neue Ihatfachen 
laſſen fi jchwerlich mehr herbeijchaffen, e8 müßten denn, was jehr un- 
wahrſcheinlich iſt, bisher umdurchforjchte Quellen erjchloffen werben. 
Somit bleibt für die Darftellung und die Erkenntnis jenes Zeitalters 
nichts übrig als eine furze Zufammenfaffung der gewonnenen Ergebniffe. 

Athen, Alerandrien und Nom find die drei großen Mittelpunfte 
der Kultur, welche das geiftige Peben ver antifen Welt bejtimmen und 
beberrichen. 

Da die Griechen nicht vor dem 7. Iahrhundert ihr Papier aus Äghpten 
erhielten, jo fann ihre Yitteratur auch erft mit und nach diefer Zeit 
angefangen baben. Über ven Biücherhandel Athens find nur jpärfiche 
Tuellen auf die Nachwelt gekommen. Zu ver Zeit, welche mit dem 
Ende der Perjerfriege beginnt und mit dem Peloponnefijchen Kriege 
aufhört, treibt der fich frei entfaltende griechifche Geijt jeine jchönften 
Blüten, Athen aber wird erjt jpäter durch jeine großen ‘Dichter und 
Shriftfteller zum litterarifchen Mittelpunfte Griechenlands. Es lieſt 
dort alle Welt. Schon im 5. Jahrhundert blüht eine volkstümliche Yitte- 
ratur. Man hat Anefootenjammlungen, Kochbücher und vergleichen 
Schriften; Bücher werben in der Schule wie zu Haufe gebraucht. In 
den Jahren 432 bis 425 wird zuerjt der Bücherverfäufer genannt. Ab- 
ſchreiber vermittelten den gejchäftsmäßigen Betrieb des Handſchriftenhandels. 

Aus dieſem Berufe find die Buchhändler hervorgegangen, und dieje 
wieder haben jenen groß gezogen. Oft waren beide Gewerbe in Einer 
Perjon vereinigt. Alexander ließ ſich durch feinen Freund Harpulus 
von Athen aus neue Dichtungen und Gefchichtswerfe ins Yager nachſchicken. 

Ein rechtliches Verhältnis zwijchen Schriftjteller und Verleger, na- 
mentlich aber eine Honorarzahlung des legtern an den erjtern, gab es 
übrigens jo wenig wie ein Geſetz gegen ven Nachdruck oder vielmehr ge- 
gen die Nacjchrift. Dem gelehrten Griechen jchien es verächtlich, mit 
jeiner jchriftftellerifchen Arbeit Geld zu verdienen: Autoren verkauften 
wohl ihre Manujfripte, aber nicht an Buchhändler, jondern an reiche 
Privatleute. Philoſophen, wie Plato und Ariftotele®, gaben einzelne ihrer 
Schriften ibren Schülern oder Freunden, die fie entweber jelbjt ver- 
vielfältigten, oder ven Buchhändlern überließen, welche ven aus dem 

ı* 


4 Buchhandel in Athen. [Erjtes 


Bertrieb gezogenen Gewinn einjtedten. Hermodorus, vem Schüler Platos, 
wurde e8 zum Vorwurf gemacht, daß er mit jeines Meifters Schriften 
in Sicilien Handel getrieben habe. Reiche Bürger liegen ſich dur ihre 
Sklaven Abjehriften machen oder jchrieben mit eigener Hand ein ihnen 
wertvolfes Manujtript ab. Sp ſoll Demoſthenes ſelbſt achtmal die 
GSejchichtsbücher des Thukydides fopiert haben. Schon vor dem Jahre 
400 gibt es in Athen Bibliothefen. Möge jelbft die Eriftenz der angeb- 
lich von Pififtratus und Polyfrates gegründeten auf gewagten Schlüſſen 
beruhen, jo bleiben doch die eines Euripides, Euflives und Nikofratus 
übrig, von welchen Athenäus berichtet. 

Erjt jeit Alerander dem Großen entiwidelte ſich in Athen ein regel: 
mäßiger gejcbäftlicher Betrieb des Handſchriftenhandels. Wie der gefrönte 
Schüler des Ariftoteles Alerandrien zur politiihen Hauptſtadt feines 
griechijch-afiatifch- afrikanischen Weltreichs erhob, jo ehrte er Athen als die 
geiftige Ktapitale der damaligen Welt und machte e8 noch auf Jahrzehnte 
hinaus zu deren litterarijcbem Meittelpunfte, bis die Ptolemäer durch ihre 
jtolze Hauptſtadt und namentlich deren Bibliothek den Glanz Athens ver- 
dunfelten. Trotz jeines politijchen Verfalls übte aber ver Ruhm jei- 
ner Vergangenbeit noch immer einen jo mächtigen Zauber, vor allem 
auf die Nömer aus, daß Athen noch jabrhundertelang, ſelbſt Aleran- 
drien gegenüber, ein bedeutender Büchermarkt blieb. Die Händler bat- 
ten ihren Stand auf dem Marktplag und führten von hier ihre Hand— 
jchriften bis zu den fernen Barbaren aus, und zwar nicht allein jchön- 
geiftige und philojophijche Werke, jondern auch Staatsjchriften.! Reiche 
römijche Große, wie Yucullus und Sulla, kauften dort ganze Biblio- 
thefen; junge vornehme Römer, welce in Athen Rhetorik und Philo— 
jopbie jtudierten, betrachteten e8 als Sache des guten Tons und Ge- 
ſchmacks, von dort mehr over minder anſehnliche Handſchriftenſamm— 
lungen nach Hauſe zu bringen. Die Preije derjelben waren deshalb nicht 
billig, weil Bücher bei der geringen Zahl brauchbarer Sklaven nicht 
maſſenhaft hergeftellt werden fonnten und außerdem vielfach durch den 
ſchwankenden Preis des Papiers vertenert wurden. Für Athen ijt kaum 
ber Name eines berühmten Handſchriftenhändlers erhalten; nur aus 
der Zeit des Untergangs jelbjtändigen griechifchen Yebens find Kallinus 
und Atticus auf die Nachwelt gefommen, von denen jener ſich durch 
jeine ſchöne Hanpdfchrift, diejer aber durch die jeinem Geſchäft gewidmete 


Kapitel.) In Alerandrien. Pergamon. 5 


Sorgfalt auszeichnete. Der Beruf war fogar ziemlich anrüchig, weil 
Unredlichkeiten häufig in demſelben vorfamen, jchlechte und gewiſſenlos 
angefertigte Danpjchriften jtatt forrefter oder betrügerifcherweiie neu her— 
geitellte Abjchriften, durch künftliche Mittel gefärbt, ven Käufern als 
werthvolle Driginale verfauft wurden. So werben denn auch von 
Theopomp die Buchhänpler mit den Sardellen-, Obſt-, Feigen-, Yever-, 
Mehl- und Yöffelhändlern auf dieſelbe Stufe geitellt. ? 

Nachdem die Römer ven Orient erobert hatten, fand der römiſch— 
aſiatiſche Hellenismus‘ feinen eigentlichen Brennpunkt in Nlerandrien, 
welches einige Jahrhunderte lang die Weltherrichaft in der Yitteratur 
fiegreih behauptete. Die Ptolemäer gründeten bier die größte Bibliothet 
des Altertums, welche befanntlich vor ihrer endlich völligen Zerjtörung 
durch die Araber bis 700000 Rollen gezählt haben joll. Die erftern 
fauften, was fich nur an griechticher Yitteratur vorfand, in jolchen Maffen 
auf, daß im manchen griechiichen Städten kaum noch Abjchriften übrig- 
blieben und daß man fich in fpätern Zeiten nach Alerandrien wenden 
mußte, um nur einen Text für neue Abjchriften zu erhalten. Von 
dem Gejchäftsbetriebe der alerandrinifchen Rollenhändler, ihren Preifen 
und Bezugsbedingungen iſt leider nichts befannt. Die zur Anfertigung 
neuer Texte teilweie herangezogenen Schnellichreiber waren zwar jehr 
berühmt, aber auch jehr wenig gewiffenhaft in ihrer Arbeit, während 
die Thätigfeit der aleranprinischen Philologen und Bibliothefare fich als 
gründlich und von nachhaltiger Bedeutung bewährte. Die vom König 
Attalus im Pergamon geftiftete Bibliothek zählte, als Antonius fie 
der Kleopatra fjchenfte, angeblich 200000 Rollen, konnte aber mit ver 
alerandrinijchen nicht wetteifern, weil es, wenn auch nicht an Geld, 
jo doch an litterarijchen Hilfsmitteln aller Art zu ihrer Herjtellung ge- 
fehlt hatte. Auch Antiochia fonnte nicht gleichen Schritt mit dem 
Beiipiele Aleranpriens und deſſen reichern Mitteln halten, und die für 
den griechijch - Hleinafiatifchen und ägyptiſchen Handel jo günjtig gelegene 
Inſel Rhodus vermochte ſich nur eine furze Zeit ala bedeutender Bücher— 
marft zu behaupten. 

Kom trat erft mit dem Kaiferreiche, nachdem fich die Urbs zum 
Orbis, zur geſchloſſenen Nation erweitert und ausgebildet hatte, die Erb: 
ihaft Athens an und entwidelte von num an mit jedem Jahre mehr das 
Bedürfnis wifjenichaftlicher Ausbildung. Die nach der politifchen Nieder— 


6 Biücherweien in Rom. [Erjtes 


werfung ihrer Heimat in Scharen nad Rom ſtrömenden griechiſchen 
Philojophen, Ahetoren und Sprachlehrer hatten namentlich einen mäch— 
tigen Aufihwung der Echriftitelleret bewirkt, deren Erzeugniffe bald ein 
ſelbſtändiger Schriftenhandel vermittelte. Die großen Bibliothefen, welche 
die römijchen Sieger aus Alexandrien und Griechenland hinwegführten, 
förderten zugleich das Studium der griechijchen Yitteratur. Der Bankier 
Pomponius Atticus war der erite, der dieſe Bücherſchätze nicht bloß für 
fih, ſondern auch für feinen Handſchriftenhandel benußte; er verlegte 
unter andern verjchiedene Werfe von Cicero. Je mehr der Verfall des 
politijchen Yebens fortjchritt, welches jo viele reiche geiftige Kräfte in 
Anſpruch genommen hatte, deſto größere Bedeutung erlangte der littera- 
riſche Verkehr. Seine Blüte begann mit Auguftus, wie vorher die in 
Athen mit der ulerandrinifchen Periode. Hier wie dort beruht die 
Herjtellung der Danpjchriften auf der Sflavenarbeit. In Rom wird 
nur vollftändiger und reicher nachgebilvet, was in Athen in Heinern Ber- 
hältniffen geleiftet worden war. Die Zahl der öffentlichen Bibliotheken, 
deren erjte in Rom zur Zeit des Auguftus von Aſinius Pollio ge- 
gründet ward, ftieg in ein paar Jahrhunverten auf achtundzwanzig. Mit 
der Entwidelung des geiftigen Yebens unter den Kaifern aber ging auch 
die entiprechende Bildung der Privatbibliothefen Dand in Hand. Es 
wurde unter den Patriciern bald eine Forderung äußern Anftandes, im 
Belite bedeutender Danpjchriftenfammlungen zu fein. Wenn Athen 
schn Sklaven zur Abjchrift von Handſchriften hatte, jo fonnte Rom 
ihrer Tauſende zu demſelben Zwed verwenden und num durch das ein- 
malige Diktat eines Manuſkripts an eine große Zahl von fleifigen, 
gleichzeitig ſchreibenden Händen einen Großbetrieb heritellen, bei welchem 
man freilich die zahlreichen Hör-, Denk: und Schreibfehler mit in den 
Kauf nehmen mußte. So kam die mafjenhafte Verbreitung einbeimijcher 
und fremder Geifteserzeugniffe durch die Schrift ihrer heutigen ver— 
mittelft der Preſſe vielleicht fast gleich; ſelbſt die Preife der gangbaren 
Werfe ftellten fihb in Rom ſehr billig. Bei der Menge der Schreiber 
aber war hier das Bedürfnis einer noch maffenhaftern Bervielfältigung 
der Schriftwerfe gar nicht vorhanden, jo nahe die Römer, ja jelbjt die 
Griechen, dem Grundgedanken ver Buchdruckerkunſt auch kamen. 

Schon das frühefte Altertum kannte beiweglihe Buchftaben, ſowie 
die Kunſt, Schrift und andere Zeichen verkehrt in Stempel von Hol; 


Kapitel) Stempelfchnitt im Altertum. 7 


oder Metall einzufchneiven und mittels einer Narbe abzupruden oder in 
eine weiche Maffe einzuprüden; allein es verftand nicht, dieſe Kenntnis 
folgerichtig weiter zu entwideln. Nach Herodot trug jeder Babylonier 
einen Siegelring. Scipio Africanus ſoll der erite gewejen jein, welcher 
jein Siegel in einen Sardonix fehneiden lief. Der Kaiſer Auguftus 
verjiegelte jeine Briefe und Urkunden mit einer Sphinx. Ebenſo hatten 
die Alten metallene Stempel, in welche die Worte in verfehrter Nich- 
tung erhaben eingefchnitten waren, zum Zeichnen ver Sklaven, des Viehs, 
des Brotes und ver Töpferwaren. Das Geſetz der Decempirn wurde 
in zehn eherne Tafeln eingegraben. Daß fie ven anjcheinend fo leichten 
weitern Schritt zum Druck nicht thaten, ift um jo mehr zu verwundern, 
ald das Abprüden von verfehrter Schrift ſchon von Agefilaus, dem 
König der Spartaner, in Anwendung gebracht und diefe Methove weit 
und breit befannt wurde. Plutarch erzählt nämlich in den lakoniſchen 
Sentenzen, daß der genannte König vor dem Beginn einer Schlacht den 
Mut feiner Krieger durch folgende Yift belebt habe: er lieh das Opfer 
zurichten, jchrieb fich heimlich mit jchwarzer Tinte das Wort „Steg in 
verfehrter Richtung auf die flache Hand, trat dann zum Altar, um in 
den Eingeweiden des Opfers zu forjchen, ergriff raſch die Leber bes 
Tieres, prüdte fie mit der Hand und ſchien in tiefes Sinnen verjunfen, 
als er plötzlich mit Begeifterung zu erwachen fich anftellte und feinen 
Soldaten das Wort „Sieg“ auf der Yeber als ein Wumperzeichen ver 
Gottheit vorwies. 

Die Römer jchnitten außerdem einzelne Buchjtaben aus Elfenbein, 
um jie den Kindern, die lejen lernen follten, zum Spielen zu geben. 
Der beilige Hieronymus riet dieſelbe Methove noch gegen Ende des 
4. Yahrbunderts der römischen Dame Laeta zum Unterricht ihrer 
Tochter Paula arm. „Man mache ihr“, jagt er, „Buchitaben von Buchs 
oder von Elfenbein und benenne fie mit ihren Namen. Mean laffe fie 
mit denſelben fjpielen, damit das Spiel jelbft zum Unterricht werde. 
Dan werfe die Buchjtaben oft untereinander, die fetten unter jene aus 
der Mitte und mijche diefe unter die erjten, damit fie biejelben nicht 
nur dem Namen nach, fondern auch der Form nad kennen lerne.’ 
Niemand aber verfiel auf den Gedanfen, daß man mit diejen einzelnen 
Buchſtaben Worte zufammenfegen und diefe miteinander verbinden und 
aberuden könne. Cicero läßt in jeinem Werfe über die Natur ver 


8 Maffenheritellung der Handichriften. Erſtes 


Götter? den Stoiker Balbus dem Epikuräer Vellejus entgegnen: „Da 
ſoll ich mich dann nicht wundern, daß jemand ſich einbilden kann, eine 
Anzahl von feſten und unteilbaren Körpern könne durch Schwerkraft zu— 
ſammengebracht und aus ihrem zufälligen Zufammentreffen eine pracht- 
volle und wunverjchöne Welt gebildet werden? Wer glaubt, daß Dies 
habe gejchehen können, von dem begreife ich nicht, warum er nicht auch 
glauben follte, pak, wenn man an irgend einem Plage unzählige Kormen 
der 21 Buchjtaben (von Gold over anderm Stoffe) zujammenwürfe und 
auf die Erde jchüttete, dadurch die Annalen des Ennius hervorgebracht 
und lesbar dargejtellt werben könnten. Wahrlich, ich glaube, nicht ein: 
mal einen einzigen Vers vermöchte der Zufall jo zuſammenzuwürfeln.“ 

Auch im Mittelalter jchnitt man lange Zeit Schrift erhaben in Holz, 
Metall und Steine, che man auf den Gedanken geriet, ſolches Ein— 
ichneiden in verfehrter Richtung vorzunehmen und zum Abprud zu be- 
nutzen. 

Wie bedeutend nun aber ſelbſt ohne den Buchdruck die handſchrift— 
liche Herſtellung von Büchern war, mögen ein paar Beiſpiele beweiſen. 
Als Auguſtus das geiſtliche Supremat mit dem weltlichen vereinigte, 
konfiszierte er von einer einzigen, allerdings eifrig geſuchten Handſchrift, 
den ſogenannten Pſeudoſibyllen, nicht weniger als 2000 Exemplare.“ 
Das dreizehnte Buch der Xenien Martials, welches aus 274 Verſen 
und 127 Überjchriften bejteht, verkaufte der Verleger Tryphon für 
4 Seſterzen oder 54 Pfennig. Martial findet das zu viel und ver: 
jichert, es fünne füglich für vie Hälfte, alſo für 27 Pfennige verkauft 
werden, und jelbit dann werde es dem Verleger noch einen beveutenven 
Gewinn abwerfen. Dieje Xenien füllen im engen Drud der Teubner: 
ſchen Stereotypausgabe gerade einen Drudbogen. Martial jagt von 
jeinem zweiten Buche, welches 93 Epigramme, zujammen 540 Berje 
enthält, daR der Berleger in einem Tage 1000 Eremplare fertig jtelle. ? 
Hatte nämlich ein folcher über 100 Schreiber zu verfügen und rechnet 
man von zehn täglichen Arbeitsjtunden je eine auf die Niederjchrift eines 
fleinern Wertes, jo konnte allerdings innerhalb jener Zeit mittels Diktats 
eine Zahl von 1000 Eremplaren angefertigt werben. 

Auch in Rom erhielten die Schriftiteller von den Buchhänplern fein 
Honorar, wenigitens gibt es feine Stelle, aus welcher man darauf 
ſchließen könnte.“ Cicero erwähnt in feinen, ſelbſt die kleinſten Einzel— 


Kapitel.) Honorar der Autoren. Einrichtung der Buchläden. 9 


beiten berührenden Briefen nicht, daß er irgend welchen Vorteil aus jeiner 
Verbindung mit Atticus gezogen habe. Inden Briefen Quintilians an 
jeinen Berleger Tryphon fehlt jeve Anfpielung auf eine Honorarforde— 
rung. Juvenal fchweigt im feiner fiebenten Satire ganz von dem Ehren: 
jelde der Schriftiteller, während er die geringfügigiten Einnahmen ver 
Rhetoren, Rechtsanwälte und anderer Berufsarten genau zuſammenſtellt. 
Horaz meint, ein erfolgreiches Gedicht bringe nicht nur dem Verleger 
Geld, ſondern auch, da es felbjt über das Meer gehe, dem Berfaffer 
Ruhm. Bom Honorar aljo weiß er nichts. Cs ift daher der Schluf 
wohl gerechtfertigt, daR die Tagesjchriftiteller mehr von der Gunft des 
fatjerlihen Hofes, der Großen und Reichen einen klingenden Yohn für 
ihre Schöpfungen erwarteten und erhielten, als von ihren Berlegern. 
Dagegen ift es eine wohlbezeugte Thatjache, daß Privatperjonen von 
den Schriftjtelleen Handſchriften fauften und dieje teuer bezahlten. So 
gab zu Giceros Zeiten ein reicher Mann dem Grammatifer Pompilius 
Andronicus für das Manuſtript jeiner Gejchichtstabellen 16000 Sefterzen 
(etwa 2500 Mark), und ein anderer bot dem ältern Plinius für feine 
Ercerptenfammlung 400000 Sefterzen (annähernd 62000 Mark). 

In allen Staptvierteln Roms gab es jo zahlreiche Handſchriften— 
bänpler, daß ihre Läden ganze Straßenteile einnahmen. Namentlich 
fanden fie jich am Forum in ver Nähe ver Kurie, auf dem Argiletum 
im Vicus Sandellarius, welchen Gellius als den Dauptbezirk der Hand— 
ſchriftenhändler bezeichnet, und in der Sigillarie. Bekannte Firmen 
find unter andern die Gebrüder Sofins, die Verleger des Horaz, und 
Tryphon, der Freigelaffene des Julius Lucenſis, Atrectus und D. Va— 
lerianus Pollius, Dorus und Secundus. Ihre Läden, an deren Thür- 
pfoften fie die neuen Erſcheinungen anfündigten, waren bie Verſamm— 
lungspunkte der Yitteraturfreunde, der Dichter und Rezenjenten, ber 
vornehmen und gelehrten Welt, oder dienten auch als Yejefabinette. Das 
Innere duftete nach Safran und Cedernholz, den Mitteln gegen die 
Motten; die gebundenen Schriftrollen lagen in ven Fächern der Wand— 
ſchränke, die befjern im Sehfreife der Käufer, die geringern aber zu 
unterft. Hinter dem Yaden befand fich gewöhnlich die Offizin, in welcher 
die Abjchreiber und Abjchreiberinnen, jowie die Rollenhefter und Binver 
arbeiteten. Die Verleger bejchränften fich bereits auf einzelne Zweige 
der Yitteratur. Staatsſchriften, juriftiihe Werke und Poeſie erſchienen 


10 Buchhandel in den Provinzen. Erſtes 


vielfach in verſchiedenem Verlage. Von einzelnen beliebten Dichtern, 
z. B. Martial, wurden mehrere Ausgaben veranſtaltet. So war eine 
für die Bibliotheken bejtimmte fchönere und teuerere bei Atrectus er- 
ichienen, während die billige Tajchenausgabe bei Tryphon herausfam. 
Auch in den übrigen Städten Italiens und der Provinzen gab es ſchon 
vom erjten Jahrhundert der chriftlichen Zeitrechnung an Danpjchriften- 
händler, welche ihre Artikel meift aus Nom bezogen und dem Berleger 
zugleich bequeme Kunden für deren Abjat waren. Von ven italijchen 
Stäpten, wie Mailand, Pornpeji, Neapel, Tarent und dem Einſchiffungs— 
hafen Brundifium ganz zu jehweigen, jo jeten hier von den Provinzial: 
ftädten erwähnt Athen, Smyrna und Alexandria im Oſten, Autun, 
Vienne, Rheims, Lugdunum (Lyon) und Maſſilia im Weiten und Kar— 
thago und MUtica im Süden. So umfpannte denn auf Grund ver 
Sflavenarbeit der römische Danpjchriftenhandel die damalige civilifierte 
Welt. ? 

Troß dieſes ausgedehnten Gejchiftsbetriebes findet fich aber Feine 
Spur der Anerfennung einer Art von Verlagsrecht, geichweige denn, 
daß dieſes durch ein Geſetz geſchützt, der Nachvrud oder vielmehr vie 
Nachichrift purch ein folches verboten gewejen wäre. Cs findet fich auch 
nirgends eine Spur, noch weniger eine Klage, daß man bier eine etwaige 
Verlegung von Cigentumsrechten für denkbar gehalten habe Einmal 
fonnten einer ſolchen Verlegung große Auflagen vorbeugen; dann ließ 
fich der mutmaßliche Erfolg und Abjat eines Buches ziemlich genau nach 
dem Beifall berechnen, welchen es bei dem in Rom vor feiner Verviel— 
fültigung üblichen öffentlichen Vorlejen fand; endlich aber may, wie Birt ® 
jehr richtig vermutet, unter den Handſchriftenhändlern das freundichaft- 
liche Übereinfommen beftanden haben, einander feine neuen Verlagsartifel 
nachzujchreiben, wie ein folches bezüglich des Nachdrucks noch heutzutage 
vielfach unter den Verlegern derjenigen Länder üblich iſt, welche ein- 
ander feinen gejeßlichen Schuß gegen leßtern gewähren, wie 3. B. Eng: 
land und die Bereinigten Staaten. 

Die Herftellung der Handſchriften und ihr Vertrieb durch den Handel 
erhielt fihb in Rom, als dem bisherigen beveutendjten Dandjchriften: 
marft der Welt, ziemlich in verjelben Form und in derjelben Aus- 
dehnung bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. Selbjt die erjten Einfälle ver 
Barbaren in Italien vermochten noch nicht, die geiftige Herrichaft ver 


Kapitel. Die Zeit der Verwüſtung. Die Klöſter. 11 


Ewigen Stadt in einem einzigen Anſturm zu brechen, höchſtens daß ſich 
allmählich die Herſtellung der Handſchriften der Maſſe nach vermindert, 
weil die unruhigen kriegeriſchen Zeiten die Pflege geiſtiger Intereſſen 
immer weniger gejtatteten. Erſt ver Sturz des Gotenreiches begrub 
die reiche antife Welt von Schönheit, Pracht und Geift in Schutt und 
Aſche; erſt jest zertwat der jchwere Fuß des Barbaren oder zertrümmerte 
die rohe Kauft des eindringenden Eroberers die taufendjährigen geiftigen 
Schätze Roms und mit ihnen zugleich diejenigen der ganzen damaligen 
gebilveten Welt. Wie die Yehrer, die Schulen und die Wiffenjchaften, 
jo gingen jeßt auch die reichen Bibliotheken in dem allgemeinen Ruin 
mit unter. Denn in den furchtbaren Kataftrophen, welche Rom getroffen 
hatten, fonnten jeine zahlreichen Bücherfanmlungen, welche noch vie 
„Notitia Urbis“ bier aufzählte, fonnten vie Palatina und Ulia, over 
die privaten Bibliothefen fürftlicher Paläfte, wie fie z.B. Boethius und 
Symmachus bejaßen, nimmer verjchont geblieben fein. Und wie in Rom, 
jo verjchlang der Vernichtungsfrieg der Goten und Byzantiner auch in 
ganz Italien die koſtbaren Schäße der alten Yitteratur bis auf folche 
Überbleibjel, welche die glücklicherweije bald entſtehenden Klöſter des 
Benediktinerordens zu jammeln und zu retten vermochten.“ 

Natürlich lähmte diefer, Jahrhunderte dauernde Rüdfall in die Bar- 
barei fait alle geiftige Thätigkeit. Ein Zeitalter, welches das nadte 
Veben gegen die Barbaren verteidigt, bedarf feiner Hanpjchriften, ge 
jchweige denn ihrer gewerbmäßigen Anfertigung zu Tauſenden. Am 
längſten bielten ich die Nachwirkungen des Haffischen Altertums in Ita— 
lien und gingen bier nie ganz verloren; allein ein halbes Jahrtauſend 
verfloß, bis fih die Anfänge einer andern Ordnung der Dinge langſam 
wieder aus den Ruinen erhoben. Zunächſt waren es die chriftlichen 
Klöfter, welche die erjten Keime eines neuen geiftigen Lebens pflegten 
und ihren VBermittlern eine gaftliche Stätte boten. Auch das Hand— 
jchriftenwejen trat in den Dienjt der Kirche. Da fie von Anfang an 
wenigſtens einige gejchriebene Bücher brauchte, jo beichäftigte fie ihre 
jchreibfundigen Mönche mit der Anfertigung von Abjchriften, welche zu: 
gleich dem zurücdgezogenen und einförmigen Yeben des Klofters ven Cha- 
rafter der Muße und Unthätigkeit nehmen ſollte. Der Fleiß ihrer Federn 
beichaffte allmählich die bejcheivenen Anfänge der Klofterbibliotheten, welche 
den Danpicriftenhandel in der vom Altertum betriebenen Auspehnung 


12 Biücherproduftion in den Klöſtern. Erſtes 


gar nicht nöthig hatten. Der Ankauf einer Handſchrift durch die Klöſter 
war eine Seltenheit, höchſtens, daß ausnahmsweiſe die Prachtliebe eines 
Abts oder Biſchofs ſich den Yurus eines jchön geichriebenen und ver: 
jierten Breviariums gönnte, Die Bücher jener Zeit bilveten deshalb 
auch einen eijernen Bejtandteil des Kirchenjchages. Anvererjeits aber 
erwarb ſich das Mönchtum des frühern Mittelalters dadurch ein großes 
Verdienft um das geiftige Yeben ver ciwilifierten Welt, daß es auch 
Werfe der klaſſiſchen Yitteratur verpielfältigte und vor dem Untergange 
rettete. Die antife Maffenproduftion fehrumpfte jevoch immer mehr zur 
Einzelpropuftion zufammen; dieſe aber jtand ganz vereinfamt und kaum 
im Zujammenhang mit ven aufjtrebenven zeitgenöffiichen Geiſtern. 

Der chriftliche Klerus wird jeßt der faſt ausjchliefliche Träger der 
gelehrten Bildung, allein er handelt nicht mit feinen lediglich auf Be: 
ftellung angefertigten Abjchriften, und verbrängt durch feine Thätigkeit 
den eigentlichen Dandjchriftenhandel jahrhunvdertelang faſt ganz, denn der 
auf den Berfauf einzelner Handſchriften bejchränkte Vertrieb ift noch 
lange fein Handel, welcher ven Verlag und Abjag einer (damals nicht 
einmal vorhandenen) litterariichen Maffenerzeugung hätte vermitteln 
fönnen. Die Mönche leiften, namentlich vom 9. bis zum 14. Jahr— 
hundert Vorzügliches. Dann aber werden fie mit der zunehmenden 
Sittenverderbnis der Geiftlichkeit faul und faufen lieber die unentbehr: 
lichjten Bücher over Laffen andere für fich abichreiben. „Sie ſchwelgen 
heutzutage lieber im Ausleeren der Becher, jtatt in ver Verbeſſerung 
der Bücher”, jagt der englische Biichof Richard de Bury im feinem 
(1344 vollenveten) „Philobiblion“ von ihnen. In vielen Klöftern jchläft 
die Schreibthätigfeit jogar ganz ein. 

Erjt die Keime der neuen, in Italien gereiften Bildung und das 
größere Bedürfnis der namentlich in der Yombardei rege emporblüben- 
den gelehrten Schulen erzeugten eine Nachfrage nach Abjchreibern, welche 
gegen Bezahlung die Vervielfältigung der Litterarifchen Hilfsmittel be- 
forgten und dieſe auch verkauften. Wenn in Italien die erften Univer— 
jitäten auch ſchon im 12. Jahrhundert entftanden waren, fo traten 
dort die eigentlichen Anfänge des Danpjchriftenhandels nachweisbar Doc 
erit im der zweiten Sälfte des 13. Jahrhunderts hervor. Unter 
ven zahlreichen, aus den verjchieveniten Ländern berzuftrömenven Stu: 
denten machte fich ſelbſtredend eine lebhafte Nachfrage nach forreften 


Kapitel.) Handichriftenhandel auf dem italienischen Univerfitäten. 13 


Abjchriften der Lehrbücher geltend. Bologna, als die damals bejuchtejte 
Univerſität Italiens, fteht an der Spige dieſer Hochſchulen. Hier blühte 
das Schreibergeiverbe vor allen andern und bejchäftigte jogar Frauen, 
da die Männer zur Befriedigung des Bedürfniſſes nicht ausreichten. 

Der große Yurift F. E. von Savigny bat im 25. Kapitel feiner 
„Seichichte des römiſchen Rechts im Mittelalter‘ die gejetliche und that- 
ſächliche Stellung der Handjchriftenhändfer ein für allemal klar geftellt 
und iſt ſeitdem der zuverläffige Führer auf einem Gebiete geworden, 
welches Kirchhoff in jeinen „Handſchriftenhändlern im Mittelalter” und 
Wattenbach in jeinem „Schriftwejen des Mittelalters‘ durch reiche 
Einzelheiten noch vielfach erweitert haben. 

Damals alſo wurden Hanpdjchriften nur auf Bejtellung gejchrieben, 
zu welchem Zwecke derjenige, welcher ihrer bedurfte, unmittelbar mit dem 
Schreiber fontrabierte, Um nun einerjeits die Profefforen vor unbefugter 
Nacjchrift ihrer Hefte zu jchügen, andererjeits aber die Studierenden vor 
Übervorteilung zu bewahren, erließ die Stadt Bologna ſchon 1259 
jtrenge Bejtimmungen über das Handſchriftenweſen und namentlich ven 
Handſchriftenhandel. Diejem Vorgange folgten im Yaufe der Jahre die 
übrigen italienifchen LUniverfitäten. Ziemlich übereinftimmend in ihren 
Statuten wurden von ihnen die Schreiber und Hanpjchriftenverleiher 
als Stationarii angeftellt und der Gerichtsbarfeit ver Hochſchulen unter: 
werfen, dafür aber auch ihrer Privilegien teilhaftig. Der Name wird 
ven Statio, der Werfftätte des Tabellio und Librarius, hergeleitet; das 
Geſchäft aber umfaßt, wenn auch vielfach in bejchränftem Sinne, die 
Ihätigfeit der alten Scriptores, Notarii und Librarii. Während in 
Stalien bloß der Stationarius vorfommt, bezeichnet die parifer Univer— 
jität den Stationarius zugleich als Librarius. 

Die Stationarii nun waren Verleiher von Handjchriften, von welchen 
jie einen Vorrat hielten, um fie gegen ein Mietgeld zum Abjchreiben 
berzugeben; nebenher beforgten fie auch fommijfionsweile den Verfauf 
alter Handſchriften. Sie durften aber feinen Handel mit Handſchriften 
treiben, d. h. fie faufen, um fie mit Gewinn wieder zu verfaufen. Es 
jeltte aljo überhaupt niemand Hanpdjchriften faufen, als wer fie entweder 
jelbjt gebrauchen oder als Stationarius verleihen wollte. Dieje An- 
ſchauung und zugleich gejeßliche Beftimmung entiprach ganz dem Zunft: 
geifte der Univerfitäten, welche das, was man damals Wiffenjchaft 


14 Die Stationarii in Bologna. [Erftes 


nannte, monopolifieren zu fünnen wähnten. „eve Univerjität juchte fich 
deshalb auch die in der Stadt vorhandenen Handſchriften zu erhalten. 
Ein bolognejer Statut unterjagte jogar 1334 allen Scholaren, Bücher 
aus der Stadt mit ſich hinwegzunehmen, wenn nicht vorher eine jchrift- 
(ide Erlaubnis der Stadtobrigfeit erteilt worden jei. In dieſem Geifte 
wurden denn auch die Stationarii von den Univerfitäten vorjorglich 
jelbft in ihren geringiten Dienftleiftungen beauffichtigt. Das bereits 
erwähnte Statut der Stadt und jpäter auch der Univerfitäit Bologna 
bejtimmt z. B., daß fie forrefte Gremplare balten, dieſe nach feiner 
andern Schule bin verkaufen, vie bisherigen Mietpreije nicht erhöhen 
und fich nicht mit Doktoren verbinden follten, um ältere Gloſſen durch 
neuere zu verdrängen. Die Gejeße der Univerfität Bologna enthielten 
noch ansführlichere Vorjehriften. Sie machten nämlich 117 Werfe nam- 
haft, welche jeder Stationarius vorrätig haben und in einem aufzulegen- 
ven Kataloge als wirklich vorhanden nachweifen mußte, wie fie denn 
auch Das Mietgeld für jenes einzelne Werf feititellten. Die Korreftheit 
der Exemplare und den Wert der Hanpjchriften beauffichtigte das Amt 
ver jechs Peciarii, welche zur einen Hälfte aus ultrameontanen, zur 
andern aus cismontanen Scholaren gewählt wurden. Bei größern 
Werfen lag der Berechnung des Mietgeldes der Maßſtab zu Grunde, 
dag für die Quaterne 4 Denare, gleich 5 Pfennigen beutigen Gelves, 
bezahlt wurden. Quaterne bieß eine Yage von vier imeinander ge- 
jchlagenen ganzen Bogen oder acht Blättern (Quinterne von je fünf, 
Serterne von je ſechs Bogen u. ſ. w.). Das Wort, welches zuerft unter 
Dioeletian vorfommt, ift ins Franzöſiſche als Cahier und ins Engliſche 
als Quire übergegangen. Die Hälfte der Uuaterne, d. h. zwei ganze 
Bogen oder vier Blätter, beißen im jpätern Dlittelalter Pecia, welche 
übrigens früher eine genau bejtimmte Zeilenzabl enthalten mußte. Die 
Preije der Hanpichriften wurden anfangs nach der Serterne, fpäter nach 
der Quaterne berechnet. Neben dieſem Hauptgeſchäft des Danpjchriften- 
vermietens nahmen die Stationarii ven Nachlaß der Verftorbenen, ſowie 
die Bücher abgehender Stuvdenten und der Juden in ihre Obhut, welch 
letztern der Hanpjchriftenhandel verboten war; endlich aber durften fie 
unter Wahrung gewiffer Förmlichkeiten den Verkauf von Hanpjchriften 
gegen eine bejtimmte, jehr niedrig angejegte Kommiffion von 1'/, bie 
21, Prozent des Kaufpreiſes vermitteln, je nachdem dieſer mehr oder 


Kapitel.) Handfchriftenhandel in Paris, 15 


weniger als GO Pire betrug. In Bologna ımd auch auf jüngern Uni- 
verfitäten wurde das Geſchäft der Stationarii in der Regel von den 
Pedellen (Bidellus) betrieben, deren Zahl jelten zwei überjtieg, ohne daß 
übrigens andere Perjonen ausgejchlojfen geweſen wären. 

Das italienijche Vorbild wurde zunächit von der parijer Univerfität 
nachgeahmt. Bald gingen von hier aus die Beftimmungen über Her- 
jtellung von Handſchriften jewie den Handel mit ihnen auf England 
und die nach parifer Muſter errichteten veutjchen Univerfitäten über. 

Schon im 14. Jahrhundert wählte die parifer Hochſchule vier De- 
putierte (principales librarii) aus ven Stationarii und Librarii zu 
deren Beauffichtigung und zur Abſchätzung des Wertes der einzelnen 
Handſchriften. Keine derjelben durfte ohne Genehmigung der Univerfität 
getauft oder verfauft werden. Nicht Erleichterung, jondern Erjehwerung 
ver Beichaffung wijfenjchaftlicher Hilfsmittel bildete das auch von ver 
parijer gelehrten Zunft unabläjfig ins Auge gefahte Ziel. So mußten 
denn die parijer Stationarii und Librarii alle zwei Jahre oder erforver- 
lien Falls öfter ſchwören, daß fie bei der Aufbewahrung, der Ausftellung 
und dem Berfauf der ihnen anvertrauten Handſchriften fich treu und 
redlich benehmen, daß ſie nicht zugleich Käufer und Verkäufer, daß ſie 
innerhalb eines Monats von dem Tage an, wo ſie Handſchriften zum 
Verkauf empfingen, feinen Kauf ſchließen over vorgeben wollten, um 
ſolche Bücher in ihre Hände zu befommen; daß fie diejelben nicht ver- 
jtefen, um fie wohlfeiler zu erhalten, ſondern vielmehr gleich als ver- 
füuflibe Ware ausjtellen, und daß fie ferner den Verkäufern von Büchern 
den wahren Preis verjelben auf Verlangen angeben und jowohl dieſen 
Preis ald den Namen des Verkäufers an einer in die Augen fallenven 
Stelle ver Hanpdjchriften bemerfen wollten. Die Stationarii jcbeinen 
weniger die Handſchriften von den Berfaffern gefauft, als die Kunſt des 
Abjchreibens im großen betrieben zu haben. Sie hatten ihre Diener, 
welche für fie das Geſchäft verrichteten. Wer ſich ein Buch abjchreiben 
laſſen wollte, wandte fih an fie; zugleich aber verliehen fie ihre Hand— 
ichriften an Gelehrte. 

In den Stiftungsurfunden und Statuten der deutjchen, mehr pro- 
pinziell zugejchnittenen Lniverfitäten ijt zwar den Stationarien und 
Handſchriftenhändlern dieſelbe Stellung angewiejen wie in Italien und 
Paris, indefjen erlangte die ganze Einrichtung dert nie dieſelbe Bedeutung. 


16 Handſchriftenhandel in Deutichland. Erſtes 


Nur in Heidelberg, Wien und Köln läßt ſich eine Aufſicht über den 
Handſchriftenhandel ziemlich ſicher nachweifen. 1° Sonſt fehlt es an 
jedem Beleg dafür, obgleich das litterarifche Yeben und Treiben in Er- 
furt und Yeipzig nicht unbedeutend war. Allerdings darf man nicht 
außer Acht laffen, daß die deutjchen Studenten in ihrer Mehrzahl ven 
unbemittelten Klaſſen angehörten, jogar meistens arm waren und fich 
deshalb auch ihre wiffenjchaftlichen Hilfsmittel ſelbſt abjchreiben mußten 
oder fie nach dem Diftat der Profefforen, wie in Prag und Wien, nach- 
jchrieben, vielleicht gar um beides fich wenig fümmerten. Die reichern 
deutjchen Studenten dagegen bejuchten, ſchon um in den Augen der Welt 
mehr zu gelten, große kosmopolitiſche Hochjchulen, wie Bologna over 
Paris, und brachten vielfach von bier aus die nöthigen Yehrbiücher mit 
nach Hauſe. 

Für die Anfänge und Entwidelung des deutſchen Hanpjchriftenhandels 
find aljo die damaligen heimiſchen Univerfitäten von höchſt untergeorp- 
neter Berentung. Die Befrierigung des gelehrten Bedürfniſſes bot hier 
ein zu bejchränftes Feld, und jelbft dieſes war unnatürlich eingeengt von 
fleintichen Zunftgeifte der Fakultäten. Urkundlich laffen fich die erjten 
Spuren eines ausgebildeten dentjchen Handſchriftenhandels erjt zu An— 
fang des 15. Jahrhunderts nachweiſen, allein es ijt feine leere Ver— 
mutung, daß eine ausgedehnte Yohnjchreiberthätigfeit in eine wiel frühere 
Zeit zurückreicht. Sie ift fogar eine der Folgen jener gewaltigen wirt- 
ſchaftlichen Umwälzung, welche nach den Streuzzügen und bejonders in 
der jtanfischen Zeit das weftliche Europa aus Bauernvölfern zu Böl- 
fern mit Städten, Gewerben, Großhandel und Kolonien umjchuf. Je 
mehr die Geld- und Kreditwirtſchaft über die bisherige Naturalwirtjchaft 
fiegte, dejto mehr vervollfommmete fich auch die Kunſt- und Gewerb- 
thätigfeit der Städte, dejto mehr gewann der VBürgerftand an Bildung 
und Einfluß. Er verwandte nicht allein die Schrift gejchäftlich, jondern 
begann auch Schulen zu errichten, für welche er Lehrbücher brauchte. 
Yejen und Schreiben bürgerte fich namentlich in den Meittelflaffen ein, 
für welche bald jogar eine populäre Yitteratur ins Leben trat. Auch die 
Verbreitung des aus Lumpen bergejtellten Papiers lieferte ein billigeres 
Material zum Schreiben und förderte in höherm Grade die Bervielfälti- 
gung von Handſchriften. Die geiftlichen Schreiber fonnten die Bedürf— 
niſſe der gefteigerten geijtigen Thätigfeit nicht mehr befriedigen. Es lag 


Kapitel.) Die Brüder vom gemeinfamen Leben. 17 


in der Natur ihrer Stellung, daß fie fich micht allzujehr anftrengten, 
weil fie die gewöhnlichen Yebensbevürfniffe unentgeltlich geliefert erhielten 
und ſich dadurch eines thatjächlichen Monopols erfreuten. Sie arbeiteten 
deshalb auch nur jo viel, als fie Yuft hatten, und unterlagen jchließlich der 
weltlichen Konkurrenz, welche durch ihre Arbeit für des Leibes Notdurft 
jorgen und, wenn fie nicht untergehen wollte, ven Kampf bis zum Siege 
durchführen mußte. Yeicht war dieſer Kampf nicht, denn namentlich gegen 
Ende des Mittelalters nahmen einzelne Klöfter das Schreibergewerbe 
und die Schönjchreibefunft wieder eifrig auf und lieferten ganz vor- 
trefflihe Arbeiten. So zeichneten fich z. B. in der zweiten Hälfte des 
15. Jahrhunderts die Klöfter St. Betri in Erfurt und St. Ulrich und 
Ara in Augsburg durch ihre falligraphijchen Kunftwerfe aus. Im letzt— 
genannten ſtehen die Schönfchreiber Yeonhare und Konrad Wagner in 
ihren Yeiftungen unübertroffen da, haben aber nichts mit dem Bepürfnis 
Des Tages zu thun. 

Zwijchen ven geijtlichen und weltlichen Schreibern nahmen eine Art 
Mitteljtellung ein die „Brüper vom gemeinjamen Yeben“ (Fratres de 
vita communi, nach ihrer Kopfbedeckung auch Stogelherren over Frater— 
berren oder auch Broevders van der Penne genannt). Wenn auch nach) 
flöjterlicher Regel zujammen lebend, jo waren fie doch feine mönchijchen 
Abjchreiber, weil fie, jtatt fi vom weltlichen Yeben abzuwenden, wit 
ihrer Thätigfeit ausſchließlich Bildungszwede verfolgten, andererjeits aber 
auch feine gewöhnlichen Yohnjchreiber, weil fie ſich auf ein bejtimmtes 
Gebiet, die Herjtellung guter Lehr- und Andachtsbücher, bejchränften. 
Diefer Orvden, von Gerhard Grote 1383 zu Deventer in Holland ge 
jtiftet, zählte vorzugsweije ernjte Gelehrte und Yehrer, Männer von fitt- 
Lihem Gehalt und lauterm Streben zu jeinen Mitglievern. Ausgehend 
von einer ascetijchen Frömmigfeit, verwarfen fie die Scholaftif und alle 
Wiffenjchaft des Mittelalters als unnütz für die Heiligung des Yebens 
und arbeiteten ver Studienreform vor, welche ver Humanismus herauf— 
führte. Um nachhaltig zu wirfen, wiometen fie jich mit Vorliebe dem 
Volks- und dem gelehrten Unterricht der Jugend in ihrer Yandesiprache. 
Die Koften ihres Unterhalts dagegen bejtritten fie durch gewerbsmäßige 
Anfertigung von Schul- und Gebetbüchern. Jedes Fraterhaus hatte 
jeinen Librarius, welcher, außer der Sorge für vie Bücher, die Aufficht 
über das Schreibwejen, die Schreibmaterialien und die Buchbinverei 

app. I. 2 


18 MWeltliche Schreiber. Cleriei. Erſtes 


führte, die Korrektheit der Abſchriften überwachte und zugleich deren 
Preiſe beſtimmte. Die Brüder waren beſonders im Norden und Nord— 
weſten Deutſchlands thätig und hatten unter anderm um die Mitte des 
15. Jahrhunderts auf dem Mariä-Veuchtenhof in Hildesheim jo viel 
Mepbücher zu jchreiben, daß fie daran einfchlieklich des Einbandes 
über 1000 Gufven verdienten ’! (alje wenigftens 20000 Gulden nad 
heutigem Gelowert). 

Diejenigen Schreiber endlich, welche im jpätern Mittelalter Clerici 
beißen, hatten mit dem eigentlichen Handſchriftenhandel nichts zu thun 
und beffeiveten auch feine geiftliche Würde. Man gab ibnen einfach 
viefen Titel, weil die Geiftlichen im frühen Mittelalter als die einzig 
(itterarijch gebildeten Männer faſt ausſchließlich jchrieben und weil vie 
Weltgeiftlicben oft jogar ihren Yebensunterhalt als Yohnjchreiber juchten. 
Das ift der Urjprung des Namens. Später bezeichneten die Rechte: 
gelehrten auch denjenigen als einen Clerieus, welcher nad ihrer An- 
weifung jehrieb und abſchrieb. Gegen Ende der bier in Betracht fommen- 
ven Periode wird der Stabt- und Gerichtsjchreiber, auch der Notar viel- 
fach als Clerieus angeführt. In den Urkunden jener Zeit finden fich 
häufig die Ausdrücke Cleriei uxurati over conjugati, alje verheiratete 
Männer, welche mit geiftlichen Pflichten nichts zu thun hatten. Die 
Angabe über ihren Eheſtand findet fich vielfach in der Beglaubigungs- 
formel, mit welcher die notariellen Urkunden zu jchliegen pflegten. So 
beißt e8 3.8. in einer jolchen vom 11. Mai 1330: „Albertus de Ryle, 
dietus de Colonia, in Oppenheim commorans, clericus conjugatus, 
publicus imperiali auctoritate elerieus.“ Unterm 11. November 1403 
nennt ſich Heilmannus, genannt Grails von Drydorff: „elig clerig 
Trierer Biſchtoms, von des Keiſers gewalt, eyn offenbar jchreiber”. 
Vornehme und reiche Männer bielten fich ihren Clericus, Clerk, Clere, 
Pfaffen oder Pagen, ver ibre Briefe las und jchrieb. Die letztere Be— 
zeichnung jpricht dafür, daß urjprünglich der Geiftliche der alleinige 
Schreiber gewejen war, und daß erjt jpäter das Geſchäft allmählich ganz 
auf Nichtgeiftliche überging. Der demnächſt anzuführende Dr. Konrar 
Humery in Mainz wird in ven Urfunven jener Zeit „ver Stadt Pfaff 
und Juriſt“, auch Cancellor genannt. Anfnüpfend an jein früberes Ge- 
werbe als Schreiber nennt fich Ulrich Zell, der erſte Druder in Köln, 
auf verjchievenen feiner Werfe Clericus aus Hanau in der Diöcefe Mainz. 


Kapitel] Screiberthätigfeit außerhalb der Univerfitäten. 19 


Diejer letztere Zujat hat zu mancher jaljchen Annahme verleitet, ob- 
gleich ver firchliche Sprengel im 15. Jahrhundert allgemein zur nähern 
Bezeihnung der Heimat dient. Es beveutet das gerade jo viel, als 
wollte ein heutiger Hanauer jeiner Baterftant noch die Worte „Re— 
gierungsbezirf Kafjel” hinzufügen. Im Frankreich heißt noch heutzutage 
der Advokaten- und Notariatsjchreiber Clere; in England ijt der Aus- 
druck Clerk nicht allein für die Schreiber der Juriſten noch gebräuchlich, 
jondern auch auf Handlungsdiener und Gehilfen aller Art ausgevehnt 
werden. Die Stadtjchreiber enplich waren Männer, welche ſich mehr 
oder weniger mit dem Studium des römijchen und kanoniſchen Rechts 
abgegeben hatten und vem Rate als Rechtsbeiftände dienten, verunglückte 
Studenten oder durchs Examen gefallene Kandidaten, welche micht fähig 
waren, Richterjtellen oder höhere Poften in der ſtädtiſchen Verwaltung 
und Rechtiprechung zu beffeiven. 

Der Hanpjchriftenhanvel entwidelte jich jomit von zwei verjchievenen 
Mittelpunften aus: einmal in ziemlich bejchränftem Umfange von den 
italienischen Univerfitäten und Paris aus durch eine bejonvere Abjchreiber- 
und Bücherverleiher- und VBerfänferzunft, dann aber in den Städten 
durch die freie Ausübung des Yohnjchreibergewerbes und der ihm ver- 
wandten Künſte. Urkundlich fanden nun die veutjchen Yohnjchreiber ſchon 
im Anfange des 14. Jahrhunderts in den größern Städten und Meß— 
plägen einen jelbjtändigen Wirfungsfreis oder verdienten ihr Brot au 
Orten, welche durch Kirchen, Heiligtümer, Jahrmärkte und Meſſen vie 
Maſſen anlodten. Wo Goldſchmiede, Briefmaler, Illuminierer und Buch— 
binder blühten, da fehlten auch die Schönjchreiber und gewöhnlichen 
Schreiber nit. Die foftbaren Breviarien und Meßbücher, Gebetbücher 
und Evangelienbarmonien mit ihren golvenen und farbigen Initialen, 
ihrem weißen oder blauen oder gar purpurnen Pergament wurden von 
den umzünftigen Schreibern ebenjo ſchön, wenn nicht beffer angefertigt, 
als früher ausjchlieplih von ven Mönchen over Weltgeiftlichen, und 
ebenſo Foitbar von den verwandten Gewerben gebunden und mit Edel— 
jteinen verziert. Im ganzen 15. Jahrhundert, welches für den vorliegen- 
den Zwed vorzugsweife in Betracht fommt, bildete die Herjtellung der- 
artiger Kımjtwerfe in Stäpten wie Brügge, Gent und Antwerpen, in 
Aachen, Köln, Straßburg, Augsburg, Um und Wien einen nicht un— 
bedeutenden Handels- und Erwerbszweig. Namentlich fürderten ihn vie 

2* 


20 Xibrariers-Gilden. Der unzünftige Handichriftenhandel. [Erjtes 


funjtfinnigen Burgunder-Herzöge. Die „Yibrariers-Gilden“ zu Gent und 
Brügge fahten die gejamten bei Herftellung von Handſchriften mit- 
wirkenden Gewerbe in fih. Das jest in ver St. Markus-Bibliothef in 
Venedig befindliche Breviarium Grimani wurde etwa 1478 von nieder: 
ländiſchen Künjtlern, namentlich Johann Memmling, angefangen und 1489 
vom Kardinal Grimani für 500 Dufaten gefauft. Ziemlich aus ver- 
jelben Zeit (1468 oder 1469) und aus der nämlichen Schule ſtammt 
die urjprünglich für ven Sohn Philipps von Burgund gejchriebene und 
gegenwärtig der breslauer Univerjitätsbibliothef gehörige Froiſſardſche 
Shronif. Das in dem Bruckenthalſchen Muſeum zu Hermannſtadt auf- 
bewahrte Gebetbuch iſt ein ebenjo vortreffliches Erzeugnis niederländiſcher 
Miniaturmalerei und kommt, wenigftens im feiner erjten Hälfte, durch 
die Pracht jeines matten Golpgrumdes und den Glanz feiner Farben dem 
Grimaniſchen Breviarium fat gleich. 1? 

Indeſſen waren e8 nicht bloß Prachtwerfe, welche von einzelnen Künjt- 
fern bergeftellt wurden. Es mwurzelt vielmehr das bereits gegen Ende 
des 14. Jahrhunderts emporblübende Gewerbe ver Handſchriftenhändler 
in der Befriedigung des täglichen Bepürfniffes, alfo in der Anfertigung 
von Schul- und Andachtsjchriften, populärer und jogar politijcher Flug— 
jehriftenlitteratur. Schon damals fommen in Köln, Frankfurt a. M., 
Augsburg, Wien und ſelbſt Nördlingen Handjchriftenhänpfer vor. Die 
zünftigen Univerſitäts- und diejenigen Schreiber, welche nur auf Be- 
jtellung thätig waren, hatten natürlich, da fie durch Monopole und Pri 
vilegien gejhüßt waren, durchaus fein Interejje daran, ihren Wohnort 
zu verlaffen und auswärts Geſchäfte aufzufuchen. Dagegen zogen vie 
unzünftigen, ſchon früh auf Spekulation arbeitenden Schreiber mit einer 
Auswahl oder dem ganzen Borrat der Propdufte ihrer Federn auf Jahr— 
märften und Meſſen umher umd vermittelten als Handſchriftenhändler 
einen, wenn auch bejehränften litterariichen VBerfehr. Sie hatten ihre Ver- 
faufslager auf öffentlichen Plügen, namentlich am Markte, am Rathauſe 
oder an den zu den beveutendften Kirchen führenden Stufen over an Por— 
talen und in Nebenfapellen, ja in ven Kirchen jelbft, wie im benachbarten 
Dänemark, an Stellen aljo, wo fie am ficherjten darauf rechnen konnten, 
die größtmögliche Aufmerfjamfeit ver Vorübergehenden over Eintretenven 
auf ihre Handjchriften zu lenfen. „Der Schreiber Peter von Hajelo, der 
die Dücher verfauft uf ven Greven zu Unferer Frauen Münſter“ heißt 


Kapitel.) Handichriftenhandel in Deutichland. 21 


e8 1408 in einer jtraßburger Urkunde Im Köln hatten von alters ber 
die Dandjichriftenhändfer ihre Bupven vor dem Dom; gegenüber Fetten: 
hennen, in Münſter war das Paradies der Domfirche der Plat, wo die 
Handſchriften verkauft wurden. In großen Städten verhandelten vie 
Händler nicht allein ihre eigenen Waren, fondern auch die ältern Er- 
jeugniffe ihrer Kunft: daher jchon frühe der Name „Antiquar“. 

Urfundliche Zeugniffe über diejen Handel kommen in andern Yändern 
ſchon viel früher als in Deutjchland wor. So berichtet ſchon Richard de 
Bury in der erjten Hälfte des 14. Jahrhunderts von Handſchriften— 
bändlern, welche fich weder durch weite Entfernungen, noch durh Sturm 
und Wetter abjchreden Tießen, Frankreich, Deutjchland und Italien zu 
bejuchen, und welche gegen bare Bezahlung die gewünjchten Bücher ſelbſt 
brächten over überjchicdten. Während Venedig, Mailand und Florenz 
iben in früber Zeit, namentlich aber zu Anfang des 15. Jahrhunderts, 
als bevorzugte Site des Dandjchriftenhandels erwähnt werden, während 
Paris noch früher ven Hauptmarkt Europas für den Handſchriftenhandel 
bildet und fich in London bereits 1403 Stationers und Textwriters zu 
einer Gilde vereinigen, fließen in Deutjchland die pofitiven Quellen über 
diejen Handel ziemlich mager. Nur gelegentlich wird das Geſchäft er- 
wähnt. So bradten 1439 fiebenbürger Kaufleute 13 werjchiedene auf der 
Meile in Baſel gekaufte politifche und Kirchliche Flugſchriften mit nach 
Sermannjtadt, wo fie, da fie über das Bajeler Konzil hanvelten, der 
firblicben Genjur unterworfen wurden. Nördlinger Stadtjchreiber kauften 
und verkauften um die Mitte des 15. Jahrhunderts Handſchriften. Der 
angsburger Bürger Ulrich Frieſe befuchte um 1450 mit Pergament und 
Sandjchriften die nördlinger Meife. 

Dagegen hat A. Kirchhoff das Verdienſt, eine Thatfache nachgewiejen 
su baben, welche durch ihre Bereutung Dutzende von Notizen aufwiegt 
und auf einen ftarf entwidelten Danpjchriftenhandel in Deutjchland ein 
Mares Licht wirft. Der genannte Forſcher hat nämlich überzeugend tar: 
getban, daß in der Heinen eljäffischen Reichsitadt Dagenau um 1440—50 
Schreiberſtuben thätig waren, und daß dieſe Die verjchiedenften Arten von 
Handſchriften beritellten, wie 3. B. lateiniſche Werfe, Gedichte des Mittel: 
alters, Bolts-, Gebet: und Wahrjagebücher, ja jelbjt populäre juriftifche 
Schriften. Der bald als Yehrer, bald als Schreiber bezeichnete Diebold 
Yauber beiorgte den kaufmänniſchen Vertrieb diefer und ähnlicher, wie es 


22 Handſchriftenhandel in Deutſchland. Erſtes 


ſcheint, handwerksmäßig hergeſtellter Artikel. Man könnte ſagen, er habe 
ſchon 1447 förmlich Verzeichniſſe der von ihm zu beziehenden, von ihm 
ſelbſt oder unter ſeiner Leitung angefertigten geiſtlichen und weltlichen, 
lateiniſchen und deutſchen Werke herausgegeben; in verſchiedenen Hand— 
ſchriften findet man nämlich derartige Verzeichniſſe eingeklebt. Die Aus— 
wahl war auf die Befriedigung jedes Geſchmacks gerichtet und zeugt 
zugleich von einer ausgedehnten und gebildeten Kundſchaft. 

Ob fih aber, wie Kirchhoff annimmt, ein vielfach angeführter Brief, 
welchen Rudolf Agricola als Bibliothefar des Kurfürften von der Pfalz 
am 27. März 1485 an jenen Freund Adolf in Frankfurt a. M. jchrieb 
(den ftraßburger Buchhändler Adolf Ruſch, vermutet GC. Schmidt), auf 
Hanpichriften bezieht, ift wohl mehr als zweifelhaft. Agricola verlangt 
nämlich die Beichaffung folgender Werfe: 1) „L. Columella de re rus- 
tica cum aliis, illi adjunctis“, 2) „Cornelius Celsus de medicina“, 
3) „Macrobii Saturnalia‘“, 4) „Statii Opera cum commentario“ und 
5) „Silius Italicus“, jümtlih damals allerdings in Deutjchland noch 
nicht geprudt; allein das jchlieft nicht aus, daß fie anderswo ſchon er- 
fchienen waren. Und in der That war dem jo. Es wurde nämlich 
nach Hain der unter 1 genannte Autor in einem Bande mit Cato, Varro 
und Palladius — das find offenbar die alii adjuncti — ſchon 1472 
in Venedig und 1482 in Reggio gedrudt; der unter 2 angeführte 1478 
in Florenz und 1481 in Mailand, Macrobius in den Jahren 1472, 
1483 und 1485 in Venedig und Brescia, Statius 1476 in Rom und 
1483 in Venedig, Silius Italicus endlich 1471 in Rom, 1480 in Mai— 
land und Rom und 1481 in Parma herausgegeben. Wenn auch die 
franffurter Buchhändlermeſſe nachweisbar ſchon jeit Mitte der jechziger 
Jahre von deutſchen Buchhändlern bejucht war, welche zudem Verbindungen 
mit Italien haben mochten, jo ift doch immerhin möglich, daß dert zu 
jener Zeit des Übergangs (1485) ebenjowohl noch alte Hanpjchriften 
als neue Bücher verkauft wurden; allein wahrſcheinlich ift es nicht. Ab— 
gejehen davon, daß die Vermutung mehr für die [egtern jpricht, jo weiſt 
ver Zuſatz zu der Beitellung des Columella offenbar auf Bücher hin; 
es müßte fich denn nachweifen laſſen, daß auch die Handſchriftenhändler 
dieſen Schriftiteller zugleih mit den dort angeführten Autoren ver: 
fauft hätten. 

Wie dem aber auch jein möge, der Übergang vom Hanpjchriften- 


Kapitel.] Bibliotheken im Mittelalter. 23 


handel zum ſpätern Buchhandel vollzog ſich auf eine ganz natürliche und 
einfache Weiſe. Letzterer knüpfte im wohlverſtandenen eigenen Intereſſe 
an die äußere Form des bisherigen Verkehrs an und fand durch das 
Betreten alter Geleiſe zugleich feinen eigenen Weg geebnet. Äußerlich 
blieb alles beim alten; aber ver Inhalt wurde ein veicherer, ansgebreite- 
terer und namentlich auspehnungsfähigerer. So hat fich von jeher aller 
geſunde gejchichtliche Fortſchritt entwickelt. Jeder Erfinder und Entveder, 
überhaupt jeder Weitergehende fteht auf den Schultern feiner Borläufer. 
Er muß fi an die den Menjchen bereits vertraut und lieb gewordenen 
Einrichtungen und Formen anfchmiegen, wenn er Beachtung und Erfolg 
gewinnen will. 

Übrigens hielten ſich die Yohnfchreiber trotz der Erfindung der Buch— 
pruderfunft noch bis in die erften Pahrzehnte des 16. Jahrhunderts 
hinein. So bat einer von ihmen noch 1525 den ftraßburger Nat um 
eine Anjtellung als Yehrer '*, weil ihm durch den Drud der Bücher 
jeine Nahrung als Schreiber entzogen worden jet. 

Sammlungen von Hanpdjchriften waren während des ganzen Mittel: 
alters bis zu deſſen letztem Jahrhundert Hein, aber jehr foftbar uno 
deshalb jelten. Italien und Frankreich hatten allerdings ſchon Bibliotheken 
aufzumeifen, als ſich in Deutjchland erft bejcheivene Anfäte zu ihnen 
zeigten; aber es handelte fich bei jenen immer nur um einige Dutzend 
Bände. Die vereinzelt als glänzende Beijpiele von mittelalterlichen 
Bibliotheken angeführten Schäße beweijen höchſtens die Schwierigteit, 
ja Unmöglichfeit der Beichaffung einer folhen Sammlung für das 
Durchichnittsbepürfnis. Im einer wirtichaftlih und geiftig jo wenig 
entwidelten Zeit, wo das Pergament den Wert des Silbers hatte, 
fonnte ſich ein einzelner Keicher höchſtens ausnahmsweiſe einen Hand— 
ihriftenlurus gejtatten, welcher Weinberge und ganze Yandgüter zu feiner 
Befriedigung verichlang. Das Klofter Benediktbeuern rühmte fich im 
8. und 9. Jahrhundert der koſtbarſten und reichhaltigiten Bibliothek in 
ganz Bayern, weil es etwa 50 Danpjchriften befaf. Die Merovingerin 
Giſela, welche nach dem Sturze ihres Haufes im Kloſter Kochel den 
Schleier nahm, brachte ſelbſt 21 Hanpjchriften mit und unterhielt im 
nahen Benediktbeuern unter Abt Waloram fünf Kapläne zum Kopieren 
von Werfen. Der Mönch Ulrich wertaujchte mit Zuftimmung des Abtes 
und Konvents 1054 ein Meßbuch gegen einen umfangreichen Weinberg 


24 Koftbarkeit der Handſchriften. Erſtes 


bei Bozen. Ähnlich erwarb die Nonne Diemuth von Weſſobrunn (1057 
— 1130) für eine von ihrer kunſtfertigen Hand geſchriebene Bibel ein 
Yandgut am Peißenberg. Die Bücherei am Tegernjee nahm unter den 
Äbten Goßbert, Gotthart, Beringer u. j. w. jo anfehnlich zu, daß das 
Klofter dem Kaifer Heinrich III. im Jahre 1054 eine Heine Bibliothek 
zum Gejchent machen fonnte. Dabei waren viele Handſchriften mit 
filbernen und goldenen Buchjtaben gejchrieben und die Einbände Pracht: 
arbeiten von getriebenen Goldblech mit edeln ungejchliffenen Steinen, 
Perlen und Elfenbeinſchnitzwerk bejegt. Friedrich Barbaroſſa machte in 
Tegernjee eine anjehnliche Beftellung von Büchern; zugleich bezog er von 
dort Handſchriften mit köftlichen Malereien. 5 Noch im 14. Jahrhundert 
waren die Dandjchriften jo jelten und teuer, daß fie häufig, wie 5. B. 
1332 in Paris, vor einem Notar verkauft um übergeben wurden, an— 
dererjeits aber auch jo koſtbar ausgeftattet, daß man fich heutzutage faum 
mehr einen Begriff von einem Derartigen übertriebenen Yurus machen 
kann. Bier nur einige Beiſpiele aus dem jpätern Mittelalter. 

Etienne de Conty zahlte für eine Yurusabjchrift und ven Pracht: 
einband der 1345 verfahten Henri Bohicjchen Kommentare (‚In quin- 
que decretalium libros Commentaria“) in parijer Währung 62 Yivres 
11 Sous, eine Summe, welche einem heutigen Geldwerte von etwa 
"25 Franken entjpricht. Davon kommen unter andern auf Gebühren 
an ven Abjchreiber 31 Yinres 5 Sous, auf das Pergament 18 Yinres 
18 Sous, auf jechs große vergolvete Initialen 1 Yivre 10 Sons, auf 
die übrigen voten, ſchwarzen und blauen Illuminationen 3 Yivres 6 Sous, 
auf Miete an den Pedell der purifer Univerfität 4 Livres und auf Ein- 
band 1 Yivre 12 Sons. 

Eine gute Abjchrift des „Corpus juris“ fojtete 1000 Goldgulden, 
ſodaß der berühmte Juriſt Accurſius nicht im Stande war, fich eine 
jolhe anzujchaffen. Der eichjtätter Domberr Hans Prabfel zahlte 1427 
für einen Yivius 120 Goldgulden. Plutarchs ‚Parallelen‘ wurven 
1470 mit 800 Goldgulden bezahlt. Der Bruver Jan van Enthuifen 
aus Zwolle erhielt einjchließlich jeiner Bevorauslagen für ein Pracht: 
eremplar der Bibel 500 Goldgulden; eine einfach gejchriebene Bibel 
dagegen fojtete 100 Kronen. Die Gräfin von Anjon gab für ein Erem- 
plar der „Homilien“ Haimons, des Biichofs von Halberjtadt, 200 Schafe, 
5 Malter Weizen und ebenjo viel Reis und Hirſe. Im Jahre 1474 


Kapitel.) Preiſe der Handichriften. 25 


verpfändete Yudwig XI. als Sicherheit für ein ihm von der parijer 
medizinijchen Fakultät geliehenes Manuffript des arabijchen Arztes Rhaſes 
jein Silbergefchirr und ftellte außerdem noch einen Erelmann als Bürgen 
für die Rückgabe. Ya, die Gräfin von Blois, die Gattin eines Barons 
von Gajftellane, vermachte 1392 in ihrem Teftament ihrer Tochter ein 
Manujtript des „Corpus juris“ auf Pergament, unter der Beringung, 
daß fie einen Nechtsgelehrten heirate, damit dieſer koſtbare Schat in 
bie rechten Hände fomme. Der große parifer Buchhändler Firmin Divot, 
einer der gelehrtejten und praftiich erfahreniten Bibliographen der Neu: 
zeit, berechnet die Höhe der Herftellungsfoften ver beiden in der parifer 
Nationalbibliothef befindlichen lateiniſch-franzöſiſchen handſchriftlichen Bi: 
bein auf faſt 82000, beziehungsweife 50000 Franten 1% heutiger Wäh— 
rung und jehlieft von dieſer Berechnung jogar ven Preis des Pergaments, 
den Yohn der gewöhnlichen Schreiber und die Koſten des Einbandes aus. 
Es gibt aber auch wenig Werfe, welche, wie die teuerjte der genannten 
Bibeln, 5122 in Gold und Farbe gemalte Bildchen enthalten. Didot 
ihäßt jede diefer Illuftrationen auf nur 16 Franken, ihren Geſamtwert 
aljo auf 81958 Franken. 

Man darf aber von den erwähnten und fonftigen Prachtwerfen nicht 
auf die Ausftattung und Preife der gewöhnlichen Handſchriften jchliefen, 
da auch Damals jene die Ausnahme und diefe die Regel bildeten. An— 
vererjeits ift e8 aber unmöglich, eine fichere Berechnung ver Preije ver 
mittefalterlichen Handſchriften anzustellen, geichweige denn nachzuweiſen. 
Dazu fehlt e8 an den nötigen Angaben. Man findet überhaupt nur 
gelegentliche Aufzeichnungen, welche ein faum annähernd richtiges Bild 
ju geben vermögen. Savigny und Kirchhoff führen zwar die Preife für 
einige Hundert Danpjchriften vom 12. bis 15. Jahrhundert an, indeſſen 
laſſen ſich aus dieſen Berzeichniffen feine allgemeinen Schlüſſe ziehen, 
da die Art des Stoffes (Pergament, Papier u. ſ. w.) und der Schrift, 
der Ort der Herftellung und die Zeit der Anfertigung bedeutenden Ein- 
fluß auf den Preis ver einzelnen Handjchrift ausüben. Am Elarjten 
laffen ſich die verhältnismäßig tenern Preife aus den für ven Elementar— 
unterricht bejtimmten Schriften nachweijen; fie find in der That für den 
fleinen Mann faft unerichwinglih. So koſtete nach der Schulordnung 
von Baugen 1418 ein A-b⸗c-Buch und Paternofter 1 Grojchen, ein Donat 
10 Groſchen und ein Doctrinale eine halbe Mark. Nun aber kaufte man 


26 Sinken der Handſchriftenpreiſe. Erſtes 


noch 1514 dort eine Henne für 1 Pfennig, ein Pfund Rind- oder Kalb— 
fleijch für 2 Pfennige, Brot für drei Menſchen per Tag für 3 Pfennige, 
ein Pfund Käſe für 3 Pfennige und ein Maß beften Weines für 1 Kreuzer. 
Daß aljo die ſpätern Bücher bei ihrer mafjenhaften Herftellung beveutend 
billiger waren, ift eine auf der Hand liegende Thatjache, allein Parallelen 
und Vergleiche Laffen fich nicht ziehen. Die Ausbildung des Gejchäfts, 
die gegen Ende der Periode täglich zunehmende Konkurrenz und die da— 
durch bedingte veichlichere Berforgung des Marktes mit neuen Schriften 
prüdte natürlich in erfter Yinie die Preife. Wenn 1279 eine in Bo- 
fogna gejchriebene Bibel 80 Lire (gleih 343 Mark heutigen Geldes) 
foftete, jo wurde 1493 eine „Biblia latina“, auf 319 Pergamentblätter 
gejchrieben, in Breslau für 4 Gulden (im jeßigen Gelde 40 Gulden) ver— 
fauft. Im 14. Jahrhundert betrug in Dtalien der Durchjchnittspreis 
eines vollftändigen „Corpus juris“ 480 Mark; 1451 brachte ein jolches 
in Florenz 14'/, Dufaten (gleich etwa 90 Mark nach dem Münzfuß von 
1464). Um 1400 fojtete ein auf 115 Pergamentblätter in Folio ge- 
jchriebenes Eremplar des Juſtin, Salluft und Sueten 16 florentinijche 
Dufaten (gleih 100 Mark), 1467 dagegen wurden für Terenz' „Romö- 
dien“, 198 Blätter in Folio (allerdings auf Papier), in Heidelberg 
3 Gulden bezahlt, und 1499, wo die Buchdruckerkunſt ſchon überall blühte, 
ward eine Handjchrift von Euripides’ „Hecuba“ und Theofrits „Idyllen“ 
(134 Blätter auf Papier, in Quart) für 2 Gulden verkauft. Dieje 
Beijpiele werden hinreihen, um das allmähliche Heruntergehen ver Preife 
nachzuweijen. 

Bei derartigen Vorausſetzungen war alſo, wie bereits bemerkt, ver 
Befig von nur einigen Dutzend Bänden auch in reichern Klöftern und 
Stiften ſchon eine Seltenheit. Da wo eine Bibliothek bejtand, war jie 
meistens durch Schenkungen und Yegate eines kunſtliebenden höhern Geift- 
lichen oder jonftigen Gönners oder durch Gaben frommer Yeute ins 
Yeben gerufen worden. Bejtimmte Mittel für Anjchaffungen waren gar 
nicht vorhanden oder wenigitens nicht angewiefen, und nur jelten finden 
fih in den Klofter- und Kapitelrechnungen vereinzelte Poſten über ven 
Ankauf einer Handjchrift. Es war eben mit den Jahren der Sinn für 
die Yitteratur immer mehr erjtorben. Biſchof Wernher von Strafburg 
(1002 — 27) jchenfte der dortigen Münfterbibliothet etwa 50 wertvolle, 
meift aus dem 10. Jahrhundert ftammende Codices, darunter einige 


Kapitel.) Berwahrlofung der Bibliotheken, 27 


Werfe Ciceros, Quintilians Inftitutionen, Boetins, Gregor von Tours 
und andere. Im Jahre 1372 war diefe Zahl aber erjt auf O1 geitiegen, 
ſodaß auf ein ganzes Jahrhundert etwa ein Dutzend neuen Zuwachſes 
fommt. 1? 

Auch die Geiftlichen, jelbit wenn fie reichen und vornehmen Familien 
entjtammten, jchafften fich gar feine oder nur wenig Bücher an und be- 
ſaßen höchſtens einige juriftifche oder liturgiſche Werke, welche fie bei 
ihrem Tode dann wohl ihrem Stift oder Klofter vermacten. Es fommt 
jelten vor, daß fie deren mehr als zwei oder drei binterliefen. Die 
Yaien kauften erft recht feine Hanpjchriften; fie hatten gar fein Bedürfnis 
dafür. Der Beſitz eines ritterlichen Yiebesromans oder einer Yegenden- 
jammlung bildete jelbft unter den Kittern eine Ausnahme, 

Je mehr das Klofterleben entartete und je weniger wiffenichaftlicher 
Seift unter den Mönchen herrichte, deſto mehr wurden auch die fpär- 
lichen Anfänge der noch jpärlichern Bibliothefen vernachläffigt. Der 
Übergang vollzog fich, wie oben angedeutet, hen im 13. Jahrhundert; 
infolge der im 14. aber einreigenden allgemeinen Verwilderung und 
Roheit verjtanden die Mönche kaum mehr die Handjchriften zu lejen, 
warfen fie aus ihren Zellen, in denen jie bis dahin meijt verjtrent 
ftanden, und liefen fie vermodern oder mißbrauchten fie zu niedrigen 
Grwerbsjweden. Als Boccaccio bei einem Bejuche der Benediftinerabtei 
Monte Caſſino in der Bibliothek einige Codices prüfend öffnete, fand 
er, daß bier die Ränder abgejchnitten over jonft verftünmelt waren, dort 
ganze Yagen fehlten. Auf jeine Frage, warum man diefe herrlichen 
Schätze jo ſchmählich behandle, erwiderte ein Mönch: einige feiner 
Brüpder hätten, um 2—D5 Solidi zu verdienen, das ausgeriffene und 
abgejchnittene Pergament zu Pjaltern und Brevieren verwendet, die dann 
an frauen und Kinder verfauft würden. Gejchah das in dieſem Mutter: 
hauſe ver Gelehrſamkeit, was war von andern Ktlöftern zu eriwarten? 
Trotz der Ketten, welche die einzelnen Bände vor Entwendungen jchüten 
jollten, wurden viele Handſchriften geftohlen oder vertrödelt. So ver- 
faufte Nikolaus von Trier 1429 am den Karbinal Giordano Orfini in 
Kom unter anderm einen Band mit 40 Komödien des Plautus, von 
denen bis dahin nur 4 bekannt gewejen waren. Der Goder ſtammte 
doch ficher in letter Stelle aus einem unbewachten Klofter over einer 
Dombibliothef, vermutet mit Recht G. Voigt in feiner „Wiederbelebung 


28 Berwahrlofung der Bibliotheken. [Erftes 


des klaſſiſchen Altertums“ (I, 259). Franz Poggio, der bekannte itafie- 
nische Humaniſt, befuchte von Konftanz aus, veffen Konzil er als päpit- 
licher Abgejandter beiwohnte, das Benediktinerflofter St. Gallen, um 
nach verloren gegangenen lateinijchen Klaffifern zu juchen. Er fand bier 
die Bibliothek tief unten in einem finftern und feuchten Turme, in wel: 
chem man anderwärts, wie er fich ausprücdt, nicht einmal zum Tode 
verurteilte Verbrecher einſchließen würde. Unter den mit Staub und 
Schmutz bevedten Bänden entdedte er unter andern ſechs bis dahin 
unbekannte Reden Giceros, den ganzen unverjehrten, bis dahin für ver: 
foren gehaltenen Quintilian in demjelben Grempfar, welches vom Bi- 
ſchof Wernher dem jtraßburger Münſter geſchenkt worden und welches, 
man weiß nicht wie, nach der Schweiz geraten war. Poggio nahm ven 
Codex mit nah Konftanz und jchrieb ihn hiev — sede apostolica va- 
cante, aljo zwijchen dem 24. Mai 1415 und 11. November 1417 — 
in 53 arbeitjamen Tagen mit eigener Hand ab, nahm aber auch das 
Driginal mit; dasjelbe befindet ſich jeßt im der Yaurentiana in Florenz. 
Ähnliche Funde machte derjelbe gelehrte italienische Handſchriftenſammler 
gerade zu jener Zeit in den Bencdiktinerabteien Reichenau, Weingarten 
und Fulda. Nom hatte diefe Art von Raub fogar in ein fürmliches 
Syſtem gebracht und trieb ihn noch ein volles Jahrhundert lang bis 
zur Reformation. Der gelehrte Doktor der Theologie, Marino de Fri- 
geno, der 1464 im Norden Deutichlands, in Dänemark und Skandi— 
navien den Türfenablaß vertrieb, wurde darüber ertappt, daß er fich in 
die Bibliothefen unter dem Vorwande des Stupdieneifers eingejchlichen 
und fie dann ſchmählich beitohlen hatte. In Lübeck aber hielt man die 
von ihm geranbten Bücher troß feines Drohens und Tobens gewaltfam 
zurüd. Aus einer Empfehlung, welche der Kardinal Sadoletus am 
1. Dezember 1517 im Auftrage des Papftes Yeo X. einem lütticher Kle— 
rifer Johann Heytmers an den Kurfürften Albrecht von Mainz gab, geht 
ſogar hervor, daß Die Kurie ihre bejondern Agenten nach Deutjchland, 
den nordifchen Reichen und Dacien jandte, um in den dortigen Biblio- 
thefen nach Dandjchriften von Klaffifern zu juchen und für die püpft- 
liche Bücherfammlung zu fichern. Im vorliegenden Kalle wurde der ge: 
nannte Heytmers mit dem Auftrage ausgejchieft, ven verlorenen Büchern 
des Livius nachzufpüren. Die fünf erften Bücher des Tacitus waren 
ichen in ven erſten Jahren des Pontififats Yeos X. in Corvey an der 


Kapitel.) Entjtehen öffentlicher Bibliothefen in Italien. 29 


Weſer gejtohlen, man weiß nicht genau, wann und wie, über die Alpen 
gebracht und in die in Rom 1515 evjchienene „Editio princeps” des 
Tacitus aufgenommen worden. Im obigen Briefe läßt der Papit der 
Bibliothek des wejtfälifchen Kloſters als Entſchädigung für ihren jchweren 
Verluft ein gedrucktes Exemplar des Tacitus anbieten und dieſes als 
beveutend wertvoller, denn die Handſchrift preifen. Im Jahre 1522, 
man weiß wieder nicht wie, tauchte die corveyer Handſchrift in Florenz 
wieder auf, wo fie fich noch heute in ver Paurentiana befindet. 1° 

Diejer die fernften Länder umjpannende und vielfach verbrecherijche 
Zammeleifer hatte aber wenigjtens die gute Folge, daß er viele jehr 
wertvolle Schäte des Altertums für die Nachwelt rettete und zugleich 
die Grundlage für die jpätern großen Bibliotheken ſchuf. Wie Italiens 
gelebrte Schulen ſchon im 13. Jahrhundert durch Wiederbelebung 
namentlich des Rechtsſtudiums die Thätigkeit des Schreibergewerbes 
mächtig gehoben hatten, jo ftellte auch die von dort ausgehende Re— 
naijfance der Künſte und Wiffenjchaften ven reichen und vornehmen 
Kreijen höhere geiftige Ziele und förderte zugleich durch Verallgemeine- 
rung des Bedürfniſſes an Hanpjchriften das buchhändleriſche Gejchäft. 
Schon Petrarca hatte durch jeine auserlejene Sammlung Hajjiicher Werte 
für die jpätern Humaniften den Ton angegeben, und wenn die jeltenen 
Handſchriften auch nach jeinem Tode, jeinem Wunjche zuwider, nicht 
nach Venedig gelangten, jo fand jein Gedanfe doch bei andern gelehrten 
und reichen Bücherſammlern, wie ſpäter beim Kardinal Beffarion, umd 
ver allem in Florenz Nachahmung und glücliche Ausführung. Hier 
wirkte der Geift Dantes, Petrarcas und Boccaccios lebendig fort; bier 
bildete fich der erjte beventende Mittelpunkt des neuerwachten geiftigen 
Yebens; bier traten die mit dem Adel verbindeten Gelehrten unter dem 
Mäcenat der Medici für die Förderung wiffenjchaftlicher und fünjt- 
leriicher Groberungen ein. Den greif- und fichtbarjten Ausorud gewann 
diejes Streben durch Die Errichtung großer öffentlicher Bibliothefen, 
deren Benugung jedem Gelehrten freiftehen müffe, ein Gedanke, vejfen 
Kübnbeit bis dahin noch als eine unausführbare revolutionäre Neuerung 
gegolten hatte. Von Privatbibliothefen war die von Niccolt (1364— 
1437) gejammelte die beveutenpfte in Florenz. Als er jtarb, enthielt fie 
SO Bände und wurde auf 4000 Zecchinen gejchäßt. Sie bildete in ber 
Folge ven Anfang der Marciana, der erſten öffentlichen Bibliothet von 


30 Florenz als Handichriftenmarft. Erſtes 


Florenz. Als Coſimo von Medici die Yaurentiana dort gründete, fonnte 
er die für fie bejtimmten Werke nicht kaufen und mußte fie abjchreiben 
laſſen. So nahm denn ver von ihm beauftragte Buchhändler Veſpa— 
ſiano di Bilticci jofort 45 Kopiften in jeinen Dienft und ſchuf innerbalb 
22 Monaten eine Sammlung von 200 Bänden, welche alle bedeutendern 
Werfe des römijchen Altertums und der firchlichen Yitteratur enthielt. 
Nebenher ging die Anſammlung der Mediceiſchen Haus- und Privat- 
bibliothef, welche an Berentung und Wert jene Stiftungen bald weit 
überragte. 

Seitdem bildete Florenz auch den Handjchriftenmarft für die gelehrte 
Welt. In Rom waren die brauchbaren Kopiften jo gut wie ausgeſtorben; 
wenn es deren dort noch gab, je waren e8 meijt Deutſche und Fran— 
zojen. Selbit die jpäter von Papft Nifolaus V. erweiterte und eigent- 
lich erjt begründete Baticana vermochte an diefem Verhältnis wenig zu 
ändern. Buchhändler gab es in jeder größern Stadt; indeſſen handelten 
fie vorzugsweije mit Pjaltern, Schulbüchern und den nächjten Berürf- 
niffen des Klerus. Nur in Florenz wurden alte Handjchriften over won 
gelehrter Hand redigierte Abſchriften der Klaſſiler in offenen Läden feil- 
geboten; nur bier fonnte ein Veſpaſiano di Bifticci eriwachjen, ver erjte 
Buchhändler im großen Sinne, welchen die Neuzeit fannte und Voigt 
jo gut gejchifvert hat. Seine Bude wurde bald ver Sammelplat für 
die Männer der Yitteratur, welche bier ihre Börje abhielten und zu be 
jtimmten Tageszeiten ihre Streitfragen verbandelten. Er wußte immer, 
was jelten und gemein, wo Exemplare zu entleiben und zu verkaufen 
waren, welchen Umfang und welche Teile ein Buch hatte, und wie es im 
Preife jtand. Für ſolche Fragen war er das Orakel, an welches man 
fih aus allen Ländern ver Kulturwelt wandte, Päpften, Königen und 
Gelehrten wies er darin die Wege. Ihm ftanden dafür, wenn eine 
Abjchrift beftellt wurde, die beiten Gremplare aus den Bücherſchätzen 
Niceolis und Coſimos zu Gebote. Sein Geſchäft wuchs immer groß: 
artiger an; er hatte Schreiber in Menge zur Verfügung und vermochte 
den größten Beftellungen in furzer Zeit zu genügen. Schen um die 
Mitte des 15. Jahrhunderts war er der König der Buchhändler für 
Italien und die andern Völker. „In Italien“, jagte damals der Dichter 
Janus Bannonius, „kann man Bücher haben, joviel man will; ſchickt mur 
Geld nach Florenz, Beipafiano allein wird für das Weitere ſorgen.“ So 


Kapitel.) Privatbibliothefen in Deutichland. Gutenberg. 31 


beitellte unter andern Matthias Corvinus, König von Ungarn, eine ganze 
Bibliothek bei ihm und ließ fie unter jeiner Aufficht jchreiben, 

Grit in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begann das von 
den italieniſchen Humaniſten gegebene Beijpiel auch auf Deutjchland 
jeinen Einfluß zu üben. Die Anlegung größerer Privatbibliothefen traf 
bier aljo mit der Erfindung und Auspehnung der Buchdruckerkunſt zu- 
jammen. Junge Juriſten, wie z. B. der Straßburger Peter Schott 
(1480), welcder in Bologna jtudiert hatte, brachten wertvolle Hand— 
ſchriften von klaſſiſchen, juriftiichen und theologijchen Werfen mit nach 
Deutjchland. Nürnberger, augsburger und ftraßburger Patricier oder 
Gelehrte, wie Chriſtoph Scheurl, Wilibald Pirfheimer, Konrad Peutin— 
ger, Geiler von Kaijersberg und Sebaftian Brant, bejafen anjehnliche 
Bibliotheken, ja jelbjt ver Adel begann jolche anzulegen, und Brant 
fonnte in jeinem „Narrenſchiff“ ſchon die Biüchernarren vwerjpotten. — 

Das ungefähr war die Yage der Dinge gegen Mitte und Ende des 
15. Jahrhunderts, ald Deutjchland eben anfing zu neuem geijtigen Leben 
zu erwacen. Da trat Gutenberg mit feiner Erfindung auf und bob die 
Kultur, nicht allein jeines Baterlandes, jondern auch von ganz Guropa 
auf eine höhere Stufe der Entwidelung. Der rechte Mann erjchien zur 
rechten Zeit. 

Yeider fteht der große mainzer Bürger in jo ſchwachen, ſchwer er- 
fennbaren Umriffen da, daß es dem Forjcher faum gelingt, ihn jeiner 
mythiſchen Umbüllung zu entkleiden und in fejter, leibhaftiger Geſtalt 
dem Auge der Nachwelt zu zeigen. Nur wenige vereinzelte Thatjachen 
find über ihn erhalten, fein Name wird nicht einmal unter einen ber 
von ibm geprudten Bücher erwähnt. Wären nicht glücklicherweije in 
Straßburg und in Mainz zwei Bündel alter Prozefaften über Guten- 
berg wieder aufgefunden worven, jo würde es faum möglich jein, fich 
ein nur annähernd richtiges Bild von dem äußern und innern Gange 
jeiner Entwidelung zu macen. Dank den neueften Kritifen und For— 
ſchungen, namentlich der bahnbrechenden vortrefflichen Werfe A. von der 
Yindes, laffen fich jegt wenigjtens die Hauptmomente im Yeben des großen 
Erfinvers nachweijen. 1? 

Sobann Gutenberg entftammt dem alten mainzer Patriciergejchlecht 
ver Gensfleifch, welches zu ven gelpprägenden Münzgenoſſen der Stadt 
gehörte, Es ſtand länger als ein Jahrhundert mit an ver Spite des 


392 Das Geſchlecht der Gensſleiſch. Erſtes 


Adels in deſſen unaufhörlichen Kämpfen-mit den Bürgern und Zünften. 
Mainz war bis zu jeiner, am 28. DOftober 1462 erfolgten Einnahme 
und Zerjtörung die beventenpfte Freie Neichsjtant am Mittelrhein und 
wetteiferte an Anjehen und Macht mit Straßburg am Oberrhein und 
Köln am Niederrhein. Die mainzer Bürger fühlten fich in ihrer Kraft 
und traten, wie auch die übrigen Reichsjtänte, gegen Ende des Mittel- 
alters ven Herrichaftsgelüften des Adels mit Feftigfeit und ſchließlichem 
Erfolg entgegen. So befiegten fie denn auch 1420 die Patricier in dem 
Streite, welchen dieje wegen des Empfangs des neugewählten Kurfürjten 
Konrad III. vom Zaune gebrochen hatten, und zwangen die im Kampfe 
Unterlegenen zur Auswanderung. Verſchiedene Gensfleiich befanden jich 
unter den Berbannten. Sie miüfjjen echt mittelalterliche Gejtalten ge: 
wejen jein, dieſe Junker, voller Zapferfeit und Dingebung an den Freund, 
dagegen voller Ruchlofigfeit und Treulofigfeit gegen den Feind. Schon 
Sutenbergs Urgroßvater Frilo Gensfleiich hatte 1322 die Gejchlechter 
jeiner Vaterſtadt gegen die ſich erhebenden Zünfte angeführt, nachdem 
er furz zuvor von Kaifer Ludwig wegen Cinäjcherung von Kirchen und 
Klöftern mit dem Bann belegt worden war. Frilos Sohn dagegen, 
Peter, war ein minder unruhiger und gewaltjamer Charafter, da er jich 
mit Mainz wiever ausjöhnte und in der Folge zu dejfen Bürgermeifter 
erwäblt wurde. Gutenbergs Vater, der auch Frilo hieß und 1410 und 
1411 in dem mainzer Ein- und Ausgabebuche als Rechenmeifter ver 
Stadt vorfommt ?®, ſtand mit feinen Verwandten 1420 wieder an der 
Spitze der gejchlagenen Patricier um mußte mit ihnen im die Ver— 
bannung ziehen. Sonft ift nichts von ihm befannt. Gutenbergs Mutter, 
Elſe, war eine geborene Leheymer. Wenn fie zugleich als eine Grb- 
tochter des ſchon 1298 in Mainz verfommenven Gejchlechts zu Guten- 
berg erwähnt wird, jo kann dieſe Verwandtjchaft offenbar nur auf 
mütterlicber Abſtammung beruhen. 

Über Johann Gutenbergs Kindheit und Jünglingsalter ift feine 
Kunde erhalten. Sogar jein Geburtsjahr ſteht nicht einmal feit. Für 
die Angabe, daß er 1397 over 1398 geboren jei, fehlt jeve gejcbichtliche 
Beglaubigung, obwohl fie an fich nicht unwaährſcheinlich ift. Wenn jeine 
Mutter 1430 einen Teil der väterlichen Erbjchaft für ihren Sohn Jo— 
hann ordnete, jo folgt aus dieſem Umftande durchaus noch nicht, daß er 
damals minderjäbrig, alſo unter 25 Jahren alt war. Frau Elſe muß 


Kapitel. | Gutenbergs Jugend. 33 


vielmehr auf Grund einer Vollmacht gehandelt haben, da c8 feftjteht, 
daß Gutenberg fih damals außer Yandes befand und ba er als einer 
politiſchen Partei angehörig angeführt wird. Die Nechtung (der Ver— 
jehnungsvertrag) des Erzbiichofs Konrad von Mainz vom 28. März 
1430 nennt nämlich Gutenberg „ytzund nit inlendig“ und gejtattet ihm 
die Rüdfehr in die Heimat. ?! Hiernach müßte er jedenfalls vor 1405 
das Yicht ver Welt erblidt haben; daß er übrigens vor 1409 geboren 
war, beweiſt 1434 jein jelbjtändiges Auftreten in einem von ihm in 
Straßburg angejtellten Prozeß. Man geht aljo wohl nicht fehl, wenn 
man jeine Geburt um die Wende des Jahrhunderts jeit. *? 

Jedenfalls aber fteht jo viel feſt, daß Gutenbergs Jugend gleichfalls 
von den bürgerlichen Kämpfen feiner Vaterftadt bewegt und jein ganzes 
ipäteres Peben jogar durch fie beftimmt wurde, Er folgte nämlich 1420 
jeinen Angehörigen in die Verbannung. Wohin dieje fich wandten, läßt 
ih nicht mehr ermitteln. Möglicherweiſe gingen fie nach Eltville im 
Rheingau, two die Gutenbergs einen Hof und Güter bejaßen und wo 
um 1433 ein Bruder von Johann wohnte Allein auch zu Straßburg 
batten fie Beziehungen, wie eine 1429 von feinem Vater Frilo aus- 
geitellte Urkunde beweiſt. Als Erzbijchof Konrad von Mainz am 28. März 
1430 den oben erwähnten Berjöhnungsvertrag zu Stande brachte, wel- 
ber die Rückkehr der Gejchlechter vermittelte, wurde ein Georg Gens- 
Hleiich, offenbar als einer der verhafteften Patricier, von dieſer Erlaub- 
nis ausgejchlojfen, während Henne (Johann) Gutenberg, wie bereits 
bemerkt, ausprüdlich unter denen nambaft gemacht wird, deren Rückkehr 
nichts im Wege ſtand. Er jcheint indes von der ihm bewilligten Gunſt 
feinen Gebrauch gemacht zu haben, denn 1434 tritt er zuerjt in jenem 
bereits erwähnten und in Straßburg angeftrengten Prozeß auf. Guten- 
berg hatte nämlich von der Stadt Mainz eine jährliche Rente (‚etliche 
Zinnje und Gülte“) zu beziehen, welche ihm eine Zeit fang nicht aus- 
bezahlt worden war, und konnte im Nichtbezahlungsfalle Bürgermeifter 
und Rat angreifen und pfünven. Er wohnte damals im Klojter Arbo- 
gaft an ver U, dem heutigen Grüneberg, welches etwa eine Viertel- 
jtunde vor dem Weißenturmthore liegt. Um zu jeinem Gelde zu fommen, 
ließ er ven zufällig in Straßburg zum Beſuche weilenden Stadtjchreiber 
Nilolaus aus Mainz als verantwortlichen Beamten des dortigen Rates 
verhaften. Erſt auf Verwendung des Rates und Bürgermeifters der 

Rapp. I 3 


34 Gutenberg in Straßburg. [Erites 


Stadt Straßburg — „inen zu even und zu liebe” — erbielt ver Schreiber 
jeine Freiheit wieder, wie das Gutenberg jelbft in einer am 12. März 
1434 ausgeſtellten Urkunde ausprüdlich erklärte, ja er befreite „Herrn 
Nicolaufen” jogar von ver Zahlungspflicht von 310 Gulden, die er fi 
durch deffen Verhaftung hatte fichern wollen. Es jeheint auch, daß ver 
mainzer Nat durch gütliche Einfprache der Straßburger veranlaßt wurde, 
jeine VBerbinplichfeiten gegen Gutenberg fortan bejjer zu erfüllen. Wenig- 
jtens findet fih aus dem Jahre 1436 ein Eintrag in dem Nechnungs- 
buche der Stadt Mainz, wonach dem „Henne Gensfleifch genannt Guden— 
berg von Nichter Yeheymers (jeines Onfels) jeligen wegen von Anun— 
ciacionis Mariä nebit vergangen zu widderker“ 10 Gulden an Golde 
gezahlt wurden. 23 

Ein paar Monate jpäter ließ fich Gutenberg fogar einen Abzug von 
2 Gulden anf den jährlichen Zins von 14 Gulden gefallen, welche ihm 
jein Bruder Frilo in Eltville aus dem väterlichen Erbteil zu zablen 
hatte. Gründe für diefe Handlungsweiſe find nicht angegeben. Mög— 
licherweiſe erjtattete Gutenberg damit VBorjebüffe zurück, die ibm Frilo 
früher für feine mechaniſchen Berjuche gemacht hatte, denn daß er da— 
mals jchon mit derartigen Arbeiten ſich bejchäftigt haben muß, beweijt 
ein fünf Jahre jpäter fptelender Prozeß, welcher den erjten urfundlichen 
Aufſchluß Über Gutenbergs Arbeiten in Straßburg liefert und eine be- 
deutende Nolle in der Geſchichte der Buchdruckerkunſt jpielt, 

Dieje jahrbundertelang begraben gewejenen Akten wurden zuerft 1740 
vom ftraßburger Arcivar Jakob Wender, beziehungsweije 1745 vom 
Arhivar Heinrih Barth und Profeffor I. D. Schöpflin im Rathauſe 
und im Hellerturm von Straßburg entvedt und 1760 von dem zulekt: 
genannten veröffentlicht. ** Sie enthalten den Nechtsftreit ver Gebrüder 
Georg und Klaus Drisehn gegen Gutenberg und zeigen dieſen als einen 
bereit3 bochangejehenen Künſtler und Grfinder, welcher feine Schüler 
und die zur Herſtellung feiner Erfindungen erforderlichen Kapitalien 
damals nicht zu ſuchen brauchte, ſondern fich von ihmen juchen lief. So 
war denn auch ums Jahr 1436 oder 1437 der ftraßburger Bürger An- 
preas Drisehn mit dem Antrage zu Gntenberg gekommen, von ihm 
gegen Honorar „in etlicher Kunſt“ unterwiejen zu werden. Gutenberg 
ging auf diefen Wunſch ein und lehrte den Drisehn das Steinjchleifen, 
womit der leßtere viel Geld verdient zu haben zugibt. Bald darauf 


Kapitel.) Seine mechanischen Arbeiten. Seine Gejellichafter. 35 


ſchloß Gutenberg einen andern Vertrag mit dem Vogt Dans Riffe in 
Yicbtenau und umterrichtete diejen im Spiegelmacen. Die GErzeugniffe 
der gemeinjamen Arbeit, an welcher Gutenberg mit zwei Drittel, Riffe 
mit einem Drittel beteiligt war, jollten auf der großen Meſſe verwertet 
werden, dem jogenannten Bend, ver bei Gelegenheit der alle fieben 
Jahre jtattfindenden anchener Heiltumsfahrt und Neliquienverehrung in 
der alten Reichsſtadt gehalten wurde. 

Als Dritehn von jenem Übereinfommen hörte, wünjchte auch er in 
die Gemeinjcbaft aufgenommen zu werden. Gutenberg willfahrte feinem 
Berlangen und räumte ihm die Hälfte feines Anteils ein, ſodaß jeder 
der Geſellſchafter ein Drittel Gewinn oder Berluft am Gejchäft haben 
jollte. Dritzehn teilte den mwejentlichen Inhalt dieſes Vertrags feinem 
Zunftgenofjen Andreas Heilmann mit. Von dem in Ausficht ſtehenden 
Gewinn mächtig angezogen, bat diejer jenen Bruder Anton Heilmann, 
einen Seiftlichen, auch ihm zum Eintritt im die Gejellichaft behilflich zu 
jein. Gutenberg wollte anfangs nicht auf den Vorſchlag eingehen, lieh 
aber bald darauf den Andreas Heilmann doc zu, weil er, wie e8 jcheint, 
inzwijchen erfahren hatte, daß diejer zugleich auch den Gejchäftseinjchuß 
für den verjchuldeten Dritzehn leiſtete, und weil auch Riffe feinen Ein— 
wand gegen bejjen Aufnahme erhob. Es wurde aljo ein neuer Vertrag 
vereinbart, dem entſprechend Gutenberg zur Hälfte, Riffe zu einem Biertel, 
Drisehn und Heilmann aber jever zu einem Achtel beteiligt jein jollten. 
Die beiden leßtgenannten mußten zujammen 160 Gulden für ihre Unter- 
weijung in der Kunſt am Gutenberg zahlen. Spiegel aus Glas, veren 
Anfertigung den ausjchlichlichen Zwed des zweiten Vertrags bildet, und 
die durchaus fein Geheimnis mehr war, waren zu jener Zeit noch eine 
ebenjo große Seltenheit, als ein gejuchter Luxusartikel. 

Die vier Unternehmer arbeiteten fleißig für die aachener Fahrt un 
batten bald für den urjpünglich beſtimmten Termin ihr Yager im Stande. 
Die „Ochevaart“ (Fahrt nach Aachen) war aber, wie e8 in den Prozef- 
aften beißt, zu jener Zeit auf das Jahr 1440 verjchoben worden, eine 
Angabe, die übrigens auf einem Irrtum beruhen muß, da die Wall- 
fahrt von vornherein auf 1440 fejtgejeßt war und auch wirklich in 
diejem Jahre ftattfand. So jcheint denn das für Die anchener Fahrt 
beabjichtigte Geſchäft verunglüdt zu ſein. Was im der Folge aus 
pen Spiegeln geworden, ob Gutenberg oder einer der übrigen Teil- 

3* 


36 Dritter Vertrag mit denjelben. [Erjtes 


haber, over wer jonjt darüber verfügt bat, das ift aus den Aften nicht 
erfichtlich. 

Im Sommer 1438 aber wurde von Andreas Dritzehn ein neuer 
und zwar dritter Vertrag mit Gutenberg abgejchlojfen. Drigebn er- 
zäbfte auf jeinem Sterbebett dem Zeugen Mydehart Stoder, daß er mit 
Andreas Heilmann einmal zu Gutenberg in deſſen Wohnung nach 
St. Arbogajt gefommen jei. Da habe dieſer „etliche Kunſt“ vor ihnen 
verborgen, die ihnen zu zeigen er nicht verpflichtet gewejen jei. Daran 
aber hätten fie feinen Gefallen gehabt und an Stelle ver alten Gemein- 
ichaft eine andere errichtet, nach welcher Gutenberg fortan nichts von 
jeiner Kunſt vor ihnen verbergen durfte. Nach Anton Heilmanns Aus- 
jage dagegen habe Gutenberg jeinen beiden Gejellichaftern zuerjt ein 
jolches Anerbieten gemacht. Wie dem nun auch jein möge, die legtern 
mußten dem Meiſter jeder noch 125 Gulven Yehrgeld in Terminen be- 
zahlen, ‘Der Vertrag wurde auf fünf Jahre, aljo bis zum Sommer 
1443 abgejchloffen. Starb einer der Gejelljchafter während feiner Dauer, 
jo konnten jeine Erben, damit man ihmen nicht „die Kunſt zu weijen 
umd zu offenbaren“ brauche, nur Anjpruch auf Herauszahlung von 
100 Gulden machen, während „alle Kunſt, Gejchirre und gemacht Werk‘ 
den Überlebenden ohne jede Vergütung verblieb. Andreas Dritzehn ſtarb 
aber ſchon in den letzten Tagen des Dezember 1438 und ſchuldete, da 
er vor ſeinem Tode nur 40 Gulden auf jene 125 Gulden gezahlt hatte, 
dem Geſchäft noch 85 Gulden. Seine Brüder und Rechtsnachfolger, 
Georg und Klaus Dritzehn, traten jedoch als Kläger gegen Gutenberg 
auf und verlangten von ihm, entweder als Teilhaber an des verſtorbenen 
Bruders Stelle in die Geſellſchaft aufgenommen zu werden, oder die 
100 Gulden zugeſprochen zu erhalten, welche deſſen Erben gezahlt wer— 
den mußten. Gutenberg bejtritt in der Stlagebeantwortung den erſten 
Anjpruch als durchaus unbegründet und erflärte fich nur zur Rück— 
zahlung ver 100 Gulden bereit, verlangte aber, daß die ibm noch ge- 
ſchuldeten 85 Gulden davon abgezogen würden. Der Richter Guno 
Nopes erfanmte im feinem Urteil vom 12. Dezember 1439 den Aus- 
führungen Gutenbergs gemäß, legte den überlebenden Gejelljchaftern ben 
Eid darüber auf, daß der gejchriebene Vertrag (Zevel) in allen jeinen 
Ginzelbeiten ausgeführt worden jet, Gutenberg aber darüber, daß An: 
dreas Drisehn bei jeinem Tode ihm noch 85 Gulden gejchulvet babe, 


Kapitel.) Die „Künfte und Afentur“. 37 


und verurteilte den BVerflagten, nachdem derſelbe dieſen Eid geleiftet 
hatte, zur Zahlung der von ihm nicht bejtrittenen 15 Gulden an bie 
Kläger. i 

Drisehn bat aljo drei verjchievene Verträge mit Gutenberg ab: 
geſchloſſen. Zuerſt erlernte ev von ihm das Steinjchleifen, welches nur 
gelegentlih zur Grläuterung des Verhältniffes zwiſchen Mleifter und 
Schüler berührt ift, dann aber das Spiegelmachen, welches in ven 
Vrozeßalten ausführlich erwähnt wird, und jchlieflich feine ſonſtigen 
„Künfte und Afentur“ (Kenntniffe und Unternehmungen), über deren 
Weſen die gerichtlichen Verhandlungen jchiweigen. Die beiden erſten 
Verträge bedürfen, als ihren Zweck bejtimmt bezeichnend, feiner Er— 
Härung, wohl aber fragt es fich, worin die in dem dritten Bertrage 
genannten „Künjte und Afentur“ beitanden ? 

In Ermangelung faft aller thatjächlichen Anhaltpunkte ift man bei 
Beantwortung diefer Frage lediglich auf Vermutungen bejchräntt, welche 
je nach dem Standpunkte des Urteilenden verſchieden find und fich meist 
feindlich gegenüberjtehen. Da die Gejchichte des deutſchen Buchhandels 
im wejentlichen nicht von den erſten mißglücten Berjuchen, jondern von 
ter gelungenen Erfindung der Buchdruckerkunſt ihren Ausgang zu 
nebmen bat, jo liegt es jelbitredend außerhalb ihrer Aufgabe, in eine 
umftändliche Unterjuchung des obigen Streites einzutreten, Welcher die 
Welt nur deshalb jo lange bejchäftigt und erbittert hat, weil won feiner 
Entſcheidung die Anfprüche von Straßburg und Mainz auf die Ehre 
des eriten Typendruckes bedingt waren. Die leidige Eiferjüchtelei zwi— 
ſchen diejen beiden Städten hat die unbefangene Würdigung des Sach— 
verbalts nur zu lange verhindert. 

Kür den Zwed des vorliegenden Werts reicht alfo die Feſtſtellung 
des heutigen Standes der Forſchung vollfommen aus. Abgeſehen von 
den Altern unbedingten Parteigängern für und gegen Mainz oder Straf- 
burg, welche meift erjt nach wirklichen oder Scheingründen für ihre 
vorgefakte Meinung juchten, jo fünnen bier nur die fachlichen Unter: 
ſuchungen unbefangener Geſchichtsforſcher in Betracht kommen. Der be: 
deutendite von diejen, A. von der Linde, nimmt au, Gutenberg habe fich 
in Straßburg überhaupt noch nicht mit der Erfindung des Typendrucks 
beihäftigt, betrachtet aljo den zulest, im Sommer 1438 abgejchloffenen 
Vertrag leriglich als eine Erweiterung des zweiten und bejchränft Guten: 


38 Weſen derjelben. [Erites 


bergs jtrahburger Thätigkeit auf die Anfertigung von Spiegeln und 
Spiegelrahmen. Dieje Auffaffung jcheint jedoch nicht ganz zutreffend zu 
jein; vielmehr iſt daran fejtzuhalten, daß der Meifter auch ſchon in 
Straßburg mit Vorarbeiten und Verſuchen für den Bücherdruck bejchäf- 
tigt gewejen iſt. Hütte er fich nämlich lediglich der Anfertigung von 
Spiegeln und Spiegelvrahmen gewidmet, jo würden Dritehn und Beil: 
mann gar nicht nötig gehabt haben, einen neuen Bertrag mit Gutenberg 
abzujchließen, va dieſer ohnehin ſchon kontraktlich verpflichtet war, fie in 
allen Einzelheiten jener, durchaus nicht als Geheimnis geltenden Fertig— 
feit zu unterweijen. Anvererjeits geht aus den Zeugenausfagen unzwei- 
deutig hervor, daß „die Künſte und Afenturen‘, zu deren Mitteilung 
fih Gutenberg gegen Zahlung eines neuen Yehrgelves in jenem dritten 
Bertrage anheiſchig machte, geheim waren und geheim bleiben jollten. 
Ältere Foriher dagegen, wie A. E. Umbreit?5, oder die neueften, wie 
A. Wyß?s, folgern aus den in den Zeugenausfagen vorkommenden tech- 
niſchen Ausprüden, wie Blei, Drüden, Preſſe uud Formen, daß bier 
typographiſche Arbeiten gemeint und jedenfalls von Gutenberg ſchon in 
Straßburg in Angriff genommen jeien. 

Es drängt fi hier zumächit Die Arage auf, was die Worte Dflei, 
Drüden, Preſſe und Formen mit den dazugehörigen Stüden in der bier 
gebrauchten Berbindung beveuten? Der Goldſchmied Dünne bekundet 
nämlich, daß er vor etwa drei Jahren (wor dem Prozer), alſo um 1436, 
von Gutenberg an 100 Gulden verdient habe für das, was zum Druden 
gehöre. Bon der Linde erklärt bier mit Recht, daß Das Blei zum 
Spiegelmachen ebenjo unentbehrlich ijt wie zum Zchriftgießen, und daß 
Gutenberg es für feine Spiegel und Formen gebraucht babe, won welch 
letztern ficherlich nicht einmal, ſondern häufig welche eingejchmolzen feien. 
Dünne könne ebenjo gut, wenn nicht bejfer, einzelne Formen und Bilder 
für Gutenbergs Spiegel geprudt haben, zu einer Zeit, wo die Bilver-, 
Brief- und Nartenpruder jo oft den Beiltand der Goldſchmiede in An— 
jpruch nahmen und wo dieſe zugleich Bildſchnitzer und Kormichneiter 
waren. Tas Wort druden jei zudem im 14. und 15. Jahrhundert 
längſt im Gebrauch gewejen und jpäter nur auf den Drud der Bücher 
übertragen worven. Dann aber dürfe nicht überjehen werten, daß 
Diünne ausprüdlich jeine Sejchäftsbeziehungen zu Gutenberg in das Jahr 
1436 fete, alſo in eine Zeit, welche dem dritten und fetten Vertrage vom 


Kapitel.] Preſſe und Fornten, 39 


Sommer 1438 vorausging und der Periode des Spiegelmachens viel 
näher Tiegt. 

Größere Schwierigkeit verurfacht die Erflärung der Stellen, welche 
von der vom Drechsler Konrad Saspach in der Krämergaffe angefertig- 
ten (aljo jevenfalls hölzernen) Preffe und den dazu gehörigen Formen 
handeln. Andreas Dritehn arbeitete in feiner Wohnung, in welcher 
fib bei jeinem Tode auch dieſe Preife befand. Schon furz vor Weih- 
nachten hatte Gutenberg jeinen Diener Lorenz Beilded dahin und zu 
Andreas Heilmann mit dem Auftrage gejandt, alle Formen zu holen, 
welche er dann in Gegenwart des Anton Heilmann einſchmolz (zerließ). 
Kurz nachdem Andreas Dritehn gejtorben, erjchten der genannte Diener 
mit dem Erjuchen jeines Herrn bei Nikolaus Dritzehn, dieſe Preffe nie: 
manvdem zu zeigen, die daran befindlichen beiden Schrauben aber auf- 
zupreben, wodurch die vier Stüde auseinanderfielen, und dieje dann 
in oder auf die Prejfe zu legen, damit niemand fehen könne, was es 
jet. Als aber Nikolaus nach den Stüden juchte, hat er, wie es heißt, 
nichts gefunden. Won der Yinde bringt auch diefe Andeutungen mit der 
Zpiegelfabrifation in Verbindung und denkt fich unter den vier Stüden 
geprägte Metallwände eines Spiegelküftchens mit etwas freien, nach dem 
herrſchenden Zeitgeſchmack jogar leichtfertigen Bildern?” Man muß 
ihm allerdings in ver Annahme beipflichten, daß unter diefen Normen 
fein aus gegofjenen Yettern gebilveter Sat eines abzudrudenden Buches 
verjtanden werden kann. Einmal wäre diefer in Kolumnen abgeteilte 
Satz ohne ein ihn zuſammenhaltendes Bindemittel auseinandergefallen, 
dann läßt Gutenberg dem Drisehn nicht jagen, dieſe Stüde nochmals 
in ihre Beſtandteile zu zerlegen, endlich aber verjtand man damals unter 
Formen feite Tafeln, auf welche man Bilder einfchnitt, um fie mittels 
Reibens abzudruden. Beim Tode Gutenberg wurden von Konrad 
Humery Formen und Buchjtaben ausdrüdlich von einander gejchieden. 
Bewegliche Buchjtaben, wie das die Altern Schriftiteller vielfach voraus- 
jeken, werden nirgends genannt, können alſo auch nicht gemeint gewejen 
jein; allein ebenjo willfürlich ift die VBorausjegung Yindes von dem 
Auseinandernehmen der angeblichen Spiegehvände. Ohne dem Spiel ver 
Phantaſie einen zu freien Flug zu gönnen, kann man angefichts ber 
mangelhaften Zeugenansjagen nur beflagen, daß man über die eigentliche 
Natur des Gejchäfts nichts weiß, vorausfichtlich auch nichts erfahren wir, 


40 Weiterer Aufenthalt in Straßburg. [Erites 


Ebenjo wenig geht aus den Prozeßakten hervor, zu welchem Zwed 
die Preffe gebraucht wurde. Ein Streit darüber ift deshalb unnütz, 
und es mag auch umentjchieven bleiben, ob fie zum Metallprägen jtarf 
genug war oder welchen Zweden fie jonft diente. Wenn nun auch in 
feiner der zahlreichen Zeugenausſagen des Dritzehnſchen Prozeſſes die 
entferntejte Anventung dafür vorliegt, daß die Typographie etwas mit 
Gutenbergs damaligen Arbeiten zu thun hatte, jo iſt es doch höchſt 
wahrjcheinlich, daß er ſchon damals auf jeine Erfindung binarbeitete 
oder daß ihm über jeinen Arbeiten jein Ziel und jeine Aufgabe immer 
klarer wurde, 

Mit dem Urteil in dem Dritehnjchen Prozejfe, alfo vom Jahre 
1440 an, hören nun alle weitern Berichte über Gutenbergs Thätig— 
feit in Straßburg auf. Es ift nicht einmal bekannt, ob überhaupt und 
mit wen er jeine damaligen Arbeiten fortgefeßt, dagegen ſteht es feſt, 
daß er wenigſtens bis 1444 in Straßburg gewohnt bat. Nach einer dort 
gefundenen Urkunde vom 15. Januar 1441°° verbürgten ſich Johannes, 
genannt Sensfleifch, anders auch Gutenberg von Mainz genannt, umd 
Ritter Yenthold von Ramſtein ſolidariſch als Mitſchuldner für eine Rente 
von fünf Pfund Hellern, welche ver Knappe Johann Karle für eine 
gleihe Zumme dem Kapitel der St. Thomastirche verkauft hatte. Am 
15. Dezember 1442 erhielt Gutenberg ferner gemeinjchaftlich mit dem 
jtraßburger Bürger Martin Brechter von dem Zt. Thomasjtift ein 
Darlehn von SO Pfund ftraßburger Pfennigen zu 5 Prozent Zinjen 
und verpfündete zur Sicherjtellung von Kapital und Zinjen die ſchon 
erwähnte, ihm von feinem mütterlichen Onfel Johann Yebeymer an— 
erfalfene jührliche Rente von 10 Gulden. Obige Summe wırde an 
Sutenberg allein ausbezahlt und nie wieder von ihm zurückerſtattet. 
Endlich aber zahlte Gutenberg laut Ausweis des ſtraßburger Heller: 
zollbuchs am 1. September 1443 und 12. März 1444 feine Weinftener. 
Er wird hier im Gegenjat zu einem Sanpwerfer als Konſtabler be- 
zeichnet, ward aljo entweder zu den reichen und edeln Bürgern gerechnet, 
welche feiner Handwerkerzunft zugeteilt waren, oder gehörte zu denjenigen, 
deren Gewerbebetrieb unzünftig war. *° 

Erſt vier Jahre ſpäter tritt Gutenberg wieder urkundlich und zwar 
diesmal in Mainz auf. Am 6. Oftober 1448 erhält er nämlich durch 
Vermittelung eines Verwandten, des Arnold Gellhues zum Echtzeller, 


Kapitel.) Zeitpunkt der Erfindung der Buchdruckerkunſt. 41 


von den beiden Rittern Reinhard Brömjer von Rüdesheim und Henne 
von Rodenſtein wieder einmal ein Darlehn von 150 Goldgulden zu 
5 Prozent Zinjen. Die dafiir ausberungene Sicherheit ftellte der ge: 
nannte Gellhues in der Weberweifung der Miete aus fünf Wohnhäufern, 
weiche ibm in Mainz gehörten. 3° Es iſt aljo ziemlich Har, daR die 
Berjuche des Erfinders in dem Zwijchenraum, innerhalb deſſen auch Die 
leiſeſte Spur von ihm verloren gegangen it, eifrig fortgejegt, wenn auch 
anjcheinend immer noch nicht von Erfolg gekrönt worden waren. 

Endlich gelang der große Wurf. Gerichtsaften und jonjtige glaub- 
würdige Ausjagen weijen auf 1450 als das Jahr der glüdlichen Erfin- 
dung. Oder jollte fie jehon früher feſte Geſtalt gewonnen und greif- 
bare Ergebniffe geliefert haben? Einem jo großen Ereignis gegenüber 
iſt jede, jelbjt die unſcheinbarſte Thatjache oder Äußerung aus älterer 
Zeit der Mitteilung und Beachtung wert. So möge denn wenigiteng 
in den Anmerkungen eine bisher noch nicht veröffentlichte, ſehr pofitiv 
auftretende Auferung des bafeler Auriften Dr. Peter Mengerlin an- 
geführt werden; wenn ihr ohne weiteres Beweisfraft beigelegt werden 
dürfte, jo wäre das Jahr 1446 das der Erfindung. 9 

Gutenbergs Name ſteht auf feinem Titelblatt oder vielmehr in 
feiner Schlußſchrift; allein die Thatſache, daß er ausſchließlich der 
Erfinder der Kunſt ift, wird von feinen Zeitgenoffen Peter Schöffer, 
Urih Zell, Abt Tritheim und Jakob Wimpheling in den wejent- 
licbiten Punkten übereinftimmend betätigt. Die Prüfung ihres Zeug: 
niffes im all jeinen Ginzelheiten gehört nicht hierher und möge bei 
von der Linde nachgelefen werden. Dagegen jei e8 gejtattet, bier noch 
zwei bisher unbekannte oder wenig bekannte Zeugniffe anzuführen. Das 
erite verjelben findet jichb in der bis heute noch ungedruckten Zimmern: 
ſchen Chronik über die mainzer Erzbifchöfe bis zum Jahre 1555. Ahr 
Verfaſſer it Graf Werner Wilhelm von Zimmern (1485 bis 1575). 
„Under der Regierung diejes Erzbiichoffs” — heift es dort wörtlich — 
„wardt erjtlich die Edel Kunſt ver Buchtrudherei zu Maink im der- jtatt 
erfunden durch einen habehaften reichen Bürger daſelbſt Hannes Guden— 
berger genannt, ver alle feine guter und vermögen darauff wenden that, 
biß er es zu wegen bracht.” Diejer 51. Erzbiſchof und 33. Kurfürft 
von Mainz war Theodorih Graf und Herr zu Erbach, welcher von 
1435 bis 1459 regierte. ?? 


42 Gleichzeitige Zeugniſſe für Gutenberg. Erſtes 


Neuerdings hat der hochverdiente baſeler Oberbibliothekar Dr. Y. Sie— 
ber einen ſchon Ende 1470 gebrudten, aber jeitvem in Vergeſſenheit ge- 
ratenen Brief des gelehrten parifer Yeltors und Rektors, des Savoyarden 
Wilhelm Fichet, wieder aufgefunden, den dieſer an den Hiſtoriker Robert 
Gaguin gefchrieben hatte. Er findet fich auf der Rückſeite des zweiten 
Blattes des in Paris geprudten und in Bajel aufbewahrten Buches 
„Gasparini Pergamensis Orthographiae Liber“ und enthält eine be- 
geifterte Verherrlihung ver in Deutichland erfundenen Buchdruckerkunſt 
ſowie ihres Erfinders Johann Gutenberg. „Eine neue Art der Anferti- 
gung von Büchern“, heißt es, „it in Deutjchland erfunden, und ihre Her— 
jteller jtrömen von dort in die Welt, wie einft die Krieger dem Bauche 
des trojanifchen Pferdes entjtiegen. Sie tragen won Deutjchland aus Das 
Yicht in alle Teile der Erde. Dieje Fremden (Kranz, Freiburger und 
Sering) erzählen nämlich, vdak ein Manı Namens Gutenberg jchen 
lange und nicht weit von der Stadt Mainz die Kunſt erfunden habe, 
Bücher, jtatt mit Griffel und Fever zu fehreiben, mit ehernen Buch- 
jtaben zu drucken.“ Fichet ftellt Gutenberg noch über die Göttin Ceres 
und deren den Menſchen erwiejene Wohlthaten, denen fie nur leibliches 
Brot gegeben babe, und erhebt ihn zugleich über die übrigen Götter 
und Göttinnen. Biel wichtiger als diefe Verhimmelung iſt aber Die 
pofitive Thatjache, daß Fichet in ganz unzweideutigen Worten Gutenberg 
als den Erfinder der Buchdruckerkunſt preift und daß er dieſe Thatjache 
offenbar von obigen drei, durch ihn und Johannes a Lapide nad Paris 
berufenen Drudern gehört hatte. Denn es waren faum zwei Jahre 
jeit dem Tode Gutenbergs verfloffen; fie felbjt aber famen aus Baſel, 
wo die Kunſt ſchon jeit des Hanauers Berthold Ruppel Ankunft blühte 
und wo fie, die jpätern parifer Meifter, ihre Kunſt gelernt hatten. Daß 
Gutenberg und fein anderer der Erfinder war, mußte die damalige ge- 
bildete Welt ganz genau wiſſen. 33 

Das geichichtliche Datum der Erfindung der Buchoruderfunit iſt aber 
der 22, Auguft 1450. An diefem Tage nämlich ſchloß Gutenberg einen 
Vertrag mit Johann Fuſt ab, einem reichen Bürger und Goldſchmied 
von Mainz, welcher ihm 800 Goldgulden zu 6 Prozent Zinjen lieh. 
Der Erfinder follte mit diefem Gelde das nötige Werkzeug (Gezüge) zu: 
richten und machen, wogegen letteres bis zur Zahlung der Schuld das 
Pfand des Darleihers bildete, Kerner hatte dieſer am Gutenberg jähr— 


Kapitel.) Vertrag mit Fuſt. Weſen der Erfindung. 43 


lich noch 300 Gulden zu zahlen, um ihn in den Stand zu jeken, ven 
Hauszins und Gefindelohn zu berichtigen, jowie Pergament, Papier, 
Tinte und was jonft zum Druden gehört, zu kaufen. Sollten fich Die 
beiven Kontrahenten in der Folge entzweien, jo muRte Gutenberg dem 
Fuſt das Kapital mit Zinfen zurüdzahlen und fonnte, wenn dies ge— 
ichehen, das von ihm angefertigte Werkzeug als jein Eigentum behalten, 
während es im NWichtzahlungsfalle dem Fuſt anheimfiel. Das Gel, 
welches fie auf den Bücherdrud — „das Werk der Bücher“, wie Guten- 
berg jih in der Klagebeantiwortung bezeichnend ausprüdt — und nicht 
auf die Einrichtung der Offizin verwendeten, follte ald auf das gemein- 
ichaftliche Unternehmen und für den beiderfeitigen Nutzen verausgabt an- 
gejehen werden. Da die zuerjt gezahlten SOO Gulden zur Vollendung 
der Erfindung nicht ausreichten, jo ſchoß Fuſt Ende 1452 dem Gejchäft 
bon neuen 800 Gulden vor, über welche Gutenberg erſt ſpäter Rech— 
nung ablegen jellte. Fuſt würde natürlich diefe Vorſchüſſe nicht gemacht 
haben, wenn er nicht vorher von der Ausführbarfeit der neuen Erfin— 
dung überzeugt worden wäre. Gutenberg andererjeits, nachdem er für 
die Verwirflihung feiner Ideen den letzten Keft feines Vermögens zu— 
geſetzt hatte, ſuchte jelbjt unter den lüftigiten Bedingungen bei einem 
reichen Geldmann Hilfe, weil er nur mit ihr feinen großen Gedanken 
endlich fiegreich ins Yeben führen konnte. 

Worin beftand nun das Weſen und die Bedeutung feiner Erfindung, 
welcher großen Yeiltung verdankt Gutenberg jenen unſterblichen Ruhm? 

Sejchichtliche Unkenntnis und unkritiiche Methode, örtliche Eiferfüchte- 
(eien und beſchränkte Yeichtgläubigfeit, ja Fälſchungen und Entftellungen 
der Wahrheit haben wie auf Verabredung zuſammengewirkt, um Die ur- 
jprünglich klare und einfache Sachlage zu verbunfeln. Es iſt das große 
Verdienſt von der Linde's, das eigentliche Verhältnis für alle Zeiten 
unumſtößlich klar geitellt und Gutenberg den ihm gebührenden ftolzen 
Platz in der Geſchichte gefichert zu haben. Vor Yinde bewegte ſich Die 
quantitativ reiche, aber qualitativ arme Gutenberg -Yitteratur in ben aben- 
teuerlichiten Vorausſetzungen und den unbegründetiten Behauptungen. 
Im wejentlichen liefen diefe darauf hinaus, daß man als erften Anfang 
einen Drud mittels hölzerner Tafeln annahm, als Kortichritt über ihn 
binaus aber die Herftellung hölzerner und beweglicher Buchjtaben als 
das angebliche Verdienſt Gutenbergs pries, Peter Schöffer dagegen ben 


44 Weſen der Erfindung. [Erjtes 


Kern der eigentlichen Erfindung, die Herftellung gegoffener Yettern, zu- 
ichrieb. Nun Hat Gutenberg die Kunft des Drudens überhaupt nicht 
erfunden, weil die Druderfunft viel älter ijt als jeine Erfindung. Schon 
das 12. Jahrhundert kennt den Zeugdruck, Buchbinder- und Tijchler- 
prejjen. Im 14. Jahrhundert gibt es bereits Prenter — im Englijchen 
heißt heute noch der Buchdrucker Printer — Briefpruder und Karten: 
druder. Der ältefte befannte Holzichnitt, ver heilige Chriſtoph, trägt die 
Jahreszahl 1423. Um dieſelbe Zeit, wenn nicht früher, fing man an, 
Heiligenbilder auf Holztafeln einzujchneiden und abzudrucken. Auch die 
gejchnittenen unbeweglichen Holztafeln wurden ſchon fange wor Gutenberg 
zum Druck, wenn auch nur weniger Zeilen, meiftens zu Über: und 
Unterjchriften benußt. Zur Herftellung ganzer Seiten, gejehweige denn 
großer Folianten, genügt der bewegliche hölzerne Buchjtabe aber nicht. 
Dazu iſt er zu weich und fein Segel zu wenig gleichförmig. Alſo auch 
nicht die Beweglichkeit und Selbitändigfeit der Yettern, fondern die rich- 
tige Art der Typenbildung war der Gedankenblitz der Erfindung Guten— 
berge, wie das Mappen und von der Yinde überzeugend begründet 
haben. 3? Bei der Herſtellung der Typen ift, wie das von der Yinde 
näher ausführt, bekanntlich der Stempelſchneider die wichtigfte Perjon. Er 
arbeitet mach einer gezeichneten Borlage den Buchſtaben verfehrt und er- 
haben in Stahl aus. Dieſer Stabljtempel heißt Patrize. Die Patrize 
wird in ein Kupferjtäbchen eingejchlagen, das dann den Buchjtaben recht 
und vertieft zeigt. So entitcht Die Matrize, welche die Norm für den 
zu gießenden Buchitaben bildet. Zu diefem Zwed wird die Matrize am 
Grunde des Gießwerkzeugs eingelegt. Die Vervielfältigung der Typen 
durch den Guß kann dann vor fich gehen. Die aus einer Metallmiſchung 
— anfünglich wurde dabei Eiſen und Zinn mit verwandt — beftehenve, 
gegoffene Druckletter zeigt ein Abbild ver Patrize; fie wird zuletzt durch 
Abbrechen des Angufjes, Abhobelung bis auf die Kegelhöhe und Schleifen 
jagtauglich gemacht. „Das Werk ver Bücher” alſo, d. h. die Möglich- 
feit der unbegrenzten Vervielfältigung durch den Aborud von metallenen, 
aneinander gejegten Typen von gleichem Kegel und die dadurch ge— 
aebene Yeichtigfeit, Kolianten und alle Formate in taujend und mehr 
Exemplaren berzuftellen, dieſe unſchätzbare Errungenjchaft verdankt die 
Welt Gutenberg. Erjt jeitvem die Typen binfichtlich der Kegelgröße im 
Verhältnis einer geometriichen Präzifion zueinander ftehen, kann man 


Kapitel] Gutenbergs erjte Drude, 45 


wirflih Bücher pruden. Wenn die Thypen jchlecht jufttert find oder auch 
nur ein einziger Buchitabe einer beſtimmten Schriftgattung, 3. B. das a, 
nur um ein Geringes größer ijt als die übrigen desſelben Gufjes, jo 
werden fie ſämtlich bei der Zufammenjegung die Folgen dieſes Mangels 
zeigen. Die Unregelmäßigfeit der Yinien, in der eriten Zeile kaum wahr- 
zunehmen, kommt jchon im ver zweiten deutlich zum Vorjchein. Der 
Fehler nimmt mit jeder Zeile zu, bis zulett die Typen einen Herentanz 
ausführen, vejjen der Schriftjeger nicht mehr Herr werden kann. Cine 
äußerjt geringe Ungenauigkeit aljo, welche bei einem andern Gegenjtande 
ganz umbeachtet bleiben könnte, hebt beim Druden ven ganzen Vorteil 
der beweglichen Typen auf. Linde gibt in feinem Werke ein Beiſpiel 
von zwei Typen verjchievenen Kegels, eines a und e, welche beide nur 
000 eines Zolles größer find als die übrigen und welche die Folgen 
diejer Ungleichheit bereits in der 15. Zeile des höchſtens 4 cm breiten 
Petitjages in ſolchem Maße zeigen, daß man fich beim Yejen kaum 
berausfinden kann. 

Gutenberg bat aljo die Kunſt erfunden, mit beweglichen gegofjenen 
Typen Bücher zu druden, und mit der Ausübung diefer Kunſt um 1450 
begonmen. So weit reicht die verbürgte Gejchichte. Die nächften Fragen: 
Was bat Gutenberg gedruckt, und: welches ijt jein erſtes Werf? laffen 
fih zur Zeit noch nicht beantworten. Das Zeugnis der befannten Köhl— 
hoffſchen kölner Chronif aus dem Jahre 1499, welches ſich auf eine 
angebliche Erzählung von Ulrich Zell aus Hanau, dem erjten kölner 
DTruder, ftüßt, jagt zwar: „Und in dem Jahre unſeres Herrn, da man 
ſchrieb 1450, begann man zu druden, und das erjte Buch, das man 
drudte, war die Bibel in lateinifcher Sprache, und es ward geprudt 
mit einer großen Schrift, mit welcher man Meßbücher druckt.“ Will 
man aber jelbjt diefer nach mündlicher Überlieferung anfgezeichneten 
Nachricht ohne weiteres Glauben ſchenken, jo tnucht Doch die neue Frage 
auf, welche ver beiden Bibeln, die hier in Betracht fommen fünnen, 
der Chronijt gemeint hat. Es gibt nämlich zwei Ausgaben, beide mit 
Miſſalſchriften gedruckt, deren eine 36 Zeilen auf jever Seite hat und 
deshalb Die jechsundpreifigzeilige oder nach ihrem Entdecker die Schel— 
bernjchbe Bibel genannt wird, und die aus gleichem Grunde jo genannte 
zweiundvierzigzeilige Bibel, die auch Mazarin-Bibel heißt, weil fie zuerſt 
in ver Bibliothek dieſes Kardinals wieder auftauchte. Es gibt nun 


46 Gutenbergs weitere Schidjale. Erſtes 


Bibliographen, wie Madden, von der Linde, de Vinne, welche dieſe beiden 
Bibelausgaben dem Erfinder Gutenberg zuſchreiben, aber es gibt auch 
ſolche, welche dieſe Rieſenarbeit für einen Drucker für unmöglich halten 
und ihm nur eine derſelben, die zweiundvierzigzeilige, laſſen. Thatſache 
jedoch iſt, daß die Schriftarten, mit welchen beide Bibeln gedruckt ſind, 
auch in andern Drud-Erzeugnijjen wieder vorfommen, die von andern 
Dritdern bergejtellt wurden; die Schriftgattung der ſechsunddreißigzeiligen 
Bibel nämlich bei Albrecht Pfiiter in Bamberg, die der zweiundvierzig- 
zeifigen bei Peter Schöffer in Mainz. Ebenſo finden fich die Charaktere 
des gleichfalls Gutenberg zugejchriebenen „Catholieon” von 1460 in dem 
„vocabularium ex quo’ von 1467, welches die Bechtermünze in Elt- 
ville drucdten, Helfen fih nun die Bibliographen diejer nicht wegzu— 
feugnenden Thatjache gegenüber mit der Erklärung, daß die betreffenven 
Schriftgattungen urfprünglich Gutenbergſche Typen geweſen, jpäter aber 
in den Beſitz der genannten andern Druder gelangt und dann weiter 
von diejen benußt worben ſeien, jo kann dieje Annahme ebenjo gut richtig 
als Faljch jein; jedenfalls aber liefert fie feinen Beweis. Die Gejchichte 
fennt zwar den Namen des Mannes, von welchem die Erfindung aus- 
gegangen ift, fie kennt auch den ungefähren Zeitpunft und den Ort ihrer 
Entjtehung; allein der große, That gewordene Gedanke des Erfinders ift 
nicht in einem unzweifelhaften Werke in unbedingt greifbarer Geftalt 
auf die Nachwelt gefommen. Die Gejchichtjehreibung fteht hier bis jetzt 
zahlloſen Zweifeln gegenüber und ficht fich, vorläufig wenigſtens, darauf 
angewiejen, die erjten Druckdenkmale nach ven erfannten Typengeſchlech— 
tern zu prüfen und zu vergleichen, Gutenbergs Anteil daran aber auf 
jich beruben zu laſſen. 

Über das fernere Schiefjal des Erfinders geben zwei Urkunden Auf- 
ſchluß, von denen die eine, das ſogenannte Helmaspergerjche Injtrument 
vom 6. November 1455, von dem Prozek erzählt, welchen Johann Fuft 
gegen Johann Gutenberg wegen Nüdzahlung eines ihm gegebenen, oben 
erwähnten Darlehns angejtrengt hatte. Die andere, Dr. Konrad 
Humerys Urkunde, bejteht aus einem von letterm ausgejtellten Doku— 
ment vom 24. Februar 1468, wonach er ſich dem Erzbijchof Adolf von 
Mainz gegenüber verpflichtet, das von dem verftorbenen Johann Guten- 
berg binterlaffene und ihm gehörige Druckwerkzeug thunlichft nur in der 
Stadt Mainz zu veräußern. Auf diefen beiden Urfunden beruben alle 


Kapitel.) Gutenbergs Prozeß mit Fuft. 47 


Nachrichten, welche jowohl über das Affociationsverhältnis Gutenbergs 
mit Johann Fuſt für die erjte Druckerei, als auch über die Errichtung 
von Gutenbergs zweiter Druderei mit den Mitteln des Dr. Humery 
verbreitet find. Die Echtheit beider Urfunden wird in neuerer Zeit 
aus mancherlei Gründen, bejonders wegen der zu damaliger Zeit un— 
gewöhnlichen Schreibweife des Namens „Gutenberg“ und „Guttem— 
berg“ ftatt des jonjt urfundlich vorfommenden „Gudenberg“, angezweifelt. 
Sollten diefe Zweifel jemals durch jtichhaltige Bewetje ihre Bejtätigung 
finden, jo würde dadurch allerdings der Gejchichte des ausübenden Buch— 
pruders Gutenberg jeder tbatjüchliche Boden entzogen, während den— 
noch der gejcbichtlich beglaubigte Erfinder Gutenberg unanfechtbar 
ver Kritik ftanphalten wird. 

Noch aber darf die Gejchichte jene zwar bezweifelten, jedoch nicht 
als unecht erwieſenen Dokumente nicht verleugnen, und jo müſſen auch 
notwendigerweije die weitern Schiefjale Gutenbergs im Zuſammenhange 
mit ihnen erzähft werden. Zunächſt aljo enthält der Notariatsaft von 
Ulrich Helmasperger eine furze Gejchichtserzählung famt dem Tenor des 
Urteils. Danach jtellt ſich der Sachverhalt wie folgt: Auf Grund 
eines fehriftlichen Übereinfommens hatte Fuft den Johann Gutenberg 
auf Zahlung von zwei SKapitalien zu je 800 Gulden nebft Zinjen zu 
390 Gulden und Zinjeszinjen zu 36 Gulden, im ganzen auf 2020 Gul— 
ven (jtatt eigentlich 2026 Gulven) verflagt. Davon waren die erjten 
800 Gulden, wie oben bemerft, zur Herftellung ver Druderei geliehen 
und die andern SOO Gulden jpäter zur Vollendung des angefangenen 
Werkes noch hbergegeben, beziehungsweiſe von Fuſt, wie er behauptete, 
bei Ehriften und Juden gegen außerordentliche Opfer aufgenommen. 
Gutenberg entgegnete, daß er den erjten Poften von 800 Gulden nicht 
volljtändig erhalten habe, und berief ſich auf eine mündliche Zuficherung 
des Fuſt, daß er feine Zinfen zu zahlen brauche. Sodann wandte er 
ein, daß der Kläger fich verpflichtet habe, ihm jährlich 300 Gulden für 
Miete und Pohn, jowie zur Anjchaffung von Werkzeugen, Papier, Perga— 
ment und Tinte zum Druden zu zahlen. Er jei bereit, über die zuletzt 
empfangenen 800 Gulden Rechnung abzulegen. Das Gericht, indem es 
die verlangten Zinjen teilweije, die Zinjeszinjen aber ganz abwies, er- 
fannte dahin zu Necht, daß Gutenberg feinem Antrag gemäß über feine 
Einnahmen und Ausgaben bei dem zu beiderjeitigem Nuten unternom- 


48 Gutenbergs Prozeß mit Fuft. Erſtes 


menen Werk der Bücher Rechnung ablegen ſolle, und was er darüber 
hinaus empfangen habe, das ſolle in Die SOO Gulden gerechnet werden 
(als Abſchlagszahlung gelten); habe er aber laut Rechnung mehr als 
800 Gulden ausgegeben und dieſelben nicht auf ven Betrieb ver Buch— 
druderei verwandt, jo müfje er das zurüderftatten. Wenn endlich Fuft 
durch einen Eid oder Kundſchaft ven Beweis liefere, daß er die betref- 
jende Summe gegen Zinjen aufgenommen babe, dann jolle ihm Guten- 
berg dieje Zinjen „laut des Zettels” zahlen. Over mit andern Worten: 
Gutenberg hatte Rechnung abzulegen, nicht über die Verwendung jener 
800 Gulden, die er zur Herftellung der Druderei erhielt, ſondern nur 
über die von ihm geführte finanzielle Haushaltung beim Betriebe des 
gemeinjchaftlichen, in der Ausübung der Druderei jelbft beftehenven Ge— 
ſchäftes.“ Weiſe fih durch dieje Nechmungsablage aus, daß er nicht 
alle die für das gemeinjchaftlichen Gejchäft erhaltenen Gelder in dasjelbe 
verwandt babe, jo jolle er für das Minus Fufts Schuldner fein und 
das Geld dann zu dem Stapital von 800 Gulden gejchlagen werten, 
wofür Fuſt ein Pfand auf die Druderei hatte. Fuſt leiftete am 6. No- 
veniber 1455 den ihm auferlegten Eid; Gutenberg erjehien nicht im 
Termin. Ob, wie und wann jpäter die Auseinanderjegung erfolgte oder 
wie der Prozeß jelbjt beendigt wurde, darüber ſchweigt die Helmasperger- 
ſche Urkunde und darüber find auch feine jonftigen Angaben vorbanden. 
Man nimmt aber an, daß Gutenberg feinem Gegner die als Sicherheit 
zum Pfande bejtellte Druckerei babe lafjen müffen. 

Saft allgemein hat man Fuſt wegen diejes Prozeffes als einen berz- 
Iojen Wucherer angegriffen, Gutenberg aber als unjchuldiges Opfer jeiner 
Gutmütigkeit oder gejchäftlichen Unerfahrenheit bemitleivet. Dieje Vor- 
würfe und Klagen find jedenfalls übertrieben. Zunächſt hatte Fuſt jeinem 
Schuldner durchaus feine unerjchwinglichen Beringungen gejtellt. Sechs 
Prozent Zinjen waren zu jener Zeit am fich nicht hoch zu nennen und jo- 
gar gering im Verhältnis zum möglichen Berluft. Wie nahe eine ſolche 
Gefahr vom finanziellen Gefichtspunfte aus lag, wie Hein die Zahl ver 
glüdlichen und einträglichen Erfindungen jtets gewejen und auch jekt 
noch ijt, das wußte damals jo gut wie heute jever Kapitalif. Dann 
machte Fuſt übrigens auch nicht gleich von jeinem Rechte Gebrauch, als 
die neue Kunſt fich nicht zahlte, Ohne durch eine beſchränkende Klauſel 
des Vertrages gebunden zu fein, wartete er vielmehr bis 1455, ebe er 


Kapitel.) Fufts Verhalten als Gläubiger. 49 


fich für jeine Forderung dedte. Er bat gehandelt, wie die große Mehr- 
zabl ver Gläubiger ftet3 gebanvelt hat und handeln wird. Je genialer 
ber Erfinder, deſto eher verrechnet er ficb in der Zeit und in der mate- 
riellen Ausmugung jeiner Erfindung. Man jet nur zn oft diejen all- 
gemeinen Erfahrungsjaß auch dann noch aus den Augen, nachdem jich 
ver urjprüngliche Gefichtspunft geändert bat und ber greifbare Erfolg 
an die Stelle ver Möglichkeit des Gelingens getreten ift. Kann man 
mit Recht verlangen, daß ein Geldverleiher, um fich einen ihm völlig 
gleichgüftigen guten Ruf bei der Nachwelt zu fichern, jein Kapital fahren 
läßt umd fich jelbft, wenn nicht zum armen Manne, jo doch zur ftarf 
verlierenden Partei macht? Man vergegenwärtige fich nur die That- 
ſachen. Fuft hatte ſich als vorfichtiger Kapitalift mit Gutenberg affo- 
ciiert, nicht um erjt eine Erfindung zu machen, ſondern um eine bereits 
gemachte gejchäftlich mit ihm auszubeuten. Als er im Auguft 1450 das 
Kapital bergab, war die Möglichkeit der gejchäftlichen Verwertung der 
Kunft auch jchen erwiefen. Es dauert aber fünf Jahre, bis nennens- 
werte, aber noch lange nicht einträgliche Erzeugniffe bergeftellt find. 
Da klagt Fuft im November 1455. Wie oft mag Gutenberg in der 
Zwijchenzeit jeinen Gläubiger vertröftet, ihm Zahlung verjprochen und 
dieje nicht eingehalten haben! Dit es Fuft num jo jehr zu verdenken, daß 
er, mißtranifch in den pefuniären Erfolg geworden, fich bei der erjten 
günjtigen Gelegenheit für jeine Vorſchüſſe bezahlt zu machen jucht? Bei 
einem anfangs jo zweifelhaften Gejchäft, wie dem vorliegenden, pflegt 
zudem ein vorfichtiger Gläubiger nur im Falle der äußerſten Not zu 
lagen. Wer binderte andererjeit8 Gutenberg, feine Erfindung, die er 
mit Fuſts Gelve vervollfommmet und vollendet hatte, zu viel billigern 
Beringungen an einen Dritten zu vwerfaufen oder mit dieſem auszu— 
beuten? Wenn auch bier die Perjon des Schuldners eine derartige 
Möglichkeit ausichließt, jo muß der Gläubiger doch ftets das Moment 
ver Sicherheit in Rechnung ziehen. Fuſt beſchwört vor Gericht, daß er 
bei Juden und Chriften Geld zu den, Gutenberg berechneten Zinjen auf- 
genommen, um die ausbenungenen Vorſchüſſe leiften zu fünnen. Er hat 
aljo offenbar aus dem Zinsfage feinen unerlaubten Vorteil für fich ge— 
zogen. Endlich aber ijt es ein ganz legitimes Gejchäft, daß fich Fuſt 
die, wenn nicht ganz, doch zum Zeil wenigftens von feinem Gelde an- 
gefertigten Typen, Formen und Werkzeuge als Sicherheit für feine 
stapp. I. 4 


50 Gutenbergs Berbindung mit Gumery. Erſtes 


Forderung verpfänden ließ. Wenn nun Gutenberg ſich über die un— 
mittelbare finanzielle Einträglichkeit ſeiner Erfindung namentlich deshalb 
täuſchte, weil fie anfangs höchſtens lotweiſe wieder einbrachte, was pfund— 
weife an Herjtellungsfeften und beim Gejchäftsbetrieb daraufging, jo 
fann man doch Fuft vom gejchäftlichen Standpunkte aus nicht zumuten, 
daß er unter diefer faljchen Rechnung leiven joll. 

Übrigens wurde es Gutenberg nicht ſchwer, einen andern Kapitalijten 
für fich zu gewinnen, denn nach der obenerwähnten zweiten Urfunve 
nimmt man an, daß er, nachdem er jo glänzende Beweije von der Aus- 
führbarfeit feiner Erfindung gegeben hatte, einen ſolchen in der Perjon 
des Dr. Konrad Humery fand, welchen er gleichfalls jeine Druderei 
als Pfand verſchrieb. Man glaubt ferner, daß Gutenberg num ganz 
nene Typen gegofjen und außer zwei fleinen undatierten Schriften von 
Matthäus de Gracovia und Thomas von Aquino nur wenige Jahre 
ipäter (1460) ein drittes Niejenwerf zu Stande gebracht babe. Es war 
dies die berühmte erite Ausgabe des „Catholicon“, einer damals ſehr 
beliebten und vielgebrauchten grammatikaliſch-lexikaliſchen Kompilation 
des Dominikanermönchs Johannes Balbus aus Genua, ein Foliant von 
373 zweiſpaltigen, enggedruckten Blättern, der übrigens im Schnitt der 
Typen, der Regelmäßigkeit des Satzes und der Eleganz der Ausſtattung 
bedeutend hinter der zweiundvierzigzeiligen Bibel zurückſteht. Die ſeit— 
dem in den Wiegendrucken ziemlich allgemein gewordene lateiniſche Schluß— 
ſchrift des Druckers lautet auf Deutſch wörtlich: „Unter dem Beiſtand 
des Allerhöchſten, auf deſſen Wink die Zungen der Kinder beredt wer— 
den und der oft den Kleinen offenbart, was er den Weiſen verbirgt, iſt 
dieſes vortreffliche Buch Catholicon im Jahre der Menſchwerdung des 
Herrn 1460 in der guten Stadt Mainz, angehörig dem ruhmreichen 
deutſchen Volke, welches die Gnade Gottes mit ſo hohem Geiſteslichte 
und freiem Gnadengeſchenke den übrigen Nationen vorzuziehen und be— 
rühmt zu machen für würdig gehalten hat, nicht vermittelſt des Rohres, 
Griffels oder der Feder, ſondern durch der Formen (Matrizen) wunder 
volles Zuſammenpaſſen, Verhältnis und Ebenmaß der Patronen (Patri— 
zen) gedruckt und vollendet worden. Darum ſei Dir, heiliger Vater, 
dem Sohne ſamt dem heiligen Geiſte, als dem dreifachen und einigen 
Gott, Yob und Ehre gegeben. In den frommen Lobgeſang der Gemeinde 
ſtimme auch durch dieſes Buch mit ein, der es nimmer unterlaffe, die 


Kapitel.) Technische Vollendung der erjten Drude. 51 


fromme Maria zu loben, Gott jei Dank!“ Obgleich fich Gutenberg 
nicht nennt, jo hält man es doch für feinem Zweifel unterworfen, daß 
er der Druder war, denn man weiß von feiner andern Druderei, welche 
1460 noch außer der Fujt und Schöfferjchen beftanven bat. Dieje hatte 
auch feine ver im „Catholicon“ verwandten Typen, dagegen jtimmen 
vie legtern, wie bemerkt, genau mit denen des „Vocabularium teuto- 
nicum“ überein, welches laut Schlußjchrift die beiden Brüder Heinrich 
und Nikolaus Becbtermünze 1467 in Eltville geprudt haben. Ihnen, 
jeinen Verwandten, joll nämlich Gutenberg den Gebrauch jeiner 1465 
nach diejem Orte verlegten Druderei überlafjen, er jelbjt aber wahr- 
jcheinlich jeinen Namen deshalb nicht unterzeichnet haben, weil er noch 
Schulden hatte und jich einer Beſchlagnahme jeiner Preferzengniffe nicht 
ausjegen wollte, 

Gleich im ihren erjten Yeiftungen tritt übrigens die junge Kunſt in 
imuftergültiger Abrunvung, Reife und Vollendung auf. Was auch jpütere 
Übung und Erfahrung in untergeordneten Einzelheiten an Typen, Preſſen 
und Schwärze geänvert haben mögen, im Verhältnis zum Ganzen find 
alle dieſe Berbejjerungen nur unbedeutende. Der bleierne Buchſtabe ift 
noch heute derjelbe, wie vor mehr als vwierhundert Jahren in den Typen 
Gutenbergs. Im den allererjten Druden war die Juftierung der Schrift 
ungenügend gewejen, ſodaß diejelbe uneben und unrein ausjah. Dieſer 
Fehler verjehwindet aber jchon nach ein paar Jahren. Wenn es auch 
feines Beweijes dafür bevurft hätte, daß ſchon in den erjten Jahrzehnten 
nach Erfindung der Kunft, ja von Anfang am nicht mit Holzbuchitaben, 
jonvern mit bleiernen Typen gedruckt wurde, jo liefert ihm der wichtige 
Fund des Bibliographen 3. P. A. Madden in Johann Nivers „Trac- 
tatus de morali lepra“, welcher von Konrad Winters aus Homberg 
zwiſchen 1476 und 1482 in Köln gedrudt wurde Mappen entdeckte 
nämlich auf einer Seite diejes Werfes den Abdruck einer ausgefallenen 
Metalitype mit ver Signatur (Einjchnitt an der Vorderſeite des Kegels) 
für den Griff des Schriftjeßers, ganz wie dieſer fich heute noch unver- 
änvert im täglichen Gebrauch findet. 3% 

Das Pialterium von 1457 wird in vornehmer Würde und Schön: 
beit kaum von den vorzüglichiten typographiichen Erzengniffen ver Gegen— 
wart übertroffen. Wenn bei ven gewaltigen Kortjchritten, welche die Tech- 
nif und der Dampf in unjern Tagen bewirft haben, auch die heutige 

4* 


52 Plünderung von Mainz. Gutenberg in Eltville. Erſtes 


Buchdruckerpreſſe ſchneller und wohlfeiler druckt als die alte hölzerne 
Handpreſſe, jo iſt das Weſen ihrer Benutzung doch ganz dasſelbe, Papier 
und Schwärze ſind aber in den Inkunabeln viel beſſer und namentlich 
dauerhafter als bei der Mehrzahl der heutigen Bücher. Heutzutage 
werden die erften Denkmäler der mainzer Preſſe förmlich mit Gold auf: 
getvogen. Ein Pergament-Eremplar der ziweinndvierzigzeiligen Bibel wurde 
von Merlin de Thionville, als er ſich 1793 als franzöfifcher Negierungs- 
fommifjar in Mainz anfhielt, aus der dortigen Univerfitätsbibliothef ge: 
jtohlen und dem Buchhändler Nicol in Yondon verkauft, welcher es für 
504 Pr. St. dem bekannten dortigen Bierbrauer Perfins überließ. Im 
Fahre 1868 mit deſſen Bibliothef veräußert, brachte e8 3400 Pr. St. 
oder 68000 Mark, während ein Papier-Erenplar derjelben Bibel für 
2648 Pfr. St. oder 52960 Mark aus der genannten Sammlung ver: 
fauft wurde. Das Pergament-Eremplar in der reichen Klemmſchen In- 
funabeln- Sammlung in Dresvden hat 66000 Mar gefoftet. Wie bejcbei- 
den man in Deutjchland noch vor faum fünfzig Jahren über den Wert 
derartiger Schätze dachte, das beweift am beften der Cintrag einer 
Schätzung Jakob Grimme in ein anderes Papier-Eremplar ebenverjelben 
Bibel, welche der göttinger Univerfitätsbibliothef gehört und deren Wert 
von dem berühmten Gelehrten auf nur 500 Thaler veranjchlagt wurde. 

Nicht lange nach der Ausgabe des „Catholicon“ brab in Mainz 
der offene Kampf zwijchen ven beiden einander befehvenven Kurfürften 
aus, indem dieſe nach einem verworrenen Intriguenjpiel endlich zu den 
Waffen griffen (1462). Adolf von Naſſau befiegte den Erzbifchof Dietber 
von Iſenburg, nahm vie Stadt Mainz im Sturme und plünderte fie 
nicht allein, jondern beraubte fie auch ihrer Freiheiten. Gutenberg jcbeint 
jich erjt nach der Kataſtrophe nach dem benachbarten Eltville begeben zu 
haben, wo er am 17. Januar 1465 vom Erzbiſchof Adolf „für die ihm 
und jeinem Stifte geleifteten willigen Dienfte” zum Lebenslänglichen Hof- 
dienjte angenommen wurde. In ſolchem erhielt er alle Jahre ein neues 
Kleid, gleich dem übrigen gemeinen Hofgefinde, 20 Malter Korn und 
2 Fuder Wein, ſodaß ev wenigjtens vor Nahrungsjorgen gejchütst 
war. Die Worte der Beltallung deuten jedoch auf ein lediglich per- 
jönliches Verhältnis des Erzbiſchofs zum Meifter und fchliefen die An- 
nahme einer fargen Belohnung für feine große Erfindung unbedingt 
aus. Yange genoß Gutenberg feine Ruhe nicht mehr, denn er jtarb zu 


Kapitel.) Gutenbergs Tod. Sein Charatterbild. 53 


Anfang des Jahres 1468, wahrjcheinlich in ven letzten Tagen des Januar, 
68 befundet wenigftens Konrad Humery in feiner Erklärung vom 24. Fe— 
bruar 1468, daß der Erzbifchof ihn im Befite ver Druderei des ver- 
ftorbenen Johann Gutenberg gelaffen habe. 

So jpärlich nun auch die Quellen über den äußern Yebensgang und 
die innere Entwidelung des Erfinders berichten, jo liefern doch die ge- 
ringen auf die Nachwelt gefommenen Bruchitüde die wejentlichiten Züge 
zu jeinem Gharafterbilve. Gleich in den erften Zeugniffen feiner Zeit- 
genofjen erjcheint Gutenberg im vollen Yichte feiner fpätern Bedeutung 
als hervorragender Technifer, vieljeitiger Künstler und ein in feiner Bil- 
dung bereits fertiger Menſch. Da ift feine Spur von jener weltſchmerz— 
lihen Zerfahrenbeit oder übervorteilten Großmut, welche jentimentale 
Sejchichtspilettanten und Romanjchreiber dieſem willensftarfen, eifernen 
und ſchließlich alle Hinverniffe befiegenden Genius angedichtet haben; 
nein, in ihm tritt von Anfang an fein bloßer Projektenmacher, wie heute 
der Ausorud lauten würde, jondern ein ſelbſtbewußter Charakter auf, der 
genau weiß, was er will und was er kann. Weit großem geiftigen 
Können vereinigte er eine gründliche Beherrichung der technifchen Einzel- 
beiten und einen freien, ungetrübten Blick. Aus einem alten und reichen 
Patrictergejchlecht einer Freien Reichsſtadt ſtammend, nimmt Gutenberg 
durch Geburt und bürgerliche Stellung einen höhern und unbefangenern 
Stanppunft ein als die zünftigen Meifter und Handwerker feiner Zeit. 
Auch Die damaligen Univerfitäten jtehen ihm ebenjo fern, als fie fich 
gegen das außerhalb ihrer ſcholaſtiſchen Hörſäle auffeimende neue Yeben 
ängftlich abiperrten. Die Buchdruckerkunſt geht deshalb auch nicht ven 
einer Univerfität aus, ſondern wird in einer freien Stadt zuerit geplant 
und jpäter erfunden, und blüht ſodann in Städten, in welchen bürger- 
liches Gewerbe, Handel und Kunft vorzugsweiſe die Thätigfeit der Ein— 
wohner bilden. 

Mag er durch eigene, mag er durch fremde Schuld vom Schickſal 
bin und her gejchleudert werden, mag er mehr Niederlagen als Siege 
im Kampfe mit dem Leben zu verzeichnen haben, dieſer tapfere Mann 
nimmt immer von neuem jeine Idee wieder auf, welche ihn jahrzehnte: 
lang im ihrem Bann hält. Im allen, ſelbſt ven jchwierigiten Yagen 
bält ihn der frohe Mut ver Überzeugung von ihrer Ausführbarteit 
aufrecht. Der Stern in jeiner Bruft, an den er felienfeit glaubt, 


54 Charakterbild Gutenbergs. Erſtes 


läßt ihn nicht ruhen, bis er den Siegespreis errungen hat. Was 
wollen einem ſolchen Erfolge des Genius gegenüber die Heinen Nacken— 
ichläge des Schickſals bedeuten, was wollen der Unſterblichkeit gegenüber 
ein paar in Sorgen und Not verbrachte Jahre jagen? Gutenberg batte 
eben feine Zeit, Geld zu verdienen, ev hatte wiel Befferes zu thun. 
Trotzdem, daß er von Haufe aus wohlhabend, ja reich war, befand er 
fich fast immer in Nöten, brauchte natürlich immer mehr, als er vor: 
ausgejegt und zu verausgaben hatte, weil er, wie jeder Erfinder, jene 
Voranjchläge zu niedrig machte und durch feine nicht hoch genug ge- 
griffenen Korverungen jelbitrevend das Mißtrauen der Geſchäftsleute er- 
weden mußte. Seine Schüler find unbedingt von feiner geiftigen über— 
legenheit durchdrungen und halten das Fehlſchlagen jeiner Pläne für 
unmöglich. „Es kann uns (mit Gutenberg) nicht mißlingen‘, jo er- 
widert Andreas Drisehn auf die Eimvendungen feiner Nachbarn. Hans 
Riffe fett fein vollſtes Vertrauen in den Meifter; die Erben, Gebrüder 
Drisehn, ſuchen ibm ihre Aufnahme in den Gejellichaftsvertrag aufzu- 
drängen. Die Hochachtung, mit welcher die Zeugen im Dritzehnſchen 
Prozek von ihm jprecben, beweift, dar er damals ſchon ein Mann von 
anerkannten Charakter, ein geborener Führer war, der durch feine Arbeit 
und Erfolge ſich eine bedeutende perjönliche Stellung eriworben hatte und 
mit der Macht jeiner Beredſamkeit auch den Beiftand Dritter bei ver 
Ausführung feiner Pläne fich zu fichern verſtand. Nachdem er fein Ber: 
mögen oder wenigjtens feine bereiten Mittel aufgezehrt hatte, nabın er 
auch wohl zu verwegenen, noch heutzutage üblichen Künften einer ge 
wagten Geldbeſchaffung jeine Zuflucht, indem ev Waren auf Kredit kaufte 
und jofort gegen bar wieder verkaufte, jeine veichen Verwandten in Mit 
leidenſchaft zog, oder gegen Pfand lich, bis er endlich bei ein paar reichen 
Yenten die zur praftijchen Durchführung feiner Erfindung nötigen Kapi— 
talien auftvieb. Dabei war er durchaus nicht leichtfinnig. Ehe er auf 
Kredit Fauft, um durch fofortigen Wiederverfauf gegen bar Geld zu be- 
ichaffen, erkundigt er fich genau nach ven Artikeln, welche eine jolche 
Operation mit dem gerinaften Schaden ermöglichen. Als ipekulativer 
Kopf weiß er ein gewinnbringendes Geſchäft jehr aut zu würdigen, wie 
das die Spiegelanfertigung für die aachener Heiltumsfahrt beweift ; aber 
als echtes Erfindergenie ift er wieder jo gleichgültig gegen den eigenen 
materiellen Vorteil, daß er ſich ganz auf diejelbe Stufe mit feinen Lehr— 


Kapitel.) Gutenbergs Eharafterbild. 55 


lingen ftellt, welche nur ein paar hundert Gulden zu ven Herſtellungs— 
fojten beitragen. Wäre Gutenberg während des Gejellichaftsvertrags 
mit Riffe, Drisehn und Heilmann geftorben, jo hätten dieje, gegen Aus— 
zahlung ven 100 Gulden an feine Erben, das ganze Gejchäftsinventar 
an fich nehmen und jeine Erfindung als die ihrige ausbeuten fünnen. 
Auch Fuſt gegenüber fühlte er fich jo ficher, daß er nicht einmal einen 
Termin bejtimmte, bis zu welchem das Geld zurüdbezahlt werden follte. 
Im Geiſte ſieht er nach Art aller großen Erfinder feine Pläne jchen 
verwirklicht und bis ins einzelne gelungen, während er zu ihrer prafti- 
jchen Durchführung noch die jehwerften Hinvderniffe zu überwinden hat. 

Dabei muß er ein friiches umd leichtlebiges Blut. gewejen fein, dieſer 
mainzer Patricierfohn, der ſchon jung in die Verbannung wandert, aber 
immer den Kopf voll ſtolzer und kühner Entwürfe behält, das Vertrauen 
anderer gewinnt, weil er jelbit Vertrauen zu feiner Sache hat und jeinen 
Glauben jogar nüchternen Gejchäftsleuten einzuflößen weiß. Daß er ven 
Wein nicht verachtete, ſondern in guter Sejellichaft zu trinken liebte, zeigt 
ihn auch von jeiner gemütlichen Seite. Seine beiden neuen Geſell— 
jchafter Andreas Drisehn und Andreas Heilmann inachen ihm ein paar 
Fäſſer Wein zum Geſchenk, welche ev mit ihnen in feiner damaligen 
Wohnung im Kloſter Arbogaft leerte. Sie verkehren freundfchaftlich 
mit ibm, eſſen ohne jede Vergütung an jeinem Tiſch, ruhen mit ihm 
von des Tages Arbeit aus und verehren in ihm ftets den Höher— 
jtehenven, den Meifter. Es gehört feine große Einbildungskraft dazu, 
fich dieſes Zuſammenleben auszumalen, wie es denn auch ein Beweis 
für die Milde und Freundlichkeit jeines Wejens ift, daß der erprobte 
Diener Yorenz Beildeck troß aller Not und Sorge treu bei jeinem Herrn 
aushält. 

Sutenbergs Erfindung iſt — und das kann nicht genug hervor— 
gehoben werden — nicht die Verbejjerung einer alten unvollfommenen 
Einrichtung, fondern vielmehr eine ganz neue Kunft, aus welcher wieder 
zabfreiche, bisher nicht gekannte Gewerbe und Gejchäfte mit den viel- 
fältigften Intereffen hervorgehen. Es ijt nicht in erſter Yinie ein quans 
titativer, als vielmehr ein wichtiger qualitativer Unterſchied, ob die ver: 
einzefte mühjame Abjchrift des Sklaven over Mönche durch den Hand— 
ichriftenhändfer ihren Weg in die nächſten Kreije findet, oder ob die 
tanjendfache gleichartige Vervielfältigung eines und besjelben Buches 


56 Bedeutung der Erfindung. [Erftes 


durch die Preife in alle Welt dringt; es ift ein gewaltiger Unterjchied, 
ob in ein paar Dutzend Welt: und Handelsſtädten, Klöftern und Univer: 
fitäten einige taufend Schreiber arbeiten, oder ob dieje örtliche handwerks— 
mäßige Gebundenheit durch eine univerjale, bis ans Ende der Welt 
dringende, ungebundene Kunft millionenfach geiteigert und überflügelt 
wird. Ding bis zum Ausgang des Mittelalters die litterariiche Pro- 
duftion und ihre Verbreitung mehr von Yaune und Zufall ab, jo jchufen 
Buchdruck und Buchhandel in verhältnismäßig furzer Zeit wie auf Ver: 
abredung eine methodische Verteilung und Solidarität der geiftigen Ar: 
beit, einen täglich wachjenven Grundſtock von Bildung und zogen all: 
mäblich alle Gebiete des Wiffens in den Kreis des geiftigen Verkehrs. 
Gerade die Einfachheit der Erfindung beweift ihre Größe, denn das 
Einfachjte ift immer das Größte und Schwerjte. Gutenberg bezeichnet 
deshalb durch maffenhafte Herftellung und Vertrieb von Büchern eine 
noch viel tiefer einjchneidende Revolution in der Entwidelungsgejchichte 
der Menjchbeit, als fie ver heutige Dampfer oder die moderne Yofo: 
motive im Verhältnis zum Nuderboot, over zum homerijchen Fuhr— 
mann, oder felbjt zum ſchnellſten Roß des Ritters bewirkt haben. Die 
Preſſe läßt fich überhaupt ven VBervielfältigungsmitteln früherer Perioden 
nur entgegenftellen, nicht damit vergleichen. Man darf von der Ähnlich 
feit mancher äußern GErjcheinung nicht auf die Übereinftimmung und 
Gleichheit ver Vorausſetzungen jebliefen, welche ven alten und mittel: 
alterlichen Handſchriftenhandel beberricht haben und ven modernen Buch- 
handel beherrichen. Die diefem voraufgegangene Epoche hatte nur Surro— 
gute für den Buchdruck und Buchhandel. 

Gutenberg und jeine erjten Schüler lehnten fich natürlich an ven 
herrſchenden Geſchmack und das einzige für fie maßgebende Vorbild an, 
indem ſie in ihren Dmuptoruden vie bejfern Danpjchriften jo täuſchend 
als möglich nachahmten. In ihnen war die jogenannte Miffal: (große 
gotische) Type fat ausjchlieflich vorberrichend, weil Priefter und Yaien 
aller Länder jeit Hunderten von Jahren an die mit diefer Schrift ge— 
ichriebenen Bibeln, SHoffarien, Poftillen und Meßbücher gewöhnt waren. 
Das Format war bei Bibeln, Kirchenvätern und theologiſchen Schriften 
meiftenteil® groß Folio (Regal), weil man auch in der äußern Gr: 
ſcheinung die Größe des Autors anzudeuten ſuchte. Dieje Vorbilder 
juchte Die neue Kunſt nicht bloß zu erreichen, ſondern durch ebenjo gute, 


Kapitel.) Äußeres der erften Drude. 57 


wenn nicht bejfere Ausführung, dasjelbe Format und einen geringern 
Preis in den Schatten zu ftellen. Der Haupteinwand gegen gedruckte 
Bücher ging nämlich anfangs dahin, daR Die gejchriebenen jchöner, 
reicher und glänzenver jeien. Wollte der Buchorud Erfolg haben, fo 
mußte er mit ver Schönheit der Hanpjchrift den Wettkampf aufnehmen. 
Es fam aljo darauf an, einerjeits den vorurteilsvollen und vornehmen 
Bücherfreunden den Beweis für die Trefflichfeit und Cbenbürtigfeit ber 
neuen Erfindung zu liefern, andererjeits aber ärmern Käufern gegenüber 
die größere Wohffeilheit und die Überlegenheit des Typendrucks dar— 
zuthun. Diefem Kampfe mit den Handſchriften find die vorzüglichen 
typographiſchen Yeiftungen der erjten Zeit zu verbanfen, welche noch 
heute die Bewunderung des Kenners eriweden. 

Der Schnitt der Buchftaben der jechsundpreißigzeiligen Bibel und 
des Pialteriums z. B. ftimmt auch im Größe und Umfang mit den 
Mepbüchern jener Zeit überein. Die diejen eigentümlichen prächtigen 
Initialen in Gold und bunten Farben und die in Karmin ausgeführte 
Yiniirung der einzelnen Zeilen dev Prachteremplare wurden, um fie an— 
ziehender und verfüuflicher zu machen, ven Dandjchriften entnommen, 
die Anfangsbuchitaben aber an der betreffenden Stelle durch Fleinern 
Druck over Schrift für den Slluminator angedeutet. Man trifft des— 
halb in jehr vielen Inkunabeln vielfach noch nicht ausgemalte Ini— 
tialen. Wie die Schreiber nach Vollendung ihrer mühjamen Arbeit 
bäufig in dem Kolophon (Schlußichrift) ihren Namen und einige Worte 
ver Befriedigung oder des Danfes binzufügten, jo finden fich auch in 
den erjten Büchern derartige Schlußbemerkungen, die über den Druder, 
den Ort und die Zeit nähere, meift jehr ruhmredige, wenn nicht, wie 
bei Schöffer, verlogene Auskunft geben. Das Format war meift groß 
Quart oder Folio, das Papier jelbjt aber, ähnlich wie die mittelalterliche 
Quaterne u. j. w., in eine Yage von Drei, vier oder mehr inein— 
andergejchlagenen Bogen gefaltet. Wiewohl viele geichriebene Codices 
des Mittelalters bereits Cuſtoden, Signaturen, Rubrifen und Blatt: 
zahlen aufweijen, fannten die eriten Prekerzeugniffe weder bie einen 
noch die andern: Custos (auch Reklame genannt, engliſch Catch-word) 
nennt man das unten am Ende einer Blattſeite ſtehende erſte Wort ver 
folgenden Blattjeite. Er deutet die Ordnung an, in welcher die Blätter 
aufeinander folgen, und war fajt unentbehrlich, jolange man feine Signa- 


58 Äußeres der erſten Drude. Erſtes 


turen verwandte. Dieſe ſcheinen zuerſt von Johann Köhlhoff in Köln ſeit 
1472 angewandt worden zu ſein und ſind numerierte Buchſtaben, ſpäter 
Zahlen, welche unten auf der Schöndruckſeite der erſten Blätter einer 
jeven Yage oder eines jeden zujammengefalteten Bogens ftehen; fie laufen 
jtets bis zum eriten Blatt der zweiten Hälfte einer Yage, ſodaß eine 
Tolioquaterne A mit A 1—5 figniert ift, während die drei lettten Blätter 
feine Signaturen tragen. Sie bezeichnen die Ordnung, in welcher die 
Bogen aufeinander folgen. Man findet jie zwar ſchon in den xylo— 
graphifchen Bilderbüchern, fowie in Manuffripten, aber fie mangeln 
in den älteften Druden, find bier nur manchmal, vielleicht oft, am 
unterjten Rande der Blätter handjchriftlich Hinzugefügt worden; ver 
Hobel des Buchbinvers hat fie beim Beſchneiden nur meist entfernt. 
Vielfach brachte dann, und zwar bis in die Mitte des 16. Jahrhunderte 
hinein, der Schluß des Bandes ein „Registrum chartarum“ (fran: 
zöfijch Registre) mit Angabe, ob die Signaturen Quaternen, Quin— 
ternen u. ſ. w. feien, um dem Käufer, beziehungsweife Buchbinder, Das 
Kollationieren des Buchs zu ermöglichen. Unter Rubriken verftcht man 
die Überjehriften und Inhaltsangaben ver Kapitel, weil diefelben in den 
Manuffripten und den älteften Druchverfen mit voter Farbe eingejchrieben, 
in den leßtern wenigitens noch markiert wurden. Das Yebtere gejchab 
auch bezüglich der großen Verjal-Buchjtaben im Tert. 

Wenpelin von Speier führte 1470 in Venedig ven Gebrauch der 
Cuſtoden ein und Arnold Ter Hoernen 1471 in Köln (nach andern Anton 
Sorg in Augsburg) die Blattzahlen. Dagegen brachten ſchon Die erjten 
Druder in der Regel die Rubriken und jchloffen fich auch in der Inter: 
punftion unbedingt dem Beijpiel und Vorgang der Handſchriften an. 
In die jechsundoreifigzeilige Bibel der wiener Bibliothek find Die 
Interpunftionen, zum Teil jogar erſt nachträglich, in den Jahren 1487 
und 1580 eingejchrieben worden. 

Es iſt ans allen Diefen Gründen ein Irrtum, wenn man heutzutage 
vielfach annimmt, daß es mit jener Anlehnung an die Echönjchreiber 
auf eine Täufchung der Bücherkäufer abgejeben gewejen fei, um fich von 
ihnen die Drude ebenjo teuer wie die Danpichriften bezahlen zu laſſen. 
Jedenfalls hätte ein jolcher Betrug nicht lange unentvedt bleiben können, 
denn die Käufer waren durchaus nicht jo unerfahren in fünftleriichen 
Dingen, als daß fie fih jo plump hätten betrügen laſſen. Zudem 


Kapitel.) Aufnahme der Kunſt jeitens der Bücherfreunde. 59 


liefern die Beftellungen, welche einzelne Klöſter ſchon Schöffer und 
jpätern Drudern zur Anfertigung von Prachtimiffalen und Breviarien 
erteilten, ven beiten Beweis für die Ihatjache, daß die bücherfaufenden 
Kenner von Anfang an die Herjtellung der Yurusprude ſchon in ihren 
fleinjten Einzelheiten kannten. 

Wie aber verhielten fich die damaligen privifegierten Klaffen, die 
Seiftlichen und der Adel, die Gelehrten und Reichen zur neuen Er— 
findung? Die Bücherfreunde zumächit begegneten ihr mit demjelben 
Miftrauen und Übelwollen, welches die in ihrem bisherigen Beſitz ge- 
jtörten over bedrohten Gewerbe, namentlich die Schreiber, Formſchneider 
und Kartenmaler jo lange gegen fie hegten, als fie fich noch nicht von 
ver Semeinjamfeit ihrer Intereffen mit denen der Druder zu überzeugen 
vermochten. Die reichen Biücherliebbaber zunächſt hatten gerade, wie 
ſchon erwähnt, zur Zeit des erjten Auftretens der Buchdruderfunft und 
noch bis gegen das Ende des 15. Jahrhunderts eine bejondere Vorliebe 
für die Sammlung von koſtbaren Bibliotheken, für die Mufterleiftungen 
ver Schönjchreiber. So fpotteten denn auch die Abgejandten des Kar: 
dinals Beſſarion, als fie bei Konitantin Yasfaris Das erſte gedruckte 
Buch jahen, über die bei „ven Barbaren in einer Stadt Deutſchlands“ 
gemachte Erfindung. Veſpaſiano de Bifticei jagt 1482 mit einer ge 
wijjen gewerbsmäßigen Abneigung des alten Handſchriftenhändlers von 
ven Schäten der Urbinifchen Bibliothek: „Im ihr find alle Binde von 
untadelhafter Schönheit, mit zierlichen Miniaturen, jüntlich auf Perga— 
ment mit der Hand geichricben. Kein gedructes Buch findet fi dar— 
unter: der Herzog Federigo würde fich eines jolchen geſchämt haben.“ 37 
Man verachtete eben zum Teil die neue Kunft als gewöhnliches Hand— 
werf, welches nur Bücher ohne Schmuck zu liefern vermöge. Die Hand— 
jcehrift galt deshalb, zugleich auch weil fie teuerer und weniger zugäng- 
lih war, ald vornehmer, So kommen denn noch Jahrzehnte nach Aus: 
gabe der erjten gedruckten Bücher reich ausgejtattete Manuffripte vor, 
namentlich italieniſche und franzöſiſche Gebet- und Erbauungsbücher 
(Horae, Heures). In der baſeler Bibliothek befindet ſich unter anderm 
ein prachtvolles, auf Pergament geſchriebenes und mit herrlichen Minia— 
turen und Initialen geſchmücktes Exemplar des Virgil, welches Johann 
Heynlein de Lapide ſich hatte anfertigen laſſen, als die von Schweinheim 
und Pannartz auf Pergament gedruckte Ausgabe desſelben Dichters ſchon 


60 Anfängliche Stellung der Kirche zur Kunft. Erſtes 


vergriffen war. Auch in Deutſchland wurden manche gedruckte Bücher, 
wie z. B. die Werke der Roswitha, das „Chronicon Urspergense“ 
immer wieder abgeſchrieben, vorzüglich aber waren es die großen Chor— 
bücher, welche noch lange Zeit, bis in das 18. Jahrhundert hinein, mit 
der Hand angefertigt wurden, ſo z. B. 1489 und 1490 das berühmte, 
in der augsburger Stadtbibliothek befindliche „Graduale pro choro“ 
von dem bereits erwähnten Leonhard Wagner, einem der bedeutendſten 
Schönſchreiber aller Zeiten, oder das jetzt in der Ambraſer Sammlung 
aufbewahrte prächtige „Graduale“, welches Jakob von Olmütz 1499 und 
1500 anfertigte. ?° Johann Trithemius, Abt von Sponheim, jchreibt in 
einem an ven Abt Gerlach von Deut gerichteten und 1494 in Main; 
gebrudten Briefe „De laude scriptorum manualium”: „Die Ecrift 
auf Pergament kann 1000 Jahre halten, dagegen ift es ſchon viel, wenn 
das auf Papier Gedruckte 200 Jahre hält. Nicht alle Bücher find ge: 
druckt; die nicht gedruckten müſſen abgejchrieben werden. Wer wegen 
der Buchdruckerkunſt aufhört zu fehreiben, iſt nie ein wahrer Bücher: 
liebhaber gewejen, weil er, nur die Gegenwart beachtend, nicht für die 
Erbauung der Nachtommen forgt. Endlich vernachläffigt der Drud ge: 
wöhnlich die Schönheit und ſchmuckvolle Ausstattung der Bücher, wäh— 
rend die Schrift größere Sorgfalt darauf verwendet.” 3? Es dauerte 
übrigens nur wenige Jahrzehnte, bis ver von diefer Seite kommende 
Widerſpruch gegen die neue Kunſt durch deren vortreffliche Leiſtungen 
zum Schweigen gebracht wurde. 

Umgekehrt brachte Rom der Erfindung anfangs ein fürderndes Wohl: 
wollen entgegen und trug mächtig zu ihrer allgemeinen Berbreitung bei. 
Die katholische Kirche fühlte fich zu jener Zeit noch jo ficher im Beſitz 
ihrer Derrichaft über die Gemüter und ihrer weltgebietenden Stellung, 
daß ihr jeder Gedanke einer möglichen Gefahr fern lag. Die damaligen 
Päpite, Väter und Söhne der Renaiffance, huldigten dem heitern Yebens- 
genuß und ber Freigeiiterei, unterſtützten die Pflege der Künſte und Wiffen- 
chaften und jchwärmten fir die Wiederbelebung des klaſſiſchen Alter: 
tums, deſſen Werfe ſie jelbit und ihre Kardinäle durch die nenerfundene 
Preſſe fürderten. „Die neuen Vorjtellungen (Stubium der Alten)“ — 
jagt Hegel ©. 495 in feiner „Philoſophie der Geſchichte“ — „fanden 
ein Dauptmittel zu ihrer Verbreitung in der eben erfundenen Buch- 
druckerkunſt, welche, wie das Mittel des Schiehpulvers, dem modernen 


Kapitel.] Anfängliche Stellung der Kirche zur Kunſt. 61 


Charakter entipricht, und dem. Bedürfnis, auf eine iveelle Weije mit- 
einander in Zujfammenbang zu jtehen, entgegengefommen ijt. Inſofern 
jib in dem Studium der Alten die Yiebe zu menjchlichen Thaten und 
Tugenden kundthut, bat die Kirche daran noch fein Arges gehabt und 
jie bat nicht bemerkt, daß in jenen fremven Werfen ihr ein ganz fremdes 
Prinzip entgegentrat.” Es war aljo ein jehr glüdlicher Umftand, daß 
pie Buchpruderfunft unter dem Pontififat des gelchrten und umfichtigen 
Sörderers der Wiffenjchaften, des eifrigen Bücherjammlers Nikolaus V. 
(1447 bis 1455) erfunden und zuerjt ausgeübt wurde. Auch jeine un— 
mittelbaren Nachfolger, darunter namentlich Pius II. (1458 bis 1464), 
Sirtus IV. (1471 bis 1484), Alerander VI. (1492 bis 1505), Yulius LI. 
(1503 bis 1513) und Yeo X. (1513 bis 1522), zum großen Teil pracht- 
fiebende, freigeijtige, ja fittlich verworfene und verbrecherifche, aber ftets 
flug ihren Vorteil berechnende, bedeutende Kirchenfürften, welche mehr 
im Geifte römischer Imiperatoren, denn als Väter der Chriſtenheit 
regierten, erfannten den hohen Wert der Preſſe, als des beiten Mittels 
zur Behauptung und Ausbreitung ihrer Herrichaft, und fahten vorzugs- 
weije die eine Ihatjache ins Auge, daß bei dem damaligen verderbten 
Charakter des Klerus das geprudte Wort über die engen Mauern ber 
Klöfter und Kirchen hinaus überzeugenvder und zündender zu weit größern 
Maffen von Gläubigen veven könnte als das gejprochene. 

Wenn num bereits die bildende Kunſt der Renaiſſance gezeigt hatte und 
täglich mehr zeigte, daß der durch die Antife verevelte Geſchmack fich feines- 
wegs von den Überlieferungen ver Kirche abgewandt, jondern, durch das 
Studium der Alten gehoben, deren Helden und Mythen noch vergeiftigt 
und veredelt hatte, jo fonnte auch der Buchdruck den oberflächlich und 
leichtfinnig denfenden Würdenträgern der Kirche um jo weniger ernftliche 
Berenfen erregen. Hatte er doch im jeiner erjten praftijchen Yeiftung, 
den zu Anfang der fünfziger Jahre von Gutenberg geprudten Ablaf- 
briefen, den vollgültigen Beweis für jeine Brauchbarfeit geliefert und lieh 
er fich doch ebenjo gut zur Uniformierung des Gedankens, zur beffern 
Beaufjichtigung der firchlichen Lehrſätze und zur Ausjchliefung fegerijcher 
Anfichten, furz zur Förderung geiftlicher Zwede überhaupt verwenden, 
Aber es fam anders! 

Wie die Püpfte, jo erwieſen jich auch die damaligen Kardinäfe und 
jenjtigen vornehmen italieniſchen Geiftlichen als eifrige Förderer der Budh- 


62 Anerkennung jeitens des Klerus, [Erftes 


drudereien; ja fie gehörten zu denjenigen, welche die erjten deutſchen 
Druder nah Italien riefen, Auch der hohe veutjche Klerus ſtand den 
römijchen Karpinälen an Anerkennung und Gifer für die neue Kunſt 
nicht nach. Berthold von Henneberg, Kurfürſt von Mainz, nannte fie 
die divina ars imprimendi. Sein Nachfolger, Albrecht von Branven- 
burg, förderte namentlich vor der Reformation den Bücherdruck nach 
Kräften. Die mittlere und niedere Geiftlichfeit ftand in der Würdigung 
ver Erfindung, als Mittel ver Belehrung, hinter dem hoben Klerus 
ebenfalls nicht zurüd. „Die in Mainz erfundene Buchdruckerkunſt“ — 
jchreibt der Kartäuſermönch Werner Rolewind in jeinem Abriß der 
Weltgejebichte (Fasciculus temporum) — „iſt die Kunſt der Künjte, 
die Wiffenjchaft der Wiffenjchaften, durch deren rajche Ausbreitung die 
Welt mit einem herrlichen, bisher verborgenen Schatze von Wiſſen be- 
reichert und erleuchtet worden iſt.“ Johann Naucler, der erjte Rektor 
der tübinger Hochſchule, preift die neue Kunſt, „weil jet jo zahlreiche 
Autoren in drei Sprachen (lateinisch, griechiſch und hebräiſch), jo viele 
Zeugniffe für den chrijtlichen Glauben, jo viele wie nen erjtandene Werfe 
zu haben find, daR ich glauben möchte, ver Welt ſei dies Gejchenf von 
Gott gegeben.” Felix Fabri, Dominifaner in Ulm, bemerkt in jeiner 
„Historia Suevorum“ zum Sabre 1459, daß es feine Kunſt im ver 
Welt gebe, welche würdiger, löblicher, nüßlicher, ja göttlicher und heiliger 
jein fünne, als die in Mainz erfundene Buchdruckerkunſt.““ Kartäuſer— 
und Minoritenmönche waren die gelehrten Mitarbeiter und Korreftoren 
der erjten großen bafeler Buchoruder. Die Brüder vom gemeinjamen 
Yeben gingen jehon 1468 vom Abjchreiben und Illuminieren von Hand— 
jchriften zum Buchorud über; ihnen war die Kunſt die Yehrerin aller 
Künfte zum Beten der Stirche. Um ven Bücherdruck für ihre Zwecke 
wirkſam auszubeuten, lernten Mönche das Setzen und errichteten Drude- 
reien in den Klöftern, wie 3. B. die Benediftiner, So fanden fich deutjche 
Stlojterdrudereien in Straßburg bei ven Kartäuſern und in Augsburg 
zu St. Ulrich und Afra, in Erfurt zu St. Peter, in Magveburg, Marien- 
thal im Rheingau, in Nürnberg und Roſtock, alfo in Orten, wo bejon- 
ders die Schreibfunt gepflegt und zu einem hohen Grade der Volltom- 
menbeit gelangt war. Da mn die Druder des 15. Jahrhunderts faſt 
ausſchließlich für die Befriedigung des litterarijchen Bedürfniſſes ver 
Seijtlichkeit jorgten, da fie namentlich die Bibel, Katechismen, Mer: 


Kapitel.] Wandlung nach Auftreten des Humanismus. 63 


und Schulbücher abdruckten und ftets neu auflegten, jo ficherten fie fich 
auch die Freundſchaft und Unterftügung des lehrenden Klerus und feiner 
Schüler, der Stuventen und der Gelehrten, die fich fortan mit dem 
mübjamen Abjchreiben der Terte und Handbücher nicht mehr abzumühen 
brauchten. Wenn ſchon gleih im Anfang der Ausübung der Kunſt ein 
Prachtdruck fünfmal und beim Eintritt in das letzte Viertel des 15. Jahr— 
bunverts jelbjt achtmal billiger herzuſtellen war als eine ſchön illu— 
minierte Hanpdjchrift vesjelben Werkes, jo verringerte fich dies Verhältnis 
in den gewöhnlichen Ausgaben um das Zwanzig: und Dreifigfache; ver 
Gewinn aber fam ver Bildung und Wiffenjchaft zugute. 

Diejes für beide Teile günjtige Verhältnis änderte fich jedoch in dem 
Augenblid, in welchen die Humaniften, länger als ein Menſchenalter 
vor der Reformation, die Autorität der Kirche und die Unfehlbarfeit des 
Papſtes angriffen. Natürlich blieb Rom die Antwort nicht jchulvig. 
Fortan eiferten übereinjtimmend hohe und niedere Geiftliche „gegen die 
boshaften oder unflugen Menjchen, welche die Buchoruderfunft zur Ver: 
wirrung der Geifter mißbrauchten, gegen die faljchen Erflärer der Heili- 
gen Schrift, welche nur ihr eigenes Yicht leuchten laſſen wollten“; jett 
entdedten fie plößlich, daß alle Irrlehren durch die falſche Auslegung 
der Bibel entjtanden jeien‘, und verboten deren fernere Verbreitung, da 
Das umerfahrene Volk an der Lektüre der Heiligen Schrift Ärgernis 
nehmen würde.“! Kurz, die berrichende Kirche bejann fich auf ihren 
eigentlichen Charakter und verfolgte nun die von ihr unabhängige Preſſe. 

Allein es war zu jpät. Als Nom die riefige Kraft der unſcheinbar 
und bejcheiden ins Yeben getretenen Macht voll zu würdigen anfing, lieh 
ſich ihr Siegeszug nicht mehr hemmen. Die vatifanijchen Blitze zün— 
deten nicht mehr. 

Im Gegenjat zu diejen vornehmen und nach außen hin jogar müch- 
tigen Feinden war der Umſchwung der Geifter ein jo gewaltiger, ber 
Lern- und Bildungstrieb infolge der Erſchließung des lateinijchen und 
griechijchen Altertums ein jo veger, das Verlangen nach litterarijchen 
Hilfsmitteln ein jo lebhaftes, daß auch äußerlich die Handſchriftenhändler 
piejem allgemein gefühlten Bedürfnis nicht mehr genügen konnten und 
dag alle in ihren Fleinen Intereffen nicht bedrohten Volksklaſſen der Er- 
findung Gutenbergs freudig entgegenjauchzten. Die tiefe geiftige Um: 
wälzung ließ ficb nicht mehr bannen. Die Menjchbeit fing am, fich 


64 Der 28. Dftober 1462. [Erjte3 Kapitel.) 


wieder auf fich jelbit zu befinnen und fich wiederzufinden. In diejem 
Entwidelungsprozeß fiel dem Buchdrud gleich eine wichtige und ent- 
jcheidende, wenn nicht die wichtigjte und entjcheidenpjte Rolle zu. Er 
bethätigte fich von jeinem erjten Auftreten an als ver beveutenpfte Träger 
der menjchlichen Gefittung, übernahm ven geijtigen Verkehr unter ven 
verjchievenen Nationen der Erde und entwicelte eine, die Geifteserzeug: 
niffe der ganzen gebildeten Welt umfaffende, vieljeitige Thätigkeit. 

Der Buchdruck beruht auf der unbejchränften Thätigfeit freier Männer, 
auf der Ausübung einer Stunt, welche vom Tage ihrer Erfindung an, 
im Gegenſatz zum gebundenen Handwerk, jtets als eine freie und löb— 
liche bezeichnet wurde. Es ift deshalb die Ehre und Würde ver freien 
Arbeit, welche dem Buchdruck ſchon im Zeitalter der Zünfte jeinen be- 
vorzugten Charakter verlieh; es ijt die hervorragende Mitarbeit an Der 
geiftigen Entwidelung des Volkes, welche ihn ſchon in jeinen erjten An- 
füngen über das Handwerk und zu einem gewaltigen Kulturförderer er- 
bob. Als jolcher trug er denn auch im Verein mit andern jegensreichen 
Erfindungen und Entvefungen mächtig dazu bei, das mittelalterliche 
Europa einer freiern Auffaffung des geiftigen und firchlichen Yebens ent- 
gegenzuführen, jowie neue Bildungsanjüge zu weden und zu fördern. 
Auf Stunde, Tag und Jahr fogar läßt fich der Anfang feiner erfolg- 
reichen Arbeit feitjegen. Es war am 28. Oftober 1462, als der neue 
mainzer Erzbifchof Adolf von Naſſau durch die Plünderung der Stadt 
auch die dortigen Setzer und Druder zur Flucht zwang. Wenn dieje 
früher wirflich gelobt hatten, „ſolch edle Gab Gottes“ (Die Buchdrucker— 
kunst) „jorgfältig geheim und vwerjchwiegen zu haften“, jo erachteten fie 
ſich jest felbftrevdend durch ihren Schwur nicht mehr für gebunden, jon- 
dern trugen ihr Wilfen und Können im alle Welt und lehrten alfe 
Völker. 


Zweites Kapitel. 


Die Ausbreitung der neuen Kunſt in Dentichland. 


Städte und Bürgertum. — Mainz. Johann Fuſt und Peter Schöffer. Die 
andern mainzer Firmen bis 1622, — Bamberg. — Straßburg Johann 
Mentel. Heinrich Eggeftein. Ihre Nachfolger. Adolf Ruſch. Johann Grüninger. 
— Köln. Ulrich Zell. Druder des 15. Jahrhunderts, Gottfried Hittorp. Franz 
Birdmann und jeine Nachfolger. Johann Gymnicus und feine Nachfolger. — 
Bajel. Bedeutung der Stadt. Beteiligung des Kapitals, Berthold Nuppel. Buch— 
druderftrife. Michael Wenszler. Bernhard Richel. Johann Amerbach. Kleinere 
Buchdruder. Johann Froben. Frobens Nachfolger. Die Familie Petri, Johann 
Dporin. — Zürich. Chriſtoph Froſchauer. — Augsburg. Günther Zainer und 
die älteften Druder. Johann Bämler und Anton Sorg. Hans Schönjperger. 
Erhard Natdolt. Johann Rynmann. Heinrich Steiner. Ad insigne Pinus, — 
Ulm. — Nürnberg. Die erjten Druder. Anton Koberger. Die Heinern Buch— 
druder. — Die „Brüder vom gemeinjamen Leben“. — Leipzig. Kunz Kachelofen. 
Pantzſchmanns Buchhandel. Nidel Wolrabe. Ernft Bögelin. Henning Große. — 
Wien. Hieronymus Bietor und Hans Singriner. — Magdeburg. Bruder ber 
Reformationszeit. — Tübingen. Thomas Anshelm. Slawiſcher Bücherdrud. — 
Wittenberg. Melchior Lotter. Hans Lufft. — Die Heinern Drudftätten. 


Die Erfindung und Ausbreitung der Buchoruderfunft trifft mit der 
Ylüte und dem Neichtum der veutjchen Städte zujammen. Seit bieje 
von der Naturalwirtjchaft zur Gelpwirtjchaft übergegangen waren, hatten 
jih ihre Gewerbthätigfeit und ihr Handel mit jevem Tage mehr ge- 
hoben. Fürſten und Ritter, welche ihre Kraft im Kriegszügen und 
ehren nutlos vergeudeten, verarmten und wurden finanziell täglich 
mehr von ihnen abhängig. Zugleich verlor der Adel durch die neue 
Kriegführung an militärijcher Beveutung und politiſchem Einfluß; das 
Bürgertum aber entwidelte ſich dejto mächtiger und ftolzer. Die Folgen 
per portugiefichen und jpanifchen Entdeckungen, welche die völlige Um— 

Rapp. I 5 


66 Die deutichen Städte. (Zweites 


gejtaltung des Großbanvels herbeiführen jollten, wurden erſt im Yaufe 
des 16. Jahrhunderts in Deutjchland fühlbar; die ſtädtiſche Politif aber, 
welche, großen ftaatlichen Gefichtspunften unzugänglich, nicht über ihre 
eigenen Stadt: und Standesgrenzen hinausging, war noch nicht auf Die 
Probe geitellt worden. Die von tüchtiger, fittliher Gefinnung erfüllten 
freien Männer der Reichsftänte mit ihrer Welterfahrung und ihrem 
Weltverfehr, ihrem Kunſtſinn und ihrer Bildung ſtanden auch geiftig 
über den fleinen Yandesherren, ven rohen Junkern und wenig gebildeten 
Seiftlichen. Alles was damals in Kunſt und Wilfenjchaft Schönes und 
Yebensfräftiges in Dentjchland hervorgebracht wurde, hatte im Bürger— 
tum jeine Wiege und jeinen Stütpumnft. 

Natürlich fand diefem Verhältnis entſprechend die neue Kunſt auch 
den Boden für ihre Aufnahme in den Reichsſtädten bereits günftig vor— 
bereitet. Das wirtichaftliche, politijche und geiftige Leben des deutſchen 
Bolfes wurzelte damals in der ober- und niederrheinijchen Tiefebene, 
namentlich im jüinweftlichen Winfel des Neiches zwijchen Baſel um 
Mainz, und zweigte ſich von diejen Städten aus nach rechts und linfs ab, 
während die Elbe jo ziemlich die öftliche Yandesgrenze bildete und Wien 
nebjt Ofterreich nur in einem lojen Zuſammenhang mit dem eigentlichen 
Deutſchland ſtand. Erjt infolge ver Reformation rüdte die Entwide- 
fung allmählich in nordöſtlicher Richtung nach Sacjen und Branden- 
Yandjtädtchen, und der größte Teil des heutigen Oſtens, das Königreich 
Preußen, vegetierte noch in urjprünglicher Roheit dahin. Südweſtdeutſch— 
fand lieferte eine der Dauptwaffen für ven geiftigen Kampf; allein Norv- 
oſtdeutſchland handhabte fie auf die Dauer einfichtiger und nachhaltiger. 

Zunächit drang die Buchdruderfunft auf ver alten Handels— und 
Kulturſtraße des Rheins in die verjehiedenften Teile Deutjchlande. Von 
Mainz aus erreichte fie, ftromanfwärts ziehend, zuerft Strakburg, ge 
langte dann jtromabwärts nach Köln und bürgerte jich wenige Sabre 
jpäter in Bajel, Augsburg, Ulm und Nürnberg ein. Ziemlich zu der- 
jelben Zeit trugen fie aber Schüler Gutenbergs auch in das Ausland. 

Es iſt werner möglich noch nötig, in der num folgenden Darftellung 
die Namen und Peiftungen ſämtlicher Druder und Berleger einer Stadt 
oder Yandjchbaft aufzuzäblen. Es gemügt vielmehr, die bedeutendſten aus 
ihnen beranszugreifen und ihren Einfluß auf die Entwidelung des Se: 


Kapitel.} Mainz: Fuft und Schöffer. 67 


ſchäfts und das Zeitalter überhaupt nachzuweiſen. Diejer Nachweis aber 
fann nur Da geführt werden, wo, wie bei den großen Firmen, bejtimmte 
Thatſachen und Anbaltspunfte vorliegen, während die Namen der Kleinen 
jo ziemlich alles find, was von ihnen auf die Nachwelt gefommen tft, 
Nicht die bloße Quantität, die Zahl, ſondern die Qualität, der Geiſt, 
iſt e8, welche den Gharalter einer Epoche bejtimmen. Zudem fommen 
bier nicht jowohl die Drucder überhaupt, als vielmehr nur diejenigen 
in Betracht, welche von Anfang an zugleich Buchhändler find. 
In erfter Yinie jteht alje: 


1. Mainz, 


die Stadt, im welcher ver Buchdruck erfunden war und in welcher wäh— 
rend des ganzen 15. Jahrhunderts Fuſt und Schöffer ihn gejchäftsmäßig 
ausbeuteten. 

Der reiche und unternehmenve Fuſt wirde jeinen Prozeß gegen 
Gutenberg gar nicht angefangen haben, wenn er nicht gewußt hätte, daß 
Geld in dem praftijchen Betriebe der neuen Kunſt ſteckte. Nachdem er 
aljo durch Urteil vom 6. November 1455 in den Befit der Preſſen ge- 
langt war, jette er dieje jofort in Thätigfeit. Einen äußerft brauch— 
baren Gehilfen und Mitarbeiter fand er in Peter Schäffer, der zwiſchen 
1420 und 1430 in Gernsheim a. Rh. geboren war und in Paris als 
Schönjchreiber, Illuminator und Handſchriftenhändler vorgebilvet, furz vor 
1455 nad Mainz zurücgefehrt jein muß. Noch während ver Verbindung 
Gutenbergs mit Fuſt jcheint Schäffer als Setzer, Abjchreiber oder Zeichner 
in deren Dienjten geitanden zu haben.! Fuſt gab, als er jelbitäindig 
zu arbeiten anfing, dem fähigen Gehilfen nicht allein jeine Tochter zur 
Frau, jondern nahm ihn auch als Teilhaber in jein Gejchäft auf, welches 
er in ſein neuerworbenes Haus „Zum Humbrecht“ in der Quentinsgaffe 
verlegte. Beide Männer waren natürlich Gutenberg als Gejchäftslente 
überfegen und paften, von nicht zu großer Sewifjenhaftigteit, aber von 
um jo regerm Grwerbjinn bejeelt, ganz vortrefflich zueinander. Gleich 
das erjte Berlagswerf, welches am 14. Auguſt 1457 aus ihrer Offizin 
bervorging, iſt das prachtvolle, mit großen Deiffaltypen auf Pergament 
gevrudte „Psalterium“, eine typographijche Wiedergabe ver gejchriebenen 
Chorbücher, und beweift jowehl ihren guten Geſchmack, als auch ihren 


klugen Unternehmungsgeift, da es im Auftrage zweier mainzer Klöſter, 
5* 


68 Mainz: Fuſt und Schöffer. [Zmeites 


aljo ohne Gefahr für die Druder, bergeftellt wurde. Der gejchäftliche 
Erfolg diejes Werfes war ein jo glänzenver, daß bereits zwei Jahre 
jpäter eine neue Auflage veranftaltet werden mußte. Während der Er- 
finder Gutenberg verarmt war, verftanden es die beiden Gejchäftsleute 
Fuſt und Schäffer ganz vorzüglich, die Früchte des Baumes zu ernten, 
welchen ein anderer gepflanzt hatte. Das „Psalterium‘ ift übrigens 
das erjte Druckwerk, auf welchem Tag, Jahr und Namen des Druders 
angegeben find. Nach Fuſts Tode wurde e8 von Schöffer noch zweimal 
in den Jahren 1490 und 1502 und fpäter von beffen Sohn Johann 
ebenfalls noch zweimal in den Jahren 1515 und 1516 verlegt. Bis 
zum Eintritt der mainzer Kataſtrophe druckten Fuſt und Schöffer noch 
des Dominifanermönchs Guillielmus Durandus „Rationale Divinorum 
Officiorum” (1459), ven „Codex Constitutionum Clementis Papaé“ 
(1460), die Bulle des Kaifers Friedrich III. gegen Diether von Iſen— 
burg (vom 10. August 1461) und das Manifeſt des lettern gegen Adolf 
von Naffau (1462). Daß fie als vorfichtige Gejchäftsleute für beide 
Barteien arbeiteten, fann bei dem Charakter Fufts und Schöffers nicht 
weiter auffallen. Ihr jchönjtes und bedeutendſtes Verlagswerk aus diejer 
Zeit bildet die 1462 vollendete lateiniſche jogenannte achtundvierzig- 
zeilige Bibel in zwei Foliobänden. 

Nach diefem Bibelorud blieb die Firma faft zwei Jahre unthätig. 
Vom fiegreichen neuen Kurfürften aus der Stadt gewiejen, müffen Fuſt 
und Schöffer nach dem benachbarten Frankfurt gegangen und gegen 
Ende 1463 zurüdberufen worden jein, denn ſchon 1464 lieferten fie ven 
Ablafbrief des Papftes Pins II. vom 11. November 1463 gegen die 
Türfen. Am 17. December 1465 folgte das fechfte Buch der Defre- 
talen Bonifacius’ VII. in Folio, und in vemjelben Jahre zum erften 
mal ein lateinischer Stlaffifer, „Cicero de Officiis“, in flein Folio, wel- 
er bereits am 2. Februar 1466 zum zweiten mal aufgelegt wurde und 
der legte Drud der Firma Fuft und Schäffer war. 

Schon nad Beendigung der zweiundvierzigzeiligen Bibel von 1455 
joll Fuſt nach Paris gereift jein, um fie dort zu verfaufen. Dieje An- 
nahme iſt nicht erwiejen, bat aber viel Wahrjcheinfichfeit für fich. 
Schöffer war als ehemaliger Bücherabjchreiber an der dortigen Uni- 
verfität thätig geweſen, mit ven einjchlägigen Verhältniſſen, namentlich 
aber ven hoben Preiſen für gejchriebene Bücher aus eigener Erfahrung 


Kapitel.) Mainz: Fuſt und Schöffer. 69 


genau befannt geworden und hatte höchit wahrjcheinlich dieſe Reife an- 
geraten. Paris, als damals beveutenpfte Univerfität des Abendlandes, 
bejtimmte auch die Richtung der Geifter und den Bedarf an Büchern. 
Wer von fremden Klöftern, Gelehrten oder Yiebhabern eben konnte, be: 
zog don dort feine größern oder geringern litterariichen Bedürfniſſe. 
Nun erhielt aber Paris, wie das dritte Kapitel näher ausführen wird, 
feine erſten Druder nicht früher als im Jahre 1470. Die ihrer An- 
funft unmittelbar voraufgehende Periode war aber eine Zeit hoher litte- 
rarifcher Blüte und fam dem Bücherverfauf bejonders zu ftatten: Grund 
genug für Fuft, dieſen jo günftigen Markt im Intereffe feiner Firma 
zu bejuchen und dort jo allgemein begehrte Artikel, wie die lateinijche 
Bibel, zu verfaufen. Das Bedürfnis verband fich zugleich mit dem 
Reiz ver Neuheit des erjten Drudes. 

Es ift dagegen urkundlich nachgewiejen, daß Fuft in der erjten Hälfte 
des Jahres 1466, bald nach dem Grfcheinen der zweiten Auflage des 
„Cicero de Ofhiciis“, mit dieſem und verjchiedenen andern Verlags— 
artifeln nach Paris reifte und fie dort verfaufte. Aus einem in der 
Staptbibliothef von Genf befindlichen Exemplar diejer zweiten Auflage 
des „Cicero“ geht hervor, daß Ludwig de fa VBernade es im Juli 1466 
in Paris von Fuſt ſelbſt erhalten hatte, ? 

Wie Paris, jo zog die Firma fchon frühe, wenn nicht früher, Deutſch— 
land in ven Kreis ihrer Unternehmungen. Den Beweis für diefe That— 
fache liefert ein Beglaubigungsjcreiben (j. Anhang unter I), welches 
der franffurter Rat am 3. Juni 1469 an den lübeder richtete, worin 
er dieſen bittet, dem Bevollmächtigten ver Fuſtſchen Erben, Konrad 
Hendis, zur Eintreibung einer Forderung behilflich zu fein, welche Fuſt 
und Schöffer an den lübecker Kaufmann Kurd Horlemann für verjchievene 
ihm gelieferte geprudte Bücher hatten. Wenn dieje Forderung 1469 
gerichtlich geltend gemacht wurde, jo mußte fie doch ſchon einige Zeit 
früher entjtanden jein, und zwar in Frankfurt a. M., da nicht Mainz, 
die PVaterjtadt Fufts, jondern Frankfurt a. M. für ihn eintrat. 

Fuſt und Schäffer waren alfo nachweisbar die erjten Händler mit 
den von ihnen geprudten Büchern und überhaupt die eriten Buchhändler. 
Ihre Preife waren troß der Neuheit ver Kunſt niedrig im Verhältnis 
zu den Hanpjchriften.? Mappen führt an, daß ein auf Pergament ge: 
prudtes Eremplar der zweiundvierzigzeiligen Bibel zu jener Zeit in Paris 


710 Mainz: Fuſt und Schöffer als Nadıidruder. Zweites 


für 2000 Franken verkauft wurde. Für die Beurteilung des Preisverhält— 
niffes der geprudten zu den gejchriebenen Büchern’ gibt Biſchof Johannes 
von Aleria in einem jpäter mitzuteilenden Briefe an den Papſt Paul II. 
einige zuwerläffige Zahlen. Er jagt nämlich, daß man heute (1467) für 
20 Goldgulden und weniger in Rom Werfe kaufen könne, fin welche 
man zu andern Zeiten 100 Goldgulden habe zahlen miüffen, und daß 
Bücher, welche man bis vor kurzem faum für 20 Goldgulden babe er: 
werben fünnen, jetzt zu 4 Gulden und noch wohlfeiler verfauft würden. 
Demnach jtellte jich damals der Preis eines geprudten Buches fünfmal 
niedriger als der eines geichriebenen. Zu dieſem ganz natürlichen Preis: 
unterjchied zwijchen gedruckten und gejchriebenen Büchern kam mun gleich 
mit dem erjten Auftreten der neuen Kunſt der die Preije drückende Nach- 
prud, deſſen Anfang auch auf Fuſt und Schöffer zurüdzuführen tft. Sie 
waren es nämlich, welche, wie Panzer nachgewiejen, den „Cicero de 
Oftieiis” ſchon im Jahre 1465 einer Ausgabe von Ulrich Zell in Köln 
nachdruckten. Fuſt ging jogar fo weit, daR er außer dem Tert auch 
noch die Borreve zu der von Mentel furz vorher in Strakburg gegebenen 
Schrift „De Arte Praedicatoria” (welche befanntlich nichts anderes als 
das vierte Buch von Auguftinus’ „De Doctrina Christiana” iſt) etwa 
1466 nachdruckte. Der Verfaffer diefer Vorrede erzählt, daß er Hand— 
jchriften diejer Abhandlung in Heidelberg, Speier, Worms und Straf- 
burg gefunden und Johann Mentel, incolam Argentinensem, impres- 
soriae artis magistrum, bewogen habe, fie durch den Drud ven Kleri— 
fern zugänglich zu machen. Fuſt als praftifcher Mann erjeßte einfach 
den Namen Meentel durch feinen eigenen *: einen fchamlofern Schwindel 
bat e8 wohl kaum in den Blütezeiten ſelbſt des ſpätern Nachdrucks ge 
geben. Schöffer war eim nicht minder gewiffenlojer Gejchäftsmann und 
bediente fich gleichfalls aller Meittel, welche dazu dienen fonnten, jeine 
Unternehmungen möglichit allgemein anzupreijen. So drudte ev mit 
unbedeutenden Abinderungen am Ende, namentlich feiner erſten Bücher, 
die Gutenbergſchen Schlufjchriften nach; jo war er der erſte Verleger, 
welcher eine von jeinem Korrefter, Johann Brunnen, einem ungebildeten 
Mönch, gejchriebene ruhmredige Ankündigung über ein künftig erſcheinen— 
des Werk veröffentlichte. Im Frübjahr 1470 machte er nämlich für die 
erbſtmeſſe vesjelben Jahres das Erſcheinen der Briefe des heiligen 


ö 
Hieronymus bekannt, die dann auch wirklich pünktlich noch wor der be- 


Kapitel. Mainz: Schöffer und feine Filiale in Paris. 71 


ſtimmten Zeit, ain 7. September 1470, von ihm herausgegeben wurden. 
Die lateiniſch geſchriebene Anzeige findet ſich in deutſcher Überſetzung im 
Anhang unter II und beweiſt, daß ſich der erſte deutſche Verleger ſchon 
ganz vortrefflich auf die „Reklame“ verſtand. 

Fuſt ſtarb, wenn nicht in der letzten Hälfte des Jahres 1466, ſpä— 
teſtens Anfang 1467, denn im März dieſes Jahres erloſch die Firma 
Fuſt und Schöffer und es trat die neue Firma Peter Schöffer an ihre 
Stelle, welche bis 1503 beſtand. Fuſt hatte zwei Söhne hinterlaſſen, 
von denen der jüngere, Konrad, auch Hancquis, Henlich oder Henchins 
genannt (verftümmelt aus „Johannes Sohn“), als Teilhaber, jedoch nicht 
mit Namen, in die neue Firma Peter Schöffer eintrat. Die von Fuft 
in Paris gegründete Filiale hatte ſich als höchſt einträglich eriwiejen. 
Schöffer beeilte jih daher 1470, in der Perſon des Hermann von Stadt- 
lohn over Stadtloe (nicht Stadthoe, wie fäljchlich ein Autor dem andern 
nachjchreibt), einer in der Diöceſe Münfter, an der norpweftlichen Grenze 
des gleichnamigen preußiſchen Regierungsbezirks gelegenen und durch eine 
Stadt, einen neuen Bertreter in Paris und zugleich auch in Angers 
anzuftellen. Unter diefem nahm das parifer Geſchäft einen noch bedeu— 
tendern Aufſchwung. Schöffer und jein Gefellichafter Konrad brachten 
jest nicht blok ihren eigenen Verlag, ſondern auch die Werfe anderer 
Verleger aus Mainz dahin. Dieje Thatjache ergibt fich unter andern 
aus einer Notiz, welche Schäffer in eine, der Bibliothek des parifer 
Arjenals gehörige und 1474 von Anton Koberger in Nürnberg gedrudite 
Ausgabe des Johannes Scotus eingetragen bat. „Ich, Peter Schöffer, 
Buchdrucker aus Mainz“, heißt e8 dort, „befenne, von dem ehrwürdigen 
Diagifter Johannes Henrici, Sänger aus Piſa, drei Scuta für den 
Preis dieſes Buches erhalten zu haben, was ich hiermit eigenhändig be⸗ 
ſcheinige.“ 

Hermann verkaufte dieſe Bücher ſowohl in Paris als auch in 
Angers und andern Städten Frankreichs, in welchen er Zweignieder— 
laſſungen errichtet hatte. Dann trat er zugleich als Faktor bei dem 
geſchworenen Univerſitätsbuchhändler Johann Guymier in Paris ein, 
offenbar, um auch an der Univerſität Geſchäfte für Schöffer machen zu 
tönnen. Am 5. April 1470 verkaufte er eine auf Pergament gedruckte 
mainzer Bibel an den Erzpriefter Wilhelm von Tourneville zu Angers 


12 Mainz: Schöffer und feine Filiale in Paris. [weites 


für 40 Thaler. Die Bedeutung der Gejchäfte, welche Hermann in 
sranfreich für Rechnung der Firma Peter Schöffer in Mainz gemacht 
hatte, ftellte fich bei feinem Tode deutlich heraus. Da Hermann in 
Frankreich nicht naturalifiert war, jo fiel nach dem Droit d’aubaine 
jeine ganze Dinterlaffenichaft vem Staate anheim. Sofort eilten Schöffer 
und Hancquis, mit wirkſamen Empfehlungsbriefen vom Kaifer Friedrich III. 
und dem Kurfürften von Mainz an Ludwig XI. verjehen, nach Paris, um 
die noch vorhandenen Bücher ausgeliefert und für die von ihrem Yager 
bereit8 verfauften eine Entſchädigung zu erhalten. Ihre Bemühungen 
hatten den günftigiten Erfolg, denn in einer Ordonnanz vom 21. April 
1475 befahl Ludwig XL, „daß in Berücdfichtigung der Sorgfalt, mit 
welcher die Bittjteller die Kunjt des Buchdrucks gefördert, und des 
Nugens, welcher dem gemeinen Weſen aus diefer Kunft durch Berbrei- 
tung der Wiffenfchaft erwachien, Konrad Hancquis und Peter Schöffer 
(fie werben als marchands bourgeois de la cit@ de Mayence be- 
zeichnet) vom 1. Oktober 1475 an in jährlichen Raten von 800 Livres 
die verlangte Summe von 2425 Thalern 3 Sols tournois (nach heutigem 
Gelde etwa 11000 Franken) ausbezahlt erhalten jollten.“ 

Schöffer jelbit führte in Mainz das Gejchäft weiter. Sein Gejell: 
ichafter Hancquis blieb zur Betreibung des Buchhandels in Paris zu: 
rück und erjcheint dauernd erſt 1480 wieder in Deutjchland. Wann die 
parifer Filiale liquidiert wurde, ift unbekannt; jedenfalls beitand fie noch 
bis 1477, wie das aus der Unterjchrift unter einem Gremplar des 
Augujtinus’ „De Civitate Dei“ hervorgeht. Da jedoch jeit 1470 in 
Paris Drucdereien beitanden und die neue Kunſt fih auch in Frankreich 
rajch verbreitete, jo zog Schöffer vor, fein parifer Gejchäft nicht länger 
fortzujeßen, und befchränfte jeine Thätigkeit auf die Heimat, wo die eben: 
falls vajch zunehmende Konkurrenz auch höhere Anſprüche an feinen Unter: 
nehmungsgeift ſtellte. 

Im Jahre 1476 kaufte er zu dem ihm bereits als Erbteil feiner 
Frau zugefallenen Haufe „Zum Humbrecht“ ein größeres Darangrenzendes 
Gebäude, den „Hof zum Korb“. Unter den Urkunden, die jich leider 
nur vereinzelt über Schöffer vorfinden, wirft ein Vertrag, den er am 
24. Juli 1477 mit feinem Schwager Johann Fuft abſchloß, auch einiges 
Yicht auf feine buchhändleriſche Thätigkeit. Fuſt, welchem als Erbteil 
an der väterlichen Druderei 180 auf Papier und 20 auf Pergament 


Kapitel.) Mainz: Schöffers Geichäftsbetrieb. 73 


geprudte Eremplare der Defretalen von 1473 zugefallen waren, ließ 
diejelben für jeine Rechnung durch Schäffer verkaufen und einen gericht: 
lichen Aft über diejes nicht unbedeutende Gejchäft aufnehmen. Auf eine 
buchhändleriſche Verbindung zwiichen Fuſt und Scöffer kann man je- 
doch aus diejer Thatjache nicht fchliefen. Johann Fuſt war Kanonikus 
am St. Stephans: Stift in Mainz und hoffte begreiflicherweiie, die ihm 
gehörigen Werfe am ficherften und vorteilhafteften durch jeinen fachver- 
ftändigen Schwager verwerten zu können. Bon viejem heißt e8 in dem 
Bertrage ausprüdlih, daß er Handel mit Büchern treibe und daß er 
die Defretalen zugleich mit jeinen eigenen Büchern vertreiben und ver: 
faufen jolle. 

Wichtiger aber erjcheint die am 6. September 1479 erfolgte Auf: 
nahme Schöffers als Bürger von Frankfurt a. M. Da er Paris auf: 
gegeben hatte, jo bedurfte er notwendig zur Ausbreitung und Sicherung 
feines Gejchäftes in Deutjchland eines feitern Stüßpunftes, als Mainz 
ihn zu bieten vermochte. Kein Ort konnte dieſem Zwed günftiger jein 
als die nahegelegene Reichsſtadt, welche ihm durch ihre Meſſen die beite 
Gelegenheit zum Abſatz jeiner Berlagsartifel und zur Anfnüpfung neuer 
Verbindungen bot. In Mainz hatte er feine Druderei; dort führte er 
die Beftellungen aus, welche ihm oder feinem Teilhaber Hancquis in 
Mainz jelbit, hauptjächlich aber auf der für ven Buchhandel damals 
chen wichtigen frankfurter Mefje erteilt wurden. Hancquis beforgte jeit 
1480 wieder die Gejchäftsangelegenheiten der Firma in Deutſchland. 
Dieje müſſen jehr ausgedehnt gewejen jein, denn um 1480 hatten Schöffer 
und Dancquis einen Prozeß mit einem gewijfen Bernhard Inkus in 
Franffurt, welcher jie bei dem Hofgericht von Kottweil auf Herausgabe 
einer Anzahl von Büchern verflagte, während Schöffer und Konrad 
Henki (jo wird Fuſts Sohn bier genannt) ihr Cigentumsrecht daran 
verteidigten. Es geht aus den Akten nicht hervor, ob diefe Bücher von 
ven Verklagten jelbit gedruckt, ob ſie Erzeugniffe anderer Preſſen, 
over ob jie teilweiie eigenes, teilweije fremdes Eigentum waren. Die 
Regierung von Baſel, welche dieſen Prozek in der Appellationsinjtanz 
an ſich gezogen hatte, belegte den Streitgegenftand mit Bejchlag und 
forderte die Parteien zum gütlichen Bergleih auf. Mitte Mat 1481 
war der Beichlag noch nicht aufgehoben. Welchen Ausgang aber die 
Sache genommen hat, darüber fchweigen die Akten. ine nicht unbe— 


74 Mainz: Schöffers Geichäftsbetrich. [Zweites 


deutende Forderung ferner, welche Schöffer und Hancquis an den lübeder 
Bürger Hans Bis, beziehungsweife deffen Witwe hatten, veranlafte den 
Kat der Stadt Frankfurt, am 1. April 1480 wieder, wie jchen 1469, 
den Rat zu Yübel um wirkſamen Schuß für Schöffer zu erjuchen. © 
Außer diefem Schreiben, dejfen Entwurf im franffurter Stadtarchiv noch 
aufbewahrt wird und im Anhang unter ILL abgedruckt ift, hat fich 
feine Ginzelheit über die ganze Angelegenheit mehr erhalten. Auch mit 
Ulm hatte die Firma Schöffer Gejchäftsverbinpungen, wie das eben- 
falls aus einer Schulpforderung für gelieferte Bücher hervorgeht, welche 
fie gegen die dortigen Bürger Dans Harjcher, Erhardt Rüwinger und 
Berchtold Dfener geltend zu machen juchte. Sie jandte jogar mit dem 
Schußjchreiben des Kurfürjten Diether von Mainz gleich einen Boten 
mit, der das Geld einfaffieren ſollte. Es wurde ihm aber nicht aus- 
gezahlt, da er nach Anficht ver Schuloner nicht hinreichend bevollmächtigt 
gewejen jei?; „jobald er aber genugſame Gewalt vorweije, wolle man 
ihm nach dem ulmijchen Stadtrechte zu dem Gelde verhelfen”. 

Dieje Prozeffe und Klagen im äuferften Norden und Süden von 
Deutſchland deuten auf eine hervorragende Mekthätigkeit und auf Ver- 
käufe, die, in Fraukfurt abgejchloifen, fich über ganz Deutjchland er: 
jtredten. Schöffer ſcheint jogar jeine Gelpgefchäfte nur von Frankfurt 
aus bejorgt zu haben. Am Magpalenentag 1485 erjucht er den welt: 
lichen Richter Gensfleifch in Mainz dringend, ihm feine Schuld in Frank— 
furt auf der mächiten Meſſe zu zublen. Wäre Schöffer damals Be- 
wohner von Mainz gewejen, jo hätte ev ja viel bequemer jeine Forde— 
rungen dort einziehen können. Gegen Ende des Jahrzehnts erjcbeint er, 
in jeiner gejchäftlichen Thätigkeit verhältnismäßig nachlaffend, wieder in 
Mainz, denn er wird hier 1489 zum weltlichen Nichter ernannt. Den 
damals wie Pilze aus der Erde jchießenden Drudereien, dem unver: 
droffenen Fleiß der Berleger in Deutjchland, Italien und Frankreich, 
den neuen Verbeſſerungen in ven Schriftgattungen, der fritiichen Methode, 
mit welcher die alten Klaſſiker und Kirchenwäter zum Druck vorbereitet 
wurden, furz, diefer auferordentlichen Thätigfeit und Konkurrenz fühlte 
fich der alternde und inzwifchen wohlhabend gewordene Buchhändler nicht 
mehr gewachjen, weshalb er fich denn auf Drude bejchränfte, für welche 
jeine Schriften ausreichten. 


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Kapitel.) Mainz: Schöffers Drude. Sein Eharafter. 75 


feit, d. b. von Fuſts Tode 1466 an bis zu ſeinem eigenen Ableben, im 
ganzen 59 datierte, bis jetzt belannt gewordene Drude. Die meijten der: 
jelben find Folianten, enthalten 50 bis 60 Zeilen in gejpaltenen Kolumnen 
und zählen jeder im Durchjchnitt etivas über 150 Blätter. Darunter 
find theilweife auch neue Auflagen von Werfen, welche bereits früher 
bei Fuſt und Schöffer erjchbienen waren, und bejonvders zu nennen „Cle- 
metis V. Constitutiones cum Apparatu Joannis Andreae” aus ven 
Jahren 1467, 1471 und 1476; „Justiniani Institutiones cum Glossa” 
1468, 1472 und 1476; „St. Thomae de Aquino Expositio Senten- 
tiarum‘‘ 1470; „Hieronymi Epistolae”“ 1470; „Bonifacii VIU. Liber 
sextus Decretalium‘“ 1470, 1473 und 1476; „Gregorüi IX. Decre- 
tales“ 1473 und 1479; „Joannis Torquemada Expositio Psalterii“ 
1474, 1476 und 1478, und „Justiniani Codex“ 1475; endlich aber, 
wie bereits oben erwähnt, wiederholt das Pialterium. Außerdem druckte 
Schöffer auf Bejtellumg verjchievene Breviarien und Miffale, jo für 
Mainz 1483 und 1485, für Meißen 1485 und für Breslau 1499. 
Zeine Hauptthätigfeit dauerte übrigens nur von 1467 bis 1480. In 
dieſen 13 Jahren erjcbienen bei ihm 34 Werfe, während er von 1480 
bis 1502, aljo innerhalb 22 Jahren, nur 15 Bücher verlegte. Arm 
28. März 1485 veröffentlichte er fein erſtes in deutſcher Sprache geprudtes 
und mit Holzſchnitten geziertes Buch: „Ortus Sanitatis, auff teutich: Ein 
Gart der Geſundheit“. Am 21. Dezember 1502 erjchien jein letter 
Drud: die vierte Auflage des „Pialteriums”. 

Schöffer jtarb in Mainz, und zwar gegen Ende 1502 over zu An- 
fang 1503. Am 27. März 1503 erichien das erjte von feinem Sohn 
gedructe Buch: „Mercurius Trimegistus”. Peter's Tod füllt aljo kurz 
vor dieſes Datum. Peter Schöffer war ein fleinlicher Charakter. Ledig— 
lich jeine techniſche Schreibfertigkeit brachte ihn erjt in Berührung mit 
ver Buchdruckerkunſt und mit Männern, welche hoch über ihm ftanven. 
Auf feinem Gebiete war er groß und leiftete auch VBortreffliches; allein 
dieſes Gebiet war eng begrenzt, indem ev nur die Technik eines genialen 
Erfinders ausbeutete und hier und da vielleicht in Nebenpunften ver: 
bejjerte. Er fonnte kaum Lateiniſch jprechen und Griechiich nicht einmal 
lejen. So fehlte e8 dem ungebilveten und für ein Berlagsgejchäft jener 
Zeit jchlecht vorbereiteten Manne an jeder Kenntnis der Yitteratur, deren 
Bervielfältigung ihm Tauſende eingebracht haben würde, und natürlich 


16 Mainz: Schöffers Charakter. [Zweites 


auch am der Ginficht, fich neue, reichen Gewinn bringende Bahnen 
zu eröffnen. Seine Richtung war deshalb auch eine rein hanpwerte: 
mäßige, bei welcher der Vorteil im fleinen ver einzig leitende Geſichts— 
punkt war. Wenn er troßdem mit der Zeit wohlhabend wurde, jo 
danfte er jeine Erfolge der Vorficht und der Beichränfung feiner Thätig- 
feit auf das, was ihm jeine priefterlichen Berater als praftifch und 
deshalb bejonders empfehlenswert bezeichneten. Damals kam das Volt 
als Käufer lateinischer Bücher jo gut wie gar nicht in Betracht; in ber 
gelehrten Welt von Mainz und Paris aber überwog die jcholaftiich- 
theologiſche Richtung, welche Schöffer geſchickt für ſich ausnützte. Unter 
jeine Verlagsartifel verirrte fich nur ein alter Klaffifer, ver obenerwähnte 
„Cicero de Officiis“, und auch dieſen druckte er lieber nach, als daß 
er es ſich Geld für die Durchficht, Kritif und Korrektur der alten Texte 
hätte often laſſen. 

Im schroffen Gegenſatz zu dieſer Knauſerei und Gewöhnlichkeit ver 
Sefinnung ſteht nun feine Selbitgefälligkeit und Ruhmredigkeit. Er bielt 
fih zwei Korrektoren, Meifter Kranz und den oben bereits genannten 
Sohann Brunnen, welche beide das fih und ihrem Herrn jo reichlich 
geſpendete Yob weder durch fehlerfreie Drude noch durch tadelloſe Diftichen 
rechtfertigten. Sie hatten eben bei jeder Gelegenheit Schöffer und feine 
Druderet zu verherrliden, Gutenberg als Erfinder der Kunſt erft in 
ben Hintergrund zu drängen, dann ganz zu Tode zu fehweigen, und 
ſchließlich Fuſt und Schöffer als deren eigentliche Urheber auf den Schild 
zu heben. So find denn perjünliche Yobpreifungen mit halbverftändlichen 
Andeutungen, jachlihe Bemerkungen mit gleichgültigen Bücheranzeigen 
geſchickt vermiſcht, wodurch zuleßt der Einprud erzeugt wird, daß Fuſt 
der eigentliche Erfinder dev Kunſt und Schöffer ihr Verbefferer gewejen 
jei. Die Entftellungen, welche Beter Schöffer’s armſeliger litterariicher 
Diener verbreiten mußte, wurden von jeinem Nachfolger und Sohn 
Johann Schöffer planmäßig und erfolgreich fortgefett. Wenn der Vater 
wider befjeres Wiffen nur Johann Fuft als den „erjten Erfinder und 
Urheber der Buchdruckerkunſt“ bezeichnet hatte, jo gejellte ver Sohn mit 
dreifter Stirn jeinen Vater Peter ald verdienten und ebenbürtigen Ge: 
hilfen dem angeblichen Erfinder Johann Fuſt zu, während er Guten- 
berg mit feiner Silbe erwähnte. Und doch hieß es noch 1505 in ver 
Widmung an Kaiſer Marimilian, welche Johann Schäffer felbft der 


Kapitel.) Mainz: Schöffers Geſchäftsnachfolger. 77 


erſten deutſchen Überjeßung des Livius vorgedruckt hatte, daß Guten— 
berg 1450 die Kunſt erfunden habe, während ſie Fuſt und Schöffer 
ſpäter teilweiſe verbeſſert hätten. In jener kritikloſen Zeit gewannen 
aber die Johann Schöfferſchen Fälſchungen größern Kurs und verdräng— 
ten bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts, ja darüber hinaus, ſelbſt den 
Namen Gutenbergs aus dem Gedächtnis der Nachkommen. Die mythen— 
bildende Phantaſie ſchuf ſich ſogar noch bis auf die neueſte Zeit ein 
Dreigeſtirn von Erfindern, welches, wie in Frankfurt a. M. zu ſehen 
iſt, Gutenberg, Fuſt und Schöffer auf einem Erzſtandbilde vereinigte. 
Madden und nach ihm von der Yinde? gebührt das große Verdienſt, 
daß fie die allmählichen Übergänge und Fortjchritte diejer werfeumderi- 
jchen Kriegführung litterarijcher, im Intereffe Schöffer's gegen Guten- 
bergs Ruhm arbeitender Yohnjchreiber aufgedeckt haben. Für ven Zwed 
ver Gejchichte des Buchhandels genügt die Erwähnung der Thatjache, 
ibre Begründung würde bier zu weit führen. 

Im übrigen zeigen fich in der gejchäftlichen Thätigfeit Peter Schöffers 
bereits die Grundlinien, auf denen der deutſche Verlags- und Sortiments- 
buchhandel fich in der Folge weiter entwidelte: Auswahl der zu ver- 
öffentlichenden Werke umter beſtimmter Rüdjichtnahme auf das Bedürfnis 
und die Bildung der Käufer; Bejorgung von Drudaufträgen auf Koften 
Dritter; Ausdehnung des Gejchäfts durch Errichtung von Filialen, nicht 
bloß in Deutjchland, jondern auch im Auslande; Verbindung des Sorti- 
mentsbuchhandel® mit dem Verlag; Beſuch der franffurter Meſſe; öffent- 
fiche Ankündigung der VBerlagsartifel mit einer vielfach an Marftjchreierei 
grenzenden Reflame und endlich Schädigung der Konkurrenten durch 
Nachprud. 

Das Fuft-Schöfferjche Gejchäft beſtand gerade 100 Jahre. Seinem 
erjten Drud, vem 1457 erjchienenen „Psalterium“, folgte als fetter 1557 
die zweite Auflage des deutſchen Yivius. Johann Schöffer ftarb im 
Sabre 1531 und hatte feinen Neffen Ivo Schöffer, ven Sohn feines 
jüngern Bruders, des zweiten Peter Schöffer, zum Nachfolger. vo 
erlangte ein faiferliches Privilegium für den Drud der Reichstags- 
abſchiede und jtarb 1556. Von dieſem Jahre an bis 1558 führte ein 
Verwandter, Georg Wagner, unter der Firma „Ivo Schöffers jelige 
Erben“ das Geſchäft fort. Yebteres war gegenüber dem jchnellen Auf- 
blüben des Buchdrucks und Buchhandels der Nachbarjtändte in ver Ent- 


78 Mainz: Johann Neumeifter. Jakob Meydenbad). (Zweites 


widelung entſchieden zurüctgeblieben und ließ vesbalb auch bei jeiner 
Auflöſung feine fühlbare Yüce zurüd. Überhaupt hatte Mainz bei und 
unmittelbar nach Erfindung ver Stunt auf jeiner Höhe geitanden. Mit 
jeinev Einnahme (1462) war jeine phyſiſche und geiftige Kraft gebrochen 
und die goldene Moguntia von einer mächtigen und reichen Freien 
Stadt zur Reſidenz eines Erzbiichofs herabgejunfen. Die Intelligenz, 
der Wohlſtand und der daraus hervorgebenve Unabhängigkeitsſinn floben 
zugleich aus der Stadt, welche fortan eine, wenn auch wielfach gegen 
ven Stachel ledende, doch gehorſame ımd dem Prieftertum unterthänige 
Bürgerjchaft bevölkerte. Das politiiche Unglück äußerte nur zu bald 
jeine ververblichen Folgen auf dem Gebiete des Buchhandels. Der Ge- 
burtsort Gutenbergs hatte 50 Jahre nach vejfen Tode kaum Arbeit ge 
nug für mehrere Drudereien. 

Als Schöffers erjter Konkurrent in Mainz gilt der Utrechter Gerhard 
Renwich, welcher dort angeblich 1486 eine Druderei errichtete, nachdem 
er den Dompechanten Breydenbach auf jeiner Reiſe nach Jeruſalem be— 
gleitet hatte. Er gab allerdings deren Bejchreibung in ven Jahren 
1436 bis 1488 in deutjcher, holländiſcher und Iateinischer Sprache ber: 
aus, jeheint indeſſen einer der Maler gewejen zu jein, welche die Bilder 
zu dem mit alten Gutenbergſchen Schriften geprudten Tert lieferten, ſo— 
daß man mit ebenjo großem, wenn nicht größerm Rechte Schöffer ven 
wirklichen Druck zujchreibt, zumal jonjt feine Renwichſchen Arbeiten 
befannt find. Der Zeit nach würde bier ein beveutender Schüler Guten: 
bergs folgen, der Wanverpruder Johann Neumeifter aus Mainz, der, 
nachdem er die Kunſt in mehrern Städten Italiens ausgeübt hatte, 1478 
im die Heimat zurücdfehrte und am 3. September 1479 in Mainz die 
„Meditationes Johannis de Turreeremata“ vollenvete. Neumeifter ging 
aber nach Herjtellung dieſes prächtigen Drudes wieder in die Fremde 
und zeichnete fich jpäter in jeinem Fache bejonders im jüplichen Franf- 
reich aus, wo von ihm noch ausführlicher die Rede jein wird. 

Schöffers erjter urkundlich nachweisbarer Konkurrent Dagegen war 
Jakob Meydenbach oder Mevenbach, ein angeblicher Schiller Gutenbergs, 
deſſen Thätigkeit zwijchen 1490 und 1495 fällt. Die meiften feiner 
Drude tragen weder jeinen Namen noch die Angabe des Jahres und 
Ortes, ſodaß den Bibliographen nur drei Meydenbachſche Bücher befannt 
jind, obgleich er deren mehrere herausgegeben bat. Seine Druderei be- 


Kapitel.) Mainz: Die Heinern Druder. Franz Behen. 79 


fand jich in dem zum Stadtviertel Kirſchgarten gehörigen Hofe, welcher 
„der Saulöffel“ hieß. Diejes im gotijchen Stile erbaute Haus zeigt 
über jeiner Eipgangsthür ein in Stein gehauenes offen liegendes Buch; 
es diente auch im 17. Jahrhundert mehrern mainzer Drudern als Offizin. 
Auf Meydenbach folgte Peter Friedberg, der von 1493 bis 1498 druckte. 
Es find etwa 24 Stüde von ibm erhalten, welche in demſelben Fleinen 
Quartformat und mit vdenjelben gotijchen Typen erjchienen. Im Jahre 
1508 ließ fich Friedrich Heumann in dem „Saulöffel‘ nieder, war aber 
nur bis 1509 thätig. Es iſt eine bis auf die neueſte Zeit von einem 
„Gelehrten“ vem andern nachgejchriebene Fabel, daß er von den „Brü— 
dern vom gemeinjamen Leben” im Kloſter Marienthal die Typen der 
zweinndvierzigzeifigen Bibel gekauft, alſo mit den erſten Gutenbergjchen 
Schriften geprudt habe. Dagegen ift er ver Verleger des jeltenen jatiri- 
ſchen Werfchens „De Fide Meretricum in suos Amatores” (1508). Es 
vergingen jeßt wieder mehr als 20 Jahre, bis Peter Jordan 1531 in 
Mainz eine neue Druckerei errichtete; allein auch er hielt nicht lange 
aus. In jeinem Berlag erjchien eine vwortreffliche, auf Iceljamerjchen 
Grundſätzen fußende deutjche Grammatik: „Die Leyenſchul“. Er wurde 
jwar auch, wie Johann Schöffer, zum Druder des mainzer Domfapitels 
ernannt, fand jedoch in diefer Stellung jeine Rechnung nicht. Als jolcher 
druckte er 1534 die deutſche Bibel Johann Dietenbergers gegen die 
Yutherjcbe Überjegung, ein mit Holzſchnitten und überhaupt ſchön aus- 
geitattetes Werf. Die große Mehrzahl feiner Bücher ift deutſch; Yatei- 
niſches hat er dagegen nur wenig gebrudt. Außerdem übernahm er 
Aufträge für fremde Buchhändler, wie 3. B. Peter Quentel in Köln. 
Das leßte von ibm 1535 in Mainz veröffentlichte Werk ift eine neue 
Ausgabe von Johann Stöfflers „Aſtronomie“, welche zuerit 1513 in 
Oppenheim erjchienen war. 

Yängern Bejtand Hatte die Druderei von Franz Beben oder 
Böhme, einem Meißener. Er errichtete jie 1539 zwijchen den Häuſern 
des St. BVictorjtifts vor Mainz diesjeit Weißenau und druckte dort 
eine Reihe wertvoller, den Bücherliebhabern wohlbefannter Werfe, meift 
tbeologijhen Inhalts. Auch das berühmte lateinische Yobgevicht auf 
Gutenberg und jeine Erfindung von Johann Arnold von Bergel (Bergel- 
lanus) ging im Jahre 1541 ans Behems Offizin hervor, in wel- 
ber der Dichter vermutblich als Korrektor angeftellt war. Nach ver 


80 Mainz: Die Familie Behem. Bamberg. [weites 


Zerjtörung des Victorftifts durch Markgraf Albrecht von Brandenburg 
(1552) verlegte Behem jein Gejchäft in die Stadt Mainz, ins Haus 
„zum Maulbaum“, in welchem e8 unter dem Gründer der Firma bis 
1558 und fpäter unter feinen Söhnen und deren Erben bis zum Bor: 
dringen der Schweden zum Rhein blühte. Zwiſchen 1631 und 1635 
wurde das Haus zerjtört und das Gejchäft ruiniert, während die Familie 
des fetten Inhabers, Johann Albin, verjcholl. Diejer Albin (1594 bis 
1622) war ein ebenjo tbätiger Buchhändler ald Buchdrucker. Zu An- 
fang des 17. Jahrhunderts bejaß er zwei offene Buchläven in Mainz 
und in Frankfurt. Franz Behem und jeine Söhne Ttanden in regem 
Verkehr mit den bedeutendſten Buchhänplern und Buchdrudern der Zeit. 
Semeinjam trieb Franz Gejchäfte mit den beiden mainzer Buchhändlern 
Theobald Spengel und Niklas Geyer, jowie mit den Kölnern Arnold 
Birckmann und Peter Quentel. Auch mit Sigismund Feyerabend, vem 
rührigen franffurter Buchhändler, unterhielt er einen Briefwechjel. Über— 
haupt muß der Gejchäftsbetrieb Behems ein jehr ausgedehnter gemwejen 
jein. Ganz bejonders ſcheint zur Hebung desjelben das faijerliche Drud- 
privifegium für die Neichstagsabichiede beigetragen zu haben, welches 
ibm nach Ivo Schöffers Tode erteilt wurde. 10 

Mit dem Untergange des Behemſchen Geſchäfts verliert Mainz auch 
ven letzten Reſt von Bedeutung für den deutjchen Buchdruck und Buch— 
handel. Ob auch das eine oder andere Geſchäft dort noch vegetiert und 
theologiſche Schriften, Lehr- und Gebetbücher oder auch ausnahmsweiſe 
einmal wiſſenſchaftliche Werke veröffentlicht, die Stadt fällt für die Ge— 
ſchichte des Buchhandels gar nicht mehr ins Gewicht und muß ſich mit 
dem Ruhm begnügen, für alle Zeiten als Geburtsort Gutenbergs und 
als Wiege der größten Erfindung der Neuzeit geprieſen zu werden. 


2. Bamberg 
ſteht der Zeit nach an der Spitze derjenigen deutſchen Städte, in denen 
die neue Kunſt zuerſt Eingang fand und wo man ſogar noch während 
der Thätigkeit des Erfinders zu drucken begann. Ohne der vielfach er— 
örterten Frage weiter nachzuſpüren, wo und wie Albrecht Pfiſter, Bam— 
bergs Prototypograph, die Kunſt, mit beweglichen Schriften zu drucken, 
ſobald nach Gutenbergs Erfindung gelernt hat, möge hier nur die un— 
umſtößliche Thatſache aufgeführt werden, daß ſich Pfiſter in der Bonerſchen 


Kapitel.) Bamberg: Albrecht Pfiſter. 81 


Fabelſammlung von 1461, welche zu Bamberg als erſte deutſche Schrift 
mit voller Bezeichnung des Ortes und Jahres herausgekommen iſt, ſo— 
wie in dem „Buch der vier Hiſtorien“ ſelbſt als Drucker bezeichnet. 
Beim Mangel aller andern urkundlichen Nachrichten über die Lebens— 
verbältniffe diefes Mannes, und namentlich über feinen typographiſchen 
Bildungsgang, läßt fib das Endergebnis aller über ibn verbandelten 
Streitfragen in die wenigen Worte zufammenfaffen, daß damals eine 
Reibe von Werfen mit einer und derſelben Schriftgattung bergeftelft und 
daß in den beiden obigen Füllen durch das unumſtößliche gedruckte Zeng- 
nis Pfiſters dieje Schriftgattung als die ihm gehörige erwiejen ift. Nie- 
mals konnte andererjeits der Beweis dafür erbracht werden, daß bei 
den übrigen, mit denjelben Typen geprudten Werfen ein anderer als 
Pfifter der Druder je. Will man daher aus den Thatjachen ſelbſt 
einen Schluß ziehen, jo kann man die gedachten Werfe nur als „Drucke 
mit Pfiſterſchen Typen‘ bezeichnen; alles andere gehört in das Gebiet 
der bloßen Vermutung. Dieje Erjtlingswerfe zerfallen in datierte und 
undatierte, und zwar find zunächſt die undatierten: 1) die jechsundpreifig- 
zeifige Bibel; 2) der (jogenannte) „Donat” von 1451, deſſen Jahres— 
zabl fich, wie die befannte Scejchlange, durch alle ältern und nenern 
bibliograpbiichen Werfe binzicht, während die parifer Originalblätter die- 
jelbe gar nicht enthalten, vielmehr auf dem einen vderjelben nur das 
Wort „Heydersheym“, auf dem anvern aber „Vffgerichter vertrag 
wegen der aigen gauetter zu Heydersheim 1492 ſteht; 3) Alfegorie 
auf ven Tod; 4) Nechtöftreit des Menſchen mit dem Tode; 5) und 6) 
die Armenbibel in deutſcher und lateinischer Ausgabe; 7) „Belial oder 
Troſt der Sünder” (mit dem Namen „Albrecht Pfifter zu Bamberg‘). 
— Sorann die datierten: 8) und 9) die in 31 Zeilen gedruckten Ablaß— 
briefe von 1454 und 1455; 10) „Eyn manung der chrijtenheit widder 
die Durfen“ von 1455; 11) Kalender mit der Jahreszahl 1457; 
12) Boners „Eveljtein over Fabelbuch“ von 1461 und 13) „Buch ver 
vier Diftorien‘ von 1462. 

Bamberg hat indeſſen eine große Bedeutung mur für die Gejchichte 
ter Erfindung und ihrer unmittelbaren Verbreitung; für die ſpätere wach- 
iende litterariiche Produftion dagegen und ven Buchhandel überhaupt 
fommt es gar nicht im Betracht. Nach dem Tode Albrecht Pfiſters ver- 
ſchwindet die Stadt beinabe 20 Jahre lang aus der Reihe der Drud- 

Kapp. TI. 6 


82 Bamberg. Straßburg. [Zweites 


ſtädte, e8 jei denn, daR man einen legendenhaften Sohn Pfiiters, Namens 
Zebajtian, als deſſen Nachfolger gelten läßt. Erſt 1481 erjcbeinen bier 
Johann Senſenſchmid von Nürnberg und Heinrich Petzenſteiner; fie 
wirkten bis 1490 vereint und leisteten bejonvders Dervorragendes im Drud 
verjchiedener Chorbücher, unter welchen das „Missale ordinis S. Bene- 
dieti“, 1481, und das von Johann Senjenjchmid zu Regensburg ber- 
geftelfte „Missale Ratisbonense‘, 1485, hervorzuheben find. Als nächiter 
bamberger Druder ijt Johann Pfeil, 1497 bis 1519, und nach ihm 
höchjtens noch Georg Erlinger zu erwähnen. 

Diejer furze Blid nach Bamberg, unerläßlich für ven chronologijchen 
Yauf der Darjtellung, aber nicht weiter fürdernd für die Entwickelungs— 
gejchichte der Kunft, möge zum Übergang in die nächſt Mainz größte 
und beveutenpfte Buchpruderpflanzjtätte genügen, nach 


3. Straßburg, 


welches ſich ſchon zu Gutenbergs Yebzeiten durch jeine litterariſche Thätig- 
feit und glänzenden Druderzeugniffe auszeichnete. Währenn m Mainz 
die Schöfferſche Offizin bis zum Ausgange des Jahrhunderts faft fon- 
furrenzlos fortbejteht und im bequemen Schritt alljährlich ein paar neue 
Folianten veröffentlicht, ringe in Straßburg gleich im Anfang die raft- 
(oje Energie zweier großer Buchdrucker und Verleger um den Preis. 
Wie im Sturmlauf werfen ihre Prejjen einen Bücherkoloß nach dem 
andern auf den Marft. Kaum ift ein Niejenwerf vollendet, jo wächſt 
ein neues heran; jedes einzelne repräjentiert aber ein Kapital, welches 
bei mangelnden Erfolge den Unternehmer zu Grunde richten mußte. 
Indeſſen fließen ihnen immer neue Mittel zu, der Abſatz ſcheint faft 
unerjchöpflich und hält fich mit der Produktion auf gleicher Höhe; ja 
immer neue Unternehmer finden jich, welche die neue Kunſt mit großem 
Erfolg gejchäftlich verwerten. 

Wenn auch im 16. Jahrhundert an das mächtiger aufftrebenve Bafel 
nicht hinanreichend, jo tritt doch Straßburg in der Wiegenzeit ver Kunſt 
alfen andern deutſchen Städten tonangebend gegenüber, weshalb denn 
auch jeine Bedeutung für die Sejchichte des Buchdrucks und Buchhan- 
dels gerade in diejer Grjtlingsepoche ganz bejonders gewürdigt zu wer- 
den verdient. Es jteht bier der Name Johann Mentel oder Mentelin 
aus Schlettjtadt obenan. Er faufte im Jahre 1447 als Golpfchreiber 


Kapitel.) Straiburg: Johann Mentel, 35 


das jtraßburger Bürgerrecht; jeines Kumftgewerbes wegen wurde er, wie 
jpäter alle Buchoruder, in die Zunft „Zur Stelz“ eingejchrieben. Er 
gebört zu den erjten, welche die Bedeutung abnten, zu welcher die neue 
Kunſt berufen war. Wo und wie er fie erlernt hat, weiß man nicht. 
Cine Verbindung mit Gutenberg oder mit einem der ftraßburger Gejelf- 
jchafter vesjelben iſt gejchichtlich nicht machzuweijen. Auch der Zeitpunft 
für die Errichtung der Menteljhen Druderei kann nur annähernd be- 
ſtimmt werden. Die freiburger Bibliothef befitt ein Eremplar der erſten 
der lateinischen Bibeln Mentels in zwei Foliobänden; fie gilt wenigftens 
jeit Panzer als Mentels Werf. Am Ende des erjten Bandes fteht von der 
Hand des Rubrifators gejchrieben: „Explicit Psalterium 1460, am Enve 
des zweiten aber: „Explicit Apocalypsis anno domini M°ccce’lxı1°“. !ı 
Demnach batte Mentel ven erjten Band 1460 vollendet, und man kann 
als gewiß annehmen, daß die Errichtung feiner Offizin mindeftens ein 
oder zwei Jahre früher ftattgefunden habe, zumal hiermit die gleichzeitige 
Chronif des Philipp de Yignamine (1474), eines römiſchen vornehmen 
Buchdruckers und Berlegers, übereinjtimmt, welche in einer Notiz über 
vie Buchdruckerkunſt die Wirkſamkeit Gutenbergs, Fufts und Mentels 
in das Jahr 1458 ſetzt. Die obige Bibel enthält 427 Blätter, welche 
zweijpaltig mit 49 Zeilen auf jever Seite gedruckt find. Sie ift zugleich 
die erite Bibel, die mit fleinern gotijchen Yettern nach Erjcheinen der 
mit Miffaljchriften bergeftellten zweiundvierzigzeiligen und jechsundpreißig- 
zeifigen Bibeln herausfam, und jcheint den Mainzern Fuft und Schäffer 
erjt ven Anſtoß zu ihrer achtumpvierzigzeiligen Bibel von 1462 gegeben 
zu haben. Schon die Charaktere diejer jchönen Mentelſchen Bibel zeigen | 
in ihrem flotten Zuge das Gepräge des beweglichen Geiftes ihres Schöpfers. 
Für dieſen rührigen Gejchäftsgeift fprechen auch vor allem die von Mentel 
berrübrenven älteften geprudten VBerlagsverzeichniffe, deren er ſich in ver 
Art ver heutigen Proſpekte, ähnlich wie ſchon früher ver Hanpjchriften- 
händler Diebold Yauber in Hagenau, zur Empfehlung feiner Bücher be- 
diente und deren im fünften Kapitel ausführlicher gedacht werden muß. 
Von bejonvderer Wichtigkeit find dieſe Berzeichniffe aber deshalb, weil es 
durch ihre VBermittelung erjt möglich geworden tft, die Druckwerke Dientels 
su erfennen; denn nur wenige verjelben hat er unter jeinem Namen 
erjebeinen laſſen. Derjelbe findet ſich nur in vem von ihm heraus- 
gegebenen vierten Buche von Auguſtinus' „De Doctrina christiana“ 


6* 


84 Straßburg: Johann Mentel. [Zweites 


unter dem Titel „Ars praedicatoria”, in des Vincentius Bellovacenfis 
„Speculum historiale” aus dem Jahre 1473 und dem „Speculum mo- 
rale” von 1476; jeine übrigen Verlagsartifel mußte man erjt nach dieſen 
Berzeichniffen oder durch VBergleichung der Schriftgattungen herausfinden. 
Grit jeit 1466 treten einige Daten für die Beſtimmung der Drucke 
Mentels auf, welche ebenjo ficher find, als ob er fie jelbft angegeben 
hätte. So bemerft ein Schönjchreiber zu einer lateinifchen Bibel Men— 
tel8, daß dieſer fie 1466 geprudt habe. Die Jahreszahl 1466, ohne den 
Namen des Druders, findet fich ferner in einer „Summa” des Thomas 
von Aquino, welche, wie anderweit nachgewiejen, von Mentel geprudt it. 

Es iſt eine erftaunliche Anzahl von Folianten, welche er beraus- 
gegeben hat, indeſſen läßt fich ihre genaue Ziffer nicht beftimmen. Mappen 
nimmt 21 unzweifelhafte Drucke Mentel® an, zujammen 41 Bände, 
darımter 37 in Großfolio. Nach diefer Rechnung hätte er durchjchnitt- 
lich drei Bände jährlich innerhalb jeiner, wie unzweifelhaft feitjtcht, 
fajt wierzehnjährigen Druderthätigfeit (1465 bis 1478) geliefert. Nimmt 
man aber mit Schmidt an, daß Mentel böchjt wahrjcheinlich jchon vor 
1465 angefangen zu pruden, jo würde fich die Zahl feiner Ausgaben 
und die jährliche Durcbjchnittsfeiftung nach diefem Kenner etwas niedriger 
ſtellen.!? Bon jeinen Dauptiwerfen muß hier in erjter Yinie feine deutſche 
Bibel (um 1466), Die zweite in der Reihe der deutjchen Bibeln, ge- 
nannt werden. Sie zählt 405 Blätter in zweiipaltigem Druck mit 
61 Zeilen auf ver Seite. Der Käufer eines in München bewahrten 
Exemplars bat das Datum, den 27. Juni 1466, jeinen Namen, Hector 
Mulich, und glücklicherweife auch den ftattlichen Preis, 12 Gulden für 
ein ungebundenes Gremplar, bineingejchrieben; ſonſt trägt fie weder 
Mentels Firma, noch Datierung. Seine Druderei hatte er in einem 
„Zum Tiergarten‘ genannten Haufe in der Nähe des Fronhofs, bewohnte 
aber das Haus „Zum Dorn’ in der Dornengafje Er gelangte zu 
großem Wohlftande und wurde einer der reichjten Bürger Straßburgs. 
Kaiſer Friedrich III. gejtattete ihm, al8 Wappen ven Löwen des jchlett- 
jtadter Wappenjchildes anzunehmen, mit dem einzigen Unterſchied, daß 
die Farben umgefehrt wurden. Der große Verleger ſtarb am 12. De- 
zember 1478. Seine beiden Töchter aus erjter Ehe wurden die Gat— 
tinnen zweier anderer nambafter jtraßburger Buchoruder: des Adolf 
Ruſch und Martin Schott. 


Kapitel.) Straßburg: Heinrich Eggeftein. 85 


Der zweite Typograph Straßburgs, ein würdiger Genoſſe Mentels, 
war Heinrich Eggeſtein, von Rosheim gebürtig. Er hatte auf einer 
Univerfität den Magiftergrad erlangt. Nah Straßburg gefommen, be- 
fleivet er nach 1427 bis 1463 das Aınt eines Infiglers, kommt jpäter 
nur noch als Schreiber vor und hat fich alsdann der Buchdruckerkunſt 
zugewandt. Für jeine anfängliche Verbindung mit Mentel fpricht ein 
Zeugnis des Hieronymus von Sebwiler 3, der ein Dokument gejehen 
haben will, nach welchem Eggeftein fih gegen Mentel verpflichtete, ihr 
gemeinjames Berfahren geheim zu halten. Aus diefem Umftanve könnte 
geichloffen werden, daß Mentel jenem die Kunft gelehrt habe. Wäre 
diejes der Fall, jo würde die Genoffenjchaft von nicht langer Dauer ge 
wejen fein, denn durch einen Schirmbrief vom 30. April 1466 nahın 
Kurfürſt Friedrih von der Pfalz, als Yandaraf vom Elſaß, Eggeſtein 
und dejjen Arbeiter in feinen befondern Schuß, ein Beweis dafür, daß 
er in jenem Jahre!* bereits für fich allein arbeitete. Eins feiner ſchön— 
jten, uns heutzutage wertwolliten Werke ift die erſte deutſche Bibel (ohne 
Druderfirma und Jahreszahl erjchienen), von welcher durch mehrere 
rubrizierte Exemplare erwiejen ift, daß fie mindeſtens 1466 gedruckt fein 
muß; fie enthält 404 Blätter in zwei Spalten zu je 60 Zeilen. Mentel 
jtellte erjt nach ihr die oben angeführte zweite deutſche Ausgabe ber. 

Seinen erjten datierten, und zugleich ven eriten datierten jtraßburger 
Druck überhaupt, lieferte Eggeftein in dem Rieſenfolianten des „Decre- 
tum Gratiani“ von 1471, nachdem er bereits drei lateinifche undatierte 
Bibeln hatte erjcheinen laffen. Trotzdem, daß Schöffer in Mainz viejes 
„Decretum” nachzudrucken fich beeilte, gab Eggeſtein doch fchon 1472 eine 
neue Auflage heraus, ein Beweis für den veißenden Abjat des Werkes. 
In demjelben Jahre veranftaltete Eggeſtein noch eine Ausgabe der „Cle- 
mentinae‘, in deren GErplicit er jeinen Namen nennt und binzufügt, 
var von ihm ſchon zahlloje Werke über göttliches und menjchliches Recht 
ausgegangen jeien. Man war bisher geneigt, dieſes Wort als ſtarke 
Übertreibung aufzufaffen over den Ausdruck volumina im Sinne von 
Fremplaren zu deuten; indeſſen hat neuerdings der Klemmſche Katalog 
nachgewiejen !?, daß demjelben Typographen eine größere Zuhl von Wer- 
fen angehört, die bisher einem „unbekannten ſtraßburger Drucker“ oder 
dur Irrtümer und Berwechjelungen auch ven Typographen Georg Reijer 
in Würzburg und Chriſtoph Valdarfer in Mailand zugejchrieben wurden, 


86 Straßburg: Georg Huszner. Martin lad). [Zweites 


ſodaß durch dieſen Zuwachs das ftolze Wort des Meifters Eggeftein im 
eigentlichen Sinne wahr zu werden jeheint. Sein lebter datierter Druck 
find die Decretalen Innocenz' IV. von 1478; jeine Thätigkeit jcheint 
aljo zu gleicher Zeit mit der Mentels erlojchen zu fein. Sein Todes: 
jahr tft unbekannt. 

Der nächſte Buchdrucker Straßburgs ift Georg Huszner, urjprünglich 
Goldſchmied. Er wurde jtraßburger Bürger, als er 1470 die Tochter 
des Nikolaus von Honau heiratete, der als „aurifaber et pressor li- 
brorum‘ mit jeinem Schwiegerjohn zujammen gearbeitet haben jolt. 1% 
Teilhaber aber am erjten (1473) datierten Drude Huszners, dem „Spe- 
culum judiciale” des Biſchofs Wilhelm Duranti, war der Mainzer 
Johann Bedenhub, ver jich als Kleriker bezeichnet. Cs iſt ein Meifter- 
werf der Typographie: der Drud von wundervoller Reinheit, die 
Type ebenfo originell als gefällig. Im Explicit find die beſonders er- 
wähnten metallenen Typen — exculptae aere literae — bemerfens: 
wert. Huszners jpätere Drude von 1476 bis 1498 führen nur noch 
jeinen Namen allein an. Er jtarb erſt 1505, wird aber, ungeachtet 
daß er bis an jein Ende die Goldſchmiedezunft im Stadtrat vertrat, 
in Urkunden immer noch als Druder bezeichnet. Beckenhub tritt jpäter 
in Würzburg umd Regensburg als Teilhaber anderer Buchorudereien 
auf; bei Koberger in Nürnberg und Amerbach in Bajel erjcheint er auch 
als Korrektor. 

Ein bedeutender Buchoruder war Martin Flach, 1475 bis 1500, 
der fat überall mit dem Bajeler Martin Flach verwechjelt wird. Es 
ift jedoch erwiejen, daß beide zwei verjchievdene Perfonen find. Er wurve 
1472 ſtraßburger Bürger. Die Zahl feiner Drude iſt beträchtlich. 
Schmidt hat deren mit jeinem Namen 7O gezählt; mit Einjchluß ver un— 
Datierten mögen auf ihn wohl gegen hundert kommen, welche ihm jogar 
das begeifterte Yob zeitzensffiicher Poeten eintrugen. Seine Thätigkeit 
verdient Übrigens nur nach ihrer technifchen Seite Anerkennung; jeine 
litterarifchen Verdienſte bleiben weit hinter denen feiner zeitgenöſſiſchen 
Nebenbuhler Johann Prüf und Johann Grüninger zurüd, welch (ettere 
mehr einen wiffenjchaftlichen Verlag pflegten. Man fennt von Martin 
Flach, Alaccus oder Simus, wie er fich auch nennt, kaum ein Werk, 
welches nicht dem jtarren theologiichen Dogma Hufdigte. Er ftarb am 
26. Oktober 1500, 7 


Kapitel.] Straßburg: Adolf Ruſch. 7 


Adolf Ruſch von Ingweiler heiratete, wie bereits bemerkt, Mentels 
Tochter Salome und wurde Teilhaber des Mienteljchen Gejchäfts, nach— 
dem er vorher Gehülfe in demſelben gewejen war. Nach jeines Schwieger: 
vaters Tode übernahm er 1478 die Offizin jelbftändig. Seit nicht allzu 
langer Zeit fennt man erſt die genauern Daten über Ruſchs Thätigkeit 
als Buchdrucker. Einem lateinischen Yobgedicht feines gelehrten weitfäli- 
ſchen Zeitgenoffen Rudolf von Yangen, welches 1486 zu Münſter ge- 
druckt erjchien!®, verdankt man die Kenntnis, daß die große wierbändige 
‚„Biblia latina cum glossa ordinaria Walafridi Strabonis et inter- 
lineari Anselmi Laudunensis“ von Ruſch für Anton Koberger gedruckt 
worben ift. Diefes immensum opus — wie Yangen jelbjt es nennt — 
ift ein bewundernswertes Denkmal der Ausdauer und Gejchicklichkeit 
ihres funjtweritändigen Schöpfers. Zum Drud diejer glojfierten Bibel 
wurden viererlei Typen benugt: 1) die Tertfchrift, 2) die Kleinere Stoffen: 
ichrift, 3) die noch Kleinere Interlinear-Gloſſenſchrift und 4) die Miffal- 
type für einzelne Worte, Überfchriften und die erjten Zeilen des Textes 
von jedem Kapitel. Diejen umgibt auf jeder Seite die Gloſſe, während 
ziwijchen feine Zeilen die Interlineargloife des Anjelm von Laon einge- 
ichoben iſt. Ruſchs Perjönlichkeit bietet für die GSejchichte des Buch— 
banvels jener Zeit ein mehr als gewöhnliches Intereſſe. Wie für 
Koberger, jo übernahm er auch Aufträge von andern BVerlegern. Wenn 
jeine eigenen Preſſen nicht ausreichten, jo gab er ven kleinen ftraßburger 
Drudern Arbeit; man fennt überhaupt bis jet nur wenig Drude, welche 
man mit Beftimmtheit als die jeinigen bezeichnen kann. In der bajeler 
Bibliothek haben fich jüngst noch acht Briefe vorgefunden, welche Ruſch 
an Johann Amerbach gerichtet und welche C. Schmidt zuerſt vweröffent: 
licht hat.i“ Wenn auch in möglichjt jchlechtem Yatein geichrieben, jo 
enthalten fie doch einen höchſt intereffanten Beitrag zur Kenntnis des 
Sejchäftsverfehrs der damaligen Buchdrucker und Buchhändler, zumal 
fie einem jo entlegenen Zeitraum, wie dem von 1480 bis 1485 angehören. 

Rush machte zugleich bedeutende Gejchäfte in Papier und lieferte 
jolhes häufig an Amerbach und andere Druder. Er war gewohnt, wenn 
er Bücher für feinen Handel kaufte, diejelben mit Papier zu bezahlen, 
derart, daß er zwei Ballen weißes für einen Ballen bevrudtes lieferte, 
Einſtmals hatte er bei Jakob von Pforzheim eine ähnliche Bejtellung 
gemacht. Diejer antwortete ihm aber, er habe ſich mit Papier genügend 


88 Straßburg: Adolf Ruſch und ſeine Geſchäfte. Zweites 


vorgeſehen und würde ihm die verlangten Bücher auf Kredit ſchicken, 
wenn er ſie mit Geld begleichen wolle. Aber Ruſch erwiderte, „er kaufe 
keine Bücher, ſondern ſei Papierhändler, und wenn jener ſein Papier 
für ſein jetziges Werk nicht brauche, ſo ſolle er es auch ſpäter für die 
andern nicht erhalten“. Ein anderes mal, am 22. Oktober 1482, ver— 
wendet ſich Ruſch bei Amerbach für den ſtraßburger Buchhändler Peter 
Attendorn, „Amerbach möge dieſen mit Typen für eine Preſſe verſorgen, 
wofür er gebührend bezahlen würde“, denn „da er (Attendorn) aufs eif— 
rigſte nach Arbeit trachtet, durch die er Frau und Kinder anſtändig er— 
nähren und erziehen kann, ſo erſuche ich Euch, da Ihr an Typen Vor— 
rat habt, ihm auf meine Bitte Hilfe zu leiſten. Ihr würdet mir da— 
durch einen Dienſt erweiſen, den ich gern mit einem größern erwidern 
werde“. Ruſch lieferte Amerbach zu wiederholten malen Handſchriften, 
bewog ihn auch den Äſop, Auguſtins „De civitate Dei“, die „Ser- 
mones discipuli” zu vruden, letztere in der Art, wie fie Flach gedruckt 
hätte, „denn es iſt ein gutes Buch’, jchreibt er, „und eines großen Ab- 
jates fühig“. Über Nikolaus Keßler und Jakob von Pforzheim beflagt 
er fich, daß fie cs weniger eilig hätten, Bücher zu ſchicken, ala Geld ein- 
zunehmen; ein andermal wieder, daß fie ihm ven „Meffreth” (vie „Ser- 
mones’, welche Keßler 1457 drudte) nicht gejandt hätten. Zugleich be- 
jtellte ev bei Amerbac 10—20 Exemplare ver „Summa praedican- 
tium“, wofür er jofert 19 Gulden pro Eremplar nach Empfang ein- 
jenden werde. — Die vieljeitige Thätigkeit eines Mannes wie Ruſch als 
Buchoruder, Verleger, Buch: und Papierhändler muß in der That Be- 
wunderung erregen. Nach dem Tode jeines ESchwiegervaters jcheint er 
noch einen oder mehrere Sejelljchafter gehabt zu haben; wenigitens jpricht 
er in dem erjten der genannten Briefe von „societas mea“. Cr jtarb 
am 26. Mai 1480. Im jeiner Jugend ſchon hatte ihn enge Freund— 
jchaft mit dem jungen Humaniſten Beter Schott verbunden, der in Straf: 
burg die Pflege der Haffiichen Studien zu erweitern und zu vertiefen 
trachtete. Kine Folge Diejer Berbindung war jedenfalls der von Ruſch 
aufgenommene Plan ver Herausgabe eines mit Holzichnitten verzierten 
Virgil, die leider infolge des Todes des tüchtigen Mannes unterblich. 
Ein Vetter Peter Schotts war ver Buchdrucker Martin Schott, 
der jene obengenannte zweite Tochter Mentels geheiratet hatte. Er 
drudte von 1481 bis 1491. Sein Sohn, Johann Schott, wurde gleich: 


Kapitel.) Straßburg: Johann Schott. Johann Prüf. Johann Grüninger. 80 


falls Bucoruder und veranlaßte durch die Umjchrift des Mientelichen 
Wappens, das er als Enfel des großen Prototypographen auf ven Titel 
einiger von ihm herausgegebenen Werke ſetzte, daß das Mürcen von 
einer durch Mentel erfundenen Buchoruderkunft fich weiter verbreitete und 
den Ruhm Gutenbergs eine Zeit lang verpunfeln half. Seine Thätig— 
feit ale Druder iſt höchſt bedeutend. Zu feiner Zeit ſchon erblühte der 
vom Beſitz einer Druderei unabhängige ftraßburger Verlagsbuchhandel. 
Im Jahre 1510 gab Johann Schott mehrere Werfe auf Koſten jeines Freun— 
des Georg Übelin, genannt Maxillus, heraus; 1513 drudte er für den 
Straßburger Johann Knoblauch, 1515 für Paul Göß, 1517 und 1518 
für beide zuſammen, 1519 für Blafius Salomon in Yeipzig, 1536 für 
Andrea Calvi zu Mailand. Er lebte noch 1545. — Sodanı find die ſchon 
genannten Johann Prüf, 1480 bis 1510, und deſſen gleichnamiger Sohn 
(bis 1527) zu nennen. Jener war ein geborener Wiürtemberger (geb. 
1447) und machte ven Drud liturgifcher Werke zu feiner Speztalität. 
Man bat von ihm Martyrologien mit Kalendern, Mefbücher, Graduale 
und Piafter mit den Muſiknoten. Außerdem gab er Schriften aus fait 
alten Gebieten der Yitteratur heraus. Als Buchhändler beſaß ev zwei 
väden, einen im Hauſe „Zum Tiergarten‘, da, wo Mentels Offizin ge 
weſen war, und einen andern am Gingang zum Münſter. Sein Sohn 
druckte für Knoblauch und Paul Götz. Die feinen Namen allein tragenden 
Bücher belaufen fich auf etwa 20 lateinische und 6 deutſche. Nach 1519 
druckte er zahlreiche lutheriſche Schriften nad. 

Einer der beveutenpften ſtraßburger Druder war Johann Reinhart 
aus Grüningen in Wiürtemberg, gewöhnlich Johann Grüninger genannt, 
ver zuerjt 1480 in Bafel als Druder auftritt und 1482 in Straßburg 
das Bürgerrecht faufte. Im Jahre 1483 gab er in Glemeinjchaft mit 
Heinrich von Ingweiler die „Historia scholastica” heraus, trennte jich 
aber bald von ihm und drudte jpäter allein bis 1529. Seine Offizin 
war eine bochangejehene. Theologiſche Werke, hauptjächlich in deutjcher 
Sprache, Voltsbücher und poetische Yitteratur gingen veichlich aus der: 
jelben bervor; jein Verlag erjtredte fich aber auf alle Teile ver Wiſſen— 
ſchaft. Er war nebenbei zugleich ein großer Nachdrucker und juchte, 
der eriten einer, ſich ſelbſt durch Privilegien gegen ven Nachorud zu 
ſchützen. Seine Drude zeichnen fich vor allem durch zahlreiche Holz— 
jchmitte und Verzierungen, wie ſchöne Aiphabete von Initialen und Titel: 


90 Straßburg: Johann Grüninger. [Zweites 


einfaffungen im Stil der deutſchen Renaiffance aus. Er ijt der einzige 
jtraßburger Buchoruder, der nach der Reformation fortgefahren bat, 
katholiſche Flugſchriften und Traftate herauszugeben. Seine vortrefflichen 
Leiſtungen verjchafften ihm einen bedeutenden Ruf und zahlreiche Be: 
jtellungen von auswärtigen Berlegern. So drudte er 1502 für Konrad 
Hift in Speier, und in demjelben Jahre kaufte ihn Johann Schönfperger 
in Augsburg das in 1000 Eremplaren gebrudte „Heiligenleben“ (28. Fe— 
bruar 1502) unter der Beringung ab, daß Grüninger nur 200 Exem— 
plare davon für ſich behalten, fie nicht außerhalb Straßburg und zu 
feinem andern Preife, als einem Gulden das Exemplar verfaufen, vor 
Ablauf von jechs Jahren das Buch nicht neu auflegen dürfe und bie 
Holzitöde ver Bilder an Schönfperger abliefern müffe, als Beweis da— 
für, daß dieſer der alleinige rechtmäßige Befiger der Ausgabe jei.?° Zu 
wiederholten malen, 1510, 1524, 1525, vrudte Srüninger auch für 
Koberger in Nürnberg. So führte er 1525 den Drud einer von Wili- 
bald Pirdheimer bejorgten Überjeßung der Geographie des Ptolemäus 
aus, deren Verlag und Koften Hans Koberger übernommen hatte. Über 
den Drud dieſer Ausgabe find mehrere Driginalbriefe Grüningers, 
Pirdheimers und Kobergers erhalten. Neben mancher andern interejfanten 
Einzelheit geht aus denfelben hervor, daß die nürnberger Herren den ftraß- 
burger Meifter nicht gerade glimpflich behandelten. Um ver Ausgabe 
ein vecht jchönes Äußeres Gewand zu verleihen, ließ Grüninger kunſt— 
volle Randleiften zu dem Werfe ſchneiden und verzierte damit die Zeiten 
des Tertes. Allein bei Pirdheimer fanden Grüningers Bemühungen 
werig Anklang. In einem böchit aufgebrachten Schreiben beflagt ev ſich 
bei dieſem darüber, daß jein Tert micht im gehöriger Ordnung geprudt 
jet, amd nicht genug damit, habe Srüninger dazwijchen jeine „Fabel und 
gauklerrey gedruckt und aljo die ordnung verkehrt‘, ſodaß Anmerkungen 
und Text nicht immer ſtimmten. „Wo ich mich deſſen verjehen hätte“, 
jchreibt Pirckheimer weiter, „hätte ich cher mein Manuſkript verbremmen 
mögen“ Weiter beſchwert er fich über zahlreihe Drudfehler und dar— 
über, daß Grüninger bei dem fetten Teil e8 verfäumt babe, den zur 
Korrektur bejtellten gelehrten Johannes Huttichius zu Rate zu zichen, 
worauf er fortfährt: „Aber ich ſehe wohl, daß hr meint, wenn Ihr 
nur viel Saufelei und alter Weiber Fabel mit Kartenmaler-Bildern in 
das Buch bringt, jo habt Ihr es wohl gejchafft‘‘, „dans mag wohl jein 


Kapitel.) Straßburg: Johann Grüninger. Kleinere Druder. 91 


unter Kindern und unverſtändigen Leuten, aber unter den Gelehrten würde 
ich mit ſamt Euch zu Spott und Schanden. Ich hätte gemeint, wo 
Ihr etwas nicht verſtanden, hättet Ihr Meiſter Hanſen Huttich um Rat 
gefragt; aber ich ſehe wohl, Ihr folgt nur Euch ſelbſt, es möge geraten, 
wie e8 wolle. Meine Mühe und Arbeit habe ich nicht wohl angelegt. 
Ihr hättet nur hören follen, wie mich Albrecht Dürer Eurer Malerei 
halber, daran doch fein einziger guter Strich jei, verjpottet hat; wir 
würden, meinte er, große Ehre einlegen, wenn wir damit im weljchen 
Landen vor die verftändigen Maler fümen; da würde eben meine Über- 
jetung ungelefen dem köſtlichen Bildwerk gleich geachtet und ich und 
Ihr für «grob unverjtändige Yeut» gehalten werden.“ Natürlich blieb 
Grüninger die entſprechende Antwort nicht ſchuldig. „Es hätten“, fügt 
er, „pariſer und lyoner Buchhändler, die auf einer Meffe die Bogen 
geſehen, jowie auch Spanier, denen er fie auf dem Reichstag zu Worms 
vorgelegt, diejelben jehr ſchön gefunden.” Vielleicht jpielen bier Künftler- 
GCiferfüchteleien, eine Abneigung gegen die elfaffer Schule mit hinein. 
Die italienischen Buchilluftrationen jener Zeit waren ja auch nicht Kunſt— 
werfe eriten Ranges. Schlieplich aber mußte Grüninger den Schmuck 
Doch beijeite laffen und ven Herren zu Nürnberg noch gute Worte geben, 
um von ihnen nicht Schaden zu erleiden. Er ſcheint zuleßt nur noch 
als Verleger thätig geweten zu jein. Sein Todesjahr iſt nicht befannt. 

Untergeorpneter als die bisherigen waren: Heinrich Knoblochtzer, 1478 
bis 1484, der ſich durch jechs bejonvders jprachlich intereſſante veutjche 
Werfe befannt gemacht hat und ſpäter nach Heidelberg überjievelte; 
Thomas Anshelm von Baden, 1488, jpüter zu Pforzheim und Tübingen, 
der zulegt in Hagenau jeine hauptjächlichite Bereutung gewann; Johann 
Eber, 1488; Peter Attendorn, der obengenannte Schütsling Adolf Ruſchs, 
1489; Matthias Hupfuff, 1492 bis 1520, hervorragend durch die 
von ihm herausgegebenen populiren und deutichen Schriften. Sein 
Umſatz muß bedeutend gewejen jein, denn Knoblauch ſchuldet ihm im 
Sabre 1516 für gelieferte Bücher eine Summe von 1984 Gulden. Kerner 
Bartholomäus Kiftler von Speyer, ein Maler, der eine Zeit lang die 
Buchdruckerkunſt ausübte und von 1497 bis 1509 eine ziemliche Anzahl 
meiſt deutjcher populärer Schriften berausgab; Matthias Brant, 1500, 
ein Bruder des berühmten Sebaftian. Dann Johann Knoblauch; er 
heiratete die Witwe Martin Flachs und tritt als deſſen Nachfolger auf. 


92 Straßburg: Johann Knoblauch. Matthias Schürer. Nleinere Druder. [Zweites 


Bis 1527 gab er gegen 200 lateiniſche und 70 veutiche allen möglichen 
Gebieten angehörende Werfe heraus. Er hatte jehr ausgebreitete Ge— 
ichäiftsverbindungen; jeine Prejfen arbeiteten jowohl für auswärtige Ver- 
leger, wie 1505 und 1506 für Johann von Navensberg von Köln, 1515 
für Urban Kaym von Ofen, 1516 für Johann Dajelberg von Reichenau, 
als auch für andere Druder, wie Heinrich Gran in Dagenau, Johann 
Prüf, Johann Schott, Martin Flach den Jüngern. Seine Nachfolger 
waren jein Sohn Johann und Georg Meſſerſchmidt. — Auch der jüngere 
Martin Flach, der eigentlich durch jeinen Stiefvater Knoblauch aus dem 
väterlichen Erbe verprängt wurde, prudte bis zum Jahre 1525 felbitändig 
in Straßburg. Ferner find zu nennen: Johann Wehinger, 1502 bis 
1504; Thomas wor, 1504, deſſen Drude aber verjchwunden find, wenn 
er überhaupt jelbjtändig geprudt hat; Hieronymus Greff, 1502; Matthias 
Schürer, ein Better Martin Flachs des Jüngern. Er hatte gelehrten 
Studien obgelegen und zu Erfurt al® Doctor artium promoviert; dem- 
nächſt als Korrektor bei lach, Prüf und Knoblauch thätig, gab er 1508 
jein erjtes jelbjtändiges Werk heraus. Eifrig für die Hebung der klaſſi— 
ſchen Studien bemüht, wurde er von Beatus Rhenanus, Wimpheling 
und jelbjt Erasmus hochgeſchätzt. Seine Thätigfeit war bedeutend; bis 
1521 veröffentlichte er gegen 250 Werfe. Die Brüder Yeonhard umd 
vukas Alantjee in Wien ließen bei ihm mehrere jchöne Ausgaben in ven 
uhren 1513, 1515 und 1517 drucken. Renatus Bed aus Köln, 1511 
bis 1522, — zuerjt des ältern Prüf Gehülfe, alsdann jein Schwieger— 
john und endlich jein Nachfolger — drudte 1513 für Knoblauch und 
Johann Rynmann in Augsburg, während Konrad Kerner von Steinfelo 
1517 von Johann Haſelberg bejchäftigt wurde. Ulrich Morhard, 1519 
bis 1522, druckte jpäter in Tübingen. Es folgen nun noch Johann 
Herwagen, jpäter in Bajel, 1522 bis 1528; Jörg Kunnaſt, um 1520; 
Wolf Köpfel, 1522 bis 1534; Johann Schwan, 1524; Peter Kornmann, 
1526; Balthafar Bed, um 1528 bis 1531; Chriftian Egenolph, ver ' 
jpitere erfte franffurter Druder, 1529 und 1530; Heinrich Sybold, um 
diejelbe Zeit; Georg Ulricher, 1529 bis 1536; Peter Schöffer, dev zweite 
Sohn des alten Peter Schöffer aus Mainz, 1530 bis 1535; Matthias 
Apiarius oder Bienenvater, der fich jpäter nach Bern begab, 1533 bis 
1539; Johann Albrecht, 1533; Wendel, Theodofius und Joſias Rihel, 
die Nachkommen des Bernhard Nichel in Baſel, von etwa 1535 bie 


— — — — 


Kapitel.) Köln: Handel, Induſtrie und Univerfität. 93 


1621; Jakob Kammerlander, 1535 bis 1542; Crato Mylius, 1537 bis 
1545; Paul und Georg Meſſerſchmidt, um 1560; Bernhard Jobin aus 
Bajel und Erben, 1570 bis zum Ende des Jahrhunderts. Der legtere 
war urjprünglich Kormjchneiver in Bajel. Durch Herausgabe ver geift- 
vollen Satiren jeines Schwagers Johann Fijchart, welche in ganz Europa 
großes Aufſehen erregten, begründete er jeinen Ruhm und Reichtum. 
„Es war”, jagt A. F. Butſch in jeiner „Bücherornamentif ver 
Renaiſſance“, „Ausgang des 15. und Cingang des 16. Jahrhunderts 
überhaupt in Straßburg eine Elite von Trudern, wie fie feine andere 
Stadt Deutſchlands aufweiſen konnte. Die Zahl ihrer Druchverfe (bis 
zum Jahre 1500 etwa 750) war denn auch die größte aller deutjchen 
Drudorte. Verſtand es gleichwohl ihre Nebenbuhlerin Bajel, fie eine 
Zeit fang zu überflügeln, jo nahm in jpätern Jahren des 16. Jahr— 
hunderts Doch wieder Straßburg die früher behauptete Stellung ein.“ 


4, Köln, 


wohin die neue Kunſt zumächit gelangte, hatte ſchon im 11. Jahrhundert 
näcjt Mainz als das Haupt und die Kürjtin von allen Städten des 
Reichs geglänzt und fich jeitvem immer mehr gehoben. Seine günftige 
Yage machte e8 zum Stapelplat zwijchen Mittelmeer und Norpiee, ?! 
Hier trafen die großen Handelszüge zufammen, welche von Venedig und 
Senna über die Alpen und den Rhein hinab, dann vom fernen Nowgorod 
durch Vermittelung Lübecks und der weftfälifchen Städte dem Weſten 
die Erzeugniffe des Oſtens zuführten; bier lagerten die Waren, welche 
aus England, Franfreih und den Niederlanden für die Oſtſee bejtimmt 
waren; von bier wurden Wein und Korn, flämifches Tuch und weit- 
fäliſche Eiſenwaren vertrieben, So entwidelte ſich in Köln ein beveu- 
tender Großhandel und in feinem Gefolge eine nicht unwichtige Induftrie, 
ſodaß die Zahl und der Wohljtand der Einwohner jtetig wuchs. Die 
gegen Ende des 14. Jahrhunderts errichtete Univerſität war einer der 
nach parijer Mufter gegründeten Hauptſitze der mittelalterlichen Schofaftif 
und prägte ſpäter diejen ihren Gharafter auch in den dortigen Drud- 
werfen aus. Die Zahl der noch heute in der ſtädtiſchen Bibliotbef be- 
findlichen fölner Wiegenprude beläuft fih nach Ennens Schrift ber 
dieſen Gegenjtand auf 406 Werfe und enthält außer einigen juriſtiſchen 
und jonftigen Lehrbüchern faſt nur theologijche mittelalterliche Yitteratur. 


94 Köln: Ulrich Zell. [Zweites 


Die Univerfität zählte gegen Ende des 15. Jahrhunderts an 4000 Stu- 
denten und mußte, wenn jie nicht hinter andern gelehrten Schulen zurüd- 
bleiben wollte, ven Bücherdruck möglichjt zu fördern juchen. Die Buch: 
drucker und Buchhändler aber gingen aus den intelligenten kaufmännt- 
jchen Streifen der großen Handelsſtadt hervor. Dieje Dittorp, Hornden, 
Birdmann, umd wie fie alle heißen, waren unternehmende, vührige und 
thätige Männer von weiten geiftigen Gefichtöfreife, große Kaufherren; 
fie legten den Grund zur buchhändlerijchen Beveutung Kölns. Ihr Ge- 
jchäftsbetrieb war damals jchon vielfach ein internationaler und lich be- 
reits die ungemefjene Ausdehnung des geiftigen Verkehrs ziemlich deut— 
lich ahnen. 

Ulrich Zell von Hanau, der fich, wie Peter Schöffer, clericus Mogun- 
tinensis nennt, brachte unmittelbar nach der Plünderung von Mainz die 
Erfindung Gutenbergs nah Köln. Er gilt als einer der erſten Schüler 
der mainzer Drudereien und gehörte, nach dem Duftus jeiner Schriften 
zu Schließen, jpeziell der Fuſt und Schöfferjchen Schule an. Das Jahr 
14656 bringt jeinen erjten batierten Drud, ven „Liber Joannis Chry- 
sostomi super Psalmo quinquagesimo”; jedoch find ihm böchit wahr- 
jcheinfich bereits andere umdatierte Druckwerke vorangegangen. Dafür 
jpricht jeine Ausgabe ver „Officia” des Cicero *?, deren mannichfache 
Fehler in die Fuſt und Schöfferjche Ausgabe des Cicero von 1465 über- 
gingen, ſodaß jene noch älter jein muß, als dieſe. Leider geben vie kölner 
Urfunden über den Zeitpunft jeiner Ankunft in Köln feinen nähern 
Nachweis; die Koelhoffſche Chronik, deren Berfaffer nach eigenen Ans 
gaben Ulrichs über die Buchdruckerkunſt berichtet, jagt darüber nur: 
„stem von Mainz ift die fragliche Kunſt zu allererit nach Köln ge: 
fommen, darauf nad) Straßburg und folgendes nach Venedig. Über Ur- 
iprung und Fortjchritt dieſer Kunſt hat mir mundlich erzählt Meiſter 
Ulrich Zell von Hanau, Buchdruder zu Köln noch zur Zeit anno 1499, 
durch den die genannte Kunſt nach Köln gefommen iſt.“ Auf dieje dürf— 
tige und unfichere Nachricht fan man um jo weniger etwas bauen, als 
die Reihenfolge, in welcher die Städte hier angeführt werben, biftorijch 
durchaus unhaltbar ift, da ebenſowenig wie Köln chronologiſch vor Straß— 
burg geitellt wervden fann, Venedig den Rang vor Subiaco, Nom und 
Bajel voraus hat. 

Im Sabre 1473 erwarb Zell das nahe der gleichnamigen Kirche ge- 


Kapitel.) Köln: Ulrich Zell. Arnold ther Hörnen, 9 


legene Haus „Bei Lyskirchen“ und verlegte feine Druderei dabin, wie 
das jeit 1484 der Zujat apud Lyskirchen auf mehrern feiner Drude 
beweijt.2?° Seine Thätigkeit als Druder ſcheint nur bis zum Jahre 
1494 gedauert zu baben, denn in diefem Jahre erichten das letzte da— 
tierte Werf aus feiner Preffe: „Gerardi Hardervici commentarii in 
quatuor libros novae logicae Alberti Magni.“ Indeſſen lebte Zeit 
nob im Sabre 1507, wo er jein Haus „Alte Malzmühle“ auf dem 
GFigelftein an Hermann Scharwächter verfaufte. Im Jahre 1492 ?* nannte 
ſich Zell jelbft nochmals „erjter Drucker“ — protocharagmaticus —, 
was ihm Johann Koelhoff das Jahr darauf nachmachte. Im ganzen ift 
Zelle Thätigfeit eine beveutende und gewinnbringenve geweien. Man 
fennt von ihm ungefähr 120 Drude, von denen jedoch nur jechs 
ven Namen des Meiſters jelbjt aufweifen. Die meiſten feiner Werfe 
waren fleinere Traftate in flein Quart. Im ganzen bat Zell nur 18 
größere Folianten gebrudt, unter denen feine zweibändige undatierte 
lateiniſche Bibel die erjte Stelle behauptet. Der Bibliograph Mappen 
hat aus handjchriftlihen Notizen, die fich in mehrern Zelfjcben, im Be— 
jig des Kloſters Weidenbach entvedten Druden finden, die Eriftenz einer 
großen Druderei diejes Kloſters herzuleiten fich bemüht und Ulrich Zell 
zu deren Yeiter gemacht. Dieje Vermutungen haben jedoch für die Ge— 
jebichte feine Bedeutung. 

Der zweite fölner Buchdrucker war Arnold ther Hörnen, über welchen 
feiver alle perjönlichen Daten fehlen. Die eigentümliche Schärfe und 
harafteriftiiche Geftalt ver Schriftgattungen dieſes Typographen deuten 
auf jeinen holländischen Urjprung. Ther Hörnen war, wie jchon im 
erften Kapitel erwähnt, ver erjte Buchoruder, welcher Blattzahlen in 
Ammvenvung brachte und jie in arabijchen Ziffern austrüdte Sie fom- 
men bereits in jeinem Drud „Sermo ad populum praedicabilis‘ 
von 1470 vor. Seine Thätigfeit erlifcht mit dem Jahre 1483; in- 
deſſen fennt man doch gegen 60 verjchievdene Druchwerfe von ihm, und 
zwar allein 25, die feinen Namen oder jein Druderzeichen tragen. In 
welchen verwandtjchaftlichen Verhältnis ein Peter tber Hörnen, der 1486 
vorkommt, zu dem obengenannten Arnold jtehen mag 25, ift nicht ermittelt. 

Peter von Olpe drudte von 1470 bis 1477; es find indefjen nur vier 
Werfe von ihm befannt. Ginmal nennt er fich Petrus in altis de 
Olpe. Man glaubt daher, daß er Bergmann bie und von Olpe (Bro: 


96 Köln: Johann Koelhoff Vater und Sohn. (Zweites 


vinz Wejtfalen) gebürtig war, wie auch Johann Bergmann von Olpe zu 
Bajel wohl ein Verwandter von ihm jein mag. 

Einer der bedeutendſten Buchdruder Kölns war Johann Koelhoff aus 
vLübeck, der ebenfalls von 1470 ab daſelbſt in Thätigkeit trat; er ftarb 
im Jahre 1493. Unter ven 80 Druchverfen, die von ibm befamnt 
find, befinden ſich 7 Werke in deutjcher Sprache, die für ven Sprac- 
jorjcher wegen des darin vorberrichenvden niederdeutſchen Dialekts ein 
hervorragendes Interejje bieten. Die Nachricht übrigens, daß Johann 
Koelhoff jeine Typen aus Bajel vom Schriftgießer Yeonhart bezogen babe, 
beruht nur auf einer oberflächlichen Prüfung ver Verje, vie am Schluſſe 
von Franciscus de Platea „Opus restitutionum“ von 1474 jteben. 
Die erjte und zweite Ausgabe dieſes Werfes druckte nämlich Bartholo— 
mins von Cremona im Jahre 1472 (Hain, Nr. 13034, 13036). In 
der zweiten find bereits viejelben Verſe, wie jie die Koelhoffſche Aus- 
gabe von 1474 aufweift, nur mit einer Namensänderung enthalten, derart, 
daß bier jtatt „Basileae” und „Leonardus“, „Cremonae“ und „Bartho- 
lomaeus” jtebt. Weiter gibt es jedoch eine 1473 zu Papua erjchienene 
Ausgabe, die genau diejelben Verſe und auch diejelben Namen, wie die 
Ktoelhoffiche enthält. Demnach war es denn zumächit vLeonhard (Acha— 
tes) aus Baſel, der Die cremonejer Ausgabe zu Papua nachorudte und 
die betreffenden Berje auf ſich paſſend umgeftaltete. Ein Nachdrud diejes 
Nachdrucks iſt dann die Koelhoffſche Ausgabe von 1474, in welcher die— 
jelben Verſe gedanfenlos jteben gelaffen wurden. Derartige Beiſpiele 
unverjtändigen Nachdrucks fennt die ältere Buchdruckergeſchichte ſchon von 
Schöffer an nicht wenige. So enthalten 3. B. ein Dutend verjchievene 
Ausgaben von Bartholomäus de Chaymis' „Confessionale” alle vie- 
jelben Diftihen am Schlufje, welche Chriſtoph Valdarfer in Mailand 
als Druder nennen, und doch ſtammt mur Eine Ausgabe von diejem 
ber, während in allen andern die gedachten Verje mechanijch nachgeprudt 
worden jind. 

Auf Johann Koelhoff folgte im Geſchäft jein Sohn gleichen Namens. 
Man verwechjelt fajt allgemein beide VBerfjönlichkeiten miteinander, da 
der Jüngere fich ebenfalls Johannes Koelhoff Lubecensis nannte; man 
muß jie jedoch trennen, da ver ältere Koelhoff bereits 1493 ftarb, die von 
1494 bis 1500 gedruckten Werke alſo unbedingt einem jüngern ange 
bören. Unter viejen Werken befindet ſich auch die berühmte „Cronica van 


Kapitel.) Köln: Nifolaus Götz. Barth. von Unfel. Konrad Winters. 97 


per billiger ſtat Coellen“ von 1499, die mehr noch wegen der jo oft 
angeführten Nachricht von Grfindung der Buchdruckerkunſt, als wegen 
ihrer Seltenbeit jo berühmt geworden ift. Gin Teil ver Typen und 
Holzſchnitte Koelhoffs ging nach 1500 in den Befit Heinrichs von Neuß 
auf dem Cigelitein über?®, ver bis 1521 daſelbſt als Buchoruder er: 
jcheint. 

Nikolaus Götz von Schlettjtant war nur in den Jahren 1474 bis 
1478 zu Köln als Buchdrucker thätig; feine Drude find daher gering 
an Zahl. Fälſchlich wird ihm die fölner Bibel in niederdeutſcher Mund— 
art zugejchrieben; ebenjo behauptet man, Heinrich Quentel habe die Offizin 
des Nifolaus Götz fortgejegt. Allein beive Annahmen entbehren ver Be: 
gründung und find auf eine faljche Vermutung von Heinrich Yempert 
in jeinen Beiträgen zurüdzuführen. Als Druder ver kölner Bibel iſt 
ferner auch Bartholomäus von Unfel (1475 bis 1485) angenommen 
worden, da in Druden feiner Firma?” Yettern von fajt ganz gleicher 
Geſtalt vorfommen, die indeſſen etwas fetter und auch jchöner find ale 
diejenigen der Bibel. Heinrih Quentel dagegen jtellte 1479 mit einer 
ver Bibeltype genau entjprechenden Schriftgattung feinen erjten Druck, 
die „Summa Astexani” ber; die Schluffolgerung ift deshalb auch wohl 
nicht zu gewagt, daß er der Druder des großen Werfes war. Der eit- 
jige dagegen angeführte Grund, der in der Bibel auffallennde Mangel 
an Signaturen nämlich, die ſich in allen andern Druckwerken Quentels 
vorfinden, ift gegenüber der Ihatjache nicht wohl ftichhaltig, daß Typen 
und Holzjchnitte der Bibel vielfach in andern Quentelſchen Druden vor- 
fommen. Das wichtigfte Werf des Bartholomäus von Unfel, von wel- 
chem im ganzen etwa 20 Drude vorhanden find, ift der „Sachſenſpiegel“ 
von 1480 in niederdeutſcher Sprache. 

Ein Jahr nach ihm beganı Konrad Winters von Homberg jeine 
Thätigfeit. Die von ihm gebrauchten Schriftgattungen find denjenigen 
Ulrich Zells jo ähnlich, daß fie Häufig damit verwechjelt werden. Im 
Jahre 1479 erjchien bei ihm eine jchöne lateinische Bibel, worin es am 
Schlufje heißt: „impressum in eivitate Coloniensi per Conradum 
de homborch: admissum et approbatum ab alma universitate 
Coloniensi”. Es iſt dies der erfte Genfurvermerf, ver fich auf einem 
fölner Druckwerke findet; von bier ab bis zur Mitte ver achtziger Jahre 
febren derartige Vermerke noch oftmals wierer. Die Wirfjamfeit Kon- 


- 


app. I. 4 


98 Köln: Johann Guldenihaff. Heinrich Quentel. [Zweites 


rads von Homberg dauerte nur bis 1482; man fenmt von ihm ungefähr 
30 Drudwerfe. 

Der nächite kölner Buchdrucker it Johann Guldenſchaff von Mainz. 
Er ſtammte aus einem vornehmen Gejchlecht, das jeinen Namen von 
dem dort noch ftehenden Haufe „Zum goldenen Schaf” führte. Die 
Bibliographen Clement, Ban Praet und Ennen laſſen ihn anfänglich in 
Mainz pruden; allein dies ift, wie jett aufgeklärt, ein Irrtum. Im Sabre 
1477 fam er nach Köln und begann bier erjt feine Druderei, die er 
bis zum Jahre 1487 behielt. Dann verjehwindet fein Name. Seine 
Drude find nicht ſehr zahlreich, aber durch jchöne Schriften ausgezeichnet. 
Yetstere jcheinen jpäter an die Druderei ver Retro Minores (Hinter ven 
Minoriten) und Martins von Werden gefommen zu fein, denn man be- 
merkt in Werfen des legtern Guldenſchaffſche Typen.?* 

Der Begründer der berühmtejten fülner Offizin, die volle anderthalb 
Jahrhunderte ihren beventenden Einfluß auf das wilfenjchaftliche VYeben 
des niederrheinifchen Gebietes ausgeübt bat, ijt Heinrich Quentel. Er 
war von Straßburg gebürtig und nennt jich zuerft in ver „Summa 
Astexani” von 1479. Die fölner Bibel in nieverdeutjcher Mundart, 
die, wie oben ausgeführt, ebenfalls als jein Werf bezeichnet werden muß, 
hat er wahrjcheinlich jchbon vor ver „Summa“ fertig geitellt. Diejes 
Bibelwerk iſt auch noch im fünftlerijcher Beziehung durch jeine Holzichnitte 
bejonders wichtig. Heinrich Quentel lebte bis 1503. Gegen 200 Drud: 
werfe geben ein rühmliches Zeugnis von feiner Thätigfeit. Die Druderei 
wurde nach jeinem Tode zumächjt für Rechnung der Kinder fortgejett 
(1503 bis 1520); daranf führte fie jein Sohn Peter Quentel ſelbſtändig 
weiter. Dieſem folgte jein Sohn Johann, und bis in das 17. Yabr- 
hundert hinein firmieren noch Johann Quentels Erben. Peter entfaltete 
in den dreißiger und vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts eine nicht 
zu unterjchäßende Verlagsthätigkeit Seiner Bejchäftigung der Preſſen 
von Peter Jordan und Franz Behem in Mainz z. B. wurde ſchon 
gedacht. 

Unter den hervorragenden Buchdrudern gegen Ende des 15. Jahr— 
hunderts find noch zu nennen: Ludwig von Renchen, aus dem Dorfe 
Renchen in Yothringen, der von 1484 bis 1489 thätig war und ein 
Haus an der Mearspforte bejaf. Er druckte einige Kirchenbücher und 
das jehr geſchätzte und gejuchte „dytſche Paſſional“. Renchen lebte noch 


Rapitel.| Köln: Kleinere Druder. Martin von Werden. Heinrih von Neuß. 99 


1501; er gehört zu ven Buchorudern und Buchhändlern, welche in dieſem 
Jahre die Hilfe des Papftes gegen die Genjurvorjchriften des erzbijchöf- 
liben Offizials anriefen. Gornelins von Zyrichzee, aus der Stadt Zirif- 
zee in Seeland, drudte von 1489 bis 1517 und wohnte in dem jekt mit 
Nr. 2 bezeichneten Haufe in der Stockgaſſe. Johann von Yanden er- 
jcheint von 1496 bis 1521. Bis 1507 befand fich feine Druckerei in der 
Straße „Unter jechzehn Häuſern“ (fovrumpiert in die heutige Straße 
„Sachſenhauſen“), im lettgenannten Jahre aber zog er im das ber 
Artiftenfakultät der Univerfität gehörige Haus „Zur rothen Pforte‘ in 
der Gereonsjtraße. Hermann Bongart aus Kettwig a. d. Nuhr druckte 
von 1495 bis 1521 religiöje, Firchliche und Liturgijche Bücher in dem 
Hauje „Zum wilden Mann’ (jest Nr. 43) auf dem Altenmarkt. ?? 

Martin von Werden jcheint Schriften und Inventar der Druderei 
„Bei den Predigern“ füuflich erworben und leßtere erſt hinter die Mino- 
riten (Retro Minores), dann 1504 nach der Bürgerftraße (Platea eivica) 
verlegt zu baben, wo er wenigſtens von diejer Zeit an arbeitete, während 
die Thätigfeit jener ganz erlojh. Cine Druderfirma Helisabet vidua 
lieferte 1518 bis 1519 zwei Werfe. Panzer hält fie für die Witwe 
Heinrich Quentels; da aber deſſen Gejchäftsnachfofger feine Kinder waren, 
jeine Druderet fih auch „auf dem Dombofe” (va, wo bis jett das Dom- 
hotel jtand) befand, während als Wohnung der Witwe Clifabeth die 
Platea civica angegeben ift, jo ift anzunehmen, daß fie die Witwe 
Martins von Werden war und defjen Druderei nach jeinem Tode noch 
furze Zeit fortjegte. Die Thätigfeit des auf dem Eigelftein wohnhaften 
Heinrib von Neuß, 1500 bis 1521, in deffen Beſitz ein Teil der Typen 
und Holzichnitte von Johann Koelhoff jun. gelangte, zeichnete fich be- 
jonvders durch feine zahlreichen deutſchen Drude aus; es erjcbienen bei 
ihm wohl ein Dutend Heiligenlegenden und andere erzählende Gedichte, 
die für die Gejchichte der deutſchen Yitteratur und Sprache ein noch nicht 
hinreichend gewürdigtes Intereffe bieten. Heinrich von Neuß iſt auch ver 
Druder der Pfefferfornjchen, gegen Reuchlin gerichteten Schriften. 

Mit dem zweiten Decennium des 16. Jahrhunderts beginnen auch 
in Köln, troß der hier für die Entwidelung einer freiern geijtigen Reg— 
famfeit wenig ginftigen Verhältniſſe, die erjten größern Berlagsbuch- 
händler eine erfolgreiche Thätigfeit. Wie bereits erwähnt, war die von 
der Univerfität beeinflußte geiftige Richtung Kölns von jeher eine jtreng 

7* 


100 Köln: Der Buchhandel. Gottfried Hittorp. [Zweites 


orthodoxe. Buchdruck und Buchhandel waren, wenn fie blühen wollten, 
von Anfang an auf fie hingewiejen; ihr Wejen und Inhalt waren nur 
ein Abbild des Willens einer hohen Geiftlichfeit, deren Schuts jene nicht 
entraten konnten. Wie ängftlich vorjorgend aber der Klerus darauf be- 
dacht war, fich dieſe dominirende Stellung der aufblühenden Kunſt gegen- 
über zu beivahren, erſieht man aus der eben berichteten Einführung einer 
förmlichen Büchercenjur, noch che er jelbjt durch das Aufleben ver huma— 
niftijchen Studien fich ernftlich bevrängt jehen fonnte. Bei dieſem geift- 
lichen Übergewicht erfcheint die Thätigfeit eines Mannes um jo auf: 
fülliger, ver im Gegenfag zu allem Herfommen und zu jeiner ganzen 
Umgebung Jahrzehnte hindurch von der Idee getragen wird, die Pflege 
ver klaſſiſchen Studien auch in feinem engern Vaterlande zu verbreiten. 
Diefer Mann war der 1485 zu Köln geborene Gottfried Hittorp,?® 
Vom Beginn feiner Thätigfeit als Verlagsbuchhändler an, im Sabre 
1511 zu Paris, bis 1525 war er unausgeſetzt ver Pflege der klaſſiſchen 
Yitteratur zugethban. Was ihn dann für Die übrige Zeit jeines Wir- 
fens abgehalten, auf der betretenen Bahn weiter fortzujchreiten, ijt wicht 
erwiejen, bezeichnend genug iſt e8 aber, daß der einzige in Köln vor- 
fommende humaniſtiſche Anlauf jebließlich doch im Sande verlief. Gottfriev 
Hittorp num jegte eine große Zahl von Drudereien in Thätigfeit, über 
deren Meitwirfung im Zujammenbang mit der Praris anderer großer 
Verleger das fünfte Kapitel ausführlicher berichten wird. Für ven Ver: 
trieb jeines Verlags umterbielt er anfänglich eine von jenem Geſell— 
jchafter Yudwig Hornden (aus Grüningen gebürtig) geleitete Komman- 
dite in Paris, dann von 1513 bis 1524 jolche in Yeipzig, Wittenberg 
und Prag, zu deren Errichtung er, neben Hornden, mit Augustin Pantzſch— 
mann in Yeipzig in ein Gejelljchaftsverhältnis getreten war. Am 
intimften aber war er mit feinem engern Yandemann Cucharius Hirtzhorn 
(Cervicornus) verbunden, mit welchen gemeinschaftlich er auch in einen 
von den bajeler Buchhändlern Froben und Episcopins angeftrengten Nach- 
prudprozeß verwidelt wurde. Es ergibt fich aber aus den einzelnen Daten 
diejes Prozefjes faum ein greifbares Reſultat für die Gefchichte des Buch— 
bandeld, da es an einer maßgebenden Entſcheidung über jeinen Inhalt 
mangelt. Nebenher gewinnt man aber aus der Darftellung ver Einzel: 
beiten manchen Aufichluß über den damals jchon gejteigerten Verkehr, 
den die Buchhändler auf der Meſſe unter fich zu pflegen begannen. „Im 


Kapitel.) Köln: Gottfried Hittorp. Franz Birdmanı. 101 


Sabre 1534, heißt e8 z. B., „habe Hittorp den Hieronymus Froben 
auf der Mefje geſprochen und gefragt, was er zur Meſſe wolle vruden 
und ausgeben lajfen, worauf derjelbe geantwortet, er gevenfe ven «Jo- 
sephum » zu pruden. Auf Hittorps Erwiderung: feine Exemplare ſeien 
auch verkauft und er jet gleichfalls gewillt, dieſes Werf wieder zu drutden, 
babe jener, ohne eines Privilegiums zu gevenfen, bemerkt: «In Gottes 
Namen, Ihr mögt druden laffen, was Ihr wollt.» An anderer Stelle 
verfichert Hittorp, „Froben habe viele Nahrung von ihm gehabt und 
arofe Summen Geld erhalten”. Da Hittorp weder bei dem älterı, 
noch bei dem jüngern Froben, foweit e8 aus den vorhandenen Drud- 
denkmälern erfichtlich, irgend etwas hat pruden laffen, jo deutet dies gleich- 
zeitig auch auf einen vegen Sortimentshandel mit andern Büchern hin, 
per aber bei jenen jcbon erwähnten Kommanditen nicht von vornherein 
beabfichtigt geiwejen war. Geachtet und geehrt lebte Dittorp noch im 
Sabre 1565. Mit dem Schluffe des Jahres 1539 jcheint er fich jedoch 
vom Buchhandel zurüdgezogen zu haben; wenigjtens findet fich nach diejer 
Zeit fein Verlagsiverf mehr von ihm. 

Eine zweite fölner Buchhändlergröße des 16. Jahrhunderts war Franz 
Birdmann, gebürtig aus Gimbeck bei Venlo: der Begründer einer Buch: 
bändlerfamilie, welche nahezu an 200 Jahre mit dem rühmlichſt be- 
fannten Signet „in pingui gallina“ bejtanden und der noch heute 
„Unter Fettenhennen“ genannten Straße ven Namen gegeben hat. Dieje 
Strafe hatte bis Ende des 17. Jahrhunderts für die fölner Drucker 
und Verleger etwa diejelbe Bedeutung, welche die Buchgaffe in Frank— 
furt für den dortigen buchhänpferiichen Verfehr beſaß. 

Die ältefte Abbildung dieſes Signets erblidt man auf einem 1517 
von Wolfgang Hopyl in Paris für Franz Birdmann gebrudten nied— 
fichen Sedezbändchen, dem „Hortulus Animae“. Das Birckmannſche 
Geſchäft befand fich in Nr. 7 der genannten Straße. 

Der Kanonikus Yudwig von Bülfingen von Cornely Münster, geboren 
1771 auf dem Ritterſitz Rath bei Kempen und gejtorben 26. Juni 1848 
in Köln, welchem dieje Stadt eine äußerſt wertvolle Drudergejchichte in 
vier handſchriftlichen, im ſtädtiſchen Archiv aufbewahrten Bänven: „An- 
nales Typographici Civitatis Coloniensis” verdankt, dieſer jorgfältige, 
wenn auch wenig kritische Forſcher, gibt in jeinem Verzeichnis das Jahr 
1507 als den Anfang der Thätigfeit Kranz Birdmanns an; in dieſem 


102 Köln: Franz Birdmann, [Zweites 


habe er fein erftes Buch: „Missale Coloniense”, zu Paris auf feine 
Koften pruden laffen. Allein die Bibliographen kennen eine Ausgabe 
diejes „Missale“ von 1507 gar nicht. Panzer citiert nach ver „Biblio- 
theca Thottiana“ eine joldhe von 1506, ohne daß in dem kurz gegebenen 
Titel Birckmanns Adreſſe vorfommt. Gewiß ift jedoch, daß Birdmann 
bei demſelben Drucker, Wolfgang Hopyl, im Jahre 1514 eine den 
meiſten Bibliographen unbekannte Ausgabe desſelben „Missale Colo- 
niense“* in prachtvoller Ausſtattung mit vielen Metallſtichen hat her— 
ſtellen laſſen und daß ſein erſtes erwieſenes Verlagswerk im Jahre 1513 
bei demſelben Drucker zu Paris herauskam. Wenn je das Vorbild eines 
tüchtigen Mannes auf einen noch in der erſten Entwickelung begriffenen 
Geſchäfts- und Ideenkreis belebend und ſtärkend einzuwirken vermocht 
hat, ſo muß die Beweglichkeit und Thätigkeit Franz Birckmanns einen 
geradezu bahnbrechenden Einfluß ausgeübt haben. „Geſchäftstüchtig, unter— 
nehmend und beweglich“, wie A. Kirchhoff ihn charakteriſiert, „Arbeit 
und Mühſeligkeit nicht ſcheuend, bald in London und Canterbury, bald 
in Löwen, Brügge, Frankfurt a. M., Köln, Antwerpen, Paris, Tübingen 
oder Baſel, überall durch ſeinen Unternehmungsgeiſt, durch ſeine Thätig— 
feit den einheimiſchen Buchhändlern, nicht ohne ihre Eiferſucht zu er— 
regen, zuvorfonmend, den Austauſch ver litterarifchen Produkte Deutjch- 
lands, Englands, Frankreichs und der Niederlande vermittelnd, bietet er 
die intereffante Perſönlichkeit eines thätigen und verftändigen Buchhändlers 
jener Zeit und ein anziehendes Beijpiel des Buchhandels durch Ber: 
mittelung weiterer Reifen.” 33 Die Größe feiner Gejchäfte in England 
geht aus einem Briefe des Erasmus von Rotterdam aus Canterbury 
vom 21. Dezember 1520 an Andreas Ammonius hervor, worin er bei 
Erwähnung Birdmanns von diefem jagt: er pflege fait alle Bücher da— 
jelbjt einzuführen. ** In London jeheint Birdmann fogar ein jtehendes 
Geſchäft gehabt zu haben, venn auf einem „Graduale ad usum Sarum“ 
von 1528, welches er zu Paris durch Nikolaus Prevoft drucken ließ, 
heißt e&, daß es zu Yonvon bei Kranz Birdmann auf dem St. Paule- 
Kirchhof zu haben' ſei.  Yetterer ſcheint übrigens ein Buchhändler— 
quartier, ähnlich wie zu Köln „Unter Fettenhennen“, geweſen zu ſein, 
denn auch auf mehrern Werken, die der londoner Buchhändler Wilhelm 
Bretton drucken ließ, befindet ſich dieſelbe Adreſſe.““ Erasmus bediente 
ſich der Vermittelung Birckmanns nicht nur in ſeinen Geldgeſchäften und 


Kapitel.) Köln: Franz Birdmann. 103 


jeinem Briefwechjel, jondern auch zu Unterhandlungen mit Drudern für 
die Herausgabe feiner Schriften. In dem oben jchon angeführten Briefe 
an Peter Ammonius jchreibt Erasmus, er habe Birdmann das Manu: 
jfript feiner „Proverbia“, des „Plutarch“ und „Yucian‘ mitgegeben, 
um es an Jodocus Badius in Paris zum Drud zu übergeben. Bird: 
mann zog 68 aber aus irgend einem Grunde vor, Badius zu übergehen 
und die Werfe an Froben zu geben, wodurch die jpäter jo intime und 
dauernde Verbindung des berühmten Gelehrten mit dem großen baje- 
ler Buchdruder eingeleitet wurde. Birdmanns Verkehr mit Bafel blieb 
ununterbrochen fortbejtehen und übte einen beveutenden Einfluß auf die 
Berlagsthätigfeit Arobens aus. Als der Tod Wolfgang Yachners, des 
Schwiegerpaterd Frobens, dieſem den eigentlichen Yeiter feines Geſchäfts 
raubte, mag Birdimanns Beteiligung an Frobens Unternehmungen nod) 
mehr verjtärft worden jein. Der Briefwechjel des Erasmus zeigt ſogar 
deutlich, daß Birckmanns Teilhaberjchaft an Frobens Geſchäft nicht nur 
bei einzelnen Unternehmungen, ſondern ziemlich allgemein bejtanden hat. 
Für Die gemeinjchaftlichen Verlagsunternehmungen behielt Froben ven 
buchhändferijchen Vertrieb für Deutjchland auf der frankfurter Meſſe, 
während Birdmanı jeinen Abjatfreis in den Niederlanden, England 
und Frankreich ſuchte. Daß diefer dabei oft größere Erfolge erzielte, als 
Froben jelbit, it aus dem Briefwechjel des Erasmus mit Ludwig Vives 
peutlich zu erjehen. Bezeichnend für den Unterſchied der Litterarijchen 
Perhältniffe des Südens und Nordens iſt ein Vorkommnis, das ſich in 
den Niederlanden an biefen Vertrieb Frobenſcher Druckwerke durch Franz 
Birdmann fnüpfte und für diefen verbängnisvoll wurde. Er wurde 
nämlich im Jahre 1526 von den antwerpener Behörden wegen des Ver: 
faufs der Okolampadiſchen Überjegung des Chryſoſtomus, wodurch er 
eine Übertretung der Genjurvorjchriften begangen haben ſollte, verhaftet, 
und gelang es ihm erjt nach vielen Weitläufigfeiten und Kojten, ich 
den übeln Folgen zu entziehen. 37 Kin jo thätiger Verleger wie Bird: 
mann bejchäftigte natürlich viele auswärtige Druder. Über dieſe feine 
Beziehungen wird das fünfte Kapitel ſich ausführlicher verbreiten. Hier 
jet nur noch erwähnt, daß er jelbit 1526 in Köln eine eigene Druderei 
errichtete, die er jedoch nicht lange mehr leitete, da fein lektes Verlags: 
werf aus dem Jahre 1529 jtammt. So epochemachend diejer große 
Buchhändler nun auch für die Entwidelung des Gejchäfts geworven it, 


104 Köln: Die Firma Birdmann. Arnold Mylius. [Zweites 


jo wenig Rühmliches läßt fich über jeinen Charafter jagen. Unzuver— 
läſſigkeit und Geldgier werden von feinen Zeitgenoſſen und darunter jelbjt 
von ihm günftig gefinnten Männern, wie Erasmus, als feine hervor- 
ragendſten häßlichen Eigenjchaften getadelt, ſodaß jogar jeine Ehrenhaftig- 
feit nicht unangefochten dafteht. 

Nach Franz Birdmann übernahm das Gejchäft deſſen Bruder Arnold 
Birdmann, ven Kirchhoff wertümlich für den Sohn des eritern hält. 
Vom Jahre 1532 bis 1540 eriftieren einige teils in Köln, teils in Ant- 
werpen gedrudte VBerlagswerfe mit Arnolds Firma, deſſen Thätigkeit 
indejjen weder beveutend noch von langer Dauer gewejen zu fein jebeint. 
Nah Büllingen ftarb ev 1542 und wurde zu St. Paul begraben. Im 
Jahre 1548 und 1549 fommt alsdann die Firma feiner Witwe vor; 
doch jchon Anfang der fünfziger Jahre änpert fich diejelbe von neuem 
in „Arnold Birdmanns Erben“. Unter Yeitung der nun herangeivachjenen 
Söhne entwidelte das Gejchäft jet wieder eine große, weit ausgreifende 
Ihätigfeit; die Firma erſchien z. B. auf ver franffurter Meffe mit einer 
Mehrzahl von Gehülfen, wahrjcheinlich Reijevienern, im Jahre 1565 mit 
acht verjelben. Namentlich jcheinen auch vie gejchäftlichen Beziehungen 
ju der Frobenſchen Familie, förmlich traditionell, jehr enge gewejen zu 
jein. "Unter der genannten Firma wurde das Geſchäft bis zum Jahre 
1585 fortgejeßt. Der „Codex nundinarius“ führt aus dieſem Zeitraum 
116 Werfe auf, Doch ift es wahrjcheinlich, daß aufer dieſen noch manches 
Bud ohne Angabe des Verlags erjebtenen jein mag. Der eigentliche 
Yeiter des Geſchäfts war Johann Birdmann, während ver Bruder 
Theodor jich dem ärztlichen Stande gewidmet hatte und nur ven jtillen 
Teilhaber abgab. Mit dem Jahre 1585 erlojch die alte Firma für den 
Buchhandel, indem Arnold Mplius, ver Barbara, die Tochter Johann 
Birckmanns, heiratete, für die Buchhandlung feinen eigenen Namen ge- 
brauchte, während für die Druderei noch die alte Birckmannſche Firma 
beitehen blieb. 

Arnold Mylius (eigentlich Müller) war geboren zu Meurs am 
16. Oftober 1540 ale Sohn einer angejehenen Kamilie. Büllingen er: 
zählt von ihm, er babe vor jeiner Thätigfeit in Köln zu Antorff (Ant: 
iwerpen) gewohnt und daſelbſt den Buchhanvel betrieben. Einſtmals habe 
die Inquiſition in jeinem Haufe ein Faß verbotener Bücher entvedt, 
worauf Miller gefänglich eingezogen und gefoltert worven jet. In— 


Kapitel.) Köln: Die Familie Mylius. Johann Heyl. Eucharius Hirkhorn. 105 


jwifchen habe ein gewikigter Knecht das durch die Herren verjiegelte 
Faß umgefehrt, die Bücher herausgenommen und mit andern damals 
zufäjfigen angefüllt, worauf man Müller als unſchuldig erkannt und frei- 
gelafjen babe. Er jei nun nah Köln gegangen und babe jeinen Namen 
in Mylius verändert. Hier entfaltete er nach Übernahme des Bird- 
mannſchen Gejchäfts eine außerordentliche Thätigfeit, wobei er auch bie 
alten Verbindungen aufrecht erhielt, die namentlich mit dem großen 
Verleger Chriſtoph Plantin von Bereutung wurden. Mylius jtarb 
im Jahre 1604 over 1605 als wohlhabenver und angejehener Mann, 
aus deſſen Geſchäft in ven 20 Jahren jeiner Thätigkeit über 200 Ver— 
lagswerke hervorgegangen waren. Seine Berdienfte um das Wohl ver 
Stadt hatten ihm die Ernennung zum Rathsherrn eingetragen. Ihm 
folgte jein Sohn Hermann im Gejchäft; er zeichnete jich, wie jein Vater, 
durch lebhafte Beteiligung am den jtäptijchen Angelegenheiten aus und 
ſoll nad Büllingen 1667 geitorben jein. Yeßterer führt auch noch einen 
Enfel und einen angeblich 1699 verjchievenen Lrenfel Hermann an und 
jchliert mit Arnold Joſeph, mit deſſen Tode 1731 die letzte Spur des 
blühenden Sejchäfts erlojch, das im ganzen über 200 Jahre bejtanven hatte. 

Bon fürzerer Dauer, aber von großer Bedeutung für die Sejchichte 
des fölner Buchdrucks und Buchhandels ijt die Verlagsthätigfeit von 
Johann Heyl oder Zoter, aus Bensheim an der Bergſtraße. Er arbeitete 
von 1518 bis 1562 mit jeinen beiden Söhnen Melchior und Jakob und 
errichtete, um ſich der firdhlichen Cenſur möglichit zu entziehen, Kilinlen 
in Solingen und Dortmund Wegen jeiner gründlichen Kenntnis der 
fateinijchen und orientalischen Spracen jehr geſchätzt, druckte er viel für 
arofe Firmen und bejorgte mit jeinem Berwandten Johann Pöllen aus 
Schwerte in Weftfalen auch 1522 die Herausgabe eines in hebräifcher, 
äthiopiſcher, chaldäiſcher und lateinischer Sprache gedruckten Pialteriums, 
Die Söhne jeßten mach dem Tode des Vaters das Geſchäft fort, bie 
piejes 1577 durch Erbichaft in andere Hände überging. 

Eucharius Dirkhorn oder Gervicornus begann 1516 und hörte 1543 
auf. Er war eim wiljenjchaftlich gebilveter Mann, veröffentlichte latei— 
niſche und griechiiche Klaſſiker, die ſich durch Schönheit ver Typen, 
Sauberkeit des Drucks, Stärke des Papiers und beſonders geſchmack— 
volle Ausſtattung der Titel auszeichneten. Zugleich war er in Köln als 
Humaniſt und Grammatiker wegen ſeiner religiöſen Grundſätze ver: 


106 Köln: Eucharius Hirkhorn, Familie Cholinus. [weites 


dächtig. Man fehalt ihn ven reformirten Buchhändler. Am 25. No— 
vember 1535 lieh er fich in Marburg immatrifulieren, offenbar, um des 
Schutzes ver Univerſität teilhaftig zu werden, denn er errichtete dort eine 
Druderei, in welcher er die Schriften druckte, für welche er bei ver da— 
maligen ftrengen kölner Genjur die Druderlaubnis nicht erhalten konnte. 
„Coloniensis Typographus insignis et vir modestiae singularis“ 
nennt ihn die marburger Matrifel. Cine Zeit lang drudte Hirtzhorn 
gemeinjchaftlih mit Hero Alopecius (Fuchs, vulpis, 1521 bis 1540), 
trennte fich aber bald wieder von ihm. 

Außer Kafpar van Gennep oder Genipäus, Johann var Kempen 
oder Kempenfis waren in Köln noch die Brüver Nifolaus und Konrad 
Cäſarius, 1518 bis 1524, thätig, aus deren Offizin zwar wenige, aber 
wegen ihrer Korrektheit jehr gejchitte Werfe hervorgingen. Zu den be- 
rühmtejten kölniſchen Handlungen gehört ferner die Cholinſche Offizin. 
Der Stifter derjelben, Maternus Cholinus, 1555 bie 1587, ein Ge— 
jchäftsfreund Chr. Plantins, ließ anfänglich auf feine Koften bei andern 
druden, legte aber jpäter eine eigene Druderei an und wurde Mitglied 
des fülnischen Rats. Sein Nachfolger war Goswin Cholinus, 1587 bis 
1606; diejem folgte fein Sohn Peter, ver kurfürjtlicher Hofbuchdrucker 
wurde, bis zum Jahre 1636, zu welcher Zeit die Firma „Vidua P. Cho- 
lini“ lautet. Johann Arnold, ein Sohn Peters, zog ſpäter nach Frank. 
furt a. M., wodurch die Firma in Köln erloſch. Schon vorher war 
ein großer Teil des Geſchäfts an Bernard Wolter (Gualterus), 1599 
bi8 1635, einen aus den Niederlanden gebürtigen Buchhändler, gekom— 
men, der eine Tochter des Maternus Cholinus geheiratet hatte. Die 
Buchdrucker- und Buchändlerfamilie Cholinus hat demnach Das Ber- 
bienjt, eine mehr als bunvertjührige Thätigkeit entfaltet zu haben, in 
welcher jie die gebildete Welt mit zahlreichen und würdigen Gaben aus 
alten Fächern der Yitteratur bejchenft hat. 

Das von allen kölner Handlungen aber durch die längſte Dauer ge: 
frönte Sejchäft, welches noch bis auf den heutigen Tag, zwar unter 
häufig veränderter Firma, aber in demſelben „Einhorn-Hauſe“, Unter 
Fettenhennen Wr. 13, ale Rommerskirchens Buchhandlung und Buch— 
pruderei (3. Mellinghaus), blüht, ift Die von Johann Gymnieus (Gym— 
nich) 1516 begründete Druderei und Buchhandlung, die von 1529 ab 
unter dem Signet des Einhorns geführt, im Jahre 1879 die eier des 


Kapitel.) Köln: Johann Gymmicus und feine Nachfolger. 107 


dreihundertundfünfzigiährigen Beftehens in jenem Haufe beging. Der 
Stammpater, Johann Gymnicus I., wirfte von 1516 bis 1544; ihm 
folgten jeine beiden Söhne Martin und Johann II, jowie des lektern 
Sohn Johann II. bis 1596. Diejen vier Gymnichs ſchloſſen fich durch 
Verheiratung und Verſchwägerung im 17. Jahrhundert die Familien 
Hierat und Kind an. Heinrih Rommerskirchen I., Chriftian und Johann 
Heinrih Simonis, Johann Wilhelm Krakamp und Heinrich Joſeph Simo- 
nis bejaßen die Firma im Yaufe des 18. Jahrhunderts. Nachdem ver: 
ihiedene Rommerskirchen (zuletst Peter Heinrich) bis 1868 ihre Eigen— 
tümer gewejen Waren, übertrug ver lekgenannte das Geſchäft auf den 
jetigen Inhaber, Julius Mellinghaus. Bon jenen Vorgängern jeien hier 
namentlich hervorgehoben Anton Hierat (geitorben 1627), ein Verleger im 
großen Stil, welcher in verhältnismäßig kurzer Zeit zahlreiche und wert: 
volle Werke, darunter große Folianten — namentlich auf dem Gebiete der 
katholischen Theologie — herausgab. Büllingen verzeichnet 250 Verlags: 
artifel von ihm; fie zeichnen fich durch jchöne Yettern und gutes Papier 
aus. Sein beveutendftes Verlagswerk bilvet jedenfalls der letzte Band 
von Georg Brauns großem Städtebuch, ein Werk, welches fpäter von den 
Merianſchen Topographien ſtark ausgebeutet und benußt wurde. Zeine 
beiven Söhne (bis 1641) wirkten im Geiſte des Vaters fort und veröffent- 
lichten binnen zwei Jahren das „Magnum Theatrum Vitae Humanae” 
in acht großen Foliobänden. Johann Kind beſaß dann die Firma bis zu 
jeinem 1656 erfolgten Tode. Die Zahl feiner (meift jejuitifch-theologi- 
ichen) Verlagsartifel iſt ſo groß, daß fie weder von einem frübern noch 
ſpätern fölner Berleger erreicht wird. Büllingen macht über 650 von 
ibm veröffentlichte Bücher nambaft. Überhaupt waren alle Beſitzer der 
jest Rommerskirchenſchen Buchhandlung tüchtige Männer, welche fich 
nicht weniger durch Yeiftungen in ihrem Berufe als durch eine geachtete 
Stellung im bürgerlichen Yeben auszeichneten. 3° 

In dieſer Drudergejchichte Kölns ift der jpäter berühmt gewordene eng: 
liſche erſte Druder William Caxton übergangen, nicht, weil er, wie 
neuerdings vielfach behauptet wird, jeine Ausbildung als Druder in ven 
Niederlanden erhielt, jondern weil er durch jeine Thätigfeit nach Eng— 
fand gehört. Dort wird der Ort fein, den Nachweis dafür zu führen, 
daß Garten die Kunſt in Köln erlernt und auch hier wenigjtens zwei 
Bücher gedrudt hat. 


108 Köln: Sinten feiner Bedeutung. | Zweites 


Übrigens hielt ſich Kölns Bereutung als Drud- und Verlagsort nur 
bis zum Dreißigjährigen Kriege auf ihrer alten Höhe. Von da ab finft 
fie reißend jchnell. Die Thätigkeit der Fölner Preſſen bejchränft fich fortan 
(einige Ausgaben von Kirchenvätern ausgenommen) auf den Drud recht- 
gläubiger katholiſcher Schriften und ver entjprechenden Glementar- und 
Handbücher für die katholiſche Univerfität und die Schulen. Auf diefem 
Gebiete verjorgen fie Das ganze nordweſtliche und nördliche Deutjchland. 
Die geiftliche Cenſur ift bier jo ftreng wie in Bayern. Die alleinjelig- 
machende Kirche herricht in Köln unbedingt. Das Kurfürftentum ift über- 
haupt fein weltlicher Staat, und ver Jejuitisinus unterdrückt jeden Kampf, 
nachdem er den ihm durch den Proteftantismus bedrohenden Gefahren 
mit fnapper Not entgangen ift. Der Übergang zur völligen Bedeutungs— 
(ofigfeit vollzieht fich aber mur in allmählichen Abjtufungen. Die fölner 
Preffen wollten Beichäftigung und fanden fie zunächit im Nachdruck. Die 
günftige Yage trug mächtig zur Verbreitung, aljo auch zur Blüte diejes 
Geſchäfts bei. Die Verhältnifje lagen bier jo bequem, daß jchon von 
1587 bis 1594 ver Italiener Johann Baptift Giotti in Köln eine 
Druderei errichtete, in welcher er die in feiner Heimat vergriffenen ober 
jelten gewordenen Werfe neu herftellte, um fie mit Vorteil diesfeit, wie 
jenjeit der Alpen zu verkaufen. Selbſt in den geiftig gejunfenften Zeiten 
war die äußere Ausjtattung der Bücher, namentlich der Andachtsbücher, 
immer noch leidlih aut. Man verjuchte wenigjtens, fich an gefällige 
venetianifche, Plantinjche und Elſevieriſche Mufter anzulehnen und wer: 
wandte namentlich viel Aufmerkfamfeit auf die Titelfupfer, deren ein: 
zelne jelbjt in jpätern Zeiten noch in Venedig geftochen zu jein jcheinen. 
Venetianiſche Kupferftich- und Bilverhändfer treten vielfach im 17. Jahr— 
hundert in Köln auf. Billingen hat feiner Sammlung die Originaltitel 
der Hauptwerke der von ihm angeführten Verleger beigefügt. Die 
Stiche find vielfach, wenn in der Auffaffung auch zopfig, in ihrer Aus 
führung doch von vollendeter Sauberkeit, Reinheit und Eleganz. 

Der chronologiſchen Folge entiprechend, wendet fih die Darjtellung 
nunmehr nad) 


5. Baſel. 
In der Inelyta Germaniae Basilea vereinigten fich alle Berin- 
gungen, welche die naturgemäße Vorausjegung für das Aufblühen der 


Kapitel.) Baſel: Günftiger Boden für die Kunft. 109 


jungen Kunſt umd für einen bedeutenden Verlagshandel bildeten. An 
einer der vorteilbafteften Stellen des größten jehiffbaren Fluſſes im da— 
mals ciwilifierten Curopa gelegen, nach Norven bin Deutjchland, nach 
Südweſten hin Frankreich und nach Süden hin die Schweiz faufmännijch 
beherrſchend und ausbeutend, bildete Bajel die natürliche Brücde für drei 
Kulturlänvder und behauptete zugleich eine hervorragende politiiche Stel- 
fung in den damaligen Welthändeln. Wenn nım einerjeits der Groß— 
banvel Bajels von einem ungewöhnlichen Unternehmumgsgeift getragen 
wurde und reiche Schäte ſchuf, jo äußerte ſich andererjeits in den wohl- 
babenven und unabhängigen Bürgern auch ein reger fünftlerifcher und 
wifjenjchaftlicher Sinn, welch letzterer 1460 in der Gründung der Uni- 
verfität jeinen Ausprudf fand. Begrüßten nun Gelehrte und Studenten 
die neue Kunjt als Förderin der Wiffenjchaft und als die von der Ab- 
bängigteit von Handſchriften und jonftigen Unzulänglichfeiten befreienve 
Macht, jo erkannten die dortigen Großhändler mit dem ihnen eigenen 
Scharfblid die großen gejchäftlichen Vorteile, welche ihnen eine im großen 
geübte Ausbeutung der Druderfunft gewähren mußte. Dieſe zwei mäch- 
tigen, wenn nicht mächtigjten Klaſſen der Stadt verfolgten von Anfang 
an aljo gemeinjchaftlich dasjelbe Ziel, inpem fie ihr Geld und ihr Wiffen 
zujammentbaten, um den Bücherdruck und den Berlagshandel zu einem 
einträglichen Gejchäft zu machen. Natürlich zog nun diefer wieder junge 
Gelehrte an, welche kaum in irgend welchem unmittelbaren Verhältnis zur 
Univerjität jtanden, allein in diejen Streifen Vorſchub fanden und zu 
Bereutung gelangten. Während in andern Teilen Deutjchlands anfüng- 
lich höchjtens Einzelne fehüchterne Verjuche wagten und in der Kegel erft 
die nur allmählich jich einftellende Konkurrenz an einem Orte mehrere, 
meiſt nur ärmliche Gejchäfte entjtehen ließ, arbeitete in Bafel von vorn- 
berein das mit der Gelehrjamfeit vergejellichaftete große Kapital und ver- 
jtand e8 durch diejen großhändleriſchen Betrieb, die neue Kunſt geſchäftlich 
in ausgiebigfter Weije zu verwerten. In feiner andern Stadt Deutſchlands 
bot ficb deshalb dem Buchorud und Buchhandel ein jo günftiger Boden 
als in Bajel. Als es (1501) vom Reiche abfiel, wurde es ein fosmo- 
politijcher Mittelpunft, der über manche nationale Schranfen und Vor— 
urteife binausragte. Um jene Zeit waren in Bajel an 20 beveutende 
Drudereien vollauf bejchäftigt. In den drei Jahrzehnten von 1470 bie 
1480, 1490 und 1500 werden in den bafeler Stenerliften je 26, 12 


110 Baſel: (Beromünfter.) Berthold Nuppel. (Zweites 


und 20 neue, aljo im ganzen 58 Namen, reſp. Firmen erwähnt, deren 
Träger aber wohl in ihrer Thätigfeit zum Teil nicht ſelbſtändig gewejen 
find, zum Zeil anonym gearbeitet haben. 

Ob in der heutigen Schweiz vor Bajel jchon in Beromünfter ge- 
drudt wurde, iſt eine ziemlich müßige Streitfrage, die höchſtens für 
Antiguare einige, für die Entwidelung des dortigen Buchhandels und 
Buchdrucks indeſſen gar feine Bedeutung bat; nach Siebers Forſchungen 
iſt Baſel in der That der Zeit nach der erſte Druckort der Schweiz. 
Denn wenn auch ein unbedeutender beromünſterer Druck (der „Mammo-— 
trectus“) die Jahreszahl 1470 trägt, ſo beweiſt dieſe Thatſache doch 
höchſtens, daß man dort früher begonnen bat, Ort und Jahreszahl zu 
nennen. Es liegt deshalb auch für die Anfänge des jchweizer Buch— 
drucks das Hauptgewicht auf Bajel, und fajt ein volles Jahrhundert 
jteht Dieje alte Neichsftadt für ganz Deutjchland im Vordergrunde der 
buchhändferijchen Thätigfeit und Bedeutung. 

Das ältefte bis jegt entvedte Datum für den Anfang der Buch— 
pruderfunft in der Stadt Bajel bildet der Eintrag der Jahreszahl 1468, 
welchen ein Käufer in ein Gremplar von „Gregorii Magni Moralia in 
Jobum“ (Hain 7926) machte. Das betreffende Eremplar befindet fich 
noch heute in der Nationalbibliothef zu Paris. Indeſſen fest die Fertig: 
jtellung der Schriften und der Drud des beträchtlichen Folianten 3? not- 
wendig jebon einen Zeitraum von ein paar Jahren voraus, wenn man 
jelbjt die Möglichkeit außer Betracht laffen will, daß das Werk nicht 
gleich bei jeinem Erſcheinen gekauft wurde. Es jteht nicht einmal un— 
bedingt feit, daß der umfangreiche Drud in der That der allererfte 
Bote war, den die junge bajeler Preſſe entjandte, und es fragt fich, ob 
nicht früher jchen Kleinere Vorläufer die Werkftätte des mainzer Gebilfen 
verließen, der bier in Bajel als erfter Pionier die Kunſt Gutenbergs 
ansübte, 

Berthold Ruppel (Bertolff von Hanowe, auch Röpel und Rippler 
genannt) iſt nämlich ver Mann, welcher die neue Erfindung nach Baſel 
brachte. Im Jahre 1455 wird er zuerjt im Prozeß Fufts gegen Guten- 
berg als des letttern Diener und „„Druderfnecht” genannt und mit dem 
jpäter nach Nürnberg ausgewanderten Heinrich Stefer als Zeuge vor- 
geladen. Wann umd wie er nach Baſel fam, läßt fich nicht bejtimmen. 
Sei es, daß er ſchon im Jahre 1455, bald nach der Auflöfung der 


Kapitel.) Bafel: Berthold Ruppel. 111 


Gutenbergſchen Geſchäftsverbindung mit Fuſt nach Baſel zog, ſei es, daß 
ihn die Gründung der Univerſität 1460 dahin lockte, oder ſei es endlich, 
daß er nach der Plünderung von Mainz 1462, dem Beiſpiel vieler andern 
folgend, ſeine Schritte in die Fremde lenkte und in Baſel blieb: genug, 
Ruppel tritt ſchon gegen Ende der ſechziger Jahre hier auf, wenn er 
auch das Bürgerrecht erſt am 14. Februar 1477 nach einem mehrjährigen 
Aufenthalt erwarb. Bereits im „Repertorium Vocabulorum exquisito- 
rum“ des Conradus de Mure (etwa 1466 veröffentlicht) wird der ehren- 
werte „Bertoldus in Basilea” ala Druder bezeichnet. Einen andern 
Bertboldo, der Druder war, gab es aber damals dort nicht (Bertoldus 
nitide hunc impresserat in Basilea). Diejes Werk, das einzige, welches 
Bertholds Namen anfweilt, bildet einen fleinen Kolianten von 147 Blät- 
tern zu 36 Zeilen und ijt ohne jede Blattbezeichnung gedrudt. Mit 
gleichen Typen hergeftellt, und deshalb als Berthold Ruppels Drud zu be- 
trachten, find Gregors des Großen ſchon erwähnte „Moralia seu Ex- 
positio in Jobum“. Sie enthalten 421 zweijpaltige Großfolioblätter 
zu 48 Zeilen; Blattbezeichnungen fehlen ebenfalls. Die unvollfommene 
Technif des Druds läßt dieſes Werf als älter erjcheinen, als das „Voca- 
bularium“. Die Klemmſche Sammlung enthält Nr. 423) ein Eremplar 
diejer Ausgabe, welches ein Verzeichnis der Drudfehler, das erfte be- 
kannte Zinpdenbefenntnis diefer Art, aufweiſt. Darf man chen Zweifel 
begen, daß ein jo umfangreiches Werk, wie das eben bejchriebene, als 
erjtes Druckwerk eines Typographen erjchienen jein joll, jo muß fich ein 
ſolcher Zweifel durch das Vorhandenſein diejes Drudfehlerverzeichnijjes 
noch verjtärfen; es zeigt ſich im dieſer Beigabe das Streben nach tech- 
nijcher Bervollfommmung. Um jo mehr hat man Grund zu der Annahnıe, 
daß noch frühere Drude Berthold Ruppels eriftiert haben und entweder 
verſchwunden find oder unerfannt in den Bibliothefen ruhen. Ohnehin 
führen die Bibltographen, wenn auch im jehr unfichern Angaben, noch 
fünf andere Drudwerfe ohne Firma und Jahreszahl an, welche ven Typen 
nach ebenfalls Ruppelſche Erzeugniffe fein jollen. Aber auch dieje Werte 
würden bei weitem noch nicht binreichen, Ruppels langjährige Thätigkeit 
auszufüllen, welcher, wie aus dem bajeler Fertigungsbuch zu erjehen tft, 
mit jeiner Frau Magpalena, geb. Meyger, im Mai 1482 fein Tejta- 
ment machte und im Jahre 1490 erneuert. Nimmt man auch an, daß 
Kuppel jeinen Yebensabend als vermögender Mann in Mufe verbracht 


11? Bajel: Der Buchdruderftrife von 1471. Zweites 


babe, jo mußte jolchen Erfolgen doch jedenfalls eine ausgedehntere Thätig- 
feit vorangegangen fein, als fie die wenigen befannten Drude erfennen lafjen. 

Übrigens wird der frühe Anfang des bafeler Buchdrucks durch feine 
Thatjache im eim helleres Yicht geftellt, als durch jenen älteſten aller 
Druderjtrifes, welchen die dortigen „Buchdruckerknechte“ im Jahre 1471 
gegen „die Meifter, jo die Bücher drucken“ durchjeßten. *% Die Gejellen 
verbanvden fich nämlich untereinander gegen ihre Meifter und verließen, 
da fie fich im ihren echten beeinträchtigt glaubten, die Arbeit. So 
entleerten fich denn die Offizinen, und es kam zu langwierigen Streitig- 
feiten, die jchließlih im Güte beigelegt wurden. Die am Ende des 
Jahres 1471 zu Stande gebrachte Vereinbarung lautet, ins Hochdeutſche 
überjeßt, im Gerichtsprotofoll alſo: „Demnach ift zwijchen den Meeiftern, 
welche Bücher drucken, einerjeits, jowie den Gejellen anvdernteils dur 
die Herren Urteiljprecber folgende gütliche Vereinbarung und nachſtehen— 
der Vertrag bejchlojjen werden: Die Gejellen jollen heute wieder an ihre 
Arbeit geben, vdiejelbe zur ZJufrievenbeit ihrer Meijter und zur eigenen 
Ehre verrichten, fich auch jonft im Dienſte gebührfich betragen und ſich 
namentlich davor hüten, Bündniſſe unter fich einzugehen. Desgleichen 
jollen auch die Meiſter vie Gejellen halten und ihnen zufommen (wört— 
lich: jehen) laffen, was billig ift, mit Efjen, Trinfen u. ſ. w. Sollte es 
fich ereignen, daß einer, zwei oder mehrere unter ven Gejellen fich auf- 
rübhrerifch zeigten und Widerſtand leifteten (etwas umwilles fürnemen), 
jo ſollen die Meiſter den Betreffenven, je nach Verhältnis des jährlichen 
Yohnes, auszahlen und verabjchieven. Ebenſo jollen die Gejellen, wenn 
ihnen von den Meiftern etwas überbunden (zugemutet) wird, das über 
Gebühr ift, den Abſchied nehmen und jene haben ihnen den Dienjtlohn 
(lidlon) ebenfalls nach Verhältnis (ded bedungenen) auszurichten. Bei 
dieſem Entſcheid bat es zu bleiben, alles chrbar und redlich («ohne 
Seführven). 

Abgejehen davon, daß aus dieſer Urkunde das Beſtehen einer größern 
Anzahl von Drudwerkftätten zu Bajel ſchon im Jahre 1471 hervorgeht, 
liegt es auch auf der Hand, daß, bevor die Berbältniffe eines Gewerbes 
zu jo großer Bedeutung heranwachſen fonnten, wie fie ein in allen Phajen 
ausgebildeter Arbeiterftrife befundet, ihre Entwidelung von ven erjten An- 
füngen bis zu ven Yebensäußerungen eines groß gewordenen Standes jebon 
einen größern Zeitraum in Anfpruch nehmen mußte. 


Kapitel.) Bajel: Michael Wenszler. 113 


Zu den dort genannten Meiftern wird auch ver zweite befannte 
Buchdrucker Bajels, Michael Wenszler, gebört haben, obgleich feine typo— 
grapbijche Thätigfeit urkundlich erit vom Jahre 1472 an feftgejtellt ift. 
In eins der drei Gremplare der von Michael Wenszler in Gemeinjchaft 
mit Friedrich Biel herausgegebenen Briefe Gasparini's von Bergamo, 
welche jicb auf der bajeler Bibliothek befinden, hat der Käufer Magijter 
Jakob Yauber die Notiz eingetragen, daß er das Buch am 1. Dezember 
1472 gekauft babe, ſodaß aljo deſſen Druck jpätejtens im dieſes Jahr 
fallen kann. Michael Wenszler ift eine interejfante Perjönlichkeit, unter- 
nehmend und geiftig hervorragend, vom Glück aber wohl durch eigene 
Schuld wenig begünftigt. Er wurde in Straßburg geboren (wann aber, 
ijt nicht befannt). Im Baſel befand er fich jchon 1463, denn in der 
„Matrieula studiosorum Universitatis Basileensis” lieſt man unter 
dem Monat Mai viejes Jahres „Michahel Wensenler de Argentina 
dedit totum“ (die ganzen Immatrifulationsgebühren). Die Ausübung 
ver Buchdruckerkunſt verlangte damals noch einen Bildungsgrad, welchen 
man vorerjt nur auf Univerſitäten erreichen fonnte, welcher aber auch 
von vornberein den Buchdruckern Anſpruch auf eine bevorzugte Stellung 
gab. Die Buchpruderfunjt wurde daher auch zu den freien Künſten 
gerechnet und die Buchoruder waren (wenn in Bajel überhaupt jchon 
zünftig) bei allen Zünften. So zählt denn auch Wenszler zu einer 
ganzen Reihe von Männern, die in den jechziger Jahren als afademijche 
Bürger zu Bajel immatrifultert waren und jpäter einen großen Ruf ale 
Buchdrucker erlangten. Nach Ludwig Sichere Mitteilungen gehören zu 
ihnen außer Wenszler unter andern folgende: Hans Wurfter aus Kempten 
(1460), ver 1472 in Mantua drudte und 1482 bajeler Bürger wurde; 
Ulrich Gering aus Konftanz, der befannte erjte parijer Druder (1461); 
Peter Metlinger aus Augsburg, jpäter in Dijon in jeinem Fache thätig; 
Eberhard Fromolt von Bajel, in der Folge Druder daſelbſt; Heinrich 
Turner von Bajel, jpäter in Toloja, jämtlich in vemjelben Jahre (1461); 
Leonhard Acates (Eckardt) von Bajel (1466), Druder in Bicenza; Io- 
bannes von Beſigheim (1469), jeit 1478 bajeler Bürger und Buchoruder; 
Beter Kölfiter von Bern (1470) und Nikolaus Keßler von Bottwar (1471). 

Als erjter Drud Wenszlers gilt der jehon angeführte „Liber Epis- 
tolarum Gasparini Barzizii Pergamensis”“. Er ijt ver erſte bajeler 
Berleger, ver fich zeitweije und für die Herjtellung einzelner Werfe mit 

Kapp. I 8 


114 Bajel: Michael Wenszier. (Zweites 


andern affoctierte, bald wieder allein drucdte, bald wieder eine neue Ver— 
bindung einging. In den Dijtichen, welche jenes Erſtlingswerk einleiten, 
nennen fich Michael Wenszler und Friedrich Biel als Druder desjelben. 
Ob die nächſten von Wenszler gepructen Werfe ebenfalls noch aus der 
Semeinjchaft mit Biel hervorgegangen find, iſt nicht erweislich, da Fein 
zweites Werf den Namen des legtern trägt. Gewiß ift nur, daß Fride— 
ricus de Bafilen um 1485 in Burgos wiedergefunden wird, und jelbjt 
von dort noch mit Michael Wenszler in Bajel in Korreſpondenz ge: 
jtanden haben joll.*! Im Jahre 1475 drudte Wenszler mit Bernbarv 
Richel zujammen das „Quadragesimale” des Robertus (Caracciolus 
de Yicio, 1488 gemeinjchaftlich mit Jakob Kilchen ein „Graduale“. Im 
ganzen fennt man von Wenszlers Thätigfeit in Bajel 28 Drudwerte, 
die feinen Namen tragen, und 21, die wegen ver Geſtalt ihrer Charaktere 
für Wenszleriche Drude gehalten werden. Hierzu fommt noch der Drud 
eines Miſſale in 600 Exemplaren t?, welche von zwei Straßburgern, 
Veit Farwenbürner und Arbogaft Mor beftellt und von Wenszler von 
Ende 1489 bis Anfang 1490 bergejtellt wurden. Die bajeler Urfunven 
liefern über ihn noch mehrfache interefjante Daten. So bat er 3.2. 
ſchon 1478 mit Johann Amerbach die franffurter Büchermeſſe bejucht, 
und fich hier wohl neben vem Vertrieb ver von ihm geprudten Bücher 
anch mit dem Buchhandel überhaupt befaßt. Daneben jpefulierte er, 
ftatt ſich auf ſein Gejchäft zu bejchränfen, in Bergwerfsaftien. Auf 
einer feiner Sejchäftsretien hatte er von Hermann Napler (aus Franf- 
furt oder Ajchaffenburg) „drei Gugkugs“ (Hure), d. b. drei Bergwerfe- 
anteile des 1471 bei Schneeberg in Sachjen erſchloſſenen Silberbergwerts 
für 350 Gulden gefauft, Fam aber durch diejen Ankauf in allerlei Un— 
gelegenbeiten, da er Nadler zwar 100 Gulden geliehen, die ihm diejer 
nicht zurüczahlte, er jelbft aber vollſtändige Dedung für den Reſt nicht 
beſchaffen konnte. Indeſſen ging die Sache für Wenszler noch gut genug 
ab.*? Im Jahre 1489 machte Wenszler mit zwei andern Bafelern 
Namens Hans Wiler und Jakob von Kirchen (wohl identiſch mit dem 
ſchon genannten Kilchen) eine Buchhändlerreife ven Rhein hinab nach 
Flandern und England. +? Sie führten eine Menge Bücher, in vier 
Fäſſer und ein feines Fäßchen verpadt, zum Verkaufe mit ſich. Um 
ſich als rechtmäßige umd einzige Eigentümer ausweiſen und ihre Bücher 
überall ungehindert zum Verkauf bringen zu fünnen, erflärten fie vor 


Kapitel.) Bajel: Michael Wenszler. Bernhard Nichel. 115 


ihrer Abreife vor dem Rat von Bajel auf ihren Bürgereid, daß die 
mit ihrer Gejchäftsmarfe 2 verjehenen Fäſſer und deren Inhalt ihr 
alleiniges Eigentum jeien und niemand jonjt Anteil daran habe. Der 
Kat jtellte ihnen einen offenen Geleitsbrief ans und empfahl jeine Bürger 
und ihre Habe jedermann aufs freundlichite zur beſten Förderung. Solche 
Umftändlichfeiten bevingten die unruhigen, faſt rechtlofen Zuſtände ver 
Zeit! Wenszler hatte perjönlich unter ihnen zu leiden; im Jahre 1490 
wurde er auf einer GSejchäftsreife zu Rosheim im Elſaß durch einige 
St. Gallener angehalten und ſtark gejchädigt. Bajel verlangte im Namen 
jeines Meitbürgers Schadenerjaß und jandte jogar jeinen Staatsjchreiber 
Nikolaus Rüſch perjönlih nah St. Gallen, um Wenszlers Forderung 
zu betreiben. *° Der lette bajeler Drud Wenszlers ift vom Jahre 1491 
datiert. Um jene Zeit kam er in allerlei finanzielle Ungelegenbeiten, die 
ibn schließlich nötigten, Gerät und Daus zu verkaufen und Bajel zu 
verlafjen. Er begab jich zunächſt nach Clugny in Frankreich, wo ver 
Abt Jakob von Ambois ihm ven Drud eines 1493 beenveten „Missale 
Cluniacense” übertrug, mwanverte aber dann nach Macon und bejchlof 
jeine tbätige, aber dornenvolle Yaufbahn enplich zu Lyon. 

Der vierte bajeler Druder ift der jchon erwähnte Bernhard Nichel, 
weicher mit Michael Wenszler 1475 afjocitert war. Nach Fechters 
Unterjuchbungen aus Chewiler, einem Dorf in ver Rheinpfalz, nach an: 
dern aus Würtemberg jtammend, erwarb er 1474 das Bürgerrecht. Aus 
diefem Jahre jtammen auch feine erjten datierten Drude; wahrſcheinlich 
aber hat er jchen früher zu arbeiten begonnen. Bis zum Jahre 1478 
vollendete er vier lateinijche Bibeln, wovon die erjte ohne Firma und 
Datierung erjchienen und in ihrem erjten Teile mit Charakteren Berthold 
Ruppels georudt tft, während ver zweite Teil feine eigenen Typen auf- 
weilt, ein Kurioſum, welches im jeinen Urjachen zwar nicht aufgeklärt, 
aber ein Beweis dafür ift, daß auch die genannten beiven Typographen 
in Verbindung miteinander gejtanden haben müſſen. Richel iſt außer— 
dem bejonvders deswegen hervorzuheben, weil er der erſte bajeler Druder 
war, welcher Druckwerke in veutjcher Sprache brachte. Bon ihnen tjt 
ver allen vie erjte Ausgabe des „Sachjenjpiegels“ von 1474 zu er- 
wähnen, zugleich das erjte Buch, welches in Bafel mit Angabe des 
Jahres und des Druders erjchien. Sie umfaßt 255 Blätter, zwei— 
ipaltig zu je 46 Zeilen, und iſt won jolcher Seltenheit, daß ſie jelbjt in 

8* 


116 Bajel: Kleinere Druder. Johann Amerbad). [Zweites 


der bajeler Bibliothek fehlt. Nichels Thätigfeit reicht nach den befannten 
datierten Druden bis zum Jahre 1482, in welchem er vie lateinijche 
Ausgabe des „Fasciculus temporum” von Werner Rolewind beraus- 
gab. Seine Nachfommen Wendel, Theodoſius und Joſias Richel (Ribel) 
waren in Straßburg thätig. 

Nächſt Martin Flach, dem jpätern jtraßburger Druder, von deſſen 
Thätigkeit in Baſel fein Werf auf die Nachwelt gefommen, und Yeon- 
bard Achates, der wohl kaum ſelbſtändig in Baſel gearbeitet bat und 
als Wanderdruder zu Benedig, Vicenza, St. Urjo und Padua wierer- 
gefunden wird, ijt Eberhard Fromolt der folgende Typograpb, von dem 
jedoch auch nur zwei Drude aus dem Jahre 1481 befannt geworden find. 

Ihm folgte der berühmte Johann Amerbach 1478 bis 1514. Er 
war 1444 in Reutlingen geboren, nicht 1434, wie Stodmeyer und Reber 
angeben. *° Nicht bloß vorübergehend, wie Wenszler, Kepler u. a., hatte 
er auf Univerfitäten einige Vorleſungen gehört, ev widmete fich der neuen 
Kunft vielmehr erſt, nachdem er jeine Studien beendet und unter dem 
Rektorat jeines Yehrers und Freundes Johannes Heynlin de Yapide in 
Paris ven Grad eines Magifters erlangt hatte. Nach feiner Rückkehr 
nach Deutſchland wurde er eine Zeit lang Korrektor Textesreviſor) bei 
Anton Koberger in Nürnberg. Bon bier begab er ficb nach Bajel, wo 
er wahrjceinlich jehon vor 1478 eine Druderei errichtete, da er, wie 
erwähnt, bereits 1478 mit Wenszler die franffurter Buchhändlermeſſe 
beſuchte. Amerbach war im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts ver 
größte gelehrte Druder und Verleger in Bajel und überhaupt einer ver 
beveutenpjten jeiner Zeit. Die Erzeugnifje feiner Preſſen, für welche er 
fich zuerjt der Antiqua jtatt der gotischen Schrift beviente, zeichnen fich 
bejonders durch die Korrektheit ihres Tertes aus, auf welche er als Ge- 
lehrter das Hauptgewicht legte. Namentlich werglich er die verjchiedenen 
Handjchriften, deren Herbeijchbaffung oft mit den größten Schwierigfeiten 
verbunden war, und lieferte jene fritijch verbejjerten Ausgaben, vor allen 
ver bervorragenpften Kirchenväter, welche jeinen Ruf begründeten. In 
Bajel trat Amerbach in einen Kreis ausgezeichneter Gelehrten ein, eines 
Beatus Rhenanus, Auguftinus Dodo, Johann Conon, Franciscus Ayler 
und Konrad Bellifan, welche ihn bei jeinen Arbeiten wirkſam unter: 
jtügten. Den fejtejten Halt aber gewährte ihm jein früherer Yebrer, 
Johann Heynlin, der fi 1484 für immer nach Baſel zurüdgezogen 


Kapitel.) Bajel: Johann Amerbach. Seine Familie. 117 


hatte, 1487 in das dortige Kartäuferflofter im St. Margaretenthal 
eingetreten war umd bier 1496 jtarb. Er trat Amerbach in berjelben 
Weije helfend zur Seite, wie fpäter in noch höherm Grade Erasmus 
jeinem ‚freunde Froben. Pellikan nennt Amerbacd einen jehr gelehrten 
und bewunderungswürbig fleikigen Mann, welcher ebenjo große Koften, 
als perjönlihe Mühe und Arbeit auf die Herftellung feiner Drucke 
verwandte. Es halfen ihm dabei zwei oder drei Tertesreviforen, er 
jelbjt aber verabjäumte nichts, was feinen Ausgaben nügen fonnte Cr 
opferte lieber die ganze Arbeit eine® Tages und Geld dazu, als daß 
er eine faljche Yesart auf einem kaum gepdrudten Bogen ftehen ge: 
laffen hätte. 

In bejonvers lebhaften Verkehr ſtand Amerbah mit Straßburg. 
Wie er Adolf Ruſch daſelbſt für die von diefem im Auftrage Anton 
Kobergers geprudte „Biblia Latina cum glossa ordinaria Walafridi 
Strabonis” die Typen geliehen hatte, jo lieferte Rufch ihm dagegen große 
Duantitäten Drudpapier, gab ihm wiederholt den Drud verjchievener 
Werke in Auftrag, arbeitete auch ſelbſt für ihn, erhielt von ihm Bücher 
zum Berfauf, beforgte ihm Manuffripte und pflegte überhaupt vege und 
zugleich freundjchaftliche Beziehungen zu ihm. Auf Grund der Typen 
find Amerbach noch neun Bibelausgaben zuzufchreiben, welche er in ven 
Jahren 1479 bis 1489 vollendet hat. Der lebte mit feinem Namen 
verjebene Drud ift Das „Decretum Gratiani” von 1512. Die von 
ibm vorbereitete Herausgabe der Werfe des heiligen Hieronymus unter- 
brach jein Tod (1514); fie wurde von feinem Schüler Johann Froben 
1516 im Drud vollendet. Es find im ganzen 42 große Kolianten mit 
Amerbahe Namen und 28 ohne denjelben, aber nachweisbar von ihm 
gedrudte erhalten, welche ein rühmliches Zeugnis für die fruchtbare 
Thätigfeit dieſes bepeutenden, im Sejchäftsverfehr aber nicht ganz ge- 
wiſſenhaften Typographben und Verlegers ablegen. Bon 1500 an vrudte 
Amerbach meistens gemeinfchaftlih mit Johann Petri von Yangendorf, 
dem Stammpvater einer hervorragenden Druderfamilie, und mit feinem 
nachmals jo berühmt gewordenen Schüler, Johann Froben. 

Auch Amerbachs drei Söhne waren bedeutende Männer, kommen 
aber, va fie das Gejchäft eingehen liefen, für die Geſchichte des Buch— 
handels nicht in Betracht. Der ältefte, Bruno (1485 bis 1519), lebte 
den Wiffenfchaften, ohne je in die Öffentlichkeit zu treten, und half nur 


118 Baiel: Unbedeutendere Druder. Nitolaus Keßler. [Zweites 


gelegentlich als Gelehrter in der Offizin ſeines Vaters; ver zweite, Ba: 
jilius (1488 bis 1535), hatte fich den Magiſtergrad erivorben und jette 
einige Jahre das väterliche Gejchäft fort; der dritte endlich, Bonifacius 
(1495 bis 1562), war ein Freund von Grasmus und Dans Holbein 
und Profeſſor ver Rechtswiffenjchaften an der bafeler Univerfität. Auch 
als Politifer hat er feiner Baterjtadt große Dienfte geleiftet und fich 
hohes Anjehen eriworben. 

Bevor die glänzenden Yeiltungen der Petri und der Froben gewürdigt 
werden, find zur Vervollſtändigung der chronologijchen Reihenfolge noch 
einige andere Namen furz zu erwähnen. Zunächit Johannes de Be— 
jidem oder Befiden, aus dem wiürtembergijchen Städtchen Befigheim, 
von dem jedoch nur Ein Drud befannt ift, ven er 1483 zu Baſel lieferte, 
nachdem er dort jchon 1478 Bürger geworden war. Er fievelte 1492 
nach Rom über, wo er zuerjt mit Sigmund Mahr, dann mit Martin 
von Amjterdam gemeinschaftlich druckte. Nikolaus Keßler von Bottwar 
in Würtemberg wurde 1480 Bürger von Bajel, 1496 Meifter vom 
Schlüſſel, 1500 TDeputierter. Er war ein bedeutender Druder, der von 
1486 bis 1509 nicht weniger als 62 Trude mit feinem Namen lieferte; 
von noch jieben andern gehören ihm ebenfalls die Thpen au. Von 
mehrern Bibliograpben #7 werden einige Werke citiert, welche Keßler in 
Antwerpen geprudt haben fol. Dieje Angaben wurden gewöhnlich für 
faljch gehalten; man fand aber den Namen Nikolaus Keßlers um 1488 
in der Mitglieverlifte der Brüderſchaft ver St. Lucas-Gilde zu Ant: 
werpen erwähnt, auch Eonftatierte ver Bibliotbefar Abbe Flament in 
einer bandjchriftlichen Note zu einer bezüglichen Stelle des Janſenſchen 
Werfes, daR im Jahre 1812 im Haag fich in der That ein Eremplar 
der „Opera Gersonis“ von Nifolans Keßler 1489 mit der Ortsbezeich- 
nung Antwerpen befunden babe, von dort aber nach Paris transportiert 
und nicht mehr zurückgekehrt jet. Cs tft daher jehr wahrjcheinlich, var 
Kepler einen Teil der Eremplare feiner Publikationen, den er in Ant: 
werpen verfaufen wollte, mit dem Namen diejer Stadt ald Drudort ver: 
jehen lieh. Johann Meiſter und Peter Köllicker druckten gemeinichaftlich 
in den Jahren 1484 und 1485 zwei Werfe, außer welchen nichts weiter 
von ihnen befannt geworden tft. Jakob von Pforzheim, aus Kempten ge- 
bürtig, erwarb 1452 das bajeler Bürgerrecht und drudte 1488 bis 1518 
die ftattliche Reihe von 49 Werfen. Auf ibn folgt Michael Furter von 


Kapitel.] Bajel: Johann Froben. 119 


1490 bis 1517, ver bejonvders wegen mehrerer mit Holzſchnitten aus— 
geitatteten Werke hervorzuheben ift und auch einige deutſche Bücher ge- 
drudt hat. Von Yeonhard Yſenhut find zwei deutſche Werfe vom Jahre 
1489 befannt geworden. 

Johann Froben, um 1460 in Hammelburg, einem Städtchen in 
Aranfen, geboren, ftubierte in Baſel, wo er fich zum gelehrten Yateiner, 
Griechen und Hebräer ausbildet. Er lernte durch feiner Yandsleute 
Johann und Adam Petri Bermittelung Johann Amerbach kennen, bei 
welchem er eine Zeit lang als Korrektor eintrat. Im Jahre 1490 er- 
warb er das baſeler Bürgerrecht und begann 1491 feine jelbjtändige 
Wirkſamkeit als Druder und Berleger. Im ihm vereinigten fich praf- 
tijcher Sinn, guter Geſchmack und gelehrte Bildung in wunderbarer 
Harmonie. Sein erjter VBerlagsartifel iſt eine lateinijche Bibel in hand— 
libem Oktavformat. Mit äufßerit zierlicher und feiner gotiicher Schrift 
gedruckt, war fie darauf berechnet die allgemeinjte Verbreitung zu juchen 
und zu finden. Er war ver erjte bajeler Buchhändler, welcher die Be: 
deutung Dans Holbeins erkannte und ihn unausgeſetzt für die künſt— 
ferijche Ausſchmückung jeiner Bücher bejchäftigte. *° Zugleich jorgte er 
mit unermüdlichem Eifer für forrefte Ausgaben der Klaffiter und Kirchen- 
väter. Mächtig diente Froben mit diefer jeiner Thätigfeit dem geiftigen 
Leben Deutichlands und er war es bejonders, der Bajel zur Metropole 
deutſchen Buchvruds und Buchhandels erhob. Seine langjährige Freund— 
ſchaft mit Erasmus endlich zeitigte Früchte, welche der ganzen damaligen 
gebildeten Welt zugute kamen. So iſt Froben einer der größten Buch— 
händler aller Zeiten. 

Er hatte 1500 Gertrud, die Tochter des gelehrten und wohlhabenden 
bajeler Buchhändlers Wolfgang Yachner (aus Neuburg an der Donau), 
geheiratet. Fortan arbeiteten beide gemeinjchaftlich; Yachner aber war die 
Seele des Berlagsgejchäfte. Er wird von Crasmus nicht allein Offi- 
cinae Frobenianae princeps genannt, jondern auch als derjenige be: 
zeichnet #?, auf deſſen Koften das Frobenſche Geſchäft betrieben wurve. 
Das Verhältnis zwifchen Erasmus und Froben wird im jechiten Ka— 
pitel noch näher beleuchtet werden. Diejer jtarb im Oktober 1527. Er 
hat in ven 36 Jahren jeiner Thätigfeit nie ein deutſches Buch geprucdt 
und zuerjt mit vier, dann mit jechs und jchlieklich mit fieben Preffen 257 
meijt jehr beveutende und umfangreiche Werfe teils jelbjtändig, teils in 


120 Baſel: Wolfgang Lachner. Frobens Nachfolger. [Zweites 


Gemeinſchaft mit andern hergejtellt. Bon ihm verlegt zu werden galt als 
eine Ehre, nach welcher eifrig geitvebt wurde. Seine ſämtlichen Kor- 
reftoren waren wiſſenſchaftlich gebildete Männer und jelbit hervorragende 
Selehrte, wie außer Erasmus, Markus Heiland, Wolfgang Musculus, 
Sigismund Gelenius und Johann Ofolampadius. Von feinem Verlag 
find, außer den Crasmusichen Schriften, das erjte im Drud erjchienene 
griechiiche „Neue Teſtament“ (welche Ausgabe Yuther jpäter als Unter: 
fage für feine Überfegung diente) zu nennen, jowie die Werfe des Hiero- 
nymus in neun Folianten 1516 erjchienen und die des Auguftinus 1529 
in zehn Bänden, von welchen bei jeinem Tode allerdings erjt zwei Bände 
fertig gejtellt waren. 

Yachner, welcher Froben zehn Jahre im Tode vorangegangen war, 
hatte neben der Sejchäftsführung für den gemeinjchaftlichen Verlag noch 
Selegenheit zu mehrern andern Unternehmungen gefunden, indem er 
1495 bei Michael Furter, 1504 bei Jakob von Pforzheim und 1509 bei 
Gregorius Bartholomäus pruden ließ. Nach Yachners Tode trat Froben, 
wie dies Kirchhoff erwiejen hat, zu Kranz Birdmann in Köln in engere 
Beziehungen. 

Nah Johann Frobens Ableben büfte die Druckerei ihre hervorragende 
Beveutung teilweife ein. Der ältefte Sohn Hieronymus (1501 bis 1563) 
hatte ſchon 1520 einige Werfe jelbitindig gedrudt; auf der „Rhetorica‘ 
des Ariftoteles von diefem Jahre erjcheint fein Name jogar zuſammen mit 
den des Johann Derwagen. Yebterer begab ich jevoch bald darauf nach 
Straßburg, druckte bier von 1523 bis 1528, fehrte aber daun nach 
Baſel zurüd und heiratete nach Johaun Frobens Tode deſſen Witwe 
Gertrud. Mit jeinem nunmehrigen Stiefjohn Hieronymus ging er von 
1528 ab eine Affociation ein, welcher 1529 noch Nikolaus Episcoping, 
oder vielmehr Nikolaus Bischoff aus Rittershofen bei Weißenburg (1501 
bis 1554), infolge feiner Heirat mit der Schweiter des Hieronymus 
beitrat. Aber ſchon 1531 ſchied Herwagen wieder aus der Firma aug, 
Froben, reſp. deſſen Erben, und Nikolaus Episcopius, bis 1564 vereint 
blieben. Über den Umfang und die Bedeutung ihres Geſchäfts gibt das 
von R. Wadernagel 1881 in Baſel veröffentlichte Rechnungsbuch ber 
Froben und Episcopius nähern Aufichluß. Es umfaßt, wenn auch 
(üdenhaft, die Jahre 1557 bis 1564 und gewährt einen belehrenden Blick 


Kapitel.) Bajel: Kleinere Druder. Die Familie Petri. 121 


in die Thätigfeit einer großen Firma jener Zeit. Die Einzelheiten 
daraus gehören in das fünfte Kapitel. Des Hieronymus Froben Söhne, 
Ambrofius und Aurelius, fetten darauf bis zum Jahre 1603 gemein: 
ſchaftlich das Gejchäft fort, während ver ältefte Sohn des Episcopius, 
der ebenfalls Nikolaus bier, ſchon von 1553 an jelbitändig ald Buch: 
druder thätig war und fich 1565 mit feinem jüngern Bruder Euſebius 
affectierte. Im Jahre 1566 raffte aber auch ihn der Tod hinweg, ſodaß 
Eujebius bis 1591 das Geſchäft allein fortführte. Auch Herwagen 
hinterließ einen Sohn, der ebenfalls Johann hieß. Diejer hatte die 
väterliche Offizin übernommen, jtarb aber fchen 1564 an der Belt. 
Seine Witwe heiratete den berühmten Buchdrucker Johann Oporin und 
ftarb gleichfalls nach wenigen Monaten, worauf die Offizin Herwagens 
von Eujebius Episcopius angekauft wurde, ?0 

Neben dem jchon erwähnten Johann Petri von Yangendorf (1494 
bis 1517), der feine meisten Verlagsartifel mit Johann Amerbach und 
Johann Froben gemeinjchaftlich oder auch nur mit letterm druckte, viel- 
fach auch gewiſſenloſen Nachdruck trieb, begann um diejelbe Zeit (1494 
bis 14090) auch Johann Bergmann von Olpe in Bafel feine Thätigfeit, 
welche bejondere Bedeutung durch vie erite Ausgabe von Sebaftian 
Brants „Narrenſchiff“ vom Jahre 1494 erlangte. Neben Nikolaus 
Yamparter, von 1505 bis 1519, druckte auch zwiichen 1509 und 1522 
Pamphilus Gengenbach, der Dichter und erſte Dramatifer des 16. Jahr— 
hunderts, in eigener Druderei. Der befanntefte Typograph der folgen- 
den Periode iſt jedoch Adam Petri von Langendorf, ein Neffe des vor- 
erwähnten Johann Petri. Er war der unermüdliche Nachdruder Luthers, 
wie Froben ver Berleger des Erasmus. Der reipende Abgang jeiner 
Nachdrucke Yuthericher Schriften erwarb ihm Reichtum und zugleich 
einen bedeutenden Ruf als tüchtiger Druder; von nah und fern wandten 
ſich rührige Verleger an ihn, um beveutende Unternehmungen durch jeine 
Preſſen herſtellen zu laſſen, ſodaß letztere Tag und Nacht nicht ftill- 
ftanden. 

Von Adam Petris Nachkommen wurde ebenfo berühmt Heinrich Petri 
1508 bis 1579), ver 1556 von Kaiſer Karl V. in Anerkennung feiner 
Bervienjte in ven Ritteritand erhoben wurde’! und fich zum Unterſchiede 
bon den andern Petris fortan Denric- Petri nannte. Er war ebenjo 
tbätig und unternehmend, wie fein Vater und fette auch das Geſchäft in 


122 Baſel: Die Henricpetri. Johann Oporin. [Zweites 


deſſen Geijte fort. Nach feiner Grabſchrift hat er 108 Buchhändler: 
mejjen in Frankfurt bejucht. Unter feinen Verlagswerken finden jich 
vorzugsweije alte Klaſſiker, über vierzig an der Zahl, eine von Sebajtian 
Münfter beſorgte hebrätjch-Inteiniiche Bibel, Werfe von Petrarca, Poggio 
und Ktopernifus. Auch in der Politik feiner Baterftadt nahm Heinrich 
Petri eine bochangejehene und bedeutende Stellung em. Seine Söhne 
Sirtus und Sebaftian Henricpetri führten noch bis in die erjten Jahr— 
schnte des 17. Jahrhunderts die väterliche Druderei fort. 

Außer den Genannten drudten in Bafel von 1518 bis 1536 An- 
dreas Cratander, der als Verleger namentlih im Dienfte des Huma— 
nismus und der Reformation wirkte; 1519 bis 1535 Thomas Wolf; 
1521 bis 1535 Valentin Curio; ferner Johann Bebel von 1523 ab 
(auch zujammen mit Gratander und Michael Iſengrin von 1531 ab); 
Johannes Faber Emmeus, der ſpäter feiner katholiſchen Sympathien 
halber aus Baſel hinausgemaßregelt wurde und nach Freiburg über: 
jievelte, von 1526 bis 1529; Johannes Walder und Bartholomäus 
Wejthemer, beive von 1536 ab; Nikolaus Brylinger, auch vereint mit 
Bartholomäus Calybäus, von 1537 ab. 

Seit Johann Froben hatte die bafeler Buchdruckerkunſt feine ſolchen 
Erfolge gezeitigt, als mit dem Auftreten des Johannes Oporinus, zu 
deutſch Herbiter, der von 1540 bis 1568 eine großartige Thätigkeit 
entwidelte. Oporin, 1507 in Bafel geboren, war der Sohn eines ver: 
dienten Malers, deſſen Werfe jevoch verloren gegangen oder heute nicht 
als die jeinigen erfannt find. Johann widmete fich dem Studium ber 
Medizin und Phyſik und wurde Famulus des berühmten Paraceljus; 
ipüter erhielt er eime Profeffur der griechifchen Sprache und verband 
fih um 1539 mit feinem Schwager Robert Winter, mit Thomas Platter 
und Balthajar Huch zu einem Buchdrudergejchäft; fie brachten gemein- 
ſchaftlich Gratanders Offizin gegen allmäbliche Abzablung des Kauf— 
preife8 von 800 Gulden an fich.5? Thomas Platter bat in feiner 
Selbitbiographie den traurigen Ausgang diejes Unternehmens mit rühren: 
der Naivität gejchilvert. Es endete damit, daß Die Geſellſchaft fich nach 
ein paar Jahren wieder trennte und Schriften und Werkzeuge teilte. 
Operin blieb einftweilen mit jeinem  leichtfinnigen Schwager Winter 
noch zufammen, aber auch dieſes Verhältnis hatte feinen Beſtand. Als 
bald danach Winter ftarb, nachdem er alles purchgebracht, übernahm 


Kapitel.) Bafel: Johann Oporin. 123 


Oporin für 700 Gulden die Offizin deffelben, wodurch er feine ſchon 
beſtehende Schulvenlaft noch beträchtlich vermehrte. Seine Arbeitskraft 
war eine wahrhaft ſtaunenerregende. Außer jeiner Thätigfeit als Yeiter 
einer großen Druderei, die in den 28 Jahren ihres Beſtehens 750 Werte 
brachte, und einer Buchhandlung mit ausgepehnten, bis nach Italien 
reichenden Verbindungen, iſt er Verfaffer von mehrern gelehrten Schrif- 
ten, darunter „Onomasticon propriorum nominum“ und „Annota- 
tiones in questiones“, von Überjeßungen des Kenophon und Theofrit, 
jowie großartiger Regifter zu Plato, Ariftoteles, Plinius und vielen 
andern griechifchen und Iateinijchen Kiaififern, deren Ausgaben wegen 
ihrer guten Ausjtattung und der Sorgfalt in der Tertesberichtigung 
und bei der Korreftur zu dem Beſten zählen, was auf diefem Gebiete 
geleiftet worden ift. Dennoch ftarb er 1568 in zerrütteten Vermögens: 
umftänden, wozu die Verſchwendung jeiner vier Frauen, von denen eine 
des jüngern Herwagen Witwe, eine geborene Froben, war, jowie eigene 
ſchlechte Wirtjchaft viel beigetragen haben jollen. Seine Ziele waren 
für einen Verleger jener Zeit vielleicht zu jehr dem Idealen zugewandt, 
und feine großartigen Unternehmungen, die er faſt immer auf eigene 
Rechnung begann, mögen oftmals in ihren Erträgen binter feinen Er- 
wartungen zurüdgeblieben jein. Ging es doch feinem Yehrmeilter Johann 
Froben nicht viel beffer. Gleichwohl aber bilvet vefjen und Oporins 
Thätigfeit den Glanzpunkt und die beveutendite Stütze der Grofmacht: 
ſtellung Baſels in der Gejchichte des deutſchen Buchdrucks und Buch— 
handels. 

Wie in Baſel die Blüte der jungen Univerſität (1460 bis 1500) mit 
ven vielverjprechenden Anfängen der Buchdruckerkunſt zufammenfiel, jo 
jtanden auch in feiner andern deutjchen Stadt ven Verlegern eine jolche 
Fülfe von hervorragenden Gelehrten und Künftlern zur Seite, jo haben 
Üch nirgends anderswo jo freudig die höchite geiftige Bildung (Gras- 
mus) und darjtellende Kunft (Dans Holbein) mit dem Buchdruck zur 
Serjtellung von Druckwerken vereinigt, deren Korrektheit und äußere 
Ausftattung noch heute als mujtergültig daftehen. Wer jchöne und 
forrefte Bücher haben wollte, wandte fich aus ganz Europa nach Bajel. 
Wie Thomas Morus zu Anfang des 16. Jahrhunderts eine dortige 
Offizin zur Herjtellung jeiner Schriften wählte, jo beabfichtigte gegen 
deſſen Ente die römiſche Kurie dort druden zu laſſen, weil vie italie- 


124 Baſel: Sinken feiner Bedeutung. Zürich. [Zweites 


nischen Preſſen nur noch Tieverliche Arbeit Lieferten. Nah Oporins 
Tode erichlaffte Bafel in feiner ſchöpferiſchen Thätigfeit; allein nie ſank 
ed zur Beveutungslofigkeit herab, wenn es auch mit Ausnahme eines 
furzen Auffchwungs im 18. Jahrhundert feinen alten Glanz nie wieder 
erreichte. Obgleich politifch nicht mehr deutſch, teilte Baſel doch Das 
Schickſal aller übrigen in fich abjterbenvden und verknöchernden deutſchen 
Reichsſtädte. Seine Kinftler und Druder fuchten im Ausland Arbeit 
und Ruhm, feine Gelehrten famen kaum mehr in Betracht. Die frühere 
inclyta Basilea verfuchte gegenüber der Zerjegung der alten Ordnungen 
deshalb auch vergebens durch Heinlichen Zunftgeiit zu retten, was von 
großen freien Gefichtspunften aus einst jo glanzvoll gejchaffen und jo 
gediegen ausgebildet worden war. 


6. Zürich 
fällt zwar nicht mehr in die ſogenannte Inkunabelnzeit, da fich hier ver 
erite Drud nicht vor 1504 nachweifen läßt; indeſſen ift die Bedeutung 
der Stadt für den deutſchen Buchhandel von Anfang an bis auf Die 
Gegenwart eine jo hervorragende geweſen, daß fie unbedingt gleich hinter 
Bajel eine Stelle verdient. 

Der ältefte in Zürich ohne den Namen des Druders erichienene 
Drud ift ein „Brief“, das Einladungesjchreiben des dortigen Rats vom 
6. Januar 1504 zu einem Freiſchießen. Es folgt dann vier Jahre ſpäter 
ein mit trefflichen Holzſchnitten ausgeftatteter Kalender, auf deſſen letter 
Seite ſich Die Worte befinden: „Getruckt in der fatjerlichen | ftatt Zürich 
durch Danjen | am Wajen am ſamzſtag nach jant Yurtag des iares da 
man zalt tauffent fünff hundert und acht iar.“ Ein dritter Drud 
(aber ohne Angabe des Druders und Jahres): „Diß ift der Pjalter | 
oder Rofenkranz von unjer lyeben frowen, und ijt in der wiß als 
man ſyngt der Herzog Ernſt“, ſcheint derjelben Zeit anzugehören. Er 
wird vielfach Dans von Wafen zugejchrieben, da er mit den Typen des 
Kalenders und der Cinladung gedrudt it. 

Es dauerte jest etwa zehn Jahre, bis Chrijtoph Froſchauer ver Buch— 
druckerkunſt und dem Buchhandel in Zürich eine bleibende Stätte jchaffte 
und beide zugleich zu hoher Blüte entwidelte. Über feine perjönlichen 
Beziehungen ift wenig befannt. Er ſtammte aus Neuburg bei Otting 
in Bayern; wann er geboren tft, weiß man jedoch nicht, vermutlich 


Kapitel.) Zürih: Chriſtoph Froſchauer. 125 


zwiſchen den Jahren 1480 und 1490. Der Buchdrucker Johann Froſchauer, 
welcher in den Jahren 1494 bis 1507 in Augsburg druckte, ſoll ſein 
Vater geweſen ſein. Ebenſo wenig läßt ſich die Veranlaſſung und das 
Jahr ermitteln, warum und wann er nach Zürich kam; auch fehlen 
die Nachrichten über ſeine anfängliche Thätigkeit. Sie muß ihm aber 
jofert Anerkennung erworben haben, da er ſchon 1519 laut Bürgerbuch 
„Teiner Kunſt wegen“ das Bürgerrecht gejchenkt erhielt. Nur jo viel 
ſteht feſt, daß er verheiratet war, aber finderlos am 1. April 1564 ſtarb. 
Das erfte Wirfen Frojchauers im größern Kreiſe füllt ganz in biejelbe 
Zeit, in welcher Zwingli mit der Rede, ver Feder und dem Schwerte 
der neuen reformatoriſchen Richtung Bahn brad. Nicht leicht hätten 
die Zeiten der rajchen Entfaltung der jungen Kunft auch in der Schweiz 
günftiger jein können, und in der That diente diefe der Reformation als 
wirfjamfte Waffe. Froſchauer als Mann von gediegener Bildung, praf- 
tiſchem Blid und raftlofer Energie begriff den Geift feiner Zeit und 
gewann durch jeinen rückhaltloſen Anſchluß an die Reformation als 
Druder und Buchhändler einen jo außerorventlichen Erfolg, daß er ein 
einflußreicher und wohlhabender Mann wurde. Er druckte und vertrieb 
nicht weniger als 75 größere oder fleinere Schriften jeines Freundes 
Zwingli und verlegte außerdem noch die Werfe eines Bibliander, Heinr. 
Bullinger, Yeo Jud, Rudolf Gualterus, Konrad Pellifan, Peter Martyr, 
xudwig Yavater, Konrad Geßner, Dans Stumpf u. a. Auf jeine Drude 
verwandte er die größte Sorgfalt und jtattete fie äußerlich nicht allein 
jauber und jchön, jondern im Texte auch fehlerfrei aus. Was aber vor 
allem jeinen Ruf begründete und jein Gejchäft hob, das waren jeine 
Bibelorude, bei welchen er feine Mühen und Koſten jcheute. Anfangs 
verwandte er Antiqualettern, die er bald mit neuen, in jeinem Auftrag 
gegofjenen deutſchen vertaufchte, und jtattete jeine Ausgaben nicht bloß 
mit bübjchen Vignetten, jondern auch mit trefflichen Holzichnitten aus, 
welche jelbjt beutigentags noch ala vorzügliche Yeiftungen vajtehen. So 
jagt er jelbjt in einem Briefe, welchen er am 18. Januar 1545 an 
Vadian, wenn auch über ein anderes Werk (Joh. Stumpfs Schweizer- 
GEhronit) jehrieb: „Ich hab yetz ſider Martini ven beiten Maler, jo yet 
it, bey mir im Huß, gib ihm alle Wochen 2 gr. und ejfen vnd trinfen, but 
nündt anderſt als figuren riffen in Chronifa, mag ſy der figuren halb uff 
ven berbit fum anfahen, daran wirt gar fein cojten geſpart.“ 


126 Zürich: Chriftoph Froſchauer. [Zweites 


In den Jahren 1524 bis 1529 ging aus Frojchauers Prefjen vie 
erſte Schweizerausgabe der ganzen Bibel in groß Folio hervor, nachdem 
ſchon 1521 die von Yeo Jud verdeutjchten Paulinijchen Briefe in Qart 
und 1522 vdiejelben noch einmal, jowie 1524 das ganze Neue Tejtament 
in deutjcher Sprache bei ihm erjchienen waren. Von 1524 bis 1564 
wurden num faft jedes Jahr, wenn nicht Die ganze Bibel, jo doch Teile 
derjelben in vier verjchiedenen Sprachen von ihm herausgegeben. Inner— 
halb vesjelben Zeitraums veranjtaltete Froſchauer nach ver Berechnung 
jeines Biographen S. Vögelin 27 verjchievene Ausgaben der ganzen 
Bibel, davon 20 in deutſcher, G im lateinifcher und 1 in englijcher 
Spracde, jowie 15 Ausgaben des Neuen Teftaments, von denen 6 in 
deutſcher, 5 in lateinifcher, 1 in griechtijcher und 3 in zwei Sprachen 
(auch 1 im englifcher) erjchienen. Nah E. C. Rudolphi's Verzeichnis 
jtellen jich Froſchauers Bibelorude noch zahlreicher heraus, ſodaß er 
63 Ausgaben in verjehievdenen Sprachen geliefert hätte, nämlich 25 deutſche 
(11 davon in Folio), 7 lateinifche (1 in Folio) und 1 englijche (in Unart), 
während die Zahl ver Ausgaben des Neuen Teſtaments, wie von Bögelin, 
auf 15 berechnet wird. Dieje Bibeln waren allgemein gejucht und fanden 
zu Hunderttauſenden Abjaß; vor allen hochgejchätt aber wurden die Pracht- 
ansgaben der deutjcben aus den Jahren 1531 und 1545. Ein Eremplar 
der erjtern foftete, in zwei Teile gebunden, 31, Gulven. Im ganzen 
führt Rudolphi 865 Nummern an, welche im Froſchauerſchen Geſchäft 
bis zu feinem 1595 erfolgten Ende evrjchienen find. Davon fallen 616 
auf Chriſtoph Frojchauer, während der Reſt auf jeinen Neffen Chriſtoph 
ven Jüngern (gejtorben 1585) und deſſen Erben fommt. Bon lettern 
erwarb der Buchdrucker Johannes Wolf das Gejchäft. Im Jahre 1626 
gelangte es in den Bei der Familie Bodmer, 1723 an Heidegger und 
Rahn und 1765 wurde e8 mit der Orelliihen Druderei, jest Orell 
Füßli u. Comp., einer noch heute beſtehenden beveutenvden Druderei und 
Berlagsanftalt, vereinigt. °? 


7. Augsburg. 


Die alte Auguſta, das Haupt des Schtwabenlandes, zählt zu den— 
jenigen Städten, in welchen die Buchdruderfunft unter ven günjtigiten 
Borbedingungen eine der erjten und fich vajch zur höchiten Blüte ent- 
widelnden Stätten fand. Der Nangjtreit ver ältejten Druderfige um 


Kapitel.) Augsburg: Günther Zainer. Johann Schüßler. 127 


die Priorität der Cinführung der Kumft jucht deren Einzug auch in 
Augsburg noch weiter zurüd zu datieren, als die Jahreszahl des erjten 
dort gedruckten Buches rechtfertigt. Das erjte bis jest befannte zu 
Augsburg mit Jahreszahl gedruckte Werf ſtammt nun aus dem Jahre 
1468 und gebört Günther Zainer von Neutlingen an; es jind Die 
„Meditationes vitae domini nostri Jesu Christi“, Günther Zainer 
wird daher auch als erjter Typograph Augsburgs gelten müffen, ob- 
gleib er 1472 in den Steuerbücern al8 „Schreiber vorfommt und 
in diefen Jahre auch erjt Bürger der Stadt wurde, während er fich 
vorher ſelbſt als „Commanens over Beiſäß von Augsburg‘ bezeichnet. 
Zeine bis zum Jahre 1477 dauernde Thätigfeit war eine höchit be- 
deutende. Obwohl man nur etwa 30 Werfe aus feiner Preſſe fennt, 
jo ift doch deren technifche Ausführung eine derartige, daß man ihm 
ein berporragendes Verdienſt um die Kunſt zugejtehen muß. Beſonders 
erwähnenswert jind jeine beiden deutſchen Bibelausgaben, von denen 
die mit ver Jahreszahl 1477 erjchienene zugleich Die erjte datierte 
deutiche Bibel ift. Beide Ausgaben find im ihren jchönen Druck mit 
großen fetten Typen, dem vortrefflichen Papier, prächtigen Initialen und 
Bilderſchmuck wahre Monumentalwerke der Buchoruderfunft, welche alle 
andern Bibelausgaben durch die Größe ihres Formats überragen. Zainer 
gilt auch als derjenige Typograph, der zuterjt in Deutſchland mit römi— 
ben Schriften (Antiqua) gedruckt hat, obwohl mit Unrecht, denn älter 
als jeine Ausgabe der „Etymologiarum libri XX“ ves Iſidorus His: 
palenjis von 1472, worin er dieſe Schriftgattung zuerjt brachte, find 
unftreitig die Drude mit dem bizarren R, welche böchjtwahrjcheinlich 
von Mentel in Straßburg berrübren. °* 

Nach der Chronologie der datierten Drude ift der zweite Buchoruder 
Augsburgs Johann Schüßler, von 1470 bis 1472. Nach einer ältern 
Überlieferung ſoll er die früheften Typen Günther Zainers am fich ge- 
bracht haben. In der That jtimmen die Schriften der wenigen von 
ihm befannten Drude mit Zainers älteiten, den Gatholicon-Yettern, voll- 
fommen überein; auch kommt dieſelbe Schriftgattung in feinem batierten 
Trucdwerfe Zainers nach 1470 vor, in welchem Jahre ver erjte datierte 
Trud Schüßlers, die erjte lateinijche Ausgabe des Flavius Joſephus 
eribien. > Im Jahre darauf brachte er auch die Editio princeps 
des Orofius. Nach einer Urkunde aus dem Jahre 1472 erwarb Das 


128 Augsburg: Das Klofter St. Ulrich und Afra. Joh. Bämler. Ant.Sorg. [Zweites 


Klofter St. Ulrih und Afra in Augsburg von Johann Schüßler fünf 
Druderprejien mit allem Zubebör für ven Preis von 73 Gulden. Der 
gelehrte Abt Melchior de Stainheim, Stamphain oder Stanham legte 
damit eine die Intereſſen der Wiffenjchaft und des Stlofters zugleich 
fördernde Druderei an.5° Das intereffantefte Moment aus der Ge- 
ſchichte dieſer Klofteroffizin it eine von Denis aufgefundene Bücher: 
anzeige, die zum Ankauf des im Kloſter geprudten wierbändigen „Spe- 
eulum historiale“ von 1474 auffordert. Nach dem ſchon im Jahre 
1474 erfolgten Tode ver Abtes Melchior ſcheint übrigens dieje Druckerei 
nicht lange mehr bejtanden zu haben, wie man denn überhaupt nur etiwa 
ſechs aus ihr berworgegangene Werfe fennt. Aber jelbft von diejen find 
einige mit Schriftcharafteren anderer augsburger Druder, 3. B. Bäm— 
lers, Sorge, gedrudt, ſodaß die Yeiftungen des Klofters weniger beträcht- 
lich find, als man oft anzunehmen geneigt ijt. Ebenſo unbeveutend iſt 
die Ihätigfeit des Buchdruders Chriftmann Heyny von 1471 bis 1481, 
von dem man nur ein paar, mit Günther Zainers fetter Typengattung 
gepructe Werfe kennt. Die Schrift muß aljo offenbar von diefem nur 
entliehen gewejen jein; denn won einem Kauf kann nicht vie Rede fein, 
va Zainer gleichzeitig und nachher dieſelben Typen weiter bemußte. 

Ein viel beveutenderer Druder war dagegen der ſchon mehrfach er: 
wähnte Johann Bämler, 1472 bis 1495. Kine in ver Bibliothef zu 
Wolfenbüttel bewwahrte vdeutjche Bibel trägt am Ende des Pialteriums 
die Notiz: „explieit Psalterium. Bamler 1466 Man bat infolge 
vejjen früher Bämler für ven erjten Druder Augsburgs gehalten; allein 
ſchon Panzer hat nachgewiejen ??, daß die betreffende Bibel feine andere 
als die erjte deutjche Eggeſteinſche ſei. Die Notiz ſtammt aljo einfach 
aus der Zeit ber, im welcher Bämler noch jeinem frübern Beruf als 
Schreiber und Rubrikator nachging. Sein erjter datierter Drud gehört 
erit dem Jahre 1472, jein leßter 1492 an. Bämlers HDauptvervienft ijt 
jeine Pflege der deutſchen Sprache und Yitteratur; wenige jeiner ‚Zeit: 
genofjen find ihm darin gleichgefommen. Bon jeinen Yeiftungen geben 
etwa 60 größere und fleinere Werke der Nachwelt Kenntnis. 

Ihm folgt zunächſt Anton Sorg 1475 bis 1493, einer der produftiv- 
jten Druder Augsburgs, von dem das erjte geprudte Wappenbuch (1483): 
„Coneiliumbuch gejchehen zu Conſtanz“ herrührt; es veranjchauficht im 
jeinen 1200 Holzſchnitten bildlich 1156 Wappen aller im Jahre 1414 


Kapitel.) Augsburg: Kleinere Druder. Hans Schönfperger. 129 


auf dem Konzil verjammelten vornehmen Männer der ganzen Chriſten— 
beit, während 44 weitere Holzjchnitte die Aufzüge, Seite und Begebniffe 
des Konzils nach Zeichnungen eines Augenzeugen darftellen. Neben dem 
Bervdienjt, in jeinen Erzeugnijfen bejonders ven Formſchnitt gepflegt zu 
baben, bat Anton Sorg auch das, 1477 und 1480 zwei deutſche Bibeln, 
die fiebente und achte in der Reihe aller überhaupt veröffentlichten, ge- 
prudt zu haben. Auch ift von ihm ein Berlagsverzeichnis in deutjcher 
Sprache befannt, das in Form und Ausorud ganz den früher erwähnten 
Mentels in Straßburg und des Kloſters St. Ulrih und Afra in Augs- 
burg gleichfommt; durch die Zahl der darin verzeichneten Werfe (35) 
übertrifft eö jevoch alle anvern. Das interefjante Druckdenkmal befindet 
fih in der öffentlichen Bibliothef zu Augsburg. ’® 

Es folgte nun eine Anzahl Buchoruder, welche nur eine geringere 
Thätigkeit entfalteten: Dodocus Pflanzmann, von dem die dritte deutſche 
Bibel herrührt; Johann Wiener von Wien, 1475 bis 1479, von dem 
es nicht gewiß ift, ob er mit Johannes de Vienna, der 1476 in Bi- 
cenza eine Offizin hatte, identisch ift; ferner Johann Keller, 1478; Am- 
brofius Keller, 1479; Johann Dlaubirer, 1481; Hermann Käjtlin, 1481 
bis 1488. Dieje alle überragte jedoch Hans Schönfperger ver Ältere, von 
1481 bis 1524, der fich während jeiner vierundvierzigjährigen Thätigfeit 
ein unvergängliches Denkmal gefichert hat durch Druderzeugnifje, welche 
mit vortrefflicher Ausjtattung ven reichjten vielleicht je aus einer Preſſe 
bervorgegangenen Holzjchnittjehmud verbinden. Beſonders ragen dar— 
unter hervor zwei deutſche Bibeln von 1487 und 1490 (die elfte und 
zwöffte in der Reihe aller) mit jchönen Holzichnitten, das Neue Teſta— 
ment von 1523 nach Yuthers Überjegung, mit Holzſchnitten von Johann 
SZ chäufelein und mit den Charafteren des „Theuerdank“ geprudt, be: 
jonders aber diejes berühmte Werk jelbjt, ein im jeiner typograpbijchen 
Ausführung unübertroffenes Meiſterwerk, das nicht weniger durch feine 
prachtvollen Holzjchnitte von Schäufelein, Burgfmair und Dieneder be- 
rühmt ift. Die erjte Ausgabe dieſes Prachtwerts, das die Brautfahrt 
und Abenteuer Marimilians zum Gegenftand bat und mach Aufzeich- 
nungen des Kaiſers von Melchior Pfinzing dichteriſch bearbeitet wurde, 
ift von Johann Schönjperger im Jahre 1517 zu Nürnberg geprudt 
worden. Er wurde nämlich vom Kaiſer zur SHerjtellung des Werts 
dabin bejchieven, um es unter den Augen des Dichters und der betreffen- 

app. I. 9 


130 Augsburg: Erhard Natdolt. [Zweites 


den Künſtler um jo vollfommener erftehen zu laffen. Die zweite Aus- 
gabe gab Schönfperger dann bereits 1519 zu Augsburg heraus. Sein 
Sohn, Hans Schönfperger der Jüngere, widmete ficb ſpäter fajt aus- 
ichließlich dem Verlagsbuchhanvel und ließ meiftenteils bei Johann Oth— 
mar in Augsburg druden. 

Ebenjo beveutenn wie Schönfperger, aber ihn an Geijt und Reichtum 
ver Phantafie noch überragenn, war Augsburgs berühmtefter Druder, 
Erhard Ratvolt. Er entftammte einer Künftlerfamilie, welche ſich durch 
Anfertigung plaftifcher Figuren aus Gips auszeichnete, und fell urfprüng- 
lich Kiftler (Armbruftichniger) gewejen ſein. Ratdolt ging 1475, wahr- 
jcheinlich in der Abficht fich Fünftleriich auszubilden, nach Italien. Da er 
in der Heimat auch die Kunſt des Bücherdruds fennen gelernt hatte, jo 
wandte er fich ihr in Venedig ausjchlieglich zu und verband fich dort an- 
fangs mit dem augsburger Maler Bernhard und mit Peter Loslein von 
Yangenzenn. Er lieferte bier von 1476 an eine Menge von Prachtwerfen, 
wie man fie bis dahin weder in Italien noch in Deutjchland gejehen hatte. 
Seine ſchon im Renaiffancegejhmad ausgeführten Initialen und Titel- 
blätter waren jowohl durch ihre Verzierungen als ihre Anordnung Kunjt- 
werfe erjten Ranges. Selbjt unter ven erſten Künftlern der jtolzen Ya- 
gunenjtadt nahm Ratdolt eine hervorragende Stellung ein und jein un- 
erhörter Erfolg jpricht zugleich für feine außerorventliche Bedeutung. Die 
Biichöfe Augsburgs drängten ihn lange vergebens zur Rückkehr in vie 
Heimat. Endlich gab er 1486 ven wiederholten Aufforvderungen des 
Grafen Friedrih von Hohenzollern nach und zog wieder in die Vater— 
jtabt, wo er noch 30 Jahre mit gleichem Ruhme wie in der Fremde 
arbeitete. Als Drucker der jehrwierigften mathematischen Werte erwarb 
er fih den Namen eines Beſchützers und Vaters der Mathematifer. 
In der berühmten Ausgabe des Euclid von 1482 vrudte er die Zu: 
eignung an den Dogen Mocenigo von Venedig fogar in Gold. Ebenjo 
widmete fich Ratdolt auch dem Druck mufitalifcher Werfe, wie er denn 
auch der Erfinder des Notendrucks mit beweglichen Typen ift. In Augs- 
burg wurde er durch den Drud jeiner unvergleichlich ſchönen Chorbücher 
jo berühmt, daß ihm von weit umd breit Aufträge aus Stiftern und 
Klöſtern zur Herftellung von Kirchenbüchern zuteil wurden, die er in 
brilfantem Rot- und Schwarzdrud die 4O Jahre feiner Thätigkeit 
hindurch gleich ausgezeichnet ausführte. Er ftarb um 1528, in welchem 


Kapitel.] Augsburg: Johann Rynmann. 131 


Jahre er zulegt Steuern zahlte, als jehr vermögenver und angejebener 
Dann und foll ein Alter von 85 Jahren erreicht haben. 5° 

Ein faſt ebenjo bedeutender Buchhändler ijt Johann Rynmann aus 
Öhringen, urjprünglich Yeibeigener der Grafen von Hohenlohe, von 
welchen er 1498 für 800 Gulden jeine Freiheit erfauftee Er muß um 
die Mitte des 15. Jahrhunderts geboren jein. Zum erjten mal wird er 
1475 in den augsburger Steuerbüchern als Goldſchmied erwähnt. Als 
ſolcher bat er in ver Folge auch Stempeljchneiverei und Schriftgieherei 
betrieben und nennt fich jelbit noch 1502: „Characterum venetorum 
opifex’ (Kurfivjehrift). Im feinem Yosfaufbrief heißt es, daß er etliche 
Jahre einen Handel und Gewerbe mit gebrudten Büchern und andern 
Waren, in auswärtigen Königreichen und bei fremden Nationen, in 
Ober- und Niederdeutſchland geführt und alle Jahre große und weite 
Reiſen gemacht habe. Es ergibt fich aus diejer Bemerkung, daß Ryn— 
mann in den neunziger Jahren, wenn nicht jchon früher, mit jeinen 
Goldſchmiedewaren zugleich einen Sortimentsbandel verband, welcher ihm 
beveutenden Gewinn abgeworfen haben muß, venn 800 Gulden bares 
Geld, welche er, ohme jeine liegenden Gründe zu veräußern, für feine 
Freiheit zahlte, waren für jene Zeit eine jehr beveutende Summe. Trotz 
ihrer Zahlung war er gleichzeitig noch im Stande, ein großes Verlags: 
geichäft zu begründen und bis zum Jahre 1522 immer mehr auszudehnen. 
Rynmann beſchränkte fich auf die theologijche Yitteratur, namentlich homi- 
fetijche und ascetiſche Werke, deren Abſatz lange ein glänzenvder war, bis 
die Reformation fie plößlich umverfäuflich machte. Von den 146 Ver— 
lagswerken, welche Kirchhoff einzeln angibt, hat Rynmann fein einziges 
jelbjt gebrudt; die meiſten derjelben (112) find aus der Prejje von Hein- 
rib Gran in Hagenau hervorgegangen, ſodaß die Annahme gerechtfertigt 
erjebeint, daß Rynmann die Granjche Buchorucderei gehört habe. Seine 
geſchäftliche Tüchtigfeit und Thätigfeit erregte mit Recht die Bewunde— 
rung jeiner Zeitgenofjen, wie 3. B. des Konrad Celtis. Er ſelbſt nannte 
fib mit Stolz: „ver teutjchen Nation nahmbafftigften oder fürtreffenven 
Buchführer und Archibibliopola.” Bon 1522 an verſchwindet der Name 
Rynmanns aus der Reihe der Verleger; er muß in diefem Jahre ge: 
ftorben jein. 9 Das Gejchäft ging an feinen Schwiegerjohn, Wolf 
Präunlein, über, welcher jeit 1524 auch die in Yeipzig unter der Firma 
„Bansichmanns Buchhandel” arbeitende Verlagsaffociation bis zum Jahre 

9* 


132 Augsburg: Kleinere Druder, Die beiden Othmar. Siegm, Grimm. [Zweites 


1528 leitete. Inwieweit Rynmann oder Präunlein bei ver Firma be 
teiligt waren und ob erjterer bereits die Spekulationen in Zinn ein- 
leitete, welche den legtern in ſchwere Verlegenheiten brachten, bleibt un— 
far. Es darf aber nicht vergejfen werden, daß ja Rynmann ven 
Scriftguß betrieb und bei diefem damals Zinn Berwendung fand. 
Präunlein fievelte um das Jahr 1550 nach Öhringen über und muß 
bier vor 1558 geftorben fein. 

An den Ruhm dieſer hervorragenden Buchdrucker und Buchhändler 
reicht der der folgenden, bier wenigitens mit Namen anzuführenven 
Druder nicht heran, obgleich fie zum Teil manche ganz tüchtige Yeiftungen 
aufzumeifen haben. Da jebeint zunächit Hans Schobjer, 1488 bis 1493, 
mit Anton Sorg in Verbindung geftanden zu haben, da in jeinen Drud- 
werfen die Charaktere diefes Druders vorkommen; Peter Berger, 1489; 
Johann Froſchauer oder Schauer, 1494 bis 1519; Chriftoph Schaitter, 
1493; Yufas Zaiffenmaber, 1495 bis 1502, und Georg Napler, 1508 
bis 1521, der auch mit Erhard Oglin zujammen druckte, find mehr over 
weniger unbedeutend. Von Jakob Wader, 1503; Hans Pirlin, 1506; 
Johann Sittich, 1511; Bohannes Erphordianus, 1519; R. Chaim ben 
David, 1534 bis 1536; Matthäus Elchinger, Philipp Uhlhard, Kafpar 
Tag, um 1536, gibt e8 nur noch einige wenige Drude als Zeugen ibrer 
Thätigfeit, dagegen ift bedeutend als erjter Druder hebräiſcher Schriften 
Erhard Oglin von 1505 bis 1518. Auch Iohann Othmar, der wan— 
dernde Typograph, welcher zuerjt in Reutlingen, ſodann in Tübingen 
und jehlieklich in Augsburg arbeitete, entfaltete hier eine bemerfenswerte 
Thätigfeit, wobei er ſich beſonders durch den Druck deutjcher Schriften 
auszeichnete. Ein Sohn desjelben war wahrjcbeinfich Sylvan Othmar, ver 
die Kunft von 1514 bis 1530 ebenfalls erfolgreich ausübte. Johannes 
Miller, 1514 bis 1519, ift durch jeine Freundſchaft mit dem gelehrten 
Konrad Peutinger bekannt, deſſen geiftiger Anregung man zum guten 
Zeil die verdienftliche humaniftiiche Richtung des Millerſchen Verlags 
zu danken bat. 

Bon größerer Beveutung, als die bisher genannten find dagegen zwei 
andere Buchdrucker oder wenigjtens Befiger von Preſſen, Siegmund 
Grimm und Marx Wirfung. Jener war aus Zwidan gebürtig und 
Doftor ver Medizin. Er fam gegen 1512 nach Augsburg, wurde in 
das ſtädtiſche medizinische Kollegium aufgenommen und trat im folgenden 


Kapitel.) Augsburg: Siegmund Grimm. Heinrich Steiner. 133 


Jahre durch feine Berheiratung mit Magdalena Weljer zu einer ber 
angejehenjten Familien in verwandtichaftliche Beziehungen. Bald dar: 
auf errichtete er in feinem Haufe eine Apothefe und gegen 1517 eine 
Buchdruckerei, an welch letterer fich im folgenden Jahre ver reiche Kauf: 
mann Marx Wirjung beteiligte. Beide drudten bis 1522 gemeinjchaft- 
ih. Bon diefem Jahre am verjchwindet Wirfungs Name und Grimm 
jegt noch zwei Jahre lang allein das Geſchäft fort. Ob er 1524 ge- 
ftorben ift oder ob er aus Mangel an Kapital hat aufhören müffen, ift 
nicht befannt; doch weiß man, daß er durch Unglüdsfälle fein Vermögen 
verlor. Die Druderei jcheint an Simprecht Ruf übergegangen zu fein; 
fie hat übrigens auch noch bejonvders dadurch Bedeutung, daß fie in der 
Reformationszeit lebhaft Partei nahm und einen großen Teil der Schriften 
Ulrichs von Hutten veröffentlichte, wie denn auch Sylvan Othmar die 
Werfe Yuthers vielfältig nachdruckte. 61 

Als legte hervorragende typographiiche Größe Augsburgs in der Re- 
formationgzeit ift endlich Heinrich Steiner zu nennen. Vermutlich aus 
der Schweiz ums Jahr 1522 eingewandert, fing er im darauf folgenven 
Jahre an, den Buchdrud auszuüben. Durch Fleiß und Unternehmungs- 
geist und wohl auch vom Glück begünftigt, wurde er im Yaufe der Jahre 
der größte Buchdrucker Augsburgs und blieb bis 1545 thätig. Die 
Werfe, welche er herausgab, meift Überſetzungen griechiicher und Latei- 
niſcher Schrifiteller neuerer und älterer Zeit, wie Vegetius, Cicero „Bon 
ven Pflichten‘, Petrarca „Vom Süd“, Plutarch, Polydor Vergil „Von 
Erfindung der Dinge‘, Xenophon, Johann Stobäus, Thucydides, De- 
mofthenes, Boccaccio „Bon berühmten Weibern“ u. ſ. w. oder Gedichte 
der ſchwäbiſchen Zeit find meift mit Holzjchnitten von den bekannten 
Meiftern Dans Burgfmair, Urs Graf, Schäufelein u. a. verziert und oft 
mit einer für jene Zeit aufßerorventlichen Pracht ausgejitattet, wie die 
Beichreibung des Konzil von Konftanz vom Jahre 1536 und nament 
ih eine Bibel vom Jahre 1535, von welcher Pergamenteremplare in 
vier Foliobänden eriftieren. Das gleiche Yos wie Grimm traf aber 
auch Steiner. Nachdem er bis 1545 mit Glück gearbeitet hatte, geriet 
er in finanzielle Schwierigkeiten, von denen er fich nicht wieder erholte, 
Er jcheint im Jahre 1548 gänzlich verarmt geftorben zu jein.*? Das 
Druckergeſchäft hatte zu jener Zeit feinen golvenen Boden in Augsburg; 
nur Ratdolt jtarb reich. 


134 Augsburg: Georg Willer. Ad insigne Pinus. [Zweites 


Augsburg erlangte jpäter noch einen bedeutenden Einfluß auf die Ent: 
widelung des deutjchen Buchhandels dadurch, daß einer feiner bedeutend: 
jten Buchhändler, Georg Willer, bedeutend namentlich als Sortiments- 
buchhändler, 1564 den Grundftein zu dem „Meßkatalog“ legte. Ur— 
iprünglich von Willer nur als Publifationsmittel für jeinen ausgedehnten 
Sortimentsbetrieb gedacht, deshalb auch bald von andern Firmen, 3. B. 
Portenbach und Yu in Augsburg, foptert, fand derjelbe einen folchen 
Beifall in der bücherliebenden Welt, daß ih aus Willers Unternehmen 
das offizielle Organ des deutſchen Verlagsbuchhandels entwidelte; vie 
Sejchichte deſſelben wird das achte Kapitel bringen. Hier möge nur 
noch die große Gejellichaftspruderei angeführt werden, welche unter ver 
Firma „Ad insigne Pinus“ von dem gelehrten Stadtpfleger Markus 
Welſer im Verein mit den angeſehenſten Männern der Stadt ins Yeben 
gerufen wurde, Die VBeranlaffung dazu bot, daß jeit der Zeit des 
Schmalkaldiſchen Kriegs Buchdruck und Verlagshandel in Augsburg 
derart daniederlagen, daß Welſer fich wiederholt zu beflagen Veranlaſſung 
hatte: fein Buchdrucker vajelbit könne auf eigene Koſten ein größeres 
Wert in Angriff nehmen. Alles, was erſchien, waren polemijche und 
ascetiihe Schriften und eine Menge von Traftaten über den Kalender: 
jtreit, der damals die Gemüter erhitte. Weljer felbit hatte zum Drud 
feiner eigenen Werfe wiederholt die Aldiniſchen Preffen in Anipruch 
nehmen müffen. Deshalb veifte in ihm der Plan, ſelbſt eine Druderei 
zu begründen, durch welche umfaſſendere wijjenjchaftliche Werfe gedruckt 
werden könnten. Die Koften übernahm die fich bildende Geſellſchaft ge: 
meinfam; über die Auswahl der zu verlegenden Werfe entſchied ein Aus- 
ſchuß von Gelehrten, unter welchen fich außer Weljer auch der berühmte 
Philologe David Höjchel, ferner Konrad Rittershaufen, Andreas Schott, 
Heniſch, Deco, Stengel, Albicius, Pinicianus, Jakob Pontanus u. a. 
befanden. Das Weljeriche Injtitut, welches als Zignet einen Fichten: 
baum führte, wurde durch ein Eatferliches Privilegium vom 29. Novem- 
ber 1594 und auch durch ein königlich franzöfiiches geſchützt. Seine 
Thätigkeit ift bis zum Jahre 1619 nachweisbar, in welchem Jahre der 
„Catalogus bibliothecae Antonii Welseri”“ herausfam. Zahlreiche 
Werfe, zum Teil von bleibendem wiffenjchaftlichen Werte, find teils aus 
der eigenen Preife der Geſellſchaft hervorgegangen, teils auf ihre Koiten 
in andern augsburger Trudereien, wie 5. B. Johannes Prätorius, David 


Kapitel] Um: Johann Zainer. 135 


Frank, Chriſtohh Mang, Michael Manger, Andreas Aperger, Chryſo— 
ſtomus Daberzhofer, Dominicus Cuſtos gebrudt worden. Noch von 
einer zweiten litterarifchen Gejellichaft, ver „Sodalitas litteraria Danu- 
biana“, jind einige Bücher bekannt, welche von ihrem Bejtehen Zeugnis 
ablegen, obgleich jonft jehr wenig über viejelbe verlautet. 


8. lm. 


Die beiden alten Schweſterſtädte Augsburg und Ulm, Haupt und 
Herz des Schwabenlandes, wie fie Hafler nennt, thun in ſchöner Ein- 
tracht faft gleichzeitig den Schritt in die neue Kulturepocdhe. Günther 
Zainer in Augsburg, Johann Zainer in Ulm, beide aus Reutlingen 
gebürtig, beide mit gleichem Streben ihrer edeln Kunft zugethan, traten, 
der eine bier, der andere dort, faſt gleichen Fußes ihre ehrenvolle Yauf- 
bahn an; den einen führte jie zum frühen Ende, den andern in ein 
ipätes, aber dornenvolles Alter. 

Nach Haßler 6? galt bis auf die neuefte Zeit ein anderer Typograph, 
Yudwig Hohenwang, als der erfte Buchoruder der Stadt Ulm, allein 
neuerdings ift von genftein dargethan, daß Hohenwang weder eine jo 
frühe Thätigfeit zufommt, noch daß er überhaupt zu den ulmer Buch- 
prudern gebört, vielmehr nach Augsburg um 1477 zu verweifen ijt. 6* 
Demnach gebührt aljo Johann Zainer die Ehre, in Ulm die Buchoruder: 
kunt eingeführt zu haben und zwar nicht erjt um 1473, in welches Jahr 
man nach feinem erjten datierten Drude bisher feine Anfänge jekte, 
jendern jchen ver 1469, denn unter den in der Auktion Bearzi ver: 
fauften Büchern trug ein Eremplar der von Johann Zainer ohne Da: 
tierung gebdrudten „Legenda Sanctorum” des Jacobus de Voragine 
(Nr. 476) die durchaus gleichzeitige Notiz des Rubrikators „Frater 
Erasmus, 1469. Pictor Philocalus”. 

Johann Zuiners Thätigfeit dauerte bis gegen 1520. Man fennt 
ven ihm gegen SO Drude, meiftens mit Holzjchnitten und prächtigen 
Randverzierungen in Holzſchnitt ausgeftattet; er verwandte eritere ſchon 
1470°°, alfo früher als Johann Veldener in Utrecht, welchem wegen 
jeines „Fasciculus temporum“ von 1480 bisher die Übertragung diefer 
Art des Bücherſchmucks auf geprudte Bücher zugejchrieben wurde. Troß 
jeiner Verdienjte um die Kunſt war Zainers Yaufbahn eine mühevolle 
und jorgenreiche. Bereits vom Jahre 1487 an erjcheint jein Name im 


136 Um: Johann Zainer. Leonhard Hol. [Zweites 


ulmer „Einigungsbuch‘, einer Art von Schulchändelprotofoll, mit dem 
Vermerk, daß er einem Diepolt Hutter 10 Gulden ſchulde und jedes 
Quartal davon 1 Gulven abzuzahlen Habe. Das Jahr darauf fteht er 
mit 70 Gulden bei zwei andern Gläubigern in der Schuld; er ver: 
jpricht jedes Quartal 2 Gulden abzuzahlen. Und jo geht es fort, bis er 
1493 jogar mit Konrad Dindmuth, einem andern ulmer Druder, ohne 
Zweifel dieſer vielen Schulden halber, aus der Stadt verwiejen wird. 
Seine Abwejenheit kann aber nicht lange gedauert haben, da in den 
Jahren 1496 und 1497 bereitd wieder Drude von ihm vorliegen. 
Intereffant für den engen Zunftgeift jener Zeit ift es, daß Johann 
Zainer im Jahre 1515 ven Rektor ver Yateinischen Schule zu Ulm, 
Dans Grüner, wegen feines Handels mit Schulbüchern vor dem Rat 
verflagt. In der darauf bezüglichen Urkunde heißt es: Meifter Dans, 
der lateinische Schulmeifter, habe Bücher feil und verbiete feinen Knaben, 
fie anders als bei ihm zu kaufen. Dies bringe ibm Nachteil; er bittet 
ihn als Bürger zu bevenfen. Dev Rat vergönnt hierauf jedem, Bücher 
feil zu haben, aber Haufieren joll verboten fein. Der Schulmeifter ſoll 
niemand brängen, feine Bücher und fonft feine zu faufen, und des Bücher— 
verfaufend müßig ftehen; wenn ihn aber ein Biedermann bitte, feinem 
Sohne ein Buch zu faufen, jo möge ev e8 wohl thun. 

Der zweite Buchdruder Ulms iſt Yeonhard Doll, 1482 bis 1484, 
der dort vorher jchen eine Spielkartenfabrif gehabt und auf feinen Bil— 
bern mit beweglichen Typen gedrudte Infchriften angebracht hatte. Zein 
erited Werk war die Geographie des Ptolemäus mit Yandfarten, welche 
in Holz gejchnitten waren. Das jümtliche Werkzeug zu diefer Ausgabe 
war er ſpäter genötigt, an den Venetianer Juſtus de Albano zu ver- 
jegen, in veffen Verlag damit 1486 durch feinen Werfführer Johann 
Reger eine neue Ausgabe gedruckt wurde. Holl aber wurde, wie Zainer 
und Dinckmuth, Schulden halber ſchon 1484 aus der Stadt veriwiejen; 
er bat, wieder eingelaffen zu werben, weil ev jonit jeine Gläubiger nicht 
befriedigen fünne, da ihm jeine Habe vertragen, verjtoßen, verpfünvet, 
verjeßt jei. Das Jahr 1492 bringt dann im Einigungsbuch eine neue 
Entjcheidung, wonach Leonhard Holl aufer der Stadt jein joll, bis daß 
er von Nürnberg aus feine Schuld bezahlt habe. Ob dies aber jemals 
geichehben, darüber fehlen, wie überhaupt von ihm, alle fernern Nach- 
richten. 


Kapitel.) Um: Koncad Dinckmuth. Johann Grüner. 137 


Auch der dritte Typograph Ulms hatte, wie ſchon oben mit erwähnt, 
ein gleih trauriges Schidjal. Konrad Dindmuth war, ehe er Buch: 
drucker wurde, Buchbinder und muß auch noch als Typograph als jolcher 
weiter gearbeitet haben, denn er wird im ben Urkunden 1481 und 1484 
als Buchbinder aufgeführt, und noch 1486 muß Lienhart Welfchwirt ge: 
(oben, ihm in Zeit von einem Jahre in drei Terminen 150 vote Egrifche 
Felle zu liefern. Sein erfter datierter Drud ftammt aus dem Jahre 
1482. Nachdem er jchon früher ala Schuldner in dem fatalen Einigunge- 
buche vorfam, führt ihn das Jahr 1487 wieder im drei verjchiedenen 
Einträgen als jolhen auf. Im Jahre 1488 verpfändet er dem Papier: 
fabrifanten Martin von Reutlingen wegen einer Schuld das Buch, das 
er gerade drudte, und 1489 ift er genötigt, fein Haus an ver Ede ver 
Ulmergaffe verganten zu laffen. Im nächften Jahre muß er geloben, 
dem Bürgermeifter Hanſen Nythart, welcher im Jahre 1486 den Teren- 
tins überjeßt und ihm in Verlag gegeben hatte, 28 gebundene Erempfare 
des Werfes jowie 39 (in demſelben Jahre gedruckte Yirerfche) Chronifen 
zur geben, over aus der Stadt und dem Zehenten zu gehen und nicht 
zurückzukommen, bis er die Schuld entrichtet. Nachdem er 1494 und 
1495 noch wiererhelt als Schuloner aufgeführt worden tft, zieht ev end— 
(ih 1499 von Ulm fort, denn er zahlt die Nachiteuer, und fortan fehlen 
die Nachrichten von ihm. Von Druden fennt man aus feinen Preſſen 
etwa 20, in welchen, wie bei allen ulmer Druden, die Pflege der deut— 
iben Sprache zu rühmen tt. 

Der ſchon genannte Sehülfe des Juſtus von Albano, Johann Neger, 
fommt won 1486 bis 1489 als Druder vor und veröffentlichte in dieſem 
Zeitraum etwa ein Dutend Werte. Von 1403 bis 1499 iſt noch Johann 
Schäffler zu nennen, dev auch in Freifingen und fpäter in Konftanz als 
Drucker auftritt. 

Bei dem traurigen Schickſal, das beinahe alle bisher genannten ulmer 
Buchdrucker hatten, iſt e8 micht zur verwundern, daß mit dem Ausgang 
des Jahrhunders die Kunſt daſelbſt allmählich ausftarb, um nie wieder 
zu ihrer anfänglichen Bedeutung zu erjtehen. Außer dem Schulmeijter 
Johann Grüner, der übrigens ein merkwürdig vielfeitiger Dann geweien 
jein muß, da ihn zeitgenöffiiche Zeugniffe auch als Ökonom, Fürfäufler, 
Geldſchauer und Wirt aufführen — und der jpüter felbft eine Offizin 
(1522 bis 1532) errichtete, nachdem er vorher jchen bei Mare Wirfung 


138 Nürnberg: Johann Senfenihmid und Heinrich Kefer. [Zweites 


und Grimm in Augsburg verlegt hatte, wären im 16. Jahrhundert nur 
noch wenige unbedeutende Vertreter der Kunft dort zu nennen. 


9. Nürnberg, 


die alte, reiche Stadt, noch heute der Schrein ungezäbhlter Denkmäler 
der Kunft und Kultur des Mittelalters, die Geburtsſtadt eines Albrecht 
Dürer und Hans Sachs, ift von den erften und beveutungsvolliten Pflanz- 
ftätten der Buchdruckerkunſt und des Buchhandels eine der wichtigiten 
und für deren Entiwidelung von epochemachendem Einfluß. Einem glück— 
fihen Zufall ift e8 zu danfen, daß gerade von derjenigen Perſönlichkeit, 
die umbejtritten der größte Buchdrucker und Buchhändler feiner Zeit ge: 
nannt werben muß, von Anton Koberger, der Nachwelt jehr ausführliche 
Nachrichten erhalten worden find und daß die Geſtalt diefes Mannes 
das Bild des ganzen Standes in feinem Geſamtwirken neu beleuchtet. 
Mit voller Berüdfichtigung der geichäftlichen Bedeutung Anton Kobergers 
wird daher weiterhin im fünften Kapitel eine ausführlichere Darjtellung 
jeines Wirkens gegeben werben, foweit es fich aus den nenejten Kunden 
jeiner Briefe ausführen läßt. Seiner Bedeutung nach gebührt ihm ber 
erite Rang im dieſem Abjchnitt, objchon der Zeit nach ihm andere feiner 
Berufsgenoffen vorangehen. 

Bon einem Gehilfen Gutenbergs, dem Mainzer Heinrich Kefer oder 
Keffer, welcher in dem Prozeß Fufts gegen Gutenberg als Zeuge mit 
Berthold von Hanau aufgeführt ift, wurde die Kunft nach Nürnberg 
überführt. Kefer begründete hier in Gemeinfchaft mit dem Deutjch- 
Böhmen Johann Senfenjchmid von Eger die erfte Buchoruderei. Der 
erite nürnberger Drud von 1470 entbehrt zwar der Firma der Druder, 
ift aber durch die Schriftcharaftere als Erzeugnis von Senjenichmid und 
Kefer erkannt: e8 it entweder Das große „Comestorium vitiorum‘ des 
Franciscus de Retza von 289 Blättern, oder noch wahrjcheinlicher ein 
in bemjelben Jahre gedruckter fleinerer Traktat des Kanzlers Gerjon 
über „Cantica canticorum” von nur 39 Blättern. Die Genoffenjchaft 
der beiden Druder dauerte bis zum Jahre 1473, in welchem auch das 
einzige Werk herauskam, das ihre gemeinjchaftliche Firma trägt; es tt 
dies die große „Pantheologia” des Neynerus ve Pifis, ein Rieſenwerk 
in zwei großen Koliobänden von 439 und 421 Blättern, zugleich ein 
muſterhaft ſchönes Druckdenkmal, deſſen zierliche und geſchmackvolle Charaf: 


Kapitel.) Nürnberg: Andreas Frisner. Anton Koberger. 139 


tere die höchſte Bewunderung verdienen. Nach 1473 verjchwindet Hein- 
rich Kefer vom Schauplagke, und Johann Senſenſchmid gewann einen 
neuen Gejellichafter in der Perjon des Andreas Frisner aus Wunſiedel, 
der von 1465 ab am der Leipziger Univerfität immatrifuliert gewejen 
iwar und es zum Magister artium gebracht hatte. Als Senſenſchmids 
Teilhaber übernahm er zunächſt die gelehrten Gejchäfte bei Herftellung 
ver Bücher, wie er auch auf dem erften Drud der neuen Gejelljchaft, 
„Ihomae Aquinatis Quodlibeta duodeeim 1474”, „Corrector” genannt 
wird. Bis 1478 waren beide vereint thätig und gaben eine beträcht- 
lihe Anzahl bedeutender Werfe heraus, unter welchen die unbdatierte 
(vierte) deutſche Bibel eine hervorragende Stelle einnimmt. Alsdann 
aber verließen fie beide den bisherigen Ort ihrer Wirkfamfeit, Senfen- 
ſchmid, um nach Bamberg überzufiedeln, Frisner, um nach Yeipzig zurück— 
sufehren, wo er Profeffor der Theologie und 1482 Rektor der Univer- 
fität wurde. Daß er übrigens dort 1481 den Buchdrud eingeführt haben 
joll, it eine durchaus nicht erwiejene Annahme, die in neuerer Zeit auf 
das richtige Maß ihres Wertes zurüdgeführt worden tft. 6° 

Faſt gleichzeitig mit den erjten Drudern Nürnbergs begann Anton 
Koberger jeine raſch aufitrebende Thätigfeit. Er ſtammte aus einer alten 
nürnberger Familie, deren Mitglieder bis dahin meift Bäder gewejen 
waren, und muß um 1440 geboren jein, da er 1470 zum erſten mal 
beiratete. Bon Haufe aus wohlhabend, „eroberte‘ er fich, wie fein Yande- 
mann Johann Neudörffer jagt, durch Umficht und Thätigfeit ein großes 
Vermögen. Was er vor jeiner Niederlaſſung als Buchhändler getrieben 
bat, ift nicht befannt. Möglicherweife war er Juwelier, in welcher Eigen- 
ihaft er jogar in feinen legten Yebensjahren gelegentlich noch thätig ift. 
Er begann zumächit in nur maßvoller Weife zu arbeiten, venn faft ab- 
gemejjen bringt von 1472 an jenes Jahr bis 1476 nur zwei Werte; 
aber jhen 1477 verlaffen deren jechs jeine Preffen, 1478 ſogar zehn. 
Bis dahin hatte er aber jchon vier lateinische Bibeln gedruckt. Da 
mochten Senſenſchmid und Frisner allerdings einen jchweren Stand 
baben und es vorziehen, ihr Geſchäft in Nürnberg aufzugeben und ihr 
Beil anderwärts zu verjuchen. 

Das erjte datierte Druckwerk Kobergers iſt „Boetii liber de con- 
solatione philosophiae cum commentario Thomae de Aquino”“ vom 
24. Juli 1473; fein legtes eigenes erichien im Jahre 1503. Yon da ab 


140 Nürnberg: Anton Koberger. [weites 


ift Koberger bis 1513 nur noch als Verleger thätig 7, bejchäftigte nur 
noch die Preffen anderer Druder. „Dieſer Koberger“, jagt fein Zeitgenoffe 
Johann Neudörffer, „hatte täglich mit 24 Preffen zu drucken; dazu hielt 
er über 100 Gefellen, die waren einesteild Seker, Correctores, Druder, 
Poffelierer, Illuminiſten, Gomponiften, Buchbinder.” Intereffant für 
die Kenntnis der Kobergerjchen, dem modernen Fabrikweſen ähnelnden 
Betriebsweije feines Gejchäfts, die ganz im Gegenſatz zu dem jonjtigen 
Gebräuchen der Gewerbe jener Zeit ftand, ift auch die Angabe Neu: 
dörffers: „Dieſe alle‘ — nämlich feine Arbeiter — „verfoftet er an 
andern Orten, fie hatten eine gewiffe Stunde von und zu ber Arbeit 
zu gehen, ließ feinen ohne den andern ins Daus, jo auf dem S. Gülgen— 
hof war, jondern mußten einer des andern vor der Hausthür warten.“ 

Bon mehrern der großen Buchoruder des 15. und 16. Jahrhunderts 
wird die Zahl der Kobergerjchen Verlagswerfe (etwa 220) wohl erreicht, 
von einigen jogar noch bedeutend überholt, wie 5. B. von Johann Oporin 
zu Bajel; von niemand aber wird Koberger in der Form und in der 
Ausdehnung feines gejamten Gefchäftsbetriebs übertroffen. Das Ge— 
heimmis feines großen Erfolgs lag in der allmählichen, planmäßigen Er: 
mweiterung feines Abjatgebiets, in dem möglichit jchnellen Umſchlag feines 
Kapitals, in der Verteilung des Riſiko. Seine Filialen in Frank— 
furt a. M., Paris und Lyon, jeine Verbindungen mit den Niederlanden, 
Italien, Ofterreich, Ungarn und Polen, feine ganz Deutjchland und bie 
Nachbarländer beſuchenden Reiſediener oder Haufierer, fie alle bildeten die 
Srundlage jeines großartigen Buchhandels, deſſen Gefchäfte von dem 
Mittelpunfte Nürnberg aus geleitet wurden. Auch die damals beſonders 
ichwierige Kontrolle führte Koberger durch ein großes Yagerbuch, in wel- 
chem nach Neudörffers Zeugnis die einzelnen Faktoren oder Agenten be- 
jondere Conti hatten, denen bei neuen Sendungen und bei Nachricht von 
erfolgtem Abſatz zu: und abgejchrieben wurde. 

Sp ſpiegelt fich denn in jeiner Thätigfeit bereits Die ganze jpätere 
Entwidelung des Buchhandels und des Buchdrucks in ihrem Verhältnis 
zu einander ab: der überwiegende Einfluß nämlich des Handels gegenüber 
der probuftiven Kunſt. Koberger iſt nicht nur ver erite und größte Buch: 
händler feiner Zeit, jondern jeine Geſamtthätigkeit erinnert bereits an die 
jpätere Großmachtitellung des Buchhandels. Die Richtung des Koberger- 
ſchen Verlags ift dabei eine völlig fonjervative, von dem aufſtrebenden 


Kapitel. ] Nürnberg: Die Koberger. Johann Regiomontanus. 141 


Humanismus oder gar reformatorijchen Ideen wenig beeinflußt. Neben 
der von ihm jelbjt fünfzehnmal geprudten und außerdem noch viermal 
auswärts verlegten Bibel find es das Recht, die Theologie ſowie die 
Scholajtifer und großen Summijten, eine folofjale Koliantenlitteratur, 
welche ven Beſtand feines Verlags ausmachten und mit dem Auftreten 
Yutbers jehr bald veralteten. Allgemein befannt find feine mit Holz- 
jchnitten verzierten Ausgaben der deutſchen Bibel 1483, des „Schaß- 
behalters“ von 1491 und vor allem der (übrigens lediglich von ihm ge- 
prudten) Schedelſchen Chronif von 1493, zu deren Illuſtrierung gegen 
2000 Holzjtöde der nürnberger Künſtler Wohlgemut und Pleyvenwurf 
gerient haben. Das Berlagsgejchäft wurde nach feinem Tode (1513) 
von jeinem Neffen Johann und jeinem Sohne Anton noch bis 1525 
rüjtig fortgejeßt. 

Ein jüngerer Bruder Antons, Namens Melchior, verlegte noch 1540 
eine böhmijche Bibel. Bon bier ab aber verjchwinvet ver Name Ktoberger 
aus dem Buchhandel. Die Reformation bereitete dem Welthauje ein 
unerwartet jcehnelles Ende. Fortan jeheint die Familie ſich ausjchlieglich 
dem umeliergejchäft zugewandt zu haben; im Jahre 1629 jtirbt ihr 
fetter Sproß. 

Die auf Koberger folgenven oder gleichzeitig mit ihm wirfenden nürn- 
berger Buchpruder find zumächjt der ausgezeichnete Mathematiker Johann 
Regiomontanus, eigentlih Johann Müller aus Königsberg in Franfen, 
auch Molitor, Kunsperg, Johannes Germanus oder Francus genannt. 
Er errichtete 1471, aljo früher als jener, mit Unterjtüßung eines reichen 
nürnberger Bürgers, Bernhard Walther, eine Druderei, welche aus— 
jchließlich die Hebung der mathematischen Wiffenjchaften ins Auge fate. 
Die erjten Erzeugniffe verjelben waren ein deutjcher und ein lateiniſcher 
Kalender, die in Holztafelorud ausgeführt, dann mit Typen gedrudt wur- 
ven, und mehrere mathematiſche Werfe, unter welchen die „Ephemeriden“ 
für 1474 bis 1506 die beveutenpfte Stelle einnehmen. Müllers wegen 
der jeitens Papſt Sirtus’ IV. beabjichtigten Kalenderreform erfolgte Be— 
rufung nah Rom machte ſchon 1474 jeiner Thätigfeit in Nürnberg ein 
Enve. Zu erwähnen find ferner noch Friedrich Greußner, 1472 bis 1497; 
die „Brüder des gemeinjamen Yebens“, die ſich bier aber „Brüder des 
Drvens vom heiligen Augustin‘ nennen, 1479 bis 1491; Konrad Zeninger 
von Mainz, 1480 bis 1482; Peter Wagner oder Currifer, ver Nachfolger 


142 Nürnberg: Kleinere Druder. Friedrich Peypus. Joh. Petrejus. Zweites 


Zeningers, 1483 bis 1499 °°, und der durch ven Drud feiner prachtvollen 
Mepbücher ausgezeichnete Georg Stuchs von Sulzbach, 1484 bis 1515. 
Kaſpar Hochfever, 1491 bis 1498, druckte jpäter in Krakau und Mes, 
während fih Dieronymus Höltzel von Traunftein, 1496 bis 1525, eben- 
fall® durch den Drud prachtvoller Chorbücher auszeichnete. Ein aus 
dem geiftlichen Stande bervorgegangener Bucoruder ift Johann Weifjen- 
burger, 1502 bis 1513, der ich jelbft in verſchiedenen Schlußſchriften 
„sacerdos” oder „presbyter” nennt und von 1513 ab in Landshut 
thätig war. 

Friedrich Peypus (er nennt fich auch Artemifius, Beifuß), 1509 bie 
1535, druckte nicht nur für eigene Rechnung, jondern wurde auch von 
mehrern VBerlegern bejchäftigt, jo von Johann Koberger, von Yırfas Alantjee 
in Wien und von Yeonhard von Aich. Sein erjter Nachorud des Luther— 
chen Neuen Teftaments (von 1524) gilt als die ſchönſte von allen Aus- 
gaben; fie ift mit ven Charafteren der Schedelſchen Chronik Anton Ko— 
bergers gedrudt. Da die Koberger zu jener Zeit ihre Druderei ſchon 
aufgegeben hatten, jo ift e8 wohl möglich, var Peypus jene Schrift von 
ihnen erworben hatte. Vor allen andern Typograpben feiner Zeit aber 
verdient Johann Petrejus, 1524 bis 1530, genannt zu werden, deſſen 
forrefte und jehöne Arbeiten fich ungeteiltes Yob erwarben. Seine felbit- 
gegoffenen Schriften jcheinen deshalb auch eine weite Verbreitung gefunden 
zu haben. Die Sammlungen des Börjenvereins ver deutjchen Buchhändler 
bewahren ein Blatt Schriftproben feiner Gießerei von 1525; jolche jcheinen 
aljo jbon damals behufs Erlangung von Aufträgen verjandt worden zu jein. 

Bei dem durch die reformatorische Bewegung gewedten und lebhaft 
angefachten Interejfe für die Tageslitteratur ift ganz befonders in Nürn— 
berg, wo geiftiger und gejcbäftlicher Verfehr in höchſter Blüte ſtanden, 
die Zahl jolcher kleinerer Buchdruder beveutend, welche in Flugſchriften 
die brennenden Fragen des Tages ausnutzten. Aus kaum einer andern 
deutjchen Stadt find jo zahlreiche Beijpiele für den Drud der den Macht— 
habern anftößigen Flugblätter und Schriften geſammelt und teilweije auch 
veröffentlicht. Die Thätigkeit der Winfeldrudereien wurde bald eine jo 
ausgedehnte, daß ver Rat fich ihrer faum mehr erwehren konnte. Ver— 
gebens erließ er jtrenge Verordnungen und noch ftrengere Strafen da— 
gegen. So ward Nürnberg bald ver Mittelpunft der volfstümlichen 
Bewegung. Erſt wurde ven Bucorudern verboten, die Yutherjchen 


Kapitel.) Nürnberg: Die Flugblätter. — Die Brüder vom gemeinjamen Leben. 143 


Schriften zu druden, und den Buchführern eingejchärft, fie ja nicht zu 
verfaufen, dann erging das gleiche Verbot gegen die Verbreitung ber 
Büchlein Karlſtadts, Okolampadius', Zwingli's und ihrer Anhänger; 
allein die jtrengen Drohungen jehürten nur das Feuer. Von allen Seiten, 
aus Böhmen, Thüringen, Franken und Schwaben, famen Seftierer und 
Wiedertäufer nah Nürnberg und ließen bier ihre Flugjchriften drucken, 
denn fie fanden bier ftets willige Druder und Buchführer, vie jelbit 
unter perjönlicher Gefahr die mißliebigen Blätter oder Werfchen ber- 
jtellten und feilboten. Es half auch nichts, daß der eine Miſſethäter 
ausgewiejen, ver andere in den Bod gejpannt, oder ver dritte im ven 
Turin gejperrt und der vierte jogar enthauptet wurde, wie dies im Jahre 
1527 Johann Herrgott auf einem feiner gejchäftlichen Streifzüge in Yeipzig 
wiverfuhr. °? Die geheimen Drudereien gewannen im Gegenteil täglich 
mehr an Einfluß. Schriften, wie die Dichtungen von Hans Sachs, 
fteigerten natürlich die Bewegung, denn fie drangen in alle Klaſſen ver 
Bevölferung und ließen fich trog der anfänglichen Verfolgung bald auf 
die Dauer gar nicht mehr unterprüden. 

Nürnberg blieb zwar in ver Folge auch eine bedeutende Drud- und 
Verlagsſtadt, und namentlich entwidelten fich hier die dem Drud ver- 
wandten Gewerbe, vie Supferjtecherei und Illuminierung zu einer ber- 
vorragenden, wenn auch vielfach fabrikmäßigen Ausdehnung; allein jo 
jeböne Yeiftungen es auch noch oft aufzumeijen hatte, die jtolze Stellung, 
welche es bis in das NReformationszeitalter eingenommen hatte, hat es 
jpäter nie wieder erreicht. — 

In der bisher verfolgten chronologijchen Reihe der Druckſtädte ift 
wegen des intimen Zuſammenhangs der drei jchwäbiichen Reichsſtädte 
die dazwiſchenfallende Thätigfeit ver Prefje zu Marienthal im Rhein- 
gau ausgelajjen worden. Im erjten Kapitel find bereits die Wirkſam— 
feit und die Verdienfte der „Brüder des gemeinjamen vebens“ und ihr 
Einfluß auf Jugenderziehung und Volksbildung erwähnt worden. Bejon- 
ders in neuerer Zeit hat man auch die Buchdruderthätigfeit diefer Brüder— 
jchaft an den verjchievdenen Stätten ihrer Niederlaffung vielleicht über 
Bervienjt hervorgehoben. Madven hat unter andern den Brüdern im 
Klofter Weidenbach zu Köln eine Unterjuchung gewidmet, durch welche 
er ihnen eine bid dahin micht befannte typograpbiiche Wirkſamkeit im 
größten Stil anerjchuf; nach ihm ſollten faft alle beventenpften Buch- 


144 Die Brüder vom gemeinfamen Leben. Leipzig. [Zweites 


druder der älteſten Zeit ver Pflanzftätte des Klofters am Weidenbach 
entjprofien jein: Ulrich Zeil, Nikolaus Ienjon, Colard Manfion, Willtam 
Garten, Mentel, die Zainer u. a. — eine Auffaffung, die, wenn auch 
nicht unbedingt anerkannt, jo doch beachtet und eriwogen wird. Aber fie 
ſteht auf feiner urfundlichen Grundlage und iſt eim Ritt ind Blaue 
hinein, auf welchem Madden niemand ernftlich zu folgen wagen fann. 

Wenn indefjen auch die „Brüder vom gemeinjamen Yeben“ an ver- 
jchievenen ihrer Site, Marienthal (1468), Brüfjel, Roftod (1476), Nürn- 
berg (1479), ſelbſtändige Druckereien errichteten, jo entwidelten fie in 
ihnen doch feine jo beventende und folgenreiche Thätigfeit, daß man ihr 
eine bejondere Wichtigfeit für die Entwidelung ver Buchdruckerkunſt und 
des Buchhandels einräumen dürfte. Gin fo intereffantes Moment in ber 
Kulturgejcbichte die Aufnahme varftellt, welche die Brüder der Bud 
pruderfunft angeveiben ließen, jo kann bei ver Gejamtthätigfeit des Ordens 
auf diefen Gebiete, die fich auf etwa 60 Druckwerke bejehränft, eine 
nähere Wirdigung ihrer Verdienſte füglich umterbleiben. 


10, Leipzig 


hat, wie man neuerdings annimmt, jebon 1479 die erfte Druderei ges 
habt; indeſſen ruht der Beweis für dieſe Annahme auf nicht ganz ficherer 
Grundlage. In einem Zettel der Leipziger Stadtfaffenrechnungen von 
1480 wird nämlich unter den im Dezember 1479 fjüumigen Steuer- 
zahlern ein Buchoruder Yangnidel angeführt. Wenn nun — fo folgert 
man weiter — dieſer Mann auch nicht im Befite einer Prefje gewejen 
jein fann, jo muß er doch in einer leipziger Druderei in Arbeit ge- 
jtanpen haben. Das it allerdings möglich, ja jogar wahrjcheinlich, aber 
nicht erwiejen, und namentlich wird um jene Zeit und jelbjt einige Jahre 
jpäter nirgendwo einer leipziger Druderei gedacht. Nun fehrte aller- 
dings im genannten Jahre Andreas Frisner, wie unter Nürnberg jebon 
erwähnt, zurück, um bier an der Univerfität zu wirken. Er ging dann 
1491 nah Rom, wo ihn Papjt Alerander VL zum Primarius Sedis 
apostolicae ordinarius ernannte. In jeinem 1504 errichteten Teſta— 
ment vermachte er unter anderm „jeine Preſſe nebſt 20 rheinijchen Gul— 
den” dem Dominifanerklofter zu Yeipzig. Dies ift der Grumd, warum 
man Frisner für den erſten Druder Yeipzigs bielt; er ift jedoch nicht 
jtichbaltig, weil hier eine gewerbemäßige Drudertbätigfeit jeinerjeits nicht 


Kapitel] Leipzig: Der Buchdrudergejell Langnidel. Die beiden Brandis, 145 


nachgewiejen werden kann. Ebenſo ijt nirgendwo gejagt, daR er die Preffe, 
welche ven Gegenjtand jeines Legats bildet, bereits in Yeipzig beſeſſen, 
nirgends, daß er 1479 fie mit nach Yeipzig gebracht habe. Auch ift aus 
der ganzen Zeit von 1479 bis 1491 nicht ein einziger Drud erhalten, 
der den Namen Frisners trägt, obwohl dieſer fich jchon während jeiner 
nürnberger Thätigfeit in den Schlußjchriften zu nennen pflegte. Hatte 
Frisner aber wirklich in Yeipzig eine Preſſe, jo gehörte er zu denjenigen 
Gelehrten jeiner Zeit, welche wohl eine Druderei zu ihrem Vergnügen 
bejaßen, aber nimmermehr fremde Drucdwerfe ausführten. Darf man 
ihn nun nicht als gewerbsmäßigen Druder bezeichnen, jo kann auch der 
oben erwähnte Yangnidel im feine Beziehung zu ihm gebracht werden. 
Die Sache it jedenfalls nicht Kar, was jollte einen Buchorudergejellen 
— ein jolcher war Yangnidel nach der Geringfügigfeit des von ihm 
jebuldig gebliebenen Stenerbetrags — veranlaßt haben, an einem Orte 
zu wohnen, wo er feine Gelegenheit zu Verdienſt hatte? 

Der frübejte bisher ficher nachgewiejene Drud Yeipzigs ift eine im 
Jahre 1481 am 5. Oftober daſelbſt vollendete Schrift des italienischen 
Dominifaners Annius von Viterbo von 48 Quartblättern: „Glosa super 
Apocalipsim.” Dieje auf die Unterwerfung der Türfen bezogene Aus— 
legung ver Offenbarung Johannis ift der wörtliche Nachdruck eines ita- 
lieniſchen Druds von 1480. Der Leipziger Drucker nennt fich nicht, ift 
auch an feinen Typen nicht zu erfennen, da dieſe von allen Charakteren 
ver leipziger Druder abweichen. Panzer nennt ebenfalls ohne Druder- 
namen noch einen leipziger Drud, welcher dem Jahre 1482 angehört, 
„Propositiones astrologicae XV“ von Martin Polih. Der erfte 
nachweisbare leipziger Drud, der einen Drucdernamen trägt, wurde am 
26. Auguft 1484 vollendet und ift aus der Preffe von Markus Brandis 
bervorgegangen. Es ift eine der zahlreichen unter vem Namen „Regimen 
Sanitatis“ und ähnlichen Titeln erſchienenen hygieiniſchen Schriften jener 
Zeit und enthält 33 Blatt in Quart, deren VBerfaffer der Erzbiſchof von 
Prag, Albieins (geftorben 1427), war. Die Überjehrift lautet: „Trac- 
tatus de regimine hominis compositus per magistrum dnm. dnm. 
Albicum, archiepiscopum Pragensem“, das Impreſſum aber: „Im- 
pressum in Lipczk per Marcum brand. Anno dni. MecccLxxxIm], 
xxvı, die Mensis Augusti.“ 

Des Namens Brandis (häufig Brandiß, auch Branpdisz) laffen ich 

app. I. 10 


146 Leipzig: Morik Brandis. Kunz Kachelofen. [Zweites 


in den Jahren 1484 bis 1489 zwei leipziger Drucker nachweifen: Markus 
Brandis und Morit Brandis. Sie jcheinen Brüder oder wenigſtens 
Verwandte geweſen zu jein und einer aus der Nähe von Yeipzig Ttam- 
menden, auch jonjt weit verbreiteten Buchdruckerfamilie angebört zu haben. 
Fin Yufas Brandis aus Delitzſch drudte von 1473 bis 1475 in Merie- 
burg, ein Yufas Brandis von Schaf (?), mit jenem vielleicht identiſch, 
von 1475 bis 1499 in Lübeck, ein Matthäus Brandis 1486 ebenfalls 
in Lübeck. Bon den beiden in Yeipzig tbätigen Brandis ift über Markus 
jonjt nicht das mindeſte befannt. Er jebeint jein Gewerbe um Umber- 
ziehen betrieben zu haben, denn er taucht 1498 und 1501 in Yeipzia 
wierer mit einigen Druden auf, und Panzer nennt aus den Jahren 
1484 bis 1487 aufer dem oben erwähnten Buche noch drei Drude von 
ihm. Moritz Brandis it jedenfalls der erjte, welcher urkundlich als 
gewwerbsmäßiger Druder in Yeipzig vorkommt. Nur jechs weitere Drude 
find noch von ihm befannt; der letzte ijt ein „Zachjenjpiegel“, den er in 
Gemeinſchaft mit dem magdeburger Buchführer Johann Yorr und einem 
M. Ghriftophorus upper berjtellte. Aber er war mit Schulden über 
lajtet; jein ganzes Hab und Gut wurde „mit rechtlichen Kummer be- 
ſetzt“ (d. b. mit Beſchlag belegt), und nur mit richterlicher Dilfe ver 
mochten Yorr und Kupper zu ihren Zachjenfpiegeln zu fommen. Dieſe 
Überſchuldung, wie es febeint auch eine Einladung des Erzbiſchofs Ernſt 
von Magdeburg, veranlaften Brandis nach Magdeburg überzufiedeln, wo 
er von 1491 bis 1504 drutdte, 

Konrad (Kunz) Kachelofen aus Wartberg, Leipziger Bürger jeit 1476, 
ijt während des 15. Jahrhunderts Leipzigs beventenditer und erjter ſeß 
bafter Druder. Man kennt von ihm etwa 50 Drude, welche größten 
teils jeinen Namen tragen. Sein erjter datierter Drud iſt von 148. 
Er muß ſich langjam im die Höhe gearbeitet haben. Während ver acht: 
ziger Jahre läßt fich nur eine einzige unbedeutende Feine Type bei ibm 
nachweien; im den Jahren 1490 und 1491 braucht er bereits eine etwas 
bejjere daneben, 1495 aber war jeine Druderei nach allen Zeiten bin 
gut affortiert. Er druckte namentlich theologiſche und liturgiſche Bücher, 
einzelne mathematiſche und medizinische Zchriften, Daneben auch Lehr— 
und Unterrichtslitteratur. Den Höbepumft feiner Thätigkeit bezeichnet 
das Jahr 1494, in welchen er allein zehn mit jeiner Firma verjebene 
Werke lieferte. Im Jahre 1495 war er mit Herftellung eines Miſſale 


Kapitel.) Leipzig: Kachelofen. Buchhandel der leipziger Kaufleute, 147 


für das meißener Bistum bejchäftigt, als die Pet in Yeipzig ausbrach, 
die ihn mit jeiner Druckerei nach Freiberg trieb, we er den Drud voll- 
endete. Die beiden hervorragendſten und merkwürdigſten Erzeugniffe ver 
Kachelofenſchen Preſſe find dieſes Miffale, die Slanzleiftung unter ſämt— 
liben leipziger Infunabeln, welche durch ihre Initialen und Noten, ſowie 
die Schönheit und Sauberkeit des Druds den Vergleich mit den bejten 
ſüddeutſchen derartigen Werfen aushält, und ferner das Faufmännifche 
Rebenbuch von Johann Widmann („Behende und hübjche Rechnung auf 
alten faufimanichafft‘) aus dem Jahre 1489, welches zum erften mal im 
deutſchen Buchdruck nicht allein Die arabijchen Ziffern verwendet, jon- 
dern auch im Druck überhaupt die bekannten Nechenzeichen für plus und 
minus (-+ und —) gebraucht. 

Kachelofen war ein angejebener Bürger, welcher allgemeines Bertrauten 
genoß, verjcbiedene jtädtijche Ehrenämter beffeidete und fich auch des Wohl— 
wollens des Kurfürſten von Sachſen erfreute. Er hatte ſich nämlich bei 
dieſem bejchwert, daß ver Biſchof von Cammin einen mit ihm für ven 
Trud von 100 Miffalen abgejchloffenen Vertrag nicht gehalten und ihm 
Kachelofen) Durch feine ontraftbrüchigfeit viel unnütze Koſten für Papier, 
Pergament und jonftige Anjchaffungen verurfacht babe. Der Kurfürft 
bat infolge diejer Klage ven Herzog von Pommern, ven Bijchof zu ver- 
anlaffen, daß er jeinen Teil des Vertrags gutwillig erfülle, „damit der 
arm man mit zu weiterm jebaden geführet werde”. Stachelofens Thätig- 
feit in Yeipzig ift noch bis zum Jahre 1516 nachweisbar, obgleich er 
den um 1500 ven größten Teil jeines Gejchäfts jeinem Schwiegerjohn 
Melchior Yotter übergeben hatte. Die offene Kramkammer, welche er 
unter dem Rathauſe beſaß, jebeint er noch länger beibehalten zu baben. 
Lon Dauje aus vermutlich Kaufmann, trieb er jein Warengejchäft neben 
jeiner buchhändleriſchen Thätigkeit immer noch fort, eine Erjcheinung, die 
nicht vereinzelt Dafteht. Mancher Kaufmann verfaufte nebenher auch 
Bücher — das Buch war eine Handelsware, wie jede andere — und 
mancer Buchhändler befaßte jich nebenher mit Handels- und andern Ge— 
ſchaften. Kachelofens Schwiegerjohn Melchior Yotter betrieb neben jeinem 
Trudereigejcbäft zugleich Weinſchank und Gaſtwirtſchaft. Bon leipziger 
Kaufleuten bandelten beijpielsweije auch mit Büchern 1514 Hans Bin- 
ter, 1523 Andreas Hornung, 1544 Matthes Klein, in den dreißiger 
und vierziger Jahren Sebaſtian Reuſch. Dagegen betrieb 3. B. wiederum 

10 * 


148 Leipzig: Melchior Lotter, [Zweites 


der Buchführer Peter Clement auch Warenbanvel: er handelte mit Wolle 
und wird 1527 jogar Tuchmacher genannt. Ganz allgemein aber jcbeinen 
die Buchhändler Papierbandel betrieben zu haben.“! Kachelofen jtarb 
im Jahre 1529, aber in etwas zurüdgefommenen Berbältniffen. 
Melchior Yotter, ver Nachfolger Ktachelofens, wird ſchon 1491 als 
vielbejchäftigter leipziger Druder angeführt. Er war gebürtig aus Aue 
im Erzgebirge und erwarb 1498 das Leipziger Bürgerrecht. Wann um 
wie lange er mit jenem Schwiegervater gemeinjchaftlic und wie lange 
er allein gearbeitet hat, ift aus ven Quellen bis jett nicht zu ermitteln 
geweſen. Genug, er übernahm jedenfalls im erjten Jahrzehnt des neuen 
Jahrhunderts das Geſchäft Kachelofens und brachte es durch Fleiß und 
Gejchietlichfeit zu einer noch höhern Blüte. Einen Namen machte er 
ſich zunächſt durch eine große Anzahl von Miſſalen, Breviarien und 
Pjalterien, deren Typen und Holzichnitt- Initialen zu dem Beſten gebören, 
was der Miffalorud überhaupt gejchaffen. Wegen der Schönheit jeiner 
Austattung erhielt Yotter bis im die zwanziger Jahre unter andern alle 
Drudanfträge, welche das Bistum Meißen zu vergeben hatte, deſſen 
Vertrauen ibm weit und breit großen Ruf verichaffte. So vrudte er 
im Jahre 1513 das Breviarium des Erzbiſchofs Ernjt von Halle, 1517 
ein Miſſale für vie Diöceje Brandenburg, 1518 ein bavelberger Brevia- 
rium und 1527 ein Pſalterium für das neue Stift in Halle. In Yeipzig 
jcheint jich der Rat damals mit jeinen Drudaufträgen ausjchlieglib an 
Yotter gewandt zu baben; alle jtädtijchen Verordnungen, Mandate und 
Patente gingen ausjchlieglich aus jeinen Prefjen hervor. Großartig aber 
war vor allem Yotters eigene Berlagsthätigfeit. Außer zahlreichen philo— 
jophijchen und theofogifchen, auch einzelnen juriftifchen und mathemati 
jben Schriften, Grammatifen, Poetifen und Wörterbüchern ließ er fich 
namentlich den Drud der alten Stlaffifer mit forreftem Text und fauberer 
Austattung angelegen fein, zu welchen Ende er vielfach die Hilfe ver 
feipziger Profefjoren in Anſpruch nahm. Seinen offenen Laden batte 
Yotter in Yeipzig unterm Rathauſe, der bis 1524 von Yorenz Fijcher 
verwaltet wurde und im welchem er außer jeinen Büchern auch Perga- 
ment und Papier verfaufte. Den auswärtigen Vertrieb jeiner Verlags— 
artifel umd jeines Sortiments, bis auf Die Märkte von Poſen und Bres- 
lau, bejorgten jtändige Buchführer: Urban Port, Achatius Glow. Nach- 
weislich war Yotter auch der Kommiſſionär Ulrichs von Hutten. Diejer 


Kapitel.) Leipzig: Melchior Lotter. Wolfgang Stödel. 149 


jchidte nämlich im November 1518 aus Augsburg 200 Exemplare feiner 
joeben gedruckten „Epijtel an Wilibald Pirdheimer”, 60 Eremplare jeines 
„Seiprächs vom Hofleben“ und 50 von feiner „Ermahnung an die 
Fürſten“ an Pirdheimer nach Nürnberg mit dem Auftrage, fie teils an 
die Koberger zum Berfauf zu übergeben, teils fie an Potter nach Yeipzig 
zum Vertrieb zu jenen. Ziemlich ym vdiefelbe Zeit trat diefer auch in 
Verbindung mit Yuther und errichtete bald darauf eine Druderei in 
Wittenberg, welcher er feine beiven Söhne Melchior und Michael vor: 
jetste. Die Einzelheiten über deren Schickſale werden im fiebenten Kapitel 
ausführlicher berichtet werden. Melchior Yotter der Ältere ging fpäter 
in jeinem Geſchäft ebenfalls etwas zurüd, behauptete aber bis zu feinem 
wahrſcheinlich 1542 erfolgten Tode fein großes perjönliches Anſehen, 
welches ihn 1539 in den Rat ver Stadt geführt hatte; zwei Jahre 
hindurch war er Ztadtrichter. Er war der erfte leipziger Buchdrucker 
und Buchhändler, welchem eine jolche Ehre widerfuhr. 

Von weitern Drudern Yeipzigs find zu nennen: Gregor Werman, 
ver 1492 ein „Sacrarum historiarum opus” drudte. ? Im gleichen 
Jahre und bie 1497 druckte Gregor Bötticher; von ihm find neun Drude 
bekannt: theologiſche und juriftifche Yehrbiicher und Virgils „Bucolica“. 
VBereutender war Martin Yandsberg aus Würzburg, 1492 bis 1522. 
Er jtarb 1523; jeine Buchbruderei, 1525 von M. Erasmus Bachelbel 
übernommen, verſchwindet ſpurlos. Bachelbel wird 1528 nur noch als 
Buchführer genannt. Wolfgang Stödel (Moliter) aus München wirkte 
in Yeipzig 1495 bis 1524. Außer Klaffiferausgaben drudte er bis 1520 
vutherſche und andere Reformationsichriften, wurde dann aber, wenigſtens 
dem äußern Scheine nach, ein beftiger Gegner ver Reformation und trat 
num bejonvers als Druder ver Emſerſchen Schriften hervor. Wohl aus 
diejer Veranlaffung wurde er, als er 1524 over 1525 wegen Schulden 
nach Dresven gezogen war, von Herzog Georg zum katholiſchen Hof— 
buchoruder ernannt. Während eines Aufenthalts in Wittenberg batte 
er dert 1504 im Auftrage der Univerſität „Petri Ravennati Compen- 
dium juris canonici” gedrudt. Ein anderer Würzburger, Jakob Thanner 
Abiegnus), drudte von 1495 an in Yeipzig und lieferte beſonders gute 
Zchulausgaben der Klaffifer. Seine Druderei wird noch 1528 erwähnt, 
dann verjchwindet fie, ein Opfer des damaligen allgemeinen Vermögens— 
verfalls im Leipziger Buchhandel. Valentin Schumann, 1501 bie in bie 


150 Leipzig: Der Buchhandel, Aflociationen. [Zweites 


vierziger Jahre, druckte treffliche Klaſſikerausgaben; aus feiner Offizin 
ging 1516 das erfte in Yeipzig gedruckte griechifche Buch, Theodor Gaza's 
griechische Grammatik, hervor. 

Von Anfang des 16. Jahrhunderts an nahm, wie aus dem Vorber- 
gehenden hervorgeht, vie Verlagsthätigfeit Yeipzigs einen bedeutendern 
Aufſchwung, begünftigt durch die größere Verbreitung der Papierfabri: 
fation in Sachen und Thüringen. Aber auch die meiſt aus Buchbin- 
dern, dann auch aus Kaufleuten jich refrutierenden Buchführer zeigen eine 
erhöhte Thätigkeit. Schon 1489 fommt Anpreas Hindenumb aus Mlitt- 
weida vor, 1492 Albrecht Hofer aus Wafferburg. Schon in den nem 
ziger Jahren des 15. Jahrhunderts zeigen fich weitreichende buchhänd 
leriihe Berbinvungen, nach Magdeburg, Prag u. ſ. w. Zu Anfang des 
16. Jahrhunderts bejuchen die Yeipziger die Meſſen und Märkte zu Bres- 
(au und Poſen, haben geichäftliche Beziehungen zu Danzig, über Breslau 
nach Polen, Ungarn, Siebenbürgen. Nun bebt ſich auch der Bejuch der 
Meſſen durch die fremden Buchhändler in Yeipzig ſelbſt. Zeit 1493 als 
Büchermeſſen nachweisbar, zeigen fie bereits einen jtarfen Verkehr, ſchon 
früher ſogar feitens der mürnberger Briefmaler und Kartenmacher. 

Es it erflürlich, dar jo günftige Umſtände ſpekulativ ausgebeutet 
wurden. So ericheint im zweiten Jahrzehnt Des 16. Jahrhunderts cine 
großartige Buchhanvelsaffociation, von deren Eriftenz die bibliograpbi- 
ſchen Annalen bisher abjolut feine Kunde gaben; erſt die leipziger Akten 
haben Yicht über dieſe merkwürdige Erſcheinung verbreitet. Im Jahre 
1512 war Ludwig Dornden, wie ſchon bei Köln angedeutet, von Da oder 
von Paris nach Yeipzig übergelievelt. Hier heiratete er eine Tochter des 
Ratsherrn Auguftin Pantzſchmann, welcher Warenhandel, Weinjchant 
und Gaſtwirtſchaft betrieb, und verſchwägerte ſich Dadurch mit angejehenen 
leipziger Familien. Plötzlich taucht nun in Yeipzig eine große Verlags— 
gejelljchaft auf, jpäter immer unter der Firma „Pantzſchmanns Buch: 
handel” erwähnt, zu ver Gottfried Hittorp in Köln, Ludwig Horncken 
und Auguftin Pantzſchmann, wahrjcheinlich auch noch andere achörten; 
die Geſellſchaft arbeitete mit ſehr bedeutenden Kapitalien. Der Dittorp 
Horndenjche Berlag trägt zwar einen ausgeprägt katholiſchen, überwie— 
gend aber humaniſtiſchen Charakter, ev beiteht auch faſt nur ans ſchweren 
Folianten; doch jcheint die Verbindung der Handlung mit Wittenberg 
fie darauf geführt zu haben, fich energiſch an der jest üppig empor- 


Kapitel.) Leipzig: Pangihmanns Buchhandel. Die Reformationszeit. 151 


wuchernden Ktleinfitteratur des Beginns der Reformationszeit zu beteiligen. 
Tie Handlung hatte Verlagslager in Wittenberg und Prag. Die Aus: 
dehnung Des Verlagsgeichäfts wurde ihr Beranlaffung, den Sortiments: 
betrieb aufzugeben; das Sortiment wurde 1518 an Gregor Jordan ver: 
fauft, der auch der Agent von Pantzſchmanns Buchhandel blieb; ver 
eigentliche Geſchäftsleiter jcbeint aber Ludwig Dornden gewejen zu jein. 
Kach jeinem Tode trat bis zum Jahre 1528, anſcheinend aber mit längerer 
zeitweiſer Unterbrecung, Wolf Präunlein von Augsburg an feine Stelle, 
Geſchäftliche Mifbelligfeiten, wohl veranlaßt durch Spekulationen des 
legtern in Zinn, waren Veranlaſſung, daß die Ajfociation, der Gottfried 
Sittorp noch angehörte, ſich 1524 ihrer Verlagsniederlagen in Witten: 
berg und Prag entledigte. Gregor Jordan übernahm die dajelbit liegen: 
den Vorräte für 1300 Gulden auf Terminzahlungen. Die Firma jelbit 
fann noch bis in den Anfang ver dreißiger Jahre verfolgt werven. 

Verbängnisvoll für die Entwidelung des leipziger Buchhandels wurde 
die Regierung Herzog George. Unter dem Druck dieſes ſtrengkatholi— 
iben Fürſten ging die Verlagstbätigfeit Yeipzigs unabwendbar zurüd. 
Refermatoriſche Schriften wurden verfolgt, katholische fanden feine Käufer. 
Um ven unausbleiblichen Ungelegenheiten auszuweichen, druckten die Leip— 
jiger der reformateriichen Richtung angehörende Schriften auswärts: 
Melchior Yotter in jeiner neuerrichteten Druderei in Wittenberg, Wolf- 
gang Stöckel in Eilenburg, diefer 1524 unter dem Namen Niclas Albrechts, 
jeines Sohnes Jakob Stödel und Nidel Widemars. Anfangs juchte der 
Rat ven Buchhändlern möglichjt Schuß zu gewähren; jpäter mußte er 
aber auf vie Intentionen Herzog Georges eingeben und ließ Reviſionen 
der Buchläden vornehmen, die Vorräte durch zwei Geiftliche, durch 
Richter und Schöppen prüfen und Verzeichnijfe der anſtößig befundenen 
Bücher nach Dresden gelangen. Die Gewölbe von Bartel Bogel, Morit 
Goltz und Chriſtoph Schramm von Wittenberg wurden 1528 bis auf 
weitere Befehle von Dresden aus gejchlojfen, dev Transport ihrer Vor- 
räte auf die Frankfurter Meile wurde ihnen bis dahin unterjagt. 

Die Folge dieſer vom Beginn der antireformatoriichen Beftrebungen 
Serzog George, 1522 bis zu deſſen Tode 1539, dauernden Zuftände 
war ein allgemeiner Vermögensverfall der feipziger Buchhändler. Selbſt 
fatboliiche Verleger, wie Valentin Schumann, gingen zurid. Das Ent- 
jteben neuer Handlungen ſtockt und vermindert fich jchnell; dagegen wenven 


152 Leipzig: Sinken des Geſchäfts. Nidel Wolrabe. [Zweites 


fih manche von Yeipzig weg. Simon Eckſtein geht nach Annaberg, 
Georg Pfennig nach Pojen, Peter Hofer und Jakob Stöckel jieveln 
nach Eisleben über, Hans Bergmann wird 1533 der Religion wegen 
mit ausgetrieben. Gleichzeitig verfchwindet Pantzſchmauns Buchhandel 
ijpurlos. Die Zahl der Drudereien mindert ſich auf die Hälfte. Er 
wähnt find jchen Wolfgang Stödel, Martin Yandeberg und M. Erasmus 
Bachelbel, Jakob Thanner. Melchior Yotter überfienelte feine Druckerei 
mit feinem Sohn Michael nach Magdeburg und übergab allem Anfchein 
nach 1537 jeine Buchhandlung an Henning Zofadt. Die Einführung 
der Reformation in Yeipzig überdauern von ven ſchon bejtehenven äftern 
Drudereien nur die von Nidel Schmidt, Michael Blum und Valentin 
Schumann; eine einzige neue Druderei war daneben jeit ven zwanziger 
Jahren entitanden: 1533 die Nickel Wolrabe's, vielleicht eine Abzweigung 
der Yotterjchen. 

Aus jener Zeit find noch zu erwähnen: Georg Kellner (fraglich), der 
1511 mit einem bei Wolfgang Stöckel geprudten Werke vorkommt. 
Blaſius Salomon ließ ein Werk bei Roh. Schott in Straßburg drucken; 
ein Brief Frobens an Yuther erwähnt ibn als thätigen Buchhändler. Er 
bejuchte die Frankfurter Meſſe und eriftierte, oder vegetierte ſchließlich 
noch bis gegen 1539. Bon den nicht verlegenden Buchführern proſpe 
vierte nur die Familie Glement. Bon Zebajtian Reuſch (1540 bis 1556) 
wird fogleich Die Rede ſein. 

Wenn jo die Regierungszeit Herzog George dem joliden Geſchäft 
jchweren Abbruch that, jo zeitigte fie dagegen ein Schwindelgejchift, welches 
ſich nach Einführung der Reformation 1539 zu faſt unglaublicher Aus: 
dehnung entwicelte: Das des ſchon genannten Nidel Wolrabe. So be- 
deutend verjelbe in ven Erzeugniſſen ſeiner Druderei erjcheint, je un 
jolid zeigt er ſich im geſchäftlicher Hinſicht. Sein böfer Genius war 
Sebaſtian Reuſch, ein bedeutender Handelsherr, der ven umnbemittelten 
und doch unternehmenvden Mann durch Darlehne unterftüßte, nicht ohne 
jeinen eigenen Vorteil dabei im Auge zu baben, der jich auch ftets zum 
Schaden anderer Gläubiger berauszuzieben wußte. Noch zur Zeit der 
Regierung Herzog Georgs batte Wolrabe den Drud von Georg Wizels 
„Boftille‘ übernommen. Nach Georgs Tode erfolgte auf Andrängen des 
Kurfürſten Johann Friedrich ein Verbot, weil nichts Antilutberiiches 
mehr im Yeipzig geprudt werden jellte! Trotz dieſes Verbots ließ ver 


Kapitel.) Leipzig: Nidel Wolrabe's Schwindelthätigfeit. 153 


in firhlichen Dingen innerlich noch zwieipaltige Rat ver Stadt Leipzig 
ed zu, daß der Drud, wenn auch heimlich, fortgejeßt wurde. Als bie 
Sefahr wuchs, wurden die Gremplare jchleunigft nach Berlin ge: 
ſchafft. Wolrabe wurde gefangen geſetzt, aber bald infolge der Pro- 
teftion der Herzogin Katharina und des berzoglichen Rats Anton von 
Schönberg der Haft wieder entlaffen, gegen Bürgichaft, daR er nichts 
ohne vorherige Cenſur pruden Iaffen wolle. Es wurde ihm fogar auf 
Teranlaffung derjelben allmächtigen Bejchüger der Drud und Verlag 
der neuen Kircheneronung, der Apologie, des Pſalters und einer Bibel: 
ausgabe übertragen, welche Werfe alle Pfarrer und Kirchenärare an- 
juichaffen und nur direkt von Wolrabe zu beziehen hatten. Die witten- 
berger Verleger ver Bibel, Bartel Vogel, Moritz Golg und Chriftoph 
Schramm, konnten nicht hindern, daR dieſer Nachorud ins Werk gejekt 
wurde. Denn wenn auch der Verkauf auf ein Jahr inhibiert wurde, 
erging doch insgebeim ein Befehl an die Pfarrer u. ſ. w., bis nach Ab- 
lauf diejer Friſt mit dem Ankauf der Bibel zu warten. 

Trotz Diejer anfcheinend günftigen Umjtände kam Wolrabe aus den 
Schulden nicht heraus. Sein ſchlimmſter Gläubiger, Sebajtian Reuſch, 
drängte und Wolrabe wurde nur dadurch gerettet, daß ibn der Rat auf 
einen Befehl von Dresven aus durch ein Darlehn von 800 Gulpen 
unterftügen mußte. 

Außerdem ſtand Wolrabe mit zwei andern Kapitaliftengruppen in 
Verbindung; die eine wurde gebildet durch Andreas Wollenjüder und 
andere, die zweite durch Merten Richter und Gregor Foriter. Die 
Geſellſchaft Wollenſäcker hatte 1541 ſchon die bedeutende Summe von 
SIOO Gulden (eva 160000 Mark) von Wolrabe zu fordern; dieſer 
mußte nun feine ganze Babe verpfänden und die für die jchuldige 
Zumme gerrudten Werke ver Geſellſchaft als Eigentum überweiien, 
welche ihm einen Faktor (Sequefter) ins Haus fette Was Wolrabe 
no verblieben war, zog 1542 die andere Gruppe, Richter und Forſter, 
an fich; auch fie beftellte ihm in jeinem eigenen Diener Dans Maufer einen 
‚weiten Sequeſter. Die Gruppe Wollenjüder verkaufte im Januar 1544 
den Buchhandel an Dans Yöffler in Wittenberg, Ambrofius Kirchner in 
Magveburg und Peter Schürer für 4787 Gulden. Trotz dieſer miß— 
liben Umjtände gelang es Wolrabe, ein neues Opfer zu finden. Ce 
war der reiche Kürjchner Damian Yundewis, ver gar nichts nom Buch— 


154 Leipzig: Wolrabe und feine Geichäftsnachfolger. | Zweites 


handel verjtand. Auch Reuſch jcheint wieder dahinter geſteckt zu haben: 
er verfauft an Mauſer eine Partie Bücher für 1845 Gulden, welch 
letzterer nun ein neues Zortimentsgejchäft errichtete. Dann verkaufen 
Wolrabe und Reuſch weitere Partien an die YBuchführer Andreas Heil 
und Konrad König, ohne alles liefern zu können. So ſchlecht war ver 
Ruf Wolrabe's und Reuſchs, daß ſogar der Rat ſich veranlaft fand, Beil 
und König vor dem Geſchäft zu warnen, allerdings ohne Erfolg. Luncke— 
wig, der natürlich zu nichts kommen konnte, veräußerte feinen Buchhandel 
wieder an Wolrabe's Diener Wolf Günther. Endlich fonnte ſich Wolrabe 
nicht mehr in Peipzig halten. Er ging nach Frankfurt a. O., wo er es an— 
fange ſogar zu Anjehen gebracht zu haben jcheint; die Herrlichkeit hatte 
aber bald ein Ende. Er erjcheint von neuem in Yeipzig, beginnt bier 
wieder zu drucken, ohne jedoch feine Unternehmungen zum Abſchluß bringen 
zu fönnen. Er mußte jeine Dabe an Reuſch abtreten, der alles weiter ver- 
kaufte. Im Jahre 1552 ging es mit Wolrabe zu Enve. Er ift verichollen; 
jeine Frau erhielt Almofen von der Stadt. Die Ausführlichkeit dieſer 
Schilderung rechtfertigt ſich damit, daß fich jelten Gelegenheit bietet, einen 
Blick in das innere geichäftliche Getriebe jener Zeit zu thun. Nicht die 
äußerlich wahrnehmbaren Propufte der Berlagsthätigfeit für fich allein 
geben ein treues Bild des gedeiblichen over krankenden Geſchäftsganges. 
Es ift nicht eben alles Solo, was glänzt! 

Auch auf den durch Wolrabe und Reuſch neugeichaffenen Gejchäften 
rubte fein Segen. Peter Schürer ftarb 1548 verſchuldet. Das Sejchäft 
übernahm Wolf Günther, der Schürers Witwe geheiratet hatte, ohne 
Mittel. Hans Mauſer geriet gleichfalls in üble Umſtände; jein Geſchäft 
ging an Yorenz Finckelthaus über, ver in jeiner jpätern, beveutenven 
Verlagsthätigteit in Beziehungen zu dent gleich zu erwähnenden M. Ernſt 
Vögelin kam. Der Buchdrucker Jakob Bärwald ferner, ver Wolrabe's 
Haus und wohl auch einen Teil ſeiner Druckerei übernommen hatte, 
entging ebenfalls nicht argen Verlegenheiten und zu Wolf Günthers 
Geſchäft wurde nach deſſen Tode (1557) der Konkurs eröffnet. Bald dar— 
auf brach Gregor Jordans Sortimentsgeſchäft zuſammen. Die einzigen, 
die vorwärts kamen, waren Heil und König; fie hatten es dem Umſtande 
zu verdanken, daß fie neben dem Zortiment zleichzeitig das Verlags 
geſchäft fultivierten und jo in der Yage waren, gewinnreicher zu operieren. 

In erfreulichem Gegenſatz zu Wolrabe ſteht Valentin Bapſt. Schou 


Kapitel.) Leipzig: Valentin Bapſt. Ernſt Vögelin. 155 


1530 hatte er Dandelsgejchäfte (mit Garn) betrieben; 1541 wurde er als 
Buchdrucker Bürger. Obgleich ebenfalls jein Yeben lang auf die Unter: 
jtügung fremder Kapitaliſten angewiejen, blieb er doch ftets in geordneten 
Berhältniffen und erfreute fich allgemeiner Achtung. Aus feinem Ge: 
jchäft entitand das feines Schwiegerjohnes, des M. Ernſt Vögelin, eines 
ver hervorragendſten und beveutenpiten Buchhändler Yeipzigs, von deſſen 
Wirken erjt die eigentliche und dauernde Bedeutung Yeipzigs als Ver: 
lagsſtätte datiert. 

Vögelin war aus Konſtanz gebürtig; geboren 1528 oder 1529, jtu- 
dierte er in Yeipzig und erlangte dajelbit die Magifterwürde. Im Jahre 
1557 beiratete er Anna, eine Tochter Valentin Bapfts, und wurde 1559 
Bürger. Die Truderei jeines Schwiegerpaters wurde nach deffen Tode 
unter die Erben verteilt, während vie Buchhandlung zunäcit von Vö— 
gelin für gemeinjchaftliche Rechnung verwaltet worden zu fein jcbeint. 
Einen Teil ver Schriften erhielt die Witwe oder deren andere Tochter, 
die rau des leipziger Stadtſchreibers Johann Krauß. Seinen Schwä- 
aern, M. Melchior und Georg Bapit, faufte Bögelin erſt 1574 und 1576 
ihren Anteil an dem Gejchäft ab und lieh nun Diejenigen Bapjtichen 
Schriften, welche er nicht mehr gebrauchen wollte, durch den in jeiner 
Truderei beichäftigten ausgezeichneten Schriftgiefer Thomas Wilhelm 
umgieken. Gr brachte jeine Druderei auf eine jolde Höhe, daß er 
jpäter als der ſächſiſche Aldus bezeichnet wurde. SKtorreftheit, Schönheit 
ver Schrift und des Truds, Güte des Papiers, Das er von Meſſe zu 
Meſſe von Frankfurt a. M. bezog, zeichnen jeine Drude aus. Seine 
erlagstbätigfeit war jehr bedeutend und unter jeinen Autoren jteht obenan 
Seachtn GCamerarius. Ihm reiben ſich an: der Philolog Greg. Bers- 
mann, Matthäus Treffer, Bafılius Faber (mit dem „Thesaurus eru- 
ditionis scholasticae” und andern Werfen), Georg Fabricius, Nifol. 
Reusner, Victerin Strigel u.a. Bögelins Verlag umfahte größtenteils 
theologiſche und philojophiiche Werke und gangbarere Schulbücher. Nach 
Falkenſtein joll er von 1550 bis 1578 gerrudt haben. In Schwetſchke's 
„Codex nundinarius“ findet fich fein Name von 1568 bis 1576 und 
dann noch einmal, mit einem Werke, 1582. Es iſt zu bemterfen, daß 
ver erite Meßkatalog nach ver Herbſtmeſſe 1564 erjchien und daß vie 
Namen ver Berleger allgemein erſt von 1568 an genannt werben.) 
Neben jeiner beveutenvden Druderei beſaß er Grundſtücke in und bei 


156 Leipzig: Ernſt Vögelins Schidjale. [Zweites 


Yeipzig und eine Buchhandlung, für deren Umfang fpricht, daß er von 
der franffurter Faſtenmeſſe 1576 für 1550 Gulden Bücher ſchickte. Um 
diefe Zeit aber brach Unheil über ihn herein. Die furjächfiiche innere 
Politik ſchwankte damals in dem Streit der vermittelnden Melanchtben: 
jchen und ver ortbovor-lutherifchen Richtung bedenklich hin und ber, der 
Haß gegen alles, was mit dem reformierten Bekenntnis zujammenbing, 
bejtimmte fie faſt ausjchlieklih. Wer des Kryptocalvinismus verdächtig 
war, mußte für Leib und Leben fürchten. Wögelin war feiner Über— 
zeugung nach reformiert, fein Freundes- und Autorenfreis zählte vor— 
wiegend zu den Philippiften. Beſchuldigt, in einem Werfe Stellen im 
reformierten Sinne interpoliert zu haben, wurde er in Unterjuchungs- 
haft genommen und mußte, um nach feiner vorläufigen Freilaffung nicht 
von neuem eingeferfert zu werden, in der eriten Hälfte des Jahres 1576 
aus Yeipzig flüchten, um nie wieder dahin zurücdzufehren Möglicher- 
weife war er während des Bejuchs der franffurter Meffe gewarnt wor: 
den; jedenfalls hatte er die Kataftrophe geahnt und durch einen, allem 
Anſchein nach jo gut wie fiftiven Geſellſchaftsvertrag mit feinem Haupt— 
gläubiger Dr. Georg Roth jein Hab und Gut zu fichern geſucht. Er 
wandte fich nach Heidelberg und jtellte jich, um wenigjtens die Frankfurter 
Meſſen ungefährpdet bejuchen zu fünnen, unter furpfälziichen Schuß, der 
ihm auch wenigitens die äußere Eriftenz ficherte. Schnell erfolgte nun ver 
Zujammenbruch feiner Verhältniſſe. chen am 28. Juni 1576 wurde 
Vögelins Buchhandlungsviener Nidel Bock, dem Faktor feiner Buch— 
druderei Dans Steinmann, und feinem Schriftgiefer Thomas Wilhelm 
durch den Biürgermeijter Hieronymus Rauſcher auf dem Rathaufe ein 
furfürjtliches Mandat eröffnet, nach welchem, weil Vögelin fich nicht 
wieder im Lande einitellen wollte und man nicht wüßte, ob er wieder— 
zufommen gedächte, nun auch feine Kinder innerhalb 14 Tagen das 
Yand verlaffen jollten. Dieſer Ratsfikung wohnten auch Vögelins zwei 
beveutenpfte Gläubiger bei: der jchen genannte Dr. Georg Roth und 
ver Buchführer Yorenz Nindeltbaus, der an Vögelin eine Forderung 
von 2000 Gulven hatte, die aber erſt im Oſtermarkt 1578 füllig war. 
Weide liefen jofort gemeinjchaftlich Vögelins ſämtliches Beſitztum mit 
Arreft belegen und die drei genannten Diener desjelben durch Hand— 
ichlag an Eidesſtatt verpflichten, nichts Davon zu „verrüden‘“ Um 
Finckelthaus ficherzuftellen bejtimmte nun Vögelin, daß Nidel Bod 


Kapitel.) Leipzig: Vögelins Schidjale. 157 


diejem wöchentlich die bare Yofung und die eingehenden Aufenftände ver 
Buchhandlung auszahlen und über die nötigen Ausgaben Rechnung ab- 
legen ſollte. Trotz diejer Dedung, und obgleich Roth auch an Vögelin 
zu zahlen hatte, erklärten beive Gläubiger, die mit Bögelin gejchloffenen 
stontrafte nicht halten zu wollen; fie juchten vielmehr die Buchhandlung 
zu verfaufen. Sehr richtig jchreibt hierüber Bod, 1. November 1576, 
an Bögelin: „Es wundert mich aber gar jehr das Biaumeijter) Roth vnd 
Finckelthauß jehr gewillet, vnd dareyn gewilliget das die Druckerey vom 
bandell fompt, das num der handel gantz bloß, vnd nichts fortbin ver- 
(egen noch etwas von gutten Büchern haben ſoll.“ Denn mit Wegfall 
der Möglichkeit, gegen guten Berlag zu changieren, war der Buchhand— 
fung an fich der Yebensnero unterbunden. Das war wohl auch ver 
Grund, daß Findelthbaus von der ihm durch Raufcher, der jeinen Privat- 
vorteil juchte, angebotenen Übernahme ver Handlung alfein nichts wiffen 
wollte. 

Inzwiſchen hatte der Kurfürſt auf Vermittelung des Bürgermeifters 
das Ausweiſungsdekret zurüdgenommen. Die Kinder jollten vorläufig 
in Yeipzig bleiben dürfen. Im Herbſt 1576 jtarben die beiven Töchter 
Vögelins an einer in Yeipzig graſſierenden Seuche; die überlebenden vier 
Söhne wollte niemand aufnehmen. Kin Unterfommen, das für fie in 
ver Familie eines Handwerkers ausgemacht war, verbot der Bürger- 
meister „jeiner eigenen Kinder wegen“ Da nahm fich Nidel Bod ihrer 
an; er brachte fie in feine eigene Wohnung, verjorgte fie mit allem 
Nötigen und bejtellte ihnen einen Yehrer. 

Bei all diejem Elend ruhten die Feindfeligfeiten gegen Vögelin nicht. 
Jetzt trat der Bürgermeifter Rauſcher, der gern die wertvolle Druderei 
für fich billig erwerben wollte, in den Vordergrund. Er hatte den Kur— 
fürjten dafür zu intereffieren gewußt, der geäußert haben jollte, er wolle 
die Druderei nicht aus jeinem Yande laffen und fie cher jelbjt kaufen. 
Raujcher hatte ibm zugeſagt, jeine Druderthätigfeit mit einem Werte 
„In odium Calvinistarum“ zu beginnen. Auf Befehl des Kurfürften 
ließ er im Oftober 1576 die Druderei jchägen (auf 4000 Gulven) und 
Abdrucke aller Schriften, Yeiften und Stöde machen, damit nichts davon 
entfernt werden fünnte. Dieſe Abprude jollten dem Kurfürjten als an: 
geblichem Käufer zugejchieft werden. Zugleich verbot Raufcher, an Vö— 
gelin das Geringjte zu jehiden, bis die Sache mit der Druderei ent- 


158 Leipzig: Vögelins Ausgang. Henning Große. [Zweites 


ichieden jei, und befahl im November Hans Steinmann, dem bisherigen 
Yeiter der Druderei, Die ganze Druderei jamt allen Schriften und Ma— 
trizen, nichts ausgenommen, aufs fürverlichite an Simon Hutter, den 
frübern Affocie Sigmund Feyerabends in Frankfurt a. M., jekt in 
Zwidan etabliert, den er als oberjten Inſpektor eingejeßt batte, aus- 
zuliefern. Er wollte nun ein Haus bauen, um mit jechs Preſſen drucken 
zu können. Vögelin wurde natürlich gar nicht gefragt und er wäre wohl 
auch ſicherlich förmlich beraubt worden, wenn nicht Sindeltbaus und Roth 
als Gläubiger dagegen Einſpruch erboben hätten, da die Druderei we- 
nigſtens 5000 Gulden wert wäre. Nur ver plötliche Tod des allınäch: 
tigen Biürgermeijters gegen Ende des Jahres 1576 rettete für Vögelin 
diejen Teil feines Vermögens Vom Nurfürften von ver Pfalz erhielt 
er die Stelle eines Yandjchreibers in Neuſtadt a. d. Hardt und ſtarb 
1590 im Heidelberg. Zeine Söhne, Gotthard, Philipp und Balentin, 
jetten das Verlagsgeſchäft anfänglich unter Yeitung von Hans Stein 
mann, der jpüter nach Jena ging, fort. Die Firma „Bögelins Erben“ 
kommt bis 1599 vor, Valentin Vögelin allein 1591 bis 1604; er fievelte 
dann ebenfalls nach Heidelberg über. 

Die Thätigkeit der kleinern Druder dieſer und der jpütern Zeit zu 
verfolgen wäre zwecklos; ihre Leiſtungen ſanken ſchnell auf ein jebr tiefes 
Niveau herab. Dagegen verdient der leßte hervorragende leipziger Ver 
leger des 16. Jahrhunderts, Henning Große (auch Groß oder Gros), 


geboren 14. Auguſt 1553 in Halberftadt, noch einer bejondern Berüd 
jichtigung. Gr faufte 1575 die von Konrad König in Yeipzig binter 
lafjene Buchhandlung und heiratete defjen Witwe. Schon mit Beginn 
jeiner Berlagsthätigfeit, 1581, erbielt er ein kurſächſiſches Generalprivi- 
legium über alle von ibm zu druckenden Werke Bald gelangte er zu 
Bereutung und Anjehen. Bereits 1500 wurde ev Ratsmitglied, ein Um 
ftand, der ibm ſehr zu ftatten kam, als auch er ſich in die frbpte 
calviniſtiſchen Wirren verwidelt jab; er hatte ficb nämlich 1592 ae: 
weigert, die Bifitationsartifel zu unterjchreiben. Als nun am 19. Mai 
1593 ein gegen die Neformierten und deren Anbänger gerichteter Auf: 
ruhr ausbrach und durch eine Rotte von Stuvdenten, Handwerksgeſellen 
und anderm Bolfe das Haus des Kaufmanns Adolf Weinhaus gejtürmt 
und geplündert wurde, wurden mit andern auch Henning Große die 
Fenſter jeines Daujes eingeworfen. So groß war der grimmige Haß 


Kapitel.) Leipzig: Henning Große und jeine Nachfolger. 159 


gegen die angeblichen Calviniſten, daß die zur Unterprüdung des Tu- 
mufts angebotene Bürgerſchaft auf dem Rathauſe erklärte, fie wollte 
wohl Hand anlegen, wenn die Galviniften ans der Stadt gejchafft wir: 
ven, jenft aber nicht. Mit andern mußte num auch Henning Große die 
Stadt verlafjen; doch jebeint man ihm die Rückkehr bald ermöglicht zu 
baben. Zwar blieb er aus dem Rate ausgejchloffen, jeheint aber doc 
fernerbin mebrfach begünftigt worden zu jein. 

Henning Große's Gejchäft war eins der größten der damals bejtehen- 
den, er ſelbſt gleichjam der Führer und Vormann der Leipziger Buch 
händler in allen gemeinjamen Angelegenheiten. Zur Förderung ver buch 
händleriſchen Bedeutung Yerpzigs trug er unwillkürlich dadurch bei, daß 
er bebufs Grleichterung feiner auswärtigen Beziehungen von 1595 an, 
teild allein, teils in Gemeinſchaft mit jeinem Sohne Friedrich, einen 
Mepkatalog nach dem Muſter des in Frankfurt erjcheinenden berausgab. 
Anfänglich vielleicht Genfurjchwierigfeiten feitens der Leipziger Univerfität, 
dann aber Nachorucdeftreitigfeiten mit Abraham Lamberg, deren jpäter 
Erwähnung gejcbehen wird, nötigten ibn, die Fortjeßungen 1596 und 
1597 in Halle vruden zu laffen, jpäter aber in Eisleben eine eigene 
Druderei anzulegen. In Veipzig ſelbſt errichtete er eine jolche 1604, 
noch furz vor dem Zeitpunkt, wo die Bildung der Leipziger Buchdrucker— 
innung (1606) dies unmöglich gemacht hätte. 

Henning Große ftarb im November 1621. Er erjcheint im Meßkatalog 
von 1581 bis 1621, jeine Erben 1622 bis 1627. Mehrfach kommen 
Affociationen vor: Henning Große und Bögelin, 1594 und 1596; Hen- 
ning Große und Bartholomäus Bogt, 1600 bis 1610; Henning Große 
und Birnjtiel, 1604; Henning Große sen. und Zchürer, 1607 und 1610. 
Die Firma jeines Sohnes Friedrich erjcheint jelbjtändig 1600 und 1620, 
Friedrich Große's Erben 1605 (ev muß demnach jcbon vorher geftorben 
jein. Ein Sohn von Henning Große war jedenfalls auch Henning 
Große jun., 1605 bis 1622 (1615 in Gemeinjchbaft mit Bartholomäus 
Voigt oder Vogt); jeine Erben fommen 1623 bis 1633 vor. Ob das Ge- 
jchäft mit vem von 1634 an auftretenden Henning Große, neben dem 
gleichzeitig Großens Erben vorfommen, iventijch ift, läßt fich nicht fejt- 
jtellen. Daneben findet ſich 1634 Denning und A. M. Groß, 1638 
Henning Groß, 1638 bis 1656 defjen Erben. Ein anderer Sohn, Gott: 
fried, geboren 1501, wurde 1623 ebenfalls Ratsherr. Nach feinem Tode, 


160 Leipzig: Die Familie Große. Wien. [Zweites 


1637, ging feine Buchoruderei im Erbgang auf jeinen Schwager Fried— 
rich Yandijch über, den Berfafjer ver befannten und früher jtarf ver: 
breiteten Bibel-Konkordanz. Gottfried Große drudte und verlegte von 
1618 bis 1636, jeine Erben und jeine Witwe finden ſich im Meßkatalog 
mit Verlagsartifeln noch eine Reihe von Jahren von 1637 an. Bon 
Aſſociationen treten auf: Gottfried Große und Kajpar Klojemann, 1620; 
verjelbe und Barthol. Voigt, 1626; Gottfried und Henning Groß’ Jun.) 
Erben, 1629 bis 1663; Gottfried Groß’ Erben und Jerem. Mampbrak, 
1650; Gottfried Groß’ und Barthel. Boigts Erben, 1654. Yon 1665 
an erſcheint Johann Groß, zum Teil in Gemeinjchaft mit Henning 
Groß' jun. Erben, mit Friedr. Yandijch und deffen Erben, mit Kon— 
jorten u. j. w.; es iſt wohl anzunehmen, daß auch er zu den Nach— 
kommen Henning Große's des Ältern gebört. 


11. Wien. 


Deutſchland zählte jebon 25, Italien 40 und Frankreich 7 Druder- 
jtäpte, als im Jahre 1482 die erjten fünf Preferzengniffe in Wien er- 
jchienen. Sie gehören einem bis auf dem heutigen Tag unbekannt ge: 
bliebenen Wanvderdruder an. Das umfangreichite von ihnen, ver „Ma- 
nipulus curatorum“, enthält 172, das fleinfte, „Aegidii Errores 
philosophorum“, zählt nur 10 unpaginierte Zeiten. Vier von ihnen 
behanveln praftijche Fragen, wie Gerjons „Lehre von der Beichte“ um 
die für das Volk beftimmte „St. Rochus-Yegenvde‘, welche gerade damals, 
zur Zeit des Wütens der Pet, viel und gern gelefen wurde; aber nur 
eins, der „Tractatus distinctionum Joannis Meyger“, nab M. Denis 
Wiens erjter Drud, bewegt ſich auf wiffenjchaftlichem Gebiete. Sämt 
liche fünf Schriften jcheinen aus derjelben Prefje hervorgegangen zu jein 
und verraten ven unbeholfenen und unbemittelten Anfänger, der nur eine 
Schriftart befigt und vergebens gegen die untergeorpnetiten Schwierig 
feiten kämpft. Politiſch und geiftig war die Hauptſtadt der Habsburgi— 
jchen Erblande in den legten zehn Regierungsjahren Friedrichs III. er- 
jchlafft, und auch die dem bejchränfteften Scholaftizisinus huldigenve 
Univerfität vermochte den Geijtern Feine Anregung zu geben. Noch 
blühte in Wien eine mächtige Schreiberzunft, welche die Schüler Guten: 
bergs nicht auffommen ließ. Die einheimijchen Gelehrten, wie Neger, 
Peuerbach, Niver u. a., mußten ihre Werke auswärtigen Preſſen über: 


Kapitel.) Wien: Joh. Winterburger. Hieron. Bietor. Joh. Singriner. 161 


geben. Gin Bepürfnis für Drudereien war überhaupt in Wien kaum 
vorhanden. Noch in den Jahren 1474 bis 1476 und 1478 fandte die 
Suriftenfafultät der Univerfitit Magifter an den Rhein, nach Mittel: 
deutjchland und Italien, um außer verjchiedenen Handſchriften auch neue 
geprudte Bücher für die Bibliothek zu kaufen. 

Aus den Jahren 1483 bis 1491 ijt fein wiener Drud befannt. Erft 
1492 läßt ſich ein jtändiger Druder nieder, aljo ziemlich um dieſelbe 
Zeit, in welcher dort der Humanismus jeinen Einzug bielt. Johann 
Winterburger, jo beißt er, war gebürtig aus Winterburg in der Graf- 
ſchaft Sponheim bei Kreuznach. Auch die Druder der erjten Hälfte 
des 16. Jahrhunderts, mit Ausnahme von einem Wiener umd zwei Polen, 
jind Deutjche aus vem Reich. Winterburgers Thätigkeit reicht von 1492 
bis 1519, alſo bis zum Todesjahr Maximilians, unter deſſen Schuß 
Bien eine bedeutende Stätte und Pflanzjchule des Humanismus ge- 
worden war. Konrad Geltis, Cuspinian und Johann Vitez waren jeine 
Gönner. Seine Yeijtungen erhoben jich bedeutend über die gewöhnliche 
Gattung von Druden. Im ganzen find 106 Drudwerfe von ibm be- 
fannt, darunter allerdings einblättrige Verordnungen und Mandate; 
bezeichnend genug find Perſius' „Satiren“, jein eriter Verlagsartifel, 
Borwiegend bejchäftigte ihn die Univerjitit, aber auch im Drud jchöner 
Chorbücher ſchuf er Vorzügliches. Seine Druderei war gut eingerichtet, 
ver Satz forreft, da ihn bei wiljenjchaftlichen Werfen gelebrte Seker 
und Korreftoren unterjtüßten; aber griechiſche Typen beſaß er nicht, 
mußte vielmehr für etwa einzelne vorfommende Gitate freien Raum laffen. 
Trotzdem jtehen jeine beiten Werfe den Erzeugniffen ver Druderpreffen 
von Bajel, Nürnberg, Augsburg und Straßburg kaum nad. 

Siebenzehn Jahre hindurch hatte Winterburger als alleiniger Druder 
Wiens dageftanden, als endlich 1510 Hieronymus Vietor oder Büttner 
aus Liebenthal im jchlefiichen Fürftentum Jauer eine zweite Druderet 
grünpete. Er batte in Strafau, der alten polnischen Königsſtadt, jtudiert 
und dort 1499 die Baccalanreatswürde erhalten, fich aber van dem 
Buchdruck und dem Buchhandel zugewandt. Noch im Jahre feiner Über- 
fievelung nach Wien afjociierte er fih mit Johann Singriner aus Ot— 
ting in Bayern und war mit diefem — fie nennen fich sodales labo- 
rum et lucri socii — bis zum Dezember 1514 gemeinjchaftlich thätig 7°; 
84 Werte find das Reſultat diefes gemeinjamen Schaffens. Ihr Buch- 

app. I. 11 


162 Wien: Hieronymus Bietor. Johann Singriner. [Zweites 


(aden befand fich auf dem alten Fleiſchmarkt gegenüber dem Nonnen: 
flofter St. Lorenz. Sie beſaßen ſchon griechiiche Typen und zeichneten 
fich überhaupt durch guten Drud aus. Das erjte Erzeugnis ihrer 
Preffe war ein Claudianus; im Jahre 1512 drudten fie unter anderm 
Ulrich von Huttens „Ermahnung an den Kaiſer Marimilian“ (ale er 
in den Venetianifchen Krieg zog). Doch ſchon zu Anfang 1515 trennten 
fich beide, blieben aber gute Freunde. Vietor überfievelte 1517 wieder 
nach Krafau und widmete fidh perjönlich, bis zu feinem 1546 erfolgten 
Tode, ausjchlieklich jeiner dortigen Offizin, führte jevoch fein wiener 
Geſchäft unter Leitung feines Bruders Benedikt und nad deſſen Tode 
durch andere Faktoren bis 1531 fort. Vietor hat wenig in deutjcher, das 
meifte in lateinijcher, einiges auch in griechijcher und polniſcher Sprache 
gebruct; jeine griechijchen Typen verdienen ganz bejonderes Yob. Sein 
Drud war forrekt, fein Papier gut und feine Holzjchnitte waren zierlich. 
Sein jhönftes und jeltenftes Werk ift wohl das „Odeporicon‘ des 
Karbinals Yang. Seine Drude gehören fajt alle der profanen, nur 
wenige der theologijchen Yitteratur an; Schulbücher, Klajfiferausgaben, 
medizinijche und aſtronomiſche Schriften, Yehrgedichte und Reden bilden 
den Hauptteil des Verlags. 

Singriner entwidelte nach feiner Trennung von Vietor bis zu 
jeinem Todesjahre (1545) eine außerordentliche Rührigkeit. Mit Colti- 
mitius, Gamers und Vadian befreundet, war er von der Bedeutung 
jeiner Aufgabe für die Wiffenjchaft völlig durchdrungen, lieferte Forrefte 
Klaffiterausgaben und arbeitete nicht allein eifrig in jeiner Offizin, ſon— 
dern bejchäftigte fih auch mit dem Schriftguß und der Lieferung von 
Holzjchnitten für andere; beſonders jchön und gejchätt war feine Antiqua. 
Er ift zugleich der erjte wiener Druder, welcher hebräiſche Typen beſaß. 
Seine jtaunenswertefte Peiftung ift der Drud des Verböczſchen „Tripar- 
titum Opus juris hungarici“ (1517), deſſen 71 Bogen er mit einer 
jehr großen Antiqua und mit gotifchen Rubriken in 40 Tagen beritelite. 
Nah der Zahl, Mannigfaltigfeit und Ausstattung jeiner Drucke gebört 
er zu den bervorragenpften und thätigſten Meeiftern feiner Zeit. Sein 
erjter Drud ift des Albertus Magnus „Philosophia naturalis‘ und 
fein letter das Gebetbuch des Biſchofs Nauſea für die Königin Anna, 
die Gemahlin Ferdinande. Im übrigen gehören feine Berlagsartifel 
der Theologie, Medizin, Jurisprudenz, polemifcben Yitteratur, Philologie, 


Kapitel.) Wien: Egidius Ndler. Michael Zimmermann. Rafael Hofhalter. 163 


Poetif und Rhetorif an; viele von ihnen zeichnen fich durch ihren Holz- 
ſchnittſchmuck aus. Die Geſamtzahl feiner Drude — darunter allerdings 
auch viele einblättrige Verordnungen, Patente, Erlaffe — betrug nad 
Denis 253, eine Zahl, welche der neueſte Forjcher, Anton Mayher, noch 
um 160 vermehrt bat. Singrinerse Erben, welce bis 1561 weiter 
arbeiteten, fügten ihnen noch 92 hinzu; aber auch bier liefert das dem 
Bater 1540 erteilte Privilegium, alle landesherrlichen Berorpnungen für 
Nieveröjterreich zu druden, die bedeutendere Zahl. 

Bon dem Bayer Johann Carbo (Hans Khol), 1548 bis 1552, tft 
wenig befannt, mehr dagegen von Egidius Aquila (Adler) aus den 
Niederlanden, welcher auch von 1548 bis 1552 in Wien tbätig war. 
Bon jeinen tüchtigen Arbeiten find beſonders Plands „‚Institutiones 
Grammatices Ebreae“ hervorzuheben. Aquila’s Witwe heiratete Mi- 
chael Zimmermann (aus Augsburg?), einen der beveutendften Drucder 
jeiner Zeit, welcher in den Jahren 1553 bis 1565 wirkte, die Offizin 
auch für den Drud orientalifcher Werfe einrichtete und z. B. 1561 
eine jprijche Bibel heransgab. Sein Zeitgenoffe Rafael Skrzeluſti, 
der jeines proteftantijchen Befenutniffes halber aus Polen geflohen war, 
in Wien den Namen Hofhalter annahm umd fich hier für einen Katho— 
(ifen ausgab, vrudte von 1556 bis 1563. Er beichäftigte für feine 
ilfuftrirten Werte Künſtler erjten Ranges, wie Yantenjad, Hübſchmann 
und Hirjchvogel, ging jpäter aber nach Debregzin, wo er mit jeltener 
Pracht die erjte ungarifche Überjegung der Bibel drudte; er ftarb 1568. 
Um ziemlich diejelbe Zeit juchten fich die Jeſuiten der Druderpreffe zu 
bemächtigen und die weltlichen Druder durch eine geiftliche Offizin un- 
jchäplich zu machen. Der Kaifer ſelbſt gab zu dem Zwecke eine jühr- 
liche Unterjtügung von 300 Gulden ber und auch der Adel beteiligte 
ſich ſelbſtredend an den Unterjchriften für das von einem Spanier ge- 
leitete Unternehmen. Die Offizin, deren erjten Verlagsartifel Peter 
Ganifius’ fleiner Katechismus bildete, dauerte jedoch nur jo lange, als 
vie milden Gaben reichten (1559 bis 1569). 

Die Mitte des Jahrhunderts trug bereits die ausgeprägte Signatur 
des Jeſuitenſtaates. Eigentlich geblüht hat die Buchoruderfunft mit den 
ihr verwandten Zweigen nur unter Marimilian. Mit dem Augenblid, 
daß König Ferdinand 1523 die Verbreitung der Yutherjchen Schriften 
verbot, wurde der Rüdgang des geiftigen Yebens in ganz ÄÖſterreich 

11* 


164 Wien: Allgemeiner Berfall des Preßgewerbes. [Zweites 


immer fichtbarer und verbängnisvoller. Die geiftlihe Cenſur arbeitete 
methodisch auf die wiffenjchaftliche VBerövung des Landes hin. Mit ven 
jechziger Yahren des Jahrhunderts hörte der Drud der alten Klaſſiker 
ganz auf. Die überall eingejchränfte, gleichjam nur aus firchlicher und 
obrigfeitlicher Gnade geduldete Pitteratur ſank zur willenlojen Magd des 
Sejuitenftants herab. Die alten Gelehrten ftarben aus oder zogen in 
die Fremde, neue aber famen nicht aus dem Reich. Techniſch macht Die 
Kunft zwar Fortjchritte, aber geiftig wird fie täglich einflußloſer. Kaſpar 
Stainhofer (1566 bis 1576), welcher die Witwe Zimmermanns geheiratet 
hatte, drudte vortrefflih und war ein tüchtiger Gejchäftsmann, aber ein 
dejto armjeligerer Verleger. Geiftloje Gelegenheitsjchriften bildeten jeinen 
Verlag. Stephan Greußer (1572 bis 1594), der erjte Univerſitäts— 
drucker, zeichnete ſich als gelehrter Druder und als Schriftgießer aus, 
ftand jedoch im Verdacht proteftantijcher Gefinnung; er wurde deshalb 
zur Unterjuchung gezogen und jeine Druderei eine Zeit lang geſperrt. 
Der Hofbuchoruder Michael Apfel (1576 bis 1588) ftellte vorzugsweije 
Feſtſchriften für die Jeſuiten, Weihrauch-Carmina an bochgeftellte Per— 
jonen, Kalender-, Wunder- und dergleichen Gejchichten und neue Zeitungen, 
aljo faſt nur jogenannte Riesjachen, auf jeinen Preffen ber. Dennoch 
mußte er, wie auch Greuger, einen Eid leiten, nichts gegen die katho— 
lijche Kirche und ihre Yehre zu druden. David de Neder oder Danneder 
(1576 bis 1585), einer berühmten augsburger Künftlerfamilie entjtam- 
mend, war zugleich Formſchneider und z0g von Augsburg über Yeipzig 
nach Wien. Hercules de Neder, wabrjcheinlich jein Bruder, ſetzte das 
Geſchäft bis 1587 fort. Bei jenem erjchien unter anderm Sebaftian 
Münfters Erklärung der neuen Yanptafeln und des Inftruments ber 
Sonne, ein prächtiges Gejellenbüchlein und der dritte Nachbrud ver 
Softihen Ausgabe des „Todtentanzes“. Seine Holzichnitte find ganz 
vortrefflih, jeine Drude jauber und ſchön; da er aber im Verdacht 
protejtantijcher Gejinnung ftand, wurden viele feiner Bilder und Drude 
fonfisziert. Biſchof Kaſpar von Wien lieh fie teilweije im Bijchofshofe 
verbrennen, woraus fich zur Genüge ihre Seltenheit erflärt. 

Bis zum Ende des Jahrhunderts, in deſſen Yaufe nach Mayers Be— 
rechnung etwa 1600 Drude in Wien erjcbienen find, folgt ven hier nam- 
haft gemachten Drudern etwa noch ein Dutzend. Indeffen wird an und 
mit ihnen ver Rüdgang des litterarifchen Schaffens immer auffallender 


Kapitel.) Magdeburg: Die erften Drucker. Morig Brandis. 165 


und die Jejuitenlitteratur übermächtiger; fie fommen daher perjönlich gar 
nicht in Betracht. Die Arbeiten der wiener Druder find fortan nur 
noch auf das enge Abjatgebiet des wiener Marktes berechnet. Wien 
zählt deshalb auch in der Gejchichte der Entwidelung des deutjchen 
Seiftes in jenen Zeiten nicht mit. So hart das Wort auch Klingen 
mag: Wien beveutet in der früheiten Geſchichte ver Buchdruckerkunſt und 
des Buchhandels weniger, als die Heine Reichsſtadt Hagenau im Elſaß! 
In der chrenologijchen Folge der Druckſtädte ſchließt fich nun 


12. Magdeburg ’* 


an, wo der Buchdruck durch den Einfluß des Erzbiichofs Ernft (aus dem 
Haufe Sucjen) eingeführt wurde. Die erfte Anlage einer Druderei 
wird den „Brüdern vom gemeinjamen Leben‘ zugeichrieben; die eriten 
wirflich nachweisbaren Druder aber find Albert Ravenftein und Joachim 
Weitfal, 1483 und 1484. Über den erjten ift Näheres nicht befannt; 
Weitfal jtammte aus Stendal, wohin er fich auch 1486 over 1487 
wieder wandte und wo er unter anderm einen niederdeutſchen und latei- 
nischen „Sachſenſpiegel“ in Folio druckte. Das Hauptwerk ber genannten 
Druder ift das mit zwei ziemlich mittelmäfigen Holzſchnitten verjehene 
niederdeutſche Evangelienbuch von 1484 in Folio, zugleich die erjte nieder- 
deutjche Ausgabe diejes Werks. Der nächjte Druder war Simon Roc 
aus Weilburg, 1486, und wahrjcheinlich noch 1488. Zein erwähnens— 
wertefter Drud iſt ein Mifjale von 1486 in Folie. Ihm folgte Simon 
Menter, 1490 bis 1503, der nur belehrenve, unterhaltende und erbau— 
fiche Volksſchriften gedruckt zu haben ſcheint; alle von ihm befannten 
Drude find mit Holzichnitten ausgeftattet. Der bedeutendſte magdeburger 
Druder war jedoch Morit Brandis, 1491 bis 1504. Früher in Yeipzig 
thätig, wo jeiner bereits gedacht wurde, hatte er fchen von hier aus mit 
dem Erzbiſchof Ernſt und mit Magdeburg überhaupt in Gejchäfte- 
verbindung geitanven. Bon feinem gejchäftlichen Schiffbruch in Yeipzig 
jcheint er fich in Magdeburg vollkommen erholt zu haben, venn er bejak 
bier eine veihe Auswahl von Schriften und Initialen. Nur nieder- 
veutjche und Lateinische Drude find von ihm befannt, fieben davon mit 
Holzſchnitten ausgeftattet. Sein Hauptwerk ift die erjte Ausgabe des 
„Miſſale“ von 1493 in Folie. Hervorzuheben ift ferner ver „Vocabu- 
larids optimus Gemmula vocabulorum dictus“, ein lateiniſch-nieder— 


166 Magdeburg: Die Neformationszeit. Michael Potter. Hans Walther, [Zweites 


deutſches Wörterbuch, von dem er wenigitens zwei Ausgaben, 1495 und 
1497, gedruckt hat. Seine Druderei iſt möglicherweiie an Jakob Winter 
übergegangen, ver 1506 bis 1513 druckte. 

Mit dem Tode des Erzbiichofs Ernft und unter jeinem Nachfolger, 
dem jtreng katholiſchen Albrecht von Brandenburg (jeit 1514 auch Er;: 
biichof von Mainz), erreichte ver Buchdruck in Magpeburg vorläufig 
jein Ende. Das der Reformation abholde Domkapitel und die derjelben 
günftige Bürgerſchaft ftanden fich feindfich gegenüber. Mit Beginn der 
Reformationszeit tritt eine zahlreiche Flug: und Streitchriftenlitteratur 
auf, die aber vorläufig nur von auswärts eingeführt werden konnte und 
von 1520 bis 1523 meift durch Nickel Wivdemar, ven Strohmann des 
Mantelträgers Wolfgang Stödel in Yeipzig, in Eilenburg gedrudt wurde. 
Der Hauptkämpe ver Katholiichgefinnten war ein Paulinermönch aus 
Magdeburg, der dejfauer Hofprediger Dr. Joh. Menjing, Vertreter ver 
veforinatoriichen Richtung vor allem der einer adeligen Familie Kur- 
jachjens entjtammende Nikolaus Amsporff, dann Johannes Fritzhans, 
Eberhard Weidenjee und Dr. med. Wolf Cyclope. Die in Magpe: 
burg gedruckten Schriften polemijchen Inhalts find bis 1530 mit nur 
einer Ausnahme, offenbar unter dem Einfluß Luthers, bochveutich ge- 
jchrieben. Erſt vom Ende der zwanziger Jahre an erſcheint auch eine 
ganze Reihe Eleinerer, auf das gewöhnliche Volk berechneter Schriften in 
niederbeutfcher Sprache. Das dauert bis zum Anfang der vierziger 
Jahre; es waren bejonders Übertragungen Yutherfcher Schriften. Nur 
der Druck niederdeutſcher Bibeln und Gefangbücher hielt das ganze Jahr— 
hundert hindurch und bis zum Jahre 1631 an. 

Auf Veranlaffung des Dr. Wolf Cyclops herbeigerufen, war Dans 
Knappe der Jüngere 1524 nah Magdeburg gefommen, wo er in biejem 
und dem folgenden Jahre vrudte. Ihm folgte Heinrich Ottinger, 1525 
bis 1531 — er war der erjte, der in Magpeburg einen Zeil ver Bibel 
(den Pentateuch, 1528) im niederdeuticher Sprache drudte — und Hans 
Bart, vorher in Wittenberg, 1527 und 1528. Bedeutender war Mi- 
chael Yotter, ebenfalls vorher in Wittenberg, der 1528 oder 1529 nad 
Magdeburg kam; er ijt der erjte, der in Magdeburg die Antiqua ver: 
wandte. In feinem Verlage erſchienen, neben einer jehr großen Menge 
von Flugſchriften, viele theologische Sachen und die Schulbücher Georg 
Majors. Sein Zeitgenoffe war Hans Walther (nieverdeutich Wolther), 


Kapitel.) Magdeburg: Dänifhe Drude. Buchführer. Tübingen. 167 


geberen 1500. Er übernahm die Druderei Heinrich Ottingers und 
prudte, 1530 bis 1560, reformatorifche, meist niederdeutſche Yitteratur, 
Chriftian Rödinger (Rodius) dagegen drudte nur wenige theologiſche 
Schriften; fein eriter datierter Drud ift von 1545. Auf Veranlaffung 
Aldert Rolevinfs zog er 1553 oder 1554 nad) Jena. 

Bemerkenswert ift noch, daß von 1529 bis 1562 aus Magdeburg 
eine ganze Reihe däniſcher Drude hervorging, teilweije hergeftellt auf 
Beitellung von Buchbindern oder Buchführern in Roftod und Yübed. 
Daneben nahm ver magdeburger Verlag dadurch eine charafteriftifche 
Richtung an, daß eine Anzahl von Gegnern des Augsburger Interims, 
Anhänger der jtrengften Tutherifchen Orthodorie, fih in Magdeburg 
iammelte; neben dem ſchon genannten Nikol. Amsporff: Matthias Fla— 
aus Illyricus, Nikolaus Gallus aus Regensburg u. a. 

Die Buchführer in Magdeburg waren feine, arme Yeute, die fich 
durch Haufieren und Feilhalten won Flugſchriften ihr Brot, nicht felten 
unter Gefahr und Berfolgungen, zu verdienen juchten. Der einzige 
bereorragende war ber ſchon im 15. Jahrhundert vorfommende Hans Yor, 
Lorr oder Yorer, der fich bereits 1490 als an dem Verlage des Morik 
Brandisichen „Suchjenfpiegels‘ beteiligt erweift und 1517 bei Melchior 
Yotter in Yeipzig ein „Miſſale“ ver Brandenburgifchen Diöceſe drucken ließ. ?° 


13. Tübingens 7* 


eriter Buchdrucker war Johannes Otmar (Othmar, Ottmar) aus Reut— 
lingen, in welcher Stadt er auch jeit 1482 als erjter gedruckt hat. Auf 
Teranlaffung des Lektors des Franzisfanerflofters, Paul Seriptoris, in 
Tübingen fievelte er gegen Ende des Jahres 1497 dahin über. Zu ben 
gelehrten Drudern zählen, war er auch meijt jein eigener Korrektor. 
Außer für fich ſelbſt — meist theologische Werke — druckte er auch für den 
eriten tübinger reinen Berleger, Friedrich Meyenberger. Otmar blieb 
bis 1501 im Tübingen, fievelte aber vann nach Augsburg über, wo er 
uch von 1502 bis 1514 thätig war. Ihm folgte der beveutendjte unter 
den tübinger Buchdruckern: Thomas Anshelm aus Baden-Baden. Einen 
vereinzelten Druck hatte er aller Wahrjcheinlichkeit nach ſchon 1488 in 
Strakburg geliefert, war dann von 1500 bis zum März 1511 Buch 
truder und Buchhändler in Pforzheim, von wo er — vermutlich durch 
Johann Reuchlin veranlapt — nach Tübingen ging. Gefördert durch den 


168 Tübingen: Thomas Anshelm. Ulrich Morhart. (Zweites 


(ettern, befreundet mit Philipp Melanchtbon, Michael Hummelberger 
und den übrigen tübinger Dumaniften, in deren Kreife er fait ale Eben: 
bürtiger erjchien, ftellte ev auch feine Preife faſt ausjchlieflih in den 
Dienft des Humanismus, Tüchtige Korreftoren, erjt der Profeffor ar- 
tium Johannes Hiltebrant, nach deſſen 1514 erfolgtem Tode Melauch— 
tbon, verichafften feinen Druden ven wohlverbienten Ruf der Korreft- 
heit. Dieje und die Sauberfeit jeiner Drude, denen er durch gut ge: 
ichnittene Ranpfeiften auch jonft ein gefälliges Aufere zu geben wußte, 
verbreiteten jeinen Ruhm weithin. Er bejah jogar, was damals eine 
Seltenheit war, hebräiiche Typen. Bis zum Juli 1516 wirfte er in 
Tübingen, dann wandte er fich nach Hagenau, wojelbft er aber dennoch 
im Sanzen genommen ver Druder der ihm befreundeten tübinger Ge: 
(ehrten blieb. 

Erit nach einer mehrjährigen Paufe, zu Anfang des Jahres 1523, 
kam wieder ein Druder nad Tübingen: Ulrich Morbart aus Augsburg, 
der von 1519 bis 1522 in Straßburg geprudt hatte. Er war im Befit 
einer gut eingerichteten Druderei, mit charakteriftiichen Randleiſten und 
vielen Initialen, darunter ein Kinderalphabet. Die Richtung jeiner 
Thätigfeit war eine ganz andere, als die Anshelme. Der Humanismus 
tritt zurüd, an jeine Stelle ver polemifierende Katholizismus. Die 
befannteften Gegner Yuthers und Zwingli's, Ed, Cochläus, Schatger, 
Dietenberger, Tuberinus, Neudorffer, ließen ihre Streitichriften bei ibm 
erjebeinen. Tübingen war eben damals, wie Steiff jagt, ein Haupt— 
waffenplag der Neaftion gegen die von Nord und Süd eindringende 
neue Lehre. Kaum mag jedoch Morhart aus Überzeugung jo gehandelt 
haben. Er betrieb jein Gejchäft mehr handwerksmäßig und folgte der 
herrſchenden Zeitſtrömung, ſobald fie ihm Vorteil zu bieten veriprac. 
So nahm er auch thätigen Anteil an dem der veformatoriichen Richtung 
entjtammenden jlawijchen Bücherdruck.““ Ein für die neue Yebre be; 
geifterter ſüdſſawiſcher Prepiger, Primus Truber, fam, durch die Ber: 
folgungen ver katholiſchen höhern Geiftlichkeit aus jeinem Vaterlande 
Krain vertrieben, um 1540 nach Württemberg, wo ev dur ven Herzog 
Chriſtoph zum Pfarrer in Urach berufen, jpäter nach Yaufen am Nedar 
und dann nach Darendingen verjeßt wurde Um auch aus der ferne 
unter feinen Yanpdsleuten für die Sache der Reformation zu wirken, 
fing ev um 1550 an, Das im den ſüdflawiſchen Ländern weitwerbreitete 


Kapitel.) Tübingen: Primus Truber und der ſlawiſche Bücherdrud, 169 


jloweniiche Idiom nach deuticher Ausiprache mit fateinifchen (ſpäter auch 
mit deutjchen) Yettern zu firieren und wurde damit der Gründer einer 
bis dahin nicht beftehenvden jloweniichen Nationallitteratur. Nun ver— 
fakte er ein jlowenijches Abecedarium und überjeßte Brenz’ und Luthers 
Katechismen. Nach vergeblichen Berjuchen, die Schriften in Nürnberg 
oder in Schwäbiih- Hall druden zu laffen, gelang es endfich, Ulrich 
Morbart zur Herftellung, wenn auch heimlich und unter falicher Firma, 
zu bewegen. Im Einverftänpnis mit Peter Paul Vergerius übertrug 
dann Truber von 1555 an das Neue Tejtament meift nach Yuthers 
Überjegung ins „Windiſche“. Dasjelbe wurde (Morhart war 1554 ge: 
itorben) in der Offizin von Morharts Erben gedruckt. Aber diefe Ar- 
beiten hatten die Mittel Trubers und bie teild von Herzog Chriftoph, 
teils durch die Stände von Krain gewährten Unterftügungen erjchöpft. 
Da trat Hans Freiherr von Ungnad, ein angejebener faiferlicher Be— 
amter, der ebenfalls feiner religisjen Überzeugung wegen feine Heimat 
hatte verlaffen müffen, mit feinen veichern Mitteln für die Sace ein. 
Seit 1557 in Urach lebend, trat er 1560 mit Truber in Verbindung 
umd verwandte von da an einen großen Teil feiner Einfünfte auf bie 
Förderung der von Truber begonnenen Unternehmung. Man fing nun 
auch an ins Kroatiſche zu überſetzen. Ungnad errichtete in jeiner Behaujung 
in Urach eine eigene Druderei, welche neben der Morhartichen von nun 
an die ſlawiſchen Drude lieferte. Durch nürnberger Stempeljchneiver 
ließ man auch glagolitiiche und chrilliiche Schrift herſtellen und druckte 
neue froatijche Bücher bisweilen in drei verjchievdenen Ausgaben: mit 
lateiniſchen, mit glagolitifchen und mit chrillischen Yettern; in Ungnad 
fing ſelbſt an, italieniſche Überſetzungen von Schriften veformatorifcher 
Richtung zu druden. Aber auch jeine Mittel reichten nicht aus, bie 
beveutenven Koften zu decken. Da gab neben ver fortlaufenden Unter— 
ſtützung des Herzogs von Würtemberg der König von Böhmen, Erz- 
berzog Marimilian (ver jpätere Kaiſer), eine anjehnliche Summe ber; 
andere Beiträge wurden von verjchiedenen Zeiten gewährt: von den 
Yandjchaften von Krain, von Steyer, von Dfterreich, von verjebiedenen 
deutſchen Fürſten und Reichsftädten und von Privaten. Aber am 27. De- 
jember 1564 ftarb Ungnad und von da an war Truber auf fich jelbit 
angewiefen, und wenn er auch unabläjfig weiter arbeitete, jo lieh fich 
doch ver bieherige großartige Gejchäftsbetrieb nicht mehr fortführen. 


170 Tübingen: Slawiſcher Bücherdrud, Eberhard Wild. [Zweites 


Der Vertrieb der jo hergeftellten Bücher erfolgte nicht auf dem gewöhn- 
lichen Wege des Buchhandels. Privatleute, die für die Sache begeiftert 
waren, nahmen denſelben in die Hand und beförberten unter Mühen und 
Gefahren die Drude nach den jünjlawijchen Ländern und weit über bie- 
jelben hinaus, wie fie auch die Vermittler mit den Buchführern abgaben. 
Die italienischen Drude juchte man über Bafel zu verbreiten. Nach 
Trubers im Juni 1586 erfolgtem Tode ſchlief das Unternehmen ganz ein. 
Wohin die Vorräte an Druden gefommen find, it unbelannt. Die 
glagolitiihen und cyrilliſchen Typen fielen im Dreikigjährigen Kriege 
den Kuiferlichen als Beute in die Hände und famen durch Kaiſer Fer— 
dinand III. in die Druderei ver Propaganda zu Rom. 

Unter den jpätern Druck und Verlagsfirmen Tübingens zeichnet ſich 
durch geſchmackvollen Drud Georg Gruppenbach und durch Intelligenz 
und Rührigkeit Eberhard Wild (Wildt, Wilde) aus. Bald nach Beginn 
ſeiner Gejchäftsthätigkeit (er erjcheint im Meffatalog von 1620 an) 
wurde er wegen feines müjtiich-theofophifchen Verlags, den er in großen 
Mengen nach allen Richtungen, insbejondere auch nach Ungarn ver- 
breitete, der Schwendfelvihen Sektiererei verdächtigt und verfiel 1622 
in eine Unterfuchung. Bei einer Hausſuchung fand man große Maſſen 
von Schriften von Johann Arndt, Valentin Weigel und andern Schrift: 
itellern, deren Richtung der damals herrichenden orthodoxen Partei ein 
Dorn im Auge war, ferner die Schriften Schwendfelos, diefe unter fal- 
ichem Namen. Außerdem ftellte fich heraus, dak in Wilde Haufe Kon- 
ventifel der Seftierer abgehalten wurden. Er floh direkt aus feiner Ver: 
nehmung vor dem akademiſchen Senat nach Rottenburg, mußte fich aber, 
von allem entblößt, wieder in Tübingen ftellen. Neben Auferlegung einer 
Seld- und Gefängnisjtrafe wurden ihm Druderei und Buchhandel ge- 
jperrt, feine ganzen Vorräte weggenommen. Auf Verwendung eines 
Grafen von Föwenftein wurde ihm jedoch ein Teil ver Strafe erlaffen 
und er durfte fein Geſchäft wieder eröffnen. Es fpricht für jeine un- 
gebeugte Energie, daß er fih in jeinem Gejchäftsbetriebe nicht ftören 
ließ: fein Name findet fich mit einer nicht unbeträchtfichen Zahl von 
PVerlagsartifeln im Meßkatalog bis zum Jahre 1631. 

Die noch jet beftehenvde große Firma Johann Georg Cotta erhob 
fich erft ſeit ver zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einer größern 
Bereutung. 


Kapitel] Wittenberg: Georg Rhaw, Hans Lufft. 171 
Die Thätigkeit der Buchdrucker und Buchhändler in 


14. Wittenberg ?° 


ift jo fejt mit den durch die Reformation hervorgerufenen Bewegungen 
verfnüpft, daß in dieſem Kapitel ein kurzer Überblick genügt. Als erfter 
Buchdrucker erjcheint, 1509 bis 1522, Johann Grunenberg. Seine 
Druderei befand fich in dem Auguftinerklofter, in welchem ja auch Luther 
lebte. Es ift daher leicht erklärlich, daß er deſſen erjte Schriften und 
die feiner Freunde drudte. Ihm folgte Melchior Lotter, 1519 bis 1524, 
von dem im jiebenten Kapitel ausführlicher die Rebe jein wird. Daß 
auch Nidel Schirleng, 1521 bie 1546, der reformatorifchen Sache diente, 
üt jelbitverjtändfich. ine interejfante Erjcheinung ift Georg Rhaw, ver 
ebenfalls 1521 in Wittenberg zu vdruden begann. Geboren 1488, war 
er zuerit Kantor an der Thomasichule zu Yeipzig, ein vortrefflicher Mu— 
fifer und Mathematiker. Für feine Tüchtigfeit zeugt, daß er viele Jahre 
hindurch und bis 1547 Mitglied des Rats zu Wittenberg war. Aus 
feiner Offizin gingen bie erjten Ausgaben von Puthers großem und 
fleinem Katechismus, 1529, hervor. Ebenſo lieferte er, 1531, die beite 
Ausgabe der Augsburgiichen Konfeffion. Außer Schriften Luthers druckte 
er viel von Melanchthon, dann aber auch von andern Genoffen der Re- 
formatoren. Seine eigenen Schriften waren theologischen, mathematischen 
und mufifaliichen Inhalts. Nach jeinem am 6. Auguft 1548 erfolgten 
Tode jegten die Erben das Gejchäft in gleichem Sinne bis 1566 fort. 

Hans Yufft, geboren 1495, begann jeine Thätigfeit nicht, wie meijt 
angenommen, 1524, ſondern ſchon 1523 mit vem Drud einer Schrift 
des Johann Fritzhaus, der feiner Gefinnung wegen jein Klofter hatte ver- 
lafjen müffen und nach Wittenberg gefommen war: „Johan: Fritzſchans 
an ein Erbarn: Erjamen, weyßen rabt vnnd ganntze Chrijtliche gemeyne 
der ſtadt Magdeburg, Gottis wort vnn jein abjchiet belangende, mit 
euner jermon, wie man Gottis wortt predigen foll.? Von 1524 an 
war er als Druder Yuthericher Schriften, beſonders der Bibelüberjekung, 
ſehr thätig. Sein Name ift neben dem Melchior Yotters unzertrennlich 
mit der Gejchichte der Reformation verbunden. Er ftarb am 2. Sep: 
tember 1584. 

Von andern wittenbergijchen Drudern find, abgejehen von ganz un- 
bereutenden, zu nennen: Hans Weyß, 1525 bis 1539; Joſ. Kluge, 1525 


172 Speyer: Peter Drad. Konrad Hift. [Zweites 


bis 1552; die beiden Peter Seit, 1536 bis 1578; Dans, Zacharias 
und Johann Krafft (Erato), 1549 bis 1615, deren erfter auch Melanch— 
thons Werfe prudte. 

Der Verlagsbuchhandel Wittenbergs blieb faft zwei Jahrhunderte hin— 
durch ein jehr bedeutender und überragte bis gegen Ende des 16. Jahr— 
hunverts ben Leipziger wejentlih. Er fand in der ftarf bejuchten Uni- 
verjität, der Vormauer des Luthertums, und anfänglich in dem Pibel- 
pruc eine kräftige Stütze. Zu Vebzeiten Luthers waren der Goldſchmied 
Chriſtian Döring, der berühmte Maler Lukas Cranach, die Buchführer 
Bartel Vogel, Chriftopp Schramm und Morit Goltz jeine Koryphäen, 
am Schluffe des 16. Jahrhunderts Samuel Seelfiihb und die Familie 
Schürer. 


Es würde zu weit führen, wenn die Ausbreitung der Kunft in der 
gleichen eingehenden Weiſe gejchildert werben follte; e8 genügt, wenn bie 


fleinern Druditätten 

in chronologiicher Reihenfolge furforiich behandelt werden. Schen im 
Jahre 1471 fand die Buchdruderkunft in Speyer °° Eingang. Es ift 
nicht feftgeftellt, aus welcher Preffe der erfte Drud, vie „Postilla Scho- 
lastica super Apocalypsim et super Cantica Canticorum“, hervor: 
gegangen iſt: ob aus der des 1477 mit feiner Firma auftretenden Peter 
Drad, ob aus der des exit ſpäter genannten Konrad Hiſt, oder gar aus 
der eines dritten Typographen. Peter Drachs des Altern Thätigfeit 
icheint nur bis zum Jahre 1480 gereicht zu haben; in den folgenden 
Jahren wenigitens zeigt fich wiederholt Peter Drach der Nüngere auf 
Drudwerfen an, der bis zum Jahre 1517 eine beachtenswerte Wirkſam— 
feit entfaltete und jeine gejchäftlichen Verbindungen bis auf Die leipziger 
Meſſe eritredte. Dieje buchhändleriſche Thätigfeit dokumentiert fich auch 
darin, daß die Drachſche Offizin, welche von verſchiedenen Diöcejen mit 
dem Drud von Breviarien und Meßbüchern betraut wurde, das jchönfte 
derjelben, das prachtwolle „Missale Olomucense“ von 1488, bei Johann 
Senſenſchmied in Bamberg herftellen ließ und auch 1516 Johann Grü— 
ninger in Straßburg bejchäftigte. 

Der zweite Topograph zu Speyer, Konrad Hit, erjcheint jchon im 
Jahre 1483 gemeinfchaftlich mit jeinem Bruder Johann ala Drucker 


Kapitel.) Eßlingen. Merſeburg. VBlaubeuern. Breslau. 173 


des „Philobiblon“ von Richard de Bury; feine Thätigfeit läßt fich bis 
1515 verfolgen. Weniger beveutend zwar als Peter Drad, war doch 
auch er ald Verleger thätig und bejchäftigte wiederholt Heinrich Gran 
in Hagenau. Vermutlich ijt er auch iventijch mit jenem Konrad Hyſch, 
ver 1519 bei Adam Betri zu Baſel drucken lieh. 

In Eßlingen arbeitete jeit 1472 Konrad Fyner, der erjte, ber 
bebräifche Typen bejah. Er ging ſchon 1481 nach Urach. 

Mit dem Jahre 1473 fand die Buchdruckerkunſt ihren Weg nun 
auch nach Norddeutſchland. Die erjte norddeutſche Druckſtadt ift die 
ſonſt unbedeutende Bifchofsftant Merjeburg, wo ber ſpäter nach Lübeck 
wandernde Lukas Brandis von Delisich bis 1475 thätig war. 

Das kleine würtembergiiche Städthen Blaubeuern bat 1475 eben- 
jalld ein typographiſches Erzeugnis aufzuweiſen und in demſelben Jahre 
tritt auch Trient mit einem Druckwerke auf. 

In demjelben Fahre folgte auch Breslau. Zwar hat das 15. Yahr- 
bundert nur Einen Druder aufzuweifen, Kafpar Elyan, deſſen richtiger 
Name erjt dur K. Dziatzko feitgeftellt worden tft. Elyan war eigent- 
ih Suffanter, d. i. Afiftent eines Kantors, und wurde 1477 durch Ver— 
zicht ſeines Vorgängers zu feinen Gunften Kanonikus und Präbendar 
der breslauer Kathedralkirche. Nur wenige Drude legen von jeiner 
Thätigfeit Zeugnis ab. 

Grit 1503 bis 1504 findet fich die Spur eines zweiten Buchoruders: 
Konrad Baumgarten, der einige Jahre vorher bereits in Olmütz thätig 
geweien war und ſpäter nach Frankfurt a. DO. überſiedelte. Er druckte 
1503 Yaur. Gorvins „Carmen elegiacum de Apolline et novem 
Musis“. Aufßervem find im 16. Jahrhundert noch zu nennen: Adam 
Dyon, 1518 bis 1531, der ſchon 1512 feine Thätigfeit in Nürnberg 
begonnen batte; Kaſpar Lybiſch, 1520 bis 1540, und Andreas Windler, 
1538 bis 1555. Yesterer hatte auf der Univerfität Krakau ftubiert, war 
zu Wittenberg Magifter geworden und befleivete in Breslau das Amt 
eines Rektors zu St. Elijabeth. Er ijt bis dahin der bedeutendſte 
Druder Breslau’s und zugleich Gründer der noch blühenden „Stabt- 
buchdruckerei/. Im Anfange des folgenden Jahrhunderts errichtete der 
gelehrte Profeffor und Arzt Peter Kirften zu Breslau eine arabijche 
Druderei, aus welcher eine ziemliche Anzahl von Bänden hervorging; 
er nahm jpäter jeinen Drudapparat mit nach Upfala, wo er 1640 ftarb. 


174 übel, Roftod. Erfurt. [Zweites 


Wenn auch nicht die erjte überhaupt, jo doch die erſte bedeutendere 
jtändige Druckerſtadt Norddeutſchlands wurde Lübeck, wo die Thätigfeit 
von Lukas Brandis, 1475 bis 1499, von Bartholomäus Gothan, 1480 
bis 1492 und bejonders von Stephan Arndes von Hamburg, 1487 bis 
1519, eine beträchtlihe Anzahl von Druckwerken ſchuf. Yekterer, ein 
früherer Gehilfe Johann Neumeifters, der im nächften Kapitel eine Rolle zu 
jpielen haben wird, war von Foligno nach Perugia, dann nach Schleswig 
umd zulett nach Yübe gefommen. Hier zeichnet ihn bejonders der Drud 
der zweiten nieberjächfiichen Bibel von 1494 aus. Weitere Druder Lübecks 
find noch Georg Richolff und der, wenn auch mit Unrecht, ſprichwörtlich ge— 
wordene Johann Ballhorn, 1531 bis 1599. Auch vudwig Dietz von Roftod 
fam 1533 zum Behuf des Druds feiner erften niederſächſiſchen Übertragung 
von Luthers Bibelüberjeßung nach Yübed, begab fich aber nach Vollendung 
dieſes Prachtwerfs 1534 wieder nach Roſtock zurüd, wo er 1559 ftarb. 

Bon lübiſchen Buchführern find aus jener Zeit zu nennen Paul 
Knufflock?? und Yorenz Albrecht. Erjterer, eigentlih Buchbinder, war 
nebenbei auch Schriftiteller und Überjeger. Er verlegte unter anderm 
1569 zuerſt ein oft wieder gedrucktes Gebetbuch (Bedebok) und jtand 
in lebhafter Gejchäftsverbindung mit den däniſchen Gebieten. Ebenſo 
ausgedehnt waren die buchhändleriichen Beziehungen Yübeds zu den Oft: 
jeeprovinzen; fie datieren bereits aus dem 15. Jahrhundert. 

Der Zeit nach folgen Roftod, 1476, wo die „Brüder vom gemein: 
jamen Yeben’ eine fruchtbare Thätigfeit entwidelten, und Prag, wo 
1478 vie „Articuli Statuum Utraquisticorum in comitiis Nim- 
burgensibus conclusi” lateinifh und czechijch gedrudt wurden; dann 
Eichſtadt und Würzburg, wo 1478 und 1479 die Kunſt durch Mi- 
chael und Georg Reyſer eingeführt wurde. 

In Erfurt fand die Buchdruderkunft 1482 eine Stätte. Der erjte 
Druder ift Paul Wider von Hornbach, bis 1485. Weiterhin druckten 
Heverih und Marx Ayrer, welch letterer vorher in Nürnberg und jpäter 
in Ingolſtadt gearbeitet hatte; ferner Wolfgang Schenf (Lumpabulus 
Ganymedes). Der jonftigen Druder und Berleger Erfurts in der Zeit 
des Humanismus wird im jechjten Kapitel gebacht werden. Nach Ablauf 
diejer Periode finft der Buchdruck Erfurts zur Unbedeutendheit berab 
und liefert, außer populärer Yitteratur, meift nur Yohnarbeit für aus: 
wärtige Verleger; erjt im 18. Jahrhundert blüht er wieder auf. 


Kapitel.) Paſſau. Memmingen. Münden. Reutlingen. Heidelberg. 175 


Für Paſſau findet fich zwar bereits 1481 ein Drud: ein „Missale 
Pataviense“; jedoch fennt man nur ein Fragınent, ven Sommerteil, wel 
ber den Namen des Druders nicht nennt. Erjt 1482 treten die Namen 
zweier Drudergenoffen auf: Konrad Stahel und Benedikt Mair, von 
denen erjterer jepoch jchon 1484 nach Venedig wanderte und dann 1491 
wieder in Brünn thätig war. Mair verband ſich dann mit Johann Al— 
frew, der zwar auch jchon 1484 nad Winterberg in Böhmen 309, bald 
darauf aber nach Paſſau zurückkehrte und bier noch bis 1492 arbeitete. 

Memmingen erhielt im Jahre 1482 die Buchdruckerkunſt durch 
Albert Kunne aus Dupderftadt, der von Trient aus dorthin überfiedelte. 
Während jeiner vierzigjährigen Thätigkeit (bi8 1519) gingen 60 Werte 
aus jeinen Preffen hervor, welche meiftenteil® jeine Druderfirma tragen. 

München jpielt in der Gejchichte ver Buchdruckerkunſt feine beveu- 
tende Rolle. Der erjte dortige Drud iſt 1482 eine deutjche Ausgabe 
ver „Mirabilia urbis Romae“; Johann Schauer joll fie angeblich mit 
Güntber Zainerjchen Typen geprudt haben. Ihm folgten Johann Schobjer, 
der bereits jeit 1488 in Augsburg thätig gewejen war umd als bayrifcher 
Hofbuchpruder nach München berufen wurde (1497 bis 1520) und fein 
Sohn Andreas (bi8 1531); fie druckten vornehmlich deutſche Werke. 

Reutlingen ift der Ausgangspunkt einer Reihe berühmter Buch— 
druder, wie der Zainer, Othmar, Gryphius u. a. Johann Othmar 
begann bier jeine Laufbahn 1482 und zog, wie jchon erwähnt, 1497 
nah Tübingen. Ein zweiter Druder Reutlingens, Michael Greiff, 
wirfte von 1486 bis 1509. Aus ihren beiverjeitigen Preſſen find zu— 
jammen etwa 60 Werfe philofophijchen und theologijchen Inhalts hervor: 
gegangen. 

Die nächte Stelle nimmt Heidelberg‘? ein. Der erfte unzweifel- 
baft fichere beivelberger Drud find die „Sermones Hugonis de Prato 
fiorido“ von 1485. Derjelbe trägt feinen Drudernamen und ift e8 bie 
jegt noch nicht feftgejtellt, ob das Werf einem der beiden namentlich 
befannten Eritlingspruder der Stadt, Heinrich Knoblochtzer und Fried— 
rich Miſch, zugejchrieben werden darf, denn erfterer war 1485 bis 1488 
in Straßburg thätig und fam dann erjt nach Heidelberg, letzterer aber 
nennt fich erjt 1488 auf einem Drudwerf. Der von Aloys Schreiber ** 
titierten Grabjchrift eines angeblichen eriten heivelberger Druders im 
Auguftinerflofter over Collegium Sapientiae zu Heidelberg: „Haus 


176 Heidelberg: Hieron. Commelin. Philipp und Gotthard Vögelin. [Zweites 


von Laudebach ijt mein nam, Die erjten Bücher trudt ich zu Rom, Bitt 
vor mein Seel, Gott gibt dir fon, Starb 1514 auf Sankt Stephan“, 
fann bei dem Mangel fonjtiger Nachrichten über dieſe Perjönlichkeit 
vollends fein Gewicht beigelegt werden. Im Jahre 1513 erjcheint dann 
zum erjten mal ein förmlich angenommener Univerfitätsbuchhruder, Jakob 
Stavelberger, von dem man jedoch auch nur ein einziges Druckwerk 
fennt. 

Die Univerfitätsftant Heidelberg ſcheint fein für den Buchdruck und 
Buchhandel günftiges Terrain gewejen zu fein, denn erjt 1561 zeigen 
fich wieder Spuren eines Druders; in dieſem Jahre druckte Ludwig Yud: 
„Plutarchi vitae parallelae”. Dann folgen Johann Majer, der von 
1563 bis 1577 den heivelberger Katechismus, und Michael Schirat, der 
1567 eine Schrift des unglüclichen Superintendenten Johannes Syl— 
vanus (1572 wegen firchlicher Streitigfeiten enthauptet) druckte. Gleich— 
zeitig erjcheint Martin Agricola, der aber ebenjo wie Jakob Müller, 
1576 bis 1583; Johann Spieß, 1582 bis 1584; Abraham Smesmann, 
1589 bis 1593, nur eine geringe Thätigfeit entwidelte. Erſt mit dem 
Jahre 1587 bis 1598 tritt die Zierde der Buchdruder Heivelbergs in 
dem gelehrten Hieronymus Gommelin, geboren 1560 zu Douay, auf. 
Seine Klaffiferausgaben fteben den Eſtienneſchen an fritiichem Werte 
nicht nach; der größte Teil verjelben trägt gar nicht den Ortsnamen, 
jondern einzig die Unterjehrift „Apud Commelinum“ over „Ex offi- 
cina Sanetandreana”. Die lettere Bezeichnung ift aus dem Namen 
des Faftors der Druderei gebildet. Mit Übergehung anderer Druder, 
die zum Teil zugleich Buchführer waren, feien noch die Gebrüder Philipp 
und Gotthard Vögelin aus Leipzig (1599 bis 1629) genannt. Sie er- 
hielten Drudprivilegien auf Schulbücher. Neben ihrer Druderei in 
Heidelberg errichteten fie noch eine zweite in Yadenburg; aus beiven ging 
eine große Zahl beveutender Schriften hervor, darunter die von Mar— 
quard Freher verfaßten. Gotthard Vögelin (fein Bruder war wohl in- 
zwiſchen gejtorben) erhielt 1612 die Bewilligung zum unbejchränften 
Berlags- und Sortimentsbuchhandel. Aber wie feinen Vater, verfolgte 
auch ihn das Unglück. Bei der Erjtürmung Heidelbergs durch Tilly 
und bei der Verheerung der Umgegend fam er um jeine ganze Habe; 
verarmt lebte er noch 1629 mit drei Kindern zu Worms. 

Die alte NReichsftant Regensburg ift im Jahre 1485 mur mit 


Kapitel.) Münfter. AIngolftadt, Hagenau. Hamburg. 177 


Einem Drude aufzuführen; es ift dies ein Meiffale, welches Johann 
Senſenſchmid in Gemeinjchaft mit Johann Bedenhub aus Mainz im 
Auftrage Des Biſchofs Heinrich vollendete. 

Miünfter, die Hauptftant Weftfalens, verdankt die Einführung des 
Buchdrucks dem gelehrten Domherrn Rudolf von Langen, deſſen latei- 
niſche Gedichte als erftes daſelbſt erjchienenes Buch von Johann Yimburg 
im Jahre 1486 geprudt wurden. Zu einer größern Bedeutung hat fich 
job die Preſſe Münfters nie erhoben. Im das gleiche Jahr (1486) 
wird der Erftlingsprud von Stuttgart gejeßt. 

Als erjte Druder in Ingolſtadt find Johann Kachelofen, 1490, 
Marr Ayrer und Georg Wyrffel, 1497, zu nennen, während für das 
16. Jahrhundert daſelbſt namentlich die Thätigfeit der Familien Weißen- 
born und Sartorius bervortritt; fie entiwidelten eine ganz bedeutende Ver- 
lagöthätigfeit. 

Nach dem oben jchon erwähnten Stendal (1488) verdient Hagenau, 
die fleine Neichsftadt im Eljaß und frühere Stätte eines ausgebreiteten 
Handjchriftenhandels, wegen der überrafchenden Rührigkeit jeines erften 
Druders Heinrih Gran, 1489 bis 1527, ganz bejonders hervorgehoben 
zu werden; über 200 Drude gingen aus jeinen Prejfen hervor. Gran 
war jedoch nur Yohndruder; die intellektuelle und materielle Triebfever 
jeiner großartigen Thätigfeit war der Buchführer Johann Rynmann 
in Augsburg, für welchen die meiften diefer Werfe gebrudt wurden. 
Neben ihm wurde Gran auch noch von andern Verlegern mit Aufträgen 
verjeben, jo von Johann Knoblauch in Straßburg und von Konrad Hift 
in Speyer. Daß Thomas Anshelm im Jahre 1516 von Tübingen nad) 
Hagenau überfievelte, wıirrde bereits erwähnt. Sein Nachfolger Iohannes 
Secerius aus Yaucha, 1519 bis 1535, trat ebenbürtig in jeine Fuf- 
ftapfen. 

Im Jahre 1491 folgt Hamburg. „Fir Hamburgs Gejchichte”, jagt 
Yappenberg ®?, „ijt neben dem 13. Jahrhundert, in welchem es feine 
bürgerliche Freiheit und eine politijche Bedeutung erhielt, das 16. das 
mwichtigite, und durch die manchen aus demſelben zu uns gelangten Kun— 
den das anziehendfte. — Die Buchorudergefchichte Hamburgs, über deſſen 
Kingmauern binausjchreitend, führt uns ein anfchauliches Bild feines 
damaligen Horizonts vor. Der kraffefte Fatholijche Aberglaube, Bocca— 
jens Zauberrede bis zu den Ohren der niederfächfiichen Bürger gedrungen, 

Kopp. I. 12 


178 Hamburg: Hans Borchardes. Joach. Löw. Georg Heinr. Froben. [Zweites 


die Neformatoren und der intriguierende König von England, alle vie 
stönige von Dünemarf, ihre Krönungen, VBermählungen und andere Felte 
bis zur legten Feier, die Adiaphora und die Saframentierer, die geiſt— 
lichen Lieder, die Peſtilenz und der Kircbenbrand, die Kalenderweisheit 
und Ajtrologie, die dürftige Naturkunde und Medizin, die Rechtsbücher, 
befjer redigiert, deren Druck das Recht dem myſtiſchen Dunkel und ver 
Vergefjenheit entreißend, es vor jedes Bürgers Schwelle brachte, Die 
auffeimende gründliche Philologie, die Kunde des längft entichwundenen 
häuslichen Yebens und erjten Unterrichts, — dieſes und jo manches 
andere, was die der Gegenwart frohen Enkel nicht ganz vergeffen jollen, 
fieht das Auge in den Büchertiteln vor fich vorüberziehen.“ Dem gegen- 
über find die Anfänge der Buchdruderei Hamburgs im 15. Jahrhundert 
nur dürftiger Natur. Es waren die Brüder Hans und Thomas Bor- 
chardes, welche dajelbjt 1491 mit einem Inteinifchen Gebetbüchlein, ven 
„Laudes b. Marie virginis“, als ihrem Erftlingsoprud hervortraten; 
Hans drudte bis 1510, in welchem Jahre noch einige Bücher in nieder- 
jüchfiicher Sprache bei ihm erjchienen. Hamburg trat gleich in der 
erſten Zeit eifrig für die Sache der Reformation ein, weshalb die dortige 
Slugjebriftenlitteratur (meift ohne Namensangabe der Druder) eine aus- 
gedehnte ift. Bedeutender war der Buchdruck Hamburgs im 16. Jabr- 
hundert aber ganz bejonvders für die Verbreitung der niederſächſiſchen 
Pitteratur. Es wirkten 1523 bis 1531 der ſchon feit Ende des 15. Jahr— 
hunderts in Lübeck thätige Jürgen Nicholff, 1536 und 1537 Franz 
Rhode, der aus Marburg gekommen war. Der beveutendfte Druder 
der Stadt wurde aber Joachim Louwe, Lewe oder Yöw, deſſen Thätigfeit 
von 1549 bis 1569 reicht. Ihm folgte fein Sohn gleichen Namens bis 
zum Jahre 1589. Bis zum Ende des Jahrhunderts finden fich noch 
ein Dutzend andere Druder, deren jpezielle Aufzählung aber zu weit 
führen würde. Nennenswert iſt aus jpäterer Zeit nur noch der gelehrte 
Georg Ludwig Frobenius (von 1602 an), ein Nachtomme des berühmten 
bajeler Druders. Bon Buchführern ijt eine ziemliche Reihe bekannt, 
ohne daR etwas bejonderes über fie zu berichten wäre. 

Der Schluß des 15. Jahrhunderts bringt nun noch das Auftreten 
der Buchdruckerkunſt in einigen Heinern deutjchen Städten, die aber des 
Bemerfenswerten jo gut wie nichts bieten. In Freiburg im Br. ift 
es Kilian Fiſcher oder Piscator, der 1493 das erjte Buch drudte, 


Kapitel.) Kleinere Städte, 179 


während neben ibm gleichzeitig auch Friedrich Riederer thätig war; letz— 
terer gab 1493 das von ihm jelbit fompilterte populäre Rechtsbuch 
„Spiegel der wahren Rhetorif” heraus. In dem gleichen Jahre, 1493, 
trat envlib Yüneburg, 1494 Oppenheim, 1495 Freijingen und 
1496 Offenburg in die Reihe der Drudijtädte. 

So war der Boden befruchtet, das Haus bereitet, auf welchem fich 
im 16. Jahrhundert der deutſche Buchhandel kräftig entwidelte, in wel- 
chem er fich in gejcbäftlicher Cigenart einrichten konnte. Bevor aber bie 
Schilderung dieſer Entwidelung gegeben wird, ift es erforderlich, erjt 
noch einen Blid auf die Verbreitung der Kunſt außerhalb Deutjchlands, 
ale Grundlage der Beziehungen des deutjchen Buchhandels zum Aus- 
lande, und auf das Objekt, mit welchem er arbeitete, auf das „Buch“ 
jelbjt in feiner gejchichtlich gewordenen Form, zu werfen. 


Drittes Kapitel. 


Die Verbreitung der nenen Kunft im Auslande. 


Der Wanderzug der deutichen Buchdrucker. — Schweinheim und Bannark. — Deutjche 

Druder in Rom. — In Venedig. — In den übrigen Städten Jtaliens. — Die 

Wanderdruder. (Johann Neumeifter.) — Deutiche Pruder in Franfreih, — Neu: 

meifters weitere Wanderungen. — Verbreitung der Kunft in Frankreich. — Deutiche 

Druder in Spanien und Portugal. — VBuchdrud in den Niederlanden. — In Eng: 
fand. — In Dänemark und Schtweden. 


Im Mittelalter zogen die deutſchen Kaijer, die Kräfte des Landes 
in zu weit gegriffenen Zielen vergeudend, mit Roß und Reifigen über 
die Alpen, um mit den Waffen in der Hand neue Reiche zu gründen 
oder die Freiheit der Städte zu vernichten. Che aber noch das 15. Jahr— 
hundert in jein leßtes Drittel getreten war, begannen deutjche Schrift- 
jeger und Druder in frienlichen Groberungs- und Siegeszügen ſich über 
ganz Italien zu zerjtreuen und als „Waffenjchmieve ver Bildung“, wie 
der jpanifche Dichter Yopez de Vega fie nennt, der Erfindung Guten: 
bergs in der Heimat der KRenaiffance Eingang zu verjchaffen. So ſühn— 
ten die niedrig geborenen Söhne Deutſchlands doppelt, ja dreifach die 
Fehler und Irrtümer ihrer Fürſten. Was dieſe fleinen Yeute, als fie 
gen Süden wanderten, in ihren bejcheivenen Nänzlein trugen oder auf 
einem zerbrechlichen Handwägelchen zogen, unjcheinbare, metallene Typen, 
dürftige hölzerne Preffen, das jtahl ihnen fein Räuber, das nahm ihnen 
fein Zöllner, und was fie im Kopf mit fich führten, die Kunſt, Taufende 
und Millionen jolcher Fleinen Buchjtaben als geflügelte Herolde des Ge— 
danfens in die Welt zu jenden, das ahnten weder vornehme Nitter, 
noch jtolze Fürſten, weder hochmütige Kardinäle, noch unfehlbare Päpite, 


[Drittes Kapitel.) Subiaco: Schweinheim und PBannark. 181 


Ein berühmter Benediktiner, der Kardinal Johann Torguemada (Tur— 
recremata), veranlaßte die Berufung der erjten deutjchen Druder nad 
Stalien. Er war in feinen jüngern Jahren Kommendatarabt des etwa 
14 Stunden öftlih von Rom gelegenen Benediktinerkloſters Subiaco ge: 
wejen. Unter den dortigen Mönchen befand fich um 1462 eine Anzahl 
Deutjcher, welche durch ihre Erzählungen von der neuerfundenen Kunſt 
in Turrecremata nicht allein eine große Begeifterung für den Bücher: 
druck erwedten, jondern auch den Wunſch in ihm rege machten, deutſche 
Setzer und Druder nah Italien zu ziehen. Von ihm ermuntert, luden 
denn auch die deutſchen Mönche zwei ihrer Landsleute ein, nah Subiaco 
zu fommen und im dortigen Kloſter eine Druderei zu errichten. Es 
waren dies Konrad Sweynheim (Zchweinheim aus Schwanheim, einem 
am Main zwiichen Mainz und Frankfurt gelegenen Dorfe) und Arnold 
Bannark aus Prag, jehr geichiete, fleißige und für ihre Kumft begeifterte 
Schüler Gutenbergs. Schon 1463 oder 1464 müffen fie über die Alpen 
gezogen und in Subiaco zu Anfang 1464 angefommen jein, da ihr erjter 
Drud, der Donat, von welchem inveffen fein Eremplar auf unfere 
Zeiten gefommen it, bereits gegen Ende 1464 erjchien, während ihr 
Yactantius, ein Folioband von 368 Seiten, nur wenig fpäter, am 
29. Dftober 1465, ausgegeben wurde Nach Fumagalli's! gründlichen 
Forſchungen iſt es jogar gewiß, daß zu Anfang des Jahres 1465 zwi: 
jchen vieje beiden Bücher noch ein Cicero „De Oratore” von 216 Seiten 
fällt. Daß Schweinheim und Pannark ihre Typen nicht fertig gegoffen 
mitgebracht haben, beweien ihre Drude, denn während in Deutjchland zu— 
nächſt nur gotische Typen gebraucht wurden, bebienen fie fich zuerft latei- 
niſcher Typen, der Antiguajchrift. Die Anfertigung der Matrizen, der 
Guß der Schriften, die Herftellung der Preffe, kurz die vollftändige Ein- 
richtung der Druderei muß unter diejen Umſtänden gewiß eine Zeit von 
anderthalb bis zwei Jahren in Anfpruch genommen haben. Dem Eifer 
diefer Männer und ihren ftaunenswerten Yeiftungen entiprach jedoch nicht 
pie Aufnahme, welche ihre Drude in den litterarischen Kreifen Italiens 
fanden. Die Bücherliebhaberei war damals noch nicht jo entwidelt, daß 
Die Käufer, jelbjt wenn fie von der neuen Kunst gehört gehabt hätten, Die 
bejchwerfiche Reife ins Gebirge gemacht haben würden. Sodann war 
die Verbindung des Klofters mit der Außenwelt zu jpärlich, als daß ſich 
von dort aus ein regelmäßiges Geſchäft hätte aufbauen laffen. Die Be: 


182 Ihre Überfiedelung nah Rom. Mißerfolge. [Trittes 


pürfniffe der benachbarten Klöſter aber, ſelbſt wenn jolche vorhanden 
waren, ließen jich mit nur wenig Erempfaren befriedigen. So guben 
denn die beiden deutjchen Druder, nachdem fie noch am 12. Juni 1467 
des heiligen Auguftinus „De Civitate Dei” in Zubiaco vollendet 
hatten, ihre Druderei dort auf und fiedelten mit ihr nach Nom über. 
Hier fanden fie in dem Palaft ver Gebrüder Pietro und Francesco 
ve Maffimi gaftliche Aufnahme und arbeiteten bis 1472 rüftig weiter. 
Namentlich richteten fie ihr Hauptaugenmerk auf die Vervielfältigung 
der römischen Klaffifer, einiger Kirchenwäter und Bibelfommentare. In 
diejer verhältnismäßig kurzen Zeit druckten fie nicht weniger als 36 Werte. 
Aber auch in der Ewigen Stadt entjprach der Abſatz nicht ihren Er- 
wartungen. Schon im März 1472 fahen fie ficb gezwungen, ihre Thä— 
tigfeit einzuftellen. Johannes Antonius de Buxiis, Biſchof von Aleria 
und Sefretär der vatifanifchen Bibliothek, welcher Korrektor und Heraus— 
geber fast aller bei Schweinheim und Pannark in Rom geprudten Werke 
war, richtete deshalb am 20. März 1472 in der Vorrede zum fünften 
Bande der von ihnen gedruckten Nikolaus de Lyra'ſchen Bibelerkflärung 
an Sirtus IV. die Bitte, den um die Wiffenfchaft fo hochverdienten 
und unverſchuldet in Not geratenen deutſchen Drudern bilfreich beizu- 
jtehen, und legte dem Papft zugleich ein vollſtändiges Verzeichnis der 
von ihnen in Subiaco und Nom geprudten Werfe vor. Beide Aften- 
ftücfe find dadurch von bejonders hohem Wert, daß fie nicht nur das 
ältefte Zeugnis eines bedeutenden Zeitgenojfen won der eriten Thätigkeit 
und den Leiden beutjcher Druder in Italien enthalten, jendern daß fie 
auch einen Blick in die gefchäftlichen Anfänge ver jogenannten Inkunabeln— 
zeit gewähren. Leider finden fich die Preife der einzelnen Bücher nicht 
angegeben; indejjen auch ohne dieje Zugabe find beide Urkunden jo wich 
tig, daR fie wörtlich hier mitgeteilt werden müſſen: 

„Allgemein und bekannt” — jo beginnt jener Brief Buſſi's an den 
Papſt? — „war ehedem unter den Heiden die Meinung, allerheiligiter 
Bater Sixtus IV., erhabenfter Pontifer, daß alles den Göttern, die 
Götter jelbft, auch jene zwölf auserwählten obern und «die Srofen » 
genannten, der Einen Notwendigkeit jtändig gehorcht und daß fie unter 
allen Gottheiten ohne Berufung ihr mächtiges Herricheramt ausgeübt 
haben. Damit dies nicht auch unter ven Chriften in Wahrheit ausge- 
jprechen werde: dem kann Deine Weisheit und Milde vor allem be: 


Kapitel.) Ihre Petition an Eirtus IV. Ihre Leiftungen. 183 


gegnen und daß Du Dich gnädigſt berablaffeit pem zu begegnen, Das 
erflehen von Dir die Diener Deiner Heiligkeit Konrad Sweynheim und 
Arnold Pannark, unjere Druder und erjten Meifter dieſer ſehr nütz— 
lichen bildneriſchen Kunft in Italien, die größten Arbeiter in der Stadt, 
indem fie vor Deinen allerheiligiten Füßen den Deine Spuren tragenden 
Staub küſſen. Denn ich, Dein Gejchöpf, habe die übrigen Briefe im 
eigenen, diefen im Namen jener, jowohl früher an Deinen Vorgänger, 
als auch ſpäter an Deine erhabene Majeftät gerichtet. Die Klage nun 
der Buchdrucker, welche jett unter jo großen Papierftößen in Not find 
und, wenn nicht Deine Freigebigfeit ihnen beifpringen wird, in Mangel 
geraten, iſt, heiligjter Vater, folgende: Wir aus Deutjchland haben als 
die erſten diefe jo nütliche Kunft an Deiner Römiſchen Kurie unter 
vielen Mühen und Koften zur Zeit Deines Vorgängers eingeführt. Wir 
Meifter haben die übrigen Buchhändler durch unfer Beifpiel angeregt, 
ein GHeiches zu wagen. Wir haben den übrigen, welche fich wegen ber 
Größe der Ausgaben bei einem jo großen Geſchäft entweder durchaus 
oder größtenteils feinen Rat wußten, mit friſchem Mut und verdoppelten 
Kräften unter den größten Schwierigkeiten widerſtanden. Jetzt endlich, 
in unſerer Yebensfraft geknickt, flehen wir Deine erhabene Hilfe an. 
Wenn Di das Verzeichnis der von uns gedrudten Werfe vurchgelejen 
baben wirſt, wird ſich Deine apoſtoliſche Hoheit, ehrwürdigſter Vater, 
wundern, daß für diefe Menge Bücher ſowohl Pergament als auch Papier 
ausgereicht haben. Und damit Dur, ſchon genügend von Deinen ober- 
birtlicben Sorgen in Anspruch genommen, diefen Brief durchlieſt, ſoll 
er nichts anderes enthalten. Denn ſobald Du die Namen fo großer 
Scriftitellee vernommen haft, wirft Du nicht umhin können (wenn 
anders wir Dein Wohlwollen richtig beurteilen), daß Du uns jchleunigst 
zu Dilfe kommſt und Dich durch feine Beſchäftigung oder Schwierigkeit 
davon abichredfen läßt. Gedruckt find durch unſern Fleiß, allerbeiligiter 
Bater, folgende Werfe, welche wir der Reihe nach hier unten für Dich 
aufzüblen: 


Donati pro puerulis, uumero 300°... 2 2 2 300 
Lactantii Institutionum volumina 825 

1465. In monasterio Sublacense . . 2 275 

1468. In domo Petri Maximi . . 2 2 227 


275 
1470 »  » » » 2 826 


184 Schweinheim und Bannarp’ Berlagsverzeichnis. [Drittes 


Ciceronis Epistolarum familiarium volumina 550. 


BAG 0 rc ve ee ee an a 

149 .... eb 550 
Ciceronis Epistolarum * —— — 275 (1470) . . 275 
Speceuli humanae vitae (Roder. Zamorensis) volu- 

mina 300 (1468) . . . rt er ER 

Augustini De Civitate Dei — 895, 

1467. In monast. Sublac. . 2 2 2 2275 

LEBU. 2 ana Sa a a a er 

SEEN. 3-70 u nee 825 


Hieronymi Epistolarum ii — — 1100. 

1468 vol. J, II zu 2e238.. 550 

1470 » LI» 2755. 550 1100 
Ciceronis de Oratore cum caeteris volumina 550. — 


In monast. Sublac. . . » 2 2 2 2275 
BIBI: u a re 550 
Cieceronis Operum omnium in nlälosophia — 550. 
1469. De Ofücis -. - - » 2 2 22275 
1471. Opera philosophica . . . . 275 550 
Apulei Platonici cum Aleinoo volumina 275 (1468) RE; 
Gellii Noctium Atticarum volumina 275 (1469). . . . . 275 
Caesaris Commentariorum gall. et civil. bellorum volu- 
mina 275 (1469) . . . 2... +27 
Defensionis (Bessarionis) divi Platonis — 300 
(1469) . . 300 
Virgilii Maronis Dass omnium —— 550. 
2. d. (ꝰ 146063... 2175 
s. d. (7114711). . 275 550 
Livii Patavini cum epitomate omnium ——— — 
mina 275 (?1469). . . . nn ET 
Strabonis Geographiei volumina 275 @ 1469) . ar ar BE 
Lucani Volumina 275 (1460). . . . > 275 
Plinii Veronensis de naturali historia — 300 a4 0) . ...300 
Suetonii Tranquilli de XII Caesaribus volum. 275 (1470) . . 275 
Leonis Papae Sermonum Volumina 275 (1470). . . .....275 


Quintiliani Institutionum orator. volumina 275 (1470) . . 275 
Thomae Aquinatis continui, id est Catenae Aureae 
vol. 550 (1470). 
2 partt. U ZB... 5 0 0 re ee MO 


Kapitel.) Ihre Bittichrift an Sirtus IV. 185 


Cypriani Epistolarum volumina 275 (1471). 2. 2 2.2...275 
Bibliae cum opusculo Aristeae volumina 550 (1471). 


2 partt. u 275 .... .....550 
Silii Italici cum C. Calphurnio et Esiodo * 275 (1471) .:. 275 
Ciceronis Orationum cum invectivis omnibus in Anto- 

nium, Verrem, Catilinam et caeteris volumina 275(1471) . . 275 
Ovidii Nasonis Metamorphoseon et Elegiarum omnium 
vol. 550. 
2 partt. zu 275... el Si, wer rn Dan ie 6 - OR 


Nicolai de Lyra volumina 1100. 
vol. 0 4, 5 zu 2785.. ee 1200 
(vol. 2 erſchien erſt nad) vol. 5) 
Summa 12475 


„Die Zahl aller diejer Bände, heiligfter Vater, beläuft fich, wie Dein 
Wohlwollen erjieht, auf 12475, wenn wir nicht irren: ein gewaltiger 
und für und, Deine Druder, foweit er noch vorhanden ift, umerträg- 
licher Ballaft, wegen jener Notwendigkeit, die wir zu Anfang unjers 
Briefs erwähnten, denn der bedeutende Aufwand für den Lebensunter— 
halt kann beim Mangel an Käufern nicht länger von uns getragen 
werden. Und für den Mangel an Käufern gibt es fein gewichtigeres 
Zeugnis, ald daß unfer ziemlich großes Haus voll von Quinternionen 
it, leer aber von nützlichen Gegenftänden. Auf Dir aljo, gnädigſter 
Vater, der Du jo weife und jo gelehrt bit, beruht unjere Hoffnung; 
an Dir iſt's, unjerm Mangel an Mitteln abzuhelfen, damit wir nicht 
untergehen. Gewähre uns von dem erhabenen Throne Deiner Majeftät 
aus Hilfe. Wir find bereit, nach Deinem gnädigen Ermeffen an unjerer 
Ware, d. h. von unſern gedrucdten Bogen, Dir jo viele und zwar die— 
jenigen zu übergeben, welche Du wünſcheſt. Deine außerordentliche Güte 
möge uns eine Anjtellung verleihen, von welcher wir uns umd die Unjeri- 
gen ernähren können. Die Koften, welche wir allein durch die Heraus: 
gabe ver Bünde des Nikolaus von Lyra gehabt haben, find jo groß ge: 
weien, daß uns zum Yeben nichts mehr übrigbleibt. Wenn wir unfere 
Werke verkaufen könnten, würden wir von Deiner Milde nicht allein 
nichts erbitten, ſondern vielmehr in der gegenwärtigen Zeit, in welcher 
Du, wie wir wiſſen, vieles entbehrſt, Dir ſelbſt das Unſerige anbieten, 
und wir werden es thun, ſobald uns mit Deiner Unterſtützung das Glück 


186 Rom: Schweinheim und Pannartz' Ausgang. [Drittes 


freundlicher anlächelt. Inzwiſchen, heiligfter Vater, möge uns Dein Er- 
barmen helfen, weil wir gar zu arım geworden find. Mögeft Du immer 
gejund und glücklich fein! Nom, am 20. März 1472, im eriten Jahre 
Deines erlauchten Pontifikats.“ 

Diefer Notjchrei des Biſchofs verhallte jedoch ungehört. Sirtus hatte 
entwever fein Geld oder wollte feins hergeben. Schweinheim und Ban: 
narg fonnten alſo ihr Geſchäft nicht fortjegen. Jener widmete ſich dann 
im Rom der Nupferftecherfunft und machte mit Domitianus Calderinus 
die erjten Verſuche, Yandfarten für die Buchoruderpreffe in Kupferhoch— 
jchnitten berzuitellen, wie das aus der VBorrevde zu Ptolemäus’ „Geo— 
graphie” hervorgeht, Beide Künstler jtarben aber ſchon drei Jahre ſpäter. 
Die Weiterführung des Werfes übernahm alsdann Arnold Pannart, der 
e8 1478 vollendete. In der Schlußfchrift nennt er ſich merkwürdiger— 
weile Arnold Buding und gab dadurch zu dem noch heute verbreiteten 
Irrtum Beranlaffung, daR ein anderer deutjcher Kupferftecher dieſes 
Namens die Vollendung des Werkes übernommen habe. Raidel bat 
jedoch ſchon 1737 ven Beweis der Identität beider Namen geführt. 3 
Mit demſelben Jahre 1478 verliert fih dann auch die letzte Spur von 
Pannartz. 

Die reichſte, aus 21 Bänden beſtehende Sammlung der ſchönen 
Schweinheim und Pannartzſchen Drucke findet ſich in der baſeler Univer— 
ſitätsbibliothek, welche ſie, teilweiſe in prächtigen Pergament-Exemplaren, 
von Johannes Heynlein de Lapide (vom Stein) geſchenkt erhalten hatte. 
Austattung und Druck find gleich ſchön. Die gut gejchnittenen und ge: 
goffenen Schriften ihrer Ausgaben von Subiaco erinnern zwar noch 
etwas an die gotische Type, nähern jich aber jchon der römijchen, wäh— 
rend die Thpen der von ihnen in Rom vollendeten Werke den reinen 
Antiquajchnitt aufweiſen. Das Papier ift gut und vortrefflich geleimt, 
die Echwärze ausgezeichnet; die Ränder find breit und groß. Für vie 
griechiichen Stellen im Yactantius ift im Anfange dev Raum frei- 
gelaffen, um ihn ſpäter mit der Never ausfüllen zu können; erſt jpäter, 
gegen Ende des Buchs, finden ſich auch gebrudte griechiſche Stellen, 
aber jtets von fleinerm Schriftgrade und noch ohne jeden Accent over 
Spiritus. * 

Tas Beiſpiel diejer erjten Pioniere fand zahlreiche Nachfolger, ebe 
noch etwas Zuverläſſiges über ihren Erfolg oder Mißerfolg befannt fein 


Kapitel.) Rom: Ulrich Hahn. Georg Lauer. 187 


fonnte. Italien, das Yand des klaſſiſchen Altertums und die Wiege der 
Renaiſſance, und Rom, der Sit des Oberhauptes der Chriftenheit, die 
Ewige Stadt, die Schniucht aller Norbländer, zogen die Jünger der 
neuen Kunft mit derjelben zauberhaften Gewalt an fich, welche fie feit 
Jahrhunderten ſchon auf die deutjchen Ritter, Geiftlichen und Gelehrten 
ausgeübt hatten. Natürlich ftanden Rom, Venedig und Mailand in erjter 
Linie, allein auch nach den Hleinern Orten der Dalbinjel fanden die Schü— 
fer Gutenbergs ihren Weg und arbeiteten Dort wenigjtens vorübergehend. 
Wer nicht berufen wurde, kam aus freiem Antrieb und half den Bücher: 
druck bis im die abgelegenjten Teile Italiens tragen. 

In demfelben Jahre (1467), in welchem Schweinheim und Pannark 
die erfte Ausgabe der Briefe Cicero's veröffentlichten, trat auch Ulrich 
Hahn aus Ingolſtadt (Udalricus Gallus, Alamanus de Ingolftadt oder 
de Bienna, wie er fich jelbit nennt), zuerit in Nom auf.? Er vollendete 
bier am 31. Dezember 1467 vie „Meditationes Joannis de Turre- 
cremata“ in großer gotifcher Schrift und verfah fie mit 34 Holzichnitten. 
Dahn druckte in den folgenden Jahren noch verjchiedene Werfe und ſchloß 
jpäter einen Gefellichaftsvertrag mit feinem Schüler und Gehilfen Simon 
Nikolaus de Yucca. Beide arbeiteten dann eine Zeit lang gemeinfchaft- 
ih. Wie lange der Vertrag gedauert Hat, das fteht nicht feit, doch 
finden fich datierte Drude bis 1474. Hahn felbft arbeitete bis 1478; 
wenigſtens geben feine datierten Drucke nicht über dieſes Jahr hinaus. 
Der gelehrte Campanıs, Bijchof von Teramo, war fein Gönner und 
zugleich fein jo eifriger Korrektor, daß er fih nur drei Stunden Schlafs 
geitattete. Im der Hahnſchen Druckerei würde, wie Campanus in einer 
Schlußſchrift die Nömer belcehrte, an einem einzigen Tage fo viel 
Lehrſtoff fertig geitellt, als in eimem ganzen Jahre gefchrieben werben 
könnte. 

Auch der Würzburger Georg Yaner wurde 1469 von einem heben 
geiftlichen Würdenträger, dem Kardinal Caraffa, nach Rom berufen und 
prudte bier, anfangs im Klofter des heiligen Euſebius, von 1469 bis 
1481. Seine erfte Arbeit war die lateiniſche Überjekung der „Homilien 
des Chryſoſtomus“ von Franz Accolti von Arezzo. Am Jahre 1472 
verband er ſich mit Leopold Pflügel und lieferte in Gemeinſchaft mit 
ihm manches treffliche Werk, trennte fich aber nach Verlauf von kaum 
zwei Jahren wieder von ihm. Zein letter datierter Drud ftammt aus 


188 Nom: Schnelles Wachstum der Buchdruderthätigfeit. [Drittes 


dem Jahre 1481. Gelehrte Männer, wie Pomponius Yaetus und Pla: 
tina, waren feine Korreftoren. 

Die Ewige Stadt zählte bereits bis zum Jahre 1500 nicht weniger als 
199 Preſſen und 23 deutſche Druder. Bekannt gemacht haben fich unter 
ven fettern namentlich Johann Schurener aus Boppard (1474 bis 1475), 
Adam Roth, Glericus aus Meb (1471 bis 1474), Eucharius Silber 
aus Würzburg, auch Argenteus und Frand genannt, welcher ſchon 1478 
eine Druderei in lebhaften Gange hatte und 1490 die Gicerontanijchen 
Briefe an Atticus berausgab; Stephan Pland aus Paffau (1479 bis 
1499), früher Druder in Hahns Haufe, und ferner Theobald Schent: 
becher (1473); Johann Reynard (Reinhard ?) von Ehningen (1473 bis 
1476), der als Wanderdrucker vorher auch in dem Städtchen Trevi auf- 
trat, wo er 1470 die Buchdruckerkunſt einführte. Auch Johann Gens- 
berg (1473 bis 1474), Georg Sachjel von Reichenthal, zujammen mit 
Bartholomäus Goltih won Hohenbart (1474), Johann Nikolaus Dans 
heymer von Oppenheim (1474 bis 1475), Bartholomäus Guldinbeck von 
Sult (1475 bis 1481), Veit Bücher (1475 bis 1478), Wolfgang Gallus 
(1476), Johann Bremer over Bulle (1478 bis 1479), Georg Herolt 
von Bamberg (1481), Johannes Hugo von Gengenbach (1482 bis 1485) 
und beſonders noch der bereits in Bajel erwähnte Johann Beſiken aus 
Befigheim, alle diefe Jünger der neuen Kunſt halfen jie in Italien 
einbürgern, 

Schon lange vor Ende des 15. Jahrhunderts hörte die Erfindung 
auf, ausjchlieklich von Deutſchen ausgebeutet zu werden. Italiener, welche 
bei deutſchen Drudern gelernt hatten, arbeiteten zumächjt allerrings zu 
ihrer weitern Ausbildung bei diefen, affociierten ſich dann mit ihnen 
und errichteten jchlieglich ihr eigenes jelbjtändiges Geſchäft. Derſelbe 
Prozeß vollzog fich, wie in Italien jo auch in andern Yändern, wie in 
Frankreich, Spanien und Portugal. 

Der Zeit nach jünger als Druderftant, aber an Yeiftungen viel be- 
beutender als Nom, ift Benedig. Auch bier waren es Deutjche, welche 
die ars teutonica einführten und ausbilvdeten, aber ihre Vollendung bald 
den Söhnen des Yandes überließen. 

Venedig war damals die reichite Stadt Italiens, zählte mehr als 
200000 Eimvohner und ſtand auf dem Höhepunkt feiner politifchen und 
kaufmännischen Größe. Als alter Vermittler, namentlich des orientalt- 


Kapitel.] Venedig: Seine Bedeutung. Johann und Wendelin von Speyer. 189 


iben Handels mit Europa, als Sit des feinften Geſchmacks und geijt- 
reich realiſtiſcher Kunſt, förderte e8 zugleich das Kunftgewerbe zu feltener 
Tolffommenbeit und bot auch der wifjenjchaftlichen Thätigfeit einen freien 
und günftigen Spielraum. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts 
hatte hier die Gelehrjamfeit eine bleibende Stätte gefunden. Der Kar— 
dinal Beſſarion (gejtorben 1472) jchenfte dem Senat feine einzig da- 
ſtehende Sammlung jeltener und wertvoller griechijcher Handſchriften und 
legte damit den Grund zur großen Markus-Bibliothek. Die griechijchen 
Slüchtlinge, welche ſich nach dem Falle des griechifchen Kaiſerreichs haupt- 
jächlich nach der Dogenftadt, als dem ihnen am feichtejten zugänglichen 
Hafen, gewandt hatten, fchufen bier dem Studium des Griechijchen einen 
glänzenden Mittelpunkt, an welches die übrigen Gelehrten das des klaſſi— 
ſchen Altertums anjchloffen. Es galt ihnen nicht allein, die alten Quellen 
zu ftudieren, jondern auch neue zu erjchließen und aller Welt zugänglich zu 
maden. Die Erfindung Gutenbergs kam diefem Bedürfnis jo ſchnell zu 
Hilfe, als wenn fie ausprüdlich zu einem fo edeln Zweck bejtellt worden 
wäre. Wie die deutjchen Kaufleute von Um, Augsburg, Negensburg, 
Nürnberg und jelbjt aus dem Norden jchon vom 13. Jahrhundert an, 
namentlich aber während des ganzen 15., einen lebhaften und gewinn- 
reihen Handel mit Venedig getrieben, wie fie ihre Söhne dahin als 
auf die hohe Schule des Handels gejandt hatten, jo lenkten jett auch 
die deutjchen Druder ihre Schritte nach der reichen Handelsſtadt am 
Adriatifchen Meere, deren märchenhafte Pracht den damaligen Deutjchen 
in mächtigen, aber unbeſtimmten Bildern vorjchwebte. Schon 1469 druckte 
bier Johann von Speyer „Ciceronis Epistolae ad familiares“ mit 
römischen Typen und Plinius’ „Naturgeſchichte“, jene in einer Auflage 
von 300, dieſe von nur 100 Eremplaren. Der Senat gab ibm ein 
ausſchließliches Privilegium für die Ausübung der Buchdruderfunft, weil 
er dieje durch jeinen Fleiß, jeine Beharrlichfeit und fein Genie eingeführt 
und, wie es in ber Motivierung weiter heißt, die genannten Werfe in 
einer großen Anzahl von Eremplaren mit Yettern von bewunderungs- 
würdiger Form geprudt babe. Johann fonnte von diefem Privilegium 
aber feinen Gebrauch mehr machen, da er ſchon 1470, unmittelbar nach 
jeiner Berleihung, jtarb. Sein Bruder, Wendelin von Speyer, jeßte bie 
von Johann angefangenen Werfe fort, prudte aber jelbftändig 1470 bereits 
den Salluft in 400 Exemplaren, den er ſchon im folgenden Jahre neu 


190 Venedig: Nikolaus Jenſon. Die weitern deutihen Druder. [Drittes 


auflegen mußte, den Livius, Birgil u. a., darunter eine Editio prin- 
ceps (erjte überhaupt geprudte Ausgabe) des Martial, Iuvenal, Salluft 
und eine jolche des Tacitus. Sein legter Drud ftammt aus dem Jahre 
1477. 

Den beiden Brüdern folgte zunächſt der franzöfifche Formſchneider 
Nikolaus Ienjon 1470 mit einer Ausgabe von Eufebins, „De Praepa- 
ratione Evangelica“, Quintilian, Yuftin und verjchiedenen Schriften 
Cicero's; 1476 drudte er dann eine Bibel mit gotischer Echrift und 
1478 ein Breviarium in Quart, wegen bejjen vortrefflicher Austattung 
er vielfach als der Fürft der zeitgenöſſiſchen Buchdruder gepriejen wurde, 
während andere ihn wegen feiner fchönen und gejchmadvollen Typen den 
neuen Daedalus nannten. An den bis 1482 thätigen Jenſon ſchloß fich 
unmittelbar Chriſtoph Walvorfer (Valdarfer) aus Regensburg (1470 bis 
1472) an, ver von 1471 an unter andern die Briefe des Plinius, die Kom- 
mentare des Servius über Birgil, das Decameron von Boccaccio und 
die Reden Cicero’s drudte, allein bald nach Mailand überjiedelte, wo er 
ihon 1474 wieder in Thätigfeit trat. Nach Ilgenſtein ftimmen bie 
Typen Waldorfers mit denen Johanns von Speyer überein, wonach alio 
jener nach deſſen Tode dieſe Schriften erworben zu haben jcheint, wäh— 
rend Wendelin von Speher noch in demſelben Jahre mit andern Typen 
zu druden begann. Johann aus Köln (1471 bis 1487), ein Wander: 
pruder, druckte 1474 mit Johann Manthen aus Gerresheim einen pracht- 
vollen Foltanten: „Baldi Lectura super Codicem.” Als Druder einer 
ſchönen Ausgabe des Yactantius (1471) wird von den Bibliographen 
verjchieden Adam von Rotweil und Adam aus dem Ammergau genannt. 
Namen von geringerer Bedeutung für Venedig find Yeonhard Achates 
ans Bajel, Gabriel Petri, Chriftoph Arnold, Yeonhard Wild, jüntlich aus 
Regensburg, Nikolaus aus Frankfurt, Johann Hammann, genannt Herzog, 
Albert aus Stendal, Johann Yucilius Santritter aus Heilsbronn, Bern- 
hard Dialer oder Pictor und Peter Yöslin, lettere beide aus Augsburg. 
Sie alle beweifen, wie ftarf damals der Zug deutſcher Druder nach 
Venedig war. Der beveutenpfte aber von allen bier namhaft gemachten 
Männern und überhaupt einer der gefeiertjten beutjchen Druder war 
Erhard Natvolt aus Augsburg, welcher, wie ſchon im vorigen Kapitel 
erzählt wurde, von 1476 bis 1486 in Venedig wirkte. Eins ſeiner 
ſchönſten hier gedruckten Werke iſt der Appian von 1477, welcher 


ud: 


Kapitel.) Venedig: Erhard Ratdolt. Mailand. 191 


durch feine Vollendung jelbit ver Editio princeps Wendelins von Speer 
den Rang ftreitig macht. Die Schriften diefer, mit Ausnahme Jenſons, 
ausſchließlich deutſchen Druder zeichneten fich zum großen Teil, im Gegen: 
jat zu den damals faſt allgemein noch üblichen gotiſchen Typen, durch 
die Gefälligfeit ihres Schnittes aus, was die Verleger anderer Stäbte 
veranlaßte, ausprüdlich zu betonen, daß auch ihre Ausgaben mit den 
befiebten „wenetianijchen Typen“ gedruckt feien. 

Aus den übrigen großen Städten Italiens ift verhältnismäßig weniger 
über vie Ihätigfeit der deutſchen Druder zu berichten. In Mailand 
führten Yanbesfinder die neue Kunſt ein, Philipp von Lavagna (1469 bis 
1489) und Anton Zarot (1470 bis 1497). Deutjche ftehen wohl in ihren 
Dienjten, find aber nicht am Gejchäft beteiligt, welches gleich in jeinen 
erjten Anfängen, dem großhändleriſchen Charakter der Stadt entjprechend, 
im großen Stil geführt wird. Erſt 1474 wanderte, wie jchon bei Venedig 
angedeutet, der Regensburger Chrijtoph Waldorfer von Venedig aus ein 
und dructe bier bis 1484. Zu gleicher Zeit etwa ließ ficb auch Johannes 
Wurjter aus Kempten nieder. An ihn jchloffen fich Ulrich Sczinzenzeller 
und Yeonhard Pachel, beide aus Ingolftadt, an, welche von 1480 bis 1500 
druckten und bald mit ihren Borgängern in Trefflichfeit ihrer Arbeiten 
wetteiferten. Im Jahre 1476 erjchien bei Dionyſius Paraviſino die erjte 
Auflage von Yascaris’ griechiicher Grammatif, und 1493 drudte Henricus 
Germanus, auch der Deutjche genannt, mit Sebajtian Pontremulo die 
erite griechiiche Ausgabe des Iſokrates, ebenjo ausgezeichnet durch Schön- 
beit der Schriften, als durch die Korrektheit des Druds. Überhaupt 
war die Druderthätigfeit eine fo lebendige und die Teilung der Arbeit 
eine jo wohlgeorpnete, dar fich ſchon 1472, wie jpäter näher erzählt 
werden wird, eine Gejellichaft für die Herjtellung und den Vertrieb von 
Drudwerfen bilden fonnte. VBorwiegend war es die Herausgabe von 
Klaſſikern, juriftifchen und medizinischen Werfen, welche die mailänder 
Preſſen beſchäftigte. In den Jahren 1498 und 1499 erſchien auch bei 
den Gebrübern Munitianus die erjte Gejamtausgabe der verjchiedenen 
Ciceronianiſchen Schriften in vier Kolianten. Gelehrſamkeit, Kunſtliebe 
und große faufmännijche Gefichtspunfte trugen in Mailand viel dazu 
bei, die Buchdruckerkunſt zu heben und den Buchhandel zu einem ge- 
winnbringenden Gejchäft zu machen. Berjchievene Schlufjchriften zu ven 
beventenpjten Druden Waldorfers, Sczinzenzellers und Pachels jagen 


192 Florenz. Genua. Wanderdruder. [Drittes 


ausprüdlich, daß edeldenkende Männer die Koften des Druds beitritten 
hätten. Es liegen bier aljo offenbar Affociationen vor, zu welchen der 
eine Teil das Geld, der andere die Arbeit gab, während der Ertrag ge- 
teilt wurde. 

Auch in Florenz finden fich zwar wiele Deutjche, indeſſen batten 
ſchon vor ihrer Nieverlaffung daſelbſt die einheimischen Buchdrucker fejten 
Fuß gefaßt. In erfter Yinie ift dies das Verdienſt des Goldſchmieds 
Bernardo Gemini, welcher an Ghiberti's berühmten Thüren mit gear: 
beitet hatte. Es ſchmerzte ihn, daß Italien in der Buchoruderfunft von 
Deutjchland ganz abhängig fein jollte.” Er ftupdierte deshalb genau die 
Drude und Manuffripte und ging dann ſelbſt daran, Stempel, Schrif- 
ten, Preſſen u. |. w. berzuftellen; indeſſen Foftete ihn dieſe Arbeit jolche 
Opfer, daß er bald wieder mit dem Drud aufhören mußte. Es dauerte 
aber nicht lange, bis Funfterfahrene Deutjche nach Florenz famen, dar- 
unter Nikolaus von Breslau, welcher 1477 Bellini’8 „Monte Sancto 
de Dio“ druckte, das erjte Werf mit Iluftrationen in Metaliplatten, 
da Schweinheims Ptolemäns noch nicht erjchienen war. Noch bedeuten: 
der ijt feine Dante- Ausgabe. Außer Nikolaus Liegen ſich im Anfang 
der florentiner Druderthätigfeit von Deutjchen noch Johann Petri aus 
Mainz und Gerhard aus Haerlem dort nieder. 

In Genua führten Mathias von Olmüt und Michael von Mün— 
chen 1474 mit der „Summa Pisanella” gemeinjchaftlich die Druderei 
ein. Die Schreiber waren jedoch damals in der großen Handelsſtadt 
noch jo mächtig, daß ihre Einſprache gegen dieſe Konfurrenz durchdrang 
und Mathias fich nach Neapel wandte, wo er von 1475 bis 1490 
wirkte, 

Es gab gegen Ende des 15. Jahrhunderts faum eine Stadt in Ita- 
lien, wohin die deutſchen Druder ihren Weg nicht gefunden und wo 
fie nicht fürzere oder längere Zeit gearbeitet hätten. Von der Yinde ver- 
gleicht diefe Wanderdrucker jehr richtig mit den heutigen Jahrmarkt— 
Photographen®, die mit ihrem Apparat von Ort zu Ort ziehen und jo 
lange bleiben, als fie Arbeit finden. Johann von Köln z. B. arbeitete 
zuerst 1471 in Venedig, von 1474 bis 1476 in Brescia, von 1478 bis 
1485 in Bologna, von 1485 bis 1489 in Siena, von 1489 bis 1491 
in Yucca, von 1491 bis 1493 in Nozani und 1493 in Urbino. Niko— 
laus Betri von Haerlem war 1474 in Vicenza, um 1476 in Padua, 


Kapitel.) Die Wanderdruder. Johann Neumeifter. 193 


1482 in Bologna, 1483 in Venedig, 1486 in Siena, 1491 in Lucca 
tbätig. Hermann Pichtenftein aus Köln (Pevilapis) ließ fich erjt in Vicenza 
1475 bis 1476 nieder, zog dann nach Trevijo 1477 bie 1486, febrte 
von dort 1486 nach Vicenza zurüd und arbeitete zuletst in Venedig, zu 
deſſen vorzüglichiten Drudern er gehörte. Leonhard Achates aus Baſel 
tritt zu Anfang der fiebziger Jahre ſchon vor Erhard Ratdolt in Venedig 
auf und wendet fich 1473 nach Padua, it aber ſchon 1474 in St. Urfino 
und 1475 in Vicenza. Auch in Neapel bürgerte ein deutſcher Druder, 
Zirtus Rieffinger aus Straßburg, 1471 die Buchdruderfunft ein. Faſt 
nur Deutjche find hier thätig, wie Mathias aus Olmütz (1475 bis 1490), 
Berthold Reging aus Straßburg (1475 bis 1477), Jodocus Havenftein 
aus der Diöcefe Speyer (1475), Heinrich Alding, der früher in Meffina 
gewirft hatte (1476), Konrad Guldemund (1478) und Joſeph Gunzen- 
baujer (1487 bis 1490); doch gelangte Neapel als Druckerſtadt erjt 
jpäter zu einiger Bedeutung. Es würbe ermiüdend fein, die Namen der 
bedeutendſten deutjchen Druder weiter einzeln aufzuzäblen. Einmal wären 
über 100 Drudereien zu berüdfichtigen, dann aber ift von ihrer Thätig- 
feit kaum eine einzige Thatjache erhalten. Soweit nicht Deutjche die 
Buchdruckerkunſt eingeführt haben, tritt auch die Druderthätigfeit der 
italienijben Städte aus dem Rahmen der gegenwärtigen Darftellung 
beraus; jo 3. B. die alte Univerfitit Bologna, wo die Buchdruckerkunſt 
iben 1471 durch Balthaſar Azzoguidi Eingang findet, indeſſen die 
Deutjchen die Hauptarbeit thun. 
Dagegen joll hier noch einer der bervorragenpften deutſchen Wander— 
druder ausführlicher beiprochen werben. In ihm veranjchaulicht fich die 
große Kulturmiffion dieſer bejcheivenen Männer für Italien und das 
jüpliche Frankreich; erjt neuerdings ift er im feiner Bedeutung gewürdigt 
worden. Es ift dies Johann Neumeifter (oder Numeifter) aus Mainz. 
Der franzöfifche Bibliograph A. Claudin hat in einer vortrefflichen Kleinen 
Schrift, welche gründliche Forſchung mit ficherer fritifcher Methode ver- 
binvet, das trübe, aber zugleich Tehrreihe Bild des Lebens und Stre- 
bens dieſes verdienten Mannes entworfen? Begeiſtert für feinen Beruf 
und bingebend in ihm jchaffenn, wird er trotzdem von Nahrungsjorgen 
verfolgt und zieht, vergebens eine bleibende Stätte für feine Thätigfeit 
juchend, raftlos von Ort zu Ort, von Land zu Yand, bis er endlich, in 
jeinen berechtigtften Hoffnungen getäujcht, won bitterer Armut verfolgt, 
Kapp. 1. 13 


194 Johann Neumeifters Wanderungen: Foligno. [Drittes 


nach mehr als vierzigjähriger Wanderung den Kampf nicht mehr fort: 
jegen kann und in hohem Alter wereinjamt jtirbt. 

Neumeiſter gilt als ein Gehilfe Gutenbergs. Allerdings hat in neuerer 
Zeit der Engländer Hejfels 19 erwiejen, daß die hanpjchriftliche Notiz am 
Ende eines von Gotthelf Fijcher 1 bejchriebenen „Tractatus de Celebra- 
tione Missarum“, welche Neumeijter als Gehilfen Gutenbergs bezeichnet, 
eine Fälſchung iſt. Indeſſen ift trotzdem, daß der Angabe jede geichichtliche 
Beglaubigung fehlt, die Annahme durchaus nicht unmwahrjcheinlich. Neu— 
meifter nennt fich nicht immer mit feinem Familiennamen, oft nur Johann 
den Deutſchen (Alemanus) von Mainz, oder nach einem feiner jpätern 
Drudorte in Yangutedoc, „Johann von Aldi“. Nicht lange nach der Ein- 
nahme von Mainz zieht er mit andern Yandsleuten und Gejchäftsgenofjen 
nach Italien, um im Lande der Wiffenjchaft und Kunſt Arbeit und Ver— 
dienst zu juchen. Ob er ſchon mit Schweinheim und Pannart nach 
Subiaco gefommen war, oder ſich mit Ulrich Hahn in Rom niederließ, 
ijt nicht erwiejen; dagegen taucht Neumeijter 1470 urkundlich zuerjt in 
Foligno auf, einer Heinen Stadt in Umbrien. Er batte hier in Emil 
Orſini, einem Angehörigen der berühmten Familie gleichen Namens, einen 
einfichtigen und thätigen Gejellichafter gefunden, ver ihm die Mittel für 
die Ginrichtung einer Druderei lieferte und ihm jamt feinen Gehilfen 
bei fich unterbrachte, um von ihmen „vie Kunſt der Teutonen” zu er- 
lernen. Das erjte aus diefer Druderei hervorgegangene Werf war „Leo- 
nardi Bruni Aretini Historia Belli adversus Gothos“. Das Schluß— 
wort zu demjelben lautet: „Emilianus de Ursinis Fulginas“ (in der 
Mehrzahl der Eremplare jogar Orsinis Eulginas) „et Johannes Nu- 
meister Theutunicus (sic) et ejusdem sotii (sic) impresserunt Ful- 
ginei in domo ejusdem Emiliani anno domini Millesimo quadrin- 
gentesimo septuagesimo feliciter.” Die Socien waren, wie fich aus 
einem einige Jahre fpäter in Perugia angeftrengten Prozeß ergibt, 
Stephan von Mainz und Johannes Ambracht von ebendaber, zwei 
tüchtige Seßer und Druder, und Kraft (Grafto) von Mainz, der die 
Schriften zu giepen und fertig zu ftellen, die Patrizen zu feilen und die 
Matrizen zu adjuftieren hatte. Das zweite von Neumeijter in Foligno 
vollendete Werk, in nur 200 Eremplaren gedruckt, waren „Ciceronis Epis- 
tolae ad Familiares”, ein Nachorud der Schweinheim und Pannark- 
chen Ausgabe von 1469. Neumeifter nennt im Kolophon Orfini ven 


Kapitel.) Neumeiſters Gehiffen in Perugia. 195 


„auctor‘, ven Urheber, des Buches, fich jelbjt aber, Iohannes Alma- 
nus, ald Druder. Das dritte und beveutendjte Erzeugnis der foligna- 
niſchen Preſſe war aber 1472 Dante’s „Göttliche Komödie”, „Das bin 
ich“, ruft Neumeijter am Ende mit eigenartigem Stolze aus, „ich, ber 
Meiiter Johannes Neumeifter, der ich meine Sorgfalt dem Druck diejes 
ibönen Werfes gewidmet babe; es jtand mir aber dabei zur Seite der 
Kolignaner Emil Orfini, der mein Evangelift gewejen ift, der meine An— 
funft angefündigt und mich der Welt befannt gemacht hat.“ 

Nach 1472 hörte die Druderei in Foligno auf, da der Abſatz be- 
deutend hinter den Erwartungen zurüdgeblieben war. Orfint hatte nur 
zugejeßt und jeine Meittel ziemlich erſchöpft. So ging er denn nach Rom 
und trat 1474 als Münzmeiſter in den Dienft des Papftes, in welcher 
Stellung er die von Neumeiſter erlernten Kenntniffe verwertete. Die 
Zeiten waren eben jchlecht, und gute Gejchäfte wurden um jo weniger 
gemacht, als die Konkurrenz auf allen Seiten wuchs und den Markt 
überall bejchränfte. In demjelben Fahre baten ja auch aus dem näm: 
liben Grunde Schweinheim und Pannark den Papjt Sirtus IV., und 
Philipp de Yignamine, ein anderer römiſcher Druder, ven Abt des Klofters 
St. Placivus, Matthäus de Marche, vergebens um Unterjtütgung. Neu— 
meister ging wahrjcheinlich zunächſt auf einige Zeit nach Rom, während 
jeine Mitarbeiter, Stephan, Ambracht und Kraft dem Rufe eines reichen 
Patriciers, Branco Braglione, nach Perugia folgten; auch ev wollte 
jeiner Baterftadt die Vorteile „der teutonifchen Kunſt“ fichern. Die bier 
errichtete und der Univerfität gehörende Druderei ſtand unter der Yeitung 
des Deutſchen Johann Vydenaſt (Weidenaſt), Minister almae Universi- 
tatis Perusinae, unter welchem jene drei arbeiteten. Nach Vermiglioli !?, 
beiten Angaben Claudin bejtätigt, lieferten fie als erftes Werk 1473 den 
lateiniichen Kommentar des perufinijchen Nechtsgelehrten Baldus zum 
Suftinianeijchen Codex. Diejes Verhältnis Löfte fich gegen Ende 1476 
oder Anfang 1477, da die in Perugia wiütende Belt die Druder nach 
Rom trieb. Zudem klagte Stephan im September 1477 gegen Weivenaft, 
weil er lange feine Zahlung erhalten hatte, Neumeiſter andererjeits ging 
nah Deutjchland zurück und taucht hier erjt 1479 in Mainz wieder auf. 
Ohne Angabe des Orts, doch, wie Schrift, Papier und andere Eigen: 
tümlichfeiten ergeben, druckte er hier die mit 34 Metalljchnitten ausge: 
ftatteten „Meditationes Joannis de Turrecremata”; die Schlußſchrift 

15*® 


196 Neumeifter wieder in Deutjchland. Paris. [Drittes 


vom 3. September 1479 unterzeichnete er als Clericus Maguntinus 
mit jeinem vollen Namen. Ob er die 1480 erjchienene „Agenda Ec- 
elesiae Maguntinensis“ jelbft gedruckt, oder ob er nur jeine Schriften 
dazu hergegeben hat, ift dagegen ziemlich zweifelhaft. Er blieb auch nicht 
fange in Mainz, jei e8, daß er neben Schöffer nicht auffommen konnte, 
jet e8, daß er wie Fuſt jeine Drude ſelbſt vertreiben wollte. Zunächit 
ging er den Rhein hinauf bis nach Bajel. Hier, an einem Hauptplate 
des Buchhandels, mochten ihm wohl von fern die VBerhältniffe in Yyon 
verlockend winfen, denn dieſes jtand mit Bafel in fteter Verbindung und 
bezog von bier aus das typographiſche Handwerkszeug. Es jehien den 
von allen Seiten dahin ftrömenden ventjchen Buchdrudern reiche Be— 
ichäftigung und lohnenden Abſatz zu verheißen. Aber erft auf weiten 
Umwegen gelangte Neumeijter dorthin. Bevor jedoch die Reife Neu- 
meifters nad Lyon und jeine dortige Thätigkeit näher gejchilvert wird, 
it es am Plate, erjt die Einbürgerung der Buchpruderfunft in Frank— 
reich überhaupt zu erzählen. Natürlich ſteht auf diefem Gebiet die Hanpt- 
jtant im Vordergrunde der Entwidelung. 

In Paris führte ver bereits genannte Johannes Heynlein de Yapide 
die Buchoruderfunft ein. Er war 1467 und 1470 Prior der Sorbonne 
und 1468 deren Rektor. Im Jahre 1469 verband er fich mit dem ge- 
(ehrten Savoher Wilhelm Fichet, dem damaligen Bibliothefar verjelben 
Anftalt, zur Berufung deutjcher Druder nach Paris. Es waren ihrer 
drei: Martin Kranz, von welchem nur der Name und als engere Heimat 
Süddeutſchland befannt iſt, Michael Freiburger aus Kolmar und Ulrich 
Gering aus der Diöceſe Konftanz, wenn nicht aus der Stadt Konftanz 
ſelbſt.ia Ihr erjter gemeinjchaftlicher Drud brachte die Briefe des 
Kafpar von Bergamo (geftorben 1431). Er wırde etwa um die Mitte 
des Jahres 1470 beendigt und umfaßte 118 Seiten zu je 22 Zeilen in 
flein Quart, ward auch won Heynlein ſelbſt forrigiert. Dieſem Werfe 
folgten jchon Ende Januar 1471 der Salluft in 105 Quartblättern zu 
23 Zeilen auf der Seite und im Herbjt 1471 Yaurentius Valla's jechs 
Bücher der Feinheiten ver lateinijchen Sprache in 281 Folioblättern und 
32 Zeilen auf der Seite. Noch in demfelben Jahre ließ Fichet, wahr- 
jbeinlih von dem ihm innig befreundeten Verfaſſer darum gebeten, die 
Briefe, Neden und Rhetorik des Kardinals Beſſarion in der Sorbonne 
druden. Daran ſchloſſen ſich 1471 und 1472 die Drude ſowohl ver- 


Kapitel.] Paris: Martin Kranz, Michael Freiburger und Ulrich Gering. 197 


ſchiedener Ciceronianiſcher Schriften (wie die Bücher vom Redner, von 
den Pflichten, der Freundſchaft, dem Alter, Tusculanen), als auch des 
Florus, des „Speculum Humanae Vitae” u. f. w. Im ganzen belief 
fich die Zahl der von dieſen drei Deutjchen in der Sorbonne bergeftelften 
Trude auf etwa 22. Gering und Genoffen waren durch Heynlein und 
Fichet jehr gut beraten, weshalb fie auch mit großem Gewinn und Er: 
folg arbeiteten. 

Segen Ende 1472 oder zu Anfang 1473, als Beffarion eben ge: 
itorben war und Fichet und Hehnlein Paris verlaffen hatten, zogen die 
dentjchen Druder aus der Sorbonne aus und ließen fich in der Strafe 
St. Iacaues im Haufe Ad solem aureum („Zur goldenen Sonne“, 
jet Nr. 70) nieder. 1* Hier fingen fie an, populäre Werfe zu druden, 
welche einen noch größern Abſatz veriprachen, wie die „Legenda aurea“, 
die „Exempla Sacrae Scripturae“; 1476 verlegten fie auch eine latei- 
nische Bibel. Bezeichnend für den damaligen Markt ift es, daß fie in 
der „Goldenen Sonne‘ feinen Klaſſiker mehr druckten. Unter ven 21 Wer- 
fen, die bier vollendet wurden, nehmen lateinifche, und unter ihnen vor: 
zugsweiſe die für die Geiftlichfeit beftimmten theologiſchen Gloſſen, Kom: 
mentare u. ſ. w., ven Hauptplatz ein. Gering und Genofjen druckten 
eben rein geſchäftsmäßig, was dem Geſchmack der Zeit entſprach, ander— 
wärts ſchon Beifall gefunden hatte, alſo Abſatz und Gewinn verhieß. 
Kein einziges Buch in franzöſiſcher Sprache ging aus ihrer Offizin her— 
vor. Daß die drei Deutſchen aber in Paris hochangeſehene Leute waren, 
beweiſt der Umſtand, daß ſie im Februar 1475 in Frankreich koſtenfrei 
naturaliſiert wurden. 

Gering ſcheint der jüngſte und thätigſte unter ihnen geweſen zu ſein. 
Er war bis zu ſeinem am 23. Auguſt 1510 in Paris erfolgten Tode 
als Drucker thätig und ſtarb als ein angeſehener und reicher Mann, 
welcher namentlich der Sorbonne bedeutende Legate hinterließ. Freiburger 
und Kranz ſcheinen ſchon 1477 nach Deutſchland zurückgekehrt zu ſein 
oder ſich ganz vom Geſchäft zurückgezogen zu haben; wenigſtens geſchieht 
ihrer ſeit dem am 31. Oktober 1477 vollendeten Druck der Faſtenreden 
des Leonhard von Udine feine weitere Erwähnung. So tragen die am 
30. Januar 1478 erichienenen „Exempla Sacrae Scripturae“ nur noch 
den Namen von Ulrich Gering als Drucker.! Diejer affociierte ſich 
zumäcit mit Georg Maynyal, mit welchem ev am 29. April 1480 das 


198 Paris: Ulrich Gering und feine Gejellichafter. (Drittes 


erjte gemeinjchaftlich gedruckte Werk veröffentlichte, außer welchen Panzer 
nur noch ein zweites verzeichnet. Das Berhältnis zwijchen beiven Män— 
nern jcheint fich alſo jehr bald gelöft zu haben. Gering wohnte zwar 
nach wie vor in der „Goldenen Sonne“, druckte aber von 1480 bis 1489 
jo gut wie gar nichts. Der Grund für dieſe feine Unthätigfeit war ein 
allgemeiner und ein perjönlicher. Gering hatte bisher ausjchlieflich latei— 
nifche Bücher gedruckt und dem entiprechend auch nur eine für fie ein- 
gerichtete Druderei zur Berfügung. Um jene Zeit aber erwachte die 
Vorliebe für franzöfiiche Werke mit folcher Macht, daR fie die Nachfrage 
nach lateiniſchen Druden zunächſt ganz in ven Dintergrund drängte. Dann 
aber lähmten vie mit dem franzöfiichen Thronwecbjel (1483) verbundenen 
politifchen Unruhen und Kämpfe, ſowie die Ungewißheit über die Stel- 
fung des neuen, des Leſens und Schreibens unfundigen Königs Karl VIIL 
zum Buchdruck und zur Yitteratur überhaupt den Unternehmungsgeiſt 
und bejchränften die Thätigkeit der parifer Druder auf ein äußerſt ge: 
ringes Maß. Erjt am 21. Oktober 14809 erjchien bei Gering wieder 
ein anjehnlicher Quartband: Holfots „Super sapientiam Salomonis“, 
Bon 1490 bis 1492 drudte dev Badenjer Georg Wolf für ihn; wenig- 
ſtens bezeichnet dieſer feine Arbeiten als Parisiis ad solem auratum 
opera M. G. Wolf Badensis impressae.!° Wolf ſcheint alſo Fein 
Sejellichafter Gerings gewejen zu fein, ſondern nur in deſſen Auftrag 
und auf deſſen Koſten gedruckt zu haben. Erſt 1494 affociierte fich lee- 
terer mit Berthold Rembolt aus Straßburg, mit welchen er mehr als 
ein Dugend Folianten für Seiftliche und Juriſten drudte, Darunter nament- 
lich ein in drei Binden 1500, 1501 und 1504 ausgegebenes „Corpus 
juris Canoniei cum glossis“. Das lette Bud, welches fie gemein: 
ichaftlich drudten, trägt das Datum des 8. März 15085; das erjte von 
Rembolt allein ausgegebene „Bruno in Epistolas Pauli“ erſchien 1509. 
Diejer verband fich im Januar 1510 mit Johann Waterloes; fie führten 
ihr Gejchäft im Haufe „Der Hahn und die Elſter“ fort, das fie in 
„Goldene Sonne“ umtauften, offenbar, um fich deren Kundſchaft zu er- 
halten. 17 

Bei der Bedeutung des parifer Büchermarfts für die ganze gebilvete 
europäiſche Welt war eine Konkurrenz natürlich nicht lange ausgeblieben. 
Schon 1473 errichteten zwei deutſche Studierende, Peter Caeſaris Keyſers) 
und Johann Stoll, im Haufe zum „Follis viridis“ (Soufflet vert, Grüner 


Kapitel] Paris: Die übrigen deutichen Druder. Die Druderdynaftien. 199 


Blajebalg), zwijchen den St. Benediktinern und Jakobinern, eine nette 
Druderei, welche ganz ungejcheut das nachdruckte, was Kranz, Freiburger 
und Sering ein Jahr vorher gebracht hatten. Ihre Thätigkeit füllt zwi— 
ichen die Jahre 1474 und 1480 und umfaßt nach franzöfiichen Angaben 21, 
nab Panzer aber nur 19 verſchiedene Werfe, davon 14 in Folio und 
Din Quart. Darumter befinden fich nicht weniger als 11 Ciceronianijche 
Schriften und drei römische Schriftiteller, nämlich Salluft, Seneca und 
Valerius Marimus, aber fein Dichter. 5 Keyſers ftarb im Jahre 1509. 
Bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts zählte Paris 66 Drudereien, 
darunter neun ausjchließlich von Deutjchen begründete, wie 3. B. aufer 
den bereits genannten die Druder Georg Mittelhaus aus Straßburg 
1484), Johann Digman (1484), Wolfgang Hopilius (Hopyl), 1490, 
Johann Philipp aus Kreuznach (1494), Anton von Nidel (1497), Thiel- 
mann Kerver aus Koblenz (1498) und Nikolaus Wolf, Yutrienfis (1500)? 
Unter den Setzern und Drudern der verjchiedenen Offizinen müſſen fich 
natürlich mehrere hundert Deutjche befunden haben. Genug, Deutjche 
bürgerten die Kunſt in Paris ein und brachten fie dort zur Blüte, 
Ebenſo tief eingreifend in die franzöfiichen Buchdrucks- und Verlags— 
verhältniffe erwies fich in der Folge auch die Verbindung der großen 
deutichen und franzöfiihen Druderdynaftien. Sp verheiratete fich der, 
jeinen &ejellichafter Gering um acht Jahre überlebende Berthold Rem: 
beit, etwa zu Anfang des Jahrhunderts, mit Charlotte Guillard, welche 
in der Schule ihres Mannes bald eine ausgezeichnete Druderin wurde 
und die Kunst faft ein halbes Jahrhundert, bis zu ihrem 1566 erfolgten 
Tode, ausübte. Im zweiter Che heiratete fie 1520 einen nicht minder 
bedeutenden franzöfiichen Druder, Claude Chevallon, der aber auch vor 
ihr (1542) ſtarb. Von da an bis zu ihrem Ableben gab Frau Char: 
lotte ihre hervorragendſten Drude heraus: eine lateinische Bibel und die 
Kirchenväter Gregor, Hieronymus, Chryſoſtomus, Bafilius, Auguftin 
und Drigenes, in lateinischer Sprache natürlich, aber mit griechiichen 
und hebräiſchen Verweiſungen.““ Ein Deutjcher, jagt Mappen, führte 
die Buchdruckerkunſt in Frankreich ein, und die franzöfiiche Frau eines 
Deutſchen entiwidelte fie zur böchiten Blüte. Der in yon eingewanderte 
und 1498 daſelbſt geitorbene deutſche Druder Johann Trechſel verhei— 
ratete jeine Tochter Thalia an feinen Korrektor, ven frühern Profeſſor 
der parifer Univerfität, den Belgier Joſſe Bade (Badius) aus Ajche, 


200 Die Druderdynaftien. Lyon und jeine Handelsbeziehungen. [Drittes 


einen Schüler der „Brüder vom gemeinjamen Yeben‘, der bei jeinem ge- 
fehrten Zeitgenoffen Gaguin librorum imprimendorum diligentissi- 
mus admodum castigator heißt. Badius fievelte bald nah Paris 
über, errichtete dort 1495 eine eigene Druderei und verlegte bis an 
feinen 1535 erfolgten Tod an 400 Werfe, darunter eine große Zahl 
griechijcher und römiſcher, von ihm ſelbſt vecenfierter Klaffiter. Trechſel 
hatte der jpätern Frau Babius den Namen einer der neun Mufen ge: 
geben, gleichjam um dadurch feine Hoffnungen für die Richtung ihres 
fpätern Lebens anzudeuten. Sie entiprad den in fie gejeßten Erwar— 
tungen vollauf und zeichnete fich, herangewachien, durch Gelehrſamkeit und 
feine Bildung aus?! Die aus der Badiusſchen Ehe hervorgegangenen 
drei Töchter heirateten wieder drei der bedeutendſten franzöfiichen Buch- 
pruder und Verleger ihrer Zeit, und zwar die ältejte, Perrette, den be- 
rühmten Robert Etienne (Stephanus, geitorben 1559), Katharina ven 
Michael Bascofan (geftorben 1576) und Johanna den Johann von Roigny. 
Perrette war noch hervorragender als ihre Mutter und nicht allein eine 
vortreffliche Frau und Gattin, ſondern auch eine hochgebildete, des Yatei- 
nischen mächtige Kennerin der Elaffiichen Yitteratur. Perrette's Sohn iſt 
Henri Etienne (Henricus Stephanus, geboren 1532, gejtorben 1508), 
der gelehrte Verfaffer und Verleger des „Thesaurus Linguae Graecae”. 
Vorzugsweije den Verbindungen jo bedeutender deutſcher und franzöfi- 
cher Druderfamilien und ihrer raftlojen, ſowohl gejchäftlichen als geiftigen 
Thätigkeit verdankt denn auch Frankreich während des ganzen 16. Jahre 
hunderts jeine hervorragende Bedeutung in der Gejchichte des Buchdrucks 
und des Buchhandels. ?? 

Damals war aber noch nicht, wie jpäter, das geijtige Yeben des Lan— 
des in Paris konzentriert; im Süden blühte namentlich die große Han— 
delsſtadt Lyon als buchhändlerifcher und wiffenjchaftlicher Mittelpunft 
nicht allein für dieſen Teil Frankreichs, jondern auch für Die angrenzen- 
den Bölfer des Mittelmeeres bis tief nach Spanien hinein. Schon jeit 
Ende des 14. Jahrhunderts hatte das alte Lugdunum eine wichtige und 
bleibende Niederlage für die augsburger und nürnberger Kaufleute ge- 
bildet; fie gründeten bier bald jelbjtändige Gejchäfte oder Filialen und 
fanden in ihnen jpäter einen Hauptſtützpunkt bei ihrem Vordringen nach 
Spanien und Portugal. Die Weljer hatten dort 3. B. 1498 eine jehr 
bedeutende Faktorei, an deren Spite ein geborener Augsburger, Nareiß 


Kapitel.) Lyon: Deutihe Druder daſelbſt. Johann Neumeifter. 201 


Yauginger, ftand.?? Reiſende und Warenzüge zwijchen Nürnberg, Auge: 
burg und Yiffabon bewegten fich geraden Wegs über Lyon, deſſen Verbin: 
dungen mit dem Innern und mit Italien feine Bedeutung als eines ber 
größten europäischen Handelsplätze noch erhöhten. 

Natürlich hatten ſich alfo, wie bereits angedeutet, die Blide der deut: 
ſchen Druder auf dieſen wichtigen Gentralpunft gerichtet; fie fanden in 
ihm jelber ein verſtändnisvolles Entgegenfommen vor. Ein reicher Lyo— 
nejer, Bartholomäus Buyer, war e8, der einen Jünger Gutenbergs, 
Wilhelm Regis (Könige), nach Lyon kommen und von ihm in feinem 
eigenen Hauſe eine Druderei einrichten lieh. Königs (1472 bis 1488) 
brucdte bier im Jahre 1473 als fein erjtes Buch das „Compendium 
breve‘ des Kardinals Yothar (des jpätern Papſtes Innocenz IIL). Er 
fand ſchnell Nachfolger unter ven Wanpverluftigen. Schon in ben fieb- 
jiger und achtziger Jahren finden fich unter ven jelbjtändigen Drudern 
Lyons, ihrer zahlreichen Gehilfen und der andern Hilfsarbeiter des Buch- 
gewerbes nicht zu gedenfen, die Deutjchen Nikolaus Philipp Piftoris aus 
Bensheim (1477 bis 1488), Mathias Hus oder Huß aus Bottwar in 
Schwaben, zu derjelben Zeit und jpäter Martin Huf, welch erjterer fich 
mit Johann Schmidt (Faber) affoctierte, Johann Clayn oder Klein, ge: 
nannt der Schwab, aus Ulm (1479 bis 1490), Sirtus Glogfengießer 
aus Nördlingen (1480), Johann Syber, Siber oder Ciber (1482), der 
auch eine Zeit lang mit Martin Huß zufammen arbeitete, wie dies ebenfo 
Johann Schabeller oder Scabeler that, dev gewöhnlich der Battenfchnee 
(1484) aus Bajel genannt wird, Johann Trechjel (1488), Michael Tobtä 
aus Pyrmont (1488), Yazarıs David Großhofer (1489), Peter Martin 
(1489), Johann Schmidt (Sean Faber, 1489), Johann Herrenbed (1489), 
Engelhard Schults (1491), Reinhard aus Straßburg (1491), Michel 
aus Baſel (1494 und 1495), Peter Schend (1495 bis 1499) und Nito- 
laus Wolf (Yupus oder Yupi, 1497). 

Unter den jchlieglich nach Lyon gelangten Drudern befand fich nun 
auch Johann Neumeifter. Der Wandertrieb ſchien ihn zu beherrichen; 
er hatte jich, wie bereits erwähnt, von Bajel aus von neuem auf die 
Wanderung begeben, auf der er zahlreichen Buchhändlern, welche ihre 
Preßerzeugniſſe vorteilhaft verkauften, begegnete. Im Verlauf dieſes 
Herumjchweifens machte er in Albi einen längern Halt. Hier, in einer 
reihen Stadt, dem Site eines Biſchofs und mehrerer Schulen, jchienen 


202 Johann Nenmeifter in Südfranfreih und in Lyon. Drittes 


die Verhältniſſe günſtig zu liegen. Er begann bier feine Thätigleit, 
wenn nicht jchon 1480, jo doch bejtimmt im Jahre 1481 und blieb bis 
1484. Mit nur geringen Mitteln verjehen, brauchte er eine ziemliche 
Zeit, um feine beiden erjten Drude, die „Epistolae Aeneae Silvii de 
Amoris Remedio“, ein Büchlein von nur acht Blättern, und die „His- 
toria septem Sapientum”, eine Schrift von 48 Eeiten in Doppel: 
ipalten, zu vollenden. Um fich der Geiftlichkeit gegenüber zu fichern, 
erklärte ev am Schluffe als feinen Zwed bei der Herausgabe des zulett 
genannten Werks: „Zur Verbefferung der Sitten der Männer und 
rauen“ Das dritte Erzeugnis der Neumeifterjchen Preſſe in Albi 
find bie „Meditationes Cardinalis Joannis de Turrecremata“, welche 
Ausgabe, am 17. November 1481 vollendet, mit fajt allen Sticben Des 
mainzer Druds von 1479 verjehen ift. Sein vierter und letzter Drud, 
welcher Albi als Drudort angibt und Ende 1483 oder ſpäteſtens An— 
fang 1484 erjchien: „Ordo missalis secundum usum Romanae Ec- 
clesiae‘, enthält 304 zweiipaltige Seiten in Folio und iſt ein Meifter: 
werf der Kunſt; e8 erinnert namentlich in feinen jchönen gotischen Typen 
an die mainzer Schule. Das Miffnle fand in Lyon, wie auch im ganzen 
ſüdlichen Franfreich, eine gute Aufnahme, weil c8 die dort im Gebrauch 
befindliche Gregorianiſche Yiturgie, d. h. den uralten römiſchen Ritus, 
abdruckte.“ Aber dem armen Neumeifter, ſelbſt won feinem Gönner, 
dem Biichof Youis von Amboiſe, im Stich gelaffen, entging auch jett 
wieder der chrlich verdiente Gewinn Schon 1485 bracdte Mathias 
Huß in Lyon, duch den guten Abgang dev Ausgabe verlodt, einen 
Nachdruck. 

Neumeiſter ſtand nach vierjährigem fleißigen Schaffen neuen Nahrungs— 
ſorgen gegenüber; in Lyon, das er wohl von Anfang an im Auge behalten 
hatte und wo er nun vom Jahre 1485 an feine Thätigfeit fortjekt, 
hoffte er eine bleibende Stätte zu finden. Der Erzbiſchof diefer Stadt, 
Kardinal Karl von Bourbon, ein Mäcen der Wiffenjchaft, Freund des 
Kardinals Beffarion und Gönner Wilhelm Fichets, gab ibm den Auf: 
trag, eine neue Ausgabe des „Missale Ecclesiae Lugdunensis“ ber- 
zuftellen. „Gedruckt“, heißt es in der Schlufjchrift, „auf Befehl des 
Kardinals Karl von Bourbon, im Jahre 1487 von Johann von Mainz, 
auch Jehan von Albi genannt.“ Das Werk erjchien 1487, zweiipaltig 
in Folio, mit großer gotischer Schrift gedruckt. Die Ausführung ift 


Kapitel.) Lyon: Johann Neumeifter, Die Filiale der Koberger. 203 


ven jolcher Volltommenheit und Pracht, daß fie heute noch die Be: 
wunderung aller Kenner erregt. Karl von Bourbon ftarb zwar jehon 
im nächiten Jahre, aber Neumeiſter fand ſofort in Angelo Gattho, Erz: 
biichef und Graf von Vienne in der Dauphine, einen ‚neuen Gönner, 
weiber 1489 auf feine Koften das Breviarium der Vienner Diöceje bei 
ibm druden lief. Fortan behielt Neumeifter feinen feiten Wohnfis in 
non; im Jahre 1495 drudte er für den Bijchof Nikolaus Maugras 
das Miffnle von Uzess. Aber feine Yage muß ſchon damals wieder eine 
jebr ürmliche gewefen fein, denn er nahm nach dem Tode des ihm wohl: 
wollenden Erzbifchofs Cattho einen Gejelljchafter in der Perjon des be- 
reits erwähnten Michael Tobiä aus Pyrmont (franzöfiich verunftaltet 
in Topie, auch Toupier und Touprier), um mit deſſen Hilfe neue Typen 
für den Drud und die Beendigung des Miffale zu beichaffen. Dieſes 
verrät im feiner Austattung ſchon eine gewiſſe Ärmlichkeit der Mittel 
und ſteht bedeutend hinter den beiden ihm vworaufgebenden Druden 
zurück. In der Folge ſcheint ſich Neumeifters äußere Yage immer mehr 
verjchlimmert zu haben. Im Jahre 1498 bemerkt der ftädtifche Steuer: 
einnebmer vem Namen Johann von Albi gegenüber: „Arm“ und zieht 
feine Steuern von ihm ein; Neumeifter muR fogar feine Selbſtändigkeit 
aufgeben und als Gehilfe in das Gejchäft feines chemaligen Partners 
Tobiä eintreten. Im Jahre 1503 wird er im Verzeichnis der Kin: 
wohner Lyons zwar wieder als Meifter geführt; allein ſchon im folgen: 
den Jahre kennt ihn die Steuerlifte als jolchen nicht mehr. Zuletzt er: 
jcbeint fein Name in einem Berzeichnis von 1507, dann verjchwindet 
jede Spur von ihm. Neumeifter muß bochbetagt 1507 oder 1508 ge: 
itorben jein. 

In der Stadt yon waren bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts nicht 
weniger ald 40 Drudereien in Thätigkeit, aus welchen viele hundert 
Werke hervorgegangen und jogar noch 250 auf die Gegenwart gelangt 
find. Anton Koberger in Nürnberg hatte ſchon in den neunziger 
Jahren eine Filialbuchhandlung in Yyon errichtet und jtellte jeinen Neffen 
Johannes an deren Spike. Wie in andern großen Drudereien, jo lieh 
er auch in Lyon auf Beitellung druden: jo 1509 bis 1513 drei Werfe: 
bei 3. Zucon (2) und I. Glein (1). Seine Nachfolger Johannes und 
Anten junior folgten 1514 bis 1520 mit 7, rejp. 1515 bis 1522 mit 
11 Nummern bei den beiden genannten Drudern, fowie bei B. Lescuyer 


204 Lyons Buchhandel im 16, Jahrhundert. [Drittes 


und 3. Marion. ?° Die lyoneſer Drude zeichneten fich von Anfang an 
durch ſchöne Ausjtattung und forgfältige Korrektur aus, ſodaß e8 ihnen 
fogar fpäter gelang, die Käufer der Aldiniſchen Ausgaben zu täufchen. 
Es ift auch beachtensiwert und jedenfalls eine Folge der engen gejchäft- 
lichen Beziehungen zu Deutjchland, daß der Gebrauch der Antiquafjchrift, 
zu dem ja alle romanischen Völker jehr ſchnell übergingen, in ven Iyo- 
nejer Drudereien erjt jehr jpät, nach der Mitte des 16. Jahrhunderts, 
zu volfer Herrichaft gelangte. Lyons kaufmännische Meſſen zogen Danvels: 
leute aus ganz Europa an, die fich bier auch mit den neuejten Erſchei— 
nungen des Buchhandels verjahen. Mit einziger Ausnahme von Be: 
nedig war Lyon der größte Büchermarft für das ganze ſüdliche Europa. 
Andererjeitd gehörten die Inonejer Verleger ſchon früh zu dem regel: 
mäßigen Bejuchern der franffurter Buchhändlermefjen und führten von 
dort aus die neu erjchienenen Litterarifchen Erzeugniſſe bei fich ein, ſodaß 
Buchdruck reſp. Verlag und Buchhandel einander ergänzten und fich zu 
hoher Blüte entwicelten, eine Blüte, die fich auch während des ganzen 
16. Jahrhunderts erhielt. Das deutjche Haus Trechjel, welches jchon 1487 
ben erjten Band der Werfe des heiligen Auguftin gedruckt hatte, verlegte 
auch einzelne Werfe des auf Betreiben Calvins 1553 in Genf verbrann: 
ten Michael Servet. Der große deutjche Verleger Sebaftian Gryphius 
(Sreiff), Bruder des bis 1540 in Paris drudenden Franz Gryphius, 
ließ ſich 1528 in Lyon nieder, fing feine Thätigfeit mit einem Gebet: 
buch in hebräiſcher, griechifcher umd lateinischer Sprache an und ſchloß 
jie 1556 mit einer Ausgabe des Terenz. Maittaire ſchätzt die Zahl ver 
von 1528 bis 1547 von ihm ausgegangenen Drude auf 300. Gryphius 
verlegte unter anderm auch eine, wenn nicht mehrere Schriften für den 
gelehrten lyoneſer Buchdrucker Stephan Dolet, der 1546 als Ketzer in 
Paris verbrannt wurde. Jean, der erjte Chef ver großen, 240 Jahre 
blühenden Buchhänplerfamilie de Tournes (von 1540 bis 1585 in vLyon 
und bis 1780 in Genf thätig), bejtand feine Yehre bei genanntem Se: 
baftian, deſſen Sohn Anton noch 1580 zu den bervorragenpiten Wer: 
legern Lyons zählte. Kurz, überall zeigen fich hier deutjche mittelbare 
und unmittelbare Einwirkungen, und e8 dauert jeit der erſten Einwande— 
rung deutjcher Druder mehr als ein volles Jahrhundert, bis der Buch— 
handel Yyons feinen jpeziftfch nationalen Charakter gewinnt. Die Einzel- 
heiten dieſer Entwidelung gehören aber jelbitredend nicht hierher. 


Kapitel] Rouen. Tours. 205 


Bon ven übrigen franzöfiihen Städten ift während des ganzen 
15. Jahrhunderts nur wenig und auch im 16. verhältnismäßig nicht 
viel zu berichten. In Troyhyes, in dejjen Nähe fich viele Bapierfabrifen 
befanden, wurde das erjte Buch, ein Breviarium, 1483 ohne den Namen 
des Druders geprudt; in Rouen führte eine vornehme deutjche Familie 
von Marneff, deren Glieder jchlechtweg vL'Allemand genannt werben und 
jpäter jib auch an andern Orten einbürgerten, im Jahre 1494 vie 
Druckerkunſt ein. Sie nahm nämlich einen gejchicten Techniker, Martin 
Morin, unter ihren befondern Schuß, ließ ihn in Paris und Deutjch- 
land ausbilden und verjah ihn mach feiner Rückkehr mit einer vollſtändig 
eingerichteten Buchdruckerei. Er entwidelte eine erfolgreiche Thätigfeit 
und bilvete in der Folge eine gute Schule von Sebern.?? Ein anderer 
beteutender Druder aus Rouen war Peter Manfer, den die Marneffs, 
wie es hieß, ebenfalls auf ihre Koften ausbilden ließen. Gr arbeitete 
von 1474 bis 1477 in Papua, 1480 in Verona, 1483 in Venedig und 
1491 in Modena. Ein dritter, Wilhelm Signere, drudte 1496 „Fran- 
chini Garfurii Practica Musicae” in Folio und 1498 „Caelius Api- 
cius de Re Coquinaria” in Quart. In Tours, welches heutzutage zu 
den beveutenpften Drudorten Frankreichs zählt, erjchien zwar auch ſchon 
1485 ein „Missale Turonense“; invejjen ift es fraglich, ob es bier 
auch gedruckt ward. Es fehlt nämlich ver Name des Druders, und zu 
derjelben Zeit taucht auch in der benachbarten Diöceſe Chartres ein mit 
denjelben Typen zwei Jahre früher hergejtelltes Miſſale auf. Der erfte 
namentlich befanmte Druder in Tours ift dagegen Simon Porcelet, ver 
1494 mit einem Breviarium der Kirche St. Martin in Tours bervor- 
trat.2° Gr verjchwindet aber jehr bald, und wenn er auch die Kunſt 
in Tours eingeführt haben mag, jo bildete Mathias Latherac (1492 bis 
1521) fie doch erjt aus. Im Jahre 1496 drudte er „Die Wunder des 
heiligen Martin” für ven Buchhändler Iohann aus Püttich, Chef der 
Familie Marneff, und 1497 ven „Manipulus Curatorum“. Das 
16. Jahrhundert mit jeinen Bürgerfriegen legte die faſt ausjchließlich 
tbeofogiiche Schriften liefernde Druderthätigfeit von Tours fo ziemlich 
lahm, böchjtens verdient noch Johann Rouſſet (1535 bis 1562) genannt 
zu werden. Bon ven beiden bedeutendſten Handelsſtädten Franfreichs 
aber erhielt Bordeaux feine erfte Preffe nicht früher als 1529 und Mar— 
jeille jogar erft im Jahre 1594. 


206 Einführung in Spanien. Balencia. [Drittes 


In Spanien bürgerte fich die neue Kunſt verhältnismäßig erjt jpät 
ein amd erreichte auch in ver Folgezeit trotzdem, daß bier manche Flajfijche 
Werfe geprudt wurden, feine irgendiwie bemerfenswerte Höhe. Als der 
Buchdruck jich weiter zu verbreiten begann, ftanden die Kämpfe mit den 
Mauren im Vordergrunde, dann ward die ganze Nation jahrzehntelang 
von den transatlantiichen Entdeckungen berauſcht und vergendete ihre 
bejte Kraft in ver Suche nach den amerikanischen Schäßen, oder in ver 
Ausbeutung jener. Zu gleicher Zeit aber, und jpäter, jorgte die Inqui— 
jition dafür, daß alles, was nicht im blinden Gehorjam gegen Rom 
erjtarb, zum Schweigen gebracht wırde. Die Jünger Gutenberg fanden 
auch ihren Weg nicht jofort in die Hauptſtadt des Yandes, jondern zogen 
erſt von der Peripherie aus, von den öſtlichen Seeſtädten und den äußer- 
iten Grenzen nah Madrid. Der Umjtand, daß 1494 und 1499 ver 
Drud föniglicher Orvonnanzen und Geſetze von bier aus befohlen wurde, 
jpricht durchaus nicht unbedingt für die Hauptſtadt als Drudort; jene 
Sammlungen fünnen ebenjo gut in Sevilla hergejtellt fein, wo fich ver 
Hof damals aufbielt, und wo es ſchon jeit 1477 eine Druderei gab. 
Das erjte nachweisbare, Madrid angehörige Buch mit dem Namen des 
Druders ſtammt aus ven Jahre 1528. Es war „Juliani Caesaris in 
Regem Solem ad Sallustium Panegyricus, Madriti apud Petrum 
Tazo.“ 

Valencia dagegen erhielt bereits 1474 die erſten Preſſen. In 
dieſem Jahre veröffentlichte hier „der Cavalier von altem Adel“ und 
Kanonikus Don Bernhard Fenollar eine Sammlung von 36 Gedichten 
zu Ehren der unbefleckten Empfängnis Mariä, von denen eins in caſti— 
lianiſcher Mundart, vier in italieniſcher Sprache und die übrigen 31 in 
limuſaniſchem Dialekte gejchrieben find. Der Name des Druckers iſt 
nicht angegeben, ver Titel jelbjt lautet: „Certamen poeticli en Lohor 
de la Concecio, Les Obres ö Probes davall escrites, les quals 
tracten de Lohor de la Sacratissima Verge Maria. En Valen- 
cia 1474”, in Quart.?? Ebenfalls ohne Namen des Druders folgten 
1475 die Werte Sallufts; erſt die „Biblia Sacra sermone Valentino 
reddita“, auf Koſten des Kaufmanns Bhilipp Vizlant aus JIsny in 
Oberdeutſchland bergeftellt, nennt als Druder Meifter Alfred Fernandez 
de Gordova und Meifter Yambert Palomar (er hieß Palmart), Magiſter 
der Künſte aus Dentjchland. Was der berühmte jpanijche Aſtronom 


Kapitel.) Deutihe Druder in Spanien. 207 


bet dent Drud zu thun hatte, ijt unanfgeflärt; jedenfalls aber jtebt feit, 
dag ein jchwäbifcher Kaufmann die Koften der von einem andern Deut- 
ſchen bergejtellten Ausgabe bezahfte. Begonnen im Februar 1477, ward 
dieje Bibel im März 1475 vollendet; nur ihre vier legten Blätter find 
in einem einzigen Eremplar im Dom von Balencia entdedt worden. 
Es jcheint, daß die Auflage auf Befehl der geiftlichen Obern vernichtet 
wurde, wie zu erjehen, mit gründlichen Grfolg. Bis zum Jahre 1500 
folgten auf Valencia im den verjcbievenen Teilen des Yandes noch 
20 Drudereien. Abgeſehen von den Fleinern Städten, wo die Kunſt 
nur vorübergehend Fur faßte, find zu nennen: Barcelona und Sara- 
goſſa 1475, Yeriva 1479, Salamanca 1481, Sevilla 1485, Burgos 
1485, Tolula 1486, Toloja 1489, Balladolid 1493, Granada 1496 
und Tarragona 1498. Überall waren es deutjche Drucker, welche die 
Kunſt einführten; nicht allein ihre Namen, auch der Schnitt ihrer (goti- 
ihen) Typen, welde bis 1520 ausjchlieffih in Spanien in Gebrauch 
blieben, beweijen dieje Thatjache. Von der Yinde führt ?° eine lange 
Reihe von Nieverlindern, deren Heimat damals noch zum Deutjchen 
Reiche gehörte, und von Norddeutſchen an, welche in Spanien ihre 
Kunſt ausübten. Die fpanijchen Quellen nennen unter andern folgende 
Deutjche als die Männer, welche die Kunft zuerjt dort eingeführt oder 
mit Zuzichung der Yandesangehörigen fortgebilvet haben: den ſchon er- 
wähnten Yambert Palmart, gewöhnlich mit dem Zuſatz „ver Deutjche” 
(1478 bis 1486), Peter Hagenbach (1493), Yeonhard Hut (1495) und 
Chriſtoph Kaufmann aus Bajel (1500), ſämtlich in Valencia; Nikolaus 
Spindler aus Zwidau (1478), Johann Gerling (1478), Johann Roſen— 
bach aus Heidelberg (1492), Gerold Preuß und Johann Luſchner aus 
Yichtenberg (1495) in Barcelona; Michael aus Flandern (1475), Johann 
Hurns aus Konftanz (1489), Paul Hurus (1492), Georg Koch, Leon— 
hard Hug und Wolf Appentegger „Germaniae nationis” in Saragoffa; 
Heinrich Botel aus Sachſen (1479 bis 1495) in Lerida; Leonhard Ale- 
manıs, Wolf Sanz (1481) und jpäter Hans Gießer aus Siligeftat 
(Zeligenjtadt) in Salamanca; Johann Paris aus Heidelberg und Stephan 
Clebatt (Kleeblatt, 1439) in Toloja; Johann von Köln und drei Ge— 
nojjen in Sevilla, nämlich: Johann Pegniger aus Nürnberg, Jakob 
Magnus (Groß) und Johann Thomas (1492), quatro alemanes com- 
paneros, denen jchon ein Michael Dachauer vorhergeht und denen dort 


208 Die Complutenſiſche Polyglotte. Columbus als Buchhändler. [Drittes 


als bedeutendſter Vertreter der Kunft Jakob Cromberger folgt ?!; Fried— 
rich Biel aus Bafel, von den Spaniern Maeftro Fadrique Aleman ge- 
nannt (1485) in Burgos; Maeftro PYope de Ta Noca (Aleman) — Wolf 
vom Stein? — (1487) in Murcia; Meinhard Ungut und Johann von 
Nürnberg (1496) in Granada, zu denen Jakob Groß (Magnus) aus 
Straßburg, Iohann aus Speyer und Jodocus aus Gerlichshofen fommen, 
— endlich (1498) Johann Roſenbach aus Heidelberg in Tarragona. 

Troß dieſes zahlreichen Einftrömens vdentjcher Künftler war die 
Drudertbätigfeit in Spanien nie bedeutend. Die geiftliche Cenſur laſtete 
zu jchwer; faum irgendwo in der ganzen Welt iſt es derſelben jo gut 
gelungen, Schriften, die in großen Auflagen gedruckt waren, ganz oder 
bis auf wenige Gremplare zu vernichten. Wiffenjchaft und Gelehrjam- 
feit wurden nur jo weit in Ehren gehalten, als fie der Kirche dienten 
oder ihr wenigjtens nicht feindlich gegenübertraten. So fam es denn 
auch, daß ſpaniſche Gelehrte jpäter häufig in Paris oder bei Plantin 
und deffen Nachfolgern in Antwerpen druden ließen. Die inländijchen 
Druckereien beſchränkten fich meift auf Andachts- und Gebetbücher, In- 
dulgenzbriefe und amtliche Veröffentlichungen. 

Eine Ausnahme, und zwar eine glänzende, bildet allerdings die jo- 
genannte „Complutenſiſche Polyglotte‘‘, welche von 1514 bis 1517 in 
Alcala de Henares (Complutum) herausgegeben wurde. 3? Der Kardinal 
Franz Ximenes de Cisneros, Minifter Ferdinands des Katholiichen, ließ 
fie neben einer Anzahl won Klaffifern zum Gebrauch für die Studieren- 
den auf der dort 1499 von ihm begründeten Univerfitit von Wilhelm 
de Brocar in jechs Foliobinden druden. Sie ftellt eins der pracht- 
volljten Erzeugnijfe damaliger Zeit dar und verurjachte einen Koſten— 
aufwand von etwa 50000 Golpfronen. Zu ihrer Vollendung waren 
15 Jahre erforverlih. Anfangs beanftandete Papft Yeo X. die all— 
gemeine Verbreitung und geftattete fie erft am 22. Mär; 1520; vie 
Übergabe des Werks in den Verfehr ſelbſt erfolgte jedoch ert im Jahre 
1522. 

Ein größeres Intereffe aber als dieſe Fojtbare Bibelausgabe bietet 
die Thatjache, daß fein Geringerer als Chriftoph Columbus eine Zeit 
lang dem ſpaniſchen Buchhandel angehört hat. In feinem Leben Tiegt 
die Zeit von 1484 bis 1486 ziemlich im Dunfeln. Wie Herrera an- 
gibt, wandte er fich im erjtgenannten Jahre von Portugal nach Spanien, 


Kapitel.) Portugal: Die eriten jüdiſchen Druder. 209 


trat aber bier erjt am 6. Januar 1486 in die Dienfte des Könige. 
Es fragt ſich nun, was er in der Zwijchenzeit getrieben bat? Der 
initere Entdeder genoß während dieſer Periode die Gaftfreundjchaft des 
Herzogs von Medina-Coeli in der Stadt Cogolludo. Kin Palaftgeift- 
liber des jpanifchen Königs, Andreas Bernaldes, berichtet num aus dieſer 
Zeit von ihm’: „Es war da ein Manır aus den genuefischen Landen, 
Hänpler mit gedrudten Büchern, welcher bier in Andaluſien feine Waren 
feilbot und welcher Chriſtoph Columbus hieß.” Der Ausorud „in An- 
dalufien feilbot‘ jpricht dafür, daß Columbus im Yande berummgezogen 
jein muß, um etwas bares Geld zu verdienen. Freie Wohnung batte 
er zwar in Cogolludo im Palaft des Herzogs, allein für feine übrigen 
Bedürfniſſe mußte er jelbit jorgen. Es Liegt aljo die Schluffolgerung 
nahe, daß ver Entdecker Amerikas einer ver erjten Kolporteure war. 
Die Vorliebe für Bücher fcheint fich übrigens vom Vater auf den Sohn 
vererbt zur haben, denn Ferdinand Columbus gründete eine Bibliothek 
von 12000 Bänten, die Columbina, welche er dem Dominifanerflofter 
Zan Pablo in Sevilla vermachte und regelmäßig durch Anfäufe in 
ſechs, teftamentarisch nambaft gemachten Stäpten ergänzen lie. 

Portugal erhielt jeine erſte Druderei auch nicht früher als in den 
achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts. Bon ibm ift kaum etwas an- 
deres, ja noch weniger ald von den jpanifchen Yeiftungen zu jagen. 
Während in Spanien die Deutjchen die neue Kunſt einführten und jeden 
damit befannt machten, der fie erlernen wollte, waren in Portugal die 
gelebrten Juden die Vermittler, welche jedoch, um fich ein Monopol zu 
fihern, ihre Kenntniffe jehr geheimbielten. ’* 

Wenn fich Yeiria im portugiefiichen Eſtremadura auch rühmt, nach 
Mainz die vierte Stadt der Welt gewejen zu fein, wo die Buchdruder- 
hinft Eingang gefunden habe, jo ſteht thatjächlich doch nur fo viel feit, 
daß Magijter Hortas 1484 in Yeiria den „Almanach perpetuus ecele- 
siasticus Astronomi Zacuti” als vie ältejte portugiefiiche Inkunabel 
drudte. Ihm folgten Rabban Eliezer und Sammel Zorba zu Yiffabon 
mit dem „Sepher Orach Chaim” (1485), einem Kommentar zum Pen- 
tateuch (1489), dann mit dem Text des Pentateuch (1491), jchlieklich 
mit „Sepher Thephiloth”“ (1495). Um für ven Druch chriftlicher 
Werke nicht anf jüdiſche Hände angewiejen zu fein, lieh die Königin 
Yeonore, Gemahlin Johanns II, aus Deutjchland die Druder Valentin 

app. I. 14 


210 Liſſabon: Valentin Fernandes und die deutſchen Druder. [Drittes 


von Mähren und Nikolaus von Sachſen nach Portugal fommen. Jener, 
fenntnisreih und des Yateinischen mächtig, nannte ficb auch Valentin 
Fernandes, mit dem Zujag Alemäo (Deutjcher), oder fpäter einfach Va— 
(entin ber Deutſche. Selbſt Schriftiteller, war er zugleich Sefretär des 
Königs Dom Mannel für deffen lateinische Korrejpondenz und Notar 
der deutſchen Kaufleute zu Liſſabon, welche ihre Gefchäftsbriefe und 
Kontrafte in lateinischer Sprache abzufaffen pflegten. Ob auch Johann 
Gerling, welcher 1494 zu Braga im Auftrag des erzbiichöflichen Dom- 
fapitels das „Breviarium Brachariensis ecclesiae” druckte, auf Ber- 
anlaffung der Königin einwanderte oder einer jener vielen fahrenden Ge— 
jellen ift, welche die neue Kunſt aus den deutſchen Werftätten nach den 
ſüdeuropäiſchen Ländern trugen, läßt fich nicht beftimmen. Wahrjcheinlich 
aber ift er verjelbe, welcher ſchon 1478 in Barcelona thätig war. 

Valentin Fernandes arbeitete von 1495 bis 1513 in Yiffaben als 
Druder und fand für jeine Preffe um jo mehr Arbeit, als das Dezember- 
Dekret des Jahres 1496, das alle Nichtehriften unter Todesſtrafe aus 
dem Pande wies, Die jüdijche Konkurrenz befeitigte. Überdies fam die 
Erfindung Gutenbergs nach Portugal zu gelegener Stunde. Dom Ma- 
nmel plante die Erjeßung der Rechtsordnungen Dom Affonjo's durch 
einen neuen Goder; der rafch wachjende Handelsverfehr und die tolonial- 
verwaltung erforderten manche gejeßliche Beftimmungen, Hafenordnungen, 
Zolltarife u. ſ. w, und die in den Kolonien mit Erfolg betriebene Miffions- 
thätigfeit machte das Bedürfnis nach einer zur Maffenverbreitung ge- 
eigneten Darftellung der chriftlichen Yehre fühlbar. Che Balentin Fer— 
nandes biejen praftijchen Aufgaben diente, drudte er eine Anzahl Werte, 
die der Königin Peonore bejonders ans Herz gewachien waren. 

So vollendete er in Gemeinjchaft mit Nikolaus aus Sacjen 1495 
die „Vita Christi” des Kartäuſermönchs Ludolf, und, aufer einigen 
Novellen, 1502 auch eine von ihm felbft beforgte Überſetzung der Reifen 
des Marco Polo. Diejen Arbeiten folgte der Drud von Gerichts— 
ordnungen, Katechismen, biblijchen Schriften und Gejegbüchern bis 1513, 
in welchen Jahre fein Name völlig verjchwindet, ohne daß ermittelt wäre, 
ob Tod, Rüdfehr in die Heimat, Aufgabe des Gejchäfts oder ander— 
weitige Gründe den plößlichen Abbruch feiner Arbeiten herbeigeführt haben. 

Im Jahre 1509 hatte fich zu Setuval an der Sadäomündung (vier Mei— 
len ſüdlich von Yılfabon) Hermann von Kempen niedergelaffen, der dort 


Kapitel.) Liffabon: Hermann von Kempen. Jakob Cromberger. 211 


jeine Druderthätigfeit in Portugal mit der Derausgabe der „Statuten 
des Ritterordend von Zantiago” begann. Später verlegte er jein Ge— 
ſchäft nach Yilfabon und drudte ale Hofbuchdrucker eine portugieſiſche 
Überjegung des „Flos Sanctorum“ (1513), dann bis 1516 zwei Re- 
gierungsverordnungen und das „Kompromiß der Miſericordia-Bruder— 
ſchaft“. Die „Regel des Ordens von Aviz” (1516) ift von Almeirim 
am linken Tajo-Ufer datiert, wohin Dom Manuel den deutſchen Druder 
ipeziell zur Bejorgung diefer Arbeit an jein Doflager berufen hatte. In 
jeiner erjten Yeiltung nennt fich der Druder Herman de Kempis, jpäter 
portugiejierte er nach dem Vorbilde der übrigen ausländiſchen Drucker 
jeinen Namen, und jchrieb fich Herman de Gampos oder Armäo de Cam— 
pos, durch den Zujaß Alemäo jeine Nationalität wahrend. 

Ungertrennlich ijt ver Name Hermanns von Kempen mit der portu- 
giefiichen Yitteratur durch den Druck des von Garcia de Reſende (1516) 
herausgegebenen „Cancioneiro Geral” verknüpft, des berühmten Yieder- 
buchs, das die Poefien von 275 böfifchen Dichtern enthält. Der Drud 
iſt ſauber und geſchmackvoll, gotifch, mit zwei Holzſchnitten geziert, die 
jih jofort durch Zeichnung und Ausführung als deutjche Arbeit kenn— 
zeichnen. Bon diefer Ausgabe find nur noch 12 Eremplare vorhanden 
und auch dieſe meijt verjtümmelt, da das Inguifitionstribunal die ihm 
mißfälligen Verſe durch Herausreißen ver betreffenden Blätter entfernen 
oder mittels Tinte auslöjchen lief. Seine letzte Arbeit gab Hermann 
von Kempen 1518 beraus. 

Da Valentin Fernandes aus unbekannten Gründen von 1505 ab 
anf längere Zeit unthätig blieb, hatte Dom Manuel dem jeit Anfang 
des Jahrhunderts in Sevilla etablierten Jakob Cromberger für die Her— 
ausgabe des neuen Geſetzbuchs Vorſchläge gemacht. Gromberger fam 
1508 nach Liſſabon und erhielt zunächſt ein Privileg ausgefertigt, das 
ihm und alfen andern fremden Buchdrudern, die fich in Portugal nieder: 
laſſen würden, in Anerfennung ihrer hoben Berdienfte um Staat und 
Kirche, den Titel „Nitter des königlichen Hauſes“ (cavalleiro da casa 
d’El-Rei) zuſprach. „Pferde und Wappenfnechte zu halten“, jagt das 
am 20. Februar 1508 erlajfene Dekret, „wie die Ordonnanz für die 
Ritter Unjeres königlichen Hauſes vorjchreibt, find die auslänpdijchen 
Druder bei Annahme des Titels nicht verbunden; dagegen müſſen fie 
ein Vermögen von mindejtens 2000 Dublonen Gold nachweiien.” Cha: 

14* 


212 Liſſabon: Jakob Eromberger. Johann Blavio von Köln. [Drittes 


rafteriftijch für den Zeitgeift it Die weitere Bedingung: daß Die fremden 
Buchdrucker „Altchriſten“ (christäos velhos) jeien, d. b. fie durften 
früher weder Juden, noch Mauren gewejen jein, noch in irgend welchem 
Verdacht der Härefie ftehen, „da andernfalls zu bejorgen ift, daß fie 
pure ihre Drucwerfe Irrlehren in Unſeren Yanden ausſtreuen“. Die 
Verhandlungen kamen damals zu feinem Abjchluß, wurden aber wieder 
aufgenommen, als c8 fich um eine zweite Auflage der „Ordenacöes do 
reino“ handelte. Jakob Cromberger bejorgte diejelbe 1521, und zwar 
wurden das erjte und das vierte Buch des Coder zu Evora, Die drei 
übrigen Bücher zu Yiffabon gedruckt. Der Druder nennt ſich auf dem 
Titelblatt Jacobo Cronberguer Alemäo. Später trat die portugieftjche 
Regierung noch einmal mit der Firma Gromberger in Gejcäftsverbin- 
bung und lich die vierte Auflage ver „Ordenagöes do reino“ 1539 in 
Sevilla bei Johann Gromberger pruden, ver 1528 die Druderei jeines 
Vaters übernommen batte. 

Die Reihe ver deutjchen Buchdrucker des 16. Jahrhunderts in Por- 
tugal ſchließt Joäo Blavio de Colonia Agrippina, dev 1554 bis 1564 
in Yiffabon als Hofbuchoruder (impressor regio) anjüjfig war umd 
während dieſer Zeit 36 Werfe heransgab. Den Verbindungen Blavio's 
mit der Heimat mag es zuzuſchreiben fein, daß Bernardim Ribeiro feine 
berühmte Nitternovelle „Menina e Moca“, ver die Inquifition das Im— 
primatur verjagt hatte, zugleich mit den Dichtungen des Bufolifers 
Chriftoväo Falcko bei dem fülner Buchhändler Arnold Birckmann (1559) 
ericheinen ließ. 

Während des ganzen 15. Jahrhunderts ftanden die germanijchen 
Bölfer Hinter den romanijchen an wifjenjchaftlichem Interejfe und in 
deſſen Bethätigung durch die Buchdruckerkunſt entjchieven zurüd. Erſt 
mit der Reformation ſchlug diefes Verhältnis in fein Gegenteil um. 
Fortan nahm der Norvden Europas einen mächtigen geiftigen Aufihwung, 
während der Süden, der fich gegen die neuen Ideen jchroff ablehnend 
verhielt und abiperrte, zumächit ftehen blieb und mit jedem Jahrzehnt 
mehr zurüdging. Deutjchland verlor allerdings infolge der nur halb 
durchgeführten Reformation jeine frühere tonangebende politische Stellung, 
indeffen war es immer noch ſtark genug, fich durch die geijtige Thätig- 


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für ganz Europa die Oberherrichaft auf dem wifjenjchaftlichen Gebiete 


Kapitel.) Die Niederlande. Ihre ſpätere Bedeutung. Utrecht. 213 


zu jihern. Holland und England dagegen entwidelten mit dem vollen 
Siege der Reformation ein reges wiffenschaftliches und politisches Yeben 
und traten, wenn auch erſt ein Jahrhundert nach den veligiöjen Kämpfen, 
an die Spike der europäiſchen Politik. Auch in den Niederlanden zeigte 
ſich dieſelbe Erjcheinung. Der ſüdliche Teil, das heutige Belgien, hatte 
anfangs einen mächtigen Borjprung vor dem nördlichen, dem gegen 
wärtigen Holland, und jah einige der größten Meeifter der Kunſt zur 
höchſten Bedeutung emporblühen, wie Chriftoph Plantin und feine näch— 
ſten Nachfolger in Antwerpen. Mit der Wiederunterwerfung unter die 
ſpaniſche Herrſchaft ſank dort aber bald das litterarifche Intereffe und 
die wiffenichaftlihe Thätigkeit, alſo auch Buchdruck und Buchhandel, 
während Holland das gedrudte Wort überall freigab und namentlich im 
17. Jahrhundert ein reges geiftiges Yeben entwidelte, an deſſen Förde— 
rung ver Buchhandel in erjter Linie mitarbeitete. Abgejehen von ans 
dern berühmten Firmen iſt der Name Elſevier allein ein ſprechender 
Beweis für diefe Thatjache. 

Die Buchdruckerkunſt fand ihren Weg in die Niederlande über Köln. 
Tiefe Stadt war der mächjte große Handels: und Stapelplaß, welcher 
ſchon ſeit Jahrhunderten im regem gejchäftlichen Berfehr mit Brabant 
und Holland geitanden hatte. Von Brügge umd Antwerpen aus ging 
ver Warenzug über Köln nach dem Norden und Norvoften, ven Rhein 
hinunter und herauf gelangten die Schiffe von Köln nach Rotterdam 
und zurüd. Wie ſchon früher die alte nieverrheinifche Hafenſtadt, jo 
zog im 15. Jahrhundert auch die Univerfitätsftant Köln einen großen 
Teil der Niederländer an ſich und wandte fich ihnen mit ihrer Kunſt 
und Wiſſenſchaft zu. 

Die erjte niederländijche Stadt, im welcher fich ein beglaubigtes 
Tatum für die Ausübung der Buchdruderfunft findet, ift Utrecht, und 
das erjte miederländiiche, mit Angabe des Druders und der Iahreszahl 
zedruckte Buch iſt die „Historia scholastica”, 1473 von Kettelaer und 
Yeempt in Utrecht. 

Man kennt 45 undatierte niederländifche Drude, die jedenfalls noch 
früher bergeftellt find und als Urerzeugniffe der niederländiſchen Preſſen 
gelten dürfen, allein Drudort und Druder verjelben find bis auf den 
beutigen Tag noch unermittelt.°° Da fich aber die Holzichnitttafeln des 
als älteſtes niederländiſches Drudwerf geltenden „Speculum humanae 


214 Utrecht: Johann Beldener. Aalſt. Löwen: Johann der Weſtfale. [Drittes 


salvationis“ in dem 1481 ebenfalls zu Utrecht von Johann Beldener 
gebrudten „Epistelen ende Evangelien mitten Sermonen van al 
den jaere‘ wiederfinden, und zwar dem Format des Werts angepaßt 
in zwei Hälften geteilt, jo darf dies als weiterer Grund gelten, um ver 
Stadt Utrecht den eriten Platz unter den niederländijchen Drudijtädten 
zuzujprechen. 

Wenn alfo auch die erjte holländiſche Druderjtadt, jo iſt Utrecht doch 
von feiner weittragenden Bedeutung als ſolche; außer den erten dortigen 
Typographen Kettelaer und Yeempt, welche in ven Jahren 1473 und 
1474 dajelbit 26 Druckwerke heritellten, darunter drei datierte, trat 1475 
noch Wilhelm Hees mit ſechs Erzeugniffen auf, während Johann Vel— 
bener, der vorher jchon in Löwen thätig war und ſpäter nach Gulenborg 
in Geldern überfievelte, hier von 1475 bis 1481 acht verjchierene Werke 
druckte, unter welchen ver „Fasciculus temporum“ von 1480 lange 
als das erjte Buch mit Nandverzierungen in Holzſchnitt gegolten bat. 
Bon ihrem Hhauptjüchlichen ornamentalen Beltandteil, den Weinvanten, 
„vignettes“ genannt, wurde dieje Bezeichnung für jeden ähnlichen Schmud 
beibehalten. Dieje Angabe jet bier jedoch nur wiederholt, um ihrer 
fangen Reife durch die Yitteratur endlich ein Ziel zu fegen; denn es 
jteht feit, daß Johann Zainer in Ulm fich ſchon um 1470 eines gleich- 
artigen Bücherichmuds bediente. 

Der zweite niederländiiche Drudort tft Die oftflandrijche Stadt Aalſt, 
in welcher 1473 und 1474 die berühmten Druderdiosfuren Johann ver 

Seftfale, aus Hachen, im jetigen Negierungsbezirt Arnsberg in ver 
Diöceje Paderborn, und Dierk Martens ihre Yaufbahı begannen. Wäh— 
vend Martens daſelbſt bis 1490 thätig blieb und fich erſt dann nach 
Antwerpen und Yöwen wandte, verlief Johann der Weitfale ſchon 1474 
die Stadt, um die Kunſt nach Yöwen, der alten Hauptſtadt Süd— 
brabants, welche durch ihre 1426 begründete Univerfität ſich eines be- 
deutenden Rufs erfreute, zu tragen. Yöwen wurde die erſte Stadt ver 
Niederlande, in welcher die Buchdruckerkunſt zu wirklicher Bedeutung 
gelangte; fie verdankte dies vorwiegend der auferorventlichen Thätigkeit 
Johanns. Er lieferte Dajelbjt von 1474 bis 1496 über 180 befannte 
Drude, von denen 57 Firma und Datum aufweijen. Sein Verlag ver: 
tritt alle Zeiten Des damaligen litterarifchen Yebens; Das Necht und bie 
Theologie kommen zu gleicher Geltung, wie die Werfe der Alten und 


Kapitel.) Löwen: Dierd Martens. Brügge: Colard Manfion. 215 


der Grammatifer. Bon bejonderer Bedeutung iſt e8 ſogar, daß darunter 
ſchon in den fiebziger Jahren Ariftoteles, Juvenal, Perfius, Birgil, Gi: 
cero, Dvid, Poggius glänzen. 

Bis zum Ausgange des Jahrhunderts waren in Yöwen noch acht 
Typographen thätig, worunter auch die jchon genannten Johann Bel: 
dener und Dierf Martens. Die Drude aller acht zujammengenommen 
betragen num zwar an Zahl noch nicht die Hälfte der von Johann von 
Weſtfalen gelieferten (did zum Jahre 1500 zählt man im ganzen etwa 
250 löwener Drude); dagegen gelangte aber auch Dierck Martens’ Offi- 
zin zu einer viel intenfivern Beveutung.?° Er war ein Gelehrter von 
Kuf und nach dem Zeugnis des Erasmus ein Freund von Gelehrten 
eriten Ranges. Martens jchrieb fertig Griechiſch und Hebräifch, ſprach 
Yateinijch, Deutſch, Franzöfiih und Englisch und liebte den heitern Yebens- 
genuß, namentlich den Wein. Seine Devife war: „In vino veritas!” 
Er übte nicht allein in Pöwen, ſondern auch in Antwerpen feine Kunft aus 
und hatte bis zu feinem 1534 erfolgten Tode eine ruhmvolle, faft jechzig- 
jährige Thätigkeit Hinter fich, während welcher er etwa 150 griechifche, 
hebräiſche und lateinifche Bücher gedruckt hatte. Seine Schriften find von 
ihm jelbit und zwar jehr gut gejchnitten, feine Drude aber vortrefflich aus- 
geführt. Sein erfter griechiicher Druck ſtammt aus dem Jahre 1501. 

Dem berühmten flanprijchen Handelsplatz Brügge wurde die Ein: 
führung der Typographie im Jahre 1476 durch Colard Manfion, einen 
Schönjchreiber, zuteil; fein Name kommt ſchon von 1454 bis 1468 in 
ven Regiſtern der St. Johammis- Gilde vor. Sein erfter Drad, un: 
datiert, ift „Le Jardin de Devotion“ mit dem Kolophon: „Primum 
opus impressum per Colardum Mansion, Brugis. Laudetur omni- 
potens”, fein erftes datiertes Werk die franzöfiiche Überſetzung von Bo- 
caccio's „Buch von berühmten Männern und Frauen“ (von 1476). Wahr: 
jcheinlich hat Manfion die Buchdruderfunft in Köln, wo er mit William 
Caxton zujammengetroffen fein mag, erlernt; aber verbürgt ift dies 
feineswegs. Jedenfalls haben die Charaktere diefer beiden Typographen 
eine außerordentliche Ähnlichkeit, die um jo bemerfenswerter ift, als in 
ihren Yettern zum erſten mal der Charakter der franzöfifchen Bätarde— 
thpe auftritt. Manfion druckte bis 1484 24 Werfe, von welchen nur 
vier die Firma fragen, ein zweiter Druder in Brügge, Johann Brite, 
um 1488 drei. 


916 Deventer: Rich. Paffroet. Jakob von Breda. Die Heinen Städte. [Drittes 


In Brüfjel wurde die Buchdruckerkunſt um 1476 durch die „Brüder 
vom gemeinfamen Leben“ eingeführt; fie lieferten daſelbſt bis 1487 
36 Druckwerke. Im übrigen aber blieb Brüffel, gleichwie Brügge, im 
folgenden Jahrhundert ohne Bedeutung. Dagegen wurde Deventer, 
die Hauptſtadt der Provinz Oberyſſel, wo die genannte Brüderſchaft 
100 Jahre früher geftiftet worden war, durch die ausgedehnte Thätig- 
feit zweier Männer während des 15. Jahrhunderts der Mittelpunkt 
der litterarifchen Produktion Hollanps. Mitt dem Jahre 1477 beginnt 
bier die großartige Betriebſamkeit Richard Paffroets oder Paffraets aus 
Köln; bis zum Ausgange des Jahrhunderts hatte er über 260 Werfe 
aus allen Fächern des Wiffens geliefert, darunter 145 mit Dinzufügung 
jeiner Firma So entfällt auf jedes Jahr ein Dutend Bücher, vie 
feinen Ruhm weit über die Grenzen des Yandes hinaus verbreiteten. 
Bis zum Jahre 1511 bielten dieſe bedeutenden Yeiftungen an und wur: 
den alsdann bis 1525 von Albert Paffroet, vermutlich einem Sohn Ri: 
chards, fortgejett. Als jein würdiger Nebenbubler muß Jakob von 
Breda bezeichnet werden, der von 1485 bis 1500 nicht weniger als 
210 Werfe berausgab. Auch ev wirkte bis zum zweiten Jahrzehnt des 
16. Jahrhunderts. 

Wegen ihrer verhältnismäßig geringen Bedeutſamkeit ſeien die zu: 
nächſt auftretenden Städte nur furz erwähnt: Gouda in Südholland 
beherbergte von 1477 bis 1487 fünf Drudereien, aus denen 386 Werfe 
bervorgingen. Gleichzeitig war Delf bis zum Ausgang des Jahrhunderts 
mit nur vier Drudereien dennoch beveutenver, da es gegen 140 Drude 
aufzumweifen bat. Die Heine Stadt S. Martinspyd in Zeeland iſt 
1478 nur mit Einem Druckwerke zu nennen. Es folgen 1479 bis 1500: 
Zwolle in Oberyſſel mit vier Offizinen und 100 Werfen; Nymegen 
1479 bis 1481 mit einer Preſſe und vier Drudwerfen; die Heine 
Stadt Dafjelt bei Zwolle 1480 bis 1490 ebenfalls mit einer Druckerei 
und acht, vesgleihen Dupdenarde in Weftflandern 1450 mit jechs 
Werfen. 

Im Jahre 1482 tritt endlich auch Antwerpen in die Reihe ver 
Drudjtädte Obgleich erſt im 16. Jahrhundert durch die rubmwolfe 
Thätigfeit Chriſtoph Plantins die höchſte Stufe ihrer Bedeutung er— 
veichend, nimmt dieſe große Handelsſtadt doch auch jchen im 15. Jahr— 
bunvert eine uchtunggebietende Stellung ein. Ihr erjter Typograph war 


Kapitel.) Antwerpen: Gerard Leeu. England. William Caxton. 217 


Mathias van der Goes von 1482 bis 1492. Etwa SO Drude bezeichnen 
feine fich meift in ven Bahnen ver Theologie und Scholaſtik bewegende 
Thätigfeit. Die größere Bedeutung Dierk Martens, des zweiten Typo— 
graphen der Stadt, ijt bereits oben gewürdigt worden. Die Führerjchaft 
für das 15. Jahrhundert übernahm jedoch Gerard Leeu 1484 bis 1493, 
der von 1477 an feine Kunſt jchon in Gouda mit großem Erfolge aus: 
geübt hatte. Über 130, darunter viele mit Holzihnitten gezierte Werke 
fegen von feiner Thätigfeit zu Antwerpen ein rühmliches Zeugnis ab; 
bejonders erwähnenswert ift die erſte niederdeutſche Überjekung der „Fa— 
bein des Äſop“ von 1485. Gerard Leeu zählte zu denjenigen Männern, 
die Erasmus von Rotterdam mit jeiner Freundſchaft beehrte. Die übri- 
gen acht Offizinen bis zum Ausgang des Jahrhunderts find von ge- 
ringer Bedeutung, während der Beziehungen Nifolaus Keßlers in Baſel 
zu Antwerpen ſchon gedacht worden ift. 

Um die Reihe der niederländiſchen Druckſtädte des 15. Jahrhunderts 
zu vervollftändigen, mögen bier noch kurz die betreffenden Angaben folgen. 
Im Jahre 1483 waren es die Städte Gulenborg, Haerlem, Gent und 
Leyden, die fih mit nur wenigen Werfen an der Ausübung der neuen 
Kunst beteiligten. Als ganz unbeveutend vürfen jehlieklich die Ortichaften 
Bois-le-duc (1484), Garpenitras? 1494, Schonhoven (1495), Schiedam 
(1498) bezeichnet werben. 

Englands erjter Druder war William Garten, geboren um 1421 
in Yonbon, geitorben 1491. Er ging, nachdem er bier bei einem Wolf: 
bändfer in der Yehre gewejen war, nach Brügge, damals ein Hauptmarft 
für engliſche Wolle, und wird dort jchen 1450 als Kaufmann genannt. 
Yange Jahre war‘er hier faufmännijcher Vertreter feiner Yandsleute und 
ſchloß auch im Auftvage des Königs Eduard IV. einen Dandelsvertrag 
mit Philipp von Burgund ab; er nannte ſich im Jahre 1469 ſelbſt: 
„William Caxton marchant dangleterre maistre et gouverneur des 
marchans de la nation dangleterre par deca.” 3? Bald darauf trat 
er in die Dienjte der Gemahlin Karls des Kühnen, Margarete von York, 
Schwejter des engliichen Königs, die ihm nach feiner eigenen Angabe 
veranlafte, die damals jehr beliebten Ritterromane des Hoffaplans Raoul 
de Fevre: „Recueil des Histoires de Troyes” insg Engliſche zu über: 
jegen. Er fing damit, wie er felbit jagt, am 1. März 1468 (oder 
vielmehr 1469, da das Jahr damals nicht vor Oftern begann) in Brügge 


218 London: William Carton. Wynkyn de Worde. [Drittes 


an, jette die Überſetzung in Gent fort und beendete fie in Köln am 
19. September 1471. Der Beifall, welchen die Überſetzung fand, ver— 
anlaßte Caxton, ſich der neuen Kunſt zuzuwenden; er ſagt am Schluß: 
„Da ich verſchiedenen Herren und Freunden verſprochen habe, ihnen 
dieſes Buch zu ſchicken, ſobald ich könnte, ſo habe ich mich der Er— 
lernung und Ausübung der Buchdruckerkunſt mit großen Auslagen unter— 
zogen, um dieſes Buch in Druck zu bringen.“ 

Die Anſichten über den Ort, wo Caxton die Kunſt erlernte und ſein 
erſtes Werk druckte, ſind geteilt. Sein Biograph Blades hält aus typo— 
logiſchen Gründen Brügge dafür und Colard Manſion für ſeinen Lehr— 
meiſter; allein von anderer Seite find Gründe vorgebracht worden, welche 
unbedingt nachzuweiſen jcheinen, daß Köln der Ort war, wo Garten fein 
erſtes Drudiwerf, ven „Recueyll of the Histories of Troye‘, nad 
1471 vollendete, 33 

In die Zeit feiner Thütigfeit auf dem Kontinent, aljo bis 1476, 
fällt noch ein zweiter Drud von ihm: „The Game and Play of the 
Chess Moralized“, ebenfalls von ihm ſelbſt aus dem Franzöſiſchen 
überjetst und mit denjelben Typen wie „The Recueyll“ gedruckt. Bald 
darauf fehrte Caxton nach England zuvid und gab im November 1477 
zu Weftminfter fein erjtes mit Namen und Jahreszahl gedrudtes Buch, 
bie erjte Ausgabe jeiner „Dietes and Sayings of the Philosophers“ 
heraus. Da der Charakter feiner Typen fortan ein anderer, als der 
der bisher verwendeten it, jo jchliegt man mit um jo mehr Recht, daß 
er die alten, weil wahrjcheinlich das Eigentum feiner Gönnerin Marga— 
vete von Torf, auf dem Kontinent zurücklaſſen mußte. In feinem Vater: 
ande entwidelte Caxton von jeßt an eine ausgedehnte Thätigfeit. Fünf— 
zehn Jahre wirkte er noch als Druder, zugleich als Überjeger und Be— 
arbeiter eines großen Teils der von ihm gedruckten Schriften, deren 
Sejamtzahl 94 beträgt. 

Unter Caxtons Schülern zeichnet ſich namentlich fein Nachfolger 
Wynkyn de Worde aus Yothringen aus. Als Druder übertrifft er 
jeinen Yehrmeifter bedeutend. Über 400 Drude feiner Preffen, aus 
allen Fächern der Yitteratur, geben rühmliches Zeugnis von feiner bie 
zu feinem Tode, im Jahre 1534, andauernden Thätigfeit. Weniger 
produftiv, aber ebenfalls geſchätzt und von Heinrich VIII jogar zum 
Hofbuchoruder ernannt, war fein einjtiger College bei Caxton, Richard 


Kapitel.) Ktopenhagen: Gottfried af Ghemen. 219 


Pynſon, der bis 1529 über 200 Werfe aus feinen Preffen hervor: 
gehen Tier. 

Schlieklih muß bier noch, wem auch nur furz, der Einführung der 
Bucodruderfunft in Dänemark und Schweden gedacht werden. Das 
erite Buch, welches überhaupt in Dänemark erſchien, war eine lateiniiche 
Beichreibung der Belagerung von Rhodus und wurde 1482 von Johann 
Snell in Odenſe auf Fünen gedruckt. Man weiß nicht, woher er kam, 
noch wohin er jehlieflich ging; denn nur einmal noch taucht er im fol- 
genden Jahre als Druder eines einzigen Buchs in Stockholm auf. 
Seinem Namen nad) zu urteilen war er ein Niederdenticher, deifen Schreib: 
art nach ein Weſtfale. Offenbar war er einer jener Wanderdruder, die 
bald bier, bald dort, mit ihrem fleinen Vorrat von Schriften unbedeu— 
tende Schulbücher over Flugblätter beritellten und durch deren wohl nur 
lanajam zu ermöglichenden Bertrieb eine kümmerliche Exiſtenz fanden. 
Einige Jahre ſpäter fand Snell einen Nachfolger in Gottfried af Ghe— 
men, der 1489 oder 1490 in Kopenhagen einen Donat drudte. Cr 
gilt zwar als Holländer, wenigjtens hatte er, bevor er nach Dänemark 
füm, in Gouda und Leyden gedrudt; aber Ghemen iſt eine Herrichaft 
im nordweſtlichen Münfterlande und ſtammte ev möglicherweife von dort. 
Zudem waren anfänglich die in Holland thätigen Druder und Setzer 
fat ausſchließlich Deutſche aus den benachbarten Yandesteilen, und jo 
mag auch Gottfried in derjelben Weife wie Smell zunächſt als ärm— 
licher Wunderdruder begonnen haben, Im der dänijchen Dauptjtadt 
wirfte er allerdings 20 Jahre lang (1490 bis 1510); indeſſen kann 
man mit Zicherheit nur 19 Drude als aus jeiner Preffe hervorgegangen 
bezeichnen. Einige davon find ganz verloren gegangen, andere wieder 
erlebten mehrere Ausgaben. So erjchien die däniſche „Reim-Chronik“ 
von 1495 bis 1508 in vier Auflagen und im zwei (1506 und 1508) 
die dänische „Sprichwörterſammlung“ von Peter Laale. Gottfried drudte 
vor allem Schulbücher, gejcbichtliche und vichteriiche Schriften, veligiöfe 
Werke und endlich die wichtigiten der damals noch geltenden alten Pro- 
vinzialgejeke. Er war arm und lebte won der Dand in den Mund; 
jeine Bücher waren voller Drudfehler, ärmlich, wenn auch vielfach mit 
Holzſchnitten, doch nur mit herzlich jchlechten, ausgeftattet und mit nur 
zwei Arten von Typen bergeftellt. Auch der Buchhandel, ven er mit 
jeiner Druderei verband, mag ihm nur wenig eingebracht haben. 


220 Schleswig: Stephan Arndes. Schweden. [Drittes 


In Schleswig drudte der Hamburger Stephan Arndes 1486 das 
„Missale Sleswicense“, Er fam aus Perugia, wo er bereit mit Neu— 
meifter gearbeitet hatte, und ging über Yübe nach Dänemark. Arndes 
war bis zu feinem 1519 erfolgten Tode einer der beveutenditen und 
erfolgreichiten Buchbruder in Nordeuropa und muß auch Mittel bejeijen 
oder erworben haben, denn feine Drude, namentlich jenes „Missale“, 
zeichnen fich vorteilhaft durch wortreffliche Typen, jchöne Ausftattung und 
guten Geſchmack aus. 3? 

In Schweden druckte 1483 der aus Dänemark gefommene Johann 
Snell in Stodholm das erjte Buch: „Dyalogus creaturarum morali- 
zatus.“ Auf ihn folgte 1494 Johann Fabri mit dem „Breviarium 
Strengnense‘, während Fabri's Witwe 1496 das „Breviarium Upsa- 
liense” vollendete. Bon da an tritt eine Unterbrechung von 50 Jahren 
ein, während welcher jih in Schweden von der Kunft feine Spur zeigt. 
Erjt von der Mitte des 16. Jahrhunderts an fahte fie dort feiten Kup. #9 

In beiden Yündern ward alſo anfangs faſt ausſchließlich für Die Zwecke 
der Schule und Kirche gedruckt. Dieje find ihrer Natur nach zur Be— 
friedigung ihrer litterarifchen Bedürfniffe auf die Heimat, auf die nächite 
und billigjte Gelegenheit angewiejen. Für die gelehrten Studien dagegen 
war der heimiſche Markt noch zu eng und zu abgeſchloſſen, vejjen Kauf: 
fraft zu ſchwach, als daß ſelbſtändig Drude auf wiffenjchaftlichem Ge: 
biete mit einiger Ausficht auf Erfolg hätten unternommen werden können. 
Dan muß ſich deshalb auch hüten, aus jener bejchränften Druderthätig- 
feit Schlüffe auf ven damaligen Bildungsjtand Dänemarks und Schwe: 
dens zu ziehen. Ihre gebilveten Söhne gingen damals gern nach Ita— 
lien, Paris und Deutſchland — Shafipeare läßt ſogar Hamlet in Witten: 
berg ftudieren — und kauften ſich teils dort an der Quelle die Bücher, 
deren fie für ihre Studien bepurften, teils führten deutſche Buchhändfer 
fie ihnen zu; wittenberger Buchhändler bejuchten wenigſtens in der zweiten 
Hälfte des 16. Jahrhunderts faft alljährlich den fopenhagener Markt. 

Ganz zu übergehen ift übrigens Ungarn, das jich ebenfalls einer 
Inkunabelnzeit rühmt und jeine litterarichen Verdienſte im Jahre 
1879 durch einen vortrefflich geprudten und ausgeftatteten Katalog von 
751 Zeiten in groß Oftan*! darzulegen gejucht bat. Aber jonderbar 
berührt es, wenn die Berfaffer jenes Katalogs zu diefem Behufe jelbit 
die Titel ber zuerit mit ungarifchem Gelde gedruckten lateiniſchen und 


Kapitel.) Ungarn. 221 


deutſchen Bücher ins Ungariſche überjeßen, welches zu jener Zeit noch 
keine Schriftjprache war. Die erfte und einzige wirkliche ungarifche In— 
funabel ift die 1484 in Nürnberg gedrudte „Oratio et Cantilena de 
Inventione dextrae S. Regis Stephani idiomate Ungarico”. Den 
jweiten Drud bejorgte 1531 der deutſche Druder Hieronymus Bietor 
in Krakau, wo auch die Nummern 3. 4. 5. 8. 10. 11. 12. 13 (des ge- 
dachten Katalogs) geprudt wurden, während 6. 7 und 9 aus den Prefien 
von Johann Zingriner in Wien bervorgingen und ver ältejte thatjäch- 
ih ungarijche Drud, eine lateinifch-ungarifche Grammatif (Nr. 14), erft 
1539 in Särvär im Eifenburger Komitat erjchien. Erſt 1550 (Nr. 22) 
wird in Kolozsvär (Klauſenburg) ein kurzer Statecbismus von Kafpar 
Heltb, Pfarrer daſelbſt, veröffentlicht. * 


Biertes Kapitel. 


Das Äußere des Buchs. 


Etymologie des Wortes. — Papyrusrolfen. Codices. Wachstafeln. — Pergantent. 
Palimpſeſte. Schreibmaterialien. Pergamenter. — VBaummollenpapier. — Linnen— 
papier. PBapierinduftrie. — Waſſerzeichen. — Illuſtration der Handſchriften. — 
Byzanz. — JIriſche Ornamentik. Abendländiſche Miniaturmalerei. — Form- oder 
Holzſchnitt. — Printer, Karten- und Briefmaler. — Technik und erſte Erzeugniſſe 
des Formſchnitts. — Der Holzſchnitt als Buchilluſtration. — Signete und Ex-libris. 
— Budhilluftration in Stalien und Frankreich. — Büchereinband im Mittelalter. — 
Drnamentation der Lederbände. — Majoli und Grolier. — Der deutiche Bücher- 
einband. Goldichnitt. — Die Buchbinder. 


Wie die deutjchen, gleichbeveutend gebrauchten, Wörter Schrift und 
Buch weijen fajt überall die Ausprüde für das aus mehrern Blättern 
zujammengefügte Schriftiverf entweder auf das Schreiben oder, häufiger, 
auf den Schreibftoff zurüd. Im Arabiichen heißt das Buch Gejchric- 
benes (kitäb), der Cover Abgejchriebenes (nus’cha); das ägyp— 
tiſche tama wird auf die Nollenform, aber auch auf den Schreibſtoff 
bezogen; das griechiiche biblos erinnert an die zur Papprusbereitung 
benutste Pflanzenfafer, das lateinijche liber an Baumbaft, und Buch 
jelbft an den Urahnen der Yetter, den Bucjtab oder Buchenzweig, in 
welchen Runen gejchnitten waren. So muß man auch, um fich Die 
Entwidelung der äußern Gejtalt des geprudten Buches zu vergegen= 
wärtigen, auf das gejchriebene und Die zu deffen Derftellung benußten 
Materialien zurücgreifen. 

Hält man an dem Begriff des Buchs als einer Gejamtheit mehrerer, 
miteinander verbundener Stüde des Schreibjtoffs feit, jo darf man Dazu 
jben die Schriftrollen des Altertums rechnen, welche durch das Anein- 
anverbeften von Blättern entjtanden. Den Aſiaten jcheinen dazu von 


[Biertes Kapitel.) Bapyrus und Papyrusrollen. 223 


jeher Tierhäute gedient zu haben (deren einzelne Stücke vermittelſt dünner 
Lederriemen gewiſſermaßen zuſammengenäht wurden), den Agyptern Paph⸗ 
rus: alſo die beiden Arten des Schreibſtoffs, welche die Vorläufer des 
Pergaments und des Papiers geworden ſind. Über die anfängliche Weiſe 
der Bearbeitung des Leders zu dieſem Zweck fehlen die Nachrichten; allein 
ſie muß, abgeſehen von der Koſtbarkeit des Materials, auch ein unvoll— 
kommeneres Produkt geliefert haben, da erſt die Not, einen Erſatz für 
den ägyptiſchen Papyrus zu ſchaffen, im 2. Jahrhundert v. Chr. zu 
beſſerer Zurichtung der Häute führte. Dagegen iſt die Natur des Papy— 
rus, über welche durch Plinius mancherlei irrige Vorſtellungen verbreitet 
worden waren, gegenwärtig genau bekannt. Nicht aus dem Baſt der 
Papyrusſtaude, ſondern aus deren Mark wurden Streifen geſchnitten, 
und dieſe nicht, wie noch Marquard ! annahm, wie Flechtwerk, oder wie 
Kette und Schuß eines Gewebes, miteinander verflochten, jondern in zwei, 
jelten drei, fich freuzenven Yagen übereinander gebreitet, die man durch 
Befenchten mit Nilwafjer, vielleicht auch mit einer klebenden Flüſſigkeit, 
durch Prejien, Schleifen mit Bimsftein u. ſ. w. zu einer feiten, ebenen 
Maife vereinigte. Ein jo gewonnenes Blatt, mit einer Urkunde oder 
einem Briefe bejchrieben, wurde mehrmals zujammengefaltet, ſodaß es 
einen jchmalen Streifen bilvete, und dann zu einem Knoten verſchlungen, 
— ähnlich, wie man vor der fabrifmäßigen Herſtellung von Brief- 
umjchlägen wohl Briefe zuſammenlegte, welche nicht durch die Poſt be: 
fördert werden jollten. Für größere Schriftjtüdte aber wurden mehrere 
Blätter aneinander geklebt, welche in Kolummen oder in langen Zeilen 
bejchrieben und, behufs der Aufbewahrung, aufgerolit werden fonnten. 
Auf der erjten oder der letzten Kolumne findet fich angegeben, wie viel 
Kolumnen oder wie viel Zeilen die Rolle enthält, oder die Kolumnen 
jind paginiert. Zum Schuß gegen Injekten und Wurmfraß bejtrich man 
den Papyrus mit Gedernöl, Der Rand des fetten Blattes wurde an 
einen dünnen Holzſtab, umbilicus, geflebt, um welchen der Papyrus 
aufgewidelt wurde, um endlih in eine Schutzhülle von Paphrus over 
Pergament getban zu werden, ans welcher nur ein Zettel mit dem Titel 
des Buchs hervorragte. ? 

Zahlreiche antife Bilpwerfe, zumal im Muſeo nazionale zu Neapel, 
zeigen dergleichen Rollen, gejchloffen in der Hand von Rednern, oder, 
von linfs nach rechts aufgewidelt, in den Händen Yejenver; der Sophokles 


224 Volumen. Goder. Holz, Elfenbein- und Wachstafeln. Viertes 


im lateranenſiſchen Muſeum zu Rom hat eine Kapſel mit Rollen neben 
ſich ſtehen, gewiſſermaßen eine Handbibliothek. Die mit einem Deckel 
verſehene Kapſel hieß serinium, woraus unſer Schrein geworden iſt. 
Die Ägypter bewahrten Schriftrollen in Krügen auf. Und die Rollen— 
form des Buchs, volumen, kam feineswegs außer Gebrauch, als vie 
Erfindung des Pergaments eine andere, bequemere, ermöglichte; wielmebr 
hatten die Nömer ausnahmsweije auch Pergamentroflen, wie andererjeits 
Papyrus auch in einzelnen Blättern zu einem Buche im jegigen Sinne, 
codex, zujammengeheftet wurde. Nur die größere Wohlfeilbeit des 
Stoffs konnte hierzu veranlaffen, da demjelben ein Hauptvorzug des 
Pergaments, auf beiden Seiten bejchreibbar zu jein, mangelte und er 
außerdem mit der Zeit bricht und zerbrödelt. Deshalb find Papyrus- 
bücher wenig erhalten, aber daß man fich des Stoffs noch in jpäterer 
Zeit, wenn auch wohl nur ausmahmsweife, bediente, wird z. B. durch 
den abwechjelnd auf Papprus und Pergament gejchriebenen „Codex 
Augustinus” aus dem 6. Jahrhundert in Paris, ja jelbjt noch für 
das 10. Jahrhundert durch das Breviarium eines Patriarden von 
Ravenna in München bewiejen. 

Erfunden zu werben brauchte übrigens die Codexform nicht erjt. Sie 
war vorhanden in ven Holz: oder LKlfenbeintafeln, welcde auf einer 
Seite mit Wachs überzogen waren und deren mehrere miteinander ver- 
bunden werden fonnten; ja eigentlich ſchon in den römiſchen Militär- 
diplomen aus Erztafeln, welche auf der Innenfeite den authentiſchen Tert 
trugen. (Über ven Verbleib des von Montfaucon in „L’Antiquit6 ex- 
pliquee” erwähnten Buchs aus Bleiblättern ift leider nichts befannt.) 
Allein der Gebrauch ver Erztafeln war naturgemäß ein bejchränfter, und 
die Wachstafeln dienten nur ala Notizbücher, zum Concipieren von Schrift— 
jtücken, zu Schreibübungen. Das eigens präparierte Wachs behielt eine 
gewifje Geſchmeidigkeit, ſodaß Die mit dem Meetall- oder Elfenbeingriffel 
eingegrabenen Schriftzüige mit deſſen plattem oder abgerundetem obern 
Ende wieder verwifcht, die Oberfläche wieder geglättet werden fonnte; 
und eben desiwegen waren diefe Tafeln nicht fir Schriften geeignet, 
welche Dauer haben jollten. Als Notiz und Schultafeln und zur Füh— 
rung von Nechnungen haben fie fich übrigens bis in das 15. Jahrhun— 
dert unjerer Zeitrechnung, in Salzwerfen als jogenannte Yehntafeln 
noch länger erbalten.? In diefem Zujammenhang mögen auch die aus 


Kapitel.) Pergament. Palimpſeſte. Schreibutenfilien. 23 


dünnen Dolztafeln beſtehenden Skizzenbücher aus dem 15. Jahrhundert 
erwähnt werden, von denen eins die berliner Bibliothef und eins die 
ambrajer Sammlung befist. Auf die Bedeutung der foftbaren Elfenbein- 
tafeln wird bei der Buchbindung zurückzukommen jein. 

Zur Erfindung des Pergaments gab ein Ausfuhrverbot für Papy- 
rus Anlaß, durch welches vie Ptolemäer den König Eumenes II. (197 
bis 158 v. Chr.) verhindern wollten, jeine Bibliotbef zu Pergamen zu 
einer Nebenbublerin ihrer alerandrinijchen zu machen. Die dünn und 
glatt bergerichteten und mit einem freidigen Grund überzogenen Häute, 
mit welchen man jich nun in Pergamon behalf, erhielten als charta 
pergamena rajch weite Verbreitung. Die damalige Zeit jchäßte an 
dem neuen Stoff die Haltbarkeit, die Benutzbarkeit beider Seiten und 
bald auch die Eignung für Anwendung bunter Farben; und nur wegen 
der größern Koftjpieligfeit fonnte das Pergament den Papyrus nicht 
völlig verdrängen. (Eben die Koftipieligfeit des Materials verführte in 
chriftlicher Zeit dazu, Handſchriften aus dem Altertum wegzulöjchen und 
das Pergament neuerdings zu bejchreiben, Palimpjefte zu jchaffen.) 
Hier ift es von Wichtigfeit, daß nunmehr die Form des Buchs gegeben 
war, welches aus Yagen von Blättern bejteht, die beiverjeits Schrift 
tragen, ſich umwenden lafjen u. ſ. w. Zum Schreiben bediente man fich 
nach wie vor der Rohrfeder, calamus, welche noch auf mittelalterlichen 
Miniaturen in der Hand fchreibender Evangeliften zu finden ift, und bie 
auf dem Bimsjtein jpisgejchliffen wurde, wenn fie abgejchrieben war. 
Die Tinte jcheint in ältefter Zeit nur aus Ruß und Gummi bereitet 
worden zu jein; ſolche Schrift fonnte mit dem feuchten Schwamm weg- 
gelöjcht werden, welcher als notwendiges Schreibrequifit oft Erwähnung 
findet. Später werden Galläpfel, Dornrinde, Wein, Bitriol zur Tinten: 
bereitung benugt. Als aber in Byzanz der Yurus auch in diefen Dingen 
jtieg, die Pergamentblätter purpurn oder blau gefärbt und mit Gold- und 
Silberjchrift bevedt wurden, verwandelte das Schreiben wertvoller Bücher 
fihb mehr und mehr in Malen, — ganz abgejehen von der Schmüdung 
der Hanpjchriften mit Bildern und Randverzierungen und der Ausmalung 
der Initialen. 

Im Mittelalter unterjchied man Pergament nach italienijch-jpanijcher 
oder nach deutſcher Weije. Das erftere, meiftens Ziegen- oder Hammel: 
fell, war auf der leifchjeite jehr weiß und glatt (album), auf ver 

Kapy. I. 15 


296 Herrichtung des Pergaments. Die Pergamenter. [Biertes 


Haarjeite grau oder geld; das lettere, Kalbfell (vitulinum, woraus 
velin entjtanden it), war auf beiden Seiten faſt gleih. Die lette 
Hand mußte der fehreibende Mönch ſelbſt, oder ein ihm bilfreicher unge- 
lehrter Bruder, an den Schreibjtoff legen. Und zwar gibt e8 dafür aus 
verjchienenen Jahrhunderten ausführliche VBorjchriften.* Zuerſt jollten 
mit dem Schabmeffer (rasorium) Überrefte von Fett, Knötchen ır. dgl. 
entfernt, jorann mit dem Bimsjtein Unebenheiten, welche dem Schab- 
eijen entgangen, Härchen u. f. w. weggerieben und endlich die Blätter 
lintiert werden. Schadhafte Stellen im Pergament zeigen fich von Yinien 
umgeben oder umnäht. Die Linien für die Zeilen wurden mit Blei (aber, 
den Abbildungen zufolge, nicht mit einem Stift, fondern einer Platte 
von freisförmiger Geftalt) gezogen, oder mit einem Holz- oder Metall- 
jtift eingeprüdt. Von ven roten Einfafjungslinien u. ſ. w. wird weiter 
unten die Rede fein. 

Im jpätern Mittelalter wurde auch das Bereiten des Pergaments 
bürgerliches Gewerbe, Die PBermenter, Permeter, Permpnter, 
membranatores (membranae — Pergament) bilveten teils eine 
eigene Zunft — 5. B. in Görlig, wo es im 14. Jahrhundert ein Thor 
beim Permynter gab, — over jchloffen jich verwandten Gewerben an; jo 
zählt Das Buch der prager Malerzeche von 1348 membranatores 
und rasores als Mitglieder auf’, während fie fich in Yeipzig vielfach 
mit den Weißgerbern verbunden zeigen. Für Urkunden, Stabtbücher, 
Ritnalbücher u. j. w. war das Pergament noch zumeiſt in Verwendung, 
und als es auch da allmählich verdrängt wurde, bemächtigte fich der 
Buchbinder des Materials. 

Der Pflanzenftoff aber, welcher der Konfurrenz des tierifchen erlegen 
war, follte in anderer Geftalt, als Papier, dieſem abermals und für die 
Dauer den Nang ablaufen. Man fett das erfte Auftreten des Baum— 
wollenpapiers in Guropa in das 8. Jahrhundert unſrer Zeitrechnung, 
und zahlreiche Fragmente davon unter den Hanpdjchriften von El-Fayum 
in Oberäghpten, welche, Eigentum des Erzherzogs Rainer, im öfter- 
reichijchen Muſeum zu Wien aufbewahrt werden, ftammen vem Charakter 
der Schrift zufolge aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts.“ Ob vie 
Araber jelbjtindig darauf verfallen fein mögen, anftatt anderer Pflanzen- 
fafern die Baummolle zu verwenden, oder ob fie in dieſem, wie in man- 
chem andern Falle lediglich die Nolle der Vermittler zwijchen dem äußerſten 


Kapitel.) Papier aus Pilanzenitoffen. 227 


Often und Europa gejpielt haben, muß vorläufig dabingejtellt bleiben. 
Chineſiſche Quellen? laſſen vie Chinefen in äftefter Zeit auf Bambus— 
täfelchen jcehreiben, deren noch eine Menge in Pagoden aufbewahrt wer- 
den joll; und ganz dünne Holztäfelchen mit Schriftzeichen und Lackmale— 
reiten dienen noch heute in Japan als Buchzeichen, während fich in 
Cochinchina die primitive Sitte erhalten hat, auf Palmblätter zu jchrei- 
ben.“ Aber auch Zeidenpapier, wirklich aus Seide bereiteter Schreib- 
itoff, joll benußt worden fein. An die Stelle der jehwerfälligen Bambus- 
tafeln und der teuern Seide brachte Tſai-lün im Jahre 153 n. Chr. 
das erjte Pflanzenpapier. Er ließ Baumbaſt, Danffajern, ferner alte 
Gewebe und Fiichnege in Waffer weichen und verwandelte fie endlich 
durch Rühren und Stampfen in eine breiartige Maffe, aus welcher er 
Papier formte. Im der Folge wurden die mannichfachiten Pflanzen- 
bejtandteile in gleicher Weiſe ausgenutt, aber die größte Bedeutung hat 
die unter der Rinde der Bambusjchöflinge liegende Faſer erlangt und 
behalten, während in Japan ?, wohin die Kenntnis der Papierfabrifation 
gegen Ende des 6. Jahrhunderts won Korea aus gelangt fein joll, eine 
Maulbeerſtaude, Brussonetia papyrifera, vorzugsweiſe benußt wird. 
Das Schöpfen des Papiers ift da wie dort noch ausjchlieflih Hand— 
arbeit, und die Arbeiter befigen ein umnvergleichliches Gejchi darin, ge— 
nau die erforderliche Menge der Maffe auf die Form zu bringen und 
jenes Berfilzen der Fafern zu bewirken, welches vem Papier der Oft: 
afiaten bei jo geringer Stärfe fo große Feſtigkeit verleiht. 

Bon Verarbeitung der Baumwolle ift allerdings in China nicht die 
Rede, weil dieje Pflanze dort erjt im 9. Jahrhundert akflimatifiert wor- 
den ijt. Indien dagegen baute fie vor unvorbenklichen Zeiten an, und 
dur Indien haben die Erzeugniffe und die Erfindungen der Chinejen 
jo häufig ihren Weg genommen, daß eine Vertaufhung ver Rohſtoffe 
ebenjowohl dert, wie in Arabien ſelbſt oder, wie andere wollen, in 
Samarfand vorgenommen jein könnte. 

Die Unterfuchungen über ven Zeitpunkt des Auftretens des Linnen— 
rapiers haben bisher fein beſtimmtes Ergebnis geliefert und konnten dies 
auch wohl kaum. Denn fobald man anftatt voher Baumwolle Gewebe- 
abfälle, Hadern verarbeitete, mußte man Papier aus den verjchiedenften 
Zertilftoffen erhalten und muRte erkennen, welche Vorzüge das aus der 
Yeinfajer bereitete habe. Und wenn, ſoviel befannt, zuerjt Abt Petrus 


15* 


228 Baummwollen- und Linnenpapier. Die Papierinduftrie. [Biertes 


Venerabilis von Cluny zwijchen 1122 und 1150 neben verjchiedenen 
Papierarten auch ſolches aus alten Feen erwähnt, jo find doch ver- 
gleichen Materialien gewiß ſchon viel früher in denjenigen Yändern ver— 
arbeitet worden, welche die rohe Baumwolle aus weiter Ferne einführen 
mußten.?° Da, es jebeint feineswegs alles, was bisher dem äußern An- 
ſehen nach für Baummollenpapier gehalten worden ift, wirklich jolches zu 
jein. Und wie Pergament und Baumwollenpapier nebeneinander noch im 
13. Jahrhundert im Gebrauch blieben, jo ift ohne Zweifel auch die eine 
Papierart nicht plößlich von der andern verbrängt worden. Arabijches 
Baumwollenpapier ift ja in dem Funde von El-Fayfım !! noch aus dem 
10. Jahrhundert zum Vorjchein gekommen. Die älteften Yinnenpapiere 
find bisher aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts nachgetwiejen werden: 
eine Rechnung von 1301 in yon, Unterfuchungsaften gegen ven Templer— 
orden (1309) im parijer Archiv, eine von Breitfopf erwähnte Urkunde 
des Biichofs von Cammin von 1315.'? 

Baumwollen- und Pinnenpapier laffen fich zwar in der Regel un- 
jchwer unterjcheiven, da das erjtere did, Loder, faferig, brüchig, von gelb- 
licher Farbe und undurchfichtig zu fein pflegt, das lettere aber feiter 
und glatter, durchjcheinend, von ins Graue fpielender Farbe und — aus 
früher Zeit — mit zahlreichen dünnern Stellen (Wafferfleden) und für 
das Auge und das Gefühl jehr wahrnehmbaren Eindrücken der Form: 
drähte und jpäter des Kautſchfilzes; ift ein Wafferzeichen vorhanden, jo 
erjcheint dies im Baumwollenpapier nur in unbejtimmten Umriffen. 
Doch ift zur ganz ſichern Beſtimmung alter Papiere mifrojfopijche und 
chemiſche Prüfung erforderlid. Im 15. Jahrhundert vervollfommnet 
ſich das Yinnenpapier in jeder Beziehung, e8 wird förperhafter, gleich- 
mäßiger und glatter. 

Unficher ift auch noch unfere Kenntnis von dem Beginn der Papier- 
induftrie in den verjchiedenen Yändern, Wohl find nach und mach viele 
Notizen über die Anlage over das Bejtehen von Papiermühlen geſam— 
melt worden; da aber beutjche Städte, in denen oder in deren Nübe 
im 14. Jahrhundert jolhe Mühlen beftanven, ihren Papierbevarf noch 
bis in das 15. aus Italien oder Frankreich verjchrieben, jo bleibt zweifel- 
haft, ob die heimijchen Fabrifen damals überhaupt ſchon zum Schreiben 
geeignetes Papier berzuftellen vermocten. Die Stadt Görlik, deren 
älteftes Stadtbuch von 1305 noch auf Pergament, das ältefte Achts- 


Kapitel.) Verbreitung der Papierinduftrie. 299 


und Vergleichsbuch von 1342 aber auf Papier gejchrieben iſt, bezog 
1376 bis 1426 Papier aus Venedig, anfangs das Buch zu 21, Grofchen, 
jpäter das Ries zu 40 Groſchen. Strafburg, wo um die Mitte des 
Jahrhunderts die Eriftenz einer Fabrik nachgewieſen iſt, deckte noch 
lange jeinen Dauptbedarf aus Franfreih und Italien. Das Fardel 
(fardeau) over der Ballen = 27 Ries aus den genannten Ländern 
batte, wenn es durch das Stadtgebiet durchgeführt wurde, 5 Schilling 
Tranfitgebühr zu zahlen; die Stadttare betrug für das Nies großen 
Formats 4 Pfennig, Heinen Formats 2 Pf., bei deutſchem Fabrikat 
für das Fardel 28 Pf. Der Schaffner von St. Thomas dajelbft zahlte 
1387 für Buch großes ſtarkes Papier 2 Schilling, 1432 für 3 Bud 
desjelben 18 Sch., für 1 Ries fleineres 1423 8 Sch., 1443 10 Sch, 
1446 10 Sch. 6 Pf. Im der Frühzeit des Buchdrucks wurde 1 Ballen 
berrudtes gleih 2 Ballen weißes Papier gerechnet. 13 

Als Eike der manrifchen Papierfabrifation in Spanien werden 
Kativa, Valencia, Toledo genannt. Nach Zirabojchi !* hätte Fabriano 
in der Provinz Ancona die Induftrie, durch welche dieſes Städtchen fat 
ebenjo berühmt geworben it, wie durch die Eigenjchaft als Geburtsort 
des Malers Gentile da Fabriano, ſchon im letten Viertel des 13. Jahr— 
hunderts bejejfen. Etwa 100 Jahre fpäter (1366) verboten die Vene— 
zianer als Herren der Trevifaner Mark die Ausfuhr von Papierabgängen, 
wie fie um diejelbe Zeit das alte Verbot der Ausfuhr von Ingredienzien 
zur Glasbereitung und von Glasſcherben neuerdings einjchärften. Man 
erfieht daraus, daß in der Gegend von Trevifo das Papier gemacht 
wurde, welches Venedig ausführte, und daR andere Völker, wahrjchein- 
(ich die deutſchen Nachbarn, die Abfälle von trewifaner Papier wie von 
muraneſer Glas fich gern aneigneten, um aus denſelben die Maffe zu 
bereiten, die fie aus den Grundftoffen noch nicht jo gut herzuftellen 
wußten. In Frankreich beanfpruchen Eſſonne im Departement Seine et 
Dife und Trohes die Ehre, am frühejten Papiermühlen bejeffen zu haben; 
für Troyes werden die Jahreszahlen 1328 und fogar 1315 angeführt.? 
Daß die zu Anfang des 14. Jahrhunderts zu Ravensburg von den Brü- 
dern Frif und Hans Holbein eingerichtete Mühle wirklich ſchon eine 
Papiermühle gewejen jet, ift nicht zu beweijen. Lim 1407 werben da— 
jelbit die Papierer Cunrat, Peter und Stengeli und ein Papier: 
bus (Bapierfabrif) erwähnt. Auf jeden Fall bleibt aber der Familie 


230 Bapierinduftrie Deutjchlands. Waflerzeichen. |Biertes 


Holbein, aus welcher auch die großen Maler diejes Namens hervor: 
gegangen fein follen (ohne daß hierfür mehr als Mutmaßung vorläge !9), 
das Verdienſt, die Papierfabrifation in Deutjchland in Schwung ge: 
bracht zu haben. Ihr wird die Erfindung der Meffingfiebformen zu: 
gejchrieben, ihrem Beiſpiel das rajche Entjtehen anderer Mühlen in Süp- 
und Meitteldeutichland: 1347 in Au bet München, 1356 in Leesdorf in 
Niederöfterreich, 1390 in Nürnberg (Ulrich Stromer), 1420 in Yiegnik, 
1440 in Bajel (Dans Halbyſen), 1443 in Bauten, vor 1450 in Straf: 
burg, 1468 in Augsburg, 1498 vorübergehend in Yeipzig durch Domi— 
nieus Guthe oder Ponat aus Epinal, mit dem Beginn des 16. Jahr: 
bunderts in Sachſen und Thüringen (durch die Familien Scaffhirt 
und Steferjtein) u. 5. f. In Augsburg wurden 1519 von jeiten ver 
Kämmerei an dortige Papiermacher gezahlt für 55 Ries ftarfes, 14 Nies 
dünnes Papier und 4 Ries Median 79 Gulden 1 Pfund 15 Schillinge. 
In England joll der Tradition zufolge John Tate zur Zeit Heinrichs VII. 
(1485 bis 1509) in Hertford eine Papiermühle bejeffen haben. Doc 
jcheint Caxton fich noch durchweg fremder Papiere bedient zu haben; von 
Italien aus wurde wenigitens dorthin Papier ausgeführt. 

Als ein Kennzeichen ver Provenienz eines alten Papiers kann unter 
Umſtänden das Wafferzeichen dienen, doch hat es bei weitem nicht die 
ihm früher häufig zugefchriebene Bedeutung. 

Das Wafferzeichen 1° (engl. watermark, papermark, franz. 
filigrane, ital. segno di cartiera), die Marke, welche im Bitten: 
papier fichtbar wird, wenn man es gegen das Yicht hält, und welche von 
einer auf dem Drabtgitter der Form angebrachten Figur herrührt, ijt 
Segenjtand vielfacher Unterjuchungen geweſen, welche aber noch wenig 
pofitive Rejultate ergeben haben. Anfänglich glaubte man, jedes be- 
jondere Bild als das Zeichen einer einzelnen Papiermühle oder doch 
einer einzelnen Stadt, im welcher Papierfabrifation betrieben wurde, 
anjehen zu dürfen; und obgleich Breitkopf fchon vor hundert Jahren aus: 
jprach, e8 fei „aus den Zeichen in den Papieren wohl unficher auf den 
Ort der Fabrike zu jchließen‘‘!?, hat jene Anficht fich noch mehr als ein 
halbes Jahrhundert lang erhalten und zu den trrigiten Schlüffen ge- 
führt °°, deren Unbhaltbarfeit dann Sobmann überzeugend darthat, ?1 
Gegenwärtig dürften die Meinungen dahin übereinjtimmen, daß die 
Wafferzeichen wohl uriprünglich Fabrikmarken gewejen, aber bald Kenn: 


Kapitet.] Wert und Haupttypen der ältern Waflerzeichen. 231 


zeicen gewiffer Pupierforten oder auch Formate geworden jeien; den 
die meisten jolcher Bilder kommen ganz gleich oder mit Veränderungen 
oder Zufägen in allen den Yändern vor, in welchen am Ausgange des 
Mittelalters induſtrielles Leben bejtand. Dieſe Thatjache und die Schwie- 
rigfeit, feitzuftellen, ob ein Papier in demſelben Yande, in welchen es 
beihrieben, bezeichnet oder bedruckt worden ift, auch fabriziert oder ob 
es als Handelsartikel eingeführt worden jei, haben nach und nach zu 
einer geringern Wertſchätzung, ftellenweije einer Unterſchätzung ver Waffer- 
zeichen geführt. Als Behelf können fie immer von der Archäologie, ver 
litterarifchen und Kunſtkritik benußt werden, wenn fie auch um jo weniger 
ein untrügliches Mittel zur Zeit: und Ortsbeſtimmung oder zur Feſt— 
jtellung ver Echtheit eines Dofuments gewähren, als Die Fälſchung fich 
längit auch ver alten Papiere mit bekannten Wafferzeichen bemächtigt 
bat. Und für die Induftriegefchichte werden fich durch fortgejegte Samm— 
lung und Bergleihung alter Marken immerhin einige Anhaltspunkte ge= 
winnen lajfen. Freilich lehrt auch dieje vergleichende Arbeit, wie ver: 
ſchieden ein und dasjelbe Bild gedeutet werden fan, nicht nur je mach- 
dem man Oben und Unten, Rechts und Yinfs annimmt. So wollte 
Gutermann im einem Zeichen, welches ganz ohne Frage eine Glode vor- 
jtellt, Die Klapper erfennen, durch welche im Mlittelalter die Ausſätzigen 
ihr Nahen verkünden mußten; und da in Ravensburg ein Yeprojenhaus 
beitanden hatte, betrachtete er die erwähnte als eine ausjchließlich ravens— 
burger Marfe. Ebenderſelbe jah das häufig vorkommende P (das wahr: 
ſcheinlich Papier in verſchiedenen Sprachen bedeutet hat??) auf den 
Kopf geftellt und von der Rückſeite an und erhielt jo ein b, welches 
abermals für Ravensburg zeugen mußte. Ein Zeichen, welches die Ita— 
liner Tre monti (drei Berge) nennen: drei Bögen nebeneinander, über 
dem mittlern und höhern gewöhnlich ein Kreuz, gilt in andern Yändern 
as Mitra, und Sotzmann bezeichnet e8 ala Dogenmüge. Der Kardinals- 
but italienischer und franzöfifcher Papiere wird zur Zeit der Puritaner 
in England zum Freiheitshut, gelegentlich auch zur Narrenkappe. 

Feſtern Boden hat man unter den Füßen, wenn eine Marfe dem 
Wappenſchilde der Stadt oder des Yandes, in welchen fie fich am frühe: 
iten oder doch am häufigsten nachweijen läßt, over dem Wappen eines 
dert anjäjligen großen Gejchlechts entlehnt iſt. So jtimmt die furze, 
nah oben jchmäler werdende Leiter in italienifchen Papieren des 15. 


232 Haupttypen der ältern Waflerzeichen. [Biertes 


und 16. Jahrhunderts genau überein mit dem Wappen ver von 1260 
bis 1387 in Berona berrichenden Scaliger, an deren Grabmal es als 
&ittermotiv vielfach verwendet worden ift. Daß jedoch dieſe Marfe nicht 
einer einzigen Kabrif angehört hat, zeigen Die verfchiedenen Einrahmungen 
derjelben in Ring: oder Schildform, die Dinzufügung eines Sterne u. f. w., 
bejonvers aber die im Papier einer Zeichnung Michel Angelo's aus der Zeit 
von 1541 bis 1563 (in Oxford) befinpliche veränderte Korm einer langen 
Yeiter von gleichbleibender Breite. 2? Ein Selm mit gehörnter oder ge- 
flügelter Biüfte in dem Papier eines paduaner Dofuments deutet auf 
Francesco Garrara, den Gapitano generale von Padua von 1355 bis 
1388. Ein Brief Michel Angelo's vom 26. Oftober 1520 (im Britijh 
Mufeum) zeigt in einer Kreislinie das Lichbäumchen des Hauſes Rovere, 
welchen die Päpſte Sirtus IV. und Julius IT. entiproffen waren; ein 
anderer, ebendajelbit befindlicher Brief dieſes Künftlers vom Jahre 1555 
den Schild mit fünf Falbmonden: das Wappen der Piccolomini.?+ Die 
ſchmale Schildform, die von jo vielen Bildwerken der italienischen Renaiſ— 
jance, Trophäen u. j. w. allbefannt ift, darf an fich ſchon als charafte- 
riftifch italienisch angejehen werden. 

Andere Zeichen find unzweifelhaft franzöfiiche Sinnbilver. Die Lilie 
kann nicht unbedingt hierher gerechnet werden, da dieje in Wappen ver- 
jchiedener Länder erjcheint; aber am frühejten und häufigſten ift fie doch 
in nordfranzöfiihen Dokumenten aufgefunden worven, jo in einfacher 
Form, dann mit zwei Kleeblättern oder mit einem Halbmond aus ven 
Jahren 1350 bis 1380. Ungefähr 1400 findet fih das franzöfiiche 
Wappen, der Schild mit drei Yilien, welchen jpäter ein Kreuz mit den 
Yeidenswerfjeugen, eine Ztreitart, ein Krummftab, ein Buchftab u. a. 
beigefügt ift; daran reihen fich die Wappen einzelner Yandfchaften, häufig 
mit der Yilie in Verbindung gebracht: der Delpbin ver Dauphine (1460), 
der Yilienjchild mit einem fogenannten Qurnierkragen over Rechen am 
obern Rande — Anjou (1465), die mit Antoniuskreuzen beſetzten Schräg- 
balfen von Troyes (1468), das Wappen von Paris (1488), ein Schild 
mit der Yilie und dem Worte file — Yille oder Ryſſel (ungefähr 1470). 
Da Frankreich und Burgund durch lange Zeit die Nachbarländer mit 
Papier verjorgten, erklärt jih das Vorkommen ſolcher oder ähnlicher 
Wafferzeichen in Straßburg, im Haag, in Utrecht, und ebenjo wenig 
auffallend ijt die Berpflanzung verjelben nach England durch Garten. 


Kapitel.) Haupttypen der ältern Waflerzeichen. 233 


In Papieren, welche Dürer zu Zeichnungen benukt bat, findet fich 
das nürnberger Wappen (jenfrecht geteilter Schild, in der linfen Hälfte 
der halbe Reichsadler, die rechte Hälfte ſchräg geftreift), ferner das Wap- 
pen von Schrobenhaufen in Oberbayern (wagerecht geteilter Schild, oben 
Bärenkopf, unten gewedt), das augsburger Wappen (ver Tannenzapfen), 
ferner ein Schild mit einem Mohrenkopf — vielleicht Yauingen an der 
Donau, der Geburtsort des Albertus Magnus. Ein Turm ift das Wap- 
pen von Ravensburg. (Vol. Ann. 25.) Ob das Linborn dem Wappen 
von Amiens entlehnt worden jet, wie Sotzmann wenigitens als möglich 
zuließ, iſt wohl zweifelhaft, da dieſes Fabelweſen jchon wegen feiner Rolle 
in der Yegende leicht an verjchievenen Orten als Abzeichen gewählt wer: 
den fonnte. Der Einhornkopf findet fich auch bereits in einem pabuaner 
Manuffript von 1355, 1357 in Holland, dann 1391 in Nordfrankreich 
und ebenjo im 15. Jahrhundert jehr merkwürdigerweiſe zwei einander 
den Naden weijende Einhornföpfe, die in ganz ähnlicher Art verbunden 
find, wie an den altperfiichen Einhornfapitellen. Das ganze Tier fommt 
jchreitend (Norpfranfreich, Utrecht, Köln), liegend (Züpdfranfreich), auf: 
gerichtet (lorenz), mit einem Schwert, mit einem Gürtel u. ſ. w. im 
ganzen 15. Jahrhundert vor. 

In einzefnen — jeltenen — Fällen läßt die Art der Zeichnung auf 
die Herkunft der Marke jchliefen. So können ein kniender Engel Gabriel 
und ein gekrönter Profiltopf, welche in Briefen Michel Angelo's nach— 
gewiejen worden find, nur fir italienisch angejehen werden; die Schild— 
form wurde bereits erwähnt. In der Kegel aber ift auf die Heritellung 
der Metallmarfe zu wenig Sorgfalt verwendet worden, als daß man 
ſtiliſtiſche Schlüffe darauf bauen dürfte. 

Daß der Ochſenkopf nicht auf das Wappen der Holbein zurüdzu: 
führen jet, fteht längit feit, und am meijten Wahrjcheinlichkeit hat, daß 
die Papierer, als Kunftverwandte der Maler u. j. w., fich jenes Symbol 
des Patrons der St. Lukas-Gilde ungeeignet haben. Es fommt (nach 
Zogmann) bereits 1310 am linken Rheinufer vor, 1312 in Nürnberg, 
1315 in dem obenerwähnten Dofument von Cammin, 1340 in Nord— 
franfreih, 1354 im Daag, 1355 in Papua, 1378 in Yucca, in dem: 
jelben Jahrhundert auch in Belgien und im nächſtfolgenden überall. 
Nah Unterjchieven an diefem Wafferzeichen in verjchiedenen Ländern iſt 
eifrig geforjcht, aber wenig Sicheres ermittelt worden: die Hörner des 


234 Haupttypen der ältern Wallerzeichen. |Biertes 


italienischen Ochjen find an ver Wurzel weniger di als beim veutjchen ; 
jpeziell venezianisch fcheint das Anbringen eines Buchitaben oder einer 
Krone auf der Schnauze zu fein; der niederländifche joll meiſtens feine 
bejonvere Nafenlinie haben. Doch dürfte der Wahrheit näher kommen, 
daß man vom einfachiten Umriß ausgegangen, dann die Augen, die 
Naſenlinie, im der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch Augen 
braunen hinzugefügt und ebenjo in den beſondern Zuthaten fortwährend 
Nenerungen geiucht habe, um Spielarten der großen Sippe des Ochſen— 
fopfpapiers zu feunzeichnen: Stange mit Andreaskreuz, mit lateinischen 
und Anpreasfreuz, mit Roſette, mit Krone, mit Stern, mit Kreuz und 
Schlange u. ſ. w. 

Das Zeichen der Wage iſt in Venedig befonders beliebt geweſen; 
es kommt in frühen dortigen Druden am bäufigiten und im mannich— 
faltigen Abwechſelungen vor: mit runden oder dreiedigen Schalen, mit 
Kreuz, Stern, Krone u. j. w. Doch wird dasjelbe ſchon 1366 in Süd— 
franfreihb und 1371 in Nordfrankreich Eonftatiert — wohin die Marke, 
aber auch das Papier jelbjt, aus Italien gekommen jein mag. 

All den verjchievdenen Marken nachzugehen iſt hier nicht der Ort; 
zum Abſchluß genügt die Aufführung der noch aufer den genannten be— 
jonders verbreiteten oder font merhvürbigen. 

Die Blode: um die Mitte des 14. Jahrhunderts in Oberitalien, 
dann in Südfrankreich, Deutjchland u. ſ. w. Schlüffel, einzeln, zwei 
nebeneinander, zwei gefreuzte, kommen im 14. Jahrhunvert in Nord— 
franfreich auf und werden im 15. allgemein. Die Armbruft, ferner 
der geipannte Bogen mit einem Pfeil find zuerjt in Norpfranfreich nach- 
gewiejen und jcheinen ſich won dort nach den verjchiedenen Himmels: 
gegenven verbreitet zu haben, ebenjo der Anker, während ver Krug, im 
14. Jahrhundert in einfacher Zeichnung beginnend, dann mit Blumen, 
Kronen u. j. w. ausgeftattet und endlich unter Yupwig XIV. zu einem 
reichverzierten Prachtgefäß fich ausbildend, vorwiegend franzöfiiche Marke 
bleibt, doch aber auch in England vorkommt (pot-paper). Dem Rad be- 
gegnet man um die Mitte des 14. Jahrhunderts in Oberitalien; in 
Frankreich kommt es zumeift als das mit Widerhaken bejegte jogenannte 
Katharinenrad vor. Die offene Fand over der Handſchuh — gewöhn— 
ib in Verbindung mit einem Kreuz, einer Rojette, einer Krone —, 
Kardinalshut, Königsfrone, Kaiferkrone, Stadtmauer, Stadttbor 


Kapitel.) Benennung von Yormaten nad) Waflerzeichen. 235 


(vielfah in Eachjen), Turm’, Stern, Schiff, Kleeblatt, Rofette, die 
gebräuchlichiten Waffen und Werkzeuge, das Siftborn, Wappen= und 
Faustiere, die Branatblüte mit Blättern, die Birne mit Blättern u. a. m. 
find wohl in allen Yändern gebräuchlich gewejen. Von jeltenen und origi- 
nelien Marken wären zu verzeichnen das DVeronicatuch (1399), die 
Mönchskapuze, das Weberfchiffchen (14. Jahrhundert), ver Leopard 
mit untergejchlagenem Schweif (1406), ver Zudelfad (1413), der tbro- 
nende Papſt (1456) und die, wie es jcheint, letteres Bild karikierende 
grinfende Figur mit einem Krummſtab (1499), der Schubkarren mit 
einem Kreuz jtatt des Rades (1457), zwei fümpfende Affen (1457), ein 
Satyr mit einem Scepter (1459), Blige unter einer Krone (1482) — 
jämtlich franzöſiſch —, die Sirene (zuevjt norditalienifch, ungefähr 1361). 

Einzelne Wafferzeichen haben für lange Zeit gewiſſen Papierjorten 
ven Namen geliehen, wie Kronenpapier, Apferpapier, Raisin u. a. m. 
In England werden noch jegt Bücherformate nach den ehemaligen Waſſer— 
zeichen benannt, 3. B. post 3° — nah Denne?® ift dieſe Bezeichnung 
ven dem Hifthorn hergeleitet, welches in jpäterer Zeit für ein Pojthorn 
angejehben wurde —, erown 8°, foolscap; auch in Deutjchland war 
dies bezüglich des Pro patria (das Wappen der Generaljtaaten von 
Holland) noch bis in das laufende Jahrhundert hinein üblich. 


Die Eitte, das Geichriebene mit Zeichnungen zu ſchmücken?', ijt jo 
alt wie Das Bücherſchreiben. Und zwar gehen hier die lehrhafte Abjicht 
und der fünftleriihe Schaffensprang teils nebeneinander her, teils ver: 
einigen jich beide. Bei den Römern erkennt man, joweit Nachrichten 
vorliegen, die erjtere Richtung: Naturhiftorifer lieferten Abbildungen der 
Pflanzen oder Tiere, von welchen ihr Text handelte, Mathematiker gaben 
die Figuren zu ihren Yehrjügen, und auch die 700 Bildniffe, mit denen 
Marcus Terentius Barro (112 bis 28 v. Chr.) jeine „Hebdomades“ 
(in einer Art autographiſcher Vervielfältigung?) ausgeftattet haben fell, 
würden ebenfalls dahin zu rechnen fein. Hier handelt es ſich mithin 
um die JUuftration im eigentlihen Zinn, d. i. die bildliche Erläute- 
rung des Wortes, Aber ſchon in dem Virgil aus dem 4. Jahrhundert 
n. Chr., welcher eins ver foftbarjten Cimelien der vaticaniſchen Biblio- 
thek bilvet, füllt der praftiiche Zwed fort: angeregt durch den Dichter, 


236 Ältere Buchilluftration. [Biertes 


ichilvert der Künjtler die Scenen, wie er fich diefelben vorftellt, oder 
wie fie von alters her bargejtellt worden waren; und wenn ev den Ge: 
jtalten die Perjonennamen beifügt, fo folgt er darin nur dem Beifpiel 
der Vaſenmaler u. ſ. w. Noch Jahrhunderte fang nach ihm unter: 
jtüßten die Maler ihre Kunft der Erzählung und Charakteriſtik durch 
jolche Beifchriften. Im wejentlichen auf demſelben Standpunkt ftehen 
die altbyzantinifchen Buchmalereien, von denen leider die Bilderftürmer 
jo wenig haben auf die Nachwelt kommen laffen. Allein bier tritt be- 
reits ein neues, für die weitere Gejchichte ver Buchausjtattung bedeutſames 
Element hinzu. Die eigentlichen, felbjtändigen Bilvderbeigaben in Büchern 
religiöfen Inhalts (und dahin gehört die große Mehrzahl) bejtehen in 
porträtartig gehaltenen Darftellungen der Evangeliften, manchmal auch 
des lehrenden Chriftus, ferner in Kompofitionen zu den erzählten Vor- 
gängen; der Tert aber wird mit befonverer Auszierung verjehen: Rand: 
einfaffungen der Ganonestafeln, welche ven Evangeliarien worausgejchict 
zu werben pflegen, und großen farbigen oder vergoldeten Anfangsbuch- 
jtaben. In beiden Richtungen hält die byzantiniſche Kunſt fich im ziem- 
lich engen Grenzen, welche fich teils durch die bejchränfenden kirchlichen 
Vorſchriften, teils durch die fozufagen fabrikmäßige Herftellung ver Codices 
erflären läßt. Der durch Kaiſer Yeo III. 726 beraufbejchworene Bilver- 
jtreit führte zunächſt die Zerjtörung unzähliger Kunſtwerke herbei und 
hatte enplich zur Folge, daR jowohl die Typen der heiligen Perjonen 
als auch die hiſtoriſchen Darftellungen immer wieder mechanisch fopiert 
wurden, und ebenjo in den mit mufivischen Muftern bevedten und auf 
dem Gebälk Vögel, Springbrummen, Vaſen u. a. m. tragenden Arkaden, 
welche die Canones umrahmen, eine große Cinförmigfeit eintrat. 

Viel freier bewegte fich die Buchmaferei im Abendlande. In den 
Sfriptorien der Ktlöfter wurden unabläflig nicht nur die Bücher für 
den Kirchendienft, jondern auch Schriften der römischen Klaſſiker kopiert. 
Man umzog mit voten Yinien das zu bejchreibende Feld des Pergament— 
blattes und zeichnete den Anfangsbuchitaben eines Kapitels over Abjates 
durch Größe und rote Narbe aus. Von dem Rot (rubrum) jener 
Yinten erhielten die Einteilungen des Blattes die Bezeichnung Rubriken, 
nach der Farbe Mennig (minium) aber wurden Buchmaler und Buch 
maleret Miniatoren und Miniatur genannt, welche Namen beiden blieben, 
als jie längſt über dieje einfachen Mittel hinausgegangen waren. 


Kapitel.] Iriſche Buchilfuftration. 237 


Nicht übergangen werden darf hier eine Anwendung bilvlicher Dar- 
jtellung im Gottesdienſte jelbjt, nämlich zu dem nach den Anfangsworten 
eines Oſterhymnus: Exultet turba angelorum, es freue fich der Engel 
Schar, benannten Exultet. Dies war eine lange Pergamentrolfe, welche 
die vom Priefter in der Djternacht vorzutragenven Strophen in Worten 
und Noten, und über jever Strophe ein den Inhalt derjelben verdeut— 
lichendes Bild, aber in entgegengefetter Nichtung zeigte. Während aljo 
der Priefter die Worte ablas, erblidte die Gemeinde auf dem von dem 
Pulte berabbängenden Teil der Rolle das entjprechende Bild. Der: 
gleichen Grultete befinden fih in Pija in der Opera del Duomo, in 
Rom in ©. Maria jopra Minerva und in der barberinijchen Bibliothek. 

Die jpezifiich nordifche Ornamentation der Bücher nimmt ihren Aus- 
gang von Irland, Diejes Yand blieb unberührt von der gewaltigen Be- 
wegung der Völfermaffen, welche von Oſten und Norden ber nach dem 
Süden drangen und drängten; und während bie alten Staaten von 
Grund aus erjchüttert, zertrümmert oder umgeftaltet wurden, ihre alte 
Kultur für lange Zeit unter Schlamm und Trümmern verjchüttet blieb, 
erfreute fich bei den Picten und Scoten das vom heiligen Patricius im 
5. Jahrhundert eingeführte Chriftentum rubiger Pflege und wurden die 
dortigen Klöfter Pflanzjtätten der Wiffenjchaften umd Künſte. Aus dieſer 
Zeit des Friedens, aljo bis zur Herrjchaft ver Normannen im 9. Jahr: 
hundert, jtammt eine anjehnliche Zahl irifcher Codices, an welchen fich 
die Entwidelung der höchſt eigentümfichen Buchmalerei verfolgen läßt. 
Iſt jchen die lateinische Tertichrift häufig von geradezu klaſſiſcher Schön- 
beit, jo jpricht aus den Imitialen und Ranbverzierungen eine Begabung 
für das Ornamentale und eine Freude daran, denen in ihrer Art wenig 
an die Seite zu ftellen if. Aus Band- und Riemenwerk in den jinn- 
reichften umd mit ftaunenswerter Geduld purchgeführten Verjchlingungen, 
untermijcht mit Reptilien, langhalfigen Vögeln und Säugetieren, bejtehen 
nicht nur die, mitunter eine Höhe von O,2+ m erreichenden Initialen, in 
deren Windungen wohl aud gleich alle übrigen Buchjtaben des Anfangs- 
wortes untergebracht find, und nicht bloß die freien Ornamente auf den 
Dlatträndern: nicht jelten ijt dem einzelnen Buche, Evangelium u. ſ. w. 
ein ganz mit vergleichen Kombinationen und geometrijchen Muſtern be- 
dedtes Blatt, ohne allen Tert, vorgejegt. Sa, Haupt- und Barthaar 
der — gewöhnlich jehr mangelhaft gezeichneten — Perjonen gehen oft 


238 Weitere Entwidelung der Handichriftenilluftration. [Biertes 


unmittelbar in das Ornament über. Ob dieſer eigenartige Stil als jelb- 
jtändiges Erzeugnis der keltiſchen Bewohner Irlands zu betrachten, over 
aus Beziehungen zum Orient berzuleiten ift: darüber bejteht noch feine 
Stlarbeit. Doch wurde derjelbe von bejtimmendem Einfluß auf einen 
großen Zeil des Abendlandes, da die von der Injel ausziehenden Glaubens- 
boten, die Apostel der Franken (Columban), der Alemannen (Gallus) u. j. w. 
mit der chriftlichen Lehre auch die heimische Miniatur zu den befehrten 
Bölfern brachten. So bildeten fih Abzweigungen der iriſchen Kunſt in 
England als angeljächjifche, auf dem Feſtlande als fränkiſche, Farolingijche, 
jchweizerifche mit bejondern Zügen aus, und noch viele Jahrhunderte 
jpäter flingt in den Arabesfen und Schnörfeln der Maler und Schreib: 
meifter die irifche Weiſe nach. 

Als bezeichnender Unterjchied zwijchen den beiden Hauptgattungen der 
Buchverzierung im frühen Mittelalter kann feitgehalten werden, daß ver 
iriſche Miniator mit der Nohrfeder zeichnet und dann mit Yeimfarben, 
ohne Abjehen auf Yicht und Schatten foloriert, der byzantiniſche aber 
mit dem Pinjel und Gouachefarben malt. Beide Stile und beide Arten 
der Technik übten ihren Einfluß auf die deutſche Mliniaturmalerei, die 
in den Klöſtern gepflegt wurde, aus; während die iriſche Art der nordi— 
chen Natur verwandter war, wurde die byzantiniſche bejonvers unter 
den jpätern Kaiſern aus dem ſächſiſchen Hauſe eingeführt und unbeholfen 
nachgeahmt, bis fich im 12. Jahrhundert ein eigener germanijcher Stil 
herausbilvete. Das Streben nach Charafteriftif und Individualiſierung 
prägt fich in den energijch geführten Umvißzeichnungen aus; die Geberden 
find ausdrucksvoll, wenn auch oft ungelenf oder im Widerjpruch mit der 
Anatomie; Mehrfarbigfeit befteht nicht jelten nur infofern, als das Nackte 
rot, alles übrige ſchwarz gezeichnet ift, doch kommt auch Fräftige Farben— 
gebung wor. In den zierlichen Inittalen lebt die irifche Tradition fort. 
Ausgezeichnete Werke diefer Periode find der auch fulturgejchichtfich wich- 
tige „Hortus delieiarum“, von der Äbtiffin des Kloſters Hohen- 
burg auf dem Opilienberge im Elſaß, Herrad von Yandsberg, im dritten 
Viertel des 12. Jahrhunderts gejchrieben und gemalt (bei ver Beſchießung 
Straßburgs 1870 zu Grunde gegangen), das „Leben der Maria’ von 
dem Mönch Werinher von Tegernjee, gleichzeitig (in der föniglichen 
Bibliothek zu Berlin), das Breviarium der heiligen Eliſabeth (im Kapitel- 
archiv zu Cividale), zahlreiche Evangeliarien u. a. m. 


Kapitel.) Miniaturmalerei der Gotif und Frührenaifiance. 239 


Im folgenden Jahrhundert vollzieht ſich im ftiliftijcher Beziehung ver 
Übergang zu den Typen der Zeit der Gotif, den geſtreckten, ſchmächtigen, 
oft jich in unnatürlichen Körperwindungen baltenden Figuren, in tech- 
nijcher ein allmähliches Fortjchreiten vom Solorieren mit ungebrochenen 
Farben zum Malen mit Yichtern, Schatten und Dalbtönen, und füngt 
die Miniaturmalerei auch ein bürgerliches Gewerbe zu werden an. Im 14. 
und 15. Jahrhundert gedieh dann dieſe Kunſt zu hoher Blüte an ven Höfen 
von Frankreich und Burgund. Flandern und Brabant waren die Haupt- 
pflanzftätten. Gebetbücher und Dichtungen wurden mit Gemälden aus- 
geftattet, welche in ihrer Art vollendet genannt werden müfjen, und ver 
Text mit den prächtigften und grazisjeften Randeinfaffungen aus naturali- 
jtiich behandelten Pflanzenmotiven umgeben. Die hervorragendſten Meijter 
der altniederländiſchen Malerſchule haben fich jolchen Aufgaben gewidmet, 
oder ihre größern Werke gemahnen doch durch die überaus jorgfältige 
Ausführung und durch die naive Darftellung an jene Miniatorenjchule. 
Und den Einfluß eben diefer Schule läßt das Befte, was in den fetten 
Zeiten des Mittelalters auf dem Gebiete der Buchmalerei auch in andern 
Ländern gejchaffen worden tft, auf das deutlichſte erfennen. 

Eine je höhere Kunſtſtufe aber die Meiniaturmalerei erreichte, je 
höhern materiellen Wert ihre Yeiftungen erhielten, um jo ausjchlieflicher 
wurde fie höfiſche Kunft. Und in diejer Stellung behauptete fie fich noch 
lange nah Erfindung der Buchdruckerkunſt — es ift dies bereits im 
erjten Kapitel berührt worden —, wie die Gebetbicher fürftlicher Per: 
jonen in unjern Bibliothefen (des Kaiſers Mar, der Maria von Bur: 
gund, Karls V. in Wien, der Anna von Bretagne, des Königs Rene 
in Paris, die 40 Blätter aus einem Gebetbuche von Jehan Foucquet 
in der Brentano’schen Sammlung zu Frankfurt, Dürers Zeichnungen 
zum Gebetbuche des Kaijers Mar in München — wozu neuerdings Er- 
gänzungen von der Hand anderer Meifter in Beſançon aufgefunden 
worden find, u. d. a.), das Breviarium Grimani in Venedig u. |. w. be- 
zeugen. 

Inzwiſchen hatte fich jepoch ein anderes, ein populäres Illuftrations- 
mittel herausgebildet, der Vorläufer des Petterndruds: der Bolzſchnitt 
oder Sormfchnitt, deſſen Vorläufer wiederum der Movelfchnitt für den 
Zeugorud gewejen ift. 

Die Frage, warn in China angefangen worden ſei, Schriftcharaftere 


240 Der Holz- oder Formichnitt. Modeldrud. [Biertes 


und Bilder derartig in eine Holzplatte zu jchneiden, daß fie höher als 
der Grund jtehen blieben und, mit Farbe beftrichen, auf Papier abge- 
druckt werden fonnten, iſt noch nicht endgültig beantwortet worden, da 
die Angaben einheimijcher Schriftjteller zwijchen dem 6. und 10. Jahr— 
hundert jchwanfen. Dagegen iſt die bisher nur als Vermutung ausge- 
iprochene Anficht, daß der Zeugdruck vermittelft der Model bereits den 
alten Völkern befannt gewejen jein möge, durch die Auffindung eines 
auf folche Weife ornamentierten Yeinwandftücchens in einem äghpptijchen 
Grabfelde beftätigt worden. ?° Gin Stüd Baummwollenftoff mit der auf- 
gedruckten Darjtellung des Ganymed befitt das berliner Kunſtgewerbe— 
Mufeum; vie Zeichnung iſt jchwarz, vot und golden, das in Pulverform 
aufgeftäubte Gold haftet auf einem bräumlichen Klebeſtoff; ftiliftijche Ver— 
wandtjchaft mit den aus dem Funde von Nagy-Szent-Miflos (im Banat) 
herrührenden jogenannten jaffanidijchen Gefäßen im wiener Münz- und 
Antikenfabinet hat diejen Zeugdruck ebenfalls als ſaſſanidiſch bezeichnen 
und in das 6. bis 7. Jahrhundert ſetzen Laffen.?? Aus jpäterer Zeit 
finden fich bedruckte Stoffe an liturgifchen Gewändern nicht jelten. Gin 
italienischer Künftler zu Anfang des 15. Jahrhunderts, Cennino Gennini ?°, 
bejchreibt das Verfahren hierbei jo, daß die mit Farbe beftrichenen Model 
auf den in einen Rahmen gejpannten Stoff gejeßt und durch Reiben 
mit einem hölzernen Schilde oder Schildchen (aljo wohl einer 
runden Platte mit einer Handhabe) auf der Unterſeite des Stoffs ein 
Gegendruck bergeftellt wurde. Und Fr. Yippmann 3! glaubt, daß die 
frühefte Art des Bilddrucks auf Pergament oder Papier injofern mit 
jenem Berfahren übereingeftimmt habe, als die Drudform auf die zu 
beprudenve Fläche aufgejegt und aufgedrüdt worden ſei, jonac ber jo- 
genannte Reiberprud bereits eine zweite Entwidelungsftufe bezeichne. Es 
wird nämlich gewöhnlich angenommen, daß vor Erfindung der Buch— 
druckerpreſſe alle Abvrüde von Bildformen durch Auflegen des angefeuch- 
teten Papiers auf die Form und Bearbeiten der Rückſeite desjelben mit 
dem Reiber, einem mit Kuhhaaren ausgejtopften Yeverballen, bewerf- 
jtelligt worden jeien. Dergleichen Abdrücke find daran fenntlich, daß die 
Linien der Form fich in das Papier förmlich eingeprüdt haben und da— 
ber auf ver Nückjeite des Papiers ein wenig hervortreten, welche außer— 
dem durch das Neiben merklich geglättet ift. Yippmann weiſt aber nach, 
daß nicht wenigen ganz frühen Holzichnitten eben jene beiden Kenftzeichen 


Kapitel.) Neiberdrud. Metallichnitt. 241 


mangeln, und er macht e8 wahrjcheinfich, daß mit dem ältern Verfahren 
(Auferüden ver Form auf das Papier) auch der Gebrauch „öliger 
jchwarzer Farbe, welche häufig did, ungleichmäßig, abgeriffen und mit 
unreinen Gontouren der Striche aufgetragen iſt“, zufammenfalle, wogegen 
die dünnere, flüffigere, ins Braune oder Graue jpielende Farbe für die 
Reiberprude charafteriftiich ſei. In jeiner citierten jeharffinnigen Unter- 
juchung tritt er auch der Anficht entgegen, daß in der Frühzeit des Bild- 
druds die Form häufig in Metall anftatt in Holz gejchnitten worden 
jei. 8. Fr. von Rumohr, welcher in vieler Beziehung ald Bahnbrecher 
für die Kunjtwiffenjchaft verehrt werden muR, hatte nämlich die Ver— 
mutung geäußert ??, daß ſchon frühzeitig Abklatſche von Holzjchnitten 
in Metall genommen worden jein möchten, und T. DO. Weigel ?? und 
3. D. Pafjavant ?* Hatten, ohne dieſe Anficht zu teilen, angenommen, 
daß eine dem Yetternmetall entjprechenve Kompofition in den Fällen von 
dem Formjchneider ald Material verwandt worden jet, wo im Abdruck 
ſich einzelne Yinien verbogen varftellen oder die Farbe fledig erjcheint. 
Hiergegen wird von Yippmann außer anderm geltend gemacht, daß der- 
gleichen Verbiegungen der Yinien auch auf Fehlern im Holz, auf Un- 
geichicklichfeit des Schneidenden, auf Unebenheiten im Papier oder Ver— 
ziehung vdesjelben beruhen fünnen; endlich, daß bisher nicht eine jolche 
Metallplatte entvedft worden ift. Die wenigen befannten Abdrücke von 
in Kupfer gejchnittenen Bildformen gehen kaum weiter als auf das Jahr 
1500 zurüd. Im übrigen hat die Meinung, daß die Technif des Gli- 
chierens ſchon in der Frühzeit ver Buchdruckerkunſt wenigitens Einzelnen 
geläufig gewejen jein müjfe, purch die Wahrnehmung Anhänger gewonnen, 
daß in Holz gejchnittene Initialen fich in einer und derſelben Drudforn 
ganz genau übereinftimmend wiederholen, 3. B. bei Erb. Ratdolt in 
Augsburg. 

Wann man überhaupt angefangen habe, Heiligenbilver, Spielkarten 
u. dgl. m. vermittelft des Holzmodels zu vervwielfältigen, wird wohl nie 
feftgeftellt werden können, da dergleichen Einzeldrucke zu ihrer Zeit nicht 
gejammelt, jonvdern nur durch Zufall auf uns gefommen find und dann 
meijtens jeder Anhalt für ihre genaue Datierung mangelt. Die früheften 
urfundlichen Nachrichten von Drudern ftammen aus den Niederlanden. 
In Aktenjtüden won 1417 im ftädtifchen Archiv zu Antwerpen wird mehr- 
mals Ian de printere erwähnt, und zwar einmal als Schuloner eines 

Kapp. I. 16 


242 Die niederländiichen Printer. Die Technif. Viertes 


Pergamentmachers**; da man aber auch Altarbehänge und ähnliches aus 
mit Moveln beprudtem Pergament beritellte, jo fan jene Erwähnung noch 
nicht als vollgüftiger Bereis dafür angenommen werden, daß jener Jan 
von Antwerpen ein eigentlicher Bilvdruder gewejen ſei. Dagegen zählt 
die Yufasgilde zu Antwerpen im Jahre 1442 Druder als Mitglieder, 
und in Verhandlungen, welche 1452 in Yöwen zwijchen ven Bertretern 
der dortigen Holzarbeiterzünfte und dem Formjchneivder (printsnydere) 
Yan van den Berghe wegen des Eintritts des lettern in die Schreiner- 
zunft ftattfanden, ergibt fich aus den Reden beiver Parteien, daß jeine 
Bejchäftigung das Schneiden von printen van letteren ende 
beelden — Schrift und Bildformen — gewejen it. Er weigert fich, 
in das Handwerk einzutreten, weil jeine Arbeit een sunderlinghe 
const — eine eigene Kunſt — fei, während die Handwerfer fih darauf 
berufen, daß er ja doch Holz mit Hobel und anderm Handwerkszeug be- 
arbeite. 3° In Nürnberg wird 1428 ein Formſchneider H. Pömer, 1441 
ein Startenmaler Michel Winterpef und 1445 ein Kartenmaler Dans 
Paur erwähnt; der fettere Name findet fich auf Reiberdrucken in ver 
Bibliothek zu Stuttgart und in der Kupferſtichſammmlung zu München, 
ſodaß er auch Formſchneider geweſen zu fein jeheint. 

Den Ruhm, in dem beifigen Chrijtoph mit der Jahreszahl 1423 
den ältejten datierten Holzjchnitt zu befiten, behauptet noch immer Die 
Spencerjche Bibliothef in Althorp Park (Northampton), obwohl in neuerer 
Zeit Konkurrenten aufgetaucht find. Das Blatt wurde 1769 von dem 
Kunftforjcher 8. 9. von Heineden entvedt, eingeflebt in ven Einband 
eines um 1417 gejchriebenen Buche, „Laus virginis“, in dem Ktlofter 
Burheim bei Memmingen. 

68 darf als befannt vorausgeſetzt werben, daß die jeßige Technif des 
Holzjehnitts erjt gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aufgefommen ift. 
Dis dahin bediente man fich einer parallel dem Faſernlaufe zugejchnittenen 
Platte von hartem, namentlih Birnbaumbolz, ale Material, und als 
Werkzeug eines Meſſers mit ftarfer, kurzer, zugejpigter Klinge, mit wel- 
chem der Ktünftler, die Hand in der Richtung gegen den eigenen Körper 
bewegend, die Faſern durchſchneiden fonnte, während die von Thomas 
Bewid (1753 bis 1828) eingeführte Berwendung des ſenkrecht auf Die 
Safer gejchnittenen Hirnholzes das Eingraben oder Herausmeißeln ver- 
mittelft eines Stichels mit fich gebracht bat. 


Rapitel.] Die Briefmaler und ihre Erzeugniffe. Blockücher. 243 


Heiligenbilver waren, wie jehen die noch vorhandenen frühen Blätter 
beweiien, die Hauptaufgabe für den Bildjchneider. Sie zeigen gewöhn— 
ih noch ziemlich dicke Umriſſe und feine Schraffierung, und da fie be- 
ſtimmt waren, mit Wafferfarben ausgemalt zu werden, mangeln oft 
Details im Schnitt, welche eben durch die Farbe angegeben werden 
joltten: der Kormjchneider und der Briefmaler waren wohl meijtens 
eine Perjon. Bald jprach das Bild jo deutlich, daß es feiner Erflä- 
rung bevurfte, bald wurden die Namen der dargejtellten Perſonen over 
Sprüche u. a. m. ebenfalls in den Holzſtock gejchnitten. Es finden fich 
aber auch jchen aus der erjten Hälfte des 15. Jahrhunderts zujammen- 
gebörige Reihen von Blättern, auf welchen die Hauptmomente einer bibli- 
ſchen Erzählung, der Offenbarung Johannis, die Zehn Gebote oder 
anderes mehr vargejtellt waren: Bücher für die ungelernte Leut, 
wie es auf den Zehn Geboten in der Bibliothek zu Heidelberg heißt, 
Armenbibeln, d. h. Bibeln für die (des Yejens Unkundigen) Armen 
im Geifte, oder Blockbücher, wie der in der Kunftgejchichte gebräuch- 
liche Gattungsname lautet. 

Dieje in Bildern jprechende Volkslitteratur entwidelte ſich ausſchließ— 
ih im Norden Europas und vorzugsweije unter den germaniſchen Völ— 
fern, Deutjchen und Nieverländern; fie befriedigte zugleich deren leben— 
digern und tiefer wurzelnden religiöjen Sinn und die Bilderluft, welcher 
ih im Norden nicht, wie in Italien, große, allgemein zugängliche und 
allgemein verſtändliche malerische Schöpfungen an den Wänden von Kirche 
und Campo janto darboten; fie wurde von Einzelnen, wie von ber 
ſchon wiederholt erwähnten religiöjen Senofjenfchaft ver „Brüder vom 
gemeinjamen Leben“ in Holland als Mittel der Belehrung in großem 
Umfange angewandt und erwies fich jpäter als mächtige Waffe in ver 
bumaniftiichen und veformatorifchen Bewegung. 3° Und mit ihr wuchs 
und gedieh der Holzſchnitt, ſodaß die junge Buchdruckerkunſt an ihm einen 
bereits kräftig auf eigenen Füßen ftehenven Gehilfen vorfand. Den 
funftreihen Schreibern entlehnte fie die großen verzierten Anfangsbuch- 
ftaben, ven Rotorud einzelner Buchjtaben, Wörter und Zeilen, auch Nand- 
verzierungen u. dgl.; das Figurenbild des Formſchneiders fonnte fie über- 
nehmen, wie es war: es lieh fich in biejelbe Form fpannen mit dem 
Yetternjaß, e8 gewann aber jelbjt dabei durch den Preſſendruck an Stelle 


des primitiven Neibverfahrens. 
16* 


244 Gejchrotene Manier, Die Formjchneider. [Biertes 


In technifcher Beziehung hatte der Formjchnitt fich ſchon erheblich 
vervollfommmet, als er berufen wurde, die gedrudten Bücher zu illu— 
jtrieren. Der Formſchneider vermochte getveuer und in feinern Yinien 
der Borzeichnung zu folgen, durch Schraffierung, wenn auch noch jelten 
in Sreuzlagen, die Figuren, Gewänver u. f. w. zu modellieren. Die 
Spezialität der gejchrotenen Manier ging ebenfalls mit über in die Buch— 
illuſtration, verjchwindet aber mit dem Ende des 15. Jahrhunderts. Die 
deutjchen Ausprüde gejchrotene Manier, Schrotblätter müſſen zu- 
rücgeführt werden auf das Schroten, Durchſchneiden der Schattenjtrich- 
lagen, ſodaß im Abdruck weiße, abtönende Querlinien erjcheinen; bie 
franzöfijche Bezeichnung maniere criblee bezieht ſich, wie die (atei- 
niſche opus interrasile, und die englifche dotted plates, auf die 
weißen. Punkte, Perlen, Blümchen oder vergleichen, mit welchen der 
Grund oder auch die Gewandung ornamentiert zu ſein pflegt. 

Die Illuftrationen der gedruckten Bücher erinnern in der erjten Zeit 
noch injofern an ihre Abjtammung von fliegenden Blättern und Block— 
büchern, als fie häufig nur die Rolle von Sinnbildern, Symbolen, all- 
gemeinen Inhaltsangaben ſpielen: dieſelbe menjchliche Figur dient zur 
Bezeichnung verjchievener Perſonen, diejelbe Stadtanficht joll einmal 
diefe, einmal jene Stadt vergegenwärtigen, auch Handlungen, welche 
häufig in den Erzählungen vorfommen, wurden nicht jedesmal indivi- 
dualifiert: ein Verfahren, welches ſich in der wohlfeilen Volksbücher— 
und Stalenverlitteratur bis auf unjere Tage erhalten hat. Und jolche 
Okonomie ift bei den ältern Buchdrudern jehr verſtändlich, da fie zu- 
meift ihre eigenen Formjchneider jein mußten, ein Verhältnis, welches 
von jelbft aufböärte, als die mit dem Druden verbundene Verlagsthätig- 
feit und der Vertrieb der Bicher immer größere Ausdehnung gewannen. 

So ift im legten Drittel des 15. Jahrhunderts jchon die Teilung 
der Arbeit durchgeführt: der Buchdrucker und Berleger bedient ſich bet 
jeinen Unternehmungen des erfindenvden Künftlers und des Formſchneiders, 
welcher mit jeinem Schneidemeffer den Blei- oder Federzügen des erjtern 
zu folgen hatte. Schon die Grundverſchiedenheit diejer beiden Beſchäf— 
tigungen macht es einleuchtend, daß fie nicht in derjelben Hand bleiben 
konnten, als der Buchhandel beide in größern Maße in Anjpruch nahm, 
und die lange Zeit mit großem Eifer vwerfochtene Anficht, daß ſogar die 
großen Künſtler des 16. Jahrhunderts noch ihre Zeichnungen eigenhändig 


Kapitel.] Dentihe Buchilluftration des 15. Jahrhunderts, 245 


in Holz gefchnitten hätten, zählt gegenwärtig wohl feinen Anhänger mehr. 
Unter anderm ift aufgeklärt, daR die neben dem Monogramm von jchweizer 
Künitlern vorkommende Waffe keineswegs ein Schneidemeffer vorftellen 
ſell, ſondern einen Dolch, und wahrjcheinlich auf den Kriegsdienſt des 
Künstlers anſpielt. ** 

Die v„olzſchnittilluſtration gelangt zu wundervoller Blüte in Deutſch— 
land und in Italien um die Wende des 15. und des 16. Jahrhunderts. 
In den früheſten Erzeugniffen ver Buchdruderpreffe find noch die Räume 
für große Anfangsbuchitaben frei gelaffen: der Formſchneider war noch 
nicht im Stande, den Wettjtreit mit dem Schreiber und Briefinaler 
in ver Herftellung zierlicher Züge und Schnörkel aufzunehmen. Daher 
baben die „manung der criftenheit widder die Durken“ (Mainz 
1455), Die zweinmdvierzigzeilige und die jechsundpreifigzeilige Bibel 
noch gejchriebene, beziehungsweife gemalte Initialen. Aber in dem Fuſt— 
Schöfferſchen Piulterium von 1457 zeigt fich jene Schwierigfeit bereits 
überwunden, ja, Das Ornament, welches den Grund für die gejchnittenen 
Bucitaben bildet und in eine vielfach verichlungene Randverzierung über: 
gebt, und das Blattwerk, welches in dem eriten B ausgefpart iſt, über— 
treffen an Sicherheit und Schwung die gemalten Verzierungen in den 
verausgenannten Büchern. Außerdem ift der zweifarbige Drud diefer Zier- 
buchjtaben eine mit Recht angeftaunte Meeifterleiftung. In den ficbziger 
Jahren wandten dann Günther Zainer und Bänder in Augsburg und Jo— 
hann Zainer in Ulm verzierte Initialen an. Die figürlichen Beigaben, 3.8. 
in den Erzeugniffen Albrecht Pfijters in Bamberg (Boner’s „Epelitein‘) 
blieben zunächſt noch auf gleicher Höhe mit den Formſchnitten der Block— 
bücher, wenn auch hier und ba ein erhöhenver Einfluß der gleichzeitigen 
Malerei, namentlihb Schongauers, wahrzunehmen ift. Cine neue Pe: 
riode des Illuſtrationsweſens aber beginnt mit der Verlagsthätigfeit 
Anten Robergers in Nürnberg. Der „Schatbehalter” von 1491 und 
Sartnann Schevel® „Buch der Chroniken” mit den Illuftrationen 
von Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff, 1493, find noch heute 
eine Augenweide für den Kunftfreund. Wolgemuts Schüler, Albrecht 
Türer, jevocb war es vorbehalten, der deutſchen Holzſchneidekunſt ven 
Weg vorzuzeichnen, auf welchen jie nach allen Abirrungen immer wieder 
jnrüdfehrt und zurücfehren muß. Denn jeine Manier entjpricht ebenjo 
jebr der deutichen Art wie der Natur des Moaterials. Sie legt den 


246 Blüte des deutichen Holzichnitts im 16. Jahrhundert. Viertes 


Hauptwert auf die Charakteriſtik, die ſtrenge Linienführung, bewahrt auch 
in der Modellierung und der Behandlung der Schattenpartien das Weſen 
der Zeichnung, verzichtet alſo darauf, maleriſche Effekte anzuſtreben, wie 
ſie z. B. der Radierung erreichbar ſind. Kann auch Dürer ſelbſt nur in 
beſchränktem Maße zu den Illuſtratoren von Büchern gezählt werden, da 
ſeine Werke zum allergrößten Teil als ſelbſtändige Folgen oder Einzel— 
blätter erſchienen ſind, ſo wurde doch ſeine Weiſe durch Schüler und 
andere Zeitgenoſſen die herrſchende während der ganzen, bis in das 
17. Jahrhundert hineinreichenden Periode blühender Verlagsthätigkeit. 
Dans Schäufelein und Lukas Cranach, die beiden Burgkmair, die Klein— 
meiſter Hans Sebald Behaim, Altorffer, Aldegrever u. ſ. w., vor allem 
aber Haus Holbein der Jüngere, ſtanden in den lebhafteſten Beziehungen 
zu den gelehrten Autoren und den gelehrten und kunſtſinnigen Buch— 
druckern. Sinniger Bilderſchmuck war den Leſern zum Bedürfnis ge— 
worden und ſolchen anzubringen eine Ehrenſache für die Verleger, und 
ausgezeichnete Formſchneider, wie Hieronymus Reſch, Joſt Dienecker, 
Hans Lützelburger, Hans Broſamer, Virgil Solis und viele andere, 
brachten die Technik zu hoher Vollendung. Neben den großen, ganze 
oder halbe Blattſeiten füllenden Bildern bürgerten ſich die kleinern, von 
Text umgebenen ein, welche zuerſt in venezianiſchen Büchern aus der 
letzten Zeit des 15. Jahrhunderts angetroffen werden. 

Hand in Band mit der Illuftration im eigentlichen Sinne geht die 
Ausſtattung der Bücher mit allegorifchen und andern Titelumvahmungen, 
Yeiften, Schlußftüden und Zierbuchitaben; fie nimmt immer mehr Raum 
ein und gewinnt immer größere Fünftleriiche Beveutung. Auf die große 
Publikation von Butſch verweifend, jet hier nur die hervorragende Thätig- 
feit der Meifter Dans Burgkmair, Daniel Hopfer in Augsburg, Albrecht 
Dürer (Bordüren, das große Kinveralphabet, zwei kleinere Alphabete), 
Hans Springinklee in Nürnberg, Dans und Ambrofius Holbein, Urs 
Graf in Bajel, Johann Wechtlin, Dans Baldung Grün in Straßburg, 
Anton Woenſam von Worms in Köln, Lukas Cranach in Wittenberg 
berührt. 

Noch verdienen zwei Bejonderheiten erwähnt zu werden, welche je 
recht darthun, wie unentbehrlich damals allen, die mit Büchern zu thun 
hatten, das bezichungsreiche Ornament war: die Signete, Druder: 
oder Berlegerzeichen, und die Ex-libris, Marten der Bücherbefiker. 


Kapitel.) Signete der Buchdrucker und Buchhändler. Ex-libris. 9247 


Dem Druder oder — falls nicht beide eine Perjon waren — dem 
Terleger genügte nicht die Nennung feiner Firma, jelten auch die Bei: 
fügung eines Monogramms oder einer Hausmarfe: dem Geifte der Zeit 
gemäß ſchmückte er die Erzeugniffe feiner Preffen mit einem Gejchäfts- 
wappen, welches zugleich ein Kunſtwerk und ein Symbol fein, womöglich 
auch ein rvevendes Wappen vorftellen mußte. Ohne Zweifel wurden die 
gelehrten Sejchäftsfreunde bei der Wahl eines beveutungsvollen Bildes 
und Motto's zu Rate gezogen, die Ausführung, wie fich häufig nach- 
weiſen läßt, oft ven bedeutendſten Künſtlern übertragen; und zwar ließen 
manche Drucker fich immer neue Signete componieren, wenn auch ge 
wöbnlich mit Beibehaltung der Symbole und Devifen. E83 eriftieren 
eine Reibe von Signeten von der Hand Dans Holbeins 3°, zumal aus 
der Zeit jeines Aufenthalts in Baſel (1515 bis 1526), in welcher er 
überbaupt Die Buchdruckerkunſt mit einev Fülle von herrlichen Illuſtra— 
tionen (zur Bibel, zum freiburger Stadtrecht u. ſ. w.), Titelblüttern, 
Umrahmungen, Initialen u. ſ. w. beſchenkte; ferner dergleichen Arbeiten 
Yufas Crauachs, Jobſt Ammans, Tobias Stimmers u. a., und noch 
andere Druderzeichen laffen uns lebhaft bedauern, daß die Meifter fich 
nicht genannt haben. 

Sowohl den Signeten, wie den Ex-libris ift erſt in neuerer Zeit 
größere Aufmerkſamkeit zugewendet worden; während aber die Bibliothek: 
zeichen — Familienwappen oder Symbole mit einer Devife oder dem 
Namen des Befiters der Bibliothek, zuerjt in Italien und Deutjchland 
und zwar anfänglich ſogar als Dandzeichnungen und Malereien, jeit der 
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch in Frankreich im Gebrauch % — 
zumeiſt nur eine Spezialität gewiffer Sammler bilden, werden die Sig- 
nete als Dokumente zur Gejchichte der Yitteratur, der Kunſt, des Buch— 
drucks und des Buchhandels auch öffentlichen Sammlungen eingereiht und 
publiziert. Sie machen alle Wandlungen des Stils und Geſchmacks mit, 
erſcheinen zuerjt gewöhnlich als einfache Schilde, Tafeln oder Wappen: 
bilder, häufig Metallfchnitte, auch mit gejchrotenem Grunde, Schrift und 
Ornament noch gotijch, werden zu immer veichern Kompofitionen im Geift 
und Geſchmack ver Kenaiffance, und fommen in der Dochrenaiffance 
faum ohne pompöje architeftonifche Umrahmungen vor. 

As das frühefte Signet muß wohl das von Fuſt und Schöffer an— 
genommene Druderzeichen angejehen werben: zwei durch eine Schnur 


248 Deutsche Signete nad) namhaften Künftlern. [Biertes 


verbundene Schilde hängen an einem Ajt, vechts (heraldiſch) derjenige 
Fufts mit zwei ſchräg übers Kreuz gelegten, an den Enden Wider— 
halen tragenden Stäben (Doppelhafen), lints der Schöffers mit einem 
durch zwei Doppelhafen gebilveten Sparren und drei Sternen.“ Bei 
Schöffers Schn Johann ericheint dasſelbe Zeichen nebſt feinen Initialen 
bereits in eine figürliche Kompofition, Schäfer mit ihren Herden, ein: 
gefüigt, *? 

In der von Dürer für das Titelblatt von Pirdheimers „Plutarch“ 
gezeichneten Knotenbordüre findet ſich Das Zeichen des Friedrich Peypus 
in Nürnberg: ein Würfel mit dem Motto Ratio vineit und vie 
Jahreszahl 1522. ? 

Für Johann Bebel in Bajel zeichnete Folbein die fogenannte Palma 
Bebeliana, einen Palmbaum, auf deſſen Zweigen eine Platte lajtet; 
die früheſte Form zeigt noch einen im den Zweigen auf dem Rüden 
liegenden nackten Menſchen, ver jich gegen die Platte jtemmt, und an 
der lettern die Worte: Verdrvck mich Armen mitt; — für Balentin 
Curio daſelbſt mehrmals die jogenannte Tafel des Parrhafios mit der, 
einen Pinjel führenden Hand #; — für Matthias Bienenvater in Bern 
einen den Honigbaum beiteigenden Bären, zugleich Anjpielung auf ven 
Namen und auf den Wohnort *°%; — für Chriftoph Froſchauer (Froſchover) 
in Zürich mehrere Signete mit Fröjchen, die bald auf einen Baum klet— 
tern, bald von Knaben geritten werden’; — für Thomas Wolff in 
Bafel einen Gelehrten, welcher ven Finger auf den Mund legt*; — 
für den vielleicht verjelben Familie angehörenden Reinhold Wolfe in 
London ſpäter (1543) den von einem Schriftbande umfchlungenen Apfel: 
baum, den Knaben plündern +’; — für Denric Petri in Bafel um 1528 
einen Fels, aus dem eine Hand mit dem Hammer Funfen jchlägt, die 
vom Winde angefacht werden ’° (Zebaftian Henric Petri der Jüngere 
ließ ſich um 1576 dasjelbe Motiv von Tobias Stimmer zeichnen. >") 
Das Signet Johann Frobens in Bajel: ein von zwei Händen ge 
haltener, von zwei Schlangen umwundener Stab, auf dem eine Taube 
jitst (Anfpielung auf Matth. 10, ı6), wird von Woltmann dem Dans 
Holbein ab- und deſſen Bruder Ambrofius zugeiprochen. >? 

Der Gegenſtand iſt intereffant genug, um ihn auch ohne Rückſicht 
auf Die eriwiejene oder vermutete Mitarbeit berühmter Künftler zu ver- 
folgen, joweit deutjche Druder und Verleger dabei ins Spiel kommen. 


Kapitel.] Buchilluſtration in Italien. Deutiche Einflüfle. 249 


In den Anmerkungen 5? ift daher die Bejchreibung einer Auswahl ber: 
vorftechender Signete gegeben. 

Bei ven lebhaften Wechjelbezichungen zwijchen Deutjchland und Ita— 
lien ift e8 übrigens notwendig, auch einen flüchtigen Blid auf die Ent: 
widelung der Buchilluftration in dem letztgenannten Yande zu werfen. 
Deutihe Buchdrucker hatten zwar den Yetternjat und die Verzierung 
desjelben durch Holzftöde dort eingeführt, aber die Formen der Yettern 
und der Illuftrationen wurben bald italienisch und die Antiqua und 
Kurfivjchrift, jowie das Renatffance- Ornament drangen im 16. Jahr— 
bunvdert nach Deutjchland vor; und zwar dienten feineswegs nur bie 
Buchornamente als Vorbilder. Noch Aldegrevers Yieblingsornament 
erweijt, welchen Einfluß die deforativen Elemente in der veneziantjchen 
Kunſt auf die nordiſchen Künftler ausgeübt haben. 

Hatte Italten den Holzichnitt als unabhängige Kunft weniger ge 
pflegt, als Deutjchland, fo fand er als Begleiter der Buchdruckerkunſt 
um jo willigere Aufnahme Schon der frübefte italieniſche Drud, 
Schweynheym und Pannark’ Yactanz von 1465, bat wenigjtens auf der 
eriten Seite eine Randeinfaffung, der Zurrecremata Ulrich Hahns von 
1467 aber bereits zahlreiche figürfiche Darftellungen, von welchen die 
eine eine ganze, 33 eine halbe Seite beveden. Dchjenbrunners „Pris- 
corum heroum stemmata” (Nom 1494) bei Johann Befiden und Sig: 
mund Mapr, ijt mit phantaftischen Helvenbilpniffen und zierlichen Rand— 
einfaffungen ausgeftattet, dev Äſop, welchen Franciscus de Tuppo 
1485 in Neapel, wahrjcheinlih in der ehemals Rieſſingerſchen Offizin 
druden ließ, zählt 87 große Illuftrationen zum Yeben und zu den Fa— 
bein AÄſops, für die Zeit vorzügliche Arbeiten, mit ſchönem weißen Or— 
nament auf ſchwarzem Grunde. Das Herausſchneiden weißer Yichter 
aus jchwarzem oder jehraffiertem Grunde in einer an die Echrotblätter 
erinnernden Manier findet ich in Foligno („Contemplationes‘ des 
Turreeremata von Johann Neumeifter 1479) und ſpäter in Florenz. 
Dieſe Illujtrationen erjcheinen zumeist noch als Ableger der nach Ita: 
lien verpflanzten deutjchen Kunſt. Dagegen erhielt der Holzichnitt in Ober- 
italien entjchieven nationales Gepräge. Verona fteht voran mit Balturio, 
„De re militari“, 1472, doch gegen Ende des Jahrhunderts über- 
flügelt Venedig, wo der Augsburger Erhard Ratdolt ſchon 1476 in 
dem „Calendarium“ des Johann Regiomontan Zierleiften, und 1477 


250 Der ältere Büchereinband. Diptychen. (Biertes 


im Appian auch Initialen anbrachte, alle andern Städte durch Die 
Schönheit der Zeichnung und die Korrektheit und Virtuoſität des Schnitte 
der Bilder zu „Devote meditazione sopra la passione del Nostro 
Signore” (1489, Drud von Matteo di code — i. e. Matteo Di capo 
di cafa — da Parma), „Biblia volgata” des Nicolo de Malermi (1490, 
mit kleinern, vignettenartigen Bildern, Drud von Giovanni Ragazzo 
für Yucantonio da Giunta), „Hypnerotomachia Poliphili“ (1499, Aldo 
Pio Manuzio) u. v. a. °* 

Ganz ähnlich bewegt fich auch in Frankreich die Bucilluftration 
zunächjt innerhalb ver Nachahmung deutſcher oder italienischer Vorbilder, 
bis dann mit Geofrey Tory, dem ausgezeichneten wieljeitigen Künftler 
(1480 bis 1533), ein eigener franzöfiicher Stil jich herausbilvet und 
weiter nach den Niederlanden verpflanzt, >> 


Zum Schutze des Befchriebenen dienten im Altertum, wie früber 
erwähnt worden ift, die Pergamenthülle ver einzelnen Rollen und weiter 
Kapjeln, oder serinia, für deren mehrere. ?° Das Diptychen, das Trip- 
tychon u. f. w. bedurften bejonderer Vorkehrungen zum Schutze nicht, 
da das Material, in welches die Schrift eingegraben war, oder welches 
der Wachsſchicht als Unterlage diente, alfo Metall, Holz, Elfenbein, Hin- 
längliche Solidität bejaf. So haben denn auch die mit Schnitzwerk 
gezierten Aufenjeiten von Kffenbeindiptychen im frühen Mittelafter 
als Vorbilder für eigene Bucheinbände gedient, wenn nicht dergleichen 
Platten unmittelbar als Dedel verwandt wurden. Hierbei konnte es fich 
ſelbſtverſtändlich nur um beſonders wertvolle Handſchriften handeln. 
Solche wurden auch durch Überzüge der Holzdeckel mit Gold- oder 
Silberblech ausgezeichnet und das Metall graviert, getrieben, emailliert, 
mit großen, nicht geſchliffenen, ſondern nur polierten Edelſteinen oder 
Kryſtallen beſetzt, welche zugleich als Knöpfe oder Buckel dienten, um 
beim Aufſchlagen des Buchs die Berührung der getriebenen oder ge— 
ſchmelzten Arbeit mit der Unterlage zu verhüten. Auch antike Kameen 
haben nicht ſelten dabei Verwendung gefunden. 

Solcher Prachteinbände (beziehungsweiſe Beſtandteile) Hat ſich glück 
licherweiſe eine große Zahl erhalten. Diptychen aus Elfenbein, ganze 
Tafeln oder Stücke davon zu Bucheinbänden benutzt, mit Umrahmungen 


Kapitel.) Benennung von Büchern nad dem Einband. 251 


oder Füllungen aus Metall verbunden, aus der Zeit vom 7. Jahrhundert 
bis in das frühe Mittelalter ſtammend und ſowohl byzantiniſcher als 
abendländiicher Herkunft, befinden fich befonders in den Schatsfammern 
der Dome zu Aachen und Mailand, im Louvre und der National: 
bibliothef zu Paris, in ver Bibliothek zu München, in der Marfus- 
Bibliothek, im Britifh und South Kenfingten Muſeum u. ſ. w. Eine 
Anzahl der beveutenditen hat die Arundel Society in Gips abformen 
laſſen. 

Metall war zum Befeſtigen von Elfenbein- oder Emailplatten wie 
ſchon als Excipient der Schmelzfarben von nöten, aber auch zum Schutze 
ver Eden und Ränder der Holzdedel, endlich für die Schließen oder 
Klammern, welche die Dedel des gejchloffenen Buchs auf der Schnitt: 
feite zufammenbielten. (Bücher mit wirklichen Schlöffern find Ausnahmen 
von höchſter Seltenheit.) Won dem, wie erwähnt, gelegentlich vorkommen: 
den völligen Überziehen dieſer Deckel mit Geld» oder Silberblech oder 
mit anderm vergolveten Metall kommen meiſtens die Bezeichnungen: 
goldenes Bub, — 3. B. jenes von Prüm (von 1105)?” in der trierer 
Stadtbibliothek mit Kupferplatten, im welche figürliche Darftellungen gra: 
viert find, Das goldene Buch Venedigs (Regifter dev dortigen Adels— 
familien) —, „Codex aureus“ u. ſ. w.; doch bezieht fich auch manch: 
mal ein jolcher Ausorud auf die Amvendung von Gold» oder Silber: 
ihrift im Terte, wie bei dem „Codex aureus“ von S. Emmeran 
zu Regensburg in der Bibliothek zu München, dem „Codex argen- 
teus“ (einer in Gold und Silber auf Purpurpergament gejchriebenen 
Bibelüberſetzung des Ulfila, welche aus Werden an der Ruhr im 16. Jahr— 
beim gekommen ift’®), vielleicht auch bei vem „Psalterium aureum“ 
zu St. Gallen, deſſen urjprünglicher Einband nicht mehr vorhanden ift.’? 
Das von Andrea Dandolo, Togen von Venedig, 1342 bis 1354, an- 
gelegte „Weiße Buch“ („Liber blancus”), Urfundenfammlung im 
dortigen Archiv, ferner der „Liber viridis“ aus Afti, ver „Liber 
niger“ im Dom zu Breslau, die „Pancharte noire” des Martin: 
flofters zu Tours u. a. tragen den Namen von der Farbe des Einbandes, 
wieder andere von der Natur des Überzugs, wie ver „Liber crini- 
tus“ zu Beromünfter in der Schweiz und „Die Bärenhaut” zu 
Zwettl in Nieveröjterreich, 69 


252 Schugmittel des Einbands: Camiſia, Buchbeutel, [Biertes 


Die bejonders fojtbaren Einbände waren ohne Zweifel zu Gejchenten 
an Kirchen und Klöfter beftimmt — von vielen läßt es fich noch nach: 
weifen — und derartig ausgejtattete Bücher follten auch nicht ſowohl 
gebraucht werden, ald zum Schmude des Hauptaltars dienen. Erwähnt 
feien nur das Miffale im Dom zu Monza, von der Königin Theodo— 
linde um 600 gewidmet, die von Papft Yeo III. bei jeiner Thronbefteigung 
795 an verſchiedene Kirchen gejchenften Evangeliarien, ein folches um 
855 vom Kaifer Michael Porphprogenetes an die Petersfirche in Nom 
gejandt, das von der Kaiſerin Theophanu 973 der Abtei Echternac 
verehrte (jet in Gotha), die in München befindlichen prachtvollen Chor: 
bücher, welche Heinrich II. nach Bamberg ſchenkte u. ſ. w. Um wertvolle 
Werfe gegen Diebjtahl zu wahren, befeftigte man fie durch Ketten an 
dem Tiſche, dejien Platte drehbar eingerichtet war, werm das Buch zu 
großes Gewicht hatte. Catenati, angefettete, war der Ausdruck für 
ſolche angejchloffene Bücher. Die Anficht der Bibliothef zu Leyden bei 
Yacroir, „Le Moyen-äge et la Renaissance“, gibt eine Vorftellung 
von dieſen Einrichtungen. Allein auch gegen die Abnukung bedurfte ver 
fünftlerijch bebandelte Einband eines Schutzes, und deshalb erhielt er 
einen Stoffüberzug, das Demd (camisia) genannt, welches mit der 
Zeit jelbft wieder Gegenftand des Luxus, aus Seide, Goldbrokat, Da: 
maft, Cammet angefertigt oder mit Perlen bejetst, auch gefüttert wurde, 
und endlich jelbjt wieder eine Hille oder Kapſel verlangte. Breviere und 
(Sebetbücher von fleinerm Format wurden mit einer beutelartigen Ber: 
lingerung der Dedelbekleivung verjehen, dem Bucbeutel, welcher es 
ermöglichte, das Buch am Gürtel zu tragen. Einzelne jolcher Bücher mit 
Beutel find noch vorhanden, jo eines in Yeder im Germaniichen Mu: 
jeum, eines in Sammet in der ambrajfer Sammlung u. ſ. w. Aus Buch— 
beutel, niederdeutſch Booksbüdel, wurde jpäter Bocksbeutel gemacht, 
als Spottname für pedantiſche Gelehrſamkeit und altfränkiſches Weſen.*! 
Die eigentliche Form des Buchbeutels iſt z. B. an dem Gebetbuche der 
Jungfrau im genter Altarbilde erſichtlich. Der Stoff geht ringsum über 
ven Dedel hinaus, auf der untern Seite breiter als auf den andern, an 
den Zipfeln find Knöpfe angebracht und wenn dieſe Zipfel miteinander 
verichlungen wurden, befand fich das Buch in der That wie in einem 
Beutel. Dagegen endigt an dem Eremplar des Germaniſchen Diujeums®? 
nur der obere Überfchuß des Yeverbezugs in einen Knopf aus Riemen. 


Kapitel.) Buchzeichen. Elfenbein, Metall- und Emaildedel. 955 


Der Aufenjeite des Einbandes entjprach der Überzug der innern mit 
Seidenſtoff. Solcher oder Sammet wurde auch über die äußere Zeite des 
Dedels geipannt, wenn die Metalldecke durchbrochen gearbeitet war, oder 
wenn überhaupt nur metallene Mittel- und Eckſtücke aufgelegt wurden. 

Um vie verjchiedenen Abjchnitte eines Buchs leicht auffinden zu 
fönnen, befejtigte man an dem Blatte, auf welchen ein neuer jeinen 
Anfang nahm, einen Pergamentjtreif, welcher über den Schnitt bervor- 
ragte; derjelbe ift häufig am Ende zu einem zierlichen Knöpfchen ver- 
ihlungen over zujammengedreht. Yodere Streifen der Art dienten als 
Mertzeichen, und für Prachtwerfe wurden mehrere Merkbänder an einem 
fojtbaren Halter, tenaculum, vereinigt. Für dieſe verſchiedenen Merk— 
zeichen galt der gemeinjame Name NRegifter, auch wird die Bezeichnung 
Kehrſchnur angegeben, An einem Pfalter in der Bibliothek der Her- 
zöge von Burgund befand fich jogar ein filbernes Injtrument zum Um— 
wenden der Blätter. ©? 

In ftiliftifcher Beziehung iſt die ftreng ſymmetriſche Anordnung der 
Verzierungen zu bemerfen. Die Mitte des Deckels firchlicher Bücher 
aus dem frühen Meittelalter nimmt am häufigiten ein Bild des Ge- 
freuzigten, oder des lehrenden Chriftus, oder der Madonna, manchmal 
auch eine Reliquie, oder, falls Elfenbeindiptychen benußt wurden, die 
Hauptvaritellung aus denjelben ein, auch umgeben fleinere Elfenbein— 
platten als Bordüre das Mittelbild. Für die Eden waren bejonders die 
Evangeliſtenſymbole beliebt. Ebenſo pflegen die Gmailplatten, die Edel- 
fteine u. j. w. ſymmetriſch verteilt zu jein. Wie die Diptychen zer- 
ichnitten werden mußten, fall deren Maße nicht der Größe des zu bin- 
denden Buchs entiprachen, und wie man antife gejchnittene Steine mit 
heidniſchen Darjtellungen unbefangen auf den Dedeln der Evangeliarien 
u. ſ. w. anbrachte, jo nahm auch die jpätere Zeit feinen Anftand, einen 
alten Band für ein nenes größeres Buch herzurichten, gewöhnlich durch 
Anjegen neuer Umrahmungen und Bordüren. Daher darf das Vor- 
fommen von Figuren und ornamentalen Motiven, welche den Stilen 
verjchiedener Jahrhunderte angehören, an einem und demjelben Einbande 
nicht befremden. So bat Yibri®* ein Lectionarium abgebildet mit 
dem Gefreuzigten in Grubenjchmelz; aus dem 11. oder 12. Jahrhundert, 
umrahmt won Heiligenbüjten in Elfenbein, die um 700 Jahre älter fein 
mögen, ferner ein Liber deceretalium mit der Geburt Ehrifti in Elfen: 


254 Die gewöhnlichen Einbände. (Holzdedel, Lederüberzug.) [Biertes 


bein als Mittelſtück, Yeiften mit rheiniſchem Gmail, und Steinen und 
Kameen auf dem Rande der Platte von vergolvdetem Kupfer. 

Bücher, welche nicht jo Foftbar ausgeftattet, aber auch nicht auf den 
häufigen Gebrauch berechnet waren, blieben oft ganz ohne Einband oder 
erhielten doch nur ein Pergamentblatt als ſchützende Umhüllung 6°; man 
fann fich hierbei der Umbüllung der Rolle, aber auch der heutigen Sitte, 
Bücher nur in einen Papierumfchlag zu hängen, erinnern. Hoel Graf 
von Gornouaille (geftorben 1034) ſah einjt in der Kathedrale von Quimper 
(Departement Finijtere) auf dem Altar ein Buch ohne Einband, deſſen 
Blätter ſich ablöften; das gab ihm Veranlaſſung, der Kirche die Felle 
der auf jeinem Gute Quiberon getödteten Hirjche zu Büchereinbänden 
zur ſchenken. Aber noch mehrere Jahrhunderte jpäter läßt fich die Eri- 
jtenz ungebundener Bücher nachweijen. 

Der gewöhnliche Einband beſtand aus Holzdedeln, die mit Yever der 
verjchiedenften Tiere überzogen wurden. Daß Hirſchleder in Verwendung 
jtand, beweift jchen die Schenkung des Grafen Gornouaille; die Abtei 
St. Denis und das Kloſter St. Bertin übten mit Berufung auf Schen- 
fungen Karls des Großen die Jagd in gewiffen Wäldern aus, um Yeder 
zum Buchbinven, beziehungsweije auch zum Anfertigen von Gürteln und 
Handjchuhen zu gewinnen. Im 12. Jahrhundert jchidte Graf Wilhelm 
von Nevers den Startäufern, welche Gold und Silber abgelehnt hatten, 
Rindshäute und Pergament. In Ermangelung neuen Pergaments griff 
man nicht jelten zu alten Hanpjchriften, jowohl für die Einbanddecken 
und die VBorjaßblätter, als auch für die Binde, für die Salze zwijchen 
den Yagen, und für die Merfbänder. Bei dem Mangel an Pietät gegen 
alte Schriftdenkmale ift es noch als ein Glück anzufehen, wenn ver 
Buchbinder die Streifen, welche ev aus einem Blatte einer Handſchrift 
gejchnitten hatte, mwenigjtens in einem und bemjelben Cinbanvde ver- 
arbeitete, ſodaß deſſen Auflöſung die Wiederherſtellung des Blattes er- 
möglicht. Bekanntlich ift auf dieſe Art manches wichtige Schriftfragment 
wieder and Yicht gefommen. 

Aber auch für die Dedel ſelbſt find nur zu oft alte Handſchriften 
verbraucht worden. Die Holzplatten waren dem Wurmfraße ausgeſetzt 
und die Schmaroger, welche fich dort eingenijtet hatten, geführdeten dann 
auch das Buch. Da man außerdem auf die Herftellung feichterer Ein— 
bände bevacht war, verfiel man auf das Zufammenkleben einzelner 


Kapitel.) Ornamentation bed Ledereinbands. 255 


Blätter, die primitivſte Art der Pappenbereitung. Durch Überziehen 
eines jolchen Dedels mit Schweins- oder Ziegenleder erhielt man einen 
dauerhaften, biegjamen und nicht jchwerfälligen Cinband, und bejonders 
in Spanien bat ſich diefe Methode lange erbalten. 

Im jpätern Mlittelalter wandte fich die Urnamentation dem Yeder 
zu und zwar in zwei Dauptrichtungen. Der Yeverüberzug des Dedels 
wurde gepreft, geprägt, gejchnitten, getrieben, mit Gold und Farben 
(namentlich jebwarz und rot auf weißem Grunde) beprudt, oder diejer 
Überzug wurde aus verjchiedenfarbigen Lederſtücken mufivifch zuſammen— 
geſetzt. 

Das Preſſen oder Prägen geſchah mittels metallener Stempel, Stan— 
zen, Matrizen, das Bild, figürlich oder ornamental, wurde entweder ver— 
tieft oder, durch Niederdrücken des Grundes, erhaben hergeſtellt. So 
ſehen wir Heiligenfiguren, chriſtliche Symbole, in der Nenaiffancezeit 
Allegorien, Helden und Heldinnen des Altertums u. dgl. m. dargeftellt, 
umgeben von Yeijten oder Sriejen mit fortlaufenden Ornament, welches 
mit einer gravierten Rolle aufgeprekt worden tft, oder von einzelnen 
Irnamentmotiven aus der Tier- oder Pflanzenwelt, auch beralpijchen 
Emblemen, die gewöhnlich verjegt, d. h. in dieſer Anordnung ', er- 
jcheinen, oder enplich inmitten einer architeftonischen Umrahmung, die 
ſich nicht jelten zu fürmlichen Tempelfaſſaden u. dgl. entwidelt. 

Mitunter ift den Umriffen, welche durch das Preffen allein nicht 
immer in genügender Schärfe herausfamen, durch Schneiden nachgeholfen 
worden, wie an einem Bande aus dem 15. Jahrhundert in der Yeniperk- 
jchen Sammlung, jest im Befiß des Deutjchen Buchhändlervereins; in 
andern Fällen ift aber die Arbeit des Yederjchnitts, welche, mauriſch— 
ſpaniſcher Herkunft, häufiger bei Seffelbezügen, Futteralen, Pulverhörnern 
u. j. w. zur Anwendung gefommen ijt, vollftändig durchgeführt. Bei 
diefer ijt die Überfläche des Leders im Gegenjaß zur Preffung mit 
Meſſern, Meißeln und Punzen bearbeitet, jeltener, wenn es fich um hohes 
Relief handelte, von der Rückſeite her wie Metall getrieben, 

Für die Preffung mit Gold, Schwarz oder Not, beziehungsweife 
mehrern Farben nebeneinander, find ſowohl Rollen als Stanzen benutzt 
worden, welche beiden durch die, angeblich won Pierre Gaillard in Paris 
(um 1600 bis 1615) erfundenen Fileten, die halbmondförmigen Stem- 
pel, verdrängt wurden. Dieje leßtern gewährten der Phantafie des aus- 


256 Einfluß des Buchdruds auf den Einband. (Biertes 


führenden Künftlers größere Freiheit al8 die Rollen, da fib aus ven 
einzelnen graben und gebogenen Yinien, Schnörfeln und jonftigen Orna— 
mentmotiven die verjchiedenften Muſter combinteren liegen. 

Zwiſchen den gepreßten und den Moſaikeinbänden in der Mitte ſtehen 
die von den Antiquitätenhändlern gewöhnlich Emailbänvde genannten 
vederbände, deren erhabene Verzierungen mit Yadfarben bemalt jinv. 

Bon Einfluß auf dieſe allmählichen Ummwandlungen waren mannig— 
fache Umftände. Die Buchoruderkunft, ver Humanismus, die Reforma— 
tion hatten eine ungeheuere Vermehrung der Bücher und Anhäufung 
jolber im Beſitz nicht nur von Kirchen und Klöſtern zur Folge. Für 
die Ausftattung der Chorbücher war noch maßgebend gewejen, daß die— 
jelben von dem Plate, welcher ihnen angewiefen worben, kaum wieder 
entfernt werden würden. Bibliothefwerfe mußten jo eingerichtet werden, 
daß fie gemeinjchaftlich aufbewahrt, daß einzelne jehnell erfannt und aus 
dem Schranke herausgenommen werben fonnten. Man jcbichtete fie in 
den Regalen auf, den Schnitt nach vorn, auf welden, wenn nicht auf 
den überjchüffigen Rand des Yevers, Autorname oder Titel geichrieben, 
anf den Schnitt gelegentlich jogar eingebrannt war, während die Titel- 
angabe, wenn überhaupt vorhanden, jich früher höchjtens auf einem auf 
ven Vorderdeckel aufgeklebten Papierjtreifen befand, den man öfter durch 
ein durchſichtiges Hornplättchen jchütte. Beim Herausziehen eines ein- 
zelnen Bandes würden nunmehr die Metalibejchläge leicht die Nachbarn 
verlegt haben, auch fiel die Notwendigkeit der Edjtüde fort, weil anjtatt 
des Holzes mehr und mehr Pappe benußt, das Format der Bücher all- 
mählich Feiner wurde. Denn die alten Slaffiter in neuen Ausgaben, 
die gelehrten oder erbaulichen Schriften der Zeit jollten „handlich“ fein, 
wie das Brevier, und nicht unnötig vertenert werden. So wurden Die 
Metallbeichläge und Schließen immer jeltener und erinnerten, wo fie noch 
porfamen, in ihrer zierlichen Behandlung, in Filigran, mit Nielloſchmuck 
oder eingejegten Steinchen, faum noch an ven urjprünglichen Zwed: ven 
Einband zu ſchützen. Der Buchdruck beeinflußte aber noch ganz be- 
jonders die Ornamentation des Cinbandes, indem dieſelben Zierſtöcke 
ebenjo gut außen, wie in dem Buche zur Verwendung famen. 

Bon nicht geringerer Bedeutung war das Vordringen des Prinzips 
der orientalifchen Flächenveforation. Hatte dasjelbe bereits durch Jahr⸗ 
hunderte die Ornamentation der Seidengewebe beherrſcht, ſo bürgerte es 


Kapitel.) Einfluß des Orients auf das Dedelornament. Maioli, 257 


ib au in die Buchbinderornamentif ein, jobald dieſe in den Yändern 
des Südens zum Bedürfnis geworden war. Die Orientalen jelbjt hatten 
— und haben, wie man am den perfichen Lackbänden jehen kann, bis auf 
unjere Zeit — Das gejunde Prinzip der Flächenverzierungen durch Yinien- 
fombinationen, welche bei ſcheinbarer Regelloſigkeit doch einem fejten Plane 
felgen, dasſelbe Prinzip, welches in den Moſaik- und Studbefleivungen 
ibrer Wände zur Erjcheinung fommt, auch für ihre Buchdeckel beibehalten. 
Hätte die ſpaniſche Inguifition nicht geglaubt, durch Verbrennen aller 
ihr in die Hände fallenden arabijchen Bücher jamt ven fojtbaren Ein- 
binden ein gottgefülliges Werk zu verrichten, jo würde wahrjcheinfich die 
Senefis jener Buchbinperornamentif, welche wir nach Maioli oder Gro— 
lier zu benennen pflegen, deutlich vor Augen liegen. So aber läßt fich 
nur, fonjtatieren, daß in Stalien im 15. Jahrhundert ver Geſchmack an 
rauten-, gitter- und bandartigen Verzierungen auf Buchdedeln auf: 
gefommen ift. Aldus Manutius in Venedig, welcher Buchorudorna- 
mente, und umter anderm jein Signet, auf Lederbänden abpruden lieh, 
ſcheint auch zu ven erjten gehört zu haben, welche orientalische Muſter 
fopterten; ob er, wie Cundall 66 meint, fich dabei arabijcher und griecht- 
icher Arbeiter bedient babe, muß vahingeftellt bleiben. Derjelbe Autor 
erwähnt ausprüdlich unter ven älteften Beijpielen von Büchern mit 
geometrischen Muftern, Banpverjchlingungen u. ſ. w. ein neapolitanijches 
Manujfript vom Ende des 15. Jahrhunderts im Britiſh Muſeum. Im 
näcjtfolgenden Jahrhundert wurde die Yiebhaberei an ſchönen Einbänden 
in Italien allgemein. Schon Nikolaus V. und andere hatten darauf 
gehalten, daß Schrift, Auszierung und Einband eines Buchs des In— 
balts würdig jei; fie „verlangten und duldeten nır Schönes“ Für die 
Finbände in der Vaticana und in Urbino war Karmoiſinſammet mit 
Zilberbejchlägen vorgejchrieben. 6° Die jpätern Päpfte, Karpinäle, Für- 
iten, Barone und Gelehrten teilten dieje jchöne Neigung. Am meisten 
Bereutung für die Entwidelung der Buchbinverfunft aber hatte ein 
Mann, von deſſen Yebensverhältmiffen nichts befannt ift, Tommafo 
Maioli, deſſen Name auch nur dadurch überliefert ift, daß er auf ven 
Deckeln jeiner Einbände die ganz im Geifte des Humanisınus gedachte 
Inſchrift jeten ließ: Tho. Maioli et Amicorum. Dieje Bände, Yever 
— und zwar meijtens braun, oder olivengrün, oder jchivarz find in 


der Regel von einem großen Band- oder Gartouchenmufter, in Blind— 
Kap. 1. 17 





258 Maioli und Grolier. [Biertes 


prejjung, aber mit Golplinien contouriert, bevedt, durch welches fich reiches, 
graziöjes golvenes Ranken- und Blattwerk hinjchlingt. Die Bücher aus 
jeiner Bibliotbef werden heute mit Tauſenden von Franken bezahlt und 
befinven fich zumeift im Beſitz reicher Sammler. Gin bejonders inter- 
ejfantes Eremplar gehört der Bibliothek Brunets an; e8 bat auf dem 
Dedel Maioli's Devife, auf dem Titel aber diejenige Jean Grolierg, 
der, unverfennbar angeregt durch den Italiener, in der Gejchichte ver 
franzöfiichen Buchbindung eine entjprechende Stellung behauptet. 

Jean Brolier de Servin®*, Vicomte d'Aiguiſy (1479 bis 1565), 
unter fünf Königen, Ludwig XIL, Franz I. und II., Heinrich II. und 
Start IX,, in hoben Staatsämtern bejchäftigt, brachte wiederholt in fönig- 
lichem Auftrag längere Zeit in Italien zu, und jcheint dort die noble 
Paſſion der Bücherliebhaberei überhaupt und insbejondere den Gejchmad 
am Stil Maioli's angenommen zu haben; er ahbınte ven lettern jogar 
in der Bezeichnung: Jo. Grolierii et Amicorum nad. Sein Reichtum 
geftattete ihm, durchweg die beften und jchönften Ausgaben anzujchaffen — 
abgejehen davon, daß feine perjünlichen Verbindungen mit Autoren jeiner 
Bibliothek viele Dedifationseremplare zuführten und die Einbände 
durch die trefflichiten italieniſchen Kunſthandwerker mit Anwendung Des 
teuersten Materials ausführen zu laffen. Da er jelbft Zeichner gewejen 
ift, vermutet man bei ihm eigenen Anteil an den Entwürfen; doch war 
auch Geoffrey Tory für ihn thätig. Seine Einbände nahmen frübzeitig 
die Aufmerfjamfeit der Sammler in Anſpruch, und man findet diejelben 
außer in den öffentlichen Bibliotheten zu Paris, Wien (aus dem Nach 
laß des Prinzen Eugen von Savoyen), Wolfenbüttel u. j. w. vornehm— 
lich bei reichen Privatleuten Englands und Frankreichs. Die meilten 
Bände find in der Art Maioli's mit Band» und Rankenwerk ornamen— 
tiert, mitunter mijchen fich bereits Gartouchen mit aufgerollten Endungen 
ein. Seltener find rein geometrijche Mufter und vielleicht ein Unikum 
iſt der von Yibri a. a. DO. abgebildete Dedel von Jamblichus, „De mys- 
teriis Aegyptiorum“, welcher einen antififierenden Portikus in ornamen- 
taler Umrahmung zeigt. Der Stoff ift in der Kegel braunes Yever, die 
breitern Streifen häufig von anderer Farbe, olivengrün oder auch ſchwarz; 
in der Anwendung des Goldes befindet fich jtets der geläutertite Ge— 
ſchmack. Außer der obengenannten Devije fommen noch mehrere andere 
vor: Aeque diftieulter mit einer Hand, welche einen Nagel aus einer 





Kapitel.) Der deutjche Büchereinband im 16. Jahrhundert, 259 


Vergipite zieht, Portio mea Domine sit in terra viventium, Tan- 
quam ventus est vita mea, Nec herba nec arbor mit einem Stachel- 
beerbujch (groseillier — grolier). Grolier ſoll auch zuerit ven Titel 
auf dem Rüden eines Buchs angebracht haben, was durch die größere 
Zahl der Bücher und das Aufrechtitellen, nicht mehr Legen, verjelben in 
Bibliothefen notwendig gemacht wurde. 

Direft und indirekt beeinflußte er den Bindeſtil feiner und ber 
nächſtfolgenden Zeit in Franfreih, wo Diana von Poitiers, Hein- 
rib 11.6? und faſt alle jpätern Regenten Bejchüger dieſes Kunſtzweigs 
waren. 

In Deutichland bielt die Vorliebe für geprägte und gepreite Leder— 
einbände vor; namentlich übertrug man die in die Mode fommenven 
Frontiſpice, architektoniſchen Umrahmungen u. j. w., jowie Bildniſſe aus 
den Büchern jelbjt auf die Einbände. Auch hier machen jich verſchiedene 
Fürſten als bejondere Schäßer der Einbindekunſt bemerflich, wie Kaiſer 
Maximilian I., Herzog Albrecht V. von Bayern und unter den ſächſiſchen 
Fürften vorzüglich Kurfürſt Auguft. In Sachjen wurden insbejonvere 
die Einbände mit Lackmalerei in großer Vollendung bergeftellt, und es 
it wohl nicht zufällig, daß dortzulande auch Thonfrüge mit farbigen und 
vergolveten Bruftbilvern entitanden find, welche im Stil große Verwandte 
ſchaft mit den Bilpniffen fürftlicher Perjonen auf ſächſiſchen Einbänven 
Künfte des Friedens wieder gedeihen konnten, war inzwijchen die Herr: 
ibaft der franzöfiichen Mode begründet worden. Merkwürdigerweiſe 
febrte im 16. und 17. Jahrhundert noch einmal der Gejchmad zu den 
durchbrochenen Metalldecken zurüd, welche in Yeipzig gegen Ende des 
16. Jahrhunderts in vorzüglicher Goldſchmiedarbeit, in Wittenberg und 
Dresden (?) in ausgejügten Meifingplatten, wie fie noch lange nachher 
zum Belegen von Kaſſetten beliebt blieben, in Nürnberg aus gejchnittenem 
Eiſen bergeitellt wurden. '° 

In der Zeit der Hochrenaiffance fam ferner das Vergolven des 
Schnitts in Übung, welchen man jedoch meift nicht glatt ließ, jondern 
mitteld der Punzen mufterte; bald laufen Borbüren längs allen Seiten 
des Schnitts bin, bald ift diejer gänzlich mit geometrijchen over Pflanzen- 
ornamenten bevedt. Auch wurde die Malerei zu Hilfe gerufen und eine 
bejondere Force darin gejucht, daß figurale und landjchaftliche unter dem 

17? 


260 Die Mönche als Buchbinder. [Biertes 


Golde aufgetragene Kompofitionen erjt zur Geltung famen, wenn ver 
Schnitt etwas verſchoben wurde. 

Auch für die Buchbindung im frühen Mittelalter gilt das Wort: die 
Mönche wurden Kiünftler und die Künftler Mönde. In den Sfripto- 
rien mußten eben die Bücher völlig fertig geftellt werven, und ven Bene- 
piftinern wurde das Einbinden nicht weniger zur Pflicht gemacht, als 
das Leſen, Schreiben, Korrigieren und Ausmalen der Bücher. Aus der 
Blütezeit der iriſchen Kunft find Namen jolcher geiftlichen Buchbinver 
erhalten. So verjah Bilfrid oder Billfrith, der Einſiedler auf der Inſel 
Yındisfarne an der Küſte von Northumberland, welcher das von ven 
dortigen Biſchöfen Eadfrith und Aethelwald im erjten Drittel des 
8. Jahrhunderts gejchriebene und gemalte Evangeliarium des heiligen 
Guthbert (auch Evangeliarium von Yindisfarne oder von Durham ge- 
nannt, jest im Beſitz des Britiſh Mufeum) mit einem foftbaren Ein— 
band, welcher leider, wahrjcheinlich in der Reformationszeit, einem aus 
Juchten bat weichen müſſen. Derſelbe Aethelwald (Ethelwold) rühmt 
den iriſchen Mönch Ultan als gejchieten Buchbinvder. Bijchof Hermann 
von Salisbury, um 1080, band jelbjt die von ihm gejchriebenen und 
miniierten Bücher, und der Benediftiner Henry von Hyde Abbey bei 
Winchefter, um 1178, vereinigte feine Abjchriften des Terenz, Boethius, 
Zueton und Glaudian in einem Band, für welchen er die Metallbuckel 
eigenhändig verfertigte. Auch die „Brüder vom gemeinfamen Leben“ 
befaßten ſich mit der Biücherberjtellung in ihrem ganzen Umfange; der 
Rektor betrante einen Bruder mit der Yeitung der Buchbinderei und der 
Aufficht über das Arbeitsmaterial, und als das Abjchreiben durch die Buch- 
pruderfunft überflüffig geworven war, wandte fich die Brüderjchaft ins- 
bejondere noch dem Einbinden zu. Auch ver berühmte Abt von Spon- 
heim, Johannes Tritbemius (1462 bis 1516), bielt jeine Mönche zum 
Schreiben und Binden an, desgleichen der Abt von St. Ulrich und Afra 
zu Augsburg, Melchior von Stambeim, um 1472, und ein Kaplan von 
Geislingen, Johannes Richenbach, nennt fich auf mehrern Büchern, z. B. 
einem Hieronymus in der parifer Nationalbibliothef, als Verfertiger des 
Einbandes, dazu das Jahr 1469. 

Auch als das Einbinden längſt ein birgerliches Gewerbe geworden 
war umd nur noch ausnahmsweiſe von Yaienbrüdern in Klöftern geübt 
wurde — wie in Stremsmünfter noch im 18. Jahrhundert — blieben 


Kapitel.) Deutihe Buchbinder des 16. Jahrhunderts, 261 


die Buchbinder jozujagen Schukverwandte der Kirche und der Univer— 
fitäten, genoffen, als zum Gelehrtenjtande gehörig, auch deifen Privilegien, 
wie fie in der Zeit der Renaiffance häufig ale Hofhandwerker vorkommen. 

Glücklicherweiſe haben deutſche Buchbinder häufiger als die anderer 
Yinder ihren vollen Namen over doch Anfangsbuchitaben auf Arbeiten 
angegeben, mit denen fie fich jehen Lafien fonnten. So fommt es, daß 
während über die Meijter, die für Maioli, Grolier, Diana von Poitiers 
u. ſ. w. gearbeitet haben, kaum eine Vermutung aufgeftellt werden kann 71, 
für Deutſchland eine nicht geringe Zahl von Namen aus älterer Zeit 
zur Verfügung ſteht: Heinrich Walram, Verfertiger eines gepreßten Leder— 
bandes aus dem 17. Jahrhundert, im ftäbtifchen Archiv zu Köln 7?; An- 
dreas Jäger im Augsburg, 15. Jahrhundert; Kaſpar Ritter, von welchem 
die münchener Hofbibliothef fieben Bände in rotem, teilweis bemaltem 
Maroquin bejitt; Johann Hagmayer in Ulm, welcher feinen Namen z. B. 
auf einem geprägten Einband um 1480 auf zwei in regelmäßiger Ver— 
jchlingung die Bordüre bildenden Bändern fortlaufend und in der Art 
angebracht bat, daß immer oben der Familien- und darımter der Vor- 
name zu ſtehen kommt 3; Dans Wagner zu Yauingen, Walter Kabricius 
und Lazarus Zetzner zu Köln, Reußenholz zu Straßburg. Cine größere 
Zahl von Künjtlern, welche am füchfiichen Hofe thätig und gelegentlich, 
wie alle „Hofehandwerker“, Gegenftand der Anfeindung der Zünftigen 
geweien jind, macht Steche’* namhaft; nach jeinen Mitteilungen hatte 
Kurfürft Augujt feine Hofbuchbinderei im eigenen Schloffe zu Dresden 
unterbringen laffen und beſaß ſelbſt eine Buchbinderlade nebſt allem Zu- 
bebör, welche er gern benutte. Als die Kurfürften nod in Wittenberg 
rejidierten, in der erjten Hälfte des 16. Yahrhunderts, war Theodor 
Krüger der vorzüglichite Buchbinder. Kurfürſt Auguft berief 1566 Jakob 
Kraufe von Augsburg und 1578 Kaſpar Meuſer. In der Folge ar- 
beiteten Jakob Weidlich und veffen Sohn Chriſtoph, welcher vorher in 
Dienften des Herzogs Friedrich von Würtemberg geftanden hatte, Mathias 
Hauffe und Baftian Ebert aus Yeipzig, Kaſpar Krafft um 1597. Bei 
ihnen allen iſt man, ihrer Stellung zufolge, berechtigt, eine hervorragen: 
vere Yeiftungsfähigfeit vorauszuſetzen; weitere Namen anzuführen hätte 
feinen Zweck. Es wären eben nur Namen; die Peiftungen ihrer Träger 
find unbefannt. 7* 

Geſchmack und Gediegenheit in der Ausftattung des Buchs im all: 


262 Schluß. Viertes Kapitel.) 


gemeinen waren mit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einem 
ſchnellen Sinken begriffen, das mit dem 17. Jahrhundert für die Durch— 
ſchnittsleiſtungen in eine förmliche Verwilderung überging, eine Ver— 
nicht einmal ihren Höhepunkt erreicht hatte. Sieht man von dem Kupfer: 
jtich ab, welcher im Zeitalter des Barodjtils den Holzſchnitt fait gänzlich 
verdrängte, im 17. Jahrhundert namentlich ven fünjtleriichen Ausjchmud 
des Büchertitels völlig beherrichte und dank der Begünjtigung durch 
vudwig XIV. in der Move blieb, jo kann ſich von allen im Buchgewerbe 
mitwirfenden Künſten und Handwerken allein das Buchbindergewerbe 
rühmen, ſich bezüglich der Solidität der technijchen Yeiftungen auf 
einem böhern Durchjchnittsniveau erhalten zu haben, wenn auch ven 
ärmlicher gewordenen Yebensverhältniffen entiprechend das Äußerliche des 
Einbandes an fünftlerifchem Gepräge, jowie an Glanz und Schönheit 
der dabei verwandten Materialien Einbuße erlitt. 


Fünftes Kapitel. 
Der buchhändleriſche Gejchäftsbetrieb bis zur Reformation, 


Zahl der Anfunabeln. Was find Anfunabeln? — Berichiedene Geſchäftszweige des 
buchhändleriichen Betriebes. — Schriftgießer. Goldichmiede find Schriftgießer. Bei: 
ipiele. Typen Eigentum des Verlegers. — Buchdruder refrutieren ſich aus allen 
möglichen Klaſſen: Studenten. — Schönjchreiber und Miniaturnaler werden Druder, 
Bedingungen der Verföhnung. — Kein Unterjchied zwiichen Schreiber und Druder 
in der Sprache. Beweile aus Augsburg. Straßburg. — Druder und Verleger 
trennen ſich. — Kolporteure. Anichlagzettel; Beiſpiele. — Buchführer. Jahrmarkts— 
beſuch. — Filialen. — Buchhändler und Drucker verwechſelt. — Drucker ſelbſt be— 
ſtellen bei Dritten. — Aufträge von Privatperſonen an Drucker. — Verleger geben 
Druckern Aufträge. — Spezialitäten der einzelnen Drucker und Verleger der ver— 
ſchiedenen Länder. — Großkapital; Aſſociation (verſchieden in Italien, Deutſchland 
und Frankreich). — Buchläden (Verkauf von eigenem und fremdem Verlag). — ülte— 
ſter Sitz der Sortimentsbuchhändler Augsburg. — Mitte des 16. Jahrhunderts der 
Buchhandel entwickelt. Uſancen auf der Meſſe. Zahlung. — Honorar. Korreltoren. 
Tanner. — Honorar jchimpflidh (Erasmus und Hutten), jpäter annchmbar. — Bar: 
zahlungen. Goldajt. — Dedifationen. — Höhe der Auflagen. Ausgaben (theologische 
Litteratur). — Juriſtiſche Litteratur nach Stinging. — Koberger. Briefwechſel mit 
Amerbach. — Schluß. 


Erſt um die Wende des 15. Jahrhunderts wird es möglich, einen 
Überbfit über die jugendlichen Yeiftungen des Buchdrucks und Buch— 
handel zu gewinnen. Leider find nur gelegentliche Äußerungen und 
jerftreute Einzelheiten über das damalige Gejchäft erhalten; indeſſen 
ergibt fich aus ihnen, daß es ſelbſt in der jogenannten Inkunabelnzeit 
durchaus nicht unbedeutend gewejen jein kann. 

Wenn Didot auf Grund einer Schätzung Daunou's annimmt!, daß 
bis 1500 nur 13000 Bücher in einer Durchjchnittsnuflage von je 
300 Eremplaren geprudt worden jeien, was im Jahre 1501 für ganz 


264 Das Bücherguantum der Inkunabelnzeit. Fünftes 


Europa einen Vorrat von etwa 4000000 Büchern ergeben würde, ſo 
greift er viel zu niedrig. Hain führt in ſeinem Repertorium 16299 
bis dahin gedruckte Werke an. Indeſſen iſt auch diefe Zählung nicht 
hoch genug, denn einmal find viele hundert, wenn wicht wiele taufend 
Bücher bis auf ihre legte Spur der Nachwelt verloren gegangen, dan 
aber jeit Dains Tode auch Tauſende wieder aufgefunden worden, jodak 
man die Sefamtzahl ohne Übertreibung auf wenigitens 25000 Drud: 
jchriften veranjchlagen kann, won welchen etwa jechs Ziebentel aus jchola: 
ſtiſchen umd religiöſen Werfen bejtehben. Bon ver Yinve berechnet vie 
noch vorhandenen Bücher umd Alugjchriften jogar auf mehr als 30000 
jelbjtändige Stücke. Ebenſo find die Auflagen viel höher zu berechnen, 
als man, nach den Nachrichten betreffs einiger der erſten gedrudten 
Bücher urteilend, zu thun pflegt. Statt auf 300 Exemplare, wie 
Didot, fann man, wie der Verlauf diefer Darjtellung nachweiſen wirt, 
die durchjchnittliche Auflagehöhe auf mindeſtens 500 GEremplare, wenn 
nicht höher, annehmen Natürlich umfaſſen die angegebenen Zahlen 
nicht allein die deutſchen, ſondern alle bis zum Jahre 1500 in Europa 
veröffentlichten Preßerzeugniſſe. Überhaupt kennt ver Buchhanvel wäh: 
rend des ganzen erſten Jahrhunderts jeit der Erfindung der Kunſt feine 
nationalen Unterjchievde und Gegenſätze. Seine dem deutſchen Groß— 
handel entnommtenen Uſancen find ziemlich überall die nämlichen, die 
Sprache feiner Berlagsartifel it faſt durchgehends Die lateinijche, die 
Sprache ver Kirche, der Yitteratur, der Regierungen und ver Gerichte, 
und ſchon im legten Viertel des 15. Jahrhunderts dient die franffurter 
Meile als Gentralpunft für ven europäiſchen Buchbanvel überhaupt. Cs 
ijt Deshalb auch fein Notbehelf, jonvern ein Gebot der gejchichtlichen Un: 
partetlichfeit, wenn in der Folge, um eine buchhändleriiche Erſcheinung zu 
erklären, oder in das rechte Yıcbt zu Stellen, vorerſt ebenjo ſehr auf fran- 
zöſiſche oder italieniiche, als anf deutſche Verhältniſſe verwiejen wird. 
Man pflegt die bis zum Jahre 1500 geprudten Bücher Inkunabeln 
oder Wiegendrude zu nennen: eine willkürliche vein äußerliche Bezeich— 
nung und Begrenzung, für welche es kaum innere Merkmale und Gründe 
gibt. Wenn z. B. Anton Koberger die Bibelerflirung des Kardinals 
Hugo ſchon von 1493 an vorbereitet und die ſieben Folianten zwiſchen 
1408 und 1502 vdruden läßt, jo wirft fich ganz natürlich die Frage auf, 
ob denn diejes Werk eine Inkunabel ijt oder nicht, over ob bloß die: 


Kapitel.) Herftellung und Vertrieb des Buchs in Einer Hand. 265 


ienigen Bände jo genannt werden dürfen, welche vor dem 1. Januar 
1500 gedrudt wurden? Außerdem bezeichnet der Anfang des neuen 
Jahrhunderts durchaus feinen Kortichritt in der Gejchichte der Kunſt, 
geihweige denn der Menjchheit, wohl aber thut es die große Kirchen: 
tefermation, welche fir das ganze denfende Europa den Übergang aus 
dem Mittelalter in die neue Zeit bildet. Es wäre aljo vielleicht viel 
bezeichnender gewejen, wenn man überhaupt eine Inkunabelnzeit an: 
nehmen und bejtimmt abgrenzen will, die Periode vor 1520 das Fo— 
ltantenzeitalter zu nennen, weil bis dahin faft nur ausnahmsweije in 
andern Kormaten als in Folio gedruckt wurde. Diefer Unterſchied ift 
fein bloß äußerlicher. Der Verbreitung der Bildung im Volke hatten 
eben die Folianten wenig oder gar nichts genügt. Die eigentliche welt: 
beberrichende Bereutung des Buchhandeld beginnt vielmehr erjt mit dem 
überwiegenden Auftreten der Fleinen Formate, welches in feinen Wir: 
kungen eine volljtändige Revolution bedeutete. 

Der buchhändleriſche Geſchäftsbetrieb bepurfte zur Heritellung und zum 
Terfauf der Bücher ver im Anfang meift in einer Perjon vereinigten 
Ihätigkeit des Schriftgiehers, des Buchdruckers, des Werlegers und des 
Händlers. Mit dem größern Yejerkreife und dem durch ihn angeregten 
Erſcheinen zablreicherer Preferzeugniffe zerfiel aber dieje Vereinigung 
verſchiedener Sejchäftszweige allmählich wieder in ihre verjchiedenen Be— 
ſtandteile, ſodaß jeder von ihnen nun das ihnen allen gemeinjchaftliche 
Ziel jelbjtändig, aber den andern ergänzend, ins Auge fahte. 

Es handelt jich hier zumächit um den Schriftguß. Gutenberg und Fuſt 
bejorgten dieſen jelbit. Jener hatte fich als der Erfinder beweglicher 
Bleitypen mit diefer Kunſt vertraut gemacht und fich jchen in Straf: 
burg bei jeinen erjten Verſuchen im Zpiegelgießen der Hülfe von Gold— 
ſchmieden bevient. Fuſt war von Haus aus ein jolcher und daher bejonvders 
geeignet, die Traqweite der neuen Erfindung zu erfaffen. Die Goldſchmiede— 
kunft ift in der That eine Art Vorfchule des Schriftguffes. Der Gold— 
ſchmied mit jeinen technijchen Kenntniffen war dem erjten Druder un— 
entbebrlich, va er Stanzen hatte, mit welchen er feine Ornamente aus 
Metall vervielfältigt... Er mag jogar ſchon früher Imfchriften durch 
Einſchlagen einzelner tanzen mit verfehrt gejchnittenen Buchitaben 
bergeitellt haben.? Jedenfalls war es der Goldſchmied, welcher für die 
eriten Druder die Stanzen anfertigte. Dieje fuchten deshalb auch zur 


266 Schriftguß: Goldichmiede und Stempelichneider. Fünftes 


Herſtellung ihrer Schriften die Goldſchmiede als Mitarbeiter zu ge 
winnen, Schöffer ließ, um fich jo lange als möglich fein thatjächliches 
Monopol zu bewahren, werer Matrizen noch Schriften füuflih ab. Nur 
die hervorragenditen und bemitteltiten Dffizinen konnten untabelbafte 
Typen liefern; die Kojten ihrer Serjtellung erforderten ein zu großes 
Kapital und die Bejchaffung der unentbehrlichen Arbeiter ließ fich oft 
nicht ohne bedeutenden Zeitverluft bewerfitelligen. Grit gegen Ente des 
15. Yahrhunderts entjtanden jelbjtindige Schriftgießereien. So lange 
dauerte es, daß der Goldſchmied, der oft genug zugleich ver Kapitaliſt 
war, geneigt blieb, jeine Thätigfeit und feine Meittel, ſei es ganz, jet 
es teilweife, der neuen Kunft zuzuwenden. Bis dahin vergingen oft 
Jahre, ehe die Druder ihre Stempel graviert, ihre eigenen Typen ge— 
goffen hatten, ehe fie aljo mit dem eigentlichen Drud von Büchern be> 
ginnen fonnten. Ausprüdlich wird diefe Thatjache von Schweinheim 
und Pannark erwähnt, die jogar zweimal (zuerjt in Zubiaco und dann 
in Rom) eine jolche Eoftipielige Vorarbeit unternehmen muRten, — von 
Wenpelin von Speyer in Venedig, von Johann Neumeifter in Ptalten 
und Frankreich und von Kranz, Gering und Sreiburger in Paris. Unter 
diefen Umftänden war e8 damals für einen Mann, ver fih als Druder 
mit einem andern affociieren wollte, jchon eine ſchwerwiegende Empfehlung, 
der Bruder eines Goldſchmiedes zu ſein. 

Neben dieſem tritt dev Stempelſchneider, Formſchneider und Schön— 
ſchreiber als Mitarbeiter für die Herſtellung der Typen auf. Schöffer, 
als alter Schönſchreiber, lieferte dem Formſchneider neue Zeichnungen 
und Modelle. König Ludwig XI ſandte angeblich ſchon 14583 feinen 
Münzftempeljichneiver Nikolaus Jenſon aus Tours zur Erlernung der 
Buchoruderkunft nach Mainz. Dieſer nämliche Künftler erjchien einige 
Jahre jpäter, zwifchen 1470 und 1480, wieder in Venedig, wo er fich 
zum berühmtejten Stempeljchneiver ſeiner Zeit emporarbeitete, ver jeine 
geſchmackvollen Schriften an die bedeutendſten Drudereien des Inlandes 
und Auslandes verfaufte Nach Didot muß Jenſon Typen an Eucha— 
rins Silber in Rom abgegeben haben, da des letztern 1490 erſchienene 
Ausgabe von Gicero’s Briefen an Atticus mit ganz denjelben Typen 
gedruckt ift, mit welchen Jenſon 1475 jeinen Cicero bergeitellt hatte. 
Jedenfalls muß er der erfte größere Händler mit Buchdruderjchriften 
gewejen jein. In Straßburg goſſen Goldſchmiede, Formſchneider und 


Kapitel.) Scriftguß: Beteiligung der Goldſchmiede. 267 


Schönfchreiber oft in Gemeinjchaft, oft wieder jelbjtändig Typen für 
eigenen Gebrauch, legten eine Druderei und einen Buchhandel an; das 
zweite Kapitel brachte ja jchon zerjtreut Nachweife dafür. Der dortige 
Goldſchmied Georg Husner, dejfen Schwiegervater Nikolaus von Donau 
gleichfalls „Aurifaber‘ und „Pressor librorum” war, wurde Druder und 
Verleger und redet im Jahre 1473 von jeinen „Literae aere exculp- 
tae“.“ Der jpäter jo berühmt gewordene Buchhändler Johann Ryn— 
mann wird im Jahre 1475 in den augsburger Steuerlijten als Gold— 
ihmien angeführt, während er erjt 20 Jahre jpäter, 1495, als Buch: 
führer bejteuert ward. Die ſtädtiſche Behörde nahm alſo erſt Kenntnis 
von jeinem anderweitigen Sejchäftsbetrieb, als die Goldſchmiedekunſt auch 
äußerlich in den Hintergrund feiner Thätigfeit getreten war. Rynmann 
muß teils neben-, teils hintereinander Goldſchmied, Schriftgieker, Buch— 
drucker und Buchhändler gewejen ſein. 

In andern Yändern war es nicht anders. Des Aldus Manutius 
Schriftgießer, oder wenigitens der Herjteller der nach dem Verleger ge: 
nannten Kurjivichrift, Franz Raibolini oder auch Franz von Bologna 
genannt, war der beveutendite Goldſchmied des damaligen Italien. Neu— 
meifter verdanfte jeine Typen dem Goldſchmied Emilio Orfini in Fo— 
ligne. Ziemlich zu derjelben Zeit blühte als jolcher Bernardo Cennini 
in Florenz, der mit jeinem Sohne Dominicus jchöne Schriften ſchnitt 
und goß. In einem 1561 dem franzöfiichen Goldſchmied Duvet in Lyon 
verliehenen königlichen Privilegium heißt es noch: „Duvet maistre or- 
fevre a portraict et figure en table de cuyvre et caracteres pour 
imprimer ce volume.‘ 

Mit der zunehmenden Zahl der Drudereien wurde die Nachfrage 
nach den verjchiedenjten Gattungen von Typen immer größer, ſodaß es 
ich nunmehr ver Mühe Lohnte, ven Guß derſelben als jelbjtändiges Se: 
ihäft zu betreiben. Ihr Verkauf an jich fam anfänglich jogar verhältnis- 
mäßig öfter vor als jpüter, weil die Schriften vielfach, jamt den mit 
ihnen bergeitellten Büchern, das Eigentum der Bejchüter ver Druder 
oder der Verleger und Auftraggeber wurden. So ijt mit den Typen 
der Gutenbergſchen Ablafbriefe fein Buch mehr geprudt worden, weil 
fie in den Beſitz des Bejtellers übergingen®; jo druckten Schweinheim 
und Rannark mit andern Lettern in Rom, als in Subiaco, die eriten 
parijer deutſchen Druder Kranz, Freiburger und Gering mit andern 


268 Schriftgießereien. Die erjten Buchdruder: Studenten. Fünftes 


Schriften „in der goldenen Sonne“ als in der Sorbonne. Man über— 
trug eben unwillkürlich, da man noch gar keine Ahnung von dem univer— 
ſellen Charakter der Kunſt hatte, die eng beſchränkte Aufgabe dev Hand— 
jchrift auf die geprudten Bücher, und lebte in ven Anjchauungen des 
Mittelalters unbefangen weiter. Von deutſchen Städten waren es na- 
mentlih Straßburg und Bajel, welche die eriten großen Schriftgieße— 
reien einrichteten und deren GErzeugniffe bald nach Norden und Süden 
hin verkauften. Bon tüchtigen Künftlern unterftüßt, waren fie jchen im 
Anfang des 16. Jahrhunderts im Stande, nicht allein eine reiche Auswahl 
geſchmackvoller deutſcher Typen, ſondern auch in Nachahmung der nenejten 
venezianifchen Erfindungen Antigua und Aldiniſche Kurſiv zu liefern. 
Augsburg und Nürnberg folgten dem Beifpiel jener Städte bald nad 
und trugen das Ihrige dazu bei, den Buchdrud und Buchhandel un— 
abhängig von der Selbjtheritellung ver Schriften zu machen. 

Fortan alfo iſt es einzig und allein der Buchdruck, welcher die Vor: 
ausfegung des Buchhandels bilvete. Beide find jogar jo eng verbunden, 
daß fie vielfach miteinander verwechſelt werden; namentlich aber bat fich 
bis in die neuere Zeit hinein der Begriff des Buchdruckers noch nicht 
prinzipiell von dem des Verlegers geichieden. 

Die Buchdrudereien nun bezogen ihre Arbeitskräfte — Setzer und 
Druder — aus allen möglichen Klaffen und Gewerben, namentlich aber 
aus den Kreiſen der Schreiber und ver ihnen verwandten Berufs— 
gattungen, wie Kormjchneidern, Briefmalern, Illuminatoren und Mi- 
niaturmalern. Der Zahl nach natürlich viel geringer und ver Zeit 
nach jpäter jchliegen fich ihnen vwerdorbene Studenten und überhaupt 
junge Männer der gebilveten Stände an, die ihren Beruf verfehlt oder 
im Veben ſchon Schiffbruch gelitten haben. Seitdem nun gar das 
Truden eine einträgliche Industrie geworden, fuchten Leute aller Stände 
darin ihren Broterwerb. Damalige Schriftfteller, wenn fie fich über 
die jchlechten Sitten der Studenten beflagen, erzählen, daß viele der— 
jelben, unfähig einen Grad zu erlangen, fich zulett als Drudergebilfen 
verdingten. Sie verjtanden gerade genug Yatein, um als Seter latei— 
niſcher Bücher zu dienen. Sebaſtian Brant, der während feines Auf: 
enthalts zu Baſel, wo er bei Amerbach und andern Korrekturen bejorgt 
hatte, mehr als einen jolcher ehemaligen Studenten gejehen haben mug, 
bejchreibt fie als ebenſo liederfich, wie auf den Univerfitäten. An einem 


Kapitel.) Verhältnis der Schreiber zu den Buchdrudern. 269 


Tage, jagt er, verpraffen fie einen ganzen Wochenlohn.? „Wenn die 
Studenten wider beim kumen, jo fummen fie nüt (nichts) und werben 
buchtruder darusz“, jagt Geiler in feinen Predigten über das Narren- 
ſchiff.“ Daraus erklärt fich vielleicht das Hinübernehmen eines Stüds 
des ſtudentiſchen PBennalismus, des Depofitionswejens, in die Zunft- 
gebräuche der neuen Kunſt. 

Die Schönjchreiber verhielten fih anfangs derjelben gegenüber feind- 
(ich, weil jie fich von ihr in ihrem Erwerbe bedroht jahen. Ihre Gegner- 
ichaft hielt aber nicht fange an, teils weil fie um des lieben Broterwerbs 
willen alles aufbieten mußten, nicht nur Schriften formen und gießen, 
jondern auch Bücher jegen und pruden zu lernen, teil weil fie ſich balv 
überzeugten, daß auch für fie bei der tüglich wachjenden Ausdehnung ver 
Kunjt noch genug zu thun und zu verdienen übrigblieb. Die gejcbeitern 
Köpfe und tüchtigern Kräfte umter den Schreibern wirdigten aljo jehr 
bald deren Tragweite und übertrugen in richtiger Erfenntnis der Folgen, 
welche ver Buchorud für fie haben mußte, ihre Erfahrung, Kenntniſſe 
und Einficht auf das immer mehr aufblühende Gejchäft. Wenn bei ver 
frübern bandjchriftlichen Herſtellung ein paar, oder höchſtens einige 
Dugend Bücher mit Initialen zu ſchmücken over zu rubrizieren gewejen 
waren, verlangten jegt Hunderte und Zaujende von Werfen eine ber- 
artige fünjtleriiche Zuthat. Die ehemaligen weltlichen Schreiber, welche 
mit den geiftlichen Schreibern und teilweije auch mit den Stationarien 
der Univerjitäten fonfurrieren mußten, hatten jett jo viel Arbeit als fie 
wollten und verdienten mit einiger Gejchieflichfeit als Setzer und Druder 
ebenjo viel, wenn nicht mehr. Der Verdienſt der Zeichner und Maler, 
Illuminierer und Rubrifatoren vermehrte fich auch, ftatt daß er janf. In 
diejer Thatjache lag das einigende und verjöhnende Moment für die alte 
und neue Richtung, die allınähliche Annäherung und Verjchmelzung ihrer 
Interefjen. Diejer Berjöhnungsprozeß vollzog fich ſchon in den erſten Jahr— 
zehnten nach Erfindung der neuen Kunſt. Cs ift aljo fein Zufall, daß ge: 
rade in den Städten, in welchen während des Mittelalters Schönjchrei- 
berei, Miniaturmalerei und Handichriftenhanvel in Blüte geftanden hatten, 
ſchon in den jechziger und fiebziger Jahren des 15. Jahrhunderts die erjten 
und bedeutendſten Drucdereien entjtanden, welche fich zugleich durch bejon- 
ders geſchmackvolle Austattung ihrer VBerlagswerfe und teilweife reichen 
Bilderſchmuck derjelben auszeichneten. Straßburg, Bajel, Augsburg, 


270 Vermengung der Begriffe: Schreiben und Druden. Fünftes 


Um, Nürnberg und Köln ſtehen bier in erſter Linie. Die kleine Reichs— 
ſtadt Hagenau im Elſaß gehört, weil fie, wie bereits im erſten Kapitel 
erzählt wurde, von alters ber der Sit berühmter Schreibftuben und 
Schreiber war, zu den ältejten Stätten der Buchdruderfunft und zog 
jelbft noch 1518 einen jo bedeutenden Druder und Berleger, wie Tho— 
mas Anshelm aus der Univerſitätsſtadt Tübingen an. 

So fam es denn auch, daß die Volksſprache anfangs noch nicht 
zwijchen Schreibern und Drudern zu umterjcheiven wußte, zumal fich 
auch die Drucder ſelbſt über diejen Unterjchied nicht klar waren, ober ihn 
nicht bervortreten faffen wollten. In den ältejten Preßerzeugniſſen wird 
die alte Thätigfeit des Schreibens noch vielfach für den neuen Begriff 
Druden gebraucht. So jagt der Druder Peter Adam in der Schluf- 
jchrift zu des Angelus Aretinus' „Tractatus de Criminibus seu de 
Maleficiis“, welche er 1472 in Mantua berausgab: „Petrus Adam 
Mantue opus hoc impressit in urbe Illie nullus eo scripserat 
aere prius.” Noch deutlicher tritt dieſe unwillkürliche oder abfichtliche 
Verwechjelung im Schlußwort zu einer der älteften Ausgaben des Pe- 
trarca'ſchen „Triumphs Amors“ hervor, wo es heikt: „Magister Joan- 
nes Petri de Maguntia scripsit hoc opus die XXI Februarii” 
(1472). In demſelben Jahre gebrauchte verjelbe Mainzer (12. Novem- 
ber 1472) dasſelbe Wort „seripsit” ftatt „excudit” im Kolophon 
zum „Philocolo“ von Florenz. Auch Kranz, Freiburger und Gering 
wandten, als fie noch in der Sorbonne druckten, höchſt wahrjcheinlich im 
Sabre 1473, die Falligrapbiichen Ausprüde auf den Drud an. In der 
Scylufjchrift zu ver „Legenda Auren“ jagen fie: „pulchre «tran- 
seripta» per nos impressoriae artis magistros“ (jtatt impressa). 
Überhaupt wird in etwa einem Dutzend Schlußworte aus dem 15. Jahr— 
bunvert der Druck mit „scribere“, „transcribere”“ und „exscribere‘ 
bezeichnet. ? 

Übrigens wird die von den verjchiedenften Seiten, namentlich einem 
io beveutenden Forſcher wie N. Kirchhoff, aufgeftellte Vermutung, daß 
die erſten Drudereibefiger ans den Schreibern hervorgegangen jeien, 
unter anderm auch durch die augsburger Stenerbücher zur vollſten Ge— 
wißbeit erhoben. Es find diefelben von den Jahren 1346 bis 1717 für 
jeden Jahrgang jauber auf Pergament gejchrieben und wohlgeorpnet im 
dortigen ftädtifchen Archiv aufbewahrt. Je nach Strafen und Straßen- 


Kapitel.) Die erften augsburger Druder früher Schreiber. 971 


nummern geführt, enthalten fie die Namen ſämtlicher Steuerpflichtigen, 
jowie die jedesimaligen Beträge der Kopf- und Cinfommenfteuer. D 
die Wohnungen und Offizinen der erjten augsburger Druder aus den 
Grundbüchern und vielfach auch aus den noch vorhandenen Kaufbriefen 
nachgewwiejen find, jo läßt fich auch die Identität der einzelnen Steuer- 
zahler leicht feſtſtellen. 

Der erſte Buchdrucker, welcher als ſolcher bezeichnet wird, erſcheint 
in den augsburger Steuerbüchern 1473; bis dahin hieß er vielfach 
Schreiber, troßdem daß nachweisbar ſchon 1468 dort gebrudt worden 
war, So wird Günther Zainer in den Steuerliften bis 1473 als 
wohnbaft zu St. Anna (wo jegt die Sanderſche Fabrik fteht) nur als 
Günther der Schreiber geführt. Im Jahre 1473 kaufte er von Johann 
Schüßler das Haus in der Weismalergaffe (jeßt D, 213 Karolinenſtraße). 
Als Beſitzer dieſes Hauſes wird er in den Jahren 1474 und 1475 
Günther der Buchoruder, 1476 und 1477 aber einfach Günther Zainer 
ohne jeden Zujat genannt. Wie jchnell jein Geſchäft gewachien jein muß, 
gebt aus der Thatjache hervor, daß er von 1474 an bereits 28 Gulden 
jährficher Steuern zahlte. 

In derjelben Weife wird Johann Schüßler von 1453 bis 1484 in 
den augsburger Steuerbüchern als Schreiber angeführt. Er wohnte bis 
1464 am Bruperflofter und faufte 1464 von der Witwe Anna Kötzlin 
und Konjorten das obengenannte Haus in der Weismalerftraße. Im 
dem Kaufbriefe von 1464, deſſen Original ſich in dem Beſitz des hoch— 
verdienten Yofalbiftorifere Dr. Robert Hoffmann in Augsburg, dem 
gegenwärtigen Eigentümer desjelben Hauſes, befindet, wird Schüßler als 
Buchbinvder bezeichnet. Es findet mithin feine frühere Thätigfeit und 
auch jein jpüteres untergeordnneteres Gejchäft Erwähnung, nicht aber 
jeine Druderei, durch welche er fich nicht nur einen angejehenen Namen, 
fondern offenbar auch Wohlitand erwarb. Denn während er 1464 nur 
23 Gros (Grojchen) Steuern bezahlte, ward er 1468 jebon auf 2 Gul- 
den eingeſchätzt. Johann Bämler endlich erjcheint in den ſtädtiſchen 
Stenerlijten zuerſt 1453 als Schreiber, 1457 ohne jeden Zuſatz als 
Bämler, 1459 als Bämler, Schreiber, 1461 als Johann Bänder, 1462 
bis 1472 als Bämler, Schreiber, und nur 1477 als Johann Bämler, 
Druder. Erſt 1508 verſchwindet fein Name aus dieſen Yiften. Von 
1477 bis 1508 war feine Wohnung „Bor den Predigern‘ (der jegigen 


972 Kontingent aus Briefmalern und Buchbindern. Fünftes 


Wintergaſſe). Bämler entrichtete 1460 nur 39, Gros Steuer, 1464 
ſchon 2 Gulden und 1466 bereits 6 Gulden. Die verhältnismäßig be 
deutende Steigerung diejes 1464 ſchon hohen Steuerjakes rührt jchwer- 
lich aus jeinem Gewerbe als Schreiber ber!®, da ja die meijten reinen 
Schreiber durch den Bücherdrud wenigjtens früher oder jpäter Einbuße 
in ihrem Erwerb erleiden mußten, Es drängt fich aljo die Vermutung 
auf, daß Bämfer das gejteigerte Einfommen feinem neuen Gejchäft als 
Buchdrucker verdankte und er dieſes ſchon um die Mitte des fiebenten 
Jahrzehnts ſchwunghaft betrieb. 

Andererjeits lieferten aber auch einige der jonftigen verwandten Ge— 
iwerbe ihre Vertreter zur neuen Kunſt. So namentlich die Holzſchneider 
und Kartenmaler. Anton Sorg wurde von 1466 bie 1476 einjchliehlich 
als Kartenmaler, faft gleichbedeutend mit Formſchneider, bezeichnet. Zu 
jener Zeit, und noch fpäter, wurden Kartenmacher, Briefmaler und Brief- 
händler, welche alle der Kramerinnung angehörten, ebenjo oft in eine 
Kategorie von Gewerbtreibenden geworfen, wie Buchdruder und Buch- 
binder. Die neuen Buchoruder brauchten aber außerdem nicht nur 
Seter, zu denen die Schreiber wohl am beiten geeignet waren, jondern 
zur Anfertigung ihrer Typen, Preſſen und jonftigen Werkzeuge auch 
Kiftler (Schreiner), Schnigler (Armbruftmacher) und Holzjchneiver. Wenn 
nun dieſe Yente noch des Schreibens fundig waren und jonjt Unter— 
nehmungsgeift hatten, jo fonnten fie, nachdem fie die Werkzeuge her— 
gejtellt hatten und mit deren Verwendung vertraut geworden Waren, 
ohne zu große Schwierigfeit auch das Setzen und Druden lernen, wie 
umgefehrt die Schreiber die Anfertigung der notwendigen Utenſilien. 
Anton Sorg ging nun ald Druder aus den Briefmalern hervor. Noch 
1457 zahlte er nur 7 Gros Einfommenftener, 1464 ſchon 7", Pfund 
und 1466 jogar 10 Gulden. Er muß ſich alfo ebenjo früh wie Bämler 
erfolgreich al® Druder emporgearbeitet haben, wenngleih aus jener 
Zeit fein mit Jahreszahl und Namen bezeichnetes Druckwerk von ihm 
mehr vorhanden it. Wieder andere traten zuerjt ala Buchbinvder auf. 
So erjcheint der berühmte Erhard Ratvolt von 1469 bis 1473 nur mit 
jeinem Namen in ven Steuerliften, 1474 aber als Buchbinder Erhard, 
dann als Druder, von 1486 bis 1528 jei es als Meifter Erhard, jei 
es als Erhard Ratvolt. Er zahlte zu Anfang des neuen Jahrhunderts be- 
reits 30 Gulden Einkommenſteuer. 


Kapitel.} Buchdrucker und Schreiber in Augsburg und Straßburg. 2753 


Etwa zu Beginn der achtziger Jahre fangen die Unterjcheivungen 
zwiſchen den verjchievenen, teilweife verwandten Gewerben an, und na— 
mentlichb treten von da an die Buchdrucker und Buchführer in ven 
Steuerbüchern zahlreich als jelbjtändige, voneinander gejonderte Gewerb- 
treibente auf. Nur ausnahmsweiſe wird ein nambafterer augsburger 
Buchdrucker, wie der Briefmaler Ktrapfenftein, welcher von 1475 bis 
1479 bei Günther Zainer gearbeitet hatte, noch 1486 als Schreiber 
aufgeführt; ein Beweis, wie lange noch einzelne Kreiſe an dieſer für da— 
mals volfötümlich zu nennenden Bezeichnung der Buchoruder feithielten. 

Was fich mun von Augsburg aktenmäßig nachweien läßt, das muß 
auch Für andere große Städte Deutſchlands gelten, da die innere und 
äußere Entwidelung der neuen Kunſt überall diejelbe war. So z. B. für 
Straßburg, welches nicht nur der Mittelpunkt der elſäſſiſchen Druder- 
thätigfeit, jondern auch noch im 16. Jahrhundert eine Art Buchoruder- 
ſchule für Deutjchland, Frankreich, Italien und die Schweiz bildete. Der 
bochverdiente ftraßburger Gelehrte C. Schmidt hat im feiner vortreff- 
fihen Schrift: „Zur Gejchichte der älteſten Bibliothefen und der erjten 
Buchoruder zu Straßburg‘, unter anderm eine Fülle von bisher un- 
befannten Thatſachen veröffentlicht, welche das vom Berfaffer aus den 
augsburger Akten gezogene Material beftätigen und zugleich vervollſtän— 
digen. Mehrere der erjten ftraßburger Druder waren Goldſchmiede, 
Maler, Kalligraphen. Als jolche gehörten fie zur Goldſchmiedezunft, 
die damals alle irgend einen fFünftleriichen Charakter tragenden Ge— 
werbe umfaßte und ihre Stube in der Münftergaffe, in dem Haufe 
„Zur Stelz” hatte. Schon frühe trifft man auf Druder, Brefjores, 
impressores librorum, von denen man nichts ald den Namen fennt. 
Da nun die Verbreitung des Buchoruds das Gewerbe der Kalligraphen 
beeinträchtigte, manche Drudereien auch zur Ausſchmückung ihrer Er— 
zeugniffe eigene Zeichner und Illuminiſten in ihre Dienfte nahmen, jo 
erlitt die Zunft „Zur Stelz“ durch Verminderung der Zahl ihrer Mit— 
glieder jo bedeutenden Schaden, daß die Beiträge für den Stubenzins 
erböht werden mußten. Nach Schöpflin ſoll ſchon 1472 im Stadtrat 
„de lege et norma typographis praescribenda” die Rede gewejen 
jein. Über ven Gegenftand dieſes Geſetzes erfährt man leider nichts; 
es jcheint aber, daß man die Abficht hatte, die Druder zünftig zu 
machen. Gin desfallfiger Bejchluß wurde aber erſt 1502 und auch nur 

Rapp, I. 18 


274 Abtrennung der Haufierer und Buchführer. (Fünftes 


auf jo lange gefaht, bis die „Stelz“ von ihren Verlegenheiten befreit 
jein würde. Doch aber kann diejer Vorgang mit einer beginnenven 
zünftlerifchen Bewegung unter ven Buchorudern, die ja fpäter die ärg- 
jten Zunftfanatifer wurden, zujammengehangen haben. Denn auch in 
Yeipzig wollte der Rat im Jahre 1506 über eine Ordnung für die 
Druder beraten. Leider fehlen, außer dieſer dürren Notiz, auch bier 
alle weitern Nachrichten in den After. 

Die in einer Perſon vereinigte Thätigfeit des Druders, beziehungs— 
weije Verlegers, und des Händlers fonnte auch nur kurze Zeit dauern. 
Solange die Zahl der Yejenden nämlich gering war und wenige Bücher 
erjchienen, vermochte der Druder ohne Mithilfe Dritter die Erzeugniffe 
jeiner Preſſe perjönlih ganz gut zu vertreiben. Als aber das Abſatz— 
gebiet im Innern immer mehr eritarfte und auch nach außen bin fich 
ausdehnte, war ein Einzelner nicht mehr im Stande, neben der Aufficht 
über feine Druderei weite Neijen zu unternehmen und die verſchiedenen 
Sahrmärkte oder Meſſen zu befuchen. Die Druder mußten deshalb, um 
mit der Entwidelung des Gejchäfts gleichen Schritt zu halten und deſſen 
faufmännijchen Betrieb zu fördern, jehr bald Verkäufer anftellen, Fi— 
lialen errichten oder Gejellichafter annehmen. Zunächſt löfte ſich alſo 
in den Verfäufern der Bücher eim anderer Zweig vom Hauptjtamm ab. 
Dieje Verkäufer biegen anfangs Buchführer und umfaßten ſowohl den 
heutigen Cortimenter, als auch den Kolporteur. Die beiden legtern Ge- 
ichäfte find in ihrem erſten Urjprung qualitativ ganz diefelben und höch- 
ſtens quantitativ voneinander verjchieven, gehen aber häufig ineinander 
über. Der eine wie der andere widmet fich perjönfich dem Kleinhandel 
mit den von ihm ſelbſt, meiſtens aber von Dritten geprudten oder er- 
bandelten Büchern, Der Haufierer trägt diejelben von Ort zu Ort auf 
Jahrmärkte und Meſſen, aber er verkauft neben feinen Büchern unter 
Umftänden auch andere Waren. Der Buchführer bejchränft ſich an 
jeinem ftändigen Gejchäftsfite mehr auf den ausjchließlichen Vertrieb 
von Büchern und vermittelt, wie jener, ven Verkehr des leſenden Publi- 
fums mit dem Druder und Verleger. Der Haufterer (bibliopola libros 
venales deportans) ift ver Zeit nach der erjte und arbeitet dem Buch— 
führer vor, 

Als einer der ältejten Sortimentshändler (Buchführer) erſcheint Nein- 
hard Türkhl, welcher 1474 in Wien einem fölner Franzisfanermönch 


Kapitel] Anfängliches Verhältnis der Buchführer zu den Buchdrudern. 275 


Hans fünf Eremplare ver „Summa Theologiae” over „Pantheologia“ 
in einer zweibändigen Ausgabe (offenbar der jehönen Senſenſchmid-Kefer— 
ihen, 1473 in Nürnberg erjchienenen) verfaufte. Der Händler mit 
öfterreichtich gejchriebenem Namen wird zwar nicht ausprüdlich ala Buch- 
führer bezeichnet und ebenjo wenig findet fich Aufjchluß darüber, wie die 
betreffende Urkunde ins augsburger Stadtarchiv geraten ift, wo fie der 
Verfaſſer entdeckte und abjchrieb; allein es läßt fich wohl kaum daran 
zweifeln, daß Türfhl ein wiener, und dabei jehr gewandter Buchhändler 
war. Man bat es bier wenigftens mit einem Manne zu thun, welcher 
ebei einem Zeitgejchäft ſowohl ſich, als auch jeinen Käufer ficherzuftellen 
und diefen, der offenbar feine genügenden Barmittel hatte, auch für die 
Zukunft an fich zu binden weiß. Türkhl bejcheinigt alfo in der vor- 
liegenden Urkunde (j. Anhang Wr. IV) in Gegenwart eined Zeugen und 
unter Siegel, daß er dem genannten Hans fünf Eremplare des erſten 
Bandes der „Pantheologia” verkauft und von ihm bis auf drei unga— 
rijhe Gulden Zahlung dafür erhalten bat. Zugleich aber verpflichtet er 
ſich, ihm die rejtierenden fünf Eremplare des zweiten Bandes bis jpüte- 
jtens zu nächſtem Martini (aljo vom 11. Auguſt, dem Tage des Ab- 
ſchluſſes, an in drei Monaten) zu liefern. Sollte das aber nicht ge- 
jcheben, jo möge Hans die erjten fünf Bände wieder verkaufen, um fich 
für jein an Türkhl gezahltes Geld und etwa erlittenen Schaden bezahlt 
zu machen. 

Der Buchführer bezog num von einem oder von verjchiedenen Drudern 
jeine Ware und handelte damit auf eigenen Gewinn und Verluſt, oder 
er vermietete ihnen jeine Dienfte und arbeitete auf Koften und Gefahr 
jeiner Auftraggeber. Er war den Drudern beſonders dadurch wichtig 
und unentbehrlich, daß er, jelbjt mit ungejchlachten Folianten das ganze 
Yand durchziehend, den Geſchmack und die litterariichen Bedürfniſſe ver 
verſchiedenen Gegenden erforjchte, das Yejebenürfnis durch Borzeigung 
und Anpreifung jeiner Bücher weckte oder fich auch an einem ihm günftig 
erjcheinenden Orte nieverlieh, wodurch er natürlich auch zur Ausbreitung 
des Buchhandels wejentlich beitrug. Den älteften beglaubigten Spuren 
des Hauſierhandels begegnet man, wenn nicht Ende der jechziger, jo doch) 
zu Anfang der fiebziger Jahre des 15. Jahrhunderts. Cs find nämlich 
noch etwa acht der ſchon früher erwähnten von deutjchen VBerlegern aus- 
gegangenen Bücheranzeigen oder vielmehr Proſpekte erhalten, darunter 

18* 


276 Geſchäftsbetrieb der Haufierer. Plafate, (Fünftes 


drei von Johann Mentel in Straßburg, je einer von Günther Zainer, 
Johann Bämler und Anton Sorg in Augsburg, einer von Johann Re: 
giomontan und ein fpäterer (1486) von Anton Koberger. Der Haufierer 
ftellte auf dem Jahrmarkt oder ver Meſſe einer Stadt, oder an öffent: 
lichen Pläten, an den Kirchenthüren (den altberfömmlichen Verkaufs: 
jtänvden der Handſchriftenhändler), in Univerſitätsſtädten vor ven Thüren 
der Kollegien und Burjen, oder im Wirtshaus feine Vorräte aus und 
fündigte zugleich deren Verfauf in Anjchlagzetteln an, wie dies vor ihm 
ſchon die Handſchriftenhändler gethan hatten. Während die Anzeigen in 
groß Folio als Manerplafkte dienten, waren andere in Oftav oder Quart 
geprudte Ankündigungen wohl zur Verteilung aus der Hand, oder aud 
zum Einfleben in die gebundenen Bücher beftimmt. Die älteften dieſer 
Anzeigen ſtammen von Mentel ber und bieten verſchiedene von ihm ge- 
druckte Werfe zum Verkaufe an: jo die 1469 erjchienene „Summa As- 
texana“, die 1470 oder 1471 vollenveten „Epistolae Sancti Hiero- 
nymi“ und das 1473 herausgegebene „„Speculum historiale“. Sie 
beginnen übereinftimmend mit dem Worte „Cupientes“ over „Volentes 
emere“ und jchließen mit dem Satze: „Veniant ad hospieium zu 
dem... .“ und verjprechen dem Stäufer einen billigen VBerfäufer (habe- 
bunt largum venditorem). Im Anhang unter V find die drei Men- 
telichen Proipefte und ein Bämlerſcher wörtlich abgedrudt. 

Die offen gelaffene Stelle am Ende der Mienteljchen Anzeigen beweiit 
deutlich, daß feine Haufierer von einem Ort zum andern zogen und jedes 
mal bei ihrer Ankunft ven Namen ihres Wirtshaujes einjchrieben; vie 
lateiniſche Sprache aber läßt erfennen, daß er, wie auch die meiften ver 
jeinem Beifpiel folgenden Verleger, vorzugsweije Gelehrte oder Klöſter 
im Auge hatten. Das Gejchäft in legtern kann nicht unbedeutend 
gewejen jein, da fie vielfach weit entfernt von der Heerſtraße lagen 
und ſich ihren litterarijchen Bedarf durch dieſe Haufierer vermitteln 
laffen mußten. So findet fih am Schuß eines Cremplars der Pojtille 
des Nikolaus von Lyra folgende Bemerfung eingetragen !!: „Dieſes 
Buch gehört der Benediktinerabtei Sancta Maria von Miontebourg in 
der Diöcefe Conſtances, Provinz Rouen. Gekauft im Kloſter der ge 
nannten Abtei von einem Haufierer (librario venales libros depor- 
tanti) am 8. Auguft im Sabre des Herrn 1487. Es fojtet dreißig 
tourainifche Sous. Bejcheinigt Janicart.“ 


Kapitel.) Die jehhaften Buchführer. Meßverkehr der Verleger. 977 


Die deutjchen Projpefte bildeten dagegen damals anſcheinend, wie 
überhaupt die deutſche Yitteratur, die bedeutende Minderheit. Außer 
Günther Zainer, der etwa zwei Drittel lateinifcher und ein Drittel deut: 
iber Bücher anbot, brachten allein Johann Bämler und Anton Sorg 
nur deutſche Berlagsartifel auf den Markt. Es ift eine intereffante 
Thatjache, daß Die erſte deutſche Volfslitteratur aus Augsburg fommt. 
Sorg kündigt unter anderm die Volksbücher „Griſeldis“, „Die jchöne Me- 
luſine“ u. j. w. an, Bämler aber populäre juriftiiche und theologiſche 
Werte. 

Aus dem Haufierer nun wurde der Buchführer in dem Augenblid, 
wo ver Handel fich nicht mehr im Umherziehen bewältigen lieh, wo der 
Seichäftsverfehr der wandernden Händler auf Meſſen und Jahrmärkten 
untereinander begann und wo die Maffe ver neuen Ericheinungen auf 
die weitere Teilung der Arbeit drängte. Nicht daß der Wanderverkehr 
überhaupt in Wegfall gefommen wäre; er blieb vielmehr und wuche 
jogar an Ausdehnung und Umfang. Aber es trat eine gleichjam ariſto— 
fratiiche Scheidung ein: der Srofbetrieb der Buchführer bielt an den 
Geſchäftsreiſen auf die großen Märkte und im fernere Gegenven feit, 
der Kleinverkehr Dagegen, der eigentliche Hauſierhandel, bejchräntte jein 
Feld immer mehr anf die Kleinlitteratur, auf die Flugſchriften und die 
Zolfslitteratur, eine Umwandlung, welche ſich ſchon gegen Ende bes 
15. Jahrhunderts zu vollziehen begann. 

Um aber ven Abſatz ihrer Artikel noch wirkſamer zu betreiben, be- 
juchten die Verleger ſelbſt die Jahrmärkte und Meſſen ver mittlern und 
grökern Ztädte, boten dort im unmittelbaren Verfehr mit dem Publikum 
die Erzeugniffe ihrer Prejfen aus. Es jeien bier vor allem erwähnt 
Frankfurt a. M. und Yeipzig, Nürnberg, Straßburg, Bajel, Zurzach, 
<t. Gallen, Augsburg, Nördlingen, Naumburg, Erfurt und Breslau. 
Vie die Kaufleute hier jeit Jahrhunderten ihre Einkäufe gemacht und 
unter anderm auch Handſchriften, ja Flugblätter politifchen oder theolo- 
ziſchen Inhalts, jet es auf eigene Gefahr, jei e8 im Auftrag Dritter, ge: 
fauft over verfauft hatten, jo dehnten fie jehr bald nach Erfindung ver 
Buchdruckerkunſt ihre Kundſchaft auch auf Bücher aus. Das Bedürfnis 
nach ihnen entſprang aus, und fußte natürlich auf dem bisherigen Hand— 
ſchriftenhandel. Wenn ſchon, wie bereits erwähnt, 1439 die ſiebenbürger 
Kaufleute ven litterarifchen Verkehr dieſer deutſchen Kolonie mit dem 


278 Vermischung von Bud): und Warenhandel, Filialen. (Fünftes 


Mutterlande vermittelt und Dandjchriften von Baſel nah Hauſe gebracht 
hatten, jo zählte auch die im ganzen 320 Bände umfafjende Kapellen: 
bibliothek in Hermannſtadt im Jahre 1500 jchen 167 deutſche Infunabeln, 
darunter 11 aus Augsburg, 22 aus Bajel, 23 aus Köln, 28 aus Straf- 
burg und 51 aus Nürnberg, jowie außerdem 114 aus Venedig. Auch 
Kiga und Reval bezogen im jpätern Mittelalter ihren geringen littera- 
rischen Berarf, namentlich an kirchlichen Hilfsmitteln, über Yübed. Seit 
den erjten Anfängen ver Buchdruderfunft ftanden, dem frühern Verhältnis 
entjprechend, die dortigen nicht unbedeutenden Kaufleute Konrad Hürle— 
mann und Ambrofius Segeberg ſchon in unmittelbarer Gejchäftsverbindung 
mit Frankfurt a. M., kauften bei Johann Fuſt ein und janpten 1467 an 
Kord Romer in Riga und Marquard von ver Molen in Reval eine An- 
zahl gedruckter Bücher zum kommiſſionsweiſen Verkauf, nämlich 2 Bibeln, 
15 Pialter und 20 Kanon. Die Zahl diefer Bücher ift zu groß, als 
daß fie für den eigenen Bedarf hätte bejtellt ſein können. Aus ihr 
aber ergibt fich die Folgerung, daß, wie die übrigen Ausfuhrartifel, die 
lübecker Kaufleute auch die litterariſchen Bedürfniſſe oder Aufträge für 
ihre Geſchäftsfreunde in den Dftjeepropinzen vermittelt haben. 1? Die 
jpärlichen Reſte der Leipziger Gerichtsaften erweiſen außerdem, daß dieſe 
Vermiſchung des Buchhandels mit dem Warenhandel in Yeipzig und auf 
der Leipziger Meſſe bis gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts an- 
gedauert bat. Die fleinern Meßplätze treten dabei allmählich immer 
mehr, und zuleßt ganz, vor der täglich wachſenden Bedeutung Frankfurts 
und jpäter Yeipzigs zurüd. Die Einzelheiten über diefen Punkt müffen 
den Kapiteln über die Buchhändlermeifen ver beiden zulett genannten 
Städte vorbehalten bleiben. 

Außerdem aber errichteten die Verleger Filialen, oder wenigitens 
Niederlagen, in den bedeutendjten Städten des In- und Auslandes. 
Auc bier find wieder Fuſt und Schöffer die erften, welche, ſchon ebe 
die Buchdruckerkunſt eine heimijche Stätte in Paris gefunden batte, dort 
eine Zweigniederlaffung gründeten. Gleich ihnen ijt bier auch Anton 
Koberger in Nürnberg zu erwähnen, welcher in ver Perion des. Johann 
von der Brud aus Flandern bereits 1476 einen Faktor in Paris hatte. 
Nach des lektern bald erfolgtem Tode war er dort jpäter durch Jo— 
hannes Blumenftod, genannt Heidelberg, vertreten. „Mich bat mein 
Junckher uff Paris geſetzt“, berichtet der treue Mitarbeiter, „Bücher zu 


Kapitel.) Kobergers und Anderer Filialen und Faktore. 279 


verfauffen und zu Gelt zu machen. Ich hab zu verjorgen zween laden 
buecher, die zu jortiren, collationiven und ſchön und füber und ordentlich 
zu halten und darum gute Rechenſchaft zu geben, jo beit ich mag.” 
Außerdem hielt Koberger an verjchievdenen Orten „offen Cräm und Ge— 
mölbe“, wie z. B. in Ofen, Krakau und Breslau, in Frankfurt, Regens— 
burg, Paſſau und namentlich in Lyon, wenn es ihrer auch nicht volle 
jechzehn getwejen jein mögen, wie jein Biograph Waldau behauptet 13; 
jpeziell von Lyon aus vermittelte Kobergers Neffe Johann die Ber: 
bindungen mit Spanien und Oberitalien. Als feinen Bevollmächtigten 
in Paſſau hatte Roberger mit Eluger Berechnung den Domprediger Men: 
rath Zyndel (1504) angejtellt, eine Perjönlichkeit, die ganz anders auf 
den Abſatz der Bücher wirfen fonnte, als ein gewöhnlicher ‚Diener‘; 
wahrjcheinlich hatte er die gejchäftlichen Beziehungen zu dem Oſten zu 
überwachen. Auch in Yeipzig bielt ev in der Perjon des Buchbinders 
und Buchführers Peter Glement feit dem Beginn des 16. Jahrhunderts 
einen förmlichen Kommiſſionär, einen „Faktor“, wie gleichzeitig auch 
Johann Rynmann von Augsburg in der Perjon eben vesjelben Clement, 
ipäter in der Blafius Salomons. Aldus wiederum hatte jeine Kommiſſions— 
läger (?) in Wien, Bafel, Augsburg, Nürnberg und Paris. Für die be: 
treffenden deutſchen Städte jteht die Thatſache längſt feit, für Paris 
beweiit fie Erasmus in einem Briefe, welcden er am 27. April 1510 
von dort an Andreas Ammonius richtete: „Meine Sprichwörter‘, heißt 
es unter anderm, „werden bier von neuem gedrudt werden. Die Al: 
dinijchen Ausgaben find käuflich und micht teuer; fie fojten männlich 
1", Seudi, während fie in Nom teuerer verfauft werden. Wer welche 
will, möge fie bei jenem Italiener holen, der allein die Aldiniſchen 
Bücher verkauft” Auch Gottfried Hittorp und Ludwig Horncken in 
Köln unterbielten bis zum Jahre 1512 eine Kommandite in Paris, nach 
deren Aufgabe aber nicht weniger als drei: in Yeipzig, Wittenberg und 
Prag, welche bis zum Jahre 1524 verfolgt werden können. Vereinzelt 
findet ſich dieſer Gejchäftsgebrauch noch bis gegen Ende des 16. Jahr— 
bunverts. Als Beiipiel möge Hans Spierind dienen, welcher die Offizin 
des Antwerpeners Chriftoph Plantin von 1577 bis 1583 in Hamburg 
vertrat. 1* 

Tie älteften Buchdruder waren anfangs immer auch Verleger, da ſie 
die Herftellung und Ausgabe ihrer Unternehmungen auf eigene Rechnung 


280 Scheidung des Berlagshandel3 vom Buchdruck. (Fünftes 


und Gefahr bejorgten. Mit der Verbreitung der Prefien, auch an 
fleinern Orten, und mit dem fteigenden Bedürfnis der fich täglich er: 
weiternden Leſewelt Löft jich jevoch auch ver Verlagshandel bald vielfach 
vom Buchdruck ab und wird ſchon gegen Ende des 15. Jahrhunderts 
ein jelbjtändiges Geſchäft, wenn auch noch jahrhundertelang, wie jchen 
früher angedeutet, im Volksmunde, ja ſelbſt in amtlichen Schriftjtüden, 
der Verleger und Druder gleichbeveutende Begriffe bleiben. Die Thätig- 
feit ver Druder überwog auch noch für lange Zeit derart, daß beide Be 
rufe nur ſchwer bejtimmmt gegeneinander abgegrenzt werden konnten. So 
heißt es in einem Leipziger Ratserlaffe von 1526, den Kirchhoff mit: 
teilt: „Buchdrucker und andere, jo pflegen Bücher zu verfaufen. Ale 
troß bereits fünfzigjühriger Praris werden bier die Buchhändler noch 
mit den Drudern zujammengeworfen. Ganz ebenjo ließ der Rat von 
Nürnberg 1537 allen „Buchorudern‘ den Verkauf eines von der franf: 
furter Mefje eingeführten Schmachbüchleins „Fama“ verbieten. Nun 
it es von Nürnberg befannt, daß bier die Buchführer auf dem Markt, 
vor den Kirchen und auf offener Straße ſchon vor der Reformation die 
neuen litterarifchen Erſcheinungen feilhielten. Grit am 14. September 
1569, als der franffurter Rat die zur Meſſe anweſenden Buchhändler 
vor jich bejchied, bemerkte er am Schluß des Protofolls, „daß oberzeblte 
Perjonen nit allein Buchtruder, jonvdern mehreren Theils zum Theil 
Buchhändler, zum Theill Buchführer ſeint.“ „Weither feint auch vil 
vnder ſolchen Typographis, die für jich ſelbſt nichts, ſondern allein 
mercenarie anderen, zum Theill auch Buchtrudern, zum Theill aber 
Buchhändlern und Verlegern truden und die getrucdten Exemplare ven 
jelben zuftellen.“ Auch ver külner Rat unterjchbied 1573 die Buchhändler 
von den Buchdrudern. 1° 

Wie große Drudereien, um den Anforderungen des Markts zu ge: 
nügen, Beltellungen bei andern machten, jo nahmen auch die Berleger 
vielfach fremde Preffen in ihren Dienft. In Straßburg unterſchied man 
ſchon gegen Ende des 15. Jahrhunderts zwijchen „revelichen“, d. h. großen 
Drudereien, welche ausjchließlich ihren eigenen Verlag drudten, und 
„gemeinen, dv. b. Keinen Drudereien, deren Preſſen für Dritte ar- 
beiteten. Jene ftanden natürlich höher als dieſe.!“ Diejen durch Die 
Sejchäftsentwidelung bedingten Fortſchritt förderten außerdem noch pral- 
tiiche Erwägungen. Die eine Druderei war für einen bejtimmten Zweck 


Kapitel.) Drude für Private. 981 


beſſer geeignet, als die andere, hatte 5. B. paffendere Schriften, tüchtigere 
Seter over Korreftoren, oder eine günftigere Yage. Sodann koſtete die 
Frrichtung einer neuen gut ausgeftatteten Druderei viel Geld, weshalb 
Heine Kapitalijten gegenüber den ältern Offizinen nur jehwer oder gar 
nicht auffommen fonnten und ſich lieber auf den Berlag bejchräntten. 
Was im eriten Viertel des 16. Jahrhunderts zur ſtehenden Praris 
wurde, das prägt fich jchon gegen Ende des 15. in feinen erſten An- 
ſätzen aus und verdient deshalb bejonders hervorgehoben zu werten. 
Natürlich kommen bier diejenigen Drude nicht in Betracht, welche 
Privatperjonen für beſtimmte Zwecke bei bedeutenden Drudern beitellten. 
Solche Aufträge kommen ſchon in den erjten Zeiten vor. Fuſt und 
Schöffer prudten ihr „Pſalterium“ für zwei mainzer Klöſter und aufer- 
dem Breviarien und Miffale für Mainz, Meißen und Breslau. Erhard 
Ratdolt in Augsburg !® vrudte, von 1486 oder 1487 an, Breviarien 
und andere kirchliche Bücher für die Biihöfe von Augsburg, Konftanz 
und Paſſau, Johann Neumeifter, wie ſchon im pritten Kapitel erwähnt, 
1487 in Lyon ein Miſſale für ven Kardinal Karl von Bourbon, 1488 
für ven Erzbifchef von Vienne ein Breviarium. 1? Die Abtei Mon- 
jerrate von der neuen Kongregation der Benediktiner von St. Benito 
von Valladolid nahm jogar einen Druder förmlich in ihren Dienft. Sie 
lieh jchen im Mai 1498 nicht weniger als 18000 Indulgenzbriefe bei 
Johann Yujchner in Barcelona vruden. Ende Mai kam verjelbe mit 
Udalrich Belch von Ulm jelbit nach ver Abtei, wo er zufolge eines Überein- 
kommens vom 7. Januar 1499 ſich verpflichtete, jo viele Breviarien und 
überhaupt Bücher zu druden, als Prior und Konvent verlangen würden; 
feterer hatte das Papier und die nötigen Materialien auf jeine Koſten 
anzuschaffen, für Speife, Trank und Arbeitslöhne zu jorgen, die Druder: 
ihwärze zu bezahlen und Yujchner, ſowie dejjen rau und Kind, freies 
Quartier in dem Kaſtell von Otea einzuräumen. Dagegen veriprach 
Yujchner, die nötigen Utenfilten, Yettern, Preſſe u. j. w. herzuftellen. Für 
jeine Arbeit ſollte er monatlich 4, Dufaten erhalten. Nach Abjchluf 
diejes Vertrags begann der Trud am 4. Februar 1499 und lieferte 
bis zum 30. Aprit 1500, alſo im einem Zeitraum von 15 Monaten 
1020 Breviarien auf Pergament, 398 auf Papier, 1012 Miſſale auf 
Pergament, 128 auf Papier, 800 „Regulae“, 600 „Vitae Christi“, 800 
„De spiritualibus ascensionibus“, 800 „Instructio noviciorum“ und 


282 Die jelbjtändigen Verleger. [Frünftes 


800 „Parvum bonum“.?° Dieje Beifpiele reichen hin, um einen Geſchäfts— 
zweig näher zu beleuchten, der zwar mit dem Buchhandel nichts zu thun 
hat, jedoch ven Anfang ver heutigen fogenannten Accivenzarbeit bilvet. 
Bedeutſamer für die Gejchichte des Buchhandels iſt dagegen der 
Nachweis, daß ſich, wie oben ſchon angedeutet, bereits im 15. Jahr— 
hundert ein jelbjtändiger Verlegeritand neben ven Buchdruckern zu bilten 
begann. So veranftaltete der ofener Bürger und Bucbändler Theo: 
bald Feger auf feine Koſten 1488 bei Erhard Ratdolt in Augsburg 
einen Abprud ver Ungarifchen Ehronif des Johann von Thwroz.?“ 
Man hat neuerdings zwar die Behauptung aufgeftellt, daß Neger ein 
wohlhabender Privatmann und Bücherliebhaber gewejen jei, alſo auch 
nicht im dieſe Kategorie aeböre; indeffen nennt ihn Denis in jeiner 
Wiener Buchdruckergeſchichte, S. XVII, ausprüdlich einen Buchhändler 
und führt zum Beweije vejfen zwei 1494 in Wien für Neger gedruckte 
Schriften an, auf deren Titel e8 beißt: „Impressae cura et expensis 
Theob. Feger, librarii et concivis Budensis.“ Auch in der Abrech: 
nung, welche die Interejfenten an ver Schedelſchen Chronik am 22. Juni 
1509 in Nürnberg aufitellten, wird Neger als ofener Buchhändler ge 
nannt. Der in der Sorbenne thätige G. Wolff aus Baden vollendete 
fir die parifer Buchhändler Philipp Pigouchet und Engelbert von 
Marneff am 20. Oktober 1492 den Drud des „Terentius cum com- 
mentario Guidonis Juvenalis“.““ Der feit 1489 in Paris jelbitindig 
arbeitende Truder Wolfgang Hopyl drudte 1493 für den londoner Buchs 
händler Nikolaus Yecomte?°; der parifer Buchhändler Jean Petit Klein 
ans Um?), der übrigens 1496 auch jelbit eine Druckerei errichtet hatte, 
bejchäftigte die Preffen von nicht weniger als 15 Drudereien. Dieſe 
Angabe des ſonſt wenig zuverläſſigen Ya Gaille dürfte faum übertrieben 
jein, da Petit in faft allen parifer Offizinen, zum Teil jogar Conto à 
meta druden lief. So viel fteht unbedingt feit, daß Petit feiner Zeit 
der beveutendjte Verleger in Paris war und fogar einem Mann wie Jo— 
hann Froben ald Vorbild diente. Nikolaus Yuppi (auf Deutſch N. Wolf) 
ans Yutter am Barenberge war von 1492 bis 1512 Schriftgieger und 
Druder in Won. In legterer Eigenſchaft arbeitete er während des 
legten Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts und bis 1505 für ven Bud 
händler umd frühern Buchbinder Stephan Gueynard.““ Daß auch Anten 
Koberger vom Anfang feiner Thätigfeit an verjchiedene andere Drude: 


Kapitel.) Thätigfeit der Buchdruder für Verleger. 283 


reien bejchäftigte, wurde bereits erwähnt. Nachdem ver große Verleger 
mit vem Anfang des neuen Jahrhunderts jeine eigene Druckerthätigkeit 
ganz eingejtellt hatte, ging er allerdings nur noch auf wenig neue Ver— 
lagsunternehmungen ein. Nur drei Werke ließ er noch bei Johann Sa— 
con in Lyon (1509, 1512 und 1513) und je eins bei Johann Glein da— 
jelbit (1513) und Johann Grüninger in Straßburg (1510) druden. 
Auch jeine Geichäftsnachfolger beichäftigten nur ausnahmeweije ihre 
eigenen Preſſen, liegen ihren Verlag vielmehr in Bafel bei Adam Petri (5), 
in Dagenau bei Theodor Anshelm (5), in Yhon bei Yescuyer (2), Sa: 
con (11), Clein (2) und Marion (2), in Nürnberg bei Peypus (10) und 
Stuchs (4), in Paris bei Jod. Badius (1) und Berthold Rembold (1) 
und in Straßburg bei Johann Grüninger (1) beritellen. 

Gleich zu Beginn des 16. Jahrhunderts mehren fich vie Beweije für 
die Fortſetzung und Ausdehnung diejer Praris. Bor allen andern Städten 
iind Straßburg, Bafel und Köln, etwa wie heutzutage Yeipzig, Berlin 
und Stuttgart, die eigentlichen Brennpunkte ver damaligen Druder- und 
buchhändleriſchen Thätigkeit. Das intereffantefte Beiipiel eines Be— 
jtellungen ausführenden und jelbjt Beſtellungen erteilenden Buchdrucders 
und Buchhändlers liefert ver Straßburger Johann Knoblauch. In den 
Jahren 1505 und 1506 drudte er für Johann von Ravensberg in Köln, 
1515 für Urban Kaym in Buda und 1516 für Johann Dafelberg aus 
Reichenau. Da feine Prefjen für die an ihn gelangenden Aufträge nicht 
immer gemügten, jo ließ er jelbft bei Heinrich Gran in Hagenau, bei 
Johann Prüf, Johann Schott une Martin Flach dem Jüngern für fich 
pruden. Im Buchhandel war er nicht minder thätig. Sodann ſei hier 
nur furz an die Gebrüder Yeonhard und Lukas Alantjee in Wien er- 
innert, welche, von 1505 bis 1522 blühend, für ihren umfänglichen 
Terlag die verjehiedenjten auswärtigen Preſſen bejchäftigten: die von 
Adam Petri in Baſel, Yazarus Schurer in Schlettitadt, Mathias Schurer 
und Johann Schott in Strafburg, Thomas Anshelm in Hagenau, Ul: 
rich Morhard in Tübingen, Friedrich Peypus in Nürnberg, jowie endlich 
die von Peter Lichtenſtein, Jakob Pencio de Yucca, Yucantanio de Giunta 
und Alerander de Paganinis in Venedig.?“ An dieje bedeutende twiener 
Firma ſchließt fich die noch beveutenvdere des Buchhändlers Johann Ryn— 
mann 1498 bis 1522 in Augsburg an, welcher teils bei den dortigen 
Trudern Johann Ottmar, Sylvan Ottmar und Erhard Deglin, teils 


284 Große Berleger int Beginn des 16. Jahrhunderts, Fünftes 


auswärts drucken ließ, wie bei Adam Petri und Jakob von Pforzheim 
in Baſel, Renatus Beck in Straßburg, Georg Stuchs und Hieronymus 
Hölzel in Nürnberg, Peter Lichtenſtein in Venedig und vor allen bei 
Heinrich Gran in Hagenau. Ganz ebenſo ließ Gottfried Hittorp in 
Köln, außer in Gemeinſchaft mit Ludwig Horucken, nachweisbar ſchon 
1518 bei Adam Petri in Baſel und ſpäter, in den zwanziger Jahren, 
bei Berthold Rembold, Johann Philipp und Defiverius Maben in 
Paris, Adam Petri und Andreas Gratander in Bajel, ſowie bei The: 
mas Anshelm in Tübingen druden. Adam Petri kann übrigens fein 
bemittelter Druder, muß vielmehr oftmals in Berlegenheit gewejen jein, 
denn er verjette 1519 die mit Dittorps und Hornckens Geld gedrudten 
Bücher an Dritte. Die beiden fölner Verleger jahen jich deshalb ge: 
zwungen, die VBermittelung ihrer Vaterſtadt in Anfpruch zu nehmen, 
durch deren Fürſprache fie auch die Auslieferung der an Dritte ver- 
pfändeten Bücher erreicht zu haben jcheinen. (S. Anhang unter VI”) 
Auch Kranz Birdmann in Köln bejchäftigte die auswärtigen Prefien 
ebenſo jehr als jeine eigenen, umd zwar zwijchen 1513 und 1529 vie 
von Wolfgang Hopyl, Berthold Rembold und Nikolaus Prevoft in 
Paris, Heinrich Gran in Hagenau, ſowie die von Johann Sibaldäus, 
Chriſtoph Endovicenfis, Chriftoph von Roermonde, Johann Graphäus, 
Simon Cocus und Gerhard Nikolaus in Antwerpen. *’ 

Es war eine natürliche Folge der räumlichen Ausdehnung des Buch— 
handele, daß die einzelnen Buchhändler durch Einhalten einer beitimmten 
Richtung ein möglichit ficheres Feld der Berhätigung zu gewinnen und 
auszubeuten juchten. Sie teilten die Arbeit, indem fie den Gejchmad 
und die Bedürfniſſe der Leſer ermittelten. So bilveten ſich die Speziali- 
täten verhältnismäßig ſchnell aus; jo deckten fich die Intereſſen der Ein- 
zelnen mit den Forderungen des Ganzen, und namentlich trat Die Kon- 
furrenz der Ausgaben in ver klaſſiſchen und theologiſchen Yitteratur zurüd. 
Auferft lehrreich it ver Rückblick auf den erjten Gebrauch, welchen vie 
verſchiedenen Völker von der Buchdruckerkunſt in ihren erjten Anfängen 
gemacht haben. Es jpricht ſich überhaupt der Gharafter und der Bil— 
dungsitand eines Yandes oder Gemeinweſens jo Elar in jeinen eriten 
Druchverfen aus, daß die Bibliographie eines beſtimmten Zeitalters zu: 
gleich die Sejchichte und Ziele des nationalen Geiſtes mit photograpijcer 
Treue wiverjpiegelt. 


Kapitet.) Beachtung der litterariihen Bedürfniſſe. 285 


In Deutjchland verlangte der Findlich Fromme Sinn des Volks zuerft 
Bibeln, Kirchenväter und Grbauumgsbücher; es übertwogen bier da— 
ber auch im ganzen 15. Jahrhundert Werfe, welche der Theologie und 
Scholaftif, der Erbauung umd dem Unterricht gewidmet waren. Man 
ging auf das chriftliche Altertum zurüd und zog beſonders die Kirchen— 
väter wieder hervor, einen Hieronymus, Auguftinus, Gregor und Ter- 
tullian. Dann regte ſich das Bedürfnis bejjerer Ausgaben der Bulgata 
und des Neuen Teſtaments. ie die lateiniſche Bibel in drei verjchie- 
denen Ausgaben die Hauptwerke des Crfinders und jener Gejchäfts- 
nachfolger bildet, jo drudten fie auch Mentel, Heinrich Eggeſteyn in 
Straßburg, Günther Zainer und Anton Sorg in Augsburg, Bernhard 
Kiel in Bajel, Ulrih Zell und Nikolaus Götz in Köln, Senjenjchmir 
und Koberger in Nürnberg. Dazu famen deutſche Bibeln in Straß— 
burg (1466), Augsburg (1469) und Nürnberg (1485) nebſt zwei platt: 
dentjcben in Köln (1480) und Lübeck (1484. „Wir Deutjchen‘, jagt 
Jakob Wimpheling in feinem Schriftchen über die Buchdruderkunft, 
„beberricben faft den ganzen geiftigen Markt Europas. Was wir ihm 
aber zuführen, das find meift edle Grzeugniffe, welche nur der Ehre 
Gottes, dem Heile der Seelen und der Bildung des Volks dienen.” 

In Italien trat die neue Kunſt jofort in den Dienft der wifjen- 
icaftlichen Arbeit und wurde jogar von Biſchöfen und Kardinälen wejent- 
(ich in ihrer klaſſiſchen Richtung gefördert. Wie Rom zuerjt vie lateini- 
ſchen Klaſſiker druckte, jo ftellte Venedig die griechifchen in eleganten Aus- 
gaben ſchon im 15. Jahrhundert ber. Auch die deutjchen Druder, welche 
die Buchoruderfunft in Italien einführten, bequemten fich, wie die Dar: 
itellung im dritten Kapitel bereits erfennen läßt, leicht dem dortigen 
Geſchmack an. Gleich Schweinheim und Pannark widmeten ihre Thätig— 
feit den Klaſſikern; Gicero war einer ihrer erjten Verlagsartifel. Wen— 
delin von Speyer gab ſchon 1470 den Tacitus, Zalluft, Yivius, Virgil, 
Cicero, Martial und Gurtius berans. Auch für die Verbreitung der 
nationalen Dichter jorgten die deutſch-italieniſchen Druder. Es ift be- 
zeichnend für die Heimat der Renaifjance, daß während Petrarca’s Sonette 
und Boccaccio's „Decameron“ jebon 1470, Dante's „Göttliche Komödie“ 
aber 1472 (von einem Deutjchen in Foligno) gedruckt wurden, der als 
bejonders fromm gerühmte Römer Aldus Manutius von theologiichen 
Werfen überhaupt nur eine Bibel und ein Gebetbuch berftellte. 


286 Charafter der in Frankreich u. |. w. erjcheinenden Litteratur. Fünftes 


In Frankreich kommen lediglich Paris und yon in Betracht. In 
der Hauptſtadt hatten fich die erjten von der Sorbonne berufenen deut: 
ſchen Druder deren Aufficht und Befehlen zu fügen, durften nur bie 
von ihr vorgejchriebene Yitteratur herausgeben. Die Nichtung dieſer 
Fakultät war, nachdem Fichet und Heynlein Paris verlaffen, eine eng- 
berzig jceholaftijche, weshalb die Preffen fich auf das Gebiet ver theolo- 
giſchen und juriftijchen Yitteratur bejcehränfen mußten. Nur unter dem Ein- 
fluß jener beiven Männer batten Kranz, Gering und Freiburger auch alte 
Klaſſiker gedruckt; dagegen verlegten fie fein franzöfiiches Buch. Das erſte 
in dieſer Sprache veröffentlichte — der burgundifche Roman „Recueil des 
Histoires de Troie” — erjchien überhaupt nicht in Frankreich, fondern in 
Köln a. RH.?° yon dagegen und mit ihm der ganze Süden des Yandes 
jchlug eine der pariſer — wenn man von vereinzelten Ausnahmen, wie 
3. B. Antoine Verard, abſieht — ganz entgegengejegte Richtung ein, indem 
er die volfstümliche Yitteratur vervielfältigte und mittelalterliche, roman: 
tiſche Erzählungen und jeherzbafte Gedichte durch ven Drud der Nachwelt 
erhielt. Es erjchienen bier die erften Ausgaben des „Roman de la Rose“, 
ver „Farce de Pathelin“, ver „Quinze Joies de Mariage“, des „Cham- 
pion des Dames“ und einiger Stüce von Main Chartier, die erfte Über- 
jeßung ver „Facetiae” von Poggio und eine Menge von furzweiligen 
Schriftchen, welche ohne die lyoner Drucdereien wahrjcheinfich unter- 
gegangen wären.??” Daneben aber ift für Lyon auch die Pflege ver 
juriftifchen und medizinischen Litteratur beachtenswert. 

Unter den 62 Werfen, welche William Garten feit 1477 in feiner 
Heimat druckte, zählt die Theologie nur mit 10; der Reſt bingegen 
gehört den Nitterromanen, oder andern mehr oder minder romantijchen 
Sejchichten, jowie der Yitteratur und den Sitten der Zeit an. “9m 
ganzen 15. Jahrhundert erſchien in England feine einzige Bibel; von 
1526 bis 1600 aber wurden won ihr nicht weniger als 306 Ausgaben 
veranjtaltet. Die Reformation hatte Diejen jo ungeheuern Umſchwung 
der Anjchauungen im Gefolge. — In Spanien endlich handelte das erite 
gedruckte Buch von der Empfängnis Mariä. 

Und wie in ganzen Yändern, jo gejtattet auch in einzelnen Städten 
der bloße Titel der dort gedrudten Bücher einen unverfäljchten Einblid 
in die jeweilige Bildungsftufe ihrer Bürger. Die Zahl der von Köln 
im 15. Jahrhundert ausgegangenen Drucke beläuft fich auf etwa 800. ?° 


Kapitel.) Charafter des Verlags einiger wichtigen Drudorte. 987 


Dem Charakter der dortigen Univerfität entjprecbend find fie meiſt theo— 
logiſchen Inhalts; die Zahl der gejcbichtlichen Werke dagegen iſt ſehr 
gering, und von klaſſiſchen Schriften find mur die Ausgaben einiger 
Bücher Eicero’3, von Salluft, Terenz, Seneca, Plutarch u. f. w. zu 
nennen. Während daher Köln, jolange e8 eine hervorragende Druder- 
thätigfeit ausübte, die Hochburg ver katholiſch-litterariſchen Anjchauungen 
und Bejtrebungen ivar, wurde Wittenberg, als Wiege der Reformation, 
der Dauptverlagsort für proteftantijche Theologie und namentlich für ven 
Drud der Bibel und der lutherijchen Schriften. In Straßburg bildeten 
anfangs auch die theologiſchen und juriftifchen lateinischen Werfe, nament- 
lich diejenigen über fanonifches Necht, die große Mehrzahl, während bis 
zum Ende des 15. Jahrhunderts von deutjchen Drucken höchitens 40 
erjebienen waren; allein mit dem Aufleben ver humaniftiichen Studien 
trat eine wejentliche Veränderung ein.““ Vom Anfang des 16. Jahr— 
bunderts an überwiegen deshalb auch die zur Verbeſſerung des Schul- 
unterricht3 bejtimmten Schriften, ſowie die Ausgaben alter Autoren, die 
Werfe neuerer Gejchichtichreiber und Dichter. Neben der Humaniſten— 
(itteratur blüht immer mehr die populäre. Es erjcheinen in Menge 
deutjche erbauliche, gejcbichtliche, rechtliche, mediziniſche, poetiſche, beluſti— 
gende Bücher, Flugſchriften und fliegende Blätter, darunter auch ehren— 
rührige Satiren. Erfurt und Yeipzig, teilweife auch Köln, find Jahr— 
zehnte hindurch die Hauptpflegeftätten für die Rechtswiſſenſchaft und ven 
Druck der ſich mit ihr bejchäftigenden Bücher. Im Baſel fommen zu: 
erſt Nechtsbücher, Yegenden und romanhafte Erzählungen, ſpäter erjt 
tbeologijche und fFritiich-philofophiiche Werfe heraus. So bleibt es zwei 
Jahrhunderte hindurch der Sit des gelehrten Verlags. Nürnberg und 
Augsburg zeigen gleich vom erſten Augenblid ihrer Berlagsthätigfeit an 
eine encyklopädiſche und fosmopolitiihe Thätigkeit, indem fie als rege 
Handelsſtädte jedem litterarifchen Geſchmack und Bedürfnis gerecht zu 
werden ſuchen, namentlich aber auch die Volkslitteratur pflegen. 

Auch bei den einzelnen Verlegern läßt fi von ihrer Spezialität 
leicht auf ihre geiftigen Ziele jchliegen. Johann Froben z. B. drudte, 
von jeinem Schwiegervater und Gejchäftsführer Yachner, ſowie auch von 
Erasmus, mit beeinflußt, meist Kirchenväter und theologijche Werke, von 
dieſen aber amt liebjten Folianten, und nur wenig Klaſſiker. Er jah 
mit Geringjebätung auf die Heinen Bücher herab und wollte nur „gran- 


288 Verlagsipezialiften. Beteiligung des Kapitals, (Fünftes 


diosa volumina“ vruden ??, aber nicht unter die Zahl derjenigen ge 
rechnet werden, welche „vernaculas catiunculas imprimunt“, fümmerte 
fih auch nicht um die Flugſchriften-Litteratur. Wie Froben gegen die 
Reformation wirkt, jo widmet ihr die Familie Petri ihre Prejien. Dem 
befannten hagenauer Druder Heinrich Gran, der übrigens meift für Ryn— 
mann drudte, mußte jein Korrektor Wolfgang Angſt 1514 geloben, fich 
nicht wie die übrigen Deutjchen, die Bajeler ausgenommen, mit „libellis 
semidoctorum“, jondern nur mit „autores prineipes et integra vo- 
lumina“ zu befajjen.?? Thomas Anshelm dagegen, einer der bedeutend: 
jten humaniſtiſchen Buchdrucker, verjchmäht auch das kleinſte Flugblatt 
nicht ** und verlegt unter den von ihm gedrudten 56 Werfen nur drei, 
welche der Theologie angehören. Dieje auf gut Glück beransgegriffenen 
Beifpiele könnten natürlich leicht durch hundert andere vermehrt werden. 

An den erjten Jahrzehnten ver Ausübung der Kunſt war die große 
Mehrzahl ver deutſchen Druder mehr auf ihren Fleiß als auf ihre baren 
Mittel angewiefen. Mit ihrem geringen Borrat von Typen konnten fie 
immer nur ein Buch druden, muRten dies dann erjt vertreiben und oft, 
nur von der Dand in den Mund lebend, ihre Preferzeugniffe um jeden 
Preis losjchlagen. Dazu fam, daß nicht jelten in nächjter Nachbarichaft 
dasjelbe Werf gedruckt wurde, und daß dieſe Konkurrenz mit ihrem viel: 
feicht einzigen Verlagsartifel jie vielfach zwang, ſogar unter dem Selbſt— 
foftenpreije zu verfaufen. Was fonnte da den Heinen Berlegern die fich 
ihnen bald genug aufprängende Erfenntnis nüßen, daß bei größerm Ber: 
lag ſich die Vertriebstoften verhältnismäßig verminderten, die Gin 
nahmen dagegen wuchjen, da ein neuer Artikel zugleich den Abjat des 
alten förderte? Diejer Not machte erſt die Beteiligung des Groß— 
fapitals ein Ende. Die Kapitaliften jtehen einer neuen Erfindung an- 
fangs meift ſcheu, wenn nicht ablehnend, gegenüber. In Mailand und 
Venedig, den größten damaligen italienischen Handelsſtädten, fingen fie 
zuerſt an, die Bedeutung und Entwidelungsfäbigteit des Verlagshandels zu 
wirdigen, und trugen, indem fie ihr Geld dem neuen Geſchäftszweige zu— 
wandten, mächtig zu deſſen Aufblühen bei; Deutſchland aber, mit Bajel, 
Augsburg und Nürnberg an der Spite, folgte bald dem von Oberitalien 
gegebenen Beifpiel. So traten denn ſchon in den fiebziger Jahren des 
15. Jahrhunderts große Drudereien und Berlagsgejellichaften ins Yeben; 
ſchon damals begann eine VBerlagsthätigkeit im modernen Sinne des 


Kapitel.) Charakter der Geſellſchaftsverträge. lteſte Beifpiele, 289 


Wortes. Derjelbe Verleger drucdte nicht mehr ein Buch nach dem andern, 
jondern mehrere Heine und große zu gleicher Zeit. Es ift der auf den 
Buchhandel übertragene Großgejchäftsbetrieb, welcher in der jchen wäh- 
rend des jpätern Mittelalters blühenden offenen Handelsgejelljchaft jein 
Vorbild fand. Anfangs ſchoß der eine Gejellichafter das Geld, der andere 
jeine Arbeit ein, oder e8 gaben beide oder mehrere zugleich Geld und 
Arbeit her. Später, als fich ein beftimmter Setzer- und Druderjtand 
auszubilden anfing, legten die Kapitaliſten ausjchlieflich eine bejtimmte 
Summe Geldes ein und nahmen die frühern Genoffen over Gehilfen 
als Lohnarbeiter an. Der Vertrag ging unter gleichem Anteil an Ver: 
luft und Gewinn auf ein bejonderes Unternehmen, oder auf die Betrei- 
bung eines allgemeinen Berlagsgejchäfts, Tief auf eine beſtimmte oder 
unbejtimmte Zeitpauer, und engagierte entweder des Gejellichafters ganzes 
Vermögen oder nur einen Zeil desjelben. 

Der ältefte Gejelljchaftsvertrag zwifchen einem SKapitaliften und meh— 
rern Drudern, vom Jahre 1470, abgejchloffen zwifchen Emilio Orfini 
in Foligno einerjeits und Johann Neumeifter, Stephan, Johann Am- 
bracht und Kraft andererjeits, wurde ſchon im dritten Kapitel näher an- 
geführt. Im einem andern ziemlich gleichzeitigen Gefelljchaftsvertrage 
jteht ein Druder jechs Sapitaliften gegenüber. Am 20. Mai 1472 in 
Mailand gejchlofjen, zerfällt er in einen Haupt- und Nebenvertrag und faht 
die Pflichten und Rechte der einzelnen Gefellichafter jo beftimmt und 
far ins Auge, daß mit einem Auszuge aus feinen Beftimmungen die 
Natur aller derartigen Verträge erjchöpft werben pvürfte. Im dem Haupt: 
vertrage find die Geſellſchafter: ver Druder Antonius Zarotus von Parma, 
Gabriel de li Orfini, Priefter, Colla Montana, Profeffor an einer öffent- 
(ihen Schule, Gabriel Pavero de Fontana, Profeffor, Pietro Antonio de 
Burgo de Gajtilliono, Nechtögelehrter, und für den Zufatvertrag noch 
Nicolao, der Bruder des letztern. 3° 

Nah dem Hauptvertrag treten zumächit die zuerjt genannten fünf 
Berjonen auf die Zeit von drei Jahren zu einer Gejellichaft zufammen. 
Zweck verjelben ift die Errichtung einer Druderei mit vier Preffen, ven 
nötigen Schriften und anderm Zubehör. Das Geld hierzu jchiegen 
die vier Nicht-Buchoruder vor, während der Buchoruder die Anjchaf- 
fung der Prejfen und der andern Utenfilien damit zu bejorgen bat. 
Die Yokalmiete wird von allen fünf Mitgliedern gemeinjchaftlich be- 

app. I. 19 


290 Eine mailänder Verlagsgejellihaft von 1472. ſFünftes 


ſtritten. Von dem Gewinn fällt ein Drittel dem Buchdrucker zu, zwei 
Drittel gehören den andern Mitgliedern zu gleichen Teilen. Aus ſeinem 
ein Drittel-Gewinn bat der Buchdrucker die für die erſte Einrichtung 
gemachten baren Auslagen der vier andern Mitglieder wieder zu er— 
ſtatten. Die andern Unkoſten werden aus dem gemeinjchaftlihen Berfauf 
der gedruckten Bücher gevedt. Der etwa nötige Korrektor erhält als 
Entſchädigung für feine Arbeit ein bis zwei Freiexemplare von jedem 
Werke, welches er forrigiert hat. Über die Frage, ob ein Buch gedruckt 
und zu welchen Preis es jpäter verfauft werden jolle, entjcheidet die 
Geſellſchaft und zwar nur durch einſtimmigen Beſchluß. Über die Ge- 
jelljchaft, und den Umftänden nach über die im Drud befindlichen Bücher, 
ift Verjchwiegenheit zu beobachten, zu der fich alle Anzuftellenden eidlich 
verpflichten. Auch darf Feines der fünf Mitglieder der Gejellichaft einer 
andern Buchdruckerei mit Nat oder That beiftehen, noch etwas anderswo 
pruden fafjen, e8 jei denn mit Genehmigung der vier andern Mitgliever. 
Nah Ablauf der drei Jahre hört die Gejelljchaft auf und das Inventar 
an Preſſen und Schriften verbleibt alsdann dem Buchdrucker, falls er 
die dafür gemachten Auslagen wiedererftattet hat. 

Zu diefem Hauptvertrag wird noch an demſelben Tage ein Zujat- 
vertrag abgejchloffen, und zwar zwijchen dem einen der Kontrahenten, 
Pietro Antonio de Burgo und Nicolao, feinen Bruder, auf der einen 
und den vier übrigen Kontrahenten auf der andern Seite. Der erjt- 
genannte war allem Anjchein nach der Kapitalift ver Geſellſchaft, denn 
er ſchoß ihr gleich von Anfang an 100 Dufaten für die erjte Cinrich- 
tung vor. Er juchte daher aus dem Gejchäft noch einen bejondern Vor— 
teil zu ziehen umd die Kunſt des Buchdruders Antonius Zarotus für 
fih und feinen Bruder neben der Gejelljchaft weiter auszunuten. Yeßterer 
gehörte nicht mit zur Hauptgejellichaft. Es wurde alfo durch einen Zu— 
jatvertrag noch Folgendes ausgemacht: 

Pietro Antonio de Burgo und fein Bruder dürfen die neue Buch- 
drucerei noch zu ihren jpeziellen Zweden, und zwar zum Druck von 
Werfen aus den Gebieten des fanonifchen und Givilrechts und der Medi— 
zin, benugen und ftelfen hierfür noch drei, nach Befinden auch mehr Preſſen 
bereit, jchaffen Schriften, Farbe und andere Utenfilien dazu an, bezahlen 
Papier, Yöhne und jonftige für ihre Zwede entitehende Unkoſten und 
übernehmen die Hälfte der gemeinjchaftlichen Lokalmiete auf ihre Rech— 


Kapitel.) Eine mailänder Berlagsgejellichaft. Aldus' Aflociationen. 291 


nung. Der Bucoruder Antonius Zarotus joll auch dieſem Teil des 
Geſchäfts vorjtehen. Für die Mitbenugung des ganzen Etabliffements 
zahlen die beiden Brüder alsbald 25 Dufaten an die vier andern Geſell— 
ibaftsmitgliever und veriprechen ihnen außerdem als Tantieme ven vier- 
ten Zeil des Reingewinns aus den drei von ihnen bejonders aufgeftellten 
Preſſen. Diejer Reingewinn wird jo berechnet, daß von dem Preiſe 
jedes verfauften Buchs die dabei gehabten Auslagen an Papier, Farbe, 
Yöhnen und andern Spejen (mit Ausnahme der Auslagen für Preffen 
und Schriften) abgezogen werden und das Übrigbleibende als Gewinn 
angejeben wird. Bon diejem tjt der vierte Teil zu entrichten und zwar 
in barem Gelde. Außerdem erhält jeder der Stontrabenten ein Frei— 
eremplar diejer Bücher. Den beiden Brüdern ift es nicht geftattet, ihren 
Teil der Druderei anderswohin zu verlegen; auch müffen fie fich über 
den Berfaufspreis der für fie gedruckten Bücher mit den übrigen Ge- 
ſellſchaftsmitgliedern verjtändigen. Wie fie jelbft nichts für fich druden 
dürfen, außer was in das Gebiet des fanonifchen und Civilrechts oder der 
Medizin gehört, jo dürfen andererjeits die vier andern Mitglieder ohne 
Genehmigung der beiden Brüder ihrerfeits, bei Strafe von 200 Dufaten 
für jeden einzelnen Fall, nichts aus dieſen Gebieten druden. Sämt— 
liche Kontrahenten verjprechen, fich gegenfeitig zu unterftügen und jede 
Hlfsleiftung für andere zu unterlaffen. Ihr gejamtes eigenes Drudferei- 
inventar überlaffen die beiden Brüder nah Ablauf von drei Jahren, 
bis wohin der Vertrag läuft, an Zarotus nach einer dann vorzuneh— 
menden Tare. 

In Venedig war es Aldus, der nachweisbar teils auf eigene Koften, 
teils in Gemeinjchaft mit Gejellfchaftern druckte, welche die Mittel zur 
Herjtellung größerer Werfe bergaben. Schon das zur Begründung feiner 
Druderei erforderlich gewejene Kapital hatten ihm feine Freunde und 
Gönner, die Prinzen Carpi, vorgejchoffen; doch ergeben die Quellen nicht, 
ob fie feine förmlichen Gejelljchafter waren, Gewinn und Berluft mit 
ihm teilten. Auch die „Hypnerotomachia” druckte er 1499 nicht auf 
jeine eigenen Koſten, wie die Vorrede dieſes Buchs bejagt; möglicherweije 
war e8 aber nur ein Werforud für einen Dritten, ſodaß bier fein Gejell- 
Ibaftsvertrag vorlag. Dagegen jchreibt Aldus jelbft am 28. Oktober 
1499 an Marcellus Birgilius Adriani, den frühern Pehrer des berühm— 
ten Machiavelli und jpätern Sekretär der florentiner Republif, daß er 

19* 


—N 


292 Die Verlagsgeſellſchaft für die Schedelſche Chronik. Fünftes 


ihm die gewünſchten Bücher nicht billiger verkaufen könne, da ſie ihm, 
dem Aldus, nur in Gemeinſchaft mit verſchiedenen andern Perſonen ge— 
hörten, weshalb er ihn bitte, einige ihm allein gehörige Bücher als Ge— 
chen? anzunehmen. 37 Aldus bezeichnet übrigens einige ſeiner Verlags— 
artifel als Ex Aldi Neoacademia hervorgegangen, deren Mitglieder 
alfo an den Ausgaben und Ginnahmen beteiligt gewejen fein dürften. 
Auch in feinem zweiten Briefe an Reuchlin vom 23. Dezember 1502 
jpricht er von „unferer Geſellſchaft“, deren Berlag nicht billiger verkauft 
werden könne, als er, Alvus, angegeben, und in der Vorrede zum Ori- 
genes wird 1503 ausprüdlich bemerft, daß Aldus zwar den Zert be: 
jorgt und gebrudt habe, allein nicht der DBerleger ſei.'s Aldus war 
eben nicht veich, auch würden die Mittel eines einzigen, ſelbſt des reich- 
jten Mannes nicht ausgereicht haben, eine folche ftattliche Neihe umfang: 
reicher und koſtbar herzuftellender Eajfischer Werte in verhältnismäßig je 
furzer Zeit auf den Markt zu bringen. 

Selbſt Anton Koberger in Nürnberg verlegte einzelne teuere Werke 
nicht immer mit eigenen Mitteln, fondern drudte fie nur auf Koften 
von privaten Bejtellern. So gab er 3. B. 1492 die berühmte Schedelſche 
Chronik „auf Anregen und Begern der ehrbarn und weyſen Sebalvi 
Schreyer und Sebaftian Camermaifter” heraus. Der Vertrag zwijchen 
ihnen und Koberger hat fich zwar nicht erhalten, indeſſen ift der wejent- 
liche Inhalt des Übereinfommens auf die Nachwelt gefommen und geftattet 
einen Karen Einblid in die Natur des Verhältniffes. Es vereinigten 
jih alfo am 29. Dezember 1491 in Nürnberg die Künſtler Michael 
Wohlgemut und Wilhelm Pleydenwurf einerfeits, welche Zeichnung und 
Ausführung der Holzjchnitte innerhalb zweier Jahre, vom Tage des 
Vertragsabjchluffes ab gerechnet, herftellen mußten, und die Kapitaliſten 
Sebald Schreyer und Sebajtian Camermaifter andererjeits, welche das 
Geld für jümtliche Herjtellungstoften einzujchießen hatten, zur Heraus— 
gabe der Schedeljchen „Weltchronik“ in lateinischer und deutſcher Eprache, 
mit gemalten und ungemalten Holzſchnitten. Schedel lieferte ben lateini- 
ſchen Text; der Schreiber Alt aber überjette ihn gegen Honorar ine 
Dentjche, Koberger endlich bejorgte den Drud. Bon Schedels und 
Ktobergers Anteil am Gewinn wird im vorliegenden Vertrage nichts ge 
jagt. Diejer Punkt wird wohl näher in einem Separatabkommen be 
jtimmt worden jein, denn wie fich mit Recht annehmen läßt, daß Schedel 


Kapitel.) Berlegerverbindungen in Baiel. 2953 


nicht umſonſt gearbeitet bat, jo liegt es auch in der Natur des Geſchäfts, 
daß Koberger den buchhändlerijchen Vertrieb nicht umfonft bejorgte. Die 
Parteien und beren Erben machten am 22. Juni 1509 die Schluf- 
abrechnung; auch in ihr ift von einer Abfindung Schedels und Kobergers 
nicht die Rede. Aktiva und Paffiva wurden zu gleichen Raten unter ihnen 
geteilt, Verfaffer und Druder mußten aljo damals ſchon für ihre Mühe- 
waltung befriedigt gewejen fein. Hätte dieje lediglich in einem Honorar 
und nicht in einem Anteil am Gewinn bejtanden, jo wäre e8 durchaus 
überflüffig gewejen, Alts Verhältnis von dem ihrigen zu unterjcheiden. 
Aus der betreffenden Urkunde ergibt fich zwar (ſ. Anhang unter VID, 
daß das rohe und ungemalte Exemplar zwei Gulden foftete; indeſſen 
fehlen leider die viel wichtigern Cinzelheiten über Rabatt und Kom— 
miffion, jowie über die Anzahl der Exemplare, für welche die verjchie- 
denen Buchhändler in Paris, Yyon, Straßburg, Mailand, Como, Florenz, 
Venedig, Augsburg, Yeipzig, Prag, Graz, Ofen u. a. O. noch jchuldeten. 
Die bloße Angabe des Schuldbetrags fann für diefe Lücke nicht ent- 
ſchädigen, obſchon die einfache Aufzählung dieſer weit zerftrenten Schuldner 
an ſich die Bereutung der in weite Ferne greifenden buchhänblerijchen 
Verbindungen erkennen läßt. 

In Bafel vereinigten fich fchon zu Ende des 15. Jahrhunderts die 
beveutendern Verleger zur gemeinjchaftlichen Herausgabe großer und koſt— 
barer Werfe. Der Bertrag bezwedte ven Drud auf gemeinjchaftlichen 
Gewinn und Verluſt und endete mit der Fertigſtellung des betreffenden 
Buchs, deſſen Eremplare meiftens im Verhältnis der Beteiligung an die 
Sejellichafter verabfolgt ımb dann von jedem fir fich jelbjtändig ver: 
trieben wurden. So drudte Johann Froben in Gemeinſchaft mit Johann 
Petri von Yangendorf von 1494 bis 1509 fieben größere Folianten, 
Johann Amerbach in Gemeinjchaft mit Johann Froben 1500 drei Kleinere 
in Quart, und derjelbe in Gemeinfchaft mit Froben und Petri von 1502 
bis 1512 13 Folianten, faft ausſchließlich theologiſchen Inhalts. Diefe 
Genoſſenſchaften firmierten verjchteven, wie 3. B. Basileae per Johan- 
nem Amerbach, Johannem Petri et Johannem Frobenium over 
Basileae per Magistros Johannem Amerbachium, Petri et Froben 
Collegas, over Consummatum Basileae per Magistros Johannes 
Amerbachium, Petri et Froben, over envlich Johannes Amerbachius, 
Johannes Petri et Johannes Frobenius Hamelburgensis, cives Basi- 


294 Die Verlagsverhältniffe in Bafel. Frobens Geſchäftsweiſe. Fünftes 


lienses, communi impensa Basileae excuderunt. Ron bajeler Ber: 
(egern treten zu ihnen noch hinzu Gratander, Bebel, Iingriner, Brylinger, 
Weitheimer, Herwagen, Epifcopius, Schott, Furter, Platter und Yafius. 
Panzer, obwohl er jeit Erjcheinen jeiner Annalen vielfach ergänzt und 
verbejjert ift, führt von 1501 bis 1536 28 bajeler Firmen an, welche 
während dieſer Periode 1121 Werke gedruckt haben, und zwar 124 da— 
von auf Koften und Gefahr buchhändlerifcher Gejellichaften, 862 auf 
Gefahr eines einzelnen Berlegers, 126 ohne Angabe des Jahres und 
des Druders und nur 9 mit Namen des Druders ohne Jahreszahl. 
Jedenfalls ergibt fih aus diejen Zahlen ein wenigitens annähernd rich: 
tiges Bild von der Ausdehnung dieſes Gejelljchaftsverhältnifjes unter 
ben damaligen VBerlegern. Der Grund dafür liegt auf der Hand; denn 
die Ausgabe von fieben Folianten innerhalb eines einzigen Jahres würde 
jelbjt die Kräfte der größten damaligen Buchdruckerei überjtiegen haben 
und in demjelben Maße das Rififo für einen einzelnen Berleger zu groß 
gewejen fein. Daher die Teilung der Kojten und der Gefahr! Aber 
gerade dieſe gemeinjchaftlichen Unternehmungen trugen nicht wenig dazu 
bei, den Ruhm Bajels als Mittelpunkt der Druder- und Berlagsthätig- 
feit zu befejtigen und zu erhöhen. 

„Es gibt‘, jchreibt Erasmus 1523 über Froben an Polidorus Ver: 
gilius, „eine dreifache Art der Herftellung des Druds. Bisweilen unter: 
nimmt Froben das ganze Geſchäft auf eigene Gefahr. Dies thut er zu 
seiten bei fleinern Werfen, bei welchen das Riſiko weniger gefährlich 
iſt. Bisweilen bejorgt er das Gefchäft auf fremde Gefahr und bedingt 
fich für feine Mühewaltung nur eine Vergütung aus. Bisweilen aber 
wird das Geſchäft auf gemeinjame Gefahr der Gejellichaft unternommen. 
Schon bei dem Vertrag über die Mübewaltung bietet Franz Birdmann 
aus Köln eine überaus billige Bezahlung an. Jetzt wird in Krankfurt 
darüber verhandelt, ob das Geichäft auf die ausfchliefliche Gefahr von 
Franz oder auf die gemeinjchaftliche Gefahr der Gefellichafter übernom— 
men werden joll. Sobald Froben von ver Meffe zurücgefehrt fein wird, 
will ib Dir fchreiben, was gejcheben tft. Ich hoffe, daß fich die Sache 
nach Deinen Wiünfchen geitalten möge. Wenn Du einen Gejchäftsfreunt 
gewinnen fannjt, welcher 50 Eremplare nähme, jo würde ich das übrige 
leicht mit Froben abmachen können.“ „Aus dem Ambrofius“, jehreibt 
Erasmus am 30. April 1524 weiter an den Bijchof von Yincoln, „wird 


Kapitel.) „Pantzſchmanns Buchhandel” in Leipzig. 295 


in dieſem Jahre nichts werden. Die Sache jchwebt übrigens nicht bei 
uns, jondern bei Froben.“ Einige Jahre fpäter, am 15. Oftober 1527, 
endlich meldet Erasmus dem Ludwig Vives: „Auguftinus wird aufs 
itattlichfte gedrudt. Die Gefellfchafter erklären, dak Dein Buch zur Zeit 
nicht gedrucdt werden kann, weil fie Alle Überfluß an Büchern (nämlich 
Vorräten von unverfauften) haben.‘ 3? 

Ähnliche Verhäftniffe entwickelten fich auch in Peipzig. Ludwig Hornden, 
der Gejellichafter Gottfried Hittorps in Köln, war nach Aufgabe ber 
parijer Kommandite im Jahre 1512 nach Yeipzig übergefievelt. Hier be: 
gründeten beide in Gemeinfchaft, wie jchon im zweiten Kapitel unter 
Yeipzig erwähnt wurde, mit dem Ratsherrn Auguftin Pantzſchmann und 
wabrjcheinlih noch andern ungenannten Gejellichaftern eine Verlags: 
affociation, welche dann 1518 Niederlagen in Wittenberg und Prag er- 
richtete. Nach Ludwig Hornckens im Jahre 1521 erfolgtem Tode über: 
nabm bis zum Jahre 1528 Wolf Präunfein von Augsburg, „der Pantzſch— 
mannin Diener‘, die Yeitung der Firma. Er war oder wurde bald ber 
Schwiegerjohn Johann Rynmanns in Augsburg, ſodaß, wie ebenfalls 
iben bei Augsburg mitgeteilt, die Vermutung ſich aufprängt, als möchte 
auch leßterer zu der Gejellichaft gehört haben, zumal dieſe einmal bie 
beveutende Forberung von 1000 Gulden gegen feinen Kommiſſionär 
Blafius Salomon geltend macht. In den Leipziger Schöppen- und Ge— 
rihtsbüchern tritt dieſe Affociation unter ber Firma „Pantzſchmanns 
Buchhandel” auf; aber die bibliographijchen Annalen wiſſen nichts von 
ihr, obſchon fie noch im Jahre 1524 mit einem Gejchäftsfapital von 7000 
Gulden arbeitete. Möglicherweije find die Horndens und Dittorps Namen 
tragenden Kolianten aus den Jahren 1512 bis 1520 als Verlagsartifel 
dieſer Bereinigung zu betrachten. Yeider ift der Geſellſchaftsvertrag jelbit 
nicht mitüberliefert; nur die Verträge vom Jahre 1519 und 1524 über 
den Berfauf der Sortiments- und Verlags-Lagervorräte in Wittenberg 
und Prag an ven bisherigen Gefchäftsführer Gregor Jordan im Yeipzig 
find noch vorhanden. Doc find auch lettere von hohem Intereſſe, weil 
ſie Einblicke in die Betriebsweije der. Kommanditen und in die Gejchäfts- 
wancen gewähren. Die verkauften Sortimentsvorräte bejtanden aus den 
Büchern „so obgedachte Gejellichaft im 18. Jahr vorgangen um Andere 
zu Wittenberg gehabt”. Kin näheres Eingehen auf das gejchäftliche 
Tetail aber iſt erjt jpäter am Platz; hier jei nur angeführt, daß bie 


296 Nidel Wolrabe’3 in Leipzig Affociationen. Ausländische. Fünfſtes 


Verkäufer ihrem Abkäufer Gregor Jordan jeden bireften Verfehr mit 
den Verlegern umnterjagten, ihn völlig an ihre Vermittelung banden. 
Später, in den vierziger Jahren, arbeitete dann Nidel Wolrabe in Leipzig 
jogar gleichzeitig mit mehrern Affociationen: mit Andreas Wollenfäder 
und feinen Mitverwandten — fie engagierten ein Kapital von 8000 Gul: 
den —, mit Gregor Forfter und Merten Richter und mit Sebaftian 
Reuſch. Dieſe verwidelten Beziehungen, deren Einzelheiten hier über- 
gangen werben müffen, auch fchon im zweiten Kapitel berührt find, ge 
jtalten fich zu einer fürmlichen Schwindelperiode im Leipziger Verlags: 
handel, ins Yeben gerufen durch die Anregungen, welche die Einführung 
der Reformation dem geiftigen und gejchäftlichen Yeben der Stabt ge: 
bracht Hatte. Auch fpäter, in dem fünfziger und fechziger Jahren, fteht 
hinter der ausgedehnten Verlagsthätigfeit von Lorenz Findelthaus und 
M. Ernjt Vögelin der reiche Ratsherr Dr. Georg Roth 4%, worauf eben- 
falls ſchon im zweiten Kapitel hingewiefen worden: ift. 

In dieſer jelben Zeit berichtet der öfterreichiiche Jurift Tanner von 
einer Hanpdelsgejellichaft, welche auf fünf Jahre zur Ausführung eines 
einzigen beftimmten Zwecks beabfichtigt war. „Mehrere florentiner Kauf: 
leute“, jchreibt er am 4. Februar 1554 an Bonifaz Amerbach, „wollen 
eine gewiffe Summe Geldes auf fünf Jahre zufammenfchiegen, um fünf 
Preffen des dortigen Druders Laurentius ZTorrentinus zu bejchäftigen 
und das Corpus juris mit den Gloffen des Aceurſius, des Paelius 
Zaurelius und anderer neuerer Kommentatoren zu drucken.“ Es er: 
Ichienen übrigens nur die Pandeften. #1 

Einen, diefem florentiner Unternehmen ähnlichen, auf einen beftimm: 
ten Kreis von Büchern befehränkten Geſellſchaftsvertrag bildet das Über: 
einkommen von fieben parifer Buchhändlern, welche gegen das Ende ber 
Regierung Heinrichs III. vor den bürgerlichen Unruhen von Paris nad 
Tours geflüchtet waren. Es waren Jamet Mettaher, Föniglicher Hofbuch- 
bruder, Claude de Montreveil, George de Robet, Marc Orry, Sebaftien 
Du Molin, Mathias Guillemot und Jehan Nicher. Am 6. Oftober 
1591 gingen fie vor dem Notar Charles Bertrand in Tours einen Ver- 
trag auf zwei Jahre, nämlich vom 1. Oftober 1591 bis 1593, ein, um 
auf gemeinjchaftliche Koften und Gefahr folgende Werfe: die „Imita- 
tions de Bonnefons”, die Schriften von Desportes, die Trauerfpiele 
Garniers, die Briefe Seneca’s, „Diana“ von Georg Montemajor, „Legons 


Kapitel.) PVerlagsgeiellichaften in Frankreich. Buchläden u. Sortimentshandel. 297 


de Panigarolle”, „Geſchichte unferer Zeit” und „Rebe über ven Staat” 
zu drucken oder bruden zu laſſen. Es ſtützte fich dieſer Vertrag auf die 
Statuten einer biejer Vereinigung ziemlich ähnlichen, im Jahre 1586 in 
Paris gegründeten „Compagnie dite de la Grande Nave”, welche den 
Drud der Kirchenväter als ihren ausjchlieglichen Zwed ins Auge gefaht 
und die Gebrüder Mettayer zu Drudern gehabt hatte. Die Verwaltung 
jener neuen Geſellſchaft wechjelte alle zwei Monate unter den Mitgliedern. 
Der jeweilige Verwalter hatte die Papiervorräte zu überwachen und ven 
Drudern am Samstag für die folgende Woche einzuhändigen, die gedruck— 
ten Bogen an fich zu nehmen und zu zählen. Er mußte ferner zweimal 
in der Woche zwei Stunden lang im Bureau der Gefelljchaft anweſend 
jein, dort die von den Sortimentern bejtellten Bücher ausliefern und 
deren Quittungen in Empfang nehmen. Das Kapital der Gejellichaft 
war in jechs gleiche Teile geteilt; Du Molin und Guillemot aber hatten 
zufammen nur ein Scchetel, aljo jeder von ihnen nur ein Zwölftel Anteil, 
Die Einlage erfolgte feitens des einen in Papier, feitens der andern in 
baren Geld, oder auch in bereits gedruckten Büchern. Das ganze in diejer 
Weiſe eingejchoffene Kapital belief fi auf 445 Franfenthaler in Gold, 
alfo etwa 9000 bis 10000 Franken heutigen Geldes. Die Gejchäfts:- 
bücher der Gejellfchaft durften unter feinem Vorwand aus dem Ge— 
ibäftshaufe entfernt, jondern mußten mit ven Wechjeln und Wertpapieren 
ſorgſam verjchloffen gehalten werben. Die Geſellſchafter machten übrigens 
aute Geſchäfte und erwarben fich einen vorteilhaften Ruf.““ Es iſt (im 
Borbeigehen bemerft) eine intereffante Thatjache, daß einer von ihnen, 
George de Nobet, nicht jchreiben konnte und fich bei Unterzeichnung des 
Aftes mit einem Kreuzeszeichen helfen mußte. 

Im Anfang der Ausübung der Buchdruckerkunſt war der Buchladen 
nur ein Mittel ver Verleger, ausjchließlich den Einzelverfauf ihrer eigenen 
Berlagsartifel zu fürdern. Sie behandelten den Sortimentshandel als 
ein Anhängjel und hielten höchitens, nach Gelegenheit und Bedürfnis, 
außer ihrem eigenen Lager zugleich ein jolches für gangbare, nicht jelbft 
verlegte Werke, beziehungsweife folche, die fie — wie das Beifpiel von 
„Pantzſchmanns Buchhandel’ zeigt — im Intereſſe des Abjakes ihres 
eigenen Verlags „um Andere“ (nämlich ihre eigenen) hatten annchmen 
müſſen. Am Elarjten tritt dieſes Verhältnis in Straßburg hervor. Hier 
werden bereitd 1408 die zum Münfter führenden Stufen. (Greven) als 


298 Buchläden. Räumliche Konzentration derfelben. (Fünftes 


der Verfaufsftand der Hanpjchriftenhändler erwähnt; ver Schreiber, ver 
ihn innehatte, handelte nicht nur mit jeiner eigenen Ware, jondern auch 
als Antiguar mit ältern Werfen. Seitdem man Bücher drudte, hatten 
bier die Druder ihre eigenen Läden, teils in ihren Häufern, teils beim 
Münfter oder bei ver Pfalz. 1? Die Erzeugniffe ver deutſchen Offizinen 
aber bezogen fie von der franffurter Meſſe; anderes fam aus Italien, 
noch anderes aus Paris. Schon 1492 bejak Peter Attendorn einen Bud 
laden; Wimpheling nennt ihm um dieſe Zeit bibliopola, obgleich er 
außerdem fih auch um Aufträge größerer Druder bemühte. Hans 
Grüninger hatte im erjten Viertel des 16. Jahrhunderts eine der Münſter— 
buden als Verfaufsjtand gemietet, während Mathias Dupfuff zwei folcher 
Buchlävden eignete, den einen unter dev Treppe der Pfalz, den andern 
bei dem Münfter, welchen er im Jahre 1509 dem bisherigen Inhaber, 
dem Druder Barthold Kiftler, abfaufte.** Sein Gejchäftsumfang war 
beveutend; oft verkaufte er für große Beträge an die Buchhändler. Im 
Jahre 1516 jehulvete ihm z. B. Johann Knoblauch die Summe von 
1984 Gulden für gelieferte Bücher. *° Johann Schott dagegen bot in 
einer Bude bei ver Pfalz feine eigenen Berlagsartifel, aber auch andere 
Bücher zum Verfauf aus. 

Wie fich bier ein gewiffes Konzentrieren des Buchhandels auf ein- 
zelne beſtimmte Punkte der Stadt ausprägt, jo it Dies für Die Anfange- 
zeiten besjelben. für manche Städte, namentlich für Univerfitätsjtänte, 
förmlich charakteriftiich. Auch hierin iſt teilweife ein Nachwirfen ver Ver— 
hältniffe des Handſchriftenhandels und ver ihn im Uniwverfitätsjtädten 
regelnden Statuten zu verfpüren. In Paris war es ja auch die Aue 
St. Jacques, im der fich die beveutenditen Buchhandlungen vorfanden, 
in Yonden — allerdings feiner Univerfitätsftabt, aber bier doch im An- 
ihluß au die Benürfniffe der Kirche und den alten Brauch — Pater: 
nojter Row und daneben St. Bauls Churchyard. Auch in Yeipzig waren 
e8 die nächjten Umgebungen des Nikolaikirchhofs, in denen die bedeutend— 
jten Rollegien und Burjen lagen, welche die Buchvruder und Buchführer 
bejonders zur Niederlaffung anlodten. Ganz bejonders aber jpringt dieſe 
Konzentration des buchbändlerifchen Verfehrs in Köln in die Augen. 
Hier bildete die „Zur Fettenhennen“ genannte Strafe den Mittelpunft 
desjelben. In der Fettenhennen (sub Pingui gallina) befand ſich fait 
Jahrhunderte hindurch, wie jchen im zweiten Stapitel angeführt, das 


Kapitel.) „Zur Fettenhennen“ in Köln. Buchhändler und Buchdruder. 299 


große Birdmannjche Gejchäft; das von dem Begründer besjelben, Franz 
Birdmann, erwählte Signet, eine Henne, hatte ver Strafe geradezu den 
Namen gegeben. In Nr. 5 dverjelben Strafe, dem Haufe „Zum Hals: 
bein” genannt, hatte die Choliniche Buchhandlung und Druderei von 
1555 bis 1635 ihr Yager und ihre Offizin. Wr. 9, „Zum Hammer— 
ſtein“, bildete bis 1609 zwei Häuſer, deren anderes die „Brothalle“ 
hieß; von da ab wurde e8 unter dem gemeinjchaftlichen Namen „Brot: 
halle” von den Buchhändlerfamilien Mylius und Hierat teils als Mietern, 
teils als Eigentümern benutt. Pr. 11, „Zum Greifen“, war 1613 von 
Anton Hierat als Familienſitz angefauft worden und diente noch im 
vorigen Jahrhundert dem Buchhandel. Nr. 13 und 15 biehen „Zum 
Einhorn‘; urſprünglich zujammengehörig und nur ein großes Haus 
bildend, trennten ſie fih um die Mitte des 16. Jahrhunderts in zwei 
ſelbſtändige Wohnungen, von denen die nach der Hochſtraße hin gelegene 
fih den Namen „Zum alten Einhorn‘ (sub Monocerote veteri) bei- 
legte. Dieje Nr. 13 ift feit dem älteſten Gymnicus, von 1529 bis auf 
den heutigen Tag, unausgeſetzt der Siß von Buchhändlern und Buch— 
drudern geblieben. Nr. 17, „Zur Iſenburg“, jpäter „Im Roſenkranz“, 
war noch im vorigen Jahrhundert im Beſitz der Buchhändler Buß und 
Gottſchalk Yangen, während das angefichts der Fettenhennenftraße liegende, 
jest zur Hochſtraße Nr. 149 zählende „Haus Rom“ an der hohen Schmiede, 
auch lange Zeit Glieder der Familie Gymnicus als Bewohner hatte, 
Fettenhennen behauptete ſich als Mittelpunkt des buchhändleriichen Ver: 
fehrs in Köln, jolange diejer blühte, alfo bis gegen Ende des 17. Jahr: 
hunverts, 

Naturgemäß traten zumächit die Buchdrucker mit ihren in die Augen 
fallenden Yeiftungen in den Vordergrund, die Buchhändler und ihre Be- 
teiligung am Verlage dagegen jehr zurüd; fie werben anfänglich fogar 
auf ihren eigenen Berlagsartifeln nur jelten genannt. Das Druderei: 
gejchäft galt eben als das vornehmere, weil e8 das jchwierigere und an— 
jcheinend auch Das gewinnbringendere war. So wird ſelbſt Anton Koberger 
ftets nur als Buchdrucker erwähnt, obſchon er jpäter dies Gewerbe ganz 
aufgab und von Anfang an auch in Nürnberg einen offenen Buchladen 
für eigene und fremde Berlagswerfe hielt, die nicht auf Lager befind- 
lichen Bücher, 3. B. die Alpinifchen Drude, verichried. Ganz ähnlich 
verhielt e8 fich in Baſel; auch Froben (durh Wolfgang Yachner) und 


300 Buchhandel der verlegenden Druder. Berpadung der Bücher. Fünftes 


Oporin betrieben 3. B. bier zugleich den Sortimentsbuchhandel; bezüg- 
lich des leßtern jchreibt 1543 Nikolaus Buffer an Beatus Rhenanus, 
daß er ein 1541 gedrudtes Buch („Pasquillus exstaticus“) bei feinen 
Buchhändler gefunden habe, ſelbſt nicht bei Oporin, bei welchem er 
jeldft gewejen fei. Der Grund diefer bevorzugtern Stellung der Druderei- 
befißer war wohl der, daß fie damals vielfach aus den Gelehrtenfreiien 
hervorgingen, der Buchhandel dagegen, in der ſich zumächft vorwiegend 
bemerflich machenden Betriebsform der kleinern Buchführer, in dem 
Haufierhandel, feine höhern Kenntniſſe und feine größern Mittel erfor: 
derte, als andere untergeoronete kaufmänniſche Gejchäfte, von denen er 
jogar noch nicht einmal ftreng gejchieden war. Thomas Platter erzäblt 
in feiner naiven Weife, daß er 1534 in Baſel Druder geworden jet, 
„da ich gfach, wie Herwagius und andere Truderherren eine gütte ſach 
hatten mit wenig Arbeit groß gut gewunnent”! Er fand auch einen 
Sejelljchafter mit einer reichen Frau, welche winjchte eine Drudersfrau 
zu fein, da fie jehe, eine wie große Pracht die Druderfrauen entfalteten. 
Bald genug wollte fie freilich Verlegerfrau fein und mit der „Sudlerei“, 
wie fie fagte, „nit mer umbgan“; die überhandnehmende zünftlerijche Über: 
bebung und Unverſchämtheit ver Gejellen mochte ihr wohl nicht anftehen. 
„Da hatt ich biecher auch feill, aber ich gewan daran nit vill.“*6% Die 
jenigen Handlungen aber, die ausjchlieglich Sortimenter waren, werden 
jelten nambaft gemacht, in ven bajeler Quellen überhaupt gar feine, 
Und doch müffen in einer jo gewerbreichen und wiffenjchaftlich jo regen 
Stadt die Sortimentshandlungen ſogar ſchon früher vorhanden gewejen 
jein, als in andern Mittelpunften des Buchhandels. 

Die Berpadung der Bücher, welche überwiegend nur roh verjandt 
wurden, erfolgte von Anfang an faſt ausjchlieklich in Fäſſern. Dieſe 
gaben zwar zu bejtändigen Klagen Veranlaffung, weil fie, nicht waffer: 
dicht angefertigt, bei naffen Wetter das Papier der Beſchädigung ganz 
oder teilweije ausjeßten; allein fie konnten andererjeits leichter auf: und 
abgeladen und bequem gerollt werden. Offenbar hatten Die erften und 
bedeutendſten Druckerſtädte, Mainz, Köln, Straßburg und Bafel, weil 
jie am Rhein lagen, die nächite VBeranlaffung zu dieſer Art ver Ver— 
padung gegeben; aber auch jolche Städte, wie Augsburg, Nürnberg und 
Um, pflegten fich, wenn fie nur irgend fonnten, lieber ver Fäſſer für 
den billigern Waffertransport zu bedienen. Nur ausnahmsiweije kommen 


Kapitel.) Die Sortimentshändler: Buchführer. 301 


bis zur Neformationszeit Ballen vor, deren Hülle aus Häuten beftand, 
um den bejonders wertvollen Inhalt befjer zu ſchützen. Auch Kiften 
(aften) werden gelegentlich erwähnt. 

Wie in Deutjchland, jo verband fich auch im andern Ländern zu Ans 
fang des 16. Jahrhunderts der Vertrieb der eigenen VBerlagsartifel zu: 
gleich mit dem Verkauf der von andern Drudern verlegten Bücher, Sp 
batte Aldus in Venedig in feinen offenen Yaden ein Yager griechiicher 
Bücher, welche, wern auch von andern gedrudt, von ihm angekündigt 
und verfauft wurden. Barthelemy Buyer und fein Gejelljchafter Ye Roy 
(Königs) in Lyon hielten ſchon 1484 ein Lager in Toulouje und zahlten 
bier Steuer für den Verkauf ihrer Bücher. +7 „Geftern hatte ich mir 
vorgenommen‘, ſchreibt Budäus am 5. Februar 1516 aus Paris an 
Erasmus, „zu meinem Vergnügen einige Nachmittagsftunden mit dem 
Beſuch der Buchläden zu verbringen. Im Laden des Johann Parvus 
traf ich den Wilhelm Parvus, einen Verwandten von jenem, wenn ich 
nicht irre, welcher jett einer der Beichtwäter des Königs iſt.“ 

Die jelbftändigen, ſich auf Sortiment bejchränfenvden Buchhändler 
traten natürlich zuerft in den großen Handelsſtädten auf, welche früher 
iben die Mittelpunfte des Handjchriftenhandel® gebildet hatten. Ihnen 
ſchloſſen ſich die Univerfitätsftidte an, wo das Kommen und Gehen zahl- 
reiher Studierenden einen, wenn auch beſcheidenen, buchhändlerifchen Ab- 
ſatz bedingte. Es handelt fich hier nicht um den Druder, der zugleich 
die Erzeugniffe jeiner Preſſe im eigenen Yaden oder auf Meſſen ver- 
fauft, jondern um den Sortimenter im heutigen Sinne des Worte, 
welcher fein Druder (Verleger) ift und aus allen Wiffenjchaften einen 
Heinern oder größern Vorrat von Büchern auslegt und zum Verkauf 
anbietet. 

Der ältefte nachweisbare Sit des Sortimentsbuchhandels als jelb- 
ftändigen Gejchäfts iſt Augsburg, in deſſen Stenerbüchern von 1483 an 
bis 1500 nicht weniger als zwölf Namen von Buchführern angeführt 
werden. Es find dies: Claus Rächlin, Peter Haag oder Hagen, Simon 
Oeglin, ſämtlich zuerft 1483; Siegmund (ohne Hausnamen) 1490, Chri- 
ſtoph Schappelmann 1491, Jakob (ohne Hausnamen) 1492, Hans Ruoff 
1494, Wohlgemutb (ohne weitere Bezeichnung) 1494, Hans Rynmann 
und Hans Kaiſer 1495, Johannes Hermann over Harmann 1497 und 
Yenbard der Buchführer 1499. Auch die Leipziger Bürgermatrifel er- 


302 Die älteften Buchführer. Fünftes 


wähnt zwiſchen den Jahren 1489 und 1530 die anſehnliche Zahl 
von 30 dort als Bürger aufgenommenen Buchführern, von welchen 3 
auf das 15. und 27 auf das 16. Jahrhundert kommen. Jene ſtammten 
ans Mittweida (1489), Waſſerburg (1492) und Brixen (1494); dieſe, 
joweit der Geburtsort angegeben ift, aus Karljtadt, Grüningen, Grimma, 
Bärwalde, Köln, Augsburg, Eger, Grottendorf und Großenhule. Be— 
reits im Jahre 1492 wird die Leipziger Meffe von fremden Buchfüh- 
tern, wie Wilhelm Bel aus Köln, ja von nürnberger Briefprudern 
und Kartenmachern bejucht. Alle jene leipziger Buchführer aber erweiſen 
ſich ald am Verlagshandel völlig unbeteiligt, ja verdanfen (jeit der Mitte 
der zwanziger Jahre) zum Teil jogar ihre Eriftenz dev Abtrennung ver 
Sortimentsgejchäfte verlegenver Buchdrucker. In Hermannſtadt in Sieben- 
bürgen erjcheint Johannes „Buchfyrer“ zuerit 1506 und zulett 1524. 
Einem „Buchfyrer“ vesjelben Namens begegnet man auch 1522 in 
Schäßburg.““ Als Sortimentsbuchhändfer nennt auch die Abrechnung 
der Intereffenten an der Scheveljchen Weltchronif vom 22. Juni 1509 
unter andern: Martin Huß (zugleich großer Druder und Verleger) in 
"yon, Hans von Koblenz (Kerver), ebenfall® Druder, in Paris, Paul 
Wagner in Straßburg, Dieronymus in Prag, Walter von Lebnitz in 
Graz, Diebold Feger in Ofen, Mathias Walker in Pforzheim, Georg 
Keffelmann in Augsburg u. a. In Nürnberg umfaßt jchon zu Anfang 
des 16. Jahrhunderts die Bezeihnung „Buchführer“ jowohl den Sorti- 
mentsbuchhandel als auch die Strafenkolportage. Es wird dem nürn- 
berger Juriſten Scheurl zum bejonvern Verdienſt angerechnet, daß er 
während feiner akademiſchen Thätigfeit in Wittenberg (1507 bis 1512) 
die Errichtung des erften Buchladens bort veranlaft hatte. Auch in 
Erfurt war der buchhändferifche Verkehr um jene Zeit ſchon jehr bedeu— 
tend. In den Quellen werden Buchdruder und Händler, da ſich noch 
fein feiter Sprachgebrauch in dieſer Beziehung entwidelt hatte, leider nur 
zu oft durcheinander gewürfelt, ſodaß man fie jchlecht unterjcheiden kann. 
Indefjen jchreibt Scheurl am 13. März 1518 an den erfurter Huma— 
niften Trautvetter: „Euer Rektor Herebordus Margeritus ift mit feinen 
Kollegen, unter welchen auch dein Buchhändler, gegen mich jehr 
dienſtwillig.“ Die Ausbreitung der mit der Reformation namentlich den 
Schulunterricht hebenden Buchdruderkunft vermehrte aber nicht allein die 
Bildungsmittel, jondern erzeugte auch an bisher untergeordneten, kleinern 


Kapitel.) Gliederung des Buchhandels. 303 


Orten das Bedürfnis nach litterarijchen Hilfsmitteln und förderte durch 
deren Maffenvertrieb die Entwidelung des Sortimentsbuchhandels in 
ungewöhnlicher Weife. Außer Acht darf dabei allerdings nicht gelaffen 
werden, daß für die charakteriftijchite Betriebsfform vesjelben, für ven 
Haufierbandel, der Wohnſitz des YBuchführers jo gut wie Nebenjache 
war; andernfalls müßten 3. B. Johann Nefe in Groß-Glogau mit feinem 
ausgedehnten Berfehr, Hans Biſchof von Triptis und die beiden Buch- 
führer Paul Ehrlich, zugleich Apotheker, und Johann in Yüterbog in den 
zwanziger Jahren einiges Befremden erregen. 

Übrigens war ſchon um die Mitte des 16. Jahrhunderts der deutjche 
Buchhandel in feinen Hauptzweigen faft ebenjo entwidelt und gegliedert 
wie heutzutage. Es gab Verleger, welche Drudereien bejaßen und nur 
bei fich und für jich druckten, andere, welche troß ihrer eigenen Druderei 
auch fremde Preffen bejchäftigten, und endlich Verleger, welche feine 
Druderei hatten und nur in fremden Drudereien ihre VBerlagsartifel 
beritellen ließen. Sodann fannte man auch damals ſchon Verleger, welche 
nur an ihrem Wohnorte einen Buchladen hatten und bier ihre eigenen 
Berlagsartifel feilboten, oder auch jolche, die einen allgemeinen Sorti- 
mentshandel mit ihrem Berlage verbanden, wofür jchon Beiſpiele bei- 
gebracht wurden; endlich auch Sortimenter, die feinen Verlag befaßen 
und mit neuen oder mit alten, oder auch mit alten und neuen Büchern 
banvelten. Das örtliche und perjönliche Bedürfnis erzeugte die indivi- 
puellen Formen des Verkehrs, die fich erjt in fpäterer Zeit grundſätzlich 
ſchieden. 

Namentlich im 17. Jahrhundert, und ſogar bis in die zweite Hälfte 
des 18. hinein, war der Sortimenter — wie dies ſchon im voraus an— 
gedeutet werden mag — in größerer Ausdehnung zugleich Verleger als 
zu irgend einer frühern oder ſpätern Zeit. Es war dieſe Thätigkeit aber 
durchaus kein Beweis für die Blüte, ſondern vielmehr für den Nieder— 
gang des Buchhandels, da fie durch die ſchlechten Münzverhältniſſe, die 
Armut der Käufer und die Unficherheit des Verkehrs bedingt war. Der 
Sortimentshändfer verlegte vielfach nur deshalb, um ein Tauſchobjekt mit 
ven andern Buchhändlern zu befiten und um bei vem Tauſch ein verbältnis- 
mäßig befferes Gejchäft machen zu können; er übernahm zu diejem Zweck 
zum Teil fommiffionsweije oder zum Eigentum Partien, jpäter oft genug ſo— 
gar von Nachdrucken, um nur nicht bar bezahlen zu müſſen. Diejer Kom: 


304 Geſchäftsuſancen: Das „Stechen” (Changieren). Fünftes 


miſſionsvertrieb läßt ſich in Leipzig ſchon in den fünfziger Jahren 
des 16. Jahrhunderts bei dem Buchführer Wolf Günther konſtatieren.““ 
Man nannte jenes Tauſchen „verftechen“, gab Bogen für Bogen 
oder auch, je nach dem Wert oder Umwert des Buchs, mehrere für 
einen und bejchaffte jich auf diefem Wege feinen Bedarf für die ziwi- 
jchen den Meſſen liegende Zeit. Natürlich leiftete eine ſolche Praris 
nur zu häufig dem Verlage der armjeligften Erzeugniffe Vorſchub. Sie 
mußte hier jchon Erwähnung finden, weil man allerdings auch oft der 
Anficht begegnet, als ſei das Verftechen ſchon im 15. und im der größern 
Hälfte des 16. Jahrhunderts die Negel geweſen. Der Tauſchhandel mit 
Büchern dürfte vielmehr in ejne jpätere Periode fallen. Ob Koberger 
und Schäffer ihre Verlagswerke miteinander ausgetaufcht und dann 
verfauft haben, ift möglich, aber nicht völlig bewiefen, übrigens auch 
gleichgültig. Es ijt ferner auch für das 15. Jahrhundert nur ein ver- 
einzelt daſtehender Fall, wenn die Druderei des Klojters zu St. Ulrich 
und Afra in Augsburg das von ihr herausgegebene „Speculum histo- 
riale” des Vincenz von Beauvais und ihre jonftigen Preßerzeugniffe 
nach dem Bericht des Klofterchroniften Sigismund Mevfterlin „per mo- 
dum cambii“ (Taufch) vertreibt. Wenn endlich gegen Ende des Jahres 
1500 Anton Koberger 300 Eremplare der „Glossa ordinaria” nad 
Venedig ſchickt, um fie gegen dort gedrudte Bücher zu „verſtechen“ (diejer 
Ausdruck wird bier wohl zum erjten mal gebraucht), jo ift dies eben 
nur ein vereinzeltes Gejchäft, welches durch Kobergers augenblidliche Ver— 
legenbeit veranlaßt wurde, immerhin nur eine Ausnahme von der Regel. 
Das Gleiche dürfte wohl auch won dem bezüglich Pantzſchmanns Buch— 
handel angeführten Faktum, des Annehmens von Büchern „um Andere‘, 
gejagt werden fünnen, 

Die Regeln und Ujancen des erften buchhändleriſchen Verkehrs find 
übrigens nur höchſt lüdenhaft zur Kenntnis der Gegenwart gefommen und 
fönnen deshalb nur annähernd aus einzelnen Beispielen gefolgert werben. 
Diejer Sat gilt namentlich für die Verkaufspreiſe und die Bedingungen, 
unter welchen die Verleger an die Sortimentsbuchbändfer abgaben. 

Bis gegen Ende bes 15. Jahrhunderts, als die Mentel u. a. durchs 
Yand zogen oder ihre Buchführer und Diener zum Verkauf ihrer Ver— 
lagsartifel ausjandten, wird in den Katalogen jelbftredeud fein Preis er- 
wähnt Das Buch war eben noch eine Ware, wie jede andere, welche 


Kapitel.) Berlegerpreife. Rabatt der Buchhändler. 305 


fih erft eine Stellung im Markte erobern mußte, und je nach Inhalt, 

Ausjtattung und Yeichtigfeit oder Schwierigfeit des Vertriebs hier billiger, 

dert tenerer zu ſtehen kam. Erſt mit der mehr methodijchen Ausbildung 

ver Verlagsthätigfeit, der größern Zahl von Büchern und der Konkurrenz 

der verſchiedenen Ausgaben desſelben Schriftjtellerd wurde, wenigſtens für 

den Verfehr mit den Gejchäftsgenoffen, ein fejter Preis im Intereſſe des 

Berlegers notwendig; jein Gejchäft bedingte ihn. Aldus Manutius ift ! 
ber erite große Verlagsbuchhändfer, welcher 1498 feinen erften Katalog | 
mit genauer Beiſetzung des Preijes für jeden einzelnen Artikel ver— 
öffentlichte. Er gibt als Grumd dafür an, daß er die zahlreichen 
mündlich und ſchriftlich an ihn gerichteten Anfragen nach den Preijen, 

namentlich feiner griechijchen Bücher, nicht habe genügend beantworten 

fönnen.°° Deutjchlands größter damaliger Berleger, Anton Koberger, 

gibt in feinen Katalogen feine Preife an, und ebenjowenig thun es die 

großen Verleger von Bafel, Straßburg, Köln und andern Städten. 

Selbſt die frankfurter Meßkataloge enthalten zwei Jahrhunderte hindurch 

feine Preisangaben, Erſt in der Mitte des 18. Jahrhunderts entwidelte 

fih der eigentliche fejtgeltende Yadenpreis zur ftehenden Regel. Bis da- 

bin kaufte man am Verlagsort allerdings billiger al8 auf der Meſſe 

und unterjchied auch zwijchen dem Verkauf eines einzigen Eremplars 

oder einer größern Partie. Cinzelne Berleger räumten dem Buchhändler 

günjtigere Preife ald dem Privatmann ein; andere, wie z. B. Sigmund 

Feyerabend in Frankfurt, machten feinen Unterjchiev zwijchen ihnen. 

Feyerabend hielt jich eben an feinen einmal feftgejtellten Nettopreis; das 

nannte man jpäter die „Frankfurter Zar“. 

Auch über die Verfauföbeningungen, welche der Verleger dem Sorti- 
menter ftellte, werlautet in der erjten Zeit nichts, oder nur wenig. Daß 
vie Buchhändler nicht umſonſt arbeiten fonnten oder wollten, bevarf 
feiner Auseinanverjegung. Aber für die Quellen, aus denen die Dar- 
ftellung dieſer Verhältniſſe meist zu jchöpfen hat, waren dies Nebendinge; 
fie jchweigen fich darüber aus und von Gejchäftspapieren haben fich nur 
fümmerliche Reſte erhalten. Es fehlt deshalb jehr an Material, um die 
Frage erjchöpfend zu beantworten. Wenn aber noch irgend ein Zweifel dar: 
über bejtehen könnte, daß fchon die erjten Verleger ihren buchhändleriſchen 
Abnehmern Rabatt gewährten, jo würde ihn eine Stelle aus Alvus’ Brief 
an Joh. Neuchlin vom 23. Dezember 1502 bejeitigen, worin er jagt, 

tepp. I, 20 


306 Rabattverhältnifie. Partiepreife. Fünftes 


daß er und ſeine Geſellſchaft den Wiederverkäufern im großen günſtige 
Nettopreiſe bewilligten. Die erſte zahlenmäßig belegte Angabe findet ſich 
bei Anton Koberger, welcher in ſeinem Briefwechſel mit Johann Amer— 
bach ſagt, daß er die Bibel mit der Poſtille des Kardinals Hugo zu 
10 Gulden brutto und 8 Gulden netto abgebe, weil das Werk bis 
dahin jo jchlecht gegangen jet. Er räumte aljo dem Sortimenter nur 
20 Prozent Rabatt ein, ein verhältnismäßig jehr geringer Nuten, wenn 
man namentlich die großen Spejen in Betracht zieht; allein fie beweilt 
doc, daß, ganz abgejehen von der Höhe, auch in Deutjchland ſchon zu 
Anfang des 16. Jahrhunderts der buchhändleriſche Rabatt fich ganz von 
jelbft verftand. Im allgemeinen wurden aber unter Buchhändlern nur 
größere Werfe zu Einzelpreijen und mit einem bejtimmten Rabatt ver- 
handelt, Heinere und geringwertige Bücher aber — die fpätern jogenann- 
ten „Riesſachen“ — nad der Bogenzahl zum Ries- oder Ballenpreije, 
d. h. für 500 over 5000 Bogen. Hierbei war es gleichgültig, ob das 
erhandelte Bücherguantum aus Gremplaren eines und desjelben Buchs, 
oder aus den verjchiedenartigiten Werfen bejtand. Diejer Ballenpreis 
trat übrigens auch beim Bezuge größerer Werfe ein, jobald es fich um 
größere Partien berjelben handelte. Mit volljter Bejtimmtheit fpricht 
fich dieſer generifche Umnterjchied bei der Verrechnung in den Beitim- 
mungen des Vertrags der Befiger von Pantzſchmanns Buchhandel in 
Yeipzig mit ihrem bisherigen Gejchäftsführer Gregor Jordan vom Jahre 
1519 aus: „Was auch viel gedachte vorfäuffer von Quattern werg“ — 
darunter ijt eben bie Ktleinlitteratur verftanden — „werden drucken laſſen, 
daruon folfen ſy Gregorio 250 quatern, duern oder drittern, wie ſy dan 
gedruckt jein vor ein Gulden geben. Yaffen fie aber große Bucher druden, 
der eyns über ein gulden wert, jo follen fie ym diejelbigen an ehnem 
gulden zwier grojchen mehr laſſen, dann einem frembven, uf daß er pren 
druck zuvertreiben deſter mehr vleis bat.“ Dieſe zulett erwähnte Ertra- 
provifion von nicht ganz 10 Prozent — für den ältern Berlag erhielt 
er nur 5 Prozent — bezieht fich auf den Abſatz an andere Buchhändler. 
Wie hoch der regelmäßige Nabatt war, wird nicht ausdrücklich gejagt. 
Daraus aber, daß Jordan für fommijjionsweife zu vertreibende prager 
Breviere nur 17 Prozent erhielt, darf fein Schluß gezogen werden, denn 
biejen Artifel verhandelte die Geſellſchaft jelbft nur für Rechnung der Witwe 
Johann Schmiedehofers, wollte daran jelbjt noch verdienen. Das ergibt 


Kapitel.) Partiepreiſe. Aufſchlag ſeitens der Sortimenter. 307 


ſich auch aus der Beſtimmung, daß Jordan verpflichtet war, das, was 
er über den feſtgeſtellten Verkaufspreis an das Publikum hinaus zu er— 
zielen vermochte, mit den Geſellſchaftern zu teilen. 

Weiteres Material zur Aufklärung diejes Punktes bieten die Briefe 
des lyoner Buchhändlers Jean Vaugris, der die Meſſen von Genf, 
Paris, Straßburg, Frankfurt und Bajel regelmäßig bejuchte. Er jchreibt 
am 29. Auguft 1524 an Karel, damals in Mömpelgard: „Ich ſchicke 
Dir 200 «Pater» (Erflärung des «Vater Unjer») und 50 Exemplare 
ber «Epistolae» (offenbar ein verloren gegangenes Werk von Farel); 
aber ich weiß nicht, wie Du fie verkaufen oder verfaufen laffen willit. 
Ich verfaufe das Eremplar des « Pater» im kleinen für 4 bajeliche Heller 
und im großen ihrer 300 zu 2 Gulven, von ven «Epistolae » aber das 
Stüd zu 6 Heller, was einen Gulden für 50 Eremplare ausmacht; aber 
im großen gebe ich diefe zu 13 Sons.” Ein anderer Brief desjelben 
Baugris, den er zwijchen 1510 und 1523 aus Lyon an Bonifaz Amer— 
bach im Bajel jchrieb, wirft intereffante Streiflichter auf die Willkür, 
mit welcher die damaligen Buchhändler die Preife der Verleger erhöhten. 
So forderte Aldus für jede jeiner Oftavausgaben von Klaffifern 3 Mar- 
celli (& 68 Centimes nach heutigem Geld, wenn auch nicht Kaufwert); 
Vaugris dagegen verlangte nicht weniger als 5 Goldgulden (7Y/, Gul— 
den) für das allerdings gebundene Exemplar. „Ich habe’, fchreibt er 
nämlich, „Aldiner in Bafel. Ich werde fie zur Allerheiligenmeffe bier: 
ber kommen faffen. Wenn Du welche haben willſt, jo laß es mich bei— 
zeiten wijjen. Sie fojten gebunden in Bajel 5 Goldgulvden.“ 1 Chriſtoph 
Froſchauer in Zürich bewilligt bei dem Bezug größerer Partien günftigere 
Bedingungen. So jcehreibt er am 1. September 1540 an Joachim Vadian 
über eine fleinere Schrift des lettern, er gebe fie denen, welche fie wieder 
verfauften, zu 16 Baten per Gulden, aljo mit 25 Prozent. Konrad 
König in Jena, der Kommiſſionär für den Vertrieb der jenaer Ausgabe 
von Luthers Werfen, verkaufte jeden Band verjelben in Jena jelbit zu 
18, auf ver leipziger Meffe zu 19 und auf der franffurter zu 20 Grojchen. 
Bei größern Bezügen fanden dann Partiepreife ftatt; bei ganz großen 
trat der ſchon erwähnte Ballenpreis ein, der hier 15 Gulden betrug. ®? 

Der berühmte antwerpener Berleger Chriftoph Plantin, welcher von 
1558 an die frankfurter Meſſe regelmäßig bejuchte und feine Haupt: 
geſchäftsbeziehungen nach Deutjchland hatte, verkaufte die „Königs-Bibel“ 

20* 


308 Schwanfen der Rabatthöhe, Zahlungsverhältnifie. Fünftes 


für 60 Gulden an die Buchhändler und für 70 an das Publikum. Ein 
vollſtändiger Topiarius ſteht für jene mit 24, für dieſes mit 30 Sous 
notiert, eine flämiſche Bibel von 1566 koſtete 26 oder 35 Sous, ein 
Miſſale in Folio 4 oder 4", Gulden, ein Chorbuch mit Noten 15 over 
17 Gulven, je nachdem ein Buchhändler oder ein Privatmann fie fanften. 
Durchſchnittlich bewilligte Plantin feinen Kollegen einen Rabatt von 
15 Prozent. Als er daher im Jahre 1567 feinen für London beftellten 
Agenten, Jean Defferans, beſonders bevorzugen wollte, verjprach er ihm 
16?/, Prozent. Ausnahmsweije bewilligte er (offenbar wegen ver größern 
Sejchäftsipefen und der Konkurrenz) jeinem parifer Dauptagenten Michel 
Sonnins einen Rabatt von 40 Prozent. Es dauerte jedoch noch ein 
volles Jahrhundert, che man zu dem jeßt noch beſtehenden Gebrauch des 
feften und gleichen Rabatts überging. Zu dieſem Fortſchritt wirkten 
unter andern namentlich auch die Eljeviere mit. ®3 

Die Form der buchhänpleriichen Zahlung lehnte ſich an die feit- 
ftehenven Gewohnheiten des Großhandels an und ift faſt ausſchließlich 
die des Bar: und Zeitgeſchäfts. Wenn nicht bar bezahlt wurde, jo 
war ein jechsmonatlicher, auf der nächiten Meſſe fällig werdender Ter- 
min üblich und nur ausnahmsweiſe wurde ein längerer Kredit bis zur 
zweiten Meffe gewährt. Dieſe Zahlungsweije iſt aus verjchiedenen im 
franffurter Archiv befinplichen Aktenſtücken jener Zeit erfichtlich, läßt fich 
aber auch durch andere Thatjachen nachweijen. So jehreibt der bereits 
erwähnte Chriftoph Frojchauer am 18. September 1526 aus Frankfurt 
an Ulrich Zwingli über jein damaliges Meßgeſchäft: „Verkouffens halb 
hab ich nit ein böfje meßt gehapt, aber böje bezalung.” Später find 
es die Abrechnungen großer Firmen unter einander, welche den Beweis 
für jene Praris liefern, wie 3. B. das Nechnungsbuch der Froben und 
Episcopius (von 1557 bis 1564) und die Mefregifter des Sigmund 
Feyerabend, deſſen gejchäftliche Verbindungen Heinrich Pallmann in einer 
vortrefflichen Schrift näher dargelegt hat. 

Das buchhändleriiche Honorar kommt im ganzen 15. Jahrhundert 
nicht vor umd tritt erjt tm zweiten Viertel des 16. auf. Es ift ein Kind 
der jelbjtändigen geiftigen Produktion, wird aljo erjt im Gefolge ver 
Reformation möglich. Bis dahin hatte es kaum Originalwerke zu ver: 
öffentlichen gegeben. Das damalige Leſebedürfnis fand jo ziemlich in 
dem Drud von Kircbenpätern und Bibeln, Klajfifern und Schulbüchern 


Kapitel.) Honorar. Kaftigatoren und Korrektoren. 309 


jeine volle Befriedigung. Dieje großen und fleinen Bücher bildeten das 
Manujfript (Exemplaria) für die Preffen und die Druder hatten genug 
zu thun, es zu vervielfältigen. Die Gewifjenhaften gingen es entweder 
ſelbſt Fritiich durch, over ließen es von ihren gelehrten Kaftigatoren (heut: 
zutage Rorreftoren) oft mit großen Koften und noch größerm Zeitaufivand 
recenfieren, d. h. einer philologifchen Redaktion unterwerfen. In folchen 
Fällen alſo trat ver Aufwand für diefe Hülfe an die Stelle des Hono— 
rare, Die gewiffenlojfen Druder dagegen vervielfültigten das Manuffript, 
wie es ihnen unter die Hände kam, und bezahlten natürlich nichts, oder 
jie druckten, oft in derſelben Stadt, die gründlich durchgeſehenen Aus— 
gaben anderer Verleger nach. 

Die eriten veröffentlichten lateinischen Werfe wurden in der Regel von 
Seiftlichen durchgeſehen; mit dem Ende des 15. Jahrhunderts traten 
vielfach junge Humaniſten an ihre Stelle. Sie ſchrieben zugleich zur 
Empfehlung der unter ihrer Aufficht gedrucdten Bücher Vorreden oder 
fobpreijende Verſe, oder verfertigten auch Schlußnoten, im welchen fie 
nicht verfehlten, fich als Kaftigatoren einzuführen. Schon Fuft und 
Schöffer hatten, trotzdem daß fie von ihrem engen Handwerksſtandpunkte 
aus lieber nachorudten, als jelbit zahlten, in ver Perſon des Johann 
Brummen einen folchen, wenn auch liederlichen Kaſtigator. Die großen 
Druder Dagegen in Nürnberg, Straßburg und namentlich in Baſel 
wandten der Auswahl ihrer Tertkritifer und Kaftigatoren eine unermüd— 
libe Aufmerkjamfeit zu. Ganz befonvers war Johann Froben berühmt 
durch Die äußere und innere Verläßlichkeit feiner Berlagsartifel. 5 Er 
juchte in ver Begeiſterung für feine Kunſt ſtets die vollenvetiten Drud- 
werfe zu liefern. Bei feinem verjelben fehlte es, außer zierlicher Schrift 
und gutem Papier, an ven tüchtigiten Korrektoren. Erasmus jagt 
von ibm: „Froben wandte ungeheuere Geldſummen auf die Tertes- 
fritifer und oft noch auf die Manuffripte” (aus denen er ven Tert end- 
gültig fejtitellte). Beatus Rhenanus (1485 bis 1547) ließ fich, nachdem 
er in Paris Philojophie ſtudiert und fich kurze Zeit in Straßburg auf- 
gehalten hatte, in Bafel nieder und widmete feine ganze Thätigfeit der 
Frobenſchen Druderei. Er war bier nicht nur Kaſtigator und Tertes- 
fritifer, jondern auch Frobens Berater bei neuen Berlagsunternehmungen. 
Erasmus würdigte ihn als ſelbſtändigen Schriftiteller und ſchätzte feinen 
Einfluß auf Froben, jowie deſſen Schwiegervater Yachner, jehr hoc. 


310 Berühmte Kaftigatoren und Korrektoren. Fünftes 


Welche Mühen und Koſten Johann Amerbach für denſelben Zweck auf— 
wandte, wurde ſchon im zweiten Kapitel angedeutet und wird am beſten 
durch den intereſſanten Briefwechſel nachgewieſen, welchen er während 
des Drucks der Bibel und der Poſtille des Kardinals Hugo mit Anton 
Koberger führte; den Text der Werke des heiligen Auguſtinus ſtellte der 
gelehrte Frieſe Auguſtus Dodo, Kanonikus an St. Leonhard, für ihn 
wieder her. Als Amerbach 1509 eine Ausgabe der Werke des heiligen 
Hieronymus plante (welche übrigens erſt 1516 erſchien) und eines 
Mannes bedurfte, der alte griechiſche Handſchriften entziffern konnte, 
wandte er ſich an Reuchlin und begründete ſeine Bitte um Unterſtützung 
mit den Worten: „Wenn Du mich verläſſeſt, weiß ich keinen andern in 
Deutſchland, der mir helfen könnte.““ Auch Sebajtian Brant beſorgte 
während jeines Aufenthalts in Bajel Korrekturen für Amerbach, war 
indefjen in dieſer Eigenjchaft auch bei andern Verlegern thätig. Der 
jpätere Neformator Philipp Melanchthon trat, ein faum ſiebenzehnjähriger 
Süngling, 1514 bei Thomas Anshelm in Tübingen gleichfalls als Kaſti— 
gator und Korreftor ein und war bis 1516 anhaltend für deſſen Preſſen 
thätig. So hat er acht Lateinische Werfe für ihn durchgeſehen und forri- 
giert, darunter Nauclers Chronik und eine Ausgabe der Komödien 
des Terenz von 1516. Auch fpäter noch ſtand Melanchtbon mit Ans- 
helm in vegen Verfehr, bejuchte ihn in feinem Laden auf der frankfurter 
Meſſe, gab feine Adreſſe dort an und ſetzte auch feine Beziehungen zu 
ihm fort, als Anshelm 1518 nah Dagenau verzogen war. Melanch— 
tbons unmittelbarer Vorgänger bei diefem war Johannes Hiltebrand, 
Profeffor Artium an der tübinger Univerſität, welcher jich mit Stolz 
Castigator Chaleographiae Anshelmitanae nannte und nennen ließ. 
Er ſah mamentlich zwifchen 1511 und 1514 lateinijche und griechijche 
Srammatifen, jowie auch die „Epistolae virorum clarorum“ durch. 6 
Konrad Pellican (1478 bis 1556) erzählt mit rührender Bejcheidenbeit in 
jeinem „Chronikon“, wie ver bafeler Druder Adam Petri und Frau ihm im 
Frühjahr 1523 umſonſt Speife und Trank gegeben hätten. Dafür aber be- 
zahlte Petri die wertvollen Dienjte nicht, welche ihm Bellican als Korrektor 
bei drei verſchiedenen Nachdrucken von Yuthers Bibel leiftete, Auch Chri— 
jtoph Frojchauer in Zürich verjtand es, wie die bajeler Druderherren, ganz 
vortrefflich, Pellican gegen gar fein oder nur geringes Honorar für Tertes- 
durchfichten, Korrekturen oder Inhaltsverzeichniffe auszubenten, 57 


Kapitel.) Berühmte Kaftigatoren und Korreftoren, 311 


Die Namen dieſer hervorragenden Männer werden genügen, um 
die hohe Bedeutung ihrer Aufgabe zu würdigen. Es ließen ſich ihnen 
leicht noch Hunderte anreihen, welche in derſelben Weiſe thätig waren, 
und namentlich gute Klaſſikerausgaben herſtellten. Im Auslande machte 
ſich ganz dasſelbe Verhältnis geltend; die lyoneſer und pariſer Kaſtiga— 
toren ſtanden in keiner Weiſe hinter den deutſchen zurück. Daß Aldus 
in Venedig Gelehrte erſten Ranges als Texteskritiker beſchäftigte, bedarf 
feiner weitern Ausführung. Es genüge bier, einige feiner älteſten Mit: 
arbeiter zu nennen, wie den fpätern Kardinal Hieronymus Aleander 
(1480 bis 1542), denjelben, der 1521 in Worms die Reichsacht gegen 
Luther mit wenig wählerifchen Mitteln durchſetzte, Pietro Bembo, ſowie 
die Griechen Markus Mujuros, Demetrius Ducas, Johann von Kreta 
und vor allen Erasmus’? Wie vornehm übrigens bedeutende Kaftiga- 
toren ihre Stellung auffaßten, beweilt das Beifpiel des Prager Sigis— 
mund Gelenius (1497 bis 1554). Diejer war bei Froben ſchon lange 
Jahre für die Herausgabe klaſſiſcher und hebräiſcher Werfe thätig, als 
ihn Melanchthon 1525 als Yehrer der griechifchen und lateiniſchen 
Sprache für die in Nürnberg neu zu errichtende gelehrte Schule vor- 
ihlug. Gelenius nahm aber trotzdem, daR ihm ein Gehalt von 100 Gold: 
gulven geboten wurde, den Ruf nicht an. Erasmus jagt 1529 von ihm: 
„Zigismund Gelenius ift ohne alle Prablerei ein ausgezeichneter gelehrter 
Mann, und, was bei Gelehrten jelten ift, ein feiner Kopf von ſcharfem 
Urteif, ver vieles glüdlich erfaßt bat, was andern entgangen ift.“ Die 
Höhe des Honorars, welches die Kaftigatoren von den Verlegern für 
ihre Mübewaltung erhielten, ift aus den Quellen nicht erfichtlich. Man 
wird fich jo billig als möglich mit ihnen abgefunden und je nach Stellung 
und berechtigten Anjprüchen dem einen mehr, dem andern weniger be- 
zahlt haben. So jchreibt Beatus Rhenanus am 10. Mat 1517 an 
Grasmus: „Lachner verjpricht, fih Dir für Deine Arbeiten dankbar zu 
erweiien. Du wirft für Deine Textesreviſion der Werke des göttlichen 
Auguftinus im nächiten September etwas erhalten, denn er berät fich 
jetst in Frankfurt mit Koberger über dieje Angelegenheit.“ 

Mit den Fortjchritten der Reformation hörte aber die bisher auf 
den forreften Text der Bücher verwandte größere Sorgfalt auf. Empört 
über die täglich mehr einreipende Yiederlichfeit, ſchreibt Erasmus 1528: 
„daß ein jolcher Autor mit folchen Kojten fo fehlerhaft herausgegeben 


312 Fehlerhaftigfeit der Ipätern Drude. Honorar. Fünftes 


iſt, kommt nur dem gleich, was uns jetzt aus Italien geboten wird. 
Da ſiehſt Du, was die verfluchte Geldgier bewirkt. Welche Entweihung 
wird um wenige Goldſtücke begangen, für welche man einen gelehrten 
Terteskritifer haben könnte!“ Im Italien wurde das Übel fogar mit 
jevem Tage ſchlimmer. Etwa ein Bierteljahrhundert jpäter, am 4. Fe— 
bruar 1554, jchreibt der Juriſt Tanner an Bonifaz Amerbach, „der 
Preis der italtenifchen Bücher ift fo hoch, daR viele dadurch vom Kaufen 
abgejchredt werden. Man druckt in Italien und namentlich in Venedig 
äußerſt fehlerhaft. Die dortigen Druder wollen nichts mehr an ge: 
lehrte Korreftoren wenden. Der päpitliche Yegat will die ältejten Denk— 
mäler der marcianijchen, florentinifchen und vatikaniſchen Bibliothek den 
bajeler Drudern liefern, damit fie in Baſel jobald als möglich gedruckt 
werden.?” Die Auflage ließe ſich dann in Deutjchland und Franfreich, 
wo man diefe Werfe am eifrigiten jtudiert, leicht verbreiten.” Diejer 
Unfug des fehlerhaften Druds, mit welchen gewöhnlich eine möglichit 
ſchlechte Ausjtattung Hand in Hand ging, befchränfte fich aber nicht 
allein auf Italien; Deutjchland Tief ihm und allen übrigen Ländern 
leiver bald den Rang darin ab. Der Dreißigjährige Krieg drängte es 
auf diefem Felde auf bie fette Stufe herab. Man fing eben am un- 
rechten Ende an zu ſparen und ſchämte fich nicht, jeitenlange Druck— 
fehlerverzeichniffe als Anhang zu ſelbſt wenig umfangreichen Büchern 
zu bringen. 

Wenn nun auch die Gelehrten fich ihre Dienfte als Kaftigatoren, 
Zertesreviforen und Korrektoren hatten bezahlen laffen und bezablen 
liegen, jo galt e8 unter ihnen doch lange für fehimpflich oder wenig- 
ſtens — es jei bier ein fremder, aber äußerſt bezeichnender Ausdruck 
geftattet — für ungentlemanfife, für ihre eigenen Schriften Honorar 
zu nehmen. Natürlich wollten und konnten fie aber auch nicht ganz 
umſonſt arbeiten. So wurden fie denn einerjeits von den Verlegern 
mit Bewilligung einer bejtimmten Anzahl von Freieremplaren oder mit 
Geſchenken von andern Büchern oder auch mit jonftigen nützlichen Din— 
gen abgefunden; andererjeits aber rechneten fie auf Gejchenfe in barem 
Gelde oder Gnadengehalte, welche jie von Fürſten oder jonftigen vor- 
nehmen Perjonen, oder reichen Gönnern gegen Dedifation ihrer Werfe 
zu erhalten pflegten. Grasmus rühmte fich wiederholt in dieſer Weiſe 
honoriert worden zu fein, während er fich ängitlich von dem Verdacht 


Kapitel.) Anfichten über das Honorar der Autoren. 313 


einer Barbezahlung durch jeine Verleger zu reinigen ſuchte. Wie ver 
große Gelehrte fih Scaliger und Carpi gegenüber, welche ihn wegen 
eines ihm angeblich von Aldus gezahlten Honorars hart angegriffen 
hatten, emergifch gegen einen ſolchen angeblichen Schimpf verwahrt hatte, 
jo erwiderte er auch auf die Anklage Huttens, daß die Zueignungen 
jeiner, der Erasmiſchen Schriften, nichts als Geldjägereien feien: ev 
babe von Privatperjonen nicht einmal einen Dank dafür angenommen 
und von dem Fürften kaum etwas dafür erhalten, gebettelt aber habe er 
bei feinem. Und doch jei e8 in Betracht ver Bepürftigfeit des menjch- 
lien Lebens verzeihlicher, durch ehrlichen Fleiß auf die Freigebigfeit der 
Fürſten Jagd zu machen, als von den Freunden zu leihen, was man 
ihnen nicht wiederzugeben gedenke. Hutten jei vom Ritter zum fißen: 
den Arbeiter geworden und fertige Schriften, wie die gegen ihn (Eras— 
mus) gerichtete, auf Erwerb an, und zwar auf einen doppelten, indem 
er fich erit von dem Befteller für die Schrift, dann won denen, gegen 
welche jie verfaßt, dafür bezahlen laffe, daR fie nicht gedruckt werde. 
Bereits babe ihm auch, wie verlaute, der Buchdrucker für feine „Ex- 
postulatio” etwas bezahlt. Es iſt zugleich charafteriftiich, mit welchem 
Eifer Otto Braunfels, Huttens Verteidiger gegen die Erasmifche „Spon- 
gia“ (Schwamm), den legten Punkt zu widerlegen jucht. Hutten, jagt 
er, babe ven Druder jeiner Streitjchrift gar nicht gekannt, und diejer 
fönne bejchwören, ihm nichts dafür gejchenft zu haben. Doch meint er, 
wenn dies auch der Fall gewejen, jo liege darin immer noch nichts Un— 
rechtes. Ob man fich denn für feine Arbeit nicht belohnen laſſen dürfe, 
und ob nicht Erasmus jelbit zumeiit von folchem Erwerb lebe? Be— 
tannt jei doch, dar fein Verleger Froben ihn für mehr als 200 Gulden 
jährlich zu Baſel unterhalte. Ebenſo eifrig widerſprach nun aber fofort 
Erasmus diefer Angabe, durch welche er ſeine Ehre für beeinträchtigt 
hielt. °° Glücklicherweiſe haben fich ſeitdem die Anjchauungen geändert. 
Yutber bat für jeine Arbeiten nie ein Honorar erhalten und nabın 
höchſtens von feinen Berlegern einige Freieremplare in Anſpruch. Er 
fand es ſogar unerhört, daß fich ein Überſetzer einen Goldgulden für 
die Uuaterne zahlen ließ.“ Dagegen verfaufte Thomas Murner 1514 
an ven Buchhändler Mathias Hupfuff in Strafburg jeine „Geuchmatt“ 
für 4 Gulden (nach heutigem Gelpwert etwa 4O Gulden). 6? Die Summe 
üt nicht jo unbeveutend, wenn man bevenft, daß 1526 Bellican, aller: 


314 Höhe und Verichiedenheit des Honorars, Fünftes 


dings ein anſpruchsloſer Mann, mit 16 Gulden per Jahr [eben konnte 63 
und daß Scheurl um 1506 den jährlichen Unterhalt eines wittenberger 
Studenten auf 8 Gulden jcehätte. 6% Der berühmte Humanift und Juriſt 
Ulrich Zaſius (1461 bis 1535) verlangte für feine 1526 erjchienenen 
„Intellectus juris singulares” von feinem Verleger in Bafel 50 Gul- 
den Honorar und erhielt diefe damals beveutende Summe, *° Dfolam- 
padius jchreibt am 31. Yuli 1531 an Zwingli, daß er für 3 Bogen 
jeiner Kommentare zur Bibel einen Gulden Honorar erhalten habe. ©® 

Konrad Gesner hat ſchon um diefelbe Zeit im Auftrage ver Buch— 
hänpfer gejchrieben und von dem ihm gezahlten Honorar gelebt. Seine 
erſte Arbeit (ein griechiich-Tateinifches Yerifon unter Zugrundelegung des 
Wörterbuchs Guarino’s von Favera, welches 1525 bei Zacharias Ka— 
liergi in Rom erjchienen war) hatte er im Auftrag von Heinrich Petri 
in Baſel unternommen, weil er mit feinem Stipendium nicht auskam. 
Sodann jchrieb er 1539 von Lauſanne aus, wo er Profeffor war, daß 
faum eine jeiner Schriften jo ausgearbeitet jei, wie es der Gegenjtand 
erfordere und wie es hätte geichehen Tönnen, wenn er mehr Mufe ge: 
Habt und mit feinen Studien länger zurückgehalten hätte. Das fei ihm aber 
bei jeiner beprängten häuslichen Yage nicht vergönnt gewejen, „denn ich 
und meinesgleichen‘, führt er wörtlich fort, „find genötigt, für das täg— 
liche Brot zu ſchreiben“. In einem feiner fpätern Briefe an Bullinger 
vom Jahre 1558 jagt Gesner unter anderm: „Warum läffeft Du venn 
das Biücherjchreiben nicht beifeite, möchte mir jemand einwenden, und 
begmügft Dich nicht mit Deiner Bejoldung ? worauf er mit der Gegen: 
frage antwortete: „Wer hätte mich und die Meinigen erhalten, da Ihr 
mir ziemlich lange nicht mehr als 30 Gulden jährlich zukommen lieket? 
Woher hätte ich mir ein Haus gekauft, wie hätte ich meine Verwandten, 
wie meine Neffen und Nichten, von denen die meijten jehr arm find, 
wie meine teuere geliebte Mutter unterſtützen können?‘ Konrad Gesner 
war allerdings ein für feine Zeit bedeutender und fruchtbarer Schrift- 
jteller, deshalb auch ſehr geſchätzt, ſodaß man von ihm nicht auf andere 
jchließen darf. Umfangreiche Werke von Autoren erften Ranges wurden 
damals zwar jehr gejucht, allein auch ebenjo jchlecht bezahlt. Dieje That- 
ſache erhellt aus einer Stelle desjelben Briefs, worin es heißt: „Buch— 
druder verlangen nur große Bücher, Kleine wollen fie gar nicht verlegen, 
auch wenn man nichts dafür fordert.‘ 


Kapitel.) Höhe und Verjchiedenheit des Honorars. 315 


Der Juriſt Tanner jchreibt am 26. Oftober 1554 an Bonifazius 
Amerbach ©, „daß Herwagen nur dann den Drud der «Juſtinianeiſchen 
Novellen» in Angriff nehmen wolle, wenn er (Tanner) jich mit einigen 
freieremplaren als Honorar begnügen werde. Für ſich perjönlich jei 
er zwar damit einverftanden, indefjen werde es vorausfichtlich der püpit- 
libe Yegat nicht fein, der ihm die Dandjchriften mitgeteilt habe. Er 
erjuche deshalb Herwagen, daß er nach dem in ganz Frankreich unter 
den Drucdern geltenden Gebrauch wenigftens 12 Exemplare bewilligen 
möge.“ 

Bare Honorarzahlungen bilden bis zum 18. Jahrhundert die Aus: 
nahme und find immer gering, ja demütigend. 6° Der Berleger und 
Druder Cyriacus Jacob in Frankfurt a. M. zahlte laut Vertrag vom 
27. November 1540 dem Johann Schwenter für eine Auflage von 
1200 Erempfaren der von dieſem herausgegebenen deutſchen „Evangelien: 
Surmonie” ein Honorar von einem Kreuzer per Eremplar, In einem 
Prozeß, welcher fich zwijchen Peter Kopff in Frankfurt a. M. und Vö— 
gelin’s Erben in Yeipzig wegen eines angeblichen Nachdrucks entſpann, 
ichreibt der Verfaffer des betreffenden Buchs, ein Dr. Gregorius, 1594 
über die Berlagsbedingungen: „Ich habe ſchon vorhin erklärt, dag viel 
Mühe und Arbeit darauf gegangen, denn über 4O Jahre daran colli- 
giert und gearbeitet habe, deswegen mir eine ehrliche Ergeglichkeit dafür 
gebührt, weil das Werf nüglich und groß iſt. Und ob ich wohl mehr 
denn 100 Thaler dafür befommen fann, will ichs Euch doch dafür zu— 
fommen fajfen, wovon mir die Hälfte jchon in der Meſſe gewiß über: 
jandt, auch nach dem Drud die andere Hälfte und 5 Gremplare auf 
Eure Koften überjchit werden möchten.” In einem zweiten Briefe 
wundert er fich, daß dieſe Forderung dem Peter Kopff zu viel fei, und 
begnügt fich mit 50 Thalern und 10 Freieremplaren. Und dabei jollte 
das Werf über 100 Bogen in Folio ſtark werben! 

Für die meisten Gelehrten jener Zeit war eben die Schriftitellerei 
ein Nebengejchäft, bei welchem ver Geldgewinn erſt im zweiter Yinie 
jtand. Nur hieraus erflärt fich die geradezu jümmerliche Honorierung 
ihrer Arbeiten. Natürlich hatten die Berleger ein jehr naheliegendes 
Intereffe daran, die von ihnen gezahlten Honorare möglichjt niedrig zu 
halten; das gelegentlich hervortretende Faktum einer wirklich anſtändigen 
Honorierung erregte unter Umftänden Unbehagen, ja eine komiſche fitt: 


316 Ärmlichkeit des Honorare. Stellung der Buchhändler dazır. Fünftes 


liche Entrüftung unter ihnen: fie machten fich dann des Grasmus An— 
ſchauungen zu eigen. Ein wahrhaft draftifches Beiſpiel bierfür bieten 
die Leipziger Buchhändler in einem Gutachten vom 20. Januar 1600, 
welches fie über das Gejuch Georg Gruppenbahs in Tübingen um ein 
kurſächſiſches Privilegium gegen den Nachdruck abzugeben hatten. Grup- 
penbach hatte zur Begründung feines Gejuchs mit angeführt, daß er 
dem Dr. Mojes Pflacber für eim größeres theologiiches Werk ein Ho— 
norar von 500 Gulden — allerdings eine jehr beveutende Summe — 
gezahlt habe. Darauf bin bemerken die ſich wahrjcheinfich ſchwer ge 
troffen Fühlenden, „das Gruppenbach jolches nicht mit geringem jchimpf 
bemeltes fhurnemen Theologj anzeugt, als wurde mit des H. Geiftes 
gaben Simon) getrieben, deſſen Chrijtliche Theologen ihnen nicht gerne 
wurden nachjagen Laffen ‘16? 

Bei der großen Konferenz gelang den PVerlegern denn auch das 
Herabvrüden der Honorare nur zu gut. Die Periode, welche die Zeit 
von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis zum Dreifigjährigen 
Kriege umfaßt, iſt eine verhältnismäßig glücliche und reiche für dus 
Erwerbsfeben des deutſchen Volks; Künfte, Gewerbe und Wiſſenſchaft 
hatten jogar im den erjten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts 
ihren Höhepunkt erreicht.  Indeffen blieben von diejer günftigen Wen- 
dung dev Dinge die Gelehrten jo gut wie ausgejchloffen. Der befannte 
Polyhiſtor Melchior Goldaſt (von Daiminsfeld) fiefert in feinen und in 
den an ihn gerichteten Briefen viele Beispiele dafür. So bot der jchen 
erwähnte bedeutende Verleger Peter Kopff dem Duirinus Reuter einen 
halben Thaler Honorar für dem Bogen, während dieſer lettere von 
einem andern Frankfurter Buchhändler, Egenolph Emmel, für ein an- 
deres Werk einen halben Gulden per Bogen forderte, da er einen ganzen 
nicht zu erlangen vermöchte, Der Hiftorifer Marquard Freher bat am 
27. Juni 1606 Goldaſt, bei dem Verleger Börner anzufragen, ob dieſer 
für ihn ein Buch in Mittelichrift gegen 100 Freieremplare verlegen 
wolle, die er, der BVerfaffer, feinen Freunden zu ſchenken beabfichtige. 
„Wenn unfer Verleger Luſt hat“, fehreibt derſelbe Freher nochmals am 
7. Februar 1607, „die vermifchten Schriften von Wilibald Pirdheimer 
zu druden, deren Herausgabe mir anvertraut ift, jo werde ich jelbjt zu 
beijern Beringungen mit feinem andern unterbandeln, da ich mit cen- 
tum exemplaribus uff Schreibpapier contentus bin.“ „Si quid in- 


Kapitel.) Die Dedifation und ihre Bedeutung. 317 


super extorquere poteris, tibi cedat sinam“ lautet der Köder für 
Goldaſt. Quirinus Reuter, derjelbe heivelberger Profeſſor, welcher feine 
Werke zu einem halben Gulden per Bogen verfaufte, ruft am 22. No- 
vember 1609 in einem Briefe an Goldaſt wehmütig aus: „Männer 
uniers Standes pflegen den Buchhändlern zu dienen; dieſe haben ven 
Gewinn, was aber haben wir?” „Bon meinem Verleger‘, Elagt Freher 
endlich 1610 wieder, „babe ich bloß einen halben Reichsthaler für ven 
Bogen erhalten fünnen und auch dies Honorar nur äußerſt widerwillig.“ 
nur noch jchlimmer, denn fortan war die Yage des Buchhandels eine 
äußerſt gedrüdte, und wenn früher unter allen möglichen Vorwänden 
nicht gezahlt wurde, jo war es im ber zweiten Hälfte des 17. Jahr— 
bunderts beim beiten Willen meiftens faſt unmöglich. 

Aus dieſen jümmerlichen Donorarbezügen entwidelte ſich ein anderes, 
noch größeres Übel, der oben bereits angedeutete Dedifationsunfug, den 
natürlich die Verleger begünftigten, weil er einen Teil der eigentlich 
ihnen obliegenden Laſt auf andere Schultern wälzte. Wenn die Dedi— 
fation urjprünglich lediglich die Bedeutung einer Chrenbezeigung oder 
der Huldigung und der Verehrung gegen die Perjon des Bewidmeten 
batte und dieſen Charakter in neuerer Zeit auch wieder erlangt bat, jo 
war fie in der Mitte des fjechzehnten Jahrhunderts in der Regel nur 
ein anfangs verjchämtes, ſpäter aber unverſchämtes Mittel, fich einen 
Hleinern oder größern Nebenvervienft zu jchaffen. Natürlich wurde mit 
diefen unterthänigiten und allerunterthänigſten Dedifationen auf die Eitel- 
feit der Gönner jpefuliert und bejonders gern reichen Mäcenaten, vor: 
nehmen Herren und dem Rate der großen Neichsjtänte gehuldigt. Der 
Humanift Konrad Goclenius (Godeln aus Mengeringhanjen im Stifte 
Paderborn, 1485 bis 1535) winmete dem englifchen Kanzler Thomas 
Morus jeine lateiniſche Überjegung des Lukianiſchen Dialogs „Hermo— 
tinios” und erhielt dafür einen vergolvdeten, mit Goldſtücken gefüllten 
Beer. Als Kaſpar Stüblin 1558 dem Kaiſer Ferbinand feine Über- 
jegung des Euripides ins Yateiniiche winmete, erfolgte die Verfügung, 
daß er „mit einer ziemlichen Bejoldung zu Freiburg angejtellt werden 
jolle, vie Rudimenta graecae linguae in universitate publice zu 
Ichren“. Jener Widmung an Thomas Morus liegt offenbar feine ge- 
winnjüchtige Abficht zu Grunde. Kine jolche läßt fich jelbitrevend auch 


318 Entgelt für Dedikationen. [Fünftes 


nicht bet Calvin vorausjegen, als er 1555 dem Rate der Stadt Frank— 
furt feine „Harmonia Evangelistarum“ dedizierte und bafür eine „Ver— 
ebrung” von 40 Goldgulden empfing. Ganz Kar liegt aber die Abficht, 
einen Gewinn zu erzielen, vor bei Sigmund Feyerabend in Frankfurt 
a. M., einem der beveutendjten, aber auch zugleich geriebenften Buch— 
händler jeiner Zeit. Er hatte dem dortigen Rate am 2. April 1566 Rüx— 
ners jocben bei ihm erjchienenes „Turnierbuch“ verehrt. Als er mehrere 
Wochen lang von der Annahme des Gejchenfs nichts hörte, ließ er am 
25. April anfragen, „ob man Ime Dagegen etwas ergetlichfeit thun wolle?“ 
Der Rat bejchloß jedoch, „man ſolle e8 damit verbleiben laſſen“. 7° 

Allmählich bildete fich eine fejtftehende Praris für Behandlung diefer 
Bettelei aus, die mit dem Jahre 1570 bejonders ftarf wurde. Ver— 
feger oder Berfaffer behielten fich jogar vertragsmäßig die Derifation 
vor. Ein im föniglich ſächſiſchen Geheimen Hauptjtaats-Archiv befind- 
fiber Band (Loc. 7208) zählt von 1571 bis 1670 nicht weniger als 192 
„von unterjchiedenen Antoribus bejchehene Devdifationes an die Kur- 
fürjten von Sachſen“. Faſt jedes deutjche Archiv enthält derartige Ver: 
zeichniffe. Im der Stadt Zürich find von 1670 bis 1685 nicht weniger 
als 38 folcher Dedifationen erledigt. Adelige Schriftjteller erhielten eine 
größere Verehrung als bürgerliche, Gelehrte von Ruf mehr als jonjtige 
Schriftjteller, Glaubensgenoſſen wurden bejjer behandelt als die An- 
gehörigen anderer Konfeſſionen. Unbedeutende Autoren wurden häufig 
mit böchftens ein paar Thalern oder Gulden abgejpeift, oder auch be- 
deutet, es mie wieder zur wagen, „Sich mit ähnlichen Anerbietungen un— 
angenehm zu machen“ Die Fürften wurden bald jo gleichgültig gegen 
ſolche Gejchenfe, daß fie nicht mehr darauf antworteten, im günftig- 
jten Falle fich nach langer Verzögerung eines Beſcheids von ihren Mi— 
niftern dazu drängen ließen, oder auch furzer Hand ablehnten. Die 
Kurfürften von der Pfalz waren im 16. Jahrhundert wohl die frei- 
gebigften unter ihren Stundesgenofjen, die von Sachſen als Yandes- 
herren von Peipzig dagegen öfter beimgefucht und die Hohenzollern auf 
diefem Ohr ziemlich taub. Im den Reichsjtänten behandelte man die 
Dedifanten je nach Yaune und zahlte je nach dem Inhalt der Stabdt- 
kaſſe. Beifpiele find beinahe überflüffig, wo Taufende von Büchern mit 
ſolchen Widmungen verjehen find; indeſſen mögen doch einige charafteri- 
ftijche Fälle aus Dresden und Zürich hier ihren Plaß finden. 


Kapitel] Beiipiele aus Sachſen und aus Zürich. 319 


Eine der ältejten, dem Kurfürften Auguft überreichten Widmungen 
icheint die der „Aftronomie” des Joh. Emmenius zu fein (fie tft ohne 
Datum). Am 24. Juni 1571 bat der Hurfürft Kafimir von der Pal; 
Auguft, eine Devikation des Dr. Veit Poland: „De bello Partico” 
anzunehmen. Die Witwe des Dr. Yorenz Span von Spans jchreibt 
1575, „ihr Mann babe drei Büchlein «de peste» dem Kurfürſten 
unterthänigft präfentieren laffen, darauf ſei ihm zum Beſcheid geworden, 
daß er in zwei Monaten wiederum amfuchen folle, in welcher Zeit er 
aber verftorben. Weil fie fih dann mit Franz Schönaichs Weib bier- 
ber begeben, jo bitte fie demütigſt, Kurfürftliche Gnaden wolle fie noch— 
mals gnädigft beantworten.“ Im Jahre 1597 fragten die Räte an, was 
für die Dedifation der ehemals von Johann Pomarius in das Hoch— 
deutſche überjegten und von Matthäus Dreffer vermehrten „Altſächſiſchen 
Chronik” gezahlt werben jolle, und fahren fort: „So überjenden wir 
E. 8. Gnaden hiermit jolh Buch unterthänigft, und weil der Autor 
ein vornehmer gelchrter Mann zu Yeipzig iſt und E. F. Gnaden ge- 
fehrten Leuten gnädigft wohlgewogen, jo ftellen zu E. F. Gnaden wir 
biermit in Unterthänigfeit, was Sie Dr. Dreffero für jolche Dedikation 
zu geben in Gnaden anorpnien und befehlen wollen.” Die Akten jagen 
nicht, wie der Kurfürjt diefe Eingabe bejchier. 

In den züricher Akten jteht als die erjte eine Widmung Konrad 
Gesners verzeichnet, welcher dem Rate („Meinen Gnädigen Herren‘) im 
September 1551 fein Buch von den vierfüßigen Tieren „verehrt hatte, 
Er erhielt dafür als Gegengabe 10 Mealter Kernen (Roggen oder Wei- 
zen) und 10 Eimer Wein jährlich. Im Februar 1589 nahm ver Rat 
ein ihm vom bajeler Antiftes Grynäus dediziertes Buch am und jchenfte 
ihm dafür ein mit dem Stabtwappen gejchmüctes Silbergejhirr von 
60 Lot. Im April 1625 dagegen erhielt Nikolaus Sarer in Aarau 
„ſeinen in einem offenen «Dedifationd» Zedull präjentierten Weltglobus 
nebſt 4 Gulden Zehrpfennig wieder zugejandt, weil man mit vergleichen 
Saden genug verjehen ift“. Am 20. Januar 1641 wurden dem 
N. Obrecht von Straßburg für feine dem Rate verehrten „Consilia 
politica” 6 Reichsthalfer aus dem Säckelamte zugejprochen, am 10. April 
1643 dem Aovofaten Rudolf Faber aus Grenoble für Devifation feines 
„Operis juridiei tripartiti” 30 Kronen gefchenft und die Dr. Ziegler, 
Pannerträger Hirzel umd Profeffor Weiß angewiefen, ihm Gejellichaft 


320 Verhalten des Nats in Zürich bei Dedifationen. [Fünftes 


zu leiften und ihn gaftfrei zu halten. Dagegen befand man am 1. No- 
vember 1645 „für thunlich, daß das Tractätli, jo der zu Genf fich auf- 
haltende Herr Brios unter dem Titel: «L’homme hardy ä la France» 
M. G. Herren präjentiert und ihres Rats begehrt, jupprimiert werde, 
Ihme aber 10 Kronen zuzuſprechen und ein Schreiben an ven fran- 
zöfijchen Ambaſſadeur zu bewilligen“. Im Juni 1652 nahm ver Rat 
zwar von Friedrich Neiff in Tübingen deſſen Verdeutſchung der viel- 
gedructen „Wundarznei‘ des Kabricius Hildanus an und danfte ihm pri- 
vatim dafür, bejchloß aber, „Die Gegenverehrung mit Bern und Schaff- 
baujen zu beratichlagen”. Dem Andreas Gojta wurden am 15. Januar 
1659 für feine „Oratio de religione et gratitudine” nebit Zahlung 
der Eremplare zugleich zu einer Hausjteuer „semel pro semper“ 3 Malter 
Kernen, 3 Eimer Wein und 25 Pfund Geld zugefprochen. Dagegen er- 
hielt Dr. Jakob Vollmar, auf der hohen Schule zu Marburg, für jeine 
dem Rate überreichten und gnädig angenommenen „Theses de luxa- 
tionibus” am 5. Januar 1663 den Bejcheid, „daß man ihme deſſen 
ins Finftige werde genießen laſſen“. So geht es Jahr für Jahr fort. 
Am 23. April 1670 aber heißt es im Natsprotofoll: „Weilen das De- 
dizieren al® eine Species mendicandi zu gemeyn werben will, jo wurde 
Hear N. N. von Heffen-Kaffel (Name im Original nicht genannt) für 
jein präjentiertes Büchli: «Das Fried und Yiebesbandli» mit 2 Neichs- 
thaler abgejpijen (abgejpeift) und ihm die Exemplare nicht abgenommen.’ 
Diefer Zorn hielt aber nicht lange an, wenigſtens den vornehmen Schrift- 
jtellern gegenüber nicht, denn jchon am 4. März 1672 wurde die Wid— 
mung der „Hiſtorie“ des Profeffor Ott mit Dank angenommen, wel: 
chen man auch die verehrten Exemplare bezahlte; der „obrigfeitlichen 
Verwahrung halber“ jolle er aber gleich den andern biefigen Autoribus 
gehalten werden. Am 16. März 1674 erhielt der Pfarrer Bartholo- 
mäus Anhorn in Biichoffszell für feinen, M. G. H. dedizierten Traftat: 
‚don dem Aberglauben und der Zauberey“, wovon er 218 wohlgebundene 
Exemplare verehrte, für jeine Unkoften und als Gegenverehrung 300 Fran: 
fen zugejprochen. (Im Original undeutlich, ob e8 Fr. oder Fl. heißt.) 
Dem obenerwähnten Profefjor Dit wurden am 21. März 1681 für 
jeine Widerlegung des Anti» Barovius die Drudfoften für 1000 Erem- 
plare bezahlt, wovon ihm 600 überlajfen blieben, während der Kat 400 
für fich behielt. Profeſſor Schwizer Suicerus) fonnte ſich laut Beſchluß 


Kapitel.) _ Erträgnifie von Melchior Goldaſts Debdifationen. 321 


vom 7. Juni 1682 für feinen „Thesaurus ecclesiasticus”, an welchem 
er X Iahre lang gearbeitet hatte, entweder Geld oder zwei vergolvete 
Schalen wählen. Dagegen befam der Bibliothefar Georg Schielen in 
Um, welcher dem Rate 40 Erempfare feiner politifchen und philoſophi— 
ihen Kriegs- und Friedensgeſpräche eingefandt hatte, am 17. Februar 
1683 den Bejcheid, „daß diejelben zu feiner Verfügung gehalten würden 
und daß er künftig M. G. H. mit dergleichen Ungnad verjchonen möge”. 
In einigen Ausnahmefällen beliefen fich übrigens die Verehrungen auch 
auf viel höhere Summen, als ein Berleger fie damals ſelbſt dem be- 
dentendften Schriftfteller zahlte. So bewilligte nicht allein Zürich am 
30. Juli 1690 dem Ratsherrn Rahn für feine, ven evangelijchen Städten 
dedizierte „Eidgenöſſiſche Hiſtorie“ 200 Reichsthaler, jondern Bern er- 
kannte ihm „ohne jedes Bedenken“ die gleihe Summe zu, Bajel ein 
Goldſtück von 20 Dukaten, Schaffhaujen 40 Reichsthaler und St. Gallen 
40 NReichsthaler, alfo im ganzen 480 Thaler und 20 Dufaten. 

Diefen Beijpielen mögen fich noch einige charafteriftiiche Angaben 
aus der reichen Sammlung der an Goldaſt gerichteten Briefe anfchließen. 
Unterm 7. Februar 1606 meldet Johann Kraft in Ulm dem Gofpaft, 
daß er dem ihm gejandten „Codex“ dem Senat ber Freien Stadt über- 
reiht und von biefem für den Verfaffer ein Gelpgejchenf von 10 unga— 
riihen Dufaten bewilligt erhalten babe. David Lange in Memmingen 
berichtet am 18. März 1606, daß die dortigen Natsherren große Aus- 
gaben für den Türkenkrieg zu machen hätten, daß fie faft täglich mit 
Devifationen heimgeſucht würden, jelbjt auch gar nichts von litterarijchen 
Dingen verjtänden, weshalb fich Goldaft für die Überſendung feines 
Kommentars mit einem Dufaten begnügen müfje. „Du wirft“, jchreibt 
Freher am 23. Januar 1608 aus Heidelberg an Golvaft, „vie im Auf— 
trage beider Fürſten in der Kanzlei für Di in Empfang genommenen 
SO Gulden und zwar 50 Gulden in 20 Dufaten im Namen des Rur- 
fürften und 30 Gulden in 20 Thalern im Namen des Prinzen dem— 
nächit erhalten. Dan muß nie, ich vate Dir's“, meinte Freher am 
Schluß, „Gnadenpfennige desperare.” Dieje reiche Spende ſchmeckte er- 
Härficherweife befjer als der übrigens nicht zurückgewieſene memminger 
Bettelpfennig. Goldaſt verfuchte bald darauf noch einmal fein Glück 
beim pfälzer Kurfürften und zugleich auch beim Herzog von Würtem- 
berg. Und wirklich, am 3. November 1609 gratulierte ihm der furs 

Rapp. IL 21 


322 Miffredit und Ende des Dedifationsunfugs. Fünftes 


fürſtliche Rat Lingelsheimer zu der Freigebigkeit des Würtembergers und 
ſchickte ihm zugleich wieder SO Gulden pro honorario im Auftrag des 
Kurfürften. Am 4. Juli 1610 meldete der Theologe Rafael Eglinus 
in Marburg, daß ihm ver Herzog Johann Adolf von Holftein für feinen 
„Kommentar zur Apokalypſe“ ein Honorar von 100 Dufaten gejchentt 
habe. ?! 

Übrigens benutzten jchon gegen Ende des 16. Jahrhunderts Gauner 
in betrügerifcher Weife die Gewohnheit, für die Überreihung von Büchern 
Geſchenke zu geben, wie dies aus Samuel Dilbaums „Quadripartita 
Historia Anni 1594 hervorgeht. In der Widmung an Biürgermeijter 
und Rat von Kempten und Kaufbeuren jagt nämlich Dilbaum, er richte 
diejelbe unter anderm deshalb am jene, „daß ich mich bei E. E. und 9. 
purgiere und entſchuldige, da ich glaubwürdig berichtet worden, daß 
dem ehrenhaften und wohlweifen Herrn Bürgermeifter der Stadt Kauf- 
beuren ungefähr vor einem Jahre ein Traftätlein von dem hoben Ritter; 
jtand in meinem Namen, jedoch außer meines Wiffens und Bewilligung 
auch ohne einigen Gewinnt zugejchrieben, übergeben und präfentiert wor- 
den iſt. Wahr ift, daß ich jelbiges Büchlein in Reimen gejtellt, aber 
feinem Menjchen zugejchrieben noch verehrt habe, Weil dann joldhes 
noch wohlvermeldter Stadt Kaufbeuren gejchehen, will ich nicht zweifeln, 
e8 werde die benachbarte und berühmte Stadt Kempten (nad Art und 
Gewohnheit jolcher fahrenden Gejellen, die ihre Namen, weil fie zu oft 
famen, nicht brauchen dürfen) gleichfalls nicht überjchritten, jondern ihr 
ebnermaßen unter meinem Namen ernanntes Traktätlein fäljchlicher- 
weije zugejchrieben und präjentiert worden jein.‘ ?? 

Der Unfug dauerte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, we er 
zulegt zum offenen Vettel ausartete, unter welchem allerdings die feinen 
und großen Reichsſtädte mehr litten als die Fürſten, welche die Zurüd- 
weifung der Bettler energijcher und folgerichtiger durchzuſetzen wußten. 
Er möge auch hier mit dem wenigen, aber verjtändigen Worten abgethan 
jein, in welchen ver Senat der Freien Stadt Hamburg am 6. Juni 1798 
fortan das unliebjame Gejchäft von fich wies. „Der Senat der Reiche- 
ſtadt“, heißt es in der betreffenden Bekanntmachung, „Sieht fich durch die 
Menge der Einfendungen und Dedifationen litterarifcher Produfte von 
jehr ungleichem Wert, womit er feither überhäuft worden, veranlaft, 
hiermit öffentlich befannt zu machen, daß er künftig jede dergleichen ohne 


Kapitel.) Höhe der Auflagen. 325 


vorherige Anfrage an Ihn gelangende Mitteilung oder Devifation un- 
beantwortet laſſen werde.‘ 73 

Auch über die Höhe der Auflagen und die Preife der Bücher läßt 
fich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts feine Regel aufftellen, va die 
Angaben zu unvollftändig find. Es ift bei Darftellung diefer Frage 
vielfach der Tehler begangen worden, daß man einzelne Daten zu jehr 
verallgemeinert und aus ihnen Schlüffe gezogen hat, welche bei näherer 
Prüfung aller in Betracht fommenden Verhältniſſe nicht jtichhaltig find. 
Jedenfalls aber find Thatjachen genug vorhanden, um den Schluß zu 
rechtfertigen, daß es damals jo wenig wie heutzutage allgemein fejte 
Regeln gab, ſondern daß die Auflage durch den Charakter des Buchs, 
den Unternehmungsgeift des Verlegers und den Stand des Markts be- 
dingt war. Wenn, wie zum Zeil ſchon im dritten Kapitel angeführt 
wurde, 1468 bis 1472 Schweinheim und Pannark im Durcjchnitt nur 
eine Auflage von 275 Eremplaren drudten, wenn Johann von Speyer 
die erjte Ausgabe des Plinius 1470 in nur 100 Eremplaren heraus- 
gab, wenn ferner Johann Neumeifter 1471 oder 1472 nur 200 Erem- 
plare von Gicero’8 „Epistolae ad familiares” abzog, und wenn endlich 
Kranz, Gering und Freiburger 1472 die von ihnen in der Sorbonne 
geprucdten Bücher, wie 3.3. Gicero’s Schriften, auch nur in 200 Erem- 
plaren auf ven Markt brachten, jo mußten dem doch wohl ziemlich die— 
jelben Urjachen zu Grunde liegen. Offenbar war die Zahl der Käufer 
diejer gelehrten Yitteratur noch zu Hein, denn die reichen Bücherſammler 
zogen ja zumächit vielfach noch das gejchriebene Buch dem geprudten vor. 
Dagegen bereiteten die plötlich auftauchenden vielen Bücher fich gegen- 
jeitig Konkurrenz, das Papier aber und die Herftellung waren teuer, ſodaß 
die wenigften Druder das Rififo einer großen Auflage laufen fonnten. 

So jpärlich aber auch die gelegentlichen Angaben über die Größe 
der einzelnen Auflagen find, einen jo fichern und untrüglichen Schluß 
geitatten andererſeits die bibliographiichen Verzeichnijfe auf die außer— 
ordentliche Rührigfeit der erjten Verleger und auf die Größe des litte- 
rariſchen Bepürfniffes der Bücherkäufer; ſchwerlich wird das letztere von 
dem irgend einer andern Periode übertroffen. Mit dem 16. Jahrhundert 
fangen die Quellen an reichlicher zu fließen, wie fich das bei der Dar- 
ftellung der Thätigfeit der Preffe auf dem Gebiete ver allgemeinen, theolo- 
giſchen und juriftifchen Yitteratur zeigen wird. 

21* 


324 Auflagehöhen. Starke Verbreitung einzelner Bücher. Fünftes 


Aldus druckte im Durchſchnitt je 1000 Exemplare von ſeinen Ver— 
lagsartikeln. Ein Heiligenleben (1502), die „Bucolica“ des Baptiſta 
Mantuanus (1503), die lateiniſche Grammatik des Cochläus (1512) er— 
jchienen in Straßburg in je 1000 Exemplaren; 1515 ließ Heinrich Gran 
in Hagenau 1500 Abzüge von einem dien Folioband lateinifcher Pre- 
digten machen. Johann Amerbach veranftaltete 1502 von den Werfen 
des Auguſtinus eine Ausgabe in 11 Foliobänden zu 2200 Eremplaren. 
Die fpäter noch näher zu erwähnenvden 7 Folianten der Bibel mit ver 
Poſtille des Kardinals Hugo wurden ebenfalls 1502 von Anton Ko— 
berger in 1600 Eremplaren ausgegeben und nach Verlauf von nur zwei 
Jahren in einer zweiten Ausgabe von ziemlich derjelben Höhe bergeitelit, 
allerdings nur widerwillig und unter jehr eigentümlichen Umſtänden. 
In Kobergers Berlag erjchienen ferner 10 Auflagen ver „Sermones 
Discipuli“, 5 Auflagen von Gritſchs „Quadragesimale” und 6 Auf: 
lagen von Jakobs de Voragine „Historia Lombardica”. Bon Hein- 
rich Bebeld Kommentarien (Sammlung von einzelnen Abhandlungen 
grammatifchen, politischen und lexikographiſchen Inhalts) veröffentlichte 
Thomas Anshelm in Tübingen von 1503 bis 1516 13 jtetS vermehrte 
Auflagen. Daß diefes Werk, fowie die andern Schriften Bebels, für 
Anshelm vortreffliche Berlagsartifel gewejen jein miüffen, gebt aus einem 
Briefe des erftern an den Dumaniften Hummelsberger hervor, worin er 
jagt, daß er durch feine Arbeiten Anshelm aus der Armut herausgerifien 
und jogar bereichert habe. Bon Reuchlins „Augenſpiegel“ wurde auf die 
franffurter Herbſtmeſſe des Jahres 1511 eine Auflage von 1000 Erem- 
plaren gebracht, Die Gebrüder Mantjee in Wien ließen 1511 ven 
Salluft in 1000 Eremplaren druden. In Baſel erjchien 1518 das 
„Lexicon graeco-latinum“ des Craſton in ebenfalls 1000 Erem- 
plaren. Heinrich Gran in Hagenau veröffentlichte 1515 das „Opus 
coneinnatorium Sanctii de Porta“ in 1500 GErempfaren; mehrere 
Predigtjammlungen erjchienen jogar mehreremal bei ihm in einen Zeit- 
raum von wenigen Jahren. Der Abſatz der Yutherjchen Schriften über- 
traf, wie im fiebenten Kapitel angeführt werden wird, alles, was der 
Büchermarkt bisher erlebt hatte. Dieſem bis dahin umerhörten Erfolg 
gegenüber trat jelbjt der früher fo gefeierte Crasmus ganz in den 
Hintergrund. Noch am 17. April 1515 hatte ibm Beatus Rhenanus 
gejchrieben, daß von den im März geprudten 1800 Gremplaren des 


Kapitel.) Verbreitung von Erasmus’ Schriften. 325 


„Yob der Narrheit“ mur 60 noch nicht vwerfauft feien, und daß jofort 
eine neue Auflage gedrudt werden müſſe. Das Werk wurde bald ein 
allgemein belichtes Volksbuch, ins Deutſche und Franzöſiſche überjett, 
von Gerhard Lyſtrius mit einem Kommentar, und von Hans Holbein 
mit Holzjchnitten verjehen und erlebte zu Erasmus' Yebzeiten im ganzen 
27 Auflagen. Einen noch größern Erfolg batte jeine Sprichwörter: 
ſammlung („Adagia”). Es verlegten fie der Deutiche Johann Philippi 
und Jodocus Badius in Paris 1500 und 1502 zweimal, Aldus Ma: 
nutius jeit 1503 achtmal, Froben 1513 bis 1539 zehnmal, Mathias 
Schurer in Straßburg 1509 bis 1520 elfmal und andere Preſſen acht: 
mal, ſodaß davon im ganzen 34 Auflagen zu je 1000 Eremplaren ver: 
anftaltet wurden. Die „Colloquia” fanden einen Abjak von 24000 
Exemplaren; er erfolgte doppelt jehnell, weil fich das Gerücht von einem 
Verbote derjelben verbreitet hatte. 

Der „Vocabularius breviloquus“ (ein lateiniſches Wörterbuch), 
welches Reuchlin im Auftrag von Johann Amerbach bearbeitet batte 
und welches dieſer wahrjcheinlich 1475 oder 1476 zuerjt berausgab, er- 
lebte bis 1504 nicht weniger ald 25 Auflagen. Wenn auch das Muſter 
aller jpätern Wörterbücher, jo wurde e8 von da ab doch nicht mehr ge: 
prudt, weil Nachahmungen und bejjere Werfe an jeine Stelle traten. 
Der Erfolg der von Reuchlin 1506 geichriebenen Anfangsgründe der 
bebräiichen Sprache war dagegen äußerſt gering, ein Beweis dafür, wie 
wenig verbreitet damals das Studium des Hebräiſchen war. Keuchlin 
batte die „„Rudimenta” in wahrjcheinfich 1000 Eremplaren bei Anshelm 
in Pforzheim auf feine eigenen Koſten pruden lajjen. Im „Jahre 1510 
befanden fih davon noch 750 Eremplare auf Yager; Anshelm aber prang 
auf Bezahlung. Da wandte fih Reuchlin an Amerbach und bot ihm je drei 
Gremplare für einen Gulden zum Kauf an. Dieſer entſchloß fich endlich 
zur Übernahme, Elagte aber bald über fchlechten Abſatz und bot Reuchlin 
den Reſt für ven vritten Teil feiner Barauslagen wieder an. Der Ge- 
lehrte aber hatte fein Geld und vertröjtete den Verleger auf die Zukunft. 
Erſt im Jahre 1537 wurde eine zweite Auflage des Buchs nötig. Adam 
Petri in Bafel drudte 1525 von Bugenhagens Pialmenauslegung 3000 
Exemplare. Die Auflage war aber zu ſtark; man hatte auch von Witten: 
berg aus von Anfang an nur 1600 verlangt, * 

Biel günftiger geftaltete jih das Verhältnis für die Verleger ver 


396 Verbreitung der Andachtslitteratur. Fünftes 


Andachtsſchriften und der für den Jugendunterricht unentbehrlichen Bücher. 
So erſchien das „Resolutorium dubiorum eirca celebrationem mis- 
sarum occurrentium“ des Johannes de Yapide von 1488 bis 1500 in 
20 verjchiedenen Auflagen in Rom, Paris, Bajel, Köln, Deventer, Yeipzig, 
Straßburg und Antwerpen, während Thomas a Kempis' „Nachfolge 
Chriſti“ bis 1500 99 Auflagen erlebte. ”° Bon Wimphelings pädago— 
giichen Schriften brachte es im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts 
die „Elegantiarum Medulla” zu raſch aufeinander folgenden fünf Auf: 
lagen, „Idoneus Germanicus“ zu vier und „Oratio quaerulosa” wieder 
zu fünf Auflagen.” An zwei Stellen von Wimphelings Schriften wird 
die Höhe der Auflage auf 1000 angegeben. Die „Poſtillen“ (auch Ple— 
narien genannt, weil fie die Evangelien und Gpifteln für das ganze 
Jahr enthielten) wurden von 1470 bis 1520 in 99 verjchievenen Aus: 
gaben gedruckt, meiftens in Folio oder groß Quart und vielfach mit 
Holzichnitten geſchmückt. Sie fonnten aus diefem Grunde auch nicht billig 
fein, bilveten aber trotzdem einen geiftlichen Hausſchatz in ver Familie. 
Bon dem „Beichtbüchlein“ (Belehrung über die Beichte und Ermahnung 
zum würdigen Empfang der Saframente) erichienen bis 1520 ohne An- 
gabe des Drudorts 11 und mit Angabe vesjelben 34 Ausgaben. 7° 
Kranz, Gering und Freiburger in Paris brachten zuerit die gegen 
Ende bes 13. Jahrhunderts vom Bijchof von Genua, Jakob ve Voragine, 
verfaßte und von Voltaire die Contes bleues du Christianisme ge 
nannte Sammlung von Yebensbejchreibungen der Heiligen, die „Le- 
genda aurea“; fie hatte einen jelbjt für die Gegenwart ungewöhnlichen 
Erfolg. Die Höhe der einzelnen Auflagen iſt allerdings nicht angegeben, 
man geht aber wohl nicht fehl, wenn man jede berjelben, da das Bud 
jo vortrefflich z0g, auf wenigitens 1000 Exemplare ſchätzt. In ven 
(etten 30 Jahren des 15. Jahrhunderts erichienen von berjelben (dem 
„Paſſional“) mehr als 100 Auflagen, darunter 1485 eine veutjche 
Überfegung von Ludwig Renchen in kölniſchem Dialekt’? („Gulde Legende 
off dat Paſſional“), 3 engliſche, 5 franzöſiſche, 8 italieniſche, 3 böhmiſche 
und 14 holländiſche (plattdeutſche) Überjegungen. Ebenſo druckten Kranz, 
Gering und Freiburger 1473 den 1330 von Gui de Mont Rocher ge— 
ſchriebenen „Manipulus Curatorum“ over „Enchiridion sacerdotum“, 
welcher noch im 15. Jahrhundert 60 Auflagen erlebte. *° Des Domini— 
kaners Johann Nider „Praeceptorium divinae Legis“ wurbe in 


Kapitel.) Verbreitung der Wallfahrtslitteratur, 327 


demjelben Jahrhundert fünfzehnmal aufgelegt. Vom „Speculum Vitae 
humanae“ des jpanijchen Biſchofs Roverih von Arevalo wurden von 
1468 bis 1500 15 Auflagen, und zwar 6 in Frankreich, 5 in Deutjch: 
fand und 4 in Italien, gedruckt. Auferdem erichienen 7 Überjeßungen 
ins Italienische, Franzöſiſche und Spanische. Hain zählt 43 Auflagen 
er „Sermones aurei de Sanctis” auf, welche von verjchiedenen Firmen 
gedruckt wurden. Anton Koberger verlegte von 1475 bis 1497 13 Folio— 
ausgaben ver lateinifchen Bibel, daneben noch eine deutſche. Außer ihm 
aber gab es gleichzeitig kaum einen großen deutſchen Verleger, welcher 
nicht auch jeine Bibel gebracht hätte Man ſchätzt die Zahl der bis 
1500 ven ihr veranjtalteten Ausgaben in runder Summe auf 100. 
Allerdings muß man formell die Auflage wohl von der Ausgabe unter: 
ſcheiden; indeſſen kommt für ven bier verfuchten Nachweis, daß populäre 
Bücher stark gefauft wurden, diefer Unterſchied kaum in Betracht. Es 
drängt fich von jelbit die Annahme auf, dar auch die Auflagen jo leicht 
verfäuflicher Artifel nicht klein gewejen fein mögen. 

Einen, wenn auch nicht jo grofen, doch immerhin reichen Gewinn 
bringenden Abjat fanden manche weltliche Bücher, wie 3. B. die den 
Wallfahrtsorten der Chriftenheit gewidmeten Pilgerfchriften und Reiſe— 
beichreibungen. So das Werf des mainzer Domdechanten Bernhard von 
Breidenbad über feinen Beſuch des Heiligen Yandes, welches urjprüng- 
lich lateiniſch gejchrieben war. Ins Deutiche, Italieniſche, Franzöſiſche 
und Spanijche überjett, wurde es von 1486 bis 1500 in 12 Auflagen 
gedruckt, bis 1520 noch in 3 und bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts 
nob in 19 italienischen Auflagen. Die Paläftina-Reife des Dans 
Tucher aus Nürnberg erjchien von 1479 bis 1488 in 11 Auflagen. 
Das 1481 in Nürnberg geprudte „Rom: Fahrt: Büchlein‘ (ein Führer 
für Rom) fam in 2 Auflagen ohne Ortsangabe und in je einer in Mün— 
chen und Nürnberg und fortan in Rom heraus. Im Jahre 1500 er: 
lebte e8 jogar 8 verjchiedene, im ganzen aber bis 1500 nicht weniger 
als 14 Auflagen und außerdem 1512 bis 1518 noch 2 in Rom. 

Des größten Abjates aber erfreute fich namentlich jehon im 15. Jahr: 
hundert die juriftiiche populäre Yitteratur. Das römiſche Recht war 
ziemlich zu derſelben Zeit in Deutjchland eingedrungen, als fich bie 
Buchdruckerkunſt in Europa ausbreitete. Die Unbekanntſchaft der deut: 
ſchen Yuriften mit der Theorie und Praris des fremden Rechts rief in 


328 Die populäre juriſtiſche Litteratur. [Fünftes 


eriter Yinie in ihren, in zweiter aber auch in ven gebildeten Yaienfreijen 
das Bepürfnis hervor, ſich an der klaſſiſchen Quelle vesjelben zu unter: 
richten, und veranfaßte eine vege Nachfrage nach theoretiichen und pro— 
zeifualiichen Schriften, Eummen, Regeln und Kommentaren, welche jeit 
Jahrhunderten in Italien und Paris handichriftlich verbreitet waren und 
als Grundlage für den afademijchen Unterricht gedient hatten. Selbſt 
die Wiffenfchaft des Rechts ging dabei nicht leer aus. Von Juſtinians 
Inftitutionen wurden noch vor 1500 über 50 Auflagen in Deutjchland, 
Frankreich und Italien gebrudt, darunter 3 von Schäffer in Mainz 
und 4 von Wenszler in Baſel. Die Digeften verlegte Baptifta de 
Tortis 1494 und 1501 in je 1500 Eremplaren, außerdem auch vie 
übrigen Teile des „Corpus juris“. Hauptſächlich handelte es fich aber 
um die Beichaffung des für die Praftifer unentbehrlichen fogenannten 
juriftiichen Handwerkszeugs, auf deſſen Vervielfältigung ſich nunmehr 
die buchhändlerifche Spekulation naturgemäß mit beſonderm Eifer warf. 
Es iſt diefer Gegenjtand neuerdings von einem ausgezeichneten Ge— 
(ehrten, dem leider viel zu früh verjtorbenen Profeffor der Rechte 
Dr. Roderih von Stinging in Bonn behandelt, der in jeiner „Ge: 
ichichte der populären Yitteratur des römiſch-kanoniſchen Rechts in Deutjch- 
fand am Ende des 15. und im Anfang des 16. Jahrhunderts‘ (Veipzig, 
S. Hirzel, 1867) der Gejchichte der Jurisprudenz und des fie betreffen- 
den Buchhandels fozufagen eine neue Provinz erobert und auch für bie 
nachfolgende Darftellung die Zahlen und Thatjachen geliefert hat. 

„Der durchichlagende Charakter ver populären Yitteratur liegt“, wie 
Stintzing S. XXXVIII jagt, „varin, daß fie nicht auf wiffenjchaftliches 
Verjtändnis, jondern auf Erfaffung des Pofitiven mit dem Gedächtnis; 
nicht auf das Begreifen des innern Zuſammenhangs, jondern auf vie 
Einprägung der äußerlichen Unterſcheidungen; nicht auf die Erkenntnis 
des Weſens der Rechtsinftitute, ſondern auf die Erlernung ihrer fremden 
Erjcheinung hinarbeitet.“ Sie erſtreckt fih auf das gejamte Gebiet des 
bürgerlichen Rechts und des Prozeffes, berüdjichtigt aber das heimiſche 
Recht nur in geringem Umfange, und hat faft ausjchließlich das fremde, 
römiſch-kanoniſche Recht im Auge. Die Schriften zerfallen in 1) ein- 
leitende und mehr theoretiſche; 2) alphabetiihe Sammlungen; 3) die 
Bücher über die Stammbäume und VBerwandtjchaftverhältniffe; 4) pro- 
zeffunfiiche und Notariatsjchriften. Es folgen ſodann der „Klagipiegel‘ 


Kapitel.] Die populäre jurijtiihe Litteratur. 329 


und der „Yahenfpiegel” in Verbindung mit ben übrigen Arbeiten von 
Sebaſtian Brant, Thomas Murner und Ulrib Meolitoris. Endlich 
finden fich zablreihe Sammelwerfe und die Schriften der geiftlichen 
Jurispruden;. 

Soweit in Deutjchlanp und jeinen Nachbarländern in der zweiten 
Hälfte des 15. und den eriten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts über: 
haupt geprudt wurde, bejchäftigten fich die Drucdereien auch mit Her— 
jtellung dieſer juriftiihen Werke. Die angejehenften Druckereien in 
Bajel, Straßburg, Augsburg, Nürnberg, in Köln und Yeipzig, die in 
Kom und Venedig, in Löwen, Paris und Lyon (vorzugsweiſe deutſche) 
baben vie hauptjächlichiten Schriften in zahlreichen Auflagen heraus: 
gegeben und einem ausgebreiteten Yejerkreife zugänglich gemacht. 

In Bajel find nachweislich vom Jahre 1473 bis gegen 1520 faft 
alle Hauptorudereien auf dem gejamten Gebiete der populären Jurispru— 
denz beichäftigt. Das erite Werk ift das weitwerbreitete „Vocabularium 
Juris utriusque‘, welches jedenfalls vor 1475, wahrjcheinlich 1473 bei Mi— 
chael Wenszler und Fr. Biel gebrudt, und in den Jahren 1481, 1482, 
1483 und 1488 in Baſel wiederholt aufgelegt wurde. Das „Reper- 
torium juris“ wird 1474 bei Wenszler gedrudt; 1479 erjcheint in Bajel 
eine Ausgabe ver „Casus summarii Decretalium”, 1484 eine ſolche 
des „Modus legendi abbreuiaturas“, 1487 bei Keßler die einzige 
vorhandene Ausgabe ver „Tituli juris civilis et canonici“. Bei dem— 
jelben Druder find auch die einzigen vorhandenen, von Sebaftian Brant 
beiorgten Ausgaben ver „Annotationes sive reportationes margari- 
tarum omnium Decretalium” (ohne Jahreszahl) erichienen. Im Jahre 
1488 fommen das „Repertorium Milis alias Absenti“, 1489 und 
1493 zwei Ausgaben des „Formularium procuratorum et advoca- 
torum curiae romanae”, 1490 ver „Processus judiciarius Panor- 
mitani“ in Baſel heraus. Die „Expositiones omnium titulorum 
legalium“, welche Sebajtian Brant bearbeitet hat, find bei Furter in 
fünf Ausgaben (1490, 1500, 1502, 1504, 1505), in je einer Ausgabe 
bei Jakob von Pforzheim (1508) und Adam Petri (1514) und in zwei 
Ausgaben (1514, 1515) bei Gregor Bartholomaei de novo Angermundio 
gedruckt. Furter ift auch der Druder der einzigen Ausgabe der bedeuten— 
ven „Pannormia Ivonis“ (1499), bei ihm find drei von Sebajtian Brant 
bejorgte Ausgaben des „Caccialupis de modo studendi” (1500, 1505, 


330 Die populäre juriftiiche Litteratur. [Fünftes 


1514) erjchienen. Yetteres Werk fam auch 1514 bei Adam Petri her— 
aus, welcher außerdem zwei Ausgaben des bafeler Sammelwerts: „In 
utriusque juris libros introductorium” (1513 und 1517), eine Aus- 
gabe ver „Summa Johannis“ von Bruder Berthold (1518), und die 
einzigen befannten Ausgaben der „Utriusque juris tituli et regulae‘ 
(1518, 1520) und ver (erſten) deutjchen Überjekung der „Inftitutionen‘ 
(„Snftituten, ein wahrer Uriprung und Fundament bes faiferlichen Rech- 
tens‘) 1519 und 1520 veröffentlicht bat. ine Ausgabe des „Caccia- 
lupi“ erjchien auch 1514 bei Bartholomaei. Die Drudereien von 
Froben und Amerbah und Froben haben die von Sebajtian Braut be- 
jorgten Ausgaben kanoniſcher Rechtsquellen, des „Decretum‘, ver „De- 
fretalien‘“ und des „Liber sextus“ in den Jahren 1493, 1494 und 
1500 in zujammen ſechs Ausgaben geliefert. Von der „Summa Anto- 
nina‘ iſt eine Ausgabe (1511), von der „Lectura Johannis Andreae 
super arboribus“ find (in Bajel) zwei Ausgaben (1513 und 1517), in 
demjelben Jahre zwei Ausgaben des „Tractatus judiciorum Bartoli“ 
und von der „Summa Astexana“ ift eine der vorhandenen Ausgaben 
ohne Ort und Jahreszahl vermutlich bei Bernhard Richel in Bajel ber: 
ausgefonmen. 

Eine ähnlich bedeutende Stellung nimmt Straßburg ein. Das erite 
der bier verlegten Werke ift die, wahrjcheinlich bei Mentel (1469 und 
1472) geprudte vorerwähnte „Summa Astexana“. Bei demſelben 
Druder erjchien im Jahre 1477 eine der älteften Ausgaben des „Liber 
plurimorum tractatuum“, welche auch 1488 (bei Flach), 1490, 1494 
und 1499 gebrudt wurde. Ber Flach ift außerdem wahrjcheinlich eine 
der ültejten Ausgaben des „Processus Luciferi contra Jesum“ ohne 
Zeitangabe und 1521 der „Klagſpiegel“ geprudt. Der „Processus 
Luciferi” erſchien in Straßburg außerdem im Jahre 1478 und 1488 
(ohne Bezeihnung des Druders), in den Jahren 1477, 1478, 1481 
und 1483, viermal bei Knoblochzer, und 1508 over 1507 in einer Aus: 
gabe mit Holzichnitten bei Prüf. Dieje beiven Firmen haben weiterhin 
auch andere Werfe der populären Yurisprudenz geprudt: Knoblochzer 
1482 eine deutjche Bearbeitung der „Summa Joannis Andreae‘, 1483 
die „Straßburger Formulare und Tutſch-Rhetorika“, welche in demjelben 
Jahre auch bei Prüf erichienen, und von letzterm noch in den Jahren 
1493 und 1502 wiederholt gedruckt wurden, wie derjelbe auch den 


Kapitel.) Die populäre juriftiiche Litteratur. 331 


„Zpiegel der wahren Rhetorik“ (1505 und 1509) zweimal drudte, und 
1518 die einzige noch vorhandene Ausgabe des „Chartiludium Insti- 
tutionum‘ veranjtaltete. Die „Straßburger Formulare“ wurden in 
ven Jahren 1511 und 1519 auch von Johann Knobloch, im Jahre 1514 
von Paul Götz, der „Spiegel der wahren Rhetorik” von beiden gemein 
icaftlih (1517) geprudt. Die außerdem von Knobloch gedrucdten Werte 
find das „Formularium instrumentorum sive ars notariatus‘” (zwei 
Ausgaben, 1504 und 1516) und eine Ausgabe des „Klagſpiegels“ (1521). 
Yegterer ift eins der in Straßburg am häufigften (feit 1516 unter Yei- 
tung von Sebajtian Brant) geprudten Werke. Die frühefte befannte 
Ausgabe erſchien wahrjcheinlih bei Grüninger im Jahre 1500, auch 
Supfuff druckte eine Ausgabe; dagegen find die in den Jahren 1516 
und 1518, 1529, 1530, 1532, 1533, 1538, 1550, 1553 und 1560 er: 
ibienenen Ausgaben ohne Angabe des Druckers. Hupfuff tritt auch als 
Truder einer der deutjchen Bearbeitungen der „Summa Johannis An- 
dreae“ (1507) auf; zahlreiche Ausgaben des „Layenſpiegels“ von Ulrich 
Tengler find aus jeiner Offizin hervorgegangen in ven Jahren 1510, 
1511, 1514, 1518, 1527, 1530, 1532, 1536, 1538, 1544, 1550, 1560. 

In den Jahren 1485 und 1493 erjcbienen in Straßburg zwei Aus: 
gaben ber „Casus summarii Decretalium, Sexti et Clementinarum“, 
in den Jahren 1486, 1489, 1493, 1494 und 1499 fünf Ausgaben der 
„Margarita Deereti seu tabula Martiniana“, in ven Jahren 1486, 
1490, 1494, 1499 und 1500 ebenfalls" fünf Ausgaben des „Vocabu- 
larium juris utriusque“, im Jahre 1487 eine Ausgabe des „Modus 
legendi abbreuiaturas”, in ven Jahren 1489, 1491, 1495, 1498, 
1502, 1513, 1515 und 1520 acht Ausgaben der „Summa Angelica“; 
zwei Ausgaben ver „Casus longi super Institutis“ (1490 und 1494) 
find vermutlich, eine Ausgabe der „Flores legum“ aus dem Jahre 
1496, zwei Ausgaben ver „Summula Raymundi“ aus ven Jahren 1504 
und 1518, eine Ausgabe ver „Summa Antonina‘” (1508) und eine 
Ausgabe ver „Summa Baptistiniana sive Rosella“ aus dem Jahre 
1516 jedenfalls in Straßburg geprudt. Der Druder Johann Schott hat 
um Jahre 1500 die einzige Ausgabe ver „Exceptiones Petri” und im 
Jahre 1511 (wahrjcheinlich) ebenfalls die einzige Ausgabe — opus ra- 
ritate carum — des „Speculator abbreuiatus“ des Joannes de 
Stynna veranitaltet. 


332 Die populäre juriftiiche Litteratur. (Fünftes 


In Hagenau find die Druder gleichfalls mit der Ausgabe von Werfen 
dieſer populären Yitteratur bejchäftigt. Heinrich Gran brachte 1497 und 
1500 das „Opus septipartitum de contractibus pro foro conscien- 
tiae‘“ zweimal und 1505 und 1506 das „Liber plurimorum tracta- 
tuum juris‘ ebenfalls zweimal, Das „Formularium aduocatorum 
et procuratorum“ iſt gleichfalls 1505 bei ihm gerrudt. Vom „Mo- 
dus legendi abbreuiaturas“ erjchienen 1505 eine Ausgabe, von der 
„Summa Angelica” 1505 und 1509 zwei Ausgaben, von der „Summa 
Antonina” 1508 eine Ausgabe, von dem „Vocabularium juris utrius- 
que‘ 1508 und 1513 zwei Ausgaben dajelbit. 

Friedrich Riedrer, Stadtbuchdrucker in Freiburg i. Br., hat daſelbſt 
den von ihm verfaßten „Spiegel der wahren Rhetorik“ im Jahre 1493 
zuerit ſelbſt gedruckt. Die fpätern Ausgaben diejes Werks erjchienen aber, 
wie bereits bemerkt, in Straßburg. 

In Augsburg haben ſich die zahlreichen Drudereien ebenfalls mit 
der Herausgabe der bier in Frage ſtehenden Werke beichäftigt. Der 
„Processus Luciferi contra Jesum“ des Jacobus de Theramo in 
jeinem urjprünglichen lateiniſchen Tert und in feiner deutjchen Über- 
jegung ijt das älteſte Werk der populären Jurisprudenz, welches in fajt 
allen augsburger Drudereien in zahlreiben Auflagen geprudt wurde. 
Im Jahre 1472 veranftaltet Johann Schüßler die äftefte befannte latei— 
nijche, in demjelben Jahre Günther Zainer die ältejte dortige deutiche Aus— 
gabe, dieſe mit Holzjchnitten, und zwar zweimal. Es folgt 1473 eine 
deutjche Ausgabe, gleichfalls mit Holzichnitten, bei Bämler; ferner er- 
jchienen deutſche Ausgaben, meiſt mit Holzichnitten, in den Jahren 1478, 
1482, 1484, 1487, 1488, 1490, 1493, 1497 und 1500 bei Schönfperger, 
1479 und 1481 bei Anton Sorg, und lateinifche Ausgaben (ohne Be— 
zeichnung des Druders) in den Jahren 1477, 1479 und 1482. Die 
drei letztgedachten Drucder haben fernerhin die „Summa Johannis’ des 
Bruder Berthold herausgegeben, Bämler in den Jahren 1472 und 1478, 
Anton Sorg 1480 und 1482, Schönfperger 1489 und 1495. Von den 
deutjchen Bearbeitungen ver „Summa Johannis Andreae de processu 
judieis‘ erjchienen eine Ausgabe 1473 nachweisbar, zwei weitere ohne 
Jahreszahl wahrjcheinlich gleichfalls bei Bämler, 1498 eine bei Schober, 
während bei einer im „Jahre 1483 ericbienenen der Druder nit an- 
gegeben ift. Bämler druckte 1474 eine der deutjchen Bearbeitungen ber 


Kapitel.) Die populäre juriftiiche Litteratur. 333 


„kectura Johannis Andreae super arboribus consanguinitatis”, 
während einer der älteften beutjchen Drude ver lateinifchen Ausgabe 
diejes Werks wahrjcheinlich bei Günther Zainer vor 1477, ein jpäterer 
Drud der lateinifchen Ausgabe bei Froichauer 1486 erjchienen ift. Cine 
Ausgabe ver „Summa Pisana” aus dem Jahre 1475 entjtammt gleich- 
falls wahrjcheinlich der Offizin von Zainer. Die „Augsburger Formu— 
fari” find 1482, 1483, 1484 und 1491 bei Anton Sorg gebrudt und 
bet Schönſperger 1497 und 1500 zwei Ausgaben des „Klagſpiegels“ unter 
dem Titel: „Klagantwurt und aufßgeiprocen urteyl“, bei Froſchauer aber 
1516 die einzige nachweisbare Ausgabe des „Cantzeleibuchlein“. Bon 
den übrigen Drudern find an der Herausgabe diejer juriftiichen Werfe 
beteiligt Erhard Oglin, welcher die „Formulari und tutſch rhetorika“ 
1507 brachte, und Hans Otmar, welcher die einzigen rechtmäßigen, 
von Johann Rynmann verlegten Ausgaben des Tenglerſchen „Layen— 
ſpiegels“ in den Jahren 1509, 1511 und 1512 gedruckt hat. Die 
Ausgabe aus dem Jahre 1511 enthält eins der eriten Nachdrudsprivi- 
legien. Otmar drudte noch im Jahre 1508 das Buch „Bon den Un— 
bolven over Heren“, und 1491 erichien in Augsburg eine Ausgabe des 
„Confessionale Bartolomaei de Chaimis”, veren Druder nicht an- 
gegeben wird. 

Außerordentlich ſtark find auch die Drudereien Nürnbergs an der 
Heransgabe von Werfen aus dieſem Gebiete beteiligt. Die äftejten 
Ausgaben des „Vocabularium utriusque juris“ find dort (1475, und 
die eine ohne Jahreszahl vermutlich bei Koberger) geprudt; weitere 
folgten dann 1478, 1481 und 1496. Ebenſo erjchienen dort 1475, 
1478 und 1488 Drude des „Supplementum“ ver „Summa Pisana“, 
1476 eine Ausgabe des „Repertorium juris Petri de Monte“, 1476, 
1482 und 1492 Ausgaben des „Modus legendi abbreuiaturas”, 1477 
eine Ausgabe des „Confessionale Bartolomaei de Chaimis“. Be— 
ſonders ſtark find aber die nürnberger Drudereien bei der Herftellung 
der „Lectura Johannis Andreae super arboribus consanguinitatis‘ 
vertreten gewejen. Bei Greufner wurde eine ber ältejten Ausgaben (vor 
1477) der erjten Klaſſe, von der zweiten Klaſſe drei Ausgaben 1477 
und je eine 1478, 1481, 1483 und 1488, von der dritten Klaſſe (ver- 
mutlich) eine Ausgabe 1498 gedruckt, bei Höfzel eine Ausgabe der jieben- 
ten Klaſſe 1505 und in zweiter Auflage 1506; letzterer hat auch 1507 


354 Die populäre juriftiiche Litteratur. Fünftes 


die „Summa Johannis Andreae de sponsalibus et matrimoniis“ ge— 
druckt. Koberger veröffentlichte: 1482 die „Summa Astexana“, 1483 
bie einzige vorhandene Ausgabe der „Flos decretorum“ des Johannes 
Diaconus, 1488 die „Summa Baptistiniana“, 1494 ven „Liber plu- 
rimorum tractatuum juris“, 1498 die „Summa Johannis”. — Das 
„Bepertorium utriusque juris“ des Joannes Bertachini erjchien 1483 
in Nürnberg, die „Summa Angelica” 1488, 1492 und 1498, die 
„Margarita Decreti seu tabula Martiniana“” 1496, die einzige Aus- 
gabe von Ulrich Molitors „Lantfrids auch etlicher cammergerichtficher 
Artifel diſputirung“ 1501, die „Summa Johannis Andreae de pro- 
cessu judieis“ 1510 und 1512, ver „Processus juris defensorium“ 
in den Jahren 1510 und 1512 bei Weißenburger, und eine Ausgabe 
des „Klagſpiegels“ im Jahre 1536. 

Bermutlih in Eichſtädt von Michael Reyſer ift eine Ausgabe der 
„Summa Astexana” (ohne Zeitangabe) gebrudt, während in Bamberg 
Albrecht Pfifter die erfte der deutjchen Ausgaben des „Processus Luciferi 
contra Jesum“ (ohne Angabe des Drudjahrs) veröffentlichte, in Ingol— 
ftadt im Jahre 1497 die Druder Georg Wyrffel und Markus Ayrer 
die einzige nachweisbare Ausgabe ver „Utriusque juris rubricae in or- 
dinem alphabeti redactae” brachten. In demjelben Jahre wurden dort 
auch die „Flores legum secundum ordinem alphabeti” getrudt. In 
Memmingen erjchien 1483 das „Confessionale Bartholomaei de Chai- 
mis’ (ohne Jahresangabe) und 1500 der „Modus legendi abbreuiaturas“, 
bei Albert Kunne dafelbjt (ohne Jahreszahl) die „Differentiae legum 
et casuum“, eine Ausgabe ver „Lectura Johannis Andreae super 
arboribus consanguinitatis“, und das „Formularium instrumen- 
torum”. Von der vorgevadten „Lectura Johannis Andreae” hat 
auch Johann Zainer in Ulm 1483 eine Ausgabe geprudt. Im dem: 
jelben Jahre erjchien dajelbft bei Konrad Dinkmut der „Processus Lu- 
eiferi contra Jesum“ und 1484 die „Summa Johannis” des Bruder 
Berthold. In Reutlingen kam (ohne Jahreszahl) eine Ausgabe des Buchs 
„Don Unholden und Deren“, im Jahre 1487 die „Summa Rudium“ 
bei Johann Otmar, und zwar merfwirbigerweije in einem und bemjelben 
Jahr preimal heraus, während 1482 daſelbſt das „Supplementum 
Summae Pisanae“ erſchien. Cine deutſche Bearbeitung der „Summa 
Johannis Andreae de processu judieis” ohne Ort umd Jahreszahl iſt 


kapitel.] Die populäre juriftiiche Literatur. 335 


vermutlich bei Konrad Fyner in Eplingen gedruckt, auch 1505 in Pforz- 
beim, und 1490 in Heidelberg bei Knoblochzer erjchienen. In Speyer 
veröffentlichte Peter Drach 1477 und 1478 Ausgaben des „Vocabula- 
rium juris utriusque“, ohne Jahreszahl das „Formularium instru- 
mentorum“, drei Ausgaben ohne Yahresangabe (eine davon vermutlich 
1475) und eine vierte Ausgabe im Jahre 1486 von dem „Liber pluri- 
morum tractatuum juris“, und — wie Stinging annimmt — eine 
Ausgabe der „Summa Pisana“, In Speyer erjchienen auch 1488 vie 
„Summa Baptistiniana” und die „Summa Angelica”. In Oppen— 
beim wurde 1503 eine Duodezausgabe ver „Summa Johannis Andreae 
de processu judicis, eine Ausgabe des „Processus juris defensorium‘ 
in demjelben Format, und 1515 eine Ausgabe ver „Lectura Johannis 
Andreae super arboribus consanguinitatis” gebrudt. In Mainz ift 
1478 das „Confessionale Bartolomaei de Chaimis” herausgefommen. 

Wie Köln von Anfang an einer der älteften und bedeutendſten Site 
der Druderei und des Verlagshandels war, jo bejchäftigten ſich auch 
jeme Prefjen im weitejten Umfange mit der Herausgabe der Werfe der 
populären Jurisprudenz. Peter von Olpe veranjtaltete daſelbſt im Jahre 
1476 die ältefte der noch vorhandenen Ausgaben der „Casus summarii 
Decretalium“, von welchen eine weitere Ausgabe 1485 ebenfalls in Köln 
eribien. Der Druderei Peter von Olpe's entjtammt außerdem die ein- 
jige befannte Ausgabe ver „Flores juris utriusque‘ von 1477 und im 
Jahre 1479 wurden gar zwei Ausgaben der „Summa Astexana” in 
Köln gedrudt. Eine andere hochangejehene Druderei bajelbjt, die Jo— 
hann Kölhoffſche, druckte 1482 die einzige vorhandene Ausgabe des 
„Summarium Institutionum“, 1491, 1494 und 1500 die noch er- 
baftenen drei Ausgaben der „Expositiones titulorum utriusque juris“ 
des Sinnama und 1497 eine Ausgabe der „Casus longi super Insti- 
tatis“. In den Jahren 1483 und 1484 erjchienen die Werke Gerſons, 
welche die ältejten zu diefem Zweige der Yitteratur gehörigen Traftate 
enthalten; von dem „Modus legendi” find ohne Zeitangabe, jowie 1487 
und 1493 drei Ausgaben in Köln gebrudt. Im der Heinrich Quentel- 
ihen Druderei erichienen 1495 und 1500 das „Formulare instrumen- 
torum“, 1495 auch das „Repertorium aureum mirabili artificio 
eontextum”, 1505 und 1506 zwei Ausgaben ver „Lectura Johannis 
Andreae super arboribus” (von welcher auch eine weitere Ausgabe 


336 Die populäre juriftiiche Litteratur, Fünftes 


derſelben Klaſſe 1499 in Köln gedruckt wurde) und ohne Zeitangabe die 
einzige bekannte Ausgabe der „Rubricae siue tituli juris canonici et 
civilis secundum ordinem librorum redacti“. Bon ven zahlreichen 
Ausgaben der „Summula Raymundi“ find jechs in den Jahren 1495, 
1498, 1500, 1502, 1506 und 1507 in Köln gedrudt. Im Jahre 1497 
fam dajelbjt heraus der „Libellus docens modum studendi” (einzige 
Ausgabe), 1504 die „Ars notariatus‘“, 1507 bie „Flores legum se- 
cundum ordinem alphabeti“, 1508 das „Alphabetum aureum Petri 
Ravennatis“, 1576 eine der fpäteften Ausgaben des „Viatorium utrius- 
que juris” des Johannes Berberii. Ohne Zeitangabe wurden gebrudt: 
bei Cornelius de Zürichjee eine Ausgabe des Werts „De lamiis et phi- 
tonieis mulieribus“, ferner (ohne Bezeichnung des Druders) der „Metho- 
dus utriusque juris“, die „Casus breves super totum corpus legum“, 
eine Quart- und wabhrjcbeinlich auch eine Oftanausgabe der „Summa 
Johannis Andreae de processu judicis“, eine Ausgabe des „Trac- 
tatus judieiorum domini Bartoli” und ber „Liber plurimorum 
tractatuum juris“, 

Auch in andern Städten Norddeutſchlands erjchienen vereinzelte Werfe 
aus dieſem lohnenden Zweige der Yitteratur. So in Erfurt 1499 die 
von Bernardus Brunsvicenfis verantaltete Ausgabe der „Tituli de 
uerborum significatione et de regulis juris” und 1500 bei Wolf: 
gang Schend ein Titularbüchlein. In Magveburg wurde 1491 und 
1498 vie „Summa Johannis“ von Bruder Berthold gebrudt, von wel: 
cher auch ſchon 1487 eine Ausgabe in Yübe veröffentlicht worden war; 
1492 folgt eine veutjche Bearbeitung des Satansproceffes. 

In Leipzig erjchienen 1489 und 1512 Ausgaben des „Processus 
judiciarius“. Beſonders oft wurde dajelbft aber die „Lectura Johan- 
nis Andreae‘, und zwar die von Stinking als fünfte Klaffe bezeichnete 
Bearbeitung derſelben, gedruckt. Von den acht Ausgaben diejer Klaffe 
erjchienen fieben in Leipzig, und zwar je zwei in ben Jahren 1492 und 
1498, eine 1500 bei Melchior Yotter, und je eine 1502 und 1508 bei 
Wolfgang Stödel. Die achte Ausgabe iſt vermutlich 1498 gebrudt; 
der Drudort ift nicht genannt. Dieje vielen leipziger Ausgaben ver- 
danfen ihre Herftellung der Sitte, an der dortigen Univerfität im den 
Ferien Repetitionen vorzunehmen, welchen dann derartige Werfe als 
Unterlage dienten. Weiter erjchien im Jahre 1494 in Yeipzig des 


Kapitel.) Die populäre juriftiiche Litteratur, 337 


„Johannis Andreae summa de sponsalibus et matrimoniis”, wäh— 
rend tie Druderei des Arnold (Neumarkt) von Köln 1495 das Werf 
„De lamiis et phitonieis mulieribus” herausgab. Dann wurde 1497 
ver „Modus legendi” geprudt, 1499 bei Markus Brandis die einzige 
befannte Ausgabe der „Declaratio titulorum legalium“ und bei 
Martin Yandsberg (ohne Zeitangabe) die von Georg Alt unter dem 
Titel „Ein nützlicher Gerichtshandel wor got dem almechtigen u. ſ. w.“ 
bearbeitete Überjeßung des „Processus Satanae”. 

In Wien drudte Johann Winterburger 1500 und 1505, Hier. Vietor 
1513 die „Lectura Johannis Andreae super arboribus consangui- 
nitatis” (zweiter Klaſſe bei Stinking) und in Brünn erſchien 1488 das 
Werk des Profeffor 9. 3. Canis: „De modo in jure studendi”, und 
die „Expositio omnium titulorum juris ciuilis et canonici”. 

Unter den italienijchen Städten nimmt die erfte Stelle Venedig ein. 
Bon dem „Supplementum Summae Pisanae”“ erjchienen dajelbft in der 
Zeit von 1471 (das Jahr diefer älteften Ausgabe fteht nicht ficher feſt) 
bis 1499 nicht weniger als 14 Ausgaben, und zwar in den Jahren 
1471, 1473, 1474, 1476, 1477, 1479, 1481, 1482, 1483, 1484, 1485, 
1489, 1494 und 1499. Bon dem „Tractatus judiciorum‘ des Bar- 
tolus ift die Ausgabe von 1472 vermutlich, außerden eine Ausgabe von 
1487 in Venedig gedrudt, von der „Summa Angelica” aber erjchienen 
dajelbjt von 1476 bis 1511 wiederum 12 Ausgaben, nämlich 1476, 1487 
(zwei Ausgaben), 1489, 1490, 1491, 1492 (zwei Ausgaben), 1495, 1499, 
1504 und 1511, und von ver „Summa Astexana” je eine Ausgabe 
1478 und 1480. Gerardus de Flandria drudte 1478 den „Processus 
Satanae“, 1481 erjchien die „Summa Pisana“ und ver „Vocabula- 
rius juris utriusque“ in fünf Ausgaben 1483, 1485, 1487, 1491 und 
1517, die „Margarita Decreti seu tabula Martiniana“ im Jahre 
1486, in demjelben Jahre auch das „Confessionale Bartolomaei de 
Chaimis”. Bon dem „Repertorium juris utriusque“ des Johannes 
Bertachinus find vier Ausgaben aus den Jahren 1488, 1494, 1518 
und 1519 befannt, von dem „Processus judiciarius Panormitani“ 
drei, von 1488, 1492 und 1499, von der „Summa Baptistiniana siue 
Rosella” eine Ausgabe 1499, während auch eine im Jahre 1495 bei 
Arrivabene ohne Ortsangabe gedruckte vermutlich ſchon Venedig zufonmt. 
Andrea Torrefano druckte 1499 den „Liber sextus“; in vemjelben Jahre 

ftapp. I. 22 


338 Die populäre juriftiiche Litteratur, Fünftes 


erſchien auch das „Repertorium Milis alias Absenti“, und ohne Zeit- 
angabe eine Oktavausgabe der „Flores legum secundum ordinem 
alphabeti“. 

Padua lieferte 1480 das „Repertorium juris utriusque“ Petri ve 
Monte's, 1483 und 1485 Ausgaben des Werts von J. J. Ganis, „De 
modo in jure studendi”, Picenza 1482 ven „Vocabularius juris 
utriusque”, 1506 den „Processus Luciferi contra Jesum“., 

Fine ftärfere Thätigfeit der Buchorudereien zeigt ficb in Mailand. 
Es famen daſelbſt heraus: 1474 und 1478 das „Confessionale Barto- 
lomaei de Chaimis“, 1479 und 1494 das „Supplementum Summae 
Pisanae“, 1479 noch ver „Traetatus judiciorum“ des Bartolus, 
1485, 1486, 1499 und 1500 das „Repertorium juris utriusque” des 
Johannes Bertachini, 1493 ein „Dietionarium“ und vie „Margarita 
Decreti seu tabula Martiniana“, 

In Pavia erſchien 1477 ver „Traetatus judieciorum Bartoli“, 1489 
bei Joh. Ant. de Birretis und Franciscus de Ghrardeghis Die „Summa 
Baptistiniana siue Rosella“, 1498 und 1500 das „Dietionarium“ 
und 1511 die „Tractatus plurimorum doctorum“. Das „Decretum 
abreuiatum‘” des Johann de Deo, von welchem eine Ausgabe ohne 
Orts- ımd Zeitangabe befannt ift, wurde, wie Stintzing annimmt, 1474 
in Turin in der Offizin von Johann Faber aus Yangres gedruckt. 

In Vercelli erjchien 1485 das „Supplementum Summae Pisanae“, 
in Bologna 1481 das „Dietionarium“, 1493 des Gaccialupi Bud 
„De modo studendi“, 1499 des Petrus Jacobus „Tractatus de ar- 
bitris“ und ein „Formularium diversorum generum“. Bon letterm 
Werfe find auch, zum Teil mit etwas abweichenden Titel, drei Ausgaben, 
eine ohne Zeitangabe, je eine 1483 und 1488 in Florenz gedrudt, wo— 
jelbjt außerdem 1482 das „Supplementum Summae Pisanae“ beraus- 
gekommen tft. 

Die am Ende des 15. Yahrhunderts in Nom beſtehenden deutſchen 
Drudfereien waren ebenfalls für den bier behandelten Zweig der Yitte- 
ratur thätig. ine der angejehenjten verjelben it die des Eucharius 
Silber al. Franck, in welcher das „Formulare instrumentorum“ 1481, 
1482 und 1494 und das „Formularium procuratorum et aduoca- 
torum curiae Romanae” 1481, 1482, 1489 und 1491 gedrudt wurde, 
Beide vorgedachte Werke druckte auch, und zwar erjteres ohne Zeitangabe 


Kapitel.] Die populäre juriftiiche Litteratur. 339 


und 1482, 1484, 1487, 1490 und 1495, letzteres 1484 und 1491 
Stephan Pland, welcher außerdem noch 1486 den „Processus Satanae‘ 
veröffentlichte. Diejer war bereits 1475 bei Barth. Goldinbeck de Sulg 
eribienen, das „Formularium procuratorum“ im Jahre 1478 auch 
bei Johann Bremer al. Bulle. Die Firma Hanheymer von Oppenheim 
und Schurener von Boppard lieferte 1474 das obengedachte „Formu- 
lare instrumentorum”“, Außerdem erjchienen in Rom folgende Werke: 
1475 das „Repertorium Milis“, 1481 (vermutlich) das „Repertorium 
Juris utriusque Johannis Bertachini“, ohne Zeitangabe (vermutlich) 
des Johann Andreae „Summa de sponsalibus et matrimoniis” und ver 
„Iractatus de arte notariatus“, und 1495 ein „Formularium uni- 
uersale et modernum diuersorum contractuum”. 

Auch in den Niederlanden und in Frankreich wiederholt fich die Er- 
jheinung, daR die populäre Jurisprudenz einen hauptjüchlichen Stapel- 
artifel der Drudereien bildet. In Yöwen begegnet man mehrern ber 
bierber gehörigen Werke. Der „Processus judiciarius“ wurde daſelbſt 
dreimal, einmal ohne Zeitangabe, dann 1475 und 1481 gedrudt, das 
„Bepertorium Milis” 1475, vie „Casus summarii Decretalium” 
1480, in demjelben Jahre bei Johann de Weitfalia eine Ausgabe der 
„Leetura Johannis Andreae super arboribus” und die „Summa 
Raymundi’, ohne Zeitangabe und 1488 ver „Modus legendi abbre- 
uiaturas“, Die 1488 gedrudte Ausgabe des „Utriusque juris metho- 
dus“ entjtammt wahrjcheinlich auch einer Offizin in Löwen, und ale 
Druder einer der undatierten drei Ausgaben ver „Casus breues super 
totum corpus legum“ wird ebenfalls Johann de Weſtfalia vermutet. 
Vereinzelt begegnet man einer Ausgabe des „Processus Luciferi con- 
tra Jesum” aus Gouda vom Jahre 1481, einer der „Summula Ray- 
mundi“ aus Delft vom Jahre 1497, und zweien der „Summa Ange- 
liea“ 1490 und 1496 in Aelſt (Aloit). 

Auch in Franfreih, in Paris und Lyon, bejchäftigten fich die dor— 
tigen deutjchen Druder mit der Herausgabe der in Deutjchland abjak- 
fübigen Werfe. In Paris erjchienen 1489 die „Summa Johannis An- 
dreae de sponsalibus“, 1496, 1513 und 1517 die „Flores legum 
secundum ordinem alphabeti“, 1499 vie „Summa Baptistiniana“, 
1500 vie „Summa“ und 1511 und 1516 die „Summula Raymundi“, 
ohne Zeitangabe, 1500 und 1513 die „Margarita Decreti seu tabula 

22* 


340 Die populäre juriftifche Litteratur. Fünftes 


Martiniana“, 1500 bei Thomas de Campanis und 1516 bei Jean Petit 
und Romanus Morin das „Viatorium seu directorium iuris ex ui- 
sceribus excerptum”, 1501, 1507 und 1514 der „Vocabularıus juris 
utriusque‘, 1509 die „Tractatus plurimorum doctorum‘, 1514 und 
1518 die „Expositiones omnium titulorum legalium“, 1515 bei Job. 
und Aeg. Gourmont das bajeler Sammelwerf: „In utriusque juris 
libros introductorium“, ohne Zeitangabe, wahrjcheinlich bei Jean Petit, 
die einzige Ausgabe der „Rubricae totius juris ciuilis et canonici “, 
und ferner eine Ausgabe ver „Summa Pisana“, 

In Lyon prudten 1493 Johann Battenjchnee und Mathias Hus 
das „Breviarium Decretorum et Decretalium‘, welches nur in diejer 
Ausgabe erhalten ift. Im Jahre 1510 erjcbien daſelbſt das „Reperto- 
rium Milis“, in demſelben Sabre, jowie 1515 ver „Tractatus judi- 
ciorum Bartoli“, 1511 und 1517 das „Alphabetum aureum Petri 
Ravennatis”, 1518 bei Jakob Sacon (im Berlage Johann Stobergers) 
die „Summa Johannis“, 1519 die „Tractatus plurimorum doctorum‘‘ 
und die „Summa Astexana“, 1521 da® „Repertorium juris utriusque 
Joannis Bertachini“, 1523 eine Ausgabe des „Vocabularius juris 
utriusque”“, 1595 das „Viatorium utriusque juris“ und ohne Jahres— 
zahl bei Petrus Baleti die „Summa Monaldina”. Bereinzelte Erjcei- 
nungen find wiederum die Ausgabe des „Alphabetum aureum Petri 
Ravennatis” vom Jahre 1508 in Rouen und die einzige befannte von 
des Dinus „Tractatus de praescriptionibus“ in Caen (ohne Zeitangabe). 

Es erübrigt noch eine jummarifche Aufzählung derjenigen Ausgaben 
der im Vorſtehenden bejprochenen Werte, welche ohne Drudert, und zum 
größern Teil ohne Zeitangabe erjchienen find. Unter Annahme ver bei 
Stinting aufgejtellten Reihenfolge find derartige Ausgaben von folgenden 
Werfen vorhanden: zwei Ausgaben der „Rubricae totius juris ciuilis 
et canonici“, deren eine jehr alt ift, möglicherweije jchon aus dem Jahre 
1460 ftammt; zwei Ausgaben des „Modus legendi” (veren eine aus 
dem Jahre 1512); zwei Ausgaben von 1476 und 1484 des „Canis de 
modo in jure studendi‘; zwei Ausgaben des „Caccialupi de modo 
studendi“, davon eine vermutlich ſchon von 1467; die einzige befannte 
Ausgabe des „Commentarius Institutionum“; zwei Ausgaben ver 
„Casus longi super Institutis“; drei der „Casus breves“; die einzige, 
im Jahre 1472 gedrudte Ausgabe ver „Differentiae inter jus cano- 


Kapitel.] Die populäre juriftiiche Litteratur, 341 


nicum et ciuile‘‘; neun Ausgaben ver „Margarita Decreti“, darunter 
wei von 1481 und 1492; zwei Ausgaben des „Vocabularius juris 
utriusque‘, davon eine von 1483; zwei Ausgaben des „Dictiona- 
rium“, darunter eine von 1506; eine Ausgabe des „Repertorium 
Petri de Monte“ von 1480; eine des „„Repertorium Milis“ von 1475; 
eine des „Repertorium Joannis Bertachini”; acht Ausgaben der „Lec- 
tura Johannis Andreae super arboribus“, darunter eine von 1482; 
ichs Ausgaben der „Summa de sponsalibus” vesjelben Verfafjers, 
darunter eine von 1492; drei Ausgaben der deutjchen Bearbeitungen des 
„Processus juris defensorium‘; eine Ausgabe des „Viatorium“; eine 
de „Processus juris’ des Panormitanus; eine des „Formularium pro- 
euratorum“; die einzige Ausgabe des „Stilus et practica curiarum 
spiritualium‘ ; drei Ausgaben des „Processus Satanae‘“, darunter 
eine von 1473; fieben Ausgaben des „Processus Luciferi contra Je- 
sum“, darunter eine von 1482 und eine von 1484; die einzige Aus: 
gabe des „Tractatus praesumtionum” von 1472; drei Ausgaben ber 
„Ars notariatus”; zwei des „Tractatus notariatus“; zwei des „For- 
mularium universale‘; zwei des „Formularium instrumentorum“; 
eine Ausgabe der „Augsburger Formulari“; drei Ausgaben der „Straß: 
burger Formulare“ von 1486, 1488 und 1492; eine Ausgabe des 
Titulaturbüchleins“; zwei Ausgaben des „Klagſpiegels“; eine Ausgabe 
ver „Decreta coneilii Basiliensis“; drei Ausgaben der Werfe über die 
Seren, davon zwei von 1489 und 1493; eine Ausgabe der „Summula 
Raymundi“; eine der „Summa Joannis“ von 1476; eine der „Summa 
Astexana”; eine der „Summa Pisana“ von 1473; zwei Ausgaben, 
deren eine von 1474, des „Supplementum Summae Pisanae“; acht 
Ausgaben des „Confessionale Bartolomaei de Chaimis“, zwei der— 
jelben von 1480 und 1482; eine Ausgabe ver „Summa Angelica” vom 
Jahre 1492. 

Kür feinen Zweig der Yitteratur drängt fich eine jolche Fülle von be- 
lehrenden Thatjachen auf einen doch nur furzen Zeitraum zujanımen, als 
auf dem diejer Spezialität der eriten juriftifchen Verlagsthätigfeit. So dürr 
und abichredend num auch die bier mitgeteilten Zahlen und Titel man— 
dem Yejer erſcheinen mögen, jo konnten fie ihm doch nicht wohl erſpart 
bleiben, weil nur die Kenntnis auch der unjcheinbarften Einzelheiten eine 
neue gejcbichtliche Erjcheinung im ihrer ganzen Tragweite erfennen läßt. 


342 Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Petri. Funftes 


Dagegen wirkt die Hervorhebung des perſönlichen Moments und die 
liebevolle Vertiefung in das friſch pulſierende Leben des einzelnen Men— 
ſchen allgemein deſto erfriſchender und anregender, wenn ſich in ihm die 
fortſchreitende Entwickelung unverfälſcht widerſpiegelt. Ein ſolcher Mann 
iſt der bereits im zweiten Kapitel in ſeinem Geſamtwirken geſchilderte 
Anton Koberger, der erſte deutſche, ja europäiſche Buchhändler im 
großen Stil, ein ſchöpferiſcher Geiſt, ein unternehmender Kaufmann von 
reicher Erfahrung und weitem Geſichtskreis. Die dort gegebene Charal— 
terijtif möge bier ergänzt werden durch den Inhalt des Briefwechiels, 
welchen er jahrelang mit Johann Amerbah und Johann Petri über ven 
Drud der Hugo'ſchen Bibel ſamt Poftille führte; derjelbe wirft ein 
bochintereffantes Yicht auf den damaligen Handel und Wandel, wie es 
in gleicher Unmittelbarfeit auf buchhändleriſchem Gebiet kaum irgend 
anderswo geboten wird. *1 

Die Verhandlungen zwijchen den Gejchäftsfreunden begannen ſchon 
im Jahre 1493. Johann Petri, der bafeler Druder, welcher vielfach in 
Gemeinſchaft mit Amerbach arbeitete, befand ji) damals in Nürnberg 
und jchrieb dieſem am 24. Dftober 1493, daß Koberger, wie mit Amer: 
bach „des Hugo's halben‘ auch mit ihm geſprochen und daß er, Petri, 
ihm feine Bedenfen über die Schwierigkeit eines jo großen und umfang: 
reihen Unternehmens nicht verhehlt habe, weshalb man fich wohl ver: 
ſehen müſſe. Es jcheint, daß Petri Arbeit haben wollte und deshalb 
den Koſten worjchießenden Verleger in Nürnberg bejuchte. Die Terbant: 
(ungen führten aber damals zu feinem Grgebnis; Koberger ſchwankte 
noch. Er wollte Petri nicht abreifen Laffen, zugleich aber auch mit Amer: 
bach die Sache beiprechen und bat biejen, nach Nürnberg zu kommen. 
Aus diefem Grunde, meinte Petri, folle ſich Amerbach ein Pferd kaufen 
und gen Nürnberg reiten, damit fie dort gemeinjchaftlich mit Koberger 
das Weitere über den Drud des Hugo verabreden fünnten. Ob vieje 
Zuſammenkunft wirklich ftattgefunven hat, ift aus der Korreſpondenz nicht 
erfichtlich, da der zweite in der Sammlung enthaltene Brief erſt am 
27. April 1495 gejchrieben wurde. Jedenfalls war der Bertrag ſchon 
vor den leßtern Datum abgejchloffen, denn an diefem Tage jchreibt 
Ktoberger an Amerbach, daß er ihm 18 Danpjchriften zur fritifchen Durch— 
jicht des Textes überjandt habe, 

Amerbah nahm erjt im Jahre 1498 den Drud in Angriff. Er 


Kapitel.) Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Petri. 343 


vergeupdete die Zwijchenzeit übrigens nicht mit unnützem Warten, jondern 
benutste fie zu den mötigen Vorbereitungen, namentlich zur kritiſchen 
Tertesrevifion, während Koberger die verſchiedenen Danpjchriften beichaffte 
und das für die Deritellung erforderliche Papier in Bajel und Straf: 
burg beiorgte. Die Vollendung des fiebenbändigen Werks nahm nicht 
ganz fünf Jahre, 1498 bis 1502, in Anfpruch, ſodaß auf jedes Jahr 
etwa 1", Bände fielen. Der erſte verjelben wurde fertig im Herbſt 
1498, ver zweite und dritte in derſelben Jahreszeit 1499 und 1500, der 
vierte im Frühling 1501 und ver fiebente um Martini 1502. Die 
jieben Folianten enthalten durchjchnittlich je 1200 zweifpaltige Zeiten von 
70 Zeilen und find auf ftarfem, ſchönem Papier geprudt, welches noch 
beute wie neu aussieht. Gedruckt wurden 1600 Eremplare, welche Noberger 
übrigens aus Furcht vor Nachdruck und der größern Sicherheit wegen 
erit nach Vollenpung des Ganzen ausgab, wie er denn auch während 
des Druds jeden Band ängitlich gehütet hatte. Jene Furcht war nur 
zu jehr begründet. Driginalwerfe gab e8 damals nur wenige. Wenn 
nun die Herftellung der damals vorwiegend gedruckten Bibelausgaben, 
icholaftiichen Kommentare, Kirchenväter, Klaſſiker und Schulbücher nicht 
als Nachdruck bezeichnet werben fonnte, jolange nur die Wiedergabe einer 
wörtlich abgedrudten Originalhandſchrift in Frage fam, jo jtellte fich das 
Verhältnis doch anders, wenn die Verleger, vielfach in derſelben Stadt, 
wie z. B. in Baſel, die von ihren Kollegen kritiſch gefichteten und be- 
arbeiteten Ausgaben nacdrucdten. Um nun diefem Unfug vorzubeugen, 
trafen jchon damals — wie noch heutigentags in Ländern, welche unter 
Umftänvden das Verlags: oder Autorenrecht nicht ſchützen — die größern 
Buchhändler in ihrem eigenften Intereſſe Verabredungen untereinander, 
wonach der eine fein Werk pruden follte, welches der andere bereits zu 
druden angefangen hatte. So traf unter anderm auch Koberger durch 
Vermittelung Amerbachs ſchon auf der franffurter Herbſtmeſſe des Jahres 
1495 mit Nitolaus Keßler in Bafel ein Übereintommen dahin, daß feiner 
von ihnen etwas druden jolle, was der andere bereits in Angriff ge: 
nommen oder fertig gejtellt habe. Er lieh ihm deshalb am 17. Mai 1496 
durch Amerbach jagen, daß er vor einem Monat den „Meffreth‘‘ („Ser- 
mones Meffreth alias ortulus reginae”), welchen Keßler ſchon 1487 
und 1488 verlegt hatte, zu druden angefangen babe, daß er aber jofort 
einhaften werde, falls Kepler ihn lieber jelbit drucken wolle. Kepler trat 


344 Anton Kobergers Briefwechlel mit Amerbach und Petri. Fünftes 


jedoch Koberger nicht entgegen, wenigſtens iſt nach 1488 keine weitere 
Keßler'ſche Ausgabe bekannt. 

Ungünſtiger geſtaltete ſich natürlich das Verhältnis den Druckern 
gegenüber, welche keine derartige „Richtung“ (Vereinbarung) eingingen. 
Kobergers Ausgabe des Hugo war überhaupt die erſte, zugleich eine 
jorgfältig von Amerbach kritiſch bearbeitete. Hier hätte es fich aljo even- 
tuell nicht um ven kritikloſen Aborud eines vielleicht fchlechten Originals, 
wie ihn jeder beliebige Drucker berjtellen konnte, gehandelt, jonvern um 
den Raub geiftiger Arbeit und des Ergebniſſes von Forſchungen, deren 
Quellen mit großen often und Mühen aus den verjchiedenften Klöftern 
und Städten zujammengebracht waren. Koberger hatte fich im feinen 
Befürchtungen nicht getäujcht; indejfen jollten ihm diesmal Schaden und 
Berlujt von einer Seite fommen, gegen welche er fich nicht worgejeben 
hatte: von feinen eigenen Drudern nämlich, wie dies die Folge ergeben 
wird. 

Überhaupt kann man ſich von den Schwierigfeiten, mit welchen er 
von Anfang an fortwährend zu kämpfen hatte, heutzutage ſchwerlich einen 
nur anmäbernd richtigen Begriff machen. Es jeien bier wenigitens die 
bedeutendſten kurz hervorgehoben. Da verhinderten zunächſt die jchlechten 
und unfichern Wege ven regelmäßigen Verkehr zwifchen Nürnberg und 
Bajel, die Zahlungen gingen wegen dev verjchiedenen kleinen Kriege und 
Fehden nur unregelmäßig und meijtens im jeblechten Geldſorten eur, ju 
jtocten zu Zeiten vollftändig und machten c8 Ktoberger oft beim beiten 
Willen unmöglich, feinen Berbindlichkeiten gegen Amerbach pünktlich nach— 
zufommen. Das Papier entiprach vielfach nicht den gejandten Proben, 
oder wurde in umngenügenden Quantitäten geliefert, ſodaß manchmal 
monatelange Stodungen im Drud eintraten. Amerbach und Petri ſorg— 
ten nur ungenügend für gute VBerpadung; jchlechte Fäſſer, die fie ver- 
wandten, veranlaften bei ungünftigem Wetter die Durchnäſſung ganzer 
Sendungen, ja, ließen dieſe zu Makulatur werven. 

In erjter Yinie aber handelte es jich bei der Herjtellung einer mög: 
lichft forreften Ausgabe um die Beichaffung guter Hanpjchriften (Exem- 
plaria), welche meijtens mit größter Mühe aus Städten, wie Köln und 
Lübeck, oder aus tlöftern, wie Heilsbronn (bei Ansbach), Maulbronn u. a., 
entlichen werden mußten. So zeigt Stoberger amt 27. April 1495 Amer: 
bad an, daß er ibm durch Ruprecht aus Baſel in einem „Fäßlein“ 


Kapitel.) Anton Kobergers Briefwwechiel mit Amerbach und Petri. 345 


18 Volumina jende, mit welchen ev fich eintweilen behelfen möge. In 
der nächſten Zeit Hoffe er mehr zufammenzubringen; indeſſen möge 
auch Amerbach in feiner Gegend fich nach „Exemplarien“ umthun. Gr, 
Koberger, habe den ganzen Hugo ſchon beijammen gehabt, ihn aber wie- 
der an das Ktlofter zurückgeben müſſen, da man ihn dort nicht entbehren 
fönne und namentlich nicht erkauben wolle, daß man durch Hineinkorri— 
gieren der Handſchrift ſchade umd nach derjelbe fee. Am 14. Dezember 
1495 verfichert Koberger ferner, daß er jeit der leßten Frankfurter Meſſe 
fortwährend nach „Exemplarien“ gejucht, die er früher jchen in Händen 
gehabt babe. Es jet ihm die Zujage gemacht, daR er fie bald erhalten 
werde; er wolle fie dann jofort abjchreiben lajfen und an Amerbach ſen— 
den, damit es mit der Tertrecenfion um jo vajcher vorwärts gehe. End— 
ih, am 17. Mai 1496, iſt Koberger in der Yage, Die weitern Quin— 
ternen zu schicken, ſodaß er jet den erjten Teil des Hugo in Abjchrift 
zuſammen babe. Auch jenve er das Original, von welchem abgejchrieben 
worden jei, und bitte Amerbach nun, mit der Korrektur anzufangen. An 
den andern Teilen würde täglich abgejchrieben; er habe prei gute Schreiber, 
weiche jede Woche ſechs Quaternen abjchrieben. Es werde flott gehen, 
nur befürchte er, daß Amerbach nicht jo viel forrigieren könne, als fie 
täglich abjchrieben. 

Wie bei diefem erjten, jo wiederholten fich auch bei ven folgenden 
Binden die Schwierigkeiten für die Beſchaffung einer forreften Unter: 
lage. Hier nur noch einige Beifpiele. Als fich der Drud dem Ende 
näberte, verlangte Amerbach neue „Exemplaria”; Koberger antwortete am 
13. August 1501, daß Amerbah nach Meldung der Mönche von Heils- 
bronn die andern Teile bereits erhalten habe. Auch jei nach Lyon ge: 
ihrieben; jomit hoffe er, dak man ihm die Bände bis zur Auguſtmeſſe 
jenen werde. Wenn man fie aber nicht werleihe, jo werde er, Ntoberger, 
fie auch abjchreiben laſſen. Am 22. November 1501 zeigte letsterer Amer: 
bab an, daß er ihn „Hugonem super Danielem“ und „Librum Macha- 
beorum“ in vier gebundenen Büchern gefandt habe, ſodaß er jett im 
Beſitz des ganzen Hugo von Heilsbronn aus jein müſſe. Cinige Monate 
ipiter, am 14. Februar 1502, bedauert dann aber SKoberger, daß die 
ven ihm im Lübeck gelichenen „Exemplaria”“ Amerbach nicht dienlich 
jeien, und teilt ihm mit, daß er, wegen der ihm in Eflingen als taug⸗ 
lich bezeichneten, ſofort ſeinen Neffen Hans Koberger dahin geſandt habe 


346 Anton Kobergers Brieftwechjel mit Amerbah und Petri. Fünftes 


und deren leihweiſe Verabfolgung erwarte. In dieſem Falle ſolle der 
genannte Neffe ſie ſelbſt nach Baſel bringen. Am 21. März 1502 end— 
lich bemerkt Koberger, daß Amerbach nach des jungen Koberger Mit— 
teilung noch das Exemplar „Super Apostolum“ fehle. Er babe das— 
jelbe hier in der „Yibrereh in Nürnberg” gefunden; es jei ſchön und 
richtig gejchrieben und es werde für Amerbach hoffentlich brauchbar fein. 
Er, Koberger, babe auch allenthalben in ven großen und „namhaftigen“ 
Klöftern im Schwabenland nachforichen laſſen, aber nichts bekommen; 
doch jolle Amerbach feinen Mangel mehr an Eremplarien haben, damit 
das Werk endlich zum Abſchluß komme, 

Kaum geringer als dieſe Schwierigkeiten der Drudlegung waren vie, 
die Fertigſtellung der Arbeit verzögernden Hinderniſſe. Wegen des Papiers 
entitanden gleich von Anfang an unliebjame Stodungen, welche jelbit: 
redend auf den gejanten Kortgang der Arbeit jtörend einwirkten. Zo 
waren die eriten 25 Ballen, welche Koberger Anfang des Jahres 1497 
durch Konrad Meyer aus Straßburg nach Bajel jenden lieh, dem Muſter 
zuwider im Format zu Hein, furz nicht zur Zufriedenheit beider Ge— 
ichäftsfreunde ausgefallen. Koberger bat deshalb Amerbach, Meyer vie 
ganze Sendung gegen Erftattung aller Auslagen, einjchließlich des Zolls, 
zurüczugeben. Auch Enve 1498 kam das bei Anton Bruder in Cpinal 
beftellte Papier nicht rechtzeitig in Bajel an, da in jenem Orte die Reit 
wütete umd infolge deſſen alle Arbeit ftodte. Um nun nicht eine zu 
fange Verzögerung des Drucks eintreten laffen zu müſſen, kaufte Amer: 
bacb zu Bajel auf Kobergers Rechnung Papier und war im Herbſt 1499 
mit dem Betrage für 143 Ballen im Vorſchuß. Bon da an jchiekte 
Koberger wieder regelmäßig, verwies aber Amerbach, falls jeine Zen: 
dungen, meiſt 13 bis 14 Ballen, nicht rechtzeitig ankommen jollten, auf 
Friedrich Brechter in Straßburg, der ſtets für jeinen Bedarf jorgen 
werde. Nunmehr fam das Papier zwar regelmäßiger an, fiel aber 
wiederum nicht immer nach Wunſch aus. So bittet 3. B. Brechter, als er 
eine neue Sendung nach Baſel machte, in einem Briefe vom 17. Dezember 
1501 Amerbach, er möge doch „eyn mytliden haben des bapiers halber“, 
Diejer aber bejchwerte jicb bei Hans Koberger über die fchlechte Ware. 
Anton Koberger entſchuldigte fichb am 21. März 1502, zugleich aber mel- 
dete er Amerbach, daß er dem Brechter gehörig die Meinung geſagt babe 
und daß diefer fortan ficher nur gutes Papier jchidden werde. Der Rüffel 


Kapitel.) Anton Kobergers Briefwechlel mit Amerbad) und Petri, 347 


icheint jevoch nicht gefruchtet zu haben, denn am 19. Auguft 1502 be- 
auftragte Koberger jeinen Gejchäftsfreund, in Bajel gutes Papier zu 
kaufen, falls es dort, wie fein Neffe Hans ihm jchreibe, zu jechs Gulden 
für den Ballen zu baben jei. Anfang 1502 lieferte jedoch Brechter 
wieder 25 Ballen Median an Amerbach, die diesmal als gut befunden 
wurden. 

Ebenſo wenig waren Abgang und Ankunft der verladenen Sendungen 
mit Gewißheit vorher zu beitimmen und noch weniger der Zuſtand, in 
welchem fie eintreffen würden. Da Handſchriften und Bücher, wie ge- 
jagt, in Fäſſern befördert wurden, jo hing der unbejchädigte Cingang 
der Ladung ſtets von der Sorgfalt des Fuhrmanns und der Gewiſſen— 
baftigfeit des Faßbinders, von der Gunſt des Wetters und den politi- 
ſchen Verhältniſſen ab. Faſt bei jever Sendung beflagte fich Koberger 
über die fchlechte Bejchaffenheit der Fäſſer. Waren dieſe nicht feit oder 
jtarf genug over regnete es viel, jo gingen die foftbarjten Bücher zu 
Grunde und die einzelnen Werke mußten um einen viel geringern Preis 
verfauft werden, wenn auch die durchnäßten Lagen auseinander genom: 
men, getrodnet und dann wieder zujammengetragen und von neuem fol- 
Iationiert wurden. Die Reife der Fuhrleute von Nürnberg über Straf- 
burg nach Bajel und wieder zurüd dauerte damals volle fünf Wochen. 
Dabei fuhren fie immer erſt vom jeweiligen Ausgangsplate ab, jobald 
jie volle Yabung hatten, weshalb denn Koberger auch jtets mahnte, Amer- 
bach möge für volle Ladung forgen, damit der Fuhrmann nicht aufge: 
halten werde. „Er hoffe“, ſchreibt Koberger z. B. am 22. Oftober 1498 
an Amerbah, „vaß er für den Fuhrmann Dans von Dorlach fo viel 
geladen habe, als er laden könne; er, Koberger, eile und treibe jo ftarf, 
weil er die Bücher gern bei gutem Wetter nach Nürnberg gebracht zu 
jehen wünſche.“ Einige Tage jpäter, am 26. Oftober, melvet er vie 
glückliche Ankunft einer Sendung in Nürnberg, erneuert aber jeine Bitte, 
daß Amerbach ja für recht gute, jtarke Füffer forgen möge „Wenn 
jet jchlechtes Wetter geweſen wäre, jo hätte ich einen großen Schaden 
gehabt, denn die gejandten Fäffer ſind zu dünn von Holz, die Dauben 
gingen auseinander und es drang das Waffer ein.” Am 1. Februar 
1503 jchreibt Koberger an Amerbach, daß er noch fein Faß von ihm 
erhalten babe; er wiſſe nicht, wo die Fuhrleute ſteckten, und höre von 
großem Waſſer. Wenn fie noch lange ausblieben, jo würde er großen 


348 Auton Kobergers Briefwechſel mit Amerbach und Betri. Fünftes 


Schaden leiden. Bei Schluß des Briefs erhielt Koberger endlich fünf 
Fäſſer, aber faſt ganz durchnäßt und „etliche ganz erdrunken“. Er bittet 
deshalb dringend, daß Amerbach nur gute Fäſſer nehme, namentlich aber 
für die „Exemplaria“. Auch am 17. Juni 1501, wie faſt bei jeder 
ipätern Sendung, klagte Koberger wieder wegen ver zu leichten Fäſſer. 
Schlieklich forderte er Amerbach auf, in Baſel Leder zu faufen und bie 
Bücher darin zu verpaden, da fie in Ballen jicherer als in ſolchen 
ſchwachen Fäſſern verjandt werden fünnten. Amerbach aber entzog jich 
diefem Anſinnen dadurch, daR er von Koberger verlangte, er möge ihm 
Yente jenden, welche jolche Ballen zu paden verjtinden. So blieb es 
venn doch bei der gefährlichen Verjendung in Fäſſern. 

Gab es aber erſt Krieg oder Fehde, jo wurde ein verbeißungsvoll 
ausjehendes Faß einfach zerjchlagen, in ven Büchern nach Geld gejucht 
und dabei der Inhalt jo zugerichtet, daß er unbrauchbar wurde An 
derartigen Überrafchungen fehlte es namentlich zu jener Zeit und auch 
ſpäter nicht. „Die drei Faß mit Auguſtinus“, ſchreibt Koberger am 
9. Mai 1506 an Amerbach, „die mein Neffe zu Baſel hat aufgegeben, 
ſind am heutigen Datum angekommen. Es iſt mir kümmerlich damit 
ergangen. Als der Fuhrmann in die Nähe von Wimpfen gelangte, 
wurde er gefangen und ſamt dem Wagen von der Straße weg in einen 
Wald geſchleppt. Da haben ſie die Fäſſer aufgeſchlagen und darin nach 
Geld geſucht. Nachher iſt Regenwetter eingefallen und ſind die Bücher 
wohl halb ſchadbar geworden und erdrunken. Das iſt mein Gewinn, 
der geht alſo weg. Ich muß Patienz haben.“ Wenn aber Fehden oder 
anſteckende Krankheiten ſelbſt nur in einem kleinen Gebiet wüteten, ſo 
lag der Verkehr ſo gut wie ganz danieder, und es fand dann gar keine 
Warenbeförderung ſtatt. Zu all dieſen Fährniſſen geſellten ſich dann 
noch die ſteten Schwierigkeiten der geſchäftlichen Korreſpondenz. Bei 
wichtigen Beſprechungen beſuchten zwar Verleger und Drucker einander 
oder verabredeten eine Zuſammenkunft auf der frankfurter Meſſe; in ge— 
wöhnlichen Zeiten aber wechſelten ſie Briefe und Aufträge durch den 
Fuhrmann oder ſandten ſich auch einen beſondern Boten, ſicherheitshalber 
ſogar doppelte Boten, nach Baſel oder Nürnberg, die freilich Wochen 
zur Beſorgung ihres Geſchäfts brauchten. 

Natürlich bereiteten derartige troſtloſe öffentliche Zuſtände Koberger 
auch große Schwierigkeiten in der rechtzeitigen Einziehung ſeiner Forde— 


Kapitel.) Anton Kobergerd Briefwechiel mit Amerbach und Petri. 349 


rungen und in der Beichaffung der Mittel zur Bezahlung feiner Verbinp- 
lichkeiten. Troß aller Bemühungen, Amerbach pünftlich zu befriedigen, 
war es ibm mehrmals unmöglich, bares Geld zu beſchaffen oder Wechjel 
auf Baſel aufzutreiben. Bis zum Ende des Jahrhunderts ging alles 
glatt ab; ja, Koberger zahlte Amerbah im Frühjahr 1499 jogar die 
nicht unbeveutende Summe von 300 Gulden eine Meſſe früher, als ur- 
jprünglich verabredet worden war, und in der Herbſtmeſſe 1499 hatte 
er jogar 600 Gulden mehr bezahlt, als er damals jchuldete. Im Anfang 
ihrer Verbindung deckte er feine Rechnungen bei Amerbach durch Iyoner 
Wechſel auf Bafel, mit deren Anfauf bei der lebhaften und verbältnis- 
mäßig jicbern Verbindung zwijchen beiden Städten geringere Gefahr und 
deshalb auch ein wohlfeileres Agio verbunden war. Außerdem aber hatte 
Koberger in yon auch eim großes, damals ftets bares Geld einbringen- 
des Yager, deſſen Verwaltung nach einem Briefe vom 22. Oftober 1498 
jein Faktor Siriacus Hochwerd (bei Hanffen von Michelſtadt zu Her- 
berg) und jpäter jein Neffe Hans, Sohn des Bäckers Sebald Koberger, 
des ältern Bruders Antons, bejorgte. 

Im Frühjahr 1500 ſchrieb Koberger an Amerbach, daß er wegen 
der in Frankfurt und im feiner Nachbarjchaft drohenden Fährlichkeiten 
die dortige Meſſe nicht befuchen und auf ihr auch feine Zahlung leiten, 
wohl aber zur Oſtermeſſe nach Lyon geben und ihm von hier aus 1000 
Gulden auszahlen werde. Es war damals ficherer, das Geld von yon 
nach Bajel, ald von Frankfurt nach Baſel zu fchaffen, namentlich konnte 
man es zuverläſſigen Kaufleuten in Lyon einhändigen, welche es in Bajel 
wieder auszahlten. Den Berluft an Agio mußte freilich Amerbach tra- 
gen, denn Koberger jchrieb ihm: „Ich kann Euch nicht Gulden in Solo 
zu Lyon geben, jondern foviel für einen Gulden, als ziemlich und wie 
der gemeine Yaufft in der Zahlung ift. Ich bitte Euch, lieber Meifter 
Hans, wollet zu diefem mal für gutnehmen und Patien; mit mir haben, 
denn es wird mir wahrlich jegund jchwer. Demnächſt fommt die nörd— 
linger und ftraßburger Meſſe, jo will ich aber thun, jo viel mir möglich 
it. Es geht wahrlich allenthalben fümmerlich, auf dem Yand Bücher 
zu werfaufen. Ich habe meine Werkftatt ganz abgeftellt und vrude gar 
nicht.“ 

Bald darauf reifte Koberger wirklich nach Lyon und zahlte laut Brief 
vom 19. Mai 1500 bei Konrad David 600 Gulden bar unter der Be— 


350 Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Betri. [Frünftes 


dingung für Amerbach ein, daß fie dieſem ohne Abzug in Gold bezahlt 
werben jollten. Er hatte jeit der frankfurter Meſſe Mons (Bergen), 
Antwerpen und Paris bejucht, ohne indeffen Gelder aufzutreiben, denn 
es war, wie er jehreibt, ein jämmerlih Ding mit dem Buchhantel; er 
fonnte für feine Bücher fein Geld befommen und hatte dagegen nur 
„große Gzerung und Koſtung“. Wie er am 26. und 29. Mat 1501 
ichrieb, hoffte Stoberger von Lyon nach Bajel bald 1200 Gulden jchiden 
zu können; indeſſen ſchlug auch dieſe Berechnung fehl. Er batte näm— 
lich jeinen Neffen Dans mit 300 Eremplaren ver „Glossa” nach Venerig 
gejchiekt, um fie dort gegen andere Bücher zu „verftechen” (vertaujcen) 
und die eingetaujchten in Lyon zu verfaufen. Da er aber noch 300 Gul— 
den bar in das Unternehmen gejtedt und Dans Koberger feine Gejchäfte in 
Venedig gemacht hatte, jo mußte diefer noch 300 Gulden auf Lyon ziehen, 
von denen Anton Koberger die Hälfte in der Oftermefje zu deden hatte, 
Zudem gingen von Lyon nach Venedig und zurüd allein 400 Gulden 
für Fuhrlohn drauf, ſodaß Anton Koberger nach deren Bezahlung fein 
Geld mehr Hatte. Der Neffe kam mit den 50 Ballen vwenezianijcher 
Bücher zu jpät nach Lyon, weshalb er nur einen kleinen Teil davon 
abjeste. So fehlte es überall an barem Gelde. Schließlich half ſich 
Koberger damit, daß er am 28. Mai 1501 zu Gunften Amerbachs einen 
Wechſel von 900 Gulden auf Straßburg ausjtellte und damit feine 
baſeler Druder wenigitens auf einige Monate befriedigt. Bald ehren 
jedoch diejelben alten Klagen über Geldmangel in faft jedem Briefe wieder. 
Trotz feines guten Willens fonnte Koberger nicht rechtzeitig genug Dedung 
nach Bajel jenden, zumal auch jeine Außenſtände aus Ofen, Wien, Bres- 
lau, Yeipzig und andern Städten nicht eingingen. Im Mai 1502 be 
auftragte er feinen Neffen Hans, alles Geld, welches er aus der lyoner 
Dftermefje übrig habe, nach Bajel zu bringen. Für den Fall, daß dies 
zur Dedung der Amerbah und Petri jehulpigen 900 Gulden nicht ges 
nügen jollte, veriprach Koberger, jelbit nach Lyon zu gehen und auf ver 
dortigen Auguſtmeſſe mehr Geld aufzutreiben, eventuell aber auf ver 
nächjten franffurter Herbjtmefje den Reit aus den dortigen Eingängen 
zu bejchaffen. Hans SKoberger jchrieb aus yon am 30. Augujt 1502 
an Amerbach, er jei zwar beveit ihm das Geld zu jchiden, allein er 
finde niemand, der es annehmen wolle; er jelbjt aber habe feine Zeit, 
nach Bajel zu fommen, da er nach Mailand und Venedig müſſe, wes- 


Kapitel.] Anton Kobergers Briefwechſel mit Amerbad und Petri. 351 


balb die Zahlung nicht auf der franffurter Herbitmeffe, jondern erjt auf 
der Iponer Alferheiligenmeffe erfolgen könne. Schließlich aber ergab fich, 
daß in Lyon fein Geld zu bejchaffen war, da auch in Frankreich alles 
Seichäft ftodte und „niemand nichtz ſchaffte“. Endlich wies Koberger 
Amerbach an, fih von einigen nürnberger Kaufleuten, welche die Simons- 
ud Judämeſſe (24. Oftober) in Bajel bejuchten, 200 Gulden gegen 
Quittung zahlen zu laffen. Den Reft feiner Schuld aber vertraute er 
laut Brief vom 24. Oktober 1502 „einem frommen, ehrbaren nürn- 
berger Kaufmann“ mit 1000 Gulden in gutem Gelde an, die er bei dem 
Fuhrman Stephan Clein in Straßburg für Rechnung Amerbachs ein- 
zablen ſollte. 

Die Beranlafjung übrigens, welche Koberger bejtimmte, feinen Neffen 
Sans mit 300 Exemplaren der „Glossa ordinaria” nach Venedig zu 
jenden, war eigentlich von der baſeler Geſellſchaft jelbjt hervorgerufen 
worden. Aoolf Ruſch in Straßburg batte nämlich die erjte Ausgabe der 
Bibel mit der „Glossa ordinaria”“ und zwar, wie im zweiten Kapitel 
unter Straßburg ſchon angeführt, zum größten Teil für Anton Koberger 
in Nürnberg gedruckt. Schon damals (in den achtziger Jahren) ging 
Amerbach mit dem Plane um, die „Glossa ordinaria’” nachzupruden, 
itand aber auf die Bitten Adolf Ruſchs, dem er jehr verpflichtet war, da— 
von ab. Diejen Plan nun nahm die bajeler Gejellichaft unmittelbar nach 
Beginn der Bibel des Hugo wieder auf. Als Amerbach eine Mitteilung 
biervon an Koberger gelangen ließ, worin er indeſſen wohlweislich feinen 
Partner Johann Petri als Unternehmer vorſchob, beklagte fich Koberger 
bitter über das Unrecht, welches ihm dadurch zugefügt werde. „Es dünkt 
mir diejes“, jagt er, „ein unziemlich und unerbares Vornehmen.“ „Ich 
babe Euch und ihm oft gejchrieben, wie ich davon noch eine große 
Summe unverfanft liegen habe, denn ein jo großes Werf läßt fich nicht 
jo ſchnell vertreiben.” „Ich hab freundlich und erbarlich mit ihm ge- 
bandelt und er will mir jolchen Schaden zufügen, wie e8 ein Jude dem 
andern nicht thun jollt.“ Und fpäter, da Amerbach dem Petri das 
Wort redet, fpricht fich Koberger noch entrüfteter über jenen Anjchlag 
aus: Sein Werk (dad von Ruſch gebrudte) bleibe ihm liegen; denn 
da er es immer hoch im Preiſe gehalten habe, jo habe er davon nicht 
jo viel verkauft, ald wenn er es um ein Spottgeld bingegeben bitte, 
Einer ſolchen That habe er fih von Meeifter Hanſen nicht verjehen, 


352 Anton Kobergers Briefwechlel mit Amerbach und Petri. Fünftes 


denn wenn jener ſchon die Abſicht gehabt hätte, das Werk neu zu drucken, 
jo jet e8 jedenfalls jeine Pflicht gewejen, es ihm eine Zeit lang vorher 
anzuzeigen, damit auch er, Stoberger, das Seine hätte zu Geld macen 
fünnen. „Aber diefe Treue‘, ſchreibt er weiter, „bat er mir nicht be- 
wiejen.“ „Ich habe es längſt von andern gebört, auch meine Diener 
hatten mir davon gejchrieben, aber ich habe es nicht glauben wollen, bis 
ich Euern Brief erhalten habe. Ich babe auch längſt gemerkt, daß er 
(Petri) mir den Nuten und Gewinn an dem Werf nicht gegönnt bat, 
obwohl ihm dies auch zugute fommt; denn bätte ich das Werf nicht je 
teuer gehalten und wäre es gleich im Anfang in der Yente Hände ge 
fommen, jo hätte Meeifter Hans es nimmermehr mit Nuten pruden 
mögen.” Koberger verſchmäht cs, ſich an Petri zu rächen, was er durch 
Abbruch feiner Gejchäftsverbindung mit ihm oder durch Borenthaltung 
von Gelvern ſehr leicht gefonnt hätte, „Das wäre”, fagt Koberger, „ein 
rechtes Salz zu dem Wildpret, das ich um Gottes willen nicht tbun, 
jonvdern ihm erbar freundlich gute Zahlung leiften will, als ein frommer 
Mann, ver e8 Gott anbefiehlt, was er mir fir Schaden zugefügt bat.“ 

Infolge dieſes Neudrucks num entſchloß fich Koberger jchnell, für die 
vorrätigen Eremplare jeiner Ausgabe Abjat im Auslande zu juchen, ehe 
er dort eine Konfurrenz zu fürchten hatte. Das war ein weiterer und 
wohl der Hauptgrund, feinen Neffen Hans mit jenen 300 Erempfaren, 
wie jchon erwähnt, nach Venedig abzujchiden. 

Die Handlungsweife der bajeler Geſellſchaft war gegenüber dem ihr 
vertrauenden und ihre Preſſen gewinnbringend bejchäftigenven Geſchäfts— 
freunde geradezu eine jchmachvolle; fie wurde aber noch verächtlicher durch 
den Umjtand, daß Amerbach that, als ob er dem ganzen Plane fern 
ftehe. Nun aber druckten Amerbab und Petri gemeinjchaftlic und ent- 
warfen jelbjtredend auch gemeinschaftlich ihre Pläne. Jenem lag die 
Leitung des Ganzen und bejonders des wiljenjchaftlichen Teils des Ge— 
ſchäfts ob, während dieſer der eigentliche Druder war und den technijchen 
Teil leitete. Dieje ſchnöde Schädigung Ktobergers wurde fpäter in ähn— 
ficher, ja in noch heimtückiſcherer und ſchlimmerer Weife wiederholt. 

Amerbach gilt allgemein als ein vollendeter Chrenmann, deſſen edeln 
Charakter, Uneigennütigfeit und Frömmigkeit Zeitgenofjen und Nachwelt 
nicht müde werden in allen Tonarten zu preifen. Er jelbjt nennt ſich 
einen frommen Statholifen, der nur die wahren, feujchen und göttlichen, 


Kapitel.) Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Betri. 353 


nicht aber die verlogenen objeönen und weltlichen Bücher liebe und durch 
den Druck verbreite. Wenn er num in demſelben Briefe vom 28. Sep- 
tember 1498 den ihm vertrauenven Koberger als einen edeln und ge- 
rechten, vortrefflihen und wahren Dann feiert, jo finden, foweit man 
nach jeinem beimtüdijchen Verrat am Gejchäftsfreunde urteilen fann, 
dieje anerfennenden Worte auf ihn jelbjt feine Anwendung. Im Yichte 
der quellenmäßigen Thatjachen betrachtet ift vielmehr Amerbachs Charakter 
durchaus nicht rein. Man kann auch die pamaligen Anſchauungen über 
den Nachorud nicht zu jeiner Entjchuldigung anführen, denn Amerbach 
brach jeinem Freunde die Treite. 

Koberger jeinerjeits trat dieſem jehimpflichen Gebaren vornehm, ja 
vielleicht zu harmlos entgegen. Als Petri ihm jchlieklich feinen Nach- 
druck ver „Glossa ordinaria” zum Kauf angeboten hatte, jchrieb Koberger 
an Amerbach: „Es ift mir ſchwer, mit ihm (Petri) zu handeln, Ihr 
wißt, wie cd mir mit ihm ergangen iſt und wie mir fein Nachbrud 
großen Schaden bereitet hat; trotzdem aber, da der Handel in deut— 
jben Yanden faft auf Euch, Ihm und mir ruht und ftebt, jo 
wäre ich wohl geneigt, weiter mit Euch zu handeln, aber es müßte jo 
zugeben, daß feiner von dem andern Schaden zu beforgen hätte. Dann 
boffe ich, die Werke in folchem Wert zu halten, daß wir uns des Han— 
dels umjer Yebtag mit gutem Nugen erfreuen und unjere Nachkommen 
ihre Nahrung vielleicht auch beſſer davon haben möchten.” So wurde 
denn die beſtehende Gejchäftsverbindung nicht abgebrochen, obwohl Ktoberger 
wahrlich guten Grund dazu gehabt hätte. 

Der lebte (fiebente) Band des Hugo wurde, wie ſchon gejagt, gegen 
Martini 1502 beendigt. Bon der Auflage von 1600 Exemplaren gingen 
in der Folge 300 nad Lyon, wo fie übrigens nur langjam Abſatz fan- 
den — in Frankreich „ſtec (ſtockt) es allenthalben jere und ſchafft nie- 
mand nichtz“, jchreibt Koberger —, 300 nad Spanien und 400 nad 
Stalien, aus welch leßterm Yande jedoch der größte Teil zurüdgejandt 
wurde. Die übrigen Exemplare ließ Koberger nach Nürnberg, Straf- 
burg, Frankfurt und Paris fommen. In Bafel blieb von der ganzen 
Auflage nichts. Am 26. Juli 1503 ſchickte er acht vollftändige Exem— 
plare an Amerbach zurüd, va diejer gejchrieben hatte, er könne fie ver- 
faufen. 

Ktobergers Freude an dem endlich vollendeten Werfe jollte indeſſen 

fapp. I. 23 


354 Anton Kobergers Briefwechlel mit Amerbad und Betri. [Fünftes 


nicht fange währen. Der Drud war nämlich noch nicht einmal beendet, 
gejchweige denn das Buch ausgegeben, als Amerbab in mehrern Briefen 
an Koberger ſchrieb, daß man ven Hugo nachzupruden gedroht habe. Seine 
erite desfallfige Nachricht ftammmt aus dem Februar 1502. Yon wem und 
von wo dieje Drohungen ausgingen, verichweigt er, trotz Kobergers wieber- 
holter bejorgter Anfragen; vor der Hand wollte es Amerbach wobl mit 
diefem nicht verderben und begnügte fich mit vunfeln Andeutungen. Dan 
braucht aber nicht weit zu juchen, um die Urheber zu finden. Es waren 
Amerbach und Petri jelbjt, welche Arbeit für ihre Preffen brauchten und 
fich einen neuen Auftrag von Koberger erprefien wollten. Abgejeben da— 
von, daß fie nach dem oben gejchilverten Komplot wohl die Männer waren, 
zu denen man ficb der That verjehen konnte, jo deckten fie auch ihre Kar- 
ten bald ganz offen auf. Zunächſt teilten fie jchon Kobergers Neffen 
Hans zu Anfang 1502 mit fluger Berechnung mit, daß fie den Hugo, 
die „Glossa ordinaria” und die Werfe des heiligen Auguftin, wenn 
Anton Koberger damit einverjtanden ſei, auf gemeinjchaftliche Rechnung 
beritellen und vertreiben wollten; zugleich aber erklärten fie fich bereit, 
mit ihm die Einzelheiten des Plans zu vereinbaren. Natürlich war bieje 
Mitteilung nur darauf berechnet, ven Verleger zu ködern, welcher, von 
jeinem Neffen benachrichtigt, purch ein derartiges Conto-A-meta-Gejcäft 
eher dem unbefugten Nachorud des Hugo vorbeugen zu können boffte 
und umgehend won den Bajelern genaue Mitteilung ihrer Bedingungen 
verlangte. Die Berhandlungen jchwebten während des ganzen Jahres 
1502. Amerbach jpielte jest, nachdem Koberger feine Bereitwilligfeit er- 
flärt hatte, den Zögernden und that, als ob er zu alt und gebrechlich 
jei, um jolch weitausjehende Unternehmungen in Angriff zu nebmen. Se 
länger er hinhielt, deſto higiger wurde Kloberger. Diejer juchte am 24. Of 
tober 1502 die angeblichen Bedenken Amerbachs mit dem Vorſchlage zu 
bejeitigen, daß man ja vorläufig nur mit einer Preffe anzufangen und erit 
dann energiſch im Drud fortzufahren brauche, wenn Amerbach fich zu dem 
Werke wieder geſchickt fühlen werde. Jetzt hatten die beiden bajeler Druder- 
herren Koberger da, wo fie ihn haben wollten. Sie meldeten ibm, daß 
fie zur mündlichen Verabredung über die gemeinjchaftlichen Pläne und 
den Neudrud des Hugo demmächjt in Nürnberg eintreffen würden. „Das 
jv mit jampt meifter Hanſſen peter (Petri) her uff Nurmberg kommen 
wollt“, jehreibt Ktoberger an Amerbach am 20. November 1502, „das 


Kapitel.) Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Petri. 355 


bab ich gern vernommen und wil ewer beyder aljo warten und hoffend 
jein. Doc jo e8 euch woll füglich iſt und ewer fach wol zw end gericht 
band, de mit das jr mitt guter rwe (Ruhe) mogtt bie jein, So wollen 
wir ob gott wil mit ein ander fröfich jein vnd all unjer rechenjchafft 
mitt gutter muß jchlecht und eben machen. Und bitt euch beyd, So euch 
gott berhilfft, Das jr an fein ander end wollet einreitten, den jn mein 
Hauß vnd wollet bey mir für gut nehmen.” Dieje Zuſammenkunft fand 
dann auch im Dezember 1502 oder im Januar 1503 ftatt, denn ſchon 
in einem Briefe vom 9. Februar 1503 ſpricht Koberger von Amerbachs 
Abſchied von Nürnberg. Sie hat offenbar nur zu einer Vereinbarung 
über einen Neudrud des Hugo, und zwar auf Kobergers ausjchlieh- 
liche Koften, geführt; von gemeinjamen Unternehmungen ſchweigen wenig- 
jtens die Briefe für die nächſte Zeit, nachdem der gelchrte Amerbach 
und Betri ihrem Gejchäftsfreunde (?) Koberger das Meſſer an die Stehle 
gejett hatten. Es wurde bejchlojfen für den Sat neue Schrift und 
für ven Drud gutes Papier anfertigen zu laffen. 

Diejer unmittelbar nach Ausgabe der erjten Auflage des Hugo be- 
gonnene Neudruck erwies fich, wie von vornherein faſt zu erwarten, jehr 
bald als ein äußerst jchlechtes Gefchäft. Er brauchte zu feiner Vollen- 
dung nur zwei Jahre und erjchien bereits im Herbſt 1504. Die erjte 
Auflage war kaum halb vergriffen, als die eriten Bände der neuen ans 
Ficht traten. Um das Werk verfüuflicher zu machen, ließ Ktoberger ein 
ausführliches Anhaltsverzeichnis zur erjten Auflage anfertigen; indeſſen 
wurde es wenig verlangt, weil die Käufer gleich die zweite haben wollten. 
Diefe war übrigens viel weniger jorgfältig gedruckt. Koberger fand in 
jeinem Briefe vom 14. Dftober 1505 die Arbeit „caduc und unfleißig, 
.. . . jo wirt das werd noch unfewfflicher werden”. Der verzweifelnde Ver— 
leger, ver gleichzeitig infolge des Daniederliegens des Gejchäftsgangs 
mit jehweren Geldbedrängniſſen zu kämpfen hatte, tadelte jetzt Amerbach, 
daß er ihm den Hugo zu jehr angepriejen und ihn dadurch zu biejem 
Unternehmen bejtimmt habe, Überall im Lande herrſchte „Sterb, Tewe- 
rung und Krieg“, ſodaß es auch ganz vergeblich war, wenn Koberger 
jeine Faktoren anwies, den „Hugonem flur hinzugeben‘ Erſt im Som: 
mer 1504 fing das Werf an allgemeiner befannt zu werden und größere 
Berbreitung zu finden. Koberger überzeugte fich jet, daß er beffer ge- 


than haben würde, wenn er mit dem zweiten Drud noch ein paar Jahre 
23* 


356 Anton Kobergers Briefwechſel mit Amerbach und Petri. [Fünftes 


länger gewartet hätte. Seine ftändige Bitte aber an Amerbac ging 
dahin, er möge mit dem Neudruck langſam vorgehen, lieber die Werte 
Auguftins in der Zwifchenzeit vollenden und ibn zu Kräften kommen 
faffen. Dieje Bitte fruchtete aber bei den bajeler Herren nichts. In der 
jchweren Kriegszeit, Die auch ihr Gejchäft prüdte, war es ihnen natür- 
lich doppelt bequem, in Koberger ven Mann zu haben, der ihre Brefien 
in ununterbrochener Thätigfeit erbalten mußte und ihnen ſelbſt dadurch 
zugleich indirekt Die Mittel für ihre jonftigen Unternehmungen lieferte. 
Ununterbrocen ging der Neudruck von jtatten, ununterbrochen gelangten 
Mahnungen über Mahnungen an Koberger, welche ihn die ganze Bitter: 
feit der eingegangenen Verbindlichkeiten fühlen liegen. 

Wahrhaft rührend find die Briefe Kobergers vom 12. Auguft, 9. Ch 
tober und 20. Dezember 1504; fie laſſen feine verlegenbeitswolle gejchäft- 
liche Page klar bervortreten und find bezeichnend für die damalige poli- 
tische Yage. Amerbach hatte fich wieder einmal wegen der ausbleibenden 
Geldſendungen beklagt. Koberger antwortete darauf: „Ich babe Euch 
vor acht Tagen gejchrieben, dag Ihr jemand nach der franffurter Meſſe 
jchiefen jollt, und babe mich zu derjelbigen Zeit verjehen, e8 ſollte Meſſe 
zu Frankfurt worden fein. So find die Ktriegslewfft jeit der Zeit noch 
heftiger worden, aljo daß ich mich verfieh, daß ganz feine Meſſe zu 
Frankfurt werd und jonderlich niemand von bier aus diejer Stadt Nürn— 
berg dahinfommen wird. Denn die Fürſten wollen nicht geleiten und 
ijt ein jämmerlich Weſen in diefen Landen. Gott der Allmächtige wolle 
und verleihen jeinen göttlichen Frieden. Alfo daß Ihr niemand von mein 
wegen nach Frankfurt ſchicken dürft, wenn ich kann nicht dahin fommen, 
noch feinen Diener dahin jenden. Auch kann ich feine Bücher dahin: 
bringen, Geld Euch auszurichten in dieſer franffurter Meſſe ift mir 
wahrlich nicht möglich. Ich verfieh mich nicht 1 Gulden aus dieſer Meſſe. 
Ich bitte Euch, die Fäſſer bei Euch zu behalten, bis die Zeiten beſſer 
werden umd fie nur gegen meine Anweiſung abzufenden. Ich bejorge 
aber, daß das Ding noch lang fein Ende nehmen wird. Etliche, jo da- 
bon reden, find der Meinung, es bab noch nicht recht angefangen. 
Der allmächtige Gott verleihe uns jeinen göttlichen Frieden. Amen!“ 

Amerbach bejchwerte fih kurz nach Empfang dieſes Schreibens dar- 
über, daß ihm der Diener Kobergers nur 300 Franken als Ertrag der 
Iyoner Auguſtmeſſe geſandt habe, während letterer ihm 600 Gulden an- 


Kapitel.) Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Petri. 357 


zuweifen Auftrag gegeben hatte. „Ich weiß wohl‘, jehreibt der Berleger 
an den Druder, „was unjers Vertrags Inhalt tft, und bevenfe das wohl 
jo oft, als Ahr das mögt bevenfen, und iſt mir eine bejondere Bein, 
daß ich Euch nicht halten fann und mag, als ich Euch vwerjchrieben bin, 
aber es iſt ohne meine Schuld, jondern der jehweren Kriegslewfft, die 
in mittlerer Zeit vorgefallen find, aljo daR der Handel allenthalben 
niederliegt. Ich kann meinen Dienern nichts zujchiden, was jie von 
Büchern noteürftig find. So fünnen fie nicht Geld löſen und iſt ein 
weitlewfftiger Krieg, was niemand jo gut weiß als die, die im Handel 
fine. Man jchafft allenthalben nichts, und darum, lieber Meijter Dans, 
wollet Meitleiven mit mir haben. Altes das, jo ich kann und mag zu 
Geld bringen, will ich Euch jehiden und Euch wiſſen laffen, was Ihr 
von Geld auf mich nehmen mögt. So wißt, daß ich einen Diener zu 
Frankfurt gehabt habe. Der hat 300 Gulden aus Schuld bracht, aber 
nicht über 10 Gulden aus Büchern gelöft, denn es ift eine arme Meſſe 
geweſen. Hab ich die 300 Gulven nicht heraus mögen bringen, jendern 
ih habe fie müſſen auf Wechjel geben bis auf Weihnachten. Was mir 
denn jetzund zu leybezig (Yeipzig) gelöft wird, muß ich ein ganz Jahr 
Zeit Dazu geben, will ich Gold haben. Denn da zahlt man jedermann 
mit Münze 21 Grojchen für 1 Gulden. Will ich Gulven in Gold haben, 
jo muß ich geben 23%/, over 24. Das mag der Dandel nicht ertragen. 
Auch iſt es aljo worden in dem Yand zu Polen und in Ungarn, daß 
man 4 oder 5 Grojchen auf ein Gulden verlieren muR, wer Gold will 
haben. Aber ih will Schaden leiden und thun, was ich mag, damit, 
dar ich Euch zufrieden jtelle. Item jchrieb meinem Diener auff Frank— 
furt, ob jemand von Euretwegen wäre zu Frankfurt, dem jollt er jolch 
300 Gulden überantworten. Alſo iſt niemand dageweſen, aber auf Weib: 
nachten mögt Ihr 300 Gulden auf mich zu Wechjel nehmen, die will 
ich ausrichten. Aber mein Rat ift, dar Ahr ſolch Geld bar einnehmt, 
nicht, daß die Kaufleute hier das Geld nehmen und Kaufmannſchaft kaufen 
und Euch erjt darnach wollen Ausrichtung thun, jo fie die Güter auf 
Bajel bringen. Denn es ift hier herum viel zu jorglich (gefährlich). Die 
Wagen werden genommen und wenn die Güter genommen werben, jo 
wollte man Euch vielleicht darnach nichts ausrichten. Das wäre nicht 
für Euch noch für mich, und darum iſt nichts beſſeres, denn das Ge— 
wiflejpielen (das Sichere zu wählen). 


358 Anton Kobergers Briefwechiel mit Amerbach und Petri. [Fünftes 


„stem, lieber Meifter Hans, wifft, daß ein arm jämmerlich Wejen 
bier ift Unfriepshalber und zu bejorgen, daß es täglich böfer werde, und 
darum bitte ich Euch freundlich, wollet Patienz mit mir haben. Ich 
will thun Alles, das jo mir möglich ift zu thun. Ich habe wohl Geld 
su Wien, auch zu Ofen in Ungarn, zu Breslau, zu Cracau, aber es 
ift mir nicht möglich, in dieſen Kriegslewfften einen Gulden auf Nürn: 
berg zu machen oder zu bringen. So kann ich auch meinen Dienern 
fein Buch an die End ſchicken.“ 

Überhaupt waren die Zeiten wenig dazu angethan, einen größern 
Abſatz zu erzielen. Die neu erfcheinenden Bücher überftürzten ſich, die 
Bücherkäufer aber vermehrten fich nicht, zumal die Haupterjcheinungen 
der Yitteratur vorzugsweiſe dem theologifchen Gebiete angehörten. „Man 
hatt‘, jchrieb Koberger 11. April 1503, „die pfaffen So ganz aufge: 
(eret, mit den buchern jo vil gelcz (Geld) von jn czogen, das mit mer 
dar an wollen.“ Dann aber zogen fich die Kriegsſtürme immer heftiger 
zuſammen, ſodaß von ven Fürjten fein Geleit mehr zu den Meſſen zu 
erlangen war. Wenn fpäter auch die äußern Konjunkturen bejjer wur: 
den und infolge deffen ver Hugo für einige hundert Exemplare mehr 
Käufer fand, jo blieb jein Abjat doch weit hinter den Erwartungen zu: 
rück; namentlich aber ſtockte verjelbe ganz, als erft die Reformation fich 
der Geifter bemächtigte und die alte theologijche Yitteratur fo gut wie 
ganz verbrängte. 

Koberger machte im Yaufe der Jahre noch manches große Gejchäft 
mit Amerbach und Petri. Namentlich kaufte ev ihnen einige ihrer gang: 
barjten Verlagsartifel ab, wie 5. B. 1000 Eremplare der Werfe des 
heiligen Auguftin im Frühjahr 1506, um die Yager jeiner Filialen im 
Paris, yon und andern Städten zu vervollſtändigen; indeſſen ließ er 
bei Amerbah und Petri fein einziges Buch mehr drucken. Fortan be: 
diente er ſich ausjchlieflich der Iyoner und ſtraßburger Preſſen; er war 
gewitigt worden. Was Stoberger übrigens als Druder und Verleger 
geleijtet hat, ift noch nicht überholt. Die Nachteile, unter welchen er 
vielfach leiden mußte, wurden andererjeits eine Zeit lang durch jchwer- 
wiegende Borteile wieder ausgeglichen. So drudte er, mit wenigen 
Ausnahmen, im einer einzigen gelehrten Sprade und hatte einen und 
venjelben Kundenkreis, deshalb auch ein und dasjelbe national nicht ge: 
ichiedene Abjatgebiet, furz, einen großen internationalen Markt. Aber 


Kapitel] Veralten von Anton Kobergers Verlag. 359 


damit verfnüpfte er auch jein gefamtes Gejchäftsintereffe zu eng mit 
einer alternden, ſich ausgelebt habenden Zeit. In Kobergers letzten 
vebensjahren trat der junge Humanismus wühlend und umwälzend auf 
den Nampfplaß; er, und noch weit mehr jeine unmittelbare Nachfol- 
gerin, die Reformation, wollten nicht viel von Kirchenwätern, Gloſſen 
und Poſtillen wiſſen. Sie legten den Abjat der mittelalterlichen theo- 
logiſchen Yitteratur vollends Lahm, 


Schites Kapitel. 
Der Buchhandel in jeinem Berhältnis zum Humanismus. 


Nenaiffance und Humanismus. — Phaſen des Humanismus. — Humaniſtiſch— 
theologiiche Periode. (Brüder vom gemeiniamen Leben) — Humaniſtiſch-wiſſen— 
ichaftliche Periode. — Erasmus. — Aldus Manutius. — Seine Berlagsthätigkeit. 
— Verbindungen mit den deutichen Humaniſten. — Beziehungen zu Erasmus, — 
Zu Reudlin. — Geichäftsbezichungen zu Deutſchland. — Geichäftliche Leiſtungen 
und Erfolge. — Johann Froben. — Humanismus in Erfurt. — Die humaniſtiſch— 
polemifche Periode. — Streit mit den Dunfelmännern. — Die Epistolae obsceu- 
rorum virorum. — Schluß. 


Die Morgenröte eines neuen Tages brach an, als Italien, die alte 
Yehrerin Europas, durch Wiederbelebung der Elaffischen Studien eine 
untergegangene jeböne Welt aus dem Schutt ansgrub und die jtrebjumen 
Seifter zu edlern und ivealern Anjchauungen emporhob. Die Menjch- 
heit fing eben wieder an, fich auf fich jelbjt zu befinnen und dem Gängel— 
band des Prieftertums zu entwachien. Neben der Kirche, welche bisher 
das Abendland zuſammengehalten hatte, entjtand jetst ein neues geiſtiges 
Medium, welches — mit Jakob Burdhardt zu reden ! — von Italien ber 
fich ausbreitend zur Lebensatmoſphäre für alle höher gebildeten Europäer 
wurde, Dieje Richtung, welche in ihrem Geburtslande Renaiffance 
hieß und dort die beiten Kreiſe durchdrang, entwidelte fich auf deutſchem 
Boden ald Humanismus und fand namentlich unter den Gelehrten um 
der jtudierenden Jugend ihre begeifterten Anhänger, welche durch grün: 
liches Studium der Flaffiichen Sprachen eine höhere Bildung anzubahnen 
und eine. Reformation der Wiffenjchaft hevvorzurufen juchten. Der Ita- 
liener der Renaiffance it der vornehme Herr, welcher feine Schranten 
für jein perjönliches Belieben fennt, den Ruhm als das höchite aller 


Sechſtes Kapitel.) NRenaiffance und Humanismus. Perioden des legten. 361 


Yebensgüter erjtrebt, heidniſch lebt und höchitens chriftlich jtirbt. Der 
deutiche Humanift dagegen geht meiftens aus den wmittlern und untern 
Volksklaſſen hervor, faßt, von tiefem Erkenntnisdrange ergriffen, ernſte 
Erziehungszwecke, eine fefte religiöſe und fittlihe Bildung ins Auge und 
jucht durch gewiffenhafte Arbeit das Yeben des Einzelnen zu verinner: 
fihen und zu vereveln. Allmählich erweitert fih nun dieſes Streben 
zum Kampfe des freien Geiftes gegen den Scholaftizismus, zur wifjen- 
ichaftlichen Forſchung gegenüber leerer Verſtandesſpielerei und zum jelb- 
jtändigen Denten gegenüber päpftlicher Autorität, um ſchließlich in der 
Reformation aufzugeben. Auferlich einander vielfach ähnlich, nament- 
lih aber in ihren Angriffen oft dasjelbe Ziel verfolgend, find Renaiſ— 
jance und Humanismus jedoch innerlich weit voneinander verjchieden. 
Italien spiegelt auch auf dieſem Gebiete den romanischen, wie Deutich- 
fand ven germanijchen Geift wider. Im Gegenjag zur jehönen all 
jeitigen Ausbildung des Menjchen umd ver gefülligen Form des Sta: 
lieners bringt der unbeholfenere, aber ernjtere Deutjche auf Hebung des 
innern geijtigen Lebens. 

Für die vorliegende Arbeit kommt natürlich nur der deutſche Huma— 
nismus in Betracht und auch dieſer höchſtens nur inſoweit, als ſeine 
Wechſelbeziehungen zum deutſchen Buchhandel reichen. Ludwig Geiger, 
deſſen vortreffliche Schriften dem Leſer auf dieſem Gebiete die eingehendſte 
Belehrung bieten ?, unterſcheidet drei verſchiedene Phaſen, die ziemlich 
gleichzeitig mit der Ausbreitung der Buchdruckerkunſt beginnen und bis 
zur Reformation reichen (etwa von 1460 bis 1520), und zwar die huma- 
niſtiſch-theologiſche, die humaniſtiſch-wiſſenſchaftliche und vie humaniftijch- 
polemiſche Periode. Ziemlich gleichzeitig und vielfach unſcheinbar inein— 
ander übergehend, verteilen ſich dieſe drei Perioden mit ihren verſchie— 
denen Schattierungen über ganz Deutſchland. Die erſte derſelben fängt 
au mit den Fraterherren in Holland, am Niederrhein und in Weſtfalen 
und hat ihre Hauptträger in Alexander Hegius zu Deventer und Rudolf 
von Langen zu Münſter. Edle und ernſte Geiſter, halten ſie einen Ver— 
mittelungsverſuch der neuen Bildungsanſätze mit der damaligen Kirche 
noch für ausſichtsvoll und erſtreben vorzugsweiſe die Erneuerung des 
innern Lebens der letztern. Einen bedeutenden Schritt über ſie hinaus 
thun die Wiener während der Regierung des Kaiſers Maximilian unter 
Celtis', die ſüdweſtdeutſchen Humaniſten unter Erasmus' und Reuchlins 


362 Perioden des Humanismus. Aufgabe des Buchhandels. Sechſtes 


Führung; ſie drücken hauptſächlich der zweiten Periode ihren Stempel auf. 
Die dritte, zeitlich kürzeſte, aber inhaltlich vielleicht bedeutſamſte, beginnt 
mit dem Reuchlinſchen Streit gegen die kölner Dominikaner, und hat 
ihren geiſtigen Mittelpunkt in der Univerſität Erfurt. Dieſe letzte Periode 
endet mit der Reformation, etwa um das Jahr 1520, wo Wittenberg 
an Erfurts Stelle die geiftige Führung Deutjchlands übernimmt und 
die alten Kampfgenoſſen fich voneinander trennen. Ihre Dauptführer 
waren Hermann von dem Buſche (1468 bis 1531) und Ulrich von Hutten 
(1488 bis 1523). So verjcieden diefe Strömungen nun auch fein 
mochten, fie trafen alle in demſelben Streben, in der Hebung des geijti- 
gen Yebens zujammen. Wenn der Buchhandel anfangs vorzugsweiſe auf 
den engen Kreis der Ktlöfter und einzelner Gelehrter beſchränkt war, jo 
bahnte das Wirfen der Humaniften die Wege zu feiner gröfern Aus— 
dehnung und zu feinem lebhaftern Betriebe. Durch den Drang nach 
Bildung wurde jelbitrevend auch das Verlangen nach Büchern gewedt und 
ihre Herſtellung ein täglich tiefer gefühltes Bepürfnis. Zu faum einer 
andern Zeit ift deshalb auch die Aufgabe des Buchhandels eine jtolzere 
und verantwortlichere gewejen, als um die Wende des 15. und 16. Jahr: 
hunderte. Es galt vor allem die alte Elajfische Yitteratur ver Menjch- 
heit neu zu erſchließen, zumächit die beiten ihrer noch erhaltenen Schätze 
and Tageslicht zu fördern und durch den Drud wieder zum Gemeingut 
der gebildeten Welt zu machen. So rührten fich denn auch bald alle 
fleißigen Hände, und nicht allein in den verjchiedenen Städten, jondern 
auch unter ven einzelnen Ländern entfaltete fich ein veger Wetteifer, um 
den Nebenbubler im friedlichen Kampfe zu überflügeln. Der Buchhandel 
fing an, eine internationale Bedeutung zu gewinnen und eine feite Grund: 
lage zu erlangen, auf welcher er fich, unabhängig vom Zufall, methodiſch 
weiter entwideln fonnte. Unter dieſen Umſtänden war es denn auch 
nicht genug, dar die Verleger tüchtige Druder und große Kaufleute 
waren; wenigitens die Führer unter ihnen mußten fich zum erfolgreichen 
Betrieb ihres Geſchäfts eine jo umfafjende geiftige Bildung zu eigen ge: 
macht haben, daß fie die litterariichen Schätze der Vergangenheit jelbit 
zu verftehen und zu wirdigen wermochten. Solcher Verleger gab es da— 
mals wiele, wie dies das zweite und dritte tapitel dargelegt haben; und 
waren fie auch nicht ſelbſt Gelehrte, jo liefen fie es fich doch zum mins 
dejten, wie auch jchon früher gezeigt, feine Mühen und Koſten verprießen, 


Kapitel] Humaniftiich-theologiiche Periode, Brüder vom gemeinfamen Leben. 363 


wiffenjchaftlich gebildete Männer in ihre Intereffen und Dienjte zu ziehen. 
Es jei hier nur am die Koberger, Aldus und Froben erinnert, denen fich 
jpäter die Oporin, Plantin und Etiennes würdig anſchloſſen. Die 
Nachwelt iſt mithin in erfter Yinie nicht jowohl den Gelehrten, welche 
feine Verleger, als den Berlegern, welche Gelehrte waren oder fie hoch 
jchätten, für die Erhaltung der Klaffifer des Altertums und der mittel: 
alterlichen Theologen zu ewigen Dank verpflichtet. Ohne die Druder: 
prefje wären die glänzenden Ziege des Humanismus kaum jo entichei: 
dend geworden, und ohne diejen hätte auch der Handel mit Büchern 
nicht jobald einen jo hohen Flug genommen. 

Als den Vorläufern und Gründern der neuen geiftigen Bewegung 
gebührt der erite Pla im erlauchten Kreiſe deutſcher Dumaniften ven 
„Brüdern vom gemeinjamen Yeben“, deren großer Verdienſte um die 
Ausbreitung des Buchdrucks bereits im zweiten Kapitel gedacht wurde, 
Sie führten ihn in ihre eigenen Anstalten ein und machten ihn vor 
allem ihren Bildungszweden vdienftbar. Die neue Erfindung war ihnen 
ein wirfjameres Mittel als die Schrift, ven Schelaftizismus durch grün: 
lichen Unterricht zu bekämpfen und das faule Mönchstum durch fleißiges 
Studium möglichft unschädlich zu machen. Unter ihrem Rektor Alerander 
Hegius (aus Heck bei Horftmar im Münfterlanve, etwa 1433 bie 1408) 
entwicelte fich die Schule von Deventer zum Mittelpunkt ver humanifti- 
ſchen Bewegung, und nach deſſen Tode trat die münfterjche Domſchule 
unter dem gelehrten Domherrn Rudolf von Yangen (geboren 1438 in 
Everswinkel, gleichfalls im Münfterlande, und geftorben 1519 in Miüniter) 
würdig an die Seite von Deventer. Radienförmig liefen von beiden Schu- 
fen die Zweiganftalten der Fraterherren als Pflanzſtätten humaner Bil- 
dung und gelehrter Forſchung aus. Die gelehrtejten Männer ver Zeit 
buldigten Hegius und Yangen als ihren Meiftern; ihre Schulordnung 
galt ein halbes Jahrhundert lang als unerreichbares Muſter, und ihre 
Yehrbücher blieben ebenſo lange, wenn nicht noch länger, im allgemeinen 
Gebrauch. Deventer und Münſter verjorgten ganz Deutjchland mit tüchtig 
gebilveten Yehrern und machten das Studium der Klaſſiker zur Grund— 
lage der gelehrten Bildung. Schlettſtadt im Elſaß (Dringenberg), ſpäter 
Meißen, Porta und Merjeburg in Sachjen (Rivius) und Schwerin in 
Medlenburg (Daber Kufius), ja jelbit Kopenhagen bezeichnen die äußerften 
Grenzen, bis zu welchen die Schüler der hollänpifch-weitfäliichen Huma- 


364 Humaniftifchstwiflenichaftliche Periode. Wien. Sechſtes 


niſten wor und während der Reformation als Lehrer der Jugend thätig 
waren. Dabei hat Langen Bibliotheken in kleinen weſtfäliſchen Land— 
ſtädtchen, wie z. B. Lünen, gegründet oder gründen helfen, welche heut— 
zutage nichts mehr jener Zeit Ähnliches aufzuweiſen haben; dauernd aber 
war der Segen, welchen die Tauſende von Humaniſten aus der Schule 
Hegius' und Langens im engern und weitern Vaterlande verbreiteten. 
Es iſt kein Zufall, daß Münſter ſo bald mit der Reformation und ſeine 
Söhne mit den Häuptern derſelben Beziehungen anknüpften. Langen 
hatte den Boden vorbereitet und ſeine Stadt zum Herde des Humanis— 
mus erhoben. Mit dieſem hielten auch die Buchdrucker und Buchhändler 
ihren ſiegreichen Einzug in Münſter und lieferten die geiſtigen Waffen, 
welche jetzt täglich unentbehrlicher wurden. 

Auf dieſe Pioniere, welche trotz ihrer Begeiſterung für das klaſſiſche 
Altertum noch feſt an ihrer Kirche hingen, oder von ihr abhingen, und 
durch dieſe ihre Stellung vielfach in Zwieſpalt mit ſich ſelbſt gerieten, 
folgte nun in der zweiten, in der wiſſenſchaftlichen Periode des deut— 
ſchen Humanismus ein jüngeres Geſchlecht, welches ſich entweder ganz 
gleichgültig gegen die Kirche verhielt oder ſie im geheimen erbittert be— 
kämpfte, indeſſen vorſichtig genug war, es äußerlich nicht mit Rom zu 
verderben. Es fing an, deſſen Anſprüche und Recht in Zweifel zu ziehen, 
die kirchlichen Überlieferungen kritiſch zu widerlegen, den Klerus zu ver: 
achten und ſich mit deſto ungeteilterer Yiebe der Heimat zuzuwenden. 
Diefe Männer alſo eröffneten die zweite Periode des Humanismus. 

Am beiten gediehen fie in Bajel und dem ganzen jünweftlichen Deutjch- 
land, jowie ſpäter auch in Erfurt; inpefjen gelangte der Humanismus jelbjt 
in Wien zu einer furzen Blüte, wenn auch, weil nur von fürftlicher Gunſt 
gepflegt, nur zu einer kurzen. Kaiſer Marimiltan fchien durch jeine Kunſt 
und Wiſſenſchaft gebrachten Huldigungen ein neues Zeitalter für Ofterreich 
herbeigeführt zu haben; allein mit jeinem Tode (1517) ftarben alle von ihm 
liebevoll gepflegten Keime wieder ab. Es war eben nur ein flüchtiger 
Zwijchenaft, wie es deren auch jonjt noch in der öfterreichiichen Gejchichte 
gibt. Übrigens wirkte die verftänpnisvolle Teilnahme diejes feingebil- 
beten Fürjten an allen idealen Bejtrebungen jeiner Zeit und jein freund: 
ſchaftlicher Verlehr mit Gelehrten und Künſtlern anvegend und veredelnd 
auf jein Zeitalter und feſſelte die beveutenpiten Maler, Bildhauer und 
Gelehrten an jeine Perſon. Der Kaiſer machte Grasmus, Pentinger 


Kapitel.) Der Humanismus in Wien. 365 


und Pirdheimer zu feinen Räten, berief Konrad Geltis (1459 bis 1508) 
1497 an die wiener Univerfität, ernannte Guspinian (Spiekbeimer) zu 
jeinem Sekretär und frönte Hutten zum Poeten. Es war bauptjächlich 
jeine Gunſt und jein Verdienſt, daß während jeiner Regierungszeit der 
Scholaftizismus an der wiener Univerfität fogar unterlag und daß bie 
Hanptitadt einen der beveutendjten Site des Humanismus bildete. Zu 
jeiner Verbreitung und Pflege rief Geltis in Verbindung mit Johann 
Fuchsmagen und Peter Kracbenberger eine freie Vereinigung gelebrter 
Männer ins Leben, die Donau-Gejelljchaft, welche ganz unabhängig von 
der Univerfität daftand und eine Art Akademie mit einem von ihr jeldft 
gewählten Präfivdenten und Gejchäftsleiter bildete. Biſchof Johann Vitez 
war ihr eriter Vorſtand; ihm folgten Geltis und Guspinian. Später 
wurde aus ihr eine eigene wiener Genoffenjchaft, Contubernium, welche 
noch immer Donan-Gejellichaft hieß.“ Wie Wien Hunderte von wan— 
dernden Humaniften anzog, jo herrſchte auch ein reger brieflicher Ver— 
fehr zwijchen ven dort wohnhaften und den auswärtigen Geſinnungs— 
genofjen. Cuspinian jchrieb wiederholt an Neuchlin und Pirdheimer, mit 
welchen auch der Univerfitätsfanzler Berger, ferner Fuchsmagen, Krachen— 
berger, Joachim Vadian, Simon Yaz u. a. im fchriftlichem Meinungs- 
austaujch ftanden. Die Mehrzahl ver Yehrer (einige hundert) und ver 
oft TOOO Studenten der wiener Univerſität gehörten dem Humanismus 
an. Natürlich bejchäftigten dieſe reife auch die wiener Buchdrucker— 
prefjen und jtanden mit ven beveutendern Buchhändlern auf vertrauten 
Fuß. Mit der Blüte des Humanismus fiel auch die der Thpographie 
zujammen, und dem innern Werte der von jenen bearbeiteten Klaſſiker, 
Reden und Echulausgaben entjprach die jolive Arbeit und äußere Aus- 
ftattung des Verlegerd. So herrichte beiderfeits eine fruchtbringenve 
Thätigfeit. Während von theologijchen Schriften nur verſchiedene Werke 
des Hieronyinus nen erjchienen und Jurisprudenz und Medizin ebenfalls 
nur dürftig bedacht wurden, warf fich die Hauptthätigfeit der wiener 
Humaniften auf die fritijche Bearbeitung der alten Klaffifer. So ver- 
öffentlichte der Minorit Gamers Ausgaben ver beften Römer und Grie- 
hen und lieferte einen Kommentar zu Plinius' Naturgejchichte; die 
Dentjchen Vadian, Stregiger, Agricola, Aefticampius und Wimpheling 
aber brachten tüchtige rhetorifche Arbeiten, die Italiener Berger, Valla, 
Guarino endlich gute grammatifalifche Werke. 


366 Schneller Berfall des Humanismus in Wien. Baſel. Sechſtes 


So ſchnell aber, als unter Maximilian das geiſtige Leben in Wien 
wuchs, ebenſo bald verlor es auch mit dem Tode des Kaiſers ſeine Herr— 
ſchaft wieder. Unter dem Regiment des bigotten Königs Ferdinand und 
feiner Prieſter welkte es ſogar ſchon dahin, che es nur, eine in Ögſter— 
reich ausländiſche Pflanze, feſten Fuß gefaßt hatte. Wie unter den erſten 
19 Druckern und Buchhändlern der Kaiſerſtadt ſich nachweisbar nur 
ein Wiener, Johann Singriener der Jüngere, befand“, während die 
meiſten aus den deutſchen Landen und zwei ſogar aus Polen gekommen 
waren, ſo beſtand auch die größere Zahl der nach Wien berufenen Ge— 
lehrten aus Deutſchen, ſodaß mit ihrem Weggang nur geringe Spuren 
ihrer Thätigkeit zurückblieben. 

So unbefriedigend num die hoffnungsreichen wiener Anfänge auch 
ausliefen, jo kräftig entwicdelte jich dagegen der Humanismus in Süd— 
weſtdeutſchland mit jeiner Hauptſtadt Bafel. Hier war es weniger bie 
Univerfität, obgleich dieje den erjten humaniſtiſchen Lehrſtuhl gegründet 
hatte, als die vereinte wifjenjchaftliche Thätigfeit der Berleger und Ge 
(ehrten, welche ohne jede Unterjtügung von außen erfolgreich für die Be- 
feftigung der neuen und freiern Geiftesrichtung arbeitete. Das meifte 
zu diefem mächtigen Aufichwung trug Defiverius Erasmus bei, der von 
1513, beziehungsweiſe 1521 bis 1536 in Baſel und Freiburg lebte, aber 
ſchon zu Anfang des Jahrhunderts der eigentliche Träger der Bewegung 
geweſen war. Er zog zugleich wifjenjchaftlich gebildete Männer und Stu- 
denten an, welche ald Textesrevijoren oder torreftoren, oder auch als Setzer 
in den bajeler Drudereien thätig waren und als Schüler der Inclyta 
Germaniae Basilea, wenn fie dieje verliehen, ihre dort erworbenen Kennt— 
niffe und Anſchauungen weiter trugen und, den Ruhm der Stadt überall 
bin verbreitend, zugleich neuen Nachwuchs anlodten. 

Erasmus ift der bedeutendſte und gefeiertfte Vertreter der wilfen- 
ichaftlichen Periode des deutjchen Humanismus. Gin Gelehrter, deſſen 
Stellung in der litterarifchen Welt nur mit Boltaire's Einfluß im 18. Jahr— 
hundert verglichen werden fan’, ein Herricher im Reiche der Geijter 
und eins „der Augen Deutjchlands“, hat er dem ganzen Zeitalter den 
Stempel jeines Genius aufgedrüdt. Das andere Auge ift Johann Reuch: 
(in, dejjen Streit mit den Kölnern die Brüde zur dritten und fetten 
Periode des Humanismus bildet und in jeinen Anfängen jogar noch der 
Ankunft des Erasmus in Bajel vorausgeht. 


Kapitel.) Erasmus und feine fchriftitelleriiche Thätigkeit. 367 


Im Jahre 1467 (nach ältern Quellen 1465) in Rotterdam geboren, 
erbielt Erasmus jeine erjte gelehrte Bildung bei Aleranvder Hegius in 
Deventer und lebte, nachdem er längere Zeit jeine Studien in Paris 
fortgejetst hatte, fajt fünf Jahre im Kloſter. VBorübergehend hielt er fich 
dann in ben Niederlanden, in England, Italien und Deutjchland auf 
und wohnte von 1517 an bis zu jeinem Tode dauernd in Yöwen, Baſel 
und Freiburg. in öffentliches Amt befleivete er nie, obgleich er gegen 
äußere Ehren durchaus nicht unempfindlich war. Die politijchen Ge— 
ſchäfte jeiner Zeit, bei denen er leicht hätte mitwirfen können, ließen 
ibn gleichgültig. Dagegen war fein geiftiges Veben jo beveutend, daß 
es entjcheidend in die Entwidelung jeiner Zeit eingriff und ven wiſſen— 
ihaftlichen Bejtrebungen des Buchhandels ihre Bahn mit anwies. In 
der Gejchichte desjelben nimmt Grasmus durch feine langjährigen Be— 
ziebungen zu Aldus Manutius und Johann Froben eine ganz bejonders 
hervorragende und vermittelnde Stellung ein. Es gibt faum einen Ge— 
(ehrten, der anregender auf litterarijchem Gebiete gewirkt, beveutendere 
wijjenjchaftliche Unternehmungen gefördert und durch fein perjönliches 
Anjeben auf Gelehrte und Buchhändler einen gleich wohlthuenden Ein— 
fluß ausgeübt hätte, 

Der im vorigen Kapitel bereits erwähnte rieſige Abjat jeiner Schrif- 
ten, um deren Verlag die angejehenften Firmen fich riffen, trug nicht un- 
wejentlich zur Hebung des deutſchen Buchhandeld bei. Solche Erfolge 
batte noch fein deutſcher Schriftjteller errungen; Erasmus fonnte unter 
den beveutenditen Berlegern von Paris, Venedig und Bajel wählen und 
zählte die Gelehrten alfer Yänder zu jeinen Bewunderern. Bon feinen 
jelbjtändigen Werfen ® ijt dem Datum ver Beröffentlichung nach zuerjt 
zu nennen jeine Sprichwörterſammlung — „Adagiorum Opus“ —, 
welche 1500 von Johann Philippi, einem Deutjchen in Paris, geprudt 
wurde, anfangs nur eine trodene Zuſammenſtellung von einigen hundert 
Sprichwörtern enthielt, dann aber mit Tauſenden von Digreffionen ver- 
mehrt, jeit 1515 zu einem ftarfen Folioband umgeftaltet, immer und 
immer wieder in neuen Auflagen erjchien. 

Das Buch beleuchtet und erflärt in eleganteftem Yatein die ver- 
ſchiedenſten Yebensverhäftniffe, enthält witige Ausfälle gegen Prieiter, 
Suriften, Adelige, Frauen und einzelne Stände, oder verjpottet die Eitel- 
feit ganzer Klaſſen und Völfer. Überall getragen von dem bejeelen- 


368 Erasmus’ ſchriftſtelleriſche Thätigfeit. Sein Charafter. Sechſtes 


den humaniſtiſchen Gedanken erſchien dieſe Sammlung den Zeitgenoſſen 
als ein Schatzkäſtlein der Weisheit, welches den innern Zuſammenhang 
der antiken mit der modernen Welt vermittelte. Das Lob der Narr— 
beit — „Moriae Encomium“ — war 1508 gejchrieben, erjchien zuerjt 
1509 nad des Verfaffers Rückkehr aus Rom und ift gleichfalls eine 
geiftreiche- Satire, in welcher dem Gejchmad ver Zeit entjprechend die 
Thorheit revend auftritt umd die Schwächen der Welt mit feiner Ironie 
und vornehmen Hohn lächerlich macht. Seine Hauptangriffe waren 
gegen die Geiftlichfeit, vom Papfte an, namentlich aber gegen die Mönche 
mit ihrer Bejchränftheit, ihrem niedrigen Treiben, ihrem Bildungsbajfe 
und ihrer Verlogenheit gerichtet; fie trafen das alte Syſtem vernich— 
tend. Das „Lob der Narrheit“ wurde denn auch noch ſpäter auf den 
päpftlichen Inder (der verbotenen Bücher) geſetzt. Die BVBertraulichen 
Geſpräche — „Colloquia familiaria” —, welche zuerſt 1519 ausgegeben 
wurden, 1530 aber zu ihrer jetigen Geftalt gediehen, behandeln in leicht 
dabinfließendem Stil und in wißigen fatiriichen Bemerkungen vie ver- 
jchievenften Gegenftände und Erjcbeinungen des öffentlichen und privaten 
Lebens, tadeln mangelhafte oder verfehrte Einrichtungen und geißeln pe- 
dantische Grammatifer jowohl, als anmaßende Priefter oder Bettelmönche. 
Das Werf erzielte eine durchichlagende Wirkung; in verhältnismäßig 
furzer Zeit wurden 24000 Exemplare davon abgejett. 

Außer jeinen eigenen Werfen erjchienen von Erasmus noch viele 
Ausgaben von Klaffifern und Kirchenpätern. So gab er die Sentenzen 
des Cato und Publius Syrus mit Schofien heraus, Seneca, Sueton 
nebſt den übrigen Schriftjtellern zur römiſchen Kaiſergeſchichte und einigen 
ergänzenden Schriften neuerer Gejchichtichreiber, Cicero „De Officiis‘‘ 
und „Quaestiones Tusculanae“, Plinius, Terenz, Yivius, Demofthenes, 
Ptolemäus, ferner die Kirchenväter Cyprian, Arnobins’ Kommentare 
über die Pjalmen, Hieronymus, Irenäus, Ambroſius, Augustin, Epipha- 
nius, Laktanz, Chryſoſtomus, Baſilius Magnus und einen Teil des 
Drigenes, ſodaß feine litterarifche Thätigkeit eine wahrhaft ſtaunens— 
werte iſt. 

Hochgelehrt und wißig, ſcharf und tronifch, geiftreich und boshaft, 
heute fühn und verwegen im Angriff, morgen kleinlaut und verzagt im 
Rückzug, höflich, ja unterwürfig gegen Hochjtehende und Mächtige, boch- 
mütig, jelbft brutal gegen Schwache und Unglücliche: jo beherrſcht diejer 


Kapitel.] Erasmus’ Charafter und Verhalten. 369 


fleinliche und doch vornehme Mann die Geifter an der Wende von zivei 
Jahrhunderten und gebervet ficb als Gegner des Humanismus und der 
Reformation, obgleich er jein ganzes Leben lang für die Ideen gekämpft 
batte, welche dieſe beiven gewaltigen Erſcheinungen bedingten. So bat 
fein Humanift wuchtigere Diebe gegen ven römijchen Klerus, gegen das 
faule Mönchsleben geführt, fein Neformator überzeugenver für die geijtige 
Auffaſſung der biblischen Yegende und für die Berinnerlichung des Glau— 
bens gejchrieben. Grasmus war eben, wie die Dunfelmännerbriefe ihn 
charakterifierten, ein Mann für ficb und wollte e8 fein; er bat, wie ihn 
jeine Gegner gern beſchuldigten, das Ei gelegt, welches Luther erſt aus- 
gebrütet hat. Er war radifafer Humaniſt, dem die Bewegung vielfach 
nicht weit genug ging, aber er hielt jich von der Gefahr fern und ſah 
dem Kampfe Lieber von weiten zu. Als die Reformation auf den ihr 
vom Humanismus bereiteten Plaß trat, zog er ſich ſcheu in jein Studier- 
zimmer zurück, angeefelt won einer Bewegung, welche fich nicht an vie 
gelehrte Welt, jonvdern an die Maffen wandte und dieſe zu Bundes— 
genoſſen, ja zu Schiedsrichtern im Kampfe gegen Nom aufrufen mußte. 
Grasmus war nicht für den Streit auf offenem Markte gejchaffen, jo 
bitter er auch haffen und aus ficherm Hinterhalte vertwunden fonnte; er 
wagte deshalb auch nicht ehrlich nach außen hin fiir feine Überzeugung 
einzutreten. Es fehlte ihm jener Mut umd jene Treue der Gefinmung, 
welche ſich bei entjchloffenen Charakteren gerade im Moment der Gefahr 
bewähren. Er wid deshalb auch ängſtlich vor jeder entjchiedenen Partei- 
nahme zurüd. So geriet er denn jehr bald zwijchen die jtreitenven 
Parteien, veren feine ihm traute, ja nicht trauen konnte, wenn fie jeine 
Stellung in der Gegenwart mit feiner Vergangenheit verglich. Nom 
haßte ihn troß der wichtigen Dienfte, die er ihm geleiftet hatte, bald 
ebenjo gründlich wie die Yutheraner. Allerdings konnte man einem jo 
beveutenden vwaterlandslojen Selehrten, einem jo vorurteilslojen Denker 
nicht zumuten, daß er fich für alle Einzelheiten ver Yutherjchen Yebre 
begeiftern jollte; allein in revolutionären Zeiten muß der einzelne fich 
in ragen zweiten Ranges unterordnen und troß feiner wielleicht beſſern 
Einficht einer der ftreitenden Parteien ſich anſchließen, wenn er nicht 
von der unaufhaltſam vorwärts drängenden Bewegung zermalmt werden 
will. Grasmus aber iſt zugleich voll von Mißgunſt und nicht frei von 
Neid und Bosheit. Wenn ihn perjönlicher Stolz verhindert hatte, feit 
Kopp. 1. 24 


370 Erasmus’ Charakter. Aldus Manutius. Sechſtes 


zu Reuchlin zu ſtehen, da er ſelbſt ſich als Führer fühlte, ſo wurde er 
in dem Augenblick der Feind Luthers, als dieſer den fortſchreitenden 
Geiſt der ganzen Nation in ſich verkörperte und als in der Hitze des 
Kampfes die Erasmiſchen Schriften kaum mehr genannt, geſchweige denn 
gekauft wurden. Deutſchland hatte glücklicherweiſe anderes und beſſeres 
zu thun, als ſich um den kleinlichen Gelehrtendünkel zu kümmern, der 
die griechiſchen Kenntniſſe des großen Reformators bemängelte und 
wegen ſeiner genauern Kenntnis des Altertums den Männern ver That 
ſich überlegen dünkte. Endlich aber iſt es charakteriſtiſch für Erasmus, 
daß er den ungeſtümſten Vorkämpfer der neuen Ideen, den todkranken 
Ulrich von Hutten, verleugnet, von ſeiner Schwelle weiſt und bis zu 
deſſen Ende boshaft verfolgt. Ein großer Gelehrter, aber ein ſchwacher, 
halber Charakter — jo lautet der Wahrſpruch der Geſchichte über Erasmus. 

Seine Werfe wären übrigens nicht gleich von Anfang an je glün- 
zend aufgenommen worden und von jo durchichlagenden Erfolg begleitet 
gewejen, wenn ihm nicht zwei ebenbürtige Geifter als Verleger zur Seite 
geftanden hätten: der Benezianer Aldus Manutius und der Bajeler Io- 
hannes Froben. 

Jener gehört zwar durch ſeine Geburt und Wirkſamkeit zunächſt Ita— 
lien an, indeſſen äußert ſich ſein Einfluß auch auf Deutſchland ebenſo 
nachhaltig, wenn nicht noch nachhaltiger, als der irgend eines deutſchen 
Verlegers jener Zeit. Seine freundſchaftlichen Beziehungen zu Reuchlin, 
Erasmus und den hervorragendſten Humaniſten begründen ſogar eine 
Gemeinſchaft der Intereſſen, welche die deutſche gelehrte Welt vielfach in 
neue Bahnen lenkte. Wie dem ganzen Mittelalter, ſo war auch ſeinen 
Ausläufern die beſondere Betonung der Nationalität fremd. Viel höher 
jtanden ihm die Vereinigungspunfte, welche die Kirche oder jelbjt die 
einzelnen Stände gewährten. Die fpätern nationalen Schranten beven- 
teten zu Anfang des 16. Jahrhunderts auf geiftigem Gebiete kaum jo 
viel, als heutzutage provinzielle Unterjchieve, denn das Yateinijche als 
Gelehrten und Weltiprache jchlang ein einheitliches Band um die wifjen- 
ſchaftlichen Bejtrebungen aller Völker. Auch als Verleger Reuchlins 
und Erasmus' beanjpruchen Aldus und feine bahnbrechende Thätigkeit 
einen Ehrenplag in der Gejchichte des Buchhandels des humaniftiichen 
Zeitalters. 

Geboren um 1450 zu Sermonetta bei Velletri im Römiſchen und 


Kapitel.) Aldus umd feine Ziele. Venedigs Bedeutung. 371 


geitorben 1515 in Venedig batte Aldo Manuzio Lateiniſch in Rom und 
Sriebifh in Ferrara jtudiert, dann mehrere Jahre in den gelehrten 
Kreiien des Johann Pico von Mirantola, jorwie des Fürjten Albert Pius 
von Garpi verfehrt und der Erziehung von deifen Söhnen gelebt, 1490 
aber in Venedig eine Druderei und Verlagshandlung errichtet, durch 
welche er die Werfe ver Alten, jene Monumente des menjchlichen Geiſtes, 
welche mehr und mehr von ven Abjchreibern verunftaltet wurden und 
allmählich ganz zu verjchwinden drohten, vom Untergang zu retten be- 
abjichtigte. „Ich babe’, jagte er ſchon zu jener Zeit von fich, „das Ge— 
lübde getban, mein Yeben dem öffentlichen Wohle zu weiben. Einem 
ruhigen Dajein babe ich ein arbeitjames und bewegtes vorgezogen. Der 
Menſch ift nicht dazu geboren, fich den einer edeln Seele unwürdigen 
Genüffen hinzugeben, ſondern fich ehrenvollen Arbeiten zu widmen. Über— 
laſſen wir ver gemeinen Heerde die nieprige Griftenz! Gato bat das 
menjchliche Dafein mit dem Eijen verglichen: es glänzt, fagt er, wenn 
man ſtets thätig iſt; allein es roftet, wenn man es nicht gebraucht.‘ 
Wie ſchon diejer Wahlipruch zeigt, bat es faum je einen jo gelehrten, 
iveale Ziele ficher verfolgenden, aber auch jelten einen ebenſo praftijchen, 
jelbit den Heinften Vorteil nicht verſchmähenden, geichäftlich tüchtigen 
Verleger als Aldus gegeben. 

Die berühmte Handelsmetropole am Aoriatiiben Meere war ganz 
der Plat, wo Aldus gedeihen mußte; wenigitens fonnten ihm bie äußern 
Verhältniſſe nicht günftiger jein. Auf ven Schultern won Vorgängern, 
wie ven Gebrüdern Johann und Wendelin von Speyer und Nikolaus 
Jenſon, ſtehend, überflügelte der gelehrte und praftiiche Druder bald 
alle jeine Vorgänger und wurde der Hauptträger von Venedigs Ruhm 
als Druderjtadt. Venedig bot alle für eim großes Gejchäft erforderlichen 
Hilfamittel, und jelbjt wenn dieſe vielleicht einmal zufällig nicht vor: 
banden gewejen wären, jo hätten fie jederzeit jehr Leicht bejchafft werben 
fünnen. Dabei waren feine Verbindungen mit dem Auslande die beit- 
geregelten in ganz Italien. Bei dem fteten Zuftrömen von zahlreichen 
Fremden aus allen Gegenden der Windroje eignete fich die Stadt auch 
vortrefflich zum Sortimentshandel, und ſelbſt ver jpätere große Verleger 
verichmäbte es nicht, einen öffentlichen Buchladen (bibliopolium) zu 
halten, in welchem er auch ven DVerlag ihm wahlverwandter Firmen 
verfaufte, wie z. B. den von Zacharias Caliergi, Nikolaus Blaftos, Jo— 

24* 


372 Aldus’ Wirken für die griechiiche Litteratur. [Sedites 


bannes Biſtoli, Benedikt Maregi u. a. Die Kataloge über fein Yager, 
nebſt teilweifer Preisangabe der einzelnen Werfe, find noch erhalten. 
Aldus war unter dem mächtigen Eindruck des frifchen geiftigen 
Lebens herangewachſen, welches die Ankunft der flüchtigen Griechen in 
den gelehrten Kreifen feines Baterlandes hervorgerufen hatte. Es war 
nicht mehr die junge Morgenröte des erjten Wiedererwachens der Wiffen- 
ichaften, in der man anfing, die Alten zu jtudieren und fich ver Herrlich- 
feit der bisher wenig gefannten Schätze zu freuen, nicht mehr die be- 
geifterte Jugendzeit, in der man noch nach allen Seiten hin Gelehrte aus- 
jandte, welche bisher noch unbefannte griechifche und römische Hanpjchriften 
an das Yicht fördern follten; es war vielmehr die Zeit der Yeje umd der 
Ernte, denn gegen das Ende des 15. Jahrhunderts waren jene Schüte 
meiftens ſchon gehoben. So viel indejjen ſchon gejchehen war, jo blieb 
doch noch viel mehr zu thun übrig. Um namentlich die Größe und 
Schönheit des Haffijchen Altertums für alle künftigen Gejchlechter zu 
erhalten und weitern Streifen zugänglich zu machen, dazu bepurfte es 
der Herjtellung korrekter, Eritijch bearbeiteter Ausgaben der Schriftiteller, 
die bisher nur im leicht zerjtörbaren, fehlerhaften Handjchriften vor- 
handen waren. Und gerade hier ift es, wo Aldus einjegt. Seinem 
begeifterten Streben ift es hauptfächlich zu danken, daß die Mehrzahl 
der griechiichen Stlaffifer überhaupt erft ven Völkern des Abendlandes 
zugänglich gemacht wurde. Selbjt ein vortrefflicher griechiſcher Philo— 
(oge und Stritifer, wußte er am bejten zu beurteilen, welche griechijeben 
Gelehrten er als Bearbeiter ver Texte, ald Korreftoren, Grammatifer, 
Abſchreiber over auch als Buchbinver bejchäftigen jollte. Weit ihrer Hilfe 
jtellte er die jchönen Folto-, Quart- und Oktavausgaben her, welche, 
wenn jett auch zum großen Zeil veraltet, doch jahrhundertelang die 
Grundlage für die griechiſchen Studien gebildet haben, und noch beute 
zu den tüchtigjten Yeiftungen der damaligen Buchdruckerkunſt zählen. 
Sein erjter Verlagsartifel war 1494 bie griechifhe Grammatik des 
Konftantin Yasfaris (eines nad der Einnahme feiner Vaterſtadt nach 
Italien geflüchteten Stonftantinopolitaners); ihr folgten von 1495 bis 
1498 der kritiſch durchgeſehene Ariftoteles in fünf Folianten und 
1498 Ariftopbanes. Bor 1495 waren im ganzen nur zehn griechijche 
Bücher in ganz Dtalien gebrudt worden, darunter 1488 Homer zu 
Florenz in einer jehr jchlechten Ausgabe; fortan aber vermehrten fich die 


Kapitel.) Aldus’ Ausftattungsweile und Oftapausgaben. 373 


griechiſchen Drucke mit jedem Jahr um zahlreiche Binde. Charakteriſtiſch 
it e8, daß er anfünglich feine enge Verbindung mit den Kreifen der 
vornehmen Förderer der Wiffenfchaften nicht verleugnete, in den Außer: 
lichfeiten feiner Drude ver Vorliebe derjelben für Handſchriften und 
deren Nusjtattungsweife Rechnung trug. Nur lanajam folgte er den 
Berbefferungen, welche fih in den Drudereien bei jenen Aufßerfichfeiten 
Bahn brachen. Noch 1497 empfahl er dem Leſer, das Griechifche Yeri- 
fon zu paginteren, jtatt jelber die Seitenzablen zu druden, und ven 
- Rünjchen und Bepürfniffen jener veichen Yiebhaber wurde er gerecht, 
indem er öfter eine Heine Anzahl von Eremplaren auf Pergament oder 
auf feinerm, wohl auch blauem — richtiger blaugrauem — Papier ab: 
zog. Letzteres galt zu jener Zeit als bejonders jchön und vornehm. 
Aldus' Hauptverdienft aber beſtand in der Schaffung bandlicher und 
billiger Klaſſikerausgaben, durch welche er das Studium ber alten Litte— 
ratur erſt in weitern reifen ermöglichte und thatjächlich auch verbreitete, 
Bis zu jeiner Zeit überwogen meist die Folianten und Uuartanten mit 
großer gotifcher oder Antiqua-Schrift gedrudt. Diefe jchweren Bände 
waren nur mit Mühe zu handhaben und konnten felbjtredend nicht billig 
bergejtellt werden. Aldus bewirkte eine förmliche Revolution, indem er 
mit dem neuen Jahrhundert zumächit für die alten Klaſſiker das bequeme 
Oktavformat einführte, eine Art von Volksausgaben für jene Zeit ſchuf, 
etwa von der Größe der heutigen „Bibliotheca Teubneriana”, und 
ihnen eine neue und gefällige, Kleine, von Francesco Naibolini aus Bo— 
logna gejchnittene Schrift — die Kurſiv (Italique) — gab, für welche 
Petrarca's Handſchrift das Vorbild geliefert haben fell. Zur Bequem- 
fichfeit der Leſer ließ er dieje Ausgaben, die in einer Auflage von 1000 
und mehr GEremplaren (mille et amplius) abgezogen wurden, mit 
breitem Rand druden, damit jene, dem damaligen Gebrauche nach, ihre 
Bemerkungen darauf machen fonnten, ganz ähnlich, wie gleichzeitig die 
feipziger Artiftenfafultät die auf ihre Koſten bergeftellten Klaffiferausgaben 
in Folio mit übermäßigem Durchſchuß zwijchen den Zeilen druden lieh, 
damit die Studierenden den von dem bocierenden Lehrer mündlich wor: 
getragenen Kommentar hineinzufchreiben im Stande waren. Der im April 
des Jahres 1501 erjchienene Virgil eröffnete die Reihe jener typographi- 
jchen Meifterwerfe. Daneben druckte Aldus zwar auch noch feine Klaſſiker 
in Folio und Quart, aber gerade die Werfe der beliebtejten Schriftfteller 


— — 


374 Aldus' Bedeutung für Deutſchland. Seltenheit der Studienmittel daſelbſt. Sechſtes 


(zum Teil auch moderner) ſtellte er in Oktav ber und gewann dadurch 
für fie in ganz Europa einen dankbaren Yejer- und Käuferkreis, machte 
jo die alten Klajfifer erit zum Semeingut aller Gebildeten. Der Preis 
des Bandes betrug auch nur 3 Marcellt, oder, wie Nenouard und Didot 
berechnen, 2,0 Franken over 1,53 Mark.” Abgejehen von neuen Abvrüden 
folgten dem Virgil und andern im Jahre 1502 Werfe von Cicero, Lu— 
cian, Horaz, Eophofles, Ovid, Catull, Tibull und Properz, 1504 Homer, 
Plinius md Salluſt, 1507 Euripides, 1509 Cicero's Briefe, Balerius 
Marimus und Martial und 1513 Cäſar und Pindar. 

Wenn jih nun auch Aldus durch diefen Zweig jeiner buchhändleri- 
ſchen Thätigfeit um die ganze gebildete Welt verpient gemacht hat, jo 
äußerte fich doch fein mächtiger Einfluß insbejondere auf Deutſchland 
günftig und nachhaltig, günſtiger und nachhaltiger als auf irgend ein 
anderes Land. Während in Italien die Vornehmen und Reichen an 
ver Spike der neuen Bewegung ftanden und jogar aus ariftofratiichem 
Übermute noch ziemlich fange, wie im eriten Kapitel ſchon erwähnt, die 
reich ausgejtattete Dandjehrift dem jehönften Drud verzogen, gingen die 
deutjchen Humaniſten in ihrer Mehrzahl aus den ärmern Schichten der 
Bevölkerung hervor, Ein gedrucktes Buch war für fie noch bis in den 
Anfang des 16. Jahrhunderts hinein ein feltener umd jchwer erjchwing: 
barer Schatz fie mußten ſich ihr Litterarifches Handwerkszeug zum Teil 
mühſam abjchreiben. Yutber wurde, als er in Erfurt noch Rechtswiſſen— 
ichaft ftudierte, ob feines juriftiichen Gifers ganz beſonders belobt, weil 
er ich (etwa 1506) eine Ausgabe des „Corpus juris” aefauft hatte, 
Thomas Plater erzählt in feiner Selbjtbiographie (Ausgabe von H. Boos, 
S. 23) aus dem Jahre 1515: „In der ſchull zu St. Eliſabeth zu Bres- 
lau lajen alwägen einsmals zu einer jtund in einer jtuben 9 bacca- 
laurei. war doch graeca lingua noch nimmet (nirgendswo) im Land, 
desgleichen bett niemand noch fein trucdte Bücher, alein der praccepter 
hat ein truckten Terentium. was man liß, mußt man erjtlich dictieren, 
dan diftingivieren, dan conftrnieren, zuleßt erſt erponieren, das die ba- 
chanten groſſe jeartefen mit inen heim hatten zu tragen, wen ſy hinweg— 
zugen.“ (Bier handelt es fich allerdings um arme fahrende Schüler.) 
Joachim Camerarius batte, che ev 1518 nach Erfurt fam, bei einem 
in Yeipzig entitandenen Aufſtand zuerſt feinen Derovot in Sicherheit 
gebracht ®; das übrige machte ihm wenig Sorge. Als Melanchtbon 


Kapitel.) Seltenheit und Koftipieligfeit der Studienmittel. 375 


1524 in Wittenberg über die Reden des Demofthenes las, mußten die 
Zubörer jein Eremplar abjchreiben, trogdem daß es dort ſchon jeit 1508 
einen Buchladen gab. Konrad Paulus Scriptoris trug 1499 eine große 
bebräiiche Bibel auf dem Rüden won Heidelberg nach Stuttgart, weil 
er das Kleinod feinem andern anzuvertrauen wagte, Neuchlin war vom 
Herzog Wilhelm von Bahern mit einem Gehalt von 200 Golpgulven 
als Profefjor der hebräiſchen und griechischen Sprace nach Ingolitadt 
berufen worden. „Da es bier fein einziges gedrucktes guiechiiches und 
hebräiſches Buch gibt‘, jchreibt ev am 14 März 1520 an Hummels— 
berger?, „welches im einer Zahl von mehr als 300 Erempfaren unter 
jo viele Zuhörer verteilt werden kann, fo bin ich gezwungen, beide Spra— 
en täglich auf vier Tafeln aufzujchreiben, fie täglich in zwei Stunden 
zu lehren und öffentlich jo lange zu fejen, bis einmal durch einen glück— 
lien Zufall derartige Bücher aus den Dandelsplägen zu uns gelangen.” 
Der jüngere Baſilius Amerbad, Sohn des Bonifaz und bemittelt, ver: 
juchte noch 1552 bis 1553, wo er in Tübingen ftudierte, vergebens, ein 
„Corpus juris“ zu leihen. Im September 1553 ging ev zur Fort— 
jetung feiner Studien nach Padua; bier ſorgte fein Prüzeptor für die 
jurifttjchen Dandbücher, indem er die nötigjten unter der Bedingung bei 
einem Juden faufte, daß derſelbe fie beim Weggange Amerbachs gegen 
den Kaufpreis wieder annehmen und ſich mit einem Kronenthaler Zins 
begnügen jollte. 1° Es war dort ein folcher mittelalterlicher Vertrag 
noch immer die gewöhnliche Art, wie Ausländer fich Die zum Studium 
nötigen Bücher verichafften. 

Seit Aldus erjparten wenigitens die gedruckten Werfe der Klaſſiker 
ten Studenten das mühjame Abjchreiben und machten ihnen vor allem 
den Bejuch einer italieniſchen Hochſchule vielfach entbehrlich. Mit ver- 
haͤltnismäßig wenig Geld konnte fich fortan auch Dev weniger Bemittelte 
eine Fleine Handbibliothek kaufen. Ein jo großer italienischer Patriot 
Aldus auch war, die Förderung der Wiffenjchaft und die Verbreitung 
der alten Klaffifer ftanden ihm immer im erſter Yinte. Manche feiner 
Yandslente hielten e8 für unflug, die Kenntnis der griechischen Autoren 
durch ven Drud allgemein zugänglich zu machen; fie fürchteten, daß die 
„Barbaren ſich dann zu Haufe unterrichten könnten umd weniger ge: 
nötige jein würden, nach Italien, der Quelle der Bildung, zu kommen. 
So erzählt Beatus Rhenanus in der Cinfeitung zu den Werfen des 


376 Aldus verehrt jeitens der deutichen Gumaniften. Sechſtes 


Erasmus: „Quidam Venetiis olim Aldo Manutio commentarios 
graecos in Euripidem et Sophoclem edere paranti dixit: Cave, 
cave hoc facias, ne barbari istis adjuti domi maneant et pau- 
ciores in Italiam ventilent.“ Diejer engherzige Gejelle hatte aller- 
dings Recht, denn die deutſchen Humaniften und Studenten zogen fortan 
immer weniger über die Alpen, um an der bisherigen alleinigen Duelle 
der Bildung zu ſchöpfen. Wenn fie aber mit geringern Koſten umd in 
größerer Zahl in der Heimat diefelben Ziele erreichen fonnten, jo ver- 
dankte fie eine jo bedeutende Erleichterung vorzugsweiſe dem uneigen- 
nützigen Aldus. Mit gutem Recht wurde er alfo auch einer der an- 
gejehenften und populärften Männer unter den deutſchen Humaniſten. 
Sie juchten feine Freundſchaft, knüpften gejchbäftlich mit ihm an, fragten 
ihn um Rat und wurden nicht müre, ihm ihre Bewunderung in meilt 
bembaftiichen Wendungen auszujprechen. Sie verherrlichten das Zeit- 
alter, in welchem dieſe Ausgaben erjchienen, waren jtolz daranf, fie zu 
beiten, priejen den Meeifter bewundernd als die Yenchte des Jahrhunderts 
und dankten ihm voller Hochachtung fiir ihre Fortichritte in den Wiſſen— 
jchaften, da dieſe ihnen nur durch ihn und feine Ausgaben ermöglicht 
worden jeien. Konrad Geltis hatte bereits im Jahre 1498 mit Aldus 
Briefe gewechjelt und am 3. Oftober 1498 von ihm eine Einleitung in 
das Studium der griechischen Sprache geſchenkt erhalten, welche ev zur 
größern Berbreitung verjelben benugen jollte. Zwei Jahre jpäter feierte 
Geltis und der mit ihm in Wien lebende Humanift Vinzenz Yonginus 
den gelehrten Druder in Verſen. Aldus dankte in einem an beide ge: 
richteten Briefe vom 9. Juli 1501 und jchenfte jevem von ihnen ein 
Exemplar jeines Virgil, feines Horaz und feiner lateiniſchen Gram— 
matik. „Wenn Ihr glaubt“, fährt er fort, „daß man bei Euch Ab— 
ſatz für meine Verlagsartikel finden kann, jo ſetzt mich gefälligſt davon 
in Kenntnis. Ich werde Euch dann die Zahl der Exemplare einjenden, 
welche Ihr mir angeben werdet.” Zwei Monate jpäter, am 3, Sep: 
tember 1501, jandte Aldus das erjte Blatt feiner damals beabjichtigten, 
aber jpüter nicht ausgeführten Bolyglotten- Bibel an Celtis und bat 
ihn um Mitteilung griechiicher Handſchriften, ſowie um die Schlußverje 
der Ovidiſchen Faften, weigerte fich aber Geltis’ Yoblied auf Kaiſer 
Marimilian zu druden, da er die Gefahr nicht laufen könne, ven von 
ihm befiegten Böhmen und Ungarn zu mißfallen, von deren Gelehrten 


-] 


Kapitel.) Enthuftaftiihe Aufnahme der Ausgaben in Deutichland. 37 


ibm viele jeltene, bisher unbekannte Handſchriften einjenveten. Sonſt 
war Aldus ein großer Verehrer und Bewunderer Marimilians, der 
jeinerjeits ihm wohlwollte. Die Rhapſodie erichien übrigens 1504 bei 
Johann Otmar in Augsburg. 

Und mit welchem Enthuſiasmus wurden diefe neuen Schätze in den 
deutjcben Landen aufgenommen! Der Humaniſt Mutianus Rufus (1472 
bis 1526) weinte wor Freuden, als ihm ein Freund einen Aldiniſchen 
Cicero, Lucrez, Gurtius u. a. ſchenkte. Er und feine Freunde Urban 
und Spalatin entzogen jih das Notiwendigfte, um mit vieler Mühe die 
Aldinijchen und andere Ausgaben der klaſſiſchen Autoren über die Alpen 
berbeisufchaffen. 1! Wilibald Pirdheimer und Johann Neuchlin gehörten 
mit zu den eriten Käufern der venezianischen Ausgaben überhaupt. „Zu 
jener Zeit“, jagt des erjtern Biograph, Nittershaus, „waren fie jehr 
teuer, wie jie auch heute noch, wenn ſie überhaupt zu haben find, ver- 
dientermaßen als Schätze aufbewahrt werden, vor allem aber diejenigen, 
welche Aldus Manutius geprudt hat, welchen man mit Recht die Zierve 
und den Schmuck der Buchoruderfunit nennt Seine jchönften Aus: 
gaben faufte daher Wiltbald zu hohen Preifen und mit großen Kojten 
an.” Michael Hummelsberger aber jchreibt am 11. November 1512 
an Thomas Anshelm in Tübingen 1?: „Hebräiſche Bücher werde ich in 
Italien erwerben, denn man jagt mir, daß dort einige mit den feinen 
und schönen Aldiniſchen Buchitaben gebrudt find. Die Deinigen find 
nicht weniger fein, kommen jenen vielmehr gleich, wenn fie viejelben nicht 
übertreffen. Daher verbanft Div Deutjchland ebenjoviel als Latium 
jeinem Manutius.“ 

Bon feinen zahlreichen Berbindungen mit europäiſchen Gelehrten hat 
für Deutjchland feine eine größere Bedeutung, als jein Verhältnis zu 
Grasmus. 8 fonnte nicht fehlen, daß fie bei gleicher wiffenjchaftlicher 
Richtung ſchon früh einander nahe traten und auch jpäter, als fie fich 
perjönlich fennen lernten, ein engeres freundfchaftliches Verhältnis unter- 
hielten, welches bis zu Mous’ Tode ungetrübt fortdauerte. Daran zu 
zweifeln liegt fein Grund vor, obſchon kleinlicher Klatſch das Gegenteil 
behauptet. Undenkbar wäre es, daß Erasmus mit dem Sohne und den 
Enfeln des Aldus nach wie vor auf dem beften Fuße hätte ſtehen können, 
wenn wirklich ein Bruch ftattgefunden gehabt hätte. 

Schon 1500 wird Erasmus als Mitglied dev Aldiniſchen Akademie 


378 Beziehungen zwiichen Aldus und Erasmus. Sechſtes 


aufgeführt. Im Jahre 1507 veröffentlichte er bei Aldus ſeine Über— 
ſetzung zweier Euripideiſchen Tragödien. Was Erasmus in ſeiner Sprich— 
wörterſammlung „Adagia“) über den Wahlſpruch feines Freundes „Fes- 
tina lente“ ſchrieb, war Aldus ganz aus der Seele geſprochen. „Früher“, 
io lautet die Stelle wörtlich, „widmete man der Genauigkeit der Manu— 
jfripte eine ebenjo große Sorgfalt, ald der Redaction eines notariellen 
Aftes. Dieje Sorgfalt galt als heilige Pflicht; jpäter wurde fie un— 
wiffenden Mönchen und dann jogar Frauen anvertraut. Aber um wie 
viel größer ift das Übel, welches ein Druder anrichten fann! Die Ge- 
jete jagen wichts über diefen Punkt. Man ftraft ven, welcher engliiches 
Tuch jtatt des venezianischen verfauft; aber derjenige, welcher an Stelle 
guter Texte dem Yejer wahres Kreuz und wahre Qualen ſchafft, bleibt 
unbeſtraft. Daher rührt auch, namentlich in Deutjchland, die unzählige 
Maſſe entjtellter Bücher. Während es Verbote gegen die Düderet gibt, 
fehlt ein folches gegen die Typographie, und Doc, wo tjt der entfernteite 
Erdenwinkel, wohin nicht die geprudten Bücher gleih Bienenſchwärmen 
fliegen?” Im Jahre 1508 kam Erasmus von Bologna nach Venedig, 
um bei Aldus eine neue verbefferte und vermehrte Auflage feiner Sprich— 
wörterjammlung auszjuarbeiten und drucken zu lajfen. Sie erjcbien denn 
auch im September 1508. Aldus nahm den berühmten Gajtfreund 
suporfommend auf und gab ihm Wohnung im Hauſe feines Schwieger- 
vaters Andrea ZTorrefani di Aſula. Wie forgfültig der Drud überwacht 
wurde, das beweilt die Thatjache, daß Erasmus jelbjt die erjte Korrektur 
(as, ein Korrektor Seraphin die zweite, und Aldus die dritte, um, wie 
letzterer auf Befragen erklärte, fich zu bilden. Cine zweite Aldiniſche 
Ausgabe erſchien 1520, jedoch geitattete die italieniſche Geiftlichkeit nicht 
ihre Berbreitung; ihre Neinpieligkeit gegen die Sammlung ging jo weit, 
daß Paul Manutius jpäter nicht einmal den Namen des Crasmus als 
des Berfaffers in feinen Verlagskatalogen nennen durfte, ihn mit der 
Umfjchreibung: „Batavus quidam homo“ bezeichnen mußte, 

Erasmus beſchäftigte fich übrigens damals in Venedig nicht bloß mit 
der Herausgabe feines eigenen Werkes, bei welcher ihn, wie er jelbit jagt, 
Italiener und Griechen — der jpätere Kardinal Dieronymus Aleander 
war unter anderm Korrektor bei Aldus — zuvorfommend durch Mit: 
teilung von Büchern und Handjchriften unterjtügten, jondern half auch 
feinem Gaſtfreunde bei deſſen Arbeiten; ev forrigierte für ihn nach den 


Kapitel.] Erasmus bei Aldus. Aldus und Reuchlin. 19 


Handſchriften den Text verjchiedener Klaflifer, wie des Terenz, Seneca 
und Plautus.!“ Auch brachte er für die beabjichtigte Ausgabe des 
letzten die Verje in Oronung, wofür er nach feiner eigenen Angabe 
20 Goldſtücke erbielt. Aber gegen die Annahme, als babe er einfuch 
als Korrektor in Aldus' Druderei gearbeitet, jucht er ſich doch zu ver- 
wahren. Als ver ältere Scaliger mit einem Anflug von Werachtung 
behauptete, Erasmus jei eben Korrektor bei Aldus gewejen, fette dieſer 
bet Erwähnung jener Belohnung ausprüdlich Hinzu, daß er für die 
Ausmerzung von blofen Fehlern nichts erhalten habe, und ebenjo ent- 
gegnete er jpäter dem Fürften von Garpi, ver ihn gleichfalls durch die 
Benenmung Korrektor herabzuſetzen juchte, daß einer, der hauptſächlich 
für jein eigenes Werk thätig geweſen jet, doch nicht als Korrektor be: 
trachtet werden fünne. 

Weiter bejorgte Erasmus im Jahre 1507 die Tertrecenjion der Al— 
diniichen Ausgabe der „Moralia” des Plutarch, und drei Jahre fpüter 
(1512) prudte Aldus jeine „Colloquia familiaria“. !° Ebenſo erjchien im 
Auguſt 1515 bei dieſem jein „Moriae Encomium“ (Yob ver Narrheit). 

Noch länger als mit Frasmus, ja am längſten unter allen Deutichen 
bat übrigens Aldus mit Johann Neuchlin in Verbindung gejtanden. Es 
iſt nur zu natürlich, daß der Begründer ber griechifchen Studien in 
Teutichland gern zu dem Manne in Beziehungen trat, welcher die fie 
fördernde Litteratur maſſenhaft verbreitete und eine griechiiche Akademie 
in Benedig ins Yeben gerufen hatte. Der italienifche Verleger hatte 
ihen im September 1498 die lateinische Rede gedruckt, welche ver deutjche 
Gelehrte am 7. August desjelben Jahres zu Gunften des vom Bapite 
jeines Inveſtiturrechts beraubten Pfalzgrafen Philipp vor Alerander VI. 
erfolgreich gehalten hatte. Seitdem blieben beive Männer in regel: 
mäßigem, auch gejchäftlichem Berfehr miteinander. Bei Bücherbeftellungen 
— er beitellte unter anderm den Herodot, VBalerius Marimus und ui: 
das — ſchickte Reuchlin in der Folge immer bares Geld ein; aber viel- 
fach findet er die Bücher auch zu teuer. „Eins fann ich Dir nicht ver: 
hehlen“, jchreibt er unter anderm 1502 an Alous, „zeige Dich mir 
gegenüber nicht als Händler, jondern als Freund, damit ich mich nicht 
zu ſchämen brauche, für Deine Bücher, Dir, dem berühmten Kaufmann, 
mehr zahlen zu müſſen als unſern fleinen Händlern, Denn Deine Kon- 
furrenten geben mir das höhniſch zu verſtehen.“ 


380 Aldus’ geichäftlicher Verkehr mit Reuchlin. Sechſtes 


In den „Clarorum Virorum Epistolae ad Joannem Reuchlinum“, 
jener Sammlung, welche dejjen Freunde während des Streits mit Dog: 
jtraten veröffentlicht Haben, finden fich unter anderm auch zwei Briefe 
von Aldus an Reuchlin. Im dem erjten verjelben, vom 28. Oktober 
1502, gibt jener diefem ausführliche Auskunft über feine Verlagsunter: 
nehmungen und bietet ihm am Schluß alle diejenigen zum Gejchenf an, 
welche fein, des Aldus, eigener Verlag jeien und welche Reuchlin etwa 
wünſchen jollte. 

Welch hohen Wert übrigens Aldus auf des leßtern Yob legte, gebt 
aus dem zweiten diefer Briefe vom 23. Dezember 1502 hervor, welcer 
aljo lautet: „Ich kann Dir kaum jchreiben, wie glüdlich ich Darüber bin, 
daß Du Dich über meine Briefe und meine Arbeit freuft. Es ift fein 
geringer Ruhm, wenn der Kleine dem Großen zu gefallen wermag. 
Jenes Yob, zumal wenn es von einem jo bedeutenden Mann wie Dir 
berrührt, macht mich glauben, daß auch ich einigen Wert befite. Ich 
bitte Gott, daß wir uns noch lange und von Tag zu Tag mehr, einer 
an ven Werfen des andern erfreuen mögen. Ich halte Das nicht für 
unmöglich, wenn wir jo lange leben als unjer dem Dienjte der Menſch— 
beit gewidmetes Yeben müßen kann.“ Aldus meldet ſodann, daß mit 
Ausnahme zweier, noch nicht fertig gedrudter Werke (des Nonnus und 
Sregorius) die von Reuchlin gewünſchten Bücher deſſen Agenten be— 
reits übergeben worden jeien. „Ich wundere mich übrigens darüber“, 
führt er ob des obigen ihm gemachten Borwurfs gefränft fort, „daß 
Du es für möglich hältit, unfere Bücher dort wohlfeiler faufen zu können, 
als bier. Denn es ift eine Thatſache, daß fie hier nicht billiger, ja ic 
kann jagen, daß fie in Venedig tenerer verkauft werden. Ich juche ven 
Grund dafür in dem Kaufmann, welchen Du erwähnft. Er fauft offen 
bar von unſerer Gefellichaft in Venedig im großen und erhält ujanzen- 
mäßig die Bücher billiger, damit er bet ihrem Vertrieb etwas gewinnen 
fann. Außerdem aber zahlt ev nicht bar, jondern wir geben ihm Krebit. 
Sollte er fich deshalb vielleicht einbilvden, daß ihm die Bücher nichts 
fofteten?” Aldus fpricht hier mit jchneidender Ironie, nicht von einem 
wirklichen Buchhändler, deſſen Handelsbetrieb er natürlich auch im Aus- 
druck jehr wohl von dem gewöhnlichen kaufmänniſchen zu unterjcheiden 
weiß, jondern in der That von einem Kaufmann. Ob diejer „mercator“ 
ein Italiener war, der neben jeinen jonjtigen Waren auch mit Alpinen 


Kapitel.] Benedigs Handelsitraßen nad Deutichland. 381 


und andern Büchern die deutſchen Meſſen bezog, over ein Schweizer oder 
Deutjcber, welcher die Bücher in Venedig kaufte und im Ausland mit ihnen 
ſpelulierte, das läßt fich nicht feftitellen. Cine buchhändleriiche Verbindung 
zwijchen Venedig und Stuttgart gab es damals noch nicht, ebenjo wenig 
noch drei Fahre jpäter eine folche von erftgenannter Stadt nach Augsburg. 

Dagegen beſtand ſchon damals ein regelmäßiger kaufmänniſcher und 
Warenverfehr von Venedig nach Wien einerjeits und von Venedig nach 
Augsburg und Nürnberg andererjeits. Die Straße für jenen ging durch 
Krain, Kärnten und Steiermark nach Wien und führte für dieſen über 
Berona, Trient, Bozen, Innsbrud und Füſſen nach Augsburg und Nürn- 
berg. Die Poſt wurde durch die „Ordinari” (Poſtboten) vermittelt, 
welche an jedem Samstag Abend von Augsburg rejp. Nürnberg nach Ve- 
nedig abgingen und bier am darauffolgenden Samstag eintreffen mußten, 
während fie Venedig an jedem Freitag verliefen und am nächitfolgenden 
Samstag Augsburg erreichen follten; von bier gingen dann diejelben 
vereideten Boten nach Nürnberg. Die lebhafte venezianijche Handels— 
jtraße für das ſüdweſtliche Deutjchland zog fich über Mailand nördlich 
in die Alpen, überjchritt ven St. Gotthard und teilte fich in Yuzern in 
zwei Arme: nah Zürich und nad Bajel. So erklärt es fich, daß die 
Aldiniſchen Drude bis etwa zum Ende des erjten Vierteld des 16. Jahr— 
hunderts vorzugsweife in Wien, Augsburg, Nürnberg und Baſel ge 
funden und gefauft, und erſt jpäter direkt nach Frankfurt auf die Meſſe 
gejandt wurden. Der Zeitpunkt hierfür bat fich bisher noch nicht genau 
feſtſtellen laſſen. Selbjt für jene erjterwähnten Städte waren oft nene 
Zufuhren von Klaffitern durch die langjährigen Kriege mit Venedig ver- 
hindert worden. „Der tägliche Zuſammenſtoß franzöfifcher und vene- 
zianiſcher Soldaten”, jchreibt Mutianus Rufus an Urban, „bat die 
Engpäffe der Alpen und die nach Italien führende rhätiſche Straße jo 
völlig geſchloſſen, daß die ſchönen Wiffenfchaften, der Hilfe des Aldus 
beraubt, daniederliegen. Ich Hatte ſchon gehofft, daß die nächſten franf- 
furter Meſſen unſern Studierenden ausgezeichnete Autoren bieten wür- 
ben. DO, der trügerifchen Hoffnung; es gab nichts Neues! Alterorten 
find die Buchläden mit juriftiichen Werfen (wörtlich cum Bartolis) 
angefüllt. Der Dann ift jelten oder gar nicht vorhanden, der die 
Früchte der unermüdlichen Ihätigfeit des Manutius verfauft. Um die 
Schulen Deutjchlands iſt's gejchehen! Was gibt es denn noch außer 


382 Aldus' Gejchäftsverbindungen mit Deutichland. Sechſtes 


kleinlichen und elenden Dingen?“ Im Jahre 1514 wandte ſich ſogar 
der Kurfürſt Friedrich der Weiſe von Sachſen auf Veranlaſſung ſeines 
Bibliothekars Georg Spalatin (1482 bis 1545) an Aldus, um von ihm 
direkt die Klaſſikerausgaben für die wittenberger Bibliothek zu kaufen. 
Der Brief war aber nicht angekommen, wie Aldus am 9. Mai 1514 an 
Spalatin ſchreibt, der Auftrag alſo auch nicht ausgeführt worden, und 
Wittenberg mußte ſich ohne Aldinen behelfen. 

So viel ſteht jedenfalls feſt, daß Aldus ſelbſt zu Anfang des 16. Jahr— 
hunderts noch keine regelmäßigen Verbindungen mit Deutſchland hatte, 
und daß ſein Verkehr mit Augsburg und Nürnberg nur ein gelegent— 
licher war. Obwohl ein ebenſo umſichtiger Kaufmann, als erfahrener 
Berleger, hatte Aldus 1501 noch fein wirkliches oder dauerndes Lager 
in Deutjchland. Hätte er ein folches z. B. ſchon damals bei den Ge— 
brüdern Alantſee in Wien gehabt, jo würde er ficherfih, wie ſchon 
früher erwähnt, ven dort lebenden Konrad Geltis nicht um jeine Ver- 
mittelung für den Abjat einer Schrift gebeten haben. ° Er kann augen: 
jcheinlich feine Gelegenheit zu einer direkten Verſorgung des wiener 
Markts von fich jelbit aus gehabt haben, wohl aber muß jene Firma — 
ohne fürmlich als Agent (Faktor) für Aldus beftellt gewejen zu jein — 
ſich mit dem gelegentlichen Vertrieb feiner Drude auf ihre alleinige Ge— 
fahr bin befaßt haben. Noch am 12. Dezember 1505 ſchickt Heinrich 
Urban vier Dukaten an Aldus umd bejtellt Bücher dafür, welche durch 
die Fugger nach Georgenthal gefandt werden jollten. Doch jeheint Aldus 
die Vermittelung diejes Hauſes nicht befonders genehm gewejen zu jein; 
neun Jahre jpäter, am 5. Mai 1514, jehreibt er wenigjtens an Spalatin, 
daß die Fugger nicht einmal Briefe für ihn nach Deutjchland hätten 
bejorgen wollen, wenn er fie nicht im voraus für deren Beförderung 
bezahle. Am 19. Dftober 1516, als alles anfing fich zum Frieden zu 
neigen, jchrieb Heinrich Glareanus aus Bajel an Zwingli: „Wolfgang 
Yachner bat Leute nach Venedig gejchieft, welche die beiten Autoren in 
aldinijchen Ausgaben hierher bringen ſollen. Willft Du welche baben, 
jo jage e8 jofort und jchide mir bares Geld, denn es find immer dreißig 
da, welche nach den Büchern langen, ohne nach dem Preiſe zu fragen. 
Manche verftehen fie gar nicht, wollen fie aber doch haben.“ Eine jelche 
Sendung brauchte damals je nach der Jahreszeit ſechs Wochen bis zwei 
Monate, um an Ort und Stelle zu gelangen. 


Kapitel.] Umfang von Aldus’ Verlagsthätigfeit. 383 


Nun war ed aber Aldus jehr um den Abjat feiner Verlagswerfe 
zu thun, und er wäre gewwiß ber lette gewejen, von Bajel aus Aufträge 
abzuwarten, wenn jich inzwijchen der Charafter feiner gejchäftlichen Be— 
ziehungen zu Deutjchland geändert, er nunmehr etwa ein ftehendes Yager 
in Deutjchland zur Befriedigung jeiner Stunden gebabt hätte. Offenbar 
baben vie faſt unmmterbrechenen Kriege des Kaiſers Marimilian mit 
Stalien und die dadurch bewirkte Unficherheit der Strafen und der 
Zahlungsverhältniſſe den großen vwenezianifchen Verleger von dem Be— 
juche oder der Beſchickung der Frankfurter Büchermeijen abgehalten. 
Nicht einmal der Name Frankfurts fommt in feiner umfangreichen Kor— 
rejpondenz vor. Dagegen iſt es wahrjcbeinlich genug, daß manches in 
Dajel, Augsburg oder Nürnberg erbandelte Werk jeines Verlags auf 
Unmegen nach Frankfurt gelangte und dann dort auf der Meffe weiter 
verfauft wurde. Erſt jeine Erben und Söhne gingen regelmäßig nach 
Frankfurt. Das Gejchäft beftand bis 1597, dem Todesjahre des Enfels, 
und veröffentlichte im ganzen 1049 Werke, worunter 137 tbeologijche, 
21 juriſtiſche, 125 allgemein wifjenjchaftliche, 628 Klaſſiker und Wörter- 
over Handbücher zur denjelben, jowie enplich 138 geſchichtliche. 

Aldus war nur 20 Jahre in feinem Bernf thätig (1495 bis 1515) 
und wurde während dieſer Zeit jogar vielfach durch Kriege (wie 1506, 
1510 und 1511) und Gelvjorgen in feinen Arbeiten geftört; indejjen 
bat er troßdem nicht weniger als 126 Werfe von jenen 1049 gebrudt, 
von deren meiften er die bandjchriftlichen Quellen erſt bejchaffen und 
fritijch revidieren mußte. Von diejen feinen Beröffentlichungen gehören 
nur 2 der Theologie an, während 16 auf die Gejchichte, 20 auf die 
ichönen Wifjenfchaften, 88 auf die alten Klaſſiker, Grammatifen und 
Handbücher fallen. Ein juriftiiches Werf ift dagegen überhaupt nicht 
von ibm verlegt worden. Ginzelne Klaſſiker, wie Homer und Euripides, 
erjchienen in je zwei Kolianten, andere, wie Ovid, in brei Bänden und 
Aristoteles jogar im fünf Folianten. Eduard Frommann bat im feinen 
vortrefflichen „Aufjägen zur Gejchichte des Buchhandels im 16. Jahr— 
hundert“ (II, 11 bis 51) aus Renouards „Annales de l’Imprimerie 
des Aldes” (II, 343 bis 383) Aldus' hauptjächliche Drude und Verlags— 
werfe alphabetiich zuſammengeſtellt. Da invejjen die Zeitfolge ihrer Ver— 
öffentlichung ein überfichtlicheres Bild von Aldus’ planmäßiger Thätig- 
feit bietet, jo möge dieſe Yifte im Anhange unter VIIL in chrenologticher 


384 Aldus’ Kataloge. Sein Sortimentshandel. Sechſtes 


Ordnung mit der Bemerkung folgen, daß die in Klammern angeführten 
Jahreszahlen ſpätere Auflagen bei Aldus' Lebzeiten bezeichnen, die mit 
einem * verſehenen Werke erſte Ausgaben alter Schriftſteller, und die 
Jahreszahlen nicht in der venezianiſchen, ſondern in der gegenwärtigen 
Zeitrechnung angegeben find. Ein Marcello iſt gleich einer halben Lira 
Beneta (zu 20 Soli), ein Dufaten gleih 6", Lire (12%, Marcelli); 
ein Marcello würde aljo etwa 1 Franken, 1 Yira 2 Franken, 1 Dufaten 
12, Franken oder 10 Mark betragen. 

Aldus that Übrigens alles, was im jeinen Kräften ftand, um Die ge— 
lehrte Welt von den Fortſchritten feiner wifjenjchaftlichen Unternehmungen 
in Kenntnis zu jeßen und zu erhalten. Er war ver erjte Buchhändler, 
welcher überhaupt nach einem bejtimmten Plane bearbeitete Verlags- 
fataloge berausgab. Der erfte derjelben, ein Plakat in Folio, erjcien 
am 1. Oftober 1498 und ordnete die bei ihm erjcbienenen Werke in vier 
Abteilungen, in Grammatif, Logik, Philojophie und beilige Schrift. Cs 
war Aldus jchon damals jehr läſtig, wenn nicht unmöglich geworben, 
die faft täglich bei ihm einlaufenden perjönlichen Anfragen eingehend zu 
beantworten. Deshalb fügte er — hierin für lange Zeit vereinzelt da- 
jtehend — jeinem Katalog die Preife bei; fie find aus dem Anhang VILI 
zu erjehen. Im feinem zweiten Katalog vom 22, Juni 1503 führt er 
auch verſchiedene, nicht von ihm jelbjt geprudte Bücher an, wie 3. D. 
das vom Stretenjer Zacharias Galiergi auf Koften von Nikolaus Blajtos 
1499 herausgegebene Prachtwerf „Etymologicon magnum“ zu 2',, Du- 
faten, „Simplicius in praedicamenta Aristotelis” zu 1Y, Dufaten, 
„Ammonius in praedicabilia Porphyri“ aub zu 1", Dukaten, 
„Apollonius de Argonautis cum commentariis“ zu 1 Dufaten, 
„Suidas” zu 3, Dufaten, „Homeri libri 48” (Florenz 1488), lettere 
ohne Preisangabe. Den dritten und legten Katalog veröffentlichte Aldus 
im November 1513; er umfaßt fünf zweifpaltige Folioſeiten und enthält 
alle von ihm bis dahin gebructen Werke. 

Gleichwohl erzielte Aldus feinen feinen Anftrengimgen und Arbeiten 
entjprechenden Erfolg. „Seit fieben Jahren”, fagte ev 1503, „baben 
die Bücher gegen die Waffen kämpfen müſſen.“!“ Unter biefen Um— 
jtänden wollte es etwas beißen, wenn die monatlichen Ausgaben von 
200 Dufaten 1° regelmäßig beftritten werden fonnten. Neben ven viel- 
fültigen Kriegswirren jchädigten nicht nur vier, wenn ſchließlich auch 


Kapitel.] Nachdruck der Aldinen in Lyon u. f. w. 385 


energiſch unterdrüdte, Druderftrifes mannigfach den Gejchäftsgang und 
den Abjat, — es bemächtigte ficb auch jehr bald ver Nachdruck des 
Aldusſchen Verlags. Er ftürzte ſich auf die neuen handlichen Klaſſiker— 
ausgaben und trieb jein unjauberes Gewerbe ungeſcheut nicht allein in 
der ferne, wie in Lyon und in Tübingen, beziehungsweije Köln, ſondern 
jogar im nächſter Nähe, wie in Nano und Florenz. Aldus hatte zwar 
iben 1495 für ven eriten Band feines Ariftoteles ein Privilegium vom 
venezianifchen Senat erhalten; indeſſen jcheint es mehr als Schredichuf 
gedient und feine praftiiche Anwendung gefunden zu haben. Won wirf- 
fiher Bereutung wurde die Frage erſt, als jene handlichen Ausgaben 
zu erjcheinen begannen. Aldus erbat aljo im DOftober 1502 vom Senat 
ein neues Privilegium und erlangte ein jolches auch am 13. November 
desjelben Jahres auf zehn Jahre. Es findet ſich vollſtändig abgedruckt 
in der Dvid-Ausgabe von 1502 und gewährt dem Nachjuchenden Schuß, 
nicht allein gegen das Nachichneiden der von ihm erfunbenen Kurſiv— 
jchrift, jondern auch gegen Nachorud eines jeden von ihm gedrudten 
oder noch zu drudenden Werks. Den Zuwiderhandelnden traf Ktonfis- 
fation des Werfs, oder der Erempfare, jowie eine Geldftrafe von 200 Du: 
faten für jeden einzelnen Fall der Nachbildung. Papft Alerander VI. 
beftätigte diejes Privilegium am 17. Dezember 1502, Julius II. er- 
nenerte e8 am 27. Januar 1513 auf 15 Jahre und dehnte es unter 
Androhung der Strafe der Erfommunifation auf die ganze Chriſtenheit 
aus; Leo X. bejtätigte es endlich nochmals am 28. November 1513. 
Leider halfen diefe Privilegien jo gut wie gar nichts. Venedig beſaß 
ein zu Feines Gebiet, ald daR es fonderlich ins Gewicht gefallen wäre. 
Der übrigen Staaten und Staatchen waren zu viele in dem damaligen 
Italien, als daß e8 durchführbar gewejen wäre, bei jedem einzelnen um 
ein Privilegium einzufommen; die Stirche aber hatte nur in außerordent— 
lichen Fällen ein Intereffe am Cinfchreiten. Noch weniger vermochte 
Aldus dem Übel durch fein „Monitum in Lugdunenses Typographos“ 
abzuhelfen, welches er am 16. März 1503 gegen die dortigen Nach— 
druder erließ. Es geht aus demfelben hervor, daß damals jchon jein 
Virgil, Horaz, Juvenal, Perfius, Martial, Lucian, Catull, Tibull, Pro- 
perz und Terenz mit einer ber feinigen nachgejchnittenen, nur etwas 
plumpern Kurfiv, ohne Angabe eines Drudorts, Verleger und der 
Jahreszahl in Lyon nachgedruckt waren. Die wiederholt aufeinander: 
faypr. L 9% 


386 Thomas Anshelms Nachdrucke. Aldus' Nachfolger. Sechſtes 


folgenden Auflagen dieſer Nachdrucke beweiſen, daß ſie beſſern Abſatz 
fanden als die ſchönern Originalausgaben ſelbſt. Wenn zwar den un— 
lauterſten Motiven ihren Urſprung verdankend, ſo haben doch auch dieſe 
Nachdrucke das Studium der Alten mächtig gefördert und wenigſtens 
die Anforderungen nicht wieder heruntergedrückt, welche ſeit den Aldinen 
an Texteskritik und äußere Ausſtattung geſtellt wurden. 

Auch Thomas Anshelm in Tübingen druckte im März 1514 unter 
anvderm die Alvinijche Ausgabe der Erasmiſchen Spridwörterfammlung 
für Ludwig Hornden in Kölm nad. Was Erasmus befonders dabei 
jchmerzte, war der Umſtand, daß der weniger Erfahrene fie für einen 
Driginaldrud des berühmten VBenezianers halten fonnte. Denn Ans: 
beim bielt fich bei allen Nachdrucken Aldiniſcher Ausgaben ftets jflawijch 
an die Vorlage; ftrebte er doch nach dem Ruhm, ver deutſche Aldus zu 
heißen. 1? Außerdem hatte er im März 1512 die Yateinifche Glementar- 
grammatif, Aldus' eigene Arbeit, und im Juli einen Teil der von dem— 
jelben ſchon 1495 veröffentlichten Grammatik des Yascaris, „De literis 
graecis ac diphthongis” nachgedruckt. Die 1508 erichienenen vier 
Bücher der lateinijchen Grammatif von Alvus, welche Anshelm im 
April 1516 ebenfalls herausgab, enthalten zwar zum Teil eine Be— 
arbeitung für deutſche Studierende, find aber wiederum jo genau ab- 
gedrudt, daR jelbit Das auf dem Titel mit angeführt wird (de literis 
graecis), was Anshelm im feiner Ausgabe wegließ. Trotzdem bat fich 
Aldus nie über Anshelms Nachorude bejchwert, fie anjcheinend gar nicht 
beachtet, offenbar deshalb, weil fie ihm gar nicht oder nur wenig ge 
ſchadet haben. 

Nach Aldus’ Tode führte Andrea Torreſani aus Aſola, fein Schwieger— 
vater, das Geſchäft bis 1529 für Nechnung der Erben unter der Firma 
„In Aedibus Aldi et Andreae Soceri” fort. Andreas ftarb in dieſem 
Jahre und Paul Manutius, der dritte Sohn des Aldus, übernabm nun 
bei feiner im Jahre 1533 erreichten Grofjährigfeit das Geſchäft unter 
der Firma „In Aedibus heredum Aldi et Andreae Asolani Soceri”. 
Diejes Verhältnis, welches übrigens nur wenige Verlagswerfe entjtehen 
jab, dauerte bis 1540, von wo ab „Aldi Fili“, Sohn und Enfel des 
berühmten Gründers, die Druderei fortjekten. Beide waren Gelehrte 
eriten Ranges. Paul ftand jahrelang einer in Rom errichteten großen 
päpftlichen Offizin vor und ftarb 1578. Sein Sohn, der 1547 geborene 


Kapitel.) Johann Froben, der Aldus der Deutichen. 387 


jüngere Aldus, der ſchon mit zehn Jahren als Schriftfteller auftrat und 
auch eine Zeit lang an der Spite der päpftlichen Druderei jtand, ſtarb 
1597. Mit ihm erlojch dieje berühmte Familie von Druderherren und 
Berlegern, welche wieder in dem letten Träger eine bedeutende littera- 
riſche Thätigkeit entwickelt hatte, 

Ein dem Aldus ebenbürtiger Geiſt und um die Förderung der Wiſſen— 
ſchaft ebenſo hoch verdienter Verleger iſt der Deutſche Johannes Froben. 
Erasmus war der Freund beider Männer und bildete die Vermittelung zwi— 
ſchen ihnen. Froben hat mit ſeinem Zeitgenoſſen Aldus Manutius vieles 
gemein. Beide veranftalten nicht allein korrekte Ausgaben und ſchöne 
Drude, jondern jtellen auch ihren perjönlichen Vorteil in zweite Yinie, wenn 
es gilt, einen bedeutenden alten Schriftjteller ver Nachwelt zu erhalten oder 
einen neuen erjt einzuführen. Beide jahen fich jchließlich für ihre Thätig- 
feit jchlecht belohnt und ftarben troß ihres unermüplichen Fleißes in 
durchaus nicht glänzenden Verhältnijfen. Denis nennt Sroben den Alpus 
der Deutjhen, Dorpius jtellt ihn jogar über den VBenezianer, welchem 
ſich Froben ſelbſt dagegen beſcheiden unterordnet und welchem es gleich- 
zuthun jein höchſter Ehrgeiz ift. Die Porbeern des Aldus und Johann 
Parvus laſſen Froben nicht jchlafen — es it derjelbe Buchhändler Parvus 
oder Johann Kleyn, Jean Petit, in Paris, welcher die Preſſen von 
16 Druckern beſchäftigte — aber nicht aus Neid, ſondern in dem Streben 
nach gleichen Leiſtungen, nach gleichem Ruhm. Aldus erfreut ſich der 
Unterſtützungen der italieniſchen Großen, wurzelt in einem damals ge— 
bildetern Volke, in einer Weltſtadt und verfügt über die reichſten Mittel. 
Froben dagegen ſteht meiſt auf eigenen Füßen und hat einen beſchränkten 
Kundenkreis. Aldus hat ſich zum Signet oder Symbol einen Anker 
gewählt, um den ſich ein Delphin windet, während in der Mitte, zu 
beiden Seiten des Ankers, geteilt der Name Aldus ſteht. Er will in 
dieſem Symbol ſeiner Thätigkeit einerſeits das ſchnelle raſtloſe Schaffen, 
andererſeits zugleich die Zurückhaltung und reifliche überlegung andeuten. 
Frobens Signet bildet eine Stange, auf deren Spitze eine Taube ſitzt 
und über deren Kopf hinaus fich von unten her zwei Schlangen ringelnd 
eınporheben. „Wenn die Fürſten nördlich von den Alpen‘, jagt Eras— 
mus, „Sroben gerade jo ermutigen wollten, wie Alvus, jo würden ihm 
jeine Schlangen nicht weniger nutbringend fein, als dieſem fein Delphin; 
Froben wird, indem er auf feinem Druderzeichen die Unſchuld der Taube 

25* 


3883 Vergleihung von Froben und Aldus. Sechſtes 


mit der Klugheit der Schlange vereinigt, Ruhm und Reichtum erwerben.“ 
Leider aber traf dieſe Weisſagung nicht ein. — Aldus war ein mehr 
ſchöpferiſcher Geiſt, der neue Erfindungen machte und manche Verbeſſe— 
rungen einführte; Froben ein mehr bedächtiger Mann, welcher die Al— 
diniſchen Eroberungen nachahmte und gewiſſenhaft im Intereſſe ſeiner 
Kunſt ausbeutete. So ließ er nach dem Vorbild der meiſten italieniſchen 
Drucker und des Aldus die eckige und ſchwerfällige ſogenannte gotiſche 
Schrift fallen und druckte 1513 zuerſt die Sprichwörterſammlung des 
Erasmus mit der neuen Kurfiv. Froben jowohl als Aldus können nicht. 
genug wichtigen und lohnenden Stoff für ihre Prejfen befommen und 
wünjchen nichts mehr als neue Kunde. Ihre Gelehrten können ihnen 
nicht ſchnell genug arbeiten und nichts ift ihnen peinlicher als wenn 
ihre Preſſen ſtillſtehen. Aus dem Briefwechjel des Beatus Rhenanus 
(1485 bis 1547) geht hervor, daß die Offizinen Frobens, der Amerbachs, 
Herwagens und Oporinus’ nicht nur die Sammelpunfte ver Gelehrten 
waren, in welchen man alles erfuhr, was dieſe interejfierte an neuen 
Funden und Ausgaben, allerlei Perjonalien und Skandalgeſchichten, jon- 
dern auch wahre Zufluchtsftätten ärmerer Jünger der Wiffenjchaft un 
wandernder Scholaren. Rhenanus 3. DB. genoß namentlich von Froben 
und den Amerbachs vielfache Unterjtügung Meutianus Rufus lobt 
Froben begeijtert ob jeiner wifjenjchaftlichen Peiftungen und ver durch fie 
allgemein zugänglich gemachten alten Codices, wie er denn auch mit ver 
höchjten Anerkennung ver „Autores Frobeniani’ gevenft. 

Frobens buchhändleriiche Beveutung und Stellung in der wifjenjchaft- 
lichen Welt ſpricht fich übrigens am Flarften in jeinen Verhältniſſen zu 
Erasmus aus, mit welchem er von 1513 an bis zu feinem Tode in 
inniger, ungetrübter Sreundjchaft verbunden war. Ihre Beziehungen zu: 
einander waren berzlicher, als die zwijchen Erasınus und Aldus. Es ijt 
der Bund „des Fürſten der Buchhändler“ mit dem Fürften der Wifjen- 
ichaft, wie die beiderjeitigen VBerchrer Froben und Erasmus nennen. 
Yebterer war 1521 zum zweiten mal zum Beſuch nach Baſel gefommen, 
blieb aber, hauptjächlich durch Froben freumdjchaftlich angezogen und auch 
gejchäftlich gefejfelt, bis 1529, aljo bis kurz nach defjen Tore, dort faſt 
neun Jahre, und zwar Die längfte Zeit im Frobenjchen Haufe, wohnen. Hier 
ſammelte fihb um ihn eine ganze Schar jüngerer und älterer Männer, 
welche jüntlich der neuen Nichtung zugethan, ihn als ihren Führer und 


Kapitel.) Erasmus’ Arbeiten für Froben. 389 


Patron beiwunverten und verehrten, wie die Gebrüder Amerbach, Gla— 
reanus, Okolampadius, Beatus Rhenanus, Gerhard Lyſtrius, Nikolaus 
Serbellius, Fontejus und Eobanus Hefe. Dem leßtgenamuten, der ihn 
un Bejorgung eines Verlegers gebeten batte, antwortete Erasmus am 
6. September 1524: „Ich weiß noch nicht, was Froben mit Beatus 
verhandelt hat, demm der bat Deine Gedichte. Die Druder ſuchen jetzt 
mehr das leicht Verkäufliche als das Gute. Wenn Dur willft, werde ich 
es bei den Franzoſen verſuchen.“““ Bon allen Seiten drängten fich Ge— 
lehrte an ihn und fragten ihn perjönlich oder jchriftlich um Kat. So 
wurde Bajel ver Sit der gelehrten Studien, für deren Förderung zu— 
gleich die Prefjen von Froben und Amerbach eifrig arbeiteten. Grasmus 
jelbft freute jich diefer angenehmen Gejelligfeit, fühlte fich, unabhängig 
von äußern Sorgen, wohl im Kreiſe ftrebender Genoſſen, deren beleben- 
der Mittelpunkt er war, Entzückt rief er aus, daß jein Vaterland 
Deutſchland) ihn mehr und mehr anlächle, und daß es ihn gerene, es 
erjt jo ſpät kennen gelernt zu haben, 

Die beiden Frobenſchen Verlagsartifel, welche Erasmus zuerſt emen- 
dieren half und in die gelehrte Welt einführte, waren das 1516 er- 
jebienene erjte griechifche Neue Tejtament — der griechiiche Text der 
Complutenſiſchen Polyglotte war zwar ſchon 1514 geprudt worden, 
wurde aber erit 1520 ausgegeben — und eine Ausgabe ver Werfe des 
heiligen Hieronymus, bei welch leßterer zugleich Konrad Bellican und Io: 
hann Reuchlin als Korreftoren des Debräifchen, beziehungsweife Griechi— 
jchen thätig waren. „Ich traf in Bajel”, jagt Erasmus im zwei Briefen, 
welche ev am 31. März 1515 an die Kardinäle Grimanus und Raphael 
richtete, „einige, welche das Werk (den Hieronymus) ſogar ſchon in 
Angriff genommen haben: es jind dies Johann Aroben, durch vejfen 
Kunft und auf deſſen Koften es zum großen Teil fertig geftellt wird, 
und die drei hochgelehrten jungen Brüder Amerbach, die auch Hebrätich 
gut verſtehen. Es arbeitet die ganze große Offizin an diejer, auf zehn 
Bände berechneten Ausgabe. Sie wird mit den vorziiglichiten Yettern 
und ſolchem Aufwande von Geld und Schweiß gebrudt, daß es dem gött- 
fihen Hieronymus weniger Arbeit gefoftet haben muß, feine Bücher zu 
jchreiben, als ung, fie wiederherzuftellen. Ich wage ſogar zu ſchwören, 
dar in den letzten 20 Jahren fein Werf in irgend einer Offizin mit 
gleichen Koften und gleichem Eifer vorbereitet worden iſt.“ 


390 Erasmus’ Arbeiten fir Froben. ESechſtes 


An den Papſt Leo X. aber ſchrieb Erasmus am 29. April 1515: 
„Es iſt Schon lange das große Werk in Arbeit. Im Baſel, im Yante 
der Rauraker, entjteht von neuem der ganze Hieronymus und zwar 
in Frobens Werfftatt, der zunerläffigiten von allen, aus der am meiften 
Bücher hervorgehen, zumal jolche, die fich auf religiöfe Dinge beziehen. 
Am meiften haben die Gebrüder Amerbach dazu beigetragen, daß auf 
ihre Koften und mit ihrer Arbeit im Verein mit Froben das Werf voll: 
endet wird. Dies Haus ſcheint zu diefem Zweck vom Schichkſal jelbit 
dazu bejtimmt, den Hieronymus wieder aufleben zu macen. Der 
wadere Bater hatte jeine drei Söhne zu dem Zweck im Griechijchen, 
Pateinijchen und Hebräifchen unterrichten laſſen. Er jelbjt empfahl bei 
jeinem Tode jeinen Kindern dies Studium gleichſam als Erbe; alle 
feine Mittel wandte ev auf dies Werk. Die wadern Jünglinge bejorgen 
das nom Bater empfohlene jchöne Werf eifrig.‘ 

Die Herausgabe des Hieronymus, welcher ein Mann wie Gras: 
mus fördernd zur Seite ftand, bildete ein großes Ereignis in der da— 
maligen gelehrten Welt. Man verfolgte die Fortichritte des Druds 
mit der geipannteiten Teilnahme, berichtete einander davon wie ven 
etwas Ungewöhnlichem umd fuchte nach außen hin dem mutigen Ber: 
feger die Wege zu ebnen. 

So jchreibt unter anderm Michael Hummelsberger am 30. Auguit 
1516 an Froben: „Konrad Peutinger hat dem Ägidius Remus, feinem 
Mitbürger und Verwandten, Beatus Rhenanus hat mir mitgeteilt, Daß 
Du jett des göttlichen Hieronymus Werfe druckſt, des trefflichen Er— 
flärers der heiligen Wiffenjchaften, die Du aus alfen Bibliothefen 
Europas zufammengebracht haft. Zugleich haben jie mich dringend ge 
beten, vom Papfte Yeo ein Privilegium zu erwirfen, wonach niemand 
innerhalb fünf Jahren jene irgendwo druden darf. Wir haben es für 
recht gehalten, Dich mit allen unfern Kräften zu unterjtügen, dem Peu— 
tinger und Rhenanus den Gefallen zu thun und überhaupt bei jo einen 
frommen, dev wiffenjchaftlichen Welt nütlichen Werk behilflich zu ein. 
Bejonders wollten wir dem Grasmus von Rotterdam, dem gebilvetiten 
Dann der Deutjchen, der nicht geringe Mühe auf dieſe Ausgabe ver- 
wendet, zu Gefallen jein. Damit wir um fo leichter und mit geringern 
Koften dies erreichten, haben wir uns der Hilfe ver bochgebilveten 
Männer, Stephanus Rofirus aus Augsburg und des Jakob Uueftenberg 


Kapitel.) Erasmus’ Arbeiten für Froben. 391 


bedient, welche ven verehrten Kardinal Adrianus, den Förderer des wiſſen— 
jchaftlichen und gebildeten Lebens, gebeten haben, beim Papfte ein gutes 
Wort für Dich einzulegen. Nachdem diejer ein jehr zierliches Schreiben 
von unjerm Rhenanus hierüber an mich angenommen hatte, hat er beim 
Papite unſere Bitte durchgejeßt. Es iſt aljo ein päpſtliches Breve er- 
langt und ausgegeben, welches wir anbei überjenden. Wir haben jechs 
Dufaten dafür ausgelegt, Die wir von den Weljers in Augsburg empfangen 
haben und die Du ihnen zurüderjtatten faffen wirft. Zei verfichert, 
daß dieſe Ausgabe eine ſehr geringe iſt, aber unjerer Anjtrengung und 
unjern Fleiß magit Du es zuichreiben, wenn wir weniger als an— 
dere bezahlt haben. Denn jei verfichert, fein anderer hätte es jo billig 
erlangt. Dies bezeugen auch die römijchen Buchhändler, die auch auf 
unjer Befragen meinten, wir müßten etwa 30 Goldgulden daran wen- 
ven. Uns aljo, die wir jo willfährig Deinen und der Freunde Bitten 
oder vielmehr Ermahnungen nachgegeben, bift Du jett etwas verpflichtet, 
damit Du die Div erwiejene Wohlthat bei Gelegenheit Deinerjeits zurüd- 
eritatteft.‘ *! 

Ziemlich um viejelbe Zeit, am 19. Auguſt 1516, melvete Erasmus 
dem Papſte Yeo X.: „Der ganze Hieronymus, der unter den günftigiten 
Aufpizien entjtanden iſt und von allen Gelehrten mit der größten Span— 
nung erwartet wird, joll im mächjten Monat September herauskommen.“ 
Es dauerte indeſſen länger, dem noch am 5. Juni 1517 ſchrieb Gras: 
mus, daß der vollftändige Dieronymus erft zur Herbſtmeſſe jenes Jahres 
erjcheinen werde. 

Die jümmtlichen mit Erasmus in Verkehr ſtehenden Gelehrten ur- 
teilen nicht minder günftig über Frobens hervorragende Yeijtungen. „O, 
daß es mir doch vergönnt wäre‘, jchreibt Nikolaus Beraldus am 16. März 
1518 an Erasmus, „Diejes Neue Teftament vecht bald im ven jchönften 
Typen gedruckt zu jehen, mit Frobenjchen nämlich; es kann nichts Glän— 
zenveres, Angenehmeres und VBornehmeres als dieſe geben.“ Dorpius 
aber bittet am 14. Juli 1518 Erasmus, den „Prinzeps“ aller Druder, 
Froben, herzlich von ihm zu grüßen, da die Wilfenfchaft ihm jo viel wer- 
danke. „Möge der Herr ihm noch viele und glückliche Jahre geben, damit 
er jeinem jchönen Berufe, in welchem er jelbjt den Aldus übertrifft, noch 
lange leben kann!’ Erasmus iſt damit einverjtanben, denn am 25. Auguſt 
1518 jchreibt ev an Puccius, daR die Studien der heiligen Wiffenjchaften 


392 Frobens Ruhm in den Gelchrtenfreiien. [Sedhites 


feiner Offizin mehr verdanken als der Frobenjchen, und am 2. Februar 
1525 lobt er in einem Briefe an Turzo in Olmüß die Schönheit und 
den Slanz der Werfftatt Frobens, welch letterer ihm nur zur DVerberr: 
fibung der Wijfenjchaften geboren zu fein ſcheint. Uno an Theobald 
Fettichius richtet Erasmus am 5. Dezember 1526 die Worte: „Cs kann 
niemanden zweifelhaft fein, wie viele Jahre Johann Froben, mit welden 
Nachtivachen, Anftrengungen und Koſten er vorzügliche Autoren gefördert 
bat und zwar mit größerm Ruhm als Vorteil. Er bat zu Hauje in 
beiden Yitterativen einen ebenjo hochgelehrten als gewiffenhaften Mann, 
welch letztere Eigenjchaft ich nicht zuletst vechne. Daher ift meines Er- 
mejjens fein anderer würdiger Eurer Gunft, als Froben, denn durch 
feine andere Werkjtatt wird für treffliche Autoren bejfer gejorgt werten; 
endlich aber werdet ihr kaum einem andern ebenjo danfbaren und erkennt: 
lichen Mann Eure Gejchäfte auftragen.” 

„Wenn ich in der Schlacht Sterben ſoll“, jchreibt Erasmus an Johann 
Vergura am 2. September 1527, „io wird Froben für mich der beite 
Beiſtand fein, indem er mir die Waffen im Kampfe darreicht.“ Ten 
ganzen Wert des Freundes und jeine eigene Trauer faßte aber Erasmus 
nach Srobens Tode im die ergreifenden Worte zuſammen: „Johannes 
Froben, ein in jeder Beziehung vorzüglicher Mann, bat ung, von einer 
vähmung dabingerafft, zu meinem tiefen Schmerze verlaffen. Er war 
zur Förderung der Studien gejehaffen und wünſchte fich Fein Lüngeres 
Yeben, als bis er den heiligen Augustinus vollendet hätte, den er mit 
großen Koſten worbereitet hatte und auf jechs Preſſen druckte. Der Hin— 
gang diejes Freundes hat mich hart getroffen. Die Laſt ver Offizin 
haben jein Schn Hieronymus und ich übernommen. Für die jieben 
Preffen muß ich jchaffen, was fie drucken, aber vor allem erſchöpft mich 
der Auguftin, den ich ganz verbefjere, während ich beim Hieronymus 
nur die Briefe für mich genommen babe. Dieje Arbeit hat mir, ob- 
gleich ich mich mit Händen und Füßen wehrte, der jelige Johannes 
Froben aufgeladen, den ich fo liebte, daß ich ihm nichts abjchlagen 
konnte, auch wenn er mir befohlen hätte, auf dem Marfte auf dem Seil 
zu tanzen. Er ift über der Arbeit gejtorben. Ich fürchte, daß jie au 
mich aufreibt; wenigjtens hat fie mir fehon die Augen verdorben.” „Zeit 
15 Jahren‘, führt Erasmus am 16. September 1528 fort, „babe ic 
mit Baſel in Verbindung geftanden; ich habe die Stadt oft auf der 


Kapitel.) Erasınus’ Nachrufe bei Frobens Tode. 393 


Rückreiſe von Brabant bejucht, endlich habe ich faſt acht Jahre fortwäh- 
rend die bequeme Saftfreundjchaft jenes guten Mannes genofjen. Dort 
war Johannes Froben mein Freund geworden, einen ehrlichern kann ich 
mir von den Göttern nicht wünfchen: Diejelbe Gefinnung hatte die ganze 
Familie gegen mich; daher iſt mein Wohlwollen gegen die Kinder auch 
durch feinen Tod nicht verändert.“ 

„Ich hoffe“, jchreibt Erasmus weiter aus Freiburg am 7. Auguft 
1529 an Nikolaus Episcopius, Frobens Schwiegerjohn, „binnen kurzem 
Euch noch mehr beglüdwünfjchen zu können, wenn erſt der Heine Epis- 
copilus im Hofe fpielt, der uns mit demjelben Geſicht Euch Beide vor: 
führt und nicht Euch allein, jondern auch unfern nahen Freund, den 
Johannes Froben; denn die Natur pflegt oft auch in den Enkeln das 
Abbild ver Großväter abzumalen. Ich höre, daß Du in das Haus ein- 
ziehen wirft, welches ich dort durch meinen Weggang freigemacht; in das 
Sans, im welchem ich jo viele Jahre zugebracht, daß ich von Beginn 
meines Yebens an in feiner Stadt länger gelebt babe, in welches mich 
Dein Schwiegervater mit feinem Wohlwollen jo oft hineinzubringen ver- 
jucht hat. 

‚Diele Tugenden beſaß Johann Froben jeligen Angevenfens, die ihn 
meiner Zuneigung ſehr empfahlen‘, heißt es in einem andern Grasıni- 
ſchen Briefe vom 9. Auguft 1531 an den Sohn, „aber durch nichts hat 
er mich jo anhalten und jtarf gefeffelt, als dadurch, dag er im ganzen 
Yeben nichts Höheres fannte, als — wenn auch mit noch jo großem 
Aufwand von Mühe und Geld — durch den Drud aller bewährten 
Autoren die öffentlichen Bejtrebungen zu unterjtügen: eine Arbeit, über 
welcher ver wadere Mann auch geitorben ült...... So fam es, daß er 
die wilfenjchaftlihen Arbeiten mehr förderte als ſein Hauswejen, und 
daß er jeinen Erben mehr ebrenvollen Ruhm als Reichtum binterliek. 
Da ich nun jehe, daß Du nicht nur feine verehrte Witwe aufgenommen, 
jondern auch das Erbe des Geiftes angetreten haft, den jener in der 
Förderung und Hebung der Wiffenjchaft zeigte, jo kann ich nicht umhin, 
das Wohlwollen, welches ich gegen jenen ſtets gezeigt babe, auch auf 
Did zu übertragen.“ 

Erasmus begnügte fich den Erben feines verjtorbenen Freundes gegen- 
über nicht mit bloßen Worten. Cr juchte für fie, wenn auch vergeblich, 
um ein franzöfiiches Privilegium für den Auguftinus nad, da von dem 


394 Erasmus und Frobens Erben. Der Humanismus in Erfurt, Eechſtes 


Abſatz Diefes Werkes nach feiner Anficht Vermögen und Exiſtenz ver 
Frobenjchen Kinder abhing. Er jelbjt aber hatte feine eigene Mühe und 
Arbeit fait umſonſt dargebracht; wie er am 29. September 1528 jchreibt, 
würde er für jeden Dritten eine jo ſchwere Arbeit nicht um 2000 Gul— 
ven übernommen haben. Auch von Froben ſelbſt hatte er jchon bei vejjen 
Yebzeiten nur jehr wenig erhalten, weil er faum ein Drittel von dem 
annahm, was jener ihm angeboten, und auch das Eigentum des Hauſes 
zurückgewieſen hatte, weiches Froben ihm wiederholt ſchenken wollte. 

Natürlich bot Hieronymus Froben alles auf, fih Erasmus’ Gunſt 
su fichern. In einem gegen Ende des Jahres 1530 gejchriebenen Briefe 
erklärte er ihm ſchmeichelnd, feine Offizin hänge lediglich von Erasmus 
ab, worauf diejer am 15. Dezember 1530 erwiderte, daß fie dann an 
einem morjchen Seile hänge, indejfen doch auf neue VBerlagsanerbietungen 
einging. — 

In Meittelveutichland erlangte Erfurt eine hervorragende Bedeu— 
tung. Hier hatte ver Humanismus ſchon jehr früh (um 1460) Eingang 
gefunden und zunächit die Verſöhnung mit dem alten Kirchentum ge— 
jucht; ſpäter winmete er dann der wifjenfchaftlichen Vertiefung der Stu: 
dien die beiten Kräfte und jtellte jehlieglich die Fühnjten Kämpfer zum 
Angriff gegen Nom. Alle drei Perioden des Humanismus find bier 
aljo volljtändig vertreten, ja folgerichtig bis in ihre Konſequenzen ent- 
wickelt, und zwar nicht bloß durch Die begeifterte Jugend, jondern auch 
durch reifere Gelehrte und Zierden der Univerfität, wie Maternus 
Piftoris und Nikolaus Marjchalf. Der Boden fand fich ſchon vorbe— 
reitet, denn die reiche Stadt war ein alter Sig der Formſchneidekunſt 
und verjchiedener Schreiberftuben und zählt daher auch zu den ältejten 
Drud- und Berlagsorten Deutjchlands.?? Diejes künjtleriiche Yeben hatte 
chen um die Mitte des 15. Jahrhunderts eine hohe Blüte erreicht. 

In Erfurt machte ſich alſo der neue Geift in aller Form zuerſt eine 
mittelalterliche Yehranjtalt dienjtbar. Was dieſer Sieg heißen will, das 
wird erſt Har, wenn man jich vergegenwärtigt, daß alles wiffenjchaftliche 
Yeben der vorreformatoriſchen Zeit von der Kirche bedingt war, daß 
dementiprechend auch die Umiverfitäten, durch püpftlichen Machtipruch ins 
Veben gerufen, in Urjprung, Form und äußerer Haltung ein entjchieven 
firchliches Gepräge trugen. In erjter Yinie hatten fie die Verteidigung 
ver kirchlichen Intereffen zu führen; deshalb bildete denn auch die Theo- 


Kapitel.] Der Humanismus und Buchhandel in Erfurt. 395 


logie, in der Form der Scholaftif, den Hauptinhalt der Lehrthätigkeit. 
Paris, die Univerfität der Theologie, nicht aber Bologna, die Universität 
ver Juriften, war das Vorbild der deutſchen Hochſchulen geweſen. Faſt 
überall befand ich die Kanzlerwürde im Befig von Geijtlichen und bis 
ins 16. Jahrhundert hinein waren alle Pehrjtühle ausſchließlich in den 
Händen von Klerifern. Noch 1523 mußte der Rektor ein Stlerifer fein 
md in Heidelberg wurde erjt mach jchwerem Kampfe durchgeſetzt, daß 
ein Yaie eine Profejfur der Medizin erhielt. 

Zu einer Zeit aljo, wo der Scholaſtizismus noch die Univerfitäten 
beherrichte, fiegte der neue wiffenjchaftliche Geift in Erfurt. Seine Uni: 
verjität war (1392) die Schöpfung einer freien Bürgerjchaft und trug 
von Anfang an das Gepräge ihres Urſprungs an ſich. Der erfurter 
Sumanisınus feierte 1520 in dem Rektorat des Humaniſten Grotus 
Rubianus den vollenvetjten und letten Sieg. Publicius Rufus, ein 
Slorentiner, war e8, der hier den erſten Samen klaſſiſcher Bildung aus: 
ſtreute; hervorragende Profefforen an der Univerfitit, wie Gode und 
Trutvetter, Yuthers Yehrer, vertraten die neue Richtung, und bedeutende 
Männer, wie Johann von Dalberg, verpflanzten fie von bier aus weiter. 
Zu Anfang des neuen Jahrhunderts, im September 1501, evjcbien auf 
Teranlaffung des Nikolaus Marſchalk in Erfurt, zuerjt unter allen deut: 
ſchen Städten, das erſte im griechifcher Sprache, aber noch ohne Accente 
gedruckte Yuch „Prisciani grammaticorum facile prineipis lIsgr ouv- 
ass. In demjelben Jahre folgten diefer Erjtlingsjchrift noch zwei 
andere, während Wittenberg und Tübingen erjt 1511 und 1512 grie- 
chiſche Drucke veröffentlichten. Der erfurter Verleger, Wolfgang Schend 
(vorher im Yeipzig anfällig), nennt fich auf jeinen Verlagsartikeln auch 
Lupambetus Ganymedes over Otveysov oder auch Pocitator.?? Diefe 
Annahme Elaffiicher Namen beweilt, daß ihre Träger mit Bewuhtjein im 
Dienfte der neuen Richtung ftanden; diefe hob den litterarischen Verkehr 
von Tag zu Zag mehr und mehr, ſodaß ver erfurter Verlags- und 
Sortimentshandel bald eine bejondere Bebeutung gewann. Außer dent 
bereitd genannten Echend find jchon im Anfang des 16. Jahrhunderts 
tbätig: Sartorius, Mathias Maler, Stribilita, Knapp, Goldhammer, 
Melhior Sachs, Wolfgang und Servatius Sturmer. Sie führten faft 
alle auch antikifierte Namen; Dans Knapp nannte fich z. B. Cr. Appius. 
Welches der eigentliche Name von Stribilitn war, läßt ſich ſchwer er- 


396 Ausgang des Humanismus in Erfurt. [Sedhites 


raten. Es erjcbienen in Erfurt unter anderm Huttens „Nemo“ ohne 
Jahreszahl (wahrjcheinlich 1512 oder 1513) bei Stribilita, und im Auguſt 
1513 deſſen „Vir bonus“ bei Knapp. Ende 1520 ließ es fich Crotus 
bejonders angelegen fein, durch nach allen Richtungen ausgeftreute au: 
regende Alugichriften und Briefe die Nation im Sinne der Bewegung 
zu bearbeiten. Er war damals, wie ſchon gejagt, Rektor der Univerfität 
und vermittelte auch um dieſe Zeit den Verkehr zwijchen Luther und 
Hutten. Auch für die Univerſitätsbibliothek gejchab viel. Eobanus Hefe 
iſt umerjchöpflich in ihrem Yobe, ja er fett fie — gar zu überjchweng- 
lich — ſogar über die große Ptolemäiſche Bücherſammlung. 

Im neuen Jahrhundert wurde Erfurt der Sammel: und Mittelpunkt 
der jungen, von ihren Gegnern Poeten genannten Humaniſten, die fortan 
diefen Namen mit Stolz führten. Um Maternus Piſtoris zumächit ſchar— 
ten ſich Konrad Geltis, Johann Jäger (Grotus Rubianus), einer der 
vornehmsten Berfaffer der Dunfelmännerbriefe, Spalatin, Eobanus 
Heſſe (1488 bis 1540), der oft vor 1800 Studenten jeine Nollegien über 
römijche Alaffiter las, Mutianus Rufus, der begeifterte Anhänger Reuch— 
lins (in Gotha), zeitweife auch Ulrich von Hutten, jowie die jpätern Re— 
formatoren Yuther und Melanchthon. Aber manche von ihnen und gerade 
diejenigen, welche anfänglich am lauteſten gegen das Papittum gekümpft 
hatten, Eobanus Hefe, Mutianus Rufus und Grotus Rubianus, fanden 
ſpäter nicht die Kraft in fich, Yuther zu folgen; die entſchiedenen Geiſter 
jiedelten 1520 von Erfurt nach Wittenberg über, welches nun zumächit den 
Mittelpunkt des geiftigen Yebens für Deutſchland, ja Curopa, bilvete. 

Will man die reißend jehnellen Kortjchritte des deutſchen Humanis— 
mus, die zum großen Teil von Erfurt ausliefen und hier wieder mün— 
deten, recht verjtehen, jo muß man in erſter Yinie den Unmut und Ekel 
im Auge bebalten, welche in allen Gemütern gegen das Alte und Be- 
jtehende, namentlich aber gegen die Methode und den Inhalt ver mittel 
alterlich- Höfterlichen Bildung herrſchten und alle Volksklaſſen für die 
nenen Gedanken und Bejtrebungen doppelt empfänglich machten. 

Allein mehr ald das, es war eine gewaltig beivegte Zeit. Cine Ent: 
deckung drängte die andere, nene wiffenjchaftliche Probleme forderten zum 
gründlichen Studium auch der alten Lehrmeinungen auf, und wie die 
räumliche Welt fich in einem furz zuvor kaum noch geahnten Umfange er: 
weiterte, jo fand auch die geiftige Bewegung feine Schranken und ftürmte 


Kapitel.) Wandertrieb der jüngern Gumaniften. 397 


ungejtüm vorwärts. Die beiden Feuerſeelen Ulrich von Hutten (1488 
bis 1526) umd Hermann von dem Buſche aus Saſſenberg in Weftfalen 
(1468 bis 1534), ein Schüler und Neffe Rudolfs von Yangen, ftanven 
an der Spite derer, welche überall die Vertreter der Scholaftif zum 
Kampfe herausforderten und diefen Kampf bis zur glüdlich durchgeſetzten 
Reformation fortführten. Über ganz Deutjchland die neuen Ideen ver- 
breitend, zogen fie von einer Univerfität zur andern und gewannen den 
alten Zunftgelehrten zum Trotz die ftudierende Jugend für ſich. Das 
nicht gelehrte Volt aber fühlte ſich mächtig zu ihnen bingezogen, weil es 
in ihnen die geborenen Vertheidiger feines Nechts und die berufenen Vor: 
fämpfer jeiner Ziele erblidte. 

Die Begeifterung dieſer unftäten Gejellen ſteckte alle Kreife an. Ein 
bisher nie gekanntes Imterefje für geiftige Fragen erfaßte Hoch und 
Niedrig, jeder neue Gedanke, jede friiche That, jeder Schritt vorwärts 
wurde mit Jubel begrüßt, jeder neue geiftige Hauch bis in die entlegen- 
jten Winkel des Yandes getragen. Diefer Wandertrieb der jungen Huma— 
niſten entiprach dem jugenpfrijchen Wejen der ganzen Zeit und ward 
sunächit bedingt durch die mangelhaften Verkehrs- und Verbindungs- 
mittel jener Tage. Zudem waren überall in der wifjenjchaftlichen Welt 
neue hervorragende Kräfte aufgetaucht, ohne daß der Buchhandel ſchon 
beweglich genug gewejen wäre, die geiftigen Beziehungen genügend zu 
vermitteln. Wer den Umgang mit einem großen Gelehrten gewinnen 
wollte, der mußte ihm in Paris, Padua, Bologna, Straßburg oder Bajel 
aufjuchen; wer mit einem Gefinnungsgenojjen anzufmüpfen fjuchte, der 
fonnte nichts Beſſeres thun, als nach dejfen Wohnort zu pilgern oder 
an einem andern Punkte mit ihm zufammenzutveffen. Man venfe an 
die Wander- und Irrfahrten eines Konrad Geltis oder Ulrich von Hutten, 
die mit leichtem Gepäd und wenigem Geld in der ganzen damaligen ciwi- 
kifierten Welt herumzogen und überall neue Freunde und Mitkämpfer 
für ihre Sache gewannen. Die jungen Humanijten bildeten eine einzige 
unfichtbare Gemeinde, welche wie auf Verabredung gemeinjchaftlich han— 
deite und, wenn es galt, auch losjchlug. Die Solidarität der freien und 
ſchönen Geifter jener Zeit bewährte fich einige Jahre jpäter glänzend in 
den Reuchlinſchen Händeln mit den kölner Scholaftifern. Diejer Kampf 
erſt Ichrte die räumlich voneinander getrennt lebenden Gefinnungsgenofjen 
jich als Einheit fühlen und mit vereinigten Kräften tapfer bis zum glüd- 


398 Johann Pfefferkorn und Johann Reuchlin. Sechſtes 


lichen Ausgang ſtreiten. Er fand ſein Ende durch die Reformation und 
bildete den Höhepunkt der humaniſtiſchen Bewegung, weshalb er auch 
vollen Anſpruch auf die Hervorhebung ſeiner Hauptmomente machen darf. 

Johann Pfefferkorn alſo, ein getaufter Jude, hatte es ſich mit dem 
den Renegaten eigenen Eifer ſchon ſeit Jahren angelegen ſein laſſen, die 
geiſtliche und weltliche Macht gegen ſeine ehemaligen Glaubensgenoſſen 
einzunehmen, ihre Ausweiſung zu betreiben und die Vernichtung ihrer 
Bücher, welche der Hauptgrund ihrer Verſtocktheit ſeien, zu erwirken. 
Seine Schriften, der „Judenſpiegel“ (1507), die „Judenbeichte“ (1508), 
das „Djternbuch” und der „Judenfeind“ (lettere beide 1509), machten 
einen nur geringen Eindruck; Pfefferforn ging denn deshalb auch mit 
Hilfe der fölner Dominikaner zur praftijchen Thätigkeit über. 

Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts beanfpruchte diefer Orden ein 
ihm durch päpitliche Vollmacht übertragenes oberjtes Genjurrecht in und 
für Deutſchland. Da num unter den von Pfefferforn gegen die Juden 
vorgejchlagenen Mafregeln die Unterdrüdung ihrer Bücher eine der wejent- 
lichſten war, zeigte ficb ihm im diefer Vollmacht der Weg zur Erreidung 
jeiner Abfichten. Die Juden waren noch immer Kammerfnechte des Kat- 
jers, der aljo auch über ihr Eigentum verfügen konnte und deshalb in 
dieſer Angelegenheit gefragt werden mußte. Maximilian verlangte dem 
auch im Juli 1510, daß ihm ein Gutachten verjchievener nambaft ge 
machter Gelehrten über die Thunlichfeit und Ausführbarkeit des Vor 
ichlags durch den Kurfürften von Mainz eingereicht werde. 

Unter diejen Gelehrten befand ſich auch Reuchlin, welcher bereits am 
6. Oftober 1510 feinen Bericht erftattete. Er teilte darin die Bücher 
der Juden in fogenannte Schmachbüchlein und nicht anftörige und ſprach 
fih dahin aus, daß man nur jene und zwar erſt nach vorgängiger Unter: 
juchung, wie auch rechtmäßig ergangenem Urteil vernichten jolle. Diejer 
Antrag erregte den heftigen Unwillen ver „‚glaubenseifrigen“ Mönche, 
denen es bei ſolchem ſchwerwiegenden Widerſpruch unmöglich wurde, die 
Juden zu Ehren Gottes und der chriftlichen Kirche zu plündern. So 
veranlaßten fie denn Pfefferforn zur Veröffentlichung einer Schmähſchrift 
gegen KReuchlin, welche der Nenegat unter dem Titel „Handſpiegel“ — 
in etwa 1000 Eremplaren — auf der franffurter Ojtermejje 1511 jelbit 
baufierend verkaufte und „durch fein Weib im offenen Grempelkram jever- 
mann feilbot, auch verſchickte und verſchenkte“.  Pfefferforn jprach Darin 


Kapitel.) Johann Reuchlind „Augenſpiegel“. 399 


Reuchlin jede Kenntnis des Hebräiſchen ab und bejchuldigte ihn, daß er 
fih von den Juden babe bejtechen laſſen. Diejer blieb die Antwort nicht 
ſchuldig und gab für die Herbſtmeſſe 1511 bei Thomas Anshelm in 
Tübingen den „Augenſpiegel“ heraus. Dieſes Büchlein trat jest in ven 
Vordergrund der Debatte und des öffentlichen Intereſſes. Von den 
Juden und ihren Büchern war fortan feine Rede mehr, denn in dem 
Kampfe, der jett Deutjchland in zwei große Parteien jpaltete und die 
Gebildeten von ganz Europa in Mitleidenjchaft z0g, handelte es fich um 
viel Größeres und Wichtigeres, um das Recht der freien Meinungs: 
äußerung gegenüber inguifitorischer Berfeßerung. Auf ſeiten Reuchlins 
jtanden Männer wie Melanchthon, Spalatin, Eoban Heffe, Franz von 
Sicdingen, Ulrih von Hutten, Pirdheimer, Hermann von dem Buſche, 
Wolfgang Angft, Pentinger, Ofofampadius, Sebaftian Brant, Grotus 
Rubianus u. ſ. w.; auf jeiten der Gegner der rechtgläubige, aber be- 
jchränfte und verfolgungsjüchtige Klerus. Reuchlin weiſt in feiner Schrift 
der Vorwurf der Beitechung unwillig zurüd, widerlegt 34 Yügen Pfeffer- 
forns und namentlich deſſen Anſchuldigung, daß er, Reuchlin, fein Hebrätjch 
verjtehe, ja, feine hebräiſche Grammatik nicht einmal jelbjt verfaßt habe. 

Der Pleban Peter Meder, der von 1510 bis 1524 in Frankfurt a, M. 
fih als Bücherfommiffar des Kurfürften von Mainz geberbete, verbot 
den dortigen Buchändlern den Berfauf des „Augenſpiegels“ auf der 
Meſſe. Hutten nennt diefen Meyer den unverjchämteften und ungelehr- 
tejten Pfaffen von allen, welche NReuchlin übel wollten. ?* Aus ander: 
weitigen Zänfereien mit der Stadt, dem Stift und dem Kurfürften iſt 
er allerdings als ein auch fonft jehr zanf- und händelſüchtiger Priefter 
unvorteilhaft genug bekannt. Als der Erzbiichof jenes Verbot nicht be- 
jtätigte, ließ Meyer feinen Schügling Piefferforn vor der Kirchenthür gegen 
den „Augenfpiegel” predigen, ver infolge diejer öffentlichen Angriffe, zu- 
mal er in deutjcher Sprache und leivenjchaftlich gejchrieben war, nur 
defto mehr Käufer fand. Des weitern jandte Micher ein Eremplar ver 
angeblich anftörigen Schrift an die fülner theologische Fakultät. Diefe 
aber übergab fie dem Brofeffor Arnold von Tungern zur Prüfung dar— 
auf hin, ob etwas Ketzeriſches darin zu entpeden jei. 

Mit diefem Schritt war der Streit auf den Boden der Slirchen- 
gewalt und der Rechtgläubigfeit gezogen; im Hintergrund winfte jogar 
der Scheiterhaufen. Reuchlin, anfangs eingejchüchtert, leiftete den ihm 








400 Reuchlins Streit mit den Dunfelmännern. Sechſtes 


zugemuteten Widerruf ſchließlich aber nicht, trat vielmehr im Gefühl 
deſſen, was er ſich und ſeiner Sache ſchuldig war, entſchieden gegen ſeine 
Feinde auf. Er gab zunächſt zur Oſtermeſſe 1512 bei Thomas Ans— 
helm deutſch bearbeitete Erläuterungen zu ſeinem „Augenſpiegel“ heraus 
und trug damit den Streit in viel weitere Kreiſe. Arnold von Tun— 
gern dagegen, um nur das Verſtändnis für denſelben nicht weiter ins 
Volk dringen zu laſſen, veröffentlichte darauf in Köln ſeine auf ſcholaſti— 
ſcher Beweisführung beruhende Prüfung des „Augenſpiegels“ in lateini— 
ſcher Sprache. Die kölner Theologen aber erwirkten vom Kaiſer bei 
einem Beſuche, den er ihrer Stadt im Oktober 1512 machte, einen Be— 
fehl, wonach Reuchlins „Augenſpiegel“ im ganzen Reiche, namentlich in 
Frankfurt a. M., als ſeinem Hauptverkaufsplatze, unterdrückt und kon— 
fisziert werden ſollte. Dieſer Befehl ſcheint jedoch wenig befolgt worden 
zu ſein; der frankfurter Rat z. B. legte ihn einfach zu den Aften. Reuch— 
(in aber befämpfte nunmehr feine Gegner im März 1513 in einer bef- 
tigen, an den Kaiſer gerichteten, jede Rückſicht beifeite ſetzenden Vertei— 
digung, welche unter dem Titel „Defensio contra Calumniatores suos 
Colonienses” bei Thomas Anshelm in Tübingen erjchien. ?> 

Nach den vwerjchiedenften Kreuz- und Querzügen gelang es enplich ven 
fülner Dominifanern, am 9. Juli 1513 einen Befehl des Kaiſers zu 
erwirfen, wonach die Erzbijchöfe von Köln, Mainz und Trier, ſowie 
der Glaubensinguifitor Hogſtraaten die Reuchlinjchen und einige andere 
Schriften wegnehmen und unterprüden, ihre weitere Feilhaltung ver: 
hindern jollten. Jetzt hatten die Kölner, was fie wollten; die Kirchen- 
gewwalt konnte nunmehr ihrem Gegner auch gerichtlich zu Leibe achen, 
zumal die Univerfitäten Yöwen, Mainz, Erfurt und Paris ihr Verdam— 
mungsurteil gegen den „Augenjpiegel” bereits ausgejprochen hatten. “Das 
Buch roch nah Ketzerei: es mußte aljo vernichtet, fein Verfaſſer exem— 
plarijch bejtraft werden. In dem nunmehr gehaltenen Ketzergericht ver- 
hinverte aber der Erzbiihof von Mainz das Vorgehen Hogjtraatens; 
Reuchlin wurde am 24. April 1514 von den beiden Untervelegirten des 
Biihofs von Speyer freigefprochen, welch letterm die Sache von Mainz 
aus übertragen war, Hogſtraaten appellierte an den Papft. Auch Reuch- 
lin wandte fih im Juli 1514 nad Rom, wo der Prozeh zwei volle 
Jahre ſchwebte. 

Um zu befunden, welche ausgezeichneten Männer, welche beveutenden 


Kapitel.) Die Epistolae virorum elarorum. Reuchlins Prozeh in Rom. 401 


geiftigen Kräfte Neuchlin zur Seite ftanden, veranftalteten jeine einfluß- 
reichen Freunde alsbald nach jeiner Ankunft in Rom eine Sammlung 
von Briefen berühmter Männer: „Epistolae virorum clarorum“, 
welche berühmte Zeitgenofjen an ihn gejchrieben hatten. Die Humanijten 
lernten fich, wie Strauß ausführt, bei diefer Gelegenheit zuerjt als große 
Macht fennen. Alle freifinnigen Deutſchen und Italiener ſcharten fich 
um Reuchlin; fie betrachteten feine Sache als die ihrige, und Neuchlinift 
oder Arnoldist (nach Tungerns Vornamen) wurde das Feldgefchrei in beiden 
Yagern. Männer wie Peutinger, Pirdheimer und Erasmus verwandten 
fih beim Papjte und den Kardinälen für ven Verfolgten. Am 2. Juli 
1516 endlich fand die Schlußſitzung des Gerichtshofs ftatt, deſſen ſämt— 
liche Mitglieder fib, mit Ausnahme eines eifrigen Dominifaners, für 
Reuchlin und gegen feine Ankläger erklärten. Der Papſt wagte aber 
nicht, das Urteil zu verkünden, fondern erließ ein Mandatum de super 
sedendo, welches den Prozeß bis auf weiteres nach Belieben der Kurie 
bemmte und ein ferneres Vorgehen unterfagte. So blieb die Sache vor- 
läufig in der Schwebe. Erſt am 23. Juni 1520 wurde durch einen 
päpftlihen Beſchluß die Ungültigfeitserffärung der ſpeyerſchen Enticheidung 
wiederholt, welche Hogſtraaten ſchon früher unter dev Hand durchzuſetzen 
gewußt hatte, ohne daß jeboch die Humaniften fich bis dahin irgendivie 
darıım gekümmert hätten. Es war alfo jett offiziell der „Augenjpiegel“ 
als ein ärgerliches, frommen Chriſten anftößiges, den Juden im uner— 
laubter Weiſe günftiges Buch für den Gebrauch unterfagt und zur Ver— 
nichtung verdammt, Reuchlin aber zu ewigem Stillichweigen und in die 
Kojten des Prozeffes verurteilt. 

Der römische Donner kam zu jpät. Als er verkündet wurde, nahm 
faum jemand Kenntnis von ihm, denn andere, jchwerer wiegende Inter- 
ejfen und Kämpfe ftanden im Vordergrund. Neuchlins Streit mit den 
Obffuranten war eine längſt abgethane Sache, zumal auch Sicdingen 
1519 und 1520 die fölner Dominikaner zum Frieden mit Neuchlin ge- 
zwungen hatte, jener aljo thatjächlich nicht weiter geftört wurde. Wenn 
auch jchlieglich verurteilt, fo ftand der edle Mann doch in den Augen 
der Mehrzahl des deutjchen Volks als Sieger da. Und mit ihm hatte 
die neue Richtung gefiegt, welche einen Blif in den Sumpf von Be— 
ihränftheit und Unwiſſenheit ver Scholaftifer und ihrer Anhänger eröffnet, 
der firchlichen Autorität aber einen empfindlichen Schlag verjett hatte. 

Rapp. I. 26 


402 Die „Epistolae obseurorum virorum“. [Sedjites 


Der Hauptanteil an diefem Siege gebührte den Titterarijchen Waffen, 
unter ihnen vor allen jener unfterblicben Satire, den im Gegenjaß zu 
den eben erwähnten Briefen jogenannten „Epistolae obscurorum 
virorum‘, deren eviter Teil Ende 1515 und deren zweiter Anfang 
1517 erjebienen war. Sie gingen von dem erfurter Humaniſtenkreiſe, 
den Freunden des Mutianus Rufus, aus. Obwohl ficb über ihre Ber— 
fafjer nichts Bejtimmtes jagen läßt, jo fann man doch mit ziemlicher 
Sicherheit annehmen, daß Crotus Rubianus bauptjächlic den erſten 
Band gejchrieben hat, während an dem zweiten offenbar Ulrich von 
Hutten, Petrejus Eberbach und Eobanus Heſſe vorzugsweiſe gearbeitet 
baben. Der pritte, gegen Ende des 17. Jahrhunderts erjchienene Band 
iſt feine Originafarbeit und tritt bloß den Wit feiner beiden Vorläufer 
breit. Auch über Druderei und Druder find die Yejer durch abſichtlich 
faliche Angaben irregeführt worden. Die erjte Sammlung (in Quart 
gedruckt) jagt, daß fie in Venedig bei Aldus Manitius (abfichtlich fe, 
jtatt Manutius) erjchienen jei: auch ein Beweis dafür, welch hoben An- 
ſehens ſich die Alpinifche Firma unter den deutjchen Humaniſten erfreute; 
Die zweite nennt in leichtverftändlichen Hohn die römiſche Kurie als ven 
Verleger. Die Annahme, daß die Editio princeps in Köln, Main; 
oder Tübingen gedrudt jei, ijt neuerdings von Steiff ?° ſchlagend wiverlegt 
worden. Sie wurde vielmehr 1515 durch W. Angfts Bermittelung von 
Heinrib Gran in Dagenan (nicht von Thomas Anshelm) und die zweite 
Sammlung von Johann Froben in Baſel gedruckt. Die Briefe fanden 
einen jo reißenden Abjaß, daß in dem einen Jahre 1516 vom erjten 
Zeil drei Auflagen erjchienen, deren legte noch eine nicht unbeträchtliche 
Vermehrung durch acht Briefe enthält, wie denn auch der zweite Teil 
verſchiedene Ausgaben erlebte. 

Die Satire war in Anlage und Durbführung trefflich gelungen. 
Ihre Dauptabficht ging dahin, ven Objfurantismus in jeiner ganzen Ohn— 
macht an den Pranger zu ftellen und ver Bildung und Geiftesfreibeit 
den ihr gebührenden Sieg über Barbarei und mittelalterliche Verketze 
rumgsjucht zu fihern. Das jchlechte Mönchslatein, die jelbjtgejchaffenen 
Wörter und Redensarten, die unnützen, lächerlichen und doch mit großer 
Wichtigkeit behandelten Streitfragen, die albernen Spiefindigfeiten, ge 
juchten Erklärungen und Allegorien, die kraſſe Umwifjenheit, der thörichte 
Aberglaube, die hohle Aufgeblafenheit und findijche Eitelfeit, der Miß— 


Kapitel.) Der litterariiche Kampf gegen die Dunfelmänner. 403 


brauch zujammengeraffter und jchlecht veritandener Stellen aus Ariftoteles 
und der Bibel, die zur Zeit herrichende Roheit und Schamlofigfeit ver 
Sitten, wenn auch mit einem geijtlichen Gewande umhüllt, waren in diejen 
Briefen jo treffend nach dem Yeben gejchilvert, daß jedermann die Origi- 
nale zu erfennen glaubte. Die Bettelmönche in England jubelten im guten 
Glauben, eine Schrift zu ihren Gunften und gegen Neuchlin in Hän- 
den zu haben, und in Brabant faufte ein Dominifanerprior eine Anzahl 
von Gremplaren zujammen, um feinen Obern ein Geſchenk damit zu 
machen. Erſt ver lette Brief des zweiten Teils, der aus dem Ton der 
‚ronie in den der Invektive füllt, öffnete den guten Leuten die Augen. ?7 
Männer wie Thomas Morus dagegen äußerten ihr Entzücken über vie 
Briefe; Erasmus hatte eine jolche Freude über den erjten Teil und las 
ihn unter Freunden fo oft vor, daß er ihn beinahe auswendig wußte, 
Ja ſelbſt am päpftlichen Hofe war man längere Zeit ehrlich und geijtreich 
genug, das Treffende dieſer Satire anzuerfennen. Luther dagegen, dem 
freilich jeder Sinn für Humor fehlte, fand die Angriffe übertrieben und 
nannte fie jogar albern.?® 

Übrigens beſchränkte ſich die litterariſche Bewegung im Reuchlin— 
Streite nicht auf diefe hervorragende Yeiftung. Die publiziftiichen Waffen 
bieben überall jchneidig und wuchtig darein. Die zahlreichen Schriften 
zur Verherrlichung Reuchlins und die auch der Zahl nach unbeveuten- 
dern Gegenjchriften ver Kölner beweijen, wie mächtig diefer Streit nament- 
ih von 1512 bis 1517 alle Kreife ergriffen hatte und wie tief er in 
weitere, nicht bloß gelehrte Kreije eingedrungen war. Böding führt 
4 Schriften an, welche von 1515 bis 1521 im Kampfe für und wider 
eribienen. Gleichwohl hatte dieje umfangreiche Thätigkeit der humaniſti— 
ſchen Kreife feine einjchneidende und zindende Wirfung auf das Gejamt- 
(eben, aufs Bol. Der Grund diejer Erfolglofigfeit liegt darin, daß 
jme Männer fich faft nur der lateiniſchen Sprache in ihren Schriften 
bedienen und ausjchließlich auf humaniſtiſch gebilvete Yefer rechnen. Tun- 
gern, der wohl nicht deutjch venfen, aljo auch nicht jchreiben konnte, gab 
gegen Reuchlins deutjchen „Augenſpiegel“ jeine angebliche Widerlegung 
lateiniſch heraus, „damit die Sache nicht ins Volk dringe“, forderte 
alſo jeine Gegner förmlich heraus, fich gerade ver für ihre Zwede 
am beiten geeigneten Waffe zu bedienen. Indeſſen verjtanden fie ihren 
Vorteil nicht. Wenn nun auch die Humaniftifchen Schriften ins Deutjche 

26 * 





404 Der Humanismus und die deutiche Pitteratur. [Sechits Kapitel.) 


überjeßt wurden und im dieſer Gejtalt jogar in größere Kreiſe eindrangen, 
jo vermochten fie durch ihren vornehm ffeptifchen oder derb jatirifchen, 
aber immer blos fritiihen Ton doch nicht zur Begeifterung zu entflam— 
men. Cine Bewegung, deren beite jehrifttelleriiche Yeiftung in Mönchs— 
latein verfaßt wurde, fonnte höchſtens Härend und vorbereitend wirfen. 
Die bibliographiſche Statiftif beweift, daR die deutjche Yitteratur dem 
Humanismus eine nur geringe unmittelbare Förderung zu danken bat 
und daß fie höchitens mittelbar durch die Entwidelung feiner beveutend- 
jten, jpäter deutſch jchreibenven Bertreter, wie Hutten und von dem Buche, 
gehoben worden it. Als bald nachher der Humanismus von ver Refor- 
mation überflutet wurde, griff dieſe, wie die folgende Darftellung ergeben 
wird, gleich von vornherein, im Intereſſe der Selbiterhaltung, zur deut- 
jchen Flugjehrift und gewann bauptjächlich durch fie das Volk für ihre 
Sade. Ohne diefe mächtige Bundesgenoffin wäre fie möglicherweije in 
ihrer Wiege noch unterprüdt worden. 

em diefe Anficht etwa zu weitgehend erſcheint, der möge Doc ein- 
mal die Anfänge der huſſitiſchen Bewegung mit der fntberifchen ver: 
gleichen. Wäre die Buchoruderkunft ſchon zu Anfang, jtatt in der Mitte 
des 15. Jahrhunderts erfunden worden, jo würde vie geiftliche und welt- 
fihe Macht jehwerlich im Stande gewejen fein, Huß ein jo jchnelles 
Ende zu bereiten. Daß Huf einen mächtigen Eindruck auch auf das 
deutſche Volk machte, wird mehrfach erzählt und ift leicht erflärfich. Als 
er auf dem Wege nach Konſtanz durch Nürnberg kam, bildeten die Bür- 
ger Spalier in den Gaffen, welche der böhmijche Reformator berührte, 
und die Mütter brachten ihm ihre Kinder, um fie „von dem heiligen 
Mann“ jegnen zu laffen. Alles Volk jauchzte ihm entgegen, weil es 
von jeinem mutigen Vorgehen die Niederlage Roms erwartete, eine Hoff— 
nung, welche ſchon damals die innerjte Volksſeele aufwühlte. Selbjt vie 
Seiftlichkeit jauchzte ihm zu, als er jeine Yehrjüte offen verteidigte, ja 
er war, wie er erzählt, bis dahin noch feinem ausgejprochenen Wider— 
ſacher begegnet. Huß fonnte jedoch über feine Preſſe, die jeine Sache 
führte, über feine Buchführer, welche ihn verteidigten, und folglich auch 
über feine Yejer, die jelbft dachten, verfügen. 


Siebentes Kapitel, 


Luther. 
(Die Reformation und der Buchhandel, ) 


Deutſch al3 werdende Litteraturiprache. — Maffenproduftion und Abſatz von Luthers 

Schriften. — Wirkung derfelben. — Luther und feine Verleger. — Die Bibelüber- 

jegung. — Die Nachdruder. (Gegenreformation in Ofterreich.) — Die Buchführer. — 

Vollstümliche Flugichriften. — Johann Herrgott. — Die Prädifanten, — Balthafar 
Hubmayer. — Die Schulen, 


„Die Buchdrucker befommen zu thun“, jchrieb Hutten an den Grafen 
Hermann von Neuenar, als er vom erjten Auftreten Puthers gegen den 
Ablaßkram gehört hatte; „es werden Streitfäße und Gorollarien, Schlüffe 
und, was manchem übel befommten iſt, Artifel verkauft. So hoffe ich, 
werden fie (die Pfaffen) fich gegenfeitig zu Grunde richten.“ In dieſem 
legtern Punkte täuſchte ſich Hutten damals gründlich, werm auch die 
Druder mehr zu thun befamen, als wielleicht ver Hoffnungsreichite von 
ihnen zu erwarten gewagt hatte. Wie Yuthers Streit mit Teßel mehr 
als ein fleinliches Mönchsgezänf war, über welches die Humaniſten 
ſchadenfroh jubelten, jo entitand aus dem tapfern Angriff Yuthers jehr 
bald ein Weltbrand, der das mittelalterliche Rom niederſtreckte, Püpite, 
Kaifer und Fürjten jahrhundertelang ängftigte und noch ängſtigt und Die 
Prefjen aller Völker in Bewegung feste. Die Seele des deutjchen Volks 
wurde bis in die tieften Tiefen aufgeregt: Yeidenjchaft und Zorn, Hoff: 
nung auf befjere Zeiten und das Streben nach ihrer Herbeiführung, 
jelbjtloje Hingabe an die von Yuther zuerjt angeregten Ideen und todes- 
mutiged Wagen bilveten die Signatur der Zeit, 

Der unjcheinbare Mönch, dem Hutten gewünjcht hatte, daß er feine 
Gegner freie, damit fie alle zuletst won einander gefreſſen würden, trat 


Er 


406 Luther ald Schöpfer der hochdeutichen Litteratur. [Siebentes 


an die Spike der täglich mehr anjchwellenden Bewegung und wurte 
gleichjam über Nacht ein gewaltiger Volksmann, ja, eine europätice 
Macht, mit welcher die größten Herricher rechnen mußten. Yuther war 
mehr wie jeder andere der bewußte Ausdruck deſſen, was die Maſſen in 
ihrem dunkeln Drange bewegte, aber er war mehr als das, er ver: 
förperte zugleich in fich das Dichten und Trachten jeiner klarer und beiler 
jehenden Zeitgenoffen und wurde durch die Bereinigung biejer beiden 
Eigenjchaften jehr bald der mächtige Führer im Streit. 

Es kann jelbjtredend nicht die Aufgabe des vorliegenden Werks je, 
die Entwidelung der Reformation zu erzählen. Dagegen liegt ihm als 
einer Geſchichte des Buchhandels die Pflicht ob, die MWechjelbeziehungen 
hervorzuheben, in welche jene gewaltige Bewegung zum deutjchen Bud- 
druck und Buchhandel ſteht, und durch die Schilderung der äuferlichen 
Erfolge der Werfe Yuthers jowohl, als der gleichzeitigen Bolfs- und 
Flugſchriften die Geiſtesbewegung jener Zeit und die ungewöhnlich jehnell 
wachjende Macht der Preſſe dem Verſtändnis näher zu rüden. 

Außer jeinen übrigen Nuhmestiteln hat fich Yuther auch das große 
Verdienſt um das deutjche Volk erworben, daß er der Schöpfer der hoch— 
beutjchen Yitteratur ift. Wenn man die Ausbreitung der Buchdrucker— 
funft in ven Anfang des fetten Drittel des 15. Jahrhunderts jet, ſo 
war fie bei Luthers erſtem öffentlichen Auftreten gerade ein halbes Zi- 
fulum lang in Thätigfeit geweien, indeffen immer noch dem Volke ziem- 
lich fremd geblieben. Bis dahin hatten in der Yitteratur die Schofaftifer 
und Humaniſten faſt die ausjchließliche Herrſchaft behauptet; der Be- 
friedigung ihrer Bedürfniſſe hatten Buchdrucker und Buchhändler fait 
ausschließlich gedient. Jene aber jchrieben nur ausnahmsweiſe Deutſch; 
das Yaternifche galt ihnen als vornehmer, zog es doch zwifchen ihnen 
und dem profanum vulgus eine unüberfteigbare Scheivelinie! Yutber 
aber war gerade in der größten Zeit feines Lebens (1517 bis 1524) der 
demofratiiche Agitator, der ſich auf die große Maſſe des Volks ſtützen 
mußte, wenn er fiegen wollte Er fonnte die Menge aber nur auf 
rütteln und anregen und zum jelbjtändigen Denfen und geiftigen Yeben 
entporheben, wenn er fich in der ihr allein verftändlichen, in ver deut: 
ihen Sprache an fie wandte. Die Schneivigfeit feines Wejens, die 
Kraft feiner Worte, die Beredfanfeit jeiner Beweiſe zündeten und 
machten überall, jelbit auf die Gegner einen mächtigen, ſchwer zu über: 


Kapitel.] Statiftif der deutjchen Pitteratur bis 1517, 407 


windenden Eindruck. Feſſelnder, ergreifender und padenvder bat fein 
Dentjcher geichrieben. Dabei beherrichte er jeine Mutterſprache mit 
jolcher Gewalt, daß er fie zur Schriftiprache zu erheben vermochte, 

Deutjche Bücher gab es damals verhältnismäßig wenige; höchſtens 
daß ausnahmsweije ein paar Schriften über Kräuter: und populäre Heil- 
funde, jogenannte Arzneibücher, Yaienjpiegel, Volksbücher oder ſatiriſche 
Erzählungen und Dichtungen in Straßburg, Augsburg oder Nürnberg 
für das Rolf genrudt wurden, oder einige humaniſtiſche Flugſchriften, 
welche übrigens jo ziemlich mit Yuthers eritem Auftreten zujammenfallen. 

Wenn Ranfe in feiner Gejchichte der deutſchen Reformation nur 
auf ven durch Panzerd Vorarbeiten gegebenen Stanppunft ver Biblio: 
grapbie zurücgreifen fonnte, und wenn man bdiejen heutzutage durch 
neuere Arbeiten um mehr als das Doppelte überholt fieht, jo fann man 
mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß das, was heute gilt und gelten 
muß, von der nächjten Generation noch wejentlich erweitert und vermehrt 
werden wird. Bietet die im „Jahre 1864 erſchienene verbienjtvolle 
Arbeit E. Wellers ſchon beveutend mehr als das, was Ranke nach 
Panzer anzugeben vermochte, jo ergibt die 1870 veröffentlichte und von 
A. Kuczynski vortrefflich katalogifierte Weigelſche Sammlung von etwa 
3000 Flugichriften Yuthers und feiner Zeitgenoffen, daß über ihre Zahl 
das letzte Wort noch nicht geiprochen werden kann. Obgleich dieſer 
Katalog das ganze 16. Jahrhundert umfaht, jo enthält er für die kurze 
Zeit von 1518 bis 1523 ſchon wieder an Hundert neue von Panzer und 
Weller noch nicht gefannte Ausgaben. Das Verhältnis wird am flar- 
jten durch die Bergleichung der Panzerichen Gejamtzahl mit ven Er- 
gebniffen der neuern Forſchungen veranjchaulicht. Der Zeitraum jelbit 
möge auf die von Ranke ausgezogenen Jahre bejchränft bleiben, weil 
Dieje die ausſchlaggebende Periode für die Entwidelung der reformato— 
rijhen Bewegung im fich fchließen. Bon den innerhalb viejer 11 Jahre 
gedruckten veutjchen Schriften verzeichnet 

für das Jahr Panzer ergänzt Weller zuſammen aljo 


1513 35 55 90 
1514 47 59 106 
1515 46 99 145 
1516 55 50 105 
1517 37 44 81 
Gelamtjummen: 220 307 527. 


408 Die deutiche Litteratur von 1518 bis 1523. Die Flugichriften. |Siebentes 


Nach Yuthers Auftreten jteigert fich die Zahl der deutjchen Schriften 
wie folgt: e8 verzeichnen, beziehungsweiſe ergänzen 


für die Jahre Panzer Weller Kuczynsfi in Summa 


1518 71 74 1 146 
1519 111 138 3 252 
1520 208 353 10 571 
1521 211 294 18 523 
1522 347 307 23 677 
1523 498 418 28 944 
Geſamtſummen: 1446 1584 83 3113. 


Der Druck dieſer Werke verteilt ſich über ganz Deutſchland unter 
etwa 50 verſchiedene Städte, Auf das vorher als Verlagsort ganz 
unbedeutende Wittenberg kommen allein in den Jahren 1518 bis 1523 
an 600 verſchiedene Drucke. 

Bis auf Luther waren die in Deutſchland gedruckten Bücher in der 
Regel große und teuere, meiſt vornehm ausgeftattete Folianten over auch 
Quartanten, welche man bequem in den Bibliotheken nach damaligem 
Brauch an die Kette legen, aber nicht in die Welt hinausſchleudern 
konnte, wie die handlichen Oktavbände. Er vorwiegend führte zuerſt dus 
demokratiſche Flugblatt in Quart, die billigen Duodez- und Oftawjchriften 
von wenig Bogen mafjenhaft in die veutjche Yitteratur ein. Auch das war 
eine revolutionäre That, die wielleicht ebenjo entjcheivend auf die Ge 
ihide der Menſchheit einwirkte, wie im Kriege der leichte Fußſoldat, der 
den gepanzerten Ritter verbrängte, umd wie im modernen Wirtichafte- 
(eben die Siebenmeilentiefel der Eiſenbahn, welche ven alten Frachtiwagen 
überflügeln. Wenn auch früher jchon oft genug, wie von den Huma— 
nijten, derartige kleine Drude veröffentlicht worden waren, jo geht Yuther 
doch planmäßig vor und it vielleicht, fich jelber unbewuht, durch Aldi— 
nische Einflüffe bejtimmt worden. Cine jolche Verwendung jeines band- 
lichen Formats für firchenfeinoliche Zwede hatte fich der gläubige vene- 
zianische Verleger ficher nicht träumen laffen. Indem Yuther das heftige 
Kleingewehrfeuer der politischen und Firchlichen Flugſchrift gegen das 
ſchwere Geſchütz der Quartanten und Folianten eröffnete, erhob er erſt 
die Buchdruckerkunſt zu ihrer eigentlichen Beveutung und gewann in ibr 
einen taufendzüngigen Herold, den feine mündliche Propaganda erjegen 
fonnte. Lehre und Predigt allein thun es nicht. Sie dringen im 


Kapitel.) Hebung der allgemeinen Bildung des Bolfs, 409 


günftigften Ball an das Ohr von Hunderten und Taufenden; die Preſſe 
dagegen vermag Hunderttauſende und Millionen zu gleicher Zeit für eine 
neue Idee zu gewinnen und bat denn auch im erjter Yinie die Reforma— 
tion zur heiligen Angelegenheit des ganzen Volks erhoben. 

Yuther war von feinem erſten öffentlichen Auftreten an von ber Er: 
fenntnis der Macht der Prefje durchdrungen. So iſt denn auch jeine 
Thätigkeit auf litterarifchem Gebiet eine wahrhaft ſtaunenswerte. Wenn 
ſchon feine bis 1520 Inteinijch gejchriebenen und nur teilweije ins Deutjche 
überjeßten Predigten und Abhandlungen eine begeifterte Aufnahme fan- 
den, jo erfrenten fich feine deutſchen Schriften einer bis dahin gar nicht 
für möglich gehaltenen Berbreitung und wurden von allen Volksklaſſen 
förmlich verjchlungen. Erſt Knaake's neue kritiſche Geſamtausgabe ver 
Werfe Luthers wird eine genaue Kenntnis der verjchievenen Cinzel- 
ausgaben ermöglichen und die Geijtesbewegung jener Zeit gründficher 
als bisher erfennen laffen. Bon dieſer bedeutenden Arbeit ift leider bis 
jet (bei Nieverjchrift diejes Kapitels) nur der erjte Band erjchienen; 
indejfen liefert er, trotzdem daß er bloß bis 1518 geht, die wichtigiten 
Bauſteine auch zu einer Sejchichte des Buchhandels jener Zeit. 

Auch Fand Yuther jehon den Boden vollikindig vorbereitet für jein Auf: 
treten und Vorgehen. Die Volfsbildung war durchaus nicht in dem Maße 
vernachläffigt, wie dies mit bejonderer Vorliebe von der ſpätern luthe— 
riſchen GSeiftlichkeit gejchilvert ward. Man vergegemvärtige fich zur Wider— 
legung diejer irrigen Anficht z. B. nur die lange Jahre bejtehenven ver- 
dienjtlichen Unterrichts: und Erziehungsanftalten der „Brüder vom ge: 
meinjamen Leben“, die Yehrthätigkeit auch der übrigen Humaniſten, die 
Kloſter- und Domjchulen und jtädtijchen Anftalten in faſt ganz Deutſchland. 
Es gab ferner allerorten auch jogenannte Schreib- und Rechenmeifter, ja 
jelbjt Yejefrauen, welche eben nur lejen und allenfalls jchreiben und vechnen 
(ehrten. Aus diefen Gründen war denn jchen wor der Reformation im 
deutjchen Bürgertum eine große Schicht vorhanden, welche lebhaften An: 
teil am der geiftigen Bewegung nahm, Bücher faufte und las. Wäre 
der allgemeine Bildungsjtand ein jo tiefitehenper und nicht einmal der 
Anja zu litterarijchen Bedürfniffen vorhanden gewejen, wie hätte dann 
die ſchriftſtelleriſche Thätigleit Luthers die mächtige Wirfung ausüben 
fönnen, welche jie in allen Volkskreiſen thatjüchlich ausgeübt hat, und 
zwar nicht nur auf dieje, jondern auch auf ven Buchhandel? 





410 Aufnahme von Luthers Erjtlingsichriften, [Siebentes 


Froben fchrieb am 14. Februar 1519 an Yuther, daß er zahlreiche 
Eremplare jeiner Werfe in Franfreid, Spanien, Italien, Brabant und 
England abgejett babe. Es handelt jich bier um die erjte Samunlung 
von Yuthers Werfen, welche ver bajeler Verleger in erſter Auflage im 
Oftober 1518 geprudt hatte, in zweiter im Auguſt 1519 und in britter 
im März 1520 drudte.? „Deine Schriften‘, beftätigt Capito (Köpflin 
aus Dagenau) einige Tage jpäter, „haben wir hintereinander gebrudt, 
wie Du aus der Gabe Frobens gleich nach ver frankfurter Meſſe er: 
jehen wirft, und mit großem Glück innerhalb jechs Monaten verbreitet.‘ 
Auf diefe Nachrichten geftütt meldete Yuther am 14. April 1519 dem 
Kardinal Yang, daß feine Schriften viel von den Theologen der parijer 
Sorbonne gelejen würden und daß Froben alle Exemplare in Italien, 
England, Franfreih und Brabant verkauft habe. Spalatin, der im 
September 1520 aus Frankfurt a. M. an Mutian jchrieb, jagt, daß 
nichts häufiger gekauft, begieriger geleſen und fleißiger beiprochen werte, 
als Yuthers Schriften. Eine Hauptniederlage derjelben war in Bajel 
(bei wen? wird nicht gejagt). Ein berner Buchhändler wurde zur 
Weihnachtsmeife 1519 dahin geſandt und kaufte am Weihnachtsabend 
eine große Anzahl. ? Am 23. Mat 1519 jchrieb ein Freund an Agrippa 
von Nettesheim: „Ich bin durch ganz Baſel gewanvert, babe jedoch fein 
Exemplar von Yuthers Schriften mehr auftreiben fünnen, da alle ver- 
fauft find. Es heißt aber, daß fie in Straßburg neu gebrudt werden 
jollen.”* In Siebenbürgen waren es wieder Kaufleute, welche 1519 
die leipziger Meſſe bejucht hatten und einige von Yuthers neuen Werfen 
mit nach Hauſe brachten, wo fie eifrig gelejen, jtudiert und erklärt wur- 
den.? „Wir haben“, meldet Albert Burer aus Bajel am 30. Septem— 
ber 1519 an Beatus Rhenanus, „alle Offizinen bejucht, aber nirgends 
etwas ter der Preſſe gefunden, außer Luthers Schrift über die Ehe, 
welche Adam Petri druckt.““ „Wenn Du den veutjchen Yuther haft“, 
ſchreibt Jean Vaugris aus yon am 22. November 1520 an Amerbach, 
„io jehide ihn mir hierher, denn ich habe hier gute Freunde, welche ihn 
lejen wollen.“ „Schon weiß’, jchreibt auch ver konſtanzer General- 
pifar Johann Faber 1521 im Mai an Badian, „durch die Schuld der 
Buchdrucker jeder Ungelehrte von dem Yutherjchen Handel, und alle alten 
Weiber reden auf offener Straße davon.‘ 

Eine der erjten deutjchen Flugſchriften Yuthers war feine Anjprache 


Kapitel.) Unmälzung auf dem Gebiete des Buchhandels. 411 


an ven Adel deuticher Nation, welche am 18. Auguſt 1520 ausgegeben 
und jofort in 4000 Eremplaren verfauft wurde, ſodaß ſchon fünf Tage 
ſpäter, am 23. Augujt 1520, eine neue Auflage veranjtaltet werden 
mußte. Bon jeiner Dieputation mit Ef wurden auf der franffurter 
Herbitmefje des Jahres 1518 in ein paar Tagen 1400 Eremplare ab- 
geſetzt. Auf dem Gebiete des Buchhandels bereitete fich ein mächtiger 
Umſchwung vor. Kirchenväter und Klaſſiker, profane und geitliche Ge— 
lehrſamkeit traten plögßlih auf dem Büchermarkt in den Hintergrund, 
ſanken zum Zeil zu Yadenhütern herab. Selbſt die bis dahin vorzugs- 
weije gejuchten Werfe des Erasmus waren feit 1518 weniger begehrt. 
Kaum war dagegen eine Yutherjche Flugichrift erfchienen, jo wurde fie 
in Bajel, Augsburg und Nürnberg, oft auch in andern Städten ohne 
Angabe des Drudorts, von einem Dutend, wenn nicht mehr Drudern 
sur jelben Zeit und in verjcbievenen Auflagen nachgedruckt. Alte hoch— 
jtehende Firmen, wie 3. B. Froben in Bafel und Koberger in Nürn— 
berg, wurden von jungen aufitrebenden Buchhändlern, wie Adam Petri, 
überflügelt, Erſterer Tieß fih von Erasſsmus einjchüchtern und druckte 
jeit 1520 nichts mehr von Yuther, wie fi denn auch ver gelehrte 
Rotterdamer dieſes Einfluffes in jeinen Briefen an Papſt Leo X. um 
an den Fürſten Carpi rühmt Die Koberger verbielten fich jogar ab- 
(ehnend gegen Yuthers Anerbietungen und zogen ihnen ihre alten Fo— 
lianten vor, auf denen fie dann jchlieglich fiten blieben. So warfen 
fich die jungen und jtrebfamen Händler bald ausjchließlich auf Yuther, 
da er mit jedem Tage mehr eine Goldgrube für fie wurde. Die Schriften 
der Gegner der Reformation jeien unverfäuflich, Elagten die leipziger Buch: 
händler, und es jei nur dann ein Verleger für fie zu finden, wenn ber 
Berfaffer die Drudkojten trage, meinen Johann Cochläus und Georg Wizel. 

Dieje allmäbhliche, kaum in die Augen fallende friedliche Umwälzung 
geht jchen aus dem Nachweis hervor, welchen die kritiſche Gejamtausgabe 
der Werke Yuthers über deſſen erjte Schriften gibt. Es mögen deshalb 
über die Verbreitung verjelben hier auf Grund des eriten Bandes die 
nähern Einzelheiten folgen. 

Luthers erſter Druder war Johann Weifenburger aus Nürnberg, 
welcher fich 1513 in Landshut in Bahern niedergelaffen und hier für 
den Humaniften Chriſtoph Scheurl, des Reformators damaligen Freund, 
gedruckt Hatte. Scheurl jcheint den Landsmann an Yuther empfohlen 





412 Drude und Druder von Luthers Erftlingsichriften. (Siebentes 


und deſſen Manuftript jogar nach Landshut gejchict zu haben, wo es 
zweimal, 1517 und 1520 aufgelegt wurde. Das Schriftchen war eine 
firchenrechtliche Abhandlung über das Eirchliche Ajylrecht („Traetatus de 
his qui ad ecclesias confugiunt”) und bejchränfte fich jeiner Natur 
nach auf die gelehrten Kreife. Die ihm folgenden „Sieben Bußpſalmen“ 
dagegen, deren Inteinifches Original Johann Grunenberg in Wittenberg 
1517 und bald darauf noch einmal drudte, äußerten beveits eine tiefe 
Wirkung anf die gebildeten Kreife und fanden einen jo reißenden Abjat, 
daß, che noch der erite Drud vollendet war, die erjten Bogen ſchon 
wieder aufgelegt wurden. Außer jenem Original brachte Grunenberg noch 
zwei Ausgaben der Überfegung; Jakob Thanner in Yeipzig folgte mit 
vier deutjchen Ausgaben in ven Jahren 1518, 1519 und 1520, denen 
fich noch eine Ausgabe in Erfurt anſchloß, ſodaß im ganzen neun Auf: 
lagen von den „Bußpſalmen“ veranftaltet wurden. Bon den berühmten 
95 Theſen, welche Luther am 31. Oftober 1517 an die Thüren der 
wittenberger Schloßkirche genagelt hatte, erſchienen dort in demjelben 
Jahre unter dem Titel „Disputatio pro declaratione virtutis in- 
dulgentiarum“ noch drei Auflagen und eine in Nürnberg, die erite auf 
einem Folioblatt in zwei Spalten, die andern aber in Buchform auf 
vier Blättern in Quart geprudt. Erſt im folgenden Jahre kam dann 
eine deutſche Bearbeitung unter dem Titel „Ein Sermon von Ablak und 
Gnade“ heraus. Dieje deutfche Ausgabe wurde dann in den Jahren 
1518 bis 1520 nicht weniger als zweiundzwanzigmal aufgelegt und nach- 
geprudt. Es erjchienen nämlich im Jahre 1518 folgenne Ausgaben: 
1) Wittenberg bei Johann Grunenberg, 4 Blätter in Quart, 2) bei 
demjelben, 3) bis 6) ohne Drudort, wabrjcheinlich bei Valentin Schu- 
mann in Yeipzig, 7) bei Jobſt Gutknecht in Nürnberg, 8) bei demſelben 
(ohne Jahreszahl), 9) bei Dans Froſchauer oder Georg Nadler in Augs— 
burg, 10) ein augeburger Drud, wahrjcheinlich von Georg Napler, 11) und 
12) bei Pamphilus Gengenbach in Bajel, 13) vielleicht bei Johann Fro— 
ben? Ferner 1519: 14) bei Melchior Yotter in Yeipzig, 15) bei Wolf: 
gang Stödel in Yeipzig, 16) wahrjcheinlich bei Martin Landsberg in 
Yeipzig, 17) bei Adam Petri in Baſel, 18) bei Adam Dion in Breslau 
und ſchließlich 1520: 19) bei Wolfgang Stödel in Yeipzig, 20) wahr- 
jcheinlich bei Georg Nadler in Augsburg, 21) desgleichen und 22) wieder 
bei Johann Grunenberg in Wittenberg. 


Kapitel.) Drude und Druder von Luthers Erftlingsichriften. 413 


Tenn auch nicht in derjelben Auspehnung, jo erfrenten ſich doch alle 
Flugſchriften Luthers jelbit zu der Zeit, als er nur Yateinifch jchrieb und 
böchjtens Überjetungen davon erſchienen, einer jo begeifterten Aufnahme 
und alfjeitigen Verbreitung, daß ſelbſt die ſpätere deutſche Yitteratur dieſer 
Erſcheinung nichts Ähnliches an die Seite zu ftellen vermag. Zum Be- 
weije deſſen mögen bier noch die Alugjchriften dienen, welche ver Refor— 
mator 1518 herausgab. In der Neibenfolge fommt zumächit der „Sermo 
de poenitentia” im ganzen in acht Auflagen, zuerft, wie alle aus dieſem 
Jahre ftammenvden Lutherſchen Drudwerfe, von Hans Grunenberg in 
Wittenberg veröffentlicht, dann in Yeipzig, Augsburg und Bajel wäh: 
rend der Jahre 1518 und 1519 nachgeprudt. Dann folgt der „Sermo 
de digna praeparatione cordis“ und die deutſche Überfegung „Unter- 
weiſung, wie man jich würdig auf den Empfang des heiligen Abend— 
mahls vorzubereiten habe‘. Das Original erlebte 1518 und 1519 
acht Auflagen in Wittenberg, Yeipzig und Augsburg, die Überjetung aber 
von 1518 bis 1520 dreizehn und zwar außer in dem Originalverlagsort 
Bittenberg, in Augsburg, Yeipzig, Nürnberg, Bafel und Halberftadt. 
Nicht weniger volkstümlich wurde die von Yuther herausgegebene und ein- 
geführte Schrift: „Ein Theologia teutſch“ (kurzweg „Die deutjche Theo- 
logie‘). Im Sabre 1854 zählte Franz Pfeiffer 70 verjchievene Auf: 
lagen davon auf, und doch kannte er nicht alle bis 1520 erjchienenen 
Ausgaben. Auch bier find wieder Yeipzig, Augsburg und Straßburg 
die Hauptmachorudsorte. Von der im Juni 1518 verfaßten Streitichrift 
gegen Tebel: „Eine Freiheit des Sermons päpftlichen Ablaß und Gnade 
belangend‘ famen zwifchen 1518 und 1520 zehn Auflagen heraus, dar- 
unter acht Nachdrucke in Yeipzig, Nürnberg und Augsburg, während vie 
„Decem praecepta Wittenbergensi praedicata populo“ inmerbalb 
derjelben Zeit im Original fünf und in der Überjegung fieben Auflagen 
erlebten. Auch bier find wieder Yeipzig, Augsburg und Bajel die Nach- 
drudsorte. Neu ift, daß von diefem Büchlein 1520 in Prag auch eine 
Überjegung ins Böhmiſche veranftaltet wurde. Die „Resolutiones 
disputationum de indulgentiarum virtute‘ erlebten 1518 und 1519 
fünf jelbftändige Auflagen und wurden von Johann Froben in die be- 
reits erwähnte Sammlung der Yutherjchen Schriften aufgenommen; jein 
Nachbar Adam Petri drudte fie schen 1520 nad. Von der „Auslegung 
des 109. Pſalms“ famen 1518 bis 1520 im ganzen fieben Auflagen 





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414 Die Überjegung des Neuen Teftaments. [Siebentes 


heraus. Der „Sermo de virtute excommunicationis“ endlich erfebte 
zehn Auflagen und zwar außer einer wittenberger neun in Yeipzig und 
Augsburg; außerdem aber ging er auch wie die vorhergehenden „Reso- 
lutiones“ in die Frobenſche Gejamtausgabe über. 

Die große reformatoriihe Bewegung gewann übrigens erſt innern 
Halt und Angriffs: und Widerftandsfraft durch die Überjegung des 
Neuen Teftaments und die ihr von Jahr zu Bahr bis 1534 folgenden 
einzelnen Teile der ganzen Bibel. Jene Überjegung, welche Luther auf 
der Wartburg vollendete, wurde am 22. September 1522 von Melchior 
Potter in Wittenberg ausgegeben (die fogenannte September - Ausgabe). 
Die erjte Auflage war 5000 Eremplare jtarf, wurde jedoch ſchon inner- 
balb dreier Monate abgejett, ſodaß bereits im Dezember 1522 eine neue 
Ausgabe veranftaltet werden mußte. Natürlich fielen die Nachdrucker 
gleich über diefe willfommene neue Beute her. Adam Petri in Bajel 
war zuerjt bei ver Hand. Er gab feinen erften Nachorud — eine groß- 
artige Yeiftung! — ſchon zu Ende des Jahres 1522 heraus und ver- 
öffentlichte im ganzen in den Jahren 1522 bis 1525 fieben Ausgaben 
des Neuen Teftaments, nämlich vier in Oktav und drei in Folie. Der 
Bajeler Thomas Wolf drudte zwijchen 1523 und 1525 fünf Auflagen 
und Hans Schönfperger in Augsburg jtellte von 1523 bis 1524 deren 
auch zwei ber. Selbjt im Auslande verlangte man nach ber Über- 
jetung. „Wenn es möglich wäre, das Neue Tejtament nach Luthers 
Überjegung ins Franzöftjche zu überſetzen“, ſchreibt der ſchon öfter genannte 
Vaugris aus Bajel am 20. Auguft 1524 an Wilhelm Farel, damals 
in Mömpelgard, „jo würde es eine große Wohlthat für Franfreih, Bur— 
gund und Savoyen jein. Die franzöfiichen Typen (une letre francayse) 
würde ich nötigenfalls von Paris oder Won kommen laffen. Sollte es 
aber jolche in Baſel geben, jo wäre das bejto befjer.‘ ® 

Die Begeifterung des Volks für den Reformator hatte jchon jeit 
1517 mit jedem Tage mehr alle Klaffen und Stände ergriffen und 
jchien zu Anfang des dritten Jahrzehnts kaum noch einer Steigerung 
fühig zu fein. Selbjt Ritter und Geiftliche ftanden auf feiner Zeite. 
Dieſe waren ihm jehr gewogen, teilten feine Anfichten, bezeugten ihm 
jogar öffentlich ihren Beifall und jegneten ihn. Scheurl erflärne dem 
Johann Ed, daß er Luthers Yehre (1518) für feſt, aufrichtig, katholiſch, 
unüberwindlich und unmwiderjprechlich halte. In Nürnberg wurden Luthers 


Kapitel] Begeiſterung fir Luther, Wirkung des Neuen Teftaments. 415 


Schriften ſchon 1520 verkauft und Huttens Kommentar zur päpftlichen 
Bannbulle in den Strafen umbergetragen. Während des Reichstags 
zu Worms fündigte ein Anjchlag am Rathauſe den Päpftlichen und vor 
allem dem Erzbiichof von Mainz die Feindſchaft von angeblich 4OO Rit— 
tern an, da man Ehre und göttliches Recht zu unterprüden fuche. Sogar 
unter den Augen der ſpaniſchen Striegsfnechte wurden bier Yutberjche 
Schriften und Yobpreifungen jenes Thuns verkauft und Spottliever auf 
jeine Gegner gejungen. Die Geſandten der Städte, die Großen, die 
Herren und das ganze Volf waren Yuther günftig und jauchzten ibm 
als dem neuen Mojes, dem zweiten Paulus zu. Nur die Bilchöfe und 
einige Herzöge dachten anders. Während jeines Aufenthalts auf der 
Wartburg erjcbien jein Bild von einem Heiligenjebein umgeben, welches 
namentlich in den Reichsſtädten verfauft, aber dann verboten wurde. Da- 
gegen verlachte und verjpottete man den päpftlihen Bann.? In Mainz 
weigerte ſich 1520 jogar der Scharfrichter, die Schriften vLuthers zu ver- 
brennen, Die päpftliche Bulle, welche Ed 1520 in Erfurt gegen diejen 
anjchlagen wollte, wurde dem Druder geraubt, dann bejebimpft und ins 
Waffer geworfen !°; jet es doch eine Blaſe (bulla), jo möge fie auf dem 
Waſſer jchwimmen („Bulla est, in aqua natet“). Eck jelbjt aber ware 
von den ergrimmten Studenten in jeinem Haufe belagert und war faum 
jeines Yebens ficher. Fortan drängte ein Greignis das andere. Das 
mannbafte Auftreten Yuthers in Worms, feine geheimnisvolle Weg— 
führung nach ver Wartburg und vor allem die große geiltige That, vie 
Berdeutjchung des Neuen Teſtaments erhoben ihn auf den Gipfel jeiner 
Popularität und ſeines Ruhms. Die Wirkung dieſer Überjegung aber 
war noch viel nachhaltiger umd tiefer, al8 der Eindruck, den jeine Flug— 
jchriften gemacht hatten. Mit Bligesjchnelle drang das Neue Tejtament 
in die Burgen der Ritter, in die Klöfter ver Mönche, in die Häuſer der 
Bürger und jogar in die Hütten der Armen. 

Alle Welt leje, jo berichtet Cochläus, das Yutherjche Neue Teſta— 
ment, ja fünne es infolge wiederholten Yejens faſt auswendig; jelbit 
Schufter und Frauen disputierten über das Evangelium und trügen die 
Überfetung in der Brufttajche mit fich herum. Hier noch ein paar 
andere, die Angabe des Cochläus bejtätigende Thatjachen! In Konſtanz 
fanden die erften Nachrichten von Yuthers Auftreten unter den Bür- 
gern den freudigiten Anklang; feine Schriften wurden dort Ffolportiert 


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416 Verbreitung von Luthers Schriften in Süddeutichland.  [Siebentes 


und gaben Anlaß, der Sache weiter nachzuforichen, namentlich aber, 
die Bibel gründlicher zu leſen. Um viejes Beifpiel aus dem Süden 
durch eins aus dem Norden zu ergänzen, jo ſchickten ſchon im Jahre 
1522 Rat und Biürgerjchaft von Bremen einen Buchhändler nach 
Wittenberg, damit er von bort Lutherſche Schriften mit nach Haufe 
bringe. Die Bürger von Speyer liebten Luther ſehr, laſen feine Bücher 
während der Abenpmablzeit vor und fchrieben fie nachts ab. Auch in 
Memmingen bewirkte das Wormjer Edikt gegen Yuthers Schriften das 
gerade Gegenteil von dem, was es bezwedt hatte. Die, welche ſich bis- 
ber um diejelben wenig gefümmert hatten, wurden erſt durch das Verbot 
angereist, fich näher mit der neuen Yitteratur befannt zu macen,. So 
fanden denn bier die verbotenen Bücher allmählich Eingang, man las 
fie in den Bürgerhäufern, man redete davon in den Zrinfituben ber 
Zünfte, und jchon 1521 follen Yutherihe Schriften von einem mem— 
minger Buchhändler in Bieberach feilgeboten worden fein. Später fand 
die Bibelüberjetumg rajche Verbreitung, das Neue Tejtament war in ven 
Händen vieler und man pflegte, wie dies in den dortigen Landgemeinden 
zum Teil noch heute üblich ift, die von dem Prediger angeführten Bibel- 
jtelfen jchen in der Kirche oder daheim machzufchlagen. Im Juni 1523 
wurde im Rate der Antrag geftellt, die Anjchaffung der übrigen Schriften 
Luthers und feiner Anhänger zu verbieten; diefer Antrag wurde aber 
ſchon damals, in der Zeit des Übergangs, verworfen. Am 15. Novem- 
ber 1523 dagegen wurde in der Stabtfirche die erfte lutheriſche Predigt 
gehalten. ! In Ulm war jchon 1523 alles lutheriſch, trotzdem daß die 
fathofijchen Priefter die Käufer der Lutherſchen Werfe denunzierten und 
Briefe erbrachen, um Beweife gegen die Verdächtigen beizubringen. 
„Dan bat fie (die Lutherſchen Bücher)‘, jchreibt der Previger Matthäus 
Zell in Straßburg 152312, „auch öffentlich laſſen feil haben, auch ob 
und an dem Ort, da oben an das päpftlich und kaiſerlich Mandat ge- 
ſtanden iſt. Es find auch wenig der Gelehrten, die dieſer Yehr nit an- 
bangen, zum mindeſten heimlich. Es find auch durch das ganze deutſche 
Yand wenig nambaftiger Stett darin mit viel der Beten dieje Yehr leſen 
hören und ihr gönnen, indem man fie läßt öffentlich verkaufen.“ Der 
nürnberger Juriſt Ehriftoph Schenrl!3 bezeichnete die Stimmumg ganz 
richtig, wenn er in einem Gejpräche mit dem päüpftlichen Nuntius, Kar— 
dinal Yorenzo Gampeggi, am 15. März 1524 äußerte, daß der gemeine 


Kapitel.) Der Büchermarkt durch Luther beherricht. 417 


Mann jest nur Schrift (Gedrudtes) fordere und an einem Tage mehr 
leſe als ſonſt in eimem Jahre Die Nürnberger liegen fich Luthers 
Schriften auf offenem Markte vorlefen, vürjteten ordentlich nach ihnen, 
wie der Rat jagt, welcher auf die Dauer deren Verkauf nicht verhindern 
fonnte. Die dortigen Geiftlichen baten bereits 1524 den Rat um Er- 
laubnis, des Studierens halber Luther in Wittenberg bejuchen zu dürfen. 

Die zünftige Gelehrjamfeit war aber außer fi. Erasmus flagte 
namentlich jeit dem GErjcheinen des Neuen ZTejtaments wiederholt dar— 
über, daß der ganze Büchermarkt von Luther und feinen Anhängern be- 
berricht jei, daß niemand etwas für den Papſt drucken wolle, und daß 
man alles, was gegen Luther fei, als nicht vorhanden behandle. „Hier 
(in Bajel)“, jebreibt ev unter anderm 1523 an König Heinrich VIII von 
England, „it niemand, der e8 wagte, nur ein Wörtchen gegen Yutber 
drucken zu laffen, während man gegen ven Papjt jehreiben darf, was 
man will.“ „Bei den Deutjchen‘, jchreibt er am 24. Juni 1524 weiter, 
„iſt jezt kaum etwas verkäuflich außer den Schriften Yuthers und feiner 
Gegner.” Während des heiligen Auguftinus Werf „De civitate Dei“ 
jonft einer der gangbarjten Artifel und bisher in zahlreichen Ausgaben 
verfanft worden war, feßte Froben auf der franffurter Herbſtmeſſe des 
Jahres 1524 fein einziges Gremplar davon ab. Andererſeits weigerten 
ih die Verleger allerorten, andere als lutheriſch-theologiſche Schriften 
zum Drud zu befördern. So war ſelbſt Eobanus Heffe, deſſen Namen 
früber zur Empfehlung eines Buchs bingereicht hätte, nach verjchiedenen 
iehlgeichlagenen Verſuchen genötigt, für eine neue Ausgabe feiner einst 
mit dem größten Beifall aufgenommenen „Heroiden“ Melanchthons Ver: 
mittelung in Anjpruch zu nehmen. „Ich werde mir Mühe geben‘, ant- 
wertete Diejer, „daR fie entweder bier oder am Rhein gedruckt werden, 
denn nach der Vollendung des Kommentars zum Neuen Tejtament wer: 
den die lutheriſchen Prejjen einige Muße haben.“ 1* 

Luthers jchrifttelleriiche Thätigkeit ſchuf eigentlich erft den norddeut— 
iben Buchhandel und erhob das bisher Heine Wittenberg in wenig 
Jahren zu einem der beveutenditen deutſchen Verlagsorte, veffen Offi- 
jinen an Yeiftungsfäbigfeit mit den äfteften, bis dahin allein maßgeben— 
den Häufern Süddeutſchlands wetteifern fonnten. Das Verhältnis des 
Reformators zu feinen Verlegern ijt erſt neuerdings auf Grund zeit- 
genöffticher Urkunden von G. Wuſtmann ins rechte Yicht geſtellt worden; 

Sapp. 1. 27 





418 Luthers Verleger in Wittenberg. Johann Grimenberg.  [Siebentes 


jeinen Unterjuchungen ?> jchließt fich die folgende Darftellung im wejent- 
lichen an. 

Die erjte ftändige Druderei in Wittenberg bejaß jeit 1509 Johann 
Srunenberg, bei welchem, twie bereits angeführt, 1517 die Bußpjalmen 
Yırtbers und feine demnächſt folgenden Erftlingsjchriften erjchienen. Von 
dem Cinblatt-Drud der weltgejchichtlichen 95 Theſen, der ja nur afa- 
demijchen Zweden dienen jollte, wird das zwar nicht ausprüdlich gejagt, 
die Mahrjcheinlichfeit fpricht aber unbedingt dafür; einmal gab es in 
Wittenberg noch feinen zweiten Druder, dann aber bejorgte jpäter 
Grunenberg die beiden erjten, für die eigentliche geſchäftsmäßige Ver— 
breitung beſtimmten Ausgaben. Yuther war indeffen auf die Dauer mit 
Grunenbergs Yeiftungen unzufrieden. Derſelbe beſaß feine griechijcben 
Typen, feine deutſchen waren unſchön, feine Drucke jelbjt aber fehlerhaft 
und unſauber. Luther jpricht fih darüber in einem Briefe aus, welchen 
er von der Wartburg aus am 15. Auguſt 1521 an Spalatin richtete, 
Diejer hatte ibm nämlich den zweiten und dritten Ausbängebogen jeiner 
Schrift über die Beichte zugejchicht, worauf Luther jebreibt: „Ich wollte, 
ich hätte nichts Deutjches geſchickt, jo abjcheulich, jo nachläffig, je un— 
ordentlich iſt es gedrudt, von der Nbjcheulichkeit der Typen und des 
Papiers ganz zu jchweigen. Buchdrucker Hans bleibt noch ewig Hans. 
Ich bitte Euch inſtändigſt, forget dafür, daß er ja nicht Die deutſche 
Poſtille drucke, ſondern daß lieber aufgehoben und mir wiedergejchiet 
werde, was ich davon geſchickt habe, damit ich es anders wohin jebide, 
denn was hilft es, jo gearbeitet zur haben, wenn durch jolche abſcheuliche 
Nachläjfigkeit ven andern Drudern Gelegenheit gegeben wird, die Fehler 
noch zu vergrößern umd zu vermehren? Ich möchte nicht, daß man 
fih nach diefem Beiſpiel an den Evangelien und Epijteln verjündigte; 
jie bleiben bejjer ‚ungedrudt, als dap fie jo berausfommen. Deshalb 
jchicfe ich auch nichts weiter, obgleich ich etwa noch zehn große Bogen 
darin fertig habe. Daß dieſe abjcheulichen Scharrhänje beim Buch— 
drucken doch weniger um ihren Gewinn, als um den Vorteil der Yejer 
jorgten! Denn was jeheint ein ſolcher Druder anders zu denken als: 
Es iſt genug, daß ich Geld verdiene, die Yejer mögen ſehen, was und 
wie fie leſen.“ So ſah ſich Luther gezwungen, einen andern Druder zu 
juchen, der jeine Anjprüche befjer befriedigte. Dies that er ſchon im 
Jahre 1518. Der bedeutendſte Buchdrucker Yeipzigs war damals der 


Kapitel.) Luthers Berleger in Wittenberg. Melchior Lotter. 419 


bereits genannte Melchior Yotter, welcher dort unter anderm ſchon 1511 
die Antigua angewandt hatte An ihn wandte fich Yuther zumächit mit 
fleinen Drudaufträgen von Wittenberg aus. Yotters Drude waren vor- 
trefflich und jeine Schriftworräte mehr als ausreichend affortiert. So 
erwarb er fich denn auch Yuthers Zufriedenheit in jo bobem Make, daß 
in diefem bald ver Wunjch rege geworben fein mag, den geichidten Mann 
mehr in jeiner Nähe zu haben und ibn ganz fir Wittenberg zu gewinnen. 
In einem Schreiben, das Yuther in Gemeinjchaft mit dem Rektor und 
einigen andern Profefforen der wittenberger Uniwerfität am 23. Februar 
1519 an Kurfürſt Friedrich richtet, beißt e8 unter anderm: „Auch iſt's 
bei Bielen für gut angejchen, jo wir mochten einen redlichen Druder 
bie zu Wittenberg haben, denn das jolt nit wenig der Univerfität Für— 
derung und E&. ©. Ehr einlegen. Den Text Arijtotelis und ander 
Yection künnt man damit fürdern, die ſonſt ohne Bücher gehört nit fo 
begreiflich und nütßlich fein mögen.” Der Zujage des Kurfürſten wobl 
gewiß, knüpfte inzwiichen Luther ſchon Unterbandlungen mit Melchior 
Potter betreffs deſſen Überfievelung nach Wittenberg an. Sie führten 
auch bald zur einem günftigen Ergebnis; denn fen am 8. Mat 1519 
jchreibt er hocherfreut an Spalatin: „Melchior Potter fommt mit treff- 
lichen Matrizen verjehen, die er von Froben befommen hat, und it be- 
reit, bei uns eine Druderei einzurichten, wenn unfer durchlauchtigiter 
Fürft geruben wird, feine Zuftunmung dazu zu geben. Nun ergeht an 
Eure Dienftfertigfeit die Bitte, dak Ihr ums zum gemeinen Nuten mit 
Rat und Hilfe beifteht. Wir glauben, daß dies für uns, injonderheit 
für unſere Univerfität eine Zierde fein werde, aber ayıch ein Vorteil für 
die Hörer, zumal der Philippus (Melanchthon) zugegen tit, der die grie- 
chiſche Sprache gern treufich und reichlich ausbreiten möchte.“ Doc erit 
Ende des Jahres 1519 jcheint die Überſiedelung thatjächlich ftattgefunden 
zu haben, venn am 18. Dezember meldet Yuther den Auguftiner-Bilar 
Yange in Erfurt: „Votter aus VYeipzig errichtet bei uns eine Druderei 
in drei Sprachen.‘ 

Indeffen ging Potter nicht in eigener Perjon nach Wittenberg, jon- 
dern fandte zwei feiner Söhne dahin, Melchior und Michael, die dem 
Bater ſchon in Peipzig im Gejchäft beigeftanden hatten. Zunächſt war 
es erjt der ältere von beiden, Melchior der Jüngere, wie er fib in 
Wittenberg nannte, der zur Führung der dortigen Filiale des Leipziger 

27* 


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420 Melchior Lotter in Wittenberg und Leipzig. [Siebentes 


Sejchäfts herüberfam. Ihn begleitete der tüchtige Korrektor Yotters, 
Hermann Tulich (Dulichius), der bald darauf in Wittenberg eine Pro- 
feffur erhielt. Der erjte nachweisbare wittenberger, im Februar 1520 
vollendete Druck aus der Lotterſchen Offizin ift eine afademijche Feſtrede 
Melanchtbons auf ven Tag des heiligen Paulus. Sie trägt die Unter: 
ichrift Melchior Yotters des Düngern. Im diefer Offizin nun wurde ber 
größte Teil aller Schriften Yuthers aus dem Anfang der zwanziger 
Jahre gedrudt. Zwar lieR es die Gutberzigfeit des Neformators nicht 
zu, daß darüber der arme, leider unfähige Örunenberg ganz außer Brot 
gejett wurde. Ab und zu gab er auch ihm immer wieder einzelne Auf: 
träge, wie auch aus dem oben mitgeteilten Brief an Spalatin vom 
15. Auguft 1521 hervorgeht. Kommt er Doc jogar zu Ende jenes 
Briefs noch einmal auf den Drud ver Poſtille zurück und jchreibt: „Ich 
babe mich anders bejonnen und jebide den Reſt ver Poſtille, weil ich 
denke, e8 möchte das, was ich früher gejchict, ſchon angefangen jein zu 
pruden, ſodaß fein Aufichub oder inhalt werden kann. Ich möchte 
aber, daß es auf Negalpapier und mit Yotters Typen gebrudt würde.‘ 
So räumt er, nachdem jein erjter Zorn fich vwerflüchtigt, dem verzweifeln: 
den Meifter Hand wieder den Weiterdrud der Poſtille ein, nur jellte 
diefer — Grumenberg — ich von Yotter die Yettern dazu borgen. 

Auch in Yeipzig drudte der alte Yotter zu Anfang der zwanziger 
Jahre einzelne Lutherſche Schriften neben feinen Söhnen in Wittenberg. 
Doch mögen das allerdings Nachdrucke gewejen fein, zu denen er nicht 
beauftragt war. Auf feinen Fall hätte er fich wundern dürfen, wenn 
ihm Yuther nichts zu druden gegeben hätte, da er fich kein Gewiſſen 
daraus machte, auch Gegenjchriften gegen Yuther herzuftellen. Das brachte 
aber num einmal, wie die Buchoruder und Buchführer meinten, das Ge 
jchäft jo meit fich. Derb und fräftig ſchildert Johann Eberlin von Günz 
burg dies Treiben in jeinem Schriftchen „Mich wundert, daß fein Geld 
im Yand iſt“ (Eilenburg 1524, Jakob Stödel). Er jagt: „Bet ſein fie 
gefallen auff die lutheriſche buchlein, auff heilige gejchriefft, auch allein 
vmb genieß .... vnn wan der euangeliich handel ynen mit wil mebr 
gelten, jo fallen fie jo vajt auff den Pebjtiichen als fein Papijt, darauf 
volgt pr verdammiß, der bauch iſt yr got, fie juchen gelt vnn gat durch 
gottis wort .... vnd dam zu ſchyrm yres abfals jprechen fie, Dieweil 
jo grofjer zangk jey zwijchen predigern, wöllen fie beyde parthehen leſen, 


Kapitel.) Melchior Lotter und das Neue Tejtament, 421 


truden vnd verfeuffen biR zu einem außtrag dev fache.” Und in Peipzig 
„galt der Evangelifche Handel“ nichts mehr, nachdem Herzog Georg 
nach Bublifation des wormſer Edikts eine entichiedene Stellung gegen— 
über der reformatorischen Bewegung eingenommen hatte und den Drud 
und Vertrieb der betreffenden Yitteratur zum größten Kummer und Scha— 
den der Leipziger Buchdruder und Buchführer unterdrückte. Meiftenteils 
waren jie inmerfich und aus Überzeugung der neuen Lehre anhängig, 
wenn auch der Drud der äußern Verhältniffe einzelne — darunter auch 
Melchior Lotter — zur Mantelträgerei verleitete. 

Außer den zahlreichen und bochbeveutenden Schriften, welche Yuther 
im Anfang der zwanziger Jahre in die Welt ſandte, drudte nun Yotter 
auch die Überjetung des Neuen Tejtaments. Der Drud hatte im Früh— 
jahr 1522 begonnen und wurde, wie jchon erwähnt, am 22. September 
1522 vollendet. Am 10. Mai ſchickte Yuther die erjten Aushängebogen 
an Spalatin. Di gleichzeitig die Evangelien und die Apoftelgefchichte 
einerjeits, Die apoftolischen Briefe andererjeits in die Preſſe famen, fo 
waren im der erjten Hälfte des Juli bereits das Matthäus, Marfus: 
und Lukas-Evangelium und zugleich der Römer: und Korintherbrief fertig. 
Vie vollendeten Bogen jandte Yuther fort und fort Spalatin mit der Bitte, 
fie auch dem Kurfürſten mitzuteilen. Ende Juli arbeiteten drei Preſſen 
gleichzeitig, Da jetzt wahrjcheinlich auch die Offenbarung Johannis neben 
den beiden andern Reihen gejondert in Angriff genommen wurde, und 
je kamen nun täglich 10000 Bogen, oder vielleicht nur Normen, aus 
der Preſſe. Die Ausgabe erjchien in Folio mit dem einfachen Titel: 
„Das newe Tejtament, Deutzſch, Vuittenberg.“ Weder Ueberjeker, noch 
Truder, noch Jahreszahl find genannt; erſt auf ver zweiten Auflage, der 
Dezember-Ausgabe, nennt ſich Melchior Potter der Jüngere als Druder. 
Troß der Höhe der Auflage (5000 Eremplare) und des hohen Preifes (bis 
zu 1", Gulden, etwa 25 Mark heutigen Geldes) war dieje erſte Aus- 
gabe bon innerhalb dreier Monate vergriffen. Das Alte Tejtament lieh 
Yutber demnächſt allmählich in mehrern einzelnen Teilen folgen; er fürch- 
tete, das Buch würde, wenn es auf einmal erichiene, zu umfänglich und 
zu teuer werden. Im Januar 1523 war der Drud der fünf Bücher 
Moſe im Gange. Sie erichienen für fich allein noch in demſelben Jahre, 
wieder ohne Angabe des Druders, aber ohne alle Zweifel von Melchior 
Yotter dem Jüngern gedruckt. Anfang 1524 wurde der zweite Teil des 


422 Ausgang der Lotterihen Druderei in Wittenberg. Siebentes 


Alten Teſtaments ausgegeben, der die Geſchichtsbücher von Joſua bis 
Ejra und Nehemia umfaßte; das Buch Eſther jtand Damals vor dieſen 
beiden. An der Herjtellung diefer Teile arbeitete Melchior Yotter Jun. 
bereits in Gemeinſchaft mit feinem Bruder Michael. Schon eine zweite 
Ausgabe der Bücher Moſe von 1523 ift von beiden gemeinjam unter- 
zeichnet. Bon beiden Brüdern zujammen wurde dann auch im Jahre 
1524 noch der dritte Teil des Alten Tejtaments gedrudt, in welchem 
Yuther den Hiob, den Pjalter, die Sprüche, den Prediger und das Hohe— 
fied zuſammengefaßt hatte. Die urfprüngliche Abficht, auch die Propheten 
in diejen Abjchnitt mit aufzunehmen, Hatte er wieder fallen laffen. Wohl 
aber erjchienen won den bisher ausgegebenen Teilen noch mehrfach neue 
Auflagen — alle das Werk der Yotterjchen Preffen. Mit ver Heraus: 
gabe des dritten Teils vom Alten Teitament erlitt die Arbeit einen 
längern Stillſtand. 

Einer der beiden Söhne Lotters hatte ſich nämlich ein „Vergehen“ 
zu jcehulven kommen laffen, das den Vater Melchior Yotter beim Nur: 
fürjten in Ungnade fallen ließ und ihm die vatenweife Zahlung einer 
jchweren Buße aufnötigte. Welcher Art dies Vergehen war, iſt bisher 
nicht nachzuweiſen gewejen. Anbaltspunfte dafür bieten jedoch die Briefe 
Yuthers und eine ausführliche, aber erfolglos gebliebene Bittjchrift, welche 
der alte Melchior Yotter am 11. September 1524 am den Kurfüriten 
richtete. Schon am 13. Juni 1520 hatte Yuther an Spalatin gejchrie- 
ben: „Wegen Yotters glaubet den Angebern nichts, mein Spalatin; es 
ift Menſchenwort, welches zu Euch gedrungen ift:*ich weiß es anders —“, 
und im Mai 1524: „Um Chrifti Willen bitte ich Euch, jehet zu, daß 
Yotter nicht in jo böjem Leumund ftehe beim Fürſten. Ihr glaubet wicht, 
wie jeher der Mann fich ängftigt, weil er gehört, daß er jo ſchlimm ans 
gegeben worden. Es iſt gewißlich ein guter Mann und jebon mehr als 
genug bejtraft für jein Vergehen —“, und am 13. September aber- 
mals: „Ich höre, daß es Melchior Yotter bei dem Fürſten jehlecht er- 
gangen. Was ift cs not? Ich bitte Euch, einem Betrübten nicht noch 
mehr webe zu thun. Laßt uns feiner doch einmal fchonen, er hat Strafe 
und Unglück genug. Darum jeid ein guter Mittler, und jo es nötig iſt, 
daß ich jelber für ihm jchreibe, will ich's gern thun.“ Wahrjcheinlich 
war auf die zwei Tage früher eingereichte Bittſchrift Yotters ſchon ein 
günjtiger Bejcheid eingetroffen. Aus allem geht hervor, daß Yotter Neiver 


Kapitel.) Die wittenberger Verlagshändler. 423 


in Wittenberg batte und daß er durch eiferſüchtige Konkurrenten beim 
Kurfürſten angefehwärzt worden war. Übrigens kann er nicht ganz ſchuld— 
(08 geivejen fein, denn ſonſt hätte der jo nachjichtig und milde denkende 
Luther ihm in dev Folge jeine Aufträge nicht ganz entzogen. 

Bon 1525 ab ift von Melchior Yotter, Bater und Sohn, in Witten- 
berg feine Spur mehr zu finden; wahrjcheinlich ging auch der jüngere 
nach Yeipzig zurück, wo fich das Gefchäft noch bis Ende der dreißiger 
Jahre nachweifen läßt. Dagegen blieb Meichael einftweilen noch in Witten- 
berg, wo er noch von 1525 bis 1528 drudte und auch noch von Yuther 
Aufträge erhielt, bis er gleichfalls die Stadt verlief und zu Anfang 
1529 in Magdeburg eine Druckerei errichtete, wo er 1554 ftarb. 

Nunmehr fam ein anderes VBerlagsgejchäft in Wittenberg zu Stande. 
Zu den Freunden Luthers gehörten der Goldſchmied Chriftian Döring 
und ver berühmte Maler Lukas Cranach. Erſterer bejaß ſchon 1518 
eine eigene Druderei, und auch Cranach errichtete eine jolche im Jahre 
1524, die der vieljeitige Künstler noch neben feiner Malerwerfſtatt, jeiner 
Apothefe, jeinem Papier: und Buchhandel beforgte. Diefen beiden nun 
wurte der Verlag der Yutherichen Schriften gemeinjam übertragen. Nach— 
dem fie troß Yutbers abermaliger Verwendung ein Anerbieten Yotters, 
ven Drud für fie zu umternehmen, ausgejchlagen hatten, jahen fie ich 
nach einem andern Druder um und fanden ihn in der Perjon des Dans 
Yuft. Diejer war vermutlich ein Gehilfe Grunenbergs geweſen und hatte 
auch wahrjcheinlich deſſen Offizin übernommen, da des lettern Thätig— 
feit mit dem Jahre 1523 abjchließt, während diejenige Yufts mit 1524 
anfängt. 

Nun begann dieje neue Sejelljchaft zu arbeiten, in welcher Hans Yuft 
nur der von feinen Berlegern abhängige und von ihnen bezahlte Druder 
iſt. In Yuthers Briefen aus den mächiten Dahren ijt daher immter mur 
von Dörings und Lukas' Offizin die Rede, während Yufts Name nie 
erwähnt wird, obgleich diejer ihn jchon 1524 auf die Drude fette. Als 
im Jahre 1534 die erjte Gejamtausgabe der Bibelüberjeßung unternom: 
men wurde, ging der ganze Verlag durch Kauf an eine andere Geſell— 
jchaft über, nur blieb Yuft wie bisher ver Druder. Das neue Geſchäft 
bejtand aus den drei wittenberger Buchführern: Moritz Golß, Chriftoph 
Schramm und Barthel Vogel, die vom Kurfürften Johann Friedrich 
ein Privileg auf die Bibel erhielten, übrigens auch Melchior Yotter für 


424 Verbreitung von Luthers Schriften: Die Nachdrucker. |Ziebentes 


jeinen Verlagsanteil an der Bibel entſchädigt zu haben jebeinen, beſtimmt 
aber ibm die Cranachſchen Dolzichnitte zur Apofalypje abfauften. Von 
Dans Yuft aber, welcher num allerdings auf lange Zeit der einzige Druder 
der Luther-Bibel in Wittenberg blieb, beißt es, daß er Davon bei Yeb- 
zeiten de8 Reformators nicht weniger als 100000 Exemplare gedruckt babe. 

Die mafjenhafte Verbreitung dev Yutherichen Werfe und ber durch 
ſie hervorgerufenen Bolfslitteratur wäre übrigens nicht in jo groß— 
artigem Maßſtabe erfolgt, wenn ſich nicht drei ſtarke Bundesgenoſſen 
— jeder im eigenen Intereſſe und ſich doch untereinander ergänzend — 
in die Hände gearbeitet hätten. Es waren dieſe Bundesgenoſſen die 
Nachdrucker, die Buchführer und die Prädikanten, die beiden 
letztern den Machthabern deshalb jo gefährlich und verhaßt, weil fie 
überall und nirgends auftauchten und, wenn bier ergriffen und grauſam 
unterdrückt, dort wieder erjchienen und vorfichtiger auftraten. 

Man darf den Nachdrud jener Zeit nicht mit dem Maßſtab ver 
beutigen Anfchbauungen meſſen. Das elfte Kapitel wird diefen Unfug und 
die allmähliche Entwidelung der dabei fich zeigenden Gewohnbeiten und 
zum Schuße dagegen fich ausbildenden Rechtsnormen näher darlegen. Hier 
daher nur jo viel, daß für die damaligen Anſchauungen der Nachdruck 
eigentlich als ein ganz legitimes Geſchäft galt und daß, wie z. B. im 
fünften Kapitel gezeigt wurde, jelbjt Männer wie Johann Amerbach oder 
Johann Petri in diefer Beziehung ein jehr weites Gewiſſen hatten. Ja, 
auch die staatlichen Behörden fanden, wie der demnächſt mitzuteilende 
Erlaß der Stadt Nürnberg zeigen wird, nichts Arges in dem Nachdruck. 
Ebenſo wenig verftändlich für die Gegenwart ift der naive Ausdruck des 
Kummers Wolfgang Stöckels in Yeipzig vor dem Rate der Stadt — bei 
Gelegenheit des 1524 von nenem erfolgenden Berbots der Reformations- 
literatur — darüber, daß in Yeipzig nichts verfauft und gedruckt wer- 
den jolle „das zu Wittenberg oder ſuſt gemacht“. Yutber jelbit war 
auch weniger ob der That des Nachdrucks feiner Schriften überbaupt, 
als ob der rüdjichtslojen und Frechen Art erbittert, in welcher derſelbe 
betrieben wurde. 

In der Berwahrung vom September 1525 wendet er fich zumächit 
an die Druder und fragt fie, ob fie Diebe und Straßenräuber geworden 
jeien, weil fie ibm jein Eigentum ftählen? „Ach habe“, führt er näher 
aus, „die Poftillen angefangen von der heiligen drei Nünige Tage an, 


Kapitel.) Tie Nachdrucker und ihr Treiben. 425 


bis auf Titern, jo führet zu ein Bube, ver Zeker, ver von unſerm 
Schweiß ſich nähret, jtiehlet meine Danpjchrift, ehe ich's gar aus mache, 
und trägt's hinaus und läßt es draußen im Lande drucken, unſer Koſt 
und Grbeit zu verbruden..... Nu wäre der Schaden dennoch zu lei- 
den, wenn fie doch meine Bücher nicht jo falſch und ſchändlich zurichten. 
Nu aber drucken jie diejelbigen und eilen aljo, daR, wenn fie zu mir 
wiorer fommen, ich meine eigene Bücher nicht fenne. Da ift etwas 
augen, da iſt's verjeßt, da gefälicht, da nicht korrigivt. Haben auch vie 
Kunst gelernt, dar fie Wittenberg oben auf etliche Bücher druden, die 
zu Wittenberg nie gemacht noch gewejen find. Das find ja Bubenitüd, 
ven gemeinen Mann zır betriegen..... Es ift je ein ungleich Dina, 
daß wir erbeiten und Koſt jollen drauf wenden, und andere jollen ven 
Genieß und wir den Schaden haben.” Zchlieklich meint der Reform: 
tor, ein Druder jolle aus chriftlicher Yiebe doch wenigitens ein oder zwei 
Monate warten, ehe er einem andern ein Buch nachdrucke. 

Ein zweites Schreiben Yuthers, vom 26. Zeptember 1525, it an 
den Rat von Nürnberg gerichtet und enthält die Klage, daß jeinen witten- 
berger Drudern ein Teil der noch in der Preffe befindlichen Poſtille, 
wohl über die Hälfte des Buchs, geitohlen, nach Nürnberg gebracht, mit 
Eile nachgedruckt und nun vor Gricheinen des wittenberger Originals 
verfauft würde, wodurch feinen Drudern ein merkliber Schaden zu- 
gefügt jei. „Wenn ev nicht irre“, jagt Yutber, jo jolle „das Herrgettlein“ 
dabei beteifigt fein. Er meint hiermit den durch jein tragiiches Ende be- 
fannt gewordenen nürnberger Buchdrucker und Buchführer Johann Herr— 
gott, von dem noch weiter unten die Rede jein wird. Anvere Städte 
am Rhein thäten das nicht, und ſelbſt wenn es geichehe, jo brächte cs 
doch feinen direften Schaden, denn am Rhein bergeitellte Nachdrucke 
würden nicht bis nach Wittenberg vertrieben, wohl aber die aus dem 
nahe gelegenen Nürnberg. So werde ev jetst durch die Beraubung jeitens 
nürnberger Bürger daran verhindert, die Überjetung der Propheten in 
Angriff zu nehmen. Die Nachdrucker wendeten weder Geld noch Mühe 
auf jeine Arbeit, die ihm Herzlich jauer werde; fie hätten fie durch 
Diebitahl erlangt und er müſſe ftill herhalten. Es jei gerade jo, als ob 
er im Hauſe oder auf der Strafie beraubt werde. Yutber bittet nun 
ven Rat, auf feine Druder einzwwirfen, daß fie doch wenigftens fieben 
oder act Wochen warten jollten, ehe fie jeine Werke nachdrudten. Ob 


26 Luthers Auftreten gegen die Nacdruder. [Siebentes 


jie aber jagten, fie müßten ſich nähren, ja! aber ohne des Andern 
Schaden. Sollte jedoch jeine Bitte nichts helfen, jo müſſe er Durch 
öffentliche Schrift joldhe Räuber und Diebe ermabnen, wenn es ihm 
auch Lieber ſei, daß er die Stadt Nürnberg nicht zu nennen brauche. 
Der Rat beichloß in jeiner Sitzung am 7. Oftober 1525: „stem auff 
Tocter Martin Yuthers jehreiben ſoll man fich bei den puchtrudern er— 
faren, was jeiner gemachten pucher durch ſy nachgedrudt und geenvert 
ſeyen und darinnen ein ordnung geben, damit feiner pucher feins in 
ainer bejtimpten zeit nachgedruckt auch bei den puchfüerern vwerichaffen, 
nichtzt neus zu verfauffen vor und eche ſolchs befichtigt werd.“ 

Der Rat veripricht alfo nur den Erlaß einer Verordnung, wonach 
die nürnberger Buchdruder innerhalb einer bejtimmten Zeit Luthers 
Bücher nicht nachdrucken follen, ſcheint aber mit diefem Beſchluß vie 
Bejchiwerde für abgethan erachtet zu haben. Yuther aber bat, wie es 
jcheint, einige Jahre jpäter feine Klagen erneuert, denn unterm 11. Mat 
1532 findet fich im Ratsbuch folgender Beſchluß: „Allen Buchorudern 
alhie ſoll bei iren pflichten bewohlen werden, wann fie binfür Doctor 
Yutbers und andre Buchlein nacoruden wollen, das fie den namen 
Wittenberg zu drucken unterlaffen und die ftat Nürnberg und ihre namen 
dafür jegen, auch fich beſſer correctur befleyffen, over ein rat müſt mit 
eruftlicher traf gegen inen handeln.“ Die Strafanprohung — wegen 
faljcber Ortsangabe — ift allerdings nur auf die Reichsverordnungen 
bafiert und findet ihre Begründung nicht im einer fittlichen Berurtheilung 
des Nachdruds an fich. 

In einem dritten Briefe, welcher ſich den obigen beiden Schreiben 
anjchließt und am 7. November 1525 an den nürnberger Syndikus Yaza- 
rus Spengler gerichtet wurde, wiederboft Luther feine Beſchwerden und 
zeigt ihm an, daR fich etliche Buchoruder am Rhein erboten hätten, mit 
ven Wittenbergern gemeinjchaftlich zu arbeiten, um jolcher Büberei ſdein 
Nachdruck) zu ftenern. Da nun unlängjt der Koberger fich ihm gegen- 
über in ähnlicher Abficht geäußert habe, jo jchlage er den andern Drudern 
vor, Ktoberger mit in den Bund aufzunehmen. Seine Bitte gebe aljo 
dahin, Spengler möge mit jenem und jeinen (Yuthers) Abgefandten dieſe 
Angelegenheit beraten. „Ich achte es“, jchreibt er wörtlich, „cs ſolle 
dem Koberger wicht ſchädlich jeyn, weil (jolange) wir lebten, jo er ven 
Vordruck und Laden bey ums zu Wittenberg überkäme, jamt meinen 


Kapitel.) Bedeutung des Nachdruds in der Reformationszeit. 427 


Drudfern, davon fie jelbit weiter wohl werden ſich bevatichlagen und 
unterreden.“ Dieſer Plan hat fich übrigens in der Folge nicht ver- 
wirflicht; auch ift es mehr als fraglich, ob durch jeine Ausführung dem 
Nachdruck wirffam geftenert worden wäre. Denn wenn auch Die Stel: 
lung Kobergers eine mächtige und hohe Achtung gebietende war, jo blieb 
er doch dem Nachdruck gegenüber ebenfalls wehrlos, ja doppelt wehrlos, 
weil dieſem bei der leichten Nlugfchriftenlitteratur viel cher, als ven 
ſchweren Folianten gegenüber nachgeſehen werden konnte. 

Kurz, der Nachdruck nahm Yutber gegenüber nicht ab, ſondern griff 
immer weiter um fich und wurde, wenn er Yuther perjönlich auch ſchä— 
digte und ärgerte, durch jeine täglich wachſende Betriebjumteit der be- 
deutendſte Hebel zur Ausbreitung der Reformation. Die Entwickelung 
der buchhändferiichen Verbindung des deutjchen Nordens mit dem Süden, 
und des Dftens mit dem Weiten, war in ihren vielverfprechenden An— 
füngen gehemmt, der buchhändlerische Verkehr auf der leipziger Meile 
durch Die Haltung Herzog Georgs von Sacjen gegenüber der Refor: 
mation ſchwer gejchädigt worden. Der gefamten Reformattonslitteratur 
war diejer geichäftliche VBermittelungspunft verichloffen. Aber der Nach— 
druck überbrücdte die gewaltjum gerijfene Kluft und vermittelte auf die— 
jem Gebiete für das ganze Volk die Einheit der geiftigen Intereſſen. 
Das ift feine Übertreibung, jondern bis zum Edikt von Regensburg 
(Juni 1524) eine unbejtreitbare Thatjache. 

Die Bibliographie der Reformationslitteratur hat bis jett nur die 
Nachdrucke aus den größern Offizinen verzeichnet und zu verzeichnen 
vermiocht; fie weiß jo gut wie nichts von den Winfelorudereien zu be- 
richten, welche aus einem oder dem andern Grunde mit ihrem Namen 
nicht bervorzutreten wagten, oder fich zur Irreleitung dev Behörden einer 
erdichteten Firma bevdienten. Ihre Thätigkeit kann indeffen nicht unbe: 
deutend gewejen jein, da fie ihre Ware nantentlich an die Eleinen wan— 
vernden Buchführer verkauften, vielleicht gar vorwiegend für fie arbei- 
teten. Wolfgang Stödel, dev Buchdruder, betont in feiner Ausjage vor 
dem leipziger Rate im Jahre 1524, daß Yutheriche Schriften unter an: 
derm in Grimma, Zwickau und Eilenburg gedruckt und nach Yeipzig ein: 
geführt worden jeien, verſchweigt aber unter den gerade obwaltenden Ver— 
bältniffen natürlich, daR dies z. B. an dem letztgenannten Orte wohl 
unter fingierter Firma für feine eigene Rechnung geſchehen jein dürfte 





428 Drud der Flugichriftenlitteratur im Geheimen, Siebentes 


— unter dem Namen ſeines Sohnes Jakob und ſeines Geſellen Nile— 
laus Wydamer (Meidener); unter des letztern Namen gebt allerdings 
auch ein Originalorud. Wenig mag von derartigen Nachdrucken erbal- 
ten geblieben, oder als jolche jeßt noch erfennbar jein. Wenn aber un 
Yeipzig eine haufierende Frau 1523 das Yutherfche Neue Tejtament für 
15 Groſchen (9, Gulden) ausbot, dasjelbe in Meifen um diejelbe Zeit 
vor dem „Freiburger Keller“ auf dem Domplak für 20 Groſchen (1 Gul— 
den) verfauft wurde 16, jo darf man darum, gegenüber dem ſonſt ange: 
führten üblichen Preis von 1Y, Gulden, nicht gleih an Nachoruds: 
eremplare denfen, Der Nachdruck Adam Petri's konnte kaum feinen Weg 
nach Sachjen gefunden haben. Feſtſtehende Yarenpreife aber gab es ja 
noch nicht, und Yotters Agenten und Haufierer mochten je nach Gelegen- 
beit mit größerm oder geringerm eigenen Verdienſt verfaufen. In Nürn— 
berg müffen außer den nambaften, zahlreiche Eleine und unbedeutende 
Druder den Nachdruck Lutherſcher Werke eifrig betrieben haben. Abge— 
ſehen von dem lebhaften Berfehr in der Stadt und Nachbarjchaft, be: 
zogen von bier die Vuchführer von Franken und Thüringen, ja einem 
Zeile Schwabens und Böhmens, ihren Bedarf und bejuchten von Zeit 
zu Zeit die alte Neichsjtadt, um bier ihre litterarijchen Vorräte zu ver: 
vollſtändigen. Denn die Schriften aller Sekten und Parteten wurden 
bier gedrudt, und faum an irgendeinem andern Orte Deutſchlands fan— 
ven fich jo bedeutende Yayer, namentlich ver theologischen Tagestitteratur. 
Schen 1517 wurde dem Hieronymus Hitzel verboten, „in bebemiicher 
Gezung gar nichet mer zu drucken“, und noch in demſelben Jahre das 
Geſuch Des jungen Kaſchauer abermals abgelehnt, „die Bibel und ander 
pucher in Behemiſcher ſprach allbier druden zu laffen und darbei ſtatlich 
underjagt, wo er darüber ain rath mit weittern anfjuchen over für- 
ichrifften überziehen werd, will man im von Hinnen wepjen“ Im OF 
tober 1524 kam Heinrich Pfeiffer, zuweilen auch Echwerdtfeger genannt, 
der jpätere Statthalter Thomas Münzers in Mühlhauſen, von diejer 
Stadt nach Nürnberg und lie hier des leßtern Schriften drucken. Wenige 
Tage ſpäter ließ fich ein fremder Buchführer aus Mellerſtadt ebenfalls 
eine Münzerſche Flugſchrift ohne Wiffen des Rats und von diejem um: 
befichtigt druden; derartige von vornherein bedenklich erjcheinende Sachen 
wurden, um fie durchzuſchmuggeln, mit andern zufammen vwerbeftet und 
verkauft. 17° Unterm 27. Juni 1526 wurden die mürnberger Yuchtruder 


Kapitel.] Magdeburg, Luthers Vorort für Norddeutichland. 429 


und Buchführer bei „ernftlicher eines erbarn Rats ſtraff“ angewiejen, 
fih des Druds und des Berfaufs „ver Karljtädtiichen, Ecolampadifchen, 
Zwingliihen und irer anhänger büchlein zu enthalten“. Der Drud ver 
Yutberichen Schriften dagegen wurde mir des Scheind wegen und mur 
jo lange verboten, als die päpftlich=faiferliche Politik noch einen Drud 
auf den Rat ausübte, 

In Norodentichland war Magdeburg der Lutherſche Vorort und Aus- 
gangspunft für den vftlichen Zeil Nieverfachjens geworden. Es ent- 
widelte als jolcher eine lebhafte Ihätigfeit für die Verbreitung und 
Befeftigung der Lehre Yuthers, namentlich Durch den Druck jeiner und 
anderer reformatoriicher Schriften im niederdeutjcher Sprade, Außer 
zahlreichen Streitjchriften erjchienen bier die Lutherſchen Auslegungen und 
Epifteln, namentlich aber erwarb ſich Magdeburg jehr bald einen hoben 
Kuf wegen jeines Bibel- und Gejangbuchoruds und behauptete venjelben 
bis zu jeiner Zerftörung (1631). Auch mit Dänemark ftanden die magde- 
burger Druder und Buchführer lange Zeit in Verbindung (1529 bis 
1562), ganz ebenſo wie die Wittenberger. Namentlich beteiligte fich der 
Drucker Hans Walter jeit 1530 an dem Verlage Kleiner Schriften, welche 
Yuther zur Zeit des augsburger Reichstags ſchrieb; er Lie fie ins Nieder— 
deutjche übertragen und nur wenige Wochen nach dem Erjcheinen der Ori— 
ginale verbreiten. Während der Flacianiſchen Streitigkeiten (1549 bis 
1552) erjcbienen in Magdeburg weit über hundert Streitjchriften, ſodaß 
es auf Grund diefer umfangreichen Litteratur „unſers Herrgotts Kanz— 
lei” genannt wurde. Vielleicht gelingt e8 der neuen fritifchen Geſamt— 
ausgabe der Yutherichen Werfe, ven vollen Anteil der Stadt auch an 
deren Berbreitung feitzuftellen. Bisjetzt iſt das noch nicht werjucht wor— 
ten, zum Teil aber mag es fich auch gar nicht nachweilen laffen, da 
Krieg und Feuer dort wiederholt arg gewütet und die wichtigften Spu- 
ren vielfach verwiſcht haben. 

Noch jehwerer iſt das für jene Gegenden feitzuftellen, welche von ver 
Reformation im Anfang ihres Auftretens erobert waren und jpäter dem 
mächtigern Andrängen der alten Mächte wierer unterlagen. Das war 
;. B. im Nordweiten in Münfter und im Süpoften in ganz Oſterreich 
der Fall. Das verhältnismäßig unbedeutende Münſterland zunächit 
war bis zum Ausbruch der Wiedertäuferunruben jo gut wie futherijch. 
Einige feiner beveutendften Söhne, wie z. B. Rottmann und Clans 


430 Katholische Neaftion im Münfterlande. [Siebentes 


dorf, hatten die neue Yehre von Wittenberg aus in ihre Heimat getragen 
und bier mit jo großem Erfolg verbreitet, daß die Hauptitadt dev Mittel- 
punft des Lutherthums für ganz Weftfalen geworden jein würde, wenn 
ſich die Wievertäufer ihrer nicht für ein paar Jahre bemächtigt hätten. 
Das Ende it befannt. Die nunmehr eintretende Reaktion richtete fich 
ſelbſtredend auch gegen die Lutherſche Yehre, aus welcher in ihren Augen 
jene Seftirer erwachien waren; mit den gewaltiamjten Mitteln wurde 
die Herricbaft der katholiſchen Kirche wieverhergeftellt. In dem Wüten 
gegen die Preffe, und vor allem gegen bie Putherjchen Werke, waren 
beive feindlichen Parteien, die Befiegten und Sieger, einig. Zuerſt hatten 
die Wiedertänfer, mit Ausnahme der Bibel und ver Flugſchriften Rott - 
manns, alles vernichtet und verbrannt, was fie an gedrudten und un— 
gedructen Büchern auftreiben fonnten. Sie entleerten außer ver feit- 
baren Dombibliotbef die Buchläden im Paradiefe des Doms und Die 
Dritdereien, ja fie zwangen die Bürger, alles, was fie an geprudten 
Werken batten, auf dem Domplatz abzuliefern, damit es dort den Flam— 
men übergeben werde. Daß fich eine Menge Putberjcher und reforma- 
torijcher Streitjchriften darunter befand, darf wohl um jo eber angenom— 
men werden, al® der Boden des damaligen Münſter ſchon jahrelang von 
den religiöjen Parteien unterwühlt war und Rottmann — der noch vor 
der Kataftrophe and einem Yutheraner zum Anhänger Zwingli's gewor- 
den war — Sicher die Kenntnis und den Befits der Streitjchriften beider 
protejtantiichen Parteien vermittelt und ihren Vertrieb beförvert batte. 
Als dann die wieder zurüdgefehrten bifchöflichen Behörden ernſtliche Vor- 
fehrungen gegen das Wicheranfleben der gefunden veformatorijchen Rich- 
tung trafen, auch bald darauf in den auch in Münfter auftretenden Je— 
jniten ihre bejte Stütze fanden, jehritten fie natürlich in erjter Linie 
gegen alle feterifchen Bücher ein. So ordnete ein Landtagsbeſchluß vom 
24. Juni 1562 an, daß Bücher, welche über die Calvinſche oder Zwingli- 
jche Lehre handelten, von den Unterthanen weder zu faufen noc zu 
fejen, vielmehr anzuzeigen und zu vernichten feien. Es jeheint, dar 
man einen ſolchen Befehl gegen die Lutherſchen Schriften für überflüſſig 
erachtete, jei es, daß die Wievertäufer bereits genügend aufgeräumt 
hatten, oder daß man ihn für ſelbſtverſtändlich hielt, weil die Ausrottung 
des Yuthertums die erſte Voransjekung der Wiederherftellung der katho— 
fischen Kirche bildete, 


Kapitel.) Die Evangelifierung Öfterreichs, 431 


Die übrigen geiftlichen Staaten, wenn man den vornehmen Begriff 
Staat auf dieje politijchen Mißbildungen und römiſchen Filialen an- 
wenden darf, fommen bier deshalb nicht in Betracht, weil fie auf dem 
Gebiete des Glaubens nur ultramentane Befehle auszuführen und kaum 
tief eingreifenve ketzeriſche Unruhen zu verzeichnen hatten. Es iſt darum 
auch ziemlich gleichgültig, ob diefe Bistümer oder Erzbistümer 100 over 
1000 Bücher verbrannten, oder ebenjo viel und mehr Ketzer aus dem 
Yande trieben. Biel jehlimmer ift es, daß die litterarifche Thätigfeit bier 
bald ganz aufbörte, daß das Volk des Denfens entwöhnt und einer jtren- 
gen priefterlichen. Dreſſur unterworfen, auch die Yuft am geiftiger Er— 
bolung verlor und infolge deilen auch das Bedürfnis des Leſens ganz ein- 
büßte. Das Herzogtum Bayern fette feinen Stolz darein, ſogar noch 
püpftlicher zu jein, als die geiftlichen Kurfürftentümer, und fann deshalb 
nicht einmal Anfpruch auf die Ehre einer bejondern Erwähnung machen, 

Was aber eine volljtändig durchgeführte Gegenreformation in einem 
großen Lande heißen will, das zeigte fich nur zu bald in Öfterreich. Hier 
iſt es den Jeſuiten in verhältnismäßig furzer Zeit gelungen, die won 
Yuther eingeleitete Bewegung bis auf die bejcheidenjten Yebensäußerungen 
zu bejeitigen und jabrhundertelang ein begabtes Volk von der Entwide- 
fung des deutjchen Geiſteslebens vollſtändig auszuſchließen. Luthers Yehre 
fand von Anfang an im Wien und ganz Öfterreich einen wohlvorberei— 
teten und empfänglichen Boden vor und gewann troß der Verfolgungen 
der Regierung und der fatholiichen GSeiftlichfeit im 16. Jahrhundert eine 
jo große Verbreitung, daß man neun Zehntel der ganzen Bevölferung 
den Proteftantismus mit der Wurzel auszurotten. Schon im April 1518 
wurden verjchiedene in religiöfer Beziehung verdächtige und anftögige Bücher 
in Wien veröffentlicht und verbreitet, gegen deren Druder, VBerfäufer und 
Käufer der Biſchof vorerft nicht einzujchreiten wagte. Johann Ce ftellte 
Ende 1520 lange vergeblich das Anfinnen an die wiener Univerfität, 
daß fie die päpftliche Bannbulle gegen Luther veröffentliche und alle Yuther- 
ſchen Bücher und Schriften von den Univerſitätsangehörigen einfordere 
und dann vernichte. Ehemalige Priefter predigten 1522 ſelbſt mit bijchöf- 
licher Erlaubnis für die Ehe ver Geiftlichen und vertheidigten in ber 
Stephansfirche Yuthers Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben. 
Ferdinand I. hatte zwar am 12. März 152513 verboten, die Werke 


432 Die Evangelifierung öſterreichs. [Siebentes 


Luthers, Okolampadius', Zwingli's und anderer dergleichen „never ver— 
füeriſch lerer pücher anzunehmen, zu halten, zu kaufen, zu verlaufen, zu 
leſen, abzuſchreiben, zu drucken noch drucken zu laſſen“, allein das Ver— 
bot reizte nur noch mehr zum Studium derſelben. Jakob Peregon, Pfar— 
rer am Bürgerſpital, rühmte ſich, 50 Lutherſche Schriften zu beſitzen 
und ſie fleißig zu leſen. Eifrig wurden dieſelben auch nachgedruckt, z. B. 
„Ain Schöne Predig von zwayerlay gerechtigkeit“ (1520) und „Aine 
predig von dem Eeligen ſtand“, ebenſo lutheriſierende Schriften, wie 
z. B. die Eberlins von Günzburg. Öſterreichiſche Studenten beſuchten 
deutſche Univerſitäten, namentlich Wittenberg, gegen den Willen der heimi— 
ſchen Regierung. Von Luthers erſtem Auftreten an bis unmittelbar nach 
ſeinem Tode, zwiſchen 1522 und 1548, ſtudierten hier 66 Djterreicher, 
darımter 38 Wiener und verjchievene Angehörige des ſtändiſchen Adele. 
Natürlich brachten fie von der Duelle des Yuthertums auch deſſen ge= 
prudte Lehren und Schriften nach Haufe und verbreiteten fie bier, jei 
es im Original, ſei es im Nacprud, unter die Maffen. Während des 
ganzen 16. Jahrhunderts fümmerte man jich nicht um das Verbot des 
Studierens im Auslande. So planmäßig Ferdinand und jeine Nach- 
folger auch worgingen, jo zielbewurt ihnen die feit 1551 ins Yand ge— 
rufenen Jeſuiten bei ihren gegenreformatorifchen Angriffen balfen, die 
neue Yehre griff während der eriten fünfzig Jahre nach ihrem Aufkom— 
men immer weiter um ſich. Die lutheriſchen adeligen Stände fanden 
zugleich ihren Borteil in der Aneignung des Kirchenguts und brachten 
es im Anfang des 17. Jahrhunderts bis zur Anerfennung der vollen 
Gewifjensfreiheit, die natürlich mit dem Dreißigjährigen Kriege wieder 
zu Grabe getragen wurde. Dieſe Zeit gehört nicht mehr hierher, allein 
in der ganzen ihr voraufgehenden und auch im der jpätern Periode tft 
die jpftematische Verfolgung der Lutherſchen Yitteratur bis in den engen 
Kreis der Familie das erſte Augenmerk der weltlichen und geiftlichen 
Behörden, die nur zu gut wußten, daß fie ihren Gegnern die Wurzeln 
der Kraft raubten, wenn fie ihnen auf die Dauer die geiftige Nahrung 
entzogen. Die katholifchen Gegenreformatoren fiegten mit ihrer zähen 
Energie, aber ihr „perinde ac cadaver” war nur durch Vernichtung 
des Buchhandels zu erzwingen. 

Auf die Nachdruder folgten die Buchführer. Jene würden fich der 
Tageslitteratur nicht jo zahlreich bemächtigt haben, wenn dieſe nicht den 


Kapitel.] Die Buchführer, die Haufierer und die Flugichriften. 439 


maſſenhaften Abjat der nachgedruckten Preßerzeugniffe allerorten vermit- 
tet hätten. Die Buchführer und Haufierer überſchwemmten bald ganz 
Deutſchland und vertrieben nicht allein die fatholijchen Werfe, jondern 
auch die durch das Vorgehen des Reformators hervorgerufenen Streit- 
ihriften und Gejprächbüchlein (Dialoge). „Unzählig find die Schmach- 
büchlein und Yäfterreden‘, jehreibt Johann Cochläus aus Wendelſtein 
1479 bis 1552), „die unter das Volf ausgehen wider päpftliche und 
weltliche Autorität, wider alle, welche Macht und Neichtum haben und 
nicht abfallen wollen vom Glauben ihrer Väter.“ „Die Schmachbüch- 
fein und Läſterreden“, von welchen diejer unflätigite Gegner Yuthers 
bier jpricht, waren Flugſchriften auf Flugſchriften in Reim und in Broja, 
in lyriſchem Erguß und in lebendigem Dialog, welche Kunde davon 
geben, daß Yuthers Wort an das Ohr des Volks erflungen, in jein Herz 
eingedrungen war und daß es dort flares Verjtändnis und jubelnde Auf- 
nabme gefunden hatte. Das deutjche Volk verfnüpfte fich ſelbſt mit des 
Reformators Perfon und Geſchick aufs engfte: feine Feinde find auch 
des Volkes Feinde, und diejes, welches in ihm den Klaren und beredten 
Ausdruck feiner Schmerzen und Freuden gefunden hatte, verfolgte und 
vernichtete fie alle, vom Papjte herab bis zum Bettelmönch, mit den 
Waffen der Polemif, mit fittlicher Verachtung und überjprudelndem 
Humer, mit derbem, jehonungslojem Spott und nationalen Beweis— 
gründen. Anfangs verbot und nahm die Polizei jolche Schriften noch 
in Beichlag; allein vom wormjer Reichstag ab wurde das immer mehr 
unmöglih, und wird jogar die Gewalt mit Gewalt, am liebjten aber 
durch Yift vereitelt. Je verpönter aber eine Schrift war, deſto leichter 
wurde fie verkauft, deſto teuerer bezahlt und deſto gewinnbringenver ab: 
geſetzt. Selbjt Gefängnis und harte Yeibesftrafen vermochten den gewinn- 
jüchtigen Händler nicht abzujchreden. Die Berbote der Obrigkeit jeblug 
er meist in den Wind; fie waren auch häufig nicht jo ftreng gemeint. 
Nur ab und zu wurde bitterer Ernjt gemacht. So bildete fich denn der 
Haufierbandel mit Flugjehriften zu einem einträglichen Gejchäft aus, das 
feinen Mann gut nährte, das vielfach auch von Frauen und jelbit von 
Knaben betrieben wurde. Es waren darin wohl vielfach junge Männer 
tbätig, die ihren Beruf verfehlt und nichts zu verlieren hatten, Men— 
ſchen, die nicht vwiel arbeiten, aber doch ihr Yeben genieken wollten, 
Abenteurer, die jib von den aufgeregten Wogen der Zeitftrömung tragen 
Rapp. I. 28 


434 Die Buchführer, ihre Barteiftellung, ihr Geichäftsbetrieb. [Siebentes 


ließen, einerlei, wo und ob fie dereinſt landeten, und endlich catilinarijche 
Grijtenzen, welche das Leben für faum mehr als einen jchlechten Wit 
nahmen, oder durch alle denkbaren Hinverniffe möglichjt glatt hindurch— 
zugleiten wußten. Beſonders geführlich aber wurden ſolche von Haß 
gegen das Beftehende bejeelte Buchführer durch die zielbewußte Auswahl 
der von ihnen vertriebenen Schriften. Unermeßlich war daber ver von 
ihnen auf die Gemüter ausgeübte Einfluß. Wo während ver Reforma- 
tionszeit „etwas los war”, da tauchten auch die Buchführer wie die 
Sturmvögel auf und wieder unter, Der Kampf und die Revolution 
waren das Clement, in welchem fie fi am wohlſten fühlten. Man 
hört nur ausnahmsweiſe von katholiſchen Alugblättern, welche von Bud- 
führern vertrieben wurden, meiftens nur von Verbreitern Yutherjcher oder 
Lutherifierender Schriften. Wo nur einer diejer Leute genannt wird, ba 
gehört er zur revolutionären Partei, umd in der That gibt es faum 
einen Sit der Bewegung, wo man ihrer nicht einen oder mehrere findet. 
So tritt 3. B. in Rothenburg a. d. Tauber 1524 ein Buchführer und 
Buchdrucker Kunz Kern auf, der nach dem Siege über die Bauern mit 
40 Gulden gejtraft und aus der Stadt verwiejen wird. Ein anderer Auf- 
rührer, auch Buchführer, Bernhard Schmidt, teilt dasſelbe Schidjal mit 
ihm und darf als „ausgetretener” (entflohener) Bürger nicht wieder: 
fommen.!?” Auch in den ſpätern Wiedertäufer-Unruben im Norven 
Deutjchlands jehüren die Buchführer das Feuer und drängen das Bolt 
zur That, jo 5. B. 1533 und 1534 in Weftfalen ein Peter aus Lipp— 
jtabt, welcher als Buchführer durch das Yand zog und den Maſſen die 
wiedertäuferifchen Yehren verfündigte. 

In ihrem Gefchäftsbetrieb knüpften dieſe haufierenden Buchführer gan; 
an die Gewohnheiten der alten Handjchriftenhändler und erſten Buch 
führer an. Auf Märkten und vor den Kirchen, in Schenfen — bier 
jelbft, wie in Breslau geklagt wird, ihre Ware ausjpielend — und auf 
offener Yandftraße, in Univerfitätsftädten an den Thüren der Kollegien 
und Burfen juchten fie ihre Käufer. Dabei hatten’ fie wieder ihre Ge 
hilfen, ungen und Frauen, welche mit den Flugſchriften in die Häuſer 
liefen oder fie auch, mit unverdächtigen Büchern zujammengebeftet, in 
den Gaffen verfauften. Guftav Freytag hat in feinem „Markus König“ 
ein recht anjchauliches Bild dieſes Haufierhandels gegeben, welches ven 
Charafter des Gejchäfts treu widerjpiegelt. 


Kapitel. Das Treiben der Buchführer in Stadt und Land, 435 


Für den ftäbtifchen Handel bietet Nürnberg einzelne jehr lehrreiche 
Beifpiele. Die dortigen Buchdrucker Stuchs und Arbogaft hatten 1523 
eine vom Barfüßermönd SKettenbach verfaßte „Praktika“ veröffentlicht, in 
welcher Bapjt und Kaifer mit Schmähungen überhäuft wurden. Der Rat 
ließ den Verkauf, wie auch den von Luthers Büchlein gegen Heinrich VIII. 
von England bei allen Buchführern, Bürgern und Inwohnern am 
14. September verbieten und die vorhandenen Eremplare wegnehmen. 
„Das alte Fräulein im Tuchſcherergäßchen“ büfte den Verkauf, wie 
iben früher erwähnt, vier Tage und Nächte an eine Bank angejchloffen. 
Unter dem Rathauje aber jollte man in Zufunft weder gedruckte Bücher 
noch Briefe oder Gemälve feil haben dürfen. werner verbot der Nat 
im September 1524 den Verkauf der andern Lutherſchen Büchlein, in 
welchen Kaiſer und Fürften Narren genannt wurden. Die Buben, welche 
ſolche Büchlein am Marke feil hatten, ließ der Nat vorladen. Einer 
derſelben hieß Johann Fauft; er hatte Pırthers neuen Traftat „Über zwei 
faijerliche widerwärtige Mandate” feilgeboten. Obſchon nun Faiferfiche 
Majeftät darin jehr geſchmäht wird, erhielt der Knabe doch nur einen 
itarfen Verweis und den Befehl, fih in Zukunft des Verkaufs jolcher 
Schmähbüchlein zu enthalten. Er hatte übrigens auf Befragen Wolf 
(PBräunlein?) von Augsburg als den Buchführer genannt, der ihm jolche 
Büchlein zum Verkauf übergeben. Aber Leonhard Fink, Buchführer in 
der Mendlin Hinterhaus, wurde ftrenger behandelt; er wurde zur Strafe 
vier Tage und vier Nächte in den Turm gefeßt. Dem Fremden, der 
in Pirckheimers Hofe gemalte Tüchlein feil hatte, fieß der Rat den Ver— 
fauf unterfagen, weil ſich jehändliche Gemälde über ven Papft darauf be- 
fanden. Frau Agnes, Stephan Hammers des Briefmalers Weib, hatte 
etliche Büchlein zum Verkauf ausgeboten, welche gegen die vom päpit- 
lichen Legaten in Regensburg erlaffene Reformation gerichtet waren; die 
Biihöfe wurden darin gejchmäht und „Fladenmacher“ genannt. Hier- 
für warb der Frau Agnes zur Strafe auferlegt, drei Tage und ebenfo 
viel Nächte an einer Bank zu büfen. ?° 

Ebenjo eifrig trugen aber die Buchführer die Flugjchriften auch auf 
das Sand. Sie laſen den Bauern Kraftitellen daraus vor, machten über- 
triebene Anpreifungen vom Inhalt oder fagten ihnen plumpe Schmeiche- 
leien, um fie der Anfchaffung des neueften, „in diefem Jahr gedruckten“ 
Büchleins defto eher geneigt zu machen. Im Durchjchnitt foftete ein 

28* 


436 Berbreitung der Flugichriften im Volk. [Siebentes 


jolches, drei bis vier Bogen ftarfes Heft einen Groſchen. Wenn e8 für 
einen zu teuer war, jo fauften e8 mehrere gemeinjchaftlih. Ebenſo 
häufig nahm aber der Bauer dieje Schriften auch aus der Stadt mit 
nah Haufe. Waren fie dann im Korbe unter eingefauften Hausbal- 
tungsgegenftänden over Gartenerzeugniffen, welche feinen Abnehmer ge- 
funden hatten, zum beimatlichen Dorf gewanvert, jo traten fie ihren 
Gang durch diefes an. Mit beſonderer Vorliebe benutzte die lutheriſch 
werdende Bauernjchaft die Wirtsjtuben, um fich das Neuejte vorzulejen 
und über das Gelejene zu verhandeln. Als die öffentliche Verbreitung 
gefährlich wurde, flüchtete ſich dieje Yitteratur auf einen unverfünglichen 
Boden. So brachten ver Kalender, die „Praftita“, auf ihren fetten Blaͤt⸗ 
tern die großen Fragen der Zeit in Proſa oder gutgemeinten Reimen zur 
Beſprechung, die man hier bei der herkömmlichen Inhaltsloſigkeit der 
Wetterbüchlein nicht erwartete. Da der Bürgersmann und der Bauer 
der ſchweren Kunſt des Leſens nicht immer oder vielleicht in den jelten- 
ften Fällen mächtig war, jo ergänzten ihn, wie den Dann des Mlittel- 
alters, fahrende Yeute, die vom Vortrage fremder und eigener Werfe 
lebten und die eben in jenen Jahren, von der reformatorischen Bewegung 
erfaßt, als Vorlejer der Streitjchriften von Yandjchaft zu Yandjchaft zogen 
und das neue Yicht in die fern entlegenjten ſtillen Wald- und Gebirgs- 
dörfer trugen. Dieſe Sendboten im zerjchliffenen Wams beveuten an 
mancher Stelle des Vaterlandes mehr, als der Magifter, der jein Wiſſen 
auf einer hohen Schule geholt hatte und nun vor feiner ländlichen Ge— 
meinde das fehlichte Wort nicht fand, das fie erwartete, 

So wurde denn die Flugjchrift und das Gefprächbüchlein (Dialog) 
ein treuer Mithelfer Yuthers und feiner Anhänger. 

Die Zahl der volfstümlichen Flugjchriften aus der Reformationszeit 
ijt jehr bedeutend, aber heutzutage faum mehr feitzuftellen. Viele find 
ebenjo jehnell wieder verſchwunden, als fie aufgetaucht waren, die einen 
durch die jpätern Kriege vernichtet, andere von Geiftlichen verbrannt, 
wieder andere von der Polizei unterdrüdt, viele auch jonjt zu Grunde 
gegangen oder verwahrloft. Denn das BVolf verbraucht die Bücher, 
welche es fich fauft, es bat kaum Plaß für deren Aufbewahrung; der 
Gelehrte hingegen behütet jeine Bücher jorgfültiger. Im vorliegenden 
Falle aber jchrieb man eben nur für das Volk. Sodann dachte ſonſt 
niemand daran, das, was von Diejer anjcheinenden Kintagslitteratur in 


Kapitel.) Teilweije politifcher Charakter der Flugichriftenlitteratur. 437 


jeinen Kreis gefallen war, zu jammeln; das Titterariiche Interejfe war 
bis zum Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht ſtark genug oder zu 
einfeitig, um folchen Erjcheinungen bei ihrem befcheidenen Äußern irgend— 
welhe Aufmerkſamkeit jchenfen zu können. Was alfo von ihnen erhal: 
ten it, das hat mit wenigen Ausnahmen, wenn nicht ein berühmter 
Name dahinter ftedte, der Zufall, ein Aktenheft, der verjtedte Winkel 
einer Bibliothek, ein planlos zujammengeftellter Sammelband, wie man 
fie damals Tiebte, oder ein fiir nichts geachteter Einband gerettet. Allen 
diefen Tagesjchriften gemeinfam ift die Anonymität des Berfaffers und 
Verleger. So treten fie mit dem Reiz des Geheimmisvollen, mit dem 
Schein einer doppelten Autorität vor den damaligen Yejer und machen 
einen um jo größern Eindrud. Nur einmal heißt es im „Karſthans“ 
(wahrjcbeinlich zu Anfang 1521 von Ulrich von Hutten gejchrieben), Karit- 
bans jolle beim Buchdrucker Srüninger in Straßburg deſſen beide Büch— 
lein „Yom Bapftthumb‘ und „Nin chriftliche und brüderliche ermanung“ 
faufen und lejen. Aus den verdienftwollen Arbeiten von Karl Hagen, 
8. David Strauß und Oskar Schade u. a. weiß man, daß die hervor: 
ragenditen und ebelften Geifter ver Nation vor allem auf dieſem Gebiete 
tbätig waren und fich zum Theil hier ihre erjten litterariſchen Sporen 
verdient haben. 

Troß alledem find aber noch jo viele jener Flugſchriften auf die 
Gegenwart gekommen, daR fie eine der wichtigften Quellen zur Kenntnis 
ver Volfaftimmung und des innern Ganges der Bewegung bilden. Sie 
weiten ven Reflex der Ereigniffe im Gemüt und Bewußtjein des Volfes 
nah, begleiten jedes nene Ereignis mit ihren Kommentaren und lehren 
vor allem ven Charakter der Reformation viel tiefer und höher, denn ale 
einen nur theologifch-vogmatischen Kampf gegen die alte Kirche auffaffen. 
Es handelt ſich nämlich von Anfang an für das Volk nicht nur um die 
Abſchüttelung des römischen Jochs, fondern auch um die Befreiung von 
weltfichen Yaften, um die Beſeitigung des weltlichen rohen Druds und 
einer in gejeßliche Formen gebrachten Ausſaugung durch heimifche Herren 
und Machthaber. In vielen dieſer Schriften gingen die leßtern Beſchwerden 
jelbit den gegen Rom gerichteten voran; für alle aber war das Papſttum 
der Inbegriff jeder Art von Gewalt und Niedertradht. So iſt e8 denn 
ziemlich auch derſelbe Grundgedanke, welcher in der Tageslitteratur der 
Reformationgzeit von immer neuen Gefichtspunften aus behandelt wird. 


438 Johann Herrgott als Typus der revolutionären Buchführer, [Siebentes 


Bei der Würdigung diefer Erfcheinungen hat die Gejchichte des Buch— 
handels ein doppeltes Interejje. Einmal weckt dieſe allgemeine Verbrei- 
tung von Flugjchriften die Luft am Yejen und verſtärkt damit die natür- 
liche Grundlage für die Entwidelung und Kräftigung des Buchhandels, 
dann aber bereitet die faſt vegelmäßige Mitbefprechung und Erklärung 
der Zeitereigniffe den Boden für die politiichen Flugblätter, „die newen 
Zeitungen‘ vor, im welchen bei verringerten geiftigen Interejfen wenig— 
ſtens die Neugier der Peer ihre Befriedigung fand. Das Flugblatt des 
Reformationszeitalters ijt eben die Mutter dev neuen Zeitung, dev Zei- 
tung überhaupt. 

Johann Herrgott und feine Fran Kunigunde find bie echten Typen 
wanbernder Buchdruder und Buchführer aus der Mitte der Reforma— 
tionszeit, eifrig und betriebfam, wo fie eine qutziehende Schrift druden 
oder nachdruden und vertreiben fonnten, einander ergänzend, indem bie 
Frau das Gejchäft zu Haufe bejorgte, wenn ver Mann auf Meſſen und 
Jahrmärkte, oder auf Agitationsreifen in die Weite wanderte. Sie hatten 
zur Zeit, als fie zuerft genannt werden, manche, vielleicht viele von 
Yuthers Schriften nachgebrudt und vertrieben — darunter auch wenigitens 
zweimal das Neue Tejtament und zwar in Partnerjchaft mit einem au— 
bern Eleinen Buchführer, Michael Kuder von Wiejenfteig bei Ulm —, 
weshalb der Reformator auf das „Herrgettlein‘ auch gar nicht gut zu 
jprechen war, Später waren fie auf die rabifale Seite getreten, wie 
dies der Drud Thomas Münzericher Schriften (1524) und die längere 
Anwejenheit Herrgotts in Rothenburg, einem der Dauptjike dev „Self: 
tirer“ und der Bauernbewegung, beweijen. Er arbeitete hier und ander: 
wärts für die Ausbreitung der extremſten Richtung, der jozialen Revo: 
fution. Im Jahre 1526 taucht er plößlih in Sacfen auf und ver- 
breitet dort eine Slugichrift von 18 Seiten in Hein Oktav, welche ohne 
Angabe des Drudorts, der Jahreszahl, des Berfaffers und Berlegers 
den Titel führt: „Von der newen wandlung ches Chriftlichen Lebens‘. 
A. Kirchhoff Hat fie im leipziger Stadtarchiv gefunden und auch ver- 
öffentlicht. Der Umjchlag, in welchem fie lange im Archiv eingejchlagen 
gelegen hatte, trägt die Aufichrift: „Hans Hergots von Nurmberg vff- 
ruriſch buchlein, vmb welchs willen er mit dem Schwerte alhir gericht. 
Montag nah Cantate (20. Mai) Anno Dom. 1527.” Diefe Bemer: 
fung kann allerdings ſoviel heißen, daß Herrgott auch dev Verfaffer des 


Kapitel.) Johann Herrgotts tragiiches Geſchick. 439 


Schriftchens geweſen jei — der zeitgenöffiiche Petrus Sylvius fcheint ihn 
auch dafür zu haften —, muß es aber nicht unbedingt bedeuten, zumal, 
joviel jonft befannt, Herrgott fi nur mit dem DBertrieb der von ihm 
gedruckten Bücher abgab und das vorliegende Schriftchen, um jene Be— 
merfung zu vechtfertigen, nur in jeinem Beige gefunden zu jein braucht. 
Jedenfalls wurde e8 von ihm, und in Yeipzig von einigen Studenten, 
verfauft. Yebtere Thatjache it bezeichnend für die Ausdehnung und Ein- 
träglichkeit des Hauſiergeſchäfts, fie zeigt, welche Hilfstruppen dem wan— 
dernden Buchführer zur Verfügung ſtanden. Yange Zeit bat fich durch 
die einichlägige Yitteratur die Sage fortgejchleppt: Herzog Georg der 
Bärtige von Sachjen, ein ebenjo erbitterter Feind Yuthers als der auf- 
ftändischen Bauern, habe Johann Herrgott im Jahre 1524 feiner reli— 
gisjen Überzeugungen halber hinrichten laſſen. Dieſe Annahme ift ſchon 
um deswillen hinfällig, weil die Herrgottſche Flugſchrift gar nicht gegen 
den Papſt, „unjern heiligen Vater‘, gerichtet ift, fich vielmehr gegen 
alle Sekten, aljo auch gegen die Reformation wendet. Seit den Kirch- 
bofficben Forſchungen und dem durch fie befannt gewordenen Inhalt des 
Büchleins fteht vielmehr feſt, daß Herrgott den Tod wegen jeiner jozial- 
agrariichen Propaganda erlitt. Akten über den Prozek find nicht mehr 
vorhanden. Nur einige kurze Notizen werfen ein büfteres Yicht auf den 
Fall. Einmal nämlich findet fih auf Blatt 127 ver leipziger Stadt: 
faffenrechnung von 1527 die Ausgabe verzeichnet, welche die Überfüh- 
rung der die Flugſchrift vertreibenden beiden Studenten von Yeipzig nach 
Tresden und zurüd verurjacht hatte. Dann wurde dem Ratszimmer: 
meifter in der Woche nach Gantate der Lohn für zwei Hilfsarbeiter an 
einem Tage ausgezahlt, was auf das Auffchlagen des Schafotts hin— 
deutet, endlich aber heißt es ganz pofitiv auf Blatt 114 der bereits er- 
wähnten Stadtkaffenrechnung: „Sabbato post Cantate. Vom Hergot 
zu begraben dem Todengräber 6 gr.“ Koftbar war, wie man fieht, 
das Degräbnis nicht. Fünfundſiebzig Pfennige! ſoviel wie etwa heute 
drei Mark! Die beiden Studenten aber famen mit leichter Strafe davon. 

Die Prädifanten, die Dritten im Bunde mit den Nachdruckern 
und Buchführern, erlangten dadurch eine jo hohe Beveutung für den 
Buchhandel, daß fie mittel8 des gejprochenen Wortes den Bildungstrieb 
in die Maffen trugen, fie geiftig hoben, aljo auch das Bedürfnis nach 
Büchern wedten. Während aber die Buchführer nur gejchäftlich mit 


440 Die Prädifanten und ihr Auftreten. [Siebentes 


dem Wolfe verfehrten und mit dem Vertrieb ihrer Ware möglichjt leicht 
und jchnell Geld zu gewinnen juchten, machten die Prädikanten dagegen 
fediglich geiftige Propaganda für ihre Überzeugung und juchten durch die 
Berteilung von Flugſchriften, wenn fie überhaupt welche bei fich führten, 
neue Anhänger für ihre Anfichten zu gewinnen. So wenig font auch 
Buchführer und Prädifanten geiftig miteinander gemein hatten, jo traf 
die Thätigkeit diejes leichten Fußvolks der Reformation doch in dem 
einen Punkte zuſammen, daß fie die im Dienjte der neuen Ideen jtehende 
Yitteratur mächtig fürderten und Hunverttaufende für die neuen An— 
ſchauungen gewannen. 

Die Prädikanten nun waren teils ehemalige Priefter, teils Yaten und 
beuchelten oft noch jogar eine gewiffe Unbildung, um ihres Eindrucks 
auf die Maffen deſto ficherer zu jein. Sie juchten, das Yand durch— 
ziehend, durch ihre Predigten die Gemüter für die neue Lehre zu ent- 
flammen und wußten ſehr geſchickt die Saiten anzujchlagen, welche bei 
ihren Zuhörern begeifterten Anklang fanden. In der Kegel hielten jie 
fich nicht zu lange an einem Orte auf, prebigten dort, bis fie für ihre 
Auffaffung des Evangeliums Boden gewonnen zu haben glaubten, oder 
bis fie durch Gewalt vertrieben wurden. Nach dem Zeugniſſe der Zeit: 
genoffen jind fie von unermeßlichem Einfluß auf das Volk gewejen, da 
jie, jelbit aus ihm hervorgegangen, jeine Bepürfniffe, Beſchwerden und 
Yaten genau fannten und feine Yeidenjchaften anzuftacheln wußten. Weil 
fie zudem nirgends lange blieben, zeigten fie ſich überall in ihren glän— 
zendſten Gigenfchaften. Das Ungewohnte, Neue und Geheimnisvolle, 
welches dieſe Männer umgab, konnte nicht werfehlen, einen tiefen Ein— 
vrud auf die Maſſen hervorzubringen. Natürlich gab es unter dieſen 
Prädikanten edle und gemeine Charaktere, einerjeits Männer von idealer 
Yebensauffaffung und jchwärmerifcher Begeifterung, welche ihre ganze 
Perjönlichkeit freudig für ihre Sache einfeßten, wie namentlich die erjten 
jogenannten Wiedertäufer, und anvdererfeits niedrige Demagogen, die in 
ihrer bisherigen Yebensftellung Schiffbruch gelitten Hatten, oder jelbjt- 
jüchtig im Trüben Vorteile für fich evjtrebten. Dem Einen waren fie 
Engel, dem Anvern Teufel. Der Erfurter Mechler erblickt in ihnen die 
wichtigjte Stüße des Evangeliums, der katholiſch gebliebene Priejter 
Ufingen dagegen will alle Prädikanten als Falſchmünzer verbrannt wiffen; 
und dabei war er einer der Gemäßigtften. Zu den geiftig bebeutendften 


Kapitel.) Balthajar Hubmayher. 441 


und wirfjamften unter dieſen Männern gehören unter andern die be- 
geifterten Anhänger Yuthers, wie die beiden großen Volfsprediger Eber— 
lin von Günzburg und Heinrich von Kettenbach, Jakob Strauß aus 
Bajel, Urbanus Rhegius, Paul von Spretten und Diebold Schuſter, 
ernite, für ihre Suche begeifterte Männer, die jpäter als Iutherijche Geift- 
liche in angejehenen Stellungen über ganz Deutjchland zerjtreut wirkten. 
An geiftiger Bedeutung ftanden übrigens die Präpifanten der lutherifchen 
Oppofition, ein 3. Dend und Thomas Münzer, bedeutend über ihnen. 

Während die Vertreter des Alten fih den Weg zu den Gemütern 
des Volks verjperrten, weil fie nur lateinifch jchrieben und jchlecht deutſch 
iprachen, bejaßen die Präpifanten alle die Eigenfchaften, welche zu einem 
guten Volksredner erforderlich find: Vertrautheit mit ihrem Stoff, wirf- 
liche oder zur Schau getragene Begeifterung für die Süche, eine energifche, 
mit jich fortreißende Sprache und daneben jene volksmäßige Derbheit und 
meiftens auch jenen gefunden Mutterwit, welche, wenn auch Gründe 
nicht einjchlagen jollten, niemals die gewünjchte Wirkung verfehlen. 

Dieſe Präpifanten tauchen meteorartig auf, verjchwinden fo jehnell 
wieder, als fie fommen, oder fallen auch in die Hände ihrer Gegner und 
finden bier ein unglücliches Ende. Namentlich trifft diefes Schickſal die 
Anhänger der ertremen Parteien, welche mit dem Banernfriege handelnd 
in die Politif eintreten und auch noch ein Jahrzehnt nach deſſen Nieder: 
werfung zerjtrent im ganzen Reiche heimlich und öffentlich wühlen. 

Als eines der bedeutendſten, aber auch unglüclichjten diefer Wander: 
prediger ſei hier des Balthafar Hubmayer aus Friedberg bei Augsburg ge- 
dacht. Er wurde wahrfcheinfich in den achtziger Jahren des 15. Jahrhun— 
verts geboren, am 1. Mai 1503 in Freiburg immatrifuliert und war ein 
Zeitgenoffe Johann Eds, als deſſen Nachfolger er Vorſtand der Burfe „Zum 
Pfau’ auf der genannten Univerfität wurde. Hubmayer nahm energijch 
für Ed Partei bei dejfen Streit mit der Fakultät, ſchloß fich ſpäter der 
neuen Yehre an und trat entjchieven auf die Seite Münzers, als diefer 
im Herbſt 1524 den Stlettgau und Hegau für feine Pläne zu gewinnen 
juchte. Hubmayer wirkte damals in Waldshut an der jchiveizer Grenze 
und übte einen gewaltigen Einfluß auf feinen engern Kreis und die ganze 
benachbarte Schweiz aus. Er gilt vielfach als der Berfaffer der zwölf 
Artifel der Bauern, eine Annahme, zu welcher jein politifcher Radikalis— 
mus wohl berechtigt; der Chronift Andreas Lettſch nennt ihn jogar den 


442 Balthafar Hubmayer und fein Ende, [Siebentes 


Anfänger und Aufwiegler des ganzen bünerifchen Kriegs. Religiös ftand 
Hubmayer ganz auf dem damaligen Standpunft der Wiedertäufer und 
von ihm aus predigte er mit ſtarken fommuniftischen Zuthaten die Hand— 
habung des Evangeliums und des göttlichen Rechts. Nach der „Nieder: 
werfung“ des Bauernaufjtandes wandte ſich Hubmayer zu Anfang des 
Jahres 1526 nah Mähren und ließ fich in Nitolsburg nieber, wo er 
unter dem Schute des Eigentümers ber Herrichaft, Leonhard von Yichten- 
ftein, anfänglich unbehelligt lebte und lehrte. Er hatte eine Druderei 
aus der Schweiz her mitgebracht, welche dev aus Zürich gefommene 
Buchoruder Frojchauer leitete und in der währen ver zwei Jahre ihres 
Beitehens zahlreiche Schriften der „Brüder“ in beutjcher Sprache ge: 
prudt wurden. Die größte verjelben erichien 1526 unter dem Titel: 
„Ein Gejpräch Balthajar Hubmör’s von Friedberg, Doktors, auf Meijter 
Ulrich Zwinglens zu Zürich Taufbüchlen von dere Kinvdertauf. Die Wahr— 
beit iſt untödtlich. Erd, Erd, Erd höre das Wort des Herrens‘ (9 Bo: 
gen in Quart). Hubmayer gewann eine große Zahl Anhänger, welche 
den König Ferdinand um jo mehr beunruhigten, als jie zu Gewalt: 
thätigfeiten übergingen, Heiligenbilver verbrannten, Sakramentshäuſer 
und Altäre niederriffen und die Priefter verjpotteten ober gar verfolgten. 
Der König trat daher mit jeiner ganzen Macht dagegen auf. „Welcher 
oder welche‘, heißt es in feinem Mandat vom 20. Auguſt 1527, „die 
Gottheit oder Menjchheit Chrifti, oder auch vesjelbigen Geburt, Yeiden, 
Auferftehung, Himmelfahrt und vergleichen Artikeln mit frewentlichen 
Reden und Predigten antaften over verachten, die jollen ohn Gnad mit 
dem Teuer geftraft werden.” Da Hubmaher feine Yehren nicht wider— 
rief, ſogar verteidigte, jo forderte und erlangte Ferdinand vom Herrn 
von Yichtenftein feine Auslieferung. Der Keger ward nach Wien ge- 
bracht und zuerjt hier, dann in dem nahen Greifenftein gefangen ge 
halten. Die Theologen der wiener Univerfität, welche unter dem Bijchof 
der Stadt als „Inquisitores haereticae depravitatis“ ein eigenes Ge— 
richt bildeten, fuchten ihm bei wiederholten Bejuchen vergebens zum Wider— 
ruf zu bewegen. So warb Hubmaher denn nach Wien zurüdgebradt, in 
das Schanzenhaus gejett, dajelbft unter Anwendung der Folter exami— 
niert und am 10. März 1528 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die 
zeitgenöſſiſchen Quellen erzählen mit großem Behagen von feinem jchweren 
Gange und geben die kleinſten Einzelheiten über jein Ende, 


Kapitel] Hubmayers Ende. Wandelung bei Luther. 443 


In Scharen begleitete ihn „das gemeine Volk“ auf feinem Tovesgange. 
Dagegen waren „das ehrjame Volk“, die Bürger, jeine Gegner und hatten 
jih bewaffnet; auch bewaffnete Söloner jtanden in Bereitjchaft. Nachdem 
ihm die Kleider ausgezogen und Hände und Füße gebunden waren, rieb 
ihm der Scharfrichter Bart und Haare mit Schwefel. Als diefe brann- 
ten, rief Hubmaher: „Jeſus, Jeſus!“ Der Rauch erjtickte feine Stimme.?! 
Sein Tod aber machte einen derartig überwältigenden Eindrud, daß die 
weltlichen und geiftlichen Behörden fich gezwungen jahen, ihr Verfahren 
zu rechtfertigen. Selbſt feine Gattin, ein fühnes, ftarfes Weib, das 
ihren Gatten zum männlichen Ausharren ermahnte, ward nicht verjchont 
und drei Tage ſpäter mit einem Stein am Halje in die Donau geftürzt. 
Die Buchoruderei in Nikolsburg aber, die eine jo wichtige Rolle in 
dieſem düſtern Drama fpielt, gab nunmehr fein Ärgernis mehr, da bie 
Wiedertäufer aus ganz Mähren und Öfterreich vertrieben wurden. Zwei 
andere Geſinnungsgenoſſen Hubmayers teilten gleich darauf in Wien 
ſein Los. 

Die Schilderung des Endes Hubmahers hat übrigens ſchon über vie 
Grenzen der bier in Betracht fommenven Zeit hinausgeführt, da ver 
große Bauernfrieg den Wendepunkt in der Gejchichte der Reformation 
bildet. Hatte bis dahin troß fürftlicher und päpftlicher offener Angriffe 
und heimficher Gegenarbeit ihr Siegeslauf nicht unterbrochen werden 
fünnen, jo war mit der blutig-graufamen Unterbrüdung des Aufftandes 
der Bauern der gewaltigen lutheriichen Bewegung als einer national 
firchlichen der Lebensnerv durchichnitten. Die Jahre des ungeſtümen 
Stürmens und Drängens von 1517 bis 1521, die Zeiten des freubigen 
Schaffens und Aufbauens von 1521 bis 1525, in welchen fich wie im 
Anfang jeder großen weltgefchichtlichen Epoche der Geift und das ideale 
Ziel am reinjten und deutlichiten aussprechen, traten fortan ſelbſt in der 
Erinnerung der Mithandelnden zurüd. Yuther war durch die Revolu— 
tion über Nacht ein anderer geworben und trat in bewußten Gegenjat 
zu jeinen ftürmifchern Anhängern. Er rief die Polizei zu Hilfe, um den In- 
dividualismus der veligiöjen Empfindung in feſte Ordnungen zu zwängen, 
und juchte mit Hilfe der Yandesfürften, die auch gern Kleine Päpſte wer- 
den wollten, fein kirchliches Werf unter Dach zu bringen. Durch diejes 
despotiſche Verfahren wurde allerdings das, was von feiner Lehre 
noch übrigblieb, vom Zerfall gerettet; allein die theologiichen QTüfteleien 


444 Die deutjche Volksſchule. Ickelſamer. [Siebentes 


und Dogmatifchen Streitigfeiten vermochten niemand mehr zu erwärmen 
und liefen die Maffen kalt, während ſich das Volk dem fürftlichen 
Kirchenregiment mit paſſivem Gehorſam fügte Nach der Niederlage 
verfiegen auch die Quellen der Begeifterung, des Wites, der Yaune und 
Satire; in der Gefangenjchaft ſingt man nicht. Die Volksſchriften— 
litteratur erlischt deshalb auch nach dem Bauernfriege, die Polemik der 
Gegner aber wird einfeitiger, perjönlicher, gereizter und zulett auch bei 
täglich zunehmender Inhaltloſigkeit ziemlich gleichgültig. 

Der Geiſt dev Bewegung war aber doch von Anfang an eim zu ge- 
waltiger, als daß er in lahme Klopffechterei der Theologen hätte ver- 
laufen können. Cine religiöje oder politifche Richtung kann und muß 
jich allerdings erfchöpfen, und das vielleicht um jo eher, je jtürmijcher 
fie anfangs aufgetreten tft; allein eine große fittliche und geiſtige Um— 
wälzung, welche, wie die Reformation, das ganze Volf ergreift und durch— 
zittert, durchdringt auf Jahrhunderte hinaus mit veinigender und neu- 
belebender Kraft alle Klaffen der Benöfferung, alle Gebiete des wirt- 
ichaftlichen und öffentlichen, des fittlichen und geistigen Lebens. 

Das beveutendjte diefer Gebiete ift die Erziehung und der Unter— 
richt. Die deutſche Volksfchule zumächit ift das Kind der Reformation 
und bewegt ſich ein volles Bierteljahrtaufend in den von dieſer vor: 
gezeichneten Bahnen. An ihrer Wiege ftand ein geiftig hervorragender 
Gelehrter, Valentin Ickelſamer aus der Nähe von Rothenburg a. T., 
deſſen Geburts: und Sterbejahr völlig vergeffen find. Er hat die erite 
deutjche Grammatik nicht etwa geiftlos den Lateinischen Schulbüchern 
jener Zeit nachgebilvet, ſondern auf Grundlage der lateinijchen frei auf 
bauend, durch „Eine Teutſche Grammatica“ die Jugend zuerjt in ihrer 
Mutterfprache methodisch leſen und venfen gelehrt. Er wollte durch fein 
Buch, deſſen erſte Auflage um 1534 und deſſen dritte 1537 erjchien, 
das Seine zur Förderung des Unterrichts im Deutfchen beitragen. ?? 
Ickelſamer war, wie er fih voll Selbftgefühl nannte, der erſte „teutjche 
Schulmeiſter“ und jtand mitten in der geiltigen Bewegung jener Zeit. 
Anfangs ein warmer Verehrer Luthers, ſchloß er fich eine Zeit lang 
Karlſtadt an, wurde, da er fich in Rothenburg an der Bauernbewegung 
beteiligt hatte, nach der Einnahme diejer Stadt aus ihr verbannt und 
ging dann nach Augsburg, wo er von menem in ein perjönlich freynd 
Schaftliches Verhältnis zu Yuther trat. Seine Grammatik ſowol, als jeine 


Kapitel] Die Lehrmittel. Melandhthon, der Praeceptor Germaniae. 445 


frühere Schrift „Die rechte weis auffs kürtziſt lefen zu lernen“ (1527 
und 1534) waren für ihre Zeit vortreffliche Yeiftungen und fanden bald 
jo zablreihe Nachbildungen und Nachahmungen, daß fie nicht lange im 
Gebrauch blieben. Weiter über ganz Deutjchland verbreitet gewejen, 
länger — Jahrhunderte hindurch — im Gebrauch und noch heute, gleich- 
jam jprichwörtlich, befannt ift dagegen Adam Rieſe's Rechenbuch. Rieſe 
war 1492 zu Staffelftein bei Yichtenfels in Franken geboren und ftarb 
1559 ald Bergbeamter und Brivatlebrer zu Anmaberg in Sachſen. Sein 
Buch erſchien zuerjt 1518, und in zweiter Auflage 1525, zu Erfurt. Beide 
Dinner, Ickelſamer und Rieſe, find die Neubildner des erften Jugend— 
unterricht3 und die Vertreter einer Richtung, welche ſich im Yaufe der 
Jahre nicht allein über das proteftantijche, jondern auch über das fatho- 
liche Deutjchland ausgebreitet bat. Zu den von ihnen gejchaffenen un- 
entbehrlichen Yehrmitteln der Volksſchule fam nun noch im Yaufe des 
16. Jahrhunderts der Katechismus, welcher die Glaubenslehre in fort- 
laufenden Fragen und Antworten behandelt, und zwar für die Yuthe- 
raner der Feine Yutherjche (1529), für die Reformierten der heidelberger 
(1563) und für die Katholifen in erſter Yinie der „Catechismus par- 
vus“ des Pater Caniſius (1563). 

Diejelbe Aufgabe, welcher ſich Ickelſamer und Rieje für die Elemen— 
tarihule gewidmet hatten, löſte Philipp Melanchtbon, ver Freund Yuthers, 
ver Praeceptor Germaniae, für ven höhern Unterricht. Er veranlafte 
und jchrieb jelber die maßgebenden Yehrbücher für lateiniſche Schulen und 
Unwerfitäten: griechifche und lateinische Grammatif, Rhetorik und Dia- 
lettit, Theologie, Ethik, Phyſik und Pſychologie, Yehrbücher, die fich länger 
als zwei volle Jahrhunderte im Gebrauch erhalten haben. Er drang über- 
all auf klares Syſtem und war ein ordnender, aber fein bahnbrechenver 
Seift. Mean hat ihm mit Necht ven Vehrer Deutjchlands genannt, Die 
großen wifjenjchaftlichen Fortfchritte um ihm her find von andern ge- 
macht worden; dagegen hat das deutſche Schulwejen, wie es vom 16. 
bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts bejtand, durch Melanchthons Hand 
die entjcheidende Organijation erhalten und auch ven Jeſuiten zum Vor— 
bild gedient. 2? Wittenberg wurde für das ganze lutheriſche Deutſchland 
die Pflanzſchule der Nektoren und Yehrer, umd im Südweſten gewann 
Straßburg eine Zeit lang diefelbe Bedentung für die Reformierten. 

Unmifjenheit und Dünkel wähnen vielfach, dah es in „ven bar- 


446 Entwidelungsgang der Stellung der Schule. [Siebentes 


barijchen Zeiten des Mittelalters” feine Schulen gegeben babe, und redh- 
nen deren Einrichtung überhaupt erft der Reformation als mwejentliches 
Berdienft an. Diefem Irrtum fchlagen die Thatfachen überall ins Ge— 
ſicht. Die Kirche errichtete wielmehr und förderte in ihrem eigenen Inter: 
eſſe Unterrichtsanftalten aller Art, von den Glementar- (Pfarr- oder 
KüfterJSchulen an bis hinauf zu den oft vortrefflichen Domſchulen und 
Univerfitäten. Bereits im 13. Jahrhundert mußten die Küjterjchulen 
nach einem bejtimmten Lehrplan die Jugend im Yejen und Schreiben 
unterrichten; aus den lateinischen Schulen aber find die ältern, zum Teil 
noch bejtehenden deutſchen Gymnaſien hervorgegangen, und die jpätern 
Hochſchulen bilden in ihren wejentlichen Einrichtungen vielfach die Fort- 
jegung der mittelalterlichen Univerfititen. Natürlich dienten jene Schu- 
fen in erſter Linie Firchlichen Zweden. Das Kind mußte der Mutter 
gehorchen und deren Einfluß auf das Volk verftärfen helfen, ein Ver— 
hältnis, welches ſich um fo natürlicher entwicelte, als zu jener Zeit die 
Kirche die einzige geiftige Meacht war, welcher man fich gern unterwarf. 
Auch die proteftantifche Kirche behandelt die Schule als ein ihr von 
Rechts wegen gehörendes Gebiet und jucht jelbjtredend in ihrem eigenen 
Geiſte auf fie zu wirken. Sie tritt alfo in diefer Frage nicht in be- 
wußten Gegenjat zum Katholizismus, fondern geht nur infofern über ihn 
hinaus, als fie die Schule als Selbftzwed gelten läßt und durch fie dem 
Schüler eine Mitgift fürs ganze Yeben gibt, während bie katholiſche 
Kirche den Unterricht als bloße Beigabe zur Seeljorge anfieht und in 
diefem Sinn den Schüler für ihren Zwed modelt. Der Proteftantis- 
mus erweitert den Begriff der bisherigen begrenzten, firchlichen Schule 
zur nationalen Volksſchule. Das ift der mächtige Unterſchied zwijchen 
ven beiden Weltanſchauungen! Wie die lutheriſche Kirche fich der Staats- 
gewalt unterorpnet, fo muß ihr auch die Schule folgen. Der Staat 
veralfgemeinert im Laufe der Jahre den Unterricht und führt teilweife 
jogar für das ganze Volt den Schulzwang ein. Die proteftantijche 
Schule erhält eine von der Kirche mehr unabhängige und freiere Stel- 
lung und wird nationale Bildungs: und Erziehungsanftalt. Ihre fatho- 
liſche Schweiter hingegen bewegt fich nur innerhalb der von Rom ge: 
zogenen Grenzen und begünftigt eine mehr fehablonenartige Bildung, 
welche vielfach das individuelle Yeben verwiſcht. Der Katholizismus 
ſtützt ſeine Herrjchbaft auf ein möglichit großes Yaientum, welches in 


Kapitel.) Der deutiche Buchhandel ein Produft der geiftigen Bewegungen. 447 


jeinem Denken und Thun von den Prieftern abhängig ift; der Pro- 
teftantismus kennt eigentlich feine Paten und will jeden Menjchen zu 
einem ſelbſt Denkenden erziehen. Dieje äußerlich oft verblaßten, aber 
nie ganz vermwijchten Ziele laſſen fich überhaupt nicht ausrotten und be- 
dingen auf protejtantifcher Seite die Maffenprobuftion der Bildungs- 
mittel, namentlich der Bücher. Sie erweitert fich mit jedem Jahre mehr 
ju einer reichern und umfaffendern Yitteratur. Die Pädagogik wird eine 
Wiſſenſchaft und die Verbreitung der gelehrten Erziehung eine Art natio- 
naler Gigentümlichkeit, welche durch mancherlei politifche Rückſchläge ſo— 
gar noch gefördert wird. 

Putber ift der Ausgangspunkt für alle dieſe Strömungen des geijti- 
gen Lebens. Er bat zuerjt die Kräfte entfeffelt, in deren Wechjelwir- 
hung das ABE-Buh von Ickelſamer ven berechtigten Anfang bildet. 
Buchdruck und Buchhandel verdanken Luther ihren großartigen Auf- 
Ihwung. Bis zur Zeit des Humanismus und der Neformation batte 
allerdings ſchon in Deutichland ein bedeutender Bücher handel geblüht. 
Aus diefen beiden mächtigen Bewegungen heraus entwidelte fich aber 
ein für das Veben des beutjchen Volks und den Fortjchritt der ganzen 
gebildeten Welt noch viel beveutenderer Faktor — der deutſche Buch— 
handel. 





Achtes Kapitel. 


Die Frankfurter Meile. 


Alter der Mefje. — Auftreten des Buchhandels. — Peter Schöffer und die Bajeler. 
— Mittelpunft des deutfchen Buchhandels um 1500. — Teilnahme der Staliener 
und Franzofen am Mefverfehr. — Die Reife zur Meſſe. — Leben umd Beben 
auf derjelben. — Beſuch feitens der Gelehrten. — Geſchäftsverkehr auf der Meile. 
— Der Meßkatalog. — Die VBiücherproduftion von 1564 bis 1765. — Die Wir 
fungen des großen deutjchen Kriegs. — Überwuchern des Nachdruds. — Berfehtt: 
heiten der Behörden. — Streben nach lokalem Privilegienihuß. — Übergewicht und 
Überhebung des holländischen Buchhandels. — Verfall der deutichen Buchausſtattung 
— Der niederländiihe Buchhandel in feinen Beziehungen zum Meßvertehr. 
(Ehriftoph Plantin. Die Elſeviere.) 


Frankfurt a. M. ift ſchon in alten Zeiten als einer der bedeutend 
jten deutjchen Markt- und Meßplätze berühmt. Kaiſer Friedrich II. nimmt 
e8 bereits 1240 unter jeinen mächtigen Schuß; jpätere Kaiſer, wie Lud— 
wig von Bayern, Karl IV. und Ruprecht, verleihen der Stadt zu den 
ihr früher eingeräumten VBorrechten neue und wertvolle Privilegien, und 
jelbft die Päpfte Bonifacius IX. und Sirtus IV. erweifen den dortigen 
Mefjen ihre Gunſt, ſodaß dieje gegen Ende des Mittelalters einen der 
wichtigjten internationalen Märkte Europas bildeten. 

Zwei Umftände wirkten zufammen, um diefe Bedeutung Frankfurt 
für den damaligen Großhandel zu befeftigen und noch zu erhöhen. Ein— 
mal war e8 die günftige Yage der Stadt. Ziemlich im Mlittelpunfte 
der damaligen civilifierten Welt gelegen, ja faſt gleichweit von Yübed, 
Wien, Venedig, Lyon, Paris, Antiverpen und Amfterdam entfernt, fmüpfte 
Frankfurt in erſter Yinie mittels des Rheins, der im Mittelalter bedeu— 
tendſten Waſſerſtraße des Kontinents, ebenjo leicht Verbindungen mit 


Achtes Kapitel.) Franffurt a. M. ald Handelsplak. 449 


Straßburg und Bajel und von da mit dem Süden an, als es über 
Köln rege Beziehungen mit dem Norden, Norboften und Nordweſten 
unterhielt. Daran ſchloß fich der lebhafte Verfehr mit dem Binnenlande, 
namentlich den Hauptſitzen deutſchen Gewerbfleißes und faufmännifcher 
Unternehmungen, wie Ulm, Augsburg und Nürnberg, welche teils zu 
Waffer, teils zu Lande ihre Waren nach Frankfurt jchafften. Zu den 
von der Natur gebotenen Borzügen Fam nun aber noch die NRührigfeit 
der Bürger, welche für die Vergrößerung und gleichzeitige Sicherheit 
ihres Handels feine Opfer jeheuten und bei ihren Bündniſſen mit den 
Nachbarn für ven vollen Schuß der Meſſen zu forgen wußten. 

Nach diefem natürlichen Bereinigungspunft zwifchen Nord- und Süd— 
deutſchland ſandten nun jehon im 14. und 15. Jahrhundert Augsburg 
jeine Zeuge, Ulm feine Yeinwand, Nürnberg jeine Kunfterzeugnifje, die 
übrigen veutjchen und ſchweizer Städte aber Tuch, Teppiche, Gold-⸗ und 
Silbergeräte, ſüße italienische Weine und Ole. Vom Rhein famen Wein 
und Tuch, Handſchuhe und Hüte, die See- und Hanſeſtädte brachten 
Fische und Pferde, Hopfen, Metall» und Rauchwaren, Böhmen bot jein 
Glas, während Steiermark fein Eifen, Sachjen fein Silber und Zinn, 
Thüringen Kupfer, Pech, Theer und Waid jchieften. Auch koftbare Manu— 
jfripte, wie die für den firchlichen Dienjt und die Andacht beſtimmten 
Mepbücher und Breviarien, und weniger gut ausgejtattete, aber gelehrte 
Yitteratur haben hier ſchon früher einen lohnenven Markt gefunden. Wenn 
bereits zu Anfang des 15. Jahrhunderts Kaufleute aus dem Welten und 
Norden Europas derartige Werfe in Bafel, Augsburg oder Nördlingen 
fauften, jo liegt der Schluß nahe, daß eine jo reich beſchickte Meffe in 
einer jo funftfinnigen Stadt wie Frankfurt auch auf litterariſchem Ge: 
biet ähnliche, wenn nicht größere Schäte bot. Bon Gerhard Groote 
(1340 bis 1384), dem Begründer der Brüpderjchaft vom gemeinjanten 
Yeben, wird ſogar ausdrüdlich erwähnt, daß er vorzugsweife jeine Bücher 
in Frankfurt gekauft habe, ! 

Während in der Folge die übrigen Binnenftädte faſt ausnahmslos 
durch die Auffindung des Seewegs nach Indien und die Entdeckung 
Amerikas verloren, zog Frankfurt aus beiden Greigniffen noch Gewinn, 
weil fie ven Welthandel nach dem Weſten Europas lenften und nament— 
(ich gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts Antwerpen in immer leb— 
baftere und gewinnreichere Beziehungen zu der Freien Neichs- und Krö— 

app. I. 29 


450 Die Anfänge der franffurter Büchermeſſe. Achtes 


nungsſtadt am Main brachten. Schon die Schriftſteller des Mittel— 
alters erſchöpfen ſich im Lobe ihrer Meſſen. Einer nennt ſie das Haupt 
aller Jahrmärkte auf Erden, der andere den kleinen Inbegriff der Welt, 
der dritte das Kaufhaus der Deutſchen, der vierte den berühmteſten 
Markt Europas. 

Dieſem blühenden Verkehr führte die nach der Einnahme von Mainz, 
alſo ſeit 1462 ſich ausbreitende Buchdruckerkunſt gegen den Anfang des 
letzten Drittels des 15. Jahrhunderts einen neuen einträglichen und den 
für die Geſittung der Welt bedeutendſten Meßartikel zu. Es war der 
Buchhandel mit ſeinen Erzeugniſſen, nicht nur von Deutſchland und den 
angrenzenden Ländern, ſondern auch von Italien, Frankreich, England 
und Spanien. 

Man hat bisher in Ermangelung quellenmäßiger Nachweiſe faſt all— 
gemein angenommen, daß die erſten Bücherumſchläge auf der frankfurter 
Meſſe etwa um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts begonnen 
haben fünnten; indeſſen fteht nach den inzwijchen aufgefundenen Akten 
fejt, daß fie jedenfalls jebon in den jechziger Jahren des 15. Jahrhun— 
derts ftattgefunden haben. Das ergibt fich Mar aus der jchon im zwei— 
ten Kapitel erwähnten Interzejfion des franffurter Nats vom 3. Juni 
1469 für Fuſt und Schöffer bei dem Magiftrat von Lübeck. Die be: 
treffende Schulpforderung fonnte nicht vor 1462 entſtanden jein, da die 
achtumdvierzigzeilige Bibel erit am 14. Auguft 1462 vollendet wurde, 
auch nicht nach 1466, da Fuſt in diefem Jahre ftarb und Schöffer erit 
von 1467 an das Gejchäft für fich allein weiter führte. Man kann 
aljo mit einigem Recht jagen, daß bereits die erjten Buchoruder, welche 
ihre Kunſt geſchäftsmäßig ausbeuteten, daß Fuft und Schöffer die große 
franffurter Meſſe zugleich zur Buchhändlermeſſe prüpeftinierten. Die 
aus der Ferne herzuſtrömenden Stauflente, wie jene bier in Betracht 
fommenden liübeder, konnten wohl in Frankfurt in die neuen Buchläden 
fommen, wirden aber jchwerlich den Lmmeg über Mainz zum Verleger 
gemacht haben, um einige verhältnismäßig unbedeutende Artifel einzu- 
faufen. „Früher over jpäter hätten allerdings die Erzeugniffe der neuen 
Kunft wohl den alten bewährten Markt aufjuchen müffen; aber fraglich 
fann e8 dennoch jein, ob Fuſt und Schöffer ihr Samentorn im vollen 
Bewußtjein der jpätern Tragweite ihres Vorgehens ausftreuten. Denn 
befannt iſt ja, daß beide, obſchon fie es mit beiden Parteien gehalten 


Kapitel.) ruft und Schöffer gleichſam Begründer derjelben. 451 


hatten, ebenjo wie die andern Druder Ende 1462 von dem fiegreichen 
Adolf von Naſſau aus Mainz gemwiefen wurden und fich ihrerjeits nach 
Frankfurt wandten. Erft 1465 brachten fie wieder neue größere Verlags- 
artifel. Zunächit geborchten fie alfo vielleicht nur dem Gebote des Zwanges 
wenn jie, wie in Paris, jo auch in Frankfurt ihr buchhändleriiches Ge: 
jebäft fortzubetreiben und bier mittels der Meſſen möglichit auszudehnen 
juchten. Dadurch aber hat jene mainzer Kataftrophe, wie zur Ausbrei- 
tung der Buchdruckerkunſt im allgemeinen, jo auch jpeziell zur Entwicke— 
(ung des eigentlichen Buchhandels unbeabfichtigt mitgewirkt. 

Es war eim glüdlicher Zufall, daß die Wiege der neuen Erfindung 
jo nahe bei einem ver bejuchteften Mittelpunkte des europäiſchen Han— 
dels jtand. Jeder andere große deutſche Meßplatz, wie z. B. Straf- 
burg, Bajel umd Augsburg, hätte den Erzeugniffen der Buchoruderkunft 
ebenſo gut ald Vermittler dienen können. Paris, der bisherige beveutenpfte 
Sit des Handſchriftenhandels, nahm erit 1470 deutſche Druder in jeine 
Mauern auf; jeine damaligen litterarijchen Bedürfniſſe aber fonnten 
ganz gut von einer Filiale, wie Fuſt fie dort errichtet hatte, befriedigt 
werben. Zufall und Notwendigkeit alfo führten gleich den erjten und 
Dabei unternehmenven Verleger, Fuſt, nach Frankfurt, welches auch ven 
neuen Handelszweig zu ſchützen umd für jeine Meffen feitzubalten wußte. 
Es war eine ebenjo natürliche Folge diejer Verhältniffe, daR die über 
ganz Europa fich zerjtreuenden deutſchen Jünger Gutenbergs, namentlich 
aber die, welche in ven rheinijchen Städten und in den benachbarten 
Yandichaften ihre Druckereien gleich von Anfang an auf großem Fuße 
einrichteten, dem von Fuſt gegebenen Anftoke folgten und gleichfalls in 
Frankfurt Käufer für ihre Bücher juchten. Die aus allen Weltgegen- 
ven zu den Meſſen zujammenftrömenven Kaufleute und neuerſtehenden 
Bucführer konnten hier aber bequemer und leichter kaufen, weil fie mit 
jedem Jahre eine größere und mannigfaltigere Auswahl von Büchern 
verfanden und ebenjo günftige, als fichere Zahlungsbedingungen hatten. 
Zudem fonnte das, was auf der einen Meſſe gerade nicht vorrätig war, 
auf der mächiten leicht genug geliefert, alſo auch jeve feite Beftellung 
übernommen werden. 

Bon Peter Schöffer werden im Jahre 1480 wieder zwei Forderungen 
gegen Fübeder erwähnt, eine nämlich gegen Friedrich Pfennighudel und 
Dietrib von der Beeke, welche ihm Waren und Briefe vorenthielten, 


29* 


452 fremde Buchhändler auf der Meſſe jeit 1478. Achtes 


die ihm von ſeinem Geſchäftsführer Gotman Ravensburg aus Schweden 
nach Lübeck geſchickt ſeien, und eine andere gegen die Erben des in Lübeck 
verſtorbenen Hans Blitz. Auch in dieſem Falle trat der frankfurter Rat 
in einem Schutzbriefe vom 1. April 1480 (ſ. Anhang Nr. III) energiſch 
für Peter Schäffer, der allerdings im Jahre 1479 Bürger von Frank— 
furt a. M. geworden war, und deſſen Partner Konrad Henfis ein. Wenn 
auch über die Natur der Waren nichts gejagt wird, jo fünnen es kaum 
andere als Bücher gewejen fein, da über eine Beteiligung der Firma 
am jonjtigen Warenhandel nichts befannt ift. Auch über ven Ausgang 
der Sache ſchweigen die Akten. Schöffer betrieb jevenfalls ſein Gejchäft 
in Frankfurt, wenn er auch jeine Druderei in Mainz beibehielt. Wel— 
hen Grund hätte er wohl font gehabt, fich unter die Bürger ver Mer: 
ſtadt aufnehmen zu laffen, wenn ihm nicht wichtige Gejchäftsinterejjen 
bejtimmt hätten? Dafür, daß er während ver Meßzeit ftets dort an- 
weiend war, jpricht noch eine andere gelegentlich angeführte Thatjache, 
wonach er 1485 einen ſäumigen Schuloner mahnt, ihm auf der nächjten 
frankfurter Meſſe jein Guthaben zu zahlen. 

Nach ven älteften, urkundlich beglaubigten Angaben waren, joweit 
jegt befannt, von andern deutſchen Drudern die beiden Bajeler Johann 
Amerbach und Michael Wenszler 1478 die erften weitern fremden Ber: 
(eger, welche die franffurter Meſſe bejuchten. 3. J. Amiet hat dieſe 
Thatjache in den bafeler Gerichtöprotofollen aus den Jahren 1469 bis 
1483 entdedt. Derartige Aufzeichnungen finden ſich leiver überhaupt nur 
gelegentlich; man hielt es offenbar für faum der Mühe wert, vergleichen 
ansprüdlich zu erwähnen. Johann Amerbach bejuchte in der Folge die 
franffurter Meſſe fogar ziemlich regelmäßig. Am 10. März 1480 oder 
30. März 1481 (im Original nicht far, ob 6 post Oculi 1480 oder 
1481 gemeint ift) Ind ihn unter anderm ver ſtraßburger Buchhändler 
Adolf Rufch ein, er möge doch auf dem Wege dahin bei ihm wohnen. ? 
Auch die bereits im erjten Kapitel erwähnten Bücher, welche Rudolf 
Agricola am 27. März 1485 bei dem in Frankfurt ſich aufhaltenden 
AR. (nah Schmidt der ebengenannte Adolf Ruſch) beftellte, liefern, 
wie man ben Brief auch erflären möge, den Beweis dafür, daß Frank— 
jurt gegen Ende des 15. Jahrhunderts entweder noch ein befannter 
Markt für ven Handſchriftenhandel, over ſchon eine junge Mefje für ven 
Berfauf gedrudter Bücher war. Das Datum weift auf die Faſtenmeſſe 


Kapitel.) Wahlen der Büchermeſſe. Die mainzer Verordnungen. 453 


bin, und es fmüpft fich an diefen Umftand vie weitere Wahrjcheinlichkeit, 
dag U. R. ein die frankfurter Meſſe bejuchender Handſchriften- oder 
Buch-Händler war. Wenn die oben vertretene Auffaffung der Beftellung 
die richtige ift, jo handelte es fich jogar ſchon zwölf Jahre früher, als 
die urfundlichen Nachrichten veichen, um den Ankauf einzelner in Italien 
gedrudter Bücher, und es müſſen damals ſchon italienische Buchhändler 
die Frankfurter Meſſen beſchickt, wenn nicht befucht haben. Übrigens 
jtand bereits zu jener Zeit der Sinn der Biücherfreunde — und folche 
waren jowohl die Pfalzgrafen wie auch Agricola — mehr nach den Er: 
jeugniffen der neuen Kunft, als nach alten Hanpjchriften. 

Wie beveutend aber der buchhänplerische Meßverkehr ſchon im Jahre 
1485 in Franffurt entwidelt war, beweift ein Schreiben des mainzer 
Erzbiichofs Berthold von Henneberg vom 24. März 1485 an den franf: 
furter Rat, worin er diefen auffordert, die zur Faſtenmeſſe zum Ver: 
fauf auszulegenden Bücher vorher durchſehen und auf ihren Inhalt hin 
prüfen zu laffen.® Es ift derjelbe Kurfürft, ver auch am 4. Januar 
1486 ein Mandat gegen Überjegungen ins Deutſche erließ und fich fo- 
gar herausnahm, zur Durchführung jeines Verbots eine Kommiffion 
für Frankfurt einzufegen. Es muß zu diefer Zeit in der That auch 
ſchon eine ziemliche Zahl von Buchorudern und Buchhändfern zur Meffe 
gekommen jein, denn im Jahre 1488 trugen nach Ausweis des ſtädtiſchen 
Rechnungsbuchs „die Buchdrucker am Main“ zu den während ver Faften- 
mefje gezahlten 248 Hellern Haus- (für ven Verfauf von Mefwaren 
in den Häufern) und Marktgeld 19 Heller und 4 Schillinge, alfo etwa 
8 Prozent der Gefamteinnahme bei. Num erhielt Frankfurt viel ſpä— 
ter, 1530, in ber Perjon Chriftian Egenolphs feinen erten jtändigen 
Druder; e8 fünnen alfo nur fremde Druder, beziehungsiweije Verleger 
gemeint fein, zumal einheimiſche ihre Offizinen doch in der Stadt zer: 
jtreut gehabt und faum außerdem noch Läden am Main — d. i. in der 
Meßlage — gemietet haben würden. . 

Für das legte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts iſt nun endlich die all— 
gemeine Bedeutung der franffurter Buchhändlermeſſen durch mancherlei, 
mit jedem Jahre fich häufende Zeugniffe erwiejen. Im Herbft 1495 wurde 
dort der ſchon im fünften Kapitel erwähnte Vertrag zwifchen bafeler und 
nürnberger Berlegern über Nachorudsunterlaffung gejchloffen (Brief Anton 
Kobergers an Johann Amerbach vom 17. Mai 1496). Koberger jelbft be— 


454 Frankfurt um 1500 Mittelpunkt des Buchhandels, Achtes 


ſuchte die frankfurter Meſſe im Herbſt 1495, 1498 und 1499 und Oſtern 
1503, hatte jedoch ſtets einen Diener (Faktor, Vertreter) dort. Amer— 
bach konnte krankheitshalber die Herbſtmeſſe 1496 nicht beſuchen, traf 
aber in der Herbſtmeſſe 1498 mit dem nürnberger Geſchäftsfreund dort 
zuſammen. Wenn ſie beide verhindert ſind, einander in Frankfurt zu 
ſehen, ſo melden ſie es ſich vorher unter Mitteilung des Grundes: ſo 
im Herbſt 1496, Oſtern 1500, Herbſt 1501 und Oſtern und Herbſt 
1502. „Item, lieber meiſter Hans“, heißt es in Kobergers Brief vom 
19. Auguſt 1502 an Amerbach, „jch fug euch zu wiſſen, das jch auff 
die künfftig Herbſtmeß nicht wird komen, urſach das jch wiſſen hab, 
das es über die meß here da ſtirbt.“ Einmal ſind es alſo Epidemien, 
dann wieder unruhige Zeiten, wie Krieg oder auch mangelndes Geleit, 
welche allein den regelmäßigen Meßbeſuch verhindern. Wenn aber der 
ſonſt jo beſcheidene Koberger mit gerechtem Selbſtgefühl (21. März 1502) 
ſchreiben kann, daß auf ihm, Amerbach und Johann Petri faſt aus— 
ſchließlich der deutſche Buchhandel ruhe, jo läßt ſich doch vorausſetzen, 
daß die kleinern Verleger und Buchführer, ſchon damals ſo gut wie 
ſpäter, dem Beiſpiel der großen gefolgt ſind und regelmäßig die Meſſe 
beſucht haben; denn obgleich der buchhändleriſche Meßbeſuch ebenſo gut 
den Verkehr mit dem großen Publikum, anfänglich wohl ſogar aus— 
ſchließlich, ins Auge faßte, ſo mußten doch jene Kleinen immerhin die 
Hauptabnehmer für dieſe Großen ſein. Frankfurt tritt alſo ins neue 
Jahrhundert als der allgemein anerkannte Mittelpunkt des deutſchen, ja 
des europäiſchen Buchhandels ein, und Koberger ſpricht von dieſer ſeiner 
Bedeutung als einer ſich ganz von ſelbſt verſtehenden Thatſache; von 
ihrem Ausfall hängt — wie ſich das ſchon aus der Darſtellung im fünf— 
ten Kapitel ergibt — gewiſſermaßen das Geſchäft überhaupt ab. Auf 
die Meſſe richten ſich die Verleger ein, ſtreben danach, ihre neuen Ver— 
lagswerke rechtzeitig für dieſelbe fertig zu ſtellen; auf den Meßbeſuch auch 
der Buchdrucker und Buchführer ſpekulieren bereits die frankfurter Haus— 
beſitzer. Unterm 15. Februar 1506 weiſt Koberger Amerbach an, 100 Exem— 
plare des von dieſem gedruckten Hugo nebſt 300 bis 400 Regiſtern nach 
Frankfurt zu ſenden, weil ihm ſein Wirt ein gutes Gewölbe habe bauen 
laſſen, in welchem die Bücher ſo ſchön und ſicher lägen als in Nürn— 
berg. Wenn aber ein Hauswirt einen Teil ſeines Hauſes zu einem Ge— 
wölbe einrichtet, ſo muß der Handelszweig, für den es geſchieht, ſich doch 


Kapitel.) Beilpiele für die wachſende Bedeutung der Meſſe. 455 


ſchon feſt und dauernd eingelebt haben. In dem Erplicit des „Epitome 
rerum Germanicarum” Wimphelings, welches am 11. März 1505 bei 
Johann Prüf in Straßburg erichien, jagt ſchon der Korreftor Martin 
Schürer +, wenn Drudfehler ſtehen geblieben jeien, jo möge man fie zum 
Teil damit entjchulpigen, daß „wir gezivungen waren, wegen der bevor- 
ſtehenden franffurter Meſſe pas Werk in möglichit kurzer Zeit zu drucken“ 
(coacti sumus ob imminentes nundinas Francofordenses intra 
brevissimum tempus id opus formis excudere). Thomas Anshelm 
bejucht noch von Pforzheim aus zuerſt im Jahre 1507 die franffurter 
Meife’, wird aber dort auch, als er nach Tübingen und fpäter nach 
Hagenau gezogen war, 1513 und 1518 angetroffen und fcheint überhaupt 
feine einzige Meſſe verfäumt zu haben. Im leßtgenannten Jahre muß 
er von dem berüchtigten Pleban Peter Meyer demunziert worden fein, 
denn diejer jehreibt an ven Rat: „Es ift ein buchfuerer heift mit namen 
Thomas Anshelmi oder antzel von Hagenaw der veil hodt ynn ber 
Brünnen Hauß bey fant Lienhart (St. Leonhard) welger vbertretthen 
hadt das mandat vnnſeres g. H. von Meint famoſes libelles veilgehabt, 
den gib ich ewren Erſamen und vorfichtigen weijheit an, welt den jelbi- 
gen mit leib vnd gut alhie verhafften oder wie jr wyſte handlen bis 
zu erfentenes der jach vff das jr vnd ich bey vnſerem g. H. mit werben 
gejpürdt als verachter vnſeres g. D. vnd jeiner (1517 erlaffenen) mandat.“ 
Es jcheint aber, daß Rat und Kurfürft ven Demunzianten zur Genüge 
fannten; wenigftens blieb Anshelm unbehelligt. 

Vom zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts an fliefen die Nach— 
richten über Frankfurts Bereutung als buchhänpleriicher Mittelpunkt 
Europas viel reicher, ſodaß cd genügen mag, nur noch einige hervor— 
tragende Beijpiele anzuführen. Als mittelbarer Beweis für das Anfehen 
jeiner Buchhändlermeſſen spricht jchon der Umſtand, daß in ven Reuch— 
linſchen Hänveln ver befannte Pfefferforn fich beeilte, jeinen „Hand— 
ipiegel‘ auf die franffurter Faſtenmeſſe 1511 und von hier aus unter 
die Leute zu bringen, während Reuchlin jeine Antwort, ven „Augen: 
ſpiegel“, für die Herbſtmeſſe vesjelben Jahres fertig ftellte, damit ev möge 
(ichjt bald jeinen Weg durch Deutjchland finde. Der Befehl des Kaiſers 
Marimilian vom 7. Oktober 1512, Reuchlins Streitjchriften zu fonfis- 
jieren, wurde jofort an der St. Leonhardskirche im Buchhändlerviertel 
angejchlagen. Auch die auswärtigen Städte, wie 5. B. Nürnberg, und 


456 Die Mefie als Erjcheinungstermin der Neuigkeiten. Achtes 


Staaten, wie Würtemberg oder Braunſchweig, wandten ſich, wenn ſie 
eine ihnen unbequeme Schrift unterdrückt ſehen wollten, ſpäter ſtets in 
erſter Linie nach Frankfurt, denn wenn irgendwo, ſo wußten ſie, daß 
man hier wegen der Meſſen ganzer Auflagen habhaft werden, alſo den 
beabſichtigten Zweck am leichteſten erreichen konnte. 

Auch der berühmte kölner Verleger Franz Birckmann iſt ſchon von 
1516 an und ſpäter ein eifriger Beſucher der frankfurter Büchermeſſen; 
ebenſo verſäumte ſie Johann Froben aus Baſel ſelten. Der Züricher 
Chriſtoph Froſchauer erwähnt die frankfurter Büchermeſſen zuerſt 1522 
und zuletzt 1551; er hat ſie innerhalb dieſer Zeit nur ausnahmsweiſe 
nicht beſucht. Immer wichtiger werden ſie als Erſcheinungstermin der 
Neuigkeiten, je mehr der Jahrmarktsverkehr ſeitens der größern Verleger 
in den Hintergrund tritt. Manchmal ſoll die unerwartete und unver— 
mutete Veröffentlichung überrafchen oder die Neugier reizen, manchmal 
einer zu erwartenden Gegenichrift oder einer Konkurrenzausgabe gegen: 
über wenigftens eine Zeit lang das freie Feld fichern. „Die beiden Werte“, 
jchreibt Erasmus am 11. Juni 1521 (nämlich die „Adagia” und das 
Werk des Polydorus Vergilius über die Erfinder der Dinge), „werden 
auf meinen Antrieb von Froben gedrudt und zur nächiten frankfurter 
Meſſe unter günftigen Aufpizien erjcheinen‘, und in jeiner Verantwor— 
tung wegen Übertretung des Faftengebots entſchuldigt fich Froſchauer 1522 
vor dem züricher Nate damit, daß er in ven fetten Monaten unaufhörfich 
babe arbeiten laſſen müffen, um die Epiftel St. Pauli für die franffurter 
Meſſe fertig zu ftellen. „Jene (Schriften) find fromm und gelehrt“, ant- 
wortet Zwingli dem Vadian am 31. März 1525, „allein die Preffe mußte 
bis zur franffurter Meffe dieje notwendigen Arbeiten fertig jtellen.“ „Ich 
bitte alſo“, jchreibt ähnlich Zafius am 9. Juli 1530, „dieſe zweite Aus: 
gabe‘ (der „Intellectuum juris“) „möglichft zu beſchleunigen, damit fie 
zur franffurter Meſſe ericheinen fan“, und ferner am 9. Auguft 1530: 
„Dieje und andere Werke werden zur nächſten Frankfurter Faſtenmeſſe 
ericheinen.” „Das ganze Werk (Auguftinus)”, meldet Erasmus am 
27. März 1530, „wird zur frankfurter Herbſtmeſſe fertig werben‘, und 
fährt am 30. März 1530 fort, daß er zur Zeit der frankfurter Meſſen 
jtets mit gelehrten Arbeiten überhäuft ſei, weil danı bei Froben nicht 
weniger als ſechs Preſſen unabläffig arbeiteten. Endlich vertröftet 
Erasmus am 13. April 1530 aus Freiburg ven Johann Choler damit, 


Kapitel.) Beſuch jeitens der nichtdeutichen Verleger. 457 


daß über jein Verlagsanerbieten entjchieven werben folle, jebald die 
Druder (froben und die bafeler Berleger) von der franffurter Meſſe 
zurücdgefehrt fein würden. 

Von jet an reicht es volljtändig hin, wegen Frankfurts Bedeutung 
als buchhändleriſchen Mittelpunfts für Deutjchland auf die zeitgenöffische 
Yitteratur, die Schriften der Reformatoren, den Briefwechjel Gelehrter, 
wie des Erasmus, Vadian und Zafius, oder auf teilweije buchhändferijche 
Aufzeichnungen, wie die Selbitbiographie Thomas Platters, zu verweifen. 

Nah Jahr und Tag läßt fih dagegen nicht nachweifen, wann bie 
nichtdeutſchen Buchhändler zuerft die Frankfurter Meſſe befucht haben; es 
icheint aber, daß die Italiener, Franzoſen, Belgier und Holländer etwa 
um die Wende des Jahrhunderts dahin gekommen find. Die üfteften 
buchbändlerifhen Beziehungen zu Deutſchland hatten die italieniſchen 
Buchhändler; fie haben aber wahrjcheinlih früher mit Wien, Augsburg, 
Nürnberg und Bajel in Gejchäftsverfehr gejtanden, als mit Frankfurt. 
Juſtus de Albano in Venedig beſaß jchen in den achtziger Jahren des 
15. Jahrhunderts Filialen in Regensburg und Um. Die venezianifchen 
Berlagsartifel waren früher in Augsburg, Nürnberg und Bajel zu haben, 
als in Frankfurt, weil zwijchen jenen Städten und Venedig, wie bereits 
im jechiten Kapitel des nähern ausgeführt wurde, feit Jahrhunderten ein 
direfter und regelmäßiger Handelöverfehr beitand. Erſt 1497 jcheinen 
die venezianifchen Drude überhaupt nab Frankfurt gekommen zu fein. 
Wenigftens erwähnt ver franffurter Kanonifus Johann Rohrbach unter 
jeinen Ausgaben auf den Faftenmefjen 1497 und 1498 ven Ankauf einiger 
diefer Bücher. Ob aber die Verleger Baptifta de Tortis und Petrus 
de Ferrariis jelbit zur Meſſe anweſend waren, das bleibt noch zweifel— 
haft.” Daß Aldus Manutius zwar jeine Bücher in alle Welt jandte, 
doch aber feine geregelten Verbindungen mit Deutjchland unterhielt, daß 
jelbft der Name Frankfurts in feinem ausgedehnten Briefwechiel gar 
nicht vorkommt, wurde jchon im jechiten Kapitel betont. Zum Teil lag 
dies wohl mit daran, daß bie äftern Kriege Marimilians mit den Vene- 
jianern im Beginn des 16. Jahrhunderts, dann auch Epidemien bie 
venezianer Buchhändler vom Bejuch der frankfurter Meſſen zurüdhielten ; 
Konrad Brunner und Frobens Korrektor Wilhelm Nejenus heben dies 
ausprüclich in den Jahren 1510 und 1516 in Briefen an Ulrich Zwingli 
bervor. Zwar wundert fi Johann Yocher (Philomuſus) bereits in 


458 Beziehungen zu Stalien, Achtes 


der Vorrede zu ſeiner Ausgabe dreier Tragödien Seneca's (Nürnberg 
1520), daß Venezianer und Franzoſen ſo große Maſſen Bücher in 
Deutſchland einführten; aber ſelbſt noch um die Mitte des Jahrhunderts 
wurden die Verbindungen mit Italien noch teilweiſe durch perſönlichen 
Verkehr, ſpeziell von Baſel aus, unterhalten. Peter Perna, ſelber ein 
Italiener, aus Yucca gebürtig, und Johann Herwagen reiſten z. B. nach 
Italien, und andererſeits beſorgte Pietro Antonio Seſſa in Mailand per— 
ſönlich ſeine Einkäufe in Baſel.“ Die buchhändleriſche Führerſchaft 
Frankfurts war eben in Bezug auf das Ausland damals noch keine un— 
bedingte, ſondern wurde es erſt infolge der Nachwirkungen der Refor— 
mation. 

Ein im dieſer Beziehung intereſſantes Beiſpiel liefert auch das Teſta— 
ment des 1539 geitorbenen Admirals Ferdinand Columbus, welcher unter 
anderm ein Yegat für eine in Sevilla zu begründende öffentliche Biblio— 
thef, die jpätere Columbina, ausjeßte und ſechs Städte: Nom, Venedig, 
Nürnberg, Antwerpen, Paris und yon, für den Ankauf von Büchern 
beftimmte. Obgleich Frankfurt damals ſchon unbejtritten jeine maß— 
gebende Stellung für den deutjchen Buchhandel einnahm, jo jeheint Co— 
(umbus es nicht einmal dem Namen nach gefannt zu haben, währent 
zu jener Zeit Nürnbergs Handel ſich über ganz Spanien erjtredite und 
der Ruhm jeines Gewerbfleiges alle Welt erfüllte. Es war aljo fein 
Wunder, wenn der Apmiral, vielleicht auch von einigen jchönen Koberger— 
ichen Ausgaben der Kirchenväter, der Bibel, der Schevelihen Welt 
chronif, oder auch von der Erinnerung an den nürnberger Geograpben 
Martin Beheim am portugiefiihen Hofe bejtochen, Nürnberg zugleic 
für ven größten deutſchen Büchermarkt hielt und bier jeine Zwecke 
am beiten erreichen zu können glaubte, 

Noch jehwerer, wenn nicht unmöglich iſt es, da bier jo ziemlich alle 
zeitgenöffiichen Urkunden fehlen, ven Zeitpunft genau feitzuitellen, in wel- 
chen zuerjt die übrigen fremden Buchhändler mehr oder weniger vegel- 
mäßige Bejucher ver franffurter Meſſen wurden. Es liegt aber vie 
Bermuthung nahe, daß fie fich ſchon frühzeitig eingeftellt haben. Die 
franzöfiiche, belgijche und holländische Druderthätigfeit entwidelte fich näm— 
(ich, wie aus dem dritten Kapitel mit zu erjehen it, jeben gegen Ende 
des 15. Jahrhunderts zu einer jolcben Blüte, daR fie auch im Ausland 
für ihre Erzeugniffe Abſatz ſuchen mußte. Die fremden Verleger hatten 


Kapitel.) Beziehungen zu Franfreih. Eingehen der dortigen Kommanditen. 450 


deshalb auch ein großes Intereffe daran, mit deutſchen Kollegen anzu— 
fnüpfen, mit beutjchen Gelehrten in Verbindung zu treten und einen 
Teil ihrer Einnahmen in deutjchen Berlagswerfen anzulegen. In wel- 
cher Stadt hätten fie das beſſer thun können als in Frankfurt a. M.? 
Waren doch auch die Kommanditen deutſcher Verleger im Auslande, 
3. B. die Kobergers und Hittorp- Horndens in Paris, vor dem Jahre 
1520 eingegangen. Johann Schabeler aus Bottwar, früher Druder in 
Bafel und yon, dann Vertreter von Johann Amerbach in Paris, war: 
derte von einer Meſſe zur andern und bejuchte zu Anfang des Jahr: 
hunderts auch Frankfurt. Hans Koberger ritt 1504 von Lyon zur 
Meſſe dahin — allerpings im Interefje des mürnberger Haujes — und 
Jean Baugris, ein Iponer Buchhändler, war dort in der Herbſtmeſſe 
1524 ebenfalls anwejend. Jakob vu Puys von Paris bejuchte in ven 
vierziger Jahren zweimal im Jahre die bajeler und franffurter Meffen 
und faufte 1548 unter anderm Thomas Platter in Bafel deſſen Bücher: 
vorräte ab; noch 1565 ftand er mit Sigismund Feyerabend in Frank— 
furt a. M. im Gejchäftsverfehr. „Er jpricht veutich, welches er in Bajel 
gelernt bat“, jo jchilvert ihn Tanner, „it ein gewandter, verjchmißter 
Kerl, der fich auf jeve Weiſe einzuſchmeicheln weiß und fein Vertrauen 
verdiente, wenn die Früchte, die er täglich aus den bajeler Büchern ge: 
nießt, ihm nicht vieten, fich den Bajelern gegemüber billiger zu benehmen.“ 
Wenn num jchon in der Mitte des Jahrhunders Iyonejer, parijer, genfer, 
antiverpener und löwener Firmen im Frankfurt auf den Meilen ver: 
treten find, jo deutet dieſe Thatfache auf eine alte Praris, deren An: 
fünge vorausfichtlich bis in die früheften Meßzeiten zurücreichen. 

Den erjten feiten Anhaltspunft für diejen Rückſchluß bietet das Rech: 
nungsbuch der bajeler Firma Froben und Episcopius aus den Jahren 
1557 bis 1564. Es erjcheinen gleich im Herbit 1557 und noch in den 
folgenden Meffen, foweit die Unterlagen erhalten find, im den Büchern 
dieſes Haufes: Clemens Baudouin und G. Roville aus Lyon (eriterer hatte 
gleichzeitig auch in Yeipzig eine durch Jakob Apel vertretene Niederlage); 
Joh. Fouchier, Jakob Dupuys, Sebaſtian Nivelle und Andreas Wechel 
aus Paris; Nic. Barbier und I. Guychette aus Genf; Johann von Loe, 
Johann Steels, Johann Beller, Martin Nutius und vor allen Chriftoph 
Plantin aus Antwerpen, jowie Buchhändler aus PYöwen, Amſterdam und 
Utrecht. 


460 Die Reife zur Meſſe. Das Geleit. Achtes 


Schon der Briefwechſel Kobergers mit Amerbach hat gezeigt, wie 
übel es damals mit den Landſtraßen beſtellt, wie unſicher der Werfebr 
und wie groß namentlich die Gefahr ver Überfälle und Plünderungen 
friedficher Warenzüge, des „Werfens“ der Fuhrleute, war. Auch in jpä- 
tern Zeiten trieb fich infolge der zahlreichen Kriege, jahrein jahraus, und 
borzugsweije in den Mefzeiten, viel unnützes Gefindel im Yande umber. 
Ja, ſelbſt die Truppen der Kriegführenvden betrachteten geraubtes frem: 
des Privateigentum als vechtmäßige Kriegsbeute. Während des Schmal— 
faldifchen Kriegs wurden auf Herzog Moritz' Befehl jogar in Yeipzig zur 
Mepzeit die Güter des wittenberger Buchführers Johann Löffler mit 
rechtlichen Kunnmer (Arreft) bejchlagen. Es dauerte Jahrhunderte, bis 
dieſem öffentlichen Unfug wenigftens in feinen Dauptauswüchjen das all 
gemein erjehnte Ende bereitet werben Eonnte. So groß war die allge: 
meine Gewaltthätigfeit, vak man an vielen Orten, über welche die Meß— 
reifenden ziehen mußten, für ihre glüdliche Ankunft in Frankfurt betete. 
Die Verleger ſelbſt ritten vielfach in Gefelljchaft und bis an die Zähne 
bewaffnet auf die dortige Meſſe. Wie gegen Ende des 15. und zu An- 
fang des 16. Jahrhunderts Anton und Hans Koberger, Amerbach une 
Petri jih zu Pferde auf den Weg nach Frankfurt machten, jo tbaten es 
etwa hundert Jahre ſpäter Heinrich Ejtienne (Stephanus) aus Paris und 
Shriftoph Plantin aus Antwerpen. Moretus, der Schwiegerjohn Plan: 
tins, ging jogar auf feiner Neife zur Meſſe 1566 noch zu Fuß von Ant- 
werpen nach Köln, von wo er das Schiff bis Frankfurt nahm. Und 
das war feine etwa auffällige Ausnahme Zur Oftermefje 1543 wan— 
derte auch der Buchführer Heinrich Altingf won Greifswald zu Fur „gen 
Leybtzig Bucher einzufauffen‘; bei ver Heimfehr wurde er zwiſchen Anclam 
und Stralfund erjchlagen.” Mean denke nur, welch fojtbare Zeit mit 
jolhen langen Kitten und Wanderungen verloren ging! Indeſſen waren 
die Herren für ihre Bücherjendungen auf den gewöhnlichen Frachtverfehr 
angewiefen und konnten für dieſen und ihre eigenen Neifen nur inner: 
halb einer gewiffen Zeit und gewiſſer Grenzen freies Geleit beanſpruchen. 
Urjprünglich ein ausjchließlich faijerliches Hoheitsrecht, hatten es fich mit 
ber Zeit auch die Heinen Yandesherren angemaßt. Regelmäßig in jedem 
Jahre juchte daher das ganze 16. Jahrhundert hindurch ver Leipziger 
Kat bei dem Kurfürften von Sachjen, jpäter bei den thüringijchen Her- 
zögen und ven Pandgrafen von Heffen, um das Geleit für jene Kauf: 


Kapitel.) Das Geleit. Empfang der Mehfremden in Frankfurt. 461 


fente zur franffurter Meſſe nach; im Jahre 1595 zogen fünf leipziger 
Buchhändler in dieſem Geleit nach Frankfurt. Vielfach wurde das Ge— 
[eitsrecht jogar zu perjönlichen Vorteilen und jelbjt zu Erpreſſungen miß— 
braucht. Heute verfügten es die Herzöge von Bayern, morgen die von 
Würtemberg und ein andermal die Pfalzgrafen. Ober fie kündigten 
es auch unmittelbar vor einer Meffe und ließen dann den Überfall un: 
geſchützter Kaufleute ftraflos geſchehen. Am jchlimmften trieben es vie 
Heinen Dynaften in der nächſten Umgebung von Frankfurt, die zum 
Teil förmlich von derartigen Raubzügen lebten und wenn fie nicht in 
Feindſchaft zu den Kaufleuten ftanden, doch als Freunde von ihnen ge- 
füttert fein wollten. Diejer Zuftand dauerte hier bis in die Nefor- 
mationszeit hinein. Bor und nach dem Dreißigjährigen Kriege wurde 
das Übel durch die zahfreichen Marodeure und entlafjenen Soldaten noch 
iblimmer. Sp fagt 3. B. Tobias Ruprecht in der Yeichenrede auf ven 
am 17. Mai 1659 verftorbenen Buchhändler Wolfgang Endter ven Altern 
in Nürnberg !?: „Er war ein kluger und verjtändiger Mann, ver feine 
Sachen weißlich angefangen, wohlbedachtiam fortgeführt, und glücklich 
vollendet, hat ſich auch nicht leichtlich eine Mühe dauern laffen, ſondern 
jugebracht, und darüber von den Soldaten vielmalen angefallen, ausge- 
plündert, und einsmals gar gefünglich weggeführt worden, da er denn 
etliche Wochen in nicht geringer Yeibs und Yebensgefahr geſteckt, zu ge- 
ihweigen des viehnaligen Verluſtes, jo er durch Plünderung auf ven 
Straßen erlitten.” 

Aus diefem Grunde war das Geleit eine Forderung der Sicherheit. 
Yangten nun die Geleitstruppen glücklich vor Frankfurt an, jo wurden 
fie an einem beftimmten Tage eingeholt. Die Neifigen und die welt: 
lichen Richter ver Stadt trafen mit ven Gäſten an der ſtädtiſchen Grenze 
zuſammen und boten ihnen hier ven Willfommentrunf. Der große Markt 
wurde zur Bezeichnung des Anfangs und Endes der Meſſe mit ver 
großen Glode ein- und ausgeläutet. Das Einläuten bezeichnete ven Be— 
zum des Meßverkehrs und ver vollen Marktfreiheit, welche darin be- 
itand, das Käufer und Verkäufer im offenen Gewölbe miteinander han- 
dein durften. Die Reichsfahne auf dem Turm oder ein Schild auf 
einem Turm oder Thor waren die fichtbaren Zeichen dafür, daß dieſe 
Freiheit unbejchränft herrichte, während das Einziehen der Fahne over 


462 Mefprivilegien. Das Buchhändlerviertel. [Adıtes 


die Wegnahme des Schildes den Befehl enthielten, mit allem Geſchäft 
aufzubhören. Schuloner und Güter durften wegen alter Schulden nicht 
arrejtiert werben und vwerfielen erjt nach dem Ausläuten, d. h. nach vem 
Ende der Mefje, dem orventlihen Richter; nur die Abfuhr der Güter 
fonnte bis zur Ginigung der ftreitenden Parteien inhibiert werden. Das 
Fehde- und Weprefjalienrecht ver Ritter und adeligen Schnapphähne 
ward während ver Dauer ver Meſſe nicht anerfannt. Selbit Geächtete 
purfte man im diefer Zeit beberbergen, und im Umkreiſe ber Stapt 
waren fie ficher vor Verfolgung. 

Das Buchhändferviertel lag im Süden der Stadt und ftier unmittel- 
bar an den jeßigen Mainkai (vamaligen Weinmarft), von welchem aus 
die jchweren, mit Büchern gefüllten Fäffer bequem durch das Thor in 
die Straßen und in die Häuſer gerollt werden fonnten; dieje Verpadungs- 
weije bildete damals, wie ſchon wiederholt bemerft, die Regel. Froſchauer 
bittet einmal förmlich um Entſchuldigung, daß er wegen Mangel an Zeit 
Kiften verwandt habe. Der Mittelpunkt jenes Viertel® war derjenige 
Teil der früher Kornmarkt, jpäter aber Buchgafje genannten Strafe, 
welcher von der Peonhardsfirche aus nördlich bis zum feinen Kornmarkt 
läuft. Indeſſen darf man diefe Begrenzung nicht zu wörtlich nehmen. 
Während fie heutzutage nur von der genannten Kirche aus bis zum 
großen Kornmarkt bei der Einbiegung in die Paulsgaſſe Läuft, erjtredte 
fie fich zur Zeit der buchhändferiichen Blüte Frankfurts in öftlicher Rich— 
tung in die Mainzer Gaffe zwijchen Leonhards- und Fahrthor. Der 
Name Buchgaffe kommt zuerft 1518 vor. Neuchlin jehrieb nämlich in 
jenem Jahre, dar Melanchthon auf der mächjten Frankfurter Meſſe um 
des heiligen Krenzes-Erhöhungstag in der „Büchergaſſe“ bei Meifter 
Thomas Anshelm, Druderheren und Buchverkäufer von Dagenau, zu 
finden jein werde. Auch ver kaiſerliche Fiskalprokurator und Frankfurter 
Bücherkommiſſar Dr. Veit in Speyer jpricht in einem Briefe, den er 
am 16. Auguft 1593 an ven Rat der Stadt Augsburg ſchrieb, nod 
von der Büchergaffe in Frankfurt aM. Der Name Buchgaffe bür- 
gerte fich erft zu Anfang des 17. Jahrhunderts allmählich ein. Cine 
Zeit lang lief er neben der alten Bezeichnung Mainzer Gaſſe ber, je 
daß beide Namen willfiürlich nebeneinander galten. Bis zum Ende des 
16. Jahrhunderts jcheint die Strafe übrigens auch allgemeinen Meß— 
zwecken gedient zu haben. So findet fi in dem Haufe Nr. 15 Buch— 


Kapitel.) Das Buchhändlerviertel in Frankfurt. 463 


gaffe, Ede der Schippengaffe, noch heute ein großes Wandgemälde von 
einem Strauß aus Tunis, der, wie die Unterjchrift meldet, 1577 zuerſt 
in Frankfurt als große Naturmerkwürdigfeit befannt und gezeigt wurde. 
Vom Anfang des 17. Jahrhunderts an bediente fich aber der Nat in 
jeinen amtlichen Erlaffen jtets des Namens der Buchgaſſe. Thatjächlich 
bildete dieje übrigens ſchon von den erjten Anfängen des buchhändferi- 
ſchen Meßverkehrs an die Hauptnieverlage der fremden Buchführer und 
Verleger. Hier hatten fie ihre Yager im alten feiten Gebäuden, die noch 
zu Anfang des laufenden Jahrhunderts (Kirchner, der dieſe Thatjache 
meldet, jchrieb 1810) die jeitvem verblichene Injchrift „Officina libra- 
ria” führten. Jahrein jahraus lag bier zur Erſparung der Fracht und 
ſonſtiger Speſen ein Theil der nach Frankfurt gebrachten Verlagsartikel. 
Am 17. November 1569 weigerte ſich 3. B. der Rat dem faijerlichen 
Anfinnen gegenüber, Bürgſchaft von den fremden Buchführern zu ver: 
fangen, weil dieje „von einer Mefje zur andern in ihren Buchläden und 
Gewölben Bücher für viele hundert Gulden zu binterlaffen pflegten“. 
Die Wahl diejer Gegend war eine jehr verftändige, da namentlich in 
der erjten Zeit die Bücherſendungen faft ausjchließlih zu Waffer an- 
famen und mit verhältnismäßig geringer Mühe aus: umd eingeladen 
werden fonnten. Grit jpäter dehnten ſich dann die Niederlagen weiter 
von bier aus. „Auch haben‘, jchreibt ver Rat der Stadt Frankfurt am 
2%6. Juli 1690 an den Kaiſer, „unjere Vorfahren zur Erhaltung viejes 
(Buch) Handels allhier den Buchführern und Händlern abjonderliche, 
von andern Commercio etwas feparirte, aber doch nahegelegene Gaſſen 
eingeräumt, damit fie Buchhändler beyſammen und umb jich deſto beifer 
correspondiren, und die füufer und gelehrte, felbige ohne ſondere mühe 
und nachfrage finden und eim gutes genügen darob haben konnten. Es 
it aber mit ihnen Buchhändler dahin gerathen, daß in vielen Jahren 
feinerley Buchhändler auß obgedachten Königreichen mehr anbero ge- 
fommen und die Mefjen bejuchen, und dadurch unjere in gebachter Buch- 
gaſſen wohnende Bürger nit geringen abgang dero einfünfften, welche 
Ihre Heußer getragen, empfinden.‘ 

Natürlich war auch für den Genuß und die Bequemlichkeit ver Mef- 
gäfte reichlich gejorgt. In der wohlhabenden Stadt, von welcher e8 im 
Spribwort hieß, daß fie mehr Wein in den Kellern als Waffer in ven 
Brummen habe, durften in ver Regel Fremde feinen Weinhandel treiben. 


464 Henry Etienne über die franffurter Meſſe. Achtes 


Während der Meſſe aber war es dieſen gejtattet, an Nichteinheimiſche 
Wein zu verkaufen, wenn er unverfälſcht war. In den Weinſtuben gab 
es zu dieſer Zeit auch keine Polizeiſtunde, überall ging es hoch her, und 
Gelage und Zechereien dauerten meiſtens bis zum Morgen. Heinrich 
Stephanus (Henry Eſtienne, 1528 bis 1598) aus Paris (jpäter in 
Senf und zeitweife in Augsburg), gleich berühmt als Buchoruder wie 
als Gelehrter, war jeit 1572 ein ziemlich regelmäßiger Bejucher der 
franffurter Meſſen. Sie gehörten jo jehr in jeine gefchäftlichen Berech— 
nungen, daß er noch 1571, im Jahre vor dem Erjcheinen feines „The- 
saurus linguae graecae” an den Arzt Grato von Krafftheim jehrieb: 
das Werf werde nicht vor der nächiten franffurter Meſſe herausfommen. 
Er verherrlichte den Frankfurter Meßverkehr auch in einer feinen, 1574 
erichienenen Schrift: „Francofordiense Emporium s. Francofordienses 
Nundinae“, und jehilvert darin die günftige Page der Stadt für ven 
Mepverfehr, das liebenswürdige Entgegenfommen der Frankfurter, die 
Annehmlichkeit des dortigen Aufenthalts, die Unparteilichfeit der Gerichte 
und den großartigen Verkehr der aus aller Herren Yänder bier zu 
jammenjtrönenden Fremden. Gibt er auch mehr allgemeine Gejichte- 
punfte als Thatjachen, jo macht er doch den Eindruck eines zwar be 
geifterten, aber immerhin wahren Berichterftatters, deſſen Angaben aud 
anderweitig bejtätigt werden. Aus der poetijchen Sprache des Stephanus 
in die nüchterne Proſa des täglichen Yebens überjett, erfährt man alje, 
daß die Schriftfteller, Dichter und Gelehrten zur Zeit der Meſſen mit 
ven Buchhändlern und Buchorudern nach Frankfurt ſtrömten und fi 
namentlich in dem der Yitteratur bejtimmten Stadtteil (der Buchgaſſe 
zuſammenfanden. „Daher fommt es“, möge jet Stephanus jelbit das 
Wort ergreifen, „daß man auf diejer litterarijchen Meſſe über Dinge 
unterrichtet wird, über die man jonjt auf allen Bibliotheken vergeblid 
Nachrichten jucht. Jever vernimmt das lebendige Wort der vielen Yehrer 
von den verjchiedenften Univerſitäten, man hört fie mitunter im den Läden 
der Buchhändler ebenjo ernthaft philojophieren, wie früher Sofrates um 
Plato mit ihren Schülern inmitten des Lyceums. Aber nicht nur Phil: 
jophen entjenden die berühmten Aniverfitäten von Wien, Wittenberg, 
Yeipzig, Heibelberg, Straßburg und unter den ausländijchen Yöwen, 
Padua, Orford und Cambridge hierher nach Frankfurt, ſondern auch 
Dichter, Renner, Gejchichtichreiber, Mathematiker und ſolche, welche in 


Kapitel.) Beſuch der Meffen durch die Gelehrten. 465 


allen diefen Disziplinen bewandert find und, wie die Griechen fich aus— 
prüden, die Enchklopädie zu ihrem Studium gemacht hatten. Die Ita- 
(iener haben daher ganz Unrecht, wenn fie jagen, die Deutjchen hätten 
ihren Berftand in den Fingern, als wenn fie fich nur im Handiverf 
und in den mechaniſchen Künften auszeichneten. Wahrlich, fie mögen 
doch einmal die Frankfurter Meſſe bejuchen! Beim erjten Eintritt in 
das Bicherviertel werben fie einjehen, daß das Sprichwort fügt und 
diejem Volke großes Unrecht thut. Auch übertrifft diefe Meffe ver Muſen 
die des Merkur nicht allein vurch Würde und Anjehen, jondern, was 
noch merfiwürbiger ift, fie macht ihr auch durch die Menge des Ge- 
botenen gewiffermaßen den Rang ftreitig. Denn die litterarijchen Ar- 
beiten der Deutjchen fommen an Zahl ihren andern Arbeiten beinahe 
gleih, an denen die Italiener ven Geift ver Hände bewundern, und 
ebenjo fünnen es die Studierenden der Zahl nach mit den Kaufleuten 
aufnehmen.’ 

Biel jchwerer als diefe allgemeinen Yobpreifungen, welche eine ge— 
nauere Ortsfenntnis vermifjen Laffen, wiegt die Thatjache, daß Frank— 
furt fich bald auch als Gelehrtenmefje entwidelte. Melanchthon wird 
1518, wie ſchon angeführt, als ver erjte genannt, welcher mit jeinem 
Verleger und Freunde Thomas Anshelm dort zujammentraf; ihm aber 
folgten bald andere. So verfehrten denn in der Buchgafje alljährlich 
immer mehr Gelehrte, welche mit der Abficht nach Frankfurt famen, 
fih den Berlegern als Korreftoren und als eine Art litterarifcher Be— 
rater anzubieten, oder um mit ihnen zu verhandeln, ſei es zur An— 
rüpfung neuer Beziehungen, ſei es, um fich nach den neueften litterari- 
ihen Erjcheinungen umzufehen. Auch kauften fie hier an ver Quelfe fir 
ih over ihnen befreundete Biicherliebhaber ein und fanden, namentlich 
vor dem Grjcheinen des Meßkatalogs (1564) Gelegenheit, in fonft kaum 
zu ermöglichender Weije eine größere Auswahl neuer Werfe kennen zu 
fernen. Ein vereinzelt daſtehender Fall ift der Bejuch des Herzogs 
Johann Albrecht von Mecklenburg in Frankfurt, der bier 1552 einer 
Buchhändlerwitwe ihren ganzen, mit vielen und koſtbaren Büchern aus- 
geitatteten Buchladen abfaufte und mit ihm die Grundlage zur jpätern 
roſtocker Univerfitätsbibliothek legte.!! Als Marimilian II. im Jahre 1562 
in Frankfurt zum deutſchen König gekrönt wurde, trafen im Gefolge des 
Kaifers Ferdinand unter andern auch damals namhafte Gelehrte dort 

Rapp. I. 30 


466 Büceranfänfe der Bibliotheken auf der Meile. Achtes 


ein, wie Seld, Zaſius, Agricola, Prätorius, Johannes Sturm, Johann 
Lauterbach, Michael Beuther u. a., deren Wohnung bei den Buchführern 
zu erfragen war. Aus dem allerdings einer ſpätern Zeit angehörenden 
Briefwechſel Melchior Goldaſts geht hervor, daß er und andere jür- 
deutſche Gelehrte fich während ver franffurter Buchhändlermeſſe oft dert 
trafen und miteinander abredhneten, oder auch Verträge abjchloffen und 
ihre Werfe austaufchten. Ebenſo jundten öffentliche Bibliothefen ibre 
Bibliothefare nach Frankfurt, um ſich durch deren Berichte auf dem 
Yaufenden zu erhalten, oder durch größere Ankäufe einzelne Lücken billi— 
ger auszufüllen, als beim heimijchen Sortimente. So batte jeit 1569 
der ſtraßburger Bibliothefar Die Pflicht, jih auf den franffurter Meſſen 
nach ven nenerjchienenen Büchern umzuſehen, durfte jedoch nichts kaufen 
ohne die Genehmigung der Scholarchen. Der erfte neue Bibliothekar 
war der Profeffor der Rechte und Gejchichte, Michael Beutber, ver 
früher an der heivelberger Bibliothek angeftellt getwejen war und gleich 
im erjten Jahre jeiner neuen Amtsführung 21 tbeologijhe Bücher, 
7 juriſtiſche, 2 gefchichtliche, 2 matbematijche, 1 geographiſches und 
7 Klaſſiker anjchaffte. Nom Jahre 1609 ab wurde auf Anoronung des 
Rats jeitens der Scholarchen eine jührlide Summe jpeziell zu dieſen 
Bicheranfäufen auf der franffurter Meſſe angewiejen, und 1616 be 
jtimmte die neue Bibliothekordnung unter anderm: „Der Bibliothekar 
joll den Buchhändlern infinuiren, auf den franffurter und ftraßburger 
Mefjen die neuen Bücher aufzubringen. Er jelber ſoll jährlich einmal, 
im Frühling oder Herbjt, nach Frankfurt veifen und alle officinas typo- 
graphicas perlujtrieren, nicht nur nach neuen, jondern auch nach alten 
Sachen” Dem 8. Artikel find einige Bemerkungen über die Mittel 
angehängt, wie man die auf der franffurter Meſſe gekauften Bücher am 
wohffeifjten nach Straßburg bringen fünne.1? Als Iſaak Eljevier 1620 
zum Univerjitätsoruder in Leyden ernannt wurde, mußte er ſich unter 
anderm auch verpflichten, diejenigen Bücher, welche die Profejjoren over 
afademifchen Würdenträger von Frankfurt zu beziehen wünjchten, auf 
jeine eigene Gefahr von dort kommen zu laffen und zu demjelben Pretie 
zu berechnen, den die übrigen Buchhändler forderten. ? Überhaupt ließen 
8 ſich die Univerfitätsbehörven, da feititehende Verkaufspreiſe (Yaden- 
preife) ja noch nicht bejtanven, vielfach angelegen fein, fich über vie 
„Frankfurter Tax“, d. h. über ven Preis zu informieren, welchen vie 


Kapitel.) Kredit von Mefle zu Meile, 467 


Bücher im Verkehr ver Buchhändler untereinander auf der Meſſe hatten, 
um wirflichen oder angeblichen Übertenerungen jeitend ihrer Sortiments- 
buchhändler vorzubeugen. Georg Gruppenbach in Tübingen wurde 5. B. 
im Jahre 1597 unter Anprohung einer Strafe von 10 Gulden durch 
die Univerfitätsbehörden gezwungen „ein Tarzettel einzugeben‘. Pur 
mit Widerſtreben gab er jein Verzeichnis, „in was gelt hedes Buch zu 
Franckfort eingefaufft worden“, ein.!* Auf diejer franffurter Tar baſier— 
ten denn auch im Anfang des 17. Jahrhunderts die Verjuche der ſäch— 
fischen Regierung, die Höhe des den Buchführern zu verftattenden Auf 
ichlags zu regeln, beziehungsweije zu bejchränfen. 

Es liegt in der Natur jedes gefunden Werdens, daß es fich auf ver 
Grundlage bereits beſtehender Satzungen und Gebräuche entwidelt. So 
lehnten jich denn auch die Verleger und Buchführer, als die jpäter Ge- 
kommenen, an die bewährten Gejchäftsujancen der ſchon vor ihnen nad 
Frankfurt gezogenen Kaufleute, und namentlich der Großhänpfer, an. Zeit 
den ältejten Zeiten gewährten dieſe Kredit und rechneten von Meſſe zu 
Meſſe ab. Um aus zahlreichen Beijpielen nur ein paar berauszugreifen, 
jo faufte 1446 Otto Ruland, ein reicher Handelsherr aus Ulm, in der 
Woche nah Mittfaſten Waren, welche er auf ver Frankfurter Herbitmejje 
zu zabfen fich verpflichtete, orer er machte eine Bejtellung von 50 Stüd 
Arras gen Frankfurt auf jein Wagnis, und was fie in der Herbſtmeſſe 
gelten würden, das ſollte er zahlen in der Faſtenmeſſe. Weitere urfund: 
liche Beweije für die Abrechnung von Meffe zu Mejie liefern, neben 
mancherlei vereinzelt berichteten Daten, das bereits erwähnte Rechnungs: 
buch ver Firma Froben und Episcopius in Baſel und die gleichfalls 
publizierten Meßregifter Sigismund Feyerabends und des Agenten Michael 
Harder in Frankfurt aM. Das erjtgenannte Rechnungsbuch trägt auf 
der zweiten Seite die Überjchrift: „Bejchreibung der Schulpnerenn jo 
in Gmeind findt ſchuldig wordenn umb Buocher die jey zu Franckfort 
in jeptembri 1557 von uns guummen hant undt in der faſtmeß 
1558 zalenn follenn von welcher ſum ift Nicolai Episcopit f. der 
achtejt theyll.“ Darunter find links die Namen der Schuldner jeden 
Jahres mit ven betreffenden Beträgen angeführt, vechts aber die geletjte- 
ten Zahlungen gebucht — wie „dedit nobis in Martio Franckforti 
1558” over „Heruff hat zahlt ver 1559 — und wird dann die Rech— 
nung unter den Teilhabern ſelbſt ausgeglichen. Grundſätzlich wird alje 

30 * 


468 Das geichäftliche Treiben auf der Meſſe. Achtes 


— worauf ſchon im fünften Kapitel hingewieſen wurde —, wenn nicht 
bare Zahlung erfolgte, noch immer ein Kredit von Meſſe zu Meſſe 
gewährt, und es verdient beſonders hervorgehoben zu werden, daß die 
Schuldner nur ſelten im Rückſtand blieben. Abnehmer, welche unge— 
wöhnlich großen Bedarf hatten, wie z. B. Georg Willer in Augsburg 
und Arnold Birckmann in Köln, erhielten unter Umſtänden auch wohl 
teilweiſe Jahreskredit. 

Auch aus den andern glücklich vom Untergang geretteten Meßregiſtern 
geht hervor, daß der Buchhandel in Frankfurt auf die Meſſe beſchränkt 
war und daß nicht nur auswärtige, ſondern auch frankfurter Verleger 
für die Meßgeſchäfte innerhalb und in nächſter Nähe der Buchgaſſe eigene 
Gewölbe hatten, welche außer der Meßzeit geſchloſſen blieben. Nur wenige 
Handlungen — und dies waren hauptſächlich frankfurter erhielten 
zwiſchen den Meſſen Bücher ausgeliefert, welche in der nächſten Meſſe 
bezahlt wurden. Von Tauſchgeſchäften (Verftechen) iſt erſt häufiger in 
und nach dem Dreißigjährigen Kriege die Rede. 

Es war eine große Mannigfaltigkeit von Geſchäften, welche während 
der kurzen Zeit der Meſſe erledigt werden wollten; ſtreng und energiſch 
war alſo das Arbeiten, groß das Haſten in ihrer Bewältigung. Joſua 
Maler, der ſchweizeriſche Grammatiker — ein Stiefbruder der Neffen 
Chriſtoph Froſchauers in Zürich —, ſchreibt darüber in ſein Tagebuch 
vom Jahre 1551: „Am 18. September fuhrend wir von Maynz uff 
dem Mayn bis gen Franffurt die wytberümpte und in allen Yanven 
wolbefante Statt. In derjelben fanden wir den Ghrenhaften Herrn 
Ehriftoffel Srojchauer, den alten, Burger und Truderherrn vonn Zürich, 
ver hielt uns by ihm uff zehen ganzer Tag im ſyner Herberg. Und 
wyl ich im im ſynen Buchladen nit unnütz war, als der ich von Kinds— 
wejen uff im Buchladen glych als ufferzogen war, gar fommlich aud 
frömden Yeuten in Yatein und Sranzöfiich antworten und Beſcheyd geben 
fonnt, wolt er mich gar nit von im lafjen, bis das die Mich wölt enden. 
Ih bat übel Zyt mit Bücher uff und abtragen, konnt nienenhin ent: 
rinnen die Statt zu bejeben, als dann in järlichen Märkten fich mancher— 
(ey da jehen läßt.” '? 

Dereitd aus der Heimat hatten die fremden Buchhändler noch be- 
jondere Kommiſſionen mitgebracht: fie vermittelten vielfach den briei- 
lichen Verkehr der Gelehrtenwelt, nicht nur auf den Meſſen, jonvern 





Kapitel.) Briefaustaufh. Herrichtung der Gewölbe. 460 


auch auf ihren größern Gejchäftsreifen. Der wittenberger Buchführer 
Loft Sturkfopff 3. B., welcher von 1545 bis 1555 regelmäßig von Zeit 
zu Zeit Dänemark mit einem Bücherlager bejuchte, bejorgte dabei die 
Korreipondenz und die Gejchäfte zwijchen Bugenhagen und Ehriftian III., 
war jogar eine Art von Vertrauensperjon, welche dem König mündlich 
über kirchliche Berhältniffe und Vorkommniſſe Bericht erftatten mußte. 16 
Derartige Kommiffionen wollten bei der Ankunft in Frankfurt erledigt 
werden, vielleicht wurden die Briefe auch wohl von perjönlich anweſen— 
ven Gelehrten bei ven Überbringern abgeholt. Unzählig find die Noti- 
jen darüber in den gebrudten Briefwechjeln des 16. und 17. Jahrhun— 
derts; der jenaer Buchhändler Konrad König jagt im Jahre 1558, daß 
er „viel briev die meſſe pflege hinabzuführenn‘ und „warn es meffe Zeit 
ime von vwilen orthenn brieve hinabzuführen zugeſchickt wurdenn“. 17 Bis 
in die neuefte Zeit hat dieſer Poftvienft des Buchhandels gedauert; erjt 
das billige Porto hat ihm ein Ende bereitet. 

Die Läden oder Gewölbe mußten dann in Orpnung gebracht, die 
Yagervorräte revidiert und in Stößen zurechtgejett werden; bevenfliche 
Artifel oder Nachdrudsjachen, bei denen man eine Bejchlagnahme be: 
fürchten konnte, oder berenthalben vielleicht gar ſchon ein Verbot ftatt- 
gefunden hatte, wollten unter andere verjtedt fein, oder mußten mög- 
lichſt hoch oben oder in finftern Ecken des Gewölbes den ſpähenden Augen 
bes Fiskals (anfänglich des mainzijchen [des Plebans zu St. Leonhard), 
ipiter des fatjerlichen) entzogen, eventuell doppelte „Regiſter“ Lager— 
inpenturen) — das eine für den Gejchäftsgebrauc, das andere für das 
Auge der Behörde — vorbereitet werden.1? An Thür und Fenſter 
wurden die Titelblätter der neu zur Mefje gebrachten Bücher angejchla- 
gen, daneben die Verlagsfataloge in Plafatform; Sigismund Feyerabend 
und Theodor de Bry in Frankfurt ſchmückten die ihrigen, an fich ſchon 
elegant ausgeftatteten, gar mit ihren eigenen von Raphael Sadeler und 
Matthäus Merian geftochenen Bilpniffen. Daneben hingen dann bald 
kurze Auszüge aus den neuerhaltenen Privilegien (Tenor privilegii) zur 
ihnellern Information für die Gejchäftsgenoffen, in jpäterer Zeit auch 
förmliche Profpefte über künftig erſcheinende Bücher. Flugſchriften und 
Klein-Litteratur boten fich wohl auch in bejondern Auslagen felber an. 

So harrte das worgerichtete Gewölbe der Einkäufer. Große Hand— 
lungen, mit ftarfem in die Ferne ſich ausdehnendem Sortimentsbetrich, 


470 Der Einkauf und die Einfäufer. Achtes 


gaben ihren die verſchiedenen Gebiete bereiſenden Dienern wohl gar ein 
förmliches Rendezwous auf der Meſſe. Arnold Birckmann von Köln 
z. B. erſchien auf der Faſtenmeſſe 1565 mit nicht weniger denn acht 
Reiſedienern; jeder einzelne verjelben entnahm für fich jenen Bedarf von 
Sigismund Feyerabend. Sie genoffen wohl einer gewifien Selbjtändig- 
feit und das auch mit Necht, denn fie fannten das von ihnen bereijte 
Terrain am bejten. Nach beendigter Mefje zogen fie dann mit ergänz- 
ten und neuafjortierten Vorräten — gleich ven kleinen Buchführern, Die 
allein dieſe Abficht zur Meffe führte — wieder von bannen in die Weite, 
wohl auf die Meffen im den Niederlanden, nach Straßburg, nach Zur: 
zach u. ſ. w., vielleicht gar nad Italien; denn ein Philipp Junta be: 
fand fich unter ihnen.!“ Namentlich die zurzacher Meſſe jcheint von 
Bedeutung gewejen zu fein; fie war wenigftens für Birckmann ein wich- 
tiger Saldierungstermin gegenüber der Firma Froben-Episcopius. Im 
Jahre 1563 hatte er am demſelben nicht weniger als 2000 Gulden zu 
zahlen! 

In den Gewölben aber drängten und hafteten, wie Jojua Maler an: 
deutet, die Einkäufer, um ſchnell ihre Gefchäfte zu beenden und wieder 
heim, auf die Jahrmärfte over auf die Leipziger Meſſe ziehen zu fünnen. 
Denn dicht folgten die leipziger Ofter- und Meichaelis- auf die franf: 
furter Faften- und Herbjtmeffen, und die Reife dahin währte lange, und 
noch langjamer fuhren die Frachtwagen. Eilig wurden die Vorräte durch 
muſtert, was notwendig gebraucht wurde, was von den Neuigkeiten Ab: 
ſatz verjprach oder durch ven Titel lodte und reizte, das wurde „aus- 
geſetzt“, „eingejchlagen‘ (verpadt) und fortjpediert. Als im Jahre 1557 
die leipziger Buchhändler vor dem Rate wegen des Vertriebs der von 
dem Dr. Bafilius Monner in Jena unter dem Pjeudonym Chriftian 
Aleman bei Nikolaus Brylinger in Baſel verlegten Schrift über ven 
Schmalkaldiſchen Krieg vernommen wurden, rechtfertigten fich die In— 
quifiten mit dem Drange der Mefgeichäfte, daß fie „solch buch zu Frangk— 
furt nicht gelejen, jondern wie es pflegt imm Meſſen in gedreng und eil 
zuzugehen, nicht mehr dann ven Titel gejehen, umd ein anzahl Erem- 
plaria hingeſetzt und alſobald eingejchlagen und aufladen laffen, un 
nicht ehe inn erfarung kommen ſeind, was inn gemeltem Buche ftehet, 
bis das fie die Buecher anher gebracht, und aus den Faffen genommen“. ?° 

Dann waren Kommiffionen zu erledigen: Aufträge auf Bejorgung 


Kapitel.) Bejorgungen. Die Abrechnung. Lauter und unlauter. 471 


fremdlänpijcher Yitteratur, die nicht immer jofort ausgeführt werden 
fonnten; das Gejuchte war eben nicht auf den Meflagern. Da mufte bei 
franzöfijchen und italienischen Buchhändlern herumgefragt und gefucht, 
die eventuelle Yieferung für die nächſte Meffe verabredet werden; „Moreto 
dabis curam“, heißt es in Chriftoph Plantins Notizen für die Herbft: 
meſſe 1575, „agendi in proximis nundinis cum Veneto aliquo biblio- 
pola, ut afferat nobis librum magnum: Moses Aegypticus, quod 
quatuordecim libris divisus est.” 

Dabei mochten fich alle dieſe Gejchäfte auch nicht jo ganz glatt und 
einfach abwideln. Denn in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts 
waren die buchhändleriichen Uſancen bezüglich des Rabatt: und Rech: 
nungswejens noch keineswegs völlig geregelt und feſtſtehend. Der eine 
Verleger lieferte, wie dies ſchon im fünften Kapitel erwähnt worden ijt, 
nur zu feinem bejtimmten (Netto-)Preis, der „Frankfurter Tax“, der 
andere gewährte Rabatt, aber willfürlich, von verſchiedener Höhe, je nach 
dem Bedarfsquantum der Gejchäftsfunden; Grokjortimenter erhielten 
einen wejentlich höhern. Andere Verleger wieder vechneten nach dem Ries: 
preis, So gab Chriſtoph Plantin, worauf gleichfalls ſchon hingewieſen 
wurde, an Herwagens Erben in Baſel 12",, an Claudius Meig in 
Bajel 12, an Konrad Waldkirchs Erben ebenpajelbjt 15, an Nikolaus 
Bod (d. i. Vögelin) in Yeipzig 16, an Hans Stern in Lüneburg 12%/,, an 
Willer in Augsburg anfünglich 20, jpäter 25, an Jacques de Better in 
Frankfurt 162,, am feinen Agenten in London jogar 40 Proz. Rabatt. 

Weiter mußten die halbjährlichen Rechnungen abgejchloffen, die Zah— 
fungen geleijtet werben. Erſteres aber beganı vertwidelter zu werden, 
denn bie gleichzeitige Ordinär- und Netto-Rechnung, die vielfach noch 
bis zum Ende der vierziger Jahre des laufenden Jahrhunderts be: 
jtanden hat, fing an fich zu bilden. Die Conten wurden nicht mehr 
ausjchliegfich „lauter“ (netto) geführt, vielfach auch — eben wegen ver 
Sraglichfeit der Nabattgewährung und des Schwanfens in der Höhe der: 
jelben — „unlauter“ (ordinär), wie man fih im 16. und 17. Jahr— 
hundert auszudrücken pflegte. Chriſtoph Plantin führte feine Frankfurter 
Schuloregifter „unlauter“; evt bei der Abrechnung und Zahlung wurde 
der von Anfang an oder nachträglich bewilligte Rabatt in Abzug ge: 
bracht. So heißt es bei ihm im September 1578 „A M®. Willer qui 
doibt fl. 140 s. 16 voyeres le rabat que on luy est accoustum& de 


472 Der Bücherfiskal. Preßmaßregelungen. Achtes 


faire au grand livre“, und als mit Claude Marne in Frankfurt a. M., 
ber von 1580 bis 1586 für 2783 Gulden von Plantin bezogen Hatte, in 
der Faftenmejfe 1587 die Schlufabrechhung vorgenommen ward, wurde 
erft jett ein Rabatt von 721 Gulden 16 Kreuzer (aljo etwa von 26 Pro;.) 
in Abzug gebracht; bis dahin war der Betrag im Hauptbuch voll fort- 
geführt worden. Da mochte denn wohl um den Rabatt und um bie 
Höhe desjelben, ſowie beim Stechen genug gemarftet und gefeiljcht werden! 

Unterbrechungen dieſes gefchäftigen Treibens brachten nur die Be- 
ſuche von Gelehrten, die Abwidelung der Gejchäfte mit Buchdrudern und 
Papiermachern oder -Händlern, die Infinuationen faiferlicher Bücher: 
privilegien, die Bejuche des Fisfals, der nach verbotenen Büchern, nach an- 
geblichen Libellen und Famosſchriften jpähte, Unterbrechungen, von denen 
die beiden zuletzt erwähnten recht unbehaglich empfunden wurden, Waren 
doch mit jenen Infinuationen zugleich auch die Mahnungen an endliche 
Ablieferung der für die Privilegien ftipulierten Pflichteremplare und an 
Bezahlung der hohen Transportipefen nah Wien (mit einen Grojchen 
für das Pfund) verbunden und fnüpften fi doch an den Beſuch des 
Fiskals oft genug Citationen vor den Rat, jpäter gar vor ven Fiskal 
jelbjt, oder vor den Bücherkommiſſar. Solche Citationen trugen von 
vornherein einen etwas unheimlichen Charakter an fich, denn die Hand: 
habung der Prefpolizei war regellos, rein willfürlich. Ging die Be- 
jchwerbe, die zu dem Verbote Veranlaſſung gab, von hoher und einfluf: 
reicher Seite aus, jo begann das etwa eingeleitete jogenannte Rechts: 
verfahren meist mit Bejchlagnahme des Yagers, mit Beitridung der An- 
geflagten auf das Gebiet der Stadt bis zum Austrag der Sache, wenn 
nicht gar fofort mit Verhaftung der vermeintlichen Delinquenten. Die 
aber einmal Eonfiszierten angeblichen Famosſchriften blieben Fonfisziert, 
auch wenn die Behörde anerkennen mußte, daß fie voreilig gehandelt 
habe. Nur zwei Beifpiele hierfür aus der jüchfiichen Meßpraxis in 
Yeipzig; fie fünnen bier angezogen werden, da die VBerhältniffe am den 
beiven Meßplätzen ſich völlig gleich geftalteten. Abraham Lamberg in 
Yeipzig gab feit 1605, in Nachahmung der franffurter Mefrelationen, 
ähnliche von Hieronymus Megifer redigierte herans. Die vierte Rela— 
tion wurde für anſtößig erachtet und mit Bejchlag belegt, Yamberg dann 
aber doch für unfchuldig befunden; trogdem erfolgte am 9. April 1607 
die Schlußrefolution, daß es „auf beweglichen Urjachen bey der bejchehenen 


Kapitel.) Das Treiben auf den Gaſſen. 413 


Gonfiscation verbleiben jolle‘. Im zweiten Fall waren zweien erfurter 
Buchhändlern, Johann Birckner und Andreas Michael, in der Oſter— 
meife 1623 drei angebliche Kamosjchriften fonfisziert worden; Michael 
hatte feine Kaution bis zum Austrag der Sache zu beitellen vermocht 
und war beshalb in Haft genommen worden. Erſt auf Drängen bes 
Rats von Leipzig erfolgte am 27. Mai der von Kurfürft Johann Georg 1. 
eigenhändig unterzeichnete Beſcheid: „Nun befindet ſich gleichtwohl fo viel, 
daß die drey Schrifften nicht alle Famos jchrifften, jondern nur Die Er- 
leuterung wider unjern Ober Hoffprediger D. Matthien Hoen vergleichen, 
die andern beide aber Hiftorifche Relationen ſeyen, Jedoch laßen wir es 
bey der beichehenen confiscation bewenden, Undt jeindt zufrieden, daß 
Andres Michel mit einem verweiß, und fegen angelobung hinfüro der— 
gleichen famos jchrifften nicht zuführen, wider uf freyen Fuß geitellet 
werde”. ?! Andreas Michael mußte noch dankbar jein; er fam bejjer 
und jchnelfer aus feiner Klemme, als 1557 Nikolaus Brylinger aus 
Bajel in Frankfurt a. M. 

So geftaltete fich das gejchäftliche Treiben in den Gewölben. Draußen 
auf den Gaffen aber herrichte ein ebenfo veges Yeben. Hier haufte und 
herrſchte das ſchon erwähnte leichte Fußvolf des Buchhandels, die Hau- 
fierer: Männer, Weiber und Knaben. Flugjchriften, Neue Zeitungen, 
Morde und Wundergejchichten, Kalender, Schöne neue Lieder in alt: 
befanntem Ton (Melodie) u. dgl. wurden feilgeboten, mit großem Ge: 
ichrei ausgerufen. Sigismund Feherabend fügt darüber bei Gelegenheit 
jeines Streites mit den wittenberger Bibelverlegern in jeiner letten Ver- 
teidigungsichrift vom Jahre 1570 gegen Chriſtoph Walther, ven litterari- 
ſchen Klopffechter der erjtern: „wie oben gemeldt, iſt jein Schandgeticht 
bie in Srandfurt allein heimlich undergejchoben worven, zu Yeipzig aber 
in offenem Markt durch alle Gaffen von den Jungen als Freyharten 
hin unn wider mit großem Triumph und froloden, ja mit ſolchem jubileo 
(daß fie e8 auch in henden auffgeiworffen) außgeſchryen, gegepffert, ge: 
ipeyt und geplaudert haben, Nemblich: Hie hie neuwe Zeitung von 
Feyerabends faljchnachgedrudten Biblien.” ?? 

Wie fih aber der Hauptumschlag der Bücher im Verkehr ver Bud): 
händler untereinander, wie bereits erwähnt, jo gut wie ansjchließlich auf 
die Meffen konzentrierte, jo waren auch die jonftigen gefchäftlichen Be: 
jiehungen der Verleger auf ven Meftermin und die Meffe zugejchnitten; 


474 Die Buchdrucker ebenfalls auf der Meile. Achtes 


ſelbſt die Autoren wurden ſchon in den zwanziger Jahren des 16. Jahr— 
hunderts oft genug mit ihren fünmerlichen Honorarbezügen auf die Meſſe 
vertröftet.?? Für die bei der Herjtellung der Bücher beteiligten Gewerbe 
war daher die Mefje von gleich großer Bedeutung; auch ihre Vertreter 
jtrömten zu ihr bin. Waren doch jchon in den Anfangszeiten des jungen 
Bücherhandels manche, und jelbft namhafte Buchdruder nach Frankfurt 
geritten, weniger um die Erzeugniffe ihrer Preffen im einzelnen an das 
Publikum und die fremden Buchführer zu verfaufen, als um womöglich 
ganze Auflagen en bloc an den Mann zu bringen, Aufträge und neue 
Beichäftigung für ihre Preſſen zu finden, oder, wie man ſich ausprüdte, 
Buchführer aufzujuchen, welche „sie (vie Buchdrucker) verlegten‘. 

Sie famen auch fernerbin, und nicht nur, um Arbeit für ihre Prejjen 
zu juchen — ſpeziell die Heinern Buchdrucker aus den Provinzialorten 
jetst auch noch, um zugleich ihr bischen Verlag an Buchführer zu ver- 
handeln, ihmen venjelben zum kommiſſionsweiſen Vertrieb zu übergeben, 
über den erzielten Abjag mit ihnen abzurechnen. Denn faft alle kulti- 
vierten zur Bejchäftigung ihrer Preffe oder ihrer Prefjen, falls Aufträge 
fehlten, wenigftens etwas den Verlag von Schriften von lofalem oder 
vorübergehenden Intereſſe, vor allem von ſogenannten Scholaftifalien: 
Schulbühern, wie ABE- und Rechenbüchlein, Donat, Katechismus, Evan: 
gelien und Epiften, Gejangbüchlein u. dgl. Buchführer, welche feinen 
eigenen Verlag bejaßen, übernahmen derartige Kleinfitteratur gern in 
Kommiſſion; hatten fie dann doch wenigitens etwas Material zum Stechen 
in der Hand, wenn fich die Gelegenheit dazu bot, brauchten jie doch — 
zur Genugthuung für ihre Yandesherrjchaften — nicht das bare Geld aus 
dem Yande zu führen. Als im Jahre 1558 der Konkurs über die Hinter- 
fajfenjchaft des Buchführers Wolf Günther in Yeipzig ausgebrochen war, 
meldete fich in der Oſtermeſſe 1559, neben Privatperjonen, welche ibm 
ihren Selbitverlag in Kommiſſion gegeben hatten, auch der Buchdrucker 
Johann Wolrabe der Jüngere von Baugen, der eine ganz anjehnliche 
Partie „Scholasticalia” bey „Guntern zuvorfauffen eingejaßt, welches 
Yorenz des unters knabe wohl wiſſe“. 

Dieje Arbeit und fällige Zahlung ſuchenden Buchdrucker zogen aber 
wieder die Schriftgießer nach fi. Die großen und berühmten Gieße— 
reien in Bafel, Nürnberg, Wittenberg bepurften des Meßbeſuchs wohl 
weniger; fie konnten vuhig der Kunden und Auftrige am Zige ihrer 


Kapitel.) Der Bapierhandel. 475 


Sejchäfte warten; aber die Heinern mußten ihre Kundſchaft unter ven 
weniger bedeutenden Buchprudern, die Zahlung zu der Zeit und an dem 
Orte juchen, wo letztere größerer Einnahmen gewärtig jein durften: auf 
der Meije. Bis von Köln ber famen Schriftgießer zur leipziger Meile; 
1558 und 1559 wurden von jolchen auf ihr die feinen Buchdrucker 
Urban Gaubiſch von Eisleben und Georg Baumann von Erfurt mit 
Kummer beichlagen. 

Bor allem aber wurde gleichzeitig auf der Meſſe ver Papierhandel 
ſchwunghaft betrieben; die Gejchäfte darin bildeten ein wichtiges Item 
unter ven Aufgaben der meßfremden Verleger. Bei der jteigenden Bücher: 
produftion mußte ganz natürlich die Beichaffung des erforderlichen Papiers 
viel Mühe, Sorge und Verdruß verurjachen. Zwar ſank der Preis des- 
jelben mehr und mehr, dabei aber auch die Güte des Fabrikats; jeit 
vem Jahre 1540 wird ſchon von „Drudpapier” (ungeleuntem) gejprochen, 
und das jchon wiererholt angeführte Froben-Episcopiusſche Rechnungs: 
buch fennt bereits das „Planieren“. Die Yeiftungsfäbigfeit der einzelnen 
Papiermühlen aber war immerhin nur eine bejchränfte; dem großen, 
viel druckenden Verleger bot die Gejchäftsverbindung mit einer einzelnen 
feine Sicherheit vechtzeitiger Dedung jeines Bedarfs. Meift lagen auch 
die Mühlen fern von den Verlagsorten, der benötigten Wafferkraft halber 
im Gebirge, namentlich im Oſten und Nordoften Deutjchlands nicht allzu 
jtarf verbreitet und hier namentlich im ihren technifchen Yeiftungen am 
wenigjten hervorragend. So war denn der direkte VBerfehr der Verleger 
mit den Fabrifanten nur ein jchwacher; jeit den Anfangszeiten der Buch- 
pruderfunft und des Buchhandels hatte der Papierhandel eine große 
Rolle gejpielt und fpielen müffen. Das bat ſchon die Schilderung des 
Seichäftsbetriebs Anton Kobergers im fünften Kapitel gezeigt; fie hat 
auch ſchon zur Genüge vie Ungelegenheiten und Verdrießlichkeiten er- 
fernen laffen, welche ven Verlegern dabei erwuchjen. Mit ver fortjchrei- 
tenden Entwidelung und dem Erjtarfen der franffurter Büchermeſſe jcheint 
diefelbe nun aber auch der Mittelpunkt des Papierhandels geworden zu 
jein. „Die Ingolter” aus Straßburg, „die Dürren” aus Nürnberg — 
dieſe Stadt und neben ihr Augsburg hatten bereits im 15. Jahrhundert 
die beſſern Papierjorten nach Yeipzig geliefert — waren auf ver Mefje zu 
finden, ſchloſſen bier ihre Yieferungs: oder Kontantgefchifte mit Zwiſchen— 
bändlern und Buchführern ab; über Nürnberg und Yeipzig gingen die 


476 Der Papierhandel, Hauptbezugsquellen. Achtes 


Sendungen tranſito nach dem Oſten. Schon ſeit den zwanziger Jahren 
des 16. Jahrhunderts brachte Melchior Potter in Leipzig „ravensburger“ 
Papier für den leipziger Rat von ber franffurter Meffe mit nach Haufe, 
ſchon vor ihm hatte Dominifus Ponat (jelbft Papiermüller, anfänglich 
in Leipzig, dann in Mühlhauſen i. Th.) jolches in vorzüglicher Quali— 
tät, ja ſelbſt — die leipziger Stadtkaſſenrechnungen zweier Jahre er- 
weiſen e8 durch den Augenjchein — italienisches Fabrikat geliefert. Nickel 
Wolrabe in Yeipzig bietet 1539 wegen des bedeutenden Bedarfs für feine 
weitausjehenden Unternehmungen alles auf, um Kredit bei den Ingoltern 
in Straßburg zu erlangen; in den fünfziger Jahren ſchießt der leipziger 
Rat Valentin Bapſts Witwe jogar 200 Gulden ausprüdlich zu dem 
Zwed vor, um auf der frankfurter Meſſe Papier einkaufen zu können, 
bringt Lorenz Finckelthaus in Yeipzig feinen Papierbevarf von dort mit. 
Zwölf Ballen „verfaulen“ letterm das eine mal allein auf dem Trans- 
port, ſodaß fie faum zu „Mackelthur“ zu gebrauchen find. ?* Auch der 
Papierbedarf für die jenner Ausgabe von Yuthers Werfen wurde, jeden: 
falls über Frankfurt, von Barbirius und Gabriel Friß in Genf und aus 
andern Quellen jener Gegend bezogen. 

Die Hauptbezugsquellen für die Papierhändler bildeten aber Thann 
im Elſaß, Epinal in Burgund und dann Lothringen. Alles aus und 
über Frankfurt bezogene Papier wurde dabei, jelbft von norddeutſchen 
Sejchäftsleuten, zu 12 Ries pro Ballen gehandelt, nur norddeutſches zu 
10 Ries. Fraglich bleibt e8 dabei, wann fich der Unterſchied in der 
Bogenzahl des Ries Schreib- oder Drudpapier (480, beziehungsweie 
500) gebilvet hat, oder ob das Kies in der Zeit, in der man nur ge- 
leimtes Papier kannte, auch ſchon nur 480 Bogen enthielt. Die Ab- 
widelung der Zahlungsverpflichtungen für diefe Gefchäfte bildete natür- 
(ich auch einen Teil der Mefarbeit. 

Aber manche Buchhändler fauften das Papier nicht nur für den 
eigenen Bedarf, fie trieben vielfach jogar einen nicht unanjehnlichen 
Zwiichenhandel damit, ein Nebengejchäft, welches von alters ber mehr 
oder weniger mit dem Buchhandel verbunden geweſen war; die Buch— 
führer in Breslau betonen dies ausprüdlich in ihren Streitigkeiten mit 
dem dortigen Buchdruder Georg Baumann. ?° Sehr beveutend war dies 
Nebengeſchäft 3. B. bei Nidel Nerlih in Yeipzig und dem nambafteften 
Berleger Wittenbergs im fetten Drittel des 16. Jahrhunderts, bei Sammel 


Kapitel.) Abſchluß der Mehgeichäfte. 477 


Seelfiſch; auch Johann Oporin in Bajel pflegte es. Seelfiſch hielt Yager 
in Franffurt aM. und Wittenberg, Yager von jolhem Umfang, daß er 
Abſchlüſſe bis zu 100 Ballen eingehen konnte. Die Abjchlüffe und Liefe- 
rungstermine aber waren die Mefjen: wiederholt vwertröftet er Leonhard 
Thurneyſer in Berlin, einen jeiner Hauptfunden, für weitere Yieferungen 
auf die nächte Meſſe. Spejen oder Verdienſt waren bei dieſen Trans- 
aftionen jo beveutend, daß für Yeipzig die doppelten Papierpreije galten, 
wie für Frankfurt. ?* 

Waren aber alle dieje Gejchäfte abgewidelt, dann galt es noch, das 
eigene wieder in die gehörige Ordnung zu bringen: das zurückbleibende 
Lager wieder in Stand zu jegen, die Mefregifter in alphabetijcher Folge 
der Konten der einzelnen Firmen ind Keine zu fchreiben; denn in ber 
Haft der eigentlichen Meßwoche wurde wohl nur eine fliegende Klappe 
geführt. Das Mefregifter Sigismund Feyerabends von 1565 läßt dies 
deutlich erfennen; es nennt fich jelber „Copey over Abſchrift“. So ver: 
fängerte fich denn der Aufenthalt der fremden Buchhändler an den Meß— 
plägen wohl oft genug über die eigentliche Meßzeit hinaus und wurde 
dann der Sortimentsvertrieb, der vdirefte Verkehr mit dem Publikum, 
gern fortzufeßen gejucht, obſchon er — wenigftens in Yeipzig — ber: 
fömmlich auf eine einzige Woche bejchränft war. Frühzeitig entwidelten 
fih daraus ſchon Streitigkeiten. Es muß dahingeftellt bleiben, inwie— 
weit dies auch für Frankfurt zutveffene ift; im Yeipzig aber traten be 
reits 1556 die einheimischen Buchhändler deshalb gegen Clemens Bau- 
douin aus Lyon mit Bejchwerven bei dem Rat ver Stadt auf. Nur 
im verſchloſſenen Laden (camera clausa) durfte er fernerhin nah Schluf 
ver Meſſe vom Yager abgeben, und noch hundert Jahre jpäter erging es 
Clemens Scleih von Frankfurt und Hanau ganz ebenjo, als auch er 
jeinen Gejchäftsbetrieb in Yeipzig über die Meßzeit auszudehnen ver- 
juchte, Durch Erwerbung des Bürgerrechts zu jeinem Ziele zu gelangen, " 
war für ihn unmöglich; er war „differenter Religion“, nämlich ein Re— 
formierter. 

Was die Frequenz der Mejjen und ven Umfang ver Gejchäfte auf 
denſelben anbetrifft, jo fehlt e8 leider an genügendem Material, um fich 
davon ein auch nur annähernd treues Bild geftalten zu fünnen. Das 
im Dofumentenanhang unter IX abgedruckte Verzeichnis ver in der 
Herbitmefje 1569 vor den franffurter Rat befchievenen „Buchdrucker, 


478 Die Frequenz der Meſſe. Abſatzverhältniſſe. Achtes 


Buchhendler und Buchfurer“ kaun unmöglich alle zur Meſſe anweſend 
geweſenen umfaſſen; das zeigt ſchon eine einfache Vergleichung mit der 
Zahl ver Geſchäfte machenden Meßfremden, welche ſich aus den erhaltenen, 
faſt gleichzeitigen Gejchäftspofumenten, dem Rechnungsbuch ver Firma 
Sroben-Episcopins, den Mefregiftern Michael Harvers (des Agenten ver 
Witwe Gülfferih) und Sigismund Fehyerabenns ??) ergibt. Hier erjcheinen 
mehr Firmen und namentlich ift ver Oſten Denutjchlands in ven beiven 
fetten Quellen ftärfer vertreten. Daneben ift im Auge zu behalten, daß 
e8 jich bei diejen gejchäftlichen Reliquien nicht um vie Nechnungsbücher 
ganzer großer Gejchäfte, vielmehr nur um Separatfonten bejonderer 
Ajjociationen innerhalb jolcher, oder neben ihnen, handelt. Als aber 
jene Borladung in der Herbſtmeſſe 1569 erfolgte, mochten auch ſchon 
manche Fremde abgereift gewejen jein, manche der Citation auch feine 
Folge gegeben haben. Immerhin finden fich unter ven Erjchienenen 5 
aus Antwerpen, 4 aus Won, 3 aus Genf und 3 aus Venedig, unter 
(ettern allerdings auch Pietro VBalgrifi, ver ſchon jeit 1564 eine ſtehende 
Kommandite in Yeipzig errichtet und dort das Bürgerrecht erivorben 
hatte. 

Jene Rechnungsbücher und Mefregifter gejtatten aber aus dem ſchon 
angegebenen Grunde ebenjo wenig Schlüffe auf den Gejamtumjat ver 
in Frage fommenden Firmen zu ziehen; in dem Feherabendſchen Meß— 
vegijter handelt es fich auch überhaupt nur um 18 Werfe. Dagegen 
find die Reſultate nicht uninterefjant, welche Heinrich Pallmann durch 
eine jtatiftijche Bearbeitung des lettern gewonnen hat. Der Gejamtabjat 
in der Faſtenmeſſe 1565 hatte 2627 Gulden betragen; Davon entmahmen 
Süddeutſchland (ver Handverfauf an Private bleibt außer Beachtung) 
1684 Gulden, Norddeutſchland 742 Gulven, das Ausland (einjchlieflich 
der Schweiz) nur 135 Gulden. Mit dem größten Bedarf treten auf: 
Augsburg (mit 413), Frankfurt a. M. jelbjt (mit 352), Nürnberg (mit 
275), Köln (mit 192), Yeipzig (mit 205) und Wittenberg (mit 131). Die 
Berhältniszablen vwerjchieben fich aber nicht unmejentlich, wenn man — 
was nötig ift — beachtet, daf Simon Hütter mit 245 Gulden unter 
Frankfurt erjcheint. Diejes Bücherquantum übernahm er aber von ver 
Aſſociation (Sigism. Feyerabend, Georg Rabe und Weigand Hahn), um 
es anf jeinen für eigene und für Feyerabends Nechnung ausgeführten 
Handelsreiſen im deutſchen Dften, jpeziell in Yeipzig zu vertreiben. Im 


Kapitel.] Die Entjtehung des Mehfatalogs. 479 


Jahre 1568 wurden ihm auf der dortigen Neujahrsmeije jeine geſamten 
Vorräte wegen eines gegen Feyerabend jchwebenden Preß- und Nach- 
druckprozeſſes Chronicon Carionis) mit Bejchlag belegt. ?* 

Erſt von dem Zeitpunft ab, aus welchem obige Daten ftammen, füngt 
man an, fichern Boden unter den Füßen zu gewinnen. Zwei beveutjame 
Greigniffe find es, die faſt gleichzeitig eintreten, gleich beveutjam und 
von folgenjchwerem Einfluß auf den Gang der Entwidelung ver Ver— 
bältmiffe im deutjchen Buchhandel: die Errichtung der kaiſerlichen 
Bücherkommiſſion in Frankfurt a. M. und die Entjtehung des Meß— 
fatalogs. Beide Ereignifje bejiegeln gleichjam und beglaubigen zugleich 
den Sieg der Gentralifierung des buchhändleriſchen Verkehrs, die Er- 
bebung der Meſſe — zumächit der franffurter — zum Angelpuntt, um 
welchen fich dieſer Verkehr fortan ausjchlieplich dreht, von welchem die 
Cigenartigfeit feiner Organijation in ihrer Weiterentwidelung bedingt 
wird, Die Gejchichte der kaiſerlichen Bücherfommiffion wird ihre aus— 
führliche Schilverung in dem zehnten Kapitel finden; fie deckt fich fürm- 
lib mit ver Gejchichte des deutjchen Buchhandels des 17. Jahrhunderts. 
Die äußere Gejchichte des Meßkatalogs aber bilvet noch eine notwen— 
dige Ergänzung der Schilderung des Mefverfehrs überhaupt. 

Der franffurter Merfatalog ??, im Anfang nur umeigentlich jo zu 
nennen, verdankt jein Entftehen einem gejchäftlichen Bedürfnis des jchon 
mehrfach genannten augsburger Grofjortimenters Georg Willer, eines 
der beveutenpften, vielleicht des beveutenpften derjenigen Buchführer, welche 
für eigene Rechnung Lager von Büchern fremden Berlags bielten und 
auch außer ven Meſſen an Eleinere Gejchäftsleute, wie an Private liefer- 
ten, natürlich auch, um ihren eigenen feiten Kundenkreis verjorgen zu 
fünnen. Wilfer, ein regelmäßiger Bejucher ver franffurter Meſſe, unter 
bielt eine Filiale in Tübingen und einen Faktor in Wien 3% und batte 
jo Gelegenheit, die litterarijchen Bedürfniſſe Süddeutſchlands nach ver- 
ſchiedenen Richtungen hin kennen zu lernen und zu verjorgen. Wie aus- 
gebreitet jeine Kundichaft war, geht unter anderm daraus hervor, daß 
der laibacher Buchbinder Leonhard Stegmann in der Mitte des 16. Jahr: 
bunderts nach Augsburg ritt, um dort Einkäufe zu machen. >? Durch 
Reifediener, wie der Kölner Arnold Birckmann, ſcheint Willer jein Ge- 
ſchaft nicht betrieben zu haben; dagegen ſchlug er einen andern Weg ein: 
er druckte und verbreitete Kataloge derjenigen Bücher, welche von ibm 


480 Georg Willerd Privatunternehmen. Achtes 


auf der frankfurter Meſſe „ad exterorum Bibliopolarum, omniumque 
rei Literariae Studiosorum gratiam et usum co@mpti” waren, wie 
es auf dem Titel feines erſten Meßkatalogs?? heißt, und die er nun 
neben ältern Werfen jeines Yagers zum Verfauf darbot (venales ex- 
positi Augustae in officina libraria Georgij Vvilleri),, Wenn Nifo- 
(aus Baſſe in der Praefatio dedicatoria zu jeiner jogenannten „Col- 
lectio in unum corpus” — einer Zujammenfafjung der Willerjchen 
Mepkataloge von 1564 bis 1592 — erzählt, Willer jei auf der franf- 
furter Büchermefje mit großen Büchervorräten erjchienen, welche er durch 
feine Kataloge habe wollen verbreiten helfen, jo jeheint vem ver oben 
eitierte Hinweis auf das augsburger Yager zu widerjprechen. Die Zahl 
der außer den neuen Erſcheinungen ver Meſſe aufgeführten ältern Werte 
ift jehr Fein, umd die bald. jo genannten Meßkataloge follten eben ein 
Bertriebsmittel für diejenigen Bücher jein, welche Willer erft auf der 
Meſſe ſelbſt hatte anfchaffen fönnen. Die jpätern Kataloge, von der 
Faſtenmeſſe 1568 an, jprechen allerdings auch von ſolchen neu oder ver: 
ändert herausgegebenen Werfen, welche in den Zwijchenräumen zwijchen 
den Meffen erjchienen waren; diefe bildeten aber damals eine verſchwin— 
dende Minderheit, und gerade auf dem Katalog der Faſtenmeſſe 1568 iſt 
ausprüdlich gejagt: „Newe Bücher, jo zum theil inn Augſpurg, ſeidt 
der nechſt verjehinen Frandfurter Herbftmek, zum theil in der Faſtenmeß 
dieß Jars zuſammen gebracht worden vnd zu Augfpurg bey Georgen 
Willer zunerfauffen fein.“ Auch ver Umſtand, daß faft ohne Ausnahme 
der Drud ver Willerfchen Kataloge (wie jpäter auch der Portenbach- und 
Lutzſchen) bis dahin, wo der frankfurter Rat den Drud von Privat: 
mehfatalogen verbot, in Frankfurt ausgeführt wurde, widerjpricht dem 
nicht. Ein jo bedeutender Kunde, wie Willer, wurde jevenfall® vor allen 
gefördert, und da die Buchführer ſchon in den erften Tagen der erjten 
Meßwoche ihre Einkäufe machten, „ausjesten und einfauften‘‘®?, jo fonn- 
ten Manujfript und Drud des Katalogs in Frankfurt ſelbſt jo jchneli 
hergeftellt werden, daß die Verbreitung noch während ver übrigen Zeit 
der Meſſe ftattfinden konnte, während dagegen die VBerpadung der Bücher 
und ver Transport derjelben nach Augsburg und die nachher erjt erfol: 
gende Verfertigung des Katalogs viel mehr Zeit erfordert und damit 
der beabfichtigten Wirkjamfeit vesjelben beveutend gejchadet hätten. Dieje 
Haft bei Herjtellung der Meßkataloge zeigt ſich beſonders in mehrern 


Kapitel.) Überhaftung des Drucks. Entwidelung des Unternehmens, 481 


auffallenden Drudjehlern. Herbſtmeſſe 1567 fteht in einer großgedruck— 
ten Überjchrift: Trologen; auf dem Titel von Herbitmeffe 1572 lieſt 
man jtatt nundinarum: nuntinarum; der Tert desſelben Katalogs 
beginnt, großgedrudt, mit Partes (für Patres) orthodoxi; Herbſtmeſſe 
1569 lautet der Titel: Catalogus librorum a nundinis quadragesi- 
malibus Francofurti anno MDLXIX celebratis ad nundinas autum- 
nales eiusdem anni, tum recens editorum, tum accessione qua- 
dam auctorum Index. (Auf dem in der Bibliothek des Börfenvereins 
ver deutſchen Buchhändler vorhandenen Eremplar it das Wort Cata- 
logus — eins von beiden, Catalogus over Index, war überflüjfig — 
durditrichen, wohl jeitens der Verlagshandlung, die ven Fehler erjt nach 
dem Drud bemerkt haben mag.) Wie ftörend dagegen die, wenn auch 
nur unbedeutende, Entfernung vom Drudort jein konnte, zeigt eine An— 
merkung zu dem ausnahmsweiſe in Lauingen gedrudten Herbitmeßfatalog 
von 1565. Derjelbe enthält einen kleinen Nachtrag mit der Bemerkung: 
Hi libri sub titulo artium &c. collocandi erant. sed quia in im- 
primendo Typographus aliquantulum acceleraret, nobisque copia 
eorum eo tempore non esset, hie subijcere voluimus.” Die Bücher 
waren zu ſpät in Willers Beſitz gelangt, um unter der betreffenden 
Kubrit eingejchaltet werden zu fünnen, und fonnten nun nur noch nach— 
täglich als Anhang aufgeführt werden. Nach dem Verbote des Katalog— 
druds in Frankfurt mußte der danı nicht mehr zu vermeidende Übel- 
ſtand freifih in den Kauf genommen werden. 

Bis zur Faftenmejje 1570 jprechen die Mepfataloge von den erjchie: 
nenen Büchern überhaupt; dann aber tritt zuerjt die Bemerkung auf: 
„Neuwe Bücher .... So vil deren in Georgen Willers Yiberey eyn— 
taufft vd zu handen gebracht.” ine ähnliche Beichränfung findet jich 
auf dem Katalog von der Herbjtmeffe 1573: „Catalogus .. librorum, 
... quorum maxima pars Augustae ... venalis habetur. Ver- 
jeihnus der neuwen Bücher, welche ſeidher der nechjtuerjchienen Faſten— 
meh, jo viel mir bewuſt, in offentlichen Trud aufgangen, vnd zu 
Srandfurt dieſe Herbitmeß mehrer theils feil gehabt worden find“; 
oder Faſtenmeſſe 1574: „Catalogus .. librorum .., quorum plerique 
Augustae ... venales habentur. Verzeichnuß vaſt aller newer Bücher, 
welche jeivher der nechituerjchtenen Srandfurter Herbitmeß in offentlichen 
Trud außgangen“. Dieje und ähnliche mehrfach wiederkehrende Zuſätze 

Rapp. 1. 31 


482 Nachahmungen des Willerjipen Unternehmens. Achtes 


zeigen, wie ſchnell ſich die Willerſchen Meßkataloge aus einfachen Ver— 
triebsmitteln zu wirklichen, auf den ſelbſtändigen Verkauf berechneten Ver— 
lagsartikeln entwickelt hatten, zu dem, was der Meßkatalog ſpäter ſein 
ſollte: ein allgemeines Neuigkeitenverzeichnis. Dieſer Beſtimmung ent— 
ſprach auch die Einrichtuug der Kataloge. Im Anfange ſind die Titel 
ohne Angabe von Verlagsorten und Verlegern aufgeführt, ſpäter findet 
ſich die Angabe des Verlagsorts in der Regel, die des Verlegers nur 
vereinzelt; es war immer noch das Intereſſe des Sortimenters, welches 
vorwog. Daß nirgends Preiſe angegeben ſind, verſteht ſich nach dem 
früher Angeführten von ſelbſt. 

Das neue Vertriebsmittel muß ſofort Anklang gefunden haben; denn 
Willer ſetzte dasſelbe von ſeinem erſten Beginn, Herbſtmeſſe 1564, an 
faſt ohne Unterbrechung (nur von den Faſtenmeſſen 1566 und 1567 ſind 
keine Kataloge bekannt) mit jeder der folgenden frankfurter Büchermeſſen 
fort. Nach ſeinem Tode wurde das Unternehmen durch ſeine Söhne 
und Erben fortgeführt und ſind Willerſche Meßkataloge bis zum Jahre 
1627 nachweisbar. 

Ebenſo fand das Unternehmen bald genug Nachahmung. Die erſte 
Konkurrenz erſtand Willer in den von 1577 bis 1616 durch die augs— 
burger Firma Johann Portenbachs Erben und Tobias Lutz, dann Hans 
Georg Portenbach und Tobias Lutz, ferner nacheinander Hans Georg 
Portenbach, Tobias Lutz und Hans Georg Lutz allein herausgegebenen 
Meßkatalogen, die ihrem Charakter nach ven gleichzeitigen Willerjchen 
durchaus entjprechen. Inwieweit dies der Fall war mit dem von Chrijtian 
Egenolphs Erben in Frankfurt für die Faſtenmeſſe 1594 herausgegebenen 
Katalog, der feinen Nachfolger fand, muß dahingeftellt bleiben. Dagegen 
gilt dies unbedingt von dem Unternehmen von Paul Brachfeld in Frank— 
furt, der von 1595 bis 1598 Konkurrenzkataloge herausgab. In einer 
Anfprache „An den Leer” jagt er, er habe, weil bisher nach gehaltenen 
oder zwijchen den Meſſen viel hohe und anderes Standes Berjonen ihre 
Yente vergeblich nach Frankfurt a. M. abgefertigt, weil daſelbſt von nic- 
mand von allerlei Materien offene Buchladen gehalten würden, für 
gut angejehen, damit die Studien. defto mehr gefördert und folche ver— 
gebliche Koften und Reifen verhütet würden, einen wohlbeftellten Buch- 
laden daſelbſt aufzurichten, in dem man «allerlei Materien und Bücher 
jo viel möglich um die Gebühr auch außerhalb der Meſſen finden fünne. 


Kapitel.) Peter Schmidts Verſuch eines vollftändigen Meflatalogs. 483 


Da übrigens die Brachfelvjchen Kataloge mit den Portenbach -Yußjchen 
im Texte genau übereinftimmen, beive auch bei einem und demjelben 
Drucder bergeftellt find ’*, jo darf man vielleicht an ein gemeinfchaftliches 
Unternehmen venfen und das um fo mehr, als auch diejes Unternehmen 
nicht nur hiernach noch den Charakter eines rein privaten gejchäftlichen 
Vertriebsmitteld trägt, jondern Brachfeld jelber noch dieſen Zweck direkt 
auf dem Titel andeutet, indem er ausdrücklich von den verzeichneten 
Büchern jagt, „qui plerique apud Paulum Brachfeld Bibliopolam 
Francofurtensem, Lipsiae et Francofurti ad Viadrum vena- 
les habentur“. Der Statalog war alfe in aller Form mit zum Ver— 
teilen auf feinen Handelsreiſen bejtimmt. 

Den erjten Anlauf aber, wirflih einen Katalog aller erjchienenen 
Neuigkeiten herauszugeben, nahm zur Faſtenmeſſe 1590 Peter Schmidt 
(Sabricius) in Frankfurt a. M. Gr motiviert jein Unternehmen damit, 
daß „offtermal mancherley vnnd fürneme Bücher bißhero in Catalogis 
jeind aufßgelaffen worden, mehr auf wolbedachten muth, dan hinderläſſig— 
feit derjenigen, jo die Catalogos verlegt haben (dann dieweil diejelbigen, 
an end vnd orten, wohnen, da nicht alferley Bücher offentlich dörffen 
verfaufft werden, haben fie nicht vnbillich jren Nutzen vnn Reputation 
zu vorderjt und erjten bedacht, wiewol die Buchteuder und Buchhändler 
darvon großen ſchaden litten)“. Schmidt fann bier nur Augsburg im 
Auge haben, und er verjpricht nun die Herausgabe folder Kataloge, 
welche die Titel aller erjchienenen Bücher, „es jeyen groß oder flein, 
fürnem oder gering‘, enthalten ſollen. In ähnlicher Weije fpricht fich 
auch Baffe in ver erwähnten „Epistola dedicatoria” aus. Sehr viele 
nicht unbedeutende Bücher, jagt er, fehlten in den Katalogen — zunächit 
in den Wilferfchen, denn nach ihnen und für Willer ift die „Collectio in 
unum corpus“ bearbeitet —, weil fie entweder gar micht nach Frank— 
furt gefommen oder durch Nachläffigfeit ver Sammler nicht in die Kata— 
(oge aufgenommen worden feien — ein Übeljtand übrigens, der dem Meß— 
fatalog befanntlich bis zu Ende feines Erjcheinens vorgeworfen worden 
it. Aber dennoch iſt e8 bei dem einen Schmidtjchen Meßkatalog ges 
blieben; jedenfalls fehlte Schmidts, wie auch wohl dem Egenolphſchen 
Unternehmen, welches lettere vielleicht an das feinige anzufmüpfen ſuchte, 
die Gunst der Buchhändler, die an die bisherigen Kataloge gewöhnt 
waren. Auch Schmidts Katalog dürfte übrigens an dem bei andern ge— 

81* 


484 Der offizielle Meßkatalog ſeit 1598, Achtes 


rügten Fehler gelitten haben: in einer Schlußſchrift beklagt er ſich dar— 
über, daß ihm die Titel nicht rechtzeitig genug zugekommen ſeien. 

Die Meßkataloge waren inzwiſchen nach und nach zu einem Hilfs— 
mittel des litterariſchen Verkehrs von ſolcher Bedeutung herangewachſen, 
daß die wieder erſtarkte und immer kühner auftretende katholiſche Partei 
ſich ihrer zu bemächtigen, ſie unter ihre Aufſicht zu bringen ſuchte. In 
den Jahren 1596 und 1597 waren Irrungen entſtanden (welcher Art 
iſt nicht klar), die den frankfurter Rat vorſorglich bewogen, den Druck 
von Privat-Meßkatalogen in Frankfurt hinfort nicht mehr zu geſtatten, 
vielmehr ſelbſt einen einzigen, angeblich vollkommenen Katalog drucken 
und publizieren zu laſſen, der von Obrigkeits wegen gefertigt werden ſollte. 
Die Buchführer ſollten zu dem Ende angehalten werden, ihre Bücher— 
titel in die Ratskanzlei zu liefern?* (anfänglich die Titelblätter ſelbſt, 
ſpäter wurden nur Titelabſchriften, in duplo, verlangt), Motiviert 
wurde diejer Beſchluß durch die Rückſichten auf die Genjur; es waltete 
dabei, wie jih das des Nähern aus dem zehnten Kapitel ergeben wird, 
die Abficht ob, dem Andrängen der immer jelbjtherrlicher jich geberdenden 
faiferlihen Bücherkommiſſion die Spite abzubrechen. Nachdem nun im 
Herbit 1597 dieſer Ratsbeichluß in der Buchgaffe (ven Buchhändlern) 
publiziert worden war, erjchien der jogenannte Ratsmeßkatalog, zuſam— 
mengeftellt durch den Syndikus Dr. Kajpar Schacher, wahrjcheinlich von 
Herbitmefje 1598 an, und zwar, während bis dahin der Titel vielfach 
gewechjelt hatte, unter der von nun am feſtſtehenden Benennung „Cata- 
logus universalis“. 

Die beiden erjten dieſer Meßfataloge erjcbienen bei Johann Feyer— 
abend in Frankfurt a. M., ver dafür dem Bearbeiter zu Ausgang der 
Meſſen durch Geld oder Bücher entjchädigte. „Vnd ift damit“, jagt 
Schacher, „einem E. Rath, ein Werk erhalten worden, daß derjelbige in 
das obrigfeitliche Amt der Infpection vm jo viel tiefer impatronirt 
vnd die Jeſuiten durch dies Mittel abgehalten worden, daß fie auch 
bis auf diefe Stunde nichts weiter tentiren oder wnterjtchen können.“ 
Nach Feyerabends Tode übertrug Schacher den Verlag an ven Buch— 
pruder Johann Sauer, der ihm dafür ein Honorar von mejjentlich 
60 Gulden gewährte — der Verlag des Meßkatalogs muß demnach recht 
einträglich gewejen jein — und der num die Mehkataloge von der Herbit- 
meſſe 1599 bis zur Faſſenmeſſe 1608 druckte. Infolge von Differenzen 


Kapitel.) Intrigen von fatholifcher Seite gegen den Katalog. 485 


Sauer mit Schacher ging dann der Verlag an Sigismund Latomus 
(Meurer) über, der ihn von ver Herbitmejje 1608 bis dahin 1617 behielt. 

Einer der Sauerjchen Kataloge, der von der Herbitmeffe 1602, erhält 
dadurch ein bejonderes Intereffe, daR er angebrudt (nicht, wie jpäter 
mehrfach vorkommt, angehängt) wohl zum erjten mal eine Buchhändler: 
anzeige enthält. Dem Schluß des Katalogtertes folgt nämlich unmittel- 
bar noch ein Abjchnitt: „Catalogus ver Newen Bücher, jo in dem Ingol- 
ftäter Laden dieje Herbitmeh 1602. gefunden werben.” Es ift dies lauter 
Verlag von Elias Willer in München, Ingolſtadt und Freiburg. Diefer, 
ein Sohn Georg Willers, hatte in Gemeinschaft mit feinem Bruder Georg 
das väterliche Gejchäft in Augsburg fortgeführt, wie es ſcheint bis Oftern 
1598. Am 8. April diefes Jahres hatte er die Buchhandlung ven Jo— 
hann Wolf Wiederhold in Frankfurt a. M. gekauft 3%, wo er bis zum 
Jahre 1602 geblieben zu jein feheint. 

Es iſt Schon aus dem Vorftehenden zu erjehen, daß die Hofpartei 
im Wien, oder die Jeſuiten, fich des Meßkatalogs zu bemächtigen, den— 
jelben ihren Zweden vienftbar zu machen ftrebten. Der Plan jcheint von 
langer Hand ber vorbereitet worden zu fein. Bereits feit dem Jahre 
1606 erichienen in Mainz fatholifche Meßkataloge, ob als Privatunter- 
nehmen, ob von jeiten der erzbijchöflichen Kurie veranlaßt oder beein- 
flußt, Steht dahin. Die mainzer Erzbifchöfe beanfpruchten als Erzfanzler 
des Neichs ein Auffichtsrecht über den Buchhandel, jpeziell über ven 
auf der frankfurter Meffe, und von letsten Jahrzehnt des 15. Yahr- 
hunderts ab bis zum Jahre 1524 laſſen ſich die Verſuche verfolgen, 
biejes angebliche Auffichtsrecht zur faktiſchen Geltung zu bringen. Es iſt 
daher wohl fein blofer Zufall, vielmehr ein Glied in der Kette der ge- 
planten Mafregeln, wenn gleichzeitig mit dem Hauptanfturm vom Jahre 
1608 gegen die Hoheitsrechte des franffurter Nats in Biücherfachen ver 
Verſuch gemacht wurde, die katholiſchen Meßkataloge nach Frankfurt zu 
verpflanzen und ihnen, und zwar ihnen ausschließlich, einen offiziellen 
Charafter aufzuprüden. Ein Geſuch des fathofifchen Buchdruckers Niko— 
(aus Stainius in Frankfurt im wiener Archiv — es iſt leider undatiert, 
muß aber notwendigerweife vor Erlaf der Konftitution Kaifer Rudolfs II. 
„von Vifitation der Drudereyen ꝛc.“ d. d. 15. März 1608 eingegangen 
jein — bittet nämlich um Bewilligung eines Privilegiums für den Drud 
des franffurter Meßkatalogs. Die katholifchen Bücher, heißt e8 in dieſem 


486 Der katholiſche Meßkatalog. Achtes 


Geſuch, würden teils ausgelaſſen, teils unvollſtändig aufgenommen. Der 
frankfurter Rat habe den Advokaten Dr. Schacher mit Anfertigung des 
Kataloge beauftragt, was fowohl den fatholifhen Buchhändlern, als der 
katholischen Religion jelbjt zum Präjudiz gereiche, Er bitte aljo um ein 
Privilegium, den Katalog aller zu jeder Meſſe einkommenden Bücher zu 
bruden; Dagegen jei er erbötig, nicht nur den Katalog unter Rat und 
Borwifien des Bücherfommiffars Dr. Val. Yeucht (Rei librariae Re- 
visor et Commissarius), oder wen font der Kaiſer dazu anftellen würde, 
zu drucken, jondern auch 50 Freieremplare an den kaiſerlichen Hof ein: 
zuliefern. 

Die Spuren diejer Beftrebungen zeigen fich denn auch im ver eben 
angeführten Konftitution, im welcher jene Beſchuldigung des teilweiſen 
Weglaffens der fatholifchen Yitteratur in dem nunmehr amtlichen Mer: 
fatalog wiederholt werden, noch deutlicher aber in ven „Punkta, welcde 
an den Nat zu Frankfurt zu jehr den“, welche jedenfalls als Direktive 
für die Beantwortung der Vorjtellungen des letztern gegen die angeort- 
neten Mafregelungen dienen follten. Der frankfurter Rat ſoll danach 
bedeutet werden: „auch die Ausfertigung des catalogi librorum nicht 
allein vor und ahn fich zu ziehen und dardurch fich zu mechtigen Ihres 
gefallens Bucher in denfelbigen zu feßen und andere auszulaſſen, jen- 
dern die verordnete Commissarios in deme mit zuzulaſſen“. 

Der ganze Plan fcheiterte aber zumächit, wie die ausführliche Dar- 
jtellung im zehnten Kapitel zeigen wird, an dem energijchen Auftreten 
von Kurpfalz im Intereſſe des freien litterarifchen Verkehrs, welchem 
Auftreten ſich Kurſachſen etwas zagbafter anfchlof. Der katholiche Mer 
katalog mußte zunächſt jein Domizil in Mainz behalten und erjcien 
bier unter Leuchts Aufficht und Redaktion. Er follte nun wenigitens 
einen Sewiffensberater der fatholifchen Buchhändler, einen Index ex- 
purgatorius des amtlichen franffurter Meßkatalogs bilden. In ver 
aus Frankfurt datierten Vorrede zu dem Katalog der Herbſtmeſſe 1611 ° 
jagt Leucht, er ſei vom Papft und Kaiſer wiederholt beauftragt, den 
Buchhandel jorgfältig zu überwachen und vor allem halbjährlich einen 
Index expurgatorius ver nenerjchienenen Bücher berzujtellen und zu 
veröffentlichen; jo habe er denn an die meiften Buchdrucker und Bud 
händler ein Cirkular verſchickt, um die Titel ihrer neuen Publikationen 
zu erhalten, und aus den ihm zugejandten jet der vorliegende Inder zu- 


Kapitel.) Privilegierung des Meßkatalogs. Der Notar Kröner. 487 


jammengeftellt; ev ermahne nun alle Buchhänvler, bevor fie Bücher von 
andern fauften, diefen Index zumächit zu Rate zu ziehen, um nicht aus 
Unkenntnis zu ihrem Schaden jchädliche Bücher zu verbreiten. 

Erjt jpäter, während der Fettmilchjchen Unruhen, gelang es dem Kur: 
fürften Johann Schweidard von Mainz, dieſen mainzer Fatholifchen Meß— 
fatalog nach Frankfurt zu verpflanzen. Gin in der Bibliothek des Börfen- 
vereing vorhandenes Exemplar ?° datiert von 1615. Später jcheinen die 
katholiſchen Meßkataloge nach München übergefievelt zu jein, wo beſtimmt 
von 1625 an ein „Catalogus universalis catholicus” erjchienen ift. 3° 

In der Herbftmeffe 1616 und in der Faftenmefje 1617 gab aufer- 
dem auch der Notar Heinrich Kröner einen Mefkatalog in Frankfurt 
heraus. Kröner, der wohl nebenbei mit Büchern handelte, hatte jchon 
in der Herbſtmeſſe 1611 ein Bücherverzeichnis herausgegeben. *% Jetzt 
hatte er fih „per sub- et obreptionem”, wie e8 in einem franffurter 
Ratsprotokoll heift *!, ein faiferliches Privilegium verichafft; fein Unter: 
nehmen wurde jedoch, als dem Rate präjudizierlich, unterdrüdt. Jeden— 
falls ift auch dieſes ſchnell jcheiternde Unternehmen als ein Glied in der 
Kette ver Verſuche zu betrachten, welche dem Rate jeden Einfluß auf 
die Herausgabe des Meßkatalogs aus der Hand zu winden bezwedten. 

Mit dem Jahre 1618 beginnt dann die Reihe derjenigen franf- 
furter Meßkataloge, die bis zum Jahre 1749 bei Sigismund Yatomus 
und deſſen Nachfolgern mit faijerlichem Privilegium erjchienen. Wie 
ſchon früher in einzelnen Fällen, wiederholt fih nun häufiger die Er- 
ibeinung, vaß Meßkataloge „mit Firma’ der ausgebenven, im Befit 
einer großen Partie befindlichen Handlung erjchienen, wie das ja bis 
zum heutigen Tag bei manchen Publifationen häufig vorkommt. Einer 
der erjten Latomusſchen Mepkataloge, der von der Faſtenmeſſe 1625, 
bietet die bejondere Erſcheinung, daß neben der im fich wollftändigen, aus 
Bogen A—E bejtehenden und mit „Finis“ jchliefenden Ausgabe noch 
eine andere eriftiert, welcher ein Bogen F angefügt ift mit der Über— 
ihrift: „Catalogi librorum appendix. Hoc est. Consignatio illo- 
rum librorum, qui cüm ex nundinis Francofurtensibus vernalibus 
1625. peregreque aliunde comparati sint, quamvis Catalogo cer- 
tas quasi ob caussas non inserti, venales nihilominus reperiuntur. 
Anhang des Frandfortiichen Catalogi: Darinnen diejenigen Bücher, welche 
in verfchienener Faſtenmeß 1625. zu Frandfort vnd fonften von andern 


488 Vorübergehende Beeinfluſſung. Einrichtung des Katalogs. Achtes 


Orthen gern zu wegen gebracht, aber (vielleicht auß vrjachen,) dem Cata- 
logo nicht fein einverleibt worden.” Gin Grund hierfür ift aus dem 
Inhalt des Anhangs felbft nicht zu erjehen *?, wielleicht aber war es in 
jener Zeit, in welcher die faiferlichen und Tigiftischen Heere fiegreih am 
Rhein ftanden, dem damaligen Bücherfommiffar Ludwig von Hagen — 
fein herriſches Auftreten ift im zehnten Kapitel nachzulefen — dennoch 
gelungen, den Meßkatalog vorübergehend in feine Gewalt zu befommen, 
und jener Anhang könnte dann als ein von protejtantiichen oder nord— 
deutschen Buchhändlern veranlaftes Supplement aufgefaßt werben. 

Ebenſo wenig zu erklären ift zumächit das, allerdings aus wejentlich 
jpäterer Zeit ftammende Faktum, daß Dagens Adjunkt Hörnigk bei ver 
Piquidation feiner Auslagen vom 8. September 1651 der Hofburg eine 
Rechnung des Buchdruders Siegfried vom 10. Februar desjelben Jahres 
einreichte, worin die Pofition vorfommt: „Vom Catalogus libr. ift die 
Auflage wie allezeit gewejen 1200 Eremplare, übrig geblieben 400. Reit 
800, die zu 1 fl. für 12 Erempfare verkauft worben fl. 66. 32. Wie 
fommt Hörnigk zur Abrechnung über den Meßkatalog? 

Im Anfang behalten dieje Kataloge auf dem Titel den bis dahin 
gebräuchlichen Ausdruck bei: Bücher .. welche .. in der Buchgaffen ver: 
faufft worden; erjt fpäter heißt es regelmäßig: verkaufft werden. 
Sonft ift über diefelben nichts Bejonderes zu bemerfen; wie die franffurter 
Buchhändlermeſſe ſelbſt, ſanken auch fie unabläffig an Bedeutung und jelbit 
in der äußern Ausjtattung, bis fie endlich, faſt unbeachtet, einjchliefen. 
Frankfurter Meßkataloge des 18. Jahrhunderts find jett fat unfindbar. 

Die Einrichtung aller diefer Kataloge tft der von Anfang an dur 
Willer angenommenen, abgejehen von Fleinen Abweichungen, nachgebilvet. 
Die Anordnung nach wiffenjchaftlichen oder vielmehr bibliograpbiichen 
Rubriken wechjelt jo oft, wie die Faſſung des Titels. Hierauf mäher 
einzugehen, würde hier zu weit führen. Nur die Folge der Kon— 
fejfionen bei der theologiſchen Yitteratur bietet bei der alles beberrichen: 
den Stellung der religiöfen Parteien zueinander interefjante Momente. 
Willer Tier fich dabei entſchieden won vein gejchäftlichen Geſichtspunkten 
leiten; jo lange er feine Kataloge in Frankfurt drucken lafjen und bier 
noch auf der Meſſe jelbit einen wejentlichen Abjat damit erzielen konnte, 
jolange jtellte er auch die protejtantijch-theologijche Pitteratur voran, nur 
jelten die futherifche und reformierte trennend. Mit der Verlegung des 


Kapitel.) Anordnung der Kataloge. Der leipziger Meßkatalog. 489 


Drucks nach Augsburg aber, von wo ab ſein Hauptabſatz wahrfcheinlich 
für katholiſche Yitteratur ein überwiegenderer wurde, nimmt dieſe auch 
ven Bortritt, zeigt fich die proteftantifche immer fchwächer und jchwächer 
vertreten, obſchon der Titel des Katalogs unverändert bleibt. Im den 
Ratsmeßkatalogen erjcheint ſelbſtverſtändlich die futherifche Theologie voran; 
erit umter dem wachjenden Druck ver kaiferlichen Bücherkommiſſion fieht 
fihb der Rat, wie im zehnten Kapitel näher ausgeführt werben wird, ge: 
nötigt, die katholische voranzuſtellen. Aber fonfenuent fteht die reformierte 
theologische Yitteratur erft in dritter Yinie. Die Anordnung der Titel 
innerhalb der einzelnen Abteilungen ift Dagegen nirgends ſyſtematiſch oder 
alpbabetiih. Was die Willerjchen Kataloge betrifft, jo ſcheint es, als 
ob vdiejelben nach Ordnung des Yagers nach den Bichertiteln aufgenom: 
men twären; bei ven Ratsmeßkatalogen und ihren offiziellen Nachfolgern 
läßt ver Umstand, daß faft immer der Verlag eines und desjelben Ver— 
legers in derſelben Rubrif hintereinander aufgeführt ift, darauf ſchließen, 
daß die betreffenden Bearbeiter einfach die eingelieferten Titelblätter oder 
die auf Zettel gejchriebenen Titel jedes Verlegers zuſammen auf die die 
betreffenden Rubrifen enthaltenden Pädchen gelegt une jo das Manu: 
jfript für den Drud gebildet haben. 

Es erübrigt noch, die Entitehungsgeichichte des Teipziger Meßkata— 
logs zu beiprechen #3, da diejelbe nicht füglich von der des franffurter 
getrennt werden fan. Der im zweiten Stapitel erwähnte Henning Große 
hatte zur Oſtermeſſe 1595 (eigentlich für vie Michaelismeffe 1594) aus 
den verichiedenen Frankfurter Katalogen einen einzigen zufammengeftellt, 
jeiner in einem Aetenjtück gegebenen Erklärung zufolge, um feine Kun— 
den billiger befriedigen zu können, Möglicherweife hatte ihm ſogar vie 
gewiß ſchon länger befannte oder beiprochene Abficht des Frankfurter Rats, 
die Herausgabe des Meßkatalogs an fich zu ziehen, ven Anlaß zu feinem 
Unternehmen gegeben; er mochte der Meinung fein, mit der Begründung 
einer Konkurrenz in Yeipzig nicht nur jeine eigenen Intereffen, jondern 
auch die des Leipziger Platzes zu fördern. Nachdem er jein Unternehmen 
mehrere Jahre fortgejett hatte, trat Abraham Yamberg als Konkurrent 
auf, indem er in der Michnefismeffe 1598 ebenfalls einen Meßkatalog 
druckte, zunächit ohne Privilegium, während dagegen, wie ſchon erwähnt, 
Große im Beſitze eines Generalprivilegiums fich befand. Im nächſten 
Jahre wußte fi Yamberg aber ein eigenes. furfächfiiches Privilegium 


40 Der Leipziger Meßkatalog. Achtes 


(vom 24. März) zu verſchaffen und verklagte num im April Henning 
Großes Schu, Friedrib Große, unter deſſen Firma des erjtern Diter: 
meßkatalog von 1599 erjchienen war, durch VBermittelung ver Univerfität 
— der fir fich allein eigentlich nur die Aufficht über die Cenſur zu: 
jtand — wegen Nachdruck des feinigen bei dem Nominiftrater von Kur: 
jachjen. Henning Große wurde auch, trots feines moralijchen Vorzugs— 
rechts, verurteilt, fich des Druds und Vertriebs des Meffatalogs zu ent: 
halten und die Strafe von 30 rheinifchen Gulden Gold wegen Verletung 
von Yambergs Privilegium zu bezahlen. Um jein Unternehmen aufrecht 
erhalten zu können und das Verbot des Weiterdruds zu umgehen, ver: 
anftaltete er nun in aller Eile und zwar angeblich als Fortſetzung 
der obenerwähnten in Frankfurt erjchienenen „Collectio in unum corpus“ 
einen „Elenchus“ aller jeit 1593 bis 1600 (richtiger 1594 bis 1599) 
erjchienenen Bücher, für welchen ev nun feinerjeits ein kurſächſiſches 
Spezialprivilegium erhielt, und gab nun feinen Meßkatalog unter den 
Titeln von „Continuationes Elenchi” heraus, deren ſechs erfchienen find. 
Die erjte „Continuatio“, ver Sicherheit wegen in Eisleben gedruckt, iſt 
von der Neujahrsmeſſe 1600 datiert, aber in Wirklichkeit nichts als ein 
Michaelismeßkatalog von 1599 und zugleich der einzige Neujahrsmeßkatalog, 
der, abgejehen von den Jahren 1703 bis 1709, überhaupt erjchienen iſt. 

Yamberg juchte nun zwar Große auf Grund feines Privilegiums 
wenigjtens an dem Cinzelverfauf dieſer fogenannten „Continuationes“ 
zu verhindern, erreichte jein Ziel aber nicht. Die füchfiiche Regierung 
wußte fich nicht anders aus der fich ſelbſt gejchaffenen Sadgafje heraus: 
zubelfen, ald daR fie entſchied: jeder Teil ſei bei feinem Privilegium zu 
ihügen. Die Parteien waren verſtändig genug, fich zu einigen. Große 
gab den felbftändigen Drud feiner „„Continuationes” auf, während Lam— 
berg eine Verlängerung feines Privilegiums auf weitere 15 Jahre, bie 
Michaelis 1619, erlangte und nun den Meffatalog ſowohl für ſich als 
für Große derart drudte, daß jede Partei ihre Eremplare mit der eigenen 
Firma erhielt und vertrieb. Nach dem Erlöfchen von Lambergs Privi- 
legium blieben Große und feine Nachfolger im unbejtrittenen und un— 
gejtörten Beſitz des Meßkatalogs. Diefe Andeutungen müſſen bier ge 
nügen; das Weitere würde in die Gejchichte des leipziger, reſp. nord— 
deutjchen Buchhandels gehören. 

Keins der Kulturvölker Europas fann eine jo ununterbrochene ſyſte— 


Kapitel.) Die Wirkungen des Dreißigjährigen Kriegs. 491 


matische bibliographiiche Aufzeichnung feiner litterariſchen Produftion auf: 
weijen, in feinem derſelben reichen die Originalquellen jo weit zurüd, 
als in Deutſchland — ja, in dem anfänglich internationalen Charafter 
der frankfurter Büchermejjen und in der Aufnahme auch dev fremdlän— 
diſchen Yitteratur in die Meffataloge bat jelbit letztere, ſpeziell die fran- 
zöfiiche, die Anfänge ihrer bibliographiichen Annalen zu ſuchen. Kann 
man die Meffataloge auch aus verjchievenen Gründen nicht als un: 
bedingt zuverläffige Quelle für den vollen Umfang der litterarijchen Pro- 
duftion anerfennen, jo entrollt ſich doch in einer jtattjtijchen und graphi- 
ſchen Bearbeitung des in ihnen nievergelegten Materials ein annähernd 
entiprechendes Bild der Bewegungen des litterarichen Verkehrs und dieſer 
PFroduftion im allgemeinen und des Ganges und Charakters der wiſſen— 
ibaftlichen Studien im bejondern, ein Bild, wie ſich ein jolches kaum 
durch Das gejchriebene Wort geben ließe. Dieſes finnliche Bild vorzu— 
führen bezweden die biefem Bande beigegebenen graphiſchen Tafeln ver 
Bücerproduftion in dem Zeitraum won 1564 bis 1765; fie werden am 
Schluſſe von berufenjter Hand ihre Erläuterung finden. 

Mit kräftigen und deutlichen Zügen, mit erjchredender Stlarheit prä— 
gen jih im ihnen und in ihren Zahlen die verhängnisvollen Einflüffe 
Bid, wie auch auf dem Gebiete der litterarijchen Produktion die Ent: 
widelung in Deutjchland zurüdgeworfen, um ein volles Jahrhundert auf: 
gehalten wurve. Der bei dem Beginn des großen Kriegs blühend und 
kräftig daſtehende deutſche Buchhandel wurde halb zu Grunde gerichtet. 
Mögen die beteiligten Kreiſe zumächit ſelber jprechen. 

In einem Bittgefuch vom 31. März 1648 um ein kaiſerliches Privi- 
legium jagt Johann David Zunner in Frankfurt a. M.: „Bei diejem 
jerrütteten Zuſtand des heil. R. Reichs ift bald fein Handelsverfehr 
rüdftelliger worden als eben die Truderey und das Bücherverlegen.“ 
Ganz ähnlich drücken fich die Leipziger Buchhändler in einer Eingabe 
vom 9. November 1671 an den Kurfürften von Sacjen aus; fie be 
baupten, daß dem Buchhandel der völlige Untergang drohe, „daß gegen 
die vorigen Zeiten, da bier in Yeipzigk allein ftatlihe Handlungen undt 
Wohlhabende Yeuthe unter Unß geweſen, Wir anitzo (aber) jo ruiniret, 
daß nicht allein in Unſern Mittel viel arme Leute ſeyn, ſondern auch 
ingefampt jährlich kaum jo viel erwerben fünnen, daß Wir Unß kümmer— 


492 Klagen der Buchhändler über Geichäftsverfall, Achtes 


lich davon erhalten mögen“, — und in einer andern aus dem September 
1683 nennt der Buchhändler Johann Chriſtoph Tarnovius die damaligen 
Zeiten noch immer ſolche, „da von allen andern Handlungen leider! dieſe 
(nämfich der Buchhandel) erepiren muß, einem ehrlichen Buchhändler 
anuszufommen unmöglich. * Bierzig Iahre nach Beendigung des ver: 
heerenden Kampfes — allerdings wieder während der unglüdlichen Reiche: 
friege mit Frankreich — ein ſolcher Ausſpruch, aber verſtändlich und 
wahr! Denn nur aus idealen Beltrebungen und aus einem, damals 
durch den Krieg begrabenen, frifchen geiftigen Yeben kann ver Buch— 
handel jeine Kraft fchöpfen. 

Deutfchland aber hatte nur das nadte Yeben aus dem Schiffbruch ae- 
rettet, und entmutigt, gebrochen und verarmt war es in ben Trieben einge: 
treten. Es war ja zumächit die Stillung des Hungers, der Wiederaufbau 
der zerjtörten Häuſer, die Nenbeftellung der verwüfteten Felder, welche das 
Dichten und Trachten der Menjchen auf Jahrzehnte hinaus ausichlieklich 
in Anjpruch nahmen. Wer aber feine Fenſter mit einem Stück Papier 
oder einem alten Strumpf ftatt einer Glasſcheibe ausfliden muß, um 
fich gegen Regen und Froſt zu ſchützen, der kann nicht an die Behag— 
lichkeit des Dafeins denfen. Und Bücher waren jchen damals, wie no 
heute, Yurusartifel, ein Luxus, deſſen man jich zuerft entjchlug, wenn 
Berlufte, wenn die Sorgen und Schreckniſſe der Zeit an vie Thür pochten. 
Der Sinn für geiftigen Genuß mußte unter dem Drud der Not des 
Lebens eriterben, — dem Buchhandel die Kraft erlahmen, dem ſelber 
dahinſiechenden litterariichen Schaffen Genüge zu leiften. Wer jolite denn 
auch Bücher kaufen, wenn es an Brot mangelte? Höchſtens Gebet- und 
Erbauungsbücer; nur in ihnen juchte und fand das fast verzweifelnde 
Gemüt gläubiges Vertrauen und Hoffnung auf eine beſſere Zeit, Stärke 
zum Ausharren in ver leiblichen Not der Gegenwart. Dieje Produktion 
blühte alſo allenfalls fort in Nürnberg, VYeipzig, fand eine neue Frucht: 
bare Pflegeftätte in dem ſonſt unbedeutenden Yüneburg. *° Faſt die ganze 
zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts verging mit jener täglichen Sorge 
für des Yeibes Notourft. Und doch hatte jelbft der materielle Jammer 
dieſer troftlojen Zeit den deutjchen Buchhandel nicht ganz zu brechen ver— 
mocht. Seine Kraft wurzelte zu feit im eigentlichen Geifte der Nation, 
der im Proteftantismus jeinen Ausorud fand, jein Anjehen im Aus: 
lande jtand zu hoch, feine Verbindungen mit der europäiſchen Gelehrten: 


Kapitel.) Folgen der Gegenreformation in Ofterreich. Lage Leipzigs. 493 


.-... 


Kriegs gelungen wäre, ein jo müchtiges Getriebe mit einem Schlage 
gänzlich ſtillzuſtellen. 

Yangjanı, aber unaufhaltſam, hatte fich vielmehr im Verlaufe des Kriegs 
diejer Niedergang des Buchhandels entwidelt; e8 war ein langjames Ver- 
bluten, jeweilig verjchärft noch durch bejondere, ven gejchäftlichen Verkehr be- 
jonvers ſchädigende Einflüffe. Gleich die erjte Periode des Kriegs brachte 
den Sieg der Gegenreformation in den öfterreichiichen Erblanven. Gegen 
über dem ſonſt im den Buchhändlerdenkſchriften älterer Zeit oft genug 
nur zu stark auftretenden Farbenauftrag jagen die Leipziger Buchhändler 
verhältnismäßig jehr gemäßigt darüber in einer Eingabe vom 3. März 
1667, daR „vor den Kriegs Zeiten und do in dem Königreich Böh— 
men, Dejterreih, Schlefien, Mehren und andern Keyſerlichen Yanden, das 
Babjtumb noch nicht eingeführet gewejen, ein großer Abgang von guten 
Lutheriſchen Büchern gewefen, jeithero aber alles reformiret, iſt ohne 
Unjern erinern hieraus auch zu jchließen, daß auch hierdurch Unſere Nah— 
rung nicht wenig gejehtwächet worden.” 1% Anfänglich zwar war es noch) 
möglich, die betreffende Yitteratur auf Um: und Schleichwegen einzu— 
ihmuggeln; die Gebrüder Johann und Heinrich Stern in Yüneburg be— 
merken noch im Jahre 1637, daß jelbjt damals noch „auf Dejterreich Ao. 
1626 bey jperrung der Donau über Salzburgf auch auff Sawm Straßen 
durch Tyrol vnſere Verlage zutragen, von hieraus auf Nürnberg gefor- 
dert” worben jeien. +" Aber lange danerte dies nicht mehr: der Sieg der 
Jeſuiten ward zu einem unbejtrittenen, dem norddeutſchen Berlagsbuch- 
handel war definitiv ein großes Abſatzgebiet verloren. 

Es iſt ſchon darauf hingewieſen worden, daß fich jeit dem letten 
Drittel des 16. Jahrhunderts der gejchäftliche Verkehr der Buchhändler 
untereinander auf die Meffen centralifiert hatte. Im dem das ganze 
Reich wild und wüjt durchtobenden Kriegsgetünmel war derſelbe bald 
in Sranffurt, bald in Leipzig gehindert, wurde er bald hier, bald dort 
von der gerade herrichenden Partei gemaßregelt, wurde der Handelsver— 
fchr gelegentlih ganz zur Unmöglichkeit oder auf weite Umwege ge- 
wiejen, die Reife zur Meſſe, wie das bereits erwähnte Geſchick Wolf- 
gang Endters des Ältern von Nürnberg zeigt, gefährlich. Selbſt die be- 
deutendſten Berlagsfirmen mußten da in Verfall geraten, und beweglich 
genug ſchildern Thomas Schürers Erben in Yeipzig, eine der beveutenditen 


494 Überhandnahme des Nachdruds. Achtes 


leipziger Firmen, dieſe direkte Wirkung des Kriegs in einer Eingabe an 
den Kurfürſten vom 14. Oktober 1652. Sie weiſen darauf hins, in 
welchen „vnwiederbringlichen ſchaden dero arme Yande und Yeute durch 
die leidigen Kriegszeiten“ gebracht worden; auch fie jeien „bey vnſerer 
ſchweren Buchhandlung, der vielen plünderungen und Straßenraubereyen 
zu gejchweigen, nicht allein durch die harten und vnertreglichen Kriegs— 
beſchwerungen und Contributiones, die fih vber 5000 Thlr. erjtreden, 
jehr mittgenommen vnd befftig ausgejauget worden”. Jetzt, im Frieden, 
wirden ihnen nun von „machgriffiichen” Yeuten gar noch ihre privile- 
gierten Bücher nachgeprudt, ja auf Schleichwegen von Andern Privile- 
gien über ebendiejelben erwirkt, 3. B. von Wolfgang Endter in Nürn— 
berg, Chriftian Klein in Frankfurt a. M., Zilliger in Braunfchweig, 
„end noch andere mehr mit vnſerm eigenthümlichen Verlag zuverfahren 
fürhabens ſeyn jollen‘‘; nur durch Fräftigen, landesherrlichen Schutz fünne 
„vnſerm zwar weitbefandten, aber die warheit zubefennen, ziemlich ein- 
gegangenen Buchhandel” wieder aufgeholfen werben. 

Die lettterwähnte Plage des Buchhandels, der Nachdruck, entwickelte ſich 
in der That im Verlaufe des Kriegs zu einem faft unerträglichen Krebs— 
ichaden. Der Erwerbstrieb und der Eigennuß einerjeits, der Kampf um 
das gejchäftliche Dajein andererjeits, hießen nach allen Mitteln greifen, 
welche unter den obwaltenden trojtlofen Erwerbsverhältnifjen eine Ver— 
beſſerung dieſer leßtern zu verheiken jchienen, und dies um jo mehr, als 
ja der Nachdruck an fich noch feineswegs allgemein als ein Unrecht aner- 
fannt, er als folches vielmehr nur von denen betrachtet wurde, welche 
er gerade traf; von Nechtsbegriffen über Berlagseigentum oder gar 
Antorenrechte hatten ſich kaum erjt jchüchterne Keime zu entwickeln be- 
gonnen. So haben denn die Leipziger Buchhändler ficherlich recht, wenn 
fie jagen, daß „das Bücher nachoruden bei vergangenen Krieges Zeitten 
gar gemein worden“, und ſchildern die Verhältniffe in der ſchon erwähn- 
ten Eingabe von 1667 wohl verjtändlich genug und zutreffend *?: 

„Sünftens thut der ſchädliche Nachtruff vergleichen Schaden, welcer 
weder zur genüge kan ausgejprochen noch bejchrieben werden, Maßen 
denn nur die Endter zu Nürnberg und Sterne zu Lüneburg, die wich- 
tigften Buchhandlungen in Churf. Durch. Yanden, jonderlichen zu Yeipzig 
und Wittenberg, zu Grunde ruiniret, Und entgegen fich in derofelben 
Yanden jtattlichen bereichert, worzu fie auch leichtlichen haben können ge- 


Kapitel.) Der Nahdrud. Mangel an Schub. 495 


langen, Im dem Sie diejenigen Beichwehrungen, jo andere Buchhändler 
in dieſen Yanden, jo wohl nebenjt anderen Einwohnern als vor fich jelb- 
jten, haben ausjtehen müßen, Im geringjten nicht gefühlet, Alle Nuzungen 
bingegen an fich gezogen, und das Geld hauffenweife aus dem Yande 
geführet, Maßen denn zu Wittenberg, da vor diefen die Teuzſchen Bie- 
bein mit großen Nuzen jelbiger Stadt, ja dieſes ganzen Landes, feynd 
getruffet worden, in vielen Jahren feine getruffet.“ 

„Mit denen Teuzſchen Gebet-Büchern, uf welche meiftenteil® die Yeip- 
jiger privilegiret ſeynd, iſt es gleichesfals aljo hergangen, Und haben, 
jowohl die Sterne al8 die Enter, bierinnen mit dem Nachtrüffen grofe 
Excesse begangen, diejelben Teils ganz, Teils in etwas verändert, nach: 
getruffet, ja Ihre Herren Geiftlichen, ob gleich Herr D. Lutherus in 
jeiner Borrede über die Teutzſche Biebel, den Nachtruff vor eine grofe 
Sünde wieder das 7! Gebot ausgiebet, haben ſelbſt Vorreden, Geſänge, 
Predigten und anders dazu trukken laken, blos zu dem Ende, daß man da— 
vor halten jolle, als wenn e8 neue Werffe weren, Wenn man aber eines 
und das andere collationiret, hat fich dann befunden, daß die meiſten 
Gebet aus dem Habermann, Brandenburgiichen Gebetbuch, Kegel's zwölf 
Andachten, ver Waßer Quelle und anderen Teuzfchen alten Gebetbüchern, 
worauf die Yeipziger Buchhändler privilegiret, ausgejchrieben geweſen. 
Do Wir gleich haben flagen wollen, ift c8 doch Uns alfenthalben ſchwehr 
germachet worden, Im dem die Verbrecher Uns ein disputat und Pro- 
cess daran gegeben, welcher lang gnug gewehret, Und wenn es zur 
Execution fommen, ift doch wenig daraus worben, Und haben die Ver— 
brechere Ins nachmahls andere privilegia vorgeleget, jo Sie jowohl als 
Kir überfommen gehabt.’ 

In den Privilegien, als Ausfluß eines wunderjam erjormenen faijer- 
lichen, beziehungsweife landesherrlichen Biücherregals lag nun aber der 
einzige Schuß gegen dieſen Krebsſchaden. Doc auch fie waren nur 
ein Palliativ; im ihrem Schutzbezirk eng begrenzt — die faijerlichen 
hatten eigentlich nur für die Neichsjtädte Bedeutung, wurden ſelbſt in 
den faiferlichen Erblanden nicht beachtet, die landesherrlichen nur in 
den betreffenden Territorien — verjagten fie in den rechtloſen Zeiten 
des Dreißigjährigen Kriegs völlig den Dienft. In dem allgemeinen 
Wirrjal jtodte die Negierungsmajchine: der verheißene und bezahlte 
Schub wurde nicht gehandhabt, der Nachdruck privilegierter Bücher wurde 


496 Verkehrtes Verhalten der Behörden, Achtes 


nicht gezügelt, ja — die leipziger Buchhändler deuten mit gutem Recht 
darauf hin — zum Schaden vieler berechtigten Verleger wurden in ſchmäh— 
licher Voranſtellung des finanziellen Intereſſes nur zu viele Privilegien 
an Unberechtigte gegeben, die erſtern einiger Sporteln halber von Staats 
wegen geradezu ihres rechtmäßigen Eigentums entäußert. Sprächen die 
feipziger Buchhändler dies auch nicht im Jahre 1667 mit dürren Wor— 
ten jelber aus, jo müßte fich dasfelbe ſchon einfach aus dem Umjtande 
ergeben, daß die furfürftlich ſächſiſche Bücherfommiffion in dem langen 
Zeitraum von 1633 bis 1651 nur fpärliche, von 1643 ab überhaupt 
gar feine Vebenszeichen mehr von fich gab, ihre Thätigfeit geradezu ein- 
gejtellt gehabt zu haben jcheint. Erſt mit dem Abzuge der Schweven 
aus Yeipzig im Jahre 1650 erwacht fie zu neuem Yeben; die alten Ver— 
ordnungen werben „aufgejucht‘‘! 

Statt aber bei ver Wiederfehr georbneterer Verhältniffe ihr Haupt- 
augenmerf auf die Gejundung des baniederliegenden Gejchäftsgangs, auf 
Hebung des Vertrauens auf beffere Zeiten, auf treue Handhabung des 
verheifenen Nechtsjchußes zu richten, zielt das Streben der Behörden 
im wejentlichen nur auf die Sicherung und Steigerung der fisfalijchen 
Erträgniffe jenes behaupteten Bücherregals hin; nur hierin zeigt ſich Eifer 
und Energie. Statt den Buchhandel von unnützen und ungerechten 
Yaften zu befreien, werden die alten verjtärkt: die Pflichteremplare für 
faiferliche Privilegien werden auf drei erhöht, die für jüchjiidhe von 15 
auf 18, dann von 18 auf 20; in Frankfurt wird die Ablieferung eines 
Eremplars von jedem neuen zur Meffe gebrachten Buche verlangt und 
ichlieglich erzwungen, gleichviel ob es als Propre- oder als Kommiſſions— 
gut dorthin gelangt. Statt die Verhältniffe einer natürlichen Geſun— 
dung entgegenreifen zu laffen, werben behörblicherjeits Gewaltfuren zu 
infcenieren verfucht, wird von der Einführung einer ſchematiſch aufge 
jteliten Biüchertare das vermeintliche Heil erivartet, fat zwei Jahrzehnte 
hindurch der gejamte Buchhandel durch diejes über feinem Haupte jchwe- 
bende Damoklesjchwert beunruhigt. Und das gefchieht in jo gevanfen- 
loſer Weife, daß während der ganzen Verhandlungen darüber — fie wer: 
den im zehnten Kapitel eingehend gejchildert werben — e8 niemand ein- 
füllt, daß mit einer tarmäßigen Negelung der Bücherpreije doch zum min- 
deſten auch eine folche bezüglich der Drudpreife Hand in Hand gehen müſſe; 
eine jolche hinfichtlich der Papierpreije faßt nur die ſächſiſche Regierung, 


Kapitel.) Streben nad) Privilegien. Der holländiſche Buchhandel. 497 


und anch diefe nur vorübergehend im Beginn der Verhandlungen, ins 
Auge. 

Zu verwundern ift e8 aljo nicht, wenn in jo gedrückter alfgemeiner 
Geſchäftslage fich vielfach ein Streben der Buchhändler nad Sicherung 
konkurrenzfreier Abſatzgebiete durch örtliche Beichränfung der Zahl ver 
Sejchäfte zu entwickeln beginnt, ein Streben, welches fich auch unter den 
Buchdruckern, 3. B. in Yeipzig, bemerflich macht. Aus der Initiative 
der Buchhändler hervorgehend — in jeinen Anfängen bis vor den Be— 
mit einem fürmlich vertragsmäßigen Verjprechen, fich der mehr und mehr 
geregelten Cenſur zu unterwerfen, verfnüpft — bahnt es gleichjam die 
erit viel jpäter auftretende jtantliche Konzeifionierung an und mag des- 
halb Hier nur flüchtig angedeutet werden. Hand in Hand damit ging 
die Schaffung gejchügter Abjaggebiete für die einer größern Verbreitung 
fühige Kleinlitteratur, wie Schulbücher, Kalender, Gejangbücher u. dal., 
für welche einzelne Buchoruder und Buchhändler privilegiert wurden, — 
Begünftigungen, welche zu ſchweren Unzuträglichfeiten, jpeziell im Meßver— 
fehr führen mußten. Gleicherweiſe fand auch die Einführung der Bücher: 
auftionen zunächjt in den Buchhändlerkreiſen lebhaften Widerſtand, ein 
Widerjtand, der jedoch nur betveffs der Abhaltung jolcher mit neuen 
Büchern zur Meßzeit von Erfolg gefrönt wurde. 

Die Bücherauftionen aber waren ein aus Holland überfommener 
Brauch. Deutjchland hatte feinen Anteil an der Führerichaft in Kunſt 
und Wilfenjchaft eingebüßt; fie war ganz auf Franzoſen, Holländer und 
Engländer übergegangen. Wie fonnte es auch anders fein, da das Kapital 
ſich ſcheu aus dem Gejchäft zurüdzog, wenn der Krieg e8 nicht ſchon völlig 
verjchlungen hatte! Dagegen war der holländische Buchhandel im Yanfe 
des 17. Jahrhunderts zur tonangebenden und herrſchenden Macht für 
die den internationalen Büchermarft vertretende Frankfurter Meſſe heran- 
gewachjen. Die Niederlande hatten allerdings in ihrem Kampfe gegen 
das ſpaniſche Joch auch jchwere und trübe Zeiten zu durchleben gehabt, 
aber dieje Kämpfe hatten doch nicht in dem Maße verwüſtend und fultur- 
ſchädigend eingewirft, wie dies betreffs des Dreißigjährigen Kriegs be- 
züglih Deutjchlands der Fall war. Als dieſe Prüfungszeit für Deutjch- 
land begann, war die Freiheit und Selbſtändigkeit der vereinigten Pro- 
vinzen jo gut wie gefichert, fie winden von den Schreden des Kriegs 

app. I. 32 


498 Holland, die Stätte der Preffreiheit. Achtes 


verhältnismäßig nur noch wenig berührt. Während in Deutſchland die 
Verwüſtung und Verödung immer weitere Kreiſe zogen, blühten in Holland 
Handel und Gewerbe, Künſte und Wiſſenſchaften, es wurde der Sit 
und der Zufluchtsort voller Glaubensfreiheit, eine Stätte, wo unbedingte 
Preffreiheit herrſchte. Die freiere Publiziftit, namentlich in der zweiten 
Hälfte des 17. Jahrhunderts, die liberalen theologifchen Richtungen und 
die Pitteratur der Sekten, 3. B. der Socinianer und Myſtiker, fanden 
hier eine fichere Zufluchtsftätte, eine Stätte, von der aus fie umter ven 
Fittichen des gefchäftfichen Übergewichts und des berechtigten Anjehens 
des bolländiichen Buchhandels eine um jo fräftigere und gefichertere Ver— 
breitung gewinnen fonnten und auch thatjüchlich gewannen. 

Für jehr viele diefer Bublifationen wurden zwar ein fingierter Drud- 
ort und eine fingierte Firma gewählt; aber ihr holländiſcher Urſprung 
war meift unzweifelhaft, jchon ver Charakter ver Ausjtattungsweije deutete 
ihn an. Typiſch wurde die Firma: Cologne, chez Pierre Marteau, 
in allen Sprachen wurde fie variiert, deutſch als Köln, bei Peter Ham— 
mer, und jpeziell in Deutjchland bis in das 19. Jahrhundert hinein 
gern und viel ausgenugt. Dabei war die Wahl des Ortsnamens als 
fingierter Drudort feine rein wilffürliche gewejen, fie hatte vielmehr 
einen gewiffen biftorijchen Hintergrund. Schon im Anfang des 17. Jahr— 
hunderts war es nicht ungewöhnlich, daß Werfe, deren Drud in Bel- 
gien ſeitens der jpanifchen Genjur beanjtandet worden war, in Köln 
erjchienen, oder daß ihnen wenigitens Köln als Verlagsort aufgedruckt 
wurde, 50 

Aber die ausländifche Yitteratur war in Holland vogelfrei; fein aus— 
ländiſcher Autor oder Verleger erhielt von den Generaljtaaten ein Privi 
fegium gegen ven Nachdruck. Namentlich wurde letterer hinfichtlich der 
franzöfifchen Yitteratur in ausgedehnter Weiſe geübt, ganz ſyſtematiſch 
gepflegt. Doch die Beliebtheit der holländischen Ausgaben war ber ge: 
ihmadvollen und zierlichen Ausführung halber eine jo große, daß jelbit 
in Franfreich die Schädigung der rechtmäßigen Verleger weniger betont 
und empfunden wurde, ald man annehmen jollte; die Autoren fanden 
jogar eine Ehre darin, wenn ihre Werfe „Jouxte la copie de Paris“ 
in Amſterdam nachgeprudt wurden. Neben ven Ausgaben der Efjeviere 
waren und find noch jett befonders gejchäßt Diejenigen Abraham Wolf- 
gangs, Sambir’ und die a la Sphere. 


Kapitel.] Der Nachdruck jeitens der Holländer. 499 


Wenn auch nicht in dem Maße, wie der franzöfiiche Verlagshandel, 
jo doch in weit ftärferm, al® man gewöhnlich annimmt, wurde auch ver 
deutſche durch dieſe planmäßig betriebene Piraterie der Holländer be- 
troffen. In die Augen jpringen meift nur die Nachorude aus der theo- 
logiſchen und aus der deutjchen Nationallitteratur, hier befonders die ver 
Werke von Opitz, Moſcheroſch, Zinfgref, Harspörfer, Zejen u. j. w., aber 
viel beveutender umd umfangreicher war jene Nachpruderthätigfeit auf 
dem Gebiete der Erbauungslitteratur und wurde gerade bier von den 
dadurch betroffenen VBerlegern um jo jehwerer empfunden, je weniger ge- 
rade der Abſatz dieſer Yitteratur an ſich in den trüben Zeiten gelitten 
hatte. Bereits im Jahre 1629 heben die Gebrüder Stern in Yüneburg 
hervor, daß, wenn man fich in Deutjchland einer beſſern Ausjtattungs- 
weile der Bücher befleißigt hätte, „die Amjterdamer vnd Lehder nicht 
verurjachet, unjer Evangelische Bücher zu drücken“, und acht Jahre jpäter 
(1637), daR e8 dem beutjchen Yande wenig Ehre gebracht haben würde, 
wenn man — falls fie nicht ſelbſt, wie fie jehr ſelbſtbewußt und doch 
nicht ganz zutreffend jagen, mit ihrer guten Austattung eingetreten 
wären — „auß Hollandt jolche gemeine Teutzſche Bücher hette holen 
müßen“. Sie wurden aber doch geholt, denn natürlich wagten jich, wenn 
überhaupt, diefe Nachprude nur verjtohlen in den Meßverkehr; ihr Ver— 
trieb erfolgte meift auf dem Korreſpondenzwege. Aber der Schaden ver 
deutjchen Berleger blieb doch ein ganz umberechenbarer. Im Jahre 1653 
betont Wolfgang Endter von Nürnberg in einer umfünglichen Bejchwerve- 
jchrift an das Oberfonfiftorium in Dresden, wie er und andere Buch— 
händler bereits früher dem Pate zu Frankfurt a. M. dargelegt hätten, 
„wie großen Schaden vns Teutjchen Buchführer durch frembve und be- 
namtlichen durch dießen Holländer mit nachtendung vergleichen privile- 
girten und anderer Bücher zugefüget werde‘. >! 

So hatte denn alles dazu mitgewirkt, ven bolländifchen Buchhandel 
während der troftlojen Zeit des Dreißigjährigen Kriegs zu einer domi- 
nierenden Macht im allgemeinen Gejchäftsgetriebe und auf ber franf- 
furter Mefje heranwachjen zu Laffen, zu einer Macht, der fich alles beugen 
mußte und beugte. Schmerzlich genug empfanden die deutjchen Buch: 
händler diejes Übergewicht. Denn die Holländer waren ſich ihrer Macht- 
jtellung bewußt und verjtanden es, fie zu voller Geltung zu bringen, 
die Deutjchen aber litten unter ihren Folgen, fühlten ihre Interejjen 

32* 


500 Dominierende Stellung des holländischen Buchhandels. Achtes 


dadurch bei den im Scene geſetzten nationalökonomiſchen Experimenten 
empfindlich bedroht und mußten mit anjehen, wie ihnen von der Reichs— 
regierung im Meßverkehr angejonnene Yaften den Holländern erlaffen 
wurden, ſobald letztere fich zu fügen ablehnten, mit dem Fernbleiben von 
ver franffurter Meffe drohten. Die Holländer weigerten jich dabei nad 
dem Dreißigjährigen Kriege Bogen gegen Bogen zu ftechen (zu changie: 
ren); fie wollten e8 nur noch im Verhältnis von 1 zu 3 oder 4. Selbit- 
verjtändlich mußte aljo der Verkaufspreis des holländischen Verlags in 
Deutjchland ein verhältnismäßig hoher jein; nichtspejtoweniger jollte die 
im Reich und in Sachen geplante Bichertare eine jchematijch ganz gleiche 
werden. Den Berrüdungen und Quälereien des kaiſerlichen Bücher— 
fommiffars gegenüber waren die deutjchen Buchhändler in Frankfurt fait 
ſchutzlos, wurden bei ihren Vorjtellungen von ihren Yandesregierungen 
nur zaghaft, wenn überhaupt, unterjtügt. Die Weigerung der Holländer, 
jich zu fügen, fand fofortige Vertretung durch den Reſidenten der General: 
itaaten in Wien und war dann von Erfolg. 

Dieje Verhältniſſe blieben jchlieglich nicht ohne Einfluß auf den Niever- 
gang der franffurter Meſſe. Aber zunächit war das Selbftbewußſein, mit 
welchem die holländijchen Buchhändler auftraten, ein gerechtfertigtes, ıbr 
Übergewicht ein erflärliches. Es war nicht allein erlangt durch die domi- 
nierende Bedeutung ihres wifjenjchaftlichen Verlags, es wurde auch ge- 
tragen und erhalten durch die Überlegenheit ihrer Yeiftungen, durch die 
um die Mitte des 17. Jahrhunderts unbeftritten als faft umerreicht da— 
jtehende Borzüglichkeit der technischen Austattung ihres Berlags. 

Das wurde in den beteiligten Streifen Deutjchlands jelbft erkannt 
und anerkannt; Johann und Heinrih Stern in Yüneburg betonen ja 
ichon 1629 die Überlegenheit der holländischen Nachdrucke, fie beflagen 
e8 1637 und empfinden es jchmerzlich, daß „der Jeſuit Tannerus in 
jeinem Antichristo zu Ingolſtadt 1630 geprudt, in praefatione je 
jhimpflich die Evangeliſchen Drückereyen anftechen bürffen, alg Er mit 
diejen Worten thut, (Charta nigra, bibula, sordida, flaceida, nec 
Institorum cucullis apta: atramentum sutorium, infiguratum, ma- 
culosum: typus et Impressio neglectissima, cui vix lyncei etiam 
oculi legendae sufficiant, ita belle seriptoris editionisque operi 
operae Typographicae respondent, dignum scilicet patella oper- 
eulum) Wann mann vechtjchaffen arbeit gemacht hette, Aber vnſer 


Kapitel.) Verfall der deutihen Buchausſtattung. 501 


viele (nämlich Buchoruder und Buchhändler) haben unterm Schuß deß 
Privilegij den vnfleis zu marck geführet, vnndt hat doch an hoben tart 
nichts gemangelt, darüber dann gnug geclagt, vndt mügen wol etliche 
jein, jo wiüntjchen, e8 were nimmer ein guter bogn gebrudt, damit Ihr 
vnfleis nur vor Verftendigen nicht geichoften werde, da c8 doch ber 
Drückereyen großer fpot, daß ſoviel vornehmer Evangelifcher Herren 
Theologen nußbare seripta durch fo elenden druck durch gank Teutzſch— 
landt außgeſtreuet worben jein, alß hette man nicht von Gott auch nicht 
joviel grade, vndt gabe, jo wol alß Papiften vndt Calviniſten (die Hol: 
länder), Vnſere Bücher mit einem guten druck zuziehren”. 5? Aber vieje 
Erkenntnis brachte feine Einkehr in fich und feine Ilmfehr. Immer ver: 
wahrlofter und erbärmlicher wurde im allgemeinen während des langen 
Kriegs die deutiche Buchausſtattung, immer ſchlechter und brauner das 
Papier, immer liederlicher der Sab, immer verguetjchter und unſauberer 
der Drud; höchitens wurde mit dem Blendwerk eines in Kupfer ge: 
itochenen Titel® die Hüßlichfeit der Gejammtausftattung zu verbeden 
geiucht. Die Kunſt des Holzichnitts war völlig in Verfall geraten, wurde 
faum noch geübt; der Kupferftich trat für den Schmud der Bücher an 
jeine Stelle, man kann jagen, zum Glück. Noch während des Kriegs 
feiftete er für die Buchausftattung VBorzügliches, verfiel aber dann im 
allgemeinen für dieſe ebenfalls dem Verhängnis. Denn mit dem Ab— 
ichluß des großen Kriegs war die auf diefem Gebiete herrichenve Gleich: 
gültigfeit und Verwilderung noch feineswegs auf dem tiefiten Stand: 
punft angelangt: die Nachwirkungen vesfelben auf alle Verhältniſſe des 
Lebens fteigerten fie nur noch in verſtärktem Maße bis in das 18. Jahr— 
hundert hinein, und kläglich find die Verfuche, ven Holländern Gleiches 
mit Gleichem zu vwergelten, ihre Ausgaben gar mit ihren Firmen nach: 
zubruden, das Publiftum damit täufchen zu wollen. Erbärmlich fallen 
die findlichen Verjuche aus, der nunmehr wuchernden fchönwiffenjchaft: 
lichen und Unterhaltungslitteratur, fowie der populär-hiſtoriſchen, durch 
Bilderſchmuck einen erhöhten Reiz zu geben, oder, wie der Buchhändler 
Heybey in Yeipzig 1695 ſich auszudrücken beliebt, dieſen beizugeben °*, 
„damit es deſto befer abgehen möchte, wie insgemein wor Romanen 
allerhand inventiones pflegten gemacht zu werden‘. 

Aber die Yerftungsfähigfeit war noch nicht ganz verloren gegangen, 
das zeigen die während dieſer Zeit der Verwilderung und Verfumpfung 


502 Ehriftoph Plantin in Antwerpen. Achtes 


fort und fort vorlommenden erfreulichen und Hoffnung erweckenden Aus- 
nahmen. Mit dem Ende des 17. Jahrhunderts beginnt fich auch hierin 
eine Reaktion zu entwideln; dev Verlagshandel fängt wieder an, eine 
energijche Thätigfeit zu entfalten, eine Verjchiebung ver hervorragendern 
Propduftionsjtätten macht fich bemerklih, und fichtlich blüht Der deutjche 
Buchhandel wieder empor unter der fortgejeßten Führung der Endter in 
Nürnberg, unter der Führung der Gotta in Tübingen, Veith in Augs- 
burg, Zunner in Frankfurt a. M., Metternich in Köln, Weidmann, 
Gleditſch und Fritſch in Leipzig, Zimmermann in Wittenberg. 

Aber der alten Herrlichkeit der frankfurter Büchermeffe grub dieſe 
Renaiffance pas Grab. 


Den Abſchluß des fünften, ven buchhändleriſchen Sejchäftsbetrieb ver 
älteften Zeit behandelnden Kapitels bildete das geichäftliche Yebensbile 
Anton Kobergers; ev brachte dies, um in der Hervorhebung des perjön- 
lichen Moments frijcher und anvegender Die fortjchreitende Entwickelung 
zu verfinnlichen, als fich dies in der trodenen Vorführung und Grup: 
pierung ber fachlichen Ginzelheiten des Geſchäftslebens ermöglichen läßt. 
So mögen denn in gleicher Weife hier zwei kurze Yebensjtizzen aus dem 
Kreife des mit dem beutjchen Buchhandel zwei Jahrhunderte hindurch 
jo eng verfnüpften niederländischen folgen, das eine aus dem 16., Das 
andere aus dem 17. Jahrhundert, — das eine den unter fpanifcher Herr: 
haft und Eatholifch verbleibenden belgischen Provinzen, das andere den 
ihre Freiheit erfämpfenvden proteftantischen holländischen entnommen: 
Chriftoph Plantin und die Ramilie Elfevier. Die voraufgebente 
Darftellung hat die dominierende Stellung des holländischen Buchhan— 
dels auf der franffurter Meſſe währenn des 17. Jahrhunderts anzuden- 
ten verjucht; mit dem Schluffe diejes Zeitraums ſchied er fich mehr und 
mehr von dem beutjchen. Um fo gevechtfertigter dürfte hier aljo dieſer 
Abſchiedsgruß fein. — 

Chriftoph Plantin war 1514 in St. Avertin bei Tours geboren 
und bei der Armut feines unfteten Vaters ſchon früh umbergejchleuvert 
worden. Diefer zog mit ihm nach Lyon, Orleans und Paris, bis fpäter 
der bereits herangewwachjene Sohn bei Robert Mace in Caen als Druder: 
(ehrling eintrat. Hier aber jcheint ev es nicht lange ausgehalten zu haben, 


Kapitel.) Plantin als Buchbinder, Erfte Verlagsthätigfeit. 503 


da er, nachdem ev 1545 oder 1546 „geheiratet hatte, fich bald darauf 
in Paris als Buchbinder und Saffiangerber nieverließ. Aber auch hier 
bfieb er nur wenige Jahre, denn ſchon 1549 begab er fich nach Ant: 
werpen, welches damals die zweitbedeutenpfte Stadt des weitlichen konti— 
nentalen Europas war und unter anderm 30 Drudereien in voller 
Ihätigfeit zählte. Hier erwarb er fich durch jeinen Fleiß und feine Ge— 
jchieflichfeit einen guten Namen als Buchbinder und Portefenille-Arbeiter, 
namentlich übertrafen jeine eingelegten und vergolveten Yederarbeiten alles, 
was bisher auf diefem Gebiete in ven funftfinnigen und funftfertigen 
Niederlanden geleijtet worden war. Infolge eines Förperlichen Unfalls 
ſah fih Plantin jebodh 1555 außer Stande, fein Geſchäft fortzujeken, 
weshalb er fich wieder dem früher erlernten Buchorud zuwandte. Noch 
1555 gab er feine erjten vier VBerlagsartifel heraus, denen im Yaufe der 
nächiten jechs Jahre noch 55 folgten. Zugleich trieb Plantin einen Heinen 
Buchhandel und erweiterte dieſen allmählich; ſelbſt jpäter, als er jchon 
wohlhabend geworden war, hielten jeine Töchter während ber antwer— 
pener Meſſe noch einen Buchladen im Kreuzgang von Notre-Dame, wäh- 
rend feine Frau Yeinwand verkaufte. 

Im Jahre 1562 wurde der junge Verleger angeklagt, ein fekerijches 
Bud, „Briefve instruction pour prier“, gebrudt und verbreitet zu 
haben. Die Statthalterin ließ eine Unterfuchung gegen ihn einleiten, 
mußte fie aber wegen mangelnder Beweife niederjchlagen, während da— 
gegen brei jeiner Arbeiter fchuldig befunden und zu den Galeeren ver: 
urteilt wurden. Plantin fühlte fich jett in den Niederlanden nicht mehr 
ficher, ging nad Paris und blieb dort ein Jahr. Sei es, daß er noch 
weitere Beläftigungen fürchtete, jei es, daß er durch mächtige und an— 
gejehene Gejellichafter feine wirtjchaftliche Stellung und zugleich jeine 
politiſche Sicherheit verbeffern wollte, genug, nach feiner Rückkehr ließ 
er jein ganzes Befittum, einjchlieflich ver Druderei, von jeinen angeb- 
lichen Gläubigern mit Bejchlag belegen und öffentlich verjteigern. Im 
Jahre 1563 ſchloß dann Plantin einen Gefelljchaftsvertrag mit Cornelius 
und Karl de Bomberghe, deren erfterer zu feinen angeblichen Gläubigern 
gehörte, mit dem Venezianer Jakob Schotti und dem Dr. Goropius 
Becanus. Er jelbjt ftand, wie man heutzutage jagen würde, als per: 
jönlich Haftender Gejellichafter an der Spite des Unternehmens, welches 
offenbar die Auspehnung feiner Verlagsthätigteit fördern jollte und in 


504 Plantins Wandlung. Prototypograph des Königs. [Achtes 


per That auch förderte. Plantin drudte während ver Dauer diejes Ber: 
hältnifjes eine große Anzahl alter Klaſſiker, lateiniſche, griechifche und 
hebräiſche Bibeln, juriftiiche, philologijche und medizinische Werfe, vie 
durch ihren korrekten Text, ihr handliches Format, meift in Oktav, Due: 
dez und Sedez, und ihre hübſche Ausftattung allgemeinen Beifall fanden 
und fich eines veichlichen Abjates erfreuten. Es ſcheint, daß er 1567 
jeinen Zweck bereits erreicht hatte, da er in dieſem Jahre mit feinen 
Partnern brach, indem er — ver bis dahin felbit mehr zu ven protejtanti- 
ſchen Seftirern hingeneigt hatte — fie fetserifcher Anfichten bejchulpigte. 
Eine jolche gehäffige Anklage erjchien damals in den Augen der miß— 
trauiſchen jpanifchen Behörden als ein bejonderes Verdienſt, konnte ihrem 
Urheber auf alle Fülle nützen, während fie das Opfer nur zu leicht auf 
ven Scheiterhaufen brachte. 

Diefer überlaunte Eifer, mit dem jich Blantin auf die fönigliche Seite 

jchlug, trug feine Früchte; ev gewann ihm die Gunſt des Kardinals Gran- 
vella und des füniglichen Sefretärs Gabriel de Cayas und durch fie 1570 
den Titel eines Prototypographen des Könige. Schon zwei Fahre vorher 
hatten ihm die genannten beiden Gönner im Namen Des Königs ven 
Drud der Polyglottenbibel (im hebräiſcher, chaldäiſcher, ſyriſcher, Tateini- 
jcher und griechijcher Sprache) übertragen. 
. Die Herftellung der acht Foliobände diejes großen Werks nahm fait 
ſechs Jahre (won 1568 bis 1573) in Anfpruch; die Auflage belief fich 
auf 1400 Exemplare, deren teuerfte Ausgabe 200 und deren billigite 
70 Gulden foftete. Außerdem wurden noch zwölf zu Sejchenfen bejtimmte 
Exemplare für den König auf Pergament gedruckt, welcher in der Folge 
dafür 21200 Gulden an Plantin zahlte. Diefe Bibel, jo manche finan 
zielle Berlegenheit fie zunächit auch für den Verleger im Gefolge hatte, 
legte den Grund zu dem ſpätern Weltruhm und Reichtum des Haufes 
Blantin-Moretus. 

Bon jest an widmete Plantin auch einen bedeutenden Teil feiner 
Thätigfeit der Herftellung von Breviarien und Miffalen in dev Norm, 
welche won dem Zriventiner Konzil feftgeftellt worden war, von ſpani— 
ſchen Yiturgien, Palmen und Antiphenarien, ohne dabei feine frühern 
Unternehmungen wejentlich einzufchränfen. Trotzdem daß Philipp II. ihm 
die verſprochene Unterſtützung nicht zahlte, trotzdem daß der Bürgerfrieg 
das Yand zerriß und Antwerpen 1576 der Wut der fpanifchen Solda— 


Kapitel. Umfang des Verlags. Reiſe zur franffurter Meſſe. 505 


teska zum Opfer fiel, gelang es Plantin, ſein Geſchäft mit jedem Jahr 
ſogar noch mehr auszudehnen und es bis zu ſeinem am 1. Juli 1589 
erfolgten Tode zu einem der größten der damaligen Zeit zu erheben. 
Während der höchſten Blüte desſelben beſchäftigte Plantin 22 Preſſen. 
Seine Verlagsartikel werden von Ruelens und de Backer auf 1030, von 
Rooſes auf etwa 1500 angegeben, ſodaß während der 35 Jahre von 
1555 bis 1590 im Durchſchnitt etwa 30, beziehungsweiſe 42 Bücher auf 
jedes Jahr kommen würden. 

Zu dieſem großartigen Erfolge trug weſentlich ſein geregelter Verkehr 
mit allen Ländern Europas, namentlich Paris und Frankfurt, bei, deſſen 
Meffen er von 1558 an regelmäßig beſchickte. Wenn er jelbft nicht hin- 
ging, jo unternahmen feine jpätern Schwiegerjöhne Johann Moretus oder 
Franz Raphelingen — Söhne hatte Plantin nicht — oder einer feiner 
Mitarbeiter die Reife dahin. Plantin pflegte die in Frankfurt gemachten 
Sejchäfte, wie dies übrigens allgemein bränchlich war, in bejondere Bücher 
einzutragen. Das erjte noch erhaltene derjelben ftammt aus dem Jahre 
1579; von 1586 bis 1631 befindet fich die volljtändige Sammlung ver- 
jelben im Muſeum Plantin-Mioretus in Antwerpen. Alles ift in diejen 
Regiftern auf Heller und Pfennig berechnet, ſodaß man ein genaues und 
getreues Bild von den Einnahmen und Ausgaben des Meßbeſuchs erhält. 

Pantin und Moretus aljo, um bier ein paar Beijpiele zu geben, 
reiften zur Faſtenmeſſe 1566 nac Frankfurt. Jener nahm einen Wagen 
von Antwerpen nach Köln und bezahlte dafür 4 Gulden 10 Sous. Auf 
ver Fahrt verausgabte er 3 Gulden. Bon Köln bis Frankfurt fuhr er 
im Boot und entrichtete für feinen Plat und jonftige Ausgaben 5 Gulden 
5 Sons. Jean Moretus ging zu Fuß bis Köln und gab auf der Reife 
5 Gulden 15 Sons aus. Während der Meffe brauchten fie im ganzen 
11 Gulden und 2 Sous. Die Ladenmiete betrug 10 Gulden. Sie fehrten 
miteinander zu Waffer bis Köln zurück und bezahlten mit Einjchluß aller 
Ausgaben 5 Gulden 14 Sous. Von Köln wanderten fie zu Fuß nad) 
Maeftricht und brauchten 1 Gulden 18 Sous. Bon hier nach Antwerpen 
nahmen fie einen Wagen und vwerzehrten bis dahin 4 Gulden 17 Sons. 
Ihre gefamten Reijefoften beliefen fich aljo auf 57 Gulden 13 Sons. 
Hierzu famen nun die Fracht für die Biicherfäffer, ver Zoll bei ver Hin— 
und Herfahrt und die Trinfgelver der Arbeiter, ſodaß jümtliche Koften 
diejer Meßreiſe 131 Gulden 5%, Sons betrugen. Im April 1567 fuhr 


506 Sendungen zur Mefle. Geichäftsumfang dajelbit. [Adıtes 


Plantin wienderum im Wagen bis Köln und von da zu Waffer; bei 
jeiner Rückkehr fuhr er ebenfalls ven Rhein hinunter, ritt aber von Köln 
über Yüttich nach Antwerpen. Diesmal hatte er in Frankfurt 9 Gulden 
4', Sous für die Mahlzeiten zu entrichten. Von 1571 bis 1576 be- 
gab ſich Johann Moretus ohne jeinen Herrn nach Frankfurt, nur im 
Jahre 1574 von Franz Rapheleng begleitet. Die Herbſtmeſſe 1577 be: 
juchte dann wieder Plantin jelbit, und zwar allein, während 1579 und 
1580 der Gehilfe Peter van Tongheren ganz allein nach Frankfurt ging. 
Später, 1586, wurde der leßtere einmal, als er zur Faſtenmeſſe reiſte, 
von Solvaten beraubt und gefangen genonmten. 

Seine Mefgüter ſchickte Plantin gewöhnlich an feinen Kollegen Mater: 
nus Cholin in Köln, welcher fie ven Rhein hinauf zu jpedieren hatte. 
Zur Faſtenmeſſe des Jahres 1579 gingen 3. B. jechs Fäſſer mit Büchern 
nach Frankfurt, enthaltend 67 verjchievene Werke in zufammen 5212 Erem: 
plaren. Natürlich find darunter die Neuigkeiten am ftärkften vertreten, jo 
500: „Sommaire annotation des choses plvs memorables aduenues 
es XVII. provinces du pais bas“, 200: „Goltzii Thesaurus rei anti- 
quariae“, 200: „Jani Lernutii carmina“, 130: „Poemata Francisci 
Haemi“, 121: „Bizari Senatus populique genuensis historia”, 140: 
„Numismata Occonis“, 90: Bafino, „L’architecture de guerre‘, 160: 
„Aitsingeri Pentaplus regnorum mundi“, 175: „Cantiques de Na- 
vieres” u. ſ. w. Der Abjat betrug 1809 Gulden, eingefauft wurde für 
1625 Gulden, an Zahlungen eingenommen 1831 Gulven und jelbjt gezablt 
1644 Gulden. Nach Beendigung der Meſſe blieb nunmehr in der frant: 
furter Niederlage ein Yagerbeitand von 240 Werfen in insgeſamt 11617 
Exemplaren in Kiſten verjchloffen zurüd. Der Gejchäftsabjchluf ergab 
dabei, daß von der „Sommaire annotation“ 75 Eremplare verkauft 
waren, von „Goltzii Thesaurus” 98, von „Lernutii“ 25, von „Haemi 
poemata“ 101, von „Bizarus“ 16, von „Numismata Occonis“ 24, 
von Paſino's „Architecture“ 20, von „Aitsingeri Pentaplus“ nur 2 
und von den „Cantiques de Navieres” 20. 

Neben jeinem eigenen an jich ſchon jo umfangreichen Verlage vertrieb 
Plantin aber auf der Meffe noch fommijfionsweije den des berühmten 
Kupferſtechers Hubert Goltzius, außerdem Karten, Kupferftiche (ichwarz 
und gemalt), Bilder auf Leinwand geprudt, jelbjt Globen von Gemma 
Friſius. Bezüglich des erftern bejagt das Hauptbuch: „Le 11 jour 


Kapitel] Kommiffionshandel. Berlagsthätigfeit (nad dem Meßkatalog). 507 


d’Aoust 1558 regu de Hubert Goltz pour porter a Francfort les 
livres suivants et accord fait que je lui payerai 55 patards pour 
chacun livre ou les lui rendrai. Regu 44 Vitae imperatorum ima- 
gines.” „Recu le 17 jour de Juin en commission du dit Hubert 
Goltz 18 Empereurs (frangais) a 2 fl. 10 pat. (blancs — b. i. roh, 
in albis), 4 en allemand relies, 6 en italien (blanes).” Zur Faften: 
meſſe 1557 ſandte Plantin eine größere Partie Karten (darunter 100 Cartes 
de Vermandois eigenen Berlags), Ornamentftiche von Jacques du Ger: 
ceau, zur Faftenmeffe 1561 aber „10 Roulleaux les Hist. de Cock, 
dont il y en a qu’un pour sorte au Roulleau, qui font dix Rou- 
leaux. Item encore 57 autres pieces d’une feuille de Coq lavces.” 

Plantins Buchführung über jeinen ausgedehnten Sejchäftsbetrieb war 
eine jehr forgfältige; er führte Memorial und Kladve, Journal und Haupt- 
buch (Grand Livre). Die franffurter Mefje hatte ihr bejonderes Haupt: 
buch (Le Grand Livre de Francfort); das über die Jahre 1570 bis 
1599 enthält übrigens nur die Generaffumme der Beträge, welche die 
einzelnen Buchhändler ſchuldeten oder gezahlt hatten, dagegen feine Einzel: 
heiten. Bezüglich diejer verweiſt es auf das Journal. 

Am greifbarften prägt ſich Plantins und feiner Gefchäftsnachfolger 
Bedeutung bezüglich ihrer Beziehungen zu Deutjchland und zum frank: 
furter Meßverkehr aus in den Zahlen der nenen Verlagsartifel, mit wel- 
chen fie in den Meffatalogen auftreten. Das Jahr 1565 weiſt nur 
einen, 1566 deren drei, 1567 deren jechs auf. Dieje niedrigen Zahlen 
bejagen jedoch zunächſt nur, daR Plantins Gejchäfte mit Georg Willer 
vorerft nur unbedeutende waren und erläutern damit zugleich anſchaulich 
genug die Entftehungsgejchichte des Meßkatalogs. Mit vem Jahre 1568 
ändert fich dies aber plößlich; der Meffatalog verzeichnet in demſelben 
39 Plantinſche Verlagswerfe, 1569 deren 18, 1570: 15, 1571: 18, 
1572: 38, 1573: 19, 1574: 20, 1575: 24, 1576: 17, 1577: 15, 1578: 
21, 1579: 36, 1580: 34, 1581: 21, 1582: 19, 1583: 23, 1584: 22, 
1585: 34, 1586: 17, 1587: 19, 1588: 22, 1589: 25, 1590: 24, 
1591: 17. Daß für das Jahr 1592 eine ſchnell vorübergehende Stodung 
eintrat — der Meffatalog führt nur vier Artikel auf — kann wohl 
faum als eine verjpätete Nachwirkung von PBlantins im Jahre 1580 er- 
folgtem Tode betrachtet werden, denn ſchon das nächte Jahr bringt be- 
reits wieder einen energijchen Aufjchwung mit 20 Werfen. Die folgen: 


508 Verlagsthätigkeit der Nachfolger Plantins. Finanzielle Erfolge. Achtes 


den Jahre zeigen dann wiederum ein ftarfes Schwanfen in ven Be: 
ziehungen zur franffurter Meffe; das Jahr 1594 bringt 14 neue Wer: 
fagsartifel dorthin, 1595 deren 19, 1596: 15, 1597: 9, 1598: 11, 
1599: 21, 1600: 17, 1601: 27 (wovon 2 in Nürnberg gebrudt), 1602: 
25, 1603: 10, 1604: 18, 1605: 21, 1606: 8, 1607: 25, 1608: 17, 
1609: 23, 1610: 20, 1611: 33, 1612: 21, 1613: 21, 1614: 14, 1615: 
23, 1616: 12, 1617: 18, 1618: 25, 1619: 16, 1620: 20, 1621: 30, 
1622: 6, 1623: 14, 1624: 18, 1625: 14, 1626: 19, 1627: 14, 1628: 
21 und 1629: 25. Die Höhepunfte bilden die Jahre 1630 mit 53 Ar- 
tifeln und 1638 mit deren 47, während infolge des Ganges der Kriegs: 
ereigniffe in der Zwijchenzeit überhaupt nur die Jahre 1631 mit 35, 
1633 mit 16, 1634 mit 20 neuen Werfen vertreten find. Wenn auch 
— allerdings ſtark ſchwankend — zum Teil noch ganz anfehnliche Zahlen 
aufweiſt, jo finkt doch von nun ab die Firma Plantin-Moretus für ven 
deutſchen Buchhandel zur Beventungslofigfeit herab. Für den ganzen 
Reſt des 17. Jahrhunderts weifen nur noch die Jahre 1660, 1661, 1666 
und 1670 einen oder zwei Mefnenigfeiten auf; die Mekfataloge des 
18. Jahrhunderts kennen Die Firma gar nicht mehr. 

Diejer großartigen Verlagsthätigfeit während des 16. Jahrhunderts 
entjprechen denn auch die von Plantin erzielten aejchäftlichen Rejultate. 
Ber jeinem Tode hinterließ er ein Vermögen von 135718 Gulden, heut. 
zutage einer Summe vom nicht unter 1200000 Franfen entſprechend; 
darumter war die Druderei mit 18000 Gulden veranjchlagt. Die Yager: 
vorräte in Frankfurt a. M. waren mit 8024 Gulden 9%, Sous be 
ziffert und wurden von Johann Moretus für 4824 Gulden, alje für 
etwas über die Hälfte, übernommen; auf ebenvenjelben ging auch das 
Biücherlager in Antiverpen über, und zwar der eigene Plantinjche Ver— 
(ag mit 4O Proz, das Sortimentslager mit 30 Proz., ein jehr hoch 
zu nennender Übernahmepreis. Das Plantinjche Zweiggejchäft in Ley— 
den war ſchon früher, wohl infolge ver politischen VBerhältniffe, in ven 
Befit des andern Schwiegerjohns, des gelehrten Kranz Rapbelengien 
(Raphelengiusi, übergegangen. 

Glänzend find dieſe Erfolge zu nennen, aber fie waren der gerechte 
Lohn gejchäftlicher Tüchtigfeit und technijcher Peiftungen. Plantin nimmt 
unbeftritten einen der erſten Pläbe in ver Gejchichte der Buchoruder- 


Kapitel.) Plantins Charakter. 509 


funjt ein. Er begann jeine Laufbahn mit nur geringen Hilfsmitteln; 
aber mit ſcharfem Verjtande, Unternehmungsgeift und gewinnenden Eigen- 
ihaften begabt, auspauernd und auch bei Rücjchlägen nie ven Mut 
jinfen laffend, verjtand er e8, alle Hinvderniffe zu überwinden. In Ge: 
jbäften von größter Gewiffenhaftigfeit und Goulanz, war er allen Strei- 
tigfeiten abbold, gern zu Kompromiſſen geneigt und gab lieber nach, als 
daß er ſich in Prozeſſe eingelaffen hätte. Bon dem weit ausgedehnten 
Selehrtenkreife, mit welchen er in Verbindung ftand, wurde er gejchätst 
und geachtet; das belegen jeine gejchäftliche Korreſpondenz, jeine lang- 
jährige Freundſchaft mit Juſtus Yipfius. 

Aber neben diejen Yichtjeiten weit fein Yebensbild auch eine dunfle 
Schattenjeite auf, deren richtige Würdigung jett faum mehr möglich ift. 
Cine Andentung darüber iſt jchon weiter oben gegeben worden. Plantins 
Verhalten gegen jeine anfänglichen ſektireriſchen Glaubensgenoſſen erjcheint 
mehr als bevenklih und unehrenhaft, ſcheinheilig und fragwürdig feine 
jpätere Beteuerung der Anhänglichfeit an die fatholifche Kirche. Die 
Yeiter jener Sefte ernteten zwar, was fie jelbjt gejüet; aber daraus, daß 
jene gleichjam zur Heuchelei erzogen, kann Plantin fein Entjchuldigungs- 
grund erwachſen. Daneben kann ihm der Vorwurf der politijchen Mantel— 
trägerei nicht erjpart werben ; er ſuchte fich einerjeits gut mit der Patrioten- 
partet zu ftellen und floß andererjeits über von Verficherungen ver Treue 
gegen Philipp IL. Zur Erklärung diefer Charafterichwäche kann höchſtens 
darauf bingewiejen werden, daß Plantin ja eigentlich Franzoſe und wohl 
nicht völlig verwachjen mit jeiner neuen Heimat, innerlich gleichgültig 
gegenüber deren Bejchwerden und Yeiden war. Er gehörte in diejer Din- 
jicht wohl zu den Millionen jchwächerer Geifter, die fich in ihren Mei— 
nungen und in ihrem Verhalten gefügig den jeweiligen Machthabern 
beugten und eine kümmerliche Entjchädigung in den materiellen Erfolgen 
des Berufslebens juchten und fanden. Daß dies aber Plantin in hohem 
Grade gelang, das erweifen die oben mitgeteilten Thatjachen. °* 

Das Haus Plantin-Moretus bietet, wie nach dem Voraufgehenden 
erflärlich, in feinen jpätern Schidfjalen fein Interefje mehr für die Ge- 
jbichte des deutjchen Buchhanvels. Es tft, wie hier kurz bemerft werben 
mag, das einzige in Europa, welches 1876, als es von feinem. letten 
Befiger Eduard Johann Hyazinth Moretus mit feinem ganzen Beſtande 
an die Stadt Antwerpen verfauft wurde, volle 320 Jahre gewirkt 


510 Ausgang der Firma Plantin-Moretus, Achtes 


hatte und für die Überreſte ſeines Glanzes noch die Summe von 
1200000 Franken einbrachte. Seine eigentliche Bedeutung bewahrte 
das Geſchäft übrigens, wie aus der gegebenen ſtatiſtiſchen Überficht ſeiner 
Berlagsthätigfeit zur Genüge hervorgeht, nur unter den beiden nächiten 
Nachfolgern des Gründerse. Schon Johann Moretus, von 1590 bis 1610, 
vernachläffigte den alten klaſſiſchen und gelehrten Berlag über Andachts- 
büchern, Firchengejchichtlichen und philofophifchen Werfen. Bon jeinen 
Söhnen war Balthafar I. (1610 bis 1641) der bedeutendſte. Er nahm 
den Berlag im Geifte Plantins wieder auf und war die Seele des 
Geſchäfts, dem er jeine ganze, überall energijch eingreifende Thätigfeit 
widmete. Wie e8 aber immer bei alt und reich gewordenen Gejchäften 
zu gejchehen pflegt, die jüngern drei Balthafars, ihre Söhne und Enkel 
wurden vornehm und bequem, fümmerten fich wenig oder gar nicht um 
den Buchorud und Buchhandel, nahmen nur noch jogenannte Accidenz— 
arbeiten der ſtädtiſchen und Firchlichen Behörden an und ließen im übri- 
gen das Geld für fich arbeiten. Balthajar II. (1641 bis 1674) berech— 
nete 1662 fein Vermögen, nachdem die Gejchwijter abgefunden waren, 
anf 341000 Gulden. Balthajar III. (1674 bis 1696) wurde 1692 vom 
König von Spanien geabelt und machte von der ihm erteilten Erlaub- 
nis, troß jeines Adels den Buchhandel zu betreiben, wenn überhaupt, 
einen nur mäßigen Gebrauch. Bon Balthajar IV. (1696 bis 1730) an 
jinft die Firma buchhändlerifch immer mehr zur Unbeventenpheit herab 
und nimmt die öffentliche Aufmerkſamkeit nicht mehr in Anſpruch. Cs 
ift aber bemerfenswert, daß bis 1876 ſtets ein Moretus an der Spike 
des Hauſes ſteht und daß ſeit Plantin acht Generationen in unmittel- 
barer Abſtammung von ihm einander ablöfen. Auch dieſe ungewöhn- 
liche Erjcheinung zeigt fich bei feiner andern Firma, welche die Gejchichte 
des deutjchen Buchhandels fennt. Die Romersfircheniche Buchhandlung 
in Köln ift zwar älter und befindet fich ſelbſt heutigestags noch in dem— 
jelben Haufe, welches fie 1529 bezogen hat, allein ihre Inhaber gehörten 
nicht alle demjelben Stamme in abjteigender Linie an. 

An Stelle der im fatholifchen Süden der Niederlande gejchäftlich 
verjumpfenden Familie Plantin-Moretus blühte aber im protejtanti 
ichen Norden, in den Vereinigten Provinzen, ein anderes Geſtirn des 
niederveutjchen Buchhandels empor, das allerdings auch mit dem Ende 
des 17. Jahrhunderts, alje mit dem Ende der dominierenden Stellung 


Kapitel.) Die Familie Effevier. Ludwig Elſevier. 511 


des holländischen Buchhandels gegenüber dem deutjchen überhaupt, er- 
loſch: die Familie Eljevier (Elzevir). 

vLudwig Eljevier, der Stammesältefte diefer Geſchäftsdynaſtie, geboren 
um 1540 in der Umgegend von Löwen und gejtorben im Februar 1617 
in Leyden, taucht zuerjt im den jechziger Jahren als Buchbinder in Ant- 
werpen auf. Ketzeriſcher Anfichten verdächtig, muß er unter Alba ins 
Ausland fliehen und wendet jich nach Wejel, dem Zufluchtsort der da— 
mals vertriebenen niederländijchen Protejtanten, wo auch fein dritter 
Sohn Ägidius um 1570 geboren wird. Einige Jahre jpäter fehrt er, 
von der jpanifchen Amneſtie Gebrauch machend, nach Flandern zurück 
und läßt fih als Buchbinder in Douai nieder, deffen neuerrichtete Uni— 
verjität Ausficht auf Beichäftigung bietet. Elſevier will aber nicht in 
den Schoß ver fatholifchen Kirche zurücfehren, was man noch nachträg- 
lich von ihm verlangte, jett deshalb jeit 1580 jein Gejchäft als Buch— 
binder in Leyden fort und verbindet damit nach einem Aufenthalt von 
-wenigen Jahren einen Heinen Buchhandel. Sein bejcheidener Yaden jtand 
auf dem Grund und Boden gegenüber der Univerfität, welche ihm die 
Bauerlaubnis gegeben hatte, und enthielt hauptjächlich ein Sortiment 
von Handbüchern zum afademijchen Gebrauch. Am 15. September 1583 
ſchuldete Ludwig Elſevier dem damals hochberühmten Chriftoph Plantin, 
für welchen er früher in Antwerpen als Buchbinder gearbeitet hatte, einen 
Betrag von 1270 Gulden und verpfändete ihm dafür jein ganzes Hab 
und Gut, welches Plantin, va der Schuloner jpäter nicht zahlen fonnte, 
auch im der That an fich z0g. In demſelben Jahre 1583 wird Ludwig 
Elſevier auf dem Titel einer fleinen leydener akademiſchen Schrift zuerft 
als Buchhändler genannt; aber e8 dauert noch neun Jahre, bis er 1592 
jeinen erjten eigenen Verlagsartifel, einen Eutrop, veröffentlicht. Grit 
von 1594 an folgen mit einer gewiſſen Negelmüßigfeit andere Werfe, 
doch aber nur in bejchränkter Zahl. 

Es erjchienen bei Ludwig Eljevier von 1592 bis 1617 im ganzen 
101 Bücher und zwar bis 1600 in feinem Jahre mehr als 4, von 1600 
bis 1613 nie mehr als neun, 1614 10 und 1616 12. Eine Druderei 
bat er nie bejeffen, dagegen ließ er bei jeinem Enfel Iſaak, Sohn von 
Mathins, arbeiten; diefer hatte 1616 eine jolche gekauft, veräußerte jie 
aber 1625 an die Gejchäftsnachfolger feines Großvaters für 9000 Gulden. 
Dieſe Druderei bildete die Grundlage ver glänzenden Elſevierſchen Druder- 





a a 


512 Ludwig Elſeviers Geichäftsausdehnung. (Achtes 


thätigfeit und wurde mit jedem Jahre mehr vergrößert. Ludwig Elſe— 
viers Mittel waren indeß zu gering, als daß er fich in gemagte Unter: 
nehmungen hätte einlaffen können. Gr bejchränkte jich deshalb vorwie- 
gend auf den Sortimentshandel, dehnte diefen aber auf Belgien (Ant- 
werpen und Löwen) und Sranfreih aus. Schon gegen Ende des Jahr— 
hunderts war er ein in Paris gern gejehener und allgemein gejchäßter 
Buchhändler. Gleichzeitig war er ein faft regelmäßiger Bejucher ver 
franffurter Meffe; das erfte mal bezog er fie im Jahre 1595, von 1601 
ab — mit Ausnahme einer Unterbrechung von drei Jahren (1604 bie 
1606) — aber ganz regelmäßig. „Deine Briefe‘, jehreibt Johann Grüter 
am 29. November 1601 an Adrian var der Meer, „werden mir bebün: 
Digt werden, wenn Du fie dem Buchhändler Eljevier mitgibjt, welcer 
zwei mal im Jahre auf die Frankfurter Meffen reift.” Da Ludwig Elſe— 
vier die Bedürfniſſe des franzöfiichen und niederländiichen Marktes ge- 
nau fannte, fein Yager in Frankfurt ſtets vervolljtändigen fonnte, je 
machte er um jo gewinnbringendere Gejchäfte, als er zugleich ven Ber: 
fag holländiſcher und teifweife auch parifer Buchhändler auf der Meile 
fommiffionsweife vertrieb. 

Schon im Anfang des neuen Jahrhunderts hatte Eljevier feine frant- 
furter Niederlage mit Georg Willer dem Jüngern von Augsburg gemein 
ichaftlich in einem Gewölbe Im Faftenmeßfatalog von 1603 ift jegar 
eine Abteilung den Büchern Willers und Elſeviers allein gewidmet. Von 
da ab trat aber letterer jelbitändig auf. Die Verleger, welche er in 
Frankfurt vertritt, find unter andern Michael Sonnius in Paris, der 
Befiger eines urjprünglich von Chriftoph Plantin dort errichteten Ge- 
ihäfts, Johann Patius, H. van Haeftens, Jean I. Orlers, A. Clouc— 
quius und B. van der Bild, ſämtlich in Leyden, Ägidius Ravaens in 
Leuwarden, Timäus Faber und Franz Foppens in Franefer, Salomon 
de Roy in Utrecht, 3. Ch. Flavius in Yöwen, Fr. Belletus in Ypern, 
R. Schilders in Middelburg und Yaurent in Amſterdam.““ Im Jahre 
1614 nahm er 15 ihrer Verlagsartifel mit nach Frankfurt. Dieje That 
jache jpricht für das Vertrauen, deſſen ſich Ludwig Elſevier bei jeinen 
Berufsgenoſſen erfreute, und läßt zugleich annehmen, daß er gute Ge 
ichäfte gemacht haben muß. Er zog aus allem Vorteil für jein Gejcäft 
und war der erjte größere Buchhändler, welcher ſchon von 1609 am nicht 
nur ganze Bibliothefen jelbjt kaufte und die Bücher dann in öffentlicher 


Kapitel.) Ludwig Elſeviers Geichäftämanipulationen, 513 


Auftion wieder verfaufte, ſondern dieſes Gejchäft auch für Rechnung 
Dritter betrieb; „qui auctione publica distrahentur in aedibus Lu- 
dovieci Elzevirii ad diem“ u. ſ. w., oder „quorum auctio habebitur 
in offieina Elseviriana die” u. j. w., heißt es in den Satalogen. ’® 
Dieje Auftionen bildeten auch während des ganzen 17. Jahrhunderts eine 
Spezialität der Firma und warfen namentlich in deſſen erſter Häffte 
großen Gewinn ab. Übrigens war Ludwig Efjevier auch um die Wahl 
jeiner Mittel durchaus nicht verlegen. So wandte er alle die Künſte 
und Mittelchen an, deren fich nicht gerade gewiffenhafte Buchhändler be- 
dienten, um ben Abjaß ungangbarer Bücher zu befördern. Er machte 
neue Titelausgaben, wie den Ariftoteles von 1616 und den Meurſius 
von 1615, und folgte darin einem Brauch, der jehon vor 1550 in Sta: 
lien zu beobachten ift und der auch in Deutjchland, z. B. bei Johann 
Gymnicus in Köln bezüglich der Verlagsrefte der Werfe Leonhard 
Thurneyſers vorfommt; er drudte jogar den Namen eines andern Ver— 
fegers auf den Titel oder erweiterte eine alte Ausgabe um ein paar 
Seiten und nannte fie eine vermehrte”, wie 5.8. die „Chronique de 
Carion“, oder er fingierte auch dadurch neue Werfe, daß er einfach 
deren zwei zuſammenbinden ließ, wie den Gluverius von 1611 und 
„Les Tactiques d’Elien et de Leon“ 1613. Kurz, er ift ein erfin- 
dungsreicher, nie um Auskunft verlegener, ſchlauer und heller Kopf. Sein 
Fleiß, jeine Pünklichkeit, Ausdauer und Sparjamfeit verjchafften ihm übri- 
gens trotzdem die Achtung und das Vertrauen jeiner Mitbürger, die ibn 
zum Borfteher jeines Quartiers (Biertels) in Leyden wählten, und ficher- 
ten ihm die Yiebe und das Wohlwollen feiner gelehrten Freunde, wie 
Gruterus, der ihn den „vortrefflichen‘ Eljevier nannte, und des Putea— 
nus (De But), welcher von ihm als feinem Freunde fpricht. 

Bei jeinem Tode war Ludwig Elſevier einer der bedeutendſten Buch— 
händler Holland. Neben jeinen großen Verdienſten verhalf ihm allerdings 
auch das Glück zu jo ungewöhnlichen Erfolg: er hatte feine Zeit getroffen. 
Holland war damals, wie ſchon oben flüchtig angedeutet, nicht allein 
eben erjt durch Abjchüttelung des jpanijchen Jochs der freiefte Staat 
Europas geworden, wie es denn auch bald der reichjte wurde, jondern es 
blühte auch auf als Sit der klaſſiſchen Gelehrſamkeit und wiffenjchaftlichen 
Kritif und entwidelte jene überlegene buchhändleriſche Thätigfeit, welche 
bisher Deutjchland ausgezeichnet hatte. Als Yupwig Eljevier unmittelbar 

app. I. 33 


514 Hollands Blüte, Die verichiedenen Elfevier- Firmen. [Achtes 


‚me ru 


in den Glanzpunkt diejer neuen Ära ein, denn es zählte 1626 bereits 
19 Druder und Buchhändler und 1651 deren jogar 35 (9 Druder mit 
23 Prefien und 26 Buchhändler). Amfterdam war nech bedeutender, 
während Frankfurt damals jchwer unter den Kriegswirren, unter deren 
Folgen und umter dem Drud der faiferlichen Bücherkommiſſion zu leiden 
hatte. Der wirtjchaftliche und politiſche Ruin Deutichlands war eine 
der Vorbedingungen der Blüte Hollands. Je mehr jenes von jeiner 
einstigen Höhe herabſank, deſto mehr ftieg dieſes auf wifjenjchaftlichen 
Gebiet empor und deſto größer wurde auch das Elſevierſche Gejchäft. 
Mit der Veröffentlichung des Cäſar, Terenz und Plinius im Jahre 
1635 erreichte diejes jeinen Höhepunkt und behanptete venjelben bis 1680; 
jenes Jahr aber war für Dentjchland eins der unglüclichiten des Kriegs, 
und das auf diejen folgende Menjchenalter das armfeligfte und jümmer- 
lichjte der deutjchen Gejchichte, °* 

Ludwig Eljevier war indeß nicht allein jelbft ein bedeutender Buch— 
händler, jondern erzog auch eine ganze Dynaſtie von großen Verlegern, 
welche zu den hervorragenpften aller Zeiten gehören. Die Firma Elſe— 
vier bejtand unter verſchiedenen Heinen Änderungen won 1583 bis 1713, 
alſo volle 130 Jahre; aber ihr Geift und ber Charakter ihrer Unter— 
nehmmmgen blieb ziemlich bis zu Ende unverändert derſelbe. Die eigent- 
liche Bedeutung der Firma bejchränft fich jevoch auf das 17. Jahrhundert, 
oder noch genauer auf die Periode von 1630 bis 1680. Dem Vater 
folgten fünf Söhne, bis auf einen gleich tüchtig und thätig im Geſchäft, 
vier Enfel, darunter Männer erjten Ranges, wie Daniel, drei Urenfel und 
ein Ururenkel. Die beiden Hauptgejchäfte blühten in Leyden von 1583 
bis 1712 und in Amfterdam von 1638 bis 1681; verhältnismäßig unter: 
geordneter Natur waren die Firmen im Haag von 1590 bis 1636 und 
in Utrecht von 1667 bis 1675. Es ift natürlich nicht die Aufgabe dieſes 
Buchs, die einzelnen Phajen im Gejchäftsfeben ver Elſeviere näher zu 
ichilvern, fie fommen hier vielmehr nur fo weit in Betracht, als fie 
den deutſchen Buchhandel berühren. Es genüge deshalb, für Leyden, 
außer dem Gründer Yubwig (1583 bis 1617), deſſen Söhne Matbias 
und Bonaventura (1617 bis 1622), fowie Bonaventura und Abrabam 
(Söhne von Mathias, 1622 bis 1652) zu erwähnen, und für Amfterdam 
Daniel (Sohn des Bonawventura, zwijchen 1655 und 1680) anzuführen. 


Kapitel.) Ehrgeiz, Kleinlichfeit und Geiz im Geſchäftsgebaren. 515 


Alle diefe Männer hatten natürlich ihre Neider umd Feinde und waren 
bis auf den zuleßt genannten wenig beliebt, aber in dem einen Punkt 
groß: in der Piebe zu ihrer Kunſt und zu ihrem Beruf, welchem jie vom 
erjten Auftreten ver Familie an einen wahren Kultus wiometen. Sie 
betrachten es als ihre Yebensaufgabe, techniſch möglichit vollendete Drude 
zu liefern, und arbeiten mit einer Ausdauer und Geduld auf diejes Ziel 
bin, welches jelbft den Hintergedanfen eines faufmännifchen Gewinns 
auszujchließen ſcheint.““ Stolz auf ihre Arbeit, rühmen fie fich ihrer mit 
vornehmen Selbjtgefühl und rufen nicht allein das Urteil ihrer Zeit- 
genofjen, jondern auch der Nachwelt an: „Libenter quicquid opus est, 
judieio doctorum ac posteritatis maxime remittimus.” So wird 
denn ihr ganzes Thun auch von einem edeln Gefühl perjönficher Ehre 
und Verantwortlichfeit getragen, und jelbjt ihre Heinen Schwächen fallen 
ihren großen gejchäftlichen Tugenden gegenüber faum ins Gewicht. Nament- 
lich ift e8 Bonaventura, welchem jogar von feinen Freunden ſchmutziger 
Seiz, Mangel an Aufrichtigfeit und Ablehnung jeder moraliichen Ber: 
binplichfeit vorgeworfen wird. So berechnete er 1639 dem Johann 
Friedrich Gronovius 15 Sous für Porto eines Briefs, welcher von Sel- 
den einem an die Elſeviere gehenden Paket beigejchloffen gewejen war. 
Und doch enthielt diefer Brief nur Mitteilungen über eine Ausgabe des 
Yivius, welche Gronovius auf Bitten der Elſeviere für fie jogar ohne 
jedes andere Honorar als 12 Freieremplare vorbereitete. Nikolaus Hein- 
fins, auch ein Freund der Firma, bittet 1643 in deren Namen Grono— 
vins die Vorrede zum Yivins zu beenden und fügt höhniſch hinzu: „Was 
nun die Winmungseremplare betrifft, jo glaube ich fait, daß die Geiz- 
hälſe ſich dieſe jelbjt vorbehalten wollen‘ (v. h. daß der Verleger nicht 
allein nichts zahlt, jondern die für jene Widmungsexemplare etwa ein- 
gebenven, dem Berfajfer gebührenden Ehrengejchenfe in die Tajche ſtecken 
will). Heinſius las dem Johann Eljevier eines Tags in Paris auf 
offener Straße den Tert wegen Zurüdhaltung eines für einen ihrer 
Sejchäftsfreunde beftimmten Freieremplars, ſodaß der Verleger errötete 
und das bisher Verſäumte noch nachträglich zu erfüllen verſprach. Nir- 
gends genoß deshalb auch die leydener Firma Yiebe und perjönliche Zu: 
neigung. Wenn jelbt die befreundeten Gelehrten fie homines avari, 
astutissimi mortales nannten, wie werden da erft die Bejchuldigungen 
der Gegner gelautet haben. 
33* 





516 Umfang und Charakter ihres Verlags. Achtes 


Die Leiſtungen der Elſeviere aber waren erſtaunlich und bis dahin 
unerhört. Abgeſehen von 2737 lateiniſchen Differtationen, welche fie als 
Univerfitätsoruder in Leyden von 1654 bis 1712 drudten, veröffent- 
fichten fie im ganzen 2093 Berlagsartifel, deren Hauptzahl mit 462 auf 
Bonaventura und Abraham in Leyden und deren höchſtnächſter Betrag 
mit 415 Werfen auf Daniel in Amfterdam fällt. *° Und was für Werte! 
Sie ſtehen heute noch mit ihren feingeftochenen Titeln, ihrem nieblichen 
Duodez- und Sedezformat, ihrem vortrefflicen Papier, ihren reinen 
Schriften und ihrem forreften Text unübertroffen da. Ihr Typengießer 
Chriſtoph van Dyd ift einer der größten Meifter jeiner Kunſt, ihre 
Tertkritifer gehören zu den erjten Gelehrten des damaligen Europa, wie 
Daniel und Nikolaus Heinfins, Holftenius, Voß, Gruterus u.a. Die 
Elſeviere druckten in allen, am liebjten aber in Heinen sormaten. Ihr 
Cäſar in Folio (1635) ift ein Prachtwerf erjten Ranges, ihre Quart- 
und Oftavansgaben find ebenjo mufterbaft wie ihre Klaſſiker in Duodez. 
Die erfte (Folio) Ausgabe des „Corpus juris” gilt als das ſchönſte 
aus den Preffen des amfterbamer Haufes hervorgegangene Bud. Zu 
den alten Klaſſikern, welche eine Bibliothek für fich bilden, kamen num 
noch Werfe der jchönen Pitteratur, wie Boccaccio, die franzöfijchen Dichter 
Gorneille, Racine und Moliere, Romane und Schriften von Balzac x., 
ftaatsrechtliche Unterfuchungen von Machiavelli, Hugo Grotius und Mil- 
ton, Gejchichtswerfe von Brantome, Froffard und Sleidan, politiihe Pam— 
pblete, religiöfe und philoſophiſche Schriften von Erasmus, Melanchtben 
und Galvin, Baco, Descartes und Hobbes, holländiſche und franzö— 
fiiche Prachtbibeln in Folio, Wörterbücher und Grammatiken, zehn ver- 
jchievene Ausgaben ver Juſtinianiſchen Inftitutionen und zwei Ausgaben 
des vollftändigen „Corpus juris, deren erjte oben angeführte in Folie 
und deren zweite in Octav innerhalb eines Jahres (1663/1664) auf: 
einander folgten. Jeder neue Verlagsartifel der Efjeviere galt als ein 
Ereignis in der gelehrten Welt, und wurbe e8 daher — troß ihrer ſchon 
betonten Schäbigfeit betreffs des Honerars — als eine große Ehre an 
gejehen, von ihnen verlegt zu werben. 

Während die alten Pevanten in Holland und Deutjchland, wie De 
Put, Nifolans Heinfins und Job. Fr. Gronovius, die Eljevierjche Aus- 
ftattungsweife als zu glänzend und üppig tabeln, fönnen ſich andere 
hervorragende Schriftteller in ihrem Yobe über den Geſchmack und vie 


Kapitel.) Preis und Auflage ihrer Verlagswerke. 517 


Handlichfeit diejer Ausgaben faum erjchöpfen. So nennt der ſtraßburger 
Profeffor Mathias Bernegger 1635 in der Vorrede zu feiner Überjegung 
des Galilei'ſchen Weltſyſtems die Eljeviere die größten und verbienteften 
alfer Buchdrucker, und Galilei ſelbſt huldigt 1638 in der Vorrede zu 
jeinen „Discorsi” der Einficht und dem feinen Kunftfinn jeiner bolländi- 
ſchen Verleger. 

Die Preife ihrer Verlagswerfe, namentlich der alten Klaffifer, waren 
übrigens durchaus nicht hoch. Ein Bändchen von etiwa 500 Seiten, wie 
der Birgil von 1636, der Plinius von 1640 und jeder Band des Cicero 
von 1642 koſtete nur einen bolländifchen Gulden (1 Mark 70 Bfennige). 
Diefer Preis fteigt und fällt natürlich, je nach dem Umfang des Buche. 
So wurde der Curtius von 1633 zu 1 Marf 36 Pfennige, der Salluft, 
Terenz und Florus zu je 1 Marf 25 Pfennige verfauft, während fich die 
größere Ausgabe des Plinius von 1635 und die des Livius in je brei 
Bänden zu je 4'/, Gulden angejegt finden. Selbjtredend darf man bei der 
Umrechnung dieſer Preife die jeitvem verringerte Kauffraft des Geldes 
nicht überjehen. Über die Höhe ver Auflagen fehweigen die Quellen; fie 
war natürlich verjchieden. Als 1677 Heinfins eine neue Ausgabe des 
Vellejus Paterculus herauszugeben wünfchte, antwortete ihm Daniel 
Elſevier: er babe zwar noch 500 Exemplare ver alten vorrätig, wolle 
diefe aber möglichft ſchnell abzujegen fuchen; Heinfius möge nur inzwifchen 
die Tertrezenfion fertig ftellen. Nun war die erjte Ausgabe des Vellejus 
1664 auf den Markt gefommen‘!; fie muß aber in hoher Auflage 
geprucdt worden und babei jehr gangbar gewejen fein, wenn einerjeits 
"13 Jahre jpäter noch 500 Erempfare davon vorrätig waren, andererjeits 
Daniel fich trotzdem bereit fand, einen Neudrud zu bringen. 

Deutjcbe Bücher haben die Eljeviere im ganzen mur 20 verlegt, aber 
deito mehr in lateiniſcher Sprache von deutſchen Gelehrten veröffentlicht. 
Die Verhandlungen des Weftfäliichen Friedens waren zwar in Osna— 
brüf gedrudt worden, aber in jo jämmerlicher Ausstattung, daß die Elſe— 
viere 1651 eine beffere Ausgabe davon veranftalteten. Ebenſo drudten 
fie 1672 im Auftrage des Funftfinnigen paderborner Fürftbiichofs Ferdi— 
nand von Fürftenberg die „Monumenta Paderbornensia” muftergültig 
in Quart. Deutjchland war ja damals politijch und geiftig jo tief ge- 
junfen, jeine Sprache galt als fo roh, daß das Ausland fie gar nicht 
als wollberechtigt anerkannte, zumal auch die deutjchen Duodezfürften 


518 Ausdehnung ihrer Geihäftsverbindungen. Achtes 


und die vornehm ſein wollende Geſellſchaft lieber Franzöſiſch radebrechten. 
Letzteres fing gerade an, bie Geſchäfts- und Umgangsjprache ver diplo— 
matischen und jogenannten gebildeten Welt zu werben, Yateinifch und 
Franzöſiſch find daher auch die Sprachen ber großen Mehrzahl ver Ver- 
lagsartifel der Eljeviere. 

So trug ihr Verlag einen internationalen Charakter und verlangte 
zu feinem Bertriebe weitgreifender Verbindungen, wobei aber wiederum 
ihr gleichzeitig in ausgevehntem Maßſtabe betriebener Sortimentshandel 
eine wejentliche Hülfe und Förderung gewährte. Sie bejuchten nicht nur 
die benachbarten Märkte, die Meffen von Frankfurt und Paris, jondern 
dehnten ihre Verbindungen bis in den Norden Europas aus und gründeten 
eine ftändige Nieverlaffung in Kopenhagen. Bis zu den erjten Jahren 
des Dreißigjährigen Kriegs hatten die dänischen Buchhändler ihren Be- 
barf faft ausfchlieflich von den frankfurter Meffen bezogen, oder er war 
ihnen von Dentjchland ans zugeführt worden; der Krieg unterbrach dieſe 
Verbindungen. Die Holländer aber kannten die Einträglichkeit des fopen- 
hagener Büchermarfts und fuchten ihn jetzt nicht nur für ihren Verlag, 
jondern auch für ihr Sortiment auszubenten. Es gelang ihnen dies um 
jo eher, al$ fie den Wafferweg zur Verfügung und nicht unter den Ge- 
fahren des Landwegs zu leiden hatten. Johann Janſſon, ein amfterdamer 
Buchhändler, ſchickte zunächit in der Perfon David Zunners (jpäter einer 
der bedeutendſten Verleger in Frankfurt a. M.) einen Agenten nach Kopen— 
hagen und machte dort jo bedeutende Gejchäfte, daß die angejeffenen Buch— 
händler 1624 über die ihnen gemachte Konkurrenz Klage erhoben. Wann 
die Eljewiere zuerjt nach Kopenhagen kamen, läßt fich nicht genau feit- 
jtellen; e8 ift aber eine unbeftreitbare Thatjache, daß fie in dem von 
König Chriftian IV. in Kopenhagen errichteten neuen Börjengebäude einige 
Läden mieteten und im dieſen ein großes Sortiment ausftellten. Dieje 
Filiale beftand bis etwa 1652; fie gab vortrefflihe Spezialtataloge aus, 
von denen einer aus dem Jahre 1642 noch vorhanden ift. Auch bie 
Königin Chriftina won Schweden machte den Elſevieren glänzende An- 
erbietungen, um fie zur Errichtung einer Buchhandlung in Stockholm zu 
bewegen. Daniel reifte 1650 in Gejellichaft von Nikolaus Heinfius dabin; 
indeffen jebeint er das Unternehmen nicht lohnend genug gefunden zu haben 
und ging nicht darauf ein, ſondern bediente fich jpäter für die gejchäftlichen 
Beziehungen ver Vermittelung des ſtockholmer Buchhändlers Curio. 


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Kapitel.) Beziehungen der Eljeviere zu Paris und Frankfurt. 519 


Kurz, die Eljeviere hatten überall ihre Augen, two es etwas zu ver: 
dienen gab; aber jo groß auch ihre Energie und Einficht war, der innere 
Grund ihres Erfolgs beitand doch darin, daß fie über dem Kleinſten nie 
das Größte und über dem Größten nie das Kleinſte überjahen. Ihr 
Blick baftete nicht Ängftlih am Einzelnen, jondern wurde von allgemeinen 
Geſichtspunkten geleitet. So behandelten fie denn auch den unbedeutend: 
ſten Vorteil mit derjelben eingehenden Sorgfalt, wie das wichtigste Unter: 
nehmen. Einer neuen Ausgabe des Cornelius Nepos 3. B. widmeten 
fie verhältnismäßig dieſelbe gewiſſenhafte Aufmerkfjamfeit, wie ber Vor: 
bereitung der 1637 im Ausficht genommenen Veröffentlichung ver Werfe 
des Profopius, für deren Lateinische Überjegung fie lange mit Hugo Gro- 
tins verbandelten, oder ven jchon 1638 getroffenen Vorbereitungen für eine 
Geſamtausgabe der Werke Galilei's. Wenn fie diefe und andere groß: 
artige Pläne in der Folge nicht ausführten, jo lag die Schuld an äußern, 
nicht zır bewältigenden Hinderniffen. Indeſſen ließen fie fich ſelbſt durch 
teilweife Mißerfolge nicht abjchreden, ſuchten vielmehr jtets einen Fehl— 
ihlag durch ein erfolgreicheres Unternehmen wieder auszugleichen. 

Wie die leydener Söhne und Enfel Ludwig Elſeviers, jo bejchidte 
au jein amfterdamer Enfel Daniel regelmäßig die frankfurter Meffen. 
Daniel blieb diejen auch dann noch treu, als fie ſchon anfingen in Ber: 
fall zu geraten. Der Beſuch derjelben förderte nämlich feine Interejjen 
viel befjer, als ſelbſt ver Verkehr in Paris, wo der Buchhandel noch in 
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lange nicht die Gerechtiame ge- 
noß, deren er fich in Frankfurt erfreute, und wo die fremden Buchhändler 
nur zu jehr drückenden Verationen ausgefegt waren. So war ihnen 
unterfagt, die Märkte von St. Germain und St. Yorenz überhaupt zu 
beziehen; jo durften fie nur ein einziges mal im Jahre fommen, nicht 
länger als drei Wochen bleiben und ausjchlieglih nur an Buchhändler 
verfaufen. Im April 1640 wurden die Elſeviere der Übertretung dieſer 
Beitimmungen angeklagt; Johann Elſevier mußte fein Yager fchlieken 
und bei Strafe von 100 Yivres und unbedingter jofortiger Konfisfation 
jeiner Waren den Berfauf an Nichtbuchhänpler einftellen. Daniel war 
durch den Schaden feines leydener Vetters vorfichtiger geworden, ver: 
faufte gar nicht jelbjt in Paris, jondern vermittelte jeinen Verfehr mit 
Frankreich durch einen Faktor, der die an ihn geichieten Sendungen von 
Bordeaux und Ya Rocelle aus an die Beitimmungsorte beförderte, 62 


520 Daniel Elfevier, Erlöjchen der Firma. Achtes 


Daneben beſuchte aber Daniel wiederholt Paris, wohin ihn ſeine alten 
Beziehungen zogen, hielt ſich ſogar kurz vor ſeinem Tode noch ſechs 
Wochen dort auf. 

In der franzöſiſchen Hauptſtadt gebildet und im geiſtigen Verkehr mit 
dortigen wiſſenſchaftlichen Größen herangewachſen, vereinigte er die beſten 
Eigenſchaften des Gelehrten mit der Umſicht und Erfahrung des Kauf— 
manns. Als Schriftgießer, Drucker, Sortimenter und Verleger ſtand er 
(1655 bis 1680) an der Spitze eines der größten buchhändleriſchen Ge— 
ichäfte und bob dieſes durch feine überall eingreifende Fuge Thätigkeit 
troß der Kriege auf eine noch ftolzere Höhe, al c8 vorher eingenommen 
hatte. Im den Jahren 1665 bis 1667 jpielte der Krieg zwiſchen Eng: 
(and und ben vereinigten Provinzen; 1672 aber fiel Ludwig XIV. in 
das Yand ein und erft 1678 fam es zum Frieden. Daniel ließ fich je: 
doch durch diefe dem Büchermarkte jo ungünftigen Zeiten nicht abjchreden 
und verlegte zwiſchen 1667 und 1672 mehr als 100, von 1675 aber bis 
1680 an 90 Werfe. Ihm zur Seite jtanden allerdings tüchtige Mit- 
arbeiter, wie ver Deutſche Jakob von Zetter (Zetterus), welcher noch nad 
dem Tode des Chefs bis zur Auflöfung des Gejchäfts in dieſem anshielt, 
und der Bafeler Heinrich Wetttein, welcher fieben Jahre, 1669 bis 1676, 
in Elſevierſchen Dienften jtand, im leßtgenannten Jahre heiratete, fich 
dann jelbjtändig im Amſterdam niederließ und fich zu großer Bedeu: 
tung emporarbeitete. Dieje beiden Gehilfen bejuchten abwechjelnn over 
auch gemeinjchaftlich die Frankfurter Meſſen, welche das Erlöjchen ver Elſe— 
vierfchen Firma empfindlicher fühlten al8 manche andern harten Schläge, 
die fie jhon um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts mehr und 
mehr zur Bedeutungsloſigkeit herabdrückten. 

Sohn Yode nannte mit Recht ven Tod Daniel Elſeviers einen öffent: 
lichen Verluſt. Mit ihm wurde zugleich das Preftige und die unberingte 
Überlegenheit ver holländifchen Drucferthätigfeit zu Grabe getragen. Ziem- 
(ich gleichzeitig mit Daniel Elfevier jtarben nämlich Johann Blaeu (1673), 
die Steuder und Janſſon von Waesberghe (1681), Abraham Wolfgang 
(1693) und wenig jpäter der legte Dad. Der Elfevierjche Verlag brachte 
auf der im Juli 1681 abgebaltenen Auktion 120000 Gulden = 204000 
Mark, während das aus 20000 Binden beſtehende Sortimentslager 
(Bibliopolium, Librairie ancienne et moderne) ein ziemlich befrie- 
digendes Ergebnis lieferte. Der Glanz des Elſevierſchen Namens erloid 


Kapitel.) Kläglicher Ausgang der Firma Effevier. 521 


mit ihm. Abraham, der fette Buchhändler feines Namens (1681 bis 
1712), vernachläffigte Das ererbte Gejchäft. Er verlegte fein größeres 
Wert mehr und ließ feine Druderei verfallen. Als Univerfitätspruder 
jtellte er zwar vom Juli 1681 bis zu feinem 1713 eintretenden Tode 
die große Zahl von im ganzen 1899 Differtationen ber, aber bei dem 
nun erfolgenven Berfaufe brachte die Druderet mit ihren abgenußten 
Schriften kaum 2000 Gulden. 6? Kin Fläglicher Abſchluß für die einft jo 
große und berühmte Firma! 


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Neuntes Kapitel. 


Die Bücercenfur und die Prefverfolgungen. 


Hiftorifche Einleitung. Das Altertum. — Verhalten der Kirche. Cenſurrecht der 
Univerfitäten. — Erjtes Auftreten nad Erfindung der Buchdruderkunft: Köln. — 
Vorgehen der Kirche ohne Rüdjicht auf den Staat: Mainz. — Die Bullen Sir- 
tus’ IV., Mleranders VI. und Leo's X. — Das Wormſer Edikt. Eintreten des 
Staats. — Die Neichs + Prefverordnungen. — Der Begriff des Libells und der 
Famosihrift. — Schwächliches Verhalten der Proteftanten. — Cenſur in Dfter: 
reich. — In Bayern. Katalog erlaubter Bücher. Verfahren gegen Schmwend: 
feldianer. — Die proteftantischen Neichsitädte. Straßburg. Nürnberg. (Hans Sachs.) 
Augsburg. Um, Frankfurt a. M. — Bajel. Zürich. — Die geiftlichen Kurfürften- 
tümer. — Böhmen und Schlefien. — Kurpfalz. — Brandenburg. — Sadien. — 
Die Heinen Territorien. 


Die Büchercenfur ift das bequemfte Mittel, unbequemen, durch vie 
Schrift ſich äußernden Widerſpruch oder Tadel zu untervrüden. Sie 
wurzelt in der Willfür und Gewalt und ift deshalb faft jo alt als die 
Geſchichte ver Menjchheit ſelbſt. So tritt fie denn auch in verjchiedenen 
vändern und zu verfehiedenen Zeiten, höchſtens äußerlich in andern Kor: 
men, auf. Der Unterjchied vor und nach Gutenberg ift nur der, daß 
in der Handjchriftenzeit die Yitteratur fich auf Fleine und wenige Kreiſe 
beſchränkt, alfo kaum im die Öffentlichkeit dringt, während die Buch— 
druckerkunſt jahraus jahrein die Erzeugniffe der Preffe zu Taufenden in 
die Welt jendet umd das ganze geiftige Yeben des Volks zu einem öffent- 
lichen macht, Qualitativ zeigt fich deshalb die Schreibfreiheit bei den 
Alten und im Mittelalter in demſelben, wenn nicht böhern Grade be- 
jchränft wie in der Neuzeit, und nur quantitativ übertrifft die lektere 
ihre Vorläufer an ſyſtematiſcher Berfolgungsjucht. 


Neuntes Kapitel] Mahregelungen der Autoren im Altertum. 523 


Beweise für diefe Thatjache finden fich fast in jedem klaſſiſchen Schrift- 
fteller. So wurde das erjte Buch, von deſſen gewaltjamer Unterbrüdung 
die Gejchichte berichtet, Faum 20 Jahre nach dem Tode des Perifles 
in Athen dem Scheiterhaufen überliefert. Der Philofoph Protagoras 
batte nämlich in einem gelehrten Werke die Eriftenz der griechtichen 
Götter bezweifelt: Grund genug für die priefterlichen Pächter des Olymp, 
ihren Zorn ob des zerftörten Befitftandes durch die Konfiszierung und 
Verbrennung des Buchs und durch die Bejtrafung des BVerfaffers zu 
fühlen. Diejer floh, um dem Scirlingbecher zu entgehen, und fand, 
wie e8 beißt, auf offenem Boote in den Meeresfluten den Tod: das 
erite Einjchreiten des Staates auf Betrieb ver Kirche! ! Bei ven Römern 
enthielten jchon die Zwölf Tafeln jtrenge Beſtimmungen über öffentliche 
Schmähungen und Pasquille. Auguftus war nach Tacitus der erite, 
welcher das gejchriebene oder geiprochene Wort ftrafte Während das 
Majeſtätsgeſetz der Republik bisher nur ftrafbare Thaten gekannt hatte, 
debnte der Kaiſer die gerichtliche Unterfuchung und Strafe auch auf 
Shmähjchriften und Spottgedichte (libelli famosi) aus. So befahl er 
denn auch, die Schriften des Yabienus üffentlich zu verbrennen. Sein 
Nachfolger Tiberius verfolgte mit noch größerm Haß das gejchriebene 
Wort. „Für Worte werde ich zur Verantwortung gezogen, jo wenig 
fallen Handlungen mir zur Laſt“, ſagte Cremutius Cordus, dev ob der 
bloßen gegen ihn gerichteten Anklage bereits auf jein Leben verzichtet 
hatte und ben freiwilligen Hungertod ftarb. Und doch hatte er bloß ven 
Gajus Caſſius den letzten Römer genannt. Seine Schriften jollten durch 
die Adilen verbrannt werben, erhielten fich aber im Publikum unter dem 
Schute der Berborgenheit. „Um jo mehr möchte man“, ſagte Tacitus? 
bei diefer Gelegenheit mit vornehmen Hohn, „über die Bejchränftheit 
derjenigen lachen, welche für ven Augenblid im Beſitze ver Macht, auch 
das Andenken bei der Nachwelt austilgen zu können wähnen. Im Gegen- 
teil, man verhänge nur Strafen über die Geifter und es wächft ihre 
Geltung; und nichts anderes haben auswärtige Könige und andere, 
welche die gleiche Tyrannei gebt, erzielt, als ihre eigene Schande und 
den Ruhm des Verfolgten.” Als die von Nero verbotenen Schriften 
des Vejinto nachmals wieder herausgegeben wurden, meinte Tacitus: 
„So lange ihre Anjchaffung mit Gefahr verbunden war, wurden fie eif- 
rig gefucht und gelejen; durch die Erlaubnis, fie zu befigen, gerieten fie 


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524 Verhalten der Kirche im Mittelalter. Neuntes 


bald in Vergeſſenheit.“ Domitian ließ den Geſchichtſchreiber Hermogenes 
und alle Buchhändler, welche ſich mit der Vervielfältigung des dem Kaiſer 
anſtößigen Werks befaßt hatten, an das Kreuz ſchlagen. 

Dieſe Beiſpiele, aus hundert ähnlichen herausgegriffen, werden ge— 
nügen, um bie Feindſeligleit der erſten Kaiſer gegen den freien Gedanken 
feſtzuſtellen. Wenn in den ſpätern Jahrhunderten der Imperatorenzeit 
nicht mehr ſo arg und oft gegen die Schriftſteller gewütet wurde, ſo 
unterblieb es bloß deshalb, weil die Litteratur längſt unterdrückt oder gar 
getötet war. So erwieſen ſich denn auch ſpezielle Cenſurgeſetze als über— 
flüſſig. Die römiſche Geſetzgebung, welche ſo fruchtbar an Beſtimmungen 
über libelli famosi, carmina famosa und epigrammata geweſen it, 
hätte ficherlich die Erzeugniffe der Buchoruderkunft zu unterdrücken ver: 
jtanden, wenn fich der Staat von ihr für bedroht gehalten hätte. 

Juftinian fette mit andern Bijchöfen auch den Severus ab, weil 
diejer, abgejehen von verjchiedenen gegen ihn vorgebrachten Beſchwerden, 
das Reich mit verjchievenen Schanpjchriften und verbotenen Büchern über: 
ſchwemmt habe, deren Vernichtung zugleich den Befigern anbefohlen und 
deren fernere Vervielfältigung bei Strafe des Verluſtes der rechten Hand 
verboten wurde, 

Das päpftliche Nom trat die Erbichaft des fatjerlichen auch als oberjter 
Cenſor der Chriftenheit an. Es gründet feine Berechtigung zur Über: 
wachung der Geijtes- und Denffreiheit auf die oberſte dogmatiſche VBoraus- 
jegung der fatholischen Kirchenlehre. Der Papft hat nach ihr nicht allein 
das Recht, fondern auch die Pflicht, alle diejenigen Einflüffe von ven 
Gläubigen fern zu halten, welche fie in ihrem Glauben beunrubigen oder 
erjchüttern können. Der Laie ſoll überhaupt nicht jelbftändig denken und 
nur das leſen, was ihm zu erlauben der Geiftliche für gut befindet. Die 
Kirche nimmt deshalb auch von jeher die Genjur fittlich fchlechter und 
ketzeriſcher Bücher als negatives Mittel zur Erhaltung des Glaubens in 
Anfpruch und unterbrüdt alle ihr feindfeligen Äußerungen und Schriften. 
Diefe Aufgabe war bei den firchlichen Machtmitteln jehr leicht, jolange 
der Gedanke nur durch Wort over Schrift in die Öffentlichkeit drang 
und jolange die ganze Chriftenheit ven Papſt als ihr Oberhaupt ver- 
ehrte; fie wurde aber jehr jchwierig, jobald die Buchdruckerkunſt die tauſend— 
fache Vervielfältigung der Geifteserzeugniffe ermöglichte und der Abfall 
von Rom immer größere Kreife ergriff. Daß nun Gutenbergs Erfin- 


Kapitel.) Cenſurrecht der Univerſitäten. 525 


dung das alte Verhältnis ändern und die kirchliche Autorität auf dem 
Gebiet der theologiſchen und profanen Wiſſenſchaft untergraben könne — 
dieſe der heutigen Erkenntnis nahe liegende Beſorgnis ſcheint den hohen 
geiſtlichen Würdenträgern anfangs gar nicht in den Sinn gekommen 
zu ſein. 

Der Papſt hatte ſein Recht der Überwachung des Schriftenweſens 
iben im 13. Jahrhundert einzelnen Univerfitäten übertragen. Letztere 
beauffichtigten deshalb nicht allein die Gejchäftsführung der unter ihrem 
Schutze tbätigen Stationarii, Schreiber, Buchbinder, Pergamenter, Papier- 
händler und Illuminatoren, jondern auch den Inhalt der von ihnen an- 
gefertigten und an den Markt gebrachten Handjchriften und bejtraften 
nötigenfalls den Schuldigen. Die Statuten der Univerſität Paris bewei— 
jen, daß dort ſchon 1323 eine Präventivcenjur bejtand. Je nach der 
Wiffenjchaft, welcher ein Buch angehörte, mußte ver Librarius, ver ein 
ſolches abjchrieb oder abjchreiben ließ, e8 dem von der betreffenden Fakultät 
eingejegten Univerfitätsprofeffer vorlegen, der dann als Genjor den Ver— 
fauf geftattete oder verbot. Der Übertretungen waren übrigens im Mittel- 
alter nur wenige; darum urteilte die Genjur auch milde und ermahnte 
lieber, als daß fie ftrafte. Große firchliche Verbrechen aber, wie Keterei, 
fonnten mittel® der Prefje nicht begangen werden, da eine jolche über- 
haupt noch nicht eriftierte. 

Natürlich wurde die Yage der Dinge durch Erfindung der Buchoruder- 
kunſt mit einem Schlage eine andere. Abgejeben von einem vereinzelt 
daftehenden Fall aus dem Jahre 1475, wo Konrad Fyner in Eßlingen 
„Petri Nigri Tractatus contra perfidos Judaeos” mit der ausdrück— 
lichen Genehmigung des Biſchofs von Regensburg verjehen berausgab, 
war es in Deutjchland Köln, von welchem die erften Schritte zur Ein- 
führung der Genjur ausgingen. Die dortige Hochſchule übertrug zuerjt 
die firchlicherjeits bisher gegen die Hanpjchriften geiibte Überwachung des 
geiftigen Lebens auf die gedruckten Bücher. Diejelbe war am 21. Mai 
1388 von Papft Urban IV. „zum Yobe Gottes und zur Verbreitung des 
wahren Glaubens“ als ein Studium generale nach dem Mufter ver 
parijer Univerfität gegründet worden. Als die Buchdruckerkunſt jehr bald 
nad ihrer Erfindung feiten Fur in Köln faßte, ftanden bier die jcholafti- 
ide Philofophie und die ftreng katholiſche Theologie in vollfter Blüte. 
Die Univerfität betrachtete e8 deshalb auch als ein Gebot der Pflicht, 


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526 Univerfitätscenjur in Köln. Die Bilchöfe. [Neuntes 


durch eine jtrenge Genjur die ihr feßerifch und unchriftlich erjcheinenden 
Bücher dem Marfte fernzuhalten, 

So erlangten denn auf ihren Antrag Rektor und Defane der Uni- 
verfität am 17. März 1479 von Papſt Sirtus IV. die Befugnis, mit 
firchlichen Genjuren gegen Druder, Käufer und Yejer häretijcher Bücher 
vorzugehen. Es jcheint, daß Werner Rolewinfs 1474 zuerjt erſchienener 
„Fasciculus temporum“ die Mafregel hervorgerufen bat, weil er frei- 
mütig über den Berfall der Kirche und über das anftörige Yeben der 
Päpfte und Geiftlichen geklagt hatte. Seit diefer Zeit, namentlich bis 
jur Mitte ver achtziger Jahre des 15. Jahrhunderts, tragen verſchiedene 
Bücher den Bermerf, daß fie von der Univerfität gebilligt und zugelafjen 
worben jeien. Dieje Druderlaubnis ift ausprüdlich in ven Worten 
„Admissum et approbatum ab alma Coloniensi universitate”, over 
auch: „Temptatum admissumque et approbatum ab alma univer- 
sitate studii eivitatis Coloniensis, de consensu et voluntate spec- 
tabilis et egregii viri pro tempore rectoris ejusdem“, zuweilen noch 
mit dem Zuſatze „examinatum“, enthalten. Kirchhoff und Ennen? er- 
wähnen 12 ſolcher Werfe, darunter die Bibel aus dem Verlage von 
Konrad von Homberg, 5 Drude von Heinrih Quentel, 2 von Gulven- 
ihaff und 1 von Bartholomäus von Unkel. Die kölner Univerfität 
geht hier weit über die Ausübung einer blos firchlichen Genjur bin- 
aus und maßt fich Nechte am, welche ver Papſt gar nicht vergeben 
fonnte. Nivers „De contractibus mercatorum” und Werner Rolewints 
„Faseiculus temporum“ haben, wie ihre Titel bejagen, nichts mit der 
Theologie gemein; außerdem aber beweift die Druderlaubnis für die 
Bibel und ein Werf von Thomas von Aquino, daß die Cenfur eine all- 
gemeine war, Das 1480 in Heidelberg erjchienene „Jodoci Galli opus- 
culum Nosce te ipsum“ weit jogar vier bijchöfliche Approbationen 
auf. Es geht hieraus hervor, daß jchon damals verjchiedene geiftliche 
Würdenträger ihre Genjurvorjchriften im Verordnungswege erlaffen haben 
mußten; in den Gejeten und Erlaſſen jener Zeit findet fich jedoch nichts 
darüber. 

Einen Schritt weiter ging Berthold von Henneberg, Erzbiſchof und 
Kurfürſt von Mainz, ein ehrgeiziger Mann von zäher Energie, der ſeine 
Macht auf Koſten des Reichs überall zu erweitern wußte; er war der 
erſte deutſche Fürſt, welcher die Cenſur als ein weltliches Hoheitsrecht be— 


Kapitel] Die mainzer Cenfur. Übergriffe auf das ftaatliche Gebiet, 527 


anfpruchte und fie auch durchführte. Obgleich jchon jeit Juſtinian das 
Verbot und die Unterdrückung von Büchern als unantaftbares Recht 
ver faijerlichen Macht gegolten hatte, jo kümmerte ſich der mainzer Erz- 
biichof im feinem Genjuredift vom 4. Januar 1486, das er kurzerhand 
Strafmandat nannte, auch nicht im geringjten um die fatferlichen Rechte 
und begegnete auch nicht einmal einem Widerſpruch Friedrichs III. Bei 
der immer bewußter und täglich entjchiedener in der Dffentlichfeit 
auftretenden Oppofition gegen die päpftliche Herrichaft mußte ver Kirche 
alles daram gelegen jein, die Verbreitung jolcher ketzeriſcher Lehren zu 
unterdrüden. Im der Erfenntnis dieſes ihres Intereſſes war fie dem 
mittelalterlichen Staate voraus, der zumächit unberührt vom Streite ver 
kirchlichen Parteien blieb, ſomit auch vorläufig feine Beranlaffung zum 
Einjchreiten fand. Dennoch gelang es dem Kurfürſten, das benachbarte 
Frankfurt auf jeine Seite zu ziehen und allem Anjchein nach gemein- 
Ihaftlich mit ihm gegen die Prejfe vorzugehen. Was den jpätern großen 
europäiſchen Büchermarft bewog, dem Erzbiſchof die hilfreiche Hand zu 
bieten, it aus den After micht erfichtlich. Wenn Frankfurt damals auch 
frhlih zur mainzer Erzdidceje gehörte, jo war es als Reichsſtadt in 
alten Beziehungen zum Reiche doch ebenjo jelbjtändig, wie deſſen Erz- 
fanzler. Es konnten fich daher auch für beide Teile die gegenjeitigen 
Beziehungen nur durch Vertrag regeln laffen. Daß ein jolcher abge- 
ihloffen worden it, dafür fjpricht eimmal die Beſtimmung über vie 
von Frankfurt zu ernennenden und zur bejoldenden Genjoren; dann aber 
liefert den ausdrüdlichen Beweis für dieſe Ihatjache ein Eintrag im 
DBürgermeifterbuche, in dem es unterm 29. März 1486 heißt, daß in 
der Beantwortung der Zujchrift „Unjers gnedige Herre von Mencze (was 
er gejchrieben hat der geprudten Bücher halber“) ver Nat zu dem vom 
Kurfürjten ernannten mainzer Kommiffarien Pleban Konrad Henſel und 
Kanzler Georg von Hell, genannt Pfeffer, als die von der Stadt zu er- 
nennenden Genjoren die franffurter Bürger Wycker Froſche, Wigand von 
Heringen und Johann von Kebel vorjchlug. 

Der genannte Erlaß nebjt Ausführungsverordnung vom 10. Januar 
1486 faßt übrigens feine allgemeinen Gefichtspunfte ins Auge, jonvdern 
beichränft fich auf die aus dem Lateinischen und Griechifchen ins Deutjche 
überjegten Codices und verbietet deren Verkauf, wenn nicht vorher eine 
Erlaubnis dazu eingeholt jei. Deutjche ketzeriſche Schriften, wie die Pre- 


528 Erzbiſchof Bertholds von Mainz Cenſurerlaß von 1486. [Neuntes 


dDigten der Myſtiker, z. B. Taufers, waren damals noch nicht durch den 
Drud vervielfältigt, geſchweige, daß firchenfeindliche lateinische Werke ins 
Deutſche ſchon überjegt worden waren. Der Erzbiſchof kann alje nur 
die Überfegungen der Bibel ins Deutjche gemeint haben, won denen bis 
zum Jahre 1485 jchon 10 in hochveutjcher und 2 in plattveutjcher Sprade 
erichienen waren. 

„Die göttliche Buchdruckerkunſt“, jo lauten im wejentlichen die Beftim- 
mungen, „macht aller Welt den Gebrauch von Biichern zur Belehrung und 
Erbauung zugänglid. Viele aber mißbrauchen, wie wir gefehen haben, dieje 
Kunft aus Ruhmesfuht und Geldgier, ſodaß fie die Menſchheit verderben, 
ftatt fie aufzuflären. So finden fid) zur Herabfegung der Religion und ihrer 
Spiten Schriften in den Händen des Volls, welche aus dent Pateinifchen 
ind Deutsche überjett find (libri de divinis officiis et apieibus religionis 
nostrae). Die heiligen Gefete und Canones find aber von weifen und be- 
redten Männern mit fo großer Sorgfalt und Gefchielichkeit zufammengeftellt 
und ihr Berftändnis ift jo fchwierig, daß zu ihrer Bewältigung die Dauer 
des menjchlichen Lebens felbft fiir den Einfichtigften faum ausreicht. leid): 
wohl haben einige freche und unwiſſende Peute es gewagt, jene Schriften in 
jo jchlechtes gewöhnliches Deutſch zu überjegen, daß jelbft Gelehrte durch 
ihre Arbeiten zu großen Misverftändniffen verführt find. Sodann erſcheinen 
von Irrtümern wimmelnde Bücher aus andern Gebieten des Wiſſens unter 
lügneriſchen Titeln, welche mit verdienftvollen Schriftftelern als angeblichen 
Verfaſſern prahlen, um dadurch defto mehr Käufer zu finden. Diefe Über: 
jeger num, ob fie in gutem oder ſchlechtem Glauben handeln, können nicht 
behaupten, daß die deutſche Sprache fähig ſei, das genau wiederzugeben, was 
jene ausgezeichneten griechischen und lateinischen Autoren mit der jorgfältig: 
ften Oenauigfeit des Ausdruds und der vollften Kenntnis des Gegenftandes 
über die erhabenen Spekulationen des chriftlihen Glaubens gejchrieben haben; 
fie müſſen vielmehr einräumen, daß die Armut unferer Sprache ihre Be— 
miühungen vereitelt und daß fie aus diefem Grunde gezwungen find, ihr 
Hirn zur Erfindung neuer Ausdrüde zu martern, oder bei einzelnen alten 
Schhriftftellern den Sinn zu entftellen, was Wir wegen der damit für die 
heiligen Schriften verbundenen Gefahr nod mehr fürchten, denn Wir befor- 
gen fehr, daß, wenn fie nur die alten gebrauchen, fie den Inhalt der ge: 
offenbarten Wahrheit ändern, woraus eine ungeheuere Gefahr für die heili- 
gen Schriften entfteht. Wer aber gibt den ungebildeten Männern und Frauen, 
welchen die heiligen Bücher in die Hände fallen, die Fähigkeit, den richtigen 
Sinn herauszufinden? Wenn man 3. B. den Tert des Evangeliums oder die 
Briefe des heiligen Paulus prüft, fo wird jeder unterrichtete Menſch fich leicht da- 
von itberzeugen, daß viele Stellen durch andere Schriften ergänzt werden müffen.” 


Kapitel.) Erzbifchof Bertholds von Mainz Cenſurerlaß von 1486, 599 


„Sa aber jene göttliche Kunſt — und diefer Titel gebührt ihr — in 
Unferm goldenen Mainz erfunden ift, wo fie beftändige Fortfchritte gemacht 
hat, fo haben Wir das volle Recht, ihren Ruhm zu verteidigen und erfüllen 
nur Unfere Pflicht, wenn Wir die Reinheit der göttlichen Schriften vor 
jeder Beſchmutzung bewahren. Um alſo aud) den bezeichneten Irrtümern 
vorzubeugen und unbejonnene Unternehmungen ſchamloſer und verderbter Men- 
ſchen zurüdzufchreden und im Zaume zu haften, verordnen Wir, daß jeder 
Unfrer Gerichtöbarfeit unterworfene oder innerhalb derjelben wohnende Geift- 
liche oder Paie fid) unbedingt enthalte, ein Werk über Wiſſenſchaft oder Kunft 
oder irgendeinen andern Gegenftand aus der griechifchen, Tateinifchen oder 
einer andern Sprache in gemeined Deutfc zu überfegen, weder heimlich nod) 
öffentlich, weder direft noch indirekt eine ſolche Überſetzung zu kaufen, wenn 
der Verkauf nicht vorher geſtattet worden iſt durch die Erlaubnis und zwar 
Unferer Doktoren und Profefjoren der Univerfität Mainz: Johann Bertran 
aus Naumburg für die Theologie, Alerauder Dietridy für die Jurisprudenz, 
Theodorich (Greſemund) von Mejchede für die Medizin und Andreas Eler 
für die artiftiiche Fakultät, ferner Unferer Univerfität Erfurt durch die zu 
diefem Zwed dort ernannten Doktoren und Profefforen, in Frankfurt aber 
müflen die zum Berfauf ausgeftellten Bücher vorher eingefehen und gebilligt 
fein von einem ehrenwerten Theologen und einem oder zwei zu diefem Zweck 
vom Rat angeftellten und bejoldeten Doktoren und Yicentiaten. Wenn aber 
jemand diefe Unfere Verfügung unbeachtet läßt oder ihr ausdrücklich direkt 
oder indirekt zumiderhandelt, fo verfällt er ohne weiteres der Exkommuni— 
fation und erleidet außerdem nicht allein den Berluft der ausgeftellten Bücher, 
jondern auch eine Strafe von 100 Goldgulden, welche Unferer Kammer ein- 
zuzahlen find. Bon diefer Strafe kann ihn außer der befonders beftellten 
Behörde niemand befreien.“ 

Die Cenſur der kölner Univerfitäit währte nur bis zum Ende des 
15. Jahrhunderts. Auf Grund der Bulle, welche Innocenz VIII 1486 
gegen die Druder jchlechter Bücher erlaffen hatte, nahm der Offizial 
des Erzbifchofs in deſſen Auftrag die Beanffichtigung der Preßerzeugniffe 
in die Hand. Seit 1496 durfte bei Strafe der Exkommunikation fein 
Buch mehr geprudt werden, welches nicht vorher die erzbifchöfliche Ap- 
probation und Druderlaubnis erhalten hatte. Die letztere Beſtimmung 
ſtützte ſich auf die päpftliche Bulle von 1496, in welcher Aleranver VI. 
zugleich das Yejen umd die Verbreitung feßeriicher Schriften verboten 
batte; der Offizial Heinrich von Irlen veröffentlichte jeinen dieje Ver: 
bote enthaltenden Erlap am 12. November 1499. Der Geift ver Un: 
jufriedenbeit und jcharfen Kritik ließ ficb aber nicht mehr bannen, und 

Aapp. 1. 34 


530 Die geiftliche Cenſur und die päpftlichen Bullen. Neuntes 


der Papſt muß bald darauf von Deutſchland aus um neue Straf— 
androhungen gegen die der Geiſtlichkeit mißliebige Preſſe angegangen 
worden fein, denn in ſeiner Bulle vom 1. Juni 1501 dehnte Alexander 
zwar die Genjur auf Schriften jedes Inhalts, auf die gefammte Yittera- 
tur aus, bejchränfte fie aber auf die drei geiftlichen Sturfürftentümer und 
das Erzbistum Magpeburg, in welchem jo viele ketzeriſche Bücher und 
Abhandlungen geprudt würden. 

Dieje Bulle bildet ven Anfang einer mehr methodiſch durchgeführten 
Prüventivcenjur und die Grundlage für alle jpätern Bullen, Reichstags- 
abjchiede und landesherrlichen Erlaffe gegen die Preffreiheit. „Da Wir 
erfahren haben“, jo heißt es wörtlich in ihr, „daß durch die Buchdrucker— 
funft jehr viele Bücher und Abhandlungen in den verjchiedenen Teilen 
der Welt, namentlich im kölniſchen, mainzijchen, trierichen und magde— 
burgijchen Sprengel gedrudt worben find, welche verjchiedene Irrtümer 
und verderbliche, ja jelbft der chriftlichen Religion feindliche Yehren ent- 
halten, und daß vergleichen von Tag zu Tag allerwärts gedrudt werden, jo 
verbieten Wir — von dem Streben bejeelt, einer derartigen verabſcheuungs— 
würdigen Ververbnis ohne weitern Aufjchub entgegenzutreten — allen 
Buchdruckern insgefammt und denen, welche ihnen irgendwie behilflich find 
und fich als Druder in irgendeinem Orte der vorgenannten Sprengel auf- 
halten, bei Strafe der Erfommmnifation und bei einer Gelpftrafe, welche 
durch unjere ehrwürdigen Brüder, die Erzbijchöfe zu Köln, Mainz, Trier 
und Magdeburg oder deren geiftliche Generalvifare oder Offizialen und 
zwar durch einen jeden von ihnen im jeinem Sprengel nach eigenem Gut— 
dünfen aufzulegen und zu vollziehen ift, ernſtlich, daß fie in Zufunft fich 
irgendwie unterjtehen, Bücher, Abhandlungen oder irgendwelche Schriften 
zu druden oder pruden zu laffen, ohne zuwor darüber die Erzbijchöfe 
oder obengenannte Stellvertreter und Offizialen um Nat zu fragen und 
ohne die bejondere und ausprüdliche, unentgeltlich zu erteilende Erlaubnis 
ausgewirkt zu haben. Wir machen es ferner jenen zur Pflicht, bevor fie 
ſolche Erlaubnis geben, das zu Druckende jorgfältig zu prüfen over von 
Sacverftändigen und Strenggläubigen prüfen zu laſſen und darauf fejt 
ihr Augenmerk zu richten, daß nichts gebrucdt werde, was dem jtrengen 
Glauben zuwider, gottlos und Ärgernis erregend ift.” Der Papit ver- 
ordnet außerdem, damit nicht durch die ſchon worbandenen Bücher noch 
mehr Unheil angerichtet werde, daß alle Bicherverzeichniffe und ſchon 


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— — — * — — — — — —— 


Kapitel.) DOppofition der fülner Buchführer. 531 


vorbandenen Bücher durchgejehen und die, welche etwas wider die fatho- 
liſche Religion enthielten, verbrannt werden ſollten. 

Daß fich gegen diefe, ven Buchhandel im höchſten Grade lähmende 
Bulle Widerſpruch und Vorjtellungen erhoben hätten, davon vwerlautet 
je gut wie nichts. Nur aus Köln wird etwas derartiges berichtet, denn 
bier war wohl, in Konſequenz des frühern Verhaltens der Univerfität, 
eine faftijche Durchführung der Vorjchriften der Bulle verſucht worden. 
Das Gejchäft der fülner Druder war ſchon damals ein blühendes; fie 
gebörten zu den rührigſten und erfolgreichiten VBerlegern im Reich. Natür- 
ib war es aljo, daß fie alle Mittel aufboten, um derartige, den gejchäft- 
liben Verkehr hindernde Genjurvorjehriften nicht zur Ausführung kom— 
men zu laffen. Am 3. September 1501 beitellten die Buchhändler Ludwig 
von Renchen, Johann von Solingen, Heinrich von Neuß, Wilhelm von 
Belle (der ſchon 1492 die Leipziger Meſſe bejucht hatte), Johann von 
Dorften, Johann von Yanvden, Hermann von Bongart, Cornelius von 
Zürichjee, Peter Vogel, Wilhelm von Aeſten, Chriftian von Nürnberg, 
Heinrich Friefe, Dietrich von Berje und Gerhard von Amersford den 
Propit der Petersfirche zu Goslar, Magifter Neinarus von Stodede, 
den römiſchen Profurator Defiverius de Angariis und ven Dr. jur. 
Yudolf ten Broid von Steimwich zu ihren Bevollmächtigten und Sach— 
waltern, um in Nom gegen das Vorgehen des Offizials Heinrich von 
Iren und des Fisfalprofurators Urban von Vierfjen zu appelfieren. 
Über den Ausgang diejes Prozejfes iſt indeſſen nichts bekannt. 

Im übrigen Deutjchland beachtete man diefe Verfügungen wohl wenig, 
oder fügte ſich äußerlich, Teiftete aber pajfiven Widerſtand, der bei dem 
Mangel an Exekutivmitteln und jolange der Staat der Kirche nicht 
bilfreich zur Seite trat, in den gewöhnlichen Fällen auch half. Die 
mittelalterliche Kirche und jpäter der mittelalterliche Staat juchten durch 
Wiederholung und Verſchärfung der papierenen Drohungen zu erſetzen, was 
ihnen an wirklicher Macht fehlte. Daher rühren auch die ftets wieder— 
fehrenden Bullen, die jpätern Eaiferlichen Erlaſſe und landesherrlichen 
Verfügungen. Kirche und Staat jehritten nur ein, wenn fie ausdrück— 
lich darum angegangen wurden. Die Kteterei war aber jchon im jener, 
der Reformation unmittelbar voranfgehenden Zeit jo allgemein verbreitet, 
der Widerſpruch umd offene Ungehorfam gegen Nom jo groß, der Eine 
fluß der Humaniften, namentlich in den gebildeten deutjchen Streifen jo 

34 * 


4 


532 Ausbreitung ketzeriſcher Anſichten. Leo's X. Bulle von 1515. Neuntes 


bedeutend, daß Yeo X. ſchon im ver fich erjt vorbereitenden veligiöjen 
Reformbewegung eine Gefahr für die päpftlichen Einnahmen erblidte und 
ein Einjchreiten gegen die humaniſtiſche und religiöſe PYitteratur für ein Ge— 
bot ver Selbiterhaltung erachtete. Seine desfallfige Bulle vom 4. März 
1515 ift das Vorbild für alle fpätern. Die väterliche Sorge für ven 
wahren Glauben und die Sittenveinheit der Chriftenbeit ftehen natürlich 
im Vordergrumde, während die püpftliche Herrſchaft und namentlich ver 
päpftlihe Schatz den eigentlichen Schwerpunft der Genjurverbote des- 
jelben heiligen Vaters bilden, dem ber finnliche Genuß der höchſte Zweck 
des Yebens war. 


„Beil die Klage Bieler Uns und dem apoſtoliſchen Stuhl zu Ohren ge 
fommen ift“, heißt es dort, „daß einige Meifter der Druderkunft in ver- 
fchiedenen Teilen der Welt fowohl aus dem Griechiſchen, Hebräijchen, Arabi- 
chen und Chaldäifchen ins Yateinifche übertragen, als auch andere in der 
lateinifchen und Umgangsiprache herausgegebene Bücher, welche Irrtümer 
int Glauben umd verderbliche, fogar der chriftlichen Religion feindjelige Lehren 
enthalten, zu druden und zu verkaufen fich unterftchen, durch deren Yektüre 
nicht allein die Pefer nicht erbaut werden, fondern vielmehr fowohl im Glan: 
ben als im Leben und in den Sitten in die größten Irrtiimer verfallen, woraus 
oft Ärgernis verfchiedener Art (wie die Erfahrung, die Lehrerin der Dinge, 
gezeigt hat) entftanden ift und größeres von Tag zu Tag zu entitehen droht, 
fo haben Wir, damit nicht das, was zur Ehre Gottes und zur Vermehrung 
des Glaubens und zur Verbreitung guter Kiünfte als heilfam erfunden ift, 
ind Gegenteil verkehrt werde und dem Heile der Getreuen Ehrifti Schaden 
bereite, über den Drud der Bücher Aufficht zu führen geglaubt, damit nicht 
in Zufunft die Dornen mit dem guten Samen erwachſen oder Gift unter 
die Heilmittel gemifcht wird.“ 

„Wir verordnen demnad) und jegen feft, daß fernerhin niemand ein Bud) 
oder irgend eine andere Schrift weder in Unferer Stadt, nody in irgendwelchen 
andern Staaten oder Didcefen zu druden oder druden zu laſſen fich unter: 
fange, bevor es oder fie nicht in der Stadt (Rom) durch Unfern Bilar, 
Magister Sacri Palatii (Biichercenfor), in andern Staaten und Diöcelen 
aber durch den Biſchof oder einen andern im Biicherdrud erfahrenen und 
vom Bifchof beftellten Mann, oder durch den Inquiſitor für fegerijche Ver: 
derbtheit in dem betreffenden Drudort des Staats oder der Diöcefe ſorg— 
fältig geprüft und durd) ihre eigenhändig, unentgeltlich und ohne Aufichub 
zu erteilende Unterjchrift gebilligt worden ift, Wer aber anders zu handeln 
ſich unterfteht, der fol, außer dem Berluft der gedrudten Bücher und ihrer 
öffentlichen Verbrennung, fowie der Bezahlung von einhundert vollwichtigen 


Kapitel.) Mandat Erzbiichof Albrechts von Mainz von 1517, 533 


Dufaten ohne Hoffnung auf deren Erlaß, mit der Strafe der Exkommuni— 
fation belegt und zuletzt, wenn die Halsftarrigfeit zunimmt, durd feinen 
Bischof, beziehungsweife Unfern Vikar, mit allen Rechtsmaßregeln geftraft 
werden, damit andere feinem Beifpiel nicht zu folgen wagen.” 


Mit diefen Bullen wurde der Grund für die päpftliche Präventiv- 
cenjur und ihre Weiterbilvung gelegt. Alle jpätern Erläuterungen und 
Ergänzungen ſchließen ſich an fie an und berühren böchitens ven einen 
oder andern untergeordneten Punkt, ſodaß es überflüffig ift, fie ſämmt— 
lich im ihrem Wortlaut wiederzugeben. Der Kurfürft Albrecht von Mainz 
war der erjte umd, wie es jeheint, einzige deutſche Fürſt, welcher, in vie 
Fußſtapfen jeines Vorgängers Berthold von Henneberg tretend, durch 
jein Manpat vom 17. Mai 1517, aljo am Vorabend der Reformation, 
ven wejentlichen Inhalt der päpſtlichen Beitimmungen auch für feine 
Diöceje einführte. „Da die Erfahrung, die Yehrerin aller Dinge, lehrt”, 
jagt Albrecht in der Einleitung, „daß durch die Buchdruckerkunſt viele 
Bücher unter dem Schein des Guten veröffentlicht werden, welche dem 
katholischen Glauben und den guten Sitten zuwiderlaufen, zugleich aber 
den Geiſtern ſchädlich und jelbft manchen durch äußere Stellung bervor- 
ragenden Männern verderblich find, jo ernennen wir Euch, Dich Unjern 
Vikar Biihof Paulus von Ascalon und Dich Kanonikus Dr. Jodocus 
Trutfetter einzeln und gemeinjchaftlich zu Cenſoren der in der Erzdiöceſe 
Mainz gedrudten und zu druckenden Bücher und zu Inquifitoren aller 
in derjelben entjtandenen oder entjtehenven feßerifchen VBerverbtheit.” Sie 
jolfen letterer demnach in allen Ständen fleißig nachforfchen, die damit 
Befledten, wenn nötig, durch die Tortur ermitteln, jtrafen, ausrotten 
und vertilgen. Zugleich jollen fie die zu druckenden Bücher prüfen, die 
zufäjfig befundenen zulaffen und mit ihren Namen verjehen, die zu ver: 
werfenden verbieten und überhaupt alles und jedes thun, was den In— 
quifitoren nach allgemeinem oder Statutarrecht zu thun obliegt. Wenn 
fie gedruckte Bücher oder Schriften finden jollten, welche dem Glauben 
oder den guten Sitten zuwiderlaufen, jo jolfen fie deren Befit, Ankauf 
oder Berfauf verbieten und die Zuwiderhandelnden durch weltliche Gen: 
jur, Geldbuße und andere Rechtsmaßregeln ftrafen. Zeugen, welche ich, 
jei es aus Haß, Viebe, Gunft oder Willfährigfeit ihrer Zeugenpflicht ent— 
ziehen, jollen durch die firchliche Cenfur gezwungen werden, Zeugnis für 
vie Wahrheit abzulegen. Das im achten Kapitel berührte Auftreten des 








534 Wirkungsloſigkeit der firchlichen Cenfurmandate. [Neuntes 


Plebans Peter Meyer gegen Thomas Anshelm im Jahre 1518 beweift, 
daß wenigftens der Verſuch gemacht wurde, dieſe Verordnung thatjächlich 
durchzuführen. 

Aber alle dieſe Drohungen halfen in Deutſchland nichts, ja, ſtatt die 
Bewegung der Geiſter einzufcbüchtern, fachten fie Diejelbe nur um jo mehr 
an. Als gäbe e8 gar feinen Papft und feine kirchlichen Würdenträger, 
entwidelte fi gerade damals eine täglich herausfordernder auftretende 
Alugichriftenlitteratur, welche das ganze Volt in den Kampf gegen Rom 
auf die Seite Yuthers, des Führers der Oppofition, zog. Der Tebeliche 
Ablaßſtandal machte die Stimmung gegen den Bapft nur noch Schlimmer. 
Das deutſche Volk jubelte in jeiner großen Mehrzahl dem kühnen Refor- 
mator begeiftert zu. Die Bannbullen wurden verlacht und hoben nur 
den Mut jeiner Anhänger, ftatt ihn zu beugen; die zweite, vom 3. Januar 
1521, in welcher Luther und jeine Anhänger als rändiges Vieh bezeichnet 
und als Neter verflucht wurden, ward ſogar öffentlich verfpottet und Yuther 
täglich mehr ver Held des Volks. Zablloje Flugblätter, aus heimlichen 
Drudereien hervorgegangen, fanden ungeſtörte Verbreitung. Seine kirch- 
liche Behörde vermochte gegen die revolutionären Erzeugniffe des in feinem 
innerſten Wejen verlegten und erregten Volfsgeiftes einzufchreiten, verm 
die Hilfe der weltlichen Behörden blieb ihr zunächſt noch verſagt; ſelbſt 
der firchlich jo treue Herzog Georg von Sachjen verhielt ſich paifiv und 
abwarten. . 

Damm fam im April 1521 der Neichstag von Worms. So wenig 
waren die Freunde Yuthers eingejchlichtert, daß fie unter den Augen des 
Kaiſers und der Reichsſtände jelbjt eine Druckerei errichteten, deren Flug— 
blätter den Gegner nicht ichenten. Spanische Soldaten übten in Worms 
auf ihre Art die Cenjur aus. Hier nahm einer die von Hutten mit 
Anmerkungen verjehene päpitliche Bulle einem Buchführer weg, zerrif 
fie und trat fie mit Füßen; dort bemächtigte fich ein Haufen ſpaniſcher 
Trabanten eines ganzen Ballens von Luthers Schrift über die babylo— 
nijche Gefangenjchaft, bis das Volk zujammenfief und die Spanier in 
die Flucht jagte.* Die Verhandlungen führten, wie bekannt, namentlich 
in den kirchlichen Aragen zu feinem Ergebnis. Karl V. blieb der alten 
Ordnung treu und hielt zum Papft, Luther wiverrief nicht und warb 
daher in des Neiches Acht und Aberacht erklärt. Das Wormſer Epift 
(angeblich vom 8., in Wirklichkeit vom 26. Mat 1521) war vom päpit- 


—— — — — — — — — — 


Kapitel.) Bündnis zwifchen Kirche und Staat, Das Wormier Edikt von 1521. 535 


lichen Pegaten Aleander verfaßt und verfündigte in den vohejten, das 
faiferliche Anjehen ſchädigenden Ausprüden der Welt die Verurteilung 
Yuthers. Es ijt dadurch für Deutjchland jo verhängnisvoll geworden, 
weil es die Verbindung der weltlichen mit der geiftlichen Macht zur Auf: 
rechterhaftung der bisherigen Berfaffung der Kirche, jomit auch zur Unter: 
drückung der Reformation begründet. Ergänzt wurde diefer Bund durch 
den wirklich am 8. Mai 1521 zwijchen Kaiſer und Papft abgejchloffenen 
Vertrag, worin fie einander verjprachen, diefelben Freunde und diejelben 
“Feinde, dasjelbe Wollen und Nichtwollen zum Angriff und zur Verteipi- 
gung zu haben? Alſo politiſch gemeinjchaftlibe Sache gegen die Fran: 
zoſen in Italien und firchlich gegen die Neformbeftrebungen in Deutjch- 
fand! Im dieſem Edikt feierte die römijche Politif einen ihrer beveu- 
tendjten und dauerndſten Triumphe. Bis dahin hatten weder Friedrich III. 
noch Marimilian I. fich für das Neich zum Erlaß von Cenſurmaßregeln 
verstanden, Karl dagegen ließ ſich jekt vom Papſt beftimmen, die päpft- 
fihen Bullen gegen die Preffe nicht allein im feine Politit mit aufzu- 
nehmen, ſondern jene auch in beichränfendem Sinne zu erweitern. Wäh— 
rend noch Leo X. dem Biſchof allein die Cenſur aller theologiichen Schrif- 
ten übertragen hatte, bejtimmte das Wormſer Evift, daß dem Bijchof 
noch die theologiſche Fakultät der mächitgelegenen Univerfität beigeorpnet 
werden müſſe. Rom hatte jetzt erlangt oder glaubte erlangt zu haben, 
was es jo lange jchmerzlich entbehrt hatte, ven weltlichen ftarfen Arm 
nämlich, welcher jeine bisher nur auf dem Papier ftehenden Strafen 
gegen die von der Kirche Abgefalfenen vollziehen ſollte. Das gelang in 
der folge freilich nicht, dagegen war fortan das deutjche Kaiferthum un- 
auflöstich mit dem Papfttum im Kampfe gegen ven freien Geiſt des deut: 
ihen Bolfs verbunden. 

„Der Römiſchen Kaiferlihen Maieſtat Ediet wider Martin Yuther 
Bücher vnd lere jehne anhenger Enthalter und nachuolger vnnd Etlich 
annder jchmeliche jchrifften. Auch Geſetz der Druckerey.“ zerfällt, wie 
ſchon jein Titel andentet, in zwei Teile. Der erjte und gröfere wendet 
fih von Seite 1 bis zur Mitte von Seite 16 gegen Yuther jowie jeine 
Anhänger und thut fie mit den damals üblichen, auf Einjchüchterung 
berechneten Drohungen und Schmähungen in des Reiches Acht und Aber: 
acht; der zweite und letzte Teil dagegen enthält auf Seite 16 bis 21, 
an Yuther und jeine Verbrechen anknüpfend, zugleich die Cenſurbeſtim— 


536 Das Wormfer Edift von 1521. [Neuntes 


mungen Karls. Auffallenderweije ift dieſe wichtige Urkunde bisher noch 
von feinem &ejchichtichreiber noch Staatsrechtslehrer als der Anfang ver 
veutjchen Büchercenſur erwähnt worden, es gilt ihnen vielmehr als jel- 
cher erjt der nürnberger Reichstagsabjchied vom 18. April 1524. Wegen 
dieſer Unterlaffung ift e8 doppelt geboten, die den Zweck dieſer Arbeit be: 
treffenden Stellen wörtlich wiederzugeben. Sie lauten nach dem Original: 
druck, der die fakfimilierte Unterjchrift des Kaiſers trägt — ein gleich 
zeitiger Nachdruck weicht in einigen Lesarten und in der Ortbograpbie 
etwas ab — wie folgt: 


„Ferrer gebieten wir Eüch allen vund Cr yedem In fonders: bey den 
vorgefchriben peenen. Das Ewr fainer des obgenannten Martin Luthers 
ichriftten von vunjerm hayligen Vater Babft: wie obftet, verdambt: vnd all 
annder jchrifften. die im Latein vund Deütſch: oder in ander Sprach bikher 
durch jne gemacht fein: oder Hynfür gemacht werden. Als Böß: Argwenig 
und verdechtlich. Vnd von eynem offenbarn hartneggidhen Ketzer aufge: 
gangen. Kauff: verfauff, leſe, Behalt: Abſchreyb, Drud: oder abſchreyben, 
oder Druden laffe, noch feiner Opinion zufall, die aud nit halt, Predig 
noch beichirme, noc; das in ainicy ander weg, wie Menſchen Synn das be- 
denden fan vnderftee. Vnangeſehen ob darinn etwas guts den Ainfeltigen 
Menſchen, damit zu betriegen, eingefürt were. Dann wie die aller pefte 
Speyf, fo mit ainem clainen tropfen giffts vermiichet: von allen Menſchen 
gefcheiihet, ſouil mer, follen foliche jchrifften und Bücher, in den: jo manig 
der Seelen gifft und verdambnus: eingefürt fein, von vns allen nit allein 
vermitten fonder auch die: von aller Menfchen gedechtnus: abgethan vnd 
verdilgt werden, Damit Sy nyemands fchaden, oder Ewiglich tödten. Die: 
wen! dod) ſonſt vormals alles das, fo gut in feinen Büchern gefchriben, von 
den heyligen Vätern, die von der hayligen Chriftenlichen Kirchen angenom: 
men vnd Approbiert jeyn, zumermalen angezaigt ift, vnd on alle forg vnd 
Ardweniglait eynichs vbels, mag gelefen vnd gehalten werden. Dartu ſollet 
Ir all und Ewr yeder, in was wirden ftats oder weſens der fen, vnd fon- 
derlich die, jo Oberfeyt vnnd gerichtßzwang haben vnd gebrauchen, bey ver: 
meydunng vorberürter Peen. Allennthalden Im hayligen Römiſchen Reiche. 
Auch vnſer Erblichen Fürſtenthumben vnnd Panden, mit der That, Exrnitlich 
ordnen, Straffen. Gepieten: vnd beftellen, al vnd yegklich folich Obbeftimpt 
des Yuthers vergifft fchrifften und Bücher als die fo dienen zu ainem grofien 
auflauff. Schaden. Zertrennung vnd Ketzereyen, In gotes Kirdjen, mit dem 
Feür zuuerbrennen, vnd in den, vnd ander weg, gennglichen abzethun, zuuer- 
nichten: vd zuuerdilgen. Deßgleychen ſöllet Ir der Bäbſtlichen hahyligkeit 
Botſchafften, oder Iren verordenten Commiſſarien, in ſöllichem auff ir an— 


Kapitel.) Tas Wormfer Edift von 1521. 537 


fangen vnd Erfuchen mit allem vleys vnd Trewen beyfteen. Vnd nichtdeſt— 
minder, in derfelben abweſen, dijs alles vnd yedes, aljo zugefchehen: zu Exe— 
quiern, vnd zuuolbringen aus vnſerm geheyis und beuelich: thut und handelt. 
Daneben gebieten wir allen andern, vnſern vnnd des Reichs: Auch vnnſer 
Erblihen Fürſtenthumb vnd Lande, vnderthanen vnd Getrewen. Ernſtlich 
mit diſem brief. Das Ir den obgemelten Stenden, vnd Oberkayten, gleich 
ons ſelbs, im ſolichem hilfflich beyſtendig, gehorſam vnd gewertig ſeyt, bey 
vermeydung der angezaygten Penen. Straffen vnd Puſſen. Und nad) dem 
die mercklich notturfft Erfordert, fürzefumen vnd zuuerhuten. Das des Luthers 
Bücher, oder Böß Auſszug derſelben, jo in annderer Namen darjnn ſeyn, als 
des Dichter namen nit gemeldet wirdet, aufigeen, noch ſunſt vil annder 
Bücher, die, als wir mit befchwerung vnſers gemüts, bericht, den Merern 
tayl, in Deütſch Landen gemacht, und Gedrudt, und böfer leren vnnd Erempel 
vol ſeyn, hinfür mit mer gejchriben, noch gedrudt werden, damit die Chrift- 
glaubigen weyter, aus verlefung derjelben, nit in gröffern Irrfall des Glau— 
benns, lebenns, vnnd Güeter ſytten, fallen vnnd Ergerung. Neyd vnd haſs, 
in Gotes Kirchen, daraus entſpringe, wie ſich bißher Augenſcheinlich erzaygt 
bat. Daraus täglichs Ye lennger ye mer. In Künigreichen, Fürſtenthümben, 
vnd Landen: Aufflauff: Zertrennung, vnd Vngehorſam zubeforgen iſt. Dem— 
nach ſoliche ſchedliche, verderliche ſucht außzudilgen. Gepieten wir abermals, 
mit Rat vnd willen, vnſer vnnd des Reichs Churfürſten: Fürſten, vnd 
Stennde, bey vorgedachten Sweren Penen: Straffen vnd Puſſen: Eüch, den 
ſelben vnſern vnd des Reychs, vnnd vnnſer Erblichen Fürſtenthumb vnd 
Lande, vnderthanen allen vnd Ewer yeden, als Römiſcher Kayſer vnd Erb— 
licher Herr, das hynfür: Ewr kainer, ſoliche Smach vnd vergiffte Bücher, 
noch ander zedl oder abſchrifften, als die, ſo vnſerm hailigen Glauben Irr— 
ſal gepern. Vnd dem, das die heyligen Chriſtenlich kirch bißher gehalten 
hat, widerwertig fein. Dartzu auch vheinds vnd ſchmachſchrifften: wider 
vnſern hailigen vater Babſt. Prelaten. Fürſten. hohe ſchulen: vnd derſelben 
Faculteten vnd ander Erſam perſonen, vnd was jnhaltet: das: ſo ſich von 
den guten ſyten, vnd der heiligen Römiſchen kirchen abwendet: nit mer 
dichte: ſchreib: druck: Male: verkauff: kauff: noch heimlich oder offenlich be— 
haltet: noch auch nit drucken, abſchreiben oder malen laſſe, noch das in 
lein ander weyſe: wie ymmer erdacht werden mag, nit geſtat: verhenge noch 
verſchaffe. Deßgleichen gepieten wir ernſtlich, bey angezaigten peenen: allen 
den: ſo zu der Juſticy: verordent vnd geſetzt ſein: das ſy alle yetzgemelte 
ſchrifften Bücher: zedl: vnd malerey, fo bißher gemacht fein: vnd hynfür 
geſchriben: gedrückt: vnd gemalet werden. Sy ſeyen: wes ſy wöllen. Wo 
man die findt, durch das gantz heilig Reiche vnd vnſer Erblande: jn krafft, 
ditz vnſers gebots: von vnſern wegen annemen: zerreiſſen vnd mit offen— 
lichem Feür verprennen. Auch der Dichter: Schreiber: drucker, vnd Maler 


DIS Das Wormſer Edift von 1521, [Neuntes 


auch verfauffer vnd kauffer folicher fchentlichen, jchrifften, Bücher: zedeln, 
und Malereyen die darjnn nad) verfündung vnſers gegenwitrtigen Keiſerlichen 
gebots verharren: oder defhalben jchts fürzenemen vnderſteen, wo das offen 
bar ift: leib: güter: vnd gerechtigkeyten, wo jr die befumen mügt. Annemet. 
Fahet. vnd behaltet. Vnd damit nad) Eürm geffallen handelt, des jollet jr 
gut fueg vnd recht, vnd damit wider nyemands gethan, nod) gehandelt haben, 
noch yemands darumb weder jnner: noch auſſerhalb Rechtens zeantworten nit 
ichuldig fein. Damit aud) folichs alles, vnd ander vrſachen künfftiger jrr— 
fal, abgefniten, vnd die gifft, der, fo foliche jchrifften dichten und machen: 
ferrer nit aufgeprait: vnd die hochberiimbte funft der Druderey, allein in 
guten und löblichen ſachen gepraucht vnd geübt werde. So haben wir 
weiter: aus Kaiſerlicher vnd Künigklicher oberkeit vnd Rechtem wiſſen: auch 
mit ainhelligem Rat: vnnſer vnd des Reichs Churfürſten. Fürſten: vnnd 
Stennde, bey vnnſer vnnd des Reychs Acht vnd Aberacht, vnd andern vor— 
berürten Peenen, Geboten. Gebieten auch ſolichs wyſſentlich in Crafft ditz 
vnnſers Edicts. Das wir hiemit für ayn vnzerbrochenlich geſetze Zehalten. 
Erkennen. Das hynfüro keyn Buchtrucker, oder yemands annder. Er je 
wer, oder wo Er wölle: in dem Hayligen Nömifchen Reyche. Aud) in 
vnſern Erbfihünigreychen. Fürſtenthumben vnd YPannden: kayn Bücher nod) 
ander jchryfften, in den Etwas begriffen wirdet, das den Chriftenkichen 
Glauben wenig oder vil Anrüret. Zum Erften drud: nit Drude: on wyſſen 
vnd willen des Ordinarien deffelben Orts: oder feins Subftituten, vnnd ver- 
ordenten, mit zulaflung der Facultet: in der hayligen Geſchrifft eyner der 
negftgeleguen Bninerfitet. Aber ander Bücher. Sy feyen in welicher Facultet 
vnnd begrenffen was ſy wöllen, die follen mit wyſſen vnnd willen des Ordi— 
narien, vnd aufferhalb deffelben kains wegs, Gedrudt. VBerfaufft: noch zes 
druden oder zunerfauffen vnnderſtanden: VBerfchaffet noch Geftatet werden, 
in kayn weyſe. Ob aber yemands: in was Würden: Stats oder Wejenns 
der were. Wider dife vnnſer Chriftennliche vnd Kayſerliche Maynunng: 
Deeret: Statut: Gefeg: Ordination, vnnd Gebot, die aud) gannt vnnd pn: 
zerſtörlich jollen gehalten werden, In ainem oder mer vorgejchriben Artideln, 
jo die Materj des Yuthers oder der Druderey betreffen In Einichen weg, 
wie Menfchen Synn das erdenden möcht, Freuentlich hanndelt, vnd thete, 
Bber das, wir, ſolichs vernichten, vnnd Krafftlos machen. Wider die jelben 
wellen wir, das, mit den vorgefchryben. Auch den Penen, In den Rechten 
eingeleibt: Vnnd nad) Formm vnnd geftalt des Panns. Vnund Kayſerlichen 
Acht vnnd Aberacht. Gehandelt: Procediert: vnnd fürgefaren werden ſolle. 
Darnach wyſſe ſich Menigklich zurichten.“ 


Dieſes kaiſerliche Edikt ergänzt die ihm voraufgehende päpſtliche Bulle 
von 1515 und erweitert ſie in ihren auf einheitliche Durchführung der 


Kapitel.) Weiterentwidelung der Cenſur. 539 


Cenſur gerichteten Zielen. Bisher hatte fich der Papit allein die Ober- 
aufficht über die Preſſe angemaft, fortan aber reichten fich die weltliche 
und geiftliche Gewalt brüberlich die Hand, um im größten Teil der da— 
maligen civilifierten Welt Denfen und Glauben in ihrem Ausdruck durch 
die Yitteratur ihrem Machtgebote zu unterwerfen. Was dem Papft nicht 
gefiel, das war einfach Kekerei, und was dem Kaiſer mifliebig war, 
das lieh er als Schmäbjchrift oder Famoslibell verfolgen. 

"Die bisher rein kirchlichen Genfurvorjchriften würden für die Pro- 
teftanten beveutungslos geblieben jein, nur auf dem Papier gejtanden 
haben, wenn der Kaifer nicht dem Papft jest jeinen mächtigen Arm ge- 
lieben hätte. Wie Rom die Wiege der Biüchercenfur für die ganze Welt, 
jo ift Worms ihre Geburtsftätte für Deutjchland. Spätere Regenten 
baben höchitens mehr Methode in deren Ausübung, mehr Syſtem in die 
Verfolgung der Prefvergeben gebracht; neue Sefichtspunfte aber konnte 
jelbjt der Abjolutismus des 18. und 19. Jahrhunderts beim beften Willen 
auf dieſem Gebiete cäfarospapiftiicher Politik nicht mehr aufftellen. Nament- 
lich aber bilvete ſich fortan ftatt des bisherigen gelegentlichen Einjchreitens 
mehr und mehr eine allgemeine, wenn auch immer noch willfürliche Praris 
aus, welche mit ganz bejonverer Härte auf die Protejtanten drückte, venn 
während dieje fich von der fatholifchen Kirche losgeſagt hatten, beanjpruchte 
(etstere fie immer noch als ihre, wenn auch ungehorjamen, Kinder und 
behanvelte fie bementjprechend. Unter jolchen Umſtänden war es ein großes 
Süd, daß die Reichsftände in ihrer innern Politif jo gut wie unab- 
bängig vom Kaifer waren, und daß namentlich die lutherifchen Freien 
Städte jeinen Cenſurerlaſſen, joweit dieſe fich auf theologiſche Gegenſätze 
und Streitigkeiten erjtredten, jahrzehntelang eine meifterhafte Unthätig- 
feit, einen zähen paffiven Widerſtand entgegenjegten. 

Es dauerte übrigens bis zum Jahre 1577, che die Neichsprefigejek- 
gebung in der revidierten Reichspolizeiorpnung vom 9. November 1577 
ihren Abjchluß fand. Die einzelnen Akte und Bejchlüffe finden ſich in 
ihrem Wortlaute im Anhang unter X abgedrudt; es reicht alſo bin, ihre 
Hauptbeftimmungen bier kurz zufammenzufaffen. 

Kaiſer Karl hatte im Mat 1522 Deutjchland verlaffen und ſich nach 
Spanien zurücdbegeben, wo er munmehr fieben Jahre blieb. Während 
jeiner Abwejenbeit lieh er fich von dem in Nürnberg refidierenden Reichs- 
regiment vertreten. Abgejehen davon, daß eine jolche Körperſchaft bei ver 





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540 Weiteres Vorgehen des Neichsregiments, [Neuntes 


Schwerfälligfeit ihres Vorgehens weniger ausrichten kann als ein ein- 
zeiner Mann, jo hatte auch die Bewegung der deutſchen Geiſter nach 
dem wormſer Reichstag einen immer größern Aufjhwung genommen, 
namentlich aber war die Thätigfeit der Preffe eine jo aufreizende und 
ihre Sprache eine jo wilde geworden, wie fie nur in innerlich erregten, 
einer Revolution voranfgehenden Zeiten fich zu äußern pflegt. Unter 
dieſen Umſtänden mußte jelbjtredend die Verfügung des nürnberger Reichs» 
tagsabſchieds vom 8. Aprit 1524 ungehört im Winde verhallen, wonach 
jeve Obrigfeit dafür ſorgen jollte, daß „Schmachjchriften und -Semäblve 
hinfürder gändzlich abgethan werd umd nicht weiter ausgebreitet”. Dieje 
Worte lauten äußerſt harmlos und unverfänglich; indeſſen enthalten fie 
ein ganzes Nejt von juriftiichen Schlingen, in welchen fich die Yutbe- 
raner nur zu bald zu ihrem Schaden fangen jollten. Im Gegenjaß zum 
Wormſer Edikt fündigt fich hier nämlich völlig unvermittelt eine ganz 
neue Bezeichnung für die zu bejtrafenden Bücher und Schriften an. 
Sprach jenes, an den bejtimmten Fall anfnüpfend, nur von Yutherjchen 
„Schmach- und vergifteten Büchern“, welche unterdrückt werden follten, 
weil fie den chriftlichen Glauben und ven heiligen Vater beleidigten, jo 
war das ein faßbarer juriftiicher Begriff. Nun aber verlangt der nürn— 
berger Reichsabſchied von 1524 in ganz allgemeinen Ausdrüden, daß 
„Zchmachjchriften und -Semälde gänzlich abgethan“ werden jollen. 

Man muß, um fich über ven Sinn dieſer Worte Har zu werden, zu: 
nächit den Rechtsbegriff feitjtellen, der die Auffaffung jener Zeit be- 
herrſchte. Das gemeine deutjche Strafrecht bezeichnet (Berner, „Straf- 
recht“, 9. Aufl., ©. 444. 445) zunächſt als Pasquill jeve Ehrverlekung, 
die durch bleibende Zeichen (Schrift, Drud, Schnit-, Bild- oder Gußwerk) 
veröffentlicht wird, und als Schmach- oder Schmähjchrift, oder Famos— 
libell: die anonyme oder pſeudonyme Anjchuldigung eines peinlichen Ver— 
brechens, zu deſſen Thatbejtand natürlich auch das Bewußtſein des be- 
leidigenden Charakters ver Handlung gehört. Die vielfach vorkommenden 
Ausprüde jpäterer Erlaffe und Geſetze, wie „teuffliich Pasquill, Yafter- 
md Schanpjchrift, Famos-Gedicht und Yafterbüchlein, ehrverletzendes Ge— 
mälde und Schmachfarten”, find nur andere Bezeichnungen für denjelben 
Begriff. 

Es iſt allerdings eine bekannte Thatſache, daß im Deutſchen Reich zu 
keiner Zeit die Spott- und Schmähſchriften mehr geblüht und einander 


Kapitel.) Die Schmäh- und Famosichriften im Privatleben. 54 


überboten baben, als in der erjten Hälfte des 16. Jahrhunderts und 
zwar im öffentlichen Peben noch mehr, als im privaten. Die Menjchen 
waren damals naturwüchſiger, verber und vober als heutzutage. Unmut, 
Haß und Verachtung machten fih darum auch viel eher in Schimpfen 
und Schmähen Luft. Wiürdige, ernjte Männer vom böchjten perjönfichen 
Anjehen und fittlichen Gehalt, wie 5. B. Reuchlin und Luther, hatten 
in dem Stil der päpftlichen Kurie ein jo gutes Vorbild gehabt, daß 
fie, nach dem heutigen litterarifchen Geſchmack gemeffen, oft geradezu 
pöbelbaft fchrieben. Wie jehr das Schimpfen — um bier zumächit die 
private Seite der Trage zu beleuchten — dem deutſchen Bolfe eine 
Herzenserleichterung und ein Bedürfnis war, beweift die aus dem Mlittel- 
alter ſtammende und bis in die nenefte Zeit noch im einigen Schweizer: 
fantonen vechtsfräftige Bejtimmung, wonach es dem in einem Prozeß 
Unterliegenden gejetlich gejtattet war, volle 24 Stunden lang nad Ber: 
kündigung des Urteils nach Herzensluft auf das Gericht zu jebimpfen. 
Der Gläubiger zwang häufig jeine Schuloner dazu, daß fie ſich im Falle 
der Nichterfüllung ihrer Berbinplichkeit gefallen ließen, von ihm durch 
Verbreitung von Schmäbjchriften und Spottbilvern angegriffen und ver- 
folgt zu werden. Der jehlimme Brauch war jo feit gewurzelt, daß fich 
jelbft die Behörden dagegen wenden mußten. So verfügt der $. 7 des 
35. Titels der reformierten Reich: Polizeiordnung von 1577: „Wenn 
Wir auch berichtet worden find, daß in etlichen Yanden dieſer Brauch 
oder vielmehr Mißbrauch eingeriffen, da dem Gläubiger auf jein Ange 
finnen von jeinem Schuldner oder Bürgen nicht bezahlt wird, daß er 
derentwegen diejelbigen mit ſchändlichen Gemählds und Brieffen öffent- 
ih anjchlagen, jchelten, bejchreien und berufen läſſet. Dieweil aber gant 
ärgerlich, auch viel Zanfes und Böjes verurjacht, darumb es ja in feinem 
Gebiet, darinnen Recht und Billigfeit adıniniftriert werden fann, zu ver: 
ftatten; jo wollen Wir dasjelbig anjchlagen, auch ſolcher Gedung und 
Pacta ven Verjehreibungen einzuwerleiben, hiermit gäntlich verbotten und 
aufgehoben, auch allen und jeven Obrigfeiten in ihrem Gebiet mit ernit- 
liher Straff gegen denjenigen, jo noch des Anjchlagens fich gebrauchen 
würde, zu verfahren befohlen haben. Selbſt ver Kirchenbann, wie er 
z. B. noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Straßburg 
von der Kanzel herab gegen die Übertreter des Verbots verfündigt wurde, 
vermochte dem allgemein verbreiteten Übel nur in vereinzelten Fällen zu 


542 Tie Schmäh- und Famosichriften im öffentlichen Leben. Neuntes 


ſteuern. Die Miſſethäter wurden wohl in ven Thurm geſetzt, in ven Bod 
gejpannt oder an den Pranger gejtellt; allein ſelbſt dieſe harten Strafen 
fonnten den rohen Hang im Volke nicht ausrotten, der erjt allmählich unter 
beffer erzogenen und gebildeten Gejchlechtern in Vergeſſenheit geriet. 

Nicht anders war es im öffentlichen Yeben. Der gewaltige, dur die 
Reformation bervorgerufene Kampf hatte die Yeidenjchaften im Kirche umd 
Staat entfeffelt und mußte austoben. Seine Niederlage durch die Waffen 
fenerte ihn zu verdoppelten Anftrengungen auf geiftigem Gebiete an. Haß, 
Zorn und Berachtung erzeugten Schmäbung, Spott und Hohn, die ſich, 
dem Charakter der Zeit entjprecbend, meift in rohen Kraftausdrücken Yuft 
machten. „In erjter Yinie wurden der Papft, der römijche Hof und vie 
höhere Geiftlichkeit in Pasquillen, Spottlievdern und Schmäbjchriften, bald 
mit Wit und jatiriicher Yaune, bald mit bitterjtem Zorn und tiefitem 
Ingrimm oder mit einer Verachtung, welche dem Innerſten ver Seele 
entquolf, in ihrer fittlichen Entartung, ihrer Geldgier, Herrſchſucht, Un— 
zucht, Ummäßigfeit und überhaupt in ihrer ganzen Unjauberfeit im Denten 
und Handeln, Wollen und Streben dem Bolfe zur Schau geftellt. Auf 
fie entlud ſich in jolchen Schriften im volljten Maße alles, was nur 
irgendeine Seele, glühend von Haß und Erbitterung, unverjöhnlicer 
Feindſchaft und tiefftev Verachtung irgendwie auszufprechen vermag, gleich 
als hätte fich dies alles jahrbundertelang durh Bann und Interdikt, 
durch Scheiterhaufen und Kerfer nievergehalten und zurüdgedrängt, im 
vollften Maße ſammeln jollen, um mit einem mal fich über Rom und 
jeine Briefterjchaft wie im wildeſten Strome zu ergießen.“ Nächſt Rom 
war der Kaiſer Stark V. jelbjt, von feinem erjten Auftreten im Reiche au, 
den jteten Angriffen der Spott- und Schmachjchriften ausgeſetzt. Jede 
jeiner Mafregeln wurde von jeinen Gegnern der rücfichtslojejten Kritif 
und häufig auch ungerechter Berbächtigung unterzogen. Das Wormjer 
Edikt, feine Verſuche zur Beilegung der veligiöfen Streitigkeiten, nament- 
(ich das Interim und feine unwürdige Behandlung der gefangenen pro: 
tejtantijchen Fürften, vor allem aber feine Begünftigung der Spanter 
und fremden Völker bildeten den Gegenftand zabhllojer überall und zu 
jeder Zeit wiederfehrender Anflagen und Schmähungen. Der Kaiſer nabm 
offenbar einen jehr bedeutenden Einfluß diefer Schmäbfchriften auf Die 
Meinung und Stimmung des Wolf wahr umd fuchte fie deshalb auch 
mit Nachdruck und Strenge zu unterdrüden. 


Kapitel] Übertragung des Libellbegriffs auf das öffentliche Recht. 543 


Natürlich muß jede Regierung ſchon im Intereſſe ver Selbjterbaftung 
derartigen Überjchreitungen des Geſetzes energiſch entgegentreten; allein 
Karl und feine Nachfolger gingen wiel zu weit, indem fie jede von ven 
Segnern Roms ausgegangene Schrift, ja jelbjt wifjenjchaftliche Werfe 
als Schmähſchriften verfolgten. Indem alfo der nürnberger Reichsabichied 
die privatrecbtliche Definition ver Echmachjchrift auf das öffentliche Recht 
übertrug, ſchuf er ein ganz neues Verbrechen, welches die Preſſe ver 
Yutheraner und jümtlicher Afatbolifen von vornherein vogelfrei machte. 
Mit jedem Fortjchritt der jogenannten Gegenreformation wurde durch 
dieſe abfichtliche Begriffsverwirrung die Yage der proteftantijchen Yittera- 
tur mißlicher und immer mebr dem Belieben faiferlicher Genjoren und 
Bücerfonmiffare überantwortet. Gelehrte Werke hervorragender Intbe: 
riſcher Theologen, wie z. B. jelbit Luthers und Melanchthons oder jpüter 
die des berühmten tübinger Profefiors Bengel, oder anerfannte Sejchichts- 
werke, wie des Sleidanus’ „De Statu religionis et reipublieae Ca- 
rolo V. imperatore Commentarii“, wurden troßdem daß fie mit Pri— 
vilegien gedrudt und jahrzehntelang mit dem Namen des Berfalfers im 
Handel waren, von den franffurter Bücherkommiſſaren auf Befehl der 
Jeſuiten der Hofburg als Schmachjchriften mit Bejchlag belegt und ver- 
folgt. Zunäcft alſo ließen die Yutheraner ohne jeden Widerftand ein 
Strafgejeß willfürlich auf fich ammwenden, das ganz andere Vergeben und 
Verbrechen zu abnden hatte, dann aber liegen jie diejes auf fie über- 
tragene Geſetz wieder willfürlich auslegen und ändern, jtatt es emergiich 
zurüdzuweijen. Fürſten und Freie Städte berubigten fich offenbar mit 
dem Troſte, daß vie faijerliche Politit nicht bis zu ihnen reiche, und 
baffen ihr ſchon 1529 ſelbſt die Ketten ſchmieden, welche fie jpäter um 
ihren Hals warf, jedenfalls aber gingen fie dem Kampfe aus dem Wege, 
welcher zwijchen der neuen und alten Weltanſchauung unvermeidlich ge— 
worden war. So ließen fie ſich denn zu ſchmähenden Querulanten, zu 
boshaften Prozeffrämern berabvrüden, ihre Preſſe aber, welche die beite 
BVerteidigerin ihrer Sache war, als unnügen Pasanillanten verfolgen und 
untervrüden. Allenfalls gewährte es ihnen eine Art von Senugtbuung, daß 
die Unbeftimmtbeit der Ausprudsweiie der Reichsverordnungen leßtere zu 
einer zweijchneidigen Waffe machte, welche für jeden politiichen oder firdh- 
lichen Standpunkt, aljo auch dem Angreifer gegenüber, verwendbar war. 

Ein Jahr nach dem nürnberger Reichsabſchied zog der Bauernkrieg 





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544 Die ftaatliche Präventivcenfur jeit 1529. MNeuntes 


mit jeinen Schrecken und Greueln durch das fünliche und mittlere Deutjch- 
land; eine furchtbare Reaktion, ein granjamer Rachefrieg war die natür- 
liche Folge. Allein die Bewegung der Geifter fonnte durch Blut und Fol— 
ter nicht erfticht werden. Der ſpeyerſche Reichstagsabjchien vom 22. April 
1529 juchte die Flut zu ſtauen; ev brachte ein vorläufiges Cenſurgeſetz, 
das bis zum mächjten Konzil in Kraft bleiben jolltee Es waren aber 
nur einige allgemeine Bejtimmungen, ohne eine einzige Ausführungs— 
anweifung; fie hatten als ſelbſtverſtändliche Voransjegung die Anjtel- 
(ung verjtändiger Männer zu Genjoren. War bier die Cenſur zugleich 
von den Fürſten und Ständen des Reichs im Prinzip anerkannt, jo lie 
ferte der augsburger Reichstagsabichied vom 19. November 1530 die 
nähern Ausführungen zu ihrer Handhabung. Gr bezeichnete jeine Ver- 
erdnungen zwar auch wieder mur als zeitweife, d. b. bis zum nmächiten 
Konzil, erlaffen; indeſſen ließ dies den durch die Reichsgeſetze geichaffenen 
Zuftand des Preßrechts unverändert fortbeftehen. Der augsburger Ab 

ſchied jchritt logijcher und energijcher ein als jeine Vorgänger. Die 
politijche und joziale Revolution war faft im ganzen Yande in Blut er- 
jtieft, Eleinere Bewegungen Fonnten den vereinigten Fürſten auf die Dauer 
nicht mehr gefährlich fein, und die Sicherung deſſen, was die religiöje 
Reform ihr an Vorteilen gebracht hatte, lag der damaligen Mehrbeit ver 
Neichsftände am nächjten. Um jo eher gab fie auch das freie Wort 
preis, das auch ihr ſchaden fonnte, und jah es jogar nicht ungern, wenn 
der freien Kritik ein faiferlicher Kappzaum angelegt wurde. So wird 
denn mit der niedergehenden Bolfsbewegung ganz Deutjchland von einem 
theoretiſch vollftändig ausgebildeten Cenſurſyſtem beimgejucht, deſſen faf- 
tijche Handhabung glüclicherweije zumächjt nur noch wenig entwidelt war. 
Zuvörderſt verbietet der Naifer dem Nurfürjten von Sachjen und feinen 
Mitverwandten, den ſächſiſchen Fürften, irgendeine neue, den Glauben 
betreffende Schrift in ihren Gebieten druden, feilhalten over verlaufen 
zu laffen; dann befiehlt er ven Nurfürjten, Fürften und geiftlichen und 
weltlichen Ständen des Reichs, nichts Neues ohne Cenſur druden zu 
(ajjen, ven Drudern aber ihren vollen Vornamen, Zunamen und Wohn- 
ort auf dem Druckwerk anzugeben. Echmäbjchriften und dergleichen Bücher 
werden natürlich verboten. Der Zuwiderhandelnde ſoll von jeiner Obrig- 
feit an Yeib und Gut gejtraft werden. Sollte aber eine jolche läſſig be- 
funven werben, jo ſoll fie der Fatjerliche Fisfal zur Beobachtung der 


Kapitel.) Anwachien der polemifchen Litteratur, 545 


Cenſurvorſchriften anhalten und beim Kammergericht verklagen. “Die 
Strafbeftinnmung gegen Schmachjchriften wurde denn auch in Kaiſer 
Karls V. Peinlicher Halsgerichtsordnung von 1532 unter Artikel 110 
aufgenommten. 

Mit der fortjchreitenden Nieverwerfung der Revolution und der Er— 
jtarfung der fürftlichen Yanveshoheit werden natürlich die Verbote der 
Schmähſchriften verjchärft. Sp jagt der regensburger Reichstagsabjchien 
vom 29. Juli 1541, daß der Kaiſer fich mit Kurfürften, Fürſten und 
gemeinen Ständen dahin verglichen habe, „var hinfüro feine Schmäh- 
Shrifften gedruckt, feyl gehabt, kaufft noch verfaufft, jonder wo der 
Tichter, Druder, Kauffer oder Verfauffer betretten, darauf eine jede 
Oberfeit fleißig Aufjehens haben jolle, daß dieſelben nach Gelegenheit 
der Shmäh-Schrifften, jo bei ihnen erfunden, ernftlich und bärtiglich 
geitraft werben ſollen“. Indeſſen erwiejen fich dieſe Beitimmungen zu— 
fegt doch wieder nur als Schläge ins Waffer. Die alte Gejelljchaft 
wanfte in ihren Grundfeſten und jtrenge Gejege konnten ihren Zuſam— 
menbruch nicht abwenden. Wenn ver bewaffnete Widerſtand der jchmal- 
faldenerv Bundesgenoffen auch durch ihre Niederlage bei Mühlberg 1547 
und durch die Gefangennahme ihrer Führer gebrochen war, jo juchte und 
fand die gejchlagene Partei doch andere Waffen in dem erbitterten Kampfe 
gegen den Sieger. Nie griff fie feder, rückſichtsloſer und leidenjchaft- 
liher mit gelehrten Büchern, wiffenjchaftlichen Werfen, Flugſchriften und 
Spottgedichten an, und noch nie zuvor hatte die volfstümliche Pitteratur 
einen ſolchen Grad der Erbitterung, eine jolche Bedeutung im Yeben der 
ganzen Nation erlangt. Stand die Schmähjchriftenlitteratur auch ſchon 
vor der Niederlage der Protejtanten in großer Blüte, jo erreichte fie ihren 
böchiten Punkt doch erft in den Jahren 1546 bis 1549. Überall im Lande 
tauchten dieſe Flugſchriften namenlos oder mit Namen erdichteter Druckorte 
oder Verfaffer auf. Im Jahre 1544 erjchienen ſogar gleich zwei Bände 
Schmähſchriften, deren erfter die poetifchen und deren zweiter die in Proja 
geichriebenen Pasquille enthielt. Der Kaifer ftand auf dem Gipfel jeiner 
Macht, als er auf dem Reichstag zu Augsburg in jeiner Reichspolizei- 
ordnung vom 30. Juni 1548 der Preſſe neue Beſchränkungen auferlegte, 
Er begründete jein Vorgehen in $. 1 des Titel 34 mit der Erwägung, 
daß „ob derjelben Unſer Satung (vom Jahre 1541) gar nichts gehalten, 
jendern daß jolche jchmählichen Bücher, Schrifften, Gemählds und Ge— 

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546 Die Neichspolizeiordnung von 1548. [Neuntes 


mächts je länger je mehr geticht, gebrudt, gemacht, feyl gehalten und 
ausgebreitet werben.“ Demnach verfügt Karl am Schluß diejes erjten 
Paragraphen die ſtrengſte Cenſur (Vorlegung der zu druckenden Schrift, 
Nennung des Verfaffers, Druders und Drudorts) und erläutert im 
zweiten Paragraphen „die Pflanzung und Erhaltung chriftlicher Yieb und 
Einigfeit und Verhütung von Unruhe und Weiterung“ dahin, „daß nichts 
jo der catholijchen allgemeinen Lehr, der heiligen chriftlichen Kirchen un— 
gemäß und wiberwärtig oder zu Unruhe und Weiterung Urjach geben, 
desgleichen auch nichts ſchmählichs pasquillifches oder anderer Weiß, dieſem 
jetzo allbie aufgerichteten Abjchied und anderen Abjchieven, jo demſelben 
nicht entgegen ſeynd, ungemäß in was Schein das gejchehen möchte, ge- 
dicht, gejchrieben, in Drud gebracht, gemahlt, gejchnigt, gegoffen und ge- 
macht werde”. Die Druder, Verkäufer, Käufer und jelbjt Befiter ſolcher 
ohne Cenſur veröffentlichten Schriften und Gemälde jollen gefänglich ein- 
gezogen und peinlich, oder im Notfalle fogar unter Anwendung der Folter 
gefragt und der Schwere des Verbrechens entiprechend geftraft, die Ver- 
abjäumung der vorgejchriebenen Formen aber mit Unterbrüdung der ver: 
botenen Schriften, harten Strafen und Unterjagung des Gewerbebetrichs 
geahndet werben. Alſo der unſchuldige Befiger eines mißliebigen Buchs 
fonnte jogar der Folter verfallen, mochte er deſſen Inhalt fennen oder 
nicht! Dem Kaiſer jcheint nach jeinen Siegen die Klugheit der Mäßi— 
gung abhanden gekommen zu fein. Selbſt in Ofterreih und Bayern 
jtrafte man böchftens Verfaffer, Druder und Verbreiter verbotener Bücher 
mit der Folter! Wenn die betreffende Obrigfeit gegen die Übertreter 
diefer Beftimmungen nicht energiſch einjchritt, jo follte der Reichafisfal 
gegen die jäumige Obrigfeit ſowohl, als gegen die Übelthäter beim Rammer- 
gericht klagend vorgehen. In einem Edikt vom gleichen Datum befiehlt 
der Kaiſer endlich den Kurfürſten, Fürften und Ständen die jofortige 
Veröffentlichung und ftrenge Ausführung der vorftehenden Polizeiordnung 
und ſetzt als ſchwere Pön gegen die ungeborjamen Buchdrucker außer 
Nieverlegung ihres Gewerbebetriebs eine Strafe von 500 Goldgulden 
fejt, welche fie ihrer orbentlichen Obrigfeit „unabläßlich“ zu bezahlen 
haben. 

Der erfurter allgemeine Streistagsabjichied vom 27. September 1567 
dehnt in mehr jammerndem und bittendem, als befehlendem Tone vie 
Beſtimmungen der augsburger NReichspolizeiorpmung von 1548 auf vie 


Kapitel.) Der fpeyerer Neichsabichied von 1570. 547 


Neuen Zeitungen, die aljo Damals eine größere Beveutung erlangt haben 
müſſen, aus und beklagt, daß durch zu langmütiges Zujehen der Obrig- 
feiten es den faljchen, üppigen Dichtern gelungen jet, „ein ſolch Miß— 
vertrauen und Verhetzung zwijchen allerjeits hohen umd niedern Ständen 
zu erweden, welches wohl unverjehenliche Empörung und viel Unheyls 
verurjachen möchte”. Höhere Strafen konnten jelbjt von der üppigften 
Fhantafie nicht mehr erdacht werden; man war aljo gezwungen, ven Ton 
wieder berabzujchrauben. 

Es halfen inbeffen weder gütliche Zureven noch fchroffe Drohungen. 
Die Preſſe mit den in ihr wurzelnden Intereffen nahm bereits eine zu 
mächtige Stellung im Leben des Volks ein, ald daß ihre Erzeugniffe 
erfolgreich hätten unterdrüdt werden können. Der Gewinn aus dem Ver: 
trieb verbotener Schriften lodte mächtig zu ftet3 neuen Unternehmungen 
an; überall entjtanden in den fleinern Städten neue Buchdrudereien, 
deren Überwachung von Tag zu Tag fehwieriger wurde. Der ſpeyerer 
Reihsabfchied vom 11. Dezember 1570 ſuchte dem, wie ev jagt, durch 
ſie angejtifteten Zanf, Aufruhr, Miftrauen und Zertrennung alles fried- 
lichen Wejens durch neue ohnmächtige Verordnungen abzubelfen. Des— 
balb ſollten binfüro im ganzen römijchen Reiche Buchorudereien an feinen 
andern Orten als in fürftlichen Nefivenzen, in Univerfitätstibten oder 
in anfehnlichen Reichsſtädten geftattet fein, alle Winfelorudereien ſtracks 
abgejchafft werden. Natürlich konnte man dort die obrigfeitliche Aufficht 
bequemer durchführen, wogegen dieje in den Fleinen Orten, wo Drude: 
reien bejtanden, jchwer, ja unmöglich zu handhaben war. Beachtung fand 
diefe gejetliche Beftimmung aber wohl wenig; nur Kurfürſt Auguft von 
Sachſen ging ihr entjprechend vor. Sodann wurde die Zulaffung eines 
Buchdruckers von einer vorherigen Prüfung jeiner Ehrbarfeit und Zu— 
verläffigkeit durch die Obrigfeit abhängig gemacht, worauf er fich eidlich 
an die Beobachtung der gejetlichen, in dem Reichsabſchied vorgejchriebe- 
nen Beitimmungen binden mußte. Im übrigen wurden die alten Ver— 
ordnungen men eingejchärft. Den Zuwiderhandelnven traf aufer Gefüng: 
nis und eventueller Folter auch Konfisfation der Bücher und den Druder 
außerdem noch Verluſt jeiner Druderei. Enplich aber wurde unter Ans 
drehung faiferlicher Ungnade und willfürlicher Strafe den Ständen und 
Obrigkeiten befohlen, ihre Drucdereien „unerwarteter Ding” zu vifitieren 
md gebührenven Ernſt und Strafe gegen die Übertreter vorzunehmen. 

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548 Verfahren gegen die Schmähichrift „Die Nachtigall”, [Neuntes 


Kaiſer Marimilian II. war ein milder Herr, welcher den Dingen 
ihren Yauf ließ und an fleinlichen VBerfolgungen feinen Gefallen fand. 
Nur einmal, und zwar drei Jahre nach dem ſpeyerer Reichsabſchied, ver- 
folgte er mit einer ihm ſonſt nicht eigenen Erbitterung eine Schmäb- 
jhrift, die „Nachtigall“, welche durch die Grumbachichen Händel und 
die Belagerung Gothas hervorgerufen, 1567 in Frankfurt a. M. geprudt 
und gegen den Kaiſer gerichtet war. Je günftiger die Stimmung im 
Volke dem fleinen Häuflein der Belagerten, defto größer war ver Ab- 
jat des unbedeutenden Gedichts und das Aufjehen, welches dasjelbe er- 
regte. Vierzehnhundert Eremplare wurden in vier Stunden verkauft und 
in wenigen Tagen vier Nachdrude davon veranftaltet. Doch machte es 
auf niemand größern Eindrud, als auf den Kaijer ſelbſt, der jogleih an 
den franffurter Rat jchrieb, er habe die „Nachtigall“ durchgelejen, die in 
den Meſſen öffentlich feilgetragen und von dort aus in alle Lande ver- 
jchieft worden jet. Solche Beleidigung jeiner Perjon und geheiligten 
Macht könne ev, ohne fich jelbjt zu entehren, nicht hingehen laſſen. Des- 
wegen gedenfe er die Gunftbriefe, namentlich und bejonders die, welche 
die freiheit der Meſſen beträfen, zurüdzunehmen und fich dann erft vie 
Strafe vorzubehalten. Indeſſen jolle der Rat, bei unausbleiblicher Strafe 
der Acht, den Drucker angefichts dieſes in Eijen jchinieven, jein Hab und 
Gut verfiegeln, ihn jelbft aber unter ftarfer Bedeckung dem Stadtrichter 
in Wien überliefern laffen. Die Ratsherren, welche die Aufficht über 
die Bücher hätten, jollten in den Turm gelegt, ihre Güter eingezogen 
werden. Der Rat jolle nach dem Verfaſſer forjchen, aber den Drucker 
deswegen nicht erjt auf die Folter legen, um unnügen Zeitverluſt zu ver- 
meiden. Der flüchtige Verfafjer gab ſich alsbald freiwillig an, um ven 
Druder zu retten. Es war ein armer Gelehrter, Wilhelm Clebitius, 
der zu Frankfurt, als dem Sik des Buchhandels, gleich andern jeines- 
gleichen von Korrigieren, Vorredenſchreiben und Nativitätenftellen ein 
färgliches Brot fand und dieje „Nachtigall unter den Bäumen des Fel— 
des an einem Bächlein bei einem Zweipfennigbrot gejchrieben hatte, um 
ſich, wie er verficherte, durch das Unglück eines jo großen und ſtand— 
haften Fürften, wie der Herzog von Sachen jei, über ven eigenen Kum— 
mer zu erheben. Dem Druder Hans Schmidt, einem ebenjo armen, 
ledigen Gejellen, hatte er Ehre und Reichtum verjprochen, wenn Johanu 
Friedrich durch diefe Schrift, die nicht ermangeln könne, Deutjchland in 


Kapitel.) Verfahren gegen die Schmähſchrift „Die Nachtigall”. 549 


Flammen zu jegen, Hilfe gewinnen ſollte. Heimlich war das Büchlein 
auf einer Kammer mit geborgten Schriften gebrudt worden. 

Nachdem der Rat den Druder mit Ketten beladen und won fünf 
Reijigen begleitet nach Wien geſandt, bot er alles auf, den Kaiſer zu 
verjöhnen. Dieſer ließ jedoch, obgleich die Strafe unterblieb, feine Un: 
gnade nicht fallen. Umſonſt jtellte der Rat vor, wie ver Drud ohne fein 
Wiſſen erfolgt jei; wie der Bürgermeifter ven Verkauf unterbrochen, ſo— 
bald er die erjte Kunde davon erhalten; wie er feine eigenen Boten in 
alle Städte des Reichs, bis nach Gengenbach und Isny in Schwaben, 
geſchict habe, die vorrätigen Eremplare anzuhalten; wie er einen feiner 
Bürger, ven Buchdruder Martin Lechler, dem Clebitius nachgefandt, der 
fih aber Jahr und Tag zu verbergen gewußt, bis endlich die Nachricht 
von jeinem Tode aus Paris eingelangt ſei. Umſonſt erwarb die Stabt 
die Fürjprache des Yandgrafen Wilhelm von Heffen, des Pfalzgrafen 
Kaſimir und des Ffaijerlichen PVicefanzlers Zaſius. Maximilian wollte 
ſich nicht bejänftigen laſſen, beſonders weil Clebitius furz vor feinem 
Tode eine neue Flugſchrift: „Grabjchrift der ehrlichen ritterlichen Leut 
die in Gotha geblieben‘, in die Welt gejandt hatte, von welcher wieder 
einige Exemplare auf den Meffen verkauft worden waren. Diejer Zu- 
fall fachte den Zorn des Kaiſers von neuem an. Sie hätten, fchrieb er 
dem Rat, großen Ernſt gezeigt, als ein geringes Büchlein gegen bie 
Juden ausgegangen; wenn aber Schmähjchriften gegen ihn und das Reich 
feilgehalten würven, blieben Bürgermeifter und Rat Faltblütige Zufchauer. 
Enplih gelang es dem franffurter Gefandten in Wien, Karl von Glau— 
burg, das Mittel zu entdecken, durch welches der Zorn des Kaifers zu 
belänftigen war. Der Rat borgte 30000 Goldgulden von Juden und 
Chriften, von Fremden und Bürgern und lieb — auf deutjch ſchenkte — 
ie dem Kaifer unter Rückbürgſchaft ver Stifter. Nach einem zweijäh- 
rigen harten Gefängnis wurde auch der Druder Hans Schmidt in rei: 
beit gejeßt, ja, der Kaifer felbft verwandte fich bei dem Nat für feine 
Aufnahme in das Bürgerrecht. O rara temporum felicitas! 

Daß übrigens der lettere, wie er Maximilian meldete, wirklich alles 
zetban hatte, was in feinen Kräften ftand, um bie dieſem mißliebige 
Schrift zu unterbrüden, ergibt fich unter anderm auch aus den fölner 
Ratsprotofollen aus den Jahren 1566 bis 1568, fol. 115 und 116, wo 
es am 7. Mai 1567 heißt: „Das faijerlich als auch deren von Franf- 


550 Die verbefferte Polizeiordnung von 1577. [Neuntes 


furt Schreiben, den Tractat des Nachtigals betreffend, iſt verlejen une 
befohlen die Herren Jakob von Siburg und Gajparen Geilenkirchen 
die Buchdruder zu bejchiden, bei denen und ſonſt fleißige Nachforichung 
su thun, damit jolliche Traktatlein hinder einem erbaren Kat zu bringen. 
Sollihs ſoll auch den von Frankfurt gejchrieben werden.“ Die Genann— 
ten referierten dann am 9. Mai: „Nachtigall, libellus famosus betref: 
fend, wie fie alle Boichfeilhaber, Häujer und Gadombe bejucht, uff das 
Kaiferlih Schreiben das Schanpgedicht Die Nachtigall intitulirt, gejucht 
und doch feins finden mögen; ein Jeder auch mit dem ide fich pur: 
giret, daß Kleiner einichs hinter ihnen habe; jondern es jey vergangene 
Gotsdracht der Wilhelmus Clebitius, jo zu Frankfurt fitt, bie geweſen 
und bey etlichen Boichbrudern begerte, der Erempflaren etliche von ihnen 
zu faufen. Iſt vur rathſamb angeſehen, jollihe vem Rath zu Frankfurt 
anzuzeigen.’ 

Indeſſen teilte auch der Neichsabjchien von 1570 das Schidjal jener 
Borgänger und blieb ein toter Buchjtabe. „Die reformirte und gebeſſerte 
Polizeiorpnung vom 9. November 1577” erkannte dieſe Thatjache und 
die der Nichtbefolgung ſämtlicher bisher von Kaiſer und Reich getroffe 
nen Beitimmungen offen an, indem fie in ihrem $. 1 (Titel 35) unter 
anderm erklärte: — — „jo befinden Wir doch, daß ob denjelben Satungen 
gar nichts gehalten, jondern daß jolche jehmähliche Bücher, Schriften, 
Semälds und Gemächts je länger je mehr gedicht, gebrudt, gemadt, 
feyl gehabt und ausgebreitet werben.“ Im übrigen wiederholt Die refor- 
mierte Polizeiordnung meift wörtlich den wejentlichen Inhalt der Reichs 
polizetorpnung von 1548 und des fpeyerjchen Reichsabſchieds von 1570, 
joweit es fich um die Beichränfung der Buchdrudereien auf Fürſtenſitze, 
Univerfitäten und anjehnliche Reichsjtänte, jowie um Zulaffung ver Druder 
ſelbſt handelt. 

Bei dieſer verbeſſerten Polizeiordnung behielt es lange Zeit, über 
das 16. Jahrhundert hinaus, ſein Bewenden. Der Erlaß neuer Geſetze 
war auch um ſo weniger erforderlich, als die vorhandenen vollauf hin— 
gereicht hätten, die mißliebige Preſſe mit Stumpf und Stiel auszurotten. 
Kaiſer Rudolf II. legte als praktiſcher Mann das Hauptgewicht nicht 
auf Vereinbarung neuer Maßregeln mit den Fürſten, ſondern auf eine 
rückſichtsloſe Durchführung der in Kraft befindlichen Beſtimmungen und 
fand in den Jeſuiten, welche ihm mit Feuer und Schwert die Gegen— 


Kapitel.) Auftreten Rudolfs II. und der Jeſuiten gegen die Preſſe. 551 


reformation in ſeinen Erblanden durchſetzen balfen, vortreffliche Werk: 
zeuge in ſeinem Feldzuge gegen vie Schmähſchriften und Famoslibelle, 
aus welchen in ihren Augen bie ganze proteſtantiſche Litteratur beſtand. 
Das nächte Kapitel wird den Beweis bafür liefern, wie flug berech— 
nend die faiferliche Politik durch Einjegung von Bücherfommiffarien pie 
Art an die Wurzeln des Buchhandels zu legen wußte Als Schn einer 
eifrig katholiſchen Mutter und jpäter amt Hofe feines Vetters Philipp II. 
von Spanien erzogen, bejchränft und kleinlich, kannte Rudolf nur ein 
Ziel, die gründliche Ausrottung des Protejtantismus und zugleich ber 
jtändifchen Freiheiten, deren Träger jein lutheriſch gewordener Adel war, 
furz, die unbedingte Unſchädlichmachung und Unterwerfung aller Wiver- 
jacher ver fatholifchen Kirche. Rom und Madrid beftimmten fein poli- 
tiiches Denken, die Jejuiten und ihre Schüler fein politijches Handeln. Die 
erjten Jahre feiner Regierung waren vollſtändig von feinen Arbeiten für 
die Gegenreformation in Ofterreich in Anfpruch genommen. Im Jahre 
1579 ließ er 12000 veutjche und 2000 windiſche Bücher, meift Bibeln 
oder jolche, die den Grundſätzen des fatholifchen Glaubens widerjtrebten, 
in Graz durch den Henker verbrennen. Die Verſuche zur Herftellung 
ber Stircheneinheit begleitete überall eine grauſame Verfolgung der Preffe. 
In Wien wurde ben proteftantiichen Buchorudern und Buchführern ver 
Aufenthalt verboten und eine „Bücher-Inquifitionsfommiffion‘ eingeſetzt. 

Die Reichsgeſetzgebung gegen die Preſſe hatte alfo ein volles Jahr— 
hundert gebraucht, um fich in ihren äußern Umriffen auszubilden, und 
wurde jelbjtverftändfich zugleih pas Vorbild für Die Geſetzgebung der 
einzelnen Fürſten, Stände und Städte. Cs iſt überflüffig, die von 
den Territorialregierungen erlaffenen Beitimmungen, jelbjt die der be- 
deutendſten, bier wörtlich over auch nur auszugsweiſe mitzuteilen, da 
fie in ihrem Wejen jo ziemlich übereinftimmen und ver Reichhaltigkeit 
des in den Reichsabjchieven gebotenen Materials gegenüber fich höchitens 
durch Anordnung nutzloſer Graufamfeiten, oder auch umgekehrt durch 
größere Milde, alfo mit einem Worte, nur durch die Stellung vonein- 
ander unterjcheiden, welche die betreffenden Gebiete zu den geiftigen Strö— 
mungen ber Zeit einnahmen. Dementjprechend trat die Cenſur bier nur 
ihüchtern und zögern, leije ihren Weg taftend, dort herausfordernd 
und brutal auf, aber nirgends blieb fie aus und überall jeßte fie fich 
endgültig feſt. Wenn in der erjten Hälfte des 16. Jahrhunderts bie 


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552 Verkehrtes Verhalten der Proteitanten. [Neuntes 


Behandlung der Preffe eine in den einzelnen Teilen Deutſchlands ver: 
jchievene war, jo wurde fie mit dem Eintritt in deſſen zweite Hälfte 
von Tag zu Tag gleichmäßiger, weil die Jejuiten in dieſer Zeit ihren 
unbeilvollen Einzug in Deutjchland hielten und, mit kluger Vorſicht 
Schritt vor Schritt vorgehend, ihre jogenannte Gegenreformation, wo 
fie eben fonnten, durchſetzten. Der Sieg wurde ihnen im allgemeinen 
nur zu leicht gemacht. Statt wie ein Mann dem gemeinjchaftlichen Feinde 
gegenüberzutreten, zerfleifchten vie Protejtanten einander jelbjt in ihrem 
Unfrieden und Zanf, in ihrer Wortklauberei und Mifgunft — und das in 
einem Augenblid, wo fie ver Wolf bereits an der Kehle padte! Schon 
die Reformatoren verfolgten ihre frühern, weiter gehenden und die Er- 
neuerung des fittlichen Yebens ſtürmiſcher anftrebenden Anhänger. So 
juchte Luther ein Verbot ver Karlitadtichen Schriften in Sachſen zu er- 
langen: derſelbe Yuther, welcher das Papfttum für noch lange nicht ge: 
nug zerjcholten, zerjchrieben, zerjungen, zerdichtet und zermalet hielt, rief 
ſchon 1525 die Genjur für jeinen nunmehrigen Stanppunft zur Hilfe. 
Die Yutheraner haften die Zwinglianer ärger als die Katholifen, beide 
aber wüteten gegen die Wiedertäufer und jogenannten Schwarmgeijter. 
Die proteftantijhen Fürften ihrerjeits liebten und förverten die Cenſur, 
weil fie mit ihrer Hilfe die wohlverdienten Anflagen wegen ihres Raubes 
von Kirchengut und Beijpiele jonftiger Sonverzwede over gar Mifjethaten 
unterbrüden konnten. Die Patricier der Städte endlich fanden in ver 
Cenſur eine mächtige Waffe zur Behauptung ihrer Herrichaft, kurz, vie 
Protejtanten hatten auch auf diefem Gebiete gar feine Ahnung von ver 
Wirkung einer gejchloffenen Oppofition gegen den Kaifer, ja nicht einmal 
von den Folgen eines methodiſch durchgeführten paſſiven Widerſtandes. 
Während nun im größten Teil von Deutjchland der Übergang vom 
Katholizismus zum Luthertum fich leicht vollzogen hatte, ſtießen in ben: 
jenigen Yanbesteilen, in welchen die Fürſten dem alten Belfenntnis treu 
geblieben, die Einwohner aber zur Reformation übergetreten waren, vie 
Gegenjäge mit größter Erbitterung und jelbft mit Grauſamkeit aufein- 
ander, Am ſchroffſten gejtaltete fich dies Verhältnis in Ofterreich und 
in Bayern, deren Regenten alle Mittel in Bewegung fetten, um ihre 
abgefallenen Unterthanen zur alleinjeligmachenvden Kirche zurüdzuführen. 
In den habsburgiichen Erblanden hatte Luther, jofort nach jeinem Auf: 
treten in Worms, begeijterte Anhänger gefunden; noch bis zum Jahre 





Kapitel.) Cenſur in Ofterreich unter Ferdinand I. 553 


1551 gehörte dort der größte Teil der Bevölferung dem Proteftantismus 
an. Kein Verbot und feine Verfolgung des Erzherzogs (jpätern Kaiſers) 
Ferdinand 6, der hier ſeit 1521 regierte, vermochte die tiefgehenvde Volks— 
bewegung zu unterbrüden, welcher fich außer ven Bürgern größerer Städte 
auch vielfach der Adel angejchloffen hatte. wFerbinand. betrachtete die 
Büchercenjur von Anfang an als einen Ausflug Tandesherrlicher Macht, 
die Biichöfe und Geiftlichen aber nur als feine Delegierten, denen er 
die Cenſur geiftlicher und weltlicher Schriften lediglich im Staatsintereſſe 
übertrug. Schon 1521 ſah er fich veranlaßt, die Lutherſchen Schriften 
zu verbieten und die etwa betroffenen dem Teuer zu übergeben. Das 
von ihm erlaffene Mandat vom 12. März 1523 juchte rückſichtslos vie 
Strafen des Wormjer Edikts zu erzwingen, und verbot, wie ſchon im 
jiebenten Kapitel berührt, von neuem jowohl die bereits erjchienenen als 
auch die Fünftig erjcheinenden Schriften Yuthers. Jedermann wurde ver- 
pflichtet, zur Ausrottung der feterijchen Schriften mitzuwirfen. Den 
Buchdruckern, Buchführern und Krämern follten fie mit Gewalt weg— 
genommen, bei verjuchter Einfuhr an der Grenze angehalten und ver- 
uichtet werden. In den fünf Herzogtümern wurden der Großfanzler 
und Hofrat an die Spike der Bücherpolizei gejekt, ihnen mußte Bericht 
erftattet werden über die ob Verletzung dieſer Vorſchriften verhängten 
Strafen. Im Tirol wurden die Mandate gegen Luther und feine, ſowie 
jeiner Anhänger Schriften 1524 öffentlich von der Kanzel verkündet und 
an den Kirchenthüren angeſchlagen. Aber bier jo wenig, wie anderwärts, 
trugen derartige Mafregeln die erwünſchten Früchte, 

Um diejelbe Zeit brach auch in Oberöjterreich ein bedeutender Bauern- 
aufjtand aus, der nur mit Mühe bewältigt werben fonnte. Gegen bie 
Drudichriften ver Aufrührer wagte Ferdinand aber, um das Feuer nicht 
zu ſchüren, nicht öffentlich einzufchreiten; er befahl deshalb, fie „im Stillen 
mit gutem Fug und Glimpf einzuziehen“. Die Nachforſchung und Über- 
wacung richtete fich demmach „mit aller Vorſicht gegen ſolche Artikel 
und Bibeln‘; ſie jollten weder gedruckt noch handjchriftlich verbreitet 
werden. Die religidje Bewegung aber eritarfte immer mehr. Bald fan— 
den auch die Schriften ver jogenannten Saframentierer und Wievdertäufer 
und mit ihnen deren Berfaffer Eingang ins Yand, jo namentlich in Tirol 
und Mähren. Dieje Männer, welche fich apoftolifche Brüder nannten, 
waren erfüllt won den höchften fittlichen Idealen und ftellten die ftrengften 


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554 Ausbildung der Cenfurmaßregeln. Harte Strafen. [Neuntes 


Anforderungen an fich und andere. In eine Welt voll Sinnlichfeit und 
Trägheit brachten fie eine Yehre, welche die Entjagung und Selbftver- 
leugnung nicht allein als oberften Grundſatz aufftellte, jondern ihre Ver— 
treter auch Yeiden jtandhaft ertragen lieh und in ven Tod trieb. 

Ihr Hauptrepräjentant ift Balthaſar Hubmaier. Sein tragifches Ende 
ift bereits im fiebenten Kapitel geichildert worden; feine Gattin und zwei 
feiner Sefinnungsgenoffen hatten jein Yos geteilt. Aber ungeachtet diejes 
grauſamen Vorgehens ließen fich „die verdammten ſektiſchen Yehren und 
Opinionen“ nicht jo leicht vertilgen. Am 24. März 1528, nur 14 Tage 
nach der Verbrennung Hubmaiers, äußerte Ferdinand in einem neuen 
Mandat feinen Unwillen darüber, „daß die Lehre Luthers, Zwingli's, 
Karlſtadts und Ofolampads noch nicht abgeftellt jei, jondern wie augen: 
ſcheinlich am Tage, je länger je mehr einveiße, wachſe und fich mehre“. 
Auch die Berichte „ver ambulanten Bifitatores und Inquiſitores“ Tiefen 
feinen Zweifel parüber beſtehen, daß troß aller Bemühungen die fee: 
riſchen Schriften nicht abgeliefert, ſondern eifriger als vorher gelejen 
wurden. So verordnete Ferdinand denn noch in demjelben Jahre, am 
24. Yuli, daß man Buchdrucker, welche jektirerifche Schriften druckten, 
und Buchführer, die fie verfauften, als Hauptverführer und Vergifter 
aller Länder bei ihrer Betretung in den Erblanden unnachfichtlich er- 
tränfen, ihre verbotenen Bücher aber verbrennen follte. Zugleich befabl 
er — jogar 42 Jahre früher als die Neichspolizeiorpnung —, daß Buch: 
drudereien nur in ben Hauptftädten der Provinzen geduldet werben jolt- 
ten und berief in Niederöfterreich ven Statthalter und Negenten, in den 
andern Provinzen die Yandeshanptleute zu Vollftredern der angeordneten 
Mafregeln. Keine Schrift jollte ohne vorläufige Genehmigung von jeiten 
diefer Beamten in Drud gelegt werden. Nicht zufrieden mit dieſer Schuk- 
maßregel, ſetzte Ferdinand wieder einige Monate fpäter, am 5. November 
1528, eine Genjurbehörbe ein, zu welcher als erjtes Mitglied der Biſchof 
und als zweites ver Bürgermeifter von Wien gehörten. Sie jollte alle 
zu brudenden und zu werfaufenden Bücher vorher erit einjehen und even- 
tuell zulaffen und konnte Übertreter jogar am Leben ftrafen, auch die 
Bücher verbrennen laſſen. Indeſſen febeint die neue Behörde gar nicht 
in Thätigfeit getreten zu fein, wenigftens läßt fich Fein Beleg dafür nach- 
weijen. 

Im folgenden Jahre, 1529, machte die Gefahr, welche won ven bis 


Kapitel.) Die Jefuiten. Verhalten Marimilians U. 555 


Wien vorbringenden Türken drohte, dem Kampfe gegen die Preſſe eine 
Zeit lang ein Ende. Die verbotenen Schriften mehrten fich troß der 
angedrobten jehweren Strafen, ja, die Stände verlangten 1532 ſogar 
Religionsfreiheit und wiederholten dieſes Gejuch 1541 und 1547. Mit 
dem Einzug der Iejuiten in Wien begann aber eine neue Prefverfolgung. 
In dem Mandat vom 1. Auguft 1551 wurden die alten Erlaffe neu 
eingejchärft; es galt, den Proteftantismus völlig auszurotten. Unterm 
18. Februar 1559 und 30. Auguft 1560 wurde zuerſt die Abfafjung 
und Berbreitung von Pasquillen und Schmachichriften verboten und dem 
Angeber eine Prämie von 300 Gulden aus dem Vermögen des Ver— 
brechers oder, im Fall der Zahlungsunfäbigfeit desjelben, aus der könig— 
lichen Kammer ausgejegt. Von ketzeriſchen Schriften, welche in den öfter: 
reichijchen Yanden die Hauptveranlaffung zur Bücherpolizei geboten hatten, 
it hier gar nicht mehr die Rede. Dffenbar find fie unter jenen zugleich 
mit verftanden, wenn auch dem Charakter ver Periode entiprechenp mans 
ches wirkliche Pasquill mit untergelaufen fein mag. 

Natürlich wurden die verjchievenen Reichsabſchiede und faiferlichen 
Bolizeiorpnungen auch in Ofterreich zur Nachachtung eingejchärft, ſodaß 
nur einzelne Ausführungsbejtimmungen für die Handhabung der Genjur 
erlaffen zu werden brauchten. Ferdinand, der anfangs mit den jchärfiten 
Strafen gegen die Prefje vorgegangen war, wurde mit jedem Jahre mil- 
der, während fein Bruder Karl anfangs milde Beitimmungen traf und 
in der letten Hälfte feiner Regierung mit wahrer Grauſamkeit gegen bie 
Übertreter jeiner Prefgejege vorging. Ihr Nachfolger Marimilian II. 
begnügte fich mit dem methodischen und konſequenten Ausbau ihrer Man— 
date, unterwarf jede in den Erblanden zu druckende Schrift einer ſorg— 
fültigen, in ihren verjchiedenen Stadien peinlich durchgeführten Genfur 
und behielt fih in allen Fällen ſelbſt die ſchließliche Entſcheidung vor. 
Marimiltan war allerdings, wenn gereizt, doch nicht jo gutmütig und 
milde, wie er gewöhnlich gejchilvert wird, dennoch aber toleranter und 
namentlich gerechter gegen Andersdenkende, als jein Vorgänger Ferdi: 
nand und fein Nachfolger Rudolf II. Wenn für jene TIhatjache die be: 
veits erwähnte erbitterte Verfolgung des Gedichts „Nachtigall“ ſpricht, 
jo fiefert für diefe das Dekret des Kaifers vom 2, Oftober 1573 an 
den Hofrat Georg Ever den erjchöpfenden Beweis. Beſagter Ever hatte 
in der Jeſuitenkolonie Dillenburg in Nafjau eine Schmachichrift gegen 


556 Marimilians II. mildere Braris. [Neuntes 


die evangeliſchen Stände, bejonders aber die augsburger Religionsver: 
wandten, veröffentlicht und auf dem Titel jogar fäljchlich angegeben, daß 
das Buch mit faijerlichem Privilegium und mit Genehmigung der wiener 
theologischen Fakultät erſcheine. Der Katjer führte dem Ever darauf hin 
zu Gemüte, daß er es nie und nimmer dulden werde, wenn einer jeiner 
Untertbanen einen andern an Ehren, Würden, Stand und Gewiſſen an: 
greife, beleidige oder verjchimpfe. Eine ſolche Vermeſſenheit und Unbe- 
icheidenheit, fuhr der Erlaß fort, zieme am allerwenigiten einem feiner 
Räte. Zudem hätte Eder das Buch nicht außer Landes druden Laffen 
pürfen. Diejer wiſſe recht wohl, daß „der Kaijer feinen nieberöfter: 
reichijchen Regierungen, ver Univerfität, denen von Wien, allen Buch— 
vrudern und ſonſten menniglich mehr venn einmal bei höchiter Straff 
befohlen, in diefem Lande weber in Religion noch in anderen Sachen, 
vom wenigjten zum meyhſten, nichts drucken oder gedruckt ausgeben zu 
faffen, e8 jei denn zuvor gen Hof übergeben, durch die Regierung und 
Univerfität überjehen und von der Raiferlihen May. bewilligt”. Allem 
biefem habe Ever wifjentlich zumwidergehanvelt, weshalb ihm denn auch 
aufgegeben werde, fich zu rechtfertigen und in Zufunft nichts mehr in 
Religionsſachen drucken zu laffen. 

Leider dauerte dieſe mildere Praris nicht lange, denn unter Rudolf 
und feinen Nachfolgern gewannen die Jeſuiten täglich mehr die Ober: 
band und engten von Jahr zu Jahr die Preffe immer mehr ein. Die 
faijerliche Politit unter Rudolf, Mathias, den Ferdinanden und Leopold 
und die öfterreichijche Yandespolizei dedten einander in Prekangelegen- 
heiten volfftändig. Die lettere jchritt nur viel ſchärfer und energiſcher 
ein, weil die Jeſuiten als treibende und hetzende Kraft hinter ven faijer- 
lichen Erlaffen jtanden und dieſe in den Erblanden rückſichtslos aus— 
führten. Eine bejondere Darftellung der öfterreichiichen Cenſur würde 
aljo nur eine ermüdende Wiederholung der im Neiche auf diefem Ge- 
biete fich abjpielenden Vorgänge fein. 

Nur eines Punktes jei hier noch gedacht. Die Reichsgewalt hatte die 
praftiiche Handhabung der Prefpolizei den Territorialobrigfeiten zuge: 
wieſen, fich eigentlich nur ein ſubſidiäres Eingreifen des faiferlichen Fis- 
kals gewahrt. Ganz ähnlich überliegen auch die Xerritorialobrigfeiten 
diefe Handhabung vielfach mehr oder weniger autonomen Korporationen 
innerhalb ihres Staatsgebiets. Je nach dem Mafe ver Selbftänpig- 


Kapitel.) Eigentümlichkeiten in der öfterreichiichen Preßpolizei. 557 


feit und der firchenpolitijchen Stellung diejer letztern vollzog fich dann 
jene Handhabung im Einklang mit der Staatsgewalt und unter ihrer 
thatjächlichen Direktive, oder im direkten Gegenjaß zu ihr, ja im förm— 
fihen Kampfe mit verjelden. So zum Teil fogar in Ofterreich. Nicht 
ohne einen jolchen emergijchen Widerſtand vermochte die Jeſuitenpartei 
die Oberhand zu gewinnen und die Prefpolizei am fich zu reifen. Die 
ſteiriſche Landſchaft 3. B., Überwiegend dem protejtantiichen Glauben zu- 
getban, hatte jchon jeit 1571 das Recht der Ausübung der Cenſur für 
fih in Anjpruch genommen, auf dem Yandtage zu Brud 1578 auch for: 
male Bejtimmungen darüber getroffen. In ven darüber mit der Staats— 
gewalt entjtehenden Differenzen juchte fie nach Möglichkeit ihre Rechte 
gegenüber ver Regierung, welche die Beauffichtigung ver Preffe und des 
Drudergewerbes erklärlicherweife als ein überall anerkanntes landesfürft- 
liches Regal bezeichnete, zu wahren. Nach hüben und drüben wurde mit 
Verboten vorgegangen, und die Nachwehen dieſes Antagonismus zeigen 
fih noch bei Gelegenheit der Einführung des Gregorianifchen Kalenders. 
Erit Die definitive Austreibung der Proteftanten aus Steiermark machte 
diejen eigentümlichen Verhältniſſen ein Ende.“ In Breslau bewahrte 
fih der protejtantiiche Magiftrat jogar bis weit in das 17. Jahrhundert 
hinein das Cenſurrecht. Noch im Jahre 1666 bethätigte er fein Selb- 
ftändigfeitsgefühl, indem er eine als Pasquill charakterifierte Schrift 
Johann Schefflers (Angelus Silefius) gegen den leipziger Profeffor ver 
Theologie Johann Adam Scherzer unterprüdte, und zwar, wie Scherzer 
rübmend betonte, „ohnerachtet er einen Päpftlichen Herren recogno- 
seiret”. ? 

Ähnlich wie in Ofterreich lagen die Dinge in Bayern. Hier wie 
dort herrſchten der Kirche blind ergebene Fürften, deren Politik Religion, 
und deren Religion wieder Politif war. Bayern unterjchied fich höch- 
ftens dadurch von Dfterreich, daß jeine Herzöge, außer eigenfüchtigen 
Hausinterejfen, faum einen politiichen Gedanfen hatten und bei dem be- 
ihränften Umfang ihres Gebiets auch nicht zu haben brauchten, währen 
Ofterreich als Großſtaat eine jelbitändige Politik verfolgte, auch ab und 
zu mit Rom zerfiel und auf die Dauer nicht hermetifch verjchlofjen wer: 
den konnte. Oſterreich benußte vielfach die römifche Kirche für jeine 
Zwede, Bayern aber ließ fich von der römischen Priefterichaft gehorſam 
für deren Interefjen ausbenten. Yetteres war deshalb jahrhunvertelang 


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558 Bayerns Preßpolizei ganz unter kirchlicher Herrſchaft. Neuntes 


nichts als eine römiſche Provinz in Deutſchland und rottete den Pro— 
teftantismus mit Stumpf und Stiel aus, OÖſterreich dagegen duldete 
wenigftens zum Teil die Andersgläubigen, wenn es ihnen auch das Yeben 
jauer genug machte. Am 16. Jahrhundert, ja bis nach dem Ende des 
Dreißigjährigen Kriegs waren es darum auch feine politifchen Gefichts- 
punkte, jondern war es lediglich die Verteidigung des katholiſchen Glau— 
bens und die Abwehr jeder religiöjen Neuerung, welche die bayrijche 
Genjur bejtimmten. 1° Schon 1523 erließen die bayrijchen Herzöge, um 
die Ausbreitung der Yehre Yuthers zu verhindern, ein ftrenges Verbot 
gegen die Einjchleppung ver beutjchen Bibelüberſetzung. Am 6. Januar 
1540 folgte ein ähnliches „gegen Verbreitung von mannicherlay erger- 
(ich und verfüerifch büecher, gedicht und chmachichrifften darauf dann erger- 
nuß, verfüerung und ander übel ervolgt”; allein die angebrohte Strafe 
der Wegnahme jchüchterte damals niemand ein. Im Religionsmandat 
vom 15. Juli 1548 wurde wiederholt eingejchärft, Bücher und Schriften, 
jo „von bäbftlicher Hailigfeit und dem Stuel zu Nom als verfiteriich 
erfhendt over jonft unjers chriftlichen glauben, hailjamen leeren und ſatzungen 
ver heiligen Coneilii zugegen fein möchten‘, nicht zu verkaufen, noch in 
den Häufern zu dulden. Wer dawider handelt, joll „als Verachter der 
chriftlichen Kirchen, der Kayſerlichen Majeftät und des Landesfürſten“ an 
Yeib und Gut geftraft werden. Als 1564 ber erjte römijche Index li- 
brorum prohibitorum berausfam, ließ Herzog Albrecht V. jofort das 
päpftliche Verbot jowie das Verzeichnis der von Nom verworfenen Bücher 
in feinem Yande nachpruden und verbreiten, ja er belegte die wegen ver: 
botener Lektüre mit dem Interpift Bedrohten auch mit weltlicher Strafe. 
Defjenungeachtet, erzählt Karl Theodor Heigel in jeiner „Cenſur in Alt- 
bayern‘, mußte ein Mandat des Herzogs vom 1. März 1565 konſta— 
tieren, daR die bisher ergriffenen Maßregeln nichts gefruchtet, da nad 
wie vor „die jectifchen unjer wahren alten Gatholifchen Religion wider: 
wertige bicher, tractätl, famose jchrifften und ergerlich ſchändliche gemäll“ 
ins Land eingejchmuggelt würden. Da fich die Buchführer, bei denen 
verbotene Ware gefunden wurde, „mit ihrem Unverſtandt entjchuldigen 
und durchbringen wollen, als ob fie, was gutt oder bös, oder wo das 
Catholiſch oder widerwertig herzunemen, nit wiſſen, noch verſtehen“, ſo 
greift die Regierung zu einem draſtiſchen Mittel, indem gewiſſermaßen 
eine geiſtige Demarkationslinie gezogen wird: es dürfen nur theologiſche 


Kapitel.) Der bayriiche Katalog erlaubter Bücher. 559 


Schriften fernerhin verkauft werden, die in München oder Ingolftadt, 
ferner in Dillingen, Mainz, Köln, Freiburg im Breisgau, Wien, Inns- 
brud, Baris, Löwen, Venedig, Rom, Florenz, Bologna oder in Spanien 
gedrudt find. Wer andere Tractätl, Gebet- oder Gejangbücher ins Yan 
bringt, joll von der bürgerlichen Obrigkeit in Haft gejeßt werben, feine 
Büchervorräte find wegzunehmen, eventuell kann auch, „va die Verbrecher 
jo gar freventlich“, Landesverweiſung „mit oder ohne öffentliche Schandt“ 
verhängt werden. Noch genauer wurde durch einen „Catalogus der 
Büecher und Schrifften, unfer Heilige Religion und Geiftliche jachen be- 
langendt, welche im Yandt zu Bayın, offentlich feyl zu haben und zu 
verfauffen, erlaubt ſeindt“ fejtgejtellt, welche Bücher und Schriften fürder— 
bin in Bayern als verbotene Ware anzujehen. Dabei wird auch ange: 
ordnet, daß ſich die Buchhändler zum Drud erlaubter Bücher nur ver 
katholischen Drudereien in Bayern bedienen follten. Die Sorge und 
das Verbot der Regierung erjtredten fich aber nicht bloß auf geiftliche 
Schriften: „damit aber auch die Buchhandler iren vortl, der weltlichen, 
als infonderhait Hiſtoriſcher Bücher nit zu weit ziehen, als in deme fie 
permainen wolten, jie möchten vergleichen Weltliche Ding, e8 were ge- 
truckht, wo es wölle, ohne jcheuch oder forg ainiger ftraff, in Bairn 
berein und undter die Leuth jchlaichen‘‘, jo werben die Chronif des Slei— 
danus, die Türkifchen Hiftorien des Heinrih Müller, die Werfe von 
Johann For, Sebaftian Frand, Flacius Illyricus u. a. verboten, des— 
aleiben auch die neuen Tractätl, die in Teufels Namen intituliert find, 
als Hofenteufel, Spielteufel u. a., „danne ob und wohl alle die das an- 
ieben haben, als ob fie alferding politifch und allain gueter zucht halben 
gejchriben ſeyen, jo fjeindt fie doch der ergerlichen Erempel und anzug 
balben nit zu leiden und fait aljo gejchaffen, das fie veme, deſſen Titl 
fie tragen, zu jeinem Reich am maiften dienen‘, 

Die Anfhaffung von Büchern wurde überhaupt möglichit erjchwert; 
jogar Prälaten durften nur nach dem vom berzoglichen Inquifitiong- 
gericht, das natürlich faſt mur mit Jeſuiten befett war, gutgeheißenen 
Verzeichnis die Auswahl treffen. Noch ftrengere Vorſichtsmaßregeln traf 
der Jeſuitengönner Wilhelm V.; durch Mandat vom 1. Augujt 1580 
wurde ausgejprochen, daß jeder, bei dem ein fegerijches Buch befunden 
würde, „mit einer ſolchen Straf belegt werde, darob andere vil Tau— 
jendt ein abſcheulich Erempel empfachen“. „So wir... aus teglicher er: 


560 Verfügungen Wilhelms V. Aventins Chronif. [Meuntes 


farung, fleiffiger Nachforjchung und warer erfundigung tm werkh lauter 
befünden, daz joldhe jchödliche verbambte Irrthumben, Ketzerehyen, Zwb: 
jpalt, Aufruern und Abfaal won unjerer waaren Catholiſchen Religion 
auch erbarmlicher, verberblicher undergang und verwüeſtung viler König- 
reich, Fürftenthbumb und Yandt merern thailg und ſchier allein aus ven 
verbottenen faljchen Ketzeriſchen Püechern, Tractätlen und jchrifften, welce 
Gott und feiner heiligen Kirchen zuwider, allen Chriftglaubigen zu böc- 
jtem jchaden und verderben irer Seelen entjpringen und heerflüeßen une 
durch diejelben dem menjchen gleichjam durch ein Instrumentum over 
Trachter ein ſüeſſes gifft und ewiger jchaden an Leib und Seel einge 
jchleicht und eingegofjen wierdet, welchem wir bey zeiten mit allem vleis 
zufürfhommen nit allein genediclich bedacht, ſondern es für die höchite 
notturfft halten“, wird aufs ernftlichjte bei Vermeidung „unlöslicher Straf 
und Ungnad“ befohlen, alle feterifchen und verdächtigen Bücher am vie 
weltliche Obrigkeit oder den Pfarrer des Orts abzuliefern, damit fie je- 
fort an die Regierungen und durch dieſe an den Herzog jelbjt eingejandt 
würden. Ausprüclich wird auch hervorgehoben, daß von jolchem Ber: 
bot, ſchädliche Bücher zu leſen, auch der geiftlihe Stand, Prälaten, 
Pröpjte, Dechanten, Pfarrer und gemeine Priefterjchaft nicht ausgenom- 
men jein jollten. 

Auch Aventins Chronif gehörte jett zu den verbotenen Büchern; da 
fie aber doch nicht gänzlich dem Gebrauch entzogen werben fonnte, griff 
man zu einem andern Mittel, um die unverfänglichen Partien dem Publi- 
fum zugänglich zu machen. „Zu Befürderung der ehrn Gottes, unjerer 
heiligen Gatholifchen Religion und gemeines Nutz und wolſtandts des 
vatterlandts“ bejchloß der Herzog „ein Werdh verfertigen zu laßen, wie 
vor diſem ungeverlih Johannes Aventinus, jo aber aus rechtmefigen 
urjachen verbotten und hin und wider manglhafft gejchriben.” Der ber- 
zoglihe Archivar Michael Arrodenius wurde mit diefer Aufgabe, die 
ſich im wejentlichen auf Herjtellung einer faftrierten Ausgabe Aventins 
bejchränfen jollte, betraut. Arrodenius erhielt zu dieſem Zwed vom päpft- 
lichen Inquifitionsgericht durch eine fürmliche Urkunde (3. Oftober 1589) 
Erlaubniß, „ven verfluchten Gejchichtichreiber Aventin“ frei von Sünde 
und fanonijcher Strafe, wie auch behufs der ihn vom Herzog anbefob- 
lenen Arbeit noch einige andere verpönte Schriftfteller zu fejen, jedoch 
unter der Bedingung, fich nicht länger als fünf Jahre und ganz allein 


Kapitel.) Die Schulbücher. Cenſurkollegium Marimilians 1. 561 


damit zu bejchäftigen und nach Ablauf dieſer Friſt alle Bücher dem 
Biſchof von Freifingen auszuliefern, damit fie jogleich verbrannt würden. 
In ven Schulen wurde natürlich noch jorgfültiger auf Unverfänglichkeit 
des Vehritoffs gejehen, und ver kaſuiſtiſchen Moral der Väter Jeſu paß— 
ten auch die heinnifchen Autoren nicht. Die 1569 von Jeſuiten ent- 
worfene Schulorpnung jchreibt vor, daß ſtatt des Birgit: Hieronymus 
Vida und Baptifta Mantuanus, jtatt des Horaz: Prudentius, Flami— 
mins und Johannes Pedioneus, jtatt des Ovid: Ambrofins Novidius 
gelejen werden jollten. Auch unter dem glaubenseifrigen Maximilian I. 
gab man jolche Bevormundung nicht auf. Da noch immer verbotene 
Bücher duch Schleichhanvel im Publikum verbreitet wurden, erging jo- 
zleih nah Maximilians Kegterungsantritt eine ernjte Warnung (13. März 
1598), dar demnächſt ftrenge Hausdurchſuchungen bevorftänden und alle, 
bei venen fich verbotene Schriften finden würden, „daraus dann eines 
jeven feßeriiches, verftocdtes und halsjtarriges Gemüt unfehlbar abzu- 
nehmen“, andern zu abſcheulichem Exempel geſtraft werden jollten. Die 
Verbote wurden in der nächſten Zeit mehrfach wiederholt und es blich 
auch nicht bei der bloßen Drohung. Es fanden in ver That häufig Vifi- 
tationen jtatt; namentlich die fremden Bücherballen in den Buchläden 
wirden eifrig durchjucht und man wandte dabei jelbit dem dazu ge: 
brauchten Padpapier Aufmerkfamfeit zu. Auch bei Todesfüllen wurven 
Die im Nachlaß vorgefundenen Drucjchriften unterjucht und eventuell die 
den Befitern verbotener Bücher angedrohte Strafe über die Erben ver- 
bängt. Die Inftruftion für den geiftlichen at vom 20. Dezenber 1608 
ihärfte wiederholt ein, die Buchführerlävden namentlich auf Dulten und 
Jahrmärften zu vifitieren und die vorgefundenen jektiichen Bücher zu 
fonfiszieren; alle in Bayern zu drudenden Werfe waren vorher ver Gen: 
jur zu unterwerfen und ohne Imprimatur durfte feins in den Buch- 
bandel fommen. Grläuternd wurde in einem Generale vom 24. Janıtar 
1609 hinzugefügt: „Zur Genjur der in Miinchen gedrucdt werdenden 
Bücher find zwar jedesmal einige aus den geiftlichen Räten zu deputie- 
ven; wenn aber jolche Tractätl und Sachen, zum Drud bejtimmt, vor- 
gelegt werden, die etwas wichtig und disputierlich find, jollen auch andere 
Seiftlihe und gelehrte Perſonen beigezogen werden. Es joll auch ferners 
der Dechant bei U. l. Frau alle und jede cenfierte Traftate und Schrif- 
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562  Drganijation der Cenſur. Gewerbspatente für den Buchhandel. [Neuntes 


ten cum solita attestatione und Beijeßung jeines Tauf- und Zunamens, 
wie e8 zu Ingolſtadt gebräuchlich, unterjchreiben, welche Atteftation von 
den Buchorudern jedesmal entweder zu Anfang oder am Ende der cen- 
jierten Schrift bei Vermeidung unausbleiblicher Strafe mitgeprudt wer: 
ven ſoll.“ Da unter ven „Geiftlichen und gelehrten Perjonen“ nur Je— 
jniten verjtanden waren, jo bleibt nicht zweifelhaft, in welchem Zinne 
die Verordnung gebanphabt wurde. In die berjogliche Bibliothek wur— 
den zwar auch feßerijche Bücher aufgenommen, aber nur Feltgläubige, 
welche einen eigenen Dispens vom Papft oder von der römischen Inquiſi— 
tion bejaßen, erhielten Zutritt zu dem wie ein Gefängnis jorgfältig be 
wachten und verſchloſſenen Schranf ver Remota. 

Neue Genjurfollegien wurden dur ein Mandat vom 6. Juli 1616 
eingeführt. In jeder Stadt und in jevem Markt jollen zwei verjtändige 
und eifrig katholische Bürger als herzogliche Kommifjare nebjt dem Pfarrer 
oder Prediger jährlich zweimal zu Markt: over anderer Zeit bei allen Bud 
führern und Briefträgern unvermutet wijitieren und über die Verkäufer 
verführerifcher oder feterijcher Bücher und Yiever eremplariiche Strafe 
verhängen. „Überhaupt ijt der Buchhandel in Zukunft ohne Spezial- 
erlaubnis und Grteilung eines offenen Patents niemand mehr zu ge— 
jtatten und den ausländiſchen Krämern verboten, vor gejchehener Biji- 
tation auszulegen.“ Als auch dieſe Mafregeln nicht den gebofften Er— 
folg hatten, wırde am 22. Februar 1639 eingejchärft, auf die Einjchwär- 
zung unzuläffiger Prognoftifen, Kalender, Praktifen „und wie man andre 
verley Scartechen zu nennen pflegt“, ein achtſames Auge zu haben, und 
dieje Mahnung durch Dekret vom 7. April 1644 wiederholt. „Der geiit- 
liche Rat ſoll jtets ein eigenes Mitglied des Gremium mit dem Bifi 
tationswejen betrauen, insbejondere jollen die BVifitatoren nicht nur vie 
Stübchen der Buchführer, jondern auch ihre Felleiſen, Badete und Truben 
durchjuchen, worin jene gemeiniglich diejenigen Scartechen, deren wegen 
fie fich zu fürchten haben, verbergen, desgleichen auch das Einjchlagpapier 
wohl beachten, da von Augsburg und Nürnberg viele Ballen jolcben 
Papiers eingeführt würden, welche gemeiniglich nichts anderes als unzu— 
läſſige und verbotene Drudjchriften jeien. Eine Verordnung vom 22. Mär; 
1645 bedeutete die Buchpruder, daß fie neben dem faijerlichen Privilegio, 
wenn fie ſolches haben, allzeit auch das furfürftliche juchen und in fron- 
tispieio beider Privilegien Meldung thun jollen, widrigenfalls man die 


Kapitel.) Verfolgung der Schwendfeldichen Schriften. 563 


Bucoruder lehren würde, was jie gegen ihren Kur- und Yanvesfürjten 
vor Reſpekt zu bezeugen haben.” So weit Heigel. 

Seit um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Jeſuiten in Bahern 
Eingang gefunden und in Ingelitadt 1557 ihr erites Kollegium errichtet 
batten, war dieje Univerſität ihre feite Burg geworden, von welcher aus 
jie einen Kampf auf Yeben und Tod gegen die Reformation eröffneten 
und jchlieklich fiegreich durchführten. Namentlich ging von dert auch 
die Verfolgung der Prefje aus. Hier nur ein Beifpiel, welches bis jetzt 
im Ztaube des augsburger Ztadtarchivs vergraben gelegen hat und 
einen Haren Einblid in die Genjurverbältniffe des von ven Vätern Jeſu 
beherrſchten Herzogtums Bayern gejtattet. 

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts gab es in ganz Deutjchland 
wohl kaum einen gebaktern umd gefürchteten „Sektierer“ als Kaſpar 
Schwenckfeld (1490 bis 1561), der durch jeine Tauf- und Abenpmable- 
lebre, jowie durch die von ihm angeftrebte Berinnerlichung der Reli— 
gion, jewohl ven katholiſchen als ven protejtantijchen Gewalthabern 
äußerſt unbequem war und auch ven bejondern Zorn Yutbers gegen 
ſich beraufbejchworen hatte. Seine Anhänger, wenn auch frienfertige 
und jtille Yeute, waren jo gut wie vogelfrei; mamentlich aber hatten 
jie in den ſüddeutſchen Neichsjtänten, in Ztrafburg, Augsburg und 
Um, wo Schwendfeld die lebten Jahre jeines Yebens zubrachte, Miß— 
bandlungen und Unbilden aller Art auszuftehen. In der Berfolgung dieſes 
„greulichen Irthumbs“ ſtimmten Katholifen und Proteftanten brübderlich 
überein, ja lettere übertrafen womöglich jene noch in ihrem Glaubens— 
eifer. So erjuchte Herzog Chriftoph von Wilrtemberg am 20. Auguit 
1563 ven Nat von Nürnberg um Beichlagnabme verſchiedener Schwend- 
feldſcher Schriften, die dort geprudt jein jollten. Der Rat antivortete am 
18. November 1565, daR er dieje Sektierer und ihre Nonventifel unter 
feiner Beringung dulde, daß er in allen Drudereien und Buchläden 
nach jolcben Büchlein gefragt umd gejucht, aber feine gefunden babe, 
und daß auch von der lebten Frankfurter Meſſe keine in die Stadt 
gebracht worden jeien. Ebenſo beſchwerte ficb im Jahre 1571 Graf 
Albrecht von Hohenlohe beim Rat von Aranffurt über die dort ge 
druckten Schwenckfeldſchen „Famosſlibelle“. Yetterer lieh die Buchgaffe 
nach ibmen durchjtöbern, fand indeſſen, wie bei ſolchen Bifitationen 
meift ver Fall, feine dergleichen. Daß in Augsburg verjchievene Schriften 

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564 Prozeß gegen Hans Wegler (Gögerer) in Ingolſtadt. [Renntes 


Zchwendfelos geprudt waren, vermutete man zwar jeben lange, fand 
aber feinen Beweis dafür. Endlich lieferte ihn Herzog Albrecht von 
Bayern. 

Ein Bürger von Augsburg war als Drucker Schwenckfeldſcher Schrif— 
ton durch einen andern Druder, Namens Tanneder, angegeben worven. 
Non einem Freunde, dem befannten Buchhändler Georg Willer, gewarnt, 
job der Unglüdliche, um ver Unterjuchung zu entgeben, gegen Faſtnacht 
1559 nad Ingolſtadt und arbeitete hier bei dem angejehenen Druder 
Weißenhorn als Gejelle, wurde aber durch den Herzog erwijcht und ge- 
fangen gejeßt. 

Wie der Mann eigentlich hieß, geht aus den Aften nicht hervor; 
von jeinen Ausſagen ift feine unterjchrieben. In dem ohne Zuziehung 
eines Schreibers und ohne Angabe eines Datums aufgenommenen Pro- 
totell wird er zuerjt Hans Wegler, dann Wegeler, jpäter und zulett 
(Nögerer genannt; doch findet fich ein Gögerer over Wegler nicht in den 
augsburger Stenerliften. Aus den Akten erhellt, daß Wegler (möge er 
nach dem erjten Verhör jo beifen) um die Mitte ver dreißiger Jahre 
bei Philipp Ulbart in feiner Vaterſtadt Augsburg in der Lehre war, 
dann mach Ulm ging, wo er mit den Schwendfelvianern befannt wurde, 
und endlich, nach größern Reifen wieder in jeine Heimat zurüdgefebrt, 
eine eigene Druderei in Augsburg errichtete. Es muß im Herbit 1559 - 
geweſen ſein, daß Wegler wegen des Drudens Schwenckfeldſcher Schriften 
in Ingolſtadt zur Unterfuchung gezogen und einem peinlichen Berbör 
unterworfen wurde, in welchem er unter Drohung „der Gichtigung (Fol- 
ter) bei der ftrengen Frag” auf fieben Punkte zu antworten hatte. Die 
Drohung gelangte in jpätern Verhören auch wirklich zur Ausführung. 
Zweimal wurde dem Angejchuldigten das Gedächtnis durch die Folter 
aufgefrijcht. 

Die fieben Fragen lauteten in ihrem wejentlichen Inhalte: 1) Wie 
lange er eine eigene Offizin gehabt und welche deutſchen und lateinijchen 
Bücher er in jolcher Zeit gedrudt habe? 2) Ob und von welchen Skri— 
benten er bejtellt worden jei, ihre Schriften zu druden, und ob Schwend 
jeld fich micht auch unter ihnen befinde? 3) Wenn er befennen jollte, 
dar er für den Schwendfeld gedruckt, wie deſſen Bücher bieken, wer jie 
ibm zugebracht, wer mit ibm über das Druderlobn paktiert, wer es ibm 
bezahlt und wohin er, Angeflagter, die Eremplare getban babe? 4 Ob 


Kapitel.) Prozeß gegen Sans Wegler (Gögerer) in Ingolſtadt. 565 


er nicht ven deutſchen Dialog gedruckt, „des Titel ſei: Warumb nit nütz— 
lich geweſt, das Herzog Johannes Friedrich Churfürſt wider Kaiſer Caro— 
lum geſiegen möge”, der vor 1", Jahren erſchienen; wer ihm dasſelbe 
befoblen oder verowegen mit ihm unterhanvelt, wer das Druderlohn 
bezahlt, wer der Autor jei, wie viel Eremplare er gebrudt und wem er 
fie zugejtellt habe? Warum er die Jahreszahl poftponiert, des Autors 
und jeinen, als des Druders, Namen nicht dazu gejett habe? 5) O 
er nicht auch das Paifional vom gefangenen Kurfürften, in weifen Auf: 
trag und im welches Autors Namen geprudt habe? 6) Von wen das 
Spiel von der Zerftörung des Papfttums ausgegangen? 7) Ob er das 
ſchandbare und aufrühreriiche Pasquill, ver Jägerteufel genannt, gedruckt 
eder ob er jenft wilfe, wer und welcher Andere der Druder und wer 
der Autor jei? 

In dem eriten Verhör beantivortete der Angejchulvigte die obigen 
ragen wie folgt: Ad 1. Er befite jeine Werfitatt jeit prei Jahren, aber 
mar deutjche und feine lateinischen Schriften. Er habe meiftens deutjche 
Yieder, aber auch von Schwenckfeld jechjerlei gegen Illyricum gerichtete 
Skripta geprudt, welche ihm dieſer jelbft zugeſchickt. Der Titel erinnere 
er ſich nicht; die Auflagen jeien Hein gewejen, ettwa 300 bis 400 Erem- 
plare ſtark. Bor 24 Jahren babe er bei Philipp Ulhart in Augsburg 
gelernt, vor 18 Jahren in Ulm bei Sebajtian Franck gearbeitet und in 
jener Zeit verjchievene Schriften gedrudt, wie von der Sünde, von Adam 
und Chrifto und andere mehr, veren Namen ihm entfallen. Man fünne 
die Büchlein noch bei Ulhart finden. Ein Präpifant, Bonifactus ge— 
nannt, habe ihm joldhe Bücher gebracht. Ad 2. Andere Skribenten 
habe er nicht, die er drudte, oder die ihm Bejtellungen gäben. Ad 3. 
Er wife, wie ad 1 bemerkt, die Titel nicht mehr, aber die Schriften 
jeien ihm zugebracht worden von einem Kürfchnergejellen, Namens Abel 
Werner, deſſen Vater Prädifant in Schleim (Schlefien?) geweien jet. 
Diejer habe eine Poftille, des Werners Poftille genannt, in Pforzheim 
pruden laſſen. Genannter Abel habe fich mit ihm, dem Angeklagten, 
um das Drückerlohn geeinigt, ihm das Papier zugetragen, ihn für das 
Wert bezahlt. Das böje Büchlein, jo er gedruckt, jei ibm noch wohl 
wißlich; es heiße „Das chriftliche Bedenken“. Im diejer Zeit jet Schwend: 
feld beim Grafen von Pla (im Original nicht ausgejchrieben) gewejen. 
Derielbe babe ihm öfter, aber ohne Datum gejchrieben und nie gemeldet, 


ori. en not on ein, 2.20.20. 





566 Prozeß gegen Hans Wegler (Gögerer) in Angolitadt. Neuntes 


we er ſei. Die Titel ſeien mit Schwenckfelds Namen bezeichnet ge: 
weſen; genannter Abel Werner habe die Bücher jtets gebracht und fie 
wieder weggetragen. Wo verjelbe jetzt jet, wiſſe ev nicht; ev babe ihn 
jeit einem halben Jahre nicht mehr gejeben. Ad 4 gejtehe er, daß er 
den Dialogum gedruckt und daß David Pannuke ihn unter dem Per: 
jprechen darum gebeten habe, daß er ihn werer zu Augsburg, noch anderswo 
als in Frankfurt verkaufen wolle. Derſelbe babe ihm auch die Young 
für die ganze Auflage von etwa 1000 Exemplaren bezahlt. Angeſchul— 
digter kenne den Berfaffer nicht, Abraham Schaller, Sohn ves Dans 
Schaller in Augsburg, babe ihm die Drudvorlage zugetragen und ge: 
wünſcht, daß er die Jahreszahl poſtponiere und eines Druders Namen 
nicht dazu jeße. Add. Er habe auch die Paſſion vom gefangenen Kur: 
fürjten gedrudt, die ihm obgedachter Abraham Schaller zugebracht, wäh— 
vend Diejer ihm den Namen des VBerfaffers nicht genannt habe. Ad 
habe er das Spiel von der Zerjtörung des Papſttums für Parnmuten 
ſelbſt gedruckt und die Formen dazu gejehnitten, allein nichts davon ac 
wußt, dar er's feil haben wollte. Pannuke jet deshalb auch bis im vie 
17 Wochen gefangen gejeßt und ein Schuhmacher, des Namens Gott. 
lieb Wytt, jet auch darob einfommen Ob aber gevachter Schuhmacher 
jolches gemacht, gebeſſert over geändert babe, wiſſe er nicht. Derſelbe 
jet auch bald aus dem Gefängnis entlaffen worden und noch ein Bürger 
in Augsburg. Ad 7 wiffe er von dem Pasquill, „Der Jägerteufel“ ge— 
nannt, nichts und beteuere jeine Unjchule. Wenn man ihm aus dent 
Gefängnis entlaffen wolle, jo würde er fein ganzes Yeben lang nur als 
Sejelle arbeiten und fich alles verbotenen Drudens enthalten. Gr bitte 
unterthänig um Gnade und Entlafjung aus dem Gefängnis. 

In dem zweiten (peinlichen) Berhör ergänzte Wegler jeine bisherigen 
Ausjagen dahin: Er habe die veutjchen Yiever (Boltsbücber ?) rieswetie 
für Georg Willer in Augsburg geprudt, aber feine Schriften, noch beim- 
liche Bücher ihm drucken helfen; ev erinnere ſich unter den für denjelben 
gebrudten des „Rollwagen“, des „Gejellichaftsgarten“ (Gartengeſell— 
ſchaft?), des „Neichsteufel“, der „Zehn Alter“, des „Gehörnten Sieg— 
fried“ und vergleichen Fabeln. Er wiſſe nicht, wer in Augsburg beim: 
liche Bücher drucke und könne auch nicht jagen, ob Philipp Ulhart und 
Valentin Ottmar es thäten. - E8 jeien ihm andere jeltijame Bücher zu 
drucken auch nicht zugekommen, außer den zweien, welche ihm der Abraham 


Rapitel.! Prozeß gegen Hans Wegler (Högerer) in Ingolſtadt. 567 


Schaller zugetragen. Es ſei auch ſonſt niemand bei ihm geweſen außer 
dem Abel Werner, welcher ihm die ſechs Schwenckfeldſchen Büchlein, 
gegen Illyricum geſchrieben, zugetragen. Er ſei zur Zeit im Land Sach— 
ſen geweſen, der (da?) Herzog Heinrich von Brandenburg (Braunſchweig?) 
gefangen genommen, habe aber fein Büchlein weder vom Schmalkaldijchen 
Krieg noch von andern Dingen berausbracht. Auch habe er in Sachſen 
over Magdeburg feine Gejellen, die ihm folche Büchel herausjchidten, 
dergleichen auch weder in noch außerhalb Augsburg verjchidt. In jener 
Druderei helfe ihm jein Knabe Victor Klein und der Jakob Grunver- 
haus und Sichel Pannaus aus Altenburg, der ihm den Dialogus babe 
druden helfen. Er wiſſe wohl, daß ihm die Obrigkeit verboten, „Schmach— 
teufel” zu drucken. Er jei aber durch ven Abraham Schaller mit guten 
Vorten berevet worden, auch von Pannuke, der jamt Bieren zu ihm 
in jein Haus fommen, jo mit Namen Matthias Hofer, der in Briefen 
aber Erhard Eyller und einer Sammel genannt, jo gejchrieben. Dieje 
bätten ihn gebeten, jolcbes zu drucken, fie wolltens in der Stille halten 
wm aus dem Yande verführen, er aber jei durch jeine große Armut 
dazu beiveget worden. Bon Augsburg jei er feiner andern Urſach wegen 
geflohen oder ausgetreten, allein von der zwei Schmähbüchlein wegen, 
jo er gedruckt. Auch habe ihm niemand Hilfe noch Vorſchuß gethan, 
denn der Georg Willer babe ihn gewarnt und deshalb jei er jtrads gen 
Ingolſtadt zum Weißenhorn gezogen. 

„Iſt letztlich angeredt, was er zu Augsburg für Geſellſchaft hab, ſo 
dergleichen Schmachbüchel drucke oder denen er dazu geholfen; auch darauf 
drei Mal mit Gewicht aufgezogen und ziemlich lange hangen laſſen ſdieſer 
dritte Grad der Folter beftand im Ausreden des Körpers mit rückwärts 
ausgerenkten Armen auf einer Peiter, wobei Gewichte an die Füße ge: 
bängt wurden), aber er will nichts befennen, daß er einen heimlichen 
Sejellen hab, alſo auch ftrads dabei verharrete. Dit auch auf die hier: 
orts gejchriebenen Artifel deren drei Mal leer aufgezogen worden (weil er 
es mit den Gewichten nicht mehr aushalten fonnte), aber mereres oder 
anderes nichts befennen wollen.“ 

Hier enden die Verhöre. Sie müſſen im Oftober 1559 jtattgefunven 
haben. Am 28. Dftober 1559 wenigjtens teilte fie Herzog Albrecht dem 
augsburger Rate nur deshalb mit, weil er den jungen Schaller noch be: 
fragt haben wollte und mehr berauszubringen hoffte. Welchen Anteil 


568 Die lutheriſchen Neichsitädte. Straßburg. Neuntes 


der Rat an der ganzen Unterſuchung genommen hat, iſt nicht erſichtlich; 
ein Antwortſchreiben von ihm findet ſich nicht bei ven Akten. Doch dürfte 
die gefüngliche Einziehung Georg Willers in Augsburg am 10. Oktober 
1559 und die vorläufige Bejchlagnahme und darauffolgende Durchſuchung 
jeines Bücherlagers nach Famosſchriften mit diefer Angelegenheit im Zu- 
jammenbhang jtehen. Was ans Wegler geworden tft, darüber jchweigt die 
Sejchichte. Sein Fall war eben zu jener Zeit kein jeltener, weshalb man 
auch fein Aufhebens davon machte. 

Die Iutherifchen Reichsſtädte bieten ein von den bisher gejchilverten 
Zuftänden ganz verjehievdenes Bild. Statt ſich zur Zurüchveifung ver 
ihre Intereſſen ſchädigenden faiferlichen Erlaſſe und Befehle über eine 
gemeinjchaftliche Politik zu verjtindigen, handelten fie jede für jich und 
ichwächten dadurch ihren Einfluß, der bei ihren reichen Mitteln und aus: 
gedehnten Verbindungen durchaus micht zu umterjchäten war. Gleichwobl 
tritt im ihnen allen faſt zu derſelben Zeit und zwar ımmittelbar nad 
dem Wormſer Edikt eine, wem auch läſſig durchgeführte Preßpolizei, 
aber noch feine Präventivcenfur auf. Nur in wenigen Städten reicht 
dieſe Anfficht über die Preffe bis ins 15. Jahrhundert zurüd, jo ;. 2. 
in Straßburg, wo jchon 1488 ein Einfehreiten gegen mißliebige Bücher 
jtattfand. In dieſem Jahre nämlich ſchrieb Friedrich TIL, wie C. Schmitt 
erzählt !, an den Magijtrat, ev babe in Erfahrung gebracht, es jolle zu 
Straßburg eine Schrift Über den Krieg des Königs von Ungarn gegen 
das Reich gedruckt werden und es jei darin des Kaiſers „ettlicher Maffen 
jchimpflich gedacht“; er verlange daher, dar fie „abgethan“ werde. Es tt 
nicht8 von einer jolchen Schrift bekannt; war fie aber dort gedruckt, jo wurde 
fie auf Befehl des Rats vernichtet. ine Cenſur im modernen Sinne 
des Wortes hat weder damals noch jpäter in Strakburg erijtiert; der 
Meagiftrat griff nur ein, wenn irgend jemand durch eine jüngjt erichienene 
Publikation beleidigt zu jein glaubte. Er übertrug dann die Prüfung 
bald dem Ammeiſter over einigen Ratsherren, bald dem jeit 1500 als 
Stadtjchreiber und Syndikus angeftellten Sebaftian Brant. Das erjte 
verbotene Buch war, 1502, Murners „Germania nova“, die Wimphe 
lings Groll erregt hatte und über die ein ungenauer Bericht an Kater 
Marimilian gelangt war. Den 24. Februar 1504 ließ deshalb ver Aut 
durch den Ammeifter Peter Arg neun Buchdrudern eröffnen, fie jellten 
weder etwas gegen den Papft, ven Kaiſer, den römijchen König, Die 


Kapitel.) Negellojes Einjchreiten in Straßburg. Nürnberg. 569 


andern Fürjten und Reichsſtädte, noch „jchändfiche und üppige Lieder 
ausgehn laſſen, ohne Wiſſen und Willen Meifter und Rats‘. Letztere 
blieben aber trotzdem bei der frühern Praxis, nicht cher einzufchreiten, 
als bis man fie deshalb anſprach; jo unterjagten fie 1514 den Drud 
von Murners „Geuchmatt“ erſt, nachdem die Barfüßer, die einen An 
griff auf ihre Lebensweiſe argwöhnten, ſich darüber beſchwert hatten; 
Murner erhielt jedoch ſein Manujtript zurüd. Im die Verbote zu um: 
gehen, jeßten die Druder bald ihre Namen nicht unter die bevenklichen 
Traftate, bald verbargen fie fich unter erdichteten. In der hieraus für 
den Magiftrat entjtehenven Berlegenheit berief ev, wen eine namenloje 
Schrift als beleidigend angegeben wurde, jümtliche Druder und forderte 
fie auf, bei ihrem Eid den Schuldigen zu nennen. Im Jahre 1515 
liefen Klagen ein über „ichantliche Sprüche und Lieder“ gegen die Eid— 
genoffen, 1516 über ein „würtembergiſch Lied“ gegen die Kaiſerlichen. 
Ter Rat erneuerte die alten Verbote umd fügte hinzu, man jolle nichts 
neues derart herausgeben, e8 jet denn zuvor „durch ven Ammeijter oder 
den Doktor (Brant) befichtigt und zugelaffen”: offenbar eine ſchwer aus: 
zuführende Mafregel. Weder der Ammeiſter noch der Stabtjchreiber 
hatten die nötige Muße, um felbit kleinere Schriften zu unterjuchen, be- 
vor jie unter die Preſſe kamen. Im Jahre 1520, als die religiöje Po- 
lemik begonnen hatte, erließ dann der Rat abermals ein Verbot, nicht 
um die Beiprecbung der theologischen Kragen zu verhindern, jondern nur, 
um groben Beleivigungen Einhalt zu thun. Er ftrafte nie die Berfaffer, 
er hielt jich an die Buchdruder und Buchhändler, und dieſe wurden, 
ſummariſch genug, durch Konfisfation und VBernichtung der noch nicht 
verfauften Exemplare beitraft. 

In Nürnberg dagegen zeigen ſich jehen vor ver Reformation ver: 
einzelte Anſätze von Repreſſiveenſur. So wurde im Jahre 1513 der 
Druder Wolfgang Huber vom Rate dafür gejtraft, daß er gegen deſſen 
Verbot eine lugjchrift über ven Auflauf zu Köln gedruckt und ver: 
breitet hatte; man jeßte ihn vier Tage auf einen Turm „in eine ver: 
jperrte Kammer”. Zugleich ward bei diefer Gelegenheit bejchlofjen, daß 
in Zukunft die „in eines Raths Verwandtnuß und underthenigfeit jtehen- 
den” Buchdrucker alle Jahre von neuem Pflicht und Gehorjam ſchwören 
jollten. Im Jahre 1517 wurde allen Buchdruckern verboten, irgend ein 
neues Werk, groß over klein, unangeſagt und ohne Erlaubnis des Rats 


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570 Schwankendes Verhalten des Rats in Nürnberg. |Neuntes 


pruden und ausgehen zu laffen. Veranlaßt ward dieſer Erlaß durd die 
faijerliche Beſchwerde, daß die nürnberger Preſſen an ver Heritellung 
huifitiicher Bücher arbeiteten, weshalb denn auch zu derjelben Zeit ven 
Andreas Kafchauer und Jeremias Hebel aufgegeben wurde, weder Bibel 
noch andere Bücher in böhmifcher Sprache zu druden, widrigenfalls fie 
ausgewieſen und anderweitig bejtraft werden jollten. 

In dem bald darauf beginnenden Siegeslauf der Reformation durch 
Deutjchland waren die Freien Städte, Nürnberg voran, Luther günftig 
geftimmt. Schon 1518 batte der Buchoruder Friedrich Peypus ohne 
Wiffen und Crlaubnis des Rats, aber auf Begehren der nürnberger 
Auguftinermönche, Yutbers deutſchen Traktat gegen den Ablaß druden 
laffen. Der Rat wagte Peypus nur mit einem leichten Verweis zu 
jtrafen. Der ausgedehnte Vertrieb der Neformationslitteratur in Nürn— 
berg iſt im übrigen bereits im jiebenten Kapitel gejchilvert worden. Zwar 
veröffentlichte der Rat nach langen Beratungen das Wormjer Edikt, doch 
erjt im Dftober 1521. Er verbot außerdem allen Buchführern das Feil— 
halten und den Verkauf „ver Yutherjchen Büchlein und anderer Schmäb- 
ichriften“, erließ auch 1522 zwei neue Verbote: das eine im März gegen 
ven Verkauf von Yuthers Bildniffen mit dem heiligen Geift, jowie des 
Büchleins vom neuen Glauben und anderer eben erſt zu Wittenberg neu 
erſchienenen Schriften, das andere im Augujt gegen Yuthers Angriff auf 
den König von England, welches Büchlein auf Verlangen des Erzherzogs 
Ferdinand aus allen Buchläden weggenommmen werden jollte. Im Ja— 
nuar 1523 wurde den Drudern ausprüdlich gejtattet, gegen Luther alles 
das zu druden, was ihnen während des dort tagenden Reichstags zum 
Drud übergeben werden mochte, und im darauffolgenden März mußten 
die Stadtfnechte bei allen Buchführern nach verbotenen Büchern und 
Bildern ſuchen. So fügte fich der Rat; aber nur jcheinbar. Er jehritt 
eben höchſtens in flagranten Übertretungsfälfen und nur auf das äußere 
Anprängen der Reichsregierung hin wirklich ein und ließ im allgemeinen 
die Anhänger Yuthers jo ziemlich thun, was fie wollten. 

Im fiebenten Kapitel find bereits einige Beiipiele für dieſes ſchwan— 
fenvde und binterhältige Auftreten des Rats beigebracht worden; fie mögen 
bier noch eine weitere Ergänzung finden. Als Erzberjog Ferdinand und 
der piüpitliche Nuntius Campeggi ji im Frühjahr 1524 darüber be 
jchwerten, daß ver Rat die Lutherſchen Schriften banfenweije vruden 





Kapitel.) Einichreiten gegen Münzers Anhänger, Unficheres Auftreten ſeit 1525. 571 


und verfaufen lafje, während er den Papiften für ihre Bücher nicht die— 
jelbe Gunſt erweiſe, behauptete ver Rat, daß jeit Jabren feine Bücher 
mehr für Yuther gedruckt ) und daß die gegen dieſen gerichteten Zchrif- 
ten zwar nicht verboten, allein in Nürnberg nicht verfäuflich feien. Da— 
gegen verhinderte er dan wieder, um ſich das Mißfallen des Kaiſers 
nicht zuzuziehen, im September vesjelben Jahres den Verkauf ver neuen 
Yutbericben Bücher, in welchen Kaiſer und Fürſten Narren genamut 
wurden. 

Konjequenter, immerhin zum Teil in patriarchalijcher Weiſe, jchritt 
der Rat gegen Prekerzeugniffe der Münzerſchen Anhänger ein. in 
fremder, zu ven „Schwärmern“ gehörenvder Buchhändler, Heinrich von 
Mellerſtadt, wurde verhaftet!?, weil er bei Johann Herrgott heimlich 
eine Münzerſche Schrift in 500 Eremplaren hatte vruden laſſen. Ein 
Teil davon war nach Augsburg gejchit worden, 400 wurden jedoch noch 
bei ihm mit Bejchlag belegt, wofür er aber am 2. November 1524 vie 
Drudfoften unter dem Namen eines Almoſens bezablt erhielt. Die vier 
„Knechte“ (Sehilfen) Herrgetts aber, welche in deſſen Abweſenheit den 
Drud heimlich bejorgt hatten, mußten dafür zwei Tage und zwei Nüchte 
im Turm büßen und „die Atzungskoſten“ bezahlen. Um viejelbe Zeit 
wurden Heinrich Pfeiffer, auch Schwertfeger genannt, und Martin Rein— 
hard, zwei begeifterte Anhänger Münzers, ausgewwiejen und ihre Bücher 
als unchriſtlich und verführerijch verdammt, ferner auch vie bei dem 
Buchoruder Hieronymus Hitel erjchienenen Schriften Münzers und Karl: 
ſtadts weggenommen. 

Erſt im Frühjahr 1525 erklärte fich ver mürnberger Rat offen für 
ven Übergang zur neuen Yehre, ſodaß fortan ganz Nürnberg lutheriſch 
war, Trotz diejes Wechſels blieb aber in ver innern Verwaltung un 
ver äußern Bolitit ver Stadt alles beim Alten; ja der Nat trat jogar 
in vielen Mafregeln rückſichtsvoller und jelbit Ängftlicher auf, als zu der 
Zeit, wo er noch ven Schein ver Anbänglichfeit an ven alten Glauben 
retten zu müſſen meinte, Zunächſt beſchloß er am 27. April 1525, „alle 
diejenigen, jo geprudte Büchlein in vie Häuſer zu verkaufen umbtragen, 
jo viel man der erfaren mag, zu bejebifen und zu verpieten, ſich ſolch's 
Daufirens mit Püchern gänzlich zu enthalten, jondern was fie zu ver: 
faufen vermeinen, jollen fie zuvor in der Kanzlei befichtigen laffen und 
dann mit Erlaubnuß öffentlich fait haben. Und welcher alſo gewarnt 








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572 Verbot gegen Narljtadt u. d. Schweizer. Wolfg. Vogel von Bopfingen. [Neuntes 


darüber betreten wird, daß er fein Pücher baufiret, jell man ven oder 
diefelben in's Yoch ſchaffen“. Zugleich aber wurde dem Buchführer unter 
dem Rathaus für drei Jahre die Stadt und deren Umfang auf fünf 
Meilen verboten, weil er troß der an ihn ergangenen Warnung ein 
Schmähbüchlein gegen Martin Yuther verkauft hatte. Dagegen erhielten 
die Buchdruder und Bucführer am 10. Juli 1526 ven Befehl, ſich bei 
ernftlicher Strafe des Druds ver Karlſtadtſchen, Zwingli'ſchen, Okolam— 
pabiusjchen und ihrer Anhänger Büchlein vom Saframent zu enthalten, 
„dieweil darin nichts als Berführung und Teufelswerf erfunden worden; 
Dazu was in Baden und Aargau bisputiret, weder zu druden noch fail 
zu haben“. 

Unter den nach Nürnberg gezogenen fremden Pfarrern befand ich 
auch Wolfgang Vogel aus Bopfingen in Schwaben. Der Rat von 
Nürnberg gab ihm eine Predigerftelle in Eltersdorf, zog ihn aber zur 
Unterjuchung, weil die von Bopfingen durch eine heftige Schrift ihres 
frühern Seeljorgers ſich jehr verlegt fühlten umd weil dieſer vie in 
Regensburg verjammelt geweſenen Kürten „tolle Göten“ genannt hatte. 
Die Bejchwerde war im Januar 1527 eingelaufen. Am 22. März be 
fand ſich Vogel ohne Angabe" von Gründen im Gefängnis, und am 
26. März wurde. er zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der Kat 
hatte, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, bei dem Gange des Unglüd: 
lichen zum Richtplag 10 Schügen befohlen. Der „Lochhüter“ durfte des 
„Pfaffen“ Rod, ven er entlehnt hatte, ohne Wiffen des Rats niemand 
ausbändigen. Denen von Bopfingen wurde die Antwort, dem Wolf: 
gang Bogel jei wegen feiner Handlungen jein Recht erwieſen worden, 
weshalb fie num vor ihm ficher ſeien.!“ Vogels Weib bat um Aus— 
händigung der Bibel und anderer ihrem Manne gehörigen Bücher; allein 
der Rat verweigerte fie, weil ihr Inhalt gefährlich fei und von Schwär: 
merei handle, gab aber der Frau eine „Ergötung“ dafür. Heller in 
jeinem „Yeben Lukas Cranachs“, ©. 113, jagt, daß Vogel ein Bündnis 
zu bilden gejucht babe, um alle Obrigfeiten abzujeken und ein neues 
Reich in Chriſto zu gründen, wo nur Gleichheit herrichen jollte, eine 
Angabe, welche, wenn auch übertrieben, das Berfahren des Rats ver: 
ſtändlicher macht. 

Andererjeits vermied der Nat mit jo ängitlicber VBorficht, es mit 
Kaiſer und Papft zu verderben, daR er in einem ziemlich unſchuldigen 





Kapitel.) Sans Sachs' Mahregelung durch den nürnberger Nat. 573 


Falle einſchritt, der nur deshalb hervorgehoben zu werden verdient, weil 
der Dichter Hans Sachs bei dieſer Gelegenheit der Miſſethäter iſt und 
weil in ihm zugleich das nürnberger Cenſurverfahren mit des Rats 
eigenen Worten dargelegt wird. Es war nämlich zu Anfang 1527 „ein 
gedruckt Büchlein mit Bildern, ven Fal des Babſtums anzeigend, zu 
fatlem Kauff auff vem Markt vertriben werden, bei welchen Figuren et 
libe Auslegung unter Herr Andreas Dfianders (lutberiichen Pfarrers 
zu St. Yorenz) Namen auch etlich veymen, die Hanns Sachs, Schufter, 
gemacht und welches Alles Hans Güldinmunt verfertigt babe“. Da nun 
genug von diefen Dingen gejagt und gejchrieben worden und dies Büch 
fein mehr „ein Anzündung und Verbitterung des gemehnen Mannes, 
denn was anderes verurjache, auch allerley Nachtheil und Feindichaft bei 
Vielen verurjachen könne“, dabei wider des Rats Wiffen und Willen 
ausgegangen und ebenjo wenig den Verordneten, die den Drud zu be- 
auffichtigen beauftragt find, zugebracht worden jei, jo habe der Rat am 
6. März 1527 bejchlofien, nachfolgender Geſtalt in dieſer Sache zu han- 
deln: „1) Herr Ofianver jolle befchieft und unter Darlegung des Sach— 
verhafts bedeutet werden, daß der Rath fich einer größern Beſcheidenheit 
zu ibm verſehen babe. Darum laſſe er ihm mit Ernſt anjagen, fich hin- 
füro dererleyer Zuſätze und Gpifteln zu enthalten. Def wolle jich ver 
ehrbare Rath zu ihm verjeben, denn wie das mehr geichehen, müſſe er 
jeine Notbourft gegen ibn bedenken.“ 2) jolle dem Güldinmunt gejagt 
werben, „er babe etliche Figuren und daneben etliche Zufäge in einem 
Büchlein verfertigt, welches eines chrbaren Rathes Veroroneten zu be 
fichtigen nicht zugebracht, des babe ver Rath fein Gefallens von ihm, 
Darum jolle er alle jolche Büchlein, jo er noch bei Hänven babe, zur 
Stund auf das Rathhaus antworten, desgleichen die gejehnittenen Korn, 
dergleichen Drudens auch binfür müßig ſtehen, und nichts mehr verfer— 
tigen, es jet dem zuvor in der. Kanzlei befichtigt. Die Strafe aber, je 
ein Rath um diefe Handlung gegen ihn zu üben fürbabe, wolle er zu 


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dieſem Mal anftellen mit eigener offener Hand“. 3) Item „Hanns 
Sachſſen Schufter ift gejagt, es jei diefe Tag ein Büchlein ausgegangen, 
ohne Wiſſen und Willen eines chrbaren Raths, welches beſſer unter: 
wegen gelaffen wäre; an jelhem Büchlein habe er die Reymen zu ven 
Figuren gemacht. Nun ſeye jolches jeines Amtes nicht, gebühre 
ihm auch nicht, darum eines Natbes erniter Befehl, dar er ſeines 


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574 Volljtändige Negelung der Eenjur in Nürnberg. [Neuntes 


Dandwerfes und Schuhmachens warte, ſich aud enthalte, 
einige Büchlein oder Reymen binfür ausgeben zu laſſen (die 
geiperrt geprudten Worte find im Original des Ratsbuchs unterftrichen); 
ein ehrbarer Rath würde jonjt in Nothdurft gegen ihn handeln, und um 
dieje geübte Handlung wolle der Rath die Strafe diesmal bei jich be- 
halten, doch mit einer offenen Hand, die nach ihrer Gelegenbeit für zu 
nehmen“. Endlich aber bat der Rat unterm 27. März 1527 „vie von 
Frankfurt, in dieſer Mefje Achtung durch die Ihren auf jolches Büch— 
lein haben zu laſſen und wie fie eines zum Kaufe ausgejtellt fänden, es 
anf des Nürnberger Rathes Koſten aufkaufen zu laffen“. Der frant- 
jurter Rat that übrigens nichts in der Sache und hat entweder nichts 
gefunden oder bei der damaligen Stimmung jeiner Bürger nichts finden 
wollen. Zu gleicher Zeit wurde den Kobergern ein Befehl ähnlichen In- 
halts gegeben; indeſſen enthalten die Akten auch über jeine Ausführung 
feine Auskunft. 

Aus diejen Erlaffen geht aljo hervor, daß Nürnberg ſchon beim Ein: 
tritt in das zweite Viertel des 16. Jahrhunderts vollftändig georpnete 
Genjurvorjchriften in jein Strafrecht aufgenommen hatte. Indeſſen fine 
fie auch bier jo wenig, wie ähnliche Beſtimmungen anderwärts befolgt 
worden. Der Rat jah fich deshalb in ven Jahren 1535 und 1545 ge 
zwingen, namentlich ven Befehl zu erneuern, wonach Buchdrucker, Form— 
ſchneider und Briefmaler fich eidlich verpflichten mußten, jedes ihnen zur 
Veröffentlichung übergebene Schriftjtüc vorher der Aufjichtsbehörde vor- 
zulegen und die Erlaubnis des Rats einzuholen. Zugleich wurden vie 
Buchhändler bedeutet, feine verbotenen Bücher von der frankfurter und 
andern Meſſen, wie z.B. Naumburg, einzuführen und nicht allein ein 
Verzeichnis der von ihnen dort gekauften Bücher einzureichen, ſondern 
08 auch vom Rate genehmigen zu laffen. Aber auch diejer Bejchlur blieb 
jo gut wie ein toter Buchjtabe. Zudem waren die Nürnberger viel zu 
gute Kaufleute, als daß fie ein gewinnbringendes Geſchäft, wie den Buch— 
bandel, unnötigerweije geitört hätten. Die Buchhändler und Bucoruder 
erfreuten ſich daher auch einer verhältnismäßig milden Behandlung, wur- 
ven mehr bedroht als energijch verfolgt und hatten nie graujame Stra— 
fen zu gewwärtigen. Die religiöjen Kämpfe und Gebäjfigfeiten griffen 
bier auch micht jo jtörenn ein als anderswo, weil die ganze Stadt das 
Intberijche Bekenntnis angenommen batte und fich namentlich deſſen Geg— 


Kapitel.) Niürnbergs Eintreten für jeine Buchhändler. 575 


nern gegenüber eins fühlte. Wenn nun hier und da eine Verfolgung 
mißliebiger Bücher oder Schriftſteller ſtattfand, ſo geſchah das in der 
Regel mehr infolge der Anträge des Kaiſers oder auswärtiger Stände, 
als aus eigenem Antriebe. Sodann aber bildete Nürnberg inſofern 
einen wohlthuenden Gegenſatz zu manchen andern Reichsſtädten, als es 
ſich ſeiner Buchhändler und Drucker nach Außen hin energiſch annahm 
und ſie vor Schimpf und Schande ſchützte. 

So war der Buchführer Andreas Eſchenberger im Herbſt 1562 in 
Wien gefänglich eingezogen und bedroht worden, an den Pranger geſtellt 
und mit Ruten ausgeſtrichen zu werden, weil er ſich, trotzdem, daß er 
ſchon einmal ausgewieſen worden war, zum zweiten mal mit lutheriſchen 
Schulbüchern, Bibeln und Poſtillen in Krems und in Niederöſterreich 
hatte betreffen laſſen. Für Kaiſer Ferdinand war dies ein Verbrechen, 
obgleich er als Reichsoberhaupt eigentlich nichts dagegen thun durfte. 
Um nun einen Rechtstitel für ihr Vorgehen zu haben, behandelten ſeine 
Beamten und die Geiſtlichen derartige Fälle als erzherzogliche, als Lan— 
des- und nicht als Reichsbehörden. Der nürnberger Rat hatte kaum 
die Beſchwerde Eſchenbergers erhalten, als er ſich am 26. September 
1562 an ven Kaiſer wandte, für die Ehrbarfeit und Unbeſcholtenheit 
ieines Bürgers eintrat und deſſen Necht zum Verfauf derartiger Bücher 
für zweifellos erklärte. Zugleich aber beantragte er, daR ihm „die ſchmäh— 
liche Strafe des Prangers, des Ruthenausſchlagens und anderer öffent- 
liber Schande” erlaſſen würde. Die Erledigung der Sache zog fich 
lange bin. Der Rat beauftragte deshalb am 19. November 1562 jeinen 
Agenten in Wien, Georg Stümpfl, energiiche Schritte zu thun, daß „ver 
arme unſchuldige Mann wieder mit Gnaden ledig gelafjen werde”. Das 
ibeint denn auch gejchehen zu jein; wenigjtens kommt der Eſchenberger— 
ſche Fall fortan nicht mehr in den nürnberger Akten vor. 

Ganz um diejelbe Zeit hatte auch der Erzbifchof von Salzburg dem 
nürnberger Buchführer Nikolaus Bogel ein Faß Bücher in Salzburg 
öffnen und den ganzen Inhalt durchſuchen laffen, aber nur einen an- 
jtößigen gemalten Brief gefunden, weshalb der Beſitzer, der behauptete, 
das anſtößige „Gemälde“ nicht in das Faß gepadt zu haben, gefänglich 
eingezogen wurde. Seine Frau Elijabeth führte wegen der Behandlung 
ihres Mannes beim Nat Bejchwerve, und diejer verlangte am 28. Sep— 
tember 1562 deſſen Freilaſſung beim Erzbiſchof, der fie auch ſofort verfügte, 


576 Preßpolizeiliche Praxis in Augsburg. [Neuntes 
In Augsburg laffen ficb die älteſten Genjurverorpnungen bis in 
ven Anfang des 16. Jahrhunderts, wenn nicht noch weiter in das Ende 
des 15. hinein verfolgen. Aus einem Ratsprotokoll vom 9. Auguſt 1515 
ergibt ſich, daß fich Die Buchdruder ſchon damals eidlich verpflichten ımuF- 
ten, obne Wiſſen und Willen des Rats nichts zu druden, was jemand 
zur Schande oder zur Schmach gereiche. Es heißt ausdrücklich im Ein— 
gang, daß die Druder Dans Elchinger und jein Sohn gejchworen hätten, 
wie andere Buchdrucker; dieſe Ginrichtung muß alſo ſchon von früberer 
Zeit her datieren. Unterm 28. Auguft 1520 bedeutete der Kat die in 
der Stadt thätigen 10 Druder 4, in den „Irrungen zwiſchen ven Geift- 
lichen und Doftoren der heiligen Schrift” nichts ohne jein Wiſſen und 
Willen zu druden und am 7. März 1523 wurden fie — den mm bald 
auftretenden Reichspreßordnungen gleichjam vorgreifend — dahin ver- 
eidigt, feine Schmäbbücher, Yieder oder andere Gedichte pruden zu wollen, 
e8 jet denn, daß fie zuper dem Bürgermeifter Anzeige gemacht und dejien 
Erlaubnis erhalten, den Namen des Dichters desjelben Buchs oder ven 
Namen dejjen, der es ihnen übergeben, genannt und auch ihren, der 
Druder, eigenen Namen hinzugefügt hätten. Später mußte ſich Augs- 
burg dem allgemeinen Berfahren anjchließen, wie es die Reichsabſchiede 
allmählich ausbilveten. So wird in den geheimen Ratsdekreten von 1551, 
1552, 1589, 1618, 1670, 1681, 1682, 1690, 1715 u. j. w. wiederholt 
den Buchdruckern und Buchhändlern eingejchärft, fich den ergangenen 
Borjehriften entiprechend zu verhalten; allein ſchon die große Zahl diejer 
Verordnungen beweilt, daß fie nur wenig Beachtung fanden. 1’ 

Hart umd grauſam verfuhr die alte Neichsjtadt in dieſen Dingen 
übrigens nie, wenn fie auch im einzelnen Fällen die Übertretung ihrer 
Gebote jtreng ahndete. Ihre Praxis in Eonjurangelegenheiten ftand gegen 
die Mitte des 16. Jahrhunderts ziemlich feit und behauptete fich fait 
unverändert bis zum Berluft der Neichsunmittelbarfeit (1803). Sie be 
ſchränkte ficb eben darauf, an jene oft wiederholte Vorſchrift, dar alles, 
was gedruckt, oder auf andere Weije vervielfältigt werden jollte, vor dem 
Druck den zur Büchercenjur verordneten Herren vorzulegen jei, zu er— 
innern, doch aber nur gelegentlich wirklich einzufchreiten. So ward Geora 
Willer am 10. Oftober 1559, jedenfalls im Zuſammenhang mit der Unter 
ſuchung gegen den Buchdrucker Wegler in Ingolitadt, ins Gefängnis ab- 
gerührt und jein ganzer Büchervorrat wegen angeblichen Druds und 


Kapitel.) Geniurpraris in Augsburg im 17. Jahrhundert. 577 


Verkaufs einer Famosſchrift mit Bejchlag belegt; doch erhielt jeine Frau 
auf ihr Anfuchen alle diejenigen Bücher zurüd, welche „mit famoß vnd 
des authors vnnd Buchtruders namen“ trugen. In einem Natsprotofoll 
vom 7. April 1554 heißt es jogar recht wäterlich, man babe „Die Buch— 
fürer eruordert und ihnen zugeiprochen, nichts zu verfaufen, es jei denn 
zuvor approbiret und zugelaffen“. Ziemlich gegen Ende der in dieſem 
Bande behandelten Periode, am 27. November 1618, jebärfte der Nat 
allen Buchdruckern und Buchführern der Stadt wiederholt nachdrücklich 
ein: „hinfüro faine vergleichen ebrenrüerige, ärgerliche, ſchmachhaffte, 
Yeichtfertige, unzüchtige Bücher, Schrifften, Tractatlein, Pasquill, Yiever, 
Zeitungen, Gemählde, Zedulen und Stich, von wer Religion diejelben 
jeven, bie zu pruden, bierher zu bringen, fürzulegen, baimlich over öffent- 
lich zu verfauffen over einzujchteben, Und welcher Buchdrucker, Buchführer, 
Brieffmabler, Rupferitecher, Novellant over Yiederverfäuffer des verſtands 
nit were, daß er gebührlichen vnterſchied, war er bie drucken, ftechen, fait 
baben, von jich jehreiben vnd verkauffen möchte oder nit, zu halten wüßte, 
der mag und joll die verorpnieten Herren über die Buchdruckereyen um 
Bericht fragen, jeine Bücher, Yiever Schrifften, Stib und Gemählde 
jeben laffen und ſich Bejcheivs erholen, was ihnen zu vruden, zu ftecben, 
fail zu haben und zu verfauffen gebühre over nit“. 

Als der Buchhändler Audreas Asperger wegen Übertretung diejes 
Erlafjes die Stapt am 24. Juli 1652 16 verlaffen mußte, wurden jogar 
die beiden Genjoren Dans Felix jung und Dans Wolff-Zceb „vmb 
deßwillen, daR fie als geweifene Genjores vergleichen Inn allen echten, 
Reichsabſchieden vnd Polizeyordnungen boch verbottene Famoßſchrifften 
truckhen laſſen vnnd dieſelben ſogar auch nachdem fie den Abtruckh zu 
Iren Handen Empfangen und erſehen, mit alſbald abgeſchafft, ſondern 
öffentlich fail haben laſſen, auch dadurch Iren Willen vnd Conſens ge— 
nugſamb zur erkennen geben, Ihr Jeder vmb 50 Reichsthaler Inn All— 
mueſenſeckhel geſtrafft“. Dieſes Beiſpiel der Beſtrafung eines Cenſors 
wegen zu großer Milde ſieht in der Geſchichte der Cenſur ziemlich ver— 
einzelt da. Noch durch eine andere Eigentümlichkeit unterſchied ſich Augs— 
burg in der Folge von ſämtlichen übrigen Reichsſtädten. Während und 
unmittelbar nach ver Reformation faſt ganz lutheriſch, wurde im Laufe 
ein jehr großer Teil ver Bürger ver Stadt zum Katholizismus zurüd: 

Happy. I. 37 


578 Parität der Konfeſſionen bei der Cenſur. Ulm, Neuntes 


geführt, ſodaß mit dem Ende des 17. Jahrhunderts beide Bekenntniſſe ſich 
in ziemlich gleicher Stärke gegenüberſtanden. Auf Grund dieſes Verhält— 
niſſes mußte darum auch won den zwei Mitgliedern des Rats meiſt ge— 
weſenen Bürgermeiſtern) und den zwei ihnen ſpäter beigeordneten Rechts— 
verſtändigen, die eine Hälfte dem proteſtantiſchen und die andere dem katho— 
liſchen Bekenntnis angehören. Dieſe teilten ſich denn auch bei der Cenſur 
der ihnen unterbreiteten religiöſen Werke in zwei Ausſchüſſe, deren jeder 
die ſeine Kirche betreffenden Schriften cenſierte, während ſie alle übrigen 
Bücher und Kunſtwerke gemeinſam beurteilten. Es war hier alſo nach 
Möglichkeit für Unparteilichkeit bei Handhabung der Cenſur vorgeſorgt 
und das thatſächlich durchgeführt, was gleichzeitig die evangeliſchen Reichs 
jtände vergeblich für die Organifation der faiferlichen Bücherkommiſſion 
in Rranffurt a. M. erjtrebten. 

In Ulm galt, ven Reichsordnungen entjprechend, das allgemeine Ge 
bot, daß niemand etwas dajelbjt oder anderswo druden oder publizieren 
laſſe, ohne Conſens und Genjur des Rats. Da dasjelbe, wie gewöhn— 
(ih, in Bergefjenbeit geraten war, wurde es im Jahre 1619 erneuert. 
Für spezielle Fälle hatte der Rat 1560 nad Entſcheid der Herren ver 
Religion die Prädifanten Johann Willig und Kajpar Kürchner und ven 
„alt Yat. Schulmeifter” beauftragt, die Buchdruder und Buchführer „zu 
ihrer Gelegenheit” des Jahres etlihemal zu vifitieren und die Bücher, 
jo wider die Augsburgiſche Konfeſſion, als ſchwenckfeldiſch u. dal., „item 
die Schmachbüchlein, darinnen hohe Potentaten angezogen werden“, auf- 
zubeben und „auf die Hütte“ zu liefern. Einen ähnlichen, aber weiter 
gehenden Auftrag erhielten 1621 Dr. Frieße, Mag. Schmid, Albr. Schlei— 
cher und Dr. Fingerlin, „damit das Einjchleichen der verdächtigen Bücher 
bei den biefigen Buchführern und Hänplern binfüro für fommen werde“. 
Sie follten, wenn neue Bücher von der franffurter Meſſe oder von andern 
Drten bergebracht würden, diejelben befichtigen umd, wenn ſie ketzeriſche 
Pasquille, Famos- oder andere im Reiche verbotene oder jonft leichtfertige 
Bücher, durch welche die Jugend leichtlich verführt werden fünnte, fün 
den, jelbige nicht feil haben lafjen, jondern alsbald aufheben und zum 
Baupflegamt liefern laffen. Im Jahre 1615 beſchloß der Nat vann 
weiter auf die „Zeitungsfürger‘ jollten die Gafjenfnechte gut Achtung 
geben, und two fie jolche in der Stadt anträfen, jie gleich abjebaffen und 
ihnen das Singen nicht geftatten. 


Kapitel.) Ängftliche Rüdfihtnahme der ulmer Eenfur. 579 


Obgleich nun die Genjur in Ulm ziemlich mild gebandhabt worden 
zu jeim scheint, jab ver Nat ficb doch umter Umſtänden durch die berr- 
jchenven Zeitumftände veranlakt, recht vworfichtig zu verfahren. So fin: 
det ſich 1619 die Verfügung, die von der Bürgerſchaft ſtark begehrte 
Neujahrsprevigt Dr. Dietberichs jolle durch die Herren des Neligions- 
und Baupflegamts durchgegangen und ihm angezeigt werden, was er 
berauslafien jelle. In demſelben Jahre wurde bejchloffen, daß desjelben 
Geiſtlichen Gratulationspredigt zur Kaiſerwahl in Frankfurt durch die 
Keligionsbhüttenherren vor dem Druck cenfiert und was Darin nicht zu 
pajfieren, ausgelöſcht werden jellte, Man batte fich gewiß ſchwer dazu 
entſchloſſen, den angejebenen Seiftlichen derart zu bevormunvden; aber die 
Prediger jprachen ficb damals über die politiichen Zuftände auf ver 
Kanzel jo ungeniert aus, daß wohl jtarfer Grund zu Befürdtungen 
vorgelegen haben mag. 

Doch nicht allein auf Anhalt und Geſinnung der zur Genjur vor- 
gelegten Manujkripte ſah man, es fommt jogar der merfwärdige Beichluf 
vor, wonach der Rat dem Buchoruder des „Gronidlins” halber, „von 
Urjprung der alten Herzöge von Töckh“, Mag. Jakob Aröjchlinus, an- 
deuten lieh, dem Berfafjer zu verfteben zu geben, dasſelbe etwas beffer 
durchzugehen und in gebührende Ordnung zu bringen, bernach aber mun— 
viert einzujcbiden, „alsvann der Drud verfertigt werden mag”. 

Ein jo unmächtiges Staatsweſen batte natürlich nach allen Eeiten 
Rüdjichten zu nebmen, in vem Maße, daß in gewiſſen Fällen jogar ein 
Berſtoß gegen die Vorjchriften der Reichspreßordnung vorgejchrieben 
wurde, jelbjt in Fällen, wo es ſchwer ift, die Möglichkeit eines Anſtoßes 
voranszufegen. Im Sabre 1615 wurde verfügt, der Buchdrucker Johann 
Meder jolle des Jeſuiten Johann steiler „Epistolae” und Dr. Heit- 
bronners Antivort darauf drucken dürfen, „doch ohne benambjung Des 
orts und des Buchdruckers Namens“ Ein weiterer Bejchluß von 1640 
lautet: „Dem Buchdrucker ift vergännt, das Tractätlein, wie und welcher 
Geſtalt Die neuerbaute evangeliſche stirche zu Preßburg in Ungarn sole- 
nissime inaugurirt und eingerichtet worden, zu pruden, doch mit Aus— 
laffung des Orts und Buchdruckers Namens”. Schwer erflärlich ift ein 
anderer von 1634: Zohaun Faulhaber jelle jeine „Fortifikationslunſt“ 
druden lafjen vürfen, aber die Worte, daß cs mit des Rats Bewilli— 
gung gejchebe, weglaſſen. Solche ängſtliche Rückſichtnahme war jepen- 

31? 





580 Eingriffe in den Geichäftsbetrieb. [Neuntes 


falls auch Veranlaffung, daß im Jahre 1637 dem Buchpruder Baltbajar 
Khüene „aus erheblichen Urjachen‘ nicht geftattet wurde, wöchentliche Zei- 
tungen vruden zu laſſen. 

Selbſt in ven Gejchäftsbetrieb griff die Aufficht über die Preſſe ein. 
So war im Jahre 1645 eine „Dysenteria” ausgebroden. Das Col- 
legium medieum batte einen Bericht über vie Krankheit erjtattet und 
der Nat beſchloß nun, die Stättrechner jollten den Buchdrucker vorfor- 
dern und ihm „anbefehlen‘, vas 1622 in Drud ausgegangene Traktät— 
(ein wegen der Dysenteria wieder aufzulegen und zu druden und zwar 
auf jeine Koſten, weil die Exemplaria unzweifelhaft wohl abgeben würven. 
Sollte er ſich deſſen weigern, jo jollten fie vernehmen, was er dafür be 
gehren wollte, und dem Rat Bericht erjtatten. Eigentümlich ift auch ein 
Beſchluß von 1645. Die von Saat und Abraham Hojenneftel, Danvels- 
(enten in Augsburg, und Jeremias Yivel, Bürger zu Ulm, überſchickten 
drei Designationes (Proipefte, eines zu Amſterdam verkäuflichen großen 
Drudwerts jollen den beiven Buchführern und dem Buchoruder mit ver 
Beitimmung zugejtellt werden, jelbige an ihren Tafeln anzujchlagen und 
alle Tage öffentlich auszubängen. 

Von bejonverer Ängjtlichkeit zeugt ein Ratsbeichluß von 1639. Auf 
Bericht ver Prediger im Münjter, Mag. Yurwig Pijchoff und Mag. Johann 
Merkhel, joll das von Johann Permeier in Wien dem Rate zugejchidte 
Büchlein „Begier und Seelenſchatz“ nicht nachgedrudt, jonvern jamt dem 
Bericht zur Bibliothek geliefert, vajelbjt verwahrt, auch von den Herren 
zum Baupflegamt fleißig Obacht gegeben werden, daß vergleichen ſchäd— 
liche Startefen von dem Buchdruder nicht angenommen, nachgedruckt 
und jpargiert werden. Da das Buch von Wien eingejchiett war, wagte 
man offenbar weiter nichts, als dasjelbe totzujchweigen und wenigitens 
dadurch dem eigenen protejtantijchen Bewußtſein genugzuthun. 

Eine ganz bejondere Stellung nimmt Frankfurt a. M. in der Ent- 
widelung der Genjurverbältniffe ein. Je mehr jeine Meſſen an Bedeu— 
tung gewannen, um jo ſchwieriger wurde es fir den Rat, ſich der Rekla— 
mationen und Einflüſſe mächtigerer Reichsſtände und der Neichsgewalt 
jelbjt zu erwehren; der Rat unterlag ihnen ſchließlich geradezu, da er von 
vornherein nicht genügende Energie entfaltete und unbedachtjam jeine 
Hoheitsrechte preisgab. Das zeigt ſich ſchon bei den eingangs Diejes 
Kapitels geſchilderten Übergriffen des Erzbiſchofs Berthold von Mainz. 


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Kapitel.) Frankfurt a. M. Die mainzer Bücherfommifiton. 581 


So rückſichtslos und eigenmächtig dieſer ehrgeizige Kirchenfürſt auch vor— 
zugehen pflegte, jo hatte er ſich doch vor Erlaß ſeines öffentlichen Straf— 
mandats vom 4. Januar 1486 der ſchwächlichen Willfährigfeit des franf: 
furter Rats zu vergaiviffern gewußt. Jenem Ztrafmandat war bereits 
am 22. März 14851 ein Erlak an ven Pfarrer zu Zt. Bartbholomäi, 
Dr. Konrad Henſel, vorangegangen, ein Erlaf, ver fih von jenem Man— 
dat nur dadurch unterjcheidet, daß in ihm die vier mainzer Genjoren nicht 
mit Namen genannt ſind. In dem veutichen Bealeitichreiben vom 24. März, 
mit welchem Berthold viejen Erlaß von 1485 an Bürgermeiiter und Rat 
von Frankfurt überjandte, verlangte er bereits ansprücdlich von dieſem 
die Ernennung jener zwei frantfurter Gelehrten (Doftoren oder Yicen- 
taten), welche in Gemeinſchaft mit dem Pleban in ver laufenden Meſſe 
une jpäter alle zum Verkauf ausgelegten Bücher befichtigen und nach In— 
halt jenes Erlaſſes verfahren jollten. Erſt uachdem ver franffurter Rat 
jich gefügt hatte, erfolgte vie formelle Veröffentlichung des jogenannten 
Ztrafmandats vom 4. Januar 1486. Erzbiſchof Albrecht won Brandene« 
bura) trat dann jpäter mit feinem Mandat von 1517 in Bertholds Fuß— 
Itapfen. Die aus der Zeit des Neuchlinjchen Ztreites im fechiten und 
achten Kapitel mitgeteilten Daten beweifen, daß dieſe mainzer Bücher: 
kommiſſion, wenn man ſie jebon je nennen will, thatjächlich ungefähr bis 
zum „Jahre 1524 fungiert bat, wenn auch ver fraukfurter Rat nach Be: 
ginn dev Reformation ven Denumnziationen des Pleban Peter Meder gegen: 
über taub geblieben zu jein ſcheint. Die Durchführung der Reformation 
in Frankfurt Dürfte nun zwar der Wirkiamfeit diefer mainzer Auffichts- 
bebörde unberingt ein Ende bereitet haben. Aber nur eine verbältis- 
märig furze Spanne Zeit war dem Nat eine freiere Bewegung auf pref- 
polizeilichem Gebiete beſchieden, auch Diefe oft genug beeinträchtigt durch 
den jeitens mächtigerer Fürsten ausgeübten Drud, wie ſich bei Beiprechung 
der ſächſiſchen Genjurverbältmiffe in einem drastischen Beiſpiel zeigen wirt. 
Die Errichtung ver kaiſerlichen Bücherkommiſſion jebte ven Nat auf vie 
ſem Gebiete bald völlig matt. Die Weiterentwidelung ver Genjurverbält- 
niffe im Frankfurt durchichlingt fich im übrigen jo ſehr mit ver Geſchichte 
dieſer Kommiſſion, daß dieferhalb anf Das verjelben gewidmete zehnte 
Kapitel verwiejen werden muß. 

Von ven übrigen Neichsftänten bevarf böcitens nech Hamburg 
einer beſondern Erwähnung. Bier finvet fich die erſte lofalgejetliche Ber 





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582 Der Niederſächſiſche Kreis. Baſel; Erasmus als Denunziant. Neuntes 


fügung über die Regelung ver Cenſur in einem im Juli 1562 erlaſſenen 
Mandat, das feinen Urjprung einem auf dem lübecker Kreistage Des 
Nieverjächfiichen Kreifes zu Stande gekommenen Beſchluß verdankt. Der 
Anhalt iſt kurz folgender: es ſoll fortan im Kreiſe ſich niemand 
unterjteben, ein Buch oder eine Schrift in dieſem Kreiſe, oder anderswo, 
im Drud ausgehen zu laſſen, es jet denn, daß er vorher jeiner Obrig— 
feit ſolches und die Urjachen, warum er es im Drud ausgeben laffen 
wolle, anzeige und der Drud durch die Obrigfeit zugelaffen ſei. Anvern- 
falls folle der Betreffende ausgewieſen und aud von andern Obrigfeiten 
des Kreifes nicht aufgenommen werden, 

Beim Beginn der in dieſem Bande behandelten Periore jtand die 
Schweiz noch in einem lodern Verbande mit dem Deutichen Reiche; erit 
der Weftfüliiche Friede löſte ftantsrechtlih das Scheinverbältnis. Es 
rechtfertigt fich daher, ver Entwidelung ver Genjurverhältniffe in ven be 
beutendern Kantonen im Anjchluß am die in ven Reichsſtädten zu ge 
denken. Das erſte auf Prefipolizei bezügliche Aktenſtück, welches ſich in 
Bajel findet, jtammt von niemand Geringer als Erasmus. Es iſt 
eine Denunziation! In einem undatierten lateiniſchen Schreiben teilt 
er ten bajeler Rate mit, ev babe aus Lyon erfahren, daß eine von 
Wilhelm Pharel (Karel) gegen ihn verfahte franzöfiiche Schrift vort- 
hin gebracht worden jei. Auch in Koſtnitz Konſtanz) jeien zwei gegen 
ihn gerichtete Yibelle Farels vorgefommen. Diejer jet ein bosbafter 
Menſch; außer andern werde vorzüglich ver Papft angegriffen. Zwar 
jeien weder Berfaffer noch Druder genannt; doch halte man allgemein 
Farel für den Berfaffer und einen gewiffen Welshaus für ven Druder. 
Das wäre leicht zu erfahren, wenn Gratander und Watißneve (Batten 
ichnee), die die Schrift öffentlich verkauften, eidlich befragt würden, 
von went fie diejelbe hätten, und wenn Welshans darüber vernommen 
würde, was er im dev letzten Zeit gedruckt habe. Karel rühme ſich, 
jeinen, des Erasmus, Ruf zu beinträchtigen, wo er nur könne. Ihm 
perjönlich ſei dies gleichgültig; aber ver Rat möge ſich worjeben, daß 
nicht unverjebens eine ſolche Peſtilenz in jeinen Staat einbrece. 
„Si quis favet Lutero, hos ut hostes evangelii Luterus ipse 
detestatur, quos seribit cacare in castra Israhel” Es gebe 
Yeute, welche fich verſchworen hätten, durch Schriften ohne over mil 
fingiertem Titel alle Welt anzugreifen; was fie jetzt gegen ihn wagen, 





Kapitel.) Entwidelung der bajeler Cenſurverhältniſſe. 583 


würden jie auch bald gegen ven Rat wagen, wen dem nicht Einhalt 
geſchähe. 

Es iſt nicht erſichtlich, daß der Nat auf dieſe Anregung bin einge— 
ſchritten wäre; vielleicht iſt ſie aber Veranlaſſung zu einem am 12. De— 
zember 1524 gefaßten Beſchluß des alten und neuen Rats, daß hinfüro 
alle Drucker der Stadt Baſel nichts drucken laſſen oder ſelber drucken 
ſollen, ehe es durch die dazu Verordneten beſichtigt und zugelaſſen, 
auch ſollen ſie zu den Drucken ihren Namen hinzuſetzen. Dieſe Ver— 
ordnung wurde 1542 bei Strafe von 100 Gulden erneuert. 

Eingehendere Anordnungen erließ der Rat im Jahre 1550. Weil 
bisher ohne Wiſſen der Obrigkeit allerlei Büchlein in italieniſcher und 
andern fremden Sprachen heimlich in Baſel gedruckt und „hingeführt“ 
worden, darum der Stadt viel Nachrede und Schaden geſchehen mag, 
ſollen die Drucker in Sachen die Heilige Schrift und Religion anlangend 
nur in lateiniſcher, griechiſcher, hebräiſcher und deutſcher Sprache, in 
andern fremden Sprachen, als italieniſch, franzöſiſch, engliſch und ſpa— 
niſch, aber ganz und gar nichts drucken. Doch wich man ſchon nach drei 
Jahren, wenigſtens in einem Fall, hiervon ab. Am Jahre 1553 hatten 
Simon Sultzer, Prediger am Münſter, und Dr. Bonifactus Amerbach 
beantragt, daß eine Überjekung des Alten Teftaments aus dem Hebräi- 
hen ins asranzöftiche durch Johann Herwag gebrudt werden dürfe. Der 
Rat beſchloß, daß man ſolche, wenn fie druckfertig, befichtigen jolle, und 
jofern dann fein Schmuß-, Schand- und Schmachtwort darin, möge ie 
zum Druck zugelaffen werden. Die erfte eigentliche Cenſurordnung er- 
ging 1558: die Buchdrucker jollen fein Buch druden, es jet denn das 
Manuffript zuvor bejehen und approbiert; fie wurde erneuert und wieder 
eingejchärft unter dem 15. Februar 1665. 

In eine eigentümliche Yage geriet 1676 der Univerfititsbuchoruder 
Sans Jakob Deder (L). Er wurde eingeferfert, weil er in dem Dorfe 
Hälingen für den Prälaten zu Murbach und Luders eine Druckerei errichtet 
und jeit zwei Jahren verichtevene „papifttiche‘ Bücher gedruckt hatte. Ein 
langes Rechtsgutachten des Dr. Peter Megerlin jpricht fich dahin aus, 
daß Deder das Yeben verwirft habe, es jet denn, daß der Rat ihn von 
Stadt und Yand auf ewig velegieren und hinwegſchaffen wolle, über Deders 
Kinder aber, damit diefer fie nicht mit fich ins Papfttum führe, jeine 
väterliche Hand halte und fie ins Watjenhaus aufnehme, auch in unjerer 


584 Maßregelung Hans Jakob Deckers in Baſel. Zürich. Neuntes 


chriſtlichen Religion getreulich informieren und aufziehen laſſe. Zu dem 
Unterhalte ver Kinder könnte man vielleicht die von ihrem Vater ſo viel— 
fältig mißbrauchte Druderei verwenden. Die gedrudten „papiſtiſchen“ 
Bücher aber jollten öffentlich verbrannt wervden. Ganz jo ſchlimm fiel 
num die Sache nicht aus, obgleich, over weil, gleichzeitig ver in Yuzern 
reſidierende päpftliche Numtius eine Verfolgung Deders eifrig betrieb, 
weil dieſer und andere bafeler Buchhändler die Iuzerner Märkte mit 
reformierten Büchern bezogen und dadurch die dortigen Bürger ange: 
lich ſehr ſchädigten. Man fonfiszierte jchließlich 8944 Exemplare „papiiti- 
jcher” Schriften und verurteilte Deder zu einer nambaften Geldſtrafe. 

Troß dieſes engberzigen Verhaltens kann die bajeler Cenſur im 
ganzen aber doch nicht jehr ſtreng aufgetreten ſein, denn 1698 jaben 
jih Schultheiß und Rat von Bern veranlaft, Bürgermeifter und Kat 
von Bajel zu erſuchen, die Cenſur bejjer zu handhaben und die Bud- 
führer zu verwarnen, auf die Jahrmärkte nur ſolche Bücher zum Ver: 
fauf zu bringen, von denen fie vorerſt einen Katalog in ihre Kanzlei 
überichieft hätten, bei Strafe der Konfisfation nicht allein derjenigen 
Bücher, deren Vertrieb man nicht geitatten könnte, ſondern auch aller 
übrigen Ware und bei anderer Strafe. 

Auch in Zürich ergingen anfangs nur einzelne Verordnungen be 
treffs der Bücherpolizei. Im Jahre 1523 werden Ulrich Zwingli, Hein— 
rich Utinger von den Vorherren, Meifter Heinrih Walder und Meiſter 
Binder, verordnet, alles zu befichtigen, was in der Stadt Zürich im 
Drud erjcheinen joll; der Druder ſoll ſich nicht unterjtehen, ohne veren 
Wiſſen und Willen etwas zu druden. Ein Ratsbeſchluß von 1524 be 
jagt, daß Meifter Walder und Meifter Binder, die die züricher Buch— 
händler beauffichtigen, bejehen jollen, wem fremde Buchoruder feil baben, 
daß fie nichts Ungeſchicktes verkaufen, ſondern dasjelbe abjtellen. Im 
Jahre 1595 wird bejchloffen, den Druckerherrn zu beſchicken und ihn zu 
ermahnen, mit drucken ver Bibel und anderer Bücher allen Fleiß anzu 
wenden, daß ſauber, fleißig und aut lejerlich gedruckt werde, ein Be 
ſchluß, der mehr einen gewerbepofizeilichen, als prefpolizeilichen Charakter 
trägt. Daneben foll außerdem der Papiermüller beſchickt und ihm an— 
gezeigt werden, daß ev gut jauber Papier made; jo er das nicht tbue 
und ven Mangel verbeffere, werde man ihm nicht weiter bejchäftigen. 
Im Jahre 1649 werden speziell auch die Kalender der Cenſur unter 


Kapitel.| Gewerbe: und Prefpolizei in Zürich im 17. Jahrhundert. 585 


werfen, „weil in einer Anzahl neuer Kalender für 1650 ſolche Worte 
jteben, über welche die Eidgenoſſen ver andern Religion Verdruß und 
Umwillen empfinden möchten“, 

Fine fürmlice Cenſurordnung war aber erit die Beſtimmung von 
1650, nach welcher alle Bücher, die von Bürgern oder Schirmverwand— 
ten in offenen Druck gegeben werden follten, ſamt ven dazu gehörigen 
Kupfern, in Zürich oder anderswo geprudt, den zur Genjur Verordneten 
vorher vorgelegt werden mußten. „Bon jevem Buche, deſſen Drud er: 
(aubt, joll der Druder jevem ver verordneten drei Herren allwegen ein 
Exemplar für jeine Mühe und Arbeit zu geben ſchuldig jein, Dagegen 
zu des Herrn, jo etwas in Drud gibt, Gefallen jtehen, vie drei Ver— 
erpneten auch, wie bisher etwan geſchehen, ſonſt zu verehren und ſich 
danfbar zu erzeigen“. Das Jahr 1660 brachte dann noch an Neue: 
rungen, daß „ver Tax ver Kirchen- und Schulbücher halber” ſich vie 
Druder mit ven Genjoren verftändigen ſollten, damit die Bürger und 
Landſchaft jich nicht über zu hohe Preife zu beklagen bätten, und daß 
ein weltlicher und ein firchlicher Genfer die fremden Buchführer und 
„Liederträger“ fleißig zu wifitieren hätten. 

Gegen Ende des Jahrhunderts, 1698, ſchloſſen ſich daran endlich noch) 
folgende bevenfliche und engberzige Anordnungen: Die Buchbinver jollten 
bei ihren bürgerlichen Pflichten befragt werden, was für „irrige“ Bücher 
und Schriften Heinrich Pocher ibmen einzubinden übergeben babe, „mit 
Befehl, var fie für das Künftige Nichts, was unſerer heiligen Religion 
entgegen, in Arbeit nehmen, jonvern, wenn vergleichen ihnen zufommten 
würde, jolches unverzüglich dem Genjer binterbringen jollen“. Die zur 
Cenſur Verordneten jollten außerdem nicht allein die Läden der Buch— 
führer, ſondern auch die ver Buchbinder alle Jabre zu verichievenen 
malen fleißig vifitieren und jergfältig verbüten, var feine „irrgeiſtigen“ 
Bücher und Schriften darin feil gehalten oder eingebunden würden. 

In ven deutſchen Neichsftänten hatten fich die Genjurverbältniffe, wie 
aus allem diefem zu erjeben, in engem Anjchluß an vie Reichsverord— 
nungen entwickelt. Zeigt fich in ihnen größere Stvenge und eine eigene 
Verorpnnungsthätigfeit, jo ſind dieſe meiftenteils auf ven Druck mächti- 
gerer Reichsſtände zurückzuführen. Selbftändiger und eigenartiger geital- 
teten fich natürlicherweiſe die Verhältniffe in ven größern Territorien; unter 
ihnen jei, neben den Murfürftentiimern, mw Würtemberg hervorgehoben. 





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586 Würtemberg. Die Cenſur in Tübingen. Neuntes 


Für Würtemberg kommen die Cenſurverhältniſſe nur in Betracht, 
ſoweit fie in Verbindung mit der Univerſität Tübingen ſtehen.!s Hatten 
chen die Umiverfititsitatuten von 1500 das Ausgehenlaffen von „Libelli 
famosi“ verboten, jo bejtinmmten die von 1537 in dem „Passus de fa- 
moso libello“, daß es niemand erlaubt jein jolle, etwas, in welcher 
Sprache und welchen Inhalts e8 jei, drucken zu laffen, aufer nach Durch— 
ficht und mit Erlaubnis des Rektors und der vier Defane (permissu 
ectoris et Decanorum quatuor; bier iſt wohl unius ausgefallen). 
Ein Rejtript des Herzogs Chriſtoph vom 25. April 1557 verbietet dann 
den Buchdruckern bei harter Strafe ven Drud alles Neuen, beſonders 
in ver Theologie, ohne des Herzogs Vorwiſſen. Auf vie Befolgung diejes 


Gebots jollen fie bei ihrer Annahme an der Univerſität wereidet werden. 


Die Buchführer jollen, wenn fie die Bücherfäfler aufichlagen, die fie von 
Aranffurt und andern Meffen gebracht haben, die Bücher, namentlich 
die theologijchen, den Viſitatoren vorweiien und ohne Genehmigung ver: 
jelben nichts verfaufen, bei Eid und ernftlicher Yeibesjtrafe; daneben jollen 
die Buchläden periodisch durchſucht werden. Am Anfange jeven Semeſters 
wurden die Buchführer (nebit ven Apothefern u. j. w., cives academici 
illiterati honoratiores) und die cives vulgares Buchdrucker, Buch— 
binder, Illuminierer, Maler u. j. w.) zuſammenberufen und ihnen vie 
Statuten, darunter die Genjurbeftimmungen, unter Ermahnungen deutſch 
vorgelejen. 

Ein Erlaß des Herzogs Yudwig vom 15. Januar 1593 an die Uni— 
verfitit Tübingen !? trifft daun folgende weitere Beftimmungen. Seltiſche 
Bücher und Yälterfchriften und Famoslibelle der Jeſuiten dürfen nicht 
feil gehalten und verfauft werden; nur dem Buchhändler Georg Sruppen- 
bach ſoll erlaubt und befohlen jein, von jedem ſolchen Sfriptum auf ber 
Mefje ein over zwei Eremplare zu kaufen und ver Univerſität zu über- 


‚antworten, um den Brofefforen Gelegenheit zu geben, die Argumente 


und Kalunmien ver Gegner fennen zu lernen und zu widerlegen. Solche 
Pfarrer und Kirchendiener, von denen nicht zu bejorgen, daß ihnen ver- 
gleihen Bücher „Unrat jchaffen‘, ſollen jich won ihren General: over 
Spezialjuperintendenten einen Schein ausſtellen laſſen, auf ven bin ihnen 
ver Buchhändler dergleichen Bücher liefern kann. Es find dies Beſtim— 
mungen, die fich ähnliche, in katholischen Ländern übliche, förmlich zum 
Vorbilde genommen zu haben jcheinen. Herzog Friedrichs Orpination 


Kapitel. Die geiſtlichen Kurfürſtentümer. Ratscenſur in Köln. 547 


der Univerſität vom Jahre 1601 bringt dann endlich im Kapitel 16 die 
erſte eigentliche Buchdruckerordnung. Nach derſelben war vor allem ver 
Verkauf ſektiſcher Bücher verboten; dieſe find vefiniert als calwiniftiiche, 
papiftiiche, wiedertäuferijche, jchwendfelviihe u. vgl. Wie dieſe Beftim- 
mung gehandhabt wurde, dafür kann als Beiſpiel das bereits im zweiten 
Kapitel mitgeteilte Berfahren gegen Eberhard Wild dienen. 

Bon den damaligen Kurfüritentümern kommen zunächit vie vrei geilt- 
liben Mainz, Köln und Trier für eime ſelbſtändige Entwidelung des 
Buchhandels, alſo auch ver Kenjur, gar nicht im Betracht, da fie jchen 
im Intereffe ihrer Selbiterbaltung gezwungen waren, ſämtlichen cäjaro- 
papiftiichen Anregungen und Befehlen unbedingt nachzufonmen. Was 
tort „mit Bewilligung ver Obern“ geprudt wird, hat jehr wenig wiffen- 
ichaftlihen Wert und noch weniger allgemeine Berentung. Die Stadt 
Köln war allerpings ein beveutender Verlagsort; allein ev zeichnete fich 
jtets durch vie Rechtgläubigkeit ſeiner Geſinnung und ven philologiſch— 
theologiſchen Charakter ſeiner Drudwerfe aus, die höchſtens einmal aus— 
nahmsweiſe der Cenſur verfielen. In allen geiſtlichen Städten decken 
ſich kirchliches und politiſches Leben, oder jenes läßt vielmehr dieſes nicht 
aufkommen. Indeß bat doch auch gerade in der Stadt Köln ver Rat, 
neben ver ſchon geſchilderten geiſtlichen und Univerſitätscenſur, eine ſelb— 
ſtändige politiſche ausgeübt, vie außerdem, wenigſtens in ſpätern Zeiten, 
ziemlich ſcharf war, beſonders wenn es ſich um Angriffe auf den Rat 
ſelbſt handelte. Wenn bereits am 15. Februar 1525 im allgemeinen 
verfügt worden war, daß die Buchdrucker keine Bücher ohne Erlaubnis 
des Rate veröffentlichen ſollten, ſo wurde am 3. Dezember 1535 noch 
beſonders geboten, Bücher auf Fürſten und Herren nicht anders, als mit 
Erlaubnis des Rats zu drucken. Der Vertrieb angeblicher Pasquille 
wurde mehrfach unterſagt, 1555 aber ſetzte der Rat, da allerlei Schand— 
ſchriften und Pasquille auf ihn und beſondere Perſonen erdichtet und 
ausgebreitet würden, 100 Gulden Belohnung darauf, wer ſolche Dichter 
melden würde. Aber ſchon ein Jahr ſpäter hatte Antonius Keiſer doc 
wieder ſchändliche Lieder unter fremdem Namen gedruckt; man legte 
ihn in Ketten und ſtellte Hausſuchung nach den Schriften und For— 
men an. Unter dem 29. Mat 1581 wurden dann die Preßverhält— 
niſſe Durch Aufitellung einer Buchdruckerordnung feiter geregelt, und im 
Jahre 1505 ver Buchdrucker in ver Yinviguffe und Fran Geirtgen be 














| 588 Böhmen. Natscenfur in Breslau. Neuntes 
f itraft, weil fie einen Calviniſchen Katechismus gedruckt hatten, der Buch— 
Erre alt Ih pruder als unberachtjam um 10, bie Frau um 50 Ihaler. Noch am 
HH —— 4 7. Januar 1678 beſchloß der Rat, die Abſchrift eines famoſen Reim— 
HEN: IT gerichte, anfangend „Floreant privilegia civium et pereant iniqui 
Arm air Judices“, durch die Diener ver Gewaltrichter nachmittags auf dem Alt- 
IK mt markt am „Kärx“ Kaak) öffentlich verbrennen zu laffen. 
1 ai 9 Unter ven weltlichen Kurfürſtentümern ſpielt Böhmen, als habe— 
"HR 3 burgiſches Kronland, keine ſelbſtändige Rolle. Zudem blutete es zunächſt 
i J —P noch an ven furchtbaren Wunden, welche die Huſſitenkriege ibm ae 
t Bar 3 ichlagen hatten. Die niedergeworfenen Anhänger von Johann Huf und 
NE H 4 die aus ihnen hervorgegangenen Sekten vegetierten zwar heimlich fort, 
Beh ITeRarT wagten ſich aber gar nicht mehr an die Öffentlichkeit, höchſtens, daß fie 
9 (#: Ep] A im deutjchen Auslande, wie in Nürnberg over Augsburg — und jelbjt in 
a Dresden unter Konnivenz Kurfürſt Augufts, wenn auch auf ausprüd- 
8 fr 4 lichen Befehl vesjelben ohne Namensnenmumg des Druders — eine ihrer 
Re 44 Belkenntnisſchriften drucken zu laſſen wagten, denn überall wachten vie 
Ei Spüherangen ver Häſcher Ferdinands und ſchufen mit ihren bereits ge— 
et Et ichilderten Mitteln die Ruhe des Graben. 
182 Merhvürdigerweije durfte ſich das benachbarte Schlejien noch längere 
4 er + Zeit einer gewwiffen Freiheit auf geiſtigem Gebiet erfreuen, obaleich ee 
lee)" 4 noch im Verlauf der in dieſem Bande geſchilderten Periode völlig unter 
F 5 dasſelbe ſtrengkatholiſche Regiment gelangte. Vor allem gilt dies von 
+ ! der Dauptitadt Breslau, wo die proteftantijche Obrigfeit, bei der zu: 
{ STR nächſt Die Handhabung ver Prefpolizei lag, den Prinzipien des Biſchofs 
2 aber Ts il und der fpitern Regierungsgewalt geradezu Direkt entgegen verfubr.?o 
2 7 4 Es iſt hierauf ſchon weiter oben hingedeutet worden, aber einiger Einzel— 
ie f beiten muß bier noch mäher gepacht werden. Im Sabre 1558 batte 
, = TEE Andreas Winfler, der erjte Rektor des breslauer Eliſabethgymnaſiums, 


nit Unterſtützung des Rats eine Buchdruckerei neben der bereits be- 
itehenvden des Kaſpar Yobifch errichtet, für welche ſich nach und nach ein 
förmliches Monopol des Buchdrucks in Breslau entwidelte. Das Jahr 
Darauf wurde vom Rate bejchloffen, dar Yobijch deſſen Druderei nun 
ſchnell in Verfall geriet) feine Inteinijchen Bücher, mit Ausnahme von 
mathematischen, und feine Diftorien und Sermone ohne Vorwiſſen Wint- 
(ers drucken jollte, welchem lettern dagegen der Drud und Verlag ver 
“ Schulbücher, zumächit auf 10 Jahre, privilegiert wırde. Dafür ımter- 


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Kapitel.) Eigenartige Cenſurverhältniſſe in Breslau. 584 


warf Winkler ſich der Cenſur des Rats. Es wurde ihm vorgeſchrieben, 
daß er alles, was er zu drucken beabſichtigen würde, zuvor denjenigen 
Perſonen, welche der Rat als Cognitores dazu beſtellen würde, genug 
ſam anzeigen ſolle, damit nötigenfalls dem Rate darüber Bericht erjtattet 
werde, Der Yanpesherrichaft wird dabei in feiner Weiſe gedacht. Anverer- 
jeits beziebt fich ein ven Nönig Ferdinand IL am 4. Dezember 1541 er- 
teiltes Privilegium nur auf den Drud beſtimmter Bücher, nicht auf vie 
von dem Rate berwilligten Gerechtſame. Dieje, von Zeit zu Zeit immer 
wieder ernenert, gingen mach und nach auf Criſpin Scharfenberg, Johann 
Scharfenberg und Georg Baumann über. „Johann Scharfenberg hatte 
jib jchen 1577 eine kaiſerliche Beſtätigung jeiner Privilegien verſchafft 
und in gleicher Weiſe verfuhr Georg Baumann im Jabre 1596.  Yet- 
term gegemüber hatte ver Rat vie Verpflichtung zur Unterwerfung ımter 
jeine Cenſur ernenert und durch bejendere Dervorhebung der Famos— 
jchriften erweitert. Auch ver Witwe Georg Baumanns wurden dieſe 
Privilegien 1612 vom Rate verlängert und 1614 vom Kaiſer Matbias 
neu beitätigt. 

Nach ven betreffenden Attenſtücken handhabte nun ver Nat Die Gen- 
jur derart, daß er den Vertrieb reformierter und anderer „ſektiſcher“ 
Yitteratur jtveng verpönte, während er den ver katholiſchen zwar auf 
Grund ver Beſtimmungen des Augsburger Religionsfriedens geitatten 
mußte, den Druck verjelben in Breslau aber verhinderte. Und dennoch 
bejtätigte der Kaiſer die Privilegien, die den Druder an eben diefe Be— 
jtimmungen des Rats banven. Ja, als ver Nat dem jüngern Georg 
Baumann jein Privilegium für ſich und jeine Erben 1621 erneuert, auch 
auf Kalender und Prognostica ausgedehnt und 1630 neu beftätigt hatte, 
fonfirmierte Ferdinand III. 1643 nicht allein dieſe Privilegien, jondern 
erweiterte jie gewiſſermaßen noch durch vie Beitimmung, daß Baumann 
neben den gewöhnlichen Schul- und andern Büchern, Kalendern und 
Prognostieis alle andern am ſich gebrachten Scripta, tractatus und 
opera superiorum facultatum, cs jet in Theologie, Jurisprudenz, 
Mepizin ever Philoſophie, wie ſolche auf berühmten hohen Schulen zu 
pruden und zu verkaufen zugelaffen, ungehinvert durch vie Buchoruder 
und Buchbinver in Djterreih und inforporierten Yanden, und durch 
andere fremde Buchoruder, Buchführer, Buchbinder u. ſ. w. zu druden, 
öffentlich feil zu haben, auch zu verführen Macht und Recht baben jollte, 





590 Intriguen gegen das Cenſurrecht des breslauer Rats. [Neuntes 


Der Kaijer ging bier auffallenderweije jtilljchweigend darüber hinweg, daß 
Baumann nach ver jtäptiichen Genjur ausjchließlich nur jolche Bücher 
aus dem Gebiete der Theologie druden durfte, welche in ven kaiſerlichen 
Erblanden jtreng verpönt waren. 

Wenn dies eine Kolge der den ſchleſiſchen Ständen noch zuſtehenden 
Privilegien war, jo begann doch nun der Kampf ver Jeſuitenpartei gegen 
diejelben bald auch bier. Nach einem Bericht des Föniglichen Fiskals 
in Oberjcblefien, Auguftus Frank, batten jehen vor 1657 die Erben des 
breslauer Buchbändlers Johann Perfert bei den kaiſerlichen Behörden, 
nicht bei dem Rate, die Erlaubnis zur Errichtung einer zweiten Buch 
pruderei in Breslau nachgefucht. Als aber nach vem Tode des leßten 
Nachkommens Georg Baumanns, des Buchhändlers Kaſpar Kloſemann, 
deſſen Witwe eine zweite Ehe mit dem Syndikus der Stadt, Dr. An— 
dreas von Aſſig und Siegersdorff, einging, wurde durch genannten Frantz, 
jicher auf Veranlaſſung des Rektors des Jeſuitenkollegiums, Baltbajar 
Conrad, die Frage angeregt, ob es ſich nicht thun laffe, in Breslau noch 
eine andere Buchoruderei aufzurichten, ob Königl. Majejtät verbunden 
jei, das beſtehende Privilegium zu achten, oder ob fie nicht nach Be 
lieben noch eine andere Buchoruderei in Breslau verjtatten fünne, Die 
Genjur bei jolcher Buchoruderei gehöre wohl auch zu den boben Rega- 
libus. Ein beigelegtes Gutachten des genannten Jejuitenrektors weilt 
darauf bin, daß es jehr müßlich und notwendig jei, eine Buchoruderei 
in Breslau zu errichten, in welcher vor allem katholische und dann Bücher 
neutralen Inhalts (indifferentes) geprudt werden fünnten. Denn ob: 
gleich daſelbſt ſchon eine Buchdruckerei bejtehe, jo mare fich doch der Kat 
die Genjur an und dulde, unter dem Vorwande ver Erhaltung des öffent 
lichen Friedens, den Drud fatholifcher Bücher nicht, wie auch in ganz 
Schleſien feine leiftungsfähige katholiſche Buchpruderei eriftiere, ſodaß 
die breslauer Katholiken entweder auswärts drucken oder ihre Bücher von 
auswärts kommen laffen müßten. Der König brauche ſich um jo weniger 
an das von dem Rate erteilte Privilegium zu jtoßen, weil die Breslauer 
dasjelbe durch Das Berbot des Druds fatholifcher Bücher gemigbraucht 
hätten. Es wäre daher Löblich und mügßlich, in Breslau eine gute fatbe- 
liſche Buchdruckerei zu errichten, die jedoch der Genjur des Jeſuiten 
tollegiums oder einer andern durch den König zu verordnenden zu unter 
werfen wäre. Wenn nun auch vorläufig das Privilegium der Baumann 


Kapitel.) Die Rheinpfalz und Brandenburg. 591 


ſchen Erben noch beiteben blieb, jo wurde doch jchlieklih 1702 eine 
katholiſche „biſchöfliche Druckerei auf dem Dome“ vurd Andreas Franz 
Pega errichtet. 

Die Rheinpfalz batte als proteſtantiſcher, und namentlich refor— 
vie Preſſe zu beſchränken; ihr einziger geiſtiger Mittelpunkt, Heidelberg, 
übte nur in der theologiſchen Litteratur die gewöhnliche Univerſitäts— 
cenſur aus, die unter Umſtänden ſogar gegen den eigenen Landesherrn 
in Anwendung kam. Der im Sommer 1561 in Pflicht genommene 
Univerſitätsbuchdrucker Ludwig Luck (Yucius) erhielt im September des— 
ſelben Jahres von Kurfürſt Friedrich den Auftrag, das letzterm gewid— 
mete „Judicium Philippi Melanchthonis de controversia coenae do- 
mini“ innerhalb zwei Tagen zu pruden und die ganze Auflage an ven 
Kurfürſten abzuliefern. Yud, der umter andern verpflichtet worden war, 
nichts ohne Wiffen und Willen des Rektors und der Umiverfität zu 
Heidelberg zu druden oder zu vertreiben, bat um Verhaltungsmaßregeln 
für diefen Kal. Der Rektor Nafpar Agricola legte jofort die Sache 
dem Zenat vor und es wurde nach Berlejung des Briefs und der Schrift 
Melanchthons aus vielen Urjachen einftimmig beſchloſſen, es jei nicht 
zu gejtatten, daß der Univerſitätsbuchdrucker Luck dieſe Schrift zur Zeit 
drude. Zwar berubigte ſich ver Kurfürſt dabei nicht und übergab vie 
Schrift dem Vorjigenvden jeines Geheimen Rats, Georg Grafen von 
Erbach; aber auch viejer ſprach fich gleichfall® gegen den Drud aus, *! 

Brandenburg war bis zum Ende des 17. Jahrhunderts noch zu 
wenig entwidelt, noch zu jehr dur vie Befriedigung des nadten Be— 
dürfnifjes in Anjpruch genommen, als daß es während der zwei erjten 
Jahrhunderte nach Erfindung der Bucornderfunit von irgend welcher 
litterariſchen Bedeutung bitte jein können. Es bleibt alje für die bier 
zu behandelnde Periode nur noch Sachſen übrig. 

Einige Jahre nach der Zeit, in welcher die Buchdruckerkunſt hier 
feſte Wurzeln faßte (1485), batten ſich Kurfürſt Ernſt und Herzog Al— 
brecht in den Beſitz des ganzen Landes geteilt. Der Kurkreis und Thü— 
ringen verblieben den Erneſtinern, während Meißen mit den wichtigen 
Städten Dresden und Leipzig den Albertinern zufiel. Hier folgte dem 
erſten Herzog Albrecht dem Beherzten ſein Sohn Georg der Bärtige 
(1500 bis 1539), ver in der Folge ein ebenſo erbitterter Gegner der 





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592 Sachſen. Hartes Verfahren Herzog Georgs. Neuntes 


Reformation wurde, als ſein Vetter, Kurfürſt Friedrich ver Weije (1468 
bis 1525), ſich von Anfang an als ihr eifrigjter Körderer erwies. So 
verbot Georg die neue Vehre jofort bei ihrem erjten Auftreten in ſeinem 
Yande, vertrieb jeden, der nur dem lutheriſchen Gottesdienſte beiwohnte, 
umd rief feine in Wittenberg jtudierenden Untertbanen von dort zurüd, 
damit fie das lutheriſche Gift nicht einfügen. Schon 1522 verlangte er 
von den benachbarten Fürften gemeinjame Mafregeln gegen das Umſich— 
greifen der Reformation und vief die Hilfe des Kaijers gegen dieſelbe 
an. Sein Hauptzorn aber traf die Leipziger Buchdruder und Buch 
führer, welche lutheriſche Schriften vertrieben; unverzügliche Austreibung 
war ihre Strafe. Der leipziger Buchdrucker Michael Blum bat in jol- 
genvem rührenven Briefe, ihm umd jeinen Kindern ven Aufenthalt in 
Yeipzig nicht zu verbieten. Er iſt am Tage ver heiligen Katharina 
(25. November) 1525 gejchrieben und erklärt jich jelbit: 

‚Nachdem ich im jüngft vergangenen Sommer ein deutſches Büch— 
lein, jo Martin Yuther gegen ven Canonem gemacht, aus Unverſtänd— 
nis und unwiſſend, daß jolches E. Fürftlichen Gnaden entgegen jei, ge- 
drudt babe, verohalben E. F. G. einem Rat allbier zu Yeipzig mich 
in Straf zu nehmen gmädigen Befehl getban, welches venn gejcbeben, 
alſo daß mich der Rat bis in die dritten Wochen im Gefängnis ge- 
haften bat, Und jo ich nunmehr nach GErforderung meiner Nahrung 
mich von Yeipzig zu wenden geurjacht, und hat auf E. F. Gn. weitern 
Befehl ein Rat allhier mir gejagt, daß ich, wie ich mich von binnen 
wend, die Stadt Yeipzig fortan meiden joll, welches nicht allein mir, 
jondern auch meinen armen Kindern umd ander meiner Freundſchaft an 
ihren, auf Handwerkszünften, und alſo auch an unjrer Nahrung zum 
wirflicben Nachtheil und Schaden gedeihen möchte, derohalben wage ich 
an E. 3. ©. als meinen barmherzigen und milden Yandesfürften meine 
ganz demüthige, unterthänige und fleißige Bitte, E. 8. ©. wollen an 
gejehener Strafe des Raths allhie zu Yeipzig gnädige Sättigung baben, 
das Übrige, jo ich vielleicht verwirft, mit E. F. ©. mildern Barmberzig- 
feit urtheilen und mir, allen den Meinen und mir zu wirklichem Nach- 
theil die Stadt Yeipzig nicht zu verbieten.“ 

Aus Yeipzig, der damals großen und fat einzigen ſächſiſchen Druder- 
jtadt, vertrieben zu werben, hieß für einen dortigen Druder ziemlich jo- 
viel als ins Elend wandern, denn in den Heinern Städten der Nachbarjchnit 





Kapitel.] Preßpofizeilicher Drud auf den feipziger Buchhandel. 593 


war die Druderfunft noch kaum heimisch und jelbjt in ven größern Orten 
nur dürftig vertreten. Mochte die leipziger Univerfitit auch noch lange 
in ven Bahnen der Scholaftif fortwandelu, jeine Bürgerjchaft, nament- 
lich aber die große Mehrzahl ver Bucoruder und Buchhändler, fielen 
troß der Verfolgungen des Herzogs der neuen Yehre zu. Zwar für Dies- 
mal fand Michel Blum Gnade, wenn es nicht jein Anfang 1526 ein- 
tretender Top war, der die Ausführung des harten Befehls verhinderte; 
aber die Gejamtheit ver wohl ebenjo ſchuldigen leipziger Gejchäftsgenoffen 
jcbeint mit einer jchweren Geldbuße belegt worden zu jein. Denn bei 
ver von ihmen betonten gedrückten Geichäftslage ift es mehr als un— 
wahrſcheinlich, daß es ein reiner Aft ver Wohlthätigfeit war, „wenn bye 
Bucoruder und fuhrer“ im Jahre 1526 100 Gulden im das „Reiche 
Almoſen“ ftifteten. 

Unter Herzog Georg blieb daher Yeipzig in der Folge ein Haupt- 
verlagsort für katholische Yitteratur; die Leipziger Buchhändler bezeichnen 
dieſe aber jelbjt als jo gut wie unverfäuflich. Den wichtigften Handels— 
artifel für die Buchhändler jener Zeit bildeten Dagegen die Schriften 
ruthers und ver Neformatoren; durch jein Vertrieböverbot ſchädigte Der- 
zog Georg aljo nur die Intereffen der Yeipziger aufs empfindlichſte. 
Bejonders gefährlich wurde ihnen Wittenberg durch die Thätigfeit jeiner 
Verleger, welche jogar in Yeipzig Mehniederlagen und Kommanditen er: 
richteten und das früher blühende Leipziger Geſchäft am fich zu reißen 
drehten. Dem Herzog balfen jedoch auf die Dauer jeine ftrengen Maß— 
regeln nur wenig. Ob er die Buchläden nach Lutherſchen Läſterſchriften 
durchſuchen, wittenberger Buchhändler einjperren oder ausweilen, oder 
die umter fingierter Firma bergeftellten Nachornde ver wittenberger Preffe 
mit Bejchlag belegen, oder endlich jeine eigenen Bürger mafjenhaft als 
Anhänger der Reformation aus Yeipzig verjagen fie, es half alles 
nicht: der heimliche Bertrieb ver Reformationslitteratur fonnte nicht 
unterdrüdt werden. Selbft Michel Blum ver Jüngere, der Sohn des 
Semafregelten, ließ fich nicht abſchrecken. Es machte auch feinen Eindruck, 
daß in Dresren ver Verfaffer einer Yutherichen Schmähſchrift verurteilt 
wurde, „jein erdicht Schandtbuch zu frejfen” und daß Schänder ver 
Heiligenbilver zum Thore hinausgepeitjcht wurden. Das Gebot, alle Exem— 
plare von Luthers Bibelüberjekung gegen Erftattung des Preifes abzulie- 
fern, brachte im Amte Meißen mir vier Stüd ein; die Überjegung des 

Stopp. I. 38 





594 Freiheit der Bewegung in Wittenberg. Meuntes 


Neuen Tejtaments aber, die der Herzog 1527 ſelbſt durch Emjer heraus 
geben ließ, um der Welt zu beweijen, daß er nicht, wie Yuther ihm vor- 
warf, wider das Evangelium und das Wort Gottes jei, erwies fich, ab- 
gejehen von einigen Verjchlechterungen, als eine Kopie der Lutherſchen, 
ſodaß num dieje unter Emjers Namen von Obrigkeits wegen in die Hände 
der Yaien fam. 

Wenn nun auch Herzog Georg die Beitimmungen des Wormjer 
Edikts ſtreng und unerbittlich bandbabte, die ver jpätern Reichsordnungen, 
bejonvers die gegen die Sektierer, wiederholt energiſch einjchärfte — wie 
gezeigt jelbjt mit Nichtachtung der materiellen Intereſſen feines Yandes, 
denn der aufftrebende Buchbandel Yeipzigs, die raſch emporblühende leip- 
ziger Büchermejfe wurden unter jeinev Regierung faft dem Untergange 
zugeführt —, jo bat doch unverdienterweiſe drei Jahrhunderte bindurd 
der Makel auf ibn gelaftet: es babe ibn diefe Härte in Glaubensſachen 
jelbft zum Blutvergießen getrieben, er babe den nürnberger Buchführer 
Johann Herrgott im Jahre 1524 (richtiger 1527) wegen des Vertrichs 
Lutherſcher Schriften in Yeipzig binrichten laſſen. Neuere Forſchungen 
haben mit Sicherheit feitgeftellt ??, daß Derrgott nicht ein Märtyrer der 
kirchlichen Bewegung war, jondern als agrariſch-ſozialiſtiſcher Agitater, 
als ein Epigene der Führer int Bauernfriege mit dem Leben büßte. Das 
Nähere darüber ift bereits im ſiebenten Kapitel gebracht worden. 

In Wittenberg dagegen, in ver Reſidenz des damals Furfürjtlichen 
Theils von Zachjen, veröffentlichte Yutber alle jeine Schriften, jelbjt die 
beftigjten, ungebinvert von jever Genjur, höchſtens, daß ihn gelegentlich 
freundliche Bitten des Nurfürjten zur Mäßigung mahnten, wenn jeine 
urfräftige Ausdrucksweiſe ſelbſt fürſtlicher Perſonen nicht jchente. In 
cenſur- richtiger im preßpolizeilichen Aırgelegenheiten entſchied eben zur 
Zeit noch nicht das klar formulierte Geſetz, ſondern lediglich das Be 
lieben des jeweiligen Landesherrn oder Machthabers. Erſt nach George 
Tode, infolge dejien fich auch Yeipzig ganz ungehindert ver lutheriſchen 
Yehre zuwenden fommte, ihr zum Teil ſogar etwas gewaltjam zugeführt 
wurde, zeigen ſich unter Herzog Heinrich und unter den jpätern Kur: 
fürjten Morit (1542 bis 1553) und Auguſt (1553 bie 1580) die An- 
fünge einer rechtlichen Ordnung diejer Verhältniſſe, zumächft durch ge 
logentliche Mandate, erjt jeit ver zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts 
in Anlehnung an Die Reichsordnungen in Geſetzesform. 


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Kapitel.) Organiſation der Cenſur in Leipzig. 595 


In Yeipzig, welches ja bier bauptjächlich in Betracht kommt, wurde 
die Genjur zumächit durch den Rat ausgeübt. ?* Nachdem, wie jeben im 
zweiten Kapitel erwähnt, Nikolaus Wolrabe ver Genjur des Bürger: 
meilters und des Zuperintendenten (der Rat war an der Stircheninjpef- 
tion beteiligt) unterworfen worden war, wurde jchon furz nachher, am 
10. Mai 1539, auch ven übrigen leipziger Drudern eingejchärft, nichts 
Neues drucken und ausgehen zu laffen, jie hätten es denn zuvor dem 
Rate angezeigt. Am 9. Auguſt vesjelben Jahres wurde dann jogar ver: 
ordnet, daß alle acht Tage zwei Ratsherren zu ven Buchorudern geben 
und zujeben jollten, daß nichts, denn dem Gvangelio Gemäßes geprudt 
werte. Dieje Berfügungen bafieren natürlich auf Anoronungen Herzog 
Heinrichs; aber auch viejer gehorchte zum Zeil nur dem herrijchen Drud, 
welcen Kurfürſt Johann Friedrich von Wittenberg aus auf ihn aus— 
übte. Johann Friedrich, der Yuther frei gewähren lieh, war unduldſam 
gegen deſſen Gegner. Bei alledem war aber ver Rat im der Negel ge- 
neigt, das gejchäftliche Intereſſe ſeiner Bürger zu jchonen und es be- 
durfte gewöhnlich einer bejondern Anregung won Dresden, um ihn zum 
KEinjchreiten zu veranlaffen. Cine Verordnung des Herzogs Moritz 
vom 9. Mai 1546 verbietet, ohne Strafanprohung, den Berfauf gewifjer 
dent Kaiſer verdächtiger und verdrießlicher Reime, eine andere vom 8. Of- 
tober desjelben Jahres, und zwar bei erniter Strafe, ven Nachdruck eines 
nicht bejonders nambaft gemachten Senpbriefs; beive Verordnungen ſchwei— 
fen bereits auf das politifche Gebiet über, das erjt mit der Seit ver 
Grumbachſchen Händel eine größere Bereutung gewinnt. Im ganzen 
aber war die Cenſur noch erträglich, wenn fie überhaupt regelmäßig aus: 
geübt wurde. Noch ein Mandat vom LO. Januar 1549 richtet fich allein 
gegen ven Vertrieb jolcher Bücher, Yiever, Reime oder Gemälde, darinnen 
andere Yente bejchiwert werden, oder ſolche, die feinen oder einen unbe: 
fannten oder erdichteten Namen anfweifen oder die Angabe des Druck 
orts vermiſſen laſſen; die Verkäufer ſolcher Schriften jollen vorgeforvert, 
ihnen die Waren abgenommen und fie verwäarnt werden, und erjt wenn 
jie mit jolchen Büchern wiederfonmen, joll man fie gefänglich einziehen 
und Bericht darüber eritatten. Bon einem Verbote, jolche Yibelle im 
Lande zu druden, ijt dabei noch nicht die Rede. 

Weiter geht ſchon eine Verfügung vom 1. Februar 1558. Da viele 
Zchmähbücer, Yiever, Reime u. dal. unter falſchem Namen und jonit 

88 * 





5% Einfluß der firhlihen Wirren auf die Verſchärfung der Cenſur. [Neuntes 


ausgingen und feil gehalten würden, jo ergebe der ernjtliche Befehl, ver 
Rat wolle hinfüro feine neuen Bücher, Yieder, Reime noch jenjt etwas 
Neues druden oder feil haben laſſen, fie ſeien denn zuvor durch den 
Rektor der Univerfität, den Zuperintendenten und den Rat mit Fleiß 
überjehen worvden. Dieje wahrjcheinlich auch nach Wittenberg erlaffene 
Verordnung zieht zum erjten mal auch die Uniwverfität zur Beauffichtigung 
der Preſſe mit herbei. 

Als aber nach dem Tode Melanchthons die fryptocalviniftiichen Strei 
tigfeiten ausbrachen, hatte dies auch auf das Prefgewerbe merflichen Ein- 
fu. Schon am 1. April 1560 hatte Kurfürſt Auguft das Rejfript von 
1558 nen eingejcbärft und zwar mit jpezieller Bezugnabme auf Bücher 
und mit der auffallenden Änderung, daß ver Rat als Genjurtelle nicht 
mehr erwähnt wird. Es wird demjelben nur aufgetragen, die Buch— 
druder vorzufordern, fie zu befragen, was fie in Druck haben, und jol- 
ches von ihnen zu fordern und dem Rektor und den vier Defanen zur 
Durchficht zu übergeben, auch, wenn dieje etwas Bedenkliches fänden, 
den Drud zu verhindern. 

Eine weitere Verjchärfung brachte jchon ein Rejkript vom 14. Sep— 
tember 1562, welches jogar möglicherweije öffentlich werlejen worven iſt. 
Trotz früherer Verbote fehrten ſich doch einige unruhige Yeute nicht an 
diejelben — jo drüdt es fihb aus —, vielmehr wolle fich fajt ein jeder 
unterjteben, in Neligionsjachen nach jeinem eigenen Kopfe Bücher zu 
jchreiben und ausgehen zu laffen, wodurch die Leute irre umd der reinen 
Yehre abwendig gemacht würden. Cs ergebe daher ver Befehl, ver Kat 
wolle ernjtlih Verfügung thun, daß ſich männiglich, wer es auch jei, 
aller Schimpfreven, Yiever, Reime, Gedichte u. dal. enthalte, auch fein 
Buch, welches der Heiligen Schrift, der Augsburgiichen Konfeſſion und 
der allgemeinen chriftlichen Yehre entgegen, ins Yand eingeführt und ver- 
fauft oder verbreitet werde, desgleichen, daß niemand mehr ein Bud 
oder jonjt etiwas in Neligionsjachen drucke over herausgebe, es ſei denn 
zuvor den Univerſitäten zu Wittenberg und Yeipzig untergeben, durch— 
gejehen, für hriftlich und tüchtig erfannt und approbiert worden. Ebenſe 
jolle der Rat auf alle im Yande gedrudten Schriften, welche in Yeipzig 
feil gehalten würden, mit allem Fleiße jeben, und wenn Schmäbjchriften 
u. ſ. w. oder Bücher, die nicht won beiden Univerſitäten approbiert wären, 
vorkimen, ſolche einzieben und ven Thäter zu gefänglicher Verwahrung 


Kapitel.) Definitive Organijation der Preßpolizei in Yeipzig 1569. 597 


und ernjter Strafe nehmen, auch bierüber Bericht eritatten. Seinem 
bisherigen paſſiven Verbalten getreu, ſchob der Nat aber in vorkommenden 
Fällen alles „ad Theologos”; er wollte fich bei Hofe, des dort waltenden 
kirchlichen Meinungsftreites halber, „nicht verbrennen‘! 

Inzwiſchen waren die Srumbachichen Händel ausgebrochen, dazu die 
Flacianiſchen Streitigkeiten, jodar die Stimmung des Kurfürſten August 
immer gereizter wurde. Sein damit und mit den jpätern kryptocalvi— 
niſtiſchen Wirren zujammenbängendes hartes Verfahren in Sachen Ernit 
Vögelins ift im zweiten Kapitel erwähnt worden. Unter vem 1. Oktober 
1564 gelangte num wieder ein Reſkript an ven Rat: durch die verbor- 
benen Buchdrucker würden allenthalben mancherlei ſchädliche und ärger- 
libe Traftätlein gedrudt und unter das gemeine Volk gejprengt, was 
nur Verwirrung der Gewiſſen und Aufwiegelung gegen die Obrigkeit 
bervorriefe. Der Rat ſolle daher etliche aus feinem Mittel zu allen 
Buchführern, welche diefen Markt in Leipzig feil bätten, ſchicken, um 
ihnen bei Berluft aller ihrer Bücher ven Verkauf jolch ſchädlicher Traf- 
tätlein und Bücher, injonderbeit, was Wilhelm von Grumbach und jeine 
Anbänger in Drud geben, und dann was etliche Theologen zu Mans— 
ield und anderswo gegen die Theologen der beiden Univerfitäten und vie 
Yandesfirche ausgeben lajjen, ernitlich zu verbieten. 

Die Übertragung der Preßpolizei aber an Univerfitit und Rat zugleich 
findet jich zum erjten mal in dem furfürftlichen Reſkript vom 25. April 
1569; es liegen darin die Heime der kurſächſiſchen Bücherkommiſſion, wenn 
auch diefe Benenmung erſt viel ſpäter auftritt. Übrigens behielt der Rat 
dabei die Grefutive, während in Wittenberg Buchdruder und Buch: 
bunvler völlig der Jurisdiktion der Univerſität unteriworfen wurden. 

Wenn dieſes Reifript eine Vifitation der Buchläden auch nur für 
die betreffende Meſſe angeorpnet batte, jo wurde eine regelmäßige Be- 
auffichtigung des Mefverfehrs doch ſchon am 20. Dezember vesjelben 
Jahres verfügt. Endlich wurde dann am 26. Mai 1571 dur ein fur: 
fürtliches Mandat eine Art von Negulativ für die Preßgewerbe feit- 
geitellt, welches die Reichspreßordnungen gegen Schmäbjchriften, gegen 
Bücher ohne Angabe des Verfaffers und Drudorts und gegen Winfel- 
drudereien einjchärfte, die landesgejeßlichen Genfjurbeftimmungen mit ent- 
bielt und beſtimmte, daß nur in Dresden, Wittenberg und Yeipzig (und in 
Annaberg beim Hoflager) Drudereien bejteben dürften. Kine Verord— 


598 Streitigkeiten innerhalb der Behörde. Praxis der Cenſoren. Neuntes 


nung von 1588 verfügte zwar noch weiter, daß auch für die durch die 
Univerſität approbierten Bücher die Druckerlaubnis erſt in Dresden 
eingeholt werden ſollte; doch ſcheint dem keine Folge gegeben worden 
zu ſein. Dagegen wurden die Buchdrucker nun darauf vereidigt, ohne 
Cenſur der Univerſität und des Rats nichts zu drucken. Aber ebenſo, wie 
die dresdener Supercenſur — jedenfalls am Widerſtande der Univerſi 
tät — ſcheiterte, ließ ſich auch der Rat zu der erforderten regelmäßigen 
Viſitation der Buchläden nicht herbei, „va ſich niemand dazu gebrauchen 
laſſen wollte”. Daneben ſuchte ſich die Univerſität außerdem vie Cenſur— 
befugniſſe immer mehr allein anzueignen und beanſpruchte ſogar 1508 
die Cenſur über die Ratsmandate, wogegen ſich ver Rat — der ſich die 
Yofalcenjur, bejonders auch über die Neuen Zeitungen, vworbebalten 
hatte — natürlich energiſch ſträubte. 

Gegenſtand eines weitern Streitpunfts, defien Erledigung — neben 
der des joeben erwähnten — die Zeit eines ganzen Jahrhunderts erforderte, 
war die Vereidigung der Buchdrucker. Die Univerfitit beanjpructe die 
Mitwirkung dabei, weil die diejelbe anordnenden Nejkripte an Univerſität 
und Rat gemeinjchaftlich gerichtet waren und erjtere allem Anſchein nad 
gern die in Wittenberg beſtehenden Verhältniſſe auf Yeipzig übertragen 
hätte. Der Rat hingegen juchte ſich mit Fug und Recht vie Gewerbe 
polizei und die Jurisdiktion über feine Bürgerjchaft mit Entſchiedenheit 
zu wahren, fiegte auch jehlieflih ob. Es würde jedoch zu weit führen, 
hier näher auf derartige Kompetenzftreitigfeiten einzugeben. 

In der ganzen nachfolgenden Periode und bis zu Ende des Dreifig 
jährigen Kriegs jebeint die Prefpolizei, joweit fie fich auf Verfolgung 
mißliebiger Schriften eritredt, in Sachſen faſt ganz gerubt zu baben: 
nur wenige, ganz vereinzelte Fälle davon werden berichtet. Grit von 
der Michaelismeffe 1651 am beginnt das Fahnden auf Schmählarten 
und heterodoxe Schriften von neuem. Nach und nach wird auch in ein— 
zelnen Fällen eine genauere Beſtimmung des bisher unflaren Begriffe 
von „Libell“, „Famosſchrift“ und „Charteke“ gegeben. Verſchiedene Man 
date verbieten Schriften, die „wider die Ordentliche Obrigkeit lauffen“, 
oder die „ven landesfürjtlichen Regalien nachtheilige und gefährliche 
Dinge” enthalten oder gegen „Unjere Jura und Unjer Hohes Anjeben“ 
verſtoßen. Den Schriftjtellern und dem Preßgewerbe überhaupt war da— 
mit natürlich nicht gerade viel geholfen; das Belieben des Cenſors, um 


Kapitel.) Praxis der Cenſoren. Die Generalverordnung von 1686, 599 


über vdiejen hinaus das der Behörden, blieb ja doch die ultima ratio, 
Und dies Belieben ver Cenſoren, d. h. ver Dekane und Brofefforen, be: 
ſchränkte fich dabei nicht auf die Beurteilung: ob eine Schrift gegen 
Recht und gute Sitte veritiehe, oder nicht, — es maßte fich oft genug 
auch eine fachliche Kritit des zu cenfierenden Bude an. Es waren auch 
nicht allein die Theologen (worüber noch jpäter), die fo zu handeln fich 
für berechtigt hielten, nein, auch die Hiſtoriker, Die Mediziner jahen fich 
gemüßigt, je aufzutreten. Der Genfer von Schneiders „Chronicon Lip- 
siense‘” forrigierte dasjelbe gründlich, die medizinische Fakultät verhin— 
derte ven Drud eines Werfes über Chirurgie, und der Professor Poeseos 
Dr. Seller hielt jich für berufen, den Stil ver zu druckenden Hochzeits— 
carımina 1. j. w. von Obrigfeits wegen zu verbeffern! 

So berrjehte denn immer noch eine ſolche Unklarheit, daß die Regie: 
rung ſich nochmals veranlaft ſah, unter dem 27. Februar 1686 eine 
Generalverordnung zu publizieren, welche das Preßgewerbe für Einhei— 
miſche nun Auswärtige gründlich vegeln jollte. Indeß iſt auch dieſe Ver— 
ordnung faft nur eine Wieverholung früher erlaffener, nur daß neben 
Nennung des Druders auch die des Berlegers vorgeichrieben wird. Aber 
alle dieje Verordnungen fruchteten jo wenig, wurden jo häufig umgangen 
oder ignoriert, daß ſich die Regierung ſogar in einem Reſkript vom 
3. Januar 1698 zu Androhung von Yeibes- und Yebensitrafen bei Um— 
gehung der Genjur veranlakt fand. 

Die Befolgung der beftchenven drückenden Genjurvorjeriften, auf 
welche zunächit die Buchoruder verpflichtet waren, war allerdings jehwieria 
und ven üblem Einfluß auf die gefchäftlichen Verhältniſſe. Hatte ja 
doch neh am 26. Februar 1697 das Oberfonfijterium eine neue Ver— 
eidigung der Buchdrucker angeorpnet und beftimmt, daß bei namhafter 
Strafe „auch das Geringſte nicht” ohne Genfur des Defans oder des 
von ihm dazu Beauftragten geprudt werde, „diejenigen Seripta aber, 
je ven Statum publicum betreffen“ — damals hatte Auguſt der Starfe 
die polnische Königstrone erworben —, jeien „allein von dem Ordinario 
Unjrer Juriſten Facultät” zu cenfieren. Alle neuen Auflagen, mit over 
ohne Zujäße, jeien ebenfalls vorzulegen, ebenjo die Kataloge, welche. die 
Buchhändler in Mefzeiten druden ließen, obgleich deren Grundlage, der 
Meßkatalog, bereits mit Genjur gedruckt war. 

Aber vie Thätigkeit ver prefpolizeilichen Bebörve, der Bücherkommiſſion 


600 Stellung der Preßpolizeibehörde. Neuntes 


— ihre Geſchichte wird der zweite Band bringen —, wurde dadurch ge— 
hemmt, daß ſie lange Zeit hindurch nur ſolche Schritte thun durfte, die 
von Dresden aus ausdrücklich anbefohlen waren. Selbſt bei Vorkommen 
von Schriften, die der Aufſichtsbehörde unbedingt „bedenklich“ erſcheinen 
mußten, bittet dieſelbe unter dem 1. Mai 1675 um Erteilung eines Spezial 
befehls over eine generelle Anweifung fir folche Fälle. Das Oberkonſiſto— 
rium geftattete nun zwar eine vorläufige Konfisfation, verlangte aber 
Einſchickung ber betreffenden Schrift, ſodaß es ſich immerhin die Ent: 
jcheivung vorbebielt. Doch jcheint es, als ob das jtärfere Hervortreten 
der objcönen Yitteratur dasjelbe bald eines Beſſern belehrt hätte, denn 
ſchon unter dem 24. Mai 1676 wurde das eben erſt nur balb und balb 
proviſoriſch geftattete Vorgehen gegen „ärgerliche Sachen“ in aller Form 
eingejchärft, jodak die Bücherkommiſſion wie ver Rat allein — diejer für 
politiihe Pampblete — nun energijcher und jehneller einjchreiten konnten. 

Daneben tritt vorübergehend jeit 1661 das Beſtreben bervor, die 
Aufficht über das Preßgewerbe dem Konſiſtorium, alſo der Firchlichen 
Behörde, zu übertragen. Veranlaſſung bierzu batte jedenfalls die bei ver 
Bücherkommiſſion jeit langer Zeit eingewurzelte Gejchäftsverjchleppung ge 
boten; Rat und Univerfität, die beiden Teile ver Kommiſſion, wendeten 
ihre Aufmerfjamfeit mehr dem Austrage ihrer nicht abreikenden Kom 
petenzftreitigfeiten zu, al8 der Erledigung ver eigentlichen Amtsgeſchäfte. 
Der Berſuch aber, die Buchdruder und Buchhändler dem leipziger Kon- 
fiftorium dadurch unterzuorpnen, daß fie vor ihm erjcheinen und em 
Berzeichnis der von ihnen publizierten und zu publizierenden Artifel, ſamt 
Nachweis über erfolgte Cenſur verjelben, vorlegen jollten, jebeiterte an 
dem pafjiven Wiverftande des Rats, als der betreffenden Erekutivbebörte. 
Ebenſo hatte letterer mehrfach gegen das Beftreben ver Univerſität an 
zufämpfen, fich die Preßpofizei allein und mit Übergehung der Rechte 
des Rats anzumaßen. Cs fam dahin, daß leßterer in einzelnen Fällen 
jeinen Bürgern geradezu verbot, ven Gitationen der Univerfität folge zu 
feiften, obgleich dieſe ich varauf bezog, daß die ihr von Dresden aus 
ausdrücklich erteilten Befehle ein Ausfluf des Jus superioritatis ſeien, 
daß e8 zu ben Regalibus gehöre, jo zu verfahren, wie gejcheben. 

Es genügt nun aber nicht, dargethan zu haben, wie und nach wel: 
hen Richtungen hin fich die Aufficht über die Preſſe entwidelt bat; an 
einigen wenigen Beifpielen muß auch noch nachgewiejen werden, wie die 


Kapitel.) Willfürlihes Verfahren in Preßſachen. Nifolaus Brylinger. Hol 


Ausführung der Verordnungen und gejetlichen Borjehriften ſich geitaltet 
bat, wie aud in Sachjen oft nur perjönliches Belieben, ja felbjt Hein: 
lie Giferjucht, Beranlaffung zu Verfolgungen in Prefjachen geboten 
haben. 

Mas zumäcit das Verfahren in Fällen des Verbots einer Schrift 
betrifft, jo fieß jelbjt Herzog Georg noch öfter in patriarchalijcher Weiſe 
die verbotenen Schriften auffaufen; jpäter handelte man anders, Man 
fonfiszierte die beanftandeten Schriften und darauf folgte daunn das prefi- 
gerichtliche Berfahren. Mochte dieſes aber ausfallen, wie e8 wollte, was 
einmal fonfisziert war, blieb konfisziert, jelbjt wenn Freiſprechung er: 
folgte und alje fein rechtlicher Grund zur Bejchlagnahme vorlag; es tft 
das ſchon im achten Kapitel an einem Beifpiel aus der Zeit des Dreifig- 
jährigen Kriegs dargethan werden. Man ging jogar jo weit, daß z. B. 
in ver Michaelismejje 1675 fünf aus Dalberjtadt zur Weiterbeförverung 
nach Frankfurt geſchickte Ballen mit Schriften ver pietiftiichen Richtung, 
aljo reines Tranfitgut, auf Betrieb des Profeffors Scherzer, des Uni- 
verfitätspepntierten zur Bücherkommiſſion, in Yeipzig angehalten und zu 
fernerer Durchjebung zurüdbehalten wurden. Obſchon aber Scherzer jelbit 
nur eins der darin enthaltenen Werfe einigermaßen bedenklich fand, je 
mußte doch noch nach Jahren der Eigentümer um Rüdgabe jeines Eigen- 
tums reflamieren und bat es wohl niemals zurückerhalten.“ 

Zunächſt ein Beijpiel aus dem 16. Jahrhundert. Auf der frank: 
furter Faſtenmeſſe 1557 war eine pſeudonyme Schrift: „Bedencken von 
dem Kriege ver Anno ſechs, fieben- vnd viertzig Im Yandt zu Meißen 
vnnd Sacjen gefurth ift, geitelt durch Chriftian Aleman, mit einer furken 
Vorrede Chriftef Cunrads. Gedruckt zu Baſel 1557, durch Bartb. Sthele‘, 
verfauft worden. Kurfürſt Auguft, der fich dadurch verlett fühlte, daß 
jein Bruder Moritz und die jüchjischen Stände in ver Schrift heftig an- 
gegriffen wurden, batte anfangs einen thüringijchen Urſprung vermutet. 
Da fich dies, wenigitens betreffs des Berlegers, als unbegründet beraus: 
ftellte, wied er ven Rat zu Yeipzig an, die dortigen Buchhändler, welche 
das Pampblet von Frankfurt ber auf die leipziger Oſtermeſſe gebracht 
hatten, vorjufordern und ernftlich nach ihrer Bezugsquelle zu befragen. 
Hierdurch wurde der richtige Verfeger ermittelt: Nikolaus Brylinger in 
Baſel, der die Schrift durch ſeinen Schwiegerjohn Zthele hatte drucken 
faffen und ohne jeine eigene Firma zur Meſſe nach Frankfurt gebracht 


602 Willtürlices Verfahren in Preßſachen. Nikolaus Brylinger. |Neuntes 


hatte, Die Yeipziger zogen ſich aus der Schlinge durch Hinweis auf vie 
durch ven Drang der Mengeichäfte bepingte Unkenntnis des Inhalte. 
Um nun aber Brylinger beizufommen, was nur auf der Frankfurter 
Meſſe geicheben konnte, ſchickte der Kurfürſt ven Sekretär (jpätern Geh. 
Rat) Georg Cracau nach Frankfurt, „auch aufn Fall am ven Kath zu 
Oppenheim, Wormbs und Speier“ mit dem Auftrag, zumächit die An- 
weienbeit Brylingers auszjufundjchaften und dann ficb mit dem frant- 
furter Bürgermeifter Klaus Brunner in Verbindung zu jeßen, um dieſen 
für das Verlangen des Kurfürften zu gewinnen, nämlich: Brylinger in 
Daft zu nehmen und in Cracau's Gegenwart über Verfaffer u. ſ. w. der 
Schrift zu verbören und zur Verſchwiegenheit über jeine Ausjage anzu— 
halten. Verweigere Brylinger die Ausjage, jo möge man ihn peinlich be 
fragen; leugne er aber, jo jollten ihm die befannten leipziger, witten: 
berger und magdeburger Buchführer, die von ihm gekauft, vorgeſtelll 
und unter Berrohung mit der peinlichen Frage zum Zeugnis veranlaft 
werden. Zollten nur Brylingers Faktor oder jeine Diener zur Meſſe 
fommen, jo möge gegen fie in gleicher Weife verfahren werden. Der Rat 
entiprach nur zu gefügig dem Verlangen des Kurfüriten und nahm am 
8. September den tags zuvor eingetroffenen Brylinger ins Verhör. Diejer 
geitand ven Drud zu, erflärte aber, ven Berfaffer nicht zu kennen. Nun 
wurde er auf Koſten und Gefahr des Kurfürsten gefangen geſetzt. In 
zwiſchen war dieſer nach Dänemark gereift, und jeine Räte wagten im ver 
Sache nicht jelbftändig vorzugehen. So geichah es, daß Brylinger — obgleich 
er fich erbot, die noch übrigen Vorräte der Schrift auszuliefern und tus 
Originalmannjfript berbeizujchaffen, und obgleich er ſich auf Die Merfreibeit 
berief, auch der franffurter Rat jelbit für eim ordentliches Verfahren ein— 
trat — trog mehrfacher Interventions- une Vermittelungsverjuche, deren 
Aufzählung bier zu weit führen würde, bis zum 26. November 1557 
in Haft behalten wurde. Ev wurde erjt wieder freigelaflen, nachdem er 
Urfehde gejchworen und ſich verbindlich gemacht hatte, ſich auf kurſächſi 
ſches Verlangen jederzeit innerbalb eines halben Jahres in Frankfurt zu 
jtellen. Gegen den durch Einſendung ver Briefe und des Manuffripts 
ermittelten Berfafjer, Dr. jur. Monner in Jena, wurde num auf Be 
trieb des Kurfürſten in Weimar eine Kriminalunterfuchung eröffnet; doch 
jcheint jener vor Beendigung derjelben im Januar 1558 geftorben zu jein.’* 

Im Jahre 1638 fiel gar der Eiferfucht zweier Spruchkollegien falt 


Kapitel.) Willfürliches Verfahren in Preßſachen. Carpzow und Schleich. 03 


die ganze Auflage eines wertvollen Verlagsartifels zum Opfer. In 
Sachſen wurden feit dem 16. Jahrhundert die Akten in Kriminaljachen 
von den furfürftlichen Gerichten zum Verſpruch an den Schöppenftuhl in 
veipjig oder den in Wittenberg verjcbict, während viele Patrimonial: 
und Stadtgerichte jolche an die Juriſtenfakultäten jandten. Der leipziger 
Scöppenftuhl, der fich hierdurch unangenehm berührt fühlte, ſuchte fich 
mm auf Veranlaffung eines jeiner Beifiter, des hochangeſehenen Juriſten 
Benedikt Carpzow, ein Monopol des Rechtſprechens in Kriminalfachen 
zu vindizieren und gab dadurch VBeranlaffung zu heftigen Reibungen 
zwischen Schöppenftuhl und Univerſität. Als nun aber auch bie leip- 
tiger Advokaten in einer Eingabe an den Kurfürſten das Recht in An- 
ſpruch nahmen, in Striminaljachen Sprüce zu fällen, außer, wenn jolche 
bei furfürftlichen Gerichten anbängig wären, wurde der Streit durch zwei 
Rejfripte des Kurfürſten Johann Georg vom 26. Juni 1638 entjchienen. 
Während aber die Sache noch der furfürjtlichen Entſcheidung barrte, 
batte Karpzow feinen „Peinlichen Sächſiſchen Inquiſitions- und Achts- 
prozeß“ im Berlage von Clemens Schleihb und Mitverwandten in Trank: 
furt a. M. anonym erſcheinen laffen, da jeinem Manufkript in Witten: 
berg die Genfurgenehmigung verweigert worden war. In dieſem Buche 
batte er Tit. 9, Art. 3) den Juriftenfafultäten die Berechtigung abge- 
ſprochen, in eriminalibus zu erfennen und Urteil zu jprechen; ihre Ur: 
teile hätten feine größere Kraft, als wenn fie von privatis Doctoribus, 
denen das rechtliche Verſprechen nicht zugelaffen, gefällt wären, Wenn 
aber Richter und Beamte jolche Akten anderswohin, als an einen Schöppen- 
ftubl, verſchickten, hätten fie fich gerichtlicher Zufprüche und Prozeſſe höch- 
lichit zu befürchten. Daß Carpzow der Verfaffer des anonymen Werte 
jet, war ein öffentliches Geheimnis. Die Rückſicht auf den berübntten 
und bochgeitellten Mann war wohl auch VBeranlaffung zu einer außer: 
gewöhnlichen Milde des Kurfürjten, während andererjeits gegen ben Ver— 
leger mit aller Strenge vorgegangen wurde. Die Juriſtenfakultät hatte fich 
nämlich wiederholt bejchwerenn an ven Kurfürjten gewandt, indem fie 
ausführte, wie lite pendente eine ungenannte Privatperfon gewagt hätte, 
durch eine öffentlich verfaufte Schrift die Sache entjcbeiden zu wollen. 
Hierauf erfolgte unter dem 9. Auguſt 1638 ein weiteres Reſkript des 
Kurfürjten an Univerfität und Rat zu Yeipzia, welches befagt: weil vor 
allen Büchern „des Authoris und Tichters“, wie auch des Druders 


604 Willkürliches Verfahren in Preßſachen. Carpzow und Schleich. [Neuntes 


Name und Zuname ꝛc. ausgedrückt werden jolle, ſonſt aber das Bud 
nicht Feil gehabt, jondern, zumal wenn ehrliche Leute dadurch bejchimpft 
oder ihnen ſonſt Schaden zugefügt werden jollte, zu fonfiszieren, ver 
Buchhändler aber am Gute oder jonjt unnachfichtig zu beitrafen jet, une 
dann die Facultät ſich durch gedachten Tractat bochlädirt finde, babe fie 
gebeten, nicht allein jolche Konfisfatton gnädigſt anzuordnen, jondern auch 
wider diejenigen Buchführer, die ficb des Werfes durch distraction tbeil: 
baftig gemacht, mit gebührenvder Strafe zu verfahren. „Nun bätten wir 
wohl leiden mögen, daß der Author (wer ver auch jei) ingleichen ver 
Druder, die Reichsabſchiede beſſer, als gejcbeben, in Acht genommen, 
jonderlich aber der Decisio und Erörterung der zwijchen unfer Facultät 
und Schöppenftubl vorgefallenen Controvers (die wir feinem privato 
einräumen fönnen) eviwartet, und nicht zu unnötbigem Zank Anlaß ge 
geben bätte, wiren auch wohl befugt, bei jo bejchaffenen Sachen und 
Umftänden wicht allein die Confiscation gebetener Mafen anzuordıen, 
jondern auch des Druders und Verlegers halben, an gehörigen Oertern 
Ahndung zu thun. Wenn wir aber noch zur Zeit den gelinden Weg zu 
gehen entichloffen“, jo werde hierdurch angeoronet, daß alle in ven leip— 
iger Buchlävden noch vorhandenen Eremplare von ven Buchführern ab: 
zufordern, in Verwahrung zu nehmen und verfiegelt beizulegen jeien; 
der Verleger aber, oder jein Faktor, jei vorzufordern und ihm aufzugeben, 
den Autor, Druder und Cenſor zu nennen, ferner, dar, falls ibm over 
andern, die etwas von ihm erfauft, Die abgenommenen Exemplare wierer 
veftituiert werden joltten, er vor allen Dingen ven Titelbogen auf jeine 
Koften umzupruden, Autor, Druder und Ort zu benennen, ſodann Die 
Bogen Rund S aus allen Exemplaren nebmen und anftatt deren eine 
vorgejchriebene Anderung jesen müſſe. Außerdem ſeien von beiden, forri 
gierten und unforrigierten, Exemplaren wenigſtens acht Stüde an vie 
geheime Kanzlei einzujebiefen. Auch folle das alles dem Nate zu Arant 
furt mitgeteilt und ev erjucht werden, die bei Schleich befindlichen Exem— 
plare abzufordern und vor ver verlangten Korrefur micht wierer aus 
geben zu laffen, ihn auch anzubalten, die betreffenden kurfürſtlichen Re 
jfripte jeinen bisherigen Abnehmern durch auf jeine Ktoften berzuitellende 
Abdrucke mitzuteilen, andernfalls man die konfiszierten Exemplare nicht 
wieder herausgeben und ſich un Schleichs in den furfürftlichen Yanven 
befinpliches Vermögen halten wiirde. Auch in dieſem Kalle willfebrte 


Kapitel.) Verhalten der theologischen Fakultät bei der Genjur. 605 


der franffurter Rat dem Verlangen Kurſachſens ohne weiteres, und Ele— 
mens Schleich Erben — er jelbft war während der Unterjuchung im 
Auguft 1638 in Yeipzig an der Wafferjucht geftorben — fügten fich um 
jo bereitwilliger, als fie nur durch jolche Fügſamkeit einen ſchwerern Ver— 
mögensverluft abzuwenden vermochten. Infolge der anbefohlenen Konfis- 
fation ift von der eriten Ausgabe (jpäter erjchienen noch fünf von 1662 
bis 1733) faſt fein Exemplar mehr aufzufinden. ?* 

Schlieglich noch ein Beijpiel für das Verfahren der orthodorslutheri- 
iben Genjoren. Im Jahre 1697 Hatte der fopenhagener Buchhändler 
Erythropilus Auftrag gegeben, in Leipzig eine neue Auflage der aus 
dem Engliſchen überjetten Predigten und Schriften Thomas Watjons 
zu druden. Der Dekan der theologijchen Fakultät, Dr. Alberti, zugleich 
Mitglied ver Bücherkommiſſion, lehnte die Cenſur ab, da ihm nicht zu- 
gemutet werden fünne, ein Calviniſch Buch zu cenfieren. Die Buch— 
druder bejchwerten jich bei dem Rate: das Werk ſei jebon mehrmals in 
Sachſen geprudt, öffentlich verfauft und nie verboten worden; auf jolche - 
Art würde ihnen die Arbeit für fremde Buchhändler entzogen. Auf eine 
Eingabe des Rats entjchien diesmal dag Oberfonfiftorium doch — der Über: 
gang zu einer mildern Praris war jchon eingetreten —, dar Alberti das 
Verf cenfieren, etwaige bedenkliche Stellen und ſolche contra ortho- 
doxiam jtreichen und dann den Drud verjtatten jolle. 27 Jenes Ver- 
haften Alberti's war jedoch fein ausnahmsweiſes oder vereinzeltes; im 
Gegenteil, e8 entjprang dev Methode ver tbeologijchen Fakultät, auf dieje 
Weiſe das Erjcheinen eines jedweden ihrer dogmatiſchen Stellung nicht 
entiprechenden Werks in Yeipzig zu verhindern. Denn da Leipzig als 
Verlagsort nur auf ſolche Werke gejett werden durfte, welche daſelbſt 
die Cenſur pajffiert hatten, jo war mit der Verweigerung der Genjur 
nicht nur der Drud, jondern auch das Erjcheinen nicht orthodox-lutheri— 
iber Werke unterdrückt. Aus dieſem Mißbrauch des Kenjurrechts, nicht 
aus der Bedeutung Frankfurts als Meßplatz, erklärt es jich denn auch, 
dag um die Wende des 17. Jahrhunderts jo manche bedeutende theolo- 
giſche Werke zwar mit der Firma leipzigev Buchhändler, aber mit der 
alleinigen Bezeichnung Frankfurts als Verlagsort erjchienen. Beiſpiele 
bierfür bieten die Firma Johann Friedrich Gleditſch, und namentlich 
Thomas Fritſch. Letzterer lieh 3. B. die Kirchen und Ketzerhiſtorie 
Gottfried Arnolds und andere Werke desjelben Verfaffers in dieſer Weije 


606 Die Cenſur in den Heinen Staatögebieten. Meuntes 


ericheinen. Obſchon mit jüchliichem Privilegium begnadigt, hatten jie 
nicht in Yeipzig gedruckt werden fünnen; die Vorräte lagerten in Frank 
jurt, nur von bier aus wurden die Sejchäfte mit ihnen gemacht. Und 
doch war ihr Vertrieb nicht verboten! 

In den kleinen Staatsgebieten erfolgte die Handhabung der 
Preßpolizei fajt allein auf Grund der Reichsverordnungen, jo gut es 
eben ging und zum Teil im recht patriarchaliicher Weiſe. Beijpielshalber 
mag bier nur eine Beſtimmung aus ver Polizeiorpnung des Herzogs 
Wilhelm von Jülich, Kleve und Berg, datiert Düfjeldorf 1608, ibren 
Plat finden. ?° Unter der Rubrif „Buchtruder, Berfauffer vnd Fürer“ 
wird verboten, Bücher, jo den Wievertäufern, Saframentierern, Gottes: 
lüfterern und Aufrühreriſchen anbängig, oder ſonſtige Schmäh- um 
Schandbücher, «Schriften oder Gemählde feilzuhalten und zu verkaufen. 
Wer nach Publizierung dieſes Edikts mit jolcben betreten würde, dem 
jolften jolche Bücher, Schmäb- und Schanpdjchriften oder Gemählde ab- 
. genommen, dieje dem Herzog eingejchieft und den Verkäufern wicht mebr 
verjtattet Werden, im den Fürſtentümern Bücher feil zu baben. Die 
Paftoren, Schultheißen, Vögte und Nichter jeden Orts jollten fleißig 
darauf Acht haben, dar feine Bücher verkauft würden, fie jeien denn 
vorher durch die Paſtoren und Kirchendiener zugelaffen. Desgleichen 
jolften jolche Bücher u. ſ. w. nicht gefauft und behalten, jondern den Amt 
leuten und „Obriſten“ unverweilt ausgeliefert werden, alles bei Ztrafe 
der Winfelprediger, d. b. bei Strafe an Yerb und Yeben und im all des 
Entweichens bei Konfisfation aller Güter der Straffälligen. 

Im Anſchluß bieran ſei beiläufig eine ganz ähnlich lautende Berorr- 
mung König Chrijtians IV. von Dänemark mit erwähnt. ?? Es würven, 
beißt e8 darin, auswärts gedrudte däniſche Bücher eingefübrt, welde 
teils einige Punkte und Artifel gegen chriftlicbe Sitte und Religion, je 
wie unnütze Materien behandelten, teils politische präjudizierliche Irrungen 
veranlafjen fünnten. Es werden darum die früher deshalb ergangenen 
Befehle eingejchärft und alle Vögte, Amtleute, Bürgermeifter u. |. w. 
ermahnt, ſtreng auf veren Befolgung zu halten. Dabei werven die 
Superintendenten angewiejen, ihre Stifter gehörig zu imfpizieren und 
ihre Priefter anzubalten, fleißig auf ſolche Bücher Acht zu baben und 
vorfommendenfalls jofort Anzeige zu erjtatten. 

Während jo überall mit größerer oder geringerer Strafe gegen al 


Kapitel.) Väterliche Fürſorge in Medfenburg. 507 


weichende Meinungen auf tbeologiicben over politiſchem Gebiet einge: 
jchritten wurde, macht es einen faſt anbeimelnden Eindrud, zu jeben, 
ivie eine ver fleinern Regierungen gleichſam wäterlich auch für das leib- 
libe und moralische Wohl ihrer Unterthanen beforgt war. ?° Herzog 
Guſtav Adolf von Medlenburg batte 1682 und unter dem 1. Mai 1684 
Edikte gegen abergläubiiche Bücher und namentlich gegen die „varauff 
gegründete verdächtige Curen an Menjeben und Viehe“ erlaffen und vie 
Konfiskation jolcber Bücher anbefohlen. Es war beienders auf Das be 
liebte, vielfach aufgelegte Colerſche Hausbuch abgejeben; binnen 14 Tagen 
jollten bei jtrenger Strafe alle Eremplare desjelben an die Inſtizkanzlei 
eingejchieft werden. Das Editt jebeint jedoch feinen Erfolg gebabt zu 
haben; denn eine neue Verordnung vom 23. Auguſt 1698 ſchärft Die 
beſtehenden Verfügungen von neuem ein und richtet fich beſonders gegen 
eine „genrudte Charteque unter ver Rubrie: Etliche jonderbare und 
Merkwürdige Propheceyhungen jo ſich auff das 1680. bie zu dem 1700ften 
Jahr erſtrecken“. Dieſe ohne Benennung von Drudort oder Verfaſſer 
erjchienene Schrift werde im Yande berumgetvagen und vielleicht auch in 
ven Buchläden öffentlich verfauft. Es wird mm befehlen, dieſe Schrift 
abzuthun oder dem Buchführer wieder einzuliefern. Zugleich wird allen 
Buchhändlern ernitlich verboten, ſolche Schrift weiter zu verkaufen, wiel- 
mehr jellen alle Exemplare ſofort in die Aultizkanzlei eingeliefert und 
das Geld, was fie wert jeien, den Einjendern bezahlt werden. 

Die politifch und friegertich bewegte Zeit des letzten Biertels des 
17. Jahrhunderts zeitigte eine Flut von Gelegenbeitsichriften und Pam— 
phleten, Kriegsberichten und Satiren, welche bei der wieder geweckten Yeje- 
luſt der großen Maffen eine weite Verbreitung fanden. Der Hauſier— 
verfebr lebte — wenigjtens in Norddeutſchland — wierer in einer Weile 
und Ausdehnung auf, die lebbaft an die Zeiten der Neformation erin: 
nert. Die Thätigfeit der Prekpolizei wurde eine angeipanntere, die 
Strenge womöglich eine größere, ibre Willfür wuchs. Aber die Schil: 
derung diejer Wandlung muß des Zuſammenhangs halber ven zweiten 
Bande dieſes Werts vorbehalten werben, 


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Zehntes Kapitel. 


Die frankfurter Bücherkommiſſion. 


Weltlage im legten Drittel des 16. Jahrhunderts. — Die Jeſuiten. — Erſte An 
deutungen über die Kommiſſion. Zwed derjelben. — Kurzlichtigfeit des franffurter 
Rats. — Definitive Einjegung durch Rudolf II. — Allmähliches Hervortreten ihrer 
Ziele. — Rekonftruftion im Jahre 1608. — Widerjtand von Kurjachjen und Pfalz. 
— Reiterentwidelung der Übergriffe. — Perjonalien. — Direftes Eingreifen des 
faijerlichen Hofs, — Die Pilichteremplare. — Neubeginn der Bedrüdungen nad 
dem Wejtfäliichen Frieden. — Die Bücherlommiffare Hörnigk und Sperling. — 
Die Bücertare. — Klagen über Schäden im Buchhandel. — Steigerung der Ehi- 
fanen. — Auftreten der evangeliihen Neichsitände. — Der Bücherkommiſſar Boll- 
mar und jeine neue Inſtruktion. — Vorbereitung einer Wandlung in den Ge- 
ihäftsformen des Buchhandels. 


Man wird die eigentlichen Beweggründe für die Cinführung ver 
fatjerlichen Bücherfommiffion in Frankfurt a. M. nur dan richtig ver- 
jtehen, wenn man die allgemeine europäiſche Weltlage der legten vierzig 
Jahre des 16. Jahrhunderts in Betracht zieht. 

In Deutjchland war jeit dem Augsburger Keligionsfrieden (1555) 
ein leidlicher Friedenszuſtand eingetreten, und es ſchien eine Zeit lang 
jogar möglich, daR fich die feindlichen Gegenſätze verjühnen liegen. Unter 
der glatten Oberfläche tobten aber die wildeiten Yeidenfchaften fort und 
namentlich bereitete ſich vie Fatholiiche Kirche zur Wiederaufnahme ves 
Kampfes vor. Sie faßte nämlich auf dem Triventiner Konzil alle ihre 
bisher zerjplitierten Kräfte in einen einzigen einheitlichen und zielbewur: 
ten Willen zuſammen, ftellte die püpftliche Autorität an die Spitze aller 
Gläubigen, kannte fein Schwanken mehr in ihrem Verhältnis zu ven 
Protejtanten und arbeitete auf unbedingte Verfolgung aller Ketzer bin. 
Wenig gewiſſenhaft in der Wahl ihrer Mittel und von den Jeſuiten, 


(Zehntes Kapitel.) Beginn des Kampfes der Jeſuiten gegen die Preſſe. 609 


den fühigften Politifern ihrer Zeit, geführt, entzündete fie den offenen 
Kampf, wo er bisher noch nicht gewütet hatte, und brachte unter andern 
Mafregeln auch eine jtrenge Bücherpolizei nebft einem Inder (verbotener 
Bücher). Rings um Deutjchland herum [oderte ver Glaubensfrieg. In den 
Niederlanden erjticte Alba die Bewegung der Protejtanten in einem 
Meere von Blut und ließ ziemlich zu derjelben Zeit, als der erſte Plan 
einer Biücherfommiffion aus der faiferlichen Hofburg nach Frankfurt ge- 
langte, die Führer Egmont und Horn enthaupten. In Franfreich er- 
litten 1569 die Hugenotten die fetten Niederlagen im offenen Felde, und 
drei Jahre fpäter juchten die Guiſen ihre hier gewonnene Macht durch 
die Pariſer Bluthochzeit zu befeftigen. 

In Deutjchland fühlte damals feine der beiden Parteien, weder Re— 
formation noch Rejtauration, weder Augsburger Bekenntnis noch Tri- 
dentiner Satzung, bejondere Neigung zum blutigen Waffenipiel. Der 
Kampf wurde aljo auf geiftigem Gebiet eröffnet. Bis dahin war ver 
Proteſtantismus dadurch im Übergewicht, daß er, was die fathofifche 
Kirhe jo lange verſäumt, fich mit burchichlagendem Erfolg des ganzen 
geiſtigen Lebens bemächtigt, die Litteratur, die neue humaniſtiſche Bil- 
dung, Erziehung und Schule ganz in die Hand genommen hatte. Die 
angejebenften Namen im jedem Zweige der Gelehrjamfeit und Schrift- 
ſtellerei entſtammten in überwiegenver Zahl dem Kreiſe der Protejtanten 
und zu ihrem Publikum gehörte jo ziemlich die ganze geiftige Arifto- 
fratie der Nation. Seit den fechziger und fiebziger Jahren entjteht eine 
Art Gegenwirfung, der Jeſuitismus füngt an, mit den Mitteln dev neuen 
Zeit zu arbeiten, feinem Prinzip gemäß, ganz anders wie die Mönche- 
orden, die von Welt und Wiffenjchaft jehlieglich nichts mehr wußten. 
An Talenten, Kenntniffen, jchlagfertiger Dialeftif fehlte es ibm nicht, 
und in dieſer neuen Richtung erjchien er jett auf dem Kampfplate, den 
Gegner mit den eigenen Waffen zu jchlagen. ! 

Erleichtert wurde den Jeſuiten diefer Kampf und der endliche Sieg 
durch zwei Umftände: einmal durch ven Haß und die jteigende Erbitte- 
rung, mit welcher die „rabies theologica” der Lutheraner und Refor- 
mierten fich untereinander verfolgten und zerfleifchten, dann aber durch 
die weltliche Macht, welche wohl oder übel ihnen ihren Arm lich over 
gar leihen mußte. Es war fein Geringerer als der veutjche Kaifer 
jelbjt, welcher, wie fich das im Yaufe diefer Darftellung zeigen wird, im 

app. 1. 39 


610 Die Einfegung der Bücherlommiffion 1569. [Behntes 


Dienfte und auf Befehl des römischen Papftes Polizei: und Häjcherdienfte 
gegen Yitteratur und Buchhandel verrichten lieh. 

Die fatholifche Kirche oder die Jeſuiten — denn dieje find fortan 
die treibenden und ausführenden Kräfte des päpftlihen Stuhls nad 
außen bin — gingen natürlich äußerſt vorfichtig zu Werke. Sie beob- 
achteten jcharf und ficher und brauchten fich auch nicht zu übereilen, va 
die Protejtanten durch ihre innern Zwijtigfeiten jo in Anjpruch genom- 
men waren, daß fie nicht einmal jahen, was fich um fie her vorbereitete. 
In jenen auf die Stürme der Reformation folgenden Tagen der Rube 
hatte fich der deutjche Buchhandel zu einer bisher noch nicht gefannten 
Höhe emporgejhwungen, und nicht er allein, nein, Handwerk und Ge- 
werbe, Handel und Kunſt waren herrlich erblüht und feierten noch ein- 
mal eine kurze Renaiſſance. Die bürgerlichen und veligiöjen Kämpfe in 
Frankreich und in den Niederlanden hatten Taufende von gewerbfleißigen 
Franzoſen und Belgiern nach Deutjchland getrieben und namentlich zog 
Deutjchland aus ben antwerpener Flüchtlingen große Vorteile für feinen 
Handel. Im dieje Zeit ver höchſten Blüte des franffurter Meßverkehrs 
einerſeits und der Überlegenheit der Waffen katholischer Mächte anderer: 
jeits fällt nun der Erlaß, durch welchen der Kaifer Marimilian IL am 
1. Auguft 1569 eine Bücherfommiffion in Frankfurt einſetzte. „Indeme 
die truderherren bis dermohlen noch nit jo ftark im Schwunge waren“, 
jagt ein dem franffurter Rate über die Bücherfommiffion unterbreitetes 
Gutachten vom Jahre 1696. ? 

Der Kaijer verfolgte mit jenem Erlaß ein doppeltes Ziel: einmal 
bie Verhinderung der Verbreitung „derjenigen vntawglichen und verbotte- 
nen jectijchen Schriften, welche unter Mißbrauch des Namens der Maje- 
jtät mit deren Freiheiten verjehen waren, und durch dieſe Täufchung vie 
armen einfeltigen Leute verfüret und betrogen“, ſodann aber die Wah- 
rung jeiner Rechte auf die Freiexemplare, welche er für die Privilegie- 
rung einzelner Bücher beanjpruchte. Das leßtere, ziemlich harnılos er- 
icheinende Verlangen geht dem bier zuerjt erwähnten voran und tritt 
auch jpäter in ven faiferlichen Reſtripten mehr und mehr in den Vorver- 
grund; indeffen darf man aus dieſer bejondern Betonung nicht jchließen, 
daß das Verbot und die Unterbrüdung der dem Papft und Kaiſer miß- 
liebigen Schriften nur ein Nebenpunft gewejen jei. Man jtellte ihn 
lediglich jo Hin, um den Mafregeln gegen ven Inhalt ver Bücher ein 


Kapitel.) Die Aufgaben der Bücherfommiffion. 611 


meniger gehäſſiges Anjehen zu geben. Man achtete natürlich in der Hof- 
burg die Freiexemplare feineswegs gering, forderte fie jogar mit unnach- 
fichtiger Strenge ein, allein noch mehr ftrebte man nach Knebelung ver 
Preffe. Auf vireftem Wege fonnte man ihr nicht beifommen, ba bie 
Freie Stadt Frankfurt, wie jeder Reichsftand, die Genfur bei fich zu 
handhaben hatte und die auswärts gebrudten Bücher am Orte ihres 
Erſcheinens bereits cenfiert waren oder doch cenfiert jein jollten. Man 
juchte fich deshalb in ver Folgezeit der Gejamtheit der neuerjchienenen 
Bücher zu verfihern und erreichte dadurch allerdings weit mehr. 

„Da nun‘, beißt e8 in dem Erlaß vom 1. Augujt 1569 an ven 
frankfurter Rat wörtlich weiter, „aus jolchen bochfträflichen und Uns 
ganz unleidlichen Urſachen Unjerer Neichshoffanzlei an dero Herkommen 
und Gerechtigfeiten Abbruch gejchiebt, jo befehlen Wir Euch, daß Ihr 
zur jegt angehenden Herbitmeffe aller Buchoruder und dero Führer die 
Buchhändler jo viel dero diefelbe bejuchen und gebrauchen, Gewölbe over 
Buchläden, feinen ausgenommen, durch Etliche aus Eurem Mittel oder 
ſonſt Euch dienjtwerpflichtete Perjonen unerwarteter Dingen erfuchen und 
befichtigen, auch von denen jeden ein eigentlich orventliches Verzeichniß 
alfer deren Bücher, Traftate und Mappen innerhalb ver letzten fünf 
Jahre während Unjerer Kaijerlichen Regierung gedruckt, jonderlich aber 
derjenigen, jo unter Unſerm SKaiferlichen Privilegio oder Freiheit ausge- 
gangen, zufammt vemjelben Privilegio erfordern und geziemender fleißig 
befichtigen und fonferiren laffet. Falls Ihr aber Bücher, Traftate oder 
Meappen findet, für welche Unjer Privilegium nicht jofort beigebracht 
oder für deſſen Beibringung auf der nächiten Meſſe feine Bürgjchaft 
geftellt werben kann, jo jollt Ihr alle dieje Opera an Unſrer Statt 
in Eure Verwahrung nehmen und Unſerm Neichsjefreter und Tarator 
Chriſtoph Ungelter von Teiffenhaufen ſammt Verzeichniß und Eurer An— 
zeige überjenden. Diejenigen endlich, welche ein Privilegium vorlegen 
fönnen oder es auf nächiter Meſſe vorlegen wollen, jollt Ihr anhalten, 
nachzumeijen, warn und wie viel Eremplare fie Unſrer NReichshoftanzlei 
überjandt haben, oder aber Ihr ſollt jogleich jo viel Exemplaria zu 
Handen nehmen, auch wie viel Jahre Ihr das ausgebrachte Privilegium 
geftellt befinden werbet, und folche ebenmäßiger Gejtalt Unſrer Reichs— 
fanzlei überjenden. Im diejer Ordnung jollt Ihr mit den men ausge 
gangenen Büchern und Überjchidung dero Anzahl Eremplare von Meffe zu 

39* 


612 Publikation des Neikripts an die Buchhändler durd den Nat. [Fehntes 


Meſſe vorgehen und in Unjerm Namen ven Buchhändlern und Trudern, 
auch zu halten umd fich ſelbſt vor Schaden zu hüten, werfünden.‘ 

Der Rat erhielt diefen Erlaß erſt am 11. September 1569, alfe zu 
einer Zeit, wo die Meſſe ſchon angefangen hatte, kam aber bereits am 
14. ej. dem fatjerlichen Befehle nach und beſchied die in Frankfurt an 
weſenden einheimifchen und fremden Buchhändler auf ven 16. und 18. Ser 
tember 1569 vor fih, um fie zur Vorzeigung ihrer Privilegien und Ab- 
fieferung ihres Katalogs, jowie zur Einjendung der verlangten Freiexem— 
plare zu veranlaffen. Es waren im ganzen die Vertreter von 87 Firmen 
borgeforbert, darunter 14 aus Köln, 5 aus Antwerpen, 7 aus Nirn- 
berg, 5 aus Straßburg, 8 aus Bajel, 15 aus Frankfurt, 3 aus Venedig, 
4 aus on und 5 aus Genf; es erjchtenen im ganzen aber nur 29. 
Da nun die meiften der jo unerwartet Beſchiedenen ihre Privilegien 
oder deren Bejcheinigung nicht bei jich hatten, jo verjprachen fie, die 
jelben auf der nächiten Faftenmefje vorzulegen. Der Kaiſer batte jogar 
verlangt, fie unter Bürgſchaft zu jtellen, ver Nat aber jab daven ab, 
weil die fremden Buchhändler von einer Meſſe zur andern für viele 
hundert Gulden Bücher in ihren Gemwölben und Buchläden zu binter- 
(affen pflegten. Er bemerkte ferner erläuternd bei Überjendung ver Liſte 
an den Kaiſer, daß die „oberzelten“ Perſonen nicht alle Buchdruder, 
fondern mebrfah zum Zeil Buchhändler, zum Teil Buchfübrer jeien, 
daß ferner unter ven Buchorudern nicht alle Privilegien hätten, weshalb 
diefelben denn auch am zweiten Tage (18. September) nicht wieder vor 
dem Ratsversroneten erjchienen jeien. Sodann drudten von denjenigen, 
welche Privilegien hätten, viele Bücher für fich jelbft, ohne ſolche Privi- 
(egien zu erwähnen. Außerdem gäbe e8 auch viele von ven Typographis, 
die für fich jelbjt nichts, ſondern allein mercenarie andern, zum Teil 
auch Buchdruckern, zum Zeil cber auch Buchhänplern und Berlegern 
druckten und die gedruckten Exemplaria venjelben, jobald das Werl 
fertig jet, zuftellten. Solche bevürften ver faijerlichen Privilegien gar 
nicht. Endlich "aber druckten viele Typographi sub Privilegio Caesareo, 
welches doch nicht fie, jondern ihre Autoren auswirkten und binter ſich 
behielten, damit fie repetitas editiones sub tali privilegio, welden 
Druder fie wollten, libere zuftellen möchten. Solche Unterjcheidungen 
müßten aber in diefem Handel wohl objerviert und bedacht werden. 

Bon den Firmen, welche im September 1569 jenes Verſprechen ge 


Kapitel.] Berhalten der Buchhändler. 613 


geben hatten, machten es im der nüchitfolgenden Faſtenmeſſe, zwijchen 
ven 18. und 25. März 1570, nur 11 gut. Der Rat behelligte jie nicht 
weiter, vielleicht weil der Kaiſer entweder die ganze Angelegenheit ver- 
geilen hatte, oder aus dem Grunde auf fich beruhen ließ, weil er einjah, 
daß größere praftiiche Schwierigkeiten mit ihrer Ausführung verbunden 
waren, ald er vorausgejeßt hatte. Von den nachjtehenden Buchhändlern 
baben nur diejenigen, deren Namen gejperrt gedruckt find, ihre Privi- 
fegien nachzuweifen und Verlagskataloge einzureichen für gut befunden; 
ob jie die verlangten Freiexemplare eingejfandt haben, darüber findet fich 
fein Beleg in den Akten. Im Faſtenmeßtermin erjchienen aus Frank— 
rt a M. Ehrijtian Egenolphs Erben, Sigismund Feyer— 
abend und Johannn Wolff; aus Bajel Balth. Hahn in Gemein- 
ibaft mit Polyfarp und Hieronymus Gemujaeus, Vertreter der Firma 
Oporinus, Peter Perna, oh. Herwagen, Hieronymus Froben, Euje- 
bins Episcopus und Heinrich Petri; aus Straßburg Joſias und 
Theodoſius Rihel; aus Köln Gerwin Galenius für fih und die 
Erben Duentel, Maternus Cholinus, Theodor Graminaeus, Johann 
Pirdmann und der SKartenverleger Dans Goſſel; von Nürnberg 
für Johann von Bergs Erben Dietrich Gerlach und ver Kartenpruder 
Sans Woldran; von Wittenberg Samuel Seelfiſch; von Ingoljtadt 
Aerander Weißenhorn; von Augsburg Iſaac Keller für Georg Willer; 
von Heidelberg Mathias Harniſch und von Mainz Martin Behem. 
Ton Antwerpen werden Chriftoph Plantin und Cornelius Caimor nam: 
baft gemacht. Diejer lettere, Bürger in Nürnberg, jeine Brüder Hubert 
und Heinrich Caimor, Bürger zu Speyer, und Dans Goffel von Köln 
zeigten bei ihrer VBernehmung am 18. März 1570 unter anderm an, 
„das Sy nur ain cosınograpbiihe Mappam, So Sy Vniversalem de- 
scriptionem totius mundi nennen, Und den 1. Augufti jüngjt zu Teyfi- 
burg (Duisburg) und Cöln under Kayſ. Dit 14 und der Kön. Mt in 
Hispanien Privilegio vf 10 Jar nit nachzutruden, getrudt, So Sy von 
Serarden Mercatore Mappentrudher zu Teyſſburg, erfaufft.“ 

Der Rat hatte Marimilian feinen erjten Bericht am 17. November 
1569 eritattet. Er war politifch jo furzfichtig, am Ende desjelben dem 
Kaiſer eine verfängliche und in der Folge verhängnisvoll gewordene 
Herausforderung zu jtellen, welche die eigentliche Grundlage für die ſpä— 
tere Bücherfommiffion wurde. Er erflärte nämlich, dev ihm gewordene 


614 Kurzfichtiges Verhalten des franffurter Rats. Zehntes 


Auftrag koſte zu viel Zeit und noch mehr Arbeitskräfte, weshalb er bitte, 
von der Prüfung der Bücherprivilegien und dem Beſuche ver Buchhänpler- 
gewölbe entbunvden zu werben. Der Kaiſer möge nicht allein jeinen Rat 
Jakob Ochjeln von Schlettftabt, ver zur Herbitmeffe 1569 ſonderlich ander 
verordnet worden, fondern auch etliche feiner gelehrten Räte nach Frank— 
furt ſchicken, mit gnädigftem Befehl, nach Befindung dieſes Handels nütz— 
fiche Ordnung, wie e8 hinfür mit vielgedachten Buchbrudern und Buch— 
händfern gehalten werden jolle, zu geben, wobei er, der Rat, dam ınög- 
liche Aſſiſtenz leiften wolle. Mearimiltan dankte ver Stadt am 1. März 
1570 für den von ihr beiviefenen Eifer, meinte, fie übertreibe ihre Ver- 
antiwortlichfeit und Arbeit und erflärte, daß dieje jehr leicht durch zwei 
Perjonen in ganz furzer Zeit verrichtet werden fünne. Inden er nicht 
weniger als fünf Freiexemplare verlangte, bejchränfte er jeinen erjten 
Befehl dahin, daß dieſer in Zukunft nur für die neuen, während des 
legten Jahres erjchienenen Bücher gelten ſolle. Wenn der Rat die Trag— 
weite jeines Verhaltens hätte vorausfehen fünnen, jo würde er mit beiden 
Händen nach diefer Vermittelung gegriffen und durch Anftellung von 
einem oder zwei Beamten die fernere Einmiſchung des Kaiſers verhin— 
dert haben. Aber er hatte unglüclicherweije feine Ahnung von dem, was 
fommen würde, und bejehränfte fich in feiner Rückäußerung vom 7. Juli 
1570 darauf, dem Kaifer die ausführlichen Protofolle jeiner Verband: 
lungen einzujenden und feine Dienjte auch für die Zukunft anzubieten. 
Marimilian aber antwortete nicht einmal und ließ es bis zu ſeinem 
Tode bei ven von ihm befohlenen, aber vom frankfurter Rate jpäter 
nicht wieder ausgeführten Mafregeln bewenden. 

Auch unter Rudolf II. wagte ſich die von den Jeſuiten geleitete habs- 
burgiſche Politik anfangs nur jchüchtern und verjuchsweiie vor, erhob ſich 
aber bald zu kühnern Anläufen und ging jchließlich zu entjchloffenen Ein: 
griffen in die Nechte ver Stadt erfolgreich über. Der neue Kaijer jak 
faum drei Jahre auf dem Thron, als er mit viel größerer Energie denn 
jein Vater einen Feldzug gegen die Frankfurter Büchermeſſe eröffnete. 
Als er jeine Aufmerkfamfeit dem Reiche zuzuwenden anfing, ſtreckten 1579 
jeine Ratgeber mit ganz richtiger Witterung ihre Hände nach derjelben 
aus; fie erichien ihnen mit Necht als ver gefährlichite Sit der Kekerei. 
Im ftillen war fie allerdings wohl ſchon einer Überwachung unterworfen 
gewejen. Schwerlich hatte die Sammlung von Verlagskatalogen und 


Kapitel.) Rudolf IT. Herbortreten der eigentlichen Ziele. 615 


Mefplafaten aus den Jahren 1557 bis 1578 — worunter fogar ein 
bandjchriftlicher Katalog von Andreas Wedel in Frankfurt a. M. —, 
womit die Akten über die Bücherkommiſſion im wiener Archiv beginnen, 
ausfchließlich ven Zwed, eine Kontrolle der Ablieferung der Pflichterem: 
plare zu ermöglichen; bezeichnend genug überwiegen vie Kataloge prote: 
ftantifcher Verleger. Rudolfs II. erfter Befehl, welcher ausprüdlich an 
die Verfügung Marimilians von 1569 und 1570 anfnüpft und aus 
Prag, 23. März 1579 datiert ift, tadelt zumächft ven Rat dafür, daß 
er in dem löblichen Werfe, wie es 1569 und 1570 begonnen worden, 
nicht fortgefahren jet, noch gegen die Buchhändler ven gebührenden Ernit 
gebraucht habe, denn dann würden der „unnügen Tractätlein und Schandt: 
bücher” längſt weniger geworben fein. Im Unterlaffung folcher guten 
Ordnung aber jei fein und feiner Vorfahren Namen und Autorität mehr 
als jemals und zwar „wider Uns ſelbſt“ mißbraucht worden. Von ven 
einzufendenden zsreieremplaren ift in diefem Schreiben gar feine Rede 
mehr. Um aber feinen Zweifel darüber zu laffen, daß e8 in erfter Linie 
auf Unterbrüdung der proteftantijchen Yitteratur abgejehen war, heift es 
dann weiter, alle Läden und Gewölbe jeien mit unnüßen verführerijchen 
Büchern, Schmähichriften, Gedichten und „Mallwerckhs“ angefüllt, wo— 
durch viele Yeute verwirrt, verführt und verbittert würden, weshalb zeiti- 
ges Einſehen mehr als je von Nöten fei. Aus diefem Grunde habe er, 
der Kaifer, feinem Rammerfisfalprofurator, vem Dr. Johann Beft (in 
Speyer) befohlen, fich mit diefem Schreiben nach Frankfurt zu verfügen 
und mit des Bürgermeifterd und Senats Rat und Beiftand bie zuvor 
ihon angeftellte Inguifition der Drudereien und Buchläven in die Hand 
zu nehmen und fortzufeßen. „Ir wollet alfo unſerm faiferlichen Fiskal 
in jolcher ihm anbefohlenen Verrichtung nit allein alle guete Anweifung 
Hilff und Beförderung erzaigen, Sondern auch Im eine Perfon oder 
zwo aus Eurem Mittel zuordnen, Und denjelben auferlegen, mit und 
jambt Ime alles dasjhenig, was ob angezogene weilland unſers Vatters 
ichreiben und unfer bemelten Fiskal gegebener beuelch außweiſen, noch— 
mals beftes Vleiß fürzunemen und zu bandlen. Daneben auch was un— 
geuerlich hierinnen noch weiters fruchtbarlich anzuftellen und zu verordnen 
jein follte, bevendhen zu helffen. Sonjten aber für Eure Perjonen mit 
der Erecution gegen den ungehorjamen und ubertrettern dermaffen Ernit- 
(ih und aufrichtjam erweifen, daß wir Eur miffallen, jo Ir ob ber- 


616 Bervollftändigung der Kommiffion. Die Stellung des Rats. [Zchntes 


gleihen unordnung der Truder und Buechhendler traget im Werdh 
jpuren mögen.“ Der Rat fam dem Befehl ohne jene Widerrede nach. 
Der Kaifer ſprach ihm ein Jahr fpäter, 9. März 1580, jeine volle Zu- 
friedenheit mit der dem Dr. Bet geleifteten Hilfe aus und ermabnte 
ihn, ſich auch in Zukunft feines Allerhöchiten Vertrauens würdig zu 
zeigen. Zugleich ernannte er am 9. März 1580 zur bejjern Unter: 
prüdung der Kamosjcriften und Schmäbgedichte ven Domdechanten zu 
St. Bartholomäus, Johann Steinmeg, zum zweiten Biücherfommiffar. 

Der Rat erntete jet, was er vor 10 Jahren gejüet hatte, um 
Rudolf I. nahm nur an, was feinem Vater freiwillig angeboten worden 
war. Bon Friedrich III. an hatten die Kaiſer zwar die Prefgejetsgebung 
als ihr Hoheitsrecht betrachtet, allein die Handhabung der Preßbeſtim— 
mungen und der Genjur, wie dies ſchon in dem vorigen Kapitel ausge: 
führt worden, ven Yandesbehörden überlafjen. Bon jetzt ab maßte fich 
der Kaiſer die Cenſur der einzelnen in Frankfurt erjcheinenden Schriften 
nicht allein an, ſondern unterbrüdte jofort auch durch jene Kommiſſare 
am Hauptfiß des deutjchen Buchhanvdeld die geſamte ihm nicht genchme 
Yitteratur. Frankfurt war nicht mehr Herr im eigenen Hauſe, jondern 
hatte fremdem Willen zu gehorchen und der Politif der Hofburg war 
der Punft gegeben, an welchen fie ihre Hebel anjegen fonnte, um ihre 
romantischen und antiveutjchen Ziele zu erreichen. Anfangs wurte der 
Kat noch geichent; allein jeder neue Bücherfommiffar trat anmaßender 
und herrichjüchtiger auf. Und doch wäre es jo ſchwer nicht geweſen, mit 
dem Hofe in Wien und Prag fertig zu werben. Es hanvelte fich um 
eine Angelegenheit, welche die protejtantiihen Stände in ihren wohl- 
erivorbenen Rechten beeinträchtigte und welche auch jpäter die Kurfürften 
von der Pfalz und von Sachſen vorerſt fiegreich gegen den Kaifer aus: 
fochten. Wenn man aber nicht ven Mut hatte, prinzipiell für eine ge- 
rechte Sache einzutreten, jo hätte eine dilatoriſche Politik, noch dazu, 
wenn fie von einem ab und zu erneuerten Geldgeſchenk unterftütt wor- 
den wäre, volljtindig ausgereicht, die fatjerliche Einmiſchung zu bejeitigen. 
As Marimilian 1567 bei Gelegenheit des bereits erwähnten Falls mit 
dem angeblichen Yibell „Die Nachtigall” mit Entziehung der Meßprivi— 
legien gedroht hatte, war ja die faijerliche Gnade auch durch eine Summe 
von 30000 Goldgulden wiedergewonnen worden. Aber als ſich 1570 ver 
drohende Schlag ankündigte, wähnte der Rat ſchon genug Opfer gebradt 


Kapitel.) Entwidelung der Verhältniſſe im allgemeinen. 617 


zu haben und ſich durch Preisgebung feiner politifchen echte vetten zu 
fönnen. Es war ein in fich verfnöcherter, lediglich feinen Kleinen per- 
ſönlichen Intereffen lebender Stadtabel, roh gegen jeine Mitbürger und 
feig gegen die Mächtigen, deſſen ganze Politif im Ausweichen vor oder 
im Unterfriechen bei den Stärfern bejtand; ein jchwächliches Patriciat, 
welches, wie jpäter bei dem Fettmilchſchen Aufſtand (1612 bis 1616), 
dem erjten energiichen Anfturm wich und nach enplichem, durch Hilfe 
Dritter errungenem Steg mit grauſamem Rachedurſt gegen bie unter: 
liegenden Feinde wütete. 

Natürlich ift e8 unter diefen Umſtänden auch fein Troft, daß das 
Übel fih nur langjam entwidelte und daß erjt mit dem Anfang bes 
17. Jahrhunderts, als die feindlichen Gegenſätze zwijchen Katholizismus 
und Proteftantismus fich immer jchärfer zufpisten, die Bücherkommiſſion 
fih in ihrer ganzen Gehäſſigkeit und Verderblichkeit geltend machte. 

Rudolf II. griff die Sache methodisch an und bereitete jeine Schritte 
gründlich vor. Sein Nachfolger Mathias folgte ihm auf dem betretenen 
Wege und ſchlug der Freiheit des Handels, ſowie dem ganzen wifjen- 
ichaftlichen Yeben Deutjchlands die tiefften Wunden. Die Regierungen 
der Ferdinande und Yeopolds verpollfommmeten womöglich noch die flein- 
lichiten Verfolgungen, die Unterbrüdung des freien Gedankens und bie 
völlige Yahmlegung des einſt großartigen franffurter Mefverfehre. Es 
dauerte volle 8O Jahre, bis zum Jahre 1662, daß die Bücherfommijfion 
ven franffurter Rat als willenlojes Werkzeug in ihren Händen hatte, 
und wieder vergingen 60 Jahre, bis fie völlig triumphiert und ven 
franffurter Mepbuchhandel vernichtet hatte. 

Doch zurüd zu den Anfängen! Während des 16. Jahrhunderts find 
feine ernjten Berwidelungen zwijchen Rat und Kommiſſion vorgekommen, 
denn ſonſt würden die vollftändig erhaltenen ftädtifchen Akten davon 
berichten. Erſt in den neunziger Jahren taucht die alte faiferliche Be— 
jchwerde wegen ber an die Reichöhoffanzlei zu Liefernden Freieremplare 
privilegierter Bücher wiever auf. Aus den franffurter Meßkatalogen 
ginge, wie der Kaifer in einem Erlaß an den obengenannten Johann 
Beit unterm 20. März 1596 rügt, hervor, daß einzelne Verleger ihrer 
Pflicht nicht nachkämen und daß andere ihren Büchern angebliche kaiſer— 
liche Privilegien vorprudten, die fie nie erbeten und erhalten hätten. 
Um diejem Unfug für die Zukunft zu fteuern, „befehlen Wir Dir bier: 


618 Ernenerte Mafregeln wegen der Pflichterempfare feit 1596. [Zehnter 


mit von Römifcher Kaiferlicher Macht”, heißt es wörtlih, „und geben 
Dir hierku vnnſeren volfommenen gewalt vnd willen, das Du entweder 
ſelbſt Perſönlich oder durch andere hierku treulich deputierte fürbin auf 
vorangebeute vngebuer aller ortten guethe achtung gebejt, vnnd bevorab 
vff Itzt herbey nahender Frandfurter Meß, alffo aud außerhalb verjelben 
wan vnd wo eR dich nöttich zu jein bevundet, In vnſeren nahmen und 
an vnnſerer Stadt bei allen Buchtrudher vnnd Buchhenplern bierüber 
vlaiſſig vnnd ernftlich Inquirireſt, vonn Inen ein vwerzeichnuß der Neuen 
zeithero in allen profejfionen sub titulo privilegij nostri Caesarei, auf- 
gangenen operum abpfordren vnnd bei den pflichtenn vnnd aiden, damit 
fie vnnß vnnd dem heiligen Reich verwandt fein, befrageft, auch zu edi— 
ren vnd fürzuelegen anhalteft, ob jy Impressoria vonn vnuß, wie lang 
vnnd auf viell Jar habent; Item, ob fie dem Impressorio zuevolg 
jeder Zeit vonn folchen Buechern, vnnß etliche Exemplaria auf Iren 
Coſtenn auch wann, wieniel vnnd durch wen zugeſchickt vnnd vnnß als 
dann derjelben Authores, Buchtrudher und Buchhändler Namen, jammt 
einer Defignation folcher Bücher vnnd Schriefften, daruf dem fachen hal— 
ben nach zu denckhen vberſendeſt. Befindt fich aber bei einem oder 
mehreren in Set fpezifizierten oder anderer vergleichen dieſen Dingen an 
hengig puncten, die Vbertrettung notorie vnd wiffentlich zue jein, je 
jolfeftu nicht allein vonm denfelben ſtrackhs vnſer Impreſſorium (wofern 
fie eins haben) abvorderen vnnd vnß daffelbig zuefertigenn, jondern aud 
all dieje verftandtnermaßen clandestine under vnnſerm privilegio ge— 
brudten, ober auch verjchwiegene exemplaria biß vff weitere vnnſere 
verorbtnung, mit vorbehalt vnnſerer ftraff in Arreft nehmen, oder da 
du fonnften, außer dieſes einen andern fueglichen procef vnnd modum 
alß diefe weißt, dordurch dieſe jtreffliche gemeinjchedtliche arglift und be 
trug abgejtelt vnnd die vberfohrer an tag bracht werden müegen, Solleſtu 
oder der von beinetwegen hiertzu jubvelegirt fein würdt, auff dem: 
jelben vns alle hiergu dienefame vnnd eriprießliche mittel vnd weg fol 
ches erequieren, verrichten vunnd ins Werckh ſetzen, dich daran auch nie 
mandts einredt oder verhinderung abhalten Laffen, Sonndern vielmehr 
Burgermeifter vnd rath zu Frandfurtt, wie auch alle Obrigfeitten, wel- 
cher enden es von nöthen, vnnß vnd dem rechten zue Steuer vnnd Hülff 
von vnnſert wegen vnnd in vnnſerm nahmen erjuchen vnd anfprechen.“ 

Veit fubftituierte fich in einer aus Speyer vom 22. März 1597 


Kapitel.) Der Bücherfommiffar Dr. Leucht. Schwache Thätigkeit desfelben. 619 


datierten öffentlichen Ankündigung, „Yeibesblödigfeit halber“, ver päpſt— 
lichen Protonotar und kaiſerlichen Pfalzgrafen Dr. Valentin Yeucht, Nach— 
folger des inzwijchen verftorbenen Steinmeß an der Domfirche, und den 
werthheimjchen Rat, Dr. Johann Baptijt Eyſen. Yebterer trat über: 
haupt nicht handelnd auf, Veſt aber erjcheint fortan nicht mehr in den 
Akten und ftarb jedenfall vor 1608. Yeucht war bis zu feinem 1618 
erfolgten Tode thätig, jchritt aber jelten ein. So beantragte er erft 
1606 bei dem Bürgermeifter die Konfisfation eines „Famospatents“ 
wider die päpftliche Meſſe und 1607 einiger „Rupferftüde und Famos— 
gedichte” gegen das Haus Ofterreich, welche ungeftraft in der Buchgaffe 
umgetragen, verkauft und angejchlagen würden. Yeucht handelte hier wie 
in andern Fällen übrigens nicht eigenmächtig, jonvdern nahm erfolgreich 
die Hilfe der ſtädtiſchen Behörden in Anſpruch. 

Nach einem energijchen Anlauf war alfo bald wieder ein völliger 
Stillftand eingetreten, wenigftens dem äußern Anfchein nach. Im ſtillen 
aber jcheint doch ein Minieren ftattgefunden zu haben, over es müßte 
ein Phrajenmachen zur Kaptivierung des faijerlichen Hofs gewejen jein, 
wenn bereits im Anfange des 17. Bahrhunderts, 5. B. unter dem 8. Of: 
tober 1601, Leucht regelmäßig berichtet, daß die Arbeit der Kommiſſion 
täglich mehr der chriftlichen (das will fagen: der fathofifchen) Religion 
zur Wohlfahrt und Aufbefjerung gereiche. Dffen hervor trat allerdings 
die Thätigkeit derjelben nur in der Einſammlung der bewußten Frei— 
eremplare, betreffs welcher die Kommiffare faſt von Meſſe zu Mefje in 
ihren Berichten wieverhofen, daß die Buchhändler fich der Ablieferung 
derjelben nah Möglichkeit zu entziehen juchten; jo noh am 24. Mai 
1610. Das, was davon zujammengebracht werden fonnte, wurde in 
größern Sendungen durch Vermittelung von Buchhändlern an den kaiſer— 
lichen Hof eingefhidt. In der Herbſtmeſſe 1608 gejchah dies z. 2. 
durch Theodofius Rihel von Straßburg; „Dieſe ferner gejchriebenen Bücher 
jeind Hans München, dem Fuhrmann, in einem Faß nachher Prag zu 
führen und dem Seren Vice-Cancellario, Herrn Yeopoldo von Stralen- 
dorff zu liffern mitgegeben und das Fubrlohn darfür aufgericht worden“, 
heißt e8 im den Wiener Akten. Später trat Chriftoph von der Heyden 
an jeine Stelle. 

Die regelmäßigen Büchervifitationen hatten jchon ein volles Viertel: 
jahrhundert lang aufgehört, als der Kaifer endlich wieder einmal „dem 


620 Die kaiſerliche Konftitution vom 15. März 1608, [Zehntes 


unleivfihen Mißbrauch und ver täglich mehr überhand nehmenden Un: 
ordnung“ ein Ende zu machen beichlof. So ernannte er denn am 
15. März 1608 eine neue Kommifjion, welche aus drei Mitgliedern, 
nämlich dem bereits in Thätigfeit befindlichen Domdechanten Dr. Valen— 
tin Leucht, dem Lic. theol. Georg Erjtenberger von Freyenthurm une 
dem Lic. juris Karl Seiblin, dem Amtsnachfolger von Veſt in Speber, 
bejtand. Ihre Aufgabe jollte darin bejtehen: 

1) die Bifitation „Fruchtbarlich” wieder einzurichten (wie? wird nicht 
gejagt); 

2) die auf allen Meffen in großer Menge herausfommenven hoc: 
verbotenen Famosſchriften gänzlich abzuschaffen (zu unterbrüden), damit 
dem Kaifer und dem heiligen Reich fein Schaden gejchehe; 

3) nur die von der zuftändigen Obrigfeit cenfierten und mit ven 
Namen des Berfaffers, des Druders und Drudorts verjehenen Bücher 
zuzulaffen, zu welchen Zweck jever Druder, che er jein Gewölbe over 
jeinen Yaben öffnen dürfe, die erforderlichen Nachweife, Privilegien und 
Druderfaubnis beibringen müffe; 

4) mit Hilfe von Bürgermeifter und Rat diejenigen Bücher zu fon- 
fiszieren, welche zivar das kaiſerliche Privilegium oder die Worte „cum 
gratia et privilegio“ auf dem Titel trügen, allein ein jolches nicht 
ausgenommen hätten und dadurch nicht allein „vie kaiferliche Reputation 
lädirten, ſondern fich auch ven gebührenden Taxen entzögen‘; 

5) dafür zu forgen, daß die fatholifchen Bücher, die bisher oft in ven 
Meßkatalogen ausgelaffen worden jeien, vegelmäßig eingetragen würben; 

6) darauf zu achten, daß die Reihsfammergerichts-Geheimniffe, Rela— 
tionen und Vota nicht ohne ausdrückliche vorherige Genehmigung ge- 
druckt, öffentlich feil gehalten und überhaupt geführt würden; jowie endlich 

7) von allen privilegierten Büchern die dem Kaifer jchuldigen Exem— 
plare (damals zwei) und von den nichtprivilegierten ein Eremplar ein- 
zufordern und einzujenden. 

Auf Anjuchen der Kommifjarien veröffentlichte der Rat den Inhalt 
des faiferfichen Grlaffes in einem Anfchlage vom 13. September 1608, 
weigerte ſich aber, ihre Bifitation der Buchgaffe am 20. September zu 
geftatten, da fie ihre faiferliche Bejtallung nicht vorlegen wollten. Erſt 
als fie diefem durchaus berechtigten Verlangen nachgefommen waren, lich 
ihnen der Rat jeinen Arm zur Ausübung der Pflichten ihres Amts. 


Kapitel.) Die eigentlichen Zielpunkte derjelben. 621 


Er hatte jich immer noch nicht Far gemacht, welche jchwer wiegenven 
Folgen fih an jeine Hilfeleiftung fmüpften, denn es handelte ſich bier 
nicht mehr um bloße Ablieferung der dem Katjer angeblich gebührenven 
Freiexemplare, jondern im wejentlichen auch um die Unterprüdung der 
ihm mißliebigen Yitteratur. 

Ganz unbegreiflich würde dieje Kurzfichtigfeit aber erjcheinen müfjen, 
wenn eine Regiftratur in den wiener Akten — fie ift zwar unbatiert, 
hängt aber unberingt mit dem obigen Patent vom 15. März 1608 zu- 
janmen — wirklich zur Ausfertigung gelangt ift; in den franffurter 
Akten findet fich allerdings legtere nicht vor. Dieſe Regiftratur für ven 
erpebierenden Sefretär lautet nun: 

„Punkta, welche an den Rath zu Frankfurt zu jchreiben.“ 

„Daß demnach 3. Kai. Maj. gegen Ihren Commiffarien wegen ver 
Hochnotwendigen BVifitation der Bücher die bis daher gehapte Com— 
miffionen wieder erneut, wie fie davon Abjchrift zu empfangen; daß Sy 
fich ſolchem Befelch nicht widerjegen, noch Einigen Weg, alß biebevor ge- 
ichehen Eintrag thun wolten”, 

„Und ferners, daß ſy fich in bie inspection Rei librariae weiter 
nicht einmijchen jollen, denn Ihnen die Reichs Abſchied und Policey- 
ordnung gegen Ihren eingejejjenen Bucorudern und Burgern im 
Buchſtaben zugeben, jondern in deme, waß I. M. wohlbenächtlich Ihren 
Commiſſarien anbepbolen, die freye Verwaltung überlaffen und in All— 
weg Ihnen gegen den Ungehorſamen und VBerführern die Hand bieten 
wollen, Sodann alle ſchmachkarten und gevicht deßgleich Kupferſtück und 
vergl. helffen abreißen und vertilgen.‘ 

„Ueberdieß aber ſich der Gameraljachen, jo in Trud gefertigt, im 
Wenigſten anzunehmen, allvieweils fie deßwegen fein erfenntnuß haben, 
waß in Truck zu verfertigen oder nicht, ſondern es bey der Sail. Mai. 
beſchehener Verordnung verpleiben zu lajfen; auch die Ausfertigung des 
Catalogi Librorum nicht allein vor und ahn fich zu ziehen und dar- 
durch fich zu mechtigen Ihres gefallens Bücher in denfelbigen zu jeten 
und andere auszuſchließen, jondern die verordnete Commiſſarios im deme 
mit zuzulaſſen“; 

„And dann bejchließlichen waß vor Streitigfeit jich wegen ertheilter 
Privilegien und Nachdruckens halben eraignen, keineswegs nec audiendo, 
nec decidendo anzunehmen, jondern den aufichlag und die Verrichtung 


622 Dppofition der jächfifchen und venezianer Buchhänbfer. [Zehntes 


Ihr Kai. Maj. Commiffarien allein zu überlaffen und wie vorgemelt 
Ihnen die Hand allezeit nach Erforderung und uff erfuchen zur bieten.“ 

Mag nun der franffurter Nat eine Ausfertigung diefer Punktation 
erhalten haben, oder nicht, gleichwiel: intereffant iſt fie, weil fie einer- 
jeit8 die bald genug deutlicher hervortretende Abficht, der Bücherkom— 
miffion die Beauffichtigung der Herausgabe des Mehfatalogs in die 
Hände zu jpielen, hindurchbliden läßt, — andererjeits, weil fie erfennen 
läßt, wie man fich in Wien die Rechtöbegründung für das angeorbnete 
Borgehen ver Bücherkommiſſion zurechtzuftußen bemüht war. Der faifer- 
liche Hof beanſpruchte auf Grund des jpäter erft jehärfer betonten an- 
geblichen Bücherregals im Reich — mit welchem auch fpäter der An- 
jpruch auf Pflichterempfare alfer neu erjcheinenden Bücher begründet 
wurde — die prefpolizeiliche Beauffichtigung der fremden Buchhändler 
und Buchoruder auf der Mefje und interpretierte in gezwungenſter Weije 
die Keichsgejeße dahin, dag auf Grund verjelben dem franffurter Kate 
nur das Aufjichtsrecht über die betreffenden einheimijchen, ihm mit Pflicht 
verwandten Gewerbetreibenden zuftünde, eine kunſtvolle Interpretation, 
welche bei den jpätern Vorkommniſſen nicht wieder jo unverbliimt zu 
Tage tritt. Das erklärt es denn auch, daß — es ergibt fich dies aus 
ven gleich ausführlich zu berichtenden weitern Verhandlungen — fein 
Buchhändler „jo unter des Rhats zue Frandfurtt bottmäßigfeitt” von 
den Bücherfommiffaren beläftigt wurde. 

Die große Mehrzahl der nach Frankfurt zur Mefje gefommenen frem- 
den Buchhändler fügte fih. Nur die ſächſiſchen Lutheraner (aus Leipzig, 
Wittenberg und Jena) und die VBenezianer machten eine Ausnahme. - Die 
letztern zeigten fich, wie der Bericht jagt, „ganz trutzig und widerſpenſtig“ 
und weigerten fich nicht bloß, die verlangten Freierempfare herzugeben, 
„ſondern haben auch von der Commiſſion fich etwas fchimpflich vernehmen 
laffen und gegen die Commiffion den Schnips gejchlagen“. Es ſcheint 
nicht, daß fie wegen ihres offenen Ungehorſams weiter behelligt wurden, 
denn die Aften erwähnen die Venezianer nicht weiter und ſprechen erit 
dann wieder von ihnen, als fie infolge der ihnen zuteil gewordenen Be- 
handlung umd des jpäter ausgebrochenen Kriegs vom Anfang der vrei- 
Biger Jahre an nur noch vereinzelt nach Frankfurt kamen. 

Die ſächſiſchen Buchhändler waren noch weiter davon entfernt, fich 
dem kaiſerlichen Machtgebot in feiger Ergebung zu umnteriverfen. Für 


Kapitel.) Beunruhigung der Buchhändler. 623 


fie ftanden viel höhere Intereffen auf dem Spiel, als ein paar Frei— 
eremplare. Drangen die Bücherfommiffare mit ihrem Anfinnen burch, 
je war überhaupt der lutheriſche Verlag vogelfrei, jo war ihr Gejchäft 
vernichtet. Hätten jene Männer fich das nicht jelbft gejagt, jo würde 
es ihnen in Frankfurt auch auf anderm, als amtlichem Wege klar 
geworben fein. Natürlich erregte die Sache in der ganzen Stabt großes 
Anfjehen, ja fie bildete tagelang das öffentliche Gejpräch der Meß— 
beſucher. Es war bis dahin noch nicht vorgefommen, daß zwei franf- 
furter Priefter und Ganonici im Namen des Kaiſers in die Gewölbe 
der Buchgaffe drangen, dort Kiften und Fäſſer jich öffnen liegen, Bücher 
nach Belieben herausgriffen und mit Bejchlag belegten, und daß vie 
Beamten des Rats ihnen Hilfreihe Hand leijteten. Unheilvolle Gerüchte 
durchſchwirrten die Yuft, man jah im Hintergrunde — und wohl nicht 
mit Unrecht — die Jeſuiten, man ängftigte und fürchtete fich um fo 
mehr, als man nicht wußte, ob man nicht erit am Anfang derartiger 
Sewaltmaßregeln jtünde. Nach einem gleichzeitigen Bericht des befannten 
Vielſchreibers Melchior Goldaſt (von Haiminsfeld) lag zu jener Zeit 
‘im Herbft 1608) ein Mann im Karmeliterflofter „zur Herberge, ver 
ich Johann Bürgig nannte und päpftlicher Fisfal jein wollte. Diejer, 
heißt es, habe einftmals über Tijch die faiferliche Bücher-Kommiffion 
über die Infpeftion der Buchgafje böchlich gerühmt umd dabei gemeint, 
man jolle nicht nachlaffen, viejelbe von Meſſe zu Meſſe zu kontinuiren, 
bis man es recht in Schwang bringe und fich des nicht irren laffen, 
daß fich Etliche ungehorſam widerſetzt hätten. Er wolle, von der päpſt— 
lihen Heiligkeit wegen hierzu beputiert, die Anftellung thun helfen, daß 
die Ungehorſamen noch wohl dazu gezwungen werden müßten. Und 
jeten das eben die Wittenberger Buchführer. Wenn fie fich verweigern 
würden, die begehrten Gremplare zu liefern, daß man benjelben ihre 
Bücher und Waaren an den Orten, da e8 katholiſch wäre, im Durch— 
führen niederwerfen und anhalten jolle, bis jo lange fie der Kommiffion 
Gehorſam geleijtet hätten.‘ 

Kaum nach Haufe zurücgefehrt, führten die ſächſiſchen Buchhändler 
energijche Beſchwerde und rubten nicht eher, als bis fie den ihnen ge= 
bührenden Sieg errungen hatten. Es find noch ſämtliche Aften über 
dieje wichtige Angelegenheit vorhanden, welche deshalb eine ausführliche 
Darftellung verdient, weil hier nicht allein Privatperfonen klagend auf- 


624 Schritte der ſächſiſchen Buchhändler in Dresden. [Zehntes 


treten, jondern auch jtäptiiche Behörden, wie der Rat von Yeipzig, Das 
furjächfiiche Miniſterium, die beiden Kurfürften Chriftian II. von Sachſen 
und Friedrich IV. von der Pfalz einander berichten, jchreiben und an 
den Kaiſer jelbft ihre Klagen gelangen laffen. Es ift alje über ven 
ungejeglichen Eingriff der Bilcherfommiffion ein vollftändiger Beweis 
aus den in Dresven und Frankfurt aufbewahrten zehn Briefen und Be- 
richten erbracht. Während von dieſen übrigens nur ber lette vom 
19. Juli 1609 fih in Frankfurt findet, find die neun erjten im dres- 
dener Hofſtaatsarchiv aufbewahrt. ? 

In der erjten Eingabe, welche die Buchhändler von Yeipzig, Witten- 
berg und Jena am 17. Februar 1609 dem Kurfürften unterbreiten, 
reichen jie zunächft das auf der Herbſtmeſſe 1608 ihnen mitgeteilte 
faiferliche Mandat ein und bejchweren fich darüber: „daß ein jever Buch— 
druder, Buchführer over Buchhändler, ebe er jein Gewölbe over jeinen 
Laden eröffnet, auch einiges Buch distrahiret, aller feiner neuen Bücher 
einen Indicem fürweijen, darüber glaubliche Anzeige thun, wie und 
welcher Gejtalt ihm jolche Bücher zu drucken erlaubt, und da er darüber 
fein kayſerlich Privilegium habe, alsdann Ihrer Kayſerlichen Majeſtet 
Reichs-Hof-Kanzlei ein Exemplar überjchiden und unmeigerlih ven 
Kayſerlichen Kommiſſarien überreichen ſolle.“ Gegen dieje Bejtimmung 
wenden die Buchhändler ein, daß wenn fie bei den privilegierten Büchern 
auch leicht ihre Privilegien vorlegen und damit den verlangten Nachweis 
über die bewirfte Cenſur erbringen fünnten, lettere® doch bei nicht 
privilegierten unmöglich ſei. Dieſe jeien zwar jelbftverjtändlich in Sachjen 
cenfiert, wie das jedesmal die Beicheinigung ber betreffenden Genjoren 
beweije, deren Unterjchriften aber den faijerlichen Kommiffaren nicht be- 
fannt, abgejehen davon, daß auch das Mitbringen der von den Cenſoren 
unterjchriebenen Originalmanuffripte ihnen, ven Verlegern, viele Unge— 
(egenheiten und Koften verurfachen würde. Die Kommifjarien würden 
vermutlich jolche Bejcheinigungen einfach fir nichtig erflären und ven 
Berlegern verbieten, ihre Verlagsartifel zu führen, oder diefe gar in 
Frankfurt mit Bejchlag belegen, zu ihrem, der Verleger, unwiederbring— 
lihem Schaden. Zudem jeien die Kommifjare auch manden Schrift- 
jtelfern nicht gewogen, ſodaß man die SKonfisfation vieler Bücher, 
namentlich aller derjenigen befürchten müſſe, welche etwa gegen die 
römijch-fatholijche Religion gerichtet fein möchten. Sodann jei die For— 


Kapitel] Bitten der ſächſiſchen Buchhändler in Dresden um Schub. 625 


berung eines Pflichteremplars von den faiferlicherjeits nicht privilegierten 
Büchern eine unbillige und den Handel lähmende. Yeichtfertige und 
Fumosichriften feien in Sachjen nie in Übung gewejen, weshalb man 
auch nirgends eine Klage darüber gehört habe. Aus diefen Gründen 
möge der Kurfürſt jowohl im eigenen Namen, als auch als Vormund 
jeiner Bettern, für jeine Buchhändler (und die in Jena) beim Kaiſer da— 
bin intercedieren, daß von ihnen feine Genjurbejcheinigung und fein Frei- 
erempfar gefordert werde, zumal fie erbötig jeien, auf ihre Koften für 
jede franffurter Meſſe einen bejondern Katalog aller in Sachjen neu erfchie- 
nenen Bücher anzufertigen, damit ihrethalben wegen Fanıos- und an- 
derer verbotenen Schriften im heiligen Reich nichts zu befürchten jei. 
Dieje offizielle Bittjchrift — vorfichtig jo eingerichtet, daß fie dem 
erbetenen Interceifionsjchreiben an den faiferlihen Hof nötigenfalls ab- 
jbriftlich hätte beigefügt werben fünnen — war zugleich von eimem 
Schreiben gleichen Datums an das furfürtlihe Minifterium (Kanzler, 
Präfidenten und andere Geheime Räte) begleitet, im welchem fich vie 
Dittfteller offener ausjprechen (va fie „aus allerhand urjachen etliche 
umbjtände und motiven nicht gevenden mögen‘) und ficherlich die An- 
ſchauungen vortragen, welche unter ven fremden Buchhändlern auf der franf- 
furter Herbitmefje die herrſchenden geweſen waren. Die Petenten bitten 
darin, dem Kurfürjten „vorgezeigte Umftände und Motiven” und „dar— 
neben anzumelden und fürzutragen, nämlich, daß jolche Kaijerliche Kom— 
miſſion Niemanden denn Päbjtijcben aufgetragen, und ſich barneben 
etliche andere fremde unbekannte Bifitatores befunden, welcher in ber 
Kommiſſion nicht gedacht worden, daher allerlei Argwohn verurjachet. 
Hernach als von uns nicht allein die Exemplaria vermöge des Man— 
dats abgefordert, jondern darneben ein Buch vorgefeget, damit ein Jeder 
die Bücher, jo er uberreichen würde, mit eigenen Händen einjchreibe, 
baben wir uns zwar wieviel möglich darwidergeſetzt und wider jolche 
Neuerung mit der Freiheit des öffentlichen Markts jchuten wollen. 
Derweil aber ſie von mehreren theils der päbjtiichen Religion zuge: 
thanen Buchhändlern jolches allbereit erlangt gehabt, jo find auch wir 
gedrungen worven, ihren Willen zu vollbringen und zu Ehren ver 
Kahjerlichen Majeftät auff jelbiges Mahl zu gehorjamen; haben doc 
daneben protejtiret, Unſerer gnädigſten Herrichaft jolches unterthänigſt 


zu erfennen zu geben. Weil e8 dann faſt augenjcheinlich, daß uns an 
Kapp. 1. 40 


626 Offizielle Begutachtung der Bittjchriften. [Zehntes 


denjenigen Büchern, jo der päbjtiichen Religion zuwider, allerlei Ver— 
hinderung und Gefahr wurde zugezogen werben, indem wir endlich jolche 
auff öffentlichem privilegirten Markt wegen der fürftehenden Gonfiscatien 
nicht führen pürften und wir auch der churfürftlich privilegirten Bücher, 
jowohl derer jo von Ihrer churfürftlichen Gnaden wolverordneten Censo- 
ribus jubjcribiret, einer neuen Genjur oder Approbation erwarten jollen: 
Welches Alles in eflectu fat diejes Anjehen gewinnen will, als ob Ihre 
Churf. Gn. jowohl andere Fürften im Reich zuwider des heiligen Reichs 
Ordnung verbotene Schriften in Ihren Yanden zu pruden gejtatteten, 
da doch männiglich diefer Yande bewußt, was für Ernft und Fürfichtig- 
feit Unſere gnädige hohe Obrigkeit bierinnen jeder Zeit gebraudet, da 
alle Buchoruder ohne Approbation einiges Buch nicht zu druden eid- 
(ich ſich verpflichtet. Überdies ift ſolche Anoronung zuwider der öffent- 
lichen Mearftfreiheit und gereicht zu Hinderung der Gommercien auch 
großem Abbruch des Buchhandels.” Die Bittjteller ſchließen ihr Ber 
langen nah Schuß mit der Bemerkung, daß jene Mafregel micht zum 
Nugen des Kaiſers, jondern lediglich der Jeſuiten angeoronet werden, 
‚welche ihre Bibliothefen zu bejjern, ihren Tandt auszubreiten und da— 
gegen die reine Yehre verdedter Weiſe zu verhindern vermeinen“. 

Der Kurfürſt übergab die obige Bejchwerde feinem Oberfonfiftorium 
zur Begutachtung und erhielt von ihm eine aus ſechs Punften be: 
jtehenvde und am 3. März 1609 abgefaßte jtantsrechtlihe Ausführung. 
Nachdem die Räte anerkannt haben, daß die Schmäbjchriftenlitteratur 
zum Nachteil des gemeinen Wejens mächtig überhband genommen babe 
und nur burch eine jtrenge Genjur unterbrüdt werden fünne, erflären 
fie die Neichsverfaffung und namentlich den ſpeyerſchen Reichsabſchied 
von 1570 und die Reichspolizeiordnung von 1577 für völlig ausreichend, 
dem Unfug zu jteuern. Sie vermuten deshalb, daß „das obenberegte 
Mandat nicht von Kaijerliher Majeftät, jondern vielmehr auff Anftiff- 
tung und zum Behuf der Jejuiten, den Churfürjten, Fürjten und Stän- 
den des heiligen Reichs jamımt allen Augsburgijchen Religiensverwandten 
zu merklichem Abbruch ihrer Reputation, Hohheit und wahren Glaubens, 
jowohl den Buchführern zu großem Nachtheil verfaffet, publiciret und 
zu Werfe gerichtet worden”, Sodann führt der Bericht näher aus: 

1) daß die faijerliche Verordnung der Büchervifitation ohne Kenntnis 
der Kurfürften und Reichsſtände erfolgt jei, da fie beide angenommene 


Kapitel.) Dffizielle Begutachtung der Bittjchriften. 627 


Religionen betreffe und doch früher deren Beſchwerden auf allgemeinen 
Reichdtagen verhandelt und erledigt worden jeien; 

2) daß jolche Visitationes nicht ausjchlieklich der römiſch-katholiſchen, 
jondern auch der augsburgiſchen Konfeifion zugetbanen Kommifffarien 
hätten aufgetragen werben dürfen, und daß auch andere im -faiferlichen 
Mandat nicht benannte Perfonen fich dabei befunden hätten; 

3) daß die Keichspoflizeiorpnung von 1577 nur das Verbot aller ver 
hriftlichen allgemeinen Yehre und der im augsburger Religionsfrieden 
aufgerichteten Konfeifion widerwärtigen Schriften ausfpreche, daß aber 
das faiferfihe ‚Mandat darüber nichts ſage, vielmehr nur die Famos— 
ichriften erwähne, welche Bezeichnung die Kommiffarien bejorglich nur 
auf die lutheriſchen Theologen oder was wider den römijchen Antichrift 
und jeinen Anhang in den Drud gefertigt, beziehen, dagegen ven Je— 
juiten und anderen durch die Finger jehen würden; 

4) daß in dem faijerlihen Mandat den Kommiffarten troß der 
Polizeiordnung von 1577 latissima potestas gegeben, die Inquifition 
und Konfisfation neben weiterer Beftrafung sine respectu vorzimehmen, 
und daß mit Umgehung der ordentlichen Obrigfeit der kaiſerliche Fisfal 
auf gebührliche Strafe prozedieren und handeln jolle, welch’ letztere ewen- 
tuell nur das Kaiferliche Kammergericht zu moderieren Macht und Be- 
fehl haben jolle; 

5) und 6) jei e8 endlich unbillig, daß die Bittjteller nicht bloß nach» 
weiſen jollten, wo und wie fie die Druderlaubnis erhalten hätten, 
jondern daß fie auch gezwungen würden, ohne Unterjchied ver Fakultäten 
„ein Eremplar jeves Buchs (damit ja die Jeſuiten in ihren Collegiis 
itattliche bibliothecas anrichten fünnen) umſonſt abzuliefern“. 

Die anbefohlene Büchervifitation, jo jchließen die Räte, habe aljo 
ein jehr nachvenfliches Anjehen und es wäre, wenn man überhaupt die 
verbotenen Schriften im Weiche habe abjchaffen wollen, viel beſſer 
geweien, ſich an die gejetlichen Beftimmungen des Jahres 1577 zu 
halten. Sieg eben anbeim, fih wirkſam der bevrängten Buchhändler 
anzunehmen, mit den andern Kurfürſten, Fürſten und Ständen beim 
Kaifer für ihren Schub einzutreten und die Bittiteller zugleich an den 
Rat zu Frankfurt zu „verſchreiben“ — ein jchwacher Helfer! — fie auch 
zu bejcheiden, daß fie fich zu ihrer beffern Verwahrung won den Univer- 
jitäten beglaubigte Scheine über die Genfur der zur Meſſe mit binaus- 

40* 


628 Zögerndes Verhalten von Kurfachien. [Zehntes 


zunehmenden Bücher ausfertigen ließen und „Sich deren zu ihrer Nothdurft 
bedienten“. 

Über dieſen Schreiben war der Winter dahingegangen, ſelbſt ein 
Schreiben des Kurfürften Friedrich IV. von der Pfalz; an Kurfürft 
Shriftian II. hatte den ſtets Feinmütigen ſächſiſchen Hof nicht zu einem 
Entſchluß aufzurütteln vermocht, jo daß bei der Eröffnung der Faſten— 
meffe 1609 die Sache noch auf dem alten Fleck ftand. Die Leipziger, 
wittenberger und jenaer Buchhändler erfuhren aljo in Frankfurt wieder 
diejelbe Behandlung wie im vorhergehenden Herbft. Erft am 21. April 
gewannen die furfürftlichen Räte Zeit, fich weiter mit der Angelegenbeit 
zu befchäftigen und zwar auch nur injoweit, daß fie dem leipziger Rat 
aufgaben, fich in der bevorſtehenden Dftermeffe bei einheimijchen ung 
fremden Buchhändlern zu erfunbigen, wie die Sache ferner in Frankfurt 
verlaufen jei. Auf Grund ver erhaltenen Aufforderung berichteten denn 
die Buchhändler der gedachten drei Städte unter dem 17. Mai 1609 
an den leipziger Nat wie folgt: „Der Doktor Valentin Leuchtius, 
Protonotarius Apostolicus, und Herr Picenciat Erftenberger, beide 
Janonici zu Frankfurt a. M., find neben dem Kayſerlichen Fiscal 
jüngft verjchienene Faftenmeffe daſelbſt abermahl in allen, ſonderlich ver 
Evangelifchen Buchhändler Läden umgegangen und erinnert, was fie und 
vorige Herbitmefje wegen Abfolgung eines Eremplars von allen neuge: 
drudten Büchern angebracht und begehret. Darauf injtindigk angehalten, 
daß wir uns nochmals endlich und rund erflären wollten, ob wir uns 
faijerfihem Mandat gemäß zu erzeigen bedacht over nicht? Hiergegen 
wir aus dem Kur: und Fürſtenthum Sachjen alle faft gleich auf dieſe 
Meinung geantwortet, daß wir uns deſſen gar wohl entjinnen, bättens 
aber unſeren Pflichten nach nicht unterlaffen fönnen noch fjollen, an 
unjere gnädigſte Herrſchaft zu bringen und Bejcheidt zu erholen, zweifel- 
ten auch nicht, Ihre Churfürftlichen Gnaden werdens, wo es nicht allbereit 
gejchehen, jo doch fürderlichit an S. Kayſerliche Majeſtät untertbenigit 
gelangen laffen und uns gnädigften Beſcheid ertheilen, was wir uns 
zu verhalten. 

„Hierbei habens ermelvete Kayſerliche Abgeorpnete zwar bewenden 
laſſen, (nicht) ohne daß fie einem unſers Mittels in Herrn Theodoſii 
Richel's Yaden anf angeregte Erklärung zur Antwort gegeben, e8 wurde 
nicht eher beffer, man citirte denn ein paar nad Speyer (zur Unterfuchung 


Kapitel.) Bericht der ſächſiſchen Buchhändler über den weitern Verlauf, 629 


vor dem Reichskammergericht). Er hat aber ſolche Bedrohung mit Still- 
ihweigen und Geduld aljo hingehen laffen, jonverlich, weil man weder 
ihm noch jonften Jemanden ber Unſerigen dies Mal weiter nichts zu— 
gemuthet, wie wir denn auch micht erfahren, daß Demand von denen 
Buchführern, jo unter des Raths zu Frankfurt Botmäßigfeit fein, einig 
Eremplar auszuantworten gebrungen ſey, daß es alfo zu vermuthen, ber 
Rath dajelbft werde fie bißher hierwieder gejchüget haben. Desgleichen 
werden wir von dem churfürftlich pfälziichen Buchdrucker Gotthard 
Vögelin berichtet, er jei von feinem gnädigſten Churfürften ausdrücklich 
befehligt und gleichfam darauf inftruirt, daß er fein Exemplar geben 
jolle. Dies ift alfo iso fürgelaufen.“ 

Um num für die Zukunft vor derartigen Zumutungen gefichert zu 
jein, bitten die Buchhändler jchlieklich ven Nat, daß auch er den Kur: 
fürjten veranlaſſen wolle, dieje wichtige Sache mit dem Kaifer zu ordnen. 
Es jei das um jo nötiger, als die Freiheit der franffurter Meffen Zu— 
fuhr und Abfuhr der Waren ficher ftelle, weshalb man lettere bis zu 
ihrem Berfauf ohne jede Gefahr dort laſſen könne; das neuerliche Vor: 
geben der Bücherfommiffarien gereiche aber nicht allein ven lutheriſchen 
Buhhändlern und ihren Waren, fondern auch allen augsburgijchen 
Religionsverwandten und namentlich dem Kurfürſten, als vem vornehmften 
proteftantifchen Neichsftand, zu merklichem Präjudiz. 

Die Willfür der franffurter Bücherfommiffion hatte fich ſelbſtredend 
nicht auf die jächfifchen Buchhändler bejchränft, vielmehr auf alle ihre 
proteftantischen Kollegen ausgedehnt. Dieje lettern fügten fich ohne 
age der Übermacht; nur der heidelberger Verleger und Drucker Gott- 
hard Bögelin bildete die einzige — wenigftens nach den Alten einzige — 
Ausnahme von der Kegel. Auch er Hatte fich bei feinem Landesherrn 
beichtwert, von diefem aber, wie obige Eingabe erwähnt, den beſtimmten 
Beiehl erhalten, fich den Anforderungen nicht zu fügen. Kurfürft 
Friedrich IV. von der Pfalz (1592 bis 1610) war ein eifriger Pro- 
teftant und ein klarer politifcher Kopf, der nichts von ber engherzigen 
tbeologisch-ängftlichen Kleinigkeitskrämerei ber meisten bamaligen proteftan- 
tiichen Fürften an fich hatte und ſchon als junger Fürft die Vereinigung 
der einander heftig befämpfenden reformierten und lutheriſchen Religions- 
parteien erjtrebte. Während Sachjen fich darin gefiel, alle Bejorgniffe 
für den Proteftantismus als Hirngefpinfte abzuweiien, fi den von 


630 Energifches Auftreten Rurfürft Friedrichs IV. von der Pfalz. [Zehntes 


Wien ausgehenden Übergriffen gegenüber jchwächlich erwies, nahm 
Friedrichs jcharfer Blick ſchon damals die erften Anfänge einer natio: 
nalen Ummälzung wahr, wie fie faum zehn Jahre jpäter der Dreikig- 
jährige Krieg brachte. Es war die Zeit, die unmittelbar auf die Ein- 
nahme von Donauwörth (1607) folgte, die furze Periode zwifchen dem erjten 
und zweiten Unionsvertrage (1608 und 1610). Es lag alſo Grumd 
genug zum „Mißtrauen gegen die im Reiche fürgehenden Praftifen‘ vor. 
Der pfälzer Kurfürjt erfannte deshalb auch in den ganz unverſehens 
auf der franffurter Meſſe beliebten Maßregeln gegen die Preffe einen 
wohlberechneten und weit tragenden Angriff der damals allmächtigen 
Jejuiten auf die eigentliche Yebensbedingung des Protejtantismus, die 
freie Wiffenjchaft und Yitteratur überhaupt. Unter den obwaltenven 
Umftänden that er alfo ganz das Rechte, indem er feinem ſächſiſchen 
Bruder gemeinjchaftliches Vorgehen vorſchlug. Diefer Brief vom 
18. März 1609 ift ein wichtiger politiicher Beitrag zur Gejchichte ver 
Zeit. Er lautet wörtlich: 

„Welcher Maßen in nächſt verjchienener Meß zu Frankfurt zwei 
allda gejeffene papiftiiche Priejter, beneben dem Fiskal zu Speyer, bei 
den Buchführern, jammt und jonders, mit Vorweifung einer gedrudten 
offenen Kayſerlichen Kommiſſion Anfinnens gethan, ihnen deren von 
jevem in ſolcher Meſſe neu ausgefertigten Büchern ein Verzeichnif, fol: 
gende auch jedes neu gedrudten Buches ein Eremplar vor die Kayſer— 
liche Reichshof- Kanzlei zu liefern, zu dem Ende, damit diejelbe jolche 
Bücher nachjehen, cenjurire und was jonften oder ferners gefährlich und 
nachtheilig unterlaufe, abgejchafft und die daran Schuldigen zur Strafe 
gezogen werben, mit dem fernern Vermelden, dag jolche neue Anftellung 
und Bifitation nicht allein auf die Buchdrucker, jondern auch auf die 
Verbreiter jelbiten, damit diejelbigen, was fie nicht vecht cenfurirt hätten, 
darum mit Ernft angejehen würden, gemeint wäre; Injonderheit was bie 
hrijtlichen Sachen anlangt, darunter die meilten Famosſchriften aus- 
gangen und begriffen wären, und darüber die weltlichen Obrigfeiten fich 
feiner Genjur mächtigen oder anmaßen könnten: Solches wird E. L. frei 
nicht weniger denn uns von den unjrigen (jo gleichwohl jehr fpät ge: 
jchehen) von dero angehörigen Buchführern zu ihrer Heimfunft referirt 
und angebracht worden ſein. 

„Wiewohl nun ſolche neue Kommiſſion in äußerlichen Buchitaben 


Kapitel.) Schreiben Friedrichs IV. an Kurfürft Chriftian IL. von Sachſen. 631 


faft dahin lautet, als ob ſie allein und fürnemlich zu Abjchaffung ver 
an ſich jelbft ftraflichen Kamosichriften angejehen und gemeint, in welchen 
Fall der Kayſerl. Majeftät wie auch dem Kammergericht gebührliches 
Einjehen in des Reichs Abichieven ausprüdlich vorbehalten. Dieweil 
aber jedoch feine rechte famosi libelli und pasquilli ſonderlich in fo 
großer Anzahl und Menge alle Meffen und täglich (wie in gedachter 
Kommiſſion gemeldet wird) berfür fommen und in den Buchladen zu 
Frankfurt feilgeboten werden, jo will e8 ung nicht unzeitig das Anſehen 
haben, daß bier nur weit umb Bücher und Schriften, welche ven Pa— 
piften wehe in den Augen thun, im Grund gemeint und unter folchem 
praetextu eben dieſes gefucht werde, wie man ber evangelijchen Theo— 
logen und anderer wider bie papiftiichen Greuel und Irrthum ftreitende 
und jonften in Neligionsfachen ausgehende seripta mit einander, unter 
dieſem Scheine und Anzeige, daß darin die Fatholifche Kirche, deren 
Haupt und Glieder, geiftliche Fürften und Prälaten, Clerijei und Priefter- 
jchaft, auch alle jolcher alten Religion zugethane ſowohl Herrichaften als 
Untertbanen, hohen und nievern Stande angegriffen und injuriirt feien, 
dämpfen und unterbrüden, und derweil e8 mit ihrer der Papiften ge— 
wöhnlichen Berfehrungen fein Anjehen und Nachdruck mehr haben will, 
anigo ex capite de famosis libellis ausmuftern und verbieten möge, 
Dergeftalt, daß man ſolche evangeliſche Bücher durch dieſe Triumviros 
und vermeinte Commissarios bei dem Kayſerlichen Hof für unzuläffig 
angeben und alldafurders unter mißbrauchtem Namen und Autorität der 
Kayſ. Majeftät pro calculo Jesuitarum dafür erffärt und damnirt 
würden, alsdann derſelben Feilhabung und Verhantirung und in der 
Meſſe zu Frankfurt (in welchem emporio fürnemlich diefe Waare bie 
dahero ganz ihren Yauf durch Europam genommen) noch auch andern 
Orten nicht ftatthaben jollten; auf welche Weife denn, da die Genfur jo 
bis dahero vermog obangezogener Reichsabichieve allein jedes Ortes 
Obrigkeit obgelegen, anito dem Papft und feinem Anhang über alle 
Bücher gebüren follte, hinfüro fein gut Buch, darin die antichriftlichen 
Irrthümer wiverlegt, im Reiche würde ausgehen fünnen, und bergegen 
die Jeſuiter der Arbeit folche Bücher zu widerlegen (jo ihnen ohne das 
unmöglich), überhoben und durch diefen Streich ein gewonnenes Spiel 
haben würden. 

„Dieweil denn hieraus genugjam zu merken, womit die Widerſacher 


632 Schreiben Friedrichs IV. an Kurfürjt CHriftian II. von Sachſen. Zehntes 


der Wahrheit umgehen, aber doch dieſer neue Fund und gefährliche 
conatus den vorigen Reichsordnungen, wie auch dem Keligionsfrieven 
und altem Herkommen ſtark zuwider, auch keineswegs zu leiden, daß 
dieſe angemaßte papijtiiche Bifitation und Cenſur der Bücher in einer 
freien offenen und dem "ganzen Reich gemeinen Meſſe und Emporio 
ohne der ſämmtlichen Stände Wiffen und Willen eingeführt und eine 
neue Bejchwerlichkeit ven Bücherfchreibern und Drudereien, jo den Oberen 
und Herrichaften jelbiten aufgetragen werde, welches dann alle ewange- 
fischen Kurfürften und Stände, dero Kirchen, Schulen und Univerfitäten 
mit einander berühren und angeben will. Alſo haben wir ver eine 
hohe Nothourft erachtet, jolche Ding dero Wichtigkeit nah mit E. v. 
und anderen, der Augsburgijchen Confeſſion Genoffen freundlich zu 
communiciren und dero verftündiges Bedenken hierüber zu vernehmen, 
wie biefer Neuerung und Praftif ſowohl bei dem Kayſerlichen Hof mit ge: 
bührlichen Widerjprüchen zu begegnen, als auch bei der Stadt Frank— 
furt deren Execution zu verhindern. 

„Und mehr unſers unvorgreiflichen Ermeſſens nicht umdienlich, dar 
inmittelft und vor allen Dingen unjeren allerſeits angehörigen Biblio- 
polis befohlen würde, da ihnen in fünftiger Meß vergleichen neuerliche 
Dinge von obgedachten Commissariis zugemuthet und abgefordert wür- 
den, daß fie nichts einzuwilligen hätten, jondern mit gutem Glimpf und 
Beicheivenheit fich zu entjchuldigen, daR fie weder Famosſchriften oc 
einige andere Bücher ohne genugjam vorgehende Approbation (nach Aus: 
weis der Reichsordnung) ihrer Herrichaften jemals gebrudt, daß ihnen 
auch dieſes Alles ohne deren Borwiffen und Beſcheid um Verhütung 
allerhand Eingangs und Praejudicii willen nichts zu handeln gebühren 
will, und dagegen, daß die Stadt Frankfurt gegen den Einen over den 
Andern exequendo etwas vornehmen jollte, im Namen jeiner Herrichaft 
protejtiven thäte, welches wir E. L. freundlich nicht bergen wollen.‘ 

Wenn bisher irgend ein Staat durch fein laues und ſelbſt häufig 
feindfiches Verhalten das gemeinjchaftliche Fräftige Handeln der Pre- 
teftanten unmöglich gemacht hatte, jo war es Kurſachſen, die erfte luthe— 
rische Macht im Reiche; ja es ſchien im der gleichgültigen Kälte gegen 
die Gefährdung proteftantifcher Nechte, in dem engherzigen Verfolgunge: 
geilte gegen alles nicht Starr Yutherifche einen wenig beneidensiwerthen 
Ruhm zu fuchen. Diesmal aber ging Kurfürſt Chriftian IL, wenn 


Kapitel.) Endliches Auftreten Kurſachſens. 633 


auch zögernd und langjamer als Friedrich IV., doch anſcheinend ent- 
ſchieden vor. In der legten Stunde muß ihm endlich die Einficht ge- 
fommen jein, daß die Sache ver Yutheraner und NReforimierten dem 
Kaiſer und der katholiſchen Kirche gegenüber denn doch eine und diejelbe 
jei und daß man fich mit vereinten Kräften wehren müßte, wenn man 
nicht vereinzelt unterorüdt werden wollte. Zudem ftanden die höchjten 
gewerblichen Intereſſen dreier bedeutender Univerſitätsſtädte auf dem 
Spiele. Chriftian richtete aljo dody noch im eigenen Namen und als Bor: 
mund der Herzöge Johann Georg und Auguft am 19. Juni 1609 eine 
Beichwerveichrift an den Kaifer. Nachdem er den mit den obigen An- 
gaben übereinftimmenden Thatbeitand kurz wiederholt hat, erklärt er fich 
jelbftrevdend damit einverftanden, daß die Reichsgeſetze gegen Yibelle und 
Famosſchriften ftreng ausgeführt, betheuert aber, daß jolche in feinen 
und feiner Mündel Yanden überhaupt nicht gebrudt würden, und führt 
dann fort: „Allvieweil aber diejes Vifitationswerf bei mir und anderen 
evangelischen Reichsſtänden, welche mit mir hierorts communiciret, faſt 
das Anſehen gewinnen will, ala wäre obbemelte Kommijfion ohne 
jonderbaren E. K. M. Vorbewußt, jondern vielmehr auf Anstiftung und 
zum Behuf der unruhigen Jeſuiten, den Chur», Fürften und Ständen 
des heil. röm. Reichs ſammt allen Augsburgiichen Konfeffionsverwandten 
zu merflichem Abbruch ihrer Hoheit und Reputation, wie auch wahren 
Glaubens und dann den Buchführern zu großem Nachtheil ausgewirfet, 
als bin ich unumgänglich werurfacht worden, E. 8. M. nachfolgenver Ur- 
jach willen hierunter zu erjuchen und anzulangen, daß jolche allgemeine 
Bifitation, weil e8 ein Werk, welches beide angenommenen Religiones 
betrifft, mit ven Churfürften, Fürſten und Ständen des Reichs Einwilligung 
und Borbewußt hätte geichehen; auch da jolches aljo bewilliget und ge- 
jchlofjen, alſo dann folche Viſitation nicht allein den römischen Catho— 
lifchen jondern auch zugleich ver Augsburgifchen Confejfion zugethanen 
Commifjarien aufgetragen werben jollen. 

„Ums Andere, ob auch wohl bei jüngjter Reichsverſammlung von den 
proteftirenden Chur: Fürften und Ständen mit großer Bejchwer ange: 
bracht und gejucht worden, daß vermöge der zu Frankfurt Anno 1577 
publicirten Polizeiordnung nichts, jo der chriftlichen allgemeinen Lehre 
und dem zu Augsburg aufgerichteten Keligionsfrieden ungemäß und 
iwideriwartig oder zu Unruhe und Weiterung Urſach gebe, gejchrieben 


634 Schreiben Chriftians II. an den Kaijer. [Zehntes 


oder gedruckt werden jollte, jolches doch in diefem Viſitationsmandat diß— 
falls gar nichts, jondern alleine der verbotenen Kamosjchriften Erwähnung 
geichehen, welches denn die jegigen Commissarii jonder Zweifel auf die 
evangelifchen Theologen und andere Yeute, welche wider die römische Kirche 
etwas haben ausgehen laffen, müſſen ziehen und accommodiren werden. 

„Über dieſes und fürs Dritte ift den Commissariis latissima po- 
testas, die Inquifition, Confiscation und Beftrafung sine respectu 
vorzunehmen eingeräumet worden, da doch oben angezogene Polizeiord— 
nung klar bejaget, daß der ordentlichen Obrigfeit jedes Ortes die Ber- 
brecher zu ftrafen, nachgelaffen jein oder im Tall des Verbleibens der 
Kapjerliche Fisfal zu procediren Macht haben jolle. 

„Und weil endlichen fich aud die Buchdruder und Händler meines 
Erachtens nicht unbillig bejchweren, daß unangejehen fie nicht allein mit 
glaubwürdiger Anzeige, wie und welcher Geftalt ihnen die Bucher zu 
bruden erlaubt worden, fie geführet, jondern auch allbereit fie contra 
jJustitiae regulas et nundinarum privilegia jedes Buchs ein Exemplar 
ohne allen Unterſchied der Fakultäten, damit ja die Jeſuiten jtattliche 
Bibliothefen errichten könnten, umfonft ausantiworten follten, welches 
denn zu ihrem fonderlich großen Schaten und Nachtbeil, auch zu ver 
DOrts-Obrigfeit Präjudiz und im ganzen römiſchen Reich zu einer Neue- 
rung und Einführung gereichen wollte, als babe ich nicht unterlaffen, 
jolhes E. 8. M. zu erfennen zu geben, 

„Und gelangt an E K. M. mein alleruntertbänigftes Bitten, E. K. M. 
wolle meine und anderer Chur-Fürſten und Stände des Reichs Unter: 
thanen, von Buchdrudern und Händlern mit diejen Vifitationsmandaten, 
darbey zugemutheten Poftulaten und beprohlichen Gommunicationen 
Allergnädigſt verjchonen, es bei voriger deßhalben aufgerichteten Polizei: 
ordnung bewenden und hingegen das Mandat gänzlich caffiren und dies 
Alles bis zu einer Fünftigen allgemeinen Reichsverſammlung verjchoben 
und eingejtellt fein laſſen.“ 

Unterm 19. Juli 1609 ließ der Kurfürft die ſächſiſchen Buchhändler 
durch den leipziger Nat und die Univerfititen Wittenberg und Jena 
dahin bejcheiven, daß jeine Beichwerde an den Kaiſer abgegangen jei, 
und ihnen auferlegen, daß fie, ‚wenn in Zufunft von den vwermeinten 
Sommiffarien etwas Weiteres gejuchet und bei ihnen gemutbet oder 
einig Eremplar gefordert würde, fi mit Glimpf entjchuldigen und 


Kapitel.) Druck Kurſachſens auf den franffurter Rat. 635 


auf die Interceſſion des Churfürjten bei ver Kayſerlichen Majeftät und 
hoffentlich gewirige Reſolution veferiven und auch was künftig deß— 
wegen weiter fürlauffen mochte, jedes Mal berichten jollten”. In ihrem 
Danfjchreiben vom 14. Auguft 1609, welches fie fur; vor der Ab— 
reife zur franffurter Herbſtmeſſe abjandten, baten die Buchhändler ihren 
Yandesherrn, er möge den ihnen erteilten Beſcheid auch dem Mate zu 
Frankfurt notificieren, damit „wir für unſere vechtmäßige Declinato- 
rien genugjamen Schein haben, dabei vom Rathe ohne Weitläufigfeiten 
geſchützt und alſo Anderen ehrlichen Handelsleuten gleich, bei fahjer: 
lichen Privilegien der Mefjen, ja bei aller Völker Rechten, darauf 
die Gommercien, Handel und Wandel bejtehen, gehandhabt werden 
mögen“. Diefem Wunjche hatte der Kurfürft jchon am 17. Juli, alfo 
an dem Tage entjprochen, am welchem ev im Interejfe ver bejchwerbe- 
führenven Buchhändler an den leipziger Nat gejchrieben hatte. Er 
trat in dieſem aus Eibenſtock datierten Schreiben energijch für die Rechte 
jeiner Unterthanen ein, beftritt mit den bereits geltend gemachten Grün— 
ven der Bücherfommiffion die Berechtigung zu ihrem Vorgehen und er- 
Härte, daß er eben wegen deren Unvechtmäßigfeit feinen Buchhändfern 
verboten habe, den Anordnungen der Kommiffion Folge zu leiften. 
Namentlich aber jprach er dem Rat darüber jein Miffallen aus, daß 
man auf den franffurter Meffen vorzüglich die lutheriſchen Buchhändler 
beläftigt, und nicht allein Freieremplare von Büchern, jondern auch deren 
Kevifion und Genfur beanjpruche, nachdem in Sachſen alle gejetlich ev: 
forderlichen Förmlichkeiten erfüllt worden jeien. Er wünſche und babe 
ein Recht zu verlangen, daß fich der Nat der ſächſiſchen Buchhändler 
annehme und jie in Zukunft vor derartigen Zumutungen ſchütze, damit 
jie ihren Handel ungehindert treiben fünnten. Am Schlufje jeines 
Schreibens bemerkt der Kurfürjt, daß er fich gegen dieſe unerhörte Neue- 
rung beim Kaiſer beichwert habe und daß er dem Kat die Antwort, 
welche nicht anders als günftig ausfallen könne, ihrer Zeit mitteilen 
wolle. Diejes Schreiben wurde, wie ein Kanzleivermerk jagt, in ber 
Herbitmeffe 1609 „durch etliche Wittenbergiiche, Jeniſche und Leipziger 
Buchführer auf dem Römer präjentirt“. Ein Beſcheid darauf findet 
fih in den franffurter Akten jo wenig, als die Antwort des Kaiſers 
auf die furfürjtliche Bejchwerde im dresdener Archiv. Indeſſen hatte 
Diefe Doch die gute Folge, daß man fürs erjte die proteftantijchen 


636 Heranziehen des Sturmes. Neue Flut von Flugichriften. | Behntes 


Buchhändler weder mit Beichlagnahmen noch mit jonjtigen Strafen 
behelligte. 

Inzwiſchen mehrten ſich von Tag zu Tage die Anzeichen des auf— 
ſteigenden Sturmes, der Deutſchland für ein Menſchenalter in ſeine 
Wirbel reißen ſollte. Mit dem Tode Rudolfs II. (1612) nahm die 
politiſche und religiöſe Spannung immer ſchroffere Formen an. Bis in 
die unterſten Schichten der Bevölkerung ſtieg die Aufregung. Jede 
Waffe galt zwiſchen den ſtreitenden Parteien als recht: Spott und Hohn, 
Schimpf und Lüge. Bänkelſänger zogen durch das Land und boten in 
Städten und Dörfern, auf Meſſen und Jahrmärkten ihre „Drei oder 
bier neue Lieder, gedruckt in dieſem Jahr“ feil. So gab es kaum ein 
Ereignis der großen Politik, von der Einnahme von Donauwörth an 
bis zu den aachener Vorgängen des Jahres 1614, das nicht durch Preſſe 
und Geſang ind Volk getragen worden wäre, Allen dieſen Erzeugniſſen 
der Parteiwut war ſelbſtredend ein bitterer und gehäſſiger Grundton 
eigen; in feinem von ihnen drang ein gutmütiger, milder Zug durch: 
fie muten noch heute den Yejer an, als ob die Gegner fich bereits mit 
den Waffen in der Hand gegemüberftänden. In Frankfurt mifchten fich 
die Bücherfommiffare jogar in die dem Rate zuftehende Genjur über 
diefe Art untergeorbneter Yitteratur ein und fahndeten auf die Bänkel— 
fänger. Sp hatte Yeucht Shen am 19. September 1611 den Bürger— 
meister aufgefordert, dem Unfug ein Ende zu machen, ven etliche un— 
ruhige Perjonen mit dem Dichten und Abfingen von ärgerlichen Famoe— 
lievern und Schmähfarten auf den öffentlichen Plätzen ver Stadt trieben. 
In folchen Yiedern würden nicht allein ver geiftlihe Stand, ſondern 
auch die faiferliche Meajeftät, andere hohe Potentaten und Reichsſtände 
verfleinerlich und zum jchmählichiten wngetaftet, wie fie denn auch dem 
Religionsfrieden zuwiverliefen. „Alſo gelanget an E. E. von Anıpte- 
wegen mein dienftlihes Suchen, Sie wollen durch Ihre Diener jolce 
nicht allein alsbaldtt abjchaffen, jondern auch die Dichter und Singer 
mit gebührlichem Ernſt und Strafe anſehen.“ Es waren allerdings 
Schmählieder gegen den Papft, den Herzog von Bayern, die katholiſche 
Kirche, die Meffe, die Beichte, die Jejuiten und fatholifche Übergriffe, 
wie fie herausfordernder jelbjt in jener erregten Zeit nicht gedruckt 
worden waren; indeſſen erjchienen fie auf der gegneriichen Seite nicht 
milder, ja ſogar noch gröber. Bon diejen letteren nahmen vie Bücher: 


Kapitel.) Berhalten des frankfurter Rats. 637 


fommifjare natürlich feine Kenntnis, weshalb fie fich mit Recht dem 
Borwurf der Willkür und Ungerechtigkeit ausjeßten. 

Übrigens ließen fich auch troß aller Strenge die Schmäbhjchriften gar 
nicht mehr unterprüden. "Gejtern verboten, wurden fie heute wieder 
öffentlich oder heimlich in den Gaffen berumgetragen und tauchten 
morgen in verboppelter Zahl wieder auf. Am 21. Januar 1615 ging 
Peucht wieder den Bürgermeifter an, eine Anzahl von Basquillen und 
Famosjchriften zu verbieten und zu vernichten, in deren einer die kaiſer— 
liche Majeftät, das Haus Ofterreich, bejonvers aber der Erzherzog Yeo- 
pold jchmählich verunglimpft und angetaftet werde. An der Fahrgaſſe 
bingen die Händler gar ein jehr ärgerliches Patent und Kupferſtücke öffent- 
(ih zum Verkaufe aus, „worin der ganze geiftliche Stand hochläfterlich 
depingiret und angetaftet werde”. Ohne Zweifel fürchteten fich die 
ftädtifchen Behörden — es war die Zeit des Fettmilchjchen Aufſtandes 
und der Macht feines Führers —, die Aufregung der in ihrer Mehrzahl 
protejtantischen Bevölkerung noch mehr zu jteigern, denn ſonſt ließe fich 
die Wirfungslofigfeit der polizeilihen Maßregeln kaum erflären. 

Es jcheint, daß die revolutionäre Bewegung in ver Stabt dem franf: 
furter Rat jchon 1613 und 1614 eine tiefere Einficht in den eigent- 
lichen Charakter der faijerlichen Politik verjchafft gehabt hätte, als ihm 
bisher eigen geweſen war. „Jedenfalls zeigte er fich ven Bücherfommiffaren 
gegenüber nicht mehr jo zuvorfommend als in frühern Jahren. Der 
Kaifer Mathias hatte am 4. März 1613 die Bejtallung Leuchts und 
Seiblins, der hier Seublein, genannt Böll, angeredet wird, erneuert, ihnen 
am 2. September 1615 Johann Ludwig von Hagen beigeorpnet und fie 
zugleich bevollmächtigt, fich auf der nächjten und allen folgenden Meffen 
eine oder mehr taugliche Perſonen zu jubjtitwieren. Wie fein Vorgänger, 
juchte auch Mathias die dem Papfte und Kaiſer feindliche Yitteratur 
durch die Bücherfommiffion ohne viele Umftände aus der Welt zu 
ichaffen. Im Sommer 1613 waren einige derartige Schriften erjchienen. 
Die eine hieß: „Supplicatio ad Imperatorem, Regem et Principes 
super causis convocandi coneilii generalis contra Paulum V. 
Pontificem“, die beiden andern behandelten die donamvörther Angelegen- 
heit in einem der wiener Politik feinpfeligen Sinne und führten den 
Titel: „Informatio facti et juris wider die Relation Donauwerthiſcher 
Sachen“ und „Traftat in gleicher Materia Donauwertbifcher Hand— 


638 Einmifhung des päpftl. Nuntius. Übergriffe der Kommiſſion. [Zehntes 


fung” zu Amberg gedrudt. Auf die erfte der genannten Flugſchriften 
hatte der päpftliche Nuntius den Kaifer in einer undatierten Eingabe 
aufmerkſam gemacht. Es iſt das erfte mal, daß fich in ven franffurter 
Akten die direkte römische Einmifchung in die deutjchen litterarifchen An— 
gelegenheiten zeigt, und daß ein Nuntius den Kaifer bei feinen, dem 
Papſte ſchuldigen kindlichen Gehorfam ermahnt, ein derartiges ketzeriſches 
Fibell im ganzen Reiche und in ben habsburgifchen Erbländern zu ver- 
bieten. Mathias jandte denn auch am 5. Oftober 1613 dieje „ſchand— 
und läfterliche‘ Schrift am Leucht ein und bemerfte, daß wenn er auch 
von deffen Eifer im voraus überzeugt fei, er es doch in einem jo 
außerorventlichen Falle für angezeigt gehalten habe, ihm eine aufer- 
ordentliche Erinnerung zugehen zu laffen. Zugleich befahl er aber auch 
dem Kommiffar, auf andere derlei böſe und ärgerliche Bücher, nament- 
ih auf die zweite und britte der genannten Flugſchriften fleißig zu 
achten, „damit biejelben alsbald abgejchafft und aufen Weg geräumt 
werden“. Leucht gelang es denn auch, mehrere Eremplare dieſer Schriften 
bei Ichann Berner, Chriftoph Bruder, Nikolaus Rode und Peter 
Schinkel abzufaffen und an fich zu nehmen. Unterm 15. Januar 1614 
verlangte der Kaiſer vom franffurter Rate gar die Mitteilung der 
Namen aller unter deffen Botmäßigkeit ſtehenden Schriftiteller, Buch— 
händfer und Buchverfäufer, da er mit Mißfallen und Befremden vwer- 
nommen, daß dort jchon lange „ichmachhafte und Läjterliche Bücher“ 
von verjchiedenen Autoren gegen die uralte katholiſche Religion und deren 
Vorsteher gedrudt, öffentlich feilgehalten und verkauft worden ſeien. 
Dur ſolche Schriften würde nur das Miftrauen und die allgemeine 
Erbitterung genährt und neu erwedt, abgejehen davon, daß fie ftrafbar 
und verboten feien, aljo billiger Weife nicht geduldet werben dürften. 
Als der Kommiſſar Seiblin die obenerwähnte „Informatio juris et facti 
wider die donauwörthiſche Relation” bei dem Buchhändler Johann Berner 
fonfisziert hatte, forderte er diefem auch eine Strafe von 30 Thalern 
ab. Berner bejchwerte fich deshalb beim Nat, ver am 22. April 1614 
in Berathung über die Sache trat. Dr. Raſor erinnerte bei diejer Ge— 
(egenheit daran, daß durch jolche Verfolgung der Verkauf der evange- 
fiichen Bücher nicht allein gehindert, ſondern auch den ewangelijchen 
Ständen benommen würde, ſich gegen die fatholischen zu verteidigen, 
wie auch, daß dem Senat die Konfisfation und Strafe allein zuftebe 


Kapitel] Widerftand des frankfurter Rats, ermuntert durch Kurpfalz. 639 


und von ihm bisher auch ausgeübt worden, worauf denn bejchloffen 
wurde, den Bücherfommiffarien entgegenzutreten. Auch im Jahre 1616 
hatte ver päpftliche Nuntius wieder einmal dem Kaijer ein Werf als feke- 
riſch und Samosjchrift denunziert und jeine Konfiskation in Frankfurt ver- 
fangt. Es war „Marei Ant. de Dominis, Archiepiscopi Spalatinensis 
Apostatae, consilium sive caussae suae profectionis ex Italia‘, welches 
Mathias daraufhin am 3. September auf der Mefje in Beichlag zu nehmen 
befahl. Der Rat erhielt auf Nachfrage bei Billius aus Yondon übrigens 
nur zwei Exemplare davon, verftand fich aber micht zur SKonfisfation, 
jondern beichloß am 7. Januar 1617, daß man dieſe Sache und was 
Cäſar und Kurpfalz an ihn, den Kat, gejchrieben, bei bevorjtehendem 
Städtetag anbringen und fich deshalb Rats erholen wolle. Kurfürſt 
sriedrih V. von der Pfalz hatte fich nämlich am 4. Januar 1617 in 
derjelben Angelegenheit an den Rat gewandt. Bei feiner getreuen Sorge 
für das gemeine evangelische Wejen hatte er ihn erjucht, die Sache reif- 
(ih zu überlegen und das betreffende in Frankfurt auch nachgedruckte 
Buch nicht zu fonfiszieren, zumal e8 feine boshaften Angriffe gegen hobe 
oder niedere Standesperjonen enthalte. Andererſeits aber jei doch be— 
fannt, „waß für vielfeltige Samosjchriften und dazu noch in neulicher 
Zeit von dem andern Theil im offenem Drud ausgejprengt und unge- 
ſcheut nachgedruckt, darinnen hohe Stande Perjonen zum Giftigſten 
an ihrer Reputation umd Ehren mit höchſter Unwahrheit angegriffen, 
aber dagegen einige Ahndung bis jett noch nicht verjpürt worden, und 
jei fein Zweifel zu machen, daß auf Antrieb des am faijerlichen Hof 
fich aufhaltenden päftlichen Nuntii ſolcher Konfiskations-Befehl erlangt 
und ausgebracht worden“, wie es ja auch thatſächlich der Fall war. 
Bereits auf der Herbſtmeſſe 1617 verlangten die Bücherkommiſſarien 
vom Rate wieder die Konfiskation einer andern in England ge— 
druckten Schrift desſelben Verfaſſers: „DDe Republica Ecelesiastica“, 
allein auch jetzt weigerte ſich der Rat, dieſem Anſinnen nachzukommen, 
da er vom Kurfürſten von der Pfalz und andern evangeliſchen Stän— 
den gewarnt und bedeutet ſei, daß eine Konfiskation zum Präjudiz der 
Protejtanten gereiche. „Der Befehl des Kaiſers“, jchreibt Friedrich noch 
am 26. Dezember 1617 an den Rat, „ift an Euch erlaffen unter dem 
Namen und Schein eines ehrenrührigen Buches, weil darin des Papites 
angemaßte Hohheit und Primat widerfochten wird. Nun halten wir dieſe 


640 Gelbjtändiges Auftreten desjelben. [Zehntes 


und vergleichen Confiscationes, damit man zeither umgegangen, einer 
jehr weit ausſtehenden Confequenz, als es dadurch enplich dahin gerathen 
möchte, daß alle ver Evangeliichen Bücher, welche wider das Papittum 
gejchrieben, umter die Zahl derer, die für ehrenrührig und verdammt 
gehalten werben wollen, kommen und der Gonfiscation teilhaftig umd 
alfo gar nicht mehr zugelafjen werden dürfen, darım denn auch Wir 
und Unfere mitverwandten Stände jüngfthin um des ſchädlichen Indicii 
willen von Heilbronn aus Euch wohlmeintlich gerathen, bierinnen ein 
wachendes Auge zu haben und nicht zuzulaffen, daß Euch hierin an 
Eurer habenden Jurisdiction nachtheiliger Eintrag gejchebe, dazu Ihr 
Euch guter Maßen erboten, und wie Wir berichtet, die jetzige vorge 
habte Konfiscation verhindert habt, welches Ihr auch fernerhin ins 
fünftig zu thun nicht unterlaffen, und aljo hierdurch Euch und dem 
gemeinen evangelifchen Wejen feine bejchwerliche Nachfolge geitatten 
wolfet, und worin Wir Euch mit Rath und hüffreicher Beförderung in 
vergleichen Fällen die Hand werden bieten fünnen, find Wir dazu um 
des gemeinen Beſtens willen erbietig und geneigt, wie auch andere Unſere 
mituntirten Stände, wenn fie darunter angelangt, gern thun werden.” 

Sei e8, daß der männlich bewußte Ton in den Briefen Friedrichs, 
ver in ſehr vorteilhaften Gegenjag zu jeiner fpätern Unentſchiedenheit 
und Schwäche fteht, oder jet cs, daß die Teilnahme der evangelijchen 
Mitftände dem Rat Mut machte: genug, er wagte e8 jet jeit fünfzig 
Jahren zum erften male, feine Rechte wieder jelbftändig gegen den Kaiſer 
und jeine Kommiffarien geltend zu machen. Ein fülner Buchhändler, 
Johann Gritti, hatte, wie die Akten jagen, „ein Schand: und Yäfterbuch 
eines teufliſchen Gejprächs betitelt: «Evangelium reformatum», und 
mehrere andere Famosbücher in puncto religionis” auf die Faſtenmeſſe 
1617 gebracht. Sie waren mit fölnifcher Cenjur und Approbation, jedoch 
ohne den Namen ihrer Berfaffer gedruckt. Der Rat lich fie als ärger 
lich und zum Unfrieden führend fonfiszieren, trotzdem daß Gritti ſich 
mit anzüglichen und trogigen Worten auf die Mechfreiheit ſtützte und 
die Berechtigung des Rats zu einer ſolchen Maßregel bejtritt, twelcher, wie 
er ausführte, viel beſſer gethan haben würde, die gegen den Papſt ge 
richteten Schmähjchriften wegnehmen zu laffen. „Darneben bat venn 
Senatus jein Exereitium jurisdietionis, inspectionis, confectionis 
catalogi, confiscationis et executionis, der Polizey- und Reichsord— 


Kapitel.) Die Haltung der Kommiſſion im Wechlel der Kriegsläufte. 641 


nungen zu conjerpiren, und dagegen die faijerlichen Commissarios von 
Extension ihres exereitii inspectionis dejte mehr amzubalten, aber- 
mals ein offen Patent wegen der Büchermängel anſchlagen laſſen.“ 
vesteres enthielt nichts als eine Wiederholung der alten Beſtimmungen, 
wenach fein Buch auf die Meſſe gebracht over verkauft werden dürfe, 
welches nicht den Namen des Verfaſſers, des Druders ımd des Ver— 
lagsortes trüge. Das hier genannte Gritti’jche „Evangelium Refor- 
matum‘ iſt übrigens bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts das einzige 
im katholiſchen Intereſſe veröffentlichte Werk, welches in Frankfurt fon 
fisgiert wurde und lediglich durch dieſen Umſtand bemerkenswert. 

aus. Es würde ermüdend jein, Die einzelnen Eingriffe in die Freiheit 
des buchhändleriſchen Verkehrs mit der bisherigen Ausführlichkeit weiter 
zu erzäblen, zumal fie ſich im wejentlichen nicht viel von den bereits 
angeführten Einzelheiten unterjcbeiden. Es iſt aber unerläßlich, die 
neuen Anmaßungen der Bicherfommiffare gegen die politifchen echte 
und die Bichermeffen Frankfurts, ſowie die Ausdehnung der immer 
unbeſchränkter auftretenden kaiſerlichen Machtanjprüche genau zu ver- 
folgen, zumal fie auf einem von der Geſchichtſchreibung bisher vernach— 
läſſigten Gebiete neue charakteriftiicebe Beiträge zum Kenntnis der Politif 
der Hofburg liefern. Sobald die kaiſerlichen Waffen fiegreich find, tritt 
die Kommiſſion ungeſtümer fordern und befeblend auf; ſobald fie da 
gegen unterliegen, hört ma kaum etwas von einer Behörde, die ihren 
unbeilvollen Einfluß täglich mehr auf Koſten der geſetzlichen und freibeit- 
lien Entwidelung Deutſchlands ausdehnt. 

Vie ſchon in den dem Kriege vorausgehenden Jahren Mathias den 
deutſchen Prefverbäftniffen eine ftetigere und ftrengere Aufmerkſamkeit 
jugewandt hatte, jo unterwarf auch Ferdinand nach dem Ausbruch des 
Kampfes, und wihrend desjelben, ven Buchhandel einer viel jorgfältigern 
und methodifchern Behandlung. Die päpftlicben Yegaten und Jeſuiten 
ver Hofburg wußten nur zu gut, welch ein gefübrlicher Feind ihnen die 
Prejfe war und welche Macht ein Reichsſtand auszuüben vermochte, 
wenn er jeine verfaffungsmärigen echte energiſch zu behaupten vwer- 
ſtand. Der franffurter Rat brauchte fich feinen Gingriff vom Kaiſer 
gefallen zu lafjen, denn als magistratus ordinarius entſchied er in 
allen Prefangelegenbeiten jelbjtändig und jouwerän. Man batte ihm 

Kapp. I. 41 


642 Syſtematiſche politiiche Schwächung des franffurter Rats, [ Zehntes 


deshalb auch von Wien aus bis dahin nur meittelbar beizufonmen ge: 
ſucht und bis zum Kriege höchſtens zugemutet, daß er ven Bücherkom— 
miſſarien zur Bollziehung ihrer Aufträge jeinen Arm lieh, oder aud 
im eigenen Namen verfündigte, was jene von ihm verlangten. Sie 
brauchten aljo nur auf diefem Wege fortzugehen, um zum Ziele zu ge 
langen. Die politische Yage Frankfurts war für fie zu jener Zeit jo 
günftig, als fie nur jein fonnte. Dev 1616 nur mit fatjerlicher Hilfe 
bewältigte Fettmilchſche Aufftand jteefte dem wieder and Ruder gelangten 
Stadtadel noch in allen Gliedern. Ohne Wurzeln im Volke und ohne 
jede innere Kraft fonnte ev anf feine andere Hilfe als vie faijerliche 
rechnen und mußte ſich zum Dank für diejelbe manche Zumutung ge 
falten laffen, welche unter günftigern Verhältniſſen ſelbſt ein jo verrottetes 
Patriciat, wie das frankfurter, entrüftet zurüdgewiejen hätte. Natürlich 
liegen die übeln Folgen, welche eine jolche ſelbſtverſchuldete Hilfloſigkeit 
nach ſich ziehen mußte, nicht lange anf fich warten. Obwohl durch vie 
jeitherige faiferliche Polttit durchaus nicht verwöhnt, blidte ver Kat doc 
ſchon nach ven erjten zehn Jahren des Krieges auf den Zujtand vor vem- 
jelben mit wehmütiger Sehnſucht als auf eine goldene Zeit zurück und 
verjtieg ſich jeitvem zu feiner höhern Bitte mehr, als um die Wieder— 
bertellung der früher Yage ver Dinge. 

Natürlich wußte man in Wien jehr gut, mit wen man es zu thun 
hatte und handelte dem entjprechene. Die Kommiſſarien mußten fich 
bei jeder Gelegenheit in die Handhabung der Cenſur und die Zulafjung 
von Büchern einmijchen, unerfüllbare Forderungen jtellen, Drohungen 
ausſtoßen und jelbjt widerrechtliche Eingriffe veranlaffen, um den Rat 
immer mehr einzujcblichtern und zum jehrittweijen Nachgeben zu zwingen. 
So gewann denn die fatjerliche Politik kaum zehn Jahre nach Ausbruch 
des Krieges eine feite Grundlage, auf welcher fie bequem weiter bauen 
und ſich befejtigen fonnte. Schon 1629 war es ganz Har, daß die 
Tage der frankfurter Buchhändlermeſſe gezählt waren; man fonnte fich 
höchjtens über das Jahr ihres völligen Abjterbens irren, Fortan tritt 
jeder Kommiſſar ſtrenger und anmaßender auf als jein Borgänger. Je 
größer jeine Nüdjichtslofigkeit gegen Frankfurt it, deſto beſſer jtebt er 
in Wien angejchrieben. Hier jchreibt man ihm jeine Politif vor und 
belohnt man jeine Dienjte durch Titel und Avelsverleibungen, jelbjt 
durch pekuniäre Erleichterungen und Zuwendungen. 


Kapitel.) Berjonelles über die Bücherkommiſſion. 643 


Mit leßtern war man allerdings in Wien jtets etwas zurückhaltend. 
Zchon 1620 hatte ver Bücherkommiſſar Joh. Ludwig von Hagen wegen 
gebabter Arbeit und Koſten „um ein geiftliches oder weltliches Done 
rarium“ gebeten, aber evjt am 19. Auguſt 1631 erbielt er eine Penſion 
von O0) bis 6000 Gulden zugebilligt. Er mußte die „unter Lebensge— 
fahr“ bemwältigte Arbeitslaft ins Gefecht führen, jeine Sorgfalt in Vor- 
bereitung der faiferlichen Mandate, bei der Unterprüdung ver Famos— 
ihriften, jein Berdienjt um die nene änßere Geftaltung des Meßkataloges 
und daß ev Die Pflichteremplare auf feine stojten nach Wien habe jenden 
müjjen, was übrigens, Fir die frühere Zeit wenigſtens, eine IImwahrbeit war. 
Die Decbanten ver frankfurter Domkirche (Bartholomäns) bfeiben jelbit- 
redend nicht hinter ven Beitrebungen ihrer weltlichen stollegen, der ſpeyer— 
iben Fiskale, zurüd. Bon diejen folgte auf den bereits erwähnten Karl 
Zeiblin 16525 Dr. Gerhard Ebersheim, ver jein Amt in Gemeinjchbaft mit 
dem bereits 1615 ernannten Domdechanten Johann Yıdwig von Dagen 
betleivete. Während er fich aber wenig um die Gejchäfte befümmerte, 
war leßterer bis zu jeinent Tode, der erjt gegen 1654 erfolgt jein muß, 
um je thätiger. Bon 1637 an wirfte der ſpeyerſche Fiskal Dr. Jakob 
Bender mit ibm. Der Dr. med. Hörnigf, ver jpäter zum Katholizis— 
mus übertrat, hatte zwar ſchon 1649 an den Kaiſer in buchhändleriſchen 
Angelegenheiten berichtet, wide aber erſt 1655 nach dem Ableben 
Hagens an deſſen Stelle zum wirklichen Bicherfommiffar ernannt. Der 
Fistal Dr. Philipp Werner von Emmerich folgte 1656 dem Dr. 
Bender. Hagen und Hörnigk waren die gehäffigiten ver bisher im Amte 
befindlichen Kommiſſare. Sie wurden aber bald noch überboten von 
Georg Friedrich Sperling, der 1661 jeine Beltallung als Adjunkt erbielt 
und als Nachfolger Hörnigfs in Ausficht genommen war. Diejer jtarb 
1667; jener aber blieb zwanzig Jahre im Amt und wurde 1637 „aus 
erheblichen Urjachen” entlaffen. Er war ein gemeiner, zanfjüchtiger und 
verächtlicber Menſch, ven eine jo glimpfliche Behandlung ficherlich mie 
zuteil geworden wäre, wenn ev nicht aufs rückſichtsloſeſte und heraus: 
fordernpfte die Jeſuiten umterftütt hätte. Sein Nachfolger war Kaſpar 
Bollmar, Dechant zu „Unſrer lieben rauen“. Die genannten Kom— 
miffare bethätigten entweder auf Befehl des Kaiſers oder im Einver— 
jtändnis mit ihm ihren Dienjteifer nach zwei Zeiten bin: einmal in 
der Anmaßung einer jtraffen Genjur, dann aber in eigenmächtigen Ein— 

41* 


644 Verfolgung der protejtantiichen und politiichen Yitteratur. [ Jehntes 


griffen in die politifchen Rechte des Frankfurter Notes. Nebenbei be 
nutzten fie auch Die vielfach bejtrittene Frage der ven Kaiſer abzu— 
liefernden Freieremplare zur Erweiterung ihrer Macht; fie bot ftets einen 
bequemen Anlaß zur Einmiſchung in die buchhändleriſchen Interejien. 
Die Cenſurverfügungen werden zunächſt mit dem bejtimmt ausge 
jprochenen Zweck erlaffen, die Protejtanten zu jebwächen und zu demü— 
tigen, ven Katholizismus aber zu beben und zu ftärfen. Kaum war 
der böhmiſche Aufftand nienergeworfen und Tilly ſiegreich in der Pfal; 
vorgedrungen, ala am 2. September 1622 ein an fich umnbeanjtandetes 
größeres Werf, Joh. Dan. Mylius' „„Philosophia reformata“, vom 
Hate Fonfisziert werden mußte, weil ver Verfaffer es einem Rebellen, 
dem Kurfürſten Ariedrich von der Pfalz und König von Böhmen, ge 
widmet hatte. Am 24. Juni 1626 erging der Befehl an den Nat, auf 
einen „böchjtargerlichen intitulirten Catalogunı etlicher Famosbücher 
und Tractätlein, jo dem Hauß Dfterreich et Catholieis prejudicirlich, 
zu inquiriren und fie zu confiseiren“. Dieſer „Catalogus librorum 
mystico-politicorum, qui autumnalibus Nundinis Franeofordien- 
sibus anni 1626 in lucem prodiebunt” (übrigens wohl nur ale 
Satire und Fiktion anfzufaffen, in Wien aber ernjt genommen, entbielt 
nicht weniger als 46 amftörige Bücher mit fingierten Druckorten und 
Firmen, wie 3. B. Neapel, bei ven Erben Franz des Wabren, Madrid, 
im Hauſe der verlegten Gerechtigkeit, Paris, im Zeichen des aufgebläbten 
und fahlen Adlers, Yöwen, im Hauſe der Verleumdung und im Zeicen 
des Ochſen im Himmel, Benedig, bei Juſtus im Zeichen des öffentliden 
Wohles, Wien, im Hauſe des öſterreichiſchen Lutheraners Martin und 
im Zeichen der nadten Wahrbeit, und endlich Antwerpen beim Päperniten 
Prädico, im Zeichen der ſodomitiſchen Feuersbrunſt. Die Jeſuiten, 
Spanier und Habsburger find der ausjchliekliche Gegenſtand des Haſſes 
und der Verachtung aller diefer Schriften. Neben ven politiicben My 
jterien des Hauſes Dfterreich mit angeblichen Kommentaren von Cam 
panella, Stantsrechtlicben Unterſuchungen über die Nachfolge Ferdinand, 
dejjen Sohn (dev jpätere Ferdinand III.) jebon als Austriacissimus regie 
rungsunfähig jei, und einer Abhandlung über das Haus Habsburg, welcher 
dadurch jeines Anjpruchs auf die Kaiſerkrone verluftig gegangen jei, daß 
e8 das Reich ven Türken tributpflichtig gemacht und die Spanier ins 
Yand gerufen babe, findet jich ein Werf angefündigt über die Kunſt des 


Kapitel.) Fortgeſetzte Preßbedrückungen. 645 


Yügens, des Verleumdens, der Verbreitung faljcher Gerüchte und ver 
Angeberei nebjt Kommentaren an den Kardinal Spada, an welce Aus— 
führung Sich die Frage fnüpft, ob die Ausüber dieſer Kunſt auch die 
Hohe Meſſe leſen dürfen. Daran reiht fich eine Apocalypsis Jesuitica, 
ferner die angeblich von einem Jeſuiten beantwortete Frage, ob die 
Lues Venerea wahrhaftig und gejchichtlich eine franzöfiiche oder jpa- 
nische Krankheit genannt werden müſſe, und endlich ein Buch über die 
ſpaniſche Tyrannei. 

Am 28. Januar 1628 wurde Jakob Auguſt de Thou's (geb. 1533 in 
Paris und geſtorben 1617) Geſchichte jeiner Zeit (von 1543 bis 1607) 
als jehr ſchmählich und ärgerlich in ver deutſchen Ausgabe des frank: 
furter Verlegers Peter Kopf fonfisziert, weil die Editio princeps in 
Paris verboten werden war. Das Werf viejes gelehrten und hochge— 
achteten Barlamentspräfidenten und Bibliothefars Heinrichs IV. war 
ungehindert zwanzig Jahre lang in Deutjchland und noch länger in Franf- 
reich verkauft worden. Am 27. März; 1629 befahl ver Kaiſer dem Hagen 
weiter, „in catalogum librorum nur zwo celasses al® 1, Catholicorum 
non tamen sub Titulo Pontificiorum, uti hactenus factum; Aca- 
tholiecorum aber hernacher ohne abjenverliche Specification der Galvi- 
niſchen zu bringen und zu jeßen, Senatui aber, ihm vie hülffliche Handt 
zu bieten“. Bisher hatte vie proteftantiiche Theologie vor der katho— 
liſchen geſtanden. Der Rat gab jofort nach und erhielt für jeinen Ge— 
borjam ein Belobungsjchreiben won Hagen. Jetzt bleibt nur noch übrig, 
jagt er in demjelben am 6. April 1629, daß die Calviniſtiſchen Theologen 
gar nicht mehr aufgeführt werden. Wenn es gegen die Keformierten 
ging, je froblodten natürlich die Yutheraner; fie gönnten jenen wo— 
möglich noch Schlimmeres, als den Katholiken. 

Daneben war ver faiferliche Hof jedoch nicht müßig, zur Durchfüh— 
rung feiner Pläne auch noch direkt einen Drud auf Kleine Reichs— 
jtände, und namentlich auf die Reichsftäpte, auszuüben. Während es 
in Frankfurt in Bezug auf das Hinaufjchrauben der Zahl der Pflicht: 
erenplare jtill war, verjuchte ver Kaifer 5. B. am 28. Januar 1625 
den Rat von Köln zu einer Anweiſung an die dortigen Buchoruder und 
Buchhändler zu drängen, dem kaiſerlichen Patent zufolge vier Erempfare 
von jedem privilegierten und eins von jedem neugenrudten Buch an vie 
faiferliche Bibliothek zu liefern. Namentlich aber jeheint es der ſchwäbiſche 


646 Beeinfluſſung der ſchwächeren Reichsjtände, | 3ehntes 


Kreis gewejen zu jein, welcher Ende der zwanziger Jahre ven Drud 
ver kaiſerlichen Prefpolizei zu Gunsten ver katholiſchen Kirche in ganz 
bejonderm Make zu fühlen batte. Im Sabre 1627 mußten fich auf 
Antrag des Dofgerichtsfisfals Immendorff Theodor Thumm, Prediger 
und Profeffor in Tübingen, Eberhard Wild und noch zwet andere 
Druder daſelbſt wegen einer Streitichrift gegen das Papſttum, jowie 
auch bie tübinger theologiiche Fakultät wegen der erteilten Druderlaubnis 
verantworten. Herzog rierrich von Würtemberg — obſchon er das 
beantragte Verfahren einleitete — hatte aber doch den Mut, am kaiſer— 
lichen Hofe Vorftellungen zu erheben und kräftig zu betonen, dar man 
bei dem betrübten Zujtande des Heiligen Römiſchen Reichs doch nichts zur 
Beſchwerung des Glaubens der lutherischen Konfeſſionsverwandten thun 
und nicht in unzeitigem Eifer friedſäſſige Perſonen bedrängen möge. Der 
Rat zu Frankfurt war gleichzeitig (13. Februar 1627) angewieſen wor 
den, die Buchführer namhaft zu machen, bei welchen Thumms Schriften 
vorrätig geweſen ſeien, Die Schriften ſelbſt aber zu konfiszieren; der 
letztere Befehl erging auch an verſchiedene Reichsſtädte. Nur Augsburg 
entſprach demſelben; Ulm, Straßburg, Nürnberg und ſelbſt Frankfurt 
thaten aber nichts. 

Beſonders gewaltſam war das Vorgehen gegen den evangeliſchen 
Prediger Dr. Georg Zehmann (Zeltmann?) in der Reichsſtadt Kempten: 
er jollte angeblich im offenen Predigten und durch in Druck gegebene 
Schriften die Mutter Gottes, den heiligen Franciscus und hohe Prü- 
laten „faſt ſchmählich biasphemirt und hechärgerlich tractirt“ haben. Cr 
wurde im Dezember 1628 durch Erzherzog Yeopold ohne weiteres auf 
gehoben und auf vejjen Bergſchloß Ehrenberg gebracht, Da man wegen 
der in Kempten herrſchenden Seuche den Bejchuldigten nicht nach Inne— 
brud zu transportieren wagte. Die Anterzeifion des Rates zu Nempten, 
und jpäter der ewangelifchen Stände des ſchwäbiſchen Kreiſes, blieb er 
folglos. Das Unterfuchungsverfahren wurde von den faijerlichen Kom— 
mifjarien unter Affiftenz und vermutlich thatjächlicber Leitung Des 
Jejuitenpaters Elias Graf, Zuperiors in Naufbeuren, mit großer Weit 
läufigfeit behandelt; die Akten umfaſſen 300 enggejchriebene Zeiten. 
Troß aller diejer aufgewandten Mühe vermochte der Reichshefrate- 
agent Jeremias Pifterius von Burgdorf den Angeklagten dennech 
nicht der Verbrechen, veren ev bezichtiat war, für ſchuldig zu befin 


Kapitel.) Beginn des einſeitigen Vorgehens der Bücherkommiſſion. 647 


den; aber erſt am 3. Januar 1630 erlangte Zehmann ſeine Freiheit 
wieder. 

Der Kaiſer ſtand eben jetzt auf der Höhe ſeiner Erfolge; 1629 fand 
jich kaum mehr ein ernſter Feind gegen ihn im Felde Solange da— 
gegen aber von 1630 ab die ſchwediſchen Waffen fiegreich waren, ſteht 
feine wiener Mafregel gegen die Preſſe un den frankfurter Akten. Die 
Bücherkommiſſion teilte ſich todt. Erſt fieben Jahre jpäter, am 22. April 
1636, kam Hagen noch einmal anf die äußere Anordnung des Meß— 
fatalogs zurüd. Er babe, jagt er, in Erfahrung gebracht, daß en 
rRatsſchreiber die jeit einigen Jahren eingeführte Reihenfolge umſtoßen 
und die protejtantifche Yitteratur wieder an die Spite jtellen wolle, wo— 
gegen er, Hagen, nur warnen könne. Der Rat beſchloß darauf denn 
auch gefügig im jeiner Sitzung vom 13. April, „daß man zur Berhütung 
von Offenſion nit wol vorüber fünne, der Catholiſchen theologiſche 
Bücher im Catalogo voranzujeßen, doch follte die Rubrie dergeſtalt 
formirt werden: Libri Theologiei Romanorum Catholicorum, Augus- 
tanae Confessionis et protestantium.‘ 

Wenn in den bisher aufgezäblten Füllen die Kommiſſarien ſich 
meistens auf die ausprüdlichen Befehle des Kaiſers ſtützen konnten, jo 
vermochten fie Dies doch nicht, wenigſtens nicht offenkundig, als ſie eigen- 
mächtig gegen den Nat der Stadt Frankfurt vorzugehen begannen. Der 
erite Eingriff diefer Art fand 1628 ſtatt; jeine Abjicht lag klar zu Tage. 
Dem Kaifer jollte das ſchon 1608 vorſpukende Negal über den deutſchen 
Sejamtbuchbandel nunmehr unverbohlen windiziert, der Rat aber von 
der Kognition über privilegierte Bücher, Famosſsſchriften und Läſterkarten 
gänzlich ausgejchloffen und bei jeder Art von Veröffentlichung, Strafman— 
dat und Erefution umgangen werden. Denn nur jo war es möglich, den 
unter die Famosſchriften gevechneten polemijchen Schriften der Evangeli— 
jben im rein proteftantijcben Frankfurt beizufommen und fie obne Zu- 
ziehung des Rates zu fonfiszieren. Auf der Herbſtmeſſe 1628 legte 
daher Hagen dem Rate ven Entwurf einer Bekanntmachung vor, den er 
druden und anjchlagen Laffen wollte, indeſſen auf des letztern Ein— 
wendungen hin zur Zeit zurüdzog. Der Rat erfannte allerdings jofort 
die Tragweite diejes einjeitigen Vorgehens. Er jah ein, daß er dadurch 
nicht allein in jeinen wejentlichiten Machtbefugnifien bejchränft und be- 
jeitigt, jondern auch, vak bei Duldung jolcher Anmaßung der Mefbejuch 


648 Unbeionnene Gefügigkeit des franffurter Rats. [ Zebntes 


empfindlich geſchädigt werden, ſomit auch der Wohlftand ver Stadt be- 
veutend leiden würde. Gleichwohl wagte ev wicht energiſch vworzugeben. 
Aus Kurt, „Ihro Kaiſerlichen Majeſtät höchſten Autborität zu nabe 
zu treten‘, beſchloß er nämlich am 21. September 1625, ven Anſchlag 
im eigenen Namen zu machen. Er gab ibm folgende Faſſung: „Im 
Namen der Röm. Kayſerlichen Majeſtät vernichten und verbieten Wir 
gänzlich hiernächſt unten angemeldete Bücher in specie Alfen und Jeg— 
lichen wer Standes, Hoheit und Weſens diejelbige fein mögen, biermit 
ernjtlich anbefehlene, daß dero feiner gedachte Bücher binfüro entweder 
im Drud ausgeben laſſe, leje oder jonften aus waſſerley Geftalt bei 
jich aufzuhalten unterjtehe, jondern alle obberührte Bücher Uns jebalr 
nach eingenommener Diejes gegemwärtigen Decreti Wiffenjchaft, jo deren 
bei ſich haben werden, offenbarlich worzuzeigen und einzubindigen bier- 
mit verpflichtet ſein ſollen.“ Es folgen dann die Titel von zwölf Büchern 
im franzöfiicher, italienischer und lateiniſcher Sprache, vie fat alle gegen 
die Jeſuiten und die Kurie gerichtet waren; darımter z. B. Tractatus 
inscriptus: Discorso del P. Giovanni Mariana Giesuita Spagnuolo, 
intorno A grand’ errori, che sono nella forma del governo de i 
Giesuiti; Dominici Baudi Orationes; Lexicon Philologicum prae- 
eipue Etymologieum, autore Mathia Martinio in scola Bremens! 
(was hat denn der bremijche Yehrer mit feinem Lexikon verbroden?;; 
Miscellaneorum Theologicorum libri tres. 

Frankfurt alſo beanfpruchte nicht mehr, wie es gemußt ud gejellt 
hätte, die ausſchließliche Eutſcheidung über ſeine eigenen Angelegenheiten, 
jondern war zufrieden, wenn cs im Schlepptau der Bücherkommiſſare 
nachrüden durfte. Zeine völlige Unterwerfung unter ven Willen des 
Kaifers war nur noch eine Frage der Zeit, mur aufgehalten in ven 
folgenden Jahren durch den zeitweiſen Triumph der ſchwediſchen Waffen. 
Von 1630 bis 1636 kommt vesbalb in ven Akten much fein Berbet, 
feine Beichlagnabme, ja wicht einmal eine Anfrage oder Anzeige der 
Bücherfommifjare vor. Sobald aber ver ſchwediſche Kriegsruhm zu a 
blafjen anfängt, beginnen auch die alten Mafregelungen in af 
furt wieder, und jchen das Jahr 1657 bietet vie willkommene Gelegen— 
heit, ven Rat im allen wichtigen buchhändleriſchen Fragen beijeite zu 
ichteben. 

Der Buchhändler Wolfgang Endter in Nürnberg batte durch ven 


Kapitel.) Beanipruchung der Jurisdiktion in Privilegieniachen. 649 


franffurter Buchdruder Anton Dumm ein größeres Werk des berühmten 
Juristen Johann Oldendorp: „Practica actionum forensium absolu- 
tissima“, gewöhnlich als „Classes Oldendorpii’ citiert, drucken laſſen.“ 
Die Töchter des Frankfurter Berlegers Peter Kopf behaupteten, ein kaiſer— 
liches Privilegium auf diefes Werk zu befißen und enwirften auf Grund 
diefer Angabe die gerichtliche Beſchlagnahme des Hummſchen Drudes. 
Die Bücberfommiffare Hagen und Benver verlangten in ver Faſtenmeſſe 
des Jahres 1637 vom Rate, daß er ihnen die mit Bejchlag belegten 
Exemplare ausantivorte, forderten den Dumm — ohne nur defjen zuſtän— 
diger Behörde, dem Rate, Anzeige zu machen — vor ſich und nahmen ihn 
in eine Geldſtrafe von 1000 Thalern. Die bereits gedruckten Erempfare 
waren vorläufig in Humms Verwahrung geblieben, wo fie am 18. April 
1637 von Dagen und Bender fraft „des ihnen anbefohlenen perpetuirten 
kaiſerlichen Commiſſariats“ fonfisziert wurden. Sie rechtfertigten fich 
am 30. April in einer ausführlichen Denkſchrift und hoben hervor, daß 
der Kaiſer nicht beabfichtige, in Die Rechte und Gerechtigkeiten dev Stadt 
irgend welchen Cingriff zu thun; Dagegen jet die Ertheilung von Im: 
prejiorien und Privilegien em aus dem Brunnquell aller Gnaden 
fliekeudes Fatjerliches Regal, weshalb denn auch dem Kaiſer ausſchließ— 
(ich, und nicht mit Andern fonfurrirend, die Kognition über die Wahrung 
diejer Privilegien gegen Übertreter zuſtehe. Somit habe der Kath ſich 
aller Einmiſchung in Privilegienſachen zu entſchlagen und höchſtens als 
magistratus loci auf ergangene Aufforderung bin hilfreiche Hand bei 
Vollziehung kaiſerlicher Befehle zu leiſten, wie er denn auch zur Arreſt— 
anlage nicht befugt geweſen ſei. „Er ſolle alſo von ſeiner unbefugten An 
makung abjteben, das Neichsoberhaupt in jeinen hoben Regalen nicht 
turbiren auch rem sacram nicht teuchiven, ſondern die mebrgedachten 
von uns, den Bücherfommuifjarien, confiscirten Eremplare Oldendorps 
jofort verabfolgen umd die kaiſerliche Majeſtät in ihren juribus wider 
uraltes Herkommen nicht bemmen“ Dev Rat gab Diesmal ven 
Bücherkommiſſarien auf ihre ermüpend lange und unbegriündete Aus. 
führung eine jchneidige und kurze Antwort. Er jebrieb am 22. April 1637 
durch jeine Kanzlei, dar fich die Nommiffarien bet ihm überhaupt noch 
nicht legitimiert hätten, — Ferdinand II. war am 25. Februar 1637 
geftorben — daR der Nat in allen Arreftjachen privilegiert jei, daR Die 
Sache aber in Frankfurt ausgetragen werben müſſe, weil es noch gar 


650 Vorläufiger Widerjtand des Rats, Zehntes 


nicht feſtſtehe, ob die Töchter Kopfs ein Privilegium für die gedachten 
„Classes“ hätten. Wenn nun auch in frühern Jahren von den Kommiſſarien 
faijerliche Konfistationsrejfripte erwirft worden ſeien, jo ſei dadurch doch 
dem Rate nichts an jeinem Stand und feinen Serechtigkeiten benommen 
worden, denn früher hätten ihm die Kommiſſare die zu fonfiszierenden 
Schriften namhaft gemacht und ihn gebeten, die Buchhändler zur Rede 
zu Stellen und ſolche Sachen zu unterdrücken; ja ver Kaiſer jelbit babe 
zuweilen am den Rat gejchrieben und ihm angejonnen, gegen jeine Bür— 
ger mit Konfisfattion vorzugehen. Die Herren Hagen und Benver 
hätten jo wenig Necht, gegen franffurter Bürger ohne Vorwiſſen ihrer 
Obrigfeit einzujchreiten und fie in Handgelübde zu nehmen, als er, ver 
Rat, ich beigehen laſſe, ſich in die fnijerlichen Befugniffe ver Privilegien- 
erteilung zu mijchen. Und weil er dergleichen jtarfe Erinnerungen und 
Verweiſe nicht vwerjchulvet, auch nie zuvor vergleichen erfahren over 
gehört, jo würden die Herren erfucht, falcem in alienam massem 
ferner micht einzubringen, die Stadt bei ihren Rechten und Gerechtig- 
feiten vielmehr ruhiglich verbleiben zu Laffen, während die faijerliche 
Hoheit und Präeminenz am bejten durch die Städte und Mitglieder 
des Reichs konſerviert und gehandhabt werde. 

Der junge Kaiſer fand es diesmal denn doc noch für aut, Die 
Rechte des Frankfurter Rats wenigftens formell zu jehonen, denn in dem 
Patent, welches er am 3. September 1637 an Hagen und Bender als 
Kommifjarien für die privilegierten Bücher ausstellte, räumte ev ihnen 
feineswegs das von ihnen geltend gemachte Recht des jelbjtändigen Bor: 
gehens ein, jondern twies nur den Rat an, ihnen mit Arreften und andern 
Frefutionsmitteln an die Dand zu geben. In der Sache jelbit aber gab 
ver letstere Doch nach, indem er den Kommiffarien die Genehmigung zum 
Einſchreiten anfangs nur ausnahmsweiſe verjagte und ihnen jogar geitattete, 
zugleich im eigenen und in des Rats Namen jelbitändig zu verfahren. Trek. 
dem waren die Kommiſſarien jchwer zu befriedigen. Ste beflagten ſich 
namentlich im legten Jahrzehnt des Kriens vielfach beim Kaiſer, daß ver 
Kat ihre Schritte durch paffiven Widerſtand vereitele, jo daR 1640, 1645 
und 1647 wiederholte Ermahnungen zur energiſchen Dilfeleiftung an ibn 
ergingen. Noch 1650 bejchwerte fich Hagen, daß der Rat infolge des 
Übergewichts der ſchwediſchen und franzöfiichen Waffen nicht dazu zu 
bringen gewejen jei, bei Erefutionen hilfreiche Hand zu reihen. Man 


Kapitel.) Betreibung des Anspruchs auf Pilichteremplare. 651 


nannte in Wien diefe Art der Beteiligung des Rats an der Verfolgung 
ver Preſſe „eine fonkurrivende Gerichtsbarkeit“. 

Kine andere umd nicht minder ſchwere, ſchon weiter oben berübrte 
Norm des Druds übte der Kaifer dadurch auf Frankfurt aus, daß er 
den Rat zur Beitreibung und Ablieferung der ihm gebührenvden Frei— 
eremmplare zwang. Dieje Auflage machte ſich anfangs in einer durchaus 
sticht auſtößigen Weiſe geltend. Sie war einfach eine dev Gegenleiftungen 
für ein kaiſerliches Privilegium gegen Nachdruck. Schon vor dem Jahre 
1569 batten die Kaiſer einen Privatmann oder auch den Rat beauftragt, 
ven den die Meſſe beziebenden Buchhändlern vie Freieremplare einzu: 
fordern und nach Wien zu jehiden; zeitweije übernahm dieſe Aufgabe 
auch wohl, wie bereits erwähnt, einer ver fremden Buchhändler, ob aber 
auf Grund eines von Wien over von der Bücherfommiffion erhaltenen 
Auftrags, oder ob auf Grund freier Bereinbarung, ift nicht erfichtlich. 
„Bis dahin war der Buchhandel noch nicht jo blühend“, heift cs in 
einer jpätern Denkichrift vom Jahre 1696, „Die Dirudereien waren noch 
nicht jo ftarf im Schwung und die Bosheit des Nachdruds war noch 
nicht jo bech geitiegen, alfo auch nicht jo viel Privilegien nöthig.” Maxi— 
milian II. hatte 1560 bei Einjeßung ver Biücherfommiffion jo viel Exem— 
plare von privilegierten Büchern verlangt, als noch Jahre fir das (auf 
fünf bis zehn Jahre) bewilligte Privilegium liefen und 1570 von jeden 
privilegierten Buche fünf Eremplare gefordert, während von nichtprivi- 
legierten Büchern fein Freiexemplar abgeltefert zu werden brauchte. Dieje 
Zahl wurde aber jelten oder nie eingejandt. Der Kaiſer ging deshalb 
von jeiner urjprünglichen Forderung herunter und beanjpruchte für die 
Folge nur zwei Eremplare von einem privilegierten und eins von jedem 
nichtprivilegierten Buche. Indeſſen war es ſchwer, wenn nicht unmög— 
lich, ſelbſt dieſe Zahl einzutreiben. Mahnung folgte auf Mahnung, allein 
es half nichts, und gegen Ende des 16., wie zu Anfang des 17. Jahr— 
hunderts geriet Die ganze Angelegenheit in Vergeſſenheit; der Wider: 
jtand in den Jahren 1608 und 1609 war doch nicht erfolglos geblieben. 
Mathias vernabm mit Befremden und Mißfallen, daß von einer großen 
Anzahl privilegierter Bücher, welche nicht nur auf der Frankfurter Meſſe 
verfauft, jondern auch dem Meßkatalog einverleibt würden, die ſchuldigen 
drei Eremplare nicht an die Reichskanzlei eingejandt jeien, und befahl 
deren nachträgliche Ablieferung bei Strafe ver Konfisfation und des 


652 Hinaufihrauben der Zahl der Pilichteremplare. Zehntes 


Verluſtes des Privilegiums. Auch Ferdinand II ließ es anfangs in 
ſeinen Patenten vom 1. Oktober 1621 und 30. März 1622 bei dieſen drei 
Exemplaren bewenden, welche ihm mach dem ausprüdlichen Inhalt der 
faijerlichen Privilegien gebührten, verlangte aber, daß dieſelben einjchliek- 
lich ver Frachtunkoſten bei Strafe der Sperrung ver Gewölbe, auch Kon- 
fisfation und Verluſt aller neuen Werke unfehlbar an Dagen eingejchidt 
würden. Zwei Jahre jpäter aber wurde diefe Zahl nicht mebr für ge— 
nügend befunden. Am 26. Auguft 1624 befahl ver Kaiſer allen Buch— 
händlern, nicht allein die berfömmlichen drei Gremplare privilegierter 
Bücher frei an die Hofkanzlei zu liefern, jondern auch zur Vermebrung 
ver faijerlichen Hofbibliothef von allen neuen Büchern, fie ſeien privi— 
(egiert oder nicht, und gedruckt, wo fie wollten, eins, „wie ſolches andere 
Rotentaten auch yracticiren thäten“; zugleich aber wurde dem frant: 
furter Rat befoblen, zur Erzwingung dieſer Maßregel eventuell dem 
Bücherkommiſſar mit ver Erefution behilflich zu jein. Am 28. Januar 
1625 wurde diejer Befehl, vier Exemplare abzuliefern, faſt mit denjelben 
Worten wiederholt. Trotzdem waren die Buchhändler „norosi in ver 
Einſendung ver jchulvigen Bücher“ und mußten immer won neuem, wie 
am 26. April 1629, 4. Juli 1640 und 19. Oktober 1648 beveutet wer 
den, die beanjpruchten vier Eremplare an der St. Yeonbardstirche, ver 
Amtswohnung Hagens, abzuliefern. Aber das half nur wenig; nur ver: 
einzelte Buchhändler famen aus freien Stüden ımd ohne Zwang ven 
jelbjt übernommenen Berpflichtungen nad. In ven Jahren 1638 bis 
1648 trafen nach Ausweis der Wiener Akten nur wenige Sendungen 
(1640, 1641) bei Hofe ein, ja Hörnigf behauptet jogar in einem Be— 
richt vom 8. Mat 1649, daß nach Angabe des fniferlichen Bibliothekars 
Rechperger vom 4. April 1639 bis zum Mai 1649, alfe in 10 Jahren, 
„Nicht ein einziger Autor weder cum noch absque privilegio Caesareo’ 
an die fatjerliche Bibliothek überjenvet worden jei. Bet ſolcher Sachlage 
bebt es denn auch Dagen, als im Dezember 1648 Henning Große's 
Erben in Yeipzig um die Erneuerung eines Privilegiums einfamen, vüb- 
mend und Die Bitte empfeblend hervor, dar die Bittjteller „semper debi- 
tam obedientiam sacrae Caes. Maj. constanter exhibuerunt”. 
Offenbar, um die Buchhändler wenigftens etwas williger zu machen, 
nahm man damals von der Sendung dev Pflichteremplare nac Wien 
auf Koſten der Berpflichteten Abſtand und wälzte Dagegen dieſe Fracht— 


Kapitel.) Kampf und Streit um dieſelben. 653 


foften auf die Schultern Hagens ab, worüber letzterer ſchon im Jahre 
1631 famentierte, fie aber evjt im Jahre 1649 in der Yiquidation ber 
jeime von 1619 bis 1648 gemachten Auslagen (1043 Gulden) verrechnen 
fonnte. Bei dieſer umwejentlichen Grleichterung behielt es jedoch nur 
bis ummittelbar nach dem Kriege jein Bewenvden. Schon 1662 bejchiweren 
ih die Buchhändler wieder über die großen Koſten, welche mit der Ver— 
jendung in die Reſidenz des Kaiſers verbunden jeten. „Dem Pfund 
nad zu rechnen“, jagen fie, „wie wir es bezahlen, müſſen wir von jeg- 
libem Zentner 20 Gulden erlegen, da man hingegen jolche (Bücher) 
umb ein weit und wiel Seringeres dabin bringen fan. Wohinzu kommt, 
daß Die Commissarii aus bloßem Wahn und der Sachen umberichtjame 
vor Eröffnung der Yüden eine Defignation der fremden und newen Bücher, 
vor Ausgang der erſten Wochen aber die Yiefferung der Eremplarien 
begehren und daranf oder nach Gelegenheit vff verwirfte Ztraff dringen 
wollen. 

Es folgte eine weitere Steigerung der Belaftung. Am 16. März 
1650 und 31. Auguſt 1651 verlangte der Kaiſer zum erjten und am 
9 März 1654 zum zweiten mal fünf Areieremplare von jedem privi- 
legierten und eins von jedem nichtprivilegierten Buche. Welchen Wert 
man bei Hofe anf die pünktliche Einlieferung verjelben legte und wie 
wenig regelmäßig diejelbe erfolgte, Das beweist Die Thatjache, daß immer 
balb ver nächſten jechs Jahre von 1655 bis 1661 nicht weniger als 
ſechs faijerliche Befehle, und zwar am 4. September 1655, 11. April 1656, 
1. Auguſt 1658, 24. März 1660, 30. März 1661 und 6. Sep— 
tember 1661, darüber ergingen. Dieje Erböbung im ver Zahl ver zu 
liefernden Exemplare jebeint auf dem Verlangen des Reichskammerge— 
richts zu Speber zu beruhen; dasſelbe hatte am 30. Juli 1650 von 


jedem in Deutſchland ericheinenven privilegierten Buche — von dem 
ausländischen Verlage nicht — ein Exemplar für jeine Bibliothek be: 
anſprucht. 


Der frankfurter Nat ſuchte auch jetzt wieder durch ſeinen Erlaß vom 
27. Januar 1657 ven kaiſerlichen Mandaten Nachdruck zu vwerleiben; 
allein die Buchhändler wußten jich dennoch der ihnen auferlegten Ver— 
pflicbtung, wo fie nur fonnten, zu entziehen, oder jandten nur Schriften 
„von geringen und fleinen authoribus ein“, während „was bauptjäch- 
libe Bücher ſeyn, zurücblieben und zu dem Ende ganz dolose aus dem 


H54 Anſprüche für den Kurfürjten von Mainz und den Bücherkommiſſar. Jehntes 


Kataloge gelaſſen würden“. Darauf deutet auch Naifer Leopold bin, 
als er ſich am 4. März 1662 — und fajt wörtlich ebenjo am 3. Okto 
ber 1684 — von neuem darüber bejebwerte, daß Die Buchhändler ibm 
entweder gar feine Bflichteremplare einjenvdeten, oder nur „jolche ſchlechte 
authores, je des Fuhrlohns nicht werth“. Aber nicht geung mit Diejer 
Bejchwerde an den Ratz ev lieh zugleich, mit Beijeitejchiebung des letz— 
tern, an der Decbanei zu St. Yeonbard ein gedrucktes Patent anjchlagen, 
in welchen ev zur Abjtellung dieſer Mißbräuche bei Strafe von jeche 
Mark löthigen Goldes, nicht weniger Sperrung ver Biichergewölbe, 
Ktonfisfation ſämtlicher Yagervorräte und Erjaß der verurjachten Koſten, 
unter anderm befahl, „won allen neuen, anf dev Frankfurter Meſſe zum 
Berfanf gebrachten Büchern an den fatjerlichen Bücherkommiſſar ſtets 
ohne Aufforderung die für die fatjerliche Bibliothek beſtimmten Eremplare 
abzuliefern”“. Damit dies aber befjer geſchehe, babe jener Buchhändler 
vor Beginn der Meſſe dem Bicherfommifjariat ein volljtindiges Ver— 
zeichnis jeiner neuen oder nen anfgelegten Bücher, jeien fie eigener over 
Kommiffionsverlag, vor Schluß der erſten Meßwoche zu überreichen. 
Ber es verſäume, babe in der zweiten Meßwoche die doppelte Anzabt 
zu entrichten; die verjehwiegenen Bücher jeien aber eo ipso zu konfis— 
jieren. 

Die Steigerung der Yeiftung nabm aber noch weitern Fortgang. 
Im März 1678 batten jich die einheimijchen ımd fremden Buchhändler 
beim frankfurter Rat darüber zu bejcehweren, daß ihnen der Biücherfom- 
miffar Sperling nunmehr noch eim jechites Pflichteremplar für ven 
Kurfürjten von Mainz und ein jiebentes für den jeweiligen Bücher: 
fommiffar abforvere. Der Rat, welcher gleichzeitig jelbjt beim Kaiſer 
Beichwerde zu führen batte, beſchied die Buchhändler dahin, daß jie 
ihre Notvurft bei dieſem direkt einbringen jollten, alsvanı wolle man 
jich ihrer zugleich auf gebührendes Anjuchen intercedendo annehmen. 
Die Buchhändler erbielten jedoch feinen Bejcheid, obwohl fie näher aus 
führten, „var alle Handlungen varnieverligen, Papier, Frachten und an 
dere Unfojten weit höher im Preiſe ftänden, als Abgang und Bertrieb ver 
Bücher jich beliefen, alſo und vergejtalt, daß bei jo geitalten wahrbaften 
eircumstantien und da der Buchhandel mehr bejchweret werben jollte, 
reipublicae literariae, worinnen salus publica vependire, fein geringer 
Abbruch gejcbeben dürfte. Noch 1690 war dieſe Beſchwerde umerledigt 


Kapitel.) Die Anſprüche des Rurfürjten von Mainz. 655 


und 1695 wird die Zahl von ſieben Pflichteremplaren als feſtſtehend 
erwähnt. Dabei behielt es auch jein Bewenvden, bis denn Artikel 7 
der kaiſerlichen Verordnung vom 10. Februar 1746 über den jranf- 
furter Buchhandel bejtinmmte, daß „dem bisherigen Derfommen gemäß 
von privilegirten Büchern fünf Prlichteremplare zur Neichshofrathe- 
Kanzlei, eins für des Kurfürſten zu Mayntz Liebden, als ErtzCantzlern, 
und eins dem zeitlichen Bücher Commiſſario vor deſſen mit denen Buch— 
führern, Händlern und Druckern habende Bemühung; dagegen von den 
unprivilegirten Büchern eins Unſerer Bibliothek, eins des Churfürſten 
von Mayntz Liebden und eins dem Bücher Commissario eingeliefert 
werden ſollten“. 

Die erſten Bemühungen des genannten Kurfürſten zur koſtenfreien 
Beſchaffung einer Bibliothek reichen in die letzten Jahre des Dreißig— 
jährigen Krieges zurück. Sie liefern zugleich einen ſchlagenden Beweis 
dafür, mit welch fadenſcheinigen Gründen man damals im Reiche ein 
wertvolles Recht ertrotzen fonnte, ohne nur die geringſte Gegenleiſtung 
dafür zu bieten. Kurfürſt Anſelm Kaſimir erließ alſo am 26. Sep— 
tember 1642 und 28. September 1643 zwei offene Patente an die 
Bücherfonmmifjare Hagen und Bender, jowie an die in Frankfurt zur 
Mejje anwejenden Buchhändler. Im ven erſten derſelben erklärte er, 
daß ihm als Erzfanzler des Reiches und kraft des in diejer Eigenjchaft 
ibm ummiderjprechlich zujtehenven Regals die Bifitatton über die Bücher 
gebühre, dag von ihm alle diejenigen, welce in ven Meßkatalog gebracht 
würden, vifitiert werden müßten und daß deshalb die faijerlichen Kom— 
mijjarien dafür jorgen jollten, daR auch ihm behufs jolcher Bifitierung 
zu ver Erzfanzlei nach Mainz ein Exemplar von jedem privilegierten und 
nicht privilegierten Buche, jedoch ohne Abgang und Präjudiz des faijer: 
lichen Fiskals, geliefert werde. In jeinem zweiten Grlaß verlangte der 
Kurfürjt, „weil Er wegen tragenden Erzfanzlerampts durch Germanien 
cumulative anklebender Bifitirung und Inquirirung über die im ver 
Stadt Frankfurt befindliche Buchdrudereien und Buchläven, ſonderlich 
dem Katalog jedes Mal einverleibten Bücher, umd damit durch jeine 
Aſſiſtenz alle und jede zeitber eingerijienen Mängel, Mißbräuche und 
Ungebühr von Meſſe zu Meſſe verbefert werden mögen, daß ihm auf 
ver Buchhändler Koſten ein Gremplar zum Wenigjten von jedem 
verlegten Traktate zu jeiner Hoffanzlei überſchickt und Daß die Buch: 


656 Die Anſprüche durch Ausdauer erzwungen. Zehntes 


führer dazu vom Rathe der Stadt ermahnt“ und angehalten werden 
ſollten. 

Der Nat teilte dieſes kurfürſtliche Begehren den zur Herbſtmeſſe 1643 
in Frankfurt anweſenden Buchhändlern mit; dieſe aber wieſen es einſtim— 
mig und entrüſtet zurück. Außer dem, was ſie an Exemplaren dem Kaiſer 
gäben, führten ſie aus, könnten ſie ihre Bücher mit mehreren anderen 
Primitiis nicht belegen laſſen. Es ſei hier eine freie Meſſe und Com- 
mercium und ſonderlich ver Buchhandel ratione studiorum privilegiert; 
der Rat aber wolle ſie jure magistratus in ihrem Beſitzrecht ſchützen. 
Der Buchhandel ſei beſonders bei den jetzigen noch kontinnirlichen Kriegs— 
fünften im ſolchen Abgang und Rückgang gerathen, daß die Keije- und 
Zehrungskoſten nicht zu erſchwingen, noch der Ladenzins bezahlt werden 
könne, ſondern dafür den Hausherren oft die Bücher zugeſchätzt werden 
müßten; zu geſchweigen, daß hinfüro wegen dazu erforderlichen großen 
Unkoſten und der Buchführer notoriſcher Unvermöglichkeit ſo bald keine 
nenen Bücher in Druck ausgehen möchten. Durch die beabſichtigte 
Nenerung müßte aber der Buchhandel noch mehr ins Stocken geratben. 
Sie bäten deshalb bei ihrer Yibertät gelaffen und mit jolchen un— 
practicirlichen Zumutbungen lieber verſchont und in ihrem  bisberigen 
Stand in der Buchgaſſe quiete befaffen zu werden. Wegen der großen 
Kriegsgefahr und des allgemeinen Stodens des Buchhandels waren da— 
mals nur wenige fremde Buchhändler zur Meſſe gekommen. Die von 
ihnen abgejandten Diener befanden ſich aber ohne nähere Inſtruktion 
und fonnten feine Antwort geben, weshalb fie die Sache ad referen- 
dum nahmen. Die Erklärung der Buchhändler wurde vom Rate am 
2. Oftober 1643 dem Bücherkommiſſar Hagen mitgeteilt umd am 
14. Oktober ej. bei dem Nurfürften nicht allein bevorwortet, jendern 
namentlich auch im ihren Auslaffungen über das jchlechte Geſchäft unter— 
ſtützt. Dieſes kurfürſtliche Anfinnen, führte der Nat aus, jei über alle 
Maßen beſchwerlich, da durch das leidige Kriegsweſen der Buchhandel 
ohnehin im jolches Stoden ımd ſolchen Abgang geratben jei, daß fait 
Keiner mehr etwas nach Frankfurt bringen, noch wenn es dennoch ge 
ſchehe, den geringjten Vorteil noch Gewinn davon haben fünne, vielmehr 
großen Verluſt und Schaden erleiden müffe Zudem erjcheine das Ver— 
langen des Kurfürſten als eine unerhörte Neuerung, welche zum Nach 
teil der befveieten franffurter Meſſen gereiche und auch andere Kurfürſten 


Kapitel.) Weitere Übergriffe des Kurfürſten von Mainz. 657 


und Reichsſtände betveffe, welche ihre Unterthanen nicht jo Leicht in 
diejer Weiſe würden bejebweren faffen. Deshalb möge der Kurfürft bei 
jeinent Begehren nicht bebarren, ſondern das bisherige Derfommen nicht 
jtören und lieber den leider mehr als darniederliegenden Buchhandel 
fördern helfen. 

Hier bricht der Schriftenwechjel zwijchen beiten Staaten ab. Wenn 
indejfen auch vie Akten feine weitern Verhandlungen über dieſe Frage 
aufweiſen, jo vubte fie doch fortan nicht mehr. Mainz war durchaus 
nicht gewillt, von jeiner Forderung abzufaffen, der Nat von Frankfurt 
aber fügte fich und befahl, wie aus einer beilänfigen Notiz hervorgeht, 
am 12. April 1652 Buchführern und Bucorudern an, dem Kurfürſten 
von Mainz als Neichserzfanzler ein Gremplar von jedem ihrer neuen 
Witcher abzuliefern. Dieſer Befehl ſcheint aber bis zu Sperlings Ver- 
fügung vom März 1678 ein todter Buchitabe geblieben zu fein, denn 
am 12. April 1679 ernannte Nurfürft Karl Heinrich von Mainz ven 
franffurter Buchhändler Peter Zubrodt zu feinem Unterbibliothekar in 
Frankfurt, „damit ibm fein Schaden oder Nachtheil zugefügt, viel weni— 
ger befugter Anlaß gegeben werde, gegen die Vertreter mit beliebigen 
Ahndungsmitteln zu verfahren‘ Im Cingang erwähnt der Kurfürft 
unter andern auch, dan er „ans abjonverlicher faijerlicher Conceſſion bei 
dem Buchhandel merklich intereffirt jei, alfo auch mit allem Fleiß zu 
verbüten ſuchen müſſe, daß er benachtheifigt werde”. Üübrigens gelang 
es Mainz evit von 1685 au, die Anerfennung dev Ablieferung jeines 
erpreßten Exemplars zu erlangen; allein bis ins 18. Jahrhundert binein 
ſträubten fich die Buchhändler gegen dieſe Abgabe. 

Nur vier Sabre nach jenen Berbandlimgen von 1643 griff der Kur 
fürjt von Mainz, ermuntert durch den ſchwachen Einſpruch, den er er- 
fahren, ven franffurter Nat aufs empfindlichjte in einem jener wejent- 
lichſten Rechte am, welche jeit Jahrhunderten von der Keichsverfaffung 
anerfannt und bisber noch von feiner Seite beitritten worden waren. 
Er mutete nämlich einem ihm politiich vollftändig cbenbürtigen Reichs 
jtande zu, Befeble von ibm anzımebmen ımd auszuführen Gr war 
ſelbſtredend jo wenig dazu befugt, als etwa heutzutage Oldenburg der 
Freien Hanjeftadt Bremen, oder Medlenburg der Freien Hanſeſtadt Ham— 
burg Verhaltungsregeln zu geben bat. Der Kurfürſt Anjelm Kaſimir 
verlangte nämlich am 19. September 1647, daß der franffurter Rat 

flapvp. I. 42 


658 Kurmainz läht päpftliche Judices anſchlagen. Zehntes 


bei ver eben angefangenen Herbſtmeſſe dem Herkommen gemäß ein Ver— 
zeichnis verbotener Bücher durch den kurfürſtlichen Scholaſtikus und 
Büchercenſor Hagen ſofort anſchlagen laſſe. Das in Plakatform ge 
druckte Verbot zählte 51 verſchiedene Schriften auf und war urſprüng— 
lich von der päpſtlichen Kanzlei am 13. Dezember 1646 mit der Unter— 
ſchrift des Kardinals Spada erlaſſen worden. Dieſer hatte es kurzer 
Hand an den Kurfürſten von Mainz mit dem Auftrage der Veröffent— 
lichung überjandt. Das Verzeichnis war nichts als eine der gewöhnlichen 
Fortjegungen des „Index librorum prohibitorum“ und enthielt unter 
andern auch 12 Schriften, welche nicht einmal unbedingt, jondern nur 
„donee corrigantur‘ verboten wurden. Der einzig formell zuläffige 
Weg zur Erreichung ihrer Abficht wäre für die Kurie der gewejen, dak 
fie fi am den Kaiſer gewandt und biejen um jeine VBermittelung ge 
beten hätte; indeffen war es ihr bequemer, unmittelbar den mainzer 
Kurfürſten jelbit anzugeben. Bei der bisher bewiejenen Schwäche Franf- 
furts jah dieſer nicht das geringfte Bedenken darin, fich dem Auftrage 
zu unterziehen, und jpielte Dagen als jeinen Büchercenjor auf, währen? 
vderjelbe doch nur als Faiferlicher Beamter handelnd auftreten konnte. 
Hagen aber hatte nichts Eiligeres zu thun, als, ohne nur eine Mitteilung 
des Nats abzuwarten, das püpftlich-furfürftliche Verbot an die Kirchen 
thür von St. Yeonhard und der diejer Kirche gegenüberliegenden Dechanet 
anznichlagen. Statt das Schriftſtück jofert wieder abreißen zu lafjen 
und Hagen wegen jeiner Frechheit zur Unterjuchung zu zieben, begmügte 
jich ver Nat damit, gegen deſſen Verfahren als einen Eingriff in jeine 
Rechte zu proteftieren und Dagen zu erjuchen, „ſolches Decretum ent- 
weders von jelbjten abzuthun oder zuzuwarten, daß ſolches authoritate 
magistratus reficiret würde”. Hagen gab dem Proteſt erhebenden Stadt- 
jehreiber Wolfgang Hoffmann am 21. September 1647 zur Antwort: 
„1) Was er dißfalls getban, babe er im Grafft tragenden officii und 
lengit hierbevor dem Rathe inſinuirten faiferlicher General -Kommiffion 
in rem librariam verrichtet; 2) daß im Eingang des Patents Ihr 
Churfürſtliche Gnaden zu Maintz fich inferibiret, je jey ja befanndt, 
daß derjelben als Mrchi-Cancellario in Teutjeblandt, welches hohe Offi- 
cium dem Chur Maingifchen Electorat unzertrennlich anbange, der Buch— 
bandel und was von demjelben dependire, eingetban und Ihr Chur f. Gn. 
die Ober Injpection darinnen haben: dejjen Befehl alß Archi-Cancellarii 


Kapitel.) Meitere Gefügigkeit Des Rats. Der Friede, 659 


ja bilfich zu pariven babe; 5) jo ſey cs nichts newes, ſondern vor: 
mals mehr jonderlich im September 1628 befoblen; 4) jehe ev mit, 
wie er dem Rath hiermit zu nahe gegangen oder deſſen Jurisdietion 
violirt hätte, angejeben jolches Deeretum nicht in loco aliquo Magis- 
tratus, jendern an jeiner Kirchen und am feiner Dechaney angejchlagen 
worden, und 5) feinen einzigen Buchführer zu Schaden angejchen, jon- 
dern allein denen Gatholifchen zur Warnung gejchehen, gant ohne, daß 
einige Confiscatio dadurch gejucht würde. Wolle nun der Rath ver 
alten unerachtet de facto zufabren und diejes Patent abthun, müſſe er 
es zwar geſchehen Laffen, wolle aber demjelben tragenden Aınptes halben 
in befter Norm contradiciren.” 

Der Rat gab ſich mit diefer Antwort zufrieden und ließ nicht ein- 
mal den unbefugten Anjchlag wieder abreigen. Durch jeine ewige Nach: 
giebigfeit, jeine unſelige Feigheit hatte er den Hohn und die Angriffe 
der Bücherkommiſſare jo ſtark berausgeforvdert, daß dieje ihn zuletzt aufs 
unwürdigſte behandeln zu fünnen glaubten. 

Endlich war der langerjehnte Frieden zu Stande gefommen. Wenn 
andere Gewerbe und Geſchäfte jetst leife und allmählich wieder aufzu— 
athmen begannen over wenigjtens feine offenen Gewalttbaten mehr zu 
fürchten batten, jo hörte für den Buchhandel der Kriegszuſtand nicht 
auf und zwar war es in erſter Yinie der Kaiſer, welcher die Feind— 
ſeligkeiten mit nie erlahmender Erbitterung und ſtets friſchen Kräften 
erfolgreich fortſetze. Frankfurt mußte jetzt dafür büßen, daß es den 
Siegen der Schweden und ihrer Verbündeten zugejauchzt und ſich in 
den Augen der Jeſuiten der Hofburg bei ver Unterdrückung antikatho— 
licher, over vielmehr antijeſuitiſcher Bücher zu läſſig gezeigt hatte. 

Bereits im achten Kapitel ift der traurigen, fat vernichtenden Ein— 
wirfungen des langen Krieges auf ven deutjchen Buchhandel gedacht 
worden. Was troß derjelben von letterem noch übrig blieb, joweit er 
nämlich in Frankfurt und auf deſſen Meſſen zur Erjebeinung kam, das 
rottete der Kaijer nach und nach gründlich aus. Hatte die Bücherkom— 
miſſion jelbjt während des Krieges bedeutende Grfolge für ſich errungen 
und neue wichtige angebahnt, je war die Hofburg jest nach dem Abſchluß 
des Friedens erſt recht nicht gewillt, bei dem geringen Widerſtand, ven fie 
in Frankfurt fand, auf balben Wege ftehen zu bleiben. Der Weg war 
ihr vielmehr klar vworgezeichnet: fie mußte den Kampf, welchen fie durch 

42* 


660 Panmähiges Vorgehen der Hofburg. [Zehntes 


Einſetzung der Kommiſſion klug bevechnend eingeleitet hatte, fiegreich zu 
Ende führen und ihren Sieg vüdfichtslos ausbeuten. Das gelang ibr 
denn auch vollftändig, wenngleich ihr freilich der Kampfpreis ſchließlich 
wie Schnee in der Hand zerrann. Frankfurt aber mußte den Kelch 
jeiner Selbjterniedrigung bis auf den fetten Tropfen feeren, wobei nur 
zu beklagen ift, daß das protejtantijche Deutjchland mehr oder weniger 
jein Unglüdsgenofje wurde. Im Wejentlichen war die Niederlage ſchon 
mit dem Ablauf des Jahrhunderts fo gut wie entjchieven. 

Zunächit lieh c8 fich der Biücherfommiffar Hörnigk bejonders ange— 
(egen jeim, jtets fünftliche Zwijtigfeiten zwijchen Kaiſer und Rat da zu 
jchaffen, wo in der That feine Veranlaffung dazu vorlag, den Rat als 
ungeborjam zu verbächtigen und jo binzuftellen, als jei lediglich ſein 
böjer Wille jehuld daran, wenn der Buchhandel nicht feinen georpneten 
Sarg nahme und wenn die Befchle des Katjers feine Beachtung fünden, 
namentlich aber wenn die für ven legtern bejtimmten Freiexemplare aus- 
bfieben. Vorwände zur Anflage waren immer vorhanden, denn Hörnigf 
brachte — bald diejen, bald jenen Punft mehr betonend — drei in 
ten bejonders ſchwer ins Gewicht fallende Anklagen vor. Demgemäß 
verbehft venn auch der Katjer fortan dem franffurter Rate jein Miß— 
fallen darüber nicht, dar er dem umerlaubten Nachdruck der mit faijer- 
lichen Privilegien erjehienenen Bücher nicht fteuere, daß er die dem fetten 
Friedensſchluß und andern Neichsfonftitutionen zuwiderlaufenden Names: 
bücher, Pasquille und Zcartequen nicht unterprüde und daß er nicht 
energiicher anf Ablieferung der jebuldigen Pflichteremplare beſtehe, ſowie 
endlich daR er den Bücherkommiſſar bei jeinem Ginjchreiten nicht 
jofort biffreibe Sand feibe. Dieſe Vorwürfe febren oft mebreremal 
in einem und demjelben Jahre wieder, ſei es einzeln, ſei es vereinigt. 
Hörnigk batte ein jebr nabeliegendes Intereſſe daran, fie nicht erfalten 
zu laffen, denn ſolange fie in ver Yuft jebwirrten, je lange jeinen, des 
übereifrigen Nonvertiten, Inſinuationen geglaubt wurde, fonnte er um 
jo rückſichtsloſer gegen den Rat vorgeben. Zwar bet diejer in Wirf- 
lichfeit gar feinen Anlaß zu Klagen und VBerdächtigungen; im Gegenteil, 
er war gar zu ängftlicb und jegte, worauf ſchon wiederholt bingewieien 
wurde, dem Maier nicht einmal den durch die Neichöverfaifung ibm er 
möglichten Widerſtand entgegen. Höchſtens ſchwingt er jich, wie z. B. 
20. März 1655, zu dem Einwand auf, „Daß den Übrigfeiten jedes 


Kapitel.) Unterwürfigfeit des Rats. Selbitändiges Auftreten der Kommiſſion. 661 


Orts, da einige Bücher gedrudt over feil getragen oder verkauft werden, 
die Genfur und Obficht über jolhe Bücher gebühre und obliege, daß 
darinnen nichts wider des beil. Reichs Satzungen und Ordtnungen 
eingerüdet oder wider E. K. M. hohe Reputation geprudt werde”, aber, 
fügt er ängitlich gleich hinzu, mit der in diefen Ordnungen begründeten 
Rejervation, „var im Fall die Obrigfeit hierinnen fich ſäumig erzeigen 
würde, E. 8. M. alspanı entweder jelbiten oder durch dero kaiſerliches 
Fiscal-Ampt gebührendes Einjehen verfügen möchten“. Um jeinen Eifer 
und jeine Unterwürfigkeit zu beweijen, lieh der Rat ſchon jeit langem 
bei jeder Mahnung des Kaiſers dejjen Befehle in Plakatforn überall 
bereitiwilligft anfchlagen und vedte ſeune territoriale Autorität notdürftig 
"nur dadurch, daß er in jelbjtändigen, gleichzeitig erlaffenen Gejegen jeinen 
Bürgern und den Fremden die gewiſſenhafte Befolgung jener kaiſerlichen 
Erlaſſe anbefahl. So finden jih in dem Corpus legum Francofur- 
tensium mit den faijerlichen Erlaffen aus dem Dreikigjührigen Kriege 
faft wörtlich übereinftimmend noch Die franffurter Gejete vom 18. Ja— 
nuar 1621, 5. September 1622, 10. September 1628, 21. November 
1659 und aus jpäterer Zeit die vom 11. April 1650 und 27. Ja— 
nuar 1657. 

Um jedoch den Faden der Erzählung in der Mitte der fünfziger 
Jahre wieder aufzunehmen, jo liegen es die Bücherkommiſſarien nun 
nicht mehr bei falſchen Denunziationen in Wien bewenden, jondern 
jchritten, ohne ven franffurter Rat nur zu fragen oder jelbjt nachträg— 
lich im Kenntnis zu jegen, eimjeitig gegen Buchhändler und Preßerzeug— 
niffe ein. Auf der Herbſtmeſſe 1654 belegte unter anderm ver jpeherer 
Fiskal Philipp Werner von Emmerich den Engelbert Gymnicus (Gym: 
nich) aus Köln und Nikolaus Weingarten aus Amfterdam mit einer 
Strafe von zehn Mark löthigen Goldes dafür, daß ihre Patrone in den 
Niederlanden, Brabant ꝛc. kaiſerlich privilegierte Bücher nachgedrudt 
hatten; aber fein einziger diefer Nachdrucke war ins Reich gebracht, noch 
dort verfauft oder vertaufcht worden. Der Laden Weingartens wurde 
gejchlejfen, weil diejer fich weigerte, jene Summe zu zahlen oder eine 
Kaution von 500 Thalern zu jtellen; ein Wächter wurde bineingejegt, 
welcher ven fernern Gejchäftsbetrieb verhinderte. Beide Buchhändler be- 
jtritten in ihrer Bejchwerde an den Rat dem Fisfal jede Befugnis 
zur Arveftanlegung und zu jonftigen Zwangsmaßregeln, ohne vor: 


662 Zahme Vorftellungen des Rats. [3ehntes 


herige Genehmigung ver Urtsobrigfeit, und baten, während ver freien 
Meſſe gegen derartige Sewalttbaten geſchützt zu werden, „Die Sache jelbit 
aber ad viam juris ordinariam zu verweilen“. Sollte es nicht ge 
ſchehen, ſo würden viele Buchhändler billiges Bedenken tragen, die franf: 
furter Meffen in Zukunft zu bejuchen. Hörnigk trieb es noch schlimmer, 
indem er fich die Büchercenjur anmaßte, einzelne die Meſſe bejuchenre 
Buchhändler vor ſich beſchied, Strafen auferlegte und that, als ob über- 
haupt feine Stadtobrigfeit worbanden jet. 

Nach ſechs Monaten ermannte ſich endlich der Kat zu zwei Be 
jchwerven an den Kaiſer, deren eine vom 20. März und deren andere 
vom 15. April 1655 datiert iſt. „Die von Ew. Majeftät je zu Zeiten 
verordnet geivejenen Commissarii‘, heißt e8 in der erjten, „unterfangen 
jich zuweilen ohne Zuziehung Unſerer als des ordinarii magistratus 
dieſes Orts über Bücherangelegenbeiten und Buchhändler, auch unſere 
eigenen Bürger allein zur cognosciren und zu ſich zu nehmen, trafen zu 
Dietiven, zu exequiren und anders zu verfügen, wie dies auf jüngit ab 
gerücter Derbitmeh von E. M. Fiscal generalis bei dem hochlöblichen 
Gummergericht zu Speyer gegen die Buchführer Engelbert Gymnicus 
und Niclas Wingarden von Amſterdam gejchehen und won dieſen ge 
Hagt worden. Wenigers nicht unterſtehet ficb der Ludwig v. Hörnigk 
unter dem Vorwande, Daß E K. M. ihm allein und ohne Gehülfen 
das Bicher-Kommtifjarint aufgetragen und gleichwohl dieſe gerümbte 
Commiſſion werer in originali, wever in copia vidimata uns vorge 
zeiget, noch fich dazu legitimirt bat, von unſrem Bürger Johann Conrad 
Vürtern zu begehren, daß er ihm nach Meng ven Mercurium une Re- 
lation, darinnen was von Meſſen zu Meſſen fich begeben, veferiret 
wird, md je in vorſtehender Meſſe ausgeben jell, ebe fie zum Trud 
verfertiget werven, zu jeiner ohne Zweifel vorhabenden Genjur hinüber 
ſchicken ſoll. Bor diefem, wenn es nothwendig gewejen, dem im Trud 
überhand nehmenden Unweſen gebührlich zu begegnen, wurde es von 
E. K. M. Borfahren den hierzu verorpneten Fiscalen und Commiſſarien 
eingebunden und befohlen, daß fie jelches mit unjerm Rath und Bei 
ſtand thin, weßhalb denn auch die vorhin gewejenen Commiſſarien, im 
Fall einig Buch oder seriptum in oder außerhalb biefiger Meſſe zu 
confisciren befunden worden, ſich ver Erecution gar nicht unternommen, 
daß fie vielmehr diejelbe ung als ordinario aufgetragen und verrichten 


Kapitel.) Aufjteigende Bejorgnilie wegen des Meßbeſuchs. 663 


lafien. Auch zu bejorgen, wenn von E. K. M. Commissarlis ein und 
andere Cognition und Execution in obberührten Füllen jeßo oder hin- 
künftig eimfeitig vorgenommen werden jollte, daß Dadurch dieje gefrehte 
jehr in Abgang gefommene Meſſe und jonjten hochnütliche Commercien 
ferners merdlich gehindert und geftodet werden dürften, wie dies Gym— 
nicus und Wyngardten in ihrer Supplication non obscure zu ver: 
ſtehen gäben.“ Die Beſchwerde ſchließt mit der Bitte, daß der Katjer 
dem Hörnigk befehlen möge, e8 in diejen Buchhandelsjachen bei dem vor 
dem leidigen Krieg üblich gewwejenen Herkommen bewenden zu laſſen, 
der jeitherigen Neuerungen fich zu enthalten und daß er „jodanı was 
in denjelben, zumal bei hiefigen gefreyten Meſſen vorzunehmen und 
zu verrichten, dafjelbe mit Zuziehung unjerer, aus unſerer Mitten darzu 
Deputirten vornehmen und verrichten, die Erecution und Strafen aber 
ung als ordinarium alleinig verfügen laſſen ſolle“. | 

Die zweite Beſchwerde ift fürzer und im wejentlichen nur eine 
Wiederholung der erjten; fie klagt zunächſt über die Steigerung in der 
Zahl der beanjpruchten Pflichterempfare, erhebt dann die gleichen Be— 
ſchuldigungen gegen die Bücherfommiffare und ift nur um deswillen 
noch beachtenswert, weil jie die in ven Buchhänplerkreifen auftauchenven 
Andeutungen über die Folgen eines derartigen Vorgehens für den Flor 
der frankfurter Büchermeſſe gewiſſermaßen als die eigenen des Rats hin: 
zujtellen ſcheint: „weilen jolches zu Verhinderung dev Commercien, ge 
meinen Nutzens, Abbruch ver Meſſen und obrigfeitlichen jurium gereiche“. 

Zunächit fand es der Kaiſer für gut, die eigentliche Streitfrage zu 
umgehen, da ihre Löſung im Sinne ver Hofburg denn doch zu jehroff 
gegen Die Reichsgeſetze verſtoßen und leicht eine der beabjichtigten ent- 
gegengejekte Wirkung geäußert haben würde, Statt aljo überhaupt auf 
die Beichwerde des Rats einzugehen, befahl ev dieſem am 4. September 
1655 nur kurz und ſachgemäß, dem Bücherfommiffar Dr. Y. v. Hörnigk 
— er war unter Wiederholung der bisherigen Injtruftionen und Ver- 
ordnungen am 17. Februar 1655 definitiv zum Nachfolger Hagens er- 
naunt worden — auf vorheriges Anfuchen bei allen jeinen prefpolizei- 
lichen Obliegenheiten die obrigfeitliche bilfreihe Hand zu bieten. Aber 
ibeon ein zweiter Erlaß vom 11. April 1656, der übrigens erſt am 
20. September 1656 in Frankfurt einfief, ſtellt jich thatjächlich völlig 
auf die Seite Hörnigfs und jchiebt dem Rate böfen Willen unter. „Ob— 


664 Neue Verſuche den Nat bei Seite zu jchieben, Zehntes 


wohlen wir Uns nun keines Anvern verſehen“, heißt es wörtlich, „denn 
daß jolchen Unſern Enijerlichen Befelchen allerdings wäre gelebt und 
nachgejetst worden, jo müſſen Wir doch mit ungnädigſtem Miffallen 
vernehmen, daß zu deren wirklichen vollſtändigen Execution um deß 
willen noch zur Zeit nicht zu gelangen gewejen, weil theils Euere zum 
Buchhandel Deputirte obbejagtem Fiscal die erforderliche Executionshülff 
wicht alle Mal gedeihen laffen, jondern die Sachen disputirlich gemacht 
und jelbige zur Cognition vor uch verwiejen und gezogen werden 
wollen. Wann nun gleichwohl jolches Alles zu Präjudiz und Schmäle— 
rung Unſerer Enijerlichen Autorität, Privilegien und Rejpect gereicht und 
dadurch die höchſt nothwendige Remedirung der eingeriſſenen ſchädlichen 
Mißbräuche nur geſtecket wird: Alſo befehlen Wir Euch hiermit ned» 
mals gnädigſt und ernjtlich, daß Ihr zu gehorjamfter Folg Unſers veri- 
gen Kaiſ. Befelchs erineltem Unjeren Fiscalen und Bücher-Commifjario 
Dr. Hörnigk auf jevesinaliges bloßes Anjuchen wider die Schulohafftigen 
und Übertretter, jo ſich denjelben, als welchen Wir Unſere Kaiſ. weitere 
Commiſſion dißfalls ſammt und jonders aufgetragen haben, in enge 
Weg widerjeßen, over in Yeiftung dev Gebühr ſäumig erzeigen, vie bilf 
reihe Hand ohne einige Verweigerung oder Einrede viel weniger neue 
Cognition oder Disputat bietet, und Ihnen zu Vollziehung ver Dies 
Falls von Uns anbefohlenen Grecution kräftig verhülflich jeyet.“ 

Was der Kaiſer wollte, lag alſo Hav zu Tage: das Opfer jellte 
jich abjchlachten laſſen, ohne zu Klagen, oder gar ſich zu wehren; ver 
franffurter Rat jollte den Bücherfommiffarien als willenlojes Werkzeug 
an die Hand gehen und die Pläne dev Hofburg fördern, ohne daß dieſe 
dem Verdachte einer Untergrabung, gejchweige denn Zerſtörung der 
Reichsverfaſſung ausgejett getvejen wäre. Noch glaubten die Stapteäter 
den Schlag Durch die weitgehendſte Nachgiebigfeit von ſich abwenden zu 
können. Sie befahlen alje zu Anfang November 1656 dem Notar und 
Dberftrichter Johann Hartmuth Greff, „auf jeweilen ergangene Navi. 
Erinnerungs- und Befelchichreiben die Drudereien in halben und viertel 
Jahren unverſehens vifitiven und auf die unter Händen gehaltenen 
Drude inquiriren zu laffen und wann fich etwas Verbotenes gefunden, 
hinwegzuräumen umd wider die Contravenienten und Frevler ſelbſten mit 
Geld: und Thurmjtrafen zu verfahren, allermafen, da es nöthig, parti— 
tieular Exempel erzählet und beigebracht werden fünnten“. So begab 


Kapitel.) Palliativmittel des Rats. Überwachung der Prudereien, 665 


fih denn auf Geheiß des erjten Birgermeifters Dr. Erasmus Seyfart 
der genannte Greif am 5. November 1656 zuerjt zum Druder Fivett 
und von ibm zu allen ander, „jo eilend, als nur möglich geweſen, 
damit ja fein Buchdruder den andern diejer meiner Commiffion wegen 
nit bat aviſiren können“, und nahm von jedem in jeiner Gegenwart ge— 
druckten Bogen einen friich abgezogenen mit, den er jofort auf der 
Rathskanzlei ablieferte. ES gab damals nur acht Drudereien in 
Aranffurt, deven Namen und von der Preſſe genommenen (in Paren— 
thejen genannten) Drude Greff in folgender Ordnung aufzählt: 1) Du: 
niel Fivett („Repertorium latinum“ und „Comenius“, beide in 89), 
2) Johann Nicolaus Humm („Agricolae Concordanz“, in Fol., 
„Analysis Dieteriei” und „Roderiguez Exereitations“, in 4°, und ein 
hebräiſch Buch in 8%, 3) Doffmann („Gottfrievs Chronica” und 
„Galliae descriptio“, von MeriansZeiller, in Fol. und „Analysis Die- 
teriei, in 49, H Matthäus Kempffer („Hortus pastorum“, in 4°, 
und „De purgatorio‘‘, in 89), 5) Joh. Philipp Weis (Ayrers Prozeß, 
in 8%, 6) Rödell (,„Zoesius in Libros Decretalium“, 4°, und geijt- 
lihe Reißkunſt), T Yatomijche Erben (Kalender, 16°) und 8) Daus 
Georg Spoerlin Diebshiſtorien, in 3%. Es jet hier der Vollſtän— 
digfeit wegen erwähnt, daß Greff jeine Bejuche in den ſtädtiſchen Drude- 
veien noch neunmal wiederholte, und zwar am 17. Mär; 1660, 
22. Januar 1661, 5. Auguft 1661, 3. Januar 1662, 3. Juli 1602, 
16. Februar 1663, 7. Auguft 1663, 6. März 1664 und 9. Februar 1665. 
Die Zahl der Drudereien ftieg vom 5. November 1655 bis zum 
7. Auguft 1663 von acht auf vierzehn und in den legteru wurden im 
ganzen 32%, Prejien bejchäftigt, wie Greff dieſe Zahl näher nachweift. 
Einen jchärfern Erlaß, als den jpütern vom 27. Januar 1657, 
hätte übrigens der Kat zur Wahrung der faiferlichen Rechte nicht ver- 
öffentlichen können; allein ev mochte thun, was ev wollte, es gelang ihm 
nicht, die Hofburg von ſeiner Willfährigkeit und Nachgiebigfeit zu über: 
zeugen. Die ängftlichite Überwachung der Prefien, Beſchlagnahmen, Geld— 
und Gefüngnisitrafen wurden ihm nur als Abjchlagszahlungen und Be: 
weiſe eines jchlechten Gewiſſens ausgelegt. Hörnigk jorgte für immer 
neue Reibungen und griff bei jever Gelegenheit mit immer größerer 
Willkür in die Rechte Frankfurts ein. So verhallten denn auch alle 
Klagen des Rats ungehört. Als er unter Betonung jeiner ausſchließ— 


666 WVergebliche Vorftellungen des Rats. Neue Übergriffe Hörnigfs. Zehntes 


lichen Serichtsbarfeit am 28. Februar 1657 dem Kaifer auf deſſen Er- 
laß vom 11. April 1656 antwortete und jeine Beſchwerde über vie 
Dücherfommiffare näher begründete, wurde nicht einmal eine Unterfuchung 
der einzelnen Punkte angeorpnet. Und doch ging aus dieſer vielfach mit 
Beijpielen befegten Darftellung klar hervor, daß die Bücherfommiffarien 
in den lebten Jahren oft „einjeitig und allein zugefahren waren und 
fih Da Eingriffe erlaubt hatten, wo ver Rath ala ordinarius magis- 
tratus loci fi der Buchhändler anzunehmen um jo dringender ver: 
pflichtet fühlte”, als es ihm mehr und mehr darauf ankommen muRte, 
den Beſuch „dieſer alten gefreyeten Meſſen“ zu fichern, nachdem vie 
Buchhändler jhon wiederholt gedroht hatten, „ihn zum unwiderbringlichen 
Abbruch des boni publiei und derer agonifirenden Commercien zu 
quittiren“. 

Aber dieſe Eingabe war kaum in Wien angekommen, als ſich Hörnigk 
einen neuen Übergriff herausnahm. Er verlangte vom Rate nämlich 
am 28. März 1657 die Beiordnung eines Kichters, um 32 Gremplare 
der „Meditationes Augustini“, 49 ver „Confessiones” vesjelben und 
9 Thomas a Nempis zu fonfiszieren, welche Werke der holländiſche 
Buchhändler Janſon einem andern nachgedruckt haben jollte. Der 
Bürgermeijter trug in Ermangelung jedes Beweijes Bedenken, dem An— 
trag zu willfahren, jchiefte aber zum Janſonſchen Diener und lieh ibn 
in Handgelübde nehmen, feins dieſer Exemplare bis auf weitern Be 
fehl zu verkaufen. Inzwiſchen fuhr Hörnigk eigenmächtig dazwijchen und 
ließ die Bücher verfiegeln. Damit aber jeiner Jurisdiktion fein Ein— 
trag gejchebe, bejchloß der Rat jedoch nun, was er in ähnlichen Fällen ſchon 
längſt hätte veranlaffen jollen, die Hörnigkſchen Siegel, weil ohne jeine 
Genehmigung angelegt, wieder abnehmen, die Bücher im Laden auf ven 
Kornmarkt verzeichnen und es jonit bei dem vom Janſonſchen Diener 
geleifteten Handgelübde bewenden zu laſſen. So geſchah es denn auch 
und Hörnigf, als er Ernſt ſah, fügte fich ohne Widerſpruch. 

Der neue Kaiſer Yeopold trat mit jehr weitgehenden Anjprüchen auf 
und bewies gleich durch jeinen erjten Erlaf vom 7. Auguft 1658, dar 
er auf Wahrung aller angeblich von jeinen Vorfahren ererbten Rechte 
eifrig bedacht war. Wiewohl der Rat fich im März 1659 bereit er 
flärt hatte, „einen der kaiſ. Maj. und dem erzherzoglichen Haufe Diter- 
veich ſchimpflichen und verfleinerlichen Stich“, ven König Karl X. Guftav 


Kapitel.) Nutzloſigkeit der Gefügigfeit ſeitens des Rats. 667 


von Schweden vorjtellend, bei ven Buchhändlern Clemens ve Jonghe 
aus Amjterdam und Dans Doffmanı aus Nürnberg zu fonfiszieren, die 
beiven Miſſethäter aber mit Geldſtrafe und Gefängnis zu belegen, fand 
ſich der Kaiſer am 5. April 1659 dennoch wieder veranlaßt, den Rat aus: 
prüdlich aufzufordern, dem Bücherfommiffar Hörnigk in feinem Arte 
hilfreiche Hand zu leiften. Er, ver Kaiſer habe jett erfahren — verfügt 
er am 20. März 1660 weiter —, daß der Kat wegen Vollziehung diejes 
Befehls verichiedene Bedenken gehabt hätte und fich „über die causas 
der Beriperrung und Arrejtirung eines oder andern Buchladens zu in- 
quiriren aungemapet“ Dadurch würden nur die ungehorjamen Buch: 
händler beitärft und die Biücherfommifjare in ihren Amtshandlungen 
gehindert werden. „Er, der Kaiſer, befehle deßhalb ein für alle Mal 
ven Ruth, den Bücer-Kommiffar ohne Anmaßung eingiger Cognition 
alle erfordernve und nothwendige Hülfe und Aſſiſtenz zu leiten.‘ 
Hörnigk, der natürlich einfeitige Berichte an die Hofburg geſaundt 
hatte, wußte jetzt, Dar er fich fortan ungejcheut gegen den at hervor: 
wagen und damit zugleich in Wien angenehm machen konnte und handelte 
dieſer Erfenntnis entſprechend. Die erfte Gelegenheit ergab fich ſchon 
auf ver Herbſtmeſſe 1660; doch wurde ihm auch Diesmal noch dev Erfolg 
durch die ganz ungewöhnliche Energie des Rats vereitelt. Die fonfej; 
ſionellen Fehden ver Geiſtlichen und Profeſſoren der verjchievenen Be— 
fenmtniffe wucherten zu jener Zeit ebenſo ſchlimm, wenn nicht noch 
ſchlimmer, als vor dem Dreißigjährigen Kriege. Lutheraner und Ktatho- 
liken wetteiferten miteinander in gejchmadlojen und rohen Angriffen 
und gaben jich in Gehäſſigkeit und im Schimpfen nichts mach. Auf 
jeder Meſſe vegnete es förmlich Kontroversichriften. Zur Herbſtmeſſe 
1660 erſchienen unter anderm eine katholiſche Schmähſchrift: „Das 
Kohlſchwartze Lutherthumb“ von Laubenberger, die in Würzburg ver— 
öffeutlicht war, und eine lutheriſche Gegenſchrift Chriſtian Kortholts: 
„Schwarzes Papſtthum“, deren Verleger der Buchhändler Johann Lud— 
wig Neuenhahn in Jena war. Während Hörnigk jene unbeachtet ließ, 
wandte er ſeine ganze Aufmerkſamkeit dieſer als „einem gar zu famoſen 
zcriptum“ zu, drang in das Gewölbe Neuenhahns ein und nahm ohne 
vorherige Anzeige an ten Nat eigenmüchtig 150 dort vorgefundene 
Exemplare mit fich, ja muthete dem Rate zu, eine nachträgliche Haus— 
juchung vorzunehmen und ihm, Hörnigk, die etwa noch vorgefundenen 


668 Hörnigks Gewaltthätigfeit gegen Neuenhahn aus Jena. Zehntes 


Exemplare auszuantworten. Der Rat fühlte ſich jedoch diesmal jo tief 
verletzt, daß er am 21. September 1660 peremtoriſch die ſofortige 
Ablieferung der konfiszierten Bücher an ſeine Kanzlei verlangte. Hörnigk, 
vom Stadtſchreiber zur Rechtfertigung aufgefordert, ſtellte natürlich die 
ganze Sache als reinen Zufall dar. Er ſei zufällig in Neuenhahns 
Yaven gekommen, gab ev entjchuldigend vor, babe zufällig dort vier 
Exemplare auf dem Tijche Liegen gejehen, dann zufällig im ganzen 
150 Gremplare entdedt und natürlich mitnehmen laffen. Jetzt aber 
könne er die durch Zufall in jeinen Bejiß gelangten Bücher nicht ohne 
ausprüdlichen Enijerlichen Befehl herausgeben. 

Wie fih die Sade aber in Wirklichkeit verhielt, das möge ver 
wahrhafte Bericht erzählen, ven Hans Ziegler, Neuenhahns Buchhand 
lungsbedienter, am 22. September 1660 dem Rate erjtattete. „An 
jüngft verwichenem Dienftag, den 18. huj.“, jagt Ziegler wörtlich, „it 
eine Kurze Mannsperſon, jo auch im anderen Buchlävden gewejen und 
herumgegangen, zu mir in meine Bücher-Gammer gekommen, gejagt, Ich 
jollte zum Herrn Commiſſario gehen und meine Sachen richtig machen. 
Hierauf habe ich drei neue Büchlein mitgenommen, al$ Marvii Anato- 
miam, Item Kortholtens Grörterung und ejusdem Kohlihwarkes Pabit- 
thumb, nicht anders vermeinend dieweil diejes lektere bey uns ſchon 
zwei Mal in Meßzeiten verfaufft, es gleich den beiden vorigen, meine 
Herrſchaft vorhin auch im ven Catalogum gebracht haben werte, wor: 
auf Herr Dr. v. Hörnigk dieſes Buchlein gewogen, darvon ich drei 
Abus geben müſſen, Er das erſte bejehen, beyieits gelegt, darauf vie 
anderen beide auch durchſehen, jobalten zu fluchen angefangen, das Bud 
habe em Schelm gemacht, ein Schelm getruckt und ein Schelm anhero 
geführt. Hierüber bin ich als ein junger Menjch heftig erjchroden. Er 
weiters gejagt, wo ih ei einziges Exemplar werde verbehlen und cs. 
3. 8. Maj. werde erfahren, jo jollte ich die Tage meines Lebens fein 
Eremplar von einigem Buch mehr anhero bringen bürfen, auch gefragt, 
wie viel ich deren Exemplaria hätte, Ich geantwortet, ich hätte über 
vier nit mehr. Hierauf hat Herr Dr. v. Hoernigk mir einen Notariun, 
den er bey fich Hatte, zugegeben, ihm etwas in die Ohren gejagt, jo ic 
nicht hören können, der jobalden mit mir in die Cammer nach Hauß 
gehen müſſen. Ich als eim junger Menſch ging mit Bejtürzung nac 
Hauß, dedte die Exemplaria eilendts zu, jo gut ich fonnte,. Der No: 


Kapitel.] Zwangsmahregeln des Rats gegen Hörnigf, 669 


tarins jtöberte in der Cammer berumb, fand die Exemplaria, jagte 
wer num Jemand bätte der fie weg trüge; fie mußten confiscirt ſeyn. 
Wenn ich wollte einen Schein darüber haben, daß fie mir wären abae- 
nommen worden, jo follte ich zu dem Heren Commissario gehen, würde 
jolchen jebalven befommen. Hat darauff all die Exemplaria auf jeinen 
Arm gefaßt und ift mit darvon gegangen. Des Rieſe Diener von 
Veipzig und die allhiefigen Schöntwetterjchen Diener haben das Fluchen 
von Herrn Dr. v. Hörnigf auch gehört.“ 

Als der Rat aber Hörnigf mit Beichlagnahme jeiner in Frankfurt 
itehenden Kapitalien drobte, gab leßterer jchon am 22. September flein 
bei. Nach einem kurzen Scbeingefechte lieferte er die mitgenommenen 
Bücher in der Kanzlei ab. Noch am Mittag wollte er dies nur ımter 
der Bedingung thun, daß der Jenger Buchführer und fein Diener wegen 
zu groben Ärgernifjes mit ein paar Tagen Gefängnis abgeftraft wür— 
den, erflärte auch nichts dagegen einwenden zu wollen, wenn der würz— 
burger Buchoruder wegen des „Kohlſchwarzen Lutherthum“ auch in 
Strafe genommen werde, vorausgejett, daß der Nat dies auf jeine eigene 
Berantwortlichfeit bin verfüge, wozu letterer jenoch feine Veranlafjung 
zu haben erklärte, Aber die Furcht vor dem Verluſte feiner KRapitalien 
und die ganz ungewohnte Energie des Rates wirkten jo kräftig auf 
Hörnigf, daß er, ohne nur eine Antwort abzuwarten, jebon am Abend 
- desjelben Tages die bei Neuenhahn weggenommenen Bücher einjandte. 
Er bedauere, erklärte er, daß der Rat ficb über ihn alteriert babe und 
von ihm einen Eingriff in jeine echte befürchte; das jei niemals jeine 
Abjicht gewejen. Er habe nur noch wenige Jahre zu leben und wolle 
ſich gegen den Rat alſo verhalten, daR derjelbe feine Urjache haben jolfe, 
ſich über ihn zur bejchweren. An vemjelben Tage noch lud der Nat 
jamtliche in Frankfurt anmwejende Buchhändler wor fich, teilte ihnen das 
eigenmächtige Verfahren Hörnigfs mit und forderte fie auf, demjelben 
feinen Gehorſam mehr zu leiten, falls ev nochmals jo handeln jollte. 
Unter den 29 erjcbienenen Firmen waren vertreten: A. Janſon, ob. 
Blaenw und Elſevier aus Amſterdam, Ich. Anton Kind, Meichacl 
Demen, Jodocus Kalcovins, Peter Metternich und Wilhelm Friſſemins 
ans Köln, Ariedr. Spoor und die Eberhard Zetnerjchen Erben aus 
Straßburg, Sammel Chouet aus Genf, Johann Görlin aus Um und 
Johann Ludwig Neuenhahn aus Lena. 


670 Der Bücherkommiſſar Georg Friedrich Sperling. Zehntes 


Im Dezember 1660 verſicherte daun Hörnigk wiederholt ver franf: 
furter Bücherdeputation, daß ihm alles daran Liege, den Verleger von 
Yanbenbergers „Schwarzem Lutherthum“ zur Rechenſchaft zu ziehen, une 
bedauerte nur, daß er ihn nicht finden könne. Vielleicht ſei er in der 
Neuenhaähnſchen Sache etwas zu weit gegangen, im übrigen wünſche er 
mit dem Nat gut Freund zu bleiben. Dagegen balte ev „firmissime 
darfür“, daß die Bücherkommiſſion für Einziehung der dem Kaiſer ge 
bührenden Pflichteremplare und in allen Privilegienjachen die einzig zu- 
jtändige Behörde fer, während der Rat ſich auf Ausführung ihrer Be 
jchlüffe zu bejchränfen habe. Daß dieſe Auslegung der Neichsgejege eine 
ganz willfürliche und nach ven frühern Erflärungen der Kaiſer jelbit 
durchaus ımbaltbare war, bedarf nach der voraufgehenden aktenmäßigen 
Darftellung feiner nähern Ausführung. 

Die Amtsführung Hörnigfs neigte fich ihrem Ente zu. Er erbielt 
am 16. Juli 1661 in Georg Friedrich Sperling einen Adjunften, mit ver 
Anwartſchaft auf die Nachfolge im Amte, Der Kaifer jagte in dem 
Patente Sperlings, daß „zeithere im BücherKommiſſariat jolche Unord— 
mungen und Nachlüffigfeiten verfpüret worden“, daß ein fräftigeres Ein— 
greifen nötig geworden; leßteres war Die Sperling zugewiejene Aufgabe. 
Das im ihn gejegte Vertrauen der Hofburg vechtfertigte er in vollem 
Make; er überbot in der Folge alle jeine Vorgänger an Rückſichtsloſigkeit 
und Frechheit und verjtand es, jich während feiner vierundzwanzigjährigen 
Amtsführung perjönlich dermaßen verhaßt zu machen und die fatferlichen 
KFingriffe in alle Interejfen jo verleßend zuzuſpitzen, daß die Frankfurter 
Büchermeſſe darüber zu Grunde ging. Als Sperling am 16. März 1585 
„aus erheblichen Urſachen“ jeines Dientes entlaffen und der Dechant 
am Yiebfranenftift, Kaſpar Bollmar, zu jeinem Nachfolger ernannt wurde, 
lag Aranffurts Blüte als Buchhändlermeßplatz jebon im Ztaube; nur 
wenige Jahre noch — und Yeipzig trat auch äußerlich an die Spitze des 
dentjchen Buchhandels. Sperling war ganz der Mann nach dem Herzen 
der Hofburg. Er jebeute vor feiner Gewaltthätigfeit zurüd, griff rüd- 
jichtslos an und wußte ftets Nat, wenn es galt, Frankfurt die legten Reſte 
jeiner Selbjtändigfeit zu nehmen. Was fortan dem Bücherweſen Nach— 
teiliges geſchah, it entweder unmittelbar auf jeine Initiative zurückzu 
führen oder mittelbar von ibm gefördert worden. 

Schon am 6. Zeptember 1661 befabl der Kaijer, inden er, die 


Kapitel.) Die alten Vorwürfe und Klagen werben erneuert. Der Mehfatalog. 671 


— 


üblichen Themata variierend, auf ſeine Erlaſſe vom 7. Auguſt 1658, 
24. März 1660 und 30. März 1661 verwies, eine ſehr bedeutende und 
folgenſchwere Neuerung. Der frankfurter Rat wurde nämlich angewieſen, 
dem kaiſerlichen Bücherkommiſſar den Meßkatalog vor ſeinem Druck mit— 
zuteilen, damit der Kommiſſar „ſolchen vorher mit allem Fleiß durch— 
ſehen und was darinnen etwa für Bücher verzeichnet ſein möchten, welche 
in dem Religion und Prophan (!) auf dem letzten Münſterſchen Frieden, 
der Polizeyordnung und den beyljamen Reichsiatungen verbotten, ent: 
weder zu verbejfern oder geitalten Sachen nad abzuſchaffen“. Es ver: 
geht jest faum eine Meſſe, welche nicht ein altes Rejfript des Kaijers 
nen einjchärfte, oder ein neues weiter als jeine Vorgänger gehenves, 
eder auch beides zujammen brächte. Der paſſive Widerjtand, welchen 
die Buchhändler der Kinlieferung der Pflichteremplare entgegenjetten, 
bot ja auch jtets einen jchr bandgerechten Ausgangspunkt. So erlich 
Peopold, um „dem bisherigen Unwejen abzuhelfen“‘, am 4. März; 1662 
ein neues „Mandat“ an die Buchhändler und erteilte dem Fiskal Em— 
merich in Speber, wie Hörnigf und jeinen neuen Adjunkten gemejjenen 
Befehl, gegen die Übertreter mit aller Strenge vorzugehen; dem Nat 
aber gab er auf, „dafür Sorge zu tragen, daß dieſes Mandat bejjer 
als vorher befolgt werde, indem er (ver Nat) dem Bichercommiffar 
jowohl als auch dem Fiscal und deſſen Adjuncten jeden Buchdruder und 
Author jolcher verbotenen Schriften zur Anzeige bringen und nicht mehr 
verjuchen jolle, die Erecution unter dem Schein einer anmaßlichen neuen 
Kognition zu hindern, jondern . . . . ſich deren allerdings zı enthalten 
und ihnen vielmehr aufgefordert alle hilfreihe Hand zu bieten habe“. 
Der faijerliche Erlaß an jümtliche einheimiſche und fremde Buchhändler 
trägt dasjelbe Datum und ſchärft „bei Strafe von ſechs Marf löthigen 
Goldes, nicht weniger Sperrung der Büchergewölbe, Confiscation ſämmt— 
licher Yagervorräte und Erjeßung der verurjachten often” die ſchon jo 
vielfach, aber faft immer vergeblich ergangenen Befehle ein. Es um: 
faffen diejelben wieder einmal: 1) das Verbot des Nachdrudes, 2) das 
Berbot des Drudes aller dem jüngjten Reichsfriedensſchluß, den Reichs— 
abſchieden und Polizeiordnungen zuwiderlaufenden und ſonſt vom Kaiſer 
verbotenen „Famosſchriften, Pasquille, Scartequen und in Neligions- und 
politijchen Regimentsjachen zu großer Ärgernuß gereichenden Materien“, 
jowie Unterwerfung unter die Cenſur, 3) Yieferung der dem Kaiſer ge 


172 Das Mandat vom 18. März 1602. [Behntes 


bührenden Pflichterempfare und vechtzeitige Eintragung der neu erſcheinen— 
den Bücher in den Meßkatalog und enplih 4) Befolgung der Bücher— 
Tarerdnung vom 7. Anguft 1658, welcher noch erjt ausführlich zu ge— 
denfen jein wird. Diejes gedrudte Patent wurde am 18. März 1602 
von den Bicherfommifiarien obne vorheriges Befragen des Rates an 
der Dechanet zu St. Leonhard angejchlagen und jedem Buchhändler de 
von ein Eremplar in jeinem Gewölbe eingebändigt. Auch ver Nat er- 
hielt nur in diefer Weiſe Kenntnis davon; die geſchriebene Vererbung 
des Kaiſers findet ſich nicht im Frankfurter Archiv. 

„Zänmtliche im beiligen Röm. Reich einheimiſch geſeſſene und 
theils dieſer Stadt mit Bürgerſchaft zugethane, theils hierher negotiirende 
Buchhändler“, deren Namen ſich jedoch nicht verzeichnet finden, waren 
übrigens nicht gewillt, die ihnen ſchuld gegebenen Übertretungen zuzugeben 
und fich den zugemuteten Bejchränkungen ohne Widerrede zu unterwerfen: 
jie ſuchten am 8. April 1662 in einer ausfichtslojen Eingabe an ven Katjer 
jeine Beſchuldigungen zurückzuweiſen. Auch der Rat lieh fich diesmal 
dieſe neue Beeinträchtigung feiner Nechte nicht ruhig gefallen und ſchwieg 
nicht dazır, daß deren Ausübung in Wien als Anmaßung bezeichnet wurde. 
Er machte fich in jeiner Denkichrift vom 19, Auguſt 1662 zugleich zum 
Fürſprecher ver Buchhändler, wurde aber jowenig wie Dieje einer Ant 
wort jeitens des Kaiſers gewürdigt. 

Da die Einzelheiten der Kontroverje in der frühern Darſtellung 
teils ſchon berührt find, teils erjt näher erörtert werden müffen, je möge 
es an dieſer Stelle genügen, die Gefichtspunfte bervorzubeben, welde 
auf die fatjerliche Politif gegen die Famosſchriften ein charakteriſtiſches 
Yicht werfen und welche jchliehlich zum Ruin des Frankfurter Buchbanvels 
führten. Sie finden ficb in der erſtgenannten Deukſchrift mit über: 
rafcbender Offenheit und Klarheit dargelegt. 

„Das Mandat gegen die Pasquille und deſſen Tragweite‘, jagen die 
Buchhändler, „wird unjers Erachtens von dem Biücher-Kommiffariat all 
zuweit ansgedehnt. Bon den unjerer, der Augsburgiſchen Confeſſion 
Verwandten Büchern find 3. B. Werke wie Wivers Poſtille bei Fobann 
Tauber von Nürnberg und Nuber’s „Lutherus redivivus’ bei Jobann 
Berlin in Ulm unter dem unerfindlichen Vorwand confiseirt und ein— 
gezogen worden, daR fie injuriös und famos wären. Gbenje bat man 
einzelne Titel von den Läden weggeriffen, trogdem daß der Inhalt der 


Kapitel.) Remonſtrationen dev Buchhändler. 675 


m 


Biber nicht ſtrafbar und fie auch an den Orten, wo fie genrudt wur: 
ven, ſolchem allergnäpdigiten Befehl gemäß vorher der ordentlichen Cenſur 
unterworfen worpen find. Dich jolches mero odio entſprungenes Be 
ginnen werden leider die Verleger unſchuldig im Noten und Schaden 
geſtürzt und ebenſo unſchuldig in Ztrafe gezogen. Daraus ergibt jich 
von jelbjt, dag wenn ſolchem Berfahren nicht bei Zeiten gejtenert werden 
jollte, wir Goangelifchen fein Geſang- over Gebet- Buch, viel weniger 
eine Dieputation oder einen Danpttractat von unſerer Religion drucken 
und verkaufen dürfen. Solcher Geftalt haben vie Katholifen gewonnenes 
Spiel, wann das Arbitrium aus eimem oder höchftens zwei ver katho— 
lüchen Religion zugethanen Commiſſarien bejteben jellte, und es ſich um 
ragen handelt, ob diejes oder jenes Buch, jo etwa Die controversias 
de missa, purgatorio, indulgentiis ete. enthält, für injuriös, famos 
oder pasquilliſch zu erachten, demnach zu unterprüden und confisciven 
over die Titel, noch che die Bücher eingejehen over gelejen, aus dem 
Katalog zu ftreichen jeien. Es liegt deßhalb am Tage, daß unjer Keiner 
dergleichen Materien zum Druck befördern und zu verlegen over, falls 
jofcbes bereits geſchehen, im offenen Kauf feil zu halten ſich unterjtehen 
dürfte. Air fünnen darum auch nicht glauben, daß dieſe allzu weit ge- 
juchte, dem Religionsfrieden und dem allgemeinen Friedensſchluß zu— 
wiverlaufende Explication der Famosſchriften und Pasquille der faijer- 
lien Abficht und dem Mandate gemäß zu erachten jei.  Wofern wir 
uns aljo der Genjur wegen recht gehorſamlich verhalten, boffen wir aller 
weiteren Gonfiscationen und Beſtrafungen enthoben zu ſein. Da 08 
unjeres Thuns und VBerjtandes nicht tft, über Die Bücher und deren In— 
balt zu juvieiren, jonvern uns nur anf die ordentliche Genjur jedes 
Ortes, wo die Bücher gedruct werden, verlaffen, jo dürfen wir auch 
nicht ganz unverdient, unſchuldig und umwiffend in Schaden und Ber: 
derben gejett werden, wie das bei Fortſetzung des jeßigen Verfahrens 
unfehlbar geſchieht.“ 

In derjelben überzeugenden Sprache, wie die Buchhändler ihre Sache 
führen, weift auch ver Nat ven Vorwurf einer Pflichtverſäumnis zurück 
und vermag fich nicht zu erinnern, daß er fich im Bücherwejen „einige 
nene Gognition angemaßt umd die eine oder andere rechtmäßige Exe— 
cution ohne rechtmäßige erhebliche Urſache gebinvert baben jollte“, bes 
bauptet. vielmehr, immer dem nachgefommen zu jein, was ibn des 

kapp. I 43 


674 Sorglihe Vorftellungen in Wien feitens des Rats. [Zehntes 


heiligen Neiches Sutungen und der vorigen Kaiſer Gebot und Befehls— 
briefe geheißen und die uralten Objervanzen mit jicb gebracht hätten. 
In jeiner Rechtsausführung begründet der Kat, wie jchon bei frühern 
Selegenheiten, jeine ausjchließfichen Befugniffe zur Bicherpolizei mit 
jeiner Neichsftandfchaft, ven Reichsabſchieden und der Reichspolizeiord— 
nung, wie ihn denn auch des Kaiſers Vorfahren al® ordinarium ma- 
gistratum loci ſtets anerfannt und nie jeinen Pflichteifer in Zweifel 
gezogen hätten. „Wenn nun die faiferlichen Bücher-Commiſſarii und 
Fiscales vor fich allein und unbegründet unjer als ordinarii magistratus 
nicht allein auf die in biefigen Meſſen befindliche fremde, jondern auch 
auf hiefige Buchhändler und Bürger inquiriret, cognosciret und theil— 
weije erequiret und die Buchhändler uns als ihre ordentliche Obrigfeit 
um Hülfe angehen, da wir in Straft habender anſehnlicher Mefprivi- 
legien ſchuldig und gehalten find, nicht allein den Bürgern, jondern and 
den Fremden in den Meffen Schub zu halten, damit Niemand wider 
Recht und Billigfeit und zumal auch gegen die Meffreiheit bejchwert 
werden möge, jo haben wir nicht umbin gefonnt, uns derjelben injoweit 
anzunehmen, ihre Beichwerven anzubringen und daranf mit den Fiscalen 
und Commiſſariis zu conferiven und fich zu vergleichen.“ Die Stadt 
jet weit entfernt davon, heißt es weiter, im die fnijerlichen echte ein- 
greifen zu wollen; indeſſen erjcheine die Bejorgnis nur zu begründet, 
daß, wenn den Bejchwerden der Buchhändler nicht abgeholfen werde, 
das Vorgehen ver Hofburg nicht allein diefen zum Schaden, Verderben 
und Untergang dienen, „jondern auch zu noch mehrerer augenjcheinlichen 
Schmälerung und Schwächung biefiger, zwar jo hoch befreiten, aber 
multis modis abgenommenen Meſſen, deren nicht geringſtes Stüd, jons 
dern eins der vornehmften, dev Buchhandel mit den ihm gewinmeten 
großen Gaſſen und Straßen jei, ja auch dem bono publico literario 
jelbft zum umwviverbringlichen Präjudieium und Nachtheil gereichen 
und ausjchlagen würde‘. Der Rat wendet fi dann an die faijer: 
liche Gnad und Hulde, „damit fie den Beſchwerden der Buchhändler 
abhelfe und dieſe jowohl bei ihrer Handlung bleiben als auch biefige 
Meſſen in einigem Flor auch wegen gedachten Buchhandels erhalten 
werden und deſſen nebenſt biefiger Bürgerjchaft zumal auch das bonum 
publicum literarium zu geniehen und zu erfvenen haben möge‘. Die 
jchlieplicbe Bitte an den Kaiſer gebt nun dahin, „ven Zuftand, wie er 


Kapitel.) Zu ſpätes Befinnen des Nats. Die Büchertare, 675 


vor dem leivigen Kriege gewejen (vor welchem der Buchhandel allbier 
im böchjten Fler geitanden) im Einklang mit den Neichsjatungen wic- 
derberzuftellen und den Bicherfommiffarten zu befehlen, daß was fie bei 
hiefigen gefreiten Meffen vorzunehmen haben, mit Zuziehung umjerer 
Deputirten vornehmen und auch uns die confiscationes und execu- 
tiones allein verfügen Taffen jollen“. Die Einficht und Energie war 
leider dem Rat zu jpät gefommen und er mußte für die Unterlafjungen 
jeiner Borgänger büßen. Es behielt natürlich bei den alten, oder vicl- 
mehr bei den neuerdings getroffenen Beitimmungen fein Bewenden. 
Die Freie Reichsſtadt Frankfurt wurde in ihren eigenen Mauern aus 
feinem andern Grunde, als um die Herrichaftsgelüfte der Jeſuiten der 
Hofburg zu befriedigen, depoſſediert und mußte froh fein, wenn ibre 
getreuen Herren ihr nur gejtatteten, den äußern Schein zu wahren und 
untergeordneten Mafregeln gegen die Preſſe zuzuſtimmen. 

Inzwiſchen hatte aber die faiferliche Politik ſchon um die Mitte der 
fünfziger Jahre den deutjchen Buchhandel, neben den bier gejchilverten 
Pladereien, noch mit einer neuen Beläftigung heimzuſuchen verſucht, 
welche — wenn wirflich durchgeführt — den Lebensnerv der freien lite- 
rariſchen Bewegung zerjehnitten und Frankfurts Bedeutung als Bücher: 
meßplatz unfehlbar ſchon jett zerjtört haben würde. Es war dies Die 
jogenannte Büchertare. Die Beftrebungen zur Ginführung einer jolchen 
tauchten in Frankfurt zuerjt im Sabre 1655 anf, wirbelten jebr viel 
Staub auf und riefen — in Verbindung mit den gleichartigen Kur— 
jachjens im Leipzig — zwei Jahrzehnte hindurch große Beftürzung und 
Befürchtungen hervor, um dann, nachdem die bervorgerufene Unruhe 
und Unficherheit Schaden genug angerichtet hatten, im Sande zu ver- 
laufen umd auf immer vom Schauplaße zu verſchwinden. 

Dean verfteht unter der Biüchertare die obrigfeitliche Feſtſetzung eines 
und vesjelben Preijes für Bücher eines bejtimmten Kormates. Ganz un- 
abhängig von der geijtigen Arbeit des Verfaffers und dem Inhalt eines 
Buches, von der größern oder geringern Höhe der Herftellungstoften, 
jowie von der Abſatzfähigkeit desjelben ſollte alſo ein bedruckter Oktav— 
oder Duartbogen nur je zu einer fejten Taxe auf dem Meßplatz ver- 
kauft werden, einerlei ob Original oder Überjetung, ob Nachdruck over 
Auszug. Im ähnlicher Weije ſollte auch — wenigitens in Sachſen — 
die Höhe des Gewinnes fetgeftellt werden, welchen die Sortiments: 

43 * 


676 Wefen der Bichertare. Vorläufer derjelben, | Zehntes 


händler beim Weiterverkauf auf die franffurter Meßpreiſe aufjchlugen. 
Solche Tarorpnungen find von alters her auf den verſchiedenſten Wirt- 
ichaftögebieten nichts jeltenes gewejen. Je größer die geiftige Unbildung 
und wirtjchaftliche Verwahrloſung, je ſchlimmer die Zeiten und je trojt- 
(ojer die Ausfichten für die Zukunft, je heftiger der Neid und die Miß— 
gunft find, deſto häufiger treten derartige ökonomiſche Irrtümer in ver 
Geſchichte der verjchiedenen Völker auf. Die Jeſuiten ver Hofburg, mit 
ihrer oberflächlichen, rein mechanischen Auffaffung ver Dinge, glaubten 
vermutlich einen ganz neuen fühnen Griff gethan und das bejte Mittel 
zur Unterbrüdung dev ihnen unbeyuemen Thätigfeit der Preſſe gefunden 
zu haben, als fie mit dem Plane ihrer Taxe zuerjt bervortraten. Aber 
die frommen Väter folgten doch mir älteren Vorbildern. Schon ver 
wejtgotijche König Chindaswind hatte bejtimmt, daß der Verkäufer eines 
oder der Lex Visigothorum nicht mehr als 12 Solidos für den 
jelben fordern, ver Käufer aber nicht mehr dafür zahlen durfte, wenn 
jie nicht beide vom Richter zu hundert Beitjchenbieben vwernrteilt werden 
wollten. Auch die Beitimmumgen des kanoniſchen Nechts gegen ven 
Wucher entipringen ganz verjelben Grundanſchauung und ſelbſt vie beu 

tige Geſetzgebung enthält noch manche. Spuren diejer veralteten Auf— 
faſſung. Vielleicht aber diente gar das feterifche Zachjen den Jeſuiten 
als Vorbild, denn bier jette das Münzmandat mit angefügter Taxord— 
mung vom 31. Juli 1623 die Preiſe für alfe Damals betriebenen Zweige 
wirtjchaftlicher Ihätigfeit, namentlich auch für Buchdruck und Buch 

handel, feit. 

In der Hofburg kannte man recht gut Das Elend und den verkümmerten 
Zuftand, in welchem der deutjche Buchhandel bei Beendigung des Dreißig— 
jübrigen Strieges darnieder lag, man fannte ebenjo gut die Gründe, aber 
man fing, um die eigentliche Urjache zu verbeden, ſchon jeit Anfang ver 
fünfziger Jahre an, über die Mißbräuche zu Elagen, welche ſich in ven 
Buchhandel eingejchlichen hätten, und die Verleger zu beſchuldigen, daß 
jie ihre VBerlagsartifel zu wucherijchen Preiſen verkauften. Alſo, hieß 
es, müſſe man ihrer Gewinnſucht und Willkür ein Ziel feten, zu welchen 
Ende die obrigfeitliche Fixierung der Preife das geeignetite Mittel jei. 
Sp entjtand denn im den Köpfen der faiferlichen Ratgeber ver Plan 
einer Büchertare, die als Univerjalmittel zur Bejeitigung aller Schäden 
und Herbeifübrung bejjerer Zuftände dienen jollte, 


Kapitel.) Dunkelheit betreffs der Vorſtadien. Rublifation im Jahre 1656. 677 


Yeider find die Akten ver Bicherfommiffion über dieſe interejfante 
und wichtige Epijede in der Geſchichte des deutſchen Buchhandels jeiner 
Zeit nach Wien gejandt worden und find dort bis jeßt nicht Wieder 
aufufinden gewejen. Was jich aber aus ven vorliegenden franffurter 
Akten zujammenftellen läßt, it Folgendes. 

Es iſt zumächit klar, daR die Buchhändler ſchon früher ven den in 
der Hofburg geplanten Mafregeln Kenntnis erlangt hatten. Dennoch 
wurden allem Anjchein nach Die auf der Herbſtmeſſe 1656 in Frankfurt 
Terjammelten durch die Kunde von dem ihnen nunmehr thatjächlich 
drohenden Unheil überrafcht. Im jeinem Bericht an den Kaiſer, d. d. 
Spever 13. Dezember 1656, jagt der mit dem Betriebe ver Suche be- 
auftragte Reichsfiskal Philipp Werner von Emmerich über die Umftände 
bet Publifation ver Büchertare: Nachdem er „mit etlichen auf den 
Handlungs verjtändigen‘ über die gemachte Tare nochmals Eonferiert 
und von ihnen jelbit vernommen, daß feiner derſelben fich füglich darüber 
zu beſchweren habe, habe er vie „Vornehmſten von der Buchhandlung‘ 
auf den 15. September vorbeſchieden und denjelben ven Faijerlichen Be— 
ich! vom 2. September 1654, die Anordnung einer gewiſſen Büchertare 
betreffend, pann die am 11. April 1656 gefertigte Tare vorgeleſen, auch 
ihnen eröffnet, daß auf ihren Borjchlag von 1655 Nückficht genommen 
und die Tare danach geſtaltet worden jei. Hierauf babe zwar der 
Ültefte, Gottfried Schönwetter — ein Arankfurter! die Frankfurter Buch— 
bindler gehörten ſpäter zu den entjchiedenjten Gegnern jeder Taxe —, 
für fih und die Übrigen für allergnädigſte Sorgfalt Dank gejugt; es 
jeten aber jogleich einige aufgetreten, welche behauptet hätten, bei dieſer 
Tare nicht bejtehen zu fünnen. Er habe ihnen dagegen „mit Bejcheiden- 
beit“ eingehalten, es jei ihnen ja nach Abzug des Druderlohns, des 
Papiers und aller andern Untojten auf 100 Fl. Kapital 60 8. Gewinn 
gelajfen worden und zwar, weil, wie fie jelbit gejagt hätten, die Verlags: 
artikel nicht gleich an ven Mann gebracht und zu Geld gemacht werden 
löunten, ſodaß Das angelegte Kapital ruhen müßte. walls fie ſonſt 
noch etwas Grhebliches vorzubringen hätten, jollten fie es than. 
Sie hätten fich aber nicht weiter auslaffen wollen, bis auf einen Teil 
der Ausländer, welche auf den Unterſchied zwijchen ihnen und ven 
Sranffurtern in Anjehung der Koften für Papier und Drud und der 
Fracht hingewieſen und gebeten hätten, bis fünftige Oftermeffe (in dem 


678 Borjtellungen der Buchhändler bei dem franffurter Rat. Zehntes 


Schriftenwechſel zwiſchen Wien und Frankfurt heißt es ſtets Oſter- und 
nicht Faſtenmeſſe) ihre Gegenvorſtellung einbringen zu dürfen. Da in— 
deß die Meſſe zu Ende gegangen, habe er dieſes Petitum unbeantwortet 
auf ſich beruhen laſſen, dagegen nochmals ermahnt, der publizierten Taxe 
künftig nachzuleben. Daneben habe er verſprochen, daß, wenn der eine 
oder der andere unter Umständen bei der publizierten allgemeinen Tare 
ohne Nachteil nicht beftehen könnte, deſſen Anbringen gehört und ihm 
„in allweg befindlichen Dingen nachgeholfen werden ſollte“. Hierauf jeien 
die Buchhändler abgetreten; es jcheine aber, als wenn die Meiften nach 
wie vor freie Hand behalten und fich ohne anderweite ernitlichere Wer: 
ordnung der Taxe nicht anbequemen wollten. 

Der erſte Schritt der in ihren Intereffen jo jehwer Bedrohten war 
die Anrufung dev Interceffion des jet leider ſchon einflußloſen franffurter 
Rats. In der am 16. September 1656 in letzterm vorgelejenen Bitt- 
jchrift jümtlicher zur Meſſe anweſenden in- und ausländischen Buch— 
händler führten Zacharias Hertel von Damburg, Wolfgang Endter von 
Nürnberg, Kaſpar Wachtler von Frankfurt, Hermann Mylius von Köln, 
Chriſtian Gerlach und Simon Bedenftein von Magdeburg und Helm: 
jtädt, jowie endlich Johann Joachim Bodenhoffer von Strapburg aus: 
Der kaiſerliche Generalfistal habe den in- und ausländischen Buchführern 
(aljo nicht nur den vornehmiten derjelben) vor wenig Tagen ganz um: 
vermutet einen jchriftlichen Eniferlichen Befehl vorgelejen, kraft deſſen alle 
Verlags: und Sortimentsbücher („Berlags- und Handelß-Bücher“) dem 
Ballen nad in einem gewiffen Preis tariert und angejchlagen werden 
jollten, „mit angehengter jcharffer beprohung, falk wir Vnß deme nicht 
bequemen, ſondern in verkauffen darwieder handeln würden, die Wahren 
und Bücher zu confisciren und einzuziehen“. Hierdurch fühlten ſie ſich 
in hohem Grade beſchwert, und wenn es dabei bleiben ſollte, würden ſie, 
beſonders die Ausländer, gezwungen ſein, ihre Handlung in die frank— 
furter Meſſe gänzlich einzuſtellen. Der Preis des Papiers und anderer 
zum Verlag der Bücher gehörender Materialien variiere und ſteige oft, 
ſodaß die Bücher einer feſten Taxe nicht unterworfen werden könnten. 
Zudem würden die Bücher gemeiniglich auf Kredit gegeben, außerdem 
bleibe bekanntlich ein guter Teil unverkauft und werde zu Makulatur. 
Sodann müßten ſie, vor allem die Ausländer, ihre Bücher zehn, zwanzig, 
dreißig, vierzig, fünfzig und mehr Meilen herführen und resp. zu dreißig 


Kapitel.) Unerwartet jchnelle Schritte desfelben. 679 


und mehrinalen, auch wohl doppelt verzollen und verfrachten. Sie könnten 
ih daher zu einem feiten Preife nicht verpflichten, es jei denn, daß 
man fie ruinieren wolle. Sie bitten deshalb für fie dahin einzutreten, 
daß der kaiſerliche Befehl auf jo lange juspendiert werden möge, bis fie 
ih umjtändlich darüber geäußert haben würden. 

Bon bejonderm Intereſſe ift in diefer Beſchwerde die Thatjache, daß 
die fremden Buchhändler hier zum eriten mal offen mit dem Wegbleiben 
von Frankfurt drohen, während Engelbert Gymnich und Nikolaus Wein- 
garten anderthalb Jahre vorher diefe Möglichkeit nur jchüchtern hatten 
durchblicken laſſen. Won jett an gewinnt aber diefe Drohung täglich feftere 
Seftalt. Der Rat weiß recht gut, was fie für Frankfurt bedeutet, kann 
aber die Sünden der Väter nicht wieder gut machen; in der Hofburg 
dagegen erkennt man gar nicht die Tragweite der Verwirklichung eines 
jolhen Plans und wirtjchaftet ruhig weiter, als ob der Buchhandel gar 
nicht todt gemacht werben könne oder als ob wenigjtens Frankfurt die 
einzige Meßſtadt fei, in welcher er zu gedeihen vermöge. 

Obgleich nun der Rat der Erfüllung jener Bitte entjprochen hatte, 
war Emmerich dennoch dabei geblieben, daß der faijerliche Befehl uner— 
wartet der im Ausficht gejtellten Eingabe alsbald ausgeführt werben 
müſſe. Es lag aber im eigenften Intereffe des Rates, daß er fich ver 
Buchhändler in diefer Angelegenheit annahm und ihnen umgehend feine 
unberingte Beihilfe zuficherte, wofür ihm am 23. September 1656 
dreißig Buchhändler aus allen Teilen Deutichlants ihren Dank aus- 
ipraden. Dem Rat fam das Tarmandat jelber unerwartet, wie ein 
Schlag aus heiterm Himmel. Mit ganz ungewohnter Schnelligkeit zu 
einem Entjchluß gelangend — aber immerhin nur zu einem halben —, 
forverte er, „da ihm jehr viel daran gelegen”, jchon am 21. Septem: 
ber 1656 feinen wiener Agenten Johann Grooß auf, zu ermitteln, auf 
weijen Antrag hin das faiferlihe Mandat ausgewirkt worden jet. Grooß 
founte aber am 1. November 1656 nichts weiter berichten, als daß 
weder in der Kanzlei, noch in der Regiftratur, weder von den beiden 
Regiſtranten, noch vom Reichshofratsſekretär etwas zu erfahren gewejen 
jei, daß jedoch die Tare vom Neichsvizefanzler und Geheimen Nat aus- 
gegangen zu fein jcheine, daß ein Geb. Sekretär fie ausgefertigt habe 
und dag er den Entwurf davon nicht zu erlangen vermöge. „Sub rosa 
ad notitiam” teilte aber Grooß noch mit, wie ihm ein Herr zu ver- 


680 Frankfurts Sondiren in Wien, Drängen der Buchhändler. Zehntes 


ſtehen gegeben babe, dar in Frankfurt in dem Buchhandel je Länger 
deſto mehr große Mißſtände einriſſen, welche die Ortsobrigfeit nicht 
geitatten ſollte, „da fie jonjt eine Verantiwortung und fatjerliches Ein— 
jehen verurjachen würden“. „Da wir uns dergleichen nicht erinnern, 
noch wenn es bejtände, willen können‘, antwortete der Rat am 11. Ne: 
vember 1656, „alſo wirde der Herr uns eine jonderbare, augenehme 
Freundſchaft erweifen, wenn ev bei ermelvetem Herrn penetriren und 
erfuhren fönnte, was denn dasjelbe in specie jei. Es joll der Herr 
übrigens verfichert fein, daR es am Abſchaffung auch an anderweiter 
ernſter Animadverſion unjers Orts nicht ermangeln werde”. Natürlich 
lag bier wieder eine Denunziation von Hörnigk vor, über deren Einzel: 
heiten Grooß jelbftverjtändlich nichts ermitteln fonnte. 

Man erfenmt aus der Angſt des Rats, wie jehr ihm darum zu thun 
war, in Wien feinen begründeten Anlaß zur Klage zu geben. Aber in 
feiner nun einmal herkömmlichen Unterwürfigfeit und Schwächlichkeit 
fürchtete ev ebenjo jehr durch Vorftellungen Anſtoß zu erregen, jelbit 
wenn dieje noch jo berechtigt waren. Obſchon ihm aus ver offenen Aus- 
jprache ver fremden Buchhändler doch Far genug geworden ſein mußte, 
welche Folgen die in Aussicht genommene Mafregel fir die Frankfurter 
Büchermefje haben könnte, ließ er dennoch den Winter hingehen, ohne 
irgend welche weitere Schritte in dieſer Angelegenheit zu thun, ſodaß 
jich Die zur Faſtenmeſſe 1657 in Frankfurt anwejenden Buchhändler — 
diesmal fehlen Die Unterjchriften — von neuem veranlaft jaben, amt 
7. April den Nat zu bitten, jich beim Reichshofrat für die Nichtein: 
führung der Büchertare zu verwenden. In diefem Schreiben jagen fie 
— aber jedenfalls irrtinnlich — der Seneralfisfal habe ihnen in ver 
Dftermejje 1656 eine Tare vorgelefen, mit dem Hinzufügen, var, falls 
jie fich dem nicht anbequemen und ein oder das andere Buch teurer ver- 
faufen würden, ev faiferlichen Spezialbefehl habe, gegen Tie zu exequieren, 
die Bücher zu fonfiszieren umd die Läden zu verjchliehen. Nach Wie: 
derholung und teilweifer Erweiterung der jebon früher geltend gemachten 
Gegengründe beift es Damm noch, daß fie auf den unverhofften Be— 
harrungefall ihre Negotien auf Aranffurt und feine Meſſe notwendig 
einstellen mürten. Andere Kauflente, deren Waren lange nicht einen 
jolchen Unterichied im Einkaufe hätten, und die faft alles baar verkauften, 
fünnten ja auch ihre Preiſe jtellen, wie fie wollten, 


Kapitel.) Wiederaufnahme der Frage 1658. Die ſächſiſche Taxe von 1623. 681 


Als dieſe Schrift eingereicht wurde, war Kaiſer Ferdinand III. ſchon 
einige Tage vorher (2. April 1657) gejtorben. Erſt nach harten Kämpfen 
wurde Leopold I. am 18. Juli zum Nachfolger feines Vaters erwählt. 
Um jo erflärlicher ift 8, wenn bei dem allgemeinen Widerſtande dieſe 
Bücertare nur wenig, wenn überhaupt irgend welche Beachtung gefuns 
den hatte. Kaum aber hatte Leopold I., ein bigotter Jeſuitenzögling, 
den Thron bejtiegen, als ev auch ſchon von Frankfurt, jeiner damaligen 
Reſidenz, aus mit VBerfolgungsmandaten gegen Preſſe und Buchhandel 
vorging. Ein Reſkript vom 7. Auguft 1658 an den Bücherfommifjar 
Yurwig von Hörnigk — Das diesbezügliche Mandat des Keichsfisfals 
war durch den Akt der Publizierung erledigt — erinnerte an das Be- 
jtehen der ſchon Halb vergeffenen Lüftigen Taxverordnung. Gleichwohl 
icheint fie auch damı noch nur wenig Beachtung gefunden zu haben, 
denn als vorläufig lette Spur ihrer Exiſtenz zeigt fih in einem Schreiben 
des Frankfurter Rats an jeinen Wiener Agenten Tobias Sebaftian Praun 
vom 23. Februar 1664 die Bemerkung, der Bücherkommiſſar habe jich 
darüber bejchiwert, daß „ver Kayſerl. Biicher-Tar mit allzu großem 
Ueberſatz vnd gewin violirt“ werde. 

Leider findet ſich der Wortlaut der Taxe ſelbſt nicht bei den Akten. 
Aber ſo belehrend auch ein Einblick in die einzelnen Beſtimmungen dieſer 
Urkunde ſein würde, ſo iſt ihr Verluſt doch aus dem Grunde nicht ſo 
ſehr zu beklagen, als Material über ein ziemlich gleichzeitiges ſächſiſches 
Gegenſtück zur kaiſerlichen Taxe im dresdener Archiv vorhanden tft. 
Das Vorgehen der ſächſiſchen Regierung in Prefangelegenheiten beſtand 
ja auch — worauf ſchon gelegentlich hingewiejen wurde — nur zu oft 
in einem gewohnheitsmäßigen Nachhinfen Hinter den Preßmaßregeln ver 
Reichöregterung. 

Schon im Jahre 1625, zur Zeit der Kipper und Wipper, war Die 
kurſächſiſche Regierung in ähnlicher Weiſe vorgegangen, jedoch nicht ein- 
jeitig und ans Mißgunſt gegen das Preßgewerbe, jondern ganz allgemein. 
Dieje alte ſächſiſche Taxordnung vom 31. Juli 1623 Hatte in Bezug auf 
den Buchhandel folgenden Wortlaut: 

Buchführer. Sollen jehuldig jeyn, ievere Mer, den Frankfurter 
Taxt, ides Orts Obrigfeit zu ediren, nach welchen fie ihnen den Tax 
der Bücher jeßen, und mehr nicht, als auff ven Gülven, an dem Auß— 
ländiſchen Drud 5. Groſchen, von dem Inländiſchen aber 2. Grojchen 


682 Rorverhandlungen in Sachſen über die Büchertare. [Zehntes 


von Deuticher, 3. in 4. Groſchen von Yateinijcher Materia, zum Ge— 
winſt verjtatten jollen. 

Die gemeinen Scholasticalia, ſeynd vor vielen Jahren, der Ballen 
zu 10. Gilden in 10. Thaler verfaufft. 

Die diejes Orts verlegte Bücher, warn fie auff gemein Drudpapier, 
und gemeiner Drud, der Bogen 3. Heller. 

Was aber auff weiß, groß, Cronen oder auch auff Median-Rapier, 
groß format, mit fleinen Schrifften gedruckt, weil die Autorn wegen 
ihrer Mühe, und angewandten Fleifes recompensation haben müfjen, 
auch auff Erlangung und Erhaltung der Privilegien zimliche Untoften 
gehen, der Bogen nach Gelegenheit 2. in 3. Pfennige. 

Indeſſen ift auch diefe Taxordnung nur wenig oder gar nicht befolgt 
worden. 

Erit als nach Beendigung des Dreifigjährigen Krieges wieder Ord— 
nung in die jo lange ftodende Regierungsmajchinerie gebracht werten 
jollte, wurde auch diefe Frage in Sacjen wieder aufgenommen. Faſt 
gleichzeitig mit den erften Verhandlungen in der Wiener Hofburg jpufen 
auch im Anfange der fünfziger Jahre in Dresden und Yeipzig ähnliche 
Beftrebungen vor. Die wieder zur Thätigfeit angejpornte kurſächſiſche 
Bücerfommiffion in Yeipzig wurde angewieſen, Erörterungen mit den 
Buchhändlern über den, der Taxordnung von 1623 widerjtreitenven 
hohen Preis der Bücher, gleichzeitig aber auch über den jpefulativ in 
die Höhe getriebenen Preis des Papiers anzuftellen. Aber die Arbeits: 
unlujt dev Kommiſſion einerjeits, der pajfive Widerftand der Buchhändler 
andererjeits ließen fein Rejultat aus dieſen Crörterungen erwachien; die 
Regierung fam zunächſt jelbjt nicht weiter darauf zurüd. Erſt die in 
Frankfurt zumächit jo gut wie im Sande verlaufenden Verhandlungen 
jcheinen der ſächſiſchen Regierung ven Gedanken eingegeben zu haben, 
dieſe Erörterungen oder Vorbereitungen wieder aufzunehmen. Ohne daß 
aus den Akten eine jpezielle Veranlaffung zu erſehen iſt, erhält vie 
Bicherfommiffion in Yeipzig plößlich die Anweifung, in der Michaelis— 
mejje 1666 die Buchhändler zu einer Erklärung über die Tarfrage auf- 
jufordern.?® Infolge davon reichten die Leipziger Buchhändler (die frem: 
den, zwölf morbdeutiche, drei franffurter und ein nürnberger, waren 
vor der Bücherkommiſſion gar nicht erjchienen), aber erſt am 22, April 
1667, ein vom 30. März diejes Jahres Datiertes Gutachten ein, worin 


Kapitel.) Toritellungen der Leipziger Buchhändler dabei. 683 


fie fich dahin ausjprechen, daß es unmöglich jei, eine „durchgehende“ Tare 
für alle Bücher aufzuftellen, indem unter dieſen ein jo großer Unterjchied 
bejtebe, wie bei wenig andern Waren. Bet ver Taxe von 1623 könne 
es überhaupt nicht bleiben, denn es hätten fich die Zeiten ſeitdem jehr 
verändert: die frühern Steuern jeten erhöht worden, neue hinzugefommen, 
alle Handwerker und Arbeiter hätten ihren Lohn bedeutend gejteigert. 
Dagegen ſei ver Getreidepreis lange Jahre hindurch jo niedrig gewejen, 
daß die landbauende Bevöfferung, der größte Teil der Einwohner Sach— 
jens, derart zurückgegangen fei, daR fie fich feine Bücher anjchaffen könnte, 
außer was die höchite Notourft erforder. So ſei die Nahrung faft 
aller Stände gejunfen und demnach auch ver Abſatz der Bücher jehr ge 
hindert worden. Da hätten denn auch die Buchhändler ihre Preife 
etwas fteigern müſſen, um bejtehen und ihre Abgaben bezahlen zu 
können. Dazu fümen für den Buchhandel noch bejonvere Laſten. Die 
Pupiermacer hätten das Papier jeit 1623 um mehr als ein Drittel 
geteigert und fteigerten es immer noch unter dem VBorwande, daß die 
Hadern nicht mehr in ſolcher Menge zu bejchaffen wären, wie wor dem 
Kriege. Auch die Druder jeien mit ihren Preifen im die Höhe gegangen 
und ſchöſſen noch dazu oft heimlich eine große Anzahl nach, welchen Zu: 
ſchuß fie dann billig verfauften, ſodaß dem Verleger feine rechtmäßigen 
Exemplare liegen blieben, wenn er fie nicht zu demjelben billigen Preije 
abgeben wollte. Ebenſo wollten Genjoren und Autoren ſich mit den 
frübern Verehrungen nicht mehr zufrieden geben. Die Autoren ver: 
(angten wohl gar bis zu einem Dufaten für den Bogen und außerdem 
noch Freiexemplare, während ver Verleger ſtets das Wagnis eingehen 
müſſe, feine Artikel zu Mafulatur werden zu jeher. Dazu fomme ver 
Nachdruck; bejonders die Endter in Nürnberg und die Stern in Yüne- 
burg druckten ven ſächſiſchen Buchhändlern die beiten Artikel nach; ferner 
die große Konfurrenz, hauptjächlich jeitens der Buchdrucker und ver Buch- 
binder, der Einfluß der Gegenreformation in den öfterreichiichen Yanden und 
der Mißbrauch, ven die fremden Buchhändfer auf ven Meffen dadurch trie- 
ben, daß fie fich mit ihren Gejchäften nicht auf die gejetlich für den freien 
Berfehr mit dem Publikum gejtattete Zeit beſchränkten. Und da endlich die 
fremden Buchhändler, bejonders die Hollänver, fich an feine Tare bänden, 
fondern oft für einen Bogen deren drei oder vier verlangten, jo müßten 
bie Yeipziger ebenfalls etwas auf die fremden Bücher fchlagen. 


684 Gegenvorichläge der Leipziger Buchhändler. Zehntes 


Obgleich es ſomit nicht möglich ſei, zu einer beſtimmten Taxe zu 
gelaugen, erklärten ſie ſich doch zur Annahme folgender Punkte bereit: 
In Zukunft ſolle „1) der gemeine Truck auf gemein Pappier das Alpha- 
bet vor 4 gr. angeſchlagen werden. 2) Was beßer Pappier, auch kleinere 
oder unterſcheidliche Schrifften hette, könnte nach proportion der Koſten, 
das Alphabet pro 5. 6. oder meher Groſchen taxiret werden, der 
Authoren recompens, privilegien- und Censur-Koſten würden auch 
Dazu gerechnet. 3) Könten ein paar Buchhändler erwehlet oder auc von 
der Obrigfeit dazu ernennet werden, welche ieder Zeit die Taxa nad 
proportion der Kojten eimrichteten. 4) Die Wiederjpenitigen, jo etwann 
in Meßen bieher handelten, fünten durch Zwang der Obrigfeit, in be 
bürffenvden Fall, darzu angehalten werden. 5) Könten, over müjten, 
verinittelft Dero Keyſerl. May: weswegen umb alleruntertbenigjte In- 
tercessionales an Churf. Durchl. gehorſambſt anzujucben, zu Frand: 
furt am Meyen vie Taxa auf vergleichen Art eingerichtet werden. 6, So 
dann wolten wir mit dem, In der alten Tax-Ordnung zugelafenen ge 
winn, 5 oder 6 gr. auf Jedem ausländ. Gulden wohl und gerne zu: 
frieden ſeyn.“ Die Kommiffare möchten nun bei dem Kurfürſten dahin 
intervenieren, daß den erwähnten Gravaminibus abgeboffen, „injonver: 
heit aber die Pappiermacher, Truffer, Censores” auch in ven Schranken 
und bei der Billigkeit gehalten, dev Nachdruck gänzlich abgeſchafft, ein 
Jeder bei jeinen Privilegien erhalten, und diejenigen Privilegien, welche 
einer Handlung entfremdet wären, derſelben wieder zugewendet würden; 
daneben müßte der Buchhandel weder Buchdrudern, noch Buchbindern 
oder andern „Die darbey nicht her kommen“, erlaubt, das Hauſieren 
verboten, auch dem Fremden fernerhin nur in der erſten Meßwoche 
mit „vergattirten” Büchern (Sortiment) zu handeln gejtattet und die— 
jelben ebenſowohl zu Yeipzig, wie zu Frankfurt a. M. zu einer gewiſſen 
Taxe angehalten werden. 

In einem Berichte an ven Kurfürſten vom 11. April 1568 — je 
lange dauerte es, bis die Bücherkommiſſion zu einem jolchen gelangte — 
jpricht ſich Ddiejelbe nun dahin aus, daß es troß der angegebenen 
Segengründe bei der Taxordnung von 1623 bleiben könnte, daß auc 
die Buchhändler dabei zu bejtehen vermöchten, nur wäre es nötig, daR 
der Kaiſer um eine gleichmäßige Anordnung für Frankfurt gebeten würde, 
weil ſonſt auch in Yeipzig fein Erfolg zu erwarten wäre. Übrigens jei 


Kapitel.) Vorſchläge der nichtſächſiſchen Buchhändler, 035 


nicht einzujehen, wie fich die Buchführer gegen die Buchdruder, Buch: 
binder und andere mit Grund ein VBerbietungsrecht anmaßen und dieje 
in ihren bergebrachten Gewerbebefugniffen jtören dürften. 

Hierbei beruhigte fich jedoch die jüchfiiche Negierung noch nicht; auf 
ihr Verlangen mußten auch die fremden Buchhändler zu einer Meinungs— 
äußerung veranlaßt werden und dieje reichten denn auch einen „Vnvor— 
greifflichen Vorſchlag, welcher gejtalt die Bücher forthin fünten den For- 
maten und Schrifften nach Tariert werden“, und zwar direkt nach 
Dresven, ein. Die Bejtimmungen vesjelben find folgende: 


„U) Doppelt + Papier mit der mitteljchrifft ven Pallen (Ballen) zu fl. 65 


Mit Schiltle Papier mitteljchrifft den Ballen. . . 2. „ 70 

Hoch Cron Papier, mit mitteljchrifft den Pl. . . .. „7 

Median und Carre ven Pallen mit der mitteljchr. . „ 80 
Mit ver Cicerojchrifft. 

2) Doppelt Eden Ballen u. » - » + 2 2 22.2. fh © 
Schiltle Papier den Pallen 51... 2 2 2 2 75 
Hoch Cron Papier ven Ballen zu . „80 
Median und Carre Papier den Pallen zu „ 8 

Mit Garmond Schrifft. 

3) Doppelt den Pallen 1. - » : 2 2 2 2 2: cc HD 
Mit jehiltle ven Ball. zu . SE ER, | 
Mit hoch Eron ven Ballen u. 2 2 2 2 nenn Bd 
Mit Median und Garre . „ % 


Mit ver petit. Schrifft. 

4) Doppelt & ven Ballen a. » >» 2 2 2 fl. 80 
Mit jchiltle ven Ball. a. 85 
Hoch Cron den Ball. A Er te rar > 90 
Merian und Err . .» 2: 2 2 2 4224100 

5) Was aber grobere Schrifften und Scholasticalia jeind jollen noch 

weniger und geringer als fl. 45 den Pallen gejchezet werden, hergegen 
was Griechijche, hebreiiche und andere orientaliihe Sprachen jeind, noc 
umb etwas höher als der Ballen a 105 over 110 fl. geftellet werden. 

6) Weile aber iziger Zeit viel Bücher auf jchreibe Papier getrudt 

werden, iſt dieſer Vorjchlag, daß dem Papier und der jehrifft nach ver 


686 Borichläge und Erklärungen der nichtjächfiichen Buchhändler. Jehntes 


Pallen umb einer tertz, wo es aber gar auf jchön Poſt Papier over 
mit der nonpareille, etwa auf daß Höchſte ver halbe theil darauf ge 
ichlagen werde, 

T) Und weilen aljo die Bücher ven Ballen nach wohlfeiler ange: 
jchlagen werben, jo müfte man fich des rabats oder abzugs halber ver- 
gleichen, und forthin nicht mehr als 5 rabats gegeben, gegen baare 
bezahlung aber 6 fl. gelaßen werben.” 

Diefer Eingabe war ein Schreiben, datiert Yeipzig 15. Oftober 1668, 
und unterzeichnet „Sämbtliche nacher Yeipzigt handelnde Buchführer“ 
beigefügt gewejen, welches der Biücherfommiffion durch das Oberkonſiſto— 
rim mitgeteilt wurde. Die fleine Anzahl der im Jahre 1668 die 
Leipziger Michaelismefje befuchenden Buchhändler belief ficb auf nur 16, 
nämlich Friedr. Arnt von Bauten, Chriftian Bergen von Dresden, 
Sg. Beuter von Freiberg, Joh. Cundiſius von Görlik, Veit Jak. Drejcber 
und Eſaias Felgiebel von Breslau, oh. Yiederwalt von Magpeburg, 
Mart. Müller von Naumburg, Joh. Michel Pabſt und Delert Schub- 
macher von Wittenberg, Chrijtian Saar von Erfurt, Ich. Stern von 
vüneburg, die Frankfurter Simon Beckſtein, Joh. Beyers Diener und 
Thom. Mathias Götze und Paulus Fürft von Nürnberg. Es wird in 
diejem Begleitjchreiben ausgeiprocden, daß eine Biüchertare nur dann 
eingeführt werden fünnte, wer „mit zuziehung des Raths zu Frankfurth 
am Mayn und der dajelbft vorhandenen Buchführer, welche Ew. Churf. 
Durchl. Iahrmärdte in Yeipzigk nicht bejuchen, vor allen Dingen denen 
Ausländiſchen Buchführern, welche aus frembden Königreichen und Herr- 
ichaften ihre Buchwahren Jährlichen nach Frankfurth am Mahn auf die 
Märckte daſelbſt zu feihlen Kauffe bringen, und ſolche auf das theüerſte 
an Uns verhandeln, ein billiger und leiptlicher Preiß, wie fie ihre bücher 
in dem Heil. Röm. Reich verfauffen jollen, gemacht werde. Denn we 
jolches nicht gejchieht, So ift es micht möglichen, daß wir die bücher 
wohlfeiler geben können, alß wir fie jelbit von denen Außländiſchen 
buchführern erhandeln und annehmen müßen, daß uns ein oder das 
andere exemplar liegen bleibet, und zu maculatur wird. 

Nah Empfang diefer Mitteilung richteten dann die Kommiffare am 
6. November 1668 ein anderweites Schreiben an den Kurfürſten, worin 
jie fihb auf das in ihrer Eingabe vom 11. April desj. Jahres Geſagte 
bezogen und nochmals bervorboben, daß es bei der Taxordnung von 


Kapitel.) Wiederaufnahme der Tarfrage in Wien. 687 


1623 wohl verbleiben könne, nur müſſe, dem zuletst gejtellten Berlangen 
der Buchhändler entiprechend, überall im Reiche und bejonders in Frank— 
jurt ebenfalls eine entjprechende Taxordnung eingeführt werden. 

Hiermit war die Angelegenheit fir Sachſen begraben; wenigſtens 
jind feine Spuren von weitern Schritten der ſächſiſchen Regierung zu 
finden. Aber ihre Experimente in diejer Richtung durchichlingen fich 
in jo merkwürdiger Weiſe mit denjenigen der Hofburg, die Mafregeln 
der ſächſiſchen und der Reichsregierung löſen einander derart fürmlich 
ab, daß ſich ummillfürlich ver Gedanfe aufprängt: beide Regierungen 
fönnten im einer gewiffen Übereinftimmung gehandelt, over eine felbjt- 
jüchtige und interejfierte Fraktion aus dem Kreiſe der Buchhändler jelbjt 
fönnte an beiden Stellen hinter den Couliffen intriguiert haben. Denn 
unmittelbar nachdem man in Dresven und Yeipzig die Angelegenheit 
dem Anjcheine nach fallen gelaffen hatte, eigentlich gleichzeitig damit, be— 
ginnt auch von neuem wieder von Wien aus die Aktion, 

Bereits am 26. November 1668 hatte nämlich Simon Yorenz Leutner, 
ein Anwalt, — angeblich „im nahmen vnd von wegen meijt, wenig auß— 
gejonvert, deren nach Frandfurt handlender Buchhändler” — bei dem 
Keichshofrat ein Memoriale eingereicht, durch welches er daran erinnert, 
wie der Kaiſer ſich ſchon früher babe angelegen jein lajfen, nicht nur 
die jo vielfältig bei dem Buchhandel eingejchlichene Unordnung gänzlich 
abzujchaffen, jondern auch die Bücher in einen gewijfen und billigen 
Preis zu bringen; zu diefem Zweck jet auch eine Kommiſſion an den 
Fisfal und den Biücherfommiffar zu Frankfurt ergangen. „Gleichwie 
aber alles gutes jchwehrlich hergehet, aljo hat es auch biß dato mit jol- 
cher zu einem beftändigen guten end nicht mögen gebracht werden.” In 
verwichener Oſtermeſſe jeien nun die Buchhändfer ſelbſt in Frankfurt 
zujammengetreten und hätten eifrig unterjucht, woher doch ſolche Unord— 
nung entjtanden und wie ihr abzuhelfen wäre. Da hätten fie denn gleich 
im Anfang gefunden, daß jolche daher entiprojfen, weil im dieſen ihren 
Buchhandel unterjchienliche Yeute, als etliche Buchdrucker, Kupferjtecher, 
Kunftführer, Buchbinder ind andere, ja gar fremde Handwerksgeſellen aufer 
allen diefen Profejfionen, fich einmijchten und Buchhandel trieben. Weil 
jie dieſen aber nicht erlernt hätten, jondern zum Teil bei ihrer Profeifion 
verdorben wären, hätten jie allerlei fleine von einem und andern er- 
baltene und „zuſammengeraffelte“ Skarteken drucken lajfen, ja manchmal 


038 Die Eingabe des Anwalts Sim, Lorenz Lentner von 1668. Zehntes 


aus den „Föjtlichen‘ Werfen den beiten Kern herausgezogen und dadurch 
die fatferlichen Privilegien expracticiert und jolches Alles noch zu hohem 
Preije äftimiert. Wenn nun ein andrer ehrlicher Buchhändfer die Nach— 
frage nach einer jolchen Skarteke befriedigen jolle, jo ſei er gezwungen, 
ſolchen Yenten jeine Bücher nach altem Preife gegen deren nun ge 
jteigerte Preife zu geben oder neue Tractate druden zu laffen und eben: 
falls jo hoch anzujegen. Daher fomme es, daß gar wiele von den alten 
und wertvollen Büchern nicht mehr abzujegen ſeien. So hätten auch 
die Buchoruder, Kupferftecher und Kunſtführer im Gebrauch, ſehr viel 
Jungen zu haften, welche, nachdem jie zwei, drei oder höchſtens vier 
Jahre bei ihnen geweſen, alsbald anfingen, jelbjt Prinzipale zu werden 
und mit eben jolcher Sudelei zu handeln, wie diejenigen, von denen fie 
jolches erlernt, da doch den Buchhandel vom Fundament aus richtig zu 
erlernen wohl fieben, acht, ja neun Jahre nötig. Überdies jei es auch 
jonnenflar, daß „die meiſt ohnerfahrene Buchhändler aller orten berumb 
vagiren vnd neben deme, jo etwa tauglich, das Yand mit Scartequen, 
pasquillen vnd dergleichen hochſchädlichen jacden anfüllen, welches Sie, 
als ohnerfahrene theils nicht zu unterjcheiden wiffen, und da Sie es Ja 
wüſten, ohne chr und respect gleich wohl führen“ Dadurch jehnitten 
fie den alten Handlungen das tägliche Brod ab, welches in VBerjebung 
der neuen Sachen beftehe, jo daß nun auch dieje jich nicht mehr mit teu— 
rem ausländijchen Verlage verjehen fünnten; denn diejer bliebe zu Zeiten 
viele Jahre liegen. Weil außerdem bisher unterſchiedliche Buchdrucker 
zwar große Werfe zu druden unternommen, aber das Kapital Dazır nicht 
gehabt — „jolche nicht zu verlegen vermocht“ —, jo hätten fie das Geld 
bei andern auf unchriſtlichen Wucher aufnehmen müſſen, wodurch eben 
falls die Bücher vertenert wirden. Es jei jogar den Juden nachgejeben 
worden, fich auf diefe Weife in den Buchhandel zu mifchen, indem fie 
den Drudern Geld vorgeſtreckt und, weil diefe dann die Zahlung nicht 
innehalten konnten, die Bücher an fich genommen und jo verkauft hätten, 
dag nicht allein die Schuloner zu Grumde gingen, jondern auch andere 
Buchhändler Schaden litten. Daneben hätte auch „theils dieſer Leute“ 
den Gebrauch, jchlechtes Papier und jchlechte Typen zu nehmen; daber 
rührten vornämlich die Klagen über einige ausländische Buchhändler, die 
ihre Bücher etwas teurer verkauften, weil fie auf gute Austattung 
jüben und ihre fojtbaren Bücher nicht gegen „verjtümpelte und unſau 


Kapitel.) Entwurf einer „Neuen Ordnung fir Buchhändler x.” 689 


bere“ Werke vertanjchen könnten. Gin weiterer Schade jet endlich der 
Nachdruck. Mean bitte nun den Kaiſer, „dero Bätterliche jorgfalt fir 
das gemeine Wejen auch hierinn zu bezeugen, vnd jolche Verordnung zu 
tbun, damit der täglich ie mehr und mehr zerfallende Bücerhandel 
restauriret vnd widerumb in vorigen flohr gebracht werde“. Die Buch— 
händler wären es auch zufrieden, wenn Verordnung erlaſſen würde, daß 
durch verjtändige Buchhändler eine rechte und billige Taxe gemacht 
würde, Nur wäre aller Berzug zu vermeiden. 

Beſtimmt formulierte Borjchläge find mit diefer Supplik wohl nicht 
verbunden gewejen; man darf aber jicher annehmen, daß ein bei ven 
franffurter Akten befindliches Schriftjtück, welches die Überjchrift führt: 
„Reue Ordnung und Artikel für Buchhändler, Buchdrucker 
und Buchbinder, welche vom Reichstag zu Negensburg betätigt wer— 
ven ſollen“, darin jeinen Urſprung zu juchen hat, vielleicht auf Veran— 
lajfung des Neichshofrats aufgefeßt worden tft. Dieſes Aftenftüd, auf 
deſſen Adreßſeite der Natsjchreiber bemerkt hat: „Dem anjehen nach ift 
diejes eine ohnmangeblich vorgejchriebene Ordnung, jo die Commissionen 
außwurcken vffgeſetzt. Lect. in Sen.: ven 8. Aprilis 1669%, (autet 
folgendermaßen, 

„Budhtruder Kein Buchtrucker foll einiges Buch, weldes Er für 
ſich trucket und verleget, verftechen, ſondern felbige eingig oder Pallenweife, 
jedoch in billigem Preiß, an Buchhändler, gegen Gelt, alß gut er fann 
und mag verfauffen, 

Deßgleichen follen Sie die Zahl der Aufflage, jo Buchhandler bey ihnen 
truden laſſen, völlig lieffern, alle übrige Exemplarien, jo auf den Zufchuß 
Büchern Können oder mögen ergänzet werden, nebenft den defecten gegen 
einer Discretion gleichermaßen dem Verleger einzuhändigen ſchuldig ſeyn 
und aljo Kein einig Exemplar, weder fir fi), noch gefellen zurück behalten. 

Buchbinder. Die Buhbinder folen ebenmäßig feine Bücher verlegen, 
oder truden laſſen, jondern bey ihrem Band bleiben, welche aber nebenft 
ihrem Handwerd eine Krähmerey haben, und mit Kleinen Büchlein, al 
Evangelien, Catechismus, Bet- und Geſangbüchlein handeln, die jollen ſchuldig 
feyn, die rohen Materien von den Buchhändlern vnd Buchtrudern zu Fauffen 
und jelber zu binden. 

Kunſthändler und Formſchneider. Den Kunfthändlern und Form— 
Ihneidern mag wohl erlaubet werden, daß fie ſolche Bücher, welche Kunſtſachen 
oder nothwendige Kupffer, oder Holgsfiguren erfordern, verlegen vnd truden 
laſſen, jedod) daß fie folche nach) Buchhändler Ordnung taxiren vnd verfauffen, 

app. I. 44 


HN Entwurf einer „Neuen Ordnung für Buchhändfer ꝛc.“ Zehnles 


Kupfferſtecher. So viel die Kupfferſtecher betrifft, ſollen ſie bey ihrer 
Kupffer-Truckerey nicht anderſt, alß mit eintzelen Kupfferſtücken, oder gantzen 
Bilder- und figur Büchern handeln, Getruckte Bücher aber zu verlegen und 
damit zu handeln, ihnen allerdings verwehret fein. 

Gelährte Geift- und Weltlihe. Was Gelehrte, jo wohl Geiſt— 
alß weltliche betrifft, und Biicher auff ihre Uncoften, (mehrern Gewins und 
eigenen Nutens halben, al8 dem gemeinen Wejen damit zu dienen) ver- 
legen und trucken laffen, jollen nicht mehr, wie bifhero, wenig oder viel, 
felbften oder auch durd; andere beym Handel außgeſchloſſene Perjonen, ihre 
Bücher verfauffen, oder verkauften laſſen; doc) foll ihmen nicht gewehret oder 
verbotten fein Ihre eigene Schrifften und Werde, auff ihren Uncoften truden 
zu laffen, wofern Sie diefelbige Bücher eintel oder Pallenweiß in bilfigem 
Preiß wicderumb an Buchhändler verfauffen wollen. 

Buhhandlungsverderber. Alle die übrige, jo weder vom Buch— 
handel, Buchtruckern oder Buchbindern herkommen, auch feine Kunſthändler, 
Kupfferftecher, oder Formenſchneyder, jondern von andern Handwerckern ſich 
abthun, und mit Büchern zu handeln fc, unterftehen, follen gäntzlich cassiret 
werden. 

?ehr Yungen, Diener, und Budhhändlers Söhne Was die 
Lehr ungen betreffen thut, jo jollen felbige, weldye nicht fünff biß feche 
Fahr, nad) der annehmenden Knaben auff ſich habendem alter, jedoch nicht 
unter fünff Jahren, bey einem vechten Buchhändler, alß ein Yung feine Zeit 
und Lehr-Jahr aufgeftanden, und nachgehend, zum wenigften 2 Jahr alß 
ein Diener gedienet, denen jolle nicht zugelaffen werden den Buch-Handel 
zuführen; 

Was aber Buchhändlers Söhne find, follen nicht verbunden fein, noth— 
wendig bey andern die Handlung zu lernen, gleich wohl aber nicht ehe eine 
Handlung anfangen, fie hetten dann 2 Fahr bey einem frembden Buchhändler 
ſich auffgehalten, er feye gleich ein Yehrjung oder Diener geweſen. Jedoch 
jollen alle Buchtruder, Buchbinder und Kunfthändler, die bißhero neben ihrer 
Kunft und Handwerd ein Sortiment von Büchern haben, verbunden fein, 
ihre Bücher (sie!), jo zur Zeit der erlangten Ordnung und Articul für 
feine Handlungs Diener fünnen passirt werden, bey einem rechten Bud): 
händler zum wenigften für einen Lehr Yungen in Dienften zu thun, wofern 
derjelbe mit der Zeit einen Buchhandel zu führen und fortzufeßen gefinnet, 
auch nad) verflofienen Yehr Jahren ebenmäßig zwey Jahr gleich, denen Bud) 
händlers Söhnen in der frembde bey rechten Buchhändlern fich auffgehalten 
hette; 

Erbſchafft und Heurath. Dafern auch ein gelehrter, oder ſonſt 
einige Perfohn durch Heurath oder Erbichafft, zu dem Buchhandel gelangte, 
joll derjelbe nicht befugt fein, feine Handlung zu führen, Sondern wofern er 


Kapitel.) Entwurf einer „Neuen Ordnung für Buchhändler ꝛc.“ 691 


ſich ſolches unterftehen wolte, joll er verbunden fein, einen Buchhaudlers 
Diener, alß einen Handelß provisorem in feiner Handlung zu halten, da- 
mit joldye nicht in abgang fomme, jondern nad) denen gemachten Artieuln 
erhalten und geführet werde. 

Juden. Weilen die Juden ohne ſchew mit Büchern, jo wohl Geijt- 
alß weltlichen, nicht ohne der Chriften höchiten Despect, handeln, aud) nad) 
abgang eines und deß andern Buchs daſſelbe wieder (doch unter frembden 
Rahmen) aufflegen lafjen, und die nötigfte Vncoften, welche die Buchhändler 
anwenden müßen, erfpahren, und ſehr viel verfälichte Editiones herfür bringen, 
alio da dem gemeinen Weſen durch ſolche übel getrudte Bücher leicht eine 
Verwirrung veruhrſacht wird, und aljo ein vnwiederbringlicher Schaden ent- 
ftehet, der Buchhandel aucd am ſich felbften in großen Despeet geſetzet wird, 
alß joll ihnen durch auf, ferner mit Büchern zu handeln nicht vergünftigt, 
jondern bey willführlicher Strafe hiemit außtrücklich benommen und ver- 
botten fein. 

Nahtruder. Damit aber auch fein Buchführer künfftiger Zeit dem 
andern mit dem jchändlichen Nachtrucken fernern Schaden zufiigen möge, 
joll feiner fein getrudtes Buch aufs newe verlegen, oder truden laſſen, Er 
habe fi) dann zuvor mit den Jenigen Erben verglichen, fo das Bud) vor: 
hin verlegt gehabt, und deßwegen auff begebenden fall glaubwürdig zu be= 
iheinen jchuldig fein jolle, dag Ihme von den rechten Eygenthumbs Herren 
joldyes zu verlegen, jeye cedirt worden. 

Damit nun manniglichen jo mit Büchern handeln oder damit umbgehen, 
Kund möge gethan werden, daß fie fid) vor Schaden fürzufehen, und vnge- 
(egenheit zu hüten haben, find vorige Ordnungen und Artieul auff bevor: 
jtehendem Reichstag zu Negenipurg angenommen, jelbige fteet und feft zu 
halten bewilliget und contirmiret worden.‘ 

Ein in derſelben Ratsſitzung vorgetragenes anderweites ergänzendes 
Aktenſtück lautet: 

„Wann vnter denen Buchhändlern, Buchbindern, Buchtruckern vnd 
obrigen Bücher verfauffern eine ordnung gemacht fein wird, die ordnungen 
feft vnd fteet bey anjegung einer nahmhafften ftraf vnd vermeidung Kaifer- 
licher Ongnade zu halten, fo wird es ſich auch gar leicht jchiden, daß mann 
die Bücher inn billigen Preiß wird ftellen fünnen, zumahlen, wann die 
Auctores vermerden, daß man ein ander, wegen wider aufflegung der Zweiten 
dritten vnd mehrer Edition des abgangenen Buchs nicht verfteigern dörffe, 
dann durch ſolche verfteigerung die Bücher vnmüglich wohlfail fünnen geftellet 
oder verfaufft werden, fonderlich, da man Bogenweiß vielen Auctoribus die 
Arbeit allzu Hoch und vnerträglich bezahlen muß. 

Wodurd es dahin gekommen, daß theils vngeſchickte und eigenmüzige 

44* 


502 Entwurf einer „Neuen Ordnung für Buchhändler ꝛc.“ Zehnles 


Perſonen, durch allerhand wiederlich zuſammengeflickte Chartequen, Paß— 
quillen vnd Schmähe ſchrifften ihr Lebens auffenthalt ſuchen, dardurch die 
vnbillige vnd gleichſamb vnChriſtliche hohe taxen ihren vrſprung erlanget, 
welche nicht wider kann abgeſchafft werden, man richte ſich dann nad) vff- 
gerichteten Ordnungen oder articula. 

Da auch Ihro Kaiferl. Maytt. die allerhöchſte Kaiſ. Gnad vnß erzeigen, 
vnd die Privilegia, fo von dero Vorfahren am Reich inn vorigen Zeiten 
dem Buchhandel zum beften feind mitgetheilet worden, daß nemlich die Bücher 
allerfeits im ganzen Heyl. Röm. Reich zollfrey Hin vnd her find passiret 
worden, allergnädigft zu widerhohlen geruhen wolten, dardurd) würde der 
löbl. Buchhandel mit der hülff Gottes wider inn flor vnd auffnehmen 
fommen. 

Wie aber insgemein bey allem guten vornehmen auch das böje vnd 
arge ſich pfleget zu erzeigen, fo ift, laider zu beforgen, daß Sich etliche 
nicht wirden bequemen, einen billigen Preiß zu machen, ſonderlich die ienigen, 
jo da gewohnet find, täglich ihre Bücher zu erfteigern, defwegen bittet mann 
allerfeits allergndgft zu zulaſſen, daß etliche Buchhändler von vnterſchied— 
lichen orten, erlaubuns haben mögten, iede Frand furter und VYeipziger Meffen, 
alle Bücher, jo fünfftiger Zeit allhier inn Srandfurt vnd Yeipzig möchten 
verhandelt werden, vnd bey etlichen Jahren hero, von vnterſchiedlichen Jon: 
derlid new angefangenen Bicher-verfauffern gar zu hoch taxiret worden 
nad) befindlichen Zuftand, vnd angewendten nöthigen koſten, ein iedes Bud) 
im einen gewiflen preiß vnpartheyiſch zu ftellen, auff daß foldye Bücher 
an männiglichen vmb einen billigen Preiß könnten verkauffet werden. 

Da auch iemand den Preiß welder ihnen von vorbemelten vnparthehi- 
ſchen Buchhändlern gegeben worden, nicht annehmen wolte, daß jelbige De- 
putirte die wiederjpänftige der Obrigkeit ſchrifftlich zu vberlieffern ſchuldig 
jein jollen, welche verhoffentlich durdy) Ihre autorität denenjelben bey ftraf 
verbieten wird, feine exemplar hoher zu verhandeln, als der Preik von 
denen H. deputirten vupartheyifch gemacht worden.“ 

Aus einem Protofoll des Reihshofrats vom 8. Januar 1669 gebt 
hervor, daß dieſe Eingabe durch Alexander Harttung Teilhaber ver 
wiener Buchhandlung Johann Blaeu und Alexander Harttung, veran 


laßt worden, oder — wie man aus den ſpätern Äußerungen der Buch— 
händler in Frankfurt zu ſchließen berechtigt iſt — je ziemlich von ibm 


allein ausgegangen war. Nach der im Berlaufe der Verhandlungen 
hervortretenden intriguanten Haltung Harttungs, von welcher noch die 
Rede ſein wird, möchte man ſogar faſt annehmen, daß er nur vorge— 
ſchoben worden ſei; ob durch die Wiener Hofpartei, oder vielleicht durch 


Kapitel.) Neue außerordentliche Kommiſſion. Schritte der Buchhändler. 693 


die Eudter in Nürnberg, die etwa im ihrem eigenen Intereſſe die 
Sache angeregt baben könnten und eine eigentümliche Rolle jpielen, ift 
nicht zu entjcheiven. Sicher ift daß der „Blamvijcher Gemeiner‘, über 
den die Frankfurter Buchhändler 1671 ſich beflagen, daß er „faſt die 
größte Virgelegenheit des Buchhandels halben am Kayſ. Hoffe zu wegen 
gebracht” ®, fein anderer ift, als eben dieſer Alerander Harttung; und 
anffälliger Weife war er gerade ein geborener Holländer. 

Bon Wien aus wurde denn auch mit jehr freundlicher Bereitwillig- 
feit eine außerordentliche Kommiſſion, bejtehend aus dem Reichshofrat 
Niklas GChriftopb von Hünefeld und dem  fatjerfichen Generalfisfal 
Philips Ludwig Arbogaft, eingejeßt; fie hatte ven Auftrag, in der näch— 
ſten Oſtermeſſe die Buchhändler vorzuforvern und von ihnen gründliche 
Information über diefen ihren Vorſchlag einzuziehen, 

Jedenfalls war die Kunde von dem, was bevorjtand, bereits in die 
beteiligten Sreife geprungen. Schon vor Beginn der Verhandlungen 
famen die Bedrohten bei dem franffurter Rate um Beijtand ein. So 
die Buchoruder in einer Eingabe vom 8. April 1669, unterzeichnet won 
Daniel Fievet jun, Johann Georg Spirlin, Johann Georg Walther, 
Johann Görlin, Pieronymus Polih, Paulus Humm, Henrich Frieß, 
Johann Gottfried Kempffer, dem gräflich Hanauiſchen Buchoruder Jakob 
Yaiche, Johannes Kuchenbecker, Blafius Ilßner, dem furf. mainziſchen 
Buchdrucker Chriſtoph Küchler und Markus Gloß von Würzburg. Schon 
ver einem Jahre, ſagen fie, ſeien verjchiedene ausländiſche und einhei— 
mische Buchhändler privatim zuſammengetreten, um der ihrer Meinung 
nach in Frankfurt eingeriffenen Unoronung im Druden und Berlegen zu 
ſteuern, und bei dem Rate darum eingefommen, daß den Buchdrudern nicht 
verjtattet jein follte, Bücher zu verlegen. Sie, die Buchdrucker, hätten 
den damals biergegen proteftiert. Jetzt wären aber die Buchhändler 
von dem Pate abgejprungen und hätten fich direkt an den Kaiſer ge 
wendet, Der Rat möge nun für die Buchdrucker eintreten, damit die 
erichlichene Kommiſſion nicht zu ihrem Schaden und ohne fie zu hören vor: 
gebe. Kine andere Eingabe machten Dan. Fievet und Ich. Bapt. Mader 
im Namen der ausländischen Buchführer, Buchdrucker und Buchbinder. 

Ihnen folgten am 13. April mit einem kurzen Schriftjtüd die bol- 
ländiſchen Buchhändler Joachim Nojche von Amfterdam, Johann Friedrich 
Haagen von Arnheim, Andreas Fries von Amfterdam, Peter Dad von 


694 Eingabe der Holländer, Verhandlungen vor der Kommiſſion. Zehntes 


Leiden, Cornelis Dad von Leiden, Hendrik van Aden von Amſterdam, 
Arnold Yeers der Jüngere von Rotterdam, Hendrick und Dirk ı Theodor) 
Boom von Amfterdam, Reinier Smetius von Nymwegen, Johann Jan— 
Bon van Wuesberge, Johannes van Someren und Daniel Eljevier 
von Amfterdam, Daniel und Abrahanı var Gaasbeek von Yeiden und 
Peter Eljevier von Utrecht. Sie geben an, gehört zu haben, daß von 
etlichen Buchhändlern bei dem Kaiſer eine Kommiſſion, den Buchhandel 
betreffenp, ausgewirft worden jei. Da fie nun von allen diefen Sachen 
feine vollkommene Wilfenjchaft hätten, ihnen auch mit jolchen Weitläufig- 
fetten keineswegs gedient jet, je bäten fie, fie bei ven berfömmlicen 
Mefprivilegien und Freiheiten zu ſchützen. 

Nun trat auch die Kommiffion in Thätigkeit. Am 14. April batte 
der Fiskal Arbogaft ven Buchhändler Johann Baptiſt Schömwetter auf- 
gefordert, andern Tags früh 8 Uhr im Weiten Roß auf ver Galgen— 
gaffe mit den übrigen in- und ausländiſchen Buchhändlern zu erjcheinen. 
Am andern Tage erichtenen auch im Namen ver Frankfurter und frem 
den Buchführer Johann Friderici und ver genannte Schömwetter als 
dazu jpeziell Bevollmiüchtigte vor der Kommiſſion, als Bevollmächtigte 
der holländischen Buchhändler aber Noſche und Frieß, beide Parteien 
mit ihren Beiſtänden; die Antragiteller jelbft blieben aus. Hünefeld 
machte nun den Grichienenen die befvemdliche Mitteilung: fie würven 
wohl wiſſen, daß jüntliche nach Frankfurt und Yeipzig handelnde 
Buchführer den Kaiſer um Abſtellung der Unordnungen im Buchhandel 
gebeten hätten. Da nun aber dem Vernehmen nach einige Buchhänd— 
ler abgefallen wären, möchten ſie, die Anweſenden, dazu helfen, daß 
die Abſicht des Kaiſers erreicht werde. 

Sowohl die deutſchen als auch die holländiſchen Buchhändler ſprachen 
ſich natürlich ſehr reſerviert aus; ſie ließen ſich durch ihre Beiſtäude 
dahin vernehmen: ſie hätten zwar „äußerlich zum Theil vernommen, 
war eine- und andere Buchhändler ver Röm. Kayſ. Maytt. vorgetragen, 
vnd Wie darauff eine Nabjerl. Commiſſion erfand worden jene, hätten 
aber der Sachen feine gründliche Nachricht, inmittelſt käme Ahnen be 
fremplich vor, daß Sie jolches alles im Nahmen der gejampten Buc- 
händler gethan hätten, da doch Ihrer Viel in jolches Ihrer Meinung 
nach unpracticirliche Borbaben niemals conjentirt, noch weniger mit ihnen 
verbunden, jondern vielmehr die Unmöglichkeit und wiel daraus entjpringen 


Kapitel. Schritte der Buchhändler bei dem franffurter Rat. 695 


des Unheil remonjtrirt hätten“ Sie baten aljo nur um Abjchrift der 
Zupplif und der Gravamina, mit der Juficherung, das aus Diefen Be- 
jtrebungen ficher entjtehende Unheil klar demonftrieren zu wollen. Nach- 
dem bierauf noch ein von ven piljentierenden Buchführern eingeveichtes 
Memoriale verlefen worden war, wurde die Konferenz ohne Berlejung 
der „Commiſſion“, und ohne dar etwas protofolliert worden wäre, ge 
ichloffen. Nachmittags beſchickte dann der Fiskal Schönwetter, ftellte ihm 
die Gravamina zur Abjehrift zu, verweigerte aber Mitteilung ver übrigen 
Schriftjtücde und fügte hinzu, man jollte beiderjeits zujammentreten, ſich 
vergleichen, und das, worüber man fich nicht vergleichen könnte, der 
Kommifjion vortragen. Da aber jchon Viele abreijten, erinnerte Hüne— 
feld nochmals an die verlangte Zuſammenkunft; man jolle wenigjtens 
andere Expedientia vorjchlagen, „dann die Röm, Kayſerl. Maytt. wolten 
einmablen haben, daß ſolchem Bbel in dem Buchhandel gejteuert würde; 
worzu durch vnnötiges disputiren nicht, jondern durch heiljame Beraht- 
ichlagung zugelangen jeye“. 

Die Zwijchenzeit bis zur nächſten Meſſe wurde von den jelbjtver- 
ſtändlich im höchſten Grade erregten Gegnern der geplanten Mapregeln 
— und fie bildeten die weitaus überwiegende Mehrzahl unter ven Buch— 
hänplern — zu Verſuchen bemußt, die Unterſtützung und Vertretung des 
franffurter Rats zu gewinnen. Im Juni gingen bei letzterm zwei Protejte 
ein, der eine jeitens jieben frankfurter, der zweite jeitens der geſamten 
nach Aranffurt handelnden niederländiſchen Buchhändler. Dieſe bitten 
durch ihre Bevollmächtigten Lie. jur. Johann Chriftopb Uffenbach und 
Johann Martin Porß um Intercejjion bei dem Kaiſer, damit alles im 
vorigen Stande und bei den Menfreiheiten gelaffen werde, jie auch un— 
beunruhigt bleiben möchten, um jo zu werhüten, daR fie, die bisher die 
Meſſen in großer Menge gebaut und ven Yiebhabern ver Studien, wie dem 
gemeinen Nuten gedient, fünftig, wenn dergleichen Unerträgliches ihnen 
aufgedrungen werben jollte, von ihrer Löblichen und minniglich profitabeln 
Intention nicht abzuftehen und die Handlung in die franffurter Meſſe 
einzustellen ſich gemüßigt jehen müßten. 

In zwei Beilagen bejprechen fie dann die wiener Denkſchrift von 
ihrem Stanppunfte aus, d. h. mit Übergehung derjenigen Punkte, welche 
ausschließlich den deutſchen Buchhandel betreffen. In erjter Linie jteht 
der Proteft gegen die Bebnuptung, daß die LeutnerHarttungſche Ein: 


6965 Borftellungen der Holländer bei dem Kate. Zehntes 


gabe von den meiſten Buchhändlern unterſchrieben worden ſei. Ein am 
14. April den Kommiſſaren übergebenes Memorial habe nur die Namen 
von Wild in Roſtock, Kinckius in Köln, Endters Erben in Nürnberg, 
Götz in Frankfurt, Fuhrmann in Yeipzig, Treſcher in Breslau, Ders 
dorf in Frankfurt, Mevius' Erben und Schuhmacher in Wittenberg une 
Dolbopf in Strafburg getragen, während doch aus Frankreich, aus Eng: 
land, aus Genf, aus Brabant und den Bereinigten Niederlanden, jewie 
aus andern dem Römiſchen Reich zugehörigen und angrenzenden Pro: 
vinzen allezeit eine anfjebnliche Zahl von Buchhändlern zur Meſſe an 
wejend geweſen wäre. Damm wendet fi die Schrift zumächit gegen 
die angeregte Taxe. Unter anderm wird ausgeführt: wenn ein bollän: 
diſcher Buchhändler ein bei ibm beitelltes Buch durch einen italtentichen 
Buchhändler aus Italien, wie gebräuchlih auf Maultieren, nach Holland 
kommen laffe, um es dann auf die Frankfurter Meſſe zu bringen, und es 
jolle ibm dann ein gewiſſer Tax geſetzt werden, jo würde er Durch jchrift- 
liche und glaubbafte Urkunden darthun müffen, was ibm das ud 
eigentlich im Italien gekoftet hätte, was für Speſen darauf gegangen, 
um es nach Dolland und von da auf die frankfurter Meſſe zu bringen; 
dann erſt könnte durch verftändige Yeute eine Schätzung erfolgen. Wenn 
aber die Antragiteller vermeinten, die Ausländer durch die Tare zu 
zwingen, ihre Bücher Bogen um Bogen mit ihnen zu verftechen, je wäre 
dus ein umbilliges Verlangen. Ein Holländer nebme nur pures Schreib. 
papier und wende große Koften auf ven nitorem, damit ein Buch ſchön 
jauber und forreft gedruckt werte; was aber größere Arbeit und Koſten 
verurjache, müſſe auch böber bezahlt werden. Außerdem fojte der Trans- 
port eines Ballens Bücher von Holland nad Frankfurt 20 bis 50 
Thaler, abgejehen von ver Zehrung für Prinzipal und Perjonal, wo- 
gegen andere feine jo hohe Koſten aufzuwenden hätten. 

Wenn aber den Buchdrudern, Buchbindern u. ſ. w. der Buchhandel gar 
verboten werden jollte, jo würde auch dies zur Verteuerung der Bücher 
rühren und, gleich den andern Punkten, nur für wenige ein ſchädliches 
Monopol ſchaffen. Die wenigen dann eriftierenden Buchhändler könnten 
z. B. zuſammentreten und ſich verabreden, einem Ausländer jeine guten 
Bücher nur zu einem gewiffen Preife abzunebmen, widrigenfalls er fie 
gar nicht abjegen würde. Man finde auf Neijen oft zebn Städtlein 
nach einander, wo fein Buchhändler jei, jondern nur Bucheruder over 


Kapitel.) Rroteit der deutichen diffentierenden Buchhändler. 497 


Buchbinder, die dann erit mit großen Kojten die Bücher durch die dritte 
oder vierte Hand mühten kommen laſſen. Was dann die Steigerung 
gegen die alte Tare (d. h. gegen die früher übliche Preisberechnung 
betreffe, jo beviene man ſich ja unter den Buchhändlern jchen der Ge— 
gentaren. Dadurch wirden gerade die Preife verringert, in Anbetracht, 
daß Dam, wie die Erfahrung lehre, der Rabatt oder Abzug deſto größer 
und höher gemacht werde. „Und lehret der heut zu tag vbliche gebrauch, 
daß man auf jolche weiß zwar alle von newem aufgelegte Bücher taxirt, 
hingegen aber eine gleichheit wegen erjteigerung des rabats in acht 
nimmet, daß alje, wofern der Tax fteiget, auch ver rabat erhöhet wird.‘ 
Über ven Vorſchlag, durch verftändige Leute die Bücher tarieren zu laffen, 
heißt es jchließlich: „Das würden feine Taxatores fein, die Bücher 
ihrer mitgenoffen würden Sie wohl zu ihrem Bortheil taxiren, allein 
wer Sie ihnen widerumb, wann Site joldhe andern verfauffen wollen, 
taxiren jolle, davon jehweigen fie ganz jtille.“ 

Gleichzeitig ging der Nommiffion ein Proteft dev andern bifjentieren- 
den Buchhändler zu, unterzeichnet von Johann Friderict (Sriederich) und 
Johanu Baptift Schönwetter als Bevollmächtigten. Es heißt darin: es 
jet nicht möglich, vie aus allen Ländern nach Frankfurt handelnden 
Buchhändler unter einen Hut zu bringen. Viele würden genötigt wer: 
den, die Meſſen zu guittieren, die Ausgejchloifenen aber ihres Stücklein 
Protes, jo fie etwa daſelbſt gewinnen könnten, zum Abbruch ihrer 
Nahrung und der ihrer Kinder entbehren, während doch Quachkſalber, 
Komödianten, Gaukler, überhaupt Jedermann daſelbſt frei hantieren und 
etwas gewinnen möge, Überhaupt gereichten die Vorſchläge nicht zum 
gemeinen Bejten, vielmehr feuchte das Streben nach Monopol und nac 
Förderung von Privatintereffen durch Unterprüdung vieler überall hervor. 

Wenn die Beſtimmungen, die Buchdruder betreffend, zur Geltung 
kämen, dann würden diefe den Handel gar bald quittieren müffen; denn 
wenn jie ein verlegtes Buch nicht verjtechen, ſondern blos um Geld ver- 
faufen dürften, die wenigſten Bücher aber befanntlich um Geld verkauft, 
ſondern eben meiftens verjtochen würden, jo müßten ihnen notwendig 
ihre Bücher liegen bleiben, "oder fie wären gezwungen, fie mit Schaden 
wegzugeben, zumal wenn fie nur an Buchhändler verkaufen bürften, 
welche gewiß wenig genug dafür zahlen würden. Nach Unteroridung 
der Buchdrucker wirden aber wegen Verminderung der Zahl der Ver— 


BAUS Proteſt der deutichen diifentierenden Buchhändler. Zehntes 


käufer die Bücher im Preiſe ſteigen, während die Buchdrucker, nur noch 
auf den Druck angewieſen, der Gnade der Buchhändler anheim fielen. 

Die Buchbinder betreffend, bleibe es ſich doch gleich, ob ein Privater 
das Buch faufe und einbinven laſſe, ever ob ein Buchbinver das von 
ihm jelbjt gekaufte Buch gebunden verkaufe. Und warum jollten fie z. B. 
nicht aus Bibliotheken oder jonit von Yenten, die ihrer Bücher müre 
wären, kaufen, beſonders da binterlaffene (alte; Bücher eher bei ven Buch— 
bindern geſucht würden. Dazu fomme, var dann an vielen Orten aroker 
Mangel an Büchern entjtehen würde, wie in Weftfalen und anderswo, 
wo wegen geringen Verdienſtes feine Buchhändler fich halten fünnten, we 
vielmehr die Buchbinder die nötigen Bücher von fremden Orten beiten 
und fich damit neben ihrem Handwerk nährten. Anvernfalls müßten 
jich Die Yente in jolchen Gegenden mit lauter Evangelien, Kutechismen, 
Bet: und Geſangbüchlein behelfen, oder die Bücher durch dritte Perjenen 
mit großen Koſten von weiter ber verjchreiben oder ſelbſt holen. 

Wenn dann ferner die Gelehrten ihre auf eigene Noten gedrudten 
Bücher nur an Buchhändler zu billigem Preiſe verkaufen dürften, ie 
müßten fie freilich dafür nehmen, was diefe ihnen gäben, oder ihre Sachen 
würden ihnen liegen bleiben. Infolge deſſen vürften die herrliciten 
Werke dem Baterlande zum Schaden ausbleiben und dafür Lauter Star 
teten geichrieben werven, wozu ſich freilich, weil man fie meiftenteils aus 
jchriebe (aus andern zujunmenitelle), wiele Autoren gegen eine geringe 
Ergößlichteit finden würden. 

Zollten aber alle Händler, die werer von Buchhandel noch von Bud: 
druckerei herfämen, auch weder Nunfthändter noch Kupferſtecher wären, 
jondern von andern Handwerkern ſich abjeßten, ſich des Buchbanvels 
begeben und gänzlich cajfiert werben, jo wäre es doch gegen die Freiheit 
der Handlung und wiver Die Natur und Gottes Willen, einem Menicen 
Das verbieten zu wollen, wozu ihn doch jein Schöpfer durch Berleibung 
von Gaben und Verſtand berufen babe. Kin ſolcher Menjch könne mit 
Zuziehung gelebrter Leute eben jo gut, wie eim alter Buchhändler, ei 
gutes Buch verlegen. 

Die Pehrjungen und Diener betreffend, jo jet die vorgejchlagene Maß— 
regel wohl für Handwerker gut, paſſe aber nicht für die Handlung. 
Wenn ein Buch dem Inhalte nach gut und im Drude tadellos je, 
fümmtere es das Publikum nicht, wie der Verleger ſolches jamt der Ma 


Kapitel.| Proteſt der Deutichen diſſentierenden Buchhändter. 699 


terie einhaudle, mit Vorteil drucken laſſe und verdinge und hernach mit 
Nutzen in der Geſchwindigkeit an ſeine Korreſpondenten verſchicke, ver— 
ſteche, verkaufe und verhandle. Nun babe jeder, dev guten natürlichen 
Verſtand und die Mittel beſitze, die Capacität, ein gutes Buch zu ver— 
legen, und es bedürfe dazu feiner Yehrjahre oder des Dienens. Gar man— 
ber würde ſich dann abſchrecken laffen, ſich, beſonders in jpätern Jahren, 
in die Lehre zu begeben, „zumal da mancher verſtändige Menſch öfter 
bei einem dergleichen zum Meiſter geſchlagenen Herrn dienen muß, der 
etwan ſeine Lehrzeit mit Collationiren, Inventiren, Einpacken, Ordiniren, 
vadenkehren und wenn's hoch kommt in die Bücher eintragen, ſeine Lehr— 
jahre passirt, hingegen in den Arcanis lucrandi, die man gemeiniglich 
aus dem Handel jelbjten mit Schaden lernen muß, wenig erfahren hat“. 
Die Beitimmung wegen der Buchhändlersjöhne anlangend, lehre die 
tägliche Erfahrung, daß Kinder bei ihren Eltern am wenigiten lernten 
und verftändige Kaufleute viejelben nach Belieben anderswohin jchieften. 

Den Juden aber eine neue Ordnung zu machen, jet nicht nötig, weil 
ihnen ver Buchhandel ohnehin verboten jei. (Über die Stichhaltigteit 
diefer Behauptung vergl. Anmerkung 8. Cs wäre beſſer geweſen, den— 
ſelben nicht durch Aufnahme wucheriſcher Gelder die Bücher in die Hände 
zu ſtecken, die ſie dann heimlich nachdrucken ließen, und zwar beſonders 
in Fraukfurt. 

Ausführlich läßt ſich die Schrift über die „Zfartefen‘ — in ver 
Bedeutung von Broſchüren oder Ktleinliteratur im Gegenſatz zu großen, 
ſchweren Büchern — aus. Der Druck jolcher bedeute feine Berverbung 
des Buchhandels, noch weniger Des gemeinen Weſens. Es gebe gute 
und müßliche Skarteten, wie auch große Bücher, die gut oder jchlecht 
jeien. Wie man nun um der jehlechten großen Bücher willen den Ber 
lag ver guten wicht unterlafjfen werde, jo könne man auch um der ge- 
ringen Startefen willen die guten nicht ausmuftern. Gerade durch jolche 
Nompendien werde das Studium jeher beförpdert und viel Zeit erjpart, 
die jonjt zur Durchlejung großer Bücher gebraucht würde. Der VBerfauf 
ver großen Bücher werde durch die Sfartefen befördert, weil durch 
jelche Kompendien vdiejelben befaunter und dadurch ihrer Site wegen 
verfäuflicher würden. Der hohe Preis ver Sfartefen treffe auch für 
große Bücher zu. Die alten Buchführer brauchten von ihrer alten Tare 
nicht abzugeben, jondern wenn die Verkäufer von Skarteken ihre Preije 


700 Interceſſion des franffurter Rates in Wien. Zehntes 


allzu hoch ſpannten, müßten ſie mit ihnen auch ſteigern. Daß gute 
große Bücher ſchlecht abgingen, läge an der Geldklemme; die Gelehrten 
könnten nicht viel teuere Bücher kaufen, viele verſähen ſich auch mit 
Büchern aus alten Bibliotheken, welche man öfters nach der Gelehrten 
Tode von den mit Kindern und Büchern beladenen Witwen um ein 
Geringes haben könne. Auch das ſei nicht ſtichhaltig, daß die großen 
Opera liegen blieben, weil die Skarteken vagierend bin und wieder ae 
tragen würden. Warum follte denn der Fleine Mann nicht ebenjo gut 
etwas verdienen dürfen, wie der Groſſiſt? 

Gegen Einführung einer Tare werden dann die gewöhnlichen Gründe 
aufgeführt: ungleiche Natur der Bücher, Verſchiedenheit des Honorars, 
der Papier: und Drudpreife, der Auflagen, Koften der Privilegien, ver- 
jchiedene Entfernungen, Zölle und Frachten, Unficherheit des Abſatzes, 
Höbe der Gejchäftsipefen u. ſ. w., wie jolches jchon die ſächſiſchen Buchhänd— 
lev vorgebracht hatten. Die Taxe ſei eben unmöglich, unbillig und jehwer 
erfindlich und Das Ganze gehe darauf hinaus, Wenigen ein Monopel 
zu ſchaffen. 

Unter dem 6. Juli 1669 intercedierte venm auch der Nat in ver 
Ihat bei dem Kaifer zu Gunſten der Buchdrucker, Buchhändler une 
Konjorten, Nach der gewöhnlichen Bezugnahme auf die alten Privilegien 
und Freiheiten wies er auf die Wichtigkeit des Bucrruds und Buch 
handels und der Buchhändlermeffen fir Frankfurt bin; man babe ibnen 
deshalb „große jonvderbahre gaffen zugewießen und jelbige die Buchgaſſen 
genennet“. Irrungen, die während ver Mefjen vorgefommen wären, 
babe der Rat ſtets durch einige aus jeiner Mitte Deputierte „in enge‘ 
geſchlichtet. Jetzt aber jei einerjeits die betreffende Kommijfion mit Um— 
gehung jeiner, des Rats, Gerechtjame und ohne daß er genauere Kennt- 
nis davon erhalten habe, eingejett worden, andererjeits von den meilten 
Buchhändlern Beſchwerde eingelaufen, daß dieſe Kommiſſion nur von 
einigen wenigen Buchhändlern nicht zur Beförderung des öffentlichen 
Wohles, ſondern allein ihres Privatvorteils halber ausgewirkt worden 
ſei, einzig zur Erlangung eines allen Rechten und Reichskonſtitutionen 
zuwiderlaufenden Monopols. Es ſei zu beſorgen, daß ſolches Gebaren 
auch bei andern Kaufleuten Nachahmung finden und dadurch der Gang 
der Meſſen in weitere Abnahme kommen würde, ſodaß die Stadt in Zu— 
kunft die Reichsanlagen und andere Laſten nicht mehr würde tragen können. 


Kapitel.) Der Rat gibt wieder nach. Borjchläge der franffurter Buchhäudler, 701 


Die vom 14. Auguſt datierte kaiſerliche Antwort juchte den Nat zu 
beruhigen und erklärt: die Kommiſſion jei auf feine Inquiſition oder 
jolcbe Dinge gerichtet, durch welche der Jurisdiktion des Rats präju— 
Diziert würde; der Zwed jet nur, ven zerfallenen Buchhandel durch zu- 
längliche gütliche Mittel zu veftanrieren. Da jolches zur Beförderung 
des boni publiei gereiche, werde der Rat angewiejen, die Seinigen zur 
Rejpizierung der kaiſerlichen Kommiſſion mit Nachorud anzubalten. Seiner 
Gewohnheit nach fügte fich denn ver Nat auch jchleunigjt; er lieh vie 
ſämtlichen franffurter Buchhändler durch jeine Deputierten alles Ernites 
auffordern und ihnen anbefehlen, nicht allein die faijerliche Kommiſſion 
zu vejpizieren, jondern auch zur Beförderung derjelben, noch che die 
Meſſe eintrete und die fremden Buchhändler ankommen wiürben, zujanı- 
menzutreten, die vorgejchlagenen Mittel zu beraten und ſich darüber zu 
vergleichen, welche Punkte fie dann entweder den fremden Buchhändlern 
vorhaften, oder der Kommiſſion übergeben jollten, damit man ihnen des- 
halb feine Mora oder Culpa beimeſſen könnte, 

Diejer Befehl war die Veranlafjung, daß die Frankfurter Buchhändler 
in der That behufs einer zu erzielenden Cinigung zuſammentraten. Aber 
troß mehrerer Ktonferenzen vermochten fie, wie fie an den Rat berichte- 
tert, nicht zu der Überzeugung zu gelangen, daß der zerfaltene Buchhandel 
durch Setzung gewiſſer Schranfen in eine jonderliche Aufnahme gebracht 
werden fönnte; fie erklärten es vielmehr für zuträglicher, wenn es bei ven 
bisherigen Freiheiten, die alle Handlungen ohne Unterſchied genöſſen, 

jein Berbleiben behalte. Daneben hätten fie ſich aber über einige 
Pnntte geeinigt, welche den Meffreiheiten nicht widerfprächen und die 
ſich auch die Buchdrucker, Buchbinder u. a. gefallen laſſen könnten, 

Diejem von jüntlichen franffurter Buchhändlern, mit Ausnahme von 
Kaſpar Wächtler und Gottfried Seyler, unterzeichneten Übereintommen 
vom 2. September 1669, den „Bereinigten Punkten“, lag die Hart— 
tungſche „Neue Ordnung“ zu Grunde; c8 enthält jedoch folgende Ab— 
weichungen: 


Abſchnitt: Buchtrucker, Abſatz 2 hat folgende Faſſung erhalten: „Def- 
gleichen jollen jie die Zahl der Aufflage, jo Buchhändler bey Ihnen truden 
lagen, völlig lieffern, Sein einziges Exemplar, ohne des Berlegerö consens, 
vor jemant zufcießen, weder vor dem Author felbft oder jonften vor jeman— 
den, fondern es jollen alle übrige Exemplaria, fo aus den Zufchuß Büchern 


102 Tie „Bereinigten Punkten“ von 1669, Jehntes 


Können und mögen ergänzet werden, nebenſt den Defeeten gegen einer dis- 
eretion gleicher maßen dent Verläger einzuhändigen ſchuldig fein, und alſo 
Kein einzig Exemplar weder vor ſich noch die Geſellen zuriidbehalten, und 
da einiger darwieder handeln jolte, joll Er von Einem Hochl. Magistrat 
der Statt, alwo Er ſich befindet und geſeßen, nicht allein hochſträfflich an- 
gefehen, fondern aud) feines Ehrlichen Nahmens entfezet und Keine truderen 
mehr zu führen tüchtig geachtet werden.“ 

Abſchnitt: Buchbinder, lautet: „Die Budbinder follen Keine Bücher 
verlegen oder truden laßen, fondern bey Ihrem Band bleiben, welche aber 
nebenft Ihren: Handwerdh einen Yaden haben, die follen fchuldig fein, die 
rohe Materien von den Buchhändlern zu kauffen.“ 

Abſchnitt: Kunſthändler und Kormidneider, am Ende lautet 
dermaßen geändert: „— — jedod) daß ſie ſolche gleich den Buchtrucdern 
nicht verftedyen, jondern in billichem Preiß verlauffen.‘ 

Abfchnitt: Gelehrte, Geift- und Weltliche, lautet am Schlufie 
jeßt jo: „— — in billidem Preiß verfauffen, aber mit andern Büchern 
zu handlen und in frembde Handlungen fid) einzumiſchen, wie bikhero ge- 
fchehen, fol Ihnen allerdings verbotten umd ganz und gar nicht geftattet 
werben.’ 

Abschnitt: Buhhandlungsverderber, it am Schluſſe noch beige: 
jest: „und zu der Buchhandlung nicht gelaflen werden‘, 

Abſchnitt: Yehr Jungen, Diener x. Abjag 2 hat folgende Zuſätze 


erhalten: „— — die Handlung zu lernen; Ebenmäßig mögen und Können 
der Buchhändler hinterlagene Wittiben und Töchter respective Ihre Männer, 
Suecessores und Erben, ob fie fid) jchon an andere dem Buchhandel nicht 


zugethane Perfonen verhenrathen, wie aud) diejenige, auff welche eine Hand- 
fung durch Suecessionem vel universalem vel Singularem zufombt, ple- 
nissimo Jure die Handlung fortführen und die Ihrige continuiren. Aber - 
Buchtrucker, Buchbinder und Künſtler, welde ins Kiünfftige neben Ihrer 
Kunft und Handwerdh ein Sortiment von Büchern haben wollen, follen 
verbunden fein, Ihre Söhne, fo zur Zeit der erlangten Ordnung vor Steine 
Handlungsdiener Können passirt werden, bey einem Buchhändler zum wenig: 
ften fiir einen Pehrjungen in Dienft zu thun, woferne derjelbe mit der Zeit 
einen Buchhandel zu führen gefinnet, auch nad) verfloffenen Yehr Jahren 
2 Jahr in der frembde bey Buchhändlern ſich auffhalten.“ 

(Infolge diefes Zufates fällt der nächſte Abſchnitt weg.) 

Abſchnitt: Juden, ift am Ende beigefügt: „— — mit Büchern zu 
handeln und truden zu laßen“ :c., ferner nad) „verbotten fein“; „welche 
aber nothhalber Bücher an jchulden, oder underpfand an Zahlung, annehmen 
müſſen, die follen den ordentlichen weg des Rechtens brauchen, ſolche auf: 
flagen und öffentlich subhastiren, und im geringften nicht ander der Hand 


Kapitel.) Die „Bereinigten Punkten“ von 1660, 03 
J ‘ 


ftüdweiß verhandeln und verkauften, auch jollen Zie von denen Büchern, jo 
albereit in Ihren Händen find, eine ordentliche und auffrichtige Specification 
uns zuftellen‘. 

Abſchnitt: Nahtruder iſt in „Nacdtrudung alter Bücher‘ geändert 
und am Schlufle noch Folgendes beigejeßt worden: „Dafern aber ein Bud) 
in 10 bi 20 Jahren gemangelt, die rechtmäßige Erben nit zur Hand 
oder befant, und jemand ſolches Bud) wieder zu trucken und auffzulegen 
vorhaben, mag es wohl mit diefer condition gefchehen, daß, woferne das 
Buch verfertiget, und die rechtmäßige Erben ſich alßdann angeben folten, 
fol der Verleger ſchuldig fein, denfelben einen billigen recompens davor zu 
tun, oder Ihnen ſolches gegen erftattung feiner angewendeten Auflagen und 
Unfoften nebenft einem Recompens vor feine gehabte mühe und aufgelegte 
gelder zu überlaßen.“ 

Dann find nod) folgende neue Abſchnitte Hinzugejegt: „Nadtruden 
neuer Bücher. Nicht weniger jolle es einigen Buchhändlern erlaubt fein, 
einiges Bud), dag Ein, Zwo, oder mehrmahl getrudt worden von dent 
Authore, ift er noch am leben, abzuhandlen, joferne denen Erſten Verlegern 
folhes verſprochen, jondern alle Contracte, fo die Erften Berleger mit denen 
Authoribus, wegen aufflegung derer Bücher, gemachet und geichloffen, follen 
allerſeits unverbrüchlich gehalten werden, und niemant befugt fein, denfelben 
zuwieder ſich einzumijchen oder ſolche werde auff art und weiß, wie die auch 
außgeſonnen werden mögten, an ſich zu bringen. 

Weilen wir auß allerunderthänigften gehorfamb, jo wir Ihrer Kay. 
Maytt. ſchuldig, alle Privilegia, fo diejelbe an Aufländifcdye und außer dem 
Römiſchen Reich gejehene, ertheilen, allergebührlichit respectiren ımd denen- 
jelben gehorfambft nachgeleben müßen, hingegen aber jehen und erfahren, 
daß dergleichen Außländifche diejenige Privilegia, jo unß von Ihrer Kay. 
Maytt. ertheilet werden, nicht adjten, jondern zu Ihrer Kayſ. Maytt. alß 
höchſtem Dberhaupt höchften verunehrung und unfern großen fchaden dar- 
wieder handlen; Alß ift unfere nothtringende Pitt, Hierin diefe nadıtriid- 
liche Verordnung thun und ergehen zu laßen, daß, jo Künfftig darwieder 
gehandelt werden jolte, wir Uns unjeres ſchadens halber gegen die thäter 
jo wohl an Perjon alß Ihrem gutt, wo fie im Römiſchen Neid; zu be- 
tretten, erholen mögen, damit jedermann bey feinen erlangten Privilegio 
ficher jein möge. 

Büher-Anctioned Nachdeme die Bücher Auctiones zur Mefzeit 
ichr schädlich und bey den Buchhändlern in Teutichland niemals üblichen 
geweien, in dem diejenige, jo die andern wegen außgenommener Bücher (Zah- 
fung) zu thun jchuldia, ſolches gelt mehrentheils bey den Auctionen anwenden 
und aufgeben, hingegen Ihrem rechtmäſſigen Creditoren welche Ihre Rechnung 
darauff gejtelt gehabt Ihre fchuldforderung einzunehmen, entweder gar nichts 


704 Bericht der Kommiſſion nach Wien, Herbſtmeſſe 1669. [Zchntes 


oder aber ſehr wenig auff abſchlag bezahlen, dadurch dann leichtlich eine 
ohngelegenheit entftehen Kann, alß jollen ſolche Bücher Auctiones zur Meß— 
zeit nicht allein allerdings gäntzlich abgeſchafft, ſondern es jollen diejenigen, 
jo umb folder Auction erlaubnus anhalten, mit einer wilkührlichen ſtraff 
angefehen und bey andern rechtmäßigen Buchhändlern nicht geduldet werden. 

Tar der Bücher. Die Tax der Bücher betreffend, weil von vielen 
Buchhändlern ſchon vor etlichen Jahren, neben alhieſigen Yöbl. Magistrat 
ift gründlich dedueiret worden, daß ein Tax zu machen nidht practicirlid, 
der Freyheit der Meß nachteilig, alß läft mans nochmals darbey bewenden. 


Schlüßlichen contestiren wir daß gar nicht unfere meinung durd) vor— 
geſetzte puncta diejenige, jo bißhero zum Buchhandel Kommen und dar: 
innen albereit würcklich jeind, davon zu tringen und aufßzuftogen, jondern 
nur dahin zu fehen, wie ind Künfftige die abusus mögten verhindert 
werden.” 

Dieje „Bereinigten Punkte” find es nun, die allen folgenden Ver— 
handlungen als Grundlage dienen. Auf fie hin bildeten auc die Frank 
furter eine inmungsartige Vereinigung, eine Art Yokalverein, der längere 
Zeit bejtanden haben muß’; wie fange läßt fich ſchwerlich ermitteln, 
Noch gegen Ende des Jahrhunderts finden fich gemeinjchaftliche Eingaben 
ver franffurter Buchhändler an ven Rat; als ihr Vertreter fungierte 
jpäter Johann David Zunner. 

SHeichzeitig mit dem Reſkript am ven Rat war aber auch ver Be- 
fehl am die faijerliche Kommiffion ergangen, die Sache in der nächiten 
Herbitmejje wieder aufzunehmen. Über die daraus erwachienen Ber 
banplungen berichtete Hünefeld unter dem 1. Dftober 1669 an ven 
Kaijer. Die erwähnten „Punkte“, die Biichertare jedoch völlig ausge 
jchlojjen, wären von den vorherigen Kontradicenten jelbjt, wie von allen 
übrigen einmütig „placitirt, eingewilligt und subseribirt“ worden. Die 
Büchertarordnung anlangend hätten zwar die erjchienenen Buchhändler, 
mit Ausnahme von Johann Friderici (Friedrich), Johann Baptiſt Schön 
wetter und deren Beiftand L. Uffenbach (als Vertreter der Nranffurter), 
dafür gehalten, daß „jelbige den gemeinen Wejen nicht allein nutz- und 
vorträglich, jondern auch zu Verhüetung vieler im Buchhandel vorgehen- 
den betrieglichfeiten gereiche und wohl practieirlich jein mögte. Doc 
haben etliche Frankfurter und aus deren Antrieb noch mehr andere im 
heyl. Reich geſeſſene jolches theils aus angegebener forcht und rejpect 
gegen biefigen Magiftrat, theils aber zu ihrem jelbfteigenen Nugen und 


Kapitel.) Verhandlungen der Buchhändler mit den Kommiſſaren. 705 


Vortbeil, damit fie noch vorderhin ihre Bücher in eben jo hohen Preis 
ald diejenigen, jo von weitentlegenen Orten mit jchweren Koſten ver 
Fracht und Zölle auch anders halben anher gebracht, verkaufen möchten, 
das Vorhaben für eine purlautere Unmöglichkeit angegeben und nicht 
einmal zu Anhörung künftiger Borjchläge fich verbinplich machen wollen!“ 

So jagt Hünefeld; der Hergang im Kreiſe der Buchhändler war 
aber folgender gewejen. Die Frankfurter, vertreten durch Johann Friede: 
ib, Thomas Mathias Götz, Simon Bedenjtein und Johann Baptijt 
Schönwetter, hatten die „Vereinigten Punkte‘ ven fremden zur Meſſe 
handelnden Geſchäftsgenoſſen vorgelegt, beſonders auch Alexander Hart— 
tung. Dieſer hatte das Schriftſtück mehrere Tage an ſich behalten — 
wahrſcheinlich um ſich mit den Kommiſſaren darüber zu beſprechen. 
Dann hatte man ſich ſchließlich dahin geeinigt, dieſe Punkte entweder 
ſelbſt, oder durch Bevollmächtigte, einſchließlich Harttungs, eigenhändig 
zu unterzeichnen und nach erfolgter Beſtätigung durch den Kaiſer zu 
halten. In dem Begleitſchreiben, mit welchem die „Punkte“ den Kom— 
miſſaren übergeben wurden, war geſagt: die Buchhändler ſchlügen die 
beifolgenden Satzungen vor, dafern ja die vorige Freiheit nicht zu erhal— 
ten wäre, gleichwie ſie fänden, daß ohne höchſten Nachteil des Buchhandels 
nichts (die Büchertaxe) hinzugethan werden möge. Sie bäten, die Ein— 
gabe an den „hochvermögenden Ort“ zu befördern, „daß es bey dieſen 
verglichenen vnd wohl erwogenen puncten, dafern Sie jedoch dieſer Statt 
privilegien vnd Meßfreiheiten nicht zuwieder lauffen, vnd wir mit den— 
jelben .... nicht verſchohnet bleiben können, ſein Verbleiben haben, Vnd 
wir zu einem andern zu des Buchhandels ohnfehlbaren ſchaden vnd ruin 
nicht adstringiret werden mögen‘. 

Die Kommiſſare erflärten jedoch, der Pafjus über die Privilegien und 
Mepfreiheiten dürfte von dem Keichshofrate übel aufgenommen werden, 
da man denjelben ja nicht präjudizieren wolle; jie thaten dies mit jolchem 
Ernjt, daß Götz und Bedenjtein, ängstlich geworden, ihre Unterjchriften 
zurüdzogen. Es beturfte einer zweimaligen Änderung, um die Kom— 
miffare zufrieden zu jtellen. Im dritten Entwurfe lautet die betreffende 
Stelle, deren Faſſung Hünefeld an die Hand gegeben hatte, denn auch 
dabin: fie (die Buchhändler) hätten der Punkte ſich mit einander ver- 
glichen und dabei zu bleiben jich einmütig verbunden, der unterthänigen 
Zuwerficht, „nachdem allerhöchitgedachter Röm. Kayſerl. Mahtt. an den 

Rapp. I. 45 


706 Amweideutiges Verhalten Harttungs dabei. [Behntes 


Rath diefer Statt rescribirter maßen intention nicht it, dieſer Ztatt 
Juribus in dieſer Sache einiger wege zu praejudieiren, daR dieſe 
Puncten Bemelten diejer Statt Privilegien und Meßfreyheiten, alß 
welchen wir zumabl die albiefige Bürger feines wegs derogiren wollen 
noch fünnen, zu feinem Nachtheil gereichen werden“. 

Nachdem viefes Memorial endlich mühſam zu Stande gefommen, 
hatten die Unterzeichner dasjelbe in Friederichs Laden Harttung zu lejen 
gegeben, welch letzterer denn auch verſprach, es nach erfolgter Mundierung 
ebenfalls für fich und jeine Auftraggeber zu unterjehbreiben. Der Fisfal, 
dem das Schriftjtüd am andern Morgen noch vor feiner Ausfertigung 
vorgelegt wurde, erklärte fich ebenfalls damit zufrieden gejtellt. Als 
aber Harttung nach erfolgter Mundierung jeine Unterjehrift geben ſollte, 
machte er Winfelzüge. Zuerſt jchlug er vor, ihn zum Generafbevoll- 
mächtigten der Gejamtheit zu ernennen, und als man bierauf nicht ein- 
ging, verweigerte er jeine Unterjchrift zumächit unter dem Vorwand von 
Gejchäften und äußerte, daß er erft hinter ven andern unterjchreiben 
werde. Seinem Verlangen wurde gewillfahrt, er aber bemutte dieſe 
Nachgiebigkeit dazu, daß er die Schrift an fich nahm und einen Nach— 
jat hinzufügte, dem zufolge er und jeine Genofjen (Meichael und Friedrich 
Endter, Ludw. Neuenhahn, Michael Dehme und Johann Fritich) nicht 
allein die Punkte halten, ſondern auch dahin bepacht jein wollten, zwiſchen 
dieſer Meſſe und der Oftermefje 1670 ein Projeft wegen ver Tare aus- 
jufertigen. Erſt bei der Zujammenfunft am Nachmittag in Hünefelds 
Wohnung erlangten die andern Buchhändler Kenntnis von der vorge: 
nommenen Änderung. Sie protejtierten zwar ſofort ernftlich dagegen; 
aber Harttung und feine Anhänger bejtanden auf ihrem Kopf, ſodaß bie 
andern ihre Unterjchrift zurüdzogen. Da jedoch Hünefeld inzwijchen 
Beſuch erhalten hatte, gewannen die Buchhändler Zeit, das Memorial 
noch einmal zu fopieren umd durch alle Anweſenden, mit Ausnabıne 
Harttungs und feines Anbanges, unterjchreiben zu laſſen. Vergeblich 
verjuchte Harttung die Anweſenden durch die Worte: „Ihr Herren, das 
it der Frankfurter Memoriale, damit haben wir Nichts zu thun, Ihr 
Herren, die den Tax defiveriren folget mir“, von der Unterzeichnung ab- 
zubalten. 

Damit war dieje Angelegenheit endlich formell erledigt. Es ſcheint 
allerdings die Abficht vorhanden geweſen zu fein, das Übereinfommen 


Kapitel.) Auftreten der Endter in Nürnberg für die Büchertare, 107 


der Buchhändler zum Gegenftande ver Neichsgejeßgebung zu machen; denn 
am 26. Februar 1671 verlangte der Kaifer von Hünefeld Bericht dar- 
über, ob nicht durch die vereinbarten Punkte andern hin und wieder im 
Reiche gejeffenen Buchdruckern, Buchbinvern, Kunjthändlern und Kon: 
jerten, welche darüber nicht vernommen worden, wie auch den Stänven 
jelbjt präjudiziert werde und wie jolcher Infonventenz vorgebeugt werben 
möge. Die Kommifjare waren aber der Anficht, daß denjenigen, welche 
über die Punkte nicht vernommen worden, ein bejonderes Präjudiz nicht 
fönne zugefügt werden; wegen etwaiger Malfontenten dürfe das für ven 
Buchhandel erjprießliche Werf nicht erfigen bleiben. Ebenjowenig fünnten 
jie einfehen, mit welchem Fug fich ein oder der andere Stand dadurch 
graviert finden fünnte, da ja feinem das Geringjte an jeinen Privilegien 
dadurch derogiert werde. Sie hätten auch nicht vernommen, daß irgend 
ein Stand, außer dem frankfurter Rat, der fich der fatjerlichen Intention 
in Aufrichtung einer Bücherordnung allein opponiere, viel weniger aber 
Buchdrucker und andere fich darüber beſchwert hätten. 

Obgleih nun die Satungen von allen angenommen und unterzeichnet 
waren, hatten fich doch Yudwig Neuenhahn, Michael und Friedrich Endter, 
Johann Fritſch, Michael Debmen und Alexander Harttung vorbehalten, 
die Büchertare, die in Wien jtets als der vornehmjte Punkt angejeben 
wurde, bei der Kommiſſion wieder in Anregung zu bringen. Demge— 
mäß traten im November 1669 die Endter (Johann Andreas, Wolfgang 
des Yüngern Erben, Michael und Wolfgang Friedrich) noch einmal für 
ich allein dem Kaifer gegenüber zu Gunften der Harttungjchen Vor— 
ihläge ein. Den Borwand gab der Umſtand ab, daß die beiden Grit: 
genannten Unpäßlichkeit und Gejchäfte halber ven Verhandlungen in 
Arankfurt nicht hätten beiwohnen fünnen. Im ganzen wiederholen fie 
aber nur das in der Harttungichen Eingabe Gejagte; hervorzuheben ift 
böchftens die Auferung betreffs des Kunſthandels, daß man nämlich 
viele theologijche, hiſtoriſche und pofitifche Bücher mit unnötigen Kupfern 
anfülle und venjelben dadurch ein ſcheinbares Anjehen gäbe, einzig zu 
dem Zwede, damit die Kunfthändler ven Buchführern jo ihr Stüdlein 
Brot entziehen und fich in den Buchhandel einjchleichen fünnten. Das 
zwinge vielfach die Buchhändler, auf Kupferinventionen zu benfen und 
ein Werf dadurch nolens volens zu verteuern. Dies war ein Argus 
ment pro domo, denn die Endter hatten jelbit viele illuftrierte Verlags: 

45* 


708 Oppoſition in Frankfurt dagegen. Hervorhebung der Motive der Endter. [Zehntes 


artifel verlegt, darunter z. B. die jogenannte Kurfürftenbibel. Ihre 
Abficht jei es übrigens nicht, den Kunſthändlern, Kupferſtechern ı. dal. 
den Berfauf jolcher Kupferjtiche, welche eine Bejchreibung erforderten, 
zu verwehren, nur müßte diefer Text ausſchließlich in Kupfer gejtochen 
und dürfte nicht durch Typendruck bergeftellt jein. Damit wäre aber 
geradezu dev zu jener Zeit und noch jpäter jehr jehwungbafte Verkehr 
nit Gelegenheitsjchriften und zeitgejchichtlichen Einblattdrucken vernichtet 
worden. Als Dauptjache bezeichnen jie aber wieder die Einführung einer 
rechten und ordentlichen Tare. Die vor einigen Jahren vorgejchlagene 
jet teils durch Diskrepanz, teils durch den Eigennutz Ciniger hinter: 
trieben worden; ſeitdem jeien aber die Preije in unverantwortlicher Weiſe 
noch weiter in die Höhe getrieben worden, ſodaß der gegenwärtige Zuſtand 
alfen gewifienhaften Buchhändlern unerträglich erſcheine. Der Kaiſer 
möge nur allen deutſchen Buchhändlern bei Vermeidung faijerficher Un— 
gnade und bei Strafe anbefehlen, fich ohne weitere Entſchuldigung zu 
einer billigen Taxe zu verjtehen. 

Obſchon nun dieſer Echritt der Endter fich jo völlig den bisher von 
der Reichsregierung vertretenen Anjchauungen anjchmiegt und ihnen — 
als von jo beveutenden Berlagsfirmen ausgehend — ein jeheinbar größeres 
Gewicht geben konnte, jo jcheint die Sache auffälligerweije doch längere 
Zeit gerubt zu haben; wenigjtens jchiweigen die jet noch zu Gebote 
jtehenden Akten darüber. Erſt am 3. Januar 1671 kommt auf An- 
regung der franffurter Buchhändler der dortige Rat bei dem Kaiſer da— 
gegen ein. Er betont, daß Harttung und Yeutner gar fein allgemeines 
Mandat gehabt hätten. Wenn aber ver einzige Endter dieſes Werf in 
Widerſpruch gegen alle Frankfurter und nach Frankfurt handelnde Buch- 
händler durchtreiben und erzwingen wolle, jo gejchehe dies nur zu jeinem 
eigenen Vorteile. Zu Nürnberg jeien wenig Buchhändler, welde vie 
Mittel zu einem großen Verlage hätten oder die Bücher in Frankfurt 
in großen Mengen einfaufen und in den bahrijchen und öfterreichiichen 
Kreis, nach Böhmen und in andere faijerliche Erblanve führen könnten, 
wie Endter dies thäte, der zwar die Bücher nach dem Preije, wie er 
gern wollte, in Frankfurt in der Mefje einfaufe, an abgelegenen Orten 
aber nach jeinem Belieben wieder verfaufe und jo Vorteil auf Vorteil 
bäufe, andere aber unterdrücke. 

Diejes einjeitige Vorgehen der Endter führte — was bier vorweg 


Kapitel.) Kontroverje mit ihnen vor dem nürnberger Rat. 709 


zu nehmen ift — zu längeren Weiterungen für fie Die franffurter 
Buchhändler, deren Bejorgniffe wegen einer etwaigen Schädigung des 
Mepverfehrs von neuem erregt wurden, gaben jedenfalls den Anſtoß 
dazu, denn auf Veranlafjung des franffurter Rats wurden die Endter 
von ihrer Obrigkeit zur verantwortlichen Vernehmung gezogen. Der 
Abgefandte Frankfurts hatte fich auf dem engern Stüdtefonvent zu Ulm 
bei dem mürnberger Ratsfreunde über den von den Endtern gethanen 
Schritt beſchwert. Auf Vorhalt behaupten fie, daß ja Harttung bei 
jeinem Vorgehen im Jahre 1668 als Mandatar verjchievener Buch: 
bändler nur das Beſte gewollt habe. Die damaligen Motive hätten 
auch noch jett Geltung, Nachdruck und Preisfteigerung nähmen immer 
mehr überhand; es jei dahin gekommen, daß man die guten Bücher erit 
zu Frankfurt unter der Judenſchaft juchen müffe Darum hätten fie fich 
mit andern Buchhändlern zufammengetban, um vereint die Aufgabe der 
Kommiffion zu unterftügen, was ja nur zum Nuten Frankfurts gereichen 
fünne. Geſchickt verwandten biergegen die Frankfurter in einer langen 
Auseinanderjegung der alten Gründe gegen die Tare den Umftand, daß 
gerade bie Endter fich 1657 vor Allen gegen die Tare ausgejprochen hätten; 
was jollte auch eine Taxe nügen, wenn fie bloß für Frankfurt, nicht auch 
für Yeipzig, Pinz, Hamburg und Köln und andere Orte Geltung habe. 

Nah Anficht des Frankfurter Rats war eigentlich, wie er an 
die Nürnberger jchreibt, Feine Urjache zu Klagen vorhanden, wenn 
nur alle Buchhändler an dem gefchloffenen Vergleiche fefthielten, und 
wäre daneben zu winfchen, daß nicht allein die Frankfurter, jondern 
auch gar viele fremde Buchhändler die Judengaſſe nicht jo wohl hätten 
fennen lernen, daß man auch deren gute Bücher in der gedachten Gaſſe 
juchen und er, der Rat, die Fremden ad videndum distrahi pignora 
citieren müßte. Jetzt handle es fich aber nur darum, daß die Endter 
und Harttung faft allein die neue Faiferliche Kommiſſion in Thätigfeit zu 
erhalten fuchten, um die Tare durchzuſetzen, obgleich fie ven Vergleich mit 
unterjchrieben hätten. Die Endter jollten um jo eher gutwillig die Hand 
von ihrem Vorhaben zurücziehen, weil ihr Vater und fie in den franf- 
furter Meſſen ihren Buchhandel mehrenteil® erworben und verjtärft 
hätten. 

Auf weitern Vorhalt ihrer Obrigkeit erboten ſich endlich die Endter 
im Februar 1672, für den Fall, daß der franffurter Rat in der bevor- 


T10 Ausgleich mit den Endter. Neue Verhandlungen in Frankfurt 1671. [Zehntes 


jtehenden Faſtenmeſſe jümtliche Buchhändler zujammenberufen, über ihre 
Beſchwerden vernehmen und von ihm ſelbſt Anftalt gemacht würde, dem 
Buchhandel jo aufzuhelfen, daß er auch aufrecht ſtehen bleibe, dann ihrer- 
jeits das Werf auf fich beruhen und die Kommiffion ferner ungetrieben 
lafjen zu wollen. Dabei fonnten fie ſich aber nicht enthalten, höhniſch 
zu bemerken: ob freinde oder franffurter Bücher in der Judengaſſe ge- 
jucht würden, und wer ad videndum distracta pignora bisher citiert, 
fiegen fie dahingeftellt fein; fie hätten ftets nur kontante Bücher in ver 
Judengaſſe gejucht, weil fie in der Buchgaffe nicht zu finden gewefen, 
am alferwenigiten hätten fie jelbjt Bücher da verjegt. Ihren erworbenen 
Buchhandel hätten fie und ihre Väter nicht ven franffurter Meſſen, jondern 
Gott und ihrer Vaterftadt zu, danken. Jenes Verfprechen der Enter 
aeceptierten die Frankfurter im April 1672 bejtens unter der, nach dem 
Vorausgegangenen leicht erflärlichen, Vorausſetzung, daß die Thaten der 
Endter auch ihren Worten entjprechen würden. 

Inzwiſchen hatte die einmal angeregte Sache von Wien aus ihren 
Fortgang genommen. Behufs Betreibung der Aufftellung einer allge- 
meinen Büchertarorpnung war abermals eine außerordentliche Kommiffion 
ernannt worden, deren Mitglieder wieder Hünefeld und Arbogajt waren. 
In der faiferlichen Antwort an den frankfurter Rat auf feine Eingabe 
vom 3. Januar 1671, datiert vom 13. April, wurde jener angewieſen, 
jeine Buchhändler anzuhalten, ſich auf erfolgte Notififation hin vor dieſer 
Kommiffion einzufinden und derſelben in allem ſchuldigſt nachzuleben. 
Sie nahm auch ihre Ihätigfeit in der Faftenmeffe 1671, die von 155 
Firmen (einjchlieflich der Frankfurter) — darunter 15 Niederländer, 4 
Franzoſen, 10 Schweizer und 2 Dünen — gebaut wurde, in der That auf. 

Nah dem Protokoll vom 14. April (wohl alten Stils) waren die 
meisten Buchhändler erſchienen, die Holländer fehlten aber ganz. Uffen— 
bach, der Rechtsbeiftand der Frankfurter, erklärte, feine Kommittenten 
jeien noch immer ver Meinung, „daß fein durchgehender Büchertar prac- 
tteirlich fei“, während von andern Anweſenden, jpeziell von ven fülner 
und ſächſiſchen Buchhändlern — von diejen fir ſich und die übrigen 
Sachſen — dem widerſprochen und die Büchertare als durchführbar be- 
zeichnet wurbe. 

Jedenfalls durch Bejorgniffe für den Beſtand der Meſſe bewogen, 
juchte der Rat den weitern Fortgang der Verhandlungen am 17. April 


Kapitel.) Andauernder Widerjtand der Frankfurter und Ausländer. 711 


durch einen Proteft zu hindern. Sich an Formalien klammernd, wollte 
er erſt jett, jedoch nicht durch fchriftliche Mitteilung, vernommen haben, 
daß die faijerlichen Commissarii eine anberweite Kommiſſion erhalten 
haben jollten: dahin zu jehen, wie bei jetziger Meſſe von ven frankfurter 
und dahin negociierenden Buchhändlern eine gewiffe Taxordnung ver- 
glihen und dadurch ver Buchhandel möglichit retabliert werde. Be— 
fanntlich aber hätten jchon vor zwei Jahren die Buchhändler einmütig 
dafür gehalten, und mit Gründen ausgeführt, daß ein jolches Werk un: 
praftizierlich jei, wider ihre freie Handlung und die Mehfreiheiten liefe. 
Sie hätten ſich auch bereits vor zwei Jahren über alle Punkte, welche 
im Buchhandel Konfufion und anderes verurjacht haben follten, ver- 
lichen, mit Ausnahme der Frage der Büchertare. Dieje Sache jchwebe 
bei Kaifer und Neichshofrat und würde der Nat bei dem Kaiſer 
Proteft und Bejchwerde erheben, fall® die Kommiffion jo fortführe. 
Die Kommiffare beantworteten dieſen Einſpruch jofort durch den Rats— 
boten: e8 handle fih um gar feine neue Kommiffion, jondern um bie 
Fortſetzung der alten; der Rat möge nur feine Buchhändler anhalten, 
fich dem faiferlihen Willen zu fügen. Gleichzeitig übergab Zacharias 
Uffenbah im Namen ver frankffurter Buchhändler die abermalige jehrift- 
fihe Erflärung: fie könnten nun einmal nicht finden, daß in biefer 
freien Meffe unter allen Buchhändlern Europas, welche hier negociierten, 
eine allgemeine Taxordnung praftifabel ſei, „hingegen fie aber wohl dieſes 
jeheten, daß hierdurch viel privati nothwendig laedirt, die negotien ge- 
iperrt, herrliche Tractatus gehindert” und die Meſſe zerftört werben müßte. 

Beveutjamer war die Eingabe der zur Meſſe anweſenden Nieder: 
länder. Sie wollten ſich durch vergleichen Vorladungen nicht bemühen 
und fich neuerdings einjchränten lafjen, jondern begehrten auch ferner den 
Genuß freier Handlung und freier Meffe, wiorigenfalls fie ihre Hand— 
(ung in die franffurter Meffen nicht Fontinuieren fünnten. Ihnen 
folgten am 25. April mit einem faft wörtlich gleichlautenden Proteft 
Arnaud und Borde von Lyon, Yeonard und Pierre Chouet von Genf, 
Antoine Lamy von Paris, Laurent Aubin von Lyon, Jean Antoine de 
Tournes, Samuel de Tournes und Johann Hermann Wiederhold von 
Genf, Catharina Braffart und Johann Buſaei Witwe von Köln. 
Ebenjo protejtierten am 27. April 18 franffurter und 57 fremde beutjche 
Buchhändler gegen eine Tare. 


112 Vorgänge in Frankfurt im Frühjahr 1671. [Behntes 


Dagegen erichienen an demfelben Tage Thomas Henrich Hauenftein 
von Hannover, Johann Friedrich Endter von Nürnberg, Elert Schu: 
macher von Wittenberg, Johann Eberhard Zetner von Straßburg, 
Georg Wolff von Hamburg, Michael Volk von Yübek und Alerander 
Harttung von Wien, für ſich und im angeblichen Auftrage der in gegen- 
wärtiger Meſſe fich befindenden fremden Buchhändler, um ein von ven- 
jelben unterjchriebenes Memorial und eine Erflärung des Inhaltes vor- 
zulegen, daR fie eine Taxordnung jo gar unmöglich nicht, jondern leicht 
ins Werf zu jeken erachteten; fie büten aber um einen Termin von 
Sahresfrift, um in ihren Orten, Provinzen und Streifen fich brieflich zu 
beraten, die ergangenen Gutachten zu fonferieren und endlich ihre aus- 
gebrachte einhellige Meinung, wie der Sache abzubelfen, ver Kommiſſion 
zu notifizieren. 

So konnte denn in einem fpätern Berichte Hünefeld dem Kaiſer 
einigermaßen glaubhaft mitteilen, daß faft alle in die Meffe negociteren- 
den fremden Buchhändler, „yedoch die Holländijch- vnd franzöfiiche aus- 
geſchloſſen, welche ohngezweiffelt auf eingenohmmener übeln information 
nicht einmahl der Kayſerl. Commission ſich submittiren oder darbey 
einfinden wollen‘, einverftanden fjeien und nur um Friſt zur Bera— 
tung bäten. 

Noch einmal, unter vem 21. Mat 1671, machte ver Kat ven Ber: 
juch die Tare durch jeine Vorftellungen abzuwenven. Er berichtete an 
den Kaifer, die Kommiſſion babe, ohne ihm, dem Rate, Mitteilung zu 
machen, ſchon in der erjten Meftwoche fremde und einbeimijche Buch— 
händler vor ſich bejchieden une mit ihnen wegen Anordnung einer ge 
wiffen Büchertare verhandelt. Der Rat refapitulierte den Inhalt ver 
eben erwähnten Protefte, wies auf die Tragweite der Grflürung der 
außerdeutichen Buchhändler hin und betonte namentlich, daR eine gegen- 
teilige Cingabe feinesweges von der Mehrzahl ver Buchhändler, viel- 
mehr allein von wenig Perjonen, dem Alerander Harttung und den 
beiden Endtern, zur Förderung ihrer Privatvorteile ausgegangen jet. 
Aber wie gewöhnlich hatte diefe Eingabe feinen Erfolg; die Büchertaxe 
wurde eben in Wien als Stedenpferd geritten. Ilnter dem 24. Auguft 
wurde Hünefeld trog der Intervention des Rates angewiejen, diejenigen 
Buchhändler, welche fih für die Tare erklärt hätten, nächte Oſtermeſſe 
ihre Borjchläge einbringen zu laffen. 


Kapitel.] Erneuerte Borftellungen des Rats im September 1671. 713 


Einen letten Verſuch am wiener Hofe machte ver Rat am 30. Sep- 
tember. Die frankfurter Buchhändler hatten abermals einen ſummari— 
ichen, jedoch gründlichen Bericht eingeſchickt, deſſen Wortlaut fich leider 
nicht bei den Akten befindet. Alexander Harttung hätte zwar feine ur- 
jprüngliche Eingabe im Namen jämtlicher Buchhändler eingereicht, die 
Einfichtnahme in jeine Vollmacht habe aber ergeben, daß in fine nur 
von zehn Buchhändlern im eigenen und von zwei andern in anderer Namen 
unterjchrieben gewejen jet. Nach Inhalt des Ratsjchreibens hatte man 
ſich namentlich darauf geftügt, „daß der Buchhandel im Neich faft zu 
Boden gejunfen jeye und derowegen restablirung bevörffe. Es bezeugen | 
aber die Reichdnotorietät und infonderheit die Yeipziger, Straßburger 
und Frandfurter Mefjen, daß der Buchhandel bey jetigen Friedenszeiten 
in einem weit beſſern Zuftandt jeye, weder er bey vorigen Kriegszeiten 
gewejen, ja daß er im ſolchem Flor jtehe, daß jeverman von Büchern, 
was Ihnen beliebet, vmb einen billigen Preiß, wann er fie vmb baar 
geldt kaufen und mit Bücher gegen Bücher taufchen over techn will, wie 
fie Buchhändler unter fich im Brauch haben und folcher geitalt ihre 
meifte Handlung verrichten, befommen fan“. Den etwa vorhandenen 
Übelſtänden fei durch den 1669 abgejchloffenen Vergleich abgeholfen wor- 
den. Obſchon nun die Sache damit eigentlich abgethan gewejen wäre, 
jo hätte doch die Heine Zahl der Anftifter die kaiſerliche Kommiffion für 
Aufftellung einer Tare zu fontinuieren gejucht. Aber Harttung und die 
Enter hätten fein Mittel vorjchlagen fönnen, auf welche Weije eine 
ſolche Taxordnung einzurichten fei; troßdem hätte die Kommiffion in der 
letzten Herbſtmeſſe die Buchhändler abermals zufammengefordert und 
inquietiert, eine Bemerkung für welche fich fein Beleg in den Akten 
findet. Nach wiederholter Bezugnahme auf die Eingabe der nieder: 
ländifchen, franzöfifchen und anderer Buchhändler fährt ver Nat dann 
fort: „Gleichfalß ift Teichtlich die Rechnung zu machen, daß die Schweiger, 
Italiener, Dähnen, Schweden, Königliche Poln-Preußiſche Buchhänd— 
(er ſich hinkünftig von den beharrenden Kayſerlichen Kommiſſionen nicht, 
noch viel weniger einer Anordnung eines allgemeinen Büchertaxes unter 
werffen und Ihre Freyheiten dergeſtalten einſchränken laſſen, ſondern in 
eventum auch lieber hieſige Meſſen quittiren werden. Nicht weniger 
ift zur bejorgen, daß auch andere im Reich, vorab in Ober: und Nieder: 
jachjen gejejfene Buchhändler mit dem vorhabenden Büchertar nit zu: 


714 Klägliher Ausgang der ganzen Frage. [Zehntes 


frieden fein und beromegen Ihre Handlungen nach Leipzig, allwo fie jo: 
wohl mit Kayſerlichen Commissionen als auch dem Büchertar etwa 
verfchonet bleiben dörfften, transferiren mögten. Darzu alle obermelte 
Buchhändler umb jo viel mehr anmgefrifchet werben, dieweil ohne dem 
auch Euer Kayſerl. Mt. Biiher-Commissarius Sperling extra et con- 
tra limites officii mancherley Irrung im Buchhandel verurjacht.” 
Dann würden nicht nur die Häufer jehr vieler franffurter Bürger, die 
in den dem Buchhandel gewidmeten Gaffen gelegen, entwertet, jondern 
auch der Stadt Renten und Einfünfte derart gejchmälert werben, daß — 
das immer wiederkehrende Argument — der Stadt dann die Reichsanlagen 
und andere Lajten zu tragen unmöglich fallen würde. Auch wäre zu 
beforgen, daß andere Handelszweige dem Beiſpiele folgen und die Meffen 
vollends zu nichte gemacht werben bürften. Ebenſo fünnte e8 dem bono 
literario nicht zuträglich fein, wenn die fremden Buchhändler twegblieben 
und man ihre Bücher bei ihnen abholen laffen müßte, „und müßte man 
doch darbey ihr Liedlein fingen und die Bücher nach ihrem Anfchlag be- 
zahlen“. Deshalb bittet ver Rat dringend, zugleich für die jümtlichen 
franffurter Buchhändler, von der Büchertare abzujehen „und es bey 
deme unter ihnen Buchhändlern vormahls unanimo consensu placi- 
tirten und verglichenen puncten bewenden zu laſſen“. 

Sicherlich würde auch dieje Eingabe, wie die frühern, ohne Erfolg 
geblieben fein, wenn die Sache nicht bald von ſelbſt ein Hägliches Ende 
genommen hätte, Am 22. April 1672 mußte Hünefeld dem Kaiſer be: 
richten: obgleich in ber laufenden Oftermeffe jüntliche anweſende Buch: 
händler auf einen gewiffen Tag und Stunde vorbejchieden worden wären, 
um ihre Vorjchläge zu machen, ſei einzig und allein Wilhelm Serlin 
von Frankfurt, und zwar mit einer unbejcheinigten Vollmacht der übrigen 
dortigen Buchhändler, erjehienen und habe erklärt, daß fie aus oft er: 
wähnten Urjachen noch der Meinung jeien, daß feine durchgehende Bücher: 
tare praftizierlich, „jondern eine pur lautere Ohnmöglichkeit“ ſei. Das 
war der Flägliche, ja heitere Abjchluß einer Epifode, die jahrelang Be- 
unruhigung und Unbehagen in die Reihen des Buchhandels getragen 
hatte. Der Anfturm auf den zur Zeit noch führenden Vorort des Buch— 
handel8 war abgejchlagen. 

Aber nicht für lange Zeit. Denn die orbentliche Bücherkommiſſion 
hatte auch während des Beftchens der auferordentlichen Kommiſſionen 


Kapitel.) Fortgang der Berationen jeitens der ordentlichen Bücherfommilfion. 715 


ihre unbeilvolle Thätigkeit fortgejeßt und wenige Jahrzehnte danach 
waren die franffurter Biüchermefjen zu Grunde gerichtet. 

Am 16. Juli 1661 war ja, wie ſchon berichtet, Georg Frieprich Sper- 
fing vom Kaifer zum Adjunkten des bisherigen Bücherfommiffars Hörnigk 
ernannt worden, mit der Beitimmung deſſen künftiger Nachfolger zu wer: 
den, „weil daſelbſt eine Zeit her jolche Umorpnungen und Nachläjfigfeiten 
verjpürt worden“. Im Jahre 1667 jtarb Hörnigk und damit begann, 
wie ſchon früher angedeutet, die ſchlimmſte Zeit für den Buchhandel. 
Wiederholter Einbruch in die Gerechtjame des Rats, willfürliche Maß— 
regelungen der Buchhändler, Herabdrückung der evangeliſch-theologiſchen 
Yitteratur faft bis zur Kechtlofigfeit kennzeichnen das gewaltthätige und 
maßloje Vorgehen Sperlings, aus deſſen Amtsthätigkeit nur einzelne 
Beijpiele berausgehoben werden fünnen. 

Wie rückſichtslos er die Einlieferung der Pflichteremplare betrieb, it 
jhon weiter oben im Zuſammenhange mit der Behandlung ver ganzen 
frage berichtet worden. Wie veratorisch das Verfahren dabei von nun ab 
war, dafür jei nachträglich nur noch als Beijpiel angeführt, daß in der 
Herbſtmeſſe 1685 — allerdings jchon unter dem Amtsnachfolger Sper- 
lings — der Waesbergiche Bediente aus Amſterdam befragt wurbe, ob 
er nichts Neues im Drud babe; vergangene Oftermefje jet etwas heraus— 
gefommen, aber nicht in den Katalog gebracht worden. Er erhielt einen 
jcharfen Verweis und wurde ermahnt, von allem, was er im diejem 
Jahre gebrudt und aus dem Meßtkataloge ausgelaffen, die gehörigen 
Exemplare zu entrichten. Die Holländer liegen eben ſchon ihre Bücher 
meist nicht mehr in den Katalog aufnehmen, um die jehuldigen Exem— 
plare nicht liefern zu müſſen, fie, „welche doch gemeiniglich die beiten 
Bücher in die Meffe bringen“. 

Fruchtlos war e8 natürlich auch jet, daß fich der Nat infolge ver fort- 
währenden Bejchwerven der Buchhändler gelegentlich zu Vorſtellungen er: 
mannte. Schon am 25. Februar 1686 hatte er in jeinem Verantwortungs- 
jchreiben an den Kaiſer — 08 erging in Beranlaffung dev ihm gemachten 
icharfen Vorwürfe, die den neuen Angriff vom 25. Oftober 1685 auf feine 
Hoheitsrechte bezüglich der Herausgabe und Cenſur des Meßkataloges 
und ber Gerichtsbarkeit in Preffachen begründen jollten — bejorglich 
und warnend darauf bingewiejen, daß wenn von feiten der Bücherkom— 
miffion in dieſer und anderer Beziehung „je stricte verfahren werden 


716 Langſamer Verfall der franffurter Büchermefle. [Zebntes 


jolte, Sie (vie Buchhändler) biefiger Meß Freyheiten gar nichts, oder wenig 
genieken fönnten, fondern gemüßiget wirdten, Ihre Bücher an andern 
orth zu ſchicken, allwo Sie jelbige wider Ihren willen nicht anzeigen undt 
in Cathalogum bringen laffen, auch feine Exemplaria und Frachtkoften 
von felbigen geben vörfften, noch jonderliche Confiscationen zu bejorgen 
hetten“, fie auch feine „„urjach haben mügen, von biefigen Meßen abzu- 
bauen und Ihre Handlung anderft wohin zu transferiren, womit €. 
K. M. interesse und dann unfere befreyte Meße (fo ohne dem bev 
diefen vorgewejenen Kriegszeiten in merdlichen abgang geraten) nachtbeil 
undt Schaden verhüttet werden und bfeiben können“. In ganz ähnlicher 
Weiſe wie der Rat ferner am 26. Juli 1690 darauf bin, daß die 
Venezianer ſchon 1608 und nachher andere Ausländer mehr erklärt hätten, 
daß fie die von ihren großen und foftbaren Büchern geforberten Erem: 
plare nicht geben fünnten und wollten, — daß die Holländer fich alle 
Meffen dariiber beſchwerten und fich ſchon jeit längerer Zeit dahin ver- 
nehmen ließen, wenn barauf beharrt werden follte, würden fie ebenfalls 
die Meſſen gänzlich quittieren, und fich anderswohin wenden, wo fie der: 
artigen Bejchwerden und Laften nicht unterworfen wären. Die Antwort 
gab gewiffermaßen die Faiferliche Verordnung vom 7. Februar 1693: 
die Bücherkommiſſion jolle von allen Buchführern die Duittungen über 
die Pieferung ihrer feit zehn Jahren gedruckten privilegierten Bücher 
vorlegen — ein Berlangen, dem natürlich gar nicht mehr nachzufom- 
men war. 

Mit dem herannahenden Schluß des 17. Jahrhunderts nebmen, wie 
jich hieraus deutlich genug ergiebt, dieje Andeutungen und Drobungen 
der fremden Buchhändler eine immer fejtere Geſtalt an; die fich in feinen 
Remonftrationen ausprägende gejteigerte Ängſtlichkeit des Frankfurter 
Rates zeigt, daR dieſe Drohungen fich bereits zum Zeil verwirklicht 
hatten und daß feine ftolze Zumerfichtlichkeit auf die umerjchütterbare 
Stellung feiner Biüchermefjen jtarf ins Wanfen gefommen war. Cs it 
dies feinem am 15. Februar 1696 an den Kaiſer gerichteten Schreiben 
zu entnehmen. „Nechſtdem“, heißt es darin, „können Ew. Kayſ. Mabt. 
Alfergehorjambft vorzutragen, wir feinen vmbgang nehmen, welcher ge 
italten, der vor dieſem allbier in höchſtem flor gejtandene Buchhanvel 
durch eingeführte, verſchiedene beſchwerde bey vemjelben (alß daß von 
benn privilegirten Büchern anftatt ver vormahligen drey over vier 


Kapitel.) Steigerung der Anzeichen diejes Verfalls. 717 


Exemplaria iezo Sieben jampt denn Verichietungsohnfoften und von 
denn in den Mefentlichen Cathalogum librorum fommenben Büchern, 
die doch vor dem Teutſchen dreyßigjährigen Krieg ganz frey gewejen, 
zwey Exemplaria eingefordert werben) fat gänzlich darnieder Tiege, 
vnd daß mehr gedachte Herrn Commissarij von denen Jenigen ohn- 
privilegirten Büchern, welche nicht in den Cathalogum librorum ge- 
jet werden, nicht der wenigerd auch zwey exemplaria annoch abgeftattet 
haben wollen, wozu Sie Buchführer aber als eine ganz neue Bejchwe- 
rung bis iezo jich nicht verjtanden, jondern dabey fich entſchuldiget haben; 
Obwohlen nun jolches als eine nicht viel auf ſich habende Sach ange- 
jehen werden möchte, jo wird doch dieſe fernere Beſchwerung denen 
Buchhändlern zum äußerten jehaden, jowohl als zum endlichen ruin 
des allbier noch vorhandenen wenigen Buchhandels gereichen, 
wann jolche annoch eingeführt werden jolte, indeme die große tractaten 
vnd Bücher hoch in das gelt lauffen, und ein Buchhändler offtmahlen 
von dergleichen tractaten nur zwey oder drey Exemplaria vnd zwar 
auf fernen und wohl gar auß frembden Yanden anhero bringet, dahero 
Sie Buchhändler, und zumahlen die aufländifche, alßdann von biefigen 
Mepen ehe gänzlich abzubauen, und an andern orth vnd nach Yeipzig, 
allwo Sie diejer gifft nicht unterworfen, fich zu ziehen bewogen werden 
ehe Sie ſolche ober fich ergehen laſſen würden.‘ 

Aber in der Hofburg hatte man taube Obren für dieje immer be- 
denflicher werdenden Andeutungen, fein Auge für den immer fichtbarer 
werdenden Verfall der franffurter und für das fteigende Übergewicht ver 
leipziger Meſſe. Man fcheute jelbjt vor Gewaltmaßregeln nicht zurüd, 
Am 1. Mai 1696 jchlug das Bücherkommiſſariat — damals der faijer- 
liche Fisfal Franz Erasmus von Emmerich, der Bücherfommiffar Kajpar 
Bollmar und deffen Subjtitut Herm. Andr. Hohfeldt — dem Kaiſer 
gar vor, die Holländer, die zu Waffer nach Frankfurt zu fommen pflegten 
und fich zur Yieferung der jchuldigen Eremplare nicht verſtehen wollten, 
mittelft Grefutionsedifts an den Kurfürſten von Mainz daſelbſt in 
Perjon, oder doch ihre Effekten anhalten zu laſſen, da fie in Frankfurt 
jo leicht feine Erefution zu befahren hätten. 

Das bequemfte Hilfsmittel, um behufs Grlangung der gewinjchten 
Pflichteremplare Kenntnis von allen neuen Erſcheinungen zu erlangen, 
war natürlich der Meßkatalog; auf ihn hatte die Bücherkommiſſion des- 


7118 Neue Attentate auf den Meßlatalog. [Zehntes 


halb fortdauernd ein jcharfes Augenmerf. Sperling nahm die alten Ver- 
juche, dem Rate die Redaktion des Katalogs zu entwinden und der Bücher- 
fommijjion zuzumenven, mit jeiner ganzen Unverſchämtheit wieder auf. 
Schon am 25. Dezember 1678 beantragt er wieder einmal bei dem Staijer, 
daß die Titel für den Mehfatalog wegen Mißbräuchen, Fehlern une 
Unordnungen, welche bei der frankfurter Gerichtsjchreiberei im „Setzen 
der Bücher, jo in den Catalogis heraustommen“, künftig nicht mehr dem 
Ratsſchreiber, jondern ihm eingeliefert werden jollten. Man babe Bücher 
als erſchienen verzeichnet, welche von den Buchführern nicht an die Bü— 
cherfommijfion geliefert worden wären, und als fünftig erjcheinende jolche, 
die gleichwohl bereits verkauft würden. Dann jtehe bei vielen Büchern 
im Kataloge: apud authorem, ohne Angabe der Verkäufer, wodurch 
der faiferlichen Bibliothek fein geringer Abbruch, und zwar vorjäglic, 
zugefügt werde. Dieſe Infinuation trug auch ihre Früchte; am 25. Of 
tober 1685 wurde von Wien aus neuerdings der Verjuch gemacht, ver 
Bücherkommiſſion die Herausgabe des Meßkatalogs und die Cenſur über 
denjelben zuzumweijen. Kaum vermochte der franffurter Rat — und mur 
mit Unterftügung des Corpus Evangelicorum — ven berrijchen An- 
dringen durch eine Verordnung an die Buchhändler, die ein jehnelleres 
Gricheinen des Mepfatalogs herbeiführen jollte, auszuweichen. 

Und dabei umfleiveten fich dieje meijt in rein fiskaliſchem Intereſſe 
ergebenden Maßnahmen mit dem jcheinheiligen Deckmantel väterlicher 
Fürforge für das Wohl des Buchhandels! So wurde am 2. Mat 1685 
dem verjammelten Ausjchuffe der Buchhändler vom Reichsfiskal u. a. 
vorgetragen, fie möchten zujammentreten, ihre Einwendungen (gegen 
frühere faiferliche Manpate), „befindende Gravamina und Nothourften“ 
eingeben, um venjelben jo viel als möglich abhelfen und ven Buchhandel ver- 
maleinjt „in beper Ordnung und erwünjchte Aufnahme‘ bringen zu können. 
Die in dem Buchhandel eingeriffenen Unordnungen und Betrügereien 
fünen baher, daß der Meßtkatalog nicht zu rechter Zeit verfertigt, die 
Buchhändler die Bücher dem Rate oder Stadtjchreiber und nicht, wie 
es doch „mutmaßlich“ ſein jollte, bei dem faijerlichen Bücherkommiſſa— 
riatsamt angäben, und dann die Exekution vom Rate verzögert würde. 
Der Rat dagegen wurde bedeutet, wegen des Katalogs künftig beſſer 
Aufſicht zu führen, denſelben zeitiger zu expedieren, keins der Bücher 
ohne des Buchführers, Verlegers oder Verkäufers Offizin- und Hauſes— 


Kapitel.] Sceinbare Fürjorge der Reichsregierung für den Buchhander. 719 


namen in jelbigen jegen zu laffen, wie nicht weniger Schmäh-, Famos— 
und ſtandalöſe Schriften nicht bineinzubringen. 

Ebenjo fann man es faum anders als ein jcheinheiliges Gebaren 
nennen, wenn in dem faijerlichen Patent vom 25. Dftober 1685, das 
ih an „Al und jede in und außer des Heyl. Röm. Reichs gejeßene 
Buchführer, welche die Frankfurter Meſſen bejuchen, oder ſonſt Ihre 
Bücher auf des Heyl. Röm. Reichs Boden verhandeln, wie auch alle 
die, jo fich zum Buchtrud und Handeln in eigene Weis oder weg ge- 
prauchen laßen‘ wendet, gegen den Nachdruck überhaupt, nicht bloß 
gegen den Nachdruck privilegierter Bücher, geeifert wird, nämlich gegen 
die Übelthäter, welche „einer dem andern fein von (Vnso) Privilegirt 
oder aber vom Authore mit Köften erhandeltes Buch, zu deßen 
äußersten jehaden und verderben, frevelmüthig nachzutruden“ fich unter- 
jtänden. Dieje offene VBervammung des Nachdruds im allgemeinen war 
jwar nur eine leere Phraſe, denn gehandelt wurde ihr entiprechend nicht, 
ebenjo wenig wie jeitens der kurſächſiſchen Regierung, die im ihrem 
Generale vom 27. Februar 1686 natürlich mit einer gleichartigen Ver— 
dammung des Nachdrucks hinterdrein hinkte; aber fie wurde gejchidt, 
gleichjan als Reklame für die doch wäterliche Fürjorge der Neichsregie- 
rung, zu verwerten gejucht, wie 3. B. in einem Anterzejfionsjchreiben 
Vollmars an die leipziger Bücherfommiffion bei Gelegenheit eines Nach- 
drudsjtreites. 

Gegen die Neuerung wenigjtens, wonach ſelbſt das Gejchäftslofal 
im Meffataloge angegeben werden jollte, machte der ſchwache Nat übri- 
gend doch eine Einwendung. „Daß ein Jeder Verleger‘, läßt er fich ver- 
nehmen, „jeinen Nahmen bey zufegen gehalten werde, Läft jich wohl thun, 
allein wann die officin und behauſung jollte varbey benahmt werben, 
wo ein Jever Buchhändfer anzutreffen, wirde ver Catalogus nicht allein 
zu weithläuffig fallen, jondern fich auch ſchwerlich practiciren laſſen, 
dann die meiften Buchhändler kommen erftlich zu Außgang der Erjten 
Meßwochen alihier an, Theils haben Zwahr ihre bejtändige Läden, 
Theils Kammern in die Häufer, allein Changiren jelbige zum öffteren, 
auch noch wohl in der Me, Theils frembde, jo wohl gar noch nicht hier 
gewehen, wißen noch Kein logiment, und müßen ſich erſtlich nach einer 
gelegenheit umbjehen, Können aljo unmöglich vorher jagen, wenn ber 
Catalogus jo zeitlich verfertiget wird, wo fie Ihre officinen haben und 


720 Herriiches Auftreten des Bücherkommiſſars Sperling. Zehntes 


anzutreffen. Wann auch“, führt das Ratsſchreiben fort, „jo gar Striete 
auff dergleichen gehalten würde, jo werden die wenigſte Bücher fünftig 
in den hiefigen Catalogum fommen, jondern die meilten und Zwahr 
Koftbahrjten gar darauf pleiben, und im den Leipziger Catalogum ge 
bracht werden, umb jo viel deito mehr, weillen daſelbſten fein Eremplar 
und unfoften börffen gegeben werden, dahingegen allhier zwey, nehm: 
lichen eins an Kay. Hoff mitt erlegung drey Baten vom A Fracht, 
und eins an Chur Mayntz, Jedoch diejes chne Bezahlung der Fracht 
(Berjtehe von unprivilegirten Büchern) müßen geben und Zahlt werden.“ 

Mit Eigenmächtigfeiten und Fleinlichen Chikanen war Sperling glei 
vom Beginn feiner Amtsführung an vorgegangen. So nahm er 1663 
vom Rate fonfiszierte und unter Verſchluß gelegte Bücher, trog Pro 
teftes des Rats an ich; den ZTitelbogen des Herbitmeßfataloges von 
1669 befahl er umzudruden, weil darin die Überſchrift: „Libri Ponti- 
ficiorum‘ umd nicht, wie das bisher gewöhnlich: „Libri Catholico- 
rum“ lautete. Übergriffe Sperlings, Störungen des Gejchäftsbetriebs 
durch ihm und Protejte des Rats, die natürlich immer erfolglos blieben, 
jtehen von da ab auf der Tagesorbnung. Im Jahre 1669 nimmt 
Sperling, wie bereits oben berichtet, dem ſtraßburger Buchhändler An 
dreas Dolbopf die Tafelweg, welche diejer „üblichem Gebrauch nah“ 
mit den Titeln jeiner Bücher vor jeinem Yaden aufgehängt batte, 
angeblich wegen eines jfanvdalöjen und ärgerlichen, d. h. protejtantt: 
ſchen Buchs. So inguiriert ev ferner im der Faſtenmeſſe 107% 
nach Urjprungsort und Bezugsquelle des Traftätleins: „Alt- und neuer 
treuberziger und tiefgefinnter franzmanntjcher Politicus“. Bon einigen 
vorgeforderten Buchhändlern brachte er heraus, fie hätten es von Georg 
Sonleitner (von Bern?) gekauft. Da aber Hermbstorff, „ver Ne 
Commission über Sonleitners Dandlung bat“, Autor und Druder nit 
angeben fonnte und Sonleitner nicht zur damaligen Meſſe gekommen 
war, jo machte Sperling furzen Prozeß und ließ Hermbstorff in eigen: 
mächtigjter Weije jcharf anbefehlen, „daß er dieje Meſſe des Sonleitners 
Yaden mit öffnen oder etwas von jeinen Büchern verhandeln joll, biß 
Ihro Röm. Kay. Mt. in ver Sachen ferner allergnädigit resolvirt 
haben und er fünftig jelbft anhero kommen würde‘. Von einem freien 
Meßverkehr konnte da nicht mehr die Rede jein! 

Der frankfurter Nat war ja längſt zur Ohnmacht beraßgeprüdt; 


Kapitel.) Heftiger Konflift des Rats mit Sperling 1678. 121 


über papierne Protefte ging er nicht mehr hinaus. Nur einmal kam es 
zwiſchen ihm und Sperling zu einem jchärfern Konflikt, als endlich das 
protejtantijche Gewiſſen des Rats gegen des lettern ſyſtematiſche Unter- 
drüdung der protejtantiichen polemifchen Yitteratur, als angeblicher 
Schmähſchriften, und gegen jeine Beſchützung der entſprechenden fatho- 
lijchen aufbäumte. Im der Herbitmejfe 1678 hatte der Rat 300 Erem- 
plare einer bei Johann Wiedenfelots Erben in Köln erjchienenen katholischen 
Schmäbjchrift: „Ephemerides over furke Jahr- und Taggejchichte von 
Auff- und Untergang des Lutheriſchen Erften Evangelii von G. W. 
Philo-Germano“ fonfisziert und den weiteren Vertrieb unterjagt. Sper- 
ling war dreiſt und unverſchämt genug, die Herausgabe der Eremplarc 
zu verlangen; fie wurde verweigert, weil der Traftat lauter anzügliche 
Schmähſchriften und Sachen enthalte, e8 auch nach Neichsfapitulation 
und Abjchiev jeder Ortsobrigfeit gebühre, vergleichen Schartefen zu ver- 
bieten und einzuziehen. Übrigens aber, und weil dem Herrn Commis- 
sario mit Weitläufigfeit gedient fei, werde der Nat jolches nicht allein 
vem faijerlichen Reichshofrat, ſondern auch den jümtlichen Ständen des 
Reichs zu Regensburg binterbringen. Dbgleih das Pamphlet anonym 
erjchienen und ſchon deshalb der Reichspreßordnung gemäß jtrafbar war, 
nahm Sperling doch feinen Anftand, bei dem Kaiſer unter dem 26. Fe— 
bruar 1679 bitter Bejchwerve zur führen. Der Rat habe entgegen ver 
fatjerlichen Bücherfommijfion „ganz vermejjentlich und höchſt jtrafbar- 
lichſt“ das Buch fkonfisziert. Wenn nun die Nonfisfation der Bücher 
dem faijerlichen Biücheramt immediate allzeit gebührt habe — reiche- 
gejetlich aber war fie Sache des Rats! — auch der Rat vor vielen 
Jahren und bis in die neueſte Zeit antikatholiiche Schriften habe öffent— 
(ih und unbeanftandet verfaufen laffen, jo rufe er, Sperling, des Kaijers 
Hilfe „nieend und in tieffter Demuth“ an und bitte inftindigft, ven 
Rat wegen begangenen höchſt unverantwortlichen, freventlichiten Exceſſes 
abzuftrafen und daß der Magiftrat die fonfiszierten Bücher alsbald in 
das Bücerfommifjariat einliefere, dem Buchführer ven erlittenen Scha— 
den vergite und ſich dergleichen „Erorbitanzen und freventlichiter Atten- 
tate, jo ihrer Gewohnheit nach fie fich gebrauchen, zu ewigen Zeiten 
enthalte und das kaiſerliche Bücher-Commiſſariat unbeſchimpft und un- 
molejtirt laſſe, per mandatum poenale anzubefehlen, und more con- 
Kapp. I. 46 


122 Einjchreiten der Evangeliſchen Neichsjtände. [Zehntes 


sueto ſich contumax erzeigen jollte, die Erecution dem Churfürjten von 
Maink an die Hand zu geben‘, 

Sperling hatte eigentlih nur im Geifte feiner Inftruftionen ges 
handelt; er wußte jehr wohl, daß er ſich durch Herbeiführung derartiger 
Konflikte in Wien zu einer Persona gratissima machte. Man hatte 
dann Gelegenheit, den franffurter Rat — ohne den fonfreten Fall 
überhaupt näher zu erörtern — in hohem und jtrengem Tone abju- 
fanzeln und ihn noch weiter in jeinen Gerechtjamen zu bejchränfen. Der 
Verſuch wurde auch diesmal gemacht. Der Kaiſer erließ unter dem 
6. März 1679 ein geharniſchtes Rejfript an ven Kat; bei Vermeidung 
fchärferer Anordnung wird ihm fernerhin jede Konfiskation ernſtlich 
unterjagt. 

Aber diesmal entwidelte jich die Sache denn doch etwas anders. 
Der Rat wandte ji in der That an den Konvent der Cvangelifchen 
Reichsſtände zu Regensburg; e8 war auch nicht das erjte mal, daß dies 
geſchah. Schon einmal, am 6. Dezember 1669, hatte das Corpus 
Evangelicorum gegen das gewaltjame Einjchreiten Sperlings vemon- 
jtriert, doch nur in ziemlich zaghafter Weije: man hatte fich nicht be- 
jchwert über das gewaltthätige Auftreten Sperlings überhaupt und über 
jeine Eingriffe in die Rechte eines jelbjtändigen Reichsſtandes, — nein, 
nur dagegen vemonjtrierte man, daß er einjeitig vorgebe und zielte 
zur Lahmlegung dieſes einfeitigen Vorgehens äußerſtenfalls nur auf 
eine paritätiſche Organijation der faiferlichen Bücherfommiffion ab; von 
einer eigentlichen Vertretung der Nechte des Reichsſtandes Frankfurt war 
gar nicht die Rede gewejen. Die Evangeliihen Stände hatten ſich näm— 
(ih dahin ausgedrückt, daß es „eine jehr weit ausſehende unleidentliche 
Beichwerlichkeit nach jich ziehen dörffte, wann jolche Bücher-Inspection 
allein von etwa unzeitigen Affecten und Privat-Religions-Eifer eines 
Yücher-Commissarii dependiren müßte, auch jolchen Falls, da gleich— 
wohl unter Catholifchen und Evangelifchen über gewiſſe ins Religions- 
Weſen lauffenden Angelegenheiten, wil cognoseiret und erfannt werden, 
unjern hohen Herren Principalen auch Committenten und Obern nicht 
zu werdenden noch zu verjagen jeyn würde, wann jie gebührend anjuc- 
ten und darauf bejtünvden, daß, nach ausdrücklicher Disposition ves 
Instrumenti Pacis“ — nämlich res Weftfälijchen Friedens — „bey 
Beitellung vergleichen Aemter vie Religions-Parität hinführo möchte 


Kapitel.) Geheime Beeinfluffung des ſächſiſchen Hofes. 123 


conserviret- und Dadurch dem böchitbejchwehrlichen Mißtrauen und Par- 
theylichkeit möglichit vorgefommen werden”. Derartige zahme Remon— 
jtrationen hatten natürlich feinen Eindruck zu machen vermocht. 

Diesmal ging das Corpus Evangelicorum energijcher und vor allen 
Dingen wunderbar jehnell vor. Bielleicht bot dazu der Umſtand ven An— 
laß, dag um diejelbe Zeit verjchievdene protejtantische Neichsftände jeitens 
des faijerlichen Hofes mit mehr oder weniger jcharf gehaltenen Bejchwer- 
den über mangelhaft gehandhabte Genfur und Anjchwellen ver Famos— 
Yitteratur direkt behelligt wurden; im Jahre 1681 geſchah dies förmlich 
ſyſtematiſch. Genug, ſchon am 22. April 1679 ging die Beſchwerde 
nach Wien ab; e8 wurde darin ein energijches Vorgehen des kaiſerlichen 
Fisfals gegen Johann Wiedenfeldts Erben auf Grund der Reichskon— 
jtitutionen verlangt: neben empfindlicher Strafe, Unterfagung des Be- 
triebs der Buchdruderei und des Buchhandels, und zwar um jo mehr, 
als es verlaute, daR ein Neuprud des betreffenden Werkes beabfichtigt 
werde. Und noch mehr; jevenfalld gewitigt durch die ſchon gedachten 
Behelligungen, erhoffen die Evangelifchen Stände diesmal vom Kaiſer, 
er werde auch an feinen „Biücher-Commissarium zu Srandfurt ernftlich 
rescribiren, daß er weder die Stadt Frandfurt, noch einigen Reichs— 
Stand und Obrigfeit an Bollziehung deſſen, was ihr jure Status et 
territoriali gebühret, und die Reichs-Constitutionen, wie auch Policey: 
Ordnung wegen vergleichen Confiseirung erfordern, nicht hindern, jon- 
dern vielmehr der Reichs-Ständen ihre disfalls habenden Jura unange- 
fochten lafjen werde‘. 

Bei ven Verhandlungen innerhalb des Corpus Evangelicorum 
jcheint leider Kurjachien eine etwas zweideutige, jedenfalls ebenjo wie in 
ven Jahren 1608 und 1609 eine jchwächliche Rolle gejpielt zu baben. 
War es Deferenz gegen ven fatjerlichen Hof, oder war es Ausfluß 
einer Politik, die vielleicht die Schädigung der franffurter Büchermefie 
im Intereſſe der leipziger gern jah, genug, Kurjachjen hätte allen An- 
jchein nach das Zujtandefommen dev gemeinjamen Beſchwerde gar zu 
gern verhindert, wenigftens jeine Unterjchrift verjagt. Intereſſante Ans 
deutungen gibt hierüber ein an den Kaiſer gerichteter Brief eines Abtes 
Dtto — wer er war und was er in Dresden zu ſuchen hatte, ift nicht 
erjichtlih —, datiert won da am 6. Juni 1679. Otto berichtet, daß 
die jümtlichen proteftierenden Stände bejchlofjen hätten, vurch „Gemein— 

46* 


724 > Erneutes Auftreten der Evangelischen Stände. Zehntes 


ſchreiben und Supplik“ bei dem Kaiſer einzukommen, ſich über die Sache 
zu beſchweren und um Remedierung und Einhalt ſolcher Bücher zu 
bitten. Doc ſei wegen der Subjfription, ſonderlich zwiſchen Medien. 
burg, Baden und andern, einiger Disput entjtanven. Nun babe Otto 
fich zwar sotto mano bemüht, wo nicht das ganze Werf ins Stoden 
zu bringen, jo doch dazu zu helfen, daß Kurſachſen die Zubjfription dekli— 
nieren oder davon abjtrahteren möchte; der Kurfürſt jet auch dazu ge- 
neigt geweſen, doch jet ihm, dem Briefjchreiber, von einem und andern 
vertrauten dresdener Minifter jo viel eröffnet worden, daß man zwar 
diejes Werf jo jehr am fich jelber nicht apprebendieren thäte, weil wahr 
und unleugbar wäre, daß jeitens der Protejtanten ebenfalls genugjam ge 
gen die katholische Religion gejchrieben und gedrudt würde; aber es 
fönnte ſich Kurjachien in diejem Falle der Meitunterjchrift nicht ent- 
ziehen, damit es nicht den Anjchein hätte, ala ob es mehr mit ver 
katholiſchen, als mit der proteftantiihen Seite halten wollte, dann 
aber auch das Directorium inter Protestantes bei vergleichen Fällen 
verlieren würde, was ſich Kurbrandenburg bald zu Nutzen machen 
würde, 

Jedenfalls jcheint diefes Eintreten der Evangeliſchen Reichsſtände für 
Frankfurt den Erfolg gehabt zu haben, daß in dieſem Falle Die Rechte 
des dortigen Rates nicht weiter beeinträchtigt wurden, das Konfisfatione 
recht ihm verblieb. Aber nur jeheinbar. eve Gelegenheit wurde von 
der Bücherfommijfion ergriffen, neue Cingriffe zu verjucen; und jtets 
brödelte etwas von den Rechten und von dem Anjehen des Rates ab. 
So von neuem in der Herbitmejie 1685. Der Rat hatte auf Ver: 
langen des Bücherkommiſſars Vollmar und des Neichsfisfals den bei 
Johann Philipp Richter in Bajel erjcheinenden Traftat Jobann Zwingers 
„De festo corporis Christi“, ein angeblich ärgerliches, läfterliches, james 
und jcommatiiches Buch, fonfisziert. Die Schöffen erfannten jedoch, 
daß das Buch nicht Fonfisfabel jei und gaben es zurüd. Sofort be- 
jchwerte jih Bollmar am 12. November 1685 bei dem Kaiſer, und diejer 
befiehlt jchon unter dem 28. dem Rate ernftlich, „daß, wann binfüre 
der Bicher-Commiffarius ein oder anderes Buch wieder eure Meimung 
für confiscabel halten jollte, ihr jolchenfalls die Sache zu unjerer gnä- 
digen Entſcheidung allber an den faiferlichen Hofratb berichten und in- 
mitteljt jolcbe Bücher bis zu dem Austrag in jicbere Berwahrung auf 


Kapitel.) Verhalten des ſächſiſchen Hofes dabei. 123 


behalten over aber gewärtig jein jollt, daß man fich wienrigenfalls deſſen 
unfeblbar gegen euch erheben werde“. 

Aber diejer erneute Angriff war im Grunde genommen fein ijoliert 
daſtehendes Faktum; er bildete vielmehr nur das Probeglied in einer 
zuſammenhängenden Kette von Maßregeln, welche alle bisher errungenen 
Erfolge und bis dahin gejcheiterten VBerjuche in der Bedrückung des 
frankfurter Meßverkehrs zujammenzufaffen und durchzudrücken ftrebten. 
Er hängt zufammen mit dem Erlaß des jchon angeführten faiferlichen 
Patents vom 25. Oftober 1685 in. St.), welches dem frankfurter Rut, 
jamt dem Begleitjchreiben von gleichem Datum, merhvürdiger Weije erft 
am 5. Februar 1686 (15. m. St.) behändigt wurde. Glücklicherweiſe 
waren auf Anregung des franffurter Neichstagsgejandten bereits in 
Beranlaffung des Falls mit dem Werfe Zwingerd im Schofe des 
Corpus Evangelicorum Beratungen über Schritte am faiferlichen Hofe 
im Gange, vie num ein bejchleunigteres Tempo annahmen und dem 
franffurter Nat Zeit gaben, das Drängen des faiferlichen Hofes durch 
eine ZScheinkonzejion in Sachen des Meßkatalogs vorläufig in etwas 
zu befriedigen. 

Der kurſächſiſche Geſandte, Otto Heinrich von riefen, hatte zwar 
von vornherein Das „Anmuthen‘ des Frankfurter Abgeorpneten oſtentiös 
abgelehnt, da es die Schrift eines reformierten Theologen war, welche 
den Anlaß zu dem Interceſſionsgeſuch gegeben hatte. Er wollte zumächit 
erit die andern lutherischen Reichsſtände jondieren, berichtete aber doch 
vorläufig am 17. Dezember 1685 über die Suche nach Dresden. Ob— 
jchon er nur Die von jeiten Frankfurts bevvorgehobenen bevenflichen 
Konjequenzen für vie Gerechtſame ver Reichsſtände, für die Protejtanten 
und ven „außer der Stadt Yeipzig, zu Frankfurt faſt allein floriren: 
den Bücherhandel“ referierte, ließ er doch jchen jeine eigene günstige 
Auffaffung des Geſuchs durchblicken. Dennoch berurfte es zweier wei: 
terer Berichte Frieſens vom 4. und 15. Februar 1686), bis Kurfürſt 
Johann Georg II. fich jo weit aufraffte, um jein Oberkonſiſtorium zu 
einer Begutachtung der Frage aufzufordern. Der faijerliche Hof war 
von vornherein darauf bedacht gewejen, etwa bei ihm aufjteigende Be— 
jorgnijje durch jofortige höfliche Mitteilung des Patents vom 25. DE: 
tober 1685 unter bejonperer, ja alleiniger Betonung jeiner angeblich 
nur gegen politiiche Schmäbjchriften und verbitterte Polemik gerichteten 


126 Schreiben der Evangeliichen Reichsitände vom 31. März 1656. FJehntes 


Tendenz, einzufchläfern. Johann Georg hatte auch nichts Eiligeres zu 
thun gehabt, als in gewohnter jächfifcher Weiſe mit jeinem Generale 
vom 27. Februar 1686, mutatis mutandis, einen förmlichen Abllatſch 
jenes Patentes für Sacjen zu publizieren. 

Glücklicherweiſe überging der Bericht des ſächſiſchen Oberkonſiſto— 
riums vom 25. Februar 1686 — vielleicht unter dem Eindruck, welchen 
der erſt kurz zuvor erfolgte Widerruf des Edikts von Nantes ſelbſt auf 
den verbiſſenſten Lutheraner machen mußte — den Zwiſchenfall mit dem 
Werke Zwingers, faßte nur die große Gefährdung der proteſtantiſchen 
Litteratur und des ſächſiſchen Buchhandels ins Auge und befürwortete 
deshalb die Unterſtützung des frankfurter Rats. 

Dem entſprechend fand denn endlich unter dem 31. März 1686 die 
Interceifion der Evangeliſchen Reichsſtände ftatt. Sie tritt energiſcher 
auf, ald in frühern Jahren, ja geht zu Anflagen über und zeigt, daR 
die Keflamanten infolge des immer erneuerten Andringens des kaiſer— 
lihen Hofes bedenflich geworden waren. Das KReflamationsichreiben 
zeichnet fich der Zaghaftigkeit gegenüber, welche in der Führung „Kur 
ſachſens und in den Vorjchlägen jeiner Räte unverkennbar ift, wortetlbaft 
aus. Diefe hätten am liebjten den faiferlichen Hof durch die Zuſiche— 
rung energijcher Handhabung der Genjur im eigenen Yande und bes Cr: 
laffes neuer Genjurverordnungen — durch eben jenes Generale vom 
27. Februar 1686 allein — begütigt und Frankfurt feinem Schidjal 
überlaffen. 

Das Schreiben der Evangelifchen Stände iſt für den Abſchluß ver 
hier zu ſchildernden Periode beveutfam genug, um es im jeinen weient 
lichen Teilen in extenso einzufügen: 

„Alldieweilen doc aber fonften insgemein die Cognition und Contis- 
cation der Bücher, vermög der Meich8-Constitutionen . . . . denen Stän- 
den des Reichs und jedes Drts hoher Obrigkeit zuftehet, aud) in specie 
dev zu Franckfurt bis daher guten theils alleine nod) im Röm. Reich 
Hlorirende Bücher: Handel einen nicht geringen Auftoß leiden wiirde, wenn 
auf bloßes Begehren des Bücher-Commissarii ein Bud) zu confisciren, der 
Magistrat fofort darein condescendiren, oder doch, da er widriger Meynung, 
ab executione anfangen, die Bücher verarrestiren und in Verwahrung 
nehmen, und die Sache fodann an Em. Kayſ. May. Reichs: Hof-Rath zu 
deffelben Entſcheidung berichten folte, indeme ſolchen falls wohl fein Bud) 
führer es mit feinen und zumafen denen Evangeliſchen Büchern auf eines 


Kapitel.) Schreiben der Evangeliſchen Reichsitände vom 31. März 1686, 127 


Römiſch-Catholiſchen und ſonderlich Geiftlihen Bücher -Commissarii (deffen 
Approbation beforglich fein Evangelisches scriptum finden wird) verbädhtige 
Censur, oder auf einen ungewiflen Ausgang und decisum hazardiren, wagen 
und auf mehr vorjeyenden Berluft und befchwerliche distrahirung, als ehr- 
liche Young, felbe mehr zu freiem Kauff bringen dörffte? So wirde dem 
nad zuvorderift dem gangen Evangeliſchen Weſen damit am allerweheften 
geſchehen . ... wenn über Polemica et Religionis Evangelicae Funda- 
menta ex sacro Codice darthuende seripta ein eingiger und zwar der ans 
dern Religion zugethaner Mann zu cognoseiren Macht haben, und ob ein 
oder anders folcher Bücher zu verfauffen oder zu confisciren, oder aud) mit 
in den Bücher-Catalogum, als bey welchem fi biß daher noch von feinen 
der vorigen Bücher-Commissariorum etwas angemaffet worden, zu bringen 
von jeinem ob diversitatem Religionis nicht wenig suspecten deciso de— 
pendiren ſolte. Weilen nun gleichwohl die Reichs-Constitutiones und in 
specie die Religions:Verträge fambt den Weftphälifchen Friedens: Scjlitffen 
„ein anders erheiſchen . . . Als leben unſere . .. Herren Principalen, Obern 
und Committenten der allerunterthänigften Zuverſicht. . . Ew. K. M. wer: 
den .. . obangeführte Ungleichheit nicht allein nicht zulaſſen ... fondern viel: 
mehr die Stände des Keiche, und in specie aud) den Magistrat zu Franck— 
furt bey denen hergebradjten juribus, und Befugnuffen in Cognition und 
Contiseirung aller und jeder und fonderlich der Evangelifchen Bücher, aud) 
Verfertigung des Catalogi nundinalis, und was demfelben allen mehr ans 
hängig, geruhiglicd zu laffen, und Dero Bücher-Commissario ſich weder zu— 
gleich, in obbefagtem fich einzutringen, amı wenigften aber einfeitigen und 
alleinigen Gewalt dabey anzumaflen, ernft: und nachdrücklich zu inhibiren 
allergnädigft geruhen. ..“ 

„Aldieweilen aber auch, allergnädigfter Kayfer und Herr, öffters er- 
wehnte unfere Herren Prineipalen . . . . ein Zeithero wahrgenommen, 
weldyer geftalt von theil® Scriptoribus bi® daher die geziemende modestia 
calami in ihren Schriften nicht gehalten, fondern fich vielmehr von denen— 
jelben, und infonderheit von denen Römiſch-Catholiſchen, einer ſolchen har- 
ten Schreibens-Art und allerley invectiven gegen die Evangeliſche Yehr und 
Vehrer dabey bedienet werden, wordurd die Gemüther nur mehr erbittert 

. wie damı der von vielbefagter Stadt Franckfurt Em. K. M. Gamer: 
Fiscal unterm 6./16. Oetobr. jüngſthin bengelegte Extractus allerhand heff- 
tiger und ſehr ehrenrihriger von umterichtedlihen gar neuen Catholifchen 
Seribenten audgeftoffener Schmähungen und Calumnien, nad) der Copia 
sub A. folches Härlich bezeugen fan, mehrers vor jeßo nicht anzuführen, 
Als erjuhen Ew. K. M. fie auch defienthalben allerunterthänigft und ge— 
horjamft, Dero Kayferl. Amt und höchſte Autorität dahin allergnädigft zu 
interponiren, daß ſolchem ungebührlichen Unternehmen mit Nahdrud ge— 


128 Inſtruktion für den Bücherkommiſſar vom 22, Februar 1685. Zehntes 


fteuret, und die denen Sanctionibus publicis ſchnur-ſtracks zuwider Lauffende 
Vehemenz unterlaffen werden möge... . . aljo zweifflen unſere gmädigite 
und guädige Herren Principalen .... um defto weniger, Ew. K. M. 
werden, Dero zur Gerechtigkeit höchſt-geneigteſten Gemüth nad, auf diele 
allerunterthänigfte Vorſtellung zu retlectiren, und die in tieffftem Gehorſam 
gebettene allergnädigfte Anordnung zu verfügen geruhen.‘ 

Ob dieje allergnädigſte Anordnung erfolgt ift, daran dürfte zu zweifeln 
jein; Die in der Inſtruktion von 1685 für ven Bücherkommiſſar enthaltene 
hatte fich ja ſchon als eine leere Phraſe eriwiejen. 

Alles dies geichah jedoch jchon unter dem Amtsnachfolger Sperlinag, 
denn diefer war am 16. März 1685 feines Amtes entjekt worden. 
Kriechend feinen Obern gegenüber, brutal in feiner Amtsführung, un 
ehrenhaft in jeinem Privatleben, hatte ev ſich jo verbaft gemacht, dar 
ihn jelbjt jeine Gönner in Wien nicht mehr zu halten vermochten. 

Sperlings Nachfolger war ver jchen genannte Kaſpar Vollmar, 
Dechant des Stiftes bei Unjerer Yieben Frauen in Frankfurt, geworden. 
Wie fich bei dejjen Ernennung die Pflichten und Befugniffe des Bücher— 
kommiſſars geitaltet hatten und geftalten jollten, erhellt aus jeiner am 
22. Februar 1685 ausgefertigten proviſoriſchen Inftruftion. 

Die Abjüke 1. bis 4. derjelben handeln von der Übernahme des amt 
lichen Inventars aus den Händen Sperlings. Damm wird dem neuen 
Bücherkommiſſar ferner aufgetragen: 

5. bey ieder Meß die bifheriger obseruantz gemäß gewohnliche exem- 
plaria von allen priuilegirt vnd vnpriuilegirten Büchern neben der vectur 
bey denen Kauffleuthen einzufordern, vndt ohme deren Lieferung don Fraud— 
forth mit zu erlaffen, mit deren vberſchickhung er mit einer ordentlichen 
zweyfachen speeification derfelben (dauon eine zur ReichsCanzley die andere 
aber zur Kayſ. bibliothee gehörig) die bejchaidenheit zu gebrauden, daß 
waß zur Kayf. Bibliothee vndt Reichs Cantzley gehörig, indeß abgefondert 
einballirt vndt jeines orths eingefendet werden folle, vmb dardurd alle vn- 
richtigfeit vndt confusion zunerhitten. Sollten aber wider verhoffen einige 
Kauffleuthe bey einer oder andern meß auß billichen vrſachen zum thaill in 
auſſtand verbleiben, jollen hieruon ebenmeſſig erftgedacdjter mafjen zwey gleich 
(authende verzaichnußen zur Reichs Canzley vndt Bibliothee eingefendet 
werden, vnd gleich bey negſt darauf erfolgenden Men die Rüchſtände allen 
Fleiſes eingebracht vndt obbefohlener maßen hiehero beftellt werden, vudt 
damit von denen fchuldigen exemplarien nichts möge verhallten vndt vnnter— 
ſchlagen werden, jo folle er ſich befleiffenn von iedem Buchhändler einen 


Kapitel.) Inſtruktion für den Bücherkommiſſar vom 22. Februar 168. 129 


getrudhten oder gefchriebenen Catalogum jeiner in Verlag Habender Bücher 
zur handt zu bringen, darauf die Buchladen vndt andere haimblidye Ge— 
wölber vndt behalltnufen allen fleifes zu visitiren und darob zu fein, daR 
aller betrug verhütet, vnd die Verbrecher der gebühr abgejtraffet werden 
mögen, 

6. Erſtgedachte visitation jolle aud) vndt vornemblic dahin dienen, daf 
wieder die Reichs constitutiones infonderheit dem Religions friden vnd daß 
gemaine wejen feine verpothene vndt andere onzuläjfige famosichrifften ge: 
trudhet vndt verfauffet werden mögen, gegen deren authores, Typographos 
vnd Bibliopolas neben confiscirung der Bücher, dem herfonmen gemäß mit 
anderweither Rechtsſtraffe vnnachläſſig verfahren werden jolle, geftallten auch 
zwischen vndt auffer denen Meilen vmb ſolchen ſchädlichen miſbrauch gänz: 
lich einzuftellen, er Bolmar bey denen Buchtruckher vndt händlern zu Frauck- 
forth fothane vnuerjehene visitationes oder haimbliche vnuermerckte nad): 
forihungen fürzunemben, vndt daß dergleichen bey andern Reichs- vndt 
handlsStätten beſchehn, vertraute zuuerläffige correspondenz zu bejtellen, 
vndt daß befinden ieberzeuth fleiffig zu berichten. 

7. Erfordert die notturfft im alle wege, daß er mit Ihro Mayt. Cam— 
mergerichtS Fiscalen zu Speyer in» vndt auffer der meſſen erhaiichender 
notturfft nad) vertramlich coneurrire vndt correspondenz pflege vndt feiner 
assistenz vndt ambtshilff fi) auf alle weis bediene. 

8. Solle er hinfiiro nad) einer ieden Meß nit allein einen generalem, 
fondern auch von jedem Buchhändler specialem Catalogum derer dahin ge— 
brachten Bücher nebenft einem ordentlichen protocoll vndt Bericht alles deſſen, 
wah bey ieder Meß in dem Bücher Commissariat vorgeloffen vnd abge: 
handlet worden zue Reichshofrath einshidhen, damit diefes dent gemainen 
weien fo hoc) nuzliche werdh einft in feine beftändige ordnung vndt richtig: 
feit gefezet, vndt fürohin dabey erhallten werden möge. Waß aber außer 
vndt zwilchen denen Meſſen passiret, dauon hat er iedesmahlen abjonderlic) 
Bericht zu erftatten. 

9. Mit dem Kayſ. Kammergerichtstiscalen hat er ſich zu vnterreden vnd 
nebenſt ihme geſambten Bericht zu erjtatten, wie die bisherige patenten vndt 
verordtnungen gehalten worden, oder fonften zu aufnembung dei Bücher 
Commissariats vndt gemainen wejens füglich zuuerbeffern; wie auch welcher: 
geftalten 

10. der catalogus generalis hinfüro beifer eingerichtet, ingleichen ob 

11. eine Büchertax vnd war für eine gehalten, auch wie vndt welcher 
geftalten jelbige etwahe mit guten muzen vndt beftand zu melioriren vndt 
feftzuftellen, wie nit weniger wie weith 

12. der Magiftrat zu Srandforth in visitirung aud) jperrung der Bud): 
läden, contiscirung der Bücher, beftraffung der delinquenten, aiustirung 


130 Vollmars erjtes Auftreten. Beeinfluſſung durch die Geiftlichkeit. Zehntes 


deren zwifchen denen Buchhändlern entitehenden differentien, cumulativam 
ve] privatam iurisdietionem hergebradht habe vndt behaubten wolle, vnd 
waß dergleichen in daß Bücher Commissariat influirende Sadjen mehr jein 
möchten, worüber allerhöchftged. Ihre Kayſ. Maytt. hernegft förterlichen voll» 
ftändigen Bericht erwarthen, vndt ſich allergnedigit verjehen, er Bolmar 
werde allem diefen mit underthänigiter ſchuldigſter trewe fleiffigft nachkommen, 
vndt benebenft darob fein, daß er der religion halber wieder die constitu- 
tiones Imperii et Instrumentum Pacis feinen vnzeutigen eyfer werde vor- 
tringen laffen oder denen Augipurgifchen confessions Verwandten zu be: 
ſchwerungen Vrſach geben, dauor er fich in alle weeg zu hüten. 

Schon am 3. Mai 1685 leitete Vollmar feine, im allgemeinen nicht 
jo jchroff, wie die Sperlings, auftretende Thätigfeit in Gemäßbeit ver 
Inftruftion damit ein, daß er in Gemeinſchaft mit dem fatferlichen Fis— 
fal Emmerib — der Bücherfommiffar fonnte ja nun nicht mehr allein 
vorgehen — einen Erlaß an jümtliche Buchhändler veröffentlichte. Es 
hätten fich verſchiedene Gebrechen und Mängel eingeichlichen; vor allem 
jollten die Buchhändler fich erklären, ob die fchon vor mehr als zwanzig 
Jahren verfaßte und publizierte Taxordnung nicht zur Obſervanz zu 
bringen oder aber eine neue mit Nutzen und Beſtand einzurichten und 
fejtzuftellen jei. Auch hierüber ift weiteres in den Akten nicht zu fin: 
den. Jedenfalls ift die galvaniſierte Yeiche ohne Dinterlaffung von Spuren 
wieder in ihrem Aftengrabe beigejeßt worden. 

Zum Abſchluß der Darftellung der unheilvollen Wirkjamfeit dev Bü— 
cherkommiſſion bis zum Schluß der hier zu behandelnden Periode mögen 
nur noch einige Notizen über ven Einfluß ver Geiftlichkeit auf jene Be 
hörde Plaß finden. Sehr bald nah dem Antritte Bollmars erbielt 
diejer ein von Wien, 11. Mai datiertes Schreiben der Societas Jesu. 
Es ſei in Salzburg eine von Peter Fiſcher verfaßte Schrift, betitelt: 
Jesuiticum Nihil, erjchienen, die auch in Frankfurt verfauft werde und 
jehr nachteilig von den Jeſuiten ſpreche. Es werde ihm nun bierburd 
befohlen („benigne serioque jubemus”), jeiner Pflicht gemäß das 
genannte Buch genau zu prüfen und wenn er etwas darin finde, was 
die Ehre der alma Societas beeintrüchtige, alle aufzufindenvden Exem— 
plare einzuziehen und eins davon an dem faiferlichen Reichshofrat be- 
hufs weiterer Weiſung einzuſchicken. Daß eine verartige Schrift zu 
jener Zeit bereits in Salzburg erjcheinen fonnte, ift eine Thatjache von 
hohem Imtereffe. Sie zeigt, daß fich ſchon zu jener Zeit eine Oppo— 


Kapitel.) Berinfluflung von Rom aus. Sinfen der franffurter Meile. 731 


jition gegen die Preßbevormundung jeitens der Jeſuiten zu vegen begann, 
eine Oppofition, welche im Jahre 1720 in Graz zu einem ſehr ſcharfen 
Kampf zwiichen ven weltlichen und den Jeſuitencenſoren führte, 
Inwieweit die Biücherfommiffion im jtillen nicht gar direkt won 
Rom aus beeinflußt worden jein dürfte, läßt fich nicht klar überjehen; 
nur Andentungen treten darüber hervor. So nahm VBollmar am 
19. Aprit 1695 Veranlaffung, infolge einer Anfrage von Wien, dem 
Kaifer zu berichten: Der Titel eines „päpftlichen Büchercommiſſars“ 
jet dem faijerlihen Bücherfommiffar zu zeiten won einem oder andern 
von Kom aus beigelegt worden, uriprünglich deswegen, weil dem Papjte 
nach jeder Meſſe eine gedrudte Defignation aller erichienenen katholischen 
Bücher auf ſeine Koften und gegen einen freiwilligen Recompens ver- 
fertigt und zugejchieft werde, um ihn von der betreffenden Pitteratur in 
Kenntnis zu jeten, wie nicht weniger, damit, wenn etwa „Romantjche‘ 
Bücher, wie zu zeiten gejchebe, dem frankfurter Bücherfataloge einzu- 
verleiben wären oder aber von bier aus etwelche neue Bücher dahin ver: 
langt würden, man wüßte, an wen dergleichen Wünſche zu adreifieren. 
So hatte die fatjerlihe Bücherfommijfion ihr Werk jo ziemlich voll- 
bracht: fie hatte Früftig und umentwegt daran mitgearbeitet, die Blüte 
der franffurter Bichermeffe zu untergraben. Der langjame Verfall ver: 
jelben hatte, wie ſchon früher gejagt, dem Faiferlien Hofe nicht bie 
Augen zu öffnen vermoct, die Warnungen und halben, immer deut: 
liber jprechenvden Drohungen der fremden Buchhändler: bei Fortdauer 
der Berationen „abzubauen“, vie ängjtlichen, gegen Ende des 17. Jahr: 
hunderts aus voller Überzeugung entjpringenden Andeutungen des frank: 
furter Rates über jeine Bejorgniffe nach dieſer Richtung hin, hatten 
taube Obren gefunden. Daß der frankfurter Meßkatalog immer mehr 
zuſammenſchrumpfte und zu Bedeutungsloſigkeit berabjanf, wurde in 
jeinen Urjachen verfannt; für die Bicherfommijfion war died nur ein 
neuer Beweis für die Schlihe und Ränke der böjen Buchführer, denen 
alle Mittel gerecht wären, fich der behördlichen Kontrolfe betreffs ihrer 
Verpflichtung zu WBiücherlieferungen nach Wien zu entziehen, — nicht 
ein Miene-Tefel, fein augenjcheinlicher Beleg dafür, daß die franffurter 
Meſſe in ihrer Bereutung für die mehr und mehr eritarfende und jelbit 
antitativ das Übergewicht erlangende Produktion Nord: und Mittel- 
deutſchlands fchwere Einbuße erlitten hatte, daß ein großer Teil diejer 


132 Sinfen der Frankfurter, Aufiteigen der leipziger Meſſe. Zehntes 


Produktion gar nicht mehr nach Frankfurt, nur noch auf die leipziger 
Meſſe gebracht wurde. Die Venezianer waren ſchon lange in Frank— 
furt ausgeblieben. Die Holländer folgten ihnen darin mehr und mehr 
und ſelbſt die Nord- und Mitteldeutſchen fingen an, ſich zurückzuziehen. 
Im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts kamen nur noch fünf, 
dann nur noch zwei leipziger Firmen zur Meſſe. Die Verſchiebung 
der frankfurter Faſtenmeſſe um vierzehn Tage drängte dieſe jo nahe au 
die Leipziger Oftermefje heran, daß die nordveutjchen Buchhändler es 
num wicht nur ihrem Intereſſe, jondern auch ihrer Bequemlichkeit zu- 
träglicher fanvden, ficb auf den Beſuch von Yeipzig zu beſchränken. 

Zwar hatte die kurſächſiſche Regierung den Buchhandel auch nicht 
immer mit gerade vwäterlicher Fürjorge behandelt und mit Sammethand— 
ſchuhen angegriffen, ver Verationen kamen auch in Yeipzig genug vor — 
das 9. Kapitel ift darüber einfach zu vergleichen — die gejchäftlichen 
Yajten waren bier, wenigitens was die Pflichterempfare für erlangte 
Privilegien anbetrifft, jogar höher als in Frankfurt, konfejfionelle Eng— 
berzigfeitt und Berrüdung, namentlih in Rückſicht der reformierten, 
myſtiſchen und pietijtijchen Yitteratur, trat auch in Yeipzig nur zu jehr 
zu Tage. Aber beides wurde nicht mit der Schwere empfunden, wie 
die ſyſtematiſch angejtrebte Unterprüdung der gejamten protejtantiichen 
polemijchen Yitteratur überhaupt; hierbei wurde der fich in dieſem falle 
Eins fühlende Protejtantismus in jeiner Gejamtbeit getroffen, in Yeip- 
zig nur eine verhältnismäßig feine Fraktion desjelben. Zudem legte 
auch gegen Ende des 17. Jahrhunderts der 1697 erfolgenve Übertritt 
Kurfürſt Auguits des Starken zum Katholizismus eine nie wieder aus- 
gefüllte Brejche in die Feſtung des engherzigſten lutheriſchen Konfeſſio— 
nalismus. Die von diefem ausgehenden prefpolizeilicen Berationen 
waren damit lahmmgelegt, nur die pietiftiiche Yitteratur, und jpäter die 
der Herrnhuter, verblieb zunächſt noch vogelfrei. 

Aber es kann auch nicht bejtimmt genug betont werben, daR Die 
Bücherkommiſſion doch nur, wennjchen in hervorragender Weije, mit: 
gearbeitet hat an dem Niedergang der frankfurter Büchermeife; es war 
auch jchlieglich nicht die Verjchiebung des Schwerpunftes der litterari- 
ichen Produktion allein, welche der leipziger zum Übergewicht und end— 
lich zur Alleinherrichaft verhalf: e8 war zugleih eine fich langſam vor: 
bereitende Wandlung in der Betriebsform des Buchhandels, eine jich 


Kapitel.) Anzeichen einer Wandlung in den Betriebsformen des Buchhandels. 733 


vorbereitende Wandlung in der Art des gejchäftlichen Verkehrs ver Buch- 
händler untereinander, welche dabei jchwer ins Gewicht fällt. Es 
mehren fich nämlich die Anzeichen, daß fich diejer lettere von jeiner Ge— 
bundenbeit an die Meſſen, d. h. am dieſe allein, zu löſen anfängt. 
Yangjam und allmählich beginnen die Meppläge ſich aus Kauf- und 
Zahlungsftätten, die den gejamten internen Verkehr des deutſchen Buch— 
handels im jich ſelbſt bejchließen, zu Kommiſſions- und Abrechnungs- 
plägen umzugejtalten, beginnt der Changeverfehr jeine jonjt ausjchliep- 
liche Herrichaft zu verlieren und in den Dintergrund zu treten. Das 
Bedürfnis eines jchnellern Vertriebs, namentlich auch der wieder in uns 
gemejfener Weiſe anfchwellenden ephemeren Yitteratur läßt die nur zwei— 
malige Gejchäftsvermittelung im Jahre als ungenügend erfennen: die 
„Verſchickung“ der Bücher, die Verſendung pro Novitate beginnt fich 
zu entwideln und jich neben dem feiten Rechnungs- und Changever- 
fehr herauszubilden. 

Aber für jolche Zeichen ver Zeit hatte die kaiſerliche Bücherkommiſſion 
fein Auge; fie hatte ebenjo wenig ein Verſtändnis für das fich fteigernde 
Mißbehagen im Gejumtbuchhandel, das ja jchen in den langjährigen 
Verhandlungen über die Büchertare immer deutlicher und jchärfer her- 
vortritt. Es iſt nicht mehr allein der Nachdruck, ver den Gejamtinhalt 
der Klagen der Buchhändler ausmacht, es find die Klagen über innere 
Schäden und Gewerbebeeinträchtigungen, welche fich in den Vordergrund 
ju drängen beginnen. Zur Bejeitigung diejer innern Schäden jind die 
Buchhändler bereit ein Abkommen zu treffen, eine Bereinigung zu bilden, 
ein Abkommen, deſſen Grundzüge ja auch, wie gezeigt, wenigftens ven 
Anſtoß zu einer Art von franffurter Yofalverein gaben. Und dieſe Ver- 
bandlungen der jechziger und ſiebziger Jahre hatten Samenkörner geſteckt, 
Gedanken an Selbſthilfe und Aſſociation geweckt und Erinnerungen zu— 
rückgelaſſen, die langſam aufkeimten, wenn auch ſpäte Früchte zeitigten. 
Die Akten der ſächſiſchen Bücherkommiſſion in Leipzig enthalten den 
Hinweis auf das Faktum, daß im Jahre 1696 die Gründung eines 
Buchhändlervereins geplant worden iſt, leider aber auch nur den nackten 
Hinweis darauf; die darüber ſprechenden Akten aufzufinden, iſt bis jetzt 
noch nicht gelungen. Zur Förderung derartiger Beſtrebungen die Hand 
zu bieten, war die kaiſerliche Bücherkommiſſion natürlich nicht die geeig— 
nete Behörde: für ſie waren nur Preßpolizei, Pflichteremplare und Bücher— 


734 Erſte Spuren des Strebens nad) Selbjthilfe gegen innere Schäden. [Zehntes 


tare geeignete Mittel, ven deutjchen Buchhandel „in Aufnahme und Flor“ 
zu bringen. 

Dieſe ſich vorbereitende Wandlung in den Betriebsformen des deut: 
jchen Buchhandels inauguriert gleichjam die „neue Geſchichte“ ves- 
jelben. Den natürlichen Mittelpunkt diefer bildet Yeipzig und die leipziger 
Meſſe, und dies um jo mehr, als jene Anvdentungen — wenigjtens joweit 
die Forſchung fie bis jett zu erfafjen vermochte — fajt ausnahmslos 
von Norpventjchland ausgehen. Die Darftellung wird daher im zweiten 
Bande ihren Ausgangspunft von einer ausführlichen gejchichtlichen 
Schilderung der Entwidelung ver leipziger Meſſe nehmen und retroſpek— 
tiv alles das damit zu verbinden haben, was fich als Steime jener Wand— 
(ung erfennen läßt und geeignet ift, die Grundjteine und VBorbevingungen 
der neuen Betriebsformen zu bilven. 

Mit dem Schluß der hier dargeftellten Periode beginnt aber au 
jenes bisher nur in Aften und im Kreiſe der Gejchäftsgenoffen fich 
äußernde Mißbehagen über die zur Zeit herrjchenden Zuftände, beginnen 
jene zunächft noch verunglüdten Beitrebungen an die Offentlichkeit zu 
treten. Die leßten Jahre des 17. und der Anfang des 18. Jahrhunderts 
zeitigen eine buchhändlerifche Jeremiadenlitteratur, die zwar inbaltlich 
wenig Ihatjächliches und Greifbares bietet, jich vielmehr phrajenbaft 
mit allen möglicen Kümmerniſſen, wie Pfujcher- und Bönhajentum, 
Nachdruck, Bücherauftionen und Bücherlotterien u. vergl., beichäftigt, 
die aber auch eine Signatura temporis ift. 

Den Yöwenanteil an dieſer Ieremiadenlitteratur nimmt die Frage 
des Nachdrucks in Anfpruch; lettere beherricht fortan gewifjermaßen vie 
Geſchicke des deutſchen Buchhandels, it von dem einfchneidenpiten Ein— 
fluß auf die Neugeftaltung jeiner Betriebsformen und auf die Verſuche 
zu jeiner äußern und innern Organifation. Hat doch auch noch im 
laufenden 19. Jahrhundert der Börjenverein der Deutſchen Buchhändler 
auf jenem Gebiete feine erjte und erfolgreichite Thätigkeit entwidelt! 
Yange Zeit wogte der Streit der Anfichten verjhwonmen bin und ber. 
Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein Kammern ich 
die Anſchauungen und Vorjchläge noch frampfhaft an das NRechtsinftitut 
der Privilegien an und nur mühſam vingt ſich aus den Verhandlungen 
über die nachgejuchte jtaatliche Anerkennung des „Grundgeſetzes der neu- 
errichteten Buchhandlungs- Sefellichaft für Deutſchland“ von 1765, aus 


Kapitel.) Schluß. 135 


denen fich das jüchjiiche Mandat ven Buchhandel betreffend vom 18. Des 
zember 1773 entwidelt, vev Begriff des „Verlagsrechts“ heraus. Die 
Borgejchichte dieſes Streites, die gejchichtliche Schilderung der verworrenen 
Berhäftniffe ver frühern Zeit bringt das nächjte und legte Kapitel, wel- 
ches jo den geeignetften Übergang zur Gejchichte der Neuzeit des deut— 
ſchen Buchhanvels bildet. 


Elftes Kapitel. 
Der Nachdruck. 


Bedeutung des Urheberredts für den Buchhandel. — Spuren ausdrüdlicher An- 
erfennung des Urheberrechts bei den Nömern fehlen. — Klagen über den Nadı 
drud nach Erfindung der Buchdruderkunft; Verlangen nach einem Schuß gegen den 
Nachdrud. — Schuß gewährt durd; Privilegien des Kaifers, wie der Territorial: 
herrichaften. — Kein rechtliher Schuß des Urheberrechts ohne Privilegium. — 
Nechtliche Natur der Privilegien gegen den Nachdrud. — Gejepliches Verbot des 
Nachdrucks. — Charakter des vom Geſetz verbotenen Nachdrucks. 


Die Grundlage des Buchhandels, wie fich diejer jeit Erfindung ver 
Buchdruckerkunſt entwidelt bat, ift das Urheberrecht, die vom Recht an 
erkannte und geſchützte Befugnis des Urhebers eines Geiſtesprodukts, 
ausſchließlich und beliebig über deſſen Vervielfältigung und Veröffent— 
lichung zu verfügen. Hat der Autor kein ausſchließliches Recht an ſeinem 
Geiſtesprodukt, deſſen Anerkennung er Dritten gegenüber klagweiſe er— 
zwingen kann, jo kann er auch ein ſolches Recht auf niemand übertragen. 
Anvererjeits wird niemand durch ein Nechtsgejchäft fich in die Yage ver- 
jeten laffen, das Geijtesproduft eines andern zu verwerten, wenn ev 
dazu bereits ohne weiteres befugt ift. Der eine Zweig des Buchhandels, 
ver Verlagsbandel, ließe ſich alſo ohne Urheberrecht überhaupt nicht 
denken. 

Ob im Altertum em Bedürfnis für den Schuß des Urheberrechts 
vorhanden gewejen und ob ein Urheberrecht durch das Recht anerfannt 
worden, muß dabingeitellt bleiben, wennjcon die Frage nicht einfach 
unter Dinweis darauf, daß die Bücher Lediglich durch Abjchriften ver- 
vielfältige wurden, verneint werden kann, da die Sklavenhände fajt die 


Eiftes Kapitel.) Sachlage im Altertum. Verlangen nad) Schuß im 16. Jahrh. 737 


Druderprejje erjegten und thatjächlich Auflagen von 1000 und mehr 
Gremplaren zur Römerzeit vorfamen.! Kine ausdrückliche Anerkennung 
des Urheberrechts finden wir im Altertum und fpeziell bei ven Römern 
nidt. Daraus würde fich freilich nicht ohne weiteres jchließen laſſen, 
daß das Römiſche Recht vemjelben überhaupt unter feiner Form einen 
Schuß hätte angedeihen laffen — reichte doch die actio injuriarum ex 
generali edieto zur Ahndung jeder Verlegung des Urheberrechts aus; 
allein man hat auch andere Momente geltend gemacht, aus denen fich 
das Fehlen eines Schußes des Autorrechts ergeben foll.? Wie dem 
aber auch jein mag, gleich nach Erfindung der Buchoruderfunft ſtand 
der Nachprud in höchiter Blüte. Das zeigen unter anderm die Not: 
ichreie des Erasmus? und Yuthers.* Sie beklagen fich darüber, daß 
die Hanpjchriften umd eben gedruckte Exemplare verkäuflicher Werfe aus 
den Druckereien gejtohlen und dann nachgeprudt würden, und zwar in 
der liederlichiten Weije. Dar dem Nachdruck nach dem beſtehenden Recht 
entgegengetreten werden fünnte, wird in feiner dieſer Erpeftorationen 
ausgejprochen. Doch verbindet fich mit diefen Klagen das Verlangen 
nach einem Schuß der Autoren und Verleger gegen den Nachorud. Und 
jwar ſtellen dieje entweder ganz im allgemeinen das Anfinnen an bie 
Obrigkeit, Mittel und Wege ausfindig zu machen, daß die Früchte ihrer 
Arbeit nicht andere ſich ameigneten, over fie verlangen den fpeziellen Er- 
laß, daß beſtimmte Werke oder auch alle von einem Berleger heraus— 
gegebenen von feinem andern während eines gegebenen Zeitraums nache 
gedrudt werden dürften. Die öffentliche Gewalt ließ ihren Schuß in 
der zuletzt erwähnten Geftalt eintreten. Es geſchah dies vermitteljt Pri- 
vilegien, welche einem Schriftjteller, einem Buchhändler, over einem Bud) 
druder erteilt wurden. Es fommen jolche bereits im 15. Jahrhundert 
vor und zwar iſt das ältejfte dem Wortlaute nach befannte ein vene- 
zianiſches, nämlich das Privilegium, welches die Republif Venedig dem 
Kanoniften Petrus von Ravenna für fein „Phoenix“ genanntes Werf 
unter dem 3. Januar 1491 erteilte? In Deutjchland ijt das Vorkom— 
men von folchen erſt für den Anfang des 16. Jahrhunderts ficher ver- 
bürgt, wennjchon eines von Reichs wegen im Jahre 1498° und eines 
von einem Zerritorialheren im Jahre 14907 erteilten Privilegiums Er- 
wähnung geſchieht. 

Die deutſchen Privilegien ſind teils von der Reichsgewalt, teils von 

Kapp. I. 47 


138 Die Nachdrudsprivilegien. Älteſte Beiſpiele derjelben. Elftes 


den Territorialherrſchaften erteilt worden. Das älteſte bekannte Privi— 
legium der erſtern Art iſt nicht vom Kaiſer ſelbſt, ſondern vom Reiche: 
regiment gegeben. Es iſt dies das im Jahre 1501 ver Sodalitas Rhe- 
nana Celtiea erteilte Privilegium für die von Konrad Geltis veran- 
jtaltete Ausgabe ver Werfe der Hroswitha von Gandersheim.“ Dagegen 
it uns eine ganze Anzahl von unmittelbar vom Kaijer jelbit erteilten 
Privilegien noch aus dem erjten Viertel des 16. Jahrhunderts erhalten. 
Sp unter andern ein Privilegium für die von Johann Schott geprudte 
„lectura aurea semper Domini abbatis antiqui super quinque 
libris deeretalium“ von 1510°; ein Privilegium für den kaiſerlichen 
Hifteriographen Johann Stabins, und zwar fir alles, was er drucken 
fajfen würde, von 1512'%; für des Johann Geiler von Kayſersberg 
Predigten und andere Schriften (gedruckt 1514) von 151411; für eine 
Anzahl von dem ftraßburger Buchdrucker Mathias Schurer gedruckter 
Schriften (darunter die Gejchichte des Otto von Freifingen, die „Noctes 
Atticae” des Gellius) aus demjelben Jahre 1?; für die erjten Abdrücke 
des Theuerdank aus dem Jahre 1517 und 1519 '°; für ven von Johann 
Schöffer zu Mainz geprudten wormjer Reichsabjchied von 1521. '* 

Von den Territorialberren erteilte Privilegien jcheinen zu verjelben 
Zeit aufgefommen zu fein, wie die vom Kaiſer ausgehenden, wennſchon 
die Verleihung von Privilegien zu den Rejervatrechten des Kaiſers ge- 
hörte. Sp wurde von den Herzögen Wilhelm IV. und Yubwig ven 
Bayern ein Privilegium für eine Heine Schrift des bahrijchen Hiſtorio— 
grapben Johannes Thurnmayer von Abensberg im Jahre 1518 erteilt '®; 
vom Herzog Georg von Sachjen für das von Emjer herausgegebene und 
zuerjt in Dresden von Wolfgang Stödel 1527 geprudte Neue Tejtament; 
vom Kurfürſten Johann Friedrich von Sachjen 1534 für die bei Hans 
vuft in Wittenberg geprudte erite vollftändige Ausgabe der Yutherjchen 
Bibelüberſetzung. !* 

Auch von den Obrigfeiten von Territorialftädten wurden frühzeitig 
Bücherprivilegien erteilt, jo vom Leipziger Magiftrat bereits im Jahre 
1518 für „Petri Moselani Paedologia‘“ 17; nom Rate der Stadt Bres- 
lan im Jahre 1538 dem Andreas Winfler für ven Terenz, einige aus- 
gewählte Briefe des Cicero und einige andere Bücher. !* 

Die Privilegien wurden zum Zeil dem Verfaffer, reip. Derausgeber, 
zum Zeil dem Berleger, zum Teil dem Druder gegeben. Es wird da— 


P 


Kapitel.) Wirkung und Geltungsbereich der Privilegien. 139 


durch jedem andern verboten, das Werk nachzupruden, reſp. das nach: 
gedruckte Buch von auswärts einzuführen und innerhalb des von dem 
Privilegium betroffenen Gebiets, namentlich auf den Mekplägen, zu ver: 
treiben. Dies wird zuweilen in dem Privilegium ausprüdlich hervor: 
gehoben °; aber auch aus dem bloßen Verbot des Nachdrucks ergaben 
jih die andern hervorgehobenen Wirkungen von jelbjt.?° Durch ein 
faijerliches Privilegium wurde daher der Nachdruck noch während des 
16. Jahrhunderts, ja, bis in das 17. hinein, im ganzen Gebiet des 
Dentſchen Reichs verboten, da in dieſer Zeit noch das Recht des Kai- 
jers, Privilegien für ganz Deutjchland zu erteilen, unbeftritten war. Co 
wird denn auch in den frühern Privilegien das Verbot des Nachdrucks 
wohl ausdrücklich hinfichtlich des ganzen Reichs, reſp. aller Orte des 
Reichs ausgeſprochen (jo z. B. in dem im Jahre 1514 dem Mathias 
Schurer zu Straßburg, wie in dem dem Johann Echöffer zu Mainz 
im Jahre 1521 gegebenen Privilegium). Doch kommt es auch vor, daß 
die Geltung des Privilegd eine engere if. So wird durch das für die 
von Celtis veranjtaltete Ausgabe der Werfe der Hroswitha gegebene 
Privilegium der Nachdruck nur in den Reichsſtädten unterfagt.?! Ein 
fatjerliches Privilegium galt auch für die faijerlichen Erblande, wenn: 
gleich viejer nicht ausdrücklich Erwähnung gejchehen war. Die von den 
Yandesberrjchaften und Stadtmagiſtraten ausgehenden Privilegien bezogen 
ſich natürlich nur auf das betreffende Territorium, vejp. das Stadtgebiet. 
Dies gilt jelbftverftändlich nicht nur für den Fall, wo das Privilegium 
einem Angehörigen des Yandes, jonvdern auch im dem, wo basjelbe 
einem Answärtigen erteilt wurde. 2? Wenn trogdem von Ausländern 
Privilegien nachgejucht wurden, jo hatte dies jeinen Grund darin, daß 
das Privileg nicht mur gegen den Nachdruck innerhalb des betreffenden 
Yandes ſchützte, ſondern auch gegen den Vertrieb des — wenn auch aus— 
wärts — nachgeprudten Werks. Bei Erwirfung kurjächfijcher Privile- 
gien hatte man es daher darauf abgejehen, ven Nachpruden der privi- 
legierten Werke die leipziger Büchermeffe zu verjchliegen. ?? 

Seitvem die Yandeshoheit immer mehr einer vollftändigen Souve— 
ränetät gleich wurde, hörte die Geltung der faijerlichen Privilegien für 
die einzelnen Territorien auf. Es fonnte jeit diejer Zeit ein Schuß 
gegen Nachdruck in ven einzelnen Ländern durch Privilegien nur erwirkt 
werden, wenn jolche von den betreffenden Yandesberren erteilt wurden. 

47* 


74) Spätere Einſchränkung des Geltungsbereichs der kaiſ. Privilegien. Elftes 


Und daraus erklärt es fih, dag in der jpätern Zeit für ein und das— 
ſelbe Buch neben einem faiferlichen Privilegium ein landesherrliches, 
namentlich furjächfiiches ausgewirft wurde; wie denn auch die Yandes- 
herrichaften Died wegen der damit verbundenen Gebühren und Bücher: 
lieferungen durch die Drohung erzwangen, Bücher, die nur mit faijer- 
liben Privilegien ausgejtattet, ebenjo behandeln zu wollen, wie jolde, 
die überhaupt nicht privilegiert wären. ?* Die frühere Publiziftif brachte 
dies einmal in Verbindung mit der Auffaffung, welche im deutſchen 
Staatsrecht von der landesherrlichen Gewalt berrichend geworden und 
mit der Wahlfapitulation von 1653, wonach der Kaiſer niemandem 
„einige Privilegien auf Monopolien erteilen“ jollte. Dies hätte nun an 
jich ebenfo für vie Fürjten, wie für die Reichsſtädte gelten jollen, da ven 
(ettern in demjelben Maße die landesherrlichen Rechte eingeräumt waren, 
wie den erjtern. 2° Trotzdem wurde noch in der zweiten Hälfte des 
17. Jahrhunderts die Wirkſamkeit fatjerlicher Privilegien in den Reichs— 
ſtädten anerfannt. Jedenfalls wurde diejelbe in Frankfurt a. M. im 
17. Jahrhundert nicht in Frage geftellt. So heißt es in einer Berorv- 
nung des Rats vom 27. Januar 1657: ... „wollen ... ernftlichen ge 
botten haben, ... auf die Bücher, einig Kayſerlich privilegium, wann fie 
dasjelbe nicht bereits würdlich in händen haben, nicht jegen oder truden, 
zumal aber auch die von Ihrer Keyſerl. Maj. privilegirten Bücher werer 
in albiefiger jtatt nachtruden zu laffen, noch auch jolche anderer ortben 
nachgetrudte exemplaria in biefige mejjen zu bringen vnd zu dijtrahi- 
ren, jondern fich deſſen allen gänslich zu mußigen vnnd zu enthalten. 

. alles vnd jedes rejpective bey verluft der exemplarien vnnd vermei— 
dung der im den Kahſerl. privilegiis vnnd befelchen angejetten aud 
anderer hoben und nach befindung, leibesſtraff.“?* 

Die Zeitdauer, für welche das mit dem Privilegium verjebene Wert 
gejchligt wurde, war eine verjchiedene, jo von einem, zwei, drei, jeche, 
zehn Jahren. Mafgebend für die Bemeffung des Zeitraums war Die 
Erwägung, ob der Buchhändler durch den ausjchließlichen Vertrieb des 
Werks während des hervorgehobenen Zeitraums genügenden und im Ver 
hältnis zu den von ihm gemachten Aufwendungen jtehenden Nutzen zu 
erzielen im Stande wäre und zwar wohl direft die Erwartung, daß 
innerhalb der in Rede jtehenden Zeit die Eremplare der betreffenven 
Ausgabe verkauft fein würden ?7, wie dem Papſt Julius IL vem Bud 


Kapitel.) Zeitdauer der Privilegien. Strafen bei Verlegung derjelben. 41 


bändler Euangeliſta Zofino zu Rom im Jahre 1506 für die Geographie 
des Ptolemäus geradezu ein Privilegium erteilte, per spatium sex an- 
norum vel donec dieti libri venditi fuerint.?°_ Mitunter fehlt es 
freilich an der Angabe eines bejtimmten Zeitraums, jo in dem zweiten, 
von Herzog Georg zu Sacdjen für das Emſerſche Neue Teftament ge: 
gebenen Privilegium von 1529, in dem vom Kurfürjten von Sachjen 
für die bei Yufft gedruckte Yutheriche Bibelüberjegung von 1534. Im 
Yaufe ver Zeit ſcheint e8 Sitte geworben zu jein, daß bei einem Regie: 
rungswechjel dev Nachfolger in der Regierung um Erneuerung der Pri- 
vilegien angegangen werden mußte Jedenfalls wird im Kurjachjen die 
Eriftenz dieſes Herkommens fonftatiert und durch eine furfürftliche Ver- 
ordnung vom 9. Juli 1612 deſſen Beobachtung eingejchärft, die Unter: 
laffung des Geſuchs um Ernenerung aber mit dem Verluſte des Pri- 
vilegiums beproht. ?? 

Auf Übertretung des Verbots des Nachdrucks und des Vertriebs 
nachgevrudter Werke ftatuieren die Privilegien Strafen, und zwar Geld— 
bußen, deren Beträge jedoch jehr verjebieden find. So beträgt die an— 
gedrohte Strafe in dem eben erwähnten Privilegium für die Yutherjche 
Bibelüberjegung 100 Gulden; in dem Privilegium für das Emferjche 
Neue Teftament 200 vheinijche Gulden 3%; in dem dem Mathias Schurer 
und in dem dem Johann Schäffer erteilten Privilegium 10 Mark Solo ?1; 
in einem Privilegium, welches der König Stephan Bathori von Polen 
für das von Mathias Fronius zujammengeftellte Rechtsbuch „Der Sach— 
jen in Siebenbürgen Statuta oder eigen Yandrecht jenem im Jahre 
1583 erteilte 500 ungariſche Dufaten.?? Ganz erorbitant ift die Strafe 
in einem dem Hermann Yichtenjtein und deſſen Erben gegebenen vene— 
zianiſchen Privileg von 1494 fir „Vincentii Bellovacensis speculum 
historiale”, nämlich 10 Dufaten pro unoquoque libro ita impresso. 33 
Ein Teil der Strafe wird zuweilen dem mit dem Privileg Bepdachten 
jugeiprodhen, wie 5. B. in dem dem Johann Schöffer erteilten Privile: 
gium; ebenjo in vem dem Fronius gewährten, durchgehende auch in 
Sachſen. Neben ver Geldſtrafe findet fich meift auch Verluft der nach: 
gedrudten Bücher. So heift es in Johann Schöffers Privileg: „bey Ver- 
lterung oben gemelter Boen, und verjelben eurer nachgedruckten Bücher, die 
auch genannter Johann durch fich jelbjt over einen andern von jeinetiwegen, 
wo er die bey einem jeden finden wird, aus eigner Gewalt ohne Verhinde— 


742 Vermerk der erhaltenen Privilegien a. d. Büchern. Infinuation derjelben. Elftes 


rung männiglich für fich zu nehmen und damit nach jeinem Gefallen 
handeln und thun“ mag, während in dem dem Fronius erteilten ver 
entjprechende Paſſus lautet: sub poena confiscationis librorum et 500 
ungaricalium aureorum, quorum tam librorum quam aureorum 
pars dimidia fisco, altera parti laesae applicetur.3* In päpftlichen 
Privilegien findet fich wohl (als einzige Strafe) die Strafe der Exkom— 
munilation. (Sub excommunicationis poena heißt e& in dem dem 
Euangeliſta Tofino für Die Geographie des Ptolemäus erteilten Privileg.) 

Die Privilegien wurden den Werfen vorgedrudt, oft freilich auch 
nur auf dem ZTitelblatte erwähnt; doch galt bei ven kaiſerlichen ver Ab- 
druck des ganzen Privilegs für obligatorisch. Und es wurde dies burch 
das im franffurter Archiv befindliche Patent Kaifer Yeopolos I. vom 
4. März 1662 den Buchhändlern von neuem bei Strafe (6 Mark löthi— 
gen Goldes) eingejchärft. Auch ift in manchen Fällen die Thatjache, 
daß auf dem Titelblatt des Privilegiums nur Erwähnung geichab, dar— 
aus zu erklären, daß der Verfaffer, Verleger oder Druder ver Schrift 
ein faijerliches oder landesherrliches Privilegium auszuwirken gedachte, 
auch dazu bereits die von jeiner Seite erforderlichen Schritte getban 
hatte, die Verleihung jelbft aber zur Zeit des Druds noch nicht erfolgt 
war, vielleicht auch überhaupt nicht erfolgte. 3° Noch häufiger freilich 
ift wohl die Faſſung „mit kaiferlihem Privilegium“, „mit faiferlicher 
Freiheit“, „cum gratia et privilegio“ (ohne Dinzufügung von Caesareo 
und ähnliches, ein Kennzeichen dafür, daß die Worte betrügerijcherweiie 
auf das Titelblatt gejetst waren, wie denn auch die Verordnungen, wo- 
durch dies mit Strafe beproht?° oder ein Ginfchreiten dagegen anbe- 
fohlen wird 37, ſich wohl gerade gegen ein folches betrügeriiches Verfahren 
richten. Außerdem war es, und zwar in Frankfurt a. M. ſchon jeit 
den jechziger Jahren des 16. Jahrhunderts Sitte geworben, daß die Pri- 
vilegien an allen Orten, wo diejelben ihre Wirkjamfeit äußern jollten, 
von Obrigfeits wegen den übrigen Buchhändlern mitgeteilt wurden, und 
zwar auch den fremden, nur während der Meſſe anweſenden. Anfangs 
wurden die Buchhändler wohl zu diefem Behuf auf das Rathaus citiert, 
woſelbſt die zu infinnierenden Privilegien verlejen wurden. Später da— 
gegen fand jedenfalls im Yeipzig eine Infinuation durch die Notare in 
den Gejchäftlofalen der Buchhändler ftatt; endlich wurde dieſelbe daſelbſt 
dem jeit dem 15. Dezember 1673 fungierenvden Bücherfisfal ausſchließ— 


Kapitel.) Urheberrecht nicht anerfannt. Nur Privileg gibt Ausichliegungsredht. 743 


lib übertragen. Dieje Infinuation wurde im Yaufe ver Zeit als wejent: 
ih für die Wirkſamkeit des Privilegiums angejehen, und in ven Ge- 
iuhen, wodurch obrigfeitliher Schub für ein Privilegium erbeten wirt, 
wird wohl ausprüclich hervorgehoben, daß dieſes debite et legitime 
insinuatum jei. 3® 

Nach allgemeiner Rechtsanſchauung wurde aljo während ves 16. und 
17. Jahrhunderts ein Recht auf ausjchliegliche Vervielfältigung und Ber: 
breitung eines Werfs nur durch em Privilegium gegen den Nachdruck ge— 
währt. Bei feinem der Altern Schriftiteller wird die Möglichkeit eines 
Schutzes des Urheberrechts ohne ein derartiges Privilegium angedeutet. 
Allerdings nennt Yuther 3° die Nachoruder Diebe und Straßenräuber, und 
auch von anderer Seite ift der Nachdruck als furtum over als eine Ver— 
letzung des jiebenten Gebots bezeichnet worden. *? Allein es handelt fich 
bierbei lediglich um eine Verurteilung des Nachdrucks vom moralifchen 
Standpunft aus, und es iſt niemandem eingefallen, durch die gedachten 
Bezeichnungen den Nachorud als Verletzung fremden Eigentums hinftellen 
zu wolfen.*T Ebenſo wenig läßt fich aus dem Verlangen, welches Yuther 
in jeinev VBermahnung an die Druder ausjpricht, daß man wenigjtens 
mit der Beranftaltung des Nachoruds eine kurze Zeit nach Ausgabe des 
Originalwerfs warten möge, und welches auch jonft noch wiederkehrt *?, 
en Schluß darauf ziehen, daß man dem Autor oder Berleger an dem 
Geiſtesprodukt ein zeitlich begrenztes Niefbrauchsrecht zugeiprochen habe; 
denn auch bier wird lediglich der Billigfeitsanjpruch erhoben, daß dem 
Autor, Druder over Verleger durch den eine beftimmte Zeit hindurch 
fortgefetsten alleinigen Vertrieb des Werfs ein Äquivalent für die ge- 
babte Arbeit und Unkoſten zuteil werde, ein Gefichtspunft, von dem bei 
Erteilung der Privilegien gleichfalls ausgegangen wird. Daß einmal in 
Nachprudsitreitigfeiten ein anderer Standpunkt eingenommen wird von 
einer der ftreitenden Parteien, die dadurch ven Vorwurf des ftrafbaren 
Nachdrucks von ſich abweijen will, ift nur zu natürlich, beweiſt aber 
nichts für die Rechtsauffaffung ver betreffenden Kreife. *? 

Selbitverjtändlich konnte die Obrigkeit nicht nur ein förmliches Pri- 
vilegium gegen ven Nachprud erteilen, ſondern auch ein Verbot des Nach: 
pruds eines beitimmten Werks ohne vorangegangenes Privileg erlaffen. 
Ein ſolches Verbot wirkte wie ein Privilegium. Das Berbot erging 
nicht auf Grund des bejtehenden Rechts, jondern durch das Verbot wurde 


144 Belegentliches Berbot des Nahdruds aud ohne Privilegium. Elftes 


das Recht gejchaffen. Beiſpielsweiſe mögen hier ein paar auf Albrecht 
Dürers Werke bezügliche Verbote des Rats von Nürnberg beigebracht 
werden. Ein Verbot bezieht ji auf Dürers Schrift von der Propor— 
tion, welche der Formſchneider Iheronimus und der Maler Sebalv Be- 
ham im Drud erjcheinen laffen wollten. Dagegen verorbnete der Kat 
unter dem 22. Yuli 1528, aljo nach Dürerd Tode, „das fie bei ains 
rats jtraff, die man an leib und guet gegen ine woll fürnemen fich ent: 
halten das abgemacht büchlein von der proporeion das aus Albrecht 
Dürers funft und büchern abbendig gemacht worden in Drud ausgeen 
zu laffen, jo lang pis das recht werk, jo Dürer vor feinem abjterben 
gefertigt vnd im drud ift ausgee vnd ins licht pracht werd“. Unter dem 
1. Oftober 1532 bejchließt der Rat, „die puchfürer allhie zu bejchiden 
vnd fie zu warnen, Albrechten Thürers gemachte vnd nachgedrudte pücher 
nit fail zu haben oder ein vatt mus der Thurerin vergönnen in kraft 
iver freihait gegen inen zu handeln. Item der Thurerin an Straßburg, 
Frankfurt vnd Leiptzk jolcher fachen halben furdrung mitteilen”. In 
einem andern Verbot handelt e8 fi um Dürer „Triumphwagen“, ver 
nach deffen Tode von Dans Guldenmund nachgejchnitten wurde. Nach: 
dem der Kat unter dem 2. Mai 1532 diefem aufgegeben, „ainem vate 
jeinen furgenommenen triumpfivagen jehen zu laſſen“, verbietet er dem— 
jelben unter dem 4. Mai 1532, „Albrecht Turers wittiben irs hauß— 
wirts gemachten triumpfivagen nit nachzumachen“.“ Allerdings iſt bier 
die Möglichkeit nicht ausgejchloffen, dak Albrecht Dürer over deſſen Witwe 
Privilegien gegen Nachdruck, reſp. Nachbildung für die in Rede jtehenven 
Sachen erteilt waren; ja dadurch allein würde es eigentlich zu erflären 
jein, wie dieſen ein Schuß in Straßburg, Yeipzig, Frankfurt zuteil wer— 
den konnte, und auch der Umſtand fpricht dafür, daß von einem Vor: 
gehen der Witwe Dürers „kraft ihrer Freiheit” die Rede ift. 

Welchen Charakter das durch die Erteilung eines Privilegiums gegen 
den Nachprud gewährte Recht habe, wird von den ältern Schriftitellern 
nicht unterjucht. Nur hin und wieder hält man es gegenüber dem Grund: 
jut, daß das Staatswohl im allgemeinen der Einräumung eines Monopols 
entgegen jei, für nötig, die Erteilung von Privilegien gegen ven Nach- 
druck zu rechtfertigen. Dabei wird denn zu Gunjten der Buchhändfer, 
welche jich durch Privilegien dagegen zu fichern juchten, daß ihre Verlags: 
artifel von andern nachgeprudt würden, geltend gemacht, daß ich im 


Kapitel.) Rechtscharafter der Nahdrudsprivilegien. (Gemwerbsprivilegien.) 745 


Buchhandel der von einem Buche erwartete Gewinn häufig erſt jpät und 
langſam einftelle. Zur Rechtfertigung ver Erteilung jelbjt, daß die im 
jus naturale begründete Billigkeit e8 nicht zulaffe, ut quisquam alteri 
noceat malitiose, was dann gejchehen würde, wenn ein Buchhänpler, 
der, um einen Gewinn von feiner Arbeit zu erzielen, große Kojten auf: 
gewendet hätte, durch die Dandlungsweije eines andern um feinen Ge: 
winn gebracht würde und in Armut geriete. *° 

Die Art und Weife aber, wie die Privilegien erteilt wurden, zeigt, 
daß man diejelben als Gewerbsprivilegien auffahte, die ſich durchaus 
nicht von den Privilegien unterjchieden, durch welche jeit dem Ausgange 
des Mittelalters das ausfchliekliche Recht auf den Gewerbebetrieb irgend- 
einer Art in einer bejtimmten Gegend an einzelne Perjonen oder Gejells 
ichaften von Staats wegen evteilt wurde, wie ſich dadurch allein die 
Möglichkeit erklärt, die Erteilung der Privilegien als Ausflug eines 
Bücherregals darzuftellen — ein Bejtreben, welches mehrfach bei ver 
faiferlichen Regierung fich geltend machte. *° Privilegien gegen den Nach- 
druck werden nämlich nicht nur für eigene Geijtespropufte des Impe— 
tranten oder deſſen, der durch einen Vertrag die Vervielfältigung und 
Verbreitung dem Impetranten übertragen hatte, gegeben. Es jind zum 
großen Teil die Schriften der Stlaffiter und fonftige ältere Werfe, für 
welche ein Privilegium gefordert und gegeben wird, und zwar oft genug 
für den Drud des betreffenden Werks jchlechtiveg, nicht etwa bloß für 
eine beſtimmte Tertesrecenfion *’; und trotzdem mitunter Werfe, die ſchon 
vorher geprudt waren. Weiter find es Schriftwerfe, bei denen von einem 
eigentlichen Autor nicht die Rede fein kann, wie Geſetze, Staatsjchriften 
und Ähnliches. Hier jollte das Privilegium ein Yohn jein für bie der 
Wiffenjchaft und dem gemeinen Weſen geleifteten Dienfte, wie denn Pri- 
vilegien viel häufiger Verlegern und Drudern, ald ven Herausgebern 
erteilt wurden. Bei den Klaſſikern wollte man dem, welcher zuerjt unter 
immerhin erheblichen Koſten Handjchriften herbeigejchafft, für die Her: 
jtellung eines forreften Textes gejorgt und auf den ungewijjen Gr: 
folg hin ven Drud unternommen hatte*®, gewiffermaßen durch die Er: 
teilung eines Monopols für das betreffende Buch auf eine bejtimmte 
Zeit die Möglichkeit gewähren, daraus einen der aufgetwandten Arbeit 
und ven aufgewandten Koften entjprechenven Gewinn zu erzielen und 
dadurch Gelehrte, wie Buchhändler und Druder ermutigen, ſich die Ver: 


746 Die Nahdrudsprivilegien als jtaatliche Einnahmequelle. Elftes 


vielfältigung und Verbreitung der Schätze des Altertums und der frühern 
Jahrhunderte unter ihren Zeitgenoſſen angelegen ſein zu laſſen.““ Bei 
gleichzeitigen Geſetzen und ähnlichen Schriftwerfen jollte die Gewährung 
eines Drudprivilegiums eine Belohnung, vielleicht auch einmal geradezu 
eine Bezahlung für den Druder oder Buchhändler für den von ibm 
unternommenen Drud jein ®, wie denn überhaupt in ver Mehrzahl ver 
Fälle die Erteilung eines Privilegiums als eine reine Gunftbezeigung 
erjcheint und oft genug ohne jede Prüfung der Berechtigung (nach heuti- 
gen Begriffen) dem erjten Bewerber zuteil wird. ?! Dagegen wurde aller: 
dings ben Impetrauten von Privilegien, wenn dieſe Buchhändler oder 
Buchdrucker waren, im Intereſſe des Publiftums zur Pflicht gemacht, ven 
Werfen eine entjprechende Ausitattung zuteil werden zu lafjen, für gutes 
Papier, gute Typen und forreften Saß zu ſorgen.“— In der jpätern 
Zeit machte ſich noch ein ganz anderes Moment bei der Erteilung ver 
Privilegien geltend. Mean gewöhnte ſich mehr und mehr daran, bie 
jelben als eine Einnahmequelle zu betrachten. Regelmäßig mußten für 
die Privilegien gegen den Nachdruck Gebühren entrichtet und Freierem- 
plare im nicht geringer Zahl abgeliefert werden. Gifert doch die In— 
jtruftion des Kaiſers Rudolf II. für die fatjerliche Bücherfommiffion vom 
15. März 1608 gegen die Buchdrucker und Buchhändler, welche auf ihre 
Bücher die Worte cum gratia et privilegio (unter Auslaffung des 
Wortes Caesareo) jegten und dadurch das Publikum zu dem Glauben 
verleiteten, daß für dieſe Bücher ein kaiſerliches Privilegium gegeben, 
„da doch feines von ihnen gejucht, weniger erlangt worden‘, nicht nur 
deshalb, weil unter dieſem „Schein viel vngereumbte Sachen eingejchleifft 
und in Truck gefertigt werden“ und dadurch die kaiſerliche „reputation’ 
(ädirt, jondern auch, weil dadurch die „gebührende Taxa’ gejchmälert 
würde. °? Und von der jenenjer Juriſtenfakultät wird in einem Be— 
denfen vom November des Jahres 1722°* die NRechtswidrigfeit des Nach— 
drucks nichtprivilegiertev Bücher unter anderm auch deshalb in Abrede 
geitellt, weil „in foro humano hohe Potentaten nicht leichtlich zugeben, 
wenn privatı ohne erhaltene Privilegien fich jo viel herausnehmen, und 
anderen Yeuten das Nachmachen, Nachdrucken und Berkaufen verbieten 
wollen, wodurch die privilegia und monopolia, welche hochgedachten 
Potentaten merkliche Summen eintragen, nur geringjchäßig werten“. Cs 
wurde denn auch mit faiferlichen Privilegien ein förmlicher Handel ge— 


Kapitel.) Willfür bei Erteilung devielben. Die Generalprivilegien. 147 


trieben. Es kommt vor, daß für ein und dasſelbe Buch mehrern Ver: 
legern Privilegien gegeben werden ’°, ja jogar, namentlich in der jpätern 
Zeit, daß ſolche Nachdrucken zuteil werden ?®, wie denn die Regierungen 
geradezu das Recht Für fi in Anfpruch nehmen, die Privilegien auf 
beliebige andere Petenten zu übertragen, wenn die urjprünglich damit 
Beraten es nicht für nötig hielten, nach dem Erlöſchen des urjprüng: 
lichen Privilegs die Erneuerung desfelben nachzujuchen 57, oder die ihnen 
obliegenvden Yeiftungen nicht erfüllen wollten. ®* 

Beachtenswert ift, daß Privilegien nicht nur in dem Sinne erteilt 
werden, daR dadurch ein einzelnes Buch?? oder zwar mehrere, aber nament- 
lich aufgezählte Bücher gegen Nachdruck gefichert werden jollen, ſondern 
auch jo, daß ver Schuß allen von dem mit dem Privilegium bevachten 
Buchhändler oder Druder herausgegebenen, reſp. gedrudten oder noch 
herauszugebenden, reſp. zu drudenden Werfen zuteil werden joll®®, over 
wenigitens allen Büchern einer gewiffen Art.“! Zwar machte ſich im 
Yaufe der Zeit gegen dieſe Sitte, bei welcher Kollifionen nicht ausbleiben 
fonnten, eine Reaktion geltend ©, die auch in Kurſachſen im Jahre 1504 
zu der Verordnung führte, daß die Generalprivilegien, da fie Anlaß ge- 
geben, „viel vnnötiger vnd vntüchtiger Bücher zu drüden, auch mono- 
pola vnd Steigerung des Bücherfauffs anzuftifften‘‘, cafjiert jein und 
fernerhin nur noch Spezialprivilegien erteilt werden ſollten.““ Nichts: 
dejtoweniger find noch in der jpätern Zeit nicht nur außerhalb Sad): 
jens 6*, jondern auch im Kurſachſen jelbft 6° Generalprivilegien gegeben 
worden. 

Daß die Generalprivilegien aber nur Gewerbsprivilegien jein können, 
liegt auf ver Hand. Wird ein jolches Privilegium gegen den Nachdruck 
einen Buchhändler oder Buchdrucker erteilt, und zwar für feine ſämt— 
(ichen gegenwärtigen und zukünftigen Verlagsartifel, reſp. von ihm ge— 
prudten Werke, jo gewährt es dem Bedachten in ganz berjelben Weije 
das ausichliehliche Recht des Betriebs des Buchhandels, reſp. des Buch— 
drudereigewerbes, geradezu ein Monopol für dieſe Gewerbszweige in 
einem beſtimmten Bezirk, als wenn ausprüdlich das ausjchliefliche Recht 
des Buchhandels, reſp. des Buchorudereibetriebs für eine bejtimmte Segen 
— was gleichfalls vorkam 6° — gewährt wurde. “Der Charakter des Pri- 
vifegiums fann num aber fein anderer jein, wenn das Seneralprivilegium 
ih nur auf gewiffe Artikel bezieht. Es iſt lediglich dev Kreis der Gegen: 


748 Kein Nachdrud, falls andern Formats als das Original. [Eiftes 


ſtäude des Betriebs ein bejchränfterer, ver Betrieb it derjelbe. Daraus 
folgt weiter, daß das Spezialprivilegium gegen den Nachorud ganz den: 
jelben Charakter hat. Es wird dadurch eben das ausſchließliche Recht 
auf gewerbliche Erploitierung eines Gewerbsartikels gegeben. Dieje Auf- 
faffung tritt denn auch geradezu in dem Kreijen der betreffenden Gewerb- 
treibenden jel6jt hervor, jo wenn von diejer Seite geltend gemacht wird, 
daß der Buchhandel „ein freyer Handel“ jei, „und feiner ſich ein meh— 
reres als was durch obrigfeitliche privilegia erhalten hoc in passu 
attribuiren fonne‘, 67 

Mit diefer Natur des durch die Nachdrucksprivilegien gewährten Rechts 
ſtimmt es denn auch überein, daß die Identität des nachgedrudten Werks 
und des Originalwerfs ſchon dadurch als ausgejchloffen galt, daß das 
eritere ein anderes Format oder eine andere Drudeinrichtung als das 
(eßtere zeigte, wie dem auch Privilegien an verſchiedene Perjonen er- 
teilt wurden auf ven Drud eines und vesjelben Werks, aber mit verjchie- 
dener Drudeinrichtung. °° So macht der leipziger Buchhändler Henning 
Große in jeiner dem Rat von Yeipzig eingereichten Verteivigungsichrift 
vom 12. Mai 1602 6° geltend: „es wirdt unter Buchführern alfo ge: 
halten, Wenn einer ein Buch in einem Format, alf fol. ver ander in 
ander, alß 4. drudet, werden fie ſchon für vnterſchiedene werd gehalten, 
wie mit der Deudtſch Bibel H. Yutherj zu Frankfurt vnd in diejen Yan: 
den geſchieht.“ Und auf denjelben Stanppunft hatte fich die weimariſche 
Regierung bereits im Jahre 1564 in einem an den leipziger Rat ge: 
richteten Schreiben geftellt. *° Sollte ein derartiger Nachdruck gleichfalls 
als umerlaubt gefteinpelt werden, jo mußte das Privilegium entweder 
auf ven Drud in verjchiedenen Formaten, reſp. Drudeinrichtungen, lau: 
ten ”!, oder der Nachdruck auch in andern Format und anderer Drud: 
einrichtung verboten werden. ?? 

In gleicher Weije ift lediglich bei der hier vertretenen Auffaffung 
erflärlih, daß ein dem Autor gegebenes Privilegium feineswegs ohne 
weiteres dem DBerleger zugute fam. So lehnt (im Jahre 1662) ver 
roſtocker Buchhändler Johann Wilde die Verbindlichkeit zur Yieferung von 
18 Erempfaren von Johann Jani „Sternenhimmel“ an die kurſächſiſche 
Regierung unter Dimveis darauf ab, daß er fein Privilegium nachgejucht 
babe, jondern allein der Autor; daß er auch feines ſolchen auf dem 
Titel Erwähnung gethan. Der Autor allerdings babe „vie 2 förver: 


Kapitel. Übertragung von Privilegien durch Rechtsgeſchäft. 749 


bogen zu feinen 30 exemplarien, jo ihm zur recompens gegeben 
werden, bei Timotheo Ritjchen alhier cum privilegio Electorali vruden 
laffen“. 7° Auf der andern Seite war die Übertragung eines Privile- 
giums durch Nechtsgejchäft von jeiten des damit Bedachten auf einen 
andern möglich. So verkauft (nach einem im Leipziger Schöppenbuch 
enthaltenen Vertrag vom 20. Dezember 1560) der merjeburgifche Kanzler 
Lie, jur. Paul Kretſchmar zugleich mit 895 Exemplaren des „Sächſiſchen 
Weichbilds“, das er in Gemeinſchaft mit ſeinem Bruder hatte drucken 
lafjen (wohl dem Reſt der veranftalteten Auflage) zugleich das Privile- 
gium an den Buchhändler Yorenz Findelthaus in Yeipzig und händigt 
diejem dasjelbe vor den Schöffen aus. Deswegen — jo heißt es in 
dem Protokoll — „hat ermelter Yicentiat und Cantzler Lorentzen Findel- 
thaus das Staiferliche prinilegium im Originalj vor gedachten Herrn 
Schöppen vberanthwort vnd vor fih vnd in vormundſchafft feines ob- 
gedachten verjtorbenen Bruders jeligen Erben fich deßelbigen binfüro 
weiter nicht antzumaßen noch zu gebrauchen, vorgichen vnd begeben, 
welches prinilegium Lorentz Finckelthaus auch alßobaldt zu jeinen Han— 
den genommen”, 

Auch die Art und Weife, wie gegen Privilegienverleßungen einge: 
jchritten wurde, jteht mit diefer Auffaffung im Zuſammenhang. ‚Freilich 
war der Rechtsweg nicht geradezu ausgejchloffen, allein verjelbe trat doch 
dem Berwaltungsverfahren gegenüber jehr in den Hintergrund. ’* Alter: 
dings berubte es Lediglich auf den faktiſchen Meachtverhältniffen, wenn 
in Frankfurt a. M. ſchon jeit dem 16., bejonvers aber während des 
17. Jahrhunderts die kaiſerliche Bücherfommiffion die Überwachung des 
Bücherwerfehrs auf den Meeffen unter Mißachtung der dem Rat zu: 
jtehenven (in der hier in Betracht fommenden Beziehung noch ausprüd- 
(ih durch den Weſtfäliſchen Friedensſchluß anerkannten) obrigfeitlichen 
Rechte an fich zu ziehen juchte, vejp wirflich an fich 309 °°, wie die: 
jelbe — allerdings mit weniger Glück — auch den Berjuch gemacht zu 
haben jcheint, fich gleichfalls in die Oberaufficht über die leipziger Meſſe 
einzudrängen.’* Es war reine Willfür, wenn der Kaiſer den frauf- 
furter Rat, joweit das Biücherwejen in Betracht fam, geradezu in bie 
Stellung herabdrückte, wie fie die Magiftrate der Territorialjtäidte in 
jener Zeit einnahmen, reine Feigheit der Stadtverwaltung, wenn dieje 
ſich in eine ſolche Stellung herabdrücken lieg.” Thatjüchlich gerierte ſich 


150 Form des Verfahrens gegen Nachdrud in frankfurt. (Eiftes 


ver Rat zu Frankfurt — abgejehen von einigen ſchon früher berichteten 
Fällen, wo fich derjelbe zu einem energijchern Handeln ermannte und feine 
ſelbſtändige obrigfeitliche Stellung auch der fatjerlichen Bücherfommiffion 
gegenüber geltend machte — lediglich als faiferliche Exekutivbehörde, der 
die bevingungsloje Ausführung der Anordnungen des Kaijers, rejp. ver 
Bücherfommiffion, in Nachdrucksſachen obläge, während die Kognition 
darüber lediglich der Bücherfommiffion zufäme. So wird in einem (tm 
franffurter Archiv befinplichen) Anjchreiben des Kaiſers an den Rat zu 
Frankfurt vom 4. Juni 1640 hervorgehoben, daß der Rat den Antrag 
wegen Nachoruds der „Summa Theologieca Divi Thomae Aquinatis“ 
einzujchreiten, abgewiejen und am die kaiſerliche Bücherkommiſſion ver: 
wiejen habe. Und in einem (gleichfalls im frankfurter Archiv befind- 
lichen) Schreiben des franffurter Rats an den Nat der Stadt Amſter— 
dam vom 1. Februar 1657 und einem jolhen an den Rat der Stadt 
Rotterdam von demſelbem Tage heißt e8 in Betreff des Cinjchreitens 
wegen Nachdrucks der von Johann Zwocelffer herausgegebenen „Pharma- 
copoea Augustana”, „daß wir Vnß diejer Sachen anderſt nit alf... 
Ihrer Kayſ. May. zu allerunderthänigjtem Respect vndernehmen müfjen, 
gant ohne, daß wir hiebey einiges Interesse haben oder juchen, jon: 
dern vnſersorts das alleintzige abſehen darauff berubet, ne ex aliena 
lite faciamus nostram“. Ausführlicher iſt diefe Stellung des frant: 
furter Rats bereits im zehnten Kapitel gejchilvdert worden; der Abrım- 
bung der Darftellung halber fonnte aber dieſe Wiederholung bier nicht 
vermieden werden. 

Allein auch die Bücherfommiffion erjcheint nicht etwa als eine richter: 
liche, jondern als reine Berwaltungsbehörne. Der Bücherfommiffar, over 
an jeiner Stelle als Exekutivbehörde der ſtädtiſche Rat, geht auf einge 
gangene Beſchwerde des angeblich Bejchädigten jelbftändig oder auf faijer- 
liche Anweifung gegen die Kontravenienten, wenn vein äußerlich die That— 
jache, daß ein privilegiertes® Buch noch von einem andern, ald dem 
Privilegierten gedrudt war und vertrieben wurde, durch das blofe Vor— 
handenjein von Eremplaren diejer legtern Art oder in anderer Weije 
dargethan war, mit Konfisfationen und Beitreibung der Geldſtrafen (wie 
fie durch das Privilegium ftatuiert waren) und zur Sicherung der lek- 
tern mit Schließung der Gewölbe, auch wohl Arreftierung der jümtlichen 
Bücher vor. 3 Und in ganz vderjelben Weiſe machte ſich bei der fur: 


Kapitel.) Form des Verfahrens in Frankfurt und Leipzig. 71 


ſächſiſchen Regierung das Beſtreben geltend, ein gevichtliches Verfahren 
auszujchließen. So weift diejelbe geradezu ven Rat zu Yeipzig oder die 
Bücherfommiffion dajeldft an, auf Anrufen des mit der Überwachung 
des Privilegienwejens betrauten Bücherfisfals oder der privilegierten Ver- 
feger gegen die angeblichen Nachdrucker jofort mit der Erefution vorzu- 
geben, d. h. die nachgedrudten Bücher zu fonfiszieren und die im deu 
Privilegien angedrohten Strafen einzuziehen.” Ja, fie nennt es nicht 
minder deutlich, ald es der Kaiſer dem Frankfurter Rat gegenüber 
that °®, eine Kompetenzüberjchreitung des Leipziger Stabtgerichts, wenn 
diejes auf die Beſchwerde eines Buchhändlers wegen des jeinem Privi- 
legium zumiderlaufenden Vertriebs nachgedruckter Bücher gegen den an— 
geblichen Kontravenienten nicht jofort mit Erefution vorgeht, jondern ein 
fontradiktorisches Verfahren eröffnet, und betont ausprüdlich, daß die 
Kognition und Entjcheidung über die Bedeutung und Tragweite eines 
Privilegiums lediglich dem Kurfürften, d. h. dem Oberfonfiftorium in 
Dresden, zuftände. 9! Freilich war für eine derartige Behandlung ver 
Sachen das fisfalifche Intereffe mit maßgebend. *? Auch wurde die Statt: 
baftigfeit desjelben wohl in Frage gefteltt. 3° Übrigens war auch gegen 
die Verfügungen der faiferlichen Bücherbehörden ein Bejchtwerdeverfahren 
geitattet, welches vor dem Reichshofrat ftattfand, — jeitens deſſen freilich 
in der jpätern Zeit auch die Erteilung der Privilegien erfolgte — und 
jwar in den Formen eines gerichtlichen Berfahrens von ftatten ging. 
So weiſt Kaiſer Yeopold I. in einem an den Rat zu Frankfurt in der 
Nacorucdsangelegenheit des Joh. Friedr. Spoor gegen Wiederholt ge- 
richteten Mandat vom 14. April 1671 (im frankfurter Archiv), worin 
der Rat aufgefordert wird, dem Bücherfonmiffar Beiltand bei der Kon— 
fisfation der nachgedrudten Werfe des Limnäus zu leiften, darauf bin, 
daß Wieverholt „pro cassatione ged. Vnſern Befelchs (seil. die nachge- 
druckten, am Ort befindlichen Eremplare zu fonfiszieren und die verwirkte 
Strafe beizutreiben) bey Vnſerm Reichshoffrath eingefommen, jolche cas- 
sation aber prioribus inhaerendo iure abgejchlagen worven“. Um— 
gefehrt erklärt derſelbe Kaiſer in einem (ebendaſelbſt befindlichen) an ven 
Rat zu Franffurt in der Nachdruckſache des Buchhändlers Johann Lud— 
wig Neuenbahn zu Iena erlaffenen Anjchreiben vom 28. Januar 1670, 
Neuenhahn habe, nachdem ihm jeitens des Biücherfommiffars wegen Ver: 
letzung des Privilegiums jein Buchladen gejperrt, die exemplaria weg- 


152 Prozeßgang in Nachdrucksſachen. [Eiftes 


genommen und eine Strafe von 600 Reichsthalern diftiert, Widerſpruch 
erhoben, gegen das Privilegium gehandelt zu haben, und fügt hinzu, 
daß „Wir jelbiten (d. i. natürlich der Neichshefrat) in der Sachen zu 
erfennen vndt mithin jolche feine Glag dem Gegentheil vmb deſſen Be- 
richt sub termino Zweyer monathen einzujchließen für gut erachtet 
haben‘, 

Die Prozeffe in Nacdrudsjachen während des 16. und 17. Jahr— 
hunverts bieten mir wenig Material dar, um daraus einen Schluß zu 
ziehen auf die in jenen Jahrhunderten herrſchende Auffaffung vom Nach— 
prud, rejp. von dem durch die Privilegien gegen den Nachdruck begrün- 
deten Recht. Nur natürlich ijt es, daß die ftreitenden Parteien fich in 
dieſer Beziehung ſtets auf den entgegengejeßten Stanppunft jtellen. Se, 
daß der wegen Nachdruck Belangte ale Einwand geltend macht, die 
Druckeinrichtung und das Format der von ihm gebrudten Bücher jei 
eine andere als in dem Originalwerk*, während von klägeriſcher Seite 
darauf Gewicht gelegt wird, Daß andere Form und Ordnung für das 
Buch lediglich gewählt jei, um den Nachorud zu verdeden *°; daß der 
Bellagte ſich darauf ftüßt, er fei im Befige eines Privilegiums, wonac 
er bereits gedrudte Bücher nachoruden dürfe, wofern er fie „gemehret‘ °*, 
wogegen der Kläger behauptet, daß die Erteilung eines derartigen Privi- 
(egiums als contra jus et publicam utilitatem unmöglich jei*”; daß 
ver Beklagte ſich darauf beruft, die Infinuation des für das Original- 
werk erteilten Privilegiums ſei nicht vorjchriftsmäßig erfolgt und daber 
fönne das Privilegium jelbjt feine Wirkjamfeit nicht äußern °°, während 
der Kläger dies wohl als eine „liederliche entjebuldigung vnd simulirte 
ignoranz vnd Bnwiſſenheit“ bezeichnet. °? Bon einer einheitlichen Judi 
fatur in dieſen Sachen läßt fich nicht jprechen; nur der Einwand des 
Mangels der Infinuation jcheint in Kurſachſen regelmäßig als ftichhaltig 
angejeben zu jein.?° In den allerwenigften Sachen läßt ſich überhaupt 
irgend eine Entſcheidung ermitteln. Vielmehr weifen die Aften meijt ledig— 
(ich prozepleitende Defrete auf, vermittelft welcher fich die Sachen dur 
eine Reihe von Jahren binjchleppen, bis die mürbe gewordenen Parteien 
fich vergleichen oder der Kläger die Klage zurüdnimmt, oder die Sache 
auch einfach einjchläft. Und zwar war es fo nicht nur bei den Terri- 
torialgerichten ®', jondern auch bei ven Neichögerichten. ?? 

Hin und wieder ijt bereits im 16. und 17. Jahrhundert durch die 


Kapitel.] Direktes Verbot des Nachdruds überhaupt im 16. und 17. Jahrh. 753 


Sejeßgebung ein direktes Verbot des Nachdrucks, d. h. unabhängig von 
einem für bejtimmte Bücher erteilten Privilegtium, erlaffen worden. Das 
ültefte gejetsliche Verbot dieſer Art gehört jchon dem erjten Drittel des 
16. Jahrhunderts an. Es iſt enthalten in einer Verorpnung des Rats der 
Stadt Bajel vom 28. Dftober 1531. Hier wird mit Rüdficht auf ven Scha— 
den, den die Druder durch das Nachpruden ihrer Werfe fich gegenjeitig 
zufügen, beſtimmt, „das dan hinanfur fhein truder difer ftat Bajel dem 
anderen jine werd und bücher im dryen jaren, die nechjten nachdem vie 
uhgangen und getwudt worden, nachtruden ... bu peen 100 Rhiniſcher 
aulden, die von einem jeden, der das uberfart oder furgat, zu rechter 
Buß unableßlich genommen jollen werden“ Im ähnlicher Weije defre- 
tiert der nirnberger Rat unter dem 10. Auguft 1633 9° unter Hinweis 
darauf, daß „die Buchtruder undt Formjchneider inn dießer Statt fich 
bißhero unterftanden haben, ihre Formen, Schrifften, Büechlein undt Ge- 
mähl aneinander nachzuedrudhen; welchen aber denen, die jolliche Büech— 
fein, Gemähl und Schrifften anfänglich erfunden, gedicht, gejchnitten undt 
mit Berfegung vderojelben viel Coſten darauff verwendet haben, zum großen 
ſchaeden, verderb und abbruch ihrer Nahrung geraichet hat, Solches aber 
zuefürkgommen“, ... „daß nun hinfüro fein Buchdruckher, Formſchneider, 
Buchführer, Verleeger oder Jehmandt anders, jo Einem Rath verwandt 
und zugehörig, dem andern jeine Bücher, gedichte, gemählte, Schrifften 
und formen, die Er jelbften gedicht ... erfunden, gejchnitten geriffen, oder 
auff jeinen Gojten verlegt hat, und die Ihme von Eines Edlen Ehren- 
veiten Rhats darzue verordtneten zu trudhen, aufgehen und fail haben 
zu laßen, zugelaßen fein, in einem halben Jahr dem nechjten nach auf: 
gehung derjelben, weder heimlich oder öffentlich nachtrudhen, jchneiden 
oder reißen, oder bei anndern auff jeinen Coſtung und Berlegung zu— 
thun verfüegen joll. Dann welcher jolches überfahren und Einem Edlen 
Ehrenveſten Rhatt von Jehmandt alß ein verbrecher angezeigt wirbt, der 
jolle Ihren Herrligfeiten darumb ohne gnadt zu Pueß geben und ver: 
fallen jein zeben Gullvden Rheyniſch und darzu die gejchnitten oder ge- 
trucfhten formb Eremplar unnd Bücher verfallen haben“. Während aber 
nach dieſer Verordnung Druder und Buchhändler nur für eine ganz 
furze Zeit in der ausjchließlichen Verwertung der Werfe gejchügt waren, 
jo wird in der nürnberger „Erneuerten Ordnung und Artifeln, wie e8 
fürterhin auf denen Buchorucdereyen auch mit Verlegung der Bücher 
app. I. 48 


154 Der Nachdruck auch in dieſem Fall Gewerbefontravention. Elftes 


dieſer Stadt gehalten werden ſolle“, vom 7. Februar 1673 die zeitliche 
Beſchränkung des Schutzes fallen gelaſſen, indem zugleich die Künſteleien 
der Praxis in Nachdrucksſachen abgeſchnitten werden. Es heißt nämlich 
hier“ im Satz 6: „Weilen des Nachdruckens halben, viel Ungelegenheit 
und Klagen verurſacht worden; als ſollen ſich die Buchdrucker und Ver— 
leger, alles Nachdruckens, ſowol privilegirter, als unprivilegirter Materien 
enthalten, wie auch des Vortheils, daß ſie andere Format nehmen, die 
Figuren und Kupfer in etwas ändern oder neue verfertigen laſſen, einen 
anderen Titul und Namen des Autoris gebrauchen, neue und andere 
Summaria machen, Scholia und anders dazu thun, noch dergleichen 
vorzunehmen, einem Fremden Anlaß neben: Alles bey Strafe eines Sul: 
dens von jedem Bogen, Gonfiscirung der Eremplarien, und Abtrag dee 
erjten Verlegers hierdurch verurſachten Schadens.” Gin für ſolchen Nach— 
druck „subreptitie” ausgewirftes Privilegium joll zu Gunſten des Im— 
petranten feine Wirkung baben, dem erjten Verleger aber an „fernerer 
Auflegung des Buchs“ nicht hinderlich jein. Nur für den Fall, daß ver 
erjte Druder den Berlangen des Autors, eine neue Auflage zu unter- 
nehmen, nicht nachfäme, kann der Drud von jeiten eines andern Druders 
vorgenommen werden, der allerdings mit dem erjten Druder binfichtlich 
der vorhandenen Exemplare ein billiges Arrangement zu treffen bat. 
In dieſen Beftimmungen erjcheint ver Nachdruck ganz ebenjo, wie in 
der Privilegienpraris der damaligen Zeit als eine Gewerbefontravention. 
Wie einer bejtimmten Perjon das ausjchliekliche Recht der Bervielfälti- 
gung "und des Vertriebs eines einzelnen Buchs oder einer Anzabl be- 
jtimmter Bücher oder auch aller Bücher, die dieſelbe druden oder ver- 
legen würde, durch eine Konzejfion verliehen werden konnte, jo fonnte 
das gleiche Recht jemand auch durch Nechtsjaß eingeräumt werden, in- 
dem dasjelbe an eine beftimmte Vorausjekung geknüpft wurde. Und je 
räumt denn die bajeler Verordnung dem Buchdrucker, der zuerjt ein 
Buch gedrudt, das Recht ein, aus dem Bertriebe des Buchs für eine 
bejtimmte Zeit ausjchlieglichen Vorteil zu ziehen. Der gleiche Gedanke 
liegt den nürnberger Verordnungen zu Grunde In dieſen, wie in der 
bajeler handelt es ſich um die ansjchliekliche Drud- und Vertriebs 
gerechtigfeit, welche durch ven eriten Drud des Werfs erworben wirt, 
mr daß Diejelbe in dem mürnberger Erlaß von 1633 auf ein bafbes 
Jahr bejehränft wird, im der Buchdruckerordnung von 1673 zeitlich un— 


Kapitel.) Unterfagung des Nachdruds überhaupt 1685 und 1686, 755 


begrenzt ift und nur in dem Intereſſe des Autors ihre Schranfe findet. 
Hier wie dort handelt es fich lediglich um eine Berechtigung der Drucker 
und Berleger, wie dies gerade aus der joeben erwähnten zu Gunſten 
der Autoren getroffenen Bejtimmung der nürnberger Buchdruckerordnung 
flar hervorgeht. Die ſämtlichen Verorpnungen haben gewerbepoflizeilichen 
Charakter. Ganz ebenjo verhält es jich mit der bier einjchläglichen Be— 
ftimmung des fir die frankfurter Meſſe beftimmten Patents des Kaiſers 
Leopold I. („an ſämmtliche einheimifche und fremde Buchhändler‘) vom 
4. März; 1662 (im frankfurter Archiv). Nachdem der Kaiſer voran- 
geichift, er habe mit Befremven vernommen, daß verjchievene Buch— 
händler unerlaubte Nachbrude veranftalteten, verbietet er, „um biejen 
Mipbräuchen abzubelfen“, bei „einer Strafe von 6 Mark löthigen Gol— 
des nicht weniger jperrung der Bücher-Gewölbe, Confiscation ſämmt— 
licher Yagervorräthe und Erjetung der verurjachten Koften“, „privilegirte 
Bücher und jolche anderer Verfaſſer“ nachzudrucken. Auf einen ganz 
andern Standpunkt jtellt fich dagegen die dem faijerlihen Mandat 
vom 25. Oftober 1685 nachgebilvete furjüchfische Generalveroronung vom 
27. Februar 1686. Dieſelbe bejtimmt: 

„Welchergeftalt Wir zeithero wahrgenommen, wie bey dem Buch— 
druck und Handel umterjchievliche Mißbräuche einreißen wollen, indem 
etliche fih unterfangen, des heil. Reichs heilfamen Constitutionen, auch 
Unferen undt Unferer in Gott ruhenden Borfahren öffteren Verordnungen 
zuwieder, allerhand ügerliche Schrifft ... zu drucken und zu verfauffen, 
ingleichen des verbotenen eigennüzigen nachbrudens, auch wohl von Uns 
privilegirter Bücher fichb zu unternehmen ... befehlen Wir... hierdurch 
ernjt- und endlich, auch bey Vermeidung Confiscation der Bücher, Sper- 
rung der Gewölbe ... und nach Gelegenheit anderer jchwerer ftraffen, 
daß hinführo fich feiner, wer der auch jey, unternehmen jolle, ärgerliche 
Scrifften ... in Drud zu bringen ... und fich des verbothenen Nach- 
drucks, zum höchften Schaden derer, welche Bücher von den Authoribus 
redlicherweiſe an fich gebracht, auch wohl darüber Privilegia erlangt, zu 
enthalten.” 

Dieje Verordnung, in welcher zwar auch von dem Nachdruck privi- 
legierter, aber nicht bloß von dem Nachdruck jolcher Bücher die Rede 
ift, legt für den Schuß, der dem Verleger eines Buchs gewährt wird, 
entſchieden Gewicht auf ven Umſtand, daß derſelbe das Buch bona 

48 * 


156 Theorie vom geijtigen Eigentum inauguriert. Elftes Kapitel.) 


tide vom Autor erworben. Und e8 wird damit, wie das ausprüdlich 
in einem kurſächſiſchen Rejkript vom 4. Juli 1798 hervorgehoben wirt, 
das Recht der ausjchlieglichen Bervielfältigung auf ein vom Auter er- 
worbenes Eigentum an dem Geiftesproduft zurüdgeführt und jomit vie 
Theorie vom geijtigen Eigentum, welche jo lange Zeit in Deutſch— 
land geberricht hat, gewiſſermaßen inauguriert. 


Anhang. 


Dofumente. 


J. 


Beglaubigungsſchreiben des frankfurter Rats an den lübecker. 
3. Juni 1469. 


Zeitſchrift des Vereins für lübeckiſche Geſchichte. III, no, 601.) 


Dem furfichtigen, erfamen und weifen burgermeiftern, fcheffernn und rat 
der ftat Lubecke entbieten wir burgermeifter, fcheffenn und vat der Stat 
Frankfurt unfern freuntlichen dinft. Erſamen guten frunde Es fin vor 
ung fomen die erbare rede Fuften, etzwan Johannes Fuften, feligen bur— 
gers zu Menge, eliche husframı was, und mit er Petrus von Gernsheim, 
der vorgenannten reden und Johannes Fuſten feligen dochterman, uns 
berichtende, wie Conrat Horleman, uwer mitburger zu Yubede, dem vor: 
genannten Johannes Fuften jeligen und finen erben ſchuldich ſy von etlicher 
gedrudter bucyer wegen und anders. Darumb dan die itgenante Grede 
und Peter vor fi) und alle Johannes Fuſten nachgelaffen erben ganten 
vollen gewalt und macht gegeben han hie vor uns und geben in crafft diefes 
brieff8 Conraten Hendis von Gudensperg, der vorgenannten reden elichen 
huswirte, zeiger dieſes brieffs, foliche jchulde und offerftorben gut an den 
obgedadhten Conrat Horlemanen oder jine erben inzufordern und inzubringen 
rechtlich oder gutlih. Und was der genannte Conrat Hendis in diefen ſachen 
alfo rechtlich oder gutlich Handelt, dut oder leſſet, des habe er gantzen vollen 
gewalt zu gewynne und zu verlufte und zu allem redjten. Bitten wir frunt— 
lichen uwere erfamfait, dem vorgenannten Conrat Hendis an furderunge ſo— 
ficher vorgefchrieben fchulde furderlic und behofffen zu fin, das im die von 
uwerm egeichrieben burger gehantreicht und bezahlt mogen werden und, was 
recht i8, whderfare. Verdienen wir umb uwere erfamfeit allezyt gerne. Steben 
und veften glauben und eyn gange zuverficht zu haben, was dem vorgenann— 
ten Conrat Hendis von folder forderungen und ſchulden uberantwort wirt, 


760 Schöffers Proipeft über Hierouymi Epistolae 1170. Dokumente. 


das ir noch der umer keyner furter namaninge darumb Iyden zullen in allen 
zufomenden zyten, dar wullen die vorgenannte Grede und Petrus vor fie 
und ire erben umer erſamkeit gut vor wefen, als fie vor und zugejagt umd 
verjprochen han. Zu urfunde han wir unfer ftat ingefegel umb irer bede 
willen an diefen brieff tun henden. Datum anno Domini millesimo qua- 
dringentesimo sexagesimo nono, sabato post festum Corporis Christi. 


11. 


Anzeige der Ansgabe von Hieronymi Epistolae, Moguntiae, 
Petr. Schoiffer de Gernssheym, 1470 (welcde im Herbſt 1470 
wirklich erjchien). 


(Abgedruckt im „Serapeum”“. 17. Jahrgang 1855, ©. 238. — Überjegung des lateinifhen Originals.) 


Allen denjenigen, welche von der vorliegenden Anpreifung hören, welche 
dem ruhmreichen Hieronymus ergeben find und fich feiner herrlichen Lehren 
erfreuen, jet hiermit fund und zu willen, daß diefes ruhmreichen Mannes, 
Doktor und tapferften Vorkämpfers der Kirche Buch der Briefe oder das 
hierongmifche Buch in Mainz durdy Peter von Gernfheim zum Drud vor: 
bereitet und unter dem Scute des Spenders aller Gitter, jowie unter dem 
Beiftand des heiligen Hieronymus felbft in der nächften Michaelismeffe, wenn 
und das Leben bleibt, glücklich vollendet werden wird, Der Borzug diefer 
Hieronymus Ausgabe vor allen übrigen, weldye bi8 auf den heutigen Tag 
hervorgetreten find, oder vielleicht inzwilchen während ihrer Herftellung auf- 
tauchen fönnten, wird durch die jorgfältige Zufammenftellung, durch gefällige 
Anordnung und beftmögliche Korrektur leicht erwiefen. 

Was nun den erften Punkt betrifft, jo hat man an verfchiedenen Orten 
einen Hieronymus. Doc, ift einleuchtend, daß die Zahl feiner Werke ver- 
fchieden angegeben wird, denn Einige bringen 7O Briefe, Andere 100, Dritte 
130, wieder Andere etwas mehr, Andere endlich etwas weniger. Die gegen- 
wärtige, eben erwähnte Ausgabe des Hieronymus aber wird, wenn Gott will, 
dem Blid der Frommen über 200 Briefe und Bücher bieten, für deren 
Herausgabe möglichjt viele Bibliotheken von Kirchen und Klöftern befonders 
nachgejehen worden find. Auch ift dem Sammler dieſes jo foftbaren Werkes 
nicht verborgen geblieben, was Johannes Andreae, des ruhmreichen Hierony: 
mus bejonderer Verehrer, noch aud), was der Karthäufer Guido, der be: 
rühmte Tertrecenfent der Briefe des Hieronymus, uns in ihren Schriften 
zur Verarbeitung überlaffen haben; aber darauf muß im Cingange des Werkes 
ganz bejonders eingegangen werden. 


Dotumente.|] Schöffers Proipeft über Hieronymi Epistolae 1470. 761 


Was nun den zweiten Vorzug, nämlich die gefällige Anordnung, betrifit, 
jo muß man willen, daß man nur mit Echwierigfeit, wie wohl zugegeben 
wird, eine foldye Menge von Briefen und Büchern auf eine Feine Zahl von 
Abtheilungen hat einſchränken fünnen, ſodaß die Briefe ſelbſt oder die Bücher, 
jelbftverftändlich mit Nitdficht auf die Perfonen oder Materien, unter ver- 
ichiedenen Gefichtspunften geordnet aufeinanderfolgen. Wie z. B. die zwiſchen 
Damafus und Hieronymus veröffentlichten Briefe, welche den wahrhaften 
Glauben, die erlittenen Berfolgungen und den errungenen Sieg jchildern, 
welche insbejondere den Drigenes und deflen Verteidiger Rufinus betreffen ; 
welche die iibrigen Häretifer, den Helvidius, Jovinianus, Vigilantius, The- 
fifon, den teufliichen Pelagius, den Helvidius Montanus und die Novacianer 
ftarf in Verwirrung ſetzen und den frevelhaften Mund feiner Neider ver: 
ſchließen. Alsdann die Briefe, welche fid) Auguftinus und Hieronymus gegen: 
jeitig fchrieben, die auch zur Einführung in ein befjeres Yeben dienen follen; 
ferner die, welche auf die ihnen vorgelegten Fragen antworten; ſodann die, 
welche zur Ertragung förperlicher Yeiden ermahnen und welche neue Freunde 
ihaften ſchriftlich anfniipfen und alte wiederherftellen jollen; welche gelehrt 
über verfchiedene Gegenftände handeln und welche fir beſtimmte Feierlichkeiten 
Predigten enthalten. Und ſolche endlich, welche das fromme weibliche Geſchlecht 
ſowohl im Mädchenalter als aud) im Eheftand belehren jollen, je nad) dem 
Unterfchied der Stufen der Yungfräufichkeit, der Witwenfchaft und der Ehe; 
von diefen Briefen, jage ich, ſollen die einzelnen Arten in befondere Abtei: 
lungen eingefchloffen werden. Dies find ein Dutend Körbe von Fragmenten, 
welche angenehme SHlaubensftüsen fiir Fromme enthalten. Da jene zu An: 
fang des Bandes geordnet find, fo werden fie alles Folgende gefällig machen, 
indem das, was der Peer fucht, ſich leicht finden läßt. 

Was aber den dritten Vorzug, nämlich die möglichſt befte Korrektur, be- 
trifft, To genüge die Bemerkung, daß auf diefes Geſchäft viel Arbeit ver: 
wandt worden ift. Und wenn wir itberhaupt alle andern Punkte, jo wünfchte 
diefen gewiß der Korrektor für feine Berfon fpeziell gut beforgt. Wenn aber 
dies nicht der Fall fein follte, da anerfanntermaßen nichts Menfchliches voll: 
fommen ift, jo möge der Umftand als Empfehlung und zum Troſte dienen, 
daß es wohl faum ein Buch geben wird, dem diejes in jeiner Korrektur nach— 
ftehen möchte. Dies jei einftweilen unfern freunden, deren Billigung, wie 
wir zuverfichtlic hoffen, unſere Arbeit finden wird, vertrauensvoll mitgetheilt, 
damit nicht etwa inzwifchen, während der Herftellung unſers Werkes ein 
fremdes Buch als das unfrige, aber doc) ohne, wie das unjere, nad) einer 
genau oben bejchriebenen Reihenfolge eingetheilt zu jein, zum Schaden der 
Käufer untergeihoben werde. 

Gegeben zu Mainz im Yahre des Herrn MCCCCILXX. 


162 Deglaubigungsichreiben für Konrad Hendis 1480. (Dokumente. 


Id. 


Schreiben des Rats der Stadt Frankfurt a. M. an den Nat zu Lübed, 
eine Schuldforderung Peter Schöffers und Konrad Hendis an 
den lübecker Bürger Hans Bit betreffend. 1. April 1480. 


Unfern fruntlichen dienft mit fliffe zuuor, Erſamen, furfichtigen und wifen, 
befunder guten frunde, vns haben furbradjt, Petrus Schefer von Gernsheim, 
vnſer burger, vnd Conrad Hendus, buddrudere, wie Gotman Rauenspurg, 
Ir diener, Ine uß Sweden etlid) gut vnd briefe In uwer ftad uberfant 
ſolichs Friderich Phenningbudel Diederih von der Beke und Ire anhengere 
bij ud) behenicht vnd furbehalten haben Iczunt vier Jarlang vngeverlich, jo 
daz fie darczu nit haben komm mogen, des fie In merglichen Schaden komm 
fien vnd noch komm, vnd furter, wie fie Hans Biszen jeligen, uwerm bur— 
ger, do er lebete, uff ein mergliche ſumme ettliche gutere gelt vnd gewar 
geliebert vnd uberfant haben, dauon Ine biß noch rechenſchaff und bezalung: 
verhalten werde, al8 der genante Gotman follicher zu berichten wiſſe, vnd 
han vns gebeten, Ine In dem zu dem Irem furderlic zu fin vnd umer 
liebe fruntlic fur fie zu fchriben, dem nad) als wir vnſern burgern billid) 
auch dem Fauffmann willig zu Irem rechte fin furderniß zutun, So bitten 
wir uch fruntlich mit fliffe, Ir wollent die obgenanten Friderich, Diederid, 
vd die des mit zutun han fruntlid daran wilen, das fie den obgenanten 
Petern vnd Conraden oder rem diener von Yren wegen jolid) obgemelt 
offgehalten gut, das Ir Peters vnd Conrads eigen proper gut fij ale ſie 
jagen mit den briefen, fo darbij waren, one lenger uerczichen zu Iren han 
den ftellen, fomen vnd folgen laißen mit befferunge, koſten vnd ſcheden, An- 
gefchen daß fie ſprechen Ine nichtes willen zutun oder fchuldig zufin, Auch 
das Ir mit Hand Biszen feligen erben oder wer des zutun hatt darczu qut- 
lich wifen vnd uermogen wollent den genannten Petern vnd Conraden oder 
Iren darczu Sendeboten fur erbern fauffluden nad) redelicher billichkeit rech— 
nunge auch des ufftandes vnd reſtes vnuerlengt bezalunge zu thun und 
wollent hir Inne uch bewifen vuferm burger vnd Conraden egenant zu Irem 
rechte und dem Iren furderlich und hulfflic fin, als wir uch funderlid wol 
getruen, wollen wir fruntlid) gerne verdienen vnd was hir Inne den ge 
nanten Petern vnd Gonraden zu gute widderferet vnd widderfaren mag, 
bitten wir uwer fruntlich befchriben antwurt. 

Datum In vigilia pasce. Anno etc, LXXXmo. (1480.) 


Tofumente.] Reinhard Türkhl. Mentels Bicheranzeigen. 163 


IV. 


Ich Reinhart Türkhl bekenne mit dem brief das ich verfauft hab fünff 
gank pantheologiam* den geiftlichen herrn bruder Hanſen von Kölln predig. 
ordend und pin der betalt pis auff drey ungarn. guldin und hab jm geben 
die vordern funff tail der pücher und die anderen finff tail gelob ich jm 
zu geben uff martiny ſchierigſt kommende geſchich das nit fo mag er die 
püher die er zu fein hannden hat, verfauffen damit er fo viel geld bezalt 
wird als vil ich von jm empfangen Hab und was jm fchaden darauf ge: 
gangen ift, treulich und ungeverlih. Des zu urkunt geb ich jm den brieff 
mit meinem fürgedrudten petſchafft. Dabey ift gewefen der erbar meifter 
martin Golfmid, Bürger zu Ofen, datum Wien am Pfingstag (Donnerstag) 
nach Sanct Torengens tag auno Di. 1474 (11. Auguft). 

(1. S.) Keinhard Türkhl. 


nicht mehr vorhanden. 


V. 
Anzeigen Mentelſcher Drucke.** 


(Anzeige der im Jahre 1469 erſchienenen Summa Astexana.) 


Volentes emere summam vere amabilem cunetorum aspectibus gra- 
tiosam, vulgariter summam astensis nuncupatam, compilatam per r. et 
religiosum patrem astexanum ... (Folgt eine ausführliche Angabe des In— 
halts; dann:) Utilissima est pauperibus qui, inopia pressi, neque possunt 
sanctorum orginalia neque scolasticorum doctorum questiones et sum- 
mas innumeras comparare, hie enim in summa quiequid reete digestum 
est ab optimis quibusque viris et saluti proficuum breviter extat exara- 
tum. Accomoda est divitibus qui, etsi multitudine librorum gaudeant, 
quia tamen respersio in diversa memoriam gravat, et ordinata in unum 
eolleetio memoriam juvat, presens summa in qua quasi in quodam promp- 
tnario queque utilia coadunata sunt, aspernanda ab ipsis non est, qui- 


* Hier ift offenbar, wie fchon vorm im Tert angedeutet, diejenige Ausgabe von Rayneri de Piſis 
„Samma Theologiae seu Pantheologia” gemeint, welde Senfenihmidt und Kefer in Nürnberg 
turz zuvor (1473) in zwei Bänden in Groffolio gedrudt hatten. Dieſes Werl (Hain 13015) von 
17290 FFoliofeiten bildet den berborragendften Drud ber Firma Senſenſchmidt und Kefer und zugleich 
rins der frübeften und jchönften Erzeugniffe der nürnberger Kunft überhaupt. Mit ber Heinen Senfen- 
ſchmidtſchen Type bergeftelit, enthält es eine alpbabetiihe Sammlung alles defien, was die berühm— 
teiten Theologen, Schriftausleger und Kanoniften bis auf bie Zeit des Verfaſſers gefchrieben batten, 
der um die Mitte des 14. Jahrhunderts als Dominikaner lebte. Gflemms Katalog, S. 338.) 

* Abgedruckt aus C. Schmidt, „Zur Geſchichte der älteften Bibliothelen und der erften Bud- 
druder zu Straßburg‘. Straßburg 1882. ©. 147-149, 


164 Mentels Bücheranzeigen. Dokumente. 


uynmo affectu placido amplexanda, certis namque ingeniis immorari scio- 
lum faeit. 
Veniant ad hospieium . . et habebunt largum venditorem. 


2.” 


Volentes emere Epistolas Aurelij Augustini Yponensium presulis 
«dignissimi. In quibus nondum humane eloquentie facundia sonat. verum 
etiam plurimi sacre scripture passus difficiles et obscurissimi: Incide 
exponuntur. Hereses quoque et errores a recta fide deuij: quasi malleo 
solidissime veritatis conteruntur. et totius vite agende norma in ipsis 
perstringitur. virtutum monstrantur insignia. et vicia queque ad ima 
mergentia: iusta racione culpantur. 

1. Fortalieium fidei (von Alphonfus de Spina, Hain 872). 

2. Item Epistolas quoque beati Jeronimi. 

3. Josephum de antiquitatibus et bello iudaico. 

4. Virgilium. 

5. Tereneium. 
6. Serutinium seripturarun (von Baulus de S. Maria, Hain 10762). 
7. Librum confessionum beati Augustini. 
8. Valerium Maximum. 
Veniant ad hospieium zu dem... 


3. vr 


Cupiens igitur pretactum volumen (dev Titel follte mit der Feder bei- 
gefügt werden) emere cum ceteris subseriptis bene emendatis veniat ad 
hospieium infra notatum et habebit largum venlditorem. 

Item speculum historiae Vincencii 

Item summam Astaxani (sie!) 

Item archidyaconum super deecretis 

Item Ysidorum ethymologiarum. 


* Das Driginal befand fid auf der Hoi- und Staatsbibliothek zu Münden. Gin Falſimile de 
von enthält Th. F. Dibdin, „Supplement to the Bibliotheca Spenceriana“ (London 189), S. BU: 
Abdrüde gaben 3.8. Bernhart in ‚Neuer Literariicher Anzeiger‘ 1807, Spalte 302, und Angırt 
Bernard, a.a.D., II, 86. Für feine Priorität als ältefter Katalog tritt ein: Warad, „Beilage sur 
Gemeindezeitung für Elſaß Lothringen, Beiträge zur Landestunde“, Nr. 5, 31. Juli 1880; er ſcheim 
aber den vorhergehenden Proſpelt nicht gefannt zu haben. 

** Der Driginaldrud befindet ſich in der parijer Nationalbibliothet. 


Tofumente.) Bämlers Bücheranzeige. Interzeſſion für Hittorp 1519. 165 
Anzeige Johann Bämlers in Augsburg. * 


Wär yemant der ſölicher gejchrifft tewtſche bücher fauffen wölt Nämlich 

1. Summam Yohannis, die aufs dem heyligen Decret buch gezogen 

ift Darinne iſt begriffen Nechtliche ordnung geyftlicher und welt- 
licher ſachen: 

2. Item mer die vier und zweinczig guldin harpffen Die durch einen 
hochgelerten Doctor Meyſter Hanſen Nider aufs Collationibus 
patrum, das iſt auſs der heyligm altvätter buch gezogen ſeind. 

3. Item ein ſchön buch von dem groſſen Alexander, mit ſeinen figuren. 

4. Item die ſyben weiſen meyſter mit xv hybſchen beyſpilen auſs den 

geſchichten der Römeren. 

5. Item von widerſten ſchnöder liebin, als das Papa Pius geſchri— 
ben hat. 

6. Item gute moralia, das iſt ein büchlin von guten ſyten Melibeus 
genant. 

7. Mer ein gut buch Belial genant, mit ſeinen figuren ꝛc. 

8. Mer ein büchlin Procefius juris genant, das weifst, wie man ſich 
in ein recht ſchicken ſülle. 


VI. 
Schreiben des Rats von Köln an die Stadt Baſel. 


(Stadtarchiv Köln; Kopienbuch 50, fol. 154*. Abſchrift des ausgeſandten Schreibens. ) 


Unnfern ꝛc. Eirfamen, weißen, befunder gutten frunde. Unnfer burger 
Gildart (Gottfried) van Hyttorp, zeiger diß brieffs, hatt unns clagende zu 
fenmen geben, wie er und Ludwych Hornken, fein mitgejelle, Adam Peter, 
uwer eirfamheiden mitburger, etliche buechere uff iren coften haben thun 
druden, darvan fi) die ſumme uber duyſent gulden belouffen feulle, und yn 
derhalben luyde ſyner eygener hantjchrifft gelobt und zugefagt die vurfchreven 
buechere zu iren gefynnen zu lieveren; jo wurde er dod) wenlangs bericht, 
das gedadhter Adam der vurfchreven buechere eynsdeils verfatt und in andere 
frembde hende geftelt fulle haben, wilchs ym und ſynem mitgefellen nyet cley= 
nen finder groiffen fchaden gebern folte. Und hait unns derhafben umb 
furſchrifft vur ine an uwer eirfamheiden zu thun gebethen, der wyr ym dan 


Zuerſt abgedbrudt von Am Ende in „Wllgemeiner Literarifher Anzeiger“ (Xeipzig 1798), 
Spalte 1990 fa,, nach dem im feinem Befipe befindlichen Original, Wo diejes jept aufbewahrt wird, 
iſt unbelannt. 


7166 Abrechnung über Schedels Chronif 1509. (Dokumente. 


myt feymen reden affjlagen funnen. Und jo wyr dan benfelbigen an innen 
guebderen ungern verfurgt oder dermayffen in Schaden gefoirt feyen, ift darumb 
unnfer fruntlich bit und gutlich beger genanten Adam myt ernfte daran zu 
halten umd zu vermoigen, foliche obgeichreven boccher zu fryen und weder an 
ſich zu erlangen, umb diefelbigen alendlid) und zumaile genanten unnjerm bur- 
ger zu luyde ſyner gleublicher zufagung und eygener hantſchrifft, als billic, 
zu fieberen. Und willen fid) ure eirfamheide unns zu eren und gefallen 
genanten unnfern burger zu troifte hierinnen fo gutwillich und furderlid 
ergeigen, a8 diefelven weulden, den iren im gleichem valle by und van unns 
gefchege, und bemeltes unnfer burger dieß unnß furſchrifft erfunden moege 
genosfen zu haven by denfelven uren eirfanıheiden, die unnſer herre got zu 
langen zyden in gludjieligem vegimente froelich gefrifte. Datum die Cathe- 
rine, XXV. novembris anno XIX. 


v1. 


Ausgleichung des Gewinnes an der nad) Vertrag vom 29. Dezember 
1492 gemeinfam unternommenen Ausgabe der Hartmann Scyedeljchen 
Chronica mundi. 


Nürnberger Stadtardiv Litterae 11 (auch L. 120), fol. 306 fg. (Abgebrudt aus: Mittheilungen des 
Inſtituts für öſterreichiſche Geſchichtsforſchung. V, 1, S. 14—137.) 


Seboldt Schreyer für fich felbft und mitfampt Yazaro Holtzſchucher von 
ir umd irer mitvormund wegen Sebaftian Gamermeifters jeligen gejchefts an 
einem und Michel Wolgemut für ſich ſelbſt aud) als ein vormund junffrauen 
Magdalena, Wilhelm Pleidenwurffs feligen verlafine tochter, Helena, etwa 
des gemelten Wilhelm Pleidenwurffs und igo Simon Zwelffers eliche haus- 
frau, aud) derjeld Simon Zwelffer, iv hauswirt, und die obgemelt Magda: 
(ena, ir tochter bei gemeltem Pleidenwurff geboren, am andern teil befennen 
verfamentlih und unverfcheidenlih: Nadydem vergangner jar die gemelten 
Screyer, Gamermeifter eins und Wolgemut und Pleidenwurff andertails 
einen vertrag und gemainſchaft eind truds einer neuen croniden mit figuren 
mit einander gemacht hetten, laut und inhalt derfelben befantnus zwiſchen 
inen am pfinztag nad) dem heiligen crifttag den neunundzwainzigiten tag des 
monats decembris im taufent vierhundert und im dem zweiundneunzigiſten jar 
darum ausgangen und im gerichtöbud) mit einem I, bezeignet am zwaihun— 
dertiften und zwaiundachzigſten plat eingejchrieben, das fie ſich ſollicher ge 
meinfchaft halb entlich vertragen, vereint und die gewinung, jo uber dem 
abzug des, jo darauf gangen ift, daran erftanden were, getailt hetten; und 
in ſollicher teilung ift worden dem gemelten Schreyer und Gamermaiftere 


Tofumente.] Abrechnung über Schedeis Chronif 1509, 167 


vormunden an parfchaft adjtundneunzig guldin veinifch; item mer ift im von 
ſchulden plieben neunundzwainzig guldin, fo fie fir verſchenkte pücher im 
handel ſchuldig geweien find, und die fchuld, jo Mathes Fusz (wohl Husz?) 
zu Lyon ſchuldig blieben der bei hundertundachzehen guldin ift, auch zwen 
guldin, jo Hanns Wetmann, ratjchreiber feligen, jchuldig bliben ift, welche 
drei poſten thun Hundert und neunundvierzif guldin reiniſch. Item mer von 
dulden, nad) dem losz geteilt, find im worden die ſchulden, jo die hernad)- 
gejchrieben perjon ſchuldig find, nemlih: Hanns von Kobolentz zu Paris; 
bei zwaihundert und achtunddreißig guldin reiniſch funfzehen jchilling, Yorig 
Keflelmann zu Augspurg für pitcher und fcheden achzig guldin reiniſch fiben 
ihilling ein heller, her Mathes Walfer zu Pfortheim dreiumdfiebenzig gul- 
din, Walther von Yebnit zu Cretz, des Ernft eiden, finfundfiebenzig guldin, 
Diebolt Feger zu Dfen fechsundfünfzig guldin, Criſtoff Grünhofer fünfund— 
zwainzig guldin, Michel Worin bei achzehen guldin umd vier ſchilling, Jero— 
nimus, puchfürer zu Prag fünfzehen guldin fünf jchilling, Yinhart Streber 
acht guldin, die Staufferin fech8 guldin, Hanns Gerber zu Nürmberg fünf 
guldin zehen jchilling, Contz Schnell zu Nürmberg eilf guldin ein fdhilling 
ſechs heller, Conradt Schred par reft ein guldin, Jeronimus puchbinder, 
zwen guldin, Paulus Wagner zu Straszpurg vier guldin, Conradus Geltis, 
poet, zwen guldin zehen ſchilling — jumma der jchulden nach dem los; ge- 
tailt in ſechzehen poften begriffen, thun fechshundert und einundzwainzig 
guldin reiniſch zwelf jchilling fiben heller in golt. „tem mer ift ine darzı 
worden auch nad) dem losz getailt die piicher, jo gen Meyland und Kum 
(Como) geſchickt und von denjelben noch unverrechent find, außerhalb des, 
jo daran bezalt und davor in rechnung fumen ift, nemlich: Jorigen Eyſelein 
gen Meyland geſchickt latein rod) ungebunden 44 pücher, mer eingebunden 
gemalt Latein ein puch; daran hat er geantwort Peter Viſcher zu Maylannd, 
fo der gemelter* Viſcher hie verrechet hat, einundzwainzig guldin ſechs pfund 
7'', denare; jo hat Peter Viſcher zu Kum und Meyland gelaſſen von piichern, 
jo er mit im gefürt hat und unverfauft find gewefen: latein roch ungebunden 
hundert und neunundfechzig und teutſch roh ungebunden eilf pücher, mer 
(atein roh eingebunden acht und latein gemalt eingebunden drei pücher; da— 
von hat der, dem Viſcher die bevolhen hat, verkauft und gelöft auch zalt, jo 
auch verrechet ift, für zehen guldin reiniſch. Item jo ift in gemelter teilung 
worden dem gemelten Micheln Wolgemut und Wilhelm Pleidenwurffs feligen 
erben, nemlich Helena, feiner verlafien wittwen, it Simon Zwelffers eelicher 
hausfrauen, und Magdalena, irer tochter, an parfchaft aud) achtundneun- 
zik guldin reinifch, item mer von ſchuld vierundfechzig guldin, jo fie fir ver- 
ſchenkte pücher in handl ſchuldig bliben find, mer fechzehen guldin zehen 








* den gemelten. 


768 Abrechnung über Schedels Chromit 1509. Dokumente. 


ſchilling für ein latein und zwai teutſch roch ungebunden und ſechs latein 
roch eingebunden pücher, ſo durch ſie zu Leiptzigk verrechent pliben ſind, und 
einundzwainzig gulden zehen ſchiling, jo Wolgemut für drei teutſch gemalt 
eingebunden und ein teutſch ungemalt eingebunden pücher ſchuldig worden iſt, 
mer ſechzehen guldin zehen ſchilling, ſo Symon Zwelffer zu Leiptzigk Conntzen 
Humel geborgt hat, und achtzehen guldin zehen ſchilling für pücher, ſo Hanns 
Schmidhoffer (ein Buchführer in Yeipzig und Prag) von pücher, im durch den 
Zwelffer geantwort, verkauft hat und gemelten Zwelffer zu verrechen gebüren, 
auch zwelf guldin für drei latein und drei teutſch alle roch ungebunden pücher, 
jo gemelter Schmidhoffer für fid) felbft von Zwelffer gekauft hat: ſuma der 
ſechs poften thun hundert und neumumdvierzig guldin reiniſch. Item mer 
von Schulden mad) dem losz geteilt find im worden die fchulden, jo die her- 
ach gejchrieben perjon ſchuldig blieben find, nemlich: her Friderich Lindtner 
in etlichen poften tuth zwaihundert und funfzig guldin reiniſch vier ſchilling 
drei heller, Hanns Huftlein zu Wien tut ein reſt ſechundachtzig guldin zehen 
ihilling, Yohannes Petri zu Paflau ſechsundſechzig guldin, Hanns Rumel 
wechjelgelt und jcheiden (sie) achtundfunfzig guldin, Jorig Wald) zu Wien 
funfzig guldin vier jchilling ein heller, meifter Kiltan Bifcher zu Baſel ein— 
undzwainzig guldin zehen Schilling, Degerbed tut an zwaien tuchen zwainzig 
guldin dreizehn Schilling neun heller, Gedort Wigerid zu Lübeck ſechzehen 
guldin fünfzehen jchilling, Peter Klug an zwaien poften vierzehen guldin, 
Jorg Würfel zu Ingelftat ſechs guldin, Steffen Zwideff zu München zwen 
guldin, Heinrid; Ingweiler drei guldin, Wolff Sorg zu Augspurg fiben 
guldin zehen ſchilling, Merten Schweringer zu Wien fünf guldin, Yorg 
Espenloer zu Aisftet drei guldin, Hanns Had zu Dantzko vier guldin zehen 
ſchilling, Heinrich Kepner ein veft drei guldin fieben ſchilling neun heller, 
Jorg Mettelbach zwen guldin, Johann Faber zu Frankfort ein guldin zehen 
ihilling: ſumma der jchulden nad; dem los} geteilt in neunzehen poften be- 
griffen, thun jechshundert einundzwainzig gulden reiniſch vierzehen ſchilling 
zehen Heller in gold. „tem mer ift ihnen darzu worden aud) nad) dem los; 
geteilt etliche pucher, jo an etliche ende geſchickt worden find, foviel derjelben 
unverfauft, unuberantwort und unbezallt daran blieben ift, umd nemlich jo 
ift Pinhard Tafchner gen Bajına (jedenfalls Poſen, denn die pofener und 
breslauer Märkte wurden auch von Yeipzig aus beſchickt) und Breszlam ge: 
ihidt, jo im nod) zu verrechen geburen, Latein roch ungebunden fibenund: 
fibenzig und teutſch roch ungebunden vierundzwainzig, mer latein roch einge: 
bunden vier umd teutſch roch eingebunden vier und latein gemalt gebunden 
pücher (?) am den iggemelten und umiüberantwort zwei pücher, hat er auf 
rechnung gegeben Hundert und ſechsundzwainzig guldin reiniſch; mer Merten 
Schmid zu Bamberg hat noch par reft fünfzehen guldin, latein und teutſch 
rod) ungebunden pücher zu verrechen; Niclas Zalman zu Crafaw hat nod) 


Tohrmente.] Abrechnung über Schedels Chronik 1509. 769 


zu verrechen latein roch ungepunden neun, latein gemalt eingebunden ein, 
latein ungemalt eingebunden ein und teutſch roch eingebunden vier pücher; 
Hannszen Auchers diener gen Lyon geſchickt latein roch ungebunden pücher 
einumdvierzig, daran hat er auf rechnung gegeben bei fünfundachzig guldin 
zehen ſchilling; Anthoni Kolben gen Venedig geſchickt latein roch ungebunden 
zwenundzwainzig, teutfch roch eingebunden ſechs, Latein roch eingebunden zwen, 
teutjch rod) eingebunden zwen, latein gemalt unbunden zwai pücher, daran 
hat er verfaufen anno neunumdneunzig verrechet latein roch ungebunden zwelf, 
latein gemalt eingebunden zwai, teutſch roch ungebunden zwai und teutich 
roch eingebunden (?) und daraus geloszt auf abzug alles uncoftenen fo er 
ausgeben hat, einundfunfzig duccaten achtzehen pfening fechzehen heller und 
hat noch unverfauft gehabt latein roch ungebunden zehen, Latein eingebunden 
zwai, teutjch roch ungebunden vier und teutſch roch eingebunden ein cronida; 
daran hat er zalt Hannjen Geiger vierzig ducaten, der hie darfür zallt hat 
am freitag nad) Corporis Christi den adjten jumit negftvergangen fünfund- 
fünfzig guldin veinifch, die in der parjchaft ausgetailt find; Petern Werner 
gen Bononien gejchidt vierzig latein roch ungebunden pücher, daran er zalt 
hat zwainzig guldin reiniſch: Hanneſen Firleger gen Florentz geſchickt latein 
roch ungebunden achtundjechzig, latein roch eingebunden ein und latein ge- 
malt eingepunden ein cronida; joliche pücher find laut feiner vechenzettel 
verfaufen unz an funfundzwainzig pücher; fo ift er uber das, fo er daran 
zalt hat, an den verkauften püchern noch jchuldig bei vierzig guldin reiniſch; 
Iheronimus Rotmunden gefchidt gen Genua latein rod) ungebunden zwen— 
undzwainzig, latein roch eingebunden ein und latein gemalt eingebunden ein 
cronida: daran hat er Petern Viſcher zu Gena geantwort vierzig guldin 
reiniſch acht pfund. 

Solliche obgemelte teilung haben auch bede teil in irem wert, als ein 
jedes ſtuck oder ſchuld erfunden würt, als gnügig angenommen, alſo das kein 
tail dem andern werſchafft oder verrer anzeigung darumb zu thun ſchuldig 
ſein ſoll, ſunder ein jeder ſage dem andern teil und ſein erben für ſich und 
ſein erben umb alle vergangner handlung und ſachen, ſo ſich des trucks und 
der pücher halben verlaſſen haben, ganz quit, ledig und losz, kein klag noch 
vordrung nit mer zu haben noch zu gewinnen. In forma meliori testes: 
Kaspar Kresz und Bernhardin Bollmeyr. Actum sexta Achacy den zwen- 
undzwainzigiten tag des monats junii anno etc. nono etc. 


stapp. 1. 44 


770 Verzeichnis der Drucke von Aldus Manutius. Dokumeule. 


VIII. 
Verzeichnis der Drucke von Aldus Manutius. 


(Chronologiſch geordnet.) 


1495 Lascaris Erotémata e. interpret. lat. ete. 4°. (1508 [?] 1512.) 
4 Mare. 

1495/8 *Aristotelis Opera graece 5 Voll. fol. 11 Due. 

1496 Gazae, Th., Introductionis grammatices (gr.) libb. IV. fol. 1 Dur, 

1496 Theoeriti Eelogae triginta etc. Hesiodi Theogonia. Ejusdem 
Scutum Hereulis. fol. 8 Marcell. 

1498 *Aristophanis Comoediae IX (gr. e. scholiis |graeeis] Marei 
Musuri.) fol. 2°, Due. 

1498 Bolzani, Urbani, Institutiones graeene grammaticae. 4". 4 Mare. 

1498 Politiani Opera. fol. 1 Due. 

1499 *Dioscoridis de materia mediea libri VI ete. Nieandri Theriaca 
et Alexipharmaca (gr.) fol. 1 Due. 

1499 Epistolarum Graecarum collectio. 2 Partt. 4°. 1 Due. 

1499 Firmici Astronomicorum libri VIII. *Manilii Astron., *Arati 
Phaenomena ete,, *Procli Sphaera, Th. Linaerdo _ interprete. 
(Astronomi graeci.) fol. 

1499 Perotti, Nicolai, Cornucopiae s. Linguae lat. Commentarii. fol. 
(1503, fjpäter 1517 und 1527.) 

1500 Catharina da Siena, Epistole devotissime. fol. 1 Dur. 

1500 Lueretii Cari libri VI. 4%. 1 Lir. 

1501 Vergilius. 8°. (1505, 1514, 2 mal.) 3 Mare. 

1501 Horatius. 8". (1509 mit Aldus’ Abhandlung de metris Horatii.) 
3 Mare. 

1501 Juvenalis. Persius. 8°. 3 Marc. 

1501 Martialis. 8°. 3 Mare. 

1501 Petrarcha, Cose volgari. 8°. (1514.) 3 Mare. 

1501/2 Poetae Christiani Veteres. Tom. 1. I. 4°. 6 Lir. 

1502 Aldi Manutii Rudimenta grammatices linguae ete. Introduetio 
ad hebraeam linguam. 4°. 1 Lir. 10 Soldi. 

1502 Giceronis Epistolae familiares. 8°. (1512.) 3 Mare. 

1502 *Herodoti libri IX (gr.) fol. 1 Due. 

1502 Lucanus. 8" (1515.) 3 Mare. 

1502 Dante, le terze rime. 8°. (1515.) 3 Mare. 

1502 *Pollueis Onomasticon (gr.) fol. 1 Due. 

1502 Statii Sylvarum libri V ete. 8°. 3 Mare. 

1502 *Sophoclis Tragoediae VII c. eommentariis (gr.) 8", 3 Lire. 


Dokumeunte.] Verzeichnis der Drucke von Aldus Manutius. 771 


1502 *Thucydides (gr.) fol. 1 Due. 

1502 Valerius Maximus. 8°. (1514.) 3 Mare. 

1502 Ovidii Opera. 3 Tomi (einzeln erſchienen). 8%. 3 Marc. (1515 
Nach Aldus’ Tod.) 

1503 Ammonii Hermei Commentaria in librum peri Hermeneias etc. 
(gr.) fol. 1 Duc. 

1503 Bessarionis, Cardinalis Nic., in calumniatorem (Georgium Trap- 
zunt.) Platonis libri IV. 3 Lire. 

1503 Catullus. Tibullus. Propertius. 8°. (1515.) 3 Marc. 

1503 Florilegium Diversorum epigrammatum (gr.) 8°. (1521 und 1551.) 
Ohne Preis, 

1503 *Stephanus Byz., de urbibus (gr.) fol. 3 Lire. 

1503 *Xenophontis ÖOmissa quae et graeca gesta appellantur etc. 
*Herodiani hist. (8°.) fol. 1 Duc. 

1504 Aristotelis de natura animalium libri IX. Theophrasti de 
historia plantarum libri IX ete. Theod. Gaza interpr. (lat.) fol. 
(1514.) 1 Duc. 3 Lir. 

1504 *Demosthenis Orationes (gr.) fol. 3 Duc. 

1504 *Euripidis Tragoediae XVII (XVII) 2 Voll. 8°. 1 Due. 3 Lir. 

1504 Homeri Opera omnia (gr.) 2 Tomi. 8°. 1 Duc. 3 Lire. 

1504 Joannis Grammatici in Posteriora resolutoria Aristotelis com- 
mentaria (gr.) fol. 1 Duc. 

1504 Origenis Homiliae, divo Hieronymo interpr. (lat.) fol. 5 Lire. 

1504 Poetae Christiani. Tomus III. Gregorii Nazianzeni carmina, e. 
versione lat. 4°. 3 Lire. 

1505 Aesopi Vita et fabellae c. interpr. lat. *Ori Apollinis hiero- 
glyphica, etc. fol. 1 Duc. 

1505 Pontani Opera. 8°. 3 Marc. (1515, fpäter 1533. in zweiter 
Band 1518.) 

1505 (?) Quinti Calabri (Smyrnaei) derelictorum ab Homero libri XIV. 
8°. 3 Lire. 

1507 Euripidis Hecuba et Iphigenia in Anlide in lat. translatae, 
Erasmo Rot. interprete. 8°. 

1508 Erasmi Roterodami adagiorum chiliades tres, etc. fol. 

1508 Plinii Secundi epistolarum libri X. 8°. (Zum erften mal die ver- 
einigte Yirma: In aedibus Aldi et Andreae Asolani soceri.) 

1508/9 *Rhetores graeci. 2 Tomi. fol. 

1509 *Plutarchi Opuscula (moralia) (gr.) fol. 

1509 Sallustii de conjuratione Catilinae libb. 8°, 

1509 Sallustii de bello Jugurthino etc. libb. 8°. 


1512 Chrysolorae Erotemata etc. (gr.) 8°, 
49* 


772 Frequenz der frankfurter Herbſtmeſſe 156%, Dokumente 


1513 *Alexandri Aphrodisici in topica Aristotelis commentarii 
(gr.) fol. 

1513 Caesaris Comm. de bello gallico, de bello eiv. ete. 8". 

1513 Ciceronis Epistolarum ad Atticum, ad Brutum, ad Quintum 

- fratrem libri X. 8°, 

1513 *Platonis Opera omnia (gr.) fol. (Musurus et Aldus edidd.) 

1513 Rhetorum graecorum ÖOrationes. (*Aeschines, *Lysias etc.) 
2 Tomi in 3 Partt. fol. 

1514 *Athenaeus (gr.; ed. Musurus). fol. 

1514 Ciceronis Rhetorieorum libri IV, ete. 4". 

1514 *Hesychii Dictionarium (gr.; ed. Musurus). fol. 

1514 *Pindari Olympia, Pythia, Nemea, Isthmia etc. (gr.) 8". 

1514 Quintilianus (Institutt. orat.; ed. Navagerus). 4". 

1514 Sannazarii Arcadia. 8". 

1515 Aldi Manutii Grammaticae Institutiones graecae (ed. Musurus). 
4%. Mach Aldus’ Tod.) 

1515 Erasmi Opusculum, eui titulus est Moria. 8°. (Nach Aldus’ Tod. 

1515 Laetantii Divinarum Institutionum libri VII (ed. Egnatio). Rad 
Aldus’ Tod.) 

1515 Suidas. fol. 


IX. 


Verzaichnis der Buchdrucker, Buchhendler vnd Buchfurer, jo Jun der 
Herbitmeß Ao. 1569 den 14, Septembris durch E. E. Rath für 
beſchieden worden. 


Göllen. 


Heinrich Nutins. — Yohannes Gymnicus. — Geruinus Calenius. — 
Maternus Colinus. — Peter Horft. — Johann Greiffenbrud. — Johann 
Birdınan. — Jacob weyß. — Theodosius Gramineus. — Arnoldus Bird‘ 
man et frts. — Dieterich Baum. — Engel Diegen. 


Antorff. 


Philips Nutius. — Franeiseus Steltzius. — Joannes Bellerus, — 
Christophorus Plantinus. — Ruprecht Caimox. 


Augspurg. 
Martin Schrot. — Georg Willer. 


Dokumente. Frequenz der franffurter Herbſtmeſſe 1569. 


— 
— 
N 
we 


Nürmberg. 


Dietherich Gerlag fo des vom Bergen feligen ITruderey vberlommen. — 
Vlrich Neuber. — Belten Furman. — Hannß Popp. — Margaretha 
Sabifin. — Cornelius Caimox. — Hannß Woldran. 


Straßburg. 
Shriftian Müller. — Theodofius Rühel. — Joſias Kiehel. — Thiebaldt 
Dietherih. — Haunß Heinrich. 


Bajell. 

Eusebius Episcopius Bnnd Samuel Gryneus Doctor. — Balthafar Han, 
Bund Mittuerwandten, jo die Operiniſch offieinam befommen. — Aure- 
lius Frobenius. — Thoman Guerin. — Henricus Petri, — Petrus Perna 
— Brillingers Erben. 

| Zürch. 
Chriſtophorus Froſchauer. — Jacobus Geſnerus. 


Tübingen. 
Georg Gruppenbach. — Morhardts ſeligen Erben. 


Ingolſtat. 
Alexander Weiſſenhorn. 


Freyburg in Preyßgaw. 
Stephan Graue. 


Altſteden Inn Schweytz. 
Gall toll ih) 


Veipzig. 
Ernft Vögelin. 
Wittenberg. 
Conradt Riehell (Rühl). — Samuel Selfifd. 


Erfurt. 
Jeorg Bauman. — Conrad Dreher. 


Jene. 
Wolff Hayll. 


174 Frequenz der frankfurter Herbſtmeſſe 15h!. [Tofumenie. 


Speyer. 
Heinrich) Caimox. — Hanf Gartenman. — Hubertus Caimox. 
Menk. 
Frantz Vnd Caſpar Behemen. 
Heydelberg. 
Matheus Harniſch. 
Franckfurt. 


Sigismundt Feyerabendt Vnd Mittuerwandten, Georg Raab Vnd Weigand 
Hans Erben. — Sigiſmund Feyernabendt für ſich allein. — Johann Kip— 
pius anftat der Egenolffiſchen Erben. — Symon Hueter. — Peter Fabrj. — 
Peter Breubachs Erben. — Nicolaus Baſſe. — Thomas Rebart. — Yacob 
Guiſchet. — Baſtian Mais von Maſtricht. — Thomas Drechſel. — Conrad 
Hochgeſang. — Paulus Reueller. — Johann Wolffius. — Martin Lechler. 


Marpurg in Heſſen. 
Auguſtin kolb. 


Veſel bei künigſtein. 
Niclaß Heinrich. 
Welſchen. 
Venedig. 
Caſpar Bindonj. — Petrus longus. — Petrus Valgrisius. 


Lion. 
Johann Frellon. — Clement Baudin. — Petrus D. Auanti. — Johan 
de Puis. 
Genff. 
Johannes Criſpinus. — Salomon von Normandj. — Barthel Bincenk. 


Michel Spiek Bon Bechun. — Florentz Würt Bon Mufleburg. 


| 
| 
Pr 

wit 


Dokumente. Reichs Preßverordnungen. 
X. 
Reichs⸗Preßverordnungen. 


(Neue und vollſtäundige Sammlung der Reichsabſchiede. 2. Teil. Frantſurt a. M. 1747. Abgedruckt 
auch in I. A. Collmann, „Quellen, Materialien und Kommentar des gemeinen deutſchen Vreßrechts“, 
Berlin 1844.) 


1: 
Abjchien des Reichstags zu Nürnberg 
auffgericht Anno 1524 am 18. April. 


8. 28. Nachdem im Eingang vermerkt worden, daß die Stände als 
Schüger und Schirmherren des Glaubens das wormſer Mandat mit Ge— 
horjam beobadjten werben, fährt der $. fort: 

Darzu daß eine jede Obrigkeit bei ihren Drudereyen, und jonft 
allenthalben nothdürfftig Einfehens haben jollen, damit Schmadjichrifft und 
Gemählde hinfürter gäntzlich abgethan werd umd nicht weiter ausge— 
breitet: Und daß fürter der Druderey halben, Inhalt unfers Mandate ges 
halten werde. 

Ob aber jemands derjelben Bejchwerung oder Berhinderung begegnet 
oder zuftiinde, mag ſolches Unferm Statthalter und Regiment anzeigen, die 
haben von Uns Befehl, wie Wir ihnen auc, hiermit ernftlich befehlen, den 
Anfuchenden Hülff und Rath mitzutheilen, darob zu halten und daifelbig 
Unfer Mandat mit allem Fleiß zu erequiren. 


> 


Abſchied des Reihstags zu Speyer. 
Anno 1529 auffgericht. (22. Aprit. 


8. 9. Darzu follen und wollen wir, aud Churfürſten, Fürften und 
Ständ des Reichs, mittlerzeit des Coneilii, in allen Drudereyen 
und bey allen Buhführern, eines jeden Obrigkeiten mit allem mög— 
lichen Fleiß Verſehung thun, das weiter nichts neues gedrudt, und 
jonderlih Schmähſchrifften, weder öffentlid oder heimlich ge— 
dicht, gedrudt, zue kauffen feilgetragen oder ausgelegt werden, ſon— 
dern was derhalben weiter gedicht, gedrudt oder feil gehabt wird, das joll 
zuvor von jeder Obrigkeit durd) dazu verordnete verjtändige Perjonen be= 
fichtiget; Und fo darin Mängel befunden, daſſelbig zu druden oder feil 
zu Haben bei großer Straff nicht zugelaffen, ſondern alfo ftrenglid) 
verboten und gehalten, aud der Dichter, Truder und VBerfauffer, 
jo ſolch Gebot vberfahren, durch die Obrigkeit, darımter fie gejellen oder u 
treten, nad) Gelegenheit beſtrafft werden. 


776 Reichs Preßverordnungen. Dokumente. 


3. 
Abſchied des Reichſtags zu Augsburg 
vom 19. November 1530. 


8. 2. Als nemlich, daß Unfer ernftliher Will, Meinung und Befehl 
fen, daß der Churfürft zu Sachſen fanıt feinen Mitverwandten mittler Zeit 
diefes gemeldten 15. Tages des Aprilis verordnen, daß nichts Neues, 
der Sachen des Glaubens halben in ihren Fürſtenthumen, Yanden 
und Gebieten getrucdt, feilgehabt noch verfaufft werde: und daß alle Chur: 
fürften, Fürſten und Stände des heiligen Reichs mittler Zeit diefes Be— 
dachts gut Fried und Einigkeit halten follen. 

8. 58. Und nachdem durdy die unordentlihe Truderey biß ans 
hero viel Ubels entftanden, feten, ordnen und wollen Wir, daß ein jeder 
Churfürft, Fürft und Stand des Reichs Geiftlid und Weltlich, mittler Zeit 
des fünftigen Coneilii in allen Trudereyen, au bei allen Bud- 
führern mit ernftem Fleiß Verfehung thun, daß hinfürter nichts Neues, 
und ſonderlich Schmähſchrifft, Gemählets, oder dergleichen, weder öffent: 
lich) noch heimlich gedicht, getruct oder feilgehabt werden, es jet demm zuvor durch 
diefelb Geiftlich oder Weltlich Oberkeit darzu verordnete verftändige Perſonen 
befichtigt, des Truders Nahmen und Zunahmen, aud die Stadt, 
darinnen ſolches getrudt mit nehmlichen Worten darinnen gefegt Und wo 
alfo darinn Mangel befunden, joll daſſelbig zu druden oder feil zu haben, 
nicht zugelafien, was aud) folder Schmähe- oder dergleichen Bücher hier— 
vor getrudt, joll nicht feil gehabt oder verfaufft werden. Und wo der Tid)- 
ter, Trucker und Berfauffer fold Ordnung und Gebott überfahren, joll er 
durch die Obrigkeit, darımter er gefeffen oder betretten, nad) Gelegenheit an 
Leib oder Gut geftrafft werden. Und wo einige Obrigfeit, fie 
wäre wer jie wolle, hierinn fäffig befunden würde, alsdann mag und joll 
Unfer Kayſerlicher Fiscal, gegen derfelben Obrigkeit um die Straff pro- 
cediren und fortfahren, welde Straff nad; Gelegenheit jeder Oberkeit, und 
derjelben Fahrläffigkeit, Unfer Kayſerlich Kammergericht zu fegen und zu tari- 
ren Macht haben joll. 


4. 
Kaiſer Karl des Fünften Beinlih Hals-Gerichts-Ordnung 
von 1532. 
(Ausgabe von H. Yöpfl.” Heidelberg 1842.) 
Art.110. Strafffhrifftliher unredtliher peinliherSchmehung. 
Item welcher jemandt durch Schmachſchrifft, zu Yatein libel famosus 
genant, die er aufbreittet umd fi nad) Ordnung der Recht mit feinem red). 


Dokumente. Reichs Preßverordnungen. 777 


ten Tauff- und Zunamen nit unterſchreibt, unrechtlicher unſchuldger Weiß 
Laſter und Ubel zumiſt, wo die mit Wahrheit erfunden würden, daß der 
geſchmecht an feinem Yeib, Yeben oder Ehren peinlich geftrafft werden möcht, 
derjelbig bofhafftig Pefterer fol nad) Erfindung folder Übelthat, als die 
Necht jagen, mit der Veen, inn welche er den unſchuldigen gefchmechten durd) 
jein böſe unwahrhafftige Yefterfchrifft hat bringen wöllen, geitrafft werden. 
Und ob ſich auch gleichwol die aufgelegt Schmach der zugemeſſen That inn 
der Wahrheit erfünde, foll dennoch der Außruffer folder Schuach nad) ver— 
mög der Recht und Ermeſſung des Richters geftrafft werden. 


. 
Abſchied des Reichstags zu Regensburg. 
Anno 1541 auffgericht. (29. Juli. 


8. 40. Ferner haben Wir befunden, dar die Schmähichrifften, fo 
im H. Reid Hin und wieder an mehr Orten ausgebreitet werden, gemeinem 
Frieden nicht wenig verhinderlidy und verletzlich ſeynd, auch zu allerhand 
Unruhe und Weiterung gelangen mödjten: Und demnach Uns mit Chur: 
fürften, Fürften und gemeinen Ständen verglichen, daß hinfüro im dem Heil. 
Reich keine Schmähichrifften, wie die Namen haben mogen, getrudt, feyl 
gehabt, faufft, noch verfaufft, fondern wo die Tichter, Truder, 
Kauffer oder Berfauffer betreten, darauf eine jede Obrigkeit fleißig 
Aufſehens zu haben verfügen, daß diejelben unach Gelegenheit der Schmäh— 
ihrifften, jo bey ihnen erfunden, ernſtlich und härtiglich gejtrafft werden 
jollen. 


6. 
er Römiſch Kayſerl. Majeſtat Ordnung und Reformation 
guter Polizei, 
zu Beförderung deß gemeinen Nutzens auff dem Reichsſtag zu Augspurg 
Anno D. 1548 auffgericht. (30. Juni.) 


XXXIV. Bon Schmähichrifften, Gemählden und Gemächten. 

8. 1. Wiewohl Wir auch auff hiebevor gehaltenen KReichstägen Uns 
mit Churfürften, Fürften und Ständen des H. Reichs und der Abwejenden 
Bottichafften vereinigt und verglichen, aud) Satung und Ordnung im Drud 
ausgehen, und verkünden laffen haben, daß in allen Drudereyen, aud) bey 
allen Buchführern, mit ernſtem Fleiß Fürſehung gethan, daß hinführo nichts 
Neues, und ſonderlich Schmähſchrifften, Gemählds oder dergleichen, weder 
öffentlich noch heimlich gedicht, gedruckt, noch feil gehabt werden ſollen, wie 


T 
— 


778 Reichs-Preßverordnungen. Dokumiente. 


deun dieſelben Abſchied ferner mitbringen: So befinden Wir doch, daß ob der— 
ſelben Unſer Satzung gar nichts gehalten, ſondern daß ſolche ſchmähliche 
Bücher, Schrifften, Gemählds und Gemächts je länger, je mehr 
gedicht, gedruckt, gemacht, feil gehabt, und ausgebreitet werden. 

Wenn wir nun zu Pflantzung und Erhaltung Chriſtl. Lieb und Einigkeit 
und Verhütung Unruhe und Weiterung ſo daraus folgen möchte, Uns ſchul— 
dig erkennen, indem gebührlichs Einſehens zu thun: So ſetzen und orduen 
Wir, auch hiemit ernſtlich gebietend, daß hinführo alle Buchdruder, wo und 
an welchen Ort die im Heil. Neid; gefeffen find, bey Niederlegung 
ihres Handwerks, aud) einer ſchweren Pön, nämlih N. Gilden, 
ihren ordentlichen Obrigfeiten, unabläßlich zu bezahlen, feine Bücher, Hein 
oder groß, wie die Namen haben möchten, im Drud ausgehen lajjen 
follen, diefelben feyen denn zuvor, durch ihre ordentliche Obrigkeit, 
eines jeden Orts oder ihre dazu Verordnete befichtiget, und der Lehr der 
Chriſtlichen Kirchen, dergleichen dem Abfchied der Reichstags allhie, aud) 
andern hievor auffgerichten Abjchieden, jo demjelben jego allhie gemachten 
Abſchied mit zuwider find, gemäß befunden: Darzu daß fie nicht auffrüh— 
reriſch oder ſchmählich, es treffe gleich hohe, niedere, gemeine oder jon- 
dere Perjonen an, und defhalben approbirt und zugelaffen. Bei gleicher Poen 
jollen auch alle obgemeldte Buchdrucker ſchuldig und verpflidt feyn, in alle 
Bücher, fo fie aljo mit Zulaſſen der Oberfeit hinführo druden werben, den 
Autorem oder Dichter des Buchs, auch feinen des Druders Nahmen, def: 
gleichen die Stadt oder das Ort, da es gedrudt worden, unterſchied— 
lid und mit Namen zu benennen, und zu vermeiden. 

8. 2. Ferner fegen, ordnen und wollen Wir, daß alle und jede Obrig- 
feiten Uns und dem heil. Reich unterworffen, ernftlih Einjehens thun 
und verfchaffen jollen, daß nicht allein dem, wie obgemeldt treulich nachkom— 
men und gelebt werde, jondern daß aud nichts, jo der Catholiſchen 
allgemeinen Lehr, der heiligen Chriſtlichen Kirden ungemäf und 
widerwärtig, oder zu Unruhe und Weiterung Urfad geben, desgleichen 
auch nichts ſchmählichs, pafquillifches oder andrer Weif, wie das 
Namen haben möcht, dieſem jetzo allhie aufgerichten Abjchied und andern 
Abfchieden, jo demjelben nicht entgegen jeynd, ungemäß, in was Schein 
das gefchehen möchte, gedicht, geſchrieben, in Drud gebracht, gemahlt, 
geſchnitzt, gegoſſen oder gemacht, jondern wo foldye und dergleichen Biicher, 
Schrifften, Gemählde, Abgüß, Gefchnist und Gemächts im Druck oder jonft 
vorhanden wären, oder Fünfftiglicd ausgingen und an Tag fünten, daß die: 
jelbe nicht feil gehabt, gefaufft, ungetragen, noch ausgebreitet, jondern den 
Verfänffern genommen, und fo viel immer möglich untergedrudt werden, 
und joll nicht allein der Verkäuffer oder Feilhaber, fondern auch der Käuffer 
und andere, bei denen ſolche Bücher, Schmäh-Schrifften oder Gemählds- 


Dofumente.) Reichs⸗Preßverordnungen. 779 


Pasquills oder andere Weiß, ſie ſeyen geſchrieben, gemahlt, gedruckt, befunden, 
gefänglich angenommen, gütlich oder, wo es die Nothdurft erfordert, 
peinlich, wo ihm ſolche Bücher, Gemähld oder Schrifft herkommen, ge: 
fragt, und ſo der Author oder ein anderer, wer der wäre, von dem er, 
der gefangen, ſolche Schrifft, Gemähld oder Bücher überkommen, unter der— 
ſelben Oberkeit geſeſſen, der ſoll alsbald auch gefänglich eingezogen: wäre 
er aber unter einer andern Herrſchaft wonhaftig, derſelben ſoll ſolches als— 
bald durch die Oberkeit, da der erſte Feyl- oder Inhaber ſolcher Schrifften 
betretten, angezeigt, die abermals, wie vor laut, handeln, und dem alſo fang 
vorgefchriebener Maß nachgefragt und nachgegangen, biß der rechte Author 
befunden, der alsdann jampt denjenigen, jo es alſo ungetragen, feyl gehabt 
oder ſonſt ausgegeben, vermög der Recht und je nad Gelegenheit 
und Geftalt der Sachen darumb gejtraft werden. 

$. 3. Wo aber einige Oberfeit, wer die wäre oder wie fie Namen 
haben möcht, in Erfundigung joldyer Ding, oder jo es ihr angezeigt, darinnen 
fahrläffig handeln und nicht ftraffen würde: Alsdann ſoll Unſer Kaifert. 
Fiscal wider diefelbig auch den Tichter, Truder oder die Buchführer und 
Verfäuffer auf gebührliche Straff procediren und handeln, welde Straff 
nad) Gelegenheit und Geftalt der Sachen Unfer Kaiferl. Kammer: Gericht 
zu fegen und zu moderiren Macht und Befehl haben ſoll. 

8. 4. Doch wo vor diefer Zeit etwan dergleichen Bücher, Gemähld 
und Schrifften Hinter einen kommen und alfo hinter ihm blieben wären, der 
joll darum nicht gefährd werden: Aber dennoch jchuldig ſeyn, jo er die be- 
fünde, diefelbige nicht weiter auszubreiten, zu verjchenfen oder zu verfauffen, 
und alfo vorige Schmach wieder zu erneuern, fondern abweg zu thun oder 
dermaßen zu verwahren, daß fie niemands zu Schmach reihen oder gelangen 
mögen, 


T. 
Katjer Rarls V. Ediet vom 30. Juni 1548. 


(Chr. Biegler, Corpus sanctionum pragmaticarum S, R. Imperii, Franeof. adM. 1713. ©. 1132.) 


Wir Karl der Fünffte von Gottes Gnaden Röm. Kayfer ıc. 

Entbieten allen und jeglichen Churfürften, Fürſten ꝛc. Unfer Gnad und 
alles Guts. Ehrwitrdig und Hohgebornen, Liebe Neven, Oheim, Churfürften 
und Fürften, Wohlgeborn, Edel, Ehrfam, Andächtig und Yiebe Getreuen. 

As Wir in Unfer Volicei- Ordnung, an diefem Unferen gehaltenen 
Reichs-Tage allhier mit euer Lieb und euer And, und der Abwejenden 
Bottichaften und Geſandten Rath und Zuthun beratichlaget, geſchloſſen 
und auffgericht, unter andern geordnet md geſetzt haben, daß hinfüro alle 
Buchdruder, wo und an welchen Enden die im heil. Neid) geſeſſen ſeyn, bei 


780 Reichs Preßverordnungen. Dotumente. 


Niederlegung ihres Gewerbs auch einer ſchweren Peen, nehnilich fünffhundert 
Gulden in Gold, ihren ordentlichen Obrigkeiten unabläßlich zu bezahlen, 
feine Bücher, flein oder groß, wie die Namen haben möchten, in Trud auß— 
gehen laſſen jollen, diejelben ſeyn denn zuvor ꝛc. (dev Polizei-Ordnung ganz 
entiprechend) Alles laut und Inhalt derjelben Unjer Ordnung und Satung, 
die Wir alfo durch di Unser offen Edict auch allen umd jeden verfündigen, 
hiermit von Römiſcher Kayferl. Macht ernſtlich gebietend, und wollen, daß 
ihr ſolche obberührte Unfer Kayferl. Ordnung und Satzung allenthalben in 
Unfer, des Reichs und euren Fürſtenthümern, Yanden, Städten, Flecken, 
Obrigfeiten und Gebieten von Stund an offentlich auch verfündiget, derielben 
alles Ihres Inhalts Volziehung thut, und gegen den überfahrnen mit ob- 
beftimmten Beenen eruftlic; verfahret und handelt, und hierin niemand ver: 
ſchonet, auch in dem allen nicht ungehorfam noch ſäumig erſcheinet, im feine 
Weiſe noch Wege, jo lieb euch ſey Unfer und des Reichs jchwere Ungnade, 
und obbeftinnmte Peen und Straffe zu vermeiden, das meinen Wir ernftlid. 
Geben in Unfer und des Reichs Stadt Augipurg am legten Tag des Monats 
Junii nad Chrifti unfers Herrn Geburth funffzehenhundert und im achtund— 
viergigften, Unfers Kayferthums im acht und zwanzigften, und Unferer Reihe 
im drey und drenkigften Jahre. 
Carol. v. A. Perenot. 
Ad mandatum Caesarcae et Catholicae Majestatis proprium. 
Joh. Obernburger. 


8. 
Abſchied des Kreistages zu Erfurt 
vom 27. September 1567. 


$. 61. Demnach audy in diefer Verordnung Unfere Kaiferlihe Come 
miffarien, der Churfürften, Fürften, Bottfchafften und andere Crayß-Oberſten, 
Zu: und Nachgeordnete, auch an dero ftatt die deputirte Crayß-Räthe und 
Geſandte wohlbedächtlich zu Herzen und Gemüth geführet, welchermaſſen 
nunmehr eine gute Zeit von Jahren hero allerhand umruhige, leichtfertige 
und üppige Leut inn- und außerhalb des Reichs fich nicht gefchenet, vielfäl- 
tige Schmadjichrifften, Gemählde und aufrührifche Iractaten zuwider Unferer 
Vorfahren, Unferer und des heil. Reichs derwegen nothwendiglidyen publi— 
cirten Satungen und Ordnungen in offenen Trud ausgehen zu laffen, und 
zu gemeinen Märkten zu feilen Kauf zu bringen, oder fonften in andere 
guthergige Yent, und jonderlich dem gemeinen Mann zuzufcieben, darzu 
dann nicht weniger andere hochjchädliche unwahrhaffte Gedichte entweder unter 
dent Schein neuer Zeitungen oder Pasquillen, hin und wieder spargirt wer: 


Tofumente.| Reichs Preßverordnungen. 781 


den, darinn je länger je mehr nicht allein die ringere Perſonen durch lang— 
müthiges der Oberkeiten Zuſehen, ſondern auch ſie die Obrigkeiten zugleich 
auch andere Churfürſten, Fürſten und Ständ, ja auch Unſere Kaiſerliche 
Perſon ſelbſt angetaſtet, auch wohl zu beſorgen, ſo dieſen falſchen üppigen 
Dichtern alſo ohn gebührliche ernſtliche Straff länger zugeſehen werden ſolte, 
daß dadurch ein ſolch Mißvertrauen und Berhetzung zwiſchen aller— 
ſeits hohen und niedern Ständen erwecket, welches wol unver— 
ſehenliche Empörung und viel Unheyls verurſachen möchte. 

8. 62. Wann ſie Uns nun hierauf deſſen, was vermelte Unſere Vor— 
fahren am Reich statuirt, und derentwegen weiter in der zu Augſpurg Anno 
viergig acht aufgerichteten Polizeiordnung gefett worden, in Unterthänigfeit 
erinnern lafjen, Wir auch ob ſolchem allem billich ungnädiges Miffallen 
tragen, und zu Handhabung Unferer und des heil. Reichs Geboten und Ord- 
nungen mit Gnaden geneigt dahin zu fehen und zu tradhten, wie demnächſt 
diefen Leichtfertigen böjen leuten, als fondern Anftifftern aller Unruhe und 
jelbft Auffrührern, beizufommen und fie zu wohlverdienter Straff vermög 
gemeiner bejchriebener Recht und jetermelter des heil. Reichs Constitutionen, 
Abfchied und Ordnung gebradjt werden mögen: So wollen Wir auf ſolche 
vorige Reichs: Abjchied und Constitutionen deren aud) der jegtgemelten flie— 
genden Zeitungen und deren Ding Abtruder und Verkauffer halben Unfere 
offene Mandata ins Neid; publieiren und ausgehen lajien. 

8. 63. Setzen, ordnen und wollen hierauf, daß alle und jede Obrig— 
feiten, fo Uns und dem heil. Neid; umterworffen, ernftlichen Einfehens thun 
und verſchaffen follen, daß nicht allein folhen unfern Mandaten treulid) 
nachkommen und gelebt werde, fondern daß aud nichts ſchmähliches, 
pasquillifch oder anderer Zeitungsweife, wie das Namen haben, 
oder zu einem folchen obvermelten Miftrauen, Empörung und 
Unheyl im heil. Reich zu erweden, verjtandeu werden möchte, 
in was Weife das Gedicht gefchrieben, in Trud bracht, gemahlt, geſchnitzt, 
gegofien oder gemacht wäre, im ihren Churfürftenthumen, Fürſtenthumen, 
Yanden, Städten und Gebieten keineswegs feil gehabt, gefaufft, umbgetragen 
noch ausgebreitet werden, alles bei Poen und Straff der obgemelter ge: 
meiner bejchriebenen Recht und des Reichs Ordnungen. 


9. 
Abſchied des Reihstags zu Speyer 
Anno 1570 auffgericht. (11. Dezember.) 


8. 154. Wiewol auch auff etlichen vorigen gehaltenen Reichs-Tägen 
bei fchweren Poenen ftatwirt und gebotten worden, daß die Obrigfeiten bei 


782 Reichs⸗Preßverordnungen. Dokumente. 


ihren Druckereyen, Buchführern und ſonſten ernſtliche Vorſehung thun 
ſollen, damit keine Schmähbücher, Gemählde oder dergl. (dardurch nichts 
gutes, ſondern nur Zanck, Aufruhr, Mißtrauen und Zertrennung 
alles friedlichen Weſens angeſtifft) offentlich oder heimlich gemacht, 
gedruckt, verkaufft, oder ſonſten ausgehen: So kommen Wir doch in gewiſſe 
Erfahrung, daß ſolchem Unſrem und des Heil. Reichs Gebot an vielen Ortern 
nicht gelebt, ſondern zugeſehen werden will, daß hin und wieder allerley 
ſchamloſe Schmehichrifiten, Bücher, Karten und Gemählde gedrudt und ge- 
mahlet, ohne alles ftraffen, zuvorab auff den gemeinen Jahrmärkten, Mefien 
und in anderen Berfanmlungen umbgetragen, feil gegeben, verfaufft und 
ausgebreitet, darunter dann auch niemand, es ſei Obrigkeit, Herr oder Unter: 
than verjchonet werde. 

8.155. Dieweil dann ſolche vermeflene ungejcheute Frechheit des läfter- 
lien Drudens, Mahlens und Schmähens, umb fo viel mehr zu coerciren, 
und allenthalben abzuftellen, haben Wir uns mit gemeinen Ständen und den 
Abgefandten dahin verglichen: Darauff jeken, ordnen und wollen Wir, daf 
hinfüro im gangen Römischen Reid; Buchdrudereien an keine andere Orter, 
denn in denen Städten, da Churfürften und Fürften ihr gewöhnliche Hoff- 
haltung haben, oder da Universitates studiorum gehalten, oder in anjehn- 
lichen Reichsſtädten verftattet, aber jonften ale Winfel- Druderenen ftrads 
abgeichafft werden follen. 

$. 156. Zum anderen joll aud) kein Buchdrucker zugelaſſen werden, der 
nicht zuforderft von jeiner Obrigkeit, da er häußlich fiet, darzu redlich, ehrbar 
und aller Ding tuglich erkennt, auch dafelbft mit jonderm leiblichen Eyd 
beladen, in feinem Truden jegigen und andren Neichsabjchieden, ſich ge- 
mäß zu verhalten. Zum dritten follen einem jeden alle fafterliche ſchmähliche 
Bücher, Schrifften, Karten oder Gedicht in Trud zu geben oder zu truden, durch⸗ 
aus bey hoher Straff, fowohl bey Berluft der Bücher und Trudereien verboten 
jeyn. Zum vierten foll feiner etwas zu truden Macht haben, das nicht zu— 
vor von feiner Obrigkeit erfehen und alfo zu truden ihme erlaubet wäre. 
Zum fünfften ſoll derjelbe alsdann auch def Dichters oder Authoris, gleich— 
falls feinen Namen und Zunamen, die Stadt und Yahrzahl darzu jegen. 

$. 157. Da aber deren Ding eines oder mehr unterlafien, follen nicht 
allein die getrudte Bücher, Schrifften oder Karten alsbald von der 
Obrigkeit configcirt, fondern auch der Truder, und bey weme die zu Fauffen 
oder ſonſten augzubreiten begriffen, an Gut oder fonften nad) Geftaft und 
vermog gemeiner Necht, unnachläßlich geftrafft werden. 

$. 158. Mit gleihen Straffen und Ernft foll auch gegen denjenigen, 
jo fäfterlid ſchmähliche Gemählde machen, zu verfauffen, oder ſonſten 
zu divulgiren umführen. 

$. 159. Darumı gebieten und wollen Wir, daß alle und jede Stände, 


Dokumente. Reichs-Preßverordnungen. 783 


und Obrigkeiten, ob dieſem Unſrem Gebott mit allem ernſtlichen Fleiß hal— 
ten, auch ſonderlich ihre Truckereyen unverwarnter Ding viſitiren, 
denn fie da in dieſem jemand überſehen, colludiren oder feinen gebuhrenden 
Ernſt und Straff gegen die Übertretter fürnehmen wirden, jollen fie da- 
mit in Unfere fchwere Ungnad gefallen jeyn, und nad) geftalten Dingen pro 
arbitrio von Uns geitrafft werden, 


10. 
Kaiſerliche und des Reiche reformirte und gebejjerte 
Bolizei-Ordnung, zu Frankfurth, 
Anno 1577 auffgericht. (9. November. | 
Der XXXV. Titul. 

Bon Budtrudern Shmähidhrifiten ſchmählichen Semähls, 
Gedichten und Anſchlägen. 

8. 1. Wiewohl auff vielen hievor gehaltenen Reichstägen, weyland 
Unſre loblichen Vorfahren, ſich mit Churfürſten, Fürſten und Ständen des 
heil. Reichs und der abweſenden Bottſchafften vereiniget und verglichen, 
auch Satzung und Ordnung im Druck ausgehen und verkündigen laſſen 
haben, daß in allen Trudereyen, auch bey allen Buchführern und 
Händlern, mit ernftem Fleiß Verfehung gethan, daß Hinfitro nichts neues, 
fo Oberkeit wegen nicht erjehen, infonderheit aber, daß Feine Schmäh— 
ihrifften, Gemählds oder dergleichen weder offentlid noch heimlich 
gedicht, getrudt und feyl gehabt werden jollen, wie dann diefelbe 
Abjchied, Tonderlicd aber der in Anno ꝛc. fiebengig zu Speyer auffgericht 
worden ift, ferner mitbringen: So befinden Wir doch, daß ob denjelben 
Satungen gar nichts gehalten, jondern dar ſolche ſchmähliche Bücher, Schrifi- 
ten, Gemählds und Gemächts, je länger, je mehr gedicht, gedrudt, gemacht, 
feyl gehabt und ausgebreit werden. 

$.2. Wenn wir nun zu Pflansung und Erhaltung Chriftl. Yieb und 
Einigfeit und Verhütung Unruhe und Weiterung, jo daraus erfolgen möcht, 
Uns ſchuldig erkennen, in dem gebührlichen Einjehens zu thun: So feten 
und ordnen Wir, and) hiermit ernftlich gebietend, das hinfüro Bucdhtruder, 
Verläger, oder Händler, wo und an welchen Orten die im Heil. Reid) 
geſeſſen jeyn, bei Niederlegung ihres Handwerks, aud) einer ſchweren Peen, 
nach Ermäffigung ihrer ordentlichen Oberkeit unnachläſſig zu bezahlen, Feine 
Bücher, flein oder groß, wie die Namen haben möchten, in Trud 
ausgehen lajjen follen, diefelben ſeyen dann zuvor durd) ihre 
ordentliche Oberkeit eines jeden Ortes, oder ihre darzu Ver— 
ordnete, bejichtiget und der Pehr der Ehriftlichen Kirchen, dei: 


784 Reichs Preßberordnungen. [Dofuntente. 


gleichen den auffgerichten Reichsabſchieden gemäß befunden, darzu 
daß ſie nit aufrührifh oder ſchmählich, es treff gleich Hohe und 
niedere Stände, gemeine oder jondere Perfonen an, und deßhalb approbirt 
und zugelaffen. Bei gleicher Peen follen aud) alle obbemeldte Bucdruder, 
Berläger und Händler jchuldig und verpflicht jeyn, in allen Büchern jo fie 
alfo mit Zulaſſen der Oberfeit hinfiiro truden werden, den Authorem oder 
Dichter des Buchs, auc) feinen des Truders Namen, defgleichen die Stadt 
oder dei Urt, da es getrudt worden, unterjchiedlid; und mit Namen zu be= 
nennen und zu vermelden, 

8.3. Und jegen, ordnen und wollen Wir, daß alle und jede Überfeiten, 
Uns und dem H. Römiſch Reid) unterworffen, ernftlich Einfehens thun und 
verſchaffen follen, daß nit allein dem, wie obgemelt, treulih nadfommen 
und gelebt würde, jondern dag aud) nichts, jo der Chriftl. allgemeinen 
Yehr und zu Augspurg auffgerihten Keligion Frieden ungemäß 
und widerwärtig, oder zu Unruhe und Weiterung Urſach geben, noch aud) 
feine Famosbücher oder Schrifften, es habe der Author feinen Nanıen 
darımter gefetet oder mit, dengleihen auh nichts ſchmählichs oder 
Paßquilliſch, oder in andrer Weif, wie das Namen haben, und in was 
Schein das befchehen möcht, gedicht, gefchrieben, in Trud bracht, gemahlt, ge- 
ſchnitzt, gegoſſen oder gemacht, fondern wo ſolche und dergleichen Bücher, 
Schrifften, Gemählde, Abgüß, Gefchnig und Gemächts, in Trud oder fonft 
vorhanden wären, oder fünfftiglicd aufgingen, und an Tag kommen, daß 
diefelbe nicht feyl gehabt, gefaufft, umbtragen, noch aufgebreit, ſondern den 
Berfauffern genommen, und fo viel immer moglich, untergetrudt werden. 
Und fol nicht allein der Verkauffer, oder Feylhaber, fondern aud) der Käuffer, 
und andere, bey denen folde Bucher, Schmähjcdrifften oder Gemälde, Paf- 
quills oder andere Weiß, fie jeyen gefchrieben, gemahlet oder getrudt, befun— 
den, gefanglidy angenommen, gutlid) oder wo es die Nothdurfft erfordert, 
peinlich, wo ihm ſolche Bücher, Gemälde oder Schrifft herfommen, gefragt, 
und fo der Author oder ein ander, wer der wäre, von dem er, der gefangen, 
ſolche Schrifft, Gemähld oder Bücher überkommen, unter derjelben Oberfeit 
geſeſſen, der fol alsbald auch gefänglich eingezogen: wäre er aber unter 
einer andern Herrſchafft wonhafftig, derjelben fol folder zur Stund durd) 
die Oberkeit, da der erft Feyl-, oder Inhaber ſolcher Schrifften betretten, an: 
gezeigt, die abermals, wie vor laut, handeln, und dem alſo lang vorgeſchrie— 
bener Maß nachgefraget und nachgegangen, bis der rechte Author befunden, 
der alsdann ſampt denjenigen, fo es aljo umbgetragen, feyl gehabt oder 
fonft aufgeben, vermög der Recht, und je nach Gelegenheit und Geftalt der 
Sachen, darumb andren zum abſcheulichen Erempel, mit fonderm Ernſt ge- 
itrafft werden. 

$.4. Wo aber einige Oberfeit, wer die wäre, oder wie fie Namen 


Tofumente.] Reichs⸗Preßverordnungen. 785 


haben möcht, in Erkundigung ſolcher Ding, oder ſo es ihr angezeigt, darinn 
fahrläſſig handeln, und nicht ſtraffen würde, alsdann wollen Wir entweder 
ſelbſt, wider dieſelbige auch dem Dichter, Truder, oder die Buchfuhrer, Händ- 
fer und Berfauffer, ernftliche Straff fürnehmen laſſen, oder aber foll Unfer 
Kayſerl. Fiscal Amtswegen, dargegen auff gebührliche Straff procediren und 
handeln, welche Straff nad) Gelegenheit, und Geftalt der Sachen Unfer Kayſerl. 
Sammer Gericht zu feten und zu moderiren Macht und Befeld haben foll 

8.5. Doch, wo vor diefer Zeit etwan dergleichen Bücher, Gemählds 
oder Schrifften Hinter einen kommen, und alfo Hinter ihme bliben wären, 
der joll darumb nicht gefährt werden, aber dennoch jchuldig ſeyn, fo er die 
befinde, diefelbige nicht weiter außzubreiten, zu verſchenken oder zu verfauffen 
und aljo vorige Schmach wieder zu erneuern, jondern allweg zu thun oder 
dermaßen zu verwahren, daß fie niemands zu Schmach gereichen und ge- 
fangen mögen. 

$.6. Und damit folhem allen defto fteiffer und eigentlicher nachgeſetzt, 
und dergleichen Famosbücher, Schrifft oder Gemälds umb fo viel mehr ver- 
mitten werde; So ordnen und fegen Wir nochmals, daf im ganten Römi- 
ſchen Reich die Buchtruckereyen an feinen anderen Örtern, dann im den 
Städten, da Churfürften und Fürſten ihre gewöhnliche Hoffhaltung haben, 
oder da Universitates feyn, oder in anſehnlichen Neichsftädten verftattet, aber 
fonften alle Windeltrudereyen geftrads abgeſchafft werden jollen: Deßgleichen 
fol auch kein Buchdruder zugelaffen werden, der nicht zuvorderſt von feiner 
Oberkeit, darunter er häußlich figet, darzu redlich ehrbar und allerdings 
tauglich erfennt, auch daſelbſt mit fonderlichem leiblihem Eyd beladen ift, 
in feinem Trucken fi obberührten jetigen und fünfftigen Reichsabſchieden 
gemäß zu erzeigen und fich aller Läfterlichen und jchmählichen Bücher, Ge- 
mählds und Gedicht, gäntzlich zu enthalten. 

8.7. Dann Wir aud) berichtet worden find, daß im etlichen Panden 
diefer Brauch oder vielmehr Mißbrauch eingerifien, da dem Glaubiger auff 
fein Angefinnen von feinem Schuldner oder Bürgen nicht bezahlt wird, daß 
er derentwegen diefelbigen mit [händlihen Gemähld oder Brieffen, 
öffentlicd anfchlagen, ſchelten, befhreyen und beruffen läffet. Die: 
weil aber auch gant ärgerlich, auch viel Zanks und Böſes verurſacht, darumb 
es ja in feinem Gebiet, darinn Recht und Billichfeit adminiftrirt werden 
fann, zu verftatten: So wollen Wir dafjelbig anſchlagen, auch ſolche Geding 
und Paecta den Verfchreibungen einzuverleiben Hiemitt gäntzlich verbotten und 
auffgehoben, auch allen und jeden Oberkeiten in ihrem Gebiet, mit ernftlicher 
Straff gegen dem jenigen, fo hernach des Anſchlagens fid) gebrauchen würde, 
zu verfahren befohlen haben. 


app. I. 0 


Erläuterung der graphiichen Tafeln 
zur Statiftif des deutſchen Buchhandels 
in den Jahren 1564 bis 1765. 


Von 


dr. Zarnde. 


(Bal. bierzu Tafel I—I11.) 


Als im Jahre 1850 Schwetſchke's „Codex nundinarius“ erſchien, der 
eine GStatiftif des deutſchen Buchhandels nad) den Meßkatalogen von 1564 
bis 1765 unter mannigfachen Geſichtspunkten darlcgte, widmete ich demſelben 
alsbald ein eingehendes Studium, und die vielfachen überrafchenden Nejultate 
desjelben erregten mein lebhafteftes Interefie. Aber bald ftellte ſich mir das 
Beditrfnis heraus, die Sprache der Ziffern beredter und deutlicher zu machen, 
und ich entwarf eine Reihe graphifcher Tafeln, wie fie damals noch wenig 
in Übung waren, feitdem zur Veranſchaulichung ftatiftiicher Berhältniffe ganz 
gewöhnlich geworden find. Dieje Arbeit ward nur fiir mid) felber unter- 
nommen, an eine Veröffentlichung dachte ic nicht. Andere wiffenfchaftliche 
Intereflen verdrängten dann dieje, und fo haben die von mir entworfenen 
Tabellen länger als 30 Jahre verworfen und vergeflen dagelegen, bis das 
Interefje an unfers Areundes Kapp „Geſchichte des Buchhandels“ mid) ver- 
anlafte, fie wieder hervorzufuchen und dem Genannten zur Einfichtnahme zu 
überfenden. Zu meiner Freude erregten fie feine Teilnahme in hohem Grade; 
er ſprach den Wunſch aus, eine Anzahl derfelben feinem Werfe beizugeben, 
und ließ die von ihm ausgewählten und von Neuem genau durchgerechneten, 
auch hier und da nod) vervollftändigten* in jaubern Zeichnungen zur Bor: 
(age für die Bervielfältigung herridhten.** So find die diefem Werle bei 

* So hat Kapp einigemal fünfjährige Durchichnittsiummen beredynet, wo ic 
mich mit zehnjährigen begnügt hatte. 

** Leider ift Napp zu der von ihm geplanten Weiterführung nicht gelangt, Mir 
lag im Jahre 1850 nur die Statiftif bis zum Jahre 1765 vor, während Schwetichfe 


- 


Erläuterung der graphiichen Tafeln. 187 


gegebenen drei Tafeln zu Stande gelommmen, über die nun mir die Pflicht 
zugefallen ift, die Pefer kurz zu orientieren, nachdem unfer Freund fo jäh- 
lings aus feiner Arbeit herausgeriffen ift. 

Voranfenden muß ic einige Bemerkungen, durch die die Angaben der 
Meßkataloge auf ihren richtigen Wert zurüidgeführt werden follen. Diejelben 
find feineswegs angethan, ein abfolut ficheres Bild von dem in jedem Jahre 
wirklich Gedrudten zu gewähren. In fie fand nur die Pitteratur Aufnahme, 
die an dem Meßverkehr teilnahm, alles rein Yofale, wenn es nicht in die 
Nähe der Meforte fiel, ift wohl meiftens ganz ausgeſchloſſen geblieben, ge— 
wiß auc manches andere, nur von den Meforten allzu Entlegene. Am 
meiften ift dies der Fall gewefen zu Beginn des Meffatalogs (1564 fg.), 
als derjelbe nod) ein rein privates Unternehmen eines umfichtigen Sorti- 
menterd war, der nur feinem und feiner Kollegen buchhändleriſchen Vertriebe 
dienen wollte. Später, ald der Meßkatalog eine offizielle Bedeutung erlangte, 
ward es befjer. Aber ganze Kategorien von Werfen, jo die gefamte Star: 
tefenlitteratur, die Bamphlete, Satiren u. a., wenn man ihnen nicht eine all: 
gemeinere Anziehungskraft zutraute, fanden aud) dann feine Aufnahme, ober 
nur eine ganz zufällige. Bon den fümtlichen Werken 3. B. Chriftian Reu— 
ters, des Berfaflers des „Schelmuffsky“, hat Fein einziges einen Plaß im 
Meßkatalog erhalten. Dieje Werke erjchienen als zu niedrig und unwürdig 
eines amtlichen Verzeichniffes. Auch Bücher, die, wenn aud) nur in gewiffen 
Gegenden, mißliebig ericheinen mochten, ließ man gern fort, um die Ver— 
breitung des Meflatalogs nicht zu hemmen. Auch Parteiftandpunfte machten 
fich, geltend. So haben die Katholiken fich mehrfach beklagt, daß ein großer 
Teil ihrer Pitteratur feine Aufnahme finde u. ſ. w. Andererfeits ift aud) 
frühe Schon manches in dem Mefßkatalog als erſchienen aufgeführt, das nie 
gedruckt herausgefommen ift oder erft fpäter und in ganz anderer Geſtalt. 
Schon in den fiebziger Jahren des 16. Jahrhunderts griffen die Gelehrten 
gern nach dem Mefkatalog, um fid) nad) den Neuigkeiten der wiſſenſchaft— 
lichen Pitteratur umzufehen; wer fid) daher mit einem neuen Plane trug und 
ehrgeizig die Blide der Fachgenoſſen und der Welt auf ſich lenfen wollte, 
der lief es fein Erftes fein, jobald er mit einem Berleger abgeſchloſſen hatte, 
diefen zu veranlaflen, den Titel des Buchs in den „Katalog“ zu bejorgen. 
Etwas bejfer ward dies, als man fpäter anfing, die fünftig erjcheinenden 


ipäter den „Codex nundinarius” bis zum Jahre 1846 fortgefebt hat. Allerdings 
hätte bei dieler ein anderer Maßſtab gewählt werden müſſen, denn bald nadı 1765 
nimmt der Buchhandel relativ riefige Verhältnifie an. Unjere Tafel geht bis zur 
Höhe von 1800, aber bereits im Jahre 1770 betrug die Geſamthöhe 1807, im 
Jahre 1780: 2642, im Jahre 1800: 4012, im Jahre 1820: 7308, im Jahre 1840: 
11151 u. ſ. w. 

Hu * 


TS8 Erlänterung der graphiichen Tafeln. 


Bier in einer befondern Rubrif zufammenzuftellen. Aber aud) dann noch 
fahen manche Verleger und manche Schriftſteller den Titel ihres bevorftehen- 
den Werfes lieber in den Neihen der erfchienenen als der künftig erſchei— 
nenden Bücher. Dazu kommt nod), dar auch manche Werke wiederholt in die 
Ktataloge aufgenommen wurden, ohne daß es fid) um neue Auflagen handelte. 
Kurz, die Ziffern müſſen einigermaßen in Bauſch und Bogen verftanden 
werden. Da aber ziemlich die gleichen Störungen Jahr für Jahr eingetreten 
fein werden, fo wird das relative Berhältmis im Auf- und Abfteigen der Zif— 
jern doch ein leidlich richtiges Bild geben. 

Nur Ein Umftand muß nod in Betradht gezogen werden. Die Meß— 
fataloge gaben in erjter Yinie ein Verzeichnis des am Meforte zur Stelle 
befindlichen Büchermaterials oder der von den ammwejenden Buchhändlern ein— 
gefandten Titel. In Kriegszeiten aber, wo die Straßen unficher oder ge: 
radezu unpafjierbar waren, mußten Manche von den Meſſen fortbleiben, auch 
wenn fie Werke verlegt hatten, die fie hätten zur Stelle bringen können. 
Dieje fehlten mum im Katalog. Auf diefe Weife haben wir meines Grad): 
tens 3. B. den koloſſalen Abfall im Jahre 1635 zu erklären. Daß die ge- 
ſamte verlegerifche Thätigkeit wirklidy in diefem Jahre in dem Maße herunter- 
gegangen fein follte, wie es die Ziffern des Meßkatalogs ergeben, halte id; 
jir eine bare Unmöglichfeit. Aber der Meßverkehr war in dieſem Yahre 
der Nriegsläufte wegen auf ein Minimum reduziert. 

Wir dürfen es wohl fir möglid) halten, daß es noch einmal gelingt, 
and) fiir die frühern Jahrhunderte ein vollftändiges Verzeichnis der in jedem 
Jahre in Deutſchland gedrudten Bücher herzuftellen, wie dies ja bis zum Jahre 
1500 annähernd bereits von Hain gefchehen ift. Ein ſolches Verzeichnis wird 
dann eine viel ficherere Grundlage abgeben, als der Meßkatalog, und auf ihm 
wird dann eine neue und zuverläffigere Statiftif des gefamten Buchhandels 
und Buchdrucks aufgebaut werden fünnen, während die gegemvärtige wejent 
lid) nur den Meßverkehr darzuftellen vermag. 

Auch das wolle man beachten, daß das Jahr des „Codex nundinarius“ 
von Michaelis bis Midjaelis geht, alfo fich nicht mit den Kalenderjahre 
deckt, ferner daß jedes Bud) als eine Einheit gilt, mag es nun eine Brofchüre 
von einem Bogen, mag es eim mehrbändiges Wert in Folio fein, mag ed in 
Taufenden von Exemplaren gedrudt fein, oder in wenigen Hunderten. 

Nach diefen nötigen Nejerven* wollen wir jest kurz die einzelnen Tafeln 
ins Ange fallen. 


* Natürlich treten hierzu auch noch die Ungenanigfeiten in der Ausarbeitung 
des „Codex nundinarius“ Selbjtverftändfih mu man Nachſicht üben, wo es 
jih um Hunderttauſende von Zahlen handelt, aber der „Codex“ iſt wirklich oft recht 
jlüchtig gearbeitet und ungenau forrigtiert, Als ein Beiſpiel Häufig vorfommtender 


Erläuterung der graphiichen Tafeln. 780 


Tafel I. 

1) Die Gefamtentwidelung des Buchhandels. 

Die fefte Yinie (—) gibt die Ziffer der Sefamtjunme aller in den Meß—⸗ 
tatalogen verzeichneten Bücher an, die gebrochene Linie mit drei Punkten 

.. — ) den fünfjährigen Durchſchnitt, bei den erſten beiden Jahren 
natürlich nur den zweijährigen. Richtiger wäre es vielleicht gewefen, die Durd)- 
ſchnittslinie al8 eine Horizontale in gleicher Höhe durd) alle fünf Durchſchnitts— 
jahre zu ziehen, ftatt fie anfteigen, refp. fallen zu laſſen, denn es findet inuer— 
halb diefer Jahre fein Anfteigen oder Abfallen ftatt, fondern alle fünf Jahre 
find, da eben die Durchſchnittsſumme gegeben werden fol, gleid) hoch zu denken, 
und zwar ift das letzte der Yahre das fiir die relative Höhe maßgebende. Aber 
das hier eingehaltene Verfahren fteht in Übereinftinumung mit dem gewöhnlid) 
beliebten und ift jedesfalls anfchaulicher als die balkenförmige Darftellung. 

Die erfte Zeit bis etwa zum Jahre 1592 bietet wenig Zuverlaf. Im 
Jahre 1564 liegt nur ein Natalog, der Herbtfatalog vor. Dod war es 
nicht geftattet, die Ziffer etwa doppelt zu nehmen, da diefer Katalog als der 
erfte Feineswegs erft mit Schluß der Oſtermeſſe einfest, fondern auch weiter 
zurüdgreift. Auch aus den Jahren 1566 und 1567 ift nur der Herbſtlatalog 
befannt, und man darf vermuten, daß gar feine Ofterfataloge erſchienen find, 
weil ein Grund für das tiefe Herabfinfen der Ziffer nicht erfindlich ift. 
Bis zum Jahre 1592 find überdies im „Codex nundinarius“ gar nicht die 


Differenzen wähle ich das Jahr 1658, Als auswärts erichienen werden hier 120 
Werke aufgeführt; das ftimmt zu der Summe der unter Il (Nuswärtige Orte) auf 
gezählten Bücher, nicht aber zu der am Kopfe der Berlagsorte und Verleger ge 
gebenen Aufzählung nad Fächern, denn bier ergibt ſich nur die Ziffer 115. Der 
Fehler liegt in den lateinischen Schriften: diefe belaufen ſich an erjterer Stelle auf 
12, an legterer Stelle nur auf 67. Außerdem findet ſich in diejem Jahre noch cin 
zweiter Fehler. Das Verzeichnis der auswärtigen Orte (II) gibt 27 italienische 
Schriften an, das Verzeichnis nach Fächern nur 18, alfo 9 weniger; dagegen gibt 
jenes nur 5 franzöfifche, dieſes aber 14 an, alio I mehr. Man möchte auf den 
eriten Blick meinen, daß diefe beiden Differenzen von 9 wohl auf demielben Fehler 
hinausliefen, aber ich glaube, das ift nur ein Schein. Die Ziffer 14 wird für die 
franzöjiihen Bücher bei austwärtigen Verlegern die richtige fein, und in Genf wird 
für „I fr.“ fälichlih „I d.” gedrudt fein, denn aus Genf find in diejen Jahren ftets 
franzöfiiche, ie deutiche Bücher auf die Meſſe gebracht. (Ebenfo ift es ein Fehler, 
wenn im Jahre 1626 bei Senf „20 d.“ ftatt „29 fr.” angegeben wird.) Das Feh— 
len der 9 italieniichen in der Aufzählung nad Fächern wird fich verteilen; auch 
hier wird die höhere Ziffer 27 richtig fein, denn Ferrara lieferte allein 25 italieniſche 
Werke. In der Haft der Arbeit wird der Anfertiger des „Codex nundinarius“ 
ſich durch die Antiquaichrift hier und da zur Verwechſelung des Franzöfiichen und 
Italieniſchen haben verleiten laſſen. 


790 Erläuterung der graphiichen Tafeln. 


Kataloge der einzelnen Jahre zu Grunde gelegt, fondern die „Colleetio in 
unum corpus” von 1592; das letzte Jahr wird im diefem Buche weniger 
Berũdſichtigung gefunden Gaben, und wenn aud der Herbſtmeßkatalog diefes 
Jahres zur Ergänzung herbeigezogen ift, wie und die Vorrede belehrt, To 
läßt doch das fonft unmotivirte Herabfinfen der Ziffer auf die Hälfte ver- 
muten, daß hier die Quellen ungenau find. Bon da an fteigt die Zuver— 
fäffigfeit der Unterlagen, zumal feit Herbftmefle 1598, wo der offizielle „Cata- 
logus universalis“ erfchien. Auch die Zuverläffigfeit der Arbeit im „Codex 
nundinarius“ nimmt feit 1593 zu, da fortan wirflid die Meffataloge felbft, 
und zwar die verfchiedenen Ausgaben einander fontrollierend, benutzt worden find. 

Schon ein flüchtiger Überblid ergibt recht intereflante Beobachtungen. 
Man ficht, wie im Anfang des 17. Yahrhunderts genau bis zu dem Jahre, 
in welchem der Dreifigjährige Krieg ausbricht, eine fräftig entwidelte buch: 
händlerifche Produktion mächtig anſteigt — zu einer Höhe, die felbft am 
Schluſſe der Tabelle, im Jahre 1765, nod) nicht wieder erreicht ift —, wie 
fie dann nad) mancherlei Zudungen im Jahre 1635 auf ein Minimum ein: 
ſchrumpft, dann unter manden Schwankungen bis zum Yahre 1710 fteigt, 
darauf, wohl infolge der damaligen Kriege, wieder abfällt und dann erft 
allmählich wieder fi) zu heben beginnt. Deutlich ift auch der Einfluß der 
ichlefifchen Kriege, deutlic der des Stebenjührigen Krieges erkennbar. Nach 
den Hubertusburger Frieden geht es fröhlich aufwärts. Leider bricht die 
Tabelle bereits mit dem Jahre 1765 ab; gern verfolgte man wenigftens, wie 
die nun folgenden Friedensjahre bis zu den Stürmen der Franzöfiichen Revo— 
lution ſich darlegten: ich will die Hauptziffern angeben, im Jahre 1775 wird 
die Ziffer 2000 überfchritten, im Jahre 1783 die Ziffer 3000, das Yahr 
1790 gibt 3560 gedrudte Werke. 

2) Die Beteiligung der Spraden: der lateinifhen, der 
deutfhen und der lebenden. 

Die drei untern Pinten unferer Tafel geben die Sprachen an, in denen 
die aufgeführten Werke abgefaßt waren. Die gebrochene Linie — — — — — ) 
bezeichnet das Yatein, die Linie Strich-Punkt (— .— — ) das Deutfche. Man 
fieht, wie gewaltig das Yatein anfangs itberwiegt, bis es feit dem Jahre 
1680 mit dem Deutſchen zu ringen beginnt, um feit 1692 diefem für immer 
den Vorrang abzutreten und fortan immer weiter herabzufteigen. Die unterfte 
Linie, Strich-Kreuz (- + — +— +-—), deutet die Summe der in fremden 
Sprachen abgefahten Schriften an. Zu verfchiedenen Zeiten haben verichiedene 
Sprachen prädominiert, am Ende des 16. und im Anfang des 17. Jahr— 
hunderts das Italieniſche, beim Herannahen des Fridericianischen Zeitaltere, 
jeit circa 1735, das Franzöſiſche, das 1762 nahezu den Umfang des Latei— 
nischen erreicht. Im Jahre 1647 erſchienen auch perfiiche und türkiſche 
Schriften, zu andern Zeiten ſporadiſch auch arabiſche. 


Erläuterung der graphiichen Tafeln. 191 


Überfichtlicher wäre es vielleicht gewefen, bei den Sprachen von den Jahres— 
ihwanfungen abzufehen und ſich auf den fünfjährigen Durchſchnitt zu be: 
icränfen, denn wir haben es hier mit langſam und ftetig vor ſich gehen: 
den Kulturerſcheinungen zu thun, bei denen die, allein durch die Jahres— 
ihwanfungen des Geſamtbuchhandels bedingten Dezillationen der einzelnen 
Jahre ohne Wert find. Noch anfchaulicher würde es gewejen fein, die Kon— 
furrenz der Sprachen nad) Prozenten zu berechnen und dementiprechend gra- 
phiſch darzuftellen. Die Rechnungen find feiner Zeit von mir gemacht, aud) 
die Tabellen entworfen worden; vielleicht Laffen ſich diefelben einmal an einem 
andern Orte veröffentlichen. (Wie mir nachträglich mitgeteilt wird, hat aud) 
Rapp jelber die Abficht gehabt, ſolche Tabellen beizufügen, ift aber durd den 
Tod an der Ausführung behindert worden.) 

Ic Laffe nunmehr die Ziffern folgen, die, dent „Codex nundinarius“ 
direft entnommen oder aus demjelben gewonnen, der graphifchen Darftellung 
auf Tafel I zu Grunde liegen. Diefe Zufammenftellung enthält neben der 
Jahreszahl zunächſt die Geſamtziffer der in dem betreffenden Jahre in den 
Meßkatalog aufgenommenen Drudwerfe; daran chliekt ſich die fiinfjährige 
Durchſchnittsziffer. Die drei folgenden Kolumnen enthalten die Summe 1) der 
lateinifchen, 2) der deutjchen, 3) der in fremden Sprachen verfahten Werfe. 





— — — — — - _ — — — — 








Summe der Bücher 
Geſamtſumme 


demreeebinnne Bäntläteiger I — — 
Drudwerte, “Tin Tateinifcher in deutfcher in fremden 
| Sprache. Sprache. Sprachen. 

















* Nur Herbſtmeſſe. 








Belamtfumme |; _ 


Erläuterung der graphiſchen Tafeln. 


Summe der Büder 








Jahreszahl. —* Hünfjähriger 

D t. 1. 2. 4. 

Drucwerle. WEN in lateinifcher in deutfcher in fremben 

| Sprade. Sprade. Epradıen. 

| rs 

1581 | 15 965 138 12 
152 | 4% | 301 118 19 
1583 | 600 560,6 405 184 11 
184 598 | 4) 167 11 
1585 722 497 305 3 
- a | 459 188 18 
587 50 407 183 11 
1588 645 7244 436 171 38 
15890 836 | 531 262 43 
1590 5 545 297 33 
1591 9% 605 ! 35 
1592 452 * | 959 18 2 
1593 898 , 7618 575 305 18 
1594 | 659 | 427 215 17 
596 r 23 g 
1507 | © 457 + * 
15668 680 803,8 495 231 4 
1599 897 | 519 246 62 
1600 1059 700 292 67 
1601 137 | 7 ! 7 333 87 
60: 24 | 187 264 98 
1603 1409 1334 6 815 478 116 
| | || 
801 1 92 
1606 1350 804 457 89 
1607 1396 853 456 87 
1608 1349 . 141136 789 477 83 
1609 1462 ' 931 455 76 
1610 1511 961 464 86 
1369 | 835 496 58 
1: 505 982 482 4 
1613 | 1780 15442 1134 516 130 
1614 | 1506 | 962 479 65 
Be | | 8 | * 
5 8 98 
1617 1665 | 1046 524 95 
1618 1757 1604,s 1118 550 9 
1619 1668 | 1105 482 81 
1620 1377 908 413 56 
1621 | 1363 | 016 34 3 
22 | 9m 5 303 2 
1623 | 1056 . 1216,8 716 312 28 
164 | 1299 | 833 419 7 
1625 | 1391 809 509 13 


* Wohl nicht vollftändig. Die „Colleetio in unum corpus” iſt hier zwar aus 
dem Willerihen Katalog ergänzt (vgl. „Codex nundinarius“, S. VI), aber die 
„Colleetio“ (1592) hat den Herbſtmeßlatalog wohl nur angeblich noch berüdfichtigt. 


Erläuterung der graphiihen Tafeln. 105 











Gefamtiumme 








Jahreszahl. ber Fünfjähriger I 5 = 
: Durdichmitt. | l er — 
Drucwerle. in lateiniſcher in dentſcher in fremden 
Sprache. Sprache. Sprachen. 




















1626 1105 626 401 78 
1697 1060 648 340 72 
1628 1111 11504 —* 389 55 
1629 1131 | 31 373 297 
1630 | 1346 832 461 3 
1631 1106 718 355 35 
1632 729 | 408 306 15 
1633 726 731 413 383 30 
1634 1787 | 47 Ri 29 
1635 307 * 164 142 1 
1636 0 |, 412 275 20 
1637 4108 || 213 167 10 
1638 7179 652,8 174 380 25 
1639 640 | 377 946 17 
1640 * 416 276 38 
1641 188 510 2 28 
1642 819 | 40 398 51 
1643 | 1024 BTRA 618 330 67 
164 | 767 | 476 y58 33 
165 | 9 594 376 24 
1646 949 599 338 14 
1647 1002 | 647 315 40 
1648 961 10145 588 348 95 
1649 1214 | 772 421 21 
1650 948 613 305 30 
1651 1159 133 398 38 
1652 1057 650 389 18 
1653 1158 10345 729 390 39 
1654 | 980 | 666 289 95 
1655 | 819 507 300 12 
1656 ! 776 492 268 16 
1657 1 74 4133 271 20 
1658 | 772 169,5 445 285 12 
1659 | 766 | 448 976 4 
1660 811 45 987 79 
1661 | 841 479 306 56 
1662 861 | 540 231 30 
1663 | 956 914,6 565 353 38 
1664 | 959 | 566 343 51 
1665 956 548 348 60 
1666 | 740 109 293 38 
1667 908 549 319 Mn 
1668 793 780 475 289 29 
1669 761 | 437 286 38 
1670 698 391 268 39 


* Katholiich-theologiiche Bücher wurden weder im Oſtermeß- noch im Michaelis: 
mehlatalog angeführt. 


194 Erläuterung der graphiichen Tafeln. 











Summe ber Büder 
Geſamtſumme 






Jahreszahl. | ber he j > : 
ur itt. J 

—— | in Tateinifher | im deutfher | im fremden 

Eprade. Sprache. Sprachen. 














1004,6 36 

333 777 13 
1715 1139 362 755 22 
1716 1001 292 686 23 
1717 1183 347 820 16 
1718 1068 330 707 31 
1719 1071 340 125 6 
1720 979 291 664 2 


Erläuterung der graphiichen Tafeln. 795 








Summe der Büder 









t — 
Jahreszahl. ai age Bünfjäbriger 1 2 3 
© itt, r . 1 . 
Drudwerfe. a in lateinifcher in deutiher | in fremden 
Sprache. Sprache. Sprachen. 









1095 345 1% 24 
1722 1006 | 280 710 16 
1723 1038 104,5 3ll 708 19 
1724 1052 | 316 2115 21 
1725 1033 327 683 23 
1726 1175 409 749 17 
1727 1053 360 671 22 
1728 1010 1050 319 674 17 
1729 1019 | 310 695 14 
1730 993 260 703 30 
1731 1156 340 788 28 
1732 1144 300 826 18 
1733 1147 |( 1138 308 812 27 
1734 1138 | 303 801 34 
1735 1105 259 823 23 
1736 1174 28) 836 49 
1737 1271 | 331 875 65 
1738 1129 1219,4 283 776 70 
1739 1197 | 306 814 77 
1740 1326 349 873 104 
1741 1162 320 768 74 
1742 1090 | 291 121 78 
1743 1174 156,6 290 798 86 
1744 1126 | 287 784 55 
1745 1231 309 836 86 
1746 1403 309 1002 92 
1747 1405 | 317 1004 84 
1748 1273 1346, 284 09 80 
1749 1357 | 283 957 117 
1750 1296 261 878 157 
1751 1299 253 941 105 
1752 1282 | 246 926 110 
1753 1319 1321 240 942 137 
1754 1421 | 240 1052 129 
1755 1284 216 933 135 
1756 1485 241 1098 146 
1757 1105 | 207 768 130 
1758 1144 1208,8 191 823 130 
1759 1112 | 155 850 107 
1760 1198 188 877 133 
1761 1281 175 937 169 
1762 1283 | 160 944 179 
1763 1360 1375 179 1028 153 
1764 1431 | 182 1103 149 
1765 1517 270 1061 186 


796 Erläuterung der graphiſchen Tafeln. 


Tafel II. 


Dieſe Tafel bietet im Maßſtabe der Tafel I einen Überblick über das 
Berhältnis der einzelnen Disciplinen zu der Geſamthöhe des Buchhandels 
und untereinander. Cie find nad) ihrer nähern Zufammengehörigkeit in drei 
Öruppen geteilt. Die erfte umfaßt die proteftantiiche und katholiſche Theo: 
logie, die zweite die übrigen Fakultätswiſſenſchaften. Yurisprudenz und Medi: 
zin bebürfen feiner Erläuterung; unter die philoſophiſchen Wiſſenſchaften find 
alle die Disciplinen gerechnet, die noch heute der philofophifchen Fakultät in- 
forporiert zu fein pflegen, aljo aufer der eigentlichen Philofophie auch Philo- 
logie, Mathematif, Naturwiljenfchaften, Geographie u. f. w. Hier werden 
auch wohl in der Hauptſache alle die Bücher untergebracht fein, die in den 
Mefkatalogen unter der Rubrik „Bon allerlei Büchern“ (oder ähnlich) zu— 
jammengeftellt zu fein pflegen. Ausgenommen von diefen philojophiichen Dis: 
ciplinen ift die Geſchichte, die als felbftändige Disciplin auftritt. Bei der 
Poeſie vermift man fehr, daß es an einem orientierenden Worte iiber den 
Umfang diefer Gruppe ganz gebricht. Ich vermag z. B. nicht Feitzuftellen, 
ob die Ausgaben lateinischer Gedichte (3. B. Ovids, Virgils u. |. w.) mit 
hierher gerechnet find, oder ob fie unter den philofophifchen Disciplinen ihren 
Platz gefunden haben. Was die deutfche Poeſie betrifft, fo wird diefe Gruppe 
nur ein Farges Bild gewähren, da viele in dies Gebiet fallende Erſcheinungen 
überhaupt gar nicht Aufnahme in den Meffatalog gefunden haben. 

E8 folgen nun die Ziffern. 




















Theologie Juris: ... 1 Bhile: Ge: i 
Jahreszahl. Brotefl. | Rattel. prubenz. Medizin. fophie. | fchichte. Voeſie. Munt. 
1564 | 62 42 37 24 46 28 8 9 
1565 168 99 52 34 75 46 43 33 
1566 52 23 28 18 34 32 - 18 19 
1567 44 66 33 16 45 45 10 3 
1568 130 101 43 29 84 53 42 12 
1569 106 117 59 27 76 43 23 26 
1570 141 79 64 23 79 52 18 19 
1571 154 93 75 39 69 59 28 16 
1572 135 108 75 27 68 85 27 22 
1573 109 59 74 22 68 67 4 25 
1574 96 710 66 34 81 79 37 
1575 110 30 68 21 76 49 24 25 
1576 99 71 74 39 64 65 28 25 
1577 120 106 58 25 103 87 38 16 
1578 127 66 47 21 717 7 33 18 
1579 116 60 57 29 83 60 20 27 
1580 131 78 55 32 90 67 25 15 
1581 141 58 29 30 12 58 20 7 
1582 167 63 51 37 68 40 26 16 


1583 186 39 53 44 117 68 26 17 


Erläuterung der graphijchen Tafeln. 197 














Philo: Ge⸗ 














| Theologie Juris: * 

Jahres zahl. Vroteh. | ftathot. | prudenz. Medizin. fophie. | ihichte. | Boefie. | Mufit. 
1584 191 12 13 4 97 83 31 11 
1585 215 113 100 49 111 81 32 21 
1586 204 104 94 43 97 84 22 17 
1587 | 189 90 75 43 75 63 43 23 
15788 || 156 93 106 32 96 81 48 33 
1589 | 231 147 94 49 138 111 50 16 
150 | 256 103 103 39 169 117 54 34 
1591 267 126 89 56 223 104 42 23 
1592 : 159 12 51 32 63 61 9 5 
1503 28380 105 110 66 166 88 60 23 
1544 , 172 102 79 46 122 89 34 15 
10h 229 127 121 50 135 123 61 24 
1395,18 84 87 57 146 114 +4 22 
1547 | 203 70 108 56 127 100 28 23 
1598 2085 90 98 40 108 100 33 8 
1599 | 213 125 117 37 123 138 58 16 
1500 5290 155 164 51 199 123 42 35 
1601 272 161 150 70 205 168 so | 31 
1602 8353 191 121 13 227 196 47 41 
1603 1427 203 126 19 227 221 68 58 
1604 448 250 133 79 325 169 39 61 
1605 437 230 107 87 206 184 90 33 
1606) 386 156 140 54 296 174 102 42 
1607 429 214 15 82 236 168 13 4) 
1608 449 169 121 13 239 177 83 38 
1609 416 231 152 13 267 207 71 45 
1310 484 213 130 T: 282 230 58 41 
11 | 465 2261 0 | 227 | 19 51 | 
1612 528 240 119 46 238 298 68 33 
1613 45 288 155 68 251 318 116 39 
1614 447 260 157 55 220 240 86 41 
1615 | 486 246 123 68 335 181 13 24 
16516 440 271 147 65 332 171 6 35 
1617 | 477 246 161 66 391 225 70 29 
1315 547 316 149 84 381 181 65 34 
1619 | 414 >51 152 69 4% 195 101 36 
1620 1 390 224 128 82 268 177 62 46 
1621 349 26 123 62 278 163 65 55 
1622 300 158 73 41 227 98 38 37 
1623 309 166 99 67 200 131 47 37 
1624 403 209 102 61 298 139 50 37 
1625 |! 380 356 101 103 260 165 4 52 
1626 321 240 84 77 181 119 60 23 
1627 295 238 68 75 189 111 49 35 
1628 312 214 87 9 182 154 44 22 
1629 274 277 113 61 201 135 43 27 
1630 365 307 108 80 211 179 65 a1 
1631 250 282 99 55 191 144 61 24 
1632 297 27 53 42 124 120 45 21 
1633 248 80 54 27 142 128 37 10 
1634 258 85 63 Al 121 156 34 19 


1635 | 123 * 24 31 65 39 25 7 


198 Erläuterung der graphiſchen Tafeln. 





Theologie 
Jahreszahl. ' 
Proteft. | Rathol, 


1636 279 98 
1637 166 45 
1638 246 157 
1639 | 204 145 
1640 242 102 
1641 242 129 
1642 250 133 
1643 258 155 
1644 206 100 
1645 256 151 
1646 257 171 
1647 || 236 159 


1648 | 255 | 167 
1649 | 310 | 238 
1650 | 

1651 | 208 | 210 
1652 | 340 | 165 








1653 | 9327 179 
1654 254 188 
1655 250 122 
1656 209 105 
1657 235 9 
1658 | 24 100 
1659 232 115 
1660 230 92 
1661 222 114 
1662 244 102 
1663 308 100 
1664 336 68 
1665 272 102 
1666 208 96 
1667 263 82 
1668 232 84 
1669 267 56 
1670 199 76 
1671 192 69 
1672 218 55 
1673 224 39 
1674 248 18 
1675 268 66 
1676 277 64 
1677 293 58 
1678 221 57 
1679 || 2367 43 
1680 178 46 
1681 283 9 
1682 234 69 
1683 272 76 
1684 242 71 
1685 254 54 
1686 277 59 
1687 221 61 


Juris⸗ 
prudenz. 





Medizin, 





Bhilo: 


ſophie. 


132 

55 
138 
105 
116 
127 
108 
167 
148 
165 
143 





Ge 
ſchichte. 





Borfie. 





Wunt, 


Erläuterung der graphiihen Tafeln. 799 











1735 
1736 
1737 
1738 
1739 


Theologie Juris Bhilo- Ge» 

Jahreszahl. Westef. | tathot, | prudenz. Medizin fopbie. chichte. Poeſie. Muſik. 
1688 327 59 85 79 139 144 20 13 
1689 303 36 97 91 168 129 39 18 
1690 301 57 92 87 206 133 26 5 
1691 288 832 102 75 198 94 48 14 
1692 283 88 96 54 192 105 19 7 
1693 316 99 93 65 194 109 23 9 
1694 323 80 66 78 162 113 24 7 
1695 370 s1 90 63 222 156 31 17 
1696 | 42 57 87 97 245 147 50 11 
1547 374 74 106 66 182 196 47 12 
1698 418 70 157 sl 247 202 80 10 
1699 | 418 46 103 86 231 165 98 15 
170) 378 52 85 13 197 157 28 18 
1701 | 44 55 122 94 213 101 21 10 
1702 463 59 87 60 244 150 26 10 
1703 420 59 129 18 249 154 33 5 
1704 478 43 102 73 280 117 21 9 
1705 493 77 96 56 277 174 14 12 
1706 442 89 141 56 232 143 27 1 
1707 529 75 143 81 270 219 30 6 
1708 15 63 146 95 239 196 29 11 
1709 20 95 170 91 294 219 28 10 
1710 | 463 126 149 111 272 194 50 3 
1711 386 74 119 74 214 153 20 3 
1712 431 58 98 63 241 156 29 1 
1713 447 2 95 12 225 153 36 7 
1714 480 27 84 104 266 148 32 12 
1715 | 45 18 101 104 274 163 25 9 
1716 416 8 80 108 220 127 30 12 
1717 445 14 107 96 298 176 32 15 
1718 427 23 94 94 256 141 29 4 
1719 427 31 107 92 217 165 31 1 
1720 348 26 86 79 198 209 2) 4 
1721 440 22 87 83 253 176 31 3 
1722 06 14 56 76 259 162 ji 2 
1723 379 12 102 84 269 164 25 3 
1724 409 20 110 69 213 173 41 17 
1725 398 15 110 89 208 174 36 3 
1726 418 16 148 88 277 187 38 3 
1727 —342 12 135 90 273 166 30 5 
1728 342 15 108 80 241 183 35 6 
1729 378 19 114 77 241 155 31 4 
1730 398 17 s1 12 199 1% 34 2 
1731 441 14 127 82 238 199 47 8 
1732 488 6 128 78 217 181 4l 5 
1733 402 17 135 94 214 215 37 3 
1734 382 22 123 89 284 175 55 

\ 


800 Erläuterung der graphiichen Tafeln. 











Theologie 














SURERIERN: Broteit. | ſtathol. * ie, — voeſie. Rufit. 
M 221 48 14 
nn 234 5 | 10 
14 206 59 8 
1742 224 |» 
1743 210 4113 
1744 174 79) 16 
1745 266 | 124 a 
1746 204 | 112 6 
1747 179 98 | 15 
1748 214 | 120 | 14 
1749 2310 | 113 | 86 
1750 2316 | 15 21 
1751 196 130 | 16 
1752 231 8 | 9 
1753 2318 | 117 28 
1754 171 128 | 15 
1755 259 | 105 | 28 
1756 192 6 | 2 
1751 208 89 | 33 
1758 10 80 2) 
1759 277 | 108 | 30 
1760 282 | 160 | 30 
1761 253 | 170 | 4 
1762 7 | 15 | 8 
1763 266 | 12 | 17 
u 231 |) 14 | 4 
„> 








Tafel IN. 


Dieje Tafel bedarf faum einer befondern Orientierung; die Bedeutung 
der Pinien ift diefelbe wie auf Tafel I. Die Tafel erfüllt einen doppelten 
Zwed; einmal läht fie abermals, diesmal aber in fünfjährigem Durchſchnitt, 
die Anteilnahme der einzelnen Disciplinen an der Gejamtentwidelung des 
Buchhandels erkennen und ift ſomit eine willfonmene Ergänzung zu Tafel II, 
fodanı innerhalb jeder derfelben die Anteilnahme der drei Sprachgruppen. 

Tabelle 1 bietet nichts Neues; fie ift nur, der Vergleihung wegen, eine 
Wiederholung der Spradenftatiftif, die ſchon Tafel I bietet. Die feſte Linie 
fehlt: ein Blick auf Tafel I erfett fie mit Leichtigkeit. 

Die folgenden Tabellen, 2 bis 9, bieten ein Bild der einzelnen Willen: 
ichaften und des Verhältnifies der drei Sprachengruppen innerhalb derjelben. 
Überall bedeutet die fefte Yinie (—) die Gefamtentwidelung der betreffenden 
Disciplin. 

Auf Einiges mag auch hier aufmerkſam gemacht werden, So ſieht man 
in Tabelle 2, wie in der proteftantifchen Theologie von allem Anfang an 


Erläuterung der graphiichen Tafeln. 801 


die deutfche Sprache das Übergewicht hat, und feit 1710 das Lateiniſche all— 
mählih ganz zu verſchwinden beginnt; in der Fatholifchen beginnen erft am 
Ende des 17. Yahrhunderts die beiden Sprachen einander die Wage zu 
haften. In der Yurisprudenz hält ſich das Patein lange dominierend, erft nad) 
dem Jahre 1750 tritt das Deutſche in gleichem Umfange hervor. In der 
Medizin ift die Differenz zwifchen Latein und Deutjc nicht groß; bis 1700 
überwiegt das Patein, feitdem das Deutſche. In der Geſchichtswiſſenſchaft 
und Gejchichtserzählung wird feit dem Jahre 1685 das Deutjche vorwiegend 
in den philoſophiſchen Disciplinen feit 1715, dann bald mächtig anfteigend, 
während das Yatein ftetig ſinkt. In der Pochie, deren Oszillationen mini— 
mal find, überwiegt das Deutjche jeit den Ende des Dreißigjährigen Kriegs; 
jeit dem Ende des 17. Yahrhunderts verjchwindet das Latein faſt ganz, mit 
dem Beginn der Fridericianifchen Zeit fteigt das Deutſche Fräftig empor. Die 
mufifalischen Werke find jo gering an Zahl, daß ein Vergleich faum mög- 
lich ift. 

Die fremden Spraden, die in feiner der aufgeftellten Kategorien ganz 
ichlen, haben es nur im zwei Discipfinen zu nennenswertem Umfang ge 
bracht: 1) in der Gefchichtsdarftellung, zumal in den erften Decennien des 
17. Jahrhunderts und dann ſeit den Jahre 1740; und 2) nod) etwas mehr 
in den philofophifchen Dieciplinen; ihr Höhepunkt liegt aud) hier da, wo 
wir ihm in der Gefchichtsdarftellung beobachten. Ähnlich fteht es auf dem 
Gebiete der Poeſie. 

Der Umfang der poetifcdyen und muſikaliſchen Werke ift übrigens ein fo 
geringfügiger, daß die graphifche Darftellung gar fein Bild gewährt. Bei 
der Poeſie kommt dies zum Teil aus dem ſchon beſprochenen Grunde, weil 
lange nicht alles in den Meßkatalog Aufnahme fand, was erſchien. Befon- 
ders hier wäre eine Darftellung nad) Prozenten wohl die willfommenfte ge— 
wejen. 

Ich laſſe nun die Ziffern zu den 9 Tabellen der Tafel III folgen. 


1. Sejamtheit des Buchhanvels. 


Lateinische | De ut ſche 










Fremde 





Geſamtziffer. | 


Jahreszahl. Sprade. Sprade. Sprachen. 
1564-1565 | 403 280,5 122 05 
1566— 1570 392,8 u, 118,2 | 8,2 
1571—1575 495,8 325,8 144,8 | 25,2 
1576— 1580 487,8 330,4 128,6 | 28,8 
1581—1585 560,6 377,6 168,4 | 14,6 
1586—1590 724,4 475,6 220,2 28,6 
1591— 1595 761,8 490,4 245,4 26 
1596 1600 | 803,8 5172 249 37,4 





app. 1. 51 


802 Erläuterung der graphiſchen Tafeln. 











EEE 
Re as gr 
Jahreszahl. | Geſamtziffer. an — — 
Is — — — 
1601-1605 | 1334,6 812,4 49, 9 
1606 — 1610 | 1413, 807,6 461,8 | st. 
1611-1615 | 154482 961 504 792 
161651620 | 1604,8 1025 4% Ra 
1621163 | 12168 183, 383,4 49 
1526--1630 11504 702,2 391,4 Bi 
1631— 1635 | 731 436 2734 2a 
1636— 1640 | 652,8 382 248,8 29 
1641-1645 | 8784 527,0 310,2 du 
1646— 1650 | 10145 643,8 345 % 
1651—1655 | 10344 657 353,2 PR) 
1656 — 1660 769,6 452,6 2774 394 
1661— 1665 414,6 530,4 328,2 47 
1666 — 1670 780 452,8 291 JA 
1671— 1675 762,8 417,2 321,4 2,6 
1676— 1680 794,8 412,5 354 * 
15811685 812,6 396,6 386,4 2, 
1686 — 1690 861,2 415,6 412,6 3 
1691— 1695 309 414,4 448,4 46,2 
16496 — 1700 1103 461 620 2 
1701—1705 1115 439 661,6 144 
1706— 1710 1315,8 555,8 743 17 
171—1715  \ 1094 u 392,6 674 | 35 
1716—1720 | 10604 320 720,4 au 
1721-1735 | 104,8 315,8 708,4 20, 
1725—1730 | 1050 331,a 548,4 % 
1731—1735 | 1138 302 s10 | % 
17361740 | 1219,4 3114 834,8 13 
1741— 1745 | 1156 299,4 781, | 15,8 
1746 —- 1750 1340,8 20 950 106 
1751— 1759 | 1321 239 IH8,8 | 123,2 
1756 — 1760 1208,8 196,4 883⸗ 19, 
1761-1765 | 1375 1092 101 | 10 








2. Proteſtantiſche Theologie. 











1564—1565 | 115 41 4 — 
1566-1570 || 3,6 30 1,4 "2 
1571— 1975 120,8 MR 70 -_ 
1576— 1580 118,6 | nA 52,4 28 
1581-—- 1085 180 12,6 4,6 18 
1986— 150 27,2 19,2 125 3 
1531 - 1655 221,4 SU,6 138,6 22 
1596 — 1600 218,6 19,8 135 44 
1501 — 1609 3874 146,2 237,8 DA 
15065--1610 4328 156 204 iA 
1611— 1615 414,2 105,2 23 
1616 — 1620 453,6 170,4 244,6 1% 
1621— 1625 348,2 141 RIEF: Wi 
1626-— 1630 313,4 1064 1994 iA 





11-10 | 2208 7,6 15244 ir 


Jahreszahl. 


1636 —1640 
1641— 1645 
1646— 1650 
1651 — 1655 
1656 — 1660 
1661— 1665 
16566— 1670 
1671—1675 
1676 — 1680 
1681 — 1685 
1686 — 16% 
1691— 1695 
1696 — 1700 
1701 — 1705 
1706— 1710 
1711— 1715 
1716—1720 
1721— 1125 
1726—1730 
1731—1735 
1736 — 1740 
1741— 1745 
1746 —1750 
1751—1755 
1756 — 1760 
1761 — 1765 


1564 — 1565 
1566 — 1570 
1571—1575 
1576— 1580 
1581—1585 
1586— 1590 
1591 —1595 
1596— 1600 
1601—1605 
1606 — 1610 
1611—1615 
1616— 1620 
1621 —1625 
1626 — 1630 
1631—1635 
1636 — 1640 
1641—1645 
1646 — 1650 
1651 —1655 
1656 — 1660 
1661— 1665 
1666 — 1670 





| 
| 


Erläuterung der graphiichen Tafeln. 


Gefamtziffer. 


Lateiniſche 
Sprache. 


Deutſche 


3. Katholiſche Theologie. 


55 


51* 


803 





Fremde 
Sprachen. 


no4 Erläuterung der graphiichen. Tafeln. 























I F Lateiniſche Dentiche Srend⸗ 

Jahreszahl. weſamtziffer. — Sprace. Eprachen 

110 | ; 35 Te 
167116105 i Gl a Wi ou 
Im | B88 ir Mi ) 
1681— 1085 65,8 3 24 | 

; 1 28 26 "A 
1686 — 1690 an * * 
1691⸗ 1695 Zn =. a us 
15965 —1 100 ne RG u, N 
1701-1705 8,6 32,6 = * 

— J AI in 8 2 
| | | | 
1711-1715 40,6 21, 

* 7 * 3 5 
1710 —1 4 20 20,4 * m 
1721—1 (20 | 16,6 58 * 04 
1726— 1730 | 15, * 3 * 
1731 —1135 15,4 2: | * F 
1736 1740 ve * * u8 

m; mar J D, 
ons | 15 6,2 3,2 
1 Ium | a. 6 12,s Ir 
| 2 Y 10,4 12 
6100 N 21 9 * J 
1761-—- 1765 17 1,8 ; 

4. Surispriven;. 

56 62 4 | 38 5,0 — 
1564 — 1565 | a | 2 j * = 
1966 — 1570 Er | re * J 

71-1577 | il, ! ‚ 

1556 - Lan | 8,2 51,8 ba u 
181-1585 | 61,2 * <a u 
1586— 150 "A 2 ı% = | u 
11 | la 2 | 3% 
16501—1605 | 127,4 | 114,2 Y, Y 

16 139,4 | 126,8 10,8 | j 
1606 — 1610 a 1184 194 ya 
1611 —1615 | 135 8 * 
1616— 1620 140 En 5 us 
1621— 1625 je J = u8 
1626 — 1630 ] ring * 508 8. 08 
1631 — 1635 us 348 4 : u: 

#iyj* * sy 3. 

1636— 1640 | er 2 * 
1641 1645 — s] . 6,6 u2 

46 MH b a — 
1511030 | A Sr 6,4 - 

56 so 694 64,6 4,8 
1656 — 1660 | , * ge ve 
161 — 1665 | 2,2 8 
1666 16 70 86 a y8 02 
1671 1675 | N6 ae 2 | u 
1676 1680 | So,‘ 1 . Ep u 
1581— 1085 Mi 7 * 2 

. —— * 6 ° = 
1641 _ 1605 le 83,6 1,6 — 
16506 — 1700 li 7,6 — 2 us 
1701-1705 N 107,2 2,0 ‚ 




















Erläuterung der graphiichen Tafeln. 05 
zen | arm | Mr | Zmiee | um 
1706-1710 ET er 27 = 
1711—1715 | 0, 76,4 23 B 
1716—1720 | ‘H,s 68* 26 ar 
1721— 1725 an HA,8 27,2 = 
1726— 1730 | 117,2 17,8 39,4 
1731-1735 | 121,2 65,8 5 
1736— 1740 | 147,4 83 644 — 
1741— 1745 1174 619, 47 — 
1746170 | 1218 658 36 | 
171-1755 || S0,6 10,4 19 0,8 
1756 — 1760 | 694 36,2 32,8 (14 
1761— 1765 | 15 26,2 —* 

5. Medizin. 
la64t—1565 | 24 23 b — 
1566 — 1570 | 22 17,4 4,8 0,4 
1571-1575 | 28,6 IS 8 
15761580 | 20,8 23,6 A (1,2 
1581— 1585 | 4) 29,8 9 0,6 
1586— 15% 412 31,8 Y _ 
1591— 1595 | 50 10,8 * ee 
1596— 1600 18,2 32,2 15 l 
1601— 1605 11,6 56,6 19,2 1,3 
1606-1610 71 1) 20 2 
1611— 1615 bl,i 10,8 19,2 l,s 
1616 — 1620 19,2 554 17 0,8 
1621 — 1625 66,8 154 21 0,4 
1626 —1630 17,8 2,1 2,4 
1631— 1635 H,e 20,6 11,6 = 
1636 — 1640 33,5 23,8 | 0,2 
1641— 1645 64,2 19,8 13,2 | L,2 
1646 — 1650 65,6 19 15, (1a 
1651 — 1655 2A 11,4 10,8 — 
1656— 1660 19,4 32,8 16,4 0% 
1661 — 1665 59,6 19,4 10,2 - 
1666— 1670 HT,s H, 13,2 0,2 
1671— 1675 55,8 10,6 14,6 0,6 
1676— 1680 67,2 11,3 25,4 — 
16811685 72,4 4 27 0,4 
1686— 1690 s1 15 35,8 0,8 
1691 — 1695 67 35 204 2,6 
1696 — 1700 78,6 tH1,a TA — 
1701 - 1705 12,8 36,2 36 
1706 — 1710 Sh,s 35,8 I * 
1711 -1715 NA 33,6 19,s | 
1716 — 1720 NR 30,6 6,2 — 
1721- 1725 SU,2 25,8 4 (4 
1726 — 1730 Sl, 30,8 0,6 = 
1731— 1755 Ss 2N,2 2,8 0,2 
1736— 1740 784 36 41,6 0,8 


806 Erläuterung der graphifchen Tafeln. 











Jahres zahl. 






Geſamtziffer. 


Lateiniſche Deutſche Fremde 
Sprache. Sprache. 


1741 - 1745 764 32,2 

1746— 1750 105,8 42,2 62,2 08 
1751 —1755 91,* 324 58 0,8 
1756 — 1760 Sl, 28.4 bla ls 
1761—1765 86,2 30,6 5l,s 38 


6. Geſchichtswiſſenſchaft. 





1564— 1565 37 26 10,5 0,5 
1566— 1570 45 31 11,6 24 
1571—1575 | 67,8 40,6 17 10,2 
1576— 1580 1A 38,8 18,6 14 
1581—1585 66 42,2 18,6 5,2 
1586—15W | 91,. 51,6 31 8,6 
1591— 1595 | 93 57,6 29 64 
1596— 1600 115 714 374 6,2 
1601— 1605 187,6 110 52,6 25 
1606— 1610 191,8 115,6 52,4 23 
1611—1615 2198 138,4 57A 24 
1616—1620 | 1898 123,2 47a 19,2 
1621— 1625 139,8 92,8 36,6 10,4 
1626— 1630 139,6 95,4 33,2 11 
1631 — 1635 109 69 33 7 
1636—1640 | 93 62 25A 5,6 
1641—1645 | 144 97,4 34,2 12,4 
1646-1650 165,2 117,4 41,8 

1651-1655 | 165,8 121,6 39,2 5 
1656— 1660 | 121,6 794 36,6 54 
1661— i66 136 85,8 42,6 16 
1666— 1670 117 68,8 384 9,8 
1671-1675 120,8 716 43,8 5A 
1676— 1680 125,8 75,6 43,6 64 
1681— 1685 126,8 54,6 64,8 14 
16861690 141 614 69,8 10,4 
1691— 1695 115,4 45,2 60 10,2 
1696— 1700 1734 64,4 106,2 28 
1701—1705 139,2 384 998 1 
1706— 1710 194,2 64 128,4 1,8 
1711—1715 154,6 44,6 107,8 2,8 
1716-1720 | 1636 33,6 126,4 3,6 
1721--1725 | 169,8 40,8 124,6 44 
1726-1730 | 176,8 47 124,8 4,6 
1731-1735 | 19 39,4 150,6 5 
1736— 1740 1924 29,6 138,8 24 
1741— 1745 209,8 39,6 147,2 22,8 
17461750 214,8 36,6 153,4 242 
1751— 1755 206,4 33,4 143 30 
1756— 1760 225,2 24,8 162,8 37,8 


1761— 1765 265,8 39,8 201,6 30,4 


Erläuterung der graphiſchen Tafeln. 07 


T. Philoſophie. 


Yateinifche | Deutiche | Fremde 








Aahreszahl. Gelamtziffer. 

























| Spradie. Spradr. Sprachen. 
15641565 | 8 | = 
1566— 1570 63,6 1 55 TA 1,2 
1571— 1575 724 57,6 | 8,8 | b 
1576— 1580 | 834 | 71 8,6 3,8 
1581— 1585 93 8We | 10,8 | 2 
1586 — 15% 115 ON,2 | S,s | N 
1591— 159% 141,s 114,8 | 2,2 | 6,8 
1596-— 1600 110,6 116,1 15,1 | Ns 
1601-1605 338 174 38 | 20,8 
1606— 1610 264 103 | 47,2 | 23,8 
1611— 1615 267,6 201,* 47 104 
1616— 1620 644 2504 844 1,6 
1621-—- 1625 252,6 196, tl,s 11,s 
1626 — 1630 102,3 130,8 IN,s Ih, 
1631— 1635 135,6 102,4 IN,“ 1,6 
1636 —1640 109,2 Ru, 19,2 I, 
1641— 1645 143 6 4 10 
1646— 1650 176,8 127,2 2a = Ta 
1651 - 1655 195,4 115 IH, 5,8 
1656 — 1660 142,8 0, 36,6 b,6 
1661-1665 194,8 131,8 56,2 74 
1666— 1670 157 ' 101 82* 18 
1671— 1675 161,s 105,2 IR | N,“ 
1676— 1681) 176,2 1m, 63,2 12,6 
1681—1685 || 174 102,8 Kl | 10,2 
1686— 160) 174 102,8 | 57 | Ile 
1691— 1695 1,6 1104 58,6 2,6 
1696— 1700 2204 110 7 12,5 
1701-— 1705 252,6 123,1 120,8 SA 
1706— 1710 2614 1344 114 13 
1711-1715 24 107 116 21 
1716— 1720 237,8 224 1334 12 
1721— 1125 2m, SR, | 130,4 12,2 
1726 1730 | 246,2 5,8 137,5 12,6 
1731—1735 216,6 W 142,2 15,6 
17365 —1710 | 312 7% 180 | 31,8 
1741— 1745 | 24 | Rh, 171,1 3,6 
1716-1750 | 315,* N2,2 212,6, 2 
1751—1755 | 116,* 11,6 | 270,6 HN 
1796 — 1760 | 385, | 58 Hl, 2,8 
1761 - 1165 DUS,S 71 | 359 78,5 
1 l 
8. Poeſie. 

1536-1565 | 25,5 25 25 | — 
15661570 | 228 IN 31 | 0,5 
1511-1575 | 3,1 228 | 3 
15761580 | Ss ! 25,8 2,8 2 
1581— 1585 | 27 | 24 2,6 | 04 


ROS Erläuterung der graphiichen Tafel, 





N . 
: Lateiniſche Deutſche Fremde 
Jahreszahl. | Gejamtziffer. | Sprade. | Sprache. | Epraden. 





1586— 1590 7 1,2 
1591—159 4A 34 
1596— 1600 2 38 
1601—1605 98 14 
1606— 1610 13 10,4 
1611—1615 12,4 IA 
1616— 1620 11 11, 
1621—1625 11,3 ba 
1626-1630 1 6 
1631— 1635 11 0,6 
1636— 1640 12,8 1,2 
1641-1645 26,8 8 
1646— 1650 30,6 24 
1651— 1655 19,4 3 
1656 — 1660 17,2 2,8 
1661— 1665 23,6 3 
1666— 1670 15 3,8 
1671— 1675 16 0, 
1676— 1680 21,4 3,4 
1681— 1685 25,8 1a 
1686— 1690 17,8 

1691 — 1695 16,4 4,6 
1696— 1700 38,8 3A 
1701— 1705 194 0, 
1706— 1710 23,6 04 
1711—1715 23,6 22 
1716— 1720 25 3 
1721—1725 30 2 
1726— 1730 30,6 1,4 
1731— 1735 394 3,8 
17361740 8 10,4 
1741—1745 494 13,2 
1746— 1750 91 19, 
1751—1755 96,8 16,8 
17561760 70,6 14. 
1761— 1765 123,8 38,4 
1564— 1565 — au 
1566— 1570 3,8 0,s 
1571—1575 6,4 14 
1576— 1580 BR" 4 
1581—1585 2,2 
1586— 15% b,6 3A 
1591— 1595 6,6 32 
1596— 1600 5,2 72 
1601— 1605 14, 7,8 
1606— 1610 18 5 





1611—1615 


Erläuterung der graphiichen Tafeln. 809 
—⸗ ⸗ñ —e —ñe ñ— — 








— 
Jahreszahl. | Geſamtziffer. | u | er | — 
—— — ſſ — — — — 

1616— 1620 36 16,8 17,6 1,6 
1621— 1625 43,6 22 20,6 1 

1626— 1630 27,6 11 15,4 1,2 
1631— 1635 16,2 5,2 10,2 0,8 
1636 — 1640 8,8 1,4 12 0,2 
16411645 | 23,6 6 16,3 0,3 
1646— 1650 | 27,6 10 16,3 0,8 
1651 — 1655 17,4 2,6 14,6 0,2 
1656 — 1660 19,6 3,2 16 04 
1661— 1665 15 44 10,4 0,2 
1666— 1670 19,4 6 13,2 0,2 
1671— 1675 16,2 | 3 13 0, 
1676— 1680 SA 2.8 5,8 04 
1681— 1685 | 12,4 2,6 9,6 0,2 
1686— 1690 | 12,2 3,2 8,8 0,8 
16549 1— 1695 10,8 2,8 b,8 l,g 
1696 — 1700 | 13,2 2,6 ),6 1 

1701—1705 9,2 2,8 5,6 0,8 
1706— 1710 TA 1 6 04 
1Mm11—1715 | 64 — 6 0,4 
1716— 1720 1,2 — 6,8 0A 
1721—1725 5,6 0,2 5,2 0,2 
1726— 1730 4 — 4 — 

1731 - 1735 6,6 —E 5,6 0,4 
1736— 1740 Be, | 0,4 TA 0,8 
1741— 1745 14,4 1,6 11 L,s 
1746— 1750 16 0,6 10 54 
1751— 1755 18 0,4 12,6 5 

1756— 1760 26,6 0,2 16,4 10 





1761— 1765 29,8 — 184 11,4 


Duellennadweije und Anmerkungen. 


Erjtes Kapitel. 
Gutenberg und feine Vorläufer. 


i) Shoemann, ©, F., Griechiſche Altertümer, Berlin 1853. 1, 

2) Meineke, A., Fragmenta poetarum Graecorum comicorum. Il, 82. 

3) Cicero, De Natura Deorum. IH, 37. 

4) Schmidt, Ad., Gejchichte der Denl- und Glaubensfreiheit in dem eriten 
Jahrhundert der Kaiferherrichaft und des Chriftentums. Berlin 1847. ©. 118. 

5) Dajelbft ©. 131. 

6) Marquardt, 3, Das Privatleben der Römer im 7. Bande des Hand— 
buch8 römischer Staatsaltertümer. Berlin 1882, II, s06. 

) Shmidt, Ab., a. a. D. ©. 123, 

8) Birt, Th, Das antile Buchweſen in feinem Verhältnis zur Litteratur. 
Berlin 1882. ©. 104—106. 109, 

9) Gregorovius, Ferd., Geichichte der Stadt Rom im Mittelalter. Stutt- 
gart. I, 459. 

10) Wattenbah, Wilh.,, Das Schriftenwejen de3 Mittelalters. 2. Auflage. 
Leipzig 1875. ©. 384 und fpäter 320 u. 473; ſowie die Schriften von I. B. Nord 
hoff (Münfter 1874) über den münfterjhen Humanismus und A. Parmet über 
Rudolf von Langen. Münſter 1869. 

u) Kirchhoff, Albr, Die Handichriftenhändler des Mittelalters. Leipzig 
1853. ©. 110—123 und: Weitere Beiträge dazır. 

12) Die beiden Breviarien in Benedig und Dermanjtadt wurden vom Berf. 
im April 1881 und Auguft 1883 eingejchen. ©. audy über das Ießtere „Sicben- 
bürgen“ von Rud. Bergner. Leipzig 1884. ©. 295, und über das erjtere: „Un 
coup d’oeil au Breviaire du Cardinal Grimani a Venise“. Venedig 1881. 
31 ©. 

13) Teutſch, Fr, im Archiv für die Geſchichte des deutichen Buchhandels. 
IV, 16 u. 26. 

14) Schmidt, Garl, Zur Geichichte der ältejten Bibliothelen und criten 
Buchdrucker zu Straßburg. 1882. S. 41 u. 75, 


5209. 


Quellennachweiſe und Anmerkungen. 811 


15) Sepp, Feſtſchrift bei Stiftung der Gedächtnisfenſter am Erfindungsort der 
Glasmalerei zu Tegernjee. Münden 1878, ©. 4. 

16) Le Livre, Revue du Monde Littéraire. Paris, Mai 1882. ©, 168; 
ferner Wattenbad) a. a. O. ©. 383. 464. Didot, F., Typographie. ©. 715, und 
Vetter, 3. J., Kritiihe Gejchichte der Buchdruckerkunſt. Mainz 1836. ©. 6— 20. 

m) Shmidt, C., a. a. O. S. 7 u. 8. 

1) Potthaſt, A., im Anzeiger für Kunde der deutſchen Vorzeit. Jahrg. 1863. 
Nr. 10, S. 358—360. P. hat den von ihm in der Berliner Bibliothek zuerft aufge: 
fundenen Brief des Sadoletus wörtlich mitgeteilt. Voigt, G., Die Wiederbelebung 
des Haffiichen Altertums. Berlin 1880. I, 236. 241. 300. 403. 410 u. IL, 314. 

19) Linde, A. v. d., Gutenberg, Geſchichte und Erdichtung aus den Quellen 
nachgewiejen. Stuttgart 1878, 

20) Heffner, 2, Zur Geichichte der Erfindung der Buchdruderkunft im: Archiv 
des hiſtoriſchen Vereins für Unterfranken und Aichaffenburg. XIV. Würzburg 1858, 
©. 168—174. 

21) Linde a. a. D. Urfundenanhang S. VIL 

22) Wyß, A, Zur Geihichte der Erfindung der Buchdruderfunft in: Quartal: 
blätter des hiftoriichen Vereins fiir das Großherzogthum Heffen. Darmftadt 1879, 
Nr. 14. ©. 11. 

23) Heffner a. a. O. S. 171. 3) Linden aD. ©. 514. 

35) Umbreit, W. €, Die Erfindung der Buchdruderkunft. Kritiiche Abhand- 
lungen zur Orientierung auf dem jegigen Stand der Forichung. Leipzig 1843. ©. 42. 

26) Wyß a. a. O. ©. 14. 27) Linde a. a. O. ©. 30 u. 31. 

28) 29) 30) Linde a. a. D. ©. 35 und die Urkunden im Anhang. 

31) Bajeler Staatsarchiv, St. 106-118, Abteilung Schmähſchriften. — Mengerlin 
thut diefe Äußerung in einer Anklagefhrift gegen den Buchdruder Hans Jakob 
Deder in Bafel. Diejer hatte fich nämlich der nad) bafeler Gejegen damals ftraf- 
baren Handlung des Druckes verjchiedener Fatholifcher Schriften ſchuldig gemadıt. 
Mengerlin beantragte deshalb unter dem 22. Juli 1676 feine Beftrafung und führte 
unter anderm aus, daß früher die mittefalterlihen Buchabichreiber nach kaiferlichen 
Rechten bejtraft worden feien. „Anſtatt der gedachten Schreiber aber“, fährt er 
dann wörtlich fort: „ift vor zweihundert dreißig Jahren die Truderei erfunden 
und auflommen.” Nach diefer Angabe wäre aljo 1446 nicht allein das Jahr ber 
glüdlihen Erfindung, jondern auch ihrer Ausübung. Es fann in der That auf: 
fallen, daß der Jurift bier jo bejtimmt das Jahr angibt. Er jagt nicht, „vor 
etwa 230 Jahren‘, auch nicht „vor 226 Jahren“, jondern jpricht in einer amtlichen 
Eingabe an den bajeler Rat mit voller Bejtimmtheit von dem Zeitpunfte, den man 
in einer jo alten und bedeutenden Druderjtadbt wie Bafel, in der die Kontinui- 
tät der Entwidelung nie unterbroden worden war, allenfalls wohl noch hätte 
fennen können. Die gewählten Worte „230 Jahre“ bezeichnen im Bollsmunde 
feinen der gewöhnlichen, häufiger zitierten Zeitabfchnitte, mie man in runder Summe 
von 100, 200 oder 300 Yahren, oder auch jelbit von viertel und halben Jahrhun— 
derten zu jprechen pflegt. Mengerlins Ausdrucksweiſe könnte daher wohl ftußig 
machen und immerhin die Annahme nicht ausgefchloffen zu werden brauchen, 
daß Gutenberg jchon 1446 feine Erfindung gelungen war, daf er aber doch nod) 


812 Quellennachweiſe und Anmerfungen. 


vier Jahre mit Verjuchen und Verbefferungen verbrachte. Zudem darf man nicht 
außer Acht laſſen, daß Fuſt wie jeder andere Kapitalift fein Geld erit dann in die 
neue Erfindung geftedt haben dürfte, als er fich von deren Vollendung und Leiftungs- 
fähigfeit überzeugt hatte, daß aber von den erjten Proben bis zum Abſchluß des 
Vertrages ſehr leicht noch einige Jahre vergangen fein fünnten. 

2) Von der Zimmernjchen Chronik über die Erzbiichöfe von Mainz bis 1555 
befinden ſich ſechs verjchiedene Handichriften in Mainz, Weimar, Bommersfelde, 
Miltenberg und Wolfenbüttel. Tas Eremplar in der mainzer Stadtbibliothek ge- 
hörte früher den dortigen Augujtiner-Eremiten, wurde während der Franzöſiſchen 
Revolution von dort verichleppt, kam dann nad Ansbach, jpäter an einen frank: 
furter Antiquar und wurde von diefem durch Prof. Dr. Julius Grimm in Wies- 
baden angetauft, der es am 6. Oktober 1876 der mainzer Stadtbibliothek jchentte. 
Ein zweites Eremplar gehört dem dortigen Altertumsvereine. Zu der obigen An, 
gabe Zimmerns befindet fih in jenem Eremplar der Zulag: „Dans Gudenberg 
wohnt in der Algesheimer Burſch (bursa)“, der weder im weimarjchen angeblichen 
Driginal, noch in der wolfenbütteler Handichrift ſteht. Die übrigen Handichriften in 
Miltenberg und PBommersfelde hat der Verfafler nicht verglichen. „Zum Alges- 
heimer“ ijt ein großes Haus mit Hofraum hinter der St. Ehriftophsficche und 
war im 14. Jahrhundert dad Familienhaus der Patricier diejfes Stammes. Nadı 
Eroberung der Stadt durch Erzbiichof Adolf (1462) wurde es mit den übrigen 
Batricierhäufern eingezogen und von ihm einem feiner Anhänger, Ludwig von Lich— 
tenberg, als ein Burglehn, 1463 aber auf Lebenszeit übertragen. Im Jahre 1478 
ichenfte es Kurfürſt Diether feiner neuen Univerfität als Burfe oder Kolleg. Nun- 
mehr erhielt e3 den Namen die „große Burſe“, und es fanden hier die Verjanm. 
lungen der Univerfität ftatt. Man nannte das Haus auch das „Kolleg zum Alges- 
heimer“, 1562 übergab es Kurfürjt Daniel den in die Stadt aufgenommenen 
Jejuiten. Daher heißt es in der erſten Stadtaufnahme von 1568 das Kollegium 
zum Algesheimer, die Jeſuitenburſch. (Schaab, Geſchichte der Stadt Mainz. I, 440.) 
Das Gebäude liegt an der Ede der Hintern Chriſtophsgaſſe und des Chriſtophs 
gäßchens Lit. C. Nr. 380',, neue Nr. 3, gegenüber dem Anvalidenhaufe, nimmt 
eine Grumdfläche von 638,,,;, DM. ein und dient allen möglichen Geichäften. Die 
Keller find zum Teil an große Weinhandlungen vermietet. Groß genug find die 
Räumlichkeiten für mehrere Drudereien. Die Angabe des mainzer | 
klingt aljo durchans nicht unmwahricheinlich. 

33) Magnum lumen — jo lautet wörtlich die betreffende Stelle des im Terte 
angeführten Briefes — novorum librariorum genus attulit quos nostra me- 
moria (sicut quidam equus Trojanus) quoque versus efludit Germania. Fer- 
unt,enim illic, haut (sie) procul a civitate Maguntia, Joannem quendam (sic) 
fuisse, cui cognomen Bonemontano, qui primus omnium impressoriam artem 
excogitaverit, qua non calamo, (ut prisci quidem illi) neque penna (ut nos 
fingimus) sed aereis litteris libri finguntur, et quidem expedite, polite et 
pulchre. Dignus sane hic vir fuit! quem omnes Musae, omnes artes, omnes- 
que eorum linguae, qui libris delectantur! divinis laudibusque ornent, eoque 
magis Diis Deabusque anteponat! ... Atque ut prima Ceres unco glebam 
dimovit aratro, prima dedit fruges alimenta micia terris, At Bonemonta- 


Duellennachweiie und Anmerkungen. 815 


uus ille, longe gratiora divinioraque inoeuit, quippe qui litteras ejusmodi 
exseulpsit! quibus quidquid diei, aut cogitari potest! propediem seribi, ac 
transseribi, et posteritatis mandari memoriae possit. Neque praesertim 
hoc loeo nostros silebo, qui superaut jam arte magistrum, quorum Udalrieus, 
Michael ac Martinus (®ering, rreiburger und Kranz) principes esse dieuntur, 
qui jam, pridem Gasparini Pergamensis epistolas impresserunt! quas Joannes 
Lapidanus emendavit ... Aedibus Sorhonae raptim # me Kalendis Jan- 
uariis diluculo seriptum. 

Der von A. Claudin in: Le Livre, Novemberheft 18%, ©. 369 — 372 ver 
öffentlichte Abdruck ift nicht forreft; ein diplomatifch treuer nad Eiebers Abjchrift 
findet jich im Gentralblatt f. Bibliothefswejen. 2. Jahrg. Leipzig 1885, ©. 89, 90, 

3) Linde a. a. O. S. 15 md Madden, J. P. A. Lettres d'un Biblio- 
graphe. Paris. 

») Umbreit a. a. O. S. 76-78. 

36) Madden a. a. O. IV. Serie. Paris 1878. ©. 231. 

27) Burckhardt, Jak, Die Kultur der Renaiſſanee. 3. Auflage von Ludwig 
Geiger. Leipzig 1877. 1, 230. 2. Geiger in Sybels hiſtor. Zeitichrift XXXIII. 
5.58. A. Reumont, Lorenzo de Medici Il Magnifico. I, 584. 

3) Wattenbad a. a. D. ©. 380. Bei einfacheren Chorbücdern wurbe die 
Herſtellung übrigens mittel® Patronen vorgenommen; auch die nannte man nod) 
im 18. Jahrhundert: Druden (Imprimere). 

 Schneegans, ®., Abt Johannes Trithemius und Klofter Sponheim, 
Kreuznach 1882. ©. 142. 

+0) Falk, Franz, Die Druckerkunſt im Dienfte der Kirche. Köln 1879, ent- 
hält noch zahlreiche derartige Beilpiele, bricht aber mohlweisfih 1520 ab, wo die- 
jelbe Kirche infolge der Reformation der erbitterte Feind und Verfolger der 
Preſſe wird. 

4) Worte desjelben mainzer Erzbiichofs Berthold dv. Henneberg in jeinem 
Genjurerlaß vom 4. Januar 1486, der die göttliche Erfindung der Buchdruderfunft 
tobt. Guden, Codex Diplomatieus. IV, 569, 


Zweites Kapitel. 
Die Ausbreitung der nenen Kunſt in Deutfchland. 


ı) Lange, Ad, Peter Schöffer von Gernsheim, der Buchdruder und Buch— 
händler. Leipzig 1864. 20 ©. 

2) Wetter, 3, Kritiſche Gejchichte der Erfindung der Buchdruckerkunſt. Mainz 
1836. ©. 483. Die Stelle lautet: Hie liber mihi Ludovieo de la Vernade, 
Militi Cancellario Domini mei Dueis Bourbonii et Alvernie, ac Praesidenti 
Parlamenti lingue Oceitanie, quem dedit mihi Jo Fust supradietus Parisiis, 
in mense Julii MCCCCLXVI, me tune existente Parisiis pro generali totius 


Franeorum regni. 
x) Madden, J. P. A., Lettres d’un Bibliographe. III, 60. 


814 Duellennachweife und Anmerkungen. 


9 Schmidt, C., Zur Geſchichte der älteften Bibliotheken in Straßburg. 
1881. ©. 9. 

5) Catalogue de la Bibliotheque de la Valliere, Addit. p. 26, und Lam- 
binet, Origines de l’Imprimerie, p. 228. 

6) Range a. a. O. ©. 18. 

7) Haßler, 8. D., Die Buchdrudergeichichte Ums. Ulm 1810. ©. 139. 

s) Linde, U. v. d., Gutenberg. ©. LVI. 

9) Madden a.a.D, I, 88 fg. und v. d. Linde a. a. D.C. 285-287. 

10) Mep, Fr., Geſchichte des Buchhandels und der Buchdruckerkunſt. Darm- 
jtadt 1834. ©. 241—245, 

u) Linde, v. d. a. a. O. S. 65. 

12) Madden a. a. D. IV, 40- 122. Schmidt, C. a. a. O. ©. 90-94. 

ı3) Panegyris Carolina. Straßburg 1521. ©. 19, 

14) Linde, v. d. a. a. O. ©. 65. 

15) Katalog der Klemmſchen Sammlung. S. 104—106. 

16) Shmidt, C., a. a. O. ©. 105; ferner für die nädhjiten Seiten 99 Anm. 2 
und 106 u. 107, 

17) Schmidt, C. a. a. D. ©. 108. 

18) Serapeum, Jahrgang 1852, ©. 137, und Jahrgang 1853, ©. 236 in den 
Auflägen von Strampff, der auch das Gedicht mitteilt, welches jpäter E. Schmidt 
in feinem bereits vielfach angeführten Werte ©. 160 abdrudt. 

Schmidt, C. a. aD. ©. 100-105; 152—159, 

20) Archiv für die Geſchichte des deutichen Buchhandels, V, 83. 

21) VBarrentrapp, C., Hermann vd. Wied und fein Reformationsverjuh in 
Köln. Leipzig 1878. ©. 14 u. 15. 

22) Panzer, Annales. IV, 492, Nr. 396, 

25) Ennen, 2, Katalog der Inkunabeln der Stabtbibliothef zu Köln. ©. IL 

24) Banzer, a. a. D. I, 304 Nr. 199. I, 306 Nr. 212. 

3) Ennen a. a. O. ©. VI. 26) Daſelbſt ©. XI. 

27) Hain a. a. O. Sachſenſpiegel 1480 (Nr. 14081) und Cordiale (Nr. 5703). 

2) Klemms Katalog. ©. 181 u. 188, 

29) Ennen, 8, Gejhichte der Stadt Köln. Köln und Neuß 1869. III, 
1041—1043. 

0) Kirchhoff, A., Beiträge zur Gefchichte des deutjchen Buchhandels. Leipzig 
1851. I, 41 fg. 

sı) Nach einem erjt während des Druds veröffentlichten Vortrag von A. Kird- 
hoff. 

32) Klemms Katalog. Nr. 809, 33) Kirchhoff aa. O. ©. 90. 

3) Erasmi Opera. Lugduni Bat. 1703. Vol. III, 105. 

5) Banzer.a. a. D. VII, ©. 118. Nr. 1742. 

36) Dafelbjt VII, ©. 518. Nr. 155; ©. 543, Nr. 374, 

37) Kirchhoff a. a. ©, 1, 103—110 u. 112, 

39) Merlo, J. J., Die Buchhandlungen und Buchdrudereien „Zum Einhom“ 
vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Köln 1879, ein Büchlein, weldes an 
innerm Wert die gewöhnlichen Jubiläumsichriften hoch überragt und bei der 


Duellennahweije und Anmerkungen. 815 


obigen Darftellung bejonders für die VBezeichung der betreffenden Örtlichfeiten ge- 
dient hat. 

39) Sieber, 8, „Ein Basler Drud von 1468” im Feuilleton der Basler 
Nadhrichten vom 2, März 1879 (Bericht über einen Vortrag, den der gelehrte 
Bibliothelar am 20. Februar 1879 in der Hiftoriichen Geſellſchaft in Baſel gehalten 
hatte.) Der Eintrag lautet: „Hune solvi anno MCCCCLXVIII Joseph de Virgers 
praesbiter ecclesiae St. Hylarii Moguntini“ und zeigt nad Sieber eine dem 
15. Jahrhundert angehörige Handichrift. 

40) Basler Tajhenbud) auf das Jahr 1863, S. 20 in dem Aufjaß des Her— 
ausgebers D. A. echter: „Beiträge zur älteften Geſchichte der Buchdruderkunft in 
Bajel“, ©. 29-28. 

41) Nee de la Rochelle, Recherches sur l’etablissement de l’art typo- 
graphique en Espagne et en Portugal. Paris 1830. ©. 43. 

2) Staatsarchiv Bajel Stadt, Miſſivenbuch 14R8—1491. ©, 328. 

43) Dafelbft 1481—1483,. ©. 131. 

4) Daſelbſt HHRS— 1491. S. 228, Dbige Auszüge find zuerſt von J. J. 
Amiet in Solothurn mitgeteilt. 

#5) Daſelbſt Miſſivenbuch 1458°—1401,. ©. 281, Urkunde vom 23. April 1490. 

6) Beiträge zur vaterländichen Geſchichte. Baſel 1845. II, 169. 

47) Maittaire, M,, Annales typographici. Hagae 172%, I, 200; Le Long, 
Bibliotheca Sacra. 1,253. Jansen, Notice des Livres imprimes avant l’annde 
1501 dans les Pays Bas. Paris 1000. ©. 304; Campbell, Annales de la Typo- 
graphie neerlandaise. ©. 222. 

4) Butſch, U. F., Bücherornamentik der Renaifjance, Leipzig 1878. ©, 39, 

49) Erasmi Opera. III, 1673 u. 1674. 

so, Stodmeyer, J. und B. Reber, Beiträge zur Basler Buchdruderge- 
ſchichte. Bafel 1841, ©. 89. In diefer äußert wertvollen Feitichrift zum Jubi— 
läum des Jahres 1840 findet jich die beſte Zufammenjtellung der Basler Druder 
und ihrer Werfe. 

sı) Dajelbit S. 147, 

52) Blatter, Thomas, Selbjtbiographie, bearbeitet von Heinrich Boos. 
Leipzig 1878, ©. 89-92. 

53) Nudolphi, E. C., Die Buchdruderfamilie Froſchauer in Zürih. Zürich 
1869, ©. XI. 

54) Katalog der Klemmſchen Sammlung. ©. 9 u. 9. 

55) Ilgenſtein, M., Die ältefte Buchdrudergeichichte Ulms im: Centralblatt 
für Bibliothefweien. 1884, 

ss) Zapf, ©. W., Augsburgs Buchdrudergeihichte. Augsburg 1786, I, 
3. XII; I, ©. VII. 

>) Banzer, ©. W., Beichreibung der ältejten Augsburger Musgaben ber 
Bibel. ©. 1-11. 

ss) Mezger, ©. C., Augsburgs ältefte Druckdenkmale. Augsburg 1840. ©. 7. 

s9) Herberger, Th, Zur Geichichte der Einführung der Buchdruckerkunſt in 
Augsburg. Dafelbft 1865. ©. 14, umd Augsburger Steuerbücher, vom Berfajier 
im Januar 1882 eingejehen. 


816 Duellennahmweife und Anmerfungen. 


6) Kirchhoff, A, Beiträge. I, 8—40; das Weitere nah einem inzwiichen 
erſt gedrudten Vortrag desjelben. 

cı), Meyer, 8. E., Die Buchdruderfunft in Augsburg bei ihrem Entftehen. 
Augsburg 1840. ©. 25. 

2) Dafelbit S. 26 und Butſch, N. F., Die Bücher-Ornamentif der Renaii- 
jance. Leipzig 1878. ©. 24. 

3 Haßler, K.D., Die Buchdrudergeichichte Ums. Ulm 1840, ©. 10-87. 

#4) Gentralblatt für Bibliothefswejen. Leipzig 18°4. Heft 6. ©. 231 fg. und 
Heft 8. ©. 513. Es fteht nach Jlgenfteins Ausführungen jejt, daß von Hohenwang 
mer ein einziges Druckwerk eriftiert, welchem er feinen Namen als Druder beifegte; 
es ijt Died die „Summa Hostiensis“ von 1477 (Hain Nr. 861). Da in dieſem 
Werke die Angabe des Ortes fehlt, dagegen in einem zweiten, mit denjelben Tupen 
hergeitellten Werke, der Guldin Bibel (Hain Nr. 13690), die gedrudte Schlußichrift 
bejagt: „Hie endet die guldin Bibel gedruckt zu Augsburg“, jo ift es Mar, 
daß der Drud beider Werke in der leßtern Stadt vor id) gegangen if. Während 
ferner Haßler auch den deutfhen Vegetius, als deſſen Überjeger ſich Hohenwang 
in der Vorrede fund gibt, dem letztern als Druder zufchreibt, zeigt Ilgenſtein, 
daß diejes Werk die gleihen Typen aufweift, wie jie Johann Wiener in Augsburg 
angewandt hatte, daß mithin auch hier ein augsburger Drud vorliegt. Schließlich 
aber stellt jich auch noch heraus, daß ebenfo noch ein anderes Hauptwerk, das nad) 
Haßler von Hohenwang gedrudt fein joll, von ihm nur herausgegeben ift, während 
der Drud ſelbſt in Baſel bei Michael Furter jtattgefunden hat. Aus einer an— 
dern Ausgabe diejes legtern Werkes, Wimphelings „De fide concubinarum“, find 
die intereffanten Holzichnitte in Rich, Muthers Werke: „Die deutihe Bücherilluftra- 
tion der Gothik und Frühremaiffance” (Taf. 94—108) reproduziert worden. Man 
hat ohne Kritit auch dieſe Ausgabe Ludwig Hohenwang zugeichrieben, der jedod 
auch hier nur der Verfaſſer der darin enthaltenen deutichen Verſe und Motti ift, 
während als Druder vielleiht Johann Grüninger in Straßburg angefehen werden 
darf. Das Ergebnis diejer Unterfuchungen, die von dem genannten Verfaſſer am 
Schluſſe jeiner Abhandlung tabellariih zujammengetragen find, ift, dab Ludwig 
Hohenwang nur als Druder der beiden obengenannten Werfe und zwar zu Augs 
burg gelten darf, während es mehr ald zweifelhaft bleiben muß, ob er auch iden 
tiich mit dem Verfertiger der Holzichnitte iſt, welcher jich in einer Ausgabe der 
„Ars moriendi” dajelbit „Ludwig ze vlm“ genannt hat. 

65) Klemms Katalog. ©. 328— 330. 

e) Buftmann, G., Die Anfänge des leipziger Bücherweſens. Leipzig 1879, 
©. 11. 

6) Hase, D., Die Koburger Buchhändlerfamilie zu Nürnberg. Leipzig 1869. 
Eine vortrefffihe Arbeit, unentbehrlich für die Kenntnis und Würdigung U. Ko 
bergers, leider zur Zeit vergriffen. Vom Verfaſſer vielfach benugt. (Eine neue, 
volljtändig umgearbeitete Muflage ift während des Drudes erichienen.) 

3) Klemms Katalog. ©. 353. 

6 Kirchhoff, A., Johann Herrgott, Buchführer von Nürnberg, und jem 
tragiiches Ende, im Archiv f. Geſch. d. Deutichen Buchhandels. 1, 15-56. 


— 


Quellennachweiſe und Anmerkungen. 317 


0, Wuſtmann, ©., Die Anfänge des leipziger Bücherweſens. Leipzig 1879, 
wonach auch das Zunächſtfolgende. 

zu Der Stoff zu dem meiſten hier von Herrn F. Herm. Meyer gemachten 
Zuſätzen und zu einem großen Teil des Abſchluſſes des Abjchnittes Leipzig ift 
dem Mannjkript des ſchon erwähnten Vortrags von N. Kirchhoff entnommen. 

2) Haiu, kepertorium. Nr. 15923; fehlt aber im Juder. 

3) Mayer, A., Wiens Buchdrudergejchichte. Wien 1883. I, 32. 

9 Böße, L., Altere Gejchichte der Buchdruckerkunſt in Magdeburg. 1. Abteil.: 
Die Druder des 15. Jahrhunderts. Magdeburg 1872. — Hülße, F., Beiträge zur 
Geihichte der Buchdruderkunft in Magdeburg. 1. Tie Druder von 1H00— 1552. 
In: Gejichichts - Blätter für Stadt und Land Magdeburg. 15. 16. Jahrgang. 
1880, 1881.) 

75) Kirchhoff, Beiträge. I, 143. 

6; Roth, R., Tas Büchergewerbe in Tübingen von Nahr 1500 bis 180, 
Tübingen 1880. — Steiff, 8, Der erite Buchdrud in Tübingen (1498— 1534), 
Tübingen 1881. 

Meyer, F. H., Primus Truber, Hans Freiherr von Ungnad und Ge: 
nofien. (In: Archiv für Geichichte des deutichen Buchhandels VIL.) 

»°; Eichsfeld, E. G., Nelation vom Wittenbergiihen Buchdruder-$ubiläo 
1740, nebjt einer hiſtoriſchen Nachricht, von allen Wittenbergiichen Buchdrudern, 
welche jeit Erfindung der Buchdrucker Kunſt, jonderlid zur Zeit der Reformation 
Lutheri, allhier Drudereyn gehabt haben. Wittenberg 1740, 

9) Hülße a. a. D. ©. 27. 

so) Vergl. G. Reichhart, Die Drudorte des 15. Jahrhunderts. Augs 
burg 1853. 

1) Zeitichrift des Vereins für Gejchichte und Altertum Schlefiens. XV, 1. 

2) Wiehmann-Nadomw, Paul Knufflock, Buchhändler zu Lübeck. In: 
Zeitichrift des Vereins für Lübeckiſche Geichichte und Altertumsfunde. IL, 2. 1865.) 

8) Zum Gedächtniß der vierten Säcularfeier der Erfindung der Buchdruder- 
kunſt zu Seidelberg. Heidelberg 1840. 4. Abſchnitt. 

8) Schreiber, W., Heidelberg und feine Umgebungen. Heidelberg 1811. 

85) Zappenberg, J. M., Zur Geichichte der Buchdruderfunjt in Hamburg. 
Damburg 1840. 


Drittes Kapitel. 
Die Berbreitung der neuen Kunſt im Auslande. 


ı) Fumagalli, C. Dei primi libri a stampa in Italia. Lugano 1875. 
2) Dajelbft S. 19—29. 
3) Raidel, Commentatio eritiea literaria de Claudii Ptolemaci Geo- 
graphia. Nürnberg 1757. 
#) Das intereffante Eremplar von Cicero’s De Oratore (Subiaco 1465) mit 
app. I 52 


"18 Unellennadnveile and Anmerkungen. 


der wichtigen Schlußichrift des Antonio Tridentone ijt mittlerweile aus dem Be- 
jige feines Entdeders Fumagalli in die reiche Klemmſche Sammlung in Dresden 
(für den Preis von 6275 Mark) übergegangen. 

5) Didot, Firmin, Histoire de la Typographie. Paris 1882. ©. 632. 

6 Katalog der Klemmichen Sammlung. Nr. 5%. 

7) 2ord, C. B., Handbuch der Geichichte der Buchdruderfunit. Leipzig 182. 
I, 60 u. 61. 

sı van der Linde's Gutenberg. ©. 9. 

», Claudin, A.. Antiquites Typographiques de la France. Origines de 
Imprimerie à Albi en Languedoc (1480-1485. Les Peregrinations de 
J. Neumeister, Compagnou de Guteuberg, en Allemagne. en Italie et en 
France (1463—1484). Paris 1880. 104 Geiten. 

10) Hessels, Gutenberg. Is he the Inventor of Printing? ©. 108-112. 

11) Fischer, G., Essai sur les Monumens de la Typographie. ©. 79. 

12) Vermiglioli, G. B., Prineipj della Stampa in Perugia e suoi pro- 
gressi per tutto il secolo XV. Perugia 1820. ©. 209. 

13) Madden, I. P. A., Lettres d'un Bibliographe. V. Paris 1878. ©. 10a. 

14) Dajelbit ©. 201. 

15) Didot a. a. O. ©, 139. 16; Maddena. a. O. ©. 24H. 

17) Daſelbſt ©. 229. 18) Dafelbit ©. 231. 

13) Dafelbit S. 245— 217. Madden jchlieht fich übrigens bier im wejentlichen 
an Panzer aıt. 

20) Daſelbſt 202. 21) Didot a. a. O. ©. 38. 

22) Madden a. a. O. ©. 263. 

23) Greiff, B., Tagebuch des Lukas Rem aus den Jahren 149— 11. 
Ein Beitrag zur BHandelsgeihichte der Stadt Augsburg. Im 26. Jahresbericht 
bes hijtorischen Kreisvereins Schwaben und Neuburg. Augsburg 1861. ©. 6 u. 82. 

24) Claudin aa. D. ©. 67. 

23) de Vinne, Th. L., The Invention of Printing. Newyork 1876. 5. Mıw. 

3) Hase, D., Die Koburger. ©. 25. 7) Didot a. a. O. ©. 89. 

23) Giraudet, E. Les Origines de l’Imprimerie a Tours (167— 150. 
Tours 1881. ©. 29—34 u. 4148. 

) Didot a. a. O. S. 705. 30) van der Linde a. a. O. Vorrede ©. V. 

sı) Falkenſtein, K. Geſchichte der Buchdruckerkunſt. Leipzig 1840, S. 2%. 

a2) Didot a. a. O. ©. 704. 

3) Don Fernando Colon, Historiador de su Padre, Ensayo eritie 
por el autor de la Biblioteea Americana Vetustissima (H. Harisse). Madrid 
1871. ©. 79. 

34) Deutſche Buchdruder des XV. und XVI Jahrhunderts in Portugal. 
Augsburger Allg. Zeitung vom 18. Februar 1878. Nr. 49, die hier vielfach be 
nutzt it. 

35) Campbell, F. A. G. Annales de la Typographie Neerlandaise an 
XV. Sieele. La Haye 1874. ©. 517 u. 518, 

3) Lambinet, Origine de l’Imprimerie. IL, 97--170. — Bernard, De 
P’Origine de l’Imprimerie en Europe. II, 401. — Van Iseghem, La Bio- 


A 


Quellennachtweife und Anmerkungen. 819 


graphie de Thierry Martens. Malines 1852. — Holtrop, Thierry Martens 
d’Alost. La Have 1867. 

3) Blades, W., The Biography and Typography of William Caxton. 
Newyork 1882. ©. 26—32, 

38) Jlgenjtein, M., William Caxtons Thätigfeit in Köln im Gentralblatt 
für Bibliothefswejen. 18%4. Der Schüler und Nachfolger Cartons, Wynkyn de 
Worde, jagt in der Vorrede jeiner engliihen Ausgabe von Bartholomäus von 
Slanvilla’s, „De proprietatibus rerum“, daß jein Meijter Carton zuerft das la- 
teinifche Driginal in Köln gedrudt Habe. Hat man nun auch bis heute Fein Erem 
vlar diefer Ausgabe aufgefunden und ift ihre Eriftenz daher noch zweifelhaft, jo darf 
man doch nicht ohne weiteres die daraus wohl hervorgehende Thatjache, daß Caxton 
überhaupt in Köln gedrudt habe, für falſch erflären. Denn müßte auch angenommen 
werden, Wynkyn de Worde jchreibe jeinem Meifter irrigerweife den Drud zu, jo konnte 
er, Caxtons Schüler und zwar höchſt wahrjcheinlich ſchon auf dem Kontinent, un- 
möglich darin irren, ob Carton zuerjt in Köln oder in Brügge gedrudt habe. Da 
num aber auch Garton jelbft in der Borrede jeines „Recueyl” jagt, da er die 
Überfegung zu Köln beendet, und in der Schlußrede, daß er darauf die Ausübung 
der Buchdruderkunft auf eigene Koſten erlernt habe, jo fann es wohl faum einem 
Zweifel unterliegen, daß Köln der Drudort war. Ohnehin jtünde auch der gegen: 
teiligen Anficht, welche Brügge dafür hält, entgegen, daß deflen erjter Typograph 
Colard Manfion die Kunſt erit im Jahre 1476 auszuüben beganı, während die 
Überjegung des Werkes durch Karton ſchon am 19. September 1471 in Köln voll- 
endet war. Naturgemäh geht alio aus diefen Erwägungen hervor, daß nur Köln 
die Lehrjtätte Caxtons geweien jein kann, denn in feiner Stadt der damaligen 
burgundiichen Staaten wurde zu jener Zeit die Buchdruderkunft bereits ausgeübt. 

39) Nyrop, C., Bidrag tilden danske Boghandels Historie. Kopenhagen 
1870. I, 59—66. 

40) Lord a. a. O. 1 ©. 75, und Falkenſtein a. a. D. ©, 208. 

41) Szabö, K., Regi Magyar könyntär az 1531—1711. Budapest 1879, 
S. 1—11. 


Biertes Kapitel. 
Das Äußere des Buche. 


1) Marquardt, Römiſche Privatalterthimer. Leipzig 1864— 1867. II, 390. 

2) Birt, Das antike Buchwefen. Berlin 1882. ©. 46 fg. — Egger (Histoire 
du Livre, 3. Ed. Paris s. d. p. 57 fg.) führt mehrere Beifpiele von Bapiernot 
in Zeiten des Mißwachſes der Rapprusjtaude in Ägypten an. Zur Zeit des Tibe- 
rius war vorübergehend ein jolher Mangel an Schreibjtoff in Rom, daß, wie bei 
einer Hungersnot, der Vorrat rationenweile zugeteilt wurde. Derjelbe Autor er- 
innert daran, daß in Paris gegen Ende der Belagerung von 1870/71 das Papier 
auszugehen anfing. Häufiger fommt es in der Gegenwart vor, daß die Fabriken 
außer Stande find, mit der Drudthätigfeit Schritt zu halten, 


52* 


820 Quellennachweiſe und Anmerkungen. 


s) Wattenbad, Tas Schriftwejen im Mittelalter. Leipzig 1871. ©. 61. 

4) Wattenbad a. a. D. ©. 129 fg. 

5) Pangerl, Tas Buch der Malerzehe in Prag. (Quellenſchriften f. Kunſt 
geichichte und Kunſttechnik. XIIL) Wien 1878. 

6) Karabacel, Die TH. Graf’fchen Funde in Negnpten. — Derſ., Katalog 
ber Th. Graf’ichen Funde. Wien 1883. 

) Stan. Julien etP. Champion, Indnstries anciennes et modernes 
’Empire Chinois. Paris 1869, 

sı Egger. Le papier. Paris 1866. 

») (Matsugata,} Le Japon a V’Exposition universelle. Paris 1878, 
10) Vallet-Viriville, Notes pour servir a l’histoire du papier. (Gazette 
des beaux-arts 1859.) Dafelbjt heißt es ©. 224: „Vers 707 les Arabes etablis 
à Samarkand prirent le papier aux Chinois, mais seulement a titre d’em- 
prunt ... D’un autre cot& les Grecs trouverent le papier en Asie, ils le 
donnerent ä la Sicile et a V’Italie.e En outre par Venise et par les ports 
des Pays-Bas le papier penötra en France, en Angleterre et en Allemagne. 
Le papier des Grees remonte bien au IX. siécle. Ä partir de 1050 on en 
a des specimens dates et suivis, — Belege werden zu dieſer Darftellung nicht 
gegeben. Bergl. auch: Wehrs, Bom Papier ꝛc. Sannover 179. — Peignot, 
Essai sur P’'histoire du parchemin et du velin. Paris 1812, 

11) Bergl. ©. 226. 

ı2) Delandine, Manuscripts de la Bibliotheque de Lyon. 1812. — 
Vallet-Viriville a. a. DO. — Breitfopf ij. Anm. IS), ©. 9. 

13) Gutermann, j. Anm. 18; Schmidt, Zur Gejchichte der älteften Biblio 
theten 2. Straßburgs. Straßburg 1582. ©. 37 fg. 

14) Storia della letteratura italiana. Venezia 1823 —1825. 

15) Ballet-Ririville a. a. ©. — Lacroix, Les arts au moyen-äge. 
Paris 1869, 

16) „Der Name Holbein war im jüdlichen Deutichland ziemlich verbreitet, zu 
Ravensburg fommt er im 14. und 15. Jahrhundert vor, in Bajel iſt er ebenfalls 
ihon im 14. Jahrhundert zu finden, im 15. tritt er in Kaufbeuren und in Grün 
ftadt an der Hardt auf. Ob und inwieweit die Malerfamilie Holbein mit diejen 
Familien verwandt ift, läßt fich nicht ermitteln, doch führte Hans Holbein dasielbe 
Wappen twie die ravensburger und grünftädter Namensgenofien, einen Ochſenkopf.“ 
BWoltmann, Holbein. ©. 42. 

17) Stetten, Kunft-, Gewerbs- und Handwerkfögeichichte von Augsburg. Augs 
burg 1779 — 1788. 

18) Bon der jehr umfangreichen Ritteratur über die Waflerzeichen des Papiers 
mögen erwähnt werben: J. G. Breitfopf, Verſuch, den Uriprung der Spiel- 
farten, die Einführung des Leinenpapiers und den Anfang der Holzichneidekunft in 
Europa zu erforſchen. Leipzig 1784—1801. — 8. Denne, Observations on 
paper marks. (Archaeologia XII.) London 1796. — Jansen, Origine de la 
gravure en bois et en taille douce. Paris IS08. — Koning, Bijdragen tot 
de geschiedenis der boekdrukkunst. Harlem 1816. — Haßler, Die ältejte 


Geſchichte der Fabrikation des Leinenpapiers. (Verhandl. des Vereins f. Kunſt und 


de 


— 


Suellennachweiie und Anmerkungen, 821 


Alterthum in Ulm und Oberſchwaben. II. Ulm 1544.) — Derſelbe ıebend. IV. 
15465). — Gutermann, Die ältefte Gejchichte der Fabrication des Linnenpapiers. 
Serapeum 1845. ©. 257 fg., 273 fg.) — Sotzmann, Über die ältejte Papierfabri 
cation. (Serapeum 1846. ©. 97 fg., 123 fg.) — Sotheby, Prineipia typographica, 
to which is added an attempt to elucidate the character of the paper marks. 
T. III. London 1858. — La Fons-Melieog, Noms des diverses sortes de 
papiers employes au moyen-üge dans le nord de la France etc. (Bulletin du 
Bouquiniste 1858.) — Ballet-Biriville a. a. ©. — Midoux et Matton. 
Etude sur les filigranes des papiers employ@s en France au XIV" et XV" 
sieele, accompagnee de 6X) dessins. Paris 1868, — Urbani de Gheltof, 
Segni di cartiere antiche, Dieci tavole. Venezia 1870. — Hausmann, 
Albrecht Dürers Kupferitiche, Radirungen, Holzichnitte und Zeichnungen, unter be> 
jonderer Berüdjichtigung der dazu verwandten Papiere und deren Wajlerzeichen. 
Dannover 1861. — Robinson, A critical account of the drawings by Michel 
Angelo and Raffaello in the university galleries Oxford. Oxford 1870, 

1») Breitfopfa. a. ©. ©. 11m, 

so, Gutermann und Haßler a. a. O. 

21) Serapeum 1846. 

22) Für diefe Deutung ſpricht unter andern der Umſtand, daß das Zeichen in 
Deutſchland, den Niederlanden und Frankreich gebräuchlicd war, nicht aber in Ita— 
lien, wo Papier befanntlih carta heißt. 

23) Urbani a. a. D.; Robinjon a. a. D. Bergl. Anm. 18, 

24), Robinion a. a. DO. Vergl. Anm. 18. 

25) Ein Turm von eigentümlicher Form: oberhalb des Fußes eine Ausbauchung, 
drei Zinnen, ijt nach Sopmann die Marke der beiten ravensburger Papierſorte. 

6) Vergl. Anm. 18, 

2) Wattenbad a. a. O. ©. 196 fg. — Unger, Griechifche Kunft in Eric 
und Gruber, Encyflopädie, I. Sekt. 84. Teil. — Bastard, Peintures et orne- 
ments des manuserits. Paris 1835 fg. — Westwood, Facsimiles of the 
ininiatures and ornaments of Anglo-Saxon and Irish manuscripts. london 
18658. — Wahn, Das Psalterium Aureum von St. Gallen. St. Gallen 1878. 

- Echnaaje, Gejchichte der bildenden Künfte. Düſſeldorf 1866 fg. — Wolt- 
mann, Gejchichte der Malerei. Leipzig 187% — Labarte, Histoire des arts 
industriels. Paris 1872 fg. — Kugler, Kleine Schriften. Stuttgart 1853 fg. 
— Bucher, Geſchichte der technischen Künfte. Stuttgart 1875 fg. 

2°) Rarabalef, Katalog der Grafihen Funde. Wien 1883. Nr. 47. 448, 

2») 3. Lejling, Mittelalterliche Zeugdrude im Kunftgewerbemufeum, (Jahr: 
buch der fönigl. preuß. Kunſtſammlungen. I, 119 fg.) 

30) Trattato della pittura. Rom 1821. — Dasjelbe deutih: Das Buch von 
der Kunſt ... überjeßt von A. Ilg. (Quellenichriften f. Kunſtgeſch. u. Runfttechnif. 
Il.) Wien 1871. 

31) Über die Anfänge der Formſchneidekunſt und des Bilddruckes. (Neperto- 
rim für Kunſtwiſſenſchaft. I, 215 fg.) 

32) Zur Geſchichte und Theorie der Formichneidefunft. Leipzig 1837. ©. 96 fg.: 
„Vom Alter des Gebrauches, Formichnitte durch den Guß zu vervielfältigen.” 


822 Quellennachweiſe und Anmerkungen. 


33) Weigel und Zeftermann, Die Anfänge der Buchdruderfunft in Bild und 
Schrift. 2 Bde. Leipzig 1866. 

34) Le Peintre-graveur. 6 Bde. Leipzig 1860 — 1861. 

3) Leon de Burbure, Sur l’anciennet£& de l’art typographique en Bel- 
gique. (Bulletin de l’Academie de Belgique. VIIL) 

3) Van Even, L’ancienne école de Louvain. Bruxelles 1870. 

37) Vergl. Lippmann, Der italienische Holzichnitt im XV. Jahrh. (Jahrbuch 
der königl. vreuß. Kunſtſammlungen. II, 3 fg., 168 fg. V, 3fg.) — Springer, 
Bilder aus der neuern Hunjtgeichichte. Bonn 1867, 

38) Vergl. Rumohr a. a. D. — Umbreit, Über die Eigenhändigfeit der 
Malerformichnitte. Leipzig 1840. — NR. Weigel, Holzichnitte berühmter Meiſter. 
Leipzig 18511897, (Sämtlich für die Eigenhändigfeit.) — 3. ©. Unger, Fünf 
in Holz geichnittene Figuren x. Berlin 1779, — Bartsch, Peintre-graveur. 
VII, 19. — Derfelbe, Anleitung zur Rupferftichfunde. 1,596 fg. — Passavant, 
Peinte-graveur. 1,66 fg. — Thaufing, Dürer. Leipzig 1876. ©. 198 fa. 
— Woltmann, Holbein. Leipzig 1874. ©. 184 fg. 

39) Woltmann, Holbein und jeine Zeit. 2. Aufl. I, 201 fa. I, 195 — 108. 
213. 221. 

w) (A. Perraud-Maynand,) Les Ex-libris francais. Paris 1874. - 
F. de Chanteau, Etude sur une eolleetion d’ex-libris. Bar-le-Due 1884. 
In Lempertz' Bilderheften iſt eine Anzahl deuticher Er-libris, z. B. von Kurfürit 
Johann Friedrich dem Großmütigen und deifen Gemahlin, von Pirdheimer, Job. 
Ed, Wolfgang Yazius ꝛc. reproduziert. 

1) Häufig reproduziert, 5. B. in Falkenſtein, Geichichte der Buchdrucker 
funft, S. 144, mit der Schlußſchrift P. Schöffers zu feiner Ausgabe von Auftinians 
Anftitutionen von 1468. Direlte und indirekte Nahahmungen diejes Signets be 
gegnen häufig, fo bei Gerard Leeu in Gouda und Antwerpen, 1477—1492 (Abbild. 
in Silrestre, Marques typographiques. Paris 1853, 1867, Wr. 120), und 
das Befeftigen eines oder zweier Schilde an einem Aſt blieb lange im Gebrauch. 

42) Abbildung in Butich, Die Bücherornamentik der Renaiffance. I, 7%. 

3) Abbildung in Butih a. a. O. 1,5. 

4) Abbildungen in Dibdin, Bibliographical Deeameron. London 1817. 
IL, 191. — Butſch a. a. O. 1, 50,51. — Eine rohe Nachahmung diejes Signets 
bei Anton Bonnemere in Paris, 1507— 1544, mit der Tevife: Nosce te ipsum. 
Abbild. in Silveftre a. a. D. 1150. Eine Palme mit einem Felsſtück und der 
Deviſe: Inelinata resurgo war das Emblem des Francesco Maria TI. von Urbino, 
1571-1631. 

5) Von Parrhaſios, aber auch von Apelles, wird ein Wettjtreit mit Protogenes 
erzählt, welcher daranf hinausläuft, dab der eine Künſtler eine feine Linie gemalt, 
der andere auf dieſe eine noch feinere gelebt habe, oder daß zwiſchen zwei fait um 
mittelbar aneinander gezogenen Linien noch eine dritte angebracht worden jei. — 
Abbildungen in Dibdin a. a. O. IL, 189; Butſch a. a. ©. I, 0, 

se) Abbild. Tibdin a. a. O. Il, 202. 

a7) Abbild, Dibdin a. a. O. II, 200; Butſch a. a. ©. l, mm. 

48) Abbild. Dibdin a. a. O. IL, 29%. 


Quellennachweiſe und Anmerkungen, 823 


49) Abbild. im Archiv für die zeichnenden Künſte. II, 1383; Woltmann, Hol— 
bein. 1, 402, 

so, Abbild. Butſch a. a. O. 1, 61. 

sı) Abbild. Butih a. a. O. 1, 93; Silveitre a. a. O. 1246. 1274. 

2) Abbild. Butich a. a. ©. I, 63. Das Signet Hieronymus Frobens: das- 
jelbe Emblem an einem Baume mit KRugelichnüren, Butten ꝛc. bei Lemperg, 
Bl. VII 

53) Augsburg. Joh. Miller, um 1514: ſchwarze Tafel mit Monogramm. — 
Erhart Ratdolt: nadter Mann, in der Rechten zwei Schlangen haltend, auf der 
Scham ein roter Stern. — Sympert Ruf: Herkules und Gerberus, — Heinrich 
Steyner: weibliche Figur auf einem Delphin jtehend, ein Banner als Segel aus- 
geipannt. Eine ähnliche Figur mit der Devije: Audaces fortuna juvat war das 
Emblem des Erzherzogs Karl, Sohnes des Kaifers Ferdinand. — ©. Willer, 1560 
bis nach 1592: eine Cypreſſe mit Früchten und dem Spruchbande: Honor erit huie 
quoque pomo. 

Bajel. Joh. Bergmann von Olpe, 1494—1499: von einem Löwen gehaltener 
Schild mit einer Lilie über ſechs Bergipigen, dazu: Nihil sine causa. — oh. 
Bebel, ſ. ©. 248. — Andr. Eratander: die Glücksgöttin auf der rollenden Kugel. — 
V. Eurio, ſ. S. 248. — Nifol. Episcopius, 1564, und Eufebius Episcoptius, 1560 — 
1580: eine Hand hält einen Biſchofsſtab, auf dem ein Kranich jteht. — oh. Faber, 
1527 in Baſel, um 1535 in Freiburg im Breisgau: der vom Schwert durchhauene 
gordiiche Knoten, 

Sigmund Feyerabend gehört zu denjenigen Berlegern, von welchen die zahl» 
teihiten Signete befannt find. Sein Symbol war die Fama, welche er von Joſt 
Amman, Tob. Stimmer, Birgil Solis, Melchior Lord u. a. immer aufs neue 
(unter andern auch als Brunmenfigur) mit umd ohne feine Deviſe: Si cupis ut 
celebri stet tua fama loco pervigiles habeas ocnlos animumque sagacem, 
fomponieren ließ und für feine verichiedenen Vergeſellſchaftungen in Frankfurt und 
Bajel mit den Symbolen feiner Genoffen kombinierte. So für die Firma Feyer— 
abend und Johann Oporinus (Herbft) in Bafel mit Arion auf dem Delphin; für 
F. und Simon Hütter in Frankfurt mit Amphitrite; für F. Weigand Han und Georg 
Rab mit Hahn und Rabe (als in die Firma W. Hanen Erben eingetreten waren 
erichienen zwei anjtatt eines Hahns); für F., Heinr. Tad und Bet. Fiſcher wurden 
Fama, Fides und Labor um die Weltkugel gereiht und mit dem Diſtichon ver- 
fehen: Sedulus instar apum si sis fideique probatus, Spes bona quod super hine 
aethera notus eris. Amman ift der Verfertiger der Mehrzahl diefer Zeichnungen. 

Froben in Bafel, ſ. ©. 248. — Michael Furter, um 1509: Monogrammtafel 
bon gefröntem Löwen und Bären gehalten, in Umrahmung von gotiſchem Blatt: 
werl; ferner zwei Schilde, der eine mit den Monogramm, der andere mit dem 
Bajelitab, an einem Baum befeftigt und von Drachen gehalten. — Thom. Guarinus: 
1571: eine Palme. — Joh. Herwagen, 1529 —1563 (vorher in Straßburg): eine 
Säule mit dreifacher Merkursherne. — Balth. Lafius und Thom, Platter, 16. Jahr 
hundert: das Signet Rob. Winters (j. unten) im Gegenſinne fopiert. — 5. Petri, 
1. ©. 248. — Paul Queck: eine Doppelherme. — oh. Tichabler, gen. Wattin- 
ſchnee: zwei Butten befeftigen den Schild mit Monogramm an einen Baum, Motto: 


s24 Quellennachweiſe und Anmerkungen. 


Durum patientia frango. — Konrad Waldkirch, um 1585: ein Weib mit der 
Yampe, Motto: Lucerna pedibus meis verbum tuum. — Mich. Wensler, 1470— 
1491, in Macon 1493: zwei Schwarze Schilde an einem Aſt hängend, links vier 
ſchräge Wellenlinien zwijchen zwei Sternen, rechts Richticheit. — Barthol. Weithemer: 
aus dem W mwädjlt eine Feder, um die fich ein Mal windet. — Nob, Winter, um 
1538: Minerva mit Schild und Lanze zwijchen Ölgebüfchen. — Th. Wolff, 1. ©. 24. 

Bern. Math. Bienenvater, |. ©. 218. 

Franffurt a M, Mit, Baſſe (Bafläusı), 1596: Fortuna auf dem Rade. — 
Joh. Bringer, 1613: Altar mit brennendem Herzen. — Chrift. Egenolph, 1533— 
1555: wie das vorhergehende, vielleicht von 9. S. Beham gezeichnet (vergl. Marburg). — 
Feyerabend und feine Genoſſen ſ. unter Bajel. — Pet. Filcher, ungefähr 1582 — 15: 
Saturn auf einem geflügelten Strich mit dem Motto: Res age prudenter ete. — 
Nik. Hoffmann: Sanymed auf dem Adler, In Deo laetandum. — Matth. Merian: 
1593— 1650: ein Storch, Beilchrift: Cieonia Meriani, Umfchrift: Pietas eontenta 


lucratur. — oh. Saur, vor 1600: Feyerabends Fama und Devije (weil für ihn 
drudend). — Koh. Theob. Schönwetter, Verleger, 1601— 1605: Aupiter auf dem 


Ndler, in Druden von Matthäus Beder und Wolfg. Richter. — Andreas Wedel, 
1535 —1573 in Paris etabliert, dann als Hugenot ausgetvandert und bis in die 
neunziger Jahre in frankfurt thätig: der Caducens mit zwei Füllhörnern, darüber 
der Pegaſus; dasjelbe Signet führen Wechels Erben in Aranffurt und Hanau um 
1597 und ſpäter. — Joh. Wolff, um 1565: Noahs Opfer. 

Senf war vornehmlich Zufluchtsort protejtantiicher Drucker aus Frankreich: 
jo jeßten dort ihre Thätigkeit fort Konrad Bade, 1546-1561: die Zeit, melde die 
Wahrheit aus einer Felienkluft hervorziceht; Jean Erespin, 15590 —1571: ein Anter, 
um den fich eine Schlange windet ; Rob. und Heinr. Ejtienne, 1525 — 1559: unter einem 
Fruchtbaum, von welchem abgebrochene Äſte fallen, fteht ein Mann in antififieren- 
der Tracht mit dem Spruch: Noli altum sapere; Jean Le Preux, 1561-1587: 
die Druderei des Holle Bade mit Benugung der Aufichrift: Prelum typeographi- 
eum und der Umichrift: Quiequid agas sapienter agas et respice finem zu einem 
Wortipiel, indem nad Stellung der Wörter typographicum auch auf finem be- 
zogen werden kann; Euftache Vignon, 1571—1591: Anter und Schlange. Tod 
fommt ſchon 1479—1509 ein Franzoſe Loys rufe, genannt Sarbin oder Guerbin, 
vor, welcher zuerft eine fchwarze Tafel mit den Buchſtaben LU S, dann ein dem 
Druderzeichen der Penoirs in Paris ähnliches führt: einen von zwei Mohrimen 
achaltenen Schild mit Mohrenfopf und drei Jakobsmuſcheln. — Einen Schild mit 
drei Zafobsmuicheln und Monogramm hat Wygand Köln in Senf, 1523 — 12. 

Hagenau. Thomas Anshelm, 1517-1526 (früher in Tübingen und Por; 
heim): Tafel mit Monogranım, ferner diejelbe von zwei Putten gehalten mit einem 
Spruchbande, auf welchem das Wort Jejus in griechiicher und hebräiicher Schrift, 
eine Kompofition 5. Baldung Grüns. — Peter Brubach, 1533 —1536: Schild mit 
Januskopf. — Amandus Farcallius, Colmar und Hagenau 1523 — 1526: zer 
Putten halten einen das Monogramm umgebenden Blumenfranz oder ein om den 
Schild befeitigtes Gewinde. — Heinrich Gran, der erjte Druder in Hagenau, 148% 
1527, vorwiegend von Rohann Rynmann im Augsburg beichäftigt: Heiner ſchwarzer 
Schild mit den Initialen und Fujts Zeichen. — Joh. Setzer (Scecerins), 1919-1: 


Dnellennachweile und Anmerfungen. 825 


Januskopf. — Wilh. Seltz, 1528 —1529: ein umgekehrter Anker mit den Ini 
tialen. 

Hamburg. Gottfried Schultz, um 1676: Altar der Friedensgöttin mit der 
Deviſe Sie pace beamur propitioque Deo. 

Nena. ob. Bielde, im 17. Jahrhundert: ein Belifan mit der Deviie In 
beatifico verbo vivo tuo. -— Sal. Schmid, um 1690: Michael, den Drachen unter 
fich, zwei Schilde, auf dem einen Schwert und Schlüflel gefreuzt, auf dem andern 
ein Tazenfreuz. 

Ingolſtadt. Wolig. Eder, um 1599: Juftitia— David Sartorius (Schneider), 
1550-1502: die Religion auf der Weltfugel, Devife: Sapiens dominabitur astris. 
— Mer. Weißenhorn, um 1542: die Friedensgöttin verbrennt Rricgsgeräte. 

Köln. Franz Birckmann, bis 1530, jowie deſſen Nachſolger Arnold Birdmanı, 
Roh. Birdmann jun, und Arnold Mylius, deren Geſchäftslokal ſich in der „fetten 
Henne” befand: eine Henne unter einer Birke, zuerjt mit der tegende: In pingui gallina. 
— Gerwinus Calenius und Quentels Erben: Simjon mit dem Löwen, angeblich 
fomponiert von Johann von Eſſen. — Koh. Erithius, um 1619: ein Hahn mit der 
Devife Iterum vigilantia custos. — Walter Fabricius, um 1562: ein Seepferd 
nit einer Säule, auf welcher ein Kranich, eine Schlange haltend, iteht. — J. M. 
Heberle, 1775 — 1840: Merkur und Minerva mit Emblemen; Heberle und Mennig, 
1805: eine andere Allegorie de3 Handels. — Eucharius Hirkhoru (Kervicornus), 
um 1521: zwei Haſen halten ein Bund. — Koh. Kind, um 1626: ©. Juſtina mit 
dem Einhorn. 

Yeipzig. „af, Berwald: Bär im Wald. — Mich. Blum, bis 1550: von 
Butten gehaltener Schild mit drei Blumen. — Henning Große: der heil. Chriftoph. 
— Ernſt Bögelin, 1559 —1578: die Stiftsfade oder Erucifir, vom Tode, der Welt 
und der Schlange geftüßt. — E. Vögelin und Söhne: dasjelbe Emblem größer und 
als Mittelftüd einer großen architektoniſchen und figürlihen Kompofition. 

Mainz. Franz Beham (Behem), 1540: Pelifan mit der Devife Sie his qui 
diligunt. 

Marburg Raul Egenolph, 1611: die Hoffnung, manchmal auch mit einem 
brennenden Herzen auf der band. Bergl. Frankfurt. 

Mes. Abrah. Faber, 1587--1615: Herkules und Gerberus, Umjchrift: Labor 
onınia vincit improbus. 

Mülhauſen. Peter Faber, 1558 1561: im einem Kranze ein Weib mit 
einer Geige und zwei Herzen über Inſtrumente hinfchreitend: Ut in velabro olearii. 

Nürnberg. Fr. Peypus, ſ. ©. 248. 

Tppenheim. af. Köbel, um 1500: eine Eule auf gotiſchem Ajt- und 
Blumenwerk. 

Prag. Mic, Peterle, Ende des 16. Jahrhunderts: zwei von Händen gehaltene 
Kerzen, die eine brennend, Umichrift: Praelueeamus. — Daniel Adam von Weles 
lavin: Wappen mit dem Hippogryphen. 

Sclettjtadt. Lazarıs Schürer, um 1520: Wappen mit einer Garbe. Vergl. 
Straßburg. 

Speyer. Konas Roſa, 1612: Jonas und der Fiſch mit dem Spruche: Fata 
viam invenient. 


326 Quellennachweiſe und Anmerkungen. 


Stettin. Joach. Rhete, 1608: Belifan. 

Straßburg. Leouh. und Lukas Alantiee, 15314 —1516: von zwei Greifen ae 
haltener Monogrammſchild, dahinter ein Baum; fie waren als Buchhändler in Wien 
etabliert. — Joh. Albert, 1532 —1536: Schild mit I und zwei Sternen, von Adam 
und Eva unter dem Baum der Erkenntnis gehalten; aud ohne Adam und Eva, 
die Schlange hält den Schild an einem Bande. — Mathias Apiarius (Bienen- 
vater), 1533 —1536: einen Honigbaum erjteigender Bär, am Boden eine aufge 
ichlagene Bibel, der Drud wie Waben gebildet, an denen Bienen nafchen. — Renatus 
Bed, um 1513: Wildpark, inmitten eine Tafel mit einem wilden Manne, der den 
Monogrammihild an einen Baum befejtigt, wahricheinfich eine Rompofition von 
oh. Wechtling. — Ant. Bertram, 1584—1619: zwei verbundene Hände mit einer 
Sonnenblumenftaude. — Wolfgang Cephalaeus Köphel 1514: ein Budelftein, ziwei mit 
dem Leib nach oben gerichtete und Sich umſchlingende Schlangen, auf denen die 
Taube des heil. Seiftes; auch ein überedgeftellter boflierter Steinwürfel mit der 
Umſchrift Oranium longe fortissime virtus ete. — Jakob Cammerlander, 1534— 
1548: Fortuna mit verbundenen Augen, einen Schild mit fünf Sternen haltend. — 
Sam. Emmel, 1561—1567: bärtiger Mann mit Bogen und Pfeilen und Spruch 
band: Scopus vitae meae Christus. — Blafins Fabricius, 1549: ein römiſcher 
Krieger hält einen Schild mit den Buchjtaben BF K, Umſchrift: Pietas et alma 
seientia hasta est men et clipeus meus. — Martin lad, 1475 —1522: wilder 
Mann und wildes Weib halten einen Schild mit dem Monogramm. — Martin 
Flach jun., 1501: eine Frau in bürgerlicher Tradıt hält eine Fahne mit den Ini— 
tialen, vor ihr der Schild M. Flachs des Ältern. — Hans Grüninger, 1483 — 1529: 
ichwarze Tafel mit den Anitialen in einem reife, daraus emporwaclend ein Kreuz 
mit der Lilie. Auch diefelbe Hausmarfe in einem offenen Buche, welches ein Adler 
hält, Spruchband: Sanctus Johannes. — Mathias Hupfuff, 1499—1520: Schild 
mit Monogramm. — Bernhard Kobin, um 1580: eine Amperatorenbüfte. — Jac. 
Jucundus, 1531— 1597: ein geigender Schwan mit dem Hexameter: Musae noster 
amor duleesque ante ommia Musae als Umſchrift. - Roh. Knobloch, 1504— 1528: 
die Wahrheit aus einer Kluft emporfteigend, Umjchriften: HAAHPEIA — Verum, 
yuum latebris delituit diu, emergit ete.; auch ein Schild mit drei Knoblauch 
pflanzen und den Initialen. — Erato Mylius (Kraft Mylleri, 1537—1549: ein 
Löwe, der eine Säule auf der Schulter trägt, hält einen Schild mit Simfon. Auch 
mit der Deviſe: Hostibus haud tergo sed forti peetore notus. — Koh. Pryß 
oder Preys, 14835— 1527: Schild mit Monogramm, auch lepteres ohne Schild. — 
Wendelin Rihel, 1535 —1555: die Sophroſyne als geflügeltes Weib mit Winter 
mas und Zaumwerl, Monogramm und Grabicheit im Schilde. Deſſen Erben, jo 
wie Joſias Rihel, 1562 —1612, und Theodofius Nihel, 1966 — 1505, wenden das 
jelbe Symbol in neuen Kompofitionen an. — Martin Schott, 140W—1498: ein 
Kohlkopf zwiſchen den Initialen. — Joh. Schott, 1500 —1536: eine ſchwarze Tafel 
mit den Initialen, das J durch einen Querbalfen als lateiniſches Kreuz gebildet ; 
auch die Initialen in einem Kreiſe, aus welchem ein päpftliches Kreuz aufjteigt. — 
Koh. Schott, um 1593: Schild mit fteigendem Löwen. — Math. Schürer, 1506— 
1521: Wappenjchild mit einer Garbe (vergl. Schlettftadt), dazu: Vivat Maxi. C.; 
ferner Schild mit dem Reichsadfer am Kreuzesſtamm von zwei Yöwen gehalten. — 


Quellennachweiſe und Anmerkungen, 827 


Georg Ulrider, 1529-1539: Pomona mit dem Füllhorn, auch mit der Legende: 
Cornu copiae — Nik. Wyriot, 1573 —1581: ein Greif auf der Glückskugel. — 
Yaz. Zegner, 1591 — 1620: Büfte der Minerva auf einer Quader mit der In 
ihrift: Scientia immutabilis. 

Tübingen. Thom, Anshelm, |. Hagenau. — Georg Gruppenbach, 1587: das 
Gotteslamm. 

Wien Lukas Alantſee, 1505 -1523, ſ. Straßburg. — Joh. Carbo (Hanns 
Khol, 1548 -1552: durch Kränze verbunden rechts das öſterreichiſche Bindenſchild, 
links ein Schild mit Schrägballen, auf welchem das Flugwerk eines Pfeils. — 
Stephan Creutzer, 1572 — 1594: die Steinigung des heil. Stephanus. — Blaſius 
Eber, 151-1575: Baum mit Schlangen, welche Spruchbänder halten: Estote 
prudentes et simplices. Vergl. Froben, ©. 248. — oh. Bapt. Hacque, 1663 — 
1678: von einer Hand gedrehte Spindel mit der Tevife: Ingenio et virib(us). — 
David Hault, um 1650 und 1657: vom einer Schlange umringt das Monogramm, 
aus dem eine Hausmarke mit zwei Ähren herauswächſt, Devife: Aeternitas. — 
Haph. Hofhalter (Skrzeluskt), 1556 — 1563: ein umfriedeter Apfelbaum, an dem fich 
ein Weinftod aufrankt, am Fuße desielben: Spes, als Umfchrift der PBentameter: 
Omnia spe florent prospiciente Deo. — Jeſuitendruckerei, 1559 — 1565: IH S 
in einem Strahlenfrange, Umichrift: Societas Jesu, auch mit dem Namen Jelus 
in lateinischen, griechiichen, hebräiichen und fyriichen Charakteren. — Nicol. Pierius 
(Bierer), 1589 — 1603: die Wiſſenſchaft als Königin, auf der Bruft die Ägis, die 
Linfe auf ein Buch geftüßt. -- Koh. Syngrenius (Zingriener), 1510 — 1545: Heiner 
Schild mit Monogrammt, auch größer und von den iymboliichen Thieren umgeben. - 
Hieronymus Vietor, 1510 — 131: Schild mit dem aus den Initialen und einem 
Kreuz gebildeten Monogramm. — Bet. Baul Vivian, 1676— 1683: Phönix mit dem 
Spruchbande: Neseit occasum. — Joh. Winterburg (Winterburger), 142 —1519; 
ein abwärts gewandter Pfeil von einer Schlange ummunden, darüber ein fateiniiches 
Kreuz, zu den Seiten die Initialen. — Mich. Zimmermann, 1553 — 1565: deſſen 
Wappen, und zwar das ältere, geiparrter Schild mit Kleeblatt im mittlern und je 
einem Stern in den äußern Feldern, und das jpätere, im welchem das Kleeblatt 
durch einen Löwen erſetzt it. 

Wittenberg. oh. Erato Kraft), 1540 —1577: Schild mit Monogramnmı, 
jpäter: die Dreieinigfeit. — Joh. Grünenberg, 1509 —1522: bewachjener Berg und 
die Initialen. — Koh. Lufft, 1525 — 1584: ein Schwert von zwei Händen gehalten 
und von zwei Schlangen umringelt, an der Spite desfelben ein Herz. — Georg 
Rhau Mhamı, 1520 — 1548: ein Schild mit dem von einer Schlange umwundenen 
Kreuz, in einer Titelumrahmung von 2. Cranach. Auch Arion auf dem Delphin. — 
Sam. Selfiih: Samuel jalbt David, dabei ein aus Pfeil und S gebildetes Mono 
gramm, welches auch auf Gabriel Schnellbolz gedeutet wird, 

Zürich. Chr. Froſchauer, ſ. S. 248, — Andr. Gehner, 1535 — 1560: Schild 
mit Monogramm, darüber Totenkopf und Sanduhr, das Ganze von Schlangen um— 
ringelt. 

54) Yippmann, Der italienische Holzſchnitt. Berge. Anm. 37. 

5) Auf die, namentlich von Silveitre für Frankreich und die Niederlande in 
ſehr großer Zahl geſammelten, Buchdruder- und Verlegerzeichen in andern Ländern 


828 Quellennachweiſe und Anmerkungen. 


iſt hier nicht näher einzugehen. Nur die Signete einiger der berühmteſten Firmen 
und ſolcher mit deutichen Namen mögen erwähnt werden. 

Aldus Manntius in Benedig führte einen Anker, um den jich ein Delphin 
windet; er beklagte ſich, daß ihm alles, jogar das Signet, nachgemacht werde, und 
in der That finden wir noch bei einem parijer Druder im 17. Jahrhundert, Rob. 
Coulombel, das Zeichen des Aldus. Die Giunta bedienten fi der Yilie von 
Florenz, auch in ihrer Niederlafiung zu Lyon, und auch dieies Symbol fand den 
Beifall verichiedener Nahahmer. — Gabriel Giolito de Ferrari in Venedig, um 
1556: aus einer mit den Jmitialen bezeichneten Vaſe jteigen Flammen auf, über 
denen Phönix und Spruchbänder mit De la mia morte eterna vita i vivo md: 
Semper eadem. 

Wolfgang Hopyl in Paris, 1459 — 1517: ein von zwei Bären gehaltener Schild 
mit einer Eiche, einem Kranich und dem Monogramm, darum reiches gotiiches 
Blatt: und Blumenwerk, Umſchrift: Venus munere vivit ete. Auch zwei große 
durch Wetten verbundene Reifen von Adlern gehalten, über dem obern eine Krone. — 
Yıdwig Horncken in Paris, 1511 -1512, der Aflocid Gottfried Hittorps in Röln, 
von 1513 bis 1525 in Leipzig: das Wappen Kölns von Löwe und Greif achalten, 


auf zwei Sprucdhbändern: O felix Colonia und Lodovievs Hornken. — Thiel 
man Nerver in Paris, 1497— 1522: Schild mit Monogramm und Hausmarke ven 
einem oder zwei Einhornen gehalten. — Jacques Kerver in Paris, 15955 — 158: 
Monogrammihild an einem Poftament, auf welchem eine Ähre zwiichen zwei Häh 
nen; auch ein Einhorn mit Schild. — Georg Mittelhus in Baris, 1184 - Im: 
Herz mit Kreuz und Monogramm. — Berthold Hembolt in Paris, 1491-- 118: 


zwei Knappen halten einen Flammenſtern, reiche Vegetation, Unterichrift: Berthul- 
dus R.; aud eine Monogrammicheibe, aus welcher das Jupiterzeichen empor— 
wächſt. — Konrad Reih in Paris, 1518—1523: von zwei Traden gehaltener 
Schild mit dem Bajeljtab. — Dasjelbe Wappen von einem Bajilisfen gehalten hat 
P. Bouchier in Bourges. — Geoffroy Tory in Paris, 1525 — 1550: eine zer- 
brochene Vaſe auf einem Buche ftehend, Devife: Non plus. Dieſes Signet findet 
ji) in den mannigfachiten Kompofitionen. — Georg Wolf in Paris, 1489 — Lam: 
die Buchitaben des Familiennamens in einem & (gotiich), aus welchen ein geometri 
iches Zeichen auffteigt. Gebrüder Bering in Yyon, 1545 —1552: zwei verichränfte 
Hände, die einen Fingerring halten, in letztern: Bona fide; auch ohne die Hände 
und mit: Sine fraude. — Johannes Clein, genannt Schwab, in Lyon, 1478- 

1519: Schild mit Monogramm und Doppelfreuz von zwei Löwen gehalten. — 
Mathias Husz in Lyon, 147871 — 1506: Schild mit Monogramm von einem wil 

den Mann und einer wilden Frau gehalten, gotiiches Blattwerf, — Jehan Trechſel 
in Lyon, 1488— 1498: jchwarze Tafel mit den Juitialen in einem Kreiſe mit Dop 
pelfreuz. — Nicolas Wolf in Lyon, 1498 —1512: ſchwarze Tafel, worauf weih ein 
herzförmiger Schild mit den Initialen. 

Chriſtoph Plantin in Antwerpen bediente jih am häufigiten und in vielfachen 
Kombinationen des Zirfels mit der Devije: Labore et constantia; doc fommt 
auch ein Weinftod mit dem Spruchbande: Christus vera vitis vor, ferner ein 
Baum, deilen Waſſerzweige ein Mann fappt, mit dem Herameter: Exerce imperia 
et ramos compesce Huentes,. — Ludwig I. Eljevier in Leyden, 1583 — 1617: ein 


Quellennachweiſe und Anmerkungen. 829 
Adler mit dem Pfeilbündel und Spruchband: Concordia res parvae ereseunt. — 
Bonaventura und Abr. Eljevier in Lenden, 17. Jahrhundert: Rebe um einen Baunt- 
ſtamm gewunden, Deviie: Non solus. — Daniel Eljevier in Amfterdam, 1654 
1680: Minerva unter einem Baume, Spruchband: Ne extra oleas. 

Joh. Roſembach in Barcelona, 1495 — 1498, in Tarragona 1499, in Berpignan 
1500, dann abermals in Barcelona: ſchwarze Tafel mit den Initialen und drei 
Sternen. 

56 Vergl. ©. 224. 

57) Thanfing und Folk, Tas goldene Buch von Prüm in: „Mittheitungen 
des k. k. Inſtit. f. öſterr. Geſchichtsforſchung“. 1. 1. Heft. Innsbrud 1879. Dajelbit 
ein Abdrud von der vordern Platte. Abbildungen beider Dedet bei Aus'm Weerth, 
Kunſtdenkmäler des chriftl. Mittelalters in d. Nheinlanden. I, 61: Nambour, 
Beiträge 3. Kunitgeich. d. M. A., T. 4,5: Chr. W. Schmidt, Kirchenmöbel und 
Utenfilien, T. 17. >») Wattenbad a. a. D. ©. NT fa. 12. Aufl. ©. 109. 

ss), Hahn, Das Psalterium Aureum von Sanct Ballen. St. Ballen 1878, 
S. 25. o) Wattenbad a. a. O. S. 220 fg. 

sc Wattenbadh a. a. O. S. 22, 

2) Abbild. Anzeiger des Germ. Muſeums 1884. Nr. 6, T, 

3, Wattenbadh a. a. O. ©. 227, Anm. 6. — Cundall, On bookbindings 
ancient and modern. London 1881. S. 23. 

6) Monuments incdits. 2. Ed. London 18614, 

 Wattenbadh a. a. O. ©. 222 fa. 

“Ma O. ©. 27. 

7) Burdhardt, Kultur der Renaiſſance. 3. Aufl. 1, 259. 

68) Le Roux de Liney. Recherches sur Jean Grolier, sur sa vie et 
sa bibliotheque. Paris 18606. 

6) HDD verichränft und cin Halbmond oder drei verichränfte Halbmonde, 
die häufig auf franzöfiichen Einbänden aus diefer Zeit zu Sehen find, werden auf 
Henri deur und Diana von Poitiers gedeutet, H und € verichränft auf Henri deur 
und Gatharine Medicis, doch jind die Erflärungen diefer auch in der Dekoration 
des Schlofies Anet, auf TCiron-Gefäßen und anderweitig vortommenden Monogrammte 
nicht ganz jichergeftellt. Vergl. über franzöfiiche Buchbindung: Marius Michel. 
La reliure francaise. Paris 1880, 

0) Steche, Zur Gejchichte des Bucheinbands. Dresden 1877. 

71 Die berühmten Gefäße von Diron Henri deny) find in ganz ähnlicher 
Weiſe deforiert, wie die Einbände Groliers, ımd, wie H. Macht nachgewieſen hat, 
mit Benutzung von Buchbinderjtanzen entjtanden; unter den Perſonen, welche aller 
Wahricheinfichfeit nach bei der Herftellung der Gefäße mitgewirkt haben, wird auch 
der Bibliothefar der Schloßherrin von Diron, Jean Bernart, namıhaft gemacht, 
leider aber nicht der Buchbinder. Bergl. Bucher, Die Faiencen von Diron. 
Wien 1878, 

2) Abbild. Kemper a. a. O. 1858. IV. 

3) Abbild. Lempertz a. a. O. 1857. V. 74) A. a. O. ©. 27—33,. 

75) Aus der reichhaltigen Litteratur über Buchbindekunſt können außer den be- 
reits citierten Werfen noch erwähnt werden: 


830 Duellennachtweile und Anmerfungen. 


Fritsch, Tractatus de typographis, bibliopolis, chartariis et bibliopegis. 
Jena 1675. Dasjelbe deutich, Regensburg 1750. — La Caille, Hist. de l’im- 
primerie et de la librairie. Paris 1689. — Baumgarten, Nachrichten von 
einer Halliichen Bibliothef, und: Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Halle 
1748 — 1758. — Dudin, L’art du relieur doreur de livres. Paris 1712. — 
Beyichlag, Beiträge zur Kumftgeichichte von Nördlingen. Nördlingen 1718— 
1800, — Dibdin, Bibliotheca Spenceriana. London 1814—1s815. — Teri., A 
bibliographiecal ete. tour in France and Germany. london 1821. — Ebert, 
Geſchichte und Beichreibung der K. Bibliothef zu Dresden. Yeipzig 1822, — 
Peignot, Essai hist. et archtol. sur la reliure des livres ct sur l’etat de 
la librairie chez les Anciens. Dijon 1834. — J. A. Arnett (G. Hannett). 
Billiopegia or the art of bookbinding. London 1835. — Derj., An inquiry 
on the nature and form of the books of the ancients with a history of the 
art of bookbinding. London 1837. — Shaw, Eneycelopaedia of ormament. 
London 1842. — Cahier et Martin, Melanges d’archtologie. Paris 1147— 
1856. — Uahier, Nouveaux melanges d’archcologie. Paris 1877. — La- 
eroix et Ser&, Le moyen-äge et la renaissance, Paris 1848-—1851. — La- 
eroix et Sere, Le livre d’or des metiers. Paris 1890-184. — Petzholdt, 
Urkundl. Nachrichten zur Geich. der ſächſiſchen Bibliothefen. Dresden 1855. — 
l,aeroix (le Bibliophile Jacob}, Curiosites de l’histoire des arte. Pari— 
I858. — J. et L. Techener, Histoire de la bibliophilie. Reliures ete. Paris 


1861 — 1864. — Waring. Masterpieces of industr. art at the internat. ex- 
hibition. London 1863, — Labarte, Hist. des arts industr. Paris I1864— 
1866; 2, Ausg. Ebd. 1872 fg. — Fournier, L'art de la reliure en France 


aux derniers sieeles. Paris 1866. — Die byzantinischen Buchdedel der St. Marcus 
Bibliothek in Venedig. Wien 1867, — Valentinelli, Di aleuni legature an- 
tiche di eodiei della Marciaua di Venezia. (Atti dell’ Istituto veneto di 
scienze ece.) Benedig 1867. — Brade, Illuſtr. Buchbinderbuch. 2. Aufl. von J. R. 
Herzog. Xeipzig 1568. — Lacroix, Les arts au moyen-äge et à V’epoque 
de la renaissance. Paris 1869. — Julien, Album de reliures artist. et bist. 


Paris 1869 — 1872. — Brunet, Etudes sur la reliure des livres. Bordeaux 
1873. — Bucheinbände aus der kunſtgewerbl. Ausjtellung in Brag. 1876. — Tooke. 
History of the art of bookbinding. (Art Journal.) London 1876. — La re- 
liure aneienne et moderne; planches, introduction par G. Brunet. Paris 
1878. — Michel, Essai sur la décoration extcr. des livres. Paris 1878. — 


Zähnsdorf, The art of bookbinding. London 1880. — Wheatley, Book- 
binding, considered as a fine art, mechanical art and manufacture. London 
IS80, — Blanc, La reliure. (Gazette des Beaux-Arts. I8&0, Olibr., Novbr. — 
Bauer, Handbuch der Buchbinderei. Weimar 1881. — Stodbauer, Abbil 
dungen von Muftereinbänden. Leipzig 1881. — Michel, La reliure francaise 
commerce. et industr. Paris 1881. 

Ferner die offiziellen Berichte über die Induftrieausftellungen jeit 1851, die 
Beitihriften: Art pour tous, Das Kunſthandwerk, Kunſt und Gewerbe ꝛc. 


Duellennachweiie und Anmerkungen. 831 


Fünftes Kapitel. 
Der buchhändlerijche Gefchäftsbetrieb bis zur Neformation. 


ı) Didot, Firm., Histoire de la Typographie, Paris 1882. ©. 715, 
und van der Linde, Gutenberg. ©. 94. 

2) Falk, %., Die Druckerkunſt im Dienfte der Kirche. Köln 1879. ©. 8, 
u. 9, wo dieje Stelle von Eſſenwein angeführt ift. 

3) Didot, Firm.. Alde Manuce. ©. 51, und Typographie ©. 633, Anm. 

) Schmidt, E., Zur Beichichte der älteften Bibliotheken in Straßburg. ©. 7 
su. 105. — Mayer, Ant, Wiens Buchdrudergeihichte. l, IH. 

5) Didot. F.. Alde Manuce. &. 163, und Kirchhoff aa. ©. l, 18. 

s, Faulmann, K., Illuſtrirte Gejchichte der Buchdruderfunit. Wien 
1882. ©. 90. 

7 Schmidt, C. a. a. O. S. 79 u. 80. 

5) Zarncke, F. Die deutſchen Univerſitäten im Mittelalter. Leipzig 1857. ©. 60. 

») Madden, I. P. A., Lettres d'un Bibliographe. V, 204 u. 205. 214 
ıt. 215. 

10) Herberger, Th., Zur Geſchichte der Einführung der Buchdruderfunit in 
Augsburg. Augsburg 1865. ©. T—1V, 

1) Madden a. a. O. V, 240; Kirchhoff a. a. O. II, 32. 

12) Archiv für die Geſchichte des deutichen Buchhandels. IV. Yeipzig 1881. 
S. 114. (Aufjap von W. Stieda, Zur Gefchichte des Buchhandels in Riga.) 
Zeitichrift des Vereins für Lübeckſche Geichichte. TIL, 254. 600, 

13) Haje, D., Die Koburger. Kapitel: Gejchäftsbetrieb und Verlag. ©. 21 
bis 57 u. 69. 

14) Rooses, M.. Christophe Plautin, le Typographe Anversois. An- 
vers 1882, ©. 229. 

15) Archiv. I, 51, und Soden, Fr. von, Beiträge zur Geſchichte der Refor— 
mation. Nürnberg 1855. ©. HT. 

16) Franffurter Stadtarchiv. Schreiben und Handlungen der Bücherinjpeftion 
zu Frankfurt a M. Meun Bände Mitpt. Folio. I: von 1569 bis 1617, 65 und 
»2—93 Ennen, 2, Seihichte der Stadt Köln. V, 376. 

17) Schmidt, C., a. a. O. S. 78 u. 7. 

18) Meyer, C., Die Buchdruckerkunſt in Augsburg. Augsburg 1840. ©. 20. 

19) Claudin, A. Origines de l’Imprimerie à Alhe. ©. 72 fg. 

20), van der Lindea. a. D. ©. 94, dem Mendes’ „Typographia Espanola“, 
©. 348—368, ald Quelle gedient hat. 

21) Archiv, B. IV, Aufſatz von Fr. Teutſch: „Deutiher Buchhandel in 
Siebenbürgen”. ©. 12—25. 

22) Madden.a. a. O. V, 244. 23) Dajelbit ©. 22. 

2) Claudin a. a. O. ©. 67. 

35) Kirchhoff, Beiträge. I, 70, und Didot, Alde Manuce. ©. 180. 

2) Stadtarchiv Köln, Kopierbuh 50. Fol. 154. Das Schreiben ift datiert: 


2. 
7, 


832 Quellennachweiſe und Anmerkungen. 


Der ſtat Baſell, 1519 Nr. 25. Der Verfaſſer verdankt dieſes intereſſante Aften- 
ſtück der Güte des kölner Stadtarchivars, Herrn Dr. V. Höhlbauer. 

27) Kirchhoff a. a. O. J, 118. 

»s) Madden a. a. O. IV, 19 und V, 226. 

29 Claudin a. a. O. S. 80. 

3», Ennen, L., Katalog der Inkunabeln in der Stadtbibliothef zu Köln. 
Köln o. J. ©. XXI. 

1) Schmidt, C., a. a. O. S. 85. 32, Derſelbe a. a. O. ©. 79. 

3) Derjelbe ©. 140 u. 141, 

3) Steiff, 8., Der erite Buchdrud in Tübingen (498-1534. Tübingen 
1881. ©. 4. 

35) Claudin a. a. O. ©. 45—53. Vermiglioli, G. B. Prineipj della 
Stampa in Perugia e suoi Progressi. Perugia 1820. ©. 65 fg. 

so) Frommann, Ed., Aufſätze zur Geſchichte des Buchhandels im 16. Jahr 
hundert. Xena 1881. IL, 90 fg., bearbeitet nadı Publicae Tabulae foederis initi 
inter primos Typographos Mediolani anno 1472 die 4 Junii in: Argelati, 
Bibliotheea seriptorum Mediolanensium. Mediolani 1745. J, 447 fg. 

37) Didot, F., Alde Manuce. ©. 233 u. 238. 35) Dajelbit ©. 258. 

9) Stodmeyer und Reber, Beiträge zur Basler Buchdrudergeichichte. Baſel 
1840. ©. 48 u. 49, 

40) Leipziger Rats-, Schöppen- und Gerichtsbücher. Nach einen erjt neuer 
dings gedrudten Vortrag von A. Kirchhoff. 

4) Stinking, H., Georg Tanners Briefe an Bonifacius und Baſilius Amer 
bad. Bonn 1879. ©. 22 u. 29. 

42) Giraudet, E., Une Association d’Imprimeurs et de Lihraires a Tours. 
Tours 1877. ©. 20 u. 50. 

Schmidt, E, ©. 45. M Daſelbſt ©. 117. 45) Dajelbit S. H. 124. 

4) Boos, H., Thomas uud Felir Platter. Leipzig 1878 ©. 88 u. 8; 
Kirchhoff, Beiträge. IL, 20. 

) Claudin a. a. O. ©. 5. 

48) Augsburger Stadtarchiv Steuerliſten. Archiv für die Geſchichte des 
deutſchen Buchhandels: Aufſatz von Kirchhoff L, 23; Aufſatz von Fr. Tenutſch 
IV, 22, 

4) Nach dem citierten erft jetzt gedrudten Bortrag von A. Kirchhoff. 

50) Didot, F., Alde Manuee. S. 114. Die betreffende Stelle lautet im Ori 
ginal: „Haec sunt graecorum voluminum nomina quae in Thermis Aldi Ro- 
mani Venetiis impressa sunt ad hunc usque diem seu primum octobris MIID 
Nam cum quotidie aliquis peteret quinam graeeci libri formis exeusi sint, 
ac quanti veneant ad minimum quod vel ipse seire cuperet, vel ad amicos 
id eupide efflagitantes mitteret, pertaedebat toties idem seribere oecupa- 
tissimum hominem.“ 

51) Une Visite a la Bibliotheque de l’Universit® de Bäle par un Biblio- 
phile Lyonnais. Lyon 1880. &, 41 u. 42, 

52) Kirchhoff im Archiv für die Gejchichte des deutjchen Buchhandels. 11, 
©. 41 u. 0. 


Quellennachweiſe und Anmerkungen. 833 


>53) Rooses, Max, Christoph Plantin. S. 254— 256. 

>) Stodmeyer und Reber a. a. O. ©. 91 u, 9. 

55) Geiger, %., Nenaiflance und Humanismus in Jtalien und PDeutichland. 
Berlin 1882. ©. 482. 

56) Roth, R., Das Büchergewerbe in Tübingen von 1100 1800. Tübingen 
1880. 5. 63, und Steiff, K., Der erſte Buchdrud in Tübingen. ©. 21 u. 22 fg. 

>”) Das Chronifon des Konrad Pellikan, herausgegeben von Bernd. Riggen- 
bad. Bajel 1877. ©. %. 

ss) Didot, F,, Alde Manuce, ©. 414. >) Stintzing a. a. O. © 20, 

so) Strauß, D. F., Ulrich von Hutten. Leipzig 1885. Il, 295 u. 296. 

sı) Zeltner, G. G., Kurzgefaßte Hiſtorie der gedruckten Bibelverſion und 
anderer Schriften D. Mart. Lutheri. Nürnberg und Altdorf 1727. ©. 37, Anm. k, 

s) Schmidt, C., a. a. O. S. 118. 63) Chronikon Pellikans. ©. 107, 

6 Soden a. a. O. S. 14. 65) Kirchhoff a. a. ©. II, 111, 

6) Herzog, I. Z., Leben des Ofolampadius. Baſel 1843. Anm. ©. 256. 

6) Stinging a. a. O. ©. 29. 

63) Kirchhoff, Beiträge. IL, 110—112. 

69) Derſ. im Archiv f. Geichichte d. deutichen Buchhandels. IX, 33. 

0) Ballmann, Heinrih, Sigmund Feyerabend. Frankfurt a. M. 1881. 
5. 2, 8, 31. 

zu) Meyers Promptuarium im Archiv der Stadt Zürich, und: Virorum cla- 
rorum et doetorum ad Melch. Goldastum Epistolae, Francof. et Spirae 1688, 
S. 137, 147. 162. 216. 362, 374. 406 u. 407, 

72 Stieve, F. Über die älteften halbjährigen Zeitungen oder Mefrelationen 
und insbejondere über deren Begründer Freiherrn Michael von Wiging. München 
1881. ©. 24. 

3) Jubiläumszeitung des Hamburgiichen Korreipondenten. 1880, 

74) Die hier angeführten Fälle finden jih in: C. Schmidt a. a. D. ©, 81 
u. 140; Bellifan a. a. ©. S. 27 u. 75; Sale a. a. O. ©. 40; Steiff a. a. O. 
>. 76; Kirchhoff a. a. O. ©. 70; Glarean an Zwingli unterm 1. November 
1520; Kirchhoff im Archiv. I, 49; Stodmeyer und Reber a. a. D. ©. 39; Hagen, K., 
Deutfchlands litterarische und religiöfe Berhältniffe. Erlangen 1841. S. 417; Didot, 
Alde Manuce. ©. 303 u. 331; fowie Geiger, L., Johann Reudlin. Sein Leben 
und feine Werke. Leipzig 1871. ©. 68—T4. 132, 

5) Hain, L., Repertoriam Bibliographicum. Stuttgart 1831—1837, III, 
23T 20, 

6) Daſelbſt III, 119—124. 7) Daſelbſt IV, 507—511. 

5) Falk, F., Die Drudkunft im Dienfte der Kirche. ©. 30. SO—8. 
9, 104— 107. 

9») Madden a. a. D. V, 20%. so) Dajelbit V, 210, 

sı) Kobergers Bedeutung als Buchhändler it durch Oskar Hajes vortrefi- 
liche Schrift: „Die Koburger, Buchhändlerfamilie zu Nürnberg“ der Mitwelt wie- 
der vor die Augen geführt worden. Der Verfaſſer des vorliegenden Werkes ver- 
dankte der Güte des Dr. %. Sieber, Oberbibliothefars in Baſel, die erfte Ein- 
fiht in die im Archiv dieſer Stadt anfbewahrte Sammlung von 123 Briefen, 

app. 1. 53 


— — — 


834 Duellennachweife und Anmerkungen, 


welche die Herjtellung des erwähnten großen, auf Kobergers Koſten von Amerbadı 
und Petri gedrudten Werkes beiprechen und, wenn auch ımvollitändig erhalten, 
doch einen jelten reihen Schaß von authentischen Thatjachen über die damalige 
Buchdruder- und Verlagsthätigkeit in jich bergen. Dr. Haje, vom Verfaſſer dar: 
auf aufmerfiam gemacht, hatte diplomatiich genaue Abjchriften dieſer Briefe von Dr. 
Sieber erhalten und diejelben — als Anhang zur zweiten, während des Druds 
diefes Bandes erichienenen zweiten Auflage feines Werkes beſtimmt — bereits 188] 
feßen laſſen.“ Diejer Abdruck bildet auch die Grundlage für die Darftellung im Terte. 


Sechſtes Kapitel. 
Der Buchhandel im Berhältnis zum Humanismus. 


ı) Burdhardt, J., Die Kultur der Renailfance in Stalien. 3. Auflage 
von 2. Geiger. Leipzig 1877. I, 220, 

2) Geiger, 2, Renaifiance und Humanismus in Italien und Deutichland. 
Berlin 1882. ©. 323 fg.; Neuere Schriften zur Geichichte des Humanismus von 
demjelben, in Sybels Hiftorischer Zeitichrift. XXXIII, 49—125, und Johann Reuchlin, 
Sein Leben und jeine Werke von demjelben. Leipzig 1871. 

3) Mayer, A., Wiens Buchdrudergeihichte. Wien 1883. J, 161. 

4) Mayer a. a. O. ©. 21. 

5) Geiger, Renaiſſanee und Humanismus. ©. 528, 

6) Geiger a. a. O. ©. 537-599. 

?) Didot, F., Alde Manuce, S. 220, ®) Kampichultea.a. O. I, 236. 

s Horamig, Zur Biographie Reuchlins. ©. 68. 

10) Bajeler Taſchenbuch von echter. 11. Jahrgang. ©. 174 u. 187. 

11) Kampſchulte a. a. O. I, 82. Didot a. a. D. ©. 2m. 

12) Horamwiß, Der Humanismus in Schwaben. ©. 23, 

3) Didot aa. D. ©. 29. 

1) Schück, J., Aldus Manutius und jeine Zeitgenofjen in Italien und Deutich 
land. Berlin 1862. ©. 82. 

15) Didot a. a. O. ©. 331. 16), Didot a. a. ©. 180, 

17) Didot a. a. O. ©. 240. 241. 18) Didot a. a. O. ©. 2%. 

19) Steiff, K., Der erfte Buchdrud in Tübingen. Tübingen 1881. S. 106. 

20) Hor awitz, Erasmiana. II, 30. 

21) Horamwiß, Humanismus in Schwaben. ©. 58. 

22) Kampſchulte a. a. D. I, 2583. 257. 23) Dajelbit I, 64. 

24) Strauß, Ulrich von Hutten. I, 289. 2), Steiff a. a. O. S. m. 

26) Daſelbſt S. 218. ar) Strauß a. a. O. Jl, 235. 25) Dajelbft I, 237. 


Quellennachweiſe und Anmerkungen. 835 


Siebentes Kapitel. 
Luther. (Der Buchhandel und die Reformation.) 


ı) Herzog, 3. J. Das Leben Johann Öfolampads. Baſel 1843. I, 80. 

*ı Yuthers Werke. Kritiſche Sefamtausgabe. Weimar. I, 1883. II, 1885, 

3) Zwinglii opera; eur. M. Schuler et J. Schulthess. Vol. VIH. Turiei 
1830. p. 61. 

ı) Agrippae a Netterheim, Corn., opera. 1, 748. 

>) Teutſch, F., im Archiv f. Geſchichte des deutichen Buchh. IV, 24. 

6) Petzholdts Anzeiger f. Bibliographie u. Bibliothekswiſſenſchaft. 1882. ©. 59. 

7) Une visite ete. p. #2. s, Dafelbit ©. #3. 

Soden a. a. O. ©. 75. 123. 127. 142. 

ı0) Kampſchulte a. a. O. IL, 4. 

n) Dobel, F., Memmingen im Reformationgzeitalter. Augsburg 1877. 
©. 2—31. 

12) Hagen, K., Deutichlands religiöfe und litterariiche Verhältniffe im Re— 
formationgzeitalter. Erlangen 1841—1844. II, 159. 

13) Soden a. a. D. ©. 170, 1) Kampſchulte a. a. O. II, 19. 

15) Grenzboten 1878. Nr. 34. ©. 281-301. 

16) Kirchhoff im Ardiv. I, 20. 2) Soden a. a. D. ©. 202. 209. 

ıs) Wiedemann, T., Die kirchliche Büchercenſur in der Erzdiözefe Wien. 
Wien 1873. L, 31. 

is) Baumann, F. L., Alten zur Geichichte des Bauernfrieges in Ober: 
Schwaben. Freiburg 1877. ©. 58. 144. 41. 616, 

20) Sodena. aD. ©. 22-204. 21) Wiedemann a. a. D. I, 50. 

22) Fechner, H., Bier jeltene Schriften des 16. Jahrhunderts. Berlin 1882, 

23) Scherr, %., Geichichte der deutichen Litteratur. ©. 29%. j 


Achtes Kapitel. 
Die franffurter Meſſe. 


ı) Wattenbach, W., Das Schriftwefen des Mittelalters. 2. Aufl. Leipzig 
1875. ©. 416, 
2) Schmidt, E., a. a. O. ©. 155. 
3) Ballmann, 9. im Arhiv IX, 240. 241. 
ı) Schmidt, C. a. a. O. ©. 81. ») Steiffa. a. O. S. 13. 14. 
6) Archiv f. d. Geſchichte d. deutichen Buchhandels. IL, 50. 60. 
7) Dajelbjt IV, 215. #) Dajelbit IL, 58. 59. 9) Dajelbjt II, bl. 
10) Kirchhoff, Beiträge. Il, 148. 
53 * 


836 Quellenuachweiie und Anmerkungen, 


11) Tychſen, Gejchichte der Univerfitätsbibliothef in Roftod. Rojtod 17%. 2.2. 

22) Schmidt, E., a. a. O. S. 172. 182. 191. 

ı3) Willems, A., Les Elzevier. Bruxelles 1880. S. XLVU. 

14) Schott, Th., im Archiv UI, 214— 251. 

15) (Bögelin,) Ehriftoph Frofchauer, erfter berühmter Buchdruder in Zürich. 
Züri 1840. ©. >. 

16, Shumader, A., Gelehrter Männer Briefe an die Könige in Dänemart, 
vom Jahre 1522 bis 1665. 1. Tl. Kopenhagen 1758. S. 201. 

17) Archiv. IL, 57. 18) Dajelbjt IX, 97. 

13; Ballmann, D., Ein Meßregiſter Sigismund Feyerabends aus dem Jahre 
1565, im Archiv. IX, 5—46, und Bemerkung von W. Kirchhoff dazu S. 242. 249. 

20) Archiv II. 38. 21) Dajelbit VIII, 41—43. 2) Dajelbjt VI, 269. 36. 

3) Dajelbit II, 62. 

24) Nach Ercerpten U. Kirchhoffs aus dem leipziger Stadtarchiv. In der 
Bibliothef des Börfjenvereins. 

3) Ardiv VI, 112. 26) Dajelbjt II, H7—62. 

27) Das Driginal befindet ſich jegt durch die Liberalität des Herrn Kom 
miffionsrat H. Klemm in Dresden in der Bibliothef des Börſenvereins der deu 
ſchen Buchhändler. 

28) Archiv II, 48. 51. >. 

29) Über die Mefkataloge überhaupt vergl. Guſt. Schwetichfe, Codex nundima- 
rius Germaniae literatae bisecularis. alle 1850. Fol. 

30) Archiv VII, 84. 1) Dafelbft VI, 74. 

32) Der Titel diejes erjten Meffatalogs lautet: Novorum librorun, quos 
nundinae autumnales, Francoforti anno 1564 celebratae, venales exhibuerunt. 
Catalogus. Adexterorum Bibliopolarum, omniumque rei Literariae Studio- 
sorum gratiam et usum coëmpti, & venales expositi: Augustae in offieina 
libraria Georgij Vvilleri, eivis & Bibliopolae Augustani. Inserti sunt his 
nonnulli, ijdemque perpauci vetustioris editionis libri, ob raram eorum & 
insignem utilitatem commendabiles & iam multoties a doctis viris expetiti. 
Anno a salutifero Virginis partu, M. D. LXIIII. (19 Seiten 4.) Eins der be 
fannten 4 Eremplare diejes Katalogs bejibt die Bibliothet des Börjenvereins der 
deutſchen Buchhändler in Leipzig, deren Sammlung von Meflatalogen wohl die 
bis jegt vollſtändigſte jein dürfte. 

s) Ballmann, 9., Sigismund Feyerabend. ©. 82. 

») Schwetſchke aa. O. 5. XV. 

35) Vergl. den betreffenden Bericht des Syndikus Dr. Kaſpar Schacher bei 
Schwetſchle ©. KV—XVI. 

s) Ballmann a. a. O. S. 86. 

37) Index novus librorum in primis eatholicorum theologorum, tum 
aliorum quoque celebriorum auctorum quarumque facultatum & linguarum. 
causas religionis tamen non tractantium. Qui in isto semestre undecunque 
vel omninö novi, vel denuo Forma, seu Loco, à prioribus editionib. diversi. 
vel accessione aliqua locupletiores, in lucem prodierunt, pro Italia, Hıs- 
pania, lIaponia, Francia, Polonia, Hungaria, Bohemia, Ke. aliisque Catholieis 


Duellennachweife und Anmerkungen. 837 


Regnis & Provinciis recens confeetus: Mandato speciali S. Sedis Apost. & 
Sacrae Caes. Maiest. Impressus Moguntiae apud Balthasarum Lippium, 
Anno Christi M.DC.XI 34 Seiten 4., die lebten 4 Seiten ein alphabetiiches 
Namenregiſter der Autoren enthaltend. (In der Bibliothek des Börjenvereins der 
deutichen Buchhändler.) 

38) Index autumnalis librorum (u. ſ. f. wie vorstehend, bis tractantium). Qui 
a tempore vernali usque ad hoc autumnale, Anni Christi 1615 undecumque 
vel omnino novi, vel denuö forma seu loco à prioribus editionibus diversi, 
vel accessione aliqua locupletiores prodierunt: ad commodum Reipub. 
Christianae, et pleraramque Provineiarum utilitatem confeetus. Mandato 
speeiali Superiorum. Impressus Francoforti apud Wolfigangum Richterum. 
M.DC.XV. 19 Bl. 4. 

3) Schwetſchke a. a. O. ©. XIX. 

40) Catalogus. Hoc est designatio omnium librorum qui hisce nundinis 
et sequentibus in nova Offieina Henriei Kröneri prostabunt. (4 Seiten 4. 
In der Bibliothek des Börſenvereins der deutſchen Buchhändler.) 

a) Schwetſchke a. a D. S. XX, Anm. 23, 

2) Beide Ausgaben in der Bibliothek des Börfenvereins, Über Näheres vergl. 
Arhiv IX, 24-250. 

3 Kirchhoff, U, Die Anfänge des leipziger Meßkatalogs. (Archiv VII, 
101—122.) Derfelbe, Weiteres über die Anfänge bes leipziger Meßkatalogs. 
(Archiv VII, 22—27,) 

4) Archiv IX, 171. 96. 

#5) Die Gebrüder Johann und Heinrich Stern in Lüneburg fagen in einer 
Eingabe an den Herzog von Braunjchtweig vom 29. Auli 1637, daß fie fih „alß 
ehrliche handelsfeuthe, ohne Ruhm, Gott zu ehren, vndt dem Evangelifchen weſen 
zu Dienjt, der Kunjt Drüderey bejliegen“, und in einer frühern vom 16. Februar 
1630: „Weiln nun gleihwol einmahl gewiß, das wir, ohne vppigen rhumb zu— 
melden, alle vnſer vermögen auff die Buchtrüderei gewandt, alles auff guet Papir, 
in bequemer form, gar correct, mit offt vmbgegoßen, vnd verenderten jcharffen 
Typis, zu Mennigliches satisfaction, leſerlich, vnd ſchön trüden Taken, auch dar- 
bei mit ungeziemender vnChriftlicher vberfegung vnſers negften, vnſere vnuerandt⸗ 
tworttliche zugenge nicht, jondern vielmehr aus Ehriftfiher Deuotion, und Tiebe der 
Kirchen, Schulen, vnd des gangen Euangelifchen weſens nuß, vnd frommen geſuchet, 
und, vnſerm jchlechten, geringen vermögen nad, vortgeftellet, Inmaßen wir dan 
ſolche vnſere Ehriftliche jntention, noch vmb fo viel defto mehr öffentlich zu con- 
testiren, die vnß biß anhero häuffig angeftalte Politiiche Bücher, die vnß fünften, 
gleichſamb unter den henden, wol hetten wegfgerißen, vnd wir vnß dadurch inner- 
halb kurtzer Zeitt nicht weniger alß andere gethan, mit ehren, vnd guetem titul], 
bereichen können.“ (Archiv VIIL, 68.) 

46) Archiv 1, 83. #7) Daſelbſt VIII, 69. 43) Dajelbft IX, 171. 

4) Daſelbſt I, 82. 50) Kirchhoff, Beiträge. II, 126. 

51) Archiv VIII, 67. 69. 73. 52) Dafelbft VIII, 66— 73. 

53) Dajelbft VIII, 88. 

>54) Rooses, M., Christophe Plantin. imprimeur anversois. Anvers 1882, 


838 Quellennachweiſe und Anmerkungen. 


5) Willems, A., Les Elzevier. Bruxelles 1880. p. X—XIL 

56) Daſelbſt S. XLVI—XLVII. 57) Daſelbſt S. CXXXIX. 

380) Daſelbſt S. CLVIII. 53) Daſelbſt S. CLXXXII. 

6) Daſelbſt S. LI. 61) Daſelbſt S. (XVIII. 

62) Daſelbſt S. LXXIII. LXXIV. 3) Daſelbſt S. CCXLVI. CC. LL 


Neuntes Kapitel. 
Die Büchercenfur uud die Preßverfolgungen. 


1) Zeller, Philoſophie der Griechen. I, 4. Aufl. ©. 946. 

2) Annales. IV, 34. 35. 

3) Kichhoff, Beiträge, I, 42. Ennen, %., Katalog der Inkunabeln der 
Stabtbibliothef zu Köln. ©. XXII. 

) Rapp, &, IL, 48. 

5) Ranke, 2. von, Deutſche Geſchichte im Zeitalter der Reformation. 1, 38. 

6) Bawel, %., Die litterarifchen Reformen des 18. Jahrhunderts in Wien. 
Wien 1581. ©. 19, 

7) Wiedemann a. a. O. ©. 4. 

8) Schloffar, A., Grager Buchdrud und Buchhandel im 16. Jahrhundert. 
Im Archiv IV, 62-68. 

9) Archiv IX, 148. 

ww) Heigel, 8. Th., Cenfur in Altbayern. Jm Archiv II, 6—10, 

ı1) Geſchichte der älteiten Bibliotheken und eriten Druder in Strahburg. 
©. 86 fg. 

12) Soden a. a. D. ©. 24. 13) Dafelbft ©. 278. 14) Archiv IV, 251. 

15) Meyer, F. L., Die Buchdruderkunft in Augsburg bei ihrem Entjtehen. 
Augsburg 1840. ©. 73, 

16) Dajelbit S. 79. 17) Mitgeteilt im Archiv IX, 238 fg. — 

15) Roth, R., Das Büchergewerbe in Tübingen vom Jahre 15000 180. 
Tübingen 1880, 8. Steiff, Der erfte Buchdrud in Tübingen (1498— 1534. 
Tübingen 1881. 

19) Archiv II, 242. 249. 

20) Kirchhoff, A., Beitrag zur Geſchichte der Entwidelung der Cenſurver 
hältniffe. Im Archiv V, 165 fg. 

21) Zum Gedächtniß der vierten Säcularfeier der Erfindung der Buchdruder 
funft zu Heidelberg am 24. Junius 1840, Heidelberg 1840. ©. 78. 79. 

22) Kirchhoff, A., Johann Herrgott, Buchführer von Nürnberg, und jein 
tragiiches Ende 1527. Im Archiv I, 15-55. 

23) Die Darftellung der ſächſiſchen, ipeziell der Leipziger Cenſurverhältniſſe 
gründet ſich faſt ausſchließlich auf die Mitteilungen von A. Kirchhoff im Archiv, 
vor allem auf deilen „Die kurſächſiſche Bücher Kommiſſion in Leipzig. I. Bis zum 
Abſchluß ihrer Organijation“. (IX, 47—176.) 


Quellennachweiſe und Anmerkungen. 839 


24) Archiv VIII, 104 fg. 

»5) Kirchhoff, A, Beiträge zur Geſchichte der Preßmaßregelungen und des 
Berfehrs auf den Büchermeſſen im 16. und 17. Jahrhundert. Im Archiv I, 33 fg. 

26) (Günther, €. F.,) Commentatio de fatis libelli Carpzoviani, eui 
inseribitur: Peinlicher Inquiſitions- und Achtsprozeß caet. Leipzig 1850. 
Programm.) 

27) Archiv IX, 142 fg. 25) Archiv IX, 242. 

29) Forordning om Danste Böger ſom paa fremmede Steder tryckis oc her 
vdi Riget indföris. Slot Schanderborg, 23. Januarij, Anno 1617. (In der 
Bibliothek des Börfenvereins der deutichen Buchhändler.) 

30) Archiv VIL, 267. 268. 


Zehntes Kapitel. 
Die fraukfurter Bücherkommiſſion. 


11Häußer, L., Geſchichte des Zeitalters der Reformation. Berlin 1868, 
S. 478. 

2) Die ganze Darſtellung in dieſem Kapitel beruht faſt ausſchließlich auf den 
Alten des frankfurter, wiener und zum Teil des dresdener Archivs. 

3) Auch bei Kirchhoff im Archiv IV, 105 fg. 

) Stinping a. a. O. 1, 333. 

3) Vergl. Kirchhoff, Ein Neformveriuc aus dem Jahre 1668, (Archiv I, 78 
ig. und Archiv VIIL, 76— TA.) 

6) Archiv IV, 161. 

7) Bergt. auch: Kirchhoff, Ein „Localverein“ im 17. Jahrhundert. Frankfurt 
am Main 1669. (Archiv IV, 151—161.) 

») Verboten war den Juden der Handel mit Büchern nicht. Sie hatten die 
nen auflonmende Waare ebenfo in ihren Geichäftskreis gezogen, wie die chriftlichen 
Raufleute, und wie aus dieſen, entwidelten jich nad) und nach aus den mit Büchern 
handelnden Juden auch jüdiihe Buchhändler. Gab es doc ſogar jüdiiche Buch- 
drudereien; eine in Ols bejtchende wurde 1536 durch Sturm verwüfte. Speziell 
in Frankfurt, von dem hier hauptſächlich die Rede ift, finden ſich mehrfach jüdische 
Buchhändler. So lieh der Jude Simon zum Gembs in den Jahren 1578 fg. bei 
Ambrofius Froben in Bafel den Talmud druden, wie es jcheint jogar als Ber: 
treter einer jüdiſchen Verlagsgenoſſenſchaft. (Vergl. 9. Pallmann, Ambrojius 
Froben von Bafel als Druder des Talmud. Im Archiv VIII, 4—61.) — In 
der Natur der Sache lag es, daß die jüdiichen Buchhändler ſich auf Verlag und 
Bertrieb jüdifcher Pitteratur legten, für die fie ja bei ihren Glaubensgenofien ein 
fruchtbares Feld der Thätigfeit fanden. Erft nach längerer Zeit jcheinen ſie ſich 
auch mit andern Zweigen der Litteratur befaßt zu haben. In Frankfurt war es 
1614 den Juden ausdrüdlic; verboten worden, mit eingebundenen Büchern zu 
handeln — implicite ein Beweis, daß ihnen der Buchhandel an fich nicht verboten 


840 Duellennachweije und Anmerkungen. 


fein konnte. Mber mit der Zeit jcheint dieſe Beltimmung, jedenfalls aud wegen 
Seldbedürftigfeit mancher chriftlichen Buchhändler, in Vergeſſenheit geraten zu jein, 
und auch die im Terte erwähnten Klagen dürften vorläufig feinen Erfolg gehabt 
haben. Erit lange nachher, am 19. September 1686, richteten die franffurter 
Buchhändler eine Eingabe an das Bücherfommiflariat, worin fie die Urjachen der 
eingerifienen Übelftände folgendermaßen darftellen. „Die Practiquen aber Vnd 
verbotten Weg“, heit e3 darin, „Durch welche die Juden jo hoch geitiegen, beitchen 
vornemlich darinn, daß Sie dürfftige Druckgeſellen vnnd Jungen dahin bereden und 
verführen, dab Sie verbottenerweiß Ahnen bey auflegung der Bücher einen jchr 
großen nachſchuß auff 200 biß 300 Exemplaria Thuen lajjen, und weil Sie jolche 
wohlfeil haben und weith geringer geben fünnen alß der Verleger, jo wird ſolcher 
in jehr großen Schaden gejezet, ia wohl gar ruiniret. 2) jo willen Sie der Buch: 
händler Gefinde zu verleithen, daß Sie viel Bücher Jhren Herrn entwenden, und 
Ihnen den Juden vmb ein geringes zu bringen, und weil Sie ſolche wieder ver- 
fauffen, jo wächſet dehnen Buchhändlern gedoppelter Schaden Zue. 3) verleithen 
Sie verarmbte Buchführer, daß Sie auf eredit ziembliche anzahl Bücher ben an 
dern Buchhändlern nehmen, jo jie den Juden ſehr wohlfeil wieder zujchlagen, Jene 
aber betrügen, 4) weilen jehr Biel von denen Buchhändlern Vnnd Drudhern, ben 
ichlechten Mitteln jeind, Vnnd geld bedürfen, jo müßen Sie den Juden 40 biß 
50 pro Cento geben, wie Sie dann dergleichen Interesse abzuführen nicht ver 
mögen, jo befommen Sie nody Vber dißes dero Bücher vor ein jpott, oder obli- 
giren Sie dahin, daß Sie Sie unter der Spedition Ihres Nahmens Jhr ohn und 
Privilegirte Bücher Drudhen laßen müßen, wordurch Sie zu gleih Kayſerliche 
Privilegia mißbrauchen, dero genuß Ihnen alfo Verbottener weil; zu wächſt. Ja 
Sie vnterſtehen ſich heimblidh große und importaute Bücher mit fälihlih auf- 
trudung des Kaykerlichen Adlers und Brivilegien nadı zu Truckhen und auf Zu— 
fegen, welche über diß Sich ſehr vitios befinden, der geftalt daß mehrmahlen der 
ganze Sensus turbiret und eorrumpiret ift, und Zwar jolde Bücher, woran dem 
ganzen Römiſchen Reich viel gelegen, daß ſolche wohl und recht corrigiret wer- 
den mögen. Bey andern nach Trudhen aber, behalten Sie je zu weihlen die 
alten Jahr Zahlen und jezen daß auf ſolche Zeit ertheilte Brivilegium mit bey, wie 
mit etlichen Topographieen, Hornaei Ethica, Josaei Medulla und andern mehr 
beihehn wordurch das Kayſ. Commissariat nicht wenig defraudirt und die Kani. 
Privilegia mißbraucht werden.” Beranlaffung zu diefer Eingabe gaben die damals 
wieder einmal auftauchenden Klagen über den Verfall des Buchhandels, die nächte 
vielleicht eine Bittichrift der Frankfurter Bücher Juden, wie fie fih einmal unter 
zeichnen, an den Kaifer. Am 28. Mai 1685 waren nämlich die Kinder und Erben 
des Anjelm (Ambjel, Amſelleß) zur Menien und David zum Schiff bei dem 
Kaiſer darum eingefommen, daß ihnen das dem Amſel und David erteilte Buch— 
handelsprivilegium nach dem Tode des Erjtern bejtätigt werden mödte. Die 
Bücherkommiſſare waren jedenfalls beauftragt geweien, über dieſe Angelegenheit 
Bericht zu erjtatten. Unter dem 14. Juli 1685 jchreiben fie nach Wien, die Buch— 
führer (natürlich die Frankfurter) beffagten ſich faſt allgemein, daß ihnen von den 
Juden großer Eintrag im Haubel gejchehe, indem dieſe es durch einen großen 
Vorrat von Büchern, die fie mittels allerhand Praktiken an jich brächten, folglich 


Ouellennachweile und Anmerkungen, 841 
. 

wohlfeiler verkaufen könnten, dahin brächten, daß den Buchführern ihre Bücher 
liegen blieben. Aber, fügen die Bücherlommillare Hinzu, die Buchführer ſeien jelbft 
daran ſchuld; Mancher unternehme den Verlag foftipieliger Werte, ohne die Mittel 
dazu zu haben, und juche diefe dann bei den Juden; wenn dann, wie es oft ge: 
ichehe, der Buchführer nicht jolvent jei, jo mülle der Jude, um zu jeinem Gelde 
zu gelangen, nolens volens Bücher anjtatt Geld annehmen, deren Berlauf ihm 
dann micht wohl zu verbieten fein würde. Es jollte, meinen fie, den Juden ver- 
boten werden, Buchführern ferner Geld vorzuſchießen, dieſen aber, bei jenen Geld 
aufzunehmen oder jelbige heimlich zu fih in den Buchhandel zu ziehen, und zwar 
bei namhafter Strafe. Im folgenden Jahre erftatteten dann die franffurter Buch- 
händler den oben angezogenen Bericht an die Bücherkommiſſion. Wenn nun aud) 
hier, wie in den meijten jolchen Schriftitüden, die Farben ziemlich ſtark aufgetragen 
jein mögen, jo war doch gewiß die Konkurrenz der Juden jo drüdend geworden 
— vielleicht wirkte auch hier und da der Wunjch mit, fich der den Juden gegen: 
über eingegangenen Berbindlichfeiten möglichjt leicht zu entledigen — dab die 
iranffurter Buchhändler ſich erboten, den Juden die bereits in ihren Händen be- 
findlichen Bücher ballenweije gegen den üblichen Preis abzunehmen. Wenn ihnen 
dies nicht anftünde, möchten fie diejelben in ein bejonderes Magazin jtellen, darüber 
ein Inventar aufnehmen und jie in einen gewillen Preis fegen und durch dafige 
Buchhändler verkaufen lafien. Wollten jie aber jelbige jelbjt verfaufen, jo müßten 
jie ein gerichtliches Inventar der Vorräte aufftellen fafien und dann Buch und 
Rechnung darüber führen, an wen und wann fie ein jedes Stüd verkauft hätten. 
Verlauften fie dagegen irgend ein in dem Inventar nicht enthaltenes Buch, jo müßten 
fie jedesmal eine hohe Strafe verwirft Haben. Übrigens follte den Juden der 
Buchhandel dergeitalt verboten werden, daß ihnen nicht erlaubt jei, mit jemand 
öffentlich oder heimlich einen Handel betreffend Bücher zu ichließen, ſolche zu ver: 
legen, Geld darauf oder auf Drudereien vorzujhießen, und wann jie in Verluſt 
gerieten, jollten fie mit dem Erlöje der etwa zu verfaufenden Bücher zufrieden fein. 
Den Buchhändlern jefundierte durch einen Bericht an den Kaijer vom 10. Januar 
1687 der Kurfürjt von Mainz — ob durch Sewillensbedenfen dazu gedrängt, oder 
duch die Buchhändler veranlaßt, muß dahingeftellt bleiben. Die Frankfurter 
Juden, jchreibt er, hätten fich ſeit einiger Zeit unterftanden, ji) den Handel mit 
allerhand mweltlihen und geiftlihen Büchern anzumaßen. Hierdurch hätten fie mur 
mehr Gelegenheit die chriftliche Religion zu läftern und derjelben zu jpotten, audı 
ihädigten ſie dadurch des Kaiſers Interefle und Rechte. Er bitte daher, denjelben 
den Bücherhandel allerdings und völlig zu verbieten und niederzulegen. Vor— 
läufig aber blieb es beim alten. Nach einem Bericht des NWatsichreibers von 
14. Juni 1688 hatten jih die Buchhändler deshalb abermals bejchwert, „dieweil 
die Juden in der buchgahen Läden und gewölben bejtanden, mit büchern angefüllet, 
und die leut in diejelbe in jebo angegangener Meß rufeten und jchleiffeten“, Cs 
möchte denjelben vorläufig wenigitens anbefohlen werden, „daß Sie obgedadhte 
Ihre Läden und gewölber räumen, dei bücher fchleppens und aufftellung der jchild- 
wachten, an jich zieh: und verführung der fauflent gänklic enthalten jollen“. Troß 
einem Geſuche der Juden Beyfuß zum Hinterhecht und Löjer zum Strauß beſchloß 
der Rat am 15. Juni 1688, daß den Auden bei 300 Thaler Strafe anferlegt 


842 Quellennachweiſe und Anmerkungen. 
= 

werden jolle, die Läden und Gewölbe, welde fie um und in der Buchgaſſe härten, 
innerhalb 14 Tagen zu räumen, die Bücher in ihre Gaſſe zu transferiren, weder 
für ſich jelbft noch für andere haufieren zu gehen, feine Bücher mehr, fie jeien ge- 
bunden oder ungebunden, und was dem Buchhandel angehörig an ſich zu bringen 
oder Geld darauf zu leihen, im Gegenteil aber die verpfändeten Bücher ohne Ent: 
ihädigung herauszugeben. Wie gewöhnlih, wurde dieje Vorjchrift natürlich ent- 
weder nicht befolgt, oder umgangen. Ein neuer Streit entbrannte im Jahre 16%. 
Unter dem 7. Januar famen Nathan zum güldenen Strauß (der Sohn von Anjelm 
zur Meifen) und David zum Schiff abermals mit der Bitte bei dem Kaiſer ein, 
fie bei dem ihnen erteilten Buchhandelsprivilegium zu ſchützen, da die Buchhändler 
von neuem gegen fie vorgegangen wären oder vorgehen wollten. Sie lichen fein 
Buch druden, hätten alfo feinen andern Verlag als, was die Buchführer bei ihnen 
verjegt und weil jie es nicht wieder eingelöft, al$ Zahlung anheim gegeben hätten, 
oder auch gar verkauften, und wenn fie ja etwas Neues drudten, geihähe es nur, 
um alte ihnen verjeßte und anheim gegebene Bücher an den Mann zu bringen. 
Nach einem Bericht an den Kailer vom 23. Mär; 1695 hatte aber der Kat den 
Juden anbefohlen von dato an feine Bücher mehr zu kaufen oder ſonſt an fich zu 
bringen, auch des Buchhandels außerhalb ihrer Gaſſe ſich zu enthalten und zu dem 
Ende ihre Kammern“ und Gewölbe, die fie jonjt in der Stabt hätten zu räumen 
oder doch, jo viel jie zum Bertriebe an Büchern nötig hätten, in ihre Häufer zu 
bringen. Hierauf jollten erwähnte Niederlagen und Gewölbe geichloflen werden, 
doch jo, daß fo oft fie etwa eines Buches bedürftig, folches ihnen verabfolgt werden 
jollte. Mitten in der Zahlwoche war diejer Beſchluß aud unter Aſſiſtenz mehrerer 
Buchhändler ausgeführt worden. Nach Vorichlag der hriftlihen Buchführer jollten 
dann die Juden innerhalb Jahresfriſt jich der in ihren Händen befindlihen Bücher 
entledigen, Die dann noch übrigen aber durch Auktion verfaufen. In einer aber 
maligen Eingabe an den Kaifer, vom 2%, April 1695, jagen die Juden, jte hätten 
für mehr als 10000 Gulden Bücher annehmen müſſen; fie jeien aber nochmals 
erbötig, wenn die Buchführer ihnen alle ihre Bücher zu dem Preiſe, wie jte joldıe 
an diejelben verhandelten, gegen bare Zahlung Zug um Zug abnehmen, auch was 
jie Schuldig mit barem Gelde bezahlen würden, alsdann des Buchhandels jich 
gänzlich zu enthalten. Dieſen Vorſchlag acceptierte man in Wien. Am 20. Sep 
tember erhielt endlich der kurpfälziihe Kammerpräfident Freiherr von Sidingen 
den Auftrag, in Gemeinſchaft mit dem Reichsfisfal, der Bücherkommiſſion und dem 
frankfurter Rate einen gütlichen Vergleich zu verjuchen, falls diejer aber nicht zu 
Stande komme, den Buchführern und Konforten aufzugeben, daß Nie den Juden 
ihre vorhandenen Bücher gegen billigen Preis auf einmal ablaufen, wenn fie ji 
aber dazu nicht verjtehen wollten, denjelben den freien Verkauf während der Meile 
und bis auf weitere Verordnung verjtatten jollten. Die Berhandlungen fcheiterten 
aber an der Renitenz des Rates und an dem Koſtenpunkte. Der NReichsfisfal ver- 
langte nämlich für Reife und Aufenthalt in Frankfurt 200 Thaler Entichädigung, 
und dieſe jollten die Juden vorſchießen. Dieſe erflärten fih endlich zu Hergabe 
der Hälfte bereit, während die chriftlichen Buchführer, die die andere Hälfte tra 
gen jollten, fich deflen weigerten. So blieb die Sache auch diesmal ohne Rejultat. 


Quellennachweiſe und Anmerkungen. 245 


Elftes Kapitel. 
Der Nachdruck. 


ı) Plinii epistolae 4, 7, 2: Eundem (seil. librum) in exemplaria mille 
transeriptum per totam Italiam provineiasque dimisit, 

2) Marquardt in jeinem und Mommijens Handb. der röm. Altertümer, 
vl, 2. ©. 805 fg. Die bloße Thatjache, daß die Werke des einen und andern 
Schriftjtellers gegen deſſen Willen von andern vervielfältigt und verwertet worden 
jind, beweist doch nicht, daß dies nicht als Rechtöverlegung angejehen worden wäre, 
und dab es dagegen feine Remedur gegeben hätte. 

3) Erasmus, Brief an Bilibald Pirdheimer d. 27. Jan. 1522: Ubi quid 
novi operis prodit, quod putent fore vendibile, mox unus atque alter suflu- 
ratur ex ipsius Frobeni officina exemplar, exeudit ac venditat minimo. 
Interim Frobenius immensam pecuniam impendit in eastigatores, frequenter 
et in exemplaria,. (Erasmi opera T. III. Lugd. Bat. 1703. p. 707.) Umge- 
fehrt war das bei dem (aus dem Fehlen eines Schußes des Autorrechts hervor- 
gehenden) Mangel eines Schußes der Verleger mögliche Verfahren des Erasmus, 
verichiedene vermehrte reſp. veränderte Ausgaben feiner Werfe bei verichiedenen 
Buchhändlern ericheinen zu lalien, bevor die Eremplare der frühern Ausgaben ver 
griffen tvaren, nicht nur eine arge Unbilligfeit gegen die Berleger, jondern audı 
geradezu eine Kalamität für das Bücher kaufende Publikum. Bergl. darüber die 
Notiz von Albr. Kirchhoff, Beiträge zur eich. des deutichen Buchhandels. 1, 
56 fg. Anm. *, 

#) Luther in „Borrhede und vermanunge an die Drucder“ vor der „Aus: 
fegung der Epijteln und Evangelien von der heyligen drey fünige feit bis auff 
Ditern“ 1525. Der hier wejentlihe Teil des Inhalts ift bereit3 im jiebenten 
Kapitel wiedergegeben worden. 

>) Das Privilegium ift abgedrudt in St. Pütter, Beyträge zum deutjchen 
Staatd- und Fürſtenrecht. I, 251 fa. 

6) Nach den Angaben von Ludewig in den gelehrten Anzeigen. Halle 1749. 
II. ©. 78, trägt die Jahreszahl 1498 cin Privilegium, welches von dem „Kanier- 
lich verordnneten eneralfuperattendenten der Drudereyen im heiligen Römiſchen 
Reiche” Doktor Jakob Oßler ausgefertigt worden. Vergl. St. Pütter, Der Bücher: 
nachdrud. ©. 174. Gegen die Richtigkeit diefer Notiz macht jedoh Hoffmann, 
Bon denen ältiften Rayferlihen und Landesherrlihen Bücherdrud- oder Verlag 
Privilegien, 1777, ©. 53—58 jehr gewichtige Bedenken geltend. 

7) Röjiig, Handbuch des Buchhandelsrechts, Leipzig 1804, S. 240, gibt an, 
daß im %. 1490 der Biſchof Heinrih von Bamberg ein Privilegium für ein 
Miſſale der Bamberger Kirche erteilt habe. 

8) St. Pütter, Der Büchernadydrud. ©. 170; Beyträge zum deutichen Staats- 
und Fürſtenrechte. I, 258. 

») Hoffmann a. a O. ©. 16 — 18; vergl. ©. 19 über die Perfon des 
Verfaſſers. 


844 Tuellennachweile und Anmerkungen. 


a. S. 7-10. u) Pütter, Vüchernahdrud. S 
12) Pütter a. a. O. ©. 171 fa. is) Bütter a. a. O. S. 172 — 

14) Bütter a. a. 178; 15) Hoffmann a. a. O. S. 15-50 

is) Pütter, Bücernahdrud. € S. 167. 

1) Wächter, D., Das Berlagsredht. I, 10. Note 15. 

is) Kirchhoff, A., Beitrag zur Geichichte der Entwidelung der Genjurver- 
hältniffe. Im Archiv für Gefchichte des deutichen Buchhandels. V, 166 fg. 

19) In einem (im Frankfurter Archiv befindlichen) Anſchreiben Kaifer Ferdi— 
nands III. an den Rat zu Frankfurt a. M. vom 4. Juli 1640 wird erwähnt cin 
weiland Arnoldi Hierats gewejenen Buchhändler zu Köln nachgelaflener Wittib 
Catharina von Berchem über die Summa Theologiea Divi Thomae Aquinatis 
erteiltes Privilegium des Inhalts, „da niemandt ſolche Bücher, alt Sie innerhalb 
zehen Jahren, in keinerley form weder ganz noch zum Theil nachdruckhen, ver: 
fauffen, noch anderßwo gedrudht ins heyl. Reich einführen folle“. 

20) In einer Verordnung des frankfurter Rats vom 27. Januar 1657 wird 
verboten: „die von Ihrer Kaiſerl. Maj. privilegirten bücher weder in albiefiger 
ftatt nachtruden zu lafien, noch auch folche anderer orthen nadgetrudte eremplaria 
in hieſige meſſen zu bringen vnd zu diftrahiren”. (Kirchhoff, A, Zur Geſchichte 
der kaiſ. Bücherkommiſſion in Frankfurt a M. Im Archiv IV, 134.) 

21) Pütter, Bühernahdrud. ©. 170 fg. 

22) So heißt es in einer Erflärung der leipziger Buchhändler vom 5. Mär; 
1616 bei A. Kirchhoff, Zur Geſchichte der kurſächſ. Privil. gegen Nachdruck, im 
Archiv VILS.155: „Gleichwohl helffen uns ſolche privilegia außerhalb landes nichts 
iondern werden vnſer gute, onndt von Ahr. Churf. Gn. (Kurfürften von Sachſen 
privilegirte Bücher an andern örtten, als zu Köln am Rhein, Magdeburgf, Ham- 
burgt, Lübed, Frandfurt am Meyen vnndt an der Oder, Stettin, Gießen vnndt 
ſonſten vngeſcheuet nacgedrudt, Hiergegen wirdt noch heutiges tages von den 
Keyſerlichen privilegien, deren man doch durch das gante Römiſche Reich geniehen 
thut, mehr nicht als drey exemplaria dem alten tar nach gelieffert.“ Vergl. 
auh A. Kirchhoff im Archiv II, 51 

23) Vergl. die Ausführungen von WA. Kirchhoff im Ardhiv VII, 28 ig. 
IX, 73. 

24) Vergl. Kirchhoff, Die fur. ſächſ. Bücherkommiſſion zu Leipzig. Im Archiv 
IX, 95. 169 fg. Anm. 74, 80. 

25} Bergl. Eihhorn, Deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. IV, 8. 525. 

26) Abgedrudt bei Kirchhoff im Archiv IV, 154 

7) Pütter, Bühernahdrud. ©. 22. as; Pütter a. a. O. S. 2 

w Kirchhoff, Zur ältern Geſchichte der Privilegien. Im Archiv VII, 150 ig. 
furfürftl. ſächſ. Bücherkommiſſion in Leipzig. Im Archiv IX, 74. 

, Pütter a. a. O. 1) A. a. O. ©. 172 fe. 

»2) Teutſch, Zur Geichichte des deutichen Buchhandels in Siebenbürgen. Jm 
Archiv VI, 26 jg., 58, Anm. 60. 

3 Pütter a. a. O. ©. 28. 34) Archiv VI, 56, Anm. 60. 

36) Dieſe Thatſache tritt in ein paar Ausgaben von Ulrich Tenglers Laven- 
ſpiegel deutlich hervor. Die beiden augsburger Ausgaben dieſes Werfes von 1511 


In 
—2 


10; Hoffmann a. 


Nano 


ur 


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= 


Duellennadyweile und Anmerfungen. S45 


und 1512 haben auf dem Titelblatt die Notiz: Cum privilegio ne quis audeat 
hoe opus intra tempus determinatum imprimere sub pena in eo promul- 
gauda. Daß es ſich Hier um ein noch nicht impetriertes, jondern nur erwartetes 
Privileg Handelt, geht daraus hervor, daß die Zeitdauer des Privilegiums nicht 
firiert, und die Strafe für den Nahdrud nicht genau angegeben, ſondern als eine 
erit zu jtatuierende bezeichnet ift. Bergl. Stinking, Geſchichte der populären 
Litteratur des röm.-fanon. Rechts in Deutichl. Leipzig 1867. S. 128—4530, 

7, Patent ftaifer Leopolds 1. vom 4. März 1662. 

3) Mandat Kaiſer Marimilians Il. von 1569 4. Note 545; Inſtruktion 
Kaiſer Rudolfs LI, für die failerliche Bücherfommisjion vom 15. März 1608. (1. 21: 

39) Vergl. Kirchhoff, Zur ältern Geſch. der kurſächſ. Privil. Im Archiv 
Vu, 149 fg. VIII, 46 fg. Die kurf. jächl. Bücherkomm. zu Leipzig. Archiv IX, 
77— 79. 119— 121. So wird in einem «im Frankfurter Archiv befindlichen) 
failerlihen Anſchreiben an den franffurter Nat vom 4. Juli 1640 gejagt, das für 
die Summa Theologica Divi Thomae Aquinatis weylandt Arnoldi Hierats zu 
Köln nachgelaſſener Wittib Katharina von Berchem erteilte PBrivilegium jei „ſowol 
allen Buchdrudhern vnnd Buchführern in Cölln; alß auch ſonnſten aller Ortten‘ 
infiniiert worden. 

#) In der Vermahnung an die Drucker ſ. oben Anın. 4. 

a1) Vergl. Mahnruf an die Nahdruder von Michael Shmüd in Scmal: 
falden, Druder und Verleger von Eyr. Spangenbergs Adelsipiegel, von 1591, ab- 
gedrudt im Arhiv V, 310 fg. — „AS wil ich jeden Druder vnd Buchhändler 
freundlich gebeten, auch zugleich trewlich gewarnet haben, ſich des nachdrückens oder 
verlags diejes Buchs, zu abbrud vnn verhinderung meiner Narung zu enthalten, 
damit er jm nicht von Bott das vndeyen vnd mißſegen zuziche, vnd ich aljo jn 
wie reich vnd anſehnlich er auch ſey, für einen Dieb öffentlih achten vnn procla= 
miren mühe, weil er fidy mit jeiner gewinftfucht wider Gottes verbot vnd jein 
eigen Gewiſſen, im augenichein vnn mit der that für einen jolchen jelbit dargibt.“ 

42) Sehr Mar tritt dies hervor in dem betreffenden Paſſus der im franft. 
Archiv befindlichen) „Beichwerde jämmttlicher hier (in Frankfurt) anmejenden Bud) 
händler gegen die ihnen jüngſthin zugemuthete liefferung der exemplarien vnd 
tarordnnung” (verlejen im Rat am 8. April 1665). Hier wird Klage geführt, „dal; 
big anhero viele ſich kecklich vnd frevelmüthig vnterjtanden, anderen Ddieienige 
Bücher, jo etwan berühmbt oder im gutem abgang jeien boßhaffter weiße, dem ge- 
bott Gottes Chriſtlichen liebe vnd aller erbarfeit jchnurftrafs zu entgegen, nachzu 
truden vnd andern das jeinige abzujchneiden, ohnangejehen jie darzu das geringite 
recht nicht haben vnd der rechtmeſſige befiger folche dem Autori thewer abfauffen 
oder fonjten eum onere an ſich bringen vnd die erſte gefahr, ob joldhe bücher ab 
gehen, oder zu jeinem höchſten ſchaden liegen bleiben, vnd maculatur werden mög 
ten, außftehen müſſen, daß alſo ſolche nachteuder, welche nicht weniger als ein 
erimen furti damit begehen, gedoppelten vnd mehr vorteil von dem redhtmejligen 
befiger genieſſen, welches verantwortlichen vorteils ſich abjonderlid bi anhero die 
aufländiichen vnd in specie etlihe Holländer bedienet, welche, nad) deme fie wohl 
willen, und bey jich jelber vberzeugt, daß ſolches nachtrucken ahn jich jelbjten vn 
recht, vnd zwar jo viel die privilegirten antrifft, der autorität jolher hohen Poten- 


846 Quellennachweiſe und Anmerkungen, 


taten, daher die privilegin dependiren, zu wider, der vnprivilegirten aber Gottes 
befehl und erbarkeit entgegenlauffet, iedannoch jolches laſters ſich gelujten laſſen“ —. 

3) So heben die wittenberger Verleger der von Luft gedrudten Lutherſchen 
Bibelüberjegung, Golg, Schramm und Vogel, in einer wegen des Nahdruds, den 
ber leipziger Buchdruder Nidel Wolrabe von diejer Bibel veranftaltete, an Herzog 
Heinrih von Sachſen unter dem 20. November 1530 gerichteten Eingabe hervor, 
daß, da Wolrabe „ſonnſt one dieſes Buch feine narung danon zu fuchen andere 
viel geichriebene und getrudte bucher haben mag, die Im onverhindert .. . Nachzu 
trucken erlaubet vnnd zugelafien‘‘, er „ſich der bibel, welche wir unterhanden haben, 
Noch wol 'eine Zeit lang enthalten, vif das einer den andern nicht mntwillig in 
ichaden thue“, und bitten daher, der Herzog möge verordnen, daß in feinen Landen 
von feiten des Wolrabe oder von irgend einer andern Seite „An 2 oder 3 Jahren 
mit nachtrud der ganzen bibel vnns Feine hinderung oder ichaden zugewandt wer- 
den“, (Rad) einer Mitteilung von W. Kirchhoff.) 

4) Bergl. U. Kirchhoff, Die Anfänge des leipziger Meffatalogs im 
Archiv VII, 103. Dies gilt unter anderm von der Auslaſſung des Buchhänd- 
lers Henning Große zu Leipzig in deſſen auf die Denunciation Abraham Lambergs 
wegen angeblihen Nachdruds jeines Meßkatalogs dem leipziger Rat eingereich- 
ter Verteidigungsichrift vom 12. Mai 1602 (mitgeteilt von A. Kirchhoff im 
Arhiv VII, 104 fg). Hier wird geltend gemacht, daß „im Weich vnter den 
Buchhendlern vnd Prüdern dieſe gewonheitt ift, wenn ihr Zwei zu vnterſchiedenen 
jtundenn bey der Obrigfeit, fo die inspeetion hieruber hatt, fi) angeben, vnd ein 
Bud druden zulaſſen zunorjtatten, anjuchen, dab alß denn der ienige, jo zum 
erjtenn angefucht, darbej geſchutzet, vnd der ander abgewiejen werde, vngeachtt daß 
weder der Erjte noch der and. einig privilegium vorzuzeigen hatt, Auff welche Ge— 
mwonheit aud ein Erbar Nath zu Frandfurt am Mayenn ohne alles wiederredenn 
zuerfennen vndt zu decretiren pflegett, Wie ich berichtet wordenn aus den 
grunde, weil das Werk vorhinn in nullius typographi aut bibliopolae bonis, 
das ed demmac des occupantis werde‘. Wenn es weiter heißt: „Sa mas 
noch mehr ift, Wenn einer ein Buch vorhinn fren vnd ficher, doch ohne privilegien 
gedrudtt und vorhandelt, Vnd ein anderer hernach daruber Kayſerlich privile- 
gium auswirdett, Pflegtt ermelter Rath zu Frandfurt die erfternn bey feiner 
possess neben den privilegio zuichußen“, jo liegt dem wohl nur die Thatſache 
zu Grumde, daß gegen den, welcher ohne Privilegium ein Buch gedrudt hatte, 
normalerweife nicht von dem wegen Nachdrucks vorgegangen werden fonnte, der 
erſt jpäter eben dasjelbe Buch drudte, dafür aber ein Privilegium gegen den Nach— 
drud auswirkte; obwohl vom fisfaliichen Standpunft aus mehrfach eine andere 
Praxis beobachtet wurde. 

5) Mitgeteilt im Archiv IL, 237 fg. 

4) Carpzov, Bened., Jurisprudentia ecelesiastica L. II, P. 25 def. 414. 
Mevius, Deeisiones super causis praeeipuis ad supr. Regium Tribunal Wis- 
mariense delatis p. 8 deeis. 433, will die Frage, ob es recht ſei, über Schul- 
bücher einen Berleger allein in einem Lande zu privilegieren, nicht umbedingt be 
antworten, jondern meint, es hänge dies ganz von den Umftänden ab. 

ar) Vergl. A. Kirchhoff, Die kurf. ſächſ. Bücherkommiſſion. Im Archiv IX, 9. 


Quellennachweiſe und Anmerfungen, 847 


4°) Bergl. das dem breslauer Buchdruder Georg Baumanı am 8. Auguit 1500 
vom Rat der Stadt Breslau erteilte Privilegium; ſ. Anm. 62, 

+) So begründet Erasmus in einem Briefe an Bilibald Pirdheimer von 
27. Januar 1522 (Erasmi opera T. III, pars 1. p. 707) das Berlangen nad) 
einem imperatorium interdietum, ne quis librum primum a Frobenio excu- 
sum ...excudat intra biennium, durch den Hinweis darauf, daß Froben im- 
mensam pecuniam impendit in eastigatores, frequenter et in exemplaria. 

50; So erteilt Kaiſer Marimilian I. dem Druder Mathias Schurer das Pri 
vilegium — mie es in diefem heit — ex innata benignitate. qua eos eomple- 
etimur, qui pro eommuni studiosorum utilitate eontinuo insudant, und er 
begründet dasjelbe damit, daß nemini offieium suum damnosum esse debeat, 
et ne desiderium tuum huiusmodi iaeturae et fraudationis metu (nämlich 
durh den Nachdrud Berlufte zu erleiden) refrigeseat. (©. das Privilegium bei 
Pütter, Büchernahdrnd. ©. 172.; 

51) Dies ift ganz unumwunden ausgeiprochen in dem Privilegium Karls V. 
für den von Johann Schöffer zu Mainz bejorgten Drud des Neichsabjchieds von 
1521. Hier heißt es, nachdem der Kaiſer hervorgehoben, daß er „aus beweglichen 
Urſachen“, dem Johann Schöffer den jchleunigen Drud des Reichsabichieds aufge: 
tragen, „dieweil er fih nun des uns zu unterthänigem Gehoriam und Gefallen 
etwas mit Unjtatten unternommen, damit er dann desjelben wiederum, wie billig, 
ziemliche Ergeplichkeit empfange” u. ſ. w. ©. das Privileg bei Püttera. a. D, 
©. 173, 

52) Bergl. A. Kirhhoff, Zur ältern Geſch. der kurſächſ. Privil. Im Archiv 
VIL, 147. 

53) So heißt es in einer Erklärung, welche die leipziger Buchhändter auf die 
Aufforderung der kurfürſtl. Bücherlommiffion, die Pflichterempfare von den pribi- 
legierten Büchern einzufenden, unter dem 5. März 1616 abgeben und worin jie 
über die Höhe der Unkoſten des Verlagsgeichäftd Hagen, „dannenhero zu vnjern 
nicht geringen fchaden verhindert wirdt, daß wir inhalts höchjt beiagter Ehurf. 
privilegien die bücher auff gut weiß vndt gleiches pappier nicht können drücken 
laſſen“. (A. Kirchhoff, Zur ältern Geſch. der kurjächl. Priv. Im Archiv VII, 
155) Auch in dem auf diejfe Erflärung erlaflenen furfürftlichen Beicheid von 
3. Juli 1616 wird der Bücherfommilfion aufgegeben, den Buchhändlern einzu- 
Ihärfen, „das in künfftige Sie bey verluft vnſerer privilegien zu den Büchern 
guth Pappier, reine Schrifften vnd fleißige correctores gebrauchen” (a. a. O. 
©. 159. Vergl. das Interceſſionsgeſuch der Gebrüder Stern in Lüneburg an den 
Herzog von Braunichweig vom 29. Juli 1637, mitgeteilt von A. Kirchhoff, 
Aus den Alten der kurf. ſächſ. Bücherfommiifion. Im Archiv VIIL, 68 fa.; i. 
auch daſ. ©. 70. j 

54) Die Inſtruktion ift abgedrudt in dem Archiv IV, 102 fg. (A. Kirch— 
hoff, Zur Geſch. der faif. Bücherkommiſſion in Frankfurt a. M.), aber auch jchon 
früher öfter, jo bei Pütter, Büchernachdruck. S. 178 fg. Übrigens hatte bereits 
Kaiſer Marimilian II. im Jahre 1569 dem Rate der Stadt Frankfurt a. M. aufge- 
geben, „auf diejenigen zu inquiriren, jo feit fünf Jahren entweder für die Bücher 
jeßeten, mit faiferl. Freiheit, deren fie doch feine hätten, oder auch jonft unter 


SIR Duellennachweife und Anmerkungen. 


defien Scheine, allerlei untüchtige Sachen druden ließen, noch den in den Privi- 
fegien enthaltenen Bedingniffen nachkämen, noch die Erempfarien lieferten“. (Orth, 
Bon den berümten zwoen Reichsmeſſen, jo in der Reichsitadt Frankfurt a. M, jähr- 
lich gehalten werden. Frankfurt a. M. 1765. ©. 505. Auch bei Rütter, Bücher 
nahdrud. ©. 176. U. Kirchhoff a. a. O. ©. 100.) 

>») Abgedrudt bei Bütter, Büchernaddrud. ©. 120— 122. 

6) Darüber wird geflagt in dem Gutachten der leipziger Buchhändler über 
eine Reform des Buchhandels vom 30. Mär; 1667 sub 5, abgedrudt bei 9. 
Kirchhoff, Ein Reformverſuch. Im Archiv I, 82. Doc kommen jolde Klagen 
bereits im 16. Jahrhundert vor. iM. a. O. Anm. **) Und in einer Verordnung 
des Kaiſers Leopold I. an den Bücherfommiflar von Hörnigt vom 13. März 1662, 
worin diefer angewiejen wird, dem Bertriebe franzöliicher und holländiſcher Nad- 
drude entgegenzutreten, „gegen die übertretter auch mit ziemblichen ftraffen der 
Confiscationen der Bücher oder Exemplarien und in andere Weeg, allermaiien 
mit andern mehrmalen beſchehen“ vorzugehen, wird eine Ausnahme gemacht für 
den Fall, „daß den Außländern gleichfal® von unjern vorfahren Röm. Kauſern oder 
uns darüber privilegia impressoria ertheilt worden ſeyen“. Nm frankfurter 
Archiv.) 

57) Vergl. A. Kirchhoff, Beiträge. 1, 59%. In der Nachdrucksklage des 
Buchhändlers Wendel Rihel von 1536 (Archiv V, 88—93) hebt der Kläger ber 
vor, daß der Beklagte ſich auf ein kaiſerliches Privilegium ſtütze, welches ihm das 
Recht einräume, „auc der vorgetrudten Bücher nachzutruden, jo er fie gemehret 
habe“ (a. a. O. ©. 88. ©. auch A. Kirchhoff, Die Anfänge des Leipz. Meh 
fatalogs. Im Archiv VIIL, 119. 

5s) So wird in der furlächiiichen Verordnung vom 9. Juli 1612, welche die 
Bücherkommiſſion anweiſt, die Buchhändler und Verleger zum Nachjuchen der Er: 
nenerung der Privilegien beim Regierungswechſel anzuhalten, angedroht, „do einer 
oder der ander inn gejazter frijt Solchem nicht würdlichen nachſetzen wurde, das jie 
alsdan berurter Privilegien genzlich verlujtig, vnd wir diefelben andern zuertheilen 
wißen wollen“. (Bei A. Kirchhoff, Zur äftern Geſch. der kurſächſ. Priv., im 
Archiv VII, 152.) 

59) In einem auf Beitreibung der Bflichteremplare gerichteten Reſtript der 
furlächl. Regierung vom 29. November 1695 heißt es: „So habet ihr deswegen ge 
nauere Erkundigung einzuziehen auch da jie jich der Lieferung, indem doch wegen des 
Privilegij ihnen diefe Bücher Niemand nachdruden dürfen, ferner verweigern, es 
durch den Bücher Fiscal, daß folche Privilegia eassiret und aufgehoben ſeyn jollen, 
den andern Buchhändlern notifieiren zu laßen, damit wo ein oder der andere dar- 
umb anhalten wolte, er jich des wegen bey Unß gehorjambit anzumelden hätte.” 
(Ber A. Kirchhoff, Die kurf. ſächſ. Bücher-Komm. Archiv IX, 169, Anm. 4: 
vergl. daſ. ©. 127.) 

o Da die Privilegien auch für in Zukunft ericheinende Bücher gegeben wur— 
den, jo fam es vor, daß mehrere Jahre nad) Auswirkung des PBrivilegiums ver 
gingen, che das Buch herausfam. Zwar jollte nach den Anordnungen der hır 
lächfiichen Behörden (Bericht der kurjächjiichen Büchertommifjion vom 20. Januar 
1657) darauf gedrungen werden, daß die privilegierten Bücher inmerbalb zweier 


Quellennachweiie und Anmerkungen. 849 


Jahre nad Ausfertigung des Privilegiums erichienen, indem andernfall® der Ber: 
fuft des Privilegiums eintreten jollte. Allein durchgejeßt wurde diejfe Anordnung 
nicht; denn im Ausgange des 17. Jahrhunderts erflärt der kurſächſiſche Bücher— 
jistal David Bittorff, das Privilegium werde nur nachgefucht, „damit ſolches Bud) 
bey ihrer Handlung, damit fich ein anderer daran nicht vergreiffen dürffe, eonser- 
virt wird“. (Bei U. Kirchhoff, Die kurf. ſächſ. Bücher Kommiſſion. Im Archiv 
IX, 93.) 

sı) So heißt es in einem Briefe des Buchhändlers Simon Hütter an den Buch— 
druckergejellen Adam Seydel vom 25. Mai 1576: „was anlanget das Brivilegium, 
jo der Herr Thurneyſer feines darüber hette, hab ich ein General Brivilegium, ſonſt 
würde er (se. der Kalender) mir alsbald nachgedruckt“ (abgedrudt bei U. Kirch— 
hoff, Beiträge zur Geſchichte der Prepmaßregelungen und des Verfehrs auf den 
Büchermefjen im 16. und 17. Jahrhundert. Im Archiv IL, 67, Anm. 57). Ebenſo 
verleiht der ftraßburger Rat im Jahre 1669 dem Buchdruder Joſias Städel das 
Recht, auf die von ihm verlegten Bücher „Cum gratia et privilegio senatus Argen- 
tinensis“ zu jeßen. (Zur Geſch. des Straßburger Buchdruds und Buchhandels. 
Im Archiv V, 62. Bergl. auch die von A. Kirchhoff, Die Anfänge des Leipz. 
Meßkatalogs, im Archiv VII, 104 fg., publizierten Aktenſtücke.) 

62) So heißt es in dem von dem Nat der Stadt Breslau am 8. August 1590 
dem breslauer Buchdruder Georg Baumann erteilten (vom Kaifer Rudolf IL. in 
feiner Eigenschaft als König von Böhmen und Herzog von Sclefien am 26. Ja- 
nuar 1596 bejtätigten) Privilegium: „Gleicher gejtalt wollen wier Ihme auch ver- 
gunft vnd zugelaffen haben, daß er für die gemeine Studierende Jugennt allerley 
Schuelbücher und Traetetlein, Alß den Donatum vnnd Grammaticam beyjammen, 
So wolf Terentii Comediae vnnd etliche außerleßene Epistolas Ciceronis, ſowoll 
den Catechismum vnnd anndere jo der Schüllern notturfft erfordert würde, in der 
bequemjten Form, wie e3 ihme anı beften gelegen, drudenn, vnnd zu freyem kauff 
jegen möge, dann Ihme die alhiegen vnnd andere Buchführer fein einhalt thun, 
vielwenniger Jhnne mit fremden Exemplarien zuüberführen oder diejelben alhie 
oder ſonnſten in vnnſer Jurisdietion zunerfhauffen vnnd zu Distrahirn befuget 
jein follen, doch daß er, warn Er auf obgedachten ftüden waß druden will, folches 
den Buchführernn, darmit fie ſich in derjelbten Materien mit frembden Exempla- 
ren zur Vnnoth nicht belegen anzaige“ (Bei A. Kirchhoff, Die Breslauer 
Buchhändler und der Buchdruder Georg Baumann. Im Archiv VI, MW.) Zugleich 
mit der Bejtätigung diejes Privilegiums gewährt der Kaifer dem Baumann nod) 
das weitere Brivilegium, „daß Ihme fein Buchdrüder, vnnd Buchführer, die Alma- 
nach oder Calennder jowol Richardi Bartholini Austriatum Libros. Item Con- 
radi Celtis Casparij Vrsinj Velij Gregorij Logij, welche er mit jonnderlichen 
Koften erfauffenn vnnd erlanngen würde, nicht nachdruden vnnd Ihme zu jchaden 
einnführen jolle.” 

3) A. Kirdhoff aa, O. ©. 54. 

6 Bei A. Kirchhoff, Zur Gefchichte der kaiſerl. Bücher-Kommiffion in 
Tranffurt a. M. Jm Archiv IV, 111. 

65) So erteilte König Guſtav Adolf am 7. November 1621 dem rigaer Buch— 
händler Nikolas Mollyn ein Generalprivilegium für alle in deifen Druckerei ge- 

Kapp. I. 54 


850 Duellennachweije und Anmerkungen. 


drudte und in Zufunft zu drudende Bücher, worin allen Beamten und Unterthanen 
des jchwediichen Reichs anbefohlen wird, „daß fie nicht verftatten, den Buchdrudern, 
Buchhändlern und Buchbindern aber jelbiten, daß fie feine Bücher, jo von Nicolas 
Mollyn ... oder jeinen Erben, in was Sprachen diejelben auch gedrudet weren, 
ufs Neue uflegen, umb- und nachdruden oder, da fie außerhalb unjers Reichs von 
Andern uferleget und nachgedrudet weren, feineswegs in unjerm Reich und zu- 
gehörigen Provincien verfaufen, noch durch Andere verkaufen lajien“. (Stieda, Zur 
Seichichte des Buchhandels in Riga. Im Archiv VI, 131.) 


66) Im Fahre 1612 wird dem mittenberger Theologen Leonhard Hutter ein 
Privilegium gegeben für feine fämtlichen nicht nur bereits erfchienenen, fondern auch 
noch erjcheinenden Werte. (U. Kirchhoff, Zur ältern Gefchichte der kurſächſiſchen 
Privilegien, Im Archiv VII, 147.) Erft gegen das Jahr 1616, meint Kirchhoff 
(Archiv VII, 47), jcheinen in Sachſen die Generalprivilegien ganz außer Gebrauch 
gelommen zu fein; Henning Große in Leipzig verzichtete freiwillig auf das jeinige. 


7) In Riga war z. B. im Jahre 1591 Nikolaus Mollyn zum Buchdruder 
und Buchhändler der Stadt beftellt und erhielt zugleich ein Privilegium auf den 
ausjchließlichen Betrieb des Buchhandels unter Schonung und Anerkennung aller- 
dings des Weiterbetriebs eines bejtimmten bereits bejtehenden Geſchäfts. („Und 
weil er Mollyn auch eine beftalte Bibliotheeam, darinnen ein Jeder diejer Statt 
gelegenheit nach jeine Notturft an Büchern, Calendern, Bildern und gemalten Brie- 
fen wird haben fünnen, als jol nunmehr und vortan, außerhalb Hillebranden (Geth- 
man), von benenten Barcelen oder jonjten allem mas zum Buchladen gehören möchte 
noch heimlich oder öffentlich feyl zu haben noch lengſt die Gallen oder in die 
Hänfer zu bringen und zu verkaufen nicht zugelaflen und geitattet werden.“ Stieda, 
Zur Geicichte des Buchhandels in Riga. Beil. III im Archiv VI, 131 fg.) Und 
dieſes Privilegium wurde im Jahre 1597 (unter dem 25. Juli), als Mollyn feinen 
Schwiegerfohn Peter van Meren mit Genehmigung des Nats als Gefchäftsteil- 
nehmer angenommen, für dieſe beiden mit der Maßgabe wiederholt, daß die frem- 
den Buchhändler während des Jahrmarkts 14 Tage lang dem alten Gebrauch ge- 
mäß Bücher und jonjtige Gegenjtände des Buchhandels feil haben dürften. (Stieda, 
a. a. O., Beil. I ©, 130 fg.) 

63) A. Kirchhoff, Die furf. ſächſ. Bücher-Kommiſſion zu Leipzig. Im Archiv 
IX, 168 fg., Anm. 73. Es handelt fi) um ein Buch, welches Johann Große's 
Erben in Leipzig mit faiferlihem und kurſächſiſchem Privilegium verlegt hatten. 
Nachdem, wie es jcheint, das Buch eine Zeit lang vergriffen, auch das Faijerliche 
Privilegium abgelaufen war, erwirft Hermann Dehme in Köln ein faijerliches Pri— 
bilegium für dasjelbe Bud. Nun ftellt der Leipziger Magiftrat auf Bitten der 
feipziger Buchhandlung, die jeßt ſich entichloffen hatte, eine neue Auflage zu ver- 
anftalten und das Privilegium erneuern zu laſſen, an den kölner Rat das Anfinnen, 
den Dehme von feinem Unternehmen abzubringen. Der kölner Rat weift in feiner 
Antwort (vom 24. Juni 1691) darauf Hin, daß in dem Unternehmen des Dehme 
fein Grund zu einer Beichwerde für Große's Erben zu finden. In den dieſem 
Schreiben beigefügten Auslafjungen Dehme’s, in welchen geltend gemacht wird, daß 
er das faijerlihe Privilegium ausgewirkt habe, weil jeine an Große's Erben ge 


Quellennachweiſe und Anmerkungen. 851 


richteten Mahnungen, das Buch neu zu druden, erfolglos geblieben, wird die im 
Tert hervorgehobene Äußerung gethan. 

69) So teilt A. Kirchhoff (a. a. D. ©. 147) mit, daß die Firma Endter 
in Nürnberg im Jahre 1655 im Beſitz eines Furfächfiichen Privilegiums auf ein 
Gebetbuch, die Firma Stern in Lüneburg im Befig eines ſolchen auf ebendasjelbe 
Bud, doch nur für den Drud in gejpaltenen Kolummen geweſen. 

0) Archiv VII, 109; vergl. über die Verteidigungsichrift Note 44. 

1) Bei A. Kirchhoff, Zur ältern Geſch. der kurſächſ. Privilegien. Im 
Archiv VII, 148. 

2) So in einem faiferlichen Privilegium, welches Joahim Rhete's Erben in 
Stettin für David Herlitii Calendaria und Prognostica im Anfang des 17. Jahr- 
hundert3 verliehen war. 

73) So geichieht in einem Anjchreiben des kaiſerlichen Bücherkommiſſars Lud— 
wig von Hagen zu Frankfurt a. M. an den Rat zu Leipzig vom 4. Dftober 1627 
eines Privilegiums Erwähnung, welches „inhibirt, daß einiger Buchtruder, oder 
Buchführer, an feinem ort, weder in groffer, noch Heiner Form, vnder was Schein 
das gejchehen möchte, die jelbige nachtruden, oder wo die von andern nachgetrudt, 
diftrahiren ſolle“ (abgedrudt bei A. Kirchhoff im Archiv VII, 265). 

7) Bei U. Kirchhoff, Die kurf. ſächſ. Bücher-Kommilfion, im Archiv IX, 
164, Note 53. 

75) Bergl. U. Kirchhoff, Weiteres über die Anfänge des Leipz. Meßlatalogs. 
Im Archiv VII, 24; Die furf. ſächſ. Bücher-Kommiffion. Im Archiv IX, 82 fg. 

76) Bergl. darüber Pütter, Büchernachdruck. ©. 177 fa; U. Kirchhoff, 
Beiträge zur Geſch. des deutſchen Buchhandels. IT, 58 fg.; Zur Geld. ber kaiſ. 
Vücher-Kommifl. in Frankfurt aM. Im Archiv IV, 96 fg.; befonders ©. 114 fg. 

77) Bergl. hierüber Pütter a.a.D. ©. 186, Note a, und das neuerdings von 
N. Kirchhoff (im Archiv VII, 264 fg.) mitgeteilte Schreiben des Faijerlichen 
Bücherkommiſſars Joh. Ludw. von Hagen an den Rat der Stadt Leipzig vom 
4. Oftober 1627, 

78) Vergl. darüber Kapitel 9. 

19) So heißt e8 in einem an den Rat zu Frankfurt und den Bücherkommiſſar 
Hörnigf gerichteten Schreiben de3 Kaijers Ferdinand III. vom 23. März 1655 (im 
frantfurter Archiv): Der Neichshof-Fisfal Veit Sartorius von Schwanenfeld habe 
dem Kaifer berichtet, daß die von Johann Zwölffer herausgegebene und mit kaiſer— 
lichem Privilegium verjehene Pharmacopoea Augustana von dem Buchdruder 
Arnold Leers zu Rotterdam nachgedrudt und von defien Faktor Lambert Paßport 
im Reiche verfauft worden jei. Der Kaifer befiehlt deshalb dem Nat bei feinen 
Bürgern nachzuſehen, wo Leers ober deſſen Faktor während der Meſſe ihre Bücher 
niederlegten, Wenn fich der betreffende Nachdruck vorfinde, jo habe man jämtliche 
Eremplare desjelben zu fonfiszieren und die im Privileg erwähnte Nachdrudsftrafe 
einzuziehen. Werde diejelbe nicht jogleich bezahlt, jo habe man folange die übrigen 
Bücher mit Beichlag zu belegen. Dies folle auch gejchehen, wenn fich fein Eremplar 
des betreffenden Buchs vorfände, Leers aber des Nachdrucks überwiejen werden 
fönnte. Die fonfiszierten Bücher und das erhaltene Strafgeld jollen an den Bücher- 
fommijjar Dr. Hörnigf abgeliefert werden. In einem hierauf vom Rat dem Kaiſer 

54 * 


852 Quellennachweiſe und Anmerkungen. 


unter dem 28. April desjelben Jahres erjtatteten Bericht (gleichfall3 im Frankfurter 
Archiv) Heißt es, daß fich die zum Bücherweſen beftimmten Deputirten des Rats 
mit dem Bücher-Kommiſſar in den Laden des Leers begeben hätten, dajelbit zwar 
feine Eremplare des fraglichen Buchs vorgefunden, vom Faktor des Leers aber den 
Beicheid erhalten hätten, daß jolche im vorigen Jahr vorhanden geweien, jeitdem jedod 
nicht mehr nad Frankfurt gebracht würden; weshalb in Gemäßheit des erhaltenen 
Befehls ſämmtliche Bücher mit Beichlag belegt wären. Noch deutlicher tritt uns 
das ganze Verfahren entgegen in einem Anfchreiben des Kaiſers Leopold am den 
Bücherkommiſſar Sperling vom 3. September 1669 (franff. Archiv). Dasielbe 
lautet: „Lieber gethreuer. Aus hiebey gefügter Abſchrift erfiehejtu mit mehreren, 
welcher geftalt, Vnſer auch lieber getreuer Hannß Friedrich Spoor, Buchführer zue 
Straßburg uns Klagent hinterbradht, wie Philipp Andreas Oldenburg vnnd Hanns 
Hermann Wiederholt die opera Limnaei (worüber Er noch in Ao. Sechzenhundert 
vier vnnd Sechzig Vnſer Kayſ. Privilegium Impressorium auf zehen Jahr er 
halten) under dem auch Hiebey liegenden veränderten titulo ießgedadhtem vnßerem 
Kay. privilegio jchnurrftradhs zuewieder und zue feiner des Spoors unwieder— 
bringlichen ſchaden nachzuetruckhen fich freuentlich underjtanden haben jollen; Mit 
onderthenigfter Pitt, das wir Ihme wieder folche attentata bey ſeynem erlangten 
Privilegio gnädigjt handthaben, vnnd die Contraventores in die dietierte ftrafl 
würckhlich gefahlen zue fein Deelarieren wolten. Gleich wie nun wir anderft nicht be 
finden können, als dz folche des Oldenburgs vnnd Wiederholt3 angezogene Auflag in 
substantia eben die ienige opera feyen, über welden vorermelter Spoor von dns 
gnädigſt privilegirt worden, vnnd derjelbe ſolchem nad ſowohl ermelten Vnſerem 
Privilegio als dem Klagenden Theill zum nadjtheil vorgenommen, vnnd dahero 
feinesmwegs nachzueſehen ſeye. Alſo vnnd damit dz Bücherweſen umb jo mehr in 
gutter ordnung ımd ein ieder bey jeinem erlangten Privilegio econservirt vnd jhad- 
loß gehalten werde; befehlen wir Dir hiemit gnädigft vnnd ernftlich, dz Du bier: 
über ein wachſambes Aug halteft, Vnd dafern obbedeuteter nachtruckh dorthin nader 
Frandfurth oder der orthen gebracht, alda distrahirt oder feil gehalten werden 
wolte, Du ohne ferneres ruedjehen joforth nicht allein alle Exemplaria wecknehmeſt; 
Sondern zuegleich auch von dem Trudher oder Führer jolcher nachgetrudhten ope 
rum die in borangezogenen Vnſerem privilegio enthaltene ftraff zwölff Mardh 
lötigen goldes würchhlich eintreibeft und zue handen bringeft. Allermaßen wir dan 
zue den ende im hiebey liegenden (wie Du aus der Nbjchrifft erjehen wirft) dem 
Magistrat der Statt Frandfurth gnädiglich anbefehlen, dz er Dir dabey die handt 
vnaufgezogen nachtrudlich bietten vnnd reichen jolle.” Ein dieſem entſprechendes 
Anjchreiben erging unter demjelben Datum an den Rat von frankfurt. 

0) Kurſächſ. Rejkript vom 13. Mai 1620 (ſ. U. Kirchhoff a.a.D. IX, 8. 

81) Vergl. oben Kapitel 9. 

s2) Kurſächſ. Nejtript vom 5. Nov. 1636 (Codex Augusteus. I, Sp. 411 ig, 
im Auszuge mitgeteilt von A. Kirchhoff a. a. D. ©. 75 fg). Das Neitript 
war hervorgerufen durch die Beſchwerde des durch den Vertrieb der Nachdrudi 
eremplare beeinträchtigten Buchhändlers über das Stadtgericht, weil dieſes „ihme 
feine Execution mitgetheilet, jondern er von ihnen in weitläufftigen Process ge 
zogen werben wollen“, und es heißt in demjelben:; „Rum befremdet Uns jolde 


Duellennahweije und Anmerkungen. 853 


Begünftigung derer Stadt: Gerichte bey euch nicht wenig, fintemahl über unfere, 
zumahl eigenhändig unterfchriebene, und mit Unferem Chur-Secret befiegelte Privi- 
legia, weder euch noch ihnen, oder iemand anders, ohne Unjere Concession feine 
Cognition und Deeision, fondern Uns allein, euch und ihnen aber nur die bloße 
Execution zuſtehet.“ 

3) So war ein zwiichen dem Sefretär Chriſtoph Mylius in Halle und 
Kohann Hoffmann zu Nürnberg wegen der Epistolographia correcta ausge: 
brochener Nahdrudsftreit durd einen Vergleich der Parteien beendet. Das Ober: 
tonfiftorium zu Dresden erffärt jedoch (in einem Neffript vom 19. Dezember 1679), 
daß dieſer Vergleich ohne Einfluß auf die durch den Nahdrud verwirkte Strafe 
wäre, indent es hervorhebt: „jeind wir doch nicht gemeinet, Unjere privilegia und 
darinn enthaltene jtraffe nad) eines ieden gefallen eludiren zu laſſen.“ (Bergl, U. 
Kirchhoff a. a. D. ©. 166 fg., Anm. 61—63.) 

s) In einem Bericht der kurſächſiſchen Bücherlommiffion in Leipzig vom 
23. Juni 1679 an das Oberkonfiftorium in Dresden heißt es: „bejage vorhandener 
gndſtr. befehliche, acten und registraturen über hundert Jahr her von Uns, dem 
Rathe und nun eine Zeit lang conjunctim von der gdgjt. angeordneten Com- 
mission, nad möglichkeit fleißig gehalten worden, alfo ift an dem, und bezeugen 
ebenfalls die ergangenen acta, daß mit wegnehmung der bücher nicht alfofort zu— 
verfahren, noch denen leuten zu beobachtung ihrer Nothdurfft die in E. Ch. Durchl. 
landesordnung gdgſt. verjtattete mittel abzujchneiden, jondern, bevorab wenn des 
wegen von einem privato, oder aud von Ew. Chf. Durchl. allhier verordneten 
bücher Fiscal geklaget wird, die Partheien genugiam zu hören, folgends von uns 
unterthänigiter bericht zu erjtatten, ingleichen was jonften zu erinnern von denen 
Commissarien eonjunctim, oder auch von uns, dem Rathe allein, gehorjamft zu 
verrichten, geftalt ſolches vor ein ftüd unjerer des Rathes jurisdietion zu achten.“ 
(Abgedrudt bei A. Kirchhoff a. a, O. ©. 124.) 

8) So in der Verteidigungsichrift des Leipziger Buchhändlers Henning Große 
auf die Denunziation Abraham Lambergs wegen angeblichen Nahdruds feines Meß— 
fatalogs vom 12, Mai 1602 (bei A, Kirchhoff, Die Anfänge des Leipziger Meß— 
fatalogd. Im Archiv VII, 109). 

s) So in der Denunziation des Abraham Lamberg gegen Große vom 18. April 
1599 (bei. Kirchhoff, Weiteres über die Anfänge des Leipz. Mehlatalogs. Im 
Archiv VIII, 23). 

7) So 5.8. erwähnt in der Klage des Buchdruderd Wendel Rihel von 1536, 
abgedrucdt im Archiv V, 88. 

8) Klage des Wendel Rihel, a. a. D. ©. 89. 

89) Vergl. A. Kirchhoff, Zur ältern Geſchichte der kurſächſ. Privil. gegen 
Nachdruck. Im Archiv VIII, 46; Die kurf. ſächſ. Bücher Komm. zu Leipzig. Im 
Archiv IX, 161 fg., Anm, 44. In einer „Exception vnd Information jchrifft wegen 
der Flanisae Poeticae in Sachen Peter Metternich etra Peter Henningh vnd 
Consorten gejtellt von Peter Henningh an die Bücher: Commifläre‘ vom Fahre 
1643 (im franff. Archiv) wird geltend gemacht, ein erft nah von den Be- 
ihwerbdeführern fertiggeftelltem Druck infinuiertes Privilegium fönne „in prae- 
judicium nostrj juris quaesiti utpote tempore prioris nicht gezogen werden 


854 Quellennachweiſe und Anmerkungen. 


quod esset contra jura Privilegiorum quae nullam eiusmodj extensionem 
in praejudieium tertij possessoris permittunt, quod nec Imperator nisi ex 
justissima expressa causa facere censetur“, 

0) Vergl. A. Kirchhoff, Die furf. ſächſ. Bücher-Kommiſſion. Im Archiv IX, 
162, Anm, 44. 

m) A. a. O. 

92) Vergl. A. Kirchhoff a. a. O. S. 90. 

3) So in den drei vor dem Reichslammergericht verhandelten Nachdrucks 
prozeffen, welche in den Weglarichen Beiträgen für Geichichte und Rechtsaltertümer 
(heraudg. von Paul Wigand) I, 227—240, mitgeteilt werden. Bei zweien diejer 
Prozeſſe (Buchdruder Schott zu Straßburg gegen Buchhändler Egenolph zu Frank— 
furt, 1533, und Hieronymus Froben und Nifolaus Episcopius zu Baſel gegen Eucha— 
rius Hirtzhorn und Gotthard Hittorp zu Köln, 1535) ift aus den Alten der ſchließ— 
lihe Ausgang des Prozeſſes nicht erlichtlih. In dem dritten Prozeß (Beter Kopf 
zu Frankfurt gegen Vögelin zu Leipzig, 1595) zeigt nach Ablauf von zwei Jahren, 
während welcher nur prozeßleitende Defrete erlaffen waren, der Anwalt des Ap- 
pellanten an, dab fein Mandant geftorben und die Erben einen Vergleich einge- 
gangen wären. 

Bei dem Strafverfahren, welches im Jahre 1575 gegen Obertus Giphanins 
und den jtraßburger Buchhändler Rihel eingeleitet wurde, fteht weniger der aller- 
dings begangene Nahdrud — von welchem Geſichtspunkt Stobbe, Handbuch des 
deutichen PBrivatrechts, ILL, 79, Note 2, darauf aufmerfjam macht —, als das da— 
mit konkurrierende Preßvergehen in frage. Vergl. darüber die Rhedigerſche Brief- 
ſammlung (auf der breslauer Stadtbibliothel), Bd. IX, Nr. 26—28. 46—49. 68— 71 
und die TFejtichrift der breslauer Univerfität zum vierhundertjährigen Jubiläum der 
bafeler Univerfität — Oberti Giphanii epistolae 15 ex Cod. Mt. Rhedigerano 
ed. — von Th. Schirmer, Breslau 1860, ©. 3 fq., ©. 15-22. 

9%) Aus dem nürnberger Kreisardhiv. 

9) Abgedrudt bei Siebenkees, Beiträge zum teutichen Recht. I, 222— 224. 


Namen- und 


Drtsregifter. 


N. 


YHadhen. 19, 35, 25L 

Aalſt, ſ.: Aelft. 

Achates, Leonhard (Eckardt), aus Baſel. 
113, 116. 19. 

Aden, Hendrid von. 64, 

Adam aus dem Ammergau. 190. 

Adam von Rotweil. 190, 

Adam, Peter. 270, 

Adler, Aegidius, j.: Aquila. 

Adolf von Nafjau, Erzbiichof von Mainz. 
46. 52. 64. 68, 45L 

Aelſt (Aalſt, Aloft). 214. 339. 

Aeiten, Wilhelm von. D3L 

Aeſticampius. 365, 

Aethelwald, Bilchof. 260. 

Agricola, Kajpar. 591, 

Agricola, Martin. 176, 

Agricola, Rudolf. 22. 365, 452, 453, 466, 

Aich, Leonhard von. 142, 

Alantjee, Leonhard. 92, 283, 324, 382, 
826 


2ulas. 92, 142, 289, 324, 382, 


Albano, Juſtus de. 136, 139, 457 

Albert aus Stendal. 190, 

Albert, Johann. 826, 

Alberti, Dr. 605. 

Albi, Fohann von, ſ. 

Albin, — 80, 

Albrecht V ‚peraog von Bayern. 250. 

DD8, 564 567, 

nn von Brandenburg, Erzbijchof von 
Mainz. 28, 62, 72, 80, 166, 2 DSL 

Aubredt Herzog von Sachſen. SOL 

Albrecht, gobann, Druder. 92, 

Albrecht, Lorenz. 174. 

Alcala de Henares. 208, 


: Neumeijter. 


Aldegrever. 216, 240. 
Alding, Heinrich. 193, 
Aldus, ſ.: Manutius, 
Aleander, Hieronymus, Kardinal. 


Aleman, Ehriftian. GOL 

Alemanus, Leonhard. 207, 

Aleria, Johann von, Biſchof. TO. 

Alerander VI., Papit. GL LH. 379. 385, 
529, HU. 

Alerandrien. 3. 4 2 6 10. 

Alfonfo, Dom. 210. 

Alkrow, Johann. 175, 

Alopecius, Hero (Fuchs). LOG. 

Aloſt, ſ.: Aelit. 

Alt, Schreiber. 292, 203. 

Altenburg. 567, 

Altingk, Heinrich. 460. 

Altorfer. 246. 

Amberg. 638. 

Ambois, Jakob von, Abt. 

Amboife, Louis von, Bot. 3 202. 

Ambradt, Johannes, aus Mainz. 104. 
195. 289. 

Amerbach, Bafılius. 118, 

Amerbah, Baſilius (Sohn des Boni: 
facius). 375. 

Amerbah, Bonifacius. 118, 296. 307, 
312. 315. 389, 390. 

Amerbach, Dr. Bonifacius. 583, 

Amerbah, Bruno. 117, 

Amerbah, Johann. 86. 87. 88. LIE 116. 
117, 119. 121. 268. 293, 306. 310. 


3ıl, 


390. 410. 424, 452, 453, 454. 459, 
460, 
Amiens, 233, 


86 


Amman, Kobjt. 247, 


Namen: und Ortsregifter. 


Atticus, Pomponius. 6. 9 


Amfterdam. 448. 459, 498 514. 516.| Au. 230, 


520, 580. 661. 662, 666. 669. 693 
694. 715. 750, 

Anelam. 460. 

Angers. TL. 

Angit, Wolfgang. 258, 399, 402, 

Anhorn, Bartholomäus. 320, 

Anjou. 23: 

Anjou, Gräfin von. 24, 

Anna von Bretagne. 239, 

Annaberg. 152, 445. 597, 

Anjelm Kafimir, Kurfürft von Mainz. 
653. BT 658 UT 

Anjelm zur Meyien. 840, 

Anshelm, Thomas. UL 167, 168, F 
270, 283 284, 288, 310, 324, 325, 
377 386. 399, 400, 402, 455, 
465, 534, 824, 

Antiocdhia. 5. 

Antwerpen (Antorff). 19. 102. 104. 118, 
208. 213. 214. 215. 216. 217. 24L 
284, 326. 350. 118, 419, 458, 459, 
b12, 612, 613, Ti2, 

Apel, Jakob. 459, 

Aperger, Andreas. 135, 

Apfel, Michael. 164, 

Apiarius (Bienenvater), Mathias, 
248, 826, 


Appentegger, Wolf. 207. 

Aquila (Adler), Aegidius. 163, 
Arbogaft, Klofter. 33. 36, DD. 
Arbogaſt, Bucdruder. 435. 
Arbogait, Philips — 693, 694. TIO, 
Arevalo, Roderich von, Biſchof. 2 
Argeſilaus. 7 

Arnaud von yon. TIL, 

Arndes (Arndts), Stephan. 174. 220, 
Arnold (Neumarkt) von Köln. 337, 
Arnold, Ehriftoph. 190. 

Arnold, Gottfried. 605, 

Arnt, Friedrich. 686, 

Arrivabene. 337, 

Arrodenius, Michael. 560, 

Ascalon, Paulus von. 533, 
Aichaffenburg. 114, 

Aſola. 378, 386, 


— 


2 


a, Dr. Andreas. 577, 
ru Andreas von. D00, 


Alti. 251 

Athen. 3. 4 3. 6 10. 523. 
Atrectus. 9, 10, 

Attalus. 5, 

Attendorn, Peter. 88. IL 208, 
Attieus (in Athen). 4. 


Aubin, Laurent. TIL, 
Aucders, Hans. 769, 


— 17. 19. 20. 58. 62, 66. 90. 
167. 16x. 175 177. 180. 190. 2uL 
269, 271. 273. 216. 277. 2I8. 279, 
281. 2832, 283, 280, 287, 288, 299, 
295. 300. 30L 302, 304. 329, 332, 
4TL, 475, IR 479, 480. 483, 485, 
489, 502, 512, 545, 562, 563, 564, 
580. 588, 613. 634. 646. 765. 167. 
168, 712, 776, 780. T8L 823, 
Auguft L, Ku rl jr von Sachſen. 259, 
J 


Auguft II. (der Starke), Kurfürft von 
132. 


Sadjen. 599. 
Auguftus. 6. Z 8. 523, 
Autun. 10. 


Avanti, Petrus D. 774 
Aventinus, Johannes. 560. 
Ayrer, Marr. 174. 177. 334. 
Azzoguidi, Balthajar. 193. 


B. 


Bachelbel, A. Erasmus. 149. 152, 
a — (Joſſe Bade). 103. 199. 


—8 Konrad. 824, 

Baleti, Petrus. 340, 

Ballhorn, Johann. 174, 

Bamberg. 46, 80. 81, 82, 139. 172, 245, 
252. 334. 768, 


Bämler, Johann. 128, 245. 271. 272, 
276, 277. 332, Zah, 
Bapſt, Valentin, und feine Familie. 154. 


Barbier, Nikolaus. 459. 

Barbirius. 476, 

Barcelona. 207. 210. 281. 

Bart, Hans. 166, 

Barth, Heinrich, Archivar. 4, 

Bartholomaei, — * Novo Anger: 
mundio. 120. 329, 33 

Bartholomäus von — 2. 

Bartholomäus von Unckel. M 526, 





Namen: und Ortsregifter. 


Bärwald, Jakob. 154. 


(® 


Baſel. 21.42. 66. 72 32 86. 89 
93, 94. 96. 102. 103, 108. 109, 110, 
111. 112, 113, 114. 115, 116, 118 
119. 120. 121. 122. 123. 124, 140. 
161, 170. 173, 188. 196, 217, 230. 
246. 217, 248. 268, 260. 277, 278. 
279. 283. 254, 285, 287. 288 209, 
204, 209. 300. 305. 307. 309. 310. 
3418. 3109, 350. 35L 353. 357 364 
366. 367. 38L 382, 383. 388, 389, 
39%, 392, 397. 402, 410. 411. 412, 
457, 458. 459, 467, 468, 470. 4TL, 
473, 414 477 482. 588, 58 601. 
ee ee 


Baſſe, Nikolaus. 480. 483, 774 824 

Battenſchnee, Johann. 340. — 

Baudouin, Clemens. 459, 477, TZ4 

Baum, Dieterich. 772, 

Baumann, Georg. 450. 476, 589, 773, 
847. 549. 


Baumann, Georg, der Jüngere. 289, 590. 

Baumgarten, Konrad. 1T 

Baugen. 25. 230. 474. 686, 

Beauvais, Vincenz von. 84. 304 

Bebel, Zohann. 122, 248. 294. 

Becanus, Dr. Goropius. 503. 

Bechtermünze, Nikolaus und Heinrich. 46. 
DL 


Bed, Balthafar. 92, 

Bed, NRenatus. 92, 2834. 826, 

Bedenhub, Johann. 86, 177 

— Beckſtein), Simon. 678, 686, 
) 


Beetle, Dieterich von der. 4öL. 762, 
Behaim (Beham), Hans Sebald. 246, 744. 
Beheim, Martin. 458. 

Behem, Franz. 70. 80. 98. 774, 825, 
Behem, Martin. 613, 

Beilded, Lorenz. 39. 55. 

Bel (Belle), Wilhelm. 302, D3L, 

Belch, Udallrich. 281. 

Beller, Johann. 459, 772, 

Belletus, Fr. 512, 

Bellovacenfis, Vincentius, ſ.: Beauvais. 
Bembo, Pietro. 

Bender, Dr. Jakob. 643. 649. 650. 655, 
Benediktbeuern, Klofter. 23. 
Berdhem, Katharina von. 844. 845, 
Berg, Johann von (Erben). 613. 
Bergamo, Kaſpar von. 196. 

Bergel (Bergellanus), Johann Arnold 


‚19, 


857 
Bergen, Chrijtian. 636. 


Berger, Peter. 132. 
Berghe, Jan van dem. 242, 


.| Bergmann, Hans. 152, 


Bergmann, Johann (von Dfpe). 96. 121 
82. 


Bering, Gebrüder. 828, 

Beringer, Abt. 21 

Berlin. 66. 153. 238, 289, 477, 

Berlin, Johann. 672, 

Bern. 92. 248. 320. 321, 584. 

Bernaldes, Andreas. 309, 

Bernegger, Mathias. 517, 

Berner, Johann. 638, 

Bernhard, Maler. 130. 

Beromünjter. 110. 251. 

Berje, Dietrid) von. DIL. 

Berthold (von Denneberg). Erzbiſchof von 
Mainz. 453. 526, 3 580, DSL 

Berthold bon Hanau. 138, 

Bertin, St., Kloſter. 

Bertram, Anton. 826. 

Bertran, Johann. 529. 

Befancon. 2.30, 

Beſickem (Befiden), reg de, aus 
Befigheim. 113, 118. 188. 249, 

Bellarion, Kardinal. 29. 59. 184 189, 
196. 197, 202, 

Beuter, 9 686. 

Beuther, Michael. 466. 

Bewid, Thomas. 242, 

Beyer, Johann. 686. 

Beyfuß zum Hinterhecht. S41. 

Bieberadh. 416, 

Biel, Friedrih, aus Bajel (Maestro 
Fadrique Aleman),. 113,114, 208, 329, 

Bielde, Johann. 825, 

Bienenvater, Mathias, ſ.: Apiarius. 

Bild, van der. DI2, 

Bilfred Giufrith). 260. 

Billius. 

Binder, Hans, 147. 

Binder, Meifter. 584 

Bindoni, Kaipar. 774 

Birdmann, Arnold. 80. 104, 212, 468 
470. 479, TI2, 

Birdmanns, Arnold, Erben. 104. 105. 
Birdmann, Franz. 94. 101 102, 103. 
104. 120. 284, 294, 299, 456, 825, 

Birdmann, Johann. 613, 772, 
Birdmanns, Johann, Erben. 104. 
Birdmann, Theodor. 104, 
Birdner, Johannes. 473, 
Virretis, Joh. Ant. de. 338. 
Biſchof, Hans, von Triptis. 303, 
Biſticci, Veſpaſiano de. 30. 59, 


858 


Biftoli, Johannes. 372, 

Bittorff, David. 849, 

Biß, Hans. 74. 452, 762, 

Blaeu (Blacumw), Johann. 520. 669. 692, 
Blajtos, Nikolaus. 371. 384, 
Blaubeuren. 173, 

Blaubirer, Johann. 129, 

Blavio, Yoao. 212, 

Blois, Gräfin von. 25, 

Blum, Michael. 152, 592, 593. 825, 
Blum, Michel, der Jüngere. 593, 
— gen. Heidelberger, Johann. 


Bock, Nidel. 156. 157 

Bodenhoffer, Johann Joachim. 678. 

Bodmer, Familie. 126, 

Bois-le-duc. 217. 

Bologna. 13. 14. 15. 16. 26. 31, 192, 
338. 373. 378, 395, 397. 559. 

— Cornelius und Earl de. 503. 

Boner. 81. 245, 

Bongart, Hermann. 99, 531 

Bonifacius, Prädifant. 565. 

Bonifacius VIIL 68, 

Bonifacius IX. 448. 

Bonnemöre, Anton. 822, 

Boom, Dirk (Theodor). 644. 

Borchades, Hans. 178, 

Borchades, Thomas. 178, 

Borde (von Lyon). ZIL. 

Bordeaur. 205. DIN, 

Börner, Johann. 316. 

Botel, Heinrich. 207, 

Bötticher, Gregor. 149, 

Boten. 23. — 

Bouchier, P. 828, 

N Erzbiichof von Lyon. 202, 203, 


—** Paul. 482. 483. 

Braga. 210, 

Braglione, Branco. 195, 

Brandis, Lufas. 146. 173. 174 

Brandis, Markus. 145. 146. 337, 

Brandis, Matthäus. 146, 

Brandis, Morik. 146, 165. 167, 

Brant, Sebaftian. 31 31. 121, 268, 310. 
329, 330. 331 390. 568. 569. 

Brafjart, Katharina. 711, 

Braun, Georg. 107. 

Braunfels, Otto. 313, 

Brechter, Friedridh. 346. 34T 

Brechter, Martin. 40. 

Breitfopf. 228, 230, 

Bremen. 416. 657 

Bremer (Bulle), Fohann. 188. 339, 

Brescia. 22. 192, 


Namen: und Ortsregifter. 


277. 219. 281. 350. 358, 412, di 


Bretton, Wilhelm. 102. 

Breydenbadh, Bernhard von. 78. 

Brios. 320. 

Brito, Johann. 215. 

Brocar, Wilhelm. 208, 

ten Broid, Ludolf. 531. 

Brömjer von Rüdesheim, Reinhard. 41. 

Brojamer, Hand. 246, 

Brubach, Beter. 774. 824, 

Brud, Johann von der. 278, 

Bruder, Anton. 346, 

Bruder, Chriftoph. 638, 

Brüder vom ae Leben. 17, 62, 
79. 14L 143 444 174 230. 
216. 243. 260. 263. — 449, 

ränge. 19. 20. 102, 213. 215. 216. 217. 


Brundifium. 10, 

Brünn. 175. 337 

Brunnen, Johann. 70. 76. 

Brunner, Klaus. 602, 

Brunner, Konrad. 457. 

Brüſſel. 

Bry, Theodor de. 469, 

Brylinger, Nikolaus. 122, 204. 470, 479. 
601. 602, 793. 


Buding, Arnold, ſ.: Pannartz. 

Buffer, Nikolaus. 300. 

Bugenhagen. 325. 469. 

Bulle, Johann, f.: Bremer, 

Büllingen, Ludwig von. LoL 104. 1. 
107. 108. 


Bullinger, Heinrih. 125, 314. 

Burer, Albert. 410. 

Bürgig, Johann. 623, 

Burgkmair, Hans. 129. 133. 216, 

Burgo, Nicolao de, 289. 2%. 

Burgo, Pietro Antonio de. 289, 20. 

Burgos. 114. 207. 208, 

Bury, Richard de. 12, 21. IR 

Buſaei, Johann, Witwe in Köln. ZI. 

Buſche, Hermann von dem, 362 3. 
399, 404, 


Buriis, Johannes Antonius de. IX. 


Buyer, Bartholomäus, 201. 301. 
Byzanz. 225, 


C. 


Caen. 340. 502, 
Caeſaris (Keyſers), Peter. 198. 19, 


Namen: und Ortsregijter. 


—22 Konrad. 106, 

Caejarius, Nikolaus. 106. 

Caimox, Cornelius. 613. 772, 

Caimor, Heinrid. 613. 774 

Caimor, Hubert. 613. 774, 

Baldarinus, Domitianus. 186. 

Calenius, Gerwin. 613. 772, 825, 

Caliergi, — 314. 371 34 

Calvi, Andrea. 89, 

Calvin. 204, 318. 516. 

Calybäus, Bartholomäus. 122. 

Cambridge. 464, 

Camerarius, Joahim. 155. 374. 

Camermaifter, Sebaftian. 202. 766. 

Gamers. 162, 365. 

Cammin, Biſchof von. 147. 228. 233. 

Campanis, Thomas de. 3410, 

Campanus, Biichof von Terano. 187, 

Campeggi, Lorenzo, päpftlicher Nuntius, 
416, 570. 


Caniſius, Peter. 163, 445. 

Canterbury. 102, 

Capito, ſ.: Kopfel. 

Caraffa, Kardinal. 187 

Carbo (Khol), Hans. 163, 827, 

Garpenitras?). 217. 

Carpi, Fürft Albert Pius. 291. 313. 37L 
379, 411, 


Carpzow, Benedikt. 603, 

Carrara, Francesco. 232, 

Caſſius, Gajus. 523, 

Cattho, Angelo, Erzbiichof. 203. 

Earton, William. 107 14. 215, 217 

Cayas, Gabriel de. SOLL 

Eeltis, Konrad. 131. 161. 361. 365. 376. 
382. 396. 397, 738. 139, 767. 

Eennini, Bernardo. 192, 267. 

Eennini, Cennino. 240. 

Cennini, Dominicus. 267, 

Cervicorn, ſ.: Hirkhorn. 

— Alain. 286, 

Chevallon, Claude. 199. 

Ehindafivind (König der Weftgoten). 676. 

Cholinus, Goswin. 106, 

Eholinus, Johann Arnold. 106. 

u Maternus. 106, 299, 506. 613. 


ChHolinus, Peter. 106, 

Chouet, Leonhard. TIL. 

Chouet, Pierre. ZIL 

Chouet, Samuel. 669, 

Epriftian II., Kurfürft von Sachſen. 624. 
628, 632. 633, 


Ehriftian III, König von Dänemarf, 
469, 


899 
Ehriftian IV., König von Dänemarf. 
518. 606, 


Ehriftian von Nürnberg. 531, 

—33 — Königin von Schweden. 518, 
Ehriftoph, Herzog von Würtemberg. 168, 
Ciotti, Johann Baptift. 108, i 
Cividale. 238, 

Clayn, Johann, ſ.: Clein. 

Clebitius, Wilhelm. 548. 549, 550, 
Cleebatt (Kfeeblatt), Stephan. 207. 
Clein, Johann. 201. 203. 283. 528, 
Clein, Stephan. 351, 

Element, Peter. 148. 152." 279. 
Eloucguius, U. 512, 

Elugny. 115, 

—— Johann. 168 324, 41 415. 


Coeus, Simon. 284. 

Eogolludo. 209. 

Eohler, Johann. 456, 

Gollimitius. 162, 

Eolumban. 238. 

Columbus, Chriftoph. L 208, 209, 

Columbus, Ferdinand. 209, 458, 

Commelin, Hieronymus. 176, 

Como. 293, 167 

Eonon, Johann. 116, 

Eonrad, Balthafar. 590, 

Conty, Etienne de. 24 

Gordova, Fernandez Alfred de. 206, 

Gordus, Cremutius. 523, 

Cornelius von Bürichjee. 99. 336. DIL 

Gornouaille, Graf. 254. 

GCorvey. 28. 20. 

Corvinus, Mathias. 31. 

Coſta, Andreas. 320, 

Cotta, Johann Georg. 170, 

Cotta (Firma). 202, 

Eracau, Georg. 602, 

Erafto. 194. 195. 

Cranach, Qucas. 172, 246, 247. 423, 

Grajton. 324. 

Gratander, Andreas. 122. 284. 291. 582 
82 


Crato (Kraft), Kohann. 827. 
Erespin, Johann. 774, 324, 
Ereußner, Friedrich. 141, 333, 
Ereuger, Stephan. 164. 827, 
Erithius, Johann. 825, 
Eromberger, Jakob, 208, 211, 212, 
Eromberger, Johann. 212, 

Erotus Rubianus. 395. 396, 399, 402, 
Eruje, Loys. 824. 

Eulenborg. 214. 217. 

Eundall. 257, 


860 Namen: und Ortsregifter. 


Cundiſius, Joh. 686, 

Eunrad, Chrijtoph. 601. 
Cunrat (Bapierer). rn 
Curio (in Upfala). 518. 

Eurio, Valentin. 122. 248, 
Euftos, Dominicus. 135, 
Guthbert. 260, 

Eyclops, Wolf. 166, 


D. 


Dabertzhofer, Chryſoſtomus. 135. 
Dachauer, Michael. 207. 

- Dalberg, Johann von. 395. 
Danneder, j.: Dieneder, de Neder. 
Danzig. 150. 

Darendingen. 168, 

David, R. ben Chaim. 132, 

David zum Sdiff. 840. 842, 
David, Konrad, 339, 

Debreszin. 163. 

Deder, Hans Yatob. 583, 584. SIL 
Degerbed, 768. 
zehn, Hermann. 850, 

Dehme, Michael. 669, 706, 707, 
Deif. 216, 

Dend, 3. 441 

Denis, St., Abtei. 254, 

Deo, Kohann de. 338, 
Deſſerans, Jcan. 308. 


Deventer. 17, 216, 326, 361, 363. 367, 
Didot, Firmin. 25. 263, 264. 266. 374. 


Diegen, Engel. 772, 

Diemuth, Nonne in — 24. 
Dieneder, Koft. 129%. 246, 
Dietenberger, Johann. 79, 168, 
Dietherich, Thiebold, 773, 
Dietrich, Alerander. 529, 

Dieß, Ludwig. 174, 

Dijon. 113. 

Dillenburg. 555. 

Dillingen. 559, 

Dindmuth, Konrad. 136, 137. 334. 
Dion, Adam, ſ.: Dyon. 

Dodo, Auguftinus, 116. 310, 
Dolet, Stephan. 204, 

Dolhopf, Andreas. 696. 720, 
Domitian. 524, 
Donau-Gejellichaft. 135. 365. 
Donauwörth. 181. 183, 
Döring, Ehriftian. 172, 423, 
Dorpius. 387. 39L 

Dorjten, Johann von. 531. 
Dortmund. 105. 

Dorus. 9, 


Douai. L 

Drach, Peter. 172. 173, 335, 
Diechſel, Thomas. 774, 
Dreher, Konrad. 773, 
Dreicher, Veit Jafob. 686. 


Dreiler, Matthäus. 155. 319. 

Dringenberg. 363, 

rn Andreas. 34. 3. 37389. 
bh. 


—— Claus. 34. 36. 309. 51 
Drigehn, Georg. 34. 36. 54. 

Ducas, Demetrius. 311. 

Du Gerceau, Jacques. 507, 

Du Molin, Sebaftian,. 296. 7 
Dünne. 38, 

Dupuys, — 459, 774, 

— Al — 138, 233, 239. 245. 


an die. 475, 

Duvet. 267. 

Dyd, Ehriftoph van. u. 
Dyon, Adam. 173, 412, 


E. 


Eadfri en 

Eber, (afius. 827, 

Eber Johann. F 

Eberbach, Petrejus. 02 

Eberlin, Johann. 420, 432, 41 
Ebersheim, Gerhard. 643, 

Ebert, Baftian. 261 

Echternach. 

Ed, Johann. 168, 411. 414 415. BI.HI. 
Edardt, Leonhard, J. Achates. 
Editein, Simon. 152, 

Eder, Georg. 555. 556. 

Eder, Wrfgeng 82h. 

Egenolph, Chriftian. 92 453. 824. SL 
Egenotph8, Chriftian, Erben. 482, 613. 


Egenolph, Paul. 825. 
Gageitein, Heinrich. 85. 86. 128. 28 
Eglinus, Raphael. 322, 

Ehrlich, Paul. 303, 

Eichitädt. 174. 334. 768, 
Eilenburg. 151. 166. 420, 427, 
Eisleben. 152, 475. 4%. 
Elchinger, Hans. 576, 
Eldyinger, Matthäus. 132. 

Eler, Andreas, 529, 


Namen- und Ortäregifter. 


El-Fayüm. 226, 228, 

Eliezer, Raban. 209. 

Elifaberh, die heilige. 238, 

Elisabeth vidua (Druderfirma). 99. 

Elfevier, die fyamilie. 213. 308, 498. 602, 
511, 516, 517. 518, 519. 520. 

Eljevier, Abraham (Sohn des Mathias). 
514. 516. 521, 829, 


Elfevier, Agidius. 5IL. 

Eljevier, Bonaventura. 514. 515. 

Eljevier, et (Sohn des Ma- 
thias). 514. 516. 829, 

Eljevier, Daniel (Sohn des Bonaventura). 
314. 514. 516. DIT. 518. 


519. 520 
694. 829, 
Eljevier, Johann. 515. 519. 669, 
Eljevier, Iſaak (Sohn des Mathias). 466, 
511. 


Eifevier, Ludwig. SIL. 512, 513, 514, 
h19. 828, 


Eljevier, Mathias. 511. 

Eljevier, Peter. 694. 

Eltville. 33. 34. ” 61. 02, 

Elyan, Kaipar. 173. 

Emmel, Egenolph. 316. 

Emmel, Samuel. 826. 

Emmenius, Johann. 319. 

Emmeran, ©t., in Regensburg. 251. 

Emmerid, Franz Erasmus von. 717. 730, 

— Werner Philipp von. 643, 661. 
671. 677, 679, 


Emijer. 594. 738. 

Endovicenfis, Chriftoph. 284, 

Endter. 696. 708, 709, 710, 712, 713, 

Endter, friedrid. 706. 707, 712, 

Endter, Michael. 706. 707. 

Endter, engen. zu2 494, 495. 499, 
502, 648, 678, 682. 693. 


Enfhuijen, Jan van. 24. 
Epinal. 230. 346. 576. 
Episcopius, Eujebius. 121. ul 172. 823, 


861 


396. 400, 412, 2 419, 445, 475, 
529, 686. 773. 780 

Erlinger, Georg. 82, 

Ernft, Kurfürft von Sachſen. 591. 

Ernit, Erzbiihof von Magdeburg. 146. 


Erphordianus, Johannes. 132, 
Erjtenberger, Georg. 620, 628, 
Erythropilus. 605, 
Eichenberger, Andreas. 575. 
Eipenloer, Jorg. 768, 
Ehlingen. 173. 335. 345, 525. 
Eifonne. 229, 


. | Ejtienne. 176. 


Eitienne, Henry (Henricus Stephamus). 
200. 460. 464, 324. 

Ejtienne, Robert. 200. 824. 

Eumenes II. 225. 

Evora. 212, 

Eyſelein, Jorg. 767, 

Eyſen, Dr. Johann Baptiſt. 619. 


F. 


Faber, Abraham. 825. 

"aber, Bajilius. 155, 

Faber, — (Frankfurt). 768. 
Faber Emmäus, Johannes. 122, 823. 
aber, Johann (aus Langres). 338. 410. 
aber, Beter. — 

Faber, Rudolf. 319, 

Faber, Timäus. 512, 

Fabri, Felix. 62, 

Fabri, Johann. 220, 

Fabri, Peter. 774. 

Fabriano. 229, 

Fabrieius, Blaſius. 826. 

Fabricius, Georg. 155, 

Fabrieius, Walter. 261. 825. 
Fadrique Aleman, f.: Biel. 


Episcopius, Nitolaus. 100, ww Faleaõ, Chriftophaö. 212, 
Bon oh 59. AGT, AGB AD. 475, | ano. 385, 


478, 823, 84, 
Episcopius, Nitolaus (Sohn). 121, 
Erasmus von Rotterdam. 92, 102, 


Erbady, Georg Graf von. 591. 
Erfurt. 1 iz. &2 92 110 977. 287. 
302. 336. 362. 364, 374. 394. 395. 


Tarcallius, Amandus. 824. 

Farel, Wilhelm. 307, 414. 582, 

Farwenburner, Veit. 114. 

Faulhaber, Johann. 579, 

Fauſt, Johann (Haufierer). 435. 

Feger, Diephold (Theobald). 282.302, 767. 

Trelgiebel, Eſaias. 686. 

Teller, Dr. 599, 

Tenollar, Don Bernhard. 206. 

Ferdinand L 162. 163. 317. 366. 431, 
432, 442, 553. 555. 556. 570. 57 


BB, 
Ferdinand II. 589. 641. 649. 652. 


862 Namen- und Ortsregijter. 










Ferdinand II. 170. 589. 616. 644. 650,] 474. 476. 477. 478, 479, 480. 41L 
b5l, 6566. 658. 659, 660. 661, 662,| AS2, 483, 484, 485, 486. 487, 488 
663, 664, 666, 681. 750. 491. 403, 494, 496. 499, 500. 502. 

Ferdinand der Katholijche. 208. 505. 506. 507. 512, 514. 518, 

Fernandez, Balentin, j.: Valentin von) 519. 527. 529. 548, 549, 550. 563. 
ähren. 566. 574. 578. 579. 580. 58L 60L 

rerrara. 371. 602, 603, 604. 605. 606. 600 610 

Ferrariis, Petrus de, 457, 611. 612, 613, 614. 615. 616, GIR, 

Feſtichius, Theobald. 392, 621, 622, 624. 627, 628. 629. 630 

Fevre, Raoul de. 217. 631. 632, 633. 635. 636. 639, 641 

Feyerabend, Kohann. 484. 642, 645. 646. 647. 648. 649, KL 


Feyerabend, Sigismund. 80. 158. 305, 
308, 318, 459, 469. 470. 473, 477. 
478, 479. 613, 774, 823, 

Fichet, Wilhelm. 42, 196. 197. 202, 286, 

Fievet jun., Daniel. 665. 693. 

öinderihaus, Lorenz. 154. 156. 157, 158. 
296. 476, 749, 

Fingerlin, Dr. 578, 

Fink, Leonhard. 435. 

Firleger, Hans. 769, 

Fiſchart, Johann. W. 

Fiſcher (Piscator), Kilian. 178 

Fiſcher, Lorenz. 8 

riicher, Peter. 730. 823. 824. 

Fivett (Fievet), Daniel. 665. 

Flach, Martin, in Bajel. 86. 116. 

sta, Martin, in Straßburg. 86. 88. 91. 


Sud, Martin, der Jüngere. 92, 283, 
). 826. 


— wu Mathias. 167. 559, 

Flament, Abbe. 118. 

Flandria, Gerardus de. 337. 

Flavius, X. Ch. 12, 

Slorenz. 21. 26, 28. 29, 30. 192, 292. 
249. 267, 270. 295. 238, 372, 385 
559, 169. 

Foligno. 174. 194. 195. 249. 267. 285, 
280, 


Foppens, Franz. DI2, 
Foriter, Gregor. 153, 29%. 
Foucquet, Jehan. 239, 

For, Johann. 559, 

Franck, Sebaftian. 559. 565, 
Franeker. 512. 

Frank, David. 135, 


126 


162, 768, 774. 783. 824, 

Frankfurt a. DO. 154, 173, 
Frank, Auguftus. 590. 
Franz, Korrektor. 76, 
Freher, Marquard. 176. 316. 317, 321 
sreiberg. 147. 317. 686. 
Sreiburg i Br. 122, 178. 332, 366, 367, 
Freiburger, Michael. 42. 196. 197. 19, 
freilingen. 137. 179. 
Sreifingen, Biſchof von. 561 
Frellon, Johann. 774. 
Friderici (Friedrich), Johann. 694, 697. 

704, 705. 706, 


Triedberg, Peter. 79. 

Friedrich Barbaroffa. 24. 

Friedrich II. (Kaifer). 448, 

Friedrich III. (Kaifer). 68. 72, 84. 160, 


ns der Weiſe, —— von Sachſen. 
147. 382, 419, 592. 


Friedrich I., Kurfürjt von Pfalz. 85, 

Friedrich iii. „Kurfürſt von der Pfalz. 8 

Friedrich IV., Kurfürſt von der Pfalz. 
624. 628, 620, 630. 638, 

Friedrich V., Kurfürjt von der ala, 
König von Böhmen. 639. 640. 644. 

riedrich, Herzog von Würtemberg. 261. 
586, 646, 


Frankfurt a. M. 20. 68. 69. TI. 74, 80. 
101, 102. 106. 14 122. 140. 155. | Fries, Andreas. 693, 
158, 159, 181 239. 277. 278. 279 Frieſe, Heinrich. DIL 
294, 305, 307. 308. 31L 312, 318. Frieſe, Ulrich. 21 
349, 303 3b6. 357 383, 399, | riefen, Otto Heinrich von. 725, 
400. 410. 448. 449. 450. 4bL 452. Frieß, Heinrich. 693. 694, 
453, 454. 455. 466. 45T 458 4509 | Frieße, Dr. 578, 
460, 461. 462. 463. 464. 465. 466. | FFrigeno, Marino de. 28. 
467. 468, 469, 470. ATL 42, 473, Srius, Gemma. 506. 


Namen- und Ortsregiſter. 


Frisner, Andreas. 139. 144, 145, 

—8 Wilhelm. 669, 

Se 2 ohann. 706. 107, 

Fritſch, Thomas. 502, 605. 

Fritz, Gabriel. 476, 

Fritzhans, Johannes. 166, 171, 

Froben, Ambrofius. 121. 839. 

Froben, Aurelius. 121. 773, 

Froben, Johann. 117. 118. 119. 120, 
121. 122, 123. 248. 282, 287, 288, 
293, ET 230. zu. 308. 309, 31 


Froben, — 100. 101. 103. 11T 
120. 121. 392, 394. 613. 854, 

Frobenius, Georg Ludwig. 178. 

Frommann, Eduard. 383. 

Fromolt, Eberhard. 113. 116, 

Fronius, Mathias. 741. 742, 

Froſchauer, —— 124, 125. 126, 307, 

308, 310. 338. 456, 468, 


Bro, —— der Jüngere. 126, 
248. 7 

—— (S Schauer), Johann. 412. 442, 
462, 


Froſche, —— 627. 

Fröſchlin,) Yafob. 579, 

Fuchs, — Alopecius. 

Fuchsmagen, Johann. 365. 

Fugger, die. 382. 

Fuhrmann. 696, 

Fulda. 28. 

Fumagalli. 181. 

Furmann, Velten. 773. 

Fürſt, Paulus. 686, 

Fürjtenberg, Ferdinand von, Fürſtbiſchof 
von Paderborn. 517. 

Furter, Michael. 118. 120, 239. 294, 816, 


Füßen. 38L 

Fuſt, Grete. 813. 

alt, Johann. 42. 42. 
67T. 68 
83 94 

244 ST 248, 

450. 4L 759, 

Fyner, Konrad. 173. 334. 


. 


4. 
70, 11 
F11, 


12. 
138, 
278. 281 


G. 


Gaasbeck, Abraham von. 694. 
Gaasbed, Daniel von. 694. 


Gaguin, Robert. 42. 200. 
Gaillard, Pierre. 255. 

Galilei. 517. 519, 

Gallen, St. 28, 251, 277. 321. 
Gallus. 238, 

Gallus, Nikolaus. 167. 

Gallus, Wolfgang. 188. 

Garlin, Sohann. 693. 

Garnier, 296, 

Sartenmann, Hans, 774, 
Sasparini von Bergamo. 42. 113, 
Gaubiſch, Urban. 

Gaza, Theodor. 150, 

Sebwieler, Hieronymus von. 85. 
Geiger, Hans. 

Beilenfirhen, Kajpar. 550. 

—— von Kayſersberg, Johann. 31. 269, 


Geirtgen, Frau. 587 
Gelenius, Sigismund. 120. 31L 
Gellgues, Arnold. 40, 41, 
Gemuſaeus, Hieronymus. 613, 
Gemujaeus, Polyfarp. 613. 
Genf. 69. 204. 307, 320. 459. 464, 476, 
478. 612, 669. 6%, 774. 824 
Sengenbadh, Pamphilus. 121. 412, 
— Kaſpar von. 106, 
Sensberg, Johann. 188. 
Gensfleitt mager) al 32, 
Gensjleiih, Frilo. 
Sensfleiich, rn (Sutenbegs Bruder). 34. 
Gensfleiſch, Georg. : 
Gensfleiſch, Peter Sohn Frilo’s). 32 
Gensfleiſch, Richter. 
Gent. 19. 20. 217 Fer 
Gentile da Fabriano. 229, 
Genua. 50. 93. 192. 769, 
Georg, — re er 149, 151 


234. 691. 592, 

Bas. 59%. 601, 738. 741, 

Gerbellius, Nikolaus. 389, 

Gerber, Hans. 767. 

Serbard von Amersford. 531 

Gerhard aus Haerlem. 192. 

Gering, Ulridh. 42, 113. 196. 197. 198, 
813, 


Gerlach, Abt von Deuß. 60, 
Gerlach, Ehriftian. 678. 
Gerlach, Dietridh. 613, 773, 
Serling, Johann. 207. 210, 
Sermanus, Henricus. 191. 
Gesner, Jakob. 773, 

re Andreas. 827. 

Geßner, Konrad. 125. 314. 319. 
Geyer, Niklas. SU. 


864 


Ghemen, Gottfried af. 219. 
Gießer, Hans. 207. 

Siolito, Gabriel. 828. 

Giunta, en da. 250. 283, 828, 
Slandorf. 429. 

Glareanus, Heinrich. 332, 389, 
Slauberg, Karl von. 540. 

Gleditſch, Johann Friedrich. 502. 605. 
Slodengieher, Sirtus. 201. 

Sof, Markus. 693, 

Glov, Achatius. 148, 

Soclenius, Konrad. 317, 

Gode. 295. 

Goes, Mathias von der. 217. 


Soldait von — Melchior. 


317. 321, 466. 623, 
Soldhammer. 395. 
Goldinbeck de Sul, Barth. 339, 
Soljmid, Martin. 763. 
Soltih, Bartholomäus. 188, 
Goltz, Morig. 151. 
Goltzius, Hubert. 506. DOT. 
Sörlin, Kohann. 669, 
Görlitz. 226. 228, 686, 
Soßbert. 24 
Goſſel, Hans. 613, 
Sotha. 252, 396. 548, 549, 
Gothan, Bartholomäus. 174, 
Gotthardt. 24, 


Götz, Zune von Schlettjtadt. 97. 285. 
9, 331 


Götz, Paul. 89, 


Götz, Thomas Mathias. 686. 696. 705, 


Gouda. 216. 217. 219, 339, 
Gourmont, Agidius 340. 
Gourmont, oh. 340, 

Graf, Elias, Superior. 646. 
Graf, Urs. 133. 246, 
Graminaeus, 3 613. 772, 


Gran, Heinrid. 92. 173. 177. 283. 284 


288. 324, 332, 402, 824, 
Granada. 207. 208, 
Sranvella, Kardinal. 504, 
Sraphäus, Johann. 284, 
raue, Stephan. 773, 


Graz. 293, 302, H5L DL 
Greff, Johann Hartmuth. 664 665, 


$regorius, Dr 

Greiff, Michael. 175. 
Greiffenbruch, Johann. 772, 
Sreifswald. 460. 

Grefemund, Theodorid. 529. 
Grimani, Breviarium. 20, 239, 
Grimani, Kardinal, 20. 389. 
Grimm, Siegmund. 132. 132 188, 
Grimma. 427, 

Gritſch. 324. 


153, 172, 423, 846, 


Namen- und Ortöregifter. 


Gritti. GEL. 

Gritto, Johann. 640, 

Grolier, Jean. 257. 258. 259. 261 

Far Johann Friedrid. 515. 516, 
Grooß, Johann. 679. 680. 

Sroote, Gerhard. 17, 449, 

Große Gro ), Friedrich. . 400. 

Große (Groß), Gottfried. 159. 160. 

Große, Gottfried, und Gejellichafter. IM. 

Große, Henning, Gejellichafter und Er- 
ben. 158, 159, 160, 489, 490. 652, 748. 
825 846. 850. 

Große, Henning jun. 159%. 160. 

Großhofer, David Lazarus. 

Grotius, Hugo. 519. 

Grumbad), ilhelm von. 597, 

Grün, Hans Baldung. 246. 

Grunderhaus, Jakob. 567. 

Grunenberg, Johann. 171. 412, 413. 418, 
420. 423. 827. 


Grüner, Johann. 136. 137, 
Srunhofer, Chriftoph. 767. 
Grüninger, Johann. 86. 8 M, 9, 172, 
283. 298, 331. 437, 816. 826. 
Gruppenbach, Georg. 170. 316. 467, 586, 


Grüter, Johann. 512. 513. 526, 
—— ern 204 
ryp ius, ara 
Gryphius Gh, Sei ), Sehaftian. 204, 
Grynäus, Antijtes, 319. 773, 
Sualterus, Rudolph. 125. 
Suarinus, Thomas. 773, 823, 
Gueynard, Stephan. 232, 
Suillard, Charlotte. 199, 
Guillemot, Mathias. 296. 297, 
Guiſchet, Jakob. 774 
Guldemund, Konrad. 193. 
Guldenmund, Hans. 573. 744. 
Buldenichaff, Johann. 98. 
Suldinbed, Bartholomäus. 188. 
Günther, Wolf. 154 gr 474, 
Gunzenhaufer, Jojeph. 193. 
Guftad Adolf, Herzog von Medlenburg. 
607, 


Gutenberg, Frilo. 32, m 
Gutenberg, Johann. 1. 2, 31 32 3. 
3 30. 36. a7. 28. 29,40. ILS 


812, 
Guthe (oder Ponat), Dominicus. 2. 
Gutknecht, Zobjt. 412, 


Namen: und Ortsregifter. 


Guymier, an 1 

Guychette, om 

—— ymnich), Engelbert. 661.662, 
663. 679, 

—— I., Johann. 106, 107. 299. 
5 72, 

Gymnicus IL, Johann. 107 

Symnicus III, Johann. 107. 

Gymnicus, Martin. 107, 

Gyrardeghis, Franciscus de, 338. 


9: 
Haag. 232, 233. D14. 


Yang (Baagen), Beter. 301. 
Haagen, Johann Friedrich, von Arnheim, 
693. 


Had, Cornelius. 520, 694. 

Had, Hans (Danzig) 768. 

Had, Peter. 693. 

Hacquet, oh. Bapt. 327. 

Haerlem, 217. 

Haeftens, 9. van. 512, 

Hagen, Johann Ludwig von. 488. 637 
643, 645. 647, 649. 650. 652, 653 
655. 666. 658. 663 

Hagenau. 21. 83. 91 168. 172. 117. 270, 
283. 284. 310. 324. 332, 402, 455, 
462, 824, 

Hagenbach, Peter. 207. 

Hagmaier, Johann. 261. 

Hahn, Balthajar. 613. 773, 

Bo Ulrid. 187. 188. 194 24 

Hahn, Weigand. 478. 774, 823. 

Haimon, Bilchof. 24. 

Halberjtadt. 413. 

ie hi Hans. 230. 
amburg. 174. 177. 178. 279, 322, SL 
657, 678, 709. 825. 

Hammann, gen. Herzog, Johann. 10. 

Hammer, Peter. 498, 

Hammers, Agnes. 435. 

Hammers, Stephan. 435. 

— Balthajar. 773, 
andis, Henequis, j.: Hendis. 

Hanheymer, Johann Nikolaus. 188. 339, 

Hans, Franzisfanermönd. 274. 275, 

Hans von Dorlad). 347. 

Dans von Koblenz, ſ.: Kerver. 

Darder, Michael. 467. 478, 

Harniſch, Mathias. 613. 774 

Harpulus, 3. 

Harſcher, Hans. 74. 

Harttung, Alerander. 692, 693. 705, 706, 
107. 708. 9. 2. 3. 


Rapp. I. 


Haile, Oskar. 816. 833, 

Hajelberg, Johann. 92. 283, 

Hajelo, Beter. 20. 

Haſſelt (bei Zwolle). 216. 

Hauenjtein, Thomas Heinrich. 712, 

Hauffe, Mathias. 261. 

Hault, David. 827, 

Havenjtein, Yodocus. 193. 

Hederich. 174 

Hees, Wilhelm. 214. 

Hegius, Alerander. 361. 363. 364. 367, 

Heidegger und Rahn. 126. 

Heidelberg. 16. 26. 70. 91. 156, 158. 175, 
176, 243, 321, 335. 375, 395. 464. 
526. 519, 613. 774 

Heil, Andreas. 154. 

Heil (Hay, Wolf. 773, 

Heiland, Markus. 120, 

Heilmann, Andreas. 35. 36, 38. 39, 55. 

Heilmann, Anton. 35. 36, 39. 

Heilmannus, gen. Grails von Dreydorff. 18. 

Heinrich III. Kaijer. 24, 

Heinrich, Herzog von — 594. 595. 

Heinrich (Bifchof). 77. 

Heinrich von Mellerjtadt. 428. 571. 

Heinrich von ei 97. 99. 531. 

Heinrich, Hanf. 773, 

Heinrich, Niflasz. 774 

Heinfius, Nikolaus. 515. 517. — 

Hell, Georg von, (gen. BR 

Helmasperger, Ulrich. 46. 47. 80 

van Konrad. 69, TZL 72.73. 7A. 452. 


162, 

Henneberg, Berthold von, j.: Berthold, 
Erabifchof. 

Henningh, Peter. 353. 

Henrici, Johannes. TL 

Henricpetri, Sebajtian. 122. 248, 

Henricpetri, Sirtus. 122, 

Henry, Benedictiner von Dube Abbey. 260. 

Henſel, Konrad. 527. 528 

Heringen, Wi igand von. 527. 

Hermann von Stadtlohn (Stadtloe). 71. 72, 

Hermann (Harmann), Johannes. 301, 

Hermannjtadt. 20, 21, 278. 302 

Hermogenes. 524, 

Hermsdorf — 

Herold, Geor 

Herrad von — 238, 

Herrenbed, Johann. 201, 

Herrgott, "Sohann. 143. 425, 438. 439, 

h7L, 594. 


—— Kunigunde. 438. 

Hertel, — 178 

Hertford. 230, 

Herwagen, Johann. 92. 120, 121. 123, 


55 


696. 720. 


866 
294. 300. 315. 388, 458, 583, 613. 


823, 

Herwagen, Johann (Sohn). 121. 

Herwagen’s Witwe und Erben. 123, 471, 

Hefie, Eoban. 389, 396. 399, 402, 417, 

Hebel, Jeremias. — 

Heumann, Friedrich. 79, 

Heybey. 501. 

a ern von der. 619. 

Heyl, Jato . 105, 

Heyl (Soter), Kohann. 105, 

Heyl, Melchior. 109. 

Heynlein de Lapide, Johann. 42, 59, 116. 
186. 196. 197, 286. 326. 

Heyny, Ehriftmann. 128, 

Heytmer, Johann. 28, 

Hierat, Anton. 107. 299, 844, 845, 

Higman, Johann. 199, 

Hildanus, Fabricius. 220, 

Hilfebrand, Gethmann. 850, 

Hiltebrant, Johannes. 168, 310. 

Hindenumb, Andreas. 150. 

Hirihmoger. 163. 

Hirkhorn ae): Eucdharius. 100, 
105, 106. 825. 854. 

Hift, Fohann. 172, 

Hiit (Byich), Konrad. 90. 172. 173, 177 
Hittorp, Gottfried. 94. 100, 101. 150. 
151, 279, 284. 295. 459, 765, 854 

Hißel, Hieronymus. 428, DIL 

Hochfeder, Kaspar. 112, 

— 25 Konrad. 774 

Hochwerck, Siriacus. 34%, 

Hofer, Albrecht. 

Hofer, Peter. 152. 

Hoffmann, Johann. 667, 853, 

Hoffmann, Nifolaus. 824. 

Hoffmann, Wolfgang. 668 665, 

Hofhalter, Nichard, 1 : Skrzeluski. 

Hogjtraaten. 380. 400, 401, 

Sopenfohe, Graf Albrecht von. 131. 
5 


ohenwang, Yudwig. 135. B16. 
oh Hermann Andreas. TIT, 
olbein, Ambrofius. 246, 248. 

Hans, Papierer. 130. 229, 233, 


Holbein, Hans, der Ültere. 118, 119. 123, 
247, 248, 325, 


Holbein, Hans, der Jüngere. 246, 248, 
Holbein, Frile. 220, 230. 233, 

Holl, Leonhard. 136, 

Hölßel, Hieronymus. un 284, 333, 
Homberg, Konrad von, j.: Winters, 
— Nitolaus von. 86. 267, 

dopfer, Daniel. 246, 


Namen- und Ortsregifter. 


Hopyl, Wolfgang. 101. 102, 199, 282. 
284, 828, 
— (Hurlemann), Kurd. 69. 278 


Hornden, Ludwig. 94. 100, 150. 151 


279. 284, 295, 386. 459. 765, 828. 
ther Hörnen, Arnold. 58. 95, 
ther Hörnen, Peter. B. 
Hörnigk, Dr. £, von. 488, 643, 652, 660 
662, 663, 664, 665 666. 66T, 668 


669, 670. 6TL, 680. 68L. 715. 
Hornung, Andreas. 147, 
Horft, Peter. 772, 
Hortas, Magijter. 209, 
Hofenneftel, Jiaaf und Abraham. 580. 
Huber, Wolfgang. 569 
Hubmayer, Balthajar. 441. 442. 443, 554, 
Hugo, Johannes. 182. 
Humel, Kong. 768, 
Humery, Konrad. 18. 39, 46.47, 50, 53, 
Humm, Anton. 649, 
.. Johann Nifolaus. 665. 
Humm, Paulus, 602, 
— Michael. 168 324, 375, 


Hünefeld, Niklas Ehriftoph von. 693, 694. 
69h, 104. Tun, 106. 707, Tio, ZI2, 


114 

Supfuff, Mathias. 91, 298, 313, 331. 826, 

Hurus, Johann. 

Hurus, Paul. 207, 

Hus, Mathias. 201. 202, 340. 

Huf, Johann. 404. 588, 

Huf, Martin. 201, 302, 767, 28 

Hußner, Georg. 86, 267 

Huftlein, Hans. 768, 

Hutten, Ulrich von. 133. 148. 162. 313, 
362, 36h. 370, 396. 397, 399, 402, 
404, 405. 415. 437. 534, 

Hutter, Leonhard. 850. 

Hütter, Simon. 158, 470, 774. 822, 849, 

Huttichius, Sohannes. 90, 91 

Hutz, Yeonhard. 207, 

Hyſch, Konrad, j.: Hift. 


J. 

Ickelſamer, Valentin. 444. 445, 44T 

Ilsner, Blafius. 693, 

Slfung, Hans Felir. T 

Zumendorff. 646. 

Zugoifiadi 174, 177. 191. 334. 375, 485, 
500. 559, 562, Dei Did. 56T, 576 
613, 168, 773, 825. 

Ingolter. 475. 


Namen- und 


Ingweiler, .... bon. 89, 768, 
ar Bernhard. 
nnocenz VIII. on 

Selen, Heinrich von. 529. HL. 

Sienburg, ee von, Erzbijchof von 
Mainz. 

Siengriner, Dichael. 122, 294, 

Säger, Andreas. 261. 

Jäger, Johann, 396. 

Jakob, Buchführer. 

Jakob von Breda. 216. 

Jakob von Olmüß. 60. 

Safob von Pforzheim. 87. 88. 118. 120, 
2R4. 329, 


Jakob, Eyriacus. 315. 
Jan de Printere (von Antwerpen). 241. 
242 


Jani, Johann. 748. 

Janſon, WU. 666. 669, 

Janſſon, Johann. 518. 520, 694, 

Jena. 158, 167. 307, 470. 602, 622, 024, 

Senjon, Nikolaus. 144. 190, 191, 206, 
371. 


Jeronimus, Buchbinder. 76T. 

Jeronimus, Buchführer. 767. 

Sobin, Bernhard. 43. 826. 

— aus Gerlichshofen. M 
ohann II., König von Portugal. 209, 

Johann, Buchführer in Jüterbock. 

te von Köln. 190. 192, 207. 

Sohann aus Lüttich. 

Johann von Nürnberg. 208. 

Johann von Ravensburg, j.: Ravensburg. 

Johann von Solingen. DL 

Johann von Speyer. 189. 190, 208. 323. 
37 


Johann von Wejtfalen. 214. 215. 339. 

Johann Adolf, Herzog von Holjtein. 322. 

Johann Albrecht, Herzog von Medlen- 
burg. 465. 

Johann — Kurfürſt von Sachſen. 
423. 5 * 


Johann eh Kurfürft von Sadjen. 
473. bu. 

Sohann Georg Il., Kurfürjt von Sachſen. 
[it I 

Johann en Kurfürjt von Sadjen. 

— Buchführer. 302. 

Johannes de Vienna. 129, 

Jonghe, Clemens de. 667, 

— LBL. 154. 294 2%. 


— Beter. 79, 38. 
Jucundus, Jakob. 826. 


Ortsregiſter. 


Jud, Leo. 126 

Julius IL, Papft. 232. 385. 740, 
unta, Zucantonio, ſ.: Giunta. 
unta, Philipp. 470. 


8. 


er Johann. 177, 

Kachelofen, Konrad. 146, 147, 148. 

Käferjtein. 230. 

Ktalcovius, Jodofus. 669, 

Kaiſer, Hans. 3UL 

Kaliergi, Zadjarias. 314. 371. 384 

Nammerlander, Jalob. 93, 826, 

Kammermeiſter, Sebaftian. 292, 766. 

Karl V. 121. 234. 534 Dh. 336. 539, 
42, 543. 545, 546, 555. 774, 776, 

Karl Heinrich, ar. von Mainz. 657, 

Karlftadt. 143. 302, 444, Did. D7L 

Kajchauer, Andreas. 428. 570, 

Kajimir, Kurfürjt von der Pfalz. 319. 

Ktalpar von Wien. 164. 

Katharina, Herzogin von Sadjen. 153. 

Kaufmann, Chrijtoph. 207. 

Kaym, Urban. 92. 283 

Kebel, Johann von. 527. 

Kefer, Heinrich. 110. 138. 139, 

Keijer, Antonius. 587. 

Keller, Ambrofius. 129, 

Keller, Iſaak. 3 

Keller, Johann. 125, 579, 

Kellner, Georg. 152. 

Kempen, eg von (Armao de Kam— 
pos, Nempis). 210. 

Kempen (Kempenis), — von. 106, 

Kempffer, Joh. Gottfried. 693, 

Kempffer, Matthäus. u65, 

Ktepner, Heinrich. 

Kern, Kunz. 

Kerner, Konrad. 92, 

Kerver, Hans, von Koblenz. 302. 767 

Kterver, Jacques. 828, 

Kterver, Thielmann. 199, 

Keſſelmann, Georg. 302. 767. 

Kepler, Nikolaus. 83. 113. Lies. 118. 217. 
329, 343. 


Kejtlin, Hermann. 129. 

Kettelaer. 213. 214 

Kettenbach, Heinrich. 435. 44L, 

Keyſere, Beter, ſ.: Caejaris. 

Khol, Hans, j.: Carbo. 

Khuene, Balthafar. 280. 

Kilhen (Kirchen), Jalob. 114. 

Kind, Johann Anton. 107, 669. 696, 320, 
Kippius, Johann, 774. 


55* 


868 


Kirchhoff, A. 13. 21. 22. 25, 102. 104, 
120. 131. 270. 280. 438, 526. 

Kirchner, Ambrofius. 153, 

Kirſten, Peter. 173, 

Kifter, Bartholomäus. 91. 298, 

Kianjenburg. 221. 

Klein, Chriftian. 494, 

stlein, Matthes. 147. 

Klein, Victor. D67Z 

Kloſemann, Kaſpar. 590, 

Klug, Peter. er 

Kluge, Jofeph. 171, 

Knapp (Appius). 395. 396, 

Knappe, Dans. 166. 

Knobiauch, — 89, 931. 92, 177. 283. 
298, 331. 

Snoblochker, ehıric, 31 175, 330, 335, 

Kinufflod, Paul. 174. 

Köbel, Johann. 825, 

Koberger, Anton. 71. 86. 87, W, 116, 
117, 138. 139. 140, 142, 203, 245, 


344. 346. 347, i 
Bl, 352, 353, 354. 355, 356, 358, 
2359, 363. 411. 426, 427, 459, 454, 

Ktoberger, Anton, der Jüngere. 141, 203, 

Koberger, Johann. 141, 142. 149. 203, 
279, 340, 345. 346, 347, 349, 350, 
352, 354. 460. 

Koberger, Melchior (Sohn). 141 

Koberger, Sebald. 349, 

Koch, Georg. 207, 

Koch, Simon. 165. 

Köhlhoff, — Vater und Sohn. 45, 

28, 95. 26. 97, 99. 330. 

Kolb, Auguftin. 174, 

Kolbe, Anthoni. 869, 

Ktöllifer, Peter. 113, 118. 


Köln. 16, 18. 19, 20, 21, 32, 58, 66, 
70, 79, 93. 94. %. 97. 29. 100, 101 





ERERRE| 





FEEREFEBE 
REERBEREEE! 


468. 470. 475. 478, 508, 
8 ys 587 612 613 2 


sfr, Wygand. 824. 
Kolozsvar — 221. 
König, Konrad. 154, 158. 307, 469, 


Namen» und Ortöregifter. 


Königs (Regis, Le Roy), Wilhelm. 201, 
301. 

Konftanz. 28, 133, 137 155, 2SL 404 
415. D82, 


Kopenhagen. 219. 363, 218. 

Kopernicus. 1. 122. 

Kopf, Peter. 315. 316, 645. 649. 650. 824. 
Köpfel (Tephaläus), Wolf. 92, 326, 
Köpflin (Eapito). 410, 

Kormann, Peter. 92, 

Kortholt, Ehriftian. 66T, 668 
Krachenberger, Peter. 

Kraft (Erato), Hans Zacharias. 172. 
Krafit (Erato), Johann. 172, 

Krafft, Kaipar. 261. 289, 321, 
Krafamp, Johann Wilhelm. 107. 
Ktrafau. 142, 161. 162, 173, 221, 279, 358 
Kranz, Martin. 196. 197, 199. 266, 
Strapfenjtein. 273, 

Krauſe, Jakob. 261. 
Kiremsmünjter. 260, 

Kresz, Kaspar. 769, 

Kreta, Johann von. 311. 
Kretihmar. 749. 

Kröner, Heinrich. 487, 

Krüger, Theodor. 261. 
Kuchenbeder, Johannes. 693. 
Küchler, Chriftoph. 693, 

Kuder, Michael. 438. 

Kunaft, Jörg. 92. 

Kunne, Albert. 175. 334, 

Kupper, Chriſtophorus. 1406, 
Kürchner, Kaipar. DIS 

Kufius, Daber. 363, 


2. 


Raale, Peter. 219, 

Labienus. 523, 

Lachner, Gertrud. 119, 120. 

Lachner, Wolfgang. 103, 

Lamberg, Abraham. 159. 472, 489, 490, 
816, 

Lamparter, Nikolaus. 121. 

Samy, Antoine. TIL. 

Lanckiſch, Friedrich. 160, 

Landen, Johann von. 99, 531 

Landsberg, Martin. 412, 149. 152, 337, 

Landshut. 142. 411. 412. 

Langen, Gottichalt. 299, 

Langen, Rudolf von. ST, 117, 361. 363, 
364, 397, 


Langnidel. 144. 145, 
Lapide, Johannes Heynlin a., ſ.: Heynlein. 


Namen- und Ortsregijter. 


2a Rodelle. 519, 

Lajche, Jakob. 693, 

Yafius, Balthajar. 204. 823. 

Laskaris, Konstantin. 59. 1OL 372, 

Latherac, Mathias. 209. 

Yatomus, Siegismund. 485. 48T 665, 

Laubenberger. 667. 670, 

Zauber, Diebold. 21. 33. 

Yauber, Nafkob. 113. 

Laudebach, Hans von. 175. 

Lauer, Georg. 187, 

Lauginger, Narcih. 20L 

Lauingen. 233. 481. 

Laurent. 512, 

Laurentiana. 28, 21. 30. 

Yautenjad. 163. 

Lauterbach, Johann. 466. 

Lavagna, Philipp von. EI FE 

Lebnitz, Walther von. 302, 767, 

Lechler, Martin. 549. 774 

Yecomte, Nikolaus. 282, 

&cempt. 213. 214 

Leers, Arnold. 604. SL 852, 

Leesdorf. 230, 

Leeu, Gerard. 217, 822, 

Keheymer. 34. 40, 

Leheymer, Paar (Mutter Gutenbergs). 32, 
131. „139. 143, 144, 


Yeipzig. 100, 

145, 6 147, 148. 149, 150. 151 
152. 153, 151 155 156. 157, 158. 
259, 261 2 27T. 278. 279. 283, 
287, 2093. 295, 296. 208, 304. 306, 
315. 318. 319. 326. 328. 320, 336, 
418. 419. 420. 421 42% 424, 427. 
428, 439. 459. 460. 464. 4IL 472, 
501. 502, ñ01 592, 593, 594 590 
596. 597, 598, 601. 603. 604. 606. 
606. 622, 624, 652, 669, 670, KTh. 
682. 684. 686. 687, 692, 694. 70 
714. 716. Do 725 732 733 748 
749. TAL 768. 773. 825. 
Leiria. 


Lenhard, Buchführer. 201. 
Leo X. Fe 61. 208, 285. 390. 391 41L 


———— Schönſchreiber. T 

Leonore, Königin von Portugal. 209, 210, 
= l,, Kaijer. 586. 6DE 666. 667 
ra 672, KIT 681, 684 68T 


.2übed. 23. 74. 93, 9%. 


Le Preur, Jean. 324 

Lerida. 207. 

Le Roy, ſ.: Königs. 

Lescuyer. 203, 28 

Leucht, Balentin. 512, 618. 619. 620, 
b28, 636, 637, 688, 

Leutner, Simon Lorenz. 687, 

Leuwarden. 512, 

enden. 217. 219, 252, 466, 508. 31L 
b12, 513. 514, 516. 694, 

— (Levilapis), Hermann. 193, 


Lichtenstein, Leonhard von. 442, 

Lichtenftein, Beter. 233. 281 

Lidel, Jeremias. 580. 

Liederwalt (Lüderwald), Joh. 686. 

Liegnig. 230, 

Lignamine, Philipp de. 83. 195, 

Limburg, Johann. 177. 

Lindtner, Friedrich. 768. 

Lingelsheimer. m, 

Lipſius, Juftus. 509, 

Litfabon. 201. 209. 210, 211. 212. 

Locher (Philomofus), Johann. 457. 

Loe, Johann von. 

Xöffler, Dans. 153, 460. 

London. 21, 52, 102, 217. 248. 248. 308. 
471, 6309. 


Longinus, Vincenz. 376. 

gongus, Betrus. 774 

Loon, Anjelm von. 87. 

Lorr, Johann. 146. 

Löfer zum Strauß. SL 

Yöslin, Peter. 190, 

Kotter, Melchior. 147. 148. 149. 151 
152. 167. 17L 336. 412, 414. 419, 
420, 421. 422, 423, 428, 476. 

Lotter, Melchior, der Jüngere. 149, 419, 


Lotter, Michael. 149. 166. 419, 422, 423, 

Louwe (Lewe, Löw), Joachim. 178, 

Löwen. 102. 214. 215. 242, 320, 330, 
367, 400, 459, 464, L 512, 559, 

146. 167. LIE 
178. 220. 278, 285, 336. 344. 245. 
448. 450. 455, 759, 762, 768, 

Lucas, St., Gilden. 118. 

Lucca. 192. 193, 233. 458, 

Yucca, Simon de. 187 

Luck, Ludwig. 176. 591 

Yudiwig, Herzog von Würtemberg. 536. 

Ludwig XI. 25. 72. 266, 

Lufft, Dans. 171. 423, 424, 738, 741, 827, 

Lundewig, Damian. 153. 154, 

Lüneburg. 179, 471, 492. 493. 494. 499, 
500. 683, 686. 


Namen: und 


870 


Luſchner, N erg 207, 28L, 
Luther, Martin. 1. 120, 121. 129. 133, 
140. 149, 166. 168. 169, 171. 122, 
174. 307 310. 311 313. 324. 369, 
370, 374, 395. 396. 403, 405. 406. 
407, 408. 409. 
414, 416, 
431, 3: 
Ir a 443. e 
536, 
Fr Bir 554. 558, 
572, 592, 593, 54, 737 
Lügelburger, Hans, 246, 
= ern. 4 
pbilch, Kajpar. 173. 588, 
Son, (Lugdunum). 10, 115. 140. 
200. Zul zur 203, 204, 
286. 
340, 
385. 


M. 


Mace, Robert. 502, 

Machiavelli. 292, 516. 

Macon. 115. 

Madrid. 206. 55L. 664 

Magdeburg. 62, 150. 152, 153, 165. 166. 
167, 171. 336, 423, 429, 530. 567 
678. 686. 

Magnus, Jakob. 207, 208, 

Nahen, Deliderius. 284, 

Majer, Johann. 176. 

Mailand. 10, 21, 22, 8. 89, 9%. 187. 


350. 167. 

Mein, 18 SL 28 33, 34. 37, 40. 41, 
42, en 
1 74. 75. 76. 78. 79. 80. 

). 93. 94. 98, 111. 141. 181 

194, 195, 209, 245. 266. 270. 

335. 400. 402, 415, 

468, 485, 486. 487, 

738. 739. 7159. 760. 


Maioli, Tomafo. 257, 258, 261, 
Mair, Benedikt. 175. 

Mais, Baſtian. 774 

Maler (Bictor), Bernhard. 190 
Maler, Jojua. 468. 470. 
Maler, Mathias. 395. 


Drtsregifter. 


Mang, Ehriftoph. 135, 

Manger, Michael. 135. 

Mantion, Eolard. 144. 215. 218 
Manthen, Johann. 190. 

Mantua. 113, 270. 

Manutius, Aldus. 155. 204 250. 
267, —* 285. * ur 239. 


257, 
30L 
363, 
375, 
382 


39 ⸗ 





408, FE 770. BD8. 39. 
Manutius, Aldus (der Enkel). 387 
Manutius, Paul. 378, 386. 
Marburg. 106, 178, 320. 321. 774. 825 
Marciana. 29, 
Maregi, Benedikt. 372. 
Maria von Burgund. 
Marienthal (im Rheingau). 
144, 


Marion, %. 204. 283, 

Marne, Claude. 472. 

Marneff, Engelbert von. 205. 282 

Marichall, Nitolaus. 391, 395, 

Marieille. 10. 205, 

Martens, Dierd. 214 215, 217, 

Martin von Amfterdam. 118, 

Martin von Reutlingen. 137. 

Martin von Werden. 98, 99, 

Martin, Peter. 201. 

Martinsdnd. 216. 

Maflimi, Pietro und Francesco. 182, 

Mathias, Kaifer. 556. 589, 617, 637, 

Mathias von Olmüß. 192. 193. 

Matthäus di code da Parma. 250, 

Matthäus de Eracovia, 50. 

Maufer, Beter. 205, 

Maulbronn. 344. 

Maufer, Hans. 153, 154. 

Marimilian L 62, 76. 129. 161. 168, 
2309, 259, 361. 364. 366. 376. 377 
383, 398, 455, 457, 535, 568, 

Marimilian IL 169, 465. 548. 549, 355. 
610. 613, 614, 615, 616, Höl, 

Marimilian J. Herzog von Bayern. 


bl, 
Mayer, Joh. Bapt. 693, 
Maynıyal, Georg. 197. 
Mayr, Siegmund. 118. 249. 
Meder, Kohann. 579, 
Medici, Coſimo. 30. 
Medina Eoeli, Herzog von. 20%, 
Megijer, Hieronymus, 472, 
Meig, Claudius. 371, 
Meilter, Johann. 118, 


62, 79, HI 


Namen: und Ortsregifter. 





871 


Melanchthon, Rbitipp. 168, 171. 172, 310. | Moretus, Johann. 505. 506. 509. 510, 
3il. 374. 396. 309. 417. 419, 420. | Morhart, Ulrich. 92, 168. 169, 283. 773, 


445, 462, 465, 516, 543. 591 506. 
Melleritadt, Heinrich von. 428, DIL 
Mellinghaus, Julius. 107, 
Memmingen. 175. 334. 416, 
Memmling, Johann. 20. 

Mengerlin, Beter. 41 582. SIL 
Mentel, Johann. 70, 32. 83. BL 85 86, 

87,89, 127, 129, 144.276, 285, 304, 330. 

Menger, Simon. 165. 

Mercator, Gerhard. 613, 

Meren, Peter van. 350. 

Merian, Matthäus. 469, 824, 

Merkhel, Johann. 580, 

Merjeburg. 146. 173. 363. 

Meflerihmidt, Georg. 92, 33. 

Metierihmidt, Johann. 92, 

Meſſerſchmidt, Paul. 93. 

Meiiina. 193. 

Metlinger, Peter. 112. 

Mettayer, James. 296, 297. 

Mettelbach, Jorg. 768, 

Metternich, Peter. 502, 669. 853, 

Mep. 142. 825, 

Meujer, Kajpar. 261. 

Mevius’ Erben. 696, 

Meydenbach (Medenbadh), Johann. 78, ZI. 

Meyenberger, Friedrich. 167, 

Meyer, Konrad. : 

Meyer, Peter. 399, 455, 334 DSL 

Menger, Magdalena (Ruppel's Frau). 111. 

Mepiterlin, Siegismund. 

Michael aus Flandern. 207. 

Michael von München. 192, 

Michael, Andreas. 473, 

Det aus Bajel. 201. 

Michel Angelo. 232, 233, 

Middelburg. 512. 

Miller, Johannes. 132, 

Miich, Friedrich. 175. 

Mittelhaus, Georg. 199. 328, 

Modena. 205, 

Molen, Marquard von der. 278, 

Molitor, Ulrich. 329. 334 

Mollyn, Nikolaus. 849. 80. 

Mömpelgard. 307. 414, 

Monner, Dr. Bajilius. 470, 602, 
ns, 350, 


Mons 

Monferrate, Abtei. 281 
Montana, Colla. 28 

Monte, Petrus de. 338. 

Monte Caſſino, Klojter. 27. 
Meontreveil, Claude de. 296. 

Mor, Arbogajt. 114. 

Moretus, Balthafar. (I—IV.) 510, 


Morin, Martin. 205, 

Morin, Romanus. 340, 

Moris, Herzog und Kurfürft von Sachſen. 
460, 594, 595. 60OL 

Morus, Thomas. 123. 317. 403, 

Miühlhaufen in Th. 476, 825, 

Mulid, Hektor. 

Müller, Chrijtian. 773, 

Müller, Jakob. 176. 

Müller, Martin, 686, 

Münden. 84 175. 224, 230. 239, 242, 


Munitianus, Gebrüder. 191, 
— 21, 71 87. 177, 361, 363, 364. 


—* Sebaftian. 122, 164. 
Münzer, Thomas. 428. 441, 571, 
Mure, Conradus de. 111. 

Murner, Thomas. 313. 329. 568. 560. 
Musculus, Wolfgang. 120. 

Mylius (Müller), Arnold. 105. 825, 
Mylius, Arnold Kojeph. 105. 200, 
Mylius, Erato. 93, 826, 

Mylius, Hermann. 105. 678, 

Mylius, Johann Daniel. 644, 


N. 


Nadler, Georg. 132. 412, 

Nadler, Hermann. 114 

Nantes. 726, 

Nathan zum Strauß. 842. 

Naucler, Johann. 62, 

Naumburg. 277. 574, 686, 

Neapel. 10. 105. 10 DDR 2u0. 644, 

Neder (Danneder), David de. 164. 

Neder, Herkules de. 164. 

Nefe, Johann. 303. 

Nerlich, Nidel. 476, 

Neienus, Wilhelm. 457 

Neuber, Ulrid. 773, 

Neudörffer, Johann. 139. 140, 

Neuenar, Hermann von. 405, 

Neuenhahn, Johann Ludwig. 667. 668, 
669, 706, 707. T5L, 


Neumarkt, Arnold, j.: Arnold von Köln. 
Neumeifter, Fohann. 78. 174, 193, 194, 


195, 19%. 201. 202, 203, 220, 249. 
266. 267. 281. 289, 323 


Neuftadt a. d. Hardt. 158. 
Nevers, Graf Wilhelm von. 254. 
Niccoli, 29. 30, 


872 


Nidel, Anton von. 199, 

Nikofratus. 4 

Nikolaus V. 30. 61 257. 

Nikolaus von Breslau. 192, 

Nikolaus von Frankfurt. 190, 

Nikolaus aus Mainz. 33, 31 

Nikolaus von Sacdıjen. 210, 

Nikolaus von Trier, 27. 

Nikolaus, Gerhard. 284 

Nikolsburg. 442. 443. 

Nivelle, Sebaftian. 459. 

Noppes, Kuno. 36, 

Nördlingen. 20. 249, 277, 

Normandj, Salomon von. 774, 

Noſche, Joachim. 693. 694, 

Nozani. 102, 

Nürnberg. 62. 66. TL 832. W, DL 116. 
129. 136. 138. 130. 140, 141. 142, 


2 
* 


708. 744, 
12 71h. 
Nutius, Martin. 159. T 
Nymegen. 216. 604, 
Nythart, Hans. 137, 


ö 


Dbernburger, Johann. 774 
Obrecht, N. 

Ochſeln, Jakob. 14 
Odenſe. 


Ofen. 279. 293, 302, 350, 358, 163, 167 


Dfener, Bechtold. 74 
Offenburg. 173, 

Oglin, Erhard. 132. 283. 333, 
Ohringen. 132, 


DOfolampadius, Johann. 120, 143. 314. 


589 399 132 55 4 
Oldenburg. 657 
Dldendorp, Johann. 649, 


Namen: und Ortsregüter. 


Dlpe, Peter von. 35. 
Öle. 839. 


DOporin, Johann. 121, 122, 125, 124 
140. 300. 363, 388. 477, 823, 

Oppenheim. 79. 179. 335, 602, 325 

Orel, Füßli u. Comp. 126, 

Drlers, Jean J. 512, 

Orry, Marc. 296, 

2 Emil. 194. 195, 267. 289, 

Orſini, Gabriel de. 289, 

Orfini, Giordano. 27. 

Dfiander, Andreas. 573, 

Öfler, Zafob. 843. 

Dthmar (Ottmar), Johann. 130, 132. 


Dthmar, Sylvan. 132. 133. 28 
Dtt. 320. 

DOttinger, Heinrich. 166. 167. 
Dttmar, Valentin. 566, 

Dtto. 723. 724, 

Dudenarde. 216. 

Drford. 232, 464 


p. 


Pabſt, Joh. Michel. 686. 

Pachel, Leonhard. 19L, 

Padıra. 96, 116. 192, 193, Zub, 233. 338. 
375, 397 464. 

Raffroet, Albert. 216. 

Raffroet, Nichard. 216. 


.| Baganini, Alerander. 285, 


Balatina. 11. 


Palomar (Balmart), Lambert. 206. 207 


Bannarg, Arnold. 59. 181 182, 18. 
Ur 

Bannaus, ®ichel. 567. 

Bannufe, David. 566. 567. i 

Bangichmann, Auguftin. 100. 131. 1. 
151, 295. 297, 304. 306, 

Paraviſino, Dionyfius. 191, 

Paris, Johann. 207, _ 

Paris. 15. 16. 19, 2L 67 68. 69. il 
72. 73. 76. 100. 102. 103, 110. 116. 
118, 140. 150. 196. 197, 12. an. 
204. 208, 220. 224, 232, 239, 31. 
255. 258, 266. 278. 279, 282 28. 
284. 286. 293. 296. 297, 298, WI. 
350, 353. 358. 367. 387 3%. 39. 
400. 414. 448. 451 458 459. I. 
464. 502. 503. 505. 512, Al. 5IM 
520, 525. 549. 559, 644. 685. 


er 173, 392, 
Dlpe, Johann Bergmann von,j.: Bergmann. | Barma, 22. 250. 


Namen: und Ortsregijter. 


Baffau. 175. 279. 281 768, 
Patius, Johann. 512. 

Baur, Hans. 242, 

Bavero de Fontana, Gabriel. 239, 
Bavia. 338 

Pega, Andreas Franz. DIL 
Regniter, Johann. 207, 


Bellifan, Konrad. Lie. 117 125 310, 


Bencio, Jakob de. 283, 

Beregon, Jakob. 

Berenot, A. 774 

Perfert, Johann. 590, 

PBergamon. 5. 225, 

Permeier, Johann. 580, 

Rerna, Peter. 458. 613, 773, 

Berugia. 174. 194. 105, 220, 

Reter von Lippftadt. 434. 

Beter (Bapierer). 220. 

Peterle, Michael. 325. 

Petit (Klein), Jean. 282. 30L 340, 387 

Betrarca. 2. 22. 133. 270, 285. 373. 

Retrejus, Johann. 142, 

Petri, Adam. 119. 121. 173. 283, 284 
288. 310. 325, 320. 330. 410. ALL 
412, 413, 414, 428, 160. 765, 7üb, 

Betri, Gabriel. 190. 

Petri (Henrie Petri), Heinrich. 121, 122, 
248, 314. 613. 173 


Petri, — 117. 118 119, 121 293. 
342, 344. 350. 2L 2352, 353, 34 
355. 358. 424. 454. 168. 

Betri, Johann (aus Mainz). 102, 270, 

Betri, Nikolaus (von Haerlem) 192, 

Petri, Sebajtian, j.: Henricpetri. 

Begenfteiner, Heinrich. 82, 

Beutinger, Konrad. 31, 132. 364, 390. 
399, 401, 

Peypus, Friedrich 142, 248, 283. 570. 

Pfefferforn, Johann. 99. 398, 399, 455, 

Pfeiffer, Heinrich. 428, 5 DIL 

Pfeil, Johann. 82, 

Piennig, Georg. 152, 

Piennighudel, ‚Friedrich. 451, 162, 

Pfinzing, Melchior. 129, 

— Albrecht. M 80. SL 82 245 


Pfiſter, Sebaftian. er 

Pflacher, Dr. Mojes. 316. 

Pilanzmann, Jodokus. 129. 

Pilügel, Leopold. 187. 

un 91. 167. 302, 325, 335. 455. 
565, 767, 

Philipp II. von Spanien. 504. 509, 551. 

Philipp, Johann. 199, 284, 325, 367, 


875 


Pico von Mirandola, Johann. 3TL. 

Bierius, Nifolaus. 827 

Pigouchet, Philipp. 282, 

Pinus, ad Insigne. 134. 

Birdheimer, Willibald. 31. 90. 149, 248, 

Birlin, Hans. 132, 

Bila. ZL 237 

Piſchoff, Mag. Ludwig. 580, 

Biltoris, Mathernus. 394 396, 

Rijtoris, Nikolaus Philipp. 201, 

Rijtorius, Jeremias. 646, 

Pius II. 6L 68 

Band, Stephan. 188, 339, 

Plantin, Chrijtoph. 105. 106, 208. 213. 
216. 279. 307. 308, 363, 459, 460, 
471, 472. 502, 503, 50L 505, 506, 
507. 508, 510. 5IL 512 613. 

Blater (Blatter), Thomas, 122, 204, 300, 


Pleidenwurff, Wilhelm. 141 245. 202, 


Poggio. 28. 122, 215, 286. 

Boitiers, Diana von, 259. 26L 820, 
Roland, Beit. 319, 

Bolih, Hieronymus. 60%, 

Bollen, Johann. 105, 

Bollio, Ajinius. 6, 

Pomarius, Johann. 319, 

Pömer, 9. 2412, 

Bonat, Dominifus. 230. 476, 
Bontremulo, Sebaftian. LOL 

Ropp, Dans. 773. 

Rorcelet, Simon. 205. 

Porß, en Martin. 695, 

Port, Urban. 

Bortenbadh und Zuß. 134 482, 

Bojen. 150. 152, 

Prag. 16. 100. 150. 151 174, 251 279. 
Prahſel, Hans. 24, 

Prätorius, Johannes. 134. 

Praun, Tobias Sebajtian. GSL 
BEN Wolf. 131, 132, 151, 295, 
Preuß, Gerold. 207. 

Prevoſt, Nikolaus. 102, 284 

Prüß, Johann. SG. 80. 2, 330 


Ptolemäer. 4 5. 
Pücher, Veit. 188, 


But. 299, 
Pynſon, Richard. 219, 


374 


Queck, 


Q. 


Paul. 823, 
Quentel, Öeinrih. 97. 98, 99, 335, 526, 


Quentel, Johann. 98. 


Quentel, Beter. 79, 80. 98. 


Quentels Erben. 613. 


Rabe, Georg. 478, Ti4. 823, 


N. 


Rächlin, Claus. 301. 


Ragazzo, Giovanno. 250, 


Rahn. 


ee Franz (Franz von Bologna). 
D 6 — 
Ramſtein, Leuthold von. AD. 


Raſor, Dr. 


Namen- und Ortsregiſter. 


Reueller, Paulus. 774. 

Reuſch, Sebaftian. 147. 152, 153, 154 
26, 

Neußenholz. 261. 

Reuter, Quirinus. 316. 317, 

Reutlingen. 132. 135. 175, 3341 

Reval. 278, 

NReynard, Johann. 188. 

Reyſer, ſ.: Reiſer. 

Rhaw, Georg. 171. 27 

Rheims. 10. 

Rhenanus, Beatus. 92, 116. 300. 309, 

0, 

Rhete, Johann. 826. XL 

NHode, Franz. 178, 

Nichel, Bernhard. 92. 114. 115, 116. 285, 

Richenbach, Johannes. 260. 


Nicholff, Georg. 174. 178. 


u a a 505, 506. 507. Ai Jehan. 296. 


ANatdolt, 
241 : 


Erhard. 130. 133, 190. 193. | gi 
249, 212. 281. 282. 823, 
Raujcher, Hieronymus, 156. 157 


Ravaens, Agidius. 512, 


Ravenna, Petrus von. 737. 
Ravensberg, Johann von (von Köln). 32, 


283, 
Ravensberg. 229. 231. 233, 
Ravensburg, Gotman. 452, 762, 


- 


Ravenftein, Albert. 165, 


Nebart, Thomas. 774. 
— 176, 
427, 525, 


177 
Neger, Johann. 136. 137. 160. 


Neggio. 22, 


*8 Berthold. 193. | 
Regiomontanus, Zohann. 141. 249, 276. 
Regis, Wilhelm, j.: Königs. 


Reiff, Friedrich. 320. 


Rein 


189. 190. 251 279, 
572. 689, 691 722, 


are aus Straßburg. 201, 
ard, Martin. SL 
Reinhart, Johann, j.: Grüninger. 


Neifer, Georg. 85, 174 


Reijer, Michael. 174. 334. 
— Berthold. 198, 199, 28. 284. 


Renchen, Ludwig. 98. 326, 331. 
Nenwich, Gerhard. 78, 


Reich, Hieronymus. 246, 
Reich, Konrad. 328. 


Reuchlin, Johann. 99. 167. 202. 308, 
310. 324, 325. 361. 362. 36. 366. 
370. 375. 377. 379, 380. 389, 396. 


>4l, 


ter, Johann Philipp. 724. 

Richter, Merten. 153. 296, 

Niederer, Friedrich. 179, 332, 

Nieje, Adam. 445. 

Rieljinger, Sirtus. 193. 249. 

Riffe, Hans. 35. 4. 5 

Niga. 278, 

Rihel, Jofias. 92, 115, 613, 773, 826. 

Rihel, Theodofius. 92, 115. 613. Kl 
628. 773. 826 


826. 
Rihel, Wendel. 116. 326. 848. 
Nitter, Kaſpar. 261 
Ritzſch, Timotheus. 749. 
Rivius. 
Robet, George de. 296, 297, 
Nocha, Lopez de la. 208. 
Node, Nikolaus. 638, 
Nödell. 66h. 
Nodenjtein, Henne von. 41 
Nödinger, Chriftian. 167. 
Noermonde, Chrijtoph von. 234, 
Rohrbach, Johann. 45T 
Noigny, Kohann von. 200, 


Rom. 32.5.6829 10.11 2 27 23 
30. 60. 63. 70. Us 14L 44 
170. 176. 181. 182, 186. 187. 188 
329, 338, 339, 364. 368. 369. 371 
394, 400, 40L 404 405, 437 446. 
re ie 


Romer, Kord. 278. 
Rommerskirchen. 106. 107. 510, 
Noja, Jonas. 825, 


Namen- und 


Roſenbach, Kohann. 207. 208, 829. 

Roftod. 62. 144. 167 174 

Roth, Adam. 188, 

Noth, Dr. Georg. 156. 157. 158. 296. 

Rothenburg a./Tauber. 434. 438, 444, 

Rotmunder, Jheronimus, 769, 

Rottenburg. 170, 

Rotterdam. 213. 367, 3%. 694. 750. 

Rottmann. 429. 430, 

Rouen. 205. 340. 

Rouffet, Johann. 205, 

Roville, ©. 459. 

Roy, Salomon de. 512, 

Ruch, Balthajar. 122. 

Rudolph II. 485. 550. höl. 555, 5ö6. 
614. 615. 616. 617, 636, 746, 

Nuf, Simpredt. 133, 823, 

Rufus, Mutianus. 377, 381. 388. 3%6. 
402, 410. 

Rühel, Conrad. 773, 

Ruland. 467. 

Rumel, Hans. 768, 

Ruof, Hans. 301. 

Ruppel, Berthold. 42. 110. 111. 115. 

Ruprecht aus Bajel. 34L 

Ruh, Adolf. 22. 84 SZ 88 IL UZ 
351 452, 


Rüfch, Nikolaus. 115. 
Rüwinger, Erhard. 74. 
Rynmann — 92, 131, 132, 

267. 279, 283. 288, 295. 301. 


177, 
333, 


S. 


Saar, Ehriftian. 686. 
Sabifin, Margarethe. 773. 
Sachs, Hans. — 143. 573, 
Sadıs, Melchior. 395. 

Sachſel, Georg. 18 

Sacon, Jakob. 203. N 310, 
Sadeler, Raphael. 469, 

Salamanca. 207. 

Salisbury, Hermann Biſchof von. 260. 
Salman, Nidlas. 768, 

Salomon, Blafius. 82. 152. 279, 295, 
Salzburg. 730. 

Sambir. 498, 

Santritter, en Lucilius. 190. 
Sans, Wolf. 207. 

Saragofja. 207. 

Sartorius (Erfurt). 395, 

Sartorius, David. uß 825, 

Särvar. 221 

Saspach, Konrad. 39. 

Sauer, Johann, 484. 485, 824. 


Drtsregifter. 875 

Sarer, Nikolaus. 319. 

—— (Scabeler), Johann. 201. 459. 
er, Dr. Kajpar. 484. 485. 486, 

Scaffhirt. 230. 

er — er 

Scaitter, Chrijtoph. 132, 

Scaller, Abraham. 566. 567, 

Schaller, Hans, 566, 

w elmann, — 30L, 
enberg, Erilpin. 589. 

——— Johann. 589, 
Scharwächter, Hermann. 95, 
Schäfburg. 302, 

Schauer, Fohamn. 175, 
Schäufelein, Hans. 129, 133, 246, 
Scedel, Hartmann. 245. 282, 202, 293, 

302, 766. 

Scheffler (Angelus Silefius), Johann. 557, 

Scend, Beter. 201, 

=. (Lumpabulus Ganymedes), Wolf: 

174, 336. 395. 

Shen becher, Theobald. 188, 

Scherzer, Johann Adam. 557. 6OL 

Scheurl, Ehriftoph. 31. 302, 314. 411, 
414, 416. 


Sciedam. 207. 
Scielen, Georg. 321. 
Schilders, N. 12, 
Schinkel, Peter. 638. 
— Michael. 176. 
Schirlentz, Nidel. 171. 
Schleich, Clemens. 477, 603, 601 
feicher, Albrecht. 578. 
Se titadt. 82, 283, 363, 825, 
Schmid, Mag. 578. 
Schmid, Merten. 768. 
Schmid, Salomon. — 
Schmidt, Bernhard. 434. 
Schmidt, Hans. 548, 549, 
Schmidt (Faber), Johann. 201. 
Schmidt, Nidel. 152, 
Schmidt (Fabricius), Peter. 483, 
Schmiedehofer, Johann. 306, 768, 
Schmück, Michael. 845. 
Scobjer, Andreas. 175, 

Scobjer, Johann. 132, 175. 332. 
Scöffer, Johann. 68. ZI. 76, 79, 
28. 139. 741 847, 
Scöffer, Jvo. 77. 80, 

Scöffer, Peter. 41. 43. 
67. 68, 69, 70. TL 2 
247. 248. 266. 278. 281. 304. 309, 
328, 450. 4öl, 452, 759, 760, 762, 
Schöffer, Beter (der Jüngere). 77, 
Schöffer, Beter —* ohn des Johann). 92, 


z 


BE 


376 


Schönberg, Anton von. 153. 
Schongauer. 245, 

Schonhoven. 217, 

— Kohann. 90, 129, 130, 332, 


Schönfperger, Rohann, der Jüngere. 130 

Schönwetter, Gottfried. 677, 

Schönwetter, Joh. Bapt. 64. 60h. 607 
704, 105, 824 

Schott, Johann. 88. 8. 92, 152, 285, 
208, 331. 738, — 

Schott, Martin. 54. . 2 826, 

— Ehrijtoph. 151, 153. 172, 423, 
46 


Schred, Konrad. 767. 

Screyer, Sebald. 212, 766, 

Schrot, Martin. 772. 

Schuhmacher, Elert..686. 696. TI2, 

Schults, Engelhart. 201. 

Schultz, Gottfried. 825, 

Schumann, Valentin. 149, 151. 152, 412, 

Schurener, Johann. 188, 339, 

Schürer, Familie. 172, 

Schurer, Lazarus. 283, 825, 

Scürer, Martin. 455, 

Schürer, Mathias. 92, 283. 32 738 
Z4L 826, 847, 

Scürer, Peter. 153, 154 

Schürers, Thomas, Erben. 493, 

Schüßler, Johann. 127. 128. 271, 332, 

Schujter, Diebold. 44L 

Schwan, Johann. 92, 

Schweidard, Johann, Kurfürſt von Mainz. 


Scwendfeld, Kaſpar. 70. 563. 564, Did. 
Schwenger, Johann. 315, 

Schwerin. 363. 

Schweringer, Merten. 768, 

Schwetichte, Guftav. 155. 

S Sczinzenzeller Ulrich. 191 

Secerius (Seßer), Johannes. 177 824 
Secundus (Verleger). U 

— Samuel. 172, 477. 613. 773, 


Segeberg, Ambrofius. 278, 

Seiblin (Seublein), genannt Böll. 620, 
637 638. 643, 

Seiß, Beter. 12. 

Seltz, Wilhelm. 325. 

Senjenichmid, Johann. 82, 138. 130. 172, 
177. 275, 285, 763, 


Seraphin (Korrektor). 378. 
Serlin, Wilhelm. 714. 
Servet, Michael. 204. 
Seſſa, Pieiro Antonio. 
Setuval. 210, 


Namen- und Ortsregifter. 


Severus, Biſchof. 

Sevilla. 206. 207, 209, 211. 212, 458, 
Seydel, Adam. 549, 

Seyler, Gottfried. TOL, 

Sibaldäus, Johann. 284. 

Siburg, Jakob von. 550, 

Siegfried, Buchdruder. 458 

Siegmund, Buchführer. 30L 

Siena. 192, 193, 

Signere, Wilhelm, 2u5. 

Silber (Argenteus, Frand), Eucharius. 


Simon zum Gembs. 839, 

Simonis, Buchhändlerfamilie. 107. 
Simus, ſ.: Flach, Martin. 

—A— Johann. 161, 162, 163. 221 


Singriner, — der Jüngere. 366, 

Sittich, Johann. 132, 

Sirtus IV., Zum 61 141. 182 186. 
195, 232. 448, 528, 


Skrzeluſti (Hofhalter), Raphael. 163. 827, 

Smesmann, Abraham. 176, 

Smetius, Reimer, 694 

Smyrna. 10, 

Snell, Johann. 219, 220, 

Sodalitas litteraria Danubiana. 135.365. 

Solingen. 105. 

Solis, Virgil. 246, 

Someren, Johannes van. 

Sonleitner, Georg. 720, 

Sonnius, Michael. 512, 

Sorg, Anton. 58, 128, 129. 132. 272, 

Sorg, Wolf. 768, 

Soſadt, Henning. 152. 

Sofius, 4 

Spada, Kardinal. 658, 

Spalatin, Georg. 377. 382. 396, 

410, 418. 419, 420, 421, 422 

Span, Dr. Lorenz. 319. 

Spengel, Theobald. &0. 

Spengler, Lazarus. 426, 

— a. Friedrich. 643. 654. 657 
14. 715. 718 720. 7121. 722, 


300 


1730, 
Speyer. 70. WW. 


Spierind, Hans, 279, 

Spieß, Johann. 176, 

Spindler, Nikolaus. 207, 

Spoor, Friedr. 669, ZL 2 
Spoerlin, Hans Georg. Ghh, 693, 
Springinklee, Hans. 246. 
Stabius, Johann, 738, 


Namen- 


Städel, Jofias. 849, 

Stadelberger, Jakob. 176. 

Stahel, Konrad. 175, 

Stainhofer, Kaſpar. 

Stainius, Nikolaus. 485, 

Stamheim (Stainheim), Abt Melchior von. 
128, 260, 


Staufferin. 767, 

Steels, Johann. 459, 772, 

Stegman, Leonhard. 479. 

Steiner, Heinrich. 133, 823, 

Steinmann, Hans. 156. 158, 

Steinmeg, Johann. 616, 619. 

Stendal. 165. 177. 

Stengeli, Bapierer. 229, 

Stephan von Mainz. 194, 195, 289, 

Stephanus, j.: Ejtienne. 

Stern, Johann und Heinrich. 471, 493, 
847. 


Stettin. 826. 

Steuder. 520, 

Sthele, Bartholomäus. 60, 

Stimmer, Tobias. 247. 248. 

Stodede, Neinarus. DBL 

Stödel, Jatob. 151, 152, 428. 

Stödel (Molitor), Rolfgang. 149, 151 
152. 166. 336, 412, 420, 424, 427, 
138, 


Stoder, Mydehart. 36, 
Stodholm. 219. 220, 251, 
Stoll, Johann. 198, 


en Leopold von. 619, 





Straßburg. 19, 26. 31. 32, 33. 34 37, 
38, 40, 62, 66. 70. 82, 84. 86. 88, 
eure 113, 117. 120, 
266, 268, 260. 273. 276, 277, 278, 
280, 283, 284, 285, 287, 293, 297, 
325. 326. 2329, 330. 331. 332, 343, 
346. 347, 350, 351 353, 397, 407, 
455. 464, 466. 470. 475. 541, 563. 
138, 744, 167, 773. 826. 

Streber, Linhart. 767, 
Stribilita. 305. 396, 


Stromer, Ulrich. 230, 

Stüblin, Kaſpar. 

Stuchs, Georg. 142. 283, 284, 435, 
Sturmer, Servatius und Wolfgang. 395. 
Sturklopff, Joft. 469. 

Stuttgart. 177, 242, 285, 375, 381. 
Cubiaco. 94, 181. 182. 156, 194. 266. 267, 


und Ortsregifter. 


877 


Sulger, Simon. 583, 

Sweynheim, Konrad. 59, 181. 182. 183, 
186. 187. 192, 194. 195. 249, 266, 

Swop, Thomas. 2, 

Syber (Siber, Eiber), Johann. 201, 

Sybold, Heinrich. 92. 

Sylvanıs, Johannes. 176, 


T. 


Tack, Heinrich. 823. 

Tanneder. 564 

Tanner, Jejuit. 500, 

Tanner, Yurift. 236. 312, 315, = 

Tarnovius, Johann Ehriftoph. 492. 

Tarragona. 207. : 

Tajchner, Yienhard. 768, 

Tate, John. 230. 

Tat, Najpar. 132, 

Tauber, Johann. 672. 

Tazo, Pedro. 206. 

Tegernjee, Bücherei. 24 

Tengler, Uri. 331 333. SH. 

Tegel, Johann. 405. 413. 

Thann i Elſaß. 476, 

Thanner, Natob. 119, 152, 412, 

Thomas, Johann. 207, 

Thou, Jakob August de. 645. 

Thumm, Theodor. 646, 

Thurneyjer, Leonhard. 477. 513, 849, 

Tiberius. 523, 

Tobiä (Topic, Toupier, Touprier), Michael. 
201. 203, 

Toledo. 229, 

Toloja. 207, 

Tolula. 207, 

Tongheren, Peter van. 506. 

Torquemada (Turrecremata), Johannes, 
131. 187, 195. 202, 249, 

Torrentinus, Laurentius. 296. 

Torrejani di Njola, Andrea. 337. 378, 


386, 
Tory, Geofrey. 250. 258. 828, 
Toſino, Evangelifta. 741, 
Touloufe. 301, 
Toupier, ſ.: Tobiä. 
Tournes, Jean de. 204, TIL, 
Tournes, Samuel de. 711, 





Tours. 205, 251, 266, 296, 

Trechjel, Johann. 199, 200. 201, 204, 
828, 

Treicher. 696, 

Trevi. Ins, 


Trevijo, 193, 229, 


878 Namen- und Ortöregifter. 


Trient. 173. 175. 381 Valencia. 206. 207. 229, 
Trier. 400. 530. 587 Valentin (Fernandez) von Mähren, 09. 
Trithemius, Johann, Abt von Sponheim.| 210. 211. 
41. 60. 260, Balerianus PBollius, DO. 4 
Troyes. 205. 229, 232, Balgrifi, Pietro. 478. 774, 
Truber, Primus. 168. 169. 170. Valladolid. 207. 281. 
Trutfetter, Jodofus. 532. Vascoſan, Michael. 200, 
Tryphon. 2. 10. Baugris, can, 307. 410. 414. 459, 
Tai-fün. 227, Vega, Lopeʒ de. 180. 


Tübingen. 91. 92, 102, 132, 167, 168. | Bejinto. 523, 
J 
316. 320, 324. 375. 377, 385. 386. | Veldener, Johann. 135. 214. 215. 
29, h 


306. 399. 400. 402 Abb, Az 479 |@enedig. 20. 21. 22. 28, 32 
202, 586, 646. 773, 827. 108. 116. 130. 175, 187, 188. 1% 
Juli (Dulihius), Hermann. 420, 191. 192. 193. 204. 2u5, 22, 234 
Tungern, Arnold von. 399, 400. 401. 403.| 249, 2DL 257 266, 278 282 284 
Tuppo, Franciscus de, 249, 285, 288. 291. 293. 300. 351 352 
Turin. 338. 367. 371. 378. 379. 381 382 385 
Türkhl, Reinhard. 274. 275. 768, 402, 448, 457, 458, 478, 559. ül2. 
Turner, Heinrich. 113. 644. 737. 769, 774, 
Verard, Antoine, 286, 
Bercelli. 338, 
u. Vernade, Ludwig de la. 69. 812. 
. Verona. 205. 232, 249, 38L 
Ibelin (Marillus), Georg. 89. Vespafiano de Bilticci, ſ.: Biſticci. 
Uffenbadh, ame Ehriftoph. 695, 704, | Bet, Johann, 462, 615, 616, 617, 618. 
210, UL 619. 620. 
Ulhart, Philipp. 132, 265. 566, Vicenza. 113, 116. 192, 193. 338. 


Um. 19. 62 66 74 135 136, 137 | Vienne. 10. 
189, 214. 245, 261 270. 281 2300, | Bietor, Benedikt. 162, 


321 334, 416, 438. 120 457, 467, Victor (Büttner), Hieronymus. 161 221, 

669. 672, 70 Bignon, Euftadhe. 824 
Ulrich und Afra, St., Nlofter. 17, 128, BVincentz, Barthel. 774. 

12u, 304 Bilcher, Kilian. ZES. 
Ulrich, Mönd. 25. Bilder, Beter. 767. 769, 
Ulridyer, Georg. 2. 827. Vivian, Beter Baul. 827, 
Ultan, Mönd). 260. Vizlant, Philipp. 206. 
Ungnad, Hans von, 169, Vogel, VBartel. 151. 153. 172, 423, 346. 
Ungut, Meinhard. 208, Vogel, Nikolaus. 575, 
Upjala. 173. Bogel, Beter. DL 
Uradı. 168. 162. 173, Bogel, Wolfgang. 572, 
Urbino. 192, 257, Vögelin, Ernft. Is 1 — 156, 157. 158. 
Ucbino, Fredrigo Herzog von. 59, 2iW, 597. 172. 825, 
un er 116, 18 Vögelin, Gotthard. 158, 176, 629 

1ca, 3 n wili 5 
ge, Bei A a SR 
treat. 214. 202 28 400 DIR | Wogetins Erben. 18. ZI. 84. 

Bolt, Michael. ZI2. 
Bolkmeyer, Bernhardin. 769, 
BR Vollmar, Jakob. 320, 


Vollmar, Kaſpar. 643, 670. ZIL 719. 


Vadian, Joachim. 162. 307. 410, 456.457. | 121. 126, 129, 730. DIL 
N (Waldorfer), Chriftoph. 85. 96, | Vürter, Johann Konrad, 662, 
190. 191 | Bydenaft (Weidenajt), Johann. 195. 


* 


Namen- und Ortsregijter. 


®. 


Wachtler, Kaſpar. 678. 701. 
Wad, Jakob. 132, 
Waesberge, Johann Janſſon van, 694. 715. 
Wagner, Georg. 77. 
Wagner, Hans. 261 
Wagner, Konrad. 17. 
Wagner, Leonhard. 17. 60, 
Bee, Paul. 302, 767, 
ER (kureifer), Beter. 141, 
orig. 768, 
— Johannes. 122, 
Waldturch Konrad. 4 
Waldorfer, ſ.: Valdarfer. 
Walker, Mathias. 302, T 
Walram, Heinrich. 261. 
Walter, Hans. 429, 
Walther, Ehriftoph. 473, 
Walther (Wolther), Hans. 166, 
Walther, Johann Georg. 693. 
Wajen, Hans am. 124, 
Waterloes, Johann. 198, 
Watißneve (Battenjchnee). 340. 582. 823, 
Watjon, Thomas. 605. 
Wedel, Andreas. 459. 615. 824, 
Wechtelin, Johann. 246. 
Wegler (Wegeler, Gögerer), Hans. D64. 


Wehinger, Johann. 120, 

Weidenſee, Eberhard. 166, 

Weidlich, Ehriftoph. 261. 

Weidlich, Jakob. 26L 

Weidmann. 502, 

Weingarten (Wingarden), Nikolaus. G6L. 
662, 663, 679. 

Weiß, Johann Philipp. 665. 

Weißenburger, Johann. 142. 334, 411 

Weißenhorn, Alerander. 564. 67 613 
173, 825, 


Weleslavin, Daniel Adam von. 825. 

Weljchwirt, Lienhart. 137. 

Welfer, Markus. 134. 200, 391 

Welshans. 582, 

Wendelin von Speyer. 58. 189. 190, 191. 
266. 285. 371 


Wenszler, — 113. 114. 115. 116. 
328, 329, 452, 824, 

Werinher von Tegernjee. 238. 

Werman, Gregor. 149, 

Werner, Abel. 565. 566, 567, 

Werner, Beter. 769. 

Wernher, Bilchof von Straßburg. 26. 28. 

Weitfal, Joachim. 165. 

Wejthemer, Bartholomäus. 122, 294, 824, 

Wetmann, Hans. 767 


Weyß, Hans. 171, 
Weyß, Jakob. 772. 
Widemar (Wydamer), Nidel. 151. 166. 


428, 
Wiedenfeldts, Johann, Erben. 721, 723, 
Wieder, Paul. 174, 

Wiederhold, Johann. 485. TIL. TL 852, 
Wien. 16. 19. 20, 66. 92, 129, 142, 


and Heinrich. 520. 


827, 

Wiener, Johann. 129, 816, 
Wigerid, Gedard. 768, 
Wild (in Roftod). 696, 
Wild, Eberhard. 170. 587 646, 
Wild, Leonhard. 1. 
Wilde, Johann. 748. 
Wiler, Hans. 114, 
Wilhelm IV., Herzog von Bayern. 738, 
Wilhelm V., Herzog von Bayern. 559, 
Wilhelm, Herzog von Kleve. 
Wilhelm, Thomas. 155. 156. 
Willer, Elias. 48h. 
Willer, Georg. 134. 468. 471, 479, 480, 
Willer, Georg, der Füngere. 485, 512, 
Willig, Johann. 578, 
Wimpheling, Jalob. 41. 92, 286. 297. 

326. 365. 4hh, 468, 
Windler, Andreas. 173. 588, 098. 738, 
Winter, Jakob. 166, 
Winter, Robert. 122. 823, 824, 
Winterberg in Böhmen. 175. 
Winterburger, Johann. 161 337. 827, 
Winterped, Michael. 242. 
Winters, lonrad, von Homberg. DL. 97. 

y8, 526, 
Wirjung, Marr. 132, 133, 137 
Wittenberg. 100. 149, 150, 15L 166, 


279 387 295 302 325 302 374 
116 417 418 419 420, 421 422 
445, 464, 474. 476, 417, 478, 494, 
495 AU2, 570 "DD 593. 594 59 


880 


596. 597. 598. 603. 613. 622, 624 
634, 686. 738, 773, 827 

Wizel, Georg. 152, 41 

Woenjam, Anton. 246, 

—— Michael. 141. 245. 301, 766, 
oT 


Woldran, Hans. 613, 773, 
Wolf, Kohann. 126. 77A. 824, 
Wolf (Lupus, Lupi), Nifolaus. 199. 201. 


Wolf, Thomas. 122, 248, 414, 

Wolfe, Reinhard. 248, 

Wolff, Georg. 198, 282, 712, 828.. 

Wolff-Zech, Hans. 577. 

Wolff, Johann. 613, 

Wolfgang, Abraham. 498. 520, 

Wollenfäder, Andreas. 153. 296, 

Wolrabe, Johann. 474, 

Wolrabe, Nikolaus. 152, 153, 154, 296, 
476. 595, 

Wolter — Bernhard. 106, 

Worin, Michel. 767 

Worms. 70. 9L 176. 246. 311. 415. 

Wurjter, Hans. 113. 191, 

Wirt, Florenz. 774, 

Würzburg. 85, 175, 667 693, 

Wynkyn de Worde. 218, 819, 

Wyrffel, Georg. 177, 334, 768, 

Wpriot, Nilolaus. 827, 

Wytt, Gottlieb. 566. 


& 


Xativa. 229, 


4 3 
XZimenes de Cisneros, Franz, Kardinal. 


2U8, 
„. 
Npern. 512, 
Mienhut, Leonhard. 119, 


Namen- und Ortsregifter. 


3. 


Bainer, Günther. 127, 128 1235 144. 
175. 245. 271. 273. 276. 277. 288. 


332, 338, 
— Johann. 135. 136. 144. 214. 245, 


Baiffenmayer, Lukas. 132, 

Barot, Anton. 191, 289, 290. 291. 

Zaſius, Ulrich. 314. 456. 457, 466, 549, 

an re Georg. 646. 647, 
= 41 45. 70, 9. 9. 97. 


I 

— Konrad. 141, 112. 
etter, Jakob von. 271. 520. 
Zetzners, Eberhard, Erben. 669. 

Beßner, Johann Eberhard. 712, 

Beßner, Lazarus. 261, 827. 

Biegler, — 668, 

Billig er. 

— Michael. 163. 164. 27T 
immern, Werner Wilhelm Graf von. 
4L 812. 


Borba, Samuel. 209, 
Aubrodt, Peter. 657, 
m Sohann David. 491. 502, 518. 


Züri. 124. 125. 248, 307. 310. 318, 
urzad). 277. 470, 

Ywelffer, Simon. 766. 767. 768, 

Swidau. 158. 427, 

Zwickeff, Stephen. 768. 

Swinger, Johann. 724, 725, 726, 

wingli, Uri. 125. 143, 168, 308, 314. 
382, 430. 432, 442, 456. 457. Db4 


584, 
Zwoelffer, Johann. 750. 851. 
wolle, 
Zyndel, Menrath. 279, 
Syrichzee, Cornelius von. 99, 336. 531 


Drud von F. A. Brodhaus in Leipzig. 


Verzeichnis der Subjfribenten 


anf die 


Geſchichte des Deutſchen Buchhandels 


bis in das fichzehnte Jahrhundert 


von 


Friedrich Kapp. 


Mitglieder des Börſenvereins der 


Abel, Ambr., Leipzig. 
Abeudroth, M. ‚ı Ra: 
Nachf., Frankfurt a. M. 
Adermann’s Nadıf., A., München. 
Adermann, Theodor, Miinchen. 


Carl Fügel’s 


Albanus'ſche Buchhdlg. (Chr. Teid)), 
Dresden, 
Alberti, G. M., Hanaı. 


At, Johannes, Frankfurt a. M. 

Anders, Hugo, i. Fa.: Aug. Helmich, 
Bielefeld. 

Anton, Mar (Ed, Anton), Halle. 

Aruoldiſche Buchhandlung, Dresden. 

Arnoldiihe Buchhandlung, Yeipzig. 

Attenkofer, E. P. Yandshut i. Bay. 


Babenzien, Mar, Rathenow. 
Baedeler, Karl, Yeipzig. 

Baedeler, G. D., Eſſen. 

Baer & Go., Joſeph, Frankfurt a, M. 
Baerecke'ſche Buchhandlung, Eijenad). 
Vagel, Anguft, Düffeldorf. 


I. 
Deutſchen Buchhändler. 


Bagel, Felix, Düſſeldorf. 

Bahr, Hermann, Berlin. 

— & Schmitt (Otto Petters), Heidel— 
er 

—* Joh. Ambr. Yeipzig. 

Barth, Rudolf, Aachen. 

Barthol & Co. W. Yobed), Berlin. 

Baumann, Paul, i. Ka.: Emil Barth's 
Hofbuchhandlung, Delfan. 

Baumgärtners Buchhandlung, Yeipzig. 

Bed, C., Athen. 

Betjer’ iche, Ehr., Berlagshandlung (E. 
Walder), Stuttgart. 

Benede, 9., i. Fa.: Amelang'ſche Sort.- 
Buchhandlung (H. Benede), Berlin. 
Benziger: Benziger, Nicolaus, Einfiedeln. 
Benziger- von Schnüringer, Carl, Ein— 

fiedeln. 
Berger, Alb. (Serig’iche Budjdlg.), Yeipzig. 
Berger-Pevrault & Co., Naucy. 
Bergmann, 3. F. Wiesbaden. 
Bergfträßer, Arnold, i. Fa.: Diehl's Sor— 
timent, Darmſtadt. 


2 


Bermann, David, (Bermann & Altmann), 
Wien. 

Bertelsmann, E., Gütersloh. 

Bejold, Ed., Erlangen. 

Beyer, Ottomar (8. ©. Calve'ſche Hof: 
n. Univ, » Buchhandlung), Prag. 

Vibliographiiches Inftitut, Leipzig. 

Bielefeld's Hofbuchhandlung, Karlsruhe. 

Bielefeld's Verlag, I., Karlsruhe. 

Boas, M., Berlin. 

Böhlau, Herm., Weimar. 

Boiſſerée, I. & W., Köln. 

Bonde, Dscar, Altenburg. 

Bonz, Ad., & Co., Stuttgart. 

Borgineyer, Franz, Hildesheim. 

Bornträger, Gebr., Berlin. 

Boyjen, E., Hamburg. 

Braun & Weber, Königsberg 1./Pr. 

Bredow, R., Feipzig. 

Bredt Nadıf., 9. (3. Müller), Greiz. 

Bremer, Sigmund, Stralfund. 

Brodhaus, Alb., i. Fa.: F. A. Brodhaus, 


Leipzig. 
Brockhaus, Dr. E., i. Fa.: F. A. Brodhaus, 
F. A. Brockhaus, 


Leipzig 
Neu⸗ 


Brodhaus, Rud., i. %a.: 
Leipzig. 

Brünstowfche Hofbuchhandlung, 
brandenburg. 

Buchhandlung des Waijenhaufes, Halle. 

Burdad), Hofbuchhandlung, Dresden. 

Burkhardt, R. i. Fa: Haeſeler'ſche Buch— 
handlung, Kiel. 

Burow's, Carl, Buchhdlg. (Carl Baud)), 
Gera. 

Burſik & Kohout, Prag. 

Buſchbeck, E.,i.Fa.: R. Frievländer& Sohn, 
Berlin. 


Gallmey, Georg D. W,, Münden. 

Calvör, G., Akad. Buchhdlg., Göttingen, 

Campe, Jul. (Hoffmann & Campe's Ber- 
lagi, Hamburg. 

Clemm's Buchhandlung, F. (H. Engelde), 
Gent. 

Cohen, Mar, & Sohn (Fr. Cohen), Bonn. 

Cohn's Verlag und Antiquariat, Adolf, 
Berlin. 

Coppenrath, Alfred, Megensburg. (2 Er.) 

Koftenoble, Hermann, Sena. 

Creutz'iche Bud» & Mufifalienhandlung 
(R. & M. Kretihmanm), Magdeburg. 
Cruſes Buchhandlung, Fr. (Oft & Georg), 

Hannover, 


Verzeichnis der Subifriventen. 


Daheim +» Expedition, Leipzig. 

Damtöhler, R., Berlin. 

Dale, Julius, Trieft. 

Deiftung’s Buchh., Dtto Herm. Dabis), 
Jena. 

Detloff, Adolf, Frankfurt a. M. 

Detloff. C. Bafel. (2 Er.) 

Deuerlih’ihe Buchhandlung, Göttingen. 


| Deutide, Franz, Wien. 


Devrient, A., St. Petersburg. 

Diemer, J., Mainz. 

Dieterihfche Sortbh., Göttingen. 

Dobberfe & Schleiermacher, Berlin. 

Dominicus, 9., Prag. 

Döring, Eduard, tat. Hofbuchhändlet 
(Horvath'iche vuchhdig Potsd. (2Er.). 

Drugulin, W. Leipzig. 

Dürr, Alphons, Leipzig. 


Ebenhöch'ſche Buchhandlung (Heinr. Korb), 
Linz a. D. 

Ebert, A., i. Fa.: Carl Grädener, Hamburg. 

v. Ebner’ sche Buchhandlung, H. Balldorn, 
Nürnberg. 

Edftein, 5. A., Neu - Stettin. 

Ehlermann, Erid, i. Fa.: Ls. Ehlermann, 
Dresden. 

Ehrhardt's, Oskar, Univerfitäts-Budhdlg., 
Marburg. 

Eifenichmidt, R., Berlin. 

Elwert'ihe Univerſitäts-Buchhandlung, 

N ‚, Marburg. 

Engelmann, Wilhelm, Leipzia. 

Ente, Ferd., Stuttgart. 


Faßbender, Johs., Elberfeld. 
Feeſche, Heinr.. Hannover. 
Ferber'ſche Univerfitätsbuchhdf. 
ber), Gießen. 
Fiſcher, Guftav, Jena. 
Flemming, Carl, Slogan. 
Robert, Leipzig. 
ournier & Haberler, Znaim. 
Franck's, Eugen, Buchhandlung Geoth 
Masle), Oppeln. 
Franzen & Große, Stendal. 
Franz'ſche, G, Verlagshandlung (I. Rod), 
t. b. Hofbuchhändt., Münden. 
Freyſchmidt, N., Safe. 


W. Rev 


Frid, Wilhelm, . Hofbuchhändler, 
Wien. (3 Er.) 

Friedrich, Wilhelm, Leipzig. 

Frieſe & Lang, Wien. 


Frohberg, Banl, Yeipzig. 


Berzeihuis der Subjtribenten. 3 


Fromm, A. (Bittler'ſche Buchhandlung), 
Bromberg. 
Frommbold, G., Büdeburg. 


Gärtuer's, R., Berlag (H. Heyfelder), 
Berlin. 

Sarıns’ihe Buchhandlung, Dortmund. 

Gaßmauu'ſche Sort.Buchhandlung, i. Fa.: 
A. Frederling, Hamburg. 

Gecks, L., i. Fa.: Feller & Geckse, Wies— 
baden. 

Geelhaar, M., Fürſtenwalde. 

Geering, Adolf, i. Fa.: Felix Schneider, 
Baſel. (2 Er.) 

&eibel, Earl, i. Fa.: Dunder & Humblot, 
Yeipzig. 

Geiger, Emil, i. Ra.: v. 
Buchhandlung, Nannitatt. 

Georg, H., Baſel. 

Gerold & Comp., Wien. 

Geſenius, Hermann, Halle a. S. 

Geſtewitz, Ad., Verlag, Fraukfurt a. M. 

Giegler, Nudoli, Leipzig. 

Gilhofer & Ranſchburg, Wien, 

Goar, Ludolph St., Fraukfurt a. M. 

Goldſtücher, E., Berlin. 

Goeritz, Benno, Braunſchweig. 

Göſchen'ſche Berih., G. J., Stuttgart. 

Gottſchick-Witter's Buchhandlung, A. H., 
Neuſtadt a. H. 

Gracklauer, O., Leipzig. 

Gräfe, Lucas, Hamburg. 

Graeſer, Carl, Wien. 

Grau & Comp., G. A., Hof. 

Graveur'ſche, J. Buchhandlung, i. Fa.: 
Guſt. Neumann, Neiffe. 

Große, Mar, Halle. (2 Er.) | 

Groteſche Buchhandlung, &., Hamm i. W. 

Grüninger, Karl, Stuttgart. 

Seltins’ihe Buchhandlung, Berlin. 

Gude, Julius, Hildesheim. 

Guttentag, 3. (D. Collin), Berlin. 


Haad, A., Berlin. 

Dabel, Carl, Berlin. 

Hahn'ſche Bucdhandinng, Hannover. 

Hahn's, W, Buchhdlg, Johs. Perthes, Plön. 

Salem, ©. 4. v., Bremen. 

Händde & Lehmluhl, Hamburg. 

Hanemann, W., Raftatt. 

Harneder, G. & Co., Frankfurt a. O. 

Hartleben, A., Wien. 

Hartmann, B., Elberfeld. 

Hartmann, Rudolf, Yeipjig. 

Dale, Dr. Ostar, i. Fa.: Breitlopf & Hätte, 
Yeipzig. 


Bosheuyers 


(2 Er.) | 








Haude- & Spener’iche 
(F. Weidling), Berlin. 

Hedenaft, G., Nachf. (R. Drodtleff), Preß— 
burg. 

Heinemann, E., Darmftadt. 


Buchhandlung, 


Heinrichshofen's Buchhandlg., Magdeburg. 


Hemmpel, H., Marienburg. 
Heudſchel, Mar, i. Ka: Erped. v. Hendſchel's 
Telegraph, Frankfurt a. M. 


Herbig, F. A., Berlin. 
Herder'ſche Verlagsbuchhdlg., Freiburg. 
Hermann, Bernhard, Leipzig. 


Herold'ſche Buchhandlung, Hamburg. 

Herroſe's, R., Verlag, Wittenberg. 

Hertz, G. 1. Fa.: Stuber's Buchhandlg., A., 
Würzburg. 

Her, Hans, Berlin. 


Heß, J., Ellwangen. 


Hierſemann, Karl W,, Leipzig. 

Hildebrand, A., Schwerin. 

Hilgenberg, Alb., i. Fa.: Herm. Schultze, 
Leipzig. 

Sinrihs’iche Hofbuchhandlung, Detmold. 

Hinſtorff'ſche Hofbuchhandlung, Berlags- 
Conto, Wismar. 


Breslau. 
Hirzel, S., Yeipzig. 
Höckner, E., Dresden. 
Hölzel's, Ed., Verlag, Wien. 
Hofmann, A., & Eo., Berlin. 
Hofmann, Theodor, Berlin. 
Hofftetter, Yudwig, Dalle a. ©. 
Höpli's, U., Buchhandlung (F. Furch— 
heim), Neapel. 
Huber, J. Frauenſeld. 
Huber & Co., St. Gallen. 
Huber & Lahme, Wien. 
Sud, 9. C., Quedlinburg. 
Hude, Hermann, Yeipzig. 
Hühn, Ernft, Kaſſel. 
Hufchke, Alerander, Weimar. 


Jacobi, M., Aachen. 

Jacoby, Robert, Neuſtrelitz. 

Jäger, Albert, Gleiwitz. 

Jäger'ſche Buchhandlg., Frankfurt a. M. 

Jänſch, Emil, i. Fa.: v. Zahn & Jänſch, 
Dresden. 

The International News Comp., New— 
ort. 

Jonghaus'ſche Hofbh., Verlag, Darmitatt. 


Rafemann, A. W., Tanzig. 


4 


Kaibel, Mar, i. Fa.: E. 9. Karom, 
Dorpat. 
Kasprowigz, E. Y., Leipzig. 


Kerber, H 
Kerber, Th., i. Fa.: 
&othenburg. 
Kern's, 3. U, Berlag (Mar Müller), 

Breslau. 
Kieſchke, Morit, Winterthur. 
Kindermann, R., Gera. 
Kirſch, Heinrich, Wien. 
Kittler, X. A., Yeipzig. 


erm. Salzburg. 
Wettergren & Kerber, 


Klafing, A., i. Fa.: Velhagen & Klafing, 
Bielefeld. 

Klafing, Zohs., i. Fa.: Belhagen & Klafing, 
Bielefeld. 


Kleinmayr, Ig. v., & Fed. Bamberg, 
Laibach. 

Klemm, C. A. Leipzig. 

Klemm, H., Dresden. 

Ktingelhöfier, Aug., Tarmftadt. 

Klingenftein, Guft., vorm. Franzen & Große, 
Salzwedel. 

Klindjied, E., Paris, 

Knapp, W., Halle, 

Koch, Albert, Stuttgart. 

Koch, Arnold, i. Fa.: Wilh. Kod) & Reimer, 
Königsberg. 

Koch, Rud., Hofbuchhandlung (G. Trübe), 
Brandenburg. 

Köbner, Wilheln (X. 5. Maste's Auti- 
quariat), Breslau. 

Kochler, K. F. Yeipzig. 

Koehler's, K. F., Antiquariat, Yeipzig. 

Könitzer's, L., Buchhandlung (Reitz & 
Köhler), Fraukfurt a. M. 

Köppen'ſche Buchhandlung (Otto Uhlig), 
Dortmund. 

Körber, Hans, Bern. 

Korn, Wilh. Gottl., Breslau. 

Kornfeld, Heinrich, Berlin. 

Krabbe, Carl, Stuttgart. 

Kräuter'ihe Buchhandlung (Jul. Stern), 
Worms. 

Kriſche, Th. Erlangen. 

Kröner, Adolf, i. Fa.: 
Stuttgart. 

Kröner, Paul, i. Fa.: 
Stuttgart. 

Krüll'ſche, Ph., Univ.Buchhandlg., Yande- 
hut. 

Kuczyneli, A, Augsburg. 

Kühtmann's, J., Buchhandlung (Guftav 
Winter), Bremen. 

Kymmel's Buchhandlung, N., 


Gebrüder Kröner, 
Gebrüder Kröner, 


Niga. 


Berzeichnis der Subikribenten. 


Laupp’ihe Buchh. H., Tübingen. (2 Er.) 

Yauterborn, Aug., Yudwigshafeı. 

Fechner, R., Univerfitäts-Buchhdig., Wien. 

te Monnier's Nachfolger, Florenz. 

Lengfeld ſche Buchh., M. (A. Ganz), Köln. 

Lenner’ihe Buchhandlung, I. I. (Eruft 
Stahl), München. 

Levyſohn, W., Grünberg. 

Liebiſch, Bernhard, Yeipzig. 

Lieſching & Comp., Ad., Stuttgart. 

Yiefegang's Berlag, Ed., Tüffeldorf. 

Fimbarth, Ehr., Wiesbaden. 

Lincke'ſche Leihbibliothek u. Buchh., Yeipzia. 

Lindauer'ſche Buchhdlg., I. (Schöpping), 
München. 

Lintz, Friedr. Val., Trier. 

Lipperheide, Franz, Berlin. 

— G. H., i. Fa.: Lipſius & Tiſcher, 


eit E Francke, Yeipzig. 

Löffler, Tobias, Mannheim. . 

Löhner'ſche Buchhandlung, M. (F. Sfter- 
reicher), Krems a. D. 

Yöning, Gottfried, i. Fa.: Literarische An- 
ftatt, Rütten & Yöning, Franfi. a. M. 

Löicher, Hermann, Turin. 

Löſcher & Co,, Rom. 

Löwe's, F., Verlag (W. Gffenberger), 
Stuttgart. 

Löwenſtein, Dr. ©, 
Berlag), Berlin. 

Lunig, B., Brandenburg. 


(Earl Heymanı'z 


= — — — — — — — — — — 


Mähnert, O., Eisleben. 
Maier, Otto, i. Fa.: Torn’sche Buchhand⸗ 
lung, Biberady u. Ravensburg. 
Manz, G. 3., Regensburg. 
Marcus, J., in Fa.: A. Marcus, Bonn. 
Matthes, Heinr. (9. Voigt), Leipzig. 
Maute Söhne, W., Hamburg. 
' Maurer, Adolf, Kalkan. 
Mayer & Comp., Wien. 
Mayer & Müller, Berlin. 
Meidinger, Herm. J., Berlin. 
Meißner, C., Elbing. 
Meißner, Otto, Sortiment, Hamburg. 
Mendelsſohn, Hermann, Leipzig. 
Merkel, Rudolf, Erlangen. 
Metzler'ſche Sortiments-Buchhdl., 
Stuttgart. 
Meyer, Carl (Guſt. Prior), Hannover. 
Meyer, Yonis (Peiſer's Sort.), Berlin. 
Meyer & Zeller, Zürid). 
Michaelis, Kranz, Hermannftadt. 
ı Michels, Hermann, Düfjeldorf. 


3. 8. 


Berzeihnis der Subikribenten. 5 


Miticher, Raimund, Berlin. 

Mitſcher & NRöftell, Berlin. (2 Er.) 

Mohr’s Sortiment E. (G. Köfter), Hei- 
delberg. 

Mofche, Louis, Meißen. 

Moſer'ſche Buchhandlung, A.(Frz.Piegder), 
Tübingen. 

Mofer’s Buchhandlung, Uri (I. Meyer» 
Hoff), Graz. 

Müller, E. Ed. Bremen. 

Müller, G. W. $., Berlin. 

Müller, 9. W., Berlin. 

Miller, Johannes, Amfterdam. 

Müller, Leopold, Leipzig. 


Nauhardt, D. (C. F. Fleiſcher), Leipzig. 

Naumann, Juſtus, eipzig. 

Neſtler K Melle (G. C. Temps), Ham— 
burg. 

Neubner, Paul, Köln. 

Neugebauer, Guſtav, k. k. Hofbuchhand— 
lun 


Leipzig 

ira Buchhandlung (Borftell & Reis 
marus), Berlin. 

Niemeyer, Mar (Lippert'ſche Buchhand- 
fung), Halle. 

Nieſe, E., Saalfeld. 

Noodt, Chr. Aug., i. Fa.: Hoffmann 
& Campe, Hamburg. 

Nutt, D., London. 


Oldenbourg, R., Münden. 

Opitz, E., 1. Fa.: Opit & Comp., Güftrow. 

Oppenheim, Rob., Berlin. 

Sfiander' ſche Buchhandlung, Tübingen. 
Oswalt, Heinrich, i. Fa.: Anftalt, Lite: 
rarische, Rütten & Yönig, Frankfurt a./M. 


Palm's, J. Hofbuchhandlung, (Aug. Dehr- 
lein), Münden. 

Palm & Ente, Erlangen. 

Parey, Baul, Berlin. 

Parker & Comp., Orford. 

Pätel, Dr. Herm. (Allg. Berein f. D 
Literatur), Berlin. 

Pätel, Gebrüder, Berlin. 

Peppmüller, R., Göttingen. 

Verthes, Bernhard, Gotha. 

Perthes, Friedrich Andreas, Gotha. 

Peter's Berlag, Ed., Leipzig. 

Pau, Karl Fr., Ceinzig. 


ng, Prag. 
Neumann’s Berlag (Auguft Fr. Lucas), 


Pfeiffer, Paul, i. Fa.: Th. Kaulfuß'ſche 
Buchhandlung, Lieguitz. 

Pichler's Witwe, A., & Sohn, Wien. 

Pierer, 9. A., Altenburg. 

Pohan’s Nadıf. ‚ Earl Ct. Zablaudil), 
Wien. 

Pörzler, E., Teplitz. 

Prager, R. L., Berlin. 

Prausnitz, Alvin, Berlin. 

Preuß & Jünger, Breslau. 

Prey, Richard, Augsburg. 

Puttlammer & Mühlbrecht, Berlin. 


Radhorft'iche SE a (Aug. Rad- 
horft), Osnabr 

Raſch, ae Belmer. 

Rath's, Wilh., Antigu., Eflingen. 

Nathte, Albert, Magdeburg. 

Reichardt Verlag, Georg, Yeipzig. 

Reimer, Dietricdy (Reimer & Höfer), Berlin, 

Reimer, Georg, Berlin. 

Reisland, R.,i. Fa.: ne 8 Berlag, Leipzig. 

Keisner's Nachfolger, H . (Alb. Hoffmann), 
Slogan. 

Reiß, P., Worms, 

Rettig, Georg, Dornad). 

Nevat, Leo, Budapeft. 

ı Nevai, S., Eperies. 

| Rivai, Gebrüder, Budapeft. 

Richter, Hugo, Davos. 

Ricker, C., St. Petersburg. 

Ricker. 3., Gießen. 

Kari iche Buchhandlung (E. Voß), Pots- 

dan, 

ı Niegeriche Buchhandlung, M. (Guftav 
Himmer), Münden. 

ı Niemann, E., Coburg. 

Rieſel, Earl, "Berlin. 

Riiel, Hermann, & Co,, gs en i. W. 

Ritter'ſche Buchhadl., P. G —— Soeſt. 

Rivnäc, Fr., Prag. 

Römke & Komp., Köln. 

Rommerskirchen ſche Buchhandlung (I. 
Mellinghaus), Köln. 

Rojenberg & Sellier, Turin. 

Roßberg'ſche — Leipzig. 

Roſt, H. J. C. Hinrichs'ſche Buchhdlg.), 
Leipzig. 

Roth, Rud., Leutkirch. 

Rothermel, Friedrich, & Comp., Schaff— 
hauſen. 

Nühe, Fig (Georg Naud), Berlin. 

| Rühle & Schenker, Bremen. 








| Sachſe & Heinzelmann, Hannover. 


6 Berzeihnis der 


Süngewald, Mar, Yeipzig. 
Salomon’s, G., Antiqu., Dresden. 
Saunier, Yeon, Buchhandlung, Stettin. 


Saunier's, L., Buch- und Kunfthandlung, | 


Danzig. 
Schad, D., i. Fa: Weiß & Schad, 
Leipzig. 


Schäfer's, L., Buchhandlung, Magdeburg. 


Sceible, J. Verlag und Antiquariat, 
Stuttgart. 

Scellenberg, Paul, Dresden. 

Sceller'8 Buchhandlung, Paul ©. (Kiüften- 
macher), Berlin. 


Schindler, Bernhard, i. Fa.: Auftus Naus | 


mann’s Buchhandlung, Dresden. 

ES chirrmeifter, Morig, i. Fa.: Barth & 
Schirrmeiiter, Dresden. 

Schlüter'ſche Buchhandlung (Wilh. Halle), 
Altona. 

Schmerſahl, Edm., Llibed. 

Schmid, Frande & Eo., Sort.-Eto. (vorm. 
3. Dalp’ihe Buchhandlung), Bern. 

Schmidt, Carl, Döbeln. 

Schmidt, C. F., Univerfitäts- Buchhand- 
lung, Straßburg. 

Schmidt, Hermann, i. Fa.: A. Schmale, 
Schwerin i. M. 

Schmitz, Ferd., Antiquariat (Ed. Hil- 
verfus), Eiberfeld. 

Schmitzdorff, H., Kaiſerl. Hofbuchhandlung, 
St. Petersburg. 

Schneider, Friedr., Leipzig. 

Schneider, F., & Co., Berlin. 

Schoch, Carl, Schaffhauſen, 

Scholtz, H., Breslau. 

Schorer, J. H., Berlin. 

Sara, 9., fgl. Hofbuchhändler, Nürn— 
er 


g. 

Schulbuchhandlung, Braunſchweig. 

Schultheß, F., Zürich. 

Schultz & Co., R., Sortim. (Bouillon & 
Buffenius), Straßburg. 

Schulze, Aug., Celle. 

Schulze, Otto, Köthen. 

Schulze, Rid., i. Fa.: G. E. Schulze, 
Leipzig. 

Schulze, Theodor, Hannover. 

Schwabe, Benno, Bafel. 

Schweitzer, Ign., Aachen. 

Scweizerbart'jhe Verlagshandlung 
Koh), Stuttgart. 


(E. 


Schwetſchle, €. N, & Sohn (Wiegandt | 


& Appelhans), Braunfchweig. 
Scriba, ©., Met. 
Seehagen, Oswald, Berlin. 
Seel, C., Dillenburg. 





Subifribenten. 


Seemann, E. U., Leipzig. 

Seidel, L. W. & Sohn, Wien. 

Senf, Bartholf, Leipzig. 

Serbe, &. Herm., Yeipsig. 

Siemenrotbh, Frz., Berlin. 

Siever, Ludwig, Afcherslebeıt. 

Silbermann, Alfred, Effen. 

Silomon, H. W., Bremen. 

Simmel & Co., Leipzig. 

Simon, ©. Heinr. (S. Calvary & Eo.), 
Berlin. 

Soeding, Emil, Wien. 

Spaeth, 3. M., Berlin. 

Spamer, Otto, Leipzig. 

Spemann, ®., Stuttgart. 

 Speyer'ihe, 4, Buchhandlung 

Schmidt), Arolien. 





(®. 


| Speyer, Hans, i. Fa.: Speyer & Peters, 


Berlin. 

Springer, Julius, Berlin. 

Stahel’iche Univerfitäte-Buch- und Kunft- 
handlung, Würzburg. 

Staude, Elwin, Berlin. 

Steffen, Louis, Hildesheim. 

Steiger, E., & Co., New-V)orf. 

Steinader, €. F., Leipzig. 

Stephanus, Heinr,, Trier. 

Stettner, Joh., i. Fa.: Craz & Gerlad, 
Freiberg. 


| Steyer, Karl, Kannftatt. 
Stieda, Alerander, Riga. 


Stillerihe Hof» und Univerſitäts-Buch— 
handlung (E. Kahl), Roitod. 

Stiller’iche Hofbuchhand!., Schwerin i. M. 

Stollberg, H., Merjeburg. 

Strauß, Emil, Bonn. 

Strider, R., i. Fa.: Pfeffer'ſche Buch— 
handlung, Halle, 

Ströhm, Arthur, i. Fa.: Kluge & Ströhm 
u. F. Kluge's Verlag, Reval. 

Stuber's, Adalbert, Verlagshaudlung, 
Würzburg. 


| Tempsky, F., Prag. 


Thiel, Fr., Friedenau. 

Thiele, Theodor, Berlin. 

Thomas, Th., Leipzig. 

Tienten, Chr. G., Bremerhaven. 

Titze, Adolf, Leipzig. 

Töche, Dr. Theodor, i. E. 
Mittler & Sohn, Berlin. 

— Paul, Univerfitäts-Buchhandlung, 

iel. 

‚ Trewendt, Eduard, Breslau. 

Trewendt & Granier, Breslau. 

‚ Trübner, Karl 3., Straßburg. 


— 
Eu 
+7 


Fa.: 


Berzeihnis der Subjfribenten. 7 


Ulmer, Eugen, Stuttgart. 
Urban, Adolf, Dresden. 


Bandenhoed & Ruprecht's Berlag, Göt- 
tingen. 

Beit & Co., Leipzig. 

Belhagen, U., Bielefeld. 

Belhagen, Wilhelm, Bielefeld. 

Berlags-Anftalt, Deutiche, Stuttgart. 

Berlagsanftalt für Kunft und Wiſſenſchaft, 
vorm. friedr. Brudmann, Münden. 

Vieweg, F. Paris. 

Bieweg & Sohn, Friedr., Braunſchweig. 

Bogel, F. €. ®., Leipzig. 

Boigt, B. F., Weimar. 

Boigtlaender, R., Kreuznach. 

Bölder, Georg, i. Fa.: 8. Th. Bölder, 
Frankfurt a. M. 

Boldmar, F. Leipzig. 

Volkmann, Wilh., i. Fa.: Breitlopf & 
Härtel, Leipzig. 

Vomhoff, C. A. Straßburg. 

Voß, Leopold, Hamburg. 

Boß' Sortiment, Leipzig. 


Wagner, Friedrich, Braunſchweig. 

Wagner'ſche k. k. Univerſitäts-Buchhand— 
lung, Innebrud. 

Wagner, Franz, Yeipzig. 

Wagner & Debes, Yeipzig. 

Wahlftab, L., i. Fa.: Herold & Wahlftab, 
Lüneburg. 

Waldheim, R. v., Wien. 

Wallmann, 9. ©., Leipzig. 

Leber, W., Berlin. 

Weber's Buchhandlung, F. A. (E. Scharff), 
Danzig. 

Wehberg, B., Osnabrüd. 

Weidmann’ihe Buchhandlung, Berlin. 

Weigel, T. D., Leipzig. 


Weiß, ©., Heidelberg. 

Weiß, Hermanı, zeipzig. 

Weiß, R., i. Fa.: Kluge & Ströhm, Reval. 

Weißbach, Herm., Weimar. 

Wellerihe Buchhandlung (D. Nocsger), 
Bauten. 

Welter, H., Paris. 

Weſtermann, George, Braunjchweig. 

Widel, 8., Wiesbaden, 

Wider, Georg (Reisner'ſche Buhhandlung), 
Liegnitz. 

Wiebe, Emil, Lyck. 

Wiedemann, Paul, Meuſelwitz. 

Wiedemann’fhe Buchhandlung, W. 
Dürlop), Saalfeld. 

Wigand, Georg H., Kaſſel. 

Wigand, Otto, Yeipzig. 

Wilhelmi, Richard, Berlin. 

Wiliſch, F., (Mar Weftphal), Schmal- 
falden. 

Williams & Norgate, London. 

Wilpert, A., Groß-Strehliß. 

Winter’iche Sortiments-Buchhandlung, C., 
Heidelberg. (2 Er.) 

Wohlfahrt, Emil, i. Fa.: E. Morgenftern, 
Breslau. 

Wolffiihe Buchhandlung, 3. (M. Geißen- 
dörfer), Augsburg. 

Wolff & Hohorft, Hannover. 

reden, Friedrid, Braunſchweig. 

Wunſchmann, B., Wittenberg. 


(A. 


Zahn, Rob. v. (v. Zahn & Jänſch), 
Dresden. 

Zeidler's Hofbuhhandlung, H. 
Saft), Zerbft. 

Bidel, ©., New-Nort. 

Zudichwerdt, A., Weimar. 

Zwißler, Julius, Wolfenbüttel. 


(Fried. 


Berzeihnis der Zubffribenten. 


II. 
Nichtmitglieder des Börſenvereins der Deutſchen Buchhändler. 


Abt, Rud., Gehilfe im Hauſe Joſ. Bucher, 
Paſſau. 

Ackermann, Ed., i. H. Photogr. Gei., 
Berlin. 

Agricola, Verein, Innsbruck. (2 Er.) 

Albreht, R. F., Gehilfe im Haufe 
E. Steiger & Comp. ., New- Jar, 

„Alte Hallenfer“, Verein, Leipzig. (2 Er.). 

Andelfinger, Carl, Gehilfe im Haufe Rud. 
Roth, deutirch. 

Anger, Gilbert, Wien. 

Auer, L., Donauwörth. 


Bachmann, Franz, Gehilfe im Hauſe 
G. Grote'ſche Verlagsbuchhdlg. Berlin. 

Pär, Alfr., Gehilfe im Haufe Mar Kor | 
nider (Mar Ruef), Antwerpen. 

Barth, Wilh., i. H. Wilberg'ſche Buch— 
handlung, Athen. 

Baſch, J. A., im Haufe A. Ruſſell's Ver— 
lag, Münſter i. W. 

Bauhof, Hermann, Regensburg. 

Baumgärtel, Mar, im Haufe G. Grote'ſche 
— buchhandlung, Berlin. 

Bayer, Anton, Iglau. 

Bayer, E. J., Gehilfe im Haufe Gebrüder 
Bettelheim, Arad. 

Beder, Ernft, Heilbronn. 

Vehrend, A., Berlin. 

Benede, "Sohn, Gehilfe des Amelang’ ihen | 
Sortiments, Berlin. 

Benziger - Dietichn,, Martin, Einfiedeln. 


Beran, Mar, Gehilfe im Haufe R. F. | 


— Rawitſch. 

Beſſer, Neuhaldensleben. 

Be Ferd. Mitau. 

Bieringer, Fr., ðehiije im Hauſe M. Wald⸗ 
bauer, Baffaı. 

Biller, Theophil, Prenzlau. 

Blau, Johannes, Sehilfe im Haufe Karl 
Rocco, Bremen. 

Blazek, Anton, Gehilfe im Haufe Otto 
Hendel, Halle. 

Dlazet, Procurift im Haufe €. Rider, 
St. Petersburg. 

Bloch, Hugo, Sehilfe i. 9. K. F. Köhlers 
Antiquarium, Leipzig. 


Rod, A., Rudolſtadt. 
Bollmann, Georg, Gehilfe im Hauſe Dietr. 
Reimer, Berlin. 
| Bormann, Gehilfe im Haufe Verlag des 
fol. ftatift. Bureau, Berlin. 
Bothe, Adolf, Gehilfe im Hauſe Julius 
Hermann, Maunheim. 
Braun, 3., Gehilfe i. 9. Carl Billaret, 
Erfurt. 
Braune, A., Gehilfe im Haufe Ed. Hölzel, 
| nz 
' Briefe, 
— 
— Verein, Wien. Deutſche Buch— 
handlung, Metz. 
Buchhandlungsgehilfenverein, Karlsruhe. 


Procuriſt i. H. Guſtav Fochk, 


Grüger, Adolf, Gehilfe im Haufe Wilh. 
Ißleib, Berlin, 

Czerny, Emil, im Hauſe Friedr. Ehrlich's 
Buchhandlung, Prag. 


Degenmann, P. A., Gehilfe im Haufe 
Sotſcheck & Comp., Bulareſt. 

| Drefiel, Albert, Gehilfe i. H. Adolf Tike, 
ı  Yeipzig. 

Dümichen, H., Gehilfe im Haufe Creutzſche 
Bruchh., Magdeburg. 

Dunfnann, Adolf, Geh. i. H. G. Grote'ſche 
Berlagsbuchhandlung, Berlin. 

| Dworjaf, Anton, Mies. 


Ebbede, Hermann, Gehilfe i. H. Friedrid 
Ebbede, Liſſa. 

Ebner, Th., Bibliothels - Secretär, 
gart. 

Edardt, 9, Gehilfe im Haufe E. Mohr, 
Heidelberg. 

des ſche Buchhandlung, Budapeſt. 

Eggert, Guſtav, Gehilfe im Haufe 
6 Grote'ſche Verlagsbuchhandlung, 

Berlin. 

Ehlers, H., Gehilſe im Haufe Rühle & 

Schlenker, Bremen. 
Eiſenſtein, Jacques, Wien. 


Stutt: 





Berzeichnis der 


Elsner, C. v., Gehilfe im Haufe Alb. König, | 


Guben. 


Eltzner, Clara, Gehitfin i. H. A, Borne⸗ 


buſch, Lippſtadt. 
Eugel, Curt, Gehilſe i. H. J. €. Her 
mannſche Buchh., Frankfurt a. M. 


Felber, Emil, Gehilfe im Hauſe Th. Thiele, 
Berlin. 

Fiala's, Mar, Buchhandlung (Dito Kaeſer), 
Bern. 

Firnhaber, Carl, im Hauſe Mor. Diſter— 
weg, Frankfurt. 

Frauke's Buchhandlung, 3. CB. Franke 
& Wolf), Habelichwert. 


Fröhlich, Theodor H., Schilfe im Haufe | 


Akad. Buchhandlung, Göttingen. 


Bunde, Curt von, Gehilfe im Haufe | 


F. Volckmar, Yeipzig. 


Gabory, Wilh., Gehilfe im Haufe H. Zeid- 
ner, Kronftadt, 
Gebhardt, Friedrich, Gehilfe im Haufe 
Franz Bahlen, Berlin. 
Geißler, Oskar, Gehilfe im Haufe Franz 
Yeo & Comp. Wien. 


Gerlach, Eduard, Gehilfe im Haufe Emil | 


Richter, Tresden. 








Giegler's, G. 3., Buchhdlg, Schweinfurt. | 


Haejer, Carl (Herm. ang), Gotha. 

Sohn, F. C. B. (U. Siebe, Freiburg. 

Gotthardt, Moritz, Gehilfe im Haufe 
D. Reimer, Berlin. 

Grand, Henri, Gehilfe im Hauſe Yeopold 
Voß, Hamburg. 

Graflau, E., im Haufe Trübner & Comp., 
Yondon. 

Grevel, H., & Comp., Pondon. 

Grohmanı, H., Gehilfe im Haufe of. 
Bätz & Comp., Frankfurt a. M. 

Grüzmacer, Eruft, Gebilfe im Dauie K. 
F. Köhler, Antiquariat, Peipzig. 

Günther, Eduard, Schiffe im Haufe Oskar 
Bonde, Altenburg. 


Sünther, Guftav, Procurift im Hauſe 


Ewald Scholz, Yiegnik. 
Guſtorff, Karl, im Haufe Herm. Michels, 
Tüſſeldorff. 


Hafner, D., Gehilſe im Haufe Attenkofer, 


Straubing. 
Hatnauer, J. Breslau. 
Sambredt, Herm., Geichäftsführer des 
Schweiz. Vereins: Sortiment, Olten. 
Harrwitz, Dar, Berlin. 


Subifribenten. 9 

Hartmann, Panl, Gehilfe im Hanfe Ed. 
Hölzel, Neutitfchein. 

Hartung, Albert, Gehilfe im Hanſe Franz 
Bahlen, Berlin. 

Heinrich, Otto, Schiffe im Haufe R- Keit, 
Rudolitadt. 

Heiß, 3.9. Ed. (Heitz & Mündel Nadıf.), 
Straßburg. 

Henze's Verlag, Adolf, Neuſtadt Leipzig. 

Hermes, Hch. im Hauſe Hedenhauer'jche 
Buchhandlung, Tübingen. 

Herrig, E. Gehilfe im Haufe Sam. Lu— 
cas, Elberfeld. 

Himeſch, Wilh., Schiffe im Haufe 9. Zeid— 
ner, Kronſtadt. 

Hinſch, Aug., Schiffe im Haufe E, Winter: 
berg, Bergedorf. 

Hirſch, Otto, Gehilfe im Haufe Breitfopf 
& Härtel, Yeipzig. 


Hoch, Wilhelm, Gehilfe im Hauſe 4. 


Scheuerlen, Heilbronn. 

Soffmanı, Karl, Sehilfe im Haufe Alfr. 
Lorentz, Yeipzig. 

Hoffmann, Richard, Forſt. 

Hölſcher, &., Gehiffe im Hauſe 
Bachem, Köln. 

Hold, Ang, Gehilfe im Haufe R. Hoſch. 
Neutitichein. 

Huttler, Dr. M., Augsburg. 


J. P. 


Jacobi, Bruno, Gehilfe im Hauſe Buch— 
handlung des Waiſenhauſes, Halle a. S. 

Jäger, B., Proluriſt im Hauſe E. F 
Steinader u. i. Fa: E. H. Mayer, 
veipzig. 

Scheber, Fr. H. Gehilfe im Hauſe N. Lo— 
rentz, Leipzig. 


Jenke, Louis, Baſel. 





Johansmann, Alb., Gehilſe im Haufe 
J. J. Heine'ſche Buchhandlung, Poſen. 

Juuge's Buchhandlung, Karl, Ansbach. 

Juszynsli, Andreas, Gehilfe im Hauſe 
H. Pardini, Czernowitz. 


Keil, K., Rudolſtadt. 

Keimling, Adolf, Gehilfe im Haufe Dob— 
berke & Schleiermacher, Berlin. 

Kellner, Carl, im Hauſe Roſenthals Antiqu. 
München. 

Kemink & Zoon's Sortiment, C. H. E. 
Breiger, Utrecht. 

Keßler, E. Gehilfe im Haufe S. Bremer, 
Stralfund. 

Kehler, Ferdinand, Gehilfe im Haufe 9. 
Bechthold, Frankfurt a.ÄM. 


10 


Keßler, Ferd., Kaſſel. 

Kieſewetter, Bernhard, Gehilfe im Haufe 
Yeopold Bof, Hamburg. 

Kilian, F. Budapeſt. 

Kiſtner, O., im Haufe F. A. Brodhaus, 
Leipzig. 

Klödner, Carl, Gehilfe im Haufe Pet. 
Klödner, Friblar. 

Klodt, Franz Heinrich, Procurift in der 
Leipziger Lehrmittel-Auſtalt v. Dr. 2. 
Schneider, Yeipzig. 

Knothe, E., Gehitfe im Haufe Schmorl & 
von Seefeld, Hannover. 

Knothe, G., Gehilfe im Hauſe Schmorl 
& von Seefeld, Hannover. 

Köhler, Albert, Procurift der k. k. Hof 
buchhandfung Wild. Frid, Wien. 

Kohl, Brumo, Gehilfe im Haufe Fr. Geiß— 
ler, Leipzig. 

Kohlihmidt, Mar, Gehilfe im Haufe Stiller’ 
ſche Hofbh., NRoftod. 

Koller, Otto, Gehilfe im Haufe O. Harraſſo— 
witz, Yeipzig. 

Kölin, Mathias, Gehilie im Haufe Gebr. 
Carl Nie. Benziger, Einficdeln. 

König, Albert, Guben, 

König, Hubert, Procurift der Soltau'ſchen 
Buchhandlung, Norderney. 

Korell, Wilheln, Ziegenhain. 

Korff, Heinrich, Gehilfe im Haufe Herder & 
Comp., Münden. 

Kornider’s, Mar, Hofbuchhandlung, Mar 
Ruef, Antwerpen. 

Kreyenberg, Georg, Gehilfe im Haufe 
Georg Reimer, Berlin. 

Krüger, €. L., Dortmund. 

Kubel, E., Gehilſe im Haufe Amelang'ſche 
Buchhandlung, Berlin. 

at W., Gehilfe im Haufe R. Georg, 

enf. 

Kundmüller, Richard, Gehilfe im Haufe 
Heinrichshofen, Magdeburg. 

Kundt, E., Karlsruhe. 

Kunze, Otto, Gehilfe im Haufe Ernſt 
Lambeck, Thorn. 

Kürſchner, Joſ., Stuttgart. 


Laber, Wilh., im Haufe Du Mont Schau— 
berg, Geichäftsführer und Procurift, 
Köln. 

Fandesbibliothet, Kgl., Wiesbaden. 

Yang, A., Moskau. 

Fangen, Aug.,i. Fa.: Math. Broder, Crefeld. 

Lehmann, Fritz, Gehilfe im Haufe Dietr, 
Reimer (Reimer & Hocfer), Berlin. 


Verzeichnis der Subjlribenten. 


Leſſen, Heinrich im Haufe Schletter' ſche 
Buchhandlung, Breslau. 

Liaunig, Hans, Gehilfe im Haufe Ferd. 
v. Kleinmayr, Klagenfurt. 

Linſener, Heinrich, Gehilfe im Hauſe Frauz 

Siemenroth, Berlin. 

Lukaſchik, Hermann, Gehilfe im Hauſe 
Wilh. Frick, Wien. 

Lüſtenöder, J., Gehilfe im Hauſe Wilh. 
Frick, Wien. 


Manitius, Reinh., im Hauſe B. G. Teub— 
ner, Leipzig. 

Manz. Carl, Gehilfe im Haufe Carl Meyer 
(&. Prior), Hannover. 

Marder, E., im Haufe The International 
News Company, Neav->)ork. 

Mards, A. F. Berlagshdlg., St. Peters: 
burg. 

Marquardien, Chr., Gehilfe im Hauſe 
Lipſius & Tiſcher, Kiel. 

May, Guft., im Haufe Trübuer & Comp., 
London. 

Mayr’iche Buchhandlung, G. (P. Schön), 
Kaufbeuren. 

Merfeburger, H., Gehilfe im Haufe X. 
Devrient, St. Peteräburg. 

Merieburger, Mar, Gehilfe im Haufe €. 
Merfeburger, Yeipzig. 

Meßerſchmidt, Paul, Gehilfe im Haufe 
Franz Wagner, Leipzig. 

Meyer, Philipp, Geichäftsführer in der 
Hojbuhhandlung Prohasfa, Teſchen. 
Micaelis, Mar, Gehilfe im Hauſe ®. 
Grote'ſche Berlagsbuchhandlung, Berlin. 

Mieck, A., Prenzlau. 

Mirauer, Max, Gehilfe im Hauſe E. J. 
Brill, Leiden. 

Mohr, Louis, Gehilfe im Haufe R. Schult 
Cie., Verlagsbuchhdlg., Straßburg. 

Movius, Theodor, Gehilfe im Hauſe A. 
H. Gottſchick-Witter, Neuſtadt a. d. Hdt. 

Muͤckenberger, Rudolf, Gehilſe im Hauſe 
G. Grole'ſche Verlagsbuchhdlg., Berlin. 

Müller, Emil, Gehilfe im Haufe Schriften— 
Niederlage des ev. Vereins, Frank— 
furt a. M. 

Murjahn, Adolf, Gehilfe im Haufe Georg 
Neimer, Berlin. 


Neff, Paul, Stuttgart. 
„Netto“, Berein jüng. Buchhändler (Borft. 
N. Friedrich), Mannheim. 


Berzeihnis der Subjfribenten. 


Neumeyer, Johannes, Gehilfe im Haufe 
Heinr. Feeſche, Hannover. 

Nickel, Procuriſt im Hauſe C. Nider, 
St. Petersburg. 

Niederländ. Buchhändler-Vereins, Biblio— 
thek des, Amſterdam. 

Niemeyer, G. Gehilfe im Haufe B. Göritz 
Braunſchweig. 

Nijhoff, Martinns, Haag. 

Noack, G., Gehilſe im Haufe H. 
Müller, Berlin. 


W. 


Oldenbourg, Martin, im Hauſe Gebrüder 
Paetel, Berlin. 

Opitz, Carl, Prokuriſt im Haufe Gebr. 
Hug, Bafel. 


Beppmüller, Herm., im Haufe Joh. Faß— 
bender, Elberfeld. 

Peterion, Eugen, Leipzig. 

Petzold, Rud., Gehilſe im Haufe Franz 
Kempner, Dresden, 

Pflugmacher, Xaver, Gehilfe im Haufe E. 
A. Koch's Berl., Leipzig. 

Piper & Kühn, Schw. Hall. 


— 


Pötzelberger, S., Meran. 
Quitzow, Richard, Lübechk. 


Hahnid, Mar, im Hauſe C. J. Kreiml, 
Trautenan. 

Rath, Philipp, Gehilfe im Hauſe K. F. 
Koehler's Autiquarium, Leipzig. 

Rees, Chr., Gehilfe im Haufe C. F. Rees, 
Heidenheim a. Br. 

Richter, im Haufe Guſt. Hempel, Berlin. 

Riedel, F. Gehilfe im Haufe Friedr. Vie— 
weg & Sohn, Braunschweig. 

Rocholl, H., Gehilfe im Hauſe G. D. 
Baedeker, Eſſen. 

Rohrmüller, J., Gehilſe im Hauſe M. 
Waldbauer, Paſſan. 

Röhrſcheid, Ludwig, Gehilfe im Hauſe 
Emil Strauß, Bonn. 

Roſenbaum, S., Procuriſt im Hauſe A. 
Aſher & Comp., Berlin. 

Roth's, W., Buchhandlung (H. 
firchen), Wiesbaden. 

Roufjell, C. W., Bremen. 

Ruf, Otto, Gehilſe im Haufe Gebrüder 
Carl EN. Benziger, Einfiedeln. 

Rützow, Th., Gehilfe im Haufe P. ©. 
Philipſen, Kopenhagen. 


Litzen⸗ 


—11 


Sad, Mar, Köln. 

Salzer, E., Gehilfe im Haufe Scheurlen, 
»Heilbronn. 

Samion & Wallin, Stodholnt. 

Sander, H., Gehilfe im Haufe Alb. König, 
Guben. 

Sattler, Chr., Gehilſe im Haufe Belhagen 
& Klajing, Bielefeld. 

Sauer, A., Gehilfe im Haufe E. Thiel- 
man's Buchh., Kreuzburg. 

Saunier, Pon (A. Het), Elbing. 

Schatke, R., Lodz. 

Schelosky, Paul, Gehilfe im Hauſe S. 
Schottländer, Breslau. 

Schepe, Carl, Gehilfe im Hauſe v. Idzi— 
fowsti, Kiew. 

Schiener, Theodor, Gehilfe im Haufe DO. 
Deiſtung's Buchhandlung, Jena. 

Schindler, Oslar, Prokuriſt im Hauſe R. 
Hartmann, Leipzig. 

Schmerſow, Mar, Brocurift in Carl Hey— 
manns Berlag, Berlin, 

Schmid'ſche, B., Bud und Kunſthand— 
lung (N. Derzer), Augsburg. 

Schmidt, Georg, im Haufe Carl Niefel, 
Reife-Kontor, Berlin. 

Schmidt, Karl, Gchilfe im Haufe Br. F. 
Goeche'ſche Buchh., Schneeberg. 

Schmitt, Wm., Gchilfeim Haufe E, Stei- 
ger & Komp., New-York. 

Schnock, W., Gehilfe im Hanse L. Schnock's 
Buchh., Aſchersleben. 

Schönlein, Franz Herm., im Hauſe G. 
Rod, Leipzig. 

Schöntag, Georg, Gehilfe im Hauſe E. 
Baenſch jun., Magdeburg. 

Schubert, E., Gehilfe i. H. W. Weber, Berlin. 

Schubert, Paul, Gehilfe im Haufe 8. F. 
Ktoehler, Yeipzig. 

Schuchardt, E., Gehilfe im Haufe of. 
Bär & Comp., Frankfurt a. M. 

Scdyufter, Arthur, Gehilfe im Haufe P. 
Baumann’s Berlag, Deilau. 

Seefeld, Hermann, im Haufe I. H. Born, 
Eiberfeld. 

Seit, Mich., Gehilfe im Yitterar. Anftitut 
von Dr. Dt. Huttler, Augsburg. 

Senff, A. Berlin. 

Sieler, Friedr., Profurift im Haufe Franz 
Wagner, Yeipzig. 

Sluzewski, Alfred, Gehilfe im Haufe Ed. 
Bote & G. Bod, Poſen. 

Somolif, Hans, Gehilfe im Hanje ©. 
Grote'ſche Berlagsbuchhandlung, Berlin. 

Spitzel, Valentin, Gehilfe im Hauſe Os— 
far Bonde, Altenburg. 


12 Berzeichnis der 

Spühr, E., Gehilfe im Hauſe 3. Deubner, 
Mostan. 

Ztampfel, C., Preßburg. 

Steiger, Ernſt, im Hauſe K. F. 
Leipzig. 

Steinthal, Alfred, Gehilfe im Hauſe G. 
W. F. Müller, Berlin, 

Stodum, W. PB. von, & Zoon, Haag. 

Stritter, Fri, Gehilfe im Hauſe Abd, 
Neubert, Ludwigsburg. 

Stülpnagel, A., Gehilfe im Hauſe 1. 
Hoepli, Mailand. 

Szemezikiewiez, P., gen. Schimmelwitz, 
Gehilfe im Hauſe Simon Schropp, 
Berlin. 


Koehler, 


Tamm, Alfred, Procurift im Haufe Weid— 
mann'ſche Buchhandlung, Berlin. 

Thelemann, %., Weimar. 

Zichenticher, &., Gehilfe im Haufe v. 
Zahn & Jaeuſch, Dresden, 


Beith, Bernh., Gehitfe im Hauſe Leo 
Woerl, Würzburg. 

Voigt, Nobert, Schiffe im Haufe Breit 
fopf & Härtel, Yeipzig. 

Boltening, Eduard W., Sehilfe im Haufe 
Simmel & &o., Yeipzig. 

Bollert, Ernft, Procuriſt im Haufe PBanl 
‘Barey, Berlin. 


Subfkribenten. 


Wagner, Gebhard, Gehilfe im 
S. Schottlaender, Breslau. 


Weber, R. O., Geſchäftsführer in 


Faber'ſche Buchdr., Magdeburg. 
Weg, Mar, Gehilfe im Haufe 
Weigel's Antiquariat, Yeipzig. 
Weiſe, H., Gehilfe im Haufe 3. C 
richs'ſche Buchhandlung, Leipzig 

Weiß, Karl, Dresden. 

Wendeler, Dr. Camillus (S. Calvary 
Berlin. 

Werner, Baul, Gehilfe im Haufe H 
Friedrich, Leipzig. 

Werſich, Rob, Ed., 
Karl Junge, Ansbach. 


Wiedling, A., Gehilfe im Hauſe — 


Schenk, Wien. 
Wildens, Matth, im Haufe J. 
richs'ſche Buchhandlung, Leipzig. 


Wilde, 9.3. de, Gehilfe im Haufe ' 


& Zoon, Utrecht. 
Wolansky, Bernh., 
ripſius & Tiſcher, Kiel. 


Zenfer, Joſ., Gehilfe im Hauſe 


‚ Kühn, Berlin. 

Ziegenbalg, Hevm., Brocurift im 
F. N. Brochaus, Yeipzig. 

Zillich, Hffrich, Gehilie im Hau 
manı Kerber, Zalzburg. 


Gehilfe im © 


aß 


Sehilfe im — 


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