Die Kontinuität
des
Keimplasmas
als Grundlage
einer ...
1
August Weismann
DIE
KOITUiyiTAT DES KEillPLASMAS
-■:;;5ii"' 1':;:-
ALS GRÜNDLAGE EINER
IH£ORI£ DER YERfiRBUMG.
EIN VORTRAG
VON
DR- AUGUST |WEISMANN,
ZWEITE AUFLAGE.
JBKA.
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1892.
Vor la^^ von Gustti v Fisclier in Jena.
"WAIftfYlflTin ^ A^Sm Professor der Zoologie an der Universität Preibnrg i. Br.,
f ¥ oisuiiuiu^ Ueber die Bauer des Lebens. Vortrag gebAlteo ia der
ftwtiteu allg«iiidneB »ititing der 54. VwsammlnoK deataeber NatairfinnMber «nd A«nto
In BalslNixg am fl. 8«pt. 1881. 1888. Preb: 1 Mark 50 PI
Ueber die Tererlnmu . Bin Vortrag. ZwaiteAnfl. 1888. Preis s llf.50Pf>
XJebcr Leben und Tod. Eine biologische Untor*uchuug. Zweite Auflaga.
1892 Mit 2 UulB»chnitren. Rreis : 2 Merk.
— Die Bedewtung der sexuell en Fortpflanzung für die Selek«
tlOnStheOrle. ISSe. Preis: 2 Merk 50 Pf.
üeber die Zabl der BtcbtnngskSrper und ober Utr« Badminig
fBr di« Verartaag. Ibti7. Pr«w : 1 Uask 60 Pf.
ITol>er (Tie ITypo fliese ehier Tererbiing von Yerletznngen.
Hit 8 Uoluchniueu. 18»». Preia : i Mark 80 tt,
Amphimixis oder Die Vermiscliung der fadlTidmwL mt i8 av
WdnQgan in Ta»ie. 1881. Prei»: 8 Mark «0 Pr.
£ÜS2'6n önireraiiät Jena, Per Himlgflum, Blologiscba
o 7 Studien an PiaufaB ttfld PflawanlXoaan. lUt 8 UlhograpUadiaii Tafsla.
18B1. Preis: 8 Mark.
D6tlllGr\^'* ^'^^^'^^^ dar Ünivaraltit Jana, BilS pflanzenphyslo-
' lOja^iSClie Praktiknm. Anleitang an pflanaaapliyaiolQgiachan Uatar-
sachinuren tur ^)tuüireude und Lehrer de- Naturn-issensehaftsn. Hit 181 Holaiahnittan.
1888. JPreis : broschirt 8 Mark, gebandeu 9 Mark.
T\-,rt«w A ■■ Dr. Friedrich. Jena , Ziele und Wege biologisclier Forschung^
y ? beleuchtet an der Haad einer eerttetUUuAOBmaeliwdk. mu 6 uthogra^
phisobaa Tafeln. Preis: 5 Mark.
Düsinff D ie Begttiierttpg des (iresciüechtsYeriiait»
nlSSeS bei der Vermehrung der Menschen, Tiere und Pflanzen. Mit einer
Vorrede vou Dr. W. Prejer, o, ö. Professor der Physiologie und Direktor da»
physiologischen Institvts dar Universität Jena. Preis: 6 Mark 50 Pf.
9r. 6. B. IhMdor, Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie za
Tawagaa, Bit Bntitehpng d er Arten auf Grand ron Vararban ar>
worbener Ei^^enschtuiaii üucb aeii üesetzen orgHuisvlieu Wachsens. Ein Bolbag aar
einhaHIichcn AoffussuQg dar Labawelt. JBreter Tail. MU 8 Abldldangan im Tasfe.
Preis: 9 Mark.
Ha.P .Pilcftl Ernst, Professor an der Universität Jena, UPSpriUlg Ulld Ettt»
' Wickelung der thierisciien CfewebeT i884. Bin bistogaae.
ti&cber ßeitrag z .r (J i^trM.üa- l'litorie. Preis: £ M.
Die Naturanschauung Ton Dandn, ftoethe und ^tttmwe^-
1888. Preis: 1 Alark 50 PI.
— Plankton-Studien, vergleichende Untersachongan flbar dia Badantang dar
Eimer^
PelagiMheii Fauna uud tlutu. 1881. Preis: 2 Mark
Digitizc^' 1^' ( n(KioIc
DIE
CONTINUITiT DES KEIMPLASMAS
ALS GRUNDLAGE £1N£R
THEüßlE DEÜ \EßEßßLXa.
EIN VORTRAG
VON
DR. AU6UST WEISMANN,
ZWEITE AUFLAGE.
JENA.
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1892.
VOKWOßT.
Sie in der voiliegenden Schrift entwickelten Gedanken Warden
zuerst in vergangenem "Winter in einer vor Studirenden der hiesigen
Universität abjchaltenen Vorlesung ausgesprochen und bald darauf,
d. h. im iebiuar und Anfang März, in ihrer jetzigen Form
niedergeschrieben. Ich erwähne dies, weil man ohne Kemilmss
dieses Umstandes vielleicht geneigt scdn künnte, mir eine etwas
ongldche Berttdisiclitigung der neuesten Schriften fther verwandte
Fragen vorzuwerfen. So erhielt ich die Schrift von Oscar Hert-
wig: „Zur Theorie der Vererbung", erst nach dem Niederschreiben
meiner Arbeit, und ich habe dcsshalb weniger Bezug auf sie nehmen
können, als es sonst wohl geschehen wäre. Auch der Aufsatz von
EöUiker über „Die Bedeutung der Zellkerne für die Vorgange
der Vererbung'' erschien erst nach Vollendung meines Maniiscriptes.
Die sachliche Behandlung der betreffenden Fragen ist indessen
durch diesen Umstand nicht berfOirt worden, da ich mich in dem
wesentlichsten Punkt, der Bedeutung des Kerns, mit den beiden
genannten Forschern in üebereinstimraung befinde, solche Punkte
aber, in denen meine Auffassung nicht mit der ihrigen zusamiueu-
trifft, durch Kinschaltungeu noch zur Sprache gebracht werden
konnten.
Frei bürg i. Br., den 16. Juni 1885.
Ber Terfksser.
Weittmaun, Die Coutiiinit4i des Keimjj^lAsmas. 1
Digiiizca by Google
INHALTSÜBERSICHT.
Seite
Einleitong 7
1. Bej^riff des Keiiiiplasmas . 18
Historische Entwicklung der Ansicht von der LocalLsation
des Kciniplasnms im Kern 21
Das ., Iclioplasma" Nägeli's ist nicht identisch mit meinem
„Keimplasiiia" . • * •
Eine lUickver Wandlung von soitiatischom Idioplasma zu
Iv\'im-Idiüplasniii findet nicht statt -^0
Bestätigung^ der Bodeutuntr der Kernsubstan/ durch Kc -
generationsversuche von Nussbaum und Gruber an In -
fusorien '^2
Das Nucl e 0 )) 1 asma verändert sich geseticniiissig wahrend der
Ontogenese :>j
Die von Strashiirger angenomuiene Identität der Tochter - \
kerne bei der indirekten Kerntheihing kein Postulat der Theorie 34
Allmälige Abnahme der ('omplicirtheit der Kernstructur
wahrenu der Ontogenese 40
Nägel i 's Ansicht von den ..Anlagen" im Idioplasma 41
Wie entstehen Keimzellen aus somatischen Zellen 44
per B (■ gr i t't" der .,enibryonalen'' Zellen im fertigen Organlsnuis 47
Die WahrscheiidicliKeitsrechnung spricht gegen die Ilückverwand -
Iniig somatischen Idioplasmas^ iii Keimplasma . . . . . . . 49
Phylogenetisclie Hegriuidung der Ansicht vom Kreislauf des
Idimdasmas durch Nilgeli . • • • • • • • ■ • • • • • • •
Die Keimzellen sind phylogenetisch ni<ht :im Knde der Ontg - "
genese entstttntlen 53
Sie entstandeii am Anfang, spater aber traten Verschiebungen ein •")7
Eine (Kontinuität der Keimzellen besteht heute meistens nicht
mehr
"Wohl aber eine Continuität des KeiTiiplasmas ...... 62
Strasburger 's Einwurf gegen meine Annahme von der Ver -
Sendung des Keimplasmas aut' bestimmten NVegeu. ..... 62
Der Zell kor per kann unverändert bleiben bei Veränderung des
Keraa 64
Denkbar, dass allen somatischen Kernen Keimplasnia bei -
gemengt wäre Gl»
1*
— 6 —
11. l)ie Bedeutung der RichtunfrskörpeTcheii 67
Die Eüselle enthält zweierlei Idioptasma, Keimpiasma und histo-
genes Plasma ..................... 68
Die Ausstossung der KichtungskOrper bedeutet die Entfernung
des bistopeneiQ Fhusmas . . . 7 61)
I>i<^ndoni rheorioii über die JV-dentnn^ der l^iclitungskörper 70
Vorkoninien der lüchtungskönter . . . . . Td
(iibt es solche bei den iiiiUinriclien Keimzellen 75
Zweierlei Keninlasnien auch in der Samenzelle 75
Nachweis von Jiichtun^skurpern bei rflanzen 79
Mor])holo^^ischc Wurzel der l{ichtungi>körper 80
III. lieber Wesen der Parthenogenese HS
Gleiche Vorganj^e der Kireit'uns bei partbeno^ienetischer und
sexualer Entwicklung . S4
Der Unterschied zwischen partbenogenetiscbeu und Sexual -
eiern niuss in ({uauti tativen VerbiUtnissen liegen . ... 85
Die Quantität des Keimplasmas ini EikeiTi entscheidet. . . 89
Die AusstOBSung der Ilichtungskörper beruht aut dem Gegen -
satz zwischen ovfjgenen und Keimplasma . i*0
Die Hetruclitung wirkt nicht dynamisch ^
Ungenügende Menge von Keimpiasma fuhrt zum Stillstand
<l«Tr Mntwicklung ••••••• . . . 98
Verbaltniss des Keras zur Zelle 94
Die Bienen bilden keiueu Kinwui'f gegen meine Theorie ... 95
Strasburger's Ansicht von der Parthenogenese ^
Parthenogenese beruht nicht auf l)esserer Erm^^^ . . 101
Die indirekt e n I ^ r s a c b e n der geschlechtlichen od& par -
thenogenetischen Fortpflanzung . . . 102
Die direkten Ursachen 105
Erklärung der Bildung von Nährzellen 106
Identit-iit des Kt'iiiipla'^in;i< in wHiMich^'u und männlichen Keim -
Zellen Hl
yachschrlft 112
d ' o'
EINLEITUNG.
Wenn wir sehen, wie bei den höheren Organismen sieh
4tie kleinsten Einzelheiten des Baues, der körperlidien und
geistigeu Anlagen von der einen auf die andere Generation
vererben, wenn wir bei allen Thier- und Pflanzenarten die
tamendeilM charakteristischen BanveriiUtnisse un?erandert
durch lange Oenerationsreihen hindurch sich fortsetzen, ja sie
in manchen Fällen durch eine ganze geologische Periode hin-
durch unverändert fortbestehen sehen, so fragen wir wohl mit
Recht nach den Ursachen einer so aiitfallenileu Erscheinung,
wir fragen, wie Solches möglich ist, wodurch das Individuum
im Stande ist, seinen eignen Bau mit solcher Genauigkeit auf
die Nachkommen zu übertragen. Und wenn die nächste Ant-
wort darauf lautet: eine Zelle aus den Millionen der ver-
schiedenartigst dit^'erenzirten Zellen, welche den K(>ri)er zu-
sammensetzen, sondert sich als Fortptlanzungszelle ab, löst
sich vom Organisnuis los und besitzt die Fähigkeit, alb* Eigen-
thinnlichkeiten des gesaniniten Körpers in dem neuen Indi^^-
duuiii wieder erstelion zu lassen, welrlics durch Zelltheilung
und complicirteste Diflferenzirung aus ihr hervorwächst, so folgt
die präcisere Frage: wie kommt die einzelne Zelle dazu, das
Oanze mit .,Portrait-Aeluilichkeit" reproduciren zu können?
Die Antwort ist schwer, und manche Versuche, das
Bäthsel zu lösen, sind gemacht worden; keiner aber hat die
Digitizod by Google
Lösung irebracht oder kann auch nur als der Äufang einer
Lösung, als die sichere Basis betrachtet werden, auf welcher
der Zukunft die vollständige Lösung gelingen nmss. Weder
Häckei's^) Peiigenesis der Piastidule, noch Darwin's^)
Pangenesis kann als eine solche angesehen werden. Die
erstere beschäftigt sich eigentlich tiberhaunt nicht mit dem
Theil des Frol)leras, welches hier in den Vordeigrund gestellt
ist, mit der Erklärung der Thatsache, dass die Vererbungs-
tendenzen sich in einzelnen Zellen zusammenfindeD»
sondern mehr mit der Frage, in welcher Form man sich die
Uebertragimg einer bestimmten Entwiddungsriiditung in die
Fortpflanzungszelle und von dieser weiter auf den daraus
hervorgehenden Organismus zu denken habe. Ebenso auch
His^), der die Vererbung mit Hächel als eine Uebertragung
bestimmter BewegungsvorgSnge ansieht D a r w i n ' s Hypothese
dagegen nimmt allerdings gerade das Grundproblem in Angriiff,
begnügt sich aber damit, eine gewissmuaassen „provisorische** »
d. h. eine rein formale Lösung desBelben zu geben, die aus-
gesprochnermaassen gar nicht den Ani^ruch macht, die wirk-
lichen Vorgänge an&udeeken, vielmehr nur dai, alle Er-
scheinungen der Vererbung von einem Gesichtspunkt zu über-
sehen. Dieses Ziel hat sie erreicht, und ich erlaube, sie hat
unbewusst noch mehr geleistet, imivm die consequente Durch-
iühnang ihres Princips gezeigt hat, dass tiie wirklichen
Ui*sachen der Vererbung nicht in einer „Keimchenbilduug*
von Seiten der Körperzellen, oder in irp:eini\vie verwandten
Vorgängen liegen können. Die Unwaln scheinliclikeiten, zu
welchen jede solche Theorie ftlhren nius^, .^ind so gross, dass
wir mit Bestimmtheit saireii können: so kann es nicht sein.
Audi der durchdacht« und geistreiche Vei^uch von Brooks ^);^
1) Häckel, jjUebtr die Wellenseugung der Ltibeustbeilchen etc.*'
Berlin 1876.
2) Darwin, „Das Varüien der Thiere ond Pflanzen etc." Bd. JL
Stuttgart 187a.
>) His, »Unsre Körperfom ele." Leipzig 1875.
*) Brooks, „The law of heredity". Baltimore 1888.
Digitizcü by LjO
— d -
die Pangenesis - Theorie tiiiizugestalten , kann doch auch dem
Vorwiiii nicht entziehen, dass er mit Möglichkeiten operirt,
die man wohl sicher als Unwahrscheinlichkeiten bez^dmea
darf. Wenn ich aber auch der Ansicht Inn, dass die ganze
Grundlage der PangeueBis- Theorie, mag sie nie immer um-
gestaltet werden, aufgegeben werden muss, so halte ieh
dennoch ihre Aufstellung für ein Verdienst, für einen jener
Umwep:e, welche die Wissenschaft machen musste, um znr
Wahrheit zu gelangen. Sie . ist das letzte Aufleuchten jener
ältesten Vererbungstbeorie des Demokrit, nach welcher der
Same von den sämmtlicfaen Theilen der Körper beider Zeugen-
den ausgeschieden und belebt wird durch eine körperliche
Kraft, nach welcher der Same jedes Körpertheils diesen Theil
wiedererzeugt
Wenn es nun aber nach unsem heutigen physiologischen
und morphologischen Vorstellungen undenkbar ist, dass von
jeder Zelle des Organismus „Keimchen" abg^eben werden,
die sich zu jeder Zeit Überall im Körper finden, sich in den
Geschlechtszdlen ansammeln, und die nun die Fähigkeit
besitzen, in bestimmter Reihenfolge wieder zu den verschie-
denen Zellen des Organismus zu werden, so dass jede Ge-
schlechtszelle ein Abbild des elterlichen Körpers zu liefern
im Stande ist, bu iiii^i es sich, in welch andrer Weise liiaii
eine Gnmdla^e für die Begreiflichkeit der Vererbunsr schaffen
kann. Ich habe es hier nicht mit der ganzen Vererbungs-
Die Gallo Irschen Trausfusions- Versuche au iianiuchen haben
itixwisehen den förmlichen Beweis geliefert, dass DarwinU Keimcben
nicht in WirUicbkeit existiren. Roth meint «war, dass Darwin ja nie
behauptet habe, dass seine „Keimdien die Blntbahn benutzen", allein es
lässt sich einerseits nicht absehen, wamm — da sie ja doch fortwährend
durch den Körper kreisen sollen — sie die günstige ndegenhoit der
Blutbaliii nitht honutzon sollten, und andrerseits lässt sich auch nicht
einsehen, wie sie es an&ngen sollten, um die Blutbahn zu vermeiden.
Darwin hat sehr wdae geliandelt, wenn er sidi auf niOiere Einzelheiten
Uber die Bahnen, in weichen seine Keimchen kreisen, gar nicht einUess.
Er gilb seine Hypothese als dn formales ErUirungspnncip, nicht als
ein reales.
Digiiizca by Liu^.' .
— 10 —
frage zu thun, ßomierii immer mn mit der einen, aber
fundamentalen Fracre: wio km mit eine einzelne Zelle des
Körpers dazu, die SHiniiitlieheu Vererl)iini>stenden£en des iie-
Ramniten Oi^aiiisnius in s<ich zu vereinigen? Die weitere
Frage, durch welche Kräfte, welchen Mechanismus diese
Tendenzen beim Aufbau des neuen ÜrganiBirms zui- Ential-
tunp kommen, lasse ich hier ganz aus dem bpiel. Aus diesem
Grunde sehe ich auch zunäjchst noch ganz von den AnBicbten
Nage Ii 's ab, die in letzter Beziehung ohne Zweifel eine
hohe Bedeutung beanspruchen könuen, während aie jene
rundamentalfrage nur leieht berühren, wie Bjp&ter 20 »igen
aein wird.
Wenn es nun nicht möglieh ist, dass die Keimzelle ge-
wissermaassen ein „Extract des ganzen Körpers ist'', dass
<lie flAmmtiieben Zellen des Onganismus Theilchen den Keim-
zellen zusenden, dweh die dieselbe ihre Vererfoungskrait
erlangen, so gibt ee, wie mir sebeinti überhaupt nur noeh
zwei phyaiologifleh denkbare MOgliehkeiten, wie Keimzellen
yon flolehen Eigenschaften, wie wir sie an ihnen kennen, enir
stehen könnten; entweder die Substanz der elterlichen Keim-
zelle besitzt die Fähigkeit, einen Kreiahuif von Veränderungen
duiehzumachen, welehe durch den Aufbau des neu^ lodiiri-
duums hindurch wieder zu identischen Keimzellen fhhrt, oüet
die Keimzellen entstehen in ihrer wesentlichen und be-
stimmenden Substanz Oberhaupt nicht aus dem Körper
des Individuums, sondern direkt aus der elter-
lichen Keimzelle.
Ich halte die letztere Ansicht für die richtige, habe sie
seit einer Reihe von Jahren aufgestellt und in verschiedenen
Sehrilten zu vertheidigen und weiter zu führen versucht; ich
möchte sie als die Theorie von der „Continuität des
Keimplasiiias " bezeichnen, da sie auf der Voi-stelhm^
beruht, dass die Vererlmng dadurch zu Staude kommt, dass
ein {^toff von bestimmter chemischer und besonders molekü-
larei Bf^srhaffenheit von einer Generation auf die andere sich
tibertri^ct. Ich nannte diesen Stoff „Keimplasuia", schneb
Digitizcü by Cookie
— 11 -
ihm eine überaus coniplicirte feinste Structur zu als Ursache
seiner Fähigkeit, sich zu einem complicirten Organismus zu
entwickeln, und suchte die Vererbung dadurch zu erklären,
dass hei jeder Ontogenese ein Theil des specifischen „Keim-
plasmas", welches die elterliche Eizelle enthält, nieht ver-
braueht wird heim Aufbau des kindlichen Organismus, sondern
nnver&ndert reservirt bleibt für die Bildung der Keimzellen
der folgenden Generation.
Eb ist klar, dass diese Vorskelinng Ton der Entstehnng
der Keimzellen die Erseheinnng der Vererbung sehr elnfadi
insoweit erklärt, als sie dieselbe auf Wachsthum zurückführt;
auf die Grunderseheinung alles Lebens, auf die Assimilation.
Sobald die Keimzellen der aufeinander folgenden Generationen
in direkter unmittelbarer Gontinuitit stdien, also gewisser- .
maassen nur verschiedne Stocke derselben Substanz sind,
müssen oder können sie auch diesdbe Molekülaistmctur
besitzen und w^en deshalb unter bestimmten Entwieklungs-
bedingungen auch genau dieselben Stadien durcblaufen, das-
selbe Endprodukt liefern müssen. Die Annahme einer
Coutiiiuität des Kcimplasmas, indem sie einen identischen
Ausganprspunkt für die aus einander hervorgehenden Geuera-
tioiien lierhtellt, erklärt somit, warum aus ihnen allen ein
identisches Produkt hervorgeht, mit andern Worten, sie erklärt
die Vererbung bis zu dem Räthsel der Assiiniiatiuii und der
uiimiiielbar bewirkenden Ursachen der Ontogenese herab, sie
sfliatit also flen B id« ii. von welchem aus die Erklärung dieser
iiischemimgeii \u AiiLiriff genonmieii werden kann.
Allerdini^s stellen sich al»ei' ilieser Theorip auch Srhwipricr-
keiten in den Weir, insofern sie nänilieh nicht im Stande zu
sein scheint, einer ^'ewissen Klasse von Erscheinungen gerecht
zu werden: der Vererbiing der solt. erworbenen Abfhid^-
rungen. Ich habe deshalb gleich in meiner ersten Schrift
über Vererbung ^) diesen Punkt speciell ins Auge gefasst und
glaube wenigstens so viel gezeigt zu haben, dass die bis dahin
Attfeatz II.
Digiiizca by Gu^.- .
— 12 -
allgemein angeiiomiiiene Vererbung? „erworbener" Charaktere
nichts weniger als erwiesen ist, dass ganze grosse Klassen
von Thatsarhen, die man so gedeutet hat, ebenso gut anders
gedeutet werden können und in vielen Fällen müssen,
und dass keine Thatsache — bisher wenigstens — bekannt
geworden ist, die in unlöslichem Widerspruch mit der An-
nahme einer Continuität des Keimplasmas stünde. Ich sehe
auch heute noch keinen Grund, von dieser Meinung abzu-
weichen, und habe keinen £inwurf kennen gelernt, den ich
für stichhaltig ansehen mUsste.
K Both^) hat mir entgegengehalten, dass „auf dem
Gebiet der Pathologie uns auf Schritt und Tritt die That-
sache entgegentrete» dass erworbene locale Krankh^ten als
Dispositionen auf die Nachkommen vererbt werden kdnnen*;
allein alle derartigen Falle leiden an dem schweren Mangel,
dass eben gerade der Punkt, auf welchen es in erster Linie
ankommt, nicht erweisbar ist ~ die Annahme nämltdiy daas
in dem betreffenden Fall wirklich eine » erworbene*^ Anlage
Yorliegt. Es ist zwar nicht meine Absicht, hier nSher auf
die Frage der „erworbenen** Charaktere einzugehen, ich hoffe
dies später in ausführlicher Weise thun zu können, aber
darauf möchte ich doch hinweisen, dass man sieh vor Allem
klar machen muss, was eigentlich der Ausdruck „erworbener
Charakter'' bedeutet. Ein Organisunis kann Nichts erwerben,
als wozu die Disposition schon in ihm liegt; erworbene
Charaktere sind also nichts Anderes, als locale oder auch
allgemeine Variationen, die durch bestimmte äussere Einflüsse
erzeugt sind. Wenn durch laiii?e fortgesetztes Hantiren mit
(lern (iewehr der sog. „Excrci* rknorhen" entsteht, so beruht
dies docli darauf, dass ilieöer wie jeder Knochen die I'rädis-
position in sich trägt, auf bestimmte mechanische lieize mit
Wachsthum in bestimmter Richtung und bestimmtem Maasse
zu antworten; die Prädisposition zum Exercierknochen ist
£. Roth, »Die Thatsachen der Vererbung". 2. Aufl. Berlin
p. 14.
Digitizca by Liu..- . «v.
- 13 -
also vorhanden, sonst könnte er sich nicht bilden, und genau
ebenso ist es mit allen andern „erworbenen Kigenscbiü^u''.
£s kann Nichts an einem OrganismuB entstehen, was nicht
als Disposition in ihm vorhanden gewesen wäre, denn jede
„erworbene'* Eigenschaft ist Kichts als die Kruetiou
des Organismus auf einen bestimmten Reiz. £s
ist mir deshalb auch niemals eingefallen» die Vererbung von
Prftdispositionen zu leugnen, wie £. Roth zu glauben scheint.
Ich gebe vollkommen zu, dass z. B. die Pr&disposition zum
Exereierknochen verschieden gross ist, und dass dne grosse
Prädisposition vom Vater auf den Sohn vererbt werden kann,
äufach als eine emplEmdlichere Constitution des Knochen-
gewebes; aber ich bestreite, dass der Sohn einen Exerder-
knochen bekommt, ohne exerdert zu haben, oder dass er ihn
auch nur leichter durch Exerderen bekommt, als der Vater,
deshalb, weil dieser ihn durch Exereieren zuerst „erworben**
hat. Ich glaube, dass dies ebenso wenig der Fall sein kann,
als dass das Blatt einer Eiche eine Galle erzeugt, ohne von
einer Gallwespe angestochen zu sein , obwohl doch schon
Tausende von Kichen-Generutiuneu von Gallwespen angestochen
wurden und diese Eigenschaft, Gallen zu produciien, „er-
woil)ea" haben. Ich bin auch weit entfernt zu beliaupten,
diuss (las Keimplasma, welches meiner Ansicht nach als Träger
der Vererbung von einer (ieneration auf die andere iiheixeht,
absolut unveränderlich wäre, oder gänzlich unenipfindlich
i^eizen die Einflüsse, welche von dem Organismus ausgehen,
in dt'iii t s sich zu Keiuizeiien ausgestaltet. Ich hal)e vielntrlir
zugegeben, dass ein verändernder Einfluss der Organismen
auf ihre Keimzellen denkbar, ja bis zu einem gewissen Grad
so'jnr unvermeidlich ist. Ernährung und Wachstluun des In-
dividuums werden gewiss einen Eintluss auf die in ihm ent-
haltenen Keime austlben, aber erstens einen ungemein geringen
und zweitens nicht in der Weise, wie man es sich gewöhn-
lich denkt. Eine „Wachsthumsänderung an der Peripherie",
z. B. der Exercierknocheu, wird niemals eine solche Aenderung
in der MolekOlarstructur des Keintplasmas hervorrufen, dass
Digiiizca by Gu^.- .
— i4 —
die Disposition zum Exercierkiiocheü sieh « ilKihte, tiass also
der Sohn eine erhöhte EnipfiüHlichkeit seiner Knochen, oder
fjar des betreffenden einen Knochens ererbte, sondern so,
dass die Keimzelle etwaige, durch die „Wachsthiimsändemug
an der Peripherie" hervorgerufene Ernährungsänderungen mit
irgend einer Aenderung in der Grösse, Zahl oder vielleicht
auch Anordnung ihrer Molekular- Elemente beantwortete.
Ob das Letztere überhaupt der Fall sein kann, lässt sieh
heute noch mit Recht anzweifeln, jedenfalls aber — wena
es sein kann — hat die Qualität der VerändeniDg des Keim-
plasmas Vichts zu thun mit der Qualität des «erworbenen
Charakters*, sondern nur mit dessen Beeinflussung der all-
gemeinen Ernfthmngsverbftltnisse. Im Fall des EKerder-
knoehens wOrde z. B. die allgemeine Emährungsftnderung
gleieh Null sein; wäre aber der betreffende Knoehenauswiidis
im Stande, die Grösse eines Gareinoms zu erreichen, so wäre
eine Störung der Allgemeinemährung des Körpers und mög-
licherweise auch ein Einfluss auf die Keimzellen denkbar.
Dass aber auch dann dieser Einfluss auaserordentlieh gering
sein muss, ja, dass er möglicherweise die Molekfilarstructur
des Keimplasmas ?ar nicit berührt, das mgt uns eben die
ungemeine Strenge der Vererbung und das Experiment an
Pflanzen, welche nach Nägeli Generationen hindurcli stark ver-
änderten Ernähnmgsbedingungeii miterwortcü werden können,
ohne doch irgend eine sichtbare, erbliche Veränderung zu
erleiden. Es ist also bis jetzt noch nicht einmal erwiesen,
dass Ernalirun'jfsanderuniren ancb Aenderun^-^en in der Mole-
lailarstrnctur\> des Keiuii)lasmas erzeuuen können, geschweige
(li'ini. Hass iruendwie auch nur wabrsciieinlich gemacht werden
könnte, dass ^erworlx jk Abänderungen, die keinen P^influss
auf die Allgemeiuernäbnini: haben , sich in den Keimzellen
geltend machen könnten. Wenn niau aber erwägt, dass jede
Ich Iftsse diesen Ausdruck stehen, obgleich ich heute dalbr lieber
einfiick „Zusammensetzung", oder audi „Architektur" des Eeimplaamas
sagen wttrde. W. 1892.
Digitizca by Liu..- . «v.
— 15 —
sop. „Dis])osition'' eines Organismus, d. h. also jede Fähigkeit
desselben oder eines seiner Theile, auf bestimmte Reize in
besthmnter Weise zu antworten, angeboren sein muss, und
weiter, dass jede ^erworbene" £igen8chaft nur eben die
Reactioa eines irgendwie disponirten Theils auf eine äussere
Eiawiikung sein kann, so wird man zugeben, dass von dem,
was eine „erworbene"* Eigensciiaft entstehen lässt, mir das
vererbt werden kann, was vorher schon da war, nämiich die
Diqpofintion dazu; dass diese aber aus dem Keim hervorgeht
und es somit ftkr die folgende Generation ganz gleichgültig
ist, ob die Disposition zur Ent<ung kommt oder nicht Die
Gontinuität des Keimplasmas genügt vollkommen zur Erklftrung
dieser Erscheinung.
Ich glaube desshalb nicht, dass von Seiten dar thatsäch-
lieh beobachteten Vererbungserscheinuugen meiner Hypothese
ein begründeter Ein?niif gemacht werden kann. Nimmt man
sie an, so erscheint dadnich Manches in anderem Licht als
unter der bisherigen Voraussetzung, der Organismus erzeuge
die Keimz^en stets wie<ler von Neuem und aJlein aus sidi
selbst heraus. Die Keimzellen erscheinen jetzt nicht mehr
als das Produkt des Körpers, wenigstens nicht in iliieni wesent-
lichsten Theil, (loni specifischen Keliiipiasnui, sie erscheinen
vielmehr als etwas der Gesammtheit der Körperzellen Gegen-
überzustellendes, und die Keinizelleu aufeinander folgender
Generationen verhalten sich ähnlich, wie eine Generations-
folge von Einzelligen, welche durch fort^t^setzte Zweitheilung
auseinander liei-vorirehen. Allerdings geiien die Geneiationen
der Keimzellen meistens nicht schon als vollstiUulip:e Zrileu
auseinander hervor, sondern nur als minimale Theilchen von
Keiiii]tlaMna, aber dieses bildet eben doch die Grundlage der
Keimzellen der folizenden (Generation, das Bestimmende,
welches denselben ihren specifischen Charakter aufdrückt.
Schon vor mir haben G. Jäger Rauber und M. Nuss-
■) Jagjor, «Lefarbach der aUgemeiiien Zool<»gie''. Leipzig 1878»
Bd.
- 16 —
bäum ') Gedanken über Vererbung geäussert, die den meinlgen
belli nahe stehen. Sie «xinpen von der Vorstollun^ aus,
dass ein direkter Zusanniienliang zwischen den Ktunzellen
aufeinander folgender Generationen bestehen müsste, und
suchten diesen durch die Annahme herzustellen, dass die
kindliclien Keimzellen sich schon gleich zu Besjinn der Km-
bryonalentwicklung oder doch jedenfalls noch vor Jeder histo-
logischen Differenziruug von der elterlichen Keimzelle a1 losten.
In dieser Form aber lässt sich die Ansicht nicht halten,
sie widerspricht zahlreichen Thatsachen; eine Contiuuitat der
Keimzellen findet heut^» nur noch in den allerseltensten
Fällen statt, das hindert aber nicht, eine Continiiität des
Keim pl asm as anzunehmen, und für eine solche lassen sich
noch weitere und gewichtige Belege beibringen. Ich will
venuchen, die soeben in kurzer Zusammen&ssnng g^bene
Theorie in Folgendem weiter zu ftihren, sie gegen Einwände
zu vertheidigen , welche ihr gemacht sind, und neue Folü:e-
rungen aus ihr zu ziehen , welche vielleicht im Stande sind,
bekannte, aber unverstandene Thatsachen unserer £rkenntni88
nlttier zu bringe. Jedenfalls — so acheint es mir — ver-
dient diese Theorie von der Continuitftt des Keimplasmas
nadi allen Richtungen verfolgt und durchgedacht zu werdeOf
denn sie ist die einünchste und n&chstliegende, und man wird
erst dann berechtigt sein, sie zu verlassen und zu dner
complicirteren zu greifen, wenn ihre Unhaltbarkeit sich er-
wiesen haben sollte. Sie setzt Nichts voraus als Vorgänge,
die, wie die Assimilation oder die Entwicklung gleicher Or-
ganismen aus gleichen Keimen, sieh zwar noch nicht verstehen,
wohl aber täglich beobachten lassen, während jede andere
Vererbungstheorie Hypothesen zu Grunde legen muss, die
unbeweisbar sind. Es könnte nun freilich trotzdem sein, dass
eine Contiimität des Keimplasnias nicht in der Weise vor-
handen ist, wie ich es nur vorstelle, denn xsieniand kann
^) M. Niissbaum, ..Die I)irterenzirung des GescblCichts im Thier-
reich". Arch. f. mikros, Anat, Bd. XVIII, 1880.
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 17 —
heute schon sasren, oh alle bekaiuiteii Thatsarlieu mit ihr
stimmen und in ihr ihre Erklämiig tinden. Auch bringt ja
die rastlose Forschung jedri) l'ag neue Thatsarhen, und ich
bin weit entfernt zu behaupten, dass diese nicht eine Wider-
legung meiner Anschauung enthalten könnten. Sollte aber
auch diese Theorie später wieder verlassen werden müssen,
60 scheint sie mir doch für jetzt als ein notbwendiger Durch-
gaogBpunkt unserer Krkenntniss, sie musste aufgestellt und
sie muss dorchgeaibeitet werden, mag die Zukunft sie nun
als richtig oder als falsch erweisen. In diesem Sinne habe
ich die folgenden Erwägungen angestellt, und in diesem möchte
ich, dass sie gelesen würden.
I. DAS „KEIMPLASMA".
Zunächst wäre der Begriff des „Keimplasmas'' genauer
zu präcisiren.
Ich habe in meinen bisherigea Schriften, die dieses Thema
berührten, nur einfach von «Eeimplasma'' gesprochen, ohne
mich näher darüber auszulassen, in welchem Theil der Zelle
dieser Träger der speci fischen Natur der Art und des Indivi-
duums zu suchen sei. £iue8theils genttgte dies für den be-
absichtigten Gedankengang, andemtbeils schienen mir zu einer
genaueren Prftcisirung die bekannten Thatsachen noch zu un-
vollstftndig. Ich stellte mir unter Keimplasma diejenige Fturthie
einer Keimzelle vor, deren cbemiscb-phyBikalisehe Beschaffen-
heit einschliesslich ihrer MolekOlarstructur ihr die Fähigkeit
verleiht, unter bestimmten Veihältnissen zu einem neuen In-
dividuum derselben Art zu werden, also eine solche Substanz,
wie sie Nägeli^) kurze Zeit darauf als Idioplasma bezeichnete
und in bewundemngswOrdiger Weise dem Yerständniss n&ber
zu bringen suchte. Wohl h&tte man damals schon mit einiger
Wahrscheinlichkeit in der organisirten Kernsubstanz den
Träger der Vererbungserscheinungen vennuthen können, aber
Nägeli, „Mechanisch-physiologische Tbeorie der AbstamnnuigB-
lehre''. München und Leipmg 1884.
Digitizca by Liu..- . «v.
— 19 -
iigend welche Sicherheit darüber fehlte doch noch. 0. Hert-
wig^) und Fol') hatten gezeigt, dass der BefhichtungsprooeBs
mit einer Eemcopalation einhergeht, und Hertwig hatte
sogar schon bestimmt ausgesprochen, „die Befrachtung beruhe
allgemdn auf der C!opulation zweier Kerne*, allein die Mt-
wirkung des ZellkOrpers der bdden Keimzellen war doch um
80 weniger ganz auszuschllessen, als in allen den beobachteten
Fallen die Samenzelle sehr Mein und in der Form eines
Spermatozoons gestaltet war, so dass sich nicht bestimmt er«
kennen Hess, wieviel Ton ihrem Zelllcörper mit dem weiblichen
Eikörper verschmilzt, und in welcher Wdse dies geschiebt.
Ohnehin war es ja längere Zeit hindurch sehr zweifelhaft, ob
die Spermntozoen überhaupt ächte Kemsubstanz enthalten,
und Fol sah sich desshalb noch 1879 zu dem Schluss gedränsrt,
dass dieselben ii u r aus Zellsubstanz mit Ausschluss vou Keru-
substauz bestünden. Im nächsten Jahr folgten dann meine
Angaben ülier die Samenzellen der Diiphniden , welche wohl
geeignet gewesen wären, jeden Zweifel an der Zellenuatur
und dem Besitz eines völlig normalen Kerns der Samenkörper
zu beseitigen, hätte man ihnen von Seiten der Samen -Histo-
logen einige Aufmerksamkeit geschenkt^).
In demselben Jahr 1880 Kassie ßalfour die Thatsachen
folgenderraaassen zusammen: „Der Befruchtungsakt lAsst sich
also darstellen als eine Verschmelzung des Eies und des
Spermatozoons, und der wichtigste Zug an diesem Akte
O. H<Ttwig, „Beitrage zur Keniitniss der Bildung, Befruchtong
und Theiiung des thieriscliea Kies''. Leipisig 1876.
*) Fol, „BechezdUB «ir la föcondatioii etc.'* Oenöve 1879. .
*) Wie schon frOhor, so rach in seiner neaesten Pablikatlon ecklärt
K ö 1 1 i k e r die ^SsmeDaden" ftr blosse Keme. Zugleich erkennt er aber
aacli die Existenz von Samenzellen bei gewissen Arten an. Die Beweise
flir die eratere Bpbauptung niüssten indessen wohl orhrblirh stärkere sein,
sollten sie genügen, um eine in sich so nnwalascheiüliciie Hypothese zu
Stützen, wie die ist, dass der morphologische Werth der Befruchtuugs-
demente ein verschiedoMr sein könne ; vergl. 2Sdti6hr. f. wiss. Zool. Bd. 42.
Weicmmnii, Die ConttnnitSt d«« K^lmplaonM. 2
Digiiizca by Liu^.' .
— 20 —
scheint die Vereinigung eines mäuolichea und eines weiblichen
Kernes zu sein"
Allerdings hatte Calberia an dem Ei der Neunaugen
direkt gesehen, dass der Schwanz des Spermatozoons nicht
mit in das Ei eindriuirt, sondern im Mikropylenkanal der Ei-
haut stecken bleibt; allein der Kopf und „ein Theil des
Mittelsttteks", welche die Befruchtung bewirken, enthalten
jedenfalls doch nicht blos Kernsubstanz, sondern auch etwas
vom ZeUkftrper, und wenn die Menge von ZeUsubetanz, welche
damit ins Ei gelangt« auch sehr gering sein musste^ so konnte
sie dodi zur Uebertragung der Vererbungstendenzen voll-
kommen genügen. Denn mit vollem Recht haben später
N äg el i und Pf 1 tt g e r geltend gemacht, dass die Menge dieser
Vererbungssubstanz sehr kl^n sebi muss, weil die gldch starke
Vererbung vom Vater wie von der Mutter aus zu der Annahme
zwingen, dass sie nahezu gleich ist bei dnr weiblichen und
männlichen Keimzelle.
Ich selbst war — ohne mich übrigens öffentlich darüber
auszusprechen — besonders desshalb geneigt, auch der Zell-
substanz eine grössere Bedeutung beim Befruchtuugsprocess
zuzuschreiben, weil mich meine Untersuchungen an Daphniden
gelclut hiitten, dass eine Thierart grosse Sanieiizelleii mit
mächtigem Zellkürper hervorbiiiiut, sobald die Oekoiiomie ihres
Organismus dies erlaubt. AlU^ Daphniden mit iuiierer Be-
fruchtung, deren Samenzellen unndttelbar auf das zu l)efruch-
teude Ei entleert werden, bringen sohdie grosse Samenzellen
in geringer Zahl hervor (Sida, Polypbemus, Bythotrephes),
während alle Arten mit Tni^snor Befnichtung (Daphninae,
Lynceinae) sehr kleme bameiizeilen bt^>iizon. daft\r aber im-
geheifre Massen davon produciren, so dass dadurch die geringe
Aussielit der einzelnen Zelle, ein Ei zu eri'eichen. au^geglicheu
wird. Es werden also um so mehr Samenzellen hervor-
gebracht, je geringer die Aussicht der einzelnen Zelle ist, das
^) Ba 1 f 0 u r , Handbuch der vergleichendeii Embiyologie, deutech voa
Vetter» Bd. I, 81.
Digitizcü by ^o^i .i^
^ 21 ^
Ziel, die EizeUe, zu efxeiehen, und die Folge der Vermehrang
der SamensseUe ist ihre Verkidiieruiig. Warum aber muaBten
die Samenzellen der Arten mit sidierer Befruchtung so gro88
bleiben, oder es werden? Der Gedanke, dass irgend ein Vor-
theü dadurch erreicht werde, der bei den andern aulsegeben
werden muflste, lag nahe, wenn ein solcher auch mö^cfaer-
weise nur in einer grosseren Begünstigung der Entwicklung
des befrachteten Eies, nicht in emer Vennehrung der eigent-
lich befruchtenden Substanz vermuthet werden konnte. Jetzt
wird man freilich geneigt sein, diesen Ycnrtheil in nodi mehr
secundären Verhältnissen zu erblicken, allein damals war man
durch die vorliegenden Thatsachen noch nicht berechtijrt, die
Befmchtiiiig nur als Kerucopulation zu bezoiehncu, und
M. Nu SS bäum') gab gauz richtig dtu Stand uiisres Wissens
wieder, wenn er den Befruchtungsakt „in der Vereinigung der
identischen Theile zweier homologer Zellen" erblickte.
Die erste Thatsache, welche bestimmt darauf hinwies,
dass der Zellkörper der Keimzellen keinen Anthoil an der
Uebertragung der Vererbungstendenzen hat, war die von
Pflüger gemachte Entdeckung der „Isotropie" des
Eies. Pflüger zeigte, dasü die ersten Furchuugserscheinungen
an V e r s c b i ( ( h 1 ( Ml Theilen des Eikörpers hervorgerufen
werden können, wenn man das Ki dauernd aus seiner natür-
lichen Lage bringt. Es war damit der wichtige Beweis ge-
liefert, dass der Zellkörper des Eies aus gleichartigen Theilen
besteht, dass nicht bestimmte Theile oder Organe des Embryos
in bestimmten Theilen des Eikörpers potentia enthalten sind,
so dass sie nur aus dieser und nicht aus irgend einer andern
Portion des Eies hervorgehen könnten. Pflüge r irrte nun
alleidings in der weiteren Deutung dieses Ergeitnisses, wenn
er daraus schloss, dass «das befruchtete Ei gar keine wesent-
liche Bezi^ung zu der sj^ren Organisation des Thieres*^
beBitze, und dass es nur die Wiederkehr „derselben äusseren
Bedingungen*^ sei, welche es mit sich bringe, «dass aus dem
>) Aldi. f. mikr. Amt Bd. 23, p. 182, 1884.
2*
Digiiizca by Liu^.' .
— 22
Keime immer dasselbe entsteht". Es war zunächst die {Schwer-
kraft, deren Mnflass er fttr den Aufbau des Embryos für be-
stimmend hielt; &c übersah, dass die Thatsaehe der Isotropie
nur auf den Eikörper bezogen werden durfte, dass aber
ausser dem Zell kOr per des Eies noch der Zellkern da ist
Die Möglichkeit eines entseheidenden Einflusses des Zellkenis
war ausser Acht geblieben. Erst Born ') wies nach, dass bei
Eiern, die sich in Zwangslage befinden, eine Verlagerung des
Kerns eintritt und deutete darauf hin, dass im Kein das
richtende und in erster Linie bestimmende Prindp für die
Embryonalbildung liegen mflsse, und Roux') zeigte, dass
auch bei Aufh^ung der Wirkung der Schwere die Entwick-
lung YöUig normal verläuft und schloss daraus, dass das
„befnichtete Ei alle zur noriiialen Entwicklung nöthigen ge-
sUiUeiuleii Krilfte in sich selber Uagt", O. Hertwig^) end-
lich stellte durch Beobachtungen an Seeigel -Eiern fest, dass
bei diesen die Schwerkraft, gar keine richtende Wirkung auf
die Zelltheiluug ausübt, dass aber die Stellung der ersten
Keruspmdel darüber entscheidet, „in welclier Richtung später
die Eikugel durch die Furchiinp^;ehene halbirt wird". Damit
war freilich immer noch nicht erwiesen, dahS die Befruchtung
lediglich eine Kemcopulation sei.
leinen weiteren imd bedeutenden Schritt vorwärts führten
erst die Beoliaolitungen E. van Beueden's*) Ü}>er die Be-
fnichtung von Ascaris nie2alocephala. Auch sie schlössen /war
nicht, eheuso wenig wie die kurz vorhergegangenen Unter-
suchungen Nussbaum's") über dasselbe Object, eine An-
thellnahme des Zelikörpers der Samenzelle an dem dgentliehen
>) Born, „^oL ünAersach." I, Arcii. mikr. Anat, Bd. 2L
Roux, „Beitrige z. Entwicklungsmecb. des Embryo". 1884.
0. Hertwig, „Weldton Eioflius abt die Sehwedaaft" etc.?
Jena 1884.
£. van Beueden> „Kecherches stir la maturation de l'ocuP, etc.
188a
*) M. Nnstbaum, „UeberdieYeribidenmgderGesdikMliiaproditkte
1»8 zur Eifuidunig*'. Arcb. niikr. Anat 1884.
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 23
Befnichtunj^svorgaug geradezu ans. aber die Thatsache, dass
die Kerne von Ki- und Sanicii/j^llt' nicht etwa reu:ellos mit
einander verschmelzen, sondern dass ihre Kernschleifen sich
zu zwei und zwei regelmässig einander gegentlberlagerii und
so einen neuen Kern, den Furchungskern , bilden, gaben
doch einen weiteren deutlichen Hinweis darauf, dass die orga-
nisirte Kernsiibstanz der alleinige Träger der Vererbungs-
tendenzen ist, dass also in der That die Befruchtung auf einer
KemverbinduDg beruhe. Yan Beneden selbst zog fieilich
diese Consequenzen nicht; er war behemcht von der Idee,
dass die Befruchtung auf der Vereinigung zweier sexuell
diflferenzirter Kerne, oder vielmehr Halbkerne benilie, des
Pronueleus femelle und des Pronucleus mäle, dass auf diese
Weise erst ein wirklicher, voller Ganzkem entstehe, der nun
natOrlieh zwittriger Natur sein musste, und dass im Verlauf
der weiteren Ontogenese das Wesentlidie darin bestehe, dass
bei jeder weiteren Kern- und Zelltheilung sich diese zwittrige
Natur des Kerns erhalte durdi Theilung der Kernschleifen
des Mutterkeims in der Längsrichtung, also durch gleichmdssige
Vertheilung der männlichen und weibliehen Kernschleifen auf
die beiden Tochterkeme. Van Beneden hat aber un-
zweifelhaft das grosse Verdi^st, die thatsächliche Basis ge*
liefert zu haben, auf welcher sich eine wissenschaftliche Theorie
der Vfflerbung aufbau^i Hess; man brauchte blos anstatt
männlicher und weiblicher Vorkem zu sagen : Kernsubstanz
des mütterlichen und des väterlichen Indivi-
duums, so war die richtige Basis für ein weiteres Vordringen
gefunden. Diesen Schritt that Stras bürge r, indem er zu-
gleich einen Fall nachwies, in welchem nur der Kern der
männlichen Keimzelle bis zur Kizelle gelangt, nicht aber auch
ihr Zellkor[)er. Es glückte ihm, den lange Zeit räthselhaft
gebliebenen Befnichtungsprocess der Phanerogamen aufzu-
klären und nachzuweisen, dass der Kern der Samenzelle (des
Pollcnschlauchs) in den „Embryosack" eindrillet, um si<*h dort
mit dem Kern der Kizelle zu conjugiren ; er gewann aber zu-
gleich die Ueberzeugung, dass der Zellkörper der Samen-
Digiiizca by Liu^.' .
24 —
zelle nicht in den „Embrvosack'' mit übei wandert , so dass
also die Beii uchtung hier wirklich nur auf Kemoopulation
' beruhen Icann*).
Somit kann also nur die Kernsubstanz Träger der
Vererbungstendenzen sein, und die von van Beueden bei
Ascaris gefundenen Thatsachen machen es sehr anschaulidi,
wie diese Kcmsubstaiiz nicht nur die Wachsthunistendenzeu
der Eltern, sondern zugleich die einer überaus grossen Zahl
von Vorfahren mit enthalten können. Jeder der beiden Kerne,
welche sich bei der Befruchtun?? vereinigea, mu88 das Keim-
Nudeopiasma der beiden Eltern mit enthalten, von welclien
diese Generation abstammt, dieses aber enthielt und enthält
noch das Nucleoplasma der grosselterlicheD Keimzellen, sowie
das der Uigrosselteni und so fort. Und zwar muss das Nucleo-
plasma der verschiedenen Generationen nach Maassgabe ihrer
zeitlichen Entfernung in immer geringerem Verhaitniss darin
enthalten sein nach derselben Rechnung, welche die ZOchter
bisher bei der Kreuzung von Rassen anwandten, um d«i
Bmditheil edeln „Blutes** zu bestimmen, der in irgend einem
Nachkommen enthalten sei; wahrend das Keimplasma des
Vaters oder der Mutter die Hälfte des kindlichen Keimzellen*
kems ausmacht, betrügt das des Grossvateis darin nur V*y
das der zehnten Generation rückwärts nur Viom u. s. w.').
Dranodi kann letzteres sidi bei dem Aufbau des Mndlidicai
Organismus nodi recht wohl geltend machen, ja die Er-
scheinungen des Rückschlags beweisen, dass das Keimplasma
von Vorfahren, die Tausende von Generationen zurückliegen,
*) Eduard Strasburger, „Noue TTutersucbungen über den Be-
fi*uchtungsvorgan$T bei den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie
der Zfugung". Jona 1884.
Diese Rechuungsweise, so allgemein sie auch aagenommen wird,
iflt nicht richtig, vie besonders ans dem letsten dieser Aufiitn hervcv-
gehen wiid; die yererbongssobetaiiz der Eltern ist aUerdings m gleidien
Tbeilen in der Eizelle des Kindes enthalten, nicht aber di^enigen der
weiter zurückliegenden Vorfahren. Für die hier angestetttöi Betrach-
tungen ist dies aber ohne Bedeutong. W. 1892.
Digitizca by Liu..- . «v.
— 25 —
sieh gelegentlich wieder pfeltond machen kann, indem plötzlich
längst verlorene Cliarukttre wie<ler zu Tage kommen. Wenn
wir auch noch nicht genauer zu sagen im Stande sind, durch
weiche. Einzelvorgäiige dies geschieht und uiitpr welchen Um-
ständen es geschehen muss, so sehen wir (ioch jetzt wenigstens
im Allgemeinen ein, wie es überhaupt möglich ist, da ja auch
eine sehr geriuL-^e Menire eines specifischen Keimplasmas die
bestimmte Tendenz zum Aufbau eines bestimmten Organismus
enthält und sie zur Geltung bringen muss, sol)ald dasselbe
aus irgend einem Grunde vor den andern in den Kernen ent-
haltenen Plasmaarten in der Ernährung bevorzugt wird. Es
wird sich dann stärte yermehren als diese andern , und es
darf wobl angenommen werden, daSB das Ueberwiegen einer
Kernplasma - Art, derMassenaeh, andi seine Herrschaft
ftber den Zellkörper bedingt
In ähnHcher Weise hat schon Strasbnrger, gesttttst
auf van Beneden ^s Beobachtungen, aber im Gegensatz
zu dessen Auffoasung den Vererbungsvorgang entwickelt, und
ich sehüesse mich insoweit seiner Ansicht an. Das Wesen
der Vererbung beruht auf der üebertragung
einer Kernsubstanz von specifischer Molekülar-
structur; das spedfische Nudeoplasma der Keimzelle ist
das, was ich bisher «Keimplasma*^ nannte.
Zu diesem Sehluss ist auch 0. Hertwig ^) gelangt, der
ja schon von froher her den wesentlichsten Theil des Befruch-
tungsvorgangs in der Kemcopulation igesehen hatte, and der
nun durch die soeben kurz vorgeführten, inzwischen neu an-
gesammelten Thatsachen seine alte Ansicht erwiesen glaubt.
So vollkommen ich aber auch in diesem Hauptijuukt
mit ihm uh( reinstimme , so kann ich doch nicht gleicher
Meinung sein, wenn er den von Nägeli gebchaiieneu Beginft
des „Idioplasmas" mit dem Kerni))a^iiia der Keimzelle iden-
tificirt Gewiss ^llt dieses „Keimpia^ma'' — wenn ich den
^) 0. Hertwig, „Das Problm der Befruchtung and der Isotropie
des Eies". Jena lb85.
Digiiizca by Lj<j\->^i'^
— 26 -
Ausdruck der Ktirze halber beibehalten darf — unter den
Begriff des Nägel i'schen Idioplasnias. Nägel i ist so^?ar bei
der Bildung desselben von den Keimzellen ausgegangen,
allein sein Idioplasma, wenn wir es als Kemplasma auffassen,
ist keineswegs blüs das Kernplasnia der Keimzelle, sondern
es umfasst auch die Kernplasnien aller Zellen des
gesammten Organismus; erst die Gesaninitheit aller
dieser Kernplasmen macht das Idioplasma Nägeli's aus.
Das Idioplasma bildet nach Nägel i ein Netz, welches
sich durch den ganzen Körper liin erstreckt und eben die
specifische, das Wesen desselben bestimmende molektilare
Grundlage darstellt. Wenn nuu auch der letztere und all-
gemeinere Theil dieser Vorstellung gewiss richtig ist, und
wenn es sicherlich als eine bedeutende That bezeichnet werden
darf, den Begriff des Idioplasmas in diesem allgemeinen Sinn
als die bestimmende molekulare Grundlage des Organismus
im Gegensatz gegen das „Nährplasma'' zuerst aufgestellt zu
haben, so wird man doch die spedellere Ausführung, in
welcher sieh Nägeli sein Idioplasma dachte, schon heute
nicht mehr festhalten können. Vor Allem bildet dasselbe
kein unmittelbar zusammenhängendes Netzwerk durch den
ganzen Körper hindurchi und dann ist es überhaupt nicht
eine einzige Substanz Ton gleicher Beschaffenheit, die den
ganzen Organismus durchsetzt, sondern jede besondere Zellenart
des Körpers muss ihr spedfisches, das Wesen derselben be*
stimmendes Idioplasma oder Kernplasma enthalten ; es gibt
also in jedem Organismus eine Menge verschiedner
Idioplasmaarten. Insoweit also wftre es ganz gerechtfertigt,
das Idioplasma allgemein als Kemplasma zu bezeichnen und
umgekdnrt das bestimmende Kmplasma jeder b^ebigen
Zelle als Idioplasma.
Dass die ersterwähnte Vorstellung, das Idioplasma bilde
ein zusammenhängendes Netzwerk durch den ^'auzen Organis-
mus, nicht haltbar ist, ergibt sich von seihst, sobald dasselbe
in den Kernen und nicht im Zellkörper seinen Sitz hat.
Möchten auch überall die Zellkörper durch feine Ausläufer
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 27 —
zusammenhängen, wie dies von Leydig und Heitzniaun
für manche thiensche, von den Botanikern für manche pflanz-
liche Zellen nachupwipsen ist. so würden dieselben doch kein
Idioplasmauetz darstellen, sondern ein Netz von „Nähri)lasiii;i",
d. h. von derjenigen Substanz des Körpers, weicht' nach
Nägel i grade den Gegensatz zum Idioplasma bildet. Stras-
burger spricht freilich bereits von einem „Cyto-Idioplasma",
und gewiss hat ja auch der Zellkorper häufig ein specifischea
Gepräge, aber wir müssen doch jetzt annehmen, dass ihm
dasselbe von dem beherrschenden Kern aufgeprägt wintl,
d. h. dass die Richtung, in welcher seine Substanz im Lauf
der Embryogenese sich differenziit, durch die Qualität der
Kemfittbstanz bedingt wird. Ineofem also entspricht die
bestimmende KernsubBtanz allein dem „Idio-
plasma*^, die Zellkörpersubstanz aber muss dem „NUir-
plasma" Nägoli*fi beigeordnet werden. Jedenfalls wird es
praktisch sein, die Bezeiehnimg Idioplasma durchaus auf die
bestimmende Kernsubstanz zu besehr&nken, &U8 wir uns
Überhaupt diesen glücklich gewählten Ausdruck und Begriff
erhalten wollen.
Aber auch in dem zweiten Punkt ist die N&geli*8che
Vorstellung vom Idioplasma unhaltbar. Dasselbe kann un-
möglich ttberall im Organismus und zu allen Zeiten der
Ontogenese dieselbe Beschaffenheit haben, wie sollte
es sonst die grossen Verschiedenheiten in der Bildung der
Theile des Organismus bewirken können? Nägeli scheint
nun freilich an manchen Stellen seines Buches auch dieser
Ansicht zu sein, st» auf p, 31, wo es heisst. es sei „das
Zweckmässigste , das Idioplasma verschiedcMier Zellen eines
Individuums, wenn auch nur als Symbol, als verschieden
zu bezeichnen, insofern es eigen thümliche Produktions-
fähigkeit besitzt, und darunter auch alle die Umstände im
Individuum zu begreifen, die auf das bezügliche Verhalten
der Zellen Kintluss habeir'. Aus den vorhergehenden Steilen
30) und aus später lolgeudt ii upht aber klar hervor, da«8
er diese „Veränderungen'' des idiopiasmas nicht »in materieller
Digiiizca by Google
28 —
Beziehung" versteht, sontleiu nur in „dynamischer". Auf
S. 53 spricht er os mit besonderem Nachdruck aus, ^dass das
Idioplasma überall im Orcranismus, indem es sich vermehrt,
seine specifische Pe^^chnffciihfit beibehält" und nur „innerhalb
dieses festen Rahmens seine Siumnunprs- und Bewe^^ungs-
zu??t;uido und durch dieselben die nach Zeit und Ort mög-
lichen l^ oi nieii des Waclisthums und der Wirksamkeit wechselt."
Gegen eine solche Auffassung lassen sich !iber gewichtige
Gründe geltend machen. Zunächst will ich nur erwälinen,
dass doch erst gezeigt werden müsste, was man sich nun
eigentlich unter diesen „verschiednen Spannungs- und
Beiregungszuständen ' zu denken habe nnd wieso blofise
Spannungs - Verschiedenheiten ebenso mannigfaltig wken
können, wie Verschiedenheiten der Qualität. Wenn man die
Behauptung aufstellte, bei den Daphniden, oder bei andern
Thieren, welche zweierlei Eier hervorbringen, bmhe die
Eigensdiaft der Wintereier, sich nur nach einer Latenzperiode
zu entwickeln, darauf, dass ihr Idioplasma zwar identisch mit
dem der Sommereier sei, aber sich in emem andern Spannungs-
znstand befinde, so wttrde ich dies für eine wohl zu beachtende
Hypothese halten, denn die Thiere, welche aus den Eiern
entstehen, sind in beiden F&llen ganz gleich, das
Idioplasma, weldies ihre Bildung veranlasste, muss also
sdner Beschaffenheit nach gleich sein, es mag sich vielleicht
nur etwa so unterscheiden, wie sich Wasser von Ms unter-
scheidet. Ganz anders aber liegt der Fall bei den Stadien
der Ontogenese. Wenn man bedenkt, wie viele tausenderlei
verschiedene Spannungszustände ein und dasselbe Idioplasma
eingehen mi^sste, um den tausenderlei verschiedenen Biiiiungen
und Zelldifferenzirungen eines höheren Oiganisnius zu ent-
sprechen, so würde es wohl kaum möglich sein, eine auch
nur ungefähre Vorstellung davon zu geben, wie man hier mit
blossen „Spannungs- und Bewegungszuständen" ausreichen
wollte. Weiter aber sollten doch auch die Unters<*hiede der
Wirkungen denen der Ursachen einigermaasfipn entspitclu n.
und dann sollte wohl das Idioplasma z. B. einer Muskelzelle
Digiiizca by Liu^.' .
— 29 —
sieli stärker von dem einer Nerven- oder Verdauungszelle
desselben Individuums unterscheiden, als das Idioplasma der
Keimzelle eines bestimmten Individanrns von dem eines andern
derselben Art, und doch mOssen auch nach Nägeli diese
beiden Letzteren als qualitativ verschieden angenommen
werden; warum nun also nicht um so viel mehr die Idio-
plasmen jener histologisch so weit diffiBrirenden Zellen?
Gradezu aber als ein Widerspruch mit dch selbst er-
scheint die Nftgeli*sche Annahme, wenn man bedenkt, dass
er das „biogenetiache Grundgesetz" anerkennt, in den Stadien
der Ontogenese somit also dne abgekürzte Wiederholung der
phyletischen Entwicklungsstadien sieht, und nun doch die
einen aus einem andern Ptindp erklärt, als die andern. Die
StadieA der Phylogenese beruhen nach N ige Ii auf wirUicher,
qualitativer Verschiedenheit des Idioplasmas, das Keimplasma
also z. B. eines Wurms ist qualitativ verschieden von
dem des Amphioxus oder des Frosches oder Sftugethiers.
Wenn aber derartige phyletische Stadien in der Ontogenese
einer einzigen Art zusammenjjedrängt vorkommen, sollen sie
nur auf verschiednen „Spaimungs- und Bewegunsrszuständen^
ein und desselben Idioplasmas beruhen! Ich irestehe, mir
scheint es ein zwingender Schlnss, dass wenn überhaupt das
Idioplasma im Laufe der pijyletisehen Entwicklung iseine
specitische Beschaffenheit allmiili^ ändert, die^^e Verjiiideninsen
auch in der Ontoerenese diircblaiifeti werden Mnissen, soweit
dieselbe phyletische IStiiditin wiederholt. Entweder beruht
auch die ganze phyletische Entwicklung blos auf „verschiednen
Spannungs- und Bewegungsznständen", oder, wenn wie
ich allerdiiiL's glaube, nicht denkbar ist, mtissen auch die Sta-
dien der Ontogenes(> auf einer qualitativen Veränderung des
Idioplasmas beruhen.
Man fragt sich unwillkürlich, wie ein so scharfsinniger
Denker, wie Nägeli, dazu kommt, einen solchen Widersprmdi
nicht zu sehen, aber die Antwort liegt nicht weit, und Nägeli
selbst deutet sie an, wenn er auf den oben citirten Satz weiter
sagt: ^Daraus folgt, dass wenn in irgend einem ontogenetischen
Digiiizca by Liu^.' .
— 30 —
Entw'ickluDgsstadiiim und au irgend einer Stelle des Organis-
mus eine Zelle sich als Keimzelle ablöst, dieselbe alle
erblichen Anlagen des elterlichen Individuums
enthält.' Mit andern Worten: wenn es sich blos um ver-
schiedene Spannung»- und Bewegungszustände handelt, so
scheint es gewissermaassen selbstverständlich, dass das Idio-
plasma auch wieder seinen ureprOnglichen Zustand annehmen«
dass das Idioplasma irgend welcher Körperzellen
wieder zum Idioplasma der Keimzelle werden
kann; die grössere „Spannung" braucht ja blos wieder dne
geringere zu werden, oder umgekehrt! Nimmt man aber eine
wirkliche Veränderung der Beschaffenheit an, dann er-
scheint eine Rückverwandlung des Idioplasmas der Kdrperzellen
zu Keimplasma nichts weniger als selbstverständlich, und wer
sie annehmen will, muss seine Annahme zuerst begründen.
Dieser Begründtmg weicht N&geli aus, indem er die Um-
wandlungsstufen des Idioplasmas in der Ontogenese als blosse
Verschiedenheiten in den „Spannungs- und Bewegungs-
zustftnden'' des Idioplasmaa bezeichnet; diese Ausdrucke ver-
decken den schwachen Punkt in seinem System, sie sind mir
ein werthvoller Beweis dafür, dass auch Nägeli im Grunde
doch gefühlt hat, dass die Vererbungserscheinung ihre Ei-
klärung nur auf Grund einer C o ii 1 1 n ui tä t des Keim-
phihiiias finden kaiui, denn sie sind oflFenbar nur dazu
geeignet, die Frage zu versehleiern: wie aber kann sich
das I(li()i)lasma von Körperzellen wieder zum
Idioplasiiiit von Keimzellen umwandeln?
Ich bin der Aiisieiit, dass es dies überhaupt nicht kann,
und habe diese Meinung schon sf^t einigen Jahren vertreten';,
wenn ich auch bisher mehr die positive Seite der Sache
betonte, nämlich die Conti tmi i tat des Keim pl n smas.
Ich suchte nachzuweisen, dass Keimzellen sich nur da linvli in
einem Organismus bilden, dass Keimplasma von der vorigen
Generation her in diese herübeigeuommen wird, dass bei der
^) Zuerst in dem Aufsatz 1.
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 31
Entwicklung eines Eies zum Thier stets ein, wenn auch kleiner
Theil der Keinisubstanz unyer Ändert in den sich bildenden
Organismus übergeht, und dass dieser die Grundlage zur
Bildung der Keimzellen darstellt. Auf diese Weise ist es bis
zu einem gewissen Grad begreiflich, wie die complicirte
MolekOlarstructur des Keimplasmas sich bis in die f^nsten
Einzelheiten hinein durch lange Generationsfolgen hindurch
unverftndert erhalten kann.
Wie aber sollte das geschehen können, wenn das Keim-
plasma in jedem Individuum sich durch Umwandlung soma-
tischen Idioplasmas bilden mtisste? Und doch wird man zu
dieser Annahme gezwunp:eii, sobald man die „Coutinuität des
Keimplasmas" verwirft. Auf diesem Staiidiuiükte steht Stras-
burger, und es würde mm zunächst zu untersuchen sein,
wie sich die Dinge unter seinen Gesichtspunkten gestalten.
Vollkommen in Uebereiustimmung befinde ich mich mit
Strasburgei , wenn er „die specifischen Eigenschaften der
Ortjaiiismen in den ZellkerneTi beLmind^t" sieht, und auch
beinen Vorstelhm<2:en über die lieziehun^HMi zwischen Zellkern
und Zellkörper kann ich mich in vielen Punkten anschliessend):
„vom Zellkern aus pflanzen sich auf das umgebende Cyto-
plasma molekülare Erregungen fort, welche einerseits die
Vorgänge des Stoffwechsels in der Zelle beherrschen, andrer-
seits dem durch die Ernährung bedingten Wachsthum des
Cytoplasma einen bestimmten , der Species eignen Charakter
geben." „Das nutritive Cytoplasma assirailirt, der Zellkern
beherrscht den Stoffwechsel, wodurch die assimilirten Sub-
stanzen eine bestimmte Zusammensetzung erhalten und das
Cyto-Idioplasma, sowie das Nudeo-Idioplasma in bestimmter
Weise ernähren. Dadurch tritt das Cytoplasma in Gestaltungs-
voigftnge ein, welche die specifische Form des betreffenden
M Die angeführten Vorstellungen Stras liurger's über ilie Art und
"Weise, wie die Kemsubstanz auf den Zellkörper wirkt, halte ich heute
nicht mehr für richtig; vergl. mein Buch: „Das Keimplasma, eine Ver-
erbungstheorie". J<»n 1892*
Digiiizca by Lj<j\->^i'^
— 82 —
Organismus bedingen. Diese Formgestaltung des Cyto-Idio-
plasmas steht unter dem regulirpiulen Einfluss der Zellkerne."
Die Zellkerne sind es also, „ welche die specifische Entmck-
lungsriehtuiig in den Organismen bestimmen".
Eine entschiedene und werthvolie Bestätigung dieser auB
den neuen Beobachtung^ über die Befruchtung gewonnenen
Ansicht y dass die Kerne es sind, welche der Zelle ihren
specifisehen Stempel aofdracken, haben inzwisehen die Ver-
suche Uber Regeneration der Infusorien gelieferti
welche gleichzeitig von M. Nussbaum*) in Bonn und von
A.6ruber') auf dem hiesigen zoologischen Institut angestellt
wurden. Die Angabe von Nussbaum, dass ein künstliches
Theilstüd: von Paramaecium, welches keine Kemsubstanz ent-
hält, sofort abstirbt, darf zwar nicht verallgemeinert werden,
da Grub er solche kernlose Stücke andrer Lifusorien einige
Tage am Leben «:liiät Ueberdies war ja durch ihn bekannt,
dass auch ganz leben^sche Individuen von Protozoen vor-
kommen, die den der Art sonst zukommeuden Kern nicht be-
sitzen. Was aber die Bedeutung des Kerns klar legt, das ist
die von beiden Autoren festgestellte Thatsaehe, dass solche
kernlose, künstliche Theilstücke eines Infusovinuis bich nicht
wieder regeneriren, während dies kenilialtige Stücke
immer thiin. Also nur unter dem Eiufluss des Kerns
nimmt die um z ub i 1 dende Zell Substanz wieder den
vollen A 1 1 1 y p u s an. Wir st cIimu somit mit dieser Auf-
fai?siiiii,^ deb Kerns, als des bestiimiK nden Factors des speei-
fist ln 11 Wesens der Zelle auf einem von allen Seiten bor
gesicherten Boden, von dem aus sich wohl weiter vordringen
Wenn nun also der erste Furchungskem die gesammten
ererbten Entwicklungstendenzen des neu zu bildenden Indivi-
duums in seiner Molekttlarstructur enthält, so kann dieses
^) M. Nttssbaum, Sitningsber. niedenrhein. Ges. f. Katar- und
Heilkunde^ 15. Decbr. 1884
*) A. Gr aber, BioL Centndblatt Bd. IV, Nr. 23 n. Y, Nr. 5.
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 83 —
doch nur dadurch wirklich sich entwickeln, dass während der
Fuiehung und den ihr nachfolgenden ZelltheUungen das
Niicleoplasma bestimmte und verschiedenartige
Veräuderungen eingeht, die eine Ungleichheit der be-
treifenden Zellen zur Folge haben müssen; denn identisches
Nueleoplasma bedingt eeteris paribos audi identische Zell-
k5rpef und umgekehrt, die Thatsache also, dass der Embryo
in der einen Bichtung stärker w&ehst als in der andem, dass
seme ZeUsduehten von ganz verschiedner Natur sind und sich
noch später zu verschiednen Organen und Geweben differen-
ziren, yerlangt den BUckscbluss, dass auch die Kernsubstanz
verschieden geworden ist, dass sie sich also in regelmässiger«
gesetzmässiger Weise während der Ontogenese verüidert. Das
ist denn auch Strasburger's Ansicht, ttberhanpt muss es
heute die Ansicht eines Jeden sein, der die Entwicklung der
Anlagen nidit aus vorgebildeten Edmehen , sondern aus dem
molekQlaren Bau des Keimplasmas herleitet
In welcher Weise und durcli welche Kräfte ändert
sich aber das bestimmende Plasma oder Nucleo-
plasma im Laufe der Ontogenese? Das ist die be-
deutungsvolle Frage, von deren Beantwortung die weitereu
Folgerungen abhängen. Die einfachste Annahme wäre die,
dass sich bei Jeder Kerntheilimg das specitische riasnia des
Kerns in zwei ihrem W esen nach ungleiche Hälften theilte,
so dass dann auch der Zellkörper, dessen Charakter ja durch
den Kern bestinimt wird, umgeprägt würde. So würden z. B.
die zwei ei-sttm Furchungskugeln bei irgend einem Metazoou
sich so vei ändern, dass die eine nur die Vererbungstendcnzeu
des Entodernis, die andre die des Ektoderms enthielte und
dass später also — wie dies ja thatsächlich vorkommt — aus
der einen nur die Zellen des £ntoderms, aus der andem
nur die des Ektoderms hervorgingen. Im Laufe der weiteren
Theilungen würde dann die Urektodemizelle ihr Keinj^lasma
wieder ungleich theilen, z. B. in das die erblichen Anlagen
des Nervensystems enthaltende und in das die Anlagen der
fiussem Haut enthaltende Kernplasnuu Aber auch damit wAre
Digiiizca Ly Liuv - .
— 34 —
das Ende der ungleichen KerntheOungen noch lange nicht e^
reicht, sondern in der Anlage des Nervensystems sonderten
sich im Laufe weiterer Zelltheilungen die Kemsubstanzen,
weldie die Vmrbungstendenzen der Sinnesoigane enthalten,
von deigenigen, welche die Yererbungstendenzen der Central«
Organe enthalten u. b. f. bis zur Anlage aller einzelnen Organe
und der Ausbildung der feinsten histologischen BBferenzirungen.
Das Alles ginge vor sich in völlig gesetzmässiger Weise, genau
so, wie es bei einer sehr langen Reihe von Vorfahren auch
gegangen ist, und das Bestimmende und Richtende dabei wftre
einzig und allein die Kernsubstanz, das Kernplasma, welches
in der Keimzelle eine solche Molekükirstmctiir besässe, dass
mit In oth wendigkeit alle andern Folgezustände der Molekülar-
struetur der nachfoliienden Stadien der Kernsubstanzeu daraus
hervorgehen mtissten, sobald die dafür erforderlichen äussern
Bedingungen gegeben sind. Das ist ja aiuh nichts weiter als
die Vorstellung von der ontogenetischen Entwicklung, welche
auch bisher jeder nicht „evolutionistische" Euibryolog gehabt
hat — mir mit Verlegung des bewirkenden Kraftcentrum in
die Keijisubstanz.
Einer solchen Auffassung stehen aber — so scheint es —
die Erfahrunijen, welche man bei der indirekten Kenitheilung
gemacht hat, entgegen, denn diese lehren, dass jede Mutter-
Kemschleife der sog. „Kemplatte" ihre Substanz der Länge
nach spaltet, und dass dabei die einzelnen färb- und sichtbaren
Theilstücke der Schleife genau in zwei gleiche Hälften ge-
theilt werden. Jeder Tochterkem erhält auf diese Weise
gleichviel davon, und die beiden aus einer Kemtbeilung her-
vorgehenden Tochterkeme können also — so scheint es —
nicht verschieden, sie mtlssen vollkommen iden-
tisch sein. So scbliesst wenigstens Strasb arger und
betrachtet diese Identität der beiden Tochterkeme als eine
fiindamentale Thatsache, an der nicht weiter zu rütteln ist,
der man vielmehr sdne Erkl&rangsversache anzupassen hat
Wie soll aber dann die allmftlige Umwandlung der Kem-
snbstanzen zu Stande kommen, die doch nothwendig statt-
Digitizca by Liu..- . «v.
finden niuss , wenn die Kernsubstanz wirklich das Bestiinraeude
bei der Entwicklung ist? Strasburger sucht sich damit
zu helfen, dass er die Ungleichheiten der Tochterkeme, die
ja auch er nothwen^igerweise annehmen niuss, ans ungleicher
Ernähr 11 nf:r hervorgehen, 8ie also erst nachträglich entstehen
lässt, nachdem die Theilung von Kern und Zelle bereits er-
folgt ist Dagegen ist aber einzuwenden, dass — wie Stras-
burger selbst gewiss völlig einwurfefipei darlegt — der Kern
vom ZelMfper emAbrt wird, dass somit die Zellkörper der
beiden identischen Tochterkeme yon yornberein yer-
schieden sein müssen, wenn ihre Zellkerne in Ter-
achiedner Weise beeinflnssen sollen. Wenn mm aber der
Kern das Wesen der Zelle bestimmt, so können zwei identische,
ans einer Mutterzelle durch Theilung entstandne Tochterkeme
keine tmgleichen Zellkörper haben, ihre Zellkörper mttesen
. yielmahr gleich sein! — Da nun aber thati^kchlich die Zell-
körper zweier Tochterzellen häuüg sehr yerschieden in Grösse,
Aussehen und weiteren Entwicklungsstufen sind, so geht schon
allein daraus hervor, dass die Kerntheilung in solchen
Fällen eine ungleiche sein muss. Der Kern muss
die Fähigkeit besitzen, sich hier in Kcnisubstanzen von ver-
schiedner Qualität zu spalten — das scheint mir ein
unab weislicher Schluss. Strasliurger hat hier wohl die
Sicherheit der Beobachtung übei-schätzt. Gewiss ist die von
Flemnüug entdeckte, von Balbiani und Pf itzn er weiter
analysirte Längsspaltiiiiu der. Kernschleifen eine Thatsache
von grosser, ja gradezu fundamentaler Be(it utuiig, (üe besoiidei-s
durch die in voriaeni Jahr nachfolgenden Beobachtungen van
Beneden s über den Befruchtungsvorgang bei Ascaris einen
klareren und bestinmiteren Sinn erhalten hat, als man ihr
zunächst beilegen konnte. Sie beweist einmal, dass der Kern
sich stets in zwei d e r M a s s e nach g 1 e i c Ii e Theile zerlegt,
und weiter, dass bei jeder Keratheilmig gleich viel Kern-
substanz vom Vater wie von der Mutter jedem Tochterkem
zukommt; aber sie beweisst, meines Erachtens wenigstens,
durchaus nicht, dass dabei die Qualität des elterlichen
Weismann, Di« Oontiuuitat des KeimplasrnM. 3
— 36 —
Keruplasiiias auf beiden Seiten stets die gleiche sein müsse.
Freilich sieht es so aus, und wenn wir die Inirsteilunf? des
günstigsten Objectes, weiches bis jetzt dafür bekannt geworden
ist, ins Auge fassen, nämlich den Befruehtungsvorgang des
Ascaris-Eies , wie ihn van Beneden darp^estellt hat, so
machen die beiden Längsbälften einer Schleife einen fast
identischen Eindruek (vergl. z. B. a. a. 0. PI. XIXter Fig. 1,
4 a. 5); allein man darf doch nicht vergessen, dass das, was
vir da sehen, nicht die Molekülarstructur des Kernplasmas
ist, sondern nnr ein im Verhältniss zu ihrer Gomplicirtheit
sehr roher und grober Ausdruck ihrer Massen. Unsere
stärksten und besten Linsen reichen grade hin, die Gestalt
der einzelnen fiürbbaren Kömer einer zur Theilung sich an-
schickenden Schleife zu erkennen, sie erscheinen uns kugel-
ähnlich und später nach der Theilung zuerst halbkugelähnlich.
Diese Kömer, die sog. Mikrosomen, sind aber nach Stras-
burg er nicht einmal die dgentliche wirksame Kemsubstanz,
sondern nur Nahrung für die zwischen ihnen gelegene, nicht
filrbbare und desshalb auch nicht deutiich sichtbare eigentliche
Kfflnsubstanz! Aber seien sie auch das wiikliche Idloplasma,
so wOrde uns doch ihre Theilung in zwei genau gleich grosse
Hälften keinerlei Aufschluss über die Grleichheit oder Un-
gleichheit in der Beschaffenheit dieser beiden Hälften
geben, vielmehr nur über das Massenverhältniss derselben,
Aufschluss über die Qualität der ^Molekülarstructur der beiden
Hälften können wir nur durch ihre Wirkungen auf
den Zellkörper erhalten, und diese lehren uns
eben, dass die Körper zweier Tochterzellen
hiiufig der Grösse und Qualität nach verschieden
sind.
Der Punkt ist zu wichtig, um ihn iiirht noch durch emige
Beispiele zu illustriren. Die so^:. Kichtungskörper, von
denen später noch genauer Liehandelt werden soll, "welchp so
viele thierische Eier bei ihrer Reifung von sich abschnüren,
sind Zellen, wie zuerst Bütschli bei Nematoden nachwies;
es ist ein Zelitheilungsprocess, der mit einer gewöhnlichen
Digitizod by Google
- 37 -
indirekten Kenitheilun^ iiifist*) von ganz typischer Form
einherp:eht. Wer trotz der Beobachtunpfeu von Fol und
Hertwig daran zweifeln möchte, den könnte ein Blick auf
dii' leider zu wenif? bekannten Abbilduni^en überzeup:en, welche
Trinchese'-) von diesem Process bei den Eiern gewisser
Nacktschneckeu ge^'ebeu hat. Die Fier z. B. von Aniphorina
coerulea bieten der Beobachtung ausserordentlich günstige Ver-
bältnisse, indem sie nicht nur ganz durchsichtig sind, sondern
auch der grosse und deutliche Eikern sich durch Farben-
imterschied vom grtlnen Zellplasma abhebt. Bei diesen Eiern
nun bilden sich zwei Bichtungszellen hinter einander, deren
jede sich sofort noch einmal theilt, so dass dann vier Kich-
tungszellen dem £ipol aufliegen. Warum gehen nun diese
Yier Zellen zu Grande, während der im Dotter zurUekbleibeode
Eikern sich mit dem Spermakem copulirt und mit Benutzung
des EikOrpers zum I^iyo wird? Offenbar doch desshalb,
weil die Natur der Bichtungszelle eine andre Ist als die der
Eizelle. Da nun aber das Wesen der Zelle durch die Qualität
des Kerns bestimmt wird, so muss diese Qualität vom Moment
der KemtheiluDg an verschieden sein. Das zeigt sich ja auch
schon darin, dass überzählig ins Ei eingedrungene Sperma-
zeUen sich niemals um die Bichtungszellen kOmmem. Man
könnte etwa in Strasburger^s Sinn einwerfen, dass die
verschiedne Qualität der Kerne hier durch die sehr ver-
schiedne Menge von Cytoplasraa, welches sie umhüllt und er-
nährt, hervorgerufen werde — aber einestheils muss die Klein-
heit des Zellkörpers der meisten Richtungskörper doch einen
Gmnd haben, und dieser Grund kann wieder nur in der Natur
des Kerns liegen, und andrerseits ist die Masse des Zellkörpers
') Eine Aiisnalinie von dem gewnhaliclH-n Typus macht das Ei von
Ascaria nach, den Beobachtuugeu von Nussbaum und von van Bene-
den; doeh geht Letzterer wohl zu ireit, wenn er ans der geknickten
Figur der lüchtiuigflgpindd schlieBst, dass es sich hier um «nnen von der
gewöhnlichen Kemthellung ganz verschiedenen Vorgang haidle.
^) Trinchese, ,1 primi momenti dell' evolusione nei moUaschi".
Borna im
Digiiizca by Liu^.' .
— as —
gmde bei den Richtungskörpern dieser Schnecke nicht nur
ebenso grOB8, sondern eher grösser als die den Eikern um-
gebende grttne Zellplasmakugel! Die Verschiedenheit der
Richtungskörper von der Eizelle kann somit nur darin liegen,
dass die Richtungsspindel bei ihrer Theilimg zwei qualitativ
veischiediie Tocbterkeme liefert^).
Warum sollten denn auch die Mikrosonien-Kugeln der
Kemsehleifen — falls diese das Idioplasma wären — sich nicht
in der Form und Gestalt nach gleiche, der Qualität nach
aber ungleiche Hfilften theilen können? Sehen wir doch auch
bei manchen Eizellen ganz dasselbe yor sich gehen; die zwei
ersten Furchungskugeln des Begenwurm-Eiea sind nach Grösse
und Gestalt ganz gleich, und dennoch wird aus der einen das
£ntoderm, aus der andern das Ektoderm des Embryo.
Ich glaube desshalb, dass wir der Annahme nicht ent-
gehen können, dass bei der indirekten Kemtheilung ebenso-
wohl eine Theilung in der Beschaffenheit nach ungleiche, als
in gleiche Hälften vorkommen kann, und dass es davon ab-
hängt, ob die dabei entstehenden Tochterzellen von gleicher
oder von uiifileicher Art sind. Somit wird also während der
Ontogenese eine schrittweise UnnvmidUuig der Kemsubstanz,
die mit Nothwendl^keit und Gesetzmässiijkeit aus ilirer
eignen Natur hervorgeht, stattfinden müssen, und ihr
parallel laufend werden auch die Zellkörper ihren ursprüng-
lichen Charakter allmäliff ändern.
Welcher ATt nun diese Veränderungen der Kernsubstanz
sind, lässt sich zwar im GenauPien nicht angeben, im All-
genieiucn aber ganz wohl ei-schliessen. Wenn wir mit Nätreli
annehmen dürfen, dass die molekülare Structur des Keim-
Idioplasmas, oder nach uusrer Aiisdrucksweise des „Keim-
^) So zwingend diese Schlussfolgening erscht'iiit, so luuss sie doch
für diesen Fall unrichtig sein, wie aus Aufsatz XII zu ersehen ist.
Die Richtungflzdlen enthalten di^elbe Kernsubstanz, die auch in der Ei-
seile xurlkckbleibt Woher dann die ungleiche Zdltheilung kommt, bleibt
i&fhBeIhttft. Der allgemeine Sats aber, dass ungleiehe Eemtbeilang
voxkommt, wird dadurch nicht erschttttert. W. 1892.
Digmzca by Ci^r..- .
- 39 —
plasnias" um so conipliiiiter sein muss, je compUcirter der
Organismus ist, der sich daraus entwickelt, so wird auch der
weitere Satz Billigimg finden, dass die moiekOlare Stmctor
der Kernsubstanz um so einfacher sein muss, je weniger
(iitterente Gebilde daraus hervorgehen sollen, dass also die
Kernsubstanz der vorhin erwähnten, das gesammte Ektoderm
potentia in sich enthaltende FurchungszeUe des Begenwurms
eme verwickeitere Molekulaistructur hesitzt, als die Kern-
substanz z. B. einer Epidermiszelle oder Nervenzelle« Man
wird dies zugeben , wenn man sich vergegenwärtigt, dass in
der molekularen Struetur des Keimplasmas aJle Einzelheiten
des gesammten Oiganismus durch irgend eine spedelle und
eigenthttmliche Anordnung der Molekfllaigruppen (Micelle
Kägeli's) enthalten s^n mflssen, und nicht nur die sämmt-
liehen quantitativen und qualitativen Charaktere der Art,
sondern auch alle individuell Variationai, soweit dieselben
erblich sind. Das Grübchen im Kinn mancher menschlicher
Familien , die physische Ursache aller noch so unscheinbaren
erblichen Gewohnheiten, die vererbbaren Talente und sonstigen
Geistesanlagen, sie alle müssen in der winzigen Quantität von
Keiuiplusiiia, welches der Kein einer Keimzelle birgt, enthalten
sein, — nicht als vorjrebildete Anlagen (Keimchen der Pan-
genesis), wohl abei- als Abweichungen in der Molekülar-
stmctur; wäre dies nicht möglich, so könnten auch solche
Charaktere nicht vererbt werden. Nun hat uns ja Naj^eli
in seinem au unre^ii iideu Gedaukenfolgen überaus reiclien Ihich
gezeigt, dass in der That auch in einem Volumen von einem
Tausendstel Knbikmillimeter nocli eine so enome Zahl
(400 Millionen) von Micellen an<2:enommen werden dürfen,
dass für die verschiedenartigsten und complicirtesten An-
ordnungen derselben die Möglichkeit gegeben ist. Es muss
also das Keimplasma in den Keimzellen eines bestimmten In-
dividuums einer Art dm*ch irgend welche noch so geringfügige
Verschiedenheiten seiner MolekUlai-structur sich von dem eines
andern Individuums tmterscheiden» während sieh das Keim-
Digiiizca by Liu^.' .
plasma der Ai-t wiedemm von dem Keimpksma aller andern
Arten unterseheiden muBS.
Diese ErwSgangen lassen auf eine ausserordenflich hohe
Ckimplication der If olektdaistruetnr des Kdmplasmas aller
höheren Thiere flchUesa^, und sie machen es wohl zugleich
einleuchtend, dass diese Gomplication wfthrend der
Ontogenese schrittweise abnehmen muss, in dem
Maasse, als die Anlagen» welche aus einer Zelle
noch hervorzugehen haben und deren molekularer
Ausdruck das Kernplasma ist, weniger an Zahl
werd en. Man wird mir nicht eine Art von Einschachtelungs-
theorie vorwerfen wollen; ich meine nicht, dass vorgebildete
Anlagen im Plasma der Kerne enthalten sind, die nun nach
rechts und links hin während des Aufbaues der Organe ab-
gegeben werden, so dass ihrer immer weniger werden im ein-
zelnen Kern, je weiter die Entwicklung voranschreitet; ich
meine vielmehr, dass die Complicirtheit der Molekülarstmetur
iibiiunmt in dem Maasse, als die EntwickliinGfsmöglichkeiten,
deren Ausdruck die Molekülarstructur des Kerus ist, an Zahl
abnehmen. Das Plasma, welches noch zu hundert verschiedneu
Plasma - Modificationen durch verschiedne Gruppirung seiner
Theilchen die Möglichkeit enthält, muss zahlreichere Arten
und eine (•(miplicirtero AiKirduuiig solcher Theilchen enthalten,
als das Keniplasma, welches nur noch den Charakter einer
einzijren Zellenart zu hpstimmen hat. Zur Xoth lasst sich
der Vorgang der Keniplasma-EntwicklunL^ wiilunid der Onto-
genese mit einer Armee vergleichen, die aus mehreren Armee-
corps zusammengesetzt ist, von denen jedes wieder seine eigen-
artigen Divisionen u. s. w. hat. Die ganze Ainiee ist das
Kemplasma der Keimzelle; hei der ersten Zelltheilung, in die
Urzelle des Ekto- und des Entoderms etwa, trennen sich die
beiden ähnlich zusammengesetzten, aber doch verschiedne Ent-
faltungsmöglichkeiten enthaltenden Armeecorps, bei den folgen-
den Theilungen werden die Divisionen detachirt, bei späteren
die Brigaden, Regiments, Bataillone, Compagnien u« s. w.,
und in dem Maasse, als die Truppenkdrper einfacher werden,
Digitlzca by
— 41 —
verringert sidi aneli ihr WiTkungskreis, ibre AeHonsspbäre.
Freilich hiiikt das Glelchniss nach zwei Seiten, indem einmal
nicht ilie Masse des Kemplasmas abnimmt, sondern nur seine
ComplicHtioii , und indem zweitens die iüaft einer Armee in
erster Linie immer von ihrer numerischen Stärke und niclit
von der Complicirtheit ihrer Zusammensetzung abhängt. Auch
wird man bich nicht vorstellen liurien, dass bei den ungleichen
Kerntheilungen einfach eine Theihms der Molekülarstructur
stattfinde , wie das Herausziehen ciiit s Regiments aus der
Brigade, sondern die MoleKiil;ii-1iin tiir des Mittelkerns wird
sich so verändern, dass eine oder da^^s lieide Tfieiliuillten
eine neue Structur erhalten i die früher noch gar nicht da-
gewesen war.
Meine Voi-stelhmg von dem Verhalten des Idioplasmas
in der Ontogenese unterscheidet sich von der Nägel i's nicht
etwa blos darin, dass dieser nur Veränderungen desselben in
seinen „Spaunungs- und Bewegungszuständen'* zulfiBst, sondern
darin, dass derselbe sich das Idioplasma aus „ Anlagen
zusammengesetzt denkt. Offenbar hängt dies aufs genaueste
zusammen mit seiner Vorstellung von der Einheit des Idio-
plasma- „Netzes" im ganzen Körper, und er würde vielleicht
aneh zu einer andern Auffassung gekommen sein, wenn ihm
schon die Thatsache vorgelegen h&tte, dass das Idioplasma
nur in den Kernen zu suehen ist. Seine Auffassung der
Ontogenese geht am besten aus folgender Stelle hervor: „So-
bald die ontogenetische Entwicklung beginnt, so werden die
das erste Entwicklungsstadium bewirkenden Mi*
eellreihen im Idioplasma th&dg. Das active Waefasthum dieser
Reihen veranlasst zwar ein passives Waehsthum der ttbrigen
Reihen, und eane Zunahme des ganzen Idioplasmas vielleicht
auf ein Mehr&ches. Aber die baden Waebsthumsintensitäten
sind ungleich, und die Folge davon ist eine steigende Spannung,
welche nothwendig und je nach Zahl, Anordnung und Energie
der activen Reihen, früher oder später die Fortdauer des
Processes zur Unmöglichkeit macht. Actives Wachsthum und
Erregung gehen nun ni Folge der Gleicligewichtsstörung in
Digiiizca by Google
- 42 —
die ziftchste Anlagegrappe, welche die als Beiz irirkeade
SpaimuBg am stärksten onpfindet, über, und dieser Wechsel
wiedeibolt sidi, bis alle Anlagegruppea dnrchlaufen sind und
die ontogenetisehe Entwicklung mit dem Stadium der Fort-
liflanzung auch wieder bei dem ursprünglichen Keimstadium
anlangt
N&geli läBst also die veisehiednen Stadien d^ Onto-
genese aus der Thätigkeit bestimmter Partbien desidio-
plasmas hervorgehen ; bestimmte „Micellreihen des Idioplasmas"
stellen die „Anlage" bestimmter Bildungen im Orfjanismus
ihu', und indem eine solche Anlage in „Kneguiiu gtiicith,
brinixt sie die hetreffemlo Bildung zu Stande. Ich gestehe,
dass ich in dieser Vorstellungsweise doch immer noch eine
Aehnlichkeit mit der Pangenesistheorie Darwin 's sehe; die
„Anlagen" und „Aulagengiuppon" Näs:eli*s sind die aller-
dings ungemein verfeinerten „lieimcben" der Pangenesis, die
in Thätigkeit treten, wenn ihre Keihe trekommen ist, wie
Darwin sagt, oder wena sie in „Erregung" gerathen, wie
Nägel i sagt. Wenn < hk Anlagengruppe" durch ihr „actives
Wachsthum" oder ihre „Erregung ein gleiches actives Wachs-
thum, oder eine gleiche Erregung in der folgenden Grui)pe
herbeigeführt hat, so kann die eretere Gruppe mit diesem
Uebergang zur Ruhe gelangen, oder sie kann neben ihrem
Kachfolger noch längere oder kürzere Zeit thätig bleiben. Ihre
Erregung kann selbst eine unbegienzte Dauer annehmen, wie
dies bei der Laubblattsprossbildung vieler Pflanzen der Fall ist.**
Man sieht, dass die ganze Vorstellung Nägel i's aufe
innigste verwachsen ist mit der Annahme einer Einheit des
gesammten Idioplasmas durch den Organismus hindurch« Nur
dann kann bald diese, bald jene Parthie des Idioj^asmas
in Erregung gerathen und nun die ihr entsprechenden Organe
zur Ausfllhrong bringen. Sobald wir annehmen mOssen, dass
das Idioplasma, welehes in einem Organismus enthalten ist«
nicht än direkt zusammenhängendes Ganzes darstellt, sondern
aus Tausenden einzeboier Kemplasmen sidi zusammensetzt,
welche erst durch Vermittlung der Zellkörper in Beziehung
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 43 —
treten, so iiiut-eii wir statt idioplasmatischer „Anlagen" sageu:
„Oütugeiietische Entwicklungsstufen des Idio-
plasmas". Die verschiedenen Varietäten des Nucleoplasnias,
wie sie in der Ontogenese entstehen, stellen gew isser maassen
solche Anlagen dar, indem sie vermöge ihrer molekülaren
Beschaffenheit die Zellkörper, welche sie beheiTSchen, zu einer
Bpeeifischen BeschaiTenheit 1)estimmen und ebenso die Kem-
imd Zellfolgen, welche unter bestimmten Umst&nden ans ihnen
hervorgehen können.
Nur in diesem Sinn könnte ich von Anlagen reden.
Sonst aber kann ich mir nicht vorstellen, dass bestimmte
Anlagen im Sinne N&geli's im Idioplasma enthalten sein
könnten. Wohl darf man vermuthen, dass z. B. das Idio-
plasma des Furdiungskenis steh nicht sehr stark vom Idioplasma
der zweiten ontogenetischen Stufe der beiden folgenden
Furcfaungskeme unterscheiden wird, vielleicht werden nur
einzelne ,,Micellreihen* verschoben oder irgendwie anders
geordnet Aber die Mioellreihen sind desshalb noch nicht die
„Anlage^ des zweiten Stadiums gewesen, sondern die zweite
ontogenetische Stufe des Idioplasmas unterscheidet sich von
der ersten eben durch eine um Weniges verachiedne Conügura-
tion der Molektdarstructur. IHese Stmetur bedingt wiederum
unter normalen Entideklungsverhaitnissen die Veränderung
zu den vei-schiedenen MolekUlarstructuren des Idioplasmas der
dritten Stufe u. s. w.
Man wird meiner oben vei'suchten Beweisführung, dass
das Idioplasma der verschiednen ontogenetischen Stufen eine
immer einfachere Molckülarstructur annehmen müsse, >1elleicht
entjregenhalten, dass sie mit dem biogenetischen Grundgesetz
niclit stimme. Die Organisation der Arten hat doch im Laufe
der Phylosrenese im Ganzen an Compiiciitheit ungemein zu-
genommen; woiiH nun in der OntoLienese die i)hyletischen
Stadien durchiauien werden, so müsste doch — so scbeint
es — die Stnictur des Idioplasmas im Laufe der ( )ntoij( iu'se
immer verwickelter werden, nicht aber immei- cinfinher.
Dagegen ist aber zu erwägen, dass die Complidrtheit des
Digiiizca by Google
— 44 —
ganzen Organismus sich nicht durch die Molekül a ist nictur
des Idioplasmas eines einzelnen Zellkerns darstellt,
sondern dass man dazu die Idioplasnien sämmtlicher gleich-
zeitig vorhandener Zellkerne des Köq)eT'? zusammenzählen
niüsste. Die Keimzellen, d. h. das K e i m k e r n - 1 d i o p 1 a s m a
muss allerdings um so complicirter sein, je complicirter der
Organismus ist, der daraus hervorgehen soll, die einzelnen
Kernplasmen der ontoKenetiscben Stufen aber können relativ
viel einfacher sein, ohne dass dadurch das gesammte Idio-
plasma des ganzen Organismus an Complication verlöre, weil
eben nur alle Kernplasmen zusammengerechnet den Ausdruck
der betreifenden Entwicklungsstufe geben.
Wenn nun also angenommen werden muss, dass der
molekulare Bau des Kernplasmas im Laufe der Ontogenese
immer einfsusher wird, in dem Maasse, als dasselbe immer
weniger verscbiedne Entfiiltungs- Möglichkeiten in sich zu
enthalten braucht» ^so müssen die definitiven Gewebezellen,
Muskel-, Nerven-, Sinnes-, DiHsenzellen den relativ einfachsten
molekolaren Bau ihres Kemplasmas besitzen, da aus ihnen
keine neue Modification von Kemplasma mehr hervorgeht, da
vielmehr solche Zellen, wenn sie sich Überhaupt fortpflanzen,
nur nodi ihres Gleichen erzeugen.
Damit bin ich wieder an der Frage angelangt, auf welche
es mir vor Allem anzukommen scheint: wie entstehen
die Keimzellen im Organismus, wie ist es möglich,
dass aus dem Kernplasma der Zellen des Körpers, welches
doch durch stete Vereinfachunij: seiner Molekül arstructur seine
Fähigkeit, den ganzen Kör{)er hervorzubringen, längst ver-
loren hat, sich wieder das Kerui>lasma der Keimzelle hervor-
bildet mit seiner alle specifischen und individuellen Eigen-
schaften potentia enthaltenden . inieiullii h complicirten Mole-
külarstructur? Ii h gesteiie, dass mir dies <?anz undenkbar
vorkommt ; ich sehe nicht ein, welche Kraft es zu Wege bringen
sollte, das gewissermaassen auf eine einzige Zellart ver-
einfachte, specialisirte Kernplasma der somatischen Zellen —
und aus solchen besteht ja der gesammte Organismus nach
Digitlzca by Liu..- . «v.
- 45 -
Abrechnung der Fortpilanzungszellen ~ wieder in das generelle
Keimplasma zurückzuverwandelu.
Biese Schwierigkeit ist auch von Andern schon gefüldt
worden. Ich habe schon oben auf die Ansicht von Nuss-
baum^) hingewiesen, der von dem Gedanken ausging, dasB
Zellen, die bereits für eine specielle Function diiferenzirt sind,
nicht wohl zu Geschlechtszellen mehr sich umwandeln könneUf
und daraus dann weiter ableitete, dass die GeBchlechtszellen
äch „zu einer sehr frohen Zeit — vor jeder histologischen
Diiferönzirung — in der embryonalen Anlage** von den tlbrigen
Zellen schon absondern müssten. Yalaoritis') wurde durch
denselben Gedanken, die Umwandlung histologisdi differenzirter
Zellen zu Geschlechtszellen sei unmöglich, zu der Annahme
verleitet, die Geschlechtszellen d^ Wirbelthiere entstünden
aus weissen Blutzellen, da er diese ftkr möglichst wenig diffe-
renzirt ansah. Beide Ansichten sind nicht haltbar, die eistere
desshalb nichts weil thatsftchlich die Sexualzellen aller Pflanzen
und die der meisten Thlere nicht schon von vomherdn sich
von den somatischen Zellen absondern, die zweite aber dess-
halb, weil ihr die Thatsachen widersprechen, weil die Sexual-
zelleii der Wirbelthiere eben nicht aus Blutzellen hervorgehen,
sondeni aus dem Keimepithel. Aber wenn das auch nicht
sicher wäre, müsste man doch aus rein theoretischen Gründen
behaupten, dass eine Uniwandlunir beliebiger Blutzellen zu
Keimzellen niclit möglich sei, und zwar desshalb, weil es
ein grosser Irrthum ist, diese Blutzellen für
histologisch undifferenzirt und ihr bestimmendes
Plasma für dem Keini])lasma tjleicli zu erachten.
Es gibt im Organismus überhaupt keine undirtei enzirtcn Zellen
in dipspiri Rinne, sie haben alle einen bestiumiten Grad von
Diüerenziruiig, mag dieselbe nun eine eng begrenzte, einseitige,
oder eine mehr vielseitige sein, vor Allem liegen sie alle ohne
Ausnahme weit von der £izeUe ab, die ihnen den Ursprung
>) Aich. n^. Anal. Bd. XVni u. XXHL
*) Talaoritis. „Die Genesis des ThleiyEies'. LeijNsig 1882.
Digitizca by Gu..- .
— 46 -
gab, sind alle durch zahlreiche Zeilgenerationen von ihr ge-
trennt. Das hoisst aber nichts Anderes, als dass ihr Idio-
plasma weit abweicht in seiner Beschaftenheit von dem der
Eizelle, vom Keimplasma. Schon die Kerne der zwei ersten
Furchungskugeln können nicht dasselbe Idiuplasma enUialten,
welches der Furchungskem enthielt, geschweige denn irgend
eine der später entstehenden Kinbryonalzellen. Nothwendiger-
weise inuss sich die Beschaffenheit des Idioplasmas im Laufe
der embryonalen Entwicklung immer weiter von der des Für-
chungskerns entfernen, nur die des Furchungskerns
18t aber Keimplasma, d. h. enthält die Strnctnr,
aus deren Wachsthum wieder ein ganzer Orga-
nismus hervorgehen kann. Es scheint freilich, als ob
Manche es f&r selbstverstündlich halten, dass jede ^embryonale*
Zelle den ganzen Oiganismus unter günstigen Verhältnissen
wieder hervorbringen könne; genauere Ueberlegung eigibt
aber, dass dazu nicht einmal di^enigen Embiyonalzellen im
Stande sein können, die dem Ei nodi am nädisten stehen:
die beiden ersten Furehungszellen Man braucht nur
daran zu denken, dass in manchen Fällen aus der einen der-
selben das Ektoderm des Thieres, aus der andern das Ento-
derm hervorgeht, um eine solche Annahme fallen zu lassen
und zuzugeben , dass das Idioplasnia schon der beiden ersten
Embryonalzellen v e r s c h i e d e u sein ni u s s und nicht mehr
die Fähigkeit besitzen kann, aus sich allein den gaii/tu
Orpfanismus zu erzeugen. Wenn aber die dem Ei noch am
michsten stehenden Zellen dies nicht vermögen, wie sollte es
eine der späteren Embryoualzellen vermögen, oder gar irgend
welche Zellen des ausgebildeten Thierleibes? Man spricht ja
allerdings oit genug von Zellen „von embryonalem Charakter",
') Wir wissen heute, dass die erbten Futchungäzellen der Ascidien
und Seeigel dennoeh dam im Stande sind. Die Vemidie von Ghabry
und Driesch beweisen es; sie videiiegen aber nicht die obigen Schluss-
folgerungen, weil es sich dabei um besondere Ausrüstungen dieser ZeUen
handelt W. 1892.
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 47 —
und erst kOrzlich hat von Kölliker*) eine ganze liste
solcher Zellen gegeben, wonmter sich Osteoblastent Knorpel-»
Zellen, lymphoide Zellen , Bindesubstanzzellen befinden; aber
gesetzt, diese Zellen verdienten wirklich diese Bezeichnung,
vas nfttzte dies zur Erfclinmg der Keimzellenbildung, da doch
ihr Idioplasma weit verschieden sein muss von dem einer
KeiinzelJe?
Es ist eine Täuschiiiii,% weun man glaubt, irLjeiKl Etwas
von der Bildunp: der Keiinzelleo begriflfen zu liabeu, wenn
man auf die Zellen von „embryonalem Charakter" hinweist,
die im Kori)er des reifen Organismus enthalten sein sollen.
Ich weiss wohl, dass es Zellen von sehr scharf aus.uei)ra;iter
histologischer Differenzirung gibt und solclie von sehr sehwach
ausgeprägter; die Schwierigkeit aber, Keimzellen aus ihnen
entst^en zu lassen, ist bei den letzteren um gar Nichts ge-
ringer als bei den ersteren; sie enthalten beide Idioplasma
von anderer Beschaffenheit als die Keimzelle, und ehe nicht
erwiesen wird, dass „somatisches" Idioplasma id^erbaupt rück-
verwandelt werden kann in Keim- Idioplasma, haben wir kein
Becht, aus einer von ihnen Keimzellen entstehen zu lassen.
Dasselbe gilt auch für die eigentlichen „embryonalen"
Zellen, d. h. ^e Zellen des Embryo, und aus diesem Grunde
erscheinen mir jetzt jene Fälle von frCdizeitiger Tremnmg der
Sexualzellen von den somatischen Z^en» wie ich sie wieder-
holt als Hinweise auf die Continuitftt des Keimplasmas geltend
machte, an und für sich nicht m^r von so entscheidender
Bedeutung, wie zu der Zeit, als wir über die Localisation des
Idioplasmas in den Kernen noch nicht im Klaren wai*en. In
den meisten dieser Falle sondern sich nämlich die Keimzellen
nicht üiihüii im Bc^mu der Embryogenese von den übrigen
Zellen, sondern erst in ihrem ferneren Verlauf. Nur die Pol-
zellen der Dipteren machen davon eine Ausnahme. Wie
^) Kdlltker, „Die Bedeatuiig der ZeUkerae" etc. Zeüscbr. t wiss.
Zool. Bd. tö.
- 48 -
Robin M und ich selbst^) vor langer Zeit schon michwieson,
sind sie die mston Zellen, wt^khe sich überhaupt im Ei bilden,
und nach späteren BeobacUtiuigeu von Mecznikow'*) und
Balbiani*) werden sie zu den Sexualdrüsen des Embryos.
Hier liegt also wirkliche direkte Continuität des Keiiiiplasmas
vor; aus dem Kern der Eizelle jrehen direkt die Kerne der
Polzellen hervor, und Nichts steht der Annahme im Wege,
dass die letzteren das Idioplasma des Furdmn<?skcrns UE-
verändert übernehmen und mit ihm die Vererbungstendenzen,
deren Träger es ist. In allen andern Fällen aber gehen die
Keimzellen durch TheiUmg späterer Embr}'onalzellen hervor,
und da diese selbst einer sp&teren ontogenetischen Stufe des
Idioplasmas angehören, so kann hier eine Continuität des
Keimplasmas nur dann gefolgert werden, wenn man mit mir
annimmt, dass ein kleiner Theil des Eeimplasmas bei der
Theilnng des Fnrehungskems unTerftndert und dem Idioplasma
gewisser Zellfolgen beigemischt bleibt, und dass die Bildung
wirklicher Keimzellen dadurch zu Stande kommt, dass im
Verlauf dieser ZeUfolgen und Zelltheilungen zu irgend einer
Zeit Zellen gebildet werden, in denen das Keimplasma zur
Herrschaft gelangt Sobald man aber diese Annahme machen
muss, ist es theoretisch ganz gleichgültig, ob das reservirte
Keimplaama in der dritten, zehnten, hundertsten od^ million-
sten Zellgeneration zur Hensdiaft gehmgt. Desshalb sind jene
FSlle früher Abtrennung der Keimzellen durchaus kein Beweis
dalOr, daas hier ein direkter Zusammenhang der elterlichen
und der kindlichen Keimzelle vorlieut, denn eine Zelle, deren
Nachkoinnit'ii /um Theil somatische Zellen werdoü, zum Theil
Keim/ellen, kann selbst die Aatur einer Keimzelle noch niclit
besitzen. Wohl aber kann sie Keim Idioplasma mit sich führen
und dadurch die Vererbunfjrssubstanz vom elterlichen auf den
kindlichen Keim übertragen.
*) Gompt rend. Tom. 54, p. 150.
2) Entwickl. d. Dipteren. Leipzig 1864.
^) Zcitschr. f. wisö. Zool. Bd. XVI, p. 389 (186$).
*J Compt. read. X3. Nov. 1882.
Digitizca by Liu..- . «v.
- 49
Will luuii aber diese Annahme nicht luaelien, dann bleibt
Nichts iUnig, als dem Idioplasma der verschiednen ontojzeue-
tischeu Stufen die FiUii'jkeit zuzuschreiben, sich wieder in die
erste Stufe, d.h. in Keiinplasma, ziirückzuverwandeln. Stras-
burger liLsst denn auch die Zellkerne (ä. h. deren Idio-
plasma) sich im Laufe der Ontogenese verändern und am
Schluss der Ontogenese nieder „zum Keimstadium zurück-
kehren'*. Schon die blosse Wahrscheinlichkeitsrechnung spricht
aber gegen eine solche Möglichkeit Nehmen wir z. B. einmal
au, das Idioplasma der Keimzelle, das Keimplasma, werde
durch 10 verschiedne Bestimnmngsstücke definirt, von denen
jedes wieder zwei Möglichkeiten darbiete, so wäre die Wahr-
scheinlichkeit, dass eine bestimmte Combination eintritt,
gleich Vi^^ = Vios«; das heiast, die Bückverwandlung eines
somatischen Idioplasmas in Keimplasma wird unter 1024 Ver-
suchen dn Mal gelingen, sie wird folglich nie zur Regel
werden können. Nun leuchtet es aber ein, dass man f&r
die complidrte Stroctur des Keimplasmas, welche die ganze
Individualitat des Erzeugers bis zur »Porträtähnlichkeit**
potentia in sich enthält, nicht mit 10 Bestimmungsstftcken
ausreicht, sondern dmn eine überaus grosse Anzahl setzen
muss, und weiter, dass auch die Möglichkeiten der dnzdnen
Bestimmungsstttcke viel grösser als zwei angenommen werden
1"
müssen nach der Formel — , wobei p die Möglichkeiten, n die
Bestimmungsstücke sind. Wir bekommen dann also bei sehr
massiger Steigerung von jj mui ii schon so geringe Wahr-
scheinlichkeiten, dass sie gradezu die Annahme einer Rück-
verwandlung bouiatischen Idioplasmas in Keimplasma aus-
scbliessen.
Man wird mir einwerfen, dass in den Fällen frühzeitiger
Trennung dei- Keimzellen von den somatischen Zellen diese
RückverwaiKlluMLr viel wahrscheinlicher sei. Das wäre sie in
der That , iiiid es liesse sich Niciits i^cm ii die Möglielikeit
sagen, dass ditö Idiopla^sma der (Ititttii Zellgeneration etwa
den Schritt zum Keimplasma zurUcktliäte, obgleich natürlich
Digitized by G<.jv.' vic
I
— so-
mit der Möglich l<( it noch keineswegs die Wirklichkeit solchen
Oeschehens bewiesen wäre. Allein wo sind die zahlreichen
Fälle, in denen die Sexualzellen so früh schon sich sondern?
wie soltpn trpnnp]i sich die Sexualzellen auch nur schon im
Veriaut der eigentlichen Furchung des Eies? Bei Daphniden
(Moina) geschieht dies im ftinften Furchungsstadium^), immer-
hin noch ungewöhnlich früh, aber doch ei-st, nachdem bereits
fünf Mal das Idioplasma seine Molekülarstructur geändert hat;
bei Sagitta^) erfolgt die Abtrennung erst zur Zeit der Ein-
stülpung des Urdarms, d. h. nachdem bereits mehrere Hunderl
Embryonalzelleu gebildet sind, nachdem also das Keimplasma
seine Molekttlarstructur zehn oder mehr Mal geändert hat
In den meisten FftUen aber erfolgt die Trennung viel sp&ter,
V nnd hei Hydroiden erst nach Hunderten oder Tausenden von
Zellgenerationen, ebenso irie bei den höheren Ffianzen, wo ja
die Erzeugung von Keimzellen ans Ende der Ontogenese fiült
Die Wahrseheinlichkeit einer Rttckverwandlung irgend einer
Art von somatischem Idioplasma zum Eeimplasma wird hier
unendlich Mein.
Diese Erwägungen beziehen ncfa allerdings nur auf plötz-
liche, sprungweise Umwandlung des Idioplasmas. Liesse sich
nachweisen, dass hier wirklidi eine cyhltsche Entwicklung vor-
läge und nicht Mos der Sehein einer solchen, so wfire
Kichts gegen die Elkchverwandlung einzuwenden. ^ ist nun
zwar in neuester Zeit von Mi not*) behauptet worden, alle
Entwicklung? sei cyklisch, dem ist aber offenbar nicht so, wie
denn schon Xäa-eli hervorgehol)en hat, dass es auch grad-
linige Entwickluagbhahüen gibt, oder überhaupt solche, die
nicht in sich zurücklaufen. Die phyletische Entwicklung der
gesammten Orisranisnieuwelt gibt ein klares Beisjiiel fl^r eine
Entwicklung der letzteren Art. Denn wenn dieselbe auch
noch lange nicht abgelaufen ist, so kann man doch voraussehen,
*) Grobben, Arbeiten d. Wiener zooL Instituts, Bd. II, p. 203.
Bütschli, Zeitschrift f. wiss. Zoologie, Bd. XXm, p. 409.
*) „Sdence" YoU IV, Kr. 90, 1884.
Digitizcü by LjO^i .l^^
— 61 —
dass sie niemals in der Weise \inikehren wird , das« sie
durch dieselben Phasen h i n d u r e ii rückwärts wieder
zu ihrem Anfanfjspunkt gelangte. Niemand wii-d für möglich
halten, dass die heutigen Phaneioganien im Laufe der Erd-
geschichte wieder alle Stadien ihrer phyletischen Entwicklung
in rilcklaufeDderBeihenfolge durchmachen und auf diese Weise
wieder zur Form von dnzelligen Algen und Moneren zurück-
kehren werden; oder dasB die beutigen placentalen Sänger
wieder zu Beutelsäugem, Monotremen, säugerartigen Keptilien
u. 8* w., bis ficbliesslich zu Bonnern und Moneren berabeinken
werden. Warum sollte aber, was in der Phylogenese unmög-
lich scheint, in der Ontogenese stattfinden können, und ab-
geseben davon, ob es möglich scheint oder nicht: wo sind
die Beweise dafür, dass es stattfindet? Wenn sieb zeigen
liesse, dass vom Nudeoplasma jener somatischen Zellen, die
sich z. B. bei den Hydroiden zu Keimzellen umwandeln,
zahlreiche Entwicklungsstufen zurückführten zum Nudeoplasma
der Keimzellen, so wftre das ein Beweis. Nun können wir
ja allerdings die Differenzen in der Structur des Idioplasmas
höchstens aus seinen Wirkungen auf den Zellkörper, nicht
aber direkt erkennen, aber audi der Zellkörper zeigt uns
nichts Derartiges. Hat die Vorwärtsentwicklung so zahh-eiche
Stufen nöthig gehabt durch den Furchungsprocess, den ganzen
Aufbau des Embryos hindureli u. s. w., so berechtigt Kiolits
zu der Annahme, dass die liückwärtsentwicklung mit oineui
Spnmge geschehen könnte; es müssten also doch mindestens
von jenen (iewebezellen von ^embryonalom Charakter", die
sich zu Urkeimzelien auslnlden, die Hauptphasen ihrer Onto-
genie wieder rilckwärts durchgemacht werden. Eine plötz-
1 1 • ht' Umwandlung des Nucleoplasmas einer somatischen Zelle
zum Keruplasma der Keimzelle würde kaum ein grösseres
Wunder sein, als die eines Saugers zu einer Amöbe. Von
solchen Rtlckentwicklungsstuf<^n ist nun aber Nichts zu er-
kennen, vielmehr — wenn wir von dem Aussehen der ganzen
Zelle auf die Stractur ihres Kern - Idioplasmas schliessen
dürfen — geht die Entwicklung einer Urkeimzelle vom Moment
Weiamaun, Die Coutiauitttt de« Xelmplaamas. 4
Digiiizca by Google
— 52 —
ihrer erkennbaren nifferenzirunff an stetig vorwärts bis zur
ausgPijrägten männlichen oder weiblichen Geschlechtszelle Inn.
Ich weiss wohl, das8 von !Strasbur^?er gesa^it wui ii,
bei der letzten Ueituug der Geschlechtszellen „kehre die Sub-
stanz der Zellkerne wieder zu dem Zustand zurt^ck, den sie
zu Bejjiun der ontogenetischen Entwicklung besass", aber das
ist kein Beweis, sondern nur eine im Dienste der Theorie
gemachte Annahme. Ich weiss auch wohl, dasB Nassbaum
und Andre bei der Bildung der Spermatozoen höherer Thiere
auf einem gewissen Entwicklungestadium eine rückläufige Ent-
wicklung einsetzen lassen; aber selbst wenn diese Deutung
richtig wäre, würde diese Rückwärtsentwicklung doch nur bis
zur Urkeimzelle führen, würde also unerklärt lassen, wie da^
Idioplasma dieser Zelle sidi nun weiter zu Keimplasma um-
wandelt; das wäre aber gerade die Hauptsache, wenn man
eben nicht mit mir die Annahme machen wiU» dass in ihr
nodi unverändertes Keimplasma enthalten ist. — Alle Ver-
suche, eine solche Bückverwandluug somatischen Kemplasmas
m Keimplasma wahrscheinlich zu machen, scheitern schliess-
lich an den Verhältnissen hd den Hydroiden, bei welchen
von zahllosen sogenannten „embryonalen** Zellen des Körpers
nur ganz bestimmte die Fähigkeit haben, zu Uikeimzellen zu
werden, die übrigen nicht.
Ich muss desshalb die Vorstellung, dass somatisches Kem-
plasma sich wieder rückwärts in Keimplasma umwandeln
könnte, jene Vorstellung, die man etwa als „Kreislauf des
Keimplasmas'' bezeichnen könnte, für irrig halten.
Dieselbe ist übrigens auch phylogenetisch begründet
worden, und zwar von Nage Ii. Die phyletische Entwicklung
der Organismen beniht nach seiner AuHassuug auf einer
stetitjen, äusserst laimsam erfok'-enilen und nur periu*iisch
si*'iitl)<ir werdenden Veränderung des Liidplasmas in der Rich-
tung grosserer Complicirtheit. Der T rirtsi liritt von einer Rtnfe
zur andern wird nun im Allu^enieinen dadurcli bedingt, dass
„die allerletzte Anlage der Outogenie, welche die Ablösung
der Keime bedingt, auf der höheren Stufe um eine oder
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 53 —
mehrore Zellgenerationpn später eintritt". „Die allerletzte
Anlage, welche die AhlosiiiiGr der Keime bedingt, bleibt liifnbei
• lie iiämliche, und es wird nur unmittelbar vor derselben die
Reihe der Kntfultuugeu verlängert". Ich glaube, dass hier
Xägeli durch die ihm nat<^rlieh am stärksten sich auf-
drünjrenden Veriialtnisse bei den Pflanzen allzu ausschliesslich
heeintiusst worden ist. Bei dies«Mi. besonders bei den höheren
Pflanzen, werden freilich die Keimzellen gewissemaaassen am
Ende der Ontogenese erst angelegt; bei den Thieren aber ist
es in sehr zahlreichen, ja in den meisten Fällen nicht so; die
Keimzellen werden vielmehr, wie mehrfach erwähnt, schon in
der üimbryogenese, zuweilen schon ^anz im Anfang der Ent-
wicklung von den Körperzellen getrennt, und es lässt sich
deutlich erkennen, dass dies die nrsprOngliche, phyletisch
älteste Art der Keimzellenbildung gewesen sein inufls. Soweit
wir wenigstens bis heute die Thatsachen Qbeiblieken, findet
die Anlage der Keimzellen nur dann erst nach der Embryo«
genese statt, wenn Stockbildung mit oder ohne Generations-
wechsel, oder aber Generationswechsel ohne Sto^bildung
stattfindet; aber auch in dem letzteren Fall nidit immer. Im
Polypenstock bilden sich die Keimzellen erst in den späteren
Generationen von Polypen, nicht schon in dem eisten, aus
dem Ei entwickelten Begründer der Golonie, ebenso in
SiphottophorenstAcken , auch in manchen Fällen lang aus-
gezogener Metamorphose (Echinodermen) scheinen die Keim-
zellen erst spät zu entstehen, aber in vielen andern Fällen
von Metamorphose (Insekten) entstehen sie schon während der
Embryogenese. Nun ist es aber klar, dass die phyletische
Entstehunir von Stiu'ken oder Cormen derjenigen einzelner
Personen nach^^efolgt sein muss, dass diese letzteren uns also
den ursprOn*zlichereu Modus der Keinizellenbildunf? darstellen.
Die Keimzellen sind somit ursprün^^lich nicht
am Ende der Ontogenese entstanden, sondern
am Anfaiif?, gleich/eitifj mit den Zellen, welche ich als die
somatischen, die Körperzell* n, ihnen *j;e^nMiü])er stelle.
Dass dem so ist, lehren grade auch manche niedere
4*
Digitizcd by Google
54 —
Pflanzenfornien, oder doch chlorophyllhaltif^e Urgaiiisineu, und
diese illustriren, wie mir scheint, vortrefflich die Vorstellung
von der phyletischen Entstehung der Keimzellen, wie ich sie
in meinen früheren Darstellungen zu geben versucht habe.
Die phyletische Entstehung der ersten Keiiiizelleii fiUlt
offenbar zusammen mit der der ersten durch Arbeitstheilung
differenzirten vielzelligen Organismen Wenn man desshalb
das genetische YerhSltniss der Keimzellen zu den Körper-
zeUen etgrOnden will, wird man sich nicht darauf beschränken
dürfen, die bereits ausgebildeten und hoch diüerenzirten viel-
zelligen Bionten allein ins Auge zu fassen, sondern man wird
die phyletischen Uebergangsformen zu Rathe ziehen müssen.
Wir kennen ja neben den einzellebenden Einzelligen auch
Colon ien von Einzelligen, bei welchen jede der sie zu-
sammensetzenden Zellen der andern gleich ist, morphologisch
und physiologisch; jede ernährt sich, bewegt sich und jede
vermag unter bestimmten Bedingungen sich fortzupflanzen,
d. h. eine Theilung einzugehen, welche zur Bildung einer
neuen Colonie führt Eine solche Homoplastide (Gdtte) ist
z. B. die Volvodnen-Gattung Pandorina (Holzschnitt 1), eine
kugliche Colonie ganz gleicher Geisselzellen mit Augenpunkt,
Ghoro]>hyllinhalt und pulsirender Vacuole, in eine gemeinsame
lavl)lüi>e Gallerte eingebettet. Diese Colonieii ptianzeii sich
abwechselnd auf ungeschlechtlichem und auf geschlechtlichem
Wege fitrt, wenn auch in letzterem Falle die sich copulirendeu
Schwärmzcllen noch nicht als niilnnliche und weihliche sicher
unterechieden werden können. In l»eideu Ffillen aber verhält
sicli also jede Zelle der Colonie hier noch wie ein einzelliges
Biou, eine jede ist noch Foitpflanzun<2^zelle.
Es ist nun sehr interessant, dass bei einer der^tllin
Familie angebörigen Gattung der Schritt von der Homoplastideu-
'j Was mau bei den Einzelligen als Keime bezeichnet, sind eu«
cysUrte Inffividnen, die suweileii 2war durch geringere Grflsse, audi durch
dn&chere Bildung (Gr^iariniden), sich Tom erwachsenen Bion unter-
schaden, die ab^ die gleiche morphologische Individualitätsstufe dar-
stellen, wie diese.
Digitlzca by Liu..- . «v.
- 65 —
zur Ueteroplastiden - Stufe vollzogen, und die Scheidung in
Körper- und Fortpflanzungszellen durchgeführt ist. Bei
Volvox (Uolzschnitt 2) besteht die kugliche Colonie aus
Digitized by Google
— 56 —
zweierlei Zellenarteii, aus den kleinen, zu Huiuiei-ten voriiandiien
Geisselzellen und aus den viel weniger zahlreichen, grosfien
geisBeUosen Keünzellen. Die letzteren aUein kdimen die
Bildung einer neaen VolYOsckugel hervonmfen, und zvar ge-
sehieht dies auch hier abwechselnd auf ungeschlechflichem
Weg, oder nach regelrechter Befruditung grosser SSzellen
durch kleine, bewegliche Spermatozoon. Dieser letztere Punkt,
die geschlechtliche Differenzirung der Keimzellen, ist für die
hier ins Auge gefasste Frage gleichgttltig; es' kommt vor Allem
darauf an, ob hier, an der Wurzel der Heteroplastiden» die
Keimzellen, mögen sie nun geschlechtlich differenzirt sein oder
nicht, am Ende der Ontogenese und aus den soma-
tischen Zellen entstehen^ oder ob sich das Material der
in die Embryogenese Antretenden mtttteriichen Keimzelle von
Anfang an scheidet in somatische und in Keimzellen. Das
Erstere würde Nägel i's Ansicht entsprechen, das Letztere
der meinigen. Xuu wird aber von Kirchuer^) bestinnnt
angegeben, dim bei der Furchung des befruchteten Volvoxeies
sich die Keimzellen schon während der Embryoualeutwicklimg,
d. h. vor dem Ausschlüpfen der jungen Heteroplastide aus
der EihüUe. differenziren ; ynr werden uns also die phyletische
Entstehung der ersten Heteroplastiden nicht anders vorstellen
können, als ich sie Iruher — ohne dass mir damals schon
dieses fra])|)ante Beispiel gegenwärtig gewes<'n wäre — theore-
tisch dargelegt halit : das Keimplasma (Nucleoplasma) , einer
dti Pandorina ähnlichen Ilomoplastide, nniss sich im Laufe
der Phylogenese in der Weise in seiner Molekül arstructur
geändert haben, dass die Zellencolonie, welche durch Theilung
ontogenetisch aus ihr hervorging, nicht mehr, wie bisher, aus
identischen, sondern aus zwei verschiednen Zellen-
arten bestand, von denen nur die eine, die Keimzellen, noch
der müttoHichen Keimzelle gleich waren, die andern aber die
Fähigkeit, das Ganze hervorzubringen, auijB;egeben hatten und
^) Vergleiche: Butschli in Bronn'a „Klassen und Ordnnngen",
Bd. I, p. 777.
Digitlzca by Liu..- . «v.
nur hdchstens noch ihres Gleichen durch Theilung hervor-
bracbten. Hier bei Volvox scheint mir der beetimmte Beweis
TorznliQgeiiy da» bei der ])hy1eti8chen Entstehung der Hetero-
phistiden die somatischen Zellen nicht, wie Nägeli raeint,
in der Ontogenese zwischen Mutterkeimzelle und Tochter-
keimzeilen eingesehoben worden sind, sondern dass sie direkt
ans der Mutterkeimzelle hervoigingen, Stocke von ihr waren,
ganz 80, wie dies bei Pandorina heute noch der FaU ist
Damit ist al>er die Continuitat des Eeimplasmas
fthr den Anfang der phyletischen Entwicklungs-
reihe wenigstens festgestellt
Bass sich spflter dann die Zmt der Trennung beider
Zellenarten von einander verschoben haben muss, beweist die
schon oft erwfthnte Thatsache, dass bei den meisten höheren
Oiganismen diese Trennung später stattfindet , häufig sogar
s^r spät, am Eiide der ganzen Ontogenese. In dieser Be-
ziehung sind die sicher bekannten Falle froherer Abtrennung
von gi'ossem Werth, weil sie die extremen Fälle mit einander
verbiudeii. Es kann keine Rede davon sein, dass die Keim-
zellen der llydroiden, oder der höheren I rianzen als mditferente
und dcsshalb noch nicht unterscheidbare Zellen schon von der
Embryogenese an vorluuiden seien und sich s])äter nur differen-
zirten. Dem widerspricht schon die einfachste mathematische
Erwägung in Verbindung iiiit der lieobachtunu , dass keine
der verhältnissniässig wenigen Zellen des KiiiIh n n von der un-
geheuren Vennehrung dnrcli Theilung ausgeschlossen bleiben
kann, damit die grosx Zahl durch Knospung entstehender
Tochterindividuen m Stamle komme, welche einen Polypen-
stock ausmach<ui. Die Gescldechtsknospe einer Coryne ent-
steht an einer Stelle des Polyjienköpfchens, die sich durch
Nichts von den danebenliegenden auszeichnet: eine einfache
Lage von Ektodermzellen, eine ebensolche von Entodermzellen
bildet die Leibeswand des Thieres an dieser Stelle. Dann
aber tritt ein kleiner Kreis dieser Zellen in lebhafte Ver-
mehrung ein, es entsteht eine Zellwucherung, und unter den
80 entstandenen Jungen Zellen bilden dainn einige sich zu
- 58 —
Keimzellen um. Sie waren als besondere Zellen
vorher nicht da.
Es ist desshall) auch verbaliter und streng genommen
nicht lichtig, wenn ich bisher den Satz aufstellte, die Keim-
zellen seien unsterblich; sie enthalten nur den un-
sterblichen Theil des Organismus, das Keim-
plasma, nur dieses, das Idioplasma der Keimzellen, ist
unsterblich, und wenn es auch, soweit wir wissen, jederzeit
von einem Zellkörper umgeben ist, so l)eheri'scht es doch nicht
jederzeit diesen Zellkörper und drückt ihm den Stempel der
Keimzelle auf. Das verändert indessen nichts Wesentliches in
der Auffassung dieser Verhältnisse, und man darf auch heute
noch die Keiuizellen als den unsterblichen Theil des Metazoen-
körpers den veigänglichen somatischen Zellen gegenüberstellen.
Wenn Wesen und Charakter einer Zelle nicht im Zell-
körper, sondern in der Substanz des 2^1kerns ihren be-
stimmenden Grund haben, dann ist die Unveiigänglichkeit der
Keimzellen gewahrt, wenn auch nur dieses continuirlich von
einer Generation auf die andere geht
G. J&ger^) hat zuerst den Gedanken ausgesprochen,
dass der Körper der höheren Oiganismen aus zweierlei Zellen
bestehe, aus »ontogenetisehen'^ und «i^ylogenetischen*, und
dass die letzteren, die Fortpflaozungszelleni nicht ein Fjrodukt
der ersteren, der Körperzellen sind, sondern dass sie direkt
von der elterlichen Keimzelle abstammen. Er nahm als
1) Gustav Jiger« „Ldurbuch der allgemeiiieii Zoologie", Leipsig
1878, II. AbtheiluDg. — Es ist wohl die Schuld der sttgellosen und ober*
flftchlichen Speculationslust des Verfassers, dass die guten Gedankenkeme
seines Buchs unbe.-irhtot und ohne Nachwirkung geblieben sind. Mir
wenigstens ist sein oben angeführter Gedanke erst jetzt bekannt geworden,
und auch M. Nussbaum scheint völlig unabhängig von Jager aul' die«
selbe Anschauung gekommea za sein. läm Durchatbeitting derselben ist
abrigens von Letzterem atidi UMdkt Y<ar8iidit worden; vielmdir folgen
dann sofort recht werthlote B^nMsbtmgeD, wfe z. B. die» dass die »mito-
genetische'' und die „phylogenetische Gruppe in conccntrischem Ver-
hältniss zu einander stehen"! Warum nicht lieber in dreieckigem oder
viereckigem Verhältoiss?
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 59 —
erwiesen an, dass die „Bildunt? der Zeugungsstoffe bei einem
Thiere schon in die ersten Stadien seines Embryonallebens
Mlf", und glaubte damit den Zusammenhang des elterlichen
und kindlichen Keimprotoplasmas festgestellt zu haben. Wie
in der Einleitung schon erwähnt wurde, nahm dann spftter
M. Nussbaum diesen Gedanken wieder auf, und zwar auf
derselben Grundlage einer Continuität der Keim z e 1 1 e n. Auch
er nahm an, es theile sich „das gefurchte Ei in das Zellen*
material des Individuums und in die Zellen für die Erhaltung
der Art'', und stützte diese Ansicht auf die wenigen bekannten
Falle früher, schon in die erste Zeit der Embryonalbildung
fallender Abspaltung der Geschlechtszellen. Er hielt auch
spftter noch an dieser Ansicht fest, sls durch meine Unter-
suchungen an Hydromedusen nachgewiesen war, dass die
Gesehleditszdlen sich keineswegs immer schon in der Em-
bryonalperiode von den somatischen Zellen trennen, sondein
oft sehr viel später. Dennoch zeigen nicht nur die Hydroiden
und die diesen sich ähnlidi verhaltenden phanerogamen
Pflanzen, dass eine direkte H^ditung der kindlichen von der
elterlicben Hirnzelle als Zellen den Thatsachen nicht ent-
spricht, sondern die von Jäger und Nussbaum angeföhrten
Fälle früher Abspaltung der Keimzellen beweisen dasselbe.
In den allerseltensten Fällen gehen heute noch die Keimzellen
direkt aus der elterlichen Eizelle hervor (Dipteren); wenn sie
aber auch am wenige Zellgenerationen sj)äter sich abspalten,
80 ist der postulirte Zusanuaenhang \ ou elterlicher und kind-
licher Keimzelle unterbrochen, deiiii eine Embryonalzelle,
deren Xachkummen nur zum Theil Keimzellen werden, zum
andern Theil aber somatische Zellen , kami unmöglich die
Natur einer Keimzelle besitzen, ihr Idioplasnia kann dem der
elterlichen Keimzeile nicht gleich sein; ich brauche nur auf
das zu verweisen, was oben über die ontogenetischen Stufen
des Idioplasmas gesagt wurde. Ein Zusammenhang zwischen
der Keimsubstanz des „Elters" (Nägeli) und des Kindes ist
auch hier nur dann herzustellen, wenn man eine Beimischung
unveränderten Keimplasmas zu dem somatischen Kemphisma
Digitizca by Gu..- . iv.
- 60 —
gewisser ZeH«'iifoli/en zugibt. Der Grundgedanke vou Jäijpr
und Nussbauju ist — wie ich glaube — vollkommen richtig,
es ist dorsolbe Gedanke, der auch mich zur Vorstellung einer
„Continuititt des KoiTTiplasmas" geführt hat, dass uämlich die
Vererbung nur auf Grundlage einer solchen Annahme begreif-
lich wird, aber die Art, wie sie ihn realisirt dachten, ^tspridit
nicht den Tbatsachen. Dies zeigt sich auch darin, wenn
Nttssbaum meint, „dass aus dem Zellmaterial des Indivi-
duums keine einzige Samen- oder Eizelle hervoii^ehen" könne.
Dies geschieht vielmehr nicht nur bei Hydroiden und Phanero-
gamen unzweifelhaft, sondern auch In zahlreichen andern
Fällen, freilieh aber nicht ans iigend einer ,»iDdiffBreBteo'
Zelle von „embiyonalem Gbarakter**, sondern aus ganz be-
stimmten Zellen und unter Umständen, Welche uns gestatten,
mit all^ Sicberheit zu seblieasen, dass sie dazu im Voraus
bestimmt sind, d. h. dass sie Keimplasma beigemengt eriialten,
welches sie allein befähigt, zu K^mzellen zu werden.
Wenn ich aus meinen Hydroiden-Untersuchungen den
Sehluss zog, dass »Keiroplasma in fdnster und desshalb fbr
uns nicht wahrnehmbarer Vertheilung*^ schon vom Ei her
gewissen somatischen Zdlen beigegeboi s^, um dann durch
unälhlidie Zellfolgen hindurch bis in jene entlegwten Indi-
viduen des Stockes hingeführt zu werden, in welchen sich
die Geschlechtsprodukte bilden, so beruht derselbe zunächst
auf der Thatsache, dass Keimzellen nur an ganz bestinunten
Pimkten auftreten, den „Keinistätten"', und dass vorher weder
Keimzellen selbst, noch auch diejenigen Zellen vorhanden
sind, welche sich später in Keimzellen umwandeln, die Ur-
keimzellen. Auch die letzteren werden erst an <ler Keim-
stätte gebildet, und zwar gehen sie aus der Vermehrung
somatischer Zellen des Ektodernis hervor. Die Keinistätte
ist für jede Hydroidenart eine festbestimmte, aber für ver-
scbiedne Arten selir oft eine verschiedne. £s lässt sich nun
1) Weismann, „Die fintstämng der Sexaabellen bei den Hydro-
medum*'. Jena 1883.
Digitlzca by Liu..- . «v.
61 -
zeigen, dass diese verschdieiie Lage der Keimstätte verscbiednen
phyletischen Stadien eines VerschiebungsprocesseB entspricht,
der dahin zielt , die Keimstätte Ton ihrem ursprün^chen
Ort, dem Manubrium der Meduse, centripetalwärts zu ver-
legen — ans welchen Gründen, kann hier unheaditet bleiben.
Es zeigt dch nun, dass diese phyletiaefa«! Verlegungen der
Keimstatte heute noch daduidi zu Stande konnnen, dass die
UrkeimzeUen vom Ott ihrer i^tstehung activ nach jenem
Orte hinwandem, an welchem nun die Kämzellen sich düfe-
lenziren sollen, und dass heute noch in jeder Ontogenese
diese Wanderungen immer wieder von Neuem stattfinden.
Wozu wandern nun jene Urkeimzellen, wenn auch andre der
bei Hydroiden so zahlreich yorhandnen jungen Zellen von
gindÜferentem^ Charakter im Stande wären, sich zu Keim-
zellen zu diflerenziren? Auch bei ganz kleinen Verschiebungen
der Keimstätte f wenn es sich nur darum handelt, dieselbe
von der Aussenseite der Stützlamelle auf die Innenseite zu
verlegen, geschieht dies stets durch active Wanderung der
Urkeiiiizellen durch die Stüt/Umii'Ue hindurch. Im T-:uife der
Phylogenese hat so die Keimstätte bedeutende Vei-schiebungen
erlitten, aber niemals sprungweise, sondern immer in kleinsten
Etappen, und diese werden alle heute noch in jeder Ontogenese
wiederholt durch die Wanderung der TJrkeimzellen von der
alten ursiniinglichen Keimstätte nach der heutigen hin. Zu
den zahlreu'lien genaueren Darlegununi dieser phyletischen
Keimstätte- Verschiebungen und (UitoLriietischen AVjiiderungen
der TJrkeimzellen, welche ich in meinen Hydroidenwerk ge-
geben habe, hat Ilartlaub^J neuerdings noch ein weiteres
Beispiel hinzugefügt, das insofern von besonderem Tuteresse
ist, als hier (bei Obelia) die Richtung der Verschiel »ung die
umgekehrte ist, wie bei den von mir verfolgten Fällen, nicht
centnpetal, sondern centrifugal.
t)Dr. Clemens Hartlaub, „lieber die Entstehung der Sexual-
zellen bei Obelia*'. Freilmrg. Inanfforal-Bissert a. m »Zeitachr. f. wiss.
Zool. Bd. 41. 1884.
Digiii^ca by Google
— 62 —
AVas soll man nun aber anders daraus schliessen, wenn
Verschiebungen der KeinistiUte nur durch den oft sehr um-
BtÄndlichen Modus der Wanderun": der Urkeinizellen erfolgen,
als dass dies eben der einzig mögliche Weg zur Erreichung
dieser Veränderung war, dass andere Zellen die Rolle
der Urkeimzellen zu übernehmen nicht im Stand e
waren? Und wenn keine andern Zellen dazu im Stande
waren^ ihre Rolle zu übernehmen, worin kann die Ursache
liegen, als darin, dass eine ganz bestimmte Qualität von Kern-
plasma dazu gehört, um Keimzellen zn bilden, mit andern
Worten: Keimpiasma? Ich sehe nicht ein, wie man der
Annahme en1|;ehen will, dass aach hier eine Continuität des
Keimplasmas stattfinde, denn wollte mau selbst die Umwand-
lung somatischen Idioplasmas zn Keimplasmas fUr möglich
halten, so würde doch durch eine solche Annahme nicht
erklärt, weshalb denn die KeimstfttteYerschiebungen Mer in
so kleinen Schritten und unter steter ängstlidier Wahrung des
Zusammenhangs mit den Zellen der ursprünglichen Keimstätte
erfolgen mussten. Dies erklSrt sich nur durch die Annahme,
dass andere als jene Zellfolgen, weldie zur alten Keimstätte
ftdiren, der Umwandlung in Keimzellen überhaupt nicht
fähig sind.
Nun hat mir freilich Strasburgei den Einwurf ge-
macht, dass eine Versendung von Keimpiasma ;uil bestimniteu
Weisen, d, h. diuvh l)estininite Folgen -^diuatiseher Zellen
hindurch desshalb nicht möglich sei, weil das Idiupiasma seinen
Sitz im Kern und nicht in der Zelle habe uud weil ein Kern
sich durch die hier anzunehmende -^indii » kte" Theilung immer
nur in zwei völlig gleiche Hälften theiien könne. ^Es wäre
zwar deukbar — meint Strasburg er — dass durch Keni-
theilung be^nmiute Molekülgruppen unverändert in der sich
sonst verändernden Kernsubstaiiz erhalten und durch den
gauzen Organismus «jleiphinässig vcrf heilt würden, nicht aber
dass ihre Führung nur auf bestimmt i n Wegen erfolgen sollte."
Dass ich diesen Einwurf nicht für berechtigt halten kann,
geht aus dem hervor, was oben Uber die von Strasburger
Digitlzca by Liu..- . «v.
- 68 -
angenommene Gleichheit der beiden (iurch indirekte Theilung
entstehenden Tochterkerne gesagt wurde. Ich sehe keinen
Grund, warum die beiden Hälften des MuUerkerns stets von
gleicher BeschaiTenheit sein müssten, wenn sie auch wohl
immer von gleichem Volumen und gleicher Masse sein werden;
ich wundere mich aber, dass Strasburger mir die Möglich-
keit zugibt, dass das Keimplasma, welches dem Idioplasma
der somatischen Zellen nach meiner Ansicht beigemischt ist
bei seinem Durchgang durch den Körper unverändert
bleiben kann. Denn wenn Strasburger's Ansicht zutrifft,
nach welcher die Verftnderungen der Kemsubstanz während
der Ontogenese durch den ernährenden Einfluss des Zell-
kCrpers (Gytoplasmas) zu Stande kommt, dann mflsste doch
wohl jedesmal die gesammte Kemsubstanz einer Zelle ver-
ändert werden, und es konnte kein unveiänderter Best daneben
bestehen bleiben. Nur wenn die Umwandlungen der Kem-
substanz, wie sie beim Aufbau des Körpers stattfinden müssen,
aus rein Innern Ursachen erfolgen, d. h. aus der Constitution
des Kemplasmas heraus, ist es denkbar, dass ein Theil eines
bestimmten Kerns eine Veränderung eingeht, ein anderer aber
iiiivf litiitlert bleilit. Dass dies aber wirklich geschehen kann
imil geschiebt, das beweisen uns unter Anderem jene oben
ervvähuten Fälle ganz früher Abtrennung der Keimzellen von
der sich entwickelnden Eizelle. Wenn im Dipteren-Ei die
ersten beiden Keine, welche sich vom Furchungskeni des
Eies durcli Theilung lostrennen, die Geschlechtszellen bibbni,
so beweist dies, dass sie das lvenn])lasma des Furchungskerns
unvei-ändert üi>ernehnien; die übrige Masse des Furehungs-
k( III-; iiiirr UIU8S sich während oder vor der Abtrennung jener
ei-sten Kerne in ihrem Wesen veiändeit haben, sonst mt'isste
sie nachher noch einmal Polzellen l)ilden, während sie doch
andere — nämlich die somatischen Zellen — aus sieb her-
vorgehen lässt. Wenn auch die Zellkörper solcher friiliesten
Embryonalzellen häufig noch keine uns sichtbare Verschieden*
heit aufweisen, so muBS doch das Idioplasma ihrer Kerne
ohne allen Zweifel verschieden sein, woher käme sonst ihre
Digitizca Ly Gu^.- .
— 04 —
versehiedne WfMteieutwickiuii^? Ich halte es auch nicht
nur für iuügiit ]i, sondern so^rar für wahrscheinlich, dass die
Körper solcher früher Embryimalzellen nicht nur gleich
scheinen, sondern dass sie es auch wirklich sind, denn
wenn auch das Idioplasma des Kerns den Charakter des
Zellkorpers bestimmt und wenn jede Differenziruni: dieses
letzteren von einer bestimmten Bi^schalieuheit des Kemplasmas
abhängt, so ist damit doch keineswegs gesagt, dass nun auch
umgekehrt jede Aenderung in der Beschaffenheit des Kern-
plasmas eine Aenderung des ZellkörperB mit sich bringen
müsse. Ohne Wolken ist kein Regen möglich, aber nicht
jede Wolke bringt Regen; ohne chemische Umsetzungen
ist kein Wachsthum möglich, aber nicht jeder Grad und jede
Art von chemischen Processen bringt Wachsthum. So ^rd
auch nicht jede Art von Veränderung in der Molekfilarstructur
des EemplaianaB einen umgestaltenden Einfluss auf das Zell-
plasma ausüben mOssen, und es wird denkbar sein, dass eine
lange Reihe von Kemplasma -Veränderungen sich nur in der
Art und Energie seiner Theilungsfolgen äussert^ während die
Zellsubstanz noch ganz unberOhrt davon bleibt, soweit es
ihre molekülare und chemische Beschaffenheit angeht Damit
stimmt auch der Augenschein, der zeigt, dass in der ersten
Periode der Embryonallxldung der Thiere die Zellkörper keine
oder nur sehr geringe siditbaie Verschiedenheiten zeigen,
wenn es davon auch Ausnahmen besonders bei niederen
Thieren gibt. Doch beruhen auch diese — z. B. die Ver-
schiedenheiten im Aussehen der Ekto- imd Eiitoderinzellen
bei Spongien uad andeiii Coclenteraten vielleicht mehr auf
einer verschiednen Beimengung ernährender Bestandtheile als
auf einer starken Verschiedenheit des Zellplasnias selbst. Es
leuchtet ja auch ein, das es beim Aufbau des Embryos zu-
nächst auf eine Vermehr une: des ZoHmaterials und später
ei'st uui eine Diflferenzirung desselben in versehiedne Qualitäten
nach dem Princip der Arbeitstheilunjr ankommt. Auch von
dieser Seite her stimmen also die Thatsacht n gegen Rtras-
burger, wenn er die Ursache der Kernplasnia-Vcrändenmgea
nicht in ihnen selbst, sondern im Zellkörper sucht
Digitlzca by Liu..- . «v.
- 65 -
Ich glaube ^omit gezeigt zu Imbpii, dass sirli theinviisch
kaum etwas gegen die BeimeugUDg unveränderten Keim-
plasuiHs zur Kernsubstanz der somatischen Z( llcn, oder ge^fen
die Führung dieses Keini[)hvsinas auf bestimmten Wegen ein-
wenden lässt. Allerdings aber wäre es a i)riori auch sehr
wohl denkbar, dass allen somatischen Kernen etwas
unverändertes Keimplasma beigemischt wäre.
Bei den Hydroiden wird zwar dne solche Annahme dadurch
ausgeschlossen, dass eben nur ganz liestimmte Zellen und
Zellenfoigen im Stande sind, sich zu Keimzellen zu entwickeln,
allein es wäre ja ganz wohl denkbar, dass Oiganismen
existirten, fllr die es von grossem Nutzen wftre, wenn jeder
ihrer Theile unter Umstanden wieder zum Ganzen auswadisen
und Gesebleehtszelleii hmorbringen konnte, und in diesem
Falle würde es vielleicht möj^ich gewesen sein, alt^ soma-
tischen Kernen ein Minimum unverilnderten Kmmplasmas
heizugeben. Aus diesem Grunde halte ich auch den andern
Einwand, welchen Strasburg er meiner Theorie macht,
nicht tut entschddend, dass es nftmlich Pflanzen gibt, die man
durch Bhizomstttcke, Wurzelstficke, ja selbst Blätter vermehren
hann, und dass so gewonnene Pflanzen schliesslich bltthen,
fruetificiTen und wieder Ihresgleichen aus Samen erzeugen
können. „Aus abgeschnittenen, auf feuchten Sand gelegten
Begonienblättem ist es leicht, neue Pflanzen zu erziehen, imd
doch hätten keinesfalls in dem normalen Verlauf der Ontogenie
die Moleküle des Keimplasnias das Blatt zn passiren gehabt,
sie mtlssten daher im Blattgewebe felilen. Da somit auch
aus dem Blatte die Erziehung einer blühenden und frucü-
ficirenden Pflanze möglich ist. so beweist dies unwiderleglich,
dass es besondere, Keimsuh^tanz führende Zellen in der
Pflanze nicht gibt." Mir scheint diese Thatsache nur zu
beweisen, dass bei der Begonie und ähnlichen Pflanzen den
Zellen oder vielh U ht auch nur gewissen Zellen der Blätter
Keimplasma beigemengt ist, dass diese Pflanze der
VeruH-h riinir durch Blatter ang^'passt ist Warum
sind denn nicht alle P^flanzen in dieser Weise vemiehrl)ar?
Niemand hat noch einen Baum aus einem landen- oder
Digitizcü by G<.jv_'-.
— 66 —
Fiiclieiililatt hervorwachson sehen, oder eine blühende Pflanze
aus einem l ulpen- oder Windenblatt Man wird darauf nicht
etwa antworten wollen, es handle sich in jenen 1« tzt( rwähnten
Fällen um stärker specialisirte Theile, die dadurch zur Pro-
duktion von Keimsubstanz imfhhi»; geworflni seion. denn die
Zellen der Blätter dieser vei-scliiednen Ptianzen sind wohl
schwerlich in verschiednem Grade speciell histologisch diffe-
renzirt. Wena also dennocb die einen eine blühende Pflanze
reprodudren können, die andern nicht, so muss dies einen
andern Grand haben, als den Grad ihrer histologischen Diffe-
renzinmg, und ich sehe diesen Grund darin, dass einem Theil
ihrer Kerne unTerftndertes Keimplasma in minimaler Menge
beigemischt ist
In Sa eh 8 vortreinichen »Vorlesungen liber Pflanzen-
Physiologie* lese ich (p. 884), dass ^bei den Laubmoosen
&Bt jede beliebige Zelle der Wurzeln, BliLtter, Sprossaxen, ja
sogar der jungen, unreifen Sporenfrucht unter günstigen Um-
ständen zu einer ganzen, selbststftndigen Pflanze werden" kann.
Falls solche Pflanzen sp&ter auch Keimzellen hervorbringen,
hatten vir also hier einen Fall, der die Annahme verlangen
würde, dass allen oder nahezu allen Zellen einer Pflanze
Keimplasma beigemengt sein müsste.
Noch viel weniger scheint mir die Theorie der GontinuitAt
des Keimplasmas durch den Generationswechsel wider-
legt, oder auch nur in irgend einem Grad unwahrscheinlich
gemacht zu werden. So gut das Keimplasma gewissen soma-
tischen Zellen des aus dem Ei entstandenen Individuums bei-
gegeben sein und auf bestimmten Bahnen weit^rgeschafTt
werddi kaiiu, so gut kann es auch in ein durch Kuu.sjuing
aus jenem hervorgewachsenes zweites, drittes — n*''" Indivi-
duum übergeleitet werden, und trerade die Thierjjruppe der
Ilydroideu, auf die sich meine Vorstellung von der Continuit^t
des iiiiplasmas vor Allem stützt, pflanzt sich ja zum grossen
Theil durch Generationswechsel fort.
U. DIE BEDEUTUNG DER „RICHTUJSGS-
KÖßPEKCHEN".
Seitdem wir aber wissen, dass das specifische Wesen ein«*
ZeUe in der Molekolarstnictur ihres Kernes beruht, bietet
sich meiner Theorie noch eine weitere und, wie idi glaube,
sehr starke Stütze in der solange rftthselhaft gebliebenen
AusstoBSung der Riehtungskdrperchen.
Wenn nAmlich die spedfisehe MolekiUantructur eines
Zellkiyrpers von der Kemplasma-Beschaffenheit bestimmt und
herroigerufen wird, dann muss jede histologisch dif-
ferenzirte Zellart auch ihr specifisches Kern-
plasma haben. Nun ist aber die Eizelle der meisten
Thiere, solange sie noch wächst, durchaus keine indifferente
Zelle von primitivster Beschaffenheit, sondern ilir Zellkörper
hat grade während dieser Zeit des Wachsthums ganz eigen-
tliümliche, specifisehe Functionen zu erfüllen, ernährende Sub-
stanzen auszuscheiden von bestinunter chemischer Natur und
physikalischer Beschaffenheit, und diese „Dotter -Substanzen"
in bestimmter Weise abzulagern und aufzuspeicliern , damit
sie bei der spAter eifolgenden Embnonalentwicklung dem
Embryo zur Verftigung stehen. Sie hat auch meistens Ei-
häute, und oft solche von durchaus specifischer Stnictur zu
liefern; sie ist also hi st ol oijfi sch diff erenzirt. Die
Weidmann, Die Continuitttt des KaimpUsnias. 5
wachsende Eizelle verhält sich also in dieser Beziehung wie
irgend eiue somatische Zelle, am ehesten wäre sie vergleichbar
etwa einer Drüsenzelle, nur dass sie ihre AbficbeidungeD nicht
alle ausserhalb der Zeile, sondern in dem Zellkdrper selbst
deponirt Zu dieser specifischen Funktion bedarf sie eines
specifischen Zellkörpers, und dieser wiederum ist l>ediiigt
durch einen specifischen Zellkern ; es muss also die wach-
sende Eizelle ein Kernplasma von specialisirter
Moleküiarstructur besitzen, welches den er-
wähnten Drttsen-Funktionen der Zelle vorsteht
Wenn man das Kernplasma histologisch dilferenzirter Zellen
als «histo genes Kernplasma'* bezeichnet, so muss die
wachsende Eizelle histogenes Kernplasma enthalten, nnd zwar
eine bestimmte specifische Modifikation desselben. Dieses
Kernplasma kann unmöglich dasselbe sein, welches später die
Embryonalentwicklung veranlasst, diese wird vieUnefar nur
durch ächtes Kdmplasma angeregt werden können von jener
unendlich complicirten Znsammensetzung, wie ich sie oben
anschaulich zu machen suchte. Es müssen also im
Keimbläschen der Eizelle zweierlei Kernplasma-
Arten enthalten sein: Keimplasma und histo-
}j:enes i'husiiia, und zwar eine bestimmte Art von histo-
i^enem Kernplasma, die man ovogenes nennen konnte^).
Dieses ovogene Kernplasma muss im jungen Ei bedeutend
überwiegen, da es — wie wir sehen — die wachsende Eizelle
beherrscht; das Keiniplasma dagegen muss zuerst nur in ge-
ringer Menore vorhanden sein, dann aber im J/Anfe des Wachs-
thmns der Zeile bedeutend an Masse zuuehmcu. Damit es
aber zur Herrschaft komme über den Zellkörper, damit, mit
andern Worten, die Embryonalentwicklung beginne, muss das
an Masse immer noch tiberwiegende ovogene Kernplasma aus
Dies halte ich auch heute noch für riditig; ich würde heule
sagen: die junge ßiiaUe wlfd eiiieF beamdera IMlpmiiiimite behemdit,
die inaii ab 4le ovogene beieichiieii kami- Tergleiche mein nenee Werk :
„Das Keimplaama, eine Theorie der Vererbang", 1892.
Digitizca by G«.
— 69 -
der Zelle entfernt werden. Diese Entfernung geschieht nun
auf demselben Wege, auf welchem auch in der Ontogenese
des Embryo diflFerente Kemsubstanzen getrennt werden: durch
Kern* und Zelitheilung; die Ausstossung der Rieh-
tungskörpereben ist nichts Anderes, als die Ent-
fernung des ovop:enen Kernplasmas aus der Ei-
zelle Da88 bis zuletzt die Masse des ovogenen Keruplasmas
im Keimbläschen iiber\negt, schliesse ich aus der Tiiatsaehe^
dass zweimalige Theilung desselben und Ausstossung zweier
Ricfatongskörperchen die Regel ist Wenn damit zugleich
auch ein geringer Theü des Zellkörpers dem £i entzogt
wird, so wird das wohl als ein unveimeidlicher Verlust des
Eies zu betrachten sein, ohne den eben in den betreffenden
Ffillen die Entfernung des oYogenen Kernplasmas nicht erfolgen
konnte.
Dies meine Theorie von der Bedeutung der Bichtungs-
körperehen, der ich die froher von Andern angestellten
Theorien nicht In extenso gegenüber* stellen will, da sie ja
bekannt sind und sich von ihr. so wesentlich unterscheiden,
dass dies nicht noch im Näheren aufgezeigt zu werden braucht.
Dass etwas aus dem Ei entfernt wird, was fttr dessen Em-
bryoualentwickhin*; hinderlich sein würde, wird wohl von Allen
angenommen, aber worin dieses Kindt iniss besteht, wab be-
seitigt werden muss, darüber gehen die Vernuithungen aus-
einander^); die Einen stellen sich das Keimbläschen zwittrig
Seit der AufstoUuug des obigen .">atzes haben vidi d u aiit l'^ i iciitfiu
Untersuchungen im Laul'e der Jahre dazu gefuhrt, ihn zu widerlegen. Es
wird aber nidit uniiiteNssaDt sdn, den Gedaokengängea wa folgen, weldie
endlich bot richtigen Ajoifmmg gefiUiit haben. Yergl. Auftate Y» TI
und XII.
So suchte Bütschli schon 1877 die „hanpiHftohUche Bedeutung
der Bildung der Hichtungskörperchen in der Entfernung eines Theils de«
Eikerns, möge diese Entfernung sich nun in der Weise vollziehen, dass
ein Theil des Kerm» direkt entfernt wird, oder so, dass er unter der Form
einer ZeUknospong seinen Aastritt aus der Eixelle findet". EntwicUunga»
gescMdiÜidie Beitrige in Zeitsdur. t wiss. Zool^ Bd. 29| p. 287 Aom.
5*
Digiiizca by Liu^.' .
— 70 -
vor — Minot'), van Beneden, Balfour — , und lassen
das niäiiiiUche Element im Richtungskörperchen ausgeschieden
werden, um so das Ei Uefiuchtungsföhig zu machen, Andere
sprechen von einer „Verjüngung"* des Kerns, noch Andere
glauben, dass nur die Masse der Kernsubstanz reducirt
werden müsse, damit sie der des oft sehr kleinen Sperma-
kems gleich und so das i[icbtige Verbältniss zur Kerncopulation
herbeigeführt werde.
Die erstere Ansicht scheint mir schon dadurch widerlegt,
dass nachweislich von der Eizelle aucli männliche Eigen-
schaften vererbt werden, von der Spennazelle auch weibliche,
das Keimplasma des Eikerns ist also nicht weiblich, das des
Spermakems nicht männlich, sondern sie sind beide gescblecht*
lieh indifferent. Die zweite Ansicht ist von Strasburger
neuerdiDgs dahin formulirt worden, dass die Menge des in
dem Keimkern (Keimbläschen des Eäes) enthaltenen ,,Idio-
plasmas auf die Hälfte reducirt werden** müsse, damit
dann durch die Gopulation mit dem Sp^makom wieder ein
ganzer Kern zu Stande komme. Obgleidi ich die zu Grunde
liegende Idee, dass die Masse des Korns f&r seine Wirkungen
nicht minder wichtig, als sdne Qualität ist, fbr yoUkommen
richtig halte, so muss ich doch bestreiten, dass es sich bei
der Ausstossung der KSchtungsköiperehen um eine Massen-
Verminderung handle» Die Masse des im Keimblischen ent-
haltenen „Idioplasmas** wird audi thatsSchlich gar nicht auf
die Hälfte, sondern auf ein Viertel redudrt, da ja zwei
Th^nngen hintereinander erfolgen. Durch die (Kopulation
mit dem ebenso gross als der £ikem anzunehmenden Sperma-
kern wfkrde also nur die Hälfte der Masse des Keimbläschen-
Idioplasmas wieder hergestellt, und da müsste man doch
fragen: wozu die Verschwendung'? wozu wurde sie vorher auf
das DopiKlLü gebracht? Und wenn wirklich diese doppelt
so grosse Masse des Keimbläschens aus Keimplasma bestünde,
C. S. Mi not, „Account etc." — Proceedings Boston Soc. aat
bist, Vol. XIX, p. 165. 1877.
Digitlzca by Liu..- . «v.
warum trat das Ei nicht schon vorher in l unhung ein?
Wer freilieh die Samenzelle als das belebende Element, als
den zttndeuden Funken betrachtet, der erst die Embryonal-
entwicklung auslöst, der hat darauf eine Antwort bereit, nicht
aber StraBburger, der mit mir einer spftter zu besprechen-
den, ganz andern Auffassung huldigt
Sobald man dagegen annimmt, dass im Keimbläschen
zwei vemchiedne Arten von Kemplasma enthalten sind, so
löst sich das Bathsel ganz einfach. Ich werde welter unten
bei Gelegenheit der Parthenogenese eine Thatsache anführen,
die mir einen förmlichen Beweis dafür zu enthalten scheint
Nehmen wir sie einstweilen als richtig an, so ist klar, dass
diese ein&che Eiklärung einer sonst recht unklaren Erscheinung
eine bedeutende Stfttze für die Theorie von der Gontinuitftt
des Keimplasmas bilden wQrde. Sie würde vor Allem die
Voraussetzung derselben, nämlich die Vereinigung von
zwei Nucleoplasmen verschiedner Qualität in
ein und demselben Kern gewissermaassen ad oeulus
demonstriren. Die Theorie hängt gradezu an dieser Annahme,
denn wenn die Letztere nicht richtig wäre, so könnte eine
Continuität des KiHU])lasmas in ktiiiiiii einziii;en Fall au-
genuinmeu werden, auch nicht in jenen einfachsten Fällen
der Dipteren , bei welchen die erstgebildeten Zellen der
Embr^'onalentwickliing die Keimzellen sind. Denn auch bei
diesen Arten besitzt das Ei ein specifisch histologisches
Gepräge, welches einen specifisch ditlereuzirten Kern voraus-
setzt. Man müsste also daini anneliuien, dass das unverändert
vom Furchungskem übernonuneue Keiniplasma der neimebil-
deten Keimzellen sich sofort in toto in ein ovogenes Kern-
j>lasnia umwandle, um dann später, wenn das F.i ferti;; ist,
wieder in Keimplasma zurückverwandelt zu werden. Es wäre
dabei durchaus nicht abzusehen, warum zu dieser Rück-
Verwandlung eine Ausstossung eines Theiles der Kemsubstanz
nöthig ist.
Meine Annahme ist jedenfalls die einfachere, insofern
ich nur eine einmalige Umwandlui^ eines Theiles des Keim-
plasmas zu ovogenem Kernplasma anzunehmen brauche, nicht
aber die so imwahrscfaeinliche BOckverwandlung in Keim-
plasma. Das ovogene Kernplasma muas ganz andere Eigen-
schaften besitzen, als das Keimplasma, es neigt vor Allem
nicht zur Theihmg, und so werden wir die an und für sieh
recht auffallende Thatsache besser verstehen können, dass
Eizellen sich nicht mehr dnreh Theiliing vennehren, sobald
sie einmal ihre specifisdie Struetur angenommen haben, d. h.
sobald sie Tom ovogenen Keroplasma behensdit werden.
Die Neigung zur Kernthdlong und damit auch zur Zellfheilung
tritt erst dann ein, wenn das gegenseitige Veitaltniss der
beiden Nudeoplasma «Arten des Keimblüsehens sich bis zu
einem bestimmten Grad verikndeit hat Diese Veränderung
fSAlt zusammen mit dem Erreichen der MaximalgrOsse des
EizelMrpers. Strasburger, gestützt auf seine Beobach-
tungen an Spirugyra, Ifisst den Anstoas zur Zelltheilung freilich
vom Zellkörper sähst ausgehen, allein die sogenannten
Attractions-Centren an den Polen der Kemspindel entstehen
doch augenscheinlich unter dem Einfliiss des Kernes selbst,
möchten sie auch wirklich ganz aus Zi lljilusina bestehen.
Doch ist auch dieser Punkt noch nicht entschieden, und man
darf wohl vermuthen, dass das sogenannte „Polkörperchen"
der Spindel (Fol) vom Kern herstammt, wenn es auch ausser-
halb der Kemmembran auftritt. Hier ist noch Vieles zweifel-
haft, und man inu>R mit weiter gehenden Schlüssen zurt^ck-
haiten, bis es gelunjLjen sein wird» das Dunkel zu erliellen,
in welches die innern Vorgange der indirekten Kerntheilung
trotz Hpr Bemtihun^^en so vortrefflicher Beobachtt r /uv Zeit
noch gehüllt sind. Wissen ^wir doch noch nicht einmal sicher,
ob die chromatische, oder die achromatische Substanz des
Kernfadens das eigentliche Idioplasma ist. Soviel aber wird
man auch jetzt schon, bevor noch diese Verhältnisse ganz
au%ekliLrt sind, sagen dürfen, dass die Zelle unter dem
Einfluss gewisser Kernzustände in Theilung tritt,
mögen auch diese Zustände erst manifest werden, nachdem
die Theilung der Zelle bereits begonnen hat
Digitlzca by Lii.
— 73 —
Ich schreite nun dazu, meine Hypothese von der Be-
deutung der Richtungskörper-Bilduiig an den bis jetzt bekannten
Thatsachen zu prüfen.
Wenn die Ausstossuiig der Kichtungskoiper die Entfemungr
des ovogenen KernphiKiiias der specifischen histologisch diffe-
renzirt^n Eizelle betieutet, so muss man erwarten, bei allen
Arten Riphtungskörj)er auftreten z« sehen, es sei denn, die
Fizollf Ijnbe irgendwo einen mnz piimitivrii liistoldi-'isrh un-
(iitlt rtiizirteii Charakter beibehalten. Ui'l»eraii also, wo sie
dui'li bpsoiultTe Grösse, Beschaffenheit ihres Zellkcjrpers,
Beimengung von Deutoplasma-Theilen, bchalenhildung den
Charakter einer speeialisirten Gewel)ezelle annimmt, muss sie
auch ovogenes Kemplasma enthalten und muss dieses entfenit
werden, wenn das Keimplasma die Herrschaft über die Eizelle
gewinnen soll. Es mußs dabei gleichgültig sein, ob die Eizelle
befruchtet wird oder nicht
Gehen wir die Metazoen auf diese Punkte hin durch,
80 sind die Bichtungskörper bei den Spongien noch nicht
gefunden, was indessen kein Beweis ihres wirklichen Fehlens
sein mOehte.^) Einmal ist wohl noch nie ernstlich nach
ihnen gesucht worden, und dann werden sie vielleicht auch
schwer nachzuweisen sein, da die Eisellen hier lange Zeit,
frei im Mesodenngewebe liegen und sogar umherkriechen.
Man sollte allerdings vernintfaen, dass die Bildung der Bich-
tungskörper hier, wie sonst Oberall erst mit der Tdlligen
Beife des Eies eintrete, also su dner Zeit, in welcher die
Eier bereits vom Schwammgewebe dichter eingehflllt sind.
Jedenfalls besitzen die Eier der Spongien, soweit sie bekannt
sind, ein so spectfisches Gepräge, einen so charakteristiBchen
Zellkörper, oft mit DeutoplasmapElemraten und dem charak-
teristischen Kern aller thierischen noch wadisenden Eier,
dem Keimbläschen, dass man an der Anwesenheit eines speci-
fischen ovogenen Kernplasmas nicht zweifeln, und also auch
1) Die8ell)en sind in/.wisfhen oacbgewie&eu worden; siebe: Fiedler,
Zeitächr. f. wiss. Zool., Bd. 47.
Digiiizca by Liu^.' .
^ 74 —
die Kotfernimg desselbea durch Bildimg von Poiköipem er-
warten muäs.
Bei den übriireii Cölentt i;iteii, bei Würmern und Eehino-
demien, sowie bei Mollusken sind die Richtungskörpcrchen
nachgewiesen, auch bei einzelnen Grustaceen, nämlich bei
BalanuB von Hoek und bei Cetochilus septentrionalis von
Grobben. Der letztere Fall aeheint ganz sicher, der erstere
ist angezweifelt worden und ebenso auch der Fall von Moina,
bei welcher Daphnide Grobhen einen Körper dem in
Furehnng eintretenden £i aufgelagert fand, den er als Bich*
tungsköiper deutete. Bei Insecten sind bis jetzt Kichtungs-
körper noeh nicht nachgewiesen worden und bei Wirbelthieren
nur in einzelnen Fallen, so durch Eupffer und Beneeke
bei Petromyzon.
Es muss der Zukunft ttberlassen bleiben zu entsdieideUf
ob nicht in den allerdings grossen Thiergruppen, bei weldien
die Attsstossung von Kichtungskörperchen noch mcbt nach-
gewiesen ist, diese doch auch vorkommt. Ein Einwurf gegen
meine Theorie kann daraus um so weniger abgeleitet werden,
' als sich im Voraus gar nicht sagen lasst, ob nidit die Ent-
fernung des ovogenen Kemplasma aus dem Ei im Laufe der
Phylogenese auch noch auf dne andere, minder auffeilende
Weise erreichbar wurde. Der Zellkörper der Kichtungs-
körperchen ist bei vielen Eiern so klein, dass es lange ge-
dauert hat, ehe man sich von der Zelliuitur dieser Gebilde
überzeugen konnte, ^) und dies möchte wohl darauf hindeuten,
dass hier ein phyletischer Reductionsprocess stattgefunden hat,
dahin zielend, dem £i möglichst wenig von seiner Substanz
zu rauben. Jedenfalls steht es fest, dass in allen Gruppen
der Metazoen das Keimbläschen bei der Reife des Eies Um-
wandlungen eingeht, die denen, wel^iip bei den Eiern
mit Kichtungskörperchen zui* Bildung dieser Körper führen,
durchaus ähnlich sind. Möglich, dass die Natur hier ein ab-
■) Van Ben e den gesteht ihnen sogar noch in seinem leisten Werke
nur den Werth ?on Kernen «i; a. a. 0. p. 394.
Digitizcü by LjO^i .l^^
— 75 —
^ekt)rzt^ Verfahren eingeschlagen hat, um zu demselben Ziele
zu gelangeu.
Ein gewichtiger Einwand daj^egen wäre es, wenn bei den
männlichen Keimzellen kein der Ausstossung der Pol-
körper entsprechender Voigang aufzufinden wäre, denn es
leuchtet ein, dm man einen solchen von meinem Standpunkt
aas erwarten muss. Die meisten Samenzellen weichen ja so
sehr von der gewöhnlichen Gestalt einer „indifTerenten", d. h.
noch nicht differenzirten Zelle ab, sie sind in hohem Grade
histologisch dilferenzirt nnd weisen somit ebenso gut auf eine
spedfisehe KemsubfiCanz hin, als die Dotter abseheideuden
fäzeUen; auch die meisten Samenzelten sind In diesem Sinne
somatische Zellen, d. h. Zellen einer specifischen Gewebsform,
nnd diese ihre charakteristische Fonn hat Nichts zu thnn mit
ihrer befruchtenden Eigenschaft, mit ihrer Eigenschaft, Trftger
im Keimplasma zu sein. So wichtig sie ist, um das Zusammen-
treffen mit 'der Eizelle und das Eindringen in dieselbe zu
ermd^ichen, so wenig hat sie irgend etwas zu schalten mit
der Fähigkeit der Samenzelle, die Eigenschaften der Speeles
und des Individuums auf die folgende Generation zu fkbertragen.
Diejenige Eenisubstanz, der^ MolekQlarstructur die Zelle
bestimmt, die Gestalt des Samenfadens, der StraMenzelle
(Crustaceen) , des Bomerang (gewisse Daphniden), oder der
Spitzkugel (Nematoden) anzunehmen, kann unmöglich dieselbe
sein, welche, copulirt mit dem Eikern, in ihrer Molekülar-
structur dii^ Tendenz nitli ilt, ein neues Metazoon aufzubauen
nach Art desjenigen, welches die betrefTende ISamenzelJe her-
vorjrebracht hat. Es müssen also auch in der Samen-
zelle zweierlei Kernplasmen enthalten sein, Keim-
plasma und spermo^^enos Kernplasma.
Wir können nun alh rdin-s im Voraus nicht sagen, ob
es nicht möglich wäre, dass tlei Einfluss, den das Bpennugene
KerDplaf?ma auf die Spermazelie ausübt, nicht auch noch auf
eine andere Weise eliminirt werden könnte, als durch Ent-
fernung desselben aus der Zelle. Es wäre z. B. denkbar,
dass sie aus dem Kern ausgestossen und innerhalb des Zeli-
Digiiizca by Gu^.- .
— 76 —
körpeis in irgend einer Weise imsch&dlich gemacht werden
könnte. Wir wisseD ja aber die innem Vorbedingungen der
KenitheUung noch NichtSt und ee war eine blofise, TOilftnfig
noch nicht auf Thatsacben zu stQtsende Vemufbung, wenn
ich oben das Keiinplasma in der wachsenden Eizelle in
geringerer Menge dem Kern beipemiscbt sein liess, als das
üvoizene Plasma ; wenn ich annahm, das Keimplasma vermehre
sich dann allmälig stili kei , und es steigere sich mit der er-
reichten MaxinialgrOsse des Eies eben durch die Verscliiebung
ihres Massen -Verhältnisses der Gejjensatz zwischen den lu idon
differenten Kernplasma-Arteii (ieiart, dass die Trennung: der-
selben, d. h. die Kerntheilun^ , eintrete. Allein wenn wir
auch nicht im Stande sind, die versrbiodenen Arten von
Nucleoplasma optisch zu unterscheiden, welche in einem
Kernfaden vereinicft sein können, so ist doch jedenfalls diese
Amiahme, dass die Wirkung jeder Plasma-Art in direktem
Verhiiltniss zu ihrer Masse stehe, die nächstli eisende und
natürlichste. Die Tendenz des Keimplasmas, welches im Keim-
blü^hen enthalten ist, kann sich nicht geltend machen, solange
neben ihr ein Uebei-gewicht ovogenen Plasmas vorhanden ist.
Man wird sich vorstellen mtlssen, dass die Wirlcungen der
beiden verschiedenen Plasma-Arten sich zu einer Resultante
vereinigen; sobald indessen ihr Einfluss auf die Zelle ein
nahezu entgegengesetzter ist, wird nur die stärkere Plasma- Art
zur Geltung kommen, die aber dann an Masse um so mehr
der andern aberlegen s^ muss, als ein Theil davon durcb
die entgegengesetzt wirkende Plasma-Art gewissermaassen neu-
tralisirt ist Daraus liesse sich etwa ableiten i weshalb das
ovogene Plasma des Eeimblftschens so bedeutend dem Keim-
plasma an Masse Qberlegen ist. Denn offenbar haben diese
beiden Nucleoplasma -Arten wenigstens in Bezug auf einen
Punkt ihrer Wirkungen entgegengesetzte Tendenzen. Das
Keimplasma strebt der Tbeilung der Zelle in die beiden
ersten Furchnngskugeln zu, das ovogene Plasma aber ent-
hält die Tendenz zum Wachsthum des Zellkdrpers ohne
Tbeilung. So wird das Keimplasma erst dann zur (Geltung
Digitlzca by Liu..- . «v.
- 77 —
kunmion uiiil sicii des ovoiieiien Plasmas entlediaen k(umeu,
wenn es bis zu einer gewissen Masse herangewachsen ist und
nun in einem bestimmten Massenverhältuiss jenem gegenüber-
treten kann.
Ileherträpt man nun diese Vorstpllunpren auf die Samen-
zellen, so wird man versuchen müssen, auch hier die Aus-
stossung eines Theils der Kernsubstanz, des dem ovogenen
Plasma entsprechenden sperinorrenen nachzuweisen.
Soweit wir nach den bis heute klar erkannten Verhält-
nissen scbliessen können, li^en solche Vorgänge auch in der
That vielfacli vor, wenn sie sich auch ganz anders ausnehmen,
als hei der Eizelle, und einer gleich sicheren Deutung noch
nicht &hig sind.
Es ist bereits von jenen Forschem, welche in der Aus-
stossung der Richtungskörperchen des Eies die Entfernung des
männlichen Elementes und die Herstellung einer sexuellen
Difi^renssirung erblicken, der Versuch gemacht worden, den
verlangten Nachweis zu führen, denn auch ihre Theorie er-
heischt die Entfernung eines Theils der Kemsubstanz bei der
reifenden mftnnlichen Keimzelle. So sollen nach Ed. vanBe-
neden und Ch. Julin die Zellen, welche die Spennatogonien
(Mutterzellen der Samenzellen) bei Ascaris erzeugen, Elemente
ihrer Eemplatte ausstossen, ein Vorgang, der freilich bis jetzt
noch an keinem andern Thier gesehen und aucb hier natttr-
lich nur erschlossen, nicht beobachtet wurde. Ueberdies be-
sitzen die Samenbildner zur Zeit dieser Ausstossung noch
nicht die specitische Form der spitzku^^elformitren Samenzellen,
und man miisste doch erwarten, dass ilas somatische Keru-
plasnui erst dann entfernt würde, wenn seine Rolle beendet,
d. h. wenn die specifisrhe Gestalt der Samenzelle erreicht
wäre. Eher würde man jene Kerne der Spermatohlasten
(Mutterzellen der Samenzellen) in diesem Sinn ia Anspruch
nehmen können, von (hnien schon lange bekannt ist, dass sie
nicht in die Rilfiuug der Samenzelikerue aufgehen, sondern
zum grossten Theil an der Basis der Samenbildnerin liegen
bleiben und nach Keifung und Austritt der Samenzellen zu
Digiiizca by Liu^.' .
^ 78 —
Grunde jjeheu. Hier würde auch der Eiiitiu» dieser Kerne
auf die Ausbildung der ^peci tischen Samenzellenfonii nicht
gi'adezu immöglieh erscheiueii . da diese in Gestalt bündel-
weise zusammenliegender iSanieniadeü im Iiiueni der Mutter-
zelle entstehen und sich ausbilden.
Zu Grunde p:ehende Theile der Samen- Mutterzeüen sind
schon bei vielen Thiergruppen nachgewiesen, bei Selachiem,
beim Frosch, bei manchen Würmern und Schnecken, und auch
bei Säugethieren (Blomfield), man hat nur bisher die Auf-
merksamkeit mehr auf den in die Samenzellbildung nicht
übergehenden Theil des Zellkörpers, als auf den Kern
gerichtet, und der Nachweis, dass überall auch ein Kemtheü
dabei übrig bleibt, fehlt noch für manche dieser Fftlle. Er-
neute Untersuchungen müssen darüber Aufechluss geben, ob
das Zugrundegeben des Kerns der Samen-MutterzeUe eine all-
gemeine Erscheinung ist, und ob dort, wo solche Mutterzellen
nidit vorkommen, in andrer Form ein Thdl des Kerns un-
schädlich gemacht wird. Vielleicht dürfte man übrigens
eher noch daran denken, dass der zuerst von Lavalette
St George beschriebene und bei vielen Thieren ver-
schiedenster Klassen gesehene Nebenkern der Samenzellen
das Analogen eines Bichtungskörperchens sei. Allerdings h&ljt
man jetzt diesen sogenannten nNebenkem** für eine Ver-
dichtiüig des Zellkörpers. Wenn man aber erwfigt, dass der
Streit sich bisher darum drehte, ob der Kern der Zelle zum
Kopf des Spermatozoons werde, oder aber jener Nebenkern,
so hatten die Beobachter, welche Ersteres für richtig hielten,
kaum ( ine andre Wahl, als den Nebenkern für ein Produkt
des Zellkörpers zu erklären. Nun ist es aber nach den
neuesten Erfahrungen von F o P), R o u 1 e B a l b i a n i ^) und
Fol, „Sur iorigine des cellules du folUcule et de l'ovule chea
les Asddies". Compt rend. 28 nud 1883.
Roule, „Ia stracture de Poraire et la fotmattoii des ceufs ches
lee Phallusiad^es''. Compt. rend. 9 avril 1888.
') Balbiani, „Sur Torigine des cellules du follicule et du noyau
Wtellin de i'oeuf ches les G^ophiles". Zool. Aius. 1883, Ht, 155 u. 156.
Digiiizca by Liu^.' .
- 79 —
WilP) Ober die Bilduujr des Eifollikelepithels l)ei verschiedenen
Gruppen nicht unwahrscheinlich, dass Kemtheile sich vom
Hauptkem loslösen können, ohne den umständlichen Process
der Kaiyokinese durchzumachen. Es konnte also sehr wohl
sein, dasB der Nebenkern eine abgeschnürte Partbie des
HauptkemB wäre und keine „verdichtete" Zellsubetanz. Sein
Verhalten gegen Farbstoüe spricht dafür, und die Meinung,
diss er aus Zellsubstanz entstehe, beruht nicht etwa auf
direkter Beobaehtung. So werden auch hier nur neue Untei^'
Buchungen darüber entscheiden können, ob in diesem Neben-
kern etwa das vom Kein ausgestossene spermogene Nudeo-
plasma gesehen weiden darf. Freilidi bliebe auch dann immer
noch SU erkUiren, warum die doch immer noch im ZellkOtper
befindlidie Kemsubstanz keine bestimmende Wirkung mehr
auf denselben ansttbt.
FQr die Pflanzen hat Strasburg er kürzlich eine grosse
Zahl von Fallen aus verschiedenen Gruppen aufgeführt« bei
welchen IhnUche Vorgänge wie die Ausstossung der Bichtungs*
körper die Beifung der Keimzelle begleiten, und zwar sowohl
bei männlichen, als bei weiblichen Keimzellen. Eine llber-
rascheudo Aehnlichkeit damit haben die Vorgänge im Pollen-
kom der Phanerogainen. Hier — z, B. bei dor Lärche —
theilt sich die Mutterzelle der eigentlichen Sperinazelle drei
Mal nacheinander und zwar in sehr ungleiche Hälften, und
die drei kleinen und bald vollständig schrumpfenden, sop:en.
„ve^retativeu" Zellen spielen, nachdem sie losgctr! imt sind,
keinerlei physiolofjische Rolle mehr, ganz wie die liuhtungs-
körper. Auch die socrenannte Bauchkanalzelle", welche sieh
von der weililn lim Keimzelle der Areliegoniaten und Cuuiferen
abspaltet, „erinnert" nach Strasburtrer durchaus an die
Richtungskörper der thierischen Eier. Ferner werfen die
Spermatozoiden der Archegoniaten bei ihrem Ausschwin men
ein Bläschen |ib, bevor sie zur Ausübung ihrer Funktion ge-
Will, „Üeber die Entstehung des Dotters und der Epithelzellea
bei den Amphibien iin4 Insekten''. ZooL Ans. 1884» Nr. 167, 168.
Digiiizca by Gu^.- .
— 80 —
langen u. s. Dagegen sollen „Richtungskörperchen" bei den
den Coniferen nahe stehenden Oycadeen fehlen, und auch bei
den Eiern der „Angiospenoen" ist bis jetzt kein Voigang
bokamit, der sich mit der Bildung von Richtungskörpem ver-
gleichen Hesse. S trasbnrg er schliesst daraus, dass die Ab-
tremrang gewisser Theile von den Keimzellen nicht überall
m ihrer Beifong nothwendig sei, dass wir somit in den be-
.trefifenden Eneheinungen keine fundamentalen Vorgänge, wie
etwa die Befruchtung selbst, zu sehen haben, die Überall auf
derselben „morphologischen Grundlage'' abläuft, sondern Vor-
gänge, die nur fUr die Keimzellen bestimmter Organismen
erforderlich sind, «um die iQr den Geschlechtsakt bestimmten
Zellkerne in den hierzu nothwendigen physiologischen Zustand*
zu versetzen.
Ich möchte aber die Vermuthung, dass die Ausstossung
des faistogenen Thells der Kmsubstaoz b^ Reifimg der l^im-
Zellen ein audi bei Pflanzen allgemeiner, wdl fundamentaler
Vorgang ist, nicht desshalb aufgeben, weil derselbe noch nicht
überall klar vorliegt. Der ^ Embryosack" der Angiospermen
ist ein so zusammengesetztes Gebilde, das^s es um mit Stras-
burger „wolil clenkbai ' erscheint, „dass Vorgänge, welche
der Anlage des Eies vorausgehen, schon in Beziehung zu der
geschlechtlichen Ausbildung des Eikerns stehen". Uebrigens
würde es auch denkbar sein, dass eine pflanzliche Eizelle so
einfach und so wenig histologisoh specialisiit waie, dass sie
gar kein specifisches , histogenes Kernplasnia zu enthalten
brauchte, dass sie vielmehr von ihre in Ursprung an nur
Keimi)lLt8ma enthielte. Dann könnte naturlich auch ihre Reifung
nicht mit einer Aussonderung somatischen Kernplasmas ver-
bunden sein.
Ich habe bisher ganz von der Möglichkeit abgesehen,
dass der Vorgang der Richtungskörperehen-BUdung vielleicht
eine ganz andere, nämlich eine rein morphologische
Deutung verlangt. In früherer Zeit konnte man wohl in
ihm hauptsächlich nur eine phyletische Reminiseenz sehen,
den letzten und physiologisch bedeutungsloflen Best eines
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 81 —
efaemaU bedeutungsvollen Vorgang. Man wird auch heute
noch zugeben müssen, dass besonders bei den ächten Rich-
tungskörperehen der thierisehen Eier ein Akt vorkommt, der
seine £rkl&mng in der physiologischen Bedeutung des
Vorgangs nicht wohl haben kann; ich meine, die abermalige
TheUung der bereits vom Ei abgetmmten Biehtungskörper.
Bei vielen Arten entstehen aus den beiden vom £1 aus-
gestossenen Bichtungskörpeni durch Theilung eines jeden
derselben vier, und diese besitzen häufig — so z. B. hei den
von Trinchese beobachteten Kacktschnecken — vollkommen
deutlich den Bau einer Zelle. Allein einmal ist diese aber-
malige Theilung nicht überall die R^el, und dann ist es doch
überaus unwahrscheinlich, dass ein Vorgang, der im ersten
Stadium der Ontogenese oder eigentlich noch vor diesem,
sich abspielt, der also auf ungemein alte phyletisdie Stadien
zurückweisen mttsste, sich bis heute erhalten haben sollte,
falls er nicht eine ganz hervorragende physio-
logische Bedeutung,' hätte. Als physiologisch bedeu-
tungsloser Voi>iaii- SV lüde er längst verschwunden sein, das
dürfen wir mit aller Bestimmtheit sageu, gestützt auf unsre
Erfahrungen über das allmiilige, allerdings sehr langsame,
aber doch auch ganz sichere Verschwinden bedeutungslos ge-
wordener Theile und Vorgänge im Laufe der Phylogenese.
Wir müssen desshalb ohne allen Zweifel den Vorgang der
lin liUmgskürperchen- Bildung für einen physiologisch höchst
bedeutungsvollen halten. Das schliesst aber nicht aus, dass
er nicht auch eine morphologische Wurzel haben könne, und
ich bin weit entfernt, Versuche, eine solche nachzuweisen, wie
sie z. B. kürzlich von Büt&chli^) angestellt wurden, für
unberechtigt zu halten.
Sollte es sich bestätigen, dass wir in der Ausstossung
der Richtungskörper die £ntfenmng des histogenen Nucleo-
plasmas der Keimzelle 2U sehen haben, so würde darin zn-
^) Btttscbli, »Gedanken Uber die noiphologische Bedeutung der
sogen. Bichtaiigskörpercfaea*'. Biolog* Centnlblatt, Bd. VI, p. 5w 1884.
Digiiizca by Liu^.' .
— 82 —
gleich eine weitere Bestätigung^ der mit der Theorie von der
Continuität des Keimplasmas eog zusammenhängenden Ansicht
liegen, dass eine Rückbildung speciaiisirten Idioplasmas zu
Keimplasma nicht vorkommt. Denn die Natur i?ibt keinen
organisirten Stoft verloren , wenn er noch verwerthbar wäre ;
er wird preisgegeben, weil er nur höchstens noch als Nahrung
(durch Resorption), nicht aber als lebendige Substanz ver-
werthbar ist
III.
ÜBEIi DAS WESEN DER PAßTHEXOGENESE.
Wie bekannt, ist die Bildung der Richtnngskörper von
venduedner Seite mit der SezuaUtftt der Keimzellen in Yer*
bindnng gebracht nnd zu einer ErUAning der Parthenogenese
beantzt worden. Es sei mir gestattet, hier darzulegen, welche
Ansicht über das Wesen der Parthenogenese sieh mir unter dem
£iaflu8s der vorausgeschickten Anschauungen entwickelt hat.
Von den verschiednen Deutungen der Parthenogenese,
welclie bisher aiiff^etaucht sind, leuchtet vor allen die von
Mi not und Balfour aufgestellte Hypothese durch ihre Ein-
fachheit und Klarheit hervor. Sie ergibt sich in der That in
ungezwungener Weise und beinahe von selbst, sobald die An-
nahme dieser P'orseher richtig ist. dass das Richtungskörperchen
der niaiinliche Theil der vorher zwittrigen Eizelle sei. Ein
Ki, welches seine männliche II;Ufte verloren hat, kann sich
nicht zum Embryo entwickeln, es sei denn, es erhalte durch
Befruchtung eine neue milnnlicli«' Hälfte wieder. I/'mgekehrt
wird ein Ei, welches seine uuumlii'lH' Hälfte nicht ausstösst,
sich ohne Befruchtung entwickeln kimiien, und so wird man
auf diesem Wege ganz einfach zu dem Schluss geführt, dass
die Parthenogenese auf der Nichtausstossung
Wei«m»nn. Di« Contm\ütAt d«« Keimplasmas. 6
- 84
von KiehtungBkörpern boiiiho. Balfour sprach es
gradeza ans, dass „die ('unktion des £ies, Richtimgskörper
zu bildeo, ausdrtteklieh tob ihm angenommen worden sei, um
Parthenogenesis zu verhüten" (a. a. 0. p. 74).
kh kann natürlich diese Ansicht nicht theilen, da ich
in der Ausstossung der Richtungskörper nur die Entfernung
des ovogenen Kemplasmas sehe, weiches die histologische
Ausbildung der specifischen Eizellen-Stnictur bedingte. Ich
muBS annehmen, dass die Beifungsvoigftnge beim partheno-
genetischen Ei genau dieselben sind, wie beim befraditungs*
bedürftigen, dass bei beiden das ovogene Kemplasma in
irgend einer Weise beseitigt werden muss, ehe die Embiyonal-
Entwicklung beginnen kann.
Jjeüdet liegt die thatsächliche Basis für diese Annahme
nodi nicht so vollständig vor, als es zu wünschen wäre, vor
Allem sind wir immer noch im Unklaren, ob bei parthenogene-
tischon Eiern Richtungskörper ausgestossen werden, oder nicht,
deim eis liegt noch kein Fall vor, in dem dies mit voller
Sicherheit constatirt wäre. • Freilich liefert dieser Mangel
auch der gegnerischen Seite keine Stütze, denn die Arten,
deren paithenogenetische Eier keine Richtungskorper bislang
erkennen Hessen, sind {alle solcl\e, bei deren befruclitungs-
bedürftigen Eiern ebenfalls noch keine Rielitungskörper
gesehen wurden. Trotzdoni nun aber dieser Punkt der Aus-
stossung von Richtungökörperchen bei Parthenogeiif st" noch
dunkel ist, so muss doch soviel als nahezu sicher Iten, dass
die Reifimgserscheinungen thierischer Eier — mögen sie nun
mit Ausstossung von Richtungskür))erc]ien verbunden sein,
oder nicht — gleich sind l)ei den p ar theno gen e-
tischen und den befruchtungsf ähige n Eiern ein
und derselben Art. Das geht, wie mir scheint, vor Allem
aus den sp&ter noch genauer zu besprechenden Fortpflanzungs-
erscheinungen der Bienen hervor, bei welchen nachweislich
dasselbe Ei entweder befruchtet werden, oder sich par-
thenogenetisch entwickeln kann.
Wenn wir also sehen, dass die Eier mancher Arten die
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 85 —
Fähigkeit beBitzen, sich auch ohne Befruchtung zu entwickeln,
die andrer Arten aber nieht» so muss der Unterschied zwischen
beiderlei Eiern in etwas Anderm liegen, a]s in der Art der
Umwandlung des Keimbläschens zum Eikern. Es gibt aber
auch Thatsachen, die bestimmt darauf hinweisen, dass er in
Verhftltnissen liegen muss, die Schwankungen unterworfen
sind, bei denen ein Mehr oder Weniger vorkommt, kurz, dass
er In quantitativen, nicht in qualitativen Verhältnissen
seinen Grund hat Eine ganze Reihe von Insecten pianzen
ach ausnahmsweise auch parthenogenetisch fort, so manche
Schmetteriinge, und zwar niemals in der Weise, dass alle
Eier, welche ein unbegatt^ics Weibchen legt, sich entwickeln
wflrden, sondern so, dass ein Theil, und zwar meist ein sehr
kleiner Tlieil sich entwickelt, die andern aber absterben.
Unter letzteren finden sich dann auch solche, welche zwar
die Enibryonal-Entwickluiig beginnen, ohne sie aber duich-
führen zu kuinien, und zwar ist die Stufe, auf welcher die
Entwicklung stehen l)leibt, eine verschiedne. Auch von den
Eiern höherer Thiere ist es bekannt, dass sie, obgleich nicht
befruchtet, dennoch die ersten Furchungsphasen durchlaufen
können. /( igte Leuckart^) am Froschei, Gel 1 acher ^)
am Hühnerei und Mensen^) sogar am Säugethierei.
Es mangelt also in solchen Fällen nicht am Inipuls, am
Anstoss zur Entwicklung, wohl aber an der Kraft zu ihrer
Durehfbhrang. Da nun alle Kraft an Materie gebunden ist»
so schliesse ich, dass hier zu wenig von jener Materie vor-
handen ist, deren beherrschende Organisation den Aufbau des
Embryos durch Umwandlung blossen Näbrplasmas zu Stande
bringt Diese Substanz ist aber das Keimplasma des
Furchungskerns. Ich nahm oben an, dass sich dieses
<) R. Leuckiirt in Artikel „ZeuguDg" ia IL Wagaer's Handwb.
der Physiol. is-'in, Bd. 4, p. O')^.
*) Oe Ha eher, „Die Veränderungen des unbefruchteten Keims des
HQhndiaieifiS^ Zettschr. f. wiss. Zool., Bd. 22, p. 181. 1872.
•) Hensen, Centralfalatt 1869, Nr. 26.
6*
Digiiizca by Liu^.' .
— 86 -
Keimplasnia im Laufe der Ontogenese aus sich selbst heraus
yerftndere, indem bei ausreichender EmShrung durch das
Zellplasma aus jedem vorhergehenden Zustand der nachfolgende
mit Nothwendigkeit henrorg^e. Ich denke mir die Sache so,
dass bei jeder Zelltheilung wahrend des Aufbaues des Einbiyos
Veränderungen in der Besehaifenheit des Kemplasmas ein-
treten und zwar entweder in baden Kemhftlften die gleichen,
oder auch Terschiedraartige. Es bilden sich dann also —
wenn wir jetzt von der geringen Menge unverflnderten Keim-
plasnias absehen, welches für die Bildung der Keimzellen
reservirt wird — eine grosse Menge verschiedner Entwicklungs-
stufen des somatischen Kemplasmas, welche man mit 1, 2,
3, 4 bis II bezeicliiK Ii könnte, von denen jede um so ver-
scliiedenartigere Zellen enthält, je weiter die Entwicklung
voranschreitet, je höher die erreichte Stufe ist. So würden
also z. B. die beiden ei-sten Furchungskugeln die erste Stufe
des somatisrhpTi Kemplasmas darstellen, eine Stufe, die sich
ihrer Molelvii1iH>tiurtiir narh noch ti'u'IiL bedeutend \om Kern-
plasma (lets Furchungskerns unterscheiden Avird; die vier eibteu
Furchungskugeln Wiarden die zweite Stufe darstellen, die acht
ersten die dritte u. s. w. Fs ist klar, das^ die Molekülar-
structur des Kenii)lasmas nut jeder neuen Stufe sich weiter
von derjenigen des Keimplasraas entfernen muss, und dass
gleichzeitig die Zellen jeder Stufe unter sich in der Molekülar-
structur ihres Kemplasmas weiter auseinanderweichen müssen.
Im Anfang der Entwicklung wird jede Zelle ihr eigenartiges
Kemplasma besitzen müssen, da ihre weiteren Entwicklungs-
wege eigenartige sind, erst in späteren Stadien kommt es
dann auch zur massenhaften Bildung ganz oder doch nahezu
gleichartiger Zellen, bei denen auch das gleiche Kemplasma
vorausgesetzt werden muss«
Wenn wir nun die Annahme machen dürften, dass zur
Durdifhhi-ung dieses ganzen Processes der ontogenetfschen
Diflferenzirung des Keimplasmas eine bestimmte Menge
desselben im. Furchungskem enthalten sein müsse, und
femer, dass die Menge des Im Furchungskem enthaltenen
Digitizcü by LjO^i .l^^
- 87 -
Keimplasmas Schwaukuiigen u uteri io u'C , so worden wir ver-
stekeu, warum das eiue Ki ^ar nicht anders als nach
Befruchtung in Entwicklung tritt, ein aiideres zwar die Eut-
wicklun«: be*rinnt, aber nicht vollenden kann, während ein
drittes sie vollständig durchfuhrt. Wir würden auch vei-stelien,
¥?aruni das eine Ei nur die ersten Phasen der FurchunLi
durchläuft und dann stehen bleibt, das andere noch einige
Schritte weiter vorwärts macht, das dritte fast bis zur Yollen-
dung des Embiyos sich entwickelt. £s würde dies eben davon
abhängen, wie weit das £i mit dem Keimplasma reicht,
w elches ihm bei Beginn der Entwicklung zur Verfügung stand ;
die Entwicklung müsste still stehen, sobald das Nucleoplasma
nicht mehr im Stande wftre, die folgende Stufe aus sidi her-
voiigefaen zu lassen, in die folgende Kemtheilung einzutreten.
Von allgemeinen Gesichtspunkten aus wttide diese Theorie
viel leisten können, weil es durch sie möglieh würde, die
pbyletische Entstehung der Parthenf^genesis zu erklären und
sich eine Vorstellung davon zu machen, wie das sonderbare,
oft sdieinbar abrupte und wUlkOiUche Vorkommen derselben
etwa zu verstehen ist. Ich habe schon in meinen Daphniden-
Arbeiten betont, daas die Parthenogenesis der Insecten und
Crustaeeen jedenfoUs nichts UrsprOngliches, von Jeher durch
Vererbung Ueberliefertes ist» sondern eine erworbene Ein-
richtung. Wie könnten wir auch sonst Me bei naheverwandten
Arten oder Gattungen vorfinden oder vermissen, und sie bei
Weibchen beobachten, die den gesammten Begattungsappamt
besitzen nud bei denen doch die Mannchen vollkommen fehlen.
Ich will nicht alle «iie (iriiiide wiederholen, mit denen ich
<lamals schon diesen Satz zu beweisen suchte'); grade bei
Daphniden lässt es sich mit grosser Sicherheit schon desshalb
orschliessen. weil die Vorfahrengruppe derselben, die Phyllo-
püdeii und speciell die Esti rideu noch heute leben, und weil
diese keine i'arthenogenese besitzen, wie denn Uberhaupt bei
') Weismann, „Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden'^.
Leiiaig 1876-79, Abhandlung VII u. Zeitschn f.wi88. Zool., BiL XXXIU,
Digiiizca by Liu^.' .
— 88 —
den Dapliiiiilen die ganze ])1i\ k usehe Entstehim;? der Parthe-
nogenese in ihrem Verlauf imd ihren Motiven 'khnvv vorliegt,
als irgendwo anders. Man gewinnt dabei noch entschiedner
als bei andern Gruppen — die Blattläuse etwa ausgenoniinen —
die Ueberzeugung, dass die Parthenogenese eine Einrichtung
ist, die für gewisse Lebensbodinpungen einer Art äusserst
vortheilhaft , nur dann und nur insoweit angenommen
wird, als sie nützlich ist; und weiter, dass mindestens in
dieser Ordnung die Einrichtung der Parthenogenese bei jeder
Art möglich war und angenommen werden konnte, sobald
sie nützlich wurde. Dies würde sich leicht verstehen lassen,
wenn nur ein Pias Yon Keimplasma dazu gehörte, am ein £i
ohne Befhichtting zur Entwicklung fähig zu machen*
Untereachen wir nun die Grundlagen dies» Hypothese»
so wird der eine Theil der Voraussetzungen, dass n&mlicb
Schwankungen in der Menge des Keimplasmas des Furchungs-
kems TOrkommen, ohne Weiteres als riditlg angenommen
werden d&rfen, da es Qberiiaupt keine absolute Gleichheit bei
irgend einem Theil versdiiedner Individuen gibt; sobald alsa
diese Schwankungen so gross vorkommen, dass Parthenogenese
eintritt, so wird durch Selection dieselbe zur lien-schenden
Fortplianzungsform der Art, oder gewisser Generationen der
Art erhol>en werden können. Es fragt sich nur, ob die Vor-
stellung, dass die Masse des im Fuiehungskern enthaltenen
Keimplasmas <leu Ausschlag gibt, richtig ist, oder für jetzt,
ob sie sich bis zu gewissem Grad wahrscheinlich machen lässt
und nicht im Widerstreit steht mit That Sachen,
Auf den ersten Blick scheint diese Annahme auf Schvrierig-
keiten zu stossen; man wird einwerfen, dass der Eintritt und
die Durchführung der Embryobildung unmöglich von der
Masse des Nucleoplasmas im Furchungskem abhängen könne^
da dieselbe doch jeden Augenblick durch Wachsthum vermehrt
werden kann? Wir sehen bekanntlich die Kemsubstans
wahrend der Embryobildung in ausserordentlichem Maasse
und mit erstaunlicher Baschheit sich vermehren; eine un-
Digitizca by Liu..- . «v.
— «ü —
gefilhre Berechnung eiynh mir*) z. B., da.-s nn Ei viuei'
Gallwespe die Kernmabse im Beguiii der Keimhautbild uhl^ und
der Anwesenheit von 26 Kernen schon das Siebenfache der
Masse des Furchunpfskenis enthalten ist. Wie sollic es nun
da denkbai sein, da^s die £nibi v(»l'il(liing aus Mangel anKem-
substaiiz je stille stünde, und wcun dies der Fall mkre . wie
konnte sie da Uberhaupt beguiuen? Man könnte denken,
wenn überhaupt Keiin|»lasma in L^enüt^eiider Menge voi banden
ist, um die Furchung einzuleiten, dann nmss es ainh aus-
reichen, um die Entwicklung durchzuführen, <lenn es wächst
ja unausgesetzt und müsste also stets auf der Höhe bleiben
können, die es zu Anfang besass, und die eben grade genügte,
um die folgende Theilung einzuleiten; wenn aber auf jeder
ontogenetischen Stufe die Masse des Kemplasmas grade genügt,
um die folgende Stufe zu erreichen, dann mttsate die gesammte
Ontogenese nothwendig vollendet werden.
Der Fehler in dieser Deduetion liegt darin, dass sie das
Waehsthum der Kemsubstanz als unbegrenzt und unbedingt
voraussetzt Das ist sie aber nicht; vielmehr hängt die In-
tensität des Waehsthums, abgesehen von der Qualität des
Kens und von der Ernährung, die wir als gleich annehmen
wollen, jedenfalls auch von der Quantität der Kemsubstanz
ab, mit welcher Waehsthum und Theilungsvoigänge beginnen.
Es muss ein Optimum der Quantität geben, bei welchem das
Kemwachsthum am raschesten und leichtesten vor sich geht,
und dieses wird eben mit der Normalgrösse des Fuiehungs-
kems gegeben sein. Diese Grösse genügt grade, um in be-
stimmter Zeit und unter bestimmten äussern Bedingungen die
zum Aufbau des Embryos nötbige Kemsubstanz zu erzeugen
und die lange Reihe von Zelltheilungen hervorzurufen. Ist
der Furchungskern kleiner, aber doch gross genug, um in
Theiluug zu treten, so werden die Kerne der zwei ersten
Enibryonalzellen noch um etwas mehr hinter ihrer normalen
*) Weismann, .,Btitr;\ge zur Keniitniss d« ersten Entwicklougs-
vorgange im Insektenei''. üonn ls$2, p. 106.
Digiiizca by Gu^.- .
— 90 -
Grösse zurückbleiben, weil eben weiren zu ^?erinf(er Giösse
des Furchungskenis das \\ arhsthum desselben während und
nach der Theilung em iiiinilei- rascTies sein wird. Da nun
aber dii' Kci up während der thnbryobildung nicht in den Ruhe-
zustainl m langen, vielmehr sofort wieder zurTheilunc srlu eiteu,
so müssen sie in diesem Fall immer mehr und mehr hinter
der normalen Grösse des betreffenden Stadiums zurückbleiben ;
ihr Wacbsthum muss inuner weniger intensiv werden, je weiter
sie hinter dem Optimum der Grösse zurückbleil>en. Scbliesa-
lieh muss ein Zeitpunkt eintreten, in welchem sie zur Theilung
überhaupt nicht mehr im Stande sind, oder doch wenigstens
den Zellkörper nicht mehr so heherrsdien, dasB sie ihn zur
Theilung zwingen können.
Der erste entBcheideode Zeitpunkt für die fimbi^eiial-
entwidrlung ist die Rcöfe des Eies, die Umwandlung des
Keimblüsehens zur Bidttungsspindel und die Beseitigung des
CTOgenen Kemplasmas durdi die AbsehnOnmg der Riehtungs-
kdrperehen, oder einen analogen Vorgang. Das Eintieten
dieses Vorgangs selbst muss seine Ursadie haben, und idi
suchte oben sdion zu zdgen, dass sie in dem MasseuTeilifilt-
niss liegen kann, weldies sich bis zu diesem Momrat zwisdien
den beideriei Flasmaarten des Keimbifischens ausgebildet hat.
Ich denke mir, dass die zuerst geringe Menge des Keim-
plasmas allmälig 80 herangewachsen ist, dass sie nun zum
ovogenen Plasma in Gegensatz treten kann. Ich will das
nicht weiter ausführen . da der Thatsachenboden dazu nicht
ausreicht, dass aber tiberluiupt ein Gegensatz der Kräfte bei
der Kemtheiluiig sich einstellt und die bewegende Ui-sache
der Theilunir ist, das lehrt der Augenschein, und Roux*)
kann sohr woiü im Recht sein, wenn er diesen Gegensatz auf
eiektrisclie Kräfte Invieht. Ma<r dem aber sein, vne ihm will,
das Eine ist nicht zu bezweifeln, dass die KüInm -kl uncr dieses
Gegenstandes auf iuuern Zuständen des Kerns selbst, wie sie
1) W. Ronx, nüeber die Bedeutung der Kenitheihingsfigiiroii*'.
Leipzig 1883.
Digitlzca by Liu..- . «v.
— M —
sich währeml de? Wachsthuiiis ausbildf^ii , beruht. Es kann
nicht allein von der Masse dvs Kernfadens ai»hän<ien, ol) der
Kern in Theiiung eintritt oder nicht, sonst könnten nicht zwei
Theilungen unmittelbar aufeinander folgen, wie es doch grade
bei der Abschntlrung der beiden Richtungskörperdien der Fall
ist, und ebenso bei den nachtrftglichen TheiUingen der bemts
abgelöBteD Biefatungskörper. Es müssen innere Sustftiide des
Kerns neben seinem Masse verhältniss dabei eine wesentliche
Bolle spielen, die Masse allein nöthigt noch nicht zur Kern*
theiiung y sonst würde das Keiniblftsdien sidi lange yor der
Reifung des Eies theilen, da es ja viel m^r Nudeoplasma
enthilt, also z. B. der naeh Ausstossung der beiden Bichtnngs-
kOrper zurOckbleibende Eikern, der doch In den meisten FAllen
KU weiteren Theilungen unfähig ist Dass aber auf der andern
Seite auch die Masse dabei dne wesentliche Bolle spielt, zeigt
der sofortige Eintritt des durch Ckypulation des Ei- und
8permakems gebildete Furchungskem. Man hat sich woU
die Wirkung der Befruchtung nach Analogie des Funkens
Yorgestellt, der in ein Pnlverfass ftllt: die Masse explodirt,
d. h. die Furchung beginnt; es weiden auch heute noch Manche
dazu neigen, den polaren Gegensatz, der sich durch Kem-
theilung unmittelbar nach dem Moment der Befruchtung kund-
gibt, aiil den (iegensatz des Weiblichen und Männlichen zu
beziehen. Dem niuss aber ganz bestimmt entje^di gehalten
werden, dass der polare Gegensatz bei jeder Iverntheilung
nach den l>edeutun<:svo]len Kntdeekuni^en Flemming's und
van Beneden's nidit in der Gegenüberstellung n»äiiiilirher
und weiblicher Kernschleifen, sondern in der i.egemil>er-
steilung und gegenseitigen Äbstossung der i)eiden Hälften
derselben Kernschleifen l^endit. Die Schleifen des Vaters
und der Mutter bleiben beisannuen durch die ganze Onto-
genese hindurdi.
Was kann es nun also sein, was die Kenitheihmg nach
der Befruchtung hervorruft, und was fehlt, dass sie ohne diese
in den meisten Fällen nicht eintritt? Es gibt nur eine Mög-
lichkeit, nftmlich die plötzlich durch die Copulation
Digiiiica by
— 92 -
aufs Doppelte angewachsene Masse des Kerns.
In der Differenz, des vaterlichen und mütterlichen Kerns kann
der Gnuui niclit liei/en, niuchte dieselbe auch von einer uns
gänzlich unbekannten und verborsrenen Natur sein, weil eben
die Polarität sich nicht zwischen der väterlichen und mütter-
lichen, sondern innerhalb jeder väterlichen und mütterlichen
Kernhälfte entwickelt. Wir sind also ^enöthigt zu schliessen,
dass die V ermehruni;: der Masse des Kerns denAn-
stoss zur Theilung gibt, zu welcher die Dis-
position schon vorher vorhanden war. Mir scheinen
auch dieser Annahme theoretische Schwierigkeiten nicht eut-
gegenzusteheo, vielmehr ist es eine Daheliegende Vermuthuog,
daas neben innem Verhältnissen des Kerns vor Allem sein
Massenverhältniss zu dem des Zellkdrpers in Betracht kommt.
Es ist denkltar oder vielleicht sogar wahrscheinlich , dass der
Kern zur Theilung schreitet, sobald seine wirksame Substanz
eine gewisse M&ditigkeit erreicht hat, unbeschadet der oben
gemachten Annahme, dass gewisse innere Zustünde der Kem-
subetanz selbst vorhanden sein mfisaen, damit Theilung ein-
treten kOnne. Diese Zustände können Torhanden sein und
die Theilung tritt dennoch nicht ein, weil das richtige Hassen-
verhSltniss zwischen Kern und Zelle oder zwischen den ver>
schiednen IdioplasmarArten des Kerns noch nicht da ist. So
denke Ich mir den Zustand dnes befruchtungsbedttiltigen Eies
nach Ausstossung der ovogenen Kemsubstanz, d. h. der Richr
tungskörperchen. Dass diese ansgestossen wurden, beweist
eben, dass die Masse des KeroB vorher genügte, um Theilung
hervorzurufen. Nachher genügt sie aber nicht mehr dazu.
Ein Beispiel wird meine Meinung noch deutlicher machen.
Bei Ascaris megalocf jihala bildet die KernsubbUmz des Ei-
kerns zwei Schleifen, die des Spermakerns ebenfalls, der
Furchiingskem enthält also vier Schleifen und ebenso die
ersten Furchungszellen. Gesetzt nun, die erste embryonale
Kemtheilunjr ei-fordere soviel Kemsubstanz, als zur Bildung
von vier Si:hltMlen gehört; so wurde ein Ei, welches nur zwei
oder drei Schleifen aus seinem Kernladeu bilden kann, sich
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 98 —
unmöglich parthenofifenetiseh entwickeln können, es würde
auch die ei-ste Theihmg nicht zu Stande bringen. Nehmen
wir weiter an, dass vier Schleifen zwar genüL»^«»n , um Kern-
tbeilung einzuleiten, dass aber zur Durchführung der ganzen
Ontogenese (einer bestimmten Art) vier Schleifen von be-
stimmter Gi ösise und Masse noth wendig sind, so würden Eier,
deren Eikern einen Kernfaden von nur eben genügender liänge
besitzt, um sich in vier Segmente zu zerlegen, zwar die erste
Tbeilung durchfuhren können, vielleicht auch noch die zweite,
dritte — n**, aber auf irgend einem Punkte der Ontogenese
wird die Kemsubstanz ungenflgend werden und die Entwicklung
wird stille stehen. Das wären dann jene Eier, die ohne Be>
fruehtung zwar in Entwicklung eintreten, aber vor Beendigung
derselben still stehen. Man könnte diese Verlangsamung der
Entwicklung bis zu schUessUchem Stillstand etwa einem Eisen-
bafanzug Teigleichen, der eine Reihe von Anschlössen zu er«
reichen bat und der wegen mangelhaltor Maschine zu langsam
fthrt. Er erreicht aber, wenn auch mit einiger Verspfttung,
noch den ersten , viellticht, wenn auch mit noch grösserer
Verspätung, auch noch den zweiten oder dritten Anschlussi
aber schliesslich — da die Verspätung immer wftdist — muss
er ihn verfehlen. Die Kemsubstanz wächst während der Ent-
wicklung unausgesetzt; aber das Tempo ihrer Zunahme ist
bedingt durch die zwei Factoren ihrer eignen Masse und der
Ernährung. Die Ernährung nun hängt bei der Entwicklung
des Eies von der Masse des Zellkörpers ab, die gegeben ist
und nu llt vergrüsseit werden kann ; wenn iiuu die Kerumasse
von Anfang an um Etwas zu gering wai , so wird sie von
Stadium zu Stadium immer ungenügender werden, da ihr
Wachsthum geringer ist, als es selbst bei noiiiialer Anfangs-
niasse hätte sein müssen, folglich von Stufe zu Stufe ein immer
stärkeres Zurückbleiben hinter der Normalmasse eintreten
nuiss, ähnlich jenem Eisenbahnzug, der immer weiter hmter
den Ansehlnssstationen zuriicklileibt, weil seine Maschine, mag
sie aurli möglichst stark geheizt werden, die normale Fahr-
geschwindigkeit nicht erreichen kann.
- 94 -
Man wird mir einweifeu, dass die vier Schleifen l>ei
Ascaris doch nicht zur Kerntheilung nothw( jidiu sein könnten,
da ja bei der Abtrennung der Richtungskörper eine Keni-
theihing stattfinde, aus der der Eikern mit nur zwei Schleifen
hervoi*irehe. Allein das beweist (loch nur, dass die Masse von
vier Schleifen nicht fUr alle Kerntheilungen nöthi^^ ist, keines-
wegs widerlegt es die Annahme, dass zur Theiluug des
Furchungskerns diese bestimmte Masse, deren sichtbarer Aus-
druck die vier Schleifen sind, auch entbehrt werden könnte.
Man dftif doch die Zellsubstanz nicht ganz ausser Acht laasen;
wenn sie auch nicht der Träger der Vererbungstendenzen ist,
so ist sie doch für jede Action des Kerns nothwendig und
Bicherlich aueh in hohem Grade bestimmend. Nicht umsonst
steigt bei allen tbieriselien Eiern, die wir kennen, das Keim*
blftsdien znr Beifungszeit an die Oberflädie des Eies und
vollzieht dort seine Umwandlung; offenbar Sst es dmt ganz
andein Einflössen ?on Reiben des ZeUkArpeis unterworfen, als
im Centrum des Eies, und gewiss kdnnte eine so ungleiche
Zelltfaeilung, wie sie bei der AbsdmOnmg« der Biditungs-
körperchen erfolgt, gar nieht stattfinden, wenn der Kern im
Gentram des Eies liegen bliebe.
Das hindert aber nicht, dass nicht unter Umstftnden die
Kemsttbstanz des Eikerns nach Abschnftrung der Biditungs-
kOrper doch grösser sem und die nOthigen vier Kemsdileifen
bilden könnte. Eior also, bei welchoi die Masse des fäkems —
das Keimplasma — so gross wRre, dass die erforderlichen vier
Kernschleifen in normaler Grösse ebenso gross, als sie durch
Befruchtung gebildet werden, sich ausgestalten könnten, das
wftren Eier, die auf parthenogenetischem Wege sich entwickeln
könnten luui inüssteu.
Natürlich ist die Vierzahl der Schleifen nur als Beispiel
i^ewählt; für jetzt wissen wir noch nicht, ob überall grade
vier Schleifen im Fiirchungskern liegen, überhaupt nihen ja
di^ ganzt 11 Krwauungen, soweit sie ins Einzelne trehen, auf
willkürlicher Annahme, aber die Gmndvoi-stellung, dass die
Masse des Kerns entscheidet ceteris paribus, muss ich für
Digitlzca by Liu..- . «v.
— Ö6 —
richtig und für einen aus den Tbatsachen liervorgehenden
Scfaluss halten. Es Iiej:t auch gor nicht ausserhalb des Be-
reichs der Möglichkeit, dass es noch gelingen werde, die
Bidctigkeit dieser Annahme zn erweisen. Wenn es gelingt,
hei ein und derselben Art die Kernschleifen des durch Be-
fruchtung und andrerseits des auf parthenogenetischem Wege
gebildeten Furchungskems zu ermitteln, so wird die Ent-
scheidung gegeben sein.
Man wird mir aber vielleicht die Fortpflanzung der Bienen
als Einwtuf entgegenhalten. Aus dem gleichen Ei wird hier
ein weiMiches oder ein männliches Thier, je nachdem das £1
befruchtet wurde, oder nicht; dasselbe Ei, was beihiehtet
werden kann, vermag also, falte es keinen Samenfiiden erhält,
sich parthenogenetiseh zu entwickeln. Die befruditete Königin
hat es in ihrer Gewalt, ein Ei zum Männchen oder Weibchen
werden zu lassen, indem sie dasselbe unbefruchtet ablegt oder
Speniiu hinzutreten lässt. Sie „weiss es im Voraus"^), ob
das Ki sich weiblich oder mümilii Ii entwickeln wird, und legt
die einen in Arbeiter- oder Kuai^iii/tlitn , die andern in
Drohnenzellen. Nach den Entdeckungen Leuckart's und
von Siebold's sind alle Eier an sich entwicklungsfähige
münnliche und werden nur durch Betiiu litung in weibliche
v(M'wandelt. Dies scheint unvereiiiluir mit der hier vor-
geti ;i Lienen Ansicht von derüi"saehe der l'arthenojjenese, denn
wenn wirklich dasselbe ¥A mit genau demselben Inhalt, vor
Allem mit genau demselben Furclmnirskem sich p:eschlechtlich
oder parthenof^enetisch entwickeln kann, dann muss die Be-
fähigung zu parthenogenetischer Entwicklung amlerswo ihren
Grund haben, als in der Quantität des Keimplasmas.
So scheint es; ich glaube aber, dass dem nicht so ist.
Ich bezweifle zwar durchaus nicht, dass wirklich dasselbe £i
') So drücken sicli ilie Bienenzüchter ans, z. B. der verdiente
von Berlepsch} genauer gesprochen würde man uauulich sagen müssen,
der Anblick einer Drobnenselle reixe die Biene nun Ablegen eines un*
befrachteten, der Anblick einer Arbeiter- oder Königinselle xar Ablage
eines befrucfatelen Eies.
— 96 —
sich mit oder ohne Befruchtung entwickeln kann, vielmehr
habe ich aus sorgfältigem Studium der zahlreichen und v6r-
trafflichen Untersuchungen Ober diesen Punkt, welche ausser
von den oben Genannten in ganz besonders schlagender Weise
auch von Bossels angestellt wurden, die Ueberzongung
der Riditigkdt und ÜnumstOsslichkeit dieses Satzes gewonnen.
Man muss unumwunden anericennen, dass dieselben Eier,
welche unbefruchtet sich zu Drohnen entwickeln, Arbeiterinnen
oder Königinnen geben, wenn sie befruchtet werden. Schon
ein einziger Versuch, wie ihn Bossels anstellte, ist dafür
beweisend. Er schnitt einer jungen Königin die Flttgel ab,
machte sie dadurch unfihig zum Hochzoitsflug und beobachtete
nun, dass alle Eier, die sie legte, sich zu mftnnlichen
Individuen entwickelten. Er hatte den Versuch in anderer
Absicht angestellt, n&mlich um den Beweis zu führen, dass
aus imbefruchteten Eiern Drohnen entstehen; da aber junge,
eben befruchtete Königinnen normaler Weise nur weib-
liche Eier, d. h. befruchtete legen, so beweist der
Vei-such zugleich den obi^^en Satz, denn dieselben, zuerst
reifenden Eier würden befruchtet worden sein,
falls die Komgiu begattet gewesen wäre. Die Annahme, dass
die Königin zu gewisser Zeit etwa befruchtungsbedürftige, zu
anderer Zeit parthenogenetische Eier hervorbringe, ist durch
dieson Versuch vollkommen ausgeschlo«sPTi : die Ovarial-
Eier müssen alle genau von derselben Art sein,
es gibt keinen Uuterscliied zwibcben solchen,
die befruchtet werden und solchen, die nicht
befruchtet werden.
Folgt nun aber daraus, dass die Masse des Keiniidasmas
im Furchungskern das Entscheidende für den Beginn der
Embryonalentwicklung nicht sein kann? Ich glaube nicht
Es ist ja sehr wohl denkbar, dass der Eikern, nachdem er
sich des ovogenen Nucleoplasmas entledigt hat, in doppelter
>) E. BesseU, »Die Lftndois'sche Theorie widerlegt durch das
Experiment". Zeitschr. f. wies. Zool., Bd. 18, p. 124. 1868.
Digitlzca by Liu..- . «v.
- 97 -
Weise zum Furchungskern vervollständigt werden kann, einmal
durch Copulation mit einem Spermakern und dann durch
einfaches Wachsthum auf das Doppelte seiner Masse. Es liegt
in dieser letzteren Annahme so wenig etwas Unwahrschein-
liches, dasB man vielmehr eher zu fragen geneigt ist, warum
denn ein solches Wachsthum nicht bei allen £iem eintritt,
wenn sie unbefruchtet hieben? Darauf wird denn die richtige
Antwort wohl die sein, dass es der Natur auf die Durch-
iQhrung der geschlechtlichen Fortpflanzung ankam und eine
allgemein stattfindende Farthenogenesis nur dadurch verhütet
werden konnte, dass die Eier steril gemacht wurden, falls sie
unbefruchtet blieben. IMes geschah daduieh, dass der Eikern
nach Ausstossung des ovogenen Nucleoplasmas die Fähigkeit
weiter zu wachsen verlor.
Der Fall der Biene beweist sehr schön, dass derTJnter-
schied zwischen Eiern, die der Befruchtung be-
dürfen und solchen, die sie nicht bedürfen, erst
nach der Reiiuiig des Eies und nach der Entfer-
liuiig des ovogenen Plasiu as eintritt. Die Vermehrung
des Keimplasmas kann unmöglich hier schon voiiier dagewesen
sein, denn sonst würde der Eikern in jedem Falle allein
schon die Enibryon«ilentwicklun<r einleiten und das Ei
könnte — aller Wahrscheinlichkeit nach — überhaupt
nicht hefriH'htet werden. Denn der Gegensatz von Ei-
und Sperniakei ii beniht doch wohl eben darauf, dass jeder
für sich allein un^eiiiigend ist und der Ergänzung bedarf;
wenn diese Erpinzung auf das Dopjjelte also schon vorher
geleistet wäre, so würde der Eikern entweder dann keine
Anziehung mehr auf den Spermakern ausüben, oder es würde — ■
wie in den interessanten SuperfÖtationsversuchen von Fol —
zwar die Copulation eintreten, aber Missbüdung des Embryo
die Folge sein. Bei Daphniden glaube ich seiner Zeit gezeigt
zu haben dass die Sommereier sich nicht nur parthenogene-
tisch entwickeln, sondern dass sie niemals befruchtet
1) j^Daphniden'*, Abhandl. YI, p. 334.
Digiiizca by Liu^.' .
— 98 -
werden, und dies wird vielleicht seinen Grund daiin haben,
dass sie nicht befruchtungsfiUiig sind, weil ihr FuiebiingskenL
bereits gebildet ist.
Bei den Bienen wird also der Eikern, welcher sich mit
der Reifling des Eies aus dem Keimblflscben bildet, entweder
«cb mit einem Sperniakem copuliren, oder aber — falls kein
Samenüsden das £i erretcht — aus eigner Kraft zur doppelten
Masse dea Furebungskems beranwacbsen. Basa dabei im
letzteren Fall der Embryo mAnolicheiiy im ersteren weiblicben
Oescbleditea wird, ist eine Thaitsache, die hier nicht weiter
in Betracht kommt.
Es ist klar, dass ein solches Wachsen des Kemiplasmaa
zun&chst zwar wohl von der Ernährung des Kerns abhfiogt,
d. h. also vom Eizellkörper, in erster Linie aber von innera
Zuständen des Kerns selber, von seiner Wachsthums-
fähigkeit. Es ist anzunehmen, dass diese letztere dabei
die Hauptrolle spielt, da ja überall in der oiganischen Natur
die Grenze, welche dem Wachsthum gesetzt ist, auf innem
Zuständen des wachsenden Körpers beruht, und nur in niässigem
Grade duivli Unterschiede der Ernährimg verschoben werden
kann. Die phyletische Erwerbung der Fähigkeit
zu parthenogenetischer Entwicklung wird also
auf einer Verschiebung der Waelisthumsfähigkeit
des Eikerns beruhen.
Die hier vorgetragene Auffassung der I-arthenogenese
nähert i^iüh am meisten der Ansicht > t r ;i sburger's, inMifem
dieser das Ausbleiben parthenogenetisclier Entwicklung eben-
falls auf die zu geringe Menge des nach Ausstossung der
liichtuugskörpoirlien im Ei zurrickbleü)enden Xucleoplasinas
bezieht, sie weiclit aber von ihm darin ab, dass sie dies Ein-
treten von Parthenogenese nur in einer Vennehruiig diese»
Nucleoplaamas auf die normale Grösse des Furebungskems
sieht. Strasburger vennuthet „besonders günstige Er-
nähnrngsbedingungeu^ welche dem ]\rangel an Nucleo-Idioplasma
entgegenwirken", während mir die Ernährung schon desshalb
in zweiter Linie zu stehen scheint» weil bei den Bienen
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 99 —
dasselbe £i befiruchtet oder partfaenogenetiseh Bich ent-
wickeln kann, die Ernftbrungsbedin^ungen des Kerns also in
beiden Fällen die «rleiehen sind. Strasbur^er*) stellt
drei Möglichkeiten auf, wie Partheno^^enese zu Stande kominen
könne; erdenkt zunächst au eine „Ki^äii/Aing des Idioplasiiias
iui Kikerii" durch besoudei-s güustis:e Emährungsverhältuisse.
Dabei wird man freilich sofort zu der Frage geführt, warum
denn ein Thril dieses „Idioi)lasmas" vorher ausgestossen
werden musste, wenn er doch unmittelbar darauf wieder noth-
weudig wurde. Das würde sich nur durch die oben gemachte
Voraussetzung erklären, da^s das ausgestossene Keruplasma
von anderer Beschaffenheit sei, als das jetzt neu gebildete.
Freilich wissen wir ja auch noch nicht sicher; ob bei den
P>ieru, bei welchen Parthenogenese vorkommt, ein Richtungs-
körperchen ausgestossen wird, aber wir wissen doch, dass das
JKi der Biene dieselben Heifeerscheinungeu durchmacht,
mag es befniclitet werden, oder nicht Die zweite Möglich^
keit, «dass unter diesen Bedingungen das halbe (— oder
wohl richtiger viertel — ) Idioplasma des Eikerns zur Ein-
leitung der Entwicklungsvor?i\ng(> im Cyto-Idioplasma genüge/,
kann ich kaum für annehmbar halten, und die letzte, »dass
das Gyto-Idioplasma hier, vou der Umgebung aus emAhrt»
an Masse zunahm und den Eikern zwang in Theilung ein-
zutreten^ , setzt voraus» dass der Zellkörper den Anstoas zur
Theilung des Kerns gibt, was jeden&Us noch nicht erwiesen
ist. Mir scheinen die Thatsachen viel mehr darauf hinzuweisen,
dass der Zellkftrper nur die Bedeutung eines Nährbodens für
den Kern hat und grade die von Strasburger angezogenen,
schon erwähnten Beobachtungen von Fol über Superfötation
scheinen mir dies des Weiteren zu belegen. Wenn Sperma« .
kerne im Ueberschuss ins Ei eindringen, so können diese
unter dem ernährenden Einflnss des Zellkörpers zu Attrac-
tionscentren werden und einen Amphiaster bilden» d. h. den
ersten Schritt zur Kern- und Zelltheilung thun. Sie könn«i
a. a. U. p. 150.
WeUJttauJt, Di« Contüiuitftt de« K«implMmM. 7
Digiiizca by Gu^.- .
— 100
nicht den «ganzen Zellkoiper behenscbcü und zur Tlieiluug
briiimMi, I ( rzwingeu sich eine gewisse Machtsphäro.
umi sie thun dies, nachdem sie auf Kosten des Zellkörpers
zu einer g(;wissen Grösse heran^rewaciisen sind . S t r a s ]> u r e r
hat p:anz Recht, wenn er dies eine „]):irtielle Tin tlieudgenesis"
nennt; eine solche wird aber vernuithiich jeder Eikern auch
eingehen, nur da88 er sie nicht in allen den Fällen zu totaler
Parthenogenesis steigern kann, wo er — wie hier der Spernia-
kem — vermöge der ihm innewobnenden Assimilationskraft
nicht die genügende Grösse erlangen kann. Aber nicht die
Zelle zwingt den Kern zur Tbeilung, sondern umgekehrt.
Es wäre auch vollkommen irrig zu glauben, dass parthenogene-
tische Eier ein grösseres Nährmaterial enthalten mOssten, um
dadurch den Kern besser zu ernähren* Die pnrtbenogenetischen
Eier von gewissen Daphniden (Bytotrephes, Polypbemus) sind
sehr viel kleiner, als die befruchtungsbedflrftigen Wintereier
derselben Arten; auch ist es ein Irrtbum, wenn Stras-
burg er meint, es sei «mit Sicherheit festgestellt, dass gttnstige
Emfibrungsbedingungen bei Dapbniden parthenttgenetisehe
Entwicklung veranlassen, wflbrend ungünstige Bedingungen
die Bildung befroditungsbedfirftiger Eier hervorrufen'^. Aller-
dings hat sich Carl Dflsing ^) in seinem beachtenswerthen
Buch Aber die Entstehung des Geschlechts mit Geschick und
Scharfeinn bemüht, aus meinen Versuchen und Beobacbtui^en
ttber die Fortpflanzung der Dapbniden den Satz zu erweisen,
„dass sich je nach der Stärke der Emähning im Ovarium
WiiiUr- oder Sonnnereier bilden", ich glauite al)er nicht, dass
ihm dies gelungen ist. Jedenfalls kann von einer „Sicher-
stellung" desselben keine Rede sein. Wohl habe ich beob-
achtet, dass bei solchen Dapbniden (Sida), welchen man in
Gefangenschaft nicht (iie richtige Nahrung verschaffen kann,
welche also Hunger leiden, die reifenden Eier in ihren Ovarien
zerfallen und resorbirt werden, dass also solche Thiere ge-
Carl Dasing, „Die Regulirung des Oescfaleehtsverfattltaisses''.
Jena 1884.
Digitizcü by LjO^i .l^^
- 101 —
wisBemuuttsen ihr Leben fristen auf Kosten ihrer Nachkommen-
schaft; aber es wäre ganz verfehlt, wollte man mit Dttsing
aus der Aehnlichkeit , welche solche schwindenden Eifollikel
liiit den bei der WinteieibiUluiig normalerweise sich auf-
lösenden Keimzellengruppen besitzen, den Schluss zielu n. duss
bei einem massigeren Grad von Hunger Wintereier gebildet
worden wären. Düsing citirt femer meine ^gelegentliche
Anjrabe, dass Bildung von Dauei*eieni bei Dapbnia öftere in
«olcbt n Versuchs^läsem eingetreten sei, die ich „längere Zeit
nachzusehen vei"süumt und in denen sicli nun eine /jildreiche
Nachkommenschaft angesammelt hatte". Er schliesst völlig
irrthüralich auf Nahrungsmangel in diesen vemachlässiizten
Oläsern; hätte ich einen solchen Schluss voraussehen können,
so würde ich ihm leicht haben vorbeugen können durch
den Zusatz, das grade in solchen Gläsern eine ungestörte
Wucherung verschiedentlicher Algen stattfand, so dass nicht
Mangel, sondern Ueb^nss an Nahrung in ihnen herrschte.
Ich habe übrigens seither direkte Versuche angestellt, indem
ich Jungfern Weibchen so knapp wie möglich ernährte; sie
gingen aber in keinem Fall zqr geschlechtlichen Fortpflan-
zung tther^).
Es gehört schon einige Voreingenommenheit dazu, um
debt zu sehen, dass schon die Genese der beiderlei
Eier selbst eine Entstehung der Sexualeier aus Mangel
und schlechterer EmiUirung gradezu ansschliesst Die be-
. fruehtungsbedttrftigen Dauereier sind stets grosser, als die
parthenogenetisehen »Sommer'^-Eier und brauchen w^t mehr
Nfthrmaterial , als diese. Bei Moina z. B. geh6ren zur
Bildung eines Bauereies ttber 40 grosse Nährzellen, zu der
eines Sommereies nur 3! Dttsing kennt diese Thatsachen
und fbhrt sie an! Wie sollte auch Dauerei- Bildung ygh
sehlechterer EmShrung abhängen, da doch die Zeit der Banerei-
Bildung giade die des allerreichlichsten Nahrungsvorraths ist.
^) Icli (knke diese Versuche an einem andern Orte gelegentlich im
Zusammeuhuiig mit andern Beobachtungen initzutlieileu.
7*
Digiiizca by Gu^.- .
— 102 —
Bei allen Seebewoluiom z. B. tritt die sexuelle Fürt})tlaiizui)g
erst gegen den Ileibst hin auf, die Dauereier sind hier
ächte Wintereier, hestinimt, die Art Über den Winter hinaus
zu erhalten. Zu keiner Zeit des Jahres aber ist die Nahrung
der Daphniden so reichlich vorhanden, wie im September und
October, oft auch noch bis tief in den November hinein (in
Süddeutfichland). Für die zahlreichen Moderfresser sind die
Wasser zu dieser Zeit angefüllt mit Flocken pflanzlicher und
thierist^her Zer&Uprodukte^ für die räuberisehen Polyphemideu
wimmelt es von allen Arten von Crustaceen, RäderÜiieren
und Infusorien; wo sollte da Mangel an Nahrung herkommen?
Wer je im Herbst mit dem feinen Netz in uusem Stksswassem
gefischt hat, der wird zuerst erstaunt gewesen sein ftber den
enormen Beichthum an niederen Thieren, und dies um so
mehr, wenn er im Stande war, es mit der spArlichen FnHh"
jahrsbevölkeruttg derselben Oertlichkeiten zu veigleiGfaen.
Im Früljahr und Sommer aber pflanzen sieh die betreffenden
Daphniden durch Parthenogenese fort Ich bin weit entfernt,
meine Versuche an Daphniden fUr erschöpfend und abschliessend
zu halten, und habe dies ja auch bei ihrer VerdffientlichuDg
gesagt, aber so viel seheint mir allerdings durch sie festgestellt
zu sein, dass direkte, das einzelne Individuum treffende
Einflüsse, heissen sie Eniährunf? oder Tenjperatnr oder sonst-
wie, nicht die Art der Eier bedingtu, welche hervorgebracht
werden, sondern der indirekte Einfluss der Lebens-
bedingungen, vor Allem die durchschnittliche Häufigkeit
des Eintritts von schädlichen, die gesanmite Colonie ver-
nichteiidcii Ereignissen, wie sie die Winterkälte, oder das
soiiinn'iliche Austrocknen der Pfützen darstellen. Ich kann
L^LHiniber Dil sing nur auf das verweisen, was ich früher
gegen Herbert Spencer*) vorbrachte, der schon difs<lhe
Ansicht aufgestellt liat, „dass herabgesetzte Ernährung die
geschlechtliche iortpflanzung zur Folge habe".
WeismftDii, Dapbnidea, AbbandL VII, p. 329; Herbert
Spencer, «Die Pxindpien der Biologie''; deutecb von Vetter, Stattgut
187S, p. 249.
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 103 —
Eiue meiner Beobachtimp:eii scheint nun freilich dieser
Ansicht eiue Stütze zu i^^währen, aber doch nur, wenn mau
sie ausser Zusammenhang betrachtet. Ich meine das Verhalten
der CTattun«: Moina, die Thatsache, dass beim Fohlen von Männ
eben solche Weibchen von Moina, ^elclip Soxualeier in ihren
Ovarien tragen, und welche auch später beim Vorhandensein
von Männchen nur befruchtungsbedürftige Eier producirt
haben würden, zur Bildung parthenogenetischer Sommereier
übergehen, falls das betreffende Winterei nicht abgelegt,
«ondern im Eierstock resorbirt wird. Das sieht freilieh
auf den ersten Blick so aus, als ob die durch den Zerfall des
grossen Wintereies gesteigerte Nahningszufuhr im Ovarium
die Erzeugung parthenogenetischer Eier hervorrufe. Dieser
Anschein wird noch erhöht durch Folgendes. Der Uebergateg
zur Parthenogenese kommt nur bei der einen Art von Moina^
bei Moina rectirostris vor, bei dieser aber stets und ohne
Ausnahme; bei der andern von mir untersuchten Art,
Moina paradoxa, werden einmal gebildete Wintereier auch
stets abgelegt, und bei dieser Art gehen solche Weib-
ehen nicht zur Sommerei-Bildung über. Dennoch
ist Düsing im Irrthum, wenn er dieses Beharren bei der
Bildung von Sexualeiem darauf bezieht, dass hier die starke
Zufuhr von Nahrung durch das im Ovarium zerfallende Ei
in Wegfall kommt. Bei vielen andern Daphniden, die ich
untersucht habe, wenden sich die Weibchen häufig wieder der
Bilduii- juullienogenetischer Somuiereier zu, nachdem sie ein
oder mehrmals befruchtete Dauereier abgelegt haben. So
verhält es sich i. B. bei allen I)[ii)hnia- Arten, die ich kenne,
und dies allein beweist wolil , dass die abnonue Nahruugs-
zufuhr eines im Ovarium zerfallenden reifen Wintereies nielit
die Ursache darauf fol^/euder Parthenoirenese ist, wie es denn
zugleich wieder von Neuem heweij^t, dass auch die bessere
oder schlechtere Ernährun'/ des i^anzeu Thiers Nichts mit der
Art der Kibildung zu tliuu hat, denn die Krnahnuig ist ja
inzwischen dieselbe geblieben, jedenfalls niclit besser geworden.
£s ist irrig, überall direkte äussere Ursachen für den
Digiiizca by Liu^.- .
— 104 —
Modus der Kibildimp: verantwortlich zu machen. Natürlich
müssen direkte Ursachen da sein, die es bedin??en, dass ein
Keim zum Winterei, ein anderer zum Sommerei wird, aber
sie liegen nicht ausserhalb desThiere» und nicht
in der Nahmngszufuhr zu seinem Ovarlum, sondern
in jenen, fftr nns heute noch nicht weiter analysirbaren Ver-
hältnissen, welche wir als die specifiscbe Constitution der Art
Torlftofig bezeichnen müssen. In jungen Männchen von Daph»
niden sehen die Hoden genau so aus, wie in jungen Weibchen
die 0?arien^); dennoch werden sie Spennaxdlen liefiBm und
nicht Eier, daAlr bOigt uns die am jungen Thier schon er«
kennbare mftmdiclie Form der ersten Antenne, oder des-
Klammerfnsses. Wer kann aber sagen, welche direkte Ur-
sachen die Keimzellen hier veranlassen, zu Spermazellen zu
werden und nicht zu Eäzellen? liegt es etwa an der £r-
nShrung? Oder liegt es an der EndLhrung, wenn stets die^
dritte Keimzelle einer vierzelligen Keimgruppe weiblicher
Daphniden zur Eizelle wird, die andeni aber sidi zu Gunsten
des Bäes als NährzeUen auflösen?
Das sind, glaube ich, deutliehe Beispiele daf&r, dass die
direkt bewirkenden Ursachen der Richtung, welche die
EiitwickliHi;^^ in einem speciellen Fall einschlägt, nicht in den
äussern Eiuiiüssen zu suchen sind, sondern in der Constitutiua
der betreffenden Theile.
Ganz ebenso verhalt es sieh bei der Entscheidung über
die Qualit;\t der Eibildung. In der Constitution der einen
Moina-Art ist es entlialten, dass ein hestiiiimtes Thier nur
Wintereier producirt oder nur Sommereiei , hri der andern
Moina-Art kann der Wechsel zur Sommereibildunj? eintreten,
er ei-folfrt alx r nur, wenn das Winterei uubefnichtet bleibt.
Das letztere erscheint mir als eine specielle Anpassung dieser
und anderer Arten vielleicht an den hier öfters eintretenden
M&nnGbenmangel. Jedenüalls leuchtet es ein, dass ein Vorthei)
>) Daasdbe iit seitiier f&r Arten aus venchiednen andern Thiet^
groppen festgestellt worden.
Digitlzca by Liu..- . «v.
- 105
darin liey^ wenn bei ausbleibender Befruchtung das })efrucli-
tungsbedOiftige £i für den Organismus nicht verloren geht,
sondern resorbirt wird. E& ist dies eine Einrichtung, die der
Dachfolgenden Produktion von Sommereiem zu Gute kommt,
ohne aber doch ihre Ursache zu sein.
Die Dinge liegen in der Natur nicht immer so einfach,
das zeigt die kleine Gruppe der Daphniden sehr deutlich.
Bei manchen Arten sind die Weibchen, welche Wintereier
hervorbringen, reine Sexualweibchen und gehen niemals zur
Parthenogenese über, bei andern können sie dies thun, thun
es aber nur bei Mttnnchenmangel, bei noch andern aber
geschieht es r^lmltesig. Ich habe in meinen Daphniden-
Arbeiten zu zeigen versucht, wie dies mit den verachiednen
flüssem Bedingungen, unter denen die verschiednen Arten
leben, zusammenhangen kann, ganz ebenso, wie auch der
frohere oder sp&tere Eintritt der Sexnalperiode, und wie
schliesslich der ganze cyklische Wechsel von sexueller und
parthenogenetischer Fortpianzung auf Anpassung an bestimmte
äussere Lebensbedingungen bendit
Sollte ich aber sagen, wie man sich etwa die direkten
Ursachen vorzustellen und wo man sie zu suchen habe, welche
es bewirken, dass das eine Mal partheuogenetische Somnier-
eier, da« andere Mal befruehtungsbedürftige Wintereier her-
vorgebracht werden, so kann ich das von der oben dargelegten
Hypothese über die Zusammensetzung des Keimbläschens aus
ovogeneni Ki riiitlasma und aus Kei!ii])lasnm oliiie Schwierigkeit
thun. Ich iiHuiite aber dabei etwas weiter ausgreifen und
auch die beiden ()l)en als Beispiele aufgeführten Fälle von
den Ki-Nfthrzellen und den Spennnzelli n heranzielien.
Die direkte Ursache, warum die völlig identisch er-
scheinenden Zellen des jugendlichen Daphniden-Sperniai iuius
und -Ovariums sich einerseits zu Ö])ermazellen, andrereeits
zu Eizellen entwickeln, sehe ich darin, dass in dem Kem-
plasma beider zwar völlig gleiches (etwaige individuelle
Verschiedenheiten abgerechnet) Keimplasma enthalten ist,
aber verschiednes histogenes Kemplasma; in den
Digiiizca by Liu^.' .
— 106 -
männlichen Keiiiizellfn namlicli s])enTio?ene?, in den weiblichen
ovoL'pnes Plnsiun. Dies niiiss soizar so sein, wenn muiei'S
nnsre Grundansehaunnf? richti': ist, dass die specihsche Natur
des Zelikörpers von der seines Kerns hestimnit wird.
Ebenso werden die weiblichen Keimzellen des Dapbniden«
Ovariums, die zuerst nicht im preringsten von einander sich
UDterscbeiden, doch dadurch verschieden sein, dass ihr Kem-
plasma ein Gemisch verschiedner Plasma- Arten in verschiednem
Verhältniss ist. Keimzellen, die feinkörnigen ziegelrothen
Winterdotter (Moina rectirostris) bilden sollen, müssen ein
ovogenes Plasma von etwas anderer MolekOlarstroctur besitzen,
als solche, welche nur wenige fnrosse blaue Fetflnigeln (Sommer-
eier dersdben Art) abscheiden sollen. Weiter wird auch
das VerhAltniss zwischen Keimplasma und ovogenem Plasma
in beiderlei Keimzellen ein verschiednes sein können, und es
wftre eine sehr einfache Erklftrnng der sonst rftthselhaften
Rolle, welche dieNfthrzellen spielen, durfte man annehmen,
dass bei ihnen die Beimischung von Keimplasma ganz fehlt;
es wftre damit die Ursache gegeben, warum sie nicht in
embryonale Entwicklung eintreten können, sondern bis zu
einer gewissen Grösse heranwachsen und dann stille stehen,
wenn freilich auch daraus allein es sieh noch nicht erklärte,
warum sie sich dann nun lan^rsam in der umgebenden Flüssig-
keit auflösen. Wenn man aber weiss, dass auch Eizellen
sich sofort iiutzuloheu beginnen, sobald die hetreffeinle
Daphnide schlecht ernährt wird, so wird man kaum umhin
können, auch die Auflösung der Nährzellen auf un{ienügende
Eniiiiirung zu beziehen, welche (Antritt, sobald die Eizelle
bei Erreichung einer bestimnittni Grösse eine ülierlegene
Assuuilationskraft ireltend macht. Es war aber l)islier durchans
nicht zu verstt'heii. warum gnnie immer die dritte Eizelle
einer iveimzellen^^ruppe diese Ueberlegenheit entwickelte und
zur Eizelle wurde ; besässe sie eine in Bezug auf >;rnähning
begünstigte Lau'e, so könnte man vermuthen , dass sie den
drei andern Keimzellen in der Entwicklung voraneilte und
diese dadurch am Weiterwacbsen verhinderte; allein davon
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 107 —
l&88t sich Nichts mit irgend welcher Wahrseheinliehkeit sehen,
wie ich dies auch froher schon hervorhob, obwohl ich mich
zuletzt aus Mangel einer besseren Erklärung dennodi zu
dieser Annahme entschloss, wenn auch nur als zu einer
„provisorisehtni Zurechtlegung der Thatsachen''. Es bot sich
mir damals noch nicht die MQgliehkeit die Ursadie der
spfttecen Versehiedenheit jener vier, dem Ansehein nach völlig
identischen Zellen in ihre eigne Substanz zu verlegen. Jetzt
aber steht es uns frei, die Annahme zu machen, dass mit
der Theilung einer ürkeimzelle in zwei, und dann in vier
Keimzellen eine ungleiche Theilung des Keniplasmas dnher-
gehe, derart» dass nur eine der vier Zellen zugleich Kdm-
plasma mit ovogenem Kernplasma erhalte, die drd andern
aber nur das letztere. Auf diese Weise wird es auch ver-
ständlich, dass gelegentlieh auch einmal die zweite Zelle
der Keimgiiippe zum £i wird, was von meinem früheren
ErklärungsversurJi aus ganz unverständlich blieb. Es scheint
mir durchaus kein Einwurf gegen diese Ansicht, dass auch
ächte Eizellen, ja das ganze Ovariuiii mit allen seinen grösseren
Keuiizellen zerfallen und resoihirt werden kann, wenn das
Thier anhaltend hungert, so wenig, als es ein Einwurf gegen
die Unsterblichkeit der Einzelligen wäre, dass ein Infusorium
verhungern kann. Das Wachsthum wird ja ülteihaupt nicht
allein diirrh die innere Constitution zum Stilistaud gebracht,
hündrni aueii <iurcb absoluten Mangel der Nahnmtr, aber es
wäre (luch recht verkehrt, wollte man die Grossentlilierenzen
der verschiedueii Thierarten von dem vei'schieduen -nitem
Krnahnmgsgrad derselben herleiten. Wie aber ein Si)erling
auch bei der allerbesten Krnährung niemals weder die Grösse
noch die Gestalt des Adlers erreicht, so wird auch die zum
Sommerei bestiunnte Keimzelle niemals weder die Grösse
noch die Gestalt und Farbe des Wintereies erreichen; es
sind innere, constitutionelle Ursachen, welche bei
beiden ihren Entwicklungsgang bestimmen, und im letzteren
Falle kann es kaum etwas Anderes sein, als die verschiedne
Beschaffenheit ihres Kernplasmas.
Digiiizca by Liu^.' .
— 108 —
Alle (lieso Krwäüfiinfren beruhen auf der A^oraiisset/unir,
(loisi! in der Sultstaiiz des Keimbläschens zweieilei Idioplasiueü
vereinigt sind , Keimplasma und ovogenes l'la.suia. Ich h;tlie
dafür bisher noch keinen ei <j;en fliehen P-eweis vüivel)racht, ich
glaube aber, dass ein solcher gegeben werden kann.
Es gibt bekanntlich Eier, hei welchen die Richtungskörper
erst nach dem Eindringen des Spermatozoons ins Ei aus-
gestoesea weiden. Brooks^) bat diese Thatsache schon 2a
einem Beweis gegen die Theene von Mi not und Balfonr
benutzt, indem er vollkommen richtig schliesst, dass, wenn
wirklich das Richtungskörperchen die Bedeutung einer männ-
lichen Zelle hätte, sich nicht absehen liesae, warum das £i
sich nicht auch ohne Befruchtung sollte entwidceln können,
da es ja dann die ihm nöfhige mAmdiehe Kernhftlfte immer
noch hesfisse. Solche Eier aber — z. B. die der Auster —
entwidreln sich nionals unbefruchtet , sondern sterben, wenn
sie nicht befruchtet werden.
Gegen dieses Aigument Hesse sich hiichstens mit einer
neuen Hypothese Etwas einwenden, deren Aufttellung ich den
Vertheidigem dieser Theorie ttberlassen wiU. Aber die be-
treffende Thatsache scheint mir zugleich auch den Beweis zu
liefern flir die Anwesenheit zweier yeischiedner Eernplasmen
im Kamblftschen. Wäre nämlich das Kemplasma der Bicb-
tungskörper auch Keimplasma, so wäre nicht abzusehen, wess-
balb diese Eier sich nicht parthenogenetisch entwickeln sollten,
dass sie ja dann in unbefnichteteni Zustand mindestens ebenso
viel Keimplasma enthielten, als sie nach der Befruchtung
enthalten.
Dagegen könnte man höchstens dann Etwiis vorbringen,
wenn man das Kemplasma der Samenzelle für etwas qualitativ
Vei-schiednes von dem der Eizelle hält. Gegen tiiese Ansicht
liaVie ich mich oben schon gewandt und möchte jetzt noch
emmal darauf zurückkommen. JSchon vor einer Reihe von
Jahren spradi ich die Ueberzeugung aus, dass „der physio-
Brooks, „The law of heradity". Baltimore 168ä» p. 7ä.
Digitlzca by Liu..- . «v.
— 109 —
logische Werth von Samenzelle und Eizelle der
gleiche sei, sie verhielten sich „wie 1:1"*). Valao-
ritis') hat mir darauf den Einwand gemacht, df\^^ wenn man
unter dem j^ysiologischen Werth einer Zelle den Werth ihr^
Leistungen verstehe, ea nur eines kurzen Hinweises auf diese
letitereiL bedttife, um zu zeigen, wie ▼enefaiedenwerthig that-
sikddicb ihre «LeistungsiUiigkeit'' sei. yfii es doch die Ei-
zelle und nur diese, welche .... die phylogenetiflchen Stadien
des Mntterthiers mehr oder weniger YoUstftndig durchlaufend
sich zu einem ihm lihnlichen Wesen gestaltet Und bedarf
es auch aUeidiogs in den meisten Fftllen der Einwirkung des
Spermatozoids, um jene Krftfte anszulOsen, so beweisen doch
' die FlÜIe von Parthenogenesis, dass das diese Emwirkong
vollkommen entbehren kann.*^ Dieser Einwand schien voll-
kommen berechtigt, so lange man in der Befruchtung noch
,die Belebung des Keims" sah, oder, wie ich es oben aus-
drOckte, in der Spermazelle den Funken, der die Explosion
hervorruft, so lange man ferner die Keimsubstanz noeli im
Zellkori er erblickte. Jetzt kouneu wir dem Eikörper
kaum eine liühere Bedeutung zuschreiben, als die, der gemein-
same Nährboden für die bei der Befruchtung küpuiirenden
beiden Kerne zu sein. Diese selbst aber — wie Stras-
bnrger voilkonunen in Uebereinstimmung mit mir sich aus-
drückt — : ^Speniiakeru und Eikern sind ihrer Natur nach
nicht verschipilt'ii." Sie könnten es gar nicht sein, da sie ja
beidf aus Keimplasma derselben Species bestehen, und ein
GegeüSRtz in ihrer eignen Substanz nicht enthalten sein kann,
vielmehr nur ein so geringfügiger Unterschied , wie er den
individuellen Verschiedenheiten der fertigen Individuen ent-
spricht. Zwischen ihnen kann desshalb in der That an und
für sich keine besondere Anziehung bestehen, und wenn wir
sehen, dass Sperma- imd £izelle sich anziehen, wie das ja
auf pflanzlichem und thierischem Gebiet erwiesen ist, so sind
I) Zeitachr. t wiss. ZooL Bd. 88, p. 107. 1878.
^ ValaoritiB, a. a. 0. p. e.
Digiiizca by Liu^.' .
— 110 —
das sekundäre Erwerbungen, die keine andere Bedeutung
haben, als die Geschlechtszellen einander zuzuführen, also
Einrichtungen, die dem vibrii enden Schwanz des Spennato-
zoons» oder der Mikropyle Eies gleich zu stellen sind,
aber keine fundamentalen, in der Molekalarstructur des Keim-
plasmas begründete Eigenschalten. Bei niedem Pflanzen hat
Pfeffer den Nachweis erbracht, dass bestimmte chemische
Reize vom Ei ausgehen und das Spermatozoon anziehen, und
bei den Phanerogamen sind es nach Strasburger die
Synergiden -ZeUen in der Spitze des Embryosackes, welche
eine Substanz aussondern, die die Fähigkeit besitzt, das
Wachsthum des PollenBcblauchs gegen den Embryosack hin-
zuleiten. Für dieThiere hat Us jetzt nur so viel festgestellt
werden kOnnen, dass Spmiatozoen und Eik&rper sich gegen-
seitig anziehen, die ersteren finden das £i und bohren sich
durch seine Häute durch und das Plasma des Eikörpers kommt
dem eiudnugeiideii Samenfaden entgep:eii (cones d'exsudation,
Fol bei Seesterneu), geräth auch wohl dabei in zuckende
Bewegungen, wie dies beim Ei von Petromyzon der Fall ist.
Hier muss also eine gegenseitige Reizung und Anziehung statt-
finden. Auch zwischen den beiden copulirenden Kernen wird
man vielleicht doch eine Anziehimfr annehmen luusseii. da
nicht recht nlizutseheu ist, wie das Cytoplasma allein sie zu
einander führen sollte, wie Strasbin ger will Es müsste
denn sein, dass von doTii speeifischen Cytoplasma der Sperma-
zelle ein Theil auch dann noch den Kern umhüllt, wenn er
in den Eikörper bereits eingedrungen ist. Jedenfalls aber
beruht die vermuthete Anziehung zwischen den copulirenden
Kernen nicht auf der Molekülarstructur ihres Keimplasmas^
sondern auf irgend einem accessorischen Umstand, denn diese
ist bei den beiden copulirenden Kernen die gleiche. Wenn
es ausführbar wäre, in das Ei irgend einer Art, unmittelbar
nach Umwandlung des Keimbläschens zum fäkem. den Eikern
eines andern Eies ktinstlich hineinzubringen, so würden die
beiden Kerne wahrscheinlich sich ebenso copuliren, wie wenn
der befruchtete Spermakem ins Ei eingedrungen wlüre, und
Digitlzca by Liu..- . «v.
- III —
es wOnte damit der direkte Beweis geliefert seiu, dass Ei-
und Spermakem in der That jxleich sind. Leider wird sich
der Versuch wegen techuisi-her Hindernisse schwerlich aus-
führen lassen einen theihveiseu Ersatz ilalur aber leistet
die von Bert hold festgestellte Thatsache, dass bei gewissen
Algen (Ectocarpus und Scytosiphon) nicht nur eine weibliche,
sondern auch eine männliche Parthenogenese vor-
komnjt. indem zuweilen auch die männlichen Keimzellen
allein sich „zu allerdings sehr schwächlichen Pflänzchen*
entwickeln können^). Auch die Conjugation darf als Beweis
für die Richtigkeit dieser Ansicht angesehen werden. Es kaim
W(»hl nicht mehr bezweifelt werden, dass sie die ^geschlecht-
liche FortpflanzuuLT der Einzelligen ist. Bei diesen nun, wie
ja auch bei zahlreichen Algen , sind fast immer die beiden
conjugirenden Zellen auch äusserlich gleich, und wir
haben keinen Grund, anzunehmen, dass sie es nicht auch in
ihrer Molekülarstructur soweit seien, als Überhaupt ein In-
dividuum derselben Art dem andern gleich sein kann. Nun
gibt es aber auch Formen mit entschiedner Differenzirung der
sidi copulirenden Zellen zu weiblichen und männlichen, und
diese Formen sind mit jenen ersten durch Uebergänge ver-
bunden. So copnliren sieh z. B. die Zellen der Volvocinen*
Gattung Pandorina, ohne dass wir im Stande waren, einen
bestimmten Unterschied zwischen ihnen festzustellen, bei Yolvoz
Seither ist dieser Tersuch, wenn auch in umgekehrtem Sinn, ans-
geiiUirt worden; nftmlich Befruchtung eines kOnsÜich sdnes Keroes be*
raubten Eies durch zwei Spermakorne. Vergl. Aufsatz XII. W. 1892.
2) Ich citire nach Falkenberg in Schenk's Handbuch der Botanik
Bd. II, p. 219, wo es dann weiter l'^'i'^'r: „Es sind dies die einzigen
bisher bekaunteu Beispiele, dass aiistreh]»iuchen mannliclie SexuaUcllen,
welche den BefruchtUDgspiocess nicht haben austuhieu könueui sich als
fortbÜdungsfähig erweisen." Aeasserlich tmterscbeiden sich abrigens
die beiderlei Keimzellen noch nicht, wohl aber dadurch, dass die weib-
liehen sich festseiaen und die eine Geissei einziehen, während die mänU'
liehen fortgesetzt umherschwännen. Aber auch die.-er (.rad der Differen-
zirung verlangt schon die Annahme einer inneren, molekularen Ver-
schiedenheit.
Digiiizca by Liu^.' .
— 112 -
aber werden gro6Be Eizellen und winzige Zoospermien gebildet
Wenn wir nun annehmen müssen, dass die Conjugation zweier
TöUig gleichen Infusorien denselben physiologischen Erfolg hat,
wie die Vereinigung zw^er GeschlechtssEellen höherer Thiere
oder Pflanzen, so werden wir der Annahme nicht entgehen
können» dasz das Wesentliehe des Yoigangs sdion in jenen
Töllig gleichen Infusorien gegeben war, dass also die Unter-
schiede, welche bei Pandorina Tielleidit schon angedeutet, bei
Volvox und bd allen höheren Thieren und Pflanzen sdiarf
ausgesprochen vorhanden sind, nicht das Wesen des Vorgangs
betrefl^n, sondern von secundArer Bedeutung sind. Fasst man
vollends die ausserordentlich verschiedenartige Ausbildung der
beiderlei Geschlechtszellen nach Grösse^ Gestalt, Hollen, Be-
weglichkeit und sdiliesslicfa nach ihrem nnmoiBclien Auftreten
ins Auge, so bleibt gar kein Zweifel, dass wir es hier ledig-
lich mit Einrichtungen zu thun haben, die das Zusammentreffen
der beiderlei Copulationszellon sicheni sollen, Anpassungen
der Art aa die bestimmten Bedingimgen, unter weidieii bei
ihr die Befruchtung sich vollziehen muss.
NACHSCHRIFT.
Da es zur UeurtheiluHg der in dieser Schrift dargeitiiteii
Ansichten von Bedeutung ist, zu wissen, ob bei Eiern, welche
sich parthenogenetisch entwickeln, ein Richtungskorperchen
ausgestossen wird, oder nicht, so möchte ich hier noch kurz
mittheilen, dass es mir neuerdings gelungen ist, die Bildung
eines Richtunfrskin pt i rlieiis von deutlich zelligem Bau bei den
Sommereiern Daphuid^'ii nachzuweisen, (jeuauere An-
gaben darüber sulleu an einem andern Ort nachfolgen.
22. Juni 1885.
Der Terfiisser.
Pierw'aehe Hofbuohdruekerei. StophAU G«tb»l Co. in Alt«obuq(.
Verlag ron Gustav Fischer In Jena.
TTüf QpflPt^ ^^^^^t ^- ^' Professor der Zoologie an der deatschen Carl-
) Ferdiiiauds- Universität io Prag, Lelirbach der ZoolOg ie.
Bin« morphologiseh« U«bwsicht im Tlii«rr^liB mt Jüuführang iu da» ätudium diaaw
Wisiteuschart. Erste bb dritte Li«fiMniBg. Mü 407 AliblUiiiis«» im Taxt IftM/ll.
Preis: 8 M. 60 PI. '
TT^ x » Ä». OlMT» 0. 8. PkOfcBSor d«r AaAtmnf« und Direktor des II. an»to-
XltSriYVlg) »Ischen iDstitQtes ao der Universität Berlin, Die SyillbiOSe odCF
das CtaosseiiselutfiBlelien im Tterreich. Vortrtf in der «rtteai dfibst*
liehen Sitzung der 5- VerattnmUin'^' deutscher Naturforsclier und Aerztc zu Freibor^j i U.
am 18. September 1888 gehalten. Mit 1 Tafel in Farbeodruclc Preis 1 M. 80 Pf.
■ Lehrbach der £ntwleklungsgei€hlehte des Mensehen and
der Wirbeitblere. Dritte theilweise amgcu-beiteta Aafliig«. MU 8S0 Abbil-
dungen im Texte und 2 liüiograpblsehen Tafeln. 1890. Pretot brotebiit tl Kftrfc, in
Cailico gebunden 12 Mark,
TToi^vxno* ^* ^'<^*Mor der Zoologie und vergleichenden Anfttonl«
Xl^riWl^^ ,io der Universität München, LehrbttCh dW 2toolOgle> lltt56S
AbbUdnogen in Text. Preis: broscliiert 10 Marie, gebiuuteu 11 Harb.
£.Öllik6r ^* Geheimrat, Professor, Der Jetzige StsTid dcr luorpho-
' loff tschen Discipliiie ii mit 13ezug auf allgem. Kratzen Rede, ge-
halten bei Eröti'aung der i. VersummluDg der Anatom. Gesellscbaft zu Leipzig am
14. April 1887. Preis : 60 Pf.
l^nrfir^KlAli' ^* ""'^ H«ider, -Dr. K., Privatdocenteu au der Universität Lieuin,
ji.Ui»t»ut;ii<^ Lehrbuch der Tergleichenden Entwickln hl^si;c-
schichte der wirbellosen Tliiere. Erste uud zweite Lieierung. i\iit 540
AbbiidaDgen im Text. Preis: 80 Mark.
Die dritte Liefernng wird im Herbste 1898 «selieiDeD.
Lang
Dr. Arnold, Professor der Zoologie an der Universität ZQricb. LehrbttCh
7 der Tcrglelchcndeu Anatomie. Zum (Jebraiuhe hei vcrgleichend-
anatomi:ici)en und zoolOKischen Vorlesungen. Neunte gänzlich umgearbeitete AuÜage
von Eduard Oscar Schmidt'« Handbach der Tergleicheadeti Anatomie. 1. Abiheilug
mit 191 Abbild-jri'/eii. — 2. Abtheilutif; mit 193 Abbildungen. Heide Abtheilungea III*
saniiuKn iü .'^Luu 50 Pf. Dm dritte Abtheilung erscheint im iieptember 1892.
— Ueber den JSlnflnss der festsitgenden Lebensweise aiif dto
Thlcre und über den Ursprung der ungescbleebtiicbea Fortpflananog doreh TbeUnng
und ÜDOspuBg. Prei»: 8 Mark.
— Mittel uiul ITeiJje phyloireiietlscher Frlieiiiitins. Erste 8fldilUdie
Hede, geliiiUen aiu '27. Miii 1^87 in der Aula der Universität Jena, entspr. den Be>
Stimmungen der Paul von Bitter'scheu Stiftung für phylogenetische Zoologie. Preis:
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Darwin. Uemeiuver«täudlicher Vorirag. Preis: 60 Pf.
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